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Neues  Archiv 


der 


Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschiclitskunde 


Beförderung  einer  Gesammtausgabe 
der  Quellenschriften  deutscher  Geschichten  des  Mittelalters. 


Zwanzigster  Band. 


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Hannover  und  Leipzig. 

Hahn' sehe    Buchhandlung. 
1895. 


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2 


Hannover,    Druck  von  Friedrich  Culemann. 


Inhalt. 

Seite 

I.  Bericht  über  die  zwanzigste  Plenarversammlung  der 
Centraldirection  der  Monumenta  Germaniae  Berlin 
1894 1-8 

II.     Ueber  die  karolingischen  Reicbsannalen  von  741 — 829 

und  ihre  Umarbeitung.     Von  F.  Kurze      .     .     .     .        9 — 49 

III.  Die    sagenhafte    sächsische    Kaiserchronik    aus    dem 

12.  Jahrhundert.     Von  Ernst  Bernheim     .     .     .       51—123 

IV.  Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.     Von 
Harry  Bresslau 125 — 176 

V.     Beiträge  zu  den   Regesten  der  staufischen   Periode. 

Von  Paul  Scheffer-Boichorst 177—205 

VI.     Miscellen  : 

Die  grosse  Briefhandschrift  zu  Hannover.     Von 

P.  Willibald  Hauthaler  0.  S.  B.      .     .     209—220 

Zu    Otto    von    Hammerstein.      Von    Hans    F. 

Helmolt 221—222 

Ein  Brief  des  Bischofs  "Wazo  von  Lüttich.    Von 

W.  Wattenbach 223—224 

Ein  Diplom  und  ein  Placitum  Heinrichs  V.    Mit- 

getheüt  von  H.  Bresslau 225 — 230 

Zu  Petrus  von  Riga.     Von  Ernst  Dümmler  231—232 

Ein  Brief  Hadrians  V.  Mitgetheilt  von  A.  C  h  r  o  u  s  t  233—234 

Zwei   Briefe    Gregors    XH.   an    den  Pfalzgrafen 

Ludwig  vom  Rhein.  Mitgetheilt  von  J.  Loserth     235—236 

Nachrichten 237—259 


VI  Inhalt. 

Seite 

VII.     Die   Epistolae   Viennenses   und   die    älteste  Vienner 
Chronik.    Eine  Entgegnung.   Von  W  i  1  h  e  1  m  G  u  n  d  - 

lach 261-287 

VIII.     Zu   den   Acten    der   Triburer   Synode   895.     Zweite 

Abhandlung.     Von  Emil  Se ekel 289—353 

IX.     Nachträge    zu   dem   zweiten   Bande   der    Diplomata- 

Ausgabe.     Von  Wilhelm  Erben     .     .     .     .     .     .     355—371 

X.     Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.    Von 

Oswald  Holder-Egger 373—421 

XI.  Reise  nach  Holland,  Belgien,  Nordfrankreich  und 
dem  Niederrhein  im  Sommer  1894.  Von  Jakob 
Schwalm 423—433 

XII.     Miscellen : 

Zum      Martyrologium     Hieronymianum.        Von 

Bruno  Krusch 437—440 

Zu   Onulfs   von  Speier  Rhetorici   colores.     Von 

M.  Manitius 441-443 

Zu  Pseudo-Udalricus'  'De  Continentia  Clericorum1 

und   zu    Bruno's   von   Segni   'De    Symoniacis'. 

Von  J.  Loserth    .- 444—449 

Noch   einmal   die   kurzen    Venezianer    Annalen. 

Von  H.  Simonsfeld 450—458 

Eine   ungedruckte  Urkunde  Friedrichs   II.  über 

Borgo    S.    Donnino,    zugleich    als    Quelle    des 

Fälschers  Egidio  Bossi.    Von  Paul  Scheffer- 

Boichorst 459—465 

Zur  Kritik  Veronesischer  Geschichtsquellen.  Von 

Gustav  Sommerfeldt 466—480 

Nachrichten 481—508 

XIII.  Beimser  Bemigius  -  Fälschungen.    Von  Br.  Krusch     509 — 568 

XIV.  Studien    zu    Thüringischen    Geschichtsquellen.       IL 

Von  Oswald  Holder-Egger 569—637 

XV.     Miscellen : 

Epitaphien  und  Epigramme  des  XII.  Jahrhun- 
derts.    Mitgetheilt  von  J.  Werner  .     .     .     .     641—653 

Eine  Appellation  Albenga's   an    den  Kaiser  von 

1226.     Von  G.  Caro 654—656 


Inhalt.  VII 

Seite 

Zu  den  Regesten  Karls  IV.    Von  Jos.  Becker  657—660 

Matthaeus  G-rabow.     Von  W.  Watte nb ach    .  661—663 

Nachrichten 664—683 

Nachträge 683—684 

Register 685—693 

Gesammtregister  von  Band  XI — XX  nach  den  Ver- 
fassern und  nach  dem  Inhalte  der  Abhandlungen. 

Von  Hermann  Bloch  und  Martin  Meyer  695—717 


I. 

Bericht 

über  die 

zwanzigste  Plenarversammlung 

itraldirection 

der 

Monumenta   Germaniae 
Berlin  1894. 


Siiri   A::;:v    r-.:       XX. 


Die  20.  Plenarversammlung  der  Centraldirection  der 
Monumenta  Gertnaniae  historica  wurde  in  diesem  Jahre  in 
den  Tagen  vom  5.  bis  7.  April  in  Berlin  abgehalten.  Durch 
Krankheit  oder  Reisen  wurden  an  der  Theilnahme  ver- 
hindert Herr  Prof.  Bresslau  in  Strassburg,  Herr  Geh. 
Hofrath  von  Rockin  g  er  in  München  und  Herr  Prof. 
Scheffer-Boichorst  in  Berlin.  Anwesend  waren  Herr 
Geheimerath  Brunner  und  Du  mm  ler,  Herr  Geheim  e- 
rath  von  Hegel  aus  Erlangen,  Herr  Prof.  Holder- 
Eg-o-er,  Herr  Hofrath  Maassen  und  Herr  Prof.  Mühl- 
b  ach  er  aus  Wien,  Herr  Prof.  Moni  rasen,  Herr  Geh. 
Ober-Regierungsrath  von  Sybel,  Herr  Geheimerath 
Wattenbach  und  als  neues  Mitglied  Herr  Prof.  Wei- 
land aus  Göttingen.  Herr  Hofrath  von  Sickel  in  Rom 
ist  aus  der  Centraldirection  ausgeschieden. 

Im  Laufe  des  Jahres  1893/94  erschienen 

in  der  Abtheilung  Auetores  antiquissimi : 

1)  Cassiodori  Senatoris  Variae  ed.  Mommsen. 
Accedunt  I.  Epistolae  Theodoricianae  variae. 
II.  Acta  synodorum  habitarum  Romae  499.  501. 
502.  III.  Cassiodori  orationum  ed.  Traube 
(=  A.  a.  XII); 

in  der  Abtheilung  Scriptores : 

2)  Lamperti  Hersfeldensis  opera  recogn.  Holder- 
Egger.  Acced.  Annal.  Weissenburg.  als  Hand- 
ausgabe in  8°; 

in  der  Abtheilung  Leges : 

3)  Capitularia  regum  Erancorum  t.  II,  2  ed. 
Krause. 

4)  Constitutiones  et  acta  publica  imperatorum  et 
regum  ed.  Weiland  t.  I; 

in  der  Abtheilung  Diplomata: 

5)  Die  Urkunden  der  Deutschen  Könige  und  Kaiser 
II,  2.  Die  Urkunden  Otto  des  Dritten,  heraus- 
gegeben von  Sickel; 

1* 


4       Bericht  über  die  zwanzigste  Plenarversainmlung   1894. 

in  der  Abtheilung  Epistolae: 

6)  Epistolae  t.  II,  1  Gregorii  I.  Kegistri  1.  VIII— IX 
ed.  Lud.  Hartmann; 

7)  von  dem  Neuen  Archiv  der  Gesellschaft  Bd.  XIX, 
herausgegeben  von  Bresslau. 

Unter  der  Presse  befinden  sich  ein  Folioband,  7  Quart- 
bände,  2  Octavbände. 

In  der  Sammlung  der  Auetores  antiquissimi  ist  durch 
das  Erscheinen  der  Variae  Cassiodors  (mit  dem  von  Traube 
verfassten  index  verborum)  eine  der  seit  langen  Jahren  am 
schmerzlichsten  empfundenen  Lücken  ausgefüllt  worden. 
Der  2.  Band  der  kleinen  Chroniken,  zu  dessen  Vollendung 
nur  noch  wenige  Bogen  fehlen,  bringt  in  seiner  zweiten 
Hälfte  die  schwierigen  Chroniken  Isidors  von  Sevilla,  der 
dritte  dagegen,  dessen  Druck  ebenfalls  bereits  begonnen 
hat,  führt  uns  mit  Gildas,  Nennius  und  Beda  nach  Britan- 
nien hinüber  und  wird  voraussichtlich  diese  Reihe  ab- 
schliessen. 

In  der  Abtheilung  Scriptores  hat  Herr  Archivar 
Krusch  die  vormerowingischen  Heiligenleben  und  Pas- 
sionen, sowie  einen  Theil  der  merowingischen  insoweit  vor- 
bereitet, dass  der  Druck  des  ersten  dieser  beiden  Bände 
im  nächsten  Herbst  anheben  kann.  Wenn  auch  genauere 
Prüfung  der  handschriftlichen  Grundlagen  den  fast  durch- 
weg jüngeren,  karolingischen  Ursprung  dieser  angeblich 
zeitgenössischen  Quellen  herausgestellt  hat,  so  darf  dennoch 
dies  zum  guten  Theile  negative  Ergebnis  als  ein  namhafter 
Gewinn  für  die  Wissenschaft  betrachtet  werden.  Für  die 
Bereitwilligkeit,  mit  welcher  uns  besonders  für  diese  Ab- 
theilung Handschriften  französischer  Bibliotheken  anver- 
traut wurden,  sind  wir  der  französischen  Regierung,  sowie 
Herrn  Delisle  zu  wärmstem  Danke  verpflichtet. 

Für  den  3.  Band  der  Schriften  zum  Investiturstreit 
sind  einige  weitere  Vorarbeiten  ausgeführt  worden,  und 
namentlich  hat  Herr  Dr.  Dieterich  für  zwei  Werke  des 
sogen.  Honorius  von  Autun  die  Hss.  von  München,  Melk, 
Kremsmünster  und  Lüttich  verglichen.  Der  30.  Folioband, 
von  Herrn  Prof.  Holder-Egger  herausgegeben  und  Er- 
gänzungen für  das  staufische  Zeitalter  enthaltend,  hat 
längere  Zeit  geruht,  ist  aber  jetzt  wieder  in  Fluss  ge- 
kommen und  wird  ausser  den  grossen  thüringischen  Chro- 
niken des  13.  Jahrh.  u.  a.  namentlich  auch  die  neu  ent- 
deckte Vita  Paulinae  Sigeboto's  und  bisher  unbekannte 
Annalen  von  St.  Afra  und   Ulrich    in  Augsburg   nebst   an- 


Bericht  über  die  zwanzigste  Plenarversammlung   1894.       5 

deren  Nachträgen  bringen.  Daneben  sind  die  Vorbereitun- 
gen für  den  31.  im  Quartformat  zu  veröffentlichenden  Band 
italienischer  Chroniken  des  13.  Jahrh.  fortgesetzt  worden, 
und  Herr  Dr.  Simonsfeld  in  München  hat  dafür  die 
Chroniken  von  Faenza  des  Tolosanus  und  Petrus  Canti- 
nelli  grossentheils  vollendet.  Von  den  Handausgaben 
werden  die  Annales  Einhardi  und  Laurissenses,  bearbeitet 
von  Dr.  Kurze,  im  nächsten  Winter  unter  die  Presse 
kommen,  vollendet  ist  dagegen  durch  Herrn  Prof.  Ho ld er- 
Egge r  die  neue  Sonderausgabe  von  Lamperti  Hersfeld, 
opera,  die  mit  den  Annalen  nicht  nur  die  V.  Lulli  und  die 
Auszüge  aus  der  Hersfelder  Klostergeschichte,  sowie  die 
verwandten  Weissenburger  Annalen  verbindet,  sondern 
auch  die  umfassendsten  Nachweisungen  über  den  Sprach- 
gebrauch Lamperts  und  seine  Anlehnungen  bietet.  Die 
weiteren  auf  ihn  bezüglichen  Fragen  sind  im  Neuen  Archiv 
ausführlich  erörtert  worden.  Für  eine  spätere  Handaus- 
gabe der  Erfurter  Annalen  wurde  ebenfalls  vorgearbeitet, 
wie   nicht    minder   für   das  sogen.  Chronic.  Ottenburanum. 

Um  die  Förderung  dieser  Arbeiten  machten  sich  ausser 
vielen  Bibliotheksvorständen  namentlich  noch  die  HH. 
Bloch  in  Strassburg,  P.  Czerni  in  St.  Florian,  von 
Heinemann  in  Wolfenbüttel,  Dr.  Rud.  Schachin g er 
in  Melk,  P.  Hugo  Schmidt  in  Kremsmünster,  Simons- 
feld in  München,  Vehrt  in  Bamberg  durch  mancherlei 
schätzbare  Nachweisungen  verdient. 

Für  den  1.  Band  der  Deutschen  Chroniken  ist  schon 
längst  eine  Ergänzung  im  Werke,  die  in  diesem  Sommer 
endlich  zum  Drucke  gelangen  soll,  bestehend  aus  dem 
Annoliede,  welches  Herr  Prof.  Eödiger  herausgiebt,  und 
der  Silvesterlegende,  die  Herr  Dr.  Kraus  in  Wien  über- 
nommen hat.  Enikels  Fürstenbuch,  von  Herrn  Prof. 
Strauch  in  Halle  bearbeitet,  wird  im  Spätherbst  druck- 
fertig sein  und  mit  dem  Landbuch  und  den  Registern  den 
3.  Band  abschliessen.  Herr  Prof.  Seemüller  in  Inns- 
bruck, der  verdiente  Herausgeber  Ottokars,  hat  seit  kurzem 
sich  der  Aufgabe  gewidmet,  einen  weiteren  Band  mit  öster- 
reichischen und  bairischen  Chroniken  des  13.  und  14.  Jahrh. 
herzustellen.  Eine  Reise  nach  Wien  und  München  in  diesen 
Osterferien,  der  sich  im  Herbst  eine  zweite  anschliessen 
soll,  diente  zur  vorläufigen  Sichtung  des  aufzunehmenden, 
noch  wenig  geordneten  Stoffes,  der  ein  sehr  reichhaltiger 
zu  werden  verspricht.  Als  Ergänzung  zu  den  Chroniken, 
aber  als  selbständige  Sammlung,  wird  ferner  eine  Ausgabe 
der  politischen  Sprüche   und  Lieder   in   deutscher  Sprache 


6       Bericht  über  die  zwanzigste  Plenarversammlung   1894. 

bis  1500  geplant,  die  in  umfassender  Weise  Herr  Prof. 
Röthe  in  Göttinnen  mit  dem  Beistande  des  Herrn  Dr. 
Heinr.  Mejer  zu  veranstalten  gedenkt. 

In  der  Abtheihmg  der  Leges  ist  die  Handausgabe 
der  Leges  Visigothornm,  die  der  grösseren  zur  Grundlage 
dienen  soll,  soeben  vollendet  worden,  und  für  diese  werden 
sieb  nun  weitere  handschriftliche  Studien,  zumal  in  Paris, 
anschliessen.  Von  dem  durch  Herrn  Dr.  Krause  bearbei- 
teten zweiten  Bande  der  Capitularien  ist  das  2.  Heft  er- 
schienen, das  den  eigentlichen  Text  zu  Ende  führt,  ge- 
druckt sind  auch  bereits  die  Anhänge,  Walahfrids  Büch- 
lein de  exordiis  et  incrementis  rerum  ecclesiasticarum  und 
Hincmar  de  ordine  palatii,  doch  wird  das  Schlussheft,  da 
es  ausserdem  das  Eegister  für  beide  Bände  und  die  um- 
fängliche Einleitung  enthalten  soll,  vor  nächstem  Winter 
nicht  zur  Vollendung  kommen  können.  Hincmars  kleine, 
aber  sehr  wichtige  Schrift  wird  auch  in  einer  Sonderaus- 
gabe erscheinen. 

Von  den  Reichsgesetzen  seit  dem  Ende  der  Karo- 
linger hat  Herr  Prof.  Weiland  den  ersten  stattlichen 
Band  veröffentlicht,  der  von  Konrad  I.  bis  auf  Hein- 
rich VII.  (1197)  herabreicht.  Wie  der  Doppeltitel  dessel- 
ben andeutet,  ist  nach  dem  Vorbilde  von  Pertz  der  dürf- 
tige Stoff  der  Gesetze  vielfach  durch  andere,  namentlich 
urkundliche,  Aufzeichnungen  ergänzt  worden  und  haben 
besonders  auch  die  Synoden  eine  noch  eingehendere  Be- 
rücksichtigung erfahren.  An  dem  zweiten  Bande,  der  bis 
1273  reichen  soll,  wird  bereits  eifrig  gedruckt,  und  für  die 
folgenden  bis  zur  goldenen  Bulle  wird  durch  Herrn  Dr. 
S  c  h  w  a  1  m  vorgearbeitet,  der  das  weit  zerstreute  Material 
auf  zwei  Reisen  zu  vervollständigen  gedenkt.  Die  als  Vor- 
arbeit für  eine  künftige  Ausgabe  bestimmten  Regesten  der 
Gerichtsurkunden  sind  durch  Herrn  Dr.  Hiibner  in  einem 
zweiten  Hefte  zu  Ende  geführt. 

Von  den  Urkunden  des  sächsischen  Kaiserhauses  ist 
endlich  die  lange  ersehnte  zweite  Abtheilung  des  zweiten 
Bandes,  die  Urkunden  Ottos  III.  nebst  beachtenswerthen 
Nachträgen  für  seine  beiden  Vorgänger  und  den  Registern, 
ausgegeben  worden.  Herr  Hofrath  von  Sickel,  durch 
seine  Uebersiedelung  nach  Rom  in  dieser  Arbeit,  bei  wel- 
cher ihm  die  HH.  Erben  und  Tan  gl  Hülfe  leisteten, 
vielfach  gehemmt,  hat  damit  seiner  langjährigen  Thätig- 
keit  für  die  Monumenta  Germaniae  einen  rühmlichen  Ab- 
schluss  gegeben  und  für  eine  ihrer  wichtigsten  Abtheiiun- 
gen   festen   Grund   gelegt.     Sein   unmittelbarer   Eortsetzer 


Bericht  über  die  zwanzigste  Plenarversammlung  1894.       7 

Herr  Prof.  Bresslau,  unterstützt  durch  Herrn  Dr.  Bloch, 
beabsichtigt  im  nächsten  Herbst  mit  dem  Drucke  der  Ur- 
kunden Heinrichs  IL  (und  Arduins)  sich  anzuschliessen, 
für  welche  ein  eigner  Band  vorgesehen  ist.  Ausser  den 
vielen  aus  deutschen  Archiven  nach  Strassburg  entsandten 
Diplomen,  deren  Benutzung  Herr  Archivdirector  Wie- 
gand  nach  Möglichkeit  erleichterte,  suchte  der  Heraus- 
geber andere  an  ihren  Fundstätten  bis  nach  Nordfrank- 
reich, Oberitalien  und  Oesterreich  auf  wiederholten  Reisen 
auf.  Besonders  gefällig  erwiesen  sich  ihm  neben  vielen 
anderen  Förderern  unserer  Arbeiten  Herr  P.  Wilibald 
Hauthaler  in  Salzburg,  Herr  Leitschuh  in  Bamberg, 
Herr  Könnecke  in  Marburg  und  die  fürstl.  Leiningen'sche 
Generalverwaltung  in  Amorbach. 

Nicht  minder  emsig  ist  an  der  erst  später  in  Angriff 
genommenen  Abtheilung  der  Karolingerurkunden  fortgear- 
beitet worden.  Während  Herr  Prof.  Mühlbacher  in  Wien 
mit  dem  Beistande  des  Herrn  Dr.  Tangl  das  deutsche 
Material,  welches  ihm  zu  einem  sehr  grossen  Theile  zuge- 
sandt wurde,  für  die  Ausgabe  durcharbeitete  und  überdies 
die  Regesten  der  italienischen  Karolinger  vorbereitete,  be- 
fand sich  sein  Mitarbeiter  Dr.  Dopsch  seit  Anfang  De- 
cember  in  Frankreich,  wo  er  bei  systematischer  Durch- 
musterung der  grossen  handschriftlichen  Urkundensamm- 
lungen des  16.  bis  18.  Jahrh.  auf  der  Nationalbibliothek 
schon  eine  Reihe  glücklicher  Funde  gemacht  hat.  Ausser- 
dem sind  von  ihm  Nancy  und  Chaumont  besucht  worden. 
Die  Fortsetzung  der  Arbeiten  in  Paris,  die  von  den  HH. 
Delisle,  H.  Omont  und  A.  Giry  in  liebenswürdigster 
Weise  gefördert  wurden,  sowie  der  Besuch  der  Archive 
der  Departements  wird  sicher  noch  Monate  erfordern.  Was 
in  Deutschland  unversendbar  war,  gedenkt  Herr  Prof. 
Mühlbacher  selbst  auf  einer  Reise  nach  dem  Westen 
zu  erledigen.  Die  Frage,  ob  und  inwieweit  die  Urkunden 
der  westfränkischen  Karolinger  von  840  an  einbegriffen 
werden  sollen,  darf  in  Erwartung  der  in  Frankreich  ge- 
planten Ausgabe  derselben  vorläufig  unentschieden  bleiben. 

In  der  Abtheilung  Epistolae  führte  Herr  Dr.  Hart- 
mann den  Druck  des  Registrum  Gregorii  weiter,  so  dass 
das  achte  und  neunte  Buch  als  erstes  Heft  des  zweiten 
Bandes  ausgegeben  werden  konnte.  Bei  ununterbrochener 
Fortsetzung  der  Arbeit  darf  man  das  Ende  für  nächsten 
Winter  erhoffen.  Inzwischen  hat  seit  dem  Herbst  auch 
der  Druck  des  vierten  Bandes  der  Epistolae  angefangen, 
welcher  der  Zeit  Karls  des  Grossen   gewidmet   ist   und  zu 


8       Bericht  über  die  zwanzigste  Pleuarversauimluiig   1894. 

zwei  Dritteln  durch  Alchvin  ausgefüllt  wird.  Er  wird 
sicher  im  Jahre  1895  erscheinen.  Der  durch  die  Ver- 
setzung- des  Herausgebers,  des  Herrn  Prof.  Rodenberg, 
nach  Kiel  zeitweise  unterbrochene,  sehr  inhaltreiche  dritte 
und  letzte  Band  der  Regesta  pontificum  saec.  XIII.  ist  im 
Texte  fertig  gedruckt  und  kann  in  wenigen  Wochen  her- 
vortreten. Die  dazu  gehörigen  Register  werden  dem  neuen 
Mitarbeiter,  Herrn  Dr.  Harnpe,  verdankt. 

In  der  Abtheilung  Antiquitates  hat  Herr  Prof.  Herz- 
berg-Fränkel,  ebenfalls  durch  seine  Berufung  nach 
Czernowitz  längere  Zeit  in  der  Arbeit  gestört,  nunmehr 
wieder  Hand  an  das  noch  fehlende  Register  des  zweiten 
Bandes  der  Necrologia  Germaniae  gelegt  und  für  das  Ende 
des  Jahres  den  Wiederbeginn  des  Druckes  verheissen.  Von 
dem  dritten  Bande  der  Poetae  Carolini  wird  durch  Herrn 
Dr.  Traube,  mit  Beihülfe  des  Herrn  Dr.  Neff  in  Mün- 
chen, ein  letztes  Heft  vorbereitet,  für  welches  Iohannes 
Scotus  und  Milo  von  St.  Amand  bestimmt  sind  nebst  eini- 
gen Nachträgen  zu  den  früheren  und  dem  Register.  Ein 
vierter  Band  soll  endlich  den  so  überaus  reichen  Stoff  der 
karolingischen  Zeit  erschöpfen.  Das  Neue  Archiv  ist  in 
etwas  gefälligerer  Ausstattung  bis  zum  19.  Bande  fortge- 
schritten. 

Einzelne  Vergleichungen  oder  Abschriften  wurden  uns 
in  dem  vergangenen  Arbeitsjahre  freundlichst  besorgt  (so- 
weit nicht  schon  oben  davon  die  Rede  war)  von  den  HH. 
Pastor  F 1  i  e  d  n  e  r  in  Madrid ,  H  a  r  1  e  s  s  in  Düsseldorf, 
Harmer  in  Cambridge,  Hartmann  in  Wien,  Jeayes 
in  London,  Lampel  in  Wien,  Lebegue  in  Paris,  P.  G. 
Meier  in  Einsiedeln,  A.  Molinier  in  Paris,  E.  Ouver- 
leaux  in  Brüssel,  R.  Priebsch  in  London,  Schellhass 
und  Starzer  in  Rom,  E.  M.  Thompson  in  London, 
Traube  in  München,  Tschiedel  in  Rom,  Warner  in 
London,  H.  Wart  mann  in  St.  Gallen.  Allen  sei  unser 
wärmster  Dank  hiermit  ausgesprochen,  nicht  minder  den 
zahlreichen  Archiv-  und  Bibliotheksvorständen,  die  uns 
ihre  Sehätze  zu  bequemerer  Benutzung  und  zu  wahrer  För- 
derung der  Wissenschaft  zeitweise  anvertrauten. 


IL 
Ueber 

die  karolingischen  Reichsannalen 

von  741—829 


und  ihre  Ueberarbeitung. 


II.    Quellen  und  Verfasser  des  ersten  Tlieiles. 


Von 


F.  Kurze. 


Hjine  kritische  Untersuchung  der  karolingischen  Reichs- 
annalen  und  ihrer  Quellen  kann  nicht  umhin,  das  Gebiet 
der  gesammten  karolingischen  Annalistik  in  den  Kreis  ihrer 
Betrachtung  zu  ziehen.  Bei  der  Ausdehnung  der  einschlä- 
gigen Litteratur  ist  es  mir  unmöglich,  jede  abweichende 
Meinung  zu  bekämpfen;  doch  bin  ich  wenigstens  bestrebt, 
jedesmal  anzugeben,  wie  viel  von  dem,  was  ich  als  richtig 
annehme,  schon  von  andern  gefunden  ist. 

1.    Die  karolingischen  Annalen  Ms  zum  Erscheinen 
der  Laurissenses  \ 

Die  noch  nicht  von  den  Ann.  Lauriss.  beeinflussten 
Annalen  scheiden  sich  in  drei  Hauptgruppen:  die  Gruppe 
der  Annales  S.  Amandi  und  ihrer  Verwandten2  (be- 
sonders Tiliani  bis  737  und  Laubacenses  bis  791),  die  Ab- 
leitungen der  alten  Lorscher  Jahrbücher  (in  erster 
Linie  Ann.  Mosellani 3  und  Laureshamenses 4)  und  die  der 
alten  Murbacher  Annalen  (namentlich  Alamannici, 
Guelferbytani  und  Nazariani5,  sowie  die  mit  den  Alam. 
eng  verwandten  Sangallenses  und  deren  Sippe ,J).  Unter 
den  Annalen,  welche  eine  Mittelstellung  einnehmen,  sind 
besonders  die  Petaviani  '  hervorzuheben,  deren  erster  Theil 
augenscheinlich  aus  den  Quellen  der  beiden  ersten  Gruppen 
kompiliert  ist. 

Das  wichtigste  Glied  der  ersten  Gruppe  sind  die 
Annales  S.  Amandi  691 — 810,  deren  Name  wenigstens  auf 


1)  Ich  sehe  mich  in  diesem  Abschnitt  genöthigt,  die  durch  die 
früheren  Ausgaben  in  allgemeinen  Gebrauch  gekommenen  Namen  ohne 
Einschränkung  beizubehalten,  obwohl  sie  fast  sämmtlich  unzutreffend  sind. 
Für  die  von  Pertz  sogenannten  Annales  Laurissenses  minores  gebrauche 
ich  jedoch  die  von  Waitz  eingeführte  richtigere  Bezeichnung  Chronicon 
Laurissense  und  kann  daher  aus  dem  herkömmlichen  Namen  der  Reiehs- 
annalen  den  Zusatz  'maiores'  fortlassen.  2)  MG.  SS.  I,  6 — 14.  3)  SS. 
XVI,  491—499.  4)  SS.  I,  22—39;  Jahresbericht  des  Stifts  St.  Paul  in 
Kärnten  1S89.  5)  SS.  I,  22-31  und  40— 4S.  6)  SS.  I,  64—86; 

Sanctgaller  Mittheil.  XIX,  265—323.  7)   SS.   I,  7—13  und  16—18; 

A.  Mai,  Spicil.  Rom.  VE,  181—190. 


12  F.   Kurze. 

ihren  letzten  Theil  passt,  da  sie  bei  den  Jahren  783  und 
809  Beziehungen  zu  dem  Kloster  St.  Ainand  im  Henneg'au 
aufweisen.  Bis  791  stimmen  die  Ann.  Laubacenses  mit 
ihnen  zu  einem  grossen  Theile  wörtlich  überein ;  da  sie  aber 
die  Lokalnachricht  zu  783  nicht  enthalten,  so  ist  schon 
nicht  mehr  mit  Bestimmtheit  zu  sagen,  ob  die  älteren  An- 
nalen  bis  791  in  St.  Ainand  verfasst  oder  dort  nur  um 
einen  Zusatz  zu  783  bereichert  und  bis  810  fortgeführt 
worden  sind.  Innerhalb  dieser  Annalen  hat  Pertz  in  der 
Ausgabe  nach  dem  Jahre  768,  W.  Giesebrecht  aber  in 
seiner  noch  oft  zu  erwähnenden  Abhandlung  über  die 
fränkischen  Königsannalen  und  ihren  Ursprung1  (S.  226) 
nach  dem  Jahre  771  einen  Abschnitt  gemacht.  Bis  771 
gehen  die  sehr  dürftigen  Ann.  Sangallenses  Baluzii 2  und 
die  noch  dürftigeren  Ann.  S.  Columbae  Senonensis 3  (mit 
denen  die  Ann.  S.  Maximini  Treverensis i  bis  840  fast  gleich 
lauten)  mit  den  Ann.  S.  Amaudi  und  Laubacenses  zusam- 
men; aus  den  Ann.  Petaviani  aber  glaube  ich  schliessen 
zu  müssen,  dass  auch  das  Jahr  772  der  Ann.  Amandi  noch 
dem  älteren  Theile  derselben  zugehörte.  Denn  vergleicht 
man 
Ann.    S.    Am. :     lKarlus    rex    Ann.    Petav. :     'Domnus    rex 


Karolus    perrexit  in   Saxo- 

niain    et    conquisivit    Eris- 

burgo 

et  pervenit  ad  locum.   qui 

dicitur   Ermensul,    et   suc- 

cendit  ea  loca', 


bellum   habuit   contra   Sa- 

xones  in  Heresburgo', 
Ann.  Mos.-Lauresh. :  'Fuit  rex 

Karlus    hostiliter   in  Saxo- 

nia  et  destruxit  fanum  eo- 

ruin,    quod   vocatur  Irmin- 

sul', 

so  erscheinen  die  Ann.  Petav.  auch  hier  noch  als  Compi- 
lation  aus  den  beiden  bisher  benutzten  Quellen.  Hingegen 
lässt  sich  daraus,  dass  die  Uebereinstimmung  mit  den  An- 
nales Tiliani  nur  bis  737  reicht,  nicht  entnehmen,  dass  hier 
eine  noch  ältere  Quelle  geendet  habe,  da  der  Verfasser 
der  Tiliani  nur  darum  von  seiner  ersten  Vorlage  abgegan- 
gen zu  sein  scheint,  um  fortan  ausschliesslich  die  Lauris- 
senses  auszuschreiben''.  Wir  bekommen  demnach  einstweilen 
als  älteste  Quelle  dieser  Gruppe  Annalen  von  691 — 7  72 
von  ungewisser  Herkunft;  dieselben  weiter  in  ihre  Anfänge 
zu  verfolgen,  behalten  wir  uns  für  später  vor. 

Mit   grosser   Sicherheit   lassen   sich   aus   den  Annales 


1)  Münchener  historisches  Jahrbuch  1865,  187—238.  2)  SS.  I, 

63;    Sanctgaller  Mittheilungen  XIX,   224—265.  3)  SS.  I,  102—109. 

4)  SS.  IV,  6  f.         5)  Das  Gleiche  gilt  von  Regino. 


Ueber  die  karolingischen  Reichsannalen  von  741 — 829.      13 

Mosellani  und  Laureshamenses  die  verlorenen  Lorscher 
Jahrbücher  von  703 — 7  85  wiederherstellen;  denn  die 
beiden  Ableitungen  verhalten  sich  bis  dahin  fast  wie  zwei 
Abschriften  desselben  Werkes.  Dass  das  Kloster  Lorsch 
die  Heimath  ist,  ergiebt  sich  zweifellos  aus  den  Lokal- 
nachrichten zu  764.  765.  771.  775  und  784,  die  ja  auch 
der  zuerst  bekannt  gewordenen  Ableitung  den  Narnen  Ann. 
Laureshamenses  eingetragen  haben.  Aus  einer  Notiz  in 
den  Mosellani  zu  777,  welche  die  seit  dem  Tode  Gregors  I. 
bis  zu  diesem  Jahre  verflossene  Zeit  berechnet,  und  einer 
ganz  entsprechenden  in  den  Lauresh.  zu  785  gerade  an  der 
Stelle,  wo  die  Uebereinstimmung  mit  den  Mosellani  auf- 
hört, hat  W.  Giesebrecht  (S.  225  f.)  den  scharfsinnigen 
Schluss  gezogen,  das  durch  die  erste  das  Ende  des  un- 
selbständigen Theiles,  durch  die  zweite  aber  der  Abschluss 
einer  ersten  Recension  der  Lorscher  Annalen  bezeichnet 
werde.  Aus  dieser  ersten  Recension,  welche  bis  777  im 
Wesentlichen  nur  Abschrift  einer  älteren  Quelle  zu  sein 
scheint,  die  wegen  der  Nachrichten  zu  761.  762.  765.  766 
und  769  wohl  nur  in  Gorze  geschrieben  sein  kann,  sind 
die  Annales  Mosellani x  und  Flaviniacenses 2  bis  785  abge- 
leitet ;  die  zweite  Recension  dagegen,  in  welcher  die  Jahres- 
berechnung zu  785  den  Beginn  der  neuen  Fortsetzung  an- 
zeigt, liegt  uns  in  den  Ann.  Laureshamenses  vor  und  von 
769  an  in  dem  Fragmentum  Annalium  Chesnii3  des  Codex 
Vaticanus  Christ,  reg.  213. 

Ein  werthvolles  Hülfsmittel  zur  Wiederherstellung  des 
ältesten  Wortlautes  bilden  für  den  älteren  Theil  auch  die 
Ann.  Petaviani,  welche  aus  der  Quelle  der  Lorscher  An- 
nalen geschöpft  haben.  Dass  dies  letztere  wirklich  der 
Fall  ist  und  die  Petaviani  nicht  etwa  bloss  mit  Benutzung 
der  Lorscher  Jahrbücher  selbst  geschrieben  sind,  ergiebt 
sich  aus  einer  Stelle,  wo  die  Mosellani  und  Laureshamenses 
übereinstimmend  nur  eine  Verstümmelung  eines  in  den 
Petaviani  unversehrt  überlieferten  Textes  geben:  zu  717 
haben  die  Petaviani  'in  die  dominico,  die  XV.  ante  pascha', 
was  mit  der  Angabe  der  Ann.  Sangall.  Baluzii  ('XV  dies 
ante  pascha')  zu  vergleichen  ist  und  mit  dem  dort  über- 
lieferten Datum  'XII.  Kai.  Apr.'  stimmt,  während  die 
Mosellani  und  Laureshamenses  nur  'in  dominica  die  ante 
pascha'  haben. 

1)  Ueber  die  später  angehängte  Fortsetzung  derselben  von  7S8 — 798 
(mit  den  unrichtigen  Jahreszahlen  787 — 797)  werden  wir  späterhin  zu 
handeln  haben.  2)  SS.  III,  149—152;   vgl.  N.  A.  V,  4SI.  3)  Du 

Chesne  Script.  II,  21—23;  MG.  SS.  I,  30—34. 


14  F.  Kurze. 

Die  Gleichartigkeit  der  beiden  Notizen  zu  777  und 
785  scheint  mir  anzudeuten,  dass  die  zweite  Eecension  von 
demselben  Verfasser  herrührt  wie  die  erste.  Die  Annahme 
W.  Giesebrechts  (S.  226  f.),  dass  in  der  zweiten  Eecension 
erst  so  manche  für  Lorsch  bedeutsame  Notiz  hinzugefügt 
sei,  halte  ich  jedoch  für  unbegründet:  denn  es  braucht 
doch  nicht  alles,  was  in  den  Mosellani  fehlt,  auch  in  der 
von  ihnen  benutzten  Quelle  gefehlt  zu  haben,  und  warum 
sollte  der  Lorscher  Annalist  erst  bei  der  zweiten  Ausgabe 
seines  Werkes  eingefügt  haben,  was  ihm  bei  der  ersten 
um  acht  Jahre  näher  lag?  Es  ist  sogar  sehr  möglich,  da 
von  786  an  sich  keine  unmittelbaren  Beziehungen  zu  Lorsch 
selbst  mehr  finden,  dass  die  zweite  Eecension  gar  nicht  in 
Lorsch  verfasst  ist;  vielleicht  begann  der  Annalist  gerade 
darum  seine  Arbeit  von  neuem,  weil  er  das  Kloster  ver- 
liess  und  den  Originalcodex  nicht  mitnehmen  durfte.  Mög- 
licherweise wurde  er  in  die  Umgebung  eines  Bischofs  be- 
rufen, sei  es  nun  des  von  Worms,  das  von  787 — 790  drei- 
mal erwähnt  wird,  oder  Angilrams  von  Metz,  wie  Watten- 
bach (I6,  145)  vermuthet,  oder  auch  Eiculfs  von  Mainz.  In 
diesem  Falle  hätte  er  um  so  weniger  Veranlassung  gehabt, 
dem  älteren  Theile  seines  Werkes  auf  Lorsch  bezügliche 
Notizen  nachträglich  einzuflechten ;  vielmehr  müssten  dann 
alle  vorliegenden  Lorscher  Nachrichten  schon  in  der  ersten 
Eecension  gestanden  haben  und  nur  vom  Verfasser  der 
Mosellani,  der  ja  selbst  nicht  in  Lorsch  schrieb,  ausgelassen 
sein.  Doch  verkenne  ich  nicht,  dass  man  gerade  in  der 
dreimaligen  Erwähnung  von  Worms  weitere  Beziehungen 
zu  Lorsch  erblicken  kann;  als  Veranlassung  zum  Beginn 
einer  zweiten  Eecension  Hesse  sich  etwa  denken,  dass  das 
ältere  Exemplar  um  785  aus  dem  Kloster  weggegeben 
wurde.  Unter  dieser  Voraussetzung  lässt  sich  freilich 
schwer  entscheiden,  welche  von  den  in  den  Lauresh.  allein 
überlieferten  Nachrichten  der  ersten  und  welche  der  zweiten 
Eecension  zuzuweisen  sind.  Diese  Unterscheidung  hat  auch 
wenig  Werth. 

Die  Annales  Laureshamenses  enden  erst  beim  Jahre 
803.  Da  sie  offenbar  nicht  bis  zu  Ende  in  Lorsch  ge- 
schrieben sind,  so  hat  W.  Giesebrecht  (S.  227)  die  Ver- 
nruthung  ausgesprochen,  dass  der  letzte  Theil  in  der  Pfalz 
zu  Aachen  entstanden  sein  möchte;  als  Grenzjahr  nimmt 
er  793  an,  weil  in  dem  verlorenen  Lorscher  Codex  der 
Laurissenses x    diesen    ein   Stück   der   Laureshamenses    mit 


1)  Vgl.  den  ersten  Theil  dieser  Abhandlung  N.  A.  XIX,  S.  298,  A 1. 


Ueber  die  karolingischen  Reichsannalen  von  741 — 829.      15 

den  Jahren  789 — 793  angehängt  war.  Der  Abfassungs- 
ort ist  uns  zunächst  gleichgültig.  Mit  der  Theilung  beim 
Jahre  793  kann  ich  mich  aber  nicht  einverstanden  er- 
klären, da  das  Aufhören  des  verlorenen  Codex  bei  793  in 
irgend  welchen  Zufälligkeiten  seinen  Grund  haben  kann; 
wir  wissen  ja  gar  nicht  einmal,  ob  er  nicht  etwa  verstüm- 
melt war.  Nimmt  man  vollends  an,  dass  die  zweite  Recension 
der  Lorscher  Annalen,  von  der  die  Laureshamenses  abge- 
leitet sind,  schon  von  786  an  überhaupt  nicht  in  Lorsch 
geschrieben  war,  so  kann  man  um  so  weniger  dem  End- 
punkte eines  Lorscher  Codex  irgend  welche  Bedeutung  für 
die  Gliederung  dieser  Annalen  beimessen.  Auch  zeigen 
die  Jahre  791—793  ganz  dieselbe  in  ziemlich  langen  und 
wohlstilisierten  Perioden  dahinfliessende  Schreibweise  wie 
die  folgenden.  Wenn  man  also  die  Ann.  Lauresh.  nach 
786  irgendwo  theilen  will,  so  führt  die  Betrachtung  des 
Stiles  darauf,  schon  hinter  dem  Jahre  790  einen  Absatz 
anzunehmen. 

Eine  solche  Theilung  halte  ich  aber  mit  Giesebrecht 
für  nothwendig,  auch  unter  der  Voraussetzung,  dass  die 
Annalen  schon  von  786  an  ausserhalb  des  Klosters  verfasst 
seien.  Denn  das  ganze  Stück  von  791  an  bis  gegen  799 
hin  scheint  mir  nicht  gleichzeitig,  sondern  erst  später  in 
einem  Zuge  geschrieben  zu  sein.  Dass  es  mit  der  Gleich- 
zeitigkeit mindestens  nicht  so  ganz  streng  zu  nehmen  ist, 
beweist  das  Jahr  795:  denn  hierunter  wird  irrig  der  Be- 
such des  avarischen  Tudun  am  Hofe  zu  Aachen  berichtet, 
welcher  erst  im  folgenden  Jahre  erfolgte,  sowie  der  Tod 
des  Papstes  Adrian  am  25.  Dec,  der  doch  erst  zu  Anfang 
des  folgenden  Jahres  im  Frankenreiche  bekannt  werden 
konnte  und  darum  auch  in  den  Laurissenses  und  Mosellani 
(natürlich  unrichtig)  zu  diesem  gestellt  wird,  und  die  An- 
fertigung einer  Grabschrift  für  den  Verstorbenen,  die  auch 
erst  796  hergestellt  sein  kann.  Gegen  gleichzeitige  Ab- 
fassung spricht  ferner  die  vielbesprochene  Verwandtschaft 
der  Laureshamenses  mit  anderen  Annalen,  welche  nicht 
aus  ihnen  abgeleitet  zu  sein  scheinen. 

Die  Richtigkeit  einer  Theilung  beim  Jahre  790  wird 
aber  endlich  dadurch  bestätigt,  dass  hier  auch  die  als 
Fragm.  Ann.  Chesnii  bekannte  Ableitung  endet;  denn  die 
hierunter  noch  angehängten  Jahre  791 — 806  sind  ja  ein- 
fach aus  den  Laurissenses  abgeschrieben.  Wir  kommen 
demnach  zu  dem  Ergebnis,  dass  die  zweite  Recension 
der  Lorscher  Annalen  bis  790  reichte,  worin  die 
Verwandtschaft    ihrer   beiden    Ableitungen    bis   zu   diesem 


Iß  F.  Kurze. 

Jahre  ihre  E^iärung  findet;  die  starken  Abweichungen 
zwischen  beiden  von  786  und  noch  mehr  von  787  an  kom- 
men daher,  dass  die  eine  die  Vorlage  wahrscheinlich  besser 
zu  stilisieren  strebte  und  vielleicht  auch,  wie  schon  vor 
785,  einzelne  Notizen  ausliess,  während  die  andere  sie  zwar 
ebenfalls  hier  und  da  verkürzt,  andererseits  aber  wieder 
um  manche  Nachricht  bereichert  und  bei  dieser  selbstän- 
digen Bearbeitung  erst  recht  stilistisch  verunstaltet  zu 
haben  scheint  K 

Von  den  drei  Hauptabtheilungen  der  alten  Mur- 
bacher Annalen  (M)  setzen  die  Guelferbytani  (G)  erst 
mit  740  ein;  bei  den  Alamannici  (A)  und  Nazariani  (N) 
beginnt  aber  die  wörtliche  Uebereinstimmung  schon  708, 
und  sie  dauert  zwischen  allen  dreien  fort  bis  790,  wo  N 
endet,  während  A  und  G  von  da  an  aus  einander  gehen. 
Murbacher  Nachrichten  enthalten  alle  drei  zu  744.  755  und 
762,  G  und  N  auch  zu  767  und  774,  G  allein  zu  787,  A 
allein  noch  zu  793.  Ohne  Zweifel  liegt  also  allen  dreien 
eine  Murbacher  Quelle  zu  Grunde ;  wenn  man  aber  genauer 
zusieht,  so  findet  man  doch,  dass  das  Verhältnis  der  drei 
Ableitungen  zur  gemeinsamen  Quelle  durchaus  nicht  bei 
allen  das  gleiche  sein  kann.  C.  Th.  Heigel 2  hat  zuerst 
erkannt,  dass  nur  G  eine  unvermischte  Ableitung  von  M 
ist,  während  A  und  N  daneben  noch  eine  andere  Grund- 
lage haben,  die  ihnen  mit  den  Lorscher  Annalen3  gemein 
ist.  In  einigen  Punkten  bedarf  sein  Ergebnis  jedoch  noch 
einer  Ergänzung. 

Zunächst  halte  ich  zum  Beweise  der  von  ihm  nicht 
sehr  eingehend  begründeten  Annahme,  dass  G  nicht  etwa 
eine  verstümmelte  und  verdorbene,  sondern  die  einzige 
treue  Ableitung  aus  M  ist,  folgende  Bemerkungen  nicht 
für  überflüssig.  Der  Jahresbericht  zu  741  heisst  in  A  und 
N  übereinstimmend:  'Karolus  mortuus  et  Theodoaldus  inter- 
fectus  est',  in  G  aber:  'Teudeballus  reversus  in  Alsatia  re- 
bellavit  cum  Wascones,  Baiuvarii  et  Saxones'.  Diese  letz- 
tere Nachricht  findet  sich  nur  in  G  und  kann  unmöglich 
anders  woher  stammen  als  aus  M,  ist  aber  in  A  und  N 
gleichmässig  durch  eine  andere  verdrängt,  die  wörtlich 
ebenso  auch  in  den  Ann.  Mosell.  und  Lauresh.  steht.  Dazu 
stimmt,  dass  in  G  auch  zu  742.  746  und  762  von  'Wasco- 
nes' und  'Wasconia'  die  Eede  ist,  wo  A  und  N  (wie  auch 

1)  Meine  frühere  Ansicht  über  das  Fragmentum  Chesnii  (N.  A. 
XVII,  127)  findet  hierdurch  ihre  Erledigung ;  vgl.  den  dritten  Theil  meiner 
Abhandlung.  2)  Forschungen  V,  397—403.  3)  Unter  Lorsch  er  An- 
nalen verstehe  ich  stets  die  oben  besprochenen,  niemals  die  Laurissenses. 


Ueber  die  karoliugischen  Reichsannaleu  von  741 — 829.      17 

760)  von  'Equitania'  sprechen,  während  docn  dazwischen 
auch  einmal  alle  drei  zu  761  'in  Wasconia'  haben  und 
ebenso  N  allein  zu  766;  woraus  hervorgeht,  dass  diese  Be- 
zeichnung sich  bereits  in  der  gemeinsamen  Quelle  M  fand 
und  nicht  etwa  erst  in  G  für  'Equitania'  eingesetzt  ist. 
Eine  besondere  Nachricht  hat  G  allein  auch  zu  761:  'Fran- 
cia  (für  'Eranci')  in  Wasconia,  Clarmonte  conquesierunt', 
offenbar  aus  M;  dafür  haben  A  und  N  wie  die  Ann.  Mos. 
und  Lauresh. :  'Pippinus  (AN)  rex  fuit  (N)  in  Wasconiam 
(AN)  cum  exercitu  (N)  usque  ad  Limodiam  civitatem 
(AN)'. 

Nun  soll  nach  Heigel  der  Verfasser  von  N  die  älteste 
Quelle  der  Mosellani  ('alte  alamannische  Annalen')  benutzt 
haben,  und  zwar  wegen  des  Fehlens  der  auf  Chrodegang 
und  Gorze  bezüglichen  Notizen  eine  Hs.  derselben,  welche 
die  in  Gorze  entstandene  Fortsetzung  derselben  noch  nicht 
enthielt.  A  dagegen  hält  er  für  die  Abschrift  einer  nach 
790  in  Murbach  unter  Herbeiziehung  der  Annales  Lauresha- 
menses  entstandenen  und  bis  799  fortgesetzten  Erweiterung 
der  alten  Klosterannalen.  Indessen  schon  die  viermal  ganz 
gleichmässig  in  A  und  N  wiederkehrende  Bezeichnung  'Equi- 
tania', für  welche  die  Ann.  Mos.  und  Lauresh.  nur  'Wasco- 
nia' kennen,  ist  auf  diese  Weise  nicht  zu  erklären.  Ferner 
aber  reicht  die  wörtliche  Uebereinstimmung  zwischen  A 
und  N  in  Wendungen  und  ganzen  Sätzen,  welche  sich  in 
G  nicht  finden,  weit  über  764  hinaus,  nämlich  bis  781: 
noch  781  ändern  A  und  N  den  in  G  überlieferten  Nomi- 
nativ 'Mai  campus',  der  den  gleichartigen  Notizen  zu  773. 
775.  776.  777  und  779  entspricht  und  daher  unzweifelhaft 
aus  M  stammt,  übereinstimmend  ab  in  'et  habuit  Mai  cam- 
pum'.  Folglich  müssen  A  und  N  eine  gemeinsame  Vor- 
lage gehabt  haben,  die  aus  M  und  einer  in  den  Lorscher 
Annalen  enthaltenen  älteren  Quelle  compiliert  war.  Wir 
werden  späterhin  sehen,  dass  diese  Compilation  wahrschein- 
lich ebenfalls  in  Murbach  verfasst  war;  um  einen  Namen 
für  sie  zu  haben,  bezeichne  ich  sie  daher  schon  jetzt  im 
Gegensatz  zu  den  alten  Murbacher  Annalen  (M  1)  als  zweite 
Recension  derselben  (M  2). 

Auffällig  ist  es  ferner,  dass  in  G  (wie  auch  sehr  oft 
in  A  und  N)  als  Handelnde  fast  immer  nur  die  'Franci' 
erscheinen,  dagegen  statt  ihrer  in  A  und  N  745  'Karlo- 
mannus  et  Pipjünus',  762  in  A  'rex  Pippinus'  und  in  N  'rex 
Pippinus  cum  Francis',  773  und  775  in  A  'rex  Karolus' 
und  in  N  'Carolus  rex  cum  exercitu  Francorum',  ähnlich 
776  in  A  'Karolus  rex'   und  in  N  'Carolus  rex  cum  Fran- 

Neues  Archiv  etc.     XX.  2 


18 


F.  Kurze. 


eis'.     Vergleicht    man   damit    das   von   Heigel    angezogene 
Jahr  754: 

A    (=   Mos.   nnd   Lauresh.):    N:  'Venit  Dassilo  ad  Martis 
'Venit   Dassilo    ad    Martis        campnm,  Francique  absque 
campum';    G:  Tranci  abs-        bello  quieverunt'; 
que  bello  quieverunt'; 
so  kann  entweder  N   als  getreue  Abschrift  von  M  2    ange- 
sehen werden,    das   dann   in  A  etwas  gekürzt  sein  müsste, 
oder  es  ist  anzunehmen,  dass  M  2  rein  in  A  vorliegt,  in  N 
aber   mit  M  1  vermischt  ist.     Man    erhält   dann  folgendes 
Schema x : 


Quelle  der  Lorscher  Annalen 


Ml 


M2 


A     N 


G. 


E.  Seraphim  2  hat  bemerkt  (S.  44),  dass  der  Charakter 
der  Murbacher  Annalen  sich  nach  dem  Jahre  781  ändert; 
das  folgende  Stück  von  G  ist  nicht  dem  vorangehenden 
aus  M  1  entnommenen  gleichartig,  sondern  den  aus  M  2 
geflossenen  Ableitungen  A  und  N.  Zu  780  heisst  der  Be- 
richt noch  einmal  in  alter  Schlichtheit :  'Franci  in  Saxonia, 
deinde  Karolus  (fehlt  A,  'Car.  rex'  N)  ad  Romain'  ('per- 
rexit'  N) ;  desgleichen  zu  781,  wo  uns,  wie  wir  sahen,  wieder 
nur  G  allein  den  reinen  Text  von  M  1  erhalten  hat :  'Karolus 
reversus  de  Roma,  Mai  campus  ad  Wormatia'.  Von  da  an 
aber  kommen  die  'Franci'  nicht  mehr  als  selbsthandelnd 
vor:    782    haben  A,  N  und  G    'Rex  Carolus    cum  Francis', 


1)  Abzusehen  ist  dabei  von  den  Zusätzen  einer  sächsischen  Hand 
in  dem  ei'haltenen  Autograph  von  N,  welche  den  Lorscher  Jahrbüchern 
entnommen  sind.  Daneben  hat  aber  vielleicht  auch  schon  der  Verfasser 
von  N  selbst  eine  Ableitung  dieser  Quelle  benutzt,  und  zwar  in  der  Fas- 
sung der  Mosellani;  denn  724  hat  N  allein  die  sinnlose  Notiz  'levavit 
contra  Carlo1,  ganz  wie  die  Ann.  Mosell.,  während  der  Satz  nach  den 
Lauresh.  vollständig  heisst:  'levavit  se  Raginfridus  contra  Carlo1.  Doch 
könnte  das  Zusammentreffen  ja  allenfalls  auch  bloss  zufällig  sein.  Andrer- 
seits enthält  A  einige  besondere  Zusätze,  die  aus  den  Lorscher  Jahr- 
büchern zweiter  Recension  genommen  sind :  774  'Et  Karolus  Romam  per- 
venit',  779  'Farnes  magna  et  mortalitas  in  Francia1,  781  'Pippino  baptizato' 
und  786  'deinde  ad  saneti  Benedicti  et  ad  Capuam,  et  cruces  in  vestibus 
apparuerunt'.  Vielleicht  aber  ist  es  auch  nur  Zufall,  dass  sie  in  N  nicht 
stehen,  da  M  2,  wie  wir  sogleich  sehen  werden,  weiterhin  von  der  zweiten 
Recension  der  Lorscher  Annalen  abhängig  ist.  2)  Quellenkritische  Unter- 
suchungen der  kleineren  karolingischen  Annalen,    Programm  Fellin  1887. 


Ueber  die  karolingi sehen  Reichsannalen  von  741 — 829.      19 

wie  früher  N  allein,  ebenso  G  auch  783  (A  hier  nur  'Karo- 
lus  rex',  N  'rex  Kar.  cum  exercitu  Francorum'),  785  alle 
drei  'rex  Karolus',  786  A  und  G  ebenso,  787  'Karolus'.  Es 
scheint  also,  dass  M  1  selbständig-  nur  bis  781  geführt,  das 
Stück  von  782  bis  790  aber  als  Fortsetzung-  von  M  2  ge- 
schrieben und  erst  von  hier  in  den  Urcodex  von  M  1  ge- 
langt ist.  Gleichwohl  scheint  aber  sowohl  diese  Fortsetzung 
von  782  bis  790  als  auch  die  weitere  bis  799,  welche  sich 
in  A  (und  den  Ann.  Sangallenses)  anreiht,  wegen  der  Kloster- 
nachrichten zu  787  und  793  ebenfalls  in  Murbach  geschrie- 
ben zu  sein.  Darum  meine  ich,  wie  oben  geschehen,  die 
in  A  und  N  benutzte  Compilation,  welcher  diese  Fort- 
setzungen angehängt  waren,  als  eine  zweite  Eecension 
der  Murbacher  Annalen  bezeichnen  zu  dürfen. 

Auf  die  Verwandtschaft  der  Murbacher  Annalen  von 
782  bis  790  mit  den  Ann.  Laureshamenses  und  dem  Frag- 
mentum  Chesnii  haben  bereits  Dünzelmann  \  Arnold 2, 
Bernays3  und  Seraphim  hingewiesen:  ich  meine  aber,  dass 
man  zu  ihrer  Erklärung  keine  verschwundenen  'Hofannalen' 
nöthig  hat,  dass  vielmehr  die  bis  790  reichenden  Lorscher 
Annalen  selbst  die  Quelle  waren.  Als  selbständige  Zusätze 
der  Murbacher  bleiben  nur  bestehen:  784  'ad  Lippiham' 
als  Ort  des  Rheinübergangs,  787  'ad  Paveiam'  als  Karls 
Reiseziel  bei  seiner  Rückkehr  von  Rom  für  das  in  den 
Lauresh.  und  dem  Fragin.  Chesnii  überlieferte  weniger  ge- 
naue 'ad  Franciam'  und  ebenda  'et  resedit  Wormatia'  als 
Aufenthalt  Karls  vor  der  Heerfahrt  gegen  Baiern,  wäh- 
rend die  Laureshamenses  Karl  nur  aus  Baiern  nach  Worms 
zurückkehren  lassen. 

Auf  die  Beziehungen  der  zweiten  Fortsetzung  in  M  2 
(791 — 799)  zu  anderen  Annalen  werde  ich  späterhin  näher 
eingehen.  Die  Ann.  Nazariani  enthalten  diesen  Theil  da- 
rum nicht  mehr,  weil  sie  selbst  bald  nach  790  verfasst 
sind.  Die  Schrift  des  erhaltenen  Codex  scheint4  noch  dem 
Ende  des  achten  Jahrh.  anzugehören,  und  bedeutende  selb- 
ständige Einschaltungen  zu  den  Jahren  786  und  788  lassen 
darauf  schliessen,  dass  der  Verfasser  ein  Zeitgenosse  war, 
der,  wie  Heigel  aus  der  Erwähnung  des  Bonifatiusklosters 
richtig  folgert,  in  Hessen  oder  Thüringen,  wenn  nicht  gar 
in  Fulda  selbst,  lebte. 

Es   gilt   nun,    den  verlorenen  Annalen  von  Gorze 


1)  Beitr.  z.  Kritik  d.  karol.  Ann.,  NA.  II,  509.  2)  Beitr.  z.  Kr. 
karol.  Ann.,  Königsberg  1878.  3)  Z.  Kritik  karol.  Ann.,  Strassburg  1883. 
4)  Nach  Pertz,  SS.  I,  22. 

2* 


20  F.   Kurze. 

näher  zu  treten,  aus  welchen  nicht  nur  die  Lorscher  Jahr- 
bücher bis  777,  sondern  zum  Theil  auch  die  Ann.  Peta- 
viani  abgeleitet  sind.  Dass  die  letzteren  in  ihrer  ersten 
Hälfte  x  eine  Compilation  aus  der  Quelle  der  Annalen  von 
St.  Amand  und  den  Annalen  von  Gorze  sind,  ist  augen- 
fällig und  längst  bemerkt;  sollte  nun  die  zweite  Quelle 
nicht  bis  zum  Jahre  777,  wo  sie  endete,  benutzt  sein? 
Die  Vermuthung  ist  gewiss  gerechtfertigt,  eine  sichere  Er- 
kenntnis aber  schwer  zu  gewinnen,  weil  die  Petaviani  von 
etwa  772  an  stilistisch  selbständiger  werden  und  dabei  doch 
eine  weit  über  das  Jahr  777  hinausreichende  Verwandt- 
schaft mit  den  Ann.  Laureshamenses  zeigen,  für  welche 
wir  später  nach  einer  Erklärung  suchen  werden. 

Wie  die  Petaviani  sind  auch  die  Ann.  Sangallenses 
Baluzii  aus  je  einer  Quelle  der  Ann.  S.  Amandi  und  der 
Annalen  von  Lorsch  compiliert.  Ild.  v.  Arx  und  Pertz 
haben  in  ihrer  Ausgabe  (SS.  I,  63)  nur  die  Verwandtschaft 
mit  den  Ann.  S.  Amandi  erkannt  und  auch  diese  nur  bis 
764  gelten  lassen  wollen;  von  768  an  sollten  die  Annalen 
ihrer  genauen  Zeitangaben  wegen  selbständig  sein.  Aber 
das  Versehen  des  Annalisten,  dass  er  Pippin  'VIII.  Id.  Oct.' 
statt  'VIII  Kai.  Oct.'  sterben  und  infolge  dessen  die  am 
9.  October  erfolgte  Salbung  seiner  Söhne  'in  sequente  die' 
geschehen  lässt,  beweist  seine  fernere  Abhängigkeit  von 
geschriebenen  Quellen.  Zu  diesen  gehörte  aber,  wie  die 
Notizen  zu  719  (für  717)  und  741  beweisen2,  ausser  der 
Quelle  der  Ann.  S.  Am.  auch  die  der  Jahrbücher  von 
Lorsch,  und  zwar  dieselbe,  welche  in  den  Petaviani  be- 
nutzt ist,  d.  h.  die  Annalen  von  Gorze.  Selbständige  Nach- 
richten sind  in  dem  erhaltenen  St.  Galler  Codex  vom  An- 
fange des  IX.  Jahrh.  offenbar  nur  die  vier  letzten,  welche 
zu  801.  805.  813  und  814  eingetragen  sind;  bis  783,  wo 
die  regelmässigen  Eintragungen  enden,  müssen  die  An- 
nalen wohl  aus  einer  Vorlage  abgeschrieben  sein.  Diese 
war  also  compiliert  aus  der  Quelle  der  Ann.  S.  Am.  und 
den  Annalen  von  Gorze,  wahrscheinlich  um  783;  von  773 
an  sind  aber  neben  den  letzteren  auch  die  von  Murbach  be- 


1)  Bis  772 ;  s.  o.  S.  12. 
2)  Ann.  Sangall.  Bai. : 

719 :  'hoc  anno  pugna  (=  pugna- 
vit)  Karlus  in  Vinciaco  XII.  Kai. 
April.  XV  dies  ante  pascha'. 

741:  'Carlus  moritur  et  Teodol- 
dus  interficitur'. 


Ann.  Mos.  u.  Lauresh. : 

717 :  'pugnavit  Karlus  contra 
Francos  in  Vinciaco  in  dominica  die 
ante  pascha'.  (Petav. :  'die  XV.  ante 
pascha'). 

741 :  'Karlus  mortuus  et  Teodold 
interfectus  est'. 


Ueber  die  karolingischen  Reichsannalen  von  741 — 829.      21 

nutzt 1,  und  darum  lässt  sich,  wie  in  den  Petaviani,  wieder 
nicht  unmittelbar  beobachten,  wie  weit  die  Benutzung  der 
Ann.  von  Gorze  reicht 2.  Indessen  aus  der  nur  in  den  Ann. 
Petav.  und  Sangall.  Bai.  vorkommenden  Nachricht  vom  Bau 
einer  Kirche  zu  Paderborn  777  ist  zu  erkennen,  dass  beide 
noch  777   die  gemeinsame  Quelle  benutzt  haben3. 

Hat  also  W.  Giesebrecht  den  von  Pertz  angenom- 
menen Endpunkt  des  unselbständigen  Theiles  der  Ann. 
Petav.  von  770  auf  771  herabgerückt,  weil  da  (richtiger 
772)  die  darin  benutzte  Quelle  der  Ann.  S.  Amandi  ende, 
so  werden  wir  denselben  wegen  der  andern,  bei  777  enden- 
den Quelle  nun  auch  noch  bis  unter  dieses  Jahr  hinab- 
schieben müssen.  Nun  hielt  W.  Giesebrecht  (S.  225),  dem 
sich  Wattenbach  (V\  144)  angeschlossen  hat,  dafür,  dass 
die  Annales  Petaviani  in  Gorze  (wegen  der  Notizen  zu  765 
bis  769)  compiliert  worden  seien  und  dann  irgendwo  anders 
('es  erhellt  nicht  deutlich  wo')  eine  Fortsetzung  bis  799 
erhalten  hätten;  damit  werden  also  die  Petaviani  nicht 
bloss  in  einen  unselbständigen  und  einen  selbständigen 
Theil  geschieden,  sondern  es  wird  auch  vorausgesetzt,  dass 
der  erstere  als  eine  ältere  Redaction  für  sich  allein  exi- 
stiert habe.  Diese  Annahme  aber  wird  durch  die  Verschie- 
bung des  Grenzjahres  nicht  nur  nicht  angefochten,  son- 
dern gewinnt  dabei  sogar  noch  sehr  an  Wahrscheinlichkeit. 
Bis  778  (ganz  sicher  mindestens  bis  776)  scheinen  die  Peta- 
viani nämlich  in  den  Laurissenses  benutzt  zu  sein4,  und 
bis  zu  demselben  Jahre  reicht  auch  die  Verwandtschaft 
derselben  mit  den  Ann.  Maximiniani,  auf  welche  Arnold 
(S.  9 — 11)  aufmerksam  gemacht  hat.     In  der  gemeinsamen 


1)  Ann.  Mos.-Lauresh.  773 :  'Fuit 
rex  Karlus  in  Italia  provincia'; 

Ann.  Guelf.  773 :  '.  .  .  et  Franci 
in  Langobardia'. 

Ann.  Mos.-Lauresh.  774:  '.  .  .  et 
perrexit  usque  ad  Romam' ; 

Ann.  Guelf.  774:  'Paveia  con- 
quesita  est;  Karolus  reversus  est  in 
Franciam'. 

Ann.  Guelf.  778 :  'Karolus  rex  in 
Spania'. 

Ann.  Guelf.  781:  'Karolus  rever- 
sus de  Roma'. 


Ann.  Sang.  Bai.  773 :  'hoc  anno 
domnus  Karolus  perrexit  in  Italia 
cum  Francis'. 

A.  Sang.  B.  774:  'hoc  anno  per- 
rexit domnus  Karolus  ad  Romam 
.  .  .  adquisivit  Peccunia  (=  Paveia) 
civitate  ...  et  cum  gaudio  reversus 
est  in  Francia'. 

A.  S.  B.  778 :  '.  .  .  domnus  rex 
Karlus  perrexit  in  Spania'. 

A.  S.  B.  781:  'd.  r.  K.  reversus 
est  de  Roma'. 


2)  Deutlich  nur  bis  774 ;  siehe  die  vorige  Anmerkung.  3)  Diese  Notiz 
findet  sich  allerdings  gerade  in  der  treusten  Ableitung  der  Gorzer  An- 
nalen,  den  Lorscher  Jahrbüchern  (Ann.  Mosell.-Lauresh.),  nicht;  aber 
warum  sollten  diese  nicht  auch  einmal  einen  Satz  aus  ihrer  Vorlage  aus- 
gelassen haben?         4)  S.  unten  S.  33. 


22  F.  Kurze. 

Erwähnung*  der  sonst  nirgends  genannten  Orte  Osca,  Bar- 
celona und  Gerunda  berühren  sich  die  Petav.  und  Maxim, 
gerade  778  noch  einmal  auf  das  engste,  um  dann  für 
immer  auseinander  zu  gehen.  Man  muss  Arnold  Recht 
geben,  dass  die  Petaviani,  wie  sie  vorliegen,  nicht  die 
Quelle  der  Maximiniani  sein  können;  wenn  man  aber  jene 
nach  dem  Jahre  778  theilt  und  den  ersten  Theil  nur  als 
eine  (vielleicht  hier  und  da  auch  ungenaue)  Abschrift  einer 
älteren  Recension x  betrachtet,  so  hindert  nichts,  dieselbe 
auch  als  Quelle  der  Maxim,  anzusehen. 

Haben  nun  die  in  den  Ann.  Alam.  (A)  und  Nazar.  (N) 
ausgeschriebenen  Murbacher  Annalen  zweiter  Recension 
(M  2),  welche  mit  den  Mosellani  und  Laureshamenses  eine 
gemeinsame  Quelle  gehabt  haben  müssen,  ebenfalls  aus 
den  Jahrbüchern  von  Gorze  geschöpft?  Wörtliche  Ueber- 
einstimmung  der  Mosell.  und  Lauresh.  mit  A  und  N  tritt 
zuletzt  in  den  Worten  'rex  Pippinus  .  .  conquisivit  Limo- 
diam  civitatem  et  alias  civitates'  zu  Tage,  die  in  A  (nur 
bis  'Limodiam')  und  N  unter  766,  in  den  Mos.  und  Lauresh. 
unter  767  stehen.  Doch  ist  damit  keineswegs  zu  erweisen, 
dass  die  gemeinsame  Quelle  hier  geendet  haben  müsse. 
Im  Gegentheil,  wenn  man  A  und  N  weiterhin  mit  den 
Guelferbyt.  (G)  vergleicht,  so  findet  man  noch  zu  774  in 
A  und  N  einen  Satz,  der  in  G  fehlt  und  darum  nicht  in 
M  1,  sondern  nur  in  M  2  gestanden  zu  haben  scheint:  'et 
Desiderius  rex  et  Ansa  uxor  eius  ('pariter'  A)  exiliati  sunt' 
('in  Franciam'  N),  eine  Nachricht,  die  mit  der  Erwähnung 
des  Namens  Ansa  ganz  allein  steht.  Wenn  nun  der  Verf. 
der  Lorscher  Annalen  zu  demselben  Jahre  774  sich  mit 
den  Worten  'Et  regnaverunt  Langobardi,  ut  ipsi  autu- 
mant,  annos  CCXIIII'  auf  einen  langobardischen  Gewährs- 
mann beruft,  so  gewinnt  es  angesichts  der  Notiz  in  A 
und  N  den  Anschein,  dass  er  eine  schriftliche  Quelle 
meint,  welche  einen  Langobarden  zum  Verfasser  hatte.  Zu 
dieser  Annahme  passt,  dass  in  den  Ann.  Mos.,  Lauresh. 
und  Petav.  der  Tod  der  langobardischen  Könige  Heribert 
(zu  712)  und  Haistulf  (zu  756)  angemerkt  wird,  der  Tod 
des  letzteren  auch  in  A  und  N  zu  755.     Diese  Quelle  der 


1)  "Will  man  die  Entstehung  dieser  älteren  Recension  der  Annales 
Petav.  mit  GHesebrecht  und  Wattenbach  nach  Grorze  setzen,  wozu  die  aller- 
dings aus  den  Grorzer  Annalen  entlehnten  Nachrichten  über  das  Kloster 
vielleicht  einige  Berechtigung  verleihen,  so  könnte  man  sie  auch  als  zweite 
Recension  eben  dieser  Annalen  von  Gorze  bezeichnen.  Ich  ziehe  aber  die 
Bezeichnung  'ältere  Recension  der  Ann.  Petav.  (bis  778)'  vor,  da  sie  ohne 
weiteres  verständlich  ist. 


Ueber  die  karolingischen  Reichsannaleu  von  741 — 829.      23 

Lorscher  Annalen  kann  aber  keine  andere  sein,  als  die 
aus  Gorze.  Dass  dieselbe  nicht  in  allen  ihren  Ableitungen 
gleich  stark  benutzt,  bezw.  dass  nicht  jede  Notiz  der  Quelle 
in  alle  Ableitungen  übergegangen  ist,  darf  uns  nicht  Wun- 
der nehmen.  Vielleicht  ist  auch  noch  die  allein  in  den 
Petav.  zu  776  überlieferte  Nachricht  von  der  Belagerung 
des  Stabilinius  in  Treviso  auf  dieselbe  Quelle  zurückzu- 
führen; möglich  wäre  auch,  dass  die  ältere  Recension  der 
Ann.  Petav.  ( — 778),  wenn  sie  wirklich  in  Gorze  entstanden 
ist,  denselben  langobardischen  Verfasser  gehabt  hätte,  wie 
die  Annalen  von  Gorze  ( — 777)  selbst. 

Demnach  sind  für  die  frühere  Zeit  drei  nicht 
unmittelbar  erhaltene  Quellen  ermittelt,  die  der 
Annales  S.  Amandi,  welche  bis  772  reichte,  die  Jahr- 
bücher von  Gorze,  welche  777  endeten  und  vielleicht 
von  einem  Langobarden  verfasst  waren,  und  die  Mur- 
bacher Annalen,  die  mit  Karls  Tode  begannen  und 
beim  Jahre  781  vorläufig  einen  Abschluss  fanden.  Für  die 
Frage  nach  dem  ersten  Anfange  der  Karolingischen  An- 
nalistik  kommen  nur  die  beiden  ersteren  Quellen  in  Be- 
tracht. Natürlich  kann  weder  die  eine,  noch  die  andere 
von  Anfang  an  bis  zu  Ende  von  einem  Verfasser  in  gleich- 
massiger  Verfolgung  der  Ereignisse  geschrieben  sein,  und 
es  ist  auch  kaum  denkbar,  dass  man  an  zwei  verschiedenen 
Orten,  ganz  ohne  sich  um  einander  zu  kümmern  und  ohne 
bei  Dritten  Nachahmung  zu  finden,  sechzig  Jahre  hindurch 
an  solchen  Annalen  gearbeitet  hätte.  Schon  dass  die  an- 
nalistischen Eintragungen  in  beiden  Quellen  mit  Drogo's 
Tod  708  beginnen  —  denn  die  in  den  Ann.  S.  Am.,  wie 
die  in  den  Mos.  und  Lauresh.  vorangehenden  Notizen  stehen 
noch  ausserhalb  der  eigentlichen  Annalen  — ,  kann  nicht 
reiner  Zufall  sein;  dennoch  sind  beide  von  vorn  herein  so 
verschieden  von  einander,  dass  man  nicht  einfach  die  eine 
aus  der  andern  ableiten  kann,  vielmehr  meine  ich  deutlich 
in  der  ersteren  austrasischen,  in  der  andern  neust  ri- 
schen  Ursprung  zu  erkennen. 

Die  Annalen  von  S.  Am  and  verzeichnen  nicht  nur 
mit  grösster  Genauigkeit  die  austrasischen  Heerfahrten  in 
den  Jahren  709 — 712  und  730  gegen  die  Alamannen,  son- 
dern auch  713  den  Tod  des  Bischofs  Suidbert,  der  in  den 
Rheinlanden  wirkte,  'in  mense  Martio',  714  den  Tod  des 
in  Lüttich  ermordeten  Grimoald  'in  mense  Aprili',  715  den 
Einfall  der  Sachsen  in  das  Gebiet  der  Hattuarier,  716  das 
Vordringen  der  Friesen  bis  Köln  'mense  Martio',  719  Rat- 
bods   Tod    und    753    den    Tod    des    Bischofs   Hildegar   von 


24  F.  Kurze. 

Köln.  W.  Giesebrecht  (S.  224  f.)  hat  darum  gemeint,  dass 
ihre  Quelle  wahrscheinlich  'im  Kölnischen  entstanden'  sei, 
'vielleicht  im  Schottenkloster  St.  Martin  in  Köln  selbst, 
einer  Stiftung  Pippins  von  Heristal' ;  Wattenbach  (I6,  143) 
findet  diese  Annahme  nicht  ausreichend  begründet  und 
will  die  Annalen  lieber  einem  Mitgliede  der  Hofgeistlich- 
keit zuschreiben :  soviel  aber  kann  man  wohl  mit  Bestimmt- 
heit sagen,  dass  diese  Annalen  in  Austrasien  —  sei  es 
nun  am  Hofe  der  Hausmeier  oder  in  irgend  einem  ripua- 
rischen  Kloster,  welches  der  Familie  derselben  nahe  stand  — , 
ihren  Anfang  genommen  haben  müssen. 

Die  beiden  fehlerhaft  angesetzten  Notizen  am  Ein- 
gange der  Ann.  S.  Amandi  (691  Schlacht  bei  Tertry,  702 
Hildeberts  Tod),  welche  unter  denselben  Jahren  auch  in 
den  Ann.  Sangall.  Bai.  stehen,  scheinen  der  Zusatz  eines 
der  späteren  Fortsetzer  zu  sein;  der  zu  691  gebrauchte 
Ausdruck  'superavit'  kehrt  bei  den  Jahren  755  und  761 
wieder.  Die  Annalen  beginnen  also  eigentlich  erst  708 ; 
doch  glaube  ich  nicht,  dass  Drogo's  Tod  den  Anlass  zur 
ersten  Aufzeichnung  gab,  vielmehr  wohl  erst  Pippins  Tod 
oder  die  Schlacht  bei  Vincy,  die  der  Verfasser  in  richtiger 
Würdigung  ihrer  Wichtigkeit  so  genau  datiert. 

Während  nun  aber  schon  nach  720  die  Eintragungen 
hier  unregelmässiger  werden,  scheint  um  dieselbe  Zeit,  zwi- 
schen 720  und  725,  durch  sie  eine  gleiche  annalistische 
Thätigkeit  in  Neust rien  angeregt  worden  zu  sein.  Die 
Jahrbücher  von  Gorze,  wie  sie  sich  aus  den  Lorscher  An- 
nalen, den  Ann.  Petaviani,  Alamannici  und  Nazariani  wieder- 
herstellen lassen,  merken  zu  711  den  Tod  des  merovingi- 
schen  Königs  Hildebert  richtig  an,  zu  715  den  seines  Nach- 
folgers Dagobert,  und  zu  727  den  des  freilich  schon  720 
zu  Attigny  gestorbenen  Childerich  ('Daniel  in  Attiniaco 
mortuus').  Ferner  wird  zu  715  als  'pugna  Francorum'  der 
Kampf  der  beiden  neustrischen  Parteien  beim  Walde  Cotia 
erwähnt,  zu  719  die  Schlacht  bei  Soissons  berichtet,  sowie 
724  der  Aufstand  des  717  von  Karl  überwundenen  Eegin- 
frid  und  731  sein  Tod,  endlich  741  der  Tod  des  715  von 
Eeginfrid  verdrängten  Theudoald.  Deutet  dies  auf  neustri- 
schen Ursprung,  so  weisen  die  Notizen  zu  726  und  728, 
welche  den  Tod  des  Abtes  Martin  von  Corbie  und  des 
Bischofs  Haldulf  von  Cambray  berichten,  sogar  nach  einer 
bestimmteren  Richtung,  vielleicht  nach  Corbie  selbst,  wo 
eben  dieser  Martin  in  vertrauteren  Beziehungen  zu  Karl 
gestanden  haben  soll. 

Mich  dünkt,  dass  diese  Stellen  weit  schwerer  für  neu- 


Ueber  die  karolingischen  Reichsannalen  von  741 — 829.      25 

strischen  Ursprung  ins  Gewicht  fallen,  als  die  von  Giese- 
breckt  (S.  223)  betonte  Erwähnung-  der  Herzöge  Gotefrid 
(709)  und  Lantfrid  (730)  und  des  Bischofs  Audoin  von  Kon- 
stanz (736)  für  alamannischen.  Auf  die  Herkunft  dieser 
drei  alamannischen  Nachrichten  werden  wir  sehr  bald  zu- 
rückkommen. Die  Erwähnung-  des  712  gestorbenen  lango- 
bardischen  Königs  Haribert  ist  vielleicht  erst  Zusatz  des 
späteren  langobardischen  Ueberarbeiters  in  Gorze.  Die  auf 
Angelsachsen  und  Iren  bezüglichen  Nachrichten  zu  703 — 
707.  712.  725.  726.  729  bis  hinab  zu  Beda's  Tod  731  statt 
735  werden  wohl  auf  angelsächsische  Ostertafeln  zurück- 
gehen x  und  darum  erst  später  mit  dem  neustrischen  Grund- 
stock zusammengebracht  sein. 

Drogo's  Tod  708,  Pippins  Zug  nach  Schwaben  710, 
sein  Tod  714,  Karls  Kampf  mit  Ratbod  716,  sein  Sieg  bei 
Vincy  717,  seine  Sachsenkriege  718  und  720  und  Eatbods 
Tod  719  sind  die  Thatsachen,  welche  der  neustrische  An- 
nalist der  austrasischen  Quelle  entnommen  zu  haben  scheint. 
Die  Schlacht  bei  Vincy,  welche  nach  jener  'mense  Martio, 
media  quadragesima,  die  dominica'  stattgefunden  haben 
soll,  weiss  er  selbständig  anders  zu  datieren:  'in  dominica, 
die  XV.2  ante  pascha'.  Daraus  geht  hervor,  dass  diese  An- 
nalen  bald  nach  720  geschrieben  worden  sind;  wahrschein- 
lich noch  vor  725,  denn  die  Nachricht  der  Ann.  S.  Amandi 
zu  diesem  Jahre  findet  sich  hier  nicht.  Die  Nachrichten 
zu  721 — 726  scheinen  denn  auch  annähernd  gleichzeitig 
aufgezeichnet  zu  sein,  die  folgende  Notiz  zu  727  (Childe- 
richs  Tod)  ist  aber  unrichtig  angesetzt  für  720.  Es  scheint 
also,  dass  nach  dem  Jahre  726  eine  kleine  Stockung  ein- 
trat, und  es  ist  vielleicht  nicht  ganz  zufällig,  dass  die  letzte 
Notiz  vorher  den  Tod  des  Abtes  Martin  von  Corbie  be- 
trifft, dessen  Einwirkung  diese  Annalen  möglicherweise 
ihren  Ursprung  verdanken. 

Auf  dieselbe  neustrische  Urquelle  sind  anscheinend 
auch  zwei  Notizen  zurückzuführen,  die  sich  vereinzelt  in 
den  Annales  S.  Columbae  Senonensis  (SS.  I,  102  ff.)  und 
den  bis  840  fast  wörtlich  o-leichlautenden  Ann.  Maxim.  Trev. 
(SS.  IV,  6  f.)  finden.  Die  gemeinsame  Quelle  beider  ist  wie 
die  Ann.  Petaviani  und  die  Sangallenses  Baluzii  in  ihrem 
ersten  Theile  (bis  767  =  771)  compiliert  aus  je  einer  Quelle 


1)  Vgl.  die  angelsächsich  -  irischen  Notizen  in  den  Ann.  Iuvavenses 
maiores  (SS.  I,  87),  den  Fuldenses  antiqui  des  Casseler  Codex  (SS.  II, 
237)  und  den  Corbeienses  (SS.  III,  2).  2)  Vielleicht  stammt  sogar  das 
volle  Datum  der  Ann.  Sangall.  Bai.  'XII.  Kalend.  April.'  von  hier,  an- 
dernfalls war  es  aus  der  obigen  Angabe  leicht  zu  berechnen. 


26  F.  Kurze. 

der  Annales  S.  Amandi  und  der  Mosellani:  aus  keiner  von 
beiden  konnte  der  Verfasser  aber,  wie  Pertz  richtig  hervor- 
hebt, den  Namen  Hunald  zu  742  ('Karlomannus  et  Pip- 
pinus  contra  TJnaldum  perrexerunt')  und  die  Notiz  'Hilde- 
ricus  tonsoratus'  zu  750  entnehmen,  welche  wir  in  den 
Ann.  Lauriss.  wiederfinden.  Diese  sind  aber  sonst  gar 
nicht  benutzt,  so  dass  die  Uebereinstimmung  nur  durch 
Annahme  einer  gemeinsamen  Quelle  zu  erklären  ist.  Ver- 
gleichen wir  nun 

Lauriss.  750:  'Pippinus  .  .  . 
electus  est  ad  regem 

et  unctus  .  .  . 

et  elevatus  a  Francis 
in  regno  in  Suessionis 
civitate. 

Hildericus  vero  .  .  . 
tonsoratus  est  .  .  .', 


Col.  Sen.  750:  Tipinus 
electus  est  in  regem,  Hil- 
dericus tonsoratus'; 

Am.  751:  'Pippinus  in  re- 
gem unctus  est  apud  Sues- 
siones' ; 

Petav.  752:  'Pippinus  ele- 
vatus est  ad  regem  in  Su- 
essionis civitate'; 

so  ist  meines  Erachtens  nicht  zu  zweifeln,  dass  die  Lauris- 
senses  hier  aus  drei  Quellen  zusammengeflossen  sind,  und 
dass  der  Wortlaut  der  einen  uns  in  den  Ann.  Col.  Sen. 
ziemlich  getreu  erhalten  sein  muss.  Dann  aber  weiss  ich 
keine  Quelle,  welche  diese  Nachricht  sowohl,  als  die  auf 
Hunald  bezügliche  eher  enthalten  haben  könnte,  als  jene 
neustrische,  deren  wesentlicher  Inhalt  in  den  Annalen  von 
Gorze,  bezw.  deren  Ableitungen,  vorliegt.  Dass  gerade 
diese  Nachrichten  nicht  in  die  Annalen  von  Gorze  über- 
gegangen sind,  erklärt  sich  leicht,  wenn  in  denselben 
neben  der  neustrischen  noch  eine  andere  Quelle  benutzt 
worden  ist. 

Neben  den  besprochenen  Beziehungen  zu  Neustrien 
erscheinen  in  den  Ableitungen  der  Annalen  von  Gorze  sehr 
merkwürdig  die  gleichfalls  schon  erwähnten  drei  Notizen, 
welche  Schwaben  betreffen,  nämlich  709  'et  Gotofridus 
moritur',  730  'Lantfridus  mortuus'  und  736  'Audoinus  epi- 
scopus  mortuus'.  Gotefrid  und  Lantfrid  waren  Herzöge 
von  Schwaben,  Othwin  Bischof  von  Konstanz.  Der  Herzog 
Gotefrid  war  der  Vater  des  Alamannen  Thietbald,  welchen 
die  Murbacher  Annalen  zu  741  und  745  erwähnen,  und  es 
fällt  nun  ferner  auf,  dass  die  Notiz,  welche  der  Annalist 
von  Gorze  zu  752  an  die  Stelle  der  vermuthlich  in  der 
neustrischen  Vorlage  (=  Ann.  Col.  Sen.  750)  überkommenen 
gesetzt  hat  (Mos.,  Lauresh.,  Pet.  752:  'Pippinus  elevatus 
est  ad  regem'),  fast  der  entsprechenden  in  den  Murbacher 


Ueber  die  karolingischen  Reichsannalen  von  741 — 829.      27 

Annalen  (Guelf.,  AI.,  Naz.  751:  'Pippinus  rex  elevatus  est) 
gleich  lautet. 

Die  Murbacher  Annalen  erster  Recension  können  nicht 
ganz  ohne  schriftliche  Quellen  verfasst  sein.  Die  verkehrte 
Zeitrechnung  bei  den  Jahren  751 — 755  beweist  zunächst, 
dass  die  Jahrbücher  zu  dieser  Zeit  nicht  gleichzeitig  ge- 
führt sind.  Nun  könnte  ja  der  Murbacher  Annalist  einige 
Jahre  lang  gefeiert  und  dieses  Stück  später  aus  dem  Ge- 
dächtnis mit  Verschiebung  der  Jahreszahlen  nachgetragen 
haben.  Da  indessen  die  Zeitrechnung  auf  einmal  richtig 
wird,  wenn  man  nur  das  Jahr  751  vor  Zacharias  papa' 
theilt  und  das  Folgende  bis  754  einschliesslich  alles  um 
ein  Jahr  hinabrückt,  so  ist  die  Vermuthung  unab weislich, 
dass  der  Fehler  beim  Abschreiben  einer  Vorlage  durch 
Auslassung  der  Zahl  752  entstanden  sei.  Auf  Benutzung 
einer  geschriebenen  Vorlage  deutet  auch  ein  weiteres  Ver- 
sehen, das  durch  irriges  Abschreiben  entstanden  zu  sein 
scheint,  das  aber  schon  im  ältesten  Codex  der  Murbacher 
Annalen  gestanden  haben  muss,  weil  es  sich  nicht  nur  in 
den  Ann.  Guelferb.,  sondern  auch  in  den  Alamann.  findet. 
Zu  756  haben  beide  'ad  Arbonam',  wofür  doch  wohl  nach 
Pertz'  Vorschlag  'ad  Narbonam'  zu  lesen  ist;  vielleicht 
hatte  die  Vorlage  hier  'in  narbonam',  so  dass  der  Ab- 
schreiber leicht  ein  'n'  übersehen  konnte. 

Es  ist  demnach  eine  alamannische  Quelle  an- 
zunehmen —  vielleicht  aus  Reichenau,  wie  Giesebrecht  ver- 
muthete  — ,  welche  in  den  Murbacher,  wie  in  den  Gorzer 
Annalen  benutzt  ist.  Da  nun  dieselbe  bis  740  doch  nicht 
bloss  die  drei  Notizen  zu  709.  730  und  736  zum  Inhalt 
gehabt  haben  kann,  so  glaube  ich  nicht  fehlzugreifen, 
wenn  ich  ihr  die  zahlreichen  irisch-angelsächsischen  Notizen 
zuweise,  welche  wir  in  den  Ableitungen  der  Annalen  von 
Gorze  finden.  Sie  wird  demnach  wohl  mit  Benutzung 
angelsächsischer  Ostertafeln  nach  dem  Jahre  735,  unter 
welches  die  letzte  dieser  Notizen  (Beda's  Tod)  gestellt  ist, 
entstanden  sein,  wahrscheinlich  sogar,  da  die  Zeitrechnung 
der  Murbacher  Annalen  für  die  40er  Jahre  so  ungenau  ist, 
erst  nach  746. 

Nach  dem  Jahre  756  benutzte  man  in  Murbach  diese 
Quelle  unter  Weglassung  des  ersten  Theiles  mit  den  zu- 
meist unverständlichen  Namen  zur  Anlegung  einheimischer 
Annalen  von  740  (statt  741)  an.  Da  zu  751  die  Weihe 
des  Bischofs  Baldebert  (wohl  des  von  Basel)  erwähnt  wird, 
der  nach  Romanus  (f  755)  Abt  von  Murbach  wurde,  so 
scheinen  sie  schon  unter  diesem  (f  762)  begonnen  zu  sein. 


28  F.  Kurze. 

Also  kann  die  alamannische  Quelle,  welche  bis  zum  Jahre 
756  gereicht  haben  niuss,  auch  nicht  wohl  weiter  als  bis 
zu  diesem  Jahre  gereicht  haben. 

Die  weiteren  Eintragungen  in  den  Murbacher  Jahr- 
büchern nach  756  sind  bis  771  sjDärlich  und  unregelmässig, 
zeigen  aber  dabei  doch  unverkennbare  Aehnlichkeit  mit 
den  Annalen  von  St.  Amand  bei  764.  768  und  771 1  und 
den  Mosellani  und  Laureshamenses  bei  762  und  764  2,  wäh- 
rend die  Notizen  zu  772  —  781  einen  ganz  eigenartigen 
Charakter  tragen  und  trotz  ihrer  beabsichtigten  Knapp- 
heit gleichzeitig  und  selbständig  Jahr  für  Jahr  aufge- 
zeichnet zu  sein  scheinen.  Es  ist  also  wohl  anzunehmen, 
dass  die  Annalen  in  Murbach  bald  nach  ihrem  Beginn 
liegen  geblieben  und  erst  von  772  an  fortgeführt  sind, 
unter  Benutzung  der  australischen  Quelle  bis  772  und  der 
neustrischen  bis  764. 

Die  Annalen  von  Gorze  können  der  das  Kloster  und 
den  Bischof  Chrodegang  betreffenden  Nachrichten  halber 
nicht  wohl  nach  765  verfasst  sein;  als  Endpunkt  ihrer 
neustrischen  Quelle  erhalten  wir  daher  mit  grosser  Wahr- 
scheinlichkeit das  Jahr  764,  da  sie  bis  hierher  auch  in  den 
Murbacher  Annalen  benutzt  ist.  Vielleicht  kannte  der 
Gorzer  Annalist  auch  die  Quelle  der  Annalen  von  St.  Amand ; 
besonders  die  Erwähnung  von  Hildegars  Tod  zu  753  führt 
zu  dieser  Vermuthung. 

Ich  fasse  das  bisherige  Ergebnis  meiner  For- 
schung in  folgende  Sätze3  zusammen: 

Kurze  austrasische  Annalen,  mit  dem  Jahre  708 
beginnend,    entstanden  bald  nach  714  oder  717,   vielleicht 


1)  Ann.  Am.  761:  'Pippinus  fuit  Ann.    Guelf.   761:    'Francifa )    in 

in  Wasconia  cum  Karolo  et  Cläre-  j  Wasconia,  Clarmonte  conquesierunt'. 
monte  igne  cremavit'. 

761 :    'Tunc  fuit  ille  gelus  pessi-  |         764 :    'Tunc  ille   grandis  hiemps 


mus  . 

768 :  'Waifarius  interfectus  est 
IUI.  Non.  Iun.  et  rex  Pippinus  de- 
functus  est  in  VIII.  Kai.  Oct.' 

771:  'Karlomannus  obiit  in  Sal- 
monciaco  pridie  Non.  Dec.' 

2)  Ann.  Lauresh.  762 :  '  Pippinus 
fuit  in  Wasconia  et  conquesivit  Bi- 
duricam'. 

761 :  'Hibernus  grandis  et  durus'.  j         764 :    'Tunc   ille   grandis   hiemps 

I  profuit'. 

3)  Selbstverständlich  wollen  dieselben  nicht  durchweg   für  bewiesen,    son- 
dern nur  in  einem  gewissen  Grade  für  wahrscheinlich  gelten. 


profuit'. 

76S:  'Rex  Pippinus  obiit  VIII. 
Kai.  Oct. ;  Waifarius  antea  occisus 
est'. 

771:  'Karolomannus  obiit  pridia 
Non.  Dec.' 

Ann.  Guelf.  762 :  'Franci  in  Was- 
conia, Bituricam  conquesierunt'. 


Ueber  die  karolingischeu  Reiclisannalen  von  741 — 829.      29 

in  St.  Martin  zu  Köln  oder  einem  anderen  ripuarischen 
Kloster,  vielleicht  am  Hofe  des  Hausmeiers  selbst,  und 
wurden,  frei  von  fremden  Einflüssen,  fortgesetzt  bis  772; 
durch  sie  angeregt,  erwuchsen  bald  nach  720  ähnliche 
Jahrbücher  in  Neu  Strien,  vielleicht  in  Corbie,  gleich- 
falls 708  beginnend  und  bis  764  fortgeführt;  unabhängig 
von  beiden  scheinen  alamannische  Aufzeichnungen  ge- 
wesen zu  sein,  die  (vielleicht  in  Reichenau)  auf  Grund  von 
angelsächsischen  Ostertafeln,  mit  dem  Jahre  703  anhebend, 
nach  735  oder  gar  erst  nach  746  begonnen  und  bis  756 
fortgesetzt  wurden.  Diese  Aufzeichnungen  kamen  zwischen 
756  und  760  nach  Murbach,  wo  man  sie  zur  Begründung 
eigener  Annalen  von  740  an  benutzte,  die  zunächst  aber 
nicht  über  das  Jahr  756  hinauskamen  und  erst  nach  7  72 
einen  Fortsetzer  fanden,  der  mit  Hülfe  der  neustrischen 
Quelle  bis  764  und  der  austrasischen  bis  772  das  fehlende 
Stück  in  dürftiger  Weise  ergänzte,  dann  aber  die  Annalen 
durch  regelmässige  Eintragungen  in  knappster  Form  bis 
781  weiterführte.  Unterdessen  wurden  die  neustrische  und 
die  alamannische  Quelle  in  den  60er  Jahren  in  Gorze  zu 
einem  Annalenwerke  verarbeitet,  das  hier  bis  777  fortge- 
setzt wurde  und  später  den  Lorscher  Annalen  als  Grund- 
lage diente.  Der  Lorsch  er  Annalist  führte  sein  Werk 
von  778  an  selbständig  fort,  und  zwar  bis  785  in  Lorsch, 
von  da  an  in  einer  zweiten  ßecension  vielleicht  ausser- 
halb des  Klosters  bis  790.  Aus  der  ersten  Recension  sind 
die  Annales  Mosellani  und  Flaviniacenses  bis  785 
abgeleitet,  aus  der  zweiten  die  Laureshamenses  und 
das  Fragmentum  Chesnii  bis  790.  Unvermischte  Ab- 
leitungen der  austrasischen  Quelle  sind  die  Annales  T  i  1  i  a  n  i 
bis  737  und  die  Ann.  S.  Amandi  bis  772  x;  eine  dürftige 
Compilation  dieser  Quelle  mit  der  neustrischen  ist  das 
erste  Stück  der  Ann.  S.  Columbae  Senonensis  (= 
S.  Maximini  Treverensis)  bis  767  (=  771);  compiliert  aus 
den  ältesten  austrasischen  Annalen  und  denen  von  Gorze 
ist  die  (vielleicht  ebenfalls  in  Gorze  entstandene)  ältere 
Recension  der  Annales  Petaviani  bis  778,  aus  denselben 
beiden   Quellen,    mit   Benutzung   der   Murbacher  Annalen, 


1)  Die  Ann.  Laubacenses  haben  aus  den  Ann.  S.  Amandi  in  einer 
bis  mindestens  791  reichenden  Fassung  geschöpft,  daneben  aber,  wie 
B.  Simson  (Forschungen  XXV,  375  —  377),  an  Ausführungeu  Arnolds 
(S.  55 — 62)  anknüpfend,  dargethan  hat,  aus  einer  ihnen  mit  den  Ann. 
Stabulenses  (SS.  XIII)  und  Auscienses  (SS.  III)  gemeinsamen  Quelle  von 
687 — 814,  die  auch  in  zahlreichen  kleineren  Annalen  benutzt  ist.  Vgl. 
den  dritten  Theil  meiner  Abhandlung. 


30  F.  Kiirze. 

die  Ann.  Sangallenses  Baluzii  bis  783.  Endlich  sind 
die  Annalen  von  Gorze  auch  zu  einer  zweiten  Eecen- 
sion  der  Murbacher  Jahrbücher  von  708 — 781  ver- 
arbeitet worden,  die  nachher  eine  aus  den  Lorscher  An- 
nalen zweiter  Eecension  abgeleitete  Fortsetzung  bis  790 
und  eine  weitere  bis  799  erhalten  hat;  aus  der  erst  bis 
790  geführten  zweiten  Eecension  sind,  vielleicht  unter  Be- 
nutzung der  ersten,  die  in  Hessen  oder  Thüringen  geschrie- 
benen Ann.  Nazariani  abgeleitet,  aus  der  bis  799  fort- 
gesetzten zweiten  Eecension  die  Alamannici,  Sangal- 
lenses breves,  Weingartenses,  Augienses  und 
Sangallenses  maiores;  die  Fortsetzung  von  782  —  790 
wurde  auch  der  ersten  Eecension  der  Murbacher  Jahr- 
bücher angehängt,  und  in  dieser  Form  sind  dieselben  über- 
gegangen in  die  Annales  Guelferbytani. 


2.    Der  erste  Theil  der  Ann.  Laurissenses. 

Von  allen  bisher  genannten  Annalen  machen  nur  die 
Lorscher  (erster  und  zweiter  Eecension)  den  Versuch,  vom 
abgerissenen  Aneinanderreihen  der  Thatsachen  sich  zu  wirk- 
licher Erzählung  zu  erheben,  auch  sie  aber  eigentlich  erst 
vom  Jahre  778  an.  Eine  neue  Epoche  der  karolingischen 
Geschichtschreibung  beginnt  mit  den  Annales  Laurissenses, 
dem  ersten  Annalenwerk,  das  sich  die  Aufgabe  stellt,  die 
Thaten  der  Herrscher  von  741  an  in  ausführlich  erzählen- 
der Darstellung  aufzuzeichnen.  Das  einzige  karolingische 
Geschichtswerk  früherer  Zeit,  das  sich  in  dieser  Hinsicht 
mit  ihnen  vergleichen  lässt,  sind  die  Fortsetzungen  Frede- 
gars;  die  naheliegende  Vermuthung,  dass  der  Annalist  die- 
selben als  Quelle  und  hinsichtlich  der  Darstellungsweise 
als  Vorbild  benutzt  habe,  ist  jedoch  von  W.  Giesebrecht 
(S.  198  und  203)  entschieden  zurückgewiesen  worden.  Es 
empfiehlt  sich  daher,  ehe  man  an  diese  Frage  herantritt, 
die  Abfassungszeit  und  die  anderen  Quellen  der  Ann. 
Lauriss.  zu  untersuchen. 

Pertz  wollte  die  Annalen  von  768  an  als  selbständig 
und  gleichzeitig  angesehen  wissen.  Dagegen  hat  L.  Giese- 
brecht1 auf  die  Notiz  zu  781  hingewiesen:  'Sed  non  diu 
praefatus  dux  Tassilo  promissiones,  quas  fecerat,  conser- 
vavit' ;  denn  dieselbe  kann  nicht  vor  dem  Jahre  787  ge- 
schrieben  sein.     W.  Giesebrecht   a.  a.  O.   hat  eine   zweite 


1)  Wendische  Geschichten  III,  282  ff. 


Ueber  die  karolingischen  Reichsannalen  von  741 — 829.      31 

Beweisstelle  hinzugef ügt :  wenn  der  Annalist  zu  777  er- 
zählt, dass  Karl  'prima  vice'  einen  Reichstag  zu  Paderborn 
gehalten  habe,  so  scheint  er  dabei  schon  an  den  nächsten 
zu  denken,  der  erst  785  daselbst  stattfand.  Weiter  be- 
merkt Fr.  Ebrard 1  (S.  433),  dass  es  auch  772  heisst:  lCaro- 
lus  .  .  .  perrexit  partibus  Saxoniae  prima  vice',  woraus 
wenigstens  so  viel  hervorgeht,  dass  der  Bericht  zu  772 
nicht  vor  Ende  774  geschrieben  sein  kann.  Andrerseits 
können  die  Annalen,  worauf  gleichfalls  W.  G-iesebrecht 
a.  a.  0.  aufmerksam  macht,  nicht  wohl  nach  dem  grossen 
Sachsenaufstande  des  Jahres  793  verfasst  sein,  weil  der 
Verfasser  sonst  nicht  zu  785  hätte  schreiben  können:  'Et 
tunc  tota  Saxonia  subiugata  est'.  Hiernach  steht  zunächst 
soviel  fest,  dass  die  Annalen  wenigstens  von  772  an  nicht 
gleichzeitig  geschrieben  sind,  und  das  Stück  von  781 — 785, 
wahrscheinlich  also  auch  das  Frühere,  erst  zwischen  den 
Jahren  787  und  793  verfasst  ist.  Da  nun  der  verlorene 
Lorscher  Codex  (A  l)  gerade  innerhalb  dieser  Grenzen  beim 
Jahre  788  endete  und  die  Annalen  bis  dahin  in  Stil  und 
Charakter,  wie  ziemlich  allgemein 2  anerkannt  wird,  keinen 
Unterschied  bemerken  lassen,  so  darf  man  wohl  als  er- 
wiesen annehmen,  was  seit  Giesebrechts  Ausführungen  nie- 
mand angezweifelt  hat,  dass  das  ganze  Werk  bis  788  in 
einem  Zuge   geschrieben  worden  ist. 

Diese  Annahme  findet  ihre  Bestätigung  in  dem,  was 
sich  über  die  in  den  Ann.  Lauriss.  bis  788  benutzten 
Quellen  ermitteln  lässt. 

Als  Quellen  hat  W.  Giesebrecht  aus  den  Jahren  740. 
750  und  753  der  Lauriss.  die  Ann.  S.  Amandi  und  die 
Petaviani  (bezw.  deren  ältere  Grundlagen)  nachgewiesen. 
Als  hervorragend  beweiskräftig  möchte  ich  noch  einmal 
das  Jahr  750  heranziehen  (vgl.  oben  S.  26) :    die  drei  Prä- 


1)  Forsch.  XIII,  425—472.  2)  E.  Dünzelmanu  (NA.  II,  479  ff.)  findet 
allerdings,  dass  der  Stil  bei  den  Jahren  787  u.  788  viel  barbarischer  sei  als  z.  B. 
bei  772 ;  denn  während  der  Satzbau  772  verständig  und  hier  und  da  sogar  von 
einer  gewissen  Eleganz  sei,  falle  der  Autor  787  f.  beständig  aus  der  Construc- 
tion  und  bewege  sich  fortgesetzt  in  Anakoluthien.  Die  gerügte  Barbarei  be- 
schränkt sich  aber  lediglich  auf  den  Gebrauch  des  Participium  praesentis 
anstatt  eines  Verbuni  finitum,  und  das  ist  keine  Anakoluthie,  kein  Zeichen 
mangelnder  Logik,  sondern  einfach  eine  grammatische  Freiheit,  nicht  besser 
und  nicht  schlimmer  als  z.  B.  der  Gebrauch  des  Plusquamperfects  für  das 
Imperfectum.  (Vgl.  B.  Simson,  Karl  d.  Gr.  I2,  659.)  Auch  Dünzelmann 
folgert  übrigens  aus  der  vermeintlichen  Stilverschiedenheit  nicht,  dass  das 
frühere  Stück  von  einem  andern  Verfasser  geschrieben,  sondern  nur,  dass 
hier  eine  in  besserem  Latein  geschriebene  Quelle  benutzt  sei ;  vgl.  dagegen 
unten  S.  33,  Anm.  3. 


32 


F.  Kurze. 


dicate  'electus',  'unctus'  und  'elevatus',  deren  jedes  sich  in 
einer  besonderen  Quelle  als  allein  stehendes  Verbum  fini- 
tuni  findet,  beweisen  die  Benutzung-  dreier  Quellen  zu 
diesem  Jahre.  Die  erste  mit  'electus'  war,  wenn  meine 
Untersuchung-  oben  das  Rechte  getroffen  hat,  die  neu- 
strische  Quelle,  die  ung-efähr  764  endete;  die  zweite 
mit  'unctus'  war  die  Quelle  der  Annales  S.  Amandi1, 
die  dritte  mit  'elevatus'  die  ältere  Recension  der 
Petaviani.  Statt  der  letztgenannten  könnten  freilich  an 
dieser  wie  an  anderen  Stellen  auch  die  ältesten  alamanni- 
schen  Aufzeichnungen  ( — 756)  oder  die  Annalen  von  Gorze 
( — 777)  oder  die  von  Murbach  oder  Lorsch,  erster  oder 
zweiter  Recension,  benutzt  sein,  da  diese  alle  im  Ausdruck 
vielfach  übereinstimmen.  Man  muss  daher  besonders  die 
späteren  Theile  prüfen,  wo  die  älteren  Quellen  aufhören 
und  die  jüngeren  sich  im  Ausdruck  mehr  von  einander 
entfernen.     Da  finden  wir  zu  772 

Ann.  Laur. :  'et  inde  perrexit  partibus  Saxoniae  prima 
vice,  Aeresburgum  castrum  coepit,  ad  Ermensul  usque  per- 
venit  et  rpsum  fanum  destruxit'; 

=  Petav. :  'Domnus  rex  Karolus  perrexit  in  Saxoniam 
et  conquisivit  Erisburgo  et  pervenit  ad  locum,  qui  dicitur 
Ermensul', 

-j-  Mosell.-Lauresh. :  '.  .  .  et  destruxit  fanum  eorum, 
quod  vocatur  Irminsul'. 

Daraus  ergiebt  sich,  dass  neben  den  Petaviani  die 
Lorscher  Annalen  benutzt  sind,  was  durch  Verglei- 
chung  der  folgenden  Stellen  bestätigt  wird : 


Lauriss.  775:  '.  .  .  et  non 
minorem  stragem  ex  eis  fecit'. 

Laur.  776:  'Hrodgaudus 
occisus  est,  et  supradictus 
domnus  Carolus  rex  ad  Tar- 
visium  civitatem  pascha  cele- 
bravit  et  captas  civitates  .  .  . 
et  disposuit  eas  omnes  per 
Francos  et  iterum  cum  pro- 
speritate  .  .  .  reversus  est  in 
Franciam.  .  .  .  Saxones  re- 
bellantes.    ...    Et    Saxones 


Mosell.-Lauresh.  775:  '.  .  . 
fecitque  ibidem  stragem  ma- 
gnam'. 

Petav.  776:  'Perrexit  dom- 
nus rex  Karolus  in  Italiam 
et  occiso  Hrotgaudo  .  .  .  ob- 
sederuntque  .  .  .  Taraviso 
civitate.  Eo  capto  dispositis- 
que  omnibus  prosper  redit 
cum  suis  in  Franciam.  Et 
audivit,  quod  Saxones  rebel- 
lassent  .  .  . 


1)  Beim  Jahre  772,   mit  welchem   diese  Quelle    endete,   hört  auch 
die  Verwandtschaft  der  Ann.  S.  Amandi  und  Lauriss.  auf. 


Ueber  die  karolingischen  Reichsaniialen  von  741 — 829.      33 

perterriti  omnes  .  .  .  venien-  [        timore   perculsi   venerunt 
tes.  .  .  . 


innumerabilis  multitudo 
baptizati  sunt'. 

Laur.  777:  'Tunc  domirns 
Carolus  rex  sinodum  publi- 
cum   babuit    ad    Paderbrun- 


Mos.-Lauresb.  776:  '.  .  . 
et  baptizata  est  eoruui  multi- 
tudo inuumera'. 

Petav.  777  :  '.  .  .  gloriosus 
rex  Karolus  venit  .  .  .  Patres- 
brunna  habuitque  ibi  magnum 
nen  .  .  .  ibique  .  .  .  Saxones  j  placitum;  et  ibi  convenerunt 
convenerunt  ...  Saxones  .  .  .' 

ibique  multitudo  Saxonum  Mos.-Lauresb.  777:  '.  .  .  et 

baptizati  sunt'.  ibi  paganorum  Saxonum  mul- 

titudo maxima  baptizata  est'. 
Beim  Jabre  778  ist  die  Benutzung  der  Petaviani  nicbt 
mehr  deutlich,  die  der  Lorscher  Quelle  aber  um  so  augen- 
fälliger. Mit  diesem  Jahre  endete  die  ältere  Pecension  der 
Petaviani ;  die  Aehnlichkeiten,  die  sich  nun  noch  zwischen 
Petaviani  und  Lauriss.  finden,  wie  die  von  Bernays  (S.  7) 
angezogene  (785  L.  'et  tunc  tota  Saxonia  subiugata  est', 
P.  'et  tunc  adquisivit  Saxones  cum  Dei  auxilio)  sind,  wenn 
man  sie  nicht  für  belanglos  erachten  mag,  daraus  zu  er- 
klären, dass  der  Verfasser  der  jüngeren  Eecension  der  Peta- 
viani (von  796)  seinerseits  die  Laurissenses  mittel-  oder 
unmittelbar  benutzte 1.  Dagegen  dauert  die  Verwandtschaft 
mit  den  Mosellani  und  Laureshamenses  fort,  mit  den  letz- 
teren auch  noch  über  das  Jahr  785  hinaus,  wo  ihre  Ueber- 
einstimmung  mit  den  Mosell.  aufhört - ;  daraus  folgt,  dass 
der  Verfasser  der  Ann.  Lauriss.  die  Lorscher  Jahrbücher 
in  einem  Exemplar  der  zweiten  Pecension  benutzte.  Doch 
ist  es  leicht  möglich,  dass  für  die  Jahre  787  und  788  be- 
reits den  Laurissenses  die  Priorität  vor  den  Laureshamenses 
zuzusprechen  ist.  Denn  der  Fortsetzer  der  letzteren  (791 
bis  803)  könnte  ja  bei  seiner  Ueberarbeitung  der  Jahre 
786 — 790  auch  die  Lauriss.  benutzt  haben.  Vgl.  o.  S.  16. 
Noch  andere  eigentlich  annalistische  Quellen  anzu- 
nehmen, ist  keine  Veranlassung  3.  Doch  muss  der  Annalist, 
wie  W.  Griesebrecht  (S.  203  f.)  bemerkt,  für  seine  regel- 
mässig  am    Ende    der   Jahresberichte   von  759    an   wieder- 

1)  Siehe  darüber  den  dritten  Theil  meiner  Abhandlung.  2)  Es 

genügt,  hierfür  auf  die  Parallelstellen  bei  Bernays  S.  7  ff.  zu  verweisen, 
aus  welchen  dieser  allerdings  Benutzung  einer  gemeinsamen  Quelle  folgern 
möchte.  3)  Dass  die  Annalenfragmente,  welche  Pertz,  und  die  verlorene 
Grundlage  der  Ann.  Mettenses,  welche  Dünzelmann  als  Quelle  der  Ann. 
Lauriss.  erweisen  wollte,  vielmehr  aus  denselben  abgeleitet  sind,  haben 
schon  Waitz  (Forschungen  VIII,  631  f.  und  XX,  385  ff.)  und  Giesebrecht 
(Forschungen  XIII,  627  ff.)  dargethan.     Vgl.  den  folgenden  Theil. 

Neues  Archiv  ete.    XX.  3 


34  F.  Kurze. 

kehrenden  Angaben  über  den  Aufenthalt  des  Königs  am 
Weihnachts-  und  Osterfeste  irgend  welche  kurzen 
Notizen  darüber  vor  sich  gehabt  haben,  wie  sie  uns  ähn- 
lich in  der  Hs.  der  Annales  Lindisfarnenses  aus  St.  Ger- 
main des  Pres  (MG.  SS.  IV,  2)  vorliegen1. 

Dünzelmann  (a.  a.  O.  535)  und  Manitius  haben  sogar 
noch  weitergehende  Vermuthungen  aufgestellt.  Ersterer 
denkt  an  officielle  Aufzeichnungen,  die  am  Hofe  gemacht 
wurden  und  sich  nicht  nur  auf  die  Orte  der  Weihnachts- 
und Osterfeiern,  sondern  auch  auf  kriegerische  Expeditionen 
und  politische  Gesandtschaften  erstreckt  hätten.  In  ähn- 
licher Weise  nimmt  Manitius  als  Quelle  ein  genaues  Iti- 
nerar  an,  das  wahrscheinlich  von  einem  Beamten  aufge- 
zeichnet worden  sei,  welcher  den  König  auf  seinen  Zügen 
begleitete.  Indessen  solche  Aufzeichnungen,  die  nach 
Dünzelmann  'keine  Annalen'  gewesen  sein  sollen,  könnten 
doch  bei  knappstem  Notizenton  sich  von  den  älteren  An- 
nalen kaum  anders  als  durch  reicheren  Inhalt  und  grössere 
Genauigkeit,  von  den  Lauriss.  selbst  aber  nur  durch  die 
knappere  Form  unterschieden  haben;  und  wenn  sie  wirk- 
lich Jahrzehnte  hindurch  gleichzeitig  bei  Hofe  geführt 
worden  wären,  so  müssten  doch  wohl  deutlichere  Spuren 
davon  schon  in  früheren  Annalen  zu  finden  sein.  Auf  die 
Beobachtungen,  welche  Dünzelmann  und  Manitius  zu  dieser 
Annahme  veranlasst  haben,  komme  ich  wieder  zurück 2. 

Bekundet  nun  schon  die  Zahl  der  benutzten  Quellen 
eine  grosse  Verschiedenheit  der  Arbeitsweise  unseres  Anna- 


1)  Vgl.  M.  Manitius,  Mitth.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  X,  S.  423  f.: 
am  Ende  des  Jahres  772  erwähnt  der  Annalist  mit  dem  "Weihnachtsfest 
in  gewohnter  Weise  die  Osterfeier  des  folgenden  Jahres,  während  er  erst 
zu  Anfang  773  berichtet,  dass  der  König  'ad  hiemandum'  nach  Dieden- 
hofen  gegangen  sei-,  für  das  Osterfest  767  hat  er  zwei  verschiedene  An- 
gaben, eine  am  Ende  von  766  aus  seiner  Liste,  eine  im  Zusammenhange 
der  Erzählung  zu  767.  Den  Widerspruch  erklärt  Manitius,  wie  schon 
früher  H.  Bresslau  (Jahrbücher  Konrads  II.,  Bd.  II,  Excurs  I)  für  das 
XI.  Jahrh.  gethan,  wohl  richtig  daraus,  dass  die  Feste  zuweilen  äusserer 
Umstände  wegen  nicht  an  denjenigen  Orten  abgehalten  werden  konnten, 
für  die  sie  angesagt  waren.  2)  Für  ganz  unzulässig  halte  ich  es,  aus 

den  Worten  'Haeresis  Feliciana  .  .  . ,  quem  Anghilbertus  .  .  .  deduxit' 
(792)  auf  lückenhafte  Benutzung  einer  schriftlichen  Quelle  zu  schliessen, 
wie  Manitius  (Mitth.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  XIII,  229  ff.)  thut.  Auch 
der  Vorwurf,  welchen  derselbe  gegen  die  Nachricht  von  dem  Brückenbau 
in  den  Annalen  zu  792  erhebt,  dass  man  daraus  gar  nicht  einmal  erfahre, 
über  welchen  Fluss  eigentlich  die  Brücke  gebaut  worden  sei,  ist  unbe- 
rechtigt ;  denn  es  heisst  vorher,  dass  der  König  in  Regensburg  Weihnacht 
und  Ostern  feierte,  dass  'ibi'  Felix  verurtheilt  wurde,  und  dass  in  dem 
Jahre  keine  Heerfahrt  stattfand,  nachher  aber,  dass  wiederum  'ibi'  Weih- 
nacht und  Ostern  gefeiert  wurde. 


Ueber  die  karolingischen  Reichsannalen  von  741 — 829.      35 

listen  von  der  seiner  Vorgänger,  so  unterscheidet  er  sich 
noch  viel  mehr  darin  von  ihnen,  dass  er  diese  Quellen  nicht 
wörtlich  abschreibt,  sondern  im  grossen  und  ganzen  nur 
dazu  benutzt,  um  den  reichen  Stoff,  der  ihm  zu  Gebote 
steht,  chronologisch  zu  fixieren.  Man  kann  sogar  beob- 
achten, wie  er  bei  Differenzen  zwischen  seinen  Quellen  zu 
vermitteln  sucht,  wenngleich  man  an  seine  Kritik  natür- 
lich keine  hohen  Anforderungen  stellen  darf.  Bei  einem 
Autor  aber,  der  so  viele  Quellen  kannte  und  mit  solcher 
Freiheit  benutzte  und  dabei  von  Anfang  an  eine  solche 
Fülle  von  eigenen  Nachrichten  bringt,  dass  man  ihn  in 
jedem  Falle  für  einen  wohl  unterrichteten  Mann  halten 
muss,  wäre  es  nun  doch  im  höchsten  Grade  wunderbar, 
wenn  er  das  grösste  Geschichtswerk  aus  der  Zeit  Pippins, 
die  Fortsetzungen  Fredegars,  nicht  gekannt  hätte. 
Eine  eingehende  Vergleichung  des  beiderseitigen  Inhalts 
kaun  meiner  Ansicht  nach  auch  keinen  Zweifel  lassen,  dass 
der  Annalist  diese  Quelle  wirklich  benutzt  hat. 

742  bringt  der  Annalista  Laurissensis  (L)  von  Nach- 
richten, die  nicht  aus  den  kleinen  Annalen  stammen,  nur 
zwei:  die  Eroberung  von  Loches  und  die  Theilung  des 
Reiches  auf  dem  Marsche  zu  Vetus  Pictavis.  Der  Bericht 
des  Continuator  Fredegarii  (CF)  über  die  Heerfahrt  gegen 
die  Basken  (c.  25)  enthält  wenigstens  die  erstere. 

Die  Angabe  von  CF,  dass  im  Herbst  desselben  Jahres 
ein  Zug  gegen  die  Alamanneii  stattgefunden  habe,  scheint 
mir  von  entscheidendem  Einfluss  auf  die  Chronologie  von 
L  bis  750  hin  gewesen  zu  sein.  Denn  sie  halte  ich  für 
die  Veranlassung,  dass  L  die  wörtlich  den  Ann.  Petaviani 

743  entnommene  Nachricht  'Carolus  Alamanniam  vastavit' 
mit  'eodemque  anno'  dem  Jahre  742  zuweist  und  nun  con- 
sequent  alle  Nachrichten  der  Ann.  Petav.  bis  749  um  ein 
Jahr  früher  ansetzt.  Zu  diesem  Verfahren  mochte  L  sich 
um  so  berechtigter  halten,  als  der  in  den  Ann.  Pet.  744 
erwähnte  Friedensschluss  zwischen  Karlmann  und  Odilo 
mit  dem  in  den  Ann.  S.  Am.  743  berichteten  Feldzuge 
Karlmanns  gegen  die  Baiern  zusammenzugehören  schien. 
Die  Einwirkung  von  CF  zeigt  sich  743  aber  auch  unmittel- 
bar darin,  dass  L  wie  CF  beide  Hausmeier  gegen  Odilo 
ziehen  lässt,  während  die  Ann.  S.  Am.  743  wie  die  Petav. 

744  nur  Karlmann  nennen. 

Benutzt  L  bis  748  vorzugsweise  die  Ann.  Petaviani, 
um  an  die  dürftigen  Notizen  derselben  seine  eigenen  Er- 
innerungen anzuknüpfen,  so  meine  ich  bei  den  Jahren  749 
und  750  wieder  unmittelbaren  Einfluss  von  CF  zu  erkennen. 


36 


F.  Kurze. 


Den  Zug  Pippins  nach  Baiern,  welchen  L  fälschlich  zu 
748  statt  zu  749  stellt,  erzählt  CF,  ohne  Grifo's  Namen  zu 
nennen,  in  c.  32  und  fügt  daran  nach  der  Bemerkung  'et 
quievit  terra  a  proeliis  annis  duobus'  in  c.  33,  mit  'Quo 
tempore'  anknüpfend,  einen  ganz  kurzen  Bericht  über 
Pippins  Gesandtschaft  an  den  Papst  und  seine  Erhebung 
zum  König.  Die  letztere  fand  L  in  seinen  Quellen  sehr 
verschieden  datiert,  nämlich  in  der  neustrischen  (==  Ann. 
S.  Col.  Seiion.)  zu  dem  Jahre  750,  in  den  Ann.  S.  Amandi 
zu  751  und  in  den  Petav.  und  Lauresham.  zu  752  gestellt. 
Aus  CF  musste  er  entnehmen,  dass  die  beiden  in  c.  33 
berichteten  Ereignisse  in  die  zwei  Jahre  fielen,  in  welchen 
'die  Erde  von  Schlachten  ruhte',  also,  wenn  der  Zug  nach 
Baiern  748  stattgefunden  hatte,  in  die  Jahre  749  und  750: 
so  erzählt  er  denn  die  Gesandtschaft  zu  749  und  die  Thron- 
besteigung zu  750.  Auch  im  Wortlaute  sind  hier  zum 
ersten  Male  deutliche  Anklänge  wahrzunehmen: 


CF  33:  '.  .  .  missa  rela- 
tione  ad  sede  apostolica, 
auctoritate  praecepta,  prae- 
celsus  Pippinus  .  .  .,  ut  anti- 
quitus  ordo  deposcit,  subli- 
matur  in  reg'no'. 


L749:  Zwei  Gesandte  'missi 
fuerunt  ad  Zachariampapam'; 
dieser,  'ut  non  conturbaretur 
ordo,  per  auctoritatem 
apostolicam  iussit  Pippinum 
regem  fieri'.  750:  'Pipp.  .  .  . 
elevatus  a  Francis  in  regno'. 
Nachdem  dann  L  den  unlösbaren  chronologischen 
Schwierigkeiten  einfach  durch  Auslassung  der  Jahre  751 
und  752  aus  dem  Wege  gegangen  ist,  fährt  er  zu  753  mit 
der  Heerfahrt  Pippins  nach  Sachsen  fort.  'Auf  dem  Rück- 
züge', heisst  es  dann  weiter: 


(CF  35):  'nuntius  veni- 
ens  .  .  .,  quod  germanus 
ipsius  rege,  nomine  Gripho, 
quod  dudum  in  Vasconia  .  .  . 
confugium  fecerat,  .  .  .  inter- 
fectus  est'. 

Weiterhin   bieten   sich   folgende  Stellen   zur  Verglei- 
chung  dar: 


(L  753):  'nuntiat um  est 
ei,  quod  Grifo,  qui 

in  Wasconiam  fugatus  est, 
germanus  eius, 

occisus  fuisset'. 


CF  36:  '.  .  .  Stephanus 
papa  .  .  .  veniens,  .  .  .  auxi- 
lium  petens,  .  .  .  ut  per  eius 
adiutorium  .  .  .  liberaret'. 

CF  37 :  '.  .  .  Aistulfus,  rex 
Langobardorum,  .  .  .  usque  ad 
clusas  ...  veniens'.  Schlacht. 


L  753:  'Stephanus  papa 
venit  in  Franciam,  adiuto- 
rium et  solatium  quaerendo'. 


L   755 


Haistulfus 
clu- 
sas   Langobardorum    petiit'. 


Langobardorum  rex  . 


Ueber  die  karolingischen  Reichsamialen  von  741 — 829.      37 


'Franci  •  .  .  Deum  invocant 
et  beati  Petri  apostoli  adiu- 
torem  rogant'.  Aistulf  flielit 
in  'Ticimmi  urbem',  wird  zum 
Frieden  gezwungen  und  stellt 
Geiseln.  Pippin  lässt  den 
Papst  wieder  nach  Koni  ge- 
leiten und  'reversus  est  ad 
propria'. 

CF  38 :  '.  .  .  Aistulf us  rex 
Lang,  fideni  suam,  quod 
contra  rege  Pippino  pronii- 
serat,  .  .  .  fefellit'. 

CF  39:  'Post  haec  Aistul- 
fus  rex  Lang.,  dum  vena- 
tionena  inquodani  silvam 
exerceret,  divino  iudicio  .  .  . 
vitaui  et  regnum  .  .  .  am- 
misit.  Langobardi  .  .  .  De- 
siderio  in  sedem  regni  in- 
st ituunt'. 

CF  41:  '.  .  .  rex  Pippinus 
legationem  ad  Waiof  ario  Aqui- 
tanico  principe  inittens,  pe- 
tens  .  .  .,  ut  res  ecclesia- 
rum  de  regno  ipsius,  qui  in 
Aquitania  sitas  erant,  redde- 
ret'. 

CF  42 :  '.  .  .  ad  Dura'  Mai- 
feld. .  .  .  'Waiofarius  .  .  .  ex- 
ercitum  suum  .  .  .  usque  Ca- 
Tallonnum  .  .  .  transmisit.  .  .  . 
Cum  haec  Pippino  rege  nun- 
tiat um  fuisset,  quod  W. 
sacramenta  fefellisset'. 


Sehlacht.  'Domino  auxiliante 
et  beato  Petro  intercedente' 
Sieg  der  Franken.  Der  Papst 
wird  nach  Rom  zurückgeführt. 
Haistulf  in  Paria  eingeschlos- 
sen, macht  Frieden.  Pippin 
nach  Empfang  von  40  Geiseln 
'reversus  est  in  Frantiam'. 

L  756 :  '.  .  .  ab  Haistulf o 
Langobardorum  rege  ea  non 
esse  vera,  quod  antea  pro- 
miserat  .  .  .' 

L  756:  'Haistulf us  .  .  . 
quo  dam  die  venationem 
fecit  et  percussus  est  Dei 
iudicio,  vitam  finivit.  Et 
quomodo  et  qualiter  missus 
est  Desiderius  rex  in  regno, 
postea  dicamus'  (was  nachher 
unterbleibt). 1 

L  760  :  Tunc  Pippinus  rex, 
cernens  Waipharium  ducem 
Aquitanioruni  minime  con- 
sentire  iustitias  ecclesia- 
rum  partibus,  quae  erant  in 
Francia,   .   .   . 

L  761:  'Waipharius  .  .  . 
exerciturn  misit,  qui  ad  Ca- 
valonum  civitatem  venerunt. 
Dum  .  .  .  rex  synodum  suum 
teneret  in  villa,  qui  dicitur 
Dura,  nuntiatum  est  ei, 
quod  W.  in  omnibus  menti- 
tus  est'; 


1)  M.  Manitius  (Mitth.  XIII,  231)  zieht  aus  dieser  Stelle  die  Fol- 
gerung, dass  der  Annalist  eine  ausführliche  Darstellung  dieses  Ereignisses 
besessen  habe,  und  zwar  wahrscheinlich  ein  amtliches  Schriftstück  über 
die  Entthronung  des  Desiderius,  dessen  Titel  in  den  Worten  'quomodo  et 
qualiter  —  regno'  enthalten  sei.  Ich  bin  überzeugt,  dass  nur  die  Worte 
des  Cont.  Fred,  dem  Annalisten  Veranlassung  gaben,  Desiderius  an  dieser 
Stelle  zu  erwähnen ;  es  schien  ihm  geeigneter,  seine  Thronbesteigung  in 
anderem  Zusammenhange  zu  erzählen,  vermuthlich  zusammen  mit  der  Ab- 
setzung, nachher  hat  er  diesen  Vorsatz  vergessen:  eine  verlorene  Quelle 
brauchen  wir  darum  nicht  anzunehmen. 


38 


F.  Kurze. 


L  762 :  '.  .  .  Pippinus  .  .  . 
coepit  civitatem  Bituricam  et 
castrum,  quod  dicitur 
Toarcis'. 


CF  43 :  (Pippin)  .  .  .  'Bito- 
ricas  venit  .  .  .  cepit  urbern. 
.  .  .  Inde  .  .  .  usque  ad  Ca- 
stro, qui  vocatur  Toar- 
tius,  veniens,  .  .  .  castrus 
.  .  .  captus  .  .  .' 

Von  c.  44  an  ist  die  Fortsetzung  Fredegars  offenbar 
nicht  gleichzeitig,  wie  die  chronologische  Verwirrung  und 
die  einseitige  Berücksichtigung  der  aquitanischen  Angelegen- 
heiten beweisen.  Ohne  Zeitangabe  wird  in  c.  46  die  Wieder- 
erbauung von  Argenton  (766)  berichtet,  in  c.  47  mit  'se- 
quente  anno'  die  aquitanische  Heerfahrt  von  763  angereiht, 
in  c.  48  wieder  mit  'evoluto  anno'  der  Zug  von  766 ;  in 
c.  49  ist  nur  von  dem  zweiten  Zuge  des  Jahres  767  die 
Rede.  Wahrscheinlich  ist  also  alles  erst  768  oder  noch 
später  geschrieben. 

L  konnte  daraus  nicht  viel  entnehmen;  bei  767  und 
768    ist    aber    doch    die  Benutzung  deutlich  zu  erkennen1: 


CF  49:  Pippin  über  den 
Liger,  'ad  Bitoricas  accessit. 
.  .  .  Iterum  campo  Madio, 
sicut  mos  erat,  ibidem 
tenere  iubet'.  Nach  vergeb- 
licher Verfolgung  Waifars  'ad 
Betör icas  •  .  .  reversus 
est'. 

CF  51:  P.  bricht  von  Bour- 
ges  auf  und  schickt  einige 
Grafen  aus,  die  den  aufstän- 
dischen Pemistagnus  fangen. 
Waifar  'in  pago  Petrocoreco 
latitans',  P.  kommt  nach 
Sellus. 

52 :  Von  hier  'iterum  per- 
rexit  et  usque  ad  Sanctones 
.  .  .  venit  .  .  .  Waiofarius  .  .  . 
terga  vertit  .  .  .  a  suis  inter- 
fectus  est.  .  .  .  Pippinus  .  .  . 
cum  magno  triumpho  et 
victoria  Sanctonis  .  .  .  ve- 
niens'. 

53 :  Während  seines  Auf  ent- 


L  767:  Pippin  nach  Aqui- 
tanien,  'Bituricam  usque  ve- 
nit, ibi  synodum  fecit  cum 
omnibus  Francis  solito  more 
in  campo'.  Von  da  zur  Ga- 
ronne,  'et  reversus  est 
Bituricam'. 

L  768:  P.  bricht  auf  'et 
Remistagnum  coepit' 


Feiert  Ostern  zu  Sels. 

'Iterum  iter  adsumens 
.  .  .  ad  Sanctones  civitatem 
pervenit  ...  et  partibus  Pe- 
trogorico  perrexit;  et  inter- 
empto  Waiphario  cum  tri- 
umpho victoriae  ad  Sanc- 
tones reversus  est. 

Ibique  moram  faciens  .  .  . 


1)   Auf  die   Aehnlichkeit   im  Wortlaut   hat   JBemays   S.  87  f.    auf- 
merksam gemacht. 


Ueber  die  karolingischen  Reichsarmalen  von  741- — 829.      39 


halts  daselbst  'egrotare  ce- 
pit'  und  reist  über  Poitiers 
nach  Tours,  '.  .  .  ausilium 
beati  Martini  petens'.  Von 
da  nach  St.  Denis,  wo  er 
stirbt. 


aegrotare  coepit,  parti- 
bus  Turonorum  revertendo 
perrexit,  orationem  ad  sanc- 
tum  Martin  um  fecit'.  In 
St.  Denis  angekommen,  stirbt 
er. 


Es  kommt  hinzu,  dass  die  oft  bemerkten  stilistischen 
Eigentümlichkeiten  der  Ann.  Laur.,  der  häufige  Gebrauch 
von  'partibus'  in  Verbindung  mit  Ortsnamen,  die  über- 
mässige Anwendung  von  'praefatus,  praedictus'  u.  s.  w., 
Redensarten  wie  'fidem  fallere',  'mentiri',  'igne'  oder  'in- 
cendio  cremare',  'confugium  facere',  'cum  magno  triumpho 
reverti',  'ad  propria  remeare '  u.a.,  das  oft  wiederkehrende 
'solito  more'  und  die  Hervorhebung  der  göttlichen  Hülfe 
('Deo'  oder  'Domino  auxiliante,  adiuvante,  opitulante)  in 
den  Fortsetzungen  Fredegars  ihr  Vorbild  finden.  Demnach 
halte  ich  es  für  ganz  unzweifelhaft,  dass  der  Annalist  auch 
die  Fortsetzungen  Fredegars  gekannt  und  benutzt  hat. 

Ehe  wir  uns  nun  der  Frage  nach  der  Person  des 
ersten  Verfassers  und  der  Stätte  seines  Aufenthaltes  zu- 
wenden, haben  wir  zuvor  noch  den  Umfang  des  ersten 
Theiles  der  Annalen,  den  er  geschrieben,  vollständig 
festzustellen.  Bisher  haben  wir  nur  ermittelt,  dass  er  787 
oder  788  begonnen  und  das  Stück  bis  788  in  einem  Zuge 
geschrieben  hat;  damit  ist  aber  noch  nicht  entschieden, 
ob  der  Verfasser  an  diesem  Punkte,  wo  er  bei  der  Gegen- 
wart anlangte  und  zeitweilig  also  die  Feder  ruhen  lassen 
musste,  überhaupt  zu  schreiben  aufgehört  oder  im  Laufe 
der  nächsten  Jahre  noch  eine  gleichzeitige  Fortsetzung  an- 
gehängt hat.  Dass  einmal  eine  Hs.  vorhanden  gewesen 
ist,  welche  788  endete,  thut  für  diese  Frage  gar  nichts  zur 
Sache;  denn  dass  dieselbe  das  Original  gewesen  sei,  ist 
eine  willkürliche  Annahme  von  Pertz,  und  selbst  wenn  sie 
das  Original  gewesen  wäre,  könnte  der  Verfasser  seine  Fort- 
setzung allenfalls  ja  auch  einer  Abschrift  angefügt  haben. 
Nur  die  Untersuchung  des  Stils  kann  hier  entscheiden. 

Fast  allgemein  wird  anerkannt,  dass  das  Jahr  788 
stilistisch  keine  Grenzscheide  bildet ;  nur  v.  Sybel  \  dem 
Js.  Bernays2  (S.  156  f.)  beigetreten  ist,  findet  (S.  261,  Anm.  1), 
dass  'trotz  kleiner  stilistischer  Abwandlungen'  die  Darstel- 
lung der  Jahre  788 — 796  'wesentlich  gleichartig  mit  jener 


1)  Historische  Zeitschrift  XLII,  260—288. 
lingischer  Annalen,  Strassb.  Diss.  1883. 


2)  Zur  Kritik  karo 


40  F.  Kurze. 

der  folgenden'  sei,  hat  aber  diese  Meinung-  nicht  näher  be- 
gründet. 

Ganz  überzeugend  hat  jedoch  Dünzelmann  x  (S.  481  f.) 
dargethan,  dass  die  Jahre  789 — 791  noch  ganz  deu  vorher- 
gehenden gleichen;  denn  die  Verwendung  von  'partibus', 
lsupradictus',  'iarndictus',  'supra  nominatus',  'iter  peragere', 
'pergere'  ist  noch  dieselbe  wie  vorher,  auch  findet  sich  789 
noch  einmal  der  Accusativus  absolutus.  Ich  kann  hinzu- 
fügen, dass  am  Ende  von  788  noch  einmal  'per  semetipsum 
pervenit'  vorkommt  wie  in  787  'venit  per  semetipsum',  in 
789  'inante'  (so  und  nicht  'in  antea'  ist  zu  lesen)  und  'con- 
iungere'  (=  venire)2  ganz  wie  787.  Die  Zugehörigkeit  der 
Jahre  792  und  793  lässt  Dünzelmann  vorsichtig  unent- 
schieden, behauptet  aber,  dass  mit  dem  Jahre  794  eine 
entschiedene  Aenderung  eintrete,  weil  bei  diesem  Jahre 
'iamfatus'  und  'partibus'  nur  noch  je  einmal  erscheine. 
Indessen  das  genügt  doch  schon,  um  das  Jahr  794  noch 
dem  ersten  Abschnitt  zuzuweisen.  Auch  findet  sich  hier 
noch  das  barbarische  Participium  praesentis  an  Stelle  des 
Verbum  finitum:  'Saxones  autem  congregantes  se  .  .  ., 
praeparantes  se  quasi  ad  pugnam;  cum  vero  audissent  .  .  .' 
B.  Simson  (a.  a.  O.)  will  denn  auch  nach  diesem  Jahre  die 
Grenze  ziehen,  besonders  wegen  des  'partibus',  das  im  fol- 
genden nicht  ein  einziges  Mal  wieder  vorkommt. 

G.  Waitz 3  aber  macht  mit  Recht  besonders  dies  gel- 
tend, dass  bis  795  die  Reichsversammlung  noch  immer 
'sinodus'  oder  'placitum',  der  Abgesandte  des  Königs  'mis- 
sus'  heisst,  während  von  796  an  'populi  conventus'  oder 
'generalis  populi  conventus'  und  'legatus'  ganz  regelmässig 
an  die  Stelle  jener  älteren  Ausdrücke  treten. 

M.  Manitius 4,  der  alle  hier  in  Frage  kommenden 
Momente  am  eingehendsten  erörtert,  bemerkt  noch,  dass 
bis  795  einschliesslich  fast  jedes  Jahr  durch  eine  zeitliche 
Anknüpfung  dem  vorhergehenden  angereiht  wird,  und  hebt 
hervor,  dass  auch  die  häufig  wiederkehrende  Erwähnung 
des  göttlichen  Schutzes  nur  bis  794  vorkommt,  während 
796  'peracta  Deo  largitori  omnium  bonorum  gratiarum 
actione'  Citat  aus  Prudentius  ist  und  späterhin  des  unmittel- 
baren Eingreifens  Gottes  nicht  mehr  gedacht  wird. 

W.  Giesebrecht  (a.  a.  0.  S.  206)  wollte  den  zweiten 
Theil  bei  797  beginnen  lassen,  von  wo  an  gewöhnlich  lnos' 


1)  N.  A.  II,  475-537.  2)  Vgl.  B.  Simson,  Karl  der  Grosse  I2, 
Excurs  III,  S.  661  f.  3)  Göttinger  Nachrichten  1857,  S.  46—52.  4)  Mitth. 
d.  Inst.  f.  österr.  Geschichtsforsch.  XIII,  226. 


Ueber  die  karolingiscben  Reichsannalen  von  741 — 829.      41 

für  die  Franken  gebraucht  wird ;  doch  beweist  das  nicht, 
dass  das  Jahr  796  noch  zum  ersten  Theile  gehören  müsste, 
da  hier  auch  die  Tranken  nicht  genannt  werden.  Fr.  Ebrard1 
aber  will  (S.  436)  gerade  796  noch  zum  vorigen  Theile 
rechnen,  weil  hier  die  Person  des  Herrschers  zum  letzten 
Male  durch  ehrende  Epitheta  ausgezeichnet  wird.  Deshalb 
und  wegen  des  unter  795.  796  und  797  vorkommenden  Aus- 
drucks 'in  Gallias'  für  das  linksrheinische  Gebiet  behauptet 
eben  Dünzelinann,  dass  eine  scharfe  Grenze  überhaupt  nicht 
zu  erkennen  sei,  sondern  nur  gewisse  Gruppen  von  gleichem 
Stil  sich  festsetzen  Hessen.  Aber  die  Bezeichnung  'idein 
vir  prudentissinms  atque  largissimus  et  Dei  dispensator' 
für  den  König  beim  Jahre  796  ist,  wie  M.  Manitius  2  tref- 
fend bemerkt,  doch  recht  sehr  verschieden  von  den  früher 
üblichen  Ehrennamen  'dominus  Carolus  rex'.  'supradictus 
gloriosus,  iami'atus  excellentissimus,  iamdictus  praecellen- 
tissimus  rex'  und  kann  keinesfalls  beweisen,  dass  das  Jahr 
796  noch  von  dem  ersten  Verfasser  geschrieben  sein  müsse3. 
Das  Vorkommen  des  Ausdrucks  in  Gallias  aber  im  letzten 
Satze  von  795  beweist  mir,  dass  derselbe  bereits  zum  zweiten 
Theile  gehört;  und  so  bekommen  wir  sogar  eine  sehr 
scharfe  Grenze,  denn  der  vorhergehende  Satz  noch  ist 
wegen  des  darin  enthaltenen  Wortes  'missi  dem  ersten 
Theile  zuzuweisen. 

Der  zweite  Autor  setzt  demnach  beim  Jahre  795  ein 
mit  dem  Satze  'Rex  vero  afflictis  magna  ex  parte  Saxoni- 
bus  eorumque  terra  vastata  acceptisque  eoruin  obsidibus 
in  Gallias  rediit  ,  der  auch  eine  Gewandtheit  im  Gebrauche 
des  Ablativus  absolutus  aufweist,  wie  sie  sich  in  dem  ganzen 
vorhergehenden  Theile  nicht  findet.  Auch  dass  es  796 
heisst  'per  Angilbertum  dilectum  abbatem  suum',  während 
derselbe  792  schlechthin  'Anghilbertus'  genannt  wird4, 
spricht  dafür,  dass  wir  hier  einen  neuen  Autor  vor  uns 
haben. 

Was  nun  den  Abfassungsort  betrifft,  so  hat  Pertz 
durch  den  Hinweis  auf  die  Verwandtschaft  mit  den  An- 
nales Laurissenses  minores  (Chronicon  Laurissense)  und  auf 


1)  Forsch.  XIII,  425—472.  2)  Mitth.  d.  List.  f.  österr.  Gesch. 

XIII,    226.  3)  Waitz    a.  a.  0.    hat    im  Gegentheil  gerade   daraus  ab- 

nehmen zu  dürfen  geglaubt,  dass  ein  neuer  Verfasser  eintrete,  'der  bei 
der  ersten  Erwähnung  seines  Königs  sich  gedrungen  fühlte,  seiner  Ver- 
ehrung und  Hingebung  einen  Ausdruck  zu  geben'.  I)  Vgl.  788  :et  fuit 
missus  Wineghisus  una  cum  paucis  Francis'  ebenfalls  ohne  Zusatz ;  auch 
sonst  wird  nur  eben  der  Titel,  oft  bloss  die  Bezeichnung  'missus'  zum 
Xamen  hinzugefügt. 


42  F.  Kurze. 

die  Herkunft  des  ältesten  Codex,  von  dem  wir  wissen,  be- 
kanntlich Lorsch  als  Heimath  unserer  Annalen  erwiesen 
zu  haben  gemeint.  Indessen  die  Verwandtschaft  des  Chron. 
Laur. ,  genauer  gesagt  die  Abhängigkeit  desselben  von 
unseren  Annalen,  beweist  doch  nichts  für  die  Entstehung 
der  letzteren,  und  dass  der  verlorene  Lorscher  Codex  das 
Autograph  gewesen  sei.  ist  eine  ganz  unbegründete  An- 
nahme. Das  Gregentheil  ist  sogar  wahrscheinlicher,  wenn 
die  Fortsetzung  bis  795  noch  von  dem  ersten  Autor  her- 
rührt. Auch  an  sich  ist  nicht  recht  glaublich,  dass  in 
einem  und  demselben  Kloster  drei  Geschichtswerke,  wie 
die  Quelle  der  Ann.  Mosell.  und  Lauresh.,  die  Laurissenses 
und  das  Chron.  Laurissense,  so  schnell  auf  einander  ge- 
folgt wären. 

L.  v.  Ranke  l  hat  die  Vermuthung  ausgesprochen,  dass 
die  Annalen  am  Hofe  selbst  von  einem  vielleicht  speciell 
beauftragten  Geistlichen  verfasst  seien ;  W.  v.  Giesebrecht 
(a.  a.  O.)  meinte,  in  dem  Erzbischof  Arn  von  Salzburg  den 
Verfasser  gefunden  zu  haben,  H.  v.  Sybel  (a.  a.  O.)  da- 
gegen hat  besonders  den  officiellen  Ursprung  bekämpft. 
Ueber  die  letztere  Frage  ist  dann  soviel  hin  und  her  ge- 
stritten worden,  dass  sich  nicht  eben  viel  Neues  mehr  wird 
vorbringen  lassen.  Ich  verzichte  deshalb  darauf,  die  ge- 
sammte  Litteratur,  bezüglich  deren  ich  auf  Wattenbach 
verweise,  hier  noch  einmal  durchzugehen,  und  begnüge 
mich,  meinen  eigenen  Standpunkt  klarzustellen  und  kurz 
zu  begründen. 

Geht  man  von  der  Annahme  aus,  dass  die  Annalen 
in  einem  Kloster  geschrieben  seien,  so  fällt  vor  allen 
Dingen  auf,  dass  wir  nirgends  vom  Tode  eines  Abtes  oder 
Bischofs  (mit  Ausnahme  des  Bischofs  Hildegar  von  Köln, 
der  753  in  einem  Feldzuge  gegen  die  Sachsen  umkam), 
nirgends  von  der  Weihe  einer  Kirche,  nirgends  von  der 
Erhebung  eines  Heiligen  lesen,  überhaupt  keiner  klöster- 
lichen Lokalnotiz  begegnen.  Die  ganze  Erzählung  beschäf- 
tigt sich  so  ausschliesslich  mit  dem  Herrscher  und  seinen 
Thaten,  dass  das  Werk,  wo  und  von  wem  auch  immer  es 
geschrieben  sei,  ob  mit  oder  ohne  höheren  Auftrag,  durch- 
aus den  Namen  Reichsannalen,  wie  es  von  Ranke,  oder 
Königsannalen,  wie  es  von  Giesebrecht  genannt  worden  ist, 
verdient.  Gesetzt  nun  auch,  dass  ein  Klostergeistlicher 
aus  Verehrung   für   den  König   eben  nur  Reichsgeschichte 


1)  Abhandlungen  der  Berliner  Akademie  1854,  S.  415 — 435. 


Ueber  die  karolingisclien  Reichsannalen  von  741 — 829.      43 

zu  schreiben  sich  vorgenommen  und  aus  allerdings  nicht 
recht  erfindlichen  Gründen  lokalgeschichtliche  Nachrichten 
geflissentlich  verschmäht  hätte,  wo  findet  sich  ein  Kloster, 
in  welchem  ein  Mönch  so  reichen  Stoff  zusammenzutragen 
vermochte?  'Ein  Mönch  in  seinem  Kloster  konnte  un- 
möglich die  Dinge  so  genau  erkunden,  wie  sie  hier  be- 
schrieben sind",  sagt  Ranke  (S.  434),  und  darin  hat  er, 
meines  Erachtens,  unzweifelhaft  recht ;  denn  die  Fülle  des 
Materials,  für  welches  unsere  Annalen  selbst  die  älteste 
Quelle  sind,  ist  ganz  ungeheuer,  und  allein  quantitativ  be- 
trachtet, ganz  abgesehen  von  Zusammensetzung  und  Form. 
worin  sie  doch  auch  einen  erheblichen  Fortschritt  bedeu- 
ten, sind  sie  eine  staunenswerthe  Leistung,  wie  sie  einem 
einfachen  Klosterbruder  schwerlich  gelingen  konnte. 

Auch  bei  der  Annahme,  dass  ein  Klostergeistlicher, 
von  lebhaftem  Interesse  für  alles,  was  den  Hof  anging, 
erfüllt,  jede  Gelegenheit,  bei  der  etwas  darüber  zu  er- 
fahren war,  gewissenhaft  wahrgenommen  hätte,  etwa  wenn 
das  königliche  Hoflager  am  Orte  oder  in  der  Nähe  weilte, 
oder  wenn  er,  vielleicht  selbst  als  Abt  oder  in  der  Beglei- 
tung seines  Abtes,  zur  grossen  Reichsversammlung  kam, 
würde  immer  nur  je  nach  der  Lage  des  angenommenen 
Klosters  ein  gewisser  Kreis  von  Nachrichten  seine  Erklä- 
rung finden.  Lorsch  z.  B.  würde  man  wegen  der  Nähe 
von  Worms  mit  v.  Sybel  als  einen  Punkt  bezeichnen  dür- 
fen, von  dem  aus  ein  Mönch  es  verhältnismässig  leicht  ge- 
habt hätte,  sich  —  wenigstens  von  781  an  —  über  die 
meisten  wichtigeren  Vorgänge  zu  unterrichten.  Aber  nicht 
einmal  über  alle  in  den  Annalen  berichteten  Ereignisse 
der  80er.  wie  nun  gar  über  die  aquitanischen  Feldzüge  der 
60er  oder  die  sächsischen  der  40er  Jahre?  Ebenso  steht 
die  Sache  aber  bei  jedem  anderen  Kloster,  wenn  wir  nicht 
etwa  eins  anzugeben  wissen,  das  dem  Hofe  besonders  nahe 
stand.  Wie?  wenn  der  Verf.  nun  z.  B.  Mönch  im  Kloster 
St.  Denis  gewesen  wäre,  dessen  Abt  Folrad  als  königlicher 
Kapellan  schon  seit  Pippins  Zeiten  zu  den  einflussreichsten 
Männern  bei  Hofe  zählte?  Nicht  weniger  als  dreimal  wird 
Folrad  erwähnt,  und  zwar  so.  dass  es  in  der  That  den  An- 
schein hat.  als  wisse  der  Annalist  von  dem  betreffenden 
Vorfall  eben  darum  Näheres,  weil  Folrad  dabei  war:  749 
wird  er  mit  dem  Bischof  Burghard  von  Würzburg  zum 
Papst  geschickt,  755  führt  er  mit  anderen  den  Papst  nach 
Eom,  771  erscheint  er  mit  dem  Erzbischof  Wilchar  und 
anderen  Geistlichen,  den  Grafen  Warin  und  Adalhard  und 
anderen    Grossen    aus    Karlmanns    Eeich    zu    Corbeny    vor 


44  F.  Kurze. 

Karl  zur  Huldigung.  Ich  glaube  sicherlich,  dass  Folrad 
zu  den  Gewährsmännern  des  Annalisten  gehört  hat,  und 
dass  seine  Erinnerungen  namentlich  für  die  ferner  liegen- 
den Zeiten  vortreffliches  Material  dargeboten  haben  müssen. 
Aber  wenn  der  Erzähler  ausschliesslich  oder  auch  nur 
hauptsächlich  auf  seine  Mittheilungen  angewiesen  wäre, 
würde  er  seine  Person  in  der  Erzählung  doch  gewiss  noch 
viel  mehr  hervortreten  lassen ;  es  müsste  wohl  auch  von 
da  an,  wo  seine  Berichte  nicht  mehr  zu  Gebote  standen, 
ein  Unterschied  zu  bemerken  sein,  und  vor  allen  Dingen 
würde  sein  Tod  784  nicht  unerwähnt  bleiben.  Der  Anna- 
list kennt  auch  den  Diakon  Biculf  und  den  Schenken 
Eberhard  (781),  den  Kämmerer  Adalgis,  den  Marschalken 
Gailo  und  den  Pfalzgrafen  Worad  (782),  ohne  dass  er  es 
für  nöthig  findet,  ihre  Titel  anzugeben,  sowie  den  Seni- 
schalken  Audulf  (786);  als  'missi'  erwähnt  er  noch  Amal- 
win  785,  Grahamann  und  Audacr  788,  ganz  ohne  Titel 
768  den  sonst  unbekannten  Herovic,  der  damals  doch  auch 
eine  hervorragende  Stellung  im  Heere  eingenommen  haben 
muss,  788  Winegis  und  792  Angilbert,  während  andere 
Grosse  überhaupt  nur  genannt  werden,  wenn  sie  mit  dem 
Hofe  in  Berührung  kommen.  Darum  wiederhole  ich :  wenn 
man  auch  vielleicht  jede  einzelne  der  in  den  Annalen  mit- 
getheilten  Nachrichten  erfahren  konnte,  ohne  zur  näheren 
Umgebung  des  Königs  zu  gehören,  so  konnte  doch  ihre 
Summe,  meiner  Ansicht  nach,  nur  einer  zusammenbringen, 
der  unmittelbare  Beziehungen  zum  Königshofe  hatte. 

Auf  solche  Beziehungen  deutet  auch  die  von  Simson x 
bemerkte  Stilgleichheit  der  Annalen  mit  den  Papstbriefen 
des  Codex  Carolinus  und  den  gleichzeitigen  Papstbiogra- 
phieen,  welche  beweist,  dass  der  Verfasser  mit  diesen  Doku- 
menten vertraut  war,  obgleich  er  sie  für  seine  Geschichte 
nicht  benutzt  hat.  Nicht  minder  war,  wie  Manitius  -  ge- 
zeigt hat,  die  Ausdrucksweise  der  Urkunden  und  Capitu- 
larien  dem  Annalisten  geläufig. 

Wenn  nun  aber  der  Annalist  in  dem  höfischen  Akten- 
material so  bewandert  gewesen  ist,  so  liegt  allerdings  die  Ver- 
muthung  nahe,  auch  einen  grossen  Theil  dessen,  was  er  vom 
Hofe  zu  erzählen  weiss,  auf  derartige  Aufzeichnungen  zurück- 
zuführen. Diesen  Weg  hat,  einer  Anregung  Dünzelmanns 
folgend,  Manitius  a.  a.  0.  eingeschlagen  und,  wie  man  aner- 
kennen   muss,    consequent   verfolgt.     So   gut   wie   ein  Ver- 


1)  Jahrbücher  Karls  d.  Gr.,  1 2,  Excurs  III.         2)  Mitth.  d.  Inst.  f. 
österr.  Gesch.  X,  419  ff. 


Ueber  die  karolingischen  Reichsamialen  von  741—829.      45 

zeichnis  der  Weihnachts-  und  Osterfeste  könnte  der  Anna- 
list ja  auch  eine  Liste  der  Reichs  Versammlungen  gehabt 
haben,  da  er  den  Ort  derselben  von  761  an  fast  bei  jedem 
Jahre  anzugeben  weiss.  Für  einzelne  Berichte,  wie  über 
den  Treueid,  welchen  Tassilo  757  zu  Compiegne  über  den 
Gebeinen  von  fünf  Heiligen  leistete,  und  über  das  Ver- 
fahren gegen  ihn  bis  zu  seiner  Absetzung  scheint  er  offi- 
cielle  Aktenstücke  benutzt  zu  haben  \  vielleicht  also  auch 
über  die  Verträge,  die  Pippin  758  zu  Sythen  mit  den 
Sachsen,  760  zu  'Tedoad'  mit  Waifar  von  Aquitanien 
schloss,  und  andere  Dinge.  Aber  diese  Archivalien  reichen 
zur  Erklärung  des  Inhalts  noch  immer  nicht  aus.  Wenn 
der  Verfasser  z.  B.  zu  767  zu  erzählen  weiss,  welche  Burgen 
der  König  auf  seinen  Feldzügen  nach  Aquitanien  eroberte, 
und  wo  ihn  die  Nachricht  vom  Tode  des  Papstes  Paul 
traf,  desgleichen  zu  768  nicht  nur,  dass  nach  der  Gefangen- 
nahme der  Mutter  und  einer  Schwester  Waifars  auch  noch 
seine  andere  Schwester  durch  einen  gewissen  Herovic  ge- 
fangen, sondern  auch,  dass  dieselbe  dem  König  an  dem 
sonst  oranz  unbekannten  Orte  'Montis'  zugeführt  wurde, 
was  doch  an  sich  eine  sehr  unwichtige  Thatsache  ist,  so 
erhält  man  den  Eindruck,  dass  der  Erzähler  oder  sein  Ge- 
währsmann diese  Züge  selbst  mitgemacht  habe.  Dasselbe 
gilt  aber  erst  recht  von  den  Feldzügen  gegen  die  Sachsen. 
Schon  die  Angaben,  dass  Karlmann  743  Hoch -Seeburg  er- 
obert und  den  Sachsen  Theoderich  gefangen  habe,  dass 
Pippin  747  durch  Thüringen  in  Sachsen  bis  nach  Schö- 
ningen an  der  Meissau  eingedrungen  sei,  die  Sachsen  aber 
bei  Ohrum  an  der  Ocker  sich  mit  Grifo  vereinigt  hätten, 
zeigen,  dass  der  Verfasser  von  diesen  Zügen  recht  ein- 
gehend unterrichtet  war.  Besonders  aber  verräth  der  Be- 
richt über  die  Heerfahrt  von  775  ganz  den  Standpunkt 
eines  Begleiters  des  Königs :  Karl  theilt  an  der  Weser  sein 
Heer  und  rückt  mit  dem  einen  Theile  zur  Ocker,  wo  sich 
die  Ostfalen  unterwerfen;  auf  dem  Rückwege  nimmt  er 
im  Buckigau  die  Unterwerfung  der  Engern  an,  dann  kommt 
er  zu  der  an  der  Weser  gebliebenen  anderen  Hälfte  zurück 
und  hört,  dass  sie  unterdessen  bei  Liedbach  mit  den 
Westfalen  gekämpft  hat.  Nach  Franken  zurückgekehrt, 
hört   er  von  dem  Aufstande  des  Langobarden  Hrodgaud. 


1)  Wie  diese  letztere  Aufzeichnung  beschaffen  gewesen  sein  mag, 
davon  giebt  uns  ein  gleichartiges  Aktenstück  von  794  (Cap.  I,  74),  auf 
welches  Manitius  hinweist,  eine  Vorstellung ;  eben  daraus  ist  aber  auch  zu 
entnehmen,  dass  sie  wohl  nicht  die  Ausdehnung  gehabt  haben  wird,  welche 
Manitius  ihr  beimisst. 


46  F.  Kurze. 

Auch  778  genügt  es  dem  Annalisten  nicht,  zu  erzählen, 
dass  die  Sachsen  sich  empörten;  er  berichtet  auch,  dass 
die  Meldung  davon  den  König  zu  Auxerre  traf.  781  weiss 
er  nicht  nur,  dass  sich  Tassilo  in  Worms  zur  Stellung  von 
12  Geiseln  verpflichtete,  sondern  auch,  dass  der  Bischof 
Sinbert  dieselben  zu  Kiersy  dem  König  überbrachte;  und 
so  führt  er  noch  hundert  andere  Einzelheiten  an,  die 
eigentlich  nur  den  interessieren  konnten,  der  dabei  ge- 
wesen war,  während  Feldzüge,  die  der  König  nicht  selbst 
unternahm,  verhältnismässig  kurz  abgethan  werden. 

Wenn  man  also  nicht  zugebe«  will,  dass  der  Verfasser 
selbst  am  Hofe  gelebt  habe,  so  bleibt  freilich  wohl  nichts 
weiter  übrig,  als  unter  seinen  Quellen  mit  Manitius  auch 
noch  ein  ausführliches  amtliches  Itinerar  des  Königs  an- 
zunehmen, das  dann  eigentlich  wohl  so  ziemlich  den  ganzen 
Inhalt  der  Annalen  in  kürzerer  Fassung  enthalten  haben 
müsste.  Welche  Wahrscheinlichkeit  ist  aber  für  die  Exi- 
stenz einer  so  hochwichtigen  Quelle,  die  so  spurlos  ver- 
loren gegangen  sein  soll,  vorhanden?  Eine  andere  Quelle, 
meint  Manitius,  hätte  nicht  so  gut  unterrichtet  sein  können 
und  auch  nicht  das  Interesse  daran  gehabt,  zu  melden, 
über  welche  Orte  und  bis  zu  welchem  Punkte  der  Vor- 
marsch ging,  und  welche  Linie  auf  dem  Bückwege  einge- 
halten wurde ;  und  welche  andere  Quelle  als  das  königliche 
Itinerar,  fragt  er,  hätte  so  oft  den  Ort  bezeichnen  können, 
wo  der  König  eine  wichtige  Botschaft  erhielt?  Nun,  die 
Antwort  ist  nicht  schwer:  so  gut  wie  der  Schreiber  des 
angeblich  am  Hofe  geführten  Itinerars  konnte  das  der 
Annalist  selbst  auch  noch  im  Jahre  788,  aber  freilich  nur 
unter  der  Voraussetzung,  dass  er  selbst  seit  langer  Zeit 
dem  königlichen  Hofe  angehört  und  die  Reisen  und  Feld- 
züge des  Königs  mitgemacht  hatte. 

Doch  will  ich  mit  der  Behauptung,  dass  der  Verfasser 
unserer  Annalen  in  Hofkreisen  zu  suchen  sei,  noch  nicht 
gerade  für  ihre  officielle  Abfassung  eintreten.  Nicht  ein- 
mal ihren  officiösen  Charakter  möchte  ich  behaupten, 
wenigstens  nicht  in  dem  Sinne  des  Worts,  dass  in  ihnen 
eine  auf  höhere  Anregung  entstandene  Publication  zu  er- 
kennen sei,  vielmehr  halte  ich  es  für  sehr  möglich,  dass 
unser  Annalist  ohne  Anregung  von  oben  schrieb,  für  sehr 
wahrscheinlich  aber  auf  der  anderen  Seite,  dass  ihm  seine 
Stellung  auch  ohne  dies  gewisse  Rücksichten  auferlegte. 
Mag  diese  Rücksicht  vielleicht  auch  nur  in  der  warmen 
Verehrung  für  den  König  ihren  Grund  haben,  wegzuleug- 
nen ist  sie  auf  keinen  Fall,  nachdem  die  Untersuchung  der 


Ueber  die  karolingischen  Reichsannalen  von  741 — 829.      47 

Hss.  dargethan  hat,  dass  auch  die  Verschwörungen  Hart- 
rats und  Pippins,  die  selbst  in  den  dürftigsten  Kloster- 
annalen  erwähnt  werden,  von  unserem  Annalisten  mit  voll- 
kommenem Stillschweigen  übergangen  worden  sind 1.  In 
so  niederer  Stellung  kann  sich  auch  der  Verfasser  nicht 
befunden  haben,  dass  man  in  den  höheren  Kreisen  von 
seiner  Arbeit  nichts  gewusst  hätte ;  dagegen  spricht  schon 
die  grosse  Zahl  der  von  ihm  benutzten  Hülfsmittel.  Ein 
Werk,  wie  dieses,  wird  nicht  in  wenigen  Tagen  fertig  ge- 
stellt, und  der  Entschluss  dazu  nicht  über  Nacht  gefasst. 
Auch  wenn  der  Verfasser  zur  Zeit  nicht  oder  nicht  mehr 
am  Hofe  weilte,  kann  seine  Arbeit  kaum  dem  König  un- 
bekannt geblieben  sein.  Ein  Mann,  der  sich  zu  einer  sol- 
chen Aufgabe  entschloss,  und  dem  die  Quellen  dafür  so 
reichlich  flössen,  ist  wohl  nur  unter  der  höheren  Hofgeist- 
lichkeit zu  suchen.  Wer  von  dem  Studium  der  Litteratur 
aus  Karls  des  Grossen  späteren  Jahren  ausgeht,  mag  aller- 
dings zu  dem  Ergebnis  kommen,  'dass  die  Geistlichkeit  des 
Hofes  doch  gebildeter  war,  als  dass  aus  ihrer  Mitte  ein 
so  dürftiges  Geschichtswerk  hätte  hervorgehen  können,  wie 
die  Lauriss.  mai.  sind'  (Manitius),  aber  ein  Werk,  das  wie 
dieses,  zeitlich  auf  der  Grenze  zwischen  zwei  so  weit  ver- 
schiedenen Litteraturperioden  steht,  ist  billigerweise  nach 
einem  Vergleiche  mit  seinen  Vorgängern,  nicht  mit  seinen 
Nachfolgern  zu  beurtheilen. 

Fragen  wir  noch  weiter  der  Person  des  Verfas- 
sers nach,  so  kann  Arn  von  Salzburg,  den  W.  Giesebrecht 
(a.  a.  0.  S.  199  —  202)  vorschlägt,  meines  Erachtens  nicht 
weiter  in  Betracht  kommen,  weil  er  dem  Hofe  zu  fern 
stand,  mochte  er  auch  vorher  Abt  von  St.  Amand  gewesen 
sein  und  mit  Alkuin  Briefe  gewechselt  haben.  Auch  stehen 
die  bairischen  Angelegenheiten,  wie  v.  Sybel  (S.  285)  richtig 
hervorhebt,  keineswegs  so  im  Vordergrunde,  wie  es  nach 
Giesebrecht  scheinen  möchte.  Nicht  Baiern  und  nicht 
Sachsen  bildet  den  Hauptgegenstand  der  Erzählung,  son- 
dern einzig  und  allein  der  König  und  seine  Thaten.  Sieht 
man  sich  nun  unter  den  Geistlichen  des  Hofes  um,  so 
möchte  man  wohl  am  ehesten  Eolrad  für  den  Verfasser 
halten,  wenn  er  nicht  schon  784  gestorben  wäre;  immerhin 
dürfte  aber  ein  grosser  Theil  des  selbständigen  Inhalts  der 


1)  Sowohl  der  Satz  'Coniuratio  Hardradi  —  damnati  sunt'  zu  785 
als  auch  der  zu  792  'Coniuratio  —  conpressa  est'  ist  spätere  Interpolation, 
die  der  Hss. -Ellasse  D  eigentümlich  ist  und  darum  erst  nach  829  hinzu- 
gesetzt sein  kann.     Vgl.  N.  A.  XIX,  297.  307.  319—322. 


48  F.  Kurze. 

Annalen  aus  seineu  Mittheilungen  geschöpft  sein.  Folrads 
Nachfolger  war  der  Bischof  Angilrani  von  Metz,  der  mit 
päpstlicher  Erlaubnis  trotz  seines  bischöflichen  Amtes  be- 
ständig am  Hofe  weilte1;  ihn  bezeichnet  Wattenbach 2  ver- 
muthungsweise  als  den  Verfasser.  Entscheidendes  wird 
sich  nicht  dagegen  einwenden  lassen ;  nur  dass  die  Anna- 
len bis  795  noch  im  ganzen  denselben  Stil  zeigen,  will 
sich  nicht  recht  damit  vertragen,  da  Angilram  schon  791 
starb.  Eben  so  gut  könnte  man  auf  den  Diakon  Biculf 
rathen,  der  787  Erzbischof  von  Mainz  wurde;  gerade  das 
Ausscheiden  aus  dem  unmittelbaren  Hofdienste  möchte 
diesem  vielleicht  den  Anlass  zur  Aufzeichnung  seiner  Er- 
innerungen gegeben  haben8.  Ganz  willkürlich  ist  I.  G. 
v.  Eckharts  Annahme4,  dass  die  Annalen  von  den  jeweili- 
gen Kanzlern  in  amtlichem  Auftrage  verfasst  und  weiter- 
geführt worden  seien. 

Während  nach  W.  Giesebrechts  Meinung  der  Verfasser 
'unzweifelhaft  ein  Deutscher'  sein  sollte,  haben  sichW.  Arndt 5, 
Simson6  und  Manitius  '  für  romanische  Abkunft  desselben 
ausgesprochen.  Hatte  Giesebrecht  besonders  auf  den  Aus- 
druck 'theodisca  lingua  harisliz'  (788)  Werth  gelegt,  so 
weist  Simson  darauf  hin,  dass  dieser  ebenso  auch  in  einem 
für  Italien  bestimmten  Capitulare  von  801  gebraucht  wird. 
Aus  'harisliz'  wenigstens  ist  nichts  zu  folgern,  da  es,  wie 
zahlreiche  Beispiele  beweisen,  der  technische  Ausdruck  für 
ein  Vergehen  war,  für  das  es  eine  lateinische  Bezeichnung 
überhaupt  nicht  gegeben  zu  haben  scheint.  Ebenso  ist 
'scara'  ein  der  fränkischen  Sprache  entlehnter  technischer 
Ausdruck.  Bei  'theodisca  lingua'  (788),  'scara  Francisca' 
(774),  'Austreleudi  Saxones'  (775)  wird  man  allerdings  sagen 
dürfen,  dass  Ausdrücke  wie  'lingua  Francorum',  'scara 
Francica',  'Saxones  orientales'  einem  Romanen  näher  gelegen 
haben  würden;  doch  ist  nicht  zu  übersehen,  dass  die  deut- 
schen Wörter  'theodisk'  und  'frankisk'  sich  auch  bei  den 
Romanen  später  eingebürgert  haben  und  als  'tedesco'  und 
'francesco'  im  Italienischen  noch  heute  geläufig  sind.  Auf- 
fällig für  einen  Romanen  wäre  immerhin  die  richtige 
Wiedergabe    der    zahlreichen    deutschen   Ortsnamen.     An- 


1)  Vgl.  Jahrbücher  Karls  d.  Gr.  II,  541.  2)  Deutschlands  Ge- 

schichtsquellen I6,  196.  3)    Der  Bericht   über   die  Heerfahrt  von  789 

macht  nicht  den  Eindruck,  als  sei  der  Verfasser  dabei  gewesen ;  in  Mainz 
dagegen  könnte  die  Fortsetzung  von  788—795  recht  wohl  geschrieben 
sein.  4)    Commentarii   de   rebus   Franciae   orientalis.  5)   Litterar. 

Centralblatt  1880,  Nr.  40.  6)  Jahrbücher  Karls  d.  Gr.  I2,  Excurs  III. 
7)  Mitth.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  X,  419. 


Ueber  die  karolingisehen  Reichsannalen  von  741 — 829.      49 

dererseits  erblickt  Simson  in  der  genauen  Bekanntschaft 
des  Verfassers  mit  dem  Stil  der  gleichzeitigen  Erzeugnisse 
des  Laterans  einen  Grund,  ihn  für  einen  Romanen  zu 
halten,  wozu  auch  das  lebhafte  Temperament  gut  passe. 
Indessen  den  lateranischen  Stil  konnte  man  auch  aus  den 
von  Eom  an  den  fränkischen  Hof  gerichteten  Schrift- 
stücken kennen  lernen,  und  das  Temperament  beweist 
nichts.  Als  romanisch  führt  Manitius  eine  Reihe  von  ein- 
zelnen Ausdrücken  an,  wohin  vielleicht  auch  der  Gebrauch 
von  'ille'  in  der  Verbindung  'cum  illa  alia  sorore'  (768)  zu 
rechnen  ist,  da  es  hier  im  Sinne  des  bestimmten  Artikels 
gemeint  zu  sein  scheint;  ich  meine  aber,  dass  alle  diese 
Dinge  gar  nichts  entscheiden:  bei  der  Mischung  germani- 
scher und  romanischer  Elemente  am  fränkischen  Hofe  ist 
es  eben  so  leicht  erklärlich,  wenn  ein  Germane  einige 
romanische  Ausdrücke  gebraucht,  wie  das  Umgekehrte. 


Neues  Archiv  etc.    XX. 


III. 

Die 

sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik 

aus  dem  12.  Jahrhundert. 


Von 


Ernst  Bernheim. 


4* 


N, 


1.    Charakterisierung  des  Werkes. 

I  achdem  Wattenbach  \  Pertz  2,  Ulmann 3  auf  die  dem 
Annalista  Saxo  MG.  SS.  YI  und  den  Annales  Palidenses 
MG.  SS.  XVI  gemeinsamen  Nachrichten  aufmerksam  ge- 
macht hatten,  welche  z.  Th.  einen  sagenhaften  Charakter 
an  sich  tragen,  hat  Giesebrecht4^  die  letzteren  besonders 
ins  Auge  gefasst,  und  Waitz 5  sie  zum  Gegenstand  einer 
eingehenderen  Untersuchung  gemacht.  Während  Giese- 
brecht  jene  sagenhaften  Erzählungen  für  Zusätze  hielt,  die 
man  irgendwo  in  Sachsen  zu  einer  Hs.  des  Ekkehard  von 
Aura  machte  und  die  so  in  die  Werke  der  ihn  ausschrei- 
benden beiden  Annalisten  übergingen,  hat  Waitz  sie  für 
den  einheitlichen  Stoff  einer  sagenhaften  Kaiserchronik 
erklärt,  welche  wahrscheinlich  zu  Lothars  III.  Zeiten  im 
Hildesheimer  Sprengel,  vielleicht  in  Gandersheim,  verfasst 
worden  sei.  Jener  Ansicht  hat  sich  Jul.  Voigt6,  dieser 
haben  sich  Paul  Hasse 7,  Weiland 8  u.  a.  angeschlossen, 
Wattenbach  äussert  sich  in  den  neuesten  Auflagen  der 
'Geschichtsquellen' 9  unentschieden. 

Wie  fast  immer  hat  Waitz  mit  dem  genialen  Blick 
für  die  Verhältnisse  der  Quellen,  der  ihm  eigen  war,  im 
Wesentlichen  das  Richtige  erkannt,  und  es  bleibt  einer 
erneuten  Untersuchung  nur  die  Aufgabe,  die  von  Waitz 
gezogenen  Umrisse  zu  bestätigen,  im  Einzelnen  schärfer  zu 
ziehen,  auszufüllen.  Dies  soll  zunächst  im  Folgenden  ver- 
sucht werden.     Anderes  wird  sich  daran  schliessen. 


1)   Deutschlands    Gesckichtsquellen    im    Mittelalter,    1.  Aufl.    1858, 

5.  410.  2)  In  der  Vorrede  zur  Ausgabe  der  Ann.  Pal.  MG.  SS.  XVI, 
49,  37  ff.  3)  G-otfrid  von  Viterbo,  Diss.  Göttingen  1S63 ,  S.  64  ff. 
4)  Gesch.  der  deutschen  Kaiserzeit,  3.  Aufl.,  Bd.  I,  S.  794  ff.  5)  Ueber 
eine  sächsische  Kaiserchronik  und  ihre  Ableitungen,  in  Abhandlungen  der 
kgl.  Gesellschaft  der  Wissensch.  zu  Göttingen  von  den  Jahren  1864 — 1866, 
Bd.  XII,  hist.-phil.  Klasse,  S.  1  ff.,  speciell  S.  31  ff.  6)  Die  Pöhlder 
Chronik  und  die  in  ihr  enthaltenen  Kaisersagen,  Diss.  Halle  1879.  7)  Die 
Reimchronik  des  Eberhard  von  Gandersheim,  Dissert.  Göttingen  1872. 
8)  MG.  Deutsche  Chroniken  Bd.  II,  21,  33  ff.  und  388,  28  ff.  9)  In  der 
4.  Aufl.  1877,  Bd.  II,  S.  193,  in  der  5.  Aufl.  1886,  Bd.  II,  S.  225,  in  der 

6.  Aufl.  1894,  Bd.  II,  S.  254. 


54  Ernst  Bernheim. 

Es  hat  neuerdings  der  Klärung'  der  ganzen  Sachlage 
ausserordentlichen  Vorschub  geleistet,  dass  man  sicher  er- 
kannt hat,  es  haben  dem  Annal.  Saxo  und  den  Annal. 
Palid.  ausser  den  nachweislich  von  ihnen  gemeinsam  be- 
nutzten uns  bekannten  Quellen  und  abgesehen  von  den 
gemeinsamen  Sagengeschichten  noch  andere  verloren  ge- 
gangene Werke  vorgelegen,  und  dass  man  diese,  deren 
Vorhandensein  Waitz  nur  unbestimmt  constatierte,  jetzt 
genau  nach  Form  und  Inhalt  zu  bestimmen  weiss.  Es  sind 
das  einmal  die  verlorenen  Annales  Patherbrunnenses,  welche 
Scheffer  -  Boichorst  in  seinem  bekannten  Buche 1  recon- 
struiert  hat,  und  sodann  die  verlorenen  Halberstädter  bezw. 
Ilsenburger  Annalen,  welche  jüngst  von  H.  Herre 2  nach- 
gewiesen worden  sind.  Von  der  Gesamnitheit  der  Stellen 
in  den  unselbständigen  Partien  des  Ann.  Saxo  und  der 
Ann.  Pal.,  welche  bis  dahin  bestimmten  Quellen  nicht  zu- 
gewiesen werden  konnten  —  diese  Stellen  heben  sich  in 
den  Ausgaben  der  MG.  auf  den  ersten  Blick  überall  schnell 
ersichtlich  durch  den  Druck  in  Corpus  aus  dem  übrigen 
mit  kleinern  Typen  bezeichneten  Text  hervor  —  lassen  sich 
jetzt  die  rein  annalistischen  und  einige  sonstige  Nach- 
richten jenen  beiden  verlorenen  Annalenwerken  zuschrei- 
ben, und  befreit  von  diesen  tritt  der  einheitliche  Charakter 
der  sagenhaften  Erzählungen  um  so  deutlicher  zu  Tage. 

Es  kann  kein  Zweifel  sein:  wir  haben  in  der  Ge- 
sammtheit derselben  Excerpte  aus  einem  einheitlichen 
selbständigen  Werk  vor  uns,  dessen  Struktur,  Inhalt,  Ten- 
denz sich  deutlich  erkennen  lässt. 

Wir  erkennen  vor  allem  bei  einem  Ueberblick  über 
die  Excerpte,  wie  sie  uns  im  ganzen  am  ausgiebigsten  in 
den  Ann.  Pal.  erhalten  sind,  dass  es  nicht  einzelne  zu- 
sammenhangslose Geschichten  waren,  sondern  dass  sie  in 
einem,  wenn  auch  manchmal  leicht  geknüpften  Zusammen- 
hang eine  fortlaufende  Kaisergeschichte  bildeten. 

Die  Partien  über  Otto  den  Grossen,  Ann.  Pal. 
SS.  XVI,  62  ff.3  und  Ann.  Saxo  SS.  VI,  600  ff.  veranschau- 


1)  Annales  Patherbrunnenses  1870.  2)  Ilsenburger  Annalen  als 

Quelle  der  Pöhlder  Chronik,  Diss.  Leipzig  1890 ;  dieser  treulichen  Unter- 
suchung ist  der  Weg  gebahnt  durch  die  glückliche  Entdeckung  von  Heine- 
manns, die  er  im  N.  A.  XIII,  S.  35  ff.  dargelegt  hat,  z.  Th.  auch  durch 
meine  Bemerkungen  in  den  Forschungen  zur  Deutschen  Geschichte  XV, 
S.  281  ff.  3)  Weiterhin  führe  ich  der  Einfachheit  wegen  nur  immer  die 
betr.  Stellen  der  Ann.  Pal.  an,  da  diese  durchweg  unsere  Quellen  reich- 
licher wiedergeben ;  nur  in  der  Erzählung  zum  Jahre  817  ist  der  Ann. 
Saxo  ausführlicher. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      55 

liehen  am  besten,  wie  das  Werk  ausgesehen  hat,  weil  da 
die  Ann.  Pal.  recht  ausführlich  excerpiert  haben.  'Otto 
res  vir  erat  strenuus,  fidelis  et  humilis  atque  in  exigenda 
iusticia  severus'  —  so  beginnt  die  Partie  mit  einer  kurzen 
Charakterisierung  des  Kaisers,  um  zunächst  gleich  einen 
Beweis  seiner  frommen  Freigebigkeit  daran  zu  knüpfen: 
'ad  cuius  mensam  cotidie  30  libre  argenti  pertinebant, 
quibus  sex  ademtis  ecclesiam  Magdeburgensem  .  .  .  fun- 
davit  aliasque  quamplures.  Iste'  —  so  fährt  das  Werk  mit 
einer  für  dasselbe  charakteristischen  Wendung  fort  — 
'duxit  Anglice  gentis  regiam  uxorem  nomine  Edith,  castissi- 
mam  et  magni  apud  Deum  meriti,  ut  in  quibusdam  rebus 
claruit'.  Es  folgt  als  Beispiel  die  Geschichte  von  der 
Hindin,  die  bis  Gemach  der  Königin  kommt,  um  durch 
deren  Barmherzigkeit  die  Befreiung  ihres  im  Walde  ge- 
fangenen Kalbes  zu  bewirken,  und  daran  schliesst  sich  mit 
demUebergang  'Aliud  quoque  memorabile  Dominus  cum  ipsa 
ostendit'  die  köstliche  Sage  von  der  frommen  Mildthätig- 
keit  Ediths,  die  der  König  als  Bettler  verkleidet  auf  die 
Probe  stellt,  eine  Probe,  aus  der  die  Königin  durch  die 
wunderbare  Wiederherstellung  des  abgerissenen  Aermels 
doppelt  glorreich  hervorgeht.  Nach  dieser  Verherrlichung 
der  Gattin,  die  sich  dem  König  so  ebenbürtig  erweist,  wie 
er  ihr,  knüpft  die  Erzählung  an  die  obige  Charakteristik 
Otto's  wieder  an  und  führt  sie  weiter  aus:  'Rex  vero  in 
commisso  fidelis  sibi  et  ecclesie  vigilavit,  studens  per  Do- 
mini plantaria  virtutes  inserere,  vitia  exstirpare;  in  tantum 
autem  iustitie  inservivit,  ut  bipennim  eius  iudiciariam  in 
media  curia  infigi  nulla  dies  quantumvis  festi^a  intereepe- 
rit',  und  es  folgt  der  Bericht  von  der  Bethätigung  seiner 
Rechtspflege  und  Herrscherstrenge  bei  seinem  Auftreten 
in  Italien  und  in  Deutschland;  dieser  Bericht  ist  durch 
die  excerpierenden  Annalisten  in  getrennten  Stücken  deren 
übrigem  Material  eingearbeitet,  daher  des  ursprünglichen 
Ueberganges  am  Anfang  verlustig  gegangen,  steht  aber  in 
engstem  Zusammenhang  mit  dem  Vorhergehenden,  wie  sich 
unfehlbar  aus  dem  Hinweis  auf  'illa  sua  bipenni'  (S.  63, 
Zeile  50  in  den  Ann.  Pal.)  ergiebt,  und  ist  in  sich  durch- 
aus einheitlich;  auch  die  Erwähnung  vom  Aufstande  des 
Sohnes  (ib.  Z.  26  ff.)  ist  dem  Zusammenhange  untergeordnet. 
Daran  reiht  sich  mit  dem  Uebergang  'Ipso  tempore'  der 
Aufstand  der  italischen  Landschaften  überhaupt  und  die 
Verurtheilung  der  Lombarden  zu  einem  jährlichen  Tribut 
von  200  Pfund  reinsten  Goldes.  Ob  nun  in  der  Quelle 
noch  von  andern  Thaten  des  Kaisers  die  Rede  war,  können 


56  Ernst  Bernheim. 

wir  selbsverständlich  nicht  wissen,  da  die  Excerptoren 
manches,  was  sie  dem  Inhalt  nach  entsprechend  aus  ihren 
übrigen  Quellen  entnahmen,  übergangen  haben  mögen,  aber 
jedenfalls  ist  uns  der  Abschluss  dieser  Darstellung  Otto 's 
des  Grossen  in  der  Stelle  ebd.  S.  64,  29  ff.  erhalten,  wo  die 
Prophezeiung  seines  Todes  durch  die  Vision  der  verkör- 
perten Dysenterie,  und  sein  Tod  an  dieser  Krankheit  ge- 
meldet wird.  Dass  in  unserer  Quelle  auch  die  Thron- 
besteigung Otto's  am  Anfang  ausdrücklich  berichtet,  wenn 
auch  vom  Pöhlder  Annalisten,  der  dieselbe  aus  Ekke- 
hard  bringt,  weggelassen  worden  ist,  kann  garnicht  zweifel- 
haft sein,  da,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  die  Erhebung 
anderer  Könige,  welche  ähnlich  behandelt  werden,  aus- 
drücklich erwähnt  wird. 

Nachdem  wir  uns  nämlich  vergegenwärtigt  haben,  wie 
in  dieser  Zusammenstellung  der  Partien  über  Otto  den 
Grossen  sich  eine  zusammenhängende  grossentheils  durch 
einzelne  Anekdoten  illustrierte  Skizze  seiner  Persönlichkeit 
und  seinas  Wirkens,  daneben  auch  seiner  frommen  Ge- 
mahlin Edith,  ergiebt,  erkennen  wir  leicht  bei  der  Be- 
trachtung der  Stellen  über  andere  Könige,  die  aus  unserer 
Quelle  stammen,  die  Fragmente  ursprünglich  ganz  analoger 
Skizzen.  Die  Vollständigkeit,  mit  der  wir  sie  erkennen 
können,  hängt  natürlich  von  der  grösseren  oder  geringeren 
Menge  der  uns  von  den  beiden  Excerptoren  überlieferten 
Stellen  ab,  und  diese  von  dem  Geschmack  oder  der  Laune 
der  beiden,  doch  waren  diese  glücklicher  Weise  im  ganzen 
bei  dem  Autor  der  Ann.  Pal.  unserer  Quelle  recht  günstig, 
so  dass  wir,  wenn  auch  im  einzelnen  etwas  ungleichmässig, 
doch  im  ganzen  ein  ziemlich  entsprechendes  Bild  der  Ur- 
quelle erhalten.  Am  reichlichsten  ist  neben  Otto  dem 
Grossen  Heinrich  IV.  bedacht,  den  wir  daher  zunächst  ins 
Auge  fassen. 

Nachdem  die  Geburt  Heinrichs  IV.  Ann.  Pal. 
S.  69,  15  erwähnt  ist,  wird  erzählt,  wie  schmählich  er  als 
Knabe  den  am  Hofe  weilenden  künftigen  Papst  Gregor  VII. 
behandelte,  welchen  mehrfache  Prophezeiungen  als  ver- 
derblichen Gegner  des  künftigen  Königs  verkündet  hatten; 
die  fromme  Kaiserin  tritt  als  Schützerin  des  auch  vom 
Kaiser  Verfolgten  auf.  Das  Ende  des  Kaisers  wird,  augen- 
scheinlich aus  unserer  Quelle  (ebd.  Z.  51  ff.),  zu  berichten 
begonnen,  seinen  Tod  aber  und  die  Erhebung  Heinrichs  IV. 
erfahren  wir  nicht  aus  derselben,  da  der  Annalist  dies  aus 
Ekkehard  entnimmt.  Dann  wird  die  Gottlosigkeit  Hein- 
richs   S.  70,  2  ff.    durch    die  Verehrung    eines    egyptischen 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  ans  d.  12.  Jahrh.      57 

Götzenbildes,  deren  er  sich  schuldig  macht,  charakterisiert, 
und  mit  der  Wendung-  Hie  velut  ipse  fuerat  perversus, 
ita  regnum  Universum  pervertere  curavit'  die  Erzählung 
seiner  Gewaltthaten  gegen  die  Sachsen,  speciell  gegen 
Bischof  Burchard  von  Halberstadt,  sowie  sein  Auftreten 
gegen  Gregor  VII.  eingeleitet.  Die  Stelle,  in  der  erzählt 
wird,  dass  Gregor  auf  den  päpstlichen  Stuhl  gelangt  ist 
(ebd.  Z.  25  ff.),  zeigt  deutlich,  wie  das  in  der  Quelle  Vor- 
hergehende und  Folgende  im  geschlossenen  Zusammenhang 
einheitlicher  Erzählung  stand:  'Hie  primo  Hildebrandus 
dictus  in  curia  regis  crevisse  supra  memoratus  est,  de  quo 
in  visione  apparuerat  patri  huius  Heinrici  regis,  per  hunc, 
papam  factum,  filium  suum  honore  privandum,  sicut  con- 
sequentia  declarabunt'.  Fragmente  des  Berichtes  unserer 
Quelle  über  den  Zwist  Heinrichs  mit  dem  Papst  sind  uns 
erhalten  ebd.  Z.  34  f.,  Z.  44  f.,  und  sehr  wahrscheinlich 
waren  auch  die  Angaben  über  die  Gegenkönige  ebd.  Z.  40  ff., 
Z.  45  ff.,  55  f.  und  S.  71,  7  ff.  in  diesen  Zusammenhang 
eingeordnet.  Die  erste  Excommunication  des  Königs  ist 
dann  S.  71,  40  f.  im  causalen  Zusammenhang  mit  der  Ge- 
schichte von  dem  missglückten  Versuch,  die  Königin  zum 
Ehebruch  zu  verleiten,  erzählt,  und  der  angebliche  Incest 
mit  der  Nichte  nebst  der  Zurückweisung  des  ihm  vom 
Papste  angesonnenen  Gottesurtheils  giebt  Anlass  zu  aber- 
und  abermaliger  Excommunication  (S.  72,  1  ff.).  Heinrich 
thut  nun  endlich  gründlich  Busse  (ebd.  Z.  15  ff.),  aber  die 
Wendung  'Qua  penitentia  modico  tempore  servata'  ebd. 
Z.  18  (mit  der  dies  Excerpt  aus  unserer  Quelle  zu  Gunsten 
der  weiteren  Entlehnung  aus  Ekkehard  abbricht),  zeigt, 
dass  unsere  Quelle  ihn  wieder  rückfällig  werden  liess.  Hier 
fehlt  nun  in  der  Hs.  der  Ann.  Pal.  ein  Blatt,  doch  tritt 
in  die  Lücke  ergänzend  ein  die  betreffende  Partie  der 
Sächsischen  Weltchronik  (oder  des  Chronicon  Luneburgi- 
cum,  wie  Pertz  es  nannte),  worin  die  Ann.  Pal.  durchweg 
fast  wörtlich  übersetzend  abgeschrieben  sind,  und  da 
schliesst  sich  dem  bisher  verfolgten  Zusammenhange  ent- 
sprechend an  (S.  73,  4  f.1):  'De  keiser  Heinric  de  aide  wolde 
noch  sinen  side  halden;  he  hadde  sine  bosheit  lief,  andere 
lüde  doget  de  overdusterde  he',  worauf  als  Illustration 
eine  Reihe  wahrhaft  neronischer  Schandthaten  des  Kaisers 
gegen   Menschen    und  Thiere   folgt2;    auch    die  Empörung 


1)  Vgl.  auch  hier  und  weiterhin  die  entsprechenden  Stellen  in  der 
Ausgabe  von  Weiland,  MG.  Deutsche  Chroniken  II,  S.  183  ff.  2)  Die  erste 
dieser   in  der  Sachsenchronik  erhaltenen  Geschichten   (von  dem  Versuch, 


58  Ernst  Bernheim. 

Heinrichs  V.  ist  augenscheinlich  z.  Th.  ans  unserer  Quelle 
in  diesem  Zusammenhang  erzählt  * :  Der  Traum  des  alten 
Kaisers  in  Lüttich  (S.  73,  63  ff.),  den  die  Excerptoren  aus  den 
Hildesheimer  bezw.  Paderborn  er  Annalen  entnommen  haben, 
stand  nicht  in  unserer  Quelle,  denn  für  diese  haben  wir 
den  Satz  ebd.  S.  74,  47  f.  in  Anspruch  zu  nehmen,  in  dem  es, 
abweichend  yon  den  dem  Traum  entsprechenden,  in  jenen 
Annalen  berichteten  Todesfällen  nach  dem  Tode  des  Kaisers 
heisst :  'Darna  ward  de  keiser  Heinric  siek ;  vor  sime  dode 
twelwe  siner  heimlikesten  vrunde  storven  schentliken  dodes'. 
Daran  schliesst  sich  die  drastische  Schilderung  der  ärm- 
lichen Machtlosigkeit,  in  der  er  jämmerlich  stirbt,  die  schon 
vorher  (S.  74,  29  ff.)  nicht  minder  drastisch  durch  die  an 
ihn  gerichteten  schonungslosen  Scheltworte  eines  geistes- 
schwachen Mannes  ins  Licht  gestellt  worden  ist. 

Von  Heinrich  III.  ist  zunächst  die  Thronbestei- 
gung und  eine  kurze  Gesammtcharakteristik  wiedergegeben. 
Denn  der  Satz  'Decedente  itaque  Conrado  de  Wibelingin 
anno  Domini  1039.  Heinricus  filius  eius  huius  nominis  tertius 
cognomento  Heinricus  cum  barba  (Glosse :  mit  ten  barde 2) 
in  omni  virtute  strenuus  regnavit  annis  17,  cui  filia  regis 
Danorum  nomine  Agnes  sanctissima  nupserat'  in  Ann.  Pal. 
S.  68,  46  ff.  ist  keineswegs  aus  Ekkehard,  wie  in  der  Edi- 
tion irrig  angegeben  ist,  entnommen,  nur  die  Zahlenangaben 
stammen  wohl  daher,  im  übrigen  steht  der  Satz  den  bekannten 
Quellen  der  Ann.  Pal.  fern  und  ist  ohne  Zweifel  für  un- 
sere Fragmente  in  Anspruch  zu  nehmen:  dafür  spricht  die 
ganz  der  Art  derselben  eigene  Gesammtcharakteristik  des 
Kaisers,  die  da  gegeben  wird,  dafür  die  Angabe  des  volks- 
thümlichen  Beinamens  nebst  deutscher  Glosse,  dafür  ferner, 
dass  in  dem  ursprünglichen  Zusammenhang  dieser  Frag- 
mente ein  Satz  ganz  solchen  Inhalts  gestanden  haben  muss, 
der  den  Uebergang  von  Konrad  IL  zu  Heinrich  bildete. 
Sodann  ist  aus  unserer  Quelle  die  Beseitigung  des  Schis- 
mas durch  den  Kaiser  auf  Antrieb  der  ihm  von  einem 
Eremiten  zugesandten  Verse  (Ann.  Pal.  S.  68,  57  ff.)  erzählt, 
woran  sich  sehr  gut  die  Geschichte  seines  Verhaltens  zu 
Hildebrand  (Ann.  Pal.  S.  69,  9  ff.)  anschliesst.  Endlich  ist, 
wie  schon  erwähnt 3,  zu  erkennen,  dass  auch  sein  Tod  und 
Begräbnis  in  unserer  Quelle  berichtet  war. 


die  Kaiserin  zum  Ehebruch  zu  verleiten)  ist  in  den  Ann.  Pal.,  wie  er- 
wähnt, schon  vorher  berichtet,  von  dem  Verfasser  der  Sachsenchronik 
hierher  gezogen.  1)  Vgl.  weiter  unten.  2)  Vgl.  den  Anhang  zu 

diesem  Abschnitt  I.         3)  Oben  S.  56. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  ans  d.  12.  Jahrh.     59 

Von  Konrad  II.  ist  uns  anscheinend  in  den  Ann. 
Pal.  alles  erhalten,  was  die  Quelle  überhaupt  von  ihm  er- 
zählte. Mit  den  Worten  'Defuncto  igitur  pio  Heinrico', 
die  sich  S.  67,  30  unmittelbar x  an  die  auch  aus  unserer 
Quelle  stammende  Todesnachricht  Heinrichs  II.  (ebd.  Z.  26) 
anschliessen ,  wird  die  völlig  fabelhafte  Geschichte  von 
Konrads  Wahl  im  Wettstreit  mit  seinem  angeblichen  Bruder 
Heinrich  eingeleitet,  sodann  werden  seine  Kämpfe  mit 
diesem  Bruder  und  seine  schnöde  Hintergehung  der  Wahl- 
fürsten erzählt,  und  abschliessend  heisst  es:  'Sic  principes 
.  .  .  regem  usque  in  finem  tolerabant';  sein  Tod  ist  noch 
ausdrücklich  in  dem  eben 2  erwähnten  Uebergang  zur  Re- 
gierung Heinrichs  III.  angeführt. 

Ausführlicher  ist  Heinrich  II.  behandelt.  Wir  er- 
fahren zunächst  Ann.  Pal.  S.  65,  53  ff.,  wie  ihm  ein  räthsel- 
haftes  'Post  sex'  prophezeit  wird  und  er  dann  6  Jahre  nach 
Otto's  III.  Tode  —  (hier  bricht  die  Entlehnung  aus  unserer 
Quelle  in  den  Ann.  Pal.  ab,  weil  diese  den  Satz  mit  den 
Worten  ihrer  Hauptquellen  vollenden,  aber  der  Annal. 
Saxo :!  hat  uns,  hier  einmal  unserer  Quelle  getreuer  als 
jene,  den  originalen  Schluss  des  Satzes,  der  nach  dem 
Vordersatz  übrigens  auch  ohnedies  dem  Sinne  nach  nicht 
zweifelhaft  sein  kann,  bewahrt)  'rex  levatur'.  Daran 
schliesst  sich  ohne  Zweifel  unmittelbar  Ann.  Pal.  S.  65,  60  ff. : 
'Evoluto  autem  aliquot  dierum  circulo  .  .  .  Cunigundam 
.  .  .  quasi  in  matrimonium  sibi  copulaverat'  und  die  Fabel 
von  der  Keuschheit,  verläumderischen  Anklage  und  glor- 
reichen Rechtfertigung  Kunigunde's  durch  das  Gottes- 
urtheil  der  Feuerprobe.  Es  folgt  ebd.  S.  66,  Z.  26  ff.  das 
Histörchen  von  Heinrichs  kühnem  Sprung  von  den  Mauern 
der  Burg  Valenciennes,  der  ihm  eine  Hüftenlähmung  und 
den  Beinamen  Huffehalz  einträgt,  angeschlossen  an  den 
Bericht  über  die  Belagerung  dieser  Burg  aus  Sigebert,  so 
dass  der  originale  Uebergang,  der  dies  mit  dem  Vorigen 
in  unserer  Quelle  verknüpft  haben  wird,  nebst  dem  origi- 
nalen Anfang  der  Stelle  fortgefallen  ist.  Der  Schluss  der- 
selben Z.  38 :  'remeavit,  alia  regni  negotia  pertractare'  lässt 
die  Wahrscheinlichkeit  oder  Möglichkeit  offen,  dass  in 
unserer  Quelle   noch   andere  Thaten   des  Königs   berichtet 


1)  'Unmittelbar'  in  dem  ursprünglichen  Texte  unserer  Quelle;  in 
den  Ann.  Pal.  folgen  erst  Sätze,  die  aus  Ekkehard  und  Sigebert  ent- 
nommen sind,  sowie  eine  Stelle  über  die  Stiftung  zu  Ehren  des  Heimrad 
in  Hasungen,  die  aus  den  Annales  Patherbrunnenses  stammt,  s.  P.  Scheffer- 
Boichorst  1.  c.  S.  93  zu  1020,  und  unten  bei  uns  Abschn.  II.  2)  Oben  S.  58. 
3)  SS.  VI,  048,  62. 


60  Ernst  Bernheim. 

standen.  Wahrscheinlich  gehört  die  nur  iin  Ann.  Saxo 
S.  660,  19  ff.  stehende  Sage  von  der  Auffindung  der  Me- 
talle bei  Goslar,  wobei  der  König  eine  Rolle  spielt,  hier- 
her. Erhalten  ist  dann  wieder  jedenfalls  der  ganze  Schluss 
der  Legendenskizze  in  der  Partie  S.  67,  14  ff.,  wo  Heinrich 
angesichts  der  letzten  Stunde  die  unberührte  Gattin  als 
Jungfrau  ihren  Verwandten  zurückgiebt,  wo  die  Vision 
eines  Eremiten  das  Bemühen  der  Dämonen  um  die  Seele 
des  Sterbenden  und  deren  Rettung  durch  den  Kelch  des 
h.  Laurentius  enthüllt,  und  endlich  der  selige  Tod  des 
frommen  Kaisers  verzeichnet  wird. 

Von  Otto  III.  erfahren  wir  S.  64,  63  ff.  eine  charak- 
teristische Anekdote  aus  seiner  Knabenzeit,  die  angebliche 
Regentschaft  Erzbischof  Bruno' s  von  Köln  und  die  Erz- 
bischof Willegis'  von  Mainz,  sowie  gelentlich  dessen  die 
Entstehung  des  berühmten  goldenen  Crucifixes  zu  Mainz 
aus  dem  longobardischen  Tribut.  Es  folgt  dann  nur  noch 
S.  65,  50  ff.  die  Sage  von  Otto's  Tod  durch  das  Gift  der 
Wittwe  des  Crescentius,  deren  Anfang  aber  mit  den  Worten 
des  Sigebert  und  Ekkehard1  wiedergegeben  ist. 

Von  Otto  IL  ist  nur  der  Bericht  seines  letzten 
Kampfes  mit  den  Sarazenen,  seiner  dabei  empfangenen 
tödtlichen  Verwundung  und  seiner  Bestattung  in  Rom 
S.  64,  54  ff.  erhalten. 

Wir  wenden  uns  nun  zu  Heinrich  L,  da  wir  Otto 
den  Grossen  schon  oben  behandelt  haben.  Zunächst  wird 
uns  dieser  S.  61,  9  f.  in  Kürze  als  Herzog  von  Sachsen,  als 
Feind  Königs  Konrad  vorgeführt;  letzterer  empfiehlt  ihn 
sterbend  den  Fürsten  als  Nachfolger  'utpote  virum  con- 
silio  et  virtute  pollentem'.  Als  Beleg  seiner  frommen 
Tugend  wird  ebd.  Z.  14  ff.  erzählt,  wie  er  es  ablehnt,  sich 
an  der  Aneignung  Gandersheimer  Lehen  zu  betheiligen  und 
lieber  auf  die  ganze  Erbschaft  von  seinem  Vater  verzichtet, 
die  ihm  freilich  später  nach  dem  Tode  seiner  Brüder  doch 
zufällt.  Dann  folgt  ebd.  Z.  22  mit  der  für  unsere  Quelle 
charakteristischen  Wendung  'Iste  est  primus  Heinricus  post 
Karolum,  cognominatus  auceps',  die  vorher  bereits  ein- 
geleitete Erzählung  von  der  Ueberraschung  Heinrichs  durch 
die  Fürsten  beim  Vogelfang  und  seiner  Erhebung  auf  den 
Thron,  sowie  sein  Verzicht  auf  das  Tragen  der  Krone 
während  seiner  ganzen  Regierung  aus  Reue  über  sein  frü- 


1)  Die  "Worte  Z.  49  'dum  ipse  iuvenis'  bis  'discedit  ab  Italia1  sind 
aus  Ekkehard  genommen,  was  in  der  Ausgabe  in  den  MGr.  1.  c.  nicht 
bemerkt  ist. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  cl.  12.  Jahrh.      61 

heres  rebellisches  Verhalten  gegen  das  Reich  und  die 
Person  Konrads.  In  der  Anknüpfung  rückgreifend  auf 
die  vorher  berichtete  Tributpflicht  des  Reiches  gegen  die 
Ungarn  wird  nun  ebd.  Z.  43  ff.  Heinrichs  glorreiches  Auf- 
treten gegen  diesen  Landesfeind  und  dessen  Vernichtung 
geschildert.  Weiter  ist  uns  über  diesen  König  nichts  mehr 
aus  unserer  Quelle  erhalten. 

Kurz  genug  sind  Konrad  I.  und  Arnulf,  mit  voll- 
ständiger Uebergehung  Ludwig  des  Kindes,  behandelt, 
ersterer  nur  in  seinem  schon  erwähnten  Verhältnis  zu 
Heinrich  S.  61,  9  ff.  und,  wie  auch  letzterer,  in  seinem 
Tributverhältnis  zu  den  Ungarn  ebd.  Z.  8  f.  Die  Ungarn- 
plage  giebt  in  diesen  Zeilen  und  der  vorhergehenden  Ge- 
schichte vom  Bischof  Udalrich  von  Augsburg  den  Faden 
der  Erzählung  ab :  wie  Augsburg  ist  das  ganze  Eeich  unter 
die  Gewalt  der  Heiden  gefallen,  lange  Zeit  bleibt  es  tribut- 
pflichtig, zuletzt  unter  Arnulf  und  dessen  Nachfolger 
Konrad;  daran  knüpft,  wie  erwähnt,  die  Heldenthat 
Heinrichs  nachher  wieder  an. 

Von  den  vorhergehenden  Karolingern  finden  wir 
nur  wenig  in  den  Excerpten  der  Ann.  Pal.  und  des  Ann. 
Saxo,  was  für  unsere  Quelle  in  Anspruch  zu  nehmen  wäre, 
und  es  ist  auch  aus  später  anzuführenden  Gründen  höchst 
wahrscheinlich,  dass  dieselbe  nicht  viel  mehr  von  ihnen 
enthalten  habe.  Nicht  gestanden  haben  in  derselben  ohne 
Zweifel  die  Notizen  zu  den  Jahren  898  bezw.  891.  903  bezw. 
902.  906  (Ann.  Pal.  S.  60,  8  ff.  15  ff.  22  ff.,  Ann.  Saxo  S.  588, 
41  ff.,  S.  590,  59  ff.,  S.  591,  68  ff.),  denn  diese  zeigen  sich 
durch  ihre  rein  annalenmässige  Fassung-  mit  bestimmten 
Tagesangaben,  die  in  Ann.  Pal.  bei  der  erst-  und  letzt- 
genannten Notiz  nur  fortgelassen,  vom  Ann.  Saxo  aber  bei- 
behalten sind,  unserer  Quelle  fremd  und  sind  auf  eines 
der  verlorenen  annalistischen  Werke  zurückzuführen,  welche 
dem  Ann.  Saxo  und  den  Ann.  Pal.  ja  mehrfach  gemeinsam 
vorlagen.  Nur  zwei  Stellen  bleiben  dann  übrig,  die  dem 
Charakter  unserer  Quelle  entsprechen  und  darin  gestanden 
haben  können,  in  Ann.  Pal.  S.  58,  33  ff.  und  42  ff.,  im 
Ann.  Saxo  un getrennt  hintereinander  und  ausführlicher 
S.  570,  71  ff.  Der  letztere  Annalist  hat  hier  seine  Vorlage, 
die  der  Verfasser  der  Ann.  Pal.  bedeutend  kürzte  *,  ge- 
treuer wiedergegeben,  nur  am  Anfang  hat  er  dieselbe  zu 
Gunsten  der  Einreihung   in    seinen    übrigen  Text  sichtlich 


1)  Es  ist  ersichtlich,  dass  das  Verhältnis  so  und  nicht,  wie  J.  Voigt 
1.  c.  S.  6  meint,  umgekehrt  ist. 


62  Ernst  Bernheim. 

verändert,  und  die  Ann.  Pal.  haben  da  den  ursprünglichen 
Wortlaut  bewahrt :  'Hie  (seil.  Karolus  imperator)  inter  alia 
omnibus  pene  regibus  excellentiora  opera  Saxoniam  .  .  . 
ficlei  catholice  impressit  sigillo' ;  dann  folgt,  im  Ann.  Saxo 
wie  gesagt  ausführlich,  in  den  Ann.  Pal.  stark  verkürzt, 
aber  aus  gemeinsamer  Vorlage,  die  sagenhafte  Erzählung 
von  der  Gründung  des  Bisthums  Elze -Hildesheim,  bei 
welcher  Gelegenheit  auch  der  Abgang  Karls  und  die  Nach- 
folge Ludwigs  ausdrücklich  erwähnt  wird  und  zwar  offen- 
bar so,  dass  wir  erkennen,  diese  Angaben  haben  in  einer 
Quelle  gestanden,  die  nicht  anderweitig  von  dem  Thron- 
wechsel redete,  also  nicht  in  einer  annalistischen:  'Karolo 
eundem  regni  quem  et  vite  finem  sortito  Lodowicus,  tarn 
paterne  religionis  quam  potestatis  heres'  u.  s.  w.  (Ann.  Sax. 
1.  c.  S.  571,  18  ff.).  Namentlich  aus  diesem  Grunde  meine 
ich,  diese  ganze  Gründungsgeschichte  unserer  Quelle  zu- 
weisen zu  dürfen,  ohne  jedoch  unbedingt  die  Möglichkeit 
abzulehnen,  dass  dieselbe  in  einer  der  ganz  oder  z.  Th. 
verlorenen  Hildesheimer  Annalen  gestanden  haben  könnte, 
welche  mehrfach,  direkt  und  indirekt,  dem  Ann.  Saxo  und 
den  Ann.  Pal.  zu  Gebote  standen,  wie  wir  wissen1;  hierfür 
könnte  das  starke  Lokalinteresse,  das  sich  darin  äussert, 
sprechen,  doch  erklärt  sich  dies,  wie  wir  später  sehen 
werden,  vielleicht  auch  anders.  Der  Schluss  der  Stelle  im 
Ann.  Saxo  (S.  571,  41  ff.)  mit  den  detaillierten  Angaben 
über  die  Veränderungen  der  Hildesheimer  Kirchen  unter 
den  vier  ersten  Bischöfen  ist  jedenfalls  unserer  Quelle 
fremd,  und  ist  nach  meiner  Meinung  ein  Zusatz  des  Ann. 
Saxo  aus  Hildesheimer  Quelle.  Wie  dem  auch  sei,  bis  zu 
Karl  dem  Grossen  lassen  sich  die  Spuren  unserer  Kaiser- 
chronik rückwärts  verfolgen. 

Ueber  Heinrich  IV.  hinaus  verwischen  sich  die  Spu- 
ren, einerseits  weil  die  beiden  Excerptoren  mehr  und  mehr 
Stoff  aus  ihren  immer  reicher  werdenden  annalistischen 
Vorlagen  entnahmen,  darunter  den  verlorenen  Paderborner 
und  von  ca.  1115  an  den  verlorenen  Ilsenburger  Annalen, 
und  wir  nicht  überall  entscheiden  können,  was  sie  aus 
diesen    verlorenen    Werken    entlehnt    haben,    andererseits 


1)  Der  Herausgeber  des  Ann.  Saxo  hat  in  der  Note  7,  S.  571  wegen 
des  Ausdrucks  'eis  Leinam',  der  in  der  Erzählung  vorkommt,  gemeint, 
der  Verfasser  derselben  müsse  westlich  des  Leineflusses  gelebt  haben,  allein 
das  ist  durchaus  nicht  nothwendig,  zu  schliessen:  'eis1  wird  ja  oft  im 
Mittelalter  nicht  vom  subjektiven  Standpunkt  der  Schriftsteller  aus,  son- 
dern vom  Standpunkt  der  Oertlichkeiten  oder  Personen,  von  denen  die 
Rede  ist,  gesagt. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  cl.  12.  Jahrh.      63 

weil  unsere  Quelle  sich  mehr  und  mehr  der  eigenen  Lebens- 
zeit ihres  Verfassers  nähert,  wie  wir  später  wahrscheinlich 
machen  werden,  und  daher  einen  mehr  historischen,  weniger 
kenntlich  sagenhaften  Charakter  annimmt.  Doch  dürfen 
wir  mit  ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  noch  einige  Stellen 
als  derselben  zugehörig  in  Anspruch  nehmen. 

Die  Erhebung  Heinrichs  V.  (MG.  S.73,  34  ff.  in  der 
Ausgabe  Weilands  S.  184,  27  ff.)  mit  dem  charakteristisch 
sagenhaften  Anachronismus,  dass  Herzog  Otto  von  Sachsen 
aus  ßaiern  den  Rath  dazu  gegeben,  gehört  hierher,  dann 
vielleicht  die  Anekdote  von  dem  missglückten  Versuch  ver- 
rätherischer  Gefangennahme  des  Königs  (MG.  S.  74,  43  ff.) 
in  der  Ausgabe  Weilands  S.  187,  18  ff.),  sowie  der  Bericht 
über  das  Schisma  mit  den  Fabeleien  über  Burdinus,  in 
den  Ann.  Pal.  (deren  Text  nun  wieder  zu  Gebote  steht), 
S.  76,  31  ff.  35  f.  39  ff.,  wovon  eine  Spur  sich  auch  im  Ann. 
Saxo  S.  761,  34  f.  erhalten  hat1.  Die  Geschichte  von  der 
Pilgerreise  des  Markgrafen  von  Baden  (Ann.  Pal.  S.  76,  56  ff.) 
gehört,  wenn  auch  sagenhaft,  kaum  zu  unseren  Frag- 
menten 2. 

Von  Lothars  III.  Thaten  als  Herzogs  redet  unsere 
Quelle  wahrscheinlich  nach  Ausweis  der  Stelle  Ann.  Pal. 
S.76,17ff.3;  dann  lässt  sich  vielleicht  eine  rühmende  Charakte- 
ristik des  Königs,  während  solche  zu  einem  Theile  bei  den 
beiden  Excerptoren  aus  den  Paderborner  Annalen  stammt, 
zu  einem  andern  Theile  (Ann.  Pal.  S.  77,  50  ff.  und  Ann. 
Saxo  S.  762,  59  ff.)  für  unsere  Quelle  in  Anspruch  nehmen, 
und  mit  grösserer  Wahrscheinlichkeit  das  Lob  der  keuschen 
Ehe  Lothars  (Ann.  Pal.  S.78, 1  ff.).  Weiter  lassen  sich  Spuren 
unserer  Quelle  nicht  entdecken;  einiges,  was  Waitz  1.  c. 
S.  36  und  Voigt  1.  c.  S.  7  ff.  noch  geneigt  sein  konnten, 
derselben  zuzuschreiben,  ist  durch  die  Untersuchung  von 
Herre  als  Bestand  der  verlorenen  Annalen,  die  er  Ilsen- 
burger  nennt,  in  Anspruch  genommen4,  namentlich,  und 
zwar  ganz  sicher,  die  Erzählung  von  dem  Wunder  in  Bari 
unter  dem  Jahre  1137 5,  die  man  dem  Inhalte  nach  am 
ehesten  Anlass  haben  könnte,  hierher  zu  ziehen. 

Wir  überblicken  den  Stoff  unserer  Quelle  nun  soweit, 


1)  Vgl.  dazu  Scheffer  -Boichorst  1.  c.  S.  134,  N.  5.  2)  Ebenso 

wenig  die  Anekdote  von  dem  Gotteslästerer  im  Breisgau  unter  dem  Jahre 
1129  in  Ann.  Pal.  Diese  wie  jene  Geschichte  entspricht  in  ihrer  lokalen 
Färbung  und  wegen  des  mangelnden  Zusammenhanges  mit  der  Kaiser- 
geschichte nicht  dem  Charakter  unserer  Quelle,  wie  wir  ihn  jetzt  erkennen 
können,  vgl.  weiterhin  unsere  Erörterung  darüber.  3)  Vgl-  Scheffer- 

Boichorst  1.  c.  S.  52.      4)  Herre  1.  c.  S.  94.  33  ff.       5)  Ebd.  S.  34,  N.  1. 


64  Ernst  Bernheim. 

um  bestimmt  sagen  zu  können,  dass  es  in  der  That  Skizzen 
der  Könige  und  Kaiser  waren,  welche  sie  enthielt,  ausführ- 
licher von  Heinrich  I.  bis  zu  Heinrich  V.,  in  Kürze  zurück- 
greifend bis  zu  Karl  dem  Grossen,  dem  Eroberer  und  Be- 
kehrer Sachsens,  und  sich  verlierend  in  der  Zeit  Lo- 
thars III.,  Skizzen,  innerhalb  deren  einzelne  Züge  und 
Thaten  der  Herrscher  in  anekdoten-,  legenden-  oder  sagen- 
artiger Erzählung  ausgeführt  sind,  nicht  aber  unzusammen- 
hängende einzelne  Erzählungen.  Das  ist  bei  der  obigen 
Zusammenstellung  der  uns  erhaltenen  Fragmente  wohl 
deutlich  genug  hervorgetreten.  Und  mehr,  es  lässt  sich 
auch  noch  an  deutlichen  Spuren  erkennen,  dass  diese 
Skizzen  untereinander  im  fortlaufenden  Zusammenhang 
standen,  was  wir  hier  und  da  schon  bemerkt  haben,  doch 
hier  noch  vollständiger  nachweisen  wollen.  In  der  Er- 
zählung von  Heinrichs  IV.  Zwist  mit  Papst  Gregor  (Ann. 
Pal.  S.  70,  25  ff.)  wird  ausdrücklich  (supra  memoratus  est)  auf 
Hildebrands  vorher  S.  69,  9  ff.  erzählten  Aufenthalt  am 
Hofe  Heinrichs  III.  hingewiesen;  die  Geschichte  von  Kon- 
rads II.  Wahl  ist  unmittelbar  mit  den  Worten  'Defuncto 
itaque  pio  Heinrico'  (S.  67,  30  f.)  an  den  Bericht  von  dem 
Tode  des  pius  Heinricus  (ib.  Zeile  26)  angeknüpft;  die 
Regierung  Konrads  IL  ist  mit  der  des  Nachfolgers  wie- 
derum durch  einen  ähnlichen  Uebergang  (S.  68,  46  f.),  'Dece- 
dente  itaque  Conrado  de  Wibelingin',  eng  verbunden1;  die 
Bemerkung  in  der  Skizze  Otto's  III.  (S.  65,  9  f.),  dass  das 
goldene  Crucifix  zu  Mainz  von  dem  Golde  des  Langobar- 
dischen  Tributs  gefertigt  sei,  setzt  die  Angabe  von  der 
Auferlegung  dieses  Tributs  unter  Otto  dem  Grossen  (S.  63, 57) 
voraus;  die  Wendung  'Cum  iam  multo  tempore  solvendo 
vectigal  Romani  barbaris  subiacerent',  womit  (S.  61,  43) 
Heinrichs  I.  Ungarnkampf  eingeleitet  ist,  nimmt  sichtlich 
den  Faden  der  Erzählung  von  der  Unterwerfung  des  Reichs 
durch  die  Ungarn  zur  Zeit  Arnulfs  und  Konrads  I.  (ib. 
Zeile  7  f.)  wieder  auf,  wo  es  heisst:  Tta  per  multa  tem- 
pora  tributum  Romani  reges  persolvebant',  und  damit  steht 
wieder  die  Niederlage  Bischof  Udalrichs  von  Augsburg  in 
unmittelbarer  Verbindung;  endlich  weist  die  Wendung 
(S.  58,  42)  'Lodewigus  imperator,  tarn  paterne  religionis 
quam  potestatis  heres',  darauf  zurück,  dass  vorher  von 
Karl  dem  Grossen  die  Rede  geAvesen  ist. 

Nach  alledem  können  wir  mit  grösserer  Bestimmtheit 
und   Zuversicht   als  Waitz    annehmen,    dass   unsere  Quelle 


1)  Vgl.  über  diese  Stelle  oben  S.  58. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      65 

wirklich  eine  in  sich  zusammenhängende  Kaiserchronik 
war.  Die  Ansicht  von  Giesebrecht,  die  auch  Voigt  ver- 
tritt und  Wattenbach  wenigstens  für  nicht  unmöglich  hält, 
dass  der  ganze  Stoff  aus  einzelnen  Zusätzen  zu  einem 
Exemplar  von  Ekkehards  Weltchronik  bestünde,  glauben 
wir  hiermit  definitiv  als  unzulässig  dargethan  zu  haben. 
Denn  wem  sollte  es  eingefallen  sein,  eine  derartige  voll- 
ständige, zusammenhängende  Kaisergeschichte  an  den  Rand 
oder  in  den  Text  eines  andern  Werkes,  wie  Ekkehards,  zu 
verzetteln?  Es  kommt  noch  hinzu,  dass  unsere  Quelle  so 
entschieden  wie  möglich  jeder  Ein-  oder  Anfügung  an  eine 
solche  annalistische  Chronik  widerstrebt,  da  sie  nirgends 
bestimmte  chronologische  Rechnung  und  Anordnung  inne- 
hält, ja  häufig  genug  die  gröbsten  Anachronismen  auf- 
weist. 'Per  multa  tempora,  interim,  deinde,  postea,  ipso 
tempore,  semel,  quondam,  tempore  huius  N.  N.,  proce- 
dente  vero  tempore,  quadam  die'  u.  s.  w. ,  so  lauten  die 
Zeitangaben  in  unserer  Quelle ;  nicht  einmal  die  Regie- 
rungsdauer  und  -zeiten  der  einzelnen  Herrscher  sind  an- 
gegeben, geschweige  denn  Jahresdaten  einzelner  Ereignisse ; 
die  einzige  bestimmte  Angabe,  die  sich  etwa  nachweisen 
lässt,  ist  die:  (S.  70,  25)  'Gregorius  papa  sedit  annos  12', 
aber  gerade  wegen  ihrer  Vereinzelung  dürfen  wir  vielleicht 
zweifeln,  ob  sie  unserer  Quelle  angehört.  Nur  die  Reihen- 
folge der  Könige  hält  diese  richtig  inne,  wiewohl  mit  Ueber- 
gehung  Ludwig  des  Kindes;  in  der  Erzählung  des  Ein- 
zelnen kümmert  sie  sich  wenig  um  die  historische  Ord- 
nung und  Chronologie ;  namentlich  in  den  früheren  Partien 
finden  sich  zahlreiche  Verstösse  dagegen,  die  wir  nicht 
aufzuzählen  brauchen,  doch  auch  noch  in  den  Partien  über 
Heinrich  IV.  und  V.  begegnen  wir  so  starken  Irrthümern, 
wie  der  Angabe,  dass  Heinrichs  IV.  Gemahlin  Agnes  ge- 
heissen,  dass  der  —  damals  längst  verstorbene  —  Herzog 
Otto  von  Sachsen  und  Baiern  zur  Erhebung  Heinrichs  V. 
gerathen  habe  u.  s.  w.  Diesem  Charakter  unserer  Quelle 
entspricht  es  noch  besonders,  wenn  sie  inmitten  ihrer 
chronologischen  Unbestimmtheit  auf  einmal  ganz  genau 
Tag  und  Stunde  weiss,  wann  die  Dinge  passiert  sind,  wie 
(S.  65,  60  f.)  dass  Heinrich  II.  'evoluto  aliquot  dierum 
circulo'  Kunigunde  ehelicht,  dass  der  Rathgeber  Kon- 
rads  II.  den  Erzbischof  von  Mainz  Nachts  aufsucht,  um 
ihn  für  seinen  Herrn  einzunehmen  (S.  67,  36),  dass  Hilde- 
brand ein  ganzes  Jahr  auf  Hammerstein  eingekerkert  sass 
(S.  69,  26),    dass    an   Einem   Tage    die    Sachsen    über   ihre 

Neues  Archiv  etc.    XX.  5 


66  Ernst  Bernheini. 

christlichen  und  heidnischen  Feinde  siegen  (S.  76,  17  ff.)1 
und  dergl.  mehr.  Es  zeug-t  von  einer  starken,  doch  frei- 
lich in  jener  Zeit  gewöhnlichen  Kritiklosigkeit  des  Anna- 
lista  Saxo  und  namentlich  des  Verfassers  der  Ann.  Pal., 
dass  sie  angesichts  ihrer  exakten  historischen  Quellen  diese 
so  durch  und  durch  nnhistorisch  angelegte  Quelle  mit  be- 
nutzt haben;  wir  können  freilich  auch  bemerken,  wie  sie 
manchmal  Noth  hatten,  die  Excerpte  aus  derselben  in  ihren 
annalistischen  Stoff  einzureihen,  z.  B.  die  so  confuse  und 
mit  den  übrigen  Nachrichten  unverträgliche  Darstellung 
von  Ottos  I.  verschiedenen  Römerzügen.  Wie  sollte  das 
ursprünglich  in  der  Form  von  Zusätzen  zu  einer  annalisti- 
schen  Quelle  entstanden  und  untergebracht  gewesen  sein? 

Unsere  Kaiserchronik  hat  den  Charakter  eines  Werkes, 
das  ohne  jede  Anlehnung  an  annalistische  exakt  historische 
Quellen  verfasst  ist. 

Nachdem  wir  soweit  den  selbständigen  Charakter 
unserer  Quelle  festgestellt  haben,  wollen  wir  versuchen, 
einige  nähere  Aufschlüsse  über  ihre  Herkunft,  Entstehungs- 
zeit und  Tendenz  zu  gewinnen. 

Waitz  hat  1.  c.  S.  36  bereits  darauf  hingewiesen,  dass 
wegen  eines  starken  sächsischen  Lokalpatriotismus,  der  sich 
in  der  Chronik  ausspricht,  an  deren  Ursprung  im  Sachsen- 
lande nicht  zu  zweifeln  sei.  In  der  That  offenbart  sich 
die  ganze  Begeisterung  sächsischen  Stammesgefühls  für  die 
einheimischen  Könige,  der  ganze  traditionelle  Hass  des 
Sachsenblutes  gegen  die  salischen  Herrscher  durchweg  aufs 
lebhafteste  in  dem  Werk.  Die  entfernten  altehrwürdigen 
Gestalten  der  Karolinger  werden  allerdings  mit  Respekt 
oder  wenigstens  ohne  Abneigung  behandelt,  ebenso  Kon- 
rad I„  dem  die  Uebertragung  der  Krone  an  den  Sachsen 
Heinrich  als  hohes  Verdienst  angerechnet  wird,  aber  schon 
Konrad  II.  erscheint  im  gehässigsten  Lichte :  durch  hinter- 
listige Versprechungen  erschleicht  er  den  Thron,  um  sich 
hernach  mit  sophistischer  Ausrede  der  Einhaltung  derselben 
zu  entziehen,  die  betrogenen  Fürsten  dulden  ihn  nur  als 
König ;  Heinrich  III.  kommt  z.  Th.  etwas  besser  weg,  wie 
er  überhaupt  in  der  gegnerischen  Tradition  wegen  seines 
guten  Verhältnisses  zu  Kirche  und  Papstthum  gelinde  be- 
handelt wird,  doch  erscheint  er  in  seinem  Verfahren  gegen 
Hildebrand  als  harter  Tyrann;  Heinrich  IV.  aber  ist  mit 
dem  zweifachen  Hasse  des  päpstlich  gesinnnten  Sachsen 
geschildert,    als    ein   zweiter   Nero,    wie   wir   oben   bereits 


1)  Vgl.  Scheffer -Boichorst  1.  c.  S.  52. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  ans  d.  12.  Jahrh.     67 

sahen,  schlimmer  fast  als  in  den  Pamphleten  eines  Bruno 
und  anderer  Feinde.  Dem  gegenüber  treten  uns  die  Herr- 
scher vom  Sachsenstamme  in  allem  Glänze  der  Regenten- 
tugend  und  persönlichen  Trefflichkeit  entgegen:  das 
Reich  war  seit  Arnulf  unter  die  Obmacht  der  Ungarn  ge- 
fallen, Heinrich  I.  befreit  es  in  ruhmreichem  Siege,  der 
tugendreiche,  fromme,  demuthvolle  Mann,  der  sich  weigert, 
an  der  Beraubung  der  Gandersheimer  Kirche  Theil  zu 
nehmen,  der  widerstrebend  vom  Vogelheerd  zum  Thron 
geführt  werden  muss,  der  den  Fehl  seiner  einstigen  Em- 
pörung gegen  den  legitimen  Herrscher  dadurch  sühnt,  dass 
er  zeitlebens  darauf  verzichtet,  die  Krone  aufzusetzen.  Als 
Muster  aller  Tugenden  wird  auch  Otto  der  Grosse  ge- 
schildert, kaum  weniger  der  keusche  Heinrich  II.,  und 
dann  scheint  auch  Lothar  III.  in  allen  Beziehungen  rüh- 
mend gefeiert  zu  sein 1. 

Ausserdem  tritt  aber  noch  eine  besondere  Tendenz 
hervor,  die  bisher  nicht  bemerkt  worden  ist.  In  ganz  auf- 
fallender Weise  werden  neben,  ja  vor  den  Herrschern  die 
königlichen  Frauen  gefeiert.  Von  Edith  werden  die  oben 
erwähnten  Geschichten  erzählt,  welche  zeigen  sollen,  dass 
sie  'castissima  et  magni  apud  Deuni  meriti'  gewesen ; 
Kunigunde  bewährt  sich  als  die  keusche  Heilige,  lSusannae 
aemula1,  glorreich  gegen  die  vom  Teufel  angestiftete  Ver- 
leumdung und  sieht  den  Kaiser,  der  auch  an  ihr  gezweifelt, 
reuig  zu  ihren  Füssen ;  Heinrichs  III.  Gemahlin  tadelt 
'ut  sanctam  decuit'  das  unartige  Benehmen  des  jungen 
Sohnes  gegen  den  am  Hofe  weilenden  Hildebrand  und 
bewirkt  bei  dem  Kaiser  die  Freilassung  des  unbarmherzig 
eingekerkerten;  die  Gattin  Heinrichs  IV.,  die  irrig  Agnes 
genannt  wird,  geht  aus  den  schändlichen  Fallstricken,  die 
der  eigene  Gemahl  ihrer  Keuschheit  legt,  rühmlichst  her- 
vor, und  es  wird  (S.  71,  16  ff.)  eine  eigentümliche,  bei- 
läufig im  wesentlichen  wahre  Anekdote  von  ihr  erzählt, 
die  ihre  intensive  Frömmigkeit  an  den  Tag  stellt;  endlich 
wird  die  keusche  Ehe  der  edlen  Richinza  mit  Lothar 
rühmend  hervorgehoben  2. 


1)  Vgl.  oben  die  Skizzen  dieser  Könige;  von  Otto  II.  und  III.  ist 
zu  wenig  erhalten,  um  deutlich  zu  erkennen,  wie  sie  behandelt  worden, 
doch  scheint  Otto  III.  nicht  mit  Vorliebe  bedacht  zu  sein,  was  nach  der 
unpopulären    Haltung   desselben    wohl   begreiflich   ist.  2)   Dass  auch 

Mathilde,  König  Heinrichs  erlauchte  Gattin,  gebührend  gerühmt  worden, 
kann  kaum  zweifelhaft  sein.  Allerdings  möchte  ich  die  Stelle,  in  der  sie 
in  Ann.  Pal.  (S.  61,  28)  erwähnt  wird,  nicht  zu  unserer  Chronik  ziehen, 
namentlich  wegen  der  speciellen  Bezugnahme  auf  Pöhlde  u.  s.  w. ;  ich  nehme 


68  Ernst  Bernheini. 

Als  Muster  frommer  Keuschheit  und  Barmherzigkeit 
werden  die  Königinnen  dargestellt,  als  Heilige,  die  der 
Versuchung  oder  der  Anzweiflung  durch  ihre  Gatten  herr- 
lich obsiegen  und  die  Hartherzigkeit  derselben  beschämen. 
Wenn  sich  nun  auch  zur  Entstehungszeit  unserer  Chronik  x 
bereits  jene  Strömung  bemerklich  zu  machen  beginnt,  welche 
alsbald  in  den  Marienkult  ausmündet,  so  ist  eine  derartige 
stete  und  tendenziöse  Hervorhebung  der  Frauen,  nament- 
lich in  einem  quasi  -  historischen  Werke,  doch  durchaus 
ungewöhnlich  —  man  vergleiche  die  verhältnismässig  be- 
scheidenen Züge  von  Frauenverherrlichung  in  den  ent- 
sprechenden Partien  der  etwa  10 — 20  Jahre  späteren  baieri- 
schen  Kaiserchronik.  Es  scheint  mir  daher  kaum  zweifel- 
haft zu  sein,  dass  unsere  Kaiserchronik  vorzugsweise  einen 
Leserkreis  im  Auge  hatte,  zu  dessen  Erbauung  diese  Vor- 
bilder dienen  konnten,  d.  h.  einen  Kreis  von  Nonnen,  mit 
anderen  Worten,  dass  sie  für  ein  Nonnenkloster  bezw.  in 
einem  solchen  verfasst  ist,  einem  sächsischen  Nonnenkloster. 
Diese  Annahme  wird  in  überraschender  Weise  gestützt 
und  bestätigt  durch  die  schon  von  Waitz  aus  ganz  anderen 
Gründen  geäusserte  Vermuthung,  dass  die  Chronik  in 
Gandersheim  entstanden  sein  möchte.  Waitz  vermuthete 
das  1.  c.  S.  36  ff.  wegen  mehrerer  Beziehungen  auf  Hildes- 
heim und  dessen  Sprengel,  speciell  auf  Gandersheim,  die 
vorkommen.  Einige  dieser  Stellen  allerdings  entfallen, 
was  schon  Waitz  als  möglich  bezeichnete,  wir  nun  aber, 
wie  oben  S.  54  bemerkt,  als  sicher  hinstellen  können,  auf 
die  verlorenen  annalistischen  Quellen,  welche  dem  Ann. 
Saxo  und  den  Ann.  Pal.  vorlagen ;  andere  können  wenigstens 
nicht  mit  voller  Sicherheit  für  unsere  Chronik  in  Anspruch 
genommen  werden,  namentlich  nicht  die  Stellen  zum  Jahre 
924  (Ann.  Pal.  S.  61.  27  ff.)  und  zu  817  (Ann.  Saxo  S.  571, 
2  ff.) ;  auch  die  Erzählung  von  der  Gründung  Hildesheims 
will  ich  nicht  in  Anspruch  nehmen,  da  sie,  wie  oben  S.  62 
gesagt,  nicht  unbedingt  der  Chronik  angehören  muss.  Es 
bleiben  aber  sicher  zwei  Stellen  übrig,  die  inmitten  von 
Erzählungen  vorkommen,  welche  jedenfalls  der  Kaiser- 
chronik eigen  sind,  und  zwar  als  wesentliche  Bestandtheile 
dieser  Erzählungen:  erstens  die  Nennung  des  Hofes  Dinklar 
bei  Hildesheim,    wo  Heinrich  I.  dem  Vogelfang  obgelegen 


vielmehr  an,  dass  die  Ann.  Pal.  das,  was  in  unserer  Chronik  über  Mathilde 
stand,  nicht  aufgenommen  haben,  weil  sie  1.  c.  betreffs  Mathilde  auf  die 
angehängte  Vita  derselben  verweisen.  1)  Wir  werden  dieselbe  gleich 

näher  bestimmen. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      69 

haben  soll  (Ann.  Pal.  S.  61,  23),  und  zweitens  die  Er- 
wähnung der  Gandersheinier  Klosterlehen,  die  Heinrich 
nicht  mit  seinen  Brüdern  theilen  wollte  (ebd.  Zeile  14  ff.). 
Namentlich  die  letztgenannte  ist  eine  Lokalbeziehung  von 
der  Art.  wie  sie  uns  in  mittelalterlichen  Quellen  als  deut- 
liche Fingerzeige  für  den  Entstehungsort  gelten,  und  die 
Vermuthung  von  Waitz,  dass  Gandersheim  im  Hildesheimer 
Sprengel  die  Heimath  unserer  Chronik  sei.  bleibt  somit 
trotz  aller  Restrictionen  gerechtfertigt.  Waren  wir  auf 
ganz  anderem  Wege  zu  der  Annahme  geführt,  dass  die 
Chronik  in  einem  sächsischen  Nonnenkloster  verfasst  sei, 
und  führt  uns  Waitz'  Vermuthung  auf  Gandersheim,  so 
muss  es  uns  allerdings  einleuchten,  dass  kaum  ein  anderer 
Ort  so  geeignet  zur  Hervorbringung  einer  derartigen  Kaiser- 
geschichte erscheinen  kann,  wie  dieses  Kloster,  das  stets 
im  engsten  Zusammenhang  mit  dem  sächsischen  König- 
thum  gestanden  hat,  dessen  Aebtissinnen  meist  der  Familie 
des  regierenden  Hauses  angehört  haben.  Freilich  waren 
auch  die  Töchter  des  Saliers  Heinrich  III.  nach  einander 
von  1040  bis  gegen  Ende  des  Jahrh.  Aebtissinnen  von 
Gandersheim  \  vielleicht  noch  seine  Enkelin  zur  Zeit  Hein- 
richs V.'2,  aber  die  salischen  Herrscher  hatten  trotzdem 
nicht  viel  für  das  Kloster  übrig 3 ;  dasselbe  galt  und  fühlte 
sich  als  die  Stiftung  der  Ahnherren  des  sächsischen  Königs- 
hauses, diesem  verdankte  es  sein  Emporkommen,  seine 
Blüthe,  und  nachdem  es  in  die  Wirren  des  Investitur- 
streits mit  hineingerissen  war,  soweit  sich  aus  der  dürftigen, 
lückenhaften  Ueberlieferung  schliessen  lässt,  erfreute  es 
sich  wieder  der  besonderen  Gunst  des  befreundeten  Sachsen- 
königs  Lothar;  diesem  nahestehende,  vielleicht  verwandte 
Frauen  standen  seit  1126  der  Abtei  vor4. 

Die  ausgesprochen  sächsische  und  zugleich  anti- 
salische  Haltung  unserer  Chronik  würde  bei  ihrem  Ganders- 
heinier Ursprung  ohne  Weiteres  begreiflich  sein,  wenn  wir 
Waitz  zustimmen  dürfen,  der  1.  c.  S.  36  annimmt,  dass 
sie  zur  Zeit  Lothars  verfasst  sei.  In  der  That  sind  wir 
auch  hier  in  der  Lage,  Waitzs  Annahme  nicht  nur  zu  be- 
stätigen, sondern  mit  neuen  Gründen  zu  unterstützen.  Wir 
können  zunächst  mit  Bestimmtheit  sagen,  dass  die  Spuren 
unserer   Quelle    in   Ann.  Pal.    und   Ann.  Saxo    sich    unter 


1)  Vgl.  Harenberg,  Historia  eccl.  Gandershemensis  1734,  S.  675  ff. 
2)  Ebd.  S.  697.  3)  Vgl.  Lüntzel,  Gesch.  der  Diöcese  und  Stadt  Hüdes- 
heim  1858,  Bd.  I,  S.  320  f.,  im  allgemeinen  die  Geschichte  Gandersheims 
daselbst  S.  63  ff.  317  ff.         4)  Vgl.  Harenberg  1.  c.  S.  702  ff. 


70  Ernst  Bernheim. 

Lothar  verlieren,  denn  Einiges,  was  die  beiden  im  Anfang 
von  Konrads  III.  Regierung-  gemeinsam  haben,  der  Art, 
dass  Waitz  zweifelhaft  lassen  nmsste,  ob  es  nicht  vielleicht 
unserer  Quelle  zuzuschreiben  sei,  ist  jetzt  mit  Sicherhett 
auf  die  sogen.  Ilsenburger  Annalen  zurückgeführt1.  Ferner: 
ist  einestheils  der  terminus  ante  quem  durch  die  Benutzung 
unserer  Quelle  seitens  des  Ann.  Saxo  ungefähr  fixiert,  so 
hindern  uns  anderntheils  die  starken  Anachronismen  und 
Unrichtigkeiten,  die  noch  in  der  Geschichte  Heinrichs  IV. 
und  in  den  Anfängen  Heinrichs  V.  vorkommen  —  nament- 
lich, dass  Herzog  Otto  von  Sachsen  und  Baiern  die  Er- 
hebung des  Letzteren  angerathen  haben  soll,  und  dass  die 
Gattin  Heinrichs  IV.  Agnes  genannt  wird  — ,  die  Ab- 
fassungszeit dem  Anfang  des  12.  Jahrhunderts  allzu  nahe 
zu  rücken.  Doch  aber  enthalten  die  genannten  Partien 
bereits  so  viel  geschichtlich  treue  Tradition,  dass  man  bei 
dem  kurzen  historischen  Gedächtnis  jener  Zeiten  nicht  an- 
nehmen kann,  diese  Partien  seien  allzu  fern  demselben 
Zeitpunkt  entstanden.  Die  Epoche  Lothars  würde  diesem 
Thatbestande  entsprechen.  Einen  positiven  Anhalt  für 
unsere  Annahme  haben  wir  auch,  falls  wir  mit  Recht  den 
Bericht  über  die  keusche  Ehe  Lothars  unserer  Quelle 
zuschreiben,  denn  da  sagt  der  Verfasser  (Annal.  Pal.  S.  78, 
3  ff.),  er  habe  das  Nähere  selbst  von  einem  Kämmerling 
des  Königspaares  erzählen  hören ;  wir  glaubten  aber  diese 
Stelle  unserer  Quelle  zuschreiben  zu  dürfen,  weil  hier 
jene  selbe  Hervorhebung  mönchischer  bezw.  nonnenhafter 
Keuschheit  im  königlichen  Hause  vorliegt,  welche  wir  in 
der  Chronik  überhaupt  so  charakteristisch  hervortreten 
sahen.  Eine  starke  Stütze  für  die  Zeitbestimmung  ge- 
währt ferner  eine  bisher  nicht  beachtete  Stelle  Ann.  Pal. 
S.  70,  1-1  innerhalb  einer  Anekdote  von  Bischof  Burchard 
von  Halberstadt,  die  wir  ihrem  Charakter  nach  durchaus 
unserer  Kaiserchronik  zuzuschreiben  haben:  in  dieser 
Anekdote  wird  Herzog  Otto  von  Nordheim  erwähnt,  und 
er  wird  näher  bezeichnet  durch  die  Worte  'avo  scilicet 
imperatricis  Richencen' !  Schon  das  Fehlen  eines  Bei- 
wortes, das  die  Kaiserin  als  verstorben  kennzeichnet,  deutet 
darauf  hin,  dass  dies  ursprünglich  zu  ihren  Lebzeiten  ge- 
schrieben sei;  aber  auch  der  Sinn  der  Stelle  lässt  es  als 
das  Natürlichste  erscheinen,  dass  es  ein  Zeitgenosse  der 
Kaiserin  war,  der  die  Persönlichkeit  des  Nordheimers 
durch   Hinweis    auf    seine   Verwandtschaft    mit    derselben 


1)  S.  Herre  1.  c.  S.  34  ff. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      71 

seinen  Lesern  näher  zu  bringen  wünschte,  während  es  ziem- 
lich unwahrscheinlich  ist,  dass  ein  im  späteren  12.  Jahrh. 
schreibender  Autor  auf  diesen  Hinweis  hätte  kommen 
sollen,  da  das  Geschlecht  der  Nordheimer  immer  noch  in 
erlauchten  Vertretern  blühte,  die  einem  Angehörigen  jener 
späteren  Zeit  doch  wohl  näher  lagen  als  die  Kaiserin 
Richinza.  Endlich  darf  man  auch  geltend  machen,  dass 
meist  zur  Entstehung  derartiger  Werke,  wie  unserer  Kaiser- 
chronik, ein  bestimmter  Impuls  der  Zeitverhältnisse  und 
persönlichen  Beziehungen  mitgewirkt  hat,  und  einen  solchen 
Impuls  würde  die  Regierung  eines  Herrschers  von  sächsi- 
schem Stamme  nach  der  für  das  Kloster  wahrscheinlich 
wenig  erfreulichen  Zeit  der  Salier  auf's  beste  geboten 
haben ;  sehen  wir  doch  die  ganze  Historiographie  im 
Sachsenlande  damals  von  neuem  aufblühen.  Weder  vor- 
her noch  nachher  innerhalb  der  möglichen  Grenzen  der 
Abfassungszeit  böte  sich  ein  ähnlicher  Anstoss. 

Es  ist  ein  gutes  Zeichen,  dass  die  auf  ganz  ver- 
schiedenartigen Gründen  beruhenden  Annahmen  betreffs 
Entstehungszeit  und  -ort  unserer  Chronik  so  mit  einander 
übereinstimmen.  Wir  können  nun  mit  der  Zuversicht,  die 
in  diesen  Dingen  überhaupt  angebracht  ist,  sagen,  dass 
unsere  Chronik  zu  Gandersheim  um  die  Regierungszeit 
Lothars  III.  verfasst  ist.  Und  zwar  will  es  mir  scheinen, 
als  ob  eine  Nonne  selbst  die  Verfasserin  war:  mag  man 
auch  die  oben  S.  68  erwähnte  Zeitrichtung  geltend  machen, 
sollte  ein  Mann,  wenn  auch  zur  Erbauung  weiblicher  Leser, 
die  Vertreter  seines  Geschlechts  den  Frauen  gegenüber  so 
schlimm  haben  wegkommen  lassen?  Durchweg  werden  ja 
die  Herrscher,  und  selbst  so  gerühmte  wie  Otto  der  Grosse 
und  Heinrich  IL,  im  Verhältnis  zu  ihren  Gattinnen  als 
die  Versucher  dahingestellt,  welche  die  über  alle  An- 
fechtung erhabene  Reinheit  und  Frömmigkeit  der  Frauen 
glänzend  beschämt.  Und  zwar  wird  die  Demüthigung  der 
Männer  meist  in  so  ausdrücklicher,  pointierter  Weise  her- 
vorgehoben, dass  die  Absicht  kaum  zu  verkennen  ist.  Das 
sind,  dünkt  mich,  die  Anschauungen  einer  Nonne,  die  sich 
in  der  Auswahl  dieser  Geschichten  oder  in  den  denselben 
gegebenen  Wendungen  kundthun 1.  Also  eine  Nonne  zu 
Gandersheim,    eine   zweite  Roswitha?      Ich  will   auf  diese 


1)  Recht  deutlich  zeigt  sich  das  in  der  pointierten  Schlusswendung 
der  Erzählung  von  Kunigundens  Verleumdung  und  Rechtfertigung  Ann. 
Pal.  S.  66, 15  f.,  die  sich  in  den  anderen  Versionen  der  Geschichte  —  s. 
weiterhin  die  Analyse  derselben  —  nicht  findet. 


72  Ernst  Bernheim. 

Vermuthung  durchaus  keinen  Werth  legen,  denn  ich 
möchte  nicht  Veranlassung  dazu  geben,  dass  sich  mono- 
graphische Untersuchungen  mit  der  Frage  beschäftigten, 
ob  der  Verfasser  der  Chronik  Mann  oder  Weib  gewesen  sei. 

Jedenfalls  lässt  sich  eine  stark  erbauliche  Tendenz 
nicht  verkennen,  und  zwar  nicht  nur  soweit  jene  muster- 
haften Frauen  in  Betracht  kommen,  sondern  auch  sonst 
überhaupt.  Die  Tugend  erhält  ihren  Lohn,  das  Laster 
seine  Strafe,  auch  der  Gerechteste  darf  seiner  ewigen  Selig- 
keit nicht  sicher  sein,  geschweige  denn  der  Sündige  1,  mehr- 
fach werden  die  Begebenheiten  als  Beispiele  von  Tugenden 
oder  Laster  dargestellt,  in  allgemeinen  Sentenzen  werden 
hier  und  da  moralische  Nutzanwendungen  eingestreut, 
wie  Ann.  Pal.  S.  61,  4.  11.  18.  20  f.  62,  9.  67,  39.  70,  6  u.  s.  w. 

Dabei  besteht  aber  vollauf"  ein  kräftiges  Gefühl  für 
die  Herrlichkeit  und  den  Ruhm  der  Sachsen  und  des 
Königthums,  eine  derbe  Freude  an  Kampf  und  Sieg,  sowie 
selbst  an  gelungener  Kriegslist  —  für  Gott  und  Vater- 
land, so  gehen  die  Streiter  vor  Augsburg  in  die  Ungarn- 
schlacht ('honorem  Dei,  res  quoque  domesticas  defendere', 
Ann.  Pal.  S.  60,  65  f.).  Das  Werk  will  eben  bei  aller  Er- 
baulichkeit eine  Art  Königs-  oder  Kaiserchronik  sein,  und 
man  darf  daher  auch  nicht  erwarten,  dass  mehr  von 
Gandersheim  darin  erzählt  sein  sollte ;  das  wäre  Sache 
einer  Klostergeschichte,  wie  Waitz  1.  c.  S.  37.  38  treffend 
bemerkt. 


Anhang. 

In  den  Ann.  Pal.  stehen  einige  deutsche  Glossen  zu 
einzelnen  Wörtern,  und  zwar  innerhalb  Stellen,  die  zweifel- 
los unserer  Kaiserchronik  entlehnt  sind.    Es  sind  folgende  2 : 

Ann.  Pal.  61,  22  the  vugelere  zu  auceps, 

61,  55  Jechaburg  zu  Indapolis, 

62,  39  curcebord  zu  vestis  preciosa, 

65,  10  marcis  zu  libris, 

66,  36  huffehalz  zu  femore  claudus, 
68,  47  mit  ten  barde  zu  cum  barba, 
70,  55  cloveloc  zu  allium. 

Von  diesen  findet  sich  eine,  curcebord,  auch  im  Ann. 
Saxo   S.  600,  44    innerhalb    derselben    Erzählung    zu    dem- 


1)  S.  die  Geschichte  von  Heinrichs  II.  Tode  Ann.  Pal.  S.  67,  16  ff 
2)  Ich  verzeichne  sie  in  der  Form,  wie  sie  im  Oxforder  Autograph  der 
Ann.  Pal.  lauten,  nach  freundlicher  Mittheilung  des  Herrn  Dr.  Herre. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  ans  d.  12.  Jahrh.      73 

selben  Worte  als  Glosse  beigefügt  \  und  dies  genügt  ohne 
Zweifel  zum  Beweise,  dass  diese  Glossen  bereits  in  der 
Kaiserchronik  gestanden  haben. 

Mein  hiesiger  Kollege  Dr.  Siebs  war  so  freundlich, 
für  mich  zu  konstatieren,  dass  die  Glossen,  soweit  ihr  Laut- 
bestand Anhaltspunkte  zur  Bestimmung  gewährt,  mittel- 
oder  oberdeutsch,  vorwiegend  mitteldeutsch  seien,  ausser 
etwa  cloveloc,  das  eher  auf  Niederdeutschland  weist.  Es 
ist  bei  unserer  geringen  Kenntnis  der  damaligen  Dialekt- 
unterschiede und  -Grenzen,  sowie  der  TJebernahme  von 
Produkten  eines  Dialektes  in  den  anderen  speciell  zwischen 
mittel-  und  niederdeutscher  Sphäre  müssig,  Vermuthungen 
darüber  anzustellen,  wie  diese  mitteldeutschen  Glossen  in 
unserer  durch  und  durch  sächsischen  Kaiserchronik  zu 
erklären  seien,  denn  man  sollte  erwarten,  dass  auch  bei 
der  Uebernahme  mitteldeutscher  Erzählungen  oder  Gedichte 
eine  Umwandlung  in  das  Niederdeutsche  stattfände,  nament- 
lich bei  den  populären  Beinamen  der  Herrscher,  von  denen 
'huffehalz'  ja  ganz  entschieden  nicht  niederdeutsch  ist. 
Ich  muss  mich  begnügen,  den  Thatbestand  festzustellen 
und  von  näherer  Kenntnis  der  betr.  Sprachverhältnisse 
Aufklärung  zu  erhoffen. 


2.    Analyse  der  einzelnen  Erzählungen. 

Um  die  Beschaffenheit  und  Provenienz  des  Stoffes 
zu  erkennen,  der  den  Inhalt  unserer  Kaiserchronik  bildet, 
müssen  wir  die  einzelnen  Erzählungen  derselben  unter- 
suchen, soweit  sie  Anhaltspunkte  zu  kritischer  Beurtheilung 
bieten.  Es  wird  sich  dabei  herausstellen,  dass  letzteres 
bei  den  meisten  der  Fall  ist;  nur  wenige  Erzählungen  und 
Angaben,  die  gar  keine  Handhabe  zu  irgend  welcher  Kon- 
trolle oder  Erörterung  bieten,  waren  zu  übergehen. 

Im  Laufe  dieser  Untersuchungen  ergeben  sich  manche 
Momente,  die  theils  für  die  Kaisergeschichte,  theils  für 
die  Sagenliteratur  von  allgemeinerem  Interesse  sind. 

Da  wir  uns  dabei  durchweg  auf  dem  Boden  sagen- 
hafter Ueberlieferung  zu  bewegen  haben,  ist  daran  zu 
erinnern,  dass  hier  z.  Th.  kritische  Grundsätze  zur  An- 
wendung kommen,  die  auf  der  erfahrungsgemässen  Kenntnis 


1)  In  der  Edition  ist  dieselbe  in  den  Text  nach  'vestis  preciosa' 
gesetzt,  nach  Ausweis  der  X.  d)  steht  sie  jedoch  im  Codex  als  Glosse 
übergeschrieben;  sie  lautet  hier  'curcebold',  wie  beiläufig  auch  in  der 
Göttinger  Hs.  der  Ann.  Pal. 


74  Ernst  Bernheim. 

von  der  Art  und  Weise  der  Sagenbildung  beruhen  und 
daher  zu  ihrer  richtigen  Würdigung  eine  solche  Kenntnis 
oder  wenigstens  die  entgegenkommende  Anerkenntnis  der 
Eigenart  dieses  Stoffes  voraussetzen. 

Die  Erzählung  von  der  Gründung  des  Bisthums 
Hildesheim,  die  einzige,  welche  der  Annalista  Saxo 
1.  c.  S.  571,  19  ff.  in  vollerer  Ausführlichkeit  wieclergiebt  als 
der  Pöhlder  Annalist,  der  sich  1.  c.  S.  58,  42  ff.  mit  einem 
kurzen  Excerpt  begnügt,  tritt  hier  zum  ersten  Mal  in  der 
historischen  Litteratur  auf.  Die  Relatio  de  fundatione 
quanmdam  Saxoniae  ecclesiarum  bei  Leibniz,  SS.  rer. 
Brunsvicens.  I.  260,  worin  dieselbe  kurz,  aber  charak- 
teristisch erwähnt  wird,  ist  aus  viel  späterer  Zeit x  und 
hängt  indirekt  von  Heinrich  von  Herford  ab,  der  die  Notiz 
in  wörtlich  entsprechender  Form  bringt 2 ;  aus  welcher 
Quelle  er  sie  hat,  ist  nicht  nachzuweisen,  jedenfalls  nicht 
auch  nur  indirekt  aus  Ann.  Pal.,  da  dort  die  Art  des 
Wunders  nicht  bezeichnet  ist,  auch  nicht  aus  der  Sächsi- 
schen Weltchronik,  da  diese  gar  nichts  davon  enthält; 
also  wird  sie  ihm  wohl  aus  Ann.  Saxo  durch  eine  der 
späteren  sächsischen  Quellen,  die  er  benutzte,  zugekommen 
sein,  falls  er  oder  seine  Quelle  sie  nicht  aus  der  zu  der  Zeit 
ohne  Zweifel  schon  fixierten  Hildesheimer  Lokaltradition 
geschöpft  hat.  Aber  der  Kern  der  ganzen  Erzählung,  das 
Wunder  von  den  haftenden  Reliquien,  welches  die  Grün- 
dung des  Bisthums  oder  genauer  die  Verpflanzung  des- 
selben von  Elze  nach  Hildesheim  veranlasst,  begegnet 
schon  im  11.  Jahrh.  bei  der  Gründung  des  Klosters  Saint- 
Michel 3,  sowie  in  der  Legende  vom  Kloster  Evron ;  und 
B.  Haureau,  der  letztere  als  'priscorum  narratio'  erzählt4, 
bemerkt  dabei,  dass  ähnliches  von  der  Gründung  lpluri- 
morum  monasteriorum'  berichtet  werde.  Die  litterar- 
historische  Verfolgung  dieser  Legende  bis  zu  ihrem  ur- 
sprünglichen Auftauchen  und  in  ihren  verschiedenen  Wand- 
lungen würde  interessant  sein,  aber  zu  weit  führen,  und 
wir  dürfen  uns  mit  dem  einstweilen  zu  Tage  Liegenden 
begnügen,  um  zu  schliessen,  dass  wir  in  unserer  Erzählung 
eine  Legende  in  Form  einer  Wandersage  vor  uns 
haben,    die    kaum   vor    dem    11. — 12.  Jahrh.  auf  die  Grün- 


1)  Vgl.  Waitz  in  den  Nachrichten  von  der  Göttinger  Universität 
1857,  n.  3,  S.  63.  2)  Ausgabe  von  Potthast  S.  49.  3)  Im  Chronicon 
S.  Michaelis  Virdunensis  SS.  IV,  80.  4)  Gallia  Christiana  XIV,  483. 

Vgl.  B.  Simson,  Jahrbücher  des  fränk.  Reiches  unter  Ludwig  d.  Frommen 
II,  285,  N.  1. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  ans  d.  12.  Jahrh.      75 

düng-  von  Hildesheim  übertragen  ist,   da  die  Hildesheimer 
Lokalqnellen  bis  dahin  noch  nichts  davon  berichten. 

Die  Erzählung  von  Bischof  Ulrich  von  Augsburg 
und  der  Ergebung  Augsburgs  an  die  Ungarn,  die  nur  in  den 
Ann.  Pal.  S.  60,  57  ff.  steht,  aber  auf's  innigste  in  den 
Zusammenhang  unserer  Kaiserchronik  verflochten  ist,  werden 
wir  zunächst  mit  Hinblick  auf  Ekkehards  Casus  S.  Galli 
zu  betrachten  haben.  Dort  heisst  es * :  'Sed  plura  eos 
[scilicet  die  Biographen  Ulrichs],  quae  de  eo  concinnantur 
vulgo  et  canuntur,  tacuisse,  cum  infima  quaedam  eius 
magna  f ecerint ,  miramur' ;  und  unter  diesen  von  den 
Biographen  übergangenen  Thaten  Ulrichs,  die  in  Lied  und 
Sage  gefeiert  werden,  führt  Ekkehard  an  die  Befreiung 
des  von  den  Ungarn  bedrängten  Augsburg  durch  die  Für- 
bitte des  h.  Mannes  inmitten  der  auf  sein  Gebot  um  die 
Altäre  versammelten  Kindlein  der  Stadt;  diese  Befreiung 
Augsburgs  durch  Ulrich  erwähnt  er  auch  einmal  vorher 2 ; 
an  beiden  Stellen  aber  bringt  er  das  Ereignis  in  Ver- 
bindung mit  dem  Ungarneinfall  des  Jahres  926,  welchem 
St.  Gallen  zum  Opfer  fiel.  Die  neueren  Kritiker  haben 
gezweifelt,  was  mit  dieser  sonst  nicht  verbürgten  Nach- 
richt zu  beginnen3;  vor  allem  ist  doch  zu  betonen,  dass 
Ekkehard  selbst  als  Quelle  dafür  die  mündliche  Tradition 
im  Volke  angiebt.  Die  mit  den  Ungarnkämpfen  des 
10.  Jahrh.  zusammenhängende  Tradition  war  im  11.  Jahrb., 
als  Ekkehard  schrieb,  nun  schon  sehr  verwirrt ;  ich  hebe 
nur  hervor,  was  unserem  Zweck  hier  dient.  Im  Chronicon 
Eberspergense,  und  zwar  in  dem  älteren,  welches  jeden- 
falls im  11.  Jahrh.  verfasst  ist,  wird  die  grosse  Niederlage 
der  Ungarn  am  Lech  mit  Nebenumständen,  die  entschieden 
bei  dieser  Schlacht  im  Jahre  955  vorgekommen  sind,  als 
Heldenthat  König  Heinrichs  nebst  dessen  Sohn  Otto  er- 
zählt 4 ;  die  Ueberarbeitung  der  Erzählung  in  der  späteren 
Ebersperger  Chronik  aus  dem  13.  Jahrh.  fügt  ausdrücklich 
hinzu,  es  sei  das  im  Jahre  937  geschehen 5,  und  weiss  auch 
den  Gunzenlech  als  das  Schlachtfeld  zu  bezeichnen.  Man 
sieht  hier  recht  deutlich,  wie,  dem  Charakter  der  Sage 
gemäss,  Personen  und  Zeiten  durcheinander  zu  gerathen 
beginnen :     König    Heinrich    war    ein    berühmter    Ungarn- 


1)  SS.  II,  109,  8  ff.  Die  neueste  Ausgabe  von  G.  Meyer  von  Enonau 
in  den  Mittheilungen  des  histor.  Vereins  für  St.  Gallen  stand  mir  nicht 
zu  Gebot.  2)  L.  c.  S.  104,  31  ff.  3)  Vgl.  Waitz,  Jahrbücher  des  fränk. 
Reichs  unter  Heinrich  I.,  3.  Aufl.,  S.  86  und  Dümmler,  Kaiser  Otto  der 
Grosse,  S.  253  mit  den  daselbst  angeführten  Stellen.  4)  SS.  XX,  12,  4  ff. 
5)  Herum  Boicarum  scriptores  ed.  A.  F.  Oefele  1763,  tom.  II,  7. 


76  Ernst  Bernheini. 

besieger,  die  Schlacht  am  Lech  war  ein  berühmter  Ungarn- 
sieg eines  deutschen  Königs,  ein  Fürst  Heinrich  hat  sich 
dabei  betheiligt  (Herzog  Heinrich  von  Baiern),  daraus 
macht  die  Sage  einen  Ungarnsieg  König  Heinrichs  am 
Lech.  Und  in  ähnlicher  Weise  hat  die  heldenhafte,  Gott 
vertrauende  Bethätigung  Bischof  Ulrichs  bei  der  Be- 
lagerung Augsburgs  in  der  Sage,  die  Ekkehard  berichtet, 
bereits  begonnen,  sich  von  ihrem  historischen  Datum  los- 
zumachen und  auf  eine  Zeit  und  Gelegenheit  übertragen 
zu  werden,  die  dem  Publikum,  unter  dem  sie  erzählt  wurde, 
besonders  im  Gedächtnis  und  vor  Augen  lag  —  hier  in 
St.  Gallen  eben  der  Ungarneinfall  des  Jahres  926.  Noch 
freier  schaltet  nun  bereits  die  Sage  in  unserer  Kaiser- 
chronik. Das  historische  Datum  ist  ganz  unbestimmt  ge- 
worden :  unter  den  Ungarneinfällen  vor  König  Heinrich, 
von  denen  der  Verfasser  berichtet,  findet  die  Erzählung 
von  Bischof  Ulrich  Raum.  Es  ist  nämlich  nicht  zutreffend, 
etwa  das  Jahr  924,  welches  der  Herausgeber  am  Rande 
ausgesetzt  hat,  darauf  zu  beziehen:  der  Pöhlder  Annalist 
hat  nur  in  der  Verlegenheit,  den  nicht  annalistischen  Stoff 
in  seinem  Werk  unterzubringen,  den  ganz  angemessenen 
Ausweg  ergriffen,  die  Erzählung,  in  der  Bischof  Ulrich 
zunächst  die  Hauptrolle  spielt,  an  die  Erwähnung  von 
dessen  Wahl  im  Jahre  924  anzuknüpfen,  und  hat  sich 
nicht  einmal  darum  gekümmert,  dass  er  im  Fortgänge  der 
entlehnten  Erzählung  auf  Heinrich  I.  und  dessen  Er- 
hebung geführt  wurde,  als  ob  er  von  diesem  nicht  schon 
vorher  mehrere  Jahre  hindurch  berichtet  hätte.  Betrachten 
wir  aber  den  Text  unserer  Kaiserchronik  für  sich  in  seinem 
Zusammenhang,  so  sehen  wir  offenbar,  dass  die  Erzählung 
sich  an  eine  bestimmte  Zeitangabe  gar  nicht  bindet,  ausser 
dass  sie  in  die  Zeit  der  älteren  Ungarneinf  alle  vor  Heinrich  I. 
verlegt  wird1.  Durch  die  Loslösung  von  dem  historischen 
Datum  ist  nun  zugleich  eine  wesentliche  Abänderung  ihres 
Verlaufes  bedingt:  jene  älteren  Ungarneinfälle  waren  meist 
siegreich,  erst  unter  Heinrich  I.  wandte  sich  das  Blättchen, 
also  kann  vordem  selbst  der  Bischof  Ulrich  Augsburg 
nicht  von  der  Uebermacht  der  Ungarn  befreit  haben,  und 
dem  entsprechend  erzählt  unsere  Quelle  den  schliesslichen 
Verlauf  der  Begebenheit  ganz  abweichend  von  der  sonstigen 
Ueberlieferuno-.      Einerlei   ob    wir   diese  Veränderung   dem 


1)  Man  sieht,  wie  unzulässig  es  ist,  eine  Bestätigung  der  von  Ekke- 
hard zu  926  berichteten  Belagerung  von  Augsburg  in  unserer  Erzählung 
finden  zu  wollen. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  ans  d.  12.  Jahrh.      77 

Verfasser  unserer  Kaiserchronik  zuzuschreiben  haben  oder 
ob  die  Tradition,  aus  der  er  schöpfte,  diese  sächsisch 
interessierte  Wandlung  verursacht  hat,  jedenfalls  können 
wir  nicht  zweifeln,  dass  der  Kern  der  ganzen  Erzählung' 
aus  dem  Vorrath  von  Volkssagen  stammt,  die  sich  bald 
und  reichlich  an  die  Ungarnkämpfe  des  Jahres  955  und 
an  die  dabei  betheiligte  Person  des  Bischofs  Ulrich  von 
Augsburg  angesetzt  haben. 

Die  Erzählung  von  dem  Ungarn  kriege  Heinrichs  I. 
(Ann.  Pal.  S.  61,  43  ff.),  die  sich  von  der  dunkeln  Folie 
des  vorherigen  Unglücks  glänzend  abhebt,  besprechen  wir 
wegen  der  Stoffverwandtschaft  mit  der  eben  behandelten 
Geschichte  hier  vor  den  anderen  Zügen  aus  Heinrichs  I. 
Reffieruno-.  Unverkennbar  tritt  uns  auch  in  diesem  Be- 
richte  die  Sage  entgegen :  verschiedene  Reminiscenzen  aus 
der  Zeit  Heinrichs  sind  zusammengeworfen  und  willkürlich 
ausgeschmückt,  und  dass  unser  Autor  die  Erzählung  nicht 
erdichtet,  sondern  sie  echt  sagenmässiger  Tradition  ent- 
nommen hat,  ergiebt  sich,  wie  Waitz x  nachgewiesen,  aus 
der  Existenz  verschiedener  von  einander  und  von  der  vor- 
liegenden unabhängigen  Versionen,  die  uns  aus  Quellen 
des   13.  Jahrh.  bekannt  sind. 

Dass  diese  Versionen  von  einander  unabhängig  sind, 
müssen  wir  indess  gegen  einige  Zweifel,  die  seit  Waitz' 
Darlegung  erhoben  worden,  sicher  stellen. 

Es  handelt  sich  dabei  um  die  Erzählungen  in  der 
Reimchronik  des  Eberhard  von  Gandersheim,  die  um  1216 
verfasst  ist"2,  und  in  der  Sächsischen  Weltchronik,  die 
zwischen  1230  und  1251  fällt8.  Letztere  schöpft  bekannt- 
lich so  ausgiebig  aus  den  Ann.  Palidenses,  dass  sie  strecken- 
weise nichts  als  eine  Uebersetzung  derselben  ist,  sie  hat 
also  unsere  Erzählung,  wie  sie  in  Ann.  Pal.  steht,  vor  sich 
gehabt;  einige  Abweichungen4  könnte  man  der  Willkür 
des  Verfassers  zuschreiben.  Dagegen  spricht  aber,  dass 
sich  eine  und  die  andere  dieser  Abweichungen  auch  bei 
Eberhard  von  Gandersheim  findet:  da  diese  beiden  Werke 
durchaus  von  einander  unabhängig  sind,  müssen  die  über- 
einstimmenden Abweichungen  aus  einer  ihnen  gemeinsamen 
Quelle  stammen,  und  das  kann  nur  sagenhafte  Tradition 
sein.      Aber    die   einzelnen   Bestandteile   dieses    Schlusses 


1)  In  den  Jahrbüchern    des   deutschen  Reiches   unter  Heinrich  L, 
3.  Aufl.,  Excurs  22,  S.  255  ff.  2)  Herausgegeben  von  L.  Weiland  in 

Deutsche  Chroniken   II.  3)  Herausgegeben   von   demselben    ebenda. 

4)  S.  diese  bei  Waitz  1.  c.  S.  257. 


78  Ernst  Bernheim. 

sind  nicht  einwandfrei  geblieben.  Weiland  hat  gemeint  \ 
die  entscheidendste  der  Abweichungen  —  den  Schluss  der 
Botschaft,  die  Heinrich  dem  Ungarnherrscher  zugleich  mit 
dem  verstümmelten  Hunde  überbringen  lässt :  "of  he  wolde 
ienegen  anderen  tins,  den  solde  he  winnen  mit  den  swer- 
den' 2  —  habe  der  Verfasser  der  Sächsischen  Weltchronik 
doch  aus  den  Annal.  Pal.;  der  Satz  habe  im  Original  der 
Ann.  Pal.  gestanden  und  sei  nur,  wie  gelegentlich  andere 
Stellen,  von  dem  Schreiber  unseres  in  den  MG.  wieder- 
gegebenen Exemplars  fortgelassen.  Allein  diese  Meinung 
bestätigt  sich  nach  Ausweis  der  seitdem  bekannt  ge- 
wordenen Original-Hs.  in  Oxford  nicht.  Uebrigens  findet 
sich  derselbe  Gedanke  in  den  Ann.  Pal.  an  einer  Stelle 
weiterhin  im  Laufe  der  Erzählung  anders  formuliert: 
S.  62,  13,  wo  es  von  Heinrich  heisst  'pro  tributo  ferrum 
bis  acutum  obtulit' ;  wollte  man  aber  etwa  annehmen,  diese 
Formulierung  sei  von  dem  Verfasser  der  Weltchronik,  der 
ja  die  Ann.  Pal.  vor  sich  hatte,  in  seiner  Weise  um- 
geändert, was  an  sich  sehr  unwahrscheinlich  ist,  so  bliebe 
unerklärt,  wie  dieselbe  Wendung  in  die  Reimchronik  des 
Eberhard  gekommen  sei,  denn  da  heisst  es  ganz  ent- 
sprechend 

'unde  enbot  ome  ok,  wolde  he  mer  tinses  gewolden, 
den  scholde  he  von  ome  mit  den  swerden  beholden'. 
Weiland  meint  freilich3,  Eberhard  habe  die  Erzählung 
vom  Ungarnkrieg  indirekt  aus  unserer  Kaiserchronik,  und 
zwar  durch  Vermittelung  der  verlorenen  Gandersheimer 
Klostergeschichte,  die  er  benutzt  hat.  Aber  abgesehen  davon, 
dass  das  recht  unwahrscheinlich  ist,  und  es  dann  schon 
wahrscheinlicher  wäre  anzunehmen,  Eberhard  habe  unsere 
Kaiserchronik  direkt  benutzt1,  so  bringt  uns  weder  diese 
noch  jene  Annahme  weiter;  denn  wenn  man  auch  voraus- 
setzen wollte,  der  fragliche  Satz  habe  in  der  Kaiserchronik 
gestanden  und  habe  von  da  Eberhard  zukommen  können, 
so  bliebe  wieder  unerklärt,  wie  derselbe  Satz  in  die 
Sächsische  Weltchronik  gelangt  sei,  da  diese  ja  den  Stoff 
der  Kaiserchronik   nur   durch  die  Ann.  Pal.  vermittelt  er- 


1)  In  der  Vorrede   zur  Edition   der  Weltchronik   1.  c.    S.  21,  47  f. 
2)  MG.  1.  c.  S.  160,  3  f.  3)  MG.  1.  c.  S.  388,  26  ff.  übereinstimmend 

mit  P.  Hasse,  Die  Reimchronik  des  Eberhard  von  Gandersheim,  Dissert. 
Göttingen  1872.  4)  Die  'Cronica',    die  Eberhard  als  Quelle  erwähnt, 

könnte  dem  ungenauen  Charakter  seiner  historischen  Angaben  gemäss  und 
einiger  sonstigen  Anzeichen  wegen  allenfalls  unserer  Kaiserchronik  ent- 
sprechen, doch  gehe  ich  darauf  nicht  weiter  ein,  da  es  hier  nicht  in  Be- 
tracht kommt. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      79 

hielt,  in  denen  ja  der  Satz,  wie  wir  eben  konstatiert 
haben,  nicht  steht.  Dem  Erklärungsversuch  Weilands  ist 
dadurch  auf  beiden  Seiten  der  Boden  entzogen.  Es  be- 
stätigt sich  also  in  jedem  Fall  der  Schluss  von  Waitz,  dass 
Eberhard  und  der  Verfasser  der  Sächsischen  Weltchronik 
eine  von  der  Kaiserchronik  unabhängige  Version  der  Er- 
zählung von  dem  Ungarnkriege  kannten,  oder  vielmehr 
jeder  eine  andere,  da  sie  ausser  jenen  charakteristischen 
Uebereinstimmungen  doch  auch  wieder  einige  eigenthüm- 
liche  Abweichungen  von  einander  haben1.  Und  wir  sind 
bei  dieser  Sachlage  zu  der  Annahme  berechtigt,  dass  eine 
selbständige  sagenhafte  Tradition  von  dem  Ungarn- 
krieg existierte,  aus  der  unsere  Kaiserchronik  und  jene 
späteren  Chronisten  unabhängig  von  einander  geschöpft 
haben.  Man  darf  sich  vielleicht  dabei  der  Worte  Helmolds 
über  die  Ungarn  erinnern2:  lQuantis  autem  imperatorum 
laboribus  et  christiani  exercitus  dispendio  subnervati  fuerint 
et  divinis  legibus  subacti.  multorum  habet  notitia  et 
publice  loquuntur  historiae'. 

Aus  der  Vorgeschichte  Heinrichs  I.  wird  uns  sein 
kirchlich  frommes  Verhalten  bei  der  Aneignung  Ganders- 
heinier  Kloster  guter  durch  seine  Brüder  in  Ann.  Pal. 
S.61,  14  ff.  und  Ann.  Saxo  S.  592,  8  ff.  erzählt.  Diese  er- 
bauliche Geschichte  hat  offenbar  einen  sagenhaften  An- 
strich :  da  die  Brüder,  die  das  von  ihrem  Vater  dem  Kloster 
verliehene  Gut  einziehen  und  es  mit  Heinrich  theilen 
wollen,  thatsächlich  vor  ihres  Vaters  Tode  gestorben  sind, 
so  müsste  nach  dem  Verlauf  der  Erzählung  der  Vorgang 
sich  vor  dem  Ableben  des  Vaters  zugetragen  haben;  wie 
aber  die  Söhne  bei  Lebzeiten  des  Vaters  so  etwas  hätten 
unternehmen  können,  ist  nicht  begreiflich 3.  Zudem  ist 
die  Angabe  kTres  ergo  Heinrico  erant  fratres',  womit  die 
Geschichte  in  Ann.  Pal.  offenbar  in  getreuerer  Wieder- 
gabe als  in  Ann.  Saxo4  beginnt,  irrig:  Heinrich  hatte  nur 
zwei  Brüder'';  auch  die  ungeheuere  Masse  des  fraglichen 
Klostergutes  macht  entschieden  den  Eindruck  sagenhafter 
Uebertreibung.  Es  ist  ohne  Zweifel  eine  Gandersheimer 
Lokalsage,  die  wir  vor  uns  haben. 

1)  S.  Waitz  1.  c.  S.  259.  Wenn  Jemand  es  für  unwahrscheinlich 
halten  sollte,  dass  der  Verfasser  der  Weltchronik  ausser  der  schriftlichen 
Ueberlieferung  in  Ann.  Pal.  noch  eine  mündliche  kannte,  verweisen  wir 
ihn  auf  Otto  von  Freising  VI,  15,  SS.  XX,  235, 17  f.  2)  Liber  I,  cap.  1, 
SS.  XXI,  12,  25  ff.  3)  Vgl.  Waitz,  Jahrbücher  des  deutschen  Reichs 

unter  Heinrich  I.  S.  14,  X.  2.  4)  S.  Waitz  1.  c.  S.  13,  N.  3.  5)  Der 
Ann.  Saxo,  der  vorher  die  richtige  Angabe  aus  Widukind  bringt,  hat  die 
widersprechenden  Anfangsworte  fortgelassen. 


80  Ernst  Bernheim. 

Heinrichs  I.  Beiname  'auceps'  wird  sowohl  in 
Ann.  Pal.  S.  61,  22  wie  in  Ann.  Saxo  S.  594,  41  f.  angegeben, 
und  zwar  in  ersteren  mit  der  deutschen  Glosse  lthe 
vugelere' *  und  der  Erklärung-  des  Beinamens  durch  die 
berühmte  Geschichte  von  Heinrichs  Ueberraschung  am  Vogel- 
heerd,  welche  hier  zuerst  in  der  Litteratur  auftritt.  Aber 
Name  und  Erklärung  sind  keine  Erfindungen  unseres 
Autors,  die  von  ihm  aus  erst  in  die  Litteratur  eingedrungen 
wären.  Das  zeigen  die  verschiedenen  von  einander  und  von 
unserer  Quelle  unabhängigen  Varianten  der  Geschichte, 
die  im  12.  und  13.  Jahrh.  begegnen,  namentlich  zeigt  es 
der  Umstand,  dass  dieselbe  sich  schon  im  Anfang  des 
13.  Jahrh.  zur  Wandersage  gestaltet,  indem  sie  bei  Arnold 
von  Lübeck  auf  einen  Gegenkönig  Heinrichs  IV.  angeb- 
lich namens  Heinrich  übertragen  ist.  Waitz  hat  die  ver- 
schiedenen Versionen  und  Wiederholungen  der  Erzählung 
ausführlich  dargelegt 2  und  daraus  geschlossen,  dass  hier, 
wie  in  ähnlichen  Fällen,  eine  allgemein  verbreitete 
Tradition  zu  Grunde  liegt,  aus  der  auch  unsere  Kaiser- 
chronik geschöpft  hat.  Wir  können  diesem  Schlüsse  nur 
beistimmen. 

Die  Erzählungen  von  Ottos  I.  Gemahlin  Edith 
(Ann.  Pal.  S.  62,  28  ff.  and  Ann.  Saxo  S.  600,  36  ff.)  lassen 
ohne  weiteres  legendären  Charakter  erkennen.  Schon  Thiet- 
mar  sagt  im  Jahre  1013  von  der  Königin:  'quae  innumera 
virtute  praedita,  ut  signis  post  obitum  claruit,  inducias 
vitae  .  .  .  Deo  hominibusque  accepta  perduxit' 3 ;  und  es 
ist  daher  nicht  zu  verwundern,  dass  sich  an  ihre  Person 
Legendendichtung  anknüpfte.  Dass  unser  Autor  die  Er- 
zählungen erst  erdichtet  habe,  ist  durchaus  nicht  anzu- 
nehmen. 

Die  Sage  von  der  Hirschkuh  findet  sich  wesentlich 
ebenso  in  den  1156  —  also  vor  der  Existenz  der  Ann.  Pal. 
—  verfassten  Casus  monasterii  Petrishusensis i  von  einem 
schwäbischen  Grafen  Outzo,  der  um  900  lebte,  erzählt, 
und  zwar  wie  bei  uns  als  Beweis  der  Pietas  und  des  freund- 
lichen Verkehrs  mit  Gott,  der  ihn  würdigt,  Instrument 
seiner  Barmherzigkeit  zu  sein.  Der  Hirsch  ist  nämlich 
von  alters  her  ein  heiliges  Thier  und  spielt  in  mittelalter- 


1)  Vgl.  oben  S.  72.       2)  In  den  Jahrbüchern  des  deutschen  Reichs 
unter  Heinrich  I.,  Excurs  8,  3.  Aufl.,  S.  209  ff.  3)  SS.  rerum  Germ, 

in  8",  herausg.  von  F.  Kurze  S.  20.  4)  SS.  XX,  628,  36  ff. ;  die  Stelle 
führt  an  E.  Dümmler,  Jahrbücher  der  deutschen  Geschichte,  Otto  der 
Grosse  S.  147,  N.  1. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  ans  d.  12.  Jahrb.      81 

lieber  Sage  und  Legende  eine  entsprechende  Rolle 1 ; 
namentlich  kehrt  häufig-  das  Motiv  wieder,  dass  ein  Hirsch 
in  wunderbarer  Weise  zur  Auffindung  von  Orten  und  Per- 
sonen dient 2,  und  eine  eigenartige  Verwendung  dieses  Mo- 
tivs liegt  in  unserem  Falle  vor.  Nun  ist  es  durchaus  un- 
wahrscheinlich, dass  zwischen  der  Erzählung  von  Edith 
und  von  Outzo  irgend  ein  litterarischer  Zusammenhang 
bestehe:  auch  abgesehen  von  der  ganz  verschiedenen  Form- 
gebung lässt  sich  nicht  absehen,  wie  der  Stoff  aus  der  Kaiser- 
chronik oder  dem  Ann.  Saxo  in  die  Petershauser  Chronik,  die 
sonst  mit  jenen  keine  Berührung  hat,  hätte  gelangen  sollen. 
Vielmehr  weisen  diese  zwei  von  einander  unabhängigen 
Versionen  darauf  hin,  dass  es  Fixierungen  einer  Wände  r- 
Legende  sind,  die  also  wahrscheinlich  auch  von  Edith 
nicht  zum  ersten  Male  erzählt  worden  ist  und  sich  viel- 
leicht in  der  Legendenlitteratur  älteren  Datums  noch  nach- 
weisen lässt,  obwohl  es  mir  nicht  gelungen  ist. 

Aehnlich  beurtheile  ich  die  Sage  von  Ediths  Mild- 
thätigkeit,  da  sie  dem  als  Bettler  verkleideten  König,  der 
ihr  die  allzu  grosse  Freigebigkeit  verboten  bat,  einen  Aer- 
mel  ihres  kostbaren  Mantels  giebt  und  dieser  durch  ein 
Wunder  ergänzt  wird,  als  der  König  ihn  zu  sehen  verlangt. 
Eine  in  den  Hauptzügen  entsprechende,  im  Detail  und  in 
der  Formgebung  stark  abweichende  Legende  berichtet  von 
der  Landgräfin  Elisabeth  von  Thüringen  Dietrich  von 
Apolda  in  seiner  1289  verfassten  Biographie3.  Hier  ist 
nun  eher  als  vorhin  bei  der  Legende  von  der  Hirschkuh 
ein  litterarischer  Zusammenhang  mit  unserer  Quelle  denk- 
bar, nämlich  durch  Vermittelung  der  Ann.  Pal.4,  deren 
Stoff  ja  vielfach  in  die  historische  Litteratur  übergegangen 
ist;  wahrscheinlich  ist  ein  solcher  Zusammenhang  aber 
auch  hier  nicht,  da  die  Sächsische  Weltchronik,  die  wesent- 
lich den  Stoff  der  Ann.  Pal.  allgemeiner  bekannt  gemacht 
hat,  diese  Erzählung  nicht  aufgenommen  bat.  Zudem 
wissen   wir,    dass   Dietrich   von  Apolda   mehrfach    aus  der 


1)  Vgl.  J.  E.  "Wessely,  Ikonographie  Gottes  und  der  Heiligen  1874, 
S.  420  im  Register  unter  'Hirsch'  und  'Hirschkuh',  auch  F.  Laudiert, 
Geschichte  des  Physiologus    S.  27.  2)   Z.  B.    bei  Gregor  von  Tours, 

Historia  Francorum  lib.  11,  cap.  37  in  SS.  rer.  Merowing.  I,  Pars  1, 
S.  100,  10  ff.,  ferner  in  der  Vita  des  h.  Prokop,  Egidius,  Wulfram.  Mein 
hiesiger  Kollege  Ernst  Maass  macht  mich  darauf  aufmerksam,  dass  das 
Motiv  sich  schon  bei  Pindar,  Olympien  HI,  45  ff.  findet.  3)  H.  Canisii 
Lectiones  antiquae  ed.  Basnage  IV,  126.  4)  Diese  existierten  ja  zu  der 
Zeit,  da  die  vorhin  behandelte  Sage  von  der  Hirschkuh  in  den  Casus 
mon.  Petrishus.  erzählt  wird,  noch  nicht. 

Neues  Archiv  etc.     XX.  0 


82  Ernst  Bernheim. 

Volkstradition  bezw.  Legende  schöpft x  und  dürfen  das 
daher  auch  in  diesem  Falle  annehmen.  Allerdings  kann 
ich  bis  zu  Dietrich  und  vor  unserer  Kaiserchronik  eine 
ähnliche  Sage  nicht  nachweisen,  aber  einem  Kenner  der 
älteren  Legendenlitteratur,  die  ich  zu  diesem  Zwecke  un- 
möglich durchsuchen  konnte,  mag  das  Motiv  aus  älterer 
Zeit  bekannt  sein,  und  ich  halte  einstweilen  für  wahr- 
scheinlich, dass  die  Legende  nicht  zum  ersten  Male  von 
Edith  erzählt  worden  ist,  sondern,  wie  die  vorige,  eine 
ältere  Wander-Legende  sei. 

Die  Italienischen  Züge  Ottos  I.  in  den  Ann. 
Pal.  S.  63,  25  ff.,  33  ff.,  39  ff.  — 51  bilden  eine  einheitliche, 
chronologisch  unbestimmte  Erzählung,  die  sich  mit  dem 
thatsächlichen  Hergang  derselben,  namentlich  in  annalisti- 
scher Wiedergabe,  eigentlich  nicht  vereinigen  lässt.  Der 
Pöhlder  Annalist  hat  sich,  so  gut  er  konnte,  damit  abge- 
funden: da  in  der  Erzählung  ausdrücklich  von  der  Heim- 
kehr Ottos  nach  einem  ersten  Aufenthalt  in  Italien  und 
von  einem  abermaligen  Zuge  gegen  Mailand  die  Rede  ist, 
hat  er  das  Erzählte  bei  den  ersten  italienischen  Zügen  an- 
gebracht, welche  ihm  die  annalistische  Darstellung  des 
Ekkehard,  aus  der  er  schöpfte,  darbot;  den  Aufstand  des 
angeblichen  Sohnes  Arnold,  der  zwischen  den  beiden  Zügen 
eingeschaltet  war,  hat  er  ebenso  an  der  entsprechenden 
Stelle  aufgenommen,  obwohl  er  nachher  aus  seiner  histo- 
risch korrekten  Quelle,  dem  Ekkehard,  die  Rebellion  Liu- 
dolfs  richtig  erzählt.  Die  dritte  Unternehmung  Otto's 
gegen  Italien,  die  er  S.  63,  55  ff.  unserer  Quelle  entnom- 
men, und  die  offenbar  die  beiden  Züge  von  961  ff.  und 
966  ff.,  letztere  mit  den  Kämpfen  in  Unteritalien,  zusam- 
menwirft, hat  er  sehr  unpassend  zwischen  955  und  956 
untergebracht.  Der  Annal.  Saxo  hat  verständiger  Weise 
aus  dem  ganzen  verworrenen  Stoff  nur  zwei  Episoden  auf- 
genommen, die  er  S.  607,  65  ff.  bezw.  608,  10  ff.  und  608,  4  f. 
bei  dem  ersten  italienischen  Zuge  des  Jahres  951  f.  ein- 
flicht. Diese  und  die  sonstigen  Bestandtheile  der  ganzen 
Erzählung  erörtern  wir  nun  im  einzelnen. 

Die  Angabe,  dass  Otto  in  Mailand  eine  neue 
Münze  eingeführt  habe  und  was  damit  zusammenhängt 
(Ann.  Pal.  S.  63,  25  f.  und  39  ff.,  Ann.  Saxo  S.  608,  4  f.), 
scheint  insofern  eine  thatsächliche  Unterlage  zu  enthalten, 
als  es  nach  der  Behauptung  des  Autors  zu  seiner  Zeit  eine 
ottonische  Münze    mailändischen  Ursprungs    gab,    die    man 


1)  Vgl.  G.  Börner  im  N.  Archiv  XIII,  472  ff.,  speciell  S.  484  ff. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      83 

Ottelini  nannte.  In  der  That  kennt  und  beschreibt  Mura- 
tori1  und  nach  ihm  Giulini2  eine  mailändische  Silbermünze 
von  ungewöhnlicher  Form  mit  Otto's  I.  Namen,  und  be- 
stätigt somit  die  Existenz  einer  derartigen  Münze,  wie  sie 
unser  Autor  behauptet.  Dass  diese  nummi  Ottelini  genannt 
wurden,  haben  wir  keinen  Anlass  zn  bezweifeln,  wenn  sich 
auch  sonst  keine  Bestätigung  dafür  findet.  Die  auffallende 
Form  der  Münze  erklärt  es  leicht,  dass  sie  Anlass  zu  sagen- 
haften Weiterungen  bieten  mochte,  wie  sie  in  unserer 
Quelle  auftreten 3. 

Die  Behauptung,  dass  Otto  I.  den  Mailändern 
einen  Tribut  von  200  Pfund  Goldes  auferlegt  habe  (Ann. 
Pal.  S.  63,  56  f.,  bezw.  65,  9),  muss  der  Verantwortung 
unseres  Autors  überlassen  bleiben,  da  alle  sonstigen  Er- 
wähnungen dieses  Tributes  auf  ihn  als  Quelle  zurückzu- 
führen sind4.  Mit  Recht  äussert  sich  daher  Dümmler5 
sehr  zweifelnd  über  die  Thatsächlichkeit  dieser  Angabe. 
Ueber  die  Provenienz  derselben  fehlt  es  uns  an  jeder  Spur, 
falls  wir  nicht  annehmen  wollen,  dass  sie  aus  der  Mainzer 
Lokaltradition  über  die  Entstehung  des  Crucifixes  Benna'; 
herrührt,   was  nicht  unwahrscheinlich  ist. 

Die  Geschichte  von  Otto's I.  strengem  Gericht  gegen 
den  Frauenräuber  (Ann.  Pal.  S.  63,  34  ff.  und  45  ff.,  Ann. 
Saxo  S.  607,  65  ff.  u.  608, 11  ff.),  den  die  Vergewaltigte  bei  dem 
Kaiser  auf  dessen  Hinweg  nach  Italien  anklagt  und  den  dieser, 
wie  versprochen,  bei  seiner  Rückkehr  richtet,  obwohl  die  Klä- 
gerin sich  mit  jenem  versöhnt  und  vermählt  hat,  ist  in  ihrem 
Hauptmotiv  doch  wohl  aus  jener  Sage  vom  Kaiser  Trajan 
entlehnt,  die,  im  9.  Jahrh.  entstanden,  während  des 
12.  Jahrh.  in  mannigfachen  Versionen  weit  verbreitet  war  '. 
Auf  den  ersten  Blick  scheint  unsere  Geschichte  mit  dieser 
nur   wenige    Berührungspunkte    zu    bieten:    Trajan    ist    im 


1)  Antiquitates  Italicae    medii    aevi   II,  590  f.    nebst   u.  7    auf   der 
vorhergehenden  Abbildungstafel.  2)  Memorie  spettanti  alla  storia  di 

Milano,  nuova  edizione  1854,  S.  528 ;  E.  Dümmler,  Kaiser  Otto  der  Gr. 
S.  201,  N.  2  verweist  darauf.  3)  Die  Wendung  in  der  bairischen  Kaiser- 
chronik. Deutsche  Chroniken  I,  1,  S.  369,  Vers  15113  ff.  hat  kaum  eine 
Bedeutung,  die  auf  unser  Thema  hinwiese  :  Münze  und  Zoll  sind  da  nur 
als  die  Hauptzweige  der  kgl.  Verwaltung  genannt.  4)  Auch  die  von 

Giesebrecht,  Gesch.  d.  deutschen  Kaiserzeit  I,  3.  Aufl.,  S.  822  zu  S.  390 
angeführte.  5)  Kaiser  Otto  der  Grosse  S.  524,  N.  1  und  S.  208,  N.  1. 
6)  Vgl.  weiterhin  unter  den  Erzählungen  von  Otto  III.  7)  S.  die  aus- 
führliche Entwicklungsgeschichte  der  Sage  bei  A.  Graf,  Roma  nella  me- 
moria e  nelle  iinaginazioni  del  medio  evo  1883,  Bd.  II,  S.  1  ff.  und  H.  F. 
Massmann,  Der  keiser  und  der  kunige  buoch,  Theil  3,  S.  751  ff.,  der  S.  1071, 
N.  3  zu  unserer  Erzählung  auf  die  Trajansage  hinweist. 

6* 


84  Ernst  Bernheim. 

Begriff,  in  den  Krieg  zu  ziehen,  als  ihn  eine  Wittwe  um 
Gerechtigkeit  gegen  den  Mörder  ihres  Sohnes  bittet;  der 
Kaiser  will  das  Gericht  erst  bis  zu  seiner  Rückkehr  ver- 
schieben, lässt  sich  jedoch  dann  durch  die  dringenden 
Bitten  der  Frau  zu  sofortiger  Aburtheilung  des  Schuldigen 
bestimmen.  Hiernach  wäre  also  nur  die  Situation  im  allge- 
meinen eine  entsprechende:  Otto  wie  Trajan  auf  dem  Kriegs- 
zuge von  einer  Frau  um  Gerechtigkeit  gegen  einen  Uebelthäter 
angefleht.  Aber  neben  der  Trajanssage  ist  im  12.  Jahrh. 
bekannt  und  im  13.  mit  derselben  nachweislich  verschmolzen 
eine  aus  Valerius  Maximus  herrührende  Sage  vom  Könige 
und  gerechten  Richter  Zaleukos 1,  wonach  die  Uebelthat, 
welche  die  Wittwe  klagt,  die  Vergewaltigung  ihrer  einzigen 
Tochter  durch  den  Sohn  des  Herrschers  ist:  hier  haben 
wir  das  Motiv  der  Vergewaltigung,  das  in  unserer  Erzäh- 
lung auftritt,  nur  mit  der  Veränderung,  dass  die  Frau 
selber  die  Vergewaltigte  ist,  während  der  Uebelthäter,  wie 
in  der  ursprünglichen  Trajanssage,  ein  beliebiger  Fremder 
bleibt,  der  sonst  mit  dem  Kaiser  nichts  zu  thun  hat.  Der 
Ausgang  ist  unserer  Erzählung  eigen :  Otto  vollzieht,  wie 
oben  erwähnt,  das  Gericht  erst  nach  seiner  Rückkehr,  ob- 
wohl es  von  der  Klägerin  gar  nicht  mehr  gewünscht  wird; 
der  Schluss  der  ursprünglichen  Trajanssage,  dass  Papst 
Gregor  der  Grosse  über  die  Gerechtigkeitsliebe  des  heid- 
nischen Kaisers  Thränen  des  Erbarmens  vergossen  und  ihm 
durch  seine  Fürbitte  das  ewige  Seelenheil  gewonnen  habe, 
musste  selbstverständlich  hinwegfallen.  Unsere  Erzählung 
erscheint  meines  Erachtens  somit  im  ganzen  als  eine  eigen- 
artige Verarbeitung  und  Uebertragung  von  Motiven  jener 
Trajan -Zaleukos -Sage,  oder,  wie  wir  kurz  sagen  dürfen, 
als  eine  Wander  sage,  die  aus  der  Kombination  jener 
zwei  Sagen  gebildet  ist 2. 

Die  Erzählung  vom  Aufstande  des  Sohnes 
Otto 's  I.  (Ann.  Pal.  S.  63,  26  ff.)  beansprucht  ein  beson- 
deres litterar  -  historisches  Interesse,  da  sie  ein  wesentliches 
Glied  in  der  Bildung  der  Sage  von  Herzog  Ernst  darstellt, 
was  bisher  nicht  beachtet  worden  ist.  Sie  ist  in  die  ein- 
heitliche Darstellung  der  italienischen  Züge  Ottos,  wie 
schon  erwähnt,  eingeschaltet  und  steht  in  organischem  Zu- 


1)  S.  Massmann  1.  c.  S.  755.  2)  Die  Uebertragung  auf  eine  ganz 
andere  Person  und  Zeit  ist,  wie  in  solchen  Fällen  so  oft,  erleichtert  und 
vorbereitet  dadurch,  dass  die  Trajanssage  sich  von  ihrer  ursprünglichen 
individuellen  und  lokalen  Bestimmtheit  losgelöst  hat:  statt  Trajans  tritt 
schon  in  Versionen  des  12.  Jahrh.  ganz  unbestimmt  'quidam  Romanorum 
rex1  auf,  s.  Graf  1.  c.  S.  26. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  ans  d.  12.  Jahrh.      85 

sammenhang  mit  der  Erzählung  des  ersten  dieser  Züge  in 
unserer  Quelle  (Ann.  Pal.  S.  63,  25—26),  an  die  sie  sich 
mit  dem  Worte  'Interim'  stilistisch  und  inhaltlich  unmit- 
telbar anschliesst.  'Interim',  so  lautet  sie,  'filius  suus  Ar- 
noldus  instinctu  cuiusdam  Wichmanni  ducis  Saxonicum 
regnum  invasit  et  redeunte  patre  Ratispoli  cum  eo  dimi- 
cans  victus  est  et  in  ecclesiam  fugiens  iuxta  altare  sancti 
Heimeradi  delituit;  cui  Heinricus,  patruus  suus,  dux  Ba- 
varie,  vitam  et  Carnotensem  ducatum  tunc  vacantem  im- 
petravit'.  Mit  den  Worten  'Deinde  Mediolanenses  rebelli 
facti'  (Ann.  Pal.  S.  63,  33)  geht  der  Autor  dann  zur  Dar- 
stellung des  zweiten  italienischen  Zuges  über. 

Die  Erzählung  giebt  sich  ohne  weiteres  als  eine  echt 
sagenhaft  entstellte  Tradition  auf  Grund  historischer  Re- 
miniscenzen,  die  wirr  durcheinander  geworfen  sind,  zu  er- 
kennen. Die  wesentlichen  Züge  derselben  bildet  offenbar 
die  Rebellion  von  Otto's  Sohn  Liudolf,  doch  ist  wenigstens 
ein  Zug  aus  dem  Aufstande  von  Otto's  Stiefbruder  Thank- 
mar,  den  unser  Autor  ohne  Zweifel  nicht  behandelt  hat, 
hineingemischt.  Allerdings  entspricht  der  angegebene  Name 
des  Rebellen,  Arnold,  weder  diesem  noch  jenem  histori- 
schen Ereignis;  einen  Königssohn  namens  Arnold  hat  es 
überhaupt  nicht  gegeben;  vielleicht  liegt  der  Namengebung 
eine  Erinnerung  an  den  Verbündeten  Liudolfs,  Arnulf  von 
Baiern,  zu  Grunde1,  falls  man  nicht,  was  ferner  liegt,  an 
Herzog  Arnulf  von  Baiern,  den  rebellischen  Stiefsohn  Kon- 
rads I.2,  denken  will.  Ein  Wichmann,  allerdings  nur  säch- 
sischer Graf,  nicht  Herzog,  spielt  eine  Rolle  sowohl  beim  Auf- 
stande Thankmars 3  wie  bei  dem  Liudolfs  4,  dort  der  Vater,  hier 
der  Sohn  Wichmann.  Die  zeitliche  Ansetzung  des  Aufstandes 
zwischen  den  beiden  ersten  italienischen  Zügen  Otto's  ent- 
spricht dem  thatsächlichen  Zeitpunkt  der  Liudolfschen  Em- 
pörung. Um  Regensburg  hat  in  der  That  der  entscheidende 
Kampf  vor  der  Unterwerfung  Liudolfs  stattgefunden 5.  Dass 
der  Besiegte  in  das  Asyl  einer  Kirche  flieht,  ist  offenbar  ein 
Zug,  der  der  Geschichte  Thankmars  entlehnt  ist,  welcher 
er  so  charakteristisch  angehört.  Aber  die  hinzugefügte 
Lokalbezeichnung  'iuxta  altare  sancti  Heimeradi'  hat  weder 
mit  der  Geschichte  Thankmars,  der  bekanntlich  in  der 
Peterskirche  zu  Eresburg  endete ,;,    noch  mit  der  Liudolfs, 


1)  S.  Dümmler,  Kaiser  Otto  der  Grosse  S.  223  und  239,  Note. 
2)  S.  Riezler,  Geschichte  Baiems  I,  320.  Arnold  und  Arnolf  sind  nur 
verschiedene  Foi'inen  desselben  Namens,  s.  weiter  unten  S.  87.  3)  Dümmler 
1.  c.  S.  72.        4)  Ebd.  S.  223.        5)  Ebd.  S.  239.        6)  Ebd.  S.  75. 


86  Ernst  Bernheim. 

der  ja  seinen  Vater  auf  der  Jagd  in  der  Nähe  von  Weimar 
überraschte  und  um  Verzeihung  bat 1,  etwas  zu  thun,  und 
ist  überhaupt  im  Zusammenhange  unserer  Erzählung  un- 
erklärlich. Einen  Altar  des  h.  Heimrad  gab  es  nur  in 
Hasungen  bei  Kassel,  wo  Erzbischöfe  von  Mainz  zu  Ehren 
des  1019  verstorbenen  Eremiten  1021  eine  Kirche,  1074 
eine  Probstei  und  1082  ein  Kloster  stifteten2.  Allerdings 
berichtet  Lambert  von  Hersfeld  unter  dem  Jahre  1072, 
dass  zu  dieser  Zeit  der  h.  Heimrad  zu  Hasungen  neben 
Sebald  zu  Nürnberg  im  Reiche  (per  Gallias)  sehr  grossen 
Ruf  und  grossen  Zulauf  hatte.  Aber  auch  wenn  wir  diesen 
Ruf  in  Anschlag  bringen,  den  vielleicht  gerade  in  der 
Entstehungszeit  unserer  Sage  Heimrad  genoss,  so  bleibt 
der  gewaltige  Sprung,  den  die  Erzählung  ganz  unvermittelt 
den  Fliehenden  von  Regensburg  nach  Hasungen  machen 
lässt3,  selbst  für  eine  sagenhafte,  doch  nicht  phantastische, 
in  sich  cohärente  Erzählung  höchst  befremdlich.  Wenn 
wir  die  Worte  'Ratispoli  cum  eo  dimicans  victus  est  et 
in  ecclesiam  fugit'  unbefangen  lesen,  erwarten  wir  un- 
bedingt, dass  von  einer  Kirche  im  Bereiche  Regensburgs 
die  Rede  sein  solle.  Ich  zweifle  auch  nicht,  dass  das  in 
der  Erzählung  ursprünglich  der  Fall  war:  es  ist  ohne 
Zweifel  der  Altar  des  h.  Emineram,  nicht  der  Heimrads, 
gemeint.  Eine  lautliche  und  graphische  Verwechselung  der 
beiden  Namen  war  sehr  leicht :  einerseits  kommt  der  Name 
Emmeram  nicht  selten  in  der  Form  Heimram,  Heimrammus 
vor4,  andererseits  der  Name  Heimrad  in  der  Form  Hem- 
merad, Hemmered 5 ;  es  liegt  also  auf  beiden  Seiten,  wenn 
man  die  Namen  mit  einander  verwechselt,  eigentlich  nur 
die  Verwechselung  der  Kompositionsglieder  ram  und  rad 
vor,  und  es  ist  bekannt  genug,  wie  häufig  die  Verwechse- 


1)  Dümmler  1.  c.  S.  240.  2)  Vgl.  Scklereth,  Das  Kloster  Hasungen, 
in  der  Zeitschrift  des  Vereins  für  Hessische  Geschichte  und  Landeskunde 
1843,  Bd.  III,  S.  137  ff.,  Vita  S.  Hamieradi  in  SS.  X.  3)  Herr  Dr.  Herre 
hat  mir  brieflich  die  Meinung  ausgesprochen,  die  Stelle  sei  anders  zu 
interpretieren:  man  müsse  'patre  redeunte'  mit  'Ratispoli'  verbinden  und 
übersetzen  'als  der  Vater  von  Regensburg  zurückkehrte' ;  allein  das  ist 
nicht  wohl  zulässig,  denn  im  Zusammenhange  unserer  Erzählung  brauchen 
wir  nothwendig  die  Angabe,  dass  Otto  aus  Italien  zurückgekehrt  sei  und 
müssen  daher  'redeunte'  auf  die  Rückkehr  aus  Italien  beziehen  ;  eine  Rück- 
kehr aus  Regensburg  würde  gänzlich  in  der  Luft  schweben,  wir  haben 
gar  nicht  erfahren,  dass  und  wie  Otto  nach  Regensburg  gekommen  wäre, 
und  erfahren  auch  nicht,  wohin  er  zurückkehrte.  Mir  scheint  nur  die 
Verbindung  von  'Ratispoli'  mit  'cum  eo  dimicans'  möglich.  4)  S.  z.  B. 
SS.  IV,  545,  34  und  andere  Citate  bei  Eörstemanu,  Altdeutsches  Namen- 
buch I,  778  und  591.  5)  S.  z.  B.  Deutsche  Chroniken  II,  168,  29  und 
Förstemann  1.  c.  591. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      87 

hing  derselben  in  Zusammensetzungen  mit  gleichlautenden 
ersten  Kompositionsgliedern  stattfindet1.  Ich  meine  also, 
dass  in  unserer  Stelle  eine  solche  Verwechselung  von 
Heimram  und  Heimrad  anzunehmen  ist,  auf  die  der  Sinn 
des  Zusammenhanges  unbedingt  hinweist.  Irgend  einem 
Hörer  und  Erzähler  oder  Verzeichner  der  Erzählung,  mög- 
licherweise erst  dem  Pöhlder  Annalisten,  mag  der  zeit- 
weilig, wie  wir  sahen,  berühmte  Hasunger  Heilige  ver- 
trauter gewesen  sein  als  der  Eegensburger,  und  das  mag 
die  Verwechselung  noch  erleichtert  haben.  Ich  bin  auf 
diesen  Punkt  so  ausführlich  eingegangen,  um  darzuthun, 
dass  ein  Schluss  auf  das  Entstehungslokal  der  Sage  oder 
die  Heimath  eines  ihrer  Erzähler,  etwa  des  Autors  unserer 
Kaiserchronik,  nicht  daraus  zu  ziehen  ist 2.  Analysieren 
wir  die  Elemente  unserer  Erzählung  weiter,  so  stossen  wir 
in  der  Erwähnung  des  Oheims  Heinrich,  Herzogs  von  Baiern, 
wieder  auf  eine  thatsächlich  mit  der  Geschichte  Liudolfs 
zusammenhängende  Persönlichkeit,  wenngleich  die  Rolle, 
die  ihm  hier  zugeschrieben  wird,  von  unseren  beglaubigten 
Quellen  nicht  überliefert  und  an  sich  nicht  gerade  glaub- 
würdig ist.  Dass  Liudolf  das  Herzogtimm  Kärnthen  nach 
der  Versöhnung  erhalten  haben  soll,  ist  dagegen  völlig 
fabelhaft:  bekanntlich  wurde  ein  Herzogthum  Kärnthen 
überhaupt  erst  976  eingerichtet.  Wie  die  Sage  zu  dieser 
Angabe  gekommen  sein  mag,  ist  schwer  zu  muthmassen : 
ein  sächsischer  Königssprosse  herrschte  über  Kärnthen  nur 
in  der  Zeit  von  989 — 995,  als  Kärnthen  zeitweilig  wieder 
mit  Baiern  vereinigt  war,  in  der  Person  Heinrichs  des 
Zänkers,  Liudolfs  Vetters;  ein  Arnold  (so  heisst  ja  der 
Sohn  Otto's  in  unserer  Sage)  herrschte  nie  in  Kärnthen, 
höchstens  kann  man  daran  erinnern,  dass  Onkel  und  Vetter 
des  ersten  Herzogs  von  Kärnthen  Arnulf  hiessen 3.  Doch 
die  Irrgänge  der  Sage  sind  ja  meist  nicht  sicher  zu  ver- 
folgen. 

1)  Wie  z.  B.  Waideram  und  Waiderad  und  andere  bei  Förstemann 
1.  c.  S.  706  und  991  f.  Dasselbe  kommt  auch  bei  anderen  entsprechenden 
Kompositionen  vielfach  vor,  wie  mein  hiesiger  Kollege  Dr.  Siebs  mir  be- 
stätigt, z.  B.  auch  bei  den  Namen  Arnold  und  Arnolf,  was  vielleicht  in 
unserer  Erzählung  der  Fall,  vgl.  oben.  2)  Ich  hebe  auch  noch  hervor, 
dass  die  Nachrichten  über  Heimrad,  welche  die  Ann.  Pal.  S.  67,  28 — 30  und 
der  Ann.  Saxo  S.  674,  31  f.  und  675,  8  bringen,  nicht  etwa  aus  unserer 
Kaiserchronik  herrühren,  sondern  aus  den  Annales  Patherbrunnenses  (vgl. 
Scheffer  -  Boichorst  S.  37  f.),  woraus  der  Ann.  Saxo  sie  direkt  entnahm, 
die  Ann.  Pal.  sie  durch  Vermittelung  der  verlorenen  Halberstädter  An- 
nalen  (vgl.  L.  von  Heinemann  im  N.  Archiv  XIII,  S.  47  f.)  erhielten. 
3)  Vgl.  Griesebrecht,  Geschichte  der  deutschen  Kaiserzeit  I,  2.  Aufl.,  S.  668; 
betreffs  Identificierung  der  Namen  Arnold  und  Arnulf  s.  oben  Note  1. 


88  Ernst  Bernheim. 

Blicken  wir  nun  auf  die  bekannte  Umwandlung'  und 
Uebertragung,  welche  die  Schicksale  Liudolfs  in  der  Sage 
vom  Herzog  Ernst 1  erfahren  haben,  so  erkennen  wir  leicht, 
dass  wir  in  unserer  Erzählung  ein  älteres  Stadium  des 
Prozesses  jener  Sagenbildung  vor  uns  haben.  Denn  eine 
Voraussetzung  der  letzteren,  die  Verschmelzung  der  Auf- 
stände des  Sohnes  und  Stiefbruders  unter  Otto2,  ist  hier 
bereits  eingetreten,  und  der  Name  Liudolfs,  der  der  Sage 
die  wesentlichen  Züge  leiht,  ist  bereits  durch  einen  anderen 
Namen  verdrängt 3.  Mit  diesem  Hinweis  auf  die  Ernst- 
Sage  zeigen  wir  zugleich,  dass  die  Erzählung  unserer 
Kaiserchonik  recht  aus  dem  fliessenden  Strom  volks- 
thümlicher  Sagenbildung  geschöpft  ist. 

Die  Notiz  über  die  Auffindung  der  Harzer 
Erzadern  unter  Otto  I.  (Ann.  Pal.  S.  64,  17  f.)  gehört  nicht 
in  die  Reihe  unserer  Erörterungen:  sie  stammt  nicht  aus 
unbekannter  Quelle,  wie  der  Corpus -Druck  in  der  Edition 
irrig  andeutet,  sondern  ist  aus  Sigebert  entlehnt,  der  die 
Nachricht  unter  dem  Jahre  968  4,  und  zwar  aus  Widukind  5 
bringt.  Der  Ann.  Saxo  erzählt  dagegen  eine  Sage  über 
die  Entdeckung  der  Bergwerke  bei  Goslar  unter  Heinrich  II., 
die  wir  weiterhin  zu  erörtern  haben. 

Die  Darstellung  von  Ottos  I.  Krankheit  und 
Tod  (Ann.  Pal.  S.  64,  30  ff.)  enthält  gar  keinen  historischen 
Kern,  sondern  ist  ganz  und  gar  phantastisch  und  giebt 
keine  Anhaltspunkte  zu  irgend  welcher  Erklärung  ihrer 
Entstehung.  Es  ist  nur  zu  bemerken,  dass  die  Anfangs- 
worte, die  ein  exaktes,  thatsächlich  richtiges  Datum  ent- 
halten, 'deinde  ascensionem  Domini  Merseburg  celebrans', 
nicht  aus  unserer  Kaiserchronik  stammen.  Diese  Wendung 
steht  wörtlich  so  im  Ann.  Saxo  S.  625,  11  f.  und  repräsen- 
tiert mit  dem  sich  dort  daran  schliessenden  Satz  eine  Ent- 
lehnung aus  Thietmar  lib.  II,  cap.  27°  unter  leichter,  aber 
mit  Ann.  Pal.  übereinstimmender  Veränderung  des  Wort- 
lauts; eine  in  Ann.  Pal.  und  Ann.  Saxo  übereinstimmend 
abgeänderte  Thietmarstelle  weist  auf  die  Vermittelung  der- 
selben durch  die  verlorenen  Halberstädter  Annalen  7. 

Der  Bericht  über  Ottos  II.  Sarazenenschlacht 


1)  S.  die  Litteratur  darüber  in  H.  Pauls  Grundriss  der  germanischen 
Philologie  II,  S.  257  und  bei  H.  Bresslau,  Jahrbücher  des  deutschen 
Reichs  unter  Konrad  II.  I,  Excurs  9,  S.  468  ff.  2)  Vgl.  die  Bemerkung 
von  E.  Dümmler  in  Haupts  Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  XIV, 
S.  269.  3)  Vgl.  Dümmler  1.  c.  4)  SS.  VI,  351,  22.         5)  SS.  III, 

462,  32.  6)  In  der  Oktavausgabe  der  SS.  rerum  Germ,  von  F.  Kurze 

S.  45.         7)  S.  L.  von  Heinemann  im  N.  Arch.  XIII,  S.  58  f. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      89 

und  Tod  in  Folge  eines  vergifteten  Pfeiles  (Ann.  Pal. 
S.  64,  54  ff.)  bietet  recht  ein  Beispiel  für  die  manchmal 
fast  eigensinnig  erscheinende  Willkür  der  Sagenbildungen. 
Die  grosse  Niederlage  Otto's  II.  in  Unteritalien  war  in 
Wirklichkeit  von  höchst  romantischen  Umständen  begleitet, 
der  Kaiser  entkam  auf  abenteuerliche  Weise,  und  die  Sage 
hat  nicht  gesäumt,  sich  dieses  fruchtbaren  Themas  zu  be- 
mächtigen. Schon  bei  wenig  entfernten  Zeitgenossen  treten 
uns  bunte  Ausschmückungen  entgegen  \  und  Scherer  hat 
nachgewiesen2,  dass  ein  gleichzeitiges  Lied  das  Abenteuer 
in  seiner  Weise  verherrlichte,  welches  Thietmar  in  seiner 
1013  niedergeschriebenen  Erzählung  der  Begebenheit  ver- 
werthet  hat.  Die  Sage  war  im  12.  Jahrh.  im  Sachsenlande 
und  überall  bekannt  genug,  aber  der  Autor  unserer  Kaiser- 
chronik kennt  sie  nicht  oder  verschmäht  sie,  und  erzählt 
statt  deren  eine  gänzlich  anders  geartete  von  einer  sieg- 
reichen Seeschlacht  Otto's,  in  der  dieser  durch  einen  ver- 
gifteten Pfeil  verwundet  wird,  um  an  der  Wunde  im  selben 
Jahre  zu  sterben.  Unser  Autor  ist  freilich  nicht  der  Er- 
finder dieser  von  der  geläufigen  romantischen  Sage  so  ab- 
weichenden Tradition,  wenigstens  nachweislich  nicht  des 
Hauptmotivs  derselben,  denn  schon  in  Quellen  des  aus- 
gehenden 11.  Jahrh.3  und  in  einer  von  unserem  Autor 
unabhängigen  Quelle  seiner  Zeit i  wird  berichtet,  dass  Otto 
zuletzt  einen  grossen  Sieg  über  die  Sarazenen  errungen 
habe.  Wie  die  einzig  dastehende  Angabe  von  Otto's  Tode 
in  unsere  Erzählung  gekommen  sein  mag,  ist  unerfindlich ; 
möglicherweise  liegt  eine  Konfundierung  mit  Otto's  Vetter, 
Herzog  Otto  von  Baiern  und  Schwaben  vor,  der  nach 
einigen  Quellen  in  der  Sarazenenschlacht  gefallen  sein  soll5; 
wenn  wir  diese  Verwechselung  annehmen,  würde  auch  dieser 
Bestandtheil  der  Erzählung  sich  als  mündliche  Tradition 
erklären  lassen. 

Die  Geschichte  von  Otto's  III.  Erziehung  und 
Jugendstreich  erzählen  Ann.  Pal.  S.  64,  63  ff.  und  Ann. 

1)  Vgl.  Giesebrecht,  Geschichte  der  deutschen  Kaiserzeit  I,  3.  Aufl., 
S.  840,  Anmerkung  zu  S.  597  f.,  und  derselbe,  Jahrbücher  des  deutschen 
Reichs  unter  der  Herrschaft  Kaiser  Otto's  II.  (herausgegeben  von  Ranke), 
Excurs  12,   S.  164  ff.  2)  K.  Müllenhoff  und  W.  Scherer,  Denkmäler 

deutscher  Poesie  und  Prosa  aus  dem  8.  — 12.  Jahrh. ,  3.  Ausgabe  von 
E.  Steinmeyer  II,  S.  116  f.  3)  Bei  Bonizo,  Liber  ad  amicum,  Libelli 

de  lite  I,  S.  582,  4  f. ;  bei  Benzo  von  Alba,  SS.  XI,  603/4,  Z.  4  f.  4)  Gesta 
ep.  Mettensium,  zwischen  1132  und  1142  verfasst,  SS.  X,  542,  11  ff.  Vgl. 
Giesebrecht,  Jahrbücher  1.  c.  Excurs  13,  S.  170  ff.  5)  S.  die  N.  59  zum 
Chron.  Thietmari  SS.  III,  765 ;  thatsächlich  ist  Herzog  Otto  erst  auf  der 
Rückkehr  in  Lucca  gestorben,  s.  Giesebrecht,  Jahrbücher  1.  c.  S.  82. 


90  Ernst  Bernheim. 

Saxo  S.  631 ,  60  ff.  irn  wesentlichen  wörtlich  übereinstimmend, 
aber  letzterer  von  Otto  IL:  er  hat  ohne  Zweifel  bemerkt, 
dass  die  angebliche  Erziehung  Ottos  III.  durch  Erzbischof 
Bruno  von  Köln,  die  die  Kaiserchronik  behauptet,  ein 
Anachronismus  sei,  und  hat  daher  die  Aenderung  vorge- 
nommen * ;  denn  dass  in  den  Ann.  Pal.  die  ursprüngliche 
Fassung  wiedergegeben  ist,  ergiebt  sich  aus  der  sich  un- 
mittelbar anschliessenden  (vom  Ann.  Saxo  fortgelassenen) 
Fortsetzung  der  Geschichte,  die  von  Otto  III.  handelt, 
auch  deutet  die  auffallende  Anbringung  dieser  Jugend- 
geschichte am  Ende  der  Regierung  Otto's  IL  im  Ann. 
Saxo  wohl  darauf  hin,  dass  dieselbe  in  der  Quelle,  die  der 
Annalist  vor  sich  hatte,  nicht  am  Anfang  des  Abschnittes 
über  Otto  IL,  sondern  Otto  III.  gestanden  hat.  Der 
Anachronismus,  dass  der  965  verstorbene  Bruno  den  980 
geborenen  Kaisersohn  erzogen  habe,  ist  also  unserer  Quelle 
zuzuschreiben  und  vielleicht  als  eine  Konf  undierung  Otto's  III. 
mit  Otto  IL  zu  erkläreu,  insofern  eine  Erinnerung  an  die 
thatsächliche  Regentschaft  Bruno's  für  den  unmündigen 
Otto  IL  während  Otto  des  Grossen  Romzug  im  Jahre  961 2 
zu  Grunde  liegen  mag.  Die  vormund schaftliche  Regierung 
des  Erzbischofs  Willigis  von  Mainz,  die  nach  unserer 
Quelle  auf  die  Bruno's  folgte,  entspricht  den  thatsächlichen 
Verhältnissen,  obwohl  sie  sonst  nicht  ausdrücklich  bezeugt 
ist 3.  Der  Jugendstreich,  der  von  dem  jungen  Kaisersohn 
erzählt  wird,  giebt,  vielleicht  unbewusst,  aber  drastisch 
genug,  den  eigenwilligen  und  bizarren  Charakter  Otto's  III. 
wieder.  Im  Chronicon  Spirense  rindet  sich  die  Notiz  'Otto 
iuvenis,  quem  suscitavit  beatus  Willigisus  Moguntinus  ar- 
chiepiscopus  a  mortuis,  qui  et  tutor  illius  fuit',  welche 
offenbar  auf  unsere  Anekdote  zurückzuführen  ist,  wenn- 
gleich sie  dieselbe  in  seltsam  entstellter  Weise  wiedergiebt ; 
ob  und  welcher  litterarische  Zusammenhang  besteht,  ist 
nicht  zu  konstatieren.  Unsere  Erzählung  charakterisiert 
sich    jedenfalls    in    der   Vermengung    thatsächlicher    und 


1)  Er  nennt  dementsprechend  Bruno  'patruus'  statt  'patruus  patris1 
des  Knaben.  Dass  Otto  III.  im  Laufe  der  Erzählung  bei  Ann.  Pal.  nachher 
'nepos'  Bruno's  genannt  wird,  widerspricht  dem  in  den  Ann.  Pal.  nach 
unserer  Quelle  angegebenen  Verwandtschaftsgrad  selbstverständlich  nicht, 
da  'nepos'  ja  ebenso  gut  zur  Bezeichnung  des  Grossneffen  angewandt 
werden    kann.  2)  Vgl.  Giesebrecht,    Gesch.   der  deutschen  Kaiserzeit 

3.  Aufl.,  Bd.  I,  S.  455,  speciell  Strebitzki,  Quellenkritische  Untersuchungen 
zur  Geschichte  des  Erzbischof  Brun  I.  von  Kölu,  Programm  des  Gymn. 
zu  Neustadt  in  Westpr.  1875,  S.  18  f.,  N.  6.  3)  Giesebrecht  1.  c.  S.  659. 
Die  sonst  noch  angeführten  Zeugnisse  sind  von  unserer  Quelle  bezw.  Ann. 
Pal.  abhängig.         -4)  SS.  XVII,  81,  46,  verfasst  im  13.  Jahrb. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  cl.  12.  Jahrh.      91 

anachronistischer  Züge,  sowie  in  ihrer  anekdotenhaften 
Ausführlichkeit  recht  als  ein  Produkt  mündlicher 
Volkstradition. 

Die  Mittheilung  über  das  goldene  Crucifix  Benna 
zu  Mainz,  welches  der  Erzbischof  Willigis  aus  dem  Tribut 
der  Mailänder  hat  anfertigen  lassen  (Ann.  Pal.  S.  65,  9  ff.), 
tritt  in  unserer  Quelle,  wo  sie  gelegentlich  der  Erwähnung 
des  Erzbischofs  an  die  oben  analysierte  Jugendgeschichte 
Ottos  III.  angeknüpft  ist,  zum  ersten  Male  litterarisch 
auf.  Letzteres  ist  zunächst  nachzuweisen,  weil  man  sonst 
wegen  der  gleich  zu  erwähnenden  Verhältnisse  annehmen 
könnte,  die  Mittheilung  sei  ein  Zusatz  des  Pöhlder  Anna- 
listen aus  anderer  Quelle.  In  der  Vita  Arnoldi  archiepi- 
scopi  Moguntini x  steht  nämlich  eine  inhaltlich  entspre- 
chende Angabe  in  wörtlich  so  übereinstimmender  Form, 
dass  ein  litterarischer  Zusammenhang  zwischen  dieser  und 
unserer  Stelle  noth wendig  anzunehmen  ist;  nun  ist  zwar 
die  Vita  im  übrigen  bald  nach  1160  verfasst,  so  dass  sie 
vom  Pöhlder  Annalisten  benutzt  sein  könnte,  aber,  wie 
Jaff e  2  nachgewiesen  und  Baumbach3  neuerdings  bestätigt 
hat,  ist  die  Schlusspartie  der  Vita,  innerhalb  deren  die 
Stelle  von  dem  Crucifix  steht,  erst  in  späteren  Hss.  zu- 
gefügt und  zwar  aus  dem  Chronicon  Christiani  Moguntini4, 
welches  um  die  Mitte  des  13.  Jahrh.  verfasst  ist;  innerhalb 
dieser  Partie  im  Chron.  Mogunt.  ist  unsere  Stelle  aber 
wiederum  erst  eine  Zuthat,  die  sich  in  den  Hss.  des  Chro- 
nicon bis  zum  Ende  des  15.  Jahrh.  nicht  findet5;  mithin 
ist  die  Priorität  der  Stelle  in  den  Ann.  Pal.  unzweifelhaft, 
und  es  kann  dieselbe  eben  nur  aus  ihnen  oder  einer  ihrer 
späteren  Ableitungen  in  jene  späteren  Exemplare  des  Chro- 
nicon Mogunt.  übernommen  sein.  Dass  die  Stelle  nicht 
etwa  ein  originaler  Zusatz  des  Pöhlder  Annalisten  sei, 
ergiebt  sich  aus  dem  innerlichen  Zusammenhange,  in  dem 
sie  mit  der  sagenhaften  Erzählung  von  dem  Mailänder 
Tribut  Otto's  des  Grossen  steht,  die  unserer  Quelle  ange- 
hört,;;  es  stimmt  dabei  wohl  nicht  zufällig,  dass  der  Tribut 
200  Pfund  Goldes  jährlich  beträgt,  und  das  Crucifix,  wel- 
ches Willigis   während   seiner   dreijährigen   Regentschaft 


1)   Bei    J.    F.    Böhmer,    Fontes    rerum    Germanicarum    111,    325. 
2)  Bibliotkeca  rerum  Germ.  III,  S.  606,  IST.  1.  3)  Arnold  von  Seelen- 

hofen  1872,  S.  3.  4)  Jaffe  1.  c.  690  f.,  jetzt  unter  dem  Titel  Christiani 
archiep.  Moguntini  liber  de  calamitate  ecclesiae  Mogunt.  SS.  XXV,  244  f. 
5)  S.  Jaffe  1.  c.  691,  N.  1 ;  MG.  1.  c.  Sternnote  zu  S.  37.  6)  S.  oben 

S.  83. 


92  Ernst  Bernheim. 

daraus  fertigen  lässt,  600  Pfund  (200  X  3)  enthält1.  Die 
Thatsächlichkeit  der  Mittheilung  ist  insofern  unzweifelhaft, 
als  ein  solches  Crucifix  nachweislich  im  Mainzer  Kirchen- 
schatz existiert  hat:  es  genügt,  deswegen  auf  die  Annalen 
des  Klosters  Disibodenberg  zu  verweisen,  die,  in  nächster 
Nähe  von  Mainz  nach  der  Mitte  des  12.  Jahrh.  geschrie- 
ben, genau  und  ausführlich  von  der  stückweisen  Verschleu- 
derung dieses  kostbaren  Crucifixes  durch  die  zeitgenössi- 
schen Erzbischöfe  Marculf  (1141—1142),  Arnold  (1153  — 
1100),  Rudolf  (1160  —  1161)  berichten2;  auch  die  Inschrift 
lAuri  sexcentas  haec  crnx  habet  aurea  libras',  welche  un- 
sere Quelle  angiebt,  ist  authentisch3,  sowie  der  Name  des- 
selben Beuna4,  und  aus  den  Annalen  von  Disibodenberg 
1.  c.  geht  hervor,  dass  man  in  Mainz  selbst  den  Ursprung 
des  Prunkstückes  auf  Willigis  zurückführte.  Die  Anferti- 
gung des  Crucifixes  aus  jenem  Tribut  der  Mailänder  hat 
freilich  nur  die  zweifelhafte  Autorität  unserer  Quelle  für 
sich,  und  wir  können  nicht  wissen,  ob  dieses  Datum  auch 
aus  der  stiftmainzer  Lokaltradition  stammt,  von  der 
offenbar  die  ganze  Angabe  herrührt,  oder  ob  es  eine  ander- 
weitige Zuthat,  eventuell  unserer  Kaiserchronik,  ist 5. 

Die  Erzählung  von  Ottos  III.  Vergiftung  durch 
die  Gattin  des  Crescentius  beginnen  die  Ann.  Pal.  S.  65, 
48  f.  bis  zu  den  Worten  'discedit  ab  Italia'  aus  den 
Chroniken  des  Sigibert  und  Ekkehard,  und  zwar  wesent- 
lich   aus    der    Ekkehards    in    der    Recension    DE G,    daran 


1)  Dass  unser  Autor  bezw.  der  Pöhlder  Annalist  in  der  Erzählung 
1200  librae  angiebt  und  unmittelbar  darauf  in  dem  Vers  600  librae,  ist 
nicht  als  ein  Widerspruch  aufzufassen,  höchstens  als  ein  Schreibfehler, 
aber  vielleicht  auch  das  nicht,  denn  der  Pöhlder  Annalist  scheint  doch 
der  Meinung  zu  sein,  dass  man  'libra'  im  Sinne  von  Halbpfund  oder  Mark 
gebrauchen  könne,  da  er  die  Glosse  hinzufügte  oder  aus  unserer  Quelle 
übernahm  'id  est  marcis1,  wie  nach  freundlicher  Mittheilung  von  Herrn 
Dr.  Herre  im  Oxforder  Autograph  die  Glosse  lautet;  ein  Pfund  ist  be- 
kanntlich gleich  2  Mark,  1200  Mark  wäre  also  richtig.  2)  SS.  XVII, 
29,  45  ff.,  vgl.  andere  authentische  Zeugnisse  bei  C.  Will,  Regesten  zur 
Geschichte  der  Mainzer  Erzbischöfe  I,  S.  128  f.  3)  Vgl.  die  vorige  Note; 
in  den  Annal.  Disibodenberg.  steht  'tenet'  statt  'habet',  in  den  übrigen 
Quellen  'habet',  wie  in  unserer.  4)  Ueber  diesen  Namen  s.  F.  Liebrecht 
in:  Göttingische  Gelehrte  Anzeigen  1870,  Bd.  I,  Stück  3,  S.  113  ff.  5)  Die 
Angabe,  dass  Kaiser  Friedrich  I.  das  Kunstwerk  von  den  Juden  habe 
herstellen  lassen  zur  Sühne  dafür,  dass  sie  seinen  Mundschenk  Benno  ge- 
tödtet  haben,  ergiebt  sich  eo  ipso  als  eine  spätere  etymologische  Sage 
und  taucht  zuerst  um  die  Mitte  des  13.  Jahrh.  in  den  Gesta  episcoporum 
Leodiensium  SS.  XXV,  108,  31  ff.  auf.  6)  SS.  VI,  192, 14  f.  In  der 
Edition  der  Ann.  Pal.  1.  c.  sind  die  Worte  'dum  ipse  iuvenis  —  Italia' 
fälschlich  in  Corpus  gesetzt ;  da  sie,  wie  gesagt,  entlehnt  sind,  hätten  sie 
in  Petit  gedruckt  werden  müssen. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  ans  d.  12.  Jahrh.      93 

schliessen  sie  aber  ganz  abweichend  von  diesen  Quellen 
den  Bericht  des  Herganges  mit  eigenartigen  Details,  die 
hier  original  auftreten  und  ihrem  ganzen  Charakter  nach 
ohne  Zweifel  unserer  Kaiserchronik  entnommen  sind.  Die 
schon  früh  entstandene  Sage  von  der  Vergiftung  Otto's 
durch  die  Italienerin  war  in  den  ersten  Decennien  des 
12.  Jahrh.  eine  der  bekanntesten  und  weitestver breiteten 
Kaiser  sagen1,  die  in  mannigfachen  Versionen  erzählt 
wurde,  und  eine  dieser  Versionen  haben  wir  in  unserer 
Kaiserchronik  vor  uns. 

Die  Erzählung  von  der  prophetischen  Vision 
Heinrichs  II.  in  Ann.  Pal.  S.  65,  53  ff.  und  Ann.  Saxo 
S.  648,  57  ff.,  wonach  ihm  durch  eine  an  der  Wand  im  Dom 
zu  Regensburg  erscheinende  6  seine  Erhebung  zum  Könige 
sechs  Jahre  vorher  verkündigt  wird,  entspricht  in  ihren 
wesentlichen  Zügen  der  Geschichte,  die  Otloh  in  seiner 
zwischen  1037  und  1052  verfassten  Vita  Bischof  Wolfo-aners 
von  Regensburg'2  (und  beiläufig  in  wörtlicher  Wiedergabe 
nach  Otloh  der  Verfasser  der  in  der  Mitte  des  12.  Jahrh. 
geschriebenen  Vita  Heinrici  II.3)  erzählt.  Doch  fehlt  jede 
wörtliche  Uebereinstimmung,  und  abgesehen  von  der  kür- 
zeren Fassung  in  unserer  Quelle,  die  manche  Details  über- 
geht, findet  sich  auch  die  nicht  unwesentliche  Abweichung, 
dass  hier  die  Prophezeiung  sich  auf  Heinrichs  Königswahl, 
bei  Otloh  auf  seine  Kaiserkrönung  bezieht.  Es  ist  also 
kein  direkter  litterarischer  Zusammenhang  zwischen  letz- 
terem und  unserer  Quelle  anzunehmen,  vielmehr  die  un- 
abhängige Wiedergabe  dieser  von  Bischof  Wolfgangs  Grab- 
stätte zu  Regensburg  ausgegangenen  Legende. 

Die  Erzählung  von  Kunigunde's  Verleumdung 
und  der  glänzenden  Rechtfertigung  ihrer  Keuschheit  durch 
ein  Gottesurtheil  in  Ann.  Pal.  S.  66,  2  ff.  haben  Bresslau  und 
Steindorff  bei  Behandlung  der  Sage  in  den  Jahrbüchern 
der  deutschen  Geschichte 4  zutreffend  gewürdigt 5. 


1)  S.  die  ausführliche  Entwicklungsgeschichte  der  Sage  von  R.  Wil- 
mans,  Jahrbücher  des  deutschen  Reichs  unter  Otto  III.  (in  den  von  Ranke 
herausgegebenen  Jahrbüchern  u.  s.  w.  unter  dem  sächsischen  Hause),  Ex- 
curs  12,    S.  243  ff.  2)  SS.  IV,  542,  9  ff.  3)  Ebenda  S.  792, 15  ff. 

4)  Jahrb.  des  deutschen  Reichs  unter  Heinrich  IL,  Bd.  IH,  S.  359  f. ; 
Jahrb.  des  deutschen  Reichs  unter  Heinrich  III.,  Bd.  I,  S.  515  f.  5)  Die 
unserer  Erzählung  theils  voraufgehende  theils  folgende  Mittheilung  über 
Heinrichs  keusche  Ehe  mit  Kunigunde  ist  nicht  aus  unserer  Quelle, 
der  Kaiserchronik,  entnommen,  sondern  aus  den  verlorenen  Halberstädter 
bezw.  Ilsenburger  Annalen.  Diese  Mittheilung  findet  sich  nämlich  im 
Ann.  Saxo  SS.  VI,  649,  4  ff.  in  wörtlich  stark  übereinstimmender  Form, 
und  zwar  so,  dass  mit  einer  bei  beiden  (Ann.  Pal.  und  Ann.  Saxo)  über- 


94  Ernst  Bemheim. 

Wir  heben  nur  hervor,  was  für  den  vorliegenden 
Zweck  in  Betracht  kommt.  Die  Erzählung  findet  sich 
wesentlich  entsprechend  in  Adalberts  Vita  Heinrici  II.1, 
die  um  die  Mitte  des  12.  Jahrh.  verfasst  ist,  doch  zeigen 
inhaltliche  Unterschiede  und  die  Unabhängigkeit  der  Form, 
dass  ein  litterarischer  Zusammenhang  zwischen  diesen  beiden 
nicht  besteht ;  nur  in  der  Rede  Kunigunde's  kommt  bei 
beiden  eine  ähnliche  Wendung  vor2,  aber  diese  Ueberein- 
stimmung  ist  nach  der  ganzen  Sachlage  nicht  aus  littera- 
rischem Zusammenhang  zu  erklären :  es  kommt  innerhalb 
sagenhaft  sich  fortpflanzender  Tradition  oft  genug  vor, 
dass  die  Hauptpointen  der  Erzählung,  speciell  die  Pointen, 
die  in  Aussprüchen  und  Eeden  der  Helden  liegen,  mit 
buchstäblicher  Genauigkeit  von  Mund  zu  Mund  festgehalten 
werden,  und  dies  besonders  in  Zeiten  gering  entwickelter 
allgemeiner  Bildung,  wo  das  Gedächtnis  der  Menschen 
treuer  zu  sein  pflegt  als  in  unserem  'tintenklecksenden 
Saeculum'  —  ein  Beispiel  haben  wir  gleich  in  der  folgen- 
den Anekdote  und  in  der  Schmährede  Hetilo's  gegen  Hein- 
rich IV.  weiterhin,  und  man  kann  auch  noch  heutzutage 
die  Erfahrung  machen,  wie  treu  ein  mit  Wissensstoff  nicht 
überladenes  Gedächtnis  dergleichen  festhält,  wenn  man 
Kindern  eine  und  dieselbe  Geschichte,  sei  es  auch  nach 
längerer  Zeit,  wiederholt  erzählt,  denn  sie  werden  nicht 
leicht  eine  charakteristische  Abweichung,  die  man  sich 
etwa  erlaubt,  unbemerkt  vorübergehen  lassen.  Eine  in  der 
Hauptsache  analoge,  im  einzelnen  stark  abweichende  Ge- 
schichte berichtet  Wilhelm  von  Malmesbury  zwischen  1119 
und  1124  in  den  Gesta  regum  Angloruni3  von  Heinrichs  III. 


einstimmend  modificierten  Ekkehardstelle  ein  Satztheil  aus  nicht  bekannter 
Quelle  organisch  verbunden  ist  (die  Ekkehardstelle  beginnt  übereinstim- 
mend bei  beiden  mit  den  AVorten  'numquam  cognovit  sed  ut  sororem 
dilexit',  der  Editor  der  Ann.  Pal.  in  MG.  1.  c.  S.  66,  2  hat  nur  versäumt, 
diese  Worte  als  Entlehnung  aus  Ekkehard  zu  bezeichnen ;  in  den  Ann. 
Pal.  geht  nach  diesen  Worten  das  Excerpt  aus  Ekk.,  wörtlich  ebenso  wie 
in  Ann.  Saxo  verändert,  weiter  'considerans  vero  se  continenter  viventem 
filios  non  habiturum' ;  es  ist  in  Ann.  Pal.  nur  die  Kunigundensage  da- 
zwischen eingeschoben).  Demnach  muss  die  Mittheilung  aus  einer  Quelle 
stammen,  die  ihrerseits  den  Ekkehard  benutzt  und  Ann.  Pal.  wie  Ann. 
Saxo  vorgelegen  hat  —  als  solche  kennen  wir  jetzt  die  von  L.  von  Heine- 
mann im  N.  Arch.  XIII,  S.  33  und  von  H.  Herre  in  seiner  Dissertation 
(Ilsenburger  Annalen  u.  s.  w.  Leipzig  1890)  konstatierten  Annalen  aus 
dem  Halberstädter  Sprengel.  1)  SS.  IV,  805,  20  ff.  2)  Ann.  Pal. : 

'Sic  enim  nee  virum  hunc  de  quo  mihi  imponitur  nee  alium  aliquem  usque 
hanc  horam  cognoverim' ;  Adalbert:  'quia  nee  hunc  praesentem  Heinricum 
nee  alterum  quemquam  virum  carnali  commercio  umquam  cognovi'. 
3)  SS.  X,  466, 15  ff. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      95 

Gemahlin ,  der  dänisch  -  englischen  Prinzessin  Gunhild : 
offenbar  hat  er  die  in  Deutschland  von  Heinrichs  IL 
Gattin  kursierende  Sage  auf  die  Gattin  Heinrichs  III. 
übertragen  \  eine  Uebertragung ,  die  um  so  leichter  vor 
sich  gehen  konnte,  da  Gunhild  seit  ihrer  Vermählung  auch 
den  Namen  Kunigunde  führte.  Die  deutsche  Erzählung 
aber  ist  ihrerseits  ohne  Zweifel  auch  nur  eine  Uebertrao-uno- 
jenes  alten  zum  volksthümlichen  Sagenmotiv  gewordenen 
Faktums  von  der  unschuldig  des  Ehebruchs  angeklagten 
und  glorreich  durch  Gottesurtheil  gerechtfertigten  Fürstin2, 
ist  also  eine  sogenannte  Wand  er  sage. 

Die  Ueberantwortung  Kunigunde's  an  ihre 
Verwandten  als  unentweihte  Jungfrau  von  Seiten  des  ster- 
benden Kaisers  (Ann.  Pal.  S.  67, 14  ff.)  erzählt  wesentlich  ent- 
sprechend Leo  von  Montecassino  in  seiner  mn  den  Anfang 
des  12.  Jahrh.  verfassten  Chronik8,  und  um  die  Mitte  des 
Jahrhunderts  Adalbert  in  seiner  Vita  Heinrici  IL4  Die 
Anekdote,  wie  sie  unsere  Quelle  wiedergiebt,  klingt  im 
Wortlaut  einmal  an  Leos,  einmal  flüchtig  an  Adalberts 
Text  an,  ist  aber  übrigens  so  weit  von  beiden  verschieden, 
dass  wir  keinen  litterarischen  Zusammenhang  anzunehmen 
haben5,  sondern  selbständige  Wiedergabe  mündlicher 
Tradition,  und  zwar  aus  mönchischen  Kreisen,  wie 
die  Tendenz  erkennen  lässt.  Ueber  das  Verhältnis  Adal- 
berts zu  Leo  vergleiche  man  die  Noten  zur  folgenden  Er- 
zählung. 

Aehnlich  wie  mit  der  eben  behandelten  Geschichte 
steht  es  mit  der  sich  daran  anschliessenden  von  der  Er- 
rettung der  Seele  Heinrichs  aus  der  Gewalt  teufli- 
scher Dämonen  durch  den  Kelch  des  h.  Laurentius  zu  Merse- 
burg (Ann.  Pal.  S.  67,  16  ff.).  Dieselbe  findet  sich  wesent- 
lich entsprechend,  doch  inhaltlich  im  einzelnen  und  formell 
im  ganzen  abweichend,  ohne  wörtliche  Anklänge,  bei  Leo 
von  Montecassino 6  und  bei  Adalbert '.  Wir  haben  also, 
wie  eben  vorhin,  keinen  litterarischen  Zusammenhang  an- 
zunehmen.    Leo   giebt   hier  seine  Quelle  ausdrücklich  an: 


1)  So  H.  Ulmann,  Grotfrid  von  Viterbo,  Dissertation,  Göttingen 
1863,  S.  45,  N.  9,  und  E.  Steindorff,  Jahrb.  des  deutschen  Reichs  unter 
Heinrich  III.,  Bd.  III,  S.  359.  2)  Vgl.  E.  Dümmler,  Geschichte  des 

ostfränkischen  Reiches,  2.  Aufl.,  Bd.  III,  S.  285;  Deutsche  Chroniken 
I,  pars  I,  S.  360  ff. ;  H.  F.  Massmann,  Der  keiser  und  der  kunige  buoch 
oder  die  sogenannte  Kaiserchronik  III,  S.  1053  f.  1084.  3)  SS.  VII, 

658, 18  ff.  4)  SS.  IV,  810,  30  ff.  5)  Die  erwähnten  Anklänge  finden 
sich  auch  hier  gerade  in  der  Rede  des  Kaisers,  und  nöthigen  daher  nicht 
zur  Annahme  litterarischen  Zusammenhangs,  vgl.  oben  S.  94.  6)  SS. 

VII,  658,  22  ff.        7)  SS.  IV,  810,  35  ff. 


96  Ernst  Bernheim. 

'Libet  hoc  in  loco',  sagt  er,  'inserere  visionem  a  religiosis 
certe  et  prorsus  veraeibus  mihi  relatoribus  traditam',  er 
schöpft  also  aus  geistlicher,  und  wenn  wir  das  Wort  're- 
ligiosis'  in  seinem  specifischen  Sinne  nehmen  dürfen,  aus 
mönchischer  Tradition,  und  dies  ist  ohne  Zweifel  auch  die 
Quelle  unserer  Kaiserchronik 1.  Der  Ursprung  dieser  Le- 
gende ist  offenbar  in  Merseburg  zu  suchen :  dient  sie  doch 
zur  Verherrlichung  des  Merseburger  Heiligen  Laurentius 
und  des  diesem  geweihten  Kelches,  zur  Verherrlichung  des 
Kaisers,  der  wegen  seiner  besonderen  Fürsorge  und  Pietät 
für  das  Stift  von  dessen  Patron  belohnt  wird.  Die  Tradi- 
tion ist  auch  in  Merseburg  lebhaft  festgehalten  worden2, 
und  unser  Autor  behauptet,  man  könne  die  Spur  der  Be- 
schädigung, die  der  Kelch  bei  der  Geschichte  erlitten, 
'noch  heutigen  Tages'  sehen,  ein  deutlicher  Hinweis  auf 
den  lokalen  und  aitiologischen  Charakter  der  Sage.  Uebri- 
gens  kennt  Wilhelm  von  Mahnesbury'""  schon  eine  ähnliche 
Wundergeschichte  vom  h.  Laurentius  zu  Merseburg  und 
dessen  Kelch,  nur  handelt  es  sich  hier  nicht  um  die  Seele 
des  Kaisers,  sondern  um  eine  schwere  Krankheit,  mit  der 
die  Dämonen  ihn  plagen,  und  der  Heilige  befreit  ihn  davon, 
indem  er  ihn  mit  Wasser  aus  dem  Kelch  besprengt.  Man 
sieht,  die  Legende  haftet  sehr  entschieden  an  St.  Lauren- 
tius von  Merseburg,  und  wenn  nun  eine  entsprechende 
um  dieselbe  Zeit  vereinzelt  vom  Kelch  St.  Georgs  zu  Bam- 
berg erzählt  wird4,  so  hat  man  wohl  eher  eine  Ueber- 
tragung  von  jenem  auf  diesen  Ort  und  Heiligen,  als  um- 
gekehrt anzunehmen.  Unsere  Erzählung  ist  also  eine  echte 
Legende5. 

1)  Adalbert  behauptet  auch  zu  erzählen  'quid  religiosorum  viroruni 
relatione  in  veritate  audierimus' ;  wahrscheinlich  schreibt  er  das  dem  Leo 
nur  nach,  denn  er  hat  dessen  Chronik  nach  seiner  Aeusserung  (1.  c.  807, 
16  ff.)  doch  wohl  gekannt.  Allerdings  weicht  er  in  der  mit  der  Chronik 
gemeinsamen  Erzählung  so  von  derselben  ab,  dass  man  nur  AViedergabe 
aus  dem  Gedächtnis  annehmen  kann,  und  es  immerhin  möglich  bleibt,  er 
habe  die  Geschichte  ausserdem  auch  selbständig  gekannt.  Ebenso  ist  sein 
Verhältnis  zu  Leo  bei  der  vorigen  Anekdote.  2)  S.  Bresslau,  Jahrb. 

des  deutschen  Reichs  unter  Heinrich  IL,  Bd.  III,  S.  367.  3)  SS.  X, 

468,  5  ff*.  Wilhelm  erzählt  die  Geschichte  freilich  von  Heinrich  III.,  aber 
wir  haben  schon  gesehen  und  werden  noch  sehen,  er  überträgt  Anekdoten 
von  Heinrich  IV.  und  IL  auf  diesen  einzigen  Heinrich,  für  den  er  sich 
interessiert,  und  in  diesem  Falle  kann  es  nicht  zweifelhaft  sein,  von  wem 
die  Legende  ursprünglich  handelt,  da  sie  sich  an  die  Verdienste  des 
Kaisers  um  das  Stift  Merseburg  knüpft,  dessen  Wiederhersteller  bekannt- 
lich Heinrich  IL  war,  wogegen  die  Reparatur  des  Kirchendachs,  die  Wil- 
helm für  seinen  Helden  in  Anspruch  nimmt,  sich  recht  dürftig  ausnimmt; 
zudem  haftet  die  Legende  entschieden  an  Heinrich  IL  4)  Von  Cosmas 
von  Prag,  s.  Bresslau  1.  c.       5)  Für  ihre  Originalität  gegenüber  der  Bam- 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      97 

Die  Angabe  nnd  Entstehungsgeschichte  von  Hein- 
richs IL  Beinamen  lfemore  claudus'  (Ann.  Pal.  S.  66,  26  ff.) 
trägt,  wie  H.  Bresslau  mit  Recht  sagt  \  das  Gepräge  echter 
Volkssage,  um  so  mehr,  da  die  volksthümliche  deutsche 
ursprüngliche  Bezeichnung  'huffehalz'  als  Glosse  beigefügt 
ist.  Dass  die  Tradition  von  Heinrichs  Lahmheit  schon  im 
Anfang    des    12.   Jahrh.    vorhanden    war.    ero-iebt    sich    aus 


berger  Legende  dürfte  auch  sprechen,  dass  sie  bis  nach  England  und  bis 
zu  dem  so  fernen  Mönch  von  Montecassino  drang ;  derselbe  hörte  und  er- 
zählte sie  gewiss  gern,  da  er  mit  der  dem  h.  Laurentius  gewidmeten 
Kirche  zu  Lucina  in  besonderer  Beziehung  stand,  s.  SS.  VII,  554,  25  ff. 
—  Unter  den  älteren  Legenden  des  Heiligen  kommt  ein  ähnliches  Motiv 
nicht  vor,  s.  die  reiche  Aufzählung  seiner  Heils-  und  Wunderthaten  in  den 
Acta  Sanctorum  August  Bd.  II,  S.  485— 532;  einen  Berührungspunkt  mit 
unserer  Legende  bietet  allerdings  das  in  den  Acta  1.  c.  S.  495,  rechte 
Columne,  angeführte  Privileg  des  Heiligen,  dass  er  jeden  Freitag  eine 
Seele  dem  Fegefeuer  entreissen  könne,  aber  dies  scheint  eine  viel  spätere 
Legende  zu  sein.  —  Später  hat  sich  auch  unsere  Sage  von  ihrer  ursprüng- 
lichen Bestimmtheit  losgelöst,  und  ist  zu  einer  weitschweifigen  erbaulichen 
Erzählung  von  einem  'praepotens  et  magnus  vir  in  partibus  Saxoniae'  zur 
Zeit  Heinrichs  IV.  geworden,  s.  Acta  Sanct.  1.  c.  S.  523  f.  Dazu  mag 
einen  besonderen  Anlass  gegeben  haben,  dass  man  es  nach  der  Canoni- 
sation  Heinrichs  IL  (1146)  anstössig  fand,  es  solle  das  ewige  Heil  eines 
'vir  sanctissimus'  von  einem  so  geringen  Uebergewicht  abgehangen  haben; 
in  den  Acta  1.  c.  S.  525  wird  daher  unsere  Legende  für  apokryph  erklärt : 
'non  solent  in  sanctos  referri',  heisst  es  dort  nach  Crantz,  'quorum  de  virtuti- 
bus  tarn  ambiguum  est  iudicium'.  Vgl.  die  Nutzanwendung'  in  Ann.  Pal. 
67,  19  f.  —  Es  scheint  nicht  bekannt  zu  sein,  dass  in  der  Vorhalle  der 
Kirche  S.  Lorenzo  fuori  zu  Rom  unter  anderen  Fresken,  die  sich  auf  die 
Thaten  des  Heiligen  beziehen,  unsere  Legende  von  Heinrich  H.  dargestellt 
ist.  Mein  Kollege  Ulmann  hat  mich  aus  der  Erinnerung  darauf  auf- 
merksam gemacht,  und  Kollege  Norden  hat  die  Freundlichkeit  gehabt, 
gelegentlich  seines  Aufenthalts  in  Rom  mir  eine  ausführliche  Beschreibung 
zu  geben.  Es  sind  vier  Bilder.  Das  erste  zeigt  den  Eremiten,  der  aus 
seiner  Zelle  schaut  und  mit  herausgestreckter  Rechten  drei  Teufel  weg- 
weist. Auf  dem  zweiten  Bilde  sieht  man  den  Todten  im  Purpurmantel 
auf  der  Bahre,  umstanden  von  trauernden  Männern ;  rechts  davon  deutet 
ein  Engel  mit  der  einen  Hand  gegen  die  Teufel  und  hält  in  der  anderen 
ein  Buch  mit  der  Aufschrift  'Opera  bona  que  fecit'.  Auf  dem  dritten  be- 
findet sich  in  der  Mitte  eine  Waage,  in  deren  einer  tiefgesunkenen  Schaale 
ein  Buch  mit  der  Aufschrift  'Opera  mala  que  fecit',  in  der  anderen  ein 
Buch  mit  der  Aufschrift  'Opera  bona  que  fecit';  einer  der  Teufel  sitzt  auf 
jener  Seite  der  Waage  und  drückt  die  Zunge  nieder,  während  von  rechts 
her  der  Engel  mit  einer  Lanze  nach  ihm  sticht ;  unter  der  Waage  kniet 
ein  mit  einem  Lendentuch  bekleideter  Mann.  Das  vierte  Bild  zeigt  die 
Teufel  in  lebhaftem  Kampf  mit  dem  Engel  um  die  Waage,  von  rechts 
her  tritt  der  Heilige  herzu  und  legt  einen  Kelch  in  die  tiefsinkende  Schaale 
mit  den  guten  Werken.  Eine  ziemlich  undeutliche  Skizze  der  Fresken 
findet  sich  in  der  Sammlung  von  Denkmälern  der  Architektur,  Skulptur 
und  Malerei  von  Seroux  d'Agincourt,  revidiert  von  A.  F.  Quast  1845, 
Abtheilung  3,  Tafel  99 ;  wie  aus  dem  Text  1.  c.  S.  111  ersichtlich,  ist  dem 
Autor  unsere  Legende  unbekannt  gewesen.  Die  Fresken  werden  gewöhn- 
lich ins  13.  Jahrh.  gesetzt.         1)  Ebd.  S.  364. 

Neues  Archiv   etc.     XX.  7 


98  Ernst  Bernlieirn. 

den  Gesta  Trevirorurn,  wo  Heinrich  ohne  weitere  Bemer- 
kung- mit  dem  Beinamen  'claudus'  bezeichnet  wird1;  die 
Sage  in  unserer  Quelle,  welche  die  Entstehung  des  Ge- 
brechens bei  der  Belagerung  von  Valenciennes  ausführlich 
berichtet,  ist  nicht  weiter  nachweisbar2. 

Die  nur  im  Ann.  Saxo  S.  660, 19  ff.  stehende  Erzählung 
von  der  Auffindung  der  Metalle  im  Harzer  Rammels- 
berg  und  der  damit  zusammenhängenden  Gründung 
Goslars,  wobei  Heinrich  IL  eine  Rolle  spielt,  giebt  sich 
ihrem  ganzen  Charakter  nach  als  eine  populäre  Sage 
und  ist  wahrscheinlich  unserer  Kaiserchronik  entnommen: 
ihre  sächsische  Lokalfärbung,  die  darin  hervortretende 
Antipathie  gegen  den  Franken,  der  mit  seinen  Genossen 
die  erste  Ausbeute  einheimst,  spricht  dafür;  allerdings 
wäre  es  die  einzige  Erzählung  der  Kaiserchronik,  die  der 
Ann.  Saxo  allein  aufgenommen  und  der  Pöhlder  Annalist 
verschmäht  hätte,  aber  wir  kennen  ausser  unserer  Quelle 
keine  andere,  die  dem  Ann.  Saxo  in  der  Epoche  derartige 
Sagen  böte.  —  Dieselbe  Geschichte  wird  in  späteren  Werken 
von  Heinrich  I.  erzählt 3,  und  es  könnte  dem  Ann.  Saxo 
gegenüber  zweifelhaft  sein,  ob  dies  nicht  die  ursprüng- 
lichere Fassung  einer  älteren  Quelle  sei,  aber  wenn  wir 
mit  Recht  annehmen,  dass  der  Ann.  Saxo  hier  aus  unserer 
Kaiserchronik  geschöpft  hat,  ist  die  Priorität  kaum  zweifel- 
haft. 

Die  Wahlgeschichte  Konrads  IL  (Ann.  Pal. 
S.  67,  30  ff.)  mit  ihrem  wirren  Durcheinander  von  that- 
sächlichen  Erinnerungen,  Anachronismen  und  anekdoten- 
haften Zuthaten  trägt  so  recht  den  typischen  Charakter 
sagenhafter  Ueberlieferung  an  sich.  Konrad  wird  als 
Herzog  von  Burgund  bezeichnet,  sein  Rivale,  der  jüngere 
Vetter  Konrad  von  Franken,  ist  zu  einem  Bruder  von  ihm 
und  zu  einem  Herzog  Heinrich  von  Baiern  geworden;  an 
Stelle    des    ziemlich    unbekannten  Kamba    ist  Mainz    zum 


1)  SS.  VIII,  171, 14.  2)  Wie  Herr  Dr.  Herre  mir  mittheilt,  ist 

liier  in  den  Ann.  Pal.  S.  66,  37  statt  'nummis'  zu  lesen  'nimis',  so  die 
Oxforder  Hs.  —  Die  vergebliche  Belagerung  von  Valenciennes  durch  den 
Kaiser  und  seine  Verbündeten,  den  König  von  Frankreich  und  den  Herzog 
von  der  Normandie,  an  die  unsere  Erzählung  angeknüpft  ist,  hat  auch 
sonst  den  Anknüpfungspunkt  für  sagenhafte  Traditionen  geboten,  s.  L.  A. 
Warnkönig,  Flandrische  Staats-  und  Rechtsgeschichte  1,  S.  117,  Note; 
S.  Hirsch,  Jahrb.  des  deutschen  Reichs  unter  Heinrich  IL,  Bd.  I.  S.  402, 
N.  3  u.  4.  3)  Vgl.  Gr.  Waitz,  Jahrb.  des  deutschen  Reichs  unter  König 
Heinrich  I.,  Excurs  15,  3.  Aufl.,  S.  238  f. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  ans  cl.  12.  Jahrh.      99 

Wahlort,  an  Stelle  von  Mainz  ist  Aachen  als  Krönungsort 1 
genannt ;  ein  Vasall  des  älteren  Konrad,  Werner,  spielt  eine 
sonst  unbekannte  Rolle  als  intriguanter  Anstifter  und  Be- 
förderer der'  Wahl,  die  wesentlich  durch  Bestechung  der 
Fürsten  unter  Vorgang  des  Erzbischofs  von  Mainz  bewirkt 
wird;  jenen  Rivalen,  seinen  Bruder,  zwingt  der  Gewählte 
nach  der  Eroberung  Regensburgs  zur  Unterwerfung  und 
macht  ihn  dann  versöhnt  zu  seinem  Conlateralis,  doch 
erbittert  über  ein  scharfes  Wort  des  Bischofs  von  Würz- 
burg, für  das  Heinrich  den  König  verantwortlich  macht, 
erneut  er  den  Aufstand,  wird  abermals  besiegt  und  flieht 
zum  Ungarnkönig  Stefan;  durch  ein  Gleichnis  Stefans 
beschämt,  kehrt  Heinrich  reuig  ins  Vaterland  zurück  und 
versöhnt  sich  mit  dem  königlichen  Bruder,  indem  er  Nürn- 
berg zur  Sühne  dem  Reiche  übergiebt;  den  Fürsten  ent- 
zieht König  Konrad  schliesslich  mit  Hinterlist  die  Lehen 
wieder,  durch  die  er  sie  für  seine  Wahl  gewonnen  hat, 
und  diese  —  so  endet  die  Erzählung  charakteristisch  für 
den  antifränkischen  Standpunkt  unseres  Autors  —  'regem 
usque  in  finem  tolerabant'. 

Dass  die  Erzählung  sagenhafte  Ueberlieferung  reprä- 
sentiert, ergiebt  sich  ohne  weiteres  aus  ihr  selbst.  Doch 
es  ist  aus  mehreren  Gründen  auf  eine  Erörterung  ihrer 
Einzelheiten  einzugehen. 

Schon  bei  den  entfernteren  Zeitgenossen  hat  die 
unerwartete  Wahl  Konrads  mit  den  sie  begleitenden  Neben- 
umständen anekdotenhafte  Motivierung  und  Ausschmückung 
veranlasst 2 ;  das  Interesse  daran  und  die  Kunde  davon  haben 
sich  auch  weiterhin  in  der  Tradition  erhalten  und  noch 
weitere  geradezu  sagenhafte  Ausgestaltung  hervorgerufen. 
Für  die  zutreffende  Beurtheilung  unserer  Erzählung  ist  es 
da  von  der  grössten  Bedeutung,  dass  bereits  Bonizo,  der 
Schützling  der  Grossgräfin  Mathilde,  in  seinem  um  1085 
verfassten  'Liber  ad  amicum'  die  wesentlichen  Grundzüge 
einer  entsprechend  sagenhaften  Tradition  wiedergiebt 3, 
indem  er  von  Konrad  sagt:   'Franciam  vero  tumultuantem 


1)  Denn  'Inthronisation'  ist  hier  ohne  Zweifel  im  allgemeinen  Sinne 
als  'Krönung1  zu  verstehen ;  im  engeren  Sinne  des  Wortes  ist  Konrad 
wirklich  zu  Aachen  inthronisiert,  wie  Wipo  Cap.  6  berichtet.  2)  Siehe 
H.  Bresslau,  Jahrbücher  des  deutschen  Reichs  unter  Konrad  II.,  Bd.  I, 
S.  343  ff.  Ob  die  sagenhafte  Notiz  der  Ann.  Spirenses,  SS.  XVII,  83, 19  ff., 
aus  dem  späteren  13.  Jahrh.  selbständiger  Tradition  oder  woher  sie  sonst. 
entnommen  sei,  ist  wegen  der  Unkontrollierbarkeit  der  Quellen  der  Ann. 
Spirenses  nicht  zu  sagen.  3)  Am  Anfang  von  Liber  V,  Libelli  de  lite 

I,  583,  25  ff. ;  Jaffe,  Bibliotheca  rer.  Germ.  II,  624. 


100  Ernst  Bernheim. 

citissime  sedavit:  Canonem  quendam  Bavariorum  ducem, 
aliquid  de  regni  fastigio  sibi  vendicantem ,  et  ducatu 
expulit  et  patrimonio  nudavit  et  in  Ungariam  fugere  coegit'. 
Schon  hier  ist  also  der  Rivale  Konrads,  während  er  mit 
einer  geringen  Entstellung  seinen  richtigen  Namen  noch 
trägt,  zu  einem  Herzog  von  Baiern  gestempelt,  der  besiegt 
zu  den  Ungarn  flieht.  Es  folgt  daraus,  dass,  wenn  wir 
Vermuthungen  darüber  anstellen  wollen,  wie  wohl  die 
Umwandelung  des  Rivalen  in  einen  Baiernherzog  in  unserer 
Erzählung  zu  erklären  sei,  wir  uns  zunächst  an  diese  ältere 
Tradition  bei  Bonizo  zu  halten  haben;  und  da  ist  denn 
keine  andere  als  die  einleuchtende  Erklärung  Jaffe's x  an- 
zunehmen, dass  Konfundierung  Konrads,  des  Gegners  unseres 
Konrad  II.,  mit  dem  gleichnamigen  Gegner  König  Hein- 
richs III.,  Herzog  Konrad  von  Baiern,  und  dessen  Ge- 
schichte vorliege.  Diesem  ersten  wesentlichen  Schritt 
sagenhafter  Entstellung  gegenüber  ist  die  Einsetzung  des 
Namens  Heinrich  statt  Konrad  für  den  Baiernherzog  eine 
sekundäre  Umbildung.  Wie  diese  zu  erklären,  ist  bei  der 
Unberechenbarkeit  der  Sagenbildungen  ohne  weitere  An- 
haltspunkte unmöglich  mit  einiger  Sicherheit  zu  sagen: 
es  kann  Erinnerung  an  diesen  oder  jenen  Kampf  der 
Baiernherzöge  dieses  Namens  mit  diesem  oder  jenem  Könige 
vorliegen,  es  mag  nur  der  für  einen  Baiernherzog  un- 
p-eläufigere  Name  Konrad  durch  den  vom  9. — 12.  Jahrh. 
geläufigsten,  vorherrschenden  Namen  derselben  verdrängt 
worden  sein  u.  s.  w.  Ebenso  wenig  lässt  sich  bestimmen, 
wieso  aus  dem  Vetter  ein  Bruder  gemacht  ist:  es  kann 
auf  Reminiscenz  an  den  Bruderkampf  Herzog  Heinrichs 
von  Baiern  mit  Otto  dem  Grossen  beruhen,  es  kann  ledig- 
lich eine  pragmatische  Zuspitzung  des  Konflikts  im  Interesse 
dramatischen  Eindruckes  sein. 

Eingehend  zu  erörtern  ist  die  auffallende  Angabe 
unserer  Erzählung,  König  Konrad  IL  sei  'von  Weiblingen', 
nach  dem  schwäbischen  Weiblingen,  genannt:  'Ipse  est 
Conradus  de  Weibelingen,  quod  est  praecipua  munitionum 
in  Suevia'.  Wie  verhält  es  sich  mit  dieser  Angabe? 
S.  Hirsch  hat  in  den  Jahrbüchern  des  deutschen  Reiches 
unter  Heinrich  IL  -  angenommen  —  nicht  auf  Grund 
unserer  Stelle,  die  er  nicht  berücksichtigt,  sondern  auf 
Grund  einer  Stelle  im  Chronicon  Laureshamense,  welches 
um  1167  verfasst  ist3  —   Konrad  sei  'von  Weiblingen'  nach 


1)  Ebd.  N.  4.  2)  Bd.  H,  S.  23.  3)  SS.  XXI,  406,  24  ff. : 

'Heinrico   divae  memoriae  imperatore  secundo  de  medio  facto,   deficiente 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  ans  d.  12.  Jahrh.      101 

dem  pfälzischen  Orte  genannt,  der  nordwestlich  von  Heidel- 
berg mitten  im  Kerngebiete  seines  Hauses  am  unteren 
Neckar  zwischen  Heidelberg  und  Mannheim  gelegen  ist ; 
und  andere  sind  dieser  Annahme  gefolgt.  Es  lässt  sich 
aber  zeigen,  dass  der  Autor  des  Chronicon  Laureshamense 
nicht  den  pfälzischen,  sondern  den  schwäbischen  Ort  ge- 
meint hat.  Erstens  lautet  jener  regelmässig  'Wiblingen', 
dieser  'Weiblingen' ;  und  der  Autor  des  Chron.  Lauresh. 
unterscheidet  ganz  korrekt  so  jenen  von  diesem  l;  zweitens 
berichtet  der  Autor  auf  Grund  einer  im  Wortlaut  von  ihm 
mitgetheilten  Urkunde,  dass  der  Eigenhof  des  Klosters, 
Wiblingen,  tauschweise  am  31.  Januar  1147  an  das  Reich 
abgetreten  sei,  und  dies  ist  eben  der  pfälzische  Ort,  der 
von  altersher  bis  dahin  im  Besitz  des  Klosters  Lorsch  war2: 
der  Autor,  der  dies  selber  mittheilt  und  weiss,  konnte  also 
nicht  diesen  Lorscher  Ort  meinen,  da  er  Konrad  'de  Weibe- 
lingen'  nannte.  Vielmehr  meint  der  Autor  übereinstimmend 
mit  unserer  Kaiserchronik,  dass  Konrad  IL  nach  dem 
schwäbischen  Weiblingen  genannt  werde.  Dies  Weiblingen 
ist  die  Burg  im  unteren  Remsthal,  nach  der  die  Staufer 
den  berühmten  Beinamen  führen 3.  Sollten  wirklich  die 
Salier  schon  darnach  genannt  worden  sein?  Liegt  hier 
nicht  eine  Verwechselung  mit  Konrad  III.  vor?  H.  Bresslau 
hat  das,  wie  nachher  näher  zu  erörtern,  als  wahrscheinlich 
angenommen.  Allerdings  scheint  diese  Annahme  durch 
die  oben  im  Theil  I.  bestimmte  Abfassungszeit  der  Kaiser- 
chronik an  und  für  sich  ausgeschlossen ;  aber  man  könnte 
ja    eben    von    diesem    Punkte    aus    jene    Zeitbestimmung 


regia  prole  quae  regno  succederet,  orta  est  inter  principes  nou  niodica 
contentio ;  qua  divinitus  sedata,  in  Cuonradum  regem,  quem  dicunt  de  Weibe- 
lingen,  convenit  regni  universalis  electio,  a  quo  ut  aiunt  processit  adhuc 
permanens   imperialis    prosapia'.  1)    Chr.  F.  Stalin,  Wirtembergische 

Gesch.  I,  S.  261,  N.  6;  II,  S.  248,  N.  2;  vgl.  Chron.  Lauresh.  SS.  XXI, 
406,  26  und  440,  2  und  7.  Dass  es  auch  einmal  inkorrekt  verwechselt 
wird,  ist  damit  natürlich  nicht  ausgeschlossen.  2)  S.  MC  1.  c.  390,  31 ; 
420,  9 ;  425,  23  u.  s.  w.  3)  Jetzt  Oberamtsstadt  in  Württemberg.     Es 

giebt  ausserdem  noch  einen  schwäbischen  Ort  des  Namens  unweit  Aalen 
in  "Württemberg,  der  jedoch  wegen  seiner  Unbekanntheit  im  früheren 
Mittelalter  nicht  in  Betracht  kommt.  Vielfach  konfundiert  mit  "Weiblingen 
wird  in  der  Litteratur  das  ebenfalls  schwäbische  "Wiblingen  unweit  der 
Mündung  der  Hier  in  die  Donau,  im  Oberamt  Laupheim,  so  bei  Bessel, 
Chron.  Gottwicense  II,  S.  520,  SS.  V,  109,  N.  39  nach  Ussermann,  vgl. 
auch  E.  Förstemann,  Altdeutsches  Namenbuch  II,  S.  1493  und  1509:  die 
seit  dem  9.  Jahrh.  vorkommende  königliche  Villa  "W.  ist  doch  wohl  ohne 
Zweifel  der  Ort  im  Remsthal,  der  dauernd  Königsgut  bleibt,  während 
Wiblingen  bei  Laupheim  uns  zuerst  im  11.  Jahrh.,  als  Eigengut  der  Grafen 
von  Kirchberg,  bekannt  wird. 


102  Ernst  Bernheim. 

anfechten,  und  zudem  ist  die  Frage  allgemein  interessant 
genug,  um  sie  unabhängig  von  unserer  Quelle  zu  unter- 
suchen. Wir  haben  es  nämlich  nicht  nur  mit  den  beiden 
bisher  genannten  Chronisten,  sondern  auch  mit  keinem  Ge- 
ringeren als  Otto  von  Freising  zu  thun.  Bekanntlich  sagt 
Otto  in  den  Gesta  Friderici  lib.  II,  cap.  2  :  'Duae  in  Romano 
orbe  apud  Galliae  Germaniaeve  fines  famosae  familiae 
hactenus  fuere,  una  Heinricorum  de  Gweibelinga,  alia 
Gwelforum  de  Altorf,  altera  iniperatores,  altera  magnos 
duces  producere  solita'.  Er  bezeichnet  also  nicht  erst  die 
Staufer,  sondern  schon  ihre  Vorfahren  auf  dem  Thron, 
die  Salier,  als  Weiblinger.  Man  hat  nun  meist  ange- 
nommen, Otto  übertrage  hier  nur  die  zu  seiner  Zeit  auf- 
gekommene Benennung  der  Staufer  auf  ihre  Vorfahren. 
Allein  dem  widerspricht  offenbar  die  Art  der  Bezeichnung 
gerade  im  Sinne  und  Zusammenhang  dieser  Stelle.  Otto 
stellt  hier  doch  die  Familien  als  solche  in  ihren  Schick- 
salen von  altersher  einander  gegenüber,  und  es  ist  daher 
angemessen,  dass  er  die  ursprünglich  familienmässigste 
Bezeichnung  derselben  wählt :  wie  er  den  Namen  Weif  als 
den  des  Stammvaters  und  des  vorherrschenden  Familien- 
namens auf  der  einen  Seite  anwendet,  so  hat  er  bei  der 
Bezeichnung  der  anderen  Familie  als  'Heinrici  de  Gweibe- 
linga' nicht  die  Könige  Heinrich  zunächst  im  Auge,  son- 
dern den  Stammvater  Heinrich,  den  Vater  des  ersten 
Kaisers,  Konrads  II.,  aus  diesem  Stamm 1,  und  den  in 
diesem  Geschlechte  fernerhin  vorherrschenden  Namen  über- 
haupt; und  wie  er  auf  der  einen  Seite  die  alte  Stamm- 
burg Altdorf2  angiebt,  so,  muss  man  zunächst  erwarten, 
wählt  er  auf  der  anderen  Seite  Weiblingen  als  eine  ent- 
sprechende Angabe,  und  es  wäre  wenig  angemessen,  wenn 
er  zur  ursprünglichen  und  gegensätzlichen  Bezeichnung 
der  Familie  einen  Beinamen  des  herrschenden  Staufer- 
geschlechts  verwendete,  welches  eben  aus  der  Vereinigung 
der  beiden  feindlichen  Häuser  hervorgegangen  ist,  wie  er 
selbst  so  bedeutungsvoll  betont.  Die  nächstliegende,  un- 
befangene Interpretation  der  Stelle  erfordert  somit  meines 
Erachten s  anzunehmen,  dass  Otto  die  Bezeichnung  'von 
Weiblingen'  als  eine  der  salischen  Familie  von  altersher 
zukommende  kennt  und  hier  angiebt.  Es  kommt  hinzu, 
dass  Weiblino-en    im  Remsthal    in   der  That  als  Besitz  der 


1)  S.  H.  Bresslau,    Jahrb.  des  deutschen  Reichs   unter  Konrad  II., 
Bd.  I,   8.  2  ff.  2)  S.  P.  F.  Stalin,  Geschichte  Württembergs    (in    der 

Geschichte  der  europ.  Staaten)  I,  S.  399  f. ;  S.  Riezler,  Geschichte  Baierns 
(ebenda)  I,  S.  508. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      103 

Salier  nachweisbar  ist x ;  von  ihnen  ist  es  erst  an  die 
Staufer  gekommen.  Der  alte  Stalin  hat  somit  meines 
Erachtens  Eecht,  wenn  er  sagt,  der  Name  Weiblinger  habe 
sich  von  den  Saliern  auf  die  Staufer  vererbt 2,  und  es  ist 
weder  bei  Otto  von  Freising  eine  anachronistische  Ueber- 
tragung,  noch  in  unserer  Kaiserchronik  und  im  Chron. 
Laureshamense  eine  Verwechselung  mit  Konrad  III.  an- 
zunehmen 3.  Weshalb  sich  die  Salier  gerade  nach  Waib- 
lingen in  Schwaben  genannt  haben  oder  darnach  benannt 
worden  sind,  während  doch  ihre  Hauptgüter  in  Rhein- 
franken  lagen,  lässt  sich  nicht  ausmachen,  aber  es  ist 
kein  vereinzeltes  Vorkommnis,  dass  ein  Geschlecht  nach 
einer  Burg  heisst,  die  ausserhalb  der  Hauptmasse  seiner 
Besitzungen  liegt,  sei  es  aus  persönlichen  oder  politischen 
Gründen,  und  es  kann  keinen  Anlass  zur  Anzweiflung 
solchen  Vorkommnisses  abgeben,  wenn  uns  diese  Gründe 
unzugänglich  sind. 

Das  Resultat  dieser  Untersuchung  ist  nicht  ohne 
allgemeines  Interesse ,  aber  für  das  Thema  dieser  Ab- 
handlung hat  es  noch  eine  spezielle  Bedeutung. 

H.  Bresslau  hat  nämlich  in  den  Jahrbüchern  des 
deutschen  Reiches  unter  Konrad  II.4  die  Ansicht  aus- 
gesprochen, es  seien  in  die  Wahlgeschichte  unserer  Kaiser- 
chronik, von  der  wir  handeln,  Züge  und  Momente  aus  der 
Geschichte  Konrads  III.  aufgenommen;  daraus  würde 
folgen,  dass  wir  die  Abfassungszeit  unserer  Quelle  be- 
trächtlich später  anzusetzen  hätten,  als  allgemein  ange- 
nommen wird  und  ich  im  ersten  Theil  dieser  Abhandlung 
neuerdings  zu  begründen  versucht  habe.  Für  eines  jener 
Momente  erachtet  Bresslau  die  Bezeichnung  'von  Weib- 
lingen' ;  dies  fällt  nun  nach  meiner  Untersuchung  fort. 
Aber  Bresslau  führt  noch  mehrere  andere  Momente  an, 
und  er  hat  die  Güte  gehabt,  mir  brieflich  seine  Ansichten 


1)  Chr.  Fr.  Stalin,  Wirtembergische  Geschichte  I,  S.  521;  II,  S.  248, 
N.  3.  2)  A.  a.  0.  S.  247.  3)  Es  könnte  Jemand  auf  den  Einfall 

kommen,  die  Stelle  'Ipse  est  Conradus  de  Weibelingen'  u.  s.  w.  für  eine 
spätere  Interpolation  in  der  Kaiserchronik  oder  für  einen  Zusatz  der  Ann. 
Pal.  zu  erklären.  Dem  möchte  ich  gleich  vorzubeugen  suchen.  Die  Be- 
zeichnung Conradus  de  W.  kommt  noch  einmal  in  den  Ann.  Pal.  für 
Konrad  II.  vor,  nämlich  MC  1.  c.  68,  46 ;  diese  Stelle  nebst  der  damit 
verbundenen  Nachricht  über  Heinrichs  III.  Regierungsantritt  ist  aber  nicht 
aus  Ekkehard  entlehnt,  wie  in  der  Edition  angegeben  ist,  sondern,  wie 
oben  S.  58  nachgewiesen,  aus  unserer  Kaiserchronik.  —  Uebrigens  mag 
noch  zu  erwähnen  sein,  dass  auch  Gotfrid  von  Viterbo  in  seinem  Pantheon 
SS.  XXII,  242,  28  Konrad  II.  nach  seiner  Villa  Guebelingua  benannt  sein 
lässt.         4)  I,  S.  350  f. 


104  Ernst  Bernheim. 

ausführlicher  zu  begründen.  Wir  müssen  auf  diese  ganze 
Frage,  die  für  die  Beurtheilung  unserer  Quelle  solche 
Tragweite  hat,  hier  eingehen.  Allerdings  ist  der  Gesichts- 
punkt, unter  dem  wir  die  Sache  zu  betrachten  haben,  von 
unserem  Thema  aus  ein  etwas  anderer  als  der  Bresslau's. 
Wir  haben  die  Frage  nicht  so  zu  formulieren:  'lassen  sich 
möglicherweise  Züge  aus  Konrads  III.  Zeit  in  der  Wahl- 
geschichte Konrads  II.  wiederfinden?',  sondern  so:  'finden 
sich  darin  Züge,  die  nicht  anders  als  aus  Konrads  III. 
Zeit  entlehnt  sein  können  ?'  Denn  wir  haben  allen  Anlass, 
an  der  im  ersten  Theil  aus  triftigen  Gründen  gewonnenen 
Bestimmung  der  Abfassungszeit  unserer  Quelle  so  lange 
festzuhalten,  als  nicht  zwingende  Gründe  dem  entgegen- 
stehen; pflegt  doch  im  allgemeinen  die  Erklärung  einzelner 
sagenhafter  Züge  aus  früheren  oder  späteren  Thatsachen 
ähnlicher  Art  so  unsicher  zu  sein,  dass  wir  bei  der  Zeit- 
bestimmung einer  Quelle  regelmässig  nicht  von  diesem 
Moment  ausgehen  werden,  sondern  dasselbe  erst  ins  Auge 
fassen,  wenn  wir  womöglich  auf  sichereren  Wegen  eine 
Zeitbestimmung  gewonnen  haben,  deren  Stichhaltigkeit  wir 
dann  allerdings  in  der  angegebenen  Weise  prüfen  müssen. 
Wie  steht  es  in  dieser  Hinsicht  mit  den  einzelnen  Be- 
standteilen der  Wahlgeschichte?  sind  solche  darunter, 
die  nothwendig  auf  eine  andere  als  die  von  uns  ange- 
nommene Zeit  der  Abfassung  unter  Lothar  schliessen  lassen? 
Dass  die  Bezeichnung  Konrads  II.  nach  dem  schwäbi- 
schen Weiblingen  nicht  auf  anachronistischer  Uebertragung 
aus  der  Stauferzeit  beruhe,  glaube  ich  eben  vorhin  l  nach- 
gewiesen zu  haben,  und  auch  falls  man  den  Nachweis 
nicht  für  völlig  überzeugend  halten  sollte,  muss  man  doch 
jedenfalls  zugeben,  dass  diese  Bezeichnung  schon  vor  der 
Stauferzeit  möglich  war;  und  somit  kann  dieselbe  uns 
an  unserer  Datierung  der  Quelle  nicht  irre  machen.  — 
Den  durch  die  Sage  umgewandelten  Namen  und  Titel  von 
Konrads  Rivalen  (Herzog  Heinrich  von  Baiern)  haben  wir 
auch  keinen  Anlass  mit  Hinblick  auf  das  analoge  Ver- 
hältnis zwischen  Konrad  III.  und  Herzog  Heinrich  dem 
Stolzen  zu  erklären,  da,  wie  wir  oben 2  sahen,  die  Ver- 
wandlung dieses  Rivalen  (des  jüngeren  Konrad  von  Franken) 
in  einen  Baiernherzog  schon  um  1085  in  der  sagenhaften 
Ueb erlief erung  vollzogen  ist  und  da  das  sekundäre  Moment, 
die  Ersetzung  des  Namens  Cono  oder  Konrad  durch  den 
Namen  Heinrich,    sehr   wohl    erklärt   werden  kann 3,    ohne 


1)  S.  100.         2)  S.  99.         3)  Wie  oben  S.  100  bemerkt. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  ans  d.  12.  Jahrh.      105 

eine  Erinnerung'  an  Heinrich  den  Stolzen  vorauszusetzen. 
—  Dass  in  unserer  Erzählung-  dieselben  drei  Orte  Regens- 
burg, Nürnberg,  Würzburg  bei  den  Kämpfen  zwischen 
dem  König  und  seinem  Gegner  eine  Rolle  spielen  wie  bei 
den  Kämpfen  zwischen  Konrad  III.  und  Heinrich  dem 
Stolzen,  kann  ich  nicht  auffallend  finden  oder  als  beweis- 
kräftig dafür  ansehen,  dass  eine  Uebertragung  aus  der 
letzteren  Zeit  erfolgt  wäre,  wie  Bresslau  meint.  Denn  dass 
die  Eroberung  der  baierischen  Hauptstadt  Regensburg  das 
Ende  einer  Rebellion  des  Baiernherzogs  bildet,  entspricht 
doch  nur  der  natürlichen  Pragmatik  aus  freier  Hand  und 
setzt  keineswegs  Anlehnung  an  die  Parteinahme  der 
Regensburger  für  Heinrich  den  Stolzen  und  deren  Unter- 
werfung durch  eine  angedrohte  Belagerung  voraus.  Nürn- 
berg ist  aber  nach  einer  allgemein  gebilligten  Vermuthung 
Bresslau's 1  wirklich  zur  Zeit  Konrads  II.  an  das  Reich 
gekommen,  und  es  kann  nicht  auffallend  erscheinen,  wenn 
das  in  der  Tradition  festgehalten  ist ;  dass  es  aus  der  Hand 
des  Baiernherzogs  gewonnen  wurde,  ergab  sich  in  der  Er- 
zählung von  selbst,  nachdem  einmal  der  Gegner  des  Königs 
zu  einem  Baiernherzog  gemacht  war  (was,  wie  erwähnt, 
schon  um  1085  geschehen),  und  es  hat  nichts  damit  zu 
thun,  dass  es  zufällig  hernach  wirklich  ein  Baiernherzog' 
war,  dem  ein  späterer  König,  Konrad  III.,  Nürnberg  ab- 
gewann. Es  bleibt  nur  die  dritte  Analogie:  Würzburg  ist 
in  unserer  Erzählung  der  Ort,  wo  durch  eine  Aeusserung 
des  dortigen  Bischofs  der  Zwiespalt  zwischen  König  und 
Herzog  von  neuem  angefacht  wird,  Würzburg  ist  in  der 
Zeit  Konrads  III.  der  Ort,  wo  dieser  die  Acht  über  Hein- 
rich den  Stolzen  ausspricht  —  eine  Analogie,  die  offenbar 
viel  zu  schwach  und  unbestimmt  ist,  um  uns  zur  Annahme 
zu  nöthigen,  es  liege  eine  Uebertragung  letzteren  Vor- 
ganges auf  ersteren  vor;  überdies  kommt  es  in  unserer 
Erzählung  viel  mehr  auf  die  Person  des  Bischofs  als  auf 
den  Ort  des  Ereignisses  an,  denn  letzterer  ist  mit  der 
Person  dadurch  gegeben,  dass  es  der  Sitz  des  Bischofs 
sein  muss,  wo  diesem  als  dem  Wirth  des  königlichen  Hofes 
die  Besichtigung  der  Arrangements  zusteht ;  weshalb  gerade 
ein  Bischof  von  Würzburg  diese  Rolle  spielt,  ist  uns  frei- 
lich unzugänglich,  es  mag  dieser  nur  ganz  willkürlich  aus 
der  Reihe  der  Reichsprälaten,  bei  denen  der  Hof  öfter 
einzukehren  pflegte,  herausgegriffen  sein.  —  Endlich  könnte 


1)  In  den  Jahrb.   des  deutschen  Reichs  unter  Konrad  II.,   Bd.  U, 
S.  357/358. 


106  Ernst  Bernheim. 

als  Rückübertragung  aus  staufischer  Zeit  erscheinen,  dass 
Konrad  II.  Herzog'  von  Burgund  genannt  wird,  da  wir 
wissen,  dass  dieser  Titel  erst  unter  Konrad  III.  offiziell 
vorkommt1:  Heyck  hat  nämlich  jüngst  nachgewiesen,  dass 
ein  burgundischer  Dukat  Rudolfs  von  Rh einf eklen  that- 
sächlich  nicht  bestanden  hat2,  und  dass  auch  die  Be- 
fugnisse, die  Lothar  III.  dem  Zähringer  Konrad  in  Bur- 
gund  übertrug,  nicht  den  Charakter  des  Dukats  gehabt 
haben.  Aber  derselbe  Forscher  hat  zugleich  nachgewiesen3, 
dass  man  mehrfach  im  Anfange  des  12.  Jahrhunderts  — 
also  gerade  zu  der  Zeit,  da  nach  unserer  Ansicht  die 
Kaiserchronik  verfasst  worden  ist  —  die  dereinstige  Stel- 
lung Rudolfs  und  die  dermalige  des  Zähringers  als  eine 
herzogliche  angesehen  hat ;  so  konnte  also  der  Autor  der 
Kaiserchronik  aus  der  Auffassung  seiner  Zeit  heraus  den 
fraglichen  Anachronismus  begehen,  und  wir  sind  deshalb 
nicht  veranlasst,  ihn  in  die  staufische  Zeit  zu  versetzen. 

Im  übrigen  finden  sich  in  unserer  Erzählung  eine 
Reihe  von  Momenten,  die  thatsächlich  der  beglaubigten 
Geschichte  entsprechen  ~° :  zunächst  die  ganze  Grundlage 
der  Erzählung,  die  Rivalität  zweier  Kandidaten  bei  Kon- 
rads II.  Wahl  und  die  durch  listiges  Verfahren  herbei- 
geführte Erhebung  dieses  Fürsten;  ferner  die  wichtige 
Rolle,  die  der  Erzbischof  von  Mainz  als  zuerst  für  Konrad 
gewonnener  Wähler  spielt;  auch  ist  thatsächlich,  dass 
Konrad  einen  Vasallen  Werner  hatte,  der  sein  Intimus 
war 6,  dass  Konrad  über  Burgund  herrschte  (wenngleich 
hierbei  ein  zweifacher  Anachronismus  unterläuft,  indem  er 
schon  vor  seinem  Regierungsantritt  als  Inhaber  Burgunds 
und  als  Herzog  des  Landes  bezeichnet  wird),  ferner  (wenn- 
gleich das  etwas  pragmatisch  zugespitzt  ist),  dass  der 
König  sich  vor  seiner  Erhebung  Cono,  seitdem  aber  Konrad 
nannte 7,  endlich  dass  Stefan  zur  Zeit  Konrads  in  Ungarn 
herrschte ,  und  dass  Nürnberg  damals  ans  Reich  ge- 
kommen ist  \ 

Es  ergeben  sich  somit  aus  der  Analyse  unserer  Wahl- 
geschichte durchaus  keine  Momente,  die  uns  nöthigen,  eine 
spätere  als  die  von  uns  angenommene  Abfassungszeit 
zuzugeben,    und    dieselbe    kennzeichnet  sich,    entsprechend 


1)  S.  Ed.  Heyck,    Geschichte    der   Herzoge  von  Zähringen   S.  291. 
2)  Ebd.  S.  581.  3)  Ebd.  S.  275.  4)  An  den  beiden  zuletzt  ange- 

führten Stellen.         5)  Vgl.  H.  Bresslau,  Jahrbücher  des  deutschen  Reichs 
unter  Konrad  II.,   Bd.  I,    S.  17  ff.  6)   Ebd.  S.  29,  N.  1.  7)    Ebd. 

S.  348.         8)  Ebd.  II,  S.  357/358,  vgl.  oben  S.  105. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  ans  d.  12.  Jahrh.      107 

dem  ersten  Eindruck,  als  eine  auf  historischen  Reminiscenzen 
beruhende,  sagenhaft  entstellte  Volks  traditio  n  mit  anti- 
fränkischer Tendenz. 

Die  Jugendge schichte  Papst  Gregors  VII.  und 
sein  Verhältnis  zum  Kaiserthum  (Ann.  Pal.  S.  69,  0  ff.  und 
Ann.  Saxo  S.  701,  68  und  S.  702,  1  ff.)  charakterisiert  sich 
recht  als  ein  Erinnerungs-  und  Stimmungsbild,  wie  es  sich  im 
sächsisch-klerikalen  Parteigeist  auf  dem  Hintergrund  des 
grossen  Volks-  und  Religionskrieges  gestaltet  und  stark 
versetzt  mit  sagen-,  ja  märchenhaften  Elementen  in  der 
Tradition  weitergebildet  hat.  Schon  als  Knaben  wird  dem 
Sohne  des  Zimmermanns,  Hildebrand,  die  künftige  Grösse 
seiner  päpstlichen  Weltherrschaft  offenbart,  schon  in  der 
Kindheit  Heinrichs  IV.  wird  dessen  Vater,  dem  Kaiser 
Heinrich  III.,  der  künftige  Sturz  des  Sohnes  durch  eine 
Traumvision  prophezeit,  und  die  dereinstige  Gegnerschaft 
zwischen  Gregor  und  Heinrich  IV.  kündigt  sich  bereits 
in  der  instinktiven  Abneigung  und  Bosheit  des  Knaben 
gegen  Hildebrand  am  Hofe  Heinrichs  III.  an.  Indem 
Heinrich  heranwachsend  immer  mehr  als  Inkarnation  teuf- 
lischer Bosheit  geschildert  wird,  wie  wir  gleich  hernach 
bemerken  werden,  wo  wir  von  den  Schandgeschichten  aus 
seinem  Privatleben  handeln,  tritt  ihm  Gregor  immer  mehr 
als  der  reine  Vertreter  von  Sittlichkeit  und  Tugend  ent- 
gegen, so  dass  wir  fast  den  Eindruck  eines  Kampfes 
zwischen  Christ  und  Antichrist  gewinnen *  und  sagen 
müssen,  die  Darstellung  sei  nur  wenige  Schritte  vor  der 
Erhebung  des  Historischen  ins  religiös  Epische  oder  Roman- 
hafte zurückgeblieben.  Dass  das  nicht  das  Werk,  die  Er- 
findung unseres  Kaiserchronisten  sei,  sondern  der  Nieder- 
schlag breiterer  Volkstraditionen,  glaube  ich 
zeigen  zu  können,  wenngleich  diese  sonst  in  entsprechen- 
den Spuren  nicht  nachweisbar  sind.  In  der  erwähnten 
Jugendgeschichte  Hildebrands  spielt  nämlich  Kaiser  Hein- 
rich III.  eine  recht  gehässige,  unedle  Rolle ;  mit  Hinblick 
darauf  hat  Steindorff  -  es  bereits  für  unwahrscheinlich  er- 
klärt, dass  der  Verfasser  unserer  Kaiserchronik  Erfinder 
der  Erzählung  sei,  denn  diese  athme  die  ganze  Ursprüng- 
lichkeit des  Parteihasses  gegen  die  Salier  aus  der  Zeit  des 
Investiturkampfes;    aber    es    lässt    sich    noch    ein    anderer 

1)  Es  ist  bemerkenswert!}  in  diesem  Sinne,  dass  Gregor  gleich 
Christus  zum  Sohne  eines  Zimmermanns  gemacht  wird,  und  dass  Heinrich 
andrerseits  (Ann.  Pal.  S.  70,  2  ff.)  ägyptische  Zauberkünste  zugeschrieben 
werden.  2)    Jahrbücher    des    deutschen   Reichs    unter   Heinrich  III., 

H,  S.  482  f. 


108  Erust  Bernheini. 

Grund  geltend  machen.  Bekanntlich  ist  Heinrich  III. 
wegen  seiner  ergebenen  Fürsorge  für  Kirche  und  Papst- 
thuni  im  ganzen  von  der  klerikalen  Partei  freundlich  be- 
urtheilt  und  literarisch  behandelt  worden;  so  erscheint  er 
auch  in  unserer  Kaiserchronik  kurz  vor  der  in  Rede  stehenden 
Erzählung  (Ann.  Pal.  S.  68,  59  ff.  und  Ann.  Saxo  S.  687,  36  ff.) 
als  der  berufene  Ordner  und  Retter  der  dreifach  gespaltenen 
Kirche ;  die  Rolle,  die  er  in  der  Erzählung  betr.  Hilde- 
brand spielt,  steht  damit  in  krassem  Widerspruch.  Es  lässt 
sich  schwerlich  annehmen,  dass  der  Verfasser  unserer 
Chronik  solche  Widersprüche  aus  eigener  Initiative  in  sein 
Werk  hineingebracht  haben  sollte,  man  muss  vielmehr 
schliessen,  dass  er  die  beiden  Geschichten  als  fertige 
Traditionen  vorfand  und  sie  —  das  liegt  ja  in  der  unselbst- 
ständigen  Art  mittelalterlicher  Schriftstellerei  —  ohne  Be- 
anstandung aufnahm. 

Die  Anekdote  von  der  Gewissenhaftigkeit  der 
Kaiserin  Agnes,  die  dem  Papst  ihr  Bedenken  äussert  'an 
liceat  insistere  psalmodie  forte  in  latrina'  und  mit  Hinweis 
auf  Hiob  bejahende  Antwort  erhält,  Ann.  Pal.  S.  71,  16  ff., 
beruht  auf  einer  Thatsache,  die  uns  Petrus  Damiani  in 
seinem  Opusculum  de  fluxa  mundi  gloria *  mittheilt.  Aber 
Petrus  Damiani,  nicht  der  Papst,  war  es,  an  den  die  An- 
frage gerichtet  ward,  und  Heinrichs  III.  Gattin,  nicht  die 
Heinrichs  IV.,  war  die  Fragende,  die  hier  fälschlich  Agnes 
genannt  und  mit  jener  confundiert  ist  —  deutliche  An- 
zeichen, dass  die  Thatsache  hier  aus  mündlicher  Tra- 
dition geschöpft  ist. 

Die  Schandgeschichten  aiis  Heinrichs  IV.  Privat- 
leben, die  in  Ann.  Pal.  S.  70,  2  ff.,  S.  71,  16  ff.,  und  aus  Ann. 
Pal.  in  der  Sächsischen  Weltchronik'2  SS.  XVI,  73,  4  ff.,  74, 
29  ff.  erzählt  werden,  können  wir  kurz  zusammenfassen. 
Jeder,  der  die  Literatur  des  Investiturstreites  kennt,  wird 
ohne  weiteres  als  Quellen  dieser  Geschichten  die  gehässigen 
Nachreden  und  Anekdoten  erkennen,  die  in  der  sächsischen 
Partei  umgingen  und  ihren  treuesten  literarischen  Ver- 
treter in  Bruno  gefunden  haben.  Dass  mündliche  Tradition 
die  Quelle  ist,  zeigt  sich  besonders  an  der  einen  dieser 
Geschichten,    die    ähnlich   bei  Bruno 3  berichtet  wird,  dem 


1)  Migne,  Patrologiae  cursus  compl.  latinus  tom.  145,  col.  814  med., 
cap.  5.  2)  Bekanntlich  ist  in  der  Edition  der  Ann.  Pal.  1.  c.  für  das 

fehlende  Blatt  der  Annalen  die  entsprechende  Partie  aus  der  Sächsischen 
Weltchronik  oder,  wie  sie  sonst  genannt  wurde,  dem  Chronicon  Lune- 
burgicum  eingefügt,  da  diese  hier  wesentlich  eine  Uebersetzung  der  Ann. 
Pal.  ist.         3)  De  bello  Saxonico  cap.  7. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  ans  d.  12.  Jahrh.      109 

Ekebrucksversuck  Heinricks  bei  seiner  eigenen  Gattin, 
sekr  ckarakteristisck :  der  bei  Bruno  anf  tkatsäcklick 
kistoriscken  Verhältnissen  begründete  Zweck  des  TTnter- 
nekmens,  nämlick  die  missliebige  Gemaklm  durck  einen 
flagrant  delit  los  zn  werden,  kat  sick  in  unserer  Kaiser- 
ckronik  zn  einem  aus  allgemeiner  Boskeit  kervorgekenden 
Attentat  auf  die  Keusckkeit  des  tugendkaften  Weibes  ver- 
flüchtigt, es  wird  die  Exkommunikation  Heinricks  damit 
in  causalen  Zusammen kang  gebrackt1.  und  die  Gemaklm 
wird  fälscklick  Agnes  genannt.  Bruno  selbst  sagt  in 
Cap.  9 :  'multa  et  magna  in  koc  genere  ejus  flagitia  sponte 
praetereo' ;  es  circulierten  also  nock  mancke  Anekdoten 
der  Art,  und  es  kann  uns  daker  nickt  befremden,  wenn 
wir  in  unserer  Kaiserckronik  nock  etlicke  der  Art  finden. 
Die  kinterlistige  Grausamkeit,  die  in  zaklreicken  Gesckickten 
bei  Bruno  als  ein  Ckarakterzug  Heinricks  ersckeint,  tritt 
auck  in  unserer  Quelle  auf,  aber  es  ist  sekr  bezeicknend 
für  ikre  Sagenkaftigkeit,  dass.  während  bei  Bruno  die 
Grausamkeiten  dock  einen  Sinn  und  Zweck  kaben 2,  diese 
kier  zum  Selbstzweck  einer  Boskeit  geworden  sind,  der  alles 
Tugendhafte  und  Edle,  sei  es  Mensck  oder  Tkier,  verkasst 
ist:  den  tapfersten  Ritter,  das  beste  Ross,  den  scknellsten 
und  stärksten  Hund  im  Lande  suckt  er  zu  verderben 3. 
Die  Sage  kat  kier  sckon  ikr  Werk  vollbrackt,  um  die  dem 
säcksiscken  Parteikass  verfallene  Persönlickkeit  König 
Heinricks  zu  dem  Typus  eines  unmenscklicken  Bösewickts 
auszugestalten.  Sekr  bemerkenswertk  ist  auck  bei  den 
zuletzt  erwähnten  Gesckickten.  dass  sckon  geradezu  mär- 
chenhafte Elemente  sick  einmiscken :  der  Kampf  des  (im- 
gewaffneten)  Ritters  mit  dem  Löwen4  —  vor  der  Tkür  des 
königlicken  Palastes !  — ,  das  dreifacke  Beispiel  von  Hein- 
ricks Boskeit. 

Die  Anekdote  von  dem  Skandal  während  der 
Pfingstfeier  zu  Goslar  ersckeint  in  dem  Zusammen- 
hange, in  welckem  sie  kier  (Säcksiscke  Weltckronik  [=  Ann. 
Pal.]  SS.  XVI,  73,  21  ff.)  auftritt  und  vermutklick  auck  in 
unserer  Kaiserckronik  erzäklt  war,  mitten  unter  den  Sckand- 
gesckickten  über  Heinrick,  ebenfalls  als  ein  Beleg  für  die 


1)  Vgl.  auch  Helmold  I,  28  in  SS.  XXI,  32, 15.  2)  S.  Bruno 

cap.  10.         3)  SS.  XVI,  73,  5  ff.  4)  Es  ist  das  eine  alte  Wandersage ; 

schon  Paulus  Diaconus  erzählt  (Historia  Langob.  II,  30,  SS.  rer.  Longob. 
S.  89,  21  f.)  von  solchem  sagenhaften  Löwenkampf,  dann  der  Verf.  der 
späteren  Vita  Amulfi  im  9.  Jahrh.  von  Pippin,  dem  Vater  Karls  des  Gr. 
(Acta  Sanctorum  Iuli  IV,  S.  442),  Ekkehard,  Casus  S.  Galli  cap.  3,  SS. 
II,  104,  11  ff.  vom  tapferen  Kurzbold. 


110  Ernst  Bernheim. 

teuflische  Signatur  von  Heinrichs  Regierung  und  Wartung. 
Die  Anekdote  knüpft  sich  an  eine  historische  Thatsache, 
die  unter  dem  Jahre  1063  von  Lambert  von  Hersfeld  und 
anderen  berichtet  wird  *,  nämlich  den  blutigen  Tumult,  der 
zwischen  den  Dienstmannen  von  Hildesheim  und  Fulda  zu 
Goslar  während  der  Pfingstfeier  über  den  Ehrensitz  des 
Abtes  von  Fulda  ausbrach.  Der  Anlass  des  Tumultes  wird 
in  unserer  Quelle  garnicht  erwähnt,  und  die  Zuthat,  die 
hier  als  Hauptsache  auftritt,  der  leibhaftige  Ruf  des  Teufels, 
giebt  sich  ohne  weiteres  als  sagenhaft  zu  erkennen.  Wir 
können  aber  auch  auf  quellenkritischem  Wege  zeigen,  dass 
wir  sagenhafte  Tradition  hier  vor  uns  haben,  welcher  jene 
historische  Reminiscenz  zu  Grunde  liegt,  nicht  etwa  eine 
Erfindung  unserer  Kaiserchronik.  Wir  sind  nämlich  in  der 
glücklichen  Lage,  die  ^Tradition,  aus  der  unsere  Quelle  ge- 
schöpft hat,  in  einer  gleichzeitigen  ausführlicheren  Version 
vor  uns  zu  haben  in  den  1119 — 1124  verfassten  Gesta  re- 
gum  Anglorum  des  Wilhelm  von  Malmesbury2.  Hier  ist 
der  Anlass  des  Streites  ausdrücklich  berichtet,  wenngleich 
mit  Abweichungen  von  den  Angaben  Lamberts,  die  deut- 
lich das  Gepräge  mündlich  entstellter  Tradition  zeigen. 
Nach  Lambert  beansprucht  der  Abt  von  Fulda  den  Ehren- 
sitz zunächst  nach  dem  Erzbischof  von  Mainz  und  stösst 
dadurch  mit  dem  Bischof  von  Hildesheim  zusammen  — 
dies  entspricht  den  thatsächlichen  Verhältnissen  durch- 
aus 3  — ,  bei  Wilhelm  verlangt  er  den  Sitz  zur  Rechten  des 
Kaisers  und  geräth  dadurch  mit  dem  Erzbischof  von  Mainz 
in  Konflikt;  ganz  nach  Art  mündlicher  Tradition  ist  hier 
der  Erzbischof,  der  in  dem  Ereignis  nebensächlich  vor- 
kommt, zu  einer  Hauptperson  gemacht  und  der  Hildes- 
heimer  ist  beseitigt.  Die  Ersetzung  des  Hildesheimers  durch 
den  Mainzer  hat  offenbar  auch  die  Verlegung  der  ganzen 
Scene  nach  Mainz  mit  sich  gebracht.  Endlich  wird  die 
Geschichte  nicht  von  Heinrich  IV.  erzählt,  sondern  von 
Heinrich  III. ,  und  zwar  unter  anderen  anekdotenhaften 
Zügen,  die  Wilhelm  von  diesem  als  Gatten  der  englischen 
Königstochter  beibringt,  natürlich  in  loyalem  Sinne,  daher 
muss  denn  auch  der  Ausgang  der  Geschichte  zu  einer  Ver- 
herrlichung des  Kaisers  führen,  der  das  böse  Omen  durch 
Geistesgegenwart,     Gottvertrauen    und    demüthige    Werk- 


1)  SS.  V,  163,  38  ff.,  vgl.  Gr.  Meyer  von  Knonau,  Jahrb.  d.  deutscheu 
Reichs  uuter  Heinrich  IV.  u.  V.,  Bd.  I,  S.  664  ff.  2)  SS.  X,  467,  35  ff, 
lib.  II,  cap.  192.  3)  S.  A.  Busson,  Fulda  und  die  goldene  Bulle,   in 

Mitth.  des  Inst.  f.  österr.  Geschichtsforsch.  1881,  Bd.  IL  S.  37  ff. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      111 

thätigkeit  abwendet.  Bei  Wilhelm  ist  somit  bereits  eine 
charakteristische  Uebertragung  der  Sage  hinsichtlich  der 
Personen,  der  Zeit  und  des  Ortes  eingetreten,  welche  un- 
sere dem  Entstehungsbereich  näher  stehende  Quelle  nicht 
hat 1.  Die  eigentliche  Pointe  der  Sage,  der  Ruf  des  Teufels, 
ist  aber,  wie  wir  aus  der  vollständigeren  Wiedergabe  der 
Tradition  bei  Wilhelm  sehen,  in  der  verkürzten  Fassung, 
die  wir  in  der  Sächsischen  Weltchronik  vor  uns  haben,  um 
den  besten  Theil  ihres  Sinnes  gekommen.  Denn  bei  Wil- 
helm erscheint  der  Ruf  des  Teufels  'hunc  diem  bellicosum 
ego  feci'  als  höhnendes  Responsum  auf  den  Vers  der  Se- 
quenz, der  eben  vom  Chor  gesungen  wurde  'hunc-  diem 
gloriosum  fecisti',  in  der  Sachsen chronik  ist  der  Ruf  allein, 
ohne  die  vorgängige  Beziehung  mitgetheilt.  Und  zwar  er- 
sehen wir  aus  der  Form  dieser  Mittheilung,  dass  auch  die 
Ann.  Pal.,  aus  denen  ja  die  Sachsenchronik  übersetzend 
schöpft,  nur  diese  verkürzte  Fassung  boten :  die  Worte  des 
Teufels  lauten  nämlich  in  der  Chronik  'disen  orlogesdach 
heb  ich  gemaket  selve',  das  ist  offenbar  die  Uebersetzung 
von  "hunc  diem  bellicosum  ego  feci  ,  aber  eine  unrichtige 
Uebersetzung  in  dem  Zusammenhang,  in  welchem  die  Worte 
mit  Bezug  auf  den  Vers  des  Chors  zu  fassen  sind,  denn 
dieser  verlangt  prädikative,  nicht  attributive  Bedeutung  des 
Adjektivs  bellicosum  ('ich  habe  diesen  Tag  zu  einem  dies 
bellicosus  gemacht'  muss  es  heissen) 2 ;  es  ist  kaum  anzu- 
nehmen, dass  der  Verfasser  der  Sachsenchronik  so  unrichtig 
übersetzt  haben  sollte,  wenn  er  jenen  Zusammhang  vor 
Augen  gehabt  hätte,  also  ist  zu  schliessen,  dass  er  bereits 
in  seiner  Vorlage,  den  Ann.  Pal.,  die  verkürzte  Fassung 
vorfand.  Die  ungeschickte  Verkürzung  ist  wohl  dem  Ver- 
fasser der  letzteren,  nicht  dem  unserer  Kaiserchronik  zuzu- 
schreiben. —  Busson  meint 3,  man  könne  einen  Hinweis  auf 
die  besondere  Rolle,  welche  die  Sage  dem  Teufel  bei  dem 


1)  Es  ist  nach  dem  hier  Dargelegten  meines  Erachtens  nicht  zu 
bezweifeln,  dass  "Wilhelms  Erzählung  auf  dem  Ereignisse  von  1063  beruht, 
nicht  etwa  auf  einer  zur  Zeit  Heinrichs  III.  wirklich  passierten  analogen 
Scene,  wenn  auch  (nach  1063)  wirklich  öfter  Streitigkeiten  über  den  Ehren- 
sitz des  Abtes  von  Fulda  vorgekommen  sind,  s.  Busson  1.  c.  Namentlich 
spricht  dagegen,  dass  der  Teufelsruf,  der  doch  nicht  bei  zwei  Gelegen- 
heiten ursprünglich  erzählt  worden  sein  kann,  viel  besser  in  die  böse  Zeit 
Heinrichs  IV.  passt  als  in  die  Zeit  und  zur  Person  Heinrichs  I1L,  wie 
gerade  der  künstliche  Schluss  der  Erzählung  bei  Wilhelm  es  zeigt ;  s.  auch 
G.  Meyer  von  Knonau,  Jahrb.  des  deutschen  Reichs  unter  Heinrich  IV. 
und  V.,  Bd.  I,  S.  667,  N.  13.  Zudem  vgl.  oben  unter  Heinrich  H.  S.  94  f. 
2)  Einer  meiner  Zuhörer,  Herr  Prager,  hat  mich  hierauf  aufmerksam  ge- 
macht.        3)  Ebd.  S.  36,  Note. 


112  Ernst  Bernheirn. 

Tumult  zu  Goslar  beimass,  bereits  in  den  Worten  finden, 
mit  denen  Erzbiscbof  Sigfrid  von  Mainz  in  einem  Brief  an 
den  Papst  vom  Sommer  1075  x  jenes  Ereignis  erwähnt:  'et 
instigante  diabolo  totum  profan atum  est  sanctuarium' ;  aber 
diese  Worte  lassen  auf  gar  nichts  Besonderes  schliessen, 
da  ja  nach  mittelalterlicher  Anschauung  jeder  gottlose, 
unmoralische  Zwist  und  Kampf  als  Werk  des  Teufels  gilt, 
und  diese  Anschauung  in  entsprechenden  Wendungen  ihren 
gewöhnlichen  Ausdruck  findet. 

Die  Erzählung  von  der  Schmähung  Heinrichs  IV. 
durch  den  'unsinnigen'  Hetelo  (aus  Ann.  Pal.  in  der  Sachs. 
Weltchronik  SS.  XVI,  74,  29  ff.)  entspricht  der  bei  Hel- 
mold  lib.  IA  cap.  33  2,  doch  mit  beträchtlichen  Abweichun- 
gen vorgetragenen.  Dass  Helmold  nicht  aus  den  Ann.  Pal. 
geschöpft  habe,  ist  von  Hirsekorn  in  seiner  Dissertation 
S.  33  ff.3  nachgewiesen;  auch  unsere  Kaiserchronik  hat  ihm 
nicht  vorgelegen;  er  giebt  vielmehr  als  Quelle  dieser  Ge- 
schichte mit  einem  'ut  aiunt'  ausdrücklich  mündliche  Tra- 
dition an.  Dass  diese  etwa  auf  unsere  Kaiserchronik  als 
ursprüngliche  Quelle  zurückzuführen,  die  Erzählung  von 
dem  Verfasser  derselben  erfunden  sei,  ist  nicht  anzuneh- 
men :  alle  charakteristischen  Details  sind  hier  anders  als 
bei  Helmold,  übereinstimmend  ist  nur  die  Situation,  der 
Vorgang  überhaupt  und  der  Kern  der  Schmährede,  der 
aus  einer  Anwendung  des  Prophetenwortes  besteht,  also 
leicht  im  Gedächtnis  festzuhalten  ist4.  Es  kommt  hinzu, 
dass  Helmold  auch  sonst 5  Züge  aus  der  Geschichte  Hein- 
richs IV.  mittheilt,  die  'auf  einen  der  Volksüberlieferung 
entnommenen  Sagenkreis  deuten' ,J,  die  sich  inhaltlich  mit 
Erzählungen  unserer  Quelle  berühren,  aber  doch  wieder 
wesentlich  davon  abweichen,  in  ähnlicher  Weise  und  zum 
Theil  noch  stärker,  als  es  bei  der  Geschichte  vom  Hetelo 
der  Fall  ist,  d.  h.  so,  wie  es  eben  bei  verschiedenen  selbst- 
ständigen Versionen  mündlicher  Tradition  vorzukom- 
men pflegt. 

Dahin  gehört  namentlich  die  Erzählung  vom  Herzog 
Heinrich  von  Lothringen  (aus  Ann.  Pal.  in  der 
Sächsischen  Weltchronik  SS.  XVI,  74,  43  ff.),  die  bei  Hel- 


1)  Jaffe,  Bibliotheca  rerum  Grermanicarum  V,  S.  99.       2)  SS.  XXI, 
36,  21  ff.  3)  C.  Hirsekorn,  Die  Slavenchronik  des  Presbyter  Helmold, 

Dissert.  Halle  1874,  speciell  S.  33,  N.  1;  s.  auch  H.  Herre,  Ilsenburger 
Annalen  als  Quelle  der  Pöhlder  Annalen,  Dissert.  Leipzig  1890,  S.  80, 
N.  6  mit  dem  dazu  gehörigen  Text.  4)  Vgl.  oben  S.  94  bei  der  Sage 

von  Kunigundens  Verläumdung.  5)  Lib.  I,  cap.  28 — 33.  6)  So  Hirse- 
korn 1.  c.  S.  33,  N.  3. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchroiiik  aus  d.  12.  Jahrh.      113 

mold  I,  33  so  völlig-  anders  gestaltet  ist,  dass  als  gemein- 
same Momente  nur  die  handelnden  Personen  und  das  gut- 
mütkige  Interesse  des  Herzogs  für  den  alten  Kaiser  ge- 
blieben sind. 

Zu  erwähnen  ist  hier  auch  die  Angabe  des  Bei- 
namens Knoblauch  als  Bezeichnung  des  Gegenkönigs 
Hermann,  den  Ann.  Pal.  S.  70,  55  und  Helmold  I,  30  1  an- 
führen, erstere  mit  der  Begründung,  Hermann  sei  so  ge- 
nannt, weil  er  zu  Eisleben  gewählt  worden  und  dort  viel 
Knoblauch  wachse.  Dass  diese  Erklärung  auf  unzutreffender 
Volksetymologie  beruht,  ist  wohl  nicht  zu  verkennen :  der 
Beiname  kommt  auch  sonst  noch  vor2;  ihn  mit  einiger 
Sicherheit  zu  erklären,  wird  schwer  sein 3.  Aber  wir  haben 
keinen  Grund  zu  bezweifeln,  dass  dieses  Cognomen  eine 
volksthümliche  Bezeichnung  des  Gegenkönigs  war,  die  sich 
in  der  Tradition  erhalten  hat.  Und  gerade  der  unwahr- 
scheinliche Erklärungsversuch  macht  es  sehr  wahrschein- 
lich, dass  auch  die  Angabe  betr.  einer  Wahl  zu  Eisleben 
auf  echter  Tradition  beruht,  weil  jener  Versuch  kaum  be- 
greiflich wäre,  wenn  nicht  Eisleben  in  der  Geschichte 
Hermanns  wirklich   irgend   eine  Rolle   gespielt   hätte4;    es 


1)  SS.  XXI,  33,  37.  2)  S.  Ed.  Heyck,  Geschichte  der  Herzoge 

von  Zähringen  S.  373,  N.  1137,  wo  aber  verdruckt  ist  SS.  XVII  statt 
SS.  XXV,  241,  23.  3)  Heyck   1.  c.    meint,    er   bedeute   entsprechend 

dem  heutzutage  am  Rheine  volksthümlichen  'Kümmelspalter'  im  Sinne 
eines  kleinlichen  Menschen   etwa  'Lauchspalter'.  4)  Das  hebt  meines 

Erachtens  zutreffend  hervor  H.  Grössler  in  seinem  Aufsatz  'Hermann  von 
Luxemburg,  der  Knoblauchskönig'  (Mansfelder  Blätter  1891,  Jahrgang  5, 
S.  123  ff.).  Aus  diesem  Grunde  scheint  mir  die  Nachricht  von  der  Wahl 
zu  Eisleben  doch  Beachtung  zu  erheischen,  obwohl  sie  sonst  keine  Be- 
glaubigung hat  ('s.  Hugo  Müller,  Hermann  von  Luxemburg,  Gegenkönig 
Heinrichs  IV,  Dissert.  Halle  1S88,  S.  9),  denn  auch  die  Eislebische  Orts- 
überlieferung, die  Hermann  mit  Eisleben  in  Verbindung  bringt,  kann  an 
und  für  sich  nicht  als  Beglaubigung  gelten,  wie  Grössler  1.  c.  will,  da 
die  ersten  nachweisbaren  Spuren  derselben  sich  erst  im  15.  Jahrh.  finden 
und  da  man  weiss,  wie  häufig  solche  Lokaltraditionen  nicht  echte,  origi- 
nale Ueberlieferung  repräsentieren,  sondern  erst  aus  der  Litteratur  entnom- 
men und  dann  sekundär  weitergebildet  sind.  Lassen  wir  die  Nachricht  von 
der  Wahl  zu  Eisleben  gelten,  so  würde  es  sich  natürlich  nur  um  eine 
speciell  sächsische  Nach-  oder  Ergänzungswahl  handeln,  da  als  ursprüng- 
licher Wahlort  Hermanns  bekanntlich  Ochsenfurt,  als  Krönungsort  Goslar 
feststeht;  die  verfassungsmässige  Zulässigkeit,  ja  Herkömmlichkeit  einer 
Ergänzungswahl  von  Seiten  nicht  an  der  Hauptwahl  betheilioter  Fürsten, 
ohne  dass  dadurch  die  Vollgültigkeit  der  letzteren  beeinträchtigt  wird,  ist 
von  K.  Rodenberg  in  der  Abhandlung  Ueber  wiederholte  deutsche  Königs- 
wahlen (in  den  Untersuchungen  zur  deutschen  Staats-  und  Rechtsgesch. 
herausgeg.  von  Gierke  1889,  Heft  28,  S.  48  ff.)  nachgewiesen  worden,  und 
es  hat  eine  solche  Ergänzungswahl  unter  den  Verhältnissen,  die  bei  Her- 
manns Erhebung  in  Betracht  kommen,  viel  innere  Wahrscheinlichkeit  für 

Neues  Archiv  etc.     XX.  3 


114  Ernst  Bernheini. 

würde  sich  dann  um  eine  sogenannte  Ergänzungswahl  han- 
deln, wie  ich  in  der  Anmerkung  ausführe. 

Die  Abendmahlsscene  zwischen  Heinrich  IV.  und 
Gregor  VII.,  die  in  Ann.  Pal.  S.  72,  1  ff.  erzählt  wird, 
scheint  auf  den  ersten  Blick  nicht  ohne  historische  Be- 
glaubigung zu  sein.  Bekanntlich  wird  von  Zeitgenossen 
ähnliches  berichtet:  bei  Berthold -Bernold  heisst  es  \  König 
Heinrich  habe  bei  seiner  Absolution  in  Canossa  die  ihm 
von  Gregor  dargereichte  Hostie  aus  freien  Stücken  abge- 
lehnt, was  dem  Papste  Anlass  zu  Verdacht  gegen  die  Auf- 
richtigkeit seiner  Gesinnung  gegeben  habe;  Lambert  erzählt 
sehr  ausführlich 2,  dass  Gregor  die  gemeinsame  Begehung 
des  Abendmahls  zu  einem  Gottesgericht  für  sich  und  für 
König  Heinrich  habe  gestalten  wollen,  dass  aber  König 
Heinrich  im  Bewusstsein  seiner  Sündhaftigkeit  den  Genuss 
der  Hostie  unter  einem  Vorwand  ablehnt.  Die  histo- 
rische Thatsächlichkeit  dieses  Vorganges  ist  von  neueren 
Forschern  mit  guten  Gründen  bestritten  worden 3,  andere 
haben  sich  wenigstens  zweifelnd  geäussert4,  mir  scheint 
kein  Zweifel,  dass  die  Ablehnung  der  Hostie  thatsächlich 
nicht  stattgefunden  hat,  weder  in  der  Weise  wie  Lambert 


sich,  wie  Grössler  1.  c.  gegen  Müller  1.  c.  ausführt.  —  Die  vorhin  er- 
wähnte erste  Spur  Eislebischer  Lokaltradition  über  Hermann  findet  sich 
in  dem  aus  der  ersten  Hälfte  des  15.  Jahrh.  stammenden  Werder-  und 
Achtbuche  der  Stadt  Eisleben,  herausgeg.  von  H.  Grössler  in  der  wissen- 
schaftlichen Beilage  zum  Programm  des  königl.  Gymnasiums  zu  Eisleben 
1890,  S.  55.  Hier  wird  der  als  sächsisch  bezeichnete  Brauch,  am  Panta- 
leonstage  als  am  angeblichen  Todestag  Hermanns  Knoblauch  und  Speck 
zu  essen,  mit  der  Erinnerung  an  'Hermannus  Knobelouch  de  Issleben  rex 
Saxonum'  erklärt.  Es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  hierin  eine  selbständige 
Lokaltradition  vorliegt :  die  Notiz  der  Pöhlder  Annalen  ist  durch  die 
Sächsische  Weltchronik  (Deutsche  Chroniken  II,  S.  178,  29  f.)  in  die  all- 
gemein verbreiteten  Geschichtswerke  Sachsens  übergegangen,  und  es  ist 
daher  nicht  auffallend,  wenn  man  daraus  auch  in  Eisleben  Kenntnis 
schöpfte;  der  Todestag  Hermanns  dagegen  ist  nicht  allgemein  bekannt 
geworden,  und  es  liegt  näher  anzunehmen,  dass  man  der  erwähnten  Er- 
klärung des  Eestessens  am  Pantaleonstage  zu  Liebe  diesen  Tag  willkürlich  als 
einen  Erinnerungstag  des  Knoblauchskönigs  improvisiert,  denn  dass  man  in 
Eisleben  eine  alte  originale  Ueberlieferung  dieses  Datums  besessen  und  fest- 
gehalten habe,  schon  deshalb,  weil  derartige  Speisebräuche  meist  auf  viel 
breiterer,  älterer  Grundlage  allgemeiner  Volkssitte  beruhen.  —  Ob  Eis- 
leben sich  dereinst  wirklich  durch  reichliches  Vorkommen  von  Knoblauch 
ausgezeichnet  habe,  lässt  sich  nicht  konstatieren ;  gegenwärtig  ist  es  nicht 
der  Fall,  wie  mir  Herr  Oberlehrer  Dr.  Leers  freundlichst  mittheilt. 
1)  SS.  V,  290,  II  ff.  2)  MG.  1.  c.  259,  38  ff.,  Oktavausgabe  S.  259  ff., 

2.  Ausgabe  S.  295  ff.  3)  S.  besonders   R.  Goldschmit,    Die    Tage   von 

Tribur  und  Kanossa,  Diss.  Strassburg  1873,  S.  42  ff. ;  W.  Martens,  Hein- 
rich IV.  und  Gregor  VII.  1887,  S.  42  ff . ;  0.-  Holder-  Egger,  N.  Archiv 
XIX,  557  ff.  4)  S.  W.  von  Giesebrecht,  Gesch.  der  deutschen  Kaiser- 
zeit III5,  S.  1148. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      115 

noch  wie  Berthold  berichtet.  Die  italienischen  Zeitgenossen, 
die  in  nächsten  Beziehungen  zu  Canossa  stehen  und  auch 
entschiedene  Gegner  des  Königs  sind,  Bonizo  x  und  Donizo  - 
wissen  nichts  davon,  ersterer  erwähnt  nur,  dass  der  Papst 
Heinrich  das  Abendmahl  mit  der  warnenden  Erinnerung 
gespendet  habe,  dasselbe  solle  ihm  zum  Heil  gereichen, 
wenn  sein  Gesinnungswandel  aufrichtig  sei,  sonst  solle  der 
Teufel  in  ihn  fahren3,  eine  Erinnerung,  die  beiläufig  einen 
ganz  anderen  Sinn  und  Charakter  hat  als  jenes  dem  Könige 
angesonnene  Gottesurtheil  bei  Lambert,  durch  das  er  sich 
von  den  ihm  zur  Last  gelegten  Vergehen  reinigen  soll. 
Auch  alle  übrigen  Zeitgenossen  melden  nichts  von  einer 
Ablehnung  des  Abendmahls,  und  darunter  sind  einige,  bei 
denen  das  Argumentum  ex  silentio  eine  entscheidende  Be- 
deutung hat.  Bruno  meldet  nichts  davon,  die  Sachsen  in 
ihren  von  Bruno  überlieferten  Briefen  an  den  Papst  nichts, 
und  endlich  vor  allen  Gregor  selber  nichts  in  seinen 
Aeusserungen  bis  1080  und  in  der  ausführlichen  Begründung 
seines  zweiten  Bannspruches  gegen  Heinrich  auf  der  Synode 
im  Jahre  1080,  worin  er  die  Vorgänge  von  1077  rekapitu- 
liert, alles  dies  Zeugen,  die  nicht  nur  von  dem  Ereignisse 
unterrichtet  sein  konnten,  z.  Th.  sein  mussten,  sondern  die 
auch  den  allerdringendsten  Anlass  hatten,  von  demselben 
zu  reden,  wenn  es  vorgefallen  wäre.  Denn  wir  wissen,  in 
welcher  Verlegenheit  der  Papst  in  Folge  der  Absolvierung 
des  Königs  zu  Canossa  war,  seinen  Anhängern  in  Deutsch- 
land klar  zu  machen,  dass  er  sich  dadurch  des  Urtheils 
über  die  Zulässigkeit  Heinrichs  zum  Thron  nicht  begeben 
habe,  und  wie  er  nachträglich  deshalb  die  höchst  bedenk- 
liche und  anfechtbare  Theorie  aufstellte,  die  Begierungs- 
fähigkeit und  -Berechtigung  sei  Heinrich  noch  nicht  durch 
die  Absolution  wiedergegeben  worden ;  wir  wissen,  wie  die 
Sachsen  in  ihrem  angstvollen  Bestreben,  Gregor  bei  der 
Sache  ihres  Gegenkönigs  festzuhalten,  diese  Theorie  dem 
Papste  annehmbar  zu  machen  suchten  —  wie  höchst  will- 
kommen wäre  es  beiden  gewesen,  wenn  sie,  anstatt  solche 
zweifelhafte  Theorie  aufzubringen,  sich  darauf  hätten  be- 
rufen können,  dass  Heinrichs  Absolution  in  Canossa  \u\- 
vollständig  gewesen,  dass  er  durch  Ablehnung  der  Com- 
munion  seine  Schuld    entweder  bestätigt4  oder  wenigstens 


1)  Bibliotheca  rerum  German.   ed.  Jaffe  II,  672.  2)  SS.  XII, 

382,  Vers  114.  3)  In  den  Worten  Bruno's  'multum  monitus  ne  Deo 

mentiatur1  kann  man  ähnliches  angedeutet  finden,   aber  auch  nicht  mehr. 
4)  So  nach  Lamberts  Erzählung. 

8* 


116  Ernst  Bernheim. 

nicht  beseitigt x  habe.  Diejenigen  also,  welche  das  drin- 
gendste Interesse  hatten,  die  Ablehnung  zu  erwähnen,  aber 
freilich  nur,  wenn  es  eine  unleugbare  Thatsache  war, 
schweigen  davon.  Etwas  weniger,  aber  immerhin  auch 
noch  bedeutendes  Gewicht  hat  das  Argumentum  ex  silentio 
bei  einem  anderen  Zeitgenossen,  und  zwar  einem,  der  auf 
königlicher  Seite  steht,  dem  Verfasser  der  Streitschrift  De 
unitate  ecclesiae  conservanda 2.  Dieser,  bekanntlich  ein 
Hersfelder  Mönch,  erzählt  im  Buch  I,  Cap.  6  Heinrichs 
Absolution  durch  Ertheilung  des  Abendmahls,  um  daran 
schwere  Vorwürfe  gegen  den  Papst  zu  knüpfen,  weil  dieser 
den  Feinden  des  Königs  nachher  geschrieben  habe,  sie 
sollten  sich  nicht  beunruhigen,  er  werde  denselben  noch 
in  grössere  Schuld  als  vorher  zu  bringen  wissen.  Diesem 
Autor  kam  es  ganz  darauf  an,  Gregor  bei  dieser  Gelegen- 
heit ins  Unrecht  zu  setzen  —  wenn  er  von  dem  Ansinnen 
jenes  Gottesgerichtes  gewusst  bezw.  dasselbe  für  wahr  und 
glaubhaft  gehalten  hätte,  würde  er  von  seinem  antipäpst- 
lichen Standpunkt  aus  dem  Papste  deswegen  viel  wirk- 
samere Vorwürfe  unpriesterlichen,  ja  unkanonischen  Ver- 
haltens haben  machen  können  als  wegen  jener  brieflichen 
Aeusserung,  die  zudem  mindestens  eine  tendenziös  zuge- 
spitzte oder  entstellte  Wiedergabe  von  Gregors  Versiche- 
rungen an  die  deutschen  Fürsten 3  ist.  Allerdings  würde 
sich  dieses  Argument  nur  gegen  die  Wahrheit  des  von 
Lambert  erzählten  Gottesgerichts,  nicht  gegen  die  von 
Berthold's  Bericht  kehren,  und  wir  können  ausserdem  nicht 
sicher  behaupten,  der  Libellist  müsse  die  Thatsache  (aus 
Lambert  oder  sonst)  gewusst  haben,  wie  wir  das  von  Gre- 
gor, der  Hauptperson  bei  der  Scene  selbst,  und  von  den  in 
beständigem  Verkehr  mit  Gregor  stehenden  Sachsenführern 
behaupten  können.  Das  Schweigen  dieser  muss  unter  den 
vorhin  erwähnten  Umständen  als  durchschlagend  gelten. 
Es  kommt  noch  hinzu,  dass  die  innere  Unwahrscheinlich- 
keit  des  Vorganges  sehr  gross  ist,  wie  von  den  oben  ge- 
nannten Forschern  verschiedentlich  ausgeführt  ist.  Alle 
direkten  und  indirekten  Zeugnisse  stehen  somit  gegen  die 
Angaben  zweier  parteiischer  Zeitgenossen,  die  von  einander 
ganz  wesentlich  abweichen;  wir  können  kein  Bedenken 
tragen,  diese  zu  verwerfen.  Es  ist  der  Niederschlag  von 
Parteifabeln,    die   sich   hier   und   da   an   die  Vorgänge   zu 


1)  So  nach  Bertholds  Bericht.  2)  Libelli  de  Ute  II,  191,  Oktav- 
ausgabe S.  12.  3)  Registrum  Gregorü  IV,  12  bei  Jaffe,  Bibliotheca  rer. 
Germ.  II,  258. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      117 

Canossa  angeknüpft  haben.  Die  Entstehung-  derselben  lässt 
sich  wohl  begreifen.  In  den  Kreisen,  die  an  die  einge- 
fleischte Sündhaftigkeit  König  Heinrichs  glaubten,  und 
auch  in  ihrem  Parteiinteresse  gar  nicht  umhin  konnten, 
seine  Busse  zu  Canossa  für  erheuchelt  zu  halten,  musste 
es  undenkbar  erscheinen,  dass  der  Empfang  des  Abend- 
mahls in  der  feierlichsten  Form,  aus  der  Hand  des  Stell- 
vertreters Christi  selbst,  ihm  nicht  zum  Unsegen  gereichen 
sollte.  Es  widerspricht  dem  thatsächlichen  Hergange 
nicht,  wenn  wir  annehmen,  dass  Gregor  an  die  Darreichung 
der  Hostie  eine  homiletische  Erinnerung  in  dem  Sinne  ge- 
knüpft habe,  wie  Bruno  es  andeutet,  Bonizo  mit  starker 
Zuspitzung  behauptet;  aber  jedenfalls  ersehen  wir  aus  den 
Worten  bei  Bonizo,  wie  lebhaft  dieser  es  empfand,  dass 
der  König  nach  seiner  Ansicht  mit  unreinem  und  heuchleri- 
schem Herzen  die  Hostie  genommen  habe.  Da  eine  ekla- 
tante Katastrophe  den  König  nicht  traf,  mussten  Leute 
wie  Bonizo  den  Fluch  des  entweihten  Sakraments  in  dem 
ganzen  weiteren  Verlauf  von  Heinrichs  dornenreichem 
Leben  sehen;  extremere  und  dem  Ereignisse  ferner 
stehende  Gegner  konnten  sich  nicht  denken,  dass  den 
Gottlosen  nicht  unmittelbare  Vernichtung  getroffen  haben 
sollte,  wenn  er  die  heilige  Hostie  genommen,  sie  konnten 
sich  nur  denken,  dass  er  angesichts  der  Schrecken  der 
Verdammnis  bei  seinem  sündigen  Gewissen  die  Hostie  nicht 
genommen  habe.  Dieser  pragmatische  Gedanke  fand  nun 
verschiedene  sagenhafte  Gestaltung.  Von  den  erwähnten 
Aeusserungen  Bonizo's,  der  den  Gedanken  ohne  eine 
Lösung  der  darin  liegenden  Frage  scharf  herausstellt,  bis 
zu  dem  Bericht  Bertholds  und  der  Erzählung  Lamberts 
sehen  wir  die  stufenweis  fortschreitende  Entwicklung  der 
Sage  vor  uns,  nicht  in  chronologischer  Folge,  die  hier 
wenig  in  Betracht  kommt,  da  wir  es  mit  lauter  nahen 
Zeitgenossen  zu  thun  haben,  sondern  in  räumlicher  Folge, 
so  dass  der  räumlich  entfernteste  dem  Gedanken  die 
freieste  Ausgestaltung  giebt.  In  dieser  Form  hat  die  Sage 
sich  in  sächsischer  Tradition  erhalten,  wie  so  manche  an- 
dere Fabel  über  Heinrich  IV.  Aus  dieser  hat  der  Ver- 
fasser unserer  Kaiserchronik  sie  geschöpft.  Vergleichen 
wir  nämlich  die  Erzählung  mit  der  ihr  im  ganzen  ähn- 
lichen bei  Lambert,  so  bemerken  wir  doch  in  Form  und 
Inhalt  so  bedeutende  Abweichung,  dass  irgend  ein  littera- 
rischer Zusammenhang  mit  Lambert  ausgeschlossen  er- 
scheint. Wir  erkennen  vielmehr  die  charakteristische  Art, 
wie    sich    im  Laufe   von   ein  bis  zwei  Generationen    münd- 


118  Ernst  Bernheim. 

liehe  Tradition  noch  mehr  ins  Sagenhafte  verirrt  hat:  die 
Geschichte  hat  bereits  ihren  ursprünglichen  historischen 
Ort  verlassen,  sie  wird  gelegentlich  eines  zeitlich  unbe- 
stimmten Aufenthalts  König  Heinrichs  in  Italien  erzählt, 
und  zwar  vor  der  ebenfalls  zeitlich  und  örtlich  unbestimm- 
ten Busse,  die  der  zu  Canossa  entspricht l.  Somit  ist  diese 
Erzählung  in  unserer  Chronik  eine  bereits  sagenhaft  ge- 
wordene Parteifabel  derselben  Provenienz,  wie  die 
Schandg"eschichten  aus  Heinrichs  Privatleben. 


3.    Resultate. 

Bei  den  vorhergehenden  Untersuchungen  haben  sich 
nirgends  Spuren  der  Benutzung  exakt  historischer  Quellen 
seitens  unseres  Autors  ergeben ;  solche  lassen  sich  auch  im 
übrigen  in  der  Kaiserchronik  nicht  nachweisen 2  und  er- 
scheinen bei  dem  sagenhaft  unbestimmten  Charakter  der 
Erzählung  von  selbst  ausgeschlossen.  Es  könnte  befremden, 
dass.  wenn  doch  Gandersheim  der  Entstehungsort  der 
Chronik  sein  soll,  nicht  die  Werke  der  Roswitha,  wenig- 
stens die  Gesta  Oddonis,  benutzt  sind;  allein  auch  der  bei 
weitem  gelehrtere  Eberhard  von  Gandersheim  hat  das  in 
seiner  Reimchronik  nicht  gethan  \  und  ebenso  wenig  wie 
bei  ihm  können  wir  zu  wissen  verlangen,  weshalb  unserem 
Autor  jene  und  überhaupt  andere  Geschichtswerke  nicht 
zugänglich  waren  oder  weshalb  er  solche  nicht  heran- 
gezogen. Hat  doch  auch  der  keineswegs  ungebildete  Ver- 
fasser der  bairischen  gereimten  Kaiserchronik  von  schrift- 
lichen Quellen  nur  äusserst  dürftigen  Gebrauch  gemacht4. 
Aber  ausgedacht  hat  sich  unser  Autor  seine  Kaiser- 
geschichte ebenso  wenig  wie  jener.  Seine  Erzählungen 
weichen  freilich  meist  stark  von  dem  beglaubigten  Her- 
gang der  Begebenheiten  ab,  lehnen  sich  dabei  aber  doch 
so  an  die  wirklichen  Hergänge  an,    wie  es  nur  auf  Grund 


1)  Der  Pöhkler  Annalist  hat  die  Geschichte,  in  der  Verlegenheit 
den  gänzlich  unannalistisch  erzählten  Stoff  der  Kaiserchronik  in  sein  Werk 
einzureihen,  bei  dem  italienischen  Aufenthalt  Heinrichs  in  den  90  er  Jahren 
angebracht  und  sie  dadurch  noch  mehr  in  die  freie  Luft  gestellt.  2)  Wei- 
lands  Annahme  Deutsche  Chroniken  Li,  S.  388.  "26  ff.),  dass  die  Granders- 
heimer  Klostergeschichte  benutzt  sei,  ist  nur  hervorgerufen  durch  seine 
Erklärung  der  quellenkritischen  Verhältnisse  in  der  "Wiedergabe  des 
Ungarnkriegs  unter  Heinrich  I.,  eine  Erklärung,  die  wir  oben  S.  78  f. 
abzulehnen    hatten;    vgl.   auch    S.  119,    Note  1.  3)  S.  Weiland   1.  c. 

S.  388,  21  ff.       4)  S.  Ed.  Schröder  in  der  Einleitung  zur  Edition  Deutsche 
Chroniken  I,  1,  S.  68  ff. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      119 

von  Traditionen  möglich  ist,  die  sich  in  der  Erinnerung 
der  Sage  von  Mund  zu  Mund  gebildet  und  erhalten  haben. 

Dass  unser  Autor  in  der  That  aus  vorhandener  Ueber- 
lieferung  geschöpft  hat,  konnten  wir  bei  der  Analyse  der 
einzelnen  Erzählungen  in  nicht  wenigen  Fällen  durch  den 
Nachweis  entsprechender  Geschichten  in  älteren  Werken 
feststellen ;  an  eine  litterarische  Entlehnung  aus  diesen 
Werken  war  überall  in  diesen  Fällen  nicht  zu  denken,  weil 
die  Form  und  vielfach  auch  der  Inhalt  wesentliche  Ab- 
weichungen zeigten  und  weil  unsere  Chronik  mit  den  be- 
treffenden Werken  ausser  dem  einen  sagenhaften  Stoff 
überall  sonst  gar  keine  Berührung  aufwies  1  —  wir  müssten 
sonst  schon  annehmen,  der  Autor  habe  aus  einer  Anzahl 
weit  auseinander  liegender  Produkte  verschiedenster  Litte- 
raturgattungen  jene  einzelnen  Stoffe  ausgezogen,  sich  ge- 
wissermassen  eine  Sammlung  davon  angelegt,  und  habe 
obendrein  die  Laune  gehabt,  die  Geschichten  wesentlich 
verändert  wiederzugeben,  eine  Annahme,  die  allem  wider- 
spricht, was  wir  von  der  Arbeitsweise  mittelalterlicher 
Autoren  wissen.  Vielmehr  ist  die  allein  zulässige  Ansicht, 
dass  diese  Stoffe  in  selbständiger  Tradition  existierten,  dass 
ihre  verschiedene  Wiedergabe  bei  unserem  Autor  und  bei 
anderen  verschiedene  Versionen  darstellt ,  wie  sie  sich 
im  Laufe  mündlicher  Ueberlieferung  zu  bilden  pflegen. 
Denselben  Schluss  durften  wir  ziehen,  wenn  es  sich  um 
Erzählungen  handelte,  die  nicht  in  älteren  Werken,  son- 
dern nur  in  ungefähr  gleichzeitigen  oder  jüngeren  begeg- 
neten, ohne  dass  sich  ein  litterarischer  Zusammenhang 
nachweisen  oder  auch  nur  wahrscheinlich  machen  Hess. 
Und  endlich  sprachen  auch  bei  einigen  Erzählungen,  die 
uns  aus  keiner  anderen  unabhängigen  Quelle  bekannt 
waren,  innere  Gründe  dafür,  dass  sie  nicht  von  unserm 
Autor  erfunden,  sondern  schon  vorhandener  Tradition  ent- 
nommen waren:  sichtlich  volksthümliche  oder  legendäre 
Färbung,  eine  für  die  Volkssage  charakteristische  Mischung 
von  Anachronismen,  unbestimmten  Erinnerungen  und  dra- 
stisch bestimmtem  Detail,  auch  die  allgemeine  Erfahrung, 
dass  freie  Erfindung  von  Sagenmotiven  in  jenen  Zeiten, 
wie  überhaupt,  ein  seltenes  Vorkommnis  ist. 

Wir  haben  früher  festgestellt,  dass  der  Verfasser  dem 
geistlichen  Stande   angehört   und    haben  bemerkt,    dass  er 


1)  So  liegt  auch  das  Verhältnis  unserer  Chronik  zu  der  verlorenen 
Gandersheimer  Klostergeschichte,  vgl.  oben  S.  78  f.,  dazu  aber  die  nach- 
trägliche Bemerkung  S.  123,  Note  3. 


120  Ernst  Bernheim. 

auch  den  weltlichen  Erzählungen  durch  eine  moralische 
Nutzanwendung  oder  eingestreute  Sentenzen  gern  ein  geist- 
liches Mäntelchen  umhängt.  Diese  Bemerkung  wird  von 
Bedeutung,  wenn  wir  sie  im  Zusammenhang  mit  der  ver- 
wandten Litteratur  betrachten.  Wir  besitzen  nämlich  ja 
eine  Kaiserchronik  von  ganz  ähnlicher  Mache,  wie  die  un- 
sere, aus  wenig  späterer  Zeit:  die  um  die  Mitte  des 
12.  Jahrh.  in  deutschen  Reimen  abgefasste  'Kaiserchronik 
eines  Regensburger  Geistlichen',  wie  sie  Edward  Schröder 
in  seiner  jüngst  erschienenen  Edition  in  den  MG.1  nennt. 
Wir  sind  vollauf  berechtigt,  beide  Werke  unter  dem  glei- 
chen Gesichtswinkel  der  allgemeinen  Litteratur  der  Zeit 
zu  betrachten.  Damals  begann  die  Geistlichkeit,  wie  wir 
wissen2,  lebhafter  als  bereits  im  11.  Jahrh.  und  vereinzelt 
auch  schon  früher,  sich  der  weltlichen  Litteraturstoffe  an- 
zunehmen, die  in  den  Händen  der  fahrenden  Spielleute  so 
beliebt  geworden  waren.  Diesen  den  litterarischen  Einfluss 
aus  der  Hand  zu  spielen  und  in  geistlichem  Interesse  zu 
wenden,  war  das  Bestreben  der  klerikalen  Dichter.  Der 
Verfasser  der  gereimten  bairischen  Kaiserchronik  sagt  in 
seiner  Vorrede 3  ausdrücklich,  er  fürchte,  dass  die  Seligkeit 
Vieler  durch  die  gottlosen  Lügendichtungen ,  die  Mode 
seien,  gefährdet  werde,  und  geht  mit  der  Tendenz  dagegen 
an  sein  Werk.  Nicht  etwa  die  Sagenhaftigkeit  ist  es, 
woran  er  Anstoss  nimmt,  wie  man  dem  Wortlaut  nach 
vermuthen  könnte:  ihm  fehlt  ebenso  wie  jenen  Weltkin- 
dern die  Fähigkeit  und  das  Interesse,  zwischen  historischer 
Wahrheit  und  Fabel  zu  unterscheiden,  er  erzählt  gerade 
solche  Lügengeschichten  wie  jene  Fahrenden.  Was  er,  wie 
seine  Standesgenossen  missbilligt,  ist  nur  die  Vernachlässi- 
gung der  göttlichen  Wahrheit  bei  den  weltlichen  Sängern 
und  ihrem  Dichten:  'iz  ist  an  gottes  minne',  sagt  er. 
Dieser  Anschauung  gemäss  behandelt  denn  der  Klerus 
jener  Zeit  dieselben  Stoffe,  wie  die  Spielleute,  in  erbau- 
lichem Tone,  unter  Ausmerzung  allzu  weltlicher  Züge,  mit 
moralisierendem  Beiwerk,  unter  Bevorzugung  legenden- 
artiger  Erzählungen  und  vermischt  mit  eigentlichen  Legen- 
den. Man  sieht,  unsere  Kaiserchronik  steht  ihrem  ganzen 
Charakter  nach,  wie  wir  ihn  erkannt  haben,  mitten  in 
dieser  geistlichen  Litteraturströmung  des  12.  Jahrh.,  ein 
norddeutsches  Seitenstück  zu  der  gereimten  Kaiserchronik 


1)  Deutsche  Chroniken  I,  1,  1S92.  2)  Vgl.  F.  Vogt  in  H.  Pauls 
Grundriss  der  germanischen  Philologie  II,  S.  253  fi'. ;  Schröder  in  der  Ein- 
leitung 1.  c.  S.  70,  35  ff.  74,  13  ff.        3)  MG.  1.  c.  S.  79,  27  ff. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      121 

aus  Süddeutschland,  und  verdient  als  ein  erstes  umfang- 
reiches Produkt  jener  Richtung-,  trotz  ihrer  lateinischen 
Formgebung,  die  Beachtung  der  deutschen  Litteratur- 
forschung  in  hohem  Grade.  Steht  sie  doch  ihrem  Stoffe 
nach  der  deutschen  Volksdichtung  näher  als  die  bairische 
Kaiserchronik  mit  ihren  deutschen  Reimen! 

Wenn  wir  nämlich  zum  Schlüsse  die  Frage  aufwerfen, 
in  welchen  Formen  denn  wohl  die  Traditionen,  aus  denen 
wir  unseren  Autor  schöpfen  sehen,  vorhanden  gewesen 
seien,  so  ergiebt  sich  aus  unserer  Analyse  im  zweiten  Ab- 
schnitt, dass  wir  mehrere  Gruppen  zu  unterscheiden  haben. 
Ein  Theil  der  Ueberlieferungen  besteht  aus  Legenden,  und 
diese  sind  ohne  Zweifel  von  altersher  in  lateinischer  Prosa 
im  Kreise  der  Geistlichen  von  Mund  zu  Mund  verbreitet 
worden,  so  wie  wir  es  bei  der  Legende  vom  h.  Laurentius 
und  Heinrich  IL  durch  das  Zeugnis  des  Mönchs  von 
Montecassino  nachweisen  konnten  K  Die  weltlichen  Stoffe 
sind  ohne  Zweifel  zum  Theil  auch  in  Prosa,  in  Form  von 
Anekdoten  und  Schwanken  oder  Lästergeschichten,  über- 
liefert worden,  wie  die  Parteifabeln  von  Heinrich  IV.,  zum 
Theil  jedoch  ohne  Frage  in  gebundener  Rede,  in  Liedern. 
Man  hat,  wie  mich  dünkt,  immer  noch  eine  gewisse  Scheu, 
dieser  Gattung  der  Poesie  den  ihr  gebührenden  Platz  ein- 
zuräumen, weil  vor  langen  Jahren  einmal  mit  der  Annahme 
historischer  Volkslieder  ein  phantastischer  Missbrauch  ge- 
trieben worden  ist.  Ich  kann  darin  aber  keinen  Grund 
finden,  offenkundige  Thatsachen  in  einem  matten  Halb- 
dunkel zu  lassen,  während  es  zur  Erklärung  mannigfacher 
Verhältnisse  wesentlich  ist,  sie  ans  Licht  zu  stellen.  Eine 
ununterbrochene  Kette  von  Zeugnissen  und  Ueberresten 
bestätigt  uns  von  den  ersten  Jahrhunderten  deutscher  Ge- 
schichte bis  weit  ins  12.  Jahrh.  hinein  die  Existenz  histori- 
scher Gedichte  in  deutscher  und  lateinischer  Sprache  aus 
allen  Epochen  dieses  Zeitraums.  Ich  habe  das  Material 
vollständiger  vor  Augen,  als  ich  es  irgendwo  zusammen- 
gestellt finde,  doch  genügt  es  für  den  vorliegenden  Zweck, 
auf  die  Belege  in  den  unten  genannten  Grundrissen  zu 
verweisen 2.     Galt  auch  der  wandernde  Sänger  nicht  mehr 


1)  S.  oben   S.  96.  2)   K.  Goedeke,    Gruudriss   der   deutschen 

Dichtung  2.  Aufl.,  Bd.  I,  S.  11,  25  f.;  R.  Kögel  in  H.  Pauls  Grundriß 
der  germanischen  Philologie  II,  S.  191  ff.  227.  —  Ein  besonders  lehr- 
reiches Beispiel  bietet  die  Sage  von  Erzbischof  Hatto's  Verrath  in  ihren 
Versionen  bei  Widukind  I.  22  (SS.  III.  S.  427  f.),  Liudprand  IL  6  (1.  c. 
S.  289,  22  ff.),  Otto  von  Freising  im  Chronicon  YI,  15  (SS.  XX,  235, 16  ff.), 
da    uns    ausdrücklich   bezeugt    wird,    dass    sie    Jahrhunderte   hindurch   bis 


122  Ernst  Bernheim. 

gleich  dem  hochangesehenen  Barden  der  älteren  Helden- 
zeit, so  wurde  der  Spielmann,  der  auf  Strassen  und  öffent- 
lichen Plätzen  sang-,  doch  überall,  auch  an  den  Höfen, 
gelitten  und  zum  Theil  gern  gesehen,  und  nicht  nur  Stoffe 
aus  der  fernen  Vergangenheit  trug  er  vor,  sondern  er 
wusste  auch  von  den  Ereignissen  des  Tages,  von  Königen 
und  Helden  der  Gegenwart  oder  jüngeren  Vergangenheit 
zu  singen.  Wie  wäre  es  auch  sonst  denkbar,  dass  sich  in 
manchen  dieser  Sagen  so  verhältnismässig  viel  historisch 
zutreffende  Thatsachen  aus  beträchtlich  entlegener  Vorzeit, 
und  zwar  oft  recht  detaillierte,  erhalten  haben  sollten, 
wenn  die  ursprüngliche  Entstehungszeit  nicht  vielfach  den 
besungenen  Ereignissen  nahe  gelegen  hätte !  Zuverlässigere 
Ausbeute  gewähren  sie  freilich  an  und  für  sich  deshalb 
dem  Historiker  doch  nicht,  denn  man  kann  ohne  andere 
Kontrolle  nie  wissen,  wo  bei  ihnen  die  historische  Wahr- 
heit endet  und  die  sagenhafte  Entstellung  oder  Erdichtung 
beginnt.  Das  hat  man  sich  früher  nicht  klar  genug 
gemacht. 

Im  10.  und  ll.Jahrh.  sind  nachweislich  noch  in  den 
Kreisen  des  Volkes  selbst,  namentlich  im  Lager  vor  dem 
Feinde,  auf  dem  Feldzuge,  Lieder  über  Personen  und 
Situationen  des  Moments  entstanden,  die  irgend  ein  musen- 
begabter Mann  den  Genossen  zum  Besten  gab,  und  die 
nicht  selten  allgemeinere  Verbreitung  fanden.  Im  12.  Jahrh. 
scheint  diese  unmittelbarste  Art  historischer  Volksdichtung 
abgenommen  zu  haben,  und  man  hat  sich  mehr  begnügt, 
die  Lieder  der  fahrenden  Sänger  in  empfänglichem  Ge- 
dächtnis festzuhalten  und  weiterzugeben.  Geistliche  machten 
solche  Lieder  in  lateinischen  Versen  ihren  Kreisen  mund- 
gerecht, versuchten  sich  auch  wohl  in  eigenen  derartigen 
Produktionen  und  verarbeiteten  die  Stoffe  in  Werken 
höheren  Stils,  im  12.  Jahrh.,  wie  wir  sahen,  mit  der  aus- 
gesprochenen Tendenz,  den  weltlich  frivolen  Spielleuten 
den  Rang  abzulaufen.  Der  Verfasser  unserer  Kaiserchronik 
war  gleich  dem  der  baierischen  ein  solcher  Geistlicher, 
wie  dargelegt.  Doch  unmittelbarer  und  naiver  als  sein 
baierischer  Standesgenosse,  hat  er  aus  dem  Born  weltlicher 
Lieder  geschöpft.  Wenn  wir  die  sagenhaften  historischen 
Erzählungen   bei  beiden   vergleichen,    so   tritt   uns  lebhaft 

in  die  Mitte  des  12.  Jahrh.  als  Lied  bekannt  geblieben  ist :  Ekkekard,  der 
sich  in  seinen  Casus  S.  Galli  mit  ihrer  Erwähnung  begnügt,  sagt  (SS.  II, 
83,  26)  'vulgo  concinatur  et  canitur' ;  Otto  von  Freising  sagt  1.  c.  Z.  17  f., 
sie  fände  sich  'in  regum  gestis,  sed  etiam  ex  vulgari  traditioue  in  com- 
pitis  et  curiis  hactenus  auditur'. 


Die  sagenhafte  sächsische  Kaiserchronik  aus  d.  12.  Jahrh.      123 

genug  entgegen,  wie  verschwommen  und  ins  Allgemeine 
gezogen  sie  bei  dem  letzteren  sind,  gegenüber  den 
drastischen,  konkret  individuellen  Zügen,  die  sie  bei  jenem 
tragen.  Ein  unwillkürliches  Gefallen  an  den  frischen  Ge- 
staltungen der  Volkssage  leuchtet  durch  die  geistliche 
Tendenz  unseres  Autors  hindurch,  und  in  einigen  Fällen 
hat  er  sogar  die  Spur  seiner  volksthümlichen  Quellen  nicht 
ganz  verwischt,  indem  er  die  Beinamen  der  Könige  und 
sonst  ein  Wort  in  der  ursprünglich  deutschen  Sprache  der 
Tradition,  aus  der  er  schöpfte,  seiner  lateinischen  Ueber- 
setzung  beifügte  1. 

Allerdings  geht  aus  dem  dargelegten  Charakter  unserer 
Kaiserchronik  im  ganzen  und  einzelnen  hervor,  dass  sie 
für  eine  historische  Quelle  in  dem  Sinne  durchaus  nicht 
angesehen  werden  darf,  als  ob  sie  uns  eigenwerthige  Zeug- 
nisse für  historische  Thatsachen  bieten  könnte :  ihre  ganze 
Wissenschaft  stammt  ja  aus  volksthümlicher  oder  legen- 
därer Sage.  Wir  dürfen  daher  ihre  Angaben  überall  nur 
gelten  lassen,  soweit  sie  durch  andere  zuverlässigere  Quellen- 
daten gedeckt  werden,  ohnedem  dürfen  wir  nur  ganz  aus- 
nahmsweise unter  besonderen  Umständen,  die  von  der 
Glaubwürdigkeit  unserer  Chronik  an  sich  unabhängig  sind, 
eine  ihrer  Angaben  für  allenfalls  thatsächlich  halten2. 
Aber  werthvoll  ist  und  bleibt  die  sächsische  Kaiserchronik 
uns  als  historische  Quelle  in  dem  Sinne,  dass  sie  uns  un- 
mittelbarer als  jede  andere  der  Zeit  an  den  lebendigen 
Strom  der  Volksüberlieferungen  führt  und  uns  wissen  lässt, 
was  deutsche  Mannen  durch  die  Jahrhunderte  von  ihren 
Herrschern  und  Führern  in  Gutem  und  Bösem  sagten  und 
sangen3. 


1)  S.  die  Glossen  oben  S.  72  im  Anhang  zum  ersten  Abschnitt. 
2)  Wie  z.  B.  die  Angabe,  dass  in  Eisleben  eine  Wahl  des  Gegenkönigs 
Hermann  stattgefunden  habe,  s.  oben  S.  113.  3)  Zu  S.  63,  Note  5 
bemerke  ich  nachträglich:  Der  Widerspruch  Wattenbachs  (Deutschlands 
Geschichtsquellen  im  MA.  6.  Aufl.  Bd.  II,  254,  Note  5)  gegen  Herre  1.  c. 
beruht  anscheinend  auf  einem  Missverständnis :  Herre  meint  nicht,  dass 
die  ganze  betr.  Stelle  rückübersetzt  sei,  sondern  nur  der  mit  der  Sachs. 
Weltchronik  allein  übereinstimmende  Zusatz  'Quod  interpretatum  est' 
u.  s.  w.,  der  sich  im  Oxforder  Original  der  Ann.  Pal.  nicht  findet.  — 
Zu  S.  78,  Zeile  25  ff. :  Bei  der  Wiedergabe  von  Weilands  Ansicht  hat 
sich  ein  Versehen  eingeschlichen :  statt  '  indirekt  aus  unserer  Kaiser- 
chronik .  .  .  durch  Vermittelung  der  verlorenen  Gandersheimer  Kloster- 
geschichte' muss  es  heissen  'aus  der  verlorenen  Gandersh.  Klostergesch.', 
und  dem  entsprechend  Zeile  33  'in  der  verlorenen  Gandersh.  Klostergesch.' 
statt  'in  der  Kaiserchronik';  die  Schlussfolgerung  wird  dadurch  nicht 
verändert. 


TV. 


Erläuterungen 
zu  den  Diplomen  Heinrichs  IL 


Erster  Abschnitt. 


Von 


Harry  Bresslau. 


I.    Geschichte  der  Kauzlei;  Datierung:;  Itiuerar. 

Juni  1002  —  Nov.  1007. 

iJie  Kanzlei  Otto's  III.  war  in  dessen  letzten  Lebens- 
jahren einheitlich  organisiert.  Zwar  gab  es  nach  wie  vor 
zwei  nominelle  Chefs  derselben :  den  Erzbischof  Willigis  von 
Mainz,  der  als  Erzcapellan  für  Deutschland,  und  den  Bischof 
Peter  von  Como,  der  als  Erzkanzler  für  Italien  in  den 
Unterfertigungen  der  Urkunden  genannt  wurde  *.  Allein 
unter  beiden  Männern  stand  nur  ein  Kanzler:  der  Erz- 
bischof Heribert  von  Köln,  in  dessen  Händen  thatsächlich 
die  Leitung  aller  deutschen  und  italienischen  Kanzlei- 
geschäfte ruhte ;  als  Schreiber  und  Dictatoren  begegnen 
unter  ihm  neben  zahlreichen  Männern,  die  der  Kanzlei 
überhaupt  nicht  angehören  oder  nur  vorübergehend  in  der- 
selben beschäftigt  gewesen  sind,  im  letzten  Jahre  Otto's 
nur  drei  eigentliche  Notare:  Her.  D,  ein  Italiener-,  und 
zwei  Deutsche,  Her.  C 3,  der  den  Hauptantheil  der  Arbeit 
übernommen  hatte,  und  Her.  F,  von  dem  wir  unten  ein- 
gehender zu  reden  haben. 

Bei  den  Wirren,  welche  nach  dem  Tode  Otto's  III. 
ausbrachen,  nahmen  die  beiden  nominellen  Oberleiter  der 
Kanzlei  die  entgegengesetzte  Haltung  ein.  Während  Peter 
von  Como  sich  der  italienischen  Nationalpartei  anschloss, 
an  der  Erhebung  Arduins  zum  König  von  Italien  theil- 
nahm  und  von  diesem  in  seinem  Erzkanzleramt  bestätigt 
wurde,  gehörte  Willigis,  wenigstens  seit  dem  Juni  1002,  zu 
den  Anhängern  Heinrichs  von  Baiern,  den  er  zum  König 
wählte  und  krönte.  Noch  anders  war  die  Haltung  des 
Kanzlers  Heribert,    der   die  Kaiserleiche  von  Italien   nach 


1)  Von  den  beiden  letzten  Urkk.  Otto's  III.  (DO.  III.  423.  424) 
ist  die  erstere,  für  Kloster  Prataglia.  'advicem  Petri  Cumani  episcopi  et 
archicancellarii',  die  letztere,  für  das  Bisthum  Eichstädt,  'advicem  Uuilli- 
gisi  archiepiscopi '  recognosciert.  2)  Er  hat  noch  im  Jahre  1001  DO. 

III.  405  dictiert,  was  zu  Kehr,  Die  Urkk.  Otto's  III.  S.  78   nachzutragen 
ist.    Vgl.  Sickel,  DD.  Bd.  II,  S.  388b.  3)  Ueber  seine  deutsche  Her- 

kunft  vgl.    gegen  Kehrs  Annahmen    Erben,   Mitth.  d.  Inst.  f.  österr.  Ge- 
schichtsforschung XIII,  579  ff. 


128  Harry  Bresslau. 

Deutschland  überführte.  Als  er,  in  dessen  Gefolge  sich 
die  beiden  deutschen  Notare  Her.  C  und  Her.  F  befunden 
haben  werden  \  etwa  im  März  bei  Polling  a.  d.  Ammer 
mit  Heinrich  zusammentraf,  der  dem  Zuge  entgegen  ge- 
kommen war,  da  widerstrebte  er  aus  Gründen,  die  nicht 
hinlänglich -aufgeklärt  sind,  der  Königswahl  desselben  und 
musste  erst  durch  Zwangsmassregeln  des  Baiernherzogs  ge- 
nöthigt  werden,  diesem,  der  sich  als  den  Erben  der  Krone 
betrachtete,  die  heilige  Lanze,  eine  der  höchstgehaltenen 
Reichsinsignien,  auszuliefern.  Lange  hat  der  schwer  ge- 
kränkte Mann  sich  dann  schmollend  von  Heinrichs  Hof 
zurückgehalten ;  erst  im  Spätsommer  des  Jahres  hat  er  in 
Duisburg  seiner  Wahl  zugestimmt  und  ihm  gehuldigt. 

Aus  diesem  politischen  Verhalten  der  Kanzleibeamten 
Ottos  III.  erklären  sich  leicht  und  einfach  die  Anordnun- 
gen, welche  Heinrich  traf,  als  er  im  Juni  1002  seine  eigene 
Kanzlei  bestellte.  Dass  er  die  Einheit  der  Reichskanzlei 
beibehielt,  lag  in  der  Natur  der  Sache:  an  ein  persönliches 
Eingreifen  in  die  italienischen  Dinge  konnte  er  zunächst 
nicht  denken;  italienische  Geschäfte  waren,  so  lange  die 
Verhältnisse  jenseit  der  Alpen  nicht  geordnet  und  das  An- 
sehen der  deutschen  Krone  dort  nicht  erneuert  war,  nicht 
in  so  erheblichem  Umfange  zu  erledigen,  dass  um  ihret- 
willen die  Begründung  einer  italienischen  Kanzleiabtheilung 
erforderlich  gewesen  wäre.  Im  November  1002  zum  ersten 
Mal,  so  viel  wir  wissen,  ward  für  Italien  geurkundet  (St.  1333), 
ausser  diesem  D.  ist  uns,  vor  dem  ersten  Zuge  nach  Italien, 
nur  noch  ein  zweites  für  einen  italienischen  Empfänger 
bekannt  (St.  1349).  Dass  man  in  diesen  Urkunden  den 
Bischof  von  Como,  der  in  Deutschland  als  Rebell  gegolten 
haben  muss,  nicht  als  Erzkanzler  nennen  konnte,  lag  auf 
der  Hand;  die  Ernennung  eines  Nachfolgers  desselben  war 
zunächst  mindestens  kein  dringendes  Bedürfnis,  und  so 
ergab  es  sich  von  selbst,  dass  auch  die  ersten  italienischen 
Urkunden  unsers  Königs  in  Willigis'  Namen  recognosciert 
wurden.  War  damit  durch  den  Wegfall  auch  des  beson- 
deren Erzkanzleramts  für  Italien  die  Einheitlichkeit  in  der 
Verfassung  der  Reichskanzlei  noch  strenger  durchgeführt, 
als  unter  Otto  der  Fall  gewesen  war,  so  erklärt  sich  doch 
diese  Veränderung  aus  den  thatsächlichen  Verhältnissen  so 
einfach,    dass   man    schwerlich    anzunehmen  genöthigt   ist, 


1)  Her.  D  ist  wahrscheinlich  in  Italien  geblieben.  Auf  dem  zweiten 
Zuge  nach  Italien  hat  er  eine  Urkunde  Heinrichs  II.  für  S.  Abondio  zu 
Como  grösstenteils  geschrieben,  St.  1592. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.  129 

der  König  habe  sich  dabei  durch  principielle  staatsrechtliche 
Erwägungen  leiten  lassen  1. 

Ebenso  selbstverständlich  war  es,  dass  Heribert  von 
Köln  nicht  Heinrichs  Kanzler  blieb ;  weder  kann  er  selbst 
eine  solche  Vertrauensstellung  am  Hofe  des  neuen  Herr- 
schers erwartet  haben,  noch  dieser  geneigt  gewesen  sein, 
sie  ihm  zu  übertragen.  Sein  Nachfolger  ward  ein  Baier, 
Egilbert,  der  vielleicht  aus  dem  Haus  der  G-rafen  von 
Ebersperg  stammt 2,  der  Bruder  eines  Heinrich,  den  der 
König  zu  seinem  Truchsessen  ernannte. 

Anders  als  mit  dem  Kanzler  stand  es  mit  den  Notaren 
des  verstorbenen  Königs.  Eine  selbständige  politische  Rolle 
zu  spielen,  hatten  diese  untergeordneten  Beamten  der 
Kanzlei  weder  die  Gelegenheit  noch  wahrscheinlich  den 
Ehrgeiz;  leicht  mochten  sie  den  Dienst  des  einen  Herr- 
schers mit  dem  des  anderen  vertauschen,  und  dieser  wird 
um  so  geneigter  gewesen  sein,  auf  sie  Rücksicht  zu  nehmen, 
als  er  dadurch  in  die  Lage  kam,  die  Continuität  der  Ueber- 
lieferung  in  den  Kanzleibräuchen  zu  wahren.  So  trat  denn 
von  den  beiden  Notaren,  die  Heribert  über  die  Alpen  ge- 
folgt waren,  der  eine  Her.  F  sofort  in  die  Kanzlei  Hein- 
richs über,  an  dessen  erster  Urkunde  (St.  1307)  er  bereits 
mitgearbeitet  hat;  wir  werden  ihn  fortan  als  E(gilbert)  A 
bezeichnen.  Auf  Grund  gewisser  Eigenthümlichkeiten 
seiner  Schrift  hat  Kehr  S.  81  die  Verrnuthung  ausgespro- 
chen, dass  er  der  Kölner  Schule  angehörte ;  die  dialekti- 
schen Formen  der  Eigennamen  in  den  von  ihm  geschrie- 
benen Urkunden 3  scheinen  auf  mittel-  oder  niederdeutsche 
Abkunft  des  Mannes  hinzuweisen.  Seine  Schrift  hat  sich 
unter  Heinrich  II.  nur  wenig  verändert;  dagegen  ist  er 
als  Dictator  erst  unter  diesem  Herrscher  zu  freier  Ent- 
faltung seiner  Kräfte  gelangt;  von  den  besonders  hervor- 
stechenden Eigenthümlichkeiten,  welche  die  von  ihm  ver- 
fassten  Urkk.  Heinrichs  aufweisen,  findet  sich  in  den  DD., 


1)  Vgl.  Seeliger,  Erzkanzler  und  Reichskanzleien  S.  18.  Eher  könnte 
man,  wenn  man  überhaupt  noch  einen  besonderen  Grund  für  die  Recogni- 
tion  auch  der  italienischen  Urkunden  im  Namen  des  "Willigis  suchen  will, 
annehmen,  dass  diesem  die  Vereinigung  des  Erzcapellanats  für  Deutsch- 
land und  des  Erzkanzleramts  für  Italien  in  seiner  Hand  als  Lohn  für 
seine  Bemühungen  um  Heinrichs  Königswahl  zugestanden  wäre.  Dazu 
würde  das  Verhalten  Konrads  II.  gegenüber  Aribo  von  Mainz  im  Jahre 
1024    eine  volle  Analogie  bieten.  2)  Vgl.  Hirsch  I,  217;    Steindorff, 

Heinrich  III.  Bd.  I,  21,  N.  4 ;  Graf  Hundt,  Abhandl.  der  bair.  Akademie, 
bist.  Classe  XIV,  2,  53  ff.  3)  Wo  ich  hier  und  im  folgenden  über  solche 
rede,  beziehe  ich  mich  auf  Mittheilungen,  die  mir  mein  College  Henning 
auf  Grund   der  von  uns  zusammengestellten  Namensformen    gemacht   hat. 

Neues  Archiv  etc.    XX.  9 


130  Harry  Bresslau. 

an  deren  Ausfertigung  er  unter  Otto  III.  Antheil  gehabt 
hat 1,  noch  wenig  oder  nichts ;  sie  treten  übrigens  auch 
unter  Heinrich  IL  z.  Th.  erst  allmählich  bestimmter  hervor. 
Anders  steht  es  mit  dem  zweiten  Notar  Otto's  III., 
Her.  C,  der  in  dessen  Kanzlei  der  eigentlich  führende  Be- 
amte gewesen  war.  Auch  er  hat  eine  Urk.  Heinrichs  IL 
verfasst  und  geschrieben,  das  merkwürdige  Stück  St.  1312, 
das  Bischof  Heinrich  von  Würzburg  für  die  Kirche  St.  Jo- 
hannis  des  Täufers  in  seiner  Vorstadt  erwirkt  hat.  Er 
begegnet  später  niemals  weder  als  Dictator  noch  als 
Schreiber  in  der  Kanzlei  Heinrichs,  und  so  liegt  zunächst 
die  Annahme  2  nahe,  dass  er  jene  Urk.  als  Privatschreiber 
Heinrichs  von  Würzburg  mundiert  habe ;  dass  der  Notar, 
der  unter  Heribert  in  der  Kanzlei  eine  so  grosse  Rolle  ge- 
spielt hatte,  später  dem  Bruder  seines  ehemaligen  Chefs 
seine  Feder  geliehen  hätte,  würde  an  sich  nicht  auffällig 
sein.  Dennoch  ist  auch  noch  eine  andere  Auffassung  des 
Sachverhalts  möglich.  Unsere  Urkunde  entbehrt  des  Tages- 
datums, des  Ausstellortes  und  der  Recognitionszeile ;  aber 
das  Monogramm  ist  vollzogen  und  ein  Fragment  des  zweiten 
Königssiegels  Heinrichs  in  ganz  unverdächtiger  Weise  be- 
festigt. Gehört  sie  wegen  ind.  XV  vor  den  1.  Sept.  1002, 
so  hat  Stumpf  sie  in  den  Bamberger  Aufenthalt  vom  Juli 
dieses  Jahres  eingereiht,  wohl  deshalb,  weil  dort  am  10.  Juli 
Heinrich  von  Würzburg  noch  eine  andere  Urkunde  erhalten 
hat  (St.  1310a);  Bayer,  der  dieser  Ansetzung  zustimmt8, 
führt  jenen  Umstand  ausdrücklich  als  Grund  für  seine  An- 
sicht an.  Nun  kann  ja  allerdings  die  Urkunde  wegen  der 
Anbringung  des  zweiten  Siegels  wohl  nicht  vor  dem  1.  Juli 
vollzogen  sein,  da  die  von  diesem  Tag  datierte  Urkunde 
St.  1308  noch  das  erste  provisorische  Siegel  zeigt;  allein 
die  Handlung  und  auch  die  Mundierung  des  Diploms 
könnten  sehr  wohl  schon  früher  fallen.  Denn  Heinrich 
von  Würzburg  war,  wie  wir  aus  Adalbold  cap.  6  wissen, 
schon  zu  Anfang  des  Juni  bei  Worms  im  Gefolge  Hein- 
richs; er  gehörte  nach  dem  bekannten  Briefe  Arnolfs  von 
Halberstadt1  zu  dessen  ersten  und  vertrautesten  Anhängern ; 
gewiss  hat  er  ihn  auch  nach  Mainz  zur  Krönung  begleitet. 
Dass  er  schon  in  den  ersten  Reg'ieruno-stao-en  eine  Gunst- 


1)  Er  hat  ganz    oder  theilweise  verfasst   und  geschrieben  DO.  III. 
393.  404.  409.  410.  420.  2)   So  Kehr  S.  83.  3)  KU.  i.  A.  Text 

S.  68  d,  vgl.  auch  Hirsch  I,  215,  N.  1.  4)  Jaffe,  ßibliotheca  V,  474. 

Arnolf  schreibt    an  Heinrich :    'tu   primus   aut  inter  primos,   et  iam  ante- 
quam  rex  fieret,  dominum  illum  tibi  praeelegisti1. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.  131 

bezeugung  vom  König-  erbeten  und  zugesagt  erhalten  hat, 
ist  sehr  wohl  denkbar 1. 

Um  so  weniger  scheint  mir  die  Möglichkeit  ausge- 
schlossen, dass  Her.  C  St.  1312  in  officiellem  Auftrage  ge- 
schrieben hat.  Denn  so  gut  wie  bei  Her.  F  =  EA  kann 
auch  bei  ihm  anfangs  der  Uebertritt  in  den  Dienst  des 
neuen  Herrschers  in  Aussicht  gestanden  haben.  Warum 
sich  diese  Aussicht  dann  bei  ihm  nicht,  wie  bei  seinem 
Genossen,  verwirklicht  hat,  bleibt  uns  freilich  verborgen; 
irgend  eine  weitere  Spur  von  der  Thätigkeit  des  Her.  C, 
sei  es  in,  sei  es  ausserhalb  der  Reichskanzlei,  ist,  wie  be- 
merkt, bisher  nicht  zu  Tage  gekommen. 

Ging  so  nur  der  eine  der  beiden  deutschen  Notare 
Otto's  III.  dauernd  in  den  Dienst  des  Nachfolgers  über, 
so  ward  für  den  anderen  ein  Ersatz  gewonnen,  indem  man 
einen  neuen  Beamten  E(gilbert)  B  wohl  schon  im  Juni  1 002 
anstellte ;  die  erste  von  ihm  geschriebene  Urkunde  St.  1308 
ist  vom  1.  Juli  datiert,  kann  aber,  da  das  Tagesdatum 
nachgetragen  ist,  schon  einige  Tage  früher  geschrieben 
sein.  Nicht  nur  in  der  Schrift  und  im  Dictat  ist  EB  dem  EA 
so  nahe  verwandt,  dass  man  ihn  nothwendig  für  einen 
Schüler  oder  Schulgenossen  desselben  halten  muss,  auch 
sein  Dialect  weist  darauf  hin,  dass  beide  Notare  Lands- 
leute waren;  und  so  mag  er  wohl  auf  Veranlassung  des 
EA  in  die  Kanzlei  berufen  sein,  zumal  manche  Umstände 
darauf  hinweisen,  dass  EA,  so  lange  er  im  Kanzleidienst 
stand,  eine  seinem  Genossen  übergeordnete  Stellung  ein- 
genommen hat 2.  Bis  zum  ersten  Zug  des  Königs  nach 
Italien  haben  EA  und  EB  die  ganze  Arbeit  in  der  Kanzlei 
allein  besorgt 3,  soweit  nicht,  was  in  dieser  Zeit  ziemlich 
häufig  vorkommt  und  gewiss  mit  dein  kleinen  Personal- 
bestand der  eigentlichen  Kanzlei  zusammenhängt,  Privat- 
schreiber bei  der  Herstellung  der  Urkunden  betheiligt  ge- 
wesen sind. 


1)  Eine  Unterstützung  dieser  Annahme  könnte  man  in  dem  Um- 
stand zu  erblicken  geneigt  sein,  dass  St.  1312  der  Recognition  entbehrt ; 
man  könnte  auf  die  Vermuthung  kommen,  das  D.  sei  geschrieben,  ehe 
die  Kanzlei  organisiert  und  der  Kanzler  ernannt  war.  Allein  ich  wage 
nicht,  auf  diesen  Umstand  Gewicht  zu  legen,  da  Her.  C  auch  in  einigen 
DD.  0.  HI.  die  Recognition  nicht  selbst  geschrieben,  sondern  ihre  Er- 
gänzung Anderen  überlassen  hat,  vgl.  DO.  Hl.  285.  291.  Dies  kann  er 
auch  hier  gethan  haben,  die  Ergänzung  aber,  wie  die  der  Daten,  unter- 
blieben sein.  2)  EB  schreibt  einige  Male  nach  dem  Dictat  des  EA, 
während  das  umgekehrte  nicht  vorkommt.  Es  kommt  auch  vor,  dass  EA 
an  einem  von  EB  geschriebenen  D.  Correcturen  vorgenommen  hat  (St. 
1337.  1344).         3)  Ueber  St.  1330  s.  unten  S.  153  ff. 


132  Harry  Bresslau. 

Die  chronologische  Anordnung  der  Diplome  Heinrichs 
macht  in  dieser  ganzen  Zeit  wenig  Schwierigkeiten,  da  die 
Kanzleibeamten  die  Datierungsangaben  —  mit  Ausnahme 
der  Indiction  —  im  ganzen  sehr  sorgfältig  und  genau  be- 
handelt haben,  was  als  ein  Verdienst  des  EA  angesehen 
werden  darf.  Als  Epochentag  für  die  Regierungs jähre 
Heinrichs  betrachten  wir  mit  Stumpf  den  7.  Juni,  der  im 
Jahre  1002  auf  einen  Sonntag  fiel  und  wahrscheinlich  der 
Krönungstag  des  Königs  war 1.  Die  Indiction  ist  im  Jahre 
1002  zwischen  27.  Aug.  und  3.  Sept.  umgesetzt  worden,  so 
dass  also  damals  der  1.  Sept.  nach  griechischer  Rechnung 
als  Epochentag  angenommen  sein  muss.  Dann  aber  hat 
man  im  Jahre  1003  die  Umsetzung  der  Indiction  überhaupt 
unterlassen  und  bis  zum  10.  April  1004  (St.  1376)  in  allen 
DD.  die  Ziffer  I  für  die  Römerzinszahl  beibehalten.  Im 
übrigen  sind  in  der  ganzen  Zeit,  die  wir  zunächst  ins  Auge 
fassen,  alle  Daten  sämmtlicher  Urkk.  correct2. 

Die  Einreihung  der  Urkunden  und  die  Feststellung 
des  Itinerars  sind  unter  diesen  Umständen  ziemlich  ein- 
fach ;  nur  einige  Ortsnamen  erheischen  nähere  Betrachtung. 
St.  1308  vom  1.  Juli  1002  nennt  als  Ausstellort  "Suntheime', 
und  es  entsteht  die  Frage,  welcher  von  den  verschiedenen 
Orten  des  Namens  Sontheim  gemeint  sei.  Während  Stalin, 
Wirtembergische  Geschichte  I,  469  (auf  den  Hirsch  I,  220, 
N.  4  sich  bezieht)  zwischen  Sontheim  im  Oberamt  Heil- 
bronn und  Obersontheim  im  Oberamt  Gaildorf  schwankte, 
hat    Stumpf    sich    für    Sontheim   a.  d.    Brenz   im    württem- 


1)  Vgl.  Hirsch  I,  215,  N.  4,  wo  die  Zeugnisse  zusammengestellt 
sind.  Auch  das  Necrol.  Magdeburgense,  Neue  Mittheil,  des  thür.-sächs. 
Vereins  X,  262  hat,  wie  das  Merseburger,  zum  7.  Juni  die  Notiz :  'ordi- 
natio  Heinrici  regis'.  "Wenn  Thietmar  V,  11(7)  schreibt:  'VIII.  id.  Iun. 
in  regem  electus  a  Willigiso  .  .  .  coronätur'  (ihm  folgt  Adalbold  cap.  6), 
so  möchte  ich  annehmen,  dass  dies  Datum  auf  die  Wahl  geht,  und  dass 
die  Krönung  erst  am  folgenden  Tage  stattgefunden  habe ;  darauf,  dass 
Marianus  Scotus  den  7.  Juni  ausdrücklich  als  Tag  der  Wahl,  sowie  der 
Krönung  bezeichnet,  wird  schwerlich  grosses  Gewicht  zu  legen  sein.  Die 
beiden  DD.  St.  1519  u.  1520  vom  7.  Juni  1009  mit  a.  regn.  VIII  (Nach- 
zeichnungen, aber  mit  Benutzung  einer  echten  Vorlage)  lassen  sowohl  den 
(}.  wie  den  7.  Juni  als  Krönungstag  zu,  so  dass  aus  dem  urkundlichen 
Material  die  Frage  nicht  zu  entscheiden  ist.  2)  Ob  als  Epochentag  für 
das  Inearnationsjahr  der  25.  December  gegolten  hat,  ist  nach  den  Urkk. 
nicht  sicher  festzustellen.  Wenn  in  St.  1370  vom  25.  Dec.  1003  noch  ann. 
ine.  1003  steht,  so  scheint  hier  das  Tagesdatum  nachgetragen  zu  sein ;  die 
Urkunde  kann  also  schon  vor  Weihnachten  geschrieben  sein.  Dagegen 
ist  in  St.  1398  vom  28.  Dec.  1004  mit  a.  ine.  1001  eine  Nachtragung  des 
Tages  nicht  zu  erkennen.  Aus  der  Zeit  von  1002—1007  sind  diese  beiden 
Stücke  die  einzigen,  welche  zwischen  Weihnachten  und  1.  Januar  datiert 
sind. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.  133 

bergischen  Jaxtkreis,  Oberamt  Heidenheim  entschieden, 
und  ihm  hat  sich  P.  F.  Stalin  I,  193  angeschlossen:  allein 
grade  mit  Rücksicht  auf  die  von  Stumpf  angezogenen 
Nachrichten  bei  Thietmar  V,  14  (8)  und  Adalbold  cap.  8 
über  den  Aufenthalt  des  Königs  in  Reichenau,  wo  er  am 
24.  Juni  war,  und  auf  weitem  Wiesengelände,  das  wir 
jedenfalls  nicht  allzufern  vom  Bodensee  zu  suchen  haben, 
wo  er  mindestens  bis  zum  29.  Juni  geblieben  ist,  ist  es  be- 
denklich, anzunehmen,  dass  er  schon  am  1.  Juli1  so  weit 
nördlich  habe  vorrücken  können.  Dazu  kommt  ein  anderes. 
Aus  St.  1483  wissen  wir,  dass  Heinrich  ein  Gut  zu  'Sunt- 
heim'  im  Gau  Durihin  besessen  hat,  und  es  liegt  doch  am 
nächsten,  dies  mit  dem  Orte  gleichen  Namens  zu  identi- 
ficieren,  in  welchem  er  1002  Quartier  genommen  hat.  Das 
an  Bamberg  geschenkte  ' Suntheim'  ist  aber  nicht,  wie 
Hirsch  II,  138  annahm,  das  heutige  Sontheim  a.  d.  Brenz, 
sondern,  wie  die  Gauangabe  zeigt,  das  jetzige  Sontheim 
a.  d.  Günz  im  bairischen  Amtsgericht  Ottobeuren,  das  schon 
unter  dem  Abt  Ruprecht  von  Ottobeuren  (gest.  1145)  er- 
wähnt wird 2.  In  die  Richtung  des  Itinerars  Reichenau- 
Bamberg  fügt  sich  dieser  Ort  ungefähr  eben  so  gut  wie 
jener,  und  zu  den  Zeit-  und  Entfernungsverhältnissen  passt 
er  ungleich  besser. 

In  dem  zweiten  hier  zu  besprechenden  Fall  beruht 
die  bisherige  irrige  Deutung  des  Ortsnamens  lediglich  auf 
falscher  Lesung.  Die  beiden  DD.  für  Utrecht  vom  3.  Sept. 
1002,  St.  1320.  1321,  lassen  die  meisten  bisherigen  Drucke, 
auch  der  letzte  Mullers,  zu  'Elista'  ausgestellt  sein,  und  dies 
wird  übereinstimmend  von  den  Neueren  auf  Eist  zwischen 
Arnheim  und  Nimwegen  bezogen.  Das  bei  dieser  Deutung 
sich  ergebende  Itinerar  Nimwegen -Utrecht -Eist -Aachen 
würde  nicht  unmöglich  sein;  allein  ihre  Voraussetzung  ist 
unbegründet:  das  zweite  Utrechter  Chartular  (B),  die  ein- 
zige Quelle  unserer  Ueberlieferung  für  beide  Urkunden, 
bietet  in  beiden  Fällen  deutlich  die  Form  'Elisla',  und  es 
liegt  auf  der  Hand,  dass  dies  nicht  auf  Eist  bezogen 
werden  kann.  Wir  deuten  den  Namen  auf  Elsloo  a.  d.  Maas 
in  der  niederländischen  Provinz  Limburg,  also  genau  der 
Richtung  des  Itinerars  Utrecht-Aachen  entsprechend. 


1)  Oder  gar  noch  vor  dem  1.  Juli,  wenn  nämlich  die  Urkunde, 
deren  Tagesdatum  nachgetragen  ist  (oben  S.  131),  schon  vorher  geschrieben 
wurde.  '  2)  Chron.  Ottenburanum  (SS.  XXIII,  61S).  Vgl.  Steichele, 
Bisthum  Augsburg  III,  38 ;  ßaumann  in  Zeitschrift  des  histor.  Vereins  für 
Schwaben  u.  Xeuburg  II,  174  f.;  derselbe,  Gaugrafschaften  im  "Württemberg. 
Schwaben  S.  86. 


134  Harry  Bresslau. 

Ein  dritter  bisher  falsch,  gedeuteter  Ortsname  führt 
tins  schon  in  den  Anfang  des  Jahres  1004.  Nachdem  der 
König  am  6.  Februar  d.  J.  in  Merseburg  in  feierlicher  Ver- 
sammlung Wigbert  zum  Bischof  des  wiederhergestellten 
Bisthums  Merseburg  ernannt  hatte 1,  unternahm  er  einen 
Feldzug  gegen  Boleslav  von  Polen  ins  Milzienerland,  zu 
dessen  schnellem  Abbruch  ihn  das  eintretende  Thauwetter 
nöthigte,  und  von  welchem  er  zunächst  nach  Merseburg 
zurückkehrte 2,  um  sich  von  da  nach  Magdeburg  zu  be- 
geben, wo  wir  ihn  am  24.  oder  25.  Febr.  finden 3.  Auf  diesem 
Feldzuge  muss  also  die  von  EA  verfasste  und  geschriebene 
Urkunde  für  die  alte  Kapelle  zu  B,egensburg  ausgestellt 
sein  (St.  1371),  welche  'data  6.  id.  febr.'  (8.  Febr.)  und 
'actum  in  Vuarim'  bietet4.  Während  Böhmer  auf  die 
Deutung  dieses  Ortsnamens  verzichtet  hatte,  ist,  so  viel  ich 
sehe,  zuerst  Giesebrecht 5  auf  den  unglücklichen  Gedanken 
verfallen,  denselben  in  'Vvurcin'  (Würzen)  zu  emendieren. 
Dieser  Einfall  hat  dann  allgemeinen  Beifall  gefunden: 
Usinger,;,  Zeissberg ',  Posse*,  Richter- Kohl 9,  und  auch 
Stumpf,  der  statt  'Vuarim'  lesen  will  'Vurzine',  sind  ihm 
gefolgt.  Und  doch  liegt  auf  der  Hand,  dass  eine  solche 
Emendation  gegenüber  der  originalen  Ueberlieferung  unseres 
D.  durchaus  unzulässig  ist.  Sie  ist  es  umsomehr,  als  der 
Ortsname  sehr  leicht  zu  erklären  ist:  'Vuarim'  ist  das 
heutige  Wahren,  Kirchdorf  in  der  sächsischen  Amtshaupt- 
mannschaft Leipzig,  etwa  5  Kilometer  nw.  von  Leipzig  an 
der  Elster.  Dieser  Ort,  der  etwa  22  Kilometer  östlich 
von  Merseburg  auf  dem  geraden  Wege  von  dort  ins 
Milziener  Land  belegen  ist,  hat  einem  Edelgeschlecht  der 
Herren  von  'Warin'  den  Namen  gegeben,  aus  welchem 
u.  a.  Bischof  Heinrich  I.  von  Merseburg  entsprossen  ist 10, 
und  das  im  12.  und  13.  Jahrh.  nicht  selten  in  Urkunden 
dieser  Gegend  vorkommt11. 

Es  bleiben  uns  aus  der  Zeit  vor  dem  ersten  Zuge 
nach  Italien  an  dieser  Stelle  nur  noch  die  drei  Urkunden 
für  Merseburg  und  Zeitz,  St.  1373 — 75,  zu  besprechen,  in- 
sofern sie  eine  chronologische  Schwierigkeit  bieten. 

Wir    sahen    eben,    dass    der    König    von    Merseburg 


1)  Tbietm.  VI,  1 ;  vgl.  Hirsch  I,  '278,  N.  2.  2)  Tbietm.  VI,  2.  3. 
3)  St.  1372.  4)  Tag  und  Ortsname  sind  nachgetragen.  5)  Kaiserzeit 
II3,  587.  Die  früheren  Auflagen  sind  mir  hier  nicht  zugänglich.  6)  Bei 
Hirsch  1,299,  N.  3.  1)  Sitzungsberichte  d.  Wiener  Akademie,  hist.-phil. 
Classe  LVII,  291,  N.  8.  8)  Markgrafen  von  Meissen  S.  61,  N.   206. 

9)  Annalen  d.  deutschen  Geschichte  III,  185.       10)  SS.  X,  191.       11)  Vgl. 
z.  B.  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I,  2,  352;  II,  1,  71;  89.  154;  II,  4,  292. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.  135 

unmittelbar  nach  der  Erhebung-  Wigberts  aufbrach,  um 
gegen  Boleslav  ins  Feld  zu  ziehen.  Daher  blieb  zunächst 
keine  Zeit  für  die  Ausfertigung  der  Urkunden  über  die 
durch  die  Wiederaufrichtung  des  Bisthums  nöthig  ge- 
wordenen Transactionen ;  ja  es  ist  sehr  wahrscheinlich, 
dass  auch  die  Regelung  dieser  selbst,  insbesondere  soweit 
es  sich  um  den  Ausgleich  mit  den  Nachbardiöcesen  Magde- 
burg, Halberstadt,  Meissen  und  Zeitz  handelte,  zunächst 
noch  aufgeschoben  wurde.  Zu  diesem  Behuf  begab  sich 
Heinrich,  als  der  Feldzug  unerwartet  schnell  abgebrochen 
werden  musste,  nach  Merseburg  zurück  und  von  da  nach 
Magdeburg;  hier  und  dort  wird  jene  Eegelung  in  Angriff 
genommen  worden  sein. 

Nach  den  Zusätzen  zum  Chron.  Merseburgense  SS.  X, 
176  hat  nun  Heinrich  zunächst  dem  Merseburger  Bischof 
Wigbert  zwei  'privilegia  renovatiouis',  später  dem  Bischof 
Thietmar  ein  drittes  l  Privilegium  confirmationis'  gegeben: 
aus  dem  zweiten  entnimmt  der  Verfasser  der  Zusätze,  dass 
der  Bischof  von  Zeitz  seine  Diöcesanrechte  über  die  'urbes 
TribenT  und  Thuchusi'  im  Tausch  gegen  'tres  villae  uno 
nomine  Crozina  dictae'  abtrat,  sowie  dass  der  Bischof  von 
Meissen  'partem  parochiae  super  duas  villas  Wissenburg 
Loscana'  herausgeben  musste.  Wir  haben  nun  noch  jetzt  — 
abgesehen  von  dem  Diplom  für  Thietmar  St.  1565  —  zwei 
Diplome  Heinrichs  für  Wigbert  vom  4.  und  5.  März  (St. 
1373.  1374),  das  eine  im  Or.,  das  andere  abschriftlich  er- 
halten, beide  von  EA  verfasst  und  jenes  sicher,  dieses 
wahrscheinlich  auch  von  ihm  geschrieben.  Da  nun  in 
dem  zweiten  dieser  DD.  sich  das  findet,  was  der  Vf.  der 
Zusätze  von  ihm  aussagt,  da  überdies  in  der  Corroborations- 
formel  beider  Urkunden  der  Ausdruck  lhaec  nostra  reno- 
vatio  et  confirmatio'  gebraucht  wird,  so  ist  kein  Zweifel, 
dass  dies  die  beiden  dem  Vf.  der  Zusätze  bekannten  Doku- 
mente sind;  wir  dürfen  weiter  annehmen,  dass  wenigstens 
zu  seiner  Zeit  —  also  im  14.  Jahrb..1  —  kein  weiteres 
Privileg  Heinrichs  aus  diesen  Tagen  im  Merseburger  Archiv 
vorhanden  war.  Nach  dem  ganzen  Inhalt  der  Urkunde 
vom  4.  März  erscheint  es  aber  auch  durchaus  unnöthig 
anzunehmen,  dass  ein  solches  'eigentliches'  Wiederherstel- 
lungsprivileg ausser  St.  1373.  1374  überhaupt  existiert 
hat 2 :  alles,  was  bei  dieser  Gelegenheit  für  Merseburg  zu 
verbriefen  war,  ist  in  St.  1373.  74  verbrieft  worden. 

1)  Die  Zusätze  sind  wahrscheinlich  zwischen  1320  und  1375  ver- 
fasst, vgl.  SS.  X,  160.  2)  So  auch  Usinger  bei  Hirsch  I,  279,  N.  3  gegen 
Hirsch  selbst.     Was   Wilmans  SS.  X,  176,  N.  18  sagt,  ist  ganz  unrichtig. 


136  Harry  Bresslau. 

Zu  erwarten  wären  nun  weiter  Gegenurkunden  für 
die  bei  dem  Geschäft  betheiligten  Nachbarbischöfe,  in- 
sofern nämlich  diese  für  ihre  Abtretungen  zu  Gunsten  des 
wiederhergestellten  Bisthums  entschädigt  werden  sollten. 
Erhalten  haben  sich  deren  zwei:  St.  1372  für  Magdeburg 
und  St.  1375  für  Zeitz.  Eine  Urkunde  über  die  dem 
Bischof  von  Halberstadt  zugebilligte  Compensation  haben 
wir  nicht  mehr:  aber  dass  es  eine  solche  gegeben  hat,  er- 
fahren wir  aus  den  Gesta  epp.  Halberstadensium  SS.  XXIII, 
90  f.,  wo  ein  Extract  daraus1  mit  der  ausdrücklichen  Be- 
merkung 'hos  igitur  mansos  Halberstadensi  ecclesie  datos 
—  regio  privilegio  confirmavit'  mitgetheilt  wird.  Dass 
dagegen  Meissen  damals  überhaupt  eine  Entschädigung  er- 
halten hat,  ist  durchaus  unwahrscheinlich,  da  in  St.  1374 
-  dem  zweiten  Merseburger  Renovationsprivileg  —  eine 
solche  nicht  erwähnt  wird,  während  von  derjenigen  für 
Zeitz  die  Rede  ist,  und  da  es  hier  ausdrücklich  heisst, 
dass  Meissens  Besitz  unrechtmässig  und  durch  keine 
Königsurkunde  anerkannt  gewesen  sei 2.  Wir  haben  also 
in  dieser  Angelegenheit  nur  mit  einer  verlorenen  Urkunde 
des  Jahres  1004  zu  rechnen,  und  auch  von  ihr  ist  nur  ein 
Auszug  erhalten. 

Von  den  vier  erhaltenen  Urkk.  des  Jahres  1004  giebt 
St.  1372  zu  Bedenken  keine  Veranlassung;  der  Aufenthalt 
zu  Magdeburg  am  24.  oder  25.  Febr.  stimmt  gut  zu  den  An- 
gaben Thietmars  VI,  3.  Von  dort  begab  sich  der  König  'per 
Thuringiae  orientalisque  fines  Franciae'  nach  Regensburg, 
wo  am  21.  März  Heinrich  von  Baiern  belehnt  wurde.  Auf 
dieser  Reise  muss  der  König  Wallhausen  berührt  haben, 
von  wo  St.  1373  und  1374  datiert  sind.    Von  diesen  beiden 


1)  Der  Auszug  hat  uns,  wie  ein  Vergleich  mit  den  anderen  Urkk. 
lehrt,  nicht  bloss  den  Inhalt,  sondern  auch  einen  Theil  des  Wortlauts  des 
verlorenen  D.  aufbewahrt  und  verdient  daher  Aufnahme  in  unsere  Aus- 
gabe. Das  Extract  hat  die  Daten :  anno  domini  1003,  ind.  1,  a.  regn.  2. 
Die  letzteren  beiden  Angaben  hat  der  Chronist  sicher  der  Urkunde  ent- 
nommen; das  Incarnationsjahr  1003,  das  Schmidt,  ÜB.  des  Hochstifts 
Halberstadt  I,  48,  N.  1  unnöthige  Scrupel  verursacht  hat,  ist  falsch :  viel- 
leicht hat  der  den  damaligen  Kanzleibrauch  nicht  kennende  Chronist  mit 
Rücksicht  auf  ind.  1  seine  Vorlage  eigenmächtig  corrigiert.  Aus  den 
Worten  'adunatis  in  Merseburg  archiepiscopis  et  episcopis'  u.  s.  w.  darf 
wohl  geschlossen  werden,  dass  die  Urkunde  das  'actum  Merseburg'  trug; 
demnach  ist  das  D.  für  Halberstadt  noch  vor  dem  Aufbruch  des  Königs 
nach  Magdeburg  gegeben  und  das  erste  der  in  dieser  Angelegenheit  aus- 
gestellten Schriftstücke.  2)  Vgl.  Uhlirz,  Gesch.  des  Erzbisthums  Magde- 
burg S.  116.  Die  späteren  Verhandlungen  mit  Magdeburg  und  Meissen, 
in  deren  Verlauf  erst  die  endgiltige  Regelung  der  Angelegenheit  erfolgte, 
haben  wir  in  diesem  Zusammenhang  nicht  zu  verfolgen. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.  137 

Urkunden  giebt  die  erstere,  wie  bemerkt,  den  4.,  die  zweite 
den  5.  März  als  Tagesdatum ;  und  den  letzteren  Tag-,  dabei 
aber  den  Ortsnamen  'Geuise',  d.  i.  Gebesee  im  Regierungs- 
bezirk Erfurt,  weist  endlich  St.  1375  auf.  Dass  nun  der 
König  wirklich  am  gleichen  Tag  in  Wallhausen  und  in 
Gebesee  geurkundet  habe,  was  Usinger  noch  für  möglich 
hielt  \  dürfen  wir  bei  der  Entfernung  beider  Orte  —  etwa 
45  Kilom.  in  der  Luftlinie  gemessen  —  als  ausgeschlossen 
betrachten.  Stumpf  schlug  deshalb  vor,  in  St.  1374  'III. 
non.  mart.'  in  IUI.  non.  mart.'  zu  emendieren,  also  die 
Urkunde  auf  denselben  Tag  zu  verlegen  wie  1373.  Der 
Vorschlag  wäre,  da  jenes  Stück  nur  abschriftlich  über- 
liefert ist,  nicht  ohne  weiteres  abzuweisen,  allein  er  scheitert 
daran,  dass,  wie  oben  bemerkt,  der  Verfasser  der  Zusätze 
zum  Chron.  Merseb.  St.  1374  bestimmt  als  das  zweite  Pri- 
vileg von  1373  unterscheidet,  was  doch  gewiss  darauf  zurück- 
geht, dass  er,  der  nicht  aus  unserem  Copialbuch  (saec.  XV.) 
schöpft,  es  mit  einer  einen  Tag  späteren  Datierung  vor- 
fand. Demnach  bleibt  nichts  übrig  als  mit  Ficker 2  bei  dem 
einen  oder  dem  anderen  der  besprochenen  Diplome  Nicht- 
einheitlichkeit  der  Datierung  anzunehmen  —  der  erste 
Fall  derart  aus  diesen  früheren  Jahren  Heinrichs  II.  Die 
eigentliche  Schwierigkeit  beruht  in  Fällen,  wie  dem  vor- 
liegenden, häufig  nicht  darauf  festzustellen,  dass  überhaupt 
in  einer  oder  mehreren  Urkunden  nicht  einheitlich  datiert 
worden  ist,  sondern  vielmehr  darauf  zu  entscheiden,  bei 
welchem  der  Diplome,  deren  Daten  mit  einander  in  Con- 
flict  geratheil,  die  Unregelmässigkeit  anzunehmen  ist.  Um 
für  unsere  Stücke  diese  Entscheidung  zu  treffen,  halten 
wir  uns  an  den  Schriftbefund.  Da  wir  aus  diesem  ersehen, 
dass  in  St.  1373  das  Tagesdatum  wahrscheinlich  erst  nach- 
träglich hinzugefügt  ist,  während  wir  in  1375  keine  Nach- 
tragung irgend  welcher  Art  in  der  Datierung  erkennen 
konnten,  so  nehmen  wir  an,  dass  in  der  letzteren  Urkunde 
alle  Daten  einheitlich  sind,  d.  h.  dass  das  Diplom  in 
Gebesee  am  5.  März  vollzogen  ist 3.  Dagegen  schliessen 
wir  aus  der  Nachtragung  in  St.  1373,  dass  in  diesem  und 
dann  wohl  auch  in  dem  nur  abschriftlich  überlieferten 
St.  1374  die  Datierung  nicht  einheitlich  hergestellt  ist; 
wir    beziehen    demnach    nur    das   Tagesdatum    der   beiden 


1)  Bei  Hirsch  I,  285,  N.  7;  301,  N.  3.  2)  Beiträge  zur  Urkunden- 
lehre II,  276.  Vgl.  aber  auch  schon  Lepsius,  Geschichte  der  Bischöfe 
des  Hochstifts  Naumburg  S.  186,  N.  6.  3)  "Wahrscheinlich  ist  es  auch 

dort  erst  geschrieben. 


138  Harry  Bresslau. 

Stücke  (4.  und  5.  März)  auf  die  Vollziehung,  den  Orts- 
namen dagegen  auf  ein  früheres  Stadium  der  Beurkundung1. 
St.  1373  und  1374  werden  also  beide  in  Wallhausen  ge- 
schrieben sein.  St.  1374  ist  gewiss  erst  am  5.  März  in 
Gebesee,  zusammen  mit  St.  1375,  das  dasselbe  Geschäft 
betrifft,  vollzogen  worden.  St.  1373  kann  möglicher  Weise 
noch  am  4.  März  in  Wallhausen  vollzogen  sein,  da  die 
Annahme,  dass  der  König  die  Strecke  von  Wallhausen 
nach  Gebesee  an  einem  Tage  zurückgelegt  habe,  zwar  eine 
ungewöhnlich  starke  Marschleistung  voraussetzt  und  des- 
halb nicht  unbedenklich,  aber  doch  nicht  ganz  unannehm- 
bar ist.  Da  somit  nicht  nothwendig  ein  Widerspruch 
zwischen  den  Angaben  der  Datierungszeile  in  1373  ange- 
nommen werden  muss,  wohl  aber  Veranlassung  zu  Zweifeln 
an  dem  Zusammentreffen  derselben  vorliegt,  meinen  wir 
diesen  Zweifeln  auch  in  der  Ausgabe  Ausdruck  geben  zu 
sollen.  Wir  führen  zu  diesem  Behufe  ein  neues  Zeichen 
ein.  Bekanntlich  hat  Sickel  Nichteinheitlichkeit  der  Datie- 
rung zweckmässig  dadurch  bezeichnet,  dass  er  in  der  dem 
Urkundenregest  folgenden  Zeile  diejenigen  Angaben  von 
Zeit  und  Ort,  welche  nicht  zu  einander  passen,  durch 
einen  Strich  trennt,  während  die  Urkunde  da  eingereiht 
wird,  wohin  die  auf  den  frühesten  Zeitpunkt  treffende 
Angabe  der  Datumszeile  gehört -\  Indem  wir  bei  solchen 
Datierungen,  die  wir  bestimmt  als  widerspruchsvoll  be- 
trachten, ebenso  verfahren,  richten  wir  in  Fällen  wie  dem 
eben  besprochenen  von  St.  1373  für  die  Benutzer  unserer 
Ausgabe  dadurch  eine  Warnungstafel  auf,  dass  wir  statt 
des  einfachen  Strichs  einen  Strich  und  ein  Fragezeichen 
setzen.  Wir  werden  also  den  Ansatz  der  Datierung  bei 
1373.  1374.  1375  so  geben:  1373:  Wallhausen  —  ?  1004 
März  4;  1374:  Wallhausen—  1004  März  5;  1375:  Gebesee 
1004  März  5.  Das  soll  heissen:  wir  betrachten  es  als 
zweifelhaft,  ob  der  König  noch  am  4.  März  in  Wallhausen, 
als  sicher,  dass  er  am  5.  März  nicht  mehr  dort,  sondern 
in  Gebesee  geurkundet  hat. 

Auf  dem  ersten  Zuge  Heinrichs  nach  Italien,  der  im 
Frühjahr  1004  unternommen  wurde,  ward  an  der  Organisa- 
tion   der    Kanzlei    nichts   geändert;    auch    jetzt  noch  muss 


1)  Auf  die  Handlung  beziehen  wir  keine  der  Datierungsangaben 
der  drei  Urkunden,  diese  bat  aller  "Wahrscheinlichkeit  nach  bereits  statt- 
gefunden, ehe  der  König  nach  AVallhausen  kam;  vgl.  oben  S.  135  und 
S.  136,  N.  1.        2)  A7gl-  DD-  II,  S.  6. 


Erläuterungen  zu   den  Diplomen  Heinrichs   IL  139 

die  Errichtung  einer  eigenen  italienischen  Kanzleiabtheilung 
nicht  als  erforderlich  angesehen  worden  sein.  Von  den 
beiden  ständigen  Notaren  hat  der  eine,  EB,  den  König 
über  die  Alpen  begleitet,  wie  unten  näher  auszuführen 
ist;  dass  aber  auch  EA  im  Gefolge  des  Königs  in  Italien 
gewesen  wäre,  davon  hat  sich  kein  Zeugnis  erhalten:  wahr- 
scheinlich ist  er  in  Deutschland  zurückgeblieben.  Statt 
seiner  ist  dagegen  ein  anderer  Notar  Otto's  III.  während 
dieser  Zeit  in  der  Kanzlei  beschäftigt  worden,  ein  Italiener, 
der  in  der  Ausgabe  der  Diplome  Otto's  mit  der  Chiffre 
Her.  E  bezeichnet  worden  ist;  er  hat  die  beiden  DD.  für 
Mont-Amiate  und  San  Pietro  in  cielo  d'oro,  St.  1378  und 
1382,  verfasst  und  geschrieben1.  In  den  ständigen  Dienst 
der  Kanzlei  ist  dieser  Mann,  der  in  Pavia  an  den  könig- 
lichen Hof  gekommen  war,  aber  nicht  getreten;  auf  dem 
Rückwege  ist  er  dem  Könige  bis  Cadempino  gefolgt; 
dann  aber  verschwindet  er,  und  wir  können  keine  Spur 
seiner  Thätigkeit  in  Deutschland  oder  auf  den  zwei  späteren 
Zügen  des  Königs  in  Italien  nachweisen. 

Ausser  den  beiden  eben  besprochenen  Diplomen  ist 
uns 2  nur  ein  Original  aus  der  Zeit  dieses  Zuges  erhalten, 
St.  1380  für  Parma,  dessen  Text,  DO.  I.  239  nachgebildet, 
von  einem  unbekannten  Schreiber  herrührt,  während  EB 
das  Eschatokoll  hinzugefügt  hat  \  Das  gleiche  Verhältnis 
wird  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auch  bei  St.  1381  für 
die  Söhne  des  Ribaldus  obwalten :  das  Eschatokoll  dieser 
schlecht  überlieferten  Urkunde  entspricht  in  allen  Dingen4 


1)  Als  Schreiber  von  1382  haben  ihn  schon  Kehr  S.  79  und  Sickel, 
DD.  II,  S.  388b  erkannt,  vgl.  Kehr  S.  71,  N.  2.  Von  St.  1378,  dessen  Ori- 
ginalität nicht  mehr  bezweifelt  werden  kann,  lag  Kehr  (S.  71,  N.  2)  nur 
ein  für  die  Beurtheilung  nicht  ausreichendes  Facsimilefragment  vor,  auf 
Grund  dessen  er,  freilich  mit  allem  Vorbehalt,  Her.  B  als  Schreiber  ver- 
muthete.  Allein  das  Stück  ist  nicht  nur  sicher  von  derselben  Hand  wie 
1382,  sondern  auch  über  die  Identität  der  Schrift  mit  der  uns  aus  den 
Facsimiles  von  DO.  III.  350.  351  bekannten  Schrift  des  Her.  E  kann  kein 
Zweifel  sein.  Auch  die  in  Siena  vorgenommene  Vergleichung  von  DO. 
HI.  202,  das  von  Her.  JB  herrührt,  mit  St.  1378  hat  mich  in  der  Ueber- 
zeugung,  dass  letzteres  von  Her.  E  sei,  bestärkt.  Im  Dictat  bestehen 
gleichfalls  zwischen  St.  1378.  1382  und  den  Urkk.,  an  denen  Her.  E  unter 
Otto  III.  mitgearbeitet  hat,  gewisse   Berührungen.  2)  Abgesehen  von 

St.  1376  aus  Trient  für  Seben,  Orig.  in  Laibach,  geschrieben  von  EB. 
3)  Die  Annahme  Riegers,  Die  Immunitätsprivilegien  der  Kaiser  aus  dem 
sächsischen  Haus  S.  32  f.,  dass  der  Context  von  1380  durch  'Fälschung 
mit  Aufopferung  eines  echten  Diploms'  entstanden  sei,  d.  h.,  dass  der 
echte  Text  ausradiert  und  durch  einen  gefälschten  ersetzt  sei,  hat  sich  bei 
wiederholter  Untersuchung  des  Orig.  als  völlig  grundlos  erwiesen.  Solche 
Hypothesen  sollten  ohne  Autopsie  nicht  aufgestellt  werden.  4)  Ueber 

die  Indiction  vgl.  unten  S.  142. 


140  Harry  Bresslau. 

den  Gewohnheiten  des  Eß ,  aber  der  Text  kann  weder 
auf  ihn  noch  auf  irgend  einen  anderen  uns  bekannten 
Kanzleibeamten  zurückgeführt  werden.  Endlich  legen  wir 
dem  EB  auch  das  Protokoll  der  beiden  DD.  für  Como, 
St.  1383.  1384,  bei,  deren  Text  sich  an  Vorurkunden 
Arduins  anschliesst.  Dass  EB  auch  jene  geschrieben  hat, 
ist  mindestens  wahrscheinlich;  giebt  er  in  beiden  Stücken 
dem  König  den  Titel  'Francorum  pariterque  Longobardorum 
divina  favente  dementia  rex',  so  kehrt  genau  dieselbe 
Form  auch  mit  derselben  Stellung  der  Devotionsformel 
in  St.  1387  wieder,  dessen  von  EB  mundiertes  Original 
sich  erhalten  hat 1.  Dass  EB  der  Schreiber  des  Eschatokolls 
beider  Stücke  ist,  dafür  spricht  aber  auch  noch  ein  an- 
derer Umstand.  Es  gehört  zu  den  Eigenthümlichkeiten  der 
von  EB  geschriebenen  Urkunden  aus  den  ersten  Jahren 
Heinrichs,  dass  ihnen  die  Apprecationsformel  fehlt,  so  dass 
sie  also  mit  dem  Ortsnamen  schliessen2.  St.  1383.  1384 
dagegen  bieten  die  Formel  'in  dei  nomine  feliciter  amen', 
und  dieselbe  Formel  kehrt  nun  in  der  gleichen  Fassung 
in  allen  späteren  Urkunden  des  EB,  die  bis  zum  April 
1005  (St.  1401)  geschrieben  sind,  wieder.  Es  unterliegt 
also  wohl  keinem  Zweifel,  dass  EB  sich  diese  Formel  eben 
in  Italien  angeeignet  hat;  dass  sie  in  den  VU.  Arduins, 
die  für  1383.  1384  benutzt  sind,  in  kürzerer  Fassung  (ohne 
'in  dei  nomine)  steht,  ist  ohne  Belang:  neben  ihnen  haben 
EB  ohne  Zweifel  in  dieser  Zeit  auch  noch  andere  italie- 
nische Urkunden  vorgelegen,  in  denen  er  sie  in  der  Fassung 
kennen  gelernt  haben  kann,  die  er  dann  annahm. 

In  den  vorangehenden  Bemerkungen  haben  wir  sämmt- 
liche  echte  Urkunden,  die  aus  dem  italienischen  Zuge  von 
1004  auf  uns  gekommen  sind,  besprochen3,  bis  auf  eine, 
das  Privileg  für  San  Sabino  zu  Piacenza  (St.  1379),  das 
eine  ausführlichere  Erörterung  erfordert, 

Mit  der  Ueberlieferung  der  Urkunden  für  dies  Kloster 
steht   es  nicht  eben  gut.      Von    den  zur  Zeit  Campi's,  der 


1)  In  St.  1385.  1388  steht  mit  geringer  Abwandlung :  'Erancorum  et 
Lorig.  div.  fav.  clem.  rex'.  2)  Die  einzige  Ausnahme  würde  unter  den 
Originalen  St.  1343  bilden,  dessen  von  EB  geschriebenes  Eschatokoll  jetzt 
mit  dem  AVort  'feliciter'  endigt.  Aber  wir  sind  nicht  sicher,  ob  das  Wort 
nicht  von  anderer,  die  Schrift  des  EB  nachahmender  Hand  hinzugefügt 
ist.  Von  den  abschriftlich  erhaltenen  Urkunden,  die  man  EA  oder  EB 
beilegen  kann,  haben  nur  St.  1319.  1365  in  ihrer  jetzigen  Ueberlieferungs- 
form  eine  Apprecation.  Auch  von  den  Originalen  des  EA  hat  nur  St.  1307 
'feliciter'.  3)  Abgesehen  von  einer,   wahrscheinlich   hierher   gehörigen 

und   bisher   unbekannten   Neuausfertigung   des   Privilegs    für   Peterlingen 
St.  1367,  die  ich  an  anderem  Orte  eingehend  behandeln  werde. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs   II.  141 

vielfachen  Gebrauch  von  ihnen  gemacht  hat,  noch  er- 
haltenen Beständen  des  Archivs  war  schon  um  die  Mitte 
des  vorigen  Jahrhunderts  nicht  mehr  alles  vorhanden: 
speziell  unsere  Urkunde  hat  schon  1757  Poggiali x  ver- 
geblich in  demselben  gesucht.  Heute  ist  einzelnes  davon 
in  privatem  Besitz:  zwei  Abschriften  des  12.  und  14.  Jahr h. 
von  Diplomen  Heinrichs  III.  sind  in  den  Jahren  1889  und 
1890  von  einem  Mailänder  Händler  dem  Germanischen 
Nationalmuseuni  in  Nürnberg  zum  Kauf  angeboten  worden, 
von  denen  eine  erworben  worden  ist 2.  Um  weiterem  der- 
artigen Besitz  auf  die  Spur  zu  kommen,  habe  ich  mich 
mit  jenem  Händler  in  Verbindung  gesetzt;  doch  haben 
diese  Bemühungen  keinen  Erfolg  gehabt.  So  sind  wir  für 
unsere  Urkunde  jetzt  angewiesen  auf  eine  doppelte,  aber 
späte  Ueberlieferung,  nämlich 

1)  auf  eine  Notariatscopie  vom  16.  Dec.  1324  auf  der 
öffentlichen  Bibliothek  zu  Parma,  von  welcher  Stumpf 
(Acta  n.  259)  eine  Abschrift  durch  Herrn  Barbieri  er- 
halten hat  (B) ; 

2)  auf  eine  Abschrift  des  15.  Jahrh.  im  Capitular- 
archiv  zu  Piacenza,  die  leider  am  Schluss  fast  unleserlich 
ist  (C). 

Beide  Abschriften  haben  manche  gemeinsame  Fehler; 
doch  geht  C  nicht  unmittelbar  auf  B,  sondern  wohl  auf 
dessen  Vorlage  zurück,  die  aber  nicht  das  Original,  sondern 
eine  ältere  Copie  war3.  Neben  beiden  Abschriften  kommt 
dann  noch  der  Druck  Campi's 4  in  Betracht,  der  nicht  auf 
die  Abschrift  von  1324  zurückgeführt  werden  kann,  sondern 
einige  bessere  Lesarten  bietet  als  diese 5. 

Zu  Bedenken  gegen  die  Authenticität  der  Urkunde  ist 
kein  Anlass.  Ihr  Context  geht  auf  die  VU.  DO.  III.  385 
zurück;  der  Titel  "Francorum  atque  Longobardorum  superna 
dementia  rex'  entspricht  demjenigen  in  St.  1383 — 1385. 
1387.  1388  und  könnte  auf  die  Vermuthung  führen,  dass  EB 
auch  an  diesem  Stück  mitgearbeitet  habe.  Doch  an  der 
Datierung  wenigstens  hat  er  keinen  Theil.  Diese  lautet 
in   B:    'data   V.   kal.    iunias,    indictione    III,    anno    ab   in- 


1)  Memorie  storicbe  di  Piacenza  III,  258.  2)  Den  Ankauf  des 

anderen  hat  die  Verwaltung  des  Museums  mit  Recht  abgelehnt,  da  der 
Händler,  der  das  Stück  irrig  als  Original  ansah,  einen  zu  hohen  Preis 
dafür   forderte.  3)   Auch  von    der   einen    der  beiden  oben  erwähnten 

Urkk.  Heinrichs  IH.  giebt  es  eine  Notariatscopie  von  1324,  Dec.  16,  die 
ihrerseits  auf  einem  Transsumpt  von  1172  beruht.  4)  Dell'  historia  eccle- 
siastica  di  Piacenza  1,497,  n.  65.  5)  So  'de  cunctis  praediis'  statt  'de 
dictis  praediis',  'regalis  protectionis'  statt  'imperialis  protectionis'. 


142  Harry  Bresslau. 

carnatione  domini  MIHI,  anno  vero  domni  Heinriei  secundi 
regis   in   Italia  I;    actum  Leucade    comitatu  Mediolanensi; 

feliciter'.       In  C  ist  nur  noch  lesbar:   lDat anno  ab 

incar domini  MIHI,  anno Le[uca]de  com.  Med. 

fei.'  Hier  widerspricht  fast  alles1  dem  Gebrauch  des  EB 
und  weist  mit  Notwendigkeit  auf  einen  anderen  Schreiber 
hin;  die  Rechnung  nach  besonderen  italienischen  Königs- 
jahren hat  diese  Urkunde  von  allen  auf  diesem  Zuge  aus- 
gestellten allein,  und  sie  kann  wohl  nur  von  einem  Italiener 
herrühren. 

Auffällig  ist  nun  —  abgesehen  von  dieser  Rechnung 
—  die  ind.  III.  Wie  wir  oben  bemerkten,  hatte  die  Kanzlei 
die  Indictionsziffer  I  vom  1.  Sept.  1002  bis  zum  April 
1004  festgehalten,  ohne  sie  im  Herbst  1003  umzusetzen. 
Erst  Her.  E  bemerkte  den  Fehler;  er  setzte  in  St.  1378. 
1382  die  correcte  Ziffer  II  ein,  und  dadurch  wohl  ist  EB 
veranlasst  worden,  auch  in  St.  1380  ind.  II  zu  schreiben. 
Aber  dieser  verfiel  bald  wieder  in  den  alten  Irrthum ; 
schon  1381.  1383.1384  haben  wiederum  ind.  I2,  und  auch 
nach  der  Rückkehr  von  Italien  beherrscht,  wie  wir  sehen 
werden,  der  gleiche  Fehler  die  Indictionsrechnung  der 
Kanzlei. 

Unter  diesen  Umständen  wäre  es  an  sich  wohl  denk- 
bar, dass  der  unbekannte  Italiener,  der  St.  1379  datiert 
hat,  in  den  entgegengesetzten  Fehler  verfallen  und  ledig- 
lich durch  Irrthum  die  erst  zu  1005  passende  ind.  III 
statt  ind.  II  gesetzt  hatte.  Aber  diese  Frage  wird  ver- 
wickelter, wenn  wir  auch  Campi's  Druck  hinzuziehen.  Hier 
finden  wir  zwar  im  übrigen  dieselben  Daten  wie  in  B, 
also  auch  ind.  III :!,  aber  daneben  la.  reg.  in  Italia  II' 
(statt  I).  Diese  Ziffer  für  einen  einfachen  Druckfehler  zu 
halten,  sind  wir  nicht  berechtigt;  steht  einmal,  wie  oben 
gezeigt  ist,  fest,  dass  Campi  nicht  aus  unseren  Abschriften 
schöpfte,  sondern  eine  in  manchen  Beziehungen  bessere 
Ueberlieferung  benutzte,  so  ist  auch  die  von  ihm  gebotene 
Zahl  der  Regierungsjahre  derjenigen,  die  in  einer  unserer 
Abschriften  begegnet4,  mindestens  gleichwerthig.  Folgen 
wir    aber   Campi,    so   haben   wir   in  St.  1379   zwei  auf  das 


1)  Die  Stellung  der  Indiction  vor  dem  Aerenjahr ;  die  Bezeichnung 
des  letzteren  durch  'a.  ab  ine.  dorn.',  die  Regierungsjahre  in  Italien,  die 
Apprecation  mit  'feliciter'  allein.  2)  Ueber  1381  s.  oben  S.  139  f.  3)  Und 
'ann.  ab  incarn.  1004',  nicht  1005  wie  bei  Stumpf  steht.  1005  hat  Campi 
am  Rande  emendiert,  weil  er  der  Chronologie  des  Baronius  in  Bezug  auf 
die  Zeit  von  Heinrichs  Krönung  folgt ;  aber  sein  Text  hat  1004.  4)  Die 
andere  ist  an  dieser  Stelle  unlesbar. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.  143 

Jahr  1005  hinweisende  Jahresangaben,  die  einfach  ab- 
zuweisen schon  an  sich  bedenklich  ist.  Noch  bedenklicher 
aber  wird  das,  wenn  wir  noch  eine  andere  Urkunde  des 
Jahres  1005  in  Betracht  nehmen:  St.  1403  für  das  Capitel 
zu  Cremona. 

Freilich  ist  dies  Diplom  in  der  denkbar  schlechtesten 
Weise  überliefert;  wir  kennen  es  nur  aus  dem  von  dem 
berüchtigten  Fälscher  Antonio  Dragoni1  angelegten  'Codex 
diplomaticus  capituli  Cremonensis',  der  sich  jetzt  in  der 
Biblioteca  governativa  zu  Cremona  befindet.  Wie  diese 
Provenienz  die  Urkunde  verdächtig  macht,  so  ist  sie, 
worauf  ich  bereits  an  anderer  Stelle  hingewiesen  habe, 
auch  inhaltlich,  so  wie  sie  vorliegt,  unhaltbar 2.  Findet 
sich  in  ihr  mit  Bezug  auf  die  Restitution  des  'castrum 
Redaldiscum'  der  Satz  'quamque  divisionem  ipsis  canonicis 
malo  modo  et  iniuste  abstulerat  Odelricus  eiusdem  ecclesie 
Cremonensis  presul,  quamque  divisionem  iisdem  canonicis 
pro  sua  religione  et  pietate  in  presenti  iterum  habendum  et 
pertinendum  (!)  dedit  dilectus  noster  donus(!)  Hubaldus  eius- 
dem Cremonensis  ecclesie  nunc  beatissimus  episcopus',  so 
kennzeichnet  sich  die  ungeschickte  Fälschung  auf  das  deut- 
lichste durch  den  Widerspruch,  in  welchem  sie  mit  der 
Bischofsreihe  von  Cremona  steht3.  Im  Febr.  1004  ist  noch 
Odelrich,  der  zu  Arduin  übergegangen  war,  Bischof  von 
Cremona,  dessen  Todestag  nicht  bekannt  ist 4.  Sein  Nach- 
folger war  Landulf5,  der  sich  durch  eine  lange  Reihe  von 
Zeugnissen  bis  zum  18.  März  1030  verfolgen  lässt,  wo  er 
zum  letzten  Mal  in  einem  D.  Konrads  II.  (St.  2001)  er- 
wähnt wird.  Nun  erst  wurde  Hubald,  den  unsere  Urkunde 
schon  im  Jahre  1005  'Cremonensis  ecclesie  nunc  beatissimus 
episcopus'  nennt,  erhoben;  ich  finde  ihn  zuerst  am  27.  Febr. 
1031   (St.  2013.  2014). 

Ist  nun  an  dieser  Stelle  einmal  die  Verfälschung 
zweifellos  erwiesen,  so  fehlt  es  natürlich  auch  den  anderen 
sachlichen  Angaben  der  Urkunde,  insbesondere  dem  langen 
Güterverzeichnis,  an  jeder  Gewähr,  und  in  ihm  finden  sich 

1)  Vgl.  über  ihn  Sickel,  Acta  Karol.  II,  401  und  die  daselbst  an- 
gezogene Litteratur.  2)  Jahrb.  Konrads  II.  Bd.  II,  192,  N.  3.  3)  Was 
die  Sache  angeht,  so  vgl.  man  mit  unserem  Satze  DO.  II.  272,  St.  2480.  2557 
(Acta  imp.  n.  309).  Die  letztere  Urkunde  bestätigt  dem  Bischof  Hubald 
'Itadaldisco'  und  andere  Güter  'que  omnia  ipse  tenuit  octo  dies  antequam 
imperator  postremo  Verouaru  venisset  (1055  Nov.)  et  sui  antecessores 
semper  tenuerunt'.  4)  Vgl.  Hirsch  I,  237.  —  Noch  die  letzte  Urkunde, 
in  der  er  genannt  wird  (Muratori,  Antt.  II,  965),  ist  ein  Placitum,  in 
dem    sein   Vogt    vor   einem   missus   Arduins    erscheint.  5)  Robolotti, 

Repertorio  diplomatico  Cremonese  n.  125 — 176. 


144  Harry  Bresslau. 

Worte,  die  zweifellos  nicht  im  Jahre  1005  geschrieben 
sein  können.  Aber  für  eine  vollständige  Erfindung  darf 
das  D.  darum  doch  nicht  angesehen  werden ;  dass  ein 
Schutzbrief  für  das  Capitel  im  Mai  1005  von  Heinrich  II. 
ausgefertigt  worden  ist,  kann  als  sicher  gelten,  auch  wenn 
wir  die  jetzt  vorliegende  Passung  desselben  als  vielleicht 
vielfach  interpoliert  betrachten  müssen  und  nicht  mehr 
im  Stande  sind,  die  Interpolationen  sämmtlich  mit  Sicher- 
heit auszuscheiden 1. 

Dafür  ist  beweisend  das  Protokoll  der  Urkunde 2, 
insbesondere  die  Datierung  'dat.  VI.  non.  maii  anno 
dominice  incarnationis  milesimo  quinto,  ind.  III,  anno 
vero  doni  (!)  Heirici  (!)  secundi  regis  in  Italia  secundo; 
actum  Traiecti3;  feliciter' ;  sie  stimmt  mit  derjenigen  von 
St.  1402  (Or.)  'anno  dominicae  incarnationis  millesimo  V, 
indic.  II,  anno  vero  domni  Heinrici  secundi  regis  III,  data 
YI.  non.  mai. ;  actum  Traiectum;  feliciter  amen'  sachlich 
so  sehr  überein  und  unterscheidet  sich  zugleich  formell 
von  ihr  so  sehr,  dass  der  Gedanke  von  vornherein  aus- 
geschlossen ist,  Dragoni  hätte  etwa  den  Druck  dieser 
Urkunde  benutzt. 

Ist  aber  die  Datierung  von  St.  1403  authentisch,  so 
erinnert  man  sich  sofort,  dass  sie  mit  der  oben  besprochenen 
von  1379  —  abgesehen  von  der  immerhin  nicht  häufigen 
apprecatio  mit  blossem  'feliciter'  —  insbesondere  darin  zu- 
sammentrifft, dass  sie  Regierungsjahre  'in  Italia'  anführt. 
Die  beiden  Diplome  sind  die  einzigen  Heinrichs  II.,  in 
welchen  diese  Rechnung  nach  italienischen  Regierungs- 
jahren vorkommt,  und  man  wird  schon  dadurch  auf  die 
Vermuthung  geführt,  dass  sie  in  irgend  welchem  Zusammen- 
hang stehen.  Und  diese  Vermuthung  bestätigt  sich  in 
überraschender  Weise   bei  einer  Vergleichung  ihrer  Texte. 

Gleich  die  Arenga  beginnt  übereinstimmend: 
1379.  1403. 

Decet  r egalem  excel-  Decet  r egalem  excel- 
lentiam  sibi  subditorum  lentiam  petitionibusillorum 
placita  deo  petentium  aures  |  qui  in  domo  domini  destinati 


1)  So  auch  Wüstenfeld  bei  Robolotti  a.  a.  O.  S.  204:  'per  me  e  sicuro 
che  il  Dragoni  abbia  infarcito  la  sua  copia  di  parecchie  interpolazioni  di 
suo  gusto1.     Aehnlich  ebenda  S.  290.  2)  Aber  auch  die  Vergleichung 

mit  dem  D.  Heinrichs  IH.  für  das  Capitel  zu  Cremona  St.  2480,  in  wel- 
chem z.  B.  in  der  Arenga  einzelne  Worte  von  St.  1403  wiederkehren, 
führt  zu  demselben  Ergebnis.  3)  Hinter  'Traiecti'  hat  Dragoni  '=  Ut- 
recht'. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II. 


145 


sue     maiestatis     precibus    divinis     officiis     incumbunt, 
inclinare.  iustis  et  rationabilibus  aures 

maiestatis  benignas  incli- 
nare. 

Wesentlich  gleich  lauten  ferner  die  Promulgatio  und 
der  Anfang  der  Narratio : 


1379. 
Quocirca  omni  um  sanc- 
te  dei  ecclesie  nostro- 
rum  fidelium  presen- 
cium  scilicet  ac  futuro- 
r  u  m    comperiat     universi- 

tas,   qualiter n  o  - 

stram  supplex  adiit  cel- 
situdinem   postulans,    ut 

pro  dei  amore 

.  .  .  preceptalique  au c tori- 
tat e  corroborare  dignare- 
mur.  Cuius  dignis  peti- 
cionibus  assensum  pre- 
b  e  n  t  e  s.  .  .  . 


1403. 
Quapropter  omnium  sanc- 
te  dei  ecclesie  fidelium 
nostrorumque  presen- 
tium  ac  futurorum  nove- 
rit  universitas,  qualiter 

nostram 

s  u  p  p  1  ices  a  d  i  erunt  c  e  1  s  i  - 
tudinem  .  .  .  postulantes, 
quatinus  pro  dei  caritate  .  .  . 

nostra  regali  aucto- 

r  i  t  a  t  e  et  tuitione  confirmare 
et  def ensare  d  i  g  n  a  r  e  m  u  r. 
Eorum  igitur  iustis  et  dignis 
petitionibus  assensum 
.  .  .  prebentes. 
Ebenso  grosse  Uebereinstimmungen  bestehen  in  den 
Schlussformeln : 


1379. 
Precipientes  itaque  re- 
gali iubemus  potentia, 
ut  nullus  dux  episco- 
pus  marchio  com  es  vi ce- 
comes  nullaque  nostri 
regni  magna  vel  parva 
persona...  de  cunctis1  pre- 
diis    et  possessionibus  .  . 

superius  colla- 

tis  aut  deinceps  conferen- 
dis  inquietare,  mole- 
stare  vel  disvestire  pre- 
s  u  m  a  t. 


1403. 
Precipimus  igitur  atque 
nostra  regali  iubemus 
potentia,  ut  nullus  dein- 
ceps dux  episcopus  mar- 
chio comes  aut  viceco- 
mes  nullaque  nostri  re- 
gni magna  vel  parva 
persona de  cunc- 
tis  prediis   et  possessis 

tarn  superius  collatis 
.  .  .  quam  in  posterum  .  .  . 
conferendis  .  .  .  inquie- 
tare, molestare  vel  dis- 
vestire .  .  .  presumat. 
Auch  die  Strafformel  ist  in  beiden  Urkunden  ähnlich, 
und  Wort  für  Wort  gleichlautend  ist  die  Corroboratio : 

1)  So  Campi;  'dictis'  BC. 

Neues  Archiv  etc.     XX.  10 


146  Harry  Bresslau. 


1379. 
Quod  utverius  creda- 
tur  et  diligencius  ab 
ornnibus  observetur,  ma- 
nu propria  confirman- 
tes  sigilli  nostri  impres- 
sione  inferius  iussimus 
insigniri. 


1403. 
Quod  utverius  creda- 
t  u  r  diligentius  que  a  b 
ornnibus  observetur,  ma- 
nu propria  confirman- 
tes  sigilli  nostri  impres- 
sione  inferius  iussimus 
insigniri. 


Endlich  finden  sich  noch  einige  kleinere  Ueber- 
einstimmungen  in  einzelnen  Ausdrücken  über  den  Text 
zerstreut,  die  aber  minder  hervortreten;  sie  würden  wahr- 
scheinlich noch  zahlreicher  sein,  wenn  wir  noch  den  echten 
Text  von  1403  und  nicht  bloss  eine  verfälschte  Ueber- 
arbeitung  besässen. 

Würde  nun  der  nachgewiesene  Zusammenhang  beider 
Urkunden  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  nur  zu  dem 
Schluss  führen,  dass  sie  von  dem  gleichen  Schreiber  und 
Dictator  herrühren,  so  reicht  doch  in  unserem  Fall  diese 
Annahme  nicht  aus.  Denn  wir  erinnern  uns,  dass  St.  1379 
ganz  auf  einer  Vorurkunde  Otto's  III.  beruht;  aus  ihr 
stammen  sämmtliche  oben  angeführte  Wendungen;  sie 
sind  also  auf  das  Dictat  des  Her.  D  zurückzuführen,  der 
DO.  III.  385  verfasst  und  mundiert  hat. 

Diesen  selbst  aber  als  den  Verfasser  und  Schreiber 
von  1379  und  1403  zu  betrachten,  geht  nicht  wohl  an, 
obwohl  er,  wie  wir  oben  (S.  128  N.  1)  bemerkten,  wirklich 
auf  dem  zweiten  Römerzuge  an  einer  Urkunde  unseres 
Königs  thätig  gewesen  ist.  Denn  erstens  wäre  es  sehr 
auffallend,  wenn  er  so  je  einmal  im  Jahre  1004  in  Italien 
für  ein  placentinisches  Kloster,  im  Jahre  1005  in  Deutsch- 
land für  das  Cremoneser  Capitel,  endlich  viele  Jahre  später 
wiederum  in  Italien  für  ein  Stift  zu  Como  seine  Feder 
geliehen  hätte.  Zweitens  ist  es  durchaus  unglaublich,  dass 
ein  im  Kanzleidienst  so  erfahrener  Mann  wie  Her.  D,  der 
in  den  Jahren  998  und  999  im  Dienst  Otto's  III.  eine  so 
grosse  Thätigkeit  entfaltet  hatte  1,  die  allem  Kanzleibrauch 
unter  Otto2  wie  unter  Heinrich3  zuwiderlaufende  Zählung 

1)  Vgl.  Kehr  S.  70.  2)  Das  von  einem  ravennatischen  Notar  ge- 
schriebene DO.  III.  193  kann  natürlich  für  den  Kanzleibrauch  nichts  be- 
weisen. —  Wenn  unter  Otto  I.  nach  dessen  erstem  Zug  nach  Italien  be- 
sondere a.  regni  in  Italien  auch  in  der  Kanzlei  gezählt  werden,  so  liegt 
der  Fall  ganz  anders:  der  war  ja  wirklich  erst  seit  951  Herrscher  von 
Italien.  3)  Dass  Heinrich  sich  schon  von  1002,  nicht  erst  von  1004  ab 
als  König  von  Italien  betrachtet  hat,  ist  zweifellos,  und  für  den  Brauch 
in  seiner  Kanzlei  beweist  es  nichts,  dass  italienische  Notare,  die  dei'selben 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II. 


147 


besonderer  italienischer  Regierungs jähre  angewandt  hätte. 
Drittens  kehrt  von  mehreren  wirklich  individuellen  und 
charakteristischen  Wendungen,  in  welchen  1403  von  1379 
abweicht,  keine  in  den  vielen  von  Her.  D  verfassten  DD. 
Otto 's  III.  oder  in  dem  einen  von  ihm  dictierten  D.  Hein- 
richs II.  (St.  1592)  wieder.  Endlich  aber  ist  in  St.  1403 
auch  eine  Wendung  von  1379  übergegangen,  welche  nicht 
dem  Stil  des  Her.  D  angehört,  sondern  von  diesem  bei 
der  Abfassung  von  DO.  III.  385  (der  VU.  von  1379)  aus 
der  damals  benutzten  Vorlage,  einer  Urk.  des  Bischofs 
Siegfried  von  Piacenza  vom  J.  1000  (Campi  I,  496  n.  63) 
entlehnt  ist 1. 

Unter  diesen  Umständen  scheint  uns  nur  eine  Er- 
klärung zulässig2:  St.  1379  und  St.  1403  müssen  ungefähr 
gleichzeitig  von  demselben  Mann  geschrieben  sein,  der  die 
erstere  Urkunde  als  Dictatvorlage  für  1403  benutzte. 
Dann  aber  kann  auch  St.  1379  erst  im  Jahre  1005  voll- 
endet sein;  und  somit  gewinnt  die  Ind.  III  in  beiden, 
und  das  zweite  italienische  Königs  jähr  in  einer  der  beiden 
Ueberlieferungen    dieser  Urkunde   Sinn  und  Berechtigung. 

Die  Bitte  um  Bestätigung  seines  Klosters  muss  natür- 


nicht  angehören,  nach  'anni  regni  hie  in  Italia'  rechnen.  Heinrichs  eigent- 
liche Kanzlei  kennt  solche  Jahre  ebenso  wenig  wie  besondere  'anni  regni 
in  Francia'.  Das  Eschatokoll  von  St.  1342,  in  welchem  letztere  vorkom- 
men, stammt  nicht  von  einem  Kanzleibeamten.  1)  Man  vgl.  die  fol- 
gende Zusammenstellung : 


Urk.  Siegfrieds, 
ut  de  praescriptis 
praediis  et 
possessionibus 
a  nobis  collatis 
iterumque  a  no- 
bis vel  a  qui- 
buseunque  re- 
ligiosis  hominibus 
in  posier  um  c  o  n  - 
ferendis. 


DO.  III.  385. 
ut  ...  de  ewne- 
tis  prediis  et 
possessionibus 
auf  quibus- 
cumque  rebus 
vel  rivulis  s  u pe- 
rius  collatis 
auf  deineeps 
conferendis. 


St.  1379. 
ut ...  de  eun c- 

t  i  s  l  prediis 
et  possessio- 
nibus a  ut  qui- 
buscumque  re- 
bus vel  rivulis 
superius  col- 
latis aut  de- 
ineeps confe- 
rendis. 


1)  So  Campi!    'dic- 
tis'  BC. 


St.  1403. 
ut  .  .  .  de  eunc- 
tis  prediis  et 
possessis...«H< 
quibuscumque 
r eb HS  et  iuribus 


tarn 

superius  col- 
latis .  .  .  quam 
in  posterum  .  .  . 

conferendis. 


2)  Eine  andere  Möglichkeit  wäre  diese.  Man  könnte  vermuthen,  dass 
gleichzeitig  mit  DO.  III.  385  von  Otto  III.  auch  eine  Urkunde  für  Cre- 
mona  ausgestellt  wäre,  für  welche  DO.  HL  385  als  Dictatvorlage  gedient 
hätte :  diese  könnte  dann  1005  von  Heinrich  bestätigt  worden  sein.  Allein 
damit  wäre  nur  die  Uebereinstimmung  im  Context  zwischen  1379  und 
1403  erklärt,  nicht  aber  auch  ihr  Zusammentreffen  in  der  Rechnung  nach 
'anni  regni  in  Italia'  und  in  der  Indiction.  Für  dieses  aber  eine  andere 
Erklärung  zu  suchen,  als  für  jene,  oder  hier  an  einen  blossen  Zufall  zu 
denken,  scheint  uns  in  Anbetracht  aller  Verhältnisse  unthunlich. 

10* 


148  Harry  Bresslau. 

lieh  der  Bischof  von  Piacenza  schon  im  Mai  1004  in  Locate 
gestellt  haben,  und  er  wird  auch  wohl  damals  schon  die 
Gewährung  derselben  vom  König  erhalten  haben.  Zwischen 
Handlung  und  Vollendung  der  Beurkundung  ist  hier  also 
der  Zeitraum  eines  vollen  Jahres  verstrichen,  was  ange- 
sichts mancher  ähnlicher  Fälle,  die  für  das  10.  Jahrh. 
bereits  nachgewiesen  sind,  nicht  sehr  befremden  kann1. 
Von  den  Daten  von  St.  1379  beziehen  sich  demnach  In- 
carnationsjahr  (1004)  und  Ort  (Locate)  auf  die  Handlung, 
Indiction  (3)  und  Regierungsjahr  (2  in  Italien2)  auf  die 
Beurkundung.  Nicht  ganz  so  sicher  ist  die  Beziehung  des 
Tagesdatums:  am  28.  Mai  kann  der  König  im  Jahr  1004 
zu  Locate 3,  wohin  die  Handlung  gehört,  gewesen  sein, 
und  im  Mai  1005  war  er  zu  Utrecht4,  wo  die  Beurkundung 
erfolgte ;  der  Tag  passt  also  zu  der  einen  ebenso  gut  wie 
zu  der  anderen.  Doch  ziehe  ich  vor,  ihn  auf  die  Hand- 
lung zu  beziehen,  da  ich  es  nicht  für  wahrscheinlich  halte, 
dass  zwischen  der  Ausstellung  von  St.  1403,  das  vom  2.  Mai 
datiert  ist,  und  derjenigen  von  St.  1379,  das  den  28.  Mai 
aufweist,  beinahe  ein  Monat  verflossen  ist,  wie  man  an- 
nehmen müsste,  wenn  man  das  Tagesdatum  von  St.  1379 
als  Datum  der  Beurkundung  ansähe.  Die  Entstehung  von 
St.  1379  aber  kann  unter  diesen  Umständen  auf  doppelte 
Weise  erklärt  werden.  Entweder  ist  bereits  im  J.  1004 
in  Locate  ein  Blanquet  hergerichtet  und  mit  dem  Eingangs- 
protokoll, vielleicht  auch  mit  Signum-  und  Recognitions- 
Zeile  sowie  dem  Tagesdatum,  jedenfalls  mit  Incarnationsjahr 
und  Ort  versehen,  aber  erst  1005  ausgefüllt  worden.  Oder  ein 
im  Jahr  1004  aufgenommener  Act,  der  jene  Datierungs- 
angaben enthielt,  ist  1005  bei  der  Anfertigung  des  D.  be- 
nutzt worden.  Von  diesen  beiden  Möglichkeiten  ist  die 
erstere  die  weitaus  wahrscheinlichere;  sie  erklärt  zugleich  die 
Verschiedenheiten,  welche,  neben  der  Uebereinstimmung 
der  Datierung,  in  dem  Protokoll  —  sowohl  zu  Anfang  wie 
am  Schluss  —  zwischen  St.  1379  und  1403  bestehen.  Das 
Blanquet  wäre  dann  im  Jahre  1004  von  einein  anderen 
Schreiber   als    demjenigen,    der  1403    schrieb,    hergerichtet 


1)  Kein  volles  Jahr,  aber  doch  mehr  als  4  Monate  hat  sich  eben 
in  dieser  Zeit  auch  die  Vollendung  einer  anderen  italienischen  Urkunde 
verzögert.  Die  Bitte  um  Ausstellung  von  St.  1402  für  S.  Ambrosius  zu 
Mailand  ist,  wie  in  der  Urk.  selbst  gesagt  wird,  zu  Dornburg,  also  Ende 
December  1004  gestellt  worden ;  die  Beurkundung  aber  ist  erst  im  Mai 
1005  zu  Utrecht  erfolgt-,  vgl.  Ficker,  Beiträge  I,  141  f.  2)  Unter  der 
Voraussetzung,  dass  so  zu  lesen  ist.  3)  Vgl.  unten  S.  150.  4)  Vgl. 

St.  1402—1405. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.  149 

und  von  dem  letzteren  1005  mit  1403  zugleich  ausgefüllt 
worden. 

Wie  dem  nun  auch  sei,  so  viel  ergiebt  sich  aus  den 
vorangehenden  Ausführungen,  wenn  sie  Zustimmung  finden, 
bestimmt,  dass  wir  in  St.  1379  ein  sehr  merkwürdiges  Bei- 
spiel nicht  einheitlicher  Datierung  vor  uns  haben.  Dass 
in  einer  Urkunde  Tag  oder  Ort  oder  beide  nicht  zu  den 
Jahresangaben  passen  und  auf  ein  anderes  Stadium  des 
Beurkundungsgeschäftes  gehen  als  jene,  das  ist  jetzt  für 
so  zahlreiche  Fälle  nachgewiesen,  dass  Niemand  mehr  an 
einem  derartigen  "Vorgehen  der  Kanzlei  sonderlich  Anstoss 
nehmen  wird.  Dass  aber  auch  von  den  verschiedenen 
Jahresangaben  die  einen  auf  die  eine,  die  anderen  auf  die 
andere  Stufe  der  Beurkundung  zu  beziehen  seien,  haben 
gegenüber  Ficker,  der  bei  einer  Anzahl  von  Stücken  auch 
eine  solche  Erklärung  der  ihm  aufgefallenen  Unregel- 
mässigkeiten für  zulässig  erachtete  \  für  die  Zeiten  Ottos  II. 
und  Ottos  III.  Sickel  und  Kehr  bestimmt  und  nachdrück- 
lich in  Abrede  gestellt2.  Unsere  Urkunde,  in  der  die  Be- 
ziehung des  Incarnationsjahres  einerseits,  die  der  Indiction 
und  wahrscheinlich  auch  des  Regierungs  Jahres  andererseits 
auseinanderfallen,  giebt  nun,  wenn  unsere  Erklärung  an- 
genommen wird,  auch  hierfür  einen  Beleg,  den  wir  später 
in  entsprechenden  Fällen  zu  beachten  haben  werden3. 

Nach  Erledigung  dieser  Frage  haben  wir  in  Betreff 
der  auf  dem  ersten  Zug  nach  Italien  ausgestellten  Urkunden 
nur  noch  wenige  Bemerkungen  zu  machen.  Einige  Be- 
denken erweckt  die  Datierung  von  St.  1378,  Pavia  Mai  25  4, 
für  Mont-Amiate.  Nach  Thietmar  VI,  8  (6),  hätte  der  König 
Pavia  gleich  nach  dem  Brande  der  Stadt  —  also  wohl  noch 
am  15.  Mai  —  verlassen  und  sich  in  das  feste  Peterskloster 
zurückgezogen.  Dass  die  Kanzlei  eine  von  hier  ausgestellte 
Urkunde  von  Pavia  datiert  hätte,  wäre  an  sich  nicht  be- 
fremdlich; auffallend  ist  aber,  dass  Heinrich  hier  noch 
am  25.  Mai  gewesen  sein  soll.  Denn  von  S.  Pietro  ging 
der  König  nach  Pontelungo,  wo  er  einen  Tag  mit  den 
Lombarden  abhielt  und  ihre  Huldigung  entgegennahm5, 
von  dort  begab  er  sich  zu  kurzem  Besuch  nach  Mailand 
und  kehrte  dann  nach  Pontelungo  zurück.  Auf  dem  Wege 
von  Pontelungo  nach  Mailand  —  wenn  nicht  gar  auf  dem 

1)  Beiträge  z.  Urkundenlehre  I,  211  f.  2)  Sickel,  Mitth.  d.  Instit. 
f.  österr.  Geschichtsf.,  Ergänz.-Bd.  II,  166  ff.;  Kehr  S.218,  N.3.  3)  Ein 
andersartiges  Beispiel  von  Divergenzen  in  den  Jahresangaben  giebt  die 
oben  S.  140,  N.  3  erwähnte  Neuausfertigung  von  St.  1367  für  Peterlingeu. 
4)  Vgl.  Hirsch  I,  310.         5)  Thietmar  VI,  9  (7). 


150  Harry  Bresslau. 

Rückwege  von  dort  nach  Pontelungo  —  muss  nun  der 
durch  St.  1379  bezeugte  Aufenthalt  zu  Locate  stattgefunden 
haben.  Fiel  dieser  Aufenthalt  auf  den  28.  Mai,  wie  wir 
oben  annahmen,  so  blieben  für  den  ersten  Aufenthalt  in 
Pontelungo  nur  etwa  zwei  Tage.  Endlich  ist  der  König 
schon  am  31.  Mai  in  Ehö  nördlich  von  Mailand  (St.  1380. 
1381)  offenbar  auf  dem  Rückmarsch  nach  Deutschland;  wir 
hätten  also,  wenn  die  Datierung  in  St.  1378  einheitlich 
ist,  für  alle  diese  Begebenheiten  höchstens  6  Tage  zur 
Verfügung.  Nun  will  ich  nicht  behaupten,  dass  sie  in 
dieser  kurzen  Frist  unmöglich  hätten  ablaufen  können  — 
wir  sind  ja  über  das,  was  mit  den  Lombarden  in  Ponte- 
lungo, abgesehen  von  der  Huldigung,  verhandelt  wurde, 
nicht  näher  unterrichtet  —  aber  jedenfalls  ist  unter  diesen 
Umständen  ein  Zweifel  daran  naheliegend,  ob  die  Datierung 
von  St.  1378  einheitlich  ist,  oder  ob  vielmehr  bloss  die 
Handlung  nach  Pavia  gehört,  die  Beurkundung  aber 
anderswo,  vielleicht  zu  Pontelungo  am  25.  Mai  statt- 
gefunden hat 1.  Wir  werden  also  den  Ansatz  der  Datierung 
von  St.  1378  wiederum  so  geben:  Pavia  — ?  1004  Mai  25. 
Damit  wollen  wir  sagen :  die  Ausfertigung  unserer  Urkunde 
ist  am  25.  Mai  1004  erfolgt,  die  Handlung  fand  in  Pavia 
statt.  Ob  der  König  am  25.  Mai  noch  in  Pavia  war,  ist 
uns  zweifelhaft,  wenn  wir  es  auch  nicht  mit  voller  Be- 
stimmtheit in  Abrede  stellen  können. 

Das  Itinerar  des  Rückmarsches  Heinrichs  aus  Italien 
macht,  soweit  es  sich  um  die  Bestimmung  der  Reiseroute 
handelt,  keine  Schwierigkeiten  mehr,  seit  G-.  v.  Wyss  fest- 
gestellt hat 2,  dass  der  König  über  den  Lukmanier  ge- 
gangen und  dass  unter  dem  bei  Thietmar  VI,  9  (7)  ge- 
nannten Orte  'Gronimo'  ('Chromo'  bei  Adalbold)  Grnmo 
unweit  Cadempino  im  Agnothal  zu  verstehen  ist.  Hier 
hat  der  König  nach  Thietmar  Pfingsten  gefeiert  und  vom 


1)  Denkbar  wäre  sogar  noch  etwas  anderes.  Es  fällt  nämlich  auf, 
dass  auch  die  St.  1378  zuletzt  vorangehende  Urkunde  für  Montamiate, 
DO.  III.  202  vom  Jahr  996,  dasselbe  Tagesdatum  —  25.  Mai  —  bietet. 
Dass  dies  Stück  mit  anderen  älteren  Privilegien  des  Klosters  der  Kanzlei 
eingereicht  wurde,  als  Abt  AVinizo  sich  1004  eine  Bestätigung  der  Güter 
und  Rechte  seines  Klosters  erbat,  ist  höchst  wahrscheinlich.  Nun  hat 
zwar  Her.  E  dies  von  Her.  B  geschriebene  Stück  nicht  eigentlich  als 
Dictatvorlage  benutzt,  aber  es  wäre  doch  nicht  undenkbar,  dass  irgendwie  das 
Datum  desselben  auf  sein  eigenes  Schriftstück  eingewirkt  hätte  oder  durch 
ein  Verseheu  in  das  letztere  übergegangen  wäre.  Ohne  das  auch  nur  als 
wahrscheinlich  zu  bezeichnen,  haben  wir  doch  nicht  unterlassen  wollen, 
auf  das  eigenthümliche  Verhältnis  aufmerksam  zu  machen.  2)  Anzeiger 
f.  schweizer.  Gesch.  1887,  n.  2  und  3,  S.  41  f. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.  151 

ersten  Pfmgsttage  (4.  Juni)  ist  auch  St.  1382  für  San  Pietro 
in  Cielo  d'oro  datiert,  das  Cadempino  als  Ausstellort  nennt. 
Obwohl  bei  der  geringen  Entfernung  beider  Orte  von  ein- 
ander, die  nur  etwa  zwei  Kilometer  beträgt,  ein  Besuch 
beider  an  einem  Tage  an  sich  sehr  wohl  möglich  ist,  kann 
man  doch  zweifeln,  ob  der  König  am  Pfingsttage  selbst 
gereist  sei.  Und  da  nun  in  St.  1382  das  Tagesdatum  nach- 
getragen zu  sein  scheint,  liegt  es  nahe  anzunehmen,  das- 
selbe auf  die  in  Grumo  erfolgte  Vollziehung  der  Urkunde 
zu  beziehen,  während  die  Handlung  oder  die  früheren 
Stadien  der  Beurkundung  nach  Cadempino  fallen  werden. 
Daran,  dass  Heinrich  am  12.  Juni  noch  in  Locarno  (St.  1383. 
1384),  am  17.  schon  in  Zürich  (St.  1385.  1386)  Urkunden 
soll,  hat  v.  Wyss  keinen  Anstoss  genommen;  vielmehr  be- 
merkt er  ausdrücklich,  dass  der  König  in  4 — -5  Tagen 
diesen  Weg  zurückgelegt  haben  müsse.  Darf  man  aber 
an  eine  solche  Marschleistung  glauben?1  Zur  Bewältigung 
der  Strecke  Bellinzona-Chur  ist,  wie  v.  Wyss  bemerkt,  bei 
dem  heutigen  Stand  der  Dinge,  d.  h.  auf  guter  Kunst- 
strasse, nach  den  Angaben  der  Reisehandbücher  eine  Zeit 
von  32Y2  Stunden  erforderlich;  noch  von  Biasca  —  etwa 
20  Kilometer  hinter  Bellinzona  —  aus  gebraucht  für  die- 
selbe die  sehr  schnell  fahrende  Schweizer  Post  etwas 
weniger  als  16  Stunden.  Wir  werden  wohl  nicht  an- 
nehmen dürfen,  dass  der  König  weniger  als  drei  Tage 
darauf    verwandt    habe 2.      Dazu    kommen    dann    noch    die 


1)  Das  Itinerar  Otto's  I.,  der  anfangs  965  ebenfalls  über  den  Luk- 
manier gezogen  ist  (vgl.  v.  Wyss,  Anzeiger  f.  Schweiz.  Gesch.  1884,  n.  4, 
S.  292),  giebt  keine  sicheren  Anhaltspunkte  zur  Entscheidung  der  Frage. 
Wir  wissen  nur,  dass  der  Kaiser  am  3.  Jan.  in  Mailand  war  und  dass  er 
am  13.  in  Ohur  eintraf  (Dümmler  S.  369).  Aber  weder  die  Zeit  seines 
Aufbruchs  von  Mailand  noch  die  seiner  Ankunft  an  irgend  einem  Punkt 
zwischen  dort  und  Chur  ist  uns  bekannt.  Am  18.  ist  Otto  dann  in  St.  Gallen, 
am  23.  in  Reichenau  gewesen,  in  jedem  Fall  also  langsamer  gereist  als 
Heinrich  II.  im  Jahre  1004.  —  Auch  der  Zug  Otto's  I.  von  952  über 
den  Septimer,  also  auf  der  Route  Como  -  Chur  -  Zürich  setzt  keine  so 
grosse  Schnelligkeit  voraus,  wie  der  Heinrichs :  Otto  war  am  15.  Febr.  in 
Como,  am  1.  März  in  Zürich  (DO.  I.  145.  146),  kann  also,  wenn  der  Auf- 
bruch von  Como  etwa  am  16.  erfolgt  ist,  auf  eine  annähernd  gleich  lange 
Strecke  wie  diejenige  Locarno  -  Chur  -  Zürich  13  Tage  verwandt  haben. — 
Im  Aug.  972  haben  wir  für  die  Septimerroute  Pavia  -  St.  Gallen  ebenfalls 
13  Tage  zur  Verfügung  (Dümmler  S.  488).  —  Friedrichs  I.  Zug  über  den 
Lukmanier  1164  bietet  für  die  Strecke  Varese  -  Disentis  einen  Spielraum 
von  3—4  Tagen,    St.  4031.  4034.  2)  Drei  Tagereisen   rechnet  Albert 

von  Stade,  SS.  XVI,  340,  im  13.  Jahrh.  auf  die  Gotthardstrecke  Bellin- 
zona -  Luzern.  Die  Schweizer  Post  gebrauchte  früher  für  die  Strecke 
Flüelen  -  Bellinzona  14l/2  Stunden,  wozu  dann  noch  die  Seestrecke  Flüelen- 
Luzern  kommt.    Danach  dürfte  der  obige  Ansatz  gerechtfertigt  erscheinen. 


152  Harry  Bresslau. 

Strecken  Locarno  -  Bellinzona  (Eisenbaknroute  22  Kilom.) 
und  Ckur-Züricli  (Eisenbahnroute  über  Weesen-Rapperswyl 

129  Kilom.,  über  Weesen-Richtersweil  119  Kilom.).  Nehmen 
wir  nun  an,  dass  Heinrich  noch  am  12.  nach  Aus- 
fertigung- von  St.  1383.  1384  am  Abend  nach  Bellinzona 
gelangt  sei,  am  13.,  14.  und  15.  die  eigentliche  Bergstrecke 
zurückgelegt  habe,  so  blieben  für  die  mindestens  120  Kilom. 
lange  Strecke  Chur- Zürich,  ohne  die  Möglichkeit,  einen 
Rasttag  in  Chur  in  die  Rechnung  einzustellen,  noch  der 
16.  und  allenfalls  ein  Theil  des  17.  Juni  übrig.  An  eine 
so  ungewöhnliche  Leistung 1  unmittelbar  nach  drei  an- 
strengenden Reisetagen  im  Gebirge  glauben  wir  nicht, 
zumal  da  ganz  unerklärlich  wäre,  warum  der  König  von 
Locarno  ab  plötzlich  ein  so  ausserordentlich  beschleunigtes 
Tempo  eingeschlagen  hätte,  nachdem  er  bis  dahin  (Rhö 
31.  Mai  —  Locarno  12.  Juni)  in  aller  Gemächlichkeit  mar- 
schiert wäre.  Alle  Schwierigkeit  verschwindet,  wenn  wir 
die  Datierung  in  St.  1383.  1384  als  nicht  einheitlich  be- 
trachten, die  Handlung  nach  Locarno,  den  Abschluss  der 
Beurkundung  am  12.  Juni  auf  eine  spätere  Station  —  etwa 
Disentis  oder  vielleicht  schon  Chur  —  verlegen.  Da  die 
beiden  DD.  nur  abschriftlich  überliefert  sind ,  lässt  sich 
diese  Annahme  durch  den  Schriftbefund  nicht  stützen,  ent- 
gegen aber  steht  ihr  nichts. 

Nach  der  Rückkehr  des  Königs  aus  Italien  fand  sich 
Ende  Juni  1004  EA  noch  einmal  bei  Hofe  ein;  St.  1387 
für  St.  Cyriacus  zu  Sulzberg  ist  zwar  von  EB  geschrieben, 
aber  ganz  von  EA  dictiert.  Auch  die  zwei  nächsten  nur 
abschriftlich  erhaltenen  DD.  St.  1388.  1389  für  Andlau 
und  Basel  zeigen  Spuren  seines  Dictats,  die  aber  auch  durch 
Benutzung  von  1387  als  Vorlage  erklärt  werden  können, 
so  dass  die  beiden  Stücke  nicht  nothwendig  von  EA  selbst 
verfasst  sein  müssen.  Die  Corroboratio  beider  Urkunden 
weicht  von  den  Gewohnheiten  des  EA  ab ;  in  1388  bietet 
sie  eine  ganz  singulare  Wendung,  in  1389  entspricht  sie 
vollkommen  den  Gewohnheiten  des  EB,  und  dass  EB  dies 
Stück   geschrieben   hat,    beweist   eine  uns  erhaltene  Nach- 

Auch  der  Uebergang  über  den  Septimer,  den  Heinrich  VI.  im  Jahre  1191 
gemacht  hat,  scheint  von  Chur  bis  Chiavenna  etwa  drei  Tage  gedauert  zu 
haben.     St.  4862.  4863.  1)  Dass   Otto  III.    im    Jahre  995   die    etwa 

130  Kilom.  lange  Strecke  Havelberg-Quedlinburg  vom  6. — 8.  October  zurück- 
gelegt habe,  hält  Sickel,  Mitth.  d.  Inst.  f.  österr.  Geschichtsforsch.  XII,  388 
für  möglich  (vgl.  zu  DO.  III.  173),  bezeichnet  das  aber  schon  als  ausser- 
ordentliche Leistung.  In  unserem  Falle  wäre  für  eine  wenig  kürzere 
Strecke  noch  ein  Tag  weniger  zur  Verfügung. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.  153 

Zeichnung  aus  dem  16.  Jahrh.  Aber  auch  für  1388  ist 
nach  dem  Eschatokoll  Mundierung  durch  EB  wahrschein- 
lich. Demnächst  verschwindet  EA  für  lange  Jahre  völlig 
aus  der  Kanzlei;  nur  noch  eine  einzige  Urkunde  aus  dem 
Jahre  1015  (St.  1658  für  St.  Bertin)  zeigt  unverkennbar 
sein  Dictat.  Man  könnte  geneigt  sein,  diese  Thatsache  so 
zu  erklären,  dass  man  1658  als  Wiederholung  eines  ver- 
lorenen, von  EA  verfassten  D.  aus  den  Jahren  1002 — 1004 
ansieht.  Jedoch  entspricht  auch  im  Eschatokoll  von  1658 
das  Fehlen  der  Apprecatio  durchaus  dem  Gebrauch  des 
EA,  so  dass  ich  diesen  auch  als  Schreiber  der  Urkunde 
betrachten  möchte.  Und  ungewöhnlich  ist  es  durchaus 
nicht,  dass  ein  früherer  Kanzleibeamter  längere  Zeit  nach 
seinem  Austritt  aus  dem  Dienst  bei  gelegentlichem  Auf- 
enthalt am  Hof  sich  noch  einmal  in  der  Kanzlei  nützlich 
macht :  wir  werden  dafür  noch  weitere  Beispiele  kennen 
lernen. 

An  Stelle  des  ausgeschiedenen  EA  treten  wahrschein- 
lich gleichzeitig  mit  einander  zwei  neue  Notare  in  die 
Kanzlei  ein,  die  wir  mit  den  Chiffren  E(gilbert)  C  und 
E(gilbert)  D  bezeichnen ;  es  sind  dieselben,  die  Bayer  in 
den  Kaiserurkk.  in  Abbildungen  zu  Lief.  IV,  Taf.  10  und 
Lief.  VI,  Taf.  1  besprochen  hat.  Bayer  ist  allerdings  der 
Meinung,  dass  EC  schon  im  Nov.  1002  eine  Urkunde  für 
Tegernsee  (St.  1330)  geschrieben  habe  und  nimmt  also,  da 
er  ihm  danach  erst  wieder  St.  1402  beilegt,  eine  mehr- 
jährige Pause  in  seiner  Thätigkeit  an.  Nun  hat  Bayer 
gewiss  gegen  Stumpf,  der  1330  für  verdächtig  erklärt 
hatte,  darin  Becht,  dass  dies  Stück  echt  ist 1 ;  und  ebenso 
richtig  hat  er  dasselbe  dem  EC  zugewiesen,  dessen  Schrift 
und  Dictat  unverkennbar  sind.  Nur  darin  weichen  wir 
von  Bayer  ab,  dass  wir  bestreiten,  dass  1330  im  Jahre  1002 
bereits  entstanden  sei.  Denn  nach  unserer  Meinung  verbieten 
diese  Ansetzung  Schrift  und  Stil  der  Urkunde.  Wie  so  manche 
andere  Notare  der  Kanzlei,  hat  nämlich  auch  EC  weder 
als  Dictator  noch  als  Ingrossist  die  Gewohnheiten,  die  uns 
in  seinen  ersten  Urkunden  entgegentreten,  unverändert 
beibehalten,  sondern  er  hat  in  beiden  Beziehungen  eine 
fortschreitende  Entwicklung  durchgemacht,  die  sich  an  den 


1)  An  dem  Siegel  ist  allerdings  nachträglich  auf  der  Rückseite 
vielleicht  manipuliert  worden.  In  welcher  Weise  und  zu  welchem  Zweck 
das  geschehen  ist,  lässt  sich  heute  nicht  mehr  mit  Sicherheit  bestimmen. 
Gegen  die  ursprüngliche,  so  viel  sich  erkennen  lässt,  völlig  kanzleimässige 
Besiegelung  des  Stückes  lässt  sich  aus  dieser  nachträglichen  Manipulation 
kein  Verdacht  ableiten. 


154  Harry  Bresslau. 

von  ihm  geschriebenen  und  verfassten  Diplomen  genau 
verfolgen  lässt.  Leider  sind  wir  nicht  im  Stande,  die  all- 
mähliche Umbildung  seiner  Schrift  durch  eine  ausreichende 
Zahl  guter  Facsimiles  vollständig  zu  veranschaulichen:  die 
beiden  Abbildungen  von  St.  1434  und  1437  im  Chron. 
Gotwicense  I,  229  und  im  Neuen  Lausitzer  Magazin  Bd.  30 
sind  recht  mangelhaft;  und  das  Facsirnile  von  St.  1651  in 
den  Kaiserurkunden  in  Abbildungen  gehört  erst  der  aller- 
letzten Zeit  des  Notars  an.  So  müssen  wir  uns  darauf 
beschränken,  das  wesentlichste  und  leichtest  erkennbare 
hervorzuheben.  Das  Chrismon.  das  EC  in  seinen  ersten 
Urkunden  —  auch  in  1434.  1437  —  anwendet,  ist  voll- 
ständig verschieden  von  demjenigen  der  späteren,  wie  es 
in  1651  zu  sehen  ist.  Die  Umbildung  beginnt  in  1458.  1462; 
ganz  fertig  liegt  die  zweite  Form  zuerst  vor  in  St.  1508. 
1513.  1515,  und  mit  dieser  stimmt  das  Chrismon  von  1330 
überein.  Ebenso  hat  EC  zwei  Formen  für  das  Königs- 
monogramm; sie  unterscheiden  sich  durch  die  Stel- 
lung des  S;  die  ältere  Form  ist  in  St.  1434.  1437  zu  er- 
kennen 1 ;  die  zweite,  in  der  das  S  ebenso  gestellt  ist  wie 
in  dem  Kaisermonogramm  von  St.  1651,  so  dass  es  genügt, 
auf  dessen  Abbildung  zu  verweisen,  kommt  zum  ersten 
Mal  vor  in  St.  1508.  1513.  1515  und  dann  in  allen  sjmteren 
Stücken:  und  diese  nun  findet  sich  wiederum  in  St.  1330. 
Den  Buchstaben  a  der  verlängerten  Schrift  bildet  EC 
zuerst,  so  wie  er  in  1434.  1437  dargestellt  ist;  später  so, 
dass  er  den  zweiten  Bogen  unter  die  Zeile  zieht,  wie  in 
St.  1651:  die  zweite  Form,  die  zuerst  in  1458  begegnet, 
ist  in  1330  schon  vorhanden.  Bei  dem  c  der  verlängerten 
Schrift  macht  der  Notar  Aufsätze  in  der  Gestalt,  wie  sie 
auf  dem  Facsimile  von  1651  sichtbar  sind,  gleichfalls  zuerst 
in  1458  2;  in  1330  kommen  sie  schon  ebenso  vor.  Eine  Form 
der  langen  s,  die  in  den  späteren  Urkunden  häufig  ist  —  die 
Schnörkel  oben  mehrmals  durch  den  Vertikalstrich  durch- 
gezogen —  fehlt  in  den  ältesten  Diplomen  des  EC  fast  völlig 
—  vgl.  1434.  1437  — ;  erst  mit  St.  1513  kommt  sie  öfter  vor, 
und  hier  wiederum  entspricht  1330  den  späteren  Stücken.  Das 
alles  (und  es  Hesse  sich  noch  mehr  anführen) 3  kann  nicht 
auf  Zufall  beruhen :  es  ist  nicht  anders  zu  erklären,  als  dass 

1)  Sie  entspricht   in  Bezug   auf  die  Stellung   des  S   der   dem  EB 
geläufigen  Form,  KU.  i.  A.  IX,  13.  2)  In  den  früheren  Stücken  ist 

die  Form  der  Aufsätze  eine  wesentlich  verschiedene.  3)  So  z.  B.  ein 

Orthographicum.  In  St.  1402.  1434.  1437  schreibt  EC  'archicapellaui',  in 
1458  zuerst  (unter  dem  Einfluss  des  ED)  und  so  in  allen  folgenden  Stücken 
'archicappellani'.     Das  doppelte  p  steht  aber  auch  schon  in  1330. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.  155 

1330  erst  der  späteren  Zeit  des  EC  angehört.  Wer  aber 
daran  noch  zweifelte,  den  würde  die  vollständige  Ueber- 
einstimmung  des  Dictats  von  1330  und  1515  überzeugen: 
sie  kann  nicht  auf  Benutzung  von  1330  in  1515  beruhen, 
da  jenes  eine  kürzere  und,  soweit  kürzer,  ungewöhnlichere 
Fassung  derselben  Formeln  enthält,  die  wir  in  1515  finden, 
und  sie  lässt  also  keine  andere  Erklärung  zu,  als  dass 
1330  ungefähr  gleichzeitig  mit  1515  und  unter  Benutzung 
dieses  Diploms  entstanden  ist. 

Wie  man  nun  dazu  gekommen  ist,  ein  im  Jahre  1009 
entstandenes  Diplom  vom  Jahre  1002  zu  datieren  und 
demgemäss  auch  auf  den  Namen  des  1002  regierenden, 
aber  schon  1003  abgesetzten  Abtes  Eberhard  zu  stellen, 
das  begreift  sich  wohl  am  einfachsten,  wenn  wir  1330  als 
Neuausfertigung  eines  im  Jahre  1002  für  Eberhard  aus- 
gestellten Diploms  betrachten  dürften.  Dass  aber  1330 
eine  solche  Neuausfertigung  darstellt,  dafür  spricht  ins- 
besondere seine  Datierung.  Sie  ist  zwar,  wie  das  ganze 
D.,  von  EC  geschrieben,  stimmt  aber  im  übrigen  nicht 
mit  seinen  späteren  Gewohnheiten,  sondern  genau  mit 
denen  des  EB  überein  und  ist  einer  Urkunde  des  letzteren 
nachgeahmt.  Ich  veranschauliche  das  durch  einen  palaeo- 
graphischen  Abdruck  der  Datumszeilen  von  1329  (EB), 
1330  (EC  nach  Vorlage  von  EB) ;   1515JEC). 

1329:  data.  II  ID  XOV.  anno  dorn  incarii.  MII.  indict. 
I.  anno  ü  domni  Heinrici  reg.  I  .  actum  radesbone. 

1330:  data  II.  ID  Nou.  anno  dorn  incarn.  MII.  indict. 
I.  anno  ü  domni  Heinrici  reg.  I.  actum  radesbone. 

1515:  data  XI.  kl  PTN.  indict  VII.  anno  diiicae 
incarnt  Mill  Villi.  Anno  v  döni  Heinrici  scdi  regnt. 
VII.  actum  Ratisbone.  feliciter  AMEN. 

Bemerkt  man  hier  bis  in  kleinste  Einzelheiten  hinein 
die  Uebereinstimmung  zwischen  1329  und  1330,  so  will 
ich  insbesondere  auf  zwei  Umstände  hinweisen:  St.  1330 
ist  von  allen  Urkunden  des  EC  die  einzige,  in  welcher 
hinter  dem  Namen  des  Königs  in  der  Datumzeile  die 
Ordinalzahl  'secundi'  und  am  Schluss  der  Zeile  die  Appre- 
cation  fehlt:  beides  aber  entspricht  den  Gewohnheiten 
des  EB. 

Vielleicht  lässt  sich  sogar  noch  etwas  mehr  über  die 
Urkunde,  deren  Neuausfertigung  St.  1330  sein  kann,  er- 
mitteln. Die  Untersuchung  dieses  Diploms  compliciert  sich 
nämlich  durch  zwei  andere  Umstände.  Einmal  haben  wir 
über  die  in  ihm  verfügte  Schenkung  von  zwei  Hufen  zu 
Loiben    an  Tegernsee   noch  ein  anderes  DH.  IL,  St.  1715, 


156  Harry  Bresslau. 

vom  Jahre  1019 1.  Dieses,  in  seinem  Dictat  ganz  ab- 
weichend, unterscheidet  sich  von  St.  1330  sachlich  in  fünf 
Punkten.  Erstens  werden  die  Kaiserin  Kunigunde  und  der 
Abt  Godehard  von  Altaich  als  Intervenierten  genannt. 
Zweitens  wird  die  Lage  der  beiden  Mansen  in  Loiben 
näher  bestimmt  durch  den  Zusatz  'inter  duos  lapides 
Watstein  et  Holinstein'.  Drittens  ist  die  nähere  Bestim- 
mung der  Lage  von  Loiben  selbst  (1330:  'in  Oriente  in 
loco  Liupna  nuncupato  iuxta  Danubium  in  comitatu 
Heinrici)  fortgelassen.  Viertens  ist  eine  Pertinenzformel 
hinzugefügt,  die  in  1330  fehlt.  Fünftens  endlich  ist  die 
in  1330  stehende  Angabe,  dass  die  Schenkung  'in  manus 
Ebarhardi  abbatis'  erfolgt  sei,  fortgelassen  und  auch  nicht 
durch  die  Nennung  des  1019  regierenden  Abtes  ersetzt. 
Sodann  aber  haben  wir  in  den  späteren  Tegernseeer  Chro- 
niken urkundliche  Excerpte,  welche  wir  bei  der  Unter- 
suchung von  1330  nicht  ausser  Acht  lassen  dürfen.  In 
beide  Chroniken,  die  uns  vorliegen,  diejenige,  welche  bei 
Pez,  Thesaurus  anecdotorum  tom.  III,  pars  3,  und  diejenige, 
welche  bei  Oefele,  SS.  rer.  Baioar.  tom.  II,  gedruckt  ist, 
sind  sowohl  Auszüge  aus  einer  Urkunde  von  1002  wie  aus 
der  von  1019  aufgenommen.  Die  Excerpte  aus  der  letzteren 
sind  kurz  und  geben  zu  keinen  Bedenken  Veranlassung. 
Die  Auszüge  aus  der  ersteren  dagegen  passen  zu  1330 
nicht.  Die  Chronik  bei  Oefele  (II,  69)  schreibt :  'Sub  hoc 
abbate  (Eberhardo)  S.  Heinricus  imperator  cum  S.  Kuni- 
gunda  coniuge  interventu  S.  Gothardi  dederunt  monasterio 
duos  regales  mansos  in  Leuben  Austriae'.  Die  Intervention 
Godehards  und  Kunigundens 2  wird,  wie  wir  eben  sahen, 
nicht  in  1330,  wohl  aber  in  1715  erwähnt,  auch  wird  der 
geschenkte  Besitz  wohl  in  1715  als  'duo  regales  mansi',  in 
1330  aber  als  'duae  hobae'  bezeichnet.  In  der  Chronik 
bei  Pez  (III,  3,  506)  heisst  es:  'primo  electionis  suae  (Heinrici) 
anno,  qui  est  ab  incarnatione  domini  millesimus  secundus, 
accepimus  a  gratia  eius  interventu  s.  Godhardi  abbatis  et 
s.  Kunegundis  reginae  per  manus  domini  Eberhardi 
abbatis  duos  regales  mansos  in  Leuben  in  Oriente  .  .  , 
iuxta  Danubium  inter  duos  lapides Battscltein3  et  Hosestain1 


1)  Bayer,  KU.  i.  A.,  Text  S.  68  m  hält  1715  für  Nachzeichnung  nach 
einem  Original  von  der  Hand  des  von  ihm  mit  GH  bezeichneten  Notars. 
Wir  haben  uns  nach  wiederholter  Prüfung  für  die  Originalität  des  Stückes 
entschieden.      Seine    Echtheit    scheint    auch    Bayer    nicht    zu    bezweifeln. 

2)  Godehard   wird   in   1330   gar   nicht   genannt;    von  Kunigunde   ist   nur 
insofern  die  Rede,    als  die  Schenkung  zu  ihrem  Seelenheil  gemacht  wird. 

3)  Lies:  'Battstem.       4)  Lies  'Holestain'. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.  157 

cum  aedificiis  cultis  et  incultis  pratis  pascuis  sylvis  viis  et  inviis 
exitibus  et  reditibus  aquis  aquarumve  decussibus  piscationibus 
quaesitis  et  inquirendis'.  Hier  stehen  die  gesperrt  gedruckten 
Worte  in  1330  und  fehlen  in  1715,  die  cursiv  gedruckten 
stehen  in  1715  und  fehlen  in  1330. 

Nun  liegt  es  ja  zuvörderst  nahe  anzunehmen,  die 
Excerptoren  hätten  bei  ihrem  Excerpt  der  Urkunde  von 
1002  (St.  1330)  gleich  diejenige  von  1017  (St.  1715)  mit  heran- 
gezogen und  ans  ihr  ergänzt,  was  im  Text  von  1330  zu 
fehlen  schien.  Aber  wenn  wir  das  in  Bezug  auf  die  nähere 
Bestimmung  der  Schenkung  an  sich  für  sehr  wohl  möglich 
halten  würden,  so  will  es  uns  doch  in  Bezug  auf  die 
Intervention  nicht  als  wahrscheinlich  erscheinen;  es  ist 
nicht  abzusehen,  warum  die  Chronisten 1,  da  sie  doch  beider 
Urkunden  gedenken,  auch  die  Intervention  Kunigundens 
und  G-odehards  aus  der  zweiten  in  die  erste  übertragen 
haben  sollten.  Und  so  halten  wir  es  denn,  wenn  nicht 
für  wahrscheinlich,  so  wenigstens  für  möglich,  dass  den 
Chronisten  noch  eine  andere  Fassung  der  Urkunde  von 
1002  vorgelegen  hat,  als  die  uns  in  St.  1330  erhaltene2. 

Tegernsee  hätte  also,  wenn  diese  Vermuthung  zutrifft, 
wirklich  bereits  im  Jahre  1002  zwei  Vergünstigungen  er- 
beten und  erhalten:   1.  das  Geschenk  eines  Hofes  in  Ree'ens- 


1)  Vielleicht  hat  übrigens  nur  einer  derselben  die  Urkk.  direct  be- 
nutzt, der  jüngere  aus  dem  älteren  geschöpft.  Ich  habe  eine  Unter- 
suchung über  die  Beziehungen  der  Tegernseeer  Chroniken  zu  einander 
nicht  angestellt,  da  ihr  Ertrag  für  unsere  Zwecke  in  keinem  Verhältnis 
zu  dem  Aufwand  an  Zeit  und  Mühe  gestanden  hätte,  den  sie  erfordert 
haben  würde.  2)  Zur  Unterstützung   dieser  Vermuthung   lassen   sich 

noch  einige  andere  Umstände  anführen.  Wenn  der  Tegernseeer  Chronist 
den  Auszug,  den  er  giebt,  nicht  einer  verlorenen  Urkunde  von  1002  ent- 
nahm, niüsste  er  ihn  aus  St.  1330  und  1715  combiniert  haben.  Nun  hat 
Kunigunde  in  1330  gar  keinen  Titel,  in  St.  1715  heisst  sie  'imperatrix'  — 
in  dem  Extract  aber  für  das  Jahr  1002  zutreffend  'regina1.  Die  Pertinenz- 
formel  fehlt  in  1330  ganz,  in  1715  (Or.)  bietet  sie  die  ungewöhnliche 
Fassung  'aquis  aquarumve  cursibus',  der  Chronist  schreibt  'aquis  aqua- 
rumque  decursibus'  ('decussibus'  bei  Pez  ist  gewiss  nur  Druckfehler). 
In  beiden  Fällen  hätte  der  Chronist,  wenn  er  nur  1330  und  1715  kannte, 
seine  Vorlagen  berichtigt ;  besonders  die  letztere  Emendation  wäre  auf- 
fallend ;  der  Chronist  müsste  sich  geradezu  mit  dem  Formelwesen  der 
Urkunden  beschäftigt  haben,  um  das  ungewöhnliche  'cursibus'  durch  das 
gebräuchliche  'decursibus'  ersetzen  zu  können.  Endlich :  übereinstimmend 
bieten  der  Chronist  und  1715  'aedificiis,  cultis  et  incultis'  und  lassen  vor 
'cultis'  das  übliche  'terris'  fort.  Das  "Wort  fehlt  sonst  in  keiner  Urkunde 
des  Notars,  der  1715  verfasst  hat;  sein  Fehlen  in  1715  erklärt  sich  aber 
leicht,  wenn  es  auch  in  der  von  uns  präsumierten  Urkunde  von  1002 
nicht  stand,  die  sowohl  der  Chronist  wie  der  Verfasser  von  1715  benutzt 
haben. 


158  Harry  Bresslau. 

bürg.  2.  dasjenige  zweier  Königshufen  in  Loiben.  Das 
erstere  wurde  durch  St.  1329  verbrieft,  eine  Urkunde, 
welche  ausserhalb  der  Kanzlei  entworfen  und  mundiert, 
in  Stil  und  Schrift  ganz  ungewöhnliche  und  mehrfach  an- 
stössige  Formen,  insbesondere  einen  ganz  abnormen  Titel 
aufweist,  dessen  ungeachtet  aber  unzweifelhaft  echt  ist, 
da  sie  von  EB  mit  dem  Eschatokoll  versehen  wurde 1. 
Erhielt  das  Kloster  gleichzeitig  eine  Urkunde  über  Loiben, 
so  ist  es  durchaus  wahrscheinlich,  dass  diese  die  gleichen 
Formen  zeigte.  Und  darin  könnte  denn  vielleicht  der 
Grund  der  Neuausfertigung  von  1009  gesucht  werden. 
War  etwa  das  Kloster  im  Jahre  1009  in  der  Lage,  aus 
irgend  welchen  Gründen,  die  wir  nicht  errathen  können, 
die  Loibener  Urkunde  damals  bei  Hofe  vorzulegen,  so  ist 
es  nicht  undenkbar,  dass  man  hier  an  der  Form  Anstoss 
nahm  und  die  Mönche  sich  dadurch  veranlasst  gesehen 
hätten,  eine  Neuausfertigung  nachzusuchen.  Damit  wäre 
EC  beauftragt  worden.  Indem  dieser  das  ihm  übertragene 
Geschäft  sehr  eilig  erledigte  —  von  der  Eile  bei  der  Her- 
stellung von  1330  zeugt  schon  die  sehr  flüchtige  Schrift  -  — 
verkürzte  er  den  Text  durch  Fortlassung  alles  dessen,  was 
ihm  unwesentlich  erscheinen  mochte,  d.  h.  der  Interventions- 
formel, der  näheren  Angaben  über  die  Lage  der  beiden 
Mausen  und  der  Pertinenzformel :  ungeändert  entnahm  er 
der  Vorlage  nur  die  Datierung.  Diese  Auslassungen  könnten 
dann  endlich  die  Tegernseer  bewogen  haben,  im  Jahre  1018 3 
die  Kanzlei  nochmals  um  eine  Wiederholung  jener  Schen- 
kung anzugehen,  welche  sie  in  St.  1715  erhielten4. 

Diese  Annahmen  sehen  coniplicierter  aus,  als  sie  wirk- 
lich sind :  nichts  in  ihnen  ist  an  sich  unwahrscheinlich 
oder  widerspricht   dem,   was  wir  etwa  über  das  Verfahren 


1)  Vgl.  Bayer,  KU.  i.  A.  Text  S.  68  d.  2)  Ebenso  ist  an  der 

Form  der  Corroboration  die  Eile,  mit  der  1330  hergestellt  wurde,  erkenn- 
bar; 'et  ut  haec  nostrae  donationis  auctoritas  stabilis  permaneat'  sagt  EC 
sonst  in  keinem  Fall,  sondern  immer  'e.  u.  b.  n.  donationis  (oder  largi- 
tionis  oder  dgl.)  auctoritas  stabüis  et  inconvulsa  omni  permaneat 
tempore1  oder  'iugiter'  oder  'in  aeternum  permaneat'.  Aucb  die 
Uebertragungsformel  ist  kürzer  als  in  den  meisten  Urkunden  des  EC.  3)  Die 
Handlung  des  am  9.  Jan.  1019  ausgefertigten  D.  St.  1715  dürfte  noch  in 
1018  fallen.  4)  Der  Gedanke,   dass  in  St.  1715  zwei  weitere  Mansen 

in  Loiben  den  schon  früher  geschenkten  hinzugefügt  wären,  ist  auszu- 
schliessen.  Nach  beiden  Tegernseeer  Chronisten  handelt  es  sich  1002  und 
1018  (1019)  um  dieselbe  Besitzung ;  und  da  diese  Güter  in  Loiben  noch 
zu  ihrer  Zeit  im  Besitz  des  Klosters  waren  —  sie  haben  demselben  bis 
1806  gehört,  vgl.  v.  Meiller,  Reg.  der  Babenberger  S.  193  —  so  konnten 
sie  darüber  unterrichtet  sein ;  es  ist  also  kein  Grund,  ihre  Angabe  zu  be- 
zweifeln. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.  159 

bei  der  Anfertigung'  von  Urkunden  dieser  Zeit  anzunehmen 
berechtigt  sind.  Freilich  ist  auch  eine  andere  Erklärung- 
denkbar. War  etwa  die  Schenkung  von  Loiben  1002  zwar 
erbeten,  aber  nicht  bewilligt,  erfolgte  sie  wirklich  erst 
1009,  so  könnte  man  sie  damals  aus  irgend  welchem  Grunde 
zurückdatiert  und  die  Datierung,  sowie  den  Namen  des 
Abtes  aus  St.  1329  entlehnt  haben.  Das  Verhältnis  der 
Chronikentexte  zu  unseren  Urkunden  wird  freilich  durch 
diese  Deutung,  wie  mir  scheint,  weniger  befriedigend  er- 
klärt, als  durch  die  zuerst  vorgeschlagene. 

Wenn  ich  Vermuthungen,  wie  die  eben  dargelegten, 
zur  Erwägung  stelle,  so  geschieht  das,  weil  ich  die  Pflicht 
habe,  mich  nach  Versuchen  zur  Erklärung  der  vielfach 
sehr  auffälligen  Erscheinungen  umzuthun,  die  wir  bei  der 
Ausgabe  der  Urkunden  Heinrichs  II.  zu  constatieren  haben. 
Vielleicht  mag  es  Anderen  gelingen,  noch  andere  Erklä- 
rungen derselben  zu  finden.  Von  solchen  Vermuthungen 
ist  aber  scharf  zu  scheiden,  was  ich  auf  Grund  der  Unter- 
suchung von  Schrift  und  Stil  mit  Sicherheit  behaupten  zu 
können  meine.  Und  als  sicher  betrachte  ich,  dass  St.  1330 
nicht  im  Jahre  1002,  sondern  erheblich  später,  als  höchst 
wahrscheinlich,  dass  es  erst  1009  geschrieben  ist.  Das 
Diplom  darf  deshalb  nicht  als  ein  Zeugnis  dafür  betrachtet 
werden,  dass  EC  schon  im  Jahre  1002  dem  Personal  der 
Kanzlei  angehört  habe. 

Die  älteste  Urkunde,  bei  der  wir  danach  seine  Mit- 
wirkung vermuthen,  ist  St.  1393;  ganz  sicher  gestellt  ist 
sie  bei  St.  1396,  wo  er  die  Worte:  'actum  Magadaburch' 
geschrieben  hat  K  Mit  St.  1393  aber  steht  es  folgender- 
massen.  Schon  Erben2  hat  mit  vollem  Recht  darauf  auf- 
merksam gemacht,  dass  zwischen  der  Schrift  des  EC  und 
derjenigen  eines  unter  Otto  mehrfach  begegnenden  Schrei- 
bers, den  er  als  HH  bezeichnet,  grosse  Aehnlichkeit  be- 
steht; sie  tritt  namentlich  in  den  ersten  von  EC  geschrie- 
benen Urkk.,  besonders  deutlich  in  dem  von  Erben  nicht 
angeführten  D.  für  S.  Ambrogio  St.  1402  hervor.  Nun 
zeigt  sich  aber  weiter  diese  Aehnlichkeit  auch  im  Dictat; 
gewisse,  der  Urkundensprache  Otto's  III.  geläufige  Formen, 
wie    die  Construction   des  accusativus    cum  infinitivo    nach 


1)  S.  die  Vorbemerkung  zu  dieser  Urkunde.  2)  Mitth.  d.  Inst, 

f.  österr.  Geschichtsforschung  XIII,  571.  —  Von  einer  Einwirkung  des 
unter  Otto  III.  thätigen  Notars  HI  auf  die  Kanzleibeamten  Heinrichs  II., 
wie  sie  Erben  a.  a.  O.  vermuthet,  haben  wir,  abgesehen  von  St.  1317, 
dessen  Schrift,  wie  Erben  bemerkt  hat,  gewisse  Aehnlichkeiten  mit  der 
des  HI  aufweist,  bisher  keine  Spur  gefunden. 


160  Harry  Bresslau. 

dem  Verbum  des  Verkündigens  in  der  Publicatio,  die  häu- 
fige Anwendung  des  abl.  gerundivi  (concedendo  donamus 
u.  dgl.),  die  auch  HH  bietet  u.  a.  m.,  sind  eigentlich  erst 
durch  EC  in  die  Kanzlei  Heinrichs  eingeführt  worden. 
Dass  nun  diese  Formen  auch  in  1393  vorkommen,  würde 
uns  noch  nicht  bestimmen,  dies  D.  dem  EC  beizulegen, 
denn  1393  ist  nicht  ganz  frei  stilisiert,  sondern  schliesst 
sich  grossentheils  an  DO.  III.  222  an  und  könnte  jene 
Wendungen  daher  übernommen  haben.  Mehr  Veranlassung 
giebt  aber  die  Arenga  von  1393,  EC  als  den  Verfasser 
dieses  Stückes  zu  betrachten.  Sie  ist  der  VU.  nicht  ent- 
nommen, sondern  frei  componiert,  und  sie  entspricht  in 
Gedanken  und  auch  in  einigen  Ausdrücken  dem  Stil  des 
HH  \  während  es  doch  aus  vielen  Gründen  ausgeschlossen 
erscheint,  dass  dieser  selbst  der  Verf.  von  1393  gewesen 
wäre.  Und  um  ihretwillen  halten  wir  es  für  wahrschein- 
lich, dass  EC,  den  wir  mit  Erben  als  einen  Schüler  des 
HH"-'  betrachten,  am  Dictat  von  1393  bereits  in  irgend 
welcher  Weise  betheiligt  war. 

Trifft  diese  Annahme  zu,  so  würden,  soweit  unsere 
Kenntnis  reicht,  EC  und  ED  fast  vollkommen  gleichzeitig 
im  October  1004  in  den  Kanzleidienst  eing-etreten  sein. 
Ganz  sicher  ist  sie  freilich  nicht ;  und  wenn  man  nur  auf 
ganz   feststehende  Thatsachen   sich   berufen   will,    so  wäre 


1)  Vgl.  die  Arengen  von  DO.  II.  300,  DO.  III.  189,  St.  1452. 
2)  Ob  übrigens  HH  jemals  eigentlicher  Kanzleibeamter  gewesen  ist,  er- 
scheint zweifelhaft  (vgl.  für  das  folgende  Erben  a.  a.  O.  S.  567  ff.).  Er  hat 
unter  Otto  II.  einmal  eine  Urkunde  für  Mainz  (DO.  II.  306)  verfasst, 
während  er  sonst  in  dessen  Kanzlei  nicht  nachweisbar  ist.  Unter  Otto  III. 
hat  er  D.  132  nach  Dictat  des  HF,  D.  146  nach  eigenem  Dictat  mundiert, 
D.  189  und  249  verfasst  und  einen  Satz  in  D.  249  geschrieben.  Von  letz- 
teren vier  Stücken  sind  DD.  189.  249  für  St.  Stephan  zu  Mainz ;  DO.  IH. 
132  ist  für  den  Capellan  Günther,  den  ich  mit  dem  nachmaligen  Kanzler 
Heinrichs  II.  identificiere,  also  für  einen  Untergebenen  des  Erzcapellans 
Willigis,  DO.  II.  146  für  des  Kaisers  Schwester  Sophia,  für  die  u.  a. 
auch  Willigis  intervenierte,  ausgestellt.  Er  wird  danach  als  Mainzer  Kle- 
riker betrachtet  werden  können,  der  nur  gelegentlich  in  solchen  Angelegen- 
heiten, die  Mainz  oder  seinen  Erzbischof  näher  angingen,  wohl  auf  des 
letzteren  Veranlassung  in  der  Kanzlei  beschäftigt  wurde.  Dass  er  unter 
Heinrich  H.  nicht  im  Dienst  des  Königs,  sondern  in  dem  des  Erbischofs 
stand,  ist  gewiss  und  ergiebt  sich  schon  daraus,  dass  von  seiner  Hand  in  der 
Originalausfertigung  der  Beschlüsse  der  Frankfurter  Synode  vom  1.  Nov. 
1007  die  Unterschrift  des  Willigis  herrührt:  dieser  selbst  hat  den  von  seinem 
Kleriker  geschriebenen  Worten  nur  ein  Kreuz  eigenhändig  hinzugefügt 
(MG.  Const.  I,  735).  Nichtsdestoweniger  hat  HH  sich  auch  in  der  Kanzlei 
Heinrichs  IL  noch  in  ähnlicher  Weise  bethätigt  wie  unter  Otto  III. ;  er 
hat  St.  1452  für  das  Erzbisthum  und  St.  1491—1494  für  St.  Stephan  zu 
Mainz  verfasst  und  St.  1491  mundiert. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  IL  161 

allerdings  ED  als  Schreiber  von  1394 1  einige  Wochen 
früher  nachweisbar  als  EC,  dessen  Hand  wir  erst  in  1396 
erkennen 2.  Dann  müssten  also  streng-  genommen  die  Be- 
zeichnungen der  beiden  Notare  vertauscht  werden;  wir 
haben  indessen  von  solcher  Vertauschung  um  so  eher  ab- 
gesehen, da  Bayer  die  Siglen,  so  wie  wir  sie  gebrauchen 
werden,  bereits  in  die  Litteratur  eingeführt  hat,  und  eine 
Veränderung,  die  immer  Verwirrung  hervorrufen  kann,  wo 
sie  nicht  durchaus  un  ab  weislich  ist,  besser  vermieden  wird. 
Die  Sprache  des  EC  weist  mehr  auf  oberdeutsche  als  auf 
fränkische  Herkunft,  so  dass  es  zweifelhaft  bleibt,  ob  wir 
seine  Heimath  in  Mainz  oder  eher  in  Schwaben  oder 
Baiern  zu  suchen  haben.  Sein  Genosse  ED  lässt  sich  mit 
ziemlicher  Sicherheit  als  Franke  bezeichnen.  Sehr  bald 
aber  nach  dem  Eintritt  dieser  beiden  Männer  in  die 
Kanzlei,  im  Mai  1005,  vollzog  sich  ein  Wechsel  in  der 
Leitung  derselben. 

Am  6.  Mai  dieses  Jahres  war  Bischof  Gotschalk  von 
Freising  gestorben3.    Noch  im  Laufe  des  gleichen  Monats 


1)  Ueber   das   von    ED   herrührende  D.    St.  1391    s.    unten  S.  168. 

2)  Uebrigens  sind  auch  in  1395  Spuren  des  Dictats  von  EC  zu  bemerken. 

3)  Ueber  das  Todesjahr  Gotschalks  vgl.  Ann.  S.  Stephani  Frising.,  Ann.  necrol. 
Fuldens.  SS.  XIII,  51.  209  und  das  von  Dümmler,  Forsch,  z.  deutschen 
Gesch.  XV,  163  veröffentlichte  Necrolog.  Letzteres  giebt  auch  den  Todes- 
tag ebenso  wie  das  Calendarium  in  clm.  21557,  SS.  XIII,  51,  X.  7  und  wie 
ein  Zusatz  zur  Scheftlarer  Series  epp.  Frising.  SS.  XIII,  358.  Damit 
stimmt  die  gesammte  spätere  Freisinger  Ueberlieferung  überein,  vgl.  die 
Zusätze  zum  Conradus  Sacrista,  SS.  XXIV,  321;  Veit  Arnpecks  liber  de 
gestis  epp.  Frising.  ed.  Deutinger  (1852)  S.  33  und  die  späteren  Kataloge 
bei  Deutinger,  Beiträge  zur  Gesch.,  Topogr.  u.  Statistik  des  Erzbisthums 
München -Freising  I,  42.  67.  167.  Wenn  Meichelbeck  I,  204  den  Tod 
Gotschalks  und  die  Nachfolge  Egilberts  erst  zu  1006  ansetzte,  so  geschah 
das,  weil  er  die  Nachricht  des  Thietmar  VI,  13  (10)  über  die  am  8.  Sept. 
gehaltene  Predigt  Gotschalks  zu  Prag  irrig  auf  1005  statt  auf  1004  bezog 
und  in  Folge  dessen  seinen  Tod  ein  Jahr  später  legen  musste ;  seine  irrige 
Ansetzung  ist  dann  für  die  meisten  Neueren  massgebend  geworden,  so  für 
Hirsch  I,  374,  N.  5;  Steindorff  I,  22  (der  allerdings  nur  die  Ordination 
zum  26.  Aug.  1006  ansetzt),  Kurze  in  der  neuen  Thietmarausgabe  S.  118, 
N.  3  und  S.  141,  N.  2,  Sickel  zu  DO.  III.  232  und  Andere.  Richtig  zu 
1005  setzt  den  Tod  Gotschalks  Graf  Hundt,  Abhandl.  der  bair.  Akad. 
hist.  Classe  XIV,  2,  52 ;  dagegen  lässt  auch  er  Egilbert  erst  1006  geweiht 
werden,  weil  der  in  dem  Freisinger  Martyrolog.  (Quellen  u.  Erörterungen 
zur  bair.  und  deutschen  Gesch.  VII,  463)  überlieferte  Tag  der  "Weihe,  der 
25.  Aug.,  im  Jahre  1006  ein  Sonntag,  1005  aber  ein  Sonnabend  gewesen 
sei.  Allein  in  diesem  Martyrolog.  ist  nach  der  Ausgabe  v.  Rudharts 
VII.  kal.  sept.,  d.  h.  der  26.  Aug.  als  Weihetag  genannt  (H.  Simonsfeld, 
der  die  Hs.  in  München  auf  meine  Bitte  noch  einmal  untersucht  hat, 
theilt  mir  freundlichst  darüber  mit,  dass  die  Worte  'Ordinatio  Egilp.  episc.' 
zwischen  VII.  und  VIII.  kal.  sept.  stehen,  aber  näher  an  VII.,  so  dass 
sie  auf  diesen  Tag  zu  beziehen  sind  und  insofern  die  Ausgabe  das  richtige 

Neues  Archiv  etc.    XX.  H 


162  Harry  Bresslau. 

wurde  der  bisherige  Kanzler  Egilbert  zu  seinem  Nachfolger 
ernannt  und  schied  sofort  aus  der  Kanzlei  aus,  obwohl  er 
erst  am  26.  August  die  Weihe  empfing.  An  seine  Stelle 
trat,  am  31.  Mai  zuerst  genannt,  ein  gewisser  Bruno,  in 
dem  schon  Usinger l  und  Stumpf 2  den  gleichnamigen 
Bruder  des  Königs  erkannt  haben,  der  1003  in  den  Auf- 
stand des  Markgrafen  Heinrich  vom  Nordgau  verwickelt, 
seit  dem  März  des  Jahres  1004  mit  Heinrich  wieder  ver- 
söhnt war.  Diese  Annahme  ist  als  im  höchsten  Mass 
wahrscheinlich  zu  bezeichnen.  Denn  am  4.  Mai  1006  ist 
Bischof  Siegfried  von  Augsburg  gestorben3,  dessen  Nach- 
folger Bruno,  der  Bruder  des  Königs,  bekanntlich  geworden 
ist.  Und  andererseits  ist  zwischen  dem  24.  April  und  dem 
28.  Mai  1006  (St.  1422.  23)  der  Kanzler  Bruno  aus  der 
Kanzlei  ausgeschieden.  Die  Gleichzeitigkeit  dieser  beiden 
Ereignisse  macht  die  Identität  der  Personen  fast  zur  Ge- 
wissheit. 

In  merkwürdiger  Weise  wirkte  nun  die  Berufung 
Bruno's  zum  Vorsteher  der  Kanzlei  auf  den  Personal- 
bestand dieser  Behörde  ein.  Von  den  drei  Notaren,  welche 
in  derselben  unter  dem  Kanzler  Egilbert  zuletzt  thätig 
waren,  verschwindet  EC  für  die  ganze  Amtsdauer  des 
Bruno  vollständig  und  tritt  erst  unter  seinem  Nachfolger 
wieder  ein.  Auch  ED  ist  in  seiner  Beschäftigung  sehr 
eingeschränkt;  er  schreibt  noch  die  verlängerte  Schrift  der 
ersten  Urk.  aus  Bruno's  Zeit  (St.  1405),  sodann  nur  noch 
im  Nov.  1005  eine  Urkunde  für  Niederaltaich  (St.  1413): 
im  übrigen  fehlen  auch  von  ihm  aus  dieser  ganzen  Zeit 
alle  sicheren  Spuren  amtlicher  Wirksamkeit.  Endlich  auch 
EB  ist  zunächst  beseitigt:  erst  Ende  November  1005  wird 
er  wieder  herangezogen,  um  dann  allerdings  ziemlich  häufig 
Beschäftigung  zu  finden. 


getroffen  hat) ;  wenn  v.  Rudhart  das  als  25.  Aug.  aufgelöst  hat,  so  liegt 
hier  nur  ein  Fehler  seinerseits  vor.  Der  26.  Aug.  war  aber  1005  ein 
Sonntag,  und  so  erhält  auch  von  dieser  Seite  das  von  uns  angenommene 
Todesjahr  eine  Bestätigung.  1)  Bei  Hirsch  I,  374,  N.  5.  2)  Reichs- 
kanzler S.  109.  3)  Das  Jahr  in  den  Ann.  necrol.  Fuld.  SS.  XIII,  209. 
In  den  Ann.  Augustani  SS.  III,  124  wird  fälschlich  1007  angegeben.  Der 
Tag  im  Liber  annivers.  eccl.  maioris  Augustens.  und  im  Necrol.  mon. 
S.  Udalrici  August.  MG.  Necrol.  I,  62.  123.  Baumann  hat  a.  a.  O.  S.  62, 
N.  8  angenommen,  dass  hier  eine  Verwechselung  mit  dem  am  4.  Nov. 
(sollte  heissen  'December')  gestorbenen  Siegfried  H.  vorliege,  hat  dies  aber 
schon  selbst  im  Register  S.  776  stillschweigend  berichtigt.  Die  Notk  des 
Necrol.  Merseburg,  ed.  Dümmler,  Neue  Mittheilungen  XI,  239:  '19.  kal. 
sept.  Sifridus  episcopus'  ist  entweder  irrig  oder  sie  bezieht  sich  auf  einen 
anderen  Bischof  dieses  Namens. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.  163 

Statt  der  ausgeschiedenen  oder  doch  zurückgedrängten 
Arbeitskräfte  hat  nun  Bruno  einen  neuen  Beamten  heran- 
gezogen, den  wir  als  BA  bezeichnen  müssen 1.  Sehr  be- 
stimmt unterscheidet  sich  das  Dictat  des  BA,  der,  als  er 
in  den  Kanzleidienst  eintrat,  des  Beiraths  älterer  Genossen 
entbehrte,  von  dem  bisher  üblichen  Kanzleibrauch.  So 
bedient  er  sich,  um  nur  auf  einiges  aufmerksam  zu  machen, 
der  Invocatio  'divina  propiciante  dementia'  (St.  1406. 
1410.  1411),  stellt  in  der  Publicationsformel  die  'futuri'  vor 
die  'praesentes'  (St.  1406.  1410.  1424),  beginnt  die  Datie- 
rung mit  'actum'  (St.  1406.  1407.  1409.  1410.  1411.  1414 2) 
und  fügt  hier  zweimal  in  ganz  ungewöhnlicher  Weise  eine 
Notiz  über  die  Verlesung  der  Urkunde  ein  (1406.  1410). 
Seine  Sprache  überhaupt  charakterisiert  sich,  wenn  wir  von 
der  Anwendung  einzelner  Ausdrücke  ganz  absehen,  beson- 
ders durch  zwei  Eigenthümlichkeiten :  eine  deutlich  hervor- 
tretende Vorliebe  für  den  Reim,  der  bei  anderen  Kanzlei- 


1)  Ich  habe  von  ihm  in  meinem  Handbuch  der  Urkundenlehre  I, 
763,  N.  5  gesprochen,  wo  ich  ihn  für  einen  Aachener  Privatschreiber  ge- 
halten habe,  der  nur  ausnahmsweise  einmal  ein  D.  für  Magdeburg  St.  1410 
angefertigt  habe.  Die  Annahme  lag  nahe,  da  seine  Gewohnheiten  von 
denen  der  anderen  Kanzleibeamten  der  Zeit  stark  abweichen,  und  da  von 
den  vier  Urkunden,  welche  ich  ihm  zuweisen  zu  können  glaubte,  drei  das 
Aachener  Adalbertstift  betrafen.  Indem  ich  aber  jetzt  die  Verhältnisse 
in  der  Kanzlei  Heinrichs  genauer  übersehe,  muss  ich  die  Annahme  auf- 
geben. Einmal  erklären  sich  jene  Abweichungen  vom  bisherigen  Kanzlei- 
brauch leicht,  wenn  sie  sich  an  den  unter  so  eigentümlichen  Umständen 
erfolgenden  Eintritt  eines  neuen  Kanzleibeamten  knüpften,  durch  den  die 
älteren  Genossen  zeitweise  verdrängt  wurden.  Und  sodann  weiss  ich  jetzt, 
dass  dieser  Mann  auch  noch  bei  der  Herstellung  von  mehreren  Urkunden 
für  andere  Empfänger  betheiligt  war;  er  muss  also  gewiss  als  wirklicher 
Kanzleinotar  betrachtet  werden.  Dies  schliesst  nicht  aus,  dass  er  zu  Aachen 
in  näheren  Beziehungen  gestanden  hat,  vielleicht  einem  der  dortigen  Stifter 
angehörte,  s.  unten  S.  166.  2)  Durch  den  Nachweis,  dass  diese  Gestal- 
tung der  Datierungsformel  lediglich  eine  Eigentümlichkeit  unseres  Dicta- 
tors  ist,  tritt  dieselbe  in  ein  anderes  Licht,  als  Ficker,  Beiträge  zur  Ur- 
kundenlehre  I,  154  f.  II,  296.  298  annahm.  —  Auch  meine  Bemerkungen, 
Handbuch  der  Urkundenlehre  I,  763,  N.  5  über  die  zweimal,  in  St.  1406 
und  1410,  erwähnte  öffentliche  Verlesung  der  Urkunde  bedürfen  nun  der 
Modifikation.  Ich  hatte  die  Verlesung  dort  auf  das  Concept  bezogen  (vgl. 
Ficker  II,  105)  und  den  ungewöhnlichen  Fall  daraus  erklärt,  dass  der 
Schreiber  nicht  dem  Kanzleipersonal  angehöre.  Nun  aber  ist  in  St.  1410  das 
Tagesdatum,  welches  nach  der  Gestaltung  der  Datierungszeile  zunächst  auf 
die  Verlesung  zu  beziehen  ist,  nachgetragen,  und  es  steht  deshalb  nichts 
im  Wege,  Verlesung  der  Reinschrift  anzunehmen.  Dass  die  beabsichtigte 
Verlesung  schon  vorher  vom  Schreiber  durch  das  AVort  'recitatum1  aus- 
gedrückt wurde,  dem  später  nur  noch  das  Datum  hinzugefügt  ward,  unter- 
scheidet sich  in  nichts  von  dem  ständigen  Gebrauch,  dem  zufolge  man  die 
Vollziehung  der  Urkunde  durch  den  König,  schon  ehe  sie  erfolgte,  durch 
die  Worte  'manu  propria  subscripsimus'  ausdrückte. 

11* 


164  Harry  Bresslau. 

beamten  dieser  Zeit  nur  sehr  selten  begegnet  \  und  die 
Bevorzugung-  der  Satzverbindung*  mit  'et'  -  'et' ;  die  nament- 
lich in  der  Corroboratio  auffällt 2,  und  die  vor  ihm  kein 
Kanzleibeamter  so  angewandt  hat 3.  Ja,  auch  den  Singu- 
laris  statt  des  Pluralis  maiestatis  wendet  BA  gelegentlich 
an  (1406.  1410). 

Viel  schwerer  als  über  das  Dictat  ist  über  die  Schrift 
des  BA  zu  urtheilen.  Ein  unglücklicher  Zufall  hat  es  ge- 
fügt, dass  von  allen  von  ihm  verfassten  Urkunden  nur  eine 
einzige  (1410)  im  Original  erhalten  ist4.  Da  diese  jeden- 
falls von  keinem  anderen  uns  bekannten  Notar  Heinrichs 
geschrieben  ist,  werden  wir  sie  wohl  dem  BA  beilegen 
dürfen.  Ausserdem  hat  dieser  nur  noch  den  Context  und 
die  Datierung  von  St.  1405,  der  ersten  unter  Bruno's  Cancel- 
lariat  gegebenen  Urkunde,  die  auf  uns  gekommen  ist,  mim- 
diert 5 ;  sein  Stil  ist  hier  nicht  zu  erkennen,  da  St.  1405  ganz 
auf  einer  Vorurkunde  beruht.  Ueber  seine  Herkunft  ist 
unter  diesen  Umständen  nicht  leicht  mit  Sicherheit  zu  ent- 
scheiden; nach  den  Namensformen  in  St.  1410  ist  jedoch 
seine  niederdeutsche,  vielleicht  niederfränkische,  Abstam- 
mung wahrscheinlich. 

Nachdem  BA  bis  Ende  des  Jahres  1005  den  grössten 
Theil  der  Kanzleigeschäfte,  soweit  wir  nach  den  jetzt  noch 
vorhandenen  Ausfertigungen  schliessen  können,  fast  allein 
besorgt  hat,  wird  im  Anfang  des  nächsten  Jahres  noch 
eine  zweite  Hilfskraft  herangezogen.  Es  ist  der  einzige 
Schreiber  von  Urkunden  Heinrichs  IL,  den  wir  mit  Namen 
kennen,  da  er  diesen  in  einem  von  ihm  geschriebenen  D. 
(1554)  der  Nachwelt  zu  überliefern  Sorge  getragen  hat: 
Erich,  damals  Capellan  des  Erzbischofs  Tagino  von  Magde- 
burg, später  Bischof  von  Havelberg  und  Mitglied  der  könig- 


1)  Auch  die  von  Holder -Egger,  N.  A.  XIX,  404  ff.  besprochene  Wort- 
spielerei findet  sich  bei  ihm.  2)  Vgl.  1406:  'et  manu  propria  subter 
firmavimus  et  sigilli  nostri  impressione  designari  iussimus' ;  1407 :  'et  m.  p. 
firmamus  et  sig.  n.  inpr.  signari  iubemus' ;  1410 :  'et  m.  p.  f.  et  sig.  n. 
iupr.  designare  iubemus';  1411:  'et  m.  p.  roboravimus  et  sig.  n.  inpr. 
iussimus  insigniri';  1424:  'et  m.  p.  firmavimus  et  sig.  n.  impr.  signari  ius- 
simus'. 3)  Nach  ihm  hat  dann  der  unselbständige  EB,  der  überhaupt 
von  allen  Collegen  Einflüsse  annimmt,  die  gleiche  Verbindung  in  14:20  ge- 
braucht. 4)  Ueber  1453  s.  unten  S.  165,  N.  4.  5)  Die  Identität  der  Schrift 
von  St.  1405  und  1410  ist,  obwohl  die  beiden  DD.  bei  oberflächlicher  Be- 
trachtung einen  verschiedenen  Eindruck  machen,  doch  völlig  sicher.  Ich 
merke  an,  dass  in  beiden  noch  die  im  11.  Jahrh.  schon  recht  seltene 
Ligatur  'rt'  in  ganz  gleicher  Gestalt  vorkommt.  Die  verlängerte  Schrift  in 
1405  hat,  wie  oben  bemerkt,  ED  hinzugefügt;  BA  hat  sich  hier  wohl  an 
die  ihm  ungewohnte  Aufgabe,  solche  Buchstabenformen  anzuwenden,  noch 
nicht  herangewagt. 


Erläuterungen  zu   den  Diplomen  Heinrichs   II.  165 

liehen  Capelle 1.  Seiner  Abstammung  nach  gleichfalls  ein 
Niederdeutscher,  ist  Erich  niemals  eigentliches  Mitglied 
der  Kanzlei  Heinrichs  gewesen,  aber  bis  zum  Jahre  1010 
wieder  und  wieder,  so  zu  sagen  als  Hilfsarbeiter,  in  der- 
selben verwandt  worden 2.  Unter  dem  Kanzler  Bruno  hat 
er  im  Januar  und  März  1006  in  Merseburg  St.  1416.  1417 
geschrieben ;  auch  das  Dictat  von  St.  1419  rührt  von  ihm 
her,  und  endlich  ist  St.  1421,  im  April  zu  Mühlhausen 
gegeben,  von  ihm  sowohl  verfasst  als  mundiert  worden. 

Schon  im  nächsten  Monat  ging  die  Leitung  der 
Kanzlei  durch  Bruno  zu  Ende ;  wir  erwähnten  schon  oben, 
dass  er  im  Mai  1006  zum  Bischof  von  Augsburg  erhoben 
wurde.  Sein  Nachfolger  wurde  Eberhard  'ein  dem  König 
verwandter  und  durch  sein  besonderes  Vertrauen  ausge- 
zeichneter Mann'3,  den  Heinrich  noch  zu  grösseren  Dingen 
bestimmt  hatte;  am  28.  Mai  1006  wird  er  zum  ersten  Mal 
als  Kanzler  genannt  (St.  1423). 

Sofort  trat  nun  auch  in  dem  niederen  Beamtenpersonal 
der  Kanzlei  abermals  eine  wesentliche  Veränderung  ein. 
Erich  ist  unter  Kanzler  Eberhard  in  derselben  nicht  thätio- 

o 

gewesen.  BA  hat  noch  am  10.  Juni  1006  St.  1424  für 
Lüttich  verfasst;  aus  späterer  Zeit  scheint  nur  noch  die 
echte  Vorlage,  nach  der  St.  1454  gefälscht  ist.  von  ihm  her- 
zurühren 4 :  dass  er  so  noch  einmal  um  die  Mitte  des  Jahres 


1)  Vgl.  über  ihn  KU.  i.  A.  Lief.  IV,  Taf.  7  und  meine  Ausführungen 
in  Forsch,  zur  brandenburg.  und  preuss.  Gesch.  I,  398.  2)  Erichs  Stil 
zeigt  einige  Verwandtschaft  mit  dem  des  BA,  die  sich  leicht  daraus  er- 
klärt, dass  er  zuerst  in  der  Kanzlei  beschäftigt  wurde,  als  BA  in  der- 
selben hauptsächlich  thätig  war :  er  ist  sichtlich  von  BA  beeinflusst  worden. 
3)  So  Hirsch  II,  69,  der  N.  3  alles  zusammengestellt  hat,  was  wir  über 
seine  Persönlichkeit  sicher  wissen  können.  Eine  genauere  Bestimmung 
des  Verwandtschaftsverhältnisses  hat  seitdem  K.  Ch.  von  Reitzen stein  ver- 
sucht (Arch.  f.  Gesch.  und  Alterthumskunde  von  Oberfranken  X,  3,  54  ff.). 
Vgl.  auch  Looshorn,  Gesch.  des  Bisthums  Bamberg  I,  329  ff.,  dem  ich 
aber  weder  folgen  kann,  wenn  er  die  Verwandtschaft  Eberhards  und 
Heinrichs  überhaupt  bezweifelt  und  'nepos  noster'  in  St.  1525  als  einen 
'Ehrentitel  für  Fürsten'  ansehen  will,  noch  wenn  er  seinerseits  auf  den 
Grafen  Wilhelm  von  Weimar  als  Vater  Eberhards  räth.  4)  Allerdings 
zeigt  auch  St.  1453  für  Kloster  Thorn  deutlich  seinen  Stil.  Dies  D.  ist 
im  Orig.  erhalten,  dessen  Context  ausserhalb  der  Kanzlei  geschrieben  ist; 
das  Protokoll  rührt  von  ED  her.  Der  Kanzlername  lautet  im  Orig.  'Eber- 
hardus',  nicht  wie  in  den  Drucken  und  einer  Brüsseler  Copie  saec.  XVI/XVH. 
'Heribertus',  so  dass  jeder  Grund  zur  Anfechtung  des  D.  fortfällt.  Hat  dem- 
nach BA  an  der  Mundierung  dieses  Stückes  keinen  Antheil  gehabt,  so  ist 
es  von  vornherein  nicht  wahrscheinlich,  dass  er  es  verfasst  habe.  Die 
Lebereinstimmung  desselben  mit  seinem  Stil  erklärt  sich  vielmehr  aus  der 
Benutzung  von  St.  1424  als  VU. ;  Notker  von  Lüttich  hat  offenbar  St.  1453 
durch  einen  seiner  Kleriker   nach  dem  Muster  des  ihm  selbst  vor  einiger 


166  Harry  Bresslau. 

1007  in  Aachen  und  in  Angelegenheiten  eines  Aachener 
Stifts  thätig  gewesen  ist,  wie  er  auch  unter  Bruno  beson- 
ders mit  Aachener  Urkunden  beschäftigt  war,  legt  die  Ver- 
muthung  nahe,  dass  er  selbst  einem  der  Aachener  Stifter 
angehört  habe,  wozu  der  Dialect  der  von  ihm  in  St.  1410 
gebrauchten  Namensformen  gut  passt. 

Statt  des  BA  wird  nun  sofort  ED  wieder  der  meist 
beschäftigte  Beamte  der  Kanzlei :  schon  Eberhards  erste 
Urkunde,  St.  1423,  ist,  soweit  sie  nicht  auf  Vorurkunden 
zurückgeht,  von  ihm  verfasst  und  wahrscheinlich  auch  ge- 
schrieben. Neben  ihm  wird  —  spätestens  im  December 
1006  —  der  in  Brunos  Zeit  verdrängte  EC  wieder  heran- 
gezogen ;  St.  1434  ist  von  seiner  Hand  1.  Dagegen  scheidet 
EB  bald  danach  aus  der  Kanzlei  aus;  in  St.  1436  vom 
1.  Jan.  1007  begegnen  wir  ihm  zum  letzten  Mal.  Bis  zum 
Herbst  1007  sind  dann  ED  und  EC  die  beiden  einzigen 
Notare  der  Kanzlei,  der  erstere  offenbar  in  leitender  Stel- 
lung. Erst  die  Gründung  des  Bisthums  Bamberg  führte 
zu  einer  neuen  Umgestaltung  im  Personal  der  Kanzlei. 

Ehe  wir  von  dieser  reden,  besprechen  wir  bis  zu  dem 
gleichen  Zeitpunkt,  bis  zu  welchem  wir  eben  die  Geschichte 
der  Kanzlei  verfolgt  haben,  die  Chronologie  der  Urkunden 
und  die  mit  dem  Itinerar  des  Königs  zusammenhängenden 
Fragen,  deren  Erörterung  wir  oben  S.  152  abbrachen. 

Wir  erinnern  uns,  dass  —  im  Gegensatz  zu  Incarna- 
tions-  und  Regierungs  jähren  —  die  Indictionsziffer  seit  dem 
Herbst  des  Jahres  1003  vielfach  falsch  behandelt  ward. 
Zwar  hatte  der  Einfluss  eines  in  der  Kanzlei  Otto's  III. 
geschulten  Notars  im  Frühjahr  1004  eine  Richtigstellung 
der  Indictionsrechnung  herbeigeführt,  aber  noch  vor  der 
Rückkehr  nach  Deutschland  riss  der  alte  Fehler  wieder 
ein,  und  alle  späteren  Urkunden  des  Jahres  1004  bis  zum 
Aug.  zeigen  wieder  die  verkehrte  Ziffer  1 2.  Demnächst  ist 
diese  Ziffer  dann,  zuerst  in  St.  1393 3,  um  eine  Einheit  erhöht 


Zeit  ertheilten  D.  St.  1424  herstellen  lassen.  Allerdings  muss  dabei  vor- 
ausgesetzt werden,  dass  in  der  Corroboratio  von  St.  1424  die  dem  Stil  des 
BA  entsprechenden  Worte  'more  antecessorum  nostrorum'  (vgl.  St.  1410. 
1411)  ausgefallen  sind.  Da  aber  1424  nur  abschriftlich  erhalten  ist,  macht 
diese  Voraussetzung  keine  Schwierigkeit.  1)  Auch  das  Dictat  von  St.  1432 
rührt  wahrscheinlich  von  ihm  her.  Ueber  die  ungefähre  Datierung  dieses 
Stücks    s.    die  Vorbemerkung   in    der   Ausgabe.  2)    Ueber   St.  1379, 

das  die  Ziffer  III   aufweist,    s.  oben  S.  142  ff.  3)  Das  Stück   ist  vom 

9.  October.  Ist  die  Aenderung  der  Ziffer  I  in  II  als  Umsetzung  zu  be- 
trachten, so  würde  eine  der  Septemberepochen  massgebend  gewesen  sein. 
Es  könnte  aber  auch,  wenn  etwa  der  Schreiber  von  St.  1393  die  Neujahrs- 
epoche ins  Auge   gefasst  hätte,    eine  Berichtigung   des  bisherigen  Fehlers 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen   Heinrichs  II.  167 

worden,  und  diese  so  gewonnene  Zahl  ind.  II  herrscht  bis 
zum  Sommer  1005  1;  sie  findet  sich  noch  in  St.  1405,  der 
ersten  von  BA  geschriebenen  Urkunde.  Dann  aber  muss 
BA  den  Fehler  bemerkt  haben,  und  schon  in  St.  1406  vom 
6.  Juli  setzte  er  die  correcte  Ziffer  III,  die  er  dann  bei- 
behielt 2 ;  aber  auch  im  Herbst  nicht  umsetzte,  vielleicht 
weil  er  die  Neujahrsepoche  anwenden  wollte3.  Charak- 
teristisch für  die  Art  der  Behandlung  der  Daten  in  der 
Kanzlei  ist  St.  1416,  die  erste  Urkunde  Erichs  vom  25.  Jan. 
1006.  Dass  jetzt  unter  allen  Umständen  Ind.  IUI  zu 
schreiben  war,  muss  dieser  Mann  gewusst  haben,  und  er 
hatte  die  richtige  Ziffer  zuerst  gesetzt,  sie  dann  aber,  wir 
wissen  nicht  aus  welchem  Grunde,  durch  Rasur  in  III 
corrigiert.  Erst  in  St.  1417  (von  Erich,  nur  Datierung  von 
EB)  dringt  die  Zahl  IUI  durch,  ohne  sich  aber  zu  be- 
haupten. Schon  in  St.  1420  setzt  EB  wieder  III,  und  diese 
Zahl  wird  von  St.  1422  an  bis  zum  6.  März  1007  (1440)  bei- 
behalten, so  dass  also  zuletzt  die  kanzleimässige  Indictions- 
rechnung  gar  um  2  Einheiten  von  der  richtigen  abweicht. 
Inzwischen  war  aber  die  chronologische  Unsicherheit 
in  der  Kanzlei,  die  BA  nur  auf  kurze  Zeit  behoben  hatte, 
schon  nicht  mehr  auf  die  Indictionsrechnung  beschränkt, 
sondern  hatte  auch  die  Jahresangaben  nach  der  christ- 
lichen Aera  in  Mitleidenschaft  gezogen.  Diese  sind  correct 
bis  zum  Mai  1006,  also  bis  zum  Ende  der  Kanzleiperiode 
Bruno' s4.  Mit  dem  Uebergang  des  Kanzleramtes  auf  Eber- 
hard, mit  welchem  der  Eintritt  des  ED  in  eine  leitende 
Stellung  zusammenfällt,  beginnt  auch  hier  die  Verwirrung. 
Schon  in  St.  1423  setzt  ED  statt  1006  die  Ziffer  1005,  und 
er  wie  sein  College  EC  behielten  diese  bis  zum  Schluss  des 
Jahres    bei5,    um    dann  im  Anfang  1007  zwar  dem  Jahres- 


beabsicktigt  gewesen  sein,  und  ein  neuer  Fehler  wäre  dann  nur  dadurch 
entstanden,  dass  man  zu  Anfang  1005  die  Umsetzung  vergessen  hätte.  Für 
die  Unsicherheit,  die  in  Bezug  auf  die  Indictionsrechnung  damals  bestand, 
ist  es  bezeichnend,  dass  ED  in  St.  1394,  dem  ersten  von  ihm  geschrie- 
benen Stück,  die  Indiction  überhaupt  fortliess,  obwokl  er,  wie  der  von 
ikm  angewandte  Königstitel  'Francorum  et  Langobardorum  rex1  zeigt, 
ganz  sicher  1393  gekannt  hat ;  er  trug  sie  erst  mit  dem  Tagesdatum  zu- 
sammen nach.  1)  Eine  Ausnahme  machen  nur  St.  1400,  das  von  einem 
Lütticher  Parteischreiber  herrühren  dürfte,  und  St.  1403,  vgl.  oben  S.  144. 
Diese  beiden  Stücke  haben  die  richtige  Ziffer  III.  2)  ED,  dessen  schwächste 
Seite  die  Datierung  ist,  wurde  durch  diese  Rectificierimg  nicht  belehrt; 
in  St.  1413  setzte  er  die  ganz  verkehrte  und  nicht  zu  erklärende  Indic- 
tionsziffer  I.  3)  Ihm  folgt  Eß  in  St.  1415.  4)  Nur  eine  scheinbare  Aus- 
nahme macht  St.  1399,  vgl.  unten  S.  171.  5)  St.  1424  mit  1006  ist  von 
BA;  1431  ist  falsch;  über  1432  s.  S.  166,  N.  1. 


168  Harry  Bresslau. 

Wechsel  Rechnung  zu  tragen,  aber  nur,  unter  dem  Einfluss 
desselben  Irrthums,  von  1005  zu   1006  überzugehen. 

So  bleibt  nur  das  Regierungsjahr  als  das  für  die  Ein- 
reibung der  Urkunden  massgebende  Datum  übrig.  Und  in 
Bezug  auf  dies  wenigstens  hat  man  auch  damals  sich  in 
der  Kanzlei  keines  Fehlers  schuldig  gemacht.  Wodurch 
man  der  übrigen  Irrthümer  allmählich  inne  geworden  ist, 
wissen  wir  nicht  zu  sagen.  Schon  in  den  von  EC  ver- 
fassten  und  wohl  auch  geschriebenen,  aber  nur  abschriftlich 
überlieferten  Stücken  St.  1438.  1439  findet  sich  neben  der 
verkehrten  Indiction  III  das  richtige  Aerenjahr  1007.  Dann 
hat  der  unbekannte  Italiener,  der  St.  1441  schrieb,  neben  dem 
falschen  Incarnationsjahr  1006,  zwar  nicht  die  richtige  In- 
dictionsziffer  V,  aber  doch  wenigstens  die  zu  1006  passende 
Indictio  IUI  statt  der  bis  dahin  herrschenden  Ziffer  III 
gesetzt,  und  darin  ist  ihm  ED  in  St.  1442  gefolgt.  Endlich 
in  St.  1443  (von  ED)  sind  beide  Ziffern  richtig  gestellt  (a.  ine. 
1007,  ind.  V)  und  zwischen  St.  1453  und  1454  ist  der  Wechsel 
der  Regierungsjahre  in  correcter  Weise  vorgenommen.  So 
ist  man  am  Schluss  des  jetzt  zu  behandelnden  Zeitraumes 
wieder   zu  völlig   zutreffenden  Datierungsangaben  gelangt. 

Da  die  Regierungs jähre,  wie  schon  bemerkt,  auch  in 
dieser  ganzen  Zeit  stets  richtig  behandelt  sind,  so  macht 
auch  jetzt  die  Feststellung  des  Itinerars  keine  grossen 
Schwierigkeiten;  nur  bei  wenigen  Diplomen  erfordert  die 
Datierung  in  diesem  Zusammenhang  eine  kurze  Erörterung. 

Was  zunächst  St.  1391  und  St.  1392  betrifft,  so  hat 
bereits  Ficker 1  das  Verhältnis  der  beiden  Stücke,  deren 
ersteres  eine  Reihe  von  Orten  mehr  denn  das  letztere  als 
an  Kloster  Nienburg  geschenkt  aufführt,  richtig  bestimmt. 
St.  1391  ist  eine  Neuausfertigung  von  1392;  während  1392 
von  der  Hand  des  EB  herrührt,  ist  1391  von  ED  geschrie- 
ben -.  Wann  die  Neuausfertigung  erfolgt  ist,  lässt  sich 
nicht  ermitteln;  nur  soviel  kann  bestimmt  gesagt  werden, 
dass  es  vor  Nov.  1007  geschehen  ist,  da  nach  diesem  Zeit- 
punkt, wie  noch  näher  auszuführen  sein  wird,  ED  nur  noch 
mit  der  Herstellung  von  Urkunden  für  Bamberg  beschäf- 
tigt ist. 

In  der  Neuausfertigung  sind  die  Daten  der  VU. 
(8.  Aug.  1004)    unverändert    beibehalten.      Diese    aber   be- 


1)  Beitr.  zur  Urkundenlehre  I,  297;  vgl.  Sickel,  N.  Arch.  I,  473. 
2)  Dem  ED  hat  dabei  das  Orig.  von  St.  1392  unmittelbar  vorgelegen.  Einen 
Schreibfehler  in  der  Arenga  ('loco'  für  'loca')  von  1392  hat  er  in  1391 
zuerst  wiederholt,  dann  aber  bemerkt  und  corrigiert. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.  169 

ziehen  sich  auf  die  Handlung-,  nicht  auf  die  Beurkundung. 
Schon  der  alte  Dobner1  hat  nämlich  gesehen,  dass  die 
Worte  des  Diploms  'Nos  igitur  suae,  quia  digna  erat,  ob- 
sequentes  petitioni,  et  quia  ea  tempestate  proxima  nobis 
in  Sclavoniam  instabat  expeditio,  pro  certioris  gratia 
triumphi  ad  praef  atum  religionis  sacrae  locum  . . .  divertentes, 
consummatis  ibi  rite  in  dedicatione  templi  divinis  officiis 
.  .  .  contulimus'  mit  Bestimmtheit  auf  spätere  Ausferti- 
gung desselben  hinweisen.  Da  nun  überdies  der  Ausdruck 
'pro  certioris  gratia  triumphi'  doch  wohl  erst  gebraucht 
sein  wird,  nachdem  der  Triumph  errungen  war,  also  nach 
dem  Ende  des  erfolgreichen  Feldzuges  nach  Böhmen  und 
der  Lausitz,  so  wird  anzunehmen  sein,  dass  die  Urkunde 
nach  der  Rückkehr  des  Königs  ausgefertigt  ist,  was  sich 
um  so  leichter  erklärt,  als  schon  Mitte  August,  also  nur 
wenige  Tage  nach  der  Schenkung,  der  Aufbruch  des  Heeres 
von  Merseburg  aus  erfolgte.  Die  Urkunde  ist  also  nach 
der  Handlung  datiert 2 ;  an  der  Einheitlichkeit  der  Datie- 
rung zu  zweifeln,  ist  kein  Grund  vorhanden,  da  zwischen 
1.  Aug.,  an  welchem  Tage  der  König  in  Magdeburg  war, 
und  Mitte  des  Monats,  da  er  in  Merseburg  weilte,  ein 
Aufenthalt  in  Nienburg,  das  zwischen  beiden  Orten  liegt, 
noch  am  8.  sehr  möo-lich  ist :;. 


1)  Zu  Hayek,  Ann.  Bohem.  V,  11.  Was  Hirsch,  Jahrb.  I,  316,  N.  3 
(dem  Zeissberg  a.  a.  0.  S.  294,  N.  2  folgt)  dagegen  bemerkt,  ist  nicht 
zutreffend.  Vgl.  die  von  Ficker,  Beiträge  I,  129  ff.  citierten  Beispiele. 
2)  Die  von  Neumann  in  einer  bei  Hirsch  a.  a.  0.  citierten,  mir  nicht  zu- 
gänglichen Abhandlung  vorgeschlagene  Annahme,  dass  die  Schenkung  schon 
bei  dem  Winterfeldzug  von  1004  gemacht,  8.  Aug.  aber  bei  der  Ein- 
weihung bestätigt  sei,  ist  unzulässig.  Dass  der  in  der  Urkunde  erwähnte 
Feldzug  der  Einweihung  unmittelbar  folgt,  ergiebt  sich  aus  der  Urkunde 
ganz  bestimmt.  S)  Natürlich  braucht  der  8.  Aug.  (im  Jahre  1004  ein 

Dienstag)  nicht  als  Datum  der  Weihe  selbst  betrachtet  zu  werden.  Diese 
kann  schon  Sonntag  den  6.,  die  Schenkung  aber  zwei  Tage  später  erfolgt 
sein.  Wenn  in  der  von  Winter  (Magdeburger  Geschichtsblätter  II,  112  ff.) 
herausgegebenen  Series  abbatum  Nienburgensium  des  Pastors  Martin 
Weiser  oder  Weifer  die  in  Anwesenheit  des  Königs  erfolgte  Weihe  des 
Klosters  zu  1003  angesetzt  wird,  so  hätte  diese  Angabe  nicht  die  Be- 
achtung verdient,  welche  Stumpf  1353 a  und  Ficker  ihr  geschenkt  haben. 
Der  Catalogus  ist  eine  Compilation  des  16.  Jahrb.,  die  in  ihren  älteren 
Theilen  wesentlich  auf  bekannte  Quellen  zurückgeht.  Was  sie  darüber 
hinaus  über  die  ältere  Zeit  mittheilt,  ist  z.  Tb.  ganz  thöricht,  wie  die  An- 
gabe von  der  Sendung  des  h.  Kreuzes  durch  Hidda,  die  Mutter  des  Erz- 
bischofs Gero  von  Köln  im  Jahre  1040(1),  z.  Th.  sehr  anfechtbar,  wie  die 
Erzählung  zu  1050,  dass  Heinrich  III.  das  Kloster  seiner  Gemahlin  habe 
schenken  wollen,  da  die  Klostergebäude  in  seiner  Abwesenheit  abbrannten, 
von  diesem  Plan  abgestanden  sei  und  nun  dem  Abt  Albwin  die  Klöster 
Gandersheim,  Quedlinburg  und  Lüneburg  übertragen  habe.  Im  Jahre  1050 
hat  Heinrich  III.   für  Nienburg   geurkundet   (vgl.  das  Extract  bei  Heine- 


170  Harry  Bresslau. 

Dass  während  des  Feldzuges,  der  von  Merseburg-  aus 
angetreten  wurde,  die  Thätigkeit  der  Kanzlei  ruhte,  ist 
begreiflich.  Aus  demselben  haben  wir  ein  sicheres  Datum 
bei  Thietm.  VI,  13  (10);  am  8.  Sept.  war  der  König  in 
Prag.  Dann  folgte  der  Zug  ins  Milziener  Land  und  die 
Belagerung  von  Bautzen.  Wie  lange  diese  gewährt  hat, 
wissen  wir  nicht.  Wäre  der  während  der  Belagerung  ge- 
fallene Tommo,  den  Thietm.  VI,  15  (11)  erwähnt,  wie  man 
vermuthet  hat1,  identisch  mit  einem  'Tanko  laicus',  dessen 
Tod  das  Merseburger  Nekrolog  zum  25.  Oktober  ansetzt, 
so  könnte  die  Rückkehr  des  Königs  erst  zu  Anfang 
November  erfolgt  sein.  Aber  jene  Vermuthung  ist  so  will- 
kürlich und  unsicher,  dass  wir  keinerlei  Folgerungen  aus 
ihr  zu  ziehen  wagen 2. 

Wir  haben  also  keinen  Grund  zu  bezweifeln,  dass  der 
König  schon  im  October  wieder  in  Sachsen  war,  und  dem- 
nach auch  keine  Veranlassung  an  der  Datierung  von 
St.  1393 — 96  Anstoss  zu  nehmen3. 


mann,  Cod.  clipl.  Anhalt.  I,  103,  n.  128),  und  ein  Brand  des  Klosters  wird 
erwähnt  in  der  Urkunde  Leo's  III.  von  1054  (ebenda  I,  104,  n.  130).  Aber 
dass  darauf  dem  Abt  die  Klöster  Quedlinburg  und  Gandersheim  geschenkt 
seien,  ist  ganz  unglaublich,  da  in  Quedlinburg  und  auch  in  Gandersheim, 
wie  Weiland,  Zeitschr.  des  Harzvereins  VIII,  485  gegen  Steindorff  I,  229 
annimmt,  Heinrichs  eigene  Tochter  Beatrix  Aebtissin  war;  und  dass 
er  auch  Lüneburg  nach  1050  erhalten  habe  'ut  mebus  sufficeret  in  ex- 
pensis'  ist  sicher  verkehrt,  da  hier  Albuinus  abbas  schon  1048  nachweisbar 
ist  (SS.  XXIII,  398).  Insbesondere  unzuverlässig  sind  aber  vielfach  die 
Daten  des  Katalogs.  Er  setzt  die  Gründung  von  Thankmarsfelde  zu  971 
statt  970,  den  Amtsantritt  des  Abts  Bruno  zu  1024  statt  1025  (sein  Vor- 
gänger Harding,  der  keineswegs,  wie  "Winter  meint,  bisher  unbekannt  war, 
ist  noch  8.  Febr.  1025  nachweisbar,  St.  1873),  den  Amtsantritt  Hermanns 
zu  1199  statt  1201,  den  Tod  Friedrichs  zu  1212  statt  1221  u.  s.  w.  So 
ist  denn  also  nichts  darauf  zu  geben,  wenn  er  die  wahrscheinlich  eben  auf 
unsere  Urkunde  zurückgehende  Nachricht  über  die  Weihe  in  Anwesenheit 
Heinrichs  zu  1003  statt  zu  1004  bringt.  1)  Dies  nehmen  Lappenberg, 

Dümmler,  Kurze  und  Hirsch  I,  324,  N.  3  an,  letzterer,  ohne  zu  bemerken, 
dass  er  mit  seinen  eigenen  bald  folgenden  Itinerarangaben  in  Conflict 
geräth.  2)  Das  Necrologium  sagt  über  die  Todesart  des  Tanko  nichts 

aus ;  nicht  einmal  sein  gewaltsames  Ende  ist  also  bezeugt.  Tanko  ist  Kose- 
form für  Thankmar,  und  für  den  gleichen  Namen  kennt  Thietmar  auch  die 
Koseform  Tammo  I,  9  (6).  II,  2  (1).  Dass  Tommo  gleich  Tammo  sei,  nehmen 
Stark  und  Förstemänn  an,  scheinen  aber  keinen  anderen  Beleg  dafür  zu 
kennen,  als  eben  unsere  Stelle.  Aber  auch  wenn  dies  der  Fall  ist,  wenn 
also  Tanko  und  Tommo  wirklich  beides  Koseformen  von  Thankmar  sind, 
bleibt  noch  zu  erwägen,  ob  es  möglich  war,  dass  für  ein  und  dieselbe 
Persönlichkeit  an  ein  und  demselben  Orte  (Merseburg)  zwei  verschiedene 
Koseformen  gebraucht  wurden.  So  scheint  mir  auch  sprachlich  die  Iden- 
tität von  Thietmars  'Tommo'  und  dem  'Tanko'  des  Necrologs  zweifelhaft, 
und  sachlich  lässt  sich  schlechterdings  nichts  dafür  geltend  machen. 
3)  Ueber  die  Echtheit  von  St.  1395. 1396  s.  die  Vorbemerkungen  in  der  Aus- 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.  171 

Dagegen  ist  die  Datierung  von  St.  1399  nicht  ein- 
heitlich. Die  Daten  sind:  VI.  kal.  febr.,  ind.  II,  a.  ine.  1004, 
a.  reg.  III,  actum  Altsteti1.  Das  Tagesdatum  kann  des 
Regierungs jahres  wegen  mit  Stumpf  nur  auf  den  27.  Jan. 
1005  bezogen  werden2.  Aber  damals  ist  der  König  schwer- 
lich in  Allstedt  gewesen;  hier  war  er  vielmehr  am  21.  Dec. 
1004 3  und  ging  darauf  nach  Dornburg  zur  Weihnachts- 
feier4; dass  er  noch  einmal  nach  Allstedt  zurückgekehrt 
wäre,  ist  unbezeugt  und  durchaus  unwahrscheinlich.  Viel- 
mehr weist  das  Incarnationsjahr  unserer  Urkunde,  das  wir 
als  falsch  berechnet  anzusehen  für  diese  Zeit  keine  Ver- 
anlassung haben,  die  Ausfertigung  derselben  bestimmt  in 
den  Allstedter  Aufenthalt  vom  Dec.  1004;  das  Tagesdatum 
ist  im  Original  nachgetragen,  es  wird  auf  die  etwas  mehr 
als  einen  Monat  später  erfolgte  Vollziehung  des  D.  zu  be- 
ziehen sein.     St.  1399  ist  also  vor  St.  1398  einzureihen. 

Aus  dem  Jahre  1005  bedürfen  nur  einige  Diplome 
des  Juli  an  dieser  Stelle  einer  Besprechung.  Nach  den 
Ansetzungen  von  Stumpf  würde  das  Itinerar  des  Königs 
so  zu  construieren  sein: 

Juli  6.  7.  Dortmund  St.  1406—8. 
„     18.  Corvei  St.  1409. 


gäbe.  Dass  der  König  nach  1393' — 1396  am  9.  October  in  Magdeburg, 
am  15.  October  in  Frose,  am  2.  und  13.  November  wieder  in  Magdeburg 
war,  giebt  keinen  Anstoss,  da  ein  Ausflug  von  Magdeburg  nach  dem  nahen 
Frose  sehr  wohl  möglich  ist.  Dass  in  St.  1394 — 96  das  Tagesdatum  nach- 
getragen ist,  nöthigt  uns  nicht  dazu,  Nichteinheitlichkeit  der  Datierung,  in 
dem  Sinne,  dass  dadurch  das  Itinerar  betroffen  würde,  anzunehmen,  vgl. 
Handbuch  der  Urkundenlehre  I,  862,  N.  2.  3.  Nur  wenn  man  den  Bericht 
des  Thietmar  VI,  15.  16  (11.  12)  so  verstehen  müsste,  dass  der  König  gleich 
nach  dem  Ende  des  Feldzuges  in  Merseburg  Aufenthalt  genommen  hätte 
und  hier  den  ganzen  October  und  November  geblieben  wäre,  würde  man 
der  Nachtragung  der  Datierung  grössere  Bedeutung  beizumessen  und  an- 
zunehmen haben,  dass  in  allen  diesen  Urkunden  der  Ortsname  sich  auf 
die  im  Juli  oder  August  vollzogene  Handlung  (damals  war  Heinrich 
1.  Aug.  in  Magdeburg  (St.  1390 a),  8.  Aug.  in  Nienburg  [s.  oben  S.  169], 
dazwischen  hat  er  gewiss  Frose  passiert),  der  Tag  aber  sich  auf  die  Voll- 
ziehung der  Urkunde  beziehe.  Allein  der  Thietmarstelle  so  weitgehende 
Bedeutung  beizulegen,  scheint  doch  bedenklich ;  der  Autor  sagt  am  Schluss 
von  cap.  15:  'post  haec  rex  cum  exercitu  .  .  .  domum  rediit  .  .  .';  am 
Anfang  von  cap.  16:  'hie  cum  se  in  Merseburg  optatae  quieti  indulge- 
ret  .  .  .'  Ein  vorheriger  Aufenthalt  in  Magdeburg  und  Frose  wird  da- 
durch doch  nicht  so  bestimmt  ausgeschlossen,  dass  wir  genöthigt  würden, 
alle  Urkunden  vom  9.  Oct.  bis  13.  Nov.  als  nicht  einheitlich  datiert  zu 
behandeln.  1)  Vgl.  Ficker,  Beiträge  II,  258.  2)  An  Böhmers  An- 

setzung  der  Urkunde  zum  Jan.  1004  hat  auch  Hirsch  1,  277,  N.  4  bereits 
Anstoss  genommen.  Usingers  Verdächtigung  der  von  ED  geschriebenen 
Urkunde  beruht  auf  irrigen  Voraussetzungen.  3)  Thietm.  VI,  46  (31), 

vgl.  Hirsch  I,  327.         4)  Ann.  Hildesheimenses  1005 ;  St.  1398. 


172  Harry  Bresslau. 

Juli  20.  Paderborn  St.  1410. 

Aug.  13.  Nienburg-  St.  1411. 
„  15.  Magdeburg  Thietm.  VI,  19  (14)1. 
Dass  diese  Reiseroute  nicht  haltbar  ist,  liegt  auf  der 
Hand.  Auf  dem  Wege  von  Dortmund  über  Nienburg  nach 
Magdeburg  sind  zwar  Corvei  und  Paderborn  sehr  passende 
Stationen,  aber  ein  Blick  auf  die  Karte  zeigt,  dass  man 
auf  dieser  Reise  zuerst  Paderborn  und  daun  erst  Corvei 
berührte,  und  die  Entfernung  zwischen  beiden  Orten  — 
über  45  Kilom.  —  ist  so  gross,  dass  die  Annahme,  der 
König  könnte  erst  von  Paderborn  östlich  nach  Corvei, 
dann  von  Corvei  westlich  nach  Paderborn  zurück  —  und 
dann  abermals  östlich  nach  Nienburg  gereist  sein,  völlig 
ausgeschlossen  ist.  Die  ganze  Schwierigkeit  ist  aber  in 
diesem  Fall  nur  durch  einen  Lesefehler  der  bisherigen 
Drucke  von  St.  1410  geschaffen:  das  Tagesdatum  ist  im  Ori- 
ginal nicht  XIII.  kal.  aug.,  sondern  XUI.  kal.  aug.  zu  lesen2; 
damit  erhalten  wir  für  1410,  statt  Juli  20,  Juli  17  als 
Datum,  und  die  Urkunde  rückt  vor  1409.  Die  Entfernung 
von  Paderborn  nach  Corvei  bleibt  freilich  auch  so  für  eine 
Tagereise  eine  sehr  erhebliche,  und  da  in  1410  das  zunächst 
auf  die  Verlesung  zu  beziehende  Tagesdatum  nachgetragen 
ist3,  so  ist  auch  hier  die  Annahme  nicht  einheitlicher 
Datierung  naheliegend:  die  Handlung  würde  dann  nach 
Paderborn  gehören,  Verlesung  und  Vollziehung  wären  am 
17.  Juli  entweder  zwischen  Paderborn  und  Corvei  oder 
vielleicht  erst  in  Corvei  erfolgt.  Der  Fall  gehört  zu  den- 
jenigen, in  welchen  es  sich  empfiehlt,  diese  Möglichkeit 
durch  das  oben  S.  138  erwähnte  Zeichen  auch  in  der  Aus- 
gabe anzudeuten4. 


1)  Hirsch  I,  366,  N.  2  hat  ähnliche  Annahmen,  lässt  aber  Nuenberc, 
den  Ausstellort  von  1411,  unbestimmt  und  fügt  noch  St.  1429  ein,  das, 
wie  schon  Usinger  bemerkt  hat,  ins  folgende  Jahr  gehört.  An  der  Be- 
ziehung von  Nuenberc  (oder  vielmehr  Nuenburc,  wie  zu  lesen  ist)  auf 
Nienburg  zu  zweifeln,  ist  kein  Grund  vorhanden.  2)  Dies  ist  bei  Ver- 
gleicbung  der  Ziffern  mit  der  vorangehenden  ind.  HI  ganz  sicher.  Da- 
gegen halten  wir  bei  St.  1409  an  der  Datierung  Stumpfs  fest.  Zwar  findet 
sich  hier  in  der  von  Meinders  gebotenen  Ueberlieferung  statt  'XV.  kal. 
aug.'  'V.  kal.  aug.1,  vgl.  "Wilmans  -  Philippi  H,  150,  N.  18.  Aber  da  Mein- 
ders wohl  nur  die  von  BA  gebrauchte,  ihm  ungewöhnlich  erscheinende 
Datierungsformel  ganz  umgearbeitet  hat,  ist  auf  seine  Aenderung  der  Ziffer, 
die  dabei  leicht  unterlaufen  konnte,  nichts  zu  geben.  3)  Ueberdies  steht 
es  auf  Rasur.  4)  An  dem  Verhältnis  der  Daten  von  St.  1413—15  ist 

kein  Anstoss  zu  nehmen.  Der  König,  der  am  5.  Nov.  in  Werla  war,  ist 
von  dort  an  den  Rhein  gegangen  und  war  am  22.  Nov.  in  Duisburg.  Von 
da  kehrte  er  zur  "Weihnachtsfeier  (Ann.  Hildesheim.)  nach  Pöhlde  zurück 
und  berührte    auf   dem  Rückweg   am   27.  Nov.  Dortmund.    —    Fälschlich 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen   Heinrichs   II.  173 

Bei  der  Construction  des  Itinerars  von  1006  ist  die 
Datierung  von  St.  1422  mit  unserer  sonstigen  Ueberlieferung 
schwer  zu  vereinigen.  Die  Daten  sind :  8  kal.  mai.  a. 
ine.  1006,  ind.  3,  a.  regn.  41;  das  Stück  gehört  also  sicher 
zum  Jahre  1006,  zumal  da  Bruno  als  Kanzler  erscheint. 
Nun  war  der  König  in  den  ersten  Tagen  des  April  in 
Frose2,  am  7.  April  in  Mühlhausen  (St.  1421);  darauf  lassen 
ihn  die  Hildesheimer  Annalen  Ostern,  das  auf  den  21.  April 
fiel",  in  Nimwegen  feiern;  dann  würde  ihn  St.  1422  am 
24.  April  in  Ingelheim  zeigen.  Die  Reise  von  Mühlhausen  nach 
Nimwegen  —  c.  330  Kilom.  Luftlinie  in  13—14  Tagen  —  ist 
möglich;  diejenige  von  Nimwegen  nach  Ingelheim  —  c.  260 
Kilom.  Luftlinie  in  2 — 3  Tagen  zumal  in  der  Osterwoche  — 
ist  ganz  unannehmbar.  Nun  könnte  man  ja  auch  hier  an 
nicht  einheitliche  Datierung  denken,  aber  es  scheint  in 
diesem  Falle  gerathener,  die  Angabe  der  Ann.  Hildesh. 
anzuzweifeln,  als  zu  solchem  Mittel  der  Erklärung  Zuflucht 
zu  nehmen  4.  Denn  einerseits  ist  es  bekannt,  wie  unzuver- 
lässig in  dieser  Zeit  die  Angaben  der  Ann.  Hildesheimenses 
über  die  Festesfeiern  des  Königs  vielfach  sind 5,  Anderer- 
seits würden  wir  hier  genöthigt  sein,  eine  Form  nicht  ein- 
heitlicher Datierung  anzunehmen,  die  für  diese  Zeit  durch- 
aus ungewöhnlich  ist :  wir  müssten  den  Tag  auf  die  Hand- 
lung oder  ein  früheres,  den  Ort  aber  auf  ein  späteres 
Stadium   der   Beurkundung   beziehen 6.     Da  es  hierfür  aus 


hat  Kurze  in  der  Thietmarausgabe  S.  150,  N.  3  die  Urkunden  für  Salz- 
burg St.  1434.  1435  zu  1005  gezogen ;  sie  gehören  nach  Kanzlei  und  Re- 
gierungsjahr unzweifelhaft  zu  100(3.  Dagegen  war  Heinrich  im  Jan.  1006 
in  Merseburg  (St.  1416),  und  in  diese  Zeit  wird  das  fallen,  was  Thietmar 
VI,  28  (21)  berichtet.  1)  Die  Angaben  Heda's:  ind.  4,  a.  regn.  5  sind, 
wie  so  oft  in  dessen  Editionen,  ganz  verkehrt.  2)  Das  fehlerhafte  Datum 
des  Or.  von  St.  1420  —  VI.  non.  apr.  —  lässt  keine  sichere  Auflösung  zu ;  nur 
so  viel  werden  wir  behaupten  dürfen,  dass  ein  Tag  vor  den  Nouen  gemeint 
ist.  3)  Nicht  auf  den  20.,  wie  Hirsch  I,  373  sagt.  4)  Mühlhausen  ist  als 
Zwischenstation  denkbar  sowohl  bei  der  Reise  von  Frose  nach  Ingelheim 
direct,  wie  bei  derjenigen  nach  Nimwegen.  Es  erscheint  z.  B.  im  Jan. 
1007  als  Station  zwischen  Pöhlde,  Gandersheim  und  Ladenburg  a.  Neckar, 
im  Jan.  1015  zwischen  Pöhlde  und  Frankfurt.  Andererseits  aber  ist  im 
Herbst  973  Otto  II.  von  Magdeburg  über  Dornburg,  Allstedt,  Duisburg 
nach  Nimwegen  gegangen,  also  wenn  auch  nicht  in  Mühlhausen,  so  doch 
ganz  in  der  Nähe  gewesen.  5)  Vgl.  Pabst  bei  Hirsch  II,  206,  N.  2. 

In  den  Jahrb.  Konrads  II.  Bd.  II,  425  ff.  habe  ich  aus  der  Zeit  von  1025 
bis  1041  sechs  derartige  irrige  Angaben  der  Ann.  Hildesheim,  angeführt, 
dort  auch  einen  Versuch  zu  ihrer  Erklärung   gemacht.  6)  Unter  der 

Voraussetzung,  dass  der  König  von  Mühlhausen  zunächst  nach  Ingelheim, 
dann  rheinabwärts  nach  Nimwegen  gegangen  wäre,  lässt  sich  zwar  auch 
der  Ort  auf  die  Handlung,  der  Tag  auf  die  Beurkundung,  die  dann  in 
oder  bei  Nimwegen  vollzogen  wäre,  beziehen.     Dass  durch  diesen  Umweg 


174  Harry  Bresslau. 

den  ersten  Jahren  der  Regierung  Heinrichs  an  jeder  Analogie 
fehlt,  so  entscheiden  wir  uns  dahin,  die  Datierung  von 
St.  1422  als  einheitlich  zu  behandeln  und  die  damit  nicht 
vereinbare  Angabe  der  Ann.  Hildesheiuienses  zu  verwerfen. 
Der  nächste  nachweisbare  Aufenthaltsort  des  Königs 
ist  Pfalz  Erstem  im  Elsass,  wo  er  am  28.  Mai  für  Chur 
urkundete  (St.  1423).  Dass  hier  etwas  längerer  Aufenthalt 
genommen  wurde,  schliessen  wir  aus  der  durch  St.  1424  be- 
zeugten Anwesenheit  des  Bischofs  Notker  von  Lüttich,  der 
in  eben  diesem  Jahre  als  Gesandter  nach  Paris  geschickt 
wurde :  mag  er  nun  erst  im  Juni  von  Erstem  aus  dort  hin 
gegangen  sein  oder  schon  früher  seinen  Auftrag  vollzogen 
und  in  Erstem  über  den  Erfolg  berichtet  haben  1 ;  in  jedem 
Falle  werden  eben  hier  Verhandlungen  stattgefunden  haben, 
die  zu  dem  obigen  Schluss  berechtigen.  Ob  nun  aber 
dieser  Aufenthalt  bis  zum  10.  Juni  gedauert  hat,  wie  nach 
St.  1424  zunächst  anzunehmen  wäre,  bedarf  doch  noch  der 
Untersuchung.  Denn  von  diesem  Tage  datiert  noch  eine 
andere  im  Original  erhaltene  Urkunde  für  Kloster  Nieder- 
münster zu  Regensburg  mit  'actum  Puözinesheim',  St.  1425. 
Wohl  um  einen  Ort  zu  finden,  den  der  König  noch  am  Tage 
seines  Aufenthalts  in  Erstem  erreicht  haben  könnte,  hat 
Stumpf  diesen  Namen  auf  das  heutige  Bolsenheim,  3 — 4 
Kilom.  westlich  von  Erstem,  bezogen 2 ;  aber  auch  hier  wie 
mehrfach  gerade  bei  der  Deutung  schwierigerer  Ortsnamen 
in  Urkunden  Heinrichs  II.  nicht  glücklich.  Puözinesheim 
kann  sprachlich  nicht  zu  Bolsenheim  geworden  sein,  ist 
aber  ohne  Frage  identisch  mit  Buezinsheim,  Buozensheim, 
einem  Namen,  der  in  den  beiden  Fassungen  des  angeblichen 
Testaments  der  heiligen  Odilia  vorkommt 3 ;  er  bezieht  sich 


die  Entfernung  von  Mühlhausen  nach  Nimwegen  sich  bedeutend  erhöhte, 
würde  ich  nicht  als  ausschlaggebenden  Grund  gegen  solche  Annahme  be- 
trachten, da  auf  der  dann  möglichen  Rheinfahrt  zu  Thal  eine  erheblich 
grössere  Reisegeschwindigkeit  erzielt  worden  sein  könnte.  Allein,  wenn 
man  einen  Aufenthalt  des  Königs  in  Nimwegen  um  diese  Zeit  annimmt, 
ist  es  doch  ungleich  wahrscheinlicher,  dass  der  Bischof  von  Utrecht,  für 
den  St.  1422  ausgestellt  ist,  den  Hof  erst  hier  aufgesucht  hat,  als  dass  er 
dem  König  schon  bis  Ingelheim  entgegengezogen  wäre.  Es  versteht  sich 
dagegen  von  selbst,  dass  das  letztere  —  zumal  in  Anbetracht  der  politi- 
schen Verwicklungen  in  den  Niederlanden  —  sehr  wohl  denkbar  ist,  wenn 
der  König  gar  nicht  in  Nimwegen  war,  wenn  etwa  ein  dort  geplanter 
Aufenthalt  zu  Ostern  aus  irgend  welchen  Gründen  abgesagt  war.  1)  Ueber 
die  Zeit  der  Gesandtschaft  ergiebt  sich,  wie  Usinger  zu  Hirsch  I,  401,  N.  1 
mit  Recht  bemerkt,  aus  dem  kurzen  Bericht  des  Anselm,  Gesta  epp. 
Leod.  cap.  29  nichts  bestimmtes.  2)  Bim  folgen  Richter -Kohl  S.  192. 
3)  Grandidier,  Hist.  de  Teglise  de  Strasbourg  I,  XL1V,  n.  25;  XL  VI, 
n.  26;  vgl.  v.  Jan,  Zeitschr.  f.  Gesch.  des  Oberrheins  N.  F.  VH,  205. 


Erläuterungen  zu  den  Diplomen  Heinrichs  II.  175 

auf  das  heutige  Boozheim 1  im  Kreise  Schlettstadt  unweit 
Markolsheim,  wo  Kloster  Niedermünster  —  natürlich  das 
elsässische,  nicht  das  baierische  Stift  dieses  Namens  — 
einen  Hof  besass 2.  Da  diese  Deutung-  völlig-  sicher  ist, 
entsteht  die  Frage,  ob  der  König  an  ein  und  demselben 
Tage  in  Erstem  und  Boozheim  geur kündet  hat;  beide  Orte 
sind  beinahe  30  Kilom.  von  einander  entfernt.  Nun  ist 
die  Datierung  in  St.  1425  einheitlich,  da  im  Or.  sowohl 
der  Tag  wie  der  Ortsname  nachgetragen  zu  sein  scheinen, 
die  Nachtragung  also  doch  wohl  gleichzeitig  erfolgt  ist 
und  dann  nur  am  10.  Juni  in  Boozheim  erfolgt  sein  kann 3. 
St.  1421  ist  nur  abschriftlich  überliefert,  so  dass  der  Schrift- 
befund hier  keinen  Anhaltspunkt  zur  Beurtheilung  der 
Sachlage  giebt.  Dass  der  König  am  10.  Juni  vor  seinem 
Aufbruch  in  Erstein  und  dann  noch  am  selben  Tage  nach 
seiner  Ankunft  in  Boozheim  Urkunden  vollzogen  habe, 
wird  durch  die  Entfernung  beider  Orte  von  einander  nicht 
völlig  ausgeschlossen,  muss  aber  doch  als  sehr  zweifelhaft 
bezeichnet  werden:  wir  wenden  hier  wiederum  das  mehr 
besprochene  Zeichen  an,  welches,  ohne  die  Einheitlichkeit 
der  Datierung  von  St.  1421  mit  voller  Bestimmtheit  aus- 
zuschliessen,  unseren  Zweifeln  an  derselben  Ausdruck  giebt4. 
In  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  1006  und  in  den 
ersten  Monaten  des  Jahres  1007  macht  das  Itinerar,  soweit 
es  für  die  Einreihung  der  Urkunden  auf  dasselbe  ankommt, 
keine  Schwierigkeit.  Nur  ein  Ortsname  giebt  zu  einer  Be- 
merkung Anlass :  derjenige  von  St.  1446,  das,  im  Or.  über- 
liefert, 'actum  Se'  mit  dem  Datum  17.  April  1007  verbindet. 

1)  Nicht  zu  verwechseln  mit  Boofzheim  (saec.  XII.  Bovisheim)  im 
Kreise  Erstem.  2)  Der  König  hat  also  von  Erstein  aus  die  Rheinstrasse 
nach  Basel  eingeschlagen,  wo  wir  ihn  noch  am  15.  Juli  treffen.  Demgemäss 
ist  schwerlich  mit  Stumpf  1426,  dem  auch  hier  Richter  -  Kohl  a.  a.  O. 
folgen,  die  Zusammenkunft  mit  Robert  v.  Frankreich,  von  der  wir  durch 
eine  ungenau  datierte  Urkunde  des  letzteren  wissen,  in  den  Juni  zu  setzen, 
sondern  sie  wird  mit  Hirsch  I,  401,  Giesebrecht  II,  50,  Manitius  S.  267 
(Pfister,  Etudes  sur  le  regne  de  Robert  le  Pieux  S.  LXX.  363  verzichtet 
auf  jede  nähere  Bestimmung)  in  den  August  zu  legen  sein.  An  welcher 
Stelle  der  Maas  die  Zusammenkunft  stattfand,  darüber  fehlt  es  an  allen 
Nachrichten :  die  Anhaltspunkte,  auf  welche  Michael,  Die  Formen  des 
unmittelbaren  Verkehrs  S.  34  seine  Vermuthung  stützt,  Domremy  sei  der 
Ort  der  Begegnung   gewesen,    sind    doch   nur   sehr   schwach.  3)  Das 

schliesst  natürlich  nicht  aus,  dass  auch  in  diesem  Fall  Handlung  und  An- 
fang der  Beurkundung  nach  Erstein  gehören  mögen.  4)  In  einem  völlig 
entsprechenden  Fall  (zwei  DD.  vom  17.  Juli  997  sind  das  eine  aus  Eschwege, 
das  andere  aus  Mühlhausen  datiert;  die  Entfernung  beider  Orte  ist  fast 
genau  derjenigen  von  Erstein  nach  Boozheim  gleich)  haben  Kehr  S.  245 
und  Sickel  zu  DO.  III.  250  sich  bestimmt  für  Nichteinheitlichkeit  der 
Datierung  des  ersteren  entschieden. 


176  Harry  Bresslau. 

Da  der  König  in  Regensburg,  wo  er  Ostern  gefeiert  hatte 
(6.  April),  noch  am  15.  nachweisbar  ist,  kann  der  Ort  nicht 
allzuweit  Ton  der  bairischen  Hauptstadt  und  muss  auf  dem 
Wege  von  da  nach  Bamberg  (St.  1447  ff.)  gesucht  werden. 
Stumpf  deutet  den  Namen  auf  See  'nördlich  von  Regen  s- 
burg"  und  denkt  also  wohl  an  das  Dorf  See  rechts  von  der 
Nab,  etwa  5  Kilometer  wsw.  von  Burglengenfeld,  das  aller- 
dings den  obigen  Bedingungen  entsprechen  würde,  aber 
wenigstens  jetzt  von  jedem  grösseren  Strassenzuge  abseits 
liegt.  Doch  kommen  auch  noch  andere  Orte  des  nicht 
seltenen  Namens  in  Betracht,  so  namentlich  das  Pfarrdorf 
See  im  Landgericht  Parsberg,  südöstlich  von  letzterem  Ort, 
das  von  Regensburg  etwa  30  Kilometer  entfernt  ist  und 
an  der  von  dort  nach  Nürnberg  führenden  Strasse  liegt. 
Ich  würde  am  ersten  an  diesen  Ort  zu  denken  geneigt 
sein;  mit  Bestimmtheit  aber  eine  Entscheidung  zu  treffen, 
ist  nicht  möglich. 

Wir  sind  mit  unseren  Erörterungen  bis  in  die  letzten 
Monate  des  Jahres  1007  gelangt,  in  denen  die  Gründung 
Bambergs  an  die  Reichskanzlei  neue  und  schwierige  Auf- 
gaben stellte.  Zu  zeigen,  wie  diesen  genügt  wurde,  mag 
dem  zweiten  Abschnitt  unserer  Erläuterungen  zu  den  Di- 
plomen Heinrichs  vorbehalten  bleiben1. 


1)  Nachtrag  zu  S.  16  3.  Erst  während  der  Correctur  dieses 
Aufsatzes  sind  wir  darauf  aufmerksam  geworden,  dass  auch  DO.  III.  210 
unverkennbar  den  Stil  des  BA  aufweist,  was  auch  in  der  Ausgabe  der 
DD.  Otto's  III.  nicht  bemerkt  worden  ist.  Auf  die  Consequenzen  dieser 
Beobachtung  behalte  ich  mir  vor  zurückzukommen. 


V. 


Beiträge 


zu  den 


Regesten  der  staufischen  Periode. 


Von 


Paul  Scheffer  -Boichorsl 


Neues  Archiv  etc.     XX.  12 


I.    Die  gefälschten  Kaiserurkuiiden  für  Bauffreiiioiit 
und  ihre  echten  Muster. 

In  seinen  gehaltvollen  Instructions  du  comite  des 
travaux  historiques  et  scientifiques  53 — 56  hat  L.  Delisle 
gezeigt,  dass  eine  Urkunde,  durch  welche  Friedrich  II.  am 
16.  März  1218  die  Burg  seines  'lieben  Verwandten'  Libald 
von  Bauffreniont  unter  besonderen  Schutz  genommen  haben 
soll,  erst  in  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  von  dem 
Abbe  Jean  -  Baptiste  G-uillaume  gefälscht  worden  ist.  Zu- 
gleich bemerkte  Delisle  die  durchgehende  Uebereinstim- 
mung  mit  einer  echten  Urkunde,  die  Friedrich  II.  am 
gleichen  Tage  dem  Kloster  Lüders  ausgestellt  hat.  Er 
Hess  nun  beide  Diplome  abdrucken,  um  das  Verhältnis 
recht  deutlich  zu  machen,  die  gefälschte  nach  dem  angeb- 
lichen Original 1,  die  echte  nach  Huillard  -  Breholles,  Hist. 
dipl.  Friderici  secundi  II,  537,  der  seinerseits  den  Druck 
bei  Würdtwein,  Nova  subsidia  XIII,  229  wiederholte.  Die 
Uebereinstimmung  ist  allerdings  auffallend,  ohne  doch  voll- 
ständig zu  sein.  Für  Bauffremont  hebt  Friedrich  an:  Per 
presens  scriptum  notum  facimus,  für  Lüders  scheint  er 
nur  Notum  facimus  zu  sagen;  vor  Allem  heisst  es  nach 
Delisle  allein  in  der  Fälschung:  Ad  cuius  nostre  pro- 
tectionis  et  conf irmationis  memoriam  et  invio- 
labile  firmamentum  presens  scriptum  fieri  feci- 
mus  sigillo  nostre  celsitudinis  roboratum.  Die 
hervorgehobenen  Worte  entsprechen  aber,  —  wie  man  sich 
leicht  überzeugen  kann2,  —  durchaus  dem  Stil  der  da- 
maligen Urkunden  Friedrichs  IL  So  bleibt  in  dem  Be- 
weise Delisle's  eine  Lücke,  die  doch  der  Ausfüllung  bedarf, 
wenn  sein  Verdikt  in  voller  Unbedingtheit  aufrecht  er- 
halten werden  soll.  Darum  verweise  ich  auf  die  älteste 
Ausgabe  des  Privilegs  für  Lüders:  der  Druck  bei  Lünig, 
Teutsches  Eeichsarchiv  XIX,  971  vervollständigt  die  Con- 
gruenz  sozusagen  bis  auf  den  letzten  Buchstaben,  und  erst 
damit  scheint  mir  jede  Hoffnung  zu  schwinden,  dass  die 
Urkunde    für    Bauffremont    noch    gerettet    werden    könne. 


1)  Böhmer  -  Ficker  N.  931  verzeichnet  die  früheren  Ausgaben,  ohne 
Bedenken  zu  äussern.  2)  Man  vergleiche  nur  Urkunden  Friedrichs  II. 
vom  Juli  1217,  Januar  und  März  1218.    Huillard  I,  519—520.  533.  539—540. 

12* 


180  Paul  Scheffer  -  Boichorst. 

Der  angeführte  Band  des  Eeichsarchivs  erschien  1720;  und 
1758  hat  Guillaume,  wie  ein  von  Delisle  mitgetheilter  Brief 
beweist,  sein  sauberes  Machwerk  zu  Stande  gebracht.  Je- 
doch mag  man  auch  erwägen,  einerseits,  dass  Guillaume 
in  Bisanz  geboren  ist,  dass  er  in  Bisanz  als  Priester  lebte, 
dass  er  von  dorther  dem  Fürsten  Bauffremont  das  Privileg 
sandte  und  seine  Geschichte  der  Herrn  von  Salins  wid- 
mete, anderseits,  dass  Lüders  im  Sprengel  von  Bisanz  liegt: 
eine  unmittelbare  Benutzung  des  Klosterarchivs  war  für 
Guillaume  keine  schwere  Sache. 

Delisle  argwöhnte  nun  natürlich,  dass  noch  andere 
Kaiserurkunden  für  Bauffremont  ihr  Dasein  dem  gleichen 
Ursprung  zu  verdanken  hätten.  Dieser  Yermuthung  folgte 
jüngst  A.  de  Barthelemy,  der  in  der  Bibliotheque  de 
l'ecole  des  chartes  1891,  S.  118 — 128  über  die  Münzen  von 
Bauffremont x  gehandelt  hat.  Doch  ist  Barthelemy  theils 
viel  zu  weit  gegangen,  theils  hinter  seiner  Aufgabe  zurück- 
geblieben. Er  schoss  über  das  Ziel  hinaus,  indem  er  nicht 
blos  eine  Urkunde,  durch  welche  Kaiser  Friedrich  I.  den 
Bauffremonts  das  Münzrecht  verliehen  haben  soll,  als  Fäl- 
schung verwarf,  sondern  auch  ein  ziemlich  gleichlautendes 
Privileg 2,  das  den  Bischof  Peter  von  Tüll  berechtigt,  in 
seinem  Schlosse  Liverdun  zu  prägen.  Nicht  genug  that 
Barthelemy  aber,  da  er  die  Genealogie  der  Drucke  unbe- 
achtet Hess:  so  entging  ihm  ein  Versehen  des  Setzers,  das 
für  die  Kritik  seine  Bedeutung  hat. 

Ich  beginne  mit  der  Urkunde  Friedrichs  I.  für  Tüll 3, 
die  nach  Benoit,  Hist.  eccl.  et  politique  de  Toul  Preuves  30, 
früher  Calmet,  Hist.  eccl.  et  civile  de  la  Lorraine  IL  Preu- 
ves 364,  ed.  I  und  nun  auch  Barthelemy  1.  c.  425  abge- 
druckt haben.  Sie  soll  aber  unecht  sein,  weil  die  Daten, 
an  sich  einen  Widerspruch  enthaltend,  Anachronismen  für 
einzelne  Zeugen  ergäben4.  Eine  kleine  Aenderung  bringt 
fast  Alles  in  Ordnung:  man  schreibe  nur  Bisuntii  XVIII. 
Kai  Od.  ao.  dorn.  MCLXXVIII.  indictione  XI  statt 
MCLXVIII5.  Die  Einfügung  einer  Zehn  ist  aber  durch 
die  11.  Indiktion  beinahe  geboten.    Erwünschte  Bestätigung 

1)  Barthelemy  schreibt:  Beaufremont,  Delisle:  Baufremont;  ich  folge 
dem  Gothaischen  Hofkalender,  mit  dem  die  Herausgeber  der  Docum.  rares 
ou  ined.  des  Vosges  übereinstimmen.  Aber  auch  Guillaume.  2)  —  redige 
evidemment  par  Ja  meine  main,  also  durch  Guillaume.  Der  aber  wurde 
1728  geboren,  er  fälschte  um  1758,  und  schon  1707  wurde  das  Privileg 
von  Benoit  veröffentlicht !  3)  St.  4267.  4)  Die  folgenden  Einwände 
erhebt  Barthelemy  gegen  die  Urkunde  für  Bauffremont,  dann  aber  sagt  er 
von  dem  Tuller  Münzprivileg,  es  sei  behaftet  avec  les  meines  erreurs. 
5)  Das  meint  auch  Barthelemy,  aber:  les  faussaires  ne  pensent  pas  ä  tont. 


Beiträge  zu  den  Regesten  der  stauflschen  Periode.       181 

gewährt  eine  Mittheilung,  die  Herr  Duvernoy  in  Nanzig 
seinem  Collegen  Wolfram  in  Metz  zu  machen  die  Güte 
hatte.  Er  verweist  auf  ein  Verzeichnis  der  Urkunden  des 
Domkapitels  von  Tüll,  welches  1757  angelegt  wurde.  On 
dornte  ä  cet  acte  dans  V inventaire  la  date  de  1178  et  on 
indique  qu'il  est  consigne  au  folio  26  du  cartulaire  A.  Also 
am  14.  September  1178  hat  der  Bischof  von  Tüll  sein 
Münzrecht  vom  Kaiser  erhalten,  und  zwar  zu  Bisanz.  Dass 
Friedrich  dort  in  der  Mitte  des  September  1178  Hof  hielt, 
ist  aber  auch  anderweitig  bekannt.  Am  13.  bekundete  er 
eben  zu  Bisanz  die  Entscheidung  eines  Streites,  den  die 
Aebtissin  von  Eumelsberg  gegen  Reiner  von  Bourbonne 
geführt  hat1;  und  unter  den  Zeugen  begegnen  uns  auch 
zwei  der  Herren,  die  Barthelemy  beanstandet  hat:  Eber- 
hard von  Bisanz  und  Heinrich  von  Bar.  Zwischen  beiden 
findet  sich  dann  namentlich  noch  der  Prälat,  dem  der 
Kaiser  gestattet,  in  Liverdun  zu  prägen :  Bischof  Peter  von 
Tüll.  Ferner  bezeugt  das  Privileg  für  Rumeisberg:  Gisel- 
bertus  vicecomes  Falcon.  Die  Bezeichnung  ist  nicht  eben 
genau ;  richtig  sollte  es  heissen  Giselbertus  Falcon,  vicecomes 
Vesuliensis,  d.  h.  Giselbert  von  Eaucogney,  Vicomte  von 
Vesoul 2.  Man  sieht  wohl,  wer  einen  Tag  später  unter  dem 
Giselbertus  vicecomes  Vesuntinensis  zu  verstehen  ist.  Die 
Aenderung  Vesuliensis  erscheint  ungezwungen,  ja  selbst- 
verständlich. Vesuntinensis  ist  verlesen  3,  vielleicht  verschrie- 
ben, wie  in  demselben  Diplom  decreto  aus  de  cetero  wurde. 
Damit  fällt  der  letzte  Grund,  den  Barthelemy  gegen  die 
Echtheit  geltend  machte;  eine  genauere  Prüfung  wendet 
Alles  zum  Besten  der  Urkunde4. 

Doch  wird  man  sofort  zugeben,  dass  die  gleichen 
Fehler  1168  statt  1178  und  Vesuntinensis  statt  Vesuliensis 
in  einer  zweiten  Urkunde  nicht  leicht  zu  entschuldigen 
sind.  Sie  wiederholen  sich  mit  so  Vielem  in  dem  Münz- 
privileg für  Bauffremont 5,  das  die  Herausgeber  der  Docu- 
ments  rares  ou  inedits  de  l'histoire  des  Vosges  IV,  342  und 
nun  auch  Barthelemy  1.  c.  124  veröffentlicht  haben0.    Einen 


1)  St.  4266  b.  Ich  benutze  eine  Abschrift  aus  dem  Kopialbuche 
des  Klosters,  die  W.  Arndt  für  die  MGr.  angefertigt  hat.  2)  Vgl.  z.  B. 
Gallia  christ.  XV.  Instr.  46.  53.  3)  In  diesem  Zusammenhang  verdient 
Beachtung,  dass  es  bei  Benoit  heisst:  Bisunt.  aep.,  Dat.  Bisunt.,  aber 
vicecom.  Vesunt.  4)  Auch  gegenüber  der  Urkunde  von  Rumeisberg.  Hier 
heisst  Theoderich  von  Metz  episcopus,  in  unserem  Privileg  electus;  Theo- 
derich ist  nie  geweiht  worden.  5)  St.  4267  a  hat  keinen  Verdacht  ge- 
schöpft. 6)  All'  die  Kaiserurkunden  für  Bauffremont  besitzen  wir  in 
Vidimierungen  eines  officialis  curie  Tulhnsis  von  1360,  die  ihrerseits  1761 


182  Paul  Scheff  er  -  Boichorst. 

Augenblick  könnte  man  wohl  zweifeln,  wo  der  Betrag  zu 
suchen  sei.  Aber  der  von  Delisle  erbrachte  und  dann  — 
wie  ich  nieine  —  von  mir  gesicherte  Beweis,  dass  ein 
Fälscher  für  Bauffremont  thätig  war,  scheint  doch  jedes 
Bedenken  zu  zerstreuen.  Um  Anderes  zu  übergehen1, 
will  ich  nur  noch  ein  weiteres  Argument  hervorheben.  Bei 
Benoit  lautet  eine  Zeugenschaft  Everaräi  Bisuntinensis  ar- 
chiepiscopi.  Daraus  wurde  bei  Calmet  am  Ende  der  einen 
Zeile  Bisuntinensis,  am  Anfang  der  anderen  episcopi.  Der 
Setzer  verlor  also  —  wenn  ich  so  sagen  darf :  beim  Ueber- 
gange  —  die  Silben  archi,  und  auch  in  unserer  Fälschung 
ist  Eberhard  zum  Bischöfe  degradiert  worden 2.  Der  an- 
geführte Band  Calmets  erschien  1728,  und  erst  30  Jahre 
später  arbeitete  G-uillaume. 

Das  für  die  Bauffremonts  wichtigste  Privileg  soll 
Friedrich  I.  am  14.  November  1157  ertheilt  haben3.  Es 
bringt  das  erlauchte  Geschlecht,  das  seit  1757  dem  Reichs- 
fürstenstand angehörte,  in  schmeichelhafte  Beziehungen 
nicht  blos  zu  Friedrich  I.,  sondern  auch  zu  einem  Kaiser 
noch  früherer  Zeiten,  wie  man  will:  Heinrich  II.  oder 
Heinrich  III.  Friedrich  wiederholt  nur  die  Immunitäten 
des  betreffenden  Heinrich,  welche  ihm  die  Bauffremonts 
vorgelegt  haben,  ut  a  novis  et  indebitis  vexationihns  castnun 
suum  de  Bafrimont  eriperent.  Dieses  ausserordentlich 
schätzenswerthe  Aktenstück  hat  zuerst  bekannt  gemacht : 
Zurlauben,  Tables  geneal.  des  augustes  maisons  d  Autriche 
et  de  Lorrain  179 ;  willkürliche  Aenderungen  sich  gestat- 
tend, folgte  Schöpflin,  Alsatia  dipl.  I,  243 i;  in  unveränderter 
Gestalt  besitzen  wir  den  Wortlaut  nun  auch  in  den  Docu- 
ments  rares  ou  inedits  de  l'hist.  des  Vosges  IV,  337. 

Gleichlautende  Immunitäten  desselben  Heinrich  legte 


par  le  seeretaire  greffier  de  Ja  chambre  du  conseil  et  des  comptes  du  ducke 
de  Bar  beglaubigt  wurden.  "Wie  es  scheint,  ist  nur  das  besprochene  Pri- 
vileg von  1218  daneben  auch  im  angeblichen  Original  vorhanden.  1)  Kleine 
Aenderungen  dienen  keineswegs  zur  Empfehlung  der  Urkunde.  Nicht 
kanzleigemäss  ist  z.  B.  Federicus  dei  gratia  Imperator  Romanorum  et  semper 
augustus  statt  Federicus  dei  gratia  Romanorum  imperator  augustus,  dann 
Noveritis  itaque  statt  Noverint  itaqiie.  2)  Mehrere  Zeugen  seiner  Vor- 

lage hat  Gruillaume  unterdrückt,  dafür  zwei  Lothringer  hinzugefügt :  Theo- 
baldus  de  Novo -Castro,  Ulricus  de  Xuefviler.  Sie  lassen  sich  anderweitig 
in  den  damals  von  Friedrich  I.  ertheilten  Privilegien  nicht  nachweisen, 
wahrscheinlich  entnahm  Guillaume  auch  sie  aus  Calmets  Geschichte. 
3)  St.  3785.  4)  Ex  transsumpto  camerae  computorum  ducatus  Barensis, 
also  aus  derselben  Quelle,  der  auch  die  anderen  Kaiserurkunden  für  Bauffre- 
mont entstammen.  Vgl.  S.  181,  Anm.  6.  Die  Uebereinstimmung  zwischen 
dem  Drucke  in  den  Tables  geneal.  und  den  Docum.  rares  lehrt,  dass 
Schöpflin  die  bessernde  Hand  angelegt  hat. 


Beiträge  zu  den  Regesten  der  staufischen  Periode.       183 

der  Abt  von  Lüders  an  demselben  14.  November  1157  dem 
Kaiser  vor  \  natürlich  ganz  zu  demselben  Zweck,  nt  a  novis 
et  indebitis  vexationibus  eccJesiam  suam  eriperet.  Ein  wirk- 
lich rührendes  Zusammengehen  des  lothringischen  Hauses 
Bauffremont  und  des  burgundischen  Klosters  Lüders !  Nicht 
blos  1218  treffen  sie  auf  Tag,  Monat,  Ort  und  im  Wortlaut 
zusammen,  sondern  auch  schon  1157!  Die  seltene  Freund- 
schaft zwischen  Lüders  und  Bauffremont  vermittelte  — 
Seine  Hochwürden,  Abbe  Jean  -  Baptiste  Guillaume ! 

Der  Mann  hatte  nun  ausser  dem  bösen  Gemüthe  noch 
eine  zuweilen  recht  unglückliche  Hand.  Denn  wieder  griff 
er  zu  einem  schlechten  Text,  den  er  seiner  Fälschuno-  zu 
Grunde  legte.  Wir  besitzen  einen  besseren,  nämlich  ein 
Bruchstück  bei  Lünig  XIX,  968,  dann  den  vollen  Wort- 
laut bei  Besson,  Memoire  hist.  sur  l'abbaye  et  la  ville  de 
Lüre  197  -\  Wenig  befriedigt  dagegen  die  Wiederholung, 
welche  Friedrichs  Urkunde  durch  Rudolf  I.  erfahren  hat: 
auch  sie  findet  man  bei  Lünig  XIX,  980.  Und  mit  ihr 
stimmt  zu  seinem  Verderben  das  Privileg  für  Bauffremont 
überein.  So  bieten  etwa  beide  den  Unsinn  ad  feoda  exi- 
genda  statt  der  bekannten  Formel  ad  freda  exigenda3;  so 
heissen  hier  und  dort  zwei  Zeugen:  comes  de  Lucenburclt, 
comes  de  Cagesburch:  bei  Besson  liest  man:  de  Lentzburch, 
de  Dagsburch.  Dann  verweise  ich  noch  auf  die  doppelte 
Nennung  des  Ortes,  an  welchem  die  Urkunde  ausgestellt 
ist.  Es  entspricht  Diplomen  vom  3.  und  4.  November,  dass 
er  unter  Data  und  wieder  unter  Actum  angegeben  wird: 
am  14.  November  sagte  Friedrich  I.  nach  Besson  Data  in 
Monte  Barri,  —  actam  in  Monte  Barri  in  regno  Burgundie. 
Der  Kanzlist  Rudolfs  I.  meinte,  es  sei  völlig  genug,  wenn 
er   schreibe   Data  in  Monte  Barri,   actum    in   regno  Burgun- 

1)  St.  3786.  Friedrich  bezieht  sich  auf  ein  Privileg  progenüoris 
nostri  domni  Henrici  secundi,  er  sagt  dann :  felix  parens  noster  Henriais 
secimdus.  Nicht  bloss  nach  den  genealogischen  Verhältnissen ,  sondern 
auch  nach  der  in  Friedrichs  Kanzlei  üblichen  Zählung  könnte  nur  Hein- 
rich III.  gemeint  sein.  Aber  die  bestätigte  Urkunde  hat  dennoch  unser 
Heinrich  H.  ausgestellt.  St.  1673.  Der  Fälscher  von  St.  3785  hat  sich 
an  dem  scheinbaren  "Widerspruch  von  progenitor  =  parens  und  secimdus 
gestossen  und  einfach  predecessor   eingesetzt.  2)  Nur  aus  dem  Citate 

bei  D(uvernoy),  Mouvance  du  comte  de  Bourgogne  Preuves  37  weiss  ich, 
dass  die  Urkunde  auch  in  den  Dissert.  hist.  de  l'acad.  de  Besangon  1762.  64 
gedruckt  ist.  3)  Hier  z.  B.  änderte  Schöpflin,  der  ein  besserer  Kenner 
war,  als  der  archiiHste-paMographe,  der  in  den  Doc.  rar.  1.  c.  341  Alles  in 
schöner  Ordnung  fand  und  ohne  Bedenken  übersetzte :  pour  y  lerer  /es 
droit*  fwlax.r.  Mit  der  Herausgabe  der  Fälschungen  hat  man  sich  näm- 
lich nicht  begnügt,  es  mussten  auch  noch  Uebersetzungen  hinzugefügt 
wei'den ! 


184  Paul  Scheffer  -  Boichorst. 

cliae:  seiner  Ansicht  hat  sich  der  Verfasser  des  Privilegs 
für  Bauffremont,  das  doch  auch  Friedrich  I.  1157  ertheilt 
haben  soll,  nur  allzu  bereitwillig-  angeschlossen 1. 

Den  Bauffremonts  musste  das  Privileg-  Friedrichs  I. 
als  werthvollstes  Stück  ihres  Archivs  gelten ;  es  würde  aber 
auch  in  allgemeinerer  Richtung  eine  gewisse  Bedeutung 
haben,  nämlich  als  Immunitätsbrief  für  einen  weltlichen 
Herrn.  Urkundliche  Verleihung  oder  Bestätigung  lässt 
sich  nicht  oft  nachweisen,  und  darum  meinte  F.  von  Wyss 
die  geringe  Zahl  der  Diplome,  worin  einem  Laien  die  Frei- 
heit von  öffentlicher  Gewalt  zugestanden  wird,  wohl  um 
ein  stattliches  Beispiel  zu  vermehren,  indem  er  auf  unsere 
Urkunde  aufmerksam  machte  2.  Noch  viel  grösseren  Werth 
in  rechtlicher,  aber  auch  in  politischer  Beziehung  hätte 
ein  Spruch,  den  der  königliche  Hof  1224  zu  Gunsten  eines 
Bauffremont  gefällt  haben  soll.  Mochte  er  weniger  dazu 
beitragen,  den  Ruhm  des  gefürsteten  Hauses  zu  erhöhen. 
—  was  er  für  die  Verfassung  des  Reichs  bedeutete,  zeigt 
der  Umstand,  dass  Pertz  ihn  seiner  Sammlung  von  Ge- 
setzen einreihte 3,  dass  Franklin  ihm  einen  Platz  in  den 
Sententiae  curiae  regis  gestattete4,  dass  E.  Winkelmann 
nicht  abgeneigt  war 5,  darin  die  erste  Spur  von  Ritterbünd- 
nissen zu  erblicken. 

Libald  von  Bauffremont  hat  vor  Heinrich  (VII.)  Klage 
erhoben :  vasalli  et  ceteri  homines  sui  de  vallibus  in  Hcmspurgh 
auctoritate  proprio,  quasdam  communitates,  constitutiones,  nori- 
tates  et  coniunctiones  r/t/ado  ftdei  ßrmatas  inier  unt.  Darauf 
erfolgt  das  Urtheil,  dass  solche  Verbindungen  rechtswidrig 
sind,  und  am  28.  December  1224  erhält  Libald  die  könig- 
liche Verbrief ung,  die  ihn  gegen  die  Eigenmächtigkeit 
seiner  Vasallen  schützt.  Ob  diese  nun  ritterbürtige  Leute 
waren,  ob  man  also  von  einem  Ritterbunde  reden  darf,  ob 
es  sich  um  Lehnsleute  anderer  Art  handelt '',  kann  das 
Interesse  kaum  erhöhen  oder  mindern.  In  jedem  Falle 
bleibt,  dass  der  Korporationsgeist  sich  nicht  auf  die  Städte 
beschränkt,    dass  er  auch  die  Landbewohner  ergriffen  hat. 


1 )  Uebrigens  finden  sich  noch  weitere  Fehler,  für  welche  der  Druck 
bei  Lünig  1.  c.  980  keine  Analogieen  bietet.  Anderseits  müsste  ausser 
Lünig  1.  c.  980  auch  noch  Lünig  1.  c.  968  herangezogen  sein,  nämlich  zur 
Ankündigung  des  Monogramms  und  zur  Vervollständigung  der  Recogni- 
tion.  Darum  möchte  ich  doch  lieber  annehmen,  dass  der  Bisanzer  aus 
dem  Archive  des  benachbarten  Lüders  unmittelbar  sein  Muster  entnommen 
hat.  2)  Abhandlungen   zur  Gesch.   des  schweizerischen  öffentl.  Rechts 

305.         3)  Leges  II,  254.         4)  S.  91,  n.  239.         5)  Kaiser  Friedrich  IL 
Jahrbücher  I,  361,  Anm.  7.         6)  Vgl.  dazu  Winkelmann  a.  a.  0. 


Beiträge  zu  den  Regesten  der  staunscheii  Periode.       185 

Und  beide  trifft  nun  das  gleiche  Schicksal,  am  gleichen 
Tage  und  Orte,  in  den  gleichen  Formen.  Es  besteht  nur 
der  eine  Unterschied :  gegen  die  Vasallen  hat  Libald  von 
Bauffremont  das  Reich  angerufen,  gegen  die  Bürger  der 
Erzbischof  von  Bisanz.  Dessen  Klage  lautet:  cives  Bisunti- 
nenses  auctoritate  proprio,  quasdam  communitates,  constitutiones, 
novitates  et  conventiones  vinculo  ßdei  confirmatas  inierunt. 
Hiermit  habe  ich  zugleich  eine  Probe  der  durchgehenden 
Uebereinstimmung  gegeben. 

Die  Drucke  der  Urkunde  für  den  Erzbischof,  die  kein 
Lob  verdienen,  gehen  auf  eine  und  dieselbe  Quelle  zurück. 
Aus  den  mir  unzugänglichen  Dissert.  de  l'academie  de 
Besancon  1760.  61  entnahm  sie  D(uvernoy),  Mouvance  du 
comte  de  Bourgogne  envers  l'empire  Germanique.  Preuves  60, 
und  ihm  folgte  Huillard  -  Breholles,  Hist.  dipl.  Frid.  sec. 
II,  818.  Der  Text  ist  nicht  einmal  vollständig;  man  er- 
kennt es  aus  der  Bestätigung  Friedrichs  II. :  Nostm  sefe- 
nitas  intellexit,  qualiter  per  sententiam  düectorum  principum 
E.  Coloniensis,  Th.  Treverensis  venerdbiliwm  archiepiscoporwm, 
Augustensis,  Lausanensis,  Basiliensis  episcoponun  aliononqne 
magnatum  Burgundie  predictas  communitates,  constitutiones, 
novitates  et  conventiones  irrevocabiliter  revocaveris.  In  den 
angeführten  Drucken  der  Urkunde  Heinrichs  fehlen  der 
Erzbischof  von  Trier,  die  Bischöfe  von  Augsburg  und  Lau- 
sanne. Diese  Prälaten  werden  nun  aber  in  der  Fälschung 
für  Libald  von  Bauffremont  genannt.  Sie  ist  also  von  dem 
Texte  der  Editionen,  deren  älteste  übrigens  auch  wahr- 
scheinlich schon  einem  späteren  Jahre  angehört,  ganz 
gewiss  nicht  abhängig.  Man  muss  sich  hier  erinnern,  dass 
Guillaume  als  'Priester  und  Mitglied  der  königlichen  Aka- 
demie zu  Bisanz',  wie  er  sich  vorstellt,  in  den  verschie- 
denen Archiven  seiner  Vaterstadt  aus-  und  einging,  dass 
er  dorther  auch  in  seiner  Histoire  genealogique  des  sires 
de  Salins 1  eine  Reihe  von  Urkunden  veröffentlicht  hat. 
Da  fand  er  eine  gute  Ueberlieferung  des  Reichsspruches, 
der  1224  für  den  Erzbischof  ergangen  ist,  und  sie  legte  ei- 
serner Fälschung  zu  Grunde.  Wenn  in  Bisanz,  dessen 
Archivalien  seitdem  manche  Schmälerung  erfahren  haben, 
sich  heute  kein  reinerer  Text  für  das  Diplom  Hein- 
richs (VII.)    auffinden   lässt,    als    der   durch   die  Ausgaben 


1)  Ich  kenne  den  ersten,  1757  erschienenen  Band,  den  die  Ver- 
waltung der  Universitäts-  und  Landesbibliothek  zu  Strassburg  mir  gütigst 
hierher  sandte.  Dieser  enthält  nur  eine  Kaiserurkunde  Preuves  S.  50  = 
St.  4074:  sie  ist  unzweifelhaft  echt. 


186  Paul  Scheffer  -  Boichorst. 

bekannte  \  dann  wird  man  die  Nachbildung  Guillaume's 
immerhin  zur  Besserung  und  Vervollständigung  benutzen 
können. 

Aber  ist  auch  diese  Urkunde  wirklich  eine  Nach- 
bildung, eine  Fälschung? 

Die  einzige  Quelle  für  die  Drucke  ist  Schöpflin,  Al- 
satia  diplomatica  I,  352,  ihm  folgte  namentlich  auch  Pertz, 
LL.  II,  254.  Schöpflin  verdankte  das  Diplom  dem  Baron 
von  Zurlauben,  der  es  ex  transs.  cur.  Basü.  entnommen 
habe.  Doch  ist  statt  Basü.  wohl  zu  lesen  Tullens.  Denn 
dort  sind  alle  Privilegien  für  Bauffremont  beglaubigt  worden, 
auch  die  nicht  kaiserlichen,  deren  Besprechung  mir  fern 
liegt.  Auf  einer  Yidimierung  des  Officials  von  Tüll  beruht 
ebenfalls  die  Ausgabe  des  Immunitätsbriefes  von  1157,  die 
Zurlauben  selbst  besorgte 2.  Der  verdächtige  Ursprung  soll 
indess  nur  erwähnt  werden. 

In  Wahrheit  würde  ein  zwingender  Beweis  der  Un- 
echtheit  kaum  zu  erbringen  sein,  wenn  nicht  der  Vergleich 
mit  den  übrigen  Urkunden  für  Bauffremont  volle  Klarheit 
gäbe.  Oder  will  Jemand  annehmen,  dass  die  Diplome  von 
1157.  1168  und  1218  allerdings  auf  Grund  echter  Vorlagen 
desselben  Jahres,  Tages  und  Ortes  gefälscht  seien,  dass 
dagegen  der  Rechtsspruch  von  1224  thatsächlich  mit  der 
Entscheidung  für  den  Erzbischof  von  Bisanz  sozusagen  in 
derselben  Stunde  gefällt  wäre  und  daher  auch  dieselbe 
Fassung  erhalten  hätte  ?  Solche  Vertrauensseligkeit  würde 
doch  zu  weit  gehen,  selbst  dann  noch,  wenn  der  Empfänger 
der  echten  Urkunde  nicht  Erzbischof  von  Bisanz  gewesen 
wäre.  Doch  die  Beziehungen  des  Fälschers  zu  Bisanz, 
seiner  Vaterstadt,  deren  Archive  ihm  offen  standen,  habe 
ich  schon  zur  Genüge  hervorgehoben. 

Nicht  gerade  unmöglich  wäre  die  Verbindung  unter 
Vasallen.  Sonst  hören  wir  zu  Anfang  des  13.  Jahrh.  frei- 
lich nur,  wie  die  Bürger  einer  Stadt  zusammentreten,  sich 
eine  Verfassung  geben  und  ihrem  Herrn  Trotz  bieten. 
Aber  aus  Sachsen  vernehmen  wir  doch  schon  um  die  Mitte 
des  12.  Jahrh.,  dass  die  Ministerialen,  der  ordentlichen  Ge- 
richtsbarkeit zum  Hohne,  sich  selber  Recht  sprachen 3,  also 

1)  Eine  Abschrift  aus  dem  Chartul.  eccles.  Bisunt.,  die  nach  dem 
N.  Arch.  II,  282  W.  Arndt  für  die  MG.  angefertigt  hat,  war  in  deren 
Sammlungen  nicht  zu  finden.  2)  Auch  die  anderen,    auf  Bauffremont 

bezüglichen  Urkunden,  die  Schöpflin  veröffentlicht  hat,  verdankte  er  der 
Mittheilung  Zurlaubens.  Doch  finde  ich  keine  Anhaltspunkte,  Zurlauben 
mit  dem  Betrüge  in  Verbindung  zu  bringen.  Sein  litterarischer  Nachlass 
befindet  sich  in  Aarau,  Anzeiger  f.  Schweiz.  Gesch.  V,  152.  3)  Annal. 
Palid.  ad  1146,  SS.  XVI,  82. 


Beiträge  zu  den  Regesten  der  staufischen  Periode.       187 

doch  eine  Vereinigung  eingegangen  sind;  und  in  Italien 
hatten  sich  die  Vasallen  der  Gräfin  Mathilde  schon  früher 
zu  einer  Genossenschaft  vereinigt :.  Könnte  nicht  noch- 
mals, jetzt  im  Gebiete  Bauffremonts,  von  der  Lehnsmann- 
schaft ein  Versuch  gemacht  sein,  sich  eine  eigene  Organi- 
sation zu  geben?  Solch'  eine  Erwägung  würden  wir  uns 
gestatten  dürfen,  wenn  ihre  Voraussetzung  auf  festerem 
Grunde  beruhte. 

Und  die  Thäler  von  Hauspurgh,  worin  die  Vasallen 
wohnen?  Schöpflin.  hat  die  Oertlichkeit  nicht  nachweisen 
können2,  und  auch  ich  habe  sie  vergebens  gesucht.  Sich 
aus  der  Verlegenheit  zu  retten,  verfällt  vielleicht  Jemand 
auf  die  Idee,  Thäler  von  Habsburg  seien  gemeint.  In  einer 
Urkunde  der  gleichen  Zeit  und  des  gleichen  Ortes,  deren 
ein  Jahrhundert  älteren  Druck  Guillaume  gekannt  hat 3, 
erscheint  als  Zeuge:  comes  Rudolplnis  de  Haiispurc.  Wollte 
Guillaume  die  Bauffremonts  mit  den  Habsburgern  in  Ver- 
bindung bringen,  etwa  durch  gemeinsamen  Besitz?  Seine 
handschriftliche  Geschichte  der  Familie  Bauffremont x  wird 
darüber  aufklären.  Aber  man  kann  die  Antwort  auch  recht 
gut  entbehren :  ich  wenigstens  bedauere  keinen  Augenblick, 
dass  das  Werk  ungedruckt  blieb.  Wenn  es  erschienen 
wäre,  müsste  ich  mich  vielleicht  noch  mit  weiteren  Be- 
weisen der  Unechtheit  befassen. 


II.    Egidio  Rossi  und  seine  Nachahmer. 

Die  berühmte  Fälschung,  wodurch  Heinrich  VI.  am 
29.  Mai  1195  die  Venerosi  berechtigt  haben  soll,  Richter 
und  Notare  zu  ernennen  und  Uneheliche  zu  legitimieren, 
ist  zwei  echten  Mustern  nachgebildet.  Auf  das  eine  hat 
schon  Ficker  hingewiesen:  nach  seiner  Ausführung  ent- 
sprechen die  Eingangs-  und  Schlussformeln,  der  grösste 
Theil  der  Zeugen,  die  Datierung  genau  einer  Urkunde,  die 
derselbe  Kaiser  an  demselben  Tage  der  Kirche  von  Parma 
ausgestellt  hat5.  Die  andere  Vorlage  ist  ein  Privileg,  das 
Heinrich  VI.  den  Kapitänen  von  Monteveglio,    einer  Burg 


1)  Das  zeigen  zuerst  die  Stilübungen  in  "Wattenbachs  Iter  Austr. 
83— 86.  Vgl.  Ficker,  Forschungen  zur  Reichs-  und  Rechtsgesch.  Italiens 
II,  294.  2)  Forte  Dagsburg  comitatus,  in  quo  vaUes  Angusta,  Nivea  et 

Wolfllngla.  Schöpflin  I,  353,  Änra.  e.  3)  Chifflet,  Lettre  touchant  Beatrix 
comtesse  de  Chalon  113.  Auch  konnte  Cxuillaume  die  Urkunde  aus  dem 
Bisanzer  Archiv  kennen.  Dorther  entnahm  sie  Zeerleder,  U.-B.  von  Bern 
I,  213.  4)  Ihrer  wird  in  der  Biogr.  univer.  gedacht,   s.  v.  Guillaume. 

5)  Forschungen  zur  Reichs-  und  Rechtsgeschichte  Italiens  II,  100. 


188  Paul  Scheffer  -  Boichorst. 

unweit  Bologna's,  am  9.  September  1196  verlieh1.  Von 
den  beiden  Vertretern  der  Kapitäne  heisst  es:  Qui  Sini- 
baldus  consul  et  Petrus  Bottus  iuraverunt  nöbis  fidelitatem 
contra  omnem  hominem  de  mundo  excepto  domnum  papam  et 
ecclesiam  Bomanam,  secundum  quod  in  capitulis  fldelitatis  con- 
tinetur,  corporaliter  ab  ipsis  prestito  iuramento,  (eisdem  delato) 
per  me  Conradum  Hildeslieimensem  eleetum.  Daraus  machte 
der  Verehrer  des  Hauses  Venerosi:  Qui  Venerosus  de  Vene- 
rosis  etc.  dicto  domino  Heinrico  sexto  imperatori  iuravit  fideli- 
tatem contra  omnem  hominem  de  mundo  excepto  dominum  papam 
et  ecclesiam  Bomanam,  secundum  quod  in  capitulis  fldelitatis 
in  omnibus  et  per  omnia  continetur,  corporaliter  ab  ipso  pre- 
stito sacramento,  eidem  delato  per  nie  Corradum  imperiales  aide 
cuncellarium  vice  domni  Odulplii  Coloniensis  archiepiscopi  totius 
Baue  archicancellarii  infrascripti2.  Das  letzte  Wort  verräth 
schon,  dass  die  Erweiterung  mit  Hülfe  der  Recognition 
erfolgte.  So  sollte  man  glauben,  die  Entgegennahme  des 
Treuschwures  sei  Sache  der  Kanzlei  gewesen.  In  Wahr- 
heit hatte  Konrad  von  Hildesheim  nicht  als  Kanzler,  nicht 
als  Stellvertreter  des  Erzkanzlers,  sondern  als  Reichslegat, 
in  welcher  Eigenschaft  er  kurz  vorher  Italien  bereiste,  die 
Kapitäne  vereidigt.  Ein  weiterer  Unsinn  ist,  dass  auch 
Veneroso  dem  Papste  die  Treue  wahrt.  Sein  Geschlecht 
hatte  Nichts  mit  dem  'Mathildinischen  Hause'  gemein;  die 
Kapitäne  von  Monteveglio  dagegen,  ehemalige  Unterthane 
der  grossen  Gräfin,  hatten  gerade  im  gegenwärtigen  Augen- 
blick allen  Grund,  'die  Kirche  auszunehmen',  denn  zwischen 
Kaiser  und  Papst  schwebten  Verhandlungen  wegen  eines 
Abkommens  über  das  Mathildinische  Gut3.  Aber  trotz  der 
Ungeschicklichkeiten  verdient  der  Fälscher  doch  Dank, 
denn  die  Worte  eisdem  (sc.  capitaneis)  delato,  deren  Fehlen 
im  schlecht  überlieferten  Privileg  für  Monteveglio  den 
Vorgang  unverständlich  machte4,  sind  uns  durch  ihn  ge- 
sichert. 

Die  Verleihung   Heinrichs  VI.    soll  Friedrich  II.   am 


1)  Savioli,  Annali  Bolog.  III»,  191  aus  jüngerer  Abschrift  im  Archive 
der  eigenen  Familie.  Diesen  Druck  wiederholte  La  Farina,  Bischiarazioni 
e  documenti  sopra  nove  studi  storici  301.  2)  Aus  Bologneser  Beglau- 

bigung von  1322,  Sarti,  De  claris  archigymnasii  Bonn.  prof.  II,  143;  aus 
Sieneser  von  1325,  Muratori,  Ant.  Ital.  I,  394.  3)  Ficker  a.  a.  O.  II, 

297.  4)  Vgl.  darüber  Ficker  II,  150,  Anm.  37.    —  per   me  Conradum 

HiJdesh.  eleetum  ist  in  der  Urkunde  des  Kaisers,  der  bis  dahin  natürlich 
von  sich  gesprochen  hat,  nicht  ohne  Interesse :  es  wird  doch  einen  per- 
sönlicheren Charakter  haben,  als  die  Recognition.  Schade,  dass  das  Ori- 
ginal verloren  zu  sein  scheint ;  auch  das  Citat  im  Archiv  XII,  574  deutet 
wohl  nur  auf  eine  jüngere  Abschrift. 


Beiträge  zu  den  Regesten  der  staufischen  Periode.       189 

13.  März  1245  bestätigt  haben1.  Den  Kern  des  Privilegs 
bilden  natürlich  Worte  der  vorausgegangenen  Fälschung; 
die  Einfassung  ist  freier  erfunden,  aber  doch  auch  nicht 
ganz  ohne  Muster.  Während  die  Namen  der  Zeugen  zu- 
meist nur  Ausgeburt  einer  tollen  Phantasie  zu  sein  schei- 
nen 2,  begegnet  uns  als  Kanzler  Konrad  von  Metz,  er  ver- 
tritt den  deutschen  Erzkanzler  Siegfried  von  Mainz3,  und 
der  Protonotar  Heinrich  übergiebt  die  Urkunde.  Diese 
Angaben  passen  zusammen,  sie  weisen  auf  Deutschland, 
und  wie  man  sich  leicht  überzeugen  kann,  wäre  als  Zeit 
1217  — 1220  anzusetzen.  Solchen  Anforderungen  entspricht 
die  Kegalienverleihung,  welche  die  Stadt  Parma  im  Februar 
1219  zu  Speier  empfing4.  Eine  Parma  betreffende  Ur- 
kunde5 wurde  ja  aber  auch  für  die  bestätigte  Fälschung 
benutzt,   und   dass  nun  die  bestätigende  den  Ausstellungs- 


1)  Aus  Bologneser  Beglaubigung  von  1322,  Sarti  1.  c.  112  und 
Huillard - Breholles  VI,  941.  2)  Auf  Erfindung  beruht  aber  keinesfalls: 
Ansdmus  de  Stringunt  regalis  aide  mareschalcus.  Man  muss  Stringunt  nur 
in  Justingen  änderen.  Nebenbei  bemerkt,  entstand  aus  der  angedeuteten 
Verlesung  auch  Robertus  eomes  de  Stringunt,  der  die  Urkunde  Heinrichs  VI. 
bezeugt.  Ein  anderer  Spross  des  fabelhaften  Geschlechts  wird  uns  später  in 
einer  Fälschung  für  Bobbio  begegnen:  Richolfus  eomes  de  Stringunt.  Vgl. 
S.  194,  Anm.  4.  3)  Freilich  heisst  es  Maihensis  statt  Metensis  und  Sieg- 
fried wird  Erzkanzler  von  Deutschland  und  auch  von  Italien.  4)  Böhmer- 
Ficker  991.  Die  Daten  konnte  der  Fälscher  nicht  übernehmen,  denn 
Bertolotto  Venerosi,  für  den  er  das  Brivileg  anfertigte,  war  damals  kaum 
schon  geboren :  er  lebte  noch  1297.  5)  Auf  eine  solche  möchte  man  ja 
auch  gern  die  Arenga  zurückführen.  Aber  die  ganz  gleichen  Worte  habe 
ich  überhaupt  in  keinem  Diplom  Friedrichs  II.  gefunden,  freilich  darf  ich 
mich  auch  nicht  rühmen,  systematisch  danach  geforscht  zu  haben.  Doch 
begegnen  ähnliche  Gedanken.  So  namentlich  in  der  Urkunde,  die  Fried- 
rich II.  im  Juli  1213  dem  Grafen  von  Dietz  ertheilt:  Ut  fidelium  nostro- 
rutti  animos  in  fiele  roboremus  et  aliorum  mentes  ad  nostra  invitemus  ob- 
sequia  etc.  Winkelmann,  Acta  I,  100.  Dasselbe  sagt  doch  auch  der 
Fälscher:  Ut  singulorum  animos  ad  fidelitatis  nosfre  obsequia  efficacius  in- 
r item us  et  fidelium  mentes  in  fide  efficiantur  fortiores.  Diese  Arenga  wäre 
sehr  sachgemäss  gewesen,  da  Friedrich  II.  am  11.  Februar  1216  den  Giu- 
liani von  Parma  sich  gnädig  zeigte.  Leider  ist  die  Urkunde,  die  übrigens 
von  Böhmer  -  Ficker  übersehen  wurde,  mir  nur  in  dürftigem  Begest  be- 
kannt, nämlich  bei  Affö,  Storia  di  Parma  III,  108,  Anm.  c.  Danach  ver- 
lieh der  König  den  Brüdern  Ugolino,  Tommaso  und  Gabriele  Giuliani 
die  Herrschaft  über  Borgo  San  Donnino:  1215  ind.  4,  ao.  Rom.  regni  3 
regnique  sui  in  Italia  flies:  Sicilia)  18.  Dat.  ap.  Hagenowam  3.  id.  feb. 
Nur  das  Jahr  der  Bömerherrschaft  ist  um  eins  zu  erhöhen,  sonst  passen 
alle  Daten  auf  Februar  1216,  und  damals  weilte  Friedrich  in  Hagenau. 
Affö  erklärt  die  Urkunde  freilich  für  unecht,  doch  ohne  Grund:  wenig- 
stens für  ihren  Inhalt  leistet  eine  Urkunde  Friedrichs  II.,  die  Ficker, 
Forschungen  IV,  333,  n.  299  veröffentlicht  hat,  die  beste  Gewähr.  Vgl. 
die  Worte  non  obstante  pririlegio  et  commissione,  quam  Ugo  Lupus  et  Hugo 
Iuliani  et  fratres  eins  —  a  curia  nostra  ad  tempus  impetrasse  dicantur. 


190  Paul  Scheffer  -  Boichorst. 

ort  'Parma'  erhielt,  beweist  wiederum  Beziehungen  des 
Fälschers  zu  dieser  Stadt 1. 

1198  mussten  die  Kapitäne  von  Monteveglio  sich  den 
Bolognesen  unterwerfen2.  Die  Urkunde  vom  9.  September 
1196  gelangte  damit  gewiss  in  das  Archiv  von  Bologna. 
Man  wird  also  behaupten  dürfen,  dass  der  Fälscher  sich 
ausser  den  Parmesaner  Vorlagen  auch  einer  Bologneser 
Urkunde  bediente,  um  seinen  Betrug  auszuführen.  Es  will 
ungefähr  dasselbe  bedeuten,  wenn  ich  die  Ansicht  aus- 
spreche, der  Fälscher  sei  entweder  Bolognese  gewesen,  habe 
indess  auch  in  Parmesaner  Archiven  gearbeitet,  oder  er  sei 
von  Parma  ausgegangen,  habe  indess  auch  in  Bologna  so- 
zusagen archivalische  Studien  gemacht.  Aber  auch  ein 
dritter  Fall  ist  nicht  ausgeschlossen :  nämlich  gemeinsames 
Werk  eines  Bolognesen  und  eines  Parmesanen. 

Möglicher  Weise  haben  die  Venerosi  schon  früher  in 
Bologna  gewohnt;  Bürger  der  Stadt  wurden  sie  erst  1285  3. 
Ein  Jahr  darauf  hat  ein  Bolognese  die  Urkunden  in  seinem 
Interesse  zu  verwerthen  gewünscht.  Es  ist  der  hoch- 
berühmte Rolandino  Passagerii,  der  erste  Praeconsul  des 
Kollegs  der  Notare,  der  offenbar  von  den  Privilegien  der 
Venerosi  die  schönsten  Hoffnungen  hegte  —  für  eine  Jung- 
frau, die  ihn  Vater,  nicht  aber  seine  Gattin  Mutter  nennen 
durfte.  '14  kaiserliche  Briefe  besässe  das  Haus  Venerosi; 
der  letzte  sei  dem  derzeitigen  Venerosi,  Bertolotto,  von 
Friedrich  II.  ertheilt  worden.  Die  gelehrten  Herren4 
möchten  urtheilen,  ob  seine  Tochter  von  den  Privilegien 
Bertolotto's  einen  unanfechtbaren  Nutzen  ziehen  könne'. 
Dieser  Zusammenhang  scheint  nun  die  oben  erwiesene 
Thatsache,  dass  für  die  Herstellung  des  pergamentenen 
Schatzes  der  Venerosi  auch  das  Archiv  von  Bologna  einen 
Beitrag  lieferte,  doch  aufs  Beste  zu  erklären,  und  vielleicht 

1)  In  gleicher  Richtung  wird  man  auch  einige  der  Zeugen  ver- 
werthen dürfen.  So  den  Markgrafen  Hubert  von  Pallavicini,  der  in  der 
Geschichte  von  Parma  eine  bedeutende  Rolle  spielt.  Parmenses  diruerunt 
paJutium,  quod  habebat  in  Parma.  —  Civis  enim  Parmensis  fiiit.  Salim- 
bene  ed.  Parm.  165.  Ferner  erscheinen  als  Zeugen:  Ugo  Lupus,  Monte- 
lupus  de  Oliveto.  Darunter  sind  Markgrafen  von  Soragna  verstanden :  qui 
fuerunt  magni  barones  et  habitabant  in  Parma  in  Capite-pontis.  Monte- 
lupo  hatte  mehrere  Söhne ;  der  älteste  hiess  Hugo,  der  jüngste  auch  Monte. 
Salimbene  161.  Andere  Zeugen  stammen  allerdings  nicht  aus  Parma,  und 
wieder  andere  weiss  ich   überhaupt   nicht   unterzubringen.  2)  Ficker 

a.  a.  0.  II,  289.  3)  Ficker  II,  101  nach  einer  urkundlichen  Notiz  bei 

Grhirardacci,  Della  bist,  di  Bologna  I,  267.  4)  Nämlich  ein  Kollegium 

von  Doctoren,  Advokaten  und  Richtern,  an  die  er  seine  Bittschrift  richtet ; 
sie  ist  gedruckt  bei  Sarti  1.  c.  II,  140 ;  genauer  unterrichtet  über  Alles, 
was  in  Betracht  kommt,  Ficker  II,  99  ff. 


Beiträge  zu  den  Regesten  der  staufischen  Periode.       191 

glaubt  man  schon  über  die  Autorschaft  nicht  zweifeln  zu 
dürfen.  Dem  gegenüber  muss  ich  indess  an  die  Parme- 
saner Bestandtheile  erinnern.  Sie  kann  man  schwerlich 
dem  Rolandino  Passagerii  zuschreiben;  ohne  Grund  würde 
man  ihn  mit  Parma  in  Verbindung  bringen.  So  bleibt  für 
mich  die  Frage  nach  dem  Fälscher  noch  offen.  Weiter 
führen  die  notariellen  Beglaubigungen  der  beiden  einzigen 
Urkunden  Bertolotto's,  die  in  vollständigen  Drucken  vor- 
liegen. Am  11.  Januar  1291  hatte  er  sein  beglückendes 
Recht  an  einem  Florentiner  ausgeübt,  und  die  darüber 
aufgenommene  Akte  schliesst  nun:  Ego  Egidius  de  Rubels 
de  Cassio  Pannen sis  notarius  et  iudex  Ordinarius  d.  comitis 
Bartholoti  predicti  auctoritate  imperiali  Ms  omnibus  interfui  et 
Jianc  cartam  rogatus  et  de  mandato  dicti  d.  comitis  scripsi  et 
publicavi x.  Wir  besitzen  dann  das  Testament  des  Berto- 
lotto,  worin  er  am  6.  September  1297  seinem  einzigen  Sohne 
Brandaligio  seine  Güter  und  Rechte  vermacht,  namentlich 
seine  köstlichen  Privilegien,  deren  letztes  Kaiser  Friedrich 
dem  Erblasser  selbst  ertheilt  habe.  Darunter  steht  wie- 
derum: Ego  Egidius  de  Rubels  de  Cassio  Parmensi  nota- 
rius et  iudex  Ordinarius  d.  comitis  Bertholotl  predicti  etc.2 
Also  Egidio  Rossi  aus  Cassio,  einem  Dorfe  im  Gebiete  von 
Parma3,  war  Bertolotto's  Notar.  In  seinem  unbedeutenden 
Heimatsorte4  konnte  er  sich  für  seinen  Beruf  nicht  vor- 
bereiten. Das  ist  sicher  in  Parma  selbst  geschehen5.  Da 
wird  er  sich  aus  den  dortigen  Archivalien  Auszüge  oder 
Abschriften  angefertigt  haben,  und  sie  nahm  er  mit  in 
die    Fremde,    mit   nach   Bologna.     Diese   Parmesaner  Vor- 

1)  Ficker  a.  a.  0.  IV,  502,  n.  495  aus  dem  Florentiner  Original. 
2)  Sarti  1.  c.  II,  144.  3)  Vgl.  darüber  Molossi,  Vocabulario  topogr.  dei 
ducati  di  Parma,  Piacenza  e  Guastalla  68.  Der  grossen  Familie  Rossi  aus 
Parma  selbst  darf  man  ihn  also  nicht  zuschreiben,  es  sei  denn,  das  Pri- 
vileg der  Venerosi  hätte  nicht  bloss  in  Richtung  auf  Notariat  und  Richter- 
amt ein  Interesse  für  ihn  gehabt,  sondern  auch  wegen  der  Legitimierung. 
4)  Uebrigens  gab  es  auch  in  Parma  selbst  ein  casale  Worum  de  Cassio. 
Das  aber  war  zur  Zeit,  als  Salimbene  schrieb,  quantum  ad  masculos,  tota- 
liter  deletum.  Salimbene  ed.  Parm.  24.  Vgl.  auch  die  Genealogie  des 
Hauses  de  Cassio  im  Anhange  zu  E.  Michael,  Salimbene  und  seine  Chronik: 
darin  findet  sich  kein  Egidius.  Nebenbei  bemerkt:  wenn  Michael  S.  94 
behauptet,  ich  hätte  die  Herausgabe  der  Chronik  Salimbeue's  für  die  MC 
übernommen,  jedoch  verzögert,  so  ist  er  durch  Ehrle,  seinen  Gewährs- 
mann, völlig  in  die  Irre  geleitet  worden.  5)  Ebensowohl  danach,  als 
weil  er  im  Parmesanischen  geboren  war,  mochte  er  sich  Parmensis  nennen. 
So  wenigstens  liest  Ficker ;  dagegen  heisst  es  bei  Sarti :  de  Cassio  Par- 
mensi,  wir  würden  also  sagen:  Cassio  -  Parmigiano.  Aber  ein  zweites 
Cassio  habe  ich  vergebens  gesucht,  und  das  einzige  von  den  Ortsbüchern 
genannte  Cassio  führt  denn  auch  heute  nicht  etwa  den  Beinamen:  Par- 
misiano. 


192  Paul  Scheffer  -  Boichorst. 

lagen  sind  nun  "wesentliche  Bestandtheile  unserer  Fäl- 
schungen, deren  eine  überdies  in  Parma  ausgestellt  sein 
soll.  Einmal  in  Bologna,  konnte  der  Parmesane  aber  doch 
auch  ein  Bologneser  Dokument  benutzen,  ohne  dass  gerade 
Rolandino  Passagerii,  und  kein  Anderer,  es  ihm  verschafft 
haben  müsste.  Allerdings,  das  lebhafteste  Interesse,  das 
der  Praeconsul  der  Notare  an  den  Privilegien  hatte,  liegt 
offen  zu  Tage.  Wie  viel  mehr  aber  bedeuteten  sie  für 
Egidio  Rossi!  Sie  haben  seine  ganze  Stellung,  wenn  nicht 
überhaupt  erst  begründet,  so  doch  gesichert  und  im  Werthe 
gehoben  1.  Indess  mag  ihn  Rolandino  immerhin  ermuntert, 
unterstützt  haben. 

An  dem  überraschend  schnellen  Erfolge  der  Fäl- 
schungen hat  unzweifelhaft  die  Gunst  eines  Mannes,  wie 
Rolandino,  der  in  Bologna  eine  fast  herrschende  Stellung 
einnahm,  ihr  gutes  Theil  gehabt.  Wir  hören  schon  in  den 
nächsten  Jahren,  dass  die  Venerosi  Notare  ernennen  und 
Uneheliche  legitimieren.  Letzteres  Recht  scheinen  sie  be- 
sonders ausgenutzt  zu  haben.  Liess  doch  der  Enkel  Ber- 
tolotto  s  im  Jahre  1346  einem  geehrten  Publikum  von  Lucca 
verkünden,  er  sei  angekommen,  und  jeder  Hülfsbedürftige, 
'Bürger  oder  Fremder,  Laie  oder  Geistliche',  könne  ihn  im 
Gasthause  des  Vanni  Abatelli  antreffen 2.  Dabei  scheint 
es  dann  Sitte  gewesen  zu  sein,  dass  eine  notarielle  Be- 
glaubigung der  Privilegien,  auf  denen  das  Geschäft  'Vene- 
rosi und  Erben'  beruhte,  mit  in  den  Kauf  gegeben  wurde. 
So  ist  die  Urkunde  Friedrichs  IL  schon  im  Jahre  1291, 
als  Bertolotto  selbst  in  der  Florentiner  Wirthschaft  des 
Betto  seinen  Handel  trieb,  dem  Dokumente  einer  Legiti- 
mierung hinzugefügt  worden3;  ferner  haben  wir  Beglaubi- 
gungen der  Privilegien  Heinrichs  VI.  und  Friedrichs  IL 
von  1322  aus  Bologna4  und  von  1325  aus  Siena5.  Wie 
nun  aber  Abschriften  hierhin  und  dorthin  gelangten fi,  da 
regten  sie  zur  Nachahmung  an. 


1)  Stillschweigend  habe  ich  angenommen,  dass  unser  Parmesane, 
der  sich  freilich  nicht  vor  1291  nachweisen  lässt,  auch  schon  zur  Zeit  der 
Fälschung,  also  um  1285,  im  Dienste  der  Venerosi  stand.  Aber  da  Alles 
so  gut  auf  einen  Parmesanen  passt,  so  werde  ich  meine  Voraussetzung 
wohl  festhalten  dürfen,  bis  ein  Anderer  mir  darthut,  dass  Egidio  mit  den 
Venerosi  überhaupt  erst  in  Berührung  gekommen  sei,  als  die  Fälschungen 
längst  vorhanden  waren.  2)  Ficker  a.  a.  O.  IV,  534,  n.  519.  3)  Vgl.  Ficker 
IV,  503,  Anm.  1  zu  n.  495.      4)  Vgl.  oben  S.  188,  Anm.  2  und  S.  189,  Anm.  1. 

5)  Danach  hat  H.  Pabst  beide  Privilegien  für  die  MGr.  abgeschrieben,  ist 
das  Heinrichs  VI.   von  Muratori   gedruckt  worden,   vgl.  S.  188,  Anm.  2. 

6)  Ein  Regest  der  Urkunde  Friedrichs  II.  findet  sich  auch  in  den  Annalen 
von  Mailand,  die  bis  1401  reichen,  Muratori,  SS.  XVI,  653. 


Beiträge  zu  den  Regesten  der  staufischen  Periode.       193 

Im  Gebiete  von  Piacenza  lebten  die  Edlen  von  Eizzoli 
und  die  Mönche  von  Bobbio.  Und  die  Einen,  wie  die  An- 
deren, versuchten  mit  Hülfe  von  Fälschungen  vorwärts  zu 
kommen,  ich  glaube :  die  Einen  nicht  ohne  die  Anderen. 
Ein  schönes  Privileg,  das  Karl  der  Dicke  883  zu  Pavia 
den  Mönchen  von  Bobbio  ausgestellt  haben  soll,  sagt  von 
dem  Abte:  iuravit  fidelitatem  —  contra  omnes  homines  de 
mundo,  —  corporaliter  ab  ipso  prestito  sacramento,  eidem  delato 
per  nie  Ingenium  imperialis  aidae  notarium  ad  vicem  Liutardi 
praefati  venerabüis  episcopi,  totius  Italiae  archicanceUarii1. 
Wie  man  wohl  sieht:  derselbe  eigenartige  Satz,  der  aus 
der  Urkunde  Heinrichs  VI.  vom  September  1196  in  die 
Privilegien  der  Venerosi  überging!  Es  fehlt  nur  die  dort 
vorhandene  Wendung:  secundum  quod  in  capitulis  fidelitatis 
continetur.  Nicht  den  Treueschwur,  aber  Anderes,  hat  mit 
der  Bobbieser  Fälschung  das  älteste  Privileg  der  Eizzoli 
gemein 2.  Auch  dieses  ertheilte  angeblich  Karl  der  Dicke, 
auch  883,  auch  zu  Pavia!  und  in  beiden  heisst  es:  Liutar- 
dus  sanctae  Vercellensis  ecclesiae  episcopus  nosterque  summus 
consiliarius 3  et  archicancellarius  et  Wiboldus  sanctae  Parmensis 
ecclesiae  venerabüis  pontifex  nostram  expetierunt  celsitudinem. 
Ebenfalls  zeigt  das  zweite  Privileg  der  Rizzoli,  das  den 
Namen  Konrads  III.  und  das  Datum  des  28.  August  1143 
trägt4,  wenigstens  Eine  auffallende  Gleichheit  mit  einer 
echten  und  dann  auch  mit  einer  unechten  Urkunde,  die 
Friedrich  I.  den  Mönchen  im  März  1153  gegeben  hat,  be- 
züglich gegeben  haben  soll :  mit  beiden  stimmen  die  Zeugen 
durchweg  überein,  zunächst  auch  deren  Anordnung,  nicht 
bloss  deren  Namen6.  Im  Uebrigen  steht  der  Fälscher  viel 
mehr  in  Abhängigkeit  von  Egidio  ßossi.  Doch  eine  Probe 
muss  genügen.  Ich  wähle  wiederum  den  Satz,  welcher 
in  letzter  Reihe  aus  dem  Privileg  Heinrichs  VI.  für  die 
Kapitäne  von  Monteveglio  herrührt:  iuraverunt  fidelitatem 
secundum  quod  in  capitulis  fidelitatis  in  omnibus  et  per  omnia 
continetur,  corporaUter  ab  ipsis  praestito  sacramento,  eisdem 
singidis  delato  per  me  Arnolduni  regalis  aidae  cancellarium  vice 
d.  Arnoldi  Coloniensis  archiepiscopi  et  archicanceUarii.    Mithin 

1)  Mon.  patr.  eh.  I,  66,  Böhmer  -  Mühlbacher  1613.  2)  Campi, 

Dell'  istoria  eccl.  di  Piacenza  I,  469,  B.-M.  1606.  3)  Für  Bobbio:  praesul 
nostraeque  siqnaturae  consiliarius!  Uebrigens  stammt  der  berichtigte  Satz 
aus  echter  Vorlage.  4)  Campi  1.  c.  I,  541;  St.  3462.  5)  St.  3665.  66. 
Erstere  Urkunde  ist  nicht  verdächtig,  letztere  offenbar  gefälscht.  6)  Am 
Schlüsse  erscheinen  dann  noch:  Lambertus  de  Rudio,  Ubertus  de  Calnara, 
dazu  vgl.  die  Zeugen  der  Urkunde  Friedrichs  II.  für  die  Venerosi:  Gutu- 
lanus  dux  de  Grangoh,  Robertus  de  Rudio  comes,  Guilhlmus  de  Calvara 
comes. 

Neues  Archiv  etc.     XX.  13 


194  Paul  Scheffer  -  Boichorst. 

fehlen  nur  die  Worte:  contra  omnem  etc.,  excepto  domino 
papa  etc.  So  zeigen  sich  denn  die  Mönche  von  Bobbio 
und  die  Edlen  von  Rizzoli  als  Benutzer  einer  Fälschung,  die 
Egidio  Rossi  für  die  Venerosi  geschmiedet  hat.  Was  aber 
das  gegenseitige  Verhältnis  der  Fälscher  von  Bobbio  und 
Rizzoli  betrifft,  so  erfährt  es  durch  zwei  Transsunipte  eine 
weitere  Erläuterung:  die  Bobbieser  Urkunde  von  883  und 
die  Rizzoleser  von  1143,  —  beide  soll  Kardinal  Manfred 
1172  zu  Piacenza  beglaubigt  haben,  die  eine  für  Bobbio 
den  18.,  die  andere  für  Rizzoli  den  23.  November1.  Also 
wären  Urkunden,  die  auf  Grund  von  Fälschungen  der 
zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrh.  entstanden  sind,  schon  im 
12.  für  echt  erklärt  worden ! 

Der  Fälscher  für  Rizzoli  hat  besonders  die  Urkunde 
Friedrichs  II.  geplündert ;  der  Bobbieser  schloss  sich  in 
seinen  geringeren  Entlehnungen  mehr  den  angeblichen 
Worten  Heinrichs  VI.  an.  Doch  kannte  und  benutzte  diese 
auch  der  Rizzoleser 2,  jene  auch  der  Bobbieser.  Mit  Bezug 
auf  Bobbio  sei  noch  Eins  bemerkt.  In  einer  anderen  Fäl- 
schung, die  den  Namen  Ottos  IL  trägt3,  werden  als  Zeugen 
genannt:  PiiclioJfus  com  es  de  Stringunt4,  Bermisinus 
comes  de  Sacroponte,  Ronadfus  de  Oliveto.  Für 
die  Venerosi  erscheinen  bei  Heinrich  VI.:  Robertus  comes 
de  Stringunt,  Gotfredus  comes  de  Saraponte,  dann 
aber  bei  Friedrich  II.:  Montelupus  de  Oliveto5. 

Der  Urkunde  Heinrichs  VI.  bediente  sich  auch  ein 
Fälscher,  der  für  die  Markgrafen  von  Colle  thätig  war. 
Wie  der  Verehrer  der  Venerosi  nach  der  echten  Urkunde, 
die  Heinrich  dem  Bischof  von  Parma  verlieh,  seine  Com- 
position  anhob :  Dignum  est  et  imperial!  glorie  decorum,  ut 
nostra  liberalis  munificentia  quosque  fideles  nostros  praeveniat, 
so  begann  mit  ihm  nun  sein  Nachahmer:  imperiali  dignum 
est  decore,  uf  nostra  magnificentia  liberalis  quosque  fideles 
nostros  praeveniat ;  und  der  eigenthümliche  Schlusssatz,  den 
der  Fälscher  für  die  Venerosi  dem  Privileg  der  Kapitäne 
von  Monteveglio  entnahm,  er  kehrt  hier  wieder:  —  tnarchio 

1)  Campi  1.  c.  II,  33  gedenkt  der  Bestätigungen.  Was  Bobbio  an- 
geht, so  spricht  er  freilich  nur  von  einer  Urkunde  Otto's  III.  Aber  nach 
Mühlbacher,  W.  S.  B.  XCII,  484  finden  sich  die  Bobbieser  Fälschungen 
'sämmtlich  in  Transumpten  von  1313,  welche  wieder  aus  einem  Transumpte 
von  1172  stammen  wollen'.  Gegen  die  Echtheit  der  Bestätigung  für 
Rizzoli    erklärte   sich   schon    Poggiali,   Mem.   stör,   di   Piacenza   IV,   303. 

2)  Das    im    Einzelnen     zu      belegen,     darf     ich     mir     wohl     erlassen. 

3)  Dipl.  Otton.  II.  322,  p.  380.  4)  Vgl.  S.  189,  Anm.  2.  5)  So 
Pabst;  Sarti:  Bulivito;  Huillard:  Ulmeto.  Andere  Abweichungen  dieser 
Art  habe  ich  nicht  erwähnt. 


Beiträge  zu  den  Regesten  der  stauflschen  Periode.       195 

de  Colle  iuravit  fidelitatem  contra  omnem  hominem  de  mundo 
excepto  domino  papa  et  ecctesia  Romana,  secundum  qxod  in 
capitidis  fideUtatis  continetur,  corporaliter  ab  ipso  prestito  sacra- 
mento,  eidem  delato  per  me  Rodulphum  archiepiscopum  Colo- 
niensem,  totius  Italiae  archicancettarium.  Diese  Nachbildung 
wurde  dann  Friedrich  I.  aufgebürdet  und  mit  dem  Datum : 
'im  Lager  vor  Mailand  1162,  März  13'  versehen1.  Hier, 
wie  bei  dem  Bobbieser  und  Rizzoleser  Betrüge,  durfte  aber 
auch  die  Beglaubigung  nicht  fehlen,  und  so  verbürgte 
denn  ein  Notar,  der  im  Jahre  1223  die  Feder  geführt 
haben  soll,  die  Echtheit  einer  Fälschung2,  die  ihrerseits 
auf  einer  Fälschung  vom  Ende  des  13.  Jahrh.  beruht !  Zur 
Vervollständigung  muss  ein  liebenswürdiger  Zug  des  bösen 
Betrügers  hinzugefügt  werden.  Weil  das  Privileg  für  die 
Venerosi  ihm  die  Arbeit  wesentlich  erleichtert  hatte,  so 
schloss  er  seine  Zeugenreihe:  Venerosus  comes  palatinus  in 
Lombardia :  er  schuf  damit  den  einzigen  Beleg  für  die  Exi- 
stenz des  Hauses  Venerosi  schon  im   12.  Jahrh.! 

Man  hat  die  Fälschung  jüngst  als  Werk  Ceccarelli's 
bezeichnet 3 ;  und  wahr  ist,  dass  sie  sich  mit  anderen  Er- 
findungen Ceccarelli's,  dessen  Geschäft  um  1580  blühte, 
aufs  Engste  berührt,  ja  mit  ihnen  vielfach  den  Wortlaut 
gemein  hat.  Aber  es  fehlt  auch  nicht  an  beachtenswerthen 
Differenzen:  während  z.  B.  zwei  Urkunden,  die  aus  Cecca- 
relli's Werkstatt  hervorgingen,  das  Datum  der  unsrigen 
tragen:  'im  Lager  vor  Mailand  1162',  lauten  ihre  Eecogni- 
tionen,      die      unter     sich     übereinstimmen4,     doch     ganz 


1)  Aus  Soldani,  Hist.  mon.  S.  Michaelis  de  Passiniano  I,  82  wieder- 
holt bei  Böhmer  -  Ficker,  Acta  imp.  104  =  St.  3932.  2)  Gleichfalls 
nach  Soldani  1.  c.  von  Böhmer  -  Ficker  1.  c.  105  abgedruckt.  Ficker  hat 
sich  da  schon  gegen  die  Echtheit  auch  dieses  notariellen  Akts  ausgesprochen. 
Der  nun  aufgedeckte  Zusammenhang  mit  dem  Privileg  der  Venerosi  zer- 
streut alle  Bedenken.  3)  S.  die  Ausführungen  Fanta's  in  dem  Aufsatze 
Riegls  'Alfonso  Ceccarelli  und  seine  Fälschungen',  Mitth.  d.  österr.  Inst. 
XV,  225.  Doch  lassen  sie  gerade  hier  zu  wünschen  übrig.  St.  3932  = 
Privileg  für  Colle,  und  nur  St.  3932,  nicht  auch  3966,  liegt  in  einem 
Transsumpte  von  1223  vor.  Um  einige  andere  Berichtigungen  oder  Ergän- 
zungen hinzuzufügen,  so  bemerke  ich:  n.  75  =  St.  3851  und  vollständig 
gedruckt  bei  Campi,  Piacenza  II,  358 ;  vor  n.  87  ergänze :  Heinrich  VI. 
für  die  Ubaldini,  Bari  1196,  Sept.  22  =  St.  5046  a,  dessen  Regest  nach  der 
italienischen  Uebersetzung  der  Urkunde  bei  Gr.  B.  di  Lorenzo  Ubaldini,  Storia 
della  famiglia  Ubaldini  46  zu  berichtigen  ist:  wenn  Stumpf,  einem  unge- 
nügenden Citate  folgend,  die  Urkunde  noch  für  echt  hielt,  so  hat  sie 
(Muzi)  Mem.  di  Cittä  di  Castello  VI,  28  schon  als  Machwerk  Ceccarelli's 
erkannt;  n.  94  =  St.  3720  und  auch  Böhmer  -  Ficker  1348.  4)  Fanta- 
Riegl  n.  72.  79,  Mitth.  XV,  230.  Die  Recognition  lautet  in  beiden  Ur- 
kunden: Ego  Botettridus  auctaritate  imperiali  cancellarius  vice  Philippi 
Colmiiensis  archiepiscopi  etc.     Der  Fälscher  benutzte   also   eine  Urkunde 

13* 


196  Paul  Scheffer  -  Boichorst. 

anders 1,  und  die  eigentümliche  Form  des  Treueides  ist 
ihnen  fremd.  So  scheint  mir  die  Möglichkeit  nicht  aus- 
geschlossen, dass  Ceccarelli  die  Fälschung  für  das  Haus 
Colle  nur  als  Vorbild  benutzte,  dass  sie  nicht  sein  eigenes 
Elaborat  war 2. 

Doch  Andere  mögen  feststellen,  —  wenn  sie's  der 
Mühe  für  werth  erachten,  —  welcher  Art  das  Verhältnis 
sei.  Mir  genügt,  dass  die  besprochenen  Nachahmungen  in 
gewissem  Sinne  den  bekannten  Fluch  der  bösen  That  auch 
für  das  diplomatische  Gebiet  belegen,  und  was  diese  hier 
erzeugt  und  forterzeugt  hat,  das  kann  auch  durch  kein 
Legitimierungsprivileg,  und  wäre  es  mit  Goldbuchstaben 
geschrieben,  wie  jenes  für  Veneroso  Venerosi,  von  dem 
Charakter  des  'spurium'  befreit  werden. 

III.    Texte  und  Auszüge   ungedruckter  Kaiserurkunden. 

Die  Urkunde  Friedrichs  I.,  die  ich  unter  n.  I  ver- 
öffentliche, fand  H.  Bresslau  in  dem  jüngeren  Baseler 
Diplomatar3  des  Archivs  zu  Pruntrut.  Durch  die  Punkte 
am  Ende  hat  der  Schreiber  wahrscheinlich  andeuten  wollen, 
dass  er  nur  ein  Bruchstück  mittheile.  Jedoch  möchte  nicht 
eben  viel  verloren  sein  :  der  wesentliche  Inhalt  ist  uns  wohl 
erhalten.  Für  die  hohe  Gunst,  in  welcher  der  Empfänger, 
Bischof  Ortlieb  von  Basel,  beim  Könige  stand4,  bietet  das 
Privileg  einen  neuen  Beweis,  es  erweitert  die  bis  dahin 
beschränkte  Gerechtsame  der  Bischöfe 5,  nach  Silber  graben 
zu  lassen,  auf  den  ganzen  Sprengel  von  Basel.  Vielleicht 
darf  man  es  mit  dem  Münzprivileg,  das  Friedrich  dem 
Bischöfe  zu  Anfang  1154  verliehen  hatte'5,  in  Zusammen- 
hang bringen.  Da  waren  für  die  Verbesserung  der  sehr 
entwertheten  Münze  von  Basel  geeignete  Massregeln  ge- 
troffen, und  hier  nun  mochte  der  König  dem  Bischöfe  das 
Material  verschaffen  wollen,  damit  er  überhaupt  gutes  Geld 


mit  der  Recognition :  Ego  Gotefridus  aulae  imperialis  cancellarius  vice 
Philippi  etc.  "Wenn  man  hinzunimmt,  dass  in  n.  77  Bischof  Bonifaz  von 
Novara  als  Zeuge  erscheint,  so  erkennt  man  leicht,  dass  die  Vorlage 
zwischen  1174  und  78  oder  1184  und  86  entstanden  ist.  1)  Ego  Rodulpkus 
archiepiscopus  Coloniensis,  archicancellarius  totius  Italiae  reo.  St.  3932 
schreibt:  'Ego  Rainaldus  etc.  nach  Pertz'  Mittheilung1.  Das  ist  aber  nur 
willkürliche  Verbesserung.  2)  Mit  der  Urkunde  für  Colle  stimmen  ferner 
mehrfach  überein  St.  3939  a  und  3966,  Riegl-Fanta  n.  78.  80.  3)  Trouillat 
hat  es  für  seine  Mon.  de  Fhist.  de  Tancien  eveche  de  Bäle  öfter  benutzt. 
Weshalb   ging   er   über   unser   Diplom    hinweg?  4)   (Ortliebo)   idem 

nobiscum   est   animus.     Trouillat   1,   323.  5)    Trouillat  I,    161.   274. 

6)  Trouillat  I,  323.     St.  3683. 


Beiträge  zu  den  Regesten  der  staufischen  Periode.       197 

prägen  könne.  So  würde  sich  die  Zeit  auf  1154  oder  1155 
bestimmen.  Jedenfalls  gehört  die  Urkunde  vor  den  18.  Juni 
1155,   denn  Friedrich  heisst  noch  König-. 

Auf  n.  II  und  III  habe  ich  schon  in  dieser  Zeit- 
schrift XIX,  594,  Anm.  2  verwiesen.  Leider  musste  ich 
mich  damals  mit  dürftigen  Auszügen  Tiraboschi's  begnügen. 
Doch  hegte  ich  die  Hoffnung,  in  den  Besitz  der  Texte 
selbst  zu  gelangen,  und  dieser  Wunsch  ist  mir  nun  sehr 
bald  erfüllt  worden.  Denn  als  ich  neulich  Modena  be- 
suchte, konnten  der  liebenswürdige  Vorsteher  des  dortigen 
Staatsarchivs,  Graf  Malaguzzi,  und  einer  seiner  gefälligen 
Beamten,  Herr  Ramazzini,  meiner  Bitte  sofort  entsprechen. 
Zwar  die  Originale  sind  in  Modena  nicht  vorhanden,  aber 
die  Copien  genügen.  Denn  wenn  n.  II  auch  nur  ein  Bruch- 
stück bietet,  so  ist  doch  Alles,  was  der  Schreiber  bei  Seite 
Hess ,  bloss  Wiederholung  früherer  Urkunden ;  und  wenn 
n.  III  sehr  Adele  Lücken  enthält,  —  offenbar  weil  die  Vor- 
lage schwer  zu  lesen  war,  —  so  ergab  sich  doch  fast  überall 
eine  sichere  Ergänzung. 

Weniger  glücklich  war  ich  in  Hinsicht  auf  eine  un- 
gedruckte Urkunde  Heinrichs  VI.,  deren  ich  XIX,  596, 
Anm.  2  gedachte.  Doch  kann  ich  wenigstens  das  dürftige 
Citat  Bronziero's,  mit  dem  ich  damals  zufrieden  sein  musste, 
um  Einiges  erweitern,  namentlich  um  die  Zeitangabe.  Denn 
der  Güte  des  Grafen  Cipolla  verdanke  ich  die  Kenntnis 
eines  anderen,  ausführlicheren  Regests  unserer  Urkunde ; 
es  findet  sich  in  der  handschriftlichen  Chronik  Cavicchia's  \ 
welche  die  Markusbibliothek  zu  Venedig  aufbewahrt.  Aus 
Bronziero's  und  Cavicchia's  Notizen  ist  nun  n.  IV  zu- 
sammengesetzt. 

n.  V  gewann  ich  aus  einer  Andeutung  Seh  ums,  N.  A. 
I,  130.  Danach  schienen  die  Manuscripta  Aquileiensia 
autographa  der  Markusbibliothek  eine  Urkunde  Heinrichs  VI. 
zu  enthalten.  Dort  findet  sich  aber  nur  eine  Erwähnung, 
und  zwar  in  einem  recht  eigenartigen  Schriftstück,  dessen 
Verfasser  um  weitere  Forschungen  nach  Diplomen  der 
Herren  von  Petrojo  ersucht2.  Bei  dieser  Gelegenheit  wird 
eben  der  Urkunde  Heinrichs  VI.  gedacht3;  am  unteren 
Rande  sind  Jahr  und  Monogramm  hinzugefügt,  dann  auch 
die  Zeugen,  die  eine  genauere  Zeitbestimmung  ermöglichen; 


1)  Vgl.  Cipolla  im  Nuovo  Archivio  Veneto  VI,  170,  Anm.  2)  Schum 
hat  die  Empfänger  unrichtig  Herren  von  Voläspella  genannt  und  die 
Urkunde    als   Fälschung   verworfen.  3)   Ein    Citat    nach    Schum   bei 

St.  4867b,  der  die  Urkunde  aber  als  echt  behandelt. 


198  Paul  Scheffer  -  Boichorst. 

vom  Inhalt  erfährt  man  Mchts 1.  Eine  Copie  des  weit- 
schweifigen Briefes  wurde  mir  auf  Vermittlung  des  Herrn 
Dr.  Simonsfeld  von  einem  Beamten  der  Markusbibliothek 
angefertigt. 

n.  VI  beruht  auf  dem  Original  im  Archive  der  Basi- 
lica  Vaticana.  Deren  Bibliothekar  Monsignore  Wenzel 
hatte  die  grosse  Güte,  das  Dokument  abzuschreiben,  und 
zwar  auf  Bitten  Th.  von  Sickels,  den  ich  meinerseits  darum 
ersucht  hatte  2.  Die  Publikation  reiht  sich  an  die  anderen 
Urkunden,  die  ich  aus  demselben  Archiv  im  4.  Ergänzungs- 
bande der  Mittheilungen  des  österreichischen  Instituts 
94 — 101  herausgegeben  habe. 

I.  König  Friedrich  I.  berechtigt  den  Bischof  Ortlieb 
und  dessen  Nachfolger,  im  ganzen  Bisthum  Basel  nach 
Silber  graben  zu  lassen.     1152 — 1155. 

Fridericus  dei  gratia  Romanorum  rex  Ortlibo  Basi- 
liensi  episcopo  gratiam  suam  et  omne  bonum. 

Quos  inter  ceteros  regni  principes  speciali  dileccione 
conplectimur,  ipsorum  desiderium  a  regia  dign(it)ate  effectui 
mancipandum  ducimus.  Quocirca  tibi,  dilectissime  princeps 
Or(t)libe,  tuisque  successoribus  concedimus  (ius)  in  omni  loco 
episcopatus  tui  fodiendi  argentum  et  facere  argentarias.  .  .  . 

Aus  dem  Diplomatarium  B.  des  Archivs  zu  Pruntrut 
fol.  3. 

II.  König  Friedrich  I.  bestätigt  auf  Bitten  des  Abtes 
Albert  dem  Kloster  Nonantola,  das  er  in  alte  Würde  wieder- 
herstellen möchte,  den  gesammten  Besitzstand.  Im  Gebiete 
von  Bologna,   1155  Mai  13 8. 

In  nomine  sancte  et  individue  trinitatis.  Fridericus 
divina  favente  dementia  Romanorum  rex  augustus. 

Ne  temporum  decursu  et  rerum  commutatione  a  po- 
steritatis  memoria  decidat,  quod  antecessores  nostri  reges 
seu  imperatores  ecclesiis  dei  per  Romanum  imperium  con- 
stitutis  pia  devotione  contulerunt,  nos  quoque  usibus  earum 
profuturum  eternaliter  privilegii  nostri  attestatione  firma- 
mus    et    pari    donationis    voto    stabilimus.     Omnibus    igitur 


1)  Was  über  die  Beziehungen  der  Herren  von  Petrojo  zu  Hein- 
rich VII.  und  Florenz  gesagt  wird,  verwerthe  ich  ein  anderes  Mal. 
2)  Vgl.  Bethmann  im  Archiv  XII,  408.  Danach  Böhmer  -  Ficker  305. 
Fickers  Zeitbestimmung  wird  bestätigt.  3)  Vgl.  die  ähnlich  datierten 

Urkunden  vom  13.  und  15.  Mai  1155,  St.  3708.  09.  09a.  St.  3708  hat 
noch  den  Zusatz  iuxta  Rhenum.  St.  3709  a  ist  jetzt  gedruckt  von  Cipolla 
in  den  Mitth.  des  österr.  Inst.  IV,  224—226.  Uebrigens  entspricht  das 
Diplom  für  Nonantola  dem  Citate  bei  St.  4023  a,  das  nun  in  3708  a  zu 
ändern  ist. 


Beiträge  zu  den  Regesten  der  staufischen  Periode.       199 

tarn  futuris  quam  presentibus  Christi  regnique  fidelibus 
cognitum  esse  volunius,  quod  petitione  Alberti  Nonantu- 
lensis  ecclesie  venerabilis  abbatis  necnon  interventu  princi- 
pum  nostrorum  ecclesiam  videlicet  Nonantulensem,  a  pre- 
decessoribus  nostris  regibus  et  imperatoribus  constructam 
et  beneficiis  regalibus  fundatam  et  dotatam,  in  pristinum 
honoris  sui  statum  reformare  intendimus  et  omnia  sibi 
donatione  regum,  oblatione  pontificum  seu  quorumlibet 
aliorum  Christi  fidelium  collata  nostra  regali  auctoritate 
firmare.  Ex  quibus  quedam  propriis  duximus  exprimenda 
vocabulis,  scilicet  silvam  unam 1  ex  curte  Gena  per  loca 
designata  coherente :  ab  una  parte  fluvio  Panario  et  ab  alia 
parte  cesa,  que  est  inter  Persecitanos  et  prescriptam  sil- 
vam 2  in  rivo  mortuo,  a  tertia  parte  strata  publica,  a  quarta 
vero  parte 3  silva  et  paludes,  una  cum  basilica  beati  Mar- 
tini (confessoris  Christi) 4,  sicut  a  regibus  et  imperatoribus 
suprascripto  cenobio  concessa  sunt,  id  est  cum  omnibus  re- 
galibus 5  et  decimationibus  et  pertinentiis  suis  et  redi- 
bitionibus,  que  exigi  possunt  aut  poterunt  de  omnibus  rebus, 
que  videntur  esse  infra  suprascriptas  coherentias.  Que 
omnia,  ut  concessa  sunt,  eidem  monasterio  confirmamus 
cum  coherentiis  et  cum  omnibus,  que  superius  dicta  sunt. 
Et  aqua  de  fluvio  Gena  a  cuiuspiam  hominis  potestate  sub- 
tracta  non  fiat.  Atque  subtus  stratam  publicam  nullus 
molendinum  edificare  presumat  usque  in  fines  illius  flumi- 
nis ,;,  preter  duo  molendina  in  curte  Panciano  edificanda, 
sine  licentia  ipsorum  monachorum.  Confirmamus  etiam 
ibidem  insulam  unam,  que  esse  videtur  inter  Panarium  et 
fossam,  que  dicitur  Munda  per  designata  loca:  ab  Oriente 
predictus  fluvius  Panarius,  a  meridie  villa  Salicetum,  ab 
occidente  predicta  fossa  Munda  et  Militaria  usque  ad  sil- 
vam comunem  et  de  subtus  fossa  mortua  exeunte  in  Pana- 
rio 7,  cum  omni  integritate  que  superius  legitur.  Et  ut 
nemo  in  predictis  fossis  vel  flumine  audeat  molendinum  edi- 
ficare absque  consensu8  abbatis  et  monachorum  etc. 

Signum    domni    Friderici   Romanorum    regis    invictis- 
simi. 


1)  Von  hier  beginnt  vielfache  Uebereinstimmung  mit  der  unechten 
Urkunde  Aistulfs.     N.  A.  III,  279,   n.  250.  2)  silvam  usque  Aistulf. 

3)  vero  predicta  silva  Aistulf.  4)  Für  die  eingeklammerten  Worte  ist 

in  der  Abschrift  Raum  gelassen.  5)  Abschrift :  legalibus.  6)  illorum 
fluminum  Aistulf.  7)  Abschrift:  Locupleto,  was  offenbar  aus  dem  wei- 
teren, vom  Copisten  nicht  mitgetheiltem  Inhalte  der  Urkunde  hierher  ge- 
rathen  ist.         8)  Abschrift:  concessione. 


200  Paul  Scheffer  -  Boichorst. 

Ego  Arnoldus  Coloniensis  archiepiscopus  et  Italici 
regni  archicancellarius  recognovi,  subscripsi1. 

Actum  in  territorio  Bononiensi  3.  id.  maii  anno  do- 
minice  incarnationis  1155,  indictione  4,  regnante  domno 
Friderico  Ronianorum  rege  glorioso,  anno  vero  regni  eius 
quarto;  in  Christo  feliciter. 

Staatsarchiv  zu  Modena :  Diversa  instrumenta  porrecta 
in  causa  Gene  contra  Gasparem  Petricanum  1440  ohne 
Seitenzählung. 

III.  Kaiser  Friedrich  I.  schenkt  dem  Turisendo  (von 
Verona)2  und  dessen  Erben  die  Gerichtsbarkeit  und  das 
Fodrum,  stellt  sie  unmittelbar  unter  das  Reich,  verleiht 
ihnen  wegen  des  besonderen  Dienstes  des  Turisendo 3  den 
Hof  Nogara,  wofür  aber  jährlich  am  Martinstage  ein  Zins 
von  50  Mark  Silber  gezahlt  werden  soll.  Pavia4,  1164 
April  7. 

Fredericus  divina  favente  dementia  Romanorum  im- 
perator  augustus. 

Notum  sit  omnibus  imperii  nostri  fidelibus  per  Italiam 
existentibus  presentibus  et  futuris,  quod  nostra  (imperiali) 
gratia  nostrum  fidelem  Turisendum  cum  filiis  suis  et  omnia 
bona  et  possessiones,  que  in  presentiarum  habet  et  in 
posterum  domino  largiente  rationabiliter  adipisci  poterit, 
sub  nostra  et  imperii  nostri  protectione  atque  tutela  benigne 
suscepimus,  ei  quoque  et  legitimis  heredibus  suis  (di)strictum, 
bannum,  placitum  et  omnem  nostram  iurisdictionem,  quam 
(in  terra  sua)  et  hominum  suorum  tarn  in  alodiis,  quam  in 
feudis  suis  de  iure  habeinus,  (donavimus)  et  totius  terre 
sue  nostrum  imperiale  fodrum  concessimus  eis  (atque) 
roboramus,  statuentes  et  precipientes,  ut  nulla  civitas,  nulla 
persona,  nulla  potestas  aliquod  fodrum,  aliquam  (albergariam) 
vel  aliquod  genus  servitii  a  Turisendo  vel  a  terra  sua  vel 
ab  hominibus  suis  exigere  (audeat,  sed)  Turisendus  hec 
omnia  suprascripta  libere  habeat  et  teneat,  nee  alicui 
subiaceat,  (nee  modo)  aliquo  respondeat,  nisi  soli  nostre 
maiestati  nostrisque  successoribus,  regibus  5  et  imperatoribus. 


1)  Nach  einem  Zwischenraum  die  nicht  zur  Urkunde  gehörigen 
Worte:  presentem  Adigerium  istius.  2)  Ueber  Turisendo's  Beziehungen 
zum  Reiche  handelte  ich  XIX,  593  und  594  in  den  Anmerkungen. 
3)  Die  kürzlich  vorausgegangene  Empörung  Turisendo's  wird  nicht  in  Be- 
tracht gezogen,  sondern  nur  die  reichsfreundliche  Haltung,  die  er  in  frü- 
heren Zeiten  beobachtet  hatte.  4)  Dass  Stumpf  Urkunden  vom  3.  und 
17.  April  1164  irrig  nach  Parma  verlegt  hat,  erwähnte  ich  schon  XIX, 
594,  Anm.  5)  Abschrift:  legalibus.     Anderes  habe  ich  stillschweigend 

geändert. 


Beiträge  zu  den  Regesten  der  staufischen  Periode.       201 

Predicto  etiam  fideli  nostro  Turisendo  et  filiis  suis  legitimis 
pro  (honorabili)  et  preclaro  servitio,  quod  nobis  et  imperio 
Turisendus  fideliter  contulit  et  de  cetero  (collaturus  creditur, 
hanc)  gratiam  ei  et  suis  heredibus  concedimus,  quod  curtem 
Nogariam  l  una  cum  pertiuentiis  suis  intus  et  foris,  aquis, 
molendinis,  piscariis,  pascuis,  et  (cum  omni)  districtu  et 
honore  atque  utilitate  tali  tenore  ex  auctoritate  nostra 
habeant  et  possideant,  ut  singulis  annis  quinquaginta 
marcas  puri  argenti  (imperiali)  camere  nostre  in  festo  sancti 
Martini  nobis  vel  certo  nuntio  nostro  persolvant  Papie  vel 
in  Lombardia,  ubi  commode  nobis  placuerit.  Ut  hoc  autem 
verius  credatur  et  ab  onmibus  certum  esse  probetur,  pre- 
sentem  inde  paginam  scribi  et  sigillo  nostro  iniunximus 
premuniri. 

Datum  apud  sanctum  Salvatorem  iuxta  Papiam  7.  idus 
aprilis  anno  1164,  indictione  duodecima,  regnante  domno 
Frederico  Romanorum  imperatore  invictissimo  anno  regni 
eius  12,  imperii  vero  9. 

Staatsarchiv  zu  Modena:  Registro  e  collezione  delle 
bolle  e  degli  diplomi  sopra  le  pertinenze  ed  altre  cose  della 
venerabile  abbazia  di  Nonantola  244 — 246. 

IV.  Kaiser  Heinrich  VI.  verleiht  dem  Albrich  von 
Lendinara  und  dessen  Erben  die  Gerichtsbarkeit  in  ver- 
schiedenen Orten,  besonders  in  Lendinara,  Lavigno  und 
Zevio2.     1193  März  7. 

M.  Cavicchia  Ex  pervetustis  pugilaribus  decerpta 
vernaculis  et  in  latinum  incultum  etc.  traducta,  Class.  22. 
Cod.  lat.  293.  Fol.  148  der  Markusbibliothek,  verglichen  mit 
G.  Bronziero,  Istoria  delle  origini  e  condizioni  de'  luoghi 
principali  del  Polesine  e  Rovigo,  Venezia  1748,  p.  132. 

V.  Kaiser  Heinrich  VI.  urkundet  für  die  Ruffi  di 
Petrojo3  im  Val-di-Pesa.    (Pisa),   1194  (August)4. 

Zeugen :  Henricus  Vormaciensis  episcopus,  Lupaldus 5 


1)  Ueber  Nogara,    einen  Besitz   des  Klosters  Nonantola,  vgl.  XIX, 
593,  Anra.  2    und  595,  Anm.  3.  2)  —  cum  conditlone,  ut  nemo  inibi 

posset  fabrieare  (?),  nisi  Albricus.     Doch  wohl :  iudicare.  3)  Nach  Re- 

petti  Dizionario  etc.  della  Toscana  s.  v.  Petrojo  Val-di-Pesa  waren  die 
Rossi  de'  Buondelmonti  im  Besitze  von  Petrojo ;  in  unserem  Schriftstücke 
heissen  die  Empfänger  der  Urkunde :  Ruffi  de  Petronio,  Uli  de  Petron'o 
Valispese.      Daraus    hat    denn    Schum    Herren    von    Volaspella    gemacht. 

4)  Ort  und  Monat  bestimme  ich  nach  den  Zeugen :  ganz  dieselben  mit 
einziger  Ausnahme  des  Robert  von  Walldürn,  und  nur  sie,  erscheinen  in 
der  Urkunde,  die  Heinrich  VI.  zu  Pisa  den  1.  August  1194  dem  Grafen 
von  Castelvecchio   im  Val-d'-Orcia   ertheilt.     Stumpf,    Acta  271,    n.  194. 

5)  Lies:  Ludewicus. 


202  Paul  Scheffer  -  Boichorst. 

dux  Baverie,  comes  Sifridus  de  Morle,  Hubertus  de  Dorne, 
Arnoldus  de  Horemberc  et  alii  quam  plures.      1194. 

Manuscr.  Aquil.  autogr.  der  Markusbibliothek,  Class.  14. 
Cod.  lat.  101.  Fol.  226. 

VI.  Kaiser  Otto  IV.  beschützt  in  besonderer  Ver- 
ehrung für  die  Cisterzienser  deren  Kloster  S.  Martin  bei 
Viterbo.     Im  Lager  bei  Isola  Farnese,   1209  Oktober  7. 

Otto  quartus  dei  gratia  Romanorum  imperator  semper 
augustus. 

Si  omnibus  ecclesiis  dei  ex  debito  imperatorie  maiestatis 
preesse  volumus,  sicut  et  tenemur,  cura  tarnen  sollertiori 
saluti  et  quieti  hiis  volumus  intendere,  que  maiori  pre- 
pollent  religione  et  sanctitate.  Cum  igitur  homines  Cister- 
ciensis  ordinis  inter  alios  religiosos  vitam  ducant  sanctiorem, 
cura  propensiori  hiis  volumus  adhibere  Studium  efficax, 
per  que  conmodis  eorum  consulatur,  ut,  dum  a  strepitu 
rerum  temporalium  ipsi  melius  fuerint  expediti,  liberius 
deum  pro  salute  nostra  et  pro  bono  statu  imperii  nostri 
valeant  exorare.  Notum  igitur  facimus  universis  imperii 
nostri  fidelibus  presentibus  et  futuris,  quod  nos  quandam 
ecclesiam  Cisterciensis  ordinis  sancti  Martini  de  Monte 
iuxta  Bitervium  cum  personis  deo  ibi  iugiter  famulantibus 
et  cum  eorum  possessionibus  et  omnibus  bonis  mobilibus 
et  immobilibus,  que  nunc  possident  vel  inantea  iusta  acqui- 
sicionis  titulo  poterunt  adipisci,  sub  imperialem  nostram 
recepimus  protectionem.  Mandamus  igitur  et  sub  pena 
gratie  nostre  firmiter  precipimus,  ut  nullus  hominum  sit, 
qui  iam  dictam  ecclesiam  in  personis,  deo  ibidem  servien- 
tibus,  vel  in  bonis  mobilibus  aut  immobilibus,  adtinentibus 
ipsi  ecclesie,  aliquo  modo  gravare  audeat  vel  molestare. 
Quodsi  quis  ausu  temeritatis  hec  facere  presumpserit, 
iram  et  indignationem  nostram  graviter  se  sciat  incurrisse. 

Actum  anno  dominice  incarnationis  1209.  Datum  vero 
in  castris  prope  Insulam  *  nonis  Octobris  indictione  13. 

Aus  dem  Originale  im  Archive  des  Peterskapitels 
zu  Rom. 

Zusatz. 

Während  der  Correctur  erhielt  ich  von  Herrn  Dr. 
H.  Bloch  zwei  Regesten  ungedruckter  Urkunden  Hein- 
richs VI.,  die  er  den  Inventaires  de  l'eveche  de  Toul  im  De- 
partementalarchiv  zu  Nanzig  entnahm 2.    Die  Auszüge  dieses 


1)  Ueber  den  Ort  vgl.  Böhmer  -  Ficker  304.  2)  G.  1384. 


Beiträge  zu  den  Regesten  der  staufischen  Periode.       203 

Verzeichnisses,  auf  das  ich  schon  S.  181  verwies,  wieder- 
holen z.  Th.  die  lateinischen  Sätze  der  Originale,  sind  z.  Th. 
in  französischer  Sprache  abgefasst.  n.  VII  hätte  Stumpf 
schon  nach  Benoit,  Hist.  eccl.  et  polit.  de  Toul  426 1  an- 
führen können;  auch  heute  noch  würde  die  Mittheilung 
Benoits  neben  dem  Regest  der  Inventaires  ihren  Werth 
behaupten,  wenn  uns  nicht  anderweitig  der  volle  Wortlaut 
erhalten  wäre.  In  dem  Nanziger  Inhaltsverzeichnis  ist 
nämlich,  —  worauf  auch  H.  Bloch  mich  aufmerksam  ge- 
macht hat,  —  zu  dem  Extracte  unserer  Urkunde  hinzu- 
gefügt: Copie  dans  Ferdinand  I.  1561  Sept.  11.  Damit  war 
mir  der  Weg  nach  Wien  gewiesen,  und  alsbald  erhielt  ich 
von  Herrn  Dr.  A.  von  Györy  aus  den  Registraturbüchern 
König  Ferdinands  den  unten  folgenden  Text.  Ueber  die 
rechtliche  Wichtigkeit  des  Privilegs  brauche  ich  nicht  zu 
handeln :  man  sieht  wiederum ,  dass  der  Markt  für  die 
städtische  Entwicklung  hohe  Bedeutung  hatte,  dass  ferner 
dem  städtischen  Gemeindekörper  sehr  wohl  ein  anderer, 
hier  gewiss  hofrechtlicher,  zur  Seite  stehen  konnte.  Von 
geringerem  Werth e  ist  n.  VIII.,  doch  war  das  Stück,  wo- 
von ich  leider  nur  einen  Auszug  nach  den  Inventaires 
geben  kann,  bisher  ganz  unbekannt.  Ich  will  aus  Benoit 
428  hinzunehmen,  dass  es  die  beabsichtigte  Wirkung  ver- 
fehlte :  er  sah  einen  Brief,  den  ein  Jahr  später  Bischof 
Odo  an  Kaiser  Heinrich  richtete  contre  Thiebau  I.  comte  de 
Bar,  qui  avoit  inquiete  son  eglise2,  und  nach  unserer  Urkunde 
schien  doch  der  Friede  gesichert  zu  sein. 

VII.  Kaiser  Heinrich  VI.  bestätigt,  um  ihren  Strei- 
tigkeiten mit  der  Stadt  ein  Ende  zu  machen,  den  Dom- 
herren von  Tüll  besonders  ihre  und  ihrer  Leute  Freiheit; 
wahrt  ihnen  die  Hoheit  über  ihre  Leute  in  Stadt  und 
Burg;  verbietet  diese  zu  besteuern  und  vor  ein  anderes 
Gericht  zu  ziehen,  als  das  der  Domherren,  es  wäre  denn, 
dass  sie  als  Marktleute  in  Handelssachen  sich  zu  verant- 
worten hätten ;  ermächtigt  sie,  Marktleute  zu  werden,  wie 
die  übrigen  Bürger.     Hagenau4,   1192,  März  1. 

In  nomine  sanctae  et  individuae  trinitatis.  Henricus 
divin  a  favente  dementia  Romanorum  imperator  et  semper 
augustus. 

Interest  imperatoriae  maiestatis,  defensioni  et  quieti 
ecclesiarum  curain  adhibere.    Utilitati  igitur  et  quieti  Tul- 


1)  Danach  Daulnoy,  Hist.  de  la  ville  et  cite  de  Toul  93.  94. 
2)  Ebenso  Gall.  christ.  XIII,  1005.  3)  Peter  I,  1165-1191.  4)  Vgl. 
St.  4738.  39. 


204  Paul  Scheffer  -  Boickorst. 

lensis  ecclesiae  providentes ,  ad  tollendam  in  posterum 
omnem  calumniam  et  controversiarn,  quae  inter  canonicos 
Tullensis  ecclesiae  et  cives  Tullenses  saepe  nasci  solebat, 
authoritate  irnperiali  concedimus  et  confirmanras  ecclesiae 
Tullensi  et  canonicis,  ibidem  deo  et  beatae  Mariae  semper 
virgini  et  beato  protomartvri  Stephano  servientibus,  tarn 
praesentibus  quam  futuris,  omnia  acquisita  et  acquirenda, 
ad  praebendam  eorum  pertinentia,  et  omnia  intuitu  pietatis 
eis  collata  et  conferenda  libere  habenda  et  possidenda  in 
perpetuum,  necnon  ecclesiae  canonicorum  et  suorum  homi- 
num  libertatem,  sicut  piissimi  imperatores  praedecessores 
nostri  eis  universa  confirmarmit  et  sicut  in  scripto  bonae 
memoriae  Petri  Tullensis  episcopi  continetur1.  Praeterea  con- 
cedimus eisdem  canonicis  et  confirmanras,  ut  liomines  sui 
in  civitate  vel  in  burgo  Tullensi  commorantes  in  ditione 
tantum  sint  canonicorum  et  eis  solis  serviant,  salvo  tarnen 
in  omnibus  iure  irnperiali.  Statuimus  etiam  et  nostra  irn- 
periali authoritate  sancimus,  ut  nullus  episcopus,  nullus 
comes,  nullus  cives,  nulla  persona  talliam  vel  praecationem 
seu  aliquam  aliam  exactionem  in  praefatis  hominibus  cano- 
nicorum sine  grata  licentia  eorundem  faciat,  canonicis  ex- 
ceptis.  Liberi  sint  ab  omni  banno  et  damnatione,  excepta 
canonicorum,  salvo  iure  irnperiali,  ut  dictum  est;  nee  re- 
spondeant  nisi  in  praesentia  et  in  iustitia  canonicorum, 
hoc  excepto,  quod  illi  homines  canonicorum,  qui  mercatores 
fuerint,  eis,  quibus  caeteri  mercatores  respondere  debent 
in  nundinis  vel  in  die  fori,  quantum  ad  mercaturam  speeta- 
verit,  de  negotio  mercaturae  tantummodo2  respondeant; 
nee  cives  nee  aliqua  persona  prohibeat,  quin  homines  cano- 
nicorum mercatores  flaut,  sicut  et  caeteri  cives.  Quicunque 
autem  huius  nostrae  concessionis  et  confirmationis  violator 
extiterit,  decem  libras  auri  puri  pro  poena  componat,  medie- 
tatem  camerae  nostrae,  reliquam  medietatem  passis  iniuriam. 
Datum  Aguenovae   anno  ab  incarnatione  domini  mil- 


1)  —  sicut  venerabiiissimus  Gerardus  (963 — 994)  et  felicis  memoriae 
Petrus  (1167  — 1192)  praedecessores  nostri  et  piissimi  imperatores  confirma- 
verunt,  so  sagt  1200  Bischof  Matthaeus  von  Tüll.  Benoit  1.  c.  Preuves  99; 
Calmet,  Hist.  de  Lorraine  II,  412  ed.  Ia.  Die  Urkunde  stimmt  fast 
Wort  für  Wort  mit  der  unsrigen  überein.  Hatte  Bischof  Matthaeus  diese 
vor  Augen  oder  folgte  er  und  Heinrich  VI.  dem  —  wie  es  scheint  — 
verlorenen  Privileg  des  Bischofs  Peter?  2)  Xach  E.  Mayer,  Zoll,  Kauf- 
mannschaft und  Markt  in  der  Festschrift  f.  K.  v.  Maurer  469  wäre  damit 
'nicht  eine  sachliche  Beschränkung  in  Bezug  auf  die  Handelsgeschäfte 
gemacht'.  Meine  entgegengesetzte  Auffassung  habe  ich  in  der  Ueber- 
schrift  ausgedrückt. 


Beiträge  zu  den  Regesten  der  staufischen  Periode.        205 

lesimo  centesimo  nonagesiuio  secundo,  indictione  decima, 
calendas  martii. 

Staatsarchiv  zu  Wien :  Registraturbücher  Ferdinands  I. 
Bd.  XXIII,  fol.  210. 

VIII.  Kaiser  Heinrich  VI.  bezeugt  für  Bischof  und 
Kapitel  von  Tüll  das  Versprechen  des  Grafen  Theobald  von 
Bar,  dass  er  die  von  ihm  genommenen  Güter  der  Stadt,  des 
Bisthums  und  Kapitels  herausgeben,  und  dass  weder  er 
noch  seine  Nachfolger  den  Wiederaufbau  der  von  ihm  zer- 
störten Kirche  zu  Troussey  verhindern  wollen.  (Laden- 
burg)1,  1196,  Mai  17. 

liegest  der  Inventaires  1.  c.  115,  n.  15  b. 


1)  Vgl.  St.  4993. 


VI. 


Miscellen. 


Die  grosse  Briefliandschrift  zu  Hannover. 

Von  P.  Willibald  Hanthaler  0.  S.  B. 

Die  königl.  Bibliothek  zu  Hannover  verwahrt  eine 
mächtige  Folio -Handschrift,  welche  J.  G.  Eccard1  als  'vetus 
epistolarum  ecclesiasticarum  collectio'  erwähnt  und  Gr.  H. 
Pertz  im  Verzeichnis  Hannoveranischer  Handschriften 2  an- 
führt. Letzterer  veröffentlichte  auch  eine  Anzahl  Briefe 
dieser  Sammlung3.  H.  Sudendorf  ging-  endlich  in  seiner 
Stellung  als  Registrator  am  königl.  Archive  zu  Hannover 
daran,  den  gesammten  Inhalt  dieser  merkwürdigen  Hs., 
soweit  er  nicht  schon  aus  anderen  Vorlagen  bekannt  war, 
durch  Druck  zu  veröffentlichen.  Solches  geschah  theil- 
weise  in  den  3  Theilen  des  von  ihm  herausgegebenen  Re- 
gistrum i  und  theilweise  im  Berengarius  Turonensis 5. 

Die  mächtige  Hs.  war  früher  einfach  in  einen  Perga- 
mentdeckel gebunden  und  hatte  auf  dem  Rücken  den  Titel: 
'Codex  epistolaris  Imperatoruni,  Regum,  Pontificum,  Epi- 
scoporum'  und  an  anderer  Stelle  die  Notiz:  n.  110 ,;.  Mit 
den  gleichen  Worten  ist  die  Hs.  auch  von  Pertz 7  ange- 
führt. Heutzutage  besitzt  dieselbe  einen  festen  modernen 
Einband,  Rücken  und  Ecken  in  Leder,  und  obiger  Titel 
ist  dem  Rücken  aufgedrückt.  Der  Band  führt  heute  die 
Standortnummer  XI,  671  und  besitzt  551  gezählte  Blätter, 
wobei  zu  bemerken  ist,  dass  viele  leere  Blätter  nicht  ge- 
zählt sind  und  dass  einige  Nummern  doppelt  vorkommen. 
Behufs  Collation  von  64  Salzburgische  Erzbischöfe  betref- 
fenden Briefen  erbat  ich  mir  die  Hs.  nach  Salzburg.  Ich 
danke  es  der  liberalen  Leitung  der  kgl.  Bibliothek  und 
der  kräftigen  Verwendung  des  Herrn  Professors  Dr.  Ludwig 
Weiland  in  Göttingen,  dass  meiner  Bitte  nachsichtig  will- 
fahrt und   mir   die   Benutzung   der  Hs.    hier   in   St.  Peter 


1)  Corpus  bist,  medii  aevi  II,  p.  3.  2)  Archiv  d.  Ges.  I,  468. 

3)  MG.  LL.  II  (1837).  4)  I.  Th.  Jena  1849  (152  S.),   II.  Th.  Berlin 

1851  (194  S.)  u.  in.  Th.  Berlin  1854  (414  S.).  5)  Hamburg  u.  Gotha 

1850  (239  S.).       6)  Sudendorf,  Reg.  II,  p.  V.       7)  Archiv  (1820)  I,  468. 

Neues  Archiv  etc.    XX.  14 


210  Willibald  Hauthaler. 

ermöglicht   wurde.     Beiden   Theilen   sei   hierait   der   beste 
Dank  ausgesprochen. 

Ich  gehe  nun  daran,  die  vorliegende  reiche  Brief  - 
sammlung  ihrem  Inhalt  nach  mit  ganz  besonderer  Rück- 
sicht auf  die  Vorlagen  und  den  Werth  der  enthaltenen 
Abschriften  möglichst  kurz  zu  charakterisieren,  damit  jeder 
Forscher  auf  einschlägigen  Gebieten  erfahre,  ob  eine  Colla- 
tion  der  Abschriften  dieses  Codex  nothwendig  ist  oder 
nicht. 

Der  Codex  ist,  wie  Sudendorf  richtig  dargethan  hat, 
ein  Sammelband  aus  dem  16.  Jahrh.  und  zerfällt  inhaltlich 
und  formell  in  5  Theile.  Da  sich  auf  dem  unteren  Rande 
des  ersten  Blattes  die  Glosse  findet:  'Illyrici  est',  so  schreibt 
G.  EL  Pertz  bei  der  ersten  Erwähnung  dieser  Hs. :  'quem 
olim  Matthiae  Flacii  fuisse  constat',  und  an  der  nächst- 
folgenden Stelle  führt  er  den  Codex  an  als  'olim  Flacia- 
nus'  K  Auch  L.  Weiland  hält  an  dieser  Ansicht  fest 2. 
Sudendorf  meinte  dag*egen3,  sowohl  auf  Grund  eines  Facsi- 
miles  der  Hs.  des  Flacius  als  durch  Vergleichung  des  vor- 
liegenden Codex  mit  den  Ausgaben  des  Catalogus  testium 
veritatis  den  Beweis  erbringen  zu  können,  Flacius  habe 
nichts  in  diesem  Codex  geschrieben  und  es  sei  auch 
höchst  unwahrscheinlich,  dass  er  ihn  oder  eine  der  drei 
ersten  Sammlungen  selbst  zur  Zeit  der  zweiten  Ausgabe 
des  Catalogus  1562  gekannt  habe.  Pertz  und  Weiland 
führen  dagegen  wieder  den  Druck  der  königl.  Encyklika 
vom  April  1076  im  Catalogus  speciell  auf  diesen  Codex 
zurück4,  doch  ich  sehe  hierfür  keinen  zwingenden  Grund, 
zumal  ich  annehmen  muss,  dass  alle  hier  vorkommenden 
Stücke  des  sog.  Codex  Udalrici  aus  einer  jetzt  verschollenen 
Hs.  stammen,  und  aus  derselben  mag  auch  Flacius  das 
Stück  geschöpft  haben5.  Sei  dem  aber,  wie  immer,  einen 
wirklich  zwingenden  Grund,  die  Hs.  mit  Flacius  in  eine 
andere  engere  Verbindung  zu  bringen,  ausser,  dass  er  sie 
gegen  Ende  seines  Lebens  (f  1575)  mag  erworben,  be- 
ziehungsweise  vielleicht   durch   Schüler   oder  Freunde   ge- 


1)  MG.  LL.  II,  44.  47.  2)  MG.  LL.  Const.  I,  257  (wo  er  von 

den  Zusätzen  am  Anfange  bemerkt :  *a  Flacio  in  margine  addita  sunt') 
und  273  (wo  er  beifügt  'olim  Flacii  Illyrici').  3)  Berengarius  Turonens. 
p.  IV— Vin.  4)  MG.  LL.  II,  47  und  Constitutiones  I,  112.  5)  Der 
Druck  im  Catalogus  (ed.  1562,  p.  322  u.  ed.  1608,  p.  1339),  verglichen  mit 
der  Ausgabe  von  Weiland,  zeigt  die  grösste  Verwandtschaft  mit  den 
Varianten  4  oder  mit  der  Wolfenbüttler  Hs.,  wie  z.  B.  in  den  Varianten : 
c.  f.  t.  w.  x;  a.  r  (mäterialem).  u.  v.  x.  y;  c  (Lücke  von  14  Zeilen); 
e  (moratus).  f  (Valete). 


Die  grosse  Briefhandschrift  zu  Hannover.  211 

wisse  Stücke  für  sich  mag  haben  abschreiben  lassen,  finde 
ich  nicht l. 

Ursprünglich  lagen  die  einzelnen  Abtheiluiigen  der 
Hs.  je  in  grösseren  Fascikeln,  wohl  nach  den  Vorlagen, 
denen  die  Stücke  entnommen  waren,  und  wurden  theils 
mit  Ziffern  theils  mit  Buchstaben  bezeichnet.  So  findet 
man  auf  fol.  31,  das  an  den  Anfang  gehört,  in  grosser 
Schrift  das  Zahlzeichen  4;  auf  fol.  49,  zu  Beginn  der 
Wormser  Sentenz  gegen  Hildebrand,  8;  auf  fol.  91,  zu  Be- 
ginn der  zweiten  Abtheilung  steht  J  und  auf  fol.  404,  dem 
ersten  Blatt  der  vierten  Abtheilung  in,  so  dass  diese  Zeichen, 
wie  man  sieht,  zusammen  kein  System  bilden.  Möglich, 
dass  einzelne  solcher  Zeichen  auch  durch  Beschneiden  weg- 
gefallen sind.  Dazu  ist  auch  zu  bemerken,  dass  die  an 
verschiedenen  Stellen  von  einem  Schreiber  X  beigefügten 
Glossen  mit  Verweisungen  auf  Wiederholungen  einzelner 
Stücke 2  oder  die  entsprechende  Nummer  von  Catalogus 
testium  veritatis  (des  Flacius  Illyricus) 3,  ferner  auf  Fasci- 
culus  rerurn  expetendarum  ac  fugiendarum  (von  Gratius)4 
und  auf  Concilia  omnia  tarn  generalia  qiiam  particularia 
(von  Crabbe) 5  erst  gemacht  wurden,  nachdem  der  ge- 
sammte  Codex  mit  den  5  Abtheilungen  vereinigt  und  mit 
durchlaufenden  Blattnummern  versehen  worden  war.  Bei 
dieser  ersten  Vereinigung  des  ganzen  Codex  wurde  die 
Blattfolge  der  ersten  Abtheilung  und  der  Fascikel  leider 
etwas  verwirrt:  es  hätte  das  heutige  fol.  31  ganz  an  die 
Spitze  gehört,  wie  es  heute  noch  die  Stücknummer  1  trägt, 
und  dafür  hätten  die  heutigen  Blattnummern  1 — 5bis  (leer) 
sich  an  das  heutige  fol.  90  anschliessen  sollen,  wie  eben- 
falls noch  die  Reihenfolge  der  46  Capitelnummern  auf 
halber  Blatthöhe  am  Aussenrande  beweist,  welche  nach 
heutiger  Zusammensetzung  des  Codex  von  fol.  49 — 90  und 
daran  anschliessend  von  fol.  1 — 5bis  durchlaufen.  Ausser- 
dem hätte  der  Anhang  zur  ersten  Abtheilung  fol.  [91 — 96] 
mit  der  vierten  Abtheilung  vereinigt  werden  sollen,  zu  der 
er  nach  Schrift  und  Inhalt  gehört. 

Ueber  die  einzelnen  fünf  Abtheilungen  ist  Folgendes 
anzugeben. 

Die    erste    Abtheilung    reicht    bis   fol.  90,    bezw. 


1)  Auch  die  Bemerkung  auf  dem  zweiten  Blatte  des  Index  zu  n.  1 
der  ersten  Abtheilung  'quam  Blyricus  Vdalrico  A(ugu)stano  epo  adscribit' 
scheint  mehr  gegen  als  für  Flacius  zu  sprechen.  2)  fol.  5.  37.  42'.  49. 
158.  196.  220.  224.  349.  355.  410  u.  415.  3)  fol.  1.  47.  49.  [97].  93'. 

99.  99'.  122.  157.  196.        4)  fol.  97.  122.  123.        5)  fol.  145. 

14* 


212  Willibald  Hauthaler. 

[96] 1  und  enthält  37  Stücke,  welche  grossentheils  auch  im 
Codex  Udalrici  vorkommen.  Ausserdem  finden  sich  noch 
im  Anhange  zum  zweiten  Theil,  fol.  145 — 158,  3  Stücke 
des  Codex  Udalrici.  Der  Schreiber  des  ersten  Theiles  der 
ersten  Abtheilung  (A)  schrieb  im  allgemeinen  gut,  wenn 
auch  zahlreiche  Schreib-  und  Lesefehler  vorkommen,  und 
da  die  Vorlage,  nach  den  bei  Jaffe 2  beigebrachten  Varianten 
zu  urtheilen,  als  verschollen  zu  betrachten  ist,  so  sind,  so 
weit  meine  Vergleichungen  ein  Urtheil  gestatten,  diese 
Abschriften  für  eine  neue  Ausgabe  immerhin  der  Benutzung 
werth. 

Die  Hs.  beginnt  gleich  mit  der  in  einigen  Hss.  dem 
hl.  Ulrich  von  Augsburg  zugeschriebenen  Fiction  über  den 
Cölibat  der  Geistlichen 3.  Im  Hann.  fehlt  die  Ueberschrif t 
und  in  der  Adresse  findet  sich  die  Sigle  G  statt  0,  die 
etwa  über  den  Verfasser  des  famosen  Stückes  eine  An- 
deutung bietet.  Daran  schliesst  sich  fol.  5'  der  Bericht 
über  den  Tod  des  Papstes  Gregor  VII.  und  zwar  nach  der 
Fassung  Hugos  von  Flavigny  bis  'indubitanter' 4  mit  folgen- 
den Varianten :  24)  'postea  ipse'.  25)  'rogantes  ('eum'  fehlt) 
atque  postulantes  .  .  subrogari  vellet  successorem  in  ponti- 
ficatum  eius  (statt  'eis')  ostenderet'.  28)  'vel  Hostiensem  aut 
Lugdunensem  archiepiscopum'.  30)  nisi]  'ni  .  .  melius  vide- 
bitur'.  31)  'praeter'  fehlt.  32)  'impietati'  H.  add.:  'eorum 
.  .  haue  me  habere  spiritalem  potestatem'.  Der  Schluss- 
absatz lautet  bei  Hann. :  'Praeter  hsec 5  ammonens  eos  de 
multis  et  hoc  illis  dedit  prseeeptum :  Ex  parte  Dei ,;  omni- 
potentis  atque  ex  authoritate  beatorum  apostolorum  Petri 
et  Pauli '  pra?cipio  vobis ,  ut  neminem  habeatis  Romano- 
rum *  pontificem,  nisi  canonice  electum  et  sanetorum  pa- 
trum  authoritate  ordinaturn.  Ubi  vero  in  extremo  positus 
erat,  ultima  eius  hsec  verba  fuerunt:  Dilexi'  etc. 

Hierauf  folgt  fol.  6  —  22  der  grosse  Brief  des  Erz- 
bischofs Gebhard  von  Salzburg  an  den  Bischof  Hermann 
von  Metz,  der  beim  Vergleiche  mit  der  Ausgabe  K.  Francke's9 
meist  mit  der  Hss.- Gruppe  B  (2)  stimmt,  aber  auch  Stellen 
enthält,  die  sonst  nur  in  der  Gruppe  A  (1)  vertreten  sind, 
so  dass  auch  diese  Abschrift  eine  Benutzung  verdient. 

1)  Da  die  fol.  91 — 96  sich  wiederholen  und  die  erste  Reihe  noch 
inhaltlich  zum  ersten  bezw.  zum  4.  Theil  gehört,  so  gebe  ich  diese  Blatt- 
zahlen in  eckigen  Klammern.  2)  Bibliotheca,  tom.  II  und  V.  3)  Vgl. 
Jaffe,  Bibl.  V,  114  ff.,  insbesondere  Anm.  73.  4)  Vgl.  Jaffe,  Bibl.  V,  143— 
144  und  dazu  MG.  SS.  VIII,  466,  23—33'.  —  Fol.  224  findet  sich  dasselbe 
Stück  vom  Schreiber  G ,  dessen  Varianten  ich  mit  H  2  bezeichne. 
5)  'hse'  Hl.  6)  'ex  parate  toi'  H2!         7)  'P.  et  P.'  H  2.         8)  'Ro- 

manu'  H  1.  2.         9)  MG.  Libelli  de  lite  I,  263—279. 


Die  grosse  Brief handschrift  zu  Hannover.  213 

Ich  wähle  eine  Anzahl  solcher  Stellen  aus  \  damit 
man  zugleich  ersehen  könne,  wie  A  arbeitete.  Abweichungen, 
bei  welchen  ich  nur  einen  Schreib-  oder  Lesefehler  des  A 
vermuthe,  lasse  ich  unbeachtet. 

Von  besonderer  Beachtung-  sind  selbstverständlich 
jene  8  Stücke,  welche  Sudendorf  veröffentlichte 2,  da  an- 
dere Vorlagen  für  dieselben  bisher  nicht  bekannt  sind. 
Ausserdem  ist  noch  besonders  hervorzuheben  die  Eeihe  der 
Unterschriften  der  Concilsväter  von  Brixen,  welche  nur  im 
Hann.  f.  52  überliefert  ist 3. 

Die  übrigen  Schriftstücke  dieser  Abtheilung  finden 
sich  zumeist  in  Jaffe's  Bibliotheca4  mit  dem  sonstigen 
litterarischen  Apparat  abgedruckt.  Ausser  diesen  kommen 
nur  noch  vor:  die  Antwort  des  Papstes  Urbau  II.  an  den 
Bischof  Gebhard  von  Constanz  und  die  Constitutionen  von 
Piacenza 5.  Hiermit  ist  der  Inhalt  der  ersten  Abtheilung 
erschöpft. 

Die  zweite  Abtheilung  reicht  nach  der  Ein- 
theilung  Sudendorf s  von  fol.  91 — 159.  Hier  schreibt  zu- 
nächst  fol.  91—94,  Z.  12    eine   Hand  C,    dann   bis  144  D, 


1)  264, 13 — 14 :  [fol.  6']  scilicet  archiepiscopum  Colouiensem,  episco- 
pos  Babenbergensem,  Spirensem  electos,  et  Trevirensern.  18  possent]  sine 
mora  (add.  fol.  6')-  30  doctrinae]  doctores  locum  sibi  vendicant  (fol.  7). 
265,  32 :  id  quod  iustum  est  pervertant  et  ponaut  lucem  tenebras  et  tene- 
bras  lucem  (f.  7').  266,14:  non  immerito  et  incongrue  (f.  8')-  34  opi- 
nioues]  oppositiones  (f.  9).  35  non  leve  agitur,  ut  iani  de  omni  lateque 
patentis  itineris  ductu  (f.  9).  267,  3:  constituerunt]  ediderunt  (f.  9). 
17    scitum]    sancitum    (f.  9').  268,  3 :    tritae    sunt]    irritse    sint    (f.  10). 

6  conatu]  annissu  (f.  10).  19  boc]  modo  add.  (f.  10').  269,8:  aliarum] 
aliorum  (f.  11').  17  prefinito]  prsefato  (f.  11').  26  presulum]  pont.  (f.  11'). 
25  utrosque]  poena  add.  (f.  12).  35  illud  —  dicitur]  fehlt  (f.  12).  270, 12: 
denuntiaverunt]  illum  add.  (f.  12').  13  incipientes  per  u.  r.  prsedicandum 
adiunctis  bis  et  aliis  e.  v.  m.  (f.  12).  37  iudicantes  condemnaverunt  (f.  13). 
271,11:  Ex  abündantia  enim  (f.  13').  25  condempnaverunt]  excommuni- 
cati  ad  annum  add.  (f.  13').  sex]  VII.  mensibus.  273,  7 :  in  repreben- 
sores  eius  (f.  15).  35  quee  vel  iuranda  vel  observanda  (f.  16).  35  nullo 
u.  t.]  nunquam  s.  e.  m.  autem  nunc  cum  pene  (f.  16).  274, 1 :  ad  vivum] 
ad  iuditium  (f.  16).  275,41:  Propter  quam]  Postquam  sententiarum  veri- 
tatem  n.  p.  c.  remissionem.  276  vocabuli]  vocationis  (f.  18).  13  ordi- 
nationis]  creationis  (f.  18).  2)  Nämlicb  Sud.  Reg.  I,  n.  10  (f.  37).  11 

(f.  53).  13  (f.  65).  14  (f.  65'- 89')-  17  (f.  90);  II,  n.  30  (f.  64).  40  (f.  31) 
und  III,  p.  18,  Anm.  *  (f.  27).  3)  Siebe  Jafte,  Bibl.  V,  135  und  MG. 

LL.  Const.  I,  120.  4)  Tom.  II,  Mon.  Greg.  Reg.   lib.  I,  1  (f.  24).  2 

(f.  25).  3  (f.  23);  üb.  IV,  12  +  12a  (f.  33-34).  24  (f.  34');  V,  7  (f.  36); 
VII,  14a  (f.  28).  Epist.  coli.  8  (f.  44).  9  (f.  45).  14  (f.  28).  17  (f.  32'). 
18'  (f.  32).  —  Tom.  III,  Mon.  Bamb.  43  (f.  41').  48  (f.  49  obue  Xamen- 
protokoll).  49  (f.  47).  52  (f.  54).  53  (f.  53').  56  (f.  1).  57  (f.  38'— 41).  63 
(f.  42).  64  (f.  50'- 52).  69  (f.  46).  71  (f.  5').  73  (f.  54'— 60).  79  (f.  63). 
199  (f.  [91—96]).         5)  Jaffe-Loew.  Reg.  5393  und  5541. 


214  Willibald  Hauthaler. 

endlich  fol.  144 — 159  eine  Hand  E,  deren  Arbeit  noch  von 
einer  Hand  E'  nachcorrigiert  wurde.  Wie  schon  Suden- 
dorf nachträglich  in  der  Vorrede  zu  Registrum  II  mit 
Berufung  auf  Pertz  erwähnt,  finden  sich  die  ersten  Stücke 
dieser  Abtheilung  sämmtlich  nach  ganz  derselben  Ordnung 
in  einem  Brüsseler  Codex  des  12.  Jahrb.,  welcher  aus  dem 
St.  Nikolaus  -  Spital  zu  Kues,  nächst  Bernkastei  im  Mosel- 
thale,  stammt 1.  Die  Stücke  sind  in  vorliegender  Hs.  nicht 
numeriert,  aber  die  Collation  des  Textes  B  bei  Jaffe  mit 
Hann.  f.  142' — 143  lieferte  den  stricten  Beweis,  dass  Hann. 
nur  Abschrift  von  B  sein  könne,  aber  eine  sehr  schlechte, 
die  vielfach  zeigt,  dass  der  Schreiber  D  im  Cod.  Hann. 
nicht  Lateinisch  verstand  und  daher  einen  Unsinn  nach 
dem  andern  schrieb2,  weshalb  dieser  Theil,  soweit  die 
Brüsseler  Hs.  reicht,  sich  keineswegs  für  eine  Vergleichung 
lohnt. 

Ausser  den  werthlosen  Abschriften  aus  dem  Brüsseler 
Codex  enthält  diese  Abtheilung  noch  fol.  143 — 144  von 
derselben  Hand  D  ein  Stück,  dessen  Vorlage  unbekannt 
ist.  Der  Wortlaut  ist  von  Sudendorf  veröffentlicht 3. 
Fol.  144  Mitte  folgt  noch  ein  kurzes  Stück,  das  in  der 
Chronik  Sigberts  von  Gembloux  vorkommt4.  Endlich 
fol.  145 — 159  sind  wieder  3  verschiedene  Briefe  angehängt, 
welche  auch  im  Cod.  Udalrici  enthalten  sind.  Vom  Schreiber 
E  stammt  der  Lütticher  Brief  gegen  Papst  Paschal  II. 
fol.  144 — 156 5.  Am  Beginne  desselben  steht  die  Bemer- 
kung des  gewöhnlichen  Glossators  X  mit  dem  Verweis  auf 
(Crabbe)  Conciliensammlung  und  darunter  die  Nummer  230, 
für  deren  Erklärung*  nirgends  ein  Anhaltspunkt  geboten 
ist,  und  gegenüber  obiger  Bemerkung  findet  sich  wieder 
von  anderer  Hand  XI  des  16.  Jahrh.  die  Notiz:  'Tempore 
Hezili  quinti  scisma  fuit  .  .  .  Ioannem  (?)  de  Turre  cre- 
mata.  16'.  Die  Abschrift  dieses  Briefes  scheint  mir  daher 
einer  ganz  andern  Sammlung  entnommen  zu  sein,  stimmt 
aber,  von  den  Schreib-  und  Lesefehlern  abgesehen,  meist 
mit  den  Varianten  des  Codex  B  bei  Jaffe  und  dürfte  eben- 
falls für  eine  Collation  sich  kaum  verlohnen. 

Auf  fol.  156'  setzte  der  gleiche  Schreiber,  welcher 
fol.  145    die   Notiz   über   das   Schisma    beifügte,    abermals 


1)  Sud.  Reg.  H,  p.  VII  und  Pertz,  Archiv  VII,  872—875.  Nach 
Jaffe,  Bibl.  II,  465  führt  der  Brüsseler  Codex  die  Nummer  11196.  2)  Z.  B. 
für  capitulum]  ea  populo ;  pruinam]  primam;  fraterne]  faciunt;  increpare] 
in  incorpore ;    adipem]  ad  ipse ;    ergo  karissimi]  golumen !  3)  Reg.  II, 

39,  n.  32.        4)  MGr.  SS.  VI,  365  med.         5)  Jaffe,  Bibl.  V,  201,  n.  113. 


Die  grosse  Briefhandschrift  zu  Hannover.  215 

eine  solche  Anmerkung  hinzu,  die  ich  nicht  ganz  zu  ent- 
ziffern vermag. 

Auf  fol.  157  schrieb  eine  Hand  F  das  Präsentations- 
instrument über  die  Erwählung  eines  Erzbischofs1  und 
fol.  148—159  den  Brief  des  Bischofs  Dietrich  von  Verdun 
an  den  Erzbischof  Egilbert  von  Trier2,  welcher  auch  in 
der  ersten  Abtheilung  auf  fol.  42  von  der  Hand  A  nach 
einer  andern  Vorlage  geschrieben  ist,  und  zwar  viel  besser 
als  hier.     Hiemit  endigt  die  zweite  Abtheilung. 

Die  dritte  Abtheilung  reicht  von  fol.  160 — 402, 
so  dass  sie  242  von  den  549  Folien  umfasst,  und  es  ist 
alles  von  einer  Hand  G  geschrieben.  Die  meisten  Stücke 
tragen  unten  in  der  rechten  Ecke  die  laufende  Nummer 
(bis  111).  Dem  vorletzten  Stücke  allein  ist  auf  fol.  397 
von  anderer  Hand  links  oben  eine  Notiz  über  die  Pro- 
venienz beigefügt,  wo  es  heisst :  'Ex  antiquo  libro  epistola- 
rum  reperto  Wesalise  apud  predicatores' 3.  Dem  letzten 
dieser  111  Stücke  fügte  der  Schreiber  G  noch  das  bezeich- 
nende 'Finis'  bei,  wonach  immerhin  die  ganze  einheitlich 
geschriebene  Sammlung  einer  einzigen  Vorlage  entnommen 
sein  könnte,  wie  schon  Sudendorf  es  als  möglich  andeutete  4. 
Inhaltlich  zerfällt  aber  diese  Sammlung  in  3  Gnrppen,  wie 
dies  wieder  Sudendorf  schon  näher  darlegte 5.  Die  erste 
Gruppe  verweist  nach  Hildesheim,  die  zweite  nach  Bam- 
berg und  die  dritte  nach  Tours.  Nur  wenige  der  hier 
enthaltenen  Stücke  sind  uns  auf  anderem  Wege  überliefert, 
so  dass  fast  Alles  neu  ist  und  erst  durch  Sudendorf  be- 
kannt und  benutzbar  gemacht  wurde  6.     Aus  anderen  Vor- 


1)  Vgl.  Jaffe,  Bibl.  V,  p.  5  unter  E  7,  und  Eccard.  1.  c.  col.  19—20 
(bis  'subscripserunt').  2)  Jaffe  ebd.  130,  n.  63.  3)  Vgl.  Sudendorf, 

Bereng.  Turon.  p.  VII.  4)  A.  a.  0.  5)  Registrum  III,  p.  IX— XII. 
6)  Registrum  I,  n.  1  (f.  203).  2  (f.  183).  3  (f.  248).  4  (f.  187).  5  (f.  181). 
6  (f.  176).  7  (f.  177).  8  (f.  178).  9  (f.  387).  10  (f.  37  u.  220).  12  (f.  214). 
15  (f.  190).  16  (f.  192).  18  (f.  171).   19  (f.  199).  20  (f.  213) ;   II,  1  (f.  313). 

2  (f.  174).  3  (f.  397).  4  (f.  277).  5  (f.  296).  6  (f.  307).  7  (f.  298).  8  (f.  279). 

9  (f.  301).  10  (f.  275).  11  (f.  303).  12  (f.  290).  13  (f.  217).  14  (f.  209). 
15  (f.  211).  16  (f.  250).  17  (f.  219).  18  (f:  180).  19  (f.  262).  20  (f.  175). 
21  (f.  242).  22  (f.  272).  23  (f.  200).  24  (f.  205).  25  (f.  210).  26  (f.  264). 
27  (f.  294).  28  (f.  305).  29  (f.  218).  33  (f.  381);  in,  1  (f.  244).  2  (f.  252). 

3  (f.  226).  4  (f.  270).  5  (f.  292).  6  (f.  266).  7  (f.  256).  8  (f.  274).  9  (f.  385). 

10  (f.  166).  11  (f.  319).  12  (f.  279).  13  (f.  311).  13*  (f.  315).  14  (f.  230). 
15  (f.  164).  16  (f.  309).  17  (f.  173).  18  (f.  232).  19  (f.  234).  20  (f.  236). 
21  (f.  238).  22  (f.  240).  23  (f.  260).  24  (f.  268).  25  (f.  167).  26  (f.  246). 
27  (f.  254).  28  (f.  321).  29  (f.  323).  30  (f.  317).  31  (f.  300).  Bereng. 
Vorre.de,  p.  IX— XI,  n.  1  (f.  162).  2  (f.  258) ;  p.  200-233,  n.  1  (f.  365). 
2  (f.  375).  3  (f.  337).  4  (f.  329).  5  (f.  367).  6  (f.  363).  7  (f.  347).  8  (f.  333). 
9  (f.  361).  10  (f.  343).  11  (f.  359).  12  (f.  341).  13  (f.  379).  14  (f.  351). 


216  Willibald  Hauthaler. 

lagen  sind  nur  bekannt:  n.  20  (f.  196 — 198),  die  aucli  in 
der  Sammlung  Udalrichs  von  Bamberg'  vorkommt  und  hier 
ebenfalls  noch  in  der  ersten  Abtheilung  fol.  49,  doch  nur 
auf  fol.  196  des  Hann.  ist  die  Namenreihe  der  Concilsväter 
von  Worms  erhalten1;  ferner  n.  35  (f.  224),  welche  wieder 
sowohl  in  der  ersten  Abtheilung  f.  5  begegnet,  als  auch 
in  der  Sammlung  Udalrichs  von  Bamberg2;  dann  n.  108 
und  109,  welche  von  Mabillon  veröffentlicht  wurden3,  und 
endlich  n.  111,  welche  durch  D'Achery4  bekannt  gemacht 
wurde.  Der  Schreiber  G  arbeitete  leider  ähnlich  schlecht, 
wie  D  in  der  zweiten  Abtheilung,  was  aber  hier  um  so 
bedauernswerther  ist,  als  nur  für  5  Stücke  von  111  eiue 
Controle  möglich  ist. 

Die  vierte  und  fünfte  Abtheilung  enthalten 
in  ihren  Haupttheilen  Abschriften  aus  zwei  Briefsamm- 
lungen, welche  in  Salzburg  entstanden  sind,  nämlich  erst- 
lich Briefe,  welche  den  Erzbischof  Eberhard  I.  von  Salz- 
burg (1147 — 1164)  und  seine  kirchlichen  und  politischen 
Beziehungen  betreffen,  und  zweitens  solche,  welche  an  der 
Seite  des  Erzbischofs  Adalbert  (1169—77  und  1183—1200) 
gesammelt  wurden. 

Die  vierte  Abtheilung  umfasst  37  auf  der  rechten 
Ecke  des  unteren  Randes  mit  den  fortlaufenden  Zahlen 
1 — 37  versehene  Stücke.  Die  erste  Nummer  (f.  404 — 406)  ist 
von  der  Hand  F  geschrieben,  von  welcher  auch  die  Anhänge 
der  zweiten  Abtheilung  (f.  157 — 159),  stammen  und  enthält 
den  Brief  des  Kaisers  Friedrich  III.  an  den  französischen 
König  Karl  VII.  über  die  Beseitigung  des  Schisma  und 
die  Herstellung  des  kirchlichen  Friedens,  vom  1.  Juni  1443°. 
Die  folgenden  Nummern  2 — 37  sind  sämmtlich  Abschriften 
aus  dem  sog.  Concept-  oder  Briefbuch  des  Erzbischofs 
Eberhard  I.  von  Salzburg,  das  heute  noch  in  der  Wiener 
Hofbibliothek  unter  n.  629  (Ius  can.  133),  saec.  XII.  er- 
halten ist'5.  Diese  Hs.  ist  nicht  erst  bei  der  Säcularisierung 
Salzburgs   nach  Wien   gekommen,,  sondern  war   schon  zur 


15  (f.  353).  16  (f.  371).  17  (f.  325).  18  (f.  357).  19  (f.  369).  20  (f.  349  u. 
355).  21  (f.  373).  22  (f.  377) ;  Anhang  n.  1  (f.  169).  2  (f.  222).  3  (f.  160). 
Die  Citate  bei  Sudendorf,  Reg.  III,  p.  VIII,  Amu.  stimmen  nicht  immer 
mit  der  Ausgabe  der  Briefe  Berengars.  1)  S.  Jaffe,  Bibl.  V,  103,  n.  18 
und  MG.  LL.  Const.  I,  10(3.  2)  Jaffe  1.  c.  V,  143,  n.  71.  3)  Ana- 

lecta  1,251—259  u.  2.  Ausg.  455—457.  Vgl.  Sudendorf,  Bereng.  p.  VIII. 
4)  Spicileg.  IV,  257—261  und  2.  Ausg.  III,  430—431.  Vgl.  Sudendorf 
a.  a.  O.  5)  Gedr.  bei  Martene,  Collectio  VIII,  977—980.     Vgl.  auch 

Chmel,  Reg.  n.  1456.  6)  Vgl.  darüber  W.  Wattenbach,  GQ,°  II,  302, 

ferner  in  Pertz,  Archiv  X,  491  und  W.  Schmidt  in  Archiv  f.  öst.  Gesch. 
XXXIV,  4,  Anm. 


Die  grosse  Brief handschrift  zu  Hannover.  217 

Zeit  des  Bibliothekars  Sebastian  Tengnagel  daselbst,  wel- 
cher den  ganzen  brieflichen  Inhalt  ausschrieb  und  zum 
Druck  beförderte,  theilweise  durch  den  Keichersberger 
Chorherren  Gewold l  und  theilweise  durch  den  Jesuiten 
Jakob  Gretser2.  Ausser  diesen  enthält  die  Wiener  Hs. 
noch  einige  Stücke,  die  in  Kagewins  Fortsetzung  der  Gesta 
Friderici  imp.  vorkommen 3. 

Der  Sammler  für  Hann.  Hess  nun  aus  diesem  Brief- 
buch nur  Stücke  ausschreiben,  welche  sich  auf  das  Schisma 
unter  Kaiser  Friedrich  I.  beziehen,  hat  aber  dabei  einzelne 
Stücke  übergangen4.  Die  36  dem  Wiener  Codex  629  ent- 
nommenen Stücke  stammen  abwechselnd  von  2  Schreibern; 
die  meisten  schrieb  eine  Hand  H  und  ein  Drittel  die 
Hand  B,  die  schon  den  Anhang  der  ersten  Abtheilung 
schrieb,  öfters  wechseln  die  Hände  mitten  in  einem  Stücke. 
Die  Collation  der  meisten  dieser  Abschriften  aus  der 
Wiener  Hs.  stellte  ausser  allein  Zweifel,  dass  diese  Vor- 
lage der  Abschriften  war  und  dass  letztere  ausserordentlich 
flüchtig  und  ohne  alles  Verständnis  angefertigt  wurden, 
weshalb  jede  Nachvergleichung  des  Hann.  hier  überflüssig 
ist.  Wie  flüchtig  gearbeitet  wurde,  zeigt  schon,  dass  die 
Nummern  4  und  5  identisch  sind,  erstere  von  B  und  letz- 
tere von  H  geschrieben,  doch  auch  in  letzterer  Nummer 
scheint  ganz  in  der  Mitte  (fol.  415' — 416)  ein  Theil  von  B 
zu  stammen.  Die  Hand  H  schrieb  auch  meist  die  Sigle  F 
statt  E(berhard),  und  beide  lösten  Siglen  der  Vorlage  ganz 
falsch  auf,  so  fol.  410  A  in  Albertus,  was  eine  andere  Hand 
richtig  stellte  mit  Alexander;  in  n.  11  (fol.  430)  schrieb  H 
Ferdinandus,  was  dann  verbessert  wurde  mit  Fridericus. 

Die  fünfte  Abtheil ung  umfasst  in  ihrem  Haupt- 
theile  35  Briefe,  wovon  10  noch  der  Zeit  des  Erzbischofs 
Eberhard  I. ,  7  jener  Konrads  II.  und  18  der  Adalberts 
angehören.  Dieselben  scheinen  daher  einer  ähnlichen 
Sammlung  entnommen  zu  sein,  wie  die  des  Wiener  Codex 
629  ist,  nur  dass  sie  in  der  Umgebung  des  Erzbischofs 
Adalbert  entstand.  Die  meisten  Stücke  tragen  oben  in  der 
linken  Ecke  die  fortlaufende  Nummer.  Leider  ist  die  Vor- 
lage dieser  Sammlung  gänzlich  verschollen.  Von  den  im 
Hann.  erhaltenen  35  Briefen  sind  uns  auch  nur  zwei  ander- 


1)  S.  Hund,  Metropolis  Salisb.,  ed.  Gewold  (Monachii  1620,  tom.  II, 
210—213  u.  Ratisp.  1719,  tom.  II,  145—147).  2)  Divi  Bambergenses 

(1611),  p.  486—501,  n.  29—44  und  Vetera  Monumenta  contra  Schismaticos 
H,  329—338.  383—439    oder   n.  24-77.  3)  MG.  SS.  XX,  420.  425. 

426.  470.  472.  484.  487.         4)  Ausgelassen  sind  Tengnagel  n.  35.  39.  56. 
60.  63.  64.  65.  67—73.  75. 


218  Willibald  Hauthaler. 

weit  überliefert,  so  dass  wir  die  Arbeit  des  Schreibers  J 
nur  ungenügend  controlieren  können.  N.  1  (f.  490)  ist  in 
einer  anderen  Ausfertigung  von  3  anderen  Hss.  überliefert 1, 
und  die  neue  Ausgabe  durch  Weiland  beweist,  dass  die 
Abschrift  des  J  gut  und  ziemlich  verlässlich  ist.  Ausser- 
dem soll  n.  11  (f.  510)  in  einem  Manuscript  des  Stiftes 
St.  Peter  zu  Salzburg  erhalten  sein,  woraus  es  durch  Pez 
veröffentlicht  wurde  2.  Auch  dieses  Stück  stimmt  ziemlich 
mit  dem  Drucke  überein 3.  Von  den  übrigen  Briefen  dieser 
Sammlung  hat  bereits  G.  H.  Pertz  3  Stück  veröffentlicht 
und  alle  übrigen  machte  endlich  Sudendorf  bekannt4  und 
nach  sorgfältiger  Vergleichung  der  Sudendorfischen  Drucke 
kann  ich  bestätigen,  dass  dieselben  sehr  genau  sind. 

Die  Hand  J  schrieb  auch  noch  einen  Anhang  von 
Briefen  aus  der  Zeit  des  Basler  Schisma.  Es  sind  7  Stücke, 
welche  Sudendorf  ■'  veröffentlichte.  Sie  betreffen  einen  ver- 
traulichen Briefwechsel  zwischen  zwei  Freunden.  Der 
Schreiber  der  Nummern  71 — 74  und  77  ist  Alexander,  ein 
geborener  Herzog  von  Masovien,  welcher  1424  März  24  zum 
Bischof  von  Trient  bestätigt  wurde,  dann  1440  Oct.  15 
durch  das  Basler  Concil,  bezw.  P.  Felix  V.,  zum  Cardinal 
imd  Legaten  für  Deutschland  etc.  ernannt  wurde.  Der 
Adressat  dieser  und  der  Schreiber  von  n.  75  und  76  ist 
leider  nirgends  genannt.  Sudendorf  hält  ihn  für  den  Erz- 
bischof Johann  II.  von  Salzburg  (1429  — 1441)  und  mit 
Rücksicht  darauf,  dass  nach  dem  ersten  Briefe  die  Ver- 
handlungen zwischen  Alexander  und  der  Concilspartei  noch 
in  der  Schwebe  waren*',  mögen  die  Ansätze  des  Heraus- 
gebers richtig  sein,  obwohl  mir  sonst  der  Gedanke  an  den 


1)  S.  MCK  LL.  Constitutiones  I,  318.  2)  Antecd.  VI,  b,  48,  n.  70 
=  Dalham,  Concilia  84  (zu  1127)  =  Zahn,  St.  ÜB.  I,  514  (zu  1172 
lim.  [c.]).  Vgl.  auch  Meiller,  SR.  123,  n.  49  u.  484,  n.  20.  Leider  konnte 
ich  bisher  den  fraglichen  Codex  hier  nicht  entdecken  und  W.  Wattenbach 
erwähnt    im    Archiv  X,  614 — 618    auch   nichts    darüber.  3)  Von  be- 

merkenswerthen  Varianten  führe  ich  an :  Z.  5  pra?latis]  Saltzburgen.  eccle- 
siae  add.  H.  Z.  29  honorem]  vestrum  et  Dei  H.  Z.  30  conveniremus 
fehlt  H.  Z.  31  providentius  H.  Z.  32  ergo]  igitur  H.  Z.  37  super  voca- 
tionibus]  invocationibus  H.  4)  Die  ersteren  finden  sich  jetzt  bei  Wei- 

land (Constitutiones  I)  p.  311  (n.  19,  f.  521  u.  n.  17,  f.  519');  ferner  p.  314 
(n.  9,  f.  508)  u.  318  (n.  1,  f.  490).  Die  letzteren  im  Registrum  I,  n.  21 
(f.  522).  22  (f.  523).  24  (f.  532).  25  (f.  518).  26  (f.  492).  27  (f.  506).  28 
(f.  511).  29  (f.  499).  30  (f.  498).  31  (f.  494).  32  (f.  500).  33  (f.  501).  34 
(f.  508').  35  (f.  524).  36  (f.  527') ;  H,  n.  53  (f.  522').  56  (f.  531).  57  (f.  525'). 
58  (f.  526).  59  (f.  526').  60  (f.  525).  61  (f.  530).  63  (f.  519).  64  (f.  533'). 
65  (f.  517).  66  (f.  513).  67  (f.  515).  68  (f.  529').  69  (f.  529).  70  (f.  533). 
5)  Registrum  III,  p.  126—135,  n.  71—77).  6)  Sud.  III,  p.  128:    'de 

quaestionibus  nuper  habitis  inter  nos  et  partes  Felicianas'. 


Die  grosse  Briefhandschrift  zu  Hannover.  219 

Erzbischof  Friedrich  IV.  (1441  — 1452)  näher  zu  liegen 
schiene.  Die  Vorlage  dieser  Abschriften  konnte  ich  leider 
noch  nirgends  entdecken. 

Als  ein  weiterer  Anhang  zu  dieser  Abtheilung  folgt 
fol.  541—547  ein  Brief  des  h.  Petrus  Damiani  an  Papst 
Nikolaus  II.  von  einer  Hand  K,  welche  einige  Aehnlich- 
keit  hat  mit  der  Hand  H  in  der  IV.  Abtheilung  und  auch 
ähnlich  flüchtig  und  nachlässig  zu  sein  scheint.  Obwohl 
der  Brief  hier  nur  etwa  den  vierten  Theil  beträgt  von  der 
Ausgabe  bei  C.  Caetani1,  so  ist  doch  am  Schlüsse  'Fiiiis' 
beigefügt. 

Das  letzte  Stück  des  Hann.  (fol.  549 — 551)  ist  neue- 
stens  durch  L.  Weiland  als  'Oratio  advocati  Victoris  IV.  in 
concilio  habita' 2  herausgegeben  worden.  Die  Ueberschrift 
'De  scismate  —  astrictum'  und  die  unmittelbar  folgenden 
2  Zeilen  des  Textes  'Füit  inter  —  foedus  contractum'  sind 
mit  blasserer  Tinte  geschrieben  und  wohl  auch  von  anderer 
Hand  (Y).  Der  folgende  Text  stammt  von  der  Hand  B, 
welche  den  Anhang  zur  ersten  Abtheilung  (fol.  [91 — 96]) 
und  beiläufig  ein  Drittel  der  vierten  Abtheilung  aus  dem 
Cod.  Vind.  629  schrieb.  —  Der  Anfang  'Incipit  ita  hie 
traetatus'  und  der  Wortlaut  des  ersten  Capitels  'Et  quia 
—  faciamus'  sind  links  oben  neben  der  Ueberschrift  wieder 
von  anderer  Hand  (Z)  nachgetragen,  welche  durch  L.  Wei- 
land Flacius  selbst  zugeschrieben  wird 3.  Zur  Ueberschrift 
bemerkte  auf  dem  äusseren  Rande  der  schon  zu  fol.  145 
und  156'  erwähnte  Glossator  X:  'q  ut  opinor  .  .  se  voeavit', 
das  Ausgefallene  ist  weggeschnitten,  und  nur  der  untere 
Schaft  des  Anfangsbuchstabens  ist  noch  sichtlich.  Dieses 
Stück  findet  sich  auch  im  Cod.  Vind.  629,  f.  36,  doch  das 
vorhergehende  Blatt  ist  ausgeschnitten,  und  so  ist  das 
Stück  wie  am  Ende  so  auch  am  Anfange  unvollständig, 
weshalb  es  von  den  Schreibern  der  vierten  Abtheilung  wird 
übergangen  worden  sein.  Wie  der  Druck  bei  Weiland  be- 
weist, muss  hier  der  Schreiber  des  Hann.  eine  andere  Vor- 
lage gehabt  haben  als  den  Cod.  Vind.,  die  aber  bis  jetzt 
verschollen  ist. 

Hiermit  ist  der  Inhalt  des  vorliegenden  Codex  episto- 
laris  erschöpft. 


1)  B.  Petri  Damiani  .  .  epistolarum  libri  octo,  lib.  I,  n.  9,  p.  16 — 21 
'subneetamus'.  2)  LL.  Constitutiones  I,  257—260.  3)  Weiland  schrieb 
obige  Angabe  aber  nur,  weil  die  Hand  Z  bei  oberflächlicher  Vergleichung 
für  identisch  gehalten  werden  kann  mit  der  Hand  der  Notiz  'Illyrici  est' 
auf  fol.  1.  Doch  bei  genauerer  Vergleichung  erscheint  mir  die  Gleichheit 
sehr  zweifelhaft. 


220  Willibald  Hauthaler. 

Ganz  am  Schlüsse  wurde,  nachdem'  alle  Fascikel  zu 
einem  mächtigen  Bande  vereinigt  und  die  Blätter  nume- 
riert worden  waren,  noch  im  16.  Jahrh.  ein  6  Blätter  um- 
fassendes Inhaltsverzeichnis  angefertigt  nach  den  bezüg- 
lichen Centurien.  Die  Ueberschrift  lautet :  'Index  eorum 
quse  in  hoc  libro  continentur'  und  dazu  ergänzte  eine  an- 
dere Hand  'iuxta  centu(rias)'.  Dieselbe  Hand  setzte  auch 
bei:  'De  Thebeorum  legione  vide  qusedam  pag.  100  etc.'1 
Bemerkenswerth  ist  noch,  dass  der  Schreiber  bei  Anführung 
des  berühmten  Briefes  eines  Bischofs  G  an  P.  Nikolaus  II. 
'in  qua  sacerdo(tum)  coniugium  defendit',  beifügt:  'quam 
Illyricus  Vdalrico  A(ugu)stano  episcopo  adscribit' 2,  weil 
Flacius  eben  eine  andere  Vorlage  benutzte 3.  Bezüglich 
des  Briefes  des  Petrus  Damiani  an  P.  Nikolaus  II.  ist  hier 
im  Index  von  gleicher  Hand  auf  dem  Seitenrande  bemerkt: 
'Est  epistola  Petri  Damiani  episcopi  Hostiensis,  ut  est  videre 
in  Actis  Romanorum   pontificum   Balei   in  Benedicto  8'  (?). 


1)  S.  Sudendorf,  Reg.  H,  48  sqq.       2)  Vgl.  oben  S.  211.       2)  Vg 
oben  S.  212. 


Zu  Otto  von  Hammerstein. 

Von  Hans  F.  Helmolt. 

In  den  Forschungen  z.  Deutschen  Gesch.  XXI  (1881), 
405  hat  H.  Bresslau  die  Vermuthung  geäussert,  dass  sich 
ein  Paragraph  in  dem  Zweitältesten  Werdner  Heberegister 
(Düsseldorf,  St.-A.  Msc.  A  89.  Bl.  12b)  auf  Otto  v.  Hammer- 
stein und  seine  Gemahlin  Irmgard  beziehe.  Ich  bin  in  der 
Lage,  diese  'mit  minderer  Zuversicht'  aufgestellte  Hypo- 
these als  ziemlich  sieher  zu  erweisen. 

Noch  ehe  mir  der  Aufsatz  Bresslau's  über  den  Ham- 
mersteiner  zu  Gesicht  gekommen  war,  hatte  ich,  da  mir 
die  Aehnlichkeit  einiger  Zeugennamen  aufgefallen  war,  den 
Paragraphen  mit  einem  andern  in  Verbindung  gebracht, 
der  in  demselben  Codex  auf  den  ersten  Zeilen  von  Bl.  20  b 
steht.  Dieser  letztere  ist  sicher  von  einer  Hand  des 
11.  Jahrh.  geschrieben  —  was  ich  für  die  erste  Notiz  trotz 
Bresslau  und  Friedlaender  (Ostfries.  ÜB.  II,  774,  N.  44) 
nicht  für  ganz  ausgemacht  halte  1.  Die  betreffenden  Zeilen 
lauten : 

'Haec  sunt  nomina  testium,  qui  traditioni  presentes 

fuerunt,    quam  Udo    sancto  Liudgero    donavit:    Gerhard, 

Kristian,    Gerhard,    Sikko,    Liudolf,    Emod,    Gerru,    Wig- 

mann,    Benno,    Bernheri,  Godefrid,    Nizo,   Azzelin,  Bern- 

heri,  Benzo,  W^lf heri,  Waldo,  Azzekin,  Heriman,  Nidger, 

Folkmar,    Hungi,    Thiederik,    Azziko,    Falerius,    Liudulf, 

Benzo,  Gezo,  Othilrik,  Hase,  Sigibraht,  Thuring,  Benno'. 

Nun   kehren   zwar   nur   zwei  Zeugen   —   Nidger   und 

Thuring     —     in    jener     ersten    Notiz    wieder.       Dagegen 

ist   zu    beachten,    dass   weder   Nidger  noch  Thuring   sonst 

in    der  ganzen  Hs.,    die   unzählige   andere   sächsische   und 

friesische    Namen    enthält,    vorkommen:     ein    Name    wie 

Benno    wäre    natürlich    nicht   beweiskräftig,    da    er    zu    oft 

wiederkehrt.     Ausserdem   aber   entspricht   der   ganze   Cha- 


1)  Für  solche  urbariale  Aufzeichnungen  giebt  an  und  für  sich  die 
Zeit  des  Schreibers  noch  nicht  den  Ausschlag  dafür,  den  Inhalt  des  Ge- 
schriebenen in  dieselbe  Zeit  zu  verlegen. 


222  Hans  F.  Helmolt. 

rakter  der  übrigen  Namen  aufs  treneste  dem  der  andern 
auf  Bl.  12  b.  Drittens  folgt  das  wiedergegebene  Stück 
direkt  einem  Register  über  den  Werdenschen  Hof  Loge  in 
Friesland.  Und  schliesslich  ist's  doch  merkwürdig,  dass  in 
der  Zeugenreihe  zu  der  Urkunde  von  1033  (Mon.  Boica 
XXIXa,  p.  40;  vgl.  Forschungen  XXI,  p.  406)  hinterein- 
ander 'Gerhart.  Cristan.  Siggo.'  erscheinen.  Sollten  das 
nicht  dieselben  Edeln  sein,  die  auch  oben,  zu  Udo's  Um- 
gebung gehörend,    unmittelbar  hintereinander  auftauchen? 

Drum  darf  man  wohl  ohne  weiteres  annehmen,  unter 
unserm  Udo  sei  der  Sohn  des  schicksalverfolgten  Paares 
Otto  und  Irmgard  zu  verstehen.  Denn  die  Sache  liegt 
doch  so.  Auf  der  einen  Seite  für  ein  und  dieselbe  Gegend 
aus  ein  und  derselben  Quelle  (dem  Werdenschen  Hebe- 
register) ein  Otto,  eine  Irmgard  und  ein  Udo  nachgewiesen, 
die  zwei  verschiedene  Akte  durch  Zeugen  bekräftigen  lassen, 
von  denen  zwei  hier  wie  dort  fungieren;  auf  der  andern 
ebenfalls  ein  Otto,  eine  Irmgard,  ein  Udo :  sollte  man  da 
nicht  identificieren  dürfen,  zunial  da  der  Hammersteiner 
im  Werdenschen  begütert  war? 

Denn  dass  Otto  Besitzungen  dort  hatte,  schliesse  ich 
aus  dem  Namen  'Sualmanaha'  (Svalman  -  aha)  der  Hersfelder 
Urkunde  von  1043  (vgl.  Forschungen  XXI,  404,  N.  2).  Das 
ist  der  jetzige  Schwelniebach ;  der  Ort  heisst  Schwelm  (ö. 
Barmen).  Darüber  giebt  am  besten  Auskunft  W.  Crecelius 
in  der  Bergischen  Zeitschr.  II  (1865),  p.  315,  N.  29,  wo  er 
die  Stelle  aus  dem  ältesten  Werdenschen  Heberegister :  'In 
villa  Svelmiu  tradiderunt  simul  Salaco  et  Werinheri  unum 
niancipiuni  ad  sanctum  Liudgerum'  (Düsseldorf,  St.-A.  Msc. 
A  88.  Bl.  26  b)  glossiert.  Eigenthümlich  ist's  immerhin, 
dass  auch  in  dieser  zusammenhangslosen  Notiz  ein  'Salaco' 
wiederkehrt;  doch  ist  darauf  kein  Gewicht  zu  legen:  der 
Name  ist  nicht  allzu  selten. 


Ein  Brief  des  Bischofs  Wazo  von  Lüttich. 

Von  W.  Wattenbach. 

Herr  Prof.  Steinineyer  in  Erlangen  hatte  die  Güte, 
mir  ans  der  Leidener  Hs.  Lat.  191 E  (beschrieben  von  Geel 
S.  84,  Arch.  VIII,  572)  die  Abschrift  eines  Briefes  von 
"Wazo  zuzuschicken,  welcher  sich  dort  auf  Bl.  44b  den 
Briefen  des  Ivo  von  Chartres  anschliesst.  Es  ist  derselbe, 
welcher  von  Anselni  in  seinen  Gesta  episcoporum  Leodien- 
sium  (SS.  VII,  211 — 215)  aufgenommen  ist,  die  sehr  nach- 
drücklichen Ermahnungen  an  den  Probst  Johannes  ent- 
haltend, und  es  ist  nicht  ohne  Interesse,  dass  wir  den- 
selben nun  auch  selbständig  in  einer  Hs.  des  12.  Jahrh. 
finden,  so  wie  Anselms  Zuverlässigkeit  durch  die  völlige 
Uebereinstimmung  gewinnt.  Die  Hs.  stammt  aus  dem 
Cistercienserkloster  Hardehausen  bei  Warburg  und  ist  einst 
von  Martene  benutzt  (Coli.  I,  555.  977.  978).  Die  Varianten, 
worunter  einige  Verbesserungen,  theile  ich  hier  mit,  nur 
einige  orthographische  und  Umstellungen  ohne  Bedeutung 
übergehend. 

S.  211,  Z.  34  'nunc  quoniam'.  35  'adiudicavimus'.  38  'opibus'. 
40  'possum'.  43  'defendis'  (besser).  46  'patenter'.  212, 1  'Prel.  et 
prep.'  3  'singulatim  .  .  .  prepos.  prel.'  5  'ascribi'.  11.  12  'unum 
sit'.  14  'ponit1.  16  'frequentat'.  18  'racionab.  .  .  .  igitur'.  22  'sunt 
ibi'.  27  'comedit'.  32  'exemplis  amm.',  'sed'  feblt.  34  'Et  si'  (richtig). 
38  'domino  .  .  .  dominus'  (besser).  39  'tuum'  fehlt.  46  'frater  queso  . 
frater  d.'  213,  4  'laboret'.  6  'opibus'.  9  'sec.  suuni  lab.  . .  .  accipiat 
.  .  .  si  relig.'  (besser).     12  'parvus'.     13  'qui  se  e.  h.  et'  fehlt.     14  'Sic'. 

19  'se  ipsum  c.'  20  'relinquat'.  31  'quia  maxime  concupiscis  pr.' 
34  'consulo'.  50  'inpeditus'.  214,6  'frater'.  11 'gr.  ago  .  nil.'  13 'di- 
lectionem'  (besser).  15  'praevenire'  fehlt.  22  'edificationem'.  24  'con- 
valesc'  (richtig).  28  'cognomen  archi'  (richtig).  29  'Corepiscopos  et 
archidiaconos  pr.'  (richtig).  35  'pecore'.  41  'veritatem  meam  vel'  fehlt. 
42  'dedere'   (richtig).     44  'semper'   fehlt.       215,  6    'cellerario'  (richtig). 

20  'prevalente'  (richtig). 

In  derselben  Hs.  folgt  auf  f.  57' — 58  eine  Zusammen- 
stellung von  Briefanfängen,  beginnend :  'Labilis  huius  vite 
solatium  et  etern§  beatitudinis  consortium.  Eegi  domino 
suo  servulus  indignus  su§  presentie.  donum  a  Deo  victorie. 
et  ^quitatis  et  plenitudinem  iusticie.  et  pacis',  jedoch  ledig- 


224  W.  Wattenbach. 

lieh  Adressen  ohne  weiteren  Inhalt  und  ohne  einen  einzi- 
gen ausgeschriebenen  Namen  1.  Ich  bemerke  darunter  nur : 
'F(ridericus)  gratia  Dei  sanete,  Coloniensis  ^cclesie.  archiepi- 
scopus  (1099—1131)  U(doni)  Hyldenensi  episcopo  (1079 — 
1114)  cum  devotis  orationibus  sinceros  fraterne.  dilectionis 
affectus',  ferner  'F(riderico)  Dei  gratia  sanete  Coloniensis 
ecclesie,  presuli  O(tbertus)  Leodiensium  episcopus  (1091 — 
1119)  vinculum  fidei  spei  et  caritatis  in  Domino',  weil  diese 
beiden  zur  Bestimmung  der  Zeit  dienen  können. 


1)  Aehnliche  Briefanfänge  finden  sich  —  als  Musterbeispiele  für 
die  Form  der  Salutatio  —  wie  in  anderen  Formularbüchern  so  auch  im 
Cod.  Udalrici,  Jaffe,  Bibliotheca  V,  18—23. 


Ein  Diplom  und  ein  Placitum  Heinrichs  V. 

Mitgetheilt  von  H.  Bresslau. 

1.  Heinrich  V.  bestätigt  dein  Kloster  Pomposa  Reichs- 
unmittelbarkeit,  Güterbesitz,  freie  Abtswahl  und  andere 
Rechte. 

Speyer  1114    September  13. 
Abschrift    des    15.    Jahrhunderts    im    k.    italienischen 
Staatsarchiv  zu  Modena  (B). 

In  nomine  sanctae  et  individuae  trinitatis.  Heinricus 
divina  favente  dementia  quartus  Eomanorum  imperator 
augustus.  Si  circa  sanctorum  loca  beneficia  condigna 
impendimus,  hoc  nostram  imperialem  maiestatem  con- 
decere  credimus,  insuper  et  aeterna  premia  nos  inde 
adipisci  confidimus.  Quapropter  omnium  Christi  nostro- 
rumque  fidelium  uniTersitatem  scire  volumus,  qualiter  nos 
ob  amorem  Christi  et  eins  genetricis  virginis  Mariae  ac  per 
interventum  dilectae  nostrae  contectalis  Mathildis *  regine, 
et  aliorum  principum  nostrorum  scilicet2  Erlungi3  Werce- 
burgensis ,  Cunonis  Strazeburgensis 4,  Alberonis  Metensis 
episcoporum,  Erlulfi  Fuldensis5,  Stephani  Limburgensis, 
Bennonis  Laurisensis  abbatum,  Herimanni  marchionis, 
Godefridi  comitis  palatii,  [Gozjmari i;  comitis,  Bertholdi 
comitis  ceterorumque  fidelium  nostrorum  abbatiam  sancte 
Mariae  in  Pomposia  ab  antecessore  nostro  imperatore 
Ottone  a  Erederico  Ravennatis  ecclesiae  archiepiscopo  iuxta 
utriusque  placitum  ad  imperialem  subiectionem  proprietatis 
concambiatam  '  ac  postea  -  ab  Heinrico  nostro  altero  anteces- 
sore   corroboratam    et    ab    Hug-one    marchione    magnilice 


1)   Corr.    aus   'Mathilois1   von    anderer   Hand.  2)   'sciciliae1  B. 

3)  'Erlunbi'  B.  Die  Namen  waren  wohl  mit  Majuskeln  geschrieben,  wobei 
Verwechslung  von  Gr  und  b    öfter  vorkommt.  4)  'Strareburgensis1  B 

5)  'Erlulti  tuldensis'  B.  6)  Die  Ergänzung    des   in  B    verstümmelten 

Namens  nach  der  Zeugenliste  von  St.  3117,  wo  Erlulf  von  Fulda  und 
'coines  Grozmarus'  erscheinen.  7)  VII;  'cetero  ambiatam'  B.  8)  VU; 
'propterea'  B. 

Neues  Archiv  etc.     XX.  15 


226  H.  Bresslau. 

dotatam x  et  in2  atavum  nostruni  Cuonradum  impera- 
torein  et  avuni  nostruni  Heinricum  bon^que  memoriae 
patrein  nostrum  Heinricnm  iniperatoreni  successione  imperii 
et  legali  iure  hereditatarn,  dehinc  eodem  iure  ad  nostrae 
dominationis  manus  receptani,  cum  omnibus  suis  pertinentiis, 
quicquid  videlicet  predicta  abbatia  per  aliquod  munimen 
eartarum  vel  traditionum  detinet  vel  eidem  pertinet  ab 
ecclesia  Eomana  et  Eauennate  aut  ab  aliqua  alia,  seu 
etiam  quicquid  iure  proprietatis  detinet  aut  acquirere  in 
futuro  potuerit:  id  est3  totam  insulam  integram,  a  primo 
latere  Pado  percurrente  in  mari,  a  secundo  latere  litus 
maris,  a  tertio  vero  latere  Gauro  et  piscariam  que  vocatur 
Volana  cum  portu  integro  [a  rivo  Badarino] A  ex  utrisque 
partibus  usque  in  mare;  et  massam  que  dicitur  Lacus 
Sanctus  cum  lateribus  suis  et  cum  piscaria  que  vocatur 
Tidini,  a  primo  latere  fundo  qui  vocatur  Grecule  et  fundo 
qui  vocatur  Cornaceruina  et  fluvio  qui  vocatur  Cesi  et 
canale  qui  vocatur  Curlo,  a  secundo  latere  valle  que  vocatur 
Farulle 5  et  fluvio  qui  vocatur  Conca  Agathe,  descendente 
in  Gaurum,  a  tertio  latere  ipso  Gauro,  a  quarto  vero  Pado 
percurrente;  insuper  curtem  unam  integram  que,  vocatur 
Vstolatus  cum  plebe  sua  et  alia  que  vocatur  Baoria  et 
curtem  aliam  que  vocatur  Ultracanalem  cum  omnibus  ad 
monasterium  sancte,  Marie,  in  cenodochio  pertinentibus  et 
cum  omnibus,  que,  predicte,  abbatie,  Hugo  marchio  filius 
Vberti  dedit;  quidquid  etiam  habet  aut  aquirere  poterit 
infra  Padum  et  Atasim  fluvium  vel  infra  Padum  et  San- 
dalum,  et  quantacunque  in  apostolice,  sedis  privilegio  rele- 
guntur;  verum  etiam  queque  habet  aut  aquirere  in  civitate 
Rauenna  poterit  et  infra  totum  comitatum  Comaclensem 
et  Gauellensem  et  Ferrariensem  et  Mutinensem  et  Bono- 
niensem  et  Corneliensem  et  Fauentinum  et  Liviensem 6  et 
Popliensem  et  Cesenatem  et  Montemferetranum  et  Ari- 
minensem  et  Pensauriensem  et  Fanensem  et  Vrbinensem 
et  Castellanum  et  Perusinum  et  in  omnibus  quoque 
locis,  cum  areis  edificiis  castris  capellis  silvis  pratis 
pascuis  paludibus  salectis  olivetis  vineis  montibus  vallibus 
planiciebus  aquis  aquarumque  decursibus  piscationibus  vena- 
tionibus  salinis  et  cum  omni  utilitate,  que,  vel  nominari 
vel  scribi  potest,  —  ab  omni  subiectione  archiepiscoporum, 
Rauennatum  excutimus,  ut  regalis  imperpetuum  sit,  nullis 


1)  Von   anderer  Hand   in  Lücke   ergänzt;   VU  und  NU.    St.  4223 
'ditatam'.         2)  B  und  NU.    St.  4223;   VU.  'per'.  3)  VU;    'idem'  B. 

4)  Lücke  in  B  ergänzt  aus  VU.       5)  'Sarole'  VU.       G)  VU;  'lunensem'  B. 


Ein  Diplom  und  ein  Placitum  Heinrichs  V.  227 

dominantium  personis  subiecta.  Sintque  monachi  eius  ab 
omni  secularis  servicii  infestatione  securi,  nullius  persone 
inagne  vel  parve.  nisi  nostre.  de  placito  respondentes  et  ab 
omni  angaria  sive  fodro  tarn  nostro  quam  missorum  nostro- 
rum  seu  omnium  secularium  potestatum  cum  suis  omnibus 1 
remoti.  Qui  etiam  de  suis  qualem  voluerint  abbatem 
eligant  ab  episcopo  Comiaclensi  consecrandum ;  qui  si  sibi 
pro  pecunia  vel  aliqua  humana  potestate  molestus  esse 
voluerit ,  veniat  ad  archiepiscopum  Rauemnatem  ab  eo 
benedicendus;  et  si  hoc  in  isto  quod  in  illo  intervenerit, 
ad  qualemcumque  episcopum  voluerit  causa  consecrationis 
properet.  Si  quis  autem  hoc  preceptum  imperiale  nostrum 
[infringere] 2  presumpserit,  componat  ducentas  libras  auri 
[cocti,  medietatem  camere  nostre.  et  medietatem] 2  prelibate. 
abbatie.  Quod  ut  verius  credatur,  hanc  paginam  imperialem 
manu  propria  roboratam  sigillari  iussimus. 

Signum  domini  Heinrici  quarti  Ronianorum  impera- 
toris  invictissimi.     (M.) 

Datum  idus  septembris  indictione  septima,  anno 
domiuicae  mcarnationis  millesimo  CXIIII0,  regnante  Heinrico 
quarto  rege  Romanorum  anno  Villi0,  imperante  [IUI0] 3 ; 
actum  est  Spire;  in  Christo  feliciter  amen. 


2.  Unter  Vorsitz  Heinrichs  V.  wird  im  Hofgericht  auf 
Bitte  des  Abts  Faletrus  vom  Kloster  Brondolo  der 
Bann  von  hundert  Pfund  Goldes  auf  die  Verletzung 
des  Güterbesitzes  des  Klosters  gelegt. 

Treviso  1118  August   1. 

Originalplacitum  im  k.  italienischen  Staatsarchiv  zu 
Venedig  (A). 

V.  Bellemo,  II  territorio  di  Chioggia  (Chioggia  1893) 
295  aus  A. 

(C.)  Dum  in  dei  nomine  in  civitate  Taruisii  in  casa 
archidiaconi  ipsius  civitatis  subter  porticum  resideret 
domnus  Einricus  Romanorum  semper  augustus  imperator 
ad  iusticiam  faciendam  ac  deliberandam,  ad^sset  cum  eo 
domnus  Einricus  dux  nee  non  Tridentinus  episcopus  et 
comes  Albertus  Ueronensis,  Warnerius  iudex,  Azo  Ferrarie 
iudex,  Iohannes  Monsilicanus  iudex,  item  Aicardus  iudex4, 


1)  B  und  XU.  St.  4223;  'hominibus'  VU.       2)  Lücke  in  B,  ergänzt 
aus  VU.         3)  Fehlt  in  B.         4)  'iudex'  über  der  Zeile  nachgetragen. 

15* 


228  H.  Bresslau. 

Engelfredus,  Ardericus  iuris  causidici,  Wecili,  Arduinus 
Palude   et  Tisus    et    reliqui    plures,  ibique   in   istorum 

presencia  veniens  domnus  Faletrus  abas  sancte.  trinitatis 
et  sancti  Michaelis  archangiieli 1  de  loco  Brundolo,  qui  esse 
videtur  infra  regnuin  Uenecie,  rogans  domnuui  imperatorem, 
ut  jjropter  deum  animeque  sue  suorumque  parentum  merce- 
dem  banimm  imponeret  super  illum  et  super  iain  dictum 
monasterium  et  in  cunctis  bonis  predicti  monasterii  tarn 
mobilibus  quamque  inmobilibus  casis  terris  salinis  seu 
familiis,  tam  quod  nunc  habet  aut  inantea  habiturus  est. 
Cumque  ita  mercedem  postulasset,  illico  per  iudicum  con- 
silio,  qui  ibi  aderant,  et  per  fustem,  quem  in  manu 
sua  tenebat,  bannum  inposuit  supra  iam  dictum  domnum 
Faletrum  abatem  et  supra  iam  dictum  monasterium  et 
in  cunctis  rebus  eius  seu  villis,  nomina  quorum  hie  subter 
leguntur :  in  coinitatu  Patavensi  et  curte  qui  dicitur  Baniolo 
cum  capellis  et  cum  omni  suorum  pertinentiis  et  casis  silvis 
terris  cum  paludibus  et  aquis  piscationibus  et  omnibus  rebus, 
que  iacet  in  finibus  Montegutero  et  in  Galzegnano  et  in 
ßouolone  et  in  Agna  et  in  Uico  Cerboni  et  in  Montesilice 
et  in  Tribano  et  in  Anguilaria  et  in  Cona,  et  in  coinitatu 
Taruis[an]ense 2  in  finibus  Sacisica  in  vila  Capuduico,  in 
Arosaria,  in  Melaria,  in  Ärgere  et  in  pleve  Canni  et 
Fugulani  et  iuxsta  fluvium  Sile  locus  ubi  dicitur  Turre  et 
est  tercia  porcio  de  villa  et  de  terris  et  de  Castro  qui 
dicitur  Cendone,  et  in  civitate  Senegalia  et  in  toto  coinitatu 
suo,  et  in  monasterio  sancti  Enesti  et  in  omnibus  aliis  locis 
ubicumque  fuerit  inventum  de  rebus  iam  dicti  monasterii, 
tam  quod  nunc  habet  aut  inantea  deo  propicio  iuste  ad- 
quirere  vel  laborare3  potuerit,  in  pena  librarum  auri  centum, 
ut  nullus  quislibet  homo  neque  comes  neque  e,piscopus 
neque  vecedominus  x  neque  gastaldius  neque  deganus  audeat 
iam  dictum  domnum  abatem  et  monasterium  et  homines 
suprascripti  monasterii  et  omnes  res  suas  molestare  aut 
causare  vel  disvestire  sine  legali  iudicio.  Qui  vero  hoc 
bannum  fregerit,  siat x  se  compositurum  predietas  libras 
auri  centum,  medietatem  camere  domni  imperatoris  et 
medietatem  in  predicto  monasterio  et  in  abate  et  suis 
succesoribus x  aut  pars  ipsius  monasterii.  Et  hec  noticia 
facta  est  propter  securitatem  suprascripti  monasterii  et 
iam  dicti  domni  abati  suisque  rebus.     Factum  est  hoc  anno 


1)  A.  2)   Die   eingeklammerten  Buchstaben    sind    ergänzt:    das 

Pergament   ist   hier   durchlöchert.  3)   'vel   laborare1    über   der   Zeile 

nachgetragen. 


Ein   Diplom  und  ein  Placitum  Heinrichs  V.  229 

ab  incarnacione  domini  nostri  Iesu  Christi  millesimo  cen- 
tesimo  octavo  decimo,  primo  die  mensis  augusti,  indicione 
undeciina. 

Ego  Albericus  iuris  causidicus  et  notarius  ex  iussione 
domni  imperatoris  et  amonicione  mdicum  scripsi.  *j*  Hoc 
Signum  fecit  domnus  Eiriricus  imperator  suis  nianibus. 
Ego  Wernerius  iudex  ss.  Ego  Iohannes  iudex  ss.  Ego  Azo 
iudex  ss.  Ego  Aicardus  iudex  interfui.  Ego  Ingelfredus 
causidicus  interfui. 

Von  den  beiden  hier  mitgetheilten  Urkunden  Hein- 
richs V.  fand  ich  die  erstere,  die  bei  Stumpf  nicht  ver- 
zeichnet ist,  im  Frühjahr  dieses  Jahres  im  Staatsarchiv  zu 
Modena  und  erhielt  durch  die  liebenswürdige  Freundlich- 
keit des  Herrn  Direktors  dieses  Archivs,  Conte  Ippolito 
Malaguzzi,  eine  Abschrift  übersandt,  da  mir  die 
Zeit  fehlte,  sie  selbst  anzufertigen.  Die  Copie,  aus  der 
der  Druck  stammt,  gehört  dem  Ende  des  15.  Jahrb..  an; 
die  Schrift  gleicht,  wie  mir  Malaguzzi  mittheilt,  der  in 
der  Kanzlei  des  Borso  und  des  Ercole  I.  von  Este  üblichen. 
Auf  die  zweite  Urkunde  machte  mich  mein  junger  Freund 
Dr.  W.  Lenel  aufmerksam,  dem  ich  auch  die  Abschrift 
verdanke :  das  Buch,  in  welchem  sie  im  vorigen  Jahre 
nicht  ganz  fehlerfrei  gedruckt  wurde,  ist  nur  in  wenigen 
Exemplaren  verbreitet  und  dürfte  in  Deutschland  fast 
unzugänglich  sein,  so  dass  ein  neuer  Abdruck  an  dieser 
Stelle  sich  empfahl. 

Das  D.  für  Pon^osa  geht  anscheinend  wörtlich  auf 
die  Purpururkunde  Heinrichs  IV.  St.  2932  zurück,  von  der 
ich  N.  A.  XIX,  683  ff.  gesprochen  habe.  Ich  habe  diese 
für  die  Ergänzung  und  Berichtigung  des  Textes  benutzt, 
auf  die  Anwendung  von  Petit-Druck  zur  Bezeichnung  des 
aus  derVU.  Entlehnten  aber  verzichtet,  da  von  jener  Urkunde, 
wie  ich  a.  a.  O.  bemerkt  habe,  noch  keine  ausreichende 
Ausgabe  vorhanden  ist,  und  sich  daher  noch  nicht  sagen 
lässt,  ob  die  Abweichungen  des  DH.  V.  von  der  VU.  nur 
dem  Drucke  der  letzteren  bei  Muratori  oder  auch  dem 
Original  gegenüber  bestehen.  Der  geschichtliche  Werth 
beider  Urkunden  beruht  wesentlich  auf  ihren  Daten  und 
den  Listen  der  Intervenienten  und  Beisitzer.  Das  D.  für 
Pomposa  lehrt  uns,  dass  der  Kaiser,  der  am  26.  August 
1114  in  Erfurt,  am  30.  in  Fulda  war  (St.  3116.  3117)  und 
Ende  September  einen  Feldzug  nach  Westfalen  unter- 
nahm, vor  Beginn  desselben  zunächst  an  den  Oberrhein 
zurückkehrte :  in  den  Intervenienten  lernen  wir  wahrschein- 
lich  einen  Theil   der  Fürsten  kennen,    die  ihn  auf  diesem 


230  H.  Bresslau. 

Zuge  begleiteten.  Das  Placitum  für  Brondolo  fügt  den 
spärlichen  Itinerarangaben,  die  aus  dem  Jahre  1118  für 
die  Zeit  nach  dem  Aufbruch  von  Rom  bisher  bekannt 
waren,  eine  willkommene  neue  hinzu 1 ;  indem  unter  den 
Beisitzern  der  'iudex  Warnerius',  d.i.  der  berühmte  Rechts- 
lehrer Irnerio  von  Bologna  erscheint,  giebt  die  Urkunde 
auch  zu  dessen  Regesten  einen  neuen  Beitrag2.  lieber 
die  Form,  in  welcher  das  Placitum  durch  den  Kaiser  unter- 
fertigt ist,  vgl.  Cipolla,  Diplomi  imperiali  e  reali  delle 
cancellerie  d'Italia  Text  S.  26  ff. 


1)  Von  Urkunden  waren  bisher  nur  zwei  bekannt:  St.  3158,  Boni- 
biana  (im  Renothal,  nördlich  von  Pistoja),  Juni  21  und  St.  3158  a,  Mon- 
tecchio,  westlich  von  Vicenza,  dessen  Datierung  Schwierigkeit  macht.  Im 
Abdruck  bei  Ficker,  Forsch,  zur  ital.  Reichs-  und  Rechtsgesch.  IV,  141, 
n.  96,  der  einen  älteren  Drück  Castellinis  wiederholt,  sind  die  Daten  zu 
Anfang:  'feria  VII.,  que  est  quinto  kal.  sept.1,  am  Schluss:  'a.  ine.  1118, 
ind.  11'.  Danach  hat  Ficker  das  Stück  zum  28.  August  angesetzt,  während 
es  im  Nachtrag  zu  Stumpf  zum  21.  August  eingereiht  ist;  endlich  ist  es 
doch  wohl  dasselbe,  welches  "Winkelmann  N.  A.  V,  12  aus  der  Bibliothek 
zu  ATicenza  mit  1118  Aug.  19  citiert.  Aber  weder  der  19.,  noch  der  21., 
noch  der  28.  August  fiel  im  Jahre  1118  auf  einen  Sonnabend!  2)  Vgl. 
Ficker  a.  a.  0.  III,  156 ;  Fitting,  Die  Anfänge  der  Rechtsschule  von  Bo- 
logna S.  90. 


Zu  Petrus  von  Riga. 

Von  Ernst  Dümmler. 

Das  Germanische  Nationalmuseum  in  Nürnberg  be- 
wahrt unter  n.  3794  a  zwei  gut  erhaltene  Folioblätter  aus 
dem  13. — 14.  Jahrh.,  zweispaltig  beschrieben  und  verkehrt 
eingeheftet,  unbekannter  Herkunft.  Sie  enthalten  anschei- 
nend zwei  Gedichte  in  elegischem  Versmasse,  von  denen 
das  erste,  die  Geschichte  der  Esther,  mitten  im  Zusammen- 
hange beginnt:  'Res  est  quesita,  res  est  inventa,  reosque' 
(=  Esth.  c.  2,  v.  23)  und  auf  der  3.  Spalte  endet:  'Illud 
ab  antiquo  perpetuando  decus'  (138  Verse).  Unmittelbar 
daran  schliesst  sich  das  zweite  Gedicht,  welches  die  Thaten 
der  Maccabäer  verherrlicht:  'Magnus  Alexander,  quo  pri- 
mum  Grecia  rege'  bis  (=  1.  Macc.  13,  8)  'Symon  dux  fra- 
tris  incipit  esse  loco'  (246  Verse  ohne  Schluss). 

Obgleich  nun  dies  zweite  Stück  meines  Wissens  un- 
gedruckt ist,  so  müssen  wir  doch  leider  der  Handschrift 
fast  allen  Werth  absprechen,  denn  es  handelt  sich  nur 
um  Bruchstücke  aus  der  unter  dem  Titel  Aurora  bekannten 
Umdichtung  der  gesammten  Bibel  des  Eeimsers  Petrus  de 
Riga  aus  dem  12.  Jahrh.  Gerade  die  Geschichte  der  Esther 
ist  daraus,  allerdings  sehr  schlecht  und  mit  einigen  Lücken, 
abgedruckt  bei  Casp.  Barth,  Adversarior.  lib.  XXXI,  c.  15, 
p.  1456 — 1460.  Die  Nürnberger  Hs.  beginnt  mit  v.  133 
dieser  Ausgabe.  Die  Unzuverlässigkeit  dieses  Textes  bewog 
Polycarp  Leyser  in  seiner  Histor.  poetar.  et  poemat.  medii 
aevi  p.  697 — 700  Verbesserungen  und  Ergänzungen  aus 
zwei  jetzt  Wolfenbüttler  Hss.  (Helmstad.  1046  und  570, 
beide  aus  dem  14.  Jahrh.)  zu  bringen,  die  durch  die 
Nürnberger  vielfach  bestätigt  werden.  Die  ausserordent- 
liche Verbreitung  und  Beliebtheit  der  Aurora  erhellt  je- 
doch daraus,  dass  ausser  den  schon  genannten,  einer  in 
Brügge,  und  einer  Dresdener  in  München  allein  nicht 
weniger   als    10  Hss.    davon  vorhanden   sind,    in  Wien  18, 


232 


Ernst  Dümmler. 


in  Cambrai  3  und  in  Paris  mindestens  36;  dennoch,  hat 
noch  keiner  von  den  gelehrten  Landsleuten  des  Petrus  in 
neuerer  Zeit  sein  grosses  Werk  zum  Druck  befördert,  den 
es  nach  seiner  früheren  Werthschätzung  doch  unbedingt 
verdienen  würde.  Es  genügt,  auf  das  Registrum  multorum 
auctorum  des  Hugo  von  Trimberg  v.  465  ff.  zu  verweisen 
(ed.  Huemer,  Sitzungsber.  der  phil.-hist.  Classe  der  Wiener 
Akad.  CXYI,  173). 


Ein  Brief  Hadrians  V. 

Mitgetheilt  von  A.  Chroust. 

Hadrian  V.  verleiht  einem  Ungenannten  den  Archi- 
diakonat  einer  ungenannten  (vermuthlich  englischen)  Kirche 
und  rechtfertigt  dabei  den  Gebrauch  der  Bulle  ohne  Namens- 
stempel. 

Cod.  lat.  perg.  s.  XIII.  der  k.  k.  Universitätsbibliothek 
zu  Graz,  n.  975,  f.  164'  (G)  und  cod.  lat.  chart.  s.  XIY.  der 
k.  k.  Hofbibliothek  zu  Wien,  n.  2209,  f.  59'  (V.). 

Viterbo  1276  Juli  30. 
Adrianus  electus  episcopus  servus  servorum  dei  etc. 
Viros  litterarum  scientia  preditos,  morum  honestate  decoros 
et  virtutibus  redimitos,  precipue  quos  augmentum  gratie 
nostre  continuate  devotionis  studio  mereri  perspicimus  \ 
favoris  apostolici  gratia  prevenimus,  prosequendo  illos  dignis 
honoribus  et  nonnunquam  beneficiis  ecclesiasticis  liberaliter 
attollendo.  Hiis  igitur  in  dilectum  fratrem  .  .  .  paterna 
consideratione  pensatis  eo  gratioribus  donis  honorare  per- 
sonam  ipsius  intendimus,  quo  pleniorem  de  suis  laudabili- 
bus  2  meritis  notitiam  optinemus.  Ut  itaque  benivolentiam, 
quam  erga  ipsum  gerimus,  sentiat  per  effectum,  talem 
archidiaconatum  etc.  Nee  miremini  quod  bulla  non  ex- 
primens  nomen  nostrum  est  appensa  presentibus,  que  ante 
nostre  consecrationis  solempnia  transmittuntur ;  quia  hü, 
qui  fuerunt  hactenus  in  Romana  ecclesia  electi  pontifices, 
consueverunt  in  bullandis  litteris  ante  sue  consecrationis 
munus  modum  huius  observare.  Data  Viterbii  tertio  kalen- 
das  augusti  suseepti  a  nobis  apostolatus  officii  anno  primo 3. 

Der  vorstehende  Brief  Hadrians  V.  ist  die  zweite 
bisher  überhaupt  bekannt  gewordene  Urkunde  dieses  kurz- 
lebigen   Papstes    (vgl.    Potthast    21149    von    1276    Juli    23), 


1)  V. :  'prospieimus'.  2)  Gr. :  'laudibus'.  3)  In  V.  folgt  noch 

'Amen';  in  G.  'satis  est'. 


234  A.  Chroust. 

und  verdient  schon  aus  diesem  Grunde,  sodann  aber 
auch  wegen  des  diplomatischen  Interesses  seines  Schluss- 
satzes x  Mittheilung-  an  dieser  Stelle.  Nur  um  des  letzteren 
willen  ist  er  gewiss  in  die  beiden  Hss.  aufgenommen  wor- 
den, in  denen  ich  ihn  gefunden  habe ;  der  sonstige  Inhalt 
wurde   in   der  Weise  von  Formularien  verkürzt. 


1)  Vgl.  Diekamp,   Mittheil,  des  Inst.  f.  österr.  Geschichtsforschung 
III,  613. 


Zwei  Briefe  Gregors  XII.  an  den  Pfalzgrafen 
Ludwig  vom  Rhein. 

Mitgetheüt   von   J.    Loserth. 

I. 

Gregor  XII.  an  den  Pfalzgrafen  Ludwig :  Er  habe  den 
an  ihn  gesandten  Boten,  Magister  Heinrich,  nach  Wunsch 
abgefertigt  und  erwarte  mit  Begierde  die  Antwort  des 
Pfalzgrafen  auf  die  ihm  durch  Johannes  de  Pruscia  und 
Bussonus  de  Berlim  zugesandten  Briefe.  Rimini  1413 
Oct.  12. 

(E  cod.  III,  79  bibl.  univ.  Graec. ;  est  codici  in  fronte 
alligat.) 

Gregorius  episcopus  servus  servorum  dei  dilecto 
filio  nobili  viro  Lodovico  comiti  palatino  Reni  salutem 
et  apostolicam  benedictionem.  Dilectus  filius  magister 
Henricus  decretorum  doctor,  qui  ad  presentiam  nostram 
venit  cum  literis  nobilitatis  tue,  ad  eam  revertitur  secun- 
dum  tua  vofca  expeditus  et  de  occurentibus  informatus. 
Itaque  ad  alia  nos  non  extendimus  in  presenti,  nisi  quod, 
ut  per  alias  tibi  scripsimus,  dilectos  filios  magistros  Iohan- 
nem  de  Pruscia  capellanum  et  Bussonum  de  Berlim  bacha- 
larium  in  decretis  nuntios  nostros,  quos  iste  refert  iam  ad 
tuam,  cum  discessit,  presentiam  attigisse,  cum  responsis 
avide  expectamus,  ut  possimus  eligere  et  salubrius  pro- 
videre. 

Datum  Arimini  IUI.  idus  octobris,  pontificatus  nostri 
anno  septimo. 

G.  de  Imola. 
Orig.  in  perg. 

II. 
Gregor  XII.  an  den  Pfalzgrafen  Ludwig:  Die  Nach- 
richten, die  dieser  von  dem  Treiben  der  Gegner  gesandt 
habe,  gefallen  ihm  ebensowenig,  als  die  Unternehmungen 
Sigismunds  von  Ungarn,  von  dem  er  besseres  erwartet  hätte. 
Rimini  1414  Febr.  27. 


236  J.  Loserth. 

(Est  alligat.  cod.  III,  79  bibl.  tiniv.  Graec.  in  fine.) 
Gregorius  episcopus  servus  servorum  dei  dilecto  filio 
nobili  viro  Lodovico  comiti  palatino  Reni  salutem  et  apo- 
stolicam  benedictionem.  Fictiones  ille,  quas  tua  nobilitas 
scribit  ab  adversariis  in  illis  partibus  emanasse,  nobis  displi- 
cent,  cum  a  fönte  maligno  derivent  et  similes  sint  illis, 
que  facte  fuerunt  in  conciliabnlo  Pisano,  nnde  tot  sunt 
secuta  mala,  utinam  non  eveniant  graviora  de  hoc  secundo 
per  eos  Constantie  ordinato.  Sed  nee  minus  displicent 
cepta,  prineipia  et  modi  hueusque  retenti  per  prineipem 
istum  Hungarie,  super  quibus  a  iam  diu  decrevimus  ad  te 
et  alios  remittere,  quoniam  gravia  sunt  et  non  ad  pacem 
tendentia,  sicut  credimus  etiam  te  sentire.  Et  quam  vis  sit 
retardatum  de  mittendo,  nichilominus  omnino  decrevimus 
mittere.  Sed  quia  nondum  habuimus,  quod  modi  transmissi 
tibi  venerint  ad  notitiam  ipsius  regis,  per  quos  poterat  satis 
comprebendere  de  intentione  nostra,  deliberationes  nostre 
retardate  sunt.  Ab  ipso  quidem  initio  et  continue  Optimum 
putavimus  ipsos  modos  copiose  communicari,  quod  et  de- 
sideravimus,  et  presertim  voluissemus  pervenisse  ad  noticiam 
ipsius  regis,  de  quo  aliter  sperabamus  quam  nunc  pereipia- 
mus.  Dens  tarnen,  in  quo  spem  nostram  posuimus,  omnia 
reparare  potest  et  evacuare  omnes  iniustos  conatus,  contra 
quos  decet  tuam  nobilitatem  et  alios  catholicos  et  fideles 
se  in  virtute  altissimi  opponere,  et,  cum  res  et  ternpus 
postulent,  oecurentia  queque  super  biis,  quam  frequencius 
potes,  mittere  vel  scribere  seeundum  exigenciam  non  re- 
tardes. 

Datum  Arimini  III.  kalendas  martii,  pontificatus  nostri 
anno  oetavo. 

G.  de  Imola. 
Orig.  in  perg. 


Nachrichten. 


1 .     Erschienen  sind : 

Von  der  Abtheilung  Auetores  antiquissimi :  T.  XI, 
pars  I,  Chronica  minor a  saec.  IV.  V.  VI.  VII, 
voluminis  II  fasciculus  II,  ed.  Th.  Mo  mm  sen 
(Inhalt :  Isidori  iunioris  ep.  Hispal.  historia  Gotho- 
rum  Wandalorum  Sueborum  ad  a.  624  mit  9  Addi- 
tamenten,  zu  deren  viertem,  der  Contin.  Byzantia 
Arabica  a.  741,  Th.  Nöldeke  einen  kleinen  Bei- 
trag- geliefert  hat;  Isidori  iunioris  ep.  Hispal.  chro- 
nica maiora  ed.  primum  a.  615  und  chronicorum 
epitome  a.  627  mit  4  Additamenteii ;  Berolini  1894). 

Von  der  Abtheilung  Leges  in  der  Octavserie  der 
Fontes  iuris  Germanici  antiqui:  Leges  Visigotho- 
rum  antiquiores  ed.  Karolus  Zeumer;  Hinc- 
marus  De  ordine  palatii  ed.  Victor  Krause 
(beides  Hannoverae  1894). 

Von  der  Abtheilung  Epistolae :  Epistolae  sae- 
culiXIII.  e  regestis  pontificum  Eomanorum  se- 
lectae  per  G.  H.  Pertz  ed.  Carolus  Rodenberg 
T.  III  (Berolini  1894). 

2.  Von  den  Geschichtschreibern  der  deutschen  Vor- 
zeit ist  erschienen:  Der  sächsische  Annalist,  über- 
setzt von  E.  Winkelmann,  2.  Aufl.  neu  bearbeitet  von 
W.  Wattenbach  (Leipz.  1894). 

3.  E.  Steindorff  verdanken  wir  eine  neue  (die  6.) 
sehr  sorgfältig  gearbeitete  Auflage  von  Dahlmann-Waitz' 
Quellenkunde  der  deutschen  Geschichte  (Göttin- 
gen,   Dieterich    1894).      Nicht    nur,    dass   der  Umfang   des 


238  Nachrichten. 

unentbehrlichen  Werkes  und  die  Zahl  der  verzeichneten 
Schriften  im  Vergleich  zu  der  5.  Auflage  ungemein  ge- 
wachsen sind  (730  statt  341  Seiten,  6550  Nummern  ohne 
die  Nachträge  statt  3753);  auch  an  der  Anordnung  und 
Einrichtung  des  Buches  und  vor  allein  am  Register  hat 
St.  viele  sehr  empfehlenswerthe  Neuerungen  und  Verbesse- 
rungen vorgenommen. 

4.  Von  Ulysse  Chevalier  ist  der  Anfang  eines 
neuen  nützlichen  Hülfsmittels  für  unsere  Studien  erschie- 
nen :  Repertoire  des  sources  historiques  du  moyen  äge.  Topo- 
Bibliographie  (Montbeliard,  Hoff  mann  1894).  Unter  den 
modernen  Ortsnamen,  aber  auch  unter  sachlichen  Schlag- 
worten sind  hier  reichhaltige,  wenn  auch  nicht  immer  ganz 
vollständige  bibliographische  Nachweisungen  gegeben.  Selt- 
sam berührt  in  einem  so  trockenen  Nachschlagebuch  der 
wiederholte  Ausdruck  eines  lächerlichen  Chauvinismus; 
hinter  dem  Schlagwort  Alsace  liest  man  z.  B. :  province 
de  France  (Haut-  et  Bas-Rhin)! 

5.  Eine  kurze  Uebersicht  über  die  Entwickelung  des 
Studiums  der  mittelalterlichen  Geschichtsquellen  giebt  die 
Einleitungs-Vorlesung  von  C.  Merkel  in  Pavia:  'Gli  studi 
intorno  alle  cronache  del  medio  evo  considerati  nel  loro 
svolgimento  e  nel  presente  loro  stato'  (Torino,  Clausen 
1894). 

6.  In  einer  Erlanger  Rektoratsrede  (1893)  hat  F.  von 
Bezold  die  Anfänge  der  Selbstbiographie  und  ihre  Ent- 
wickelung im  Mittelalter  feinsinnig  dargelegt.  Ueber 
Augustin s  klassisches  Werk  hinaus  verfolgt  er  ihre 
Spuren  in  den  Ich-Romanen  und  Legenden  der  ersten 
christlichen  Zeit;  er  findet  sie  wieder  in  den  aus  dem 
strengen  Geist  der  mönchischen  Reform  hervorgegangenen 
Selbstbetrachtungen  eines  Ratherius,  Otloh,  Guibert 
von  Nogent,  über  deren  Einseitigkeit  sich  Petrus 
Abälard  in  der  Schilderung  seines  Unglücks  erhebt.  Mit 
Dantes  Vita  Nuova  und  Petrarca  tritt  die  Selbst- 
biographie aus  der  Beschränkung  auf  die  geistlichen  Kreise, 
in  denen  sie  ihren  Ursprung  genommen,  in  ein  neues 
Stadium.  H.  Bl. 

7.  Zu  der  Vermählungsfeier  unseres  Mitarbeiters 
H.  Simonsfeld  hat  G.  Mazzatinti  in  Forli  4  Bücher- 
kataloge saec.  XIV.  XV.  herausgegeben,  von  denen  drei 
sicher,  der  vierte  wahrscheinlich  sich  auf  die  Bibliothek 
von  S.  Francesco  d'Assisi  beziehen. 


Nachrichten.  239 

8.  Von  dem 'Beschreibenden  Verzeichnis  der  Hand- 
schriften der  Stadtbibliothek  zu  Trier'  von  M.  Keuffer 
ist  das  dritte  Heft  erschienen  (Trier,  Lintz  1894),  eine  sehr 
sorgfältige  und  genaue  Beschreibung  der  Predigthand- 
schriften, n.  215 — 353.  Auf  die  Verwechslung  des  Paulus 
Cholner  mit  Paul  von  Bernried  bei  n.  327  ist  schon  von 
anderer  Seite  aufmerksam  gemacht  worden. 

9.  In  den  Sitzungsber.  der  Berliner  Akademie  der 
Wissensch.  vom  8.  März  d.  J.,  S.  261 — 273,  handelt  Harnack 
über  eine  von  P.  Morin  (Anecdota  Maredsol.  II)  jüngst 
veröffentlichte  latein.  Uebersetzung  des  echten  Clemens- 
briefes. Abgefasst  im  2.  Jahrh.  und  wichtig  für  die 
Herstellung  des  Textes,  wird  sie  uns  durch  eine  aus 
Florennes  stammende  Hs.  des  11.  Jahrh.  überliefert.  In 
dieser  sind  einige  Stellen  des  Textes  im  hierarchischen 
Sinne  verfälscht,  und  es  bleibt  die  Frage,  ob  dies  schon 
in  pseudoisidorischer  Zeit  geschehen  sei  oder  etwa  unter 
cluniacensischem  Einfluss  im  11.  Jahrh.  Das  Original  der 
neu  entdeckten  Hs.  scheint  in  Lobbes  gesucht  werden  zu 
müssen.  E.  D. 

10.  Die  N.  A.  XIX,  250  n.  13,  angekündigte  ausführ- 
liche Besprechung  von  Fr  ick  s  Ausgabe  der  Chronica 
minor a  durch  K.  J.  Neumann  befindet  sich  in  der 
Deutschen  Literaturzeitung  1894,  n.  8,  S.  552  ff. 

11.  Der  5.  und  letzte  Band  der  von  Rühl  muster- 
haft herausgegebenen  Kleinen  Schriften  A.  v.  Gutschmids 
(Leipzig  1894)  führt  uns  in  das  Mittelalter.  Wir  begegnen 
darin  wieder  der  Kritik  des  Vincentius  Kadlubek, 
bisher  ungedruckten  Aufsätzen  über  Ammianus  Marcellinus 
und  Ethikus,  dessen  Kosmographie  hier  vor  Fredegar 
zwischen  630  und  640  angesetzt  wird.  Sehr  dankenswerth 
ist  auch  der  Abdruck  vieler  Recensionen,  die  stets  an- 
regend und  von  selbständigem  Werthe  sind.  Hier  ver- 
dienen besonders  die  auf  Sulpicius  Severus  und  Jor- 
danis  bezüglichen  hervorgehoben  zu  werden.  Manches 
andere  geht  mehr  die  byzantinische  Geschichte  an.       E.  D. 

12.  Als  Questions  Merovingiennes  VII  bringt  die 
Bibliotheque  de  1  ecole  des  Chartes,  LIV,  597  ff. ;  LV,  5  ff., 
die  nachgelassene  Arbeit  des  um  die  kritische  Erforschung 
der  Merovingerzeit  so  hoch  verdienten  Julien  Ha vet:  les 
actes  des  eveques  de  Mans.  Die  Gesta  Aldrici  erklärt  er 
vielfach  übereinstimmend  mit  Waitz,  SS.  XV,  304,  für  eine 
um  840  geschriebene  Selbstbiographie  des  Bischofs,  die  Actus 


240  Nachrichten. 

pontificum  Cenomanensium  für  eine  zwischen  850 — - 
856  entstandene  Arbeit  seines  Chorbischofs  David.  Die 
Urkunden  der  Gesta,  auch  die  beiden  der  Merovingerzeit, 
hält  Havet  für  echt ;  bei  denen  der  Actus  sondert  er  sorg- 
fältig von  den  zahlreichen  Fälschungen  die  Stücke,  die  er 
ganz  oder  doch  in  einzelnen  Theilen  als  echt  betrachtet 
wissen  will.  —  Die  Pseudo-Isidorischen  Dekreta- 
lien  sind  in  den  Actus  benutzt;  Simsons  Annahmen  über 
ihre  Entstehung  lässt  H.  nur  insoweit  gelten,  dass  er  ihre 
Fälschung  in  Le  Maus  in  der  Umgebung  Aldrichs  als 
möglich  zugiebt.  H.  Bl. 

13.  H.  Suchier  behandelt  in  Gröbers  Zeitschr.  für 
Romanische  Philologie  XVIII,  175  — 194  die  bekannten 
Verse  in  der  V.  Faronis  über  Chlothars  II.  Sachsenkrieg, 
setzt  sie  richtig  in  das  9.  Jahrh.  und  erhebt  entschieden 
Einspruch  gegen  die  Versuche  Rajnas  und  Kurths,  die 
Existenz  eines  französischen  Volksepos  zur  Zeit  der  Mero- 
winger  aus  ihnen  zu  deducieren.  Meines  Erachtens  dürfen 
sie  aber  auch  nicht  als  Bruchstücke  eines  Karolingischen 
Volksepos  aufgefasst  werden ;  sondern  als  Belegstellen 
Hildegars  für  Faro's  Eingreifen  in  die  politischen  Ereig- 
nisse, für  welches  die  benutzte  Quelle,  der  L.  h.  Fr.,  nicht 
den  mindesten  Anhalt  bot,  sind  sie  dringend  verdächtig, 
gefälscht  zu  sein.  Die  Vermuthung,  dass  ein  fränkisches 
Lied  aus  dem  8.  Jahrh.  die  Quelle  des  L.  h.  Fr.  sei,  lässt 
sich  durch  nichts  begründen,  und  bisher  hat  die  kritische 
Untersuchung  der  Fabeleien  in  den  fränkischen  Geschichts- 
quellen immer  nur  das  Resultat  geliefert,  dass  gelehrte 
Combination  ihnen  zu  Grunde  liegt.  Der  Cultus,  wel- 
chen die  Romanisten  mit  der  V.  Faronis  treiben,  wird 
hoffentlich  junge  Historiker  nicht  verleiten,  sich  diese 
schlechte  Quellenschrift  als  Versuchsfeld  zu  wählen. 

B.  Kr. 

14.  In  den  Melanges  d'archeologie  et  d'histoire  XIII, 
391  ff.  handelt  P.  Fabre  über  das  von  Paulus  Diaco- 
nus  II,  18  erwähnte  'oppidum  quod  Verona  appellatur', 
das  er  in  die  angebliche  Provinz  der  'Apenninae  Alpes'  ver- 
legt, vgl.  Mommsen,  N.  A.  V,  86  ff. ;  Waitz  ebenda  420. 
F.  zeigt,  dass  es  wirklich  eine  von  der  Stadt  an  der  Etsch 
verschiedene  Oertlichkeit  'Verona'  ('Massa  Verona',  'Vallis 
Veronae)  gegeben  hat,  die  zuerst  967  als  zur  Grafschaft 
Arezzo  gehörig  erwähnt  wird.  Hier  habe,  wie  er  meint, 
das  'oppidum  Verona'  des  Paulus  gelegen,  vielleicht  an  der 
Stelle  des  heutigen  Pieve  San  Stefano. 


Nachrichten.  241 

15.  In  der  Zeitschr.  für  Gesch.  des  Oberrheins  N.  F. 
IX,  215 — 220  erläutert  und  verbessert  B.  v.  Sinison  eine 
verderbte  Stelle  in  dem  Wiener  Regino  codex  und  giebt 
ausserdem  einige  Nachträge  zu  seinem  früheren  Aufsatz 
über  die  Annal.  Mettenses  (N.  Arch.  XV,  557),  deren 
bis  805  reichende  Quelle  er  aus  ihren  Ableitungen  herge- 
stellt zu  sehen  wünscht.  E.  D. 

16.  Im  Historischen  Jahrbuch  XV,  373  f.  giebt 
F.  Kampers  Nachricht  von  einer  jetzt  in  Privatbesitz 
befindlichen  Hs.  des  Klosters  Nordhorn,  welche  die  Vita 
Anskarii  des  Rimbert  enthält.  H.  Bl. 

17.  In  der  von  den  Jesuiten  zu  Paris  herausgege- 
benen Monatsschrift  'Etudes  relig.  phil.  histor.'  etc.  t.  LXI, 
444 — 475  beschäftigt  sich  P.  Lapötre  in  Verfolg  seiner 
Studien  über  Johann  VIII.  (vgl.  N.  A.  XVI,  646,  n.  225) 
mit  dem  sogen.  Libellus  de  imper.  potest.  in  urbe 
Roma,  welchen  er,  mit  Jung  übereinstimmend,  als  eine 
glaubwürdige  Quelle  für  die  Politik  jenes  Papstes  be- 
trachten will.  Abweichend  von  allen  seinen  Vorgängern, 
setzt  er  die  Entstehung  bereits  in  das  Jahr  897/898  un- 
mittelbar vor  die  Synode  zu  Ravenna  und  hält  für  den 
Urheber  einen  Langobarden  aus  Rieti,  der  auf  Anregung 
der  Kaiserin  Ageltrude  im  spoletinischen  Interesse  schrieb. 

E.  D. 

18.  'Heldenlieder  der  deutschen  Kaiserzeit'  will 
W.  Gundlach  durch  eine  nach  neuem  Plane  angelegte 
Sammlung  von  Uebersetzungen  weiteren  Kreisen  zugänglich 
machen.  Der  erste  Band:  Hrotsvithas  Otto-Lied 
(Innsbruck,  Wagner  1894)  giebt  das  Epos  in  einem  frei 
erfundenen  Versmass  wieder  und  sucht  durch  eine  umfas- 
sende Einleitung  und  durch  Uebersetzung  charakteristischer 
Stücke,  namentlich  aus  Widukind  und  Liudprand,  in 
die  Geschichte  und  Litteratur  der  sächsichen  Kaiserzeit 
einzuführen.  —  S.  153  ff.  wird  gegen  Kurze's  Annahme  von 
der  Entstehungszeit  und  Eintheilung  der  Chronik  Thiet- 
mars  Einspruch  erhoben.  H.  Bl. 

19.  Gegen  W.  Ketrzynski  (Mon.  Polon.  hist.  IV, 
206 ;  Przewodnik  naukowy  i  literacki  XII,  1  ff.)  tritt  R.  F. 
Kaindl  (Mittheilungen  des  Vereins  für  die  Geschichte  der 
Deutschen  in  Böhmen  XXXII,  338  ff.)  für  die  Abfassung 
der  ältesten  Adalbertslegende  durch  Canaparius  ein 
und  bringt  neue  Gründe  dafür,  dass  ihre  Umarbeitung  durch 
Brun  von  Querfurt   erfolgt  ist.     Ueber  die  Zeit  dieser 

Neues  Archiv  etc.     XX.  16 


242  Nachrichten. 

neuen  Redaktion  handelt  er  in  den  Beiträgen  zur  älteren 
ungarischen  Geschichte  (Wien,  Perles  1893)  S.  62  ff.  Eben- 
dort  S.  29  ff.  wird  über  Bruns  Mission  bei  den  'nigri  Ungri' 
gesprochen.    Vgl.  N.  A.  XVIII,  703,  n.  104.  H.  Bl. 

20.  Eine  sehr  eingehende  und  sorgfältige  Unter- 
suchung widmet  G.  Meyer  von  Knonau  im  2.  Band 
der  Jahrb.  des  deutschen  Reichs  unter  Heinrich  IV.  und 
Heinrich  V.  Excurs  I  (vgl.  auch  Excurs  III — VII)  der  Frage 
nach  der  Glaubwürdigkeit  Lamberts  von  Hersfeld. 
Während  er  in  der  Kritik  der  von  diesem  gebotenen  Ueber- 
lieferung  vielfach  ebenso  weit  geht,  wie  Holder -Egger  in 
seinen  in  dieser  Zeitschrift  veröffentlichten  Untersuchungen, 
weicht  er  in  Bezug  auf  die  Beurtheilung  Lamberts  selbst 
und  seiner  Absichten  erheblich  von  jenem  ab  und  steht 
dem  Standpunkt  näher,  den  Wattenbach  und  gelegentlich 
auch  ich  vertreten  haben.  Auch  aus  Dieffenbachers  Aus- 
führungen nimmt  er  mehr  auf  als  Holder -Egger;  völlig 
überein  stimmt  er  mit  letzterem  in  der  Abweisung  der 
Hypothese  Pannenborgs. 

21.  Im  VIII.  Excurs  der  eben  erwähnten  Jahrbücher 
bespricht  Meyer  von  Knonau  die  von  Pertz  als  Ann. 
Bertholdi  edierte  Geschichtsquelle.  Während  er  den 
Text  bis  1066  —  von  SS.  XIII  —  als  verkürzte  Annalen 
Bertholds  ansieht  und  in  der  Compilation  von  St.  Blasien 
von  1066 — 1075  von  Fall  zu  Fall  eine  Entscheidung  über 
die  Autorschaft  Bertholds  oder  anderer  Verfasser  für  nöthig 
erklärt,  sondert  er  die  Fortsetzung  von  1075  ab  bestimmt 
von  allem  Vorangehenden,  spricht  sich  aber  über  Ursprung 
und  Gestaltung  dieser  Fortsetzung  m.  E.  mit  vollem  Recht 
sehr  vorsichtig  aus. 

22.  In  den  Historischen  Untersuchungen,  Ernst  Förste- 
mann  zum  fünfzigjährigen  Doctorjubiläum  gewidmet  von 
der  Historischen  Gesellschaft  zu  Dresden  (Leipzig,  Teubner 
1894)  S.  71  ff.  handelt  M.  Manitius  über  die  hypothetische 
sächsische  Quellenschrift  (Wattenbach  II6,  434.  84.  339. 
440)  mit  Nachrichten  über  die  Zeit  Heinrichs  IV.,  deren 
Spuren  sich  namentlich  in  den  Ann.  Disibodenb.  und  bei 
Helmold  erkennen  lassen.  Helmold  und  Albert  von  Stade 
haben  sie  nach  M.  nur  mittelbar,  die  Ann.  Rosenveldenses 
gar  nicht  benutzt. 

23.  Die  reichhaltige  Schrift  von  C.  Mirbt,  Die 
Publicistik  im  Zeitalter  Gregors  VII.  (Leipzig  1894) 
erfordert   hier   nur  so  weit  eine  Besprechung,    als   die  Be- 


Nachrichten.  243 

urtheilung  der  dem  Werke  zu  Grunde  liegenden  Quellen 
von  der  in  den  beiden  Libellibänden  vorgetragenen  ab- 
weicht. Ueber  die  Schrift  De  ordinando  pontifice  auctor 
Gallicus  cf.  N.  A.  XIX,  708 ;  p.  9  werden  einige  Schriften 
des  Petrus  Damiani  besprochen,  die  in  Libelli  I  nicht  auf- 
genommen wurden.  P.  18  wird  die  p.  629  vorgetragene 
Hypothese  angenommen  und  erweitert,  ebenso  der  Vermu- 
thung  p.  628,  dass  das  Gedicht  über  die  Einnahme  Eoms 
(Lib.  I,  433)  von  Petrus  Crassus  herrühre,  beigestimmt. 
Auf  p.  27  sucht  Verf.  die  Schwierigkeiten,  die  bezüglich 
der  Abfassungszeit  der  Schrift  des  Manegold  bestehen,  im 
Sinne  des  Herausgebers  auszugleichen.  P.  34  hat  Mirbt 
entgegen  früheren  Aeusserungen  die  Sdraleksche  Hypothese 
bezüglich  der  Autorschaft  Altmanns  v.  Passau  am  Liber 
canonum  fallen  lassen.  P.  37  wird  die  Erwähnung  eines 
Apologeticus  bei  Bernold  Lib.  II,  102  weder  auf  Bernolds 
Schrift  dieses  Namens  noch  auf  Libellus  III  mit  Thaner, 
sondern  wohl  mit  mehr  Recht  auf  eine  verlorene  Schrift 
bezogen.  Auf  p.  51  spricht  M.  die  Vermuthung  aus,  dass 
die  im  Liber  de  unitate  eccles.  erwähnte,  im  Liber  cano- 
num benutzte  Hirschauer  Schrift  von.  Markward  von  Cor- 
vey  verfasst  und  an  Hartwig  v.  Magdeburg  adressiert  war. 
Auf  p.  55  bemüht  sich  M.  wieder,  die  Autorschaft  Wal- 
rams  von  Naumburg  für  den  Liber  de  unitate  ecclesiae  zu 
retten  oder  doch  als  möglich  hinzustellen.  Es  genügt  dem 
gegenüber,  auf  die  letzten  Aeusserungen  Holder -Eggers, 
N.  A.  XIX,  201,  N.  2  zu  verweisen.  Auf  p.  79  hält  M. 
den  Correspondenten  Hildeberts  v.  Le  Mans,  in  dem  ich 
einen  Deutschen  sah,  wohl  mit  mehr  Recht  für  einen 
Italiener.  Die  p.  79  besprochene  Epistola  de  vitanda 
missa  uxoratorum  sacerdotum  wird  Lib.  III  ediert,  Adressat 
und  Verfasser  dort,  wie  ich  glaube,  mit  ziemlicher  Sicher- 
heit festgestellt  werden.  Auf  p.  80,  N.  9  giebt  der  Heraus- 
geber eine  dankenswerthe  Liste  der  verlorenen  Streit- 
schriften, von  denen  wir  Kenntnis  haben.  P.  203  werden 
Deusdedits  und  Anselms  Canonsammlungen  als  Arbeiten 
unmittelbarer  Zeitgenossen  nicht  ausreichend  gewürdigt; 
ihre  Verfasser  waren  Gregors  canonistische  Berather.  Den 
Dictatus  papae  benutzt  der  Verf.  weiter  als  Programm 
des  Papstes,  ohne  seinen  Standpunkt  meiner  negativen 
Kritik  gegenüber,  die  ihm  wohl  unbekannt  blieb,  zu  recht- 
fertigen. E.  Sackur. 

24.     Das   Verhältnis    der   drei   auf  uns   gekommenen 
Vitae   S.  Stephani   (vgl.  Wattenbach,  GQ.  II6,  210)   zu 

16* 


244  Nachrichten. 

einander  bestimmt  R.  F.  Kaindl  in  den  Studien  zu  den 
Ungarischen  Geschichtsquellen  (Wien  1894 ;  vgl.  dazu  auch 
Beiträge  zur  älteren  ungarischen  Geschichte  79  ff.)  dahin, 
dass  die  Vita  auctore  Hartwico  im  Anfang  des  12.  Jahrh. 
von  Hartwich  unter  Benutzung  der  etwas  älteren  Vita 
maior  verfasst  worden  sei,  dass  sie  dagegen  mit  der  Vita 
minor  ursprünglich  in  gar  keiner  Beziehung  stehe,  sondern 
erst  durch  den  Schreiber  des  Pester  Codex  um  1200  mit 
ihr  verbunden  worden  sei.  H.  Bl. 

25.  Im  Historischen  Jahrbuch  XV,  257  ff.  bestimmt 
G.  Ea  vi  sehen  für  die  Descriptio,  d.  i.  die  lateinische 
Legende  über  den  Zug  Karls  d.  Gr.  nach  Jerusalem  und 
Konstantinopel,  St.  Denis  als  Ort  und  die  Jahre  vor  1100 
als  Zeit  der  Entstehung.  —  Nachrichten  der  Descriptio 
bestimmen  ihn,  die  Fälschung  der  jüngst  so  viel  bespro- 
chenen Urkunde  Karls  d.  Gr.  für  Aachen  (vgl.  N.  A. 
XVIII,  714,  n.  168)  früher,  also  vor  dem  Ende  des  11.  Jahrh. 
anzusetzen.  H.  Bl. 

26.  Dem  Tübinger  Doctorenverzeichnis  1894  giebt 
B.  v.  Kugler  eine  Beschreibung  der  in  Deutschland  vor- 
handenen —  von  Bongars  und  in  den  Gesta  nicht  be- 
nutzten —  Hss.  der  Chronik  Alberts  von  Aachen  bei, 
von  denen  die  Darmstädter  (102  Historia  Hierosolymitana) 
bei  einer  von  Kugler  lebhaft  befürworteten  Neuausgabe 
besondere  Beachtung  verdienen  wird.  Sie  ist  auch  die 
älteste,  welche  die  Chronik  bezeichnet  als  'edita  ab  Adal- 
berto  canonico  et  custode  Aquensis  ecclesiae'.  Ein  von 
H.  Günter  angefertigtes  Variantenverzeichnis  ist  hinzugefügt. 

H.  Bl. 

27.  In  der  deutschen  Zeitschrift  f.  Geschichtswissen- 
schaft XI,  154  ff.  druckt  und  bespricht  H.  Bresslau  ein 
zwar  schon  veröffentlichtes,  aber  bisher  wenig  beachtetes 
Schriftstück  aus  einem  Magdeburger  Copialbuch,  durch 
welches  die  Existenz  eines  Bischofs  Marco  beglaubigt  wird. 
Damit  erhalten  Wiggers  Ausführungen  gegen  Schirrens 
Angriffe  auf  die  Glaubwürdigkeit  Helmolds  eine  er- 
wünschte Bestätigung.  —  Mit  diesem  Bischof  Marco  hängen 
ohne  Zweifel  auch  die  Nachrichten  der  Cronica  Saxo- 
num  bei  Heinrich  von  Herford  über  einen  Bischof 
Marcus  von  Fallersieben  zusammen.  H.  Bl. 

28.  In  der  Deutschen  Zeitschr.  f.  Geschichtswissensch. 
XI,  46  ff.    giebt  H.  Herre    sehr   dankenswerthe    genauere 


Nachrichten.  245 

Mittheilungen  über  die  Oxforder  Hs.  der  Pöhlder  Chro- 
nik (Ann.  Palidenses)  und  weist  starke  Benutzung  des 
Hydatius  und  Hieronymus  in  der  Einleitung  des  Werkes 
nach. 

29.  Im  neuesten  Hefte  des  Nuovo  Archivio  Veneto 
tom.  VII,  p.  5  ff.  hat  Sauerland  aus  einer  Hs.  der  Stadt- 
bibliothek in  Metz  (n.  8,  früher  im  Besitze  des  Barons  von 
Salis)  Annales  Veneti  des  12.  Jahrh.  veröffentlicht,  ohne 
zu  bemerken,  dass  die  Hs.  lediglich  eine  sehr  lückenhafte 
Copie  der  von  mir  vor  17  Jahren  zuerst  hier  (Bd.  I,  S.  397  ff.), 
dann  (durch  E.  Fulin)  im  nämlichen  Archivio  Veneto  tom.  XII, 
p.  335  ff.,  endlich  in  den  Monum.  Germ.  bist.  SS.  t.  XIV,' 
p.  69  ff.  veröffentlichten  Venetianer  Annalen  enthält.  Es 
fehlen  in  der  Metzer  Hs.  eine  Anzahl  der  wichtigsten  No- 
tizen, nur  am  Anfang  und  am  Schluss  finden  sich  einige 
wenige  (im  Ganzen  6)  andere.  Auch  einige  Lesefehler  kom- 
men vor.  H.  Simonsfeld. 

30.  In  den  Beiträgen  zur  älteren  ungarischen  Ge- 
schichte (vgl.  oben  S.  242,  N.  19)  S.  45  ff.  prüft  E.  F. 
Kai n dl  die  ungarischen  Nachrichten  des  Alberich  von 
Trois-Pontaines  und  glaubt,  für  dieselben  eine  schrift- 
liche Quelle  bis  zum  Ausgang  des  XI.  Jahrh.  annehmen 
zu  müssen.  H.  Bl. 

31.  Eine  lehrreiche  Untersuchung  über  Mag.  Gott- 
fried Hagen  und  sein  Buch  von  der  Stadt  Köln, 
das  nicht  als  Eeimchronik,  sondern  als  zur  Gattung  der 
politischen  Parteischriften  gehörig  anzusehen  ist,  veröffent- 
licht H.  Kellet  er  in  der  Westdeutschen  Zeitschr.  für 
Gesch.  u.  Kunst  XIII,  150  ff.  Die  Abfassungszeit  setzt  K. 
gegen  Cardauns  in  1270/71. 

32.  In  der  Zeitschr.  des  Bergischen  Geschichtsvereins 
XXIX,  167  ff.  hat  W.  Harless  aus  Cod.  B  117  der  Düssel- 
dorfer Landesbibliothek  die  ältere  Form  der  Altenberger 
Gründungssage  (Fundatio  Bergensis  coenobii)  mit  kri- 
tischen Erörterungen  herausgegeben,  die  nach  ihm  nicht 
lange  vor  dem  Ende  des  13.  Jahrh.  entstanden  ist. 

33.  In  der  Zeitschr.  f.  Gesch.  des  Oberrheins  N.  F. 
IX,  321  ff.  führt  A.  Cartellieri  den  Nachweis,  dass 
Nikolaus  von  Butrinto,  dessen  Leben  man  bisher  nur 
bis  zum  Sommer  1313  verfolgen  konnte,  im  Nov.  1314 
Generalvicar  des  Bischofs  von  Lausanne  gewesen  ist.  Gegen 
einige    daran    geknüpfte   Vermuthungen    über   Leben    und 


246  Nachrichten. 

Herkunft  des  Nikolaus,  die  Cartellieri  in  den  Landschaften 
am  Genfersee  sucht,  wendet  sich  G.  Sommerfeldt  im 
Jahrb.  der  Gesellschaft  f.  Lothr.  Gesch.  und  Alterthums- 
kunde  V,  223  ff.,  der  an  der  Luxemburgischen  Abkunft  des 
Geschichtschreibers  festhalten  will,  und  bei  dieser  Ge- 
legenheit die  Urkunde  Clemens  V.  vollständig  abdruckt, 
durch  welche  Nikolaus  zum  Bischof  von  Butrinto  er- 
nannt wird. 

34.  Im  Archivio  della  Societä  Rom.  di  storia  patria 
XIV,  503  ff.  bespricht  G.  Monticolo  den  Cod.  Barberini 
XXXII,  125  der  kurzen  Chronik  des  Dandolo,  der  aus 
einem  bisher  noch  nicht  wieder  aufgefundenen  Cod.  reg. 
Christinae  abgeschrieben  ist. 

35.  In  der  Römischen  Quartalschrift  VIII,  283  ff.  teilt 
Schmitz  zwei  Bullen  Gregors  XII.  mit,  aus  denen  u.  a. 
hervorgeht,  dass  Dietrich  von  Niem  auch  unter  diesem 
Scriptor  in  der  päpstlichen  Kanzlei  gewesen  ist.        H.  Bl. 

36.  In  der  Alemannia  XXII  (1894),  1  ff.  handelt 
P.  Joachimsohn  über  die  Augsburger  Stadtchro- 
niken des  15.  Jahrh.  Mit  Frensdorff  erklärt  er  sich  gegen 
Roth  dahin,  dass  die  anonyme  Chronik  bis  1469  und  Hek- 
tor  Mülich  auf  eine  gemeinsame  Quelle  zurückgehen, 
woneben  Mülich  jedoch  den  Anonymus  auch  direct  be- 
nutzt habe.  Er  sucht  dann  Inhalt  und  Umfang  des  ver- 
lorenen Werks  genauer  festzustellen,  namentlich  mit  Hülfe 
einer  weiteren  Ableitung  in  Cgm.  213.  Ein  zweiter  Ab- 
schnitt erörtert  die  Entstehungsgeschichte  der  Chronik  des 
Burkard  Zink. 

37.  Kurze  Memorialverse  über  die  Belagerung 
und  Eroberung  von  Broich  a.  d.  Ruhr  durch  Erzbischof 
Dietrich  von  Köln  1443  veröffentlicht  und  erläutert  Th. 
Ilgen  im  Correspondenzblatt  der  Westdeutschen  Zeitschr. 
f.  Gesch.  und  Kunst  1893,  n.  11. 

38.  Im  Correspondenzblatt  der  Westdeutsch.  Zeitschr. 
für  Gesch.  und  Kunst  1894,  S.  26  theilt  Keussen  eine 
Notiz  aus  dem  Kölner  Stadtarchiv  mit,  derzufolge  Simon 
Moulart,  Dechant  von  Heinsberg,  im  J.  1470  dem  Kölner 
Rath  einen  von  ihm  verfassten  'liber  compositus  metrice, 
rigmatice  et  prosaice  de  ortu,  victoria  et  triumpho  d. 
Karoli  ducis  Burgondie  moderni'  einsandte.  Diese  Schrift 
über  Karl  den  Kühnen  ist  leider  bisher  nicht  zu  Tage 
gekommen. 


Nachrichten.  247 

39.  In  der  Zeitsckr.  des  Bergischen  Geschichtsvereins 
XXIX,  171  ff.  hat  F.  Küch  eine  Chronik  des  Klosters 
Altenberg'  herausgegeben,  die  zwar  erst  1517  verfasst 
ist,  aber  ältere  Aufzeichnungen  benutzt. 

40.  Der  2.  Band  der  'Osnabrücker  Geschichts- 
quellen'  (Osnabrück,  Kackhorst  1894)  enthält  die  bis 
1553  reichende  niederdeutsche  Bischofschronik,  bearbeitet 
von  F.  Runge.  Es  ist  zunächst  eine  Uebersetzung  der 
Ertmannschen  Chronik  ohne  selbständigen  Werth,  dann 
deren  Fortsetzung  von  dem  I burger  Mönch  Diedrich 
von  Lilie. 

41.  Federico  Patetta,  La  'Lex  Frisionum'. 
Studii  sulla  sua  origine  e  sulla  critica  del  testo  1892, 
Memorie  della  r.  accademia  delle  scienze  di  Torino.  Ser.  II. 
T.  XLIII,  1893,  Scienze  morali,  storiche  e  filologiche 
S.  1 — 90.  Patetta  giebt  eine  sehr  eingehende  Untersuchung 
des  Rechtsbuchs,  deren  Ergebnis  ist,  dass  zwischen  den 
Jahren  785  und  790  das  uns  erhaltene  Denkmal  auf  Ge- 
heiss  des  Königs  aus  verschiedenartigen  Bestandtheilen 
angefertigt  sei.  S.  70  —  90  liefert  er  einen  Abdruck  des 
Textes.  W.  Sickel. 

42.  B.  Hübler,  Kirchliche  Rechtsquellen 
(Berlin,  Schulze  1893),  giebt  eine  auch  dem  Historiker  will- 
kommene Uebersicht  über  die  Sammlungen  des  kirchlichen 
Rechtsstoffes;  unter  den  abgedruckten  Urkunden  heben 
wir  das  Wormser  Konkordat  hervor.  H.  Bl. 

43.  Spicilegium  Casinense  complectens  analecta 
sacra  et  profana  e  codd.  Casinensibus  aliarumque  biblio- 
thecarum  collecta  atque  edita  cura  et  studio  monachorum 
S.  Benedicti  archicoenobii  Montis  Casini.  Tomus  I.  Typis 
archicoenobii  Montis  Casini  1888.  Der  kürzlich  erst  voll- 
endete Band  bringt  S.  331 — 333  die  von  Maassen  heraus- 
gegebene Synode  von  Mäcon  855,  S.  334 — 336  das  zu- 
letzt bei  Krause,  Capitularia  II,  65  —  68  gedruckte  Acten- 
stück  und  S.  343  f.  die  Mailänder  Synode  von  86  3, 
welche,  wie  S.  343  bemerkt  ist,  vor  Maassen  Allegranza, 
Opuscula  erudita  1781  ediert  hatte.  S.  363  —  368  stehen 
17  Formulae  epistolarum  ex  cod.  Casinensi  n.  439; 
S.  372  f.  ein  Fragment  des  Schreibens  Gregors  L,  Jaffe, 
Reg.  pont.2  1629;  S.  405  f.  eine  Stelle  aus  Gregor.  Hist. 
Franc.  II,  34,  S.  975  in  zwei  Texten.  W.  Sickel. 


248  Nachrichten. 

44.  In  den  Berichten  der  königl.  sächs.  Gesellsch. 
der  Wissensch.  vom  5.  Mai  1894  handelt  Alb.  Hauck 
'über  den  über  decretorum  Burchards  von  Worms'. 
Die  Quellen  dieses  Sammelwerkes  werden  im  Ganzen  nach- 
gewiesen und  die  eigenthümlich  freie  Art  ihrer  Bearbei- 
tung an  Beispielen  dargethan.  Als  Zweck  der  Sammlung 
ergiebt  sich,  ohne  kirchenpolitische  Tendenz,  nur  den 
gegenwärtigen  Rechtszustand  zu  sichern  und  dadurch  eine 
straffere  Ordnung  des  bischöflichen  Sprengeis  zu  begrün- 
den. Die  Benutzung  einer  alten  Freiburger  Hs.  zeigt,  dass 
nicht  nur  der  Druck  Burchards,  sondern  schon  die  hand- 
schriftliche Ueberlieferung  reich  an  Fehlern  ist,  die  nur 
zum  Theil  den  Abschreibern  zur  Last  fallen.  E.  D. 

45.  F.  Frensdorff  bestimmt  in  den  Nachrichten 
der  königl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Göttingen, 
Phil.-Hist.  Klasse,  I,  S.  36  ff.  die  Quellen  für  das  zusammen- 
hängende Stück  des  Sachsenspiegels  über  den  Land- 
frieden II,  66  —  III,  3,  und  bezeichnet  als  solche  für  den 
Theil  bis  II,  70,  §  1  einen  nicht  erhaltenen  Landfrieden, 
der  mit  der  Treuga  Henrici  und  dem  sächsischen  Land- 
frieden (vgl.  zu  diesem  Weiland,  Zeitschr.  f.  Rechtsgeschichte 
VIII,  113)  verwandt  ist.  Das  folgende  geht  auf  einen  Land- 
frieden zurück,  der  dem  Rheinfränkischen  (MG.  Constitu- 
tiones  I,  380,  n.  277)  nahe  steht.  In  einer  sich  daran  an- 
schliessenden Untersuchung  zeigt  Fr.  den  Sachsenspiegel 
mit  seiner  Behandlung  der  Fehde  im  Gegensatz  zu  dem 
Rechte  seiner  Zeit.  H.  Bl. 

46.  L.  v.  Rockinger  (Mittheilungen  der  phil.-hist. 
Klasse  der  kgl.  b.  Akademie  zu  München  1894,  S.  124  ff.) 
weist  auf  eine  Hermannstädter  Hs.  des  sog.  Schwaben- 
spiegels (beschrieben  in  der  Savigny- Zeitschr.  VI,  113  ff.) 
hin,  in  welcher  dieser  als  'Nuerenpergisch  Recht'  bezeichnet 
wird,  und  führt  des  weiteren  aus,  dass  irgend  welche  Be- 
ziehung des  Rechtsbuches  zu  Nürnberg  —  etwa  Bestäti- 
gung auf  dem  Nürnberger  Reichstag  1298  —  daraus  nicht 
geschlossen  werden  darf.  H.  Bl. 

47.  Eine  Hallenser  Dissertation  von  M.  G.  Schmidt 
(1894)  behandelt  die  staatsrechtliche  Anwendung  der  Gol- 
denen Bulle  bis  zum  Tode  König  (warum  nicht  Kaiser?) 
Sigmunds,  vielfach  im  Gegensatz  zu  den  Ausführungen 
Weizsäckers  und  seiner  Schüler  und  in  Uebereinstimmung 
mit  denjenigen  Th.  Lindners. 


Nachrichten.  249 

48.  Auf  die  neuerdings  mehrfach  behandelte  Contro- 
verse  über  den  Binger  Kurverein  (vgl.  N.  A.  XVIII,  709, 
n.  145;  XIX,  490,  n.  142)  kommt  in  der  Deutsch.  Zeitschr. 
f.  Geschichtswissensch.  XI,  63  ff.  E.  Brandenburg  zu- 
rück, der  sich  hinsichtlich  der  Datierung  der  Fassung  B 
Heuer  gegen  Lindner  anschliesst  und  die  verfassungs- 
geschichtliche Bedeutung  des  Vertrages  sogar  noch  höher 
veranschlagt,  als  Heuer  gethan  hatte. 

49.  In  den  Verhandlungen  des  hist.  Vereins  f.  Nieder- 
bayern XXX,  293  ff.  giebt  A.  Kalcher  die  Vilsbibur- 
ger  Stadt-  und  Markt  rechte  heraus,  beginnend  mit 
einem  herzoglichen  Privileg  von  1323. 

50.  De  Keure  van  Hazebroek  van  1336  hat 
Edw.  Gaillard  (Gent,  Siffer  1894)  mit  Facs.  und  sehr 
ausführlichen  Erläuterungen  herausgegeben. 

51.  Im  Neuen  Lausitz.  Magazin  LXX,  100  ff.  behan- 
delt R.  Je  cht  den  ältesten  Görlitzer  Liber  actorum 
im  Rathsarchiv  daselbst   1389  — 1413. 

52.  L.  Duchesne  will  in  einem  umfassenden  Werk : 
'Fastes  episcopaux  de  l'ancienne  Gaule'  (Paris,  Thorin  1894) 
die  Anfänge  der  gallischen  Bisthümer  bis  ins  9.  Jahrh. 
verfolgen;  der  vorliegende  1.  Band  beschäftigt  sich  mit 
den  südöstlichen  Provinzen.  Aus  dem  bei  der  Feststellung 
der  Bischofslisten  verwertheten  handschriftlichen,  zuweilen 
auch  inschriftlichen  Material  heben  wir  besonders  den  im 
Chron.  Novaliciense  erwähnten  Liber  episcopalis  eccl. 
Viennensis  des  Erzbischofs  Leodegar  (f  1070)  hervor, 
dessen  Restitution  Duchesne  versucht.  Auf  Grund  der 
Untersuchung  darüber  stellt  er  (vgl.  N.  A.  XVII,  448, 
n.  126)  die  von  Gundlach  behauptete  Einheitlichkeit  der 
Fälschung  der  Epistolae  Viennenses  in  Abrede  und 
weist  den  grösseren  Theil  derselben  (bis  auf  Leo  IX.  ein- 
schliesslich) in  die  Zeit  Leodegars  vor  1068.  Das  Schluss- 
capitel  behandelt  die  provencalischen  Legenden  der  h. 
Martha  und  der  h.  Magdalena. 

53.  E.  Marckwald,  Beiträge  zu  Servatus  Lupus, 
Abt  von  Ferneres  (Strassburg.  Diss.  1885;  gedruckt  erst 
1894),  giebt  eine  Uebersicht  über  die  Werke  des  Lupus 
und  ihre  Ueberlieferung.  Eine  Reihe  von  Briefen  werden 
anders  datiert,  als  in  der  neuen  Ausgabe  von  Desdevises 
du  Dezert.      Die  Varianten    der    für    diese    Ausgabe    nicht 


250  Nachrichten. 

benutzten    Berner    Hs.   141    und    der   Notizen    in    Daniels 
Handexemplar   werden   im   Anhange   verzeichnet. 

H.   Bl. 

54.  Im  Archivio  storico  italiano  XIII,  1  ff.  bringt 
N.  Festa  einen  wesentlich  verbesserten  Abdruck  der  vier 
griechischen  Briefe  Friedrichs  II.  (B.-F.  3811.  3820. 
3823.  3826),  durch  den  vor  allem  in  B.-F.  3823  die  von 
Ficker  bemerkte  Unordnung  gänzlich  beseitigt  wird.  Ab- 
weichend von  Ficker  setzt  Festa  B.-F.  3820  erst  in  den 
September  1250,  also  nach  3823,  und  hält  daher  an  der 
handschriftlichen  Reihenfolge  der  Briefe  fest.  Er  glaubt 
nicht,  wie  Wolff,  dass  sie  ursprünglich  lateinisch  konzi- 
piert seien,  sondern  nimmt  Herstellung  durch  einen  des 
Griechischen   kundigen,    süditalienischen   Schreiber   an. 

H.  Bl. 

55.  Eine  von  R.  Fester  in  der  Zeitschr.  f.  Gesch. 
des  Oberrheins  N.  F.  IX,  323  ff.  mitgetheilte  Instruction 
des  badischen  Gesandten  auf  dem  Konstanzer  Concil 
vom  19.  Decbr.  1414  giebt  von  Erbansprüchen  des  Mark- 
grafen Bernhard  von  Baden  auf  die  Pfalz  Kunde,  von  denen 
sonst  nichts  bezeugt  ist. 

56.  In  der  Zeitschr.  f.  vergleichende  Literaturgesch. 
N.  F.  VII,  129  ff.  zeigt  A.  Richter,  in  wie  ausgiebigem 
Masse  Enea  Silvio  in  seinen  Briefen  Horaz  geplündert 
hat :  ein  Brief  an  den  berühmten  Reichskanzler  Schlick  z.  B. 
ist  wesentlich  eine  Prosaumschreibung  der  Ode  an  Mäcen  1, 1. 
Bei  dieser  Gelegenheit  führt  R.  den  dankenswerthen  Nach- 
weis, dass  Schlick  1413  in  Leipzig  immatrikuliert  worden 
ist,  womit  eine  mehrfach  behandelte  Controverse  entschie- 
den wird.  ^ 

57.  Noch  ohne  Kenntnis  von  den  Aufsätzen  von 
K.  Norgate  und  Scheffer-Boichorst  erhalten  zu  haben  (vgl. 
N.  A.  XIX,  492,  n.  150),  handelt  J.  v.  Pf lugk-Harttung 
in  der  Deutschen  Zeitschr.  f.  Geschichtswissensch.  X,  323  ff., 
von  den  Briefen  Gregors  VII.,  Hadrians  IV.  und  Alexan- 
ders III.  über  Irland  (J.-L.  5059.  10056.  12174).  Im  End- 
ergebnis —  dass  sie  Fälschungen  sind  —  stimmt  er  mit 
Scheffer  überein ;  im  einzelnen  weicht  er  erheblich  von 
ihm  ab,  namentlich  indem  er  den  Bericht  des  Johann 
von  Salisbury  für  interpoliert  hält.  Als  Fälscher  von 
J.-L.  10056  und  12174  ist  er  geneigt,  Giraldus  Cambrensis 
anzusehen,    bei    dem    allein    sie    uns   überliefert   sind. 

H.  Bl. 


Nachrichten.  251 

58.  In  der  Römischen  Quartalschrift  VII,  486  ff.  giebt 
L.  Schmitz  Ergänzungen  zu  seiner  Uebersicht  über  die 
Publikationen  aus  den  päpstlichen  Registerbänden 
des   XIII.— XV.  Jahrb.;    vgl.    N.  A.   XIX,   258,   n.  47. 

H.   Bl. 

59.  In  der  Römischen  Quartalschrift  VII,  492  ff.  be- 
müht sich  R.  F.  Kaindl,  vermuthungsweise  eine  deut- 
lichere Vorstellung  von  der  Art  des  durch  Diekamp  be- 
schriebenen Verschlusses  der  päpstlichen  Privilegien  und 
Briefe  im   13.  Jahrh.  zu  geben. 

60.  Im  Historischen  Jahrbuch  XV,  51  ff.  veröffentlicht 
Dr.  Ratti liger  aus  einer  Hs.  der  Bibliothek  Barberini 
den  Liber  provisionum  praelatorum  Papst  UrbanV. 
Vgl.  dazu  die  auf  umfassenden  Studien  im  vatikanischen 
Archiv  beruhenden  Abhandlungen  von  K.  Eubel,  Rom. 
Quartalschrift  VII,  405  ff.  VIII,  170  ff. 

61.  In  den  Sitzungsber.  der  Berliner  Akademie  1894, 
n.  XX,  veröffentlicht  W.  Wattenbach  eine  merkwürdige 
Schrift  des  Mag.  Onulf  von  Spei  er  aus  der  Mitte  des 
11.  Jahrh.  über  die  colores  rhetorici  aus  Cod.Vindob.  2521. 
Mit  Recht  macht  W.  besonders  auf  den  Abschnitt  (cap.  4) 
aufmerksam,  in  welchem  die  zuletzt  von  Holder -Egger  in 
dieser  Zeitschrift  XIX,  404  ff.  im  Gegensatz  zu  Gundlach 
behandelte  Wortspielerei   der  Traductio    besprochen   wird. 

62.  Eine  interessante  und  gut  geschriebene  Studie 
von  C.  Sutter  (Freiburger  Habilitationsschrift  1894)  han- 
delt über  'Leben  und  Schriften  des  Magisters  Boncom- 
pagno',  der  unter  den  Lehrern  der  ars  dictandi  im 
13.  Jahrh.  eine  bedeutende  Rolle  spielte.  Aus  den  unge- 
druckten Schriften  des  B.  werden  in  den  Anmerkungen 
und  im  Texte  zahlreiche  Mittheilungen  gemacht;  der  lLiber 
qui  dicitur  Palma',  eine  Einleitung  in  die  Kunst  des  Brief- 
stils, ist  im  Anhang  vollständig  abgedruckt.  Leider  lässt 
die  Art,  wie  Sutter  die  mitgetheilten  Texte  behandelt,  zu 
wünschen  übrig. 

63.  In  den  Mittheil,  des  Inst,  für  Österreich.  Ge- 
schichtsf.  XV,  367—372  veröffentlicht  A.  Dop  seh  als 
erste  Frucht  seiner  französischen  Reise  (der  bald  weitere 
folgen  sollen)  aus  neuerer  Abschrift  eine  bisher  unbekannte 
Urkunde  Arnolfs  für  den  Priester  Egwolf  vom  1.  Nov. 
891  aus  Nimwegen,  die  sowohl  durch  die  Erwähnung  des 
Notars  Engilpero  interessant  ist,  als  noch  viel  mehr  durch 


252  Nachrichten. 

ihr  Datum,  aus  welchem  der  Herausgeber  mit  Wahrschein- 
lichkeit folgert,  dass  die  Schlacht  an  der  Dyle  um  den 
20.  Oct.  stattgefunden  haben  müsse.  E.  D. 

64.  Aus  den  Documents  inedits  pour  servir  ä  l'hi- 
stoire  ecclesiastique  de  la  Belgique,  publies  par  D.  U.  Ber- 
liere  Bd.  I  (Maredsous  1894)  verzeichnen  wir  die  Sammlung 
der  Urkunden  von  Florennes  1012  — 1299  (darunter 
ungedruckt:  Heinrich  II.  1018;  Konrad  II.  1033;  Hein- 
rich V.  1107  December;  J.-L.  4317  vollständig  mit  1051 
Januar  12,  u.  a.  Papsturkunden)  und  die  der  Reste  der 
Urkunden  von  Lobbes  1143  — 1231;  ferner  die  Gesta 
abbatum  monasterii  S.  Jacobi  Leodiensis  aus  dem 
Ende  des  XV.  Jahrh. ,  die  im  XIV.  Jahrh.  begonnene 
Chronik  der  Aebte  von  Eenam  und  ein  im  XIII.  Jahrh. 
angelegtes  Nekrolog  der  Abtei  S.  Martin  von 
Tournay.  H.  Bl. 

65.  In  einer  kurzen  Notiz  in  den  Atti  della  E.  Acca- 
demia  di  Torino  vol.  XXIX,  Sitzung  vom  18.  März  1894, 
tritt  C.  Cipolla  neuerdings  für  die  Originalität  des  D. 
Konrads  II.  für  Bergamo  St.  1911  ein.  Ich  muss  mein 
Urtheil  über  diese  Frage  von  erneuter  Prüfung  der  Urkunde 
selbst  abhängig  machen. 

66.  In  der  Westdeutschen  Zeitschrift  f.  Gesch.  und 
Kunst  XIII,  104  ff.  giebt  P.  Richter  nach  den  jetzt  im 
Koblenzer  Staatsarchiv  befindlichen  Originalen  einen  Neu- 
druck der  Diplome  für  Kloster  Springiersbach,  St. 
3460.  4125.  4810,  von  denen  er  das  erste  dem  J.  1144 
zuweist.  H.  Bl. 

67.  In  den  Atti  e  memorie  della  societä  storica  Sa- 
vonese  III  werden  in  38  Nummern  Regesten  der  Kaiser- 
urkunden  für  Savona  gegeben,  von  denen  ein  grosser 
Theil  im  2.  Theile  erstmals  veröffentlicht  worden  sind. 
Bisher  unbekannt  und  im  Anhang  abgedruckt  sind :  Fried- 
rich II.  undatiert  (Bestätigung  der  Privilegien),  Karl  IV. 
1364  December  15,  Sigmund  1414  Januar  10;  1415 
Januar  10.  H.  Bl. 

68.  Aus  dem  mit  kritischer  Sorgfalt  gearbeiteten 
Buche  von  K.  Hampe,  Geschichte  Konradins  von  Hohen- 
staufen  (Innsbruck,  Wagner  1894)  kommen  hier  in  Betracht 
Excurs  6,  in  dem  Peter  von  Prece,  ein  Kanzleibeamter 
Konradins,    als  Verfasser   der   Protestatio   Konradins 


Nachrichten.  253 

(B.-F.  4836)  bezeichnet  und  damit  ihre  Echtheit  gesichert 
wird;  ferner  der  Anhang,  in  dem  eine  bisher  unbekannte 
Urkunde  des  Bischofs  Eberhard  von  Konstanz  1270  März  24 
gedruckt  wird,  die  dessen  Verhältnis  zu  Konradin  be- 
leuchtet. H.  Bl. 

69.  Im  Pfälzischen  Museum  von  1894,  April  1,  be- 
richtet Dr.  Grünenwald  über  die  —  der  Mehrzahl  nach 
unbekannten  —  Kaiserurkunden  des  Archivs  zu  Neu- 
stadt a.  d.  Hardt,  21  an  der  Zahl,  von  1275  —  1582.  Es 
sind  Eudolf,  Weissenburg  1275  Apr.  6 ;  Albrecht,  Speyer 
1302  Jan.  3;  Ludwig,  Speyer  1330  Juni  7  und  Frankfurt 
1346  Febr.  18;  Karl  IV.,  Speyer  1349  Sept.  15  (2  Stücke); 
Wenzel,  Heidelberg  1378  März  7;  dann  aus  dem  15.  Jahr h. 
5  Urkunden  Ruprechts,  2  Sigmunds,  2  Friedrichs  III. 

70.  Im  Anhang  zu  der  grossentheils  auf  archivali- 
schen  Quellen  beruhenden  Schrift  von  J.  Becker,  Die 
Landvögte  des  Elsass  von  1308 — 1408  (Diss.  Strassburg 
1894 ;  auch  Programm  des  bischöflichen  Gymnasiums  da- 
selbst) werden  79  Regesten  bisher  unbekannter  Kaiser- 
urkunden  aus  der  Zeit  von  1311 — 1400  mitgetheilt. 

71.  In  der  Monatsschrift  für  Geschichte  und  Wissen- 
schaft des  Judenthums  (1894,  S.  371)  wird  die  Urkunde 
Karls  IV.  vom  4.  Oktober  1347  über  den  Judenzins 
(Huber  367)  von  M.  Popper  neugedruckt;  dass  sie  schon 
bekannt  ist,  scheint  der  Herausgeber  nicht  zu  wissen. 

H.  Bl. 

72.  Im  Anhang  zu  der  Abhandlung  von  W.  von 
Boetticher,  Die  Schlosskapelle  zu  Bautzen  (Neues  Laus. 
Magazin  LXX,  25  ff.)  sind  eine  Anzahl  Urkunden  mitge- 
theilt,   darunter  Karl  IV.,   Sulzbach  1354  Juni  6    (Huber 

1864). 

73.  Eine  sehr  interessante  Untersuchung  von  A.  Riegl, 
grossentheils  auf  Vorarbeiten  des  verstorbenen  A.  Fanta 
beruhend  und  von  einem  Nachwort  E.  von  Ottenthals 
begleitet  (Mitth.  d.  Inst.  f.  österr.  Geschichtsf.  XV,  193  ff.), 
enthüllt  die  umfassende  Fälscherthätigkeit  des  römischen 
Arztes  Alfonso  Ceccarelli,  der  in  den  70er  und  80er 
Jahren  des  16.  Jahrh.  eine  grosse  Anzahl  von  Kaiser- 
urkunden fabrikmässig  hergestellt  und  mit  diesem  Geschäft 
viel  Geld  verdient  hat,  worüber  er  in  seinen  Memoiren,  die 
uns  für  die  Jahre  1578 — 1580  erhalten  sind,  gewissenhaft 
Buch    geführt    hat.     Die    von    Fanta   und    Riegl    S.  227  ff. 


254  Nachrichten. 

aufgestellte,  vielleicht  noch  ergänzungsfähige  Liste  der 
Fälschungen  nmfasst  103  Nummern  von  Theodosius  bis  auf 
Friedrich  III. ;  freilich  war,  wie  Ottenthai  mit  Recht  be- 
merkt, ein  sehr  grosser  Theil  dieser  Fälschungen  nur  pro- 
jectiert,  indem  Ceccarelli  die  angeblichen  Urkunden  vor- 
läufig nur  citierte,  ihre  vollständige  Ausführung  aber  sich 
für  später  vorbehielt.  —  Zu  einem  einzelnen  Punkt  der 
Untersuchung  von  Riegl  und  Fanta  vgl.  oben  S.  195. 

74.  In  den  Mittheilungen  des  Vereins  f.  Gesch.  der 
Deutschen  in  Böhmen  XXXII,  317  ff.  beginnt  V.  Schmidt 
eine  Untersuchung  über  die  Urkundenfälschungen 
des  1462  gestorbenen  Ulrich  von  Rosenberg.  Er 
schreibt  ihm  22  Falsificate  zu:  2  von  Ottokar  II.,  5  von 
K.  Johann,  1  von  Karl  IV.,  2  von  Wenzel,  11  von  Sig- 
mund, 1  von  Ladislaus. 

75.  Angesichts  der  mancherlei  Schwierigkeiten,  welche 
die  Kritik  der  Königsurkunden  für  Kloster  Montamiate 
macht,  ist  die  Publication  einer  Anzahl  bisher  ungedruckter 
Montamiatiner  Privaturkunden,  welche  C.  Calisse 
im  Archivio  della  Societä  Rom.  di  storia  patria  XVI,  289  ff. 
begonnen  hat,  recht  dankenswerth.  Der  erste  Artikel 
bringt  28  inedita  von  819 — 1011,  alle  bezüglich  auf  den 
Klosterbesitz  im  Territorio  Romano. 

76.  Die  in  den  Niederlanden  in  letzter  Zeit  so  leb- 
haft erörtete  Frage  nach  der  Echtheit  der  wichtigen  Ur- 
kunde Graf  Dietrichs  V.  von  Holland  für  Egmond 
ist  zuletzt  behandelt  worden  von  A.  C.  Bon  dam,  Bij- 
dragen  voor  vaderlansche  geschiedenis  en  oudheidk.  3  r. 
8.  deel  (1894),  S.  1  ff.,  der  nachdrücklich  für  die  Urkunde 
eintritt  und  auch  andere  Egmonder  Aufzeichnungen  in  die 
Untersuchung  einbezieht. 

77.  In  dem  Neuen  Archiv  f.  sächs.  Gesch.  u.  Alter- 
thumskunde  XV,  27 — 40  handelt  Berth.  Schmidt  über 
die  verschollenen  Originalurkunden  des  im  Jahre  1536 
aufgehobenen  Cisterzienserstiftes  Grünhain  in  Sachsen, 
von  denen  5  im  Reussischen  Hausarchiv  zu  Schleiz  von 
ihm  wieder  aufgefunden  worden  sind.  Von  diesen  wird  die 
älteste  aus  dem  Jahre  1233  abgedruckt,*  der  Inhalt  der 
übrigen  mitgetheilt  und  erläutert.  E.  D. 

78.  Im  Anhang  der  Schrift  von  L.  Z  de  kauer,  Lo 
studio    di    Siena    nel    rinascimento    (Milano,    Hoepli   1894) 


Nachrichten.  255 

werden  26  Aktenstücke  ans  den  Jahren  1323 — 1500  zur 
Geschichte  der  Universität  Siena  mitgetheilt.  N.  26 
ist  ein  Inventar  der  Bibliothek  des  Mag.  Nicolö  di  Barto- 
lomeo  Borghesi. 

79.  In  der  Zeitschr.  d.  hist.  Vereins  f.  Schwaben  u. 
Neuburg  XX,  1  ff.  giebt  F.  X.  Glasschröder  Urkun- 
den zur  Geschichte  des  Augsburger  Bischofs  Mark  wart  I. 
von  Randeck  heraus  (1348 — 65),  darunter  Brief  Clemens  VI. 
an  Karl  IV.,  1348  Febr.  3;  D.  Karls  IV.,  1348  Dec.  21 
(Huber  798)  und  Urkunden  Markwards  als  Reichsstatthalter 
in  Italien  von   1356. 

80.  In  der  Zeitschr.  des  Bergischen  Geschichtsvereins 
XXIX,  1—132  veröffentlicht  G.  v.  Below  Urkunden  und 
Akten  zur  Gesch.  der  Steuern  in  Jülich  und  Berg,  be- 
ginnend mit  dem  15.  Jahrh. 

81.  Im  Programm  des  Gymnasium  Carolinum  zu 
Osnabrück  von  1894  (n.  317)  werden  im  Anhang  zu  einer 
Geschichte  des  Erzstifts  Mainz  unter  Diether  von  Isenburg 
und  Adolf  IL  von  Nassau  von  J.  Jäger  19  Urkunden 
(1460 — 1479)  aus  den  Archiven  von  Erfurt,  Würzburg  und 
Dresden  mitgetheilt. 

82.  Amaury  de  Ghellinck,  Cartulaire  de  l'abbaye 
de  Beaulieu,  1.  fascicule  (Bruges,  Plancke  1894)  enthält 
202  Nummern  von   1265—1500. 

83.  In  den  Bulletins  de  la  Comm.  royale  d'histoire 
de  Belgique  5.  Ser.  IV,  n.  1  hat  H.  Pirenne  den  Inhalt 
und  sechs  bisher  ungedruckte  Urkunden  eines  Chartu- 
lars  der  Stadt  Brüssel  (saec.  XIV.)  aus  einer  Berner  Hs. 
bekannt  gemacht,  die  mit  dem  ältesten  Theile  des  Brüsseler 
Corenboek  nahe  verwandt  ist. 

84.  Einen  beachtenswerthen  Beitrag  zur  Geschichte 
der  mittelalterlichen  deutschen  Urkundensprache,  in 
welcher  der  Kampf  zwischen  Schriftsprache  und  Mundart 
der  wichtigste  Vorgang  ist,  giebt  die  Strassburger  Disser- 
tation von  E.  Haendcke,  Die  mundartlichen  Elemente  in 
den  elsässischen  Urkk.  des  Strassburger  Urkundenbuchs 
(Strassburg,  Trübner  1894). 

85.  Die  7.  Lieferung  der  Neuausgabe  von  Böhmers 
Regesta  imperii  V  (1198 — 1272),  die  italienischen  und 
burgundischen  Reichssachen  enthaltend,  schliesst  den  Haupt- 
text dieser  von  F i c k e r  und  Winckelmann  bearbeiteten 


256  Nachrichten. 

Abtheilung  des  grossen  Regesten werkes  ab.  Nachträge 
und  Zusätze  zu  demselben  sollen  eine  besondere  Lieferung 
bilden.  H.  Bl. 

86.  Von  den  Regesten  der  Pfalzgrafen  am 
Rhein  (Innsbruck,  Wagner  1894)  sind  als  Schluss  des 
ersten  Bandes  Nachträge  und  ausführliche  Register  er- 
schienen. H.  Bl. 

87.  In  den  Verhandlungen  des  histor.  Vereins  für 
Niederbayern  XXX,  133  ff.  sind  von  A.  von  Ow  Ur- 
kundenregesten  aus  dem  Schlossarchiv  zu  Haiming 
a.  Salzach  mitgetheilt,  259  Nummern,  beginnend  mit  1330. 

88.  In  den  Mittheil,  der  Gesellschaft  f.  Erhaltung 
der  geschichtl.  Denkmäler  im  Elsass  2.  F.  XVII,  34  ff.  sind 
die  Regesten  der  Propstei  von  St.  Peter  zu  Colmar 
(vgl.  N.  A.  XIX,  263,  n.  72)  von  X.  Mo ss mann  bis  zum 
Jahre  1399  fortgesetzt. 

89.  J.  Schreiber,  Die  Vaganten -Strophe  der  mittel- 
lateinischen Dichtung  (Strassburg,  Schlesier  1894,  der  erste 
Theil  auch  Diss.  Strassburg)  untersucht  die  Carmina 
Burana,  deren  Textgestaltung  erheblich  gebessert  wird, 
vorwiegend  auf  ihre  poetische  Technik,  um  bestimmte 
Kriterien  für  ihre  Abfassungszeit  zu  gewinnen.  Uns  in- 
teressiert hier,  dass  Schreiber  durch  die  Ergebnisse  seiner 
Arbeit  zu  der  Ansicht  Giesebrechts  geführt  wird,  dass 
Walther  von  Chätillon,  der  Archipoeta  und  der 
Anonymus  von  S.  Omer  eine  und  dieselbe  Person 
seien.  H.  Bl. 

90.  P.  Lejay  veröffentlicht  in  der  Revue  de  Philo- 
logie de  Litterature  et  d'  Histoire  anciennes  XVIII,  42  ff. 
das  in  cod.  Paris.  Lat.  7530  enthaltene  Calendarium  und 
stellt  durch  Vergleich  mit  drei  andern,  sicher  aus  Monte 
Cassino  stammenden  Calendarien  die  gleiche  Herkunft  für 
dasselbe  fest.  Geschrieben  wurde  es  nach  ihm  in  der  zweiten 
Hälfte  778  oder  779  vor  Ostern.  Stammt  also  cod.  7530 
aus  Monte  Cassino  und  aus  dieser  Zeit,  so  wird  auch  da- 
durch, wie  L.  mit  Recht  betont,  die  Annahme  unterstützt, 
dass  das  darin  enthaltene  Carmen  de  speciebus  praeteriti 
perfecti  (MG.  Poetae  latini  I,  625 ;  vgl.  N.  A.  XV,  200)  von 
Paulus  Diaconus  herrührt.  H.  Bl. 

91.  In  der  English  Historical  Review  IX,  320  ff. 
macht  M.  Bateson  auf  ein  in  mehreren  Hss.  überliefertes 


Nachrichten.  257 

Werk  des  Halitgar  von  Cambrai  'de  vita  sacerdotum' 
aufmerksam,  von  dem  bisher  nur  das  dritte  Buch  gedruckt 
ist,  und  zwar  als  dritter  Theil  eines  Poenitentiale  des  Hra- 
banus  Maurus  (ed.  Colvenerius  VI,  111  ff.),  dessen  beide 
erste  Theile  gleichfalls  nicht  diesem  angehören,  sondern 
dem  bekannten  Poenitentiale  Halitgars.  H.  Bl. 

92.  In  den  Abhandlungen  der  Berliner  Akademie 
von  1894  handelt  E.  Dümniler  in  einem  inhaltreichen 
Aufsatz  über  Leben  und  Schriften  des  Mönches  Theoderich 
von  Amorbach,  den  man  weniger  zutreffend  auch  von 
Hersfeld  benannt  hat.  Ausser  zahlreichen  Anführungen 
kulturgeschichtlich  interessanter  Stellen  aus  seinen  Schriften 
in  den  Anmerkungen,  werden  die  Widmungsschreiben  an 
den  Abt  Richard  abgedruckt,  ferner  einige  Abschnitte  aus 
der  Illatio  S.  Benedicti,  der  Anfang  des  Commentars  zu 
den  canonischen  Briefen  und  ein  Abschnitt  daraus,  in 
dem  eine  in  Salzburg  unter  einem  schwer  zu  deutenden 
Erzbischof  Benzo  passierte  Wundergeschichte  erzählt  wird. 

93.  In  der  Festschrift  zur  Eröffnung  des  histor. 
Museums  in  Basel,  am  21.  April  d.  J.,  handelt  S.  151 — 158 
H.  Wölfflin  über  das  Grabmal  der  Königin  Anna, 
Gemahlin  Rudolfs  von  Habsburg  (f  1281),  und  ihres 
Kindes  Karl  im  Basler  Münster  und  zeigt,  dass  die  dasselbe 
schmückende  Platte,  von  der  eine  gute  Photographie  bei- 
gefügt wird,  sicher  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahrh.  angehört. 

E.  D. 

94.  J.  H.  Round  widerlegt  im  Genealogist,  April 
1894,  u.  d.  T.  Our  English  Hapsburgs:  a  great 
delusion,  den  Anspruch  der  Familie  Feilding,  zu  welcher 
die  Grafen  von  Denbigh  gehören,  abzustammen  von  Gottfried 
von  Laufenburg,  der  1271  starb.  Die  Genealogie  scheint 
im  17.  Jahrh.  erfunden.  F.  Liebermann. 

95.  Fast  ganz  auf  ungedrucktem  Material  des  Danziger 
Stadtarchivs,  namentlich  auf  den  sehr  wichtigen  Berichten 
der  Danziger  Feldhauptleute  an  den  Rath.  von  denen 
zahlreiche  Excerpte  in  den  Anmerkungen  mitgetheilt  werden, 
beruhen  die  schönen  Untersuchungen  von  M.  Baltzer, 
Zur  Gesch.  des  Danziger  Kriegswesens  im  14.  und  15.  Jahrh. 
(Programm  des  k.  Gymnas.  zu  Danzig  1893  n.  28). 

96.  In  den  Annales  de  la  societe  d'emulation  u.  s.  w. 
de  la  Flandre  5.  ser.  T.  4,  livr.  2  ediert  E.  Fey  s  den  vlä- 
misch  geschriebenen  Bericht  über  eine  Pilgerfahrt  des 
Anselm  Adornes  nach  dem  heiligen  Lande  1470. 

Neues  Archiv  etc.    XX.  17 


258  Nachrichten. 

97.  In  den  Melanges.  ~d' archeologie  et  d' histoire 
t.  XIV.,  225  ff.  hat  P.  Fabre  eine  interessante  Rechnung 
über  die  Einkünfte  aus  den  Spenden  am  Hauptaltar  und 
den  Nebenaltären  der  römischen  Peterskirche  aus  den 
Jahren  1285.  1286  herausgegeben  und  mit  gewohnter  Sach- 
kunde erläutert. 

98.  In  den  Melanges  d'archeologie  et  d' histoire  XIII, 
397  ff.  macht  Bourel  de  la  Ron  eiere  bemerkenswerthe 
Mittheilungen  aus  den  päpstlichen  Kammerregistern 
über  die  Ausrüstung  einer  für  einen  Kreuzzug  bestimmten 
päpstlich  -  französischen  Flotte   1318 — 1320. 

99.  In  der  Zeitschr.  f.  Gesch.  des  Oberrheins  N.  F. 
IX,  261  ff.  giebt  E.  Waldner  ein  sehr  interessantes  Ver- 
zeichniss  (aus  dem  Anfang  des  14.  Jahrh.)  über  die  Güter 
und  Rechte  der  Dompropstei  Konstanz  zu  Colmar 
heraus. 

100.  Aus  dem  verdienstlichen  Werke  des  Prof.  R. 
von  Fischer-Ben zon,  'Altdeutsche  Gartenflora'  (Kiel 
und  Leipzig,  Lipsius  und  Tischer  1894)  haben  wir  hier  auf 
die  im  Anhang  S.  181  ff.  gebotenen  Erläuterungen  zu  Mon. 
Germ.  Capitularia  I,  n.  128  c.  29.  37,  sowie  zum 
Capitulare  de  villis  I,  n.  32  c.  70  aufmerksam  zu 
machen,  die  v.  Fischer -Benzon  noch  nach  der  alten  Aus- 
gabe citiert.  Daran  schliessen  sich  Erläuterungen  zu  dem 
St.  Galler  Entwurf  eines  Klostergartens  aus  dem  9.  Jahrh., 
zum  Hortulus  des  Walahfrid  Strabo,  zu  deutschen 
Glossen,  die  nach  Eckhart  angeführt  werden,  und  besonders 
eingehend  zu  den  Pflanzennamen  in  der  Physica  der  h. 
Hildegard  von  Bingen. 

101.  Von  Cesare  Paoli's  dankenswerthen  Hand- 
büchern der  Lateinischen  Palaeographie  und  Diplomatik 
ist  ein  neues  Bändchen  erschienen,  das  die  'materie  scrittorie 
e  librarie'  behandelt,  also  Schreibstoffe  und  Schreibgeräth- 
schaften,  Herstellung  der  Handschriften,  Verbreitung  und 
Aufbewahrung  derselben. 

102.  W.  Schmitz  reproduciert  auf  132  Tafeln  die 
commentarii  notarum  Tironianarum  (Leipzig,  Teubner  1893). 
Der  beigegebene  Text  enthält  eine  eingehende  Beschreibung 
der  benutzten  Handschriften,  kritische  Bemerkungen  zu 
den  Tafeln,  ein  alphabetisches  Verzeichnis  der  darin 
erscheinenden  Worte  und  eine  kurze  Darlegung  der  Ent- 
stehung   der   Commentare,    in    der    gegen    L.    Traube    die 


Nachrichten.  259 

ältesten  Noten   wieder   auf   den  Dichter  Ennius   zurückge- 
führt werden. 

103.  In  den  Mittheil,  des  Instit.  f.  österr.  Ge- 
schichtsforschung XV,  372  f.  theilt  Th.  von  Sickel  aus 
einem  Pergamentblatt  saec.  XV.  in.  des  Vaticanischen 
Archivs  eine  Anleitung  zu  einer  Geheimschrift  mit. 

104.  Dem  uns  leider  hierorts  nicht  zugänglichen 
Prachtwerk  von  Otto  Posse,  Die  Siegel  der  Wettiner 
und  der  Landgrafen  von  Thüringen,  der  Herzöge  von 
Sachsen-Wittenberg  und  Kurfürsten  von  Sachsen  aus 
askanischem  Geschlecht  (Leipzig,  Giesecke  und  Devrient 
1893)  ist  eine  auch  separat  gedruckte,  sehr  lehrreiche 
Abhandlung  des  Herausgebers  über  Heraldik  u.  Sphragistik 
der  Wettiner  beigegeben,  in  der  auch  ungedruckte  Urkunden 
(z.  B.  S.  3  N.  4  die  merkwürdige  Bestallung  eines  Wappen- 
herolds des  Markgrafen  Friedrich  von  Meissen  vom  J.  1421) 
mitgetheilt  sind. 


Berichtigung. 

Da  die  Zeugen  des  Protocolls,  welches  ich  N.  A.  XIX,  575  ff. 
herausgab,  am  12.,  13.  und  31.  December  verhört  wurden,  als  Jahr  aber 
nur  1181  genannt  ist,  so  nahm  ich  einheitliche  Datierung  an.  Wie  jedoch 
die  hinzugefügten  Wochentage  beweisen,  ist  1180  gemeint,  so  dass  das 
angegebene  Jahr  1181,  als  mit  dem  25.  December  beginnend,  nur  auf  die 
Zeugenvernehmung  vom  31.  December  zu  beziehen  ist.  Auf  meine  Aus- 
führungen hat  der  Irrthum  übrigens  keinen  Binfluss. 

Scheffer-Boichorst. 


VII. 
Die 

Epistolae  Viennenses 

und 

die  älteste  Vienner  Chronik. 

Eine  Entgegnung. 

Von 

Wilhelm  Gundlach. 


Neues  Archiv  etc.     XX.  18 


Uie  in  dieser  Zeitschrift  veröffentlichten  Erörterungen 
über  die  Epistolae  Viennenses  l  haben  zu  dem  Ergebnis  ge- 
führt :  'Unter  dem  bestimmenden  Einflüsse  des  Erzbischofs 
Guido  von  Vienne  in  der  Zeit  von  1094  bis  1121  sind  die 
Vienner  Briefe  und  Urkunden  gefälscht,  in  der  Weise,  dass 
das  jüngste  Stück  später,  als  Guido  schon  den  Stuhl  Petri 
bestiegen  hatte,  den  übrigen  in  Vienne  noch  angefügt 
wurde,  trotzdem  aber  die  Gesammtheit  der  Epistolae  Vien- 
nenses demselben  Fälscher  beigelegt  werden  darf'2.  Weil 
mir  die  bestimmte  Nachricht  vorlag,  dass  die  —  angeb- 
lichen —  Originale  in  der  grossen  französischen  Staats- 
umwälzung zu  Grunde  gegangen  sind 3,  habe  ich  mich  der 
Nachforschung  nach  ihnen  für  überhoben  gehalten  und 
meine  Untersuchung  von  vornherein  auf  den  überlieferten 
Wortlaut  der  Briefe  beschränkt:  ich  habe  ihre  äussere 
Ausstattung  —  die  Formeln  —  und  ihren  Inhalt  geprüft 
und  dann  ihre  Einheitlichkeit  dargethan,  um  schliesslich, 
da  für  zwei  der  anscheinend  ältesten  Stücke  eine  Hs.  des 
11.  Jahrb..  benutzt  schien4,  und  zwei  unter  Guido  bren- 
nende Fragen  in  den  sechs  vorgeblich  jüngsten  behandelt 
waren5,  die  Fälschung  aller  der  Zeit  dieses  Erzbischofs 
zuzuweisen 6. 

Dieses  Ergebnis  ist  von  zwei  Angehörigen  der  Pariser 
Akademie,  Ulysse  Chevalier  und  Louis  Duchesne,  ange- 
fochten worden.  Indem  der  erstere  aus  der  Berner  Hs. 
A  9,  welche,  im  10.  Jahrh.  geschrieben,  zum  grössten  Theil 
(fol.  3 — 321')  die  Bibelübersetzung  des  Hieron ymns  enthält, 
die  älteste  Vienner  Chronik  —  sie  findet  sich  fol.  323'  — 


1)  'Der  Streit  der  Bisthümer  Arles  und  Vienne  um  den  Primatus 
Clalliarum'.  Zweiter  Theil.  N.  A.  XV,  11—102.  In  der  unter  gleichem 
Titel  veröffentlichten  Sonderausgabe  sind  die  Seitenzahlen  um  82  höher. 
2)  Ebd.  S.  102.  3)  Ebd.  S.  22  und  Anm.  1.  4)  Ebd.  S.  88— 90. 

5)  Ebd.  S.  90—101.  6)  Hierfür  ist  auch  noch  der  dritte  Theil  der  oben 
Anm.  1  angezogenen  Arbeit  von  Belang :  ebd.  S.  235—292  (in  der  Sonder- 
ausgabe S.  185  —  243). 

18* 


264  Wilhelm  Gundlach. 

herausgab1  und  dabei  entdeckte,  dass  in  derselben  der 
Zosirnus  -  Brief  der  Vienner  Sammlung  erwähnt  wird,  und 
indem  er  weiter  in  einem  andern  Aufsatze 2  die  Angabe 
der  Vienner  Chronik:  'Commemorat  hoc  beatus  Stepha- 
nus  pontifex  in  epistola  quadam  ad  principem  Francorum' 
auf  den  Paulus- Brief  der  nämlichen  Sammlung  deutete, 
folgerte  er,  dass  die  beiden  angezogenen  Briefe  schon  im 
10.  Jahrh.  vorhanden  gewesen  seien.  Duchesne  hat  zu- 
nächst eine  Besprechung  meiner  Arbeit  geliefert  3,  dann 
über  die  Vienner  Briefe  in  der  Sitzung  der  Academie  des 
inscriptions  et  belies  lettres  am  12.  Juni  1891  einen  Vor- 
trag gehalten4  und  endlich  im  ersten  Bande  seiner  Fastes 
episcopaux  de  l'ancienne  Gaule  (Paris  1894)  über  'Les  faux 
Privileges'  —  die  Vienner  Briefe  —  und  'Le  livre  episco- 
pal  de  l'archeveque  Leger'5  p.  162 — 206  gehandelt (::  er  ver- 
tritt überall  die  Meinung,  dass  die  Vienner  Briefe  in  zwei 

1)  'La  plus  ancienne  chronique  de  l'eglise  de  Vienne'  im  Bulletin 
d'  histoire  ecclesiastique  et  d'archeologie  religieuse  des  dioceses  de  Valence, 
Gap,  Grenoble  et  Viviers,  Xe  annee,  5e  livraison  (Septembre  -  Octobre 
1890)  p.  185 — 189.  2)  'Etüde  sur  les  catalogues  des  anciens  eveques 

de  la  province  de  Vienne1  in  der  Zeitschrift  L'universite  catholique.  Nou- 
velle  serie  V,   492  —  525  (Decembre  1890).  3)  Bulletin   critique  XII 

(1891),  241 — 245.  4)  Comptes  reudus  des  seances  de  l'annee  1891.  Qua- 
trieme  serie  XIX  (1892),  186.  5)   Hier   findet   sich  auch  'die  älteste 

Vienner  Chronik'  als  erster  Bestandtheil  des  'Liber  episcopalis  Viennensis 
ecclesiae'  (p.  179 — 188)  ohne  die  beiden  Verkürzungen,  welche  Chevaliers 
Ausgabe  unter  Justus  und  Avitus  leider  aufweist.  6)  Duchesne  hat  in 

seinem  zweiten  Capitel  'Les  metropoles  du  sud  -  est  et  la  primatie  d1  Arles' 
p.  84 — 140  auch  diejenigen  Fragen  berührt,  welche  ich  im  ersten  Theil 
meiner  Arbeit  über  Arles  und  Vienne  erörtert  habe,  sich  aber  darauf  be- 
schränkt, seine  Auffassung  zu  entwickeln,  ohne  sich  in  eine  Auseinander- 
setzung mit  mir  einzulassen:  'Les  sources',  begründet  er  sein  bequemes 
Verhalten,  'sont  assez  accessibles  pour  que  le  lecteur  qui  en  aurait  le 
desir  puisse  y  recourir  aisement  et  se  faire  une  opinion  personnelle1. 
Indem  ich  mir  darauf  bei  anderer  Gelegenheit  zurückzukommen  vorbe- 
halte, gehe  ich  hier  nur  auf  einen  allgemeineren  Vorwurf  ein.  "Wenn  er  mich 
(Bulletin  critique  XII,  243)  'par  une  distraction  singuliere'  zu  der  Meinung 
kommen  lässt,  'que  les  archeveques  d' Arles  et  de  Vienne  existaient  encore, 
qu' ils  se  disputaient  encore  les  suffragants  et  les  titres,  et  qu'ainsi  la 
question  n'etait  pas  tout  ä  fait  morte',  so  erwidere  ich  darauf,  dass  zwar 
jetzt  weder  in  Arles  noch  in  Vienne  ein  Erzbisthum  mehr  besteht,  dass 
beide  Erzbisthümer  aber  nicht  aufgehoben,  sondern  das  eine  sammt  £m- 
brun  mit  Aix,  das  andere  mit  Lyon  vereinigt  sind,  also  in  den  Erz- 
bischöfen von  Aix  und  Lyon  auch  heute  noch  die  Erzbischöfe  von  Arles 
und  Vienne  vorhanden  sind  (unio  aeque  principalis).  Duchesne  hätte  das 
deutlich  ausgesprochen  finden  können ;  S.  X  des  Sonderabzugs  heisst  es 
nämlich:  'Auf  Grund  der  Epistolae  Viennenses  führt  auch  jetzt  noch  der 
Erzbischof  von  (Lyon-)  Vienne  den  Titel  Primat  des  primats  des 
Gaules'.  In  der  vorliegenden  Arbeit  gebe  ich  mich  nur  mit  dem  neuen 
Material  ab,  welches  zur  Beurtheilung  der  Vienner  Briefe  inzwischen  bei- 
gebracht ist. 


Die  Epistolae  Viennenses  u.  die  älteste  Vienner  Chronik.     265 

Gruppen  zu  zerlegen  sind,  von  welchen  die  frühere,  die 
ersten  24  Stücke  umfassend,  schon  zur  Zeit  des  Erzbischofs 
Leodegar  (1030 — 1070)  da  war.  die  spätere,  mit  dem  Stücke 
Gregors  VII.    beginnend,    unter  Guido   hinzugefügt  wurde. 

Da  auch  für  das  Verfahren  Duchesne's  die  älteste 
Vienner  Chronik  von  Belang  ist,  so  dürfte  es  unumgäng- 
lich sein,  zuvörderst  ihren  Umfang  und  ihre  Anordnung 
zu  betrachten  und  ihren  Zusammenhang  mit  ähnlichen 
Vienner  Geschichtsquellen  zu  bestimmen. 

Die  Chronik  beginnt  mit  dem  ersten  Bischof  Crescens 
und  reicht  bis  auf  Avitus;  sie  zählt  in  der  Zeitfolge 
15  Vienner  Bischöfe  her.  in  der  Weise,  dass  Tag  und  Monat 
—  nicht  auch  das  Jahr  —  des  Todes  vorangestellt  wird 
und  danach  im  Genitiv  der  Name  des  stets  als  'episcopus 
Viennensis' gekennzeichneten  Bischofs  folgt;  daran  schliessen 
sich  bei  den  ersten  drei  Nachrichten  über  ihre  apostolische 
Sendung,  als  Zeitbestimmungen  die  Namen  der  römischen 
Kaiser  und  Chlodovechs.  unter  welchen  das  Bisthum  ver- 
laufen ist,  und  endlich  auch  kirchengeschichtliche  Angaben. 
Der  erste  Bischof  ist  z.  B.  so  angeführt: 

'IUI.  Kalendas  Ianuarii  —  sancti  Crescentis  Vien- 
nensis episcopi.  Traditur  primum  Crescentem  discipulum 
Pauli  apostoli  Gallias  venisse  et  Viennae  aliquod  temporis 
resedisse  hac  verbum  vite  ibi  primum  predicasse' ;  und  der 
zwölfte  Abschnitt  lautet: 

'III.  Nonas  Maii  —  sancti  Nicetae  Viennensis  epi- 
scopi, sub  quo  Iustus  sanctus  episcopus  Lugdunensis  mirae 
sanctitatis  vir  in  Aegipto  moritur;  quem  constat  nutrituni 
a  sancto  Paschasio  beatique  Claudii  diaconum  fuisse ;  noruit 
autem  temporibus  Graciani  et  Theodosii  augustorum'. 

Wenn  Chevalier  die  Chronik  auch  zuerst  herausgegeben 
hat,  so  hat  er  damit  dennoch  nicht  einen  bisher  unbe- 
kannten Wortlaut  veröffentlicht:  ein  Vergleich  lehrt  näm- 
lich, dass  die  Angaben  der  ältesten  Vienner  Chronik  fast 
wortgetreu  mit  den  Angaben  des  sogenannten  Hagiologiums 
übereinstimmen 1.  Dieser  Sachverhalt  lässt  sofort  die  Frage 
nach  dem  Verhältnis  beider  Ueberlieferungen  zu  einander 
aufwerfen. 

Das  Hagiologium  ist  weit  umfänglicher  als  die  Chro- 
nik: der  jüngste  in  ihm  behandelte  Bischof  ist  Leodegar, 
welcher  im  Jahre  1070  starb.  Könnte  man  daraufhin  ge- 
neigt sein,  das  Hagiologium  für  eine  Fortsetzung  der  ihm 


1)  Es   ist  herausgegeben  von  Chevalier   in   den  Documents  ingdits 
relatifs  au  Dauphine  2e  volume  (Grenoble  1868),  5e  livraison  p.  1—13. 


266  Wilhelm  Gundlach. 

einverleibten  Chronik  zu  halten,  so  macht  die  Anordnung 
der  einzelnen  Angaben  im  Hagiologium  den  Eindruck 
grösserer  Ursprünglichkeit:  sie  sind  nicht,  wie  in  der 
Chronik,  nach  der  Zeitfolge  der  Bischöfe,  sondern  nach 
den  vorangestellten  Gedächtnistagen  kalendermässig  anein- 
ander gereiht,  also  zu  einem  Todtenbuch,  als  dessen  Be- 
standteil man  jede  beliebige  Einzelangabe  zunächst  auf- 
fassen möchte,  zusammengestellt.  Aber  schon  Chevaliers 
Scharfblick  hat  erkannt,  dass  die  kalendermässige  Anord- 
nung auf  einen  willkürlichen  Eingriff  zurückzuführen  ist. 
Die  Angabe  über  den  Bischof  Pantagathus  von  Vienne, 
dessen  Todestag  der  17.  April  ist,  enthält  nämlich  die  Be- 
stimmung, 'qui  floruit  supradicti  Iustiniani  imperatoris 
temporibus'.  Da  nun  in  der  Kalenderordnung  vor  Panta- 
gathus  kein  einziger  Vienner  Bischof  als  unter  Justinian 
lebend  genannt  wird,  sondern  nur  in  der  Anordnung,  welche 
die  Aufeinanderfolge  der  Vienner  Bischöfe  zum  Ausdruck 
bringt,  unmittelbar  vor  Pantagatlms  der  Bischof  Domninus 
(Nov.  2)  und  vor  diesem  Iulianus  (April  22)  zu  stehen 
kommt,  von  welchen  der  eine  durch  die  Bemerkung:  'Hie 
sub  Iustiniano  seeundo  principe  floruit',  der  andere 
durch:  'Hie  sub  Iustiniano  imperatore  floruit'  bestimmt 
ist,  so  muss  die  Anordnung  der  Angaben  nach  der  Auf- 
einanderfolge der  Bischöfe  als  die  echte,  der  Aufzeichnung 
eigenthümliche  angesehen  werden1.  Nun  könnte  ja  noch 
immer  in  dieser  ursprünglichen  Gestalt  das  Hagiologium 
die  Vorlage  der  ältesten  Vienner  Chronik  gewesen  sein  - 
die  Meinung  Chevaliers,  dass  diese  schon  im  10.  Jahrh. 
in  die  Berner  Hs.  A  9  eingetragen  sei,  lasse  ich  einstweilen 
bei  Seite  — ;  und  dafür  spricht  der  Umstand,  dass  in  der 
Chronik  die  Angabe   über   den  Bischof  Simplides   aus  den 


1)  Chevalier  urtheilt  mit  Recht  (L'universite  catholique  V,  501), 
dass  Estiennot,  welcher  das  Hagiologium  aus  den  Papieren  Choriers  ab- 
geschrieben hat ,  die  Umänderung  vorgenommen  habe ;  denn  der  Ab- 
schreiber bemerkt  am  Ende  des  Hagiologiums :  'Hucusque  manuscriptus 
codex ;  seriem  vero  antistitum  Viennensium  sie  texit'  und  stellt  dann  die 
blossen  Namen  der  im  Hagiologium  abgehandelten  Bischöfe  zusammen  so, 
wie  diese  auf  einander  gefolgt  sind.  Wenn  in  dieser  Tabelle  [Simplicius 
und]  Villicarius  ausgelassen  sind,  so  erklärt  sich  das,  wie  Duchesne  (Fastes 
episcopaux  I,  168)  meint,  als  ein  einfaches  Versehen  sehr  leicht  aus  dem 
Umstände,  dass  [Simplicius  und]  Villicarius  mit  ihren  Vorgängern  [Nicetius 
und]  Austrobertus  unter  derselben  Rubrik  besprochen  werden.  'On  peut 
donc',  sagt  Duchesne  a.  a.  O.,  'regärder  l'Hagiologe  et  le  catalogue  qui 
lui  fait  suite  comme  un  seul  et  meine  document ;  le  catalogue  forme  comme 
la  table  de  l'Hagiologe  et  permet  de  reconstituer,  dans  son  ordre  chrono- 
logique  primitif,  la  serie  que  l'Hagiologe  disperse  entre  les  jours  du  ca- 
lendrier'. 


Die  Epistolae  Vieunenses  u.  die  älteste  Vienner  Chronik.     267 


auf  diesen  Bischof  und  seinen  Nachfolger  Paschasius  be- 
züglichen Angaben  des  Hagiologiums  zusammengezogen  ist 
—  aus  Unachtsamkeit;  denn  dass  von  Paschasius  auch  in 
der  Vorlage  die  Eede  war,  geht  aus  der  Angabe  über  Ni- 
cetas  (s.  oben)  hervor,  welcher  ein  Zögling  des  Paschasius 
genannt  wird  — ;  eine  Nebeneinanderstellung  lehrt  es: 


Aelteste  Vienner  Chronik. 
III.  Idus  Februarii — ■ 
sancti  Simplide  Vien- 
nensis  episcopi,  viri  ut 
fertur  disertissimi  et 
sanctitatis  precipui,  qui 
sub  temporibus  Diocle- 
ciani  et  Valeriani  floruit. 


Hagiologium. 

III.  Idus  Februarii  — 
sancti  SimplicideVien- 
nensis  episcopi,  sub  tem- 
pore Titi,  Probi  et  Cari  im- 
peratorum ;  cuius  tempore 
Manichaeorum  haeresis  exorta 
est. 

VIII.  Kalendas  Martii  — 
sancti  Paschasii  Viennensis 
episcopi,  viri  ut  fertur 
disertissimi  et  sancti- 
tatis praecipui,  qui  sub 
temporibus  Diocletiani 
et  Gralerii  floruit. 

Es  spricht  ferner  dafür  der  Ueberschuss,  welchen  das  Ha- 
giologium in  der  Angabe  über  den  Bischof  Verus  I.1  auf- 
weist ;  aber  dagegen  entscheidet  die  grössere  Reichhaltig- 
keit der  Chronik  in  den  Angaben  über  die  Bischöfe  Ma- 
mertus  und  Avitus;  über  Mamertus  z.  B.  berichtet 

das  Hagiologium :  und  die  Chronik : 


V.  Idus  Maii  —  sancti 
Mamerti  episcopi,  viri 
praecipuae  sanctitatis 
et  doctrinae.  Hie  fuit 
temporibus  Arcadii  et 
Honorii  imperatorum,  quan- 
do  Turonensis  episco- 
pus,  sanetus  Martinus, 
defunetus  est.  Iacet  hie 
pontifex  in  ecclesia 
Apostolorum,  foris  mu- 


V.  Idus  Maii  —  sancti 
Mamerti  Viennensis  epi- 
scopi, viri  preeipue 
sanctitatis  et  doctrine. 
Hie  fuit  temporibus 
Archadii  et  Honorii, 
quando  Turonensis  epi- 
scopus,  sanetus  Marti- 
nus, defunetus  est.  Inter 
huius  episcopatum  et  beati 
Martini   obitum  LXX  cueur- 


1)  Der  Zusatz:  'Tunc  temporis  apud  Pontum  Synopis  civitatis  epi- 
scopus  Phocas  gloriosissime  martyrium  duxit,  cuius  sacratissimae  reliquiae 
translatae  sunt  in  Galliam,  civitatem  Vienuaiu,  ibique  in  ecclesia  saneto- 
ruin  Apostolorum  repositae'  ist  nahezu  wörtlich  der  Chronik  Ado's  ent- 
lehnt. 


268 


"Wilhelm  Gundlach. 


ruin    civitatis,     in    dex 
tera  parte  altaris 


rerunt  anni.  Tempore  huius 
episcopatus  Chlodoveus  rex 
Franc  or um  primus  christia- 
nns  factus  est,  quem  beatus 
Remigius  Remorum  episcopus 
cum  exhercitu  babtizavit.  Ia- 
cet  hie  pontifex  Mamer- 
tus  in  ecclesia  Aposto- 
lorum,  foris  murum  ci- 
vitatis, in  dextera  parte 
altaris.  A  transitu  igitur 
saneti  Martini  Yiennensis  epi- 
scopi  usque  ad  transitum 
saneti  Mamerti  colliguntur 
anni  CCCXXXVIII.  Perman- 
sit  hie  in  episcopatu  usque 
ad  tempora  Valentiniani  et 
Marciani  augustorum,  quando 
sacra  illa  sinodus  Calcidonen- 
sis  DCu,rumXXX  episcoporum, 
agente  Leone  pontifice,  cae- 
lebrata  est,  quando  Euticeus 
error  confutatus  est;  huius 
tempore  et  Ephesina  prima 
QQtorum  epiSCoporurn,  quando 
Nestorius,  duas  personas  in 
domino  Iesu  Christo  predi- 
cans,  anathematizatus  est 1. 
Danach  ist  doch  wohl  angesichts  der  Gedankenlosig- 
keit, mit  welcher  die  den  Bischof  Simplides  betreifende 
Angabe  behandelt  ist,  der  Schluss  unabweisbar,  dass  Chro- 
nik wie  Hagiologium  von  derselben  Vorlage  abstammen. 

Aber  schon  diese  Vorlage  dürfte  nicht  aus  einem 
Gusse  gewesen  sein;  schon  sie  dürfte  kritische  Zusätze  ent- 
halten haben,  welche  sich  gegen  einzelne  ihrer  Angaben 
richteten  und  vielleicht  ursprünglich  am  Rande  standen, 
dann  aber  in  den  Text  mit  einbezogen  wurden.  Als  eine 
solche  kritische  Bemerkung  sehe  ich  in  dem  ausgeschrie- 
benen Abschnitt  über  Mamertus  den  Satz  an :  'Inter  huius 
episcopatum  et  beati  Martini  obitum  LXX  cueurrerunt 
anni ' ;  denn  er  hebt  die  vorhergehende  Angabe,  dass  Ma- 
mertus lebte,    als  der  h.  Martin  starb,    geradezu  auf.     Ich 


1)    Auch   hier   ist  Ado's  Chronik   die   Quelle   für   die   meisten  Be- 
merkungen, welche  sich  nicht  im  Hagiologium  finden. 


Die  Epistolae  Viennenses  u.  die  älteste  Vienner  Chronik.     269 

rechne  weiter  dahin  die  Worte,  welche  sich  an  die  oben 
S.  265  nritgetheilte  Angabe  über  Nicetas  anschliessen :  Tost 
hunc  fnit  beatns  Simplicius  episcopus,  ad  quem  beatus 
Zosimus  papa  scribit;  qui  tarnen  in  cathalogo  nescimus  qua 
de  causa  non  ponitur',  weil  1.  der  kritische  Tadel  nicht 
deutlicher  zum  Ausdruck  gebracht  werden  kann,  als  es  in 
dem  letzten  Relativsatz  geschieht,  in  welchem  'cathalogus' 
gewiss  nicht,  wie  Chevalier  wähnt 1,  auf  einen  'catalogue  an-- 
terieur',  sondern  eben  auf  die  Vorlage  der  Chronik  und 
des  Hagiologiums  geht;  weil  2.  die  Anführung  des  Bischofs 
Simplicius  der  allgemeinen  Regel  durchaus  zuwiderläuft, 
nach  welcher  erst  der  Todestag  und  darauf  der  Name  des 
Bischofs  im  Genitiv  genannt  wird,  und  weil  3.  auf  einen 
Papstbrief  Bezug  genommen  wird.  Der  zweite  und  dritte 
Grund  treffen  auch  zu,  um  die  Fortsetzung  der  oben  S.  265 
beigebrachten  Angabe  über  Crescens,  den  ersten  Vienner 
Bischof:  'Commemorat  hoc  beatus  Stephanus  pontifex  in 
epistola  quadam  ad  principem  Francorum ;  cui  successit 
Zacharias  episcopus,  martirio  coronatus'  als  nachträglichen 
Zusatz  zu  kennzeichnen. 

Da  nun  die  angezogenen  Papstbriefe  der  Vienner 
Sammlung  angehören  —  der  zweite  ist,  wie  Chevalier 
richtig  erkannt  hat,  der  Brief  Pauls  I.  J.-E.  2367  — ,  so 
wird  nunmehr  die  Aufgabe  drängend,  für  die  Vorlage  der 
Chronik  und  des  Hagiologiums  die  Entstehungszeit  zu  er- 
mitteln: zu  dieser  Zeit  müssen  wenigstens  die  beiden  ge- 
nannten Stücke  der  Vienner  Briefsammlung  bereits  vor- 
handen gewesen  sein 2. 

1)  Bulletin  d'histoire  ecclesiastique  p.  188,  n.  2.  Chevalier  ist  übri- 
gens nur  Delisle  gefolgt,  welcher  schon  1885  in  der  Histoire  litteraire 
XXIX,  451  die  älteste  Vienner  Chronik  besprochen  hatte;  er  sagt  hier: 
'L'auteur  de  la  compilation  que  le  manuscrit  de  Berne  nous  a  conservee 
avait  sous  les  yeux  un  catalogue  anterieur.  II  le  cite  expressement 
ä  la  fin  de  la  note  relative  ä  saint  Nicetas  (s.  oben).  L'ancien  cata- 
logue auquel  il  est  ici  fait  allusion  pourrait  bien  etre  represente  —  der 
Meinung  ist  Chevalier  aber  nicht  —  par  une  seche  nomenclature  que  dorn 
Estiennot  a  tiree  des  papiers  de  Chorier1.  Wenn  diese  letztere  auch  in  den 
MG.  SS.  XIII,  875  zu  finden  ist,  so  ist  doch  leider  weder  für  diesen  (1881), 
noch  für  den  XXIV.  Scriptores  -  Band  (1879)  die  Angabe  Hagens  im  Cata- 
logus  codicum  Bernensium  (1875)  verwerthet  worden  —  eine  Unterlassung, 
die  wiederum  daran  schuld  ist,  dass  ich  die  Chronik  nicht  für  meine  Ar- 
beit benutzt  habe.  Auch  schon  das  Hagiologium  in  ursprünglicher  Ge- 
stalt, sowie  es  Duchesne  herausgegeben  hat  (vgl.  oben  S.  204,  Anm.  5), 
hätte  vielleicht  einen  Platz  in  den  MG.  verdient.  2)  Durch  das  Ergebnis 
dieser  Erörterung  wird  meine  im  N.  A.  XV,  90,  Anm.  1  ausgesprochene 
Meinung  berichtigt:  dass  erst  in  der  1239  zusammengestellten  Series  epi- 
scoporum  Viennensium  zum  ersten  Mal  die  Vienner  Briefe  benutzt  wor- 
den sind. 


270  Wilhelm  Gundlach. 

Dass  die  Ausdehnung'  der  ältesten  Vienner  Chronik, 
welche  mit  dem  Bischof  Avitus  schliesst,  keine  Handhabe 
bietet,  ergiebt  sich  aus  meinen  Ausführungen  über  die 
Verwandtschaft,  in  welcher  Chronik  und  Hagiologium  zu 
einander  stehen.  Damit  ist  die  Meinung  Leopold  Delisle's 
beseitigt,  welcher  die  Chronik  'au  plus  tard  ä  l'epoque 
carlovingienne,  peut-etre  du  temps  et  sous  l'influence 
d'Adon'  redigiert  glaubt1;  auch  hat  die  Vorlage  der  Chro- 
nik und  des  Hagiologiums  selbst  im  Grundstock  eine  Stelle, 
durch  welche  Pritnatialgelüste  des  Bisthums  Vienne  sich 
bekunden  dürften :  es  sind  die  beiden  aus  Ado's  Chronik 
nicht  belegbaren  Angaben  in  dem  Abschnitt  über  Avitus: 
'Hie  venerabilem  abbatem  monachorum  Veranum  episco- 
pum  Lugdunensibus  dedit ;  hie  etiam  sanetum  Vivenciolum 
de  grege  presbyterorum  Dei  electum  eisdem  episcopum  de- 
signavit'.  Sie  zeigen  meines  Erachtens,  dass  wie  der  Ur- 
heber der  kritischen  Bemerkungen,  so  auch  schon  der  Ver- 
fasser der  Chronik  einer  Zeit  angehört,  in  welcher  allein 
mit  Sicherheit  derartige  Bestrebungen  bei  einem  Erzbischof 
von  Vienne  nachgewiesen  werden  können :  der  Zeit  Guidos, 
frühestens  dem  Ausgang  des  11.  Jahrh. 

Fasst  man  nun  das  Hagiologium  mit  der  Absicht  ins 
Auge,  aus  etwa  erkennbaren  Abschnitten  die  Ausdehnung 
der  Vorlage  und  ihre  Entstehungszeit  zu  erforschen,  so 
dürfte  auch  dieses  Unternehmen  ergebnislos  ablaufen.  Das 
regelrechte  Formular,  nach  welchem  bei  jedem  Bischof  der 
Monatstag  seines  Todes  vorangestellt  und  darauf  sein  Name 
im  Genitiv  genannt  wird,  erfährt  —  unter  40  Nennungen ! 2 
—  nur  dreimal  eine  geringfügige  Abweichung,  indem  die 
Namen  des  Desiderius,  Etherius  und  Villicarius  im  Nomi- 
nativ angeführt  werden.  Der  Abschnitt  über  Villicarius 
schliesst  mit  der  Bemerkung,  dass  nach  seinem  Tode  Vienne 
einige  Jahre  ohne  Bischof  war;  und  nun,  nach  diesem 
natürlichen  Einschnitt,  tritt  allerdings  eine  allgemeinere 
Aenderung  des  Formulars  ein,  indem  von  den  14  jüngsten 
Vienner  Bischöfen  nur  noch  zwei,  der  6.,  Ado,  und  der  8., 
Berno,  nach  dem  bisher  gebräuchlichen  Formular  genannt 
werden,  zwölf  dagegen  nach  einem  um  'Commemora- 
tio'  erweiterten,  welches  Wort  zwischen  Monatstag  und 
Namensgenitiv  eingeschoben  ist.     Aber  dieser  Aeusserlich- 

1)  Histoire  litteraire  XXIX,  450.  2)  Die  Nennung  des  ersten 

Bischofs  Crescens  hat  im  Hagiologium  weder  den  eröffnenden  Monatstag 
noch  den  darauffolgenden  Genitiv ;  es  ist  aber  bei  der  nahen  Verwandt- 
schaft zwischen  Hagiologium  und  Chronik  unbedenklich,  hier  die  Chronik, 
welche  beides  hat,  zur  Ergänzung  heranzuziehen. 


Die  Epistolae  Yiennenses  u.  die  älteste  Vienner  Chronik.     271 

keit  darf  man  darum  keinen  Werth  beimessen,  weil  durch 
sachliche  Besonderheiten  die  Angaben  über  die  14  jüngsten 
Bischöfe  einerseits  nicht  als  geschlossener  Abschnitt  sich 
darstellen,  andererseits  ihre  Verwandtschaft  mit  den  An- 
gaben über  die  älteren  Bischöfe  bezeugen.  Man  kann  wohl 
bei  jeder  einen  längeren  Zeitraum  begreifenden  Bischofs- 
liste die  Beobachtung  machen,  dass  die  Genauigkeit  um  so 
grösser  wird,  je  näher  ein  Bischof  der  Zeit  der  Abfassung 
steht,  dass  insbesondere  die  in  der  einfachen  Aufeinander- 
folge enthaltene  Bestimmung  dann  durch  die  Summe  der 
Bisthumsjahre  vervollständigt,  diese  endlich  durch  die  An- 
führung des  Antritts-  und  Hintrittsjahres  abgelöst  wird. 
Auch  von  den  14  jüngsten  Vienner  Bischöfen  sind  noch  die 
beiden  ersten,  Proculus  und  Ursus,  wie  die  älteren  nur  durch 
Namhaf tmachung  zeitgenössischer  Herrscher  bestimmt ;  dann 
wird  bei  den  11  folgenden  die  Anzahl  der  Jahre  angege- 
ben, während  welcher  sie  das  Bisthum  inne  gehabt,  und 
bei  dem  letzten,  Leodegar,  das  Todesjahr  angeführt,  was 
ausnahmsweise  sammt  der  Zahl  der  bischöflichen  Jahre 
auch  schon  bei  einem  der  ältesten  Bischöfe,  Pantagathus, 
vermerkt  wird.  Weiter  wird  die  Begräbnisstelle  bei  allen 
jüngeren  Bischöfen,  nur  nicht  bei  ihrem  ersten,  Proculus, 
dagegen  auch  schon  bei  8  älteren,  Mamertus,  Avitus,  Pan- 
tagathus, Ysicius,  Naamatus,  Desiderius,  Etherius  und 
Austrobertus,  verzeichnet.  Wenn  ferner  Ultraja,  der  dritte 
unter  den  jüngsten  Bischöfen,  'Boioarii  generis  homo'  ge- 
nannt wird,  so  findet  sich  auch  schon  bei  älteren,  bei  De- 
siderius ('Augustudunensis')  und  Paracodas  ('sicut  Dionysius 
Graecus')  die  Herkunft  berührt.  Endlich  dürfte  auch  für 
diesen  Theil  des  Hao-iologiums  die  Bekanntschaft  seines 
Verfassers  mit  dem  schon  für  eine  kritische  Bemerkung 
benutzten  Paulus -Brief  der  Vienner  Sammlung  sich  er- 
geben. Die  auf  Ultraja  bezügliche  Angabe  nämlich:  'Cuius 
tempore,  agente  pio  principe  Carolo,  parteni  rerum  sua- 
rurn  Viennensis  ecclesia  recepit'  erinnert  an  den  Vienner 
Brief,  in  welchem  Paul  I.  sich  bei  Karl  dem  Grossen  für 
die  Vienner  Kirche  verwendet,  'quae  prae  ceteris  humilior 
rebus  iam  invenitur'  —  eine  Vorstellung,  deren  Erfolg 
aus  dem  nächsten  Vienner  Briefe  (Hadrians)  zu  entnehmen 
ist.  Demnach  wird  man  Duchesne 1,  welcher  über  die 
Formulare  nur  des  siebenten  bis  dreizehnten  unter  den 
jüngsten  Bischöfen  urtheilt :  'tout  est  evidemment  du  meme 
jet',    nicht   beipflichten,   insonderheit   seine  Ausschliessung 


1)  Fastes  episcopaux  I,  178. 


272  Wilhelm  Gundlach. 

des  letzten  Bischofs  Leodegar  aus  der  Reihe  noch  durch 
den  Hinweis  darauf  ablehnen  können,  dass  auch  die  noch 
nicht  belegten  ihn  betreffenden  Angaben  von  einigem  Be- 
lang, wenngleich  nicht  immer  bei  den  unmittelbar  vorher- 
gehenden Bischöfen,  so  doch  bei  älteren  Vorgängern  auf- 
zuzeigen sind.  So  ist  Leodegars  Charakterisierung  als  Erz- 
bischof auch  bei  dem  vorletzten  Bischof  Burchard  ersicht- 
lich ;  die  Verwandtschaft  mit  dem  Könige  ('consanguinitatis 
linea  Henrico  primo  Gallorum  regi  coniunctus)  wird  auch 
dem  Bischof  Boaldus  nachgesagt  ('affinis  Francorum  regi- 
bus);  und  die  schliesslich  unter  Leodegar  erwähnte  Be- 
reicherung der  Vienner  Kirche  hat  schon  früher  gleichfalls 
in  der  Angabe  über  Boaldus  ein  Seitenstück  ('Viennensem 
ecclesiam  rebus  auxit').  Die  Meinung  Duchesne's  ist  durch 
nichts  anderes  begründet  als  durch  seinen  Wunsch,  dass 
das  Hagiologium  unter  Leodegar  abgefasst  sein  möge;  denn 
nur  unter  dieser  Voraussetzung  ist  die  gegen  mich  ver- 
fochtene  Meinung,  auf  welche  ich  alsbald  eingehen  werde, 
haltbar.  Lässt  man  nun  aber  die  Angabe  über  Leodegar 
im  Verbände  des  ganzen  Hagiologiums,  so  zwingt  die  An- 
setzung  seines  Todes  'circa  annum  Domini  MXL'  dazu,  die 
Abfassungszeit  beträchtlich  nach  seinem  Abscheiden  anzu- 
nehmen ;  denn  das  dem  Verfasser  anscheinend  nur  noch 
ungefähr  (circa!)  bestimmbare  Datum  schliesst,  wie  schon 
Chevalier  hervorgehoben  hat 1,  einen  so  groben  Irrtimm 
in  sich  —  Leodegar  ist  nicht  1040,  sondern  1070  gestor- 
ben — ,  dass  man  die  Abfassung  des  Vermerks  und  des 
ganzen  Hagiologiums  ziemlich  weit  nach  Leodegars  Tod 
hinausschieben  muss:  lpeut-etre\  wie  Chevalier  meint,  'ä 
l'episcopat  de  Guy  de  Bourgogne'. 

Sonach  hindert  nichts,  der  gemeinsamen  Vorlage  der 
ältesten  Vienner  Chronik  und  des  Hagiologiums  dieselbe 
Ausdehnung  zuzuschreiben,  wie  sie  das  Hagiologium  heute 
noch  hat,  sie  in  derselben  Zeit  wie  dieses,  d.  h.  am  Ende 
des  11.  Jahrh.,  entstanden  sein  zu  lassen.  Dass  die  Chro- 
nik nur  ein  Bruchstück  dieser  Vorlage  wiedergiebt,  nicht 
über  Avitus  hinausreicht,  wäre  dann,  so  kann  man  vor- 
läufig annehmen,  etwa  durch  die  Unlust  des  Schreibers 
über  diese  ausführlichste  Angabe  hinaus  seine  Arbeit  fort- 
zusetzen veranlasst. 

Aber  nun  kommt  Chevalier  mit  seiner  Einrede:  'L'ecri- 
ture  —  der  Chronik  in  der  Berner  Hs.  —  est  du  dixieme 
siecle' !     Wenn  sein  Urtheil  treffend  wäre,    so   müssten   in 


1)  L'universite  catholique  V,  503. 


Die  Epistolae  Viennenses  u.  die  älteste  Vienner  Chronik.     273 

der  für  Chronik  und  Hagiologiuui  anzunehmenden  Vorlage 
mindestens  die  Angaben  über  die  Bischöfe  des  11.  Jahrh. 
nachgetragen  und  wenigstens  diejenigen  Vienner  Briefe, 
auf  welche  in  der  Chronik  Bezug  genommen  wird,  schon 
im  10.  Jahrh.  zur  Hand  gewesen  sein. 

Indessen  schon  Duchesne  kehrt  sich  hier  gegen  Che- 
valier; er  sagt  (Bulletin  critique  XII,  245):  lOn  sait  com- 
bien  il  est  difficile  de  dater  sürement  les  ecritures  de  ces 
temps-lä.  Cependant  il  me  parait  difficile,  ä  moi  aussi  — 
et  je  parle  ayant  sous  les  yeux  la  Photographie  de  la  piece, 
communiquee  obligeamment  par  M.  L.  Delisle  —  il  me 
parait  difficile  de  descendre  jusqu'au  XII e  siecle.  Je  ne 
serais  pas  porte  a  remonter  au  Xe'.  Ohne  also  hier  mit 
voller  Entschiedenheit  das  12.  Jahrh.  als  Entstehungszeit 
auszuschliesseii,  nimmt  er  das  11.  Jahrh.  an1.  Um  mich 
nun  nicht  dem  Vorwurf  auszusetzen,  als  wähle  ich  ledig- 
lich wegen  meiner  Anschauung  über  die  Ursprungszeit  der 
Vienner  Briefe  zwischen  den  Urtheilen  Chevaliers  und  Du- 
chesnes,  habe  ich  eine  erneute  Prüfung  der  Berner  Hs. 
für  nöthig  erachtet :  ich  habe  die  ganze  Frage  Herrn  Pro- 
fessor Hermann  Hagen  in  Bern  zur  Entscheidung  unter- 
breitet. Seine  gütigst  ertheilte  Auskunft  hat  mich  darüber 
belehrt,  dass  die  von  einer  Hand  herrührende  Schrift  der 
Chronik  durch  zahlreiche  Eigenheiten  von  der,  in  welcher 
die  Bibelübersetzung  gehalten  ist,  sich  unterscheidet,  dass 
sie  'bedeutend  jünger'  aussieht  und  dem  11.  Jahrh.  zuge- 
schrieben werden  kann  2.  Das  Urtheil  ist  abgegeben  unter 
der  Voraussetzung,  dass  der  Schreiber  der  Vienner  Chronik 
ohne  jeden  Hintergedanken  seiner  Schrift  den  Ausdruck 
ihres  Zeitalters  belassen  hat;  aber  diese  Voraussetzung 
unterliegt  so  wenig  einer  zwingenden  Notwendigkeit,  dass 
vielmehr  eine  andere  Auffassung  wahrscheinlich  werden 
dürfte.  Die  Berner  Hs.  A9  ist  jedenfalls  einmal  inVienne 
gewesen:  darauf  deutet  nicht  bloss  die  Vienner  Chronik 
selbst,  sondern  noch  ein  anderes  Stück  (fol.  248'),  welches 
Hagen  bestimmt  als  'Stipulatio  quaedam,  qua  dux  nescio 
quis  episcopatum  Viennensem  nullo  modo  se  laesurum 


1)  Vgl.  Fastes  episcopaux  I,  164.  2)  Auch  de  Rossi  urtheilt  so, 
wie  ich  hinterher  gefunden  habe;  er  sagt  (Inscriptiones  christianae  urbis 
ßomae  II,  1,  264):  'In  codice  sacrorum  bibliorum  olim  ecclesiae  Viennensis, 
nunc  bibliothecae  Bernensis  A  9,  pagina  forte  vacua  remanserat ,  quae 
manu  saeculi  fere  XL  impleta  est  chronico  historico  nondum,  opinor, 
edito  episcoporum  Viennensium  a  Crescente  primo  episcopo  ad  Avituin. 
Cuius  paginae  imaginem  photographam  prae  oculis  habeo  beneficio  Leo- 
poldi  Delisle'. 


274  Wilhelm  Gundlach. 

profitetur',  und  zwar  eben  noch  zu  einer  Zeit,  auf  welche 
es  hier  besonders  ankommt,  da  das  Stück  nach  Hagens 
Angabe  von  zwei  Händen  'saec.  XI. —  XII.'  geschrieben 
ist1.  Diese  Bestimmung  gestattet  gerade  Guido's  Bisthum 
(1094 — 1121)  in  Betracht  zu  nehmen,  und  gegen  ihn,  wel- 
cher der  Urheber  des  Pseudo -Turpinus  ist  und  unzweifel- 
haft in  dem  Streite  mit  dem  Bischof  Hugo  von  Grenoble 
um  die  Grafschaft  Sermorens 2  gefälschter  Schriftstücke 
sich  bedient  hat  —  gegen  ihn  den  Verdacht  zu  äussern, 
dass  er  die  im  10.  Jahrh.  geschriebene  Bibelhandschrift 
benutzt  habe,  um  an  einem  unauffälligen  Orte  durch  die 
Vienner  Chronik  die  Erwähnung  zweier  Epistolae  Vien- 
nenses  emzuschwärzen.  Dass  man  den  Schriftzeichen  ge- 
flissentlich ein  älteres  Aussehen  gab,  als  für  das  Ende  des 
11.  oder  den  Anfang  des  12.  Jahrh.  sonst  zu  erwarten 
wäre,  ist  danach  natürlich  und  die  Fähigkeit  dazu  in  dem 
Vienne  des  Erzbischofs  Guido  nicht  zu  bezweifeln ;  wird 
uns  doch  ausdrücklich  bezeugt,  dass  der  Erzbischof  ei11©11 
Schriftkundigen  an  der  Hand  gehabt  hat,  welcher  es  ver- 
stand, seinen  Machwerken  den  Schein  eines  hohen  Alters 
zu  verleihen3. 

Damit  darf  wohl  der  Einwurf  Chevaliers  als  abge- 
wiesen erachtet  werden. 

Ungleich  eingehender  als  Chevalier  hat  Duchesne  auf 
die  Angelegenheit  sich  eingelassen;  er  ist  von  einer  Kritik 
meiner  Auffassung  dazu  fortgeschritten,  über  die  Ent- 
stehungszeit der  Vienner  Briefe  einen  umfänglichen  Gegen- 
beweis zu  führen.  In  seiner  Recension  erkennt  er  an 
(p.  244):  kM.  Gundlach  etablit,  avec  succes,  je  crois,  que 
toutes  les  pieces  Viennoises  trahissent  la  rnenie  intention, 
lintention  d'affirmer  le  droit  primatial  de  l'archeveque  de 
Vienne  sur  les  Sept  Provinces,  c'est-ä-dire  sur  les  trois 
provinces  Aquitaniques,  sur  les  deux  Narbonnaises,  sur  la 
Viennoise  et  les  Alpes  maritimes',  er  giebt  weiter  zu:  'Quant 
ä  la  primatie,  il  faut  bien  reconnaitre  que,  avant  Guy  de 
Bourgogne,   il  n'y  a  pas  la  moindre  trace  dune  teile  pre- 


1)  Vgl.  auch  Hagen  1.  c.  p.  XII:  'Haud  pauci  extant  Codices  Ber- 
nenses  ex  claustro  Floriacensi  petiti'  und  p.  XVIII:  'Omnes  fere  nostrae 
bibliothecae  saeculi  IX.  vel  X.  libri  ad  claustrum  Floriacense  sive  Petrum 
Danielein  —  cf.  p.  XI — XIV  —  referendi  sunt'.  Denselben  Fundort  — 
la  bibhotheque  de  Saint -Benoit  sur  Loire  —  geben,  wie  ich  N.  A.  XV, 
18,  Anm.  2  bemerkt  habe,  auch  Charvet  und  Maupertuis  für  einzelne 
Stücke  der  Vienner  Briefsammlung  an.  2)  So,  nicht  Salmorenc,  wie 

ich  nach  Bresslau's  Vorgang  stets  geschrieben  habe,  heisst  die  Grafschaft. 
3)  Vgl.  N.  A.  XV,  100.  98. 


Die  Epistolae  Vierinenses  u.  die  älteste  Vienner  Chronik.     275 

tention  chez  les  archeveques  de  Vienne' ;  und  trotzdem  will 
er  die  Vienner  Briefe  in  zwei  Gruppen  zerlegen :  LLes  que- 
relles'  erläutert  er  p.  245  seine  Anschauung,  'que  l'on  sait 
avoir  interesse  Guy  de  Bourgogne,  c'est-ä-dire  Celles  de 
Sermorens  et  de  B-oraans,  n'ont  laisse  aucune  trace  dans 
les  plus  anciens  documents,  depuis  les  lettres  de  Pie  I 
jusqu'ä  celle  de  Leon  IX.  II  neu  est  question  que  dans 
les  lettres  f  abriquees  sous  le  nom  de  Gregoire  VII.  et  d'Ur- 
bain  II.  Ces  dernieres  n'auraient-elles  pu  etre  ajoutees 
apres  coup,  comme  complement  ä  une  collection  dejä  for- 
mee?'  —  Dieser  Gedanke  hat  ihn  offenbar  dahin  geleitet, 
jenes  Beweisverfahren  anzustrengen,  welches  jetzt  in  den 
Fastes  episcopaux  I,  162—179  vorliegt. 

Schon  Chevalier  hatte  hingewiesen  x  auf  eine  Angabe 
des  Chronicon  Novaliciense  (SS.  VII,  127:  Hoc  tempore 
Leodegarius  archiepiscopus  Viennensis  vitam  et  mores,  ortus 
et  actus  suorum  antecessorum  archiepiscoporum  scribendo 
colligere  curavit),  nach  welcher  Leodegar  eine  Geschichte 
seiner  Amtsvorgänger  habe  verfassen  lassen,  und  diese  An- 
gabe in  Beziehung  gebracht  zu  einer  Urkunde  des  näm- 
lichen Bischofs  vom  12.  November  1068,  in  welcher  er  sich 
als  den  61.  aller  Vienner  Bischöfe  bezeichnet'2,  um  darauf- 
hin die  Meinung  Estiennots  zurückzuweisen,  welcher  am 
Schlüsse  der  Series  antistitum  Viennensium,  der  Tabelle 
zum  Hagiologium,  betreffs  Leodegars  sagt:  lin  quo  desinit 
manuscriptus  codex,  quem  eo  sedente  exaratum  fuisse  fa- 
cile  opinor'.  Denn,  so  begründet  Chevalier  seine  Zurück- 
weisung3, wären  das  Hagiologium  und  die  Series  unter 
Leodegar  entstanden,  so  dürfte  er  in  ihnen  nicht,  wie  es 
nach  der  Zählung  Estiennots  der  Fall  ist,  den  54.  Platz4, 
er  müsste  den  61.  einnehmen. 

Hier  setzt  nun  Duchesne  ein,  indem  er  darauf  auf- 
merksam macht,  dass  es  doch  eine  Liste  giebt,  in  welcher 
Leodegar  als  der  61.  Bischof  erscheint;  das  ist  diejenige, 
welche  du  Boys  im  Laevum  Xyston  seines  1605  gedruckten 
Buches  Floriacensis  vetus  Bibliotheca  zur  Kenntnis  bringt. 
Mit   ihr   stimmt   seines   Erachtens    die   Liste    der   Vienner 


1)  L'universite  catliolique  V,  501.  2)  Es  handelt  sich  in  der  von 
G-iraud  (Cartulaire  de  Romans  P,  171)  abgedruckten  Urkunde  um  ein 
Rechtsgeschäft  'inter  domnum  Leudegarium,  Viennensem  archiepiscopum 
sexagesimum  primum  et  Rollannuni  abbatem  nonum  coenobii  Montis  Ma- 
ioris'  (nach  Chevalier  ibidem).  3)  Vgl.  auch  Documents  inedits  II,  5, 

p.  13,  N.  19.  4)  Da  Estiennot,  wie  oben  S.  266,  Anm.  1   angemerkt, 

Simplicius  und  Villicarius   nicht   mitgezählt   hat,    so    kommt  dem  Bischof 
Leodegar  die  56.  Stelle  zu. 


276  Wilhelm  Gundlach. 

Bischöfe  vom  Jahre  1239  (SS.  XXIV,  811)  bis  auf  eine 
Abweichung  überein:  sie  hat  den  Bischof  Verus  II.  nicht 
oder  vielmehr  sie  identifiziert  ihn  mit  dem  Bischof  Clau- 
dius, welcher  darum  den  Doppelnamen  Claudius  Verus  er- 
hält. Daraufhin  glaubt  sich  Duchesne  zu  dem  Schluss  be- 
fugt, dass  du  Boys  und  der  Verfasser  der  Liste  von  1239 
derselben  Ueberlieferung  gefolgt  sind,  einer  Ueberlief erung, 
welche,  das  dürfe  man  von  vornherein  annehmen,  an  den 
von  Leodegar  herrührenden  Text  anschliesst.  Nun  ist  aber 
nach  Ausweis  der  auf  uns  gekommenen  Bischofslisten  die 
vor  1239  liegende  Ueberlieferung  durchaus  nicht  einheit- 
lich, und  Duchesne  muss,  ehe  er  weiter  vorgeht,  zunächst 
den  Versuch  machen,  die  erforderliche  Einheitlichkeit  her- 
zustellen. Das  Hagiologium  1  unterscheidet  sich  von  Ado's 
Liste  an  zwei  Stellen:  1.  Bertericus,  welcher  in  Ado's 
Chronik  und  der  Liste  von  1239  genannt  wird,  ist  im 
Hagiologium  ausgelassen  —  wie  Duchesne  (p.  169,  N.  1) 
meint  'par  une  distraction  de  celui  qui  a  distribue  les 
notices  suivant  1' ordre  du  calendrier' ;  2.  das  Hagiologium 
kennt  den  von  Ado  als  Vorgänger  des  Blidrannus  ange- 
führten Bischof  Deodatus  nicht;  es  hat  aber  dafür  als 
Nachfolger  des  Blidrannus  einen  Bischof  Agratus,  welcher 
von  den  späteren  Verzeichnissen  beibehalten  ist  —  Duchesne 
nimmt  hier  an  (p.  171),  lqu' Agratus  n'est  qu'une  faute  de 
copiste  pour  Deodatus'.  Können  diese  beiden  Abweichun- 
gen als  unerheblich  angesehen  werden,  dann  ist  eine  ein- 
heitliche Ueberlieferung  hergestellt,  in  welcher  Ado  der 
48.  und  Leodegar,  der  achte  nach  ihm,  der  56.  in  der 
Reihe  aller  Vienner  Bischöfe  ist.  Damit  nun  Leodegar  der 
61.  werde,  braucht  es  nur  noch  fünf  eingeschobener 
Namen:  der  erste  wird  dadurch  gewonnen,  dass  in  der 
Liste  von  1239  sowohl  Deodatus  als  Agratus  figurieren;  und 
die  anderen  sind  Desiderius  (L),  Simplicius,  Wolferius  und 
Wolfericus,  um  welche  die  Liste  von  1239  reicher  als  das 
Hagiologium  ist.  Zur  Zeit  des  Bischofs  Leodegar  nimmt 
Duchesne  also  zwei  Arten  von  Bischofsverzeichnissen  an : 
die  eine  Art  stellte  im  wesentlichen  die  Ueberlieferung 
Ado's    dar,    nach   welcher   Leodegar   der   56.  Bischof  war; 


1)  Nach  den  gepflogenen  Erörterungen  kann  mit  ihm  die  älteste 
Vienner  Chronik  (vgl.  oben  S.  265  ff.)  und  die  Series  antistitum  Viennensium 
(vgl.  oben  S.  266,  Anm.  1)  gleich  gesetzt  werden.  Zwischen  dieser  Ueber- 
lieferungsform  und  Ado's  Chronik  ist  ein  anscheinend  aus  dem  10.  Jahrh. 
stammendes  Calendarium  erhalten,  das  aber  darum  hier  nicht  in  Betracht 
kommt,  weil  es  keine  Vollständigkeit  in  der  Aufzählung  der  Vienner 
Bischöfe   anstrebt;   vgl.  Chevalier  in  L'universite  catholique  V,  498.  499. 


Die  Epistolae  Viennenses  u.  die  älteste  Vienner  Chronik.      277 

die  andere,  erst  in  der  Liste  von  1239  erhalten,  war  um 
die  fünf  angeführten  Namen  erweitert :  nur  nach  ihr  konnte 
sich  im  Jahre  1068  Leodegar  als  den  61.  Vienner  Bischof 
bezeichnen.  Weil  nun  aber  drei  der  eingeschobenen  Bischöfe 
Desiderius,  Simplicius  und  Wolferius  durch  die  gefälschten 
Vienner  Briefe  und  Wolfericus  durch  eine  mit  ihnen  ent- 
standene Urkunde  Karls  des  Kahlen l  dargeboten  sind,  so 
müssen  nach  Duchesne  auch  die  Vienner  Briefe  schon  1068 
vorhanden  gewesen  sein.  Dieser  Zeitpunkt  schliesst  ja  von 
selbst  den  einheitlichen  Ursprung  aller  Vienner  Briefe  aus : 
Duchesne  scheidet  als  nachträglich  unter  Guido  hinzu- 
gefügte Gruppe  die  Stücke  aus,  welche  den  Namen  Gre- 
gors VII.,  Urbans  II.  und  Paschais  II.  tragen,  zumal  nur 
in  ihnen  die  beiden  Angelegenheiten,  welche  den  Erzbischof 
Guido  so  sehr  beschäftigt  haben:  die  der  Abtei  des  h. 
Barnard  in  Fnomans  und  der  Grafschaft  Sermorens,  be- 
handelt werden,  und  bestimmt  als  Entstehungszeit  der 
ersten  Gruppe,  weil  ihr  letztes  Stück  auf  den  Namen  des 
Papstes  Leo  IX.  (1048—1054)  gefälscht  ist,  die  Jahre  1054 
bis  1068,  etwa  ihre  Mitte,  d.  h.  das  Jahr  1060. 

Wenig  später  soll  nach  Duchesnes  Meinung  der  Liber 
episcopalis  Viennensis  ecclesiae  abgefasst  sein,  das  ist  die 
von  Leodegar  angeregte  Geschichte  seiner  Amtsvorgänger, 
welche  nicht  verloren,  sondern  das  Hagiologium  in  seiner 
ursprünglichen  Gestalt  ist.  Denn  so  wenig  auch  sein  In- 
halt dem  durch  das  Chronicon  Novaliciense  angegebenen 
Thema  (vitam  et  mores,  ortus  et  actus)  zu  genügen  scheine, 
es  sei  doch  beachtenswerth,  dass  die  Urheber  der  Bischofs- 
verzeichnisse im  13.  und  den  folgenden  Jahrhunderten  eben 
keine  andere  Bisthumsgeschichte  vorgefunden  haben,  und 
sonst  doch  recht  sonderbar,  dass  der  Liber  episcopalis 
Leodegars  vor  dem  13.  Jahrh.  ohne  Spur  sollte  verschwun- 
den sein.  Natürlich  kann  in  seiner  ursprünglichen  Anlage 
nicht,  wie  es  im  Hagiologium  geschieht,  ein  Vermerk  über 
den  Tod  seines  Urhebers  angebracht  gewesen  sein ;  es  kann 
auch  nicht  geschehen  sein  in  der  'zweiten  Ausgabe  des 
Liber  episcopalis',  welche  Duchesne  noch  vor  1068  ansetzt 
und  von  der  ersten  dadurch  unterscheidet,  dass  die  Bischofs- 
reihe jetzt  nach  Massgabe  der  Liste  von  1239  abgeändert 
sei.  Den  sehr  nahe  liegenden  Einwand,  dass  man  auch  in 
'der  ersten  Ausgabe'  den  Bischof  Leodegar  doch  wohl  an 
61.  Stelle  zu  finden  erwarten  kann,  sucht  Duchesne  (p.  178) 


1)  Ich  habe  von  dieser  Urkunde  gesprochen  N.  A.  XIV,  254,  Anm.  2 
und  XV,  60,  Anm.  4. 

Neues  Archiv  etc.     XX.  19 


278  Wilhelm  Ghmdlach. 

folgenderniassen  hinweg  zu  erörtern :  'L'archeveque  anra  pn 
n'accorcler  d'abord  qu'une  attention  restreinte  aux  faux  Privi- 
leges et  surtout  a  la  perturbation  qu'  ils  introduisaient  dans 
la  serie  acceptee  et  datee  par  Adon:  c'est  l'etat  d'esprit  dont 
ternoigne  le  livre  episcopal.  Avec  le  temps,  quelqu'un  de 
ses  clercs,  peut-etre  l'autenr  meme  des  faux  privileges, 
aura  combine  ceux-ci  avec  le  livre  episcopal  nouvellement 
paru;  l'archeveque,  dejä  bien  dispose  pour  les  faux  Privi- 
leges, se  sera  decide  ä  corriger  Adon  d'apres  leurs  indi- 
cations,  et,  de  cette  facon,  il  se  sera  attribue  la  Gle  place 
dans  la  serie  episcopale ;  il  en  etait  la  quand  il  fit  rediger 
la  lettre  du  12  novembre   1068'. 

Den  Beschluss  des  ganzen  Verfahrens  macht  der 
lateinische  Wortlaut  des  Liber  episcopalis  Viennensis  eccle- 
siae  erster  Ausgabe  nach  der  ältesten  Vienuer  Chronik  und 
dem  Hagiologium  in  seiner  ursprünglichen  Fassung. 

Diesem  Verfahren   gegenüber  werde  ich   nun   zeigen, 

1.  dass  es  nur  aus  einer  Kette  von  Unwahrscheinlichkeiten 
besteht   und  nicht   das  beweist,  was  es  beweisen  soll,  und 

2.  dass  den  vor  1239  erhaltenen  Bischofslisten  zufolge  Leode- 
gar  sich  als  61.  Bischof  hat  bezeichnen  können,  ohne  dass 
auf  die  Epistolae  Viennenses  dabei  Rücksicht  zu  nehmen  ist. 

Der  Bischofsliste,  welche  du  Boys  veröffentlicht  hat, 
kommt  gar  nicht  die  selbständige  Bedeutung  zu,  welche 
Duchesne  ihr  beimisst;  denn  sie  ist  augenscheinlich  aus 
dem  Hagiologium  und  der  Liste  von  1239  zusammen- 
gewirkt 1. 

Dass  wesentlich  das  Hagiologium  in  seinem  ursprüng- 
lichen Stande  für  den  Bericht,  durch  welchen  du  Boys  die 
einzelnen  Brieftexte  an  einander  reiht,  benutzt  ist,  lehrt 
eine  Nebeneinanderstellung : 


Hagiologium. 
Traditur  autem  2  p  r  i  m  u  m 
Crescentem  discipulum 
beati2  Pauli  apostoli3 
Gallias  venisse  et  Viennae 
aliquod  temporis  rese- 
disse  ac  verbum  vitae 
ibi  primum  praedicasse: 
c  o  m  m  e  m  o  r  a  t    hoc    beatus 


du  Boys. 
(p.  21)  Paulus  aposto- 
lus  .  .  .  ecclesiam  Viennen- 
sem  instituit  .  .  .,  ubi  ver- 
bum vitae  primo  prae- 
dicans,  aliquod  tempo- 
ris resedit  ac  inde  discedens 
in  ea  sui  loco  Crescen- 
tem   Christi     discipulum 


1)  Man  vergleiche  bezüglich  der  Bischofsnamen  die  von  Chevalier 
aufgestellten  Tabellen  F  und  H  mit  M :  L'universite  catholique  V,  507  ff", 
und  522  ff.         2)  Fehlt  in  der  Chronik.         3)  Fehlt  im  Hagiologium. 


Die  Epistoiae  Viennenses  u.  die  älteste  Vienner  Chronik.     279 


Stephanus  papa1  iu  epi- 
stola  quadam  ad  prin- 
cipem  Francorum.  .  .  . 


Kalendis  Iulii  —  beati 
M  a  r  t  i  n  i  Vieunensis  epi- 
scopi; hie  a  sanetis  apo- 
s  t  o  1  i  s  Viennain  niissus,  quae 
urbs  eo  tempore2  in  Gal- 
liis florentissima  erat, 
iniunetum  sibi  officium  longe 
lateque  praedicando  et  do- 
cendo  beatissimo  fine  com- 
plevit ;  floruit  s  u  b  tempori- 
bus  Neronis ,  Vespasiani 
et  Titi;  cuius  festivitas  agi- 
tur  Kalendis  Iulii. 

III.3  Nonas  Ianuarii 
—  saneti  Florentii  Vieu- 
nensis episcopi,  cuius  episco- 
patus  et  vita  floruit  Gor- 
diani,  Philip pi,  Decii, 
Galli  et  Yolusiani  im- 
peratorum 4  temporibus, 
quando  Novatus,  beati 
Cjpriani  presbiter,  Ro- 
main v  e  n  i  e  n  s ,  N  o  v  a  c  i  a  - 
nam  haeresim  condidit. 

XVIII.5  Kalendas  Ia- 
nuarii —  saneti  Lupicini 
Vieunensis  episcopi;  hie  flo- 
ruit Valeriani  et  Gallieni 
temporibus,  quando  sanetus 
Cyprianus  passus  est,  et 
tempore4  Claudii,  sub 
quo  Paulus  haeresiar- 
ches,  et  Aureliani  tem- 
poribus. 


|  primum   episcopum  ordina- 
j  vit,  uti  Paulus  papa  in  qua- 
dam epistola  ad  quendam 
prineipem      Francorum 
inferius  commemorat. 

(p.  22)  .  .  .  saneti  apo- 
s t o  1  i  tertium  episcopum 
ad  hanc  tunc  temporis  in 
Galliis  florentissimam 
civitatem  direxeruut  Marti- 
num  .  .  .  tandem  sub  Ve- 
spasiano  placido  fine  ob- 
dormivit,  annua  a  successori- 
bus  memoria  Kalendis  Iulii 
honoratus. 


(p.  26)  .  .  .  sanetus  Flo- 
rentius  qui  tempore  Gor- 
dia n i ,  Philippi,  Decii, 
Galli  et  Volusiani  decu- 
currit ,  quando  Novatus, 
beati  Cjpriani  presbj- 
ter,  Eomam  veniens,  No- 
va ti  an  am  haeresim  con- 
d  i  d i t.  Anniversaria  eius  dies 
est  III.  Nonas  Ianuarii. 

.  .  .  beatus  Lupicinus 
martyr,  qui  cathedram  rexit, 
dum  Valerianus  et  Gal- 
li enus  in  humanis  degebant, 
sub  quibus  sanetus  Cy- 
p  r  i  a  n  u  s  martyrio  enituit ; 
attigit  etiam  tempora  Clau- 
dii, sub  quo  Paulus  erat 
haeresiarcha  et  devenit 
usque  ad  Aurelianum;  co- 
litur  VIII.  Kalendas  Ia- 
nuarii. 


1)  'pontifex'  Chron. ;  'papa  pontifex'  Hag.         2)  'eo  tempore'  fehlt 
im  Hag.  3)  'IIH.'  Chron.  4)  Fehlt  in  der  Chron.         5)  'XVIIIJ7 

Chron. 

19* 


280 


Wilhelm   Guudlach. 


II.  Idus  Noveinbris1 
—  sancti  Ysicii  Viennensis 
episcopi,  senatoriae  dig- 
nitatis  primum  viri,  cui 
fuerunt  duo  filii  infula 
sacerdotali  praeclaris- 
simi,  Apollina  r  i  s  scili- 
cet 2,  Valentinae  urbis 
beatissimus  episcopus,  et  Avi- 
tus,  qui  patri  Viennae 
successit.  F 1  o  r  u  i  t  sub 
Leone  imperatore  et  Ze- 
il o n e ;  cuius  tempore  cor- 
pus Barnabae  apostoli  et 
e  v  a  n  g  e  1  i  u  m  Mattbaei 
eius  stilo  scriptum,  ipso3 
r e v e  1  a n t e ,  repertum  est. 
Francis  autem  adhuc  regna- 
bat  Clilodovaeus. 


(p.  31).  Huic  autem  succes- 
sit beatissimus  Ysicius,  se- 
natoriae primum  vir  dig- 
nitatis,  cui  fuerunt  duo 
filii  sacerdotali  infula 
praeclarissimi,  nempe 
Apolinaris,  Valentinae 
urbis  antistes,  et  Avitus, 
qui  Ysicio  patri  in  Vien- 
n  e  n  s  i  episcopatu  succes- 
sit. Floruit  vero  Ysicius 
sub  Leone  imperatore 
necnon  sub  Zenoue,  reg- 
n  a  n  t  e  in  Francia  C  h  1  o  d  o  - 
vaeo  primo,  qua  etiam  aetate 
corpus  beati  Barnabae 
cum  evangelio  manu  beati 
Mattbaei  evangelistae 
scripto,  ipso  revelaiite, 
repertum  f  uit.  Memoria 
eius  habetur  XL  Idus  No- 
vembris. 

Wenn  du  Boys,  wie  die  angemerkten  Varianten  er- 
sehen lassen,  bald  mit  dem  Hagiolog'ium  in  seinem  jetzigen 
Stande,  bald  mit  der  Vienner  Chronik  übereinstimmt,  so 
folgt  daraus,  dass  er  eben  ihre  gemeinsame  Vorlage  seinem 
Bericht  zu  Grunde  gelegt  hat. 

Was  die  Liste  von  1239  anlangt,  so  ergiebt  sich  ihre  Be- 
nutzung schon  aus  dem  einen  Umstände,  dass  der  alte  Bischof 
Desiderius,  der  Nachfolger  des  Justus,  von  allen  überhaupt 
bekannten  Bischofslisten  nur  in  der  von  1239  und  bei  du 
Boys  erscheint.  Es  ist  ein  Grundirrthum  Duchesne's,  an- 
zunehmen, dass  die  Fälschung  der  Vienner  Briefe  diesen 
Vienner  Bischof  eingeschmuggelt  habe :  sein  Name  hat  nie- 
mals darin  gestanden,  er  ist  nach  meiner  Ueberzeugung 
von  du  Boys  oder  seinem  Cartular  gerade  auf  Grund  der 
Liste  von  1239  eingeschwärzt  worden.  Der  dritte  Vienner 
Brief  ist  nämlich  nach  der  verlässlichsten  Ueberlieferung, 
nach  le  Lievre  und  Charvet4,  von  dem  Papste  Victor  I. 
an  den  Bischof  Dionysius  von  Vienne  —  'collega  bea- 
tissime'  nennt  ihn  der  Papst  —  gerichtet  und  dazu  be- 
stimmt,   durch   den  Bischof  'omnes  Galliarum  presbyteros' 


1)  «XII.  Kalendas  Aprüis'  Chron. 
4)  Vgl.  N.  A.  XV,  13-21. 


2)  Fehlt  im  Hag.       3)  'Christo' 


Die  Epistolae  Vieimenses  u.  die  älteste  Vienner  Chronik.     281 

mit  der  rechten  Auffassung  in  der  Osterfrage  zu  versehen. 
Genau  denselben  Zweck  verfolgt  derselbe  Papst  Victor  in 
dem  folgenden  Briefe,  welcher  an  den  Bischof  Paracodas 
von  Vienne,  den  Nachfolger  des  Dionysius,  gerichtet  ist: 
auch  Paracodas  soll  'per  ecclesias  sibi  commissas'  die  wahre 
Anschauung  über  die  Feier  des  Osterfestes  verbreiten. 
Wenn  nun  dieser  Brief  mit  den  Worten  beginnt:  'C ol- 
le ga  noster  Dionysius  dormiens  te  nobis  socium  in  ec- 
clesia  Christi  reliquit',  so  sollte  man  doch  wohl  erwarten, 
dass  die  von  du  Boys  vertretene  minderwerthige  Ueber- 
lieferung  auch  hier  an  Stelle  des  Dionysius  den  Desiderius 
nannte;  da  das  aber  nicht  der  Fall  ist,  dürfte  es  augen- 
fällig werden,  dass  du  Boys  oder  der  fälschende  Schreiber 
seines  Cartulars,  um  dem  ganz  in  der  Luft  schwebenden 
Desiderius  einen  Halt  zu  verschaffen,  in  dem  einen  Brief 
des  Papstes  Victor  den  Namen  des  Empfängers  Dionysius 
unbefugt  in  Desiderius  verwandelt,  die  entsprechende  Aen- 
derung  in  dem  andern  Briefe  Victors  vorzunehmen  aber 
vergessen  hat.  Die  Erwägung,  durch  welche  Duchesne  die 
Einführung  des  Desiderius  in  die  Vienner  Bischofsreihe 
verständlich  macht  (p.  165.  166):  man  habe  in  Vienne  nur 
die  allgemeine  Vorstellung  gehabt,  dass  der  seit  mehreren 
Jahrhunderten  in  der  Vienner  Kirche  verehrte  Märtyrer 
Desiderius  in  der  Zeit  der  berühmtesten  Blutzeugen  gelebt 
habe,  und  ihn  demnach  in  das  letzte  Viertel  des  zweiten 
Jahrhunderts  versetzt  —  diese  Erwägung  lässt  nicht  er- 
sehen, dass  die  Einführung  gerade  im  11.  Jahrh.  geschehen 
sei  —  sie  kann  ebenso  gut  in  einem  andern,  z.  B.  erst  im 
13.  bei  der  Zusammenstellung  der  Liste  von  1239  erfolgt 
sein  — ,  schliesst  aber  völlig  die  Möglichkeit  aus,  dass  le 
Lievre  und  Charvet,  wenn  ihnen  in  ihrer  besseren  Ueber- 
lieferung  der  Name  des  Desiderius  geboten  worden  wäre, 
ihn  zweimal  in  Dionysius  umgewandelt  hätten. 

Erst  durch  Combination  der  Liste  von  1239  mit  dem 
Hagiologium  ist  also  du  Boys  dahin  gelangt,  den  Erzbischof 
Leodegar  als  den  61.  in  der  Reihe  seiner  Amtsbrüder  zu 
bezeichnen:  es  ist  sonach  —  denn  von  dieser  durch  ge- 
lehrte Thätigkeit  gewonnenen  Liste  darf  man  absehen  — 
nicht  ein  einziges  Verzeichnis  Vienner  Bischöfe  überliefert, 
in  welchem  Leodegar  die  61.  Stelle  einnähme. 

Weiter  hatte  Duchesne  die  Liste  aus  dem  Jahre  1239 
zu  einem  Mittelgliede  zwischen  du  Boys'  Aufstellung  und 
einem  vermuthlich  von  Leodegar  herrührenden  Text  ge- 
macht, indem  er  annahm,  dass  der  siebenundzwan- 
zigste   Bischof   Verus   IL    nur   dadurch   ausgefallen    und 


282  Wilhelm  Gundlach. 

Leodegar  auf  den  60.  Platz  herabgerückt  sei,  dass  der 
dreizehnte  Bischof  Claudius  den  Doppelnamen  Claudius 
Yerus  erhalten  habe.  So  geistvoll  Duchesne  das  annehm- 
bar zu  machen  sucht  —  er  meint  (p.  166.  167):  weil  Ado 
aus  Claudius  einen  Zeitgenossen  des  Arier  Concils  von  314 
mache,  man  aber  in  den  Concilsacten  den  Vienner  Bischof 
Yerus  aufgeführt  fand,  habe  man  beide  Namen  combiniert 
und  dann  Verus  II.  als  27.  Bischof  gestrichen  — ,  es  ist 
doch  nur  ein  Phantasiegebilde,  mit  welchem  er  uns  hier 
abfindet;  denn  derselbe  Ado,  welcher  zu  dieser  sonderbaren 
Verschiebung  den  Anlass  gegeben  haben  soll,  bezeichnet 
Yerus  IL  klar  und  deutlich  als  dem  Ende  des  6.  Jahrh. 
angehörig,  verbietet  also  gleichzeitig,  da  sein  Gewicht  an 
einer  Stelle  nicht  grösser  sein  kann,  als  an  der  andern, 
den  Bischof  dem  Anfang  des  4.  Jahrh.  zuzuweisen.  Dass 
das  Fehlen  des  Bischofs  Yerus  II.  in  der  Liste  von  1239 
auf  einem  organischen  Mangel  beruht,  wird  durch  eine 
Liste  des  14.  Jahrh.  dargethan,  welche  den  Namen  'Fun- 
datio  sanctae  Yiennensis  ecclesiae'  trägt l :  unabhängig  von 
der  Liste  des  Jahres  1239  —  denn  sie  hat  nicht  wie  diese 
die  Namen  Desiderius  und  Proculus,  dagegen  den  Bischof 
Landolmus,  welchen  diese  nicht  kennt  — ,  führt  die  Fun- 
datio  auch  den  Bischof  Yerus  II.  nicht  auf,  ohne  darum 
den  Bischof  Claudius  mit  dem  Doppelnamen  zu  benennen. 
Auch  bei  dem  Bestreben,  Einheitlichkeit  zwischen  der 
Ueberlieferung  Ado's  und  der  des  Hagiologiums  herzu- 
stellen, ist  Duchesne  nicht  glücklich  gewesen.  Die  Aus- 
lassung des  Bertericus  im  Hagiologium  kann  nicht,  wie  er 
annimmt,  verschuldet  sein  durch  ein  Yersehen  dessen,  wel- 
cher die  einzelnen  ursprünglich  nach  der  Bischofsfolge 
chronologisch  geordneten  Angaben  in  die  Kalenderordnung 
vertheilte ;  denn  die  in  der  Hs.  an  das  Hagiologium  sich 
anschliessende  Uebersichtstabelle,  welche  allein  die  Aufein- 
anderfolge der  Vienner  Bischöfe  und  damit  die  ursprüng- 
liche Gestalt  des  Hagiologiums  veranschaulicht,  ist  doch 
wohl  nach  seiner  ursprünglichen  Fassung  zusammengestellt: 
es  ist  ausgeschlossen,  dass  die  Tabelle  hinterher  mit  an- 
deren Hülfsmitteln  aus  den  kaleudermässig  geordneten  An- 
gaben mühselig  erarbeitet  worden  ist  —  und  diese  Tabelle 
lässt  auch  den  Namen  Bertericus  aus.  Ferner  ist  die  Zu- 
muthung,  welche  Duchesne  an  seine  Leser  stellt:  den 
Bischofsnamen   Agratus   als    einen    Schreibfehler   für  Deo- 


1)  Sie  ist  von  Chevalier  herausgegeben   in    den  Documents  inedits 
II,  5,  p.  14—19. 


Die  Epistolae  Viennenses  u.  die  älteste  Viemier  Chronik.      283 

datus  anzusehen,  auch  wenn  die  Namen  in  jeder  Liste  an 
derselben  Stelle  ständen,  so  arg-,  dass  er  kaum  irgendwo 
auf  Zustimmung  rechnen  darf;  nun  ist  aber  gar,  wie  Du- 
chesne  selber  angiebt,  Deodatus  in  Ado's  Chronik  der  Vor- 
gänger des  Blidrannus,  im  Hagiologium  dagegen  Agratus 
der  Nachfolger  desselben  Blidrannus !  Endlich  hat  Du- 
chesne  ganz  übersehen,  dass  zwischen  Ado  und  dem  Ha- 
giologium noch  eine  dritte  Verschiedenheit  obwaltet:  im 
Hagiologium  ist  vor  Mamertus,  welcher  bei  Ado  unmittel- 
bar auf  Nicetius  folgt,  noch  Simplicius  eingeschoben  1.  So 
ergiebt  sich  denn,  dass  die  Listen  bei  Ado  und  im  Hagio- 
logium einschliesslich  Ado's  zwar  in  der  Zahl  übereinstim- 
mend 48  Bischöfe  aufzählen,  dass  aber  die  eine  Deodatus 
und  Bertericus  für  sich  allein,  die  andere  statt  dieser 
Namen  Simplicius  und  Agratus  ausschliesslich  hat. 

Stellt  man  nun  auch  alle  diese  Namen  in  eine  ein- 
zige Liste  ein,  nach  welcher  also  Ado  der  50.,  Leodegar 
der  58.  Bischof  wäre,  so  reichen  auch  die  beiden  Namen, 
welche  Duchesne  ausser  Simplicius  noch  aus  den  Vienner 
Briefen  und  der  gefälschten  Urkunde  Karls  des  Kahlen  bei- 
bringt: Wolferius  und  Wolfericus  —  denn  dass  Desiderius 
nicht  hierher  gehört,  glaube  ich  oben  gezeigt  zu  haben  — 
noch  nicht  aus,  um  Leodegar  den  61.  Platz  in  der  Reihe 
seiner  Amtsbrüder  zu  verschaffen :  er  ist  und  bleibt  vor 
der  Liste  du  Boys'  der  60.  Bischof. 

Dem  Bischof  zu  seinem  urkundlich  in  Anspruch  ge- 
nommenen Platz  zu  verhelfen,  dazu  giebt  es  nur  ein  Mittel, 
welches  Duchesne  selbst  schon  unbewusst  zu  verwenden 
begonnen  hat.  Er  setzt  (p.  165)  vortrefflich,  wie  mir  scheint, 
auseinander,  dass  man  in  Vienne  aus  der  Namensform  Sim- 
plicius des  von  Ado  Simplides  geheissenen  Bischofs,  welche 
man  in  einem  Zosimus  -  Brief e  der  Arier  Sammlung  fand, 
einen  eigenen  Bischof,  den  vierten  Nachfolger  des  Pascha- 
sius,  machte,  während  diesem  Simplides  unmittelbar  vorher- 
geht. Sollte  man  denn  nun  in  Vienne  nur  ein  einziges 
Mal  Simplicius  und  Simplides  für  verschiedene  Bischöfe 
gehalten  haben,  sollte  man  auf  diese  Weise  gewonnene 
Namen  nur  dann  in  die  Bischofsliste  eingeordnet  haben, 
wenn  der  Fälscher  der  Vienner  Briefe  sie  wie  den  Simpli- 
cius  in   seine  Sammlung   aufgenommen   hatte,    oder   sollte 

1)  Duchesne  sagt  p.  173:  'dans  l'Hagiologe,  ces  documents  —  die 
Vienner  Briefe  —  sont  allegues  sans  que  cependant  la  serie  episcopale 
soit  alteree  d'apres  eux1,  und  doch  findet  sich,  wie  oben  S.  269  angegeben, 
hinter  der  Angabe  über  Nicetius  ein  Zusatz,  durch  welchen  .Simplicius  als 
sein  unmittelbarer  Nachfolger  bezeichnet  wird. 


284  Wilhelm  Gundlach. 

nicht  vielmehr  zu  allen  Zeiten  durch  dieses  Verfahren  eine 
Erweiterung  der  Yienner  Bischofsliste  möglich  gewesen 
sein?  Ich  dächte:  ehe  man  ein  derartiges  Monopol  des 
Fälschers  statuiert,  wie  man  es  nach  Duchesne's  Verhalten 
annehmen  soll,  liesse  man  besser  eine  zunächst  nur  münd- 
lich fortgepflanzte  Tradition  gelten,  welcher  der  Fälscher 
mit  seinen  ohnedies  manches  neue  bringenden  Schrift- 
stücken lediglich  gefolgt  ist.  Sehen  wir  uns  nun  die 
Vienner  Bischofslisten  auf  die  Ständigkeit  ihrer  Namens- 
formen hin  an,  so  ergeben  sich  auffallend  viele  und  zum 
Theil  recht  beträchtliche  Schwankungen.  Ich  betrachte 
A  d  o '  s  M  a  r  t  yrologium  und  C  h  r  o  n  ik,  das  C  a  1  e  n  d  arium 
aus  dem  10.  Jahrh.,  die  Bern  er  Hs.  und  das  Hagiolo- 
gium  mit  der  damit  zugleich  überlieferten  chronologischen 
Bischofs  -Tab  eile ;  denn  obschon  das  Hagiologium  nach 
meiner  Auffassung  erst  der  Zeit  Guido's  angehört,  so  steht 
es  doch  der  von  Leodegar  angeblich  veranlassten  Bisthums- 
geschichte  der  Zeit  nach  so  nahe,  dass  es  für  sie  als  Er- 
satz dienen  kann,  zumal  es  hier  nicht  so  sehr  darauf  an- 
kommt, den  Formenreichthum  gerade  zur  Zeit  Leodegars 
als  vielmehr  die  Entwickelung  einzelner  Namensformen 
überblicken  zu  lassen ;  darum  habe  ich  auch  bisweilen  noch 
die  Liste  von  12  3  9  und  die  Fund  atio  für  die  folgende 
Auswahl  herangezogen 1 : 

1.  Paracodes  (Ado),  Paracodas  (Bern.),  Tarcode  (Hag.). 

2.  Florentinus  (Ado),  Florentius  (Hag.),  Floretus  (Fund.). 

3.  Simplides  (Ado),  Sinrplicides  (Hag.),  Simplidas  (1239), 
Simplicidas  (Fund.). 

4.  Niceta  (Ado),  Nicetius  (Hag.). 

5.  Dominus  (Ado),  Domninus  (Hag.). 

6.  Namatus  (Ado),  Naamatus  (Hag.),  Naamatius  (1239). 

7.  Evantius  (Ado),  Eventius  (Calend.),  Evantus  (Hag.). 

8.  Clarentius  (Ado),  Clarentus  (Hag.). 

9.  Hecdicus  (Ado),  Edictus  (Calend.  und  1239), 
Hecdicius  (Hag.). 

10.  Caaeldus  (Ado's  Mart.),  Caldeoldus  (Ado's 
Chron.),  Caoldus  (Calend.),  Eoaldus  (Hag.),  Edaldus 
(1239). 

11.  Bobolinus  (Ado),  Bobonus  (Hag.),  Bobo  (1239). 


1)  Ich  beschränke  mich  absichtlich  auf  das  Material,  welches  Che- 
valier in  seinen  Tabellen  (L' universite  catholique  V,  507  ff.)  zusammen- 
getragen und  Duchesne  in  seiner  Ausgabe  des  Liber  episcopalis  (Fastes 
episcopaux  I,  179  ff.)  für  Ado,  die  Vienner  Chronik  in  der  Berner  Hs.  und 
das  Hagiolosfinm  berichtigt  hat. 


Die  Epistolae  Viennenses  u.  die  älteste  Vienner  Chronik.     285 

12.  Eoldus  (Ado),  Evaldus  (Calend.),  Goaldus  (Tab.), 
Boaldus  (Hag.),  Evaldus  (1239). 

L3.  Vulferi,  Vultreja  (Ado),  Ultra  ja  (Hag.). 

14.  Aglimatus  (Ado),  Agilmarus  (Hag.). 

Beachtet  man  nur  die  besonders  hervorgehobenen  Ab- 
weichungen, so  bieten  schon  sie,  ganz  abgesehen  davon, 
dass  das  Calendarium  des  10.  Jahrh.  noch  den  sonst  in 
keinem  Verzeichnis  enthaltenen  Bischof  Eumondus  auf- 
führt1, vor  der  Liste  von  1239  Stoff  genug,  die  Bischofs- 
reihe um  5 — 6  Namen  zu  vermehren,  dem  Bischof  Leode- 
gar,  welcher  nach  der  niedrigsten  Zählung  den  56.  Platz 
erhalten  würde,  den  61.  einzuräumen.  Dass  eine  Vermeh- 
rung der  Bischofsliste  in  der  That  in  dieser  Weise  erfolgt 
ist,  wird  nicht  nur  an  Simplides  -  Simplicius  erweislich,  son- 
dern auch  an  Ultraja-Wolferius;  denn  die  Nebenform  Ul- 
tra ja' s  bei  Ado:  Vulferi  hat  augenscheinlich  dem  Vorgänger 
des  Ursus,  dem  Bischof  Wolferius,  zum  Dasein  verholfen. 
Kann  dieser  auch  erst  im  18.  Stück  der  Vienner  Briefe  be- 
legt werden  (J.-E.  2533),  so  ist  doch  klar,  dass  die  Möglich- 
keit, ihn  in  die  Bischofsliste  aufzunehmen,  seit  dem  9.  Jahrh. 
vorlag  und  keiner  andern  Voraussetzung  bedurfte  als  des 
—  wie  an  den  oben  aufgedeckten  kritischen  Bemerkungen 
wahrnehmbaren,  wohl  stets  regen  —  Interesses  der  Vienner 
Geistlichkeit  an  der  Geschichte  ihres  Bisthums. 

Mit  dem  ohne  Benutzung  der  Vienner  Briefe  geführten 
Nachweis,  dass  Leodegar  von  Anfang  seines  Bisthums  an 
im  Stande  war,  sich  als  den  61.  Vienner  Bischof  zu  be- 
zeichnen, wird  jeder  Grund,  dass  im  Jahre  1068  Vienner 
Briefe  bereits  vorhanden  waren,  beseitigt ;  es  fällt  aber  da- 
mit zugleich  auch  die  Stütze  für  Duchesne's  Aufstellung, 
dass  in  der  Vienner  Sammlung  zwei  Gruppen  zu  unter- 
scheiden seien,  von  welchen  die  zweite  unter  Guido  hinzu- 
gefügt sei ;  denn  was  Duchesne  sonst  noch  dafür  vorbringt : 
dass  nur  in  den  Stücken  der  zweiten  Gruppe  diejenigen 
beiden  Angelegenheiten,  welche  Guido  besonders  betrieben 
hat,  die  der  Abtei  des  h.  Barnard  und  der  Grafschaft  Ser- 
morens,  behandelt  werden,  ist  einerseits  nicht  so  auszu- 
legen, als  ob  alle  Stücke  der  letzten  Gruppe  nur  damit 
angefüllt  wären  —  von  Urban  II.  geht  der  Brief  J.-L.  5421 
und  das  von  Paschalis  einzig  vorhandene  Stück  J.-L.  6596 
überhaupt  nicht  weder  auf  die  eine  noch  auf  die  andere 
Angelegenheit  ein,  sondern  beide  Stücke  wahren  inhaltlich 
den  Zusammenhang  mit  den  früheren  Stücken  — ,  anderer- 

1)  Vgl.  Chevalier  in  L'universite  catholique  V,  498.  499. 


286  Wilhelm  Gundlach. 

seits  doch  in  der  Natur  der  Sache  begründet:  hiesse  es 
denn  nicht  der  Dummheit  des  Fälschers  ungebührlich  viel 
zumuthen,  wenn  man  mit  Duchesne  verlangen  wollte,  dass 
er  in  Stücken,  deren  Entstehung  er  für  die  Zeit  vom 
2.  Jahrh.  bis  1054  glaubhaft  machen  wollte,  schon  vorweg 
les  conflits  ecclesiastiques  du  temps  de  Gui'  hätte  berüh- 
ren sollen,  welche  in  ihrem  Ursprung  nach  der  damaligen 
allgemeinen  Erinnerung  kaum  ein  Menschenalter  zurück- 
reichten ? 

Nachdem  so  die  Einwürfe  Duchesne's  zurückgewiesen 
sind,  tritt  meine  Beweisführung,  welche  die  Einheitlichkeit 
der  Vienner  Briefe  zum  Gegenstand  hat,  wieder  in  ihr 
Recht:  es  ist  nicht  abzusehen,  weshalb  etwa  unter  Leode- 
gar  oder  einem  andern  Bischof,  für  dessen  Primatansprüche 
'il  n'y  a  pas  la  moiudre  trace',  die  der  Primatialherrlich- 
keit  Vienne's  gewidmeten,  garnicht  glatt  auslösbaren  Stücke 
entstanden  sein  sollten,  weshalb  nicht  unter  Guido,  welcher 
erwiesenermassen  nicht  blos  auf  die  Abtei  des  h.  Barnard 
und  die  Grafschaft  Sermorens,  sondern  auch  auf  die  Pri- 
matialhoheit  seiner  Kirche  seine  eifrigen  Bestrebungen 
wandte,    gleich    die    ganze  Sammlung  gefälscht  sein  sollte. 

Duchesne's  Bemühen  endlich,  dem  Hagiologium  in 
seiner  ursprünglichen  Fassung  als  dem  von  Leodegar  ver- 
anlassten Liber  episcopalis  Viennensis  ecclesiae  Anerken- 
nung zu  verschaffen,  scheitert,  wie  es  an  sich  schon  durch 
die  gekünstelte  Annahme  zweier  ßedactionen  Bedenken 
erregt,  einmal  daran,  dass  Leodegar  darin  als  56.  Bischof 
geführt  wird,  während  er  den  gepflogenen  Erörterungen 
zufolge  nicht  nur  im  Jahre  1068,  sondern  während  seines 
ganzen  Bisthums  sich  als  61.  hat  bezeichnen  können,  und 
sodann  daran,  dass  das  Hagiologium  eine  einheitliche 
Schöpfung  und  als  solche  erst  geraume  Zeit  nach  Leode- 
gars  Tod  —  wie  Chevalier  und  ich  meinen,  erst  im  Zeitalter 
Guido's  —  entstanden  ist.  Mit  der  von  Leodegar  ange- 
regten Bisthumsgeschichte  ist  offenbar  auch  diejenige  Ee- 
daction  der  Bischofsliste  verloren  gegangen,  in  welcher  er 
als  der  61.  Bischof  aufgeführt  war. 

Eine  schätzbare  Kunde  verdanke  ich  der  Besprechung, 
welche  Duchesne  meiner  Arbeit  gewidmet  hat:  die  über- 
raschende Nachricht,  dass  von  dem  letzten  Stück  der  Epi- 
stolae  Viennenses,  der  Urkunde  Calixts  IL  (J. -L.  6822), 
welche  ich  in  Yienne  gefälscht  glaubte  zu  einer  Zeit,  als 
Guido  bereits  den  Stuhl  Petri  bestiegen  hatte,  aber  sein 
Erzbisthum  noch  in  der  Hand  hielt  —  dass  von  diesem 
Stück  nach  dem  Urtheil  Ulvsse  Eoberts  ein  echtes  Original 


Die  Epistolae  Viennenses  u.  die  älteste  Vienner  Chronik.     287 

vorhanden  sein  soll1.  Wenn  das  richtig  ist  —  eine  Nach- 
prüfung-, welche  nothwendig  von  einer  Einsicht  in  das 
Original  ausgehen  müsste,  ist  mir  nicht  möglich  — ,  dann 
erfährt  damit  der  innere  Antheil  Guido' s  an  der  Vienner 
Fälschung  eine  ungeahnte  Bestätigung,  dann  wird  die  Fol- 
gerung, welche  ich  bisher  zu  ziehen  nicht  vermocht  habe, 
unabweislich :  dass  Guido -Calixt,  indem  er  durch  eine  äusser- 
lich  unantastbare  Urkunde  sein  Fälschungswerk  krönte,  den 
Betrug,  den  er  als  Erzbischof  verübt  hatte,  als  Statthalter 
Christi  fortgesetzt  hat 3. 


1)  Bullaire  du  pape  Calixte  II.  tome  I,  p.  214,  n.  145.  Robert  be- 
merkt zu  dieser  Urkunde  (1120  Febr.  25):  'Original  aux  archives  departe- 
mentales  de  l'lsere,  ä  Grenoble,  serie  G,  fonds  de  l'eglise  de  Vienne'. 
Demselben  Archiv  hat  Robert  eine  bisher  unbekannte  frühere  Ausfertigung 
(1119  Juni  28)  der  nämlichen  Urkunde  entlehnt  und  a.  a.  0.  I,  36  (n.  25) 
veröffentlicht;  indem  er  dabei  erklärt  (p.  36,  N.  a),  dass  beide  Ausferti- 
gungen gleichlautend  seien  bis  auf  die  Datierung,  scheint  er  einige  be- 
achtenswerthe  Unterschiede  übersehen  zu  haben.  Die  frühere  Ausfertigung 
hat  nämlich  (p.  37)  in  der  Aufzählung  derjenigen  Kirchen,  von  welchen 
der  Papst  sagt:  'pontifices  Viennenses  omnem  habere  decernimus  potesta- 
tem',  nach  den  Worten  'beate  Marie  de  Annonaico'  noch  eingeschoben: 
'et  in  ecclesia  beati  Antonii';  andererseits  wird  in  der  späteren  Ausferti- 
gung (p.  215)  nach  den  Worten  'crucem  deferri  concedimus'  eingeschaltet: 
'et  Viennensem  ecclesiam  alicui  subiacere  legato  nisi  cardinali  vel  alii  de 
Romana  provincia,  qui  a  Romani  pontificis  latere  dirigitur,  prohihemus. 
Porro  in  ecclesiis,  quas  in  Viennensi  episcopatu  post  assumptum  apostolice_ 
sedis  ministerium  consecravimus,  Viennensis  archiepiscopus  eandem  quam 
ante  habuerat  interdicendi  et  ordinandi  habeat  potestatem.  Sane  infra 
claustri  ambitum,  ubi  clericorum  mansiones  continentur,  nullus  omnino 
laicorum  deinceps  habeat  mansionem  aut  assultum  vel  rapinam  facere  seu 
corporalem  cuilibet  audeat  iniuriam  irrogare' ;  endlich  hat  dieselbe  spätere 
Ausfertigung  (p.  216)  am  Schluss  des  Contextes  ein  dreifaches  'Amen',  die 
frühere  (p.  37)  nur  ein  einfaches.  Erst  durch  diese  sachlichen  Abweichun- 
gen wird  die  Neuausfertigung  nach  kaum  acht  Monaten  verständlich.  Wenn 
Duchesne  (Fastes  episcopaux  I,  163,  N.  2)  bemerkt:  'La  premiere  de  ces 
bulles  manque  ä  l'edition  de  M.  Gundlach,  lequel,  du  reste,  ne  parait  pas 
avoir  eu  connaissance  de  la  publication  de  M.  Ulysse  Robert',  so  hat  er 
damit  vollkommen  Recht:  meine  Ausgabe  der  Epistolae  Viennenses  ist 
nämlich  vom  October  1888  datiert,  und  das  Buch  Roberts  ist  18  91  er- 
schienen. 2)  Auch  Duchesne  zieht  diesen  Schluss:  'U  demeurera',  sagt 
er  im  Bulletin  critique  p.  245,  'toujours  fort  regrettable  que  Gui,  devenu 
pape,  ait  cru  pouvoir  legitimer  tous  ces  documents  supposes,  les  plus  re- 
cents  comme  les  plus  anciens'  und  ähnlich  in  den  Fastes  episcopaux  1, 
163:  'II  est  sür  que  Calixte  II  a  authentique  toute  cette  collection  de 
faux'. 


VIII. 


Zu  den 


Acten  der  Triburer  Synode  895. 


Zweite    Abhandlung. 


Von 


Emil  Seckel. 


K, 


II.    Weitere  Beiträge. 

1 .     Eine    bisher   nicht    beachtete    Quelle    der 
V  u  1  g  a  t  a. 

■rause  hat  sich  in  den  Noten  seiner  Ausgabe x  red- 
liche Mühe  gegeben,  die  Quellencitate  der  Triburer  Acten 
nachzuweisen.  Nur  in  einigen  wenigen  Fällen 2  ist  ihm 
dies  nicht  gelungen.  Geholfen  wird  hier  durch  die  Be- 
obachtung 3  der  nicht  uninteressanten  Thatsache,  dass 
der  gelehrte  Eedactor  der  Yulgata4  an  mehr  als  einer 
Stelle    aus    der    Collectio    canonum    Hibernensis5 


1)  MG.  Capp.  T.  II,  p.  196—249  (im  Folgenden  mit  'ed.'  citiert). 
2)  Ed.  p.  215,  N.  47,  p.  236,  N.  99,  p.  237,  lin.  13.  Vgl.  ferner  p.  224, 
N.  21,  wo  doch  wohl  eine  Anspielung  auf  1.  Petr.  2,  9  vorliegen  dürfte. 
In  Vulg.  c.  16  ed.  p.  222,  lin.  21  sind  auch  die  Worte  'sciens  —  morie- 
mur1  aus  dem  Eccles.  (8,  8).  Die  Bibelstellen,  die  sich  in  der  Vulg.  ein- 
gestreut finden,  ohne  durch  ausdrücklichen  Hinweis  citiert  zu  sein,  sind 
von  Krause  nicht  vollständig  herausgehoben  worden,  vgl.  etwa  Vulg.  c.  11, 
p.  219,  lin.  21  sq.:  1.  Iohann.  2,  6;  Vulg.  c.  16,  p.  220,  lin.  26:  Matth. 
10,  8.  3)  Sehr  überraschend  kommt  übrigens  die  Neuheit  nicht ;  denn 
die  fragliche  Quelle  war  im  Frankenreiche  wohlbekannt  —  von  ihren 
12  Hss.  befinden  sich  heute  9  auf  ehemals  fränkischem  Boden  —  und  sie 
ist  von  Regino  wie  von  Burchard  benutzt  worden;  s.  Wasserschieben,  an 
dem  Anm.  5  anzuführenden  Ort,  S.  XXIX  und  dazu  unten  S.  293.  302. 
4)  Ueber  die  Coli.  Diessensis  und  Burchard  s.  unten  S.  294  f.  302.  5)  Vgl. 
über  sie  Maassen,  Geschichte  der  Quellen  I  (1870),  S.  877—885.  954.  973— 
981;  Die  irische  Kanonensammlung,  herausgegeben  von  Wasserschieben 
1874,  2.  Aufl.  —  nach  der  hier  citiert  wird  —  1885.  Ferner:  Kunstmann 
im  Archiv  für  katholisches  Kirchenrecht  VI  (1861),  S.  4 — 11.  Die  hier 
aus  Cod.  Monac.  6242  abgedruckte  eherechtliche  Sammlung  ist  im  Wesent- 
lichen nichts  andres  als  eine  Recension  des  46.  Buches  der  (erweiterten) 
Collectio  Hibernensis,  vgl.  auch  Maassen  a.  a.  O.  S.  885,  Anm.  7 ;  Maassen 
und  AVasserschleben  ist  die  Edition  des  Kunstmannschen  Fragments, 
Schulte,  Geschichte  der  Quellen  I  (1875),  S.  33,  Anm.  16  der  Zusammen- 
hang dieses  Tractats  mit  der  Coli.  Hib.  entgangen.  Es  entsprechen  sich: 
Kunstmann  I.  II:  Hib.  46.  1.  2,  III:  46,  13a,  IV— VII:  46,  3-6,  VIII. 
IX:  46, 11. 12,  X— XII:  46, 16—18,  XIII:  nach  46,  7,  p.  187,  N.  a?,  XIV. 
XV:  46,  8.  9,  XVI,  Satz  1:  nach  46,  35,  p.  194,  X.  m  i.  f.?,  XVI, 
Satz  2  —  XIX,  Satz  1:  46,  22.  23.  25.  24.  26,  XIX,  Satz  2.  3:  '?,  XIX, 
Satz  4.  5  bis  'impius1 :  46,  27,  XIX,  Satz  5 :  'ubi  igitur',  XX :  nach  46,  35, 
p.  194,  N.  m?,  XXI-XXVI:  46,  28-32.  34,   XXVII:  46,  15,  XXVIII; 


292 


Emil  Seckel. 


geschöpft     hat  *•. 
schein : 


Den     Beweis      erbring-t     der 


Augen- 


Vulg.  c.  3 
(ed.  p.  215,  11.  12). 
Qui  percutit   malos   in  eo, 
quod  mali  sunt,  minister  do- 
mini  est. 


Coli.  Hib.  lib.  27,  c.  8  a 
(ed.  p.  87). 

Hieronimus :  Qui  percutit 
malos  in  eo,  quod  mali  sint, 
et  habet  vasa  interfectionis, 
ut  percutiat  pessimos,  mini- 
ster domini  est2. 

Die  in  der  Vulgata  1.  c.  vorangehenden  Worte  'et, 
cum  evangelium  legeretur,  audivimus:  "Si  —  publicanus" 
et  alibi'  sind  also  nicht  mit  Krause  1.  c.  p.  215,  N.  47 
dahin  aufzufassen,  dass  zn  'alibi'  auch  die  Nennung  des 
Evangeliums  heranzuziehen  wäre;  es  ist  vielmehr  nur  zu 
ergänzen:  alibi  audivimus. 

b. 
Coli.  Hib.  lib.  46,  c.  29 


Vulg.  c.  39 

(ed.  p.  236,  14—16). 

Synodus  Romana 

ait:    Quod  non   di- 

mittenda    sit    uxor 

post   baptismum, 
quae   habita  est  et 
ante  baptismum.  In 
baptismo  solvuntur 
crimina ,     non     ta- 


(ed.  Wass.  p.  192). 

De  non  dimitten- 
da  uxore  in  baptis- 
mo (nibr.).  Sinodus 
Eomana  dicit:  Is, 
qui  habuit  primam 
uxorem  virginem 
ante  baptismum,  vi- 
vente   illa    alteram 


(ed.  Kunstmann 
[c.  22]  p.  8). 

Deeo,quod(CW. 
quae)  non  dimit- 
tenda  est  uxor 
in  baptismo,  quae 
habita  est  ante 
baptismum  (rubr.). 
Synodus  ait  Roma- 
na:  Is,   qui  habuit 


46,  35  a— c,  XXX:  46,  33;  cap.  XXIX  stammt  aus  Hib.  18,  la.  b ;  die 
beiden  Rubriken  nach  XXX  sind  die  wie  öfter  stark  modificierten  von 
Hib.  40, 15.  16.  —  Die  irische  Sammlung  gehört  wahrscheinlich  dem  frühen 
8.  Jahrh.  an.  1)  Ob  aus  der  vollständigen   oder   aus  einem  Auszuge 

nach  Art  des  Kunstmannschen,  muss  dahingestellt  bleiben,  ist  auch  völlig 
gleichgültig.  2)  Es  soll  nicht  verschwiegen  werden,  dass  der  Vulgata 

1.  c.  die,  aus  der  Hibernensis  1.  c.  verkürzte,  Fassung  von  Exe.  Egberti 
c.  79  (81)  (Migne,  Patrol.  lat.  T.  89,  col.  389)  näher  steht  als  die  im  Text 
abgedruckte  Stelle  der  Hibernensis.  Exe.  Egb.  c.  79  lautet :  'Hieronymus 
dicit:  Qui  percusserit  malos,  eo  quod  mali  sunt,  minister  domini  est'. 
Vielleicht  stammen  Vulg.  und  Exe.  Egb.  beide  aus  einer  bereits  gekürzten 
Recension  der  Hib. ;  an  eine  Benutzung  der  Exe.  Egb.  durch  die  Vulg. 
wird  man  erst  denken  können,  wenn  die  m.  W.  noch  unaufgeklärte 
Frage  nach  der  Abfassungszeit  der  Exe.  zu  Gunsten  schon  des  9.  Jahrh. 
entschieden  sein  wird.  —  Die  Worte  des  Hieronymus  sind  oft  wiederholt 
worden,  z.  B.  aus  der  Hib.  bei  Burch.  6,  43  =  Ivo  10,  171,  aus  dem 
Original  bei  Ivo  10,  114. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895. 


293 


men   legitima   con- 
iugia. 


habere  post  baptis- 
mum  non  poterit, 
quia  crirnina  in  bap- 

tismo    solvuntur, 
non    tarnen    legiti- 
mum  coniugium  K 


primam  uxorem  vir- 
ginem  ante  baptis- 
ma,  vivente  illa  al- 
teram  habere  post 
baptismum  non  po- 
terit :  crirnina  in 
baptismo  solvuntur, 
non  tarnen  legiti- 
mum  coniugium  sol- 
vitur. 

Die  Vulgata  folgt  offensichtlich  derjenigen  Ueber- 
lieferung,  welche  in  Kunstmanns  Texte  vorliegt2. 

Der  mehr  oder  weniger  enge  Zusammenhang  zwischen 
Vulg.  c.  39  cit.  und  C.  28,  q.  2,  c.  1  ist  von  Friedberg3 
und  Krause4  erkannt5  worden.  Man  braucht  nur  C.  28, 
q.  2,  c.  1  cit.  oder  vielmehr  die  Quelle  dieser  Stelle,  d.  h. 
Burchard  9,  61: 

'De   illo,    qui   ante    baptismum   mulierem  virginem 
acceperat.     Ex  concilio  Meldensi  cap.  II  (rubr.).     Si  quis 
habuerit    uxorem   virginem    ante   baptisma,    vivente   illa 
post   baptismo    alteram   habere   non    potest:    crirnina   in 
baptismo  solvuntur,  non  coniugia' 
mit  Coli.  Hib.  1.  c.  zu  vergleichen,  um  zu  sehen,  dass  das 
Stück   durch    directe    selbständige  Benutzung   (und  Verfäl- 
schung)   eben    der   Hibernensis    von   Seiten   Burchards    zu 
Stande  g-ekommen  ist. 


Vulg.  c.  41 
(ed.    p.  237,   18.   19 6). 

Hieronimus  ait :  Mulier 
duorum  fratrum  non  ascen- 
dat  thorum :  si  autem  ascen- 
dit ,  adulterium  perpetrabit 
(perpetravit  codd.  not.  i  ritt.). 


Coli.  Hib.  lib.  46,  c.  35  d 

(ed.  p.  194). 
Hieronimus :    Mulier    duo- 
rum    fratrum     thorum     non 
ascendat:  si  enim  ascenderit, 
adulterium  perpetravit. 


1)  Vgl.  Poenit.  Theodori  2,  c.  4,  §  1.  2  ("Wasserschieben,  Die  Buss- 
ordnungen S.  205).  2)  Die  von  Krause  1.  c.  p.  236,  N.  99  nicht  ge- 
fundene 'Synodus  Romana'  ist  übrigens  noch  an  einem  dritten  Orte  publi- 
ciert :  bei  Maassen  a.  a.  0.  S.  978 ;  dieser  theilt  das  Rubrum  nicht  mit, 
sein  Text  nähert  sich  dem  oben  nach  "Wasserschieben  abgedruckten. 
3)  Friedberg,  Decretum  Gratiani  zu  der  angeführten  Stelle.  4)  Krause 
ed.  p.  236,  N.  99.  5)  "Wasserschieben  zu  Hib.  46,  29  cit.,  vgl.  Ein- 
leitung S.  XXJX,  hat  ihn  übersehen.  6)  Krause  z.  d.  St.  hat  auf  den 
Nachweis  der  Quelle  verzichtet. 

Neues  Archiv  etc.    XX.  20 


294 


Emil  Seckel. 


Vulg.  c.  46 
(ed.  p.  240,  5—9). 
audiat  sanctum 
Augustinum  dicen- 
tem :  Cum  enim  vir 
a  virtute  nomen  ac- 
cipit  et  nmlier  a 
mollicia,  id  est  fra- 
gilitate,  quare  con- 
tra    crudelissimani 

libidinis  bestiam 
vult  unusquisque 
uxorem  suam  esse 
victricem,  cum  ipse 
ad  primum  libidinis 
ictum  victus  cadit? 
Nam  quicquid  con- 
tra   fidem    catholi- 


I  Pseudo -Augustinus 
Coli.    Hib.   lib.  46, '  Append.  Sermo  289, 


c.l6i.  f.  (ed.  p.189). 
Ag-ustinus:  .  .  . 
Cum  enim  vir  a  vir- 
tute  nomen  accepit 
et  mulier  a  molli- 
tia,  id  est l  fragili- 
tate,  quare  contra 
crudelissimam  be- 
stiam libidinis  vult 
unusquisque  uxo- 
rem suam  esse  vic- 
tricem, cum  ipse  ad 
primum  libidinis  ic- 
tum victus  cadit  ? 
Nam  quicquid  con- 
tra   fidem    catholi- 


1  i.  f.  §  3  i.  med.2 
Cum  enim  vir  a 
virtute  nomen  acce- 
perit  et  mulier  a 
mollitie,  id  est  fra- 
gilitate,  quare  con- 
tra crudelissimam 
bestiam  libidin  e  m 
vult  unusquisque 
uxorem  suam  vic- 
tricem esse ,  cum 
ipse  ad  primum  libi- 
dinis ictum  victus 
cadat?  ...  (§3) 
.  .  .  Nam  in  fide 
catholica  quid- 
q  u  i  d  mulieribus 
noii  licet ,  omnino 
nee  viris  licet. 


cam  mulieribus  non 
cam  mulieribus  non  j  licet ,  omnino  nee 
licet,  nee  viris  licet.  ]  viris  licet. 

Krause  (ed.  1.  c.)  hat  auf  alle  Fälle  darin  geirrt,  dass 
er  das  Augustin  -  Citat  schon  mit  den  Worten  'victus  cadit' 
zu  Ende  sein  lässt;  denn  das  Folgende  (lNam  quicquid  — 
nee  viris  licet')  steht  ebenfalls,  wenn  auch  durch  längere 
Ausführungen  vom  ersten  Excerpte  getrennt,  bei  Pseudo- 
Augustin  (<§  3  cit.).  —  Sowohl  die  Lesarten,  auf  die  jedoch 
wegen  der  vermuthlichen  Unsicherheit  des  pseudoaugustini- 
schen  gedruckten  Textes  nicht  zu  viel  Gewicht  gelegt 
werden  darf,  als  gerade  die  übereinstimmende  Verbindung 
des  Satzes  aus  §  3  cit.  mit  dem  aus  §  1  cit.  des  Originals 
ergeben  beinahe  mit  Sicherheit,  dass  die  Hibernensis  als 
Zwischenquelle  und  nicht  unmittelbar  das  Original  be- 
nutzt ist. 


Wohl  nicht  mit  Unrecht  nimmt  Wasserschieben3  an, 
dem  Verfasser  von  Coli.  Diess.  c.  20  habe  Coli.  Hib.  42,  14  b 

1)  Die  Wörter  'mollitia  id  est'  hat  Wasserschieben  zu  Unrecht  aus- 
gelassen: sie  finden  sich  im  Originale,  in  einem  Theile  der  Parallelüber- 
lieferung  (vgl.  Kunstmann  a.  a.  O.  S.  11;  anders  ebenda  S.  6,  cap.  10)  und 
in  unserer  Ableitung.  2)  Opera  ed.  Maur.  T.  5,  P.  2  (1700),  col.  341 

=  ed.  Maur.  altera  T.  5  (1837),  col.  3128.  3129  =  Migne  Patrol.  T.  39, 
col.  2292.  3)  Wasserschieben  a.  a.  O.  S.  166,  Anm.  37  (schon  1.  Aufl. 
S.  192,  Anm.  27). 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895. 


295 


vorgeschwebt.  Wasserschleben  hätte  hinzufügen  können, 
dass  leise  Anklänge  sich  vielleicht  auch  in  Vulg\  c.  27 
finden.  Man  vergleiche,  neben  dem  allgemeinen  Gedanken- 
gang,   die   gelegentlichen  wörtlichen  Uebereinstimmungen : 


Coli.  Hib.  lib.  42,  c.  14b 
(ed.  p.  166). 

Sinodus  Mcena  dicit:  Si 
quis  in  monasterio  nu- 
tritus  est  et  usque  ad  suni- 
mum  studium  auditionis  edoc- 
tus  est  et  postmodum  dis- 
cesserit,  nisi  de  novo 
revertatur,  desertoris  et 
peccatoris  crimine  condem- 
nandus  est. 


Diess.  c.  20 
(ed.  c.  27  a,  p.  228  sq.). 
Si  quis  clericus  in  mo- 
nasterio nutritus1  f  uerit 
et  in  ecclesia  publice  legerit 
vel  cantaverit  et  postmo- 
d  u  m 2  ad  saeculi  negotia 
egreditur,  hie  ab  episcopo 
suo  coerceatur,  ut  iterum  ad 
monasterium  revertatur3, 
unde  discesserat.  Si  autem 
tarn  pertinax  extiterat,  ut  ca- 
pillos  capitis  sui  nutriat,  tunc 
ab  episcopo  constringatur,  ut 
iterum  detondeat  caput,  et 
deineeps  nee  uxorem  sibi 
usurpet  nee  ad  sacrum  ordi- 
nem  promoveatur. 

Einige  andere  Stellen  der  Vulgata  hingegen,  die  ihr 
Gegenstück  in  der  Coli.  Hib.  haben,  gehen  nicht  auf  die 
letztere,  sondern  auf  die  Quellen  selbst  zurück.  Dies  gilt 
augenscheinlich  für  Vulg.  c.  17 4  im  Verhältnis  zu  Hib. 
18,  8d;  es  ist  so  gut  wie  sicher,  und  zwar  auf  Grund  der 
Lesarten,  für 


Vulg.  c.  4 
(ed.  p.  216,  19—25). 
Isidorus5:  His  enim,  sicut 
et  episcopis,  dispensatio  my- 
steriorum  dei  commissa 
est.  Praesunt  enim  ecclesiae 
Christi,  et  in  confessione 
divini  corporis  et  sanguinis 
consortes  cum  episcopis  sunt, 
similiter    et   in  doctrina    po- 


Coll.  Hib.  lib.  2,  c.  4 
(ed.  p.  13). 
Isidorus  de  prespiteris  ait: 
His  vero,  sicut  episcopis,  dis- 
pensatio ministerii  dei  com- 
missa est.  Praesunt  enim 
ecclesiae  Christi,  et  in  conpo- 
sitione  divina  corporis  et  san- 
guinis consortes  cum  episco- 
pis sunt,  similiter  et  in  doc- 


1)  'nutritus'  Vulg.  c.  27,    ed.   p.  229,  8.  2)  'postmodum'  ibid. 

p.  229,  9. 10.  3)  'revertatur'  ibid.  p.  229,  15.  4)  Ed.  p.  223,  lim  4  sqq. 
verbunden  mit  N.  13.  5)  Isid.  de  eccl.  off.  lib.  II,  c.  7,  §  1.  2  (ed.  Migne, 
Patrol.  lat.  T.  83,  col.  787)  weicht  vom  Texte  der  Vulgata  nur  ab  in  den 
"Wörtern  'sicut'  (statt  'sicut  et')  und  'confectione'  (statt  'confessione'). 

20* 


296 


Emil  Seckel. 


pulornm  et  in  officio  prae- 
dicandi. 


trina  apostolica  et  in  officio 
predicandi  .  .  .  (contin.). 


Es  müsste  denn  die  Gesauimtüberlieferung  der  Coli.  Hib. 
ein  andres  Bild  ergeben  als  der  nach  wenigen  Hss.  be- 
sorgte Abdruck  Wasserschiebens  und  sein  ganz  ungenü- 
gender Variantenapparat. 

2.     Eine   unbekannte   TJeberlieferung   der   Col- 
lectio  X  (Diessensis-Coloniensis). 

Im  Jahre  1677  gab  Jacques  Petit  u.  a.  eine  Sammlung 
von  60  Capiteln  unter  der  Ueberschrift  'Capitula  Theo- 
dor i '  heraus * ;  Petit  hatte  sie  von  Nicol.  Favier  mitge- 
theilt  erhalten,  durch  den  sie  auf  einer  Bibliothekenreise 
in  Flandern  lex  antiquo  ms.' 2  abgeschrieben  worden  war 3. 
Mit  Theodor  von  Canterbury  haben  die  Capitula  nichts  zu 
thun  i ;  es  ist  sogar  ein  leiser  Zweifel  erlaubt,  ob  die  Ueber- 
schrift auch  nur  in  der  Hs.  gestanden  habe.  Die  Samm- 
lung der  60  Capitel,  ein  Bussbuch  —  allem  Anscheine  nach 
im  Anfang  des  10.  Jahrh.  und  in  fränkischem  Gebiete  ent- 
standen — ,  ist  aus  einer  Reihe  von  Quellen  compiliert. 
Unter  den  Quellen  befindet  sich  die  Sammlung  X  der 
kurzen  Triburer  Schlüsse.  Die  Coli.  X  ist  direct  be- 
nutzt und  in  weiterm  Umfang  als  in  der  gesammten 
bisher  der  Forschung  ins  Gesichtsfeld  gekommenen  Ueber- 
lief  erung 5. 


1)  Iäcobus  Petit  Theodori  archiepiscopi  Cantuariensis  Poenitentiale 
(1677)  T.  1,  p.  15 — 42.  Das  Buch  ist  mir  nicht  zur  Hand ;  ich  benutze 
den  Abdruck  bei  Migne,  Patrol.  lat.  T.  99,  col.  901  sqq.  (Text  selbst 
col.  935 — 952),  verglichen  mit  dem  bei  Kunstmann,  Die  lateinischen  Poeni- 
tentialbücher  der  Angelsachsen  (1844)  S.  106 — 128  (wo  mit  einer  bereits 
von  Wasserschieben  gerügten  Unverfrorenheit  der  schlechte  Text  und  die 
noch  schlechteren  Noten  Petits  einfach  wiedergegeben  werden)  und  in 
den  Ancient  laws  and  institutes  of  England  (1840)  p.  308 — 313  (noch 
werthloser     als     die    Kunstmannsche    Copie,     nicht     einmal    vollständig). 

2)  Nicht  aus  2  Hss.,  wie  Kunstmann  a.  a.  O.  S.  27  irrthümlich  behauptet. 

3)  Vgl.  Petit  bei  Migne  1.  c.  col.  906.  909.  4)  Vgl.  Wasserschieben, 
Die  ßussordnüngen  (1851)  S.  16;  Councils  and  ecclesiastical  documents 
Vol.  3  (1871),  p.  175,  col.  1.  —  Worauf  sich  die  —  unhaltbare  —  Ansicht 
von  Hüdenbrand,  Untersuchungen  über  die  germanischen  Poenitentialbücher 
(1851)  S.  7,  die  Capitula  Theodori  seien  'erst  von  Petit  aus  Fragmenten 
zusammengesetzt',  stütze,  ist  nicht  abzusehen ;  es  liegt  vielleicht  ein  Miss- 
verständnis der  Aeusserungen  der  Ballerinii  (Opera  Leonis  T.  3,  p.CCLXVIII) 
vor,  die  von  den  Capitula  Theodori  (begriffen  unter  'alia  eiusdem  generis 
manuscripta')  nur  sagen,  sie  enthalten  nicht  das  echte  Poenitentiale  Theo- 
dori, sondern  seien  in  der  Hs.  'collecta',  d.  h.  aus  verschiedenen  Quellen 
zusammengetragen.  5)  In  der  Beilage  zu  dieser  Mise.  2  (S.  300.  301)  ist  der 
uns  interessierende  Stoff  aus  den  Cap.  Theod.  nach  Migne  1.  c,  verglichen 


Col. 

Reg.     Burch.      Codd.  var.1     Vulg. 

3,64 

-        —                          31 

3,31 

2,21     6,36                         53 

3,47 

—        —      Mon.3853    4.6 

— 

2,19  19,149         —           37 

Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895.  297 

Yon  bisher  schon  bekannten  Capiteln  der  Sammlung  X 
kehren  vier  in  den  Capitula  Pseudo-Theodori  wieder: 

Cap.Th.  Textanfäuge  Diess 

42  De  furibus  et  raptoribus  10 

43  b  Si  quis  filium  suum  — 
46  Si  in  atrio  ecclesiae  quislibet  3 
59     Mater  si  iuxta  focum  18 

Die  Zusammenstellung  der  Ueberlieferungsquellen 
zeigt,  dass  die  Petitschen  Capitel  aus  keiner  der  bekannten 
Kanonensammlungen  allein  geflossen  sein  können.  Und 
ehe  man  sich  zu  der  Annahme  einer  Mehrheit  von 
Zwischenquellen2  entschliesst,  wird  man  lieber  glauben 
wollen,  dass  die  4  Capitel  unmittelbar  (oder  schlimmsten- 
falls durch  eine,  bisher  nicht  bekannt  gewordene,  Ver- 
mittelung)  auf  die  Sammlung  X  selbst  zurückgehen. 

Der  Textform  nach  stehen  c.  42  näher  bei  Diess.  als 
bei  Col.,  c.  46  näher  bei  Diess.  als  bei  Col.-Monac,  und, 
was  am  auffallendsten  ist,  c.  59  näher  bei  Reg.  -  Burch.  als 
bei  Diess.  —  Inscriptionen  fehlen  allen  Petitschen  Capiteln, 
da  sie  ja  als  Busskanonen  Theodors  erscheinen  sollen.  Sach- 
rubriken finden  sich  hingegen  vor  allen  Capiteln3;  die  zu 
c.  42.  46  sind  den  Capitula  Ps.-Theod.  eigenthümlich,  die 
Rubrik  von  c.  59  kehrt  merkwürdigerweise  wörtlich4  bei 
Burch.  19,  149  wieder.  Da  nun  eine  Benutzung  Burchards 
durch  die  Petitschen  Capitel  ausgeschlossen  erscheint,  so 
hat  entweder  Burchard  die  Capitula  Ps.-Theod.  zur  Quelle 


mit  Kunstmami  und  den  Ancient  laws  a.  d.  a.  00.,  abgedruckt.  Geän- 
dert sind  nur  die  Interpunction  und  Kleinigkeiten  in  der  Orthographie. 
In  den  Buchstabennoten  sind  zum  Text  (nicht  zu  den  Rubriken)  die  Va- 
rianten der  übrigen  Ueberlieferung  angegeben.  1)  Soweit  sie  von 
Burchard  unabhängig  sind.  2)  Sieht  man  auf  die  z.  Z.  bekannten,  so 
wäre  höchstens  an  Diess.  -f-  Reg.  zu  denken ;  von  den  andern  an  sich 
möglichen  Combinationen  scheitert  die  eine  (Diess.  -j-  Col.)  an  der  Text- 
gestalt von  Cap.  Theod.  59,  die  andre  (Col.  -f-  Reg.)  an  der  von  Cap. 
Theod.  42.  46;  vgl.  den  Variantenapparat  und  den  oben  folgenden  Satz 
meines  Textes.  Aber  auch  die  Verbindung  Diess.  -f-  Reg.  scheint  aus- 
scheiden zu  müssen,  da  Regino  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in  den  Cap. 
Ps.-Theod.  nicht  benutzt  ist,  siehe  die  Beilage  S.  341  f. ;  man  erwäge  vor- 
läufig das  Fehlen  aller  bei  Regino  stehenden  Capitel  der  Coli.  Cat.  im 
Ps.-Theod.  3)  Cap.  43b  als  Theil  des  Gesammtcapitels  43  begründet 
keine  Ausnahme.  4)  Einzige  Variante:  'posuerat'  Burch.,  'posuerit' 
Cap.  Th.  —  Dass  dem  Kanon  bei  Burchard  Regino  zum  Grunde  Hege, 
wird,  wie  durch  die  Rubrik,  so  auch  durch  die  Capitelreihe,  innerhalb 
deren  er  bei  Burchard  auftritt,  vgl.  die  Beilage  S.  346.  351,  sehr  unwahr- 
scheinlich. 


Vulg. 

Cat. 

Reg. 

52 

(6) 

2,20 

22 

9 

— 

298  Emil  Seckel. 

oder  gehen  beide  auf  eine  gemeinsame  x  bereits  rubricierte  2 
Vorlage  zurück. 

Ausser  den  vier  auch  sonstwoher  bekannten,  zweifel- 
los der  Sammlung  X-Diess.-Col.  zugehörigen  Stücken  finden 
sich  in  den  Capitula  Pseudo-Theodori  zwei  weitere  Frag- 
mente, die  ich  mit  Zuversicht  der  Coli.  can.  Trib.  X  vin- 
dicieren  möchte : 

Cap.Th.  Textaufänge 

43  a      De  homicidiis  non  sponte 
47        Scelere  si  quis  ingenuus 

In  Cap.  Ps. -Theod.  43  a.  47  liegen,  trotz  der  man- 
gelnden Inscriptionen ,  ganz  zweifellos  Auszüge  aus  der 
Vulgata,  oder  vorsichtiger:  Triburer  Schlüsse  in  kürzerer 
Recension,  vor.  Hat  nun  der  Auetor  Cap.  Ps. -Theod.  da, 
wo  wir  ihn  controllieren  können,  lediglich  aus  der  Coli.  X 
und  nirgends  aus  der  Vulgata  oder  der  Coli.  Catalaun.  ge- 
schöpft, und  besteht  nicht  der  geringste  Anhaltspunkt  zur 
Annahme  einer  vierten  Sammlung  von  Triburer  Schlüssen, 
so  spricht  die  höchste  Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass 
c.  43  a.  47  cit.  in  der  Coli.  X  gestanden  haben. 

Hinsichtlich  Cap.  Ps.- Theod.  43a  =  Eegino  2,20  er- 
blicke ich  in  dem  neuen  Funde  eine  vollwichtige  Bestäti- 
gung dessen,  was  von  mir 3  als  'ziemlich  sicher'  behauptet, 
von  Krause 4  aber  bestritten  worden  ist.  Nach  Krause  ist 
Eegino  der  eigenmächtige  Urheber  des  kurzen  Schlusses: 
er  hat  ihn  aus  Cat.  6  gebildet!  —  Aus  Eegino  oder  gar 
aus  der  Coli.  Cat.  hat  der  Auetor  Cap.  Ps.- Theod.,  wenn 
nicht  alles  trügt,  nicht  geschöpft 5 :  es  giebt  für  ihn  ausser 
der  Coli.  X  keine  zweite  Quelle  seiner  Triburer  Fragmente. 

Bei  Cap.  Ps.- Theod.  47,  einem  jetzt  erstmals  resti- 
tuierten kurzen  Schlüsse,  wiederholt  sich  die  Erscheinung, 
dass  die  Coli.  X  in  der  Fassung  der  Vulgata  näher  steht 
als  der  Coli.  Cat.'3: 


1)  Dafür  spricht  manches.  Die  Frage  ist  zu  verwickelt,  um  hier 
nebenbei  abgethan  werden  zu  können ;  die  Petitschen  Oapitel  verdienen 
eine  eingehendere  quellenkritische  Untersuchung,  wie  sie  in  der  Beilage, 
unten  S.  328 — 351,  unternommen  werden  soll.  Vgl.  auch  unten  Mise.  3, 
S.  303,  Anm.  4.  2)  Träfe  die  erste  Alternative  zu,  so  könnten  die  Ru- 
briken möglicherweise  eine  eigne  Zuthat  des  Verfassers  der  60  Busscapitel 
sein.  3)  Seckel,   Zu  den  Acten   der  Triburer  Synode  895   in  diesem 

Archiv  XVIII  (1893),  S.  365—409  —  im  Folgenden  citiert  als  Abh.  I  — 
S.  377.  4)   N.  A.  XVIII,   S.  419,   Anm.  la.  F.,    ed.    p.  241,  N.  21. 

5)  Vgl.  auch  den  Standort  von  Cap.  Ps. -Theod.  43a.  47  bei  und  unter 
c.  42.  43b.  46.  6)  Was  in  Cap.  Ps.  -  Theod.  und  Vulg.  wörtlich  über- 
einstimmt, ist  gesperrt,  was  in  Cap.  Ps.  -  Theod.  und  Cat.,  cursiv,  was  in 
Cap.  Ps. -Theod.  mit  den  beiden  andern  Texten,  gesperrt  cursiv  gedruckt. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895. 


299 


Cap.  Ps.-Theod.  47. 
De  ingenuo  fideli 
accusato.  Scelere 
si  quis  ingenuus 
fideli s  notatur,  li- 
ceat  ei  cum  iura- 
mento  se  expurg&re. 
Quod si  quilibet  in- 
genuus gravi  infa- 
mia  publicetur, 
u  t   eum   p  o  p  u  1  u  s 

superiur  averit 
criminosum    ha- 
beri,  si  se  excusare 
voluerit,    fe  r  r  o   se 
e  x  a  m  i  n  e  t. 


Cat.  9. 

Nobilis  bomo  vel 
ingenuus,  dum  in 
synodo  accusatur  et 
negaverit ,  si  eum 
fidelem  esse  sciunt, 
iuramento  se  expur- 
get.  Sin  antea  fuit 
deprebensus  in  fur- 
to  aut  periurio,  ad 
iuramentum  non  ad- 
mittatur,  sed,  sicut 
qui  ingenuus  non 
est ,  f erventi  aqua 
vel  candenti  ferro 
se  expurget. 


Vulg.  c.  22. 
De  eo,  si  quis 
liber  aliquo  crimine 
infamatur.  Si  quis 
fidelis  libertate 
notabilis  aliquo  cri- 
mine aut  infamia 
deputatur,  utatur 
iure  iuramento 
se  excusare.  Si 
vero  tanto  talique 
crimine  publica- 
tur,  ut  crimino- 
sus  a  populo  su- 
spicetur  et  propter- 
ea  superiur  etur, 
aut  confiteatur  et 
paeniteat,  aut  epi- 
scopo  vel  suo  misso 
discutiente  per  ig- 
nem  candenti  ferro 
caute  examine- 
tur.  .  .  . 

Mebr  als  fragwürdig  ist  der  Zusammenbang  von  Cap. 
Ps.-Tbeod.  37.  44  mit  der  Collectio  X.  Es  wird  sieb  niebt 
entsebeiden  lassen,  ob  die  von  der  Triburer  Synode  laut 
Vulgata  (c.  5.  11)  zweifellos  wiederholten  Satzungen  des 
c.  26  Conc.  Wormat.  868 *  und  des  c.  25  Can.  apost.2  in 
der  Coli.  X  gestanden  haben.  Nicht  entscheidend  dafür 
spricht  die  Nachbarschaft,  in  welcher  sie  in  den  sogen. 
Cap.  Tbeod.  auftreten,  und  wohl  nicht  ganz  entscheidend 
dagegen,  dass  die  Cap.  Ps.-Theod.  die  Originale  voll- 
ständiger, bezw.  in  etwas  modificierter  Fassung  aufnehmen. 
Die  Vulgata  (c.  5)  folgt  nämlich  einem  Texte  des  Conc. 
Worin.,  der  sich  weniger  vom  Wortlaute  der  Vulgata  der 
Wormser  Synode  entfernt  als  die  Cap.  Ps.-Theod.  (37)  und 
Eegino  (2,  42) 3;  und  c.  44  Cap.  Ps.-Theod.  giebt  den  Text 
des  c.  25  Can.  apost.  vollständiger  als  die  Vulgata  (c.  II)4. 

1)  Mansi,  Coli.  conc.  T.  15,  col.  874.  2)   Mansi  T.  1,   col.  53. 

3)  Die  Cap.  Ps.  -  Theod.  haben  aus  derselben  Kecension  geschöpft,  die  bei 
Regino    zu  Grunde   liegt.  4)  Besser   auch  als  Reg.  1, 87   (=  Burch. 

2,  189)  und  Burch.  17,  39,  von  denen  keiner  für  die  Cap.  Ps.  -  Theod.  die 
Quelle  abgegeben  haben  kann.  —  Can.  apost.  25  ist  m.  E.  entweder  aus 
Ps. -Beda,  Poenit.  1,  §  5  (Wasserschieben,  Die  Bussordnungen  S.  260)  oder 
aus  Hrabani  Ep.  ad  Heribald.  c.  10  (Migne,  Patrol.  lat.  T.  110,  col.  475) 
in  die  Cap.  Ps.  -  Theod.  übergegangen. 


300  Emil  Seckel. 

Beilage. 
Capitulum  XXXVII. 

[De1  eodem  (sc.  De  illo,  qui  presbyterum  occiderit). 
Qui  sacerdotem  voluntarie  occiderit,  carnem  non  comedat 
et  vinurn  non  bibat  cunctis  diebus  vitae  suae :  ieiunet  us- 
que  ad  vesperam  exceptis  diebus  festis  atque2  arma  non 
suinat,  equum  non  ascendat,  ecclesiam  per  quinque  annos3 
ingrediatur,  nondum  vero  comniunicet,  sed  inter  audientes4. 
Cum  autem  duodecimi  auni  cursus  finitus  erit,  communi- 
candi  ei  licentia  concedatur  et  equitandi  tribuatur  remissio. 
Maneat  autem  in  reliquis  observationibus  tres  dies  per 
bebdomadam,  ut  perfectius  purgari  mereatur.] 

Capitulum  XLII. 

De  furibus  et  raptoribus.  De  furibus  et  raptori- 
bus  placet,  uta,  si  in  ipsa  praeda  occiduntur,  pro  eis  minime 
orandum  sitb.  Si  vulnerati  in  desperationemc  prolapsi  fue- 
rint  et  dea  pravitatibus  suis  se  poenituerint  etd,  si  super- 
vixerint,  deo  et  sacerdoti  see  emendatnros  repromiserint '', 
communionem  eis  impendere  non  negamusf. 

Capitulum  XLIII. 

De  homicidiis  non  sponte  commissis.  (a).  De 
bomicidiis  non  sponte  commissis,  quali  poenitentiaea  sub- 
mittantur  iib,  qui  fecerunt0,  in  episcopi  sententia  maneat. 
[Postquamd  viderit  illorum  dignam  poenitentiam,  clemen- 
tius  erga  illos  agatd,5.j 

(h).  Si  quis  filium  suum  non  sponte  occidita,  iuxta 
homicidia  non  sponte  commissa  poeniteat. 

Capitulum  XLIV. 
[De  continentia  sacerdoti s.    Episcopus  aut  pres- 


XLII  (ed.  c.  31a).  a)  om.  Col.  b)  om.  Diess.  Col.  c)  'prae- 
sentis  vitae'  add.  Diess.  Col.  d)  'de  .  .  .  et1  om.  Col.  e)  'repr.  se 

em.'  Diess.  Col.         f)  'denegamus'  Diess.  Col. 

XLIII  a  (ed.  c.  52  a).  a)  'iugo'  ins.  Reg.  b)  'hi'  Reg.  c)  'fece- 
rint  ea'  Reg.         d)  'Postquam  .  .  .  agat'  om.  Reg. 

XLIIIb  (ed.  c.  53a).     a)  'occiderit'  omnes. 

1)  Uucis  quadratis  [  ]  inclusa  a  synodo  Triburiensi  aliena  esse  vi- 
dentur.  2)  'domiuicis',  ins.  sec.  Burch.  3)  'non  ingrediatur,  sed  ante 
fores  ecclesiae  stet:  post  quinque  annos  ecclesiam'  ins.  sec.  Burch.  4)  'stet' 
ins.  sec.  Burch.         5)  'Postquam  .  .  .  agat'  del.,  cf.  Abh.  I,  p.  375,  N.  7. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895.  301 

byter  aut  diaconus,  qui  in  fornicatione  aut  periurio  aut  furto 
lapsus  est,  deponatur,  non  tarnen  communione  privetur: 
dicit  enim  scriptura  'Non  vindicabit  dominus  bis  in  id 
ipsuni'.] 

Capitulum  XL  VI. 

De  crimine  perpetrato  in  atrio  ecclesiae.  Si 
in  atrio  ecclesiae  quislibet  iniuriaverit  aliquem  presbyteruur1 
vel  ibidem  aliquod  sacrilegiuni  perpetraverit ,  altarib  et 
domino c    componatur. 

Capitulum  XLVII. 

De  ingenuo  fideli  accusato.  Scelere  si  quis  in- 
genuus  fidelis  notatur,  liceat  ei  cum  iuramento  se  expurgare. 
Quodsi  quilibet  ingenuus  gravi  infamia  publicetur,  ut  eum 
populus  superiuraverit l  criminosum  haberi,  si  se  excusare 
voluerit,  ferro  se  examinet. 

Capitulum  LIX. 

De  matre,  quae  infantem  suum  iuxta  ignem 
posuerit  et  sua  negligentia  mortuus  est.  Mater 
si  iuxta a  focum  infantem  suumb  posuerit a  etc  homo  aquam 
in  caldarium  miserit  et  ebullita  aqua  infans  superfusus  mor- 
tuus fuerit,  pro  negligentia  materd  poeniteat  et  ille  homo 
securus  site. 


3.    Eliminierung  der  Extravaganten  'Quicumque 
clericus  aut  in  bello ' "-   und  'Si  quis  nupserit  die 

dominico'. 

Die  Quelle  des  erstgenannten  Caput  incertum  (Burch. 
2,  233)  schien  zunächst  gefunden  zu  sein  in  Excerptiones 
Egberti  c.  155  3: 


XL  VI  (ed.  c.  4  b).  a)  'presbyterorum'  omnes.  b)  'cuiuscumque 
personae  fuerit  ecclesia'  add.  omnes.  c)  'quod  ('cui'  Monac.)  commissum 
est'  add.  Col.  Monac. 

LIX  (ed.  c.  37a).  a)  'inf.  iuxta  foc.  collocaverit'  Diess.  b)  om. 
et  ipsi  Reg.  Burch.  c)  'alius'  add.  omnes.  d)  om.  Diess.  e)  'per- 
sistat1  Diess. 

1)  'superiuraverit'  Anc.  L.,  Kunstm. ;  'superiuravit'  Migne.  2)  Ex- 
trav.  10,  ed.  p.  248.  3)  Mansi,  Coli.  conc.  T.  12,  col.  429;   Ancient 

Laws  and  Institutes  of  England  (1840),  p.  341 ;  Migne,  Patrol.  lat.  T.  89, 
col.  399. 


302  Emil  Seckel. 

Item 1.  Clericus  quoque  non  debet  armis  uti  nee 
ad  bellum  procedere,  quia  canones  docent,  ut,  quicum- 
qne  clericus  in  bello  aut  in  rixa  mortuus  fue- 
rit,  neque  oblatione  neque  oratione  postuletur 
pro  eo,  sepultura  tarnen  non  privetur.  Aposto- 
lus  quoque  dicit  etc. 

In  Wirklichkeit  liegt  die  Collectio  Hibernensis  zu 
Grunde,  deren  Wortlaute  Burchards 2  Text  weit  näber  steht 
als  den  Excerpt.  Egberti 3.  Im  Abdruck  sind  die  wenigen 
Differenzen  durch  Cursive  hervorgehoben: 

Coli.  Hib.  lib.  40,  c.  15c 


Extrav.  10,  Burch.  2,  233. 
Ex  concilio  Triburiensi  [cui 
Arnolfus  rex  interfuit  om. 
Krause]  cap.  L.  Quicumque 
clericus  aut  in  bello  aut  in 
rixa  aut  gentilium  ludis  mor- 
tuus fuerit,  neque  oblatione 
neque  oratione  pro  eo  postu- 
letur, sed  in  (om.  Krause)  ma- 
nus  ineidat  iudicis,  sepultura 
tarnen  non  privetur. 


(ed.  p.  157). 


Item 4.  Quicumque  cleri- 
cus in  bello  aut  in  rixa  mor- 
talium  et  gentium  ludis  mor- 
tuus fuerit,  neque  oblatione 
neque  oratione  postuletur  pro 
eo,  sed  in  manus  ineidat  iu- 
dicis, sepultura  tarnen  non 
privetur. 


1 )  Das  vorhergehende  Capitel  ist  überschrieben  'E  can.  Rom.  die' 
2)  Burchard  gehört,  wie  schon  oben  S.  293  bemerkt  ist,  zu  den  Benutzern 
der  Hibernensis.  Wasserschieben  a.  a.  0.  S.  XXIX  drückt  sich  zu  schüch- 
tern aus ;  sagt  uns  doch  Burchard  selbst  (ed.  Migne,  Patrol.  lat.  T.  140, 
col.  539  und  besser  edd.  Ballerinii,  Opera  Leonis  T.  3,  p.  CCXCIII),  dass 
er  'ex  transmarinis  conciliis'  schöpfe,  womit  wohl  nur  die  Hibernensis  ge- 
meint sein  kann ;  a.  M.  Gerhard  von  Mastricht,  Historia  iuris  ecclesiastici 
(Ant.  Augustini  Opera  T.  3,  1767,  p.  lxvii):  'Intelligit  orientalia'.  — 
Burchard  hat  weit  häufiger  die  Hib.  excerpiert  als  Wasserschieben  a.  a.  O. 
verzeichnet;  W.  hat  zum  mindesten  übersehen: 

Burch.       1,14.         1,104.         1,205.         1,206.        2,233.         3,141. 

Hib.       37, 10  e.  f.    37,12.       39,12  b.      28, 13  f.      40,15  c.    32, 12  a— c. 

Burch.     3,  160.      3, 161.       3, 162.       9, 61.       12, 22.       12, 23.      12, 24. 

Hib.      18, 1  a.b.     18,1c.       18,  Id.     46,29.      35,10.      35,  Id.      35, 1  f. 

Burch.     12,25.         12,26.         12,27.         15,14.         15,23.         19,109. 

Hib.        35, 5f.       35,5g.        35,5h.         37,6.  37,8.         28,12a. 

—  Ob  der  falsche  Triburer  Schluss  Burch.  16,  20  'Testes  ad  testimonium' 
direct  aus  Cod.  can.  eccl.  Afric.  c.  131  oder  aus  einer  Zwischenquelle,  etwa 
Hib.  16,  3  a.  b,  stamme,  lasse  ich  dahingestellt.  3)  Auf  die  Identität  von 
Hib.  40, 15c  und  Burch.  2,  233  hatte  Wasserschieben  bereits  1874  in  der 
ersten  Auflage  der  irischen  Kanonensammlung  p.  182,  N.  16  hingewiesen. 
Diese  Notiz  ist  wie  Friedberg  zu  C.  23,  q.  8,  c.  4,  so  auch  Krause  und 
mir  —  Abh.  I,  S.  383/4,  Anm.  9,  S.  408,  Tab.  IV,  Sp.  8,  n.  1  —  ent- 
gangen. —  Auf  das  Verhältnis  der  Exe.  Egb.  zu  der  Coli.  Hib.  ist  hier 
nicht  einzugehen.  4)  Das  vorhergehende  Stück  (c.  15b)  ist  inscribiert 

'Item  Sinodus'. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895. 


303 


Von  der  Extravagante  'Si  quis  nupserit'  (Burch.  19, 
157)  habe  ich1  unter  dem  Beifall  von  Krause2  angenom- 
men, dass  sie  dem  Poenitentiale  Valicellanum  I  c.  42  ent- 
stamme 3.  Dies  ist  unrichtig,  wie  die  Auffindung  der,  nun 
wohl  definitiv  einwandfreien,  Quelle  des  Stückes  in  den 
Petitschen  Capitula  Ps. -Theodori  ergeben  hat.  Burchard 
copiert  seine  Vorlage4  mit  fast  buchstäblicher  Treue: 


Burch.   19,  157. 
Si  quis  nupserit  die  domi- 
nico,    petat   a   deo   indulgen- 
tiam   et  quatuor   dies   poeni- 
teat. 


Cap.  Ps.-Theod.  35  a. 
Si  quis  die  dominico  nupse- 
rit, petat  a  domino 5  indulgen- 
tiam   et  quatuor   dies   poeni- 
teat. 


4.G    Zwei  neue  kurze  Capitel  'Si  maritus  uxorem' 
und  'Ubicumque  temporum'. 

Das  erstere  Excerpt  lautet  im  Vergleich  mit  der  Vul- 
gata  c.  46,  ed.  p.  239  sq.  so: 


1)  Abh.  I,  S.  383/84,  Änra.  9.  2)  Ed.  p.  206,  N.  16.  3)  Ich 
trage  nach,  dass,  gerade  so  gut  wie  das  Poen.  Valicell.  I  c.  42,  das  diesem 
nahe  verwandte  Poenitentiale  Merseburgense  A  c.  133  (Wasserschieben, 
Die  Bussordnungen  S.  404) :  'Si  quis  coitum  fecerit  in  die  dominica,  a  deo 
petat  indulgentiam  et  III  dies  poeniteat'  hätte  verwerthet  werden  können. 
4)  Es  lässt  sich,  so  sicher  wie  nur  irgend  wünschenswerth  ist,  beweisen, 
dass  die  Capitula  Ps.- Theodori,  oder  vielmehr  ihre  bisher  nicht  zum  Vor- 
schein gekommene  Vorlage,  eine  reichlich  fliessende  Quelle  für  die  Poeni- 
tentialkanonen  Burchards  waren,  s.  Beilage  S.  345 — 347.  Die  quellen- 
geschichtliche Bedeutung  der  Cap.  Ps.-Theod.  beruht  vorwiegend  auf 
diesem  Verwandtschaftsverhältnis  zu  Burchard.  5)  Hier  hat  wahrschein- 
lich Petits  Gewährsmann  die  bekannte  Abkürzung  falsch  aufgelöst.  Auch 
an  vielen  andern  Stellen  schreibt  Burchard  'deus',  wo  Petit  'dominus'  hat. 
6)  In  den  Miscellen  4.  5.  6.  7.  10.  11  lege  ich  u.  a.  vor,  was  die  Prüfung 
einiger  Florentiner  Hss.  ergeben  hat.  Was  positiv  mitgetheilt  wird,  er- 
hebt Anspruch  auf  Zuverlässigkeit;  dagegen  kann  ich,  weil  ich  die  Hss. 
in  summarischem  Verfahren  durchzunehmen  genöthigt  war,  die  Gewähr 
nicht  übernehmen,  dass  in  den  benutzten  Codices  schlechthin  nichts  über- 
sehen worden  ist.  —  Wie  sich  herausstellen  wird,  sind  die  Florentiner  Hss. 
für  die  Textkritik  sämmtlich  ohne  jeden  Werth.  Das  nach  dieser  einen 
Seite  hin  negative  Resultat  war  natürlich  kein  Grund,  von  der  Behandlung 
der  Hss.  in  diesem  Aufsatz  abzusehen ;  musste  doch  jenes  negative  Er- 
gebnis selbst  zunächst  bewiesen  werden.  —  Keine  Ausbeute  für  die  Tri- 
burer Acten  haben  geliefert  Cod.  Florent.  Laurent.  XX,  48,  sowie  Cod. 
Florent.  Laur.  Gadd.  LXXXIX,  sup.  32;  letztere  Hs.  (Perg.,  12.  Jh., 
64  Bll.  kleinquart)  enthält  von  römischem  Recht  Bl.  17b— 18b  C.  Th. 
16,  2,  8.  16.  26.  29.  30.  34  mit  den  Zusätzen  Hincmars  und  Bl.  28  das 
Schreiben  'Sacratissimo  ac  beatissimo  archiepiscopo  ahne  urbis  Rome  et 
patriarche  Ormisde  Iustinus  imperator.    Scias  effectum  nobis  —  penitentia 


304 


Emil  Seckel. 


Ex  concilio  T(r)iburi- 
ensi.  Si  maritus  uxoreni 
coustupratam  occidere  volue- 
rit  et  illa  ad  episcopum  con- 
fugerit,  laboret  episcopus,  ne 
occidatur.  Si  vero  non  potest, 
nullo  modo  reddat  eam  ad 
occidenduni,  que.  se  ei  optu- 
lit  ad  defendendum. 


Si  cuius  uxor  constuprata 
fuerit  et  propterea  maritus 
capitali  sententia  delere  illam 
niachinaverit,  ipsa  vero  ur- 
guente  mortis  periculo  ad  epi- 
scopum confugerit  et  auxi- 
lium  quaesierit ,  operosiori 
tarnen  si  potest  episcopus 
labore  desudet,  ne  occidatur. 
Si  vero  non  potest,  nullo 
modo  liceat  ei  requireuti  eam 
reddere  viro  ad  occideudum, 
quae  se  ei  obtulit  ad  defen- 
dendum. .  .  . 

Das  Stück  findet  sich  in  der  Kanonensammlung'  der 
Hs.  zu  Florenz  Laurenziana  S.  Cruc.  V,  sin.  7  (Pergament, 
wohl  12.  Jahrh.,  113  grossentheils  nicht  foliierte  Blätter, 
kleinfolio  oder  quart,  zweispaltig1)  auf  Bl.  56b.  Diese 
Sammlung,  die  auch  noch  andern  triburischen  Stoff  auf- 
genommen hat 2,  gehört  zu  den  jüngsten,  vielfach  abge- 
leiteten systematischen  Collectionen.  Sie  ist  in  der  ersten 
Hälfte  des  12.  Jahrh.  compiliert8.  Die  Abschnitte,  welche 
Triburer  Kanonen  enthalten,  stammen  theils  aus  Ivo's  De- 
cret 4,   theils    aus   dem  Polycarpus 5,   wie   an  der  Hand  der 


correeti';  die  Sammlung  gehört  also  zur  Gruppe  Anselms  von  Lucca,  ohne 
mit  diesem  (Ans.  4,  13 — 18.  12,  31),  oder  mit  seiner  Quelle  eines  Theils 
der  römisch -rechtlichen  (und  vieler  andrer)  Capitel  (Thaner  in  den  Wiener 
Sitzungsberichten  LXXXLX,  S.  607,  n.  33—38,  S.  629 ;  unrichtig  Conrat, 
Geschichte  I,  S.  365,  Anm.  9),  oder  mit  seinem  Benutzer,  dem  Polycarp  (3, 15, 
18—22.  7,  5, 19 ;  Ans.  4, 18  fehlt ;  vgl.  Hüffer,  Beiträge  S.  103—109)  iden- 
tisch zu  sein.  1)  Vgl.  Bandinius,  Catal.  codd.  lat.  bibl.  Media  Laur. 
T.  4  (1777),  col.  52.  53.  2)  Vgl.  unten  Miscelle  10,  S.  323,  Mise.  11, 
S.  327  f.  3)  Ihr  jüngster  Bestandtheil  scheint  eine  Decretale  Paschalis'  II. 
(1099 — 1118)  zu  sein.  —  Ueber  eine  nah  verwandte  Sammlung  vgl.  unten 
S.  327,  Anm.  6.  4)  Ed.  Migne,  Patrol.  lat.  T.  161.  Vgl.  Conrat,  Ge- 
schichte der  Quellen  I,  S.  378 — 385.  5)  "Was  aus  Drucken  vom  Poly- 
carpus zu  erfahren  ist,  beschränkt  sich  so  ziemlich  auf  die  Mittheilungen 
bei  Hüffer,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Quellen  des  Kirchenrechts  und 
des  Römischen  Rechts  im  Mittelalter  (1862),  S.  74—109  und  bei  Fried- 
berg, Decretum  Gratiani  col.  LXVIII  — LXX.  Vgl.  Conrat  a.  a.  O.  I, 
S.  374—377.  —  Die  bei  Hüffer  a.  a.  O.  S.  74.  75,  nach  einer  Notiz  vom 
Jahre  1757  in  der  Bibl.  vet.  Hisp.,  erwähnte  Hs.  des  Polycarpus  auf  der 
Riccardianischen  Bibliothek  in  Florenz  existiert  dort  noch  heute  als  Cod. 
258  (früher  S.  II,  41),  Pergament,  12.  Jahrb.,  151  Blätter  quart;  der 
Polycarp  steht  Bl.  65b  bis  Schluss  und  bricht  im  6.  Buche  ab;  vorher 
geht  eine  Kanonensammlung  historischer  Ordnung  und  verschiedenes  An- 
dere, z.  B.  ein  Päpsteverzeichnis,  in  dem  Hand  I  bis  Calixtus  (1124), 
Hand  H   bis  Lucius  (1145)   reicht,   und   eine   dritte  Hand  (E)vgenius  (bis 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895. 


305 


zahlreichen  römisch  -  rechtlichen  Bestandteile  i  der  Samm- 
lung unschwer  zu  erweisen  ist 2 : 


Bl.  48b. 


Bl.  50a. 


B1.50a— a'. 


Bl.  50  a'. 


Bl.  50b'. 


Bl.  50  b'— 
51a. 

B1.54b-b'. 

[Bl.  54b'. 


In  libro  pandectarum.  In 
libere  mulieris  consuetudine  — 
corpore  questum  fecerit. 

Novellarum  institutio.  Si  quis 
per  errorem  ancillam  - —  tarn  in- 
genui  quam  legitimi  sint. 

Ex  libro  codicum.  Si  quis 
sine  uxore  manens  ancillam  — 
una  cum  sua  sobole. 

Cap.  constit.  lxm.  Si  quis 
cum  muliere  libera  —  nullus 
alius  sit  |  procreatus. 

Constitutio  novellarum.  Prin- 
ceps  constituit,  ut  liceat  mere- 
tricibus  —  sine  aliquo  timore  et 
nullus  prohibeat. 

In  libro  pandectarum.  Gene- 
raliter diffiniendum  est  —  ad 
aliud  matrimonium. 

Constfantinus !  ]  novellarum. 
Mulier  que.  ad  secundas  nuptias 
—  mariti  non  utatur. 

libro  codicum.  Si  maritus 
uxori  ab  initio  —  discedere. 

Ex  eodem 3.  Si  vir  et  mulier 
matrimonio  —  reddere  debitum. 


D.  23,  2,  24  = 

Ivo  8,  62. 

Iul.  36,3(133) 
=  Ivo  8,  56. 

C.I.7,15,3pr. 
—  Ivo  8,  31. 

Iul.  67, 1  (241) 
=  Ivo  8,  36. 

Iul.  45,1(179) 

in.     gekürzt, 

=  Ivo  8,  37 

gekürzt. 
D.  24, 2,  6  post 

init.  =  Ivo  8, 

246. 
Iul.36,24(l54) 

=  Ivo  8,  273 

in. 
0.1.5,17,10  = 

Ivo  8,  79. 
Bened.  Lev.  2, 

55  4m.  Zusatz 

=  Ivo  8,  80.] 


1153)  nachgetragen  hat,  und  die  Erklärung  der  Wörter  'xenodochium, 
ptochotroph(i)um,  nosochomium,  orphanotroph(i)um,  gerontochomium,  bre- 
ph[r]othrophium'  aus  Iuliani  Epitome  7,  1  (32)  i.  f. ;  vgl.  auch  Archiv  XII 
(1874),  S.  729.  1)  Auf  sie  gehe  ich  hier  wie  im  Folgenden  ein,  weil 

sich  nach  dem  Gehalte  an  römischem  Recht  bei  dem  Stande  der  For- 
schung immer  noch  am  besten  eine  jüngere  Kanonensammlung  zu  den 
übrigen  in  Beziehung  setzen  oder  von  ihnen  trennen  lässt.  —  Zu  Abh.  I, 
S.  392,  Ziffer  7  ist  berichtigend  nachzutragen:  Vgl.  Hänel  in  den  Be- 
richten der  hist.  -  phil.  Classe  der  Sachs.  Gesellsch.  d.  Wiss.  XX  (1868), 
S.  1 — 15.  2)   Mit   der  Textvergleichung   ist   nicht  weit   zu   kommen. 

3)  Leicht  erklärliches  Missverständnis  der  Vorlage  (Ivo  8,  80).  4)  Bene- 
dicts Quelle  ist  Theodori  Poenitentiale  2, 12,  §  32  (Wasserschieben,  Die 
Bussordnungen  S.  216),  eine  Stelle,  die  nach  Wasserschiebens  hier  nicht 
nachzuprüfender  Ansicht  ihrerseits  auf  römischem  Recht  (Iust.  Novell.  22, 
c.  6 ;  vgl.  übrigens  auch  Cod.  Iust.  5,  17,  10)  basieren  soll  (vgl.  Conrat, 
Geschichte  I,  S.  61,  Anm.  1.  2). 


306 


Emil  Seckel. 


Bl.  58  a'. 


Bl.  61b'. 


Bl.  96b. 


Bl.  96b'. 


Bl.  96  b'— 

97  a. 


Bl.  100b. 


Bl.  103  a. 


Primus  über  institutioimm. 
Eam  que.  (per)  adoptionem  filia 
—  eam  (e)mancipaveris. 

Item.  Cuius  filiam  uxorem 
ducere  —  civili  iure  tibi  con- 
iungitur. 

Item.  Mariti  filius  ex  alia 
uxore  —  non  est  privigna. 


Ex  quinto  libro  codicis  Iusti- 
uiani.  Iubemus  ut  quicumque 
mulierem  —  affectu  matrimouia 
contrahuntur. 

Item  Ulpianus  iu  1.  libro  di- 
gestorum.  Nuptias  non  concu- 
bitus  —  facit. 

Ex  libro  instit.  Iustiniani. 
Nullius  autem  sunt  res  sacre  — 
adhuc  cesar  (!)  manet  ut  Papinia- 
nus  scripsit. 

Imp(eratores)  valenti(nia)nus 
et  Theod(osius)  (et)  Arcn(adius) 
aug-(usti).  Si  quis  in  tantam  — 
restituere  compellatur. 

Ex  libro  digestionum  (!).  Sive 
autem  corpore  sive  animo  — 
non  ex  intervallo  set  ex  co(n)ti- 
nenti. 

Ex  novellis  Iustiniani.  Si  quis 
in  monasterium  consecratus  — 
a   priore   monasterio  vendicetur. 

Ex  novellis  Iustiniani  imp(e- 
ratoris).  Si  quis  rapuerit  vel  sol- 
licitaverit  —  pars  legitirna  liberis 
eius  prestetur. 

Ex  septimo  libro  codicis  Iusti- 
niani. Cessante  quoque  causa 
peremptorii  edicti  —  posse  ferri 
certum  est. 

De  eodem.  Si  ut  proponis 
preses  —  expectare  minime 
oportet. 


Inst.l,10,li.f. 

=  Ivo9,llin. 

11—13. 
Inst.  1, 10, 3  i.  f. 

=  Ivo9,llin. 

24—28. 
Inst.  1,10,  8.9 

in.  =  Ivo  9, 1 

lin.  37—42. 


C.I.5,17,llpr. 
=  Polyc.  6, 4, 
69. 

D.50,17,30  = 
Polyc.  6,4,70. 

Inst.  2,  1,7.  8 
=  Polyc.  3, 
12,  31. 

C.  I.  8,  4,  7  = 
Polyc.  3,  12, 
35. 

D.  43, 16, 1,24 
—29.  D.  43, 
16,  3,  9  =  Po- 
lyc. 3, 12,  36. 

Iul.4,8(19)  = 

Polyc.   4,  35, 

38. 
Iul.   115,   67 

(493)=Polyc. 

4,  39,  un. 

0.1.7,43,2  = 
Polyc.  5,5,22. 


0.1.7,43,5  = 
Polyc.  5,5,23. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895. 


307 


Bl 

.  103  a 

-a'. 

iL 

103a'. 

BL  103  a' 

— b. 


Ex  eodem.  [Ex]  ea  que  sta- 
tuuntur  adversus  absentes  —  ob- 
tinere  certuni  est. 

De  eodem.  Cum  non  volun- 
tatis  —  ratio  non  permittit. 

Ex  eodem.  Cum  presentibus 
par[i]tibus  littem  —  refra[n]gan- 
tur. 

De  eodem.  Constat  in  qua- 
cumque  causa  —  spem  negotii 
reposuerit. 

Ex  eodem.  Neque  sua(m)  ne- 
que  decessoris  (s)ui  sententiam  — 
explorati  iuris  est. 

De  eodem.  Sententia  que 
dicta  fuerit  —  sollempnitas  re- 
quiratur. 

Ex  eodem.  De  eo  qui  pretio 
depravatus  —  discriminis  pre- 
beatur. 


C.  1.7,  43, 7  = 
Polyc.  5,5,24. 

C.  1.7,43,10  = 

Polyc.  5,5,25. 

C.I.7, 43,11  = 

Polyc.  5,5,26. 

C.I.7, 49,1  = 

Polyc.  5,5,27. 

C.I.7,  50,1  = 
Polyc.  5,5,28. 

C.  1.7,44,3,1= 
Polyc.  5,5,29. 

C.I.7,  49,  2  = 

Polyc.  5,5,30. 


Unsere  Verkürzung  von  Vulg.  c.  46  ist  also  nicht  ein 
Auszug  des  Originals,  sondern  ein  Excerpt  aus  Ivo  (8,  210). 
Sie  ist  sehr  späten  Ursprungs ;  denn  sie  lässt  sich  erst  in 
unserer  dem  12.  Jahrh.  angehörigen  Sammlung  nachweisen. 
Sie  rührt  wohl  sicher  vom  Verfasser  der  Sammlung  selbst, 
der  auch  sonst  seine  Vorlage  nicht  unverändert  wieder- 
gegeben, sondern  gekürzt  oder  sonstwie  bearbeitet  hat1, 
also  von  privater  Seite  her.  Es  kommt  ihr  demnach  so 
viel  oder  vielmehr  so  wenig  Autorität  zu  als  Krause  den 
Auszügen  in  X  und  Cat.  zuzugestehen  geneigt  ist. 


Ein  bisher  allgemein2  übersehenes  kurzes  Capitel,  ein 
Auszug  aus  Vulg.  c.  15,  ist  im  Gratianischen  Decret  als 
C.  13,  q.  2,  c.  6  überliefert.  Das  Original  und  das  Excerpt, 
deren  Uebereinstimmungen  cursiv  gedruckt  sind,  lauten : 


Vulg.  c.  15. 
De    sepultura   mortuorum. 
Eestat      propter     instantem, 


C.  13,  q.  2,  c.  6. 
Item    in    Triburiensi    con- 
cilio  legitur:  Ubi  quisque  eli- 


1)  Vgl.  Iul.  45, 1,  Bl.  50  a';  Iul.  36,  24  aus  Ivo  8,  273,  Bl.  50  b'; 
die  Stücke  von  Inst.  1,10  aus  Ivo  9,1,  Bl.  58a'.  —  Die  Entlehnungen 
aus  dem  Polycarpus  seheinen  freilich  unverkürzt  zu  sein.  2)  Vgl.  z.  B. 
Phillips,  Die  grosse  Synode  von  Tribur  (1865,  Sonderabdruck)  S.  21.  38—41. 


308 


Emil  Seckel. 


quae  tunc  inaxima  occurrit, 
necessitatem ,  ubicunque x  fa- 
cultas renim  et  oportunitas 
temporum  suppetat,  sepultur&m. 
morientium  apud  ecclesiam,  ubi 
sedes  est  episcopi,  celebraxi.  Si 
autem  hoc  propter  itineris  lon- 
ginquitatem  aut  adiacentem 
alicuius  inoportunitatis  diffi- 
cultatem  inpossibile  videatur, 
expectet  eum  terra  sepulturae 
suae,  quo  canonicorum  aut 
monachorum  sive  sanctaemonia- 
lium  congregatio  sancta  com- 
muniter  deg&t.  .  .  .  Quodsi  et 
hoc  ineptum  et  difficile  esti- 
metur,  ubi  decim&m  persolvebat 
vivus,  sepeliatur  mortuus. 

Die  Ursprungsverhältnisse  dieses  Auszugs  liegen  völlig 
im  Dunkeln.  Wird  man  geneigt  sein,  ihn  in  verhältnis- 
mässig späte  Zeit  hinabzurücken,  so  fehlt  es  doch  an  aus- 
reichenden Gründen,  den  Excerpenten  in  Gratian  selbst  zu 
suchen :  die  Vorlagen  zu  modeln  ist  seine  Sache  nicht 2. 


gere  sepulturam  sibi  debet. 
Ubicumque  temporum  vel  loco- 
rum  facultas  tulerit,  apud  rna- 
iorem  ecclesiam,  ubi  sedes  est 
episcopi,  sepultur&e  celebrentwv. 
Si  autem  propter  temporis  vel 
loci  asperitatem  hoc  difficile 
visum  fuerit,  apud  ecclesiam, 
quo  religiosorum  canonicorum 
vel  monachorum  vel  sanctimo- 
nialium  religiosa  congregatio 
communiter  degerit,  sepeliatur. 
Si  autem  et  hoc  ineptum  vi- 
sum fuerit,  ubi  quis  decim&s 
persolvebat  vivus,  ibi  sepeliatur 
mortuus. 


1)  Vgl.  hierzu  den  Anlauf  zu  einer  genauem  "Wiedergabe  in  C.  16, 
q.  1,  c.  16.  2)  Dass  C.  27,  q.  2,  c.  11.  14.  15  Auszüge  aus  Vulgata  c.  41 
seien,  wie  Friedberg  zu  den  Stellen  behauptet,  ist  doch  mehr  als  zweifel- 
haft. Von  Krause  sind  also  die  drei  Capitel  ohne  Schaden  nicht  beachtet 
worden.  —  Im  Cod.  Taurin.  D  V,  19,  saec.  XII.  bildet  ein  Excerpt  aus 
Vulg.  c.  47  einen  Böstandtheil  der  in  der  Hs.  Bl.  97  a  überlieferten 
kanonistischen  Erörterung,  vgl.  Fitting,  Juristische  Schriften  des  früheren 
Mittelalters  (1876)  S.  23.  Das  Excerpt  lautet  nach  dem  Tübinger  Apo- 
graph  (Cod.  Tub.  Mc.  312,  111,2,  Bl.  76  b):  'In  concilio  Triburiensi  con- 
ceditur,  ut  homo  defun(c)to  (com)patre  suo  uxorem  illius  ducat,  si  ei 
compater  non  est ;  quod  tarnen  in  alibus  (!)  locis  inhibitum  repperi- 
tur'.  Ausser  dem  Conc.  Trib.  sind  in  der  Erörterung  von  Quellen  heran- 
gezogen ein  Capitel  Gregors  III.  bezw.  II.  'Progeniem  suam'  (=  Burch. 
7,  11  und  Ableitungen),  sowie  c.  5.  7.  9  conc.  Roman,  sub  Greg.  II.  721: 
'Si  quis  fratris  uxorem',  'Si  quis  novercam',  'Si  quis  de  propria'  (Mansi 
T.  12,  col.  263).  Die  fünf  Stellen  finden  sich  meines  Wissens  in  keiner 
andern  Sammlung  beieinander  als  im  Decret  und  in  der  Panormie  Ivo's; 
vgl.  Ivo,  Decr.  9,  96.  26.  19  (9,  19  ist  mit  vollendeter  Gedankenlosigkeit 
in  9,  59.  60  theilweise  wiederholt,  und  zwar  aus  Burch.  7,  23.  24  in  der 
aus  Burch.  entnommenen  Reihe  9,  54—66),  Ivo,  Pan.  7,  67.  77.  57.  Also 
ist  eine  der  Sammlungen  Ivo's  die  Zwischenquelle  der  Turiner  Hs.  — 
Ueber  die  Hs.  vgl.  auch  unten  S.  323  ff. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895. 


309 


5.    Zur  Geschichte  der  Bearbeitung-  von  Vulg. 
c.  5  5  —  5  81. 

Wie  sich  von  Burch.  6,  6.  16,  19.  3,  196  eine  verfäl- 
schende Bearbeitung-  im  Cod.  Monac.  3909  abzweigt2,  so 
begegnen  auch  von  Texten,  die  es  mit  der  Triburer  Synode 
zu  thun  haben  und  Burchard  6,  1 — 4  entsprechen,  zwei  der 
bisherigen  Forschung  über  die  canones  Triburienses  unbe- 
kannt gebliebene  Verfälschungen3. 

Die  eine  ist  eingefügt  in  das  sog.  Poenitentiale  Vali- 
cellanum  III4,  die  andre  ist  vom  Verf.  im  Cod.  Riccard.  300 5, 
Bl.  118b — 119b  aufgefunden  worden. 

Ich  gebe  zunächst  die  beiden  Texte  wieder.  Cursiv 
gedruckt  ist,  was  sich  im  Wortlaute,  wenn  schon  in  an- 
derer Wortstellung,  auch  bei  Burchard  findet;  in  gewöhn- 
licher Antiqua,  was  dem  Sinne  nach  nichts  Neues  bietet, 
vielmehr  nur  Burchards  Worte  mehr  oder  weniger  genau 
paraphrasiert  oder  glossiert ;  in  gesperrter  Antiqua  die  sach- 
lichen Aenderungen  und  Zusätze   der  beiden  Eecensionen. 

Poenitentiale  Valicella- 

nuni  III. 
Ex  decretis  Melchiadis  pape 
et  ex  concilio  Triburiensi. 


(I.6)  Si  quis  spontanea  voJun- 
tate  homicidium  perpetraverit, 
imprimis  ille  proximos  quadra- 
ginta  continuos'1  dies  et  noctes 
iuxta  ecclesiam  inclusus  sit 
nudis  pedibus  et  in  Janeis  ve- 
stibus  dbsque  femoralibus.  Et 
in  Iris  quadraginta  dieJms  et 
noctibus  nihil  sumat  nisi  solum 
panem  tantiim  et  pur  am  aquam. 
In  terra  nuda  sedeat  et 
de    terra    sumat,     quid- 


Collectio  canonum  Cod. 
Riccard. 

De  homicidiis  iuxta  Meltia- 
dis  pape  decretmn.  et  Tribuense 
(scr.  Triburiensis)  statuta  con- 
cilii. 

(1.)  Scilicet:  qui  ||  sponte 
vel  causa  cupiditatum8  homi- 
cidium sine  necessitate  °  fecerit, 
in  pane  et  aqua  quarentinam 
ieiunet  et  cum  Janeis  vestibus, 
discalciatus  ac  sine  femorali- 
bus: et  cum  nullo  christiano 
dormiat  nee  manducet,  set 
iuxta  eceJesiam  caste  et  sobrie 
nocte  ac  die  maneat  ibique 
peccata  sua  cum  prephata  re- 
gula    defleat.      Tarnen   in   his 


1)  Bisher  Bekanntes  bei  Krause  ed.  p.  204.  242—246.  2)  Nach- 
gewiesen in  Abh.  I,  S.  402.  403.  Dazu  ferner  unten  Mise.  6.  3)  Auch 
Jaffe  T.  22,  p.  732,  n.  173a  ist  nach  dem  hier  Beigebrachten  zu  ergänzen. 
4)  Ed.  Schmitz,  Die  Bussbücher  (1883),  S.  779  f.  5)  Ueber  den  alsbald 
zu  handeln  sein  wird,  unten  S.  313  f.  6)  Vgl.  Burch.  6,  1.  7)  Zu 

'continuos'  Burch.  19,  5  in.  8)  Vgl.  zu  'vel  causa  cupiditatum'  Burch. 

6,  33  :  'vel  propter  cupiditatem',    Burch.  19,  5  in. :   'per  tuam  cupiditatem'. 
9)  Zu  'sine  necessitate'  Burch.  19,  5  in. 

Neues  Archiv  etc.    XX.  21 


310 


Emil  Seckel. 


quid  ei  porrigitur,  sine 
mensa.  Parva  utatur 
mappa.  In  terra  super 
mattam  in  modico  Stra- 
mine dormiat.  Die  ac  nocte 
iugiter  Dei  misericordiam  im- 
ploret.  Cum  nullo  cdio  chri- 
stiano,  neque  cum  poenitente, 
ullam  communionem  habeat  in 
ribo  vel  potu.  Consukmta  ta- 
rnen qualitate  personae  vel  In- 
fi rmitate  in  dominicis  die- 
bus  et  praecipuis  festis 
sive  etiam  quinta  feria. 
prout  sacerdoti  visu»/  fuerit, 
aliquid  pro  misericordia  ei  in- 
dulgeatur  de  vino,  de  pomi- 
bus  (!),  de  pisciculis,  de 
oleribus,  de  crudis  her  bis, 
de  leguminibus  absque  ca- 
seo  ...  (ins.  cervisia?)  et 
carne.  Et  si  summa  neces- 
sitas  irruerit,  fiat  ei  miseri- 
cordia in  vestibus  et  in 
strato.  Completis  XL  c o ri- 
tin uis  diebus  et  noctibus 
aqua  Iotas  vestimenta  et  calcea- 
menta  accvpiat,  capillos  et  un- 
gulas  incidat,  liminibus 
ecclesiae  episcopo  se 
repraesentet.  [Tres  ex 
bis  in  parie  et  aqua.] 

(2.1)  [De  primo  anno.]  In 
primo  anno  totum  ülwm  annum 
se  mbstineat  a  vino,  ab  omni 
potione  et  carne,  a  caseo, 
ab  ovis(?)  et  pmguibus  et 
magnis  piscibus,  nisi  domi- 
nicis et  festis  diebus  et  nisi 
forte  in  magno  itinere  aut  in 
oste  regio2  vel  diu  ad  curtem 
dominica[txi\m  vel   in   infirmi- 


diebus  considerata  persone  qua- 
litatis  (scr.  qualitate^  de  po- 
mis,  de  oleribus  yel  de  legu- 
minibus aliqaid  pro  misericor- 
dia concedatur. 


(2.)  Deinde  vn  sequentes 
annis  (scr.  annos)  ita,  ut  pri- 
mnrn  ab  omnibus  vini  liquori- 
bus  et  a  carne,  sagimine3, 
pisce,  caseo  se  abstineat  (Cx 
abstinet^,  nisi  in  principali- 
bus  festis,  qu%  (!)  a  cuncto  po- 
pulo  celebrantur,  aut  in  regali 4 
curia  vel  in  difficili  itineri 
(scr.    itinere)    fuerit    seu    in 


1)  Vgl.  Burch.  6,  2. 
gimine'  Burch.  19,  5  in. 


2)  Zu  'regio'  Burch.  19,  5  in.  3)  Zu 

4)  Zu  'in  regali'  Burch.  19,  5  in. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895. 


311 


täte  detentus  sit.  Tunc  Jiceat  ei 
uno  denario  vel  pretio  unius 
denarii  (tut  tres  pauperes  pa- 
scendo  tertiam  feriam,  quintam 
feriam  l  et  säbbatum  redimere, 
ita  duntaxat.  ut  una  re  de  tri- 
bus  uiatur,  id  est,  si  vinuni 
bibit ,  neque  carnem  neque 
piscem  manducet;  si  carnem 
manducat,  neque  vinuni  ne- 
que piscem  sumat;  si  pisce 
utitur,  vinuni  et  carnem  di- 
mittat.  Post  quam  domum  ve- 
nerit  et  sanüati  fuerit  restitu- 
tus,  nuttam  licentiam  häbeat 
redimendi. 

(3.2)  [De  secundo  anno.]  In 
secundo  et  tertio  anno  similiter 
ieiunet,  nisi  quod  tertiam  feriam 
et  quintam  feriam x  et  säbba- 
tum redim&t  pro  taxato  pretio, 
ubicunque  est,  et  sumat,  ex- 
cepta  sola  carne,  de  Om- 
nibus, quae  sibi  appo- 
nuntur.  Cetera  diligenter  ob- 
servet  ut  in primo.  Expletis3 
tribus  annis  ecclesiam  intro- 
ducaiur  et  pacis  osculum  ei  con- 
cedatur. 

(4.4)  In  quatuor  aliis  annis 
sequentibus  tres  quadragesimas 
per  legitimas  ferias5  tres  ieiu- 
net in  pane  et  aqua.  In  aliis 
autem  feriis  aeeipiat  quidquid 
velit'K  excepta  sola  carne. 
Extra  tres  quadragesimas  se- 
cundam  feriam  et  quartam  fe- 
riam redimed  iam  dictis  pretiis. 

Sextam  feriam,  guamdiu  vi- 
rit  \  observet  in  pane  et  aqua. 


hoste  domiiii  sui,  vel  infirm  i- 
tate  detentus.  Zr?'eentiam  redi- 
mendi im.  (scr.  m.),  vi.  {*er. 
v.)  et  sabbati  feria  (scr.  ferias?) 
habeat,  pro  unoquoque  die 
denarium  unum  vel  pretixim 
unius  denarii,  aut  tres  pauperes 
pascendo.  Absque  (ins.  his?) 
diebus  vero  redimendi  lieen- 
tiam non  habeat.  Anno  enim 
expleto  pacis  osculum  conceda- 
tur  et  in  ecclesia  introducatur. 


(3.)  Deinde  seeundum.  et  ter- 
thun  annum  ut  primum  ieiu- 
net, excepto  im.  (scr.  in.)  et 
vi.  (scr.  v.)  et  sabbati  ferias 
(C  fer.)  iam  dicto  pretio  redi- 
mendi potestatem  habeat. 


(4.)  Quattuor  autem  (ins.  se- 
quentibus ?)  annis  legitima 
(scr.  legitimas  ?)  quadragesi- 
marum  ferias  (C  fer.)  cum 
abstinentia  supradieta  ieiunet. 
Secunda  et  IUI.  feria  (C  fer.), 
si  vult,  iam  dicto  pretio  redi- 
wat,  set  VI.  feria  (Cfer.)  sem- 
pers  ieiunet  in  pane  et  aqua. 

His  enim  expletis  communio- 
nem    sanetam    aeeipiat,     ita;' 


1)  Zu  'feriam'  Burch.  19,  5  in.         2)  Vgl.  Burch.  6,  3.  3)  Vgl. 

Burch.  6,  2  fin.  4)  Vgl.  Burch.  6,  4.  5)  Zu  'per  legitimas  ferias' 

Burch.  19,  5  in.  6)  Zu  'aeeipiat  quidquid  velit'  Burch.  19,  5  in.  7)  Zu 
'quamdiu  vivit'  Burch.  19,  5  in.  8)  Zu  'semper'  Burch.  19,  5  in.  9)  Zum 
Folgenden  Burch.  19,  5  in. 

21* 


312 


Emil  Seckel. 


Et 1  post  finern  septimi  anni, 
si  non  potuerit  ieiunare,  re- 
dimat  eam  supra  dicto  pretio. 


tarnen,  ut,  dum  vivit,  ||  semper 
feria  (C  fer.)  VI.  in  pane  et 
aqua  ieiunet,  aut  supra  dicto 
pretio  emat.  Et  si  durum 
sibi  hoc  visum  fuerit, 
relinguat  seculum  et  ingrediatur 
monasterium  et  deo  iugiter  ibi 
serviat. 
(5.2)  Si  q/ds  homicidium  vo- 

luntarie3    atque    odii    medita- 

tione^    et   per    insidias6     aut 

sponte    perpetraverit,    et    non 

sibi  resistentem.,  sed  .  .  .  (ins. 

rin/   faciens)    innocentem,    aut 

in  insidiis   latens   simpli- 

citer    gradientevn     aut     dor- 

m  i  e  n  t  e  m     interfecerit ,     r  e  - 

iectis  armis  usque  ad  finem 

vitae  suae,  sicut  supra  dic- 
tum est,  peniteat. 

Die  Capitel  des  Poenit.  Valicell.  III  können  nicht  aus 
denen  der  Coli.  Riccard.  stammen ;  denn  sie  enthalten  einen 
Ueberschuss  an  ursprünglichem (;  Material 7.  Aus  demselben 
Grunde s  ist  eine  Entlehnung  im  umgekehrten  Sinne  aus- 
geschlossen. Man  hat  also  nach  der  gemeinsamen  Quelle 
zu  fragen. 

Regino 9  ist  diese  Quelle  sicher  nicht.  Denn  ihm  sind 
die  Ueberschrift  und  gewisse  Texteseigenthümlichkeiten 10 
noch  fremd. 

Als    gemeinsame   Vorlage    wird    nur    Burchard n    be- 


1)   Zum   Folgenden   Burch.  19,  5  in.  2)  Vgl.   im  Allgemeinen 

Eurch.  6, 14.  3)  Zu  'voluntarie1  vgl.  Burch.  6,  12  oder  6,  13.  4)  Zu 
'odii  meditatione"  vgl.  Burch.  6,  33.  5)  Zu  'et  per  insidias1  vgl.  Burch. 
6,  12.  6)  Einerlei,  ob  das  Original  oder  Regino  oder  Burchard  ins  Auge 
gefasst  wird.  7)  Besondere  Hinweise  überflüssig.  8)  Vgl.  z.  B.  Coli. 
Rice.  c.  2  i.  f.,  3  (v.  'redimendi  potestatem  habeat'),  4  i.  f.  9)  Oder  gar 
die  Sammlung  X  nach  der  Kölner  Hs.  10)  In  c.  1  in.  die  Auslassung 
von  'diabolo  suadente'  (Reg.  2,  6) ;  c.  1  i.  f.  Valic.  v.  'calceamenta  aeeipiat'  ; 
c.  2  i.  f.  Valic,  c.  3  i.  f.  Rice,  'in  ecclesiam  introducatur' ;  c.  3  'pro  (prae) 
taxato  pretio' ;  c.  4  'in  päne  et  aqua' ;  vgl.  den  Apparat  der  ed.  Krause. 
C.  5  i.  f.  Valic.  folgt  dem  Texte  Burchards,  nicht  dem  Regino's  (2,  11). 
11)  Vgl.  die  Nachweise  in  den  Anmerkungen  zu  S.  309—312.  —  Zu  unter- 
suchen bleibt  übrigens,  wie  sich  zu  Burchard  die  Sammlung  der  Hs.  Ste- 
Genevieve  166  (vgl.  Catalogue  general,  Bibliotheque  Ste  -  Genevieve  T.  1, 
1893,  p.  106  s.)  in  ihren  zahlreichen  (Catalogue  a.  a.  O.  p.  107)  Triburer 
Schlüssen  verhält ;  nach  Blumenstock,  Anzeiger  der  Akademie  der  Wissen- 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895.  313 

trachtet  werden  können1.  Bei  ihm  ist  der  benutzte  Stoff 
gerade  in  der  Gestalt  zu  finden,  wie  ihn  unsere  beiden  Ee- 
censionen  dem  Concilium  Triburiense  auf  Eechnung  setzen. 

Die  Vorlage  ist  beidemal  durch  Auslassungen  gekürzt, 
durch  Aenderungen  bearbeitet  und  durch  fremdartige  Ein- 
schiebungen  verfälscht ;  im  Poen.  Valic.  ist  sie  um  ein  fal- 
sches Capitel  (c.  5)  vermehrt.  Die  Tendenz  der  Abweichungen 
liegt  beim  Poen.  Valic.  auf  flacher  Hand :  es  wird  auf  Ver- 
schärfung der  Todtschlagbusse  ausgegangen.  Eine  ähnliche 
Tendenz  klingt  auch  im  c.  4,  alin.  2  der  Eiccardianischen 
Kanonensammlung  an. 

Es  erübrigt  noch,  die  Collectio  canonum  Eiccardiana2 
in  Kürze  zu  charakterisieren.  Sie  ist  überliefert  in  der 
Hs.  zu  Florenz,  Eiccardiana  300  (früher  K  III  9),  Perga- 
ment, 11./12.  Jahrb.,  129  Blätter  quart,  und  nimmt  hier 
Bl.  33b  unten  —  Ende  ein3.  Die  Sammlung  gehört  zur 
Gruppe  der  oberitalischen  systematischen  Collectionen, 
welche  die  Hibernensis  stark  benutzt  haben.  Die  Gruppe 
war  nach  dem  bisherigen  Stande  des  Wissens  vertreten 
1)  durch  den  Cod.  Vatic.  1349,  eine  Sammlung  des  8.  Jahrh.4 
und  2)  durch  den  wahrscheinlich  auf  dem  ebengenannten 
erweiternd  aufgebauten  Cod.  Vatic.  1339,  eine  Arbeit  des  10. 
oder  des  beginnenden  11.  Jahrh.5.    Auf  letztere  geht  aller 

Schäften  in  Krakau  1890,  S.  160 — 163  ist  die  Sammlung  nicht  aus  Bur- 
chard,  sondern  mit  Burchard  aus  einer  gemeinsamen  Quelle  abgeleitet.  — 
Ivo  scheint  jünger  zu  sein  als  die  Coli.  Riccard. ;  dagegen  ist  Ivo's  Be- 
nutzung in  dem  sehr  jungen  Poenit.  Valic.  III  an  sich  nicht  ausgeschlossen. 
Schmitz  a.  a.  0.  S.  770  oben  irrt,  wenn  er  behauptet,  dass  unser  Capitel  'Si 
quis  spontanea'  sich  in  der  Sammlung  des  Burchard  nicht  finde.  1)  Nichts 
berechtigt,  eine  gemeinsame  Quelle  von  Burch.,  Valicell.  und  Riccard.  zu 
statuieren.  Eher  könnte  man  an  eine  für  Valicell.  und  Riccard.  gemein- 
schaftliche Zwischenquelle  denken,  die  sich  hinter  Burchard  einschöbe ; 
doch  genügt  m.  E.  zu  deren  Annahme  der  vorliegende  Thatbestand  nicht, 
auch  nicht  die  Uebereinstimmung  in  c.  4,  alin.  2,  die  noch  am  schein- 
barsten ist.  2)  Sie  wird  uns  im  Folgenden  —  Miscelle  7.  10  —  wegen 
ihrer  Triburer  Capitel  noch  mehrfach  begegnen.  3)  Vgl.  Lamius,  Cata- 
logus  codicum  manuscriptorum  bibliothecae  Riccardianae  (1756),  p.  129  — 
133,  wo  auch  schon  die  Benutzung  des  Conc.  Tribur.  p.  133,  col.  2  ange- 
merkt ist,  überhaupt  die  Quellen  der  Sammlung  nach  der  Hs.  namhaft 
gemacht  und  die  Rubriken  verzeichnet  werden.  S.  auch  Archiv  XXI 
(1874),  S.  729.  4)  Vgl.  Mai,  Spicilegium  T.  VI,  p.  396—474;  Savigny, 
Geschichte  des  röm.  Rechts  im  MA.2  II,  S.  294,  VII,  S.  72  f. ;  Maassen, 
Geschichte  der  Quellen  I,  S.  885—887;  Wasserschieben  a.  a.  O.  S.  XXVIII. 
XXIX;    Conrat,  Geschichte  der  Quellen  I,  S.  210.  5)  Vgl.  Theiner, 

Disquisitiones  criticae  p.  271 — 300  (viele  "Worte  bei  geringem  Inhalt) ;  Sa- 
vigny a.  a.  O.  II,  S.  299,  VII,  S.  73—75;  Giesebrecht,  Münchener  bist. 
Jahrbuch  für  1866,  S.  100,  Anm.  3 ;  Maassen  a.  a.  O.  S.  886 ;  Bibliotheca 
Casinensis,  T.  III  (1877),  p.  130—160,  Florileg.  p.  120—128;  Wassersch- 
ieben a.  a.  O.  S.  XXVIII ;  Conrat  a.  a.  O.  I,  S.  215-217 ;  MG.  Consti- 
tutiones  T.  I  (1893),  p.  61,  N.  1. 


314  Emil  Seckel. 

Wahrscheinlichkeit  nach  unser  Cod.  Riccard.,  ein  verhältnis- 
mässig junges  Werk  des  ausgehenden  11.  Jahrh.1,  zurück2. 
Die  Coli.  Riccard.  ist  bisher  gänzlich  übersehen  worden,  ob- 
gleich Land 's  Angaben  über  Rubriken  und  Quellen3  die  allge- 
meine Charakterisierung  der  Sammlung  erlaubten.  —  Alle 
drei  Redactionen  sind  noch  nicht  genügend  untersucht.  So 
ist  z.  B.  wohl  möglich,  dass  die  Triburer  Stücke  sich  schon 
im  Cod.  Vatic.  1339  finden4;  wenigstens  ist  in  ihm  nach 
seinen  Untersuchern-3  aus  den  Acten  'deutscher  Synoden' 
geschöpft. 


6.    Zur  Geschichte   des  falschen  Capitulares 
'Placuit  nobis   et  fidelibus  nostris'. 

Der  Cod.  Florent.  Laur.  Gadd.  LXXXVIIII,  sup.  31 
(Pergament,  12.  Jahrh-,  122  nichtnumerierte  Blätter  klein- 
quart6)  enthält  Bl.  17a — 28  b  eine  kleine  Kanonensammlnng 
in  drei  Büchern.     Sie  dürfte  nachburchardisch  sein  ". 

In  Buch  3,  Bl.  25  b  findet  sich  eine  eigenthümliche 
bisher  unbekannte  Recension  des  Capitulare  8.  Sie  geht 
auf  Burchard  6,  6  (5)  zurück.  Während  Burchard  dem 
(falschen)  Original  sehr  nahe  bleibt,  sind  in  unserm  erheb- 
lich gekürzten  Text  auch  bereits  eine  Reihe  von  Inter- 
polationen eingefügt,  die  fast  ausnahmslos  aus  Burch.  6,  5, 
dem  falschen  Concilium  apud  Theodonis  villam,  entnom- 
men sind;  sie  gehen  nicht  so  weit  wie  in  dem  Text  bei 
Phillips  und  vollends  nicht  so  weit  wie  in  der  Recension 
des  Cod.  Monac.  3909  bei  Schmitz.  Das  Capitel  der  Samm- 
lung des  Cod.  Gadd.  lautet: 


1)  Seine  jüngste  Quelle  ist  Gregor  VII.  2)  Von  römischem  Recht, 
das  sehr  spärlich  vertreten  ist,  findet  sich  Bl.  59  b  Iul.  Epit.  108,  9  (386) 
'Iustinianus  rex.  Non  liceat  consensu  matrimonium  solvere  —  ratione 
concedimus',  also  gerade  eine  der  charakteristischen  Stellen,  die  sich  bis- 
her —  vgl.  aber  jetzt  unten  Miscelle  10,  S.  318  ff.  —  nur  in  der  Samm- 
lung des  Cod.  Vatic.  1339  nachweisen  Hessen,  s.  Oonrat  a.  a.  0.  I,  S.  216, 
Anm.  2.  3)  Auf  die  hiemit  Bezug   genommen  wird.  4)  Freilich 

müsste  sich  dann  die  chronologische  Ansetzung  der  Sammlung  (S.  313, 
Anm.  5)  eine  kleine  Modification  (wegen  der  Beziehungen  zu  Burchard)  ge- 
fallen lassen,  zum  Mindesten  denen  gegenüber,  die  sich  für  das  10.  Jahrh. 
ausgesprochen  haben.  5)  Merkel  bei  Savigny  a.  a.  O.  VII,  S.  73 ;  Conrat 
a.  a.  O.  I,  S.  217  f.,  Anm.  4.  6.  6)  Vgl.  Bandinius  1.  c.  T.  III  (1776), 
col.  299.  7)  Wohl  nur  aus  Burchard  (16,  4)  kann  das  Capitel  stammen, 

das  in  Buch  8,  Bl.  25  a.  b  sich  findet  'ex  concilio  apud  Teodonis  villam 
cap.  V.  Homicide  malefici  fures  —  erunt  admittendi';  Ivo  (10,37;  vgl. 
6,  333)  hat  eine  andere,  und  zwar  die  richtige,  Inscription.  8)  Die  vier 
bisher  bekannten  sind  Abk.  I,  S.  402  nebst  Anm.  2  aufgezählt. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895.  315 

Ex  concilio  Triburiensi  et  capitularibus  Karoli.  Pla- 
cuit  nobis  et  fidelibus  nostris,  ut,  sicut  ab  episcopis  no- 
stris  et  reliquis  sacerdotibus  ac  dei  servis  alio  anno  apud 
Teodonis  villam  admoniti  sumus  et  rogati,  ut  episcopi  et 
eorum  ministri  et  dei  sacerdotes  eorunique  cooperatores 
intacti  permaneant.  Constituimus  itaque,  ut,  si  quis  sub- 
diaconum  caluinpniatus  fuerit  et  prevaluerit,  vulnerave- 
rit  vel  acceperit  vel  debilitaverit,  v  quadragesimas  sine 
subditis  annis  canonica  (ins.  penitentia)  peniteat  et  ccc  soli- 
dos  episcopo  conponat.  et  si  mortuus  fuerit,  iuxta  id, 
quod  canones  precipiunt,  peniteat  et  episcopo  cccc  soli- 
dos  conponat.  §  Si  diaconum  quis  calumpniatus  fuerit 
et  prevaluerit,  debilitaverit,  acceperit,  vulneraverit, 
vi  quadragesiinas  peniteat  et  episcopo  cccc  solidos  con- 
ponat. Si  mortuus  fuerit,  vi  ebdo[b]madas  cum  annis 
sequentibus  peniteat  et  dcccc  solidos  episcopo  conponat. 
§  Si  presbiterum  quis  male  tractaverit,  conprebenderit, 
vulneraverit,  secundum  episcopi  sententiam  peniteat  et 
dcccc  solidos  episcopo  conponat.  Si  autem  mortuus  fue- 
rit, ut  synodus  diiudicaverit,  peniteat  et  Mcc  solidos 
episcopo  conponat.  §  Si  episcopo  quis  insidias  posuerit, 
conprebenderit  vel  in  aliquo  debonestaverit ,  x  quadra- 
g-esiinas cum  subditis  annis  peniteat  et  presbiteri  occisi 
tripliciter  emendationem  conponat. x 


7.     Ein   neues    Caput   falsum    'Ab   infirmis   in 
periculo    mortis'. 

Die Biccardianische  Kanonensammlung 3  enthält  Bl. lila 
ein  Capitel  'De  infirmis  in  p(er)iculo  mortis  constituti(s), 
(ex)  concilio  Triburiensi.  Ab  infirmis  in  periculo  mortis 
positis  —  secundum  statuta  sanctorum  patrum  communione 
viatici  referantur  (scr.  reficiantur)'. 


1)  Daran  schliesst  sich  in  der  Hs.  unmittelbar  ein  Capitel: 

'Item  de  eodem.     Si   quis   martirium  violaverit,   id  est  atrium, 

quod  omnino  interdicimus,  ter  novem  et  Lx  solidos  exsolvat :  Lx  vide- 

hcet,    quia   terra   alterius  iuris  est,   ter  novem,    quia  deo  regi  regum 

sacrata  et  dicata  est.     Quodsi  ad  ecclesiam  infringendam  diabolo  in- 

stigante   grassetur,   quoniam   tantum   nefas  peregit,   Lx  libras,   id  est 

mcc  solidos,  exsolvat,  legem  scilicet  de  martyriis  et  atriis  duplam(?!), 

et  diu  multetur  penitentia'. 

Es  erscheint  nicht  angängig,  auf  Grund  der  zweideutigen  Aufschrift  'Item 

d  e  eodem'  dieses  Stück  als  Triburer  Extravagante  in  Anspruch  zu  nehmen. 

2)  S.  oben  S.  313  f. 


316  Emil  Seckel. 

Derselbe  Kanon  ist  als  c.  1,  C.  26,  q.  7  in  Gratians 
Decret  übergegangen  und  wird  hier,  wie  schon  bei  Burchard 
(18,  14)  und  bei  Ivo  (15,  36) 1  unrichtigerweise  dem  Poeni- 
tentiale  Theodori  zugeschrieben2.  Eriedberg  z.  d.  St.  ver- 
mag die  wahre  Quelle  nicht  nachzuweisen,  obwohl  sie  be- 
reits in  Fronto's  Ausgabe  des  Ivonischen  Decrets  (1647)  zu 
15,  36  3  namhaft  gemacht  war  als  Conc.  Mogunt.  847,  c.  26  4. 

Die  Varianten  der  Coli.  Biccard.  verglichen  mit  dein 
Original  und  mit  Burchard  und  Ivo  5  ergeben,  dass  ihr  Text 
Burchard  am  nächsten  steht;  die  Originalacten  und  Ivo 
sind  nicht  benutzt.  Wie  freilich  das  Stück  zu  der  In- 
scription  '(ex)  conc.  Triburiensi '  gekommen  ist,  vermag  ich 
z.  Z.  nicht  zu  erklären'';  die  Nachbarcapitel  in  der  Coli. 
Biccard.  habe  ich  leider  nicht  notiert. 


8.    Ein  ferneres  Caput  falsum  'Si  quis  episcopus 
in   aliquibus    causationibus'. 

In  dem  Cod.  Guelferbyt.  35  (inter  Helmstad.  32) 
saec.  XI.  ineuntis  '  steht s  Bl.  17  b  ein  Capitel  'Ex  concilio 
T(r)ibur(i)ensi.  Si  quis  episcopus  in  aliquibus  causationi- 
bus'. Als  triburisch  ist  es  durch  nichts  beglaubigt  als 
durch  die  sicher  irrthümliche  Inscription.  Seine  Quelle 
ist  c.  14  conc.  Antioch.  332  nach  der  Uebersetzung  des 
Bischofs  Martin  von  Braga9. 


1)  Ebenso  bei  den  andern  von  Friedberg  z.  d.  St.  citierten  Samm- 
lern. 2)  Vielleicht  ist  er  von  Burchard  der  Vorlage  der  Capitula  Pseudo- 
Theodori  entnommen,  vgl.  unten  S.  329  u.  S.  34(3,  Anm.  3.  3)  Nach- 
druck bei  Migne,  Patrol.  lat.  T.  161,  col.  865 ;  ebenso  schon  von  Antonius 
Augustinus  zum  Poen.  Pseudo  -  Romanum  9,7  (Opera  T.  3,  p.  287,  N.  z.j. 
4)  MGr.  Capp.  II,  p.  182.  5)  '(ex)  concilio  Triburiensi'  —  'Ex  poeniten- 
tiali  Theodori1  B.  Iv. ;  'non  tarnen'  —  'non  tarnen  est1  orig.  codd.  quidam; 
'et  si  forte1  —  'ut  s.  f.1  orig.;  'migraverint  ne[c] ]  Schreibfehler;  'ex  com- 
munione1  —  'excommunicatione'  orig.,  'et  a  communione'  Iv. ;  'vel  ex1  — 
'ex'  orig.,  'vel1  Iv. ;  'erepti  convaluerint  (Conjectur)  .  .  .  observet1  — 
'ereptus  -it  ...  -et'  B.  Iv.,  '-i  -int  .  .  .  -ent1  orig.;  'via  pietatis1  — 
'ianua  p.1  orig.  B.  Iv. ;  'coniunctione 5  Schreibfehler  für  'cum  unctione1. 
6)  Die  entfernte  inhaltliche  Verwandtschaft  mit  Conc.  Trib.  c.  55  i.  f. 
möchte  ich  nicht  verwerthen.  7)  Ueber  den  Inhalt  der  Hs.  vgl.  Was- 

serschieben, Regino  p.  XX ,  num.  1 3  und  insbesondere  Heinemann,  Die 
Handschriften  der  Bibliothek  zu  Wolfenbüttel,  Abth.  1,  Bd.  I  (1884). 
S.  22  —  24.  8)  Nach  Heinemann    a.  a,  0.    S.  23.     Ich  habe  die  Hs. 

nicht  selbst  gesehen,  kenne  also  nur  die  bei  Heinemann  abgedruckten 
Anfangsworte  des  Kanon,  die  aber  zur  Bestimmung  des  Stückes  gerade 
ausreichen.  9)  Capitula  Martini  c.  13,  ed.  Bruns,  Canones  apostolorum 
et  conciliorum  P.  2,  1839,  p.  46. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895.  317 

9.    Die    Fälschungen    Gratians1. 

1.  C.  17,  q.  4,  c.  20  'Item  ex  concilio  Triburiensi. 
Si  quis  contuniax'.  Quelle'2:  Burchard  (3,197)  oder  Ivo 
Decr.  (3,  114).  Bei  beiden  ist  das  vorhergehende  Capitel 
ein  Triburer  Schluss. 

2—5.  C.  27,  q.  1,  c.  11— 14 3.  Die  vier  Capitel  'Inpu- 
dicas  detestabilesque  personas',  'Virgineni  que  se  deo',  'Hü 
igitur  qui  scientes',  'Virginibus  sacris'  werden  durch  die 
Aufschriften  'Item  ex  concilio  Triburiensi  c.  6'  bezw.  'Item 
ex  eodem'  der  Triburer  Synode  zugeschrieben.  Von  Gra- 
tian  sind  sie  aus  Burchard  8,  29 — 32  entlehnt,  wo  sie  an- 
dere Inscriptionen  führen.  Gratian  hat  die  Fälschung 
durch  einen  Irrthum  verschuldet,  dessen  Veranlassung  sich 
höchstens  vermuthen  lässt.  Vielleicht  hatten  in  seinem 
Burchard -Exemplar  die  Capitel  8,  29.  30.  32  je  eine  Glosse 
des  Inhalts  'Hec  inveniuntur  in  conc.  Trib.' ;  welche  ganz 
richtige  Bemerkung4  dann  von  Gratian  niiss  verstand  lieh 
für  eine  Verbesserung  der  Inscription  genommen  und  durch 
ein  zweites  Missverständnis  auch  auf  das  Capitel  8,  31  be- 
zogen worden  wäre. 

6.  C.  31,  q.  1,  c.  5  'Item  in  eodem  (sc.  conc.  Trib.). 
Si  quis  vivente'.  Als  Quelle  kommt  zunächst  in  Frage 
entweder  Burchard  (9,  65)  oder  Ivo  Decr.  (8,  202) ;  hier  wie 
dort  folgt  im  nächsten  Capitel  ein  Triburer  Kanon.  Wäre 
aber  auf  die  Ausgabe  von  Ivo's  Panormie  Verlass,  so  müsste 
eher  diese  (7,  12)  als  Vorlage  betrachtet  werden,  da  das 
Stück  in  der  Panormie  'Conc.  Trib.'  inscribiert  ist. 

7.  C.  32,  q.  7,  c.  24  'Item  ex  Triburiensi  concilio.  Si 
quis  cum  noverca'.  Quelle:  Burch.  17,11. — Auch  Burch. 
17,  12  5  ist  zu  einem  falschen  Triburer  Schluss  geworden  in: 

8.  C.  34,  q.  1,  c.  9  'Item  ex  eodem  (sc.  conc.  Trib.). 
Si  quis  cum  matre'. 


1)  Sie  hätten  wohl  von  Krause  gerade  so  gut  wie  die  Falsihcate 
Burchards  im  N.  A.  XVII,  S.  82  und  in  der  ed.  p.  205  sq.  aufgezählt 
werden  sollen.  2)  Bei  Phillips  a.  a.  0.  S.  21  ist  das  Capitel  irrthüm- 

lich  zu  Vulg.  c.  20  in  Beziehung  gebracht,  statt  zu  Bened.  Lev.  1,  337. 
3)  Von  Phillips  a.  a.  0.  S.  38  —  41  ('Die  Triburiensischen  Canones  bei 
.  .  .  Gratian')  ebenso  wie  die  folgenden  Stellen  übersehen.  4)  Burch. 

8,  29  hat  ein  ähnliches  Excerpt  aus  dem  c.  6  (7)  der  Epist.  Siricii  ad 
Himer.  (Coustant,  Epist.  rom.  pont.  T.  1,  p.  623.  629)  benutzt  (oder  an- 
gefertigt), wie  die  Vulgata  in  c.  23  (ed.  p.  226,  lin.  5—15).  In  Burch. 
8,  30.  32  wie  in  Vulg.  c.  23  sind  conc.  Chalc.  c.  16  bezw.  Ep.  Gelasii 
ad  episec.  Lucaniae  c.  20  herangezogen.  5)  Xach  Wasserschieben  zu 

Regino  2,  220  wäre  Gratians  Stelle  aus  Ivo,  Decr.  9,  72  geschöpft ;  ich 
halte  dies  nicht  für  zutreffend. 


318 


Emil  Seckel. 


In  den  zwei  letzten  Fällen  scheinen  die  Triburer 
Schlüsse  bei  Burchard  17,  4 — 7.  16  — 18  durch  ihre  Nähe 
attrahierend  gewirkt  zu  haben.1 


10.    Zu  den  Codices  varii  der  Vulgata2. 

Vulg.  c.  21  findet  sich  in  der  sehr  merkwürdigen, 
bisher  nirgends  behandelten 3  Kanonensammlung  des  Cod. 
Florent.  Laur.  S.  Cruc.  IV,  sin.  44  (Pergament,  11.  Jahrh. 
[eher  noch  erste  als  zweite  Hälfte?],  96  grossentheils  nicht 
foliierte  beschriebene  Blätter,  quart).  Die  Sammlung  ist 
leider  nur  Fragment.  Sie  ist  systematisch  geordnet  und 
setzt  sich  zusammen  aus  Concilienschlüssen,  Decretalen, 
Schriften  von  Kirchenvätern 5,  Bussbüchern ß,  römischem 
und  langobardischem  7  Recht 8. 

Zur  Charakterisierung  der  eigenartigen  Sammlung 
theile  ich  die  von  mir  notierten  römisch -rechtlichen  Ex- 
cerpte  mit: 

Bl.  10b.  Si  vir  vel  uxor  causa  (!)  legi-  Iul.  114,  4 

c.  74  ('?).   tima  matrimonium  solvent.   Cap.      (426). 
ccccxxvi.      Iustinianus    rex.      In 
superioribus  posita  est  —  ut  pari 
dilecto  (!)   par  pena  utrosque  co- 
mitetur. 


1)  In  den  MC.  Constit.  T.  I  (1893),  p.  629  sagt  Weiland,  c.  2,  Conc. 
Confluent.  922  'Nullus  proprium  filium'  (=  c.  55,  Conc.  Mog.  813)  sei 
vermuthlich  aus  dem  Conc.  Tribur.  895  —  also  einer  echten  Extra- 
vagante dieser  Synode  —  und  von  diesem  erst  aus  dem  Conc.  Mog. 
entnommen,  da  das  Capitel  sowohl  im  Cod.  Monac.  14628  als  bei  Burch.  17 
(Druckfehler  XVI),  25  der  Triburer  Synode  zugewiesen  werde.  "Weiland 
hat  übersehen,  dass,  wie  Krause  N.  A.  XVII,  S.  82  festgestellt  hat,  der 
Cod.  Monac.  1.  c.  aus  Burchard  stammt,  ihm  also  neben  Burch.  kein  selb- 
ständiger Beweiswerth  zukommt.  —  Ebenda  ist  übersehen,  dass  Conc.  Con- 
fluent. c.  12.  13  aus  Conc.  Trib.  Coli.  Cat.  c.  33.  34  herrühren,  worauf  von 
mir  Abh.  I,  S.  385,  Anm.  3  aufmerksam  gemacht  worden  ist.  2)  Vgl. 
Krause  ed.  p.  198  —  201,  letzte  Spalten.  Zu  Vulg.  c.  16  hätte  wohl  Ivo 
3,  215  herangezogen  werden  sollen,  da  er  das  Capitel  direct  der  Vulgata 
entnommen  hat,  vgl.  Phillips  a.  a.  0.  S.  21,  er  also  für  eine  alte  Ueber- 
lieferung,  wie  sonst  Beg.  App.,  Burch.  u.  A.,  einen  (wenn  schon  nicht 
gerade  classischen)  Zeugen  äbgiebt.  3)  Sie  verdient   künftige  nähere 

Untersuchimg.  4)  Vgl.  Bandinius  1.  c.  T.  4  (1777),  col.  44.  5)  Sehr 
häufig  Iohannes  Constantinopolitanus.  6)  Z.  B.  Theodorus  et  Comea- 

nus'.  7)  Z.  B.  'Grrimualdus  rex'.  8)  Bl.  2b  unten  wird  berichtet, 

dass  Rothad  Bischof  von  Soissons  von  einer  Synode  unter  Karl  und  dass 
Soffrenus  (sie)  Bischof  von  Piacenza  verurtheilt  und  von  Papst  Nicolaus 
reconciliiert  worden  seien,  =  Burch.  1,  233  i.  f. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895. 


319 


Bl.  IIa. 


[Bl.  IIb. 


Bl.  IIb. 

c.  77. 


Bl.  .  . 

c.  84. 


Bl.  .  . 
c.  107. 


Bl.  47  b 

48  a, 


Bl.  69  a. 


B1.69a— b. 


Bl.  69b  — 
70a. 


Si  sponsalia.  ,  .  .  Titut.  cccc 
Lxx(x)vi.  Iustinianus  rex.  Si 
sponsalia  leg-itime  —  partem  (!) 
remittatur. 

Iustinianus  rex.  Si  sponsalia 
—  remittatur.  (Irrtkümliche 
Wiederholung.)  Folgt  unmittel- 
bar: 

Non  licet.  . . .  Capit.  ccclxxxvi. 
Iustinianus  rex.  Lxxvn.  Non 
licet  consensu  matrimonium  sol- 
vere  —  nulla  ratione  concedi- 
mus. 

Soluto  matrimonio  in  anno 
abstineat  nuptias  (!)  mulier.  Iu- 
stinianus rex.  Lxxxim.  Illud 
certum  est  —  propter  sanguinis 
confusionem. 

De  nefariis  nuptiis  et  ince.- 
stis.  Iustinianus  rex.  cvn.  Si 
quis  nefarium  —  excusetur  igno- 
rantia. 

Imperator  Leo  Armasio  per- 
petuo  (!).  Si  quemquam  vel  in 
hac  urbe,  regia  —  similis  p^na 
com[m]it[ter]etur. 

In  liber  (!)  nobellarum  refert 
Iustinianus  imperator:  neque  de- 
cennium  neque  viginti,  triginta 
annorum  —  sed  etiam  in  legatis 
et  in  ereditatibus.  [sedem  iudi- 
cetur,  sicut  superius  dictum  est.] x 

Impr.  Leo  et  Antbemius  AA. 
Iubemus,  (ut)  nullus  arckiepisco- 
pus,  nullus  yconomus,  qui  (!)  res 
§cclesiastica  gubernanda  manda- 
tur,  nullo  modo  alienare  ||  aut 
transferre  —  bonorum  omnium 
spoliatione  da(m)pnandi. 

Lib.  novellarum  Cap.  ccccxxx 
(v)n.  de  episcoporum  profectione. 
Non    liceat   episcopis   (§ps    Cod.) 


Iul.  115,  60 

(486). 


Iul.  115,  60 

(486)]. 


Iul.  108,  9 
(386). 


Iul.  36,5  (135). 


Iul.  32, 1(110). 


C.  I.  1,  3,  30 

(31). 


Iul.  119,  6 

(511). 


Auszug  aus  C. 
I.  1,  2,  14  pr. 
-§7. 


Iul.  115,  11 

(437). 


fangen. 


1)  Mit  den  eingeklammerten  "Worten  weiss  ich   z.  Z.   nichts   anzu- 


320 


Emil  Seckel. 


B1.70a— b. 


Bl.  70b. 


Bl.  70b. 


B1.94a— b. 
c.  24. 


Bl.  94  b. 


suas  quidem  ecclesias  —  cuius- 
cuinque  gradus  sint  vel  mini- 
steria  (!). 

Cap.  De  rebus  ad  venerabii 
locis  (!)  pertinentibus  non  alienan- 
dum  (!)  —  quod  (!)  in  sequentibus 
exponi(t)  capitnlis,  per  quos  ec- 
clesiarum  immobiles.  (!) 

Domni  Iustiiiiani  perpetui 
augusti.  De  venditionibus  et 
donationibus  ecclesiasticarum.  Si 
quis  episcopus  ant  presbyter 
(poris  Cod.)  vel  quicumque  ex 
cleris  (!)  preter  consensu  (!)  cete- 
rorum  clericorum  — 2  adque  de- 
cernunt. 

De  dolo.  Si  quis  dolo  vel 
metu  aliuui  circumvenerit ,  ut 
transferat  rem  suarn  ad  alium, 
non  stabit.  Uterque  de  vi  et  dolo 
actione  tenebitur. 3 

XXI1II.    De    consecrationibus 
clericorum.     titulo  (c)cccxlim.  || 
Nemo   presbiter  consecretur  qui 
minor  —  ad  secundum  matrimo- 
uium  perveuerit. 

Item  tit.  ccccxlv.  Si  ante 
coiisecratum  clericum  episcopus  (!) 
cuiuscumque  collegii  —  et  in 
hac  optineant  parte. 


Iul.  7,  1  (32) 


Epit.    Aegid. 
Paul.Sent.  1, 
8  (ed.Haenel, 
Lex  Roin. Vi- 
sig, p.  346). 

Iul.  115,  19 
(445). 


Iul.  115,  20 

(446). 


1)  Dem  römischen  Rechte  ist  der  Inhalt  des  Capitels  fremd ;  es 
gehört  zu  den  kanonischen  Vorschriften,  die  durch  Leonis  1.  Ep.  17  (ed. 
Ballerinii  T.  I,  1753,  col.  727 --729)  oder  durch  c.  50,  Statut,  eccl.  antiq. 
(ibid.  T.  III,  1757,  col.  661)  inauguriert  worden  sind.  2)  Die  durch  den 
Gedankenstrich  angedeuteten  Worte,  deren  Abschrift  ich  der  Liebens- 
würdigkeit meines  Freundes  P.  Lichtenstein  in  Florenz  verdanke,  lauten: 
'aliquid  de  rebus  ecclesie  vendiderit  vel  donaverit,  hoc  firmum  non  esse 
precipimus,  nisi  ita  fuerit  facta  venditio  sive  donatio,  quemadmodum  sanc- 
torum  canonum  instituta  constituunt'.  3)  Daran  schliesst  sich,  ebenfalls 
ohne  Quellen-  oder  Autor  -  Angabe,  Bl.  70  b— 71a  an  'Ln.  Eos  qui  viduas 
accepisse  suggeruntur  uxores  —  et  si  repetiti  (!)  fuerint,  submovere',  zu  v. 
'infulas'  am  Anfang  die  Randglosse  :  'Infula  est  vita  sacerclotalis,  id  honor'. 
Dies  ist  nicht  römisches  Recht,  sondern  Innocentii  I.  Epist.  17,  c.  2,  a.  414; 
Jaffe2  n.  303;  Coustant,  Epistolae  rom.  pont.  T.  I  (1721),  col.  831. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895.  321 

Von  diesen  Stellen  ist: 
Epit.  Aegid.  Paul.  Seilt.   1,  8   in   keiner  einzigen  andern 

Kanonensammlung  nachweisbar ; 
C.  I.  1,  2,  14  abbrev.  ist  ebenfalls  der  Collectio  S.  Crucis 

eigeiitküinlich  1 ; 
C.  I.  1,  3,  30  findet  sich  nur  noch  bei  Anselm  von  Lucca 

und  in  der  Caesaraugustana; 
Iul.2  36,  5    ist    unserer  Sammlung   mit  der  Lex  Romana 
canonice  compta  c.  184  3,  der  Coli.  Anselmo  dedicata 
und  dem  Cod.  Vat.  1339  gemein; 
Iul.   108,  9.   114,  4    sind    bisher    allein   in    der  Sammlung 

des  Cod.  Vat.  1339  nachgewiesen1; 
Iul.   115,  11    begegnet   in    der   Lex  Rom.   canon.  compta 

c.  315,  in  der  Coli.  Ans.  ded.  und  bei  Hincmar; 
Iul.  115,  19.  20    kehren    in   der   Lex   Rom.    can.    compta 
c.  7.  9  5,  in  den  Bobienser  Excerpten  c.  29  6  und  in 
der  Coli.  Ans.   ded.   wieder,    115,  19    auch   in   den 
Codd.  Vat.   1349  und   1339; 
Iul.  115,  60  in  der  Lex  Rom.  can.  compta  c.  156  ',  in  der 
Coli.  Ans.  ded.,  in  den  Codd.  Vat.  1349.  1339.  8487 
und  in  der  Add.  Bened.  Levit.  3,  69 ; 
Iul.  119,  6    in   den  Constit.  de  reb.  eccl. ,    in  den  Codd. 
Phillipps.  1745  (jetzt  Berol.  83)  und  S.  German.  366, 
in  der  Lex  Rom.  can.  compta  c.  110-,    bei  Bened. 
Lev.  und  im  Polycarpus9. 
Eine  einheitliche  Zwischenquelle  für  alle  diese  Frag- 
mente giebt  es  also  nicht ;    auch   hält  es   schwer,    an   eine 
Zwischenquelle  für  einen  Theil  der  Excerpte  oder  an  eine 
Mehrheit  von  vermittelnden  Arbeiten  zu  glauben.    Die  Coli. 
S.  Cruc.  steht  bis  auf  Weiteres  dem  römischen  Recht  gegen- 
über als  selbständige  Benutzerin  da. 

Aus  dem  bisher  Gesagten  ergiebt  sich  auch,  dass  die 
Sammlung  sicher  in  Italien,  wahrscheinlich  im  langobar- 
dischen  Oberitalien  entstanden  ist10. 

1)  Zwar  hat  auch  Deusdedit  3,  136  ed.  Martinucci  p.  306  (vgl. 
Merkel  bei  Savigny  a.  a.  O.  VII,  S.  77)  eine  Abkürzung  von  C.  I.  1,  2,  14; 
sie  weicht  aber  von  der  unsrer  Sammlung  ab ;  die  Fassung  bei  Deus- 
dedit scheint  auch  nicht  ein  Auszug  unsres  Auszugs  zu  sein.  2)  Iul. 
7,  1  und  32,  1  sind  vielfach  in  andern  Sammlungen  vertreten.  3)  Vgl. 
Maassen,  Ueber  eine  Lex  Rom.  can.  compta  in  den  Wiener  Sitzungs- 
berichten, phil.-hist.  Cl.  XXXV,  Heft  2  (1860),  S.  80.  88.  4)  Vgl. 
Merkel  bei  Savigny  a.  a.  O.  VII,  S.  75;  Conrat  a.  a.  O.  I,  S.  216,  Anm.  2; 
über  Iul.  108,  9  vgl.  auch  oben  S.  314,  Anm.  2.  5)  Vgl.  Maassen  a.  a.  O. 
S.  76.  89.  6)  Vgl.  Maassen,  Bobienser  Excerpte  des  römischen  Rechts, 
Sonderabdruck  aus  den  Wiener  SB.,  phil.-hist.  CL,  XL  VI  (1864),  S.  6.  9. 
7)  Vgl.  Maassen  a.  zuerst  a.  O.  S.  79.  89.  8)  Vgl.  Maassen  a.  zuerst 
a.  O.  S.  78.  89.            9)  Vgl.  Hüffer  a.  a.  O.  S.  102.           10)  Gründe   für 


322  Emil  Seckel. 

Vulg.  c.  21  in  der  Coli.  S.  Cruc.1  hat  die  Ueberschrift 
'De  eadein  re.  Ex  concilio  Triburiensi.  Cap.  xxi.'  und  um- 
fasst  den  Text  vom  Anfang  'Si  quis  presbiter  contra  lai- 
cum'  bis  zu  den  Worten  'Quod  autem  his  habundantius 
est,  a  malo  est' ;  der  Rest  fehlt.  Der  Text  des  Capitels 
steht  Burchard  (2,  182)  näher  als  der  Vulgata2.  Nun  giebt 
entweder  die  ed.  Burch.  den  richtigen  Text  Burchards 
—  dann  hat  Coli.  S.  Cruc.  nicht  aus  Burch.  geschöpft, 
sondern  zeigt,  wenn  auch  aus  verwandter  Quelle  nies- 
send3, ursprünglichere  Fassung;  oder  die  ungenügende 
ed.  Burch.  ist  auch  hier  mangelhaft4  —  dann  spricht  alle 
Wahrscheinlichkeit  für  Entlehnung  seitens  der  Coli.  S.  Cruc. 
aus  Burchard. 

Da  die  zweite  Alternative  immerhin  am  meisten  für 
sich  hat5,  so  dürfte  es  auch  gerathen  sein,  den  Zeitpunkt 
der  Abfassung  der  Coli.  S.  Cruc.  nach  Burchard,  aber  noch 
ins   11.  Jahrh.  zu  setzen. 


Vulg.  c.  47  ist  in  den  zwei  späten  Kanonensamm- 
lungen  wiederholt,  deren  oben6  gedacht  ist,  nämlich  in  der 
Collectio  Cod.  Elorent.  Laur.  S.  Cruc.  V,  sin.  7  und  in  der 
Collectio  Riccardiana. 

In   der   letztern   steht   Vulg.    c.  47    auf   Bl.  56  a    lEx 


Italien :  die  Benutzung  des  Codex  Iustinianus ;  dem  steht  die  Heranziehung 
der  gallischen  Epitome  Aegidii  nicht  entgegen,  da  diese  auch  in  Italien 
bekannt  war,  s.  Oonrat  a.  a.  0.  I,  S.  224 ;  —  für  Oberitalien :  'Grimual- 
dus  rex',  'Iustinianus  rex'.  1)  Auf  nicht  foliiertem  Blatt  a — b   gegen 

Mitte  des  Codex ;  letzte  vorhergehende  Capitelzahl :  153.  2)  Sieht  man 
von  offenbaren  Schreibfehlern  ab,  so  weicht  Coli.  S.  Cruc.  von  Burch.  nur 
in  den  "Wörtern  'conficitur'  ('consecrantur'  Burch.)  und  'a  malo'  ('ex  malo' 
Burch.)  ab,  beidemal  zu  Gunsten  der  Vulgata.  3)  Die  aber  nicht  etwa 
in  Reg.  App.  3,  44  zu  sehen  wäre.  4)  Wofür  man  auf  Ivo  6,  227  hin- 
weisen könnte,  der  mit  der  Vulgata  'conficitur'  und  'a  malo'  schreibt. 
Doch  ist  die  Möglichkeit,  dass  Ivo  auch  hier  seinerseits  auf  die  Vulgata 
zurückgeht,  nicht  ausgeschlossen,  vgl.  meine  Abh.  I,  S.  381,  Anm.  9. 
Zur  Ergänzung  des  dort  Gesagten  diene  Folgendes.  Auch  einigen  in 
letzter  Linie  aus  X  -  Diess.  stammenden  Capiteln  (Diess.  c.  9.  15.  23)  giebt 
Ivo  (8,  202.  7,  42.  7,  33)  nicht  die  Nummern  Burchards:  m  Burch.  9,66; 
xi  Burch.  8,  22 ;  x  Burch.  8,  10,  sondern  die  Ziffern  der  Parallelcapitel  der 
Vulgata  xxxx.  xxvi.  xxim.  Vulg.  c.  18  hat  bei  Ivo  (3,  282)  wiederum  che 
richtige  Zahl  xvm,  während  Burchard  (3,  223 ;  Abh.  I,  S.  382,  Anm.  8) 
oder  dessen  verderbte  Ueberlieferung  vim  schreibt.  Der  Stoff  freilich, 
welchen  Burch.  (8,  35.  36.  38;  9,  74;  17,  13.  14.  15,  vgl.  Abh.  I,  S.  380, 
Anm.  6)  durch  falsche  Inscriptionen  der  Triburer  Synode  entfremdet  hat, 
ist  ihr  auch  bei  Ivo  (7,  54.  55.  57;  8,  211;  9,  73.  74.  75)  nicht  restituiert. 
Vulg.  c.  16  ist  von  Ivo  (3,  215)  direct  dem  Original  entnommen ;  vgl.  oben 
S.  318,  Anm.  2.  5)  Vgl.  auch  oben  S.  318,  Anm.  8.  6)  S.  304—307 
und  S.  313  f. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895.  323 

concilio  Triburiensi.  Quicum  (!)  spirituale  (!)  habet  compa- 
trem  —  vel  in  id  generatione  (!)  secessit  (!)  spiritualis'.  Vom 
echten  Texte  weicht  die  Fassung  nur  in  Kleinigkeiten  in- 
folge von  Schreibfehlern  ab.  Es  kann  hier  also  aus  der 
Vulgata  oder  aus  Burchard  (17,  45)  geschöpft  sein;  zu  Gun- 
sten Burchards  giebt  den  Ausschlag,  dass  den  andern  Tri- 
burer Kanonen  der  Coli.  Eiccard.  sicher  Burchard  zum 
Grunde  liegt  *. 

In  der  Coli.  Cod.  Laur.  S.  Cruc.  V,  sin.  7  ist  Vulg. 
c.  47  zweimal  aufgenommen,  das  erste  Mal  Bl.  58b'  Ex 
concilio  T(r)iburiensi.  Qui  sp(irit)ualem  habet  compatrem 
—  nullam  habet  propinquitatis  consanguinitatem'  aus  Ivo 
(9,  96) 2,  das  zweite  Mal  Bl.  104a — a'  'Ex  concilio  Triburiensi 
cui  interfuit  Arnulfus  rex3.  Qui  spiritualem  habet  com- 
patrem —  vel  ||  in  id  generatio  secernit  spiritualis'  aus  dem 
Polycarpus  (6,  6,  24).  Die  Varianten  der  Hs.  sind  beide- 
mal unerheblich. 


In  dem  berühmten  Cod.  Taurin.5  D  V.  19  (früher 
H  II.  5)  aus  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrh.,;  steht 
Bl.  87a — 88a' 7  eine  kleine  Sammlung  kanonischer  Capitels, 
worunter  sich  ein  Fragment  von  Vulg.  c.  21  befindet. 
Nach  der  früheren  Ansicht  Fittings9  sollte  die  Sammlung 
dem  9.  Jahrh.  angehören;  Conrat10  hat  dagegen  'sehr  wahr- 
scheinlich' gemacht,  dass  einige  der  Capitel  aus  'Ivo 's  De- 
cret  oder  eine(r)  affiliierte(n)  Sammlung'  stammen. 

Da  die  kleine  Collectio  canonum  noch  niemals  ge- 
nauer untersucht  worden  ist,  da  sowohl  Fitting  als  Conrat 
die  Sammlung  in  einen  verkehrten  Zusammenhang  gebracht 
und   nichtgegründete    Schlüsse    auf    sie    gebaut    zu   haben 


1)  Vgl.  oben  S.  312  f.  315  f.       2)  Nicht  ganz  vollständig,  'Quid  enim 
—  spiritalis'    fehlt,    während    dieser   Passus   bei  Ivo    nicht   gestrichen   ist. 

3)  Diese  Ueberschrift   ist    im  Cod.    an  den  Schluss  des  Capitels  gerathen. 

4)  Vgl.  C.  30,  q.  4,  c.  4.  5)  Ich  benutze  das  Apographum  bei  den 
Schraderschen  Papieren,  Ms.  Tubing.  Mc.  312,  Fase.  III,  2.  6)  Be- 
schrieben von  Schrader,  Prodromus  (1823)  p.  54  sq.  145 — 149;  Fitting, 
Juristische  Schriften  des  früheren  Mittelalters  (1876)  S.  16—24.  7)  Tü- 
binger Apograph  Bl.  61b — 62b'.  8)  Sie  ist  erwähnt  bei  Schrader  1.  c. 
p.  147,  N.  6  i.  f. ;  Fitting  a.  a.  0.  S.  22 ;  Fitting,  Zeitschrift  der  Savigny- 
Stiftung  für  Rechtsgeschichte,  Romanist.  Abth.,  VI  (1885),  S.  124  f.  169  f.; 
Conrat,  Das  Ashburnhamer  Rechtsbuch  (als  Manuscript  gedruckt  o.  J. 
[1887])  S.  27,  Anm.  3 ;  Fitting,  Die  Anfänge  der  Rechtsschule  zu  Bologna 
(1888)  S.  59,  Anm.  a ;  Conrat,  Geschichte  I,  S.  323  f.  -  -  Schrader  1.  c. 
gedenkt  des  Vorkommens  der  Triburer  Synode.  9)  Zurückgenommen 
von  Fitting,  Die  Anfänge  u.  s.  w.  S.  59,  Anm.  a.  10)  Conrat,  Geschichte 
I,  S.  324. 


324 


Emil  Seckel. 


scheinen,  da  die  kanonistischen  Capitel  von  Conrat  gegen 
die  in  der  Hs.  vorhergehenden  romanistischen  Ausführungen 
nicht  einmal  richtig  abgegrenzt  worden  sind,  da  endlich 
als  die  Ivo's  Decret  affiliierte  Sammlung,  und  damit  auch 
als  die  Quelle  des  Vulgatafragmentes,  sich  Ivo's  Panormie 
mit  Sicherheit  erweisen  lassen  dürfte,  so  halte  ich  es  nicht 
für  überflüssig,  in  die  nicht  ganz  einfache  Behandlung  der 
Collectio  Taurinensis  einzutreten.  Sie  setzt  sich  folgender- 
massen  zusammen: 


1 

2 

3 

4 

5 

6 

Rubriken 

Anfänge 

Ivo 

Ivo 

Grat. 

und  Inscriptionen 

Decr. 

Pan. 

Decr. 

1. 

de  testibus  in  iu- 

Convinci  nemo 

16,  316 

5,16 

!    dicio.    ex  cod.  (?) 

2. 

Item. 

Ei  incombit 

16,179 

5,18 

— 

3. 

1 1  ein. 

Testimonia  autem 

16, 136 

5,19 

— 

4. 

Item. 

Testium  productio 

16, 156 

5,20 

— 

5. 

1 1  e  m. 

Testes  priusquam 

16,  204 

5,21 

— 

6. 

de    eodem. 

ex  cod.  (?) 

Summopere      admo- 
nendi 

16, 337 

5,24 

— 

7. 

Item. 

Servo  penitus 

16,  224 

5,27 

— 

8. 

de   e o d e m.     Ex  1. 
const.  (?) * 

Si  quis  dixerit 

16, 154 

5,29 

9. 

Item. 

Placuit  ut  testes 

16,  208 

5,30 

— 

10. 

de   accusat.   e p i - 

Urbis    Romane,    epi- 

5,245 

4,135 

Cf.C.2,q.l, 

scoporum.  ex  dec. 

scopus      Zephirinus 

c.  5  etc. 

Zeph. 

omnibus    episcopis. 
Patriarche  vel   pri- 
mates 

11. 

de    accus,    cleri- 

De  accusationibus 

6,  316 

4,136 

C.  3,  q.  6, 

corum.     ex    decr. 

(ult.) 

c.  7. 

Eleut. 

12. 

de  accus,  sacer- 
dotum.      ex    dec. 
N.  pp. 

Si  quis  presbiter  vite 

6,226 

5,1 

C.  2,  q.  5, 
c.  12. 

13. 

de     causa     inter 

Si  quis  presbiter  con- 

6,227 

5,10 

C.  2,  q.  5, 

presbiterum  et 

tra 

c.4. 

laicum.  ex  concü. 

Tribur. 

14. 

Item,  ex  concil.  Re- 

Nullus    ex    ecclesia- 

6,233 

5,11 

C.  22,  q.  5, 

mensi. 

stico 

c.  22. 

1)  Daraus  hat  Schrader  1.  c.  p.  147,  N.  6  'Constantinus'  gemacht, 
infolge  desselben  Versehens,  das  (vgl.  oben  S.  305)  einem  Schreiber  des 
12.  Jahrb.  begegnet  ist.  In  n.  1.  6  steht  in  der  That  'cod.'  =  codex  (freilich 
etwas  undeutlich,  von  'eod.'  nicht  zu  unterscheiden);  also  nur  theilweise 
richtig  Conrat,  Geschichte  I,  S.  323,  Anm.  6. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895. 


325 


Rubriken 
und  Inscriptionen 


De      presbiteris 

üxoratis.      Nich. 

pp. 
de       presbiteris 

singular um  §  c  - 

clesiarum.  Dion. 

pp. 
Quod  nullus  pres- 

biter  nas  eccle- 

sias   habeat.    ex 

concil.  Remensi. 
de  dandis  §ccle- 

siis    vel     aufer. 

ex  concil.  Cabilon. 
de  transmutand. 

locis       sanctis. 

Aug. 
de   bis    qui   vom. 

eucbar.     ex    pen. 

Bede. 
de  eif usione  ca- 

licis.     Pius  pp. 
de    custodia   s  a  - 

crificii.     ex  pen. 

Bede, 
unde   calix    fiat. 

ex  concil.  Remensi. 
Unde  corporalia 

fiant.    Euseb.  pp. 
de    eucb.    p repa- 
rat, ex  concil.  Vuar. 
Quod  dos  eccle- 

sie_     ad    episco- 

pum  pertin.     ex 

concil.  Tolet. 
de     dedicatione 

gcclesig.  Nie.  pp. 
de  motione  alta- 

r  i  s.    Higinus  pp. 
de  violatione   ec- 

clesie.     Idem. 
de  sep.  in  eccle- 

sia. 
de    pec.    pro    se- 

p  u  1 1  u  r  a.  Greg.  pp. 
de  metropol.  con- 

s  u  e  t.      ex     concil. 

Epanesi  (!). 


Neues  Archiv  etc.    XX. 


3 

Anfänge 


Consulendum  esse 
Ecclesias  singulas 


Unusquisque   presbi- 
ter 


Inventum  est 

Tribus  causis 

Si   quis  per  ebrieta- 
tem 

Si  vero  per  neglegen- 

tiam 
Qui  bene  non  custo- 

dierit 

Calix  domini 

Hoc  inter  cetera 

Presbiter       euchari- 

stiam 
Multi  contra 


De  ecclesiarum  und 
Omnes  autem  basilice 
Si  motum 

Si  homieidio 

In  ecclesia  in  qua 

Peti  aut  aliquid 

Altaria  si  non 


Ivo 
Decr. 


2,82 
3,47 

3,48 

3,88 

3,80 

2,55 

2,56 
2,60 

2,131 
2,134 
2,20 
3,23 

3,24.32 

3,13 

3,14 

3,16.43 

3,101 

fin. 
3,30 


Ivo 
Pan. 


5,12 
2,42 

2,43 

2,46 

2,38 

1,154 

1,155 
1,156 

1,160 
1,161 
1,147 
2,12 

2,11.13 

2,20 

2,21 

2,19. 

(23) 
2,27 

2,32 
22 


Grat. 
Decr. 


D.28,c.l7. 


C.13,q.l, 
c.l. 


C.16,q.7, 
c.  38. 

D.  1,  c.  36 

de  cons. 

D.2,c.28 
de  cons. 

D.2,c.27 

de  cons. 
D.  2,  c.  94 
de  cons. 

D.l,c.45 
de  cons. 

D.l,c.46 
de  cons. 

D.  2,  c.  93 
de  cons. 

C.  10,  q.  1, 
c.  2. 


D.l,c.l6.3 
pr.  de  cons. 
D.  1,  c.  19 

de  cons. 
D.l,c.l9 

de  cons. 
cf.D.l,c.28 

de  cons. 


D.l,  c.3l 

de  cons. 


326 


Emil  Seckel. 


Rubriken 
und  Inscriptionen 


3 

Anfänge 


Ivo 
Decr. 


Ivo 

Pan. 


Grat. 
Decr. 


33. 
34. 

35. 
36. 
37. 

38. 


Quando  missa  di- 
catur.  Theophil.  (!) 
pp. 

Quod  pro  cris- 
mate  accipiendo 
presbiteri  n  i  - 
chil  dent.  ex 
concil.  Cabil. 

de  imag.  et  pic- 
turis  in  eccle- 
sia.    Greg.  pp. 

de  cimiteriis  ec- 
clesiarnm.  Nie. 
pp. 

de  diocesi  epi- 
s  c  o  p  o  r  u  m.  Calixt. 
pp. 


Missarum  celebratio- 
nes 

Quidam  fratres 


Aliud  est  picturam 
Sicut  antiquitus 
Nullus  primas 


Si  quis  episcopus  in 
alterius 


3,65 

1,287 

3,41 
3,104 


5,101 
med. 

(5,  101 
in.) 


2,40 
1,98 

2,56 
2,81 
4,28 


(4,27 
fin.) 


D.l,c.48i.f. 
de  cons. 

C.  1,  q.  1, 
c.  106. 


C.17,q.4, 
c.  6. 

C.9,  q.2, 
c.3. 


Die  Stücke  können  nicht  ans  den  Originalen  her- 
rühren, nnd  ebensowenig  aus  einer  andern  Zwischenquelle 
als  entweder  aus  Ivo's  Decret  oder  aus  seiner  Panormie : 
nicht  aus  einer  altern  Kanonensamnilung,  da  einige  der 
Capitel l  zuerst  in  Ivo's  Decretum  begegnen,  und  nicht  aus 
einer  Jüngern,  da  in  keiner  wenigstens  der  bekannten  alle 
Capitel  wiederkehren 2. 

Zu  Gunsten  der  Panormie  geben  mehrfache  Gründe 
den  Ausschlag.  Einmal  die  Reihenfolge  der  Excerpte : 
hätte  die  Coli.  Taur.  z.  B.  in  ihren  n.  1 — 9  aus  Ivo's  De- 
cret3 selbständig  geschöpft,  so  hätte  sie  nur  durch  den 
unwahrscheinlichsten  Zufall  in  der  Anordnung  mit  der 
Panormie i  zusammentreffen  können ;  um  einiges  weniger 
in  die  Augen  springende  zu  übergehen,  so  liegen  die  Ver- 
hältnisse ganz  ähnlich,  wie  für  die  n.  1 — 9,  auch  für  die 
n.  12 — 15  und  26 — 33,  wie  ein  vergleichender  Blick  in  die 
Tabelle  lehrt.  Weiterhin  ist  es  so  gut  wie  ausgeschlossen, 
dass  ein  von  der  Panormie  unabhängiger  Excerpent  gerade 
nur  dieselben  Capitel  und  insbesondere  dieselben  Capitel- 


1)  Zum  Mindesten  die  n.  11.  15.  36.  2)  Vgl.  Friedberg  zu  den 

in  Sp.  6  citierten  Stellen  des  Decretum  Gratiani.         3)  Vgl.  die  in  Sp.  4 
zu  n.  1 — 9  citierten  Stellen.  4)  Vgl.  die  in  Sp.  5  zu  n.  1 — 9  citierten 

Stellen. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895.  327 

fragmente  sollte  hervorgezogen  haben,  die  auch  in  der 
Panormie  eine  Stätte  erhielten  K 

Die  Turiner  Sammlung  ist  ein  Ganzes.  Sie  wird 
weniger  durch  den  systematischen  Verband  ihres  Inhaltes, 
als  durch  die  Einheit  ihrer  Quelle  zusammengehalten. 
Dieser  Zusammenhalt  erstreckt  sich  gerade  auch  auf  die 
n.  1 — 9,  die  von  Conrat  als  cap.  19 — 21  zu  der  ausserdem 
aus  18  Capiteln  römisch -rechtlichen  Inhalts  bestehenden 
vorangehenden  Arbeit  gerechnet  worden  sind 2. 

Die  Texte  der  Coli.  Taur.  sind  nicht  überall  wört- 
liche Eeproduction  der  Panormie ;  es  finden  sich  Streichun- 
gen und,  in  einigen  wenigen  Fällen,  Umarbeitungen3. 

Vulg.  c.  21  (n.  13)  ist  am  Schlüsse  gekürzt,  das  Capitel 
reicht  nur  bis  'ex  levi  causa  iurare  non  debent'. 


11.     Zu  den  Codices  varii  von  Cat.   und   X-Diess.1 

Cat.  10.  23.  30  und  Diess.  9  5  finden  sich  sämmtlich 
in  der  mehrerwähnten  Coli.  Cod.  Laur.  S.  Cruc.  V,  sin.  7 
und  zwar : 

Bl.  52b,  Cat.  10  'Ex  concilio  T(r)iburiensi.  Quidam  ingenuus 
ingenuam  accepit  uxorem  —  quem  liberum  mari- 
tima ipsa  accepit'  aus  Ivo  8,  212; 

Bl.  54a'.  Cat.  23  'Ex  concilio  de  Francia6.     Quidam  no- 


1)  Bei  den  Inscriptionen  ergeben  sich  nicht  selten  scheinbare  An- 
stände, vgl.  die  n.  12.  22.  24.  27.  28.  32.  33.  36.  37;  doch  wird  man  hier 
eine  ernstliche  Schwierigkeit  nicht  finden  können,  wenn  man  sich  erinnert, 
dass  die  Ausgabe  der  Panormie  unter  aller  Kritik  unzuverlässig  ist.  2  Zu 
der  romanistischen  Sammlung  steht  die  Coli,  canonum  Taur.  in  gar  keiner 
andern  Beziehung,  als  dass  letztere  auf  erstere  in  derselben  Hs.  folgt.  Es 
liegt  auf  der  Hand,  dass  aus  der  Abfassungszeit  der  Coli.  Taur.  (frühestens 
Anfang  des  12.  Jahrh.)  lediglich  keine  Schlüsse  zwecks  chronologischer 
Bestimmung  der  römisch  -  rechtlichen  Capitel  gezogen  werden  dürfen,  wie 
Schrader,  Fitting  und  Conrat  gethan  haben,  zumal  da  auch  keine  Spur 
inhaltlicher  Verwandtschaft   der  beiden  Sammlungen    besteht.  :;    Am 

weitesten  geht  hierin  n.  38  'Si  quis  episcopus  in  alterius  parrochia  sine 
episcopi  voluntate  aliquid  egerit,  gradus  sui  periculo  subiacebit  et,  quod 
egerit,  vacuum  et  irritum  habeatur'.  4)  Vgl.  Krause  ed.  p.  202 — 205, 

letzte  Spalten.  —  Stephanus  Tornacensis  Epist.  71  (Migne,  Patrol.  lat. 
T.  211,  col.  367)  citiert  das  Triburer  Capitel  'Virgines  sacrae'  (Diess.  15) 
in  der  Fassung  Burchards  (8,  22)  aus  diesem  oder  einem  seiner  Benutzer; 
von  Hartzheim,  Conc.  Germ.  T.  4,  p.  565  ist  es  unrichtigerweise  dem 
Conc.  Trib.  n  zugeschrieben.  5)  Cat.  10  =  ed.  Extravag.  2,  Cat.  23  = 
ed.  lud.  4,  Cat.  30  =  ed.  c.  29  a,  Diess.  9  =  ed.  c.  40  a.  6)  Der  ita- 
lienische Schreiber  der  Hs.,  der  sich  bei  Tribur  nichts  denken  konnte, 
machte  des  öftern  aus  Tribur  sein  italienisches  Tibur  -  Tivoli.  Als  er  nun, 
übrigens  verkehrt,  'Ex  concilio  Triburiensi  de  Francia'  las.  wurde  er  stutzig 

22* 


328  Emil  Seckel. 

bilis   hoino   nobilem    de  Saxonia   —   priorem   resu- 

mere  cogatur'  aus  Ivo  8,  213; 
Bl.  56b,  Diess.  9  'Ex  concilio  T(r)iburiensi  cap.  I.    Relatum 

est    quendam    alterius   uxorem    —    prohibemus    et 

anatheinatizamus'  aus  Ivo  8,  202 ; 
Bl.  92b',    Cat.  30    'Ex   concilio   Triburiensi.     Ut   nulli   de 

servili  conditione  —  cuius  fuerit  ante  gradum'  aus 

dem  Polycarpus  2,  31,  45  K 
Ivo  8,  212.  213  sind  leicht  bearbeitet2,  Ivo  8,  202  ist 
etwas  verkürzt3;  in  dem  Stück  des  Polyc.  übersteigen  die 
Varianten  das  gewöhnliche  Mass  nicht 4. 


Beilage. 

Die  Petitschen  Capitula  Pseudo-Theodori5. 

Die  —  durchweg  nichtgenannten  —  Quellen  der 
Capitel  Pseudo  -  Theodors  haben  sich,  mit  einigen  Ausnah- 
men und  Vorbehalten,  ermitteln  lassen.  Sie  werden  zum 
Theil  durch  Concilien  und  Decretalen,  zum  weitaus  grössten 
Theil  durch  Bussordnungen  gebildet. 

Die  Kanonen  zerfallen  in  fränkische  und  nicht- 
fränkische.    Von  der  zweiten  Classe  sind  benutzt: 

1.  die  Canones  apostolorum  c.  25  6  (Ps.-Th.  44);  die  ver- 
mittelnde Zwischenquelle  scheint  entweder  Ps.-Beda 
Poenitentiale  c.  1,  §  5  oder,  was  noch  wahrschein- 
licher ist,  Hrabanus  Epist.  ad  Heribaldum  c.  11  — 
vgl.   auch  Hrabanus   ad  Otgarium  c.  1  —   zu  sein. 


und  half  sich  durch  Streichung  von  'Triburiensi'.  —  Ein  Capitel  mit 
der  Ueberschrift  'Ex  concilio  de  Francia',  und  in  derselben  Umgebung : 
'Liber  pandectarum',  'Novellarüm  institutio'  (in  unserm  Cod.  Flor.  Bl.  50  a), 
'liber  codicum'  (Bl.  50  a),  'cap.  constitutionum'  (Bl.  50  a),  'Alexander  se- 
cundus  Landulfo  in  Corsica'  (Bl.  51  oder  52),  'Ex  concilio  de  Francia' 
(Bl.  54a'),  findet  sich  auch  im  Cod.  R  127,  saec.  12/13  der  Madrider 
Nationalbibliothek,  s.  Hartel  in  den  Wiener  Sitzungsberichten  CXIII  (1886), 
S.  263  f. ;  der  Zusammenhang  der  Madrider  mit  der  Florentiner  Sammlung 
leuchtet  ein.  1)  Vgl.  D.  54,  c.  2.  2)  Zu  Ivo  8,  212  vgl.  den  Anfang, 
vor  'utrum'  steht  dann  'quesitum  est' ;  zu  Ivo  8,  213  vgl.  ausser  dem  Ein- 
gang z.  B.  'diu  tenuit'  statt  Ivo's  'tenuit  multis  annis  et  ex  ea'.  3)  Am 
Anfang  fehlt  'auribus  sanctorum  sacerdotum'.  4)  Dem  Poenitentiale 

Pseudo  -  Romanum,  das  Antonius  Augustinus  (Opera  T.  3)  herausgegeben 
hat,  sind  Triburer  Kanonen  einverleibt;  die  Quellen  des  Poenitentiale 
reichen  von  Burchard  bis  Grratian  (vgl.  Wasserschieben,  Die  Bussordnungen 
S.  95)  und  aus  ihnen  sind  auch  die  Triburer  Schlüsse  übernommen. 
5)  Vgl.  oben  S.  296—301,  und  zur  Uebersicht  die  Tabelle  am  Ende  der 
Beilage.         6)  Mansi  T.  1,  col.  53.     Vgl.  oben  S.  299,  Anm.  4. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895.  329 

2.  die    Synode    von    Braga    563,    c.  16 1    (Ps.-Th.    26  a); 

Zwischenquelle  wird  irgend  ein  Bussbuch  sein,  wel- 
ches, muss  dahingestellt  bleiben3. 

3.  die    Collectio   Hibernensis    46,  11    (Ps.-Th.    32);    auch 

hier  ist  schwerlich  aus  dem  Original  geschöpft,  die 
vermittelnde  Schrift  scheint  Pseudo  -  Theodor  und 
Eegino  —  s.  unten  —  gemeinsam  zu  sein. 

4.  die  apocryphe  II.  römische  Synode  unter  Silvester  I. 

c.  3  3  (Ps.-Th.  39) ;  Zwischenquelle  ist  vielleicht  c.  12 
Conc.  Mogunt.  888  4. 
Von  fränkischen  Concilienschlüssen  begegnen: 

5.  die  Synode  von  Auxerre  um  573 — 603,  c.  17  5  (Ps.-Th. 

26b). 

6.  die  Synode  von  Compiegne  757,  c.  20 6  (Ps.-Th.  48b). 

7.  die  Mainzer  Synode  813,  c.  31  7  (Ps.-Th.  40). 

8.  die  Mainzer  Synode  847,  c.  12.s  24.  27 9  (Ps.-Th.  38a.  b. 

36.  41). 

9.  die  Wormser  Synode  868,  c.  26  10  (Ps.-Th.  37). 

10.  die   Triburer   Synode    895 u   (Ps.-Th.    42.    43a.  b.    46. 

47.  59). 

11.  die  Synode  zu  Eouen,  9.  Jahrh.12,  c.  12  13  (Ps.-Th.  22). 

12.  das  apocryphe  Concilium  de  clericorum  percussoribus 

i.  f.u  (Ps.-Th.  35  b). 
Aus   einem   unbekannten   fränkischen   Concil   scheint 
Ps.-Th.  58  herzurühren 15. 

Von   Decretalen   sind   nur    zwei  Fragmente   aufge- 
nommen aus: 

Leonis  I.  Epist.  167  ad  Pusticum  ep.  Narbonensem  458 — 
459  16  (Ps.-Th.  45);  als  Zwischenquelle  dürfte  Hra- 
banus  ad  Heribaldum  c.  11   zu  betrachten  sein,  vgl. 


1)  Bruns  (Canones  apostolorum  et  conciliorum)  T.  2,  p.  35.  2)  Vgl. 
z.  B.  Poen.  Valicell.  II  (ed.  Schmitz),  c.  9,  Poen.  Ps.-Gregorii  III.  c.  32, 
Halitgar.    lib.  4,   c.  6.  3)  Mansi  T.  2,    col.  623.  624,    vgl.  Hinschius, 

Decretales  Ps.-Isid.  p.  449.  4)  Mansi  T.  18,  col.  63.  67  sq. ;  die  Rubrik 
deckt  sich  mit  der  Ps. -Theodors,  der  Text  weist  neben  zwei  wenig  be- 
deutenden Varianten  ein  nicht  unerhebliches  Plus  auf,  das  aber  wohl  nur 
unsrer  Ueberlieferung  Ps.-Theodors  abgeht,  daneben  allerdings  auch  ein 
Minus  —  die  Schlussworte  'et  omnino  Christum  praedicantes1  bei  Ps.- 
Theod.  fehlen  im  Conc.  Mog.  wenigstens  nach  der  Ausgabe.  5)  MG. 

Concilia  T.  1,  p.  181.  6)  MC.  Capp.  T.  1,  p.  39.  7)  Mansi  T.  14, 

col.  72.  8)  Plraban.  ad  Heribald.  c.  19  ist  nicht  Zwischencpaelle.  9)  MC. 
Capp.  T.  2,  p.  179.  182.  10)  Mansi  T.  15,  col.  874.  11)  Vgl.  oben 

S.  296  ff.  12)  Vgl.  Hefele,  Conciliengeschichte  HP,  S.  96  f.  13)  Bruns 
T.  2,  p.  270.  14)  MC.  Capp.  T.  1,  p.  361.  15)  Verwandtes:  Cap. 

eccl.  789,  c.  74  (MC.  Capp.  T.  1,  p.  60),  Conc.  Arelat.  813 ,  c.  15  (Mansi 
T.  14,  col.  61),  Conc.  Turon.  813,  c.  45  (Mansi  T.  14,  col.  90);  Anseg.  3,  90; 
Regino  2,  436.       16)  Leonis  M.  Opera  edd.  Ballerina  T.  1  (1753),  col.  1421. 


330  Emil  Seckel. 

das  wohl  durch  Hrab.  ad  Herib.  c.  10    vermittelte 

c.  44  Ps.-Th.;  —  und 
Felicis  III.    Epist.   ad  universos   ep.  per  Siciliam  consti- 

tutos  488  1  (Ps.-Th.  14) ;  die  vermittelnde  Sammlung 

lässt  sich  schwer  feststellen. 
Es  hält  nicht  ganz  leicht,  aus  dem  Material  der  be- 
kannten Bussbücher  die  Stücke  glatt  herauszuschälen, 
die  von  Pseudo- Theodor  verarbeitet  worden  sind.  Da  die 
Capitel  Pseudo  -  Theodors  aus  einer  späten  Epoche  des  frü- 
hern Mittelalters  stammen,  so  wird  man  der  Wahrheit  um 
so  näher  kommen,  je  weiter  ab  man  ihre  Quellen  von  den 
ältesten  originalen  Bussordnungen  legt.  So  dürfte  sich 
directe  Benutzung  des  Theodorschen  Bussbuches  gänzlich 
in  Abrede  ziehen  lassen;  wenn  Beda  und  Egbert  im  nach- 
folgenden Verzeichnisse  erscheinen,  so  soll  damit  keines- 
wegs behauptet  sein,  dass  sie  unmittelbar  unsern  Capitula 
zum  Grunde  liegen:  sie  sind  nur  genannt,  weil  die  Jüngern 
Sammlungen,  durch  die  hindurch  sie  vermuthlich  zu  Pseudo- 
Theodors Kenntnis  gelangten  —  etwa  eine  Eecension 
Pseudo -Beda's,  die  seinen  Quellen,  Beda  und  Egbert,  noch 
näher  stand  als  die  jetzt  allein  bekannte  Form  —  sich  ent- 
weder nicht  erhalten  haben  oder  jedenfalls  bisher  nicht 
aus  den  Hss.  hervorgezogen  worden  sind. 

Die  Bussordnungen,  die  den  Capitula  Ps.-Theodori  am 
nächsten  stehen  und  also  bis  auf  Weiteres  als  seine  wenn 
schon  theil weise  mittelbaren  Quellen  zu  gelten  haben,  ge- 
hören samt  und  sonders  zu  den  fränkischen  oder  zu  den 
im  Frankenreich  weitverbreiteten.  Die  angelsächsischen 
Werke  von  Beda2  und  Egbert3  sind  in  der  fränkischen 
Literatur  reichlich  benutzt4;  Cummean3,  Pseudo  -  Beda (i, 
das  Poenitentiale  Hubertense 7,  Hrabanus 8  gehören  dem 
Frankenreiche  an9. 

Wörtliche  oder  beinahe  wörtliche  Uebereinstimmung 
herrscht  zwischen: 

Beda  und  Cap.  Ps.-Th.  25. 

Egbert  und  Cap.  Ps.-Th.  20c.  d.  e.  f.  g.  57. 

Ps.-Beda  und  Cap.  Ps.-Th.  7.   18.  31a.  b.  50. 


1)  Thiel,  Epistolae  roroanorum  pontificum  p.  265.        2)  Wassersch- 
leben,  Die  Bussordnungen  S.  39.  3)  Ebd.  S.  40.  4)  Ebd.  S.  5. 

5)  Ebd.  S.  12.  61.  6)  Ebd.  S.  38.  47.  7)  Ebd.  S.  57.  8)  Ebd. 

S.  79 ;  Maassen,  Geschichte  der  Quellen  I,  S.  870.  9)  Da  der  fränkische 
Ursprung  der  Cap.  Ps.-Theod.  ohnehin  feststeht,  so  hat  man  sich,  wenn 
im  Einzelfall  die  AVahl  zwischen  einem  fränkischen  Poenitential  und  einem 
nichtfränkischen,  z.  B.  Theodor,  freibleibt,  zu  Gunsten  des  ersteren  zu 
entscheiden. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895. 


331 


Cummean  und  Cap.  Ps.-Th.   15.   16.  19.  21.  23.  33.  51. 

52.  53.   55b.  g. 
Hraban  und  Cap.  Ps.-Th.  48a.  49.  60. 

Entferntere  Beziehungen  bestehen  zwischen: 
Egbert  und  Cap.  Ps.-Th.  20a.  b. 
Ps.-Beda  und   Cap.  Ps.-Th.    2.  3a.  b.  c.  d.  e.  f.  4a.  b.  5. 

6.  8.  9.  13. 
Cummean   und   Cap.  Ps.-Th.   17.  24.  27.    35a.  54.  55a. 

c.  d.  e.  f.  h.  i.  56 ;  dem 
Poenitentiale  Huberte nse  und  Cap.  Ps.-Th.  29.  30.  34. 
Mcht   ermittelt   sind   die    Quellen   von   Cap.    Ps.-Th. 
la.  b.1   10.   11.   12.  (13.)  28. 

Zur  Begründung  und  näheren  Bestimmung  der  hier 
behaupteten  Verwandtschaftsverhältnisse  mögen  die  folgen- 
den Bemerkungen  und  Nachweise  dienen;  sie  schliessen 
sich  der  Reihenfolge  der  Pseudo- Theodorischen  Capitel  an2. 
Cap.  2 — 3.  4a — 5.  6  scheinen  sich  auf  der  Grundlage 
des  Pseudo -Beda'schen  Bussbuches  (c.  44.  42.  46)  entwickelt 
zu  haben3. 


1)  Parallelen  zu  Cap.  Ps.-Theod.  la— 5  finden  sich  in  dem  Anhang 
des  sog.  Poenitentiale  Romanum  bei  Canisius,  Lectiones  antiquae  ed.  Bas- 
nage T.  2,  P.  2  (1725),  p.  128.  129.'  Ich  wage  nicht  zu  entscheiden,  ob 
der  Text  bei  Canisius  von  dem  bei  Petit  und  dem  in  Burchards  Samm- 
lung unabhängig  sei  oder  ob  er  eine  Bearbeitung  entweder  Ps. -Theodors 
oder  Burchards  darstelle.  Der  Text  bei  Canisius  ist  stellenweise  besser 
als  der  des  edierten  Ps. -Theodor,  auch  sind  die  Capitel  zum  Theil  mit 
Inscriptionen  versehen.  Quelle  Ps.-Theodors  sind  die  Capitel  der  Appen- 
dix nicht ;  die  Fassung  bei  ersterem  ist  ungeschlachter  und  ursprünglicher 
als  die  geglättete,  Weitläufigkeiten  vermeidende  der  letztern,  vgl.  insbes. 
Ps.-Theod.  c.  3.  2)  Die  benutzten  Ausgaben  der  Poenitentialien  finden 
sich  bei  Wasserschieben  a.  a.  O.   und   bei  Schmitz,   Die  Bussbücher,   und 


zwar : 

Arundel  Schm.  437 

Beda  Wass.  220 

Ps.-Beda  Wass.  248 

Bigotianum  Wass.  441 

Bobiense  Wass.  407 

Casinense  Schm.  397 

Clementis  Wass.  433 

Columbanus  Wass.  353 

Cummeanus  Wass.  460 

Dacheriana  capp.  Wass.  145. 

Egbertus  Wass.  231 

Gildas  Wass.  105 

Gregorii  Canones  Wass.  160 

Ps.-Gregor.III.Poen.    Wass.  535 

Hubertense  Wass.  377 


Martenianum 
Merseburgense  A 
Merseburgense  B 
Parisiense 
Parisiense 

Remense 

Ps.-Romanum 
Sangallense 
Theodorus 
Ps.-Theodorus 
XXXV  Capitulorum 
Valicellanum  I 
Valicellanum  II 
Vindobonense  A 


282 
387 
429 
681 


Wass. 
Wass. 
Wass. 
Schm. 
Wass.  412 
iWass.  497 
!Schm.  645 
Wass.  360 
Wass.  425 
Wass.  182 
Wass.  566 
Wass.  505 
Schm.  239 
Schm.  350 
Wass.  418. 


Hrabanus  ad  Otgarium  s.  Migne,  Patrol.  lat.  T.  112,  col.  1397 ;  Hrabanus 
ad  Heribaldum  s.  Migne  1.  c.  T.  110,  col.  467;  Conc.  Wormat.  868  s.  Mansi 
T.  15,  col.  880.        3)  Vgl.  Anm.  1. 


332  Emil  Seckel. 

Cap.  7:  Ps.-Beda  c.  41. 

Cap.  8.  9  erinnern  an  Ps.-Beda  c.  45.  46. 

Cap.  13  stammt  grossentheils  wörtlich  aus  Ps.-Beda; 
Z.  27—35  'Interr.  Habes  fidem  . . .  Resp.  Volo' :  Ps.-Beda  p.  255, 
Z.  69 — 74  'Oratio.  Deus  cuius  .  .  .  salvetur  :  Ps.-Beda  p.  255, 
Z.  75 — 85  'Oratio.  Domine  sancte  .  .  .  aeternam' :  Ps.-Beda 
p.  256,  Z.  86  —  90  'Oratio.  Omnipotens  .  .  .  absolvat'  Ps.- 
Beda  p.  257,  Z.  91 — 95  'Oratio.  Omnipotens  .  .  .  veniam': 
Ps.-Beda  p.  256,  Z.  96—108  'Oratio.  Precor  .  .  .  mancipe- 
tur':  Ps.-Beda  p.  256. 

Cap.  15  ist  Cumm.  c.  1,  §  20.  21  =  Theod.  2,  c.  11, 
§  1.  2,  Martenian.  c.  55,  §  6.  10,  Paris.  Schm.  c.  82.  — 
Nicht  wörtlich  übereinstimmend:  Casin.  c.  83.  84,  Cap. 
Dach.  c.  21.  168,  Gregor,  can.  c.  138.  140.  142.  143,  Merse- 
burg. A  c.  119,  Paris.  Schm.  c.  81,  Valicell.  I  c.  98,  Vali- 
cell.  II  c.  65.  67;   Conc.  Worin.  868,  c.  65  in.  65  fin. 

Cap.  16:  Cumm.  c.  1,  §  25.  —  Nicht:  Gregor,  can. 
c.  141,  Märten,  c.  55,  §  14,  Merseb.  A  c.  149,  Paris.  Schm. 
c.  84,  Theod.  2,  c.  11,  §  6,  Valicell.  II  c.  68;  Conc. 
Wormat.  868,  c.  64  fin. 

Cap.  17  findet  sich  wörtlich  in  keinem  bekannten 
Bussbuch.  —  Vgl.  Cumm.  c.  1,  §  26.  27;  Casin.  c.  82,  Cap. 
Dach.  c.  20.  23,  Gregor,  can.  c.  137.  138,  Märten,  c.  55,  §  8, 
Merseb.  A  c.  150.  151,  Paris.  Schm.  c.  84,  Ps.-ßom.  App. 
c.  29,  Theod.  2,  c.  11,  §  7.  8,  Valicell.  I  c.  96,  Valicell. 
II  c.  64;   Conc.  Wormat.  868,  c.  65  post  init. 

Cap.  18:  Ps.-Beda  c.  22,  §  1,  vgl.  Beda  c.  7,  §  1.  2. 
—  Nicht:  Cumm.  c.  1,  §  14,  Cap.  Dach.  c.  120,  Gild.  c.  13, 
Gregor,  can.  c.  147,  Märten,  c.  55,  §  1,  Paris.  Schm.  c.  77, 
Theod.  1,  c.  7,  §  6. 

Cap.  19:  Cumm.  c.  1,  §  16  =  Theod.  1,  c.  7,  §  12.  — 
Nicht:  Beda  c.  7,  §  6,  Märten,  c.  58,  §  4,  Paris.  Schm. 
c.  77  (fin.). 

Cap.  20  a — g  finden  sich  nur  im  Poenitentiale  Egberti 
beieinander,  unser  Text  entfernt  sich  aber  schon  etwas  von 
dem  des  Originals.  —  Cap.  20a  ungefähr:  Egb.  c.  13,  §  4, 
Ps.-Beda  c.  22,  §  2;  nicht:  Bigot.  1,  c.  5,  §  7,  Merseb.  A 
c.  86,  Eemens.  Wass.  c.  3,  §  21,  Valicell.  I  c.  91,  Vindob.  A 
c.  70.  —  Cap.  20b  ungefähr:  Egb.  c.  13,  §  5,  Ps.-Beda  c.  22, 
§  2;  nicht:  Cumm.  c.  1,  §  30,  Merseb.  Ä  c.  84,  Valicell.  I 
c.  94,  Vindob.  A  c.  70.  —  Cap.  20  c:  Egb.  c.  13,  §  6,  Ps.- 
Beda  c.  22,  §  2.  —  Cap.  20 d:  Egb.  c.  13,  §  7;  nicht:  Ps.- 
Beda  c.  31,  §  2  in.  —  Cap.  20e  beinahe:  Egb.  c.  13,  §  8, 
Ps.-Beda  c.  31,  §  2  fin.,  vgl.  Bigot.  1,  c.  4,  §  2;  nicht: 
Cumm.  c.  4,  §  6,    Merseb.  A  c.  55,    Sangall.  c.  6,  §  13.  — 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895.  333 

Cap.  20f:  Egb.  c.  13,  §  9,  Ps.-Beda  c.  35,  §  2 ;  nicht:  Re- 
mens.  c.  3,  §  19.  —  Cap.  20g:  Egb.  c.  13,  §  10,  mit  klei- 
nen Abweichungen:  Ps.-Beda  c.  35,  §  2;  nicht:  Cumm.  c.  1, 
§31,  Merseb.  A  c.  85,  Paris.  Schm.  c.  88,  Ps.-Rom.  c.  10, 
§  6,    Valicell.  I  c.  93,    Valicell.  II  c.  71,    Vindob.  A  c.  71. 

Cap.  21:  Cumm.  p.  462  unten,  Gild.  c.  14.  —  Nicht: 
Beda  c.  3,  §  27,  Ps.-Beda  c.  1,  §  1  fin. 

Zu  Cap.  22 :  Das  Capitel  Ps.-Theodors  deckt  sich  wört- 
lich mit  dem  c.  12  der  Synode  zu  Rouen,  während  letzterer 
Kanon,  der  sich  zweifellos  auf  eine  Bussordnung-  gründet, 
in  keinem  der  Bussbücher  wörtlich  wiederkehrt;  vgl.  Arundel 
c.  24,  Ps.-Beda  c.  39,  §  2  gegen  Ende,  Casin.  c.  10,  Co- 
lumb.  B,  c.  9,  Cumm.  c.  6,  §  18,  Hubert,  c.  26,  Märten, 
c.  51,  §  5,  Merseb.  A  c.  24,  Paris.  Wass.  c.  18,  Ps.-Rom. 
c.  7,  §  7,  Ps.-Theod.  c.  6,  §  37,  Poen.  XXXV  cap.  c.  2,  §  1, 
Valicell.  I  c.  65,  Valicell.  II  c.  15,  Vindob.  A  c.  27. 

Cap.  23:  Cumm.  c.  6,  §  (22.)  23,  von  §  22  leichte  Ab- 
weichungen; Paris.  Schm.  c.  (65.)  66.  —  Nicht:  Arundel 
c.  23,  Beda  c.  4,  §  9,  Ps.-Beda  c.  13,  §  1  med.,  Bigot.  4, 
c.  3,  §  1,  Casin.  p.  430,  Columb.  B,  c.  21,  Merseb.  A  c.  65, 
Ps.-Theod.  c.  6,  §  25,  Valicell.  I  c.  70. 

Cap.  24 :  Cumm.  c.  6,  §  24.  25.  26  mit  unbedeutenden 
Abweichungen.  —  Nicht:  Merseb.  A  c.  65  fin.  19.  105,  Paris. 
Schm.  c.  67.  68.  69,  Ps.-Theod.  c.  6,  §  27.  28.  31.  32,  Vali- 
cell. I  c.  69,  Valicell.  II  c.  16,  u.  s.  f. 

Cap.  25:  Beda  c.  4,  §  10.  11,  Märten,  c.  51,  §  11;  be- 
reits in  Einigem  verändert  bei  Ps.-Beda  c.  13,  §  1  fin. 

Cap.  27  steht  wörtlich  in  keinem  Poenitential,  da- 
gegen mit  e i n e r  Ab weichung  in:  Cumm.  c.  3,  §  14,  Cap. 
Dach.  c.  42,  Greg.  can.  c.  125,  Märten,  c.  77,  §  9,  Paris. 
Schm.  c.  119,  Theod.  1,  c.  14,  §  17,  Poen.  XXXV  cap.  c.  10, 
§  5.  —  Nicht:  Casin.  c.  51. 

Cap.  28  ist  in  keinem  Bussbuch  in  gleicher  Fassung 
enthalten:  Arundel  c.  57,  Ps.-Beda  c.  5,  §  1.  2,  Cumm. 
c.  3,  §  15.  16,  Cap.  Dach.  c.  42,  Greg.  can.  c.  126,  Märten, 
c.  77,  §  9,  Merseb.  A  c.  96,  Paris.  Schm.  c.  120.  121, 
Theod.  1,  c.  14,  §  18.  19,  Valicell.  I  c.  32. 

Cap.  29.  30:  Hubert,  c.  44.  47,  bezw.  Merseb.  B  c.  3.  6, 
mit  Abweichungen. 

Cap.  31a.  b:  Ps.-Beda  p.  251,  Ps.-Rom.  p.  361,  Merseb.  A 
p.  389. 

Cap.  33 :  Cumm.  c.  6,  §  9.  (10),  vgl.  Merseb.  A  c.  162. 
163,  Poen.  XXXV  cap.  c.  1,  §  2  fin.  —  Nicht:  Greg.  can. 
c.  102.  103,  Theod.  1,  c.  14,  §  25.  26,  Valicell.  II  c.  14,  u.  s.  f. 


334  Emil  Seckel. 

Cap.  34:  Hubert,  c.  39,  bezw.  Merseb.  B  c.  31,  mit 
Abweichungen. 

Cap.  35a  stellt  wörtlich  in  keinem  Bussbuch:  Cumm. 
c.  3,  §  17,  Greg.  can.  c.  127,  Ps.-Greg.  c.  30,  Märten,  c.  77, 
§  8,  Merseb.  A  c.  133,  Paris.  Schm.  c.  122,  Theod.  1,  c.  14, 
§  20,  Valicell.  I  c.  42.  —  Vielleicht  liegt  eine  Eecension 
Cummeans  zum  Grunde,  die  Theodor  noch  näher  stand. 

Cap.  48  a:  Hrab.  ad  Herib.  c.  29,  worin  Theod.  2, 
c.  12,  §  32  aufgenommen  ist. 

Cap.  49:  Hrab.  ad  Herib.  c.  10.  —  Nicht:  Hrab.  ad 
Otgar.  c.  1. 

Cap.  50:  Ps.-Beda  c.  20  in.  —  Nicht:  Columb.  B,  c.  12, 
Cumm.  c.  1,  §  12,  Egb.  c.  11,  §  7.  8,  Hubert,  c.  18,  Merseb.  A 
c.  17,  Paris.  Schm.  c.  76,  Valicell.  I  c.  119. 

Cap.  51:  Cumm.  c.  13,  §  18.  19  mit  unbedeutenden 
Abweichungen.  —  Nicht:  Bobiens.  c.  46,  Casin.  c.  99, 
Merseb.  A  c.  83,  Ps.-Eom.  c.  10,  §  9,  Valicell.  I  c.  126, 
Valicell.  II  c.  80,  Vindob.  A  c.  69. 

Cap.  52:  Cumm.  c.  13,  §  22. 

Cap.  53:  Cumm.  c.  13,  §  23  (vgl.  Cumm.  c.  1,  §  12). 
—  Nicht:  Hubert,  c.  18,  Merseb.  A  c.  17,  Ps.-Eom.  c.  10, 
§  4,  u.  s.  f. 

Cap.  54:  Cumm.  c.  14,  §  12,  bezw.  Beda  c.  7,  §  10,  Ps.- 
Beda  c.  21,  §  2,  Casin.  c.  102,  Theod.  1,  c.  12,  §  6,  erweitert. 

Cap.  55a:  Cumm.  c.  13,  §  7  mit  Zusatz;  wie  Cummean: 
Casin.  c.  100,  Ps.-Eom.  c.  10,  §  1.  —  Nicht:  Merseb.  A  c.  78, 
Valicell.  I  c.  121,  Valicell.  II  c.  77. 

Cap.  55b:  Cumm.  c.  13,  §  8.  —  Nicht:  Beda  c.  8,  §  2, 
Ps.-Beda  c.  21,  §  3  fin.,    Merseb.  A  c.  78,    Valicell.  I  c.  121. 

Cap.  55c:  Cumm.  c.  13,  §  10,  verändert.  — ■  Nicht: 
Merseb.  A  c.  79,  Ps.-Eom.  c.  10,  §  2,  Valicell.  I  c.  122. 

Cap.  55 d:  Cumm.  c.  13,  §  12,  leicht  geändert;  vgl. 
Ps.-Greg.  c.  28.  —  Nicht:  Ps.-Beda  c.  21,  §  3  fin.,  Egb. 
c.  12,  §  7,  Merseb.  A  c.  79,  Valicell.  I  c.  122. 

Cap.  55  e.  f:  Cumm.  c.  13,  §  13,  bearbeitet. 

Cap.  55g:  Cumm.  c.  13,  §  14.  —  Nicht:  Ps.-Eom. 
c.  10,  §  5. 

Cap.  55  h:  Cumm.  c.  13,  §  15  mit  einigen  Abweichun- 
gen; vgl.  Ps.-Eom.  c.  10,  §  7.  —  Nicht:  Casin.  c.  100, 
Merseb.  A  c.  80,  Valicell.  I  c.  124. 

Cap.  55  i:  Cumm.  c.  13,  §  16,  bearbeitet.  —  Nicht: 
Merseb.  A  c.  81,  Valicell.  I  c.  123. 

Cap.  56:  Cumm.  c.  13,  §  17  mit  einigen  Abweichun- 
gen. —  Nicht:  Merseb.  A  c.  82,  Ps.-Eom.  c.  10,  §  8,  Vali- 
cell. I  c.  125,  Valicell.  II  c.  79,  Vindob.  A  c.  69. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895.  335 

Cap.  57 :  Egb.  c.  12,  §  1.  2.  3,  Abweichungen  unbe- 
deutend; vgl.  Ps.-Beda  c.  21,  §  3  in.  —  Nicht:  Ps.-Greg. 
c.  28,  Valicell.  I  c.   119,  Valicell.  II  c.  76. 

Cap.  60:  Hrab.  ad  Herib.  c.  10  =  Hrab.  ad  Otgar.  c.  1. 


Der  Verfasser  der  Capitula  Pseudo-Theodori  ist 
unbekannt.  Er  muss  wohl  in  fränkischem  Gebiete 
geschrieben  haben,  da  die  von  ihm  benutzten  Quellen  der 
Mehrzahl 1  nach  fränkisch  sind  2.  Als  Entstehungs  zeit  der 
Capitel  hat  das  10.  Jahrh.  zu  gelten.  Die  äusserste  Grenze 
nach  unten  ist  das  Abfassungsjahr  von  Burchards  Kanonen- 
sammlung, in  welche  die  Cap.  Ps.-Theod.,  wie  noch  zu  er- 
örtern sein  wird,  beinahe  vollständig  aufgegangen  sind. 
Die  obere  Grenze  bestimmt  sich  durch  die  Entstehungs- 
zeiten der  jüngsten  Quellen;  diese  sind  von  den  genauer 
datierbaren  die  Triburer  Synode  nach  der  im  Jahr  895  oder 
bald  darauf  zusammengestellten  Collectio  X,  von  den  chrono- 
logisch unbestimmteren  das  Concilium  de  clericorum  per- 
cussoribus,  das  noch  dem  ersten  Viertel  des  10.  Jahrh.  an- 
gehören dürfte 3.  Die  völlige  Systemlosigkeit  der  Cap. 
Ps.-Theod.  lässt  keinen  Gedanken  erkennen,  der  für  die 
Anordnung  des  Stoffes  und  für  seine  Begrenzung  leitend 
gewesen  sein  könnte. 


1)  Die  Papstbriefe,  die  vier  nichtfränkischen  Kanonen  und  einige 
in  fränkischen  Bussbüchern  z.  Z.  nicht  nachweisbare  angelsächsische  Buss- 
satzungen sind  im  Frankenreiche  bekannt  gewesen  und  wahrscheinlich 
ausnahmslos  fränkischen  Zwischenquellen  entnommen.  2)  In  c.  la  und 
lb  wird  das  Fest  des  h.  Remigius  erwähnt;  es  ist  der  fränkischen  Kirche 
eigenthümlich,  vgl.  Wasserschieben,  Die  Bussordnungen  S.  16.  Hat  Pseudo- 
Theodor c.  la.  b  selbst  verfasst,  so  war  er  Franke;  hat  er  es  aus  einer 
etwaigen  Quelle    übernommen,    so    war   er   es   nicht  minder.  3)  Vgl. 

Phillips  a.  a.  O.  S.  43—54;  Boretius,  MG.  Capp.  T.  1,  p.  359  sq. ;  AVeiland, 
MG.  Const.  T.  1,  p.  629  med.  —  Das  apocryphe  Concil  fällt  sicher  nach 
895,  da  die  Triburer  Synode  in  ihm  benutzt  ist,  und  sicher  vor  Burchards 
Kanonensammlung.  Innerhalb  dieses  Zeitraums  den  Entstehungspunkt 
näher  zu  fixieren,  ist  schwierig;  mag  auch  die  von  Phillips  behauptete 
Beziehung  des  Ooncils  zu  der  Coblenzer  Synode  922  sehr  problematisch 
sein,  so  haben  sich  doch  alle  Stimmen  in  der  Annahme  vereinigt,  dass  es 
um  die  Zeit  jener  Synode  abgefasst  sei.  Von  einer  Entstehung  im  9.  Jh. 
(um  820)  kann  keine  Rede  sein;  allerdings  ist  unter  den  Gründen,  die 
Boretius  1.  c.  p.  360  gegen  das  Jahr  820  ins  Feld  führt,  ein  nicht  stich- 
haltiger :  der  Ausdruck  'cingulum  militare',  welcher  nach  Boretius  'omnino 
dissuadet,  ut  capita  circa  annum  820  edita  habeamus,  et  multo  posteriorem 
aetatem  indicat',  ist  auch  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jahrh.  geläufig,  siehe 
Hrabanus  ad  Otgarium  841,  c.  11  (Migne  1.  c.  T.  112,  col.  1410),  Conc. 
Mog.  847,  c.  24  fin.  (MG.  Capp.  T.  2,  p.  182). 


336  Emil  Seckel. 

Dringende  Veranlassung  besteht,  die  Pseudo-Theo- 
dorischen  Capitel  auf  ihr  Verhältnis  zu  Regino  zu 
prüfen.  Zu  35  Capiteln  (von  87)  finden  sich  Parallelen 
bei  Regino  *. 

In  den  Rubriken  gehen  Regino  und  Pseudo-Theodor 
im  Allgemeinen  auseinander;  nur  in  vier  Fällen  herrscht 
Uebereinstimmung 2  und  in  weiteren  vier  Fällen  mehr  oder 
weniger  ausgesprochene  Aehnlichkeit 3.  Inscriptionen 
fehlen  bei  Pseudo-Theodor  gänzlich;  bei  Regino  sind  sie 
zumeist  vorhanden4  und  zwar  in  einwandfreier  Gestalt5. 

Im  Texte  stimmen  manche  Capitel  bei  Pseudo- 
Theodor und  Regino  in  allem  Wesentlichen  überein 6, 
manche  in  vielem  Wesentlichen  nicht7.  In  denjenigen 
Capiteln,  in  welchen  die  Texte  Pseudo-Theodors  und  Regino's 
sich  nur  im  grossen  Ganzen  decken,  gehen  sie  in  folgenden 
bedeutsameren8  Einzelheiten  auseinander: 


Ps.-Beda  Poen.  c.45. 
Item  sequitur. 


Qui9    non    potest 


Regino  2,  453. 

Item  de  redem- 
tione  trium  anno- 
rum. 

Qui10   non  potest 


Cap.  Ps.-Theod.   8. 

De   iis,    qui   non 

possunt  adimplere, 

quod    in    poeniten- 

tiali    scriptum    est. 

Qui10  non  possunt 


1)  Vgl.   die  Tabelle   am   Ende   dieser  Beilage.  2)  Ps.-Theod. 

c.  31a.  32  ('ab  uxoribus'  stand  im  echten  Text  Ps. -Theodors,  s.  unten 
S.  844.  345).    41.  43a.  3)  Ps.-Theod.  c.  14  'Ut  nullus  episcopus  vel 

presbyter  alterius  poenitentem  sine  litteris  sui  episcopi  suscipiat' :  'Ut  nullus 
presbyter  alterius  civitatis  vel  parochiae  poenitentem  suscipiat  vel  sine 
episcopi  vel  presbyteri  testimonio  reconciliet'  Reg.  —  c.  36  'De  illo,  qui 
presbyterum  occiderit' :  'De  eadem  re'  (sc.  'De  eo,  qui  sacerdotem  occiderit') 
Reg.,  c.  37  'De  eodem' :  'De  eo,  qui  sacerdotem  occiderit1  Reg.  —  c.  44 
'De  continentia  sacerdotis' :  'De  eadem  re1  (sc.  'De  Incontinentia  sacerdo- 
tum')  Reg.  4)  Sie  fehlen  in  den  Stellen,  die  Ps.-Theod.  c.  2.  3  a.  b.  e. 

4a.  8.  11.  50  entsprechen.  5)  Zu  Ps.-Theod.  c.  4b:  'Unde  supra'  (sc. 

'Ex  poenitentiali'),  5:  'Item'  (sc.  'Ex  poen.'),  7:  'Ex  poen.',  (9:  'Ex  dictis 
sancti  ßonifacii  episcopi'),  12.  13:  'Unde  supra'  ('Ex  Theodori  archiepiscopi 
vel  Bedae  presbyteri  poenitentiali'),  14:  'Ex  epistola  Felicis  papae',  18.  20a: 
'Ex  poen.',  20  b:  'Ex  eodem',  23:  'Ex  eodem'  (sc.  'poen.'),  26  a:  'Ex 
conc.  Brac.  c.  15',  31a:  'Ex  eodem'  (sc.  'poen.  Romauo'),  31b:  'Item', 
32:  'Ex  conc.  Eliberitano',  36:  'Ex  conc.  Moguntiacensi  c.  24',  37: 
'Ex  conc.  Wormatiensi',  38a:  'Ex  conc.  Mog.  tit.  12',  38b:  'Ex  eo- 
dem', 41:  'Ex  conc.  Mog.',  43a  und  43  b:  'Ex  eodem'  (sc.  'conc.  Tribur.'j, 
44 :  'In  canone  apostolorum',  45 :  'Ex  decretis  Leonis  papae',  48  a :  'Ex 
epistola  Hrabani  ad  Heribaldum  episcopuni  c.  29',  48  b :  'Ex  conc.  ad  Com- 
pendium',    59 :  'Ex  eodem'  (sc.  'conc.  Tribur.').  6)  Dies  gilt  von  Cap. 

Ps.-Theod.  7.  31a.  31b.  32.  43  a.  43  b.  45.  48  a.  48  b.  50.  59.  7)  Cap. 

Ps.-Theod.  2.  3  a.  3  b.  3e.  4  a.  4  b.  5  (nur  Z.  1 — 3  stimmen  mit  Reg. 
überein).  9.  8)  Ganz  gewöhnliche  Varianten,  denen  für  unsere  Zwecke 
kein  Beweiswerth  zukäme,  sind  nicht  verzeichnet.  9)  Was  in  Pseudo- 

Beda's  Text  mit  Antiqua  gedruckt  ist,  ist  weder  von  Regino  noch  von  Ps.- 
Theodor   aufgenommen.  10)  "Was  bei  Regino  und  Ps.-Theodor   cursiv 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895. 


337 


sie  agere  poeniten- 
tiam,  ut  superius  di- 
ximus,  inprimo  anno 
eroget  in  elemosynam 
solidos  XX  VI,  in 
seetmäo    anno    XX, 

in  tertio  solidos 
XVIII,  id  sunt  so- 
lulxLXIV.  Potentes 
homines  pro  eulpis 
crirninalibus  faci- 
ant,  ut  Zachen s  ait 
'Domine,  omnium  bo- 
norum meorum  dimi- 
dium  do  pauperibus, 
et  si  aliquid  iniuste 
abstuli,  in  quadru- 
plum  restituo'.  Et  de 
maneipiissuis  aliquos 
dimittat  liberos  et 
captivos  redimat,  et 
a  quo  die  desinit 
peccare ,  non  desi- 
nat  coniniunicare. 
Sicut  apostolus  di- 
xit  'Qui  per  corpus 
peccat,  per  corpus 
einendet',  hoc  est 
in  ieiuniis,  in  vigi- 
liis  ff  oratio)iibus  ad 
dominum. 


Cap.  11,  Z.  4  i 
(Z.  4  nach    'induti' : 


sie  agere  poeniten- 
tiam,  ut  superius  di- 
ximus,  inprimo  anno 
eroget  in  eleemosy- 
nam  solidos  XXVI, 
in  seeundo  XX,  in 
tertio  XVIII,  hoc 
sunt  solidos  LXIV. 
Potentes  homines  fa- 
ciant  pro  eulpis  suis, 
quod  Zachaeus  fe- 
cit :  ait  enim  ad  Ie- 
sum  'Domine,  om- 
nium bonorum  meo- 
rum dimidium  do 
pauperibus,  et  si  ali- 
quid iniuste  abstuli, 
in  quadruplum  resti- 
tuo'. Et  de  manci- 
piis  suis  aliquos  di- 
mittat liberos  et  cap- 
tivos redimat  et  in 
se  peccantibus  ex 
corde  dimittat.  Et 
qui  illicita  com- 
m  i  sit ,  e  t  i  a  m  a 
licitis  se  absti- 
neat  et  corpus  af- 
f  1  i  g  at  i e  k  i )  i  iis,  vi- 
giliis  et  crebris 
orationibus:  caro 
enim  laeta  nos 
ad  eulpam  tra- 
xit,  afflieta  re- 
ducit  ad  veniam. 
nach  'episcopo' :  'civitatis'  add.  Reg.  - 
'nudis   pedibus'  add.  Reg.,  Burch.)  — 


sie  agere  poeniten- 
tiam,  ut  superius  dixi- 
mus,  faciat  sie.  Si 
tres  annos  conti- 
nuos  ieiunare  debet 
et  ieiunare  non  pot- 
est,  sie  redimere  pot- 
est.  Primo  anno  ero- 
get solidos  viginti 
(sex)  in  eleemosy- 
nam,  seeundo  anno 
eroget  solidos  vi- 
ginti et  tertio  anno 
oetodeeim  s ol i dos, 
hoc  est  solidos  se- 
xaginta  quatuor.  Po- 
tentes autem  homi- 
nes plus  dare  de- 
bent,  quia,  cui  plus 
committitur,  plus 
ab  eo  exigetur.  Qui 
illicita  commit- 
tunt,  etiam  a  li- 
citis abstin  ere 
debent  e  t  corpus 
debent  affligere 
ieiuni is ,  vigili is  et 
crebris  orationi- 
bus :  caro  enim 
laeta  t r ahi t  ad 
eulpam,  afflieta 
autem  reducit  ad 
veniam. 


gegeben  ist,  stammt  aus  der  gemeinsamen  Quelle  Ps.-Beda,  was  antiqua,  ist 
diesem  gegenüber  selbständig,  was  in  gesperrter  aufrechter  Schrift,  rührt 
wiederum  aus  gemeinsamer  —  unbekannter  —  Quelle  her.  1)  Die  Zeilen- 
zahlen beziehen  sich  auf  den  Text  der  einzelnen  Capitel  Pseudo-Theodors  aus- 
schliesslich der  Rubrik;  die  Zeilen  der  Capitel  sind  nach  Migne's  Abdruck 
fortlaufend  durchgezählt.  Die  sich  aus  Burchard  ergebenden  Berichti- 
gungen des  pseudotheodorischen  Textes  (vgl.  unten  S.  343  ff.)  waren  schon 
hier  zu  berücksichtigen. 


338 


Emil  Seckel. 


(Z.  6  nach  'debent' :  'decani  id  est'  add.  Reg.,  Burch.)  — 
Z.  7  nach  'parochiarum' :  'cum  testibus'  add.  -Reg.  codd.  pars. 

—  Z.  25  'ab  eorum  presbyteris'  om.  Reg. 

Cap.  12,  Z.  1  .  .  .  3  'Si  .  .  .  celes'  om.  Reg.   —  Z.  7 
...  10  'De  superbia  .  .  .  arrogantia'  om.  Reg.  codd.  omnes. 

—  Z.  12.  13  'De  vana  .  .  .  hypocrisis':  'De1  inani  gloria 
oriuntur  inobedientia,  iactantia,  hypocrisis,  couten- 
tiones,  pertinaciae,  discordiae,  novitaturn  praesumtiones' 
Reg.  —  Z.  15  'praesumptio'  om.  Reg.  —  Z.  16.  17  'sangui- 
nis .  .  .  memoria'  om.  Reg.  —  Z.  18  'animi'  om.  Reg.,  'ama- 
ritudo'  om.  Reg.  —  Z.  19.  20  'saepe  .  .  .  delectatio'  om.  Reg. 

—  Z.  20  .  .  .  24  'De  avaritia  .  .  .  cordis' :  'De  avaritia 
oriuntur  proditio,  fraus,  fallacia,  periuria,  inquie- 
tudo  et  contra  misericordiam  obduratio'  Reg.  —  Z.  25 
.  .  .  27  'levitas  .  .  .  sensus' :  'immunditia,  multiloquium, 
hebet udo  sensus'  Reg.  —  Z.  28.  29  'oculorum  vel  to- 
tius  corporis'    om.  Reg.    —   Z.  29  'immoderatus'    om.  Reg. 

—  Z.  30  'mandatorum'  om.  Reg. 

Cap.  13,  Z.  18  ...  35.    48  ...  58   om.  Reg.  —   Z.  59 
.  .  .  64: 


Ps.-Theod. 
Deinde  sacer- 
dos  cum  poenitente 
se  proster nat  in 
terra  et  decan- 
tet  hos  psalmos 
'Miserere  mei  deus' 
usque  ad  'omnes  in- 
iquitates  meas  dele  , 
'Benedic,  anima 
mea,  dominum'  us- 
que ad  'renovabi- 
tur',  'Salvum  fac 
servuin  tuum ,  do- 
mine', 'Mittat  auxi- 
lium  tibi  de  sancto', 
'Custodiat  dominus 
te  ab  omni  malo' 
etc. 


Reg. 

Deinde  sacer- 

dos  surgat  et  psal- 

m  um      trigesimum 

septimum    decan- 

t  e  t ,    deinde    quin- 

quagesimum     et 

quinquagesimum 

tertium ,     et     p  r  o  - 

sternat      se      in 

terra  et  dicat  hanc 

orationem. 


Burch. 
Deinde  sacer- 
dos  cum  poeni- 
tente proster- 
nat  se  in  terram 
et  decantet  hos 
sequentes  psal- 
mos. In  primis  di- 
cat psalmum  trige- 
simum septimum 
totum  'Domine,  ne 
in  furore  tuo'  et 
postea  dicat  'Ore- 
mus'  et  cantet  psal- 
mum cn.  'Bene- 
dic, anima  mea, 
d  o  m  i  n  o '  et  iterum 
dicat  'Oreinus'  et 
cantet  psalmum  L. 
'Miserere  mei, 
deus'.     Post  haec 


1)  Das  Gesperrte  auch  bei  Ps.-Theod. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895. 


339 


cantet  psalmum 
LUX  'Deus,  in  no- 
mine tuo'  et  dicat 
'Orenms'  et  cantet 
psalmum  LI.  'Quid 
gioriaris  in  malitia'. 
Tunc  dicat  has  sub- 
sequentes  orationes. 

Z.  65  ...  95  om.  Reg.  —  Z.  99  .  .  .  101  'debitam  (?)... 
indulgeas' :  'veniam  relaxare  digneris  et  praeteri- 
torum  culpas  indulgeas'  Reg. 

Cap.  14  Rubr.:  'Ut  nullus  presbyter  alterius 
civitatis  vel  parochiae  poenitentem  suscipiat  vel  sine 
episcopi  vel  presbyteri  testimonio  reconciliet'  Reg.  —  Z.  1 
'curandum  .  .  .  providendum' :  'curandum  summopere  est' 
Reg. 

Cap.  18,  Z.  1.  2  'morticinam',  'dilaceratam' :  'morticinum', 
'dilaceratum'  Reg.  —  Z.  2  'bestiis' :  'bestia'  Reg.  —  Z.  3  'Si 
autem  .  .  .  contingat' :  'Si  quis  necessitate  famis  cogente 
manducavit'  Reg.  —  Z.  4  'est' :  'poeniteat'  Reg.  (Sequuntur 
ap.  Reg.  2Y2  lineae  'Qui  fraudatum  .  .  .  poeniteant'.) 

Cap.  20  a,  Z.  1  'intinctum':  'contaminatum' Reg. ,  'fa- 
miliari' :  'domestica'  Reg.  —  Z.  2  'etc.'  (?):  'vel  catto'  Reg.  — 
Z.  2.  3  'et  seit  .  .  .  Si  nescit'  om.  Reg.  —  Z.  3  'ieiunet' :  'poe- 
niteat' Reg.  —  Z.  3.  4  'vel  si  .  .  .  cantet'  om.  Reg. 

Cap.  20  b,  Z.  4  'Qui' :  'Si  quis'  Reg.  —  Z.  4  nach  'de- 
derit' :  'alicui'  add.  Reg.,  nach  'liquorem' :  'aliquem'  add.  Reg. 
—  Z.  5  'inventi'  om.  Reg-  —  Z.  6  nach  'Si' :  'autem'  add. 
Reg.  —  Z.  7  'contigit' :  'sunt'  Reg.,  'trecentos' :  'cc'  Reg.  — 
Z.  8  'centum  quinquaginta' :  'unum  psalterium'  Reg. 

Cap.  23: 


Ps.-BedaPoen. 
c.  13,  §  1  med. 


Qui  per  ri- 
xam  ictu  debi- 
lem vel  defor- 
mem hominem 
facit,  reddat 
impensa,  quae 
fiunt  in  medi- 


Reg.  2,  54. 

De  eo,  qui 
hominem  debi- 
litaverit. 

Qui  homi- 
nem debilita- 
verit  et  defor- 
mem fecerit, 
impensas  in 
medicos  tri- 
buat  et  rnacu- 


Cumm.    Poen. 
c.  6,  §  22. 


Si  per  rixaui 
ictu  debilem 
vel  deformem 
hominem  fece- 
rit, reddat  im- 
pensas medici 
et  egritudinem 


Ps.-Theod. 
De  illis,  qui 
truncationes 
membrorum 
fecerunt. 

Qui  per  ri- 
xam  ictu  de- 
bilem vel  de- 
formem homi- 
nem fecerit, 
reddat  impen- 
sas medico  et 


340 


Emil  Seckel. 


curn,  et  macule 

precium     et 
opus  eius,  do- 
necsanetur,re- 
stituat    et    di- 

midium    an- 
num   peniteat. 
Si  vero  non  ha- 
bet unde  resti- 
tuat, unum  an- 


lae  pretium  et 
opus  eius,  do- 
necsanetur,re- 
stituat    et    di- 

midium    an- 
num  poeniteat. 
Sivero  non  ha- 
bet  unde   hoc 
restituat,     an- 

num    unum 


restituat  et 
medio  anno  in 
pane  et  aqua 
peniteat.  Si 
non  habuerit 
unde  reddat, 
unum  annum 
peniteat. 


medium  an- 
num poeni- 
teat. Si  non 
habuerit  unde 
reddat, annum 
unum  poeni- 
teat. 


num  peniteat.   poeniteat. 

Z.  4  .  .  .  8  'Si  laicus  .  .  .  poeniteat'  om.  Reg. 

Cap.  26  a,  Z.  1  'voluntariam'  om.  Reg. 

Cap.  32  (Rubr.  in  fine :  'ab  uxoribus'  add.  Reg.,  cf. 
Burch.). 

Cap.  36,  Rubr. :  'De  eadem  re'  (sc.  'De  eo,  qui  sacer- 
dotem  occiderit')  Reg.  —  Z.  3  'septuaginta  duobus' :  'duo- 
decim'  Reg.  (cf.  orig.).  —  Z.  5  'expurget' :  'purget'  Reg.,  'ad': 
'usque  ad'  Reg.  —  Z.  6  'careat  .  .  .  coniugii  (maneat)' :  'mi- 
litiae  cingulum  deponat  et  uxorem  amittat'  Reg.  (cf.  orig.). 

Cap.  37,  Rubr.:  'De  eo,  qui  sacerdotem  occiderit'  Reg. 
—  Z.  5  'quinque  annos' :  'quinquennium'  Reg.,  Z.  5  (Ergän- 
zung) 'quinque  annos' :  'quinquennium'  Reg.  (cf .  orig.).  — 
Z.  6  (Ergänzung)  'stet' :  'stet  vel  sedeat'  Reg.  (cf.  orig.). 


Cap.  38  a.  b. 
Ne  presbyteri  sine 
consensu  episcopo- 
rum  per  ecclesias 
constituantur  vel  ab 
eis  recipiantur l.  Qui- 
cumque  presbyter 
ecclesiam  per  pre- 
tium adeptus  fuerit, 
omnino 2  deponatur, 
cum3  eam4  contra 
ecclesiasticae  regu- 
lae  disciplinam  ha- 
bere 5  dignoscitur, 
qui  alium  presbyte- 
runi  legitime  ad  ec- 
clesiam   ordinatum 


Reg.  1,  349.  350. 
Ne  presbyteri 
per  pretium  ec- 
clesias obtineant. 
Quicumque  pres- 
byter per  pretium 
ecclesiam  fuerit  ad- 
eptus, omnimodis 
deponatur,  q  u  o  n  - 
iam6  contra  eccle- 
siasticae regulae  di- 
sciplinam a  g  e  r  e 
dignoscitur,  qui  ali- 
um presbyterum  le- 
gitime ad  ecclesiam 
ordinatum  per  pe- 
cuniam       expulerit 


Burch.  3,  110. 
De  presbyteris, 
qui  ecclesias  suas 
per  pretium  ac- 
quisierint.  Quicum- 
que presbyter  per 
pretium     ecclesiam 

fuerit  adeptus, 
q  u  o  n  i  a  m  6  contra 
ecclesiasticae  regu- 
lae disciplinam 
agere  dignoscitur, 
e  t 7  qui  alium  pres- 
byterum legitime 
ad  ecclesiam  ordi- 
natum per  pecu- 
niam  expulerit  eam- 


1)   Orig.  'reiciantur'.  2)  'omnimodis'. 

5)  'agere'.      6)  Vgl.  dazu  Hrab.  ad  Heribald.  c.  19. 


3)  'quod'.  4)  om. 

7)  Vgl.  Hrab.  1.  c. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895. 


341 


eamque  sibi  taliter 
vindicaverit.  —  De 
eadem  re.  Item 
interdicendum  v  i  - 
detur  clericis  sive 
laicis,  ne  quis  cui- 
libet  presbytero 
praesumat  dare  ec- 
clesiam  sine  licen- 
tia  et  consensu  epi- 
scopi  sui. 


que  sibi  taliter  vin- 
dicaverit ,  omni- 
modis  deponatur. 


per  pecnniam  ex- 
pulerit  eamque  sibi 
[tojtaliter  x  vendica- 
verit.  Quod  vitium 
late  diffusum  sum- 
mo  studio  emendan- 
dum  est.  Itemque 
interdicendum  est 2 
clericis  sive  laicis, 
ne  quis  quamlibet 3 
ecclesiam 4  presby- 
tero dare  praesumat 
sine  licentia  et  con- 
sensu sui  episcopi. 

Cap.  41,  Z.  10  'et  confitentur  vel  confiteri  desiderant' 
om.  Reg.  —  Z.  12  ...  16  'nam  ipse  .  .  .  denegavit'  om.  Reg. 

Cap.  44,  Z.  1  'Episcopus  auf  om.  Reg.  —  Z.  2  nach 
'furto' :  laut  homicidio'  add.  Reg.,  'lapsus' :  'captus'  Reg. 

Zur  Entscheidung  der  Frage,  ob  Pseudo-Theodor 
aus  Regino  geschöpft  habe,  tragen  diejenigen  Capitel 
nicht  viel  bei,  deren  Text  im  Wesentlichen  mit  dem  Regino's 
übereinstimmt5,  und  ebensowenig  diejenigen,  welche  durch 
Bearbeitung,  insbesondere  Erweiterung  von  Texten,  die  mit 
Regino  sich  decken,  entstanden  sind  oder  entstanden  sein 
können''.  Hier  steht  neben  der  Möglichkeit  einer  Ab- 
leitung aus  Regino  gleichwerthig  die  andere,  dass  Pseudo- 
Theodor und  Regino  beide  auf  eine  gemeinsame  Quelle  — 
Original '  oder  Zwischenquelle 8  —  zurückgehen.  Ent- 
scheidende Bedeutung  kommt  hingegen  denjenigen  pseudo- 
theodorischen  Capiteln  zu,  deren  Fassung  den  Originalen 
näher  steht  als  die  Regino's 9.     Sie  können  unmöglich  aus 


1)  Orig.  'taliter'.  2)  'videtur'.  3)  om.  4)  'cuilibet'  add. 

5)  Sie  sind  oben  S.  336,  Anm.  6  verzeichnet.  In  allen  anderen 
Fällen  handelt  es  sich  keinenfalls  um  wörtliche  Entlehnung  aus  Regino. 
In  Spalte  4  der  Tabelle  stehen  die  von  Regino's  Wortlaut  abgehenden 
Texte,  20  von  35,  in  Klammern.  6)  Es  sind  Ps.-Theod.  c.  8.  11.  12. 

26  a.  36.  37.  Als  Bearbeitung  Regino's  kann  übrigens  c.  12  nur  gelten, 
wenn  bei  Regino  der  Abschnitt  Z.  7 — 10  gestanden  hat;  was  sehr  zweifel- 
haft ist.  7)  Vgl.  z.  B.  Ps.-Theod.  c.  36.  37.  8)  Für  die  fünf  Capitel 
8.  31  a.  31  b.  37.  48  b  ist  gemeinschaftliche  Quelle  nicht  das  Original,  son- 
dern eine  Bearbeitung,  da  hier  manche  Abweichungen  von  der  ursprüng- 
lichen Fassung  Pseudo  -  Theodor  und  Regino  gemeinsam  sind ;  vgl.  wegen 
c.  8  oben  S.  336  f.,  in  c.  31a  die  übereinstimmende  Rubrik,  in  c.  31b 
'poenitentium  iudicia',  in  c.  37  und  48b  eine  ganze  Reihe  von  Diffe- 
renzen. 9)  Grössere  Ursprünglichkeit  haben  bewahrt  Ps.-Theod.  c.  (12, 
vgl.  Anm.  6)   13.  14.  18.   20  a.   20  b.  (23.)  38  a.  38  b.  41.  44.    —    Cap.  23 


Neues  Archiv  etc.     XX. 


23 


342  Emil  Seckel. 

Regino  entstanden  sein.  Was  aber  für  einen  bedeutenden 
Theil  der  Capitel  sieher  ist,  wird  für  ihre  Gesammtheit  als 
sehr  wahrscheinlich  anzunehmen  sein.  Gegen  die  Ent- 
lehnung aus  Regino  spricht  auch  die  weitgehende  Un- 
gleichheit der  Rubriken l.  Für  die  Unabhängigkeit  lässt 
sich  endlich  der  literargeschichtliche  Grund  anführen,  dass 
ein  Excerpt  aus  Regino  der  Vorlage  in  der  Anordnung 
und  an  Quellenreichthum 2  wohl  mehr  gleichen  würde  als 
die  hierin  dem  Regino  sehr  unähnlichen  pseudotheodo- 
rischen  Capitel. 

Regino  kann  aus  Pseudo-Theodor  selbst3,  dessen 
Capitula  so  wie  wir  sie  jetzt  vor  uns  haben4  jedenfalls 
nach  906  verfasst  sind,  schon  aus  Gründen  der  Chronologie 
nicht  geschöpft  haben.  Aber  auch  eine  Recension  des 
Pseudo-Theodor,  die  des  jüngsten  Stückes5  noch  entbehrt' 
und  die  Inscriptionen  noch  bewahrt  hätte,  wäre  Quelle 
Regino's  mit  nichten.  Denn  Regino's  Text  ist '  in  einer 
Reihe  von  Capiteln"1  von  ursprünglicherem  Charakter  als 
der  Pseudo-Theodors. 

Sämmtliche  Capitel  Pseudo-Theodors  kehren  bei  Bur- 
chard  wieder,  nur  sieben  (c.  38b.  39.  42.  43a.  46.  47.  57) 
unter  den  87  ausgenommen  '\  Was  die  gemeinsamen  Stücke 
bei  Burchard  zunächst  auszeichnet,  sind  die  Inscriptionen : 
während  die  Quellenangaben  aus  Ps.-Theodors  Texte  durch- 


stammt nicht  aus  demselben  Original  wie  Regino:  Ps. -Theodor  hat  Cum- 
mean,  Regino  dagegen  Ps.-Beda  zur  Quelle,  vgl.  oben  S.  339  f.  Alle  an- 
dern Parallelcapitel  bei  Regino  und  Ps.-Theodor  dürften  auf  gemeinschaft- 
liche Quellen  zurückgehen,  was  übrigens  in  letzter  Linie  auch  für  c.  •_>•'! 
(Ps.-Beda,  Cummean)  zutrifft.  —  Ps.-Theod.  c.  2.  3  a.  3  b.  3e.  4a.  4  b.  5.  !» 
entfernen  sich  in  der  Textgestalt  so  weit  von  Regino,  dass  sich  die  An- 
nahme empfiehlt,  Pseudo  -  Theodor  habe  wohl  nicht  Texte,  die  mit  denen 
Regino's  übereinstimmen,  selbstthätig  bearbeitet,  sondern  er  habe  bereits 
in  der  Entwickelung  weiter  gediehene  Texte  entweder  einfach  abgeschrie- 
ben oder  nur  leicht  retouchiert ;  denn,  wo  wir  ihn  controllieren  können, 
ist  Pseudo  -  Theodor  ohne  erhebliche  Eingriffe  seinen  Quellen  treu  geblie- 
ben. 1)  Vgl.  oben  S.  336.  2)  Vgl.  oben  S.  297,  Anm.  2  a.  E.  3)  Dass 
die  Quellen  Ps.-Theodors  grossentheils  auch  die  Regino's  sind,  ist  selbst- 
verständlich. 4)  Und  wie  sie  schon  Burchard  vor  sich  hatte,  vgl.  unten 
S.  345  ff.  5)  D.  h.  des  um  922  anzusetzenden  Conc.  de  cler.  percuss. 

in  c.  35  b.  6)  Die  Möglichkeit,  dass  es  eine  solche  Recension  gegeben 
habe,  ist  übrigens  eine  sehr  entfernte.  7)  Abgesehen  natürlich  von  den 
gleichlautenden  Stücken  (S.  336,  Anm.  6),  sowie  von  den  Parallelen  zu 
Ps.-Theod.  c.  11.  12.  13.  14.  18.  20  a.  20  b.  26  a.  32.  44,  die  aus  jener 
Recension  an  sich  genommen  oder  entstanden  sein  könnten.  8)  Denen, 
die  Ps.-Theod.  c.  2.  3  a.  3  b.  3e.  4  a.  4  b.  5.  8  (vgl.  S.  336  f.).  9.  (23,  vgl. 
S.  341,  Anm.  9)  36.  37.  38  a.  38  b.  41  entsprechen.  —Vgl.  auch  hier  die 
Abweichungen  in  der  Rubricierung  (S.  336).       9)  Vgl.  Spalte  5  der  Tabelle. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895.  343 

gehend  ausgemerzt  sind,  finden  sie  sich  bei  Burchard  vor  K 
Der  Wortlaut  von  Eubriken  und  Text  deckt  sich  im  Allge- 
meinen in  beiden  Werken;  die  Abweichungen  bei  Burchard, 
welche  über  das  Mass  gewöhnlicher  Varianten  erheblich 
hinausgehen,  sind  die  folgenden: 

Cap.  Ps.-Theod.  1  a,  Z.  3  nach  'tres  dies  id  est' :  'secun- 
dam  feriam,  quartam  feriam,  sextam  feriam  in  pane  et 
aqua  ieiunet  et  tres  dies,  id  est  tertiam'  add.  B.  (cf.  Poen. 
Rom.  App.'2). 

Cap.  1  b,  Z.  10  nach  'sancti  Iohannis' :  'et  si  totam 
quadragesimam  ante  missam  sancti  Iohannis  implere  non 
possit,  post  missam  impleat'  add.  B.  —  Z.  14  'et  in  pente- 
coste'  om.  B.  —  Z.  17  nach  'ascensione  domini':  'et  pente- 
coste  quatuor  dies'  add.  B. 

Cap.  3  a,  Z.  1  'Primo' :  'pro  uno'  B.  (cf .  Poen.  Rom.  App.). 

Cap.  3  b :  Rubr.  'Alio  modo'  add.  B. 

Cap.  3c:  Rubr.  'Item  alio  modo'  add.  B. 

Cap.  3d:  Rubr.  'Item  alio  modo'  add.  B.  —  Z.  5 
nach  'sumat' :  'quidquid  velit.  (3e)  Item  alio  modo. 
Pro  uno  die,  quem  in  pane  et  aqua  poenitere  debet,  tres 
pauperes  pascat  et  eo  die,  excepto  vino,  carne  et  sagimine, 
sumat'  add.  B. 

Cap.  4  b :  Rubr.  'De  redemptione  unius  mensis,  quem 
in  pane  et  aqua  ieiunare  debet'  add.  B.  —  Z.  2  nach 
'decantet' :  '[Ex  eodem.]  Si  autem  hoc  facere  non  potest, 
sine  genuflexione,  sedendo  aut  stando  in  ecclesia,  si  fieri 
potest,  sin  autem,  in  uno  loco,  mille  DC  octoginta  psalmos 
decantet'  add.  B. 

Cap.  10,  Z.  7  nach  'psalmi' :  'cum  totidem  veniis  per 
noctem  et'  add.  B.  —  Z.  8  nach  'psalmi' :  'cum  veniis  per 
noctem  et'  add.  B. 

Cap.  11,  Z.  4  nach  induti' :  'nudis  pedibus'  add.  B.  — 
Z.  6  nach  'debent' :  'decani  id  est'  add.  B.  —  Z.  25  nach 
'eorum' :   'decanis  et  eorum'  add.  B. 

Cap.  13,  Z.  18  ...  35  'Postquam  .  .  .  Resp.  Volo'  om. 
B.  — •  Z.  48  ...  58  'Oratio.  Tunc  sacerdos  .  .  .  perducat' 
om.  B.  —  Z.  59  .  .  .  64 :  siehe  oben  S.  338  f.  —  Z.  65  .  .  . 
69  'Oratio  .  .  .  Oratio'  om.  B.  -  Z.  91  .  .  .  95  'Oratio. 
Omnipotens  .  .  .  veniam'  om.  B. 


1)  Mit  zwei  Ausnahmen :  c.  13.  33 ;  dem  c.  33  giebt  Ivo,  Decr. 
15,  164  (=  Burch.  19, 156)  die  Aufschrift  'Ex  eodem'  (sc.  'concilio  Eliber- 
tano'),  was  möglicherweise  schon  bei  Burchard  stand.  —  Den  Wortlaut  der 
Inscriptionen   siehe   in   Spalte  6    der  Tabelle.  2)  Vgl.    oben   S.  331, 

Anm.  1. 

23* 


344  Emil  Seckel. 

Cap.  17,  Z.  2  vor  'proiciantur' :   'intralia'  add.  B. 

Cap.  20,  Z.  12  nach  'poeniteat' :  'qui  est  xx  annorum' 
add.  B. 

Cap.  24,  Z.  4  nach  'poeniteat':  'unum  ex  his'  add.  B. 
(cf.  orig.). 

Cap.  26  b :  Rubr.   'De  eadem  re    add.  B. 

Cap.  31b:  Rubr.   'De  eadem  re'  add.  B. 

Cap.  32  Rubr.  in  fine:  'ab  uxoribus'  add.  B. 

Cap.  36  Rubr. :  'De  eadem  re'  (sc.  'De  homicidiis  et 
calumniis  episcoporum  et  reliquorum  ordinum')  B.  —  Z.  2 
'etiamsi  negaverit,  si  liber  est,  septuaginta  dies  ieiunet'  (!) : 
'aut,  si  negaverit,  si  liber  est,  cum  septuaginta  duobus 
iuret'  B.  —  Z.  6  nach  'coniugii' :  'maneat'  add.  B. 

Cap.  37  Rubr. :  'De  interfectoribus  sacerdotum'  B.  — 
Z.  4  nach  'atque' :  'dominicis'  add.  B.  —  Z.  5  nach  'quinque 
annos' :  'non  ingrediatur,  sed  ante  fores  ecclesiae  stet,  post 
quinque  annos  ecclesiam'  add.  B.  —  Z.  6  nach  'audientes': 
'stet'  add.  B. 

Cap.  38  a:  siehe  oben  S.  340  f. 

Cap.  40  Rubr. :  'Ut  unusquisque  episcopus  clericos  in 
suo  episcopio  vagantes  ad  suum  episcopum  redire  faciat' 
B.  —  Z.  2  'quinam' :  'unde'  B.  (cf.  orig.). 

Cap.  41,  Z.  12  .  .  .  16  'nam  ipse  .  .  .  denegavit'  om. 
B.  (cf.  Reg.). 

Cap.  43  b :  Rubr.  'De  illis,  qui  infantes  suos  non  sponte 
interficiunt'  add.  B. 

Cap.  44:  Burch.  2,  189  =  Reg.   1,87,  oben  S.  341. 

Cap.  45  Rubr. :  'Quod  diaconi,  sicut  episcopus  et  pres- 
byter,  cessare  debeant  ab  opere  coniugali'  B. 

Cap.  48a  Rubr.:  'De  his,  qui  in  matrimonio  iuncti 
sunt  et  concumbere  non  possunt'  B.  (cf.  Reg.).  —  Z.  6  nach 
'alium' :    'si  autem  ille  aliam  acceperit,  separentur'  add.  B. 

Cap.  48  b  Rubr. :   'De  eadem  re'  B.  (cf.  Reg.). 

Cap.  49,  Z.  12  nach  'peccantibus' :  'fecisse  leguntur  et' 
add.  B.  (cf.  orig.). 

Cap.  51,  Z.  2  nach  'terram':  'linguabitur'  add.  B.  — 
Z.  6  nach  'poeniteat' :  'si  per  linteum  altaris  ad  aliud  stilla 
pervenerit.  quatuor  dies  poeniteat'  add.  B. 

Cap.  54  Rubr.   'per  quinquaginta  dies'  om.  B. 

Cap.  55,  Z.  9  nach  'poeniteat' :  'Si  vero  celebrata  missa 
presbyter  neglexerit  accipere  sacrificium,  similiter  XL  dies 
poeniteat'  add.  B.  —  Am  Ende :  'et  qui  neglexerit,  quaternis 
diebus  suam  negligentiam  solvat.  (55  i)  Si  cum  amissione 
saporis  decoloratur  sacrificium,  xx  dies  expleantur  ieiunio, 
conglutinatum  vero  VII  dies,  qui  niersit,  poeniteat    add.  B. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895.  345 

Cap.  56,  Z.  6  'ut  supra  comburatur' :  'et  strauien  ut 
supra  ignetur'  B. 

Cap.  58  Rubr.  nach  'pondera  iniusta' :  'et  a  civibus  non 
collaudata'  add.  B.  —  Z.  2  'ergo  statuimus  ab  omnibus  hoc 
observandum' :  'et  in  capitulari  dominico  continetur  et  iste 
sacer  conventus  statuit,  sie  omnibus  nobis  observare 
placet'  B. 

Fast  durchweg  hat  in  den  Abweichungen  Burchard l 
dem  Petitschen  Pseudo-Theodor  gegenüber  Eecht.  Er  bietet 
vielfach  den  richtigeren  ursprünglicheren  Text 2  und  die 
richtigen  Rubriken ;  auch  etliche  seiner  Inscriptionen  treffen 
das  Richtige 3.  Der  Petitsche  Pseudo-Theodor  ist  also  nicht 
Burchards  unmittelbare  Grundlage.  Man  hat  die  Quelle 
in  einem  bessern  Texte  zu  suchen ;  ob  man  diesen  in  einer 
bessern  Recension  des  Petitschen  Werkes  oder  in  einer 
Vorlage  (F) ,  die  an  G-üte  und  Vollständigkeit  auch  von 
der  hypothetischen  besten  Gestalt  des  Pseudo-Theodor  nicht 
erreicht  wird,  erblicken  will,  ist  eine  Frage  von  unterge- 
ordneter Bedeutung.  Da  es  schwer  zu  glauben  ist,  dass 
durch  blosse  Zerrüttung  der  Ueberlieferung  ein  Text  sich 
soweit  vom  echten  Wortlaut  entferne  wie  es  beim  Petit- 
schen der  Fall  ist,  so  verdient  von  den  beiden  Alternativen 
die  zweite,  die  Annahme  einer  Vorlage  (F),    die  durch   un- 


1)  Soweit  er  aus  Ps.-Theodor  bezw.  dessen  Quelle  F,  und  nicht 
vielmehr  aus  Regiuo  stammt,  worüber  unten  S.  347.  2)  Als  Ausnahmen 
in  den  Texten  betrachte  ich  etwa  c.  1  b,  Z.  10  (wahrscheinlich  Zusatz  Bur- 
chards oder  seiner  Vorlage),  c.  10,  Z.  7.  8  (wohl  Zusätze  Burchards),  c.  13 
(von  Burch.  vorgenommene  Verkürzungen),  c.  20,  Z.  12  (Zusatz  ?),  c.  41 
(Streichung),  c.  48  a,  Z.  6  (Zusatz  Burchards).  3)  Zu  Ps.-Theod.  c.  14. 

22.  26  a.  36  (auch  die  Ziffer  richtig).  37.  40.  41.  45  (die  richtige  Diony- 
sische Ziffer).  48  b  (die  richtige  Ziffer).  59  (die  Zahl  14  des  Triburer  Ca- 
pitels  kommt  vielleicht  der  "Wahrheit  nahe,  die  Coli.  Diess.  hat  18 ;  so 
geht  wohl  das  Abh.  I,  S.  383,  Anm.  7  a.  E.  Gesagte  für  Burch.  19,  149 
etwas  zu  weit).  —  Den  Hrabanus  zugehörigen  Fragmenten  c.  48a.  49.  60 
hat  Burchard,  seiner  Tendenz  getreu,  den  Namen  des  Hrabanus  niemals 
in  den  Mund  zu  nehmen  (vgl.  ausser  Burch.  9,  40.  19,  150.  151  z.  B.  auch: 
10,  41 — 46.  17,  24.  19,  152),  durch  bewusste  Fälschung  andre  Inscriptionen 
vorgesetzt.  Zweifelhaft  bleibt  dies  nur  bei  c.  49  (wo  zum  mindesten  die 
Capitelziffer  —  10  —  des  Hrabanus  beibehalten  ist) :  hier  scheint  die  In- 
scription  vom  Original  —  Hrab.  ep.  ad  Heribald.  c.  9  —  beeinflusst  zu 
sein ;  vielleicht  stand  sie  in  derselben  Gestalt  wie  bei  Burchard  infolge 
eines  Misverständnisses  bereits  in  der  Vorlage  F  Pseudo  -  Theodors ;  auch 
die  Rubrik  des  Capitels  ist  nicht  die  des  Originals  c.  10,  sondern  die  bei 
Pseudo-Theodor  wiederkehrende  (von  F).  —  Die  relative  Richtigkeit  oder 
Unrichtigkeit  der  Aufschriften:  'Ex  poenitentiali  Romano',  'Ex  poeniten- 
tiali Theodori1,  'Ex  poenitentiali  Bedae  presbyteri'  lässt  sich  nicht  con- 
trollieren. 


346  Emil  Seckel. 

verständige  Bearbeitung  heruntergebracht  worden  sein 
müsste,  immerhin  den  Vorzug.  So  erklärt  sich  z.  B.  die 
seltsame  Verquickung  eines  ursprünglich  Theodorischen,  dann 
wohl  Cummeanischen  Busskanons  mit  dem  Fragment  eines 
falschen  fränkischen  Concilsschlusses  1  in  Cap.  Ps.-Theod.  35 
wohl  am  einfachsten  aus  einer  verständnislosen  Kürzung 2 ; 
man  müsste  denn  etwa  den  Ausfall  eines  Blattes  in  der 
Mutterhandschrift  der  Pseudo-Theodorischen  Capitel  an- 
nehmen wollen3.  Auch  der  heile  Zustand  mancher  In- 
scriptionen  bei  Burchard  einerseits,  deren  gänzliches  Fehlen 
bei  Ps.-Theodor  andererseits  spricht  für  das  Vorhandensein 
der  beiden  gemeinsamen  Vorlage  F :  Burchard  kann  nicht 
wohl  in  zehn  Fällen4  die  richtigen  Inscriptionen  durch 
selbständige  Quellenforschung  ergänzt  haben;  und  Pseudo- 
Theodor konnte  zu  seinem  erborgten  Namen  nur  kommen, 
wenn  die  verrätherischen  Inscriptionen  getilgt  waren.  In 
der  Tilgung  wird  man  das  Werk  nicht  eines  Abschreibers, 
sondern  eines  fälschenden  Bearbeiters  zu  erblicken  haben. 
Burchard  hat  seine  Vorlage  F  grossentheils  in  Reihen 
abgeschrieben : 
Ps.-Theod.  c.  la— 10  =  B.  19,  9—25. 

12.  13  =        19,  6.  7. 

15—19  =        19,  85—88.  90. 

21.  22  =        19,  118.  119. 

23.  24  =         19,  101.  102. 

26  a.  b  =        19,  130.  131. 

27.  28  =         19,  140.  141. 

29.  30  =         19,  137.  138. 

31a— 33.  35a  =        19,  153—156.  157. 

35  b— 37  =        6,  5  fin.   7.  8. 

48  a.  b  =        9,  40.  42. 

50-  56  =         5,   46—52. 

58—60  =        19,  148.  149.  151. 

Wo  als  mögliche  Quellen  Burchards  Regino  und 
Pseudo-Theodor  (F)  concurrieren,  hat  letzterer  fast  durch- 
weg den  Sieg   davon   getragen5,   wie   aus  der  Fassung  der 

1)  Dass  in  der  Vorlage  F  die  vollständigen  Texte  von  Burch.  19, 
153—157  (Cap.  Ps.-Theod.  31a— 33.  35a)  und  Burch.  6,  5-8  (vgl.  Cap. 
Ps.-Theod.  35  b  —  37)  je  eine  Reihe  bildeten,  halte  ich  für  nicht  unwahr- 
scheinlich. 2)  Insbesondere  wenn  man  der  Numerierung  der  60  Capitel 
trauen  darf.  3)  Die  Frage,  ob  nicht  einige  dem  Petitschen  Ps.-Theodor 
fehlende  Capitel  Burchards  (z.  B.  19,  152  =  Hrab.  ad  Herib.  c.  30)  ver- 
muthlich  ebenfalls  in  der  vollständigeren  Sammlung  F  gestanden  haben, 
muss  einer  Untersuchung  der  Quellen  Burchards  vorbehalten  bleiben.  Vgl. 
oben   S.  316,   Anm.  2.  4)  Vgl.  oben  S.  345,  Anm.  3.  5)    Wenn 

Wasserschieben   in   den  Noten   zu  Pegino  von  vielen  Capiteln   (c.  11.  12. 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895.  347 

Rubriken,  aus  der  Gleichheit  der  Reihenfolge  bei  Burchard 
und  Pseudo-Theodor  und  aus  den  gemeinsamen  Texteigen- 
thümlichkeiten  Regino  gegenüber  sich  mit  Sicherheit  er- 
giebt1.  Als  Ausnahmen  vermag  ich  nur  die  Capitel  (11 2). 
38  a3.    43  b.  44.  (48  a.  48  b2)  anzuerkennen. 

Dass  die  Capitula  Pseudo-Theodori  auf  der  Grund- 
lage von  Burchards  Sammlung  gearbeitet,  insbesondere  dass 
sie  aus  Burchard  ausgezogen  seien,  erscheint  als  völlig- 
ausgeschlossen.  Denn  einmal  ist  das  Petitsche  Bussbuch 
um  ganze  Capitel4  und  innerhalb  einiger  Capitel5  um 
ganze  Sätze6  reicher  als  Burchard,  sodann  ist  Pseudo- 
Theodor von  gelegentlichen  Interpolationen  Burchards  frei 7 
und  auch  in  anderen  Dingen  ursprünglicher  als  dieser8, 
und  endlich  wäre  die  Beschränktheit  des  Quellenkreises  in 
den  Petitschen  Capiteln,  falls  sie  ein  Excerpt  aus  den  reichen, 
anderthalb  hundert  verschiedene  Inscriptionen  führenden 
Decreta  Burchards  wären,  kaum  begreiflich. 


13.  26  a.  31a.  31b.  32.  36.  37.  41.  51.  Ps.-Theod.)  das  Gegentheil  be- 
hauptet, so  beruht  dies  auf  Irrthum ;  er  ist  sich  über  das  Verhältnis  von 
Pseudo-Theodor  und  Burchard  nicht  klar  geworden.  1)  Bei  Ps.-Theod. 
c.  11  stammt  nur  die  Inscription  Burchards  entweder  aus  Regino  oder  aus  einer 
Regino  ähnlichen  Vorlage ;  Rubrik  und  Text  (vgl.  das  Ende  des  letztern) 
rühren  aus  Ps.-Theodor  her.  —  Im  Verhältnis  zu  c.  13  scheinen  Regino 
und  Burchard  je  selbständige  Auszüge  aus  dem  bei  Ps.-Theodor  vollstän- 
dig erhaltenen  Original  zu  sein;  vgl.  auch  oben  S.  338  f.  —  Bei  c.  48a 
scheint  die  Rubrik  aus  Regino  zu  stammen  (Ps.-Theodor  hat  die  Rubrik 
des  Originals);  woher  der  Text  von  c.  48a  und  c.  48b  bei  Burchard 
stamme,  lässt  sich  nicht  entscheiden.  2)  Vgl.  Anm.  1.  3)  Vgl.  oben 
S.  340  f.  4)  Siehe  oben  S.  342 ;  sie  stammen  fast  durchweg  aus  Quellen, 
die  auch  Burchard  direct  oder  indirect  benutzt  hat.       5)  Cap.  13.  (38.)  41. 

6)  "Welche   nicht  Zusätze   sein  werden,   da   sie   in   den  Originalen  stehen. 

7)  Vgl.  cap.  48  a  in  fine,  und  S.  345,  Anm.  2.       8)  Vgl.  cap.  48  a  Rubrik. 


348 


Emil  Seckel. 


Tabelle. 

Die   Capitula   Pseudo-Theodori,    ihre    Quellen 
und    ihr    Verhältnis    zu    Regino    und    Burchard. 


1 

2 

Q 

o 

4 

5 

6 

Quelle 

cap. 

Anfang 

Reg. 

Burck. 

Burch.  Inscr. 

— 

la 

Poenitentia  illi-  ;      — 
us  anni 

19,9 

Ex    poen.    Ro- 
mano 

— 

lb 

Poenitentia  isti- 
us  anni 

— 

19,10 

Ex  eodem 

2 

Qui  ieiunare  pot- 
est 

(2,  452) 

19, 11 

Ex  eodem 

3  a 

Primo  (!)  die 

(2,  452) 

19,12 

Ex  eodem 

(Ps.-Beda  Poen. 
c.  44) 

3  b 

quem 
Si  autem  talis 

(2,  452) 

19,13 

Ex  eodem 

3c 

Qui  in  ecclesia    i 

19,14 

Ex  eodem 

3d 

Qui  psalmos  non 

— 

19,15 

Ex  eodem 

(3e) 

(Pro  uno  die) 

(2,  452) 

19,16 

Ex  eodem 

3f 

Quidam  dicunt 

— 

19,17 

Ex  eodem 

4a 

Pro  una  hebdo-    (2,  448) 

19,18 

Ex  eodem 

(Ps.-Beda  Poen. 
c.  42) 

4b 

mada 
Pro  uno  mense 

(2,  447) 

19,19 

Ex  eodem 

5 

Qui    vero    psal- 

(2,449) 

19,  20 

Ex  eodem 

mos 

(Ps.-Beda  Poen. 

6 

Item    qui    ieiu- 

— 

19,21 

Ex  poen.  Theo- 

c.  46) 

nare 

dori 

Ps.-Beda    Poen. 

7 

Si  quis  forte          2,  446 

19,  22 

Ex  eodem 

c.  41 

(Ps.-Beda    Poen. 

8 

Qui  non  possunt  \  (2,  453) 

19,23 

Ex  eodem 

c.  45) 

(Ps.-Beda   Poen. 

9 

Qui  ieiunare  non 

(2,  454) 

19,24 

Ex  poen.  Bedae 

c.  46) 

presb. 

— 

10 

Item  alio  modo 

— 

19,25 

Ex   poen.    Ro- 
mano 

— 

11 

In    capite    qua- 
dragesimae 

1,295 

19,26 

Ex  conc.  Agath. 
c.  9 

— 

12 

Nunc  tibi  octo 

(1,  304, 
p.  146) 

19,6 

Ex  poen.  Theo- 
dori 

(Ps.-Beda   Poen. 

13 

Ergo  si  superbus 

(1,  304, 

19,7 

— 

p.  255.  256) 

p.  146 
—148 

Felicis  III.  Ep. 

14 

Curandum      est 
vero 

(1,  313) 

19,62 

Ex  epist.  Fe- 
licis p.  c.  2 

Cummeanus 

15 

Animalia  quae  a 

— 

19,85 

Ex  poen.  Theo- 

Poen.  c.l,  §20.21 

dori 

Cummeanus 

16 

Apes  si  hominem 

— 

19,86 

Ex  eodem 

Poen.  c.  1,  §  25 

(Cummeanus 

17 

Si  porci  vel 

— 

19,87 

Ex  eodem 

Poen.  c.  1,  §  26. 

27?) 

Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895. 


349 


1 

2 

3 

4 

5 

6 

Quelle 

cap. 

Anfang 

Reg. 

Burch. 

Burcb.  Inscr. 

Ps.-Beda    Poen. 

18 

Qui     manducat 

(2,  376 

19,88 

Ex  eodem 

c.  22,  §  1 

carnem 

in.) 

Cummeanus 

19 

Qui  sanguine  vel 

19,90 

Ex  eodem 

Poen.  c.  1,  §  16 

(Egbertus    Poen. 

20  a 

Qui  comedit  vel 

(2,  376 

19, 106 

Ex    poen.    Ro- 

c 13,  §  4) 

fin.) 

mano 

(Egbertus    Poen. 

20  b 

Qui    dederit    li- 

(2,  377) 

19, 106 

c  13,  §  5) 

quorem 

Egbertus     Poen. 

20  c 

Si  quis  comede- 

— 

19, 106 

c.  13,  §  6 

rit 

Egbertus     Poen. 

20  d 

Pro    furto    mo- 

— 

19, 106 

c  13,  §  7 

dico 

Egbertus     Poen. 

20  e 

Puer  qui  est 

— 

19, 106 

c.  13,  §  8 

Egbertus     Poen. 

20  f 

Si  quis  tinxerit 

— 

19, 106 

c.  13,  §  9 

Egbertus     Poen. 

20  g 

Si  in  farina 

— 

19,  106 

c.  13,  §  10 

Cummeanus 

21 

Sciendum    vero 

— 

19, 118 

Ex  poen.  Bedae 

Poen.  p.  462 

est 

presb. 

Conc.     Rotomag. 

22 

Si  quis  aliquem 

— 

19, 119 

Ex  conc.  Ro- 

c. 12 

toma  g.   c.  9 

Cummeanus 

23 

Qui  per  rixam 

(2,54) 

19, 101 

Ex     poen.    Ro- 

Poen.c.6,§(22). 

mano 

23 

(Cummeanus 

24 

Qui  ictum  pro- 

— 

19, 102 

Ex  poen.  Bedae 

Poen.  c.  6,  §  24 

ximo 

presb. 

—26) 

Beda  Poen.  c.  4, 

25 

Qui    ad    ferien- 

— 

19, 120 

Ex     poen.    Ro- 

§ 10.  11 

dum 

mano 

Conc.  Bracar.  I, 

26  a 

Placuit  ut  qui 

2,91 

19, 130 

Ex  conc.  Bra- 

563, c.  16 

car.  c.  10 

Conc.Autissiodor. 

26  b 

Quicumque     se 

— 

19, 131 

Ex  conc.  Ca- 

c.    573  —  603, 

propria 

bilon.  c.  5 

c.  17 

(Cummeanus 

27 

Mulieres     men- 

— 

19, 140 

Ex     conc.    Mo- 

Poen.  c.  3,  §  14) 

struo 

gunt.  c.  6 

— 

28 

Mulier  quae  in- 
trat 

— 

19, 141 

Ex  poen.  Theo- 
dori 

(Poen.     Hubert. 

29 

Si  quis  obtrecta- 

— 

19, 137 

Ex    eodem    (sc. 

c.  44) 

verit 

poen.  Rom.) 

(Poen.     Hubert. 

30 

Si  quis  in  balneo 

— 

19, 138 

Ex  poen.  Theo- 

c.  47) 

dori 

j 

31a 

Sicut  enim  sacri- 

1,299 

19, 153 

Ex    poen.    Ro- 

Ps.-Beda    Poen.! 

ficium 

mano 

p.  251 

31b 

Si  autem  neces- 
sitas 

1,300 

19, 154 

Ex  eodem 

Coli.  can.  Hibern. 

32 

In  tribus  quadra- 

1,338 

19, 155 

Ex     concilio 

46,11 

gesimis 

Elibertano 

350 

Emil  Seckel. 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

Quelle 

cap. 

Anfang 

Reg. 

Burch. 

Burch.  Inscr. 

Curameanus 

33 

Si  mater  filium 



19, 156 



Poen.  c.  6,  §  9. 

(10) 
(Poen.     Hubert. 

34 

Si  quis   inhono- 

— 

19,94 

Ex     poen.     Ro- 

c. 39) 

raverit 

mano 

(Cummeanus 

35  a 

Si  quis  die  domi- 

— 

19, 157 

Ex  conc.  Tribu- 

Poen.c.3,§17?, 

nico 

riensi  c.  51 

cf.  Poen.  Vali- 

cell.  I  c.  42) 

Conc.    de    cleric. 

35  b 

Si     principibus 

— 

6,5fin. 

Ex     conc.    ap. 

percuss.  i.  f. 

placuerit 

Theodon.  vill. 
hab.  c.  3 

Conc.     Mogunt. 

36 

Qui  presbyterum 

2,43 

6,7 

Ex  conc.  Mo- 

847, c.  24 

occiderit 

gunt.  c.  24 

Conc.    Wormat. 

37 

Qui   sacerdotem 

2,42 

6,8 

Ex  conc.  Wor- 

868, c.  26 

voluntarie 

mat.  c.  3 

| 

38  a 

Quicumquepres- 

(1,349) 

(3,  HO) 

Ex    conc.    Mo- 

Conc.    Mogunt.  ! 

byter 

gunt.  c.  5 

847,  c.  12 

38  b 

Itemque     inter- 
dicendum 

(1,  350) 

— 

Conc.  Roman.  II. 

39 

Presbyter     non 

— 

— 

sub   Silvest.   I. 

adversus 

(apocr.)  c.  3 

Conc.     Mogunt. 

40 

Ut   unusquisque 

— 

8,56 

Ex   conc.  Mo- 

813, c.  31 

episcopus 

gunt.  c.  19 

Conc.     Mogunt. 

41 

Quaesitum  est  ab 

(2,92) 

11,76 

Ex   conc.  Mo- 

847, c.  27 

gunt.  c.  5 

Coli.  can.  Trib.  X 

42 

De  furibus  et 

— 

— 

Coli.  can.  Trib.  X 

43  a 

De     homicidiis 
non 

2,20 

— 

Coli.  can.  Trib.  X 

43  b 

Si  quis  filium 

2,21 

(6,36) 

Ex  conc.  Tribur. 
c.  21 

Can.  apost.  c.  25 

44 

Episcopus    aut 
presbyter 

(1,87) 

(2, 189. 
17,  39) 

Ex  can.  apost. 

LeonisI.Ep.  167, 

45 

Lex     continen- 

1,97 

2,114 

Ex    e p.    Leo- 

c.  3 

tiae  eadem 

nis  p.  c.  17 

Coli.  can.  Trib.  X 

46 

Si  in  atrio  eccle- 
siae 

— 

— 

Coli.  can.  Trib.  X 

47 

Scelere  si  quis 

— 

— 

Hrabani    Ep.    ad 

48  a 

Quod  autem  in- 

2,243 

9,40 

Ex  ep.  Greg,  ad 

Heribaldum 

terrogasti 

Ioannem   Ra- 

(853),  c.  29 

vennatem  ep. 

Conc.    ap.    Com- 

48  b 

Si  quis  acceperit 

2,245 

9,42 

Ex    conc.    ap. 

pendium     757, 

Compendi- 

c.  20 

um  c.  20 

Hrabani    Ep.    ad 

49 

De  his  ergo  Vi- 

— 

19, 150 

Ex  conc.  Hiler- 

Heribaldum 

sum 

densi  c.  10 

(853),  c.  10 

Ps.-Beda     Poen. 

50 

Si  quis  per  ebrie- 

1,151 

5,46 

Ex  poen.  Bedae 

c.  20  in. 

tatem 

Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895. 


351 


1 

2 

3 

4 

5 

6 

Quelle 

cap. 

Anfang 

Reg. 

Burch. 

Burch.  Inscr. 

Cummeanus 

51 

Si  vero  per  ne- 

5,47 

Ex  decr.  Pii  p. 

Poen.c.l3,§18. 
19 
Cummeanus 

gligentiam 

c.  3 

52 

Qui     evomuerit 



5,48 

Ex  poen.  Theo- 

Poen.c.l3,§22 

sacrificium 

dori 

Cummeanus 

53 

Si   vero    sacrifi- 

— 

5,49 

Ex    poen.    Ro- 

Poen. c.  13,  §  23 

cium 

mano 

(Cummeanus 

54 

Omne     sacrifi- 

— 

5,50 

Ex  conc.  Aure- 

Poen.c.l4,§12) 

cium 

lian.  c.  5 

(Cummeanus 

55  a 

Qui  non  bene 

— 

5,51 

Ex  eodem  c.  6 

Poen.  c.  13,  §7) 

Cummeanus 

55  b 

Qui  autem  per- 

— 

5,51 

Poen.  c.  13,  §  8 

diderit 

(Cummeanus 

55  c 

Profundens    ali- 

— 

5,51 

Poen.c.l3,§10) 

quid 

(Cummeanus 

55  d 

Qui  autem  per- 

— 

5,51 

Poen.c.l3,§12) 

fundit 

(Cummeanus 

(55e) 

(Si    vero     cele- 

brata) 
Et  qui  acceperit 

— 

5,51 

Poen.c.l3,§13)| 

55  f 

— 

5,51 

Cummeanus 

55g 

Diaconus  oblivi- 

— 

5,51 

Poen.  c.  13,  §  14 

scens 

(Cummeanus 

55  h 

Qui     negligen- 

— 

5,51 

Poen.c.l3,§15) 

tiam  erga 

(Cummeanus 

(55i) 

(Si     cum    amis- 

— 

5,51 

Poen.c.l3,§16) 

sione) 

(Cummeanus 

56 

Si  ceciderit  sa- 

— 

5,52 

Ex     poen.    Ro- 

Poen.c.l3,§17) 

crificium 

mano 

Egbertus     Poen. 

57 

Si  quis  euchari- 

— 

— 

c.  12,   §  1-3 

stiam 

58 

Ut  mensurae  et 
pondera 

19,148 

Ex  eodem  (sc. 
conc.Mogunt.) 
c.  21 

Coli.  can.  Trib.  X 

59 

Mater    si    iuxta 
focum 

2,19 

19, 149 

Ex  conc.  Tri- 
b  u  r.  ...  c.  14 

Hrabani    Ep.    ad 

60 

De  viris  ordina- 

— 

19, 151 

Ex    conc.   Tole- 

Heribald.  c.  10 

tis 

tan. 

352  Emil  Seckel. 

Nachträge. 

Zu  S.  291/292,  Anm.  5  a.  E.,  Altersbestimmung-  der 
Coli.  Hibernensis.  Hätte  Wasserschlebeu  (a.  a.  0.  S.  142) 
mit  seiner  Behauptung  recht,  dass  in  Hib.  38,  4h  Gregors 
Registrum  —  d.  h.  das  Hadrianische  Register  1,  24,  ed. 
Ewald  T.  1,  P.  1,  p.  30,  lin.  3.  4  —  benutzt  sei,  so  müsste 
die  irische  Sammlung-  ans  Ende  des  8.  Jahrh.  verlegt 
werden,  da  Ewalds  Beweis  für  die  Publicationszeit  jenes 
Registers  unumstösslich  ist.  Nun  hat  aber  die  Hib.  1.  c. 
nicht  die  Briefsammlung  Gregors,  sondern  dessen  Regula 
pastoralis  2,  2  (ed.  Migne,  Patrol.  lat.  T.  77,  col.  27)  zur 
Vorlage.  —  Für  Hib.  2,  13  c  will  auch  Wasserschieben  die 
Benutzung  des  Registers  nicht  behaupten. 

Zu  S.  313,  Z.  8  v.  u.  Nach  Patetta  im  Bullettino 
dell'  istituto  di  diritto  romano  T.  3  (1890)  p.  286,  N.  2 
ist  die  Heimat  der  Sammlungen  des  Cod.  Vat.  1349  und 
des  Cod.  Vat.  1339  nicht  das  nördliche,  sondern  das  süd- 
liche Italien.  Die  Frage  scheint  mir  noch  nicht  spruch- 
reif zu  sein. 

Zu  S.  313,  Z.  5  v.  u.  Patetta  1.  c.  3,  288  sq.  theilt 
mit,  dass  die  Coli.  Cod.  Vat.  1349  pseudo-isidorische  Be- 
standteile aufweise,  und  zieht  daraus  die  richtige  Con- 
sequenz,  dass  die  Sammlung  der  2.  Hälfte  des  9.  Jahrh. 
angehöre.  Damit  wird  auch  der  bisherige  Altersan- 
satz der  Hs.  (saec.  9.  ineunt. )  hinfällig ;  sie  ist  erst  zu 
Ende    des   9.  oder   zu   Beginn   des    10.  Jahrh.    geschrieben. 

Zu  S.  313,    Anm.  4.     Vgl.    Patetta   1.  c.  3,  286—289. 

Zu  S.  313,    Anm.  5.     Vgl.    Patetta  1.  c.  3,    289—293. 

Zu  S.  321.  Von  den  hier  im  Texte  verzeichneten 
Stellen  der  Epitome  Iuliani  kehren  Iul.  115,  11.  19.  60 
in  den  'Capitula  ex  lege  Iustiniana  numero  XXXVII'  des 
Cod.  Valicell.  18  (saec.  9/10.)  wieder,  s.  Patetta  1.  c.  3, 
280 — -284.  —  Iul.  115,  60  ist  aus  der  Sammlung  genannter 
Hs.  in  die  des  Cod.  Casanat.  B.  V.  17  übergegangen,  s. 
Patetta  1.  c.  3,  294.  —  Iul.  115,  19  ist  aus  der  Coli.  Cod. 
Vat.  1339  seitens  der  Coli.  Cod.  Vat.  4977  (saec.  12.  in.) 
entlehnt,  s.  Patetta  1.  c.  T.  4  (1891),  p.  285.  —  Iul.  115, 
11.  19.  20.  60;  119,  6  stehen  auch  im  Cod.  Vat.  3830 
(erste  Hälfte  des  11.  Jahrh.),  s.  Patetta  1.  c.  3,  297.  298. 
Diese  neuen  Nachweise  ändern  an  dem  von  mir  S.  321 
unten  Gesagten  nichts. 

Iul.  36,  5  ist  auch  in  dem  Anhang  (c.  218 — 264) 
zum  Corrector  Burchardi  c.  246  (bei  Wasserschieben,  Die 
Bussordnungen  S.  678)   ohne  Rubrik  und  ohne  Inscription 


Zu  den  Acten  der  Triburer  Synode  895.  353 

überliefert.     Wasserscbleben  hat  die  Herkunft  des  Capitels 
nicht  erkannt. 

Zu  S.  323—327.  Vergl.  Patetta  1.  c.  4,  40—49,  ins- 
besondere p.  47.  Er  hat,  wie  ich  nach  Abschluss  vorstehen- 
der Arbeit  aus  dem  mir  bisher  unzugänglichen  Bullettino 
ersehe,  richtig  erkannt,  dass  die  Coli,  canon.  Taur.  aus 
Ivo's  Panormie  abgeleitet  ist.  Doch  kann  Patetta's  Unter- 
suchung der  Vorzug  der  Genauigkeit  (oben  S.  323)  nicht 
zugebilligt  werden.  Abgesehen  von  der  Art  der  Darstellung, 
die  jedem,  der  die  Hs.  nicht  vor  sich  hat,  alle  Controlle 
unmöglich  macht,  leidet  Patetta's  Behandlung  an  nicht 
unerheblichen  Mängeln.  Er  hat  nicht  vermocht,  'il  capitolo 
quinto',  =  n.  11  meiner  Tabelle,  S.  324  (P.  zählt  die  blos 
mit  'Item'  überschriebenen  Capitel  nicht),  in  der  Panormie 
nachzuweisen.  Er  behauptet,  dass  Pan.  5,  28  'Si  hereti- 
cus'  zwischen  Pan.  5,  27  und  5,  29  in  der  Sammlung  stehe; 
dies  trifft  nicht  zu,  wie  ich  nach  wiederholter  Einsicht  in 
das  Tübinger  Apograph  nochmals  versichern  kann.  Er 
hat  endlich  drei  Capitel  der  Coli.  Taur.,  n.  14.  30.  38  der 
Tabelle,  übersehen,  was  zur  Eolge  hat,  dass  er  die  Ge- 
sammtzahl  der  Capitel  auf  29  angibt,  während  nach  seiner 
Art  zu  numerieren  sich  30  Capitel  ergeben  müssen. 


IX. 


Nachträge 


zu  dem 


zweiten  Bande  der  Diplomata-Ausgabe. 


Von 


Wilhelm  Erben. 


.Als  ich  im  Sommer  1892  mit  dem  Zusammenstellen 
der  Nachträge  für  den  zweiten  Band  der  Diplomata  be- 
schäftigt war,  wurde  ich  auf  einige  Punkte  aufmerksam, 
deren  sofortige  Erledigung  nicht  möglich  war,  um  deren- 
willen  ich  aber  den  Abschluss  der  Arbeit  nicht  länger 
hinausziehen  wollte.  Yon  den  Fragen,  deren  Erörterung 
deshalb  für  das  Neue  Archiv  aufgespart  worden  ist  (s. 
Vorrede  zum  2.  Bande  S.  V),  hat  H.  Prof.  Bresslau  in- 
zwischen jene  gelöst,  welche  sich  auf  das  neugefundene 
Original  DO.  I.  239  bezog;  H.  Dr.  Bloch  hat  sich  erboten, 
ein  im  Besitze  der  Deutschen  Gesellschaft  in  Leipzig  be- 
findliches Originalfragment  zu  untersuchen,  das  vielleicht 
mit  DO.  I.  404  identisch  ist1;  H.  Hofrath  v.  Sickel  und 
H.  Prof.  Kehr  haben  —  leider  bisher  ohne  Erfolg  —  nach 
einer  handschriftlichen  Ueberlieferung  für  DO.  II.  315  und 
für  DO.  III.  263  gesucht.  Die  übrigen  damals  absichtlich 
unerledigt  gelassenen  Fragen  habe  ich  selbst,  sobald  mir 
andere  Verpflichtungen  hiezu  Zeit  Hessen,  wieder  aufge- 
nommen. Indem  ich  die  folgenden,  auf  diese  Weise  ent- 
standenen Aufsätze  hier  veröffentliche,  glaube  ich  mich 
meiner  letzten  Verpflichtung  gegenüber  der  bestandenen 
Diplomata -Abtheilung  zu  entledigen. 


I.  Eine  angebliche  Urkunde  Otto's  I.  für  das  Kloster  Rott. 

Im  13.  Band  des  Oberbayerischen  Archivs  hat  Geiss 
Regesten  zur  Geschichte  des  am  Inn  gelegenen  Klosters 
Rott  publiciert,  die  einer  im  vorigen  Jahrhundert  ange- 
legten Urkundensammlung  (jetzt.  Cod.  1819  der  deutschen 
Handschriften  der  Königlichen  Bibliothek  zu  München) 
entnommen  sind.  Die  Reihe  dieser  Regesten  eröffnet  der 
Auszug  einer  zum  9.  März  970  angesetzten  Urkunde 
Otto's  L,  durch  welche  dem  Kloster  Rott  das  Bergrecht  auf 
allen    seinen    Besitzungen    verliehen    wird2.      Diese    Notiz 


1)  [Ueber  beide  Stücke  werden  H.  Dr.  Bloch  und  ich  später  be- 
richten. H.  B.]  2)  Greiss  a.  a.  0.  176.  Ich  verdanke  die  Kenntnis  dieses 
Begests  Herrn  Dr.  V.  Hofman  v.  Wellenhof,  der,  als  ich  mit  Zusammen- 
stellung der  Nachträge  zu  Bd.  2  der  Diplomata -Ausgabe  beschäftigt  war. 
die  Freundlichkeit  hatte,  mich  darauf  aufmerksam  zu  machen. 

Neues  Archiv   etc.     XX.  24 


358  Wilhelm  Erben. 

wäre  von  grossem  Werth  für  die  Geschichte  des  Klosters, 
wenn  sie  sich  wirklich  auf  Otto  I.  bezöge.  Aber  dieser 
Annahme  widerspricht  schon  die  Datierung,  welche  in  der 
Form,  wie  sie  Geiss  mittheilt  (Dat.  apud  Katisp.  VII.  id. 
martii,  indict.  X)  weder  sachlich  noch  formell  zu  der  Re- 
gierungszeit Otto's  I.  als  Kaiser  passen  würde.  Die  Schwierig- 
keit erklärt  sich  einfach,  wenn  wir  eine  Urkunde  König 
Philipps  vom  Jahre  1207  heranziehen,  in  welcher  ebenfalls 
dem  Kloster  Rott  das  Bergrecht  verliehen  wird  K  Das  aus- 
führliche Regest  bei  Geiss  gestattet  festzustellen,  dass  die 
Urkunde  des  fraglichen  Kaisers  Otto  mit  jener  des  Königs 
Philipp  wörtlich  übereinstimmte:  ja  die  Verwandtschaft  bei- 
der Stücke  geht  soweit,  dass  selbst  die  Datierung  beiden  ge- 
meinsam ist.  Die  Urkunde  Philipps  passt  aufs  beste  in  das 
sonst  bezeugte  Itinerar  dieses  Königs  -  und  die  ganze  Fassung 
entspricht  vollkommen  den  zu  Beginn  des  13.  Jahrh.  üb- 
lichen Formen3.  Es  ist  deshalb  nicht  anzunehmen,  dass 
der  Z\isammenhang  der  beiden  Urkunden  durch  Benutzung 
einer  Kaiserurkunde  des  10.  Jahrh.  in  der  Kanzlei  Phi- 
lipps zu  erklären  wäre,  vielmehr  muss  das  Diplorn  Philipps 
als  prius,  jenes  Otto's  als  posterius  angesehen  werden :  unter 
dem  Kaiser  Otto  muss  somit  Otto  IV.  verstanden  werden1. 
Dass  die  besprochene  Urkunde  für  Rott  in  der  Aus- 
gabe der  Kaiserur künden  des  10.  Jahrh.  unberücksichtigt 
geblieben  ist,  dürfte  durch  diese  Erörterung  genügend  ge- 
rechtfertigt sein.  Eine  andere  Frage  ist  es,  wie  das  Ver- 
hältnis zwischen  den  beiden  gleichlautenden  Urkunden 
Philipps  und  Otto's  IV.  zu  beurtheilen  ist.  Die  Ueberein- 
stimmung  des  Contextes  bietet  nichts  auffallendes;  es  ist 
dies  nicht  der  einzige  Fall,  in  welchem  Otto  ein  von  seinem 
Vorgänger  verliehenes  Diplom  wörtlich  wiederholte  ■'.  Merk- 
würdig bleibt  jedoch  die  Gemeinsamkeit  der  Datierung,  die 
sich  zwar  gut  in  das  Itinerar  Philipps,  aber  keineswegs  in 


1)  Böhmer  -  Ficker,  Regesten  des  Kaiserreichs  1198—1272,  Reg. 
n.  113.  2)  Am  9.  März  1207,  also  am  gleichen  Tage,  urkundet  Philipp 
ebenfalls  zu  Regensburg  für  die  Stadt  Regensburg.  Ficker  a.  a.  0.  Reg.  142. 
3)  Der  gleiche  Eingang  ('universis  fidelibus  suis  ad  quos  hae  litterae  per- 
venerint  gratiam  suam  et  omne  bonum1)  bei  Ficker,  Reg.  74.  157.  161, 
ähnlich  Ficker  62.  66.  101.  129.  138.  4)  Dass  ein  Fälscher  aus  einer 

Urkunde  Philipps  eine  solche  Otto's  I.,  II.  oder  III.  hätte  herstellen 
wollen,  erscheint  äusserst  unwahrscheinlich.  Die  bei  Geiss  an  den  Rand 
gesetzten  Daten  970  März  9.  sind  vermuthlich  von  dem  Freisinger  Bischof 
Johann  Franz  Freih.  von  Ecker  berechnet  und  beigefügt  worden,  welcher 
sich  um  1720  die  Urkunden  und  Copialbücher  von  Rott  einsenden  Hess 
und  seine  Auszüge  hierüber  in  dem  oben  genannten  Manuscript  eintrug. 
5)  Vgl.  Ficker,  Reg.  102  und  246  für  Berchtesgaden. 


Nachträge  zu  d.  zweiten  Bande  d.  Dipl  omata -Ausgabe.     359 

jenes  Otto's  fügt,  der  sich  im  Frühjahr  1207  gar  nicht  in 
Deutschland  befand.  Ist  somit  wirklich  eine  auf  Otto's 
Namen  lautende  Urkunde  mit  jener  Datierung  vorhanden 
gewesen,  so  bleiben  nur  zwei  Annahmen  offen:  entweder 
ist  die  Urkunde  Otto's  echt  und  die  Datierung  der  Vorur- 
kunde ist  unverändert  in  dieselbe  herübergenommen  worden, 
oder  wir  haben  es  mit  einer  Fälschung  zu  thun,  die  sich 
begnügte  den  Titel  Philipps  durch  den  seines  Gegenkönigs 
und  Nachfolgers  zu  ersetzen.  Im  letzteren  Fall  müsste 
die  Entstehung  des  spuriums  wohl  noch  in  Otto's  Regie- 
rungszeit fallen,  da  nach  seinem  Tode  eine  auf  seinen  Namen 
lautende  Fälschung  keinen  höheren  Werth  haben  konnte, 
als  die  erste  Urkunde  Philipps;  die  Anfertigung  einer 
Fälschung  auf  den  Namen  des  noch  regierenden  Kaisers 
wäre  aber  wohl  ein  allzu  schwieriges  Unterfangen  gewesen. 
Mir  ist  deshalb  die  andere  Erklärung  wahrscheinlicher. 
Fälle,  in  denen  einzelne  Theile  aus  der  Datierung  der  Vor- 
urkunde in  jene  der  Nachurkunde  übergegangen  sind, 
liegen  gerade  aus  dem  Anfang  des  13.  Jahrh.  vor1;  es  ist 
somit  wohl  denkbar,  dass  aus  Unachtsamkeit  auch  einmal 
die  ganze  Datierung  einfach  wiederholt  wurde.  Für  die 
wirkliche  Ausstellungszeit  des  DO.  IV.  gewährt  die  Datie- 
rung also  keinen  Anhalt;  am  ehesten  dürfte  Otto  IV.  nach 
seiner  Rückkehr  aus  Italien,  etwa  im  Mai  1212  zu  Nürn- 
berg jene  Urkunde  für  Rott  ertheilt  haben,  deren  Regest 
uns  Geiss  mitgetheilt  hat. 

IL    Eine  Verwechslung  Otto's  III.  mit  Otto  IV. 

Der  aus  Tegernsee  stammende  Cod.  lat.  19411  der 
Kgl.  Bibliothek  zu  München,  welchen  Wattenbach  im  17. 
Bd.  des  Neuen  Archivs  S.  31  ff.  eingehend  beschrieben 
hat.  bietet  auf  S.  181  der  alten  Paginierung  einen  Brief 
folgenden  Wortlauts : 

'Otto  dei  gratia  Romanorum  imperator  augustus.  Ottoni 
comiti  salutem  et  gratiam.  Monachi  de  Tegrinse  nostram 
queritando  adierunt  praesentiam  pro  vineis  ad  Pauzanum 
iniuste  sibi  abstractis.  Firmiter  vobis  praecipimus,  si  no- 
stram gratiam  vel  aliquid  nostri  habere  velitis,  ut  vera- 
cissime  ac  diligentissime  ex  credulis  et  probabilibus  viris 
cum  iureiurando  examinare  valeatis  pro  dei  amore  et  sancti 
Quirmi  et  pro  elemosina  et  pro  statu  imperii  nostri  prae- 
decessorumque    nostrorum    absolutione    quorum    temporibus 


1)  Ficker,  Beiträge  I,  328. 

24* 


360  Wilhelm  Erben. 

sancto  loco  vi  et  sine  iure  alienatum  est,  imperiali  auctori- 
tate  nostra  illuc  restituatis  et  postea  si  aliquid  inde  requi- 
rendum  sit,  corrigatur;  et  hoc  pro  certo  iubemus,  ne  dein- 
ceps  incorrectum  ad  nos  perveniat' 1. 

Bernhard  Pez  hat  diesen  Brief  im  Thesaurus  anec- 
dotorum  VIb,  50  abgedruckt  und  die  Jahreszahl  1197  an  den 
Rand  gesetzt,  offenbar  in  der  Absicht,  hiemit  den  Anfang 
der  Regierung  Otto's  IV.  zu  bezeichnen;  denn  diesen  Kaiser 
betrachtete  er,  wie  die  von  ihm  beigefügte  Ueberschrift 
zeigt,  als  Aussteller  des  Briefes.  Seiner  Annahme  ist  Frey- 
berg gefolgt,  der  den  Abt  Manegold  von  Tegernsee,  welcher 
1206  Bischof  von  Passau  wurde,  bei  Otto  IV.  gegen  die 
Widersacher  des  Klosters  Schutz  suchen  lässt2.  Mit  Rück- 
sicht auf  die  erst  1209  erfolgte  Kaiserkrönung  Otto's  IV. 
ist  der  Brief  dann  in  den  Origines  Guelncae  III,  820  zum 
Jahre  1213  eingereiht  worden.  Ficker  endlich  hielt  für 
das  wahrscheinlichste,  dass  die  Ausfertigung  1212  erfolgt 
sei 3.  Alle  diese  Ansätze  gehen  von  der  Voraussetzung  aus, 
dass  unter  dem  Kaiser  Otto  Otto  IV.  gemeint  sei;  wenn, 
wie  Wattenbach  angibt,  die  Schrift  des  Codex  in  den  An- 
fang des  13.  Jahrh.  gehört,  dann  ist  diese  Annahme  der 
Ueberlieferung  nach  allerdings  möglich ;  aber  es  fragt  sich, 
ob  nicht  innere  Merkmale  eine  andere  Einreihung  erfordern. 

Betrachten  wir  zunächst  das  Protokoll  des  vorliegen- 
den Briefes.  Das  Fehlen  der  Verbalinvokation  im  Eingange 
bietet  keinen  genügenden  Anhaltspunkt  zur  Zeitbestimmung; 
denn  seit  Otto  II.  ist  diese  noch  in  den  Briefen  Otto's  I. 
mehrfach  nachweisbare  Formel  auf  die  Diplome  beschränkt 
und  fehlt  den  Briefen  und  Mandaten  durchwegs4.  Ein 
wichtiges  Unterscheidungsmerkmal  bietet  der  Titel,  der 
allerdings  durch  den  ganzen  in  Betracht  kommenden  Zeit- 
raum   einfacher    gestaltet    ist,    als    in    den    gleichzeitigen 

1)  Herr  Oberbibliothekar  Dr.  Riezler  hatte  die  Freundlichkeit,  mir 
eine  Collation  des  Briefes  mitzutheilen,  welche  hier  benutzt  ist;  ich  sage 
ihm  für  seine  Bemühungen  besten  Dank.  Vielleicht  ist  'quorüni  tempori- 
bus'  verderbt  aus  'quod  eorum  temporibus1 ;  aber  es  ist  recht  gut  möglich, 
dass  schon  das  Original  die  fehlerhafte  Construction  enthielt,  'incorrectum1 
ist   in    der  Hs.    corr.    aus   'incorreptum'.  2)  Aelteste  Geschichte  von 

Tegernsee  S.  91.  3)  Ficker,  Reg.  481.  4)  Die  Angabe  Bresslau's, 

Handbuch  I,  49,  dass  den  Mandaten  der  vorstaufischen  Zeit  'häufig  die 
Königs-  und  Kanzlerunterschrift,  bisweilen  auch  die  verbale  oder  mono- 
grammatische Invokation1  fehle,  bedarf  insofern  der  Modifikation,  als  wenig- 
stens seit  970  das  Fehlen  der  genannten  Formeln  in  Mandaten  (und 
Briefen  überhaupt)  durchaus  Regel  ist;  unter  Otto  I.  finden  sie  sich  z.  Th. 
in  DD.  344.  347  und  366.  Die  mit  Inscription  versehenen  DDO.  I.  55  und 
110,  dann  der  Rechtsspruch  Stumpf,  Reg.  1572,  sowie  die  seit  Heinrich  V. 
aufkommenden  Diplome  in  Briefform  kommen  hier  nicht  in  Betracht. 


Nachträge  zu  d.  zweiten  Bande  d.  Diplomata -Ausgabe.      361 

Diplomen1,  der  aber  doch,  eine  dort  vorgekommene  Ver- 
änderung mitgemacht  hat,  nämlich  das  Aufkommen  von 
'semper  augustus',  welches  seit  Friedrich  I.  zur  ßegel  ge- 
worden ist  und  unter  Heinrich  VI.,  Philipp  und  Otto  IV. 
ausnahmslos  auch  in  den  Briefen  verwendet  wird.  Schon 
dadurch  ist  ein  Moment  gegeben,  welches  gegen  die  Ein- 
reihung des  fraglichen  Briefes  zu  Otto  IV.  spricht,  da  in 
demselben  jene  Erweiterung  des  Titels  fehlt.  Ein  zweites 
in  derselben  Eichtung  wirkendes  Argument  ergibt  sich  aus 
der  Betrachtung  der  im  Eingang  unseres  Briefes  ange- 
wandten Grussformel,  denn  gerade  dieser  Theil  des  Brief - 
formulars  hat  mehr  als  jeder  andere  eine  fortschreitende 
Entwicklung  durchgemacht. 

Im  10.  und  im  Anfang  des  11.  Jahrh.  ist  das  ge- 
bräuchlichste Wort  zur  Bezeichnung  des  Grusses:  'salutem'; 
allein  oder  mit  Beiworten  und  Zusätzen  geschmückt,  bildet 
es  in  dieser  Zeit  einen  ständigen  Bestandtheil  des  Ein- 
gangsgrusses  in  allen  Briefen,  die  nicht  rein  persönlichen 
Charakters  sind2;  am  häufigsten  kommt  die  Formel  'salutem 
et  gratiam'  vor,  also  gerade  jene,  die  auch  dem  hier  zu 
untersuchenden  Briefe  eigen  ist3.  Im  Laufe  des  11.  Jahrh. 
ist  der  Gruss  im  Eingang,  der  vorher  keineswegs  in  allen 
Briefen  angewandt  worden  war,  immer  regelmässiger  ge- 
worden ,  so  dass  die  Unterlassung  desselben  schon  unter 
Heinrich  IV.  als  Zeichen  der  königlichen  Ungnade  galt4. 
Damit  wird  es  zusammenhängen,  dass  sich  unter  diesem 
Herrscher  das  Wort  'gratiam'  in  der  Grussformel  der  Briefe 
immer  mehr  einbürgert,  auch  dieses  in  verschiedenen  Ver- 
bindungen, aber  wenn  wir  von  Briefen  an  gleichgestellte 
Personen   absehen,    fast   ausnahmslos   an  erster  Stelle;    die 


1)  Die  Devotionsformel  lautet  zumeist  'dei  gratia'.  2)  DDO.  I. 

347.  366.  374»,  O.  III.  216.  319  und  Stumpf,  Reg.  1572.  2128;  in  den  an 
die  Allgemeinheit  gerichteten  Schreiben  sind  die  Grussformeln,  wie  der 
Vergleich  der  hier  angeführten  Stücke  ergiebt,  reicher  gestaltet,  als  in 
jenen  an  einzelne  Personen.  3)  DO.  I.  434,  O.  III.  162 a.  345,  Stumpf 
2108  und  2127.  4)  In    drei  Briefen  Heinrichs  IV.    (Jafie,    Bibl.  rer. 

Germ.  V,  101.  230  und  250),  welche  des  Grusses  im  Eingang  entbehren, 
wird  die  unfreundliche  Form  der  Anrede  ausdrücklich  mit  der  Ungnade 
erklärt,  die  sich  der  Angeredete  zugezogen.  Es  scheint  mir  deshalb 
unbegründet,  wenn  Michael,  Die  Formen  des  unmittelbaren  Verkehrs 
zwischen  den  deutschen  Kaisern  und  souveränen  Fürsten  S.  81  und  106 
in  solchen  Fällen  an  verderbte  Ueberlieferung  denkt ;  ich  nehme  also  auch 
bei  Stumpf  3834  absichtliche  Unterlassung  des  Grusses  an ;  lässt  sich  die 
Form  dieses  Briefes  Friedrichs  I.  an  Hadrian  mit  dem  Berichte  Ragewins 
nicht  ganz  in  Einklang  bringen  (s.  Michael  106),  so  möchte  ich  eher  dem 
letzteren  misstrauen.  Absichtliche  Unterlassung  des  Grusses  dürfte  end- 
lich auch  in  dem  strengen  Mandate  Stumpf  4573 a  vorliegen. 


362  Wilhelm  Erben. 

beliebteste  Form  ist  nun  'gratiam  et  omne  boirum' 1.  Unter 
Heinricb  V.  wird  der  unter  dem  Vater  entstandene  Brauch 
beibehalten  und  weitergebildet;  auch  unter  ihm  behauptet 
'gratiam'  seine  Stelle  und  zwar  wird  nunmehr  seit  dem 
Jahre  1111  die  unter  Heinrich  IV.  noch  nicht  nachweis- 
bare Formel  'gratiam  suam  et  omne  bonum'  die  geläufigste 2 
und  behauptet  sich  auch  unter  den  folgenden  Herrschern, 
lange  hinaus  über  den  hier  in  Betracht  kommenden  Zeit- 
raum als  die  allgemein  übliche  Grussform  in  den  Briefen 
der  Kaiser  und  Könige  an  ihre  Untergebenen.  Neben  ihr 
kommt  nur  'gratiam  suam  et  bonam  voluntatem'  in  Be- 
tracht, eine  Formel,  welche  zuerst  unter  Lothar  III.  auf- 
tauchte 3  und  von  nun  an  in  den  an  Italiener  gerichteten 
Schreiben  ständig  Anwendung  fand4. 

Ist  auf  diese  Weise  die  Entwicklung  der  Grussformel 
unter  Lothar  zu  einem  Abschlüsse  gekommen,  indem  seit 
seiner  Regierung  die  Unterthanen  des  Reiches  nur  mit 
'gratiam  suam  et  omne  bonum'  oder  mit  'gratiam  suam  et 
bonam  voluntatem'  angeredet  werden,  so  scheidet  sich  hie- 
von  um  so  deutlicher  die  Correspondenz  mit  fremden 
Fürsten  und  mit  anderen  dem  Reiche  nicht  unterstehen- 
den Personen.  Trotz  des  grossen  Spielraums,  welcher  der 
Anwendung  verschiedener,  den  jeweiligen  Beziehungen  an- 
gepasster  Ausdrücke  auf  diesem  Gebiete  naturgemäss  ge- 
wahrt bleiben  musste,  inachte  sich  aber  auch  hier  seit 
Lothar  eine  gewisse  Regelmässigkeit  geltend.  So  sind 
etwa  alle  Briefe  Konrads  III.  an  den  Papst  mit  einer 
gleichbleibenden  Grussformel  versehen,  die  sich  bis  in  die 
ersten    Jahre    Friedrichs  I.    erhalten    hat 5 ;    später    ist    sie 

1)  Stumpf  2865.  2948 ;  Jaffe,  Bibl.  V,  87.  155.  189.  190  (n.  103  und 
104).  232  und  233 ;  daneben  begegnen  'gratiam  salutem  et  omne  bonum, 
gr.  sal.  et  dilectionem,  gr.  dil.  et  o.  b.,  gr.  suam  et  dilectionis  donum,  gr. 
et  dil.  dignantibus  eam  recipere,  gr.  et  bonam  voluntatem,  gratiae  suae 
optimam  vol.,  gr.  suae  et  opt.  voluntatis  sincerissimum  affectum,  gr.  suam 
et  plurimam  in  Christo  sab'  etc. ;  Grussformeln  ohne  'gratiam1  (oder 
'gratiae')  finde  ich  unter  Heinrich  IV.  nur  in  Stumpf  2766.  2795.  2859, 
bei  Sudendorf,  Registrum  I,  10,  n.  6  und  in  den  Briefen  an  gleichgestellte 
fürstliche  Personen,  Jaffe,  Bibl.  V,  100.  172  und  241.  —  Vielleicht  geht 
die  Voranstellung  des  'gratiam1  bis  auf  Heinrich  III.  zurück,  der  wenigstens 
einmal  den  Abt  von  Cluny  mit  'gratiam  et  salutem1  anspricht,  D'Achery, 
Spicil.  ed.  princ.  II,  396.  2)  Stumpf  3051.  3098.  3146  a.  3218».  3)  Jaffe, 
Bibl.  I,  79  ff.,   n.  4—10.  4)  Diese  von  nun  an  herrschende  Scheidung 

zwischen  deutscher  und  italienischer  Grussformel  war  schon  vor  Lothar 
angebahnt,  s.  'gratiam  et  bonam  voluntatem1  und  'gr.  suam  cum  bona 
voluntate1  in  Briefen  an  Italiener ;  Jaffe,  Bibl.  V,  238,  n.  126  und  268, 
n.  148.  5)  'filialem  (per  omnia)  dilectionem  et  debitam  in  domino  (oder 
'in  Christo1)  reverentiam1  zuerst  in  Stumpf  3578,  zuletzt  in  Stumpf  3712, 
vgl.  Michael,  Die  Formen  des  unmittelbaren  Verkehrs  S.  83. 


Nachträge  zu  d.  zweiten  Bande  d.  Diplomata -Ausgabe.     363 

durch  andere  Formeln  ersetzt  worden,  die  zwar  grössere 
Mannigfaltigkeit  aufweisen,  aber  stets  aus  demselben  Wort- 
vorrath  gebildet  sind 1.  Ebenso  entwickelt  sich  für  die 
übrigen  an  Fürsten  oder  vom  Eeich  unabhängige  Personen 
gerichteten  Briefe  und  für  die  Patente  zwar  keine  be- 
stimmte Grussformel,  aber  doch  ein  bestimmter  Wortschatz, 
aus  dem  die  Grussformel  zu  bestehen  hat.  Neben  den 
immer  wiederkehrenden  Versicherungen  der  unverfälschten 
und  unauflöslichen  brüderlichen  oder  väterlichen  Liebe  ist 
es  nun  insbesondere  das  Wort  'salutem',  welches  mit  be- 
sonderer Vorliebe  in  dieser  Art  von  Briefen  gebraucht 
wird2,  während  es  in  allen  anderen  längst  verschwun- 
den ist 3. 

Kehren  wir  nach  dieser  Betrachtung  zurück  zu  dem 
Briefe  des  Kaisers  Otto  an  den  Grafen  Otto,  so  erweist  die 
dort  angewandte  Grussformel  'salutem  et  gratiam'  im  Ver- 
ein mit  dem  eben  Gesagten  deutlich,  dass  jener  Brief  nicht 
von  Otto  IV.,  sondern  von  einem  der  älteren  Kaiser  dieses 
Namens  ausgestellt  sein  muss.  Denn  alle  Schreiben 
Otto's  IV.  an  Unterthanen  des  Reiches  sind  mit  'gratiam 
suam  et  omne  bonum'  oder  mit  'gr.  s.  et  bonam  volun- 
tatem'  eingeleitet ;  Formeln  mit  'salutem'  finden  sich  unter 
Otto  IV.  nur  in  Patenten  oder  in  Briefen,  die  an  Aus- 
wärtige gerichtet  sind.  Für  das  10.  Jahrh.  hingegen  ist 
'salutem  et  gratiam'  gerade  in  Mandaten  an  Reichsunter- 
tlianen  vorwiegend  üblich. 


1)  'salutem  et  füialem  dilectionem'  (mit  Zusätzen  'in  Christo'  oder 
'cum  debita  reverentia')  oder  'sal.  et  filialis  dilectionis  affectum'  (mit  Zu- 
sätzen 'sincerum'  und  'cum  omni'  oder  'cum  debita  reverentia')  oder  'sal. 
et  filialis  reverentie  dil.',  vgl.  Michael  a.  a.  0.  122 ;  die  Reihe  der  Briefe, 
in  denen  diese  Grussformeln  angewandt  sind,  beginnt  mit  Stumpf  4375 
und  reicht  durch  die  Regierungen  Heinrichs  VI.  und  Philipps  hindurch ; 
stärkere  Abweichungen  unter  Otto  IV.  2)  Jaffe,  Bibl.  V,  259,  Stumpf 
3437.  3494.  3870.  3933»  u.  s.  w.  bis  zu  Otto  IV.  Ficker,  Reg.  303,  vgl. 
auch  Michael  127.  130.  135 ;  dass  die  Patente  (Stumpf  3277.  4046.  4206. 
5072,  Ficker  250.  357.  511)  in  gleicher  Weise  behandelt  werden,  beruht 
wohl  darauf,  dass  dieselben  theilweise  auch  für  das  Ausland  berechnet 
waren.  3)  Die  wenigen  Fälle,  in  welchen  'salutem'  als  Gruss  an  ein- 

zelne dem  Reich  unterstehende  Personen  gebraucht  wird,  verlangen  als 
Ausnahmen  besondere  Erklärung.  "Wenn  Konrad  III.  an  den  Erzbischof 
von  Salzburg  einen  mit  'sal.  et  dil.  affectum'  eingeleiteten  Brief  (Jaffe, 
Bibl.  V,  530)  schrieb,  so  dürfte  die  ungewöhnlich  höfliche  Form  sich  durch 
das  Interesse  des  Königs  erklären,  den  Erzbischof  auf  seine  Seite  zu 
ziehen.  Zu  'sal.  et  o.  b.'  in  dem  Schreiben  Friedrichs  I.  an  den  Bischof 
von  Brixen  (Stumpf  3868)  kann  der  gleichzeitige  Brief  an  den  zum  Papst 
erwählten  Kanzler  Roland  (Stumpf  3869)  Anlass  gegeben  haben.  Es  er- 
übrigt noch  'sal.  et  gratiam',  Sudendorf,  Registrum  II,  129  und  'sal.  in 
perpetuum',  AVinkelmann,  Acta  I,  9. 


364  Wilhelm  Erben. 

Es  steht  somit  fest,  dass  der  besprochene  Brief  nicht  von 
Otto  IV.,  sondern  von  einem  seiner  gleichnamigen  Vor- 
gänger herrührt.  Die  weitere  Frage,  ob  an  Otto  I..  Otto  II. 
oder  Otto  III.  zu  denken  sei,  lässt  sich  zwar  nicht  mit 
solcher  Sicherheit  beantworten,  aber  es  spricht  doch  ein 
wichtiger  Grund  dafür,  Otto  III.  als  Aussteller  zu  be- 
trachten. Die  Klage  der  Mönche  von  Tegernsee,  welche 
zu  dem  Schreiben  Anlass  gegeben  hatte,  bezog  sich  auf 
Besitzstörungen  in  der  Gegend  von  Bozen.  Im  südlichen 
Tirol  also  muss  auch  jener  Graf  Otto  geboten  haben, 
welchen  der  Kaiser  mit  der  Untersuchung  und  Erledigung 
der  Sache  betraute.  Die  Brixener  Traditionen  aus  der  Zeit 
von  985  bis  1005  machen  nun  wiederholt  einen  Grafen 
Otto  namhaft,  so  auch  bei  Schenkung  eines  Weinberges 
bei  Bozen  1.  Es  ist  anzunehmen,  dass  er  mit  dem 
Empfänger  jenes  Briefes  identisch,  und  dass  dieser  somit 
in  der  Kaiserzeit  Otto's  III.  entstanden  ist2.  In  Ermange- 
lung anderer  sicherer  chronologischer  Anhaltspunkte  hätte 
der  vorliegende  Brief  somit  etwa  an  das  zweite  zu  Gunsten 
von  Tegernsee  erlassene  Mandat,  DO.  III.  345,  angeschlossen 
werden  können3.  Zu  beachten  ist  aber  doch  ein  Unter- 
schied zwischen  diesen  beiden  inhaltlich  verwandten  Stücken. 
Die  Klage,  welche  zu  dem  Einschreiten  des  Kaisers  führt, 
geht  bei  DO.  III.  345  von  dem  Abte  des  Klosters  aus, 
bei  dem  hier  besprochenen  Mandat  an  den  Grafen  Otto 
hins'eo-en  von  den  Mönchen  des  Klosters.  Haben  also 
wirklich  die  Mönche  des  Klosters  ohne  Intervention  ihres 
Abtes  sich  an  den  Kaiser  gewandt,  so  ist  zu  vermuthen, 
dass  diese  Angelegenheit  sich  zu  einer  Zeit  abspielte,  als 
die   Abtswürde   unbesetzt   oder    der   Abt    des   Klosters  für 


1)  Redlich,  Acta  Tirolensia  I,  9  und  17  ff.  (n.  18.  20.  42.  46  und  57). 
Ein  Brief  des  Abtes  Gozbert  von  Tegernsee  (982—1001)  an  einen  Grafen 
Otto  bei  Pez  Thes.  VI».  126.  Schon  das  Fehlen  jedes  Beinamens  bei  dem 
Grafennanien  hätte  übrigens  darauf  aufmerksam  machen  können,  dass  der 
Brief  nicht  ins  13.  Jahrh.  gehören  könne.  2)  Freilich  wären  auch  die 

letzten  Jahre  Otto's  II.  nicht  ausgeschlossen.  —  Nebenbei  sei  bemerkt, 
dass  sich  auch  die  Xamensform  Pauzanum  nur  bis  1174  in  den  Brixener 
Traditionen  findet,  während  der  Name  im  13.  Jahrh.  schon  Bozanum  ge- 
schrieben wird.  Vielleicht  bildet  auch  der  Inhalt  des  Briefes,  das  dem 
Grafen  Otto  ei'theilte  Inquisitionsmandat,  einen  Beweis  für  das  höhere 
Alter;  mir  scheint  fraglich,  ob  sich  derartige  Mandate  (vgl.  Brunner, 
Wiener  Sitzungsberichte  51,  155)  noch  im  13.  Jahrh.  finden.  3)  Uebri- 
gens  ist  auch  die  Einreihung  vou  DO.  III.  345  keineswegs  sicher;  sie  ist 
nur  mit  Rücksicht  auf  das  Itinerar  des  Kaisers  gewählt  worden,  der  im 
Jänner  1000  in  die  Nähe  von  Tegernsee.  gekommen  ist  (D.  341),  der  aber 
doch  auch  an  anderen  Orten  von  den  Tegernseern  um  Hülfe  angegangen 
worden  sein  kann. 


Nachträge  zu  d.  zweiten  Bande  d.  Diplomata -Ausgabe.      365 

längere  Zeit  von  Tegernsee  abwesend  war.  Diese  Erwägung 
lässt  vermuthen,  dass  die  Klage  der  Mönche  nach  dem 
Tode  des  Abtes  Gozpert  (21.  Jänner  1001)  erfolgt  ist, 
während  der  auch  mit  der  Leitung  von  Niederaltaich  be- 
traute Gotahard  dem  Kloster  vorstand  K 

Mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  dürfte  somit  der  bis- 
her Otto  IV.  zugeschriebene  Brief  in  das  letzte  Regierungs- 
jahr Ottos  III.  zu  setzen  sein. 


III.    Das  Yorladungsschreiben  Otto's  III.  au  Abt  Kerhard 
von  S.  Gallen. 

Die  zweite  Fortsetzung  der  Klostergeschichten  von 
S.  Gallen  berichtet  mit  grosser  Ausführlichkeit  über  einen 
Streit,  welcher  zwischen  dem  Abte  Kerhard  und  seinen 
Mönchen  entstand.  Der  bessere  Theil  der  Mönche,  so  wird 
uns  erzählt,  entschloss  sich,  durch  die  Misswirthschaft  des 
Abtes  gereizt,  bei  dem  Kaiser  Klage  zu  führen.  Wir  er- 
fahren im  Wortlaut  das  Schreiben,  das  die  Mönche  deshalb 
an  Kaiser  Otto  III.  gerichtet  haben  sollen,  und  ebenso 
die  Antwort,  die  der  Kaiser  hierauf  ertheilte  und  deren 
Inhalt  in  einer  Vorladung  des  Abtes  und  der  Mönche  be- 
hufs richterlicher  Entscheidung  ihrer  Sache  bestand2. 

Der  weitere  Verlauf  der  Angelegenheit,  über  den  der 
Verfasser  genaue  Angaben  bietet,  soll  uns  zunächst  nicht 
beschäftigen ;  wir  wollen  auf  Grund  dessen,  was  im  vorher- 
gehenden Abschnitt  über  die  Entwicklung  des  Formulars 
königlicher  Briefe  gesagt  ist,  an  die  Prüfung  der  von 
Otto  III.  erlassenen  Vorladung  herantreten,  gegen  deren 
Echtheit  schon  Waitz 3  und  Meyer  v.  Knonau i  ihre  Be- 
denken geäussert  haben.  Auffällig  ist  in  diesem  Schreiben 
schon  der  Titel:  'Otto  III.  Romanorum  imperator  augustus.' 
Otto  III.  bedient  sich  als  Kaiser  in  seinen  Briefen  zumeist 
des  Einganges:  'Otto  dei  gratia  (oder  'gratia  dei',  einmal 
'divina    gratia')   imperator   augustus5;    nur   der  im  vorigen 


1)  Von  der  Abwesenheit  Gotahards  von  Tegernsee  legt  der  bei  Pez 
Thes.  VIa,  132  gedruckte  Brief  seiner  Mönche  Zeugnis  ab.  2)  Goldast, 
Constitutiones  imperii,  Ausg.  von  1673,  II,  46;  SS.  II,  152;  Franklin  in 
Forschungen  zur  Deutschen  Gesch.  IV,  485,  Anm.  2 ;  Mittheil,  zur  vaterl. 
Gesch.  hrsg.  vom  hist.  Verein  in  St.  Gallen,  N.  F.  VII,  19.  3)  Verfassungs- 
geschichte 1.  Aufl.  V,  418  und  2.  Aufl.  V,  474.  —  Weniger  bestimmt 
urtheilt  Franklin  a.  a.  O.  und  Reichshofgericht   II,  212.  4)  Mitth.  zur 

vaterl.  Gesch.  X.  F.  VII,  19,  Anm.  62.  5)  Ausnahmen  machen  die  an 
Gerbert  gerichteten  DDO.  III.  241  und  260,  in  denen  Otto  sich  nicht  als 
Kaiser,  sondern  als  Freund  und  Schüler  ausspricht ;  endlich  DO.  III.  319, 


366  Wilhelm  Erben. 

Abschnitt  besprochene  Brief  weist  die  in  den  Diplomen 
desselben  Herrschers  überwiegende  vollere  Form  'Romanorum 
imperator  augustus'  auf;  die  Anwendung  der  Ordnungszahl 
im  Titel  kennt  kein  Brief  Otto 's  III.  Noch  wichtiger  ist 
das  Fehlen  der  Devotiousformel,  die  nicht  nur  zur  Zeit 
der  Ottonen,  sondern  auch  in  den  beiden  folgenden  Jahr- 
hunderten zum  noth wendigen  Formular  jedes  Briefes  ge- 
hörte 1.  Als  gar  nicht  zu  Otto  III.  passend  ergibt  sich 
ferner  die  an  die  Inscription  anschliessende  Grussformel 
'gratiam  suam  et  omne  bonum',  welche,  wie  wir  oben  ge- 
sehen haben,  vor  Heinrich  V.  überhaupt  nicht  nach- 
weisbar ist. 

Ich  glaube,  dass  diese  Umstände  im  Verein  mit  der 
in  dem  Briefe  erwähnten  Zustimmung  der  Fürsten  aus- 
reichen, um  die  Entstehung  des  Briefes  in  das  12.  Jahrh. 
zu  verweisen.  Da  sein  Formular  auch  abgesehen  von  der 
Grussformel  gut  zu  den  Mandaten  Heinrichs  V.,  Lothars 
oder  Konrads  III.  passt-,  so  ist  anzunehmen,  dass  mit  Zu- 
hülfenahme  eines  Briefes,  der  von  einem  der  genannten 
Kaiser  herrührte,  der  angebliche  Brief  Otto's  III.  gefälscht 
worden  ist,  offenbar  in  der  Absicht,  die  mit  solcher  Vor- 
liebe behandelte  Geschichte  von  dem  bösen  Abte  Kerhard 
noch  schöner  auszuschmücken.  Ist  dem  so,  dann  kommt 
jener  Brief  für  die  Zeiten  Otto's  III.  gar  nicht  in  Betracht, 
aber  er  wird  werthvoll  für  die  Frage  nach  der  Entstehungs- 
zeit und  der  Glaubwürdigkeit  der  zweiten  Fortsetzung  der 
Casus  s.  Galli,  durch  die  er  uns  überliefert  ist. 

Bernheim  und  Meyer  von  Knonau,  welche  sich  zuletzt 
mit  dieser  Quelle  befasst  haben,  sind  in  Bezug  auf  die 
Entstehungszeit  jenes  Abschnittes  der  Fortsetzung,  der  die 
Geschichte  Kerhards  enthält,  zu  verschiedenen  Ergebnissen 
gelangt.  Bernheim  nimmt  an,  dass  derselbe  um  das  Jahr 
1120  entstanden  sei3;  Meyer  von  Knonau  hingegen  setzt 
die  Entstehungszeit  dieses  Abschnittes  kurz  nach  1076 K 
Was  hier  über  die  Entstehung  des  Otto  III.  zugeschriebenen 
Briefes  gesagt  ist,    spricht   natürlich    eher   zu  Gunsten  der 

welches,  wie  hier  nachgetragen  werden  kann,  in  Bezug  auf  seine  Authen- 
ticität  auch  sonst  Bedenken  erregt,  jedenfalls  aber  wegen  seines  ganz  ab- 
normen Inhalts  nicht  als  Massstab  für  Mandate  wie  das  an  Abt  Kerhard, 
angenommen  werden  darf.  1)  Als  Ausnahmen  notiere  ich  Jaffe,  Bibl. 

V,  230  und  241,  Stumpf  3493»,  Ficker  24.125.  2)  Zu  'mandando  tibi 
praecipimus'  vgl.  'mandando  commonemus'  (oder  'monemus,  rogamus,  com- 
mittimus,  precipimus')  in  Stumpf  3329.  3379.  3493 a.  3560,  Jaffe,  Bibl.  I, 
108,  n.  30 ;  zu  'sub  optentu  ergo  gratiae  nostrae'  Stumpf  3350,  Jaffe,  Bibl. 
I.  Klo.  n.  24,   108,  n.  30.  3)    Forschungen  zur  Deutschen  Geschichte 

XIV,  180.         4)  Mitth.  zur  vaterl.  Gesch.  N.  F.  VII,  II  f. 


Nachträge  zu  d.  zweiten  Bande  d.  Diplomata -Ausgabe.      367 

Bernheimschen  Auffassung-  x ;  aber  auch  dieser  kann  ich 
mich  nicht  vollständig  anschliessen,  denn  mir  erscheint 
die  Abgrenzung-  des  fraglichen  Abschnittes,  welcher  nach 
Bernheim  und  nach  Meyer  von  Knonau  die  Geschichte 
der  Aebte  Immo,  Ulrich  I.,  Kerhard  und  Purchard  II., 
also  die  Zeit  von  975  bis  1022  umfassen  soll,  nicht  ge- 
nügend begründet.  Bernheim  hat  nach  dem  Tode  Pur- 
chards  II.  deshalb  einen  Wechsel  in  der  Autorschaft  an- 
nehmen zu  müssen  geglaubt,  weil  die  Erzählung  bis  zu 
diesem  Punkte  ausführlicher  gehalten  ist,  als  die  Ge- 
schichte der  beiden  folgenden  Aebte,  Thietpald  und  Nort- 
pert  (1022 — 1072),  die  er  deshalb  einem  zweiten  Fortsetzer 
zuweist.  Aber  bei  einer  Quelle,  die  an  glaubwürdigen 
Thatsachen  so  arm  und  an  leeren  Phrasen  so  reich  ist,  wie 
die  ersten  Partien  der  vorliegenden,  wird  es  immer  gewagt 
sein,  aus  grösserer  oder  geringerer  Ausführlichkeit  sofort 
auf  Verschiedenheit  des  Autors  zu  schliessen.  Wichtiger 
wird  in  solchen  Fällen  die  Vergleichung  der  Sprache  sein. 
Diese  aber  führt  hier  gerade  zu  dem  entgegengesetzten 
Ergebnis;    zahlreiche  gemeinsame  Worte  und  Wendungen'2 

1)  Wenn  dagegen  Meyer  von  Knonau  in  der  Erwähnung  des  gegen- 
wärtigen Elends  in  der  Vorrede  eine  Anspielung  auf  die  nach  1076  aus- 
gebrochenen Wirren  erblicken  will,  so  lässt  sich  einwenden,  dass  hiermit 
ebenso  gut  die  Verhältnisse  in  den  zwanziger  Jahren  des  12.  Jahrh.  ge- 
meint sein  können,  als  sich  abermals  zwei  Aebte  gegenüberstanden  (Oont. 
II,  c.  35—37,  Mitth.  zur  vaterl.  Gesch.  N.  E.  VII,  92  ff.);  ja  auch  auf  die 
ersten  Zeiten  des  1133  erwählten  Abtes  Wernher,  der  damals  in  harten 
Oonflict  mit  seinen  Mönchen  gerieth  (ebd.  c.  38,  S.  101  f.),  würde  die  Er- 
wähnung der  gegenwärtigen  Widerwärtigkeiten  passen.  Gegen  Meyer  von 
Knonau's  Ansicht  spricht  überdies  ein  Fehler,  den  der  Continuator  in  seiner 
Vorrede  begangen  hat;  indem  dort  die  Namen  der  Aebte,  deren  Schil- 
derung noch  nachzuholen  wäre,  aufgezählt  werden,  wird  der  letzte  von 
diesen  Ulrich  II.  irrthümlich  als  vorletzter,  also  vor  statt  nach  Nortpert 
genannt.  Wie  sollte  dies  Versehen  erklärt  werden,  wenn  der  erste  Theil 
der  Continuatio  sammt  der  Vorrede  unmittelbar  nach  Ulrichs  II.  Tode 
verfasst   wäre?  2)   'fletus'   cap.  15.  18.  20    der  Ausgabe   von  Meyer- 

Knonau;  'depravare'  c.  16.  19;  'adaugere1  und  'ampliare'  c.  17.  20;  fditare' 
c.  7.  15.  17.  19;  'fratrum  amator'  c.  2.  19;  mit  'pius  et  fidissimus'  c.  1 
vgl.  'pius  et  mansuetus',  'piissimus  et  .  .  .  ndissimus'  c.  19.  20 ;  mit  'veris 
sima  fratrum  narratione  didici1  und  'haec  pauca  quae  diximus  quorundam 
narratione  didicimus'  c.  2,  dann  'multa  gesta  non  didici,  set  ea  quae 
dixi  quorundam  veridicorum  relatione  cognovi'  c.  16  und  'veraci  relatione 
didicerunt1  in  der  Vorrede  vgl.  'eorum  relatione  didici'  und  'certa  rela- 
tione .  .  .  non  didici'  c.  19.  20;  zu  'Post  Ymmonem  Uodalricus  loci  nostri 
suscepit  regimina'  c.  4  vgl.  die  Anfänge  von  c.  19.  20 ;  Ausrufsätze  ein- 
geleitet mit  'O  quanto  .  .  .  dolore'  etc.  c.  3.  17  vgl.  mit  'o  utinam'  in  c.  20 ; 
besondere  Vorliebe  hat  der  Verfasser  für  indirekte  Fragesätze,  welche  dem 
Hauptverb  vorangehen,  so  'Qualiter  autem  accessisset  vel  qualiter  vixisset, 
aetas  .  .  .  usque  ad  nos  pervenire  non  permisit'  c.  4,  'Sed  qualiter  acce- 
pisset'  c.  5,    'Quantis  autem  doloribus'  c.  7 ;    ebenso    'Quomodo  vero  illam 


368  Wilhelm  Erben. 

beweisen  deutlich,  dass  der  ganze  Bericht  über  die  Zeit 
von  975  bis  1072  von  einem  einzigen  Verfasser  herrührt, 
dass  also  in  der  That,  wie  die  Vorrede  erwarten  lässt,  die 
Erzählung  in  einem  Zuge  bis  zum  Abte  Nortpert  geführt 
worden  ist,  dessen  Regierung  schon  Ekkehard  als  Endpunkt 
seines  Werkes  in  Aussicht  genommen,  aber  nicht  erreicht 
hatte.  Es  entsteht  also  die  Frage,  wann  dieser  erste  Theil 
der  Continuatio  entstanden  ist,  der  demnach  die  Capitel 
1  —  20  der  neuen  Ausgabe  nebst  der  Vorrede  umfasst. 
Was  bisher  an  chronologischen  Merkmalen  hiefür  beige- 
bracht worden  ist,  hat  geringes  Gewicht.  Wenn  sich  der 
Autor  auf  Greise  beruft,  die  den  Abt  Thietpald  (f  1034) 
noch  gekannt  haben,  so  lässt  dies  an  und  für  sich  ziemlich 
freien  Spielraum  und  verdient  um  so  weniger  unbedingten 
Glauben,  als  es  dem  Erzähler  offenbar  zur  Gewohnheit  ge- 
worden war,  sich  überall  auf  die  mündliche  Tradition  zu 
berufen;  noch  schwieriger  ist  es,  aus  dem  Umstände,  dass 
der  Autor  nicht  mehr  weiss,  ob  Ekkehard  seine  Chronik 
über  Notker  hinaus  fortgesetzt,  oder  wie  Nortpert  die  Prä- 
bende  verbessert  habe,  auf  die  Abfassungszeit  unserer 
Quelle  schliessen  zu  wollen.  Diesen  unsicheren  Anhalts- 
punkten steht  nun  als  feste  Stütze  gegenüber,  was  oben 
über  die  Entstehungszeit  des  angeblichen  Vorladungs- 
schreibens gesagt  worden  ist.  So  wie  dieses  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  nicht  vor  dem  Jahre  1111  entstanden  ist, 
so  kann  auch  die  Abfassung  von  c.  1  —  20  der  Continuatio 
nicht  über  die  Kaiserzeit  Heinrichs  V.  hinaufgerückt  werden. 
Auf  die  Untersuchung  der  unteren  Zeitgrenze  für  die  Ent- 
stehung dieses  Abschnittes  lasse  ich  mich  nicht  näher  ein, 
nur  eine  Vermuthung  sei  hierüber  vorgebracht,  weil  sie 
mit  dem  angeblichen  Brief  Otto's  III.  in  engem  Zusammen- 
hange steht. 

Durch  den  Nachweis,  dass  dieser  Brief  gefälscht  ist, 
verliert  natürlich  die  ganze  Erzählung  über  den  Conflict 
zwischen  Kerhard  und  den  Mönchen  an  Glaubwürdig- 
keit. Denn  sowie  das  Schreiben  Otto's,  so  ist  auch  jenes 
der  Mönche  an  den  Kaiser  unecht ;  es  erweist  sich,  gleich 
den  in  den  Text  eingeflochtenen  Eeden,  schon  durch  den 
Stil  als  Machwerk  des  Erzählers.  Was  also  bleibt  als 
echter  Kern  übrig?     Ist  die  Berufung  auf  die  Mittheilung 


adauxerit1,  'Quante  autem  virtutis  fuerit,  qualiter  .  .  .  didicerit'  u.  s.  w. 
und  'Quantus  autem  fletus'  c.  20;  am  deutlichsten  sprechen  endlich  die 
charakteristischen  Wendungen :  'dies  prius  finiretur  quam  sermo  perficere- 
tur'  c.  11  und  'dies  ante  finiretur  quam  in  cedula  scriberetur'  c.  20. 


Nachträge  zu  d.  zweiten  Bande  d.  Diplomata -Ausgabe.      369 

glaubhafter  Männer,  die  den  ganzen  Bericht  beschliesst, 
wirklich  ernst  zu  nehmen  oder  haben  wir  es  mit  einer  frei 
erfundenen  Geschichte  zu  thun,  die  dazu  bestimmt  war, 
das  Bild  eines  schlechten  Abtes  in  abschreckenden  Zügen 
darzustellen1?  Da  die  letztere  Möglichkeit  keineswegs  aus- 
geschlossen ist,  so  wird  es  erlaubt  sein,  nach  den  Zeitum- 
ständen zu  fragen,  die  dem  Verfasser  eine  solche  Ge- 
schichte eingegeben  haben  und  ihn  veranlasst  haben  könnten, 
sie  mit  solcher  Vorliebe  auszuspinnen. 

Die  letzten  Regierungs jähre  des  Abtes  Ulrich  III., 
welcher  zugleich  die  Würde  eines  Patriarchen  von  Aquileja 
bekleidete,  scheinen  für  S.  Gallen  in  Buhe  verflossen  zu 
sein 2.  Nach  seinem  Tode  kam  es  zu  einer  Doppelwahl, 
welche  das  Kloster  in  arge  Noth  versetzte.  Damals,  zu 
Ende  1122  oder  im  Laufe  des  Jahres  1123 3,  hatte  wirk- 
lich der  Kaiser  Gelegenheit,  in  die  Angelegenheiten  des 
Klosters  einzugreifen,  indem  sich  Manegold,  der  eine  der 
beiden  erwählten,  persönlich  an  Heinrich  V.  wandte  und 
dieser  ihm,  auf  Grund  einer  vom  Hofgerichte  getroffenen 
Entscheidung  die  Abtswürde  zusprach.  Von  der  Geschichte 
Kerhards  aber  unterscheidet  sich  dieses  Ereignis  schon  in- 
sofern, als  es  hier  der  Abt  ist,  der  den  Kaiser  aufsucht, 
als  keine  Vorladung  erfolgt  ist,  und  vor  allem  dadurch, 
dass  der  Streit  infolge  einer  zwiespältigen  Wahl  ent- 
standen ist,  nicht  aber  aus  Mishelligkeiten  über  die  Ver- 
waltung, wie  es  von  Kerhard  erzählt  wird.  Grössere  Aehn- 
lichkeit  mit  dem  Bericht  der  Continuatio  über  Kerhard 
zeigen  daher  die  Verhältnisse,  welche  nach  dem  Tode 
Manegolds,  in  den  ersten  Jahren  des  Abtes  Werinher  in 
S.  Gallen  eintraten.  Bald  nach  seiner  einhellig  erfolgten 
Wahl  gerieth  dieser,  wie  es  scheint  um  der  kirchlichen 
Disciplin  willen,  mit  seinen  Mönchen  in  Zwist  und  führte 
deshalb  Klage  bei  dem  päpstlichen  Legaten  Cardinal 
Dietwin.  Erzürnt  beschlossen  die  Mönche  einmüthig  ihrem 
Abte  Widerstand  zu  leisten.  Eine  Anzahl  Klagepunkte 
wurden  aufgesetzt  und  es  wäre  wohl  zu  offenem  Conflict 
gekommen,  wenn  nicht  der  Propst  Werinher  seine  Mit- 
brüder zur  Nachgiebigkeit  bestimmt  hätte.  Von  nun  an, 
so  erzählt  der  Continuator,    erwies  der  Abt  äusserlich  den 


1)  Dass  viele  Züge  dieser  Erzählung  'aus  der  Zeit  des  Verf.  heraus 
gedacht'  seien  und  für  jene  des  Abtes  Kerhard  nicht  passen,  hat  Meyer 
von  Knonau   a.  a.  0.  S.  VI  f.  19  ff.    mehrfach  betont.  2)  Meyer  von 

Knonau  a.  a.  0.    S.  91,   Anm.  236.  3)  Meyer  von  Knonau   a.  a.  O. 

S.  98,  Anm.  249. 


370  Wilhelm  Erben. 

Mönchen  alle  Liebe,  im  Innern  aber  bewahrte  er  ihnen 
den  alten  Hass  1. 

Auch  dieser  Vorgang  deckt  sich  nicht  ganz  mit  dem, 
was  über  Kerhard  überliefert  ist,  aber  eine  gewisse  Aehn- 
lichkeit  ist  ohne  Zweifel  vorhanden.  Hier  wie  dort  ist 
Unzufriedenheit  mit  dem  Regiment  des  Abtes  die  Ver- 
anlassung zu  gemeinsamem  und  verabredetem  Vorgehen  der 
Mönche  gegen  denselben  und  es  kommt  hier  wie  dort  zu 
der  Aufzeichnung  der  wider  ihn  vorliegenden  Beschwerden 2 ; 
beidemale  wird  der  Streit  durch  die  Bemühungen  ver- 
mittelnder Personen  äusserlich  beigelegt;  der  Abt  bleibt 
in  seiner  Würde  und  die  Verstimmung  besteht  fort.  Es 
liegt  also  nahe  zu  denken,  dass  es  die  Verhältnisse  unter 
Werinher  gewesen  sind,  welche  dem  ersten  Fortsetzer  die 
Geschichte  von  dem  bösen  Abte  Kerhard  eingegeben  haben; 
als  abschreckendes  Beispiel  für  den  gegenwärtig-en  Abt 
mag  er  sie  ersonnen,  oder  wenn  ihm  ein  wahrer  Kern  vor- 
lag, in  so  auffälliger  Weise  ausgeschmückt  haben. 

Diese  Erwägung  lässt  vermuthen,  dass  der  erste  Fort- 
setzer in  den  ersten  Jahren  des  Abtes  Werinher,  also  etwa 
um  1140  an  der  Arbeit  gewesen  ist.  Die  Klage  Werinhers 
bei  dem  Cardinal  Dietwin  dürfte  1134  oder  1135  anzu- 
setzen sein 3.  Es  wäre  nicht  ausgeschlossen,  dass  auch  von 
Seiten  der  Mönche  ein  ähnlicher  Schritt  unternommen 
worden  wäre,  dass  sie  sich  gleichzeitig  oder  bald  hernach 
klagend  an  den  Kaiser  gewendet  hätten  und  dass  eine 
daraufhin  ergangene  Vorladung  des  Abtes  durch  Lothar 
jenes  Muster  abgegeben  hätte,  das  der  Chronist  zu  einem 
Briefe  Ottos  III.  verwendet  hat.  Die  Continuatio  weiss  aller- 
dings von  einer  Anrufung  des  Kaisers  durch  die  Mönche 
in  diesem  Falle  nichts;  nach  ihrer  Erzählung  hätte  das 
Eingreifen  des  Propstes  genügt,  die  Gemüther  zu  be- 
sänftigen. Aber  es  ist  nöthig,  sich  zu  erinnern,  dass  der 
Bericht  der  Continuatio  auch  hier,  wie  in  dem  früheren 
Abschnitt  im  Sinne  der  Mönche  abgefasst  ist  und  dass 
der  Abt  Werinher  für  die  erste  Zeit  seiner  Amtsführung 
ungünstig  beurtheilt  wird.  Wenn  wirklich  die  Mönche  ihre 
Klagen  bis  zum  Kaiser  gebracht  hätten  und  dann  abge- 
wiesen worden  wären,  hätte  ein  auf  Seite  der  Mönche 
stehender  Erzähler  nicht  Grund  gehabt,    ihren  auffälligen 

1)  Cont.  II,  c.  38,  bei  Meyer  v.  Knonau  S.  102  f.  2)  Dabei  ist 

die  Wiederkehr  des  Wortes  'capitula'  zu  beacbten,  dessen  sieb  die  Mönche 
in  ihrem  Brief  an  Otto  III.  (c.  8)  und  in  ihrer  Rede  (c.  11)  bedienen,  und 
das  dann  im  gleichen  Sinne  bei  der  Erzählung  des  Confüctes  unter  We- 
rinher (c.  38)  wiederkehrt.         3)  Meyer  v.  Knonau  S.  102,  Anm.  257. 


Nachträge  zu  d.  zweiten  Bande  d.  Diplomata -Ausgabe.     371 

und  doch  erfolglosen  Schritt  zu  verschweigen?  Das 
Schweigen  des  Continuators  ist  also  kein  Beweis  gegen 
die  Vermuthung,  dass  Kaiser  Lothar  in  ähnlicher  Weise 
an  Werinher  geschrieben  habe,  wie  nach  dem  gefälschten 
Briefe  Otto  III.  an  Kerhard.  Zu  erweisen  ist  indes  diese 
Vermuthung  nicht,  und  es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass 
der  Wortlaut  des  von  dem  Fälscher  benutzten  echten 
Kaiserbriefes  anderen  Inhalts  gewesen  ist,  als  die  Fäl- 
schung und  dass  er  sich  auf  andere  Angelegenheiten  be- 
zogen hat,  als  auf  den  Streit  Werinhers  mit  seinen  Mönchen. 


X. 


Studien 


Thüringischen  Geschichtsquellen, 


i. 


Von 


Oswald  Holder -Egger. 


Neues  Arohiv  etc.    XX.  25 


JVlir  ist  die  Aufgabe  zugefallen,  die  beiden  grossen 
Thüringischen  Chroniken  von  St.  Peter  in  Erfurt  und  Rein- 
hardsbrunn für  die  Monumenta  zu  bearbeiten.  Diese  Auf- 
gabe so  zu  lösen,  wie  die  Anforderungen  der  modernen 
Kritik  erheischen  und  das  vorhandene  Material  es  zulässt, 
ist  nur  möglich,  wenn  vorher  eine  ganze  Reihe  kritischer 
Fragen,  die  äusserst  verwickelt,  zum  Theil  ganz  gewaltige 
Schwierigkeiten  bieten,  richtig  beantwortet  ist,  oder,  wo 
deren  sichere  Lösung  sich  als  unmöglich  herausstellt,  sie 
doch  so  weit  klar  gestellt  sind,  dass  man  sich  der  kriti- 
schen Consequenzen  bewusst  wird,  die  sich  ergeben  würden, 
je  nachdem  die  Entscheidung  nach  dieser  oder  jener  Seite 
erfolgte. 

Da  die  Chronik  von  Erfurt  grossen  Theils  in  die  Rein- 
hardsbrunner  aufgenommen  ist,  da  das  Quellenmaterial  der 
beiden  Hirschauer  Zwillingsklöster,  welches  in  jenen  grossen 
Compilationen  verarbeitet  ist,  zum  Theil  dasselbe,  zum  Theil 
unter  einander  verwandt  ist,  so  lässt  sich  eine  brauchbare 
Ausgabe  der  einen  nicht  ohne  die  der  andern  herstellen. 
Die  kritischen  Fragen,  welche  vor  der  Bearbeitung  der 
einen  wie  der  andern  gelöst  werden  müssen,  verschlingen 
sich  auf  das  mannigfachste  mit  einander.  Da  die  Cronica 
S.  Petri  Erphesfurtensis  moderna1  von  1078 — 1352,  die 
früher  durch  den  hässlichen  Titel  Chronicon  Sampetri- 
num  verunziert  wurde,  im  wesentlichen  nur  in  einer, 
ziemlich  jungen,  Handschrift  überliefert  ist,  die  Chronik 
von  Reinhardsbrunn  bis  1337  aber  überhaupt  nicht  ganz 
vollständig  erhalten  ist,  sondern  nur  grosse,  freilich  über- 
aus umfangreiche  Partieen  von  ihr  in  einer  Hs.  der  Gesta 
archiepiscoporum  Magdeburgensium  eingelegt  sind,  der  Text 
derselben  vom  Abschreiber  vielfach  verstümmelt,  verdorben, 
zuweilen  verkürzt  ist,  beide  Chroniken  aber  in  der  späteren 
historischen  Litteratur  Thüringens  vielfach  benutzt  sind, 
so  mussten  alle  späteren  Werke,  in  denen  jene  ausgeschrie- 
ben  sind,    herangezogen  werden,    theils   um  den  Text  der- 


1)  Vgl.  N.  A.  XIX,  151. 

25* 


376  Oswald  Holder  -  Egger. 

selben  zu  bessern  oder  zu  vervollständigen,  theils  um  die 
wichtigsten  Fragen,  wie  über  die  erste  Abfassungszeit,  ihren 
ursprünglichen  Bestand,  über  ältere  Formen  dieser  Compi- 
lationen,  der  Lösung  näher  zu  bringen.  Von  jenen  späteren 
Thüringischen  Werken  sind  aber  einige  noch  gar  nicht  oder 
nur  unvollständig  publiciert,  und  die  Ausgaben,  welche 
existieren,  sind  meist  so  beschaffen,  dass  sie  für  die  Be- 
handlung kritischer  Fragen  keine  Unterlage  bieten  können. 
Es  musste  also  die  handschriftliche  Ueberlieferung  in  weitem 
Umfang  herangezogen  werden. 

Schon  viel  ist  über  die  Chroniken  von  Erfurt  und 
Reinhardsbrunn  geschrieben,  namentlich  haben  Otto  Posse 
und  Karl  Wenck  manche  Fragen  endgültig  gelöst,  die 
Lösung  anderer  wesentlich  gefördert,  der  Letztere  auch 
durch  Publikation  früher  unbekannten  Materiales.  Das 
muss  ich  hier  im  allgemeinen  besonders  betonen  und  werde 
ich  in  den  weiteren  Erörterungen  um  so  mehr  hervorheben, 
da  ich  in  manchen  Punkten  deren  Ansichten  widersprechen 
muss. 

Zunächst  will  ich,  scheinbar  von  dem  Ende  ausgehend, 
eine  Quellengruppe  behandeln,  über  die  noch  völlige  Un- 
klarheit herrscht. 


I.   Ueber  die  Thüringischen  Landgrafengeschichten. 

Zwei  unter  sich  nah  verwandte,  aber  doch  sehr  ver- 
schiedene Werke  sind  unter  dem  Titel  'Historia  de  land- 
graviis  Thuringiae'  herausgegeben,  die  eine  von  Noe  bis 
1426  reichend  von  Pistorius *  in  Rerum  Germ.  Script.  I, 
908 — 955,  wiederholt  in  der  Ausgabe  von  Struve  I,  1296 — 
1365,  die  zweite  vom  J.  1025 — 1430  von  J.  G.  Eccard,  Hist. 
genealogica  principum  Saxoniae  superioris  col.  351 — 468. 
Danach  hat  man  sich  gewöhnt,  die  eine  als  Hist.  de  landgr. 
Pistoriana,  die  andere  als  Hist.  de  landgr.  Eccardiana2  zu 
citieren.  Aber  der  Titel  passt  auf  die  erstere  nicht  völlig, 
auf  die  letztere  garnicht,  da  jene  in  ihrem  Haupttheil  aller- 
dings die  Geschichte  der  Thüringer  Landgrafen  fast  aus- 
schliesslich, aber  auch  die  Geschichte  der  Thüringer  vor 
den  Landgrafen,  schon  von  ihrem  ersten  Auftreten  an  (an- 
geblich  um   das   Ende   des   dritten   Weltalters   vor   König 


1)  Diese  mit  dem  durchaus  irrigen  Zusatz  'Erphesfordensis  ano- 
nymi  scriptoris'.  2)  In  älteren  "Werken  wird  diese  oft  unter  dem  Titel 
Auetor  de  ortu  lantgraviorum  Thuringiae  nach  der  Ueberschrift  des  ersten 
Abschnittes  citiert. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  377 

David)  behandelt,  die  zweite  neben  der  Landgraf  engeschichte 
auch  Universalgeschichte  der  Kaiser  und  Päpste  enthält. 
Wir  beschäftigen  uns  zunächst  nur  mit  der  Hist.  de  landgr. 
Pistoriana,  indem  wir  vorläufig  diesen  Titel  beibehalten. 

Die  verlorene  Hs.,  aus  welcher  Pistorius  die  Land- 
grafengeschichte abdruckte,  ist  dieselbe,  wie  er  selbst  sagt, 
in  welcher  er  Lamberts  Annalen  —  in  Wahrheit  nur  Ex- 
cerpte  derselben  —  benutzte.  Ich  habe  über  sie  schon 
N.  A.  XIX,  155  f.  gehandelt1,  gezeigt,  dass  sie  auf  das 
nächste  dem  von  Hartmann  Schedel  geschriebenen  Codex 
Monacensis  Lat.  593  verwandt  war,  dass  sie  im  wesent- 
lichen dieselben  Stücke  wie  dieser  enthielt,  und  habe  daher 
vermuthet,  dass  auch  sie  von  H.  Schedel  ehedem  geschrie- 
ben, dass  sie  diejenige  war,  welche  dieser,  wie  er  in  Clm.  593 
sagt,  dem  Abte  Johann  von  Tritheim  geliehen,  von  diesem 
aber  nicht  zurück  erhalten  hatte.  Wir  werden  weiter  unten 
eine  Thatsache  zu  constatieren  haben,  welche  diese  Ver- 
muthung  durchaus  zu  bestätigen  scheint. 

In  der  That  zeigt  nun  auch  die  Vergleichung  von 
Schedels  Hs.  593  mit  Pistorius'  Druck  eine  solche  Ueber- 
einstimmung,  wie  sie  sich  kaum  noch  erklären  lässt,  wenn 
jene  und  Pistorius'  Hs.  von  verschiedenen  Schreibern  aus 
demselben  Codex  abgeschrieben  waren.  Beide  schliessen 
unter  dem  Jahr  1426  mit  denselben  Worten  ('sicut  per 
hostes  interfecti  fuerunt').  Mit  Ausnahme  des  gefälschten 
Privilegs  Konrads  IL  für  Reinhardsbrunn,  welches  Pisto- 
rius in  C.  11  bietet,  Schedel  aber,  wie  ich  schon  N.  A. 
XIX,  156,  N.  3  bemerkte,  nicht  hat,  das  aber,  wie  ich 
gleich  hier  bemerken  will,  dem  originalen  Werk  nicht  an- 
gehört, sondern  nur  in  Pistorius'  Hs.  oder  gar  erst  von 
diesem  selbst  an  dieser  Stelle  eingefügt  war,  bieten  Beide 
genau  denselben  Textbestand1,  dieselbe  Anordnung,  sie 
haben  zahllose  Varianten,  grobe  Lesefehler  und  falsche 
vermeintliche  Besserungen  gegenüber  der  originalen  Ueber- 
lieferung  gemein,  namentlich  in  den  Capitel-Ueberschriften 
zeigen  sie  die  gleichen  Abweichungen  von  jener,  auch 
fehlen  bei  Beiden  dieselben  Nachrichten,  welche  der  ori- 
ginale Text  bietet. 

Will  man  sich  über  den  ursprünglichen  Bestand  des 
Werkes  und,  was  davon  in  erster  Linie  abhängt,  dessen 
Abfassungszeit  unterrichten,  so  darf  man  sich  freilich  mit 


1)  Vgl.  SS.  R.  Germ.,  Lamperti  opera  p.  LV  sq.  2)  Abgesehen 
nur  von  wenigen  Sätzen,  welche  bei  Pistorius  durch  Versehen  ausge- 
fallen sind. 


378  Oswald  Holder -Egger. 

der  Ausgabe  und  Schedels  Hs.  nicht  begnügen1,  sondern 
muss  zu  weiterem  handschriftlichem  Material  greifen.  Und 
wir  sind  hier  in  der  denkbar  günstigsten  Lage.  Gr.  Waitz 
beschrieb  die  Hs.  der  Hist.  de  landgr.  Pistoriana  der  Uni- 
versitätsbibliothek zu  Jena  Ms.  Buder.  4.  n.  12  im  Archiv 
XI,  402 2,  und  da  er  darin  'zahlreiche  Zusätze  am  Rande 
und  Verbesserungen  im  Texte'  fand  und  sah,  dass  'die 
letzten  Jahre  mit  verschiedener  Dinte  geschrieben  und 
Platz  für  Zusätze  gelassen  war',  bemerkte  er:  'Der  Codex 
scheint  Autographon  zu  sein'.  Hätte  er  Anlass  gehabt, 
sich  näher  mit  der  Hs.  zu  beschäftigen,  so  würde  er  sein 
vorsichtiges  'scheint  zu  sein'  sehr  bald  in  ein  apodiktisches 
'ist,  wie  auf  das  klarste  erhellt,  ein  Autographon'  verwan- 
delt haben.  Denn  nichts  kann  sicherer  sein.  Schon  ein 
äusserer  Umstand  kann  dafür  geltend  gemacht  werden. 
Sehr  richtig  hat  Wenck  a.  a.  O.  S.  58  f.  bemerkt,  was  schon 
Michelsen 3  sah,  und  was  Niemand,  der  das  Werk  mit  Auf- 
merksamkeit liest,  verborgen  bleiben  kann,  dass  wegen  der 
Menge  Eisenacker  Lokalnachrichten  und  namentlich  wegen 
der  beträchtlich  grossen  Zahl  von  Nachrichten  über  die 
Eisenacher  Dominikaner  und  über  die  Predigerbrüder  in 
Thüringen  überhaupt  das  Werk  von  einem  Eisenacher 
Dominikaner  geschrieben  sein  muss.  Nun  war  die  Jenenser 
Hs.,  wie  an  zwei  Stellen  derselben  eingeschrieben  ist,  und 
zwar  an  der  einen  von  einer  Hand  des  XV.  Jahrh.,  an  der 
andern  im  Jahr  1520,  'Liber  fratrum  Predicatorum  in  Yse- 
nach',  befand  sich  also  in  dem  Convent,  in  welchem  der 
Verfasser  schrieb,  und  wo  seine  Original -Hs.  aller  Voraus- 
setzung nach  verbleiben  inusste.  Sicher  aber  erweisen  die 
Originalität  der  Hs.  eben  jene  zahlreichen  Verbesserungen 
im  Texte  und  Zusätze  am  Pande,  welche  durchweg  solchen 
Charakters  sind,  dass  sie  nicht  von  einem  Abschreiber, 
welcher  sich  verschrieb  oder  durch  Versehen  Sätze  weg- 
gelassen hatte,  sondern  nur  von  dem  bessernden  und  er- 
gänzenden Verfasser  herrühren  können.  Und  diese  Besse- 
rungen sind,  soweit  sie  für  die  Abschreiber  lesbar  waren, 
durchweg,  die  Zusätze  grösstentheils  in  die  späteren  Hss. 
übergegangen.  Einzelne  wurden  von  diesem  oder  jenem 
Abschreiber,    sei   es   aus  Versehen,    sei   es,    dass  er  sie   als 


1)  Dass  C.  Wenck,  Entstehung  der  Reinhardsbrunner  Geschichts- 
bücher S.  57  ff.  allein  auf  Grund  der  Ausgaben  über  die  Landgrafen- . 
geschichten  zu  handeln  versuchte,  hat  ihn  zu  Irrthum  führen  müssen. 
2)  Vgl.  Karl  Herrmann,  Bibliotheca  Erfurtina  S.  65  ff,  wo  noch  andere 
Hss.  der  Landgrafengeschichte  aufgeführt  sind.  3)  Zeitschrift  d.  V.  für 
Thüringische  Geschichte  u.  Alt.  IV,  363. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.         379 

fremdartige  betrachtete,  fortgelassen.  Und  gerade  dies 
auch  erweist  die  Originalität  der  Jenenser  Hs.,  dass  sich 
ein  Theil  dieser  Zusätze  nur  in  einer  Gruppe  der  späteren 
Ueberlieferung  findet,  während  er  in  einer  andern  weg- 
gelassen ist,  die  dafür  andere  Zusätze  der  Original -Hs. 
bietet,  welche  wieder  in  jenen  andern  Codices  übergan- 
gen sind.  Von  den  zahlreichen  Zusätzen,  welche  die  Thätig- 
keit  des  ändernden  Verfassers  durchaus  deutlich  zeigen, 
führe  ich  wenigstens  einen  an.  In  C.  12  bei  Pistorius  (C.  11 
der  richtigen  Zählung x)  lautete  ein  Satz  nach  der  Jenenser 
Hs.  ursprünglich:  'De  qua  Cecilia  genuit  duos  filios,  sci- 
licet  Ludewicum,  qui  sibi  successit  in  comitatu  Thuringie, 
et  Berngeruni,  qui  post  mortem  patris  habitavit  in  Sangir- 
husen'.  Das  entnahm  der  Verfasser  mit  der  bei  ihm  ge- 
wöhnlichen Abänderung  und  Erweiterung  der  Worte  aus 
dem  Liber  cronicorum  Erfordensis 2,  wo  es  heisst :  'accepit 
in  coniugium  .  .  .  Ceciliam  .  .  .  Per  quam  suscepit  duos 
liberos,  Ludewicum  et  Beringerum  comites',  und  weiter 
unten  'relinquens  duos  filios,  Ludewicum  ...  et  Berin- 
gerum, qui  habitavit  in  Sangerhusen'.  Nachträglich  aber 
fügte  des  Schreibers  Hand  in  der  Jenenser  He.  am  unteren 
Rande  gegen  seine  Quelle  und  gegen  die  historische  Wahr- 
heit, gegen  die  er  sich  überaus  häufig  in  purer  Willkür 
auf  das  gröblichste  versündigt,  hinzu:  'et  tercium  Heynri- 
cum,  qui  dicebatur  Raspe,  ex  eo  quod  castrum  Raspenberg 
construxit  et  ibi  habitavit',  und  änderte  in  Folge  dessen 
in  dem  obigen  Satz  'duos',  indem  er  eo  tilgte  und  'tres' 
überschrieb.  Diese  Aenderung  und  jener  Zusatz  sind  in 
den  Druck  des  Pistorius  und  in  die  mir  bekannten  späteren 
Hss.  übergegangen.  Daraus  dürfte  sich  schon  folgern 
lassen,  dass  der  Schreiber  des  Jenenser  Codex  auch  der 
Verfasser  des  Werkes  war. 

Mit  absoluter  Sicherheit  aber  ergiebt  sich  das  aus 
einigen  Stellen,  die  er  an  einer  Stelle  tilgte,  um  sie  an 
anderem  Orte  in  anderer  Form  zu  wiederholen.  Hinter 
C.  14  des  Pistorius  folgt  in  der  Jenenser  Hs.  f.  15  folgender 

1)  Die  Capitelzählung  bei  Pistorius  stimmt  mit  der  originalen  nur 
bis  C.  8  überein.  Von  da  an  hat  Pistorius  überall  da,  wo  in  seiner  Hs. 
(genau  wie  in  der  Schedeischen)  eine  rothe  Ueberschrift  stand,  ein  neues 
Capitel  gezählt.  Die  Original -Hs.  beginnt  aber  weiterhin  neues  Capitel 
nur  mit  der  Geschichte  je  eines  der  Thüringischen  Grafen  (der  Ludwige), 
später  der  Landgrafen,  von  denen  die  meisten  dann  durch  Ueberschriften 
noch  in  viele  Unterabschnitte  getheilt  sind.  Es  finden  sich  da  zwar  keine 
Capitelzahlen,  aber  nur  bei  Beginn  je  einer  Grafen-  bezw.  Landgrafen- 
geschichte ist  rothe  Initiale  gesetzt.  Sie  hat  somit  nur  24  Capitel  gegen 
162  bei  Pistorius.         2)  GQ.  der  Provinz  Sachsen  I,  202. 


380  Oswald  Holder  -  Egger. 

Abschnitt:  'Anno  Domini  M°LXX.  Heynricus  quartns  Eo- 
manorum  rex  pugnavit  cum  Saxonibus  inter  Neylstet  et 
Homborg 1,  et  multi  ex  utraque  parte  occisi  sunt,  et  rex 
triumphavit  cum  adiutorio  Ludewici  comitis  Thuringie, 
cognati  sui 2.  Eodem  anno  Tycicho  marchio  de  Landisberg 
cum  amicis  et  cognatis  comitis  palatini  occisi  per  Ludewi- 
cum  comitem  Thuringie  manu  valida  Thuringiam  intravit 
et  depopulare 3  nitebatur.  Sed  mox  per  exercitum  regis 
Heinrici  conpescitur,  et  filius  Tethiconis  per  proprium  ser- 
vum4  occiditur,  et  duo  castra  marchionis,  que  habuit  in 
Thuringia,  scilicet  Schydingen  et  Biclielingen,  destruuntur, 
et  non  longe  post  hoc  etiam  Tethico  marchio  moritur' 5. 
Die  ganze  hier  abgedruckte  Stelle  tilgte  der  Schreiber  aber 
wieder,  sie  findet  sich  weder  im  Druck  noch  in  andern 
Hss.,  dagegen  sowohl  in  allen  diesen  wie  in  der  Jenenser 
dasselbe  weiter  unten  in  anderer  Form,  nämlich  in  C.  16 
bei  Pistorius  (=  C.  12,  §  5):  'Primuni  bellum  habuerunt 
in  Thuringia  inter  Homborg  et  Neylstet,  ubi  multi  potentes 
ceciderunt  ex  utraque 6,  et  Saxones  f ugam  inierunt' 7.    Und 


1)  Wo  das  hergenommen  ist,  was  sich  in  den  später  aufzuführen- 
den mir  bekannten  Quellen  des  Werkes  so  nicht  findet,  wollen  wir  nach- 
her zu  ermitteln  suchen.  2)  Die  Worte  'cum  —  cognati '  durchstrich  der 
Schreiber  schon  früher,  ehe  er  die  ganze  Stelle  tilgte  ('sui'  Hess  er  damals 
aus  Versehen  stehen).  Sie  enthalten  eine  vollständig  unbegründete  Erfin- 
dung in  maiorem  gloriam  des  Grafen  Ludwig,  wie  der  Autor  solche  massen- 
haft zu  Gunsten  des  von  ihm  verherrlichten  Landgrafenhauses  producierte. 
Wenn  Graf  Ludwig  an  der  Schlacht  bei  Homburg  1075  Theil  nahm,  was 
wir  nicht  wissen,  ist  es  wahrscheinlicher,  dass  er  auf  Seiten  der  Sachsen 
focht.  Der  Verfasser  beseitigte  die  Worte  wohl  deshalb  wieder,  weil  er 
bei  Fortsetzung  seiner  Arbeit  fand,  dass  seine  Quellen  nur  von  Feindschaft 
zwischen  König  Heinrich  IV.  und  Graf  Ludwig  H.  zu  berichten  wussten. 
3)  So  die  Hs.  Der  Verf.  war  der  lateinischen  Grammatik  sehr  wenig 
kundig  und  versündigte  sich  oft  viel  stärker  als  durch  solche  Form  an 
ihr.  4)  'per  pr.  servum'  ist  von  des  Schreibers  Hand  aus  der  Quelle 

am  Rande  ergänzt.  5)  Diese  Nachricht  ist  gemacht  aus  der  des  Liber 
cron.  Erford.  1.  1.  p.  203:  'A.  D.  MLXX.  Thecico  marchio  tyrannidem 
in  regias  partes  orditur,  qüi  tarnen  mox  a  rege  Heinrico  conpescitur,  sci- 
licet castellis  suis  Bichelingen  et  Schidingen  destructis,  filio  quoque  suo  a 
proprio  servo  interempto.  Ipse  postmodum  in  brevi  moritur'.  Was  hier- 
mit im  obigen  Text  nicht  übereinstimmt,  ist  pure  Erfindung  oder  Con- 
jectur   des   Eisenacher  Verfassers.  6)  'parte',  was  Pist.  und  Schedel 

hinzusetzen,   ist   nicht  original.  7)  Dies  ist  grösstentheils  der  Erfurter 

St.  Peters  -  Chronik,  aber  wohl  nicht  der  bisher  publicierten  Fassung,  son- 
dern eher  einer  bisher  ungedruckten,  über  die  ich  weiter  unten  handele, 
entnommen,  wo  es  heisst :  'Bellum  primum  iuxta  Neylstete  prope  Unstrut 
committitur  .  .  .  a  Saxonibus  contra  regem  Heinricum.  Ubi  multi  po- 
tentes ex  utraque  parte  ceciderunt,  et  Saxones  fugam  inierunt'.  Die  ersten 
Worte  aber  stimmen  viel  näher  mit  der  getilgten  Stelle  oben,  die  unbe- 
kannter Quelle  entstammten. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsqiiellen.    I.  381 

nachdem  fünf  Schlachten  zwischen  den  Sachsen  und  Hein- 
rich IV.  nach  der  St.  Peters  -  Chronik  und  dem  Liber  cron. 
Erford.  aufgezählt  sind,  heisst  es:  'Etiam  infra  idem  tem- 
pus  Tyzcico  marchio  de  Landesberg-  Orientalis  cum  amicis 
et  cognatis  comitis  palatini  occisi  per  Ludewicum  comitem 
Thuringie1  manu  valida  intravit  Thuringiam  et  depopulare2 
nitebatur ;  sed  mox  exercitus  regis,  qui  fuit  in  Northusen 3, 
audiens  interesse  Saxones,  restiterunt  et  ipsos  fugaverunt 
et  duo  castra  marchionis,  scilicet  Bychelingen  et  Schydin- 
gen,  destruxerunt.  Et  ibidem  filius  marchionis4  per  pro- 
prium servum 5  occiditur ;  et  non  longe  etiam  post  hoc 
Tyzcico  marchio  moritur'.  Vergleicht  man  diese  Stelle  mit 
der  getilgten  oben,  so  sieht  man  sofort,  dass  der  Autor 
hier  seine  unsinnigen  Conjecturen  der  früheren  wieder- 
holte, aber,  indem  er  noch  weitere  Erdichtungen  einflocht, 
sich  in  der  letzteren  noch  weiter  von  der  Quelle,  dem  Liber 
cron.  Erford.,  den  er  hier  nicht  mehr  heranzog,  entfernte. 
Die  zweite  Stelle  über  die  Schlacht  bei  Homburg  hat  er 
durch  Benutzung  der  auch  sonst  oft  von  ihm  abgeschrie- 
benen Erfurter  St.  Peters  -  Chronik  abgeändert.  Es  kann 
nun  kein  Zweifel  mehr  sein,  dass  der  Schreiber  der  Je- 
nenser  Hs.  der  Verfasser  des  Werkes  ist,  der  es  für  ange- 
messen hielt,  den  früher  concipierten  Abschnitt  in  an- 
derem .Zusammenhange,  indem  er  die  übrigen  Sachsen- 
kämpfe Heinrichs  IV.  dazwischen  schob,  zu  bringen. 

Ferner  im  60.  Capitel  des  Pistorius  (=  C.  19,  §  6) 
steht  unter  dem  Jahr  1261  in  der  Jenenser  Hs.  folgende 
getilgte  Stelle,  die  sich  wiederum  weder  bei  Pistorius  noch 
in  den  übrigen  Hss.  findet:  'Eodem  anno  turres  ecclesie 
sancte  Marie  in  Ysenach  muro  civitatis  annexe  sunt  de- 
structe  per  cives,  timentes  incastellari  a  marchione'  (Hein- 
rich dem  Erlauchten  im  Thüringischen  Erbfolgekriege,  da 
die  Eisenacher  auf  Seite  Heinrichs  von  Brabant  und  seiner 
Mutter  Sophie  standen)  'vel  a  suis'.  Was  hier  getilgt  ist, 
findet  sich  aber  sowohl  in  der  Jenenser  wie  in  den  andern 
Hss.  und  bei  Pistorius  (C.  81  =  C.  20,  §  18)  unter  dem 
Jahr  1306  wieder,  wo  von  dem  Kampf  zwischen  den  Söhnen 
Albrechts  des  Entarteten  und  den  Eisenachern,  die  auf 
Seiten  des  Vaters  standen,  die  Rede  ist.  Es  heisst  da: 
'Eodem  anno  cives  Ysenacenses  tantum  infestati  per  filios 

1)  'Thur.  —  intravit1  fehlt  bei  Pist.  und  Schedel.  2)  So  die  Hss. 
3)  Ich  weiss  durchaus  nicht  anzugeben,  wie  der  Autor  dazu  kam,  die 
Worte  'qui  —  Northusen'  einzuflechten.  Falsch  ist  das  sicher.  4)  Pist. 
hat  'march',  wie  die  Hss.  haben,   falsch  aufgelöst.  5)  Seh.  hat  nur  f., 

Pist.  falsch  'fratrem'. 


382  Oswald  Holder -Egger. 

lantgravii,  timentes  tradi  per  castruni  in  civitate  eorum, 
de  voluntate  Alberti  lantgravii,  data  sibi  pecunia,  funditus 
everterunt  et  sirniliter  turres  in  ecclesia  sancte  Marie,  an- 
nexe 1  muro  civitatis'.  Der  Haupttheil  der  Nachricht  ist 
wieder  aus  der  Erfurter  Peters  -  Chronik  entnommen,  welche 
berichtet:  'A.  D.  1306.  Cives  Ysinacenses  castrum  quod  erat 
in  sua  civitate  de  voluntate  Alberti  senioris  lantgravii  Thu- 
ringie,  data  ei  pecunia,  funditus  everterunt'.  Also  nur  die 
oben  beim  Jahr  1261  getilgte  Nachricht  über  die  Zerstö- 
rung der  Thürme  von  St.  Marien,  welche  an  die  Stadtmauer 
stiessen,  ist  hier  selbständig  vom  Verfasser  eingefügt.  Die 
Erklärung  der  Erscheinung  ist  einfach :  Der  Eisenacher 
Autor  wusste  vom  Hörensagen,  dass  jene  Thürme  einmal 
zu  Kriegszeiten  niedergelegt  worden  seien.  Er  brachte 
diese  Nachricht  erst  unter  dem  Jahr  1261  bei  dem  Angriff 
Heinrichs  des  Erlauchten  auf  die  Stadt,  dann  dünkte  es 
ihm  aber  wahrscheinlicher,  dass  die  Sache  1306  bei  dem 
Kampf  der  Söhne  Albrechts  gegen  die  dem  Könige  Al- 
brecht anhängende  Stadt  passiert  sei;  er  tilgte  sie  also 
oben  und  brachte  sie  hier  unter.  Damit  werde  ich  eines 
weiteren  Beweises,  dass  die  Jenenser  Hs.  Originalconcept 
des  Verfassers  ist,  überhoben  sein,  obgleich  ich  noch  eine 
Fülle  von  Stellen  anführen  könnte,  welche  mit  Notwen- 
digkeit zu  demselben  Ergebnis  führen. 

Ein  interessantes  Beweismoment  dafür  ist  auch,  dass 
sich  zahlreiche  Lesefehler  der  späteren  Hss.  genau  und 
nur  aus  den  Abkürzungen2  der  Art  erklären,  wie  sie  in 
der  Jenenser  Hs.  geschrieben  sind.  So  z.  B.  heisst  es 
in  C.  13  (=  C.  12,  §  1):  'et  sepultus  in  Goczik  mona- 
sterio  prope  Nuenborg'  (nämlich  Friedrich,  Pfalzgraf  von 
Sachsen).  Nun  ist  in  dem  Ortsnamen  das  G  mit  Majuskel 
so  geschrieben,  dass  Go  täuschend  ähnlich  sieht  bö 3  (= 
Bonczik).  Also  machte  ein  Schreiber  in  einer  Copie  daraus 
'bötzik',  und  der  Compilator  der  Hist.  landgr.  Eccardiana, 
der,  wie  wir  sehen  werden,  eben  diese  Copie  benutzte, 
übernahm    natürlich    die    corrupte    Form4.     Ich   will    dem 


1)  So  die  Hss.  2)  Von  diesen  sind  übrigens  zahllose  genau  in 

der  starken  Verkürzung  wie  dort  in  späteren  Hss.  wiederholt.  3)  Aber 
am  Rande  steht  mit  Mennig  geschrieben:  'Monasterium  Grozzig'.  Die 
Nachricht  stammt  aus  Liber  cron.  Erford.  a.  1062,  1.  1.  p.  202.  4)  Bei 
Eccard  col.  356 :  'et  sepultus  in  Bonzcigk  monasterio  prope  Nuwinburgk'. 
Und  da  nun  Johann  Rothe  eben  wieder  diese  Compilation  ausschrieb,  Hess 
er  natürlich  (C.  341,  ed.  v.  Liliencron  p.  262)  den  Pfalzgrafen  auch  in 
dem  so  corrumpierten  Stifte  (Bonzigk)  statt  in  dem  bekannten  Groseck  be- 
graben werden.     Und  auf  Grund   dieser  beiden  Autoritäten  erbaute  dann 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  383 

Leser  nicht  mit  weiteren  ähnlich  aus  der  Jenenser  Hs.  zu 
erklärenden  Lesefehlern  der  späteren  Abschriften  lästig- 
fallen. Sie  sind  eben  sehr  zahlreich,  wie  sich  das  bei  der 
Beschaffenheit  des  Originals  von  selbst  ergiebt.  Diese 
Papier -Hs.,  welche  in  traurigem  Zustande  sich  jetzt  be- 
findet —  die  ersten  Blätter  sind  stark  verstümmelt;  sie 
hat  stark  durch  Feuchtigkeit  und  sonst  durch  schlechte 
Behandlung  gelitten;  als  ein  Familienvater  sie  studierte, 
hat  dessen  Büblein  zwei  Seiten  in  seiner  Weise  rescribiert, 
was  ein  Insasse  des  Eisenacher  Dominikanerconvents  be- 
sonders angemerkt  hat  —  ist  nicht  etwa  eine  Reinschrift 
des  Verfassers,  sondern,  wie  ich  schon  sagte,  sein  Concept, 
sein  erster  Entwurf.  Das  zeigt  neben  der  grossen  Menge 
von  Correcturen  und  Aenderungen  schon  ihre  äussere  Er- 
scheinung. Sie  ist  mit  sehr  blasser,  auf  dem  rauhen  Papier 
zu  leicht  flüssiger,  daher  oft  verlaufener  Tinte  1,  nachlässig 
mit  zahllosen  starken  Abkürzungen,  deren  richtige  Aui- 
lösung  nicht  jedem  Abschreiber  sofort  klar  werden  konnte, 
geschrieben.  Eine  Reinschrift  hat  der  Verfasser  sicher  nie 
angefertigt,  da  die  späteren  Hss.  auf  das  Concept  zurück- 
gehen und  die  stärksten  Spuren  von  dessen  schlechter  Les- 
barkeit aufweisen. 

In  der  Jenenser  Hs.  schrieb  die  Hand  des  Verfassers 
aber  ursprünglich  nur  bis  zum  Jahr  1395.  Im  138.  Ca- 
pitel  bei  Pistorius  nach  den  Worten  'sub  anno  Domini 
M°CCC°XCV.'  legte  sie  die  Feder  nieder2.  In  den  kurzen 
Notizen  der  Jahre  1396—1398  (Pist.  C.  138.  Ttein  a.  D. 
M°CCC°XCVI  —  C.  110.  Resenborg  in  Bohemia' 3)  wechselt 
die  Tinte  viermal.  Jeder  dieser  vier  Absätze4  ist  sicher 
zu  anderer  Zeit  hinzugefügt,  doch  halte  ich  es  nicht  nur 
für  wahrscheinlich,  sondern  für  sicher,  dass  sie  allmählich 
von  dem  Verfasser  selbst  noch  hinzugesetzt  sind,  wenn  die 
Züge  auch  jedesmal  ein  wenig  von  dem  Schriftcharakter 
des  vorigen  Absatzes  abweichen5.  Zu  verschiedener  Zeit, 
mit  anderer  Feder  und  Tinte  schreibend,  konnte  der  Autor 
auch  etwas  verschiedene  Schriftzüge  bilden.  Und  mit  voller 
Sicherheit  würde  man  noch  dem  Autor  des  Werkes  wenig- 
stens   die   ersten   drei  dieser  vier  Nachrichten  zuschreiben 


H.  Oesterley  in  seinem  Hist.  -  geogr.  Wörterbuch  S.  80  ein  Kloster  Bonzigk 
bei  Naumburg  a.  d.  Saale.  1)  Daher  war  schon  früh  manches  so  ver- 

blasst,  dass  es  von  andern  Händen  nachgezogen  wurde,  um  lesbar  ge- 
macht zu  werden.  2)  Der  bei  Pistorius  folgende  Satz:  'Haec  discordia 
—  potentiam'  steht  überhaupt  nicht  in  dieser  Hs.  3)  Bei  Pist.  steht 

davor  falsch  das  Jahr  1397  statt  1398.  4)  Der  Text  derselben  bei  Pist. 
ist  stark  verändert  und  verdorben.         5)  Vgl.  darüber  unten  S.  396  f. 


384  Oswald  Holder -Egger. 

müssen,  wenn  er  und  der  Illuminator  der  Hs.  identisch 
wären,  denn  die  Ueberschriften  der  Capitel  139.  140  bei 
Pist.  ('De  destructione  villarum  civitatis  Erfordie  per  Wil- 
helmum  marchionem'  und  'De  destructione  castri  Maris- 
felt')  sind  noch  von  derselben  Hand  geschrieben,  welche 
die  Ueberschriften  und  rothen  .Randnoten  des  ganzen 
Werkes  eintrug.  Aber  ich  muss  zugeben,  dass  gegen  diese 
Identität  Einwendungen  von  Gewicht  erhoben  werden 
können,  obgleich  ich  sie  dennoch  für  wahrscheinlich  halten 
muss  \  Sicher  ist,  dass  der  Illuminator,  wenn  er  nicht  der 
Verfasser  selbst  war,  bei  dessen  Lebzeiten  und  nach  dessen 
Vorschrift  gearbeitet  haben  muss. 

Es  ist  übrigens  keine  Frage  von  grosser  Wichtigkeit, 
von  wem  diese  vier  Nachrichten  herrühren :  sicher  ist,  dass 
das  folgende  (C.  141)  'A.  D.  1398.  Gerhardus'  von  der  Hand 
eines  anderen  Schreibers  herrührt,  welche  mit  dem  Jahr 
1402  aufhört,  dass  dann  noch  andere  Hände  weiteres  hin- 
zufügten. Da  nun  in  dem  Werk,  das  ursprünglich  mit  dem 
Jahr  1395  schloss,  nichts  auf  eine  spätere  Abfassungszeit 
hindeutet 2,  da  der  Autor  selbst  (oder  Andere)  Nachrichten 
zu  1396 — 1398  erst  später  hinzufügte,  da  dann  sicher  An- 
dere weitere  Fortsetzungen  anschlössen,  so  ergiebt  sich, 
dass  der  Eisenacher  Dominikaner  im  Jahr  1395  oder  1396 


1)  Nach  der  Vergleichung  der  Schriftzüge  zwischen  Text  und  Ueber- 
schriften rnüsste  man  eher  meinen,  dass  Schreiber  und  Illuminator  nicht 
identisch  sind.  Doch  ist  solche  Schlussfolge  sehr  problematisch,  da  hier, 
wie  gewöhnlich,  die  Ueberschriften  mit  grösseren  Schriftzügen  (wenn  auch 
meist  in  Minuskelform),  die  sich  eben  von  der  Textschrift  unterscheiden 
und  aus  dieser  heraustreten  sollten,  gebildet  wurden,  und  so  auch  von  der 
Schrift  desselben  Schreibers  sich  sehr  unterscheiden  konnten.  Aber  frei- 
lich beging  der  Illuminator  bei  seiner  Arbeit  einige  grobe  Versehen.  Er 
trug  z.  B.  die  Ueberschrift,  welche  Pist.  vor  sein  139.  Capitel  gesetzt  hat 
('De  destructione  villaruni  civitatis  Erfordie  per  Wilhelmum  marchionem'), 
an  der  Seite  der  Zeile  'culpa  —  durante'  ein  und  illuminierte  das  vom 
Schreiber  klein  geschriebene  'in'  (das  erste  Wort  des  C.  139)  in  'In',  wäh- 
rend der  Satz  lauten  muss :  'absolventes  advenientes  .  .  .  a  pena  et  a  culpa 
in  festo  nativitatis  Marie,  durante  gracia  per  octavas.  Infra  quas  octa- 
vas'  etc.  Durch  die  falsche  Illumination  wurden  die  Abschreiber  der  spä- 
teren Hss.  veranlasst,  mit  'In'  einen  neuen  Satz  zu  beginnen,  und  Pist.  be- 
gann damit  gar  ein  neues  Capitel.  Aber  ich  meine,  auch  der  Autor  konnte 
beim  Illuminieren,  sofern  er  flüchtig  verfuhr,  derartige  Fehler  begehen. 
2)  Bei  Pistorius  liest  man  zwar :  'et  duravit  (scisma)  XXXVI  annis  usque 
ad  concilium  Constantiense,  in  quo  electus  fuit  Martinus',  aber  die  Worte, 
welche  auf  Abfassung  nacb  dem  Jahr  1417  hindeuten  würden,  sind  späte 
Interpolation.  In  der  Original -Hs.  heisst  es  da  (C.  24,  §  4)  nur:  'et  du- 
ravit', und  ist  Raum  frei  gelassen  für  die  Einfügung  der  Jahrzahl,  in  wel- 
chen dann  viel  später  '40  annis'  hineingeschrieben  ist.  Man  sieht  also,  dass 
der  Autor  das  Ende  des  Schismas  nicht  erlebt  hat. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  385 

sein  Werk  schrieb  oder  vollendete,  dass  er  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  im  Jahr  1398/9  gestorben  ist  K 

Die  Frage,  wie  dieser  Predigerbruder  hiess,  zu  beant- 
worten, habe  ich  bis  jetzt  nicht  den  geringsten  Anhalt, 
obgleich  ich  nicht  sagen  will,  dass  sein  Name  nicht  doch 
noch  einmal  wird  ermittelt  werden  können.  Aus  seinem  Werk 
vermag  ich  keine  andere  Beziehung  zu  entnehmen,  als  dass 
er  dem  markgräflich  Meissnischen  und  landgräflich  Thürin- 
gischen Hause  sehr  ergeben  war.  Sicher  ist  ferner,  dass 
er  nicht  Heinricus  de  Frimaria  hiess.  Auf  dem  zweiten 
Schmutzblatt  der  Jenenser  Hs.  steht  zwar  dieser  Name, 
von  einer  Hand  des  17.  Jahrh.  geschrieben,  aber  mit  Ott. 
Lorenz 2  deswegen  anzunehmen,  dass  die  Hs.  damit  'die  be- 
stimmteste Hinweisung'  aiif  diesen  Mann  als  den  Autor 
des  Werkes  enthalte,  ist  doch  etwas  gewagt 3.  Hätte  man 
auch  Anlass,  zu  glauben,  dass  derjenige,  welcher  den  blossen 
Namen  hinschrieb,  seine  Meinung  kundgeben  wollte,  der 
Verfasser  dieses  Buches  sei  Heinrich  de  Frimaria  gewesen, 
so  ist  damit  noch  nicht  im  mindesten  erwiesen,  dass  diese 
richtig  war.  Der  Kritzler  hat  schwerlich  mehr  Möglich- 
keit gehabt,  den  Autornamen  zu  ermitteln  als  wir  heute 
zu  Tage.  Und  dass  der  bekannte  Theologe  dieses  Namens, 
der  schon  1323  Professor  der  Theologie,  aber  kein  Domini- 
kaner war,  nicht  im  Jahr  1395/6  dieses  Werk  eines  Eisenacher 
Dominikaners  verfasst  haben  kann,  liegt  auf  der  Hand. 

Nun  taucht  Heinrich  von  Friemar  aber  auch  in  der 
Litteratur  als  Autor  einer  Thüringischen  Chronik  auf. 
Unter     den     handschriftlichen    Quellen,     welche     Marcus 


1)  Wäre  er  von  Eisenach  nach  einem  anderen  Convent  versetzt 
worden,  so  würde  er  ohne  Zweifel  seine  Hs.  mitgenommen  haben,  da 
diese  aber  dem  Eisenacher  Convent  verblieb,  wird  er  dort  zur  angegebenen 
Zeit  gestorben  sein.  2)  DGQ.  II3,  103,  N.  1.  Obgleich  Wenck,  Entst. 
der  Reinh.  Gesch.  S.  61  die  vollkommene  Grundlosigkeit  der  Annahme 
der  Autorschaft  Heinrichs  von  Friemar  klar  gegen  Lorenz  nachgewiesen 
hat,  behielt  dieser  doch  in  der  neuesten  Auflage  seiner  GQ.  die  Sätze 
der  früheren,  welche  diesen  Heinrich  betreffen,  bei.  3)  Sonst  könnte 

Jemand  mit  dem  gleichen  Recht  behaupten,  der  Verfasser  sei  Bertold 
Grefenstein,  denn  auf  dem  letzten  Blatt  der  Hs.  (f.  57')  hat  unter  vielen 
anderen  Federproben  eine  Hand  des  15.  Jahrh.  'Bertoldus'  und  wieder 
'Bertoldus  Grefensteyn  Hermanni'  geschrieben.  Freilich  wissen  wir,  dass 
in  diesem  Falle  sicher  nicht  der  Autor  gemeint  ist.  Sondern  ein  Mann 
dieses  Namens  fertigte  im  Jahr  1454  eine  Copie  dieser  Hs.,  welche  sich 
jetzt  in  der  Fürstlich  Stolbergischen  Bibliothek  zu  Wernigerode  Za  41 
befindet,  und  verewigte  sich  auch  im  Original  durch  Einzeichnnng  seines 
Namens.  Denn  die  Wernigeroder  Hs.  trägt  die  Unterschrift:  'Completa 
sunt  hec  per  me  Bertoldum  Grefensteyn  sub  a.  D.  1454'.  Vgl.  N.  A. 
VUI,  205. 


386  Oswald  Holder -Egger. 

Wagner  aus  Friemar  für  sein  Buch:  'Thüringen  König- 
reichs .  .  .  wahrhafftiger  kurtzer  gegründter  Auszug' 
(Jhena  1593.  4°)  benutzte,  nennt  er  K2'  auch:  'Chronicon 
Heinrici  de  Frimaria  valde  vetustum  Latinum  de  Thuringia 
in  quarto  multis  in  locis  obesuni'.  Die  Merkmale,  die  er 
hier  angiebt  (in  Quart  und  stark  beschädigt),  passen  im 
Allgemeinen  auf  die  Jenaer  Hs.,  deshalb  hat  man  ange- 
nommen1, Wagner  habe  diese  Hs.  mit  jenem  Titel  be- 
zeichnet. Dass  das  aber  nicht  angeht,  hatte  bereits  Struve 2 
bemerkt.  Denn  Wagner  schreibt  J  4'  seines  Buches :  'Denn 
Gottinga  ist  ein  alt  Wort,  und  hat  nach  Aussage  der  alten 
geschrieben  Chronica  Heinrici  de  Frimaria  seine  gewisse 
Ankunfft  von  den  Gotthis'.  Nun  ist  aber  von  Göttingen 
nirgends  in  dem  Jenaer  Msc.  die  Rede,  und  die  Ableitung 
des  Namens  von  den  Gothen  deutet  auf  einen  Skribenten, 
der  schwerlich  lange  vor  1500  gelebt  hat.  Hun  fährt 
Wagner  fort,  das  Msc.  des  Heinricus  sei  'etwa  zu  Meintz 
ad  S.  Albanum  in  einem  codice  chartaceo  antiquicsimo  ge- 
wesen, und  noch  vielleicht  wohl  anzutreffen  sein  möchte, 
wenn  es  nicht  durch  die  Kriegs  -  Gurgel  verbrandt  wäre 
worden'.  Zu  Mainz  hat  er  sicher  die  Jenaer  Hs.  nicht  ge- 
sehen, und  verbrannt  ist  sie  auch  nicht.  Was  also  auch 
immer  die  Chronik  Heinrichs  von  Friemar  für  ein  Ding 
gewesen  sein  mag3,  sicher  ist,  dass  Wagner  mit  seinem 
Citat  nicht  die  Jenaer  Hs.  meinte.  Wohl  aber  hat  er 
diese  gesehen,  denn  unter  den  von  ihm  benutzten  Hss. 
nennt  er  auch  K  3 :  'Legenda  de  S.  patribus  conventus 
Isenac.  ord.  Praedic.',  das  ist  der  genaue  Titel  einer  Gchrift, 
die  in  der  Jenaer  Hs.  steht,  und  die  wir  sogleich  bespre- 
chen. Danach  nennt  er:  'De  genealogia  Elgeri  comitis  öTe 
Hohnstein  et  de  vita  ipsius',  das  ist  der  erste  Theil  jener 
Legenda4.      Danach:    'De    ortu    landgraviorum   Thuringiae 


1)  Z.  B.  K.  Herrmann,  Bibl.  Erfurt,  S.  67.  Auch  Wenck  a.  a.  0. 
S.  61.  2)  Pistorii  SS.  I,  1292.  3)  Ihre  Existenz  ist  überhaupt  wohl 
sehr  problematisch,  denn  Wenck  bemerkt  a.  a.  0.  S.  81,  N.  2,  dass  Wagner 
aus  Friemar  sich  den  Friemarer  Chronisten  erdacht  haben  mag.  Die 
Späteren,  welche  ihn  erwähnen,  thun  das  nur  auf  Wagners  Citate  hin,  wie 
Pfefferkorn,  Merckwürdige  und  außerlesene  Gesch.  von  Thüringen  (Gotha 
1684.  4°)  S.  9  f.  Ott.  Lorenz,  DGQ.  3.  Aufl.  H,  103,  N.  1  behauptet  zwar, 
Henricus  de  Frimaria  (als  Chronist?)  sei  'schon  erwähnt  in  Spangenberg, 
Chron.  Henneberg.  lib.  5,  cp.  9,  f.  197'.  Dort  ist  aber  von  keinem  Chro- 
nisten Heinrich  von  Friemar  die  Rede,  sondern  wird  erzählt,  dass  Hans 
von  Freymar  im  J.  1346  dem  Landgrafen  das  Leben  rettete.  Das  gelehrte 
Citat  hat  Lorenz  wohl  aus  Pistorius  -  Struve  I,  1293,  N.  b  oder  sonst 
irgend  woher  übernommen,  aber  nicht  gesehen,  worauf  es  sich  bezog. 
4)  Freilich  ist  darin  von  der  Genealogie  Elgers  nicht  die  Bede,  aber  wohl 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.         387 

chronicon  lacerum,  multis  in  locis  ob  vetustatem  vix  legi- 
bile  et  muribus  exesum'.  Diese  Beschreibung  passt  nun 
aber  ausgezeichnet  auf  die  Jenaer  Hs.  der  Landgrafen- 
geschichte. Freilich  ist  der  Titel  lDe  ortu  landgr.  Thur.'1 
dort  nur  Ueberschrift  des  10.  Capitels  auf  f.  6',  aber  die 
ersten  Blätter  der  Hs.  sind  so  zerstört,  dass  Wagner  sie 
wenig  beachtet  haben  mag,  und  eben  mit  diesem  Capitel 
beginnt  erst  die  ausführlichere  Erzählung.  Also  hat  auch 
Wagner  dieses  Werk  ohne  Autornamen  citiert.  Wenn 
nun  jener  Mann  des  17,  Jahrb.,  der  den  Namen  'Heinricus 
de  Frimaria'  auf  das  Schmutzblatt  der  Jenaer  Hs.  schrieb, 
den  Autor  der  folgenden  Chronik  damit  nennen  wollte,  so 
ist  es  klar,  dass  er  den  Namen  aus  Wagners  Buch  über- 
nahm und  irrig  auf  dieses  Werk  übertrug,  wie  Wenck 
a.  a.  O.  S.  61  bemerkte.  Damit  wird  vielleicht  sogar  für 
O.  Lorenz  Heinrich  von  Friemar  als  Verfasser  dieses  Werkes 
beseitigt  sein. 

Also  auf  den  Namen  des  Autors  verzichten  wir  zu- 
nächst, wohl  aber  können  wir  ermitteln,  dass  derselbe 
Predigerbruder,  der  die  sogenannte  Landgrafengeschichte 
im  Jahr  1395/6  schrieb,  noch  drei  andere  Büchlein  oder 
Schriftlein  verfasst  hat.  In  der  oft  genannten  Jenaer  Hs. 
steht  f.  43 — 55  die  Legenda  de  sanctis  patribus  conventus 
Tsenacensis  ordinis  Predicatorum,  welche  Michelsen  in  der 
Zeitschrift  für  Thüringische  Geschichte  IV,  361 — 394  aus 
eben  dieser  Hs.  herausgegeben  hat 2.  Nun  dieses  Werkchen 
ist  ganz  von  der  Hand  des  Verfassers  der  Landgrafenchronik 
geschrieben.  Dann  hat  Wenck3  mit  vollem  Recht  geltend 
gemacht,  dass  in  diesem  Büchlein  schon  die  in  der  Hs. 
voranstehende  Landgrafenchronik  citiert  sei,  dass  es  also 
später  als  diese  (er  meint  im  15.  Jahrh.)  verfasst  sein 
müsse.     Da   es   aber   nun  einmal   nicht  angeht,    eine   fest- 


findet sich  etwas  über  die  Genealogie  der  Grafen  von  Hohnstein  in  der 
Hist.  Pistor.  Wagner  kann  sich  die  Genealogie  hinzu  erdacht  haben,  um 
seine  Erfindungen  zu  rechtfertigen.  1)  Dass  das  erste  Capitel  der  Hist. 
Eccard.  diese  Ueberschrift  trägt,  und  oft  danach  als  Ganzes  citiert  worden 
ist,  ist  Zufall.  Man  kann  daraus  nicht  3chliessen,  dass  Wagner  diese 
Schrift  meinte.  2)  Auch  in  der  oben  genannten  Wernigeroder  Hs.  ist 

dieses  Stück  aus  der  Jenaer  von  Bertold  Grefensteyn  mit  abgeschrieben. 
Michelsens  Ausgabe  ist  zwar  nicht  fehlerlos,  aber  doch  recht  gut.  Nur 
hat  er  es  unterlassen,  die  zahlreichen  Correcturen  und  alle  Zusätze  anzu- 
merken, und  hat  nicht  gesehen,  dass  die  Capitelzahlen  von  der  ursprüng- 
lichen Hand  geschrieben  am  Rande  stehen,  die  er  hätte  einsetzen  sollen. 
Unleidlich  ist  C.  2  das  unausrottbare  'Parisios'  statt  des  indeklinabeln 
'Parisius1,  wie  man  im  Mittelalter  schreibt.  3)  Entstehung  der  Rein- 

hardsbr.  Geschichtsbücher  S.  58. 


388  Oswald  Holder  -  Egger. 

gestellte  Thatsache  als  solche  anzuerkennen,  so  hat  M.  Bal- 
tzer1  Wencks  Behauptung  bestritten,  meint  vielmehr,  die 
Legenda  sei  Quelle  der  Landgrafengeschichte,  sie  sei  zwi- 
schen 1320  und  1330  abgefasst,  die  Cronica,  welche  ihr 
Verfasser  citiert,  sei  die  Reinhardsbrunner  oder  eine  ihr 
zunächst  verwandte  Aufzeichnung  gewesen.  Aber  die  Be- 
gründung dieser  Behauptungen  ist  denn  doch  gar  zu 
schwächlich 2. 

Das  8.  Capitel  der  Vita  Elgeri  der  Legenda  beginnt : 
'Legitur  in  cronicis,  quod  a.  D.  M°CCXXVIII,  mortuo  illu- 
stri  principi  Ludewico,  lantgravio  Thuringie,  marito  sancte 
Elizabeth,  Heynricus  eiusdem  Ludewici  frater  eandem  re- 
lictam  fratris  de  consilio  malorum  hominum  de  Castro 
Wartberg  eiecerit  et  eam  per  tempus  in  miseria  et  in  exilio 
ad  tempus  permiserit,  licet  correptus  super  hoc  conmisso 
ipsam  reassumpserit'.  In  der  Reinhardsbrunn  er  Chronik3 
steht  aber  nur,  dass  Landgraf  Heinrich  die  Elisabeth  aus 
der  Wartburg  mit  ihren  Kindern  vertrieben,  nichts  davon, 
dass  er  sie  'in  miseria  et  in  exilio'  hätte  leben  lassen, 
nichts  davon,  dass  er  sie  später,  wegen  dieses  Frevels  ge- 
scholten, wieder  aufgenommen  hat.  Für  alles  weitere  wird 
da  auf  Dietrichs  von  Apolda  Lebensbeschreibung  der  h.  Eli- 
sabeth verwiesen.  Ebensowenig  steht  etwas  davon  in  Auf- 
zeichnungen, welche  der  Reinhardsbrunner  Chronik  nächst- 
verwandt sind,  wohl  aber  ist  der  Satz  über  die  Vertreibung 
der  Elisabeth  in  zwei  Ableitungen  der  Reinhardsbrunner 
Chronik,  in  dem  Lib.  cron.  Erford.4  wörtlich  und  in  Sche- 
dels5  Excerpten  verkürzt  abgeschrieben.  Und  in  allen 
diesen  drei  Quellen  wird  die  Geschichte  zum  Jahr  1227 
(nicht  zu  1228,  wie  in  der  Legenda)  erzählt!  Also  kann 
der  Autor  der  Legenda  mit  seiner  Cronica  unmöglich  die 
Reinhardsbrunner  oder  den  Liber  cron.  Erford.  gemeint 
haben.  Dagegen  heisst  es  in  der  Landgrafengeschichte 
(Pist.  C.  40  =  C.  17,  §  5):    '(Ludewicus   lantgravius)   mor- 


1)  Mitth.  des  Inst,  für  Oesterr.  Gesch.  IV.  Ergänzungsband,  S.  127  ff. 
Er  hat  die  Jenaer  Hs.  benutzt,  aber,  was  sie  lehrt,  nicht  gesehen.  2)  Er 
hält  es  S.  127  'von  vornherein  für  wahrscheinlicher,  dass  man  im  Eise- 
nacher  Predigerkloster  zuerst  des  Klosters  und  dann  der  Landgrafen  Ge- 
schichte schrieb,  als  dass  man  die  umgekehrte  Reihenfolge  beobachtete'. 
Darauf  ist  nur  zu  erwidern,  dass  man  sich  dennoch  erlaubte,  auf  diese 
angeblich  unwahrscheinliche  Weise  zu  verfahren,  wie  die  Jenaer  Hs.  bei 
richtiger  Benutzung  lehrt,  sofern  man  zugeben  wollte,  dass  die  Legenda 
'des  Klosters  Geschichte'  enthält,  was  freilich  nicht  der  Fall  ist.  Aber  es 
ist  weder  das  eine  noch  das  andere  von  vornherein  wahrscheinlicher. 
3)  Wegele  S.  208.  4)  GQ.  der  Provinz  Sachsen  I,  210.         5)  Wenck 

S.  98. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  389 

tuus  est.  Et  ossa  sua  translata  sunt  ...  in  Reynhartsborn 
a.  D.  MCCXXVIII.1  .  .  .  Interim,  dum  adhuc  ossa  de- 
functi  Ludewici  non  pervenerunt  ad  Thuringiam,  Heynri- 
cus  frater  Ludewici  Elizabet  uxorem  de  Castro  Wartberg 
de  consilio  malorum  hominum  ammovit;  que  cum 
parvulis  suis  in  miseria  vixit  in  civitate  Ysenacensi'. 
Darauf  wird  erzählt,  wie  sie  von  dort  nach  'Kyczingen'  ging, 
wie  der  Bischof  von  Bamberg  ihre  'miseriam  et  pauperta- 
tem  percipiens'  sie  nach  Bamberg  holte.  Wie  die  Ritter, 
welche  des  Landgrafen  Gebeine  aus  dem  heiligen  Lande 
brachten,  sie  nach  Reinhardsbrunn  begleiteten,  wie  dort 
Rudolf  von  Varila  den  Landgrafen  Heinrich  ob  des  an  des 
Bruders  Gemahlin  verübten  Frevels  ausschalt,  wie  der  die 
Schwägerin  reuig  wieder  in  die  Wartburg  aufnahm.  Jene 
Cronicis  entnommene  Nachricht  der  Legenda  charakteri- 
siert sich  sonach  als  ein  kurzer  Auszug  aus  der  längeren 
Erzählung  der  Landgrafengeschichte,  sie  lässt  sich  ganz 
aus  dieser  herleiten,  abgesehen  von  einiger  Wortänderung, 
die  schon  durch  die  gedrängte  Kürzung  geboten  war.  Nun 
weiter,  dieser  ganze  §  5  der  Landgrafengeschichte,  in  dem 
über  des  Landgrafen  Ludwig  Tugenden,  seine  Kreuzfahrt 
und  Tod  berichtet  und  dann  erzählt  wird,  was  wir  eben 
erwähnten,  ist  zusammengesetzt  aus  Theoderici  Vita  Elisa- 
beth III,  1.  3.  II,  1.  IV,  1—5.  7.  V,  1—8  und  dem  Liber 
crom  Erford.  a.  1227.  1228  in  der  gewöhnlichen  Mache 
dieses  Autors  mit  starken  Wortänderungen,  hier  nament- 
lich mit  starken  Kürzungen  und  Zusammenziehung  des 
Wortschwalles  Dietrichs,  mit  einigen  seiner  willkürlichen 
Zusätze.  Die  Worte  Dietrichs  IV,  7 :  'quidam  vasalli  de- 
functi  principis,  qui  fratrem  ipsius  Henricum  iuvenem  re- 
gere debuerant,  Dei  timoris  et  iustitie,  proprie  honestatis 
.  .  .  obliti  .  .  .  ipsam  (Elisabeth)  de  Castro  et  cunctis  eius 
possessionibus  eiecerunt.  Descendit  ergo  ...  ad  subiacens 
Castro  oppidum.  In  cuiusdam  autem  cauponis  hospitio  re- 
cepta  cum  suis  mansit.  .  .  .  Cumque  nullus  auderet  eam 
hospitio  recipere,  confugit  ad  Dominum'  etc.  und  des  Liber 
cron.  Erford. :  cMox  autem  ab  Heinrico  predicti  principis 
fratre  tarn  miserabiliter  cum  suis  parvulis  de  Castro  Wart- 
berg eicitur  et,  ne  hospicio  recipiatur  in  Ysennach  a  quo- 
quam,  ab  eodem  striccius2  interdicitur',  verbindend,  zweier 
Quellen  also,  die  er  auch  sonst  viel  ausschreibt,  machte 
der   Autor    der   Landgraf  engeschichte    daraus:    'Heynricus 


1)  Also  daher  das  Jahr  1228  in  der  Legenda !  2)  So  die  Hss., 

auch  die  Wiener,  nicht  'secrecius',  wie  Lorenz  S.  210  hat. 

Neues  Archiv  etc.     XX.  26 


390  Oswald  Holder -Egger. 

.  .  .  Elizabet  ...  de  Castro  Wartberg  de  consilio  malorum 
homirmm 1  aminovit  - ;  que  cum  parvulis  suis  in  miseria 
vixit  civitate  Ysenacensi,  et  nullus  recepit  eam  ho- 
spicio,  qui  esset  alicuius  reputacionis,  quia  timebant,  ne 
off endereiit,  sed  oportuit,  ut  cum  pauperibus  se  reciperet'. 
Nähme  man  nun  auch  mit  Baltzer  an,  dass  der  Autor  der 
Landgrafengeschichte  die  Legenda  an  dieser  Stelle  benutzt 
hätte,  so  müsste  er  dennoch  jene  beiden  Quellen  für 
diesen  Paragraphen  neben  der  Legenda  benutzt  haben.  Da 
aber  jene  beiden  Quellen  vollkommen  ausreichen,  um  den 
Inhalt  des  Paragraphen  der  Landgraf  engeschichte  aus  ihnen 
abzuleiten,  so  muss  man  diese  Annahme  als  falsch  zurück- 
weisen, zumal  man  dann  für  jenen  Passus  der  Legenda  als 
Quelle  keine  einzelne  Cronica,  sondern  immer  Liber  cron. 
Erford.  (resp.  Chron.  Reinhardsbr.)  und  Dietrichs  Vita  Eli- 
sabeth annehmen  müsste,  also  eben  jene,  die  dem  Bericht 
der  Landgraf  engeschichte  zu  Grunde  liegen,  und  dann 
noch  immer  zu  erklären  hätte,  warum  der  Autor  die  Nach- 
richt zu  1228   statt  zu  1227  setzte. 

Vollends  klar  wird  nun  die  Sachlage,  wenn  man  den 
folgenden  Satz  der  Legenda  vergleicht,  den  der  Autor,  wie 
er  sagt,    ebenfalls   jener  Cronica   entnahm.     Er   bietet   da, 


1)  Da  Baltzer  nicht  erklären  kann,  woher  die  Worte  'de  consilio 
malorum  hominum'  in  die  Legenda  gekommen  sind  (die  aus  der  Land- 
grafengeschichte stammen,  deren  Autor  sie  wieder  aus  Dietrichs  Darstellung 
entnommen  hatte),  so  meint  er  S.  129,  das  'könnte  aus  einem  Exemplar 
der  Reinh.  Gesch.  stammen,  das  vollständiger  war  als  unsere  sehr  lücken- 
haften Texte'.  Das  ist  oft  eins  der  strafwürdigsten  Auskunftsmittel,  das 
fast  regelmässig  ergriffen  wird,  wenn  eine  falsche  Behauptung  ä  tout 
prix  bewiesen  werden  soll,  dass  man  einem  andern  Exemplar  vindiciert, 
was  in  dem,  mit  welchem  man  zu  operieren  hat,  nicht  steht.  Statt  solche 
Vermuthung  zu  wagen,  hätte  er  aus  Liber  cron.  Erford.  und  Schedels 
Excerpten  sich  überzeugen  sollen,  dass  der  Satz  in  der  Ausgabe  von 
Wegele  durchaus  vollständig  überliefert  ist,  dass  jene  Worte  nicht  in 
dem  Chron.  Reinhardsbr.  gestanden  haben,  da  keiner  von  dessen  drei  Ver- 
tretern an  dieser  Stelle  sie  hat.  2)  Baltzer  sagt  S.  128,  da  die  Legenda 
für  'ammovit'  an  dieser  Stelle  'eiecerit'  hat,  und  darin  mit  Dietrich  ('eie- 
cerunt')  und  Chron.  Reinhardsbr.  ('eicitur')  näher  übereinkommt,  so  hätte 
deren  Autor,  wenn  er  die  Landgrafengeschichte  benutzte,  daneben  noch 
eine  andere  Quelle  verwerthen  müssen,  die  ihm  den  Ausdruck  'eicere' 
bot.  An  sich  wird  das  des  einen  Wortes  wegen  nicht  nothwendig  anzu- 
nehmen sein,  aber  wohl  möglich  ist  es,  erklärt  sich  aber  eben  gar  leicht- 
lich  bei  meinem  Nachweis,  dass  der  Autor  der  Landgrafengeschichte  und 
Legenda  identisch  ist.  Er  konnte  sehr  wohl  eine  der  beiden  Quellen,  die 
er  für  diesen  Abschnitt  der  Landgrafengeschichte  benutzt  hatte,  und  die 
beide  diesen  Ausdruck  boten  (Liber  cron.  Erford.  und  Dietrich),  bei  der 
Abfassung  der  Legenda  wieder  zur  Hand  nehmen. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  391 


wie  in  dem  vorigen,  einen  kurzen  Auszug  aus  dem  C.  43 
(Pist.  =  C.  18,  §  4)  der  Landgraf  engeschichte ,  welches, 
immer  mit  den  von  diesem  Autor  beliebten  Aenderungen 
des  Ausdrucks  und  Willkürlichkeiten,  dem  Liber  cron. 
Erford.1  a.  1232  entnommen  ist.  Denn  es  wird  bei  der 
Vergleichung  nun  sonnenklar,  dass  der  Bericht  des  letz- 
teren erst  durch  die  Landgrafengeschichte  dem  Autor  der 
Legenda  vermittelt  ist.  Das  wird  schon  ein  Theil  der  drei 
Berichte   in   der  Zusammenstellung  überzeugend   darthun: 


Lib.  cron.  Erf. 

A.  D.  1232.  .  .  . 
archiepiscopus  Si- 
fridus  ab  Eckehardo 
B-eynhersborn  ceno- 
bii  abbate  octavo 
quandam  pecunie 
summ  am  extorque- 
bat,  quam  sibi  ero- 
gare rennuens,  pre- 
fato  episcopo  Erfor- 
diam  veniente  mo- 
ramque  in  monte 
sancte  Marie  tra- 
hente,  dictus  abbas 
est  vocatus ;  qui  .  .  . 
graviori  culpe  per 
ipsum  ibidem  sub- 
icitur,  et  triduana 
peracta  penitencia 
.  .  .  nulla  veste  ve- 
latus  capitolium, 
virgam  manu  baiu- 
lans,  veniam  peciit 
.  .  .  princeps  (Con- 
radus  lantgravius, 
frater  Henrici  re- 
gis)  furore  suffusus 
capitulum  extrac- 
to  cultello  citissime 
adiit ,  archiepisco- 
pum  coma  inmani- 


Hist.  landgr. 
A.  D.  1232.  Sif- 
fridus  archiepisco- 
pus Maguntinus  a 
monasterio  Reyn- 
hartsborn  aliquam 
summam  pecunie 
extorquebat,  et  quia 
abbas  dare  recusa- 
bat,    ipsum    pene 

gravio  r  i  s     culpe 
subiecit.    Et  in  Er- 
fordia   in   capitolio 

canonicorum 
Sancte  Marie  tribus 
diebus  discipli- 
nas  recepit  .  .  . 
dum  pre dictus  ab- 
bas debebat  se  pre- 
sentare  ad  discipli- 
nas,  et  nudus  in 
superiori  parte  cor- 
poris, virgas  in  ma- 
nibus  baiulans,  in- 
travit  capitolium. 
.  .  .  Qui  (Conradus 
lantgravius  Thurin- 
gie,  frater  Heynrici) 
in  furia  magna  ca- 
pitolium ascendit  et 
ex  t  r  a  c  t  o  cultello 
i  n    archiepiscopum 


Legenda  c.  8. 

Eciam  legitur, 
quod  frater  eiusdem 
Heynrici  lantgravii, 
scilicet  Conradus, 
in  Erfordia  propter 
abbatem  de  Reyn- 
hartsborn,  quem  Si- 
f  ridus  episcopus  Ma- 
guntinus pene  gra- 
vio r  i  s  culpe  sub- 
iectum  virgis  d  i  s  - 
ciplinavit,  in 
ipsum  episcopum 
irruebat  et  cul- 
tello exempto  in- 
terficere  labora- 
bat,  licet  inipe- 
ditus. 


meint. 


1)  Nicht  direct  dem  Chron.  Reinhardsbr.,  wie  Baltzer  S.  129,  N.  1 

26* 


392  Oswald  Holder -Egger. 


ter  deprehensum, 
s  e  d  p  r  e  peditus, 
transfigere  labo- 
ravit. 


i  r  r  u  i  t  et  comam 
capitis  deprehendit 
et  ipsum  transfi- 
gere laboravit, 
sed  prepeditus. 


Das  wird  für  den  zu  erbringenden  Nachweis  genügen. 
Es  wird  Niemand  glauben,  dass  der  Autor  der  Landgrafen- 
geschichte neben  dem  Liber  cron.  Erford.,  den  er  ja  hier 
wie  so  oft  sicher  ausschreibt,  die  Legenda  benutzt  haben 
müsse,  um  seinen  Bericht  niederzuschreiben,  dagegen  er- 
klärt sich  jedes  Wort  der  Nachricht  in  der  Legenda  aus 
der  Landgraf  engeschichte.  Wenn  ferner  Baltzer  S.  128  f. 
meint,  der  Bericht,  welchen  der  Eisenacher  Dominikaner 
in  der  Landgrafengeschichte  (Pist.  C.  50  =  C.  18,  §  10) 
vom  Tode  des  ersten  Eisenacher  Dominikaner -Priors  Elger 
von  Honstein  im  Zusammenhange  mit  seiner  Erzählung  von 
dem  erfundenen  Frankfurter  Reichstage  von  1242  bringt, 
müsse  als  Kürzung  aus  dem  längeren  Bericht  in  der 
Legenda  angesehen  werden,  so  ist  auch  das  durchaus  zu- 
rückzuweisen. Es  ist  sehr  selbstverständlich,  dass  der 
Autor  der  Legenda,  der  die  Vita  Elgeri  schreibt,  bei  der 
Erzählung  vom  Tode  dieses  seines  gefeierten  Helden  viel 
länger  verweilt,  dabei  viel  ausführlicher  ist,  als  der  Ver- 
fasser der  Landgraf  engeschichte ,  ebenso  wie  es  sehr  er- 
klärlich ist,  dass  er  in  dieser  Vita  überging,  was  in  der 
Landgrafengeschichte  über  den  Frankfurter  Reichstag  die 
Reichsgeschichte   betreffendes   erzählt  war  \    obgleich  ihm 


1)  Baltzer  S.  130—132  sucht  einiges  zur  Verteidigung  der  Angabe 
der  Legenda  über  den  Frankfurter  Reichstag  von  1242  beizubringen  und 
sagt,  in  der  Legenda  sei  die  Sagenbildung  über  diesen  Reichstag  noch 
nicht  so  weit  entwickelt  wie  in  der  Hist.  landgr.  Das  ist  insofern  richtig, 
als  alles  das,  was  über  Kaiser  Friedrich  und  König  Konrad  in  der  letz- 
teren gesagt  ist,  in  der  Legenda  weggelassen  ist,  weil  es  dahin  eben  nicht 
gehörte.  Aber  es  ist  damit  nichts  bewiesen  über  das  Verhältnis  der  beiden 
Quellen  zu  einander  und  die  Existenz  des  Frankfurter  Reichstages.  Man 
muss  die  Frage  von  der  richtigen  Seite  angreifen,  um  ihr  energisch  zu 
Leibe  gehen  zu  können.  Von  Sagenbildung  ist  hier  überhaupt  nicht  die 
Rede.  Wenn  der  Autor  der  Landgrafengeschichte  in  seinen  Quellen  findet, 
dass  einer  der  Landgrafen,  deren  Geschichte  er  schreibt,  in  einer  der 
Rheinischen  Städte  war,  so  vermuthet  er,  dass  der  zu  einem  Reichstage 
sich  dorthin  begeben  hatte.  In  dem  Liber  cron.  Erford.  a.  1055,  a.  a.  O. 
S.  202,  las  er  z.  B.,  dass  Graf  Ludwig  der  Bärtige  im  St.  Albans-Kloster 
zu  Mainz  begraben  wurde.  Also  schrieb  er  (Pist.  C.  11):  'veniens 
Magunciam  ad  unam  convocacionem  principum  et  comitum 
mortuus  est  et  sepultus  apud  Sanctum  Albanum1,  wie  in  der  Legenda 
C.  17:  'Regnante  tunc  imperatore  Friderico  imperatore  2°,  qui  convo- 
cacionem  principum   in  Alemania  habuit  in  Frankenfort'.     (Es   ist 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  393 

diese  Quelle  auch  hier  vorlag,  weil  das  ja  in  dieses  sein 
Werkchen  nicht  hineingehörte  K 

Haben  wir  somit  Wencks  Behauptung,  dass  in  der 
Legenda  die  Landgrafengeschichte  citiert  und  benutzt  sei, 
zu  ihrem  Rechte  verholfen,  so  ergiebt  sich  nun  sofort  fol- 
gende Schlussfolge:  Da  die  Landgrafen geschichte  erst  1395/6 
verfasst  ist,  muss  die  Legenda  später  entstanden  sein.  Da 
der  Autor  der  Landgraf engeschichte ,  der  am  Ende  des 
Jahrhunderts  (wahrscheinlich  schon  im  Jahr  1398)  ver- 
storben war,  die  Legenda,  in  der  sein  eigenes  Werk  schon 
benutzt  war,    und   die   früher  nicht  existierte,   mit  eigener 

eben  derselbe  Autor,  der  beides  schrieb !)  Nun  muss  im  Eisenacher 
Dominikanerconvent  die  Ueberlieferung  gewesen  sein,  dass  der  erste  Prior 
Elger  von  Honstein  zu  Frankfurt  starb,  wohin  er  mit  dem  Landgrafen 
Heinrich  gereist  war.  Sein  Todesjahr  1242  wird  schriftlich  überliefert 
gewesen  sein,  denn  wir  werden  finden,  dass  die  Eisenacher  Dominikaner 
kurze  annalistische  Aufzeichnungen  besassen.  Also  wenn  der  Landgraf 
nach  Frankfurt  reiste,  so  musste  er  nach  der  Präsumption  des  Autors  zu 
einem  Reichstage  dorthin  gegangen  sein.  Nun  war  Frankfurt  zu  des 
Autors  Zeiten  der  Ort  der  Königswahl,  also  Hess  sich  auf  diesen  Reichs- 
tag eine  solche  gut  ansetzen.  Freilich  bei  der  eigentlichen  Wahl  hatte 
der  Landgraf  (immer  nach  Anschauung  aus  der  Zeit  des  Autors  heraus), 
der  nicht  Kurfürst  war,  nichts  zu  thun.  Daher  schrieb  unser  braver  Bettel- 
bruder in  der  Landgrafengeschichte  (Pist.  C.  50  =  C.  18,  §  10) :  <A.  D. 
MCCXLII.  Fridericus  imperator  .  .  .  convocavit  principes  Alemanie  in 
Frankenfort,  volens  cum  eis  tractare,  qualiter  filium  suum  Conradum  in 
regem  .  .  crearet',  denn  er  wusste  wohl,  dass  Konrad  zum  König  erwählt 
war,  aber  keine  seiner  Quellen  belehrte  ihn,  wo  und  wann  das  geschehen 
war.  Ferner  wusste  er  aus  der  Erfurter  St.  Peters  -  Chronik  (deren  Quelle 
Chronica  Minor),  dass  Kaiser  Friedrich  in  Gegenwart  des  Landgrafen 
Heinrich  den  bekannten  Ausspruch  von  den  drei  Völkerverführern  gethan 
haben  soll.  Hier  in  Frankfurt  hatte  er  nun  den  Kaiser  (der  freilich  da- 
mals in  Italien  war)  und  den  Landgrafen  glücklich  zusammen  gebracht, 
also  Hess  er  hier  den  Kaiser  sein  blasphemisches  Dictum  vorbringen  und 
knüpft  daran  seine  weiteren  Erfindungen,  wie  der  Landgraf  die  Lästerung 
dem  (damals  verstorbenen)  Papst  Gregor  meldet,  worauf  dieser  den  Kaiser 
excommuniciert ,  u.  s.  w.  Auf  Grund  dieser  unlauteren  Quelle  würde 
schwerlich  Jemand  geneigt  gewesen  sein,  den  Frankfurter  Reichstag  für 
historisch  beglaubigt  zu  halten.  Da  deren  Autor  aber  keinen  Grund  hatte, 
in  der  Vita  Elgeri  all  diesen  Unsinn  zu  wiederholen,  so  war  man  der 
Meinung,  in  dieser  eine  bessere  Beglaubigung  jenes  Reichstages  zu  finden, 
während  er  doch  nur  aus  der  älteren  Quelle  übernommen,  dort  in  dem 
entwickelten  Zusammenhange  erfunden  war.  Sehr  mit  Recht  hat  ihn 
J.  Ficker   in  den  Reg.  Imp.  V,  2   nicht   erwähnt.  1)  Baltzer  S.  129 

findet  es  auffällig,  dass  der  Autor  der  Legende  nicht  die  Beisetzung  von 
Heinrich  Raspes  Herz  ('Sarg'  bei  Baltzer  ist  wohl  nur  seltsamer  Druck- 
fehler) im  Dominikanerconvent  von  Eisenach,  die  in  Hist.  landgr.  Pist. 
C.  52  erzählt  war,  berichtet  haben  sollte,  wenn  er  diese  Quelle  benutzte. 
Ja  gehörte  denn  das  nothwendig  in  eine  Vita  Elgeri?  Nun  kommt  ja 
aber  hinzu,  was  ich  sofort  beweise.  Da  der  Autor  zwei  Werke  hinter 
einander  in  demselben  Bande  schrieb,  wird  er  in  dem  zweiten  aus  dem 
ersten  doch  nur  das  wiederholt  haben,  was  da  durchaus  nothwendig  war. 


394  Oswald  Holder -Egger. 

Hand  hinter  dessen  Concept  schrieb,  so  folgt  nicht  nur, 
dass  er  das  zwischen  1396  und  1398  that,  sondern  es  ist 
beinahe  mit  Händen  zu  greifen,  dass  er  auch  der  Verfasser 
der  Legenda  ist.  Und  das  lässt  sich  nun  auf  verschiedenen 
Wegen  mit  absoluter  Sicherheit  beweisen. 

Baltzer  meinte  S.  130,  es  stehe  nichts  im  Wege,  das 
um  1400  geschriebene  Jenaer  Manuscript  für  eine  Abschrift 
zu  halten.  Nur  die  Kleinigkeit  steht  dem  im  Wege,  dass 
auch  die  Legenda  in  dieser  Hs.  die  deutlichsten  Zeichen 
in  grosser  Zahl,  dass  sie  Originalniederschrift  ist,  an  sich 
trägt 1.  Gleich  im  ersten  Capitel  (f.  43)  hatte  der  Schreiber 
und  Autor  zuerst  geschrieben  'nobilis  vite  et  morum'  (er 
wollte  ursprünglich  anders  fortfahren,  als  er  es  nachher 
that),  aber  er  corrigierte  'vite  moribus'  und  fuhr  fort  'et 
virtute'.  Er  hatte  geschrieben  'genuit  filium'  und  änderte 
'habuit  filium'.  Liessen  sich  diese  Aenderungen  noch  allen- 
falls aus  ursprünglichem  Versehen  eines  Abschreibers  er- 
klären, so  ist  das  schon  unmöglich  bei  einer  Stelle  in  C.  3. 
Da  hatte  er  geschrieben:  'regnante  in  Thuringia  christia- 
nissimo  principe  Ludewico  lantgravio  Thuringie  cum 
sua  consorte,  beate2  Elizabeth,  filie2  regis  Un- 
garie,  anno  Domini  M°CCXXIX',  dann  aber  besann  er 
sich,  oder  fand,  in  seiner  Landgrafengeschichte  oder  deren 
Quellen  nachschlagend,  dass  Ludwig  der  Heilige,  der  G-e- 
mahl  der  h.  Elisabeth,  schon  im  Jahr  1227  gestorben  war, 
änderte  deshalb:  'regn.  in  Thur.  ehr.  pr.  Heynrico 
lantgr.  Thur.,  fratre  Ludewici  prenominati,  a.  D. 
M°CCXXIX'.  In  C.  11  hatte  er  ursprünglich  geschrieben: 
'Et  illa  eadem  ymago  in  predieta  ecclesia  ad  altare  sanete 
Crucis  hodierna  die  cernitur  et  multis  miraculis  dominus 
de us  per  illam  fieri',  sah  dann  aber,  dass  er  mit  den 
hier  gesperrten  Worten  völlig  aus  der  Construction  des 
Satzes,  wie  er  ihn  begonnen  hatte,  fiel,  strich  sie  deshalb 
und  fuhr  fort:  'narratur  claruisse'.  Unmöglich  konnte  so 
Jemand  verfahren,  der  ein  ihm  vorliegendes  Manuscript 
copierte,    das   sieht  Jedermann   ein.     Ebenso   erkennt  man 


1)  Das  hat  schon  A.  J.  L.  Michelsen  vollkommen  durchschaut,  der 
Zeitschr.  für  Thüring.  Gesch.  IV,  363  sagte:  'Ein  urschriftlicher  Anhang 
zu  der  Chronik  der  Landgrafen  ist  das  vorliegende  Legendarium'.  Wahr- 
scheinlich hatte  er  auch  schon  richtig  gesehen,  dass  auch  die  Landgrafen- 
geschichte in  der  Jenaer  Hs.  Original  des  Verfassers  ist.  2)  So  die  Hs. 
Der  Autor  kannte  das  grammatische  Gesetz  nicht,  dass  die  Apposition 
stets  in  demselben  Casus  stehen  muss  wie  das  Substantiv,  zu  welchem  sie 
gesetzt  ist.  Er  fehlte  auch  in  der  Landgrafengeschichte  sehr  vielemal 
gegen  dasselbe. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  395 

die  bessernde  Hand  des  Verfassers,  wenn  er  C.  18  ursprüng- 
lich schrieb :  'ut  Deum  in  sancto  suo,  cuius  preces  et  suf- 
fragia  fidelibus  in  tota  Alemania  profutura  spera- 
bant,  collaudarent',  die  gesperrten  Worte  dann  strich  und 
dafür  nur  'eis'  setzte,  weil  er  fortfuhr:  'et  domino  Deo 
gracias  agerent,  qui  fidelibus  suis  in  tota  Alemania 
talem  dedit  sanctum  et  patronum'.  Füge  ich  dann  hinzu, 
dass  an  den  Rändern  und,  wo  noch  Raum  war,  im  Texte 
eine  ganze  Anzahl  grösserer  und  kleinerer  Zusätze  von  des 
Schreibers  Hand  gemacht  sind,  dass  eine  Menge  anderer 
Correcturen  von  seiner  Hand  herrühren,  so  wird  Jeder- 
mann überzeugt  sein,  dass  auch  die  Legenda  in  der  Je- 
naer Hs.  Originalconcept  des  Verfassers  ist.  Baltzer  meinte 
freilich,  sie  um  etlicher  Schreibfehler  willen  (S.  130)  für 
eine  Abschrift  halten  zu  müssen.  Ja,  es  finden  sich  darin 
ziemlich  viele  Schreibfehler,  aber  es  ist  eine  seltsame  Mei- 
nung, die  man  so  oft  wiederholt  findet,  dass  Autoren  in 
Originalmanuscripten  keine  Schreibfehler  machen  durften. 
Sie  waren  doch  auch  Menschen  und  konnten  sich  nicht  in 
eine  Versicherung  gegen  Schreibfehler  einkaufen  K  Aber 
man  muss  sich  auch  sehr  hüten,  grobe  Sprachfehler  in  den 
Schriften  dieses  Mannes  sowohl  wie  in  denen  vieler  seiner 
Geistesverwandten  jener  Zeit  ohne  weiteres  für  Schreibfehler 
zu  nehmen.  Ich  habe  schon  oben  S.  380  bemerkt,  dass  er 
mit  der  lateinischen  Grammatik  auf  sehr  gespanntem  Fusse 
stand.  Richtige  Satzbildung  mit  einer  Participialconstruction 
war  für  ihn  schon  ein  Ding  der  Unmöglichkeit,  und  grobe 
Flexionsfehler  begeht  er  nicht  einmal,  sondern  dieselben  so 
oft,  dass  man  nicht  mehr  daran  denken  kann,  sie  für  lapsus 
calami  zu  halten.  Diese  Bettelbrüder  hatten  die  hohe  Bil- 
dung, welche  in  der  Kirche  bestand,  als  ihre  Orden  ge- 
stiftet wurden,  um  diese  Zeit  schon  so  weit  herabgebracht, 
dass  von  ihrer  Diction  bis  zu  der  Stilistik  der  Epistolae 
obscurorum    virorum    nur    noch    ein    sehr    kleiner    Schritt 


war 


1)  Vgl.  z.  B.,  was  ich  N.  A.  IX,  289  f.  darüber  bemerkt  habe. 
2)  Unglaubliches  an  Sprachverhunzung  leistet  schon  40  Jahre  vor  unserem 
Autor  z.  B.  der  Dominikaner  Konrad  von  Halberstadt.  Für  den  damaligen 
Bildungsgrad  der  Dominikaner  zu  Eisenach  mag  folgendes  Epitaph  des 
ersten  Priors  Elger  von  Honstein  einen  Massstab  abgeben,  das  von  einer 
Hand  des  15.  Jahrh.  f.  51'  auf  dem  leer  gebliebenen  Seitenraum  der  Vita 
Elgeri  eingetragen  ist: 

Epithavium    apta(!)    sepulchro. 
Comitis  de  Honsteyn  hie  iacet  filius  et  frater  l 

Ordinis  Predicatorum,  cui  nomen  est  Elgerus,  2 


396  Oswald  Holder  -  Egger. 

Eben  auch  in  der  Unbehülflickkeit  der  Satzbildung, 
in  der  Fehlerhaftigkeit  seiner  Sprache,  kurzum  überhaupt 
in  der  Diction  bleibt  sich  der  Autor  in  der  Landgrafen- 
geschichte  und  in  der  Legenda  völlig  gleich.  Ich  will  mir 
aber  ersparen,  dieses  sichere  Ergebnis,  dass  er  eben  der 
Verfasser  beider  Werke  ist,  auch  vermittelst  der  Stilverglei- 
chung beider  Werke  zu  erhärten,  bis  es  vielleicht  Jemandem 
einfallen  wird,  es  anzufechten. 

Jedoch  noch  eine  interessante  Anmerkung  muss  ich 
machen:  Kurz  vor  dem  Ende  der  Legenda  (f.  55)  in  der 
ganz  kurzen  Vita  fratris  Heinrici  de  Wiszense  wechselt  die 
Tinte,  und  von  'Item  levato'  an  schrieb  nun  den  Schluss 
von  wenigen  Zeilen  *  sicher  noch  des  Autors  eigene  Hand 
und  zwar  genau  mit  derselben  Tinte,  mit  welcher  oben 
f.  36.  36'  in  der  Fortsetzung  der  Landgrafengeschichte  die 
vorletzte  der,  wie  ich  oben  S.  383  annahm,  noch  von  des 
Autors  eigener  Hand  später  hinzugefügten  Notizen  (Pist. 
C.  140.  'A.  D.  1398  —  alias  curias  raptorum')  geschrieben 
ist.  Damit  haben  wir  nicht  nur  die  sichere  Bestätigung, 
dass  in  der  That  die  oben  besprochenen  vier  Absätze  von 
1396  — 1398  noch  von  des  Autors  Hand  herrühren,  sondern 
zugleich  auch  das  Datum,  zu  welcher  Zeit  er  die  Legenda 
vollendete.  Als  er  jene  Notiz  zu  1398  etwa  gegen  Mitte 
dieses  Jahres  hinzufügte,  schrieb  er  auch  die  letzten  Zeilen 
der  Legenda. 

Und  mit  derselben  Tinte,  mit  welcher  der  Autor 
diese  letzten  Zeilen  hinzufügte,  schrieb  er  auf  f.  55' — 57'  - 
der  Jenaer  Hs.  einen  kurzen  Tractat  über  die  Tugenden 
der  ältesten  Dominikaner  zur  Zeit  der  Ordensmeister  Do- 
minicus  und  Iordanus,  den  Michelsen  a.  a.  O.  S.  391 — 394 
als  Schlusstheil  der  voranstehenden  Legenda  herausgegeben 
hat  (von  'Temporibus  duorum  patrum'  an).  Er  schied  ihn 
deshalb  nicht  von  der  Legenda 3,  weil  diesem  Tractat  schon 

Ysenacensis  domus  prior  primus,  anima  cuius  3 

Requiem  eteniam  ac  lucem  habeat  divam.  4 

vel :     Obiit  anno  Domini  mille  binios  (!)  centum  5 

Additis  quadraginta  annis  atque  duobus.  6 

Vel  sie: 
Virginis  a  partu  hie  annis  obiit  mille 
Bis  centum  quadraginta  tunc  duobus  elapsis. 
Schöner   haben    auch   die   Viri  obscuri   nicht   metrificiert   und   poeticiert. 

1)  Bei  Michelsen  S.  391  bis  'stöthet  (so  zu  lesen)  nicht  den  kelch  umme1. 

2)  Auf  dem  leer  gebliebenen  unteren  Raum  von  f.  55  trug  eine  spätere 
Hand  s.  XV.  Notizen  über  päpstliche  Verordnungen  betreffend  Todten- 
messen  ein,  die  nichts  mit  dem  vorhergehenden  und  folgenden  zu  thun 
haben.  3)  Richtiger  erkannte  Baltzer  S.  125  f.  den  Sachverhalt.  Dass 
aber  das  Rubrum  fehlt,  sah  schon  Michelsen. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  397 

die  mit  Minium  einzutragende  Ueberschrift  fehlt.  Aber 
der  ganze  Tractat  ist  schon  nicht  mehr  illuminiert,  es  fehlt 
sogar  das  roth  einzusetzende  Anfangs -T  (von  Temporibus). 
Daraus  ist  wiederum  zu  schliessen,  dass  der  Schreiber,  der 
natürlich  der  Verfasser  auch  dieses  Schriftchens  ist,  kurz 
nach  der  Niederschrift  derselben,  also  1398/9,  wie  wir  schon 
oben  fanden,  gestorben  ist,  da  er  nicht  mehr  Zeit  fand, 
die  letzte  Hand  daran  zu  legen.  Und  ferner  ist  auch 
daraus  zu  schliessen,  dass  der  Schreiber  auch  der  Illumi- 
nator der  Hs.  ist,  wie  wir  bereits  oben  S.  384  annehmen 
mussten. 

Wiederum  zweifellos  von  der  Hand  desselben  Eise- 
nacher  Dominikaners,  aber  schon  früher  als  die  Legenda 
und  bald  nach  der  Landgraf  engeschichte  geschrieben  steht 
f.  40 — 42  der  Jenaer  Hs.  ein  kurzer  Tractat  über  die  Grün- 
dung des  Dominikanerordens  mit  der  Ueberschrift:  vOrdo 
fratrum  Predicatorum  ex  cronicis  et  legendis  sanctorum 
taliter  legitur  esse  institutus  ab  ecclesia',  der  bisher  nicht 
gedruckt,  des  Druckes  auch  kaum  werth  ist.  Indessen  hat 
Baltzer  S.  124  f.  den  Inhalt  der  Schrift  angegeben.  In 
ihr  finden  sich  keine  die  Originalniederschrift  charakteri- 
sierenden Correcturen,  doch  ist  auch  sie  völlig  in  der  Sti- 
listik unseres  Autors  geschrieben.  Und  mit  Hecht  hat 
Baltzer  S.  126  bemerkt,  dass  dieser  Tractat,  die  Legenda 
und  das  letzte  Schriftchen  über  die  Tugenden  der  ältesten 
Dominikaner  nicht  zufällig  hier  zusammengestellt  sind, 
sondern  zu  einander  gehören,  sich  gegenseitig  ergänzen 
sollten.  Daher  dürfen  wir  unbedenklich  auch  den  ersten 
Tractat  für  ein  Schriftchen  des  Autors  der  Landgrafen- 
geschichte halten. 

Bisher  habe  ich  den  üblichen  Titel  (Hist.  de  landgr. 
Thur.)  für  das  Hauptwerk  unseres  Autors  festgehalten,  ob- 
wohl ich  schon  oben  S.  376  bemerkte,  dass  er  nicht  zu- 
trifft. Aber  wir  wissen  auch,  dass  der  Verfasser  selbst  sein 
Werk  anders  benannte.  Er  selbst  citierte  es  (oben  S.  388) 
im  8.  Capitel  der  Legenda  als  Cronica.  Nun  liest  man 
in  der  Jenaer  Hs.  (f.  3  =  p.  5)  noch  als  Rest  der  ver- 
stümmelten Minium  -  Ueberschrift  'Cronica',  während  ein 
Wort  folgte,  das  vernichtet  ist.  Aber  auf  dem  zweiten 
Schmutzblatt  der  Hs.  steht  zweimal  von  einer  Hand  des 
17.  Jahrh.  geschrieben:  'Chronica  Thuringorum'.  Wir  dürfen 
mit  Sicherheit  annehmen,  dass  dieses  der  originale,  damals 
noch  lesbare  Titel  des  Werkes  war.  Und  das  wird  zur  Ge- 
wissheit, wenn  wir  in  Schedels  Abschrift  die  Ueberschrift 
finden:  'Incipit  Cronica  Thuringorum.    De  origine  Thurin- 


398  Oswald  Holder -Egger. 

gorum,  Francorum  et  Saxonum'  \  Wir  haben  das  Werk 
demnach  zu  benennen :  'Cronica  Thuringorum  auctore  Prae- 
dicatore  Isenacensi'. 

Kehren  wir  noch  einmal  zu  den  Fortsetzungen  dieses 
Werkes  zurück,  um  festzustellen,  dass,  was  in  Pistorius' 
Ausgabe  von  1396  —  1426  (C.  138—162)  als  Schlusstheil 
dieses  Werkes  gedruckt  ist,  keineswegs  alles  aus  der  Ori- 
ginal-Hs.  entnommen  ist.  Nach  den  noch  vom  Verfasser, 
wie  ich  oben  S.  383.  396  ausführte,  allmählich  hinzuge- 
fügten vier  Absätzen,  die  den  C.  138,2 — 140  bei  Pist.  ent- 
sprechen, haben  drei  verschiedene  Hände  Fortsetzungen 
von  1398  (von  lA.  IX  1398.  Gerhardus'  an  =  C.  141)  nur 
bis  zum  Jahre  1412  allmählich  hinzugefügt2.  Dem  Inhalt 
dieser  Fortsetzungen  entsprechen  wohl  im  allgemeinen  die 
C.  141  — 157  bei  Pistorius,  aber  der  originale  Text  ist  hier 
stark  verändert,  erweitert,  verkürzt,  mit  Zusätzen  versehen3, 
und  zwar  nehmen  die  Abänderungen  allmählich  fortschrei- 
tend zu,  so  dass  endlich  in  den  C.  155 — 157  der  ursprüng- 
liche Text  zwar  noch  benutzt,  aber  fast  nirgends  mehr 
wörtlich  wiedergegeben  ist.  Die  C.  158  —  162  (1414—1426) 
bei  Pistorius  sind  dann  originale  Fortsetzung  eines  Mannes, 
der  zwar  auch  in  Thüringen  schrieb 4,  der  sich  aber  viel 
mehr  um  die  allgemeine  Reichsgeschichte  kümmerte,  als 
die  früheren  Fortsetzer,  deren  Nachrichten  fast  ausschliess- 
lich Thüringen  und  speciell  Eisenach  betreffen.  Andere 
Hss.  ergeben  noch  andere  Fortsetzungen,  die  ich,  als  meine 
Zwecke  zunächst  nicht  angehend,  bei  Seite  gelassen  habe. 


Die  noch  vorhandenen  Quellen,  welche  in  unserer 
Cronica  Thuringorum  benutzt  sind,  sind  zum  Theil  schon 
oben  genannt.     Es  sind  in  erster  Linie  der  Liber  cronico- 


1)  'De  —  Saxonum1  ist  als  Ueberschrift  des  ersten  Capitels  zu 
fassen,  die  aber  in  der  Original  -  Hs.  nicht  steht.  2)  Und  zwar  schrieb 
der  erste  der  Fortsetzer  zunächst  Notizen  von  1398 — 1401,  dann  setzte 
der  zweite  mit  einer  Nachricht  zu  1401  ein,  aber  danach  fuhr  wieder  der 
erste  mit  Notizen  zu  1401.  1402  fort.  Es  folgte  ein  dritter  mit  zwei 
Nachrichten  zu  1403.  1404.  Dann  schrieb  wieder  der  zweite  Fortsetzer 
den  ganzen  Rest  von  1404 — 1412.  Eine  vierte  Hand  setzte  nur  am  oberen 
Blattrande  eine  Notiz  über  grossen  Sturm  im  J.  1406  (nicht  1407)  hinzu 
(=  C.  153, 2).  Ich  bemerke  noch,  dass  auch  zu  dem  Originalwerk  in 
früheren  Abschnitten  einige  Nachrichten  auf  den  ßlatträndern  nicht  von 
dessen  Verfasser,  sondern  von  späteren  Händen  hinzugesetzt  sind.  3)  Solche 
sind  z.  B.  C.  151.  155,  2.  Auch  manche  der  letzten  Capitel  des  originalen 
Werkes  sind  in  Pistorius'  Text  schon  stark  verändert,  z.  B.  C.  131. 
4)  Ueber  Eisenach  hat  er  nichts  mehr. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  399 

rum  Erford.  und  die  Erfurter  St.  Peters  -  Chronik,  ferner 
die  Sächsische  Weltchronik  in  der  Recension  C  \  der  im 
Verhältnis  zu  ihrem  Umfange  wenig  entnommen  ist,  die 
Chronik  Martins  von  Troppau,  wohl  zweifellos  auch  die 
Erfurter  Chronica  Minor,  Dietrichs  von  Apolda  Vita  Eli- 
sabeth. Einiges  wenige  stammt  aus  Lamberts  Annalen. 
Was  unserem  Autor  diese  Quellen  für  seinen  Zweck,  die 
Geschichte  Thüringens  und  vornehmlich  von  dessen  Fürsten 
zu  schreiben,  boten,  hat  er  nicht  nur  in  freier,  sondern 
meist  in  willkürlichster  Weise  verarbeitet,  mit  einer  Unmasse 
eigener  Erfindung  verbunden,  welche  theils  dem  Zwecke 
der  Verherrlichung  Thüringens  und  seiner  Fürsten  diente, 
theils  zum  Zweck  der  pragmatischen  Verbindung  der  ver- 
einzelt überlieferten  Facta  erdacht  war.  In  der  Willkür 
solcher,  im  besten  Falle  auf  Vermuthung  beruhender  Er- 
findungen leistet  er  grossartiges,  und  dabei  kümmert  er 
sich  wenig  um  die  Wahrung  der  richtigen  Zeitfolge  der 
berichteten  Ereignisse.  Oft  zwar  übernimmt  er  die  Jahr- 
angaben seiner  Quellen,  aber  es  kommt  ihm  garnicht  darauf 
an,  solche  auch,  sei  es  aus  Nachlässigkeit,  sei  es  aus  Will- 
kür, zu  verschieben.  Braucht  er  eine  Jahrangabe  und  findet 
sie  in  seinen  Quellen  nicht,  so  setzt  er  eine  solche  nach 
Gutdünken  an.  Wir  haben  schon  an  einzelnen  Beispielen 
die  wenig  lobenswerthe  Arbeitsweise  unseres  Mannes  kennen 
gelernt,  und  beschränken  uns  hier  auf  diese  allgemeine 
Bemerkung.  Aber  nicht  nur  aus  diesen  geschriebenen 
Quellen,  sondern  auch  aus  echt  sagenhafter  Tradition  hat 
der  Verfasser  an  einigen  Stellen  geschöpft,  so  namentlich 
zwei  sehr  berühmt  gewordene  Geschichten  von  Landgraf 
Ludwig  dem  Eisernen 2  dieser  entnommen. 

Dass  der  Liber  cron.  Erford.  in  der  Cronica  Thurin- 
gorum  benutzt  ist,  hat  O.  Posse  nachgewiesen  3,  doch  meinte 
er  annehmen  zu  müssen,  dass  diese  Quelle  neben  dem 
Chron.  Reinhardsbrunn.  ausgeschrieben  sei.  Aber  diese  für 
die  Ausgabe  des  letzteren  sehr  wichtige  Frage,  welche  der 
genauesten  Untersuchung  unterzogen  werden  musste,  ist 
durchaus  zu  verneinen.  Wie  bekannt,  ist  der  Theil  des 
Liber  cron.  von  1015 — 1294  Excerpt  aus  dem  Chron.  Rein- 
hardsbrunn, mit  wenigen  Zusätzen.  Es  stellt  sich  nun 
heraus,  dass  alles,  was  in  der  Cron.  Thuring.  sicher  auf 
Chron.    Reinhardsbrunn,    zurückgeht,    sich    auch   im    Liber 


1)  Wie  L.  Weiland,  Deutsche  Chron.  II,  62  bereits  bemerkte. 
2)  Pist.  C.  20.  21  =  C.  14,  §  2.  3.  3)  Die  Reinhardsbrunner  Geschichts- 
bücher S.  26  f. 


400  Oswald  Holder -Egger. 

cron.  findet,  dass  alle  aus  jener  Urquelle  geflossenen  Nach- 
richten in  der  Cron.  Thuring.  in  solcher  Form  vorliegen,  dass 
sie  sich  stets  dem  mannigfach  abgeänderten  und  stark  ver- 
kürzten Wortlaut  des  Liber  cron.  viel  mehr  nähern  als  der 
ursprünglichen  Quelle.  Um  das  strict  nachzuweisen,  müsste 
ich  sämmtliche  der  in  Betracht  kommenden  Stellen  der 
drei  Chroniken  hier  zusammenstellen.  Da  aber  eine  solche 
Raum-  und  Zeitverschwendung  nicht  wohl  zulässig  ist, 
muss  hier  die  Versicherung  genügen,  dass  es  sich  so  verhält, 
dass  nur  der  Liber  cron.  Quelle  der  Cron.  Thuring.  für 
die  sicher  aus  Chron.  Reinhardsbrunn,  stammenden  Nach- 
richten ist. 

Freilich  zeigen  nun  auch  einige  Nachrichten  der  Cron. 
Thuring.,  welche  sich  nicht  im  Liber  cron.  finden,  eine  ge- 
wisse Verwandtschaft  mit  solchen  des  Chron.  Reinhards- 
brunn. Aber  sie  ist  nur  der  Art,  dass  man  unmöglich 
ihretwegen  Benutzung  des  letzteren  in  jener  annehmen 
darf.  Zum  ersten  Mal  zeigt  sie  sich  in  dem  hübschen  Ge- 
schichtchen von  Ludwigs  des  Springers  Sprung  in  die  Saale 
vom  Giebichenstein.  Diese  ist  im  Liber  cron.  aus  Chron. 
Reinhardsbrunn,  zwar  aufgenommen,  aber  sehr  stark  ge- 
kürzt. Nun  ist  zwar,  wie  über  allen  Zweifel  klar  erhellt, 
gerade  dieser  gekürzte  Wortlaut  in  Cron.  Thuring.  C.  15 
(=  C.  12,  §  4)  benutzt,  aber  auch  wieder  erweitert  durch 
den  Zusatz,  dass  Graf  Ludwig  einen  Diener  mit  zwei 
Pferden  zu  seiner  Rettung  an  den  Saalefluss  beordert  hatte, 
dass  der  Graf  mit  einem  weiten  Kleide  bei  dem  Sprunge  an- 
gethan  war  und  bei  wehendem  Winde  (welcher  sich  in  das 
Kleid  setzte,  durch  diesen  getragen)  den  Sprung  glücklich 
vollzog.  Aehnlich  wohl,  aber  doch  wesentlich  anders  er- 
zählt Chron.  Reinhardsbrunn.1  Da  sieht  der  Graf  seinen 
Diener  (den  er  keineswegs  dorthin  bestellt  hatte)  zufällig 
jenseit  der  Saale  mit  des  Grafen  eigenem  Streitross,  dem 
Schwan,  (nicht  mit  zwei  Pferden)  sich  dem  Flussufer 
nähern.  Auch  hier  glückt  der  Sprung  dadurch,  dass  des 
Grafen  Festkleider,  die  er  absichtlich  unter  einem  Vorwande 
angezogen  hat,  sich  dabei  ausbreiten.  Aber  im  Wortlaut 
findet  sich  zwischen  beiden  Quellen  keine  Uebereinstimmung. 
Unmöglich  konnte  der  Eisenacher  Dominikaner,  falls  er 
diesen  poetischen  und  reich  ausgemalten  Bericht  benutzte, 
seinen  viel  farbloseren  an  dessen  Stelle  setzen.  Man  sieht, 
die  Sage  war  ihm  bekannt,  er  vervollständigte  seine  Quelle 
nach   der   mündlichen  Ueberlieferung,    der   er   auch   sonst 


1)  Wegele  S.  13,  wo  freilich  der  Text  sehr  verdorben  ist. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  401 

zuweilen  folgte,  und  kam  dadurch  mit  Chron.  Reinhardsbr., 
wo  die  Sage  zuerst  schriftlich  überliefert  ist,  in  einigen 
Punkten  überein. 

Der  Verfasser  des  Liber  cron.  nennt  unter  den  Kin- 
dern des  ersten  Landgrafen  Ludwig  nur  eine  Tochter  des- 
selben 1,  die  allein  für  ihn  Interesse  hatte,  weil  sie  ein 
Kloster  gestiftet  haben  sollte  und  dessen  Aebtissin  ge- 
worden war,  obgleich  seine  Quelle,  das  Chron.  Reinhardsbr.'-, 
vier  Töchter  des  Landgrafen  aufzählte.  Wiederum  ist  Liber 
cron.  Erford.  die  Quelle  für  die  Angaben  über  die  Familie 
des  ersten  Landgrafen  in  der  Cron.  Thuring.3  C.  18  (=  C.  13, 
§  1),  aber  diese  nennt  zwei  Töchter  und  sagt  durchaus 
richtig:  'Item  genuit  filiam  Ceciliam,  que  duxit  ducem 
Bohemie'  und  kommt  darin  mit  Chron.  Reinhardsbrunn, 
überein.  Aber  woher  jener  richtige  Zusatz  auch  entnom- 
men sein  mag,  sicher  ist  doch,  dass  der  Eisenacher  Autor 
ihn  nicht  aus  Chron.  Reinhardsbrunn,  entlehnt  haben  kann. 
Denn  dort  heisst  es  ja:  'suscepit  .  .  .  IUI01'  filias,  quarum 
una  Cecilia  nupsit  Udalrico  illustri  duci  Bohemie'.  Sowie 
er  sich  an  diese  Quelle  wandte,  musste  er,  dem  es  so  sehr 
um  die  Mitglieder  des  Landgrafenhauses  zu  thun  war,  ihr 
entnehmen,  dass  der  Landgraf  vier  Töchter,  nicht  zwei, 
hatte. 

Die  kurze  Angabe  des  Chron.  Reinhardsbrunn.4,  dass 
die  Leiche  des  Landgrafen  Ludwig  des  Eisernen  von  seinen 
Rittern  nach  Reinhardsbrunn  zur  Beisetzung  getragen 
wurde,    ist  in  der  Cron.  Thuring.  C.  21  (=  C.  14,  §  3)    zu 


1)  GQ.  der  Provinz  Sachsen  I,  204.  2)  Wegele  S.  24.  3)  Nur 
hat  der  Eisenacher  Dominikaner  einen  für  ihn  höchst  charakteristischen 
Zusatz  gemacht.  Seine  Quelle  enthielt  keine  Angabe  darüber,  woher 
Hedwig,  die  Gemahlin  des  Landgrafen  Ludwigs  I,  stammte.  Aber  wohl 
fand  er  in  dieser  Quelle,  dass  Kaiser  Lothar  Ludwig  zum  Landgrafen  er- 
hoben hatte.  Alles  fügte  sich  schön,  wenn  er  die  Hedwig  zur  Tochter 
des  Kaisers  machte,  dann  hatte  er  eine  so  illustre  Dame,  wie  eine  Kaiser- 
tochter, mehr  in  den  Stammbaum  des  Landgrafenhauses  eingereiht,  und 
erklärt,  warum  der  Kaiser  Ludwig  beförderte.  Der  musste  doch  für  seinen 
Schwiegersohn  sorgen.  Also  wurde  bei  ihm  Hedwig  zu  einer  Tochter  des 
Kaisers  Lothar.  —  Auch  bei  anderer  Gelegenheit  erfand  sich  der  Autor 
die  Abkunft  einer  Dame  des  Landgrafenhauses.  Adelheid,  die  Gemahlin 
Ludwigs  des  Springers,  Wittwe  Pfalzgraf  Friedrichs  von  Sachsen,  war, 
wie  Chron.  Reinhardsbrunn,  angiebt,  eine  Tochter  Markgraf  Udo's  von 
Stade  (von  der  Nordmark).  Diese  Angabe  Hess  der  Liber  cron.  weg. 
Daher  wusste  das  der  Autor  der  Cron.  Thuring.  nicht  (beiläufig :  ein  schla- 
gendes Beweismoment,  dass  er  Chron.  Reinhardsbr.  nicht  gekannt  hat) 
und  machte  sie  zur  Tochter  eines  Herzogs  von  Sachsen.  Nun  las  er  bei 
Martin  von  Troppau,  dass  der  Gegenkönig  Rudolf  Herzog  von  Sachsen 
gewesen  sei.  Also  machte  er  diesen  und  jene  Adelheid  zu  Geschwistern. 
So  arbeitete  dieser  Biedermann !         4)  Wegele  S.  37. 


402  Oswald  Holder -Egger, 

einer  sagenhaften  Erzählung  ausgesponnen,  dass  der  Land- 
graf seine  ehedem  widerspenstigen,  von  ihm  aber  gebän- 
digten Edeln  vor  seinem  Tode  verpflichtet  hätte,  das  zu 
thun.  Man  kann  aber  nicht  im  mindesten  daraus  folgern, 
dass  der  Autor  hier  das  Chron.  Reinhardsbrunn,  benutzte. 

Uebereinstimmend  zwar  mit  Chron.  Reinhardsbrunn.1 
nennt  Crom  Thuring.  C.  22  (=  C.  15,  §  1)  drei  Söhne  des 
Landgrafen  Ludwigs  IL,  aber  auch  hier  kann  ersteres  nicht 
Quelle  der  letzteren  sein,  denn  diese  sagt  ausdrücklich : 
'Ludowicus  .  .  .  reliquid  tres  filios',  während  dort  vier 
Söhne  und  eine  Tochter  Ludwigs  IL  genannt  werden,  und 
zwar  stehen  in  den  beiden  Quellen  die  Söhne  in  anderer 
Reihenfolge. 

Sehr  auffällig  ist  dann  aber  folgende  Uebereinstim- 
mung  der  beiden  Quellen.  Ueber  die  unglückliche  Fürsten- 
versammlung zu  Erfurt  im  J.  1184,  bei  welcher  durch  Ein- 
sturz des  Bodens  mehrere  Grafen  und  Edele  zu  Tode 
kamen,  berichtet  Cron.  Thuring.  C.  27  (=  C.  15,  §  6)  im 
wesentlichen  nach  der  St.  Peters  -  Chronik.  Aber  während 
diese  unter  den  Verunglückten  nennt2:  'Heinricus  comes 
Thuringie,  Gozmarus  comes  Hassie',  sagt  Cron.  Thuring. : 
'comes  Hassie,  scilicet  Gotzmannus  de  Zcegenhajn, 
comes  Heynricus  de  Swarzcborg,  qui  causa  tocius 
discordie  erat',  wie  Chron.  Reinhardsbrunn.3:  'Heinri- 
cus de  Swartzborg,  tocius  incentor  discordie,  .  .  .  Gozmarus 
de  Czegenhagin'.  Hier  bleibt  in  der  That  kaum  etwas  an- 
deres übrig,  als  anzunehmen,  dass  die  Angaben  von  Cron. 
S.  Petri  und  Reinhardsbrunn,  compiliert  sind. 

Auch  in  dem  nächsten  Paragraphen  der  Cron.  Thuring. 
(C.  28)  findet  sich  Uebereinstimmung  mit  dem  letzteren. 
Da  wird  übereinstimmend  mit  Chron.  Reinhardsbrunn.  S.  51 
gesagt,  dass  Landgraf  Ludwig  III.  in  Eisenach  eine  Kirche 
zu  Ehren  S.  Georgs 4  bauen  Hess.  Daran  schliesst  sich  ein 
kurzer  Bericht,  dass  er  auf  dem  Kreuzzuge  mit  Hilfe  des 
ihm  vom  Himmel  dargebotenen  'vexillum  S.  Georgii'  die 
Sarracenen  besiegt  habe.  Eine  ausführliche  Erzählung  des 
Sieges  mit  Hilfe  des  'vexillum  S.  Georgii'  steht  auch  an 
der  citierten  Stelle  des  Chron.  Reinhardsbrunn.,  die  aber 
nur  im  allgemeinen  mit  jener  übereinstimmt.  Wiederum 
müsste  es  Wunder  nehmen,  dass  der  Eisenacher  Autor  sich 
nicht   mehr   aus    dieser  langen  Erzählung    angeeignet   und 


1)  Wegele   S.  32.  2)   Stübel   S.  41.  3)  Wegele   S.  41  f. 

4)  'quem  multum  coluit'  in  Cron.  Thuring. ;    'quem  ipse  princeps  multum 
venerabatur'  im  Chron.  Reinhardsbrunn. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  403 

überhaupt  so  wenig  über  den  Kreuzzug  Ludwigs  III.,  nach 
Liber  cron.  Erford.  nämlich,  berichtet  hätte,  über  welchen 
so  reiche  Nachrichten  im  Chron.  Eeinhardsbrunn.  standen, 
wenn  er  dieses  zur  Hand  gehabt  hätte.  Und  was  er  nun 
weiter  über  die  Fahne  S.  Georgs  erzählt,  dass  diese  nach 
Tharant  gebracht,  von  dort  durch  das  Fenster  ostwärts 
entschwunden  sei,  steht  überhaupt  nicht  im  Chron.  Eein- 
hardsbrunn. Daher  ist  auch  die  direkte  Benutzung  dieser 
Quelle  durch  den  Eisenacher  Autor  für  die  vorangehende 
Erzählung  durchaus  unwahrscheinlich. 

Am  merkwürdigsten  stimmt  aber  mit  Chron.  Eein- 
hardsbrunn. S.  37  überein,  was  in  der  Cron.  Thuring.  so- 
gleich folgt:  'Hie  (Ludewicus  III.)  lantgravius  de  uxore 
sua  Margareta,  filia  ducis  Austrie,  non  habuit  filios',  wäh- 
rend es  in  jenem  heisst:  'Hie  .  .  .  ducis  Austrie  filiam, 
famosissimi  pene  nostrorum  temporum  viri,  duxit  uxorem. 
Cuius  tarn  caste  usus  est  coniunecione,  ut  vix  crederetur 
eam  umquam  cognovisse'.  Aber  die  erste  Gemahlin  Lud- 
wigs III.  war  durchaus  keine  Tochter  eines  Herzogs  von 
Oesterreich  (sondern  eines  Grafen  von  Cleve),  und  wie  Posse 
a.  a.  O.  S.  48  f.  nachgewiesen  hat,  ist  die  ganze  Stelle  des 
Chron.  Eeinhardsbrunn.  ein  Plagiat  aus  Ekkehards  Chronik 
1099,  indem  hier  auf  den  Landgrafen  bezogen  ist,  was  dort 
von  König  Konrad,  Heinrichs  IV.  Sohn,  gesagt  wird.  Nur 
die  Worte  'Euotkeri  ducis  Siciliae'  sind  hier  durch  'ducis 
Austrie'  ersetzt.  Also  muss  doch  die  falsche  Angabe  der 
Cron.  Thuring.  auf  diese  Stelle  der  Eeinhardsbrunner 
Chronik  zurückgehen  1.  Gewiss,  das  ist  höchst  wahrschein- 
lich, aber  sicher  auch,  dass  der  Eisenacher  Autor  diese 
auch  hier  nicht  benutzt  hat.  Den  richtigen  Namen  Mar- 
gareta der  Gemahlin  Ludwigs,  welche  die  Cron.  Thuring. 
hat,  kennt  der  Eeinhardsbrunner  Chronist  nicht.  Wiederum 
hat  der  erstere,  dessen  Tendenz  es  doch  ist,  die  Landgrafen 
zu  verherrlichen,  nichts  von  den  reichen  Lobsprüchen, 
welche  der  letztere  hier  dem  Landgrafen  ertheilt 2,  und 
Wortübereinstimmung  findet  sich  hier  zwischen  den  beiden 
Quellen  überhaupt  nicht.  Und,  was  das  wichtigste  ist, 
hiermit  sind  schon  alle  Nachrichten  der  Cron.  Thuring. 
erschöpft,  welche  auf  Chron.  Eeinhardsbrunn.  zurückgeführt 
werden    müssten    oder   könnten,    und    die    ihr    nicht   durch 


1)  Auch  darin  stimmen  beide  Quellen  überein,  dass  sie  nur  die 
erste  Gemahlin  Ludwigs  III.  kennen,  von  der  zweiten,  der  dänischen 
Sophie,  nichts  wissen.  2)  Da  sie  nämlich  im  Liber  cron.  Erford.  über- 

gangen waren. 


404  Oswald  Holder -Egger. 

Liber  crem,  vermittelt  waren.  Es  ist  nun  ganz  undenkbar, 
dass  der  Eisenacher  Dominikaner,  welcher  sich  eifrig  be- 
mühte, Stoff  für  seine  Thüringische  Geschichte  aus  ver- 
schiedenen Werken  zu  sammeln,  so  wenig  den  für  seinen 
Zweck  so  überaus  reichhaltigen  Berichten  des  Chron.  Rein- 
hardsbrunn, entnommen  hätte,  wenn  er  es  gekannt  hätte. 
Daher  werden  wir  annehmen  müssen,  dass  sich  unter  seinen 
Quellen  eine  befand,  welche  noch  neben  dem  Liber  cron. 
dürftige  Excerpte  aus  der  Reinhardsbrunn  er  Quelle  bot. 
Diese  können  in  einem  besonderen  Werkchen  gestanden 
haben,  sie  können  aber  auch  in  eins  der  von  ihm  benutzten 
Bücher  interpoliert  gewesen  sein.  Irgend  eine  Vermuthung- 
darüber  Hesse  sich  schwerlich  begründen. 

K.  Wenck,  der  einen  Theil  des  Liber  cron.  Erford.  aus 
der  Leydener  und  Wiesbadener  Hs.  herausgab  \  urtheilte 
mit  vollkommenem  Recht  S.  198,  dass  eine  Anzahl  von 
Nachrichten,  welche  sich  nur  in  der  letzteren  Hs.  finden  2, 
spätere  Zusätze  sind.  Er  vermuthete,  sie  seien  Annalen 
von  St.  Marien  zu  Erfurt  entnommen,  und  da  er  verwandte 
Nachrichten  auch  in  der  Cron.  Thuring.  fand,  so  meinte  er 
S.  202,  Benutzung  dieser  verlorenen  Quelle  auch  in  den 
Eisenacher  Landgraf  engeschichten  annehmen  zu  müssen. 
Da  sehen  wir  zunächst  von  der  Hist.  de  landgr.  Eccard. 
ab,  und  fragen  nur,  ob  sich  für  die  Cronica  Thuring. 
diese  Meinung  bestätigt,  denn,  was  möglicherweise  für  eines 
der  beiden  Werke  gilt,  braucht  noch  nicht  für  das  andere 
zuzutreffen. 

Einer  der  Zusätze  der  Wiesbadener  Hs.  lautet  zum 
Jahr  1214 3:  'Eodem  tempore  rex  Otto  cum  rege  Francie 
fugatus  est  de  Thuringia  per  comites  et  nobiles  terre'. 
Diesen  greulichen  Unsinn  kann  der  Interpolator  schwerlich 
älteren  Annalen  so  entnommen  haben,  er  wird  vielmehr 
seinerseits  erst  eine  Notiz  missverstanden  und  so  greulich 
entstellt  haben,  welche  besagte,  dass  Otto  im  Jahr  1214 
vom  Könige  von  Frankreich  (bei  Bouvines)  geschlagen  und 
zur  Flucht  genöthigt  wurde.  Nun  hat  die  Cron.  Thuring. 
C.  34  (=  C.  16,  §  6)  folgenden  Passus4:  Tostea  Otto,  ad- 
iuncto    sibi    regi    Francie,    absente    Friderico    imperatore, 


1)  Zeitschrift  für  Thuring.  Gesch.  N.  F.  IV,  187  ff.  2)  Sie  steheo 
auch  nicht  in  der  Mayhinger,  Breslauer,  Wiener  Hss.,  welche  ich  colla- 
tionierte.  Auf  Benutzung  der  Wolfenbüttler  Hs.,  Heimst.  329,  welche 
dasselbe  Werk  enthält,  habe  ich  bisher  verzichten  müssen,  da  von  Seiten 
der  Leitung  dieser  Bibliothek  der  Versendung  von  Hss.  leider  noch  immer 
die  grössten  Schwierigkeiten  entgegengesetzt  werden.  3)  Wenck  S.  229. 
4)  Welchen  Wenck  selbst  zu  dieser  Stelle  anführte. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  405 

iterum  Thuringiain  veniens,  ipsam  devastando,  quos  Her- 
mannus  lantgravius  de  terra  cedere  conpulit'  K  Also  ge- 
nau derselbe  Unsinn  kehrt  hier  wieder,  dass  Otto  mit  dem 
Könige  von  Frankreich  aus  Thüringen  vertrieben  wurde. 
Dass  an  die  Stelle  der  'comites  et  nobiles'  der  Wiesbadener 
Hs.  hier  der  Landgraf  Hermann  tritt,  ist  bei  diesem  Autor, 
der  bestrebt  ist,  jede  tapfere  That  seinen  Landgrafen  zu- 
zuschreiben, ziemlich  selbstverständlich.  Die  Abänderung 
des  Wortlautes  der  Quelle  ist  Regel  bei  ihm.  Da  wir  nun 
wissen,  dass  er  den  Liber  cron.  viel  benutzte,  ist  doch  ein- 
fach anzunehmen,  dass  er  eine  Hs.  hatte,  in  welcher  die 
Interpolationen  des  Wiesbadener  Codex  schon  standen. 
Auch  kurz  vorher  in  demselben  Capitel  der  Cron.  Thuring. 
ist  schon  die  Benutzung  einer  dieser  Interpolationen  deut- 
lich wahrnehmbar.  Denn  eine  solche  zum  J.  1212  (Wenck 
S.  229)  lautet:  'Otto  rex  Romanorum  Salza  opidum 
cum  castro  expugnavit  et  civitatem  Wisense 
obsedit  per  sex  septimanas'.  Und  dem  zufolge  in  der 
Cron.  Thuring. :  'Hoc  audiens  Otto  rex2  depositus  collegit 
exercitum  et  opidum  Salzca  cum  castro  expungnavit 
et  civitatem  Wiszense  obsedit',  während  die  dritte 
Quelle  unseres  Dominikaners,  die  Cron.  S.  Petri,  welche 
die  Sache  ebenfalls  berichtet,  einen  stark  abweichenden 
Wortlaut  bietet. 

Eine  dritte  Interpolation  der  Wiesbadener  Hs.  lautet 


1)  Er  lässt  dann  die  beiden  Könige  noch  einen  weiteren  Zug  unter- 
nehmen, indem  er  fortfährt:  'et  terram  orientalem  Mysne  contra  mar- 
chionem  Theodericum  intraverunt,  ubi  propter  metum  civitas  Lipcz  re- 
cessit  a  marchione'.  Dafür  ist  die  einzige  Quelle  Sachs.  Weltchronik  C.  352 : 
'Darna  karde  Libzeke  van  deme  marcgreven  Diderike  van  Misne'.  Da  er 
in  dem  Zusatz  des  Liber  cron.  las,  die  beiden  Könige  seien  aus  Thüringen 
vertrieben,  und  dazu  diesen  Satz  der  Sachs.  Weltchronik  hielt,  conjicierte 
er  in  seiner  Weise,  die  Könige  seien  von  Thüringen  in  die  Markgrafschaft 
Meissen  gezogen,  das  sei  der  Anlass  zum  Abfall  von  Leipzig  gewesen.  Ich 
brauche  nicht  zu  sagen,  dass  das  völliger  Blödsinn  ist.  Die  Worte  des  im 
Texte  angeführten  Satzes  'absente  Friderico  imperatore',  'ipsam  devastando' 
entnahm  der  Autor  wahrscheinlich  demselben  Capitel  der  Sachs.  Welt- 
chronik, wo  es  kurz  vorher  heisst :  'Darna  ret  de  keiser  Otto  mit  here  to 
Mersburch,  dar  de  koning  Vrederic  enen  hof  hadde  geleget.  Den  werede 
he  unde  brande  dat  lant  to  Doringen',  obgleich  er,  was  über  die  Ge- 
fangennahme des  Grafen  von  Käfernburg  dort  folgt,  schon  oben  vorweg 
genommen  hat.  Er  hat  eben  die  Capitel  über  die  Thüringischen  Feldzüge 
der  Könige  Philipp  und  Otto  in  wirrster  Weise  aus  Cron.  S.  Petri,  Liber 
cron.  und  Sachs.  Weltchr.  zusammengestoppelt.  Der  beste  Beweis,  dass  er 
die  reichen  Berichte  des  Chron.  Reinhardsbrunn.  über  diese  Dinge  nicht 
kannte.  2)   Die  Quelle    des   vorigen   bis    hier   ist  Sachs.  Weltchronik 

C.  348,  wo  es  heisst:    'Do    de  keiser  dit  orloge  vernam,   he  vor  wider  to 
lande  unde  belach  Wizense'. 

Neues  Archiv  etc.    XX.  27 


406  Oswald  Holder  -  Egger. 

(Wenck  S.  230) :  'A.  D.  1250.  fratres x  habentes  conveutum 
in  Gotha  transtulerunt  se  et  cesserunt  domui  sue,  quibus 
sanctimoniales  successerunt.  .  .  .  Eodern  anno  fratres  Mi- 
nores in  Arnstete  fecerunt  cenobiurn'.  Und  in  Cron. 
Thuring.  C.  51  (=  C.  18,  §  11),  wo  aber  das  Jahr  1246 
vorhergeht2,  heisst  es:  'Eodem  anno  fratres  Minores  ha- 
bentes conventurn  in  Gotha  transtulerunt  se  in  Arnstete, 
quibus  successerunt  Augustinenses  fratres'3.  Ich 
kann  nicht  zweifeln,  dass  diese  Notiz  aus  jenen  zwei  Nach- 
richten des  Wiesbadener  Codex  zusammengezogen  und  irrig 
abgeändert  ist.  In  der  That  ist  das  Cistercienser  Nonnen- 
kloster, wie  aus  einer  Urkunde  hervorgeht,  um  1251  ge- 
gründet4, das  Jahr  1250,  welches  die  Interpolation  angiebt, 
kann  durchaus  richtig  sein5.  Die  Augustiner  kamen  aber 
nicht  schon  im  J.  1250  (oder  gar  1246)  nach  Gotha,  son- 
dern erst  im  J.  1258  traten  ihnen  eben  die  Cisterzienser- 
nonnen  eine  Kirche  ab,  in  der  sie  sich  ansiedelten'1.  Der 
Eisenacher  Dominikaner,  der  von  dem  Augustinerkloster  in 
Gotha  wusste,  hat  einen  vermeintlichen  Irrthum  seiner 
Quelle  irrig  abgeändert.  Da  wir  also  drei  der  wenigen 
Interpolationen  des  Wiesbadener  Codex  in  der  Cron. 
Thuring.  benutzt  finden,  so  können  wir  nicht  zweifeln,  dass 
der  Codex,  welchen  der  Eisenacher  Dominikaner  hatte, 
eben  diese  Interpolationen  schon  enthielt.  Und  sonst 
dürfte  es  schwer  halten,  in  der  Cron.  Thuring.  Nachrichten 
aufzufinden,  welche  auf  jene  verlorenen  Erfurter  Annalen. 
deren  Benutzung  Wenck  annahm,  zurückgeführt  werden 
könnten  oder  müssten. 

Allerdings  finden  wir  in  der  Cron.  Thuring.  für  die 
zweite  Hälfte  des  12.  und  das  13.  Jahrh.  Nachrichten, 
welche  auf  eine  verlorene  Quelle  zurückgehen  müssen. 
Diese  war  aber  keine  Erfurter.  Die  erste  dieser  Nach- 
richten, für  deren  Richtigkeit  man  freilich  nicht  einstehen 
kann,  ist,  dass  die  Aebtissin  Adelheid  von  S.  Nicolai  zu 
Eisenach  im  Jahr  1151  gestorben  sei7.  Es  folgen  Notizen 
über    Gründung    der    Cisterzienserklöster    zu    Walkenried, 


1)  Ob  'Minores'  ausgefallen  ist?  2)  Ich  bemerkte  schon  oben 

S.  399,  dass  der  Eisenacher  Autor  Jahrzahlen  oft  in  der  nachlässigsten 
und  willkürlichsten  Weise  verschiebt.  3)  Nie.  von  Siegen  ed.  Wegele 

S.  358  hat  das  mit  einiger  Wortveränderung  abgeschrieben  und  hinzu- 
gesetzt: 'videlicet  de  Erfurdia'.  4)  Siehe  J.  H.  Möller  in  Zeitschrift 
für  Thuring.  Gesch.  IV,  47  f.  5)  Denn  nach  der  Urkunde  von  1251 
waren  die  Nonnen  damals  schon  in  Gotha  und  im  Besitz  ihrer  Kirche. 
6)  Vgl.  Möller  a.  a.  O.  IV,  259.  7)  Wenn  ihr  auch  eine  vom  Verfasser 
gesehene  Grabsteininschrift  zu  Grunde  liegen  könnte,  ist  sie  doch  unglaublich. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  407 

Volkenrode,  Georgenthal,  Ichtershausen,  deren  Jahrzahlen 
aber  sänimtlich  falsch  sind.  Zwei  von  ihnen  könnten,  wenn 
man  Verderbnis  der  Zahl  annimmt,  auf  die  Chron.  Minor, 
zurückgehen.  Die  Angabe  (C.  19  =  C.  14,  §  1),  dass  Land- 
graf Ludwig  II.  seine  Gemahlin  Jutta  im  Jahr  1150  ge- 
heirathet  habe,  ist  wohl  sicher  vom  Autor  erfunden  1.  Da- 
gegen müssen  sicher  zwei  Notizen  in  C.  29  (=  C.  16,  §  1) 
ohne  Jahrangabe  über  Belagerung  des  Schlosses  Orlamünde 
durch  Heinrich  VI. 2  und  Wasserarmuth  der  Unstrut  aus 
einer  unbekannten  annalistischen  Quelle  geschöpft  sein. 
Ueber  Sophie,  die  erste  Gemahlin  des  Landgrafen  Her- 
mann, macht  der  Autor  C.  30  (=  C.  16,  §  2)  Angaben,  welche 
sicher  falsch  sind.  Ich  werde  sie  in  einer  Beilage  zum 
zweiten  Theil  dieser  Studien  besprechen.  Alter  Quelle 
entstammt  noch  die  Notiz  über  Gefangennahme  des  Grafen 
von  Orla-münde  zu  1214 3,  über  den  Tod  Hermanns,  des 
Sohnes  des  Landgrafen  Hermann,  zu  1216,  über  die  Heirath 
des  Landgrafen  Heinrich  zu  1240  (richtig  1238).  Neben 
diesen  Thüringischen  Nachrichten,  deren  Entstehungsort 
nicht  angegeben  werden  kann,  treten  dann  aber  vom  Jahr 
1235  an  Nachrichten  auf,  welche  mit  Sicherheit  auf  Be- 
nutzung von  älteren  Aufzeichnungen  der  Dominikaner  von 
Eisenach  deuten.  Dürftige  ältere  Thüringische  Annalen, 
welche  dorthin  gekommen  sein  können,  mögen  hier  fort- 
gesetzt sein.  Es  ist  aber  sehr  schwer,  bei  der  Arbeitsweise 
dieses  Autors  über  das  uns  unbekannte  Quellenmaterial, 
was  ihm  zu  Gebote  gestanden,  ins  Klare  zu  kommen. 
Sicher  war  es  nicht  bedeutend. 


Bisher  habe  ich  die  zweite  sogenannte  Landgrafen- 
geschichte, welche  J.  G.  Eccard  herausgab,  ganz  bei  Seite 
gelassen.  Wir  werden  jetzt  erst  festzustellen  haben,  wie 
sie  sich  zu  der  Eisenacher  Cronica  Thuringorum  verhält. 
E.  von  Liliencron 4  bezeichnete  diese  einfach  als  Quelle 
der  Eccardiana,    indem    er  von  dieser   eine  Quellenanalyse 


1)  Da  im  Liber  cron.  Erford.  das  Todesjahr  des  Landgrafen  Lud- 
wigs I.  (1140)  aus  der  Reinhardsbrunner  Quelle  nicht  übernommen  war, 
so  setzte  er  dessen  Tod  ganz  falsch  und  willkürlich  zu  1149  an,  obgleich 
er  das  richtige  Jahr  in  der  Cron.  S.  Petri  finden  konnte.  Im  folgenden 
Jahr  Hess  er  dann  dessen  Sohn  heirathen.  2)  In  wie  weit  der  Autor 

sie   verunstaltet   hat,    wann    sie    anzusetzen    sei,   lasse   ich    dahin   gestellt. 
3)  Vgl.  Chron.  Reinhardsbrunn.    S.  142   zu    1215.  4)  Vorrede   zu   des 

Johann  Rothe  Düringischer  Chronik,  Thür.  GQ.  III,  xiv  ff. 

27* 


408  Oswald  Holder -Egger. 

gab.  Diese  Ansicht  bat  dann  K.  Wenck 1  lebhaft  bekämpft, 
meinte  vielmehr  eine  gemeinsame  Quelle,  'eine  ursprüng- 
lichere Fassung  der  Eisenacher  Dominikanerchronik'  an- 
nehmen zu  müssen,  welche  beiden  Werken  zu  Grunde  läge. 
Ich  brauche  mich  mit  der  Widerlegung  dieser  irrigen  Mei- 
nung nicht  aufzuhalten,  sondern  kann  gleich  positiv  das 
richtige  Verhältnis  darlegen,  da  man,  sowie  man  das  hand- 
schriftliche Material  heranzieht,  sofort  erkennt,  wie  die 
Sache  liegt,  und  Wencks  Bedenken,  die  er  von  Liliencron 
gegenüber  erhebt,  sogleich  durch  dieses  beseitigt  werden. 
Eine  hochinteressante  und  sehr  werthvolle  Hs.  ist  die 
der  Königlichen  Bibliothek  zu  Dresden  K  316  a.  Diese 
Papierhandschrift  in  klein  Quarto  ist  um  das  Jahr  1442 
im  Minoritenconvent  bei  Eisen  ach  geschrieben.  Die  ersten 
42  Blätter,  welche  sie  ehemals  enthielt,  sind  jetzt  daraus 
entfernt.  Nach  dem  leeren  Blatt  43  folgt  f.  44—132'  die 
Cronica  Thuringorum  des  Eisenacher  Dominikaners.  Diese 
reicht  hier  aber  nur  bis  zum  Jahr  1350  (Pist.  C.  105  bis 
'absoluti  sunt  a  pena  et  a  culpa').  Es  folgen  unmittelbar 
danach  mit  der  Ueberschrift  in  Schwarz:  'Ortum  (!)  filiorum 
nostri  fundatoris'  auf  f.  132'.  133  Notizen  über  Geburt  und 
Tod  der  Söhne  des  Markgrafen  Friedrichs  des  Ernsthaften 
von  Meissen2,  des  Gründers  des  Eisenacher  Minoritencon- 
vents  zu  S.  Elisabeth,  und  danach  noch  eine  Notiz  über 
Jubiläen  zu  Prag  und  Meissen  in  den  Jahren  1393.  1394. 
Bis  hierher  ist  alles  von  einer  Hand  des  XV.  Jahrh.  ge- 
schrieben. Daran  fügte  aber  eine  andere  Hand  f.  133' — 
137'  eine  Geschichte  der  Gründung  des  Minoritenconventes 
zu  S.  Elisabeth  und  eine  Schilderung  der  Thätigkeit  von 
dessen  Guardianen  bis  1442.  In  der  letzten  Partie  machte 
der  Verfasser  auch  über  sich  selbst  Mittheilungen 3.  Diese 
Hand  schrieb  in  nicht  leicht  lesbaren,  cursiven  Zügen  mit 
zahllosen  Compendien.  Das  ist  wohl  der  Grund,  dass  dieses 
interessante  Stück  und  das,  was  folgt,  noch  nicht  bekannt 
gemacht  worden  ist.  Dieselbe  Hand  schrieb  nämlich  auf 
f.  138 — 194    eine  Chronik  von  1036 — 1353,  welche  auf  das 


1)  Entstehung  der  Reinhardsbr.  Geschichtsbücher  S.  59  ff.  2)  Da 
auch  der  Tod  Balthasars  erwähnt  ist,  reichen  sie  also  bis  zum  J.  140(3 
hinab.  3)  Das  Stück  schliesst  mit  den  Worten:    'Anno  Domini  1441. 

invitatus  per  dominum  abbatem  de  Reynersborn  super  festo  nativitatis  vir- 
ginis  gloriose,  mortuus  est  equus  meus,  qui  valuit  24  flor.'  Als  ich  diese 
Hs.  benutzte,  dachte  ich  noch  nicht,  mich  so  weit  auf  die  Landgrafen- 
geschichten einzulassen,  ich  habe  daher  nicht  ermittelt,  wer  der  Verfasser 
dieses  Stückes  ist,  was  sich  wohl  bei  genauerer  Untersuchung  ergeben 
dürfte. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  409 

engste  mit  der  Erfurter  St.  Peters  -  Chronik  verwandt  ist. 
Wir  werden  uns  mit  ihr  in  einem  folgenden  Abschnitt  zu 
beschäftigen  haben.  Als  Fortsetzung  dieser  Erfurter  Chro- 
nik schloss  dieselbe  Hand  ohne  Zwischenraum  oder  Ueber- 
schrift  daran  den  zweiten  Theil  der  Eisenacher  Cronica 
Thuringorum  von  1351  an  (Pist.  C.  106),  also  von  da  an, 
bis  wohin  die  erste  Hand  sie  abgeschrieben  hatte.  Es  ist 
über  allem  Zweifel  sicher,  dass  die  beiden  Theile  des 
"Werkes  hier  nur  durch  die  Willkür  der  Schreiber  aus- 
einander gerissen  sind.  Es  erhellt  durch  tausend  Merk- 
male, dass  auch  diese  Hs.  des  Werkes  aus  der  Jenaer  Ori- 
ginal-Hs.  geflossen  ist.  Sie  enthält  also  eine  vollständige 
Abschrift  des  Werkes,  nur  dass  einige  Randnoten  des  Ori- 
ginals schon  im  ersten  und  besonders  im  zweiten  Theil 
fehlen  *.  Und  zwar  ist  nicht  nur  das  ursprüngliche  Werk 
des  Dominikaners  bis  1395  vollständig  copiert,  sondern  auch 
dessen  eigene  Fortsetzung  von  1396 — 1398  2  und  die  Fort- 
setzungen der  drei  folgenden  Hände  des  Originals  von 
1398—1402  mit  abgeschrieben.  Aber  in  den  letzteren  ist 
schon  viel  abgeändert,  einiges  fortgelassen,  dafür  ein  län- 
gerer Zusatz  zum  J.  1398  und  anderes  eingeschoben.  Man 
sieht:  derjenige,  welcher  diese  Aenderungen  machte,  war 
sich  bewusst,  vom  J.  1398  an  nicht  mehr  das  ursprüngliche 
Werk  vor  sich  zu  haben,  daher  änderte  er  hier  freier. 
Auch  die  in  der  Dresdener  Hs.  folgenden  Nachrichten 
zu  den  Jahren  1404 — 1407  zeigen  noch  einige  Verwandt- 
schaft zu  den  entsprechenden  Originalzusätzen  der  Jenaer 
Hs.,  diese  sind  aber  in  jenen  gänzlich  umgestaltet  und  be- 
reichert. Die  dann  folgenden  kurzen  Nachrichten  zu  1408 
— 1414  zeigen  mit  denen  der  Jenaer  Hs.  keine  Verwandt- 
schaft mehr.  Daraus,  dass  die  dieser  Hs.  eigenthümlichen 
Zusätze  nur  bis  zu  dem  angegebenen  Jahr  reichen,  ersieht 
man  schon,  dass  dieser  erst  um  1442  geschriebene  Codex 
nicht  direct  aus  der  Jenaer  Hs.  copiert,  sondern  dass  er 
Abschrift  einer  Copie  ist,  welche  von  dem  Original  schon 
zu    Anfang    des    15.  Jahrh.,    wahrscheinlich    1409/10 3   von 

1)  Im  zweiten  Theil  sind  die  Rubra  weggelassen.  Doch  hat  der 
Schreiber  eines  derselben  aus  Versehen  im  Text  mit  abgeschrieben. 
2)  Nur  in  der  letzten  Notiz  seiner  Hand  ist  einiges  weggelassen.  3)  Denn 
zum  J.  1408  stehen  noch  drei,  zum  J.  1409  noch  eine  Nachricht.  Dann 
folgt:  'Anno  M°CCCCXniT0  heretici  conbusti  fuerunt  prope  Sangerhusen 
flagellatores.  Anno  M°CCCCX°  prelium  inagnum  fuit  in  festo  divisio- 
num  (!)  appostolorum  a  rege  Poloniorum  et  dominis  de  ordine  Thetuni- 
corum,  qui  occubuerunt  et  interfecti  fuerunt  ultra  C  milia'.  Die  Notizen 
zu  1414.  1410  waren  also  vermuthlich  in  der  Vorlage  der  Dresdener  Hs. 
später  nachgetragen. 


410  Oswald  Holder -Egger. 

dein  Original  genommen  wurde.  Und  das  finden  wir  nun 
sofort  durch  weitere  Bemerkungen  bestätigt. 

Die  erste  Hälfte  der  Cronica  Thuringorum  in  dieser 
Hs.  ist  sehr  viel  reicher  als  das  Jenaer  Original.  Es  findet 
sich  in  ihr  eine  Fülle  von  Zusätzen,  die,  zum  Theil  sehr 
umfangreich,  mehrere  Seiten  füllen,  zuweilen  nur  aus  we- 
nigen Sätzen  oder  Worten  bestehen,  zuweilen  nur  ein 
Tagesdatum  sind.  Die  Quellen  dieser  Zusätze  sind:  Die 
Chronik  von  Reinhardsbrunn,  welche  der  Eisenacher 
Dominikaner  nicht  kannte.  Ihr  sind  weitaus  die  meisten 
und  umfangreichsten  Zusätze  entnommen.  Ferner  die  Er- 
furter St.  Peters  -  Chronik 1,  der  Liber  cronicorum  Erford., 
die  Chronica  Minor  (mit  den  Zusätzen  der  Hs.  B  2) 2,  der 
Dialogus  Miraculorum  des  Caesarius  von  Heisterbach,  an 
einer  einzigen  Stelle  die  Chronik  Martins  von  Troppau. 
Einige  wenige  der  letzten  Zusätze 3  sind  überhaupt  sonst  in 
keiner  Quelle  nachweisbar.  Einige  dieser  Zusätze  beweisen, 
dass  sie  in  Eisenach  und  zwar  verrnuthlich  im  Minoriten- 
convente  daselbst  hinzugefügt  sind.  Die  Geschichte  vom 
Sängerkrieg  auf  der  Wartburg  ist  schon  hier  in  die  Cron. 
Thuring.  eingefügt.  Da  hat  der  Interpolator  nun  den  Eise- 
nacher Lokalzusatz  über  den  Stein  in  der  Dinster  Kenmate 
hinzugefügt,  der  in  der  Hist.  Eccard.  c.  409  übernommen 
ist4.  Zum  J.  1222  machte  er  einen  Zusatz  über  den  Guss 
einer  neuen  Glocke  zu  Eisenach,  'que  terribilem  sonum 
habet' 5.  In  C.  60  (=  C.  19,  §  6)  ist  hinter  'et  civitatem 
Ysenacensem  cepit'  eingeschaltet:  'in  nocte  conversionis 
sancti  Pauli  retro  claustrum  Minorum'.  In  C.  88  (=  C.  21, 
§  11)  ist  eingefügt:  'A.  D.  M°CCCXVII.  Turris  et  aula  in 
Wartberg  per  ignem  fulminis  in  tectis  cremate  sunt'.  Zu 
C.  93  (=  C.  22,  §  3)  findet  sich  der  Zusatz :  'A.  D.  MCCCXXI 
(zu  lesen  1331)  fundata  est  capella  sancte  Elizabeth  sub 
Castro  Wartperg' ,;,  d.  i.  die  Kirche,  in  welcher  die  Mino- 
riten  angesiedelt  wurden. 

Viele  dieser  Zusätze  sind  nun  in  masslos  ungeschickter 
Weise  in  den  Text  des  ursprünglichen  Werkes  eingefügt,  so 
dass  sie  Zusammenhang  und  Satzbau  desselben  stören,  meh- 
rere sind  an  falscher  Stelle  eingesetzt.    Beispielsweise  in  die 


1)   Ueber   deren   Benutzung   in   dieser   Quelle   ist   später   noch   zu 
sprechen.  2)  Aus  ihr  sind  nur  ganz  wenige  kurze  Notizen   entlehnt. 

3)  Der  letzte  findet  sich  znm  J.  1344.  4)   Bei   ihm   fehlen   aber   die 

deutschen  Worte,  welche  auf  dem  Stein  gestanden  haben  sollen.       5)  Auch 
dieser  ist  in  Hist.  Eccard.  c.  414  übergegangen.  6)  Der  Interpolator 

hat  übersehen,  dass  dieselbe  Sache  von  dem  Dominikaner  in  C.  95  (=  C.  22, 
§  5)  berichtet  ist,  wo  sie  auch  in  der  Dresdener  Hs.  steht. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  411 

Worte  des  ursprünglichen  Textes  C.  17  (C.  12,  §  8):  'multi 
nobiles  venerunt  non  vocati  et  sine  licencia,  advenit  etiam 
Ludewicus  comes'  ist  hinter  'licencia'  eingeschoben  eine 
Nachricht  über  Gründung  des  Cisterzienserordens  1098  (aus 
Martin  von  Troppau)  mit  den  oft  wiederholten  Denkversen 
über  diese  Gründung,  Nachrichten  über  die  Schlacht  am 
Weifesholz  1115,  über  Erdbeben  1117,  über  Zerstörung  des 
Kyffhäuser- Schlosses  1118  (aus  der  Chronik  von  St.  Peter). 
Danach  geht  der  Text  weiter  wie  im  ursprünglichen  Text : 
'Advenit  eciam'  u.  s.  w.  Die  Erklärung  für  diese  Erschei- 
nung liegt  auf  der  Hand.  In  der  Vorlage  der  Dresdener 
Hs.  war  ursprünglich  nur  das  Werk  des  Dominikaners  aus 
dessen  Original-Hs.,  der  Jenaer,  abgeschrieben.  Dann  hatte 
ein  Eisenacher  Minorit  jene  Zusätze  aus  den  obengenannten 
Quellen  an  den  Rändern  der  Hs.  und  auf  angehefteten  be- 
sonderen Blättern  hinzugefügt.  Sie  hatten  nach  dem  Wort- 
laute der  Quelle  oft  eine  Fassung,  welche  in  das  Satzgefüge 
des  originalen  Werkes  nicht  hineinpasste.  Der  Schreiber 
der  Dresdener  Hs.  copierte  diesen  Codex  und  fügte  die 
Zusätze  in  den  Text  ein,  ob  sie  da  hinein  passten  oder 
nicht.  Er  erkannte  auch  oft  nicht,  wohin  eine  der  Inter- 
polationen gehörte,  und  schob  sie  an  ganz  falscher  Stelle 
ein.  Diesen  so  vermehrten  Text  haben  wir  zu  bezeichnen 
als  'Cronica  Thuringorum  amplificata  (a  fratre  Minore  Ise- 
nacensi)'.  Dieser  hat  seine  Arbeit  nicht  später  als  1414, 
wie  wir  oben  S.  409  sahen,  gemacht,  da  er  es  sonst  nicht 
unterlassen  haben  würde,  noch  weitere  Notizen  hinzuzu- 
fügen. Es  ist  sehr  erklärlich,  dass  die  Minoriten  von  Eise- 
nach bald  Kenntnis  von  der  neuen  Thüringischen  Landes- 
geschichte, welche  ein  Dominikaner  dort  verfasst  hatte, 
und  bald  die  Erlaubnis  erhielten,  eine  Abschrift  davon  zu 
nehmen. 

Vergleicht  man  nun  den  Text  der  Dresdener  Hs.  mit 
der  sogenannten  Hist.  de  landgraviis  Eccardiana,  so  er- 
kennt man  sofort,  dass  der  Compilator  des  letzteren  Werkes 
eben  jenen  von  dem  Minoriten  vermehrten  T£xt  der  Cro- 
nica  Thuringorum  mit  allen  seinen  Zusätzen  nahezu  voll- 
ständig in  sein  Opus  aufgenommen  hat,  dass  er  dagegen 
das  originale  Werk  des  Dominikaners  überhaupt  nicht  ge- 
kannt hat  K  Vom  Jahr  1350  an  ist  sein  Werk  überhaupt 
nur  noch  eine  Abschrift  des  Textes,  wie  ihn  die  Dresdener 


1)  Keine  der  Randnotizen  und  der  Nachrichten  in  den  Fort- 
setzungen von  1396—1412  des  Originals,  die  in  der  Dresdener  Hs.  fehlen, 
obwohl  sie  in  anderen  Abschriften  desselben  stehen,   findet  sich  bei  ihm. 


412 


Oswald  Holder  -  Egger. 


Hs.  bietet,  mit  sehr  wenigen  und  unbedeutenden  Zusätzen. 
Sogar  die  dieser  Hs.  eigenthümliche  Fortsetzung  von  1404 
bis  1414  hat  er  noch  mit  abgeschrieben l.  Dass  er  eben 
deren  Text  copiert  hat,  ergiebt  sich  sonnenklar  aus  kleinen 
Zusätzen,  welche  er  zu  demselben  machte.  Das  wird  der 
nachstehende  Passus  zu  1408  der  beiden  Quellen  deutlich 
lehren : 


Cod.  Dresd. 
Eodem  anno  quarto  Kaien. 
Augusti  facta  sunt  continue 
per  diem  et  noctem,  scilicet 
XXIIII  horas,  tonitrua,  cho- 
ruscaciones  et  fulmina  in 
tantum,  quod  tanta  aura 
in  Thuringia  in  simili  non 
audita  nee  visa  est,  que  for- 
ciorein  turrim  Erfordensem 
in  Bruleto  percussit  et  seidit 
de  summo  usque  ad  fundum, 
sieud  hodie  cernitur  et 
videtur  per  omnes  homi- 
nes. 


Hist.  Eccard. 
Eodem  anno  V.  Kai.  Augusti 
facta  sunt  continue  per  diem 
et  noctem,  scilicet  XXIV  ho- 
ras, tonitrua,  corruscationes 
et  f  ulmin  a.  S  u  p  e  r  v  e  n  i  t 
hoc  sedecies  recenter. 
Et  tanta  aura  fuit  in  Thu- 
ringia, quod  similis  non 
audita  nee  visa  est,  que  tunc 
fortiorem  turrim  Erfforden- 
sem  in  Bruleto  percussit  et 
seidit  de  summo  usque  ad 
fundum;  quod  vestigium 
videtur  in  perpetuum. 


Man  erkennt  wohl  klar  genug,  dass  der  Compilator 
bei  Eccard  der  spätere  Cojrist  des  ersten  Textes  ist.  Aller- 
dings konnte  das  bei  der  Sachlage  keinen  Augenblick 
zweifelhaft  sein2. 


1)  Es  fehlt  bei  ihm  nur  die  oben  (S.  409,  N.  3)  angeführte  Schluss- 
notiz der  Dresdener  Hs.  zu  1410  über  die  Schlacht  bei  Tannenberg.  Die 
Notizen  der  Dresdener  Hs.  zu  1409  und  1414  hat  er  etwas  erweitert,  zwei 
Sätze  zu  1407  hinzugesetzt,  eine  Notiz  zu  1409  (Schlacht  bei  Maastricht) 
weggelasseu.  Ihm  selbst  ferner  gehört  an  oder  anderer  Quelle  ist  ent- 
nommen der  Passus  zu  1409  Eccard  c.  466  'Domini  Misnenses  —  c.  468 
sepulta  in  Reynhardisborn'  und  die  Schlussnotiz  zu  1400/1430.  2)  Unter 
den  zahlreichen  Stellen,  die  das  beweisen,  ist  folgende  eine  besonders 
lehrreiche.  Wife  wir  schon  oben  S.  404,  N.  3  sahen,  hatte  der  Verf. 
der  Cron.  Thuring.  die  Gemahlin  Ludwigs  des  Springers,  Adelheid,  zu 
einer  Tochter  des  Herzogs  von  Sachsen  gemacht,  da  seine  Quelle,  der 
Liber  cron.,  deren  Geschlecht  nicht  angab.  Und  so,  wie  er  schrieb :  'no- 
mine Alheidis,  filia  ducis  Saxonie',  steht  auch  in  der  Dresdener  Hs.  Aber 
zu  demselben  Capitel  hatte  der  Eisenacher  Minorit  einen  langen  Zusatz 
gemacht,  welcher  aus  Chron.  Reinhardsbrunn,  entnommen,  mit  den  Worten 
beginnt:  'Ista  Alheidis  erat  filia  Ottonis  (so  statt  'Utonis')  marchionis  de 
Staden',  und  der  in  dasselbe  Capitel  weiter  unten  im  Dresdener  Codex 
eingefügt  ist.  Das  ganze  Capitel  mit  dem  Zusatz  (und  dem  Fehler  Otto- 
nis!) schrieb  der  Eccardsche  Compilator  (c.  356)  ab,  aber  an  der  ersten 
Stelle  hat  er  statt  'filia  ducis  Saxonie'  richtig  'filiam  marchionis  de  Staden'. 
Natürlich!     Denn  durch  den  Zusatz   seiner  Vorlage   musste  er  erkennen, 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  413 

Jedoch  nicht  die  Dresdener  Hs.,  sondern  deren  Vor- 
lage muss  der  Compilator  benutzt  haben.  Er  hat  die  Zu- 
sätze, welche  in  jener  Hs.  oft  an  falscher  Stelle  stehen, 
passender  eingeordnet,  er  hat  nicht  selten  die  richtige  Les- 
art, wo  jene,  die  überhaupt  sehr  fehlerhaft  geschrieben  ist, 
Corruptelen  aufweist1.  Und  die  Benutzung  jener  Hs.  durch 
den  Compilator  war  schon  von  vornherein  unmöglich,  da 
er  sicher  beträchtlich  vor  1442  sein  Werk  fabriciert  haben 
muss 2. 

Der  Eisenacher  Dominikaner  hatte  C.  16  (=  C.  12,  §  5) 
der  Cronica  Thuringorum  nach  der  Erfurter  St.  Peters- 
Chronik  über  die  Schlachten,  welche  zwischen  Heinrich  IV. 
und  den  Sachsen  geschlagen  wurden,  berichtet.  Er  hatte 
aber  die  Schlacht  bei  Bleichfeld  ausgelassen  und  daher 
die  Schlacht  von  Gleichen,  welche  in  der  Erfurter  Chronik 
als  sechste  gezählt  wird,  als  fünfte  gerechnet.  Da  aber 
die  Hist.  Eccard.  mit  der  Erfurter  Chronik  die  Schlacht 
bei  Bleichfeld  als  fünfte  erwähnt,  die  von  Gleichen  als 
sechste  zählt,  so  meinte  Wenck  a.  a.  O.  S.  59  f.,  erstere 
könne  nicht  Quelle  der  letzteren  sein.  So  viel  diese  Argu- 
mentation auf  den  ersten  Blick  für  sich  haben  mag,  so 
unrichtig  erweist  sie  sich  doch 3.  In  der  Cron.  Thuring. 
heisst  es :  'Quintum  bellum  habuerunt  iterum  in  Thuringia 
prope  castrum  Glichen,  quod  obsessum  fuit  per  exercitum 
Heinrici  regis'4;  in  der  Cron.  Thuring.  ampl.  (Dresdener 
Hs.)  lesen  wir:  '[Factum  a.  D.  MLXXXVL]  Quintum  bel- 
lum [iuxta  Bleichfeld  prope  Wurtzburg  3°  Idus  Augusti, 
in  quo  pauci  de  nobilibus,  vulgus  tarnen  innumerabile 
interiit.     Sextum   bellum   sub  a.  D.  MLXXXIX.  in  vigilia 


class  ersteres  (oder  doch  zum  mindesten  eines  von  beiden)  falsch  war,  und 
daher  hat  er  es  abgeändert,  wenn  er  auch  etwa  vorher  schon  den  Fehler 
abgeschrieben  hatte.  Nun  wäre  aber  die  Quadratur  des  Zirkels  zu  finden, 
eine  Kleinigkeit  im  Vergleich  zu  der  Aufgabe,  eine  gemeinsame  Quelle 
für  die  drei  Texte  zu  construieren,  welche  es  erklärt,  dass  die  älteste  Ab- 
leitung den  Fehler,  die  zweite  den  Fehler  und  das  Richtige,  die  letzte 
beidemal  nur  das  Richtige  hat.  1)  Aber  auch  eine  Fülle  von  Verderb- 
nissen hat  er  mit  der  Dresdener  Hs.  gemein,  eben  aus  der  gemeinsamen 
Vorlage  übernommen,  wie  das  oben  S.  382,  N.  4  erwähnte  Bonzcigk. 
2)  Das  ist  schon  deshalb  sicher,  weil  Johann  Rothe  dieses  Werk  schon 
ausgeschrieben  hat.  3)  Der  Fehler  liegt  hier  darin,  dass  die  Lösung  nur 
vermittelst  der  einfachsten  Kategorie  der  Kritik  versucht  worden  ist :  Ge- 
setzt A  und  B  stimmen  überein,  B  kann  nicht  aus  A  allein,  A  nicht  aus 
B  genommen  sein,  folglich  stammen  beide  aus  nicht  vorhandenem  X.  Aber 
der  Schluss  ist  falsch,    denn  A  -f  C  -+-  D   ergeben  B.  4)  Die  Worte 

'quod  —  regis'  stammen  nicht  mehr  aus  der  St.  Peters  -  Chronik,  sondern 
aus  Liber  cron.  Erford.  (der  sie  aus  Chron.  Reinhardsbrunn.,  dieses  aus 
Ekkehard  hat):  'rex  Heinricus  cum  exercitu  obsedit  Glichen  castrum'. 


414  Oswald  Holder -Egger. 

nativitatis  Domini,  que  fuit  die  dorninica,  et  Ecbertus 
marchio  vicit,  et]  habuerunt  [bellum]  iterum  in  Thuringia 
prope  castrum  Gliclien,  quod  obsessum  fuit  per  exercitum 
Heinrici  regis'  u.  s.  w.  wie  Cron.  Thuring.  Nimmt  man 
hierzu  nun  die  Quelle  1,  so  erkennt  man  mit  grosser  Sicher- 
heit, dass  die  von  mir  in  der  vorstehenden  Stelle  einge- 
klammerten Worte  Randnotiz  zur  Cron.  Thuriug.  waren, 
welche  aus  der  Erfurter  Chronik  ergänzt  war,  und  welche 
der  Schreiber  der  Dresdener  Hs.  so  ungeschickt  wie  mög- 
lich in  den  Text  einfügte.  Denn  das  'Sextum  bellum'  war 
ja  eben  das  von  Gleichen,  welches  er  mit  'et  hab.  bel- 
lum iterum'  dem  Text  der  Cron.  Thuring.  folgend  anfügt. 
Nun,  der  Compilator  der  Hist.  Eccard.  hat  eben  jene  mit 
Zusätzen  versehene  Hs.,  daneben  aber  auch  die  Erfurter 
St.  Peters  -  Chronik,  die  er  sehr  oft  selbständig  ausschreibt, 
vor  Augen  gehabt.  Da  ist  es  denn  sehr  erklärlich,  dass 
er  schrieb:  'Quintum  bellum  habuerunt  in  Franconia 
iuxta  Bleichfeldt  prope  Wirtzburgk,  in  quo  pauci  poten- 
tes et  nobiles,  vulgus  autem  innumerabile  interiit,  et 
factum  est  a.  D.  MLXXXVI.  tertio  Idus  Augusti,  in  die 
b.  Tiburtii  martyris' 2.  Und  weiter  unten  (falsch  hinter 
1087):  'Sextum  bellum  habuerunt  iterum  in  Thuringia 
prope  Glichin  castrum,  quod  obsessum  fuit  per  exercitum 
Heinrici  regis'  u.  s.  w.  wie  Cron.  Thuring.  Man  ersieht, 
nur  A  -f~  C  -j-  D  ergiebt  B,  nie  können  A  und  B  und  C 
durch  ein  X  erklärt  werden3,  und  an  der  Richtigkeit  der 
Lösung  des  Exempels  ändert  nichts,  dass  A  =  D  -f-  E, 
C  =  D  -j-  d  ist.     Es  ist  nichts  weniger  als  auffällig,  son- 

1)  Diese  ist  hier  nicht  die  eigentliche  Cron.  S.  Petri  mod.,  son- 
dern deren  nächste  Verwandte,  die  Erfurter  Chronik,  welche  in  der 
Dresdener  Hs.  folgt:  'A.  MLXXXVI.  Quintum  bellum  iuxta  Bleych- 
velt  prope  Wirczeburg  committitur  IH.  Idus  Aug.,  in  quo  pauci  poten- 
tes, vulgus  tarnen  innumerabile  interiit'  (in  der  Cron.  S.  P.  mod.  fehlt 
'prope  Wircz.').  'A.  MLXXXIX.  Sextum  bellum  committitur  iuxta  Gli- 
chen castellum  in  Thuringia  in  die  dorninica,  vigilia  nativitatis  Domini 
inter  Henricum  imperatorem  et  Ecbertum  marchionem'.  2)  Der  Com- 

pilator hat  sich  in  diesem  Theil  seines  Werkes  den  Spass  gemacht,  jedes 
Datum,  das  er  in  seinen  Quellen  fand,  auch  noch  nach  dem  Heiligen  des 
betreffenden  Tages  zu  bezeichnen.  Dieselbe  Neigung  zeigt  z.  B.  Konrad 
von  Halberstadt.  3)  Ebenso  liegt  es  an  anderen  Stellen,  welche  Wenck 
für  seine  Ansicht  anführt.  Es  ist  nicht  das  geringste  auffällige  dabei,  dass 
der  Compilator  einer  von  dem  Dominikaner  garnicht  benutzten  Quelle, 
dem  Chron.  Reinhardsbr.,  eine  Partie  entlehnt  und  daran  einen  Satz  aus 
Cron.  Thuring.  C.  32  (der  dort  aus  der  St.  Peterschronik  entlehnt  ist) 
fügt,  wogegen  sich  Wenck  S.  60,  N.  3  erklärt.  Der  Versuch,  ein  X  zu 
construieren,  aus  welchem  Cron.  Thuring.  und  Hist.  Eccard.  abgeleitet  sein 
könnten,  würde  ihn  sogleich  von  der  ITnhaltbarkeit  seiner  Ansicht  über- 
zeugt haben. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  415 

dem  eine  der  gewöhnlichsten  Erscheinungen,  dass  eine 
Quelle  und  deren  Ableitung  von  einem  späteren  Chronisten 
neben  einander  benutzt  und  mit  einander  verbunden  werden. 
Ganz  im  Gegensatz  zu  dem  Eisenacher  Dominikaner, 
welcher  nur  die  Geschichte  Thüringens  schrieb,  war  es  die 
Absicht  des  Eccard'schen  Compilators,  ein  Werk  zu  Stande 
zu  bringen,  in  welchem  neben  ausführlicher  Darstellung 
der  Thüringischen  Geschichte  die  allgemeine  Geschichte, 
vor  allein  die  der  Kaiser  und  Päpste  Platz  fand.  Für  die 
erstere  diente  ihm  als  Hauptquelle  eben  die  Cron.  Thu- 
ringorum  amplificata.  Deren  Berichte  erweiterte  und  ver- 
vollständigte er  stark  durch  selbständige  Benutzung  der 
Ann.  S.  Petri  Erphesfurt.  maiores,  des  Chron.  Reinhards- 
brunn, und  der  Erfurter  St.  Peters  -  Chronik K  Die  beiden 
letzteren  Werke  lieferten  ihm  auch  manches  für  die  Ge- 
schichte der  Kaiser  und  Päpste.  Seine  Hauptquellen  für 
diese  aber  waren  Chron.  Minor  mit  den  Zusätzen  der  Hs. 
B  2,  des  Bernardus  Guidonis  Flores  cronicorum2,  die  kleine 
Chronik  in  Jacobs  a  Varagine  Legenda  Aurea3  und  die 
Brevis  historia  occupationis  et  amissionis  Terrae  Sanctae4. 
Eine  Erzählung  entnahm  er  aus  einer  Quelle,  die  ich  bis- 
her nicht  auffinden  konnte  5. 


1)  Auch  direkte  Benutzung  des  Liber  cron.  Erford.  ist  an  einigen 
wenigen  Stellen  nicht  zu  verkennen,  wenn  sie  sich  auch  nur  durch  wenige 
Worte  kund  giebt.  2)  Aus  diesen  entnahm  er  wohl  alles,  was  sich  aus 
Martins  von  Troppau  Chronik  bei  ihm  findet.  Doch  ist  das  nicht  leicht 
festzustellen,  da  die  meisten  Redactionen  der  Werke  des  Bern.  Guid.  noch 
unpubliciert  sind,  war  auch  für  die  Richtung  meiner  Untersuchung  von 
gar  keinem  Belang.  3)  Auf  diese  und  die  Chron.  Minor  geht  zurück, 

was  von  Liliencron  auf  das  Werk  des  Sifrid  (von  Ballhausen)  zurückführte. 
Sifrids  Werk  hat  der  Compilator  nicht  gekannt.  4)  Welche  Eccard, 

Corpus  II,  1349  ff.  herausgab.  Da  aus  dieser  lange  Partieen  auch  im 
Chron.  Ursperg.  abgeschrieben  sind,  so  meinte  von  Liliencron,  dass  dieses 
vom  Compilator  benutzt  sei.  Das  ist  aber  unmöglich,  da  sich  eben  nur 
die  aus  der  Schrift  über  das  h.  Land  entlehnten  Stücke  bei  ihm  finden, 
sonst  garnichts  mit  Chron.  Ursperg.  bei  ihm  übereinstimmt.  Allerdings 
haben  beide  Werke  in  den  aus  jener  Schrift  entlehnten  Partieen  viele 
Lesarten  gemein,  das  aber  nur,  weil  Eccards  Druck  fehlerhaft  und  lücken- 
haft ist.  Benutzung  des  Chron.  Ursperg.  in  Eisenach  war  von  vornherein 
höchst  unwahrscheinlich.  5)  Zum  J.  1201,  Eccard  c.  401.  Dagegen  die 
aus  Caesarius  entlehnte  Geschichte,  wie  der  Nekromant  die  Seele  des 
Landgrafen  Ludwig  des  Eisernen  in  der  Hölle  befragt  (c.  380  f.),  ent- 
nahm der  Compilator  schon  wörtlich  aus  der  Cron.  Thuring.  ampl.  Sehr 
mit  Recht  hat  Wenck,  Zeitschr.  für  Thüring.  Gesch.  N.  F.  IV,  209  seine 
früher  in  Uebereinstimmung  mit  Wegele  und  Lorenz  geäusserte  Ansicht 
(Entst.  der  Reinhardsbr.  Gesch.  S.  2)  zurückgezogen,  dass  diese  Geschichte, 
die  auch  der  Liber  cron.  Erford.  (GQ.  der  Provinz  Sachsen  I,  205  f.) 
nach  Caesarius  viel  kürzer  erzählt,  im  Chron.  Reinhardsbrunn,  gestanden 
habe,  aus  diesem  in  die  beiden  genannten  Quellen  übergegangen  sei.    Das 


416  Oswald  Holder -Egger. 

Das  Quellenverzeichnis  und  die  mühselige  und  ver- 
dienstliche Quellenanalyse  der  Hist.  Eccard. ,  welche  R.  von 
Liliencron  S.  XIV — XXIV  seiner  Ausgabe  von  Johann 
Rothe  gab,  ist  nach  dem  Vorstehenden  allerdings  noch 
mannigfach  abzuändern 1,  für  die  Thüringische  Geschichte 
behandelnden  Partieen  ist  die  Analyse  meist  richtig.  Aller- 
dings sind  da  oft  die  Quellen  der  Zusätze  der  Cron.  Thuring. 
ampl.  angegeben,  während  directe  Quelle  für  den  Compi- 
lator  eben  die  letzteren  waren.  Daher  hat  dieser  auch 
nicht  so  häufig  die  Quelle  gewechselt2,  wie  es  nach  der 
Analyse  von  R.  von  Liliencron  den  Anschein  hat.  So 
stammt  die  erste  Partie  der  Ausgabe  Eccards  über  Graf 
Ludwig  mit  dem  Barte  fast  ganz  aus  Cron.  Thuring.  ampl. 
Der  Compilator  hat  da  nur  eine  Anzahl  vollständig 
schwindelhafter  (nicht  etwa  anderer  Quelle  entnommener) 
Jahrzahlen  eingeschaltet,  und  in  Folge  dieser  Willkür  sind 
ebenso  willkürlich  die  Namen  zweier  Erzbischöfe  von 
Mainz,    Erkenbald3   und  Aribo   hinzugesetzt,    und   wenige 


ist  schon  deshalb  nicht  glaublich,  weil  die  Reinhardsbrunner  für  das  Ge- 
schlecht des  Gründers  ihres  Klosters,  des  Familienstiftes  der  Landgrafen, 
denn  doch  zu  viel  Verehrung  hatten,  um  eine  für  Ludwig  den  Eisernen 
und  seine  Söhne  so  ehrenrührige  Geschichte  ohne  besonderen  Grund  ihrer 
Chronik  einzuverleiben.  Es  ist  aber  unmöglich,  weil  im  Chron.  Rein- 
hardsbrunn. 1220,  "Wegele  S.  164  ff.  thatsächlich  eine  ganz  ähnliche  Ge- 
schichte erzählt  wird.  Da  handelt  es  sich  aber  nicht  um  das  Seelenheil 
Landgraf  Ludwigs  des  Eisernen,  sondern  um  das  des  Landgrafen  Her- 
mann, um  welches  sein  Sohn  Ludwig  der  Fromme"  bekümmert  ist,  und 
den  Necromanten  auffordert,  zu  erforschen,  wie  es  darum  bestellt  sei. 
Dem  Landgrafen  Hermann  wird  hier  schlimm  eingeheizt,  weil  er  das 
Kloster  Reinhardsbrunn  geschädigt  hat.  "Wegen  solch  einer  Sünde  konnten 
auch  die  Reinhardsbrunner  einen  Landgrafen  in  das  Fegefeuer  oder  in  die 
Hölle  versetzen.  Es  ist  offenbar,  dass  dieselbe  mündliche  Ueberlieferung, 
welche  der  Erzählung  des  Caesarius  zu  Grunde  liegt,  auch  Anlass  zu  dem 
Reinhardsbrunner  Bericht  gegeben  hat.  Somit  ist  es  geradezu  ausge- 
schlossen, dass  des  Caesarius  Geschichte  im  Chron.  Reinhardsbrunn,  ge- 
standen hat,  und  es  lag  kein  Grund  vor,  das  zu  vermuthen,  wie  Wenck 
jetzt  mit  Recht  bemerkt,  da  es  nicht  im  mindesten  unwahrscheinlich  ist, 
dass  zwei  verschiedene  Autoren  das  vielgelesene  Buch  des  Caesarius  be- 
nutzt und  daraus  dieselbe  Erzählung  entlehnt  haben.  1)  Gotfrid  von 
Viterbo  ist  nur  deshalb  unter  den  Quellen  aufgeführt,  weil  ein  auf  diesen 
zurückgehender  Satz  des  Chron.  Reinhardsbrunn,  in  der  Ausgabe  "Wegele's 
ausgefallen  ist.  Aus  diesem  hat  ihn  der  Compilator  entnommen.  2)  Auch 
das  war  für  "Wenck  ein  Grund  zu  seiner  Annahme,  dass  Cron.  Thuring. 
und  Hist.  Eccard.  gemeinsame  Quelle  zu  Grunde  liege.  Aber  vielfacher 
"Wechsel  der  Quellen  ist  durchaus  nichts  seltenes  bei  Compilatoren,  im 
Gegentheil  eine  ganz  normale  Erscheinung.  3)  Hugo  soll  danach  dem 
Erkenbald  im  J.  1026  gedient  haben.  Aber  dieser  war  schon  im  J.  1021 
gestorben.  Die  Quelle,  welcher  der  Compilator  die  beiden  Namen  ent- 
lehnte, war  vermuthlich  nur  ein  Katalog  der  Erzbischöfe,  welcher  keine 
Jahrzahlen  hatte. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  417 

andere  Zusätze  ebenso  schwindelhafter  Natur,  welche  von 
Liliencron  zum  Theil  anführt,  gemacht.  Aber  ein  paren- 
thetischer Einsatz  aus  Chron.  Reinhardsbrunn.  ist  so  unge- 
schickt in  den  Text  der  Cron.  Thuring.  eingelegt,  dass  er 
sofort  als  fremdartiger  Bestandtheil  zu  erkennen  ist  K 
Dann  ist  erst  der  Schlusssatz  des  Abschnittes  über  die 
Taufe  Ludwigs  des  Springers  direkt  aus  Chron.  Reinhards- 
brunn, entnommen. 

Weiter  vereinfacht  sich  die  Quellenanalyse  der  Hist. 
Eccard.  dadurch,  dass  Ekkehards  Chronik  aus  ihr  zu 
streichen  ist.  Alles  was  sich  aus  ihr  in  der  Compilation 
findet,  ist  ihr  sicher  durch  Chron.  Reinhardsbrunn,  zuge- 
kommen, wenn  auch  eine  Reihe  von  diesen  Stellen  sich 
nicht  in  der  Hannoverschen  Hs.  und  demzufolge  nicht  in 
Wegele's  Ausgabe  findet.  Der  Nachweis  dafür  und  alles 
dessen  aber,  was  sich  aus  der  vorstehenden  Untersuchung 
für  die  Chroniken  von  Erfurt  und  Reinhardsbrunn  ergiebt. 
ist  einem  folgenden  Abschnitt  vorbehalten.  Hier  sollte 
dafür  eben  das  sichere  Fundament  geschaffen  werden,  das 
nur  durch  eine  gründliche  Untersuchung  dieser  Quellen- 
gruppe zu  gewinnen  war. 

Der  Compilator  scheint  bei  seiner  Thätigkeit  allmäh- 
lich erlahmt  zu  sein  und  daher  seinen  Plan  einer  breiten 
Darstellung  der  universalen  und  Thüringischen  Geschichte 
nicht  mehr  vollständig  durchgeführt  zu  haben.  Während 
er  aus  Bern.  Guid.  noch  für  die  Zeit  Innocenz'  III.  be- 
deutende Partieen  abschrieb,  entnahm  er  aus  diesem  für 
die  Folgezeit  nur  noch  ganz  dürftige  vereinzelte  Notizen 
über  Päpste  und  beschränkte  sich  für  deren  Geschichte 
meist  auf  seine  übrigen  angeführten  Quellen.  Aber  auch 
deren  Anzahl  verringerte  sich  allmählich.  Mit  1272  schied 
die  Chronica  Minor  aus.  Zu  Anfang  des  14.  Jahrh.  schon 
hörte  Benutzung  des  Chron.  Reinhardsbrunn. 2  auf.  Zu 
1349  findet  sich  die  letzte  Entlehnung  aus  der  Erfurter 
Chronik3.     Von    da   an   war   die  Cron.  Thuring.   ampl.   im 


1)  Eccard.  c.  353 :  'Beringerius  —  processerunt'.  Da  dieser  Einsatz 
genau  so  ungeschickt  in  den  Text  der  Cron.  Thuring.  eingefügt  ist,  wie 
viele  andere  Zusätze  der  Cron.  Thuring.  ampl.,  so  könnte  man  auf  den 
Gedanken  kommen,  in  deren  Mutter- Hs.  habe  auch  dieser  Zusatz  (und 
vielleicht  noch  andere  aus  Chron.  Reinhardsbrunn,  entlehnte  der  Hist. 
Eccard.)  am  Rande  oder  auf  eingelegtem  Zettel  gestanden,  sei  nur  von 
dem  Schreiber  der  Dresdener  Hs.  weggelassen.  2)  Da  dieses  in  diesem 
Abschnitt  fast  nur  aus  Cron.  S.  Petri  entlehnte  Stücke  bietet,  ist  es  nicht 
leicht  zu  entscheiden,  was  aus  der  einen,  was  aus  der  anderen  Chronik 
entlehnt  ist.  3)  Schon  lange  nicht  mehr  aus  dem  publicierten  sog.  Chron. 
Sampetrinum,   sondern    aus  der  Form,  welche  die  Dresdener  Hs.  enthält. 


418  Oswald  Holder  -  Egger. 

wesentlichen  einzige  Quelle ;  nur  noch  sehr  dürftige  Nach- 
richten über  Kaiser  und  Päpste  wurden  aus  einem  eben  so 
dürftigen  Katalog,  wie  es  scheint,  eingefügt  neben  sonst 
ganz  geringfügigen  Zusätzen. 

Der  Eest  dessen,  was  der  Compilator  selbständig  hin- 
zugesetzt hat,  ist  nun  noch  viel  geringer,  als  es  nach  der 
Analyse  bei  R.  von  Liliencron  den  Anschein  hat.  Ausser 
zum  Theil  oben  S.  416  schon  erwähnten  ganz  schwindel- 
haften Zusätzen  und  den  am  Schluss  des  Werkes  gemach- 
ten, welche  ich  oben  S.  412  nannte,  bleibt  für  ihn  ver- 
schwindend wenig  übrig.  Einige  mal  weitere  Ausführung 
schon  in  seinen  Quellen  überlieferter  Sage  \  dann  einige 
Nachrichten  von  Erfurt  und  Reinhardsbrunn,  die  sich  sonst 
in  unserer  Ueb erlief erung  nicht  vorfinden,  endlich  aber 
einige  Notizen  über  Eisenach,  welche  beweisen,  dass  auch 
dieser  Autor  in  Eisenach  schrieb,  obwohl  einige  der  Nach- 
richten, welche  von  Liliencron  a.  a.  O.  S.  XXIV  anführte, 
um  das  zu  erhärten,  dem  Compilator  schon  durch  Crom 
Thuring.  ampl.  vermittelt  waren.  Denn  es  kommt  dazu 
eine  Reihe  anderer  Eisenacher  Lokalzusätze,  die  ihm 
eigen  sind.  So  zu  1215  (Eccard  c.  410)  die  Nachricht  über 
Gründung  des  Cisterzienser  -  Nonnenklosters  bei  Eisenach. 
Unter  dem  Jahr  1261  (Eccard  c.  431)  und  1306  (c.  452), 
wo  von  dem  Schloss  in  der  Stadt  Eisenach  die  Rede  ist, 
setzte  er  den  Namen  desselben  hinzu  'scilicet  Kiemen'  und 
'quod  dicitur  Klemme.'  An  der  letzteren  Stelle  ist  davon 
die  Rede,  dass  die  Eisenacher  Bürger,  um  die  Wartburg 
zu  bezwingen,  den  Eisenacherberg  wieder  befestigten.  Da 
machte  der  Autor  neben  einem  anderen  Einschub  den  Zu- 
satz :    'ubi  adhuc,    ubi  steterat  (die  angelegte  Befestigung), 


1)  So  vor  allenl  die  Sage  vom  Schmied  zu  Ruhla,  für  welche  in 
der  Cron.  Thur.  C.  20  (=  C.  14,  §  2)  schon  insofern  ein  vorbildlicher  Zug- 
gegeben  war,  als  da  erzählt  wurde :  Den  Landgrafen  Ludwig  den  Eisernen 
hätten  seine  Edlen  zuerst  für  so  weichlich  gehalten,  dass  sie  sprachen,  es 
sei  Xoth,  dass  er  von  den  Eisenschmieden  im  Walde  hart  gehämmert  würde. 
Der  Compilator  übernahm  schon  eine  Stelle  dieser  Erzählung  wörtlich  in 
seine  Sage  ('quod  ille  nobilis  princeps,  cmi  primo  nimis  mollis  ipsis  nobili- 
bus  apparebat,  .  .  .  postea  eis  ferreus  et  durissimus  factus  fuit'j.  Wenck 
a.  a.  Ü.  S.  60,  der  diese  Uebereinstimmung  zum  Theil  sah,  meinte  nun, 
auch  für  diese  Erzählung  hätte  Beiden  eine  gemeinsame  Quelle  vorgelegen. 
Gerade  hier  ist  aber  eine  solche  Annahme  denn  doch  ganz  unzulässig. 
Eine  solche  Quelle  müsste  dann  wohl  den  wesentlichen  Inhalt  der  Sage, 
wie  sie  in  der  Hist.  Eccard.  steht,  gehabt  haben.  Wie  aber  kommt  es 
denn,  dass  der  gewiss  fabelsüchtige  Dominikaner  die  exacte  Geschichte, 
wie  der  Landgraf  zu  dem  Schmied  von  Ruhla  kommt,  in  das  oben  er- 
wähnte Gerede  seiner  Edlen  verflüchtigt?  In  der  That,  die  verlorene 
Quelle  ist  hier  die  unmöglichste  aller  unmöglichen  Annahmen. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  4 19 

vestigium  apparet'.  Unter  demselben  Jahr  setzte  er  zu 
dem  Texte  der  Cron.  Thuring.,  welche  über  die  Geburt 
der  Tochter  des  Markgrafen  Friedrich  berichtete,  hinzu: 
'quam  cum  nutrice  de  nocte  in  Tenebergk  contra 
voluntatem  Isenacensium.'  Wenn  die  Nachricht 
vielleicht  auch  zum  Theil  aus  Chron.  Reinhardsbrunn, 
p.  294  genommen  ist,  so  sind  doch  die  gesperrten  Worte 
diesem  nicht  entlehnt  und  bezeugen  des  Autors  Interesse 
an  den  Eisenaeher  Ereignissen.  Zu  1270  (Eccard  c.  438) 
hat  er  die  sonst  unbekannte  Nachricht,  dass  der  Markgraf 
Dietrich  von  Landsberg  nach  Eisenach  kam,  um  seine 
Neffen,  die  Söhne  Albrechts  des  Entarteten,  von  der  Wart- 
burg nach  der  Flucht  ihrer  Mutter  Margarete  abzuholen. 
Zum  Jahr  1324  (Eccard  c.  455)  fügte  er  zu  der  Nachricht 
seiner  Quellen,  dass  Markgraf  Friedrich  gestorben  und  zu 
S.  Katharinen  in  Eisenach  begraben  sei,  ausser  dem  Todes- 
datum noch  hinzu:  lin  capella  S.  Iohannis  apostoli  sui'. 
Man  erkennt,  dass  der  Autor  das  Grabmal  des  Markgrafen 
dort  gesehen  hat. 

Dass  er  also  zu  Eisenach  lebte,  ist  unzweifelhaft, 
aber  aus  seinem  Werke  lässt  sich  nichts  darüber  ermit- 
teln, wer  und  was  er  war1.  Es  ist  nicht  zu  erkennen,  ob 
er  Geistlicher  war,  ob  er  einem  Orden  angehörte.  Da  er 
grossentheils  dieselben  Quellen  benutzte  wie  der  Minorit, 
welcher  die  Cron.  Thuring.  mit  Zusätzen  bereicherte 2,  so 
könnte  man  auf  den  Gedanken  kommen,  derselbe  sei  der 
Verfasser  der  Compilation.  Er  habe  sich  zunächst  be- 
müht, die  Cron.  Thuring.  durch  Zusätze  zu  erweitern,  habe 
dann  gefühlt,  dass  das  nicht  genüge,  um  ein  seinen  An- 
sprüchen genügendes  Geschichtswerk  herzustellen,  und 
darum  das  grössere  Werk  zusammengeschrieben.  Indessen, 
so   manches   sich    dafür   sagen   lässt3,    so   manches   spricht 


1)  Ich  bemerke  noch,  dass  er  ein  besonderes  Interesse  für  die 
Herren  von  Mädelstein  (über  Eisenach,  vor  der  Wartburg  gelegen)  und 
Frankenstein  bekundet.  In  der  sagenhaften  Erzählung  vom  Bau  der  Wart- 
burg (Eccard.  c.  357)  ergänzt  er,  dass  diese  Edlen  dem  Bau  der  Burg, 
die  in  ihrem  Gebiet  lag,  sich  widersetzten.  Zu  1258,  wo  seine  Quelle 
besagte,  dass  die  Herzogin  Sophie  den  Eisenach erberg  gegen  die  Wartburg 
befestigte  'auxilio  Isenacensium1,  setzte  er  hinzu  'et  nobilium  de  Metil- 
steyn'.  Zu  1261  (Eccard.  c.  431),  wo  Chron.  Reinhardsbrunn,  einfach 
hatte:  'Heinricus  marchio  cepit  castrum  Methensteyn',  sagt  er:  'de  nocte 
per  träditionem  cepit  castrum  Metilsteyn  idque  combussit  et  destruxit', 
stellt  sich  also  auf  Seite  der  Herren  von  Frankenstein  gegen  Markgraf 
Heinrich  den  Erlauchten.  2)  Besonders  bemerkenswerth  ist,  dass  beide 
die  Chronica  Minor  mit  den  Zusätzen  der  Hs.  B  2  benutzten.  3)  Ein 

gewisses  Interesse  für  den  Minoritenorden   zeigt  sich  bei  dem  Compilator 


420  Oswald  Holder -Egger. 

doch,  auch  dagegen,  vor  allern,  dass  doch  auch  manche 
Zusätze  der  Cron.  Thuring.  ampl.  in  der  Compilation  fehlen. 
Und  dann  darf  man  auf  die  Benutzung  mehrerer  gleicher 
Quellen  nicht  zuviel  Gewicht  legen.  In  einem  Orte  wie 
Eisenach  gab  es  wenige  Geschichtsbücher,  und  wer  dort 
Geschichte  schreiben  wollte,  musste  sich  die  Bücher  aus 
den  verschiedenen  Stiftern  der  Stadt  zusammen  leihen.  Da 
ist  es  kein  Wunder,  wenn  an  demselben  Ort  ungefähr  zu 
derselben  Zeit  auch  verschiedene  Personen  dieselben  Hand- 
schriften für  ihre  Werke  benutzten.  Deshalb  muss  ich. 
mich  auch  entschieden  gegen  die  Vermuthung  von  R.  von 
Liliencron  erklären,  dass  Johann  Rothe  der  Verfasser  der 
Hist.  Eccard.  sei 1,  nur  weil  dieser  das  Werk  und  einige 
Quellen  desselben  ausschrieb.  Um  eine  solche  Vermuthung 
annehmbar  zu  machen,  müssten  doch  ganz  andere  Gründe 
geltend  gemacht  werden2.  Da  nun  aber  Rothe  schon  im 
Jahr  1407  eine  Chronik  in  deutscher  Sprache  verfasst 
hat3,  ist  es  nicht  im  mindesten  wahrscheinlich,  dass  er 
jene  lateinische  Compilation,  welche  zwischen  1410  und 
1420  entstanden  sein  muss4,  gemacht  hat.  Sobald  jene 
ältere  Chronik  Rothe's  bekannt  sein  wird,  wird  sich  wahr- 
scheinlich sogar  die  Unmöglichkeit  herausstellen,  dass  er 
Verfasser  der  Hist.  Eccard.  sein  kann. 

In  den  Kreis  dieser  so  zahlreichen  Eisenacher  Ge- 
schichtsquellen, zu  deren  Entstehung  der  unbekannte  Domini- 
kaner den  Anstoss  gab,  gehört  noch  eine  deutsch  geschrie- 
bene Thüringer  Chronik  bis  zum  Jahr  1409  5,  welche  eben- 
falls zweifellos  in  Eisenach  verfasst  ist.  Ich  habe  sie  bisher 
nicht  eingehend  untersucht,  da  sie  für  meine  Zwecke  nichts 
austragen  konnte;  doch,  soviel  ich  gesehen  habe,  ist  sie 
fast  ganz  Excerpt  aus  der  Historia  landgraviorum  Eccar- 
diana,  sie  enthält  z.  B.  schon  ganz  ausführlich  und  mit 
vielen  Erweiterungen  das  Geschichtchen  von  dem  mit 
Waaren  beladenen  Esel,  den  fränkische  Ritter  einem  Kauf- 
mann raubten,  und  den  Landgraf  Ludwig  der  Heilige 
durch  energisches  Handeln  zurückgewann;  eine  Erzählung, 

darin,  dass  er  manches  über  ihn  aus  seinen  Quellen,  namentlich  der 
Chron.  Minor,  aufnahm.  1)  A.  a.  O.  S.  XXIV  f.  2)  AYenn  er  etwa 

in  seiner  Vorrede,  in  welcher  er  sich  über  seine  frühere  litterarische 
Thätigkeit  auslässtj  gesagt  hätte,  er  hätte  früher  schon  eine  Chronik  'czu 
Latin1  geschrieben,  was  er  nicht  thut,  so  hätte  man  wohl  die  Frage  auf- 
werfen können,  ob  die  Hist.  landgr.  sein  "Werk  sei.  So  aber  hat  man 
keinen  Anhalt  dafür.  3)  A.  Witschel  in  Pfeiffers  Germania  XVII,  129  ff. 
4)  Die  Schlussnotiz,  in  welcher  das  Jahr  1430  erwähnt  wird,  muss  später 
nachgetragen  sein.  5)  Herausgegeben  von  Schöttgen  und  Kreysig,  Diplo- 
mat, et  Script,  hist.  Germ.  I,  85—106. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    I.  421 

die  in  der  Cron.  Thuring.  ampl.  nur  ganz  kurz  erwähnt 
wird1,  in  der  Hist.  Eccard.  zum  Jahr  1226  (c.  417  f.)  aber 
ausführlich  erzählt  ist.  Wie  sich  diese  deutsche  Chronik 
zu  der  von  Johann  Rothe  verhält,  lasse  ich  unentschieden, 
weil  ich  die  Untersuchung  nicht  vollständig  gemacht  habe. 
Ich  wollte  eben  nur  bemerken,  dass  die  deutsche  Chronik 
zu  dieser  Eisenacher  Quellengruppe  gehört  und  für  all- 
seitige Klärung  des  Verhältnisses  derselben  unter  einander 
heranzuziehen  ist. 

J.  G.  Eccard  wählte  für  die  Eisenacher  Compilation 
den  Titel  'Historia  de  landgraviis  Thuringiae',  den  Pisto- 
rius  der  Cronica  Thuringorum  gegeben  hatte,  nur  darum, 
damit  er  stolz  hinzusetzen  konnte,  er  böte  diese  'duplo 
auctior  multoque  emendatior  editione  Pistoriana'  dar. 
Einzig  dieser  ganz  unpassende  Titel  der  Compilation,  die, 
wie  wir  sahen,  keineswegs  nur  die  Geschichte  der  Thü- 
ringischen Landgrafen  enthält,  hat  zur  Folge  gehabt,  dass 
man  zuweilen  die  beiden  Werke,  welche  in  den  Ausgaben 
denselben  Namen  trugen,  beinahe  nur  als  ein  Werk  oder 
doch  nur  als  verschiedene  Recensionen  desselben  Werkes 
betrachtet  hat 2,  während  thatsächlich  das  eine  nur  eine 
Quelle  des  andern  ist,  allerdings  eine  Hauptquelle.  Das 
letztere  würde  man  viel  passender  Chronicon  universale 
Isenacense  benennen. 

Der  Werth  desselben  beruht  nicht  so  sehr  in  den  neuen 
Nachrichten,  die  es  uns  liefert,  als  darin,  dass  es  uns 
wichtige  Dienste  leistet  für  die  Kenntnis  und  Textkritik 
der  Erfurter  und  Reinhardsbrunner  Denkmäler. 


1)  Da  ist  sie  aus  Chron.  Reinhardsbr.  entnommen,  obwohl  sie  in 
der  Hannoverschen  Hs.  nicht  steht.  Da  sie  aber  in  dem  deutschen  Leben 
Ludwigs  ü,  8,  ed.  Rückert  S.  25,  mit  Chron.  Thuring.  ampl.  vollständig 
übereinstimmend  erzählt  wird,  so  erhellt,  dass  sie  im  Chron.  Reinhardsbr. 
stand,  was  von  dem  Schreiber  jener  Hs.  wie  so  manches  andere  über- 
gangen ist.  2)  In  dem  wirren  Gerede  von  0.  Lorenz,  DGQ.  LT,  3.  Aufl., 
über  die  Thüringischen  Quellen  liest  man  thatsächlich  nur  von  einem 
"Werk  mit  diesem  Titel,  S.  103,  N.  1  und  S.  105,  wo  in  N.  3  die  beiden 
Ausgaben  ohne  irgend  eine  Belehrung  über  deren  Inhalt  angeführt  werden. 


Neues  Archiv  etc.    XX.  28 


XL 


Reise 

nach 

Holland,  Belgien,  Nordfrankreich 

und  dem 

Niederrhein 

im  Sommer   1894. 

Von 

Jakob  Schwalm. 


28* 


Jj  ür  die  Neubearbeitung-  und  Fortführung-  des  zweiten 
Bandes  der  Leg-es,  die  jetzt  als  besondere  Section  unter 
dem  Titel  'Constitutiones  et  Acta  publica  itnperatorum  et 
regum'  erscheint,  namentlich  für  die  Zeit  von  Rudolf  von 
Habsburg-  bis  zu  Ludwig-  dem  Baiern,  habe  ich  bereits  im 
Juni  und  Juli  1893  eine  Reise  nach  Dresden,  Wien,  Mün- 
chen und  Nürnberg-  unternommen,  die  für  einen  eigenen 
Bericht  keine  Veranlassung-  bot.  Im  August  und  Septem- 
ber 1894  folgte  dann  eine  zweite  Reise  nach  Holland,  Bel- 
gien, Nordfrankreich  und  dem  Niederrhein. 

Ausgangs-  wie  Endpunkt  der  Reise  war  Düsseldorf, 
über  das  ich  füglich  am  Schluss  berichte,  um  hier  gleich 
mit  dem  zweiten  Aufenhaltsort  Arnhem  zu  beginnen.  In 
Arnhem  befindet  sich  das  Rijksarchief  van  Gelderland 
nahe  dem  Markt  am  Eusebius  -  binnen  -  Singel  in  eigenem 
Gebäude,  das  1880  ganz  aus  Stein  und  Eisen  hergestellt 
ist.  Archivar  ist  Herr  J.  F.  Bijleveld,  der  meine  Wünsche 
ohne  weiteres  in  der  liebenswürdigsten  Weise  erfüllte. 
Js.  A.  Nijhoff  hat  in  seinem  Urkundenbuche  die  Schätze 
des  Arnheimer  Archivs  erschöpft,  sodass  ich  an  einem 
Tage  in  den  Oeffnungsstunden  von  10  —  3  Uhr  bequem 
meine  Collationen  erledigen  konnte. 

Ebenso  rasch  wurde  ich  im  Rijksarchief  des  Haag- 
fertig,  wo  in  Abwesenheit  des  ersten  Beamten  Jh1'  Th.  van 
Riemsdijk  mich  Herr  A.  Telting  in  gütiger  Weise  förderte. 
Nur  ganz  wenig  gab  es  zu  thun,  da  unbekanntes  gar  nicht 
vorhanden  war  und  ausserdem  eine  Angabe  in  Van  den 
Berghs  Urkundenbuch  sich  als  falsch  erwies.  Erstaunt  war 
ich  nur,  das  Exemplar  einer  Sentenz  Rudolfs  von  1287 
März  24,  das  ich  erst  in  Mons  erwartete,  schon  hier  zu 
finden.  Dass  ich  wirklich  das  Monser  Exemplar  vor  mir 
hatte,  ergab  völlig  sicher  die  charakteristische  Ordnungs- 
nummer DD.  24  von  der  Hand  des  Jean  Godefroy,  die  mir 
aus  meinen  Notizen  schon  bekannt  war.  Ich  erfuhr,  dass 
1816  durch  Hendrik  van  Wijn  alle  auf  Holland,  Seeland 
u.  s.  w.    bezüglichen    Stücke   des   Hennegauischen   Archivs 


426  Jakob  Schwalm. 

nach  dem  Haag  übergeführt  worden  sind.  Vgl.  auch  Van 
der  Aa,  Biographisch  Woordenboek  XX,  473  f. 

Ohne  Aufenthalt  wandte  ich  mich  hierauf  nach 
Brüssel,  wo  in  Abwesenheit  von  M.  Piot  ich  von  M.  Goo- 
vaerts  eingeführt  und  von  einem  jüngeren  Beamten  M.  She- 
ridan freundlich  gefördert  wurde.  Ich  collationierte  ein 
paar  Stücke  aus  Butkens'  Trophees  de  Brabant  nach  dem 
Cartulaire  de  Brabant  B,  was  sich  als  sehr  nothwendig 
erwies ;  auch  sah  ich  hier  die  Originalurkunden  Eduards  III. 
von  England  aus  den  Jahren  1337 — 40  durch,  von  denen 
einige  aus  der  Zeit  seines  Reichsvicariats  von  Interesse  sind. 
Obwohl  sie  schon  bei  Rynier  stehen,  können  doch  für  den 
Fall  der  Aufnahme  in  einen  der  Anhänge  Copieen  von 
einigen  dieser  Originale,  die  ich  anfertigte,  von  Werth  sein. 
Leider  fanden  wir  zwei  wichtige  Stücke  nicht,  die  J.  W. 
Metzler  am  Schlüsse  seiner  Argentorati  1778  erschienenen 
Dissertatio  de  vicariis  imp.  Rom.  Germ,  noch  aus  den  Ori- 
ginalen abgedruckt  hat.  Doch  wurde  mir  von  M.  Sheri- 
dan Hoffnung  gemacht,  dass  sie  sich  vielleicht  noch  finden 
lassen.  Eine  kleine  Collation  für  Herrn  Geheimrath 
Dümmler  beschäftigte  mich  kurze  Zeit  auch  auf  der  Brüs- 
seler Königl.   Bibliothek. 

Von  hier  begab  ich  mich  nach  dem  Archiv  des  Henne- 
gau in  Mons  (Archives  de  l'Etat,  Place  du  Parc,  offen  von 
9 — 3  Uhr).  Der  bejahrte  Archivar  M.  L.  Devillers  hat  in 
grosser  Liebenswürdigkeit  mit  mir  einen  Rundgang  durch 
die  zahlreichen  Säle  gemacht  und  mir  dadurch  einen  guten 
Ueberblick  über  die  trefflich  geordneten  Massen  werth- 
voller  Bestände  verschafft.  Ich  fand  für  meine  Collationen 
hier  weniger,  als  ich  nach  dem  Verzeichnis  von  Jean  Gode- 
f roy  \  das  im  Jahre  1693  aufgenommen  ist,  erwarten  durfte. 

1)  Dieses  werthvolle  Verzeichnis  ist  in  dem  ebenso  eigenthümlichen, 
wie  seltenen  Buche :  Droits  primitifs  des  anciennes  terres  et  seigneuries 
du  pays  et  comte  de  Haynaut  .  .  .  par  Joseph  de  St.  Grenois.  Tome  I, 
Paris  1782  fol.  enthalten.  Der  zweite  Band  erschien  viel  später  (Lille  um 
1807)  unter  dem  Titel:  Monumens  anciens  essentiellement  utiles  ä  la 
France,  aux  Provinces  de  Hainaut,  Flandre,  Brabant,  Namur  u.  s.  w. 
Dieser  Titel  ist  dann  auch  vor  einen  Theil  der  Exemplare  des  ersten 
Bandes  gekommen  mit  der  Bezeichnung  Lille  (1782).  Das  vollständigste 
Exemplar  besitzt  die  Strassburger  Bibliothek :  Tome  I  mit  1071,  Tome  II 
mit  230  Seiten.  Im  Exemplar  der  Berliner  Kgl.  Bibliothek  hat  Tome  I 
nur  700  Seiten  (neben  Tome  II).  Die  Göttinger  Bibliothek  besitzt  über- 
haupt nur  272  Seiten  von  Tome  I,  ein  Exemplar,  wie  ich  es  auch  in  Mons 
fand,  wo  ja  allerdings  das  Manuscript  von  Godefroy  vorhanden  ist.  Jenes 
Verzeichnis  der  Tresorerie  des  Chartes  de  Hainaut  ä  Mons  steht  auf 
S.  197 — 461  des  ersten  Bandes  und  ist  durchaus  geistiges  Eigenthum  des 
Jean  Grodefroy  und  nicht  vom  Herausgeber  Joseph  de  St.  Grenois,  unter 
dessen  Namen  der  Band  gewöhnlich  citiert  wird. 


Reise  nach  Holland,  Belgien,  Nordfrankreich  u.  d.  Niederrhein.    427 

Wie  in  diesem  Jahrhundert  viele  Stücke  nach  dem  Haag, 
so  wurden  schon  durch  Godefroy  selbst  im  Anschluss  an 
seine  Aufnahme  Ende  des  17.  Jahrh.  eine  grosse  Zahl  von 
Originalen,  die  Frankreich  betrafen,  nach  Lille  geschafft. 
Hier  fand  ich  sie  dann  zumeist  vor.  Jedoch  fehlten  an- 
dere Originale  sowohl  in  Mons  wie  in  Lille,  für  die  man 
nun  auf  die  Chartulare  des  Hennegau,  jetzt  ebenfalls  in 
Lille,  angewiesen  ist. 

So  war  naturgemäss  das  nächste  Ziel  der  Reise  Lille. 
Ein  stattliches  Gebäude  zwischen  Rue  Negrier  und  Rue  du 
Pont-Neuf  birgt  das  Departementalarchiv ;  es  ist  geöffnet 
von  9 — 4  Uhr.  Die  Benutzung  ist  erleichtert  durch  das 
mehrbändige  gedruckte  Inventar.  Der  Archivar  M.  Jules 
Finot  ist  von  grösster  Zuvorkommenheit  und  hat  mir  auch 
noch  nachher  in  liebenswürdiger  Weise  eine  erbetene  Aus- 
kunft gegeben.  Ich  habe  vor  allem  Originale  bekannter 
Sachen  verglichen  und  von  neuem  die  fünf  Cartulaires  du 
Hainaut  durchgesehen.  Ein  paar  interessante  Stücke,  die 
sich  zur  Aufnahme  in  die  Constitutiones  nicht  eignen,  ver- 
öffentliche ich  als  Beilagen  zu  diesem  Bericht. 

Von  Lille  aus  machte  ich  einen  eintägigen  Abstecher 
nach  dem  durch  seine  monumentalen  Bauten  ganz  beson- 
ders schätzenswerthen  Ypern.  Das  werthvolle  Stadtarchiv 
ist  nach  Anmeldung  bei  dem  Archivar  M.  Arthur  Merghe- 
lynck  leicht  zugänglich.  Man  muss  rechtzeitig  anfragen 
und  sich  den  Tag  bestimmen  lassen,  worauf  mich  bereits 
in  Brüssel  die  Herren  des  Archivs  aufmerksam  gemacht 
hatten.  M.  Merghelynck  ist  Heraldiker  und  Genealog  und 
besitzt  bedeutende  Collectaneen  für  diese  Gebiete;  er  ver- 
waltet die  Stadtarchive  von  Furnes  und  Ypern  nur  au  titre 
honorifique,  ist  aber  jederzeit  den  Benutzern  in  der  zuvor- 
kommendsten Weise  gefällig.  Ich  verdanke  ihm  nicht  nur, 
dass  ich  in  seiner  Privatwohnung  ungestört  meine  Colla- 
tionen  vornehmen  konnte,  sondern  neben  einer  Führung 
durch  die  Stadt  auch  die  liebenswürdigste  Gastlichkeit  in 
seinem  Hause. 

Weiter  führte  mich  mein  Weg  nach  Cambrai,  wo 
auf  der  Bibliotheque  communale  Aufträge  für  die  Herren 
Geheimrath  Dümmler  und  Professor  Holder -Egger  zu  er- 
ledigen waren.  Hier  ergab  die  nochmalige  Collationierung 
des  Cod.  386,  dass  die  seinerzeit  von  Bethmann  ge- 
machte Abschrift  des  Gedichtes  über  den  Lütticher  In- 
vestiturstreit (N.  Archiv  XI,  175  ff.)  sehr  viel  besser  war,  als 
die  von  Haureau  (Notices  et  Extraits  XXXI,  2,  165  ff.),  der 
ganz    willkürlich    ändert.      Der    Bibliothekar    M.  Gautier 


428  Jakob  Schwalm. 

war  in  den  Ferien,  sodass  ich  auf  die  Freundlichkeit  des 
Concierge  angewiesen  war,  der  mich  am  ersten  Tage  unter 
peinlicher  Aufsicht  im  Bibliothekssaal,  am  zweiten  zwar 
etwas  freier,  aber  dennoch  weniger  günstig  in  seinem  Wohn- 
zimmer arbeiten  liess,  vor  mir  die  einzige  Thüre  nach  der 
Küche  offen,  wo  den  Tag  über  das  rege  Familienleben  sich 
abspielte.  In  den  Nachmittagsstunden  des  zweiten  Tages 
wurde  es  mir  am  sauersten,  als  das  laute  Gerassel  einer 
Nähmaschine  meine  Collation  unermüdet  begleitete. 

Auf  der  Rückreise  habe  ich  noch  einen  Vormittag  im 
Lütticher  Staatsarchiv  (Eingang  von  der  Rue  du  Palais, 
geöffnet  von  10  —  3  Uhr)  gearbeitet,  um  zuletzt  in  Düssel- 
dorf die  begonnenen  Arbeiten  fortzuführen  und  zu  been- 
den. Kann  ich  nach  den  Erfahrungen  im  Auslande  die 
Liberalität  nur  rühmen,  mit  der  jederzeit  auch  die  hand- 
schriftlichen Inventare  vorgelegt  wurden  und  während  der 
Arbeit  zur  Verfügung  standen,  so  habe  ich  demgegenüber 
das  Gefühl,  dass  ich  meine  Düsseldorfer  Arbeiten  nicht 
als  erschöpfende  bezeichnen  darf.  Denn  trotz  aller  bereit- 
willigen und  freundlichen  Förderung  durch  die  Herren 
Beamten  des  Staatsarchivs,  die  bekannt  ist  und  auch  mir 
in  jeder  Weise  zu  Theil  wurde,  giebt  es  doch  nichts,  was  jene 
Sicherheit  des  Arbeitens  ersetzen  könnte,  die  man  nach 
gehabter  Einsicht  in  die  Inventare  gewinnt.  Wie  ich  so 
rein  zufällig  Kenntnis  gewann  von  dem  Vorhandensein  des 
Originals  einer  allerdings  bekannten  Papsturkunde  von  1300 
Mai  13  (Potthast  24953),  von  dem  weder  Lacomblet  noch 
sonst  jemand  berichtet,  können  auch  noch  andere  Stücke 
in  Düsseldorf  sein,  deren  man  vielleicht  bedarf.  Ich  habe 
in  Düsseldorf  vorwiegend  collationiert  und  nur  von  wenigen 
Originalen  Abschriften  gemacht. 

Zwei  Abstecher  nach  Köln  und  Neuss  ergaben  aus 
den  beiden  Stadtarchiven  die  erwarteten  Collation en.  Das 
Stadtarchiv  zu  Neuss  soll  in  absehbarer  Zeit  endgültig  ge- 
ordnet und  in  einem  würdigen  Räume  untergebracht 
werden. 

Allen  Vorständen  und  Beamten  der  von  mir  besuchten 
Archive  statte  ich  hierdurch  nochmals  meinen  geziemenden 
Dank  ab. 


Reise  nach  Holland,  Belgien,  Nordfrankreich  u.  d.  Niederrhein.    429 

Beil  agen. 

N.  I,  der  Brief  König  Adolfs  an  Guido  von  Flan- 
dern ist  zwar  schon  in  der  französischen  Ausgabe  der  Flan- 
drischen Staats-  und  Rechtsgeschichte  von  Warnkönig  I, 
396  nach  einer  Abschrift  von  Godefroy  und  bei  Kervvn 
van  Lettenhove  in  seinen  Etudes  sur  l'histoire  du  XIII. 
siecle  S.  29  (Memoires  de  lacademie  royale  de  Belgique 
XXVIII)  gedruckt,  doch  ist  durch  beide  ein  nochmaliger 
Abdruck  des  Originals  nicht  überflüssig  geworden.  —  Vgl. 
Böhmer,  Reg.  Adolfs  364. 

Die  Existenz  von  n.  II,  einer  Botschaft  des  Johann 
von  Kuik  an  Guido  von  Flandern,  kannte  man  bereits 
aus  den  wichtigen  Briefen  des  letzteren  an  seine  in  Rom 
weilenden  Söhne.  Bei  Th.  Limburg  -  Stirum ,  Codex  diplo- 
maticus  Flandriae  I,  262  lautet  die  betreffende  Stelle: 
'Item,  chier  fil,  des  avenues  de  nos  parties  vous  faisoins 
nous  savoir,  ke  li  rois  Ayous  d'Allemaigne  jadis  le  secont 
jour  de  Jule  entre  Mayenche  et  Oppenem  fu  desconfis  et 
ochis  en  bataille  dou  duch  Aubert  d'Osteriche  et  se  gent 
aussy;  et  dient  le  pluseur,  ke  li  dis  dus  a  grant  faveur 
des  eliseurs,  et  tient  on  kil  doie  y  estre  rois  d'Allemaigne, 
et  kil  aproche  vers  Ais  et  trait  les  gens  dou  pays  a  son 
acord  et  commenche  a  faire  allianches;  pour  che  nous 
avoins  ja  envoie  vers  lui  pour  traiter  et  ordener  avoech 
lui  amistei,  selonc  che  ke  boin  samblera  pour  no  pourfit 
au  seigneur  de  Faukemont,  ki  de  par  nous  i  est  alei  se- 
lonc les  avenues  des  besoignes,  ki  sont  ou  tans  de  höre; 
et  fumes  fondei  en  partie  sour  le  teneur  d'une  lettre  le 
signeur  de  Kuk,  dont  nous  vous  envoions  chi  dedens  le 
transcrit  .  .  .'  Der  Abdruck  des  Stückes  selbst  wird  je- 
doch auch  erwünscht  sein.  Ueber  die  Rückkehr  des  Unter- 
händlers Walram  von  Falkenberg  berichtet  der  Brief  des 
Grafen  Guido  an  Eduard  I.  von  England  (ebenda  I,  265  f.), 
den  man  gegen  Ende  Juli  anzusetzen  hat. 

N.  III  giebt  vollständigeren  Abdruck  einer  gleich- 
falls zu  den  Reichssachen  zu  rechnenden  Urkunde,  die  schon 
Nijhoff,  Gedenkwaardigheden  van  Gelderland  I,  369,  n.  324 
aus  demselben  Originale  mitgetheilt  hat. 

N.  IV  ist  ein  interessantes  Blatt  aus  der  Hennegaui- 
schen  Kanzlei,  das,  ursprünglich  in  Mons  aufbewahrt,  sich 
jetzt  in  Lille  befindet.  Für  die  Feststellung  der  abgekürz- 
ten Namen  in  n.  III  und  IV  bot  der  erste  Band  des  Car- 
tulaire  des  comtes  de  Hainaut  von  L.  Devillers  den  nöthi- 
gen  Anhalt. 


430  ,  Jakob  Schwalm. 

I.    König    Adolf    antwortet    dem    Grafen    Guido    von 
Flandern  über  seine  Lage.     1297  Aug.  31. 

Or.    im    Departementalarchiv    zu    Lille    B.  408, 
n.  3986. 

Adolfus  dei  gracia  Romfanorum]  rex  semper  augustus 
spectabili  viro  Gwidoni  comiti  Flandrie,  fideli  suo  karis- 
simo,  graciam  suam  et  omne  bonum. 

Litteras  sinceritatis  tue  nostro  eulmini  noviter  desti- 
natas  solita  affeccione  reeepimus  et  contenta  in  eis  pleno 
coneepimus  intellectu.  Sane  scire  te  volumus,  quod  super 
tuis  turbacionibus  non  minus  affieimur,  quam  de  nostris, 
unde  licet  rebellio  aliquorum  precipuoruma  imperii  princi- 
pum  et  machinaciones  eorum  perverse,  quibus  crimine  lese 
maiestatis  se  polluere  non  formidant,  desideriis  nostris  tibi 
celeriter  oecurrendi  contra  regem  Francie  hactenus  obstite- 
rint  et  adhuc  non  medioeriter  impediant  nostre  proposi- 
tum  voluntatis,  quod  quidem  sub  fiducia  fidelitatis  tibi 
presencium  serie  declaramus,  indubitanter  tarnen  teneat 
tua  fiducia,  quod  absque  more  periculo  cum  viribus  arma- 
torum,  quam  admittet  presentis  necessitatis  instancia,  de- 
beamus  consolabiliter  te  videre,  iuxta  quod  nobilis  vir 
Iobannes  de  Kvig,  affinis  noster  dilectus,  lacius  te  poterit 
expedire,  cui  statum  premissorum  et  exinde  nostram  penitus 
expressimus  voluntatem.  Iuxta  hoc  siquidem  volumus,  quod 
spiritum  consolacionis  et  animum  fortitudinis  assumens 
amicos  tuos  et  subditos  debeas  fiducialiter  consolari,  sci- 
turus  certissime,  quod  si  quos  cum  predicto  rege  Francie 
contigerit  haberi  finales  traetatus,  tibi  per  omniab  cavebi- 
mus,  quantum  possibile  nobis  eritb.  De  adventu  eciam 
illustris  Ed[wardi]  regis  Anglorum  nuper  nobis  fuerunt  ali- 
qua  intimata,  cuius  revera  adiutorium  tarn  nobis  quam  tibi 
crederetur  plurimum  opportunum;  qui  sive  veniat,  quod 
multum  nostris  desideriis  arrideret,  sive  non,  quod0  satis 
esset  contrarium  votis  nostris,  de  adiutorio  tarnen  nostro 
certitudinem  omnimodam  volumus  te  habere. 

Dat.  in  Sletstad  II.  Kai.  Septembr.  regni  nostri  anno 
sexto. 

Auf  der  Rückseite:  Spectabili  viro  Gwidfoni]  comiti 
Flandrie  fideli  nostro  karissimo.  Von  der  Besiegelung  nur 
die  Schnitte  erkennbar. 


a)  Für  'ci'  verschrieben  'er1.       b)  'a  —  erit'  auf  Rasur.       c)  Ueber 
der  Zeile. 


Reise  nach  Holland,  Belgien,  Nordfrankreich  u.  d.  Niederrhein.    431 

II.  Johann  von  Kuik  empfiehlt  dem  Grafen  Guido  von 
.Flandern,  mit  Albrecht  von  Oesterreich  zu  ver- 
handeln.    1298  vor  Mitte  Juli. 

Or.    im    Departementalarchiv    zu    Lille    B.  434, 
n.  4189. 

Magnifico  viro  et  honesto  domino  suo  dilecto,  domino 
G.  comiti  Flandr[ie]  Iohannes  de  Kyuc  se  totum  ad  quevis 
beneplacita  et  mandata. 

Domine  karissime,  significamus  vobis,  quod  dominus 
Albertus  dux  Austrie  se  scribens  in  regem  Romanorum 
electum  domino  de  Falkenbourgh  demandavit,  ut  ad  ipsum 
aut  ad  suos  nuncios  et  consiliarios  apud  Crucenake  hac 
feria  quinta  post  diem  beate  Margharete  vellet  se  trans- 
ferre  pro  amicicia  et  confederatione  secum  ordinanda  et 
vobiscum  et  cum  domino  nostro  duce 1,  qui  dominus  de 
Falkenb[our]gh  ipso  die  ibidem  est  iturus.  Quare  consuli- 
mus,  ut  virum  discretum  de  vestris  clericis  cum  litteris 
vestris  patentibus  dicto  domino  de  Falkenb[our]gh  potesta- 
tem  conf erentes  transmittatis,  uta  quicquid  ex  parte  vestra 
ordinaverit  ibidem,  ratum  habeatisb  et  firmum;  mittendoc 
dictum  clericum  vestrum  feria  secunda  in  sero  post  Mar- 
ghar[etam]  aut  tercia  apud  Falkenb[our]gh  de  mane,  ut 
cum  dicto  domino  de  Falkenb[our]gh  aut  suis  famulis  ulte- 
rius  procedere  poterit  ad  locum  supradictum.  Nam  spera- 
mus,  ut  nobis  dictus  dominus  de  Falkenb[our]gh  exposuit, 
cum  dicto  domino  Alberto  aut  suis  nunciis  proficuum*1 
vestrum  ac  nostri  domini  .  .  ducise,  secundum  quod  res 
ad  presens  se  habeant,  bene  faciet  et  procurabit.  Preterea 
scientes,  quod  nuncii  domini  regis  Francie  iam  sunt  iuxta 
ipsum  aut  ipsos  et  magnam  pecuniam  ipsi  prebent  pro 
negociis  domini  regis  Francie  procurandis,  unde  ut  vestram 
utilitatem  et  proficuum d  diligitis,  cum  dicto  nuncio  et  lit- 
teris festinatis. 

Ohne  Adresse  auf  der  Rückseite,  doch  mit  Siegel- 
schnitten. 

III.    Wilhelm  von  Holland  verpflichtet    sich    zur  Wah- 
rung der  Reichsrechte.     1337  Dec.  12. 
Or.  im  Rijksarchief  zu  Arnhem  n.  657. 
Nous  Guillaumez   cuens   de  Haynn[au],    de  Hollande, 


a)  't  quicquid'  auf  Rasur.       b)  'habentes'  Or.       c)  'o  de'  auf  Rasur, 
d)  'icuü'  auf  Rasur.         e)  'duos'  Or. 

1)  Johann  II.  von  Brabant. 


432  Jakob  Schwalin. 

de  Zelande  et  sire  de  Frize  faisons  sauoir  a  tous,  ke, 
comme  nous  a  le  requeste  de  no  tresch[ier]  signfeur]  et 
pere  de  boine  memore  euyssiens  proinis  et  encouuent  loyal- 
raent  en  boine  foy  de  no  boine  volentet  et  certaine  science, 
que  nous  au  mandement  de  no  treschier  seigneur  .  .  lem- 
pereur  des  Rommains  v  de  mons[igneur]  le  .  .  roy  d'Engle- 
terre, sil  estoit  rois  d'Aleinaingne  v  vicaires  v  lieutenans 
dou  dit  empereur,  v  au  mandement  dautre  vicaire  v  lieute- 
nant  de  par  lempereur  dessusdit,  estaulit  dou  consente- 
ment  dou  dit  monsfigneur]  le  roy  d'Engleterre,  aideriens 
en  boine  foy  loyalment  a  nostre  povir  sans  mal  engien, 
comme  loyaus  et  foyables  de  lempire,  a  reconquerre,  re- 
couurer,  warder  et  maintenir  lestat  et  les  droitures  de 
lempire,  contre  tous  chiaus,  ki  mis  y  aroient,  v  mettre 
volroient  aucun  empecbement  v  destourbier,  durant  lestat 
de  no  dit  signeur  lempereur  v  de  mons[igneur]  le  roy 
d'Engleterre,  sil  estoit  rois  d'Alemaingne,  v  se  il  v  autres 
estoit  vicaires  v  lieutenans  de  no  dit  signeur  lempereur 
dou  consentement  dou  dit  monsfigneur]  le  roy  d'Engleterre. 
Nous  encore  en  ratefiant  et  approuuant  toutez  les  coses 
et  lez  prommesses  dessusdittes ,  reconnoissons,  que  nous 
sommes  tenu  de  tenir  et  dacomplir  en  boine  foy  loyau- 
ment  tout  cbou  que  deseure  est  dit  et  deuiset  en  le  ma- 
niere,  que  prommis  lauiens  par  deuant  si  comme  dit  est, 
en  suiwant  le  volentet  et  commandement  de  no  dit  signeur 
et  pere.  Par  le  tiesmoing  de  ces  lettres  sayellees  de  no 
grant  seel. 

Donn.  a  Mallines  le  venredy  apres  le  saint  Nicolay 
en  hyuier  lau  de  grace  milCCC  trente  et  sept. 

Unter  dem  Bug  links  ein  rotlies  E-ingsiegel,  die  Le- 
gende undeutlich,  im  Wappen  die  vier  Löwen,  daneben 
die  Worte:  dou  commant  mons.  le  conte 

P.  Songn[ie] 

Unter  dem  Bug  rechts  die  Worte :  presens  mons.  de 
Biaumont,  le  sign,  de  Haurech,  |  le  sign,  de  Bouland,  mons. 
Wfillaumes]  de  Duuord  et  Hfenri]  de  Jaudfongne],  |  maistrea 
Clais  Stuc  et  Henri  le  panetier  .  .a 

Mit  leidlich  erhaltenem  Siegel  von  braunem  Wachs 
am  Pergamentstreifen. 

IV. 

Ce  sont  les  rubrikes  de  IUI  lettres,  que  me  sires 
Jak[es]  de  Maub[oege]  a  scellees  dou  seel  le  roy  d'Engleterre. 

a)  'maistre  —  panetier'  auf  Rasur ;  hierunter  in  der  folgenden  Zeile 
noch  eine  Rasur  von  der  Länge  einer  halben  Zeile. 


Reise  nach  Holland,  Belgien,  Nordfrankreich  u.  d.  Niederrhein.    433 

Premiers  lettre  dou  roy  d'  Englettere  par  le  quelle  il 
tesmoigne  et  afferme,  que  li  serviches,  que  me  sires  de 
Haynn[au]  li  a  prornmisa  a  faire  contre  le  roy  au  nie  de 
France  pour  recouvrer  les  droitures  del  empire,  ne  puist 
en   tans    avenir  porter  preiudice  as  contes  de  Haynn[au] 1. 

Item  lettre  dou  roy  d'Engleterre  de  le  maniere  de 
passer  avoek  sen  ost  parmi  Haynn[au]  pour  werijer  le  ro- 
yaume  de  France2. 

Item  monitio  facta  domino  comiti  per  regem  Anglie 
ad  habendum  exercitumb  suum  et  ad  assistendum  eidem 
in  adventu  suo  3. 

Item  lettre  par  le  quelle  li  rois  d'Engleterre  comme 
vicaires  del  empire  mande  a  mons[igneur]  de  Haynnfau], 
quil  soit  a  une  certaine  iournee  a  Malinnes  pour  declarer 
pluseurs  ordenanches,  qui  furent  faites  a  Conflences4. 

Chi  apres  sensuivent  les  copies  des  deus  premieres 
lettres  u.  s.  w. 

Pergamentblatt  im  Departementalarchiv  zu  Lille 
B.  771,  n.  7321.  22  (ehemals  in  Mons,  Inventaire  de  Gode- 
froy  J.  87).  Auf  der  Eückseite:  Traities  entre  le  roy  Edo- 
w[ard]  d'Engleterre  et  mons.  de  H[aynnau]  pour  passer 
parmy  Hayn[nau]  et  aler  en  Franche. 


a)  'promnis'  c.         b)  'excercitum'  c. 

1)  1339  Aug.  20.     Or.    ehemals   in  Mons,   Inventaire   de  Godefroy 
J.  87.     Ein  Abdruck   in  Rymers  Foedera.  2)  1339  Aug.  20.     Or.  in 

Mons  581  (ehemals  J.  86).  Siegel  fehlt.  Hieraus  im  Cartulaire  des  comtes 
de  Hainaut  par  L.  Devillers  I,  87,  n.  42.  Auch  bei  Rymer.  3)  Dieses 
Mandat  Eduards  scheint  nicht  erhalten  zu  sein.  4)  1338  Oct.  12.  Die 
Ausfertigung  für  Reinald  von  Geldern  ist  nach  dem  Or.  Arnhem  Rijks- 
archief  n.  311  bei  Nijhoff  I,  383,  n.  336  gedruckt.  Die  Ausfertigungen 
an  den  Bischof  von  Lüttich  und  den  Herzog  von  Brabant  erwähnen 
Hocsem  bezw.  Dynter. 


xn. 


Miscellen. 


Zum  Martyrologiuni  Hieronymianum. 

Von  Bruno  Krusch. 

Der  eben  erschienene  Band  der  Acta  Sanctorum, 
Nov.  I,  1,  Brüssel  1894,  enthält  die  sehnlichst  erwartete 
Ausgabe  des  Martyrologiuni  Hieronymianum  von 
de  Rossi  und  Duchesne,  oder  vielmehr  den  Abdruck  der 
drei  ältesten  Texte,  die  letzte  Arbeit  des  allverehrten  römi- 
schen Archäologen,  die  selbst  zu  vollenden  ihm  nicht  mehr 
vergönnt  war.  Die  älteste  Echternacher  Hs.  (X)  in  Angel- 
sächsischer Schrift  aus  dem  Anfang  des  8.  Jahrh.  ist  minder 
ausführlich  als  die  Berner  (B)  saec.  VIII.  ex.  und  die  Weissen- 
burger  (W)  von  772.  De  E.  hielt  ihren  Text  für  gekürzt 
und  reihte  sie  zwischen  die  beiden  andern  ein;  sie  ist  aber 
vielmehr  minder  interpoliert,  B  und  W  stammen  aus  dem- 
selben erweiterten  Exemplar  (Y),  und  die  ausführlichste 
von  ihnen  B  ist  zugleich  die  interpolierteste1.  Duchesne, 
der  nach  der  schweren  Erkrankung  des  Freundes  die  Ar- 
beit zum  Abschluss  brachte,  hat  das  Verhältnis  richtig  er- 
kannt, ohne  indessen  die  einmal  getroffene  Classification 
aufzugeben,  und  auch  seine  Untersuchung  über  Heimath 
und  Alter  des  Martyrologs  schliesst  sich  der  Ansicht  seines 
Vorgängers  an.  Der  Verfasser,  der  durch  zwei  gefälschte 
Briefe  der  Bischöfe  Chromatius  und  Heliodorus  und  des 
Hieronymus  seine  Schrift  dem  alten  Kirchenvater  unter- 
geschoben hat,  schrieb  nach  ihm  am  Ende  des  6.  Jahrh. 
in  Auxerre;    um  614  hätte  sich  B.  abgezweigt,   und  schon 


1)  Dafür  nur  ein  Beispiel.     Ueber  den  h.  Eptadius  berichten: 
X.  25.  Aug.  'alibi  Aptati  prb.' 

W.  24.  Aug.    'et   in   terreturio  Eduae    civit.    dep.    sancti  Eptati 
prbi.  et  conf.', 
und  B  hat  beide  Notizen,  die  zweite  mit  noch  ausführlicherer  Ortsangabe, 
nur  ist  der  Kalender  hier  um  einen  Tag  vorgerückt: 
24.  Aug.  'et  alibi  Eptati  presbit.' 

23.  Aug.  'et  in  territurio  Edua  civitate  vico  Cervidunensi  depos. 
sancti  Epadi  (!)  prbi.' 

Neues  Archiv  etc.     XX.  29 


438  Bruno  Krusch. 

im  6.  Jahrk.  sei  das  Martyrolog  in  Italien  bekannt  ge- 
wesen; es  sei  überhaupt  ursprünglich  italienischer  Her- 
kunft. Allerdings  werden  aus  der  Diöcese  Auxerre  in  XY 
die  meisten  Heiligen  angeführt,  nämlich  28,  neben  26  aus 
Lyon  und  25  aus  Autun;  aber  hier  kann  die  einfache  Plus- 
Rechnung  nicht  entscheiden,  denn  so  viel  Namen  können 
nur  aus  schriftlichem  Material,  aus  den  Kaiendarien  der 
drei  Kirchen  geschöpft  sein.  Natürlich  dürften  bei  obiger 
Ansicht  keine  gleichlautenden  Eintragungen  aus  dem 
7.  Jahrh.  in  XY  vorhanden  sein,  und  Duchesne  behauptet 
dies,  indem  er  bezüglich  des  h.  Desiderius  von  Vienne 
(f  606/7)  darauf  verweist,  dass  die  Hss.  weder  im  Wort- 
laut noch  in  der  Stellung  mit  einander  übereinstimmen. 
Aber  des  h.  Columban  (f  615)  gedenken  XY  (in  B  fehlt 
der  Schluss)  an  gleicher  Stelle  und  mit  denselben  Worten 
am  23/11,  —  nur  setzt  W,  wie  häufig  (vgl.  die  Note  über 
Eptadius),  'depositio  sancti'  hinzu.  Es  wäre  höchst  in- 
teressant gewesen,  Duchesne's  Ansicht  über  diese  Bemer- 
kung zu  hören ;  er  nimmt  aber  von  ihr  nicht  die  geringste 
Notiz,  und  das  ist  sehr  befremdlich,  denn  es  leuchtet  ein, 
dass  sie  seine  ganze  Aufstellung  erschüttert  und  überhaupt 
ganz  unmöglich  macht.  Nur  in  X  stehen  dann  noch  die 
Gedenktage  der  Aebte  Eustasius  von  Luxeuil  und  Attala 
von  Bobbio.  Des  letzteren  Todesjahr  lässt  sich  nicht  ge- 
nau ermitteln,  —  man  nimmt  627  an,  —  das  des  ersteren 
steht  aber  fest,  es  ist  629.  Die  Scheidung  der  Recensionen 
X  und  Y  ist  mithin  zur  Zeit  des  Abtes  Eustasius  von 
Luxeuil  zwischen  616  und  628  erfolgt.  Die  XY  gemein- 
same Bemerkung  über  die  h.  Eleutherius  und  Rusticus,  die 
Genossen  des  Dionysius  von  Paris,  die  in  beiden  in  dem- 
selben Zusammenhange  steht,  —  nur  ist  in  Y  der  ganze 
Abschnitt  zu  dem  folgenden  Tage  (9.  Oct.)  gerückt,  —  führt 
uns  weiter.  Diese  Heiligen  hat  erst  König  Dagobert  ent- 
deckt (Gesta  Dag.  c.  17),  und  das  Jahr  ihrer  Entdeckung 
ist  626  (Havet,  Questions  Meroving.  Y).  So  sind  jetzt  über- 
haupt nur  noch  die  beiden  Jahre  627/8  möglich ;  in  diesen, 
und  nicht  im  6.  Jahrh.,  ist  das  Martyrologium  verfasst 
worden.  Wenn  in  ihm  der  h.  Columban  und  in  der  besten 
Recension  X,  soweit  sie  Gallischen  Ursprungs  ist,  dessen 
Nachfolger  Eustasius  und  Attala  die  jüngsten  Heiligen 
sind,  so  gleicht  es  in  diesem  Punkte  dem  Calendarium  von 
Luxeuil;  nur  fehlt  hier  Columban,  weil  es  unvollständig, 
und  es  ist  Eustasius'  Nachfolger  Walde bert  hinzugefügt, 
weil  es  jünger  ist.  Was  für  dieses  galt  (Piper,  Calendarium 
Karls   d.  Gr.    S.  61),    muss    auch    für    das    Martyrologium 


Zum  Martyrologiuni  Hieronymianum.  439 

gelten ;  es  ist  also  in  keiner  der  3  Civitates  mit  den  massen- 
haften Heilig'ennamen  geschrieben  worden,  sondern  in 
einem  von  Auxerre  und  Antun  ungefähr  gleich  weit  ent- 
fernten Kloster,  einer  jungen  Stiftung,  die  bisher  nur  einen 
Heiligen  aufzuweisen  hatte,  den  Gründer.  Es  trägt  bur- 
gundische  Färbung  (1.  Mai  h.  Sigismund  in  Acaunum, 
18.  19.  Sept.  h.  Siggonus  =  Sequanus,  Stifter  von  St.  Seine, 
Diöc.  Langres)  und  reiht  sich  passend  den  burgundischen 
Geschichtswerken  des  7.  Jahrh.  an.  Auf  Befehl  Colum- 
baus  hatte  Eustasius  von  Luxeuil  in  Bayern  das  Christen- 
thum  gepredigt  und  bei  seiner  Rückkehr  Missionare  dort 
stationiert:  so  mag  sich  die  sonderbare  Schwärmerei  für 
die  h.  Afra  von  Augsburg  erklären,  die  nicht  weniger  als 
viermal  (5.  6.  7.  Aug.,  8./9.  Oct.)  im  Mart.  gefeiert  wird. 
Die  Schlüsse  der  beiden  Herausgeber  aus  den  Auxerrer 
Notizen  könnten  höchstens  für  das  benutzte  Calendar  mass- 
gebend sein.  Nach  der  Trennung  der  beiden  Recensionen 
sind  in  Auxerre  zu  dem  Exemplare  Y  einige  Zusätze  ge- 
macht, und  besonders  die  lokalen  Monats  -  Litaneien  bei- 
geschrieben worden,  deren  Fehlen  in  X  Duchesne  sich  ver- 
geblich zu  erklären  bemüht.  Nach  seiner  Untersuchung 
geht  W.  auf  einen  Fontanellensis  aus  der  Mitte  des  8.  Jahrh. 
zurück;   in  B  ist  die  späteste  Eintragung  von  766. 

Bei  dem  spezifisch  gallischen  Charakter  des  Martyro- 
logs  war  es  ein  verzweifeltes  Geschäft,  dessen  italienischen 
Ursprung  darthun  zu  wollen,  und  Duchesne  hatte  hier 
schwere  Arbeit.  Die  vorgebrachten  Zeugnisse  beweisen 
aber  nichts :  Gregor  d.  Gr.  erwähnt  ein  Martyrolog  ohne 
Beziehung  auf  das  Hieronymianum,  und  dass  Cassiodor 
dieses  im  Auge  gehabt  haben  soll,  als  er  zur  Lektüre  der 
im  Briefe  des  Hieronymus  an  Chromatius  und  Heliodorus 
erwähnten  Märtyrer -Leidensgeschichten  aufforderte,  kann 
ich  nicht  eher  glauben,  als  bis  man  mir  nachweist,  dass 
das  Mart.  Hieron.  ein  Brief  sei.  Es  steht  allerdings  mit 
diesem  Zeugnis  im  Zusammenhang-,  nur  ist  das  Verhältnis 
ein  umgekehrtes,  und  der  Verf.  hat  vielmehr  auf  Grund 
desselben  die  Briefe  gefälscht,  von  denen  oben  die  Rede 
war.  Dass  er  aber  die  beiden  italienischen  Bischöfe  ge- 
wählt haben  soll,  weil  er  Italiener  war,  ist  ein  wunder- 
licher Schluss.     Wenden  wir  uns  ab  von  solcher  Logik ! 

Das  Mart.  Hieron.  ist  der  Prüfstein  für  die  ältere 
Hagiographie  und  auch  sonst  ein  für  die  Kirchengeschichte 
nicht  unwichtiges  Denkmal  eines  literarisch  unproduktiven 
Zeitalters,  das  Erzeugnis  einer  kritiklosen,  aber  höchst  müh- 
samen Sammler -Thätigkeit.     Die  undankbare   und  schwie- 

29* 


440  Bruno  Krusch. 

rige  Aufgabe  einer  kritischen  Ausgabe  ist  noch  zu  lösen; 
vorläufig  ist  schon  die  Vorlegung  des  hauptsächlichsten 
handschriftlichen  Materials  ein  grosser  Fortschritt,  und  den 
verdanken  wir  der  Anregung  der  Bollandisten 1. 


1)  Von  Heiligenleben  enthält  der  Band  u.  a.  das  des  Amantius 
Ruthen.,  herausgegeben  von  de  Smedt  unter  Benutzung  des  vollständigen 
Handschriften  -  Materials,  während  für  meine  Ausgabe  nur  eine  schlechte 
Hs.  benutzt  war. 


Zu  Onulfs  von  Speier  Rhetorici  colores. 

Von  M.  Manitius. 

Die  Ehetorici  colores  des  Speierer  Lehrers  Onulf,  die 
kürzlich  von  Wattenbach  herausgegeben  sind  (Sitzungsber. 
der  Berl.  Akad.  1894,  S.  361—386),  bieten  kein  zu  unter- 
schätzendes Denkmal  für  die  litterarische  Bildung  der 
deutschen  Geistlichkeit  um  die  Mitte  des  11.  Jahrh.  Denn 
dass  die  Schrift  in  jene  Zeit  gehört,  ist  vom  Herausgeber 
S.  367  erwiesen  worden.  An  der  Hand  der  dem  Eedner 
nothwendigen  exornationes  verborum  entwickelt  hier  Onulf 
die  sittlichen  und  intellektuellen  Bedürfnisse  des  Clerikers, 
indem  er  in  seiner  Eintheilung  vom  Auetor  ad  Herennium 
IV,  13,  19  ausgeht  und  an  der  Hand  dieser  dem  Mittelalter 
wohlbekannten  Schrift  *  (bis  IV,  29,  40)  deren  rednerischen 
Forderungen  seine  sittlichen  Postulate  gegenüberstellt.  Der 
Anfang  der  Schrift  ist  bei  dem  Mangel  des  ersten  Blattes 
in  Cod.  Vindobon.  2521  verloren.  Da  sich  nun  Onulf  genau 
an  die  Reihenfolge  der  einzelnen  Figuren  hält,  so  hat  er 
jedenfalls  mit  ad  Her.  IV,  12,  17  begonnen,  so  dass  uns 
die  Erörterungen  über  elegantia,  compositio  und  dignitas 
fehlen.  Das  ergiebt  sich  daraus,  dass  er  jene  Eigenschaften 
in  den  ersten  erhaltenen  Worten  seiner  Schrift  zusammen- 
fasst,  indem  er  sie  auf  das  sittliche  Gebiet  überträgt  'mo- 
rum  elegantiam,  compositionem  habitus,  vitae  dignitatem'. 
So  ist  der  Verlust  ausser  der  Vorrede  kein  grosser.  Er 
fährt  dann  mit  den  Worten  ad  Her.  IV,  13,  18  über  die 
exornatio  fort  und  geht  die  exornationes  verborum  et  sen- 
tentiarum  der  Reihe  nach  durch.  Dabei  stellt  er  stets  an 
den  Anfang  seiner  Abschnitte  die  Definitionen  der  einzelnen 
exornationes,  indem  er  sie  seiner  Quelle  wörtlich  entnimmt 
und  sich  nur  ganz  geringe  Aenderungen  erlaubt. 


1)  Noch  giebt  es  karolingische  Hss.,  s.  Teufel  -  Schwabe,  G.  R.  L.5 
§  162,  6.  In  alten  Bibliotheksverzeichnissen  erscheint  das  Werk  bis  zum 
Jahre  1300  nur  in  Frankreich  und  Deutschland,  s.  Rhein.  Mus.  47  Suppl. 
S.  12  f. 


442  M.  Manitins. 

Doch  zeigt  sich  Onulf  auch  noch  in  anderen  Schriften 
des  Alterthums  unterrichtet,  von  denen  in  der  Ausgabe 
S.  382  Horaz  und  S.  369  Juvenal  erwähnt  wird.  Hierzu 
kommt  noch  folgendes.  Cap.  6,  S.  371  heisst  es  'O  impu- 
dentem  attritae  frontis  .  .  .  audaciam'  mit  Benutzung  von 
Juvenal.  XIII,  242  'Eiectum  simul  attrita  de  fronte  rubo- 
rem'.  Cap.  8,  p.  372  geht  der  Satz  'fere  iam  in  naturam  versa 
prior  consuetudo  retrahit'  zurück  auf  Sali.  lug.  85,  9  'bene 
facere  iam  ex  consuetudine  in  naturam  vortit'.  Besonders 
aber  zeigt  sich  Onulf  im  Phormio  des  Terenz  unterrichtet. 
Cap.  15,  p.  374  heisst  es:  'Cum  ergo  in  pueris  erudiendis 
subiectus  obedientiae  duram  ceperis  provinciam' 1,  mit  An- 
lehnung an  Phorm.  1,  2,  21  GE.  'Abeuntes  ambo  hinc  tum 
senes  nie  filiis  Eelinquont  quasi  magistrum'.  DA.  'O  Geta, 
provinciam  cepisti  duram';  cap.  20,  p.  377  'munuscula  mi- 
mis  et  palatinis  canibus  undecunque  corradunt'.  Phorm. 
1,  1,  6  'ei  credo  munus  hoc  corraditur'.  Und  da  hiernach 
Onulfs  Kenntnis  des  Phormio  feststeht,  so  glaube  ich  auch, 
dass  das  cap.  15,  p.  375,  N.  1  von  W.  geänderte  Wort  'in- 
terere'  ('tempus  tibi  concessum  intereres')  nach  Phorm.  2,2,4 
'Tute  hoc  intristi'  zu  halten  sein  wird.  Dann  ist  Horaz 
benutzt  cap.  14,  p.  374  'Augustinus  ergo  tuis  versetur  in 
manibus'.  A.  P.  268  'Vos  exemplaria  Graeca  |  Nocturna 
versate  manu';  in  c.  15,  p.  375  'ut  monachus  vivat  exlex' 
stammt  wohl  das  seltene  Wort  aus  A.  P.  224;  cap.  20, 
p.  377  ist  die  Phrase  'in  calamitatem  communis  fundi 
nummos  alienos  pascunt'  genommen  aus  Ep.  I,  18,  35  'num- 
mos  alienos  pascet'.  Vergilisch  ist  c.  15,  p.  375  'quibus 
indiget  usus',  Ecl.  II,  71  'quorum  indiget  usus';  auf  Sedu- 
lius  scheint  c.  20,  p.  378  'veniat  cum  exaltacione  suum 
portando  manipulum'  zurückzugehen,  Pasch.  Carm.  I,  368 
'Portantes  nostros  Christo  veniente  maniplos'.  Auch  in 
den  angehängten  Versen  verräth  Onulf  noch  einige  Be- 
kanntschaft mit  älteren  Dichtern.  8,  2  'prona  facultas' 
Sedul.  P.  C.  IV,  2.  12,  14  'metuis  quod  fabula  fias'  Hör. 
Ep.  I,  13,  9.  12,  20  'quod  scire  tuum  sit  inane'  Pers.  Sat. 
I,  27.  20,  2  'inque  nefas  miseros  trahit  omne  ruentes'  Hör. 
Carm.  I,  3,  26. 

Hierzu  kommt  nun  in  c.  17,  p.  376  die  Benutzung 
einer  anderen  Quelle.  Bei  der  definitio  nämlich  hält  es 
Onulf  für  nothwendig,  einige  Beispiele  für  die  Definition 
von  Tugenden  zu  geben  und  zwar  der  prudentia,  iustitia, 
fortitudo   und   temperantia.      Er    benutzt    hierzu    den   Ab- 

1)  So  ist  bei  Onulf  statt  'providentiain'  zu  schreiben. 


Zu  Onulfs  von  Speier  Rhetorici  colores.  443 

schnitt  von  Cicero  de  inventione  II,  53,  159 — 164.  Cicero 
sagt  dort  §  159  'habet  igitur  (seil,  virtus)  partes  quatuor: 
pfudentiam  histitiani  fortitudinem  temperantiam'.  Diese 
vier  Cardinaltugenden  führt  Onulf  ein  und  giebt  ihre  De- 
finition zwar  nicht  genau  nach  Cicero's  Worten,  doch  in 
einer  Weise,  die  noch  durchaus  an  Cicero's  Begriffsbestim- 
mungen erinnert.  So  sagt  Cicero  von  der  prudentia  §  160 
'Prudentia  est  rerum  bonarum  et  malarum  neutrarumque 
scientia',  Onulf  definiert  'Prudentia  est  rerum  divinarum 
humanarumque  prout  homini  datum  est  scientia'  u.  s.  w, 
So  hat  Onulf  in  diesem  Abschnitt  eine  Verbindung  von 
Stellen  aus  dem  Werke  ad  Herennium  mit  Definitionen 
aus  Cicero's  de  inventione  gegeben. 

Endlich  scheint  Onulf  c.  23,  p.  379  'Sicut  enirn  liomo 
non  ideirco  vivit  ut  comedat,  sed  necessario  comedit  ut 
vivat'  eine  Stelle  aus  Quintilian  ausgeschrieben  zu  haben, 
wo  es  IX,  3,  85  heisst  'Non  ut  edam  vivo,  sed  ut  vivam 
edo' 1.  Näher  liegt  es  allerdings,  hier  an  die  Benutzung 
von  ad  Herenn.  IV,  28,  39  ('esse  oportet  ut  vivas,  non  vivere 
ut  edas')  zu  denken,  da  sich  dieses  Beispiel  für  die  coin- 
mutatio,  von  welcher  Onulf  hier  handelt,  in  jenem  Werke 
unmittelbar  nach  der  Definition  des  Begriffes  befindet. 


1)  So  wird  der  Spruch    aus  Quintilian   auch  von  Isidor,  Orig.  II, 
21,  11  angeführt. 


Zu  Pseudo-Udalricus'  'De  Continentia  Clericorum' 
und  zu  Bruno's  von  Segni  'De  Symoniacis', 

Von  J.  Loserth. 

Der  Cod.  1242  der  Grazer  Universitätsbibliothek,  144 
Pergainentblätter  (22  cm  X  14  cm)  fassend,  enthält  zwar 
keine  ausdrückliche  Angabe,  aus  der  wir  auf  seine  Her- 
kunft schliessen  könnten,  aber  ein  sonst  wenig-  beachteter 
Umstand  führt  doch  darauf.  Eine  Anzahl  von  Hss.  der- 
selben Bibliothek  hat  als  Schutz-  und  Vorlegeblätter  die 
erste  Ausgabe  der  Briefe  des  Enea  Silvio  benutzt.  Im  Cod. 
1242  sind  in  solcher  Weise  sechs  Blätter  verwendet  worden, 
auf  denen  sich  die  Briefe  222—229.  246—257,  dann  126 
finden.  Nun  finden  wir  solche  Schutzblätter  auch  beim 
Cod.  1256  verwendet  und  bei  diesem  die  Angabe,  dass  der 
Cod.  dem  (Benediktiner)  Stifte  St.  Lambrecht  angehörte. 
Dahin  ist  denn  auch  der  Cod.  1242  zu  verweisen.  Die 
Schriften,  die  er  enthält,  gehören  dem  XII.  Jahrh.  an  und 
stehen  insgesammt  mit  einander  insofern  in  engem  Zu- 
sammenhang, als  in  ihnen  die  brennendsten  Fragen  aus 
der  Zeit  des  Investiturstreites  behandelt  wrerden:  f.  lb:  Tn- 
cipiunt  capitule  (sie)  canonum  apostolorum' ;  f.  2a:  'Inci- 
piunt  tituli  Niceni  concilii';  f.  2  .  'Incipiunt  tituli  cano- 
num Ancirani  concilii'.  Num.  XXIV;  f.  3a:  'Tituli  cano- 
num Neocesariensium  (sie)  concilii.  Num.  XIV ;  ib.:  'Tituli 
canonum  Gangrensis  concilii.  Num.  XX';  f.  3b:  'Tituli 
canonum  Anthioceni  concilii.  Num.  XXV;  f.  4a:  'Tituli 
canonum  apud  Laodiciam  Phrigie  congregati  ('concilii'  fehlt). 
Num.  LVIIII';  f.  5b:  'Incipiunt  tituli  canonum  concilii 
apud  Constantinopolim  congregati.  III';  ib.:  'Tituli  cano- 
num Calcedonensis  concilii.  Num.  XXVII';  f.  6a:  'Titulus 
canonum  Serdicensis  concilii.  Num.  XXI';  f.  6b:  'Tituli 
canonum  congregati  apud  Carthaginem.  Num.  XXIII'; 
f.  7b:  'Tituli  canonum  diversorum  conciliorum  Africanae 
provincie.  Num.  CV.  Diese  Sammlung  schliesst  f.  98 b, 
dann  folgt :  'Incipiunt  opöscula  saneti  Augustini  de  diversis 
heresibus'.     Beginnt   bezeichnender  Weise   mit   den  Syino- 


Zu  Pseudo-Udalricus'   'De  Continentia  Clericorum'.      445 

niaci.  f.  107b:  'Hec  est  rescriptio  sancti  Odalrici 
episcopi,  in  qua  pape  Nycolao  de  continencia 
clericorum  iuste  ('non'  vor  'niste'  ist  ausradiert)  sed 
impie,  non  canonice  sed  discrete  ('in'  vor  'discrete'  ist  aus- 
radiert) tractata  ita  respondit'.  Wir  haben  es  also  hier  mit 
einer  neuen  bisher  unbekannten  Hs.  des  Pseudo-Udalricus, 
De  continencia  clericorum  zu  thun.  Die  Schrift  reicht  von 
f.  107b — 11 1 b.  Die  Blätter,  auf  denen  der  Tractat  geschrieben 
ist,  waren  zuvor  schon  mit  einer  anderen  Schrift  beschrieben, 
die  ausgekratzt  wurde,  so  dass  man  von  ihr  nur  noch  Spuren 
sieht.  Das  Auskratzen  wurde  so  scharf  vorgenommen,  dass 
mehrere  Blatter  durchgerissen  oder  durchlöchert  sind. 

f.  11  lb  beginnt  ein  neuer  Tractat:  'Illud  quod  qui- 
dam  eorum  veritate  convicti  dicere  coeperunt,  baptismum 
quidem  non  amittit,  qui  recedit  ab  ecclesia,  sed  ius  dandi 
amittit,  multis  modis  apparet  frustra  et  inaniter  dici :  primo 
quia  nulla  offendit  causa,  cur  ille,  qui  ipsum  baptismum 
amittere  non  potest,  ius  dandi  possit  amittere.  Utrumque 
enim  sacramentum  est  et  quadam  consecracione  utrumque 
homini  datur'.  .   .  . 

Mit  dem  vorhergehenden  hängt  noch  ein  Stück  zu- 
sammen, das  f.  117  mit  den  Worten  beginnt:  'Videtur  no- 
bis  subnectendum,  qualiter  ad  cotidianam  celebrationem 
venire  debeamus,  quoniam  multiplex  est  eius  rei  apud  doc- 
tores  relacio'.  .  .  . 

f,  127 b  beginnt  der  Libellus  Bruno 's  von  Segni: 
De  Symoniacis  und  was  damit  in  Verbindung  steht. 
f.  132b:  'Ordo  excommunicationis.  Incipit:  Episcopus  cum 
excommunicare  vel  anathematizare  aliquem  pro  certis  culpis 
voluerit,  preparet  se  ad  missam'.  .  .  . 

Dann  folgen  zusammenhanglos  Stücke  verschiedenen, 
doch  alle  geistlichen  Inhalts,  f.  136  ein  Stück  aus  den 
Decreten  Gregors  VII. :  'Gregorius  papa  Romane  synodo 
presidens  dixit:  Quoniam  multos  peccatorum  nostrorum 
meritis  exigentibus  pro  causa  excommunicacionis  —  fieri 
non  prohibemus.  Actum  in  ecclesia  Salvatoris  V.  non. 
martii  anno  dominice  incarnacionis  1078'.  Dann  das  im 
MA.  so  oft  citierte  Stück:  'Tres  fuere  sorores  Maria'.  .  .  . 
f.  137 a:  'Incipit  ordo  Romanus  de  sacramentis'.  f.  140b: 
'Alexander  papa,  V.  a  beato  Petro,  constituit,  ut  sal  et 
aqua  benedicatur'  und  ähnliche  Bestimmungen  bis  an  den 
Schluss. 

Im  folgenden  werden  die  Varianten  der  Grazer  Hs. 
des  Pseudo-Udalricus  und  Bruno's  von  Segni  (abgesehen 
von   gleichgültigen  Schreibfehlern   und    bloss   orthographi- 


446  J.  Loserth. 

sehen  Dingen)  angemerkt.  Der  Vergleichung  ist  die  neue 
Ausgabe  in  den  Libelli  de  lite  imperatorum  et  pontificum 
zu  Grunde  gelegt. 

a)   Zur   Epistola   Udalrici    'De    Conti nencia 
0 1  e  r  i  c  o  r  u  m ' . 

Libelli  I,  pag.  255,  Z.  15:  'Hec  est  rescriptio  saneti 
Odalrici  episcopi'  (wie  oben).  Z.  18:  '0  solo'.  Z.  21:  'trans- 
missa'.  Z.  26:  'possent  carere'.  Z.  29:  'parum'  fehlt.  Z.  30: 
'Nurnquid  non'.  Z.  34:  'pauca  ex  multis'.  Z.  36:  'inter- 
dicere  non  legitur'.     Z.  37:   'hoc  capiunt  verbum'. 

pag.  256,  Z.  1:  'Quapropter  quoque  ait  apostolus:  De 
virginibus  autem  domini  preeeptum'.  Z.  2:  'eciam'  fehlt. 
Z.  3:  'posse  capere  .  .  .  sed  eiusdem  consilii  multos  .  .  .'. 
Z.  5:  'masculoruni  ac'.  Z.  7:  'suam  habeat  uxorem'.  Z.  8: 
'qui  quanvis'.  Z.  9:  'uxoribus  abuti  non  dubitant'.  Z.  11: 
'scripturam  intellexerunt'.  Z.  12:  'suam  habeat  uxorem'. 
Z.  13:  'verae'  fehlt,  ('ae'  wird  übrigens  niemals  geschrie- 
ben, sondern  immer  'e'  oder  'e' ;  letzteres  aber  auch  in 
Wörtern  Avie  'specie/.)  Z.  13:  'eum'  fehlt;  Votum'  fehlt. 
Z.  15:  'vel  ore  vel  manu'.  Z.  17:  'hoc  viriliter  implere'. 
Z.  18:  'non  pigros  habebis  .  .  .  voti  huius  .  .  .  esse  non 
cogendos'.  Z.  21:  'Si  quis  autem'.  Z.  22:  'Diaconi'.  Z.  26: 
'certe'  fehlt.  Z.  30 :  'Episcopus  autem  et  presbyter  .  .  .'. 
Z.  32:  'abiciatur.    Z.  34:  'quod  eum'. 

pag.  257,  Z.  2:  'Maximus'.  Z.  3:  'sinistris  suribus  in- 
cisis'.  Z.  4:  'dicens  esse'.  Z.  5 :  'persuasit  concilio'.  Z.  8 : 
'laudavit  sent.  eius  ...  ex  parte  hac  .  .  .  hoc  uniuseuius- 
que'  ('in'  fehlt).  Z.  14 :  'et  ablata  inde  .  .  .  plus  quam 
mille'.  Z.  17:  'suoque  prorsus  decreto  .  .  .  apostolicum 
illud  consultum  protulit:  Melius'.  Z.  18:  'Melius  est  nubere'. 
Z.  19:  '.  .  .  deineeps  iudicassent'.  Z.  20:  'Nolite  iudicare  etc.' 
(Z.  20  —  22 :  'ut  non  —  statuere  illum'  fehlt).  Z.  26:  'censeas 
horrescendum'.  Z.  28:  'peccare  peniteat'.  Z.  29:  'Nihil  hat 
nocendi'.  Z.  30:  'nihil  sit  immaniter'.  Z.  31:  'habere  ne 
cupiatis'. 

pag.  258,  Z.  2:  'apostolice  hauserat'.  Z.  4:  'Ubi  et 
subditur'.  Z.  6 :  'tantum  in  Deo.  Nubere  autem  in  Deo'. 
Z.  7  :  'Nolite  ait'.  Z.  10:  'proferunt'.  Z.  11:  '.  .  .  apostoli 
illam  .  .  .  diffinicionem  virginalem'.  Z.  12:  'corporis'  fehlt. 
'.  .  .  animo  stuprato'.  Z.  16:  'huius  pravitatis  intentionem 
te  cito  correpturum  non  dubitamus.  Ideo'.  Z.  17:  'corrigi- 
mus'.  Z.  19:  'Augustinus  —  est'  fehlt.  Z.  20:  'cum  ille 
qui'.     Z.  23:  'habere  debemus'.     Z.  25:  'si  fortiter  invene- 


Zu  Pseudo-Udalricus'   'De  Continentia  Clericorurn'.      447 

rimus  .  .  .  divino  auxilio'.  Z.  26:  'potest  inveniri'.  Z.  27: 
'non  hoc  unius  hominis'.  Z.  28 :  'quod'  fehlt.  Z.  30 :  'potest 
fieri  .  .  .'.  Z.  31:  'episcopi  scilicet'.  Z.  32:  'sunt  in  .  .  . 
pro  dolor'.     Z.  33:    'abhorre  (sie)  casta   revera  clericorum'. 

pag.  259,  Z.  1:  'ab  bis  non  .  .  .  clericos'  fehlt.  Z.  2: 
'vel  rnoneant'  fehlt;  '.  .  .  et  cogant'  fehlt.  Z.  3:  'consilii 
persuasionein  —  tamque  turpem'  fehlt.  Z.  4:  'Honestius 
oeculte  pluribus'  ('est'  fehlt).  Z.  6 :  'vel  in  illo  .  .  .  qui 
dicit  per  prophetam  .  .  .  pharisei'.  Z.  7:  'facilis'  fehlt. 
Z.  9 :  'in  conspectu  eius  cuius  et  iudicia  omnia  aperta  sunt 
a  conspectu  erubescamus'.  Z.  11:  'pravitatis  nullius'.  Z.  16: 
"mittat  in  eam'.  Z.  17 :  'quod  adducitis,  adtendite  queso 
quod  estis'.  Z.  18:  ut'  fehlt,  Z.  19:  'etiam'  fehlt;  '.  .  . 
contumescant'.  Z.  20:  'animas  non  ministrare  pertimeseunt, 
isti  etiam'.  Z.  22:  'nimium  deplorans:  Quid,  inquit  de  ovi- 
bus  quando'.  Z.  23:  'nonne  qui  sevit'.  Z.  24:  'ministrabit. 
.  .  .  ut  audiatur'.  Z.  25:  linduatur.  .  .  .  clerus'  fehlt. 
Z.  26:  'eorum'  fehlt.  Z.  26.  27:  'eos'  fehlt;  '.  .  .  dicere 
disjmtaverim  de  quibusdam  Paulus  ap.  dixit  ad  Timotheum, 
quia  in'.    Z.  29 :  'habentium  sanetam  conscienciam'. 

pag*.  260,  Z.  1 :  'eventus  insanie  .  .  .  unius  —  scilicet' 
fehlt.  Z.  2.  3 :  'fornicatores  adulteri'.  Z.  3 :  'qui  in  hac 
ecclesia  .  .  .'.  Z.  4:  'heresim'  fehlt;  '.  .  .  illud'  fehlt.  Z.  5: 
'psalmista  eius'.  Z.  6:  'semper'  fehlt.  Z.  7:  'Quia  erg*o 
nemo  ignorat,  quia  per  tui  decreti  sentenciam  tamquam 
futura  sit  pestilencia  et  si  solite  discrecionis  claritudinem 
perspexisses  .  .  .'.  Z.  14:  'sed  et  coniugali'.  Z.  15:  'visurus 
sit  dominum  deum  nostrum'.  Das  folgende  'qui  cum  — 
Amen'  fehlt. 

An  diese  Rescriptio  Udalrici  schliesst  sich  unmittel- 
bar und  ohne  Titelüberschrift  eine  Erörterung  an,  deren 
Zusammenhang  mit  den  Gesetzen  gegen  die  Simonie  und 
den  Verkehr  mit  den  gebannten  Simonisten  niemand  ver- 
kennen wird.  Ich  habe  oben  die  Anfangsworte  mitgetheilt 
und  behalte  mir  vor,  die  Untersuchung  darüber,  ob  wir  es 
hier  mit  einem  Bruchstück  einer  noch  erhaltenen  oder  ver- 
lorenen Schrift  zu  thun  haben,  bei  etwas  mehr  Müsse,  als 
sie  mir  jetzt  zu  Gebote  steht,  wieder  aufzunehmen. 

b)    Zum    Libellus    de    Symoniacis    des    Bruno 

von    S  e  g  n  i. 

Die  Grazer  Hs.  enthält  nicht  den  ganzen  Tractat. 
Er  reicht  nur  bis  in  das  12.  Capitel,  von  dem  noch  drei 
Sätze  mitgetheilt  werden:   'bis  denuo  consecretur'  (Libelli 


448  J.  Loserth. 

II,  557,  Z.  18).  Ausserdem  fehlt  ihm  dieselbe  grosse  Partie 
über  das  Leben  Leo's  IX.,  die  auch  im  Wolfenbüttler  Cod. 
nicht  vorhanden  ist 1.  An  den  Theil  des  Libellus  schliessen 
sich  dann  zahlreiche  Excerpte  aus  den  Schriften  einzelner 
Kirchenväter,  den  Decreten  der  Päpste  u.  s.  w.  an,  die  mit 
dem  im  Libellus  behandelten  Gegenstand  in  Verbindung 
stehen.  Indem  sie  aber  nicht  durch  theoretische  Ausein- 
andersetzungen verbunden,  sondern  in  losester  Form  an- 
einander gereiht  sind,  wird  ersichtlich,  dass  der  Libellus 
in  der  Grazer  Hs.  nicht  etwa  eine  zweite  Redaction  bildet, 
sondern  selbst  nur  als  ein  Citat  —  allerdings  ein  sehr  aus- 
führliches —  anzusehen  ist. 

F.  127 b,  Z.  12:  'Incipit  Brunonis  episcopi  epistola  ex 
eo  loco  vite  beati  Leonis,  ubi  magnis  auctoritatibus  symo- 
niaci  feriuntur.    Bruno'  etc.  s.  Libelli  de  lite  II,  516. 

Varianten:  Libelli,  Lib.  II,  546,  Z.  27:  'patre  et 
domino ;  nostro'  fehlt.  Z.  28 :  'dominum  mecum  usque  in 
id  ipsum'  ('et  —  eius'  fehlt  also).  Z.  33:  'servi  illius'.  Z.  36: 
'virtuteinque  et'.     Z.  38 :  'in  id  ipsum'  fehlt. 

pag.  547,  Z.  2:  'una'  fehlt.  Z.  4:  'quae  omnino  care- 
ant'.  Z.  6:  'etiam'  fehlt.  Z.  9:  'ordinati  vos;  erant'  fehlt. 
Z.  12:  'ordinati.  Quibus'  fehlt.  Dann  folgt  wie  in  der 
Wolfenbüttler  Hs.  'Quibus  nunc  respondendum  est,  postea 
vero  ea  que  cepimus  prosequamur.    Sed  prius'. 

pag.  554,  Z.  18:  'eniin'  fehlt.  Z.  19:  'a'  fehlt.  Z.  21: 
'Si  enim  omnes  symoniaci  omnes  (ö~s)  ordinantur'.  Z.  24: 
'neque  pars  neque  sors  in  seculo  isto'.  Z.  28 :  'sed  tunc'. 
Z.  29:  'dereliquid.  Ad  hoc'.  Z.  31:  'et  miracula'  fehlt. 
Z.  32:  'date  vos  mihi  hanc'.  Z.  33:  'inposuero  manus'. 
Z.  34  —36 :  'quia  —  isto'  fehlt.  Z.  36 :  'ordinantur  symo- 
niaci. Pecuniam  offerunt.  Quare?  Quia  existimatur'.  Z.  39: 
'in'  fehlt.    Z.  42 :  'offerant'  fehlt.    Z.  42 :  'consecrentur'. 

pag.  555,  Z.  1:  'crisma  (wie  Cod.  2);  ib.:  Symoni'.  Z.  3: 
'benedicunt,  iste  benedicit'.  Z.  8 — 12:  'Hoc  enim  —  mitte- 
batur'  fehlt.  Z.  12:  'qui  Isaac  illudunt'  fehlt.  Z.  14:  'surri- 
pere  volunt.  Unde  non'.  Z.  15:  'enim  soli'  fehlt.  Z.  20: 
'maledicit  eos,  malediccionem  convertetur;  eis'  fehlt.  Z.  21: 
'ordinati  sie  construeti'.  Z.  22 :  'ecclesias  commissas'.  Z.  22: 
'tales  s  (sunt)'.  Z.  24:  'disseramus'  (eigentlich  'disferamus' 
in  cod.).  Z.  28:  'redeat'  fehlt;  'nisi  in  ecclesia'.  Z.  29: 
'Potest  tunc'.  Z.  31:  'aeeipiat  remissionem  .  .  .  Sic  tunc  si 
.  .  .  et  conversione'.    Z.  36:   'inde'  fehlt.    Z.  38:  'et'  fehlt. 


1)  Mit  diesem  Cod.    steht  der  Text  der  Grazer  Hs.    auch   sonst  in 
nächstem  Zusammenhang. 


Zu  Pseudo-Udalricus'  fDe  Continentia  Clericorum'.      449 

Z.  40 :  'arescent  ...  et  ardent'.  Z.  42 :  'si  separantnr  .  .  . 
sie  nee  christiani  si  separantur'.  Z.  42.  43 :  'corpus  —  cor- 
pore Christi  (inclusive)'  fehlt. 

pag.  556,  Z.  2:  'faciaent?  In  ignem'.  Z.  4:  'Dicit  ite- 
rum'.  Z.  5  :  'manserit  et  rel.'  ('mittetur  —  ardet'  fehlt).  Z.  6  : 
'ille'  fehlt.  Z.  7:  'si  in  eo  non'.  Z.  7 — 9:  'nee  in  —  quia 
nunquam  fuit  (incl.)'  fehlt.  Z.  12:  'ipsam'  fehlt.  Z.  13: 
'esset  corpus'.  Z.  14:  'dari  extra  ecclesiam  .  .  .  baptismus 
namque'.  Z.  19:  'et'  fehlt,  Z.  22:  'saneto'  fehlt.  Z.  22: 
'non  potest  intrare  in  regnum  Dei.  Utrumque  tibi  neces- 
sarium'.  Z.  23:  'est'  fehlt.  Z.  24:  'solum  hominem  a  pec- 
catis  purgat'.  Z.  29:  'spiritus  saneti  que  ab'.  Z.  34:  'dis- 
sentire  et  non  ique  (sie)  aliis'.    Z.  38:  'recordaciones  .  .  .'. 

pag.  557,  Z.  1:  'tantum'  fehlt.  Z.  2:  'id  est'  fehlt. 
Z.  3 :  'aliis'  fehlt.  Z.  5 :  'cum  aliis'  ...  Z.  12  :  'penitentium'. 
Z.  14:  'Quod  autem'.  Z.  18:  Nach  'consecretur'  setzt  der 
Text  ganz  anders  fort: 

'Augustinus  dicit:  Qui  de  ecclesia  furatur,  lüde  prodi- 
tori  eomparatur.  Quod  symoniacus  für  est,  dominus  ostendit 
dicens:  Qui  non  intrat  per  ostium  ovium,  is  für  est  et  latro. 
Quod  equalis  est  für  et  symoniacus  in  magnis  et  in  parvis, 
Leo  papa  addidit  dicens:  Non  quod  furto  ablatum  est,  sed 
mens  furantis  ostenditur.  Canones  apostolorum:  Quicumque 
presbyter  per  precium  ecclesiam  fuerit  adeptus,  quoniam 
contra  ecclesiasticam  doctrinam  agere  dinoscitur,  et  qui 
alterum  presbyterum  legitime  ad  ecclesiam  ordinatum  per 
peraniam  expulerit,  omnimodis  deponatur'  (Migne,  Patrol. 
lat.  130,  17). 

In  diesem  Sinne  folgen  Entscheidungen  der  Mainzer 
(Migne  143,  621)  und  Eheimser  Synode  (Migne  142,  1430), 
der  römischen  Synode  Clemens  II.  (Migne  142,  581)  u.  s.  w. 


Noch  einmal  die  kurzen  Venezianer  Annalen. 

Von  H.  Simonsfeld. 

Meiner  kurzen  Notiz  über  die  von  Sauerland  aus 
einer  Hs.  der  Metzer  Stadtbibliotkek  (n.  8)  im  Nuovo  Ar- 
chivio  Veneto  VII,  5  veröffentlichten  Venezianer  Annalen 
(saec.  XII.?)  liabe  ich  hier  noch  einige  weitere  Bemerkungen 
folgen  zu  lassen.  Denn  inzwischen  sind  in  Italien  zwei 
von  meinen  Ansichten  abweichende  Anschauungen  über 
diese  Annalen  laut  geworden,  die  mich  zwingen,  dazu 
Stellung  zu  nehmen. 

Noch  ohne  Kenntnis  meiner  erstgedachten  Notiz  hat 
Monticolo  im  Archivio  della  Societa  Romana  di  storia 
patria  t.  XVII  p.  237  u.  ff.  einen  Aufsatz  über  die  Sauer- 
land'sche  Publication  veröffentlicht,  in  welcher  er  —  ganz 
richtig  —  gleichfalls  auf  die  Aehnlichkeit  und  wieder- 
holt wörtliche  Uebereinstimmung  dieser  Annalen  mit  den 
von  mir  früher  veröffentlichten  hinweist.  Mit  grösster, 
fast  übertriebener  Ausführlichkeit  untersucht  und  ver- 
gleicht er  dann  die  beiden  Texte  und  kommt  schliesslich 
zu  dem  Urtheil  (p.  242),  dass  seiner  Ansicht  nach  in  den 
Sauerland'schen  Annalen  ein  älteres  Werk  vorliege,  wel- 
ches wahrscheinlich  i.  J.  1177  oder  wenig  später  von  einem 
Augenzeugen  des  Venezianer  Friedenskongresses  verfasst 
worden  und  geradezu  Vorlage  und  Quelle  für  die  späteren 
Venezianer  Annalen  gewesen  sei  —  also  gerade  das  Gegen- 
theil  von  dem,  was  ich  über  das  Verhältnis  beider  Texte 
behauptet  habe,  da  ich  die  neuen  Annalen  nur  als  eine 
ungenaue  und  verkürzte  Abschrift  der  älteren  erklärte. 

Dieser  meiner  Ansicht  hatte  ich  unter  Hinweis  auf 
meine  früheren,  von  Sauerland  und  der  Direktion  des  Nuovo 
Archivio  Veneto  übersehenen,  Publikationen  in  einer  kurzen 
(mit  der  oben  S.  249  n.  29  abgedruckten,  fast  identischen) 
italienischen  Notiz  im  Nuovo  Archivio  Veneto  t.  VII,  p.  493 
Ausdruck  gegeben,  auf  welche  Cipolla  —  wohl  auf  Wunsch 
der  Direktion  —  sogleich  eine  Erwiederung  hat  folgen 
lassen. 


Noch  einmal  die  kurzen  Venezianer  Annalen.  451 

Auf  den  mehr  persönlichen  Theil  dieser  Antwort  werde 
ich  das  Nöthige  in  einer  Eeplik  im  Nuovo  Archivio  Veneto 
vorbringen.  Ich  kann  mich  daher-  hier  auf  die  übrigen 
Ausführungen  Cipolla's  beschränken.  Diese  sollen  meinen 
Bemerkungen  gegenüber  offenbar  dem  Zweck  dienen,  die 
nochmalige  Publikation  der  Annalen  zu  vertheidigen  (gegen 
diese  habe  ich  mich  übrigens  gar  nicht  gewandt,  sondern 
nur  gegen  die  Art  ihrer  Ausführung).  Und  zwar  wird  zum 
Schutze  derselben  angeführt,  dass  die  neuen  Annalen  einen 
selbständigen  Werth  besitzen.  Aus  welchen  Gründen? 
Erstens,  weil  sich  hier  einige  Zusätze  finden,  die  ich  gleich- 
falls hervorgehoben  habe,  die  aber  —  wie  ich  sogleich  hin- 
zufügen will  — ■  in  gar  keinem  Zusammenhang  mit  den 
Annalen  stehen. 

Zweitens,  weil  zwischen  beiden  Texten  einige  Va- 
rianten bestehen,  von  denen  eine  dazu  dienen  kann,  einen 
Irrthum  in  meiner  Ausgabe  der  Annalen  zu  berichtigen. 
Bei  dem  Jahre  1167  wird  in  den  früheren  Annalen  eine 
Feuersbrunst  in  Venedig  auf  den  dritten  Tag  nach  dem 
Feste  der  h.  Lucia  verlegt  ('post  terciam  diem  ipsius  festi 
sancte  Lucie),  und  ich  habe  dazu  an  den  Rand  der  Aus- 
gabe gesetzt:  16.  Dec.  (und  dementsprechend  zu  der  darauf- 
folgenden Notiz  'altera  die  venerunt  legati  regis  Ungarie' 
das  Datum:  17.  Dec).  In  der  Metzer  Hs.  aber  heisst  es 
'die  XV.  Deceinbri  intrante  exivit  ignis',  und  so  hat  auch 
Andrea  Dandolo  in  seinen  Annalen  (Muratori,  SS.  XII, 
col.  291  C).  Nun  wohl:  wenn  ich  bei  Umwandlung  eines 
Datums  mich  geirrt  habe,  indem  ich  die  (von  Monticolo 
betonte)  römische  Zählweise  nicht  berücksichtigte  und  den 
Anfangstermin  nicht  mitrechnete  \  —  kommt  deshalb  der 
anderen  Hs.,  welche  das  Datum  richtig  aufgelöst  hat  und 
in  einfacherer  Form  wiedergiebt,  ein  selbständiger  histo- 
rischer Werth  zu?  Das  wird  im  Ernst  doch  sicher  Niemand 
behaupten  wollen. 

Den  Hauptwerth  aber  legt  Cipolla  auf  die  Zeit, 
welcher  die  Metzer  Hs.  angehöre:  nämlich  dem  12.  Jahrh. — 
wie  es  ähnlich  sogleich  bei  der  Publikation  des  neuen  Textes 
(N.  A.  Ven.  VII,  6)  hiess,  die  Annalen  seien  zwar  von  einer 
Hand  des  13.  Jahrh.  geschrieben,  entstammten  aber  'offenbar' 
dem  vorhergehenden  Jahrhundert:  'scritti  da  una  inano  del 
sec.   XIII,    ma    provenienti    manifestamente    da   fönte    del 


1)  Dass  dies  die  richtige  Zählweise,  geht,  wie  ich  selbst  erst  jetzt 
sehe,  daraus  hervor,  dass  auch  bei  den  Angaben  zum  Jahre  1106  zwischen 
28.  Januar  und  5.  April  68  Tage  gezählt  sind. 


452  H.   Simonsfeld. 

secolo  precedente'.  Offenbar  —  manifestamente? 
Ja,  worin  liegt  denn  das  'offenbar?  Etwa  darin,  dass  die 
Annalen  im  Text  nicht  über  1177  humusreichen?  und  1220 
von  derselben  Hand  mit  anderer  Tinte  nur  ein  Nachtrag 
oder  Zusatz  gemacht  ist?  oder  etwa  weil  der  frühere 
Theil  der  Hs.  dem  XII.  Jahrh.  angehört?  Das  scheint 
mir  doch  eine  gar  zu  leichte  Argumentation. 

Jedenfalls  hat  Monticolo  die  Sache  etwas  gründ- 
licher angepackt  und  sich  nach  ernsteren  Gründen  um- 
gethan.  Er  spricht  von  der 'grösseren  Einfachheit  der 
Form'  und  dem  'grösseren  inneren  sachlichen 
Zusammenhang',  die  ihn  veranlassen,  in  den  neuen 
Metzer  Annalen  die  Vorlage  für  die  alten  Vatikanischen 
zu  finden.  Mit  den  Beweisen  dafür  freilich  sieht  es  meines 
Erachtens  auch  wieder  ziemlich  bedenklich  aus.  Was  den 
grösseren  inneren  sachlichen  Zusammenhang  betrifft,  so 
scheint  er  für  Monticolo  darin  zu  liegen,  dass  in  der 
Metzer  Hs.  eine  Reihe  von  Feuersbrünsten  (4  oder  5)  und 
Erdbeben  (l)  (von  1115,  1116,  1117,  1149,  1167)  unmittelbar 
hintereinander  aufgezählt  wird  —  während  in  der  Vati- 
kanischen Hs.  dazwischen  noch  andere  Nachrichten  ein- 
geschoben werden  (zum  Jahre  1120  sogar  über  eine  weitere 
Feuersbrunst)  —  in  derselben  Form  und  des  nämlichen 
Charakters,  wie  die  paar  (4)  anderen  Notizen,  welche  sich 
auch  in  der  Metzer  Hs.  vor  und  hinter  jenen  lokalen  Un- 
fällen vorfinden  und  welche  Monticolo  nun  freilich  (un- 
glaublicherweise) von  den  anderen  loslösen  und  beson- 
ders entstanden  sein  lassen  will.  'Si  distinguono',  sagt 
er,  'nettamente  tre  parti  secondo  la  loro  materia  e  forse 
anche  secondo  la  loro  composizione' :  1)  Gründung  der 
Stadt  und  Translation  des  hl.  Markus,  2)  die  Feuers- 
brünste mit  Erdbeben,  3)  zwei  politische  Ereignisse :  Ver- 
mählung einer  ungarischen  Prinzessin  mit  einem  Dogen- 
sohn  und  die  Zusammenkunft  in  Venedig  1177.  Logisch 
wäre  es  nun  richtig,  wenn  Monticolo  gesagt  hätte,  den 
ursprünglichen  Stamm  der  Metzer  Annalen  bildet  die 
Gruppe  2)  mit  den  5  Notizen ;  aber  er  bemerkt  ausdrücklich, 
wie  schon  oben  erwähnt,  dass  nach  seiner  Ansicht  ein 
Augenzeuge  von  1177  die  Annalen  verfasst  habe.  Wo 
bleibt  dann  die  grössere  Einheit?  und  wohin  führt  über- 
haupt eine  solche  Zergliederung?  Da  würde  sich  schliesslich 
jede  Quelle  in  eine  Reihe  von  Atomen  auflösen. 

Die  neuen  Metzer  Annalen  sollen  aber  auch  durch 
eine  grössere  Einfachheit  der  Form  sich  unter- 
scheiden.     Es   fehlen   hier   ein   paar  Male   die   Indiktions- 


Noch  einmal  die  kurzen  Venezianer  Annalen.  453 

angaben;  beim  Brand  von  1106  heisst  es  liier  gleich  am 
Anfang,  dass  24  Kirchen  'cum  omnibus  adiacenciis  (sie!)  casis' 
eingeäschert  wurden,  während  die  Vatikanische  Hs.  dies 
mit  einigen  Worten  mehr  erst  am  Ende  bringt:  'ecclesie 
superius  Scripte  numero  sunt  24  etc.'  Beim  Brand  von 
1167  fehlen  hier  die  Worte:  'paucis  (sc.  conviciniis)  vero 
permanentibus',  welche  die  Ausdehnung  des  Brandes  ein- 
schränken. Bei  der  Translation  des  hl.  Markus  fehlen  des 
Weiteren  hier  die  Notizen,  dass  dieselbe  unter  dem  Dukat 
des  Justinianus  Particiacus  und  aus  Alexandria  erfolgte; 
und  bei  der  Verheirathung  der  ungarischen  Prinzessin  mit 
dem  Dogensohne  1167  fehlen  hier  die  Namen  der  beiden 
Vermählten  Maria  und  Nikolaus.  Das  ist  allerdings  Alles 
'grössere  Einfachheit  der  Form',  aber  ob  auch 
Beweis  grösserer  Ursprünglichkeit? 

Doch  verweilen  wir  noch  einen  Augenblick  bei  den 
Angaben  zum  Jahre  1167.  Die  Metzer  Hs.  bringt  hier 
nur  zwei: 

1)  die  XV.  Decembri  intrante  exivit  ignis  de  solario 
saneti  Salvatoris 

2)  altera  die  venerunt  legati  regis  Ungarie  et  duxerunt 
neptem  et  dederunt  ipsam  filio  domini  Vitalis  Michaelis 
ducis  in  uxorem; 

in  der  Vatikanischen  Handschrift  aber  stehen  drei, 
nämlich  vor  jenen  zwei  Notizen  noch  eine  über  die 
Ankunft  dreier  Gesandter  des  byzantinischen  Kaisers  mit 
drei  Galeeren  und  zwar  in  dieser  Form: 

Anno  Dom.  mill.  cent.  sexag.  septimo  mense  Decembris 
indicione  quinta  deeima  tercia  die  ante  festum 
sanete  Lucie  venerunt  tres  legati  imperatoris  Grecie 
cum  tribus  galeis.  Et  j>ost  terciam  diem  ipsius 
festi  exivit  ignis  de  solario  s.  Salvatoris  .  .  . 

Da  hätte  nun  also  nach  der  Ansicht  Monticolo's  der 
Verfasser  oder  Schreiber  der  Vatikan.  Annalen  den  älteren 
Metzer  Text  zu  Grunde  gelegt  und  das  einfache  Datum : 
'die  15.  Dec.  intrante'  umgewandelt  in  das  umständlichere: 
'post  terciam  diem  ipsius  festi' ;  er  hätte  in  derselben 
umständlichen  Form  die  Nachricht  über  die  byzantinischen 
Gesandten  und  ausserdem  die  Indiktion,  wie  auch  später 
den  einschränkenden  Zusatz  'paucis  vero  permanentibus' 
und  endlich  jene  Namen  seiner  'einfacheren'  Vorlage 
hinzugefügt.  Eine  etwas  complicierte  Arbeit!  Wie  viel 
einfacher  ist  doch  das  Umgekehrte!  Der  Schreiber  der 
Metzer  Handschrift  verändert  das  in  der  früheren  Vorlage 
überlieferte   längere    Datum   in   das   kürzere,    er    lässt   aus 

Neues  Arohiv  etc.    XX.  30 


454 


H.   Simonsfeld. 


Bequemlichkeit  die  Indiktion,  den  ganzen  Passus  über  die 
byzantinischen  Gesandten  und  jene  beiden  Namen  weg-, 
und  es  kommt  ihm  in  der  Eile  bei  dem  Brand  auch  gar 
nicht  auf  ein  paar  Häuser  mehr  oder  weniger  an :  er  lässt 
die  betreffenden  Kirchen  (S.  Luca  etc.)  mit  der  ganzen 
Umgebung  'cum  suis  conviciniis'  verbrennen,  während  nach 
der  Vatikanischen  Handschrift  einige  wenige  (Häuser) 
übrig  bleiben  —  wie  auch  Andrea  Dandolo  (1.  c.  tom.  XII. 
col.  291  C.)  nur  von  mehreren  umliegenden  mitverbrannten 
Häusern  'cum  pluribus  adiacentibus  domibus'  spricht.  Jeden- 
falls hat  also  in  diesem  Falle  die  Vatikan.  Handschrift  das 
Richtigere  oder  wenigstens  das,  was  auch  Dandolo  als  das 
Eichtigere  erschien;  und  für  mich  unterliegt  es  keinem 
Zweifel,  dass  sie  auch  das  Ursprünglichere  hat.  Und  dafür 
scheint  mir  ganz  besonders  eben  jene  umständlichere 
Datierung  'tercia  die  ante  festum  s.  Lucie'  und  'post 
terciam  diem  ipsius  festi'  zu  sprechen. 

Aehnlich  verhält  es  sich  mit  dem  Passus  über  den 
Priedensabschluss  von  1177  in  Venedig,  auf  welchen 
Monticolo  besonderes  Gewicht  legt.  Ich  setze  denselben 
daher  nach  dem  beiderseitigen  Wortlaut  hieher. 


Cod.  Vatic.  (SS.  XIV,  72). 

Anno  Domini  millesimo 
centesimo  septuagesimo  sep- 
timo,  mense  Marcii,  tem- 
pore Sebastiani  ducis  dom- 
nus  papa  Alexander,  car- 
dinales ,  archiepiscopi ,  e  p  i  - 
scopi,  abbates  et  priores 
octavo  die  exeunte  mense 
Marcii  intravit  Veneciam. 
Et  in  annunciatione  sancte 
Marie  virginis  susceptus  fuit 
cum  magna  gloria.  Et  eodern 
anno  Fridericus  imperator, 
duces,  comites  et  principes, 
et  magna  multitudine 
et  o m n i u m  n a c i o n u m  ve- 
nerunt  in  Veneciam  nono  die 
exeunte  mense  Iulii;  et  in 
festivitate  sancti  Iacobi  apo- 
stoli  honorifice  susceptus  fuit 
in  obsculo  pacis  a  domino 
papa  Alexandro    ante  ianuas 


Cod.  Met.  (N.  A.  Ven.  VII,  7). 

Anno  Domini  M°C°  septua- 
gesimo septimo  in  martio 
(VIII.  die  venit'  von  der- 
selben Hand  übergeschrie- 
ben) dominus  papa  Alexander 
cum  gardinalibus,  archiepi- 
scopis,  abbatibus  et  prioribus 
intravit  Venetias  et  in  annun- 
ciatione s.  Marie  receptus 
fuit  cum  magna  gloria.  Et 
eodem  anno  Fridericus  im- 
perator cum  ducibus,  prin- 
cipibus  et  baronibus  intravit 
Venetias  die  IX.  exeunte  Iulii, 
et  in  festo  s.  Iacobi  apostoli 
honorifice  susceptus  fuit  in 
osculo  pacis  a  domino  papa 
Alexandro  ante  ianuas  eccle- 
sie  beati  Marci,  et  permansit 
in  palatio  domini  ducis  usque 
ad  tercium  decimum  diem 
exeuntem  Septembris ;  et  do- 


Noch  einmal  die  kurzen  Venezianer  Annalen. 


455 


ecclesie  beati  Marci,  et  per-  minus  papa  exivit  de  Vene- 
mansit  in  palacio  domini  du-  ciis  XVII.  kl.  novembris. 
eis  usque  ad  tercium  deci- 
mum  diem  exeunte  mense 
Septembris;  et  supra  dictus 
dominus  papa  Alexander  exi- 
vit de  Venecia  septimo  de- 
eimo  Kalendis  Novenbris. 

Die  stilistischen  und  sachlichen  Differenzen  hat  auch 
Monticolo  bemerkt  und  zum  Theil  gewürdigt;  er  hat  das 
auffällige  Fehlen  des  'episcopis'  in  der  Metzer  Hs.  als  Irrthum 
des  Copisten  bezeichnet,  er  bemerkt  in  einer  Anmerkung1, 
dass  das  Datum  'VIII.  die  venit'  der  Metzer  Hs.  in  'VIII.  die 
exeunte'  zu  korrigieren  sei  —  aber  die  weiteren  Konse- 
quenzen hat  er  nicht  daraus  gezogen.  Denn,  um  es  kurz  zu 
sagen,  gerade  dieser  notorische  Fehler  in  dem  Datum 
des  8.  März  ist  für  mich  der  Hauptbeweis,  dass  die 
Vatikanische  Hs.  die  Vorlage,  und  die  Metzer  nur  eine 
ungenaue  und  verkürzte  Abschrift  daraus  enthält;  und  ich 
denke,  es  bedarf  an  dieser  Stelle  dafür  nicht  erst  noch 
einer  weiteren  Begründung.  Es  erscheint  unbegreiflich, 
warum  Monticolo  bei  aller  seiner  Weitschweifigkeit  die 
Möglichkeit  dieses  gegenseitigen  Verhältnisses  nicht  ein 
einziges  Mal  auch  nur  streift. 

Vielleicht  kommt  nun  aber  er  oder  Cipolla  oder  ein 
Anderer  mit  dem  Einwand,  dass  beide,  die  Vatikanischen 
wie  die  Metzer  Annalen,  aus  einer  gemeinsamen,  dritten 
unbekannten  Quelle  abgeleitet  seien,  jede  dieselbe  selbständig 
benutzt  habe.  Gegen  diese ,  meiner  Ansicht  nach  ganz 
unstatthafte,  Hyjsothese  will  ich  sogleich  einwendend  dar- 
auf hinweisen,  dass  sich  in  der  Vatikan.,  wie  in  der  Metzer 
Hs.  die  Translation  des  h.  Markus  fälschlich  zum  Jahre 
700  gesetzt  findet,  und  dass  beide  Hss.  beim  Brand  von 
1106  unter  den  24  verbrannten  Kirchen  die  des  h.  Pater- 
nianus  auslassen,  welche  Dandolo  (1.  c.  XII,  260  C.) 
ausdrücklich  in  der  Liste  aufführt. 

Mit  meiner  Annahme,  dass  die  Metzer  Annalen  nur 
eine  Abschrift  aus  den  Vatikanischen  sind,  stimmt  endlich 


1)  Ich  mache  hier  gleichfalls  von  einer  Anmerkung  Gehrauch,  um 
zu  konstatieren,  dass  in  meiner  Ausgabe  der  Annalen  SS.  XIV,  p.  71, 
1.  15  wirklich  'ceciderunt'  statt  'exiderunt'  zu  lesen  ist.  In  meiner  ersten 
Abschrift  aus  dem  Cod.  Vatican.,  die  ich  noch  bewahre,  steht  richtig  'ce- 
ciderunt', was  schon  beim  ersten  Abdruck  im  X.  A.  I,  404  vermuthlich 
bei  der  Correktur  in  das  falsche  'exiderunt'  verwandelt  worden  ist. 

30* 


456  H.  Simonsfeld. 

auch  der  handschriftliche  Befund  nach  der  äusseren, 
paläographischen  Seite.  Den  Annalen  geht  in  dem  Vaticanus 
voraus  eine  Dogenliste,  die  mit  dem  Regierungsantritt 
Pietro  Ziani's  schliesst:  'Petrus  Ziani  successit  anno  Dom. 
1205  mense  Augustus  indicione  quinta  intrante'.  Vor  dieser 
Zeit  sind  also  die  Vatikan.  Annalen  nicht  geschrieben, 
aber  wohl  auch  sicher  vor  Ziani's  Tod  (1229).  Die 
Metzer  Hs.  besteht  aus  2  Theilen:  einer  Regula  s.  Be- 
nedicti,  die  in  Venedig  im  Kloster  des  hl.  Gregorius 
1157  geschrieben  ward,  und  einem  Calendarium  und 
Necrologium  (Obituarium)  des  nämlichen  Klosters,  die  dem 
14.  Jahrhundert  angehören.  Auf  einem  weissen  leeren 
Blatt  vor  der  'Regula  s.  Benedicti'  stehen  von  einer  Hand 
des  ausgehenden  12.  Jahrhunderts  zwei  Notizen,  die  ich 
der  Vollständigkeit  halber  hier   ebenfalls    mittheilen   will: 

1)  Incisio  Brente  facta  fuit  currente  MC  XXXVII. 

2)  Magna     guerra     fuit     inter     Venetos     et     Paduanos. 

Duodecim    homines    de    Padua    iuraverunt    coram 
domino  duce,  quod   non  fecerunt  ad  damnum   nee 
ad  dedecus  regni  Venetiaruni  et  pax  fuit  facta  XIII. 
die  intrante  Octubri. 
Unsere    Venetianer     Annalen     aber    stehen    auf    der 
letzten,  ursprünglich  leeren  weissen  Seite  des  ersten  Theiles 
der  Handschrift,  geschrieben  von  einer  Hand  des  1  3.  Jahr- 
hunderts, und  schliessen  nach  der  Erzählung  des  Friedens 
von  1177  mit  der  Notiz: 

3)  Fuit    quodam    tempore    maxima    aqua    per     mediam 

noctem  et  integram  diem,  ita  quod  nullus  poterat 
stare  in  domibus ;  unde  maximum  dannum  de  rebus 
abuerunt,  et  multi  pueri,  iuvenes  et  homines  in 
aqua  perierunt. 
Dann  folgt  von  der  gleichen  Hand,  aber  mit 
anderer  Tinte  eine  Notiz  zum  Jahre  1220: 

4)  Anno  Domini  MCCXX,  in  die  natalis  Domini  magnus 

terre  motus  fuit,  unde  ecclesia  s.  Gregorii  de 
Veneciis  pro  tere  (sie!)  motu  cecidit. 
Mit  1205  endigt  die  Dogenliste  im  Vaticanus,  hier 
macht  die  nämliche  Hand,  welche  die  Annalen  abschrieb, 
1220  mit  anderer  Tinte  einen  Zusatz :  könnten  diese  Daten 
besser  miteinander  stimmen?  Und  endlich  am  Ende  des 
13.  Jahrhunderts  wird  in  demselben  Kloster  noch  ein 
Zusatz  gemacht : 

5)  Anno    Domini    MCCLXXXIIII    die    Veneris     deeimo 

exeunte  decembri  fuit  maxima  aqua,  ita  quod  nulus 
(sie !)  poterat  stare  in  terra  nisi  super  sufitas  et  sola- 


Noch  einmal  die  kurzen  Venezianer  Annalen.  457 

ria;  et  multi  muri  ceciderunt,  et  maximum  damnum 
de  rebus  abuerunt,  et  aliqui  obierunt;  et  hoc  fuit 
a  media  nocte  usque  ad  mediam  terciam, 
welcher  zu  dem  Necrologium  des  14.  Jahrhunderts  hinüber- 
leitet. Dass  diese  5  Zusätze  in  der  That  im  Kloster 
S.  Gregorio  gemacht  wurden,  kann  wohl  keinem  Zweifel 
unterliegen.  Die  Notiz  (4)  zum  Jahre  1220  zwar  scheint 
mir  nicht  ganz  unverdächtig.  Ich  finde  nämlich  in 
anderen  Quellen,  bei  Dandolo  (1.  c.  XII,  343  E  am  Rand 
des  Cod.  Ambrosianus)  und  bei  Sanuto  (Muratori  SS.  XXII, 
539  B)  ein  starkes  Erdbeben  nicht  zu  Weihnachten  1220, 
sondern  1223  gemeldet,  welches  das  Kloster  des  h.  Georg, 
aber  nicht  das  des  h.  Gregor  stark  beschädigte 1.  Be- 
zeichnender dafür  sind  die  beiden  ersten  Notizen,  die 
freilich  in  dieser  Form  auch  nicht  ganz  korrekt  scheinen. 
Von  einem  Streit  zwischen  Venedig  und  Padua  wegen 
versuchter  Ableitung  der  Brenta  und  Niederlage  und  Ab- 
bitte der  Paduaner  ist  nämlich  anderwärts  nicht  zum 
Jahre  1137  die  B-ede,  wie  hier,  sondern  zu  einer  späteren 
Zeit,  nämlich  zum  Jahre  1143:  so  bei  Dandolo  (1.  c.  XII, 
280  A,  wobei,  wie  ich  früher  hier  verzeichnet  habe 2),  'tercio 
decimo'  statt  'quarto  decimo  ducis  Polani  anno'  zu  lesen 
ist)  und  bei  Sanuto  1.  c.  XXII,  492  B.  Der  Friedens- 
schluss  aber  erfolgte  im  Jahre  1144  am  14.  (oder  10.) 
Oktober,  wie  aus  Flaminius  Cornelius,  Ecclesiae  Venetae 
dec.  XII  (tom.  IX)  p.  338  und  dem  von  Gloria  heraus- 
gegebenen 'Codice  Diplomatico  Padovano'  I,  326  zu  ersehen 
ist.  Wie  schon  aus  dem  Anfang  der  von  Gloria  benutzten 
Abschrift  des  Vertrages  erhellt  (die  noch  dazu  aus  dem 
Archiv  des  Klosters  S.  Gregorio  stammt)  handelte  es  sich  bei 
dem  Friedensschluss  gerade  auch  um  Entschädigung  des 
Klosters  des  h.  Hilarius  und  Benedikt,  dessen  Besitzungen  bei 
der  'incisio  Brentae'  waren  geschädigt  worden.  Die  Klöster 
S.  Gregorio  und  S.  Ilario  e  Benedetto  aber  sind  auf  das 
innigste  mit  einander  verwachsen,  indem  das  erste  seit 
alter  Zeit  dem  zweiten  untergeben  war  und  später,  als 
1247  Ezzelino  das  letztere  zerstörte,  der  Zufluchtsort  des 
Abtes  und  der  Mönche  von  S.  Ilario  e  Benedetto  wurde. 
Die  Aebte  nannten  sich  fortan  bald  nach  dem  einen,  bald 
nach  dem  andern  Kloster,  bald  nach  beiden ;  und  es  ist 
daher  ganz  einfach,  wenn  in  die  Metzer  Handschrift   eine 


1)  Cf.  Cicogna,  Delle  Inscrizioni  Veneziane  vol.  IV,  p.  245.  Zu 
Notiz  5  über  das  Hochwasser  von  1284  cf.  Dandolo  1.  c.  XII,  399  C. 
2)  'Textvarianten  zu  Andrea  Dandolo'  N.  A.  XVIII,  S.  342. 


458  H.   Sirnonsfeld. 

spätere  Hand  bemerkt  hat:  'Codex  ss.  Ylarii  et  Benedicti', 
aber  irreführend,  wenn  dazu  von  Sauerland  gesagt 
wird,  es  scheine,  dass  die  Handschrift  aus  dem  Besitz  des 
einen  Klosters  in  den  des  anderen  übergegangen  sei.  Ist 
aber  die  Conjectur  Gloria's  richtig,  dass  der  Schreiber  der 
von  ihm  benutzten  Copie  bei  dem  Datum  \MCXLIV  quarto 
decimo  die  intrante  Octubri'  das  eine  'quarto'  ausgelassen  \ 
dann  liegt  in  der  Metzer  Hs. ,  wo  der  Friede  'XIII.  die 
intrante  Octubri'  geschlossen  wird,  ein  neuer  Fehler  vor, 
der  mit  den  anderen  beweist,  wie  flüchtig  die  Notizen  hier 
eingetragen  wurden  und  dass  man  in  denselben,  um  es 
zu  wiederholen ,  die  Vorlage  für  die  Vatikanischen  Annalen 
nicht  erblicken  darf. 

Wann  aber,  um  auch  dies  noch  zu  streifen,  diese  selbst 
entstanden  sind  und  auf  Grund  welcher  Aufzeichnungen, 
gestehe  ich  mit  Bestimmtheit  nicht  angeben  zu  können. 
Ich  habe  früher  bereits  auf  die  Angaben  zum  Jahre  1120 
hingewiesen,  wo  die  Kirche  S.  Pietro  di  Castello  als 
'ecclesia  Sancti  Petri  nostri  episcopatus'  bezeichnet  wird; 
vielleicht  sind  die  genauen  Tagesangaben  bei  diesem  Jahre 
ein  Beleg  für  gleichzeitige  Aufzeichnung  und  wäre  hier 
ein  Einschnitt  in  die  Annalen  zu  machen,  deren  zweite 
Hälfte  dann  in  den  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  gehörte. 

Endlich  will  ich  noch  bemerken ,  dass  aus  einem 
alten  Necrologium  des  Klosters  S.  Gregorii  bereits  Fl.  Cor- 
nelius  1.  c.  IX,  365  u.  ff.  einige  Notizen   abgedruckt   hat. 


1)  Dass  auch  die  Indiction  nicht  stimmt,  hat  Gloria  a.  a.  O.  richtig 
hervorgehoben. 


Eine    ungedruckte   Urkunde    Friedrichs   II.    über 

Borgo  S.  Donnino,  zugleich  als  Quelle  des  Fälschers 

Egidio  Rossi. 

Von  Paul  Schelfer  -Boichorst. 

Wurde  für  eine  gefälschte  Urkunde,  welche  nicht 
schon  auf  Grund  eines  Druckes  entstand,  die  Quelle  auf- 
gedeckt, so  ist  gewöhnlich  auch  die  Heiinath  des  Betruges 
dargethan,  und  näher  tritt  uns  sein  Urheber.  Der  Mann 
z.  B.,  dem  das  Haus  Venerosi  wirkungsvolle  Privilegien 
verdankt,  hat  entweder  das  Archiv  von  Bologna  benutzt 
und  darauf  in  Parma  sein  Bologneser  Excerpt  mit  Parme- 
saner Materialien  verbunden  oder  in  Parma  Muster  ge- 
sammelt und  zu  ihnen  später  in  Bologna  Bestandtheile 
einer  Bologneser  Urkunde  hinzugefügt.  Parma  oder  Bo- 
logna war  damit  als  Werkstätte  erkannt.  Nun  ist  von 
Parma  ausgegangen,  hat  in  Bologna  gelebt :  der  Notar  der 
Venerosi,  Egidio  Rossi,  und  die  Kette  des  Beweises  war 
geschlossen.  An  Einer  Stelle  nur  hätte  ich  sie  gern  fester 
geschmiedet,  als  mir  beim  ersten  Versuche  möglich  war 1. 
Die  Benutzung  einer  Bologneser  Urkunde,  sowohl  für  das 
angebliche  Privileg  Heinrichs  VI.,  als  das  Friedrichs  IL, 
konnte  zwar  leicht  erwiesen  werden,  und  ebenso  lag  klar 
zu  Tage,  dass  der  formale  Theil  der  Fälschung,  welche  auf 
den  Namen  Heinrichs  VI.  lautet,  wesentlich  einem  Diplom 
desselben  Kaisers  für  den  Bischof  von  Parma  nachgebildet 
ist.  Aber  woher  nahm  der  Fälscher  sozusagen  den  Rahmen, 
in  den  er  die  Bestätigung  Friedrichs  II.  fasste?  Die  Frage 
zu  beantworten,  wagte  ich  eine  Vermuthung 2. 

Die  einleitenden  Worte :  Ut  fidelium  nostrorum  animos 
ad  fidelitatis  nostre  obsequia  efficacius  invitemus  et  ftdeliitni 
mentes  in  fide  efficiantur  fortiores  etc.,  —  diese  Worte,  meinte 
ich,  wären  'sehr  sachgemäss  gewesen,  da  Friedrich  II.  am 
11.    Februar   1216    den    Giuliani    von   Parma    sich    gnädig 


1)  S.  meinen  Artikel :  Egidio  Rossi  und  seine  Nachahmer  im  N.  A. 
XX,  187—196.        2)  S.  189,  Anm.  5. 


460  Paul  Sckeffer-Boichorst. 

zeigte.  Leider  ist  die  Urkunde,  die  übrigens  von  Böhmer- 
Ficker  übersehen  wurde,  mir  nur  in  dürftigem  Regest  be- 
kannt, nämlich  bei  Affö,  Storia  di  Parma  III,  108,  Anm.  c. 
Danach  verlieh  der  König  den  Brüdern  Ugolino,  Tommaso 
und  Gabriele  Giuliani  die  Herrschaft  über  Borgo  San  Don- 
nino:  1215  ind.  4,  ao.  Rom.  regni  3  regnique  sui  in  Italia 
Hies:  Sicilia)  18 .,  datum  ap.  Hagenowam  id.  feb.  Nur  das 
Jahr  der  Römerherrschaft  ist  um  eins  zu  erhöhen,  sonst 
passen  alle  Daten  auf  Februar  1216,  und  damals  weilte 
Friedrich  in  Hagenau.  Affö  erklärt  die  Urkunde  freilich 
für  unecht,  doch  ohne  Grund :  wenigstens  für  ihren  Inhalt 
leistet  eine  andere  Urkunde  Friedrichs  IL,  die  Ficker, 
Forschungen  IV,  333,  n.  299  veröffentlicht  hat,  die  beste 
Gewähr'.  Wie  es  hier  nämlich  heisst,  gab  der  Kaiser  im 
April  1222  den  Söhnen  früherer  Besitzer  Borgo  und  Bar- 
gone  zurück :  non  obstante  privilegio  et  commissione,  quam  Ugo 
Lupus  et  Hugo  Iuliani  et  fratres  eins  .  .  a  curia  nostra  ad  tem- 
pus  impetrasse  dicantur. 

Die  Arenga  dieses  Privilegs  für  die  Giuliani,  —  glaubte 
ich  demnach,  —  könnte  sehr  wohl  so  gelautet  haben,  wie 
die,  mit  welcher  Friedrich  seine  Bestätigung  der  Rechte 
des  Hauses  Venerosi  eingeleitet  haben  soll.  Heute  nun 
darf  ich  meine  ungewisse  Annahme  zur  sicheren  Behauptung 
erheben.  Ja,  das  Privileg  des  Parmesaner  Geschlechtes 
hat  dem  Fälscher  noch  weitere,  ungeahnte  Dienste  geleistet. 

Eine  Abschrift  fand  ich,  als  ich  im  August  1894  auf 
der  Bibliothek  in  Parma  arbeiten  konnte.  Affö  hatte  auf 
Briefschaften  Gozzi's  verwiesen,  hatte  Gozzi  frischweg  als 
Fälscher  gebrandmarkt,  —  in  Gozzi's  Miscellanea  storica 
II,  30  Mscr.  saec.  XVIII.  n.  427  liest  man  einen  nicht 
fehlerfreien,  doch  brauchbaren  Text.  Dank  diesem,  aller- 
dings bequemen  Funde  darf  ich  nun  sagen:  was  bei  der 
Fälschung,  die  den  Namen  Heinrichs  VI.  trägt,  dessen 
echtes  Privileg  für  den  Bischof  von  Parma  gewesen  ist, 
fast  dasselbe  war  bei  der  angeblichen  Bestätigung  Fried- 
richs IL  die  Urkunde  vom  11.  Februar  1216.  Nicht  blos 
die  Arenga,  auch  noch  Einzelheiten  des  sachlichen  Theils, 
dann  das  Verbot  der  Zuwiderhandlung,  der  Strafsatz,  der 
Ausfertigungsbefehl,  die  Recognition 1,  —  Alles  stimmt 
hier  und  dort  auf's  Wort  überein!    Nur  von  den  Zeugen2 

1)  Diese  lautet  in  beiden  Urkunden  Ego  Conradus  Metensis  etc., 
nicht  Ego  Conradus  Spirensis  et  Metensis,  was  der  Regel  entsprechen 
würde.     Doch  fehlt  es  nicht  an  Ausnahmen.  2)  S.  189,  Anm.  2  be- 

merkte ich  schon,  dass  der  Zeuge  Anselmus  de  Stringunt  regalis  aide  ma- 
reschalcus  keineswegs  auf  Erfindung  beruhe ;  man  müsse  Stringunt  nur  in 


Eine  ungedruckte  Urkunde  Friedrichs  II.  461 

machte  der  Fälscher  einen  sehr  spärlichen  Gebrauch,  und 
der  Datierung  bediente  er  sich  gar  nicht;  er  verfuhr  hier 
also  umgekehrt  wie  bei  dem  Privileg  Heinrichs  VI.,  dessen 
Zeugen  und  Datierung  er  einfach  aus  der  Vorlage  abschrieb. 
Man  muss  bedenken,  dass  Bertolotto  Venerosi  —  eben  für 
ihn  wurde  Friedrich  II.  in  Thätigkeit  gesetzt,  —  jeden- 
falls bis  1297  lebte,  also  1216  kaum  schon  geboren  war. 
Danach  waren  andere  Zeugen  und  eine  spätere  Datierung 
geboten. 

Noch  sei  bemerkt,  dass  Spuren  der  Benutzung  auch 
in  der  Urkunde  Heinrichs  VI.  sich  finden.  Hier,  wie  in 
der  Bestätigung,  die  Friedrich  II.  untergeschoben  wurde, 
heisst  es:  sine  nostra  nostrorumque  successorum  et  aliquarum 
personarum  contradidione  vel  molestia,  lege  aliqiia  non  obstante. 
Ungefähr  ebenso  hat  Friedrich  für  die  Giuliani  verfügt. 
Man  sieht  zugleich,  dass  die  Nachahmung  sich  nicht  blos 
über  den  formelhaften  Theil  erstreckt. 

Mithin  hat  ein  weiteres  Dokument  \  das  in  Parma 
beruhte,  damals  gewiss  noch  im  Original,  als  Muster  für 
die  Venerosi -Privilegien  gedient.  Wir  nehmen  noch  hinzu, 
dass  der  Fälscher  mehrere  Parmesaner  bei  Friedrich  II. 
als  Zeugen  auftreten,  ihn  selbst  in  Parma  seine  Urkunde 
ausstellen  Hess,  dass  er  ferner  ein  Bologneser  Aktenstück 
benutzte,  um  seinen  Betrug  auszuführen,  und  wir  können 
über  seine  Person  nicht  mehr  zweifeln:  Egidius  de  Rubeis 
de  Cassio  Parmensis,  wie  der  Notar  der  in  Bologna 
ansässigen  Venerosi  sich  nennt,  hätte  zum  Verlust  seiner 
rechten  Hand  verurtheilt  werden  müssen. 

Von    dieser   Seite    hat    der   Fund    unleugbar    einiges 


Iustingen  ändern.  In  der  Urkunde  für  die  Giuliani  begegnet  uns  nun : 
Ansehnus  de  Iustingen  regalis  aide  marischalcus.  Aus  diesem  Iustingen- 
Stringunt  entwickelt  sich  dann  Robert us  comes  de  Stringunt,  der  die  Ur- 
kunde Heinrichs  VI.  bezeugt.  Im  Uebrigen  hat  der  Fälscher  sich  der 
Zeugen  nur  noch  einmal  bedient,  und  zwar  für  die  Verleihung  Hein- 
richs VI.  Der  dort  erscheinende  Gotofredus  comes  de  Saraponte  verdankt 
seine  Entstehung  dem  Aktenstück  vom  11.  Februar  1216,  worin  Simon 
comes  de  Saraponte  genannt  ist.  1)  Ausser  dem  Privileg  für  den  Bischof 
von  Parma,  worauf  im  Grossen  und  Ganzen  die  angebliche  Urkunde  Hein- 
richs VI.  beruht,  —  meinte  ich  S.  189  —  habe  sich  der  Fälscher  noch 
die  Regalienverleihung,  welche  die  Stadt  Parma  im  Februar  1219  empfing, 
zu  Nutzen  gemacht :  ihr  habe  er  für  die  Bestätigung  Friedrichs  H.  die 
Recognition  entlehnt,  dann  aber  auch  die  Uebergabe  per  manum  Heinrici 
prothonotarii  imperialis  aule.  Für  diese  bietet  auch  mein  neues  Dokument 
keine  Parallele,  natürlich  nicht,  denn  Heinrich  trat  erst  im  folgenden 
Jahre  sein  Amt  an.  Da  glaube  ich  also  meine  frühere  Vermuthung  fest- 
halten zu  sollen.  Die  Recognition  dagegen  stimmt  genauer  mit  der  des 
Privilegs  für  die  Giuliani  überein.     Vgl.  S.  460,  Anm.  1. 


462  Paul  Scheffer -Boichorst. 

Interesse;  in  anderer  Hinsicht  wird  nian  ihm  grössere  Be- 
deutung einräumen  dürfen,  nämlich  als  Beitrag-  zur  italie- 
nischen Politik  Friedrichs  II.  Früher  waren  Borge-  San 
Donnino  und  Bargone  im  Besitze  eines  deutschen  Ge- 
schlechtes. Konrad  III.  hatte  die  Burgen  1144  einem 
Berthold  verliehen 1,  Friedrich  I.  sie  dessen  Söhnen  Fried- 
rich und  Otto  bestätigt 2.  Indessen  strebten  auch  Parma 
und  Piacenza  nach  der  Herrschaft3,  und  1191  erreichte 
Piacenza  insofern  sein  Ziel,  als  Heinrich  VI.  ihm  die  Orte 
verpfändete :  der  ältere  der  Brüder  selbst,  Friedrich,  musste 
einen  Vertreter  Piacenza's  in  die  bisherigen  Besitzungen 
seines  Hauses  einführen4.  Aber  Friedrich  blieb  doch  Herr 
beider  Territorien,  wenn  nunmehr  auch  als  Vasall  Piacen- 
za's5. Ja,  Philipp  II.  konnte  1199  den  Brüdern  die  Lehen 
des  Vaters  aufs  Neue  verbrief eii (;.  Nur  gelang  es  ihnen 
nicht,  sich  dauernd  zu  befestigen,  ihnen  so  wenig,  wie  Pia- 
cenza. Im  Jahre  1214  huldigten  Borgo  und  Bargone  dem 
Bischöfe,  der  Kirche  und  der  Stadt  Parma,  freilich  unter 
Wahrung  der  Rechte  eines  römischen  Königs,  der  in  Güte 
oder  Gewalt  die  Vesten  wieder  gewinnen  würde  7.  Und  in 
der  That,  —  auch  Parma  vermochte  sich  nicht  zu  behaupten. 
Vielmehr  waren  es  zwei  grosse  Geschlechter  von  Parma, 
deren  Vertretern  Friedrich  II.  je  eine  der  Burgen  zu  Lehen 
gab.  Wie  die  bisher  ungedruckte  Urkunde  zeigt,  erhielten 
1216  Hugo  Giuliani  und  seine  Brüder  das  wichtigere  Borgo; 
und  heisst  es  in  einer  späteren,  oben  schon  angeführten 
Verfügung  Friedrichs,    die   Borgo  und  zugleich  auch  Bar- 


1)  Ficker,  Forschungen  IV,  157,  n.  114.  Eine  nochmalige  Ver- 
gleichung,  die  ich  Bresslau  verdanke,  ergiebt  wohl  einige  Aenderungen, 
hebt  aber  nicht  die  in  einem  Original  auffallenden  Fehler.  Dennoch  bin 
ich  der  Ansicht  Fickers,  dass  der  Inhalt  der  Urkunde  zu  keinem  Zweifel 
berechtige.  A.uch  erscheint  Berthold  —  vgl.  Ficker  III,  437  —  bald 
darauf  in  der  Umgebung  König  Konrads  als  Bertolfus  de  Burgo  S.  Domnini. 
Nur  war  Verleihung  nicht  schon  Ausübung  der  Herrschaft.  Denn  wie 
A.  Overmann,  Die  Besitzungen  der  Grossgräfin  Mathilde  42  gezeigt  hat, 
gebot  bis  1149  ein  Pallavicini  über  Borgo  und  Bargone.  Ja,  noch  später 
—  in  leider  nicht  genau  zu  bestimmender  Zeit  —  hat  Friedrich  I.  die 
Burgen  unter  den  Lehen  der  Pallavicini  aufgeführt.  Allerdings  möchte 
ich  daraus  nicht  auf  wirklichen  Besitz  schliessen.  Vgl.  Affö  1.  c.  II,  291; 
Seletti,  La  cittä  di  Busseto  I,  47.  2)  Ficker  a.  a.  O.  IV,  187,  n.  147. 

3)  Urk.  von  1189   bei  Affö  II,  287.  4)  Poggiali,    Storia  di  Piacenza 

V,  13.  5)  Poggiali  V,  42.     Am   22.  August  1197  erneuert  Borgo    ex 

mandato  et  voluntate  d.  Henrici  Born,  imperatoris  den  Piacentinern  die 
Eide;  am  8.  Januar  1198  schwört  Friedrich  als  Podestä  von  Borgo,  im 
Namen,  zu  Ehre  und  Nutzen  Piacenza's  über  Borgo  und  Bargone  zu 
walten.  Man  sieht  zugleich,  dass  Heinrich  VI.  nicht,  wie  behauptet  worden 
ist,  im  April  1194  die  Pfandschaft  eingelöst  hat.  Das  ist  ein  Missver- 
ständnis von  St.  4856.         6)  Ficker  IV,  257,  n.  204.        7)  Affö  HI,  328. 


Eine  ungedruckte  Urkunde  Friedrichs  II.  463 

gone  betrifft:  non  obstante  privüegio  et  commissione,  quam 
Ugo  Lupus  et  Hugo  Juliemi  .  .  a  curia  nostra  ad  tempus  im- 
petrasse  dicantur,  so  scheint  mir  kein  Zweifel  zu  sein,  dass 
Hugo  Lupus  über  Bargone  gesetzt  wurde.  Die  Lupi  aber, 
die  auch  Markgrafen  von  Soragna  heissen,  gehörten  zu 
den  angesehensten  Bürgern  Parma's,  wie  die  Giuliani. 

Den  Giuliani  hatte  Friedrich  offenbar  sein  ganzes 
Vertrauen  geschenkt;  er  erwartete  von  ihren  Bemühungen, 
singula  queque  nostra  et  imperii  agenäa  in  antea  de  bono  in 
melius  provenire.  Das  Haupt  der  Familie  erfuhr  noch  wei- 
tere Gunst;  der  König  ernannte  den  Hugo  zum  Grafen 
derEomagna1.  Aber  1221  fiel  er  in  Ungnade;  die  Gründe 
sind  in  Dunkel  gehüllt 2.  Wie  es  scheint,  ereilte  dasselbe 
Geschick  auch  den  Hugo  Lupus:  1222  setzte  Friedrich  in 
die  Besitzungen  Beider,  zu  Borgo  und  Bargone,  das  alte 
deutsche  Geschlecht  wieder  ein3. 

Ich  lasse  nun  die  Urkunde  folgen,  nicht  ganz  so,  wie 
Gozzi  sie  abgeschrieben  hat,  vielmehr  mit  den  nöthigen  Cor- 
recturen,  die  sich  indessen  leicht  ergeben.  Kleinere  Fehler 
habe  ich  stillschweigend  gebessert  und  nur  durchgreifende 
Aenderungen  angezeigt.  Ein  übersehenes  Wort  ergänzt 
das  Privileg  der  Venerosi,  eine  durch  Punkte  bezeichnete 
Lücke  kann  mit  derselben  Hülfe  ausgefüllt  werden.  Noch 
sei  bemerkt,  dass  Gozzi  doch  gewiss  ein  Original  im  Auge 
hatte,  als  er  hinzufügte :  In  archivio  canonicorum  cathedralis 
Parme,  asservatur.  Da  hat  es  Affö  vergebens  gesucht,  und 
wohl  deshalb  schöpfte  er  Verdacht.  Diesen  noch  weiter 
zu  entkräften,  darf  ich  mir  ersparen :  der  vollständige  Druck 
der  Urkunde  wird  hoffentlich  jedes  Bedenken  verscheuchen. 

In  nomine  sanete  et  individue  trinitatis.  Fredericus 
seeundus  divina  favente  dementia  Romanorum  rex  semper 
augustus  et  rex  Sicilie,. 

Ut  singulorum  animos  ad  fidelitatis  nostre  obsequia 
efficacius  invitemus  et  fidelium  mentes  in  fide  efficiantur 
fortiores,    [merita] 4    eorum,    quos    iam    dudum    in    agendis 


1)  B.-F.-W.  12600.  12617.  12648.  2)  Winkelmann,  Kaiser  Fried- 
rich II.  I,  173.  3)  Sollte  es  nicht  aus  Nürnberg  stammen,  nicht  der 
Ministerialität  der  dortigen  Reichsburg  angehören?  Bertolfus  de  Nuren- 
berc  erscheint  1138  am  Hofe  Konrads  III.  Mittheil,  des  österr.  Instituts 
VI,  63.  Zu  Nürnberg  belehnt  Konrad  dann  1144  seinen  getreuen  Berthold 
mit  Borgo  und  Bargone.  Bald  darauf  heisst  er  wieder  Bertolf,  nun  mit 
dem  Zusätze  de  Burgo  S.  Domnini.  Vgl.  S.  462,  Anm.  1.  4)  Offenbar 
ist  vor  eorum  ein  Wort  ausgefallen ;  in  der  Sieneser  Ueberlieferung  des 
Privilegs  für  die  Venerosi  heisst  es  meritis  eorum;  in  der  Ravennater 
mentis  eorum;  Huillard - Breholles  ändert  merita  eorum,;  ihm  folge  ich, 
obwohl  mir  merita  promovere  wenig  gefällt. 


464  Paul  Scheffer-Boichorst. 

nostris  et  imperii  invenimus  et  experti  sumus  omni  studio 
exercitatos,  honoribus  et  regiis  beneficiis  consuevimus  pro- 
movere 1.  Inter  quos  nostrum  fidelem  et  familiärem,  hospi- 
tem  nostrum,  Ugolinum  Iuliani  cum  fratribus  Tboma  et 
Gabriele  de  Parma  imperio  fideles,  nostre,  maiestati  devotos 
recognoscentes  et  omnimodo  obsequiosos,  attendentes  suis 
suorumque  fratrum  laudabilibus  ac  fidelibus  studiis  singula 
que,que  nostra  et  imperii  agenda  inantea  de  bono  in  melius 
provenire,  de  consuete,  benevolentie,  nostre,  largitate  sibi 
et  [pre,dictis] 2  fratribus  suis  tanquam  [benemeritis] 3  regia 
volentes  respondere  recompensatione,  damus  eis  et  ke,redi- 
bus  eorum  imperpetuum  atque  concedimus  castrum  Burgi 
sancti  Donnini  cum  omni  iurisdictione  sua,  placitis,  fictis, 
bray dis ,  pratis ,  pascuis ,  molendinis ,  aquis ,  aquimolis  4, 
pedagio,  moneta  et  omnibus  aliis,  quoquomodo  in  dicto 
Burgo  et  eius  districtu  ad  nostram  sive  imperii  iurisdictio- 
nem  pertinentibus,  ad  liabendum,  tenendum,  possidendum, 
fidelitates  et  bomagia  recipiendum  et  ad  omnia  faciendum 
que  ipsis  placuerit,  sine  nostra  et  nostrorum  successorum 
molestia  vel  contradictione,  non  obstantibus  aliquibus  lit- 
teris  sive  publicis  instrumentis  a  nostra  regia  serenitate 
impetratis.  Statuentes  et  firmiter  pre,cipientes,  ne  aliqua 
omnimodo  persona  alta  vel  humilis,  ecclesiastica  vel  se,cu- 
laris,  huius  nostre;  concessionis  et  confirmationis  formam 
infringere  vel  eis  ausu  temerario  debeat  contraire.  Quod 
qui  facere  attemptaverit  aut  aliquo  modo  contravenire 
pre,sumpserit ,  centum  libras  puri  auri  componat,  medieta- 
tem  camer ^  nostre,  aliamque  medietatem  iniuriam  passis 
soluturus.  Ad  cuius  rei  certam  evidentiam,  robur  ac 
memoriam  lioc  scriptum  privilegium  eis  indulsimus  aurea 
bulla  nostre  maiestatis  communiri. 

Huius  rei  testes  sunt  Otto  dux  Meranie,,  Thebaldus 
dux  Lotharingi§,  Sigibertus  comes  de  Werda  et  lantgra- 
vius  Alsati§  et  Henricus  filius  eius,  Henricus  [comes] 5  de 
Geminoponte,  Simon  comes  de  Saraponte,  Fredericus  comes 
de  Liningen,  Herimannus  marchio  de  Badin,  Lodowicus 
comes  de  Wirtinberg,  Boppo  comes  de  Lowfin,  Gottofridus 


1)  promovere  in  den  Privilegien  für  die  Giuliani  und  die  Venerosi; 
man  darf  also  nicht  etwa:  meritis  respondere  oder  providere  vorschlagen. 
2)  Lücke.  3)  Lücke,    die   aus   dem  Privileg  für  die  Venerosi  zu  er- 

gänzen ist.  4)  aquibolis.     Zu  meiner  Aenderung  vgl.  Du  Cange  s.  v. 

aquimola,  aquimollia;  die  vorausgehenden  molendina  sind  als  Mühlen  an- 
derer Art  zu  fassen,  wie  in  der  Urkunde  Friedrichs  bei  Huillard  IIa,  148: 
molendinis,  terris  cultis  et  incultis,  aquis,  aquimolliis  etc.  5)  Eine  Lücke 
ist  nicht  angedeutet. 


Eine  ungedruckte  Urkunde  Friedrichs  II.  465 

comes  de  Calwa,  Gerardus  comes  de  Diets1,  Eberardus  de 
Ebersten,  Gerlachus  de  Büdingen,  Wernherus 2  de  Boland 
regalis  aule  dapifer,  Anseimus  de  Iustingen  regalis  aule 
marischalcus,  Philippus  de  Bolande  et  alii  quam  plures. 

Ego  Conradus  Metensis  episcopus  imperialis  aule.  can- 
cellarius  vice  domni  Sigifridi  Maguntie  archiepiscopi,  totius 
Germani§  archicancellarii,  recognovi. 

Signum  invictissimi  domni  Frederici  secundi  Romano- 
rum 3  regis  semper  augusti  et  regis  Sicili^. 

Acta  sunt  hec  anno  incarnationis  domini  1215,  in- 
dictione  quarta,  regnante  gloriosissimo  domno  nostro  Fre- 
derico  Romanorum  rege  semper  augusto  et  rege  Sicili^4, 
anno  Eomanorum  regni  eius  3  regnique  sui  in  Sicilia 5 
18.  Data  apud  Hagenowam  3  idus  februarii. 


1)  Sats.        2)   Ungherus.       3)  domni  statt  Romanorum.       4)  Italic 
5)  Itaita. 


Zur  Kritik  Veronesischer  Geschichtsquellen. 

Von  Gustav  Sommer feldt. 
I.  Der  sogenannte  Chronist  des  Orti  Manara. 
Codex  81  H.  L.  der  Bibliotheque  de  1' Arsenal  (Catal. 
11.  1111.  meinbr.  4°.  saec.  15),  eine  der  werthvolleren  in 
Paris  befindlichen  Hss.  zur  älteren  Geschichte  Italiens,  ent- 
hält f.  2 — 32  das  von  Osio,  darnach  von  Muratori  edierte, 
auch  sonst  überlieferte  Chronicon  monachi  Patavini  de  re- 
bus gestis  in  Lombardia  praecipue  et  marchia  Tarvisina 
1207 — 1270.  Daran  anknüpfend,  —  jedoch  geht  ein  Stamm- 
baum des  Geschlechtes  der  della  Scala  voraus  sammt  kurzer 
Tabelle  der  Regenten  bis  auf  Antonio  della  Scala  —  finden 
sich  in  f.  34  —  39  annalistische  Aufzeichnungen  zur  Ge- 
schichte dieses  Geschlechtes  in  den  Jahren  1260 — 1405, 
welche  in  der  hier  vorliegenden  Form  an  anderer  Stelle 
bisher  nicht  nachgewiesen  sind.  G.  Molini,  der  den  Codex 
1831/32  benutzte  und  auf  ihn  die  Aufmerksamkeit  lenkte, 
erklärte  das  in  den  Aufzeichnungen  enthaltene  für  'affatto 
diverso'  von  dem,  was  die  bei  Muratori  SS.  VIII,  621  ff. 
gedruckte  Chronik  (d.  h.  also  Parisio  da  Cerea  resp.  dessen 
anonymer  Fortsetzer,  wie  er  genannt  wird)  darbietet.  G.  Orti 
Manara  hat  dann  im  Jahre  1842  die  Aufzeichnungen 
unter  dem  Titel  'Cronaca  inedita  dei  tempi  degli  Scaligeri' 
(Verona  1842)  ediert,  anscheinend  ohne  ihren  compilatori- 
schen  Charakter  genauer  zu  erkennen.  Introduzione  p.  6 
charakterisiert  er  das  Werk  mit  den  Worten  'breve  si,  ma 
in  parte  esatta  e  curiosa'.  Die  nachstehende  Untersuchung 
wird  zeigen,  dass  wir  es  mit  einer  Ausarbeitung  zu  thun 
haben,  die  frühestens  wohl  der  ersten  Hälfte  des  15.  Jahrh. 
angehört  und,  was  die  Qualität  ihres  Nachrichtengehaltes 
angeht,  ganz  geringe  Beachtung  verdient.  Ein  originaler 
Werth  der  Aufzeichnungen,  wenn  von  einem  solchen  ge- 
sprochen werden  kann,  beginnt  ungefähr  beim  Jahre  1354 
(p.  17  der  Ausgabe),  doch  bleibt  auch  von  da  ab  der 
Charakter  der  Quelle  ein  solcher,  dass  wir  ihr  schwerlich 
Unrecht   thun,    wenn   wir  sie  als  blosse  Spielart  des  Fort- 


Zur  Kritik  Veronesischer  Geschichtsquellen. 


467 


setzers  des  Parisio  da  Cerea  bezeichnen.  Vielleicht  wäre 
es  angemessen,  bei  Neuherausgabe  des  Fortsetzers  —  Ci- 
polla  ist  mit  einer  solchen  für  Band  II  seiner  Antiche 
Cronache  Veronesi  beschäftigt  — ,  den  Chronisten  des  Orti 
Manara  zur  Herstellung  des  Textes  für  diesen  heranzu- 
ziehen, wenn  möglich  darin  theilweise  aufgehen  zu  lassen. 

Es  wird  genügen,  die  Angaben  des  Chronisten  für 
einzelne  ausgewählte  Jahre  mit  den  entsprechenden  anderer 
Quellen  zu  vergleichen.  Der  Grad  der  Abhängigkeit  der 
ganzen  Chronik  ergiebt  sich  darnach  von  selbst.  Veran- 
lassung zu  dieser  Untersuchung  oder  richtiger  gesagt  Ana- 
lyse gab  mir  der  Umstand,  dass  auch  neuerdings  in  einem  dar- 
stellenden Werke 1  von  den  Angaben  des  Chronisten  für 
das  Ende  des  13.  und  die  ersten  Jahrzehnte  des  14.  Jahrh. 
gleichwie  von  einer  originalen  Quelle  Gebrauch  gemacht  ist. 

Für  das  Anfangs] ahr  der  Chronik  (1260)  giebt  der 
Compilator  begreiflicherweise  einige  der  Orientierung 
dienende  Wendungen.  Die  Anlehnung  an  Parisio  da  Cerea 
tritt  schon  hier  hervor,  und  wird  ganz  deutlich  bei  dem 
folgenden  Jahre: 


Parisio  da  Cerea  (Mon.  Germ.  SS. 
XIX,  p.  16). 
1261.  De  mense  Septembris. 
Anno  completo  potestariae  ipsius 
doinni  Mastini  de  la  Scala  et  de 
eius  voluntate  f actus  fuit  potestas 
Veronae  domnus  Andreas  Zeno  de 
Venetiis.  Et  eo  anno  Azo  Estensis 
marchio  cum  Ferrariensibus,  Loy- 
sius  comes  Sancti  Bonifacii  cum 
Veronensibus  extrinsecis  et  illis  de 
Lendenaria  iverunt  contra  civita- 
tem  Veronae  fere  per  quinque 
miliaria,  credentes  ipsam  civitatem 
violenter  int  rare;  quod  minime 
facere  potuerunt.  Sed  castra  verteil- 
tes, obtinuerunt  castra  Coloniae, 
Sabloni,   Leniaci  et  gironem   castri 


Chronist  des  Orti  Ma- 
nara p.  10. 
1261.  Completo  anno 
potestarie  sue,  eius  or- 
dine  electus  fuit  pote- 
stas Andreas  Zeno  de 
Veneciis.  Azo  marchio 
Estensis  cum  Ferrarien- 
sibus ,  Loixius  comes 
sancti  Bonifacii  cum 
Veronensibus  extrinse- 
cis, et  illi  de  Lendena- 
ria ,  hostiliter  V  e  r  o  - 
nensem  intraverunt 
castra  Colonie,  Sabloni, 
Liniaci,  et  gironem  Por- 
tus  occupavere.  Homi- 
nes  Liniaci  post  paulu- 


1)  H.  Spangenberg,  Cangrande  I.  della  Scala.  Berlin  1892. 
Vgl.  z.  B.  p.  121.  127.  147.  183.  201.  A.  Huber,  Begesten  Karls  IV. 
(Innsbruck  1877)  p.  LVI  nennt  den  Chronisten  des  Orti  Manara  unter  den 
Quellen  für  die  Geschichte  Karls  IV.,  ohne  den  Fortsetzer  des  Parisio  zu 
erwähnen.  Der  Chronist  entlehnt  diesem  auch  für  die  Zeit  Karls  IV.  fast 
ausnahmslos  sein  Material. 


468  Gustav  Sortmierfeldt. 


lum  Liniacum  atque 
Portum  domino  Mastino 
dederunt,  comite  Loixio 
ex  girone  expulso,  ubi 
steterat  novem  rnenses. 
Hoc  anno  Mastmus 
de  la  Scala  creatus  fuit 
capitaneus  et  dominus 
Verone. 


Ponti;  et  in  eo  girone  castri  Ponti 
stetit  ipse  Loysius  cum  tota  fami- 
lia  sua  per  9  menses  et  ultra.  Et 
tunc  temporis  et  Uli  de  Leniaco 
dederunt  terras  Leniaci  et  Ponti 
dicto  domno  Mastino  de  la  Scala 
et  parti  intrinsecae  de  Verona,  et 
expulerunt  dictum  Loysium  conii- 
tem  a  dictis  castris.  .  .  . 

1262.  Domims  Mastmus  de  la 
Scala  factus  fuit  et  creatus  capi- 
taneus totius  populi  civitatis  Vero- 
nae  de  communi  voluntate  et  con- 
silio  populi  civitatis  eiusdem. 

Wir  haben,  da  die  Ableitung  im  allgemeinen  ersicht- 
lich ist,  nur  einige  Stellen  durch  Druck  hervorgehoben, 
welche  die  Art  der  Benutzung  der  Vorlage  durch  den  Chro- 
nisten näher  kennzeichnen.  Er  verkürzt  stark  und  verän- 
dert öfter  die  Stellung  der  Worte  und  Sätze,  sieht  aber 
auch  von  genaueren  Zeit-  und  Ortsbestimmungen  fast  grund- 
sätzlich ab.  Dagegen  besitzt  er  z.  B.  nicht  die  Genauig- 
keit, zu  'Veronensem'  das  erforderliche  'civitatem'  beizufügen, 
setzt  irrig  'intraverunt'  für  'credentes  intrare'  und  hält 
ferner  die  Jahre  1261  und  1262  nicht  auseinander,  son- 
dern theilt  das  von  Parisio  zu  1262  Berichtete  dem  vor- 
ausgehenden Jahre  zu.  In  solcher  Weise  also,  oft  nach- 
lässig, bisweilen  willkürlich,  benutzt  er  Parisio,  sowie  dessen 
Fortsetzer.  Dass  dieselben  ihm  in  der  Form  vorgelegen 
haben,  die  der  Modenesische  Codex,  auf  dem  Muratori's 
Ausgabe  beruht,  darbietet,  dürfte  sich  im  Verlauf  unserer 
Untersuchung  zeigen.  Der  Fortsetzer  des  Parisio,  wie  man 
in  der  Pegel  jenes  Conglomerat  von  Aufzeichnungen  älterer 
und  verhältnismässig  neuer  Zeit  nennt,  das  im  Modenesi- 
schen  Codex  in  Anschluss  an  Parisio  gegeben  wird,  bricht 
bei  1374  mit  kurzem  Hinweis  auf  einige  Ereignisse  der 
unmittelbar  folgenden  Jahre  ab.  Wie  sich  das  Abhängig- 
keitsverhältnis unseres  Chronisten  vom  Jahre  1374  bis  zum 
Schluss  der  Aufzeichnungen  (1405)  gestaltet,  ist  eine  Frage, 
die    anhangsweise  zuletzt  zu  erörtern  sein  wird. 

Einfach  überschlagen  hat  unser  Chronist,  was  Parisio 
(SS.  XIX,  p.  16.  17)  zu  1263.  1266.  1267  darbietet.  Nach- 
dem er  dann  dessen  Aufzeichnungen  für  1269  in  ähnlicher 
Weise  wie  für  1261  verkürzt  hat,  folgt  eine  Lücke  gleich- 
wie   bei    Parisio    bis    zum    Jahre    1277,    für    das    er    noch 


Zur  Kritik  Veronesischer  Geschichtsquellen. 


469 


nach  dieser  bisher  ausschliesslichen  Quelle,  die  hier  em 
digt,  berichtet. 

Der  sog.  Fortsetzer  des  Parisio  beginnt,  wenn  wir  der 
Ausgabe  Muratori's  folgen,  beim  Jahre  1301;  die  Anmer- 
kung a)  zu  p.  18  Mon.  Germ.  SS.  XIX  macht  jedoch  wahr- 
scheinlich, dass  schon  die  bei  Muratori  (col.  641)  zu  1278 
stehende  Notiz  Eigenthum  des  Fortsetzers,  nicht  mehr  des 
Parisio,  ist.  Wie  dem  nun  auch  sei,  der  Compilator  der 
Chronik  des  Orti  Manara  hat  die  Notiz  zu  1278,  ferner 
das  dort  von  1301  ab  Folgende  ausgeschrieben,  allerdings 
nicht  ohne  eine  Ergänzung  der  Lücke  für  1278 — 1301  zu 
versuchen.  Er  hat  die  Ann.  Veronenses  de  Romano  be- 
fragt (jetzt  ediert  von  C.  Cipolla  in  Antiche  Cronache 
Veronesi  I,  p.  409  ff.)  und  verdankt  diesen,  was  bei  ihm 
für  die  Jahre  1285 — 1299  zu  lesen  ist.  Für  das  Voraus- 
liegende hat  er  sich  begnügt,  aus  der  nämlichen  Quelle  je 
eine  Notiz  zu   1269.   1277  und   1278  einzuschalten. 

Die  folgende  Gegenüberstellung  wird  das  Verhältnis 
klar  machen.  Wir  geben,  da  dies  für  den  späteren  Ver- 
lauf der  Untersuchung  von  Belang  ist,  als  von  einer  dritten 
Quelle  noch  die  Angaben  der  Chronica  illorum  de  la  Scala 
(ed.  Cipolla  a.  a.  O.  I,  p.  49  —  53,  vorher  schon  von  Verci, 
Storia  della  marca  Trivigiana  VII,  p.  149 — 151  nach  an- 
derem Codex  veröffentlicht).  Cipolla,  Prefazione  p.  hx  ff. 
hat  eine  Charakteristik  dieser  Quelle  versucht,  die  bei 
grosser  Dürftigkeit  des  Inhalts  wesentlich  aus  Parisio  und 
dessen  Fortsetzer  geschöpft  hat  —  für  die  ältere  Zeit  je- 
doch mit  zahlreichen  Entlehnungen  aus  den  Ann.  de  Ro- 
mano durchsetzt  — .  und  ihrer  Entstehungszeit  nach  un- 
serm  Chronisten    nicht    unerheblich  voranzugehen    scheint. 


Annales  de  Romano 
p.  414  ff. 

1269.  Item  eodem 
anno  dominus  Bo- 
cha  de  la  Schala 
mortuus  fuit  apud 
Villam  Francham 
per  eos,  qui  tene- 
bant  eam. 

1277 et  occa- 

sione  predicta  cap- 
tus  fuit  Mantue  do- 

Neues  Archiv  etc.     XX. 


Cronica  illorum  de 
la  Scala  p.  500. 

1269.  Dominus 
Bocha  f  rat  er  su- 
prascripti  domini 
Mastini  fuit  inter- 
fectus  apud  Villam- 
francham  per  eos, 
qui   tenebant   eam. 


Chronist    des    Orti 
Manara  p.  11. 

1269.  Bucca  fra- 
ter  domini  Mastini 

apud  Villamfran- 
caminterfectusfuit. 


1277.  .  .  .  Nico- 
laus et  p  1  u  r  i  m  i 
de  Arlotis,  Ugolinus 

31 


470 


Gustav  Sommerfeldt. 


minus  Nicolaus   de 

Arlotis,  dominus 
Ugolinus  de  Pizo  et 
f  rater  ipsiusGuelf  us 
nomine,  et  isti  tres 
decapitati  fuerunt 
Mantue  et  multi 
alii  de  Arlotis  mor- 
tui sunt.  .  .  . 

1278.  Die  domi- 
nico  13.  mensis  Fe- 
bruarii  in  arena  Ve- 
ronensi  combusti 
fuerunt  circa  d  u  - 
centi  patareni  de 
illis,  qui  capti  fue- 
runt in  Sermiono, . . . 

1285  [p.  430].  .  .  . 
filie  condam  nobilis 
viri  domini  Uberti 
marcliionis  Pelavi- 
cini  venerunt  Vero- 
nam  et  fuerunt  de- 
sponsate  in  domo 
domini  Alberti  de 
la  Scala,  scilicet  do- 
mina  Iuana  per  Sa- 
linguerram  de  Fer- 
raria,  et  domina 
Margarita  per  Pi- 
cardum  de  la  Scala, 
filium  condam  do- 
mini Boche,  fratris 
dicti  domini  Al- 
berti. 


1291   [p.  440]   de 
mense     Septembris 


1291  [p.  500].  Die 
ultimo    Septembris 


et  Albertus  1  fratres 
de  Pizo  propter 
mortem  domini  Ma- 
stini Mantue  deca- 
pitati fuerunt. 


1278.  .  .  .  Hoc 
anno  centum  he- 
retici  et  patarini  de 
Sermione  in  arena 
combusti  sunt. 


1285.  In  palacio 
domini  Alberti  Io- 
hana  filia  Uberti 
marcliionis  Palavi- 
cini,  desponsata  f  uit 
per  dominum  Salin- 
guerram  Ferarie ;  et 
Margaritam,  etiam 
filiam  marcliionis, 
per  Picardum  filium 
Boce  fratris  domini 
Mastini  et  Alberti. 
Hoc  non  consonat  ad 
illud,  quod  superius 
dictum  est:  quod  do- 
minus Salhiguerra 
expulsus  fuit  admo- 
dum  Ferarie  in  1240 
et  incarceratus  Vene- 
ciis,  dux  Iacobus 
Teu/polo  ipsum  Vene- 
cias  conducendo. 

1291.  Bartola- 
meus  filius    domini 


1)  Wahrscheinlich  vom  Chronisten  verlesen.  Gruelffus  wird  dieser 
Bruder  des  Ugolinus  auch  in  den  Annales  Mantuani  (Mon.  Grerm.  SS. 
XIX,  28)  genannt. 


Zur  Kritik  Veronesischer  Geschichtsquellen. 


471 


die  dominico  ultimo 
dicti  mensis  Bartho- 
lomeus  filius  domini 
Alberti  de  la  Scala 
duxit  in  uxorem 
doininam  Constan- 
ciam  filiam  domini 
Conradi  de  Anthio- 
chia  filii  condarn 
domini  regis  Frede- 
rici  imperatoris. 

1292  [p.  440].  .  .  . 
Paduani  inceperunt 
facere  in  districtu 
Veronensi  in  loco 
Credaroli,  super  flu- 
men  Athasis ,  Ca- 
strumbaldum. 

1294  [p.  443] 

Nicolaus  de  la  Scala 
filius  condam  do- 
mini Mastini  et  Pe- 
scarexius  de  Dalfi- 
nis  fuerunt  positi 
ad  confines,  propter 
proditionem,  quam 
facere  ordinaverant 
de  domino  Alberto 
de  la  Scala.  .  .  . 

1296  [p.  450] 

mortuus  est  domi- 
nus Nicolaus  filius 
condam  domini  Ma- 
stini de  la  Scala. 

1298  [p.  452].  .  .  . 
in  civitate  Medio- 
lani  dominus  Albui- 
nus  filius  domini 
Alberti  de  la  Scala 
desponsavit  per  pro- 
curatorem  filiam  do- 
mini Maphei  de  Vi- 
cecomitibus  capita- 
nei  Mediolani. 


Bartholomeus  pri- 
mogenitus  supra- 
scripti  domini  Al- 
berti duxit  in  uxo- 
rem dominam  Con- 
stantiam  filiam  do- 
mini Conradi  de 
Antiochia  quondam 
domini  Ioannis 
regis,  filii  Fede- 
rici  imperatoris. 


1298  [p.500].  Do- 
minus Alboinus  fi- 
lius domini  Alberti 
suprascripti  secun- 
dusgenitus  dispon- 
savit  filiam  domini 
Maff  ei  de  Vicecomi- 
tibus  capitanei  Me- 
diolani, que  voca- 
batur  domina  Ca- 
tbarina. 


Alberti  duxit  uxo- 
rem Constanciam 
Conradi  de  Antio- 
cia  filii  Ihoannis 
regis,  filii  Fede- 
rici  imperatoris. 


1292.  Castrum 
Baldum  a  Paduanis 
in  Veronensem  di- 
strictum  conditum 
est. 


1293.  Nicolaus 
filius  d.  Mastini  et 
Pescaresius  de  Del- 
finis  confinati  fue- 
runt propter  sedi- 
cionem  quesi- 
tam  contra  d.  Al- 
ber tum. 


1295.  .  .  .  Mor- 
tuus est  Nicolaus 
filius  d.  Mastini. 


1298.  Alboinus  d. 
Alberti  filius  in  Me- 
diolano  per  procu- 
ratorem  desponsa- 
vit Katerina  m 
natam  Maphei  de 
Vicecomitibus  do- 
mini Mediolani. 


3V 


472  GustaA*  Sonirnerfeldt. 

Zum  Jahre  1299,  über  das  der  Chronist  des  Orti  Ma- 
nara  ausführlich  berichtet,  finden  wir  endlich  auch  die 
Ann.  de  Romano,  und  zwar  enganschliessend,  zu  Grunde 
gelegt.  Betrachten  wir  die  Art  der  Benutzung  im  einzel- 
nen, so  ergiebt  sich,  dass  ein  Irrthum  in  der  Jahresangabe 
nur  einmal  bei  1295,  wo  es  1296  heissen  müsste,  stattge- 
funden hat ;  dagegen  sind  der  oben  angedeuteten  Gewohn- 
heit gemäss  alle  Daten  für  Tag  und  Monat,  die  in  den 
Annales  de  Romano  sich  regelmässig  finden,  vom  Chro- 
nisten bei  Seite  gelassen.  Auch  hat  der  Chronist  willkür- 
lich bei  1278  'ducenti'  in  'centum'  verwandelt,  bei  1277 
aus  'multi  alii'  ein  'et  plurimi'  gemacht,  bei  1293  die  lpro- 
ditio'  zu  einer  'seditio'  gemildert.  Gleichwohl  ist  sein  Ver- 
halten gegenüber  diesen  Annalen  nicht  ganz  demjenigen 
zu  Parisio  entsprechend.  Er  weist,  was  dort  nicht  der 
Fall  war,  Zusätze  im  Vergleich  zur  Vorlage  auf,  so  bei 
1269  'frater'  zu  'Bucca',  1291  'Ihoannis  regis  filii'  zu  lCon- 
radi  de  Antiocia',  1298  'Katerinam'  zu  lnatam  Maphei'. 
Bei  der  Art  unseres  Autors  zu  arbeiten  ist  es  ausgeschlos- 
sen, dass  diese  Vermehrungen  des  Textes  von  ihm  selbst 
herrühren,  ferner  finden  wir,  was  noch  auffälliger  ist,  jene 
nämlichen  Zusätze  auch  in  der  Chronica  illorum  de  la 
Scala,  die,  wie  gesagt,  eine  verhältnismässig  frühe  Ent- 
stehungszeit hat.  Da  eine  noch  vollständigere  Fassung  der 
Ann.  de  Romano  als  jene,  die  bei  Cipolla  vorliegt,  nicht 
bekannt  geworden  ist,  die  Chronica  illorum  de  la  Scala 
ihrerseits  aber  kurz  ist  und  solcher  Angaben,  wie  wir  sie  aus 
unserem  Chronisten  für  die  Jahre  1277.  1278.  1285.  1292. 
1293.  1295  erwähnt  haben,  entbehrt,  so  ist  die  einzig  mög- 
liche Annahme,  dass  dieser  nach  einer  dritten  Quelle  ge- 
arbeitet hat,  die  bezüglich  ihres  Inhaltes  voller  war  als  die 
uns  vorliegende  Chronica  illorum  de  la  Scala,  den  ursprüng- 
lichen Ann.  de  Romano  sehr  nahe  stand,  aber  durch  ge- 
wisse Zusätze  über  diese  hinaus  vermehrt  war.  Unser 
Chronist  hat  einige  davon,  freilich  rein  lokaler  Natur, 
seiner  Compilation  einverleibt.  Es  sind  folgende :  Zum 
Jahre  1287  'Murus  Campi  Marcii  a  porta  episcopi  usque 
Athicen  fabricatus  fuit' ;  zum  Jahre  1295  'Constructa  fuit 
domus  Arivoltis  apud  puteum  platee  Dominorum.  Tunis 
Hostilie  super  Padum  incepta  est  et  turris  Porte  Rofiolis' ; 
zum  Jahre  1298  'Regastra  Beverarie,  turris  palacii,  coper- 
tara  pontis  Petre  facta  fuerunt' ;  zu  1302  'Congelatus  est 
flumen  Aticis,  ita  ut  apud  pontem  Petre  hac  et  illac  trans- 
irent  homines'.  Diese  Notizen  sind,  weil  ausschliesslich 
örtlichen  Charakters,  von  der  Chronica  illorum  de  la  Scala 


Zur  Kritik  Veronesischer  Geschichtsquellen.  473 

übergangen  worden  und  könnten  als  dem  Chronisten  des 
Orti  Manara  eigenthümlich  angesehen  werden,  wenn  sie 
sich  nicht  nahezu  wörtlich,  aber  ausführlicher,  in  dem  bis 
1306  reichenden  Syllabus  potestatum  Veronensium  vor- 
fänden, den  Cipolla,  Antiche  Cronache  I,  p.  387 — 408  ver- 
öffentlicht hat  (vgl.  dort  zu  den  Jahren  1296.  1298  u.  1302, 
p.  401.  402  u.  405).  Die  Frage  nach  der  vom  Chronisten 
benutzten  Quelle  wird  sich  also  zugleich  mit  der  Frage 
nach  den  Quellen  des  Syllabus  potestatum  künftig  er- 
ledigen. 

Was  die  Methode  unseres  Chronisten  bei  Verwerthung 
jener  Quelle  angeht,  so  finden  wir  bei  ihm  eine  über- 
raschende Zweifelsiicht.  An  der  oben  durch  cursiven  Druck 
kenntlich  gemachten  Stelle  zum  Jahre  1285  giebt  er  dem 
ihn  erfüllenden  Misstrauen  wunderlich  genug  Ausdruck  mit 
den  Worten  'Hoc  non  consonat'  u.  s.  w.  Da  seine  Chronik 
erst  bei  1260  einsetzt,  so  kann  jene  Bemerkung,  die  (von 
den  Annales  de  Romano  p.  430  berichtete)  Verlobung  des 
Salinguerra  von  Ferrara  mit  einer  Tochter  des  Markgrafen 
Palavicini  stehe  in  Widerspruch  mit  dem  zum  Jahre  1240 
Gesagten,  nicht  auf  eine  Stelle  der  Chronik  selbst  gehen. 
Was  er  meint,  ist  vielmehr  eine  Angabe  des  im  Pariser 
Codex  vorangehenden  Chron.  mon.  Patavini  (Muratori  SS. 
VIII,  679),  wo  es  in  der  That  heisst:  'Salinguerram  captum 
dux  Iacobus  Teupulus  Venetias  secum  duxit,  ubi  usque  ad 
diem  mortis  suae  fuit  in  carcere  custoditus'.  Die  Ann.  de 
Romano  sprechen  aber  in  jener  Notiz  garnicht  von  dem 
berüchtigten  Salinguerra  von  Ferrara  aus  der  Zeit  Kaiser 
Friedrichs  II.,  sondern  meinen  eine  Persönlichkeit  ähn- 
lichen Namens  aus  späterer  Zeit,  einen  Salinguerra  von 
Ferrara,  der  den  Beinamen  de  Torelli  geführt  zu  haben 
scheint.  Derselbe  tritt  als  heftiger  Gegner  des  Hauses  Este 
auf,  lebt  meist  in  der  Verbannung  und  ist  an  den  Wirren, 
die  seine  Vaterstadt  während  der  Jahre  1306 — 1311  zer- 
rütteten, in  hervorragender  Weise  betheiligt  \ 

Mit  einem  zweiten  Versuch  zur  Kritik,  den  er  zum 
Jahre  1288  macht  (p.  11),  ergeht  es  unserm  Chronisten 
nicht  viel  besser.  Dort  giebt  er  die  Nachricht :  'Filia  Bar- 
dolini  domini  de  Bonacosis  venitVeronam  in  uxorem 


1)  Chronicon  Estense  (Muratori  XV,  355.  359.  365.  369.  371).  In 
den  Amiales  Parmenses  maiores  (Mon.  Germ.  SS.  XVIII,  p.  750)  wird  er 
Saienguera  de  Saiengueris  genannt.  Als  Salinguerra  de'  Torelli  bezeichnet 
ihn  die  Historia  miscella  Bononiensis  (Muratori  SS.  XVIII,  310).  Er- 
wähnt wird  er  auch  in  einer  Bulle  Papst  Clemens  V.  vom  10.  August  1311. 
Bonaini,  Acta  Henrici  VII.  T.  I,  p.  191. 


474  Gustav  Somrnerfeldt. 

Cards  Grandis  nati  domini  Alberti',  und  fährt  fort:  Hoc 
eiiam  non  consonat,  quia  inferius  scribitur,  quod  nativitas  do- 
mini Canis  Grandis  fuit  in  1292.  Die  Amiales  de  Romano 
berichten  über  diese  Heirath  (p.  442 — 443)  zürn  Jahre 
1294(1):  'Die  dominica  20.  Iunii  filia  domini  Bardeloni  de 
Bonaconsis  capitanei  Man  tue  venit  Veronam  ad  filium 
domini  Alberti  de  la  Scala,  qui  vocabatur  Canis  magnus, 
quia  debet  esse  uxor  sua'.  Da  die  Heirath  also  erst 
1294  stattgefunden  hat,  ist  der  Zweifel  des  Chronisten  ein 
unberechtigter.  Dieser  muss  entweder  seine  Quelle,  die 
Ann.  de  Romano,  in  beinahe  unbegreiflicher  Weise  miss- 
verstanden haben,  oder  es  lag  ihm,  wie  oben  wahrschein- 
lich gemacht  werden  konnte,  nur  eine  Ableitung  der  Ann. 
de  Romano  vor,  die  dann  fehlerhaft  1288  statt  1294  ange- 
geben hätte.  Und  schliesslich  lässt  der  Chronist  selbst 
Cangrande  I.  gar  nicht,  wie  er  doch  angekündigt  hatte,  im 
Jahre  1292  geboren  werden,  sondern  schreibt  zu  1312: 
'Natus  fuit  1291'!  Die  Irrthümer  und  Widersprüche  häufen 
sich,  wie  wir  sehen,  da,  wo  der  eigentliche  Gewährsmann 
Parisio  da  Cerea  versagt,  in  recht  bedenklicher  Weise  K 

Den  Ann.  de  Romano  bezw.  deren  Ableitung  entnimmt 
der  Chronist  eine  letzte  Notiz  zu  1302  ('rexit  annis  23'  mit 
Bezug  auf  Alberto  della  Scala).  Begierig  hat  er  sich  schon 
für  1300  des  Fortsetzers  des  Parisio  da  Cerea,  der  doch 
erst  Nachrichten  für  die  Jahre  1301  bis  1374  bietet,  be- 
mächtigt. Er  liefert  einen  eng  anschliessenden,  öfter  wort- 
getreuen Auszug,  dem  es  freilich  an  Flüchtigkeiten,  ähnlich  den 
vorhin  nachgewiesenen,  nicht  fehlt.  So  lässt  er  gleich  An- 
fangs den  Alberto  della  Scala  1300  statt  1301  sterben,  dessen 
Sohn  Bartolomeo  1305  statt  1304.  Die  Genauigkeit  der 
Uebereinstimmung  ist  jedoch  so  gross,  dass  unbedenklich 
wird  angenommen  werden  können,  er  habe  den  Fortsetzer 
gerade  in  der  Form,  wie  ihn  Muratori  (SS.  VIII)  auf  Grund 
des  Modenesischen  Codex  veröffentlicht  hat,  vor  sich  ge- 
habt. Erwähnenswerth  ist  noch,  dass  der  Chronist  zu  den 
Jahren  1318  und  1328,  von  da  ab  dann  häufiger,  Tages- 
daten aus  der  Vorlage,  bisweilen  allerdings  fehlerhaft,  her- 
übergenonmien  hat. 

Ein  Plus  gegenüber  dem  Fortsetzer  des  Parisio  da 
Cerea  hat  er  an  folgenden  Stellen:  Zum  Jahre  1318  (p.  12) 
bietet   er   allein   die   Worte    'Dominus   Passarinus   —   eam 


1)  Näheres  über  das  Geburtsjahr  des  Cangrande  I.,  Heirath  und  ver- 
wandte Fragen  wird  ein  Aufsatz  von  mir  in  den  Mitth.  des  Inst,  für 
österr.  Geschichtsforschung  Jahrg.  1895,  Heft  2  enthalten. 


Zur  Kritik  Veronesischer  Geschichtsquellen.  475 

ceperat';  zu  1323  'Civitas  Montie  —  redita  fuit' ;  zu  1327 
'Veronam  et  Vicentiam  in  vicariatu  obtinuit' ;  zn  1337 
'galea  et  vessillo  ibidem  collocatis' ;  zu  1339  (bei  ihm  fälsch- 
lich 1338,  da  er  beide  Jahre  confundiert;  cf.  col.  652  des 
Fortsetzers)  die  Worte  'Quo  obtento,  Guielmo  de  Castro 
Barco  nomine  domini  Martini  illud  consignavit'.  Ferner 
sind  die  ganzen  Angaben  zu  1347  und  1348  (p.  16)  unserm 
Chronisten  zugehörig,  da  bei  dem  Fortsetzer,  wenigstens  in 
der  von  Muratori  gebrauchten  Modeneser  Hs.,  die  Jahre 
1346  bis  1350  übergangen  sind.  Für  1354  (p.  17—18)  wird 
der  Bericht  des  Fortsetzers  über  den  Aufruhr  gegen  Can- 
grande  II.  durch  Angabe  der  Namen  einzelner  Anhänger 
des  Fregnano  della  Scala  ergänzt;  auch  vermissen  wir  beim 
Fortsetzer  zu  1354  den  auf  Karl  IV.  bezüglichen  Passus 
'Iohannes  Vicecomes  —  Ferrarie' ;  ferner  zu  1357  die  Worte 
'et  ut  pax  —  civem  suum' ;  zum  Jahre  1363  'Dominus  Ber- 
nabos —  inter  partes' ;  endlich  zu  1365  'Föns  de  rivo  Sancti 
Georgii  per  pontem  Petre  canalis  plumbeis  ad  brolium 
palacii  et  super  capitelo  fori  ductus  est.  Föns  navis  lapi- 
deus  est  f actus,  qui  de  ligno  erat'. 

Die  Quelle,  aus  der  alle  diese  Zusätze  geflossen  sind, 
lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  angeben.  Diejenigen  für 
1318.  1323.  1347.  1356.  1367  zeigen  freilich  eine  unver- 
kennbare Verwandtschaft  mit  der  Modenesischen  Chronik 
des  Giovanni  da  Bazzano  (ediderunt  L.  Vischi,  T.  San- 
donnini  und  0.  Raselli.  Modena  1888),  und  für  die 
Jahre  1323  und  1347  erscheinen  wörtliche  Anklänge  an 
entsprechende  Notizen  des  Chronicon  Estense  (Muratori, 
SS.  XV) ;  eine  definitive  Entscheidung  wird  aber  durch  die 
Vergleichung  mit  diesen  Quellen  nicht  gegeben.  Die  Unter- 
suchung über  diesen  Gegenstand  ist  eine  schwierige  und 
lässt  sich  wohl  nur  in  grösserem  Rahmen  führen.  Wir 
müssten  einerseits  der  verlorenen  Chronik  jenes  Minoriten- 
mönches  genauer  nachforschen,  die  Giovanni  da  Bazzano 
zufolge  eigener  Angabe  (siehe  die  Notiz  zu  1312,  edd. 
Vischi  etc.  p.  110,  vgl.  Prefazione  p.  XVI  ff.)  vorgelegen 
hat,  sodann  auch  das  Verhältnis  der  Modenesischen  Auf- 
zeichnungen zu  der  genannten  ausführlichen  Chronik  von 
Este  -  Ferrara,  ferner  zum  Polistore  des  Niccolö  di  Ferrara 1 
(Muratori,  SS.  XXIV)  und  zur  Historia  miscella  Bononien- 

1)  Ueber  die  Person  des  Verfassers  des  Polistore  vgl.  0.  Knoll, 
Beiträge  zur  italienischen  Historiographie.  Göttingen  1876,  p.  34  ff.  — 
G.  Weltzien,  Untersuchung  italienischer  Quellen  zum  Römerzuge  Ludwigs 
des  Baiern.  Hallesche  Dissertation  1882,  p.  36  hätte  darnach  nicht  mehr 
von  Bartolomeo  di  Ferrara  als  Verfasser  sprechen  sollen. 


476 


Gustav  Sommerfeldt. 


sis  (Muratori,  SS.  XVIII),  sowie  dieser  Chroniken  unter 
einander  klarlegen.  Endlich  wäre  vielleicht  auch  jener 
Mailändisch-Parmesischen  Compilation  des  Giovanni  Balduc- 
chino  nachzugehen,  welche  L.  A.  Ferrai  (Archivio  storico 
Lombardo  VII  [1890],  p.  293  ff.)  als  in  die  späten  Mailän- 
der Annalen  (Muratori,  SS.  XVIII)  verwebt  kürzlich  nach- 
gewiesen hat. 

Für  unsern  Zweck  genügt  es,  zu  constatieren,  dass  der 
Chronist  in  Bezug  auf  die  Zusätze  für  1318  und  folgende 
Jahre  unselbständig  ist,  ferner  das  von  ihm  Dargebotene 
sich  meist  auch  in  andern  Quellen,  und  zwar  dort  in  der 
Regel  besser  und  ausführlicher  vorfindet.  Das  gilt  auch 
für  den  zum  Jahre  1327  gemachten  Zusatz,  der  in  der 
Chronica    illorum    de    la    Scala    (ed.  Cipolla   p.  501)    sich 

dahin  erweitert  vorfindet:  'Canisgrandis quia  faciebat 

expensas  maiores  quam  imperator  [Ludwig  der  Baier j,  ea 
de  causa  ipse  imperator  fecit  ipsum  vicarium  imperialem 
Verone  et  Vicentie' ;  und  ferner  für  die  Notiz  zu  1348,  zu 
der  die  Chronik  des  Veronesen  Boninsegna  de'  Mitocoli 
theilweise  ein  Correlat  liefert : 

Boninsegna  de'  Mitocoli  (ed. 
Verci,  Storia  della  marca  Tri- 
vigiana  VII,  p.  157). 
1347.  Caterina  dicta  Re- 
gina filia  domini  Mastini  de 
la  Scala  nupsit  Berna- 
bovi  Vicecomiti,  nepoti 
archiepiscopi  Vicecomitis  Me- 
diolani. 


Chronist  des  Orti  Manara 
p.   16. 

1348.  Terremotus  magnus 
die  conversionis  S.  Pauli  toto 
fuit  in  orbe.  Beatrix  que  Re- 
gina dicebatur,  domini  Ma- 
stini filia,  nupsit  domino 
Bernabovi  de  Vicecomi- 
tibus,  ex  qua  plures  filios 
procreavit:  Ludovicum,  Karo- 
lum,  Rodulfum  et  Mastinum. 

Die  Chronik  des  Boninsegna  de'  Mitocoli  bei  Verci 
VII,  152 — 160  reicht  bis  zum  Jahre  1413  und  dürfte  ihrer 
Entstehung  nach,  selbst  was  die  letzten  Eintragungen  an- 
geht, etwas  früherer  Zeit  angehören  als  der  Chronist  des 
Orti  Manara.  Für  die  ältere  Periode  (1259  ff.)  hat  Mito- 
coli den  bei  1306  abbrechenden  Syllabus  potestatum  Vero- 
nensium  (ed.  Cipolla,  Cronache  I,  p.  386  ff.),  darauf  in  eini- 
gen Notizen  den  Fortsetzer  des  Parisio  da  Cerea  zu  Grunde 
gelegt.  Da  wir  nach  den  von  Verci  VII,  p.  152  gegebenen 
Einleitungsworten  ('servivit  Cansignorium  et  postea  Bartho- 
lomeum  et  Antonium  eius  filios')  es  in  Mitocoli  wohl  mit 
einem    den    politischen  Ereignissen   nahestehenden  Manne, 


Zur  Kritik  Veronesischer  Geschichtsquellen.  477 

der  vielleicht  gar  zu  den  leitenden  Kreisen  Verona's  zählte, 
zu  thun  haben,  ist  das  Interesse,  welches  wir  an  dieser 
Aufzeichnung  trotz  inhaltlicher  Dürftigkeit  nehmen,  ein 
erhebliches,  und  jedenfalls  verdient  sie  in  dem,  was  sie 
darbietet,  den  Vorzug  vor  dem  Chronisten  des  Orti  Ma- 
nara.  Letzterer  hat  mehr  oder  minder  mit  dem  Auge  des 
Sammlers,  dem  es  um  eine  gleichmässige  Aneinanderreihung 
zu  thun  ist,  die  Dinge  angesehen,  während  Mitocoli's  Ein- 
tragungen dem  unmittelbaren  Interesse  an  den  Vorgängen 
entstammen.  Mitocoli  scheint  übrigens  schon  1405  abge- 
schlossen zu  haben.  Die  noch  folgenden  Eintragungen  der 
Chronik  zu  1412  und  1413  müssen  anderen  Ursprungs  sein, 
Verci  a.  a.  O.  VII,  p.  152  wenigstens  sagt,  der  Chronist  sei 
im  Jahre  1410  (75  Jahre  alt)  gestorben.  Mitocoli  kann, 
wo  er  Zusätze  zum  Syllabus  potestatum  Veronensium  auf- 
weist, was  bisweilen  der  Fall  ist,  seine  Kenntnis  dem  Ge- 
brauch von  Acten  oder  Briefschaften  verdanken.  Der  Chro- 
nist des  Orti  Manara  dagegen  hat,  entsprechend  der  Art 
wie  er  seinem  Stoffe  gegenüberstand,  den  Jedermann  zu- 
gänglichen Ueberresten  der  Vergangenheit  seine  Aufmerk- 
samkeit zugewandt. 

Für  Mastino  L,  Cangrande  L,  Mastino  II.  und  Can- 
signorio  della  Scala  schaltet  er,  diesem  Interesse  folgend, 
die  öffentlich  zu  lesenden  Epitaphien  dieser  Fürsten  seiner 
Chronik  ein  (p.  10.  13.  16  und  19),  ferner  unterlässt  er  nicht 
leicht  für  einen  der  späteren  Veroneser  Gebieter,  den  ge- 
genauen Ort,  an  dem  sie  ihre  Ruhestätte  gefunden  haben, 
deutlich  zu  bezeichnen  (vgl.  zu  1277.  1329.  1351.  1352. 
1365).  Er  hat  auch  das  zu  Venedig  befindliche  Grabmal 
des  Pietro  de'  Rossi  gesehen.  Die  oben  zu  1337  erwähnte 
Notiz  'galea  et  vessillo  ibidem  collocatis'  ist,  zumal  sie  eben 
in  anderen  Aufzeichnungen  fehlt,  von  unserm  Chronisten 
wohl  auf  Grund  eigener  Anschauung  gegeben  worden. 

In  entsprechender  Weise  wird  die  namentliche  Nen- 
nung der  gegen  Cangrande  IL  Verschworenen  (vgl.  oben 
zu  1354),  worin  der  Chronist  zum  Theil  Abweichungen 
vom  Fortsetzer  des  Parisio  aufweist,  zu  erklären  sein.  Der 
Fortsetzer  schreibt  zu  1354  (Muratori  VIII,  654):  'Et  simi- 
liter  plures  gladio  fuerunt  necati  ob  tractatum  praedictum, 
videlicet ,  quorum  nomina  et  imagines  pictae  fue- 
runt in  sala  procuratorum  communis  Veronae'.  Der 
Chronist  des  Orti  Manara  hat  jene  Abbildungen  gesehen 
und  die  Namen,  welche  er  dort  gelesen,  der  Chronik  als 
eigene  Gabe  eingefügt.  Das  eigentlich  Individuelle  an  dem 
Werke   unseres    Chronisten    wird    weiter    erkannt    werden, 


478  Gustav  Sornmerfeldt. 

wenn  wir  hinzufügen,  dass  der  an  der  Spitze  der  ganzen 
Zusammenstellung  stehende  Stammbaum  des  Hauses  Scala 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  gleichfalls  unserm  Autor 
verdankt  wird,  und  wenn  wir  auch  berücksichtigen,  dass 
die  Aufzeichnungen  gerade  beim  Jahre  1405  mit  der  Ueber- 
nahme  der  Herrschaft  über  Verona  durch  die  Venetianer 
enden.  Es  bleibt  kein  Zweifel,  dass  wir  ein  Product  eifri- 
geren Sammelfleisses  vor  uns  haben,  der  indessen  dem 
Kern  der  Dinge  selten  nachgegangen  ist.  Der  Werth 
der  Chronik  richtet  sich  ausschliesslich  nach  der  Art  des 
darin  zu  Tage  tretenden  Materials. 

Für  die  Zeit  bis  1374  konnten  wir  den  Werth  dieses 
Materials  nur  gering  veranschlagen.  Zu  1365  (p.  19)  hat 
der  Chronist  in  auffallender  Kürze  alles  zusammengedrängt, 
was  der  Fortsetzer  des  Parisio  für  1365  bis  1374  berichtet 
bat.  Er  setzt  nun  wieder  bei  1380  ein;  die  Jahre  1374 
bis  1380  sind  unberücksichtigt  geblieben.  Unsere  Erwar- 
tung, fortan  Nachrichten  von  grösserer  Ausführlichkeit  zu 
begegnen,  finden  wir  durchaus  getäuscht.  Die  Jahre  1381. 
1384.  1389.  1392.  1396.  1399  und  1403  fallen  z.  B.  ganz 
aus.  Aber  auch  die  Selbständigkeit  der  auftretenden  Nach- 
richten muss  bezweifelt  werden.  Zwar  besitzen  wir  keine 
Veronesische  Cbronik,  die  für  das  Ende  des  15.  Jahrh.  an 
Werth  das  darstellte,  was  Parisio,  die  Annales  de  Romano 
und  der  Fortsetzer  des  Parisio  für  die  ältere  Zeit  sind, 
doch  lässt  sich  aus  den  leider  so  kurzen  Notizen  des  Bo- 
ninsegna  de'  Mitocoli  das  Sach Verhältnis  einigermassen  er- 
läutern. In  der  folgenden  Gegenüberstellung  hat  Mitocoli 
bezüglich  des  Jahres  1401  in  der  Jahresbezeichnung  geirrt, 
sonst  aber  werden  seine  Notizen  durch  fernerstehende 
Quellen  bestätigt1.  Fehlerhaft  ist  beim  Chronisten  des 
Orti  Manara,  abgesehen  von  andern  Irrthümern,  schon  die 
Jahresangabe  1380  für  Ereignisse,  die  ins  folgende  Jahr 
gehören.  Ganz  unzweifelhaft  aber  ergiebt  sich  der  Zu- 
sammenhang zwischen  den  Werken  beider  Autoren  aus  der 
Gleichheit  gewisser  Wendungen  und  der  Aehnlichkeit  ihrer 
Geschichtserzählung. 


Boninsegna  de'  Mitocoli 

a.  a.  O.  p.  158. 
1381.  mense  Iulii.    Bartho- 
lomeus    de   la   Scala    crudeli 


Chronist  des  Orti  Manara 
p.  20. 

1380.  .  .  .   Dominus  Barto- 
lameus  et  Antonius  dirui  fe- 


1)  Vgl.  zu  1380/81  Chron.  Estense,  Muratori,  SS.  XV,  508;  zu 
1387  Chron.  Piacent.  Giov.  de'  Mussi,  ibid.  XVI,  549;  zu  1401/2  Ann. 
Mediolanenses,  ibid.  XVI,  838  f. 


Zur  Kritik  Veronesischer  Geschicktsquellen. 


479 


morte  fuit  interemptus  i  n 
broilo  palatii  in  curia 
de  nocte  cum  uno  socio,  et 
portatus  fuit  ante  domum 
illorum  de  Nogarolis  penes 
Sanctani  Ceciliam. 


1387.  18.  Octobris  gentes 
comitis  Iohannis  Galeacii  de 
Vicecomitibus,  comitis  Papie 
et  domini  Mediolani,  cum  qui- 
busdam  Veronensibus  ingre- 
diuntur  portam  Sancti  Maxi- 
mi  et  expellunt  Antonium  de 
la  Scala. 


1401.  24.  Augusti.  Dux 
Mediolani  moritur,  relictis 
duobus  filiis  leg'itimis 
et  uno  naturali,  quem  reli- 
quit  dominum  Pisarum. 


1404  [p.  159— 160].  Diemar- 
tis  8.  Aprilis  Franciscus  de 
Carraria,  niarchio  Estensis  et 
Gulielmus  de  la  Scala  cum 
duobus  filiis  cum  exercitu  de 
nocte  hora  matutina  ceperunt 
muros  Verone  .  .  .  Eodem 
mense  Aprili  Gulielmus  de 
la  Scala  moritur  forte  ve- 
n  eno  mandato  Francisci  Car- 
rariensis.  Mense  Maii  die 
festo  paschatis  pentecoste  Ia- 


cit  ponticelos,  qui  super  vias 
publicas  erant.  Dominus  Bar 
tolameus  et  Galvanus  de  Po- 
iana  12.  Iulii  in  nocte  zuzu 
(soll  wohl  heissen  liussu')  do- 
mini Antonii  fratris  sui  inter- 
fecti  fuerunt  inpalacio  in 
camera  terrena  brolii  a 
Iohanne  de  Insula  Cortesia 
de  Seratico  Benedicto  de  Ma- 
lersano.  Cadavera  ea  nocte 
delata  sunt  sub  porticu  prope 
domum  Antonii  de  Nogarolis 
apud  sanctani  Ceciliam. 

1387.  18.  Octobris.  Iohan- 
nes  Azo  de  Ubaldinis  .  .  . 
cum  exercitu  domini  Iohan- 
nis Galeacii  venerunt  contra 
Veronam,  et  per  tractatum 
habita  porta  sancti  Maximi, 
burguin  sancti  Zeni  intra- 
verunt  .  .  .  Dominus  Anto- 
nius per  pontem  castri  Ve- 
rone recessit,  et  relicta  civi- 
tate  ambasciatoribus  impera- 
toris,  Venecias  ivit. 

1402.  [p.  22]  ...  Die  3. 
Setenbris  Iohannes  Galeacius 
de  Vicecomitibus,  dux  Me- 
diolani, morte  naturali  obiit, 
duobus  filiis  legittimis 
relictis,  Iohanne  Maria  et 
Philippo  Maria. 

1404.  Dominus  Franciscus 
de  Carraria,  Nicolaus  mar- 
chio Ferrarie  gener  suus,  cum 
multis  gentibus  et  vexillis 
imperialibus  intraverunt  cit- 
tadelam  Verone ;  et  dominium 
Verone  sub  nomine  Vielmi 
de  la  Scala  obtinuerunt.  Pau- 
cis  post  diebus  mortuus 
est  dominus  Vielmus,  non 
sine  suspicione  veneni, 
cui     successerunt    Brunorius 


480  Gustav  Sominerfeldt. 


cobus  filius  Francisci  de  Car- 
raria  invitavit  ad  cenain  se- 
cum  in  Castro  saucti  Martini 
Aquarii  Brunorium  et  Anto- 
nium  fratres  filios  Gulielmi 
de  la  Scala,  ineaque  cena 
capti  fuere  dicti  fratres  de 
la  Scala  missiqne  in  car- 
c  e  r  i  b  u  s  .  .  . ;  paucisque  die- 


et  fratres,  filii  doniini  Vielmi 
predicti.  Anno  supradicto 
dominus  Franciscus  de  Car- 
raria  proditorie  in  Vero- 
na cepit  dominum  Bruno- 
rium et  fratres,  quos  Paduam 
ad  carceres  misit;  domi- 
niumque  Verone  in  se  arri- 
puit;    ad   cuius  regimen  con- 


bus  post  Franciscus   de  Car-  ■  stituit  Iacobum  suum  secun- 
raria    vocatus    fuit    dominus  j  dum  filium. 
Verone  super  capitello  .  .  . 

Wir  sehen,  der  Zusammenhang  ist  nicht  wohl  zu  be- 
zweifeln. Die  Chronik  des  Boninsegna  de'  Mitocolo  ist 
nicht  ausführlich  genug,  um  den  Grad  des  Abhängigkeits- 
verhältnisses genauer  feststellen  zu  können.  Dass  aber 
der  Chronist  des  Orti  Manara  die  Aufzeichnungen  Mito- 
coli's,  der  ja  der  ältere  von  beiden  ist,  direct  benutzt  habe, 
ist  kaum  anzunehmen;  Abweichungen  in  den  Daten  und 
in  anderer  Hinsicht  sprechen  dagegen.  Es  muss  also  eine 
Quelle  beiden  gemeinsam  zu  Grunde  liegen.  Diese  dürfte 
eine  Veronesische  gewesen  sein;  dafür  spricht  der  Umstand, 
dass  beim  Chronisten  des  Orti  Manara  an  anderen  als  den 
oben  citierten  Stellen  mehrfach  Nachrichten  rein  territo- 
rialer Natur  gegeben  werden.  Ferner  Hesse  sich,  was  die 
politischen  Ereignisse  angeht,  aus  dem  für  diese  Zeit  so 
ausführlichen  Chronicon  Estense  neben  andern  Quellen  dar- 
thun,  dass  unser  Chronist  für  den  uns  hier  beschäftigenden 
Theil  seines  Werkes  kaum  eine  Nachricht  bietet,  die  nicht 
auch  anderwärts  bezeugt  wäre.  Es  ist  zu  hoffen,  dass, 
wenn  Cipolla  in  Band  II  seiner  'Cronache'  jene  bisher 
unedierte  Fortsetzung  der  Annales  de  Romano,  von  der  er 
Bd.  I,  p.  360  Note  spricht,  veröffentlicht  haben  wird,  und 
wenn  wir  zugleich  durch  ihn  in  die  Lage  gesetzt  sind,  den 
Fortsetzer  des  Parisio  da  Cerea  sammt  allen  verwandten 
Quellen  in  gereinigter  handschriftlicher  Ueberlieferung  vor 
uns  zu  sehen,  wir  von  diesem  wenig  zuverlässigen  Chro- 
nisten des  Orti  Manara  als  historischer  Quelle  so  gut  wie 
ganz  werden  absehen  können. 


Nachrichten. 


105.  Ende  September  1894  ist  die  Ceutraldirection  der 
MG.  mit  ihrer  Bibliothek  ans  der  Bendlerstr.  41  in  das 
neu  erbaute  Reichsversicherungsamt,  Königin  Augusta-Str. 
25 — 27  übergesiedelt. 

106.  Bei  der  Abtheilung  Diplomata,  Serie  des  11.  Jh., 
ist  Herr  Dr.  Martin  Meyer  aus  Münster  am  15.  Nov. 
1894  als  Mitarbeiter  eingetreten. 

107.  Von  der  Abtheilung  Auetores  antiquissimi  ist 
erschienen : 

Tomi  XIII,  pars  I.  Chronica  minora  saec.  IV. 
V.  VI.  VII,  ed.  Th.  Mommsen  vol.  III,  fasc.  I 
(Inhalt:  Gildae  Sapientis  de  excidio  et  conquestu 
Britanniae  ac  flebili  castigatione  in  reges  prineipes 
et  sacerdotes  mit  4  Additamenten  und  Historia 
Brittonum  cum  additamentis  Nennii ;  Berolini  1894). 

108.  Von  der  zweiten  Gesammtausgabe  der  Ge- 
schichtschreiber der  deutschen  Vorzeit  sind  er- 
schienen: Die  Chronik  Otto's  von  Freising  lib.  VI. 
VII,  dessen  Gesta  Friderici,  Rahewins  Fortsetzung 
derselben  und  die  Chronik  des  Otto  von  S.  Blasien, 
sämmtlich  übersetzt  von  Horst  Kohl,  und  die  Ann. 
Palide nses,  übersetzt  von  E.  Winkelmann,  in  zweiter 
von  W.  Wattenbach  bearbeiteter  Auflage.  Letzterer 
bespricht  in  der  Einleitung  die  neuesten  Untersuchungen 
von  Herre  und  Bernheim  und  theilt  S.  VI  die  alte,  jetzt 
von  Madan  wieder  ganz  lesbar  gemachte  Inschrift  der 
Oxforder  Hs.  mit,  aus  der  sich  ergiebt,  dass  der  Codex 
wirklich  aus  Pöhlde  stammt. 

109.  Durch  die  Allg.  Geschichtsforschende  Gesell- 
schaft   der    Schweiz    werden    unter    Leitung    G.    Meyers 


482  Nachrichten. 

von  Knonau  die  Vorlesungen  herausgegeben,  welche 
G.  von  Wyss  mit  grösstem  Erfolg  über  die  Geschichte 
der  Historiographie  in  der  Schweiz  gehalten  hat. 
Wir  werden  auf  das  Werk,  dessen  erste  Lieferung  er- 
schienen ist  (Zürich,  Fäsi  und  Beer  1894),  nach  seiner 
Vollendung  zurückkommen. 

110.  Die  in  der  Vaticana  erhaltenen  hsl.  Kataloge 
der  Handschriftensammlung  der  Königin  Christine 
bespricht  G.  Monticolo  im  Archivio  della  E.  soc.  Ro- 
mana  di  storia  patria  XVII,  197  ff.  Ueber  einen  anderen 
Aufsatz  Monticolo's  in  demselben  Heft  s.  oben  S.  450  ff. 

111.  Im  Centralblatt  f.  Bibliotheksw.  XI,  345  ff.  be- 
schreibt H.  Nentwig  die  12  Hss.  meist  theologischen 
Charakters  und  die  Wiegendrucke  der  Stadtbibliothek 
zu  Hildesheim. 

112.  Von  den  Hss.-Katalogen  der  französi- 
schen Provinzialbibliotheken  sind  folgende  Bände 
(vgl.  N.  A.  XIX,  249,  n.  9)  erschienen:  T.  XVI.  Aix,  XVIII. 
Alger,  T.  XIX.  Amiens,  T.  XX— XXII.  kleinere  Biblio- 
theken, darunter  in  T.  XX.  Le  Mans,  Arles,  XXI.  St. 
Etienne,  Cognac,  Vienne,  XXII.  Nantes,  endlich  T.  XXIII. 
Bordeaux.  H.  Bl. 

113.  Der  hist.  Verein  für  den  Niederrhein  hat  eine 
Inventarisierung  der  niederrheinischen  Stadtarchive  be- 
schlossen. Die  erste  Abtheilung  dieser  verdienstlichen 
Publication  bringt  Heft  59  der  Annalen  des  Vereins,  in 
welchem  J.  Hansen  die  Inventare  der  Stadtarchive  von 
Andernach,  Duisburg.  Linz  mittheilt. 

114.  Der  4.  Band  der  Inventare  des  Frankfurter 
Stadtarchivs  (Frankfurt  a.  M.,  Völcker  1894)  verzeichnet 
die  Bestände  Münzwesen  1350 — 1499,  Acht  und  Aberacht 
1394 — 1497  und  Nachträge  namentlich  zu  den  Eeichssachen 
1275 — 1499.  Ein  von  H.  v.  Nathusius  -  Neinstedt  angelegtes 
Gesammtregister  zu  den  Bänden  1 — 4  ist  beigegeben. 

H.  Bl. 

115.  In  der  Karinthia  I,  1894,  S.  15  ff.  53  ff.  spricht 
sich  R.  Müller  gegen  die  Identifizierung  des  in  der  Vita 
S.  Severini  erwähnten  Tiburnia  mit  Debern  im  Lurnfeld 
(vgl.  Wattenbach,  GQ.  I6,  47)  aus;  der  Name  Tiburnia  = 
Liburnum  sei  vielmehr  in  dem  Namen  Lurnfeld  selbst  er- 
halten. 


Nachrichten.  483 

116.  Eine  literarhistorische  Studie  über  Johannes 
von  Biclaro  auf  Grund  der  neuen  Ausgabe  von  Mornm- 
sen  hat  F.  Görres  in  den  Theol.  Studien  und  Kritiken 
Jg.  1895,  S.  103  ff.  veröffentlicht. 

117.  L.  Schwenkow,  Kritische  Betrachtung  der 
lat.  geschriebenen  Quellen  zur  Gesch.  d.  Eroberung  Spa- 
niens durch  die  Araber  (Diss.  Götting.  1894)  untersucht 
die  von  Mommsen  (Chron.  minora  II,  323  ff.)  als  Conti- 
nuatio  Byzantia  Arabica  und  Continuatio  Hi- 
spana  des  Isidor  herausgegebenen,  früher  als  Cont.  Iohan- 
nis  Biclarensis  und  Isidorus  Pacensis  bezeichneten  Schriften, 
noch  ohne  Kenntnis  der  neuen  Ausgabe,  durch  die  seine 
Ausführungen  zum  grossen  Theil  bestätigt,  z.  Th.  allerdings 
überholt  werden.  Daneben  behält  seine  Kritik  der  Nach- 
richten beider  Quellen  ihren  Werth. 

118.  Das  von  Mommsen  (N.  A.  XIX,  285  ff.)  ge- 
würdigte Fragment  der  Historia  Brittonum  aus  der 
Hs.  von  Chartres  veröffentlicht  L.  Duchesne  in  der  Re- 
vue celtique  XV,  174  ff.  und  führt  in  Anschluss  daran  eine 
Reihe  abweichender  Ansichten  über  die  Entstehungszeit 
der  Hist.  Brittonum  und  über  Nennius  aus.  Die  neue  Aus- 
gabe Mommsens  hat  er  noch  nicht  benutzen  können. 

H.  Bl. 

119.  In  der  Bibl.  de  l'ecole  des  chartes  LV,  515  ff. 
berichtet  H.  0[mont],  dass  Vorarbeiten  des  Jesuiten 
P.  Gilles  Bouchier  (gest.  1665)  für  die  von  ihm  beabsich- 
tigte Edition  des  Gregor  von  Tours  noch  erhalten  sind. 
Sie  sind  in  ein  Exemplar  der  Freherschen  Ausgabe  (Chel- 
tenham  n.  11917  des  Katalogs  von  1837)  eingetragen. 

120.  Eine  neue  eingehende  Erörterung  über  die  oft 
besprochene  Stelle  Greg.  Tur.  II,  9  (SS.  Mer.  I,  77)  giebt 
K.  Plath  in  einer  Untersuchung  über  die  Lage  von  Dispar- 
gum  (Jb.  der  Alterthumsfreunde  im  Rheinland  XCV,  121  ff.). 
Er  bestreitet  die  Existenz  linksrheinischer  Thoringi,  nimmt 
an,  dass  das  Thüringergebiet  sich  einmal  bis  an  den  Rhein 
erstreckt  habe  und  identificiert  demgemäss  Dispargum 
wieder  mit  unserem  Duisburg. 

121.  Im  XII.  Bande  der  Analecta  Bollandiana 
Fase.  I  gab  Chr.  Pfister  die  schon  bekannte  Vita  Odi- 
liae  (Otiliae)  abbatissae  Hohenburgensis  (8.  Jahrh.)  nach 
vielen  Hss.,  deren  er  48  aufzählt,  verbessert  heraus.  In 
demselben  Heft   bekämpft   einer   der   Herren  Bollandisten 


484  Nachrichten. 

mit  entscheidenden  Gründen  die  von  Br.  Krusch  in  dieser 
Zeitschrift  (XIX,  19  ff.)  aufgestellte  Ansicht  über  das  Ver- 
hältnis der  drei  Vitae  S.  Austremonii,  der  den  bis 
dahin  für  den  jüngsten  gehaltenen  Text  als  den  ältesten 
hinstellte  und  für  dessen  Verfasser  S.  Praeiectus  hielt. 
Der  fein  geführte  Beweis,  dass  die  frühere  Ansicht 
fest  zu  halten  ist,  scheint  mir  schlagend.  Im  2.  und 
3.  Heft  haben  die  Herren  Bollandisten  die  verloren  ge- 
glaubten beiden  ersten  Bücher  der  Vita  Odiliae  vi- 
duae  Leodiensis  ediert,  welche  Aegidius  von  Orval 
ausschrieb,  und  deren  drittes  Buch  MG.  SS.  XXV  heraus- 
gegeben ist.  Die  Herren  Väter  hatten  das  Glück,  das 
Werk  in  einer  Hs.  des  XV.  Jahrh.  der  kaiserl.  Fidei- 
Commiss-Bibl.  in  Wien  zu  entdecken.  In  den  Berichten 
dieser  drei  Hefte  über  die  hagiographische  Litteratur  sind 
auch  eine  grosse  Anzahl  von  Arbeiten,  welche  unser  Ar- 
beitsgebiet betreffen,  darunter  die  unserer  Mitarbeiter 
Br.  Krusch  und  J.  Dieterich  in  dieser  Zeitschrift  ein- 
gehend besprochen.  O.  H.-E. 

122.  In  der  Zeitschr.  f.  Gesch.  des  Oberrheins  N.  F. 
IX,  516  macht  B.  v.  Simson  zu  Ann.  S.  Amandi  807, 
wo  von  einem  Placitum  Karls  d.  Gr.  zu  'Confflem'  die  Rede 
ist,  auf  Ann.  Aquenses  806  'Karolus  placitum  habuit  apud 
Costen'  aufmerksam  und  hält  daraufhin  die  Deutung  auf 
Kostheim  fest,  während  Mühlbacher  und  Kohl  Corruption 
aus  dem  Namen  Ingelheim  (vgl.  Chr.  Moiss.  807)  ange- 
nommen hatten. 

123.  In  der  Revue  des  langues  Romanes  VII,  251  ff. 
beginnt  F.  Gabotto  eine  Untersuchung  über  die  Quellen 
der  Karolingischen  Legenden  im  Chron.  imaginis 
mundi  des  Jacob  von  Acqui.  H.  Bl. 

124.  In  den  N.  Mitth.  des  thüring.  -  sächs.  Vereins 
XVIII,  3,  66  ff.  veröffentlicht  H.  V.  Sauerland  aus  Cod. 
VI.  1  der  Trierer  Seminarbibl.,  der  auch  die  älteste,  unge- 
druckte Recension  der  Inventio  et  mirac.  S.  Mathiae 
apost.  enthält,  eine  merkwürdige,  im  Magdeburger  Dom- 
kloster verfasste  Vision  (geschrieben  im  12.  Jh.),  in  der 
Kaiser  Otto,  König  Heinrich  II.  und  Erzbischof  Gero  eine 
Rolle  spielen.  Heinrich  II.  muss  Busse  dafür  thun,  dass 
er  einen  von  Gero  gebannten  Mann  zu  seinem  Tischgenossen 
(participem  mense)  gemacht  hat. 

125.  H.  V.  Sauerland  macht  (Histor.  Jahrb.  XV, 
574  f.)  Mittheiluno-  von  einer  die  Streitschrift  Lanfranks 


Nachrichten.  485 

gegen  Berengar  und  eine  Erklärung  des  Vaterunser  ent- 
haltenden Paderborn  er  Hs.  des  12.  Jh.  in  der  Vatikani- 
schen Bibliothek.  Von  zugefügten  kleineren  Aufzeichnun- 
gen desselben  Jahrhunderts  werden  Paderborner  anna- 
listische Notizen,  das  11.  Jh.  betreffend  (vgl.  Watten- 
bach, GQ.  II G,  518),  und  ein  Schatzverzeichnis  der  Pader- 
borner Doinkirche  wiedergegeben.  M.  M. 

126.  In  der  Zeitschr.  des  Vereins  f.  Gesch.  und  Alter- 
thumsk.  Schlesiens  XXVIII,  259  ff.  handelt  Ketrzyriski 
über  die  von  ihm  in  Mon.  Pol.  Hist.  VI  (vgl.  N.  A.  XIX, 
480,  n.  99)  herausgegebenen  Breslauer  Bischofskata- 
loge, ihr  Verhältnis  zu  einander  und  zu  anderen  Quellen. 

127.  Auf  Grund  eines  reichen  hsl.  Materials,  das 
erst  in  einer  grösseren  Arbeit  über  Kaiserprophetien  und 
Kaisersagen  zugänglich  gemacht  werden  wird,  scheidet 
F.  Kampers,  Die  tiburtinische  Sibylle  des  Mittel- 
alters (Diss.  München  1894)  die  Ueberlieferungen  dieser  von 
Gottfried  von  Viterbo  benutzten  Weissagung  (vergl. 
Wattenbach,  GQ.  II6,  230),  deren  älteste  Form  er  schon 
vor  1047  entstanden  glaubt.  Als  ihre  Quelle  sucht  er  ein 
byzantinisches  Konstans  -Vaticinium  zu  erweisen,  das  seiner- 
seits auf  eine  römische  Kaiserprophetie  zurückgehe. 

H.  Bl. 

128.  In  den  St.  Galler  Mittheilungen  zur  vaterländ. 
Gesch.  bringt  Emil  Arbenz  die  Fortsetzung  der  Brief  - 
Sammlung  des  Humanisten  Joachim  Vadianus,  welche 
die  J.  1519 — 1522  umfasst.  Sehr  merkwürdig  wäre  darin 
(S.  233)  zum  J.  1519  die  Erwähnung  von  Lamberts  Ge- 
schichtswerk, wenn  nicht,  wie  schon  das  Beiwort  ldivus' 
beweist,  vielmehr  die  Legende  vom  h.  Lambert  von  Ma- 
stricht  gemeint  wäre.  E.  D. 

129.  In  der  Anzeige  des  2.  Bandes  der  Li  belli  de 
lite  in  v.  Sybels  Histor.  Zeitschrift  73,  487  —  490  bietet 
Mirbt  abermals  einige,  wenn  auch  nicht  sehr  erhebliche, 
Ergänzungen  zu  den  Quellennachweisen  und  dem  Register. 

E.  D. 

130.  Nach  einer  Mittheilung  des  Herrn  Delisle  ist 
der  von  Bethmann  einst  vergeblich  gesuchte  Codex  Signia- 
censis  des  Sigebert  von  Gembloux  kürzlich  mit  eini- 
gen andern  Hss.  in  den  Besitz  der  Pariser  Nationalbiblio- 
thek gelangt.  Gegen  1172  schön  geschrieben,  soll  er  doch 
für  den  Text  nicht  von  erheblicher  Bedeutung  sein. 

E.  D. 

Neues  Archiv  etc.    XX.  32 


486  Nachrichten. 

131.  In  einem  R.  Fruin  (der  1.  Jannar  1894  seine 
Leidener  Professur  niedergelegt  hat)  gewidmeten  Bande 
Geschiedkundige  opstellen  (Haag,  Nijhoff  1894)  ist 
gedruckt  ein  Aufsatz  über  die  Annales  Egmundani 
von  M.  S.  Pols,  der,  gestützt  auf  eine  genaue  Beschrei- 
bung der  Londoner  Hs.  ausführt,  dass  Richthofen  mit  Un- 
recht das  Chron.  Egmundanum,  als  ältere  Bearbeitung  einer 
gemeinsamen  Quelle,  den  Ann.  Egmundani  vorzieht.  Die 
Annales  sind  zweifellos  Quelle  des  Chronicon.  Zu  den 
Ann.  Xantenses,  die  den  Anfang  der  Ann.  Egmund. 
bilden,  gehören  nur  die  Jahresberichte  790 — 873;  der  frü- 
here Theil  gehört  dem  Egmonder  Annalisten  an.  Der  älteste 
Theil  der  Egmonder  Annalen  ist  gegen  Mitte  des  12.  Jh. 
geschrieben;  als  Hauptquellen  (neben  einer  verlorenen 
Utrechter)  werden  nachgewiesen  Regino,  Sigebertus-Ansel- 
mus  Gemblacensis  mit  der  Cont.  Burburgensis  und  die 
Ann.  Blandinienses. 

Utrecht.  S.  Mull  er  Fz. 

132.  Die  'Festschrift  der  Lat.  Hauptschule  z.  200  jäh- 
rigen Jubelfeier  der  Universität  Halle -Wittenberg'  (Halle 
1894)  enthält  auf  S.  105 — 117  eine  Abhandlung  von  Reinhold 
Nebert  über  'Die  Abfassungszeit  der  Kaiserchronik'. 
Was  zur  Beantwortung  dieser  Frage  in  der  Einleitung  zur 
Ausgabe  der  MG.  S.  39  —  45  vorgebracht  worden  ist, 
erscheint  dem  Herausgeber  selbst  keineswegs  derart,  dass 
nicht  die  Ermittelung  neuer  Anhaltspunkte  recht  erwünscht 
wäre.  Die  Dreizahl  von  solchen  freilich,  die  N.  heraus- 
gefunden hat,  zerrinnt  bei  näherem  Suchen  leider  in  nichts. 

Unter  Konrad  I.  (!)  kennt  die  Kehr.,  die  bekanntlich 
von  ungenauen  und  fehlerhaften  Namenangaben  wimmelt, 
einen  würzburgischen  Bischof  Gebhard  (15746),  der  der  Ab- 
setzung des  kranken  Königs  widersprochen  haben  soll,  und 
weil  nun  vor  Ende  1150  kein  Träger  dieses  Namens  den 
ostfränkischen  Bischofssitz  innegehabt  hat,  so  hatte  ich 
(S.  45,  11  ff.)  angedeutet,  der  Chronist  möge  erst  durch 
diesen  Gebhard  I.  von  Henneberg  (1150 — 1159)  veranlasst 
worden  sein,  den  Namen  auf  einen  für  ihn  namenlosen 
Würzburger  Bischof  des  10.  Jahrh.  zu  übertragen.  Mit 
meiner  Annahme,  dass  das  Werk  noch  bei  Lebzeiten  Kon- 
rads III.  und  jedenfalls  vor  dem  Tode  des  Regensburger 
Bischofs  Heinrich  von  Wolfratshausen  (1155)  ans  Licht 
getreten  sei,  schien  diese  'vorsichtige  Anmerkung'  wohl  über- 
einzustimmen. N.  geht  weiter:  er  erklärt  jenen  Gebhard 
des  10.  Jhs.  nicht  nur  für  einen  Taufpaten,  nein  für  Geb- 


Nachrichten.  48  7 

hard  von  Henneberg  selbst!  S.  110:  'Gebhard  ist  deshalb 
an  so  früher  Stelle  erwähnt  (!),  weil  das  bei  der  Behand- 
lung' der  Regierungszeit  Friedrichs  I.  nicht  gut  geschehen 
konnte,  ohne  dass  der  Dichter  Partei  nehmen  musste  ent- 
weder für  den  Kaiser  oder  für  den  Bischof.  Es  ist  also 
so  gut  wie  sicher,  dass  der  Dichter,  während  Gebhard  das 
(!)  Würzburger  Episkopat  inne  hatte,  gelebt  hat'.  Und 
schon  vorher  soll  (S.  109)  wahrscheinlich  gemacht  werden, 
dass  der  Chronist  'um  die  am  Würzburger  Hofe  im  Stillen 
gehegte  Absicht  einer  Fälschung  [der  Immunitätsurkunden] 
gewusst  und  mit  seinen  Versen  (16219  ff.)  den  Zweck  ver- 
folgt hat,  der  Fälschung  gleichsam  vorzuarbeiten  und  den 
Glauben  zu  erwecken,  dass  die  Urkunden,  die  später 
gefälscht  wurden,  schon  lange  im  Besitze  der  Würzburger 
Kanzlei  seien'.  Die  verschiedenen  Erwägungen  vereinigen 
sich  dann  dahin,  die  Abfassung  der  Kaiserchronik  in  die 
letzten  Jahre  der  Eegierung  Gebhards,  'etwa  zwischen  1157 
bis  1160'  (!)  zu  setzen. 

Noch  schiefer  sind  die  Deutungen,  noch  luftiger  die 
Gründe,  die  diese  neue  Datierung  bestätigen  sollen.  Die 
merkwürdig  schroffe  Zurückweisung  des  Bauernstandes, 
welche  sich  14791  ff.  als  Satzung  Karls  d.  Gr.  einführt, 
soll  erst  'etwa  ein  Jahrzehnt'  nach  dem  2.  Kreuzzuge 
möglich  gewesen  sein,  ja  sie  soll  sich  'direkt  beziehen'  auf 
§  12  der  Const.  de  pace  tenenda  von  1156.  Dabei  steht, 
um  nur  eines  herauszugreifen,  in  der  Constitutio,  'der 
Richter  solle  dem  Bauern  die  Waffen  abnehmen  oder  ihn 
um  20  Schillinge  strafen',  in  der  Kehr.,  man  solle  ihm  am 
Kirchzaune  'Haut  und  Haar  abschlagen'.  Ist  hier  ein 
Schluss  erlaubt,  so  ist  es  nur  der,  dass  der  junkerhafte 
Ausfall  des  Chronisten  am  ehesten  möglich  war  in  einer  Zeit, 
wo  die  brutalen  Ueberhebungen  und  die  kecken  Ansprüche 
des  neuen  Ritterstandes  officiell  weder  anerkannt  noch  ge- 
zügelt  und  eingeschränkt  waren.  Also  eher  vor,  als  nach 
jenem  Landfriedensgesetz! 

Und  nun  gar  die  Verse  4599  ff.,  wo  Held  Totila  der 
redegewandten  Dame  Almenia  eine  galante  Auskunft  über 
die  Macht  der  Minne  giebt.  Ihren  kulturhistorischen  Werth 
hat  Scherer  scharf  hervorgehoben.  N.  aber  findet  heraus  — 
der  das  Gras  wachsen  hörte,  war  ein  Tauber  dagegen!  — , 
dass  in  den  Reden  der  beiden  der  'altheimische  Minnesang' 
mit  dem  französierten  ringt  und  dass  der  letztere  seinen 
Gegner  'bereits  ins  Wanken  gebracht  hat'  (S.  116).  Natürlich 
kann  das  auch  wieder  'nicht  lange  vor  1160'  gewesen  sein, 
damals  aber,  'im  letzten  Drittel  der  fünfziger  Jahre',    muss 

32* 


488  Nachrichten. 

der  französische  Minnesang  nach  N.  in  Regensburg  seinen 
Einzug*  gehalten  haben,  und  'jedenfalls  hat  unser  Dichter 
den  altern  Heinrich  genannt',  den  1161  bezeugten  Burg- 
grafen von  Regensburg,  dem  N.  ohne  viel  Federlesens  alles 
zuschreibt,  was  unsere  Liederhss.  unter  'Burggraf  von 
Regensburg'  und  'Burggraf  von  Rietenburg'  überliefern. 

Die  Verwegenheit,  mit  der  hier  beständig  Gründe  und 
Kombinationen  aus  der  Luft  heruntergeholt,  die  Leicht- 
fertigkeit, mit  der  allgemeine  Behauptungen  aufgestellt 
und  (besonders  auf  S.  116)  alsbald  in  Sperrdruck  der  Welt 
verkündigt  werden,  dabei  die  ungenügende  Kenntnis  der 
neuen  Litteratur  (z.  B.  über  die  Regensburger  Minnesänger, 
die  Würzburger  Immunitäten)  und  das  Totschweigen  aller 
Gegengründe,  auch  der  längst  präcis  formulierten,  das 
alles  in  dieser  Häufung  ist,  Gott  sei  Dank !  selbst  bei  den 
Germanisten  ungewöhnlich. 

So  luftigen  Ausführungen  gegenüber  halte  ich  vor- 
läufig an  allen  Behauptungen  meiner  Einleitung  fest  — 
ausser  an  denen,  die  ich  in  den  Herrn  N.  unbekannt  ge- 
bliebenen Nachträgen  S.  438  ff.  selbst  zurückgenommen  habe. 
Insbesondere  die  Identität  des  Hauptverfassers  der  Kehr, 
mit  Konrad  von  Regensburg,  dem  Dichter  des  Rolands- 
liedes, hat  bisher  jeder  bestätigt,  der  tiefer  in  den  Gegen- 
stand eingedrungen  ist,  so  zuletzt  noch  Kraus,  Deutsche 
Gedichte  des  12.  Jhs.  (Halle  1894)  S.  137.  181.  Mein  Buch 
über  den  Dichter  und  die  Litteratur  seiner  Zeit  hoffe  ich 
nach  einem  Besuch  der  Münchener  Hof-  und  Staatsbiblio- 
thek in  den  Osterferien  1895  endlich  abzuschliessen. 

Edw.  Sehr. 

133.  Im  Korrespondenzblatt  der  Westdeutschen 
Zeitschr.  1894  S.  217  ff.  veröffentlicht  H.  Kell  et  er  aus 
einer  Hs.  des  Kölner  Domarchivs  eine  Notiz  über  die 
Helenareliquien  in  St.  Gereon  zu  Köln,  aus  der  sich 
ergiebt,  dass  diese  erst  nach  1135  hierhin  und  nach 
S.  Cassius  in  Bonn  gekommen  sein  können,  sowie  einen 
manche  neue  Einzelheiten  bietenden  Bericht  über  die  Er- 
schlagung des  Grafen  Wilhelm  IV.  von  Jülich  zu 
Aachen  am   16.  März  1278. 

134.  In  der  Alemannia  XXII,  123  ff.  giebt  P.  Joa- 
chimsohn Mittheilungen  über  Wittwers  Catalog.  abbat, 
mon.  SS.  Udalrici  et  Afrae  August.,  sowie  über  einen 
bis  1216  reichenden  und  wahrscheinlich  bald  nachher  ge- 
schriebenen Abtskatalog  in  Cod.  80  der  bischöfl.  Biblio- 
thek zu  Augsburg,  der   noch  ungedruckt  ist.     Im  Anhang 


Nachrichten.  489 

publiziert   er   Stücke   aus   der  Chrouik   in  Cgm.  213    (vgl. 
N.  A.  XX,  246  n.  36)  und  Wittwers  Katalog. 

135.  Die  von  A.  Gaudenzi  gefundene  Chronik  des 
Eichard  von  S.Germano  (vgl.  N.  A.  XIV,  628,  n.  185) 
bestimmt  A.  Winkelmann  (Mittheil.  d.  Inst,  für  öst.  Ge- 
schichtsforsch.  XV,  600  ff.)  als  eine  für  den  Abt  Stephan 
von  Montecassino  1220 — 1222  begonnene,  bis  1226  geführte 
Klosterchronik,  welche  Eichard  nach  Stephans  Tode 
zu  der  in  den  Mon.  Germ,  vorliegenden  Eeichschronik, 
mit  einer  Friedrich  II.  günstigeren  Auffassung,  umarbeitete. 
Beide  Werke  haben  nebeneinander  Werth.  —  Unabhängig 
von  W.  hat  H.  Loewe,  Eichard  von  S.  Germano  u.  d. 
ältere  Eedaktion  seiner  Chronik  (Diss.  Berlin,  1894),  in 
breiter  Untersuchung  ähnliche  Ergebnisse  gewonnen.  Dass 
die  Klosterchronik  von  Eichard  je  veröffentlicht  worden 
sei,  scheint  mir  allerdings  mit  W.  unglaubwürdig.  Auch 
ist  mindestens  zweifelhaft,  ob  die  im  Prolog  der  älteren 
Fassung  erwähnte  'promotio'  sich  auf  Eichards  Ernennung 
zum  Notar  bezieht,  wie  L.  mit  Gaudenzi  in  der  Uebersicht 
über  Eichards  Leben  annimmt.  H.  Bl. 

136.  P.  Ei  cht  er  (Mittheil.  d.  Inst.  f.  öst.  Geschichts- 
forsch.  XV,  561  ff.)  behandelt  in  Verfolg  seiner  Beiträge 
zur  Historiographie  in  den  Kreuzfahrerstaaten  (vgl.  N.  A. 
XVIII,  354,  n.  33)  die  Estoire  d'Eracles,  deren  einheit- 
licher Theil  1205 — 1248  zu  den  Plazentiner  und  Genueser 
Annalen  und  auch  zu  der  von  Holder-Egger  (N.  A.  XVI, 
299  ff.)  besprochenen  Arbeit  des  italienischen  Klerikers 
aus  der  Umgebung  des  Pelagius  in  Beziehung  steht,  ferner 
die  Annales  de  terre  sainte  und  kommt  auf  die  Me- 
moiren des  Philipp  de  Nevaire  zurück.       H.  Bl. 

137.  Das  sog.  Christiani  Chronicon  Mogunti- 
num  untersucht  E.  Schwarz  (Archiv  f.  hess.  Geschichte 
N.  F.  I,  523  ff.)  auf  Quellen  und  Entstehung,  und  be- 
gründet mit  seiner  kirchenpolitischen  Tendenz  den  geringen 
historischen  Werth;  den  Autor  C.  —  die  Auflösung  Chri- 
stian lehnt  S.  ab  —  hält  er  für  einen  Cisterciensermönch, 
vielleicht  des  Salzburger  Sprengeis.  H.  Bl. 

138.  In  den  Nachrichten  der  Gesellsch.  der  Wissen- 
schaften zu  Göttingen  1894,  n.  4  (Phil.-hist.  Kl.)  hat  L.  Wei- 
land ein  merkwürdiges  Bruchstück  einer  niederrheini- 
schen Papst-  und  Kaiserchronik  aus  dem  Anfang  des 
14.  Jh.  mitgetheilt,  das  W.  Meyer  auf  einem  dem  Göttinger 
diplomatischen  Apparat  gehörigen  Pergamentblatt  entdeckt 


490  Nachrichten. 

hat.  Das  Bruchstück  steht  mit  keiner  bisher  bekannten 
Chronik  in  Verwandtschaft;  interessant  ist  namentlich  in 
c.  9  die  Erzählung-  von  K.  Albrechts  Plan,  Deutschland 
mit  Hülfe  Philipps  IV.  von  Frankreich  und  unter  Ab- 
tretung des  linken  Rheinufers  in  eine  Erbmonarchie  zu 
verwandeln. 

139.  In  Erwiederung  auf  einen  Hinweis  von  F.  Ga- 
botto (Nuovo  Archivio  Veneto  VII,  423),  der  die  Benutzung 
des  (Gedichtes  des  Pace  dal  Friuli  (vgl.  N.  A.  XIX,  501, 
n.  194)  bei  G.  Merula,  Historia  Vicecomitum  bemerkte,  be- 
spricht L.  A.  Ferrai  im  Arch.  stör.  Lombardo  N.  S.  II, 
157  ff.  den  seiner  Meinung  nach  von  Grabotto  zu  hoch  ge- 
schätzten historischen  Werth  des  Bruchstückes.     H.  Bl. 

140.  Der  aus  S.  Denis  stammende  cod.  Vat.  Reg.  370 
enthält  nach  L.  Auvray  (Bull,  de  la  soc.  de  l'hist.  de 
Paris  XXI,  67  ff.)  einen  grossen  Theil  des  Wilhelm  von 
O  c  c  a  m ,  dialogus  de  potest.  imperiali  et  papali  (Goldast, 
Monarchia  III,  398 — 739),  den  Architrenius  des  Johann 
von  Hauvilla  und  einige  Gedichte  des  sogen.  Bernard us 
Silvester.  Die  Autorschaft  einiger  anderer  Gedichte, 
deren  eines  veröffentlicht  wird,  bleibt  zweifelhaft. 

H.  Bl. 

141.  J.  Hürbin  hat  auf  seine  Publication  des  Li- 
bellus  de  caesarea  monarchia  Peters  von  Andlau  (vgl. 
N.  A.  XVIII,  707,  n.  127)  den  ersten  Theil  einer  Biographie 
des  hervorragenden  Mannes  folgen  lassen  (Luzern,  Räber 
1894). 

142.  A.  Kneer,  Entstehung  der  konziliaren  Theorie 
(Rom.  Quartalschr.  Suppl.  I)  zeigt  nach  einer  Analyse  der 
Schriften  Heinrichs  von  Langenstein,  dass  der  vom 
Konzil  handelnde  Theil  seiner  Epistola  concilii  pacis  (bisher 
'consilium  pacis  de  unione  ac  reformatione  ecclesiae'  ge- 
nannt) der  1380  verfassten  Epistola  concordiae  des  Konrad 
von  Gelnhausen  entlehnt  ist.  Im  Anhang  werden  aus 
Heinrichs  Invectiva  contra  monstrum  Babylonis  die  im 
Drucke  von  der  Hardts  fehlenden  Verse  mitgetheilt  und 
seine  Epistola  de  cathedra  Petri  ohne  die  Eingangs-  und 
Schlussverse  abgedruckt.  H.  Bl. 

143.  Th.  Ludwig,  Die  Konstanzer  Geschichts- 
schreibung bis  zum  18.  Jahrh.  (Diss.  Strassburg,  Trübner 
1894)  führt  in  sorgfältiger,  auf  umfassende  hsl.  Studien 
begründeter  Darlegung  den  Nachweis,  dass  die  reichhaltige 
Historiographie   der  Stadt   und   des  Bisthums  vom  15.  Jh. 


Nachrichten.  491 

an  in  ihren  Konstanzer  Nachrichten  hauptsächlich  auf  eine 
1397  verfasste,  in  der  ursprünglichen  Form  verlorene  Chro- 
nik des  Seckelmeisters  Johann  Stetter  zurückgehe;  in 
dieser  findet  er  Reste  älterer  Bischofs-  und  Stadtnach- 
richten bis  ins  12.  Jahrb..  hinein  (vgl.  Arndt,  N.  A.  IV, 
199  ff.)  wieder.  In  2  Excursen  werden  Eupperts  Ausgabe 
der  Chroniken  der  Stadt  Konstanz  (vgl.  N.  A.  XVIII,  355, 
n.  37)  und  Mone's  Ausgabe  des  Chronicon  Constantiense 
besprochen.  H.  Bl. 

144.  Eine  ausführliche  Untersuchung  über  die  Hss. 
der  Konstanzer  Concilschronik  des  Ulrich  von  Eiche n- 
t  h  a  1  veröffentlicht  E.  K  a  u  t  z  s  c  h  in  der  Zeitschr.  f.  Gesch. 
des  Oberrheins  N.  F.  IX,  443  ff.  Dabei  ist  vorwiegend  auf 
den  Bilderkreis  des  Werks  Eücksicht  genommen,  während 
es  nicht  die  Absicht  des  Verf.  war,  ein  abschliessendes 
Urtheil  über  die  Textverhältnisse  der  verschiedenen  Hss.  (9) 
zu  gewinnen. 

145.  Das  Itinerar  Papst  Martins  V.  von  Kon- 
stanz bis  Eom  (16.  Mai  1418  —  28.  Sept.  1420)  stellt 
F.  Miltenberger  (Mitth.  d.  Inst.  f.  öst.  Geschichtsforsch. 
XV,  661  ff.)  aus  ungedrucktem  Material  des  Vatikan. 
Archivs  zusammen.  H.  Bl. 

146.  In  dem  Centralblatt  für  Bibliothekswesen  XI, 
433  —  483  giebt  Arthur  Wyss  eine  scharfe  und  ein- 
gehende Kritik  von  Altmanns  Ausgabe  des  Eberh.  Win- 
deck (N.  A.  XIX,  488,  n.  129),  welche  reich  an  positiven 
Ergebnissen  eigener  Forschung  ist.  Neben  manchen  Aus- 
stellungen an  dem  Text  gelangt  W.  namentlich  zu  einer 
ganz  abweichenden  Auffassung  der  hsl.  Grundlagen,  indem 
er  nur  H  als  das  ursprüngliche  Sigmundbuch,  alle  übrigen 
Hss.  als  Abkömmlinge  einer  nach  Windecks  Tode  1443 
hergestellten  illustrierten  Ausgabe  betrachtet,  die  sowohl 
Verkürzungen  als  Einschiebsel  aufweist.  Innerhalb  dieser 
letzteren  Gruppe  wird  die  Identität  von  E  und  C  nach- 
gewiesen und  für  V  *  die  Ergänzung  einiger  Lücken  durch 
3  Blätter  in  Wiesbaden  dargethan,  während  für  dieselbe 
Hs.  die  Benutzung  in  einer  etwas  jüngeren  Speirischen 
Chronik  von  Bedeutung  ist.  Auch  für  die  Lebensumstände 
Windecks  bringt  W.  einige  werthvolle  Nachträge.      E.  D. 

[Auch  auf  Bemerkungen  von  E.  Fester,  Zeitschr.  f. 
Gesch.  des  Oberrheins  N.  F.  IX,  329  ff.,  sei  hier  hingewiesen, 
wo  gleichfalls  auf  die  Beziehung  zu  der  Speirer  Chronik 
aufmerksam  gemacht  und  überdies  das  Verhältnis  der  Hs. 


492  Nachrichten. 

V2  und  der  Hs.  Jordans   zu   der  Chronik    des  Eeinbold 
Siecht  erörtert  ist.     H.  B.] 

147.  F.  Eoth  bringt  in  Bd.  XXIII  der  Chroniken 
der  deutschen  Städte  einen  erstmaligen  Druck  der  die  Zeit 
von  den  Anfängen  der  Stadt  bis  1536  unifassenden  Augs- 
burger Chronik  des  Benediktiners  Clemens  Sender 
von  St.  Ulrich  und  Afra.  Sie  ist  ein  Auszug  aus  desselben 
Verfassers  Chronographia  und  z.  Th.  bekannt  aus  der  einen 
anderen  Auszug  dieses  Werkes  darstellenden,  aber  nicht 
von  Sender  herrührenden  Relatio  de  ortu  et  progressu  hae- 
resum  etc.  (Ingolstadt  1654).  —  Ein  Anhang  giebt  aus  den 
Fortsetzungen  der  Mülich'schen  Chronik  von  Deiner, 
Walther  und  Rem  das  von  Sender  nicht  Benutzte.     M.  M. 

148.  Im  Archiv  des  hist.  Vereins  f.  d.  Canton  Bern 
XIV,  97  ff.  hat  M.  v.  Diesbach  die  Berichte  des  Hans 
v.  d.  Gruben  über  eine  Reise  nach  Italien,  Spanien,  Frank- 
reich und  Deutschland  1447 — 50  und  über  eine  Reise  ins 
heilige  Land  1467  herausgegeben. 

149.  K.  Weinmann,  Bischof  Georg  von  Baden  und 
der  Metzer  Kapitelstreit  (Diss.  Strassburg  1894)  bespricht 
in  einer  Beilage  mehrere  mangelhaft  oder  noch  nicht  ge- 
druckte Metzer  Geschichtsquelle n  für  die  2.  Hälfte 
des  15.  Jahrh. ;  in  einer  2.  Beilage  werden  drei  unge- 
druckte Verträge  des  Bischofs  Georg  mit  dem  Pfalzgrafen 
Friedrich  vom  12.  Januar  1463  bekannt  gemacht.     H.  Bl. 

150.  In  den  Hansischen  Geschichtsblättern  1893, 
S.  105  ff.  theilt  F.  Bruns  einen  bisher  unbekannten  Be- 
richt über  die  Kopenhagener  Hochzeitsfeierlichkeiten  von 
1478  mit  und  weist  ihn  als  Quelle  des  in  der  Ztschr.  des 
Vereins  f.  Lüb.  Gesch.  IV,  283  ff.  mitgetheilten  Berichtes 
nach,  auf  welchem  wiederum  die  Darstellung  der  Lübecki- 
schen Chronik  beruht. 

151.  Während  man  bisher  aus  einer  Stelle  der  Con- 
stitutiones  de  foresta  des  Pseudo-Knut  auf  die  Benutzung 
einer  sonst  unbekannten  Hs.  der  Lex  Angliorum  et 
Werinorum  geschlossen  hatte,  zeigt  F.  Liebermann  in 
der  Zeitschr.  der  Savignystiftung  f.  Rechtsgesch.  Germ. 
Abtheil.  XV,  174  dass  daselbst  statt  'secundum  legem 
Werinorum  i.  e.  Thuringorum'  zu  lesen  ist  'sec.  leg.  Mer- 
cinorum'.  —  Bei  dieser  Gelegenheit  mag  auf  die  sehr  sorg- 
fältige Ausgabe,  die  Liebermann  von  den  Const.  de  foresta 
veranstaltet  hat  (Halle,  Niemeyer  1894),  hingewiesen  werden. 


Nachrichten.  493 

152.  M.  Gietl,  Hincmars  Collectio  de  ecclesiis  et  ca- 
pellis  (Hist.  Jahrb.  XV,  556  ff.)  weist  darauf  hin,  dass  die  von 
Gaudenzi  (Bibl.  iurid.  med.  aevi  II,  7  ff.)  unter  diesem  Titel 
herausgegebene  Abhandlung  nur  ein  Auszug  aus  der  ersten 
der  beiden  von  W.  G-undlach  (vgl.  N.  A.  XIV,  438,  n.  105) 
veröffentlichten  Schriften  Hincmars  ist.  Inhalt  und  Quellen 
der  zwischen  Ende  857  und  März  858  verfassten  Schrift 
werden  besprochen.  —  Die  zweite  der  von  Gaudenzi  a.  a.  O. 
veröffentlichten  Schriften,  S.  7  als  Admonitio  contra  eccle- 
siast.  rerum  raptores  et  pauperum  oppressores  bezeichnet, 
ist  nahezu  identisch  mit  dem  zweiten  Theile  des  von  Hinc- 
mar  verfassten  Schreibens  der  Synode  von  Tusey  860. 

M.  M. 

153.  In  den  Melanges  d'archeologie  et  d'hist.  XIV, 
147  ff.  285  ff.  untersucht  P.  Fournier  die  canonistische 
Sammlung  'Diversorum  patrum  sententiae'  in  74  Titeln, 
über  welche  u.  a.  Thaner  in  den  Wiener  SB.  Bd.  89  ge- 
handelt hat.  Er  zählt  17  Hss.  auf,  theilt  die  Rubriken, 
sowie  incipit  und  explicit  jedes  Titels  mit,  führt  250  der 
315  Fragmente  auf  Pseudo-Isidor  zurück  und  nimmt  an, 
dass  die  Sammlung  unter  Leo  IX.  entstanden  sei.  Benutzt 
ist  sie  von  Anselin  von  Lucca,  Bernold  und  Manegold. 

154.  Wichtige  Untersuchungen  zur  Geschichte  des 
Irnerius  von  Bologna  hat  H.  Fitting  in  den  ge- 
lehrten und  scharfsinnigen  Einleitungen  der  Ausgaben 
zweier  Werke,  der  Questiones  de  iuris  subtilitatibus  und 
der  Summa  codicis  (beide  Berlin,  Guttentag  1894,  die 
erste  als  Festschrift  zum  Hallenser  Universitäts Jubiläum) 
niedergelegt,  welche  er  mit  sehr  erheblichen  Gründen 
dem  Irnerius  zuweist.  Es  ergiebt  sich  danach,  dass 
Irnerius  um  1082  in  Rom  als  Lehrer  gewirkt  hat,  wo 
die  Questiones  entstanden  sind  und  die  Existenz  einer 
Schule  des  römischen  Rechts  beweisen.  Die  Questiones 
haben,  abgesehen  von  ihrer  Bedeutung  für  die  juristische 
Literaturgeschichte,  auch  ein  namhaftes  allgemein  histori- 
sches Interesse  durch  eine  Reihe  von  Aeusserungen  (I,  10 
— 16.  IV,  3 — 9),  welche  sich  auf  die  Anschauungen  wenig- 
stens der  römischen  Juristen  über  römisches  Recht  und 
germanische  Volksrechte,  überhaupt  über  die  Stellung 
Roms  einer-,  der  'reges  transalpini'  andererseits  im  römi- 
schen Reich  beziehen. 

155.  Ph.  Heck,  Die  altfriesische  Gerichtsverfassung, 
mit     sprachwissenschaftlichen    Beiträgen    von    Th.    Siebs, 


494  Nachrichten. 

(Weimar,  Böhlau  1894),  beginnt  mit  einer  Uebersicht  über 
die  Quellen  der  friesischen  Gerichtsverfassung-. 
—  Den  Namen  des  Rudolfsbuches  leitet  H.  (Beilage  VIII) 
nicht  von  Rudolf  von  Habsburg,  sondern  von  dem  Gegen- 
könig Rudolf  von  Schwaben  her;  es  ist  in  der  1.  Hälfte 
des  13.  Jh.  von  einem  sonst  unbekannten  Herderich  ver- 
fasst.  —  Siebs  giebt  (Beilage  XI)  vorläufige  Mittheilungen 
über  die  von  ihm  in  Oxford  abgeschriebenen  Apographa 
Iuniana  des  Codex  Gabbemae,  in  denen  wir  eine  ältere, 
zuverlässigere  Ueberlieferung  des  westerlauwerschen  Land- 
rechts gewinnen.  M.  M. 

156.  Im  Arch.  stör.  Italiano  Ser.  V,  t.  XIII,  249  ff. 
theilt  C.  de  Stefan i  bisher  unbekannte  Bruchstücke  der 
Statuten  von  Lucca  mit,  die  aus  den  Jahren  1224  und 
1232  stammen. 

157.  Interessante  juristische  Gutachten  über 
die  aus  den  Beziehungen  Heinrichs  VII.  zu  Clemens  V. 
und  Robert  von  Neapel  sich  ergebenden  Rechtsverhältnisse 
hat  P.  Gachon  aus  einer  Hs.  des  Departementalarchivs 
zu  Mende  (Lozere)  in  den  Memoires  de  la  soc.  archeol.  de 
Montpellier  1894  herausgegeben.  Leider  ist  die  Ausgabe 
nicht  befriedigend;  im  Text  sind  viele  ganz  handgreifliche 
und  leicht  zu  emendierende  Fehler  unverbessert  geblieben, 
die  Interpunktion  ist  sehr  mangelhaft,  und  die  Erörterun- 
gen des  Herausgebers  über  die  Datierung  der  Dokumente 
und  ihr  Verhältnis  zu  einander  bedürfen  gründlichster 
Revision. 

158.  In  der  Zeitschr.  der  Savignystift.  f.  Rechtsgesch. 
Germ.  Abth.  XV,  168  ff.  veröffentlicht  Ch.  Meyer  aus 
Cgm.  1524  eine  Rechtsaufzeichnung  des  mittelfränki- 
schen Klosters  Heidenheim  vom  J.  1400. 

159.  In  der  Zeitschr.  des  Harzvereins  XXVII,  91  ff. 
veröffentlicht  und  erläutert  G.  Bode  die  allerdings  schon 
zweimal  herausgegebenen  Satzungen  des  Forstdinges 
zu  Goslar  aus  dem  15.  Jh.  mit  Nachträgen  bis  1552. 

160.  In  der  Byzantin.  Zeitschr.  III,  630  ff.  bespricht 
E.  Kurtz  zwei  russische  bereits  1875  und  1889  erschienene, 
aber  in  Deutschland  kaum  beachtete  Untersuchungen  von 
Vasiljewski  und  Bezobrazoff  über  die  Correspondenz 
zwischen  Kaiser  Michael  VII.  Ducas  und  Robert 
Guiscard.  In  der  ersten  wird  ausgeführt,  dass  der 
Adressat  zweier  Briefe  des  Kaisers,  mit  einer  Brautwerbung 
für   seinen   Bruder   Konstantin,    nicht,   wie   Sathas   u.   a. 


Nachrichten.  495 

annahmen,  Robert  Guiscard,  sondern  ein  Kiewscher  Theil- 
f ürst  sei ;  die  zweite  giebt  aus  Cod.  Laurent.  Plut.  LVII,  40 
die  Uebersetzung  eines  Briefes  des  Kaisers  vom  Aug.  1074 
betreffend  die  Ehe  seines  Sohnes  Konstantin  mit  Roberts 
Tochter  Helene. 

161.  In  der  Verhandl.  des  Hist.  Vereins  f.  Oberpfalz 
und  Regensburg  XL  VI,  263  ff.  handelt  B.  Sepp  neuer- 
dings über  Paul  und  G  e  b  h  a  r  d ,  die  Gründer  des  Klosters 
St.  Mang  in  Stadtamhof  (vgl.  Wattenbach,  GQ.  II6,  268. 
519).  S.  269  ff.  wird  der  Briefwechsel  der  beiden  mit  den 
Mailändern,  der  bisher  nicht  an  einer  Stelle  vereinigt  war, 
allerdings  ohne  Vergleichung  der  Hss.,  neu  abgedruckt, 
im  Anhang  ein  Neudruck  von  6  Urkunden  (1138 — 1147)  des 
Klosters  St.  Mang  gegeben. 

162.  In  der  Bibl.  de  l'ecole  des  chartes  LV,  563 
wird  aus  den  Etudes  religieuses  LXII,  322  ein  Brief  des 
h.  Bernhard  abgedruckt,  geschrieben  nach  der  Versamm- 
lung von  Chartres  7.  Mai  1150,  worin  Peter  von  Cluny 
eingeladen  wird,  sich  an  einer  auf  den  15.  Juli  anberaumten 
Versammlung  zu  Compiegne  zu  betheiligen,  die  sich  mit 
den  Angelegenheiten  des  h.  Landes  beschäftigen  sollte. 

163.  In  den  Beiträgen  zur  Kunde  Steiermark.  Ge- 
schichtsquellen XXVI,  21  ff.  theilt  J.  Loserth  aus  einer 
Grazer  Hs.  des  Boncompagno  einige  zwar  fingierte,  aber 
doch  auf  gewisser  Kunde  von  den  wirklichen  Verhältnissen 
beruhende  Briefe  zur  Geschichte  der  letzten  Baben- 
berger  mit. 

164.  Von  der  Ausgabe  der  Schriften  des  Guido 
Faba,  welche  A.  Gaudenzi  in  'il  Propugnatore'  besorgt 
(vgl.  N.  A.  XVI,  454,  n.  160;  XVII,  232,  n.  44;  XVIII,  712, 
n.  154),  sind  in  T.  VI  der  N.  Serie  die  Epistolae  erschienen. 
Der  letzte  Brief  der  Hs.  ist  eine  spätere  Zuthat;  ein 
Gratulationsschreiben  an  Elisabeth,  Karls  IV.  Gemahlin,  zur 
Geburt  einer  Tochter  [Anna,   11.  Jul.   1366]. 

165.  Von  der  werthvollen  Wiener  Brief  Sammlung, 
die  A.  Starzer  in  Cod.  Vat.  Ottobon.  2115  (saec.  XIII.  ex. 
oder  XIV.  in.)  entdeckt  hat,  hat  nach  dessen  Abschriften 
0.  Redlich  im  2.  Bd.  der  Mittheilungen  a.  d.  Vatikan. 
Archiv  (Wien,  Tempsky  1894)  eine  vortreffliche  Ausgabe 
veranstaltet.  Die  Brief  Sammlung  zerfällt  —  mit  der  Summa 
des  Johannes  von  Bologna  beginnend  —  in  zwei  Theile,  deren 
erster,  217  bisher  so  gut  wie  ganz  unbekannte  Stücke  ent- 


496  Nachrichten. 

haltend,  wahrscheinlich  von  Gottfried,  dem  Protonotar 
Herzog  Albrechts  I.  von  Oesterreich  compiliert  ist,  aber 
auch  beträchtliche  aus  der  Kanzlei  König  Rudolfs  stammende 
Materialien,  vielleicht  z.  Th.  gesammelt  von  dem  gleich- 
namigen Protonotar  des  Königs,  enthält.  Den  Compilator 
des  ersten  sieht  R.  auch  als  den  Redactor  des  2.  Theiles 
der  Briefsammlung  an,  welcher  mit  den  von  Kretzschmar 
untersuchten,  auf  den  Notar  Andreas  von  Rode  zurück- 
gehenden rudolfinischen  Formularbüchern  im  engsten  Zu- 
sammenhang steht;  das  neue  Material  hat  R.  zu  einer 
Modifikation  der  Ansichten  Kretzschmars  über  die  ver- 
schiedenen Redactionen  dieser  Formularbücher  Anlass  und 
Mittel  gegeben.  Verbunden  mit  der  Briefsammlung  sind 
Sammlungen  von  Exordia,  (z.  Th.  auf  Guido  Faba  zurück- 
gehend), Salutationes,  Sententiae  und  einige  Verse,  darunter 
ein  begeistertes  Lobgedicht  auf  Wien.  Die  Sammlung 
enthält,  wie  R.  ausführt,  durchaus  echtes  Material,  wenn 
auch  nicht  frei  von  Ueberarbeitung;  ihr  historischer  Werth 
ist  sehr  bedeutend,  ihre  Benutzung  erleichtern  ein  reich- 
haltiger Commentar  und  sorgfältige  Register. 

166.  In  der  Karinthia  I,  1894  S.  65  ff.  beschreibt 
G.  Hann  drei  bemalte  Indulgenzbriefe  von  1334. 
1512.  1515  im  Archiv  des  kärnthnischen  Geschichtsvereins 
für  Klagenfurt. 

167.  In  dem  N.  Archiv  f.  sächs.  Gesch.  u.  Alterthums- 
kunde  XV,  317  ff.  theilt  W.  Lippert  einige  auf  einem 
Pergamentdeckel  des  Dresdener  Hauptstaatsarchivs  gefun- 
dene Einträge  mit,  die  aus  einem  Briefe  der  Kurfürstin 
Margarete  von  Sachsen  vom  J.  1436,  sowie  aus  anna- 
lis tischen  Notizen  für  die  J.  1450  — 1463  bestehen, 
unter  denen  besonders  der  Geburtstag  Friedrichs  des  Weisen 
bemerkens werth  ist.  E.  D. 

168.  Der  erste  Band  der  Politischen  Correspon- 
denz  des  Kurfürsten  Alb  recht  Achilles  (Publik, 
aus  den  preuss.  Staatsarchiven  Bd.  59,  Leipzig,  Hirzel  1894) 
bringt,  nach  einer  die  wissenschaftlichen  Ergebnisse  dar- 
legenden Einleitung  des  Herausgebers  F.  Priebatsch, 
1034  Briefe  von  der  Uebertragung  der  Kur  an  Albrecht 
Achill  (etwa  1.  April  1470)  bis  zu  dem  Breslauer  Beifrieden 
im  Dezember  1474.  H.  Bl. 

169.  In  der  Zeitschr.  f.  Gesch.  des  Oberrheins  N.  F. 
IX,  718  ff.  veröffentlicht  Weiss  einen  Brief  aus  dem 
Feldlager   vor   Neuss,    in   welchem    ein   Theilnehmer   an 


Nachrichten.  497 

dein  Zuge  gegen  Neuss   über   die  Vorgänge   vom   24.  Apr. 
bis  24.  Mai  1475  berichtet. 

170.  Aus  dem  zweibändigen  Werke  von  W.  Mar- 
tens,  Gregor  VII..  sein  Leben  und  Wirken  (Leipzig. 
Duncker  und  Humblot  1894),  kommen  neben  dem  Abschnitt 
über  die  Litteratur  der  Zeit  (II,  137  ff.)  an  dieser  Stelle  die 
beiden  Excurse  über  Gregors  Registrum  (II,  298  ff.) 
und  den  Dictatus  papae  (II,  314  ff.)  in  Betracht.  M. 
hält  das  Kegistrum  für  einen  privaten,  zur  Orientierung 
über  die  Kirchenpolitik  des  Papstes  hergestellten,  zwischen 
1085  und  1086  abgeschlosseneu  Auszug  aus  dem  vollstän- 
digeren Register.  Den  von  ihm  mit  Kommentar  versehenen 
Dictatus  ist  er  geneigt,  mit  Sackur  (NA.  XVIII,  137  ff.) 
für  eine  Arbeit  Deusdedits  zu  halten.  Zahlreiche  kritische 
Bemerkungen,  auf  die  hier  nicht  eingegangen  werden  kann, 
sind  über  das  ganze  Werk  verstreut;  bei  der  Beurtheilung 
Lamberts  stimmt  M.  im  wesentlichen  mit  Holder-Egger 
überein.  H.  Bl. 

171.  R.  Graf  Nostitz-Rieneck  veröffentlicht  im 
3.  Jahresber.  des  Privatgymnasiums  zu  Feldkirch  (1894)  die 
päpstliche  Ausfertigung  des  Wormser  Concordats  in 
der  Fassung  des  cod.  Paris,  lat.  9631  und  kommt  im  An- 
schluss  daran  auf  die  Frage  zurück,  ob  die  Worte  'absque 
omni  exactione'  wirklich  als  Interpolation  betrachtet  wer- 
den müssen. 

172.  Unter  den  von  P.  M.  Baumgarten  aus  Mss. 
des  British  Museum  veröffentlichten  Papsturkunden 
sind  bisher  unbekannt:  Innocenz  IL  1133  Oktober  9; 
Urban  III.  1185  Dezember  17.  1185  Dezember  18  (2  Stück). 
1186  —  87  Juni  23;  Clemens  III.  1187  Dezember.  J.-L. 
13722.  14964.  15204.  15205  werden  mit  gebessertem  Text 
und  z.  Th.  besserer  Datierung  gegeben.  H.  Bl. 

173.  P.  Fabre,  Massa  d'Arno,  Massa  di  Bagno,  Massa 
Trabaria  (Arch.  della  Soc.  Rom.  di  storia  patria  XVII, 
5  ff.)  fügt  einer  Untersuchung  über  diese  dem  Römischen 
Stuhl  zugehörigen  Gebiete  ein  Bruchstück  eines  Registers 
von  1278  aus  dem  Stadtarchiv  von  Cittä  di  Castello  hinzu, 
das  fünf  Urkunden  Nikolaus  III.  vom  28. —  30.  April 
1278  enthält.  H.  Bl. 

174.  Eine  Publikation  von  hervorragender  Wichtig- 
keit für  die  Lehre  vom  Urkundenwesen  der  Päpste  im 
späteren  Mittelalter  verdanken  wir  M.  Tangl,  der  ldie 
päpstlichen     Kanzleiordnungen     von     1200  — 1500' 


498  Nachrichten. 

(Innsbruck,  Wagner  1894)  mit  musterhafter  Sorgfalt  heraus- 
gegeben hat  (darunter  viele  bisher  ganz  unbekannte,  erst 
von  ihm  entdeckte  Stücke,  vgl.  N.  A.  XV,  221,  n.  45) 
und  in  einer  höchst  lehrreichen  Einleitung  über  die  Ent- 
stehungsverhältnisse der  päpstlichen  Kanzleibücher  und 
-Ordnungen  handelt. 

175.  In  einer  Zusammenstellung  der  Fälle,  in  denen 
die  Päpste  sich  auf  die  Konstantinische  Schenkung- 
berufen  haben,  tritt  F.  Zink  eisen  (Engl.  Historical  Re- 
view IX,  625  ff.)  dafür  ein,  dass  die  Fälschung  erst  im 
Laufe  des  XV.  Jahrh.  ihre  Hauptbedeutung  erhalten  habe. 
An  ihrer  Verwerthung  durch  Stephan  IL,  Gregor  VII., 
Hadrian  IV.  glaubt  er  zweifeln  zu  dürfen.        H.  Bl. 

176.  Als  Anhang  zu  der  nachgelassenen  Arbeit 
J.  Havets  (vgl.  N.  A.  XX,  239,  n.  12)  werden  in  der  Bibl. 
de  l'ecole  des  chartes  LV,  306  ff.  12  von  ihm  für  den  Druck 
vorbereitete  Urkunden  der  Merowinger zeit  veröffent- 
licht, darunter  MG.  DD.  ed.  Pertz  122,  n.  6  zu  596  Juni  8. 
190,  n.  74.  191,  n.  75,  alle  drei  als  interpoliert.     H.  Bl. 

177.  Ph.  Heck  in  seinem  oben  n.  155  angeführten 
Werke  tritt  (Beilage  VII)  gegen  von  Richthofen  für  die 
Meinung  von  Halsema  u.  a.  ein,  dass  das  gefälschte  Pri- 
vileg Karls  d.  Gr.  für  Friesland  (Mühlb.  386)  Kreuz- 
predigern des  Jahres  1247  seine  Entstehung  verdanke;  eine 
Versifikation,  nicht,  wie  Bichthofen  will,  ein  Vorläufer  des 
Privilegs  sei  das  friesische  Gedicht  in  den  Hunsingoer  Hss. 

178.  In  den  Analectes  pour  servir  ä  l'hist.  ecclesiast. 
de  la  Belgique  2  ser.  IX,  93 — 210  giebt  E.  Reusens  eine 
eingehende  und  sehr  scharfe  Kritik  der  Ausgabe  des  Lüt- 
ticher  Chartulars  von  Bormans  imd  Schoolmeesters 
(N.  A.  XIX,  716,  n.  264).  Angehängt  sind  1)  Neudrucke 
der  drei  DD.  Ludwigs  d.  Frommen,  Ludwigs  d. 
Kindes  und  Heinrichs  IL  (Mühlb.  803.  1990.  St.  1508) 
2)  eine  Sammlung  von  70  Lütticher  Urkunden  (1075 — 1248), 
die  theils  vollständig  theils  im  Regest  aus  neueren  Drucken 
wiederholt  werden,  während  sie  im  Chartular  und  dem- 
gemäss  auch  in  der  Ausgabe  desselben  fehlen.  Von  Wich- 
tigkeit für  die  Geschichte  der  Kanzlei  Ludwigs  d.  K.  ist 
der  durch  ein  Facsimile  des  Anfangs  der  Recognitionszeile 
geführte  Nachweis,  dass  in  Mühlb.  1990  wirklich  'Ernustus' 
und  nicht  'Ernuldus  cancellarius'  zu  lesen  ist.  —  Bormans 
hat    sich    gegen    die    ihm    gemachten    Vorwürfe    in    einer 


Nachrichten.  499 

eigenen  Broschüre  'La  Commission  royale  d'histoire  et  son 
detracteur    (Liege,  Poncelet  1894)  zu  vertheidigen  gesucht. 

179.  In  der  Zeitschr.  f.  Gesch.  des  Oberrheins  N.  F. 
IX,  389  ff.  handelt  W.  Wieg  and  eingehend  über  das 
D.  Lothars  I.  für  St.  Stephan  zu  Strassburg  Mühlb.  108(3 
(vgl.  N.  A.  XVII,  449,  n.  136).  Er  weist  überzeugend  nach, 
dass  es  auch  in  der  von  Fritz  neu  gefundenen  Ueber- 
lieferungsform,  die  sich  noch  in  weiteren  Gliedern  verfolgen 
lässt,  nicht  echt,  sondern  zusammen  mit  der  Immunität 
Ludwigs  d.  D.  Mühlb.  1379  und  wahrscheinlich  auch  mit 
der  Urk.  Bischof  Wernhers  (Strassb.  ÜB.  I,  n.  51)  in  der 
zweiten  Hälfte  des  12.  Jh.,  vielleich  1163,  von  einem 
Fälscher  hergestellt  ist,  dem  aber  noch  eine  echte  Schen- 
kungsurk.  Lothars  für  St.  Stephan  vorlag.  Im  Zusammen- 
hang mit  diesen  Trugwerken  steht  wahrscheinlich  auch 
eine  von  mir  beobachtete  Verfälschung  eines  Satzes  in  dem 
im  übrigen  echten  D.  Heinrichs  IL  für  Strassburg  St.  1341 
(DH.  IL  34). 

180.  Ueber  die  Ueberlieferung  der  Peterlinger, 
die  elsässischen  Besitzungen  betreffenden  Urkunden, 
namentlich  über  die  Quelle  Wurstisens  und  Tschudis,  ver- 
breiten die  Abschriften  eines  aus  Wetzlarer  Kammergerichts- 
akten stammenden  Rotels  Licht,  die  H.  Bresslau  (An- 
zeiger f.  Schweizer  Geschichte  1894  S. 79  ff.)  besprochen  hat; 
er  entnimmt  ihnen  eine  durch  Neuausfertigung  im  J.  1004 
zu  erklärende  bisher  unbekannte  Fassung  von  St.   1367. 

H.  Bl. 

181.  In  den  SB.  der  Münchener  Akademie,  hist. 
phil.  Cl.,  1894  S.  269  ff.  hat  E.  v.  Oefele  aus  einer  Stutt- 
garter Hs.  Konrad  Peutingers  Traditionsnotizen  des 
Klosters  Kühbach  herausgegeben,  die  für  die  bairische 
Territorialgeschichte  des  11.  und  12.  Jahrhs.  von  Interesse 
sind.  Dabei  bespricht  v.  Oefele  auch  die  in  der  Hs.  ent- 
haltenen DD.  Heinrichs  IL  und  Heinrichs  III. 
St.  1549.  2222,  auf  die  wir  demnächst  zurückkommen 
werden.  Unter  den  Traditionsnotizen  ist  die  wichtigste 
n.   11,  eine  Schenkung  der  Kaiserin  Kunigunde  betreffend. 

182.  Das  oben  S.  227  mitgetheilte  Placitum  Hein- 
richs V.  hat  gleichzeitig  C.  Cipolla  im  Nuovo  Arch. 
Veneto  VII,  321  ff.  mit  sachlichen  Erläuterungen  heraus- 
gegeben. 

183.  G.  Sforza,  Memorie  e  documenti  per  servire 
alla   storia   di  Pontremoli,    parte  II a,    Lucca  1887,  scheint 


500  Nachrichten. 

in  Deutschland  unbekannt  zu  sein.  Hier  ist  S.  251  zuerst 
die  Urk.  Heinrichs  VI.  gedruckt,  die  in  den  Const.  et 
Acta  I,  469  als  ineditum  bezeichnet  wird.  S.  259  der  Friede 
des  Trussard,  vgl.  Const.  I,  505.  Unbekannt  war  mir 
die  Urk.  Friedrichs  IL  d.  d.  Borge-  S.  Donnino  1248  März 
S.  294  =  Widerrufung  von  B.  F.  3503,  die  wegen  Undank- 
barkeit des  rebellierenden  Parma  erfolgt.  Die  übrigen  von 
Kaisern  ausgestellten  oder  auf  das  Reich  bezüglichen 
Urkk.,  die  Sforza  mittheilt,  waren  schon  gedruckt,  ohne 
dass  der  neue  Herausgeber,  wenn  er  hsl.  Quellen  folgt, 
auf  die  früheren  Publikationen  Rücksicht  nähme.     S.-B. 

184.  Auch  A.  F.  Giachi's  Saggio  di  ricerche  sto- 
riche  sopra  lo  stato  antico  e  moderno  di  Volterra,  seconda 
edizione  corredata  di  molti  documenti  che  rimasero  inediti 
nella  prima,  Volterra  1887,  möchte  kaum  über  die  Alpen 
gekommen  sein.  Das  Buch  enthält  viele  Papstbullen 
und  Kais  er  Urkunden.  Doch  sind  die  letzteren  jetzt 
ohne  Ausnahme  anderweitig  gedruckt :  S.  427  =  Mittheilungen 
d.  oest.  Inst.  V,  382,  S.  431  =  Mittheilungen  V,  381.  Es 
bleibt  nur  St.  4646  zu  erwähnen,  das  hier  S.  462  mit 
Zeugen,  Kanzler  und  Datar  erscheint.  B.  F.  1219  =  S.  571 
entbehrt  aiich  jetzt  noch  der  Zeugen  u.  s.  w.  Zwei  Urkk. 
kaiserl.  Legaten,  nämlich  des  Heinrich  Testa  vom  12.  III. 
1190  und  des  Kanzlers  Rudolf  vom  1.  X.  1282,  finden  sich 
S.  464,  576.  S.-B. 

185.  In  den  Melanges  d'archeologie  et  d'histoire 
XIV,  456  hat  Ed.  Jordan  eine  Urk.  Konradins  d.  d. 
'Augsburg  1267  August'  als  ungedruckt  mitgetheilt.  Aus 
gleicher  Quelle  hatte  sie  aber  schon  1883  Wüstenfeld  bei 
Pflugk-Harttung,  Iter  Ital.  688  veröffentlicht;  nur  ist  sein 
Text,  der  übrigens  auch  für  die  Nachträge  der  Regesta 
imperii  V  unbeachtet  blieb,  aufs  ärgste  entstellt,  so  fehlt 
z.  B.  der  Name  der  Grafschaft  (Chieti),  die  dem  Empfänger, 
Guido  von  Montefeltre,  nach  fränkischem  Rechte  zu  Lehen 
gegeben  wird.  Daher  hat  K.  Hampe,  Konradin  von 
Hohenstaufen,  S.  157,  die  Urk.  lediglich  als  Bestätigung 
alter  Besitzungen  der  Montefeltre  aufgefasst.  S.-B. 

186.  In  den  Verhandl.  des  hist.  Vereins  f.  Oberpfalz 
u.  Regensburg  XLVI,  1  ff.  veröffentlicht  K.  Schaube 
aus  einer  Hs.  des  Germ.  Museums  die  Abschrift  von 
5  Urkunden  Heinrichs  VII.  für  Regensburg  und  eine 
Liste  in  12  §§,  welche  weitere  Wünsche  der  Stadt  enthält. 
Sie  waren  offenbar  bestimmt,  Unterhändlern  der  Stadt  mit- 


Nachrichten.  501 

gegeben  zu  werden,  um  daraufhin  Bestätigung  und  Er- 
weiterung ihrer  Privilegien  zu  erwirken,  wie  Schaube 
annimmt,  als  die  Stadt  sich  an  Ludwig  d.  Baiern  anschloss, 
der  1315  in  der  That  einen  Theil  jener  Wünsche  erfüllte. 
Auffällig  ist  indess  bei  dieser  Annahme,  dass  in  mehreren 
§§  der  Wünsche  von  'deinen cia,  maiestas,  auctoritas  i  m  p  e  - 
rialis'  (statt  'regalis')  die  Rede  ist. 

187.  Einen  Anhang  zu  dem  theilweise  auf  unge- 
drucktem archivalischem  Material  beruhendem  Buche  von 
W.  Lippert,  Wettiner  und  Witteisbacher  sowie  die  Nieder- 
lausitz im  14.  Jahrhundert  (Dresden,  Baensch  1894)  bilden 
143  für  die  Geschichte  der  Niederlausitz  und  die  wetti- 
nische  Verwaltung  wichtige,  hier  zuerst  vollständig  oder 
im  Regest  gegebene  Urkunden,  darunter  6  Ludwigs 
des  Baiern,   13  Karls  IV.  H.  Bl. 

188.  Die  Urk.  Karls  IV.  für  Ingweiler  (Huber  490) 
ist  im  Jahrb.  f.  Geschichte,  Sprache  und  Literatur  Elsass- 
Lothringens  X,  63  vollständig  gedruckt. 

189.  Im  Jahrb.  des  hist.  Vereins  f.  d.  Kanton  Glarus 
XXX,  1  ff.  ist  ein  durch  die  Forschungen  Schulte's  (vgl. 
N.  A.  XIX,  499,  n.  184)  veranlasster  Aufsatz  von  G.  v. 
Wyss  über  die  Urkundenfälschungen  des  Aeg. 
Tschudi  abgedruckt,  der  hoffentlich  dazu  beitragen  wird, 
die  in  jenem  Lande  durch  die  Schulte'sche  Kritik  entstan- 
dene Erregung  zu  beschwichtigen. 

190.  In  den  Pisaner  Studi  storici  III,  189  ff.  be- 
spricht G.  Simone tti  die  ältesten  langobardischen 
Urkunden  des  erzbischöflichen  Archivs  von  Lucca.  Ein 
von  Paoli  verloren  geglaubtes  Stück  von  713  ist  wieder 
aufgefunden. 

191.  Im  Archiv  f.  Hess.  Gesch.  und  Alterth.  N.  F. 
I,  469  ff.  giebt  F.  Waller  einen  neuen  Abdruck  der  oft  be- 
sprochenen, inschriftlich  in  einer  Erneuerung  des  12.  oder 
13.  Jh.  erhaltenen  Heppenheimer  Grenzbeschrei- 
bung vom  J.  805. 

192.  Im  Archivio  della  R.  Soc.  Rom.  di  storia  patria 
XVII,  95  ff.  beendet  C.  Calisse  seine  Publication  von 
Montamiatiner  Urkunden  bis  1197  (vgl.  oben  S.  254, 
n.  75),  denen  eingehende  rechts-  und  wirthschaftsgeschicht- 
liche  sowie  diplomatische  Erläuterungen  hinzugefügt  sind. 

193.  In  der  Zeitschr.  f.  rom.  Philologie  XVIII,  138  ff. 
handelt  Oscar  Schultz  über  die  ältesten  Urkunden  in 

Neues  Archiv  etc.     XX.  33 


502  Nachrichten. 

sardischer  Sprache.  Als  die  einzige  wirklich  noch 
dem  Ende  des  11.  Jh.  angehörige  Originalurkunde  ergiebt 
sich  nach  seinen  auch  für  die  Geschichte  der  Insel  Sardi- 
nien beachtenswerthen  Untersuchungen  ein  in  Cagliari  aus- 
gestelltes, mit  griechischen  Buchstaben  geschriebenes  Do- 
cuinent  des  Marseiller  Archivs,  das  in  der  Bibl.  de  l'ecole 
des  chartes  t.  35,  256  f.    mit  Facsimile   herausgegeben  ist. 

194.  Excurs  II  einer  Berliner  Dissertation  von 
H.  Zander,  Sieben  Jahre  nordalbingischer  Geschichte 
nach  der  Schlacht  von  Bornhöved  (1894),  tritt  gegen  Frens- 
dorff  (Hans.  Geschichtsbl.  1876,  S.  136  ff.)  dafür  ein,  dass 
die  von  D  et  mar  ed.  Koppmann  I,  21  gegebene  Urkunde 
Uebersetzung  der  lateinischen  Rathswahlordnung  Hein- 
richs d.  Löwen  sei  und  sucht  aus  dem  Text  Detmars  auch 
noch  andere  von  ihm  benutzte  Urkunden  nachzuweisen. 
Vgl.  N.  A.  XIX,  714,  n.  258. 

195.  In  der  Karinthia  I,  1894,  S.  166  ff.  handelt 
A.  v.  Jaksch  über  die  älteste  Urkunde  des  Stadtarchivs 
zu  Friesach,  eine  in  deutscher  Uebersetzung  erhaltene, 
wahrscheinlich  1235  ausgestellte  Handwerksordnung  für  die 
Bruderschaft  der  Schuster  und  Lederer. 

196.  In  der  Zeitschr.  Württembergisch  Franken  V, 
1  ff.  giebt  D.  Kerler  urkundliche  Beiträge  zur  Gesch.  des 
Prämonstratenserinnen- Klosters  Schäftersheim  aus  einem 
Würzburger  Copialbuch  saec.  XV.  in  deutscher  Ueber- 
setzung.    Das  erste  bisher  unbekannte  Stück  ist  von  1260. 

197.  Im  Arch.  stör.  Italiano  ser.  V,  t.  XIV,  149  ff. 
veröffentlicht  G.  Papaleoni  drei  interessante  Urkunden 
zur  Geschichte  des  Schulwesens  im  Mittelalter.  In 
der  ersten  schliesst  1296  ein  Notar  aus  der  Gegend  von 
Arezzo  mit  dem  mag.  Bartolus,  Lehrer  der  Grammatik  in 
Montevarchi,  einen  Vertrag  über  den  Unterricht  seines 
Sohnes;  in  der  zweiten  von  1302  geben  15  Scholaren  aus 
Laterina  demselben  Wanderlehrer  ein  Zeugnis,  dass  er  sie 
gut  unterrichtet  habe;  in  der  dritten  von  1346  wird  eine 
Klage  eines  Florentiner  maestro  di  gramatica  gegen  einen 
von  ihm  engagierten  Unterlehrer  verhandelt. 

198.  Einem  Aufsatz  von  Je  cht  im  N.  Lausitz.  Ma- 
gazin LXX,  153  ff.  über  Heinrich  vom  Dorfe,  einen  Gör- 
litzer Bürger  aus  dem  Ende  des  13.  Jh.,  sind  Facsimiles 
einer  Görlitzer  Eathsur künde  von  1298  und  des  An- 
fangs des  ältesten  Görlitzer  Stadtbuches  von  1305  ff. 
beigegeben. 


Nachrichten.  503 

199.  Zur  Feier  der  500  jährigen  Vereinigung-  des  Amts 
Ritzebüttel  mit  Hamburg  hat  A.  Hagedorn  ein  schönes 
Lichtdruck  -  Facsimile  der  Urkunde  mit  interessanten  Er- 
läuterungen veröffentlicht,  durch  welche  am  31.  Juli  1394 
die  Vettern  Wolder  und  Alverich,  genannt  die  Lappen,  das 
Schloss  Ritzebüttel  und  die  dazu  gehörenden  Ortschaften 
an  Hamburg  verkauften  (Hamburg,  Lütcke  und  Wulff 
1894). 

200.  In  Grünhuts  Zeitschr.  f.  d.  Privat-  und  öffentl. 
Recht  d.  Gegenwart  XXII,  70  ff.  findet  sich  ein  auch  für 
die  Diplomatik  wichtiger  Aufsatz  von  A.  S.  Schultze,  'Zur 
Lehre  vom  Urkundenbeweise',  in  welchem  überzeugend 
dargethan  wird,  dass  das  Siegel  im  Mittelalter  nicht  bloss 
als  das  massgebende  Kriterium  der  Echtheit,  sondern  auch, 
was  juristisch  nicht  dasselbe  ist,  als  untrügliches  Zeugnis 
der  Begebung  und  damit  der  Rechtsverbindlichkeit  einer 
Urkunde  angesehen  wurde. 

201.  Die  umfangreiche  3.  Abtheilung  des  4.  Bandes 
des  westfälischen  Urkundenbuches  (Münster,  Re- 
gensberg 1894),  herausgegeben  von  H.  Finke,  enthält  die 
Urkunden  des  Bisthums  Paderborn  von  1251 — 1300.  Das 
ausführliche  Orts-  und  Personenregister  für  den  ganzen 
Band  verdankt  man  H.  Hoogeweg. 

202.  Der  3.  Band  des  von  H.  Reimer  herausgege- 
benen Urkundenbuchs  zur  Geschichte  der  Herren  von 
Hanau  (Publ.  aus  den  Preuss.  Staatsarchiven  Bd.  60. 
Leipzig,  Hirzel  1894)  umfasst  die  Jahre  1350 — 1375;  darin 
zahlreiche  ungedruckte  Kaiserurkunden. 

203.  Der  16.  Band  des  Mecklenburg.  Urkunden- 
buchs (Schwerin  1893),  mit  einer  Reihe  von  Siegelabbil- 
dungen im  Texte  ausgestattet,  betrifft  die  Jahre  1366 — 1370. 

204.  Die  dritte  und  vorletzte  Lieferung  von  dem 
4.  Theile  des  trefflichen  Urkundenbuches  der  Abtei 
St.  Gallen,  bearbeitet  von  H.  Wartmann,  umfasst  nur 
die  Jahre  1392 — 1402  und  bietet  uns,  von  einigen  ganz 
vereinzelten  Ausnahmen  abgesehen,  lediglich  deutsche  Ur- 
kunden. E.  D. 

205.  Heft  57  der  Annalen  des  hist.  Vereins  für  den 
Niederrhein  bringt  den  Schluss  (mit  sehr  sorgfältigen  Re- 
gistern) der  Publication  von  L.  Korth  über  das  reich- 
haltige Gräflich  Mirbachsche  Archiv  zu  Harff.  Vgl. 
N.  A.  XIX,  717,  n.  268. 

33* 


504  Nachrichten. 

206.  E.  Haut co en r,  Cartulaire  de  l'eglise  collegiale 
de  St.  Pierre  de  Lille  (Paris-Lille  1894)  giebt  in  2  Bänden 
die  Urkunden  des  Stifts  von  1050  — 1500,  mit  zahlreichen 
bisher  ungedruckten  Papsturkunden  des   13.  Jahrh. 

207.  Die  8.  Lieferung  der  Regesten  des  Kaiser- 
reichs 1198  — 1272  bringt  neben  einer  Vorbemerkung 
E.  Winkelmanns  Nachträge,  Verbesserungen  und  Zu- 
sätze zu  Fickers  und  seinem  grundlegenden  Werke. 

208.  Der  2.  Band  der  Regesten  zur  Geschichte  der 
Bischöfe  von  Konstanz,  dessen  erste  Lieferung,  die 
Jahre  1293 — 1314  umfassend  (Wagner,  Innsbruck  1894),  er- 
schienen ist,  ist  unter  Benutzung  des  von  P.  Ladewig  ge- 
sammelten Materials  von  A.  Cartellieri   bearbeitet. 

209.  Die  4.  und  5.  Lieferung  der  Regesten  der 
Markgrafen  von  Baden  und  Hachberg  (Innsbruck, 
Wagner  1894),  von  R.  Fester  bearbeitet,  verzeichnen  die 
Urkunden  Bernhards,  1400 — 1421,  Johanns,  Hesso's  und 
Ottos  bis  1414.  H.  Bl. 

210.  In  der  Zeitschr.  des  Harzvereins  XXVII,  633  ff. 
theilt  F.  Rosenfeld  Regesten  bisher  unbekannter  Ur- 
kunden für  den  St.  Johanneshof  in  Quedlinburg  (1248 
— 1467)  in  nhd.  Sprache  aus  einer  Leipziger  Hs.  saec. 
XVII.  mit. 

211.  Aus  dem  Innsbrucker  und  römischen  Archiven 
veröffentlicht  F.  Schneller  Regesten  zur  Geschichte  des 
Bisthums  Trient  in  den  letzten  Jahrhunderten  des  MA., 
Zeitschr.  des  Ferdinandeunis,  3.  F.  XXXVIII,  159  ff. 

212.  Regesten  zur  Kirchengeschichte  Kärnthens 
im  14.  und  15.  Jh.  aus  römischen  Archiven  veröffentlicht 
A.  Starzer  im  (kärnthnischen)  Archiv  f.  vaterl.  Gesch. 
und  Topographie  XVII,  59  ff. 

213.  H.  Diemar  (Mitth.  aus  dem  Stadtarchiv  von 
Köln  XXV,  213  ff.)  fährt  mit  der  danken swerthen  Sammlung 
der  Regesten  über  Kölns  Beziehungen  zum  Reich  (vgl. 
N.  A.  XIX,  717,  n.  272)  fort,  die  in  dem  neu  behandelten 
Zeitraum  von  1452 — 1474  auf  bisher  unbekannten  Akten 
beruht.  H.  Bl. 

214.  In  der  schon  N.  A.  XIX,  264  erwähnten  Preis- 
schrift des  Herrn  Cuissard,  Unterbibliothekars  der  Stadt 
Orleans,  über  Theodulf  findet  sich  S.  328  folgendes 
ebenso   liebenswürdige   wie    charakteristische  Urtheil   über 


Nachrichten.  505 

die  Ausgabe  dieses  Dichters  im  1.  Bande  der  Poetae  Caro- 
lini:  'Mais  ces  editions  (die  älteren)  .  .  ne  peuvent  lutter 
avec  celle  qu'a  donnee  Dümmler,  qui  a  trouve  un  petit 
poeme  inedit  et  qui  a  com  pulse  une  foule  de  manuscrits 
curieux  (Note:  il  ne  compulsa  cependant  que  les  biblio- 
theques  de  Leyde  et  de  Milan).  Toutefois  ce  savant  ne 
semble  pas  avoir  produit  une  edition  qui  puisse  satisfaire 
la  science  francaise.  Qu'  importent,  en  effet,  une  foule  de 
variantes,  de  lecons  diverses,  qui  tout  en  n'apprenant  rien 
de  nouveau  ne  forment  qu'un  amas  indigeste  d'erudition, 
mise  en  note  et  consequemment  negligee?  En  outre  le 
texte  lui- meine  n'est  point  conforme  aux  usages  fran9ais, 
je  doute  fort  que  Theodulfe  ait  ecrit  cuius  pro  cujus,  iura 
pro  jura,  et  bien  d'autres  germanismes  qui,  je  le  concois, 
peuvent  plaire  aux  races  teutoniques,  mais  qui,  pour  des 
gens  de  la  race  latine,  paraitront  toujours  bizarres  et  meme 
inexpliquables'.  —  Wie  mag  es  kommen,  dass  auch  Sir- 
mond in  der  ed.  pr.  Theodulfs  das  i  der  Hss.  an  Stelle  des 
neueren  j  durchweg  beibehielt?  E.  D. 

215.  In  den  Mittheil,  der  Gesellschaft  für  deutsche 
Erziehungs-  und  Schulgeschichte  Jahrg.  IV  (1894),  S.  149 
— 158  berichtet  E.  Voigt  über  'ein  unbekanntes  Lehr- 
buch der  Metrik  aus  dem  XI.  Jahrh.'  Die  von  ihm 
abgedruckten  Bruchstücke  desselben,  welche  sich  auf  2  von 
den  Deckeln  einer  Würzburger  Hs.  (Theol.  fol.  26)  abge- 
lösten Blättern  fanden,  enthalten  als  Beispiele  eine  Bear- 
beitung der  Thierfabel  nach  Romulus  in  leoninischen  Hexa- 
metern und  haben  vornehmlich  ein  schulgeschichtliches 
Interesse.     S.  155  X,  1  ist  'Angustiis'  zu  lesen.        E.  D. 

216.  In  den  Theol.  Studien  und  Kritiken  Jg.  1895, 
S.  153  ff.  handelt  E.  Bratke  eingehend  über  den  Cod. 
Bernens.  645,  vgl.  Chron.  minora  I,  564,  n.  13,  und  ver- 
öffentlicht aus  demselben  ein  Glaubensbekenntnis, 
das  nach  ihm  am  Ende  des  7.  Jahrh.  in  Gallien  ange- 
fertigt ist. 

217.  In  der  English  Historical  Review  IX,  690  ff. 
bespricht  Miss  Mary  Bateson  altenglische  Hss.  (auch 
Uebersetzungen)  der  Regula  S.  Benedicti,  des  Memo- 
riale  des  Benedict  von  Aniane,  der  sog.  Regula  Chro- 
degangi,  der  Regularis  con cordia  des  Aethelwold  und 
des  Briefes  Aelfrics  an  die  Mönche  von  Eynsham. 

218.  Eine  von  O.  Seebass  im  Kölner  Stadtarchiv 
aufgefundene    Hs.    erweist    er    (Zeitschr.    f.    Kirchengesch. 


506  Nachrichten. 

XV,  244  ff.)  als  Abschrift  des  von  Haeften  (Disquis.  cri- 
ticae  1644)  benutzten  Trierer  Ms.  des  Regelbuches 
Benedicts  von  Aniane  und  verzeichnet  ihre  für  die 
ursprüngliche  Gestaltung-  desselben  werthvollen  Unter- 
schiede von  der  Ausgabe  Holstens.  In  einem  Anhang 
zeigt  er  die  Existenz  einer  besonderen  Regula  Cassiani 
zur  Zeit  Benedicts  und  sucht  ihren  Inhalt  festzustellen. 

H.  Bl. 

219.  In  den  Beiträgen  z.  Kunde  Steiermark.  Ge- 
schichtsquellen XXVI,  3  ff.  theilt  J.  Loserth  aus  Grazer 
Hss.  eine  Anzahl  nekrologischer  Aufzeichnungen  (als 
Nachträge  zu  dem  Aufsatz  von  Herzberg  -  Fränkel  N.  A. 
XIII,  290  ff.),  sowie  einige  Weihenotizen,  Reliquienverzeich- 
nisse u.  dgl.  mit. 

220.  In  den  Magdeburger  Geschichtsblättern  XXIX, 
51  ff.  hat  G.  Hertel  das  Brüderschaftsbuch  der  1439 
gestifteten  fraternitas  corporis  Christi  zu  Stassfurt  heraus- 
gegeben. 

221.  W.  Harster  (Programm  zum  Jahresbericht 
des  humanist.  Gymnasiums  zu  Speier  1893/4)  setzt  seine 
Untersuchungen  über  den  Güterbesitz  des  Klosters  Weissen- 
burg  (vgl.  N.  A.  XIX,  498,  n.  178)  mit  einer  Besprechung 
des  über  possessionum  Edelini  fort,  der,  im  13.  Jh. 
aufgezeichnet,  im  wesentlichen  Besitzverhältnisse  des  10.  Jh. 
wiederspiegelt.  H.  Bl. 

222.  Band  XIV  der  Quellen  zur  Schweizer  Geschichte 
enthält  eine  von  R.  Maag  unter  Leitung  Paul  Schwei- 
zers bearbeitete  neue  Ausgabe  des  Habsburgischen 
Urbars,  die  wegen  der  Mangelhaftigkeit  der  Edition  von 
Pfeiffer  und  der  Wichtigkeit  dieser  Quelle  für  die  Terri- 
torial- und  Wirthschaftsgeschichte  der  Schweiz  und  des 
deutschen  Südwestens  sehr  willkommen  ist.  Reichhaltige 
topographische  und  andere  Erläuterungen  sind  hinzugefügt. 

223.  In  der  Zeitschr.  des  hist.  Vereins  f.  Nieder- 
sachsen 1894,  S.  360  f.  giebt  Grotefend  ein  Güterver- 
zeichnis des  h.  Geist -Altars  zu  Uelzen  (saec.  XV.)  heraus. 

224.  P.  Kirsch,  Die  päpstlichen  Kollektorien  in 
Deutschland  während  des  14.  Jh.  (Paderborn,  Schöningh 
1894)  erschliesst  durch  Veröffentlichung  der  Rechnun- 
gen und  Berichte  der  von  der  päpstlichen  Camera  für 
Deutschland  bestellten  Einnehmer  eine  für  die  Geschichte 
des    päpstl.    Finanzwesens    wichtige,    aber    auch    für 


Nachrichten.  507 

kirchliche  Geographie  und  Geldgeschichte  beachtenswerthe 
Quelle.  In  der  ausführlichen  Einleitung  wird  u.  a.  die 
Art  der  Abgabenerhebung  und  der  Buchführung  be- 
sprochen. H.  Bl. 

225.  Die  von  E.  Pauli  1856  entdeckten  Eechnungen 
über  Heinrich  von  Derby's  Preussenf ahrten  1390 
— 91  und  1392  hat  jetzt  H.  Prutz  (Leipzig,  Duncker  und 
Humblot  1893)  mit  ausführlicher  und  lehrreicher  Einleitung 
herausgegeben,  soweit  sie  für  die  Geschichte  des  Ordens- 
landes in  Betracht  kommen.  Die  vollständige  Publikation 
erfolgt  in  England  durch  die  Camden-  Society.       H.  Bl. 

226.  In  den  Hansischen  Geschichtsblättern  1893, 
S.  41  ff.  handelt  P.  Hasse  über  die  älteste  Lübecker 
Zollrolle,  die  er  übereinstimmend  mit  Frensdorff  etwa 
in  das  J.  1227  setzt.  —  Zu  einer  abweichenden  Datierung 
ist  eine  Hasse  noch  unbekannte  Leipziger  Dissertation  von 
C.  Mo  11  wo  von  1894  gelangt,  welche  die  älteste  Zollrolle 
zu  1225  ansetzt  und  ihr  Verhältnis  zu  den  drei  uns  erhal- 
tenen späteren  Zollrollen  des  13.  Jahrh.  eingehend  unter- 
sucht. 

227.  Die  1.  Lieferung  des  4.  Heftes  der  von 
Th.  Ilgen  herausgegebenen  westfälischen  Siegel  des 
Mittelalters  (Münster,  Regensberg  1894)  enthält  auf  41  Ta- 
feln die  Siegel  von  Adligen,  Bürgern  und  Bauern  des  Bis- 
thums  Münster  und  der  angrenzenden  Gebiete.      H.  Bl. 

228.  Die  Beschreibung  eines  in  Florenz  aufgetauchten 
Siegelstempels  Kaiser  Friedrichs  IL  für  Sizilien 
und  Abbildung  seines  Abdrucks,  der  dem  von  Philippi, 
Reichskanzlei  S.  65,  n.  6b  beschriebenen  nahesteht,  giebt 
E.  Winkelmann  (Mitth.  d.  Inst.  f.  öst.  Geschichtsforsch. 
XV,  485  ff.),  ohne  sich  über  die  Echtheit,  die  den  Stempel 
zu  dem  ältesten  uns  von  einem  deutschen  Kaiser  erhal- 
tenen machen  würde,  endgültig  auszusprechen.  Doch  stellt 
W.  die  Vermuthung  auf,  dass  er  als  Ersatz  für  den  am 
18.  Februar  1248  bei  Vittoria  verlorenen  gedient  habe. 

H.  Bl. 

229.  Von  der  prachtvollen  Strassburger  Facsimile- 
Ausgabe  des  Hortus  deliciarum  der  Herr  ad  von  L  an  ds- 
per g  ist  eine  neue,  die  6.  Lieferung  erschienen,  welche 
10  Tafeln  bringt.  Der  erläuternde  Text  stammt  von  dem 
Canonicus  G.  Keller. 

230.  R.  Kautzsch,  Einleitende  Erörterungen  zu 
einer   Geschichte    der   deutschen   Handschriftenillustration 


508  Nachrichten. 

im  spätem  Mittelalter  (Diss  -  Leipzig.  Strassburg,  Heitz 
1894)  behandelt  unter  Heranziehung*  hsl.  Materials  die 
Veränderung-,  welche  die  Handschriftenillustration 
vom  14.  zum  15.  Jh.  durchgemacht  hat,  und  die  Anfänge 
des  Bilddrucks.  H.  Bl. 

231.  K.  Miller,  Die  ältesten  Weltkarten.  1.  Heft: 
Die  Weltkarte  des  Beat us  (Stuttgart,  Roth  1895)  stellt 
in  Bild  und  Text  die  Weltkarte  des  Beatus  v.  J.  776  n.  Chr. 
aus  ihren   10  erhaltenen  Ableitungen  wieder  her.       M.  M. 


XIII. 


Reimser  Remigius- Fälschungen. 


Von 


Br.  Krusch. 


Neues  Archiv  etc.    XX.  34 


Die  Ehrenhaftigkeit  des  Erzbischofs  Hinkmar  von 
Keims  war  von  Both  *  und  v.  Noorden 2  stark  verdächtigt 
worden,  und  ich  hatte  mich  ihrem  Urtheil  angeschlossen 
und  den  Mann  als  einen  'notus  falsarius'  bezeichnet 3.  Dafür 
ist  mir  von  Herrn  Kurth4  eine  derbe  Zurechtweisung  zu 
Theil  geworden.  Er  ist  sehr  ungehalten  darüber,  dass  'ge- 
wisse deutsche  Schriftsteller'  sich  darin  gefallen,  den  un- 
schuldigen Kirchenfürsten  bei  jeder  Ungenauigkeit  der  Lüge 
und  des  Betruges  zu  bezichtigen;  als  wenn  er  sich  nicht  hätte 
irren  können !  Für  den  Ausfall  gegen  die  deutsche  Wissen- 
schaft war  die  Gelegenheit  wenig  günstig  gewählt;  bereits 
Nicolaus  I.  hat  dieselben  schweren  Beschuldigungen  gegen 
Hinkmar  erhoben,  und  der  war  doch  kein  deutscher  Schrift- 
steller. Aber  Kurth  ist  offenbar  über  den  Charakter  seines 
Schützlings  besser  unterrichtet,  als  der  zeitgenössische  Papst; 
er  sieht  nur  menschliche  Irrthümer  an  den  Stellen,  auf 
welche  sich  die  Anklage  stützt,  und  so  konnte  er  gerade 
das  Zeugnis  Hinkmars,  an  welchem  ich  die  bewusste  Fäl- 
schung nachgewiesen  zu  haben  glaubte,  für  seine  These 
verwerthen,  dass  Gregor  eine  nicht  mehr  vorhandene 
V.  Eemigii  benutzt  habe.  Die  Benutzung  einer  V.  Re- 
migii  durch  Gregor  steht  fest,  und  nur  über  ihren  In- 
halt bin  ich  anderer  Ansicht  als  Kurth.  Dieser  hält  sie 
für  die  Quelle  aller  Nachrichten  Gregors  nicht  bloss  über 
den  Heiligen,  sondern  auch  über  die  Bekehrungsgeschichte 
des  Frankenkönigs,  und  besonders  führt  er  die  Darstellung 
des  Alamannenkriegs  und  der  Taufe  Chlodovechs  auf  sie 
zurück.  Dadurch  würden  allerdings  diese  Berichte  eine 
historische  Beglaubigung  erhalten,  die  ihnen  bisher  gefehlt 
hat ;  aber  der  Wunsch  ist  hier  Vater  des  Gedankens,  und 
für  Kurths  Muthmassungen  fehlt  jeder  Anhalt,  ja  es  ist 
sehr  wahrscheinlich,  dass  Gregor  die  ganze  Taufgeschichte 


1)  Gesch.  des  Beneficialwesens  S.  461.  2)  Hinkmar,  Erzb.  von 

Rheims,  Bonn  1863,  S.  395.  3)  Auct.  antiq.  IV,  2,  S.  XXII.  4)  lLes 
sources  de  l'histoire  de  Clovis  dans  Grregoire  de  Tours'  in  'Revue  des 
questions  historiques',  Paris  1888,  S.  403  ff.  Dies  ist  ein  auf  dem  inter- 
nationalen Katholiken  -  Congress  in  Paris  gehaltener  Vortrag. 

34* 


512  Br.  Krusch. 

sich  selbst  ausgedacht  hat,  was  für  den  theologischen 
Disput  zwischen  Chlodechilde  und  ihrem  Manne  auch 
Kurth  annimmt.  lieber  den  Inhalt  jener  V.  Remigii  kann 
aber  nur  Gregors  Zeugnis  entscheiden,  und  der  schreibt, 
nachdem  er  die  Heiligkeit  des  Remigius  gepriesen  und  ihn 
mit  Silvester  verglichen  hat:  'Est  enim  nunc  über  vitae 
eius,  qui  eum  narrat  mortuum  suscitasse' 1.  Aus  dieser 
Stelle  folgt  nur,  dass  eine  Todten- Erweckung  in  der  Vita 
erzählt  war,  und  wenn  Kurth  ihr  die  oben  aufgezählten 
Nachrichten  zutheilen  will  und  zu  solchem  Ergebnis  durch 
ein  logisches  Beweisverfahren  gekommen  zu  sein  glaubt, 
giebt  er  sich  einer  beklagen swerthen  Selbsttäuschung  hin. 
Von  einer  Todten  -  Erweckung  handelt  in  der  That  die  er- 
haltene älteste  V.  Remedii 2 ;  das  Object  war  ein  Mädchen, 
was  auch  Gregor  an  einer  anderen  Stelle 3  ausdrücklich 
bezeugt.  Der  Biograph  hat  den  Heiligen  nicht  persönlich 
gekannt.  Dieser  Umstand  schliesst  aber  die  Benutzung 
durch  Gregor  nicht  aus,  denn  die  obige  Stelle  kann  ein 
halbes  Jahrhundert  nach  dem  Tode  des  Remigius  geschrie- 
ben sein,  da  der  Verf.  zur  ersten  Hälfte  der  H.  Fr.  spä- 
tere Zusätze  gemacht  hat,  und  mindestens  sind  40  Jahre 
verflossen :  in  dieser  langen  Zwischenzeit  könnte  aber  recht 
gut  ein  erst  nach  dem  Tode  des  Heiligen  geborener  Reimser 
Cleriker  die  Vita  geschrieben  haben.  Sie  dient  ausschliess- 
lich liturgischen  Zwecken  und  enthält  nur  eine  Reihe  von 
Wundern:  das  sind  Mängel,  die  sie  mit  den  meisten 
Heiligenleben  theilt,  denn  es  ist  ja  bekannt,  dass  die  alten 
Hagiographen  im  Allgemeinen  keine  historischen  Zwecke 
verfolgten,  und  die  politische  Geschichte  gewöhnlich  erst 
später  hineingearbeitet  ist.  Dass  man  solche  Erbauungs- 
schriften schrieb :  'quand  on  avait  perdu  la  biographie 
authentique  et  qu'ou  voulait  la  remplacer'  war  mir  bisher 
unbekannt,  und  ich  wäre  Kurth  sehr  verbunden,  wenn  er 
mir  seine  Quellen  für  diese  Wissenschaft  angäbe.  Auch 
der  Cult  des  Remigius,  welchen  die  Vita  voraussetzt,  be- 
weist nichts  für  eine  spätere  Entstehung,  denn  der  Heilige 
ist  seit  seinem  Tode  in  Reims  verehrt  worden,  und  schon 
585  wurde  sein  Fest  auch  in  Metz  gefeiert 4.  Dagegen  er- 
weckt eine  günstige  Vorstellung  von  ihrem  Alter  gerade 
die  Abwesenheit  der  Taufscene,  durch  welche  Gregor  den 
Remigius  zum  Frankenapostel  gestempelt  hat,  und  die  seit 


1)  H.  Fr.  II,  31.         2)  Auct.  antiq.  IV,  2,  p.  66.         3)  Gl.  Conf. 

c.  78 :  'Remigius  .  .  .  oratioue  sua  defuuctae  cadaver  puellae  obtinuit  susci- 
tari'.         4)  Greg.,  H.  Fr.  VIII,  21. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  513 

dem  7.  Jh.  gegen  sein  und  des  Nicetius  von  Trier  Zeugnis 
nach  Reims  verlegt  wurde  1.  Dieses  Argumentum  ex  silentio 
beweist  also  gerade  das  Gegentheil  von  dem,  was  Kurth 
daraus  folgern  will,  und  auf  jeden  Fall  steht  fest,  dass 
keine  ältere  V.  Remigii  vorhanden  war,  als  die  erhaltene 
Biographie  in  Reims  geschrieben  wurde,  denn  ihr  Verf. 
bezeugt  das  selbst 2. 

Die  Bestätigung  seines  vermeintlichen  Schlusses,  dass 
die  von  Gregor  benutzte  V.  Remigii  verloren  sei,  fand 
Kurth  bei  Hinkmar.  Dieser  will  nach  der  Vorrede  zu 
seiner  V.  Remigii  dreierlei  Quellen  benutzt  haben :  'histo- 
riae',  'pittaciolae'  oder  'schedulae'  und  die  'vulgata  relatio'. 
Unser  besonderes  Interesse  erweckt  die  zweite  Gruppe. 
Diese  fliegenden  Blätter  waren  durch  das  Alter  fast  ver- 
nichtet, und  Hinkmar  erzählt  über  ihre  Herkunft  folgende 
rührende  Geschichte.  Er  habe  von  alten  Männern  aus  der 
Zeit  des  Bischofs  Tilpin  erfahren,  sie  hätten  von  ihren 
Vorfahren  gehört,  dass  diese  ein  dickes  Buch  in  alter 
Schrift  "De  ortu  ac  vita  et  virtutibus  atque  obitu  beati 
Remigii'  gesehen  hätten,  und  dieses  wäre  auf  folgende 
Weise  verloren  gegangen.  Bischof  Egidius  von  Reims, 
welcher  590  relegiert  wurde,  hätte  Fortunat  gebeten,  aus 
dem  in  schwülstigem  gallischen  Latein  geschriebenen  Buche 
einige  Wunder  in  einfacher  Sprache  zum  Vortrage  für  das 
Volk  auszuziehen;  über  dem  Auszuge  wäre  der  grosse 
Codex  vernachlässigt  worden;  zur  Zeit  Karl  Martells,  als 
in  dem  Bürgerkriege  mit  Ragamfred,  also  715/7,  die  Bis- 
thümer  Laien  gegeben  wurden,  und  ein  Cleriker  Milo  die 
Stühle  von  Reims  und  Trier  40  Jahre  sich  anmasste,  und 
das  Kirchenvermögen  verschleudert  wurde,  hätten  die  weni- 
gen noch  übrigen  Cleriker  ihr  Dasein  vom  Handel  ge- 
fristet und  die  erschacherten  Denare  in  Urkunden  und 
Bücherblätter  eingewickelt,  und  so  wäre  das  Buch  erstens 
durch  Feuchtigkeit,  zweitens  durch  Mäusefrass,  drittens 
durch  Ausschneiden  zu  Grunde  gegangen,  und  nur  wenige 
und  zerstreute  Blätter  wären  noch  vorhanden.  Die  Vor- 
aussetzung für  diese  Erklärung  ist  die  Annahme,  dass  die 
erhaltene  kürzere  Vita  ein  Auszug  sei,  und  Hinkmar  sucht 
dies  durch  Anführung  der  unten  N.  2  citierten  Stelle  zu 
beweisen ;  er  führt  aber  nur  den  ersten  Theil  von  'Studia- 


1)  Mitth.  des  Instituts  für  Österreich.  Geschichtsforsch.  XIV,  441. 
2)  V.  Remedii  c.  3 :  'Studiamus  ergo  pauca  disserere,  plurima  praeterire, 
nam  si  tanta  virtutum  suarum  insignia  aut  ariditas  nostri  sermonis  posset 
excolere  aut  memoria  retinere,  prius  habere  poterat  terminum  lux  hodierna 
quam  pagina'. 


514  Br.  Krusch. 

mus  —  praeterire'  an,  und  das  war  klug-,  denn  der  zweite 
beweist  gerade  das  Gregentheil.  Da  sie  nun  kein  Auszug 
ist,  und  der  Biograph  vielmehr  ohne  schriftliche  Quellen 
arbeitete,  kann  die  von  den  Vorfahren  alter  Männer  ge- 
sehene längere  Vita  niemals  existiert  haben,  und  die  ein- 
zelnen Blätter  von  ihr  sind  erdichtet.  Kurth  giebt  mir 
zu,  dass  in  der  kürzeren  Vita  keine  schriftlichen  Quellen 
benutzt  sind 1,  und  schliesst  trotzdem  aus  Hinkmar,  dass 
sie  das  Resume  einer  älteren  ist.  Er  hat  offenbar  die 
Tragweite  meines  Argumentes  nicht  erkannt,  denn  er  be- 
handelt es  nur  in  einer  Note;  dafür  denkt  er  sich  thö- 
richte  Schlüsse  aus,  um  sie  mir  in  die  Schuhe  zu  schieben. 
Da  er  aber  selbst  nicht  sieht,  dass  sich  seine  Schlüsse 
gegenseitig  kreuzen,  darf  ich  auf  einen  logischen  Disput 
mit  ihm  verzichten.  Die  Beglaubigung  der  fliegenden 
Blätter  war  nur  durch  die  falsche  Interpretation  der  obigen 
Textstelle  möglich  geworden.  Damit  ist  die  Frage,  ob 
Hinkmar  mit  oder  ohne  Bewusstsein  den  Fehler  begangen 
hat,  entschieden;  es  ist  der  dolus  malus  constatiert,  und 
der  Verbreiter  des  Märchens  muss  zugleich  der  Erfinder 
sein.  Den  Stempel  der  Unwahrheit  trägt  es,  so  zu  sagen, 
schon  an  der  Stirn,  und  hier  freue  ich  mich,  mit  Kurth 
übereinzustimmen.  Wenn  er  nämlich  in  der  raffinierten 
Art,  wie  Hinkmar  das  dreifache  Unheil  auf  den  armen 
Codex  einstürmen  lässt,  lun  peu  d'artifice  litteraire'  sieht,  so 
ist  dies  doch  wohl  eher  die  Umschreibung  für  die  Lüge,  als 
für  die  Wahrheit,  und  schon  Suysken  hatte  die  Sache  mit 
dem  rechten  Namen  bezeichnet 2.  Zu  der  Autorschaft  For- 
tunats  an  der  kürzeren  Vita  konnte  Hinkmar  ebenfalls  nur 
durch  die  Lüge  kommen,  denn  keine  Hs.  nennt  dessen 
Namen,  und  der  Stil  spricht  dagegen;  er  wählte  den  be- 
rühmtesten Hagiographen,  wie  es  die  Heiligkeit  des  Remi- 
gius  forderte,  und  denjenigen,  der  nachweislich  mit  dem 
Bischof  Egidius  in  Beziehungen  gestanden  hat 3.  Wenn  er 
dann  Milo  zur  Zeit  des  Bürgerkrieges  715/7  Bischof  wer- 
den  lässt,    so   begeht  er   denselben  Fehler,  wie  Papst  Ha- 

1)  'L'absence  de  sources  ecrites  du  Vita  attribuee  ä  Fortunat  prouve 
d'ailleurs  simplement  qu'elles  etaient  dejä  perdues,  ce  que  je  crois'.  Kurtks 
Gedankengang  ist  nicht  so  einfach,  wie  er  meint.  Wenn  ich  ihn  recht 
verstehe,  schliesst  er  aus  dem  Fehlen  schriftlicher  Quellen  auf  deren  vor- 
zeitigen Untergang.  Das  ist  kein  richtiger  Schluss ;  wie  aber  hernach  der 
Biograph  aus  den  nicht  mehr  vorhandenen  Quellen  seinen  Auszug  machen 
konnte,  bleibt  bei  dem  heutigen  Stande  der  Wissenschaft  vollständig  un- 
fassbar.  2)  AA.  SS.  Oct.  I,  p.  133:   'Non  videtur  dubitandum,   quin 

calamitates  illae  ab  Hincmaro  supra  verum  amplificatae  sunt'.  3)  Cf. 
Fortun.  Carm.  III,  15. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  515 

drian  in  dem  Schreiben  an  Erzb.  Tilpin  \   und   dieses   hat 
er  benutzt 2. 

Gerüchte  von  der  Existenz  eines  vollständigeren  Lebens 
des  h.  Eemigius  mögen  Hinkmar  zu  Ohren  gekommen  sein. 
Er  hatte  dahin  und  dorthin  geschickt,  um  des  Buches  hab- 
haft zu  werden,  aber  alle  Angaben  erwiesen  sich  als  falsch  3. 
Von  einem  Buche  über  das  Leben  und  die  Wunder  des 
Heiligen  hatte  er  Ludwig  d.  Deutschen  geschrieben,  als 
dieser  ihn  um  Mittheilung  von  Eeliquien  bat4,  und  einen 
ehemaligen  Eeimser  Priester  hatte  er  ersucht,  ihm  alles 
in  seinem  Besitz  befindliche  biographische  Material,  ausser 
den  alten  Lectionen  der  Eeimser  Kirche,  persönlich  zu 
überbringen  oder  verpetschiert  zu  übersenden,  unter  An- 
bietung seiner  Gegendienste 5.  Auch  von  einem  Briefe  des 
Avitus  an  den  Heiligen  hatte  er  gehört,  den  Erzbischof 
Ado  von  Vienne  besitzen  sollte,  und  er  erbat  sich  diesen 
und  ausserdem,  was  jener  sonst  noch  über  Eemigius  finden 
könnte,  denn  das  sei  ihm  mehr  werth  als  Gold  und  Edel- 
stein 6 ;  wahrscheinlich  befand  er  sich  auch  hier  auf  einer 
falschen  Fährte,  denn  es  liegt  offenbar  eine  Verwechslung 
mit  dem  berühmten  Schreiben  des  Avitus  an  Chlodovech 
vor '.  Obwohl  nun  der  Erfolg  seiner  Bemühungen  zur  Er- 
langung unbekannten  biographischen  Materials  ein  nega- 
tiver war,  Hess  er  sich  doch  von  seinem  Plane,  eine  neue 
Vita  zu  schreiben  nicht  abschrecken;  er  hatte  ja  noch  ge- 
nug Nachrichten  über  den  Heiligen,  die  in  der  kürzeren 
Vita  nicht  standen,  und  auch  der  Eeimser  Clerus  ermun- 
terte ihn,  mit  seinen  Entdeckungen  nicht  zurückzuhalten. 
Er  konnte  aber  leicht  mehr  wissen  als  die  Quellen,  da 
seine  Ansichten  über  die  Geschichtsschreibung  von  den 
heutigen  grundverschieden  waren:  der  wahre  Zweck  der 
Geschichte  ist  nach  ihm  die  Sammlung  unverbürgter  Ge- 
rüchte, und  das  hat  er  durch  Verdrehung  eines  Ausspruchs 
Beda's  herausgebracht8.    Das  Erzeugnis  dieser  Geschichts- 


1)  V.  Rigoberti  §  18,  Flod.  II,  16.  Milo's  Vorgänger  Rigobert  hat 
noch  von  Theuderich  IV.,  der  722  zur  Regierung  kam,  ein  Privileg  er- 
halten. 2)  Die  Stelle  findet  sich  übrigens  ebenso,  wie  in  der  Vorrede 
zur  V.  Remigii,  in  der  Schrift  De  iure  metropolitan.  (Hincmari  Opp.  ed. 
Sirmondus  II,  731),  die  schon  876  verfasst  ist.  3)  Cf.  Praef.  V.  Re- 
migii: 'Ad  quae  mittens  quae  mihi  promissa  fuerunt,  penitus  falsa  inveni'. 
4)  Flod.  III,  20,  SS.  XHI,  p.  511.  5)  Flod.  in,  28,  SS.  XIII,  p.  552. 
6)  Flod.  III,  21,  SS.  XIII,  p.  515.  7)  Dies  hat  Schrörs,  Hinkmar 
Erzb.  v.  Reims  S.  452,  erkannt.  8)  Beda,  Hist.  eccl.  Praef.,  lehnt  die 
Verantwortung  für  etwaige  Irrthümer  in  seiner  Darstellung  ab,  weil  er, 
wie  es  die  Geschichte  fordert,  einfach  die  überkommene  Tradition  wieder- 
giebt.     Er  kennt  also  Mängel  der  letzteren   und  kann  sie   nur  nicht  ver- 


516  Br-  Krusch. 

auffassung  stand  daher  auch,  von  jeher  bei  den  Gelehrten 
in  schlimmem  Rufe ;  man  hat  es  seines  Verfassers  unwürdig 
gescholten1,  und  selbst  eifrige  Freunde  des  vielgeschmäh- 
ten Mannes  haben  diesem  Verdammungsurtheil,  wenn  auch 
zögernd,  zugestimmt2.  Eine  unparteiischere  Würdigung 
bahnt  erst  Kurths  Kritik  an;  die  Geschichte  von  dem 
dicken  Codex  ist  wahr,  und  es  wäre  nun  eine  interessante 
Aufgabe  gewesen,  die  von  Hinkmar  verwertheten  Frag- 
mente herauszuschälen.  Leider  scheint  Kurth  selbst  auf 
diesen  Gedanken  nicht  gekommen  zu  sein,  denn  er  be- 
schränkt sich  bei  der  Restitution  der  angeblichen  längeren 
Vita  nur  auf  Gregor. 

Seine  Quellen  will  Hinkmar  wörtlich  wiedergeben, 
nicht  bloss  die  Historiae,  sondern  auch  die  alten  Zettel 
und  sogar  die  Tradition,  wie  er  sie  von  seinen  Gewährs- 
männern erfuhr.  Das  verräth  einen  hohen  Grad  von  Ge- 
wissenhaftigkeit, und  kein  Leser  wird  ihm  die  Verschieden- 
artigkeit des  Stils  zum  Vorwurf  machen,  auch  wenn  er 
nicht  ausdrücklich  deshalb  um  Verzeihung  gebeten  hätte. 
Seine  eigenen  Worte  findet  man  also  angeblich  nur  in  den 
zur  Ermahnung  und  Belehrung  der  andächtigen  Leser  und 
Hörer  eingefügten  dogmatischen  und  homiletischen  Par- 
tieen,  die  einen  ziemlichen  Umfang  haben  und  mit  dem 
h.  Remigius  in  gar  keinem  oder  doch  nur  sehr  losem  Zu- 
sammenhange stehen.  Für  diese  Abschweifungen  hatte  er 
sich  den  Gr.  Gregor  und  seine  Dialoge  zum  Vorbild  ge- 
nommen, trotzdem  bleiben  sie  ungeniessbar,  und  Hinkmar 
selbst  hat  gefühlt,  dass  dies  keine  Kost  für  Jedermann 
war.  Der  practische  Mann  hat  aber  sogleich  auf  die  ge- 
ringe Erleuchtung  der  grossen  Menge  Rücksicht  genommen, 
und  indem  er  sich  die  Grammatiker -Zeichen  bei  Isidor, 
Orig.  I,  20,  zu  Nutze  machte,  die  historischen  Partieen  mit 
dem  Asteriscus,  die  anderen  aber  mit  dem  Paragraphus 
ausgezeichnet  und  diesen  als  Schlusszeichen  das  Antisigma 
beigefügt.  So  hatten  die  Abschreiber  gleich  die  Weg- 
weiser für  Abstriche,  und  es  ist  nicht  zu  verwundern,  dass 
von  den  Hss.  die  meisten  nur  einen  gekürzten  Text  bieten. 
Für  den  kirchlichen  Gebrauch  hatte  Hinkmar  die  Lectio- 
nen  zu  den  beiden  Festen  des  Heiligen,  der  Depositio  und 
Translatio,    angezeichnet    und   ausserdem  eine  fortlaufende 

meiden :  daraus  wird  unter  den  Händen  des  Taschenspielers  ein  Lobgesang 
auf  dieselbe;  Beda's  Namen  nennt  er  aber  nicht.  1)  Suysken,  AA.  SS. 
Oct.  I,  64 :  '(Vitam)  novam  contexuit,  .  .  .  sed  quantum  ad  historica  per- 
tinet,  ex  communi  eruditorum  sententia  illo  auctore  indignam'.  2)  Schrörs 
S.  453. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  517 

Capitel  -  Eintheiluug  nicht  vergessen.  Die  vielfache  Glie- 
derung der  Schrift  ist  ein  Meisterwerk  verschrobener  Com- 
pliciertheit. 

Nach  der  Vorrede  müsste  Hinkmar  den  angeblichen 
Auszug  der  V.  Remigii  als  ungenügend  bei  Seite  gelegt 
und  nur  seine  dreierlei  Quellen  verarbeitet  haben,  denn 
seine  Vita  soll  eine  Ergänzung  zu  jenem  sein1.  Die  Text- 
Vergleichung  beweist  das  Gegentheil,  und  er  hat  vielmehr 
die  kürzere  V.  Remedii  fast  vollständig  und  im  Allgemeinen 
wörtlich  abgeschrieben.  Für  die  politische  Geschichte  be- 
nutzte er  den  Lib.  hist.  Franc,  der  seinem  kritischen  Stand- 
punkte am  meisten  zusagte,  und  er  hatte  eine  Hs.  der 
Austrasischen  Eecension  B.  Unter  den  'historiae'  der  Vor- 
rede versteht  er  diese  Quelle,  er  citiert  sie  an  einer  Stelle 
geradezu  so 2,  und  bisweilen  weist  er  in  allgemeinen  Aus- 
drücken auf  die  vollständigere  Darstellung  hin 3 ;  er  musste 
nämlich  den  Text  mitunter  kürzen,  und  auch  sonst  hat  er 
hie  und  da  geändert,  denn  sein  Versprechen,  nur  mit  den 
Worten  der  Quellen  zu  reden,  konnte  er  natürlich  nicht 
halten.  Aber  auch  die  älteren  fränkischen  Geschichts- 
quellen  hat  er  gekannt,  wie  sich  dies  von  einem  Reimser 
Erzbischof  aus  dem  9.  Jh.  erwarten  lässt,  und  er  hat  so- 
wohl bei  Gregor  als  bei  Fredegar  kleinere  Anleihen  ge- 
macht4. Die  ältesten  Wunder  nach  dem  Tode  des  Heili- 
gen hat  er  aus  Gregors  Schrift  In  Gl.  Conf.  c.  78  nicht 
ohne  einige  kleine  Abweichungen  abgeschrieben  (c.  24). 
Von  der  goldenen  Krone,  welche  Kaiser  Anastasius  dem 
Chlodovech  übersandte,  las  er  im  L.  h.  Fr.  c.  17  und  von 


1)  Cf.  Praef.  V.  Remig. :  'plura  in  quibusdam  historiis  et  diversis 
pitaciolis  ac  usitata  relatione  .  .  .  habemus,  que  in  memorata  exceptione 
non  continentur.  Unde  bonis  vestris  desideriis  placuit,  ut  illa  mea  servitus 
ad  ignorantium  et  subsequentium  notitiain  in  unum  colligeret1.  2)  Oap.  11 
(der  hsl.  Eintheilung) :  'ut  historiae  produnt'  mit  Beziehung  auf  L.  h.  Fr. 
c.  1.  3)  Cäp.  12 :  'sicut  lector  in  suo  loco  plenius  legere  potest'  (L.  h. 

Fr.  c.  11);  Cap.  18:  'sicut  locis  suis  lector  inveniet'  (L.  h.  Fr.  c.  17). 
4)  Cap.  11  hat  er  zu  den  Worten  'urceum  mirae  magnitudinis1  (L.  h.  Fr. 
c.  10)  die  Worte  'atque  pulchritudinis'  aus  Greg.  II,  27  und  bei  der  Taufe 
Chlodovechs  in  Cap.  15  zu  'velisque'  die  Worte  'ac  cortinis'  aus  Greg.  II, 
31  hinzugefügt  und  weiter  unten  die  Vergleiche  mit  Constantin  und  Sil- 
vester ebendaher  genommen.  Aus  Fredeg.  III,  16  konnte  er  wissen,  dass 
der  oben  genannte  'urceus'  Remigius,  resp.  der  Reimser  Kirche  gehörte, 
nach  ihm  (III,  21)  konnte  er  die  Taufe  in  Cap.  14  auf  das  Osterfest  setzen, 
und  ihn  (II,  58)  hat  er  sicher  für  die  Darstellung  der  Gesandtschaft  des 
Paternus  an  Alarich  in  Cap.  18  benutzt.  Dass  Schrörs  S.  449.  450  alle 
diese  Entlehnungen  bestreitet,  ist  ohne  Belang;  wenn  er  aber  die  letzte 
Nachricht  auf  Idacius  (Bouquet  II,  463)  zurückführen  will,  so  ist  jener 
Idacius  eben  das  2.  Buch  Fredesfars. 


518  Br.  Krusch. 

dem  sog.  Regnum,  einem  Geschenke  des  Frankenkönigs  an 
den  Papst  Hormisda,  im  Liber  pontif . ;  er  identificierte  c.  20 
beide  und  fügte  hinter  'coronam  auream'  aus  letzterer 
Quelle  die  Worte  'cum  geinmis'  und  weiter  unten  vor  'cum 
geuimis,  que  Regnum  appellari  solet'  aus  dem  L.  h.  Fr. 
'coronam  auream'  hinzu.  Und  da  er  einmal  den  Lib.  pontif. 
vor  sich  hatte,  schrieb  er  aus  ihm  auch  gleich  die  Stelle 
über  eine  Gesandtschaft  des  Bischofs  Germanus  von  Capua 
aus  und  zeigte  selbst  den  nicht  leicht  erkennbaren  Zusam- 
menhang mit  dem  h.  Remigius :  des  Germanus  Seele  hatte 
nach  Gregors  Dialogen  III,  35  der  h.  Benedict  von  Engeln 
in  den  Himmel  tragen  sehen,  und  zwischen  diesem  und 
Remigius  sollen  allerdings  Beziehungen  bestanden  haben, 
wie  man  unten  sehen  wird.  Seine  Arbeit  schmückt  er  mit 
Versen  und  Stilblüthen  des  Ovid  \  Lucanus  und  Sedulius. 
Die  zahlreichen  und  mit  ermüdender  Weitschweifigkeit 
commentierten  Bibelstellen  entlehnte  er  einer  von  der  Vül- 
gata  sehr  abweichenden  Uebersetzung ,  die  stellenweise 
reinen  Itala  -  Text  bot 2.  Für  eine  seiner  dogmatischen  Ab- 
schweifungen über  die  Trinität  benutzte  er  das  Symboluin 
Athanasianum  (c.  7).  An  Belegen  und  Gleichnissen  man- 
gelte es  ihm  nicht  bei  seiner  ausgebreiteten  Belesenheit  in 
der  patristischen  und  hagiographischen  Litteratur.  Den 
angeblichen  Verlust  der  langen  V.  Remigii  sucht  er  durch 
Vergleiche  mit  den  heiligen  Schriften  wahrscheinlicher  zu 
machen,  und  er  beruft  sich  für  verlorene  Propheten  auf 
eine  Stelle  des  Johannes  Chrysostomus  in  der  9.  Homilie 
zum  Matthaeus ;  seine  Anordnung  der  Wunder  des  Heiligen 
vergleicht  er  mit  der  der  Psalmen,  und  er  citiert  für  diese 
eine  Stelle  des  Hieronymus 3.  Erlebnisse  und  Wunder  des 
Heiligen  geben  ihm  Veranlassung,  ähnliche  Fälle  vom 
Apostel  Johannes  nach  Cassian4,  Coli.  XXIV,  21  (=  V. 
Remig.  c.  5),  von  Christus,  als  er  vor  Pilatus  stand,  nach 
Antoninus  uiart.,  De  locis  sanctis  c.  23  (=  V.  Remig.  c.  8), 
von  Basilius  und  Evurtius  nach  deren  Lebensbeschreibun- 
gen (=  V.  Remig.  c.  15),  vom  Papste  Fabian  nach  Rufin, 
Hist.  eccl.  VI,  21  (=  ibid.),  vom  h.  Martin  nach  Sulp.  Sev., 
Dial.  2,  2  (=  ibid.)  zu  erzählen.  Dass  nach  der  Poenitenz 
der  Verbrecher  zum  geistlichen  Amte  noch  fähig  sei,  recht- 


1)  Ovid.,  Metam.  IV,  64  ist  im  Cap.  16,  Lucan.  I,  1  und  Sedul.  Carm. 
pasch.  I,  1  in  der  Vorrede  benutzt.  2)  Cap.  16 :  'Quis  alligabit  ignem 

in  sinu  suo,  et  vestimenta  eius  non  comburentur ? '  (Prov.  6,  27)  =  Sept.: 
äjzodtfoei    ng  jivq  sv  xöhtcp,    xa    de   i/ndria    ov    y.araxavaei ;  3)  Vorrede 

zum  Psalterium,  ed.  de  Lagarde  1874,  p.  1.         4)  Hinkmar  schrieb:  'Fertur 
relatione  maiorum',  obwohl  er  den  Cassian  vor  sich  liegen  hatte. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  519 

fertigt  er  mit  den  Worten  Augustins  in  dessen  Briefe  an 
Bonifaz1;  er  nennt  dies  Zeugnis  eine  'consona  catholicorum 
sententia'  (c.  16),  obwohl  die  Frage  häufiger  verneint,  als 
bejaht  worden  ist.  Endlich  war  ihm  aus  der  V.  Vedastis 
dessen  Ordination  durch  Remigius  bekannt  (c.  3),  und  ge- 
legentlich erwähnt  er  die  Lex  Salica  und  die  Kapitularien 
Karls  d.  Gr.  (c.  32). 

Was  nun  nach  Abzug  der  noch  erhaltenen  Quellen 
in  Hinkmars  Schrift  an  sachlichen  Nachrichten  übrig  bleibt, 
soll  nach  des  Verf.  eigenem  Zeugnis  aus  den  zerstreuten 
Blättern  einer  älteren  längeren  Vita  und  aus  der  Tradition 
geschöpft  sein.     Diese  Nachrichten  betreffen : 

1)  die  Heiligkeit  und  Wunderthätigkeit  des  Remigius 
im  Allgemeinen, 

2)  seine  geistliche  Amtsgewalt  und  insbesondere  sein 
Verhältnis  zu  den  Suffraganen  von  Soissons  und 
Laon, 

3)  sein  Verhältnis  zu  dem  fränkischen  Königthum, 
•4)    seine  Sorge  für  den  Güterbesitz  der  Kirche. 

Remigius  hatte  eine  göttliche  Mission,  die  Rache  des 
Herrn  von  dem  barbarischen  Frankenvolke  abzuwenden;  er 
ist  der  Besänftiger  des  göttlichen  Zornes  und  geradezu  der 
Heiland  Galliens.  Eine  himmlische  Stimme  hat  seine  Ge- 
burt prophezeit ;  er  ist  durch  ein  Geschenk  des  h.  Geistes 
gezeugt  und  daher  zweifellos  frei  von  Sünde.  Der  Mutter- 
brust  entwöhnt,  bestreicht  er  mit  der  Muttermilch  die 
Augen  des  blinden  Mönches  Montanus,  durch  den  Gott 
seine  Geburt  offenbart  hatte,  und  giebt  ihm  dadurch  das 
Augenlicht  zurück ;  er  thut  also  Wunder,  ehe  er  noch  Vater 
und  Mutter  sagen  kann.  Bei  seiner  Bischofserhebung 
strahlt  sein  Scheitel,  wie  von  der  Sonne  beleuchtet,  und 
er  fühlt  sich  mit  himmlischer  Salbe  gesalbt.  Der  h.  Bene- 
dict erkennt  seine  Ueberlegenheit  im  Wunderfache  an  und 
schickt  ein  besessenes  Mädchen,  welches  er  selbst  nicht 
heilen  kann,  mit  einem  Empfehlungsschreiben  zu  ihm.  Wie 
Christus  bei  der  Hochzeit  zu  Cana,  füllt  er  Fässer  mit 
Wein,  Krüge  mit  h.  Oel  und  Chrisma.  Durch  Enthüllung 
des  h.  Geistes  erfährt  er  den  Tod  Chlodovechs.  Er  steht 
eben  mit  der  Gottheit  auf  vertrautestem  Fusse;  er  ist  ein 
Engel,  und  als  solchen  verehren  ihn  die  Bischöfe  Galliens 
und  Belgiens  auf  einer  sonst  unbekannten  Synode ;  nur  ein 
übermüthiger  Arianer  verweigert  ihm  die  schuldige  Ehr- 
furcht,   dafür   verliert   er   die  Sprache,    wird  aber  sogleich 


1)  Migne,  Patr.  Lat.  33,  p.  812. 


520  Br-  Krusch. 

o-eheilt,  als  er  dein  Heiligen  sich  zu  Füssen  wirft  und  den 
katholischen   Glauben  bekennt. 

Reniigius  regierte  die  'Ecclesia  Dei'  und  besonders 
die  Reimser  'Civitas'  und  'Provincia'.  Letztere  umfasste 
damals  12  'Civitates',  und  ebenso  viele  Bischöfe  hatte  der 
Heilige  unter  sich.  Nachdem  er  das  Frankenvolk  dem 
Christenthume  zugeführt,  übertrug  ihm  Papst  Hormisda 
das  päpstliche  Yicariat  für  das  ganze  Reich  Chlodovechs. 
Mit  den  Bischöfen  von  Soissons  war  er  verwandt.  Prin- 
cipius  war  sein  Bruder,  dessen  Nachfolger  Lupus  Bruders- 
sohn. In  Soissons  erfreute  sich  Chlodovech  seiner  Gesell- 
schaft; in  diesem  Gau  und  dem  von  Laon  lagen  die  ihm 
von  dem  König  und  den  Franken  geschenkten  Besitzungen, 
die  er  den  betreffenden  Kirchen  überwies.  Für  das  Bis- 
thum  Laon  hatte  er  besondere  Sympathieen,  und  dasselbe 
verdankte  ihm  überhaupt  erst  seine  Entstehung.  Er  war 
in  diesem  Gau  geboren,  in  Laon  erzogen,  und  man  zeigte 
dort  noch  den  Ort,  wo  er  sich  in  seiner  Jugend  einge- 
schlossen hatte.  Die  dortige  Kirche  gehörte  zur  Reimser 
Parrochie 1,  und  da  auch  die  ihm  als  Bischof  gewor- 
denen Schenkungen,  mit  denen  er  das  Bisthum  ausstat- 
tete, als  Reimser  Kirchengut  anzusehen  waren2,  war  die 
neue  Diöcese  von  der  Parrochie  und  nicht  von  der  Pro- 
vinz abgezweigt  und  stand  also  zur  Metropole  in  einem 
engeren  Abhängigkeits-Verhältnis  als  die  andern  Diöcesen. 
Er  ordinierte  dort  Genebaudus  zum  Bischof  und  unter- 
stellte ihm  die  Parrochie  des  dortigen  Comitats.  Sein  neuer 
Suffragan  machte  ihm  aber  schwere  Sorgen.  Er  setzte  den 
Verkehr  mit  seiner  früheren  Frau  fort  und  wurde  so  Vater 
eines  Söhnchens,  welches  er  Latro  nannte,  weil  es  durch 
'latrocinium'  erzeugt  war,  und  eines  Töchterchens  Vulpe- 
cula.  Es  waren  also  in  der  Diöcese  Sachen  vorgefallen, 
die  der  Suffragan  allein  nicht  entscheiden  konnte 3 :  'tales 
causae  ibi  emerserant,  quas  per  se  diffinire  non  posset', 
und  Genebaudus  kannte  seine  Pflicht.  Er  wusste,  dass  er 
als  Suffragan  alle  zweifelhaften  Sachen  dem  Metropoliten 
vorzulegen   hatte,    wenn   er   auch    den  bezüglichen  Erlass4 

1)  Vgl.  V.  Remigii  c.  16 :  'ecclesiae  sauctae  Mariae  in  castro  Lau- 
duni  Clavati  Remensis  parrockiae'  mit  Opusc.  55.  capit.  adv.  Hinein.  Laud. 
(Opp.  II,  p.  432) :  'Reniigius  eandem  sedem  Laudunensem  .  .  .  a  sua 
parrochia,    non    autem    a   dioecesis    provincia   seidit'.  2)  Vgl.  Opusc. 

55.  capitul.  a.  a.  0. :  'quiequid  rerum  et  maneipiorum  in  ordine  episco- 
patus  adquirit  episcopus,  sicut  et  illae  quae  ante  fuerunt  ecclesiae,  haben- 
tur  ecclesiasticae'.  3)  Hincm.,  V.  Remig.  c.  16.  4)  Hincmari  Rem. 

opusc.  55.  capitulorum  ad  Hincmarum  Laudun.  (Opp.  ed.  Sirmond  II,  409) : 
'Ego  de  dubiis  et  obscuris  rebus,   de  quibus  certam  diffinitionem  non  ha- 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  521 

des  Erzb.  Hinkmar  an  seinen  Neffen,  den  Bischof  von  Laon, 
natürlich  nicht  kennen  konnte,  und  er  bat  den  Remigius, 
nach  Laon  zu  kommen.  Dieser  legte  dem  Geständigen 
Busse  auf  und  bestrafte  ihn  mit  Kerkerhaft ;  er  versiegelte 
die  Pforte  und  nahm  den  Schlüssel  zu  sich.  Er  verur- 
theilte  ihn  also  ohne  Zuziehung  der  Synode  kraft  seiner 
eigenen  Amtsgewalt:  'decreto  beati  Eemigii,  proprio  iudi- 
cio'.  Die  Leitung  der  Parrochie  übernahm  er  jetzt  selbst, 
und  er  hat  sie  7  Jahre,  neben  seiner  eigenen  ('ut  et  pro- 
priam')  verwaltet,  indem  er  einen  Sonntag  in  Reims,  den 
andern  in  Laon  celebrierte.  Da  erschien  dem  Verurtheilten 
ein  Engel  und  kündigte  ihm  Straf erlass  an,  auch  die 
Kerkerpforte  öffnete  sich  ohne  Verletzung  des  Siegels  und 
des  Schlosses ;  Gott  hatte  ihm  die  Sünde  vergeben,  aber 
des  Genebaudus  scharf  entwickeltes  Rechtsbewusstsein  er- 
kannte, dass  nur  derjenige,  der  ihn  eingeschlossen,  auch 
lösen  durfte.  Der  Engel  hatte  den  Metropoliten  übergan- 
gen und  den  Instanzenweg  nicht  eingehalten,  der  Sünder 
selbst  hatte  ihn  erst  darüber  belehren  müssen ;  nun  machte 
er  den  Fehler  wieder  gut  und  begab  sich  zum  Remigius, 
um  ihn  von  dem  göttlichen  Beschlüsse  in  Kenntnis  zu 
setzen.  Dieser  eilte  nach  Laon  und  fand  den  pflichttreuen 
Genebaudus  auf  der  Schwelle  liegend !  Ein  rührendes 
Bild !  Natürlich  setzte  er  ihn  sogleich  wieder  in  das  Bis- 
thum  ein,  und  später  wurde  Latro  der  Nachfolger  des  Vaters. 
Die  Wunder  des  Remigius  verfehlten  ihren  Eindruck 
auf  die  heidnischen  Franken  nicht;  sie  liebten  ihn,  und 
der  König  hörte  ihn  gern  und  enthielt  sich  auf  seine  Vor- 
stellungen hin  vieler  Nichtswürdigkeiten.  Remigius  begiebt 
sich  Nachts  in  den  Palast;  der  König  springt  ihm  erfreut 
entgegen,  umarmt  ihn  und  beide  gehen  mit  der  Königin 
in  ein  benachbartes  Oratorium.  Hier  weiht  ihn  der  Bischof 
in  die  christliche  Lehre  ein;  da  erhellt  sich  die  Kirche 
durch  ein  überirdisches  Licht,  und  von  einer  himmlischen 
Stimme  erschallen  Bibelsprüche :  nur  Remigius  erkennt  den 
Urheber  des  Lichts,  nämlich  Jesus.  Umstrahlt  wie  Moses, 
steht  der  Bischof  da  und  erleuchtet  die  ganze  Kirche ; 
Chlodovech  und  die  Königin  liegen  zu  seinen  Füssen.  Er 
prophezeit  ihnen  die  Zukunft,  dass  sich  ihre  Nachkommen 
der  Römischen  Kaiserwürde  ('Romana  dignitate  regnoque') 
bemächtigen   werden.     Auf   dem  Wege    zum    Baptisterium 

bemus,  si  forte  emerserint,  et  de  his,  quae  sine  plurimorum  iudicio 
episcoporum  finiri  non  possunt,  cum  coepiscopis  provinciae  .  .  .  debeo 
consilium  quaerere.  .  .  .  Si  in  causis  dubiis  vel  obscuris  aliquid  dubitas, 
me  debes  interrogare'. 


522  Br.  Krusch. 

wird  der  Geistliche  mit  dem  Chrisma  vom  Volke  abge- 
halten, und  Niemand  kann  wegen  des  G-edränges  aus  der 
Kirche  herauskommen.  In  dieser  Verlegenheit  betet  Re 
migius  zum  Himmel.  Da  bringt  eine  schneeweisse  Taube, 
Avie  sie  bei  Christus'  Taufe  und  seitdem  noch  öfter  er- 
schienen war,  —  die  Fälle  führt  Hinkmar  einzeln  an,  — 
eine  Ampullula  mit  dem  heiligen  Chrisma  im  Schnabel. 
Remigius  giesst  davon  in  die  Taufquelle  und  hebt  selbst 
den  König  aus  der  Taufe ;  er  ist  also  der  Pathe  Chlodo- 
vechs,  sein  'pater  et  patronus',  wie  ihn  Hinkmar  nennt. 
Er  tauft  dann  von  Chlodovechs  Heere  3000  Mann,  ohne 
die  Kinder  und  Weiber,  und  nach  Ragnachars  Ermordung 
lässt  ihn  der  König  das  ganze  Frankenvolk  bekehren  und 
taufen.  Nun  wurde  diesem  das  Siegen  leicht.  Er  erhält 
von  Remigius  den  Segen  und  geweihten  Wein  und  schlägt 
die  Burgunder,  und  nachdem  er  auf  den  Rath  des  Bischofs 
die  Synode  von  Orleans  (511)  abgehalten  hatte,  zieht  er, 
wieder  mit  dessen  Segen  und  einer  Flasche  Champagner 
ausgerüstet,  gegen  die  Westgothen  (507)  ins  Feld  und 
kehrt  wieder  als  Sieger  heim.  So  lange  der  Wein  reichte, 
hatte  ihm  Remigius  gesagt,  würde  er  siegen,  und  die  Ge- 
schichte hat  das  bewiesen. 

Hinkmar  verlangte  von  einem  guten  Bischöfe,  dass 
er  über  den  geistlichen  Pflichten  die  Materie  nicht  ver- 
nachlässige 1,  und  das  scheint  er  seinem  Heiligen  abgelernt 
zu  haben.  Denn  dieser  sorgte  allerdings  gleichmässig 
nach  Innen  und  Aussen 2,  und  man  kann  ihm  durchaus 
nicht  vorwerfen,  dass  er  je  die  äusseren  Bedürfnisse  seiner 
Kirche  aus  dem  Auge  verloren  habe.  Von  seiner  Muhme 
('sobrina')  Celsa  erhielt  er  deren  Erbe,  die  Villa  Celtus,  für 
die  Füllung  eines  Weinfasses  zum  Geschenk,  und  der  Act 
wurde  auf  gesetzliche  Weise  'per  chartam  et  investituram 
vollzogen.  Nach  der  Taufe  bedachten  ihn  Chlodovech  und 
die  vornehmen  Franken  mit  zahlreichen  Besitzungen  in 
verschiedenen  Provinzen;  er  aber  verschenkte  sie  wieder 
an  die  Kirchen  seiner  Provinz,  besonders  die  in  Laon,  denn 
er  wollte  nicht  für  habgierig  gelten  und  zu  dem  Gerede 
Anlass  geben,  als  habe  er  nur  irdischen  Gutes  halber  die 
Bekehrung  ins  Werk   gesetzt.     Nur   einen   Theil   der   Ost- 

1)  Hincmari  ep.  ad  clerum  et  plebem  Bellovacensem  (Migne  126, 
p.  260):  'sie  exteriora  administret,  ut  interiora  non  deserat;  sie  interiori- 
bus  serviat,  ut  exteriora  penitus  non  relinquat';  ähnlich  Hincm.,  V.  ftemig. 
c.  17.  2)  Hine.  V.  Remigii  c.  7 :  'Erat  enim  hie  presul  beatissimus  in- 
ternorum  curam  in  exteriorum  oecupatione  non  minueus,  exteriorum  pro- 
videntiam  in  internorum  sollicitudine  non  relinquens'. 


Reimser  Remigius- Fälschungen.  523 

fränkischen  Güter  vereinigte  er  auf  specielle  Bitte  der 
Geber  mit  dem  Erzbisthum.  So  besass  er,  als  er  sich  am 
Hofe  des  Königs  in  Soissons  aufhielt,  nur  eine  kleine  Villa 
in  der  Nähe  dieser  Stadt,  und  er  bedurfte  dringend  neuer 
Schenkungen.  Das  erkannte  die  Königin,  und  auf  ihr  Zu- 
reden, und  da  auch  die  Bauern  ihre  vielfachen  Unpflichten 
lieber  der  Kirche  als  dem  Könige  leisten  wollten,  Hess  sich 
dieser  zu  dem  folgenden  Abkommen  bewegen.  Er  ver- 
sprach, ihm  so  viel  Land  zu  schenken,  als  der  Bischof  um- 
gehen könnte,  während  er  selbst  sein  Mittagsschläfchen 
hielt.  Remigius  ist  rüstig  zugeschritten,  denn  er  hat 
Leuilly,  Coucy  -  le  -  Chäteau  und  Chavigny  in  den  Kreis  ge- 
zogen, und  der  practische  Mann  vergass  auch  nicht,  die 
Grenze  sorgfältig  zu  versteinen ;  wer  aber  nicht  bischöflich 
werden  wollte  und  sich  ihm  in  den  Weg  stellte,  dem  hat 
er  Böses  angewünscht.  Ueber  die  Schenkung  stellte  ihm 
der  König  natürlich  eine  Urkunde  aus.  Von  einem  ange- 
sehenen Manne  Eulogius  kaufte  er  Epernay  aus  dem  Kirchen- 
schatze für  5000  Pf.  Silber.  Er  hatte  dem  Besitzer  die 
Begnadigung  für  ein  Majestätsverbrechen  erwirkt,  und 
dieser  wollte  ihm  den  Ort  zum  Geschenk  geben ;  aber  irdi- 
schen Lohn  nahm  er  für  seine  Intercessionen  nicht,  und 
so  rieth  er  dem  Manne,  seine  Habe  zu  verkaufen,  und  ge- 
wann nun  als  Käufer  einen  wohlerworbenen  Besitztitel  für 
die  Kirche.  Auch  den  grössten  Theil  des  Vogesen- Waldes 
erwarb  er  durch  Kauf,  und  er  gründete  dort  die  Weiler 
Cusel  und  Altenglan  und  setzte  aus  der  nahen  bischöf- 
lichen Villa  Berna,  die  ihm  die  Franken  geschenkt  hatten, 
Bauern  dorthin,  damit  sie  der  Reimser  Kirche  alljährlich 
das  Pech  für  die  Weinfässer  lieferten;  die  Grenzen  ver- 
steinte er  wieder  sorgfältig.  Endlich  erhielt  er  von  dem 
Prinzen  Chlodovald  aus  dessen  Erbe  Douzy  (dep.  Ardennes). 
Seine  Sorge  wäre  aber  nur  halb  gewesen,  wenn  er  nicht 
auch  das  erworbene  Kirchengut  gehütet  und  geschützt 
hätte,  und  das  besorgte  er  mit  rücksichtsloser  Grausamkeit. 
Einem  Manne,  der  einen  Grenzstein  zu  entfernen  versucht, 
verdorrt  die  Hand,  und  er  verliert  das  Augenlicht.  Die 
Bewohner  von  Celtus,  welche  seine  Getreidemieten  in 
Brand  stecken  und  ihn  'Jubelgreis'  ('Iubeleus')  schimpfen, 
verflucht  er,  dass  sie  leistenbrüchig,  und  ihre  Frauen 
kröpfig  werden.  Und  noch  nach  seinem  Tode  wacht  sein 
sorgendes  Auge  über  dem  Kirchengute  nicht  bloss  der  Diö- 
cese,  sondern  der  ganzen  Provinz.  Als  König  Pippin  die 
Villa  Anizy  -  le  -  Chäteau  dem  Bisthum  Laon  zu  entreissen 
trachtete,    die    der  Heilige    dieser  Kirche  geschenkt   hatte, 


524  Br.  Krusch. 

folgte  die  Strafe  auf  dem  Fusse.  Reniigius  stieg-  bei  Nacht 
vom  Himmel  herab,  und  er  hat  den  König-  so  recht- 
schaffen durchgehauen,  dass  man  noch  lang-e  die  blauen 
Flecken  an  seinem  Leibe  sehen  konnte.  Schleunig-st  ver- 
liess  der  Gezüchtigte  darauf  die  bischöfliche  Villa,  und 
seitdem  haben  sich  die  Herrscher  wohl  gehütet,  auf  den 
Besitzungen  der  Kirche  ihre  Ablager  zu  halten.  Mit  glei- 
cher Strenge  ahndete  der  Schutzpatron  Eingriffe  der  Kaiser- 
lichen Beamten  in  den  Besitz  der  Kirche,  und  als  nach 
der  Reichstheilung  843  Karl  d.  Kahle  das  Bisthum  unter 
seine  Mannen  vertheilt  und  Leuilly  dem  Richuin  zu  Lehen 
gegeben  hatte,  schlug  er  dessen  Frau,  die  nach  dreimaliger 
Ermahnung  den  Ort  nicht  verlassen  hatte,  dass  sie  er- 
krankte und  elendiglich  ums  Leben  kam.  Nach  solchen 
Thaten  war  es  sehr  zu  verwundern,  dass  der  Heilige  zu 
Hinkmars  Zeiten  sich  lässiger  zeigte  und  nicht  mehr,  wie 
früher,  die  Kirchenräuber  bestrafte.  Diesen  Einwand  hat 
der  Biograph  vorausgesehen 1 ;  er  fertigt  aber  die  Zweifler 
sehr  gut  mit  der  Mahnung  ab,  lieber  darüber  betrübt  zu 
sein,  denn  die  Welt  sei  eben  so  schlecht  geworden,  dass 
sie  die  Heiligenwunder  nicht  mehr  verdiene. 

Seitdem  haben  sich  die  Zeiten  nur  noch  mehr  ver- 
schlechtert. Wer  über  drei  Jahrhunderte  zurückliegende 
Begebenheiten  so  viel  mehr  weiss,  als  die  alten  Quellen, 
kommt  heute  leicht  in  den  Verdacht  zu  schwindeln,  und 
selbst  gute  Freunde  fordern  von  ihm  die  Ausweise.  Auch 
Schrörs  hat  nach  den  Quellen  gesucht,  die  Hinkmar  für 
seine  eigenen  Nachrichten  benutzt  haben  könnte.  Er  be- 
merkte da,  dass  dieser  gelegentlich  von  Schenkungsurkun- 
den der  Reimser  Kirche  spricht,  und  er  war  rasch  mit  der 
Behauptung2  bei  der  Hand,  dass  diese  'in  Betreff  der  von 
Remigius  erworbenen  Besitzungen  werthvolle  Nachrichten 
enthalten  konnten'.  Hinkniar  führt  sie  aber  nur  zum  Be- 
weis für  die  Orthographie  "Remedius'  an,  unter  seine  Ge- 
schichtsquellen rechnet  er  sie  nicht,  und  wer  Urkunden 
gelesen  hat,  weiss,  dass  iu  ihnen  Romane,  wie  die  Hink- 
marschen, nicht  zu  stehen  pflegen.  Ueberdies  schliesst 
schon  der  Wortlaut  der  Stelle  Schrörs'  Deutung  aus,  denn 
den  Gegenstand  jener  Urkunden  bildeten  nicht  Erwerbungen 
des  Remigius,  sondern  Schenkungen,  die  nach  seinem  Tode, 
und  zum  Theil  viele  Jahre  später  der  Reimser  Kirche  ge- 


1)  Hincm.  V.  Remig.  c.  28:  'Causantur  etiam  aliqui,  quoniam 
sanctus  Remigius  nunc  in  reruni  suarum  invasores  et  familiae  suae  oppres- 
sores  non  vindicat,  sicut  praecedentibus  temporibus  egerat'.         2)  S.  450. 


Reiruser  Remigius -Fälschungen. 


525 


macht  waren 1.  Mit  dem  'monumentum  reclusionis',  dessen 
Benutzung-  er  für  die  Geschichte  des  Genebaudus  an- 
nimmt 2,  steht  es  fast  noch  schlimmer,  denn  der  lateinische 
Ausdruck  bezeichnet  den  Kerker  des  sündigen  Bischofs, 
und  Hinkmar  verweist  an  der  betreffenden  Stelle  ausdrück- 
lich auf  die  Tradition3.  Es  bleiben  nun  nur  noch  die 
'emendatiora  gesta'  übrig,  auf  die  sich  Hinkmar  ein  ein- 
ziges Mal  beruft4.  Er  will  in  ihnen  die  Geschichte  von 
der  himmlischen  Stimme,  welche  die  Geburt  des  Remigius 
prophezeite,  gefunden  haben;  er  kennt  den  vollständigen 
Wortlaut  des  göttlichen  Beschlusses,  welcher  aus  den  himm- 
lischen Sitzen  dem  Montanus  notificiert  wurde.  Diese 
Wissenschaft  müsste  er  also  den  fliegenden  Blättern  seiner 
längeren  Vita  verdanken;  nun  eine  Empfehlung  würde  sie 
für  jene  gerade  nicht  sein.  Auf  demselben  Niveau  stehen 
aber  alle  anderen  Zusätze  Hinkmars;  sie  können  unmöglich 
auf  eine  alte  Quelle  zurückgeführt  werden. 

Nun  besass  allerdings  der  Reimser  Erzbischof  einen 
hohen  Grad  von  Findigkeit.  Er  copiert  die  Todten- Er- 
weckung aus  der  kürzeren  V.  Remedii,  deren  Benutzung 
er  ableugnet,  und  lässt  das  Wunder  durch  die  Geheilte 
selbst  bezeugen: 


V.  Remedii  c.  8. 
Quae    protinus    .   .    .    cum 
integra  incolomitate  surrexit 
et   ad   propriam  feliciter  re- 
meavit, 


Hincm.  V.  Kernig,  c.  9. 
Quae  mox  cum  integra  incolomi- 
tate, sicut  ipsa  postea  fateba- 
tur,  ab  ipsis  inferni  claustris 
surrexit  et  ad  propria  feliciter  re- 
meavit, 


das  ist  doch  wohl  eine  Fälschung,  und  verfälscht  hat  er 
auch  seine  anderen  Geschichtsquellen,  indem  er  den  h. 
Remigius  in  die  Texte  hineinschwärzte : 


1)  V.  Remig.  c.  2 :  'Nee  illud  silendum  est,  quia  in  cartis  recenti 
tempore  post  illius  obitum,  sed  et  post  plura  annorum  curricula  factis  de 
rebus  isti  Remensi  aecclesiae  traditis  Remedium  eum  fuisse  nomin  atuni 
legimus1.  2)  S.  451.  3)  Opuscul.  55  capitul.  (Hincm.  Opp.  II,  435): 
'ex  quo  beatus  Remigius  sanetum  Grenebaudum  in  Laudunensi  castello 
episcopum  non  solum  constituit,  sed  etiam,  ut  ostendit  antiqua  traditio 
et  monimentum  reclusionis,  qua  eum  propter  excessum  notissimum  se- 
eundum  regulas  reclusit,  post  dignam  satisfactionem  restituit'.  Im  besten 
Falle  hätte  Schrörs  zwei  Quellen  herauslesen  können ;  die  richtige  Erklä- 
rung konnte  er  aber  bei  Noorden  S.  399  finden.  4)  Hincm.  V.  Remig. 
c.  2 :  'Merito  igitur  eum  Remedium  fuisse  nominatum  in  baptismate  cre- 
deremus,  nisi  in  emendatioribus  gestis  illum  oraculo  divino  per  sanetum 
Montanum  Remigium  vocari  debere  cognosceremus'. 


Neues  Archiv  etc.     XX. 


35 


526 


Br.  Krusch. 


Hincm.  V.  Reinig,  c.  19. 

magis  autem  Dominus  lorica 
fidei  indutum  per  orationem 
sancti  Remigii  patris  et  pa- 
tronis  sui  adiuvit  eum. 

ib.  c.  20. 
Huius  .  .  .    tempore  .  .  .   Hludo- 
wicus   rex    .   .    .    cum   gemmis    .  .  . 
Regnum  .  .  .  beato  Petro,    sancto 
Remigio  suggerente,  direxit. 


L.  h.  Fr.  c.  17. 
Dominus  autem  adiuvabat 
eum  (seil.  Chlodovechum)   in 
eunetis. 

Lib.  pontif.,  V.  Hormisdae 
(ed.  Duchesne  I,  271). 
Eodem  tempore  venit  Re- 
gnus  cum  gemmis  praetiosis 
a  rege  Francorum  Cloduveum 
christianum  donum  beato 
Petro  apostolo. 

So  konnten  die  Thaten  Chlodovechs  leicht  zu  solchen 
des  Remigius  gestempelt  werden,  und  die  Geschichte  des 
Frankenkönigs  verwandelte  sich  in  einen  Panegyricus  auf 
den  Reimser  Bischof.  Die  Ansicht  Schrörs'  \  dass  Hink- 
mar  eine  spätere  Ueberarbeitung  des  L.  h.  Fr.  mit  Zu- 
sätzen über  Remigius  benutzt  habe,  würde  den  Fälscher  auf 
Kosten  eines  Unbekannten  entlasten,  aber  die  Gründe  sind 
doch  zu  fadenscheinig,  und  bis  man  nicht  auch  ein  ebenso 
vervollständigtes  Exemplar  des  Lib.  pontif.  angenommen 
hat,  bleibt  die  Vertheidigung  nur  halb.  Und  die  Beweise 
für  die  Unehrlichkeit  der  Hinkmarschen  Geschichtsschrei- 
bung sind  damit  keineswegs  erschöpft.  Wenn  er  die 
Wunderthätigkeit  seines  Patrons  auf  Kosten  des  h.  Bene- 
dict preist,  wenn  er  diesen  die  Curierung  einer  Besessenen 
vergeblich  versuchen  und  ihn  dann  die  Kranke  mit  einem 
Brief  zu  Remigius  schicken  lässt,  so  ist  die  Geschichte 
wiederum  aus  der  kürzeren  Vita  abgeschrieben,  und  die 
dort  erwähnten  'affatus'  können  die  Bedeutung  von  Brief 
haben;  der  erste  Wunderdoctor  führt  aber  dort  keinen 
Namen  ('quidam  Dei  servus),  und  in  den  Worten  'ipsius 
benedicti',  mit  welchen  im  Verlauf  der  Erzählung  einmal 
auf  ihn  Bezug  genommen  wird,  ist  'benedictus'  natürlich 
Adjectiv.  Durch  die  Deutung  als  Eigenname  und  die 
Beziehung  auf  den  h.  Benedict  ist  die  Erhebung  des  Re- 
migius über  diesen  Heiligen  möglich  geworden,  nicht  zur 
Freude    der    Mönche    von    Monte    Cassino.      Der   Urheber 


1)  Er  schliesst  S.  448  auf  eine  andere  Form  des  L.  h.  Fr.  aus  der 
Lesart  'Moglotinse'  für  'Vogladinse'  und  auf  eine  spätere  Ueberarbeitung 
aus  der  Schreibung  der  Namen  'Ludovicus'  und  'Rothildis1 :  die  Möglich- 
keit, dass  diese  Orthographie  von  Hinkmar  sein  könnte,  scheint  er  gar 
nicht  zu  sehen. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  527 

dieser  Textfälschung  kann  aber  nur  Hinkmar  sein.  Seine 
Mache  verräth  weiter  die  Schilderung  des  Conflicts  zwischen 
dem  Heiligen  und  den  Einwohnern  von  Celtus :  er  legt 
ihnen  das  Schimpfwort  lIubeleus'  in  den  Mund ;  nun  dieses 
haben  Amtsgenossen  gegen  Remigius  gebraucht,  und  dessen 
noch  erhaltene  Replik  hat  er  gelesen 1.  Die  Spuren  der 
Erfindung  tragen  auch  noch  andere  Geschichten:  Latro 
und  Vulpecula  heissen  die  Kinder  des  Genebaudus,  Celsa 
ist  der  Name  der  Besitzerin  von  Celtus ;  der  Bischof  ver- 
steint die  Grenzen,  und  durch  seinen  Wein  besiegt  der 
König  die  Burgunder  und  Westgothen.  Das  Bestreben, 
die  Thaten  Chlodovechs  auf  die  Unterstützung  des  Rerni- 
gius  zurückzuführen,  blickt  überall  durch;  wenn  aber  dann 
Hinkmar  vor  dem  Westgothischen  Kriege  dem  Könige 
durch  den  Bischof  den  Rath  ertheilen  lässt,  die  Synode 
von  Orleans  zu  veranstalten,  so  ist  diese  Lüge  doch  zu 
frech:  die  Synode  ist  ja  vier  Jahre  nach  dem  Kriege  ge- 
halten worden,  und  Remigius  hat  ihr  gar  nicht  einmal  bei- 
gewohnt. Nach  diesen  Proben  wird  man  getrost  den  Schluss 
ziehen  dürfen :  Hinkmars  Lebensbeschreibung  des  Remigius 
ist  theils  aus  noch  vorhandenen  Quellen  abgeschrieben, 
theils  von  dem  Verf.  selbst  erlogen;  so  konnte  Remigius 
dem  Königspaare  allerdings  leicht  prophezeien,  dass  sich 
dessen  Nachkommen  in  den  Besitz  der  Römischen  Kaiser- 
würde setzen  würden. 

Für  das  päpstliche  Vicariat  des  Remigius  erbringt 
Hinkmar  den  urkundlichen  Beweis  durch  vollständige  Ein- 
rückung einer  Bulle  des  Papstes  Hormisda.  Dieses  Mach- 
werk ist  eine  Copie  der  echten  Bulle  jenes  Papstes  für  den 
Bischof  Sallustius  von  Sevilla2,  und  nur  die  Begrenzung 
des  Vicariats  auf  das  ganze  Reich  Chlodovechs  ist  eigene 
Zuthat 3  des  Fälschers ;  ein  beklagenswerthes  Misgeschick 
hat  ihn  einen  Papst  wählen  lassen,  der  3  Jahre  nach  dem 
Tode  des  Frankenkönigs  den  Stuhl  Petri  bestiegen  hat. 
Das  päpstliche  Privileg  für  Remigius  ist  daher  heute  all- 
gemein aufgegeben,  auch  Hiukmars  Freunde  versuchen  es 
nicht  zu  retten;  sie  haben  sich  aber  bemüht,  den  Erz- 
bischof von  dem  Verdachte  der  Fälschung  schleunigst  zu 
entlasten.  Den  Einwand,  dass  in  dem  Schreiben  die  Hi- 
spana  benutzt  sei,  während  Hinkmar   sonst  die  Sammlung 

1)  Brief  des  Remigius  an  die  Bischöfe  Heraclius,  Leo  und  Theodo- 
sius,  MGr.  Ep.  III,  p.  114:  'Annorum  numerum  me  esse  scribitis  iubeleum'. 
Schrörs  S.  452  hätte  Hinkmar  die  Kenntnis  der  Briefe  des  Heiligen  nicht 
absprechen  sollen.  2)  Thiel,  Ep.  Rom.  pontif.  I,  979.  3)  In  der 

Quelle  stand :  'per  Baeticam  Lusitaniamque  provincias'. 

35* 


528  Br.  Krusch. 

Pseudo  -  Isidors  zu  benutzen  pflege,  hätte  Thiel1  nicht  er- 
heben sollen,  denn  seine  hsl.  Studien  gehen  so  wenig  in 
die  Tiefe,  dass  er  weder  den  einen  noch  den  andern  Text 
genügend  kennt,  und  sein  Satz  ist  auch  an  sich  unrichtig, 
nachdem  jetzt  Schrörs  2  Benutzung  der  Hispana  bei  Hink- 
mar  nachgewiesen  hat.  Dieser  hat  denn  auch  die  Ehren- 
Rettung  in  anderer  Weise  versucht.  Wenn  Hinkmar  der 
Verfasser  wäre,  meinte  er3,  wäre  nicht  einzusehen,  warum 
er  dem  Remigius  bloss  ein  persönliches  Vicariat  und  nicht 
ein  solches,  welches  auch  auf  die  Nachfolger  überging, 
verliehen  haben  sollte.  Das  ist  bei  jedem  andern  ebenso- 
wenig einzusehen,  wie  bei  Hinkmar,  denn  Schrörs  hat 
ganz  Recht,  dass  ein  allgemeines  Privileg  sich  für  die 
Reimser  Interessen  besser  hätte  verwerthen  lassen,  und  so 
könnte  Niemand  der  Thäter  sein.  Aber  vielleicht  hatte 
sich  Hinkmar  überlegt,  dass  eine  solche  Verallgemeinerung 
den  Schwindel  leicht  an  den  Tag  gebracht  hätte,  denn  bis 
auf  seine  Zeit  war  kein  Reimser  Bischof  Vicar  gewesen4, 
und  seine  eigenen  Bemühungen  um  diese  Ehre  waren  kläg- 
lich gescheitert;  oder  es  fehlte  ihm  an  einem  Modell  für 
das  bessere  Privileg,  denn  seine  Vorlage  lautete  auch  nur 
auf  die  Person  des  Sallustius.  Kurz  völlig  beweisend 
scheint  mir  der  Einwand  Schrörs'  nicht  zu  sein,  und  eigent- 
lich enthält  er  eine  Spitze  gegen  Hinkmar:  Warum  soll 
er  denn  gerade  ein  so  schlimmer  Bösewicht  gewesen  sein, 
dass  er  sich  mit  der  Fälschung  eines  persönlichen  Privilegs 
für  einen  seiner  Vorgänger  gar  nicht  erst  abgegeben 
hätte  ? 

Schon  v.  Noorden 5  hatte  bemerkt,  dass  in  Hinkmars 
V.  Remigii  bei  aller  scheinbaren  Planlosigkeit  und  Naive- 
tät  allenthalben  dieselbe  schlaue  Berechnung  durchblickt, 
und  der  Verf.  mit  dieser  Schrift  noch  andere  Zwecke  ver- 
folgt, als  die  blosse  Erbauung.  Vielleicht  hatte  auch 
Suysken (i  dasselbe  im  Sinne,  wenn  er  schreibt :  'Hincmarus 
quamvis  suis  naevis  non  caruerit,  maxime  ubi  de  suae  sedis 
excellentia  agebatur'.  In  der  kürzeren  Vita  war  Remigius 
ein  Heiliger,  wie  so  viele  anderen,  und  seine  einzige  Aus- 
zeichnung bestand  in  der  Todten  -  Auf  erweckung.  Durch 
Hinkmars  Schrift  —  und  ich  halte  mich  an  seine  eigenen 


1)  S.  125.  2)  S.  393.  3)  S.  510.  4)  Anders  Schrörs  S.  369: 
'Die  Urk.  des  P.  Hormisda  ist  unecht;  ob  die  Thatsache  eines  Reimser 
Vicariats  richtig  ist,  lässt  sich  nicht  sicher  entscheiden'.  Warum :  Nicht 
sicher?  Würde  man  etwa  in  Reims  die  Bulle  gefälscht  haben,  wenn  die 
Thatsache  unrichtig  gewesen  wäre?  5)  S.  395.  6)  AA.  SS.  Oct.  I, 
p.  87. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  529 

Conclusionen  in  Cap.  31  —  wurde  er  ein  Engel,  ein  Erz- 
engel ;  der  Brief  des  Hormisda  zeigt  ihn  als  Cherubim,  die 
Taufe  der  Franken  als  Seraphim.  Er  zählt  zu  den  himm- 
lischen Gewalten,  er  zählt  auch  zu  den  Fürstlichkeiten, 
denn  er  hat  den  Principat  über  die  'fratres  electi',  die 
Bischöfe  von  Arras,  Laon,  Soissons,  Viromandis  und  die 
übrigen  in  den  ihm  unterworfenen  'Civitates'.  Er  hat  den 
Bischof  Genebaudus  von  Laon  gerichtet  und  nach  seinem 
Urtheilsspruche  ihn  unter  göttlicher  Leitung  und  auf  gött- 
lichen Befehl  in  das  Bisthum  wieder  eingesetzt:  in  ihm 
thront  also  der  Herr,  er  gehört  zu  den  himmlischen  Thro- 
nen ('supernae  sedes'),  welche  die  'electi'  zu  richten  befugt 
sind.  Er  hat  durch  seine  Reinheit  Jesus  von  Angesicht 
sehen  können,  er  hat  dem  Könige  Chlodovech  befohlen,  wie 
einem  ihm  unterworfenen  Sclaven,  als  er  ihm  die  Worte: 
'Beuge  dein  Haupt,  Sicamber'  zurief :  wie  im  Vergleich  zu 
solchen  Menschen  die  übrigen  nur  Sclaven  sind,  wie  sie 
selbst  unter  ihren  Mitmenschen  für  Götter  ('dii')  angesehen 
und  unter  die  Herrschaften  ('dominationes')  gerechnet  wer- 
den ,  so  zählt  auch  Reniigius  —  zu  den  Fürstlichkeiten 
('principatus'),  schliesst  Hinkmar  abermals.  Alles  dies,  wird 
man  einwenden,  waren  nur  persönliche  Vorrechte  des  h. 
Reniigius :  indessen  wurde  doch  das  Ansehen  des  Reimser 
Stuhles  dadurch  gehoben,  und  aus  persönlichen  Vorrechten 
hat  man  allgemeine  construiert;  auch  Hinkmar  hat  sich  in 
seinem  bewegten  Leben  verschiedene  Male  auf  seinen 
grossen  Vorgänger  berufen,  und  auf  jeden  Fall  hat  er  die 
gleichen  Ziele  verfolgt. 

Die  Usurpation  des  Reiches  Lothars  nach  dessen  Hin- 
scheiden 869  hatte  Karl  d.  Kahle  auf  Anstiften  Hinkmars 
vorgenommen.  Eine  kirchliche  Ceremonie  in  der  Stephans- 
kirche in  Metz  sollte  die  widerrechtliche  Handlung  legi- 
timieren 1.  Der  Veranstalter  und  Leiter  des  theatrali- 
schen Aufzugs  war  wiederum  Hinkmar,  und  er  war  be- 
müht, seine  Einmischung  in  die  Trierer  Kirchenprovinz  zu 
rechtfertigen.  Unter  Berufung  auf  die  Krönung  Ludwigs 
d.  Fr.  durch  Papst  Stephan  V.  816  in  Reims2  und  auf  das 
Beispiel  Chlodovechs,  der  von  Remigius  ebenda  getauft 
und  mit  einem  vom  Himmel  gekommenen  Salböl  ('chris- 
rnate')  gesalbt  und  zum  König  geweiht  sei,  vollzog  er  an 
Karl  die  Königssalbung,  und  er  behauptete,  dass  noch  von 
der   Chlodovech'schen    Salbe    ein   Vorrath    vorhanden    sei. 


1)  Dümmler,  Gesch.  des  Ostfräok.  Reichs  II,  282 2.  2)  Simson, 

Jahrbücher  I,  72. 


530  Br.  Krusch. 

Von  der  Arnpulla,  wie  v.  Noorden 1  meint ,  ist  also  hier 
nicht  die  Rede,  und  damit  fällt  dessen  Bedenken,  dass  ein 
beabsichtigter  Unterschleif  von  den  mit  dem  Reliquien- 
schatze  vertrauten  Dienern  der  Reiinser  Kirche  leicht  hätte 
verrathen  werden  können.  Der  vorsichtige  Hinkmar  ge- 
denkt nur  der  alten  Salbe.  Die  Salbung  Chlodovechs  mit 
dem  Chrisma  erwähnt  schon  Gregor,  H.  Fr.  II,  31;  hinzu- 
gelogen hat  also  der  Erzbischof  nur,  dass  die  Salbe  vom 
Himmel  gekommen  sei,  und  er  noch  davon  habe.  Da  die 
Salbung  des  ersten  Frankenkönigs,  wie  schon  Suysken  ge- 
sehen hat,  nur  ein  Theil  der  kirchlichen  Taufhandlung 
war,  so  passte  das  Beispiel  nicht  auf  den  vorliegenden  Fall, 
und  das  hat  Hinkmar  sehr  wohl  bemerkt;  durch  seine 
nicht  gewöhnliche  Geschicklichkeit  kam  er  aber  über  die 
Schwierigkeit  leicht  hinweg,  indem  er  zu  der  Taufe  und 
Salbung  des  ersten  Frankenkönigs  stracks  eine  Königs- 
weihe ('peruncti  et  in  regem  sacrati')  hinzufälschte.  Diese 
kecke  Lüge  hat  er  nur  für  den  vorliegenden  Fall  erfunden 
und  später  nicht  weiter  ausgesponnen,  dagegen  fühlte  er 
das  Bedürfnis,  für  die  himmlische  Herkunft  des  Chrisma 
eine  Erläuterung  zu  geben.  Dies  geschieht  in  der  V.  Re- 
migii;  hier  wird  auch  zum  ersten  Mal  das  Gefäss  für  die 
Salbe,  die  'ampullula',  genannt,  aber  er  behauptet  nicht, 
es  noch  zu  besitzen,  und  so  könnte  es  sehr  wohl  erst  nach 
seiner  Zeit  'entdeckt'  worden  sein.  Und  das  ist  das  Wahr- 
scheinlichere, denn  erst  seit  Philipps  II.  Krönung  1179 
ist  es  benutzt  worden.  Während  der  Erzbischof  von  Reims 
den  König  krönte  und  salbte,  trug  der  Bischof  von  Laon 
die  heilige  Arnpulla'-'.  Sie  hat  für  die  franz.  Königskrö- 
nungen eine  hervorragende  Bedeutung  gewonnen,  und 
Hinkmar  hat  seinen  Nachfolgern  den  Weg  gezeigt,  wie 
sich  der  Schutzpatron  zur  Hebung  der  politischen  Stellung 
des  Erzbischofs  von  Reims  verwerthen  liess. 

Die  Disciplinargewalt  über  die  Kirchenprovinz  stand 
in  Merowingischer  Zeit  der  Provinzialsynode  zu,  und  ihr 
war  auch  der  Metropolit  unterworfen 3.  Nur  der  päpst- 
liche Vicar,  der  Primas  der  fränkischen  Kirche,  stand  un- 
mittelbar unter  dem  Papste 4.  Dem  Reimser  Stuhl  war 
von  Papst  Hadrian  (c.  775)  der  Primat  über  die  ihm  unter- 
worfenen 'Civitates',  nämlich  über  die  Reimser  Kirchen- 
provinz, verbrieft  und  zugleich  dem  Erzbischof  ein  gewisses 


1)  S.  252.  2)  Vgl.  Warnkönig  und  Stein,   Franz.  Staats-  und 

Recktsgesckickte  I,  207.  3)  Löning,  Das  Kirckenreckt  im  Reicke  der 

Merovinger  S.  208.         4)  Löning  S.  83. 


Reimser  Rernigius  -  Fälschungen.  531 

Vorrecht  hinsichtlich  seines  Gerichtsstandes 1  verliehen 
worden.  Hinkmars  Streben  war  auf  das  Vicariat  gerichtet. 
Dasselbe  war  zu  seiner  Zeit  Beruf  ungs  -  Instanz  gegen  die 
Urtheile  der  Provinzialsynode ,  und  nur  in  zweifelhaften 
Fällen  sollte  noch  die  Appellation  an  den  päpstlichen 
Stuhl  gestattet  sein:  der  Vicar  durfte  also  Bischöfe  und 
Aebte  richten,  und  in  dieser  Form  war  Erzbischof  Drogo 
von  Metz  844  für  Frankreich  und  Deutschland  damit  be- 
liehen worden 2.  Nachdem  Hinkmar  von  Leo  IV.  bereits 
das  gewöhnliche  Pallium  auf  Verwendung  Lothars  erhalten 
hatte,  Hess  er  durch  denselben  um  Verleihung  des  Viea- 
riates  nachsuchen,  um  "Erzbischöfe,  Bischöfe  und  Aebte' 
richten  zu  können3;  aber  der  Papst  lehnte  das  Gesuch 
unter  Berufung  auf  Drogo  ab  und  gestand  dem  herrsch- 
süchtigen Manne  nur  den  täglichen  Gebrauch  des  Palliums 
zu,  woran  ihm  weniger  lag,  wenn  er  sich  auch  darum  be- 
worben hatte.  Der  Versuch,  sich  über  die  synodale  Ge- 
walt zu  setzen,  war  somit  fehlgeschlagen,  und  er  musste 
weiter  mit  diesem  Hindernisse  rechnen.  Wie  ein  Chamä- 
leon i  trat  er  auf  der  Synode  von  Soissons  853  bald  als 
Angeklagter,  bald  als  Ankläger,  bald  als  Richter  auf,  und 
erlangte  so  die  Verurtheilung  der  von  seinem  Vorgänger 
Ebo  nach  dessen  Absetzung  geweihten  Cleriker.  Um  die- 
sen die  Appellation  an  den  päpstlichen  Stuhl  abzuschnei- 
den, bemühte  er  sich  eifrigst,  von  Leo  IV.  die  Confirnia- 
tion  des  unrechtmässigen  Urtheils  zu  erlangen;  der  aber 
wollte  ohne  eine  Nachprüfung  davon  nichts  wissen,  und 
erst  dessen  Nachfolger  Benedict  liess  sich  von  dem  schlauen 
Erzbischof  überlisten 5  und  gab  ihm  das  gewünschte 
Privileg,  doch  nicht  ohne  durch  die  folgende  Clausel 
seinen   Vorbehalt    zu    machen:    lsi    ita    est,    nostroque    ut 


1)  Flod.  II,  17  (SS.  XIII,  463):  'primatem  .  .  .  non  presumat  .  .  .  ali- 
quis  de  episcopätu  deicere  sine  canonico  iudicio,  et  neque  in  ullo  iudicio  sine 
consensu  Romani  pontificis,  si  ad  hanc  sedern  .  .  .  appellaverit  in  ipso 
iudicio ;  sed  in  sola  subiectione  Romani  pontificis  permanens1  etc.  Das 
war  aber  keine  vollständige  Befreiung  von  dem  Zwange  der  Provinzial- 
synode. 2)  Sirmond,  Concil.  III,  10:  'Drogoni  archiepiscopo  in  exami- 
nandis  ac  perquirendis  episcopis  et  abbatibus  sub  hoc  tenore  hanc  nostram 
licentiam  et  auctoritatem  concessimus1.  Vgl.  Dümmler,  Gesch.  des  Ostfränk. 
Reichs  I2,  252.  3)  Vgl.  den  Brief  des  Papstes  an  Lothar  (N.  A.  V, 

381) :  'ut  Hincmaro  .  .  .  auctoritatem  potestatemque  praecipuam  vice  nostra 
alios  archiepiscopos  vel  episcopos  sive  abbates  ipsius  regionis  per  sacras 
canonum  sanctiones  iudicandi  dedissemus  licentiam'.  4)  Schreiben  des 

Papstes  Nicolaus  von  866  6/12  (Sirmond  III,  303) :  'more  cuiusdam  ani- 
mantis  non  semper  unius  eiusdemque   coloris  apparet'.  5)  Schreiben 

des  Nicolaus  von  866  6/12 :  'Hincmarus  arma  praeparat  et  eidem  summo 
praesuli,  tamquam  suarum  inexperto  versutiarum,  latenter  subripit'. 


532  Br.  Krusch. 

scriptis  praesulatui  intimasti  et  gestorum  serie  deinon- 
strasti'1.  Diese  verfängliche  Bedingung  störte  zwar  Hink- 
mar, indessen  konnte  er  doch  an  dem  Privileg  seine  Freude 
haben,  denn  es  enthielt  nicht  bloss  eine  Bestätigung,  son- 
dern auch  eine  Erweiterung  der  Bulle  Hadrians.  Dem 
Erzbischof  wurde  jetzt  der  befreite  Gerichtsstand  vor  dem 
päpstlichen  Stuhle  zugesprochen,  und  zugleich  sein  heisse- 
ster  Wunsch  erfüllt  durch  Uebertragung  der  Gerichtshoheit 
über  die  ganze  Diöcese  der  Reimser  Metropole.  Die  Fas- 
sung war  äusserst  geschickt  gewählt.  Das  Gericht  des  Me- 
tropoliten war  nicht  zur  Provinzialsynode,  sondern  zu  frem- 
den Gerichten  in  Gegensatz  gesetzt,  und  es  wurde  nun  den 
Prälaten  und  Unterthanen  verboten,  mit  Umgehung  des 
Metropoliten  vor  diesen  Recht  zu  geben  oder  zu  nehmen, 
doch  unbeschadet  der  Rechte  des  apostolischen  Stuhles. 
Dadurch  wurde  Hinkmar  fast  ein  Vicariat 2  über  die  Reimser 
Provinz  übertragen.  Schlimme  Erfahrungen  veranlassten 
ihn,  863  beim  Papste  Nicolaus  um  die  Bestätigung  und 
abermalige  Erweiterung  dieses  Privilegs  einzukommen,  denn 
neue  Krankheiten,  meinte  er,  erforderten  neue  Heilmittel. 
Er  sandte  zu  diesem  Zwecke  eine  Abschrift  der  Bulle  Bene- 
dicts nach  Rom,  und  er  entschuldigte  sich  deshalb,  aber 
das  Original,  meinte  er,  könne  auf  der  Reise  leicht  ver- 
unglücken. Ueber  die  Glaubwürdigkeit  der  Abschrift  gab 
er  dem  Papste  die  beruhigendsten  Versicherungen :  man 
könne  das  Actenstück  im  päpstlichen  Archive  aufsuchen 
und  sich  den  augenscheinlichen  Beweis  von  der  Zuverlässig- 
keit verschaffen3.  Das  war  die  sichere  Sprache  des  guten 
Gewissens,  und  so  konnte  man  sich  wohl  mühsame  Re- 
cherchen ersparen.  Auf  Grund  jener  Abschrift  bestätigte 
Nicolaus  die  Beschlüsse  der  Synode  von  Soissons,  und  zwar 
nicht  bedingungsweise,  wie  sein  Vorgänger,  sondern  im 
vollen  Umfange,  und  nur  unbeschadet  der  Rechte  des  apo- 
stolischen Stuhles.  Das  war  um  so  auffälliger,  als  er  sich 
sonst  gegen  Hinkmar  alle  möglichen  Vorbehalte  machte. 
Er  bemerkte  sehr  wohl,  dass  sein  Vorgänger  die  Amts- 
gewalt des  Erzbischofs  auf  Kosten  der  Provinzialsynode 
gestärkt   hatte,   und    setzte  diese  schleunigst   in  ihr  Recht 


1)   Privileg   des  Papstes  Benedict  III.   für  Hinkmar   von   855,   bei 
Sirmond,  Concilia  III,  107.  2)  Er  führt  es  selbst,  De  iure  metropolit. 

(Opp.  II,  732),  nach  den  Vicariats  -  Privilegien  für  Arles,  für  Remigius 
und  Bonifaz  an.  3)  Vgl.  Hincmari  Opp.  II,  309:  'Vestra  vero  dignatio 
in  scrinio  sanctae  Romanae  ecclesiae  ex  more  exemplar  illius  potest  re- 
quirere  et  utrum  ita  se  habeat  evidenter  agnoscere'. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  533 

wieder  ein1.  Den  befreiten  Gerichtsstand  schränkt  er 
durch  den  Zusatz  ein,  dass  der  Erzbischof  'ex  communi 
placito' 2  vor  die  Provinzialsynode  eines  andern  Primas  ge- 
laden werden  könne,  und  stellte  überdies  noch  die  Bedin- 
gung, dass  er  sich  gegen  die  Befehle  des  apostolischen 
Stuhles  in  keiner  Weise  ungehorsam  erzeige ;  und  über- 
haupt sollte  das  ganze  Privileg  bei  Unbotmässigkeit  des 
Empfängers  sofort  kraftlos  werden.  Ueber  eine  solche 
Confirmation  hatte  Hinkmar  allen  Grund,  entrüstet  zu  sein. 
Er  wurde  jetzt  boshaft  und  verglich  den  apostolischen 
Vater  mit  einer  Chimaere 3.  Noch  mehr  Enttäuschungen 
standen  ihm  bevor.  Der  Papst  nahm  die  Untersuchung  in 
Sachen  der  abgesetzten  Reimser  Cleriker  wieder  auf  und 
ordnete  ein  neues  Concil  zu  Soissons  (866  Aug.)  an.  Unter 
Berufung  auf  seine  Privilegien  widerrieth  Hinkmar  den 
versammelten  Bischöfen  dringend  die  Restitution;  sowohl 
Benedict  habe  unter  Androhung  des  Anathems  die  Be- 
schlüsse der  früheren  Synode  bestätigt,  'ut  inde  quaestio 
nullis  aliquando  temporibus  oriatur',  als  Nicolaus,  und  er 
legte  ihnen  die  Originale  vor,  machte  sie  auch  in  seiner 
peinlichen  Gewissenhaftigkeit  noch  ausdrücklich  darauf 
aufmerksam,  dass  Siegel,  Text  und  Unterschriften  unver- 
sehrt und  unverfälscht  seien4.  Von  Benedicts  Clausel  aber 
schwieg  er.  Die  Synode  erkannte  die  Verurtheilten  für 
unschuldig  und  stellte  dem  Papste  ihre  Restitution  anheim, 
welche  dieser  unverzüglich  anordnete.  Dessen  Schreiben 
geben  die  richtige  Charakteristik  des  doppelzüngigen  und 
verlogenen  Erzbischofs.  Die  Acten  der  früheren  Synode 
von  Soissons,  welche  er  eingesandt  hatte,  hatte  der  Papst 
in  seinem  Archive  aufsuchen  lassen:  sie  erwiesen  sich  als 
verfälscht5,  und  verfälscht  waren  auch  die  von  Hinkmar 
vorgelegten  Abschriften  der  Bulle  Benedicts.  Er  hatte  den 
Bedingungssatz:    'si   ita  est   — -    demonstrasti'    ausgemerzt6 

1)  Privileg  des  Papstes  Nicolaus  für  Hinkmar  von  863  (Sirmond 
III,  215):  'ne  quilibet  .  .  .  te  contempto  vel  posthabita  coepisco- 
porum  ipsius  dioeceseos  provinciali  synodo,  impune  audeat 
seu  valeat  aliena  expetere  aut  expectare  iudicia'.  Die  durch  den  Druck 
hervorgehobenen  Worte  fehlen  im  Privileg  -Benedicts.  2)  Durch  Aus- 

lassung der  Worte  'nisi  ex  communi  placito1  erhält  Schrörs  S.  250  den 
entgegengesetzten  Sinn :  'und  kann  von  keinem  andern  primas  provinciae 
zu  einer  Synode  beschieden  werden'.  3)  Schrörs  S.  252.  4)  Hincmari 
Opp.  II,  266 :  'velut  hie  potestis  retexere  et  sigilla  eorum  salva  ac  in- 
coiTuptas   scripturas   ätque  subscriptiones  valetis  inspicere'.  5)  Sehr, 

des  Papstes  Nicolaus  an  die  Synode  von  Soissons  866  6/12  (Sirmond  III, 
303):  'Ibi  namque  falsitas  in  ipso  mox  actionum  invenitur  prineipio'. 
6)  Sehr,  des  Nicolaus  an  die  Synode  von  866  6/12 :  'quod  frater  Hincma- 
rus  de  textu  penitus  erasit'. 


534  Br.  Krusch. 

und  dadurch  dem  Folgesätze :  'ut  inde  quaestio  nullis  ali- 
quando  temporibus  oriatur'  eine  andere  Bedeutung  unter- 
gelegt 1,  die  Bestätigung  selbst  aber  durch  Einfügung  yon 
'in  omnibus'  verstärkt.  Was  ihm  in  Benedicts  Bulle  gefiel, 
hatte  er  bekannt  gemacht,  die  Vorbehalte  des  päpstlichen 
Stuhles  aber  verheimlicht.  Der  Papst  ist  erstaunt  über 
die  wunderbare  Schlauheit  des  Bruders  Hinkmar,  wie  dieser 
für  seine  eigenen  Interessen  zu  sorgen  weiss 2 ;  da  aber  die 
Vorbedingung  von  Benedicts  Privileg  nicht  erfüllt  war,  er- 
klärte er  dieses  für  kraftlos 3.  Hochmuth,  Verschlagenheit 
und  Grausamkeit  hatte  er  dem  Erzbischof  vorgeworfen, 
des  Betruges4  hatte  er  ihn  bezichtigt,  und  dieser  glaubte 
die  Beschuldigungen  durch  seine  Sünden  verdient  zu 
haben,  wie  er  in  seiner  Antwort  an  den  Papst  867  de- 
müthig  bekannte 5.  Die  Bulle  Benedicts  wollte  er  nicht 
verfälscht  haben,  und  er  führte  zu  seiner  Rechtfertigung 
an,  dass  er  863  bei  Einsendung  der  Copie  durch  die  Be- 
merkung 'quiddam  ibi  sub  quadam  dubitatione  est  positum' 
auf  die  Clausel  hingewiesen  und  dem  Papste  ausdrücklich 
die  Aufsuchung  im  Archive  anheimgestellt  habe :  das, 
meinte  er,  hätte  man  nicht  schreiben  können,  wenn  die 
Bulle  geändert  gewesen  wäre.  Auf  diese  Betheuerung  hin 
war  das  Aufsuchen  der  Voracten  damals  unterblieben,  und 
gerade  das  konnte  man  mit  ihr  bezweckt  haben ;  natürlich 
musste  aber  auch  mit  dem  entgegengesetzten  Falle  ge- 
rechnet werden,  und  diesem  diente  die  allgemeine  Bemer- 
kung über  die  bedenkliche  Stelle  in  der  Bulle.  Ein  Hinter- 
pförtchen hatte  sich  also  der  schlaue  Mann  offen  gelassen, 
durch    welches    er    jetzt    hindurchzuschlüpfen    versuchte ,;. 


1)  Sehr,  des  Nicolaus  an  die  Synode :  'quod  ipse  longe  aliter  mu- 
tavit  scribens',  und  an  Hincmar:  'Quod  quantum  inter  se  discrepat,  vide- 
licet  quod  ille  promulgavit,  et  quod  tu  minuisti  vel  adiecisti  vel  mutasti, 
ipse  perpendis'.  2)  Sehr,  des  Nicolaus  an  die  Synode:  'Sed  adhuc  et 

in  alio  mira  fratris  Hinein  ari  rursus  accedit  astutia,  et  soli  proprio  voto 
favens   se    immiscet   prudentia'.  3)  Sehr,  des  Nicolaus  an  Hinkmar: 

'(Privilegium)  merito  in  irritum  duetum  est,  quod  contra  deiectos  non  sim- 
pliciter  impetraveras'.  4)  Sehr,  des  Nicolaus  an  Hinkmar :  'Quamobrem 
iure  fortassis  te  fraudis  aliquid  in  talibus  committere  fateri  possemus,  nisi 
reverentiae  tuae,  quod  ipse  non  speras,  parcere  nostra  moderatio  studuisset'. 
5)  Hincm.  Opp.  H,  309 :  'tantas  et  tales  increpationes  indignitati  meae  a 
dignitate  vestra  inlatas  inveni,  sicut  peccata  mea  merentur1.  6)  Hinkmar 
hat  zugegeben,  dass  die  Clausel  in  dem  Original  der  Bulle  Benedicts  stand, 
und  Nicolaus  hat  ihre  Auslassung  in  den  von  jenem  bei  der  Curie  einge- 
reichten Abschriften  constatiert,  auch  fehlt  sie  in  der  auf  Grund  einer  solchen 
Abschrift  erfolgten  Confirmation  von  863,  und  Hinkmar  selbst  unterdrückt 
sie  auf  der  Synode  von  866 :  nach  solchen  Zeugnissen  war  die  Verteidi- 
gung  des   Reimser  Erzbischofs   eine   ziemlich   undankbare  Aufgabe,   aber 


Reimser  Reraigius- Fälschungen.  535 

In  Rom  hütete  man  sich  aber,  die  Macht  dieses  Mannes 
weiter  zu  stärken,  und  wenn  er  sich  noch  Hoffnungen  auf 
das  Vicariat  gemacht  hatte,  so  zerstörte  diese  vollständig 
Johann  VIII.,  als  er  875  den  Erzbischof  Ansegis  von  Sens 
zu  seinem  Stellvertreter  für  Frankreich  und  Deutschland 
ernannte  l.  Durch  die  Einschiebung  dieser  Mittel  -  Instanz 
fühlte  sich  der  stolze  Erzbischof  schwer  gekränkt. 

Wenn  Hinkmar  glaubte,  der  oberste  Eichter  über 
seine  Kirchenprovinz  zu  sein,  so  hatte  er  eben  erfahren 
müssen,  dass  es  noch  eine  höhere  Gewalt  über  ihm  gab. 
Aber  auch  nach  unten  hin  waren  seine  Pläne  durchkreuzt 
worden.  Die  Suffragan  -  Bischof  e  theilten  durchaus  nicht 
seine  Ansicht2,  dass  ihm  die  Sorge  für  die  ganze  Provinz 
obliege,  dass  ihm  das  Entscheidungsrecht  in  allen  geist- 
lichen Dingen  der  subordinierten  Diöcesen  zustände.  Den 
Eingriffen  in  seine  Diöcese  hatte  Rothadus  von  Soissons 
hartnäckigen  Widerstand  entgegengesetzt;  er  war  dafür 
mit  Absetzung  bestraft  worden,  und  trotz  seiner  Appellation 
an  den  apostolischen  Stuhl  hatte  Hinkmar  sogleich  einen 
Nachfolger  für  ihn  geweiht,  aber  der  Papst  hatte  den 
Sünder  wieder  in  das  Bisthum  eingesetzt.  Und  selbst  sein 
Neffe,  Hinkmar  von  Laon,  der  «von  ihm  zum  Bischof  ge- 
weiht war,  bereitete  ihm  schwere  Sorgen.  Auch  er  wurde 
wegen  Auflehnung  gegen  die  Metropolitangewalt  ohne  Be- 
rücksichtigung seiner  Appellation  an  die  höhere  Instanz 
abgesetzt  und  später  geblendet,  aber  wiederum  mischte  sich 
der  Papst  in  die  Sache  und  setzte  ihn  878  in  den  Genuss 
eines  Theils  seiner  Bisthumseinkünfte  ein;  Metropoliten 
und  Bischöfe  bekleideten  ihn  wieder  mit  dem  bischöflichen 
Ornate,  führten  ihn  in  die  Kirche  und  Hessen  ihn  dem 
Volke  den  Segen  spenden 3.  Sein  Loos  erregte  das  allge- 
meine  Mitgefühl,    und    der  Onkel   wurde   ob    seiner  Grau- 


Schrörs  hat  sie  mühsam  durchgeführt,  indem  er  S.  284  erklärt,  dass 
'ein  entscheidendes  Urtheil  sich  in  dieser  Frage  nicht  abgeben  lasse', 
und  dann  S.  508  Hinkmars  Betonung  der  Integrität  des  Documents  auf 
der  Synode  zu  Soissons  nicht  als  Symptom  seines  Schuldbewusstseins, 
sondern  als  nothwendige  Folge  der  Anklage  des  Papstes  hinstellt  ('deren 
Fälschung  ihn  Nicolaus  kurz  vorher  angeklagt  hatte'),  also  das  päpst- 
liche Schreiben  von  866  Dez.  vor  die  Synode  von  866  Aug.  setzt:  durch 
dieses  schwere  Misverständnis  geht  allerdings  der  Erzbischof  rein  wie  ein 
Engel    aus    der  Untersuchung  hervor.  1)  Sirmond,  Concüia  III,  422. 

2)  Hincm.  Opp.  II,  409 :  'Mihi  sollicitudo  totius  provinciae  est  commissa, 
propter  quod  ad  me  omnes  undique  ex  tota  provincia,  qui  negotia  eccle- 
siastica  videntur  habere,  debent  concurrere,  et  ego  illorum  causas,  sicut  et 
de  tua  parochia,  debeo  regulariter  diffinire'.  3)  Ann.  Bertin.  auct.  Hiuc- 
maro  a.  878. 


536  Br.  Krusch. 

sainkeit  und  Ueberhebung  gegen  den  päpstlichen  Stuhl 
hart  mitgenommen1. 

In  diese  Zeit  fällt  die  Abfassung  der  V.  Remigii.  Der 
Subdiaconus  Rado  von  Soissons  war  bei  der  Translation 
des  Heiligen  im  October  852  von  Zahnschmerzen  geheilt 
und  seitdem  25  Jahre  nie  mehr  von  diesem  Leiden  geplagt 
worden ;  er  hat  das  Hinkmar  selbst  erzählt 2,  und  dieser 
hat  mithin  die  Lebensbeschreibung  877/8  verfasst. 

Der  neue  Remigius  hatte  das  päpstliche  Vicariat  er- 
langt, den  Bischof  von  Laon  'proprio  iudicio'  bestraft  und 
nach  der  Busse  in  sein  Amt  wieder  eingesetzt:  er  hatte 
erreicht,  was  Hinkmar  vergeblich  erstrebt  hatte.  In  der 
Zeichnung  des  Genebaudus  erkennt  man  sofort  Hinkmars 
unglücklichen  Neffen,  den  Bischof  von  Laon,  und  die  Be- 
ziehung auf  ihn  giebt  sogar  Schrörs 3  zu.  Der  Erzbischof 
hatte  dem  Halsstarrigen  oft  genug  die  Vergangenheit  von 
Laon  vorgehalten,  wie  der  Prätor  'Marcobrius'  das  Muni- 
cipium  gegründet,  und  hernach  Remigius  aus  seiner  Par- 
rochie  das  Bisthum  abgezweigt  und  den  ersten  Bischof  ge- 
richtet hatte :  er  hatte  sich  bisher  dafür  auf  die  Tradition 
und  das  Zeugnis  des  Eutrop4  bezogen,  indessen  konnte 
leichtlich  bemerkt  werden,  wie  es  mit  dem  letzteren  stand, 
dass  es  gefälscht  war,  und  der  Römische  Autor  Laon  über- 
haupt nicht  erwähnt.  Auch  das  famose  Vicariats-  Privileg 
des  Papstes  Hormisda  war  schon  oft  hervorgeholt  worden. 
Der  Erzbischof  hatte  seinem  Neffen  daran  deduciert,  wie 
dem  Vicar  die  Handhabung  der  Canones  übertragen  sei, 
und  ihn  ermahnt,  dem  Ausspruche  des  Papstes  Hormisda 
seinen  Kopf  unterzuordnen 5 ;  er  hatte  ihm  hernach  den 
vollständigen  Wortlaut  des  Privilegs  vorgehalten 6,  um  ihm 
zu  zeigen,  dass  der  Primat  über  die  Provinz  demjenigen 
zustände,  welcher  auf  dem  Stuhle  des  Remigius  in  der 
Reimser  Metropole  als  Bischof  ordiniert  sei;  er  hatte  auch 
das  Privileg  Hadrians  für  Tilpin  erwähnt,  und  in  seiner 
übergrossen    Bescheidenheit    hinzugefügt,    dass    er    solche 


1)  Flod.  III,  21  (SS.  XIII,  515) :  'De  hoc  etiam  unde  calumpniatus 
fuerat  a  quibusdam  apud  eundem  papam,  quasi  diceret,  non  ipsum  maioris 
dignitatis  esse  papam,  quam  esset  ipse'.  2)  V.  Remigii  c.  29.  3)  S.  454. 
4)  Opusc.  55.  capitul.  adversus  Hincmarum  Laud.  (Opp.  II,  431) :  'Quod, 
sicut  Eutropius  antiquus  historiographus  dicit,  auctore  Marcobrio  praetore 
conditum1 ;  vgl.  Ep.  ad  Hincmarum  Laud.  (Opp.  II,  602) :  'postquam  a 
Marcobrio  praetore,  ut  produnt  historiae,  conditum  fuit' ;  SS.  XIII,  p.  523. 
An  allen  drei  Stellen  wird  der  Name  Marcobrius  geschrieben,  und  so  er- 
kennt man  den  Vogel  schon  an  den  Federn.  5)  Opusc.  55.  capitul. 
(Opp.  H,  419):  'His,  frater,  appone  sensum  tuum,  his  suppone  mentem 
tuam\         6)  Opp.  II,  435. 


Remiser  Remigius  -  Fälschungen.  537 

Privilegien  gar  nicht  beanspruche,  obwohl  sie  ihm  Leo 
und  Benedict  ohne  sein  Zuthun  verliehen  hätten,  sondern 
er  sei  mit  den  Rechten  zufrieden,  welche  jedem  Metropo- 
liten nach  den  Canones  zuständen:  das  schrieb  er,  nach- 
dem er  eben  die  Nutzanwendung  von  dem  Privileg  des 
Hormisda  gemacht  hatte,  und  auch  über  den  Ursprung 
seiner  eigenen  Privilegien  täuschte  er  den  Leser,  denn  er 
hatte  sich  allerdings  recht  sehr  darum  beworben.  Und  als 
875  Ansegis  das  päpstliche  Vicariat  erhalten  hatte,  wurde 
wiederum  der  alte  Hormisda  dagegen  ins  Treffen  geführt; 
Hinkmar  wiederholt  das  Privileg  vollständig  in  seiner 
Gegenschrift  De  iure  metropolitanorum  \  er  giebt  ihm  den 
Platz  nach  dem  Arier  des  Caesarius,  denn  er  ist  nicht  so 
schlecht,  dass  er  dieses  durch  jenes  entkräften  will2.  In 
der  neuen  Vita  konnte  es  nun  jeder  nachlesen;  jeder  konnte 
sich  jetzt  überzeugen,  welche  Machtstellung  Remigius  nicht 
bloss  in  der  Kirche,  sondern  auch  im  Staate  innegehabt 
hatte,  und  welches  kräftigen  Schutzes  sich  das  Reirnser 
Kirchengut  erfreute.  Und  Remigius  thronte  noch  in  seinen 
Nachfolgern3  auf  dem  Reirnser  Stuhle;  wer  diesen  trotzt, 
trotzt  ihm  und  hat  seine  Rache  zu  fürchten:  er  fordert 
vor  dem  Herrn  den  schuldigen  Gehorsam 4  gegen  die 
Reirnser  Bischöfe.  Die  Befugnisse  also,  welche  Hinkmar 
dem  Patrone  beilegte,  durfte  er  getrost  für  sich  selbst  in 
Anspruch  nehmen,  und  er  hat  somit  in  der  V.  Remigii  die 
Berechtigung  seiner  eigenen  Prätensionen  nachgewiesen. 
Diese  ist  keine  Geschichtsdarstellung,  sondern  eine  kirchen- 
politische Schrift;  ihr  Verfasser  war  schon  seinen  Zeit- 
genossen als  Fälscher  bekannt,  und  sein  Ausschreiber 
Flodoard  hat  bereits  durch  häufige  Einstreuung  von  'fer- 
tur',  'traditur'  seine  Kritik  an  der  Schrift  geübt.  Wenn 
Hinkmar  selbst  keine  Vortheile  mehr  von  derselben  gehabt 
hat,  —  er  starb  schon  882,  —  so  hat  er  doch  seinen  Nach- 
folgern die  Wege  geebnet. 

Der  historische  Werth  von  Hinkmars  V.  Remigii  be- 
steht dann  ausschliesslich  in  dem  Testamente  des  Heiligen, 

1)  Opp.  II,  726.  2)  Er  schreibt  ib.  S.  731 :  'manente  privilegio 

Arelatensi   ecclesiae   in   sibi   antiquitus    delegatis  provinciis'.  3)  Vgl. 

Opusc.  55.  capit.  (Opp.  II,  434):  'Si  ergo,  frater,  immemor  beneficiorum 
a  nie  tibi  impensorum  oblitus,  adversum  me  rebellare  non  times,  time 
tarnen  rebellare  adversus  beatum  Remigium,  qui  sicut  modo  audisti,  nunc 
usque   in  suis  successoribus  qualibuscumque  sedet1.  4)  Siehe  ebenda 

(Opp.  II,  435) :  'sanctus  Remigius  a  te  reposcit  in  conspectu  Domini  ob- 
edientiam  dependendam  suis  successoribus  et  tuis  praepositis,  quam  insti- 
tuit,  quando  in  eodem  castello,  in  quo  ordinatus  es,  consecravit  episco- 
pum. 


538  Br.  Krusch. 

welches  allein  hier  erhalten  ist.  Schon  in  der  Darstellung- 1 
selbst  hat  der  Biograph  auf  dasselbe  Bezug  genommen 
und  versprochen,  als  Muster  für  die  gegenwärtig-en  und 
zukünftigen  Bischöfe  es  seiner  Schrift  anzuhängen.  Es 
bildet  das  vorletzte  Capitel  (32)  der  Vita,  und  in  dem  vor- 
ausgeschickten Capitelverzeichnis  wird  mit  den  Worten: 
'Sequitur  exemplar  testamenti  beati  Remigii'  auf  dasselbe 
verwiesen.  Es  heisst  das  kürzere  im  Gegensatz  zu  einem 
interpolierten  längeren,  welches  als  Fälschung  längst  er- 
kannt ist.  Auch  gegen  jenes  haben  sich  Stimmen  erhoben. 
Savigny 2  nahm  an  einem  Zusatz  nach  der  Versiegelung 
Anstoss;  er  giebt  aber  mehrere  Erklärungen  für  denselben 
und  entkräftet  so  selbst  seine  Bedenken.  Wenn  er  weiter 
auf  die  grossen  Abweichungen  der  Hss.  hinweist,  so  be- 
trachtet er  die  beiden  differierenden  Recensionen  unter 
einem  Gesichtspunkte,  während  doch  die  Untersuchung  für 
beide  getrennt  zu  führen  ist.  Seitdem  Roth 3  die  Echtheit 
des  kürzeren  Testaments  als  feststehend  annahm,  ist  nicht 
mehr  daran  gerüttelt  worden.  Die  neueren  Forscher  v.  Noor- 
den  4,  Löning 5,  Schrörs  6,  Hauck  7  und  selbst  mein  unglück- 
licher Freund  Havet 8  benutzen  es  als  authentische  Quelle. 
Man  spricht  heute  allgemein  von  einem  echten  und  einem 
falschen  Testamente  des  Remigius".  Es  ist  aber  klar,  dass 
auch  das  ältere  als  Bestandtheil  einer  so  berüchtigten 
Quellenschrift  nicht  a  priori  als  echt  gelten  kann,  und  es 
sollen  jetzt  die  echten  Testamente  aus  der  Merowingerzeit 
zur  Vergleichung  herangezogen  werden,  um  zu  ermitteln, 
ob  es  wirklich  aus  dem  Archive  der  Reimser  Kirche  ge- 
zogen, oder  etwa  auch  von  dem  ehrgeizigen  Prälaten  als 
ein  Beweismittel  gefälscht  worden  ist. 

In  den  Testamenten  hat  römisches  Recht  während 
der  ganzen  Merowingerzeit  fortgelebt,  ja  dieselbe  noch 
überdauert 10.  Auf  die  Lex  beruft  sich  Bischof  Berti- 
chramnus  von  Le  Mans  für  die  7  Zeugen,  Burgundofara 
citiert  die  Lex  Theodosiana,  Wideradus  und  Abbo  beziehen 
sich   für   den  Pflichttheil    auf   die  Falcidia    oder  Faucidia, 


1)  V.  Remigii  c.  23.  2)  Gesch.  des  Römischen  Rechts  II,  113. 

3)  A.  a.  0.  S.  461  ff.  4)  A.  a.  0.  S.  396.  5)  Das  Kirchenrecht  im 
Reiche  der  Merowinger  S.  671.  6)  A.  a.  0.  S.  451.  7)  Kirchen- 

geschichte Deutschlands  I,  129.  8)   Questions   Merovingiennes   II,  13 

und  in  der  nach  seinem  Tode  erschienenen  Fortsetzung  VII,  641  (ßibl. 
de  l'ecole  des  chartes  1893).  9)  Vgl.  z.  ß.  Varin,  Archives  admini- 

stratives de  la  ville  de  Reims  (in  Collection  des  documents  inedits)  p.  2; 
Weizsäcker  in  der  Real  -  Encyclopädie  für  protestant.  Theologie  XII,  693. 
10)  Savigny  a.  a.  0.  S.  101  ff. 


Reimser  Remigms  -  Fälschungen.  539 

wie  man  damals  auch  schrieb,  und  noch  am  Ende  des 
8.  Jh.  werden  in  zwei  fränkischen  Testamenten  die  längst 
vergessenen  Quiriten  angerufen.  Aber  nicht  auf  einzelne 
Citate  und  Ausdrücke  beschränkt  sich  die  Anlehnung  an 
römisches  Recht,  sondern  die  ganze  Form,  die  äussere  Ge- 
staltung der  merowingischen  Testamente  ist  römisch  und 
unterscheidet  sich  nicht  wesentlich  von  der  der  ravenna- 
tischen1  des  5.  und  6.  Jh.  Wenn  sie  nun  auch  nicht  in 
allen  mit  der  gleichen  Gewissenhaftigkeit  und  Sachkenntnis 
befolgt  ist,  so  finden  sich  doch  trotz  aller  Abweichungen 
im  Einzelnen  so  viele  gemeinsame  Merkmale  in  den  echten 
fränkischen  Testamenten,  dass  sich  die  Echtheit  oder  Un- 
echtheit  eines  zweifelhaften  Schriftstücks  fast  mit  mathe- 
matischer Gewissheit  nachweisen  lässt. 

Von   den  folgenden  Testamenten 2,    die   ich    mit    dem 
des  Remigms  (R)  vergleiche : 

Ar.  Testament  des  Abtes  Aredius3  von  Attanus,  jetzt 
Saint  -  Yrieix,  (f  591)  und  seiner  Mutter  Pelagia, 
von  Aredius  selbst  geschrieben, 

Be.  Testament  des  Bischofs  Bertichramnus i  von  Le 
Maus,  geschrieben  616  vom  Notar  Ebbo, 

Bu.     Testament   der  Aebtissin   Burgundofara 5   von   Ebo- 


1)  Bei  Marini,   1   papiri   diplomatici   S.  110  ff.  2)  In   dem   fol- 

genden Verzeichnis  wird  man  das  Testament  des  Bischofs  Caesarius  von 
Arles  vermissen,  das  zur  Zeit  als  echt  gilt.  Dasselbe  ist  nur  in  einer  Con- 
firmation  des  Grafen  Wilhelm  von  der  Provence  (992)  erhalten  und  war 
früher  wegen  des  Ausdrucks  'archiepiscopus'  verdächtig ;  Pardessus,  Diplo- 
mata  I,  p.  104 — 107,  liest  dafür  'dominus  episcopus'  und  'D.  episcopus1, 
aber  dadurch  werden  die  Bedenken  gegen  die  Echtheit  keineswegs  be- 
seitigt. Schon  die  ganz  ungeheuerliche  Einkleidung  dieses  Testamentes 
in  die  Form  eines  Briefes  beweist  die  Fälschung,  und  auch  der  Inhalt  ist 
im  höchsten  Grade  verdächtig.  Ganz  beiläufig  bemerkt  der  Verf. :  'Addi- 
tur  et  hoc,  quod  Deus  misericors  per  parvitatem  meam  etiam  immunitate 
tributorum  tarn  iuxta  urbem  et  infra,  quam  etiam  in  suburbanis  et  villis 
ex  maxima  parte  concessit',  und  diese  Sache  lag  ihm  offenbar  sehr  am 
Herzen,  denn  er  kommt  am  Schlüsse  des  Schriftstücks  noch  einmal  darauf 
zu  sprechen  und  wird  hier  deutlicher:  'Hec  quidem  et  ego,  ut  timori 
meo  satisfacerem,  scripsi;  nam  absit,  ut  de  tua,  piissime  pontifex  (d.  i. 
Caesarius1  Nachfolger),  inscientia  inculperis,  quia,  ut  supra  iam  dixi, 
pietas  divina  concessit,  ut  per  meam  humilitatem  munitas  ecclesie  in  tot 
capitibus  daretur1.  Der  Zweck  des  Testamentes  ist  also  offenbar,  die 
Immunität  von  Arles  zu  beglaubigen,  und  zu  demselben  Zwecke  ist  auch 
die  Hs.  der  V.  Caesarii,  Paris.  5295,  saec.  XL,  verfälscht  worden.  Nach 
ihr  hätte  Caesarius  von  König  Alarich  ein  solches  Privileg  erlangt,  aber 
nach  511  besass  Arles  keine  Immunität,  wie  aus  Cassiodor,  Var.  ill,  32, 
klipp  und  klar  hervorgeht.  Es  ist  auffällig,  dass  Arnold  in  seinem  sonst 
sehr  gründlichen  Buche,  Caesarius  von  Arelate  (Leipzig  1894),  an  eine 
kritische  Prüfung  des  gedachten  Schriftstücks  gar  nicht  gedacht  hat. 
3)  Pardessus,  Diplomata  I,  p.  136.        4)  Ebd.  p.  197.        5)  Ebd.  II,  15. 


540  Br.  Krusch. 

riacus,    jetzt   Faremoutiers ,    geschrieben    627   vom 

Notar  Waldo, 

H.     Testament  des  Bischofs  Hadoindus  x  von  Le  Mans, 

geschrieben  643  vom  Diacon  Cadnlphus, 

I.    Testament  eines  Mannes  2,  dessen  Mutter  Idda  und 

dessen  Frau  Chramnethrudis  hiess,  saec.  VII/VIII, 

E.     Testament   der   Erminethrudis 3,    geschrieben   saec. 

VII/VIII  von  Eusebius, 
W.    Testament  des  Abtes  Wideradus4,  geschrieben  722 

vom  Notar  Aldofredus, 
Ab.    Testament  des  Abbo 5,  geschrieben  739  vom  Cleriker 
Hytbertus, 
und  den  Formeln: 

M.    Formula  Marculfi  II,  17  6, 

V  1  und  V  2.  Formulae  Visigothicae  n.  21  und  22  7, 
geben  Ar.  und  Be.  das  römische  Muster  am  besten  wieder. 
H.  lehnt  sich  ganz  offenbar  an  das  des  Vorgängers  im 
Episcopat  an.  I.  und  E.  sind  zwar  nicht  direct  von  ein- 
ander abhängig,  aber  nach  ein  und  derselben  Vorlage  ge- 
arbeitet, die  das  letztere  im  Allgemeinen  treuer  bewahrt 
hat;  diese  war  darum  sehr  merkwürdig,  weil  ihr  Schreiber 
noch  einmal  direct  auf  die  Rechtsquellen  zurückgegangen 
ist.  In  W.  ist  bereits  die  Marculfformel  benutzt.  Bu.  ist 
von  Pardessus 8  mit  Unrecht  verdächtigt  worden.  Der  Text 
ist  entschieden  echt,  und  so  darf  ein  anhängendes  Siegel, 
welches  recht  gut  später  von  unnützer  Hand  angebracht 
sein  kann,  nicht  ins  Gewicht  fallen. 

Anfang  und  Schluss  der  Testamente  sind  rein  formel- 
haft, und  auf  diese  Theile  wird  sich  die  Untersuchung  zu- 
nächst zu  erstrecken  haben. 

Vom  Testator  verlangt  das  Römische  Recht  die  voll- 
kommene Handlungsfähigkeit,  und  der  Wahnsinnige  kann 
kein  Testament  machen,  'quoniam  mentem  non  habet,  ut 
testari  de  ea  re  possit' 9.  Ein  richtiges  Testament  muss 
also  den  Nachweis  über  den  normalen  geistigen  Zustand 
des  Erblassers  enthalten,  und  dieser  wird  in  den  echten 
fränkischen  Testamenten  mit  den  Formeln : 
lsana  mente  integroque  consilio'  Ar.  W.  M., 
'sana  mente  sanoque  consilio'  V  1.  2, 

1)  Pardessus,  Diplomata  II,  p.  69.  2)  Tardif,  Monuments  histo- 
riques  p.  21.  3)  Ebd.  p.  32.  4)  Pardessus  1.  1.  II,  p.  323.  5)  Ebd. 
p.  370.  6)  Ed.  Zeumer  p.  86.  7)  Ed.  Zeumer  p.  585.  586.  8)  H, 
17,  n.  1.  9)  Ulpian.  tit.  XX,  §  13.     Vgl.  Dig.  XXVIII,  tit.  I,  2:  'In 

eo  qui  testatur  eius   temporis,   quo   testamentum    facit,    integritas   mentis, 
non  corporis  sanitas  exigenda  est'. 


Remiser  Remigius  -  Fälschungen.  541 

'sana  mente  atque  consilio'  Ab., 
'sanus  mente  et  corpore  sanoque  consilio'  Be.  H., 
und  in  ganz  derselben  Weise  in  den  ravennatischen  Testa- 
menten bezeugt.  Dagegen  betont  R.  mit  der  Wendung: 
'Ego  Remigius  episcopus  civitatis  Remorum  sacerdotii 
compos'  den  Besitz  der  priesterlichen,  resp.  bischöf- 
lichen Würde,  also  die  geistliche  Amtsfähigkeit,  jedenfalls 
weil  der  Schreiber  den  grossen  Heiligen  zu  beleidigen 
fürchtete,  wenn  er  dessen  Zurechnungsfähigkeit  bestätigt 
hätte;  aber  das  Gesetz  kennt  da  keinen  Unterschied,  und 
die  naive  Aenderung  zeigt  schon,  dass  ein  Hagiograph  und 
kein  Rechtsverständiger  R.  geschrieben  hat. 

Das  Datum,  welches  hätte  vorausgehen  müssen,  fehlt 
in  R.,  obwohl  am  Schlüsse  mit  den  Worten  'die  et  con- 
sule  suprascripto'  auf  dasselbe  verwiesen  ist:  mit  Consu- 
laten  zu  operieren  ist  eben  nicht  Jedermanns  Sache.  Es 
fehlt  auch  hernach  der  Hinweis  auf  die  menschliche  Ge- 
brechlichkeit, mit  welchem  der  Testator  seinen  Entschluss 
zu  begründen  pflegt:  'metuens  (oder  'cogitans')  casus  hu- 
manae  fragilitatis',  und  nach  den  Worten  'testamentum 
meum  condidi'  hätte  sich  der  Testamentsschreiber  vorzu- 
stellen gehabt,  wie  er  dies  in  allen 1  echten  fränkischen 
Testamenten  thut: 

'condidimus,    quem    ego    ipse    Aredius    manu    propria 

scripsi'  Ar., 
'condidi  idemque  filium  meum  Ebbonem  notarium  scri- 

bere  rogavi  et  dictavi'  Be., 
'Interea,  accersito  Waldone  notario,   praesentibus  testi- 
bus    sacerdotibus ,    secularibus,    in   praesentia   mea 
rogavi  hoc  testamentum  confirmare'  Bu., 
'tradidi    illudque    Cadulpho    diacono    scribendum    dic- 
tavi' H., 
'condidi,  quem  Aldofredo  notario  scribendo  commisi'  W., 
'condidi,    quo  venerabili  Hytberto   clerico   scribendo  ro- 
gavi' Ab., 
'condedimus,    quem    illius    notario   scribendum   comise- 
mus'  M. 
Allein  der  Schreiber  von  R.  hat  die  Anonymität  vor- 
gezogen,   und   er   wird   wohl    seine    Gründe    dafür    gehabt 
haben. 

Ueber  den  Unterschied  zwischen  Testament  und  Co- 
dicill  war  er  sich  vollständig  im  Unklaren,  denn  er  setzt 
beides   durch    'atque'    gleich    und    schwächt   so   selbst   die 


1)  In  I.  E.  ist  der  Anfang  verstümmelt. 

Neues  Archiv  etc.    XX.  36 


542  Br.  Krusch. 

Rechtskraft  seines  Schriftstücks :  'testamentum  meum  con- 
didi  iure  pretorio  atque  id  codicellorum  vice  valere  pre- 
cepi  fieri'.  Die  sogen.  Codicillarclausel,  die  er  mit  in  den 
ersten  Satz  gezogen  hat,  sollte  der  Ungültigkeit  der  Ur- 
kunde für  den  Fall  eines  Formfehlers  vorbeugen  und  ihr 
die  Rechtskraft  eines  Codicills  für  die  Intestaterben  sichern, 
falls  sie  nach  bürgerlichem  oder  prätorischem  Recht  als 
Testament  nicht  bestehen  konnte.  R.  hat  den  Conditional- 
satz  beseitigt  und  die  hypothetische  Gültigkeit  coordiniert ; 
so  war  er  gezwungen,  dem  'condidi'  am  Anfang  entspre- 
chend noch  einmal  'praecepi  fieri'  in  dem  copulierten 
Satze  zu  wiederholen,  wodurch  nun  wiederum  das  aus  der 
Vorlage  herübergenommene  'valere'  aus  der  Construction 
gerenkt  ist.  Dennoch  glaubte  er  seine  Sache  recht  gut  ge- 
macht zu  haben,  denn  er  schliesst  mit  der  stolzen  Frage : 
'iuris  aliquid  videbitur  defuisse  ? '  Es  bedarf  keiner  näheren 
Begründung,  dass  diese  Wendung  aus  dem  Geschäftsstil 
gerichtlicher  Urkunden,  und  nicht  bloss  römischer,  voll- 
ständig heraustritt.  Das  Schriftstück  erweist  sich  schon 
allein  dadurch  als  eine  nichtsnutzige  Stilübung,  und  des- 
halb haben  sich  die  Herausgeber  beeilt,  das  vorausgehende 
'fieri'  gegen  die  Hss.  in  'si  ei'  zu  verbessern.  Die  Antwort 
auf  jene  Frage  kann  aber  nur  bejahend  lauten.  Der 
Schreiber  hat  vor  dem  prätorischen  Rechte  das  'Ius  civile' 
just  ganz  vergessen,  und  das  war  doch  wesentlich  und 
durfte  in  keinem  echten  Testamente  fehlen 1. 

Der  Zweck  des  Testaments  ist  die  Erbeseinsetzung; 
sie  erfolgt  in  den  Gesammtbesitz  des  Testators 2,  und  die 
Vermächtnisse  sind  eine  den  Erben  auferlegte  Verpflich- 
tung 3,  die  sie  auf  Kosten  der  Erbschaft 4  zu  erfüllen  haben. 
Es  kann  also  bei  der  Erbeseinsetzung  nichts  ausgenommen 
werden,  und  wenn  in  R.  die  Erben,  nämlich  die  Reimser 
Kirche  und  des  Remigius  Neffen  Bischof  Lupus  ('filius  fra- 
tris  mei')  und  Priester  Agricola  ('nepos  meus'),  die  Erbfolge 
'in  omni  substantia'  erhalten :  'praeter  id  quod  unicui- 
que  donavero,  legavero  darive  iussero',  so  ist  das  Testa- 
ment ungültig.  Der  Schreiber  konnte  nicht  begreifen,  dass 
die  Vermächtnisse  von  den  Erben  bestritten  werden.  Er 
hat  daher  ihre  Anweisung:    'id  ut  detur,    fiat,    praestetur, 


1)  In  Ab.,  dessen  Text  nur  durch  eine  Confirmationsurkunde  Karls 
d.  Gr.  erhalten  ist,  ist  die  Stelle  offenbar  verstümmelt:  'si  quo  casum  et 
iure  praetorio',  und  "W.  lässt  die  ganze  Formel  aus.  Sonst  steht  das  'Ius 
civile'  in  allen  fränkischen  Testamenten.  2)  Sohm,  Institutionen  des 

Römischen  Rechts  S.  397 6.         3)  Sohm  S.  453.        4)  Kariowa,  Römische 
Rechtsgeschichte  II,  914. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  543 

fidei  heredum  meoruni  comniitto,  quosque  liberos  liberasve 
esse  iussero,  liberi  liberaeve  sint  toti'  ganz  gestrichen  und 
dafür  durch  den  Zusatz :  'vel  ununiquemque  vestrum  vo- 
luero  habere  praecipuum'  auch  die  Erben  mit  Legaten  be- 
dacht, und  er  kennt  überhaupt  nur  Legate  und  Freilassun- 
gen. Die  echten  fränkischen  Testamente  stimmen  in  der 
Fassung  der  Formel  mit  dem  römischen  Rechte  vollständig 
überein  und  differieren  untereinander  nicht  wesentlich  im 
Wortlaut;  keines  liest  'praeter  id1  und  alle1  haben  'dedero 
für  'donavero'. 

Nach  der  Zweitältesten  Testamentsform  'per  aes  et 
libram'  musste  der  Testator,  das  fertige  Testament  in  der 
Hand  haltend,  die  Worte  sagen:  'Haec  ita,  ut  in  his  ta- 
bulis  cerisque  scripta  sunt,  ita  do,  ita  lego,  ita  testor,  ita- 
que  vos.  Quirites,  testimonium  mihi  perhibetote'  -.  Das  ist 
die  sog.  Nuncupatio,  und  Schulin3  vermuthet,  dass  jene 
Worte  wörtlich  aus  dem  ältesten  Ritual  des  'Testamentum 
in  calatis  comitiis'  herübergenommen  sind.  Durch  ein 
sonderbares  Misverständnis  sind  diese  Worte  um  die  Wende 
des  7.  Jh.  in  das  Testamentsformular  selbst  aufgenommen 
worden;  sie  finden  sich  fast  gleichlautend  in  I.  und  E.. 
auf  deren  Verwandtschaft  ich  schon  hinwies.  Ihnen  reiht 
sich  nun  als  drittes  im  Bunde  R.  an : 

I.    Tta  do,  ita  lego,  ita  testor,  ita  tos  mihi.  Quirites, 
testimunium  testanti'   (sie), 

E.    'Ita  do,  ita  ligo,    ita  testor.    ita  tos  mihi,   Quiritis, 
testimonium  perhibetote  testanti', 

R.    'Haec  ita  do.  ita  lego,  ita  testor'. 
Man   sieht,    dass  E.   die  Formel  Tollständiger  wieder- 
giebt    als    L,    und    beide    der  Quelle   näher    stehen   als  R., 
denn  dieses  hat  den  ganzen  letzten  Satz  gestrichen,  offen- 
bar wegen  der  anstössigen  Erwähnung  der  Quiriten. 

Die  Verwandtschaft  zwischen  den  drei  Testamenten 
erstreckt  sich  aber  noch  weiter.  Die  Ausschliessung  der 
Nichterben,  welche  in  R.  folgt,  steht  an  ungehöriger  Stelle, 
denn  sie  gehört  an  den  Anfang  hinter  die  Einsetzung  der 
Erben  und  steht  dort  in  Be.  Ab.  M.  Nur  in  zwei  fränki- 
schen Testamenten  findet  sie  sich  am  Schlüsse  und  an  der- 
selben Stelle,  wie  in  R.,  nämlich  in  I.  E. ;  die  Fassung, 
welche  wiederum  E.  am  treuesten  bewahrt  hat,  ist  dort 
etwas  ausführlicher  als  in  R. : 


1)   Die   Formel   ist   unvollständig   in  Ar.    und    fehlt    ganz    in    Bu. 
2)  Sohm  S.  436.  3)  Das  Griechische  Testament  verglichen  mit  dem 

Römischen,  Basel  1882,  S.  54. 

36* 


544  Br.  Krusch. 

E.    'Citeri    citeraeque,    proxiini    proximeque    exheredis 
mihi  estote  proculque  habetote', 

R~    'Ceteri  omnes  exheredes  estote  sunt  tote'. 

Nun  wird  R.  selbständig.  Der  Schreiber  versichert 
feierlichst,  dass  dem  Testamente  jeder  Betrug  fern  liegt 
und  liegen  wird :  '  Huic  autem  testamento  meo  dolus 
malus  abest  aberitque'.  Er  fürchtet  also  selbst,  als  Be- 
trüger zu  gelten,  und  beeilt  sich,  die  Bedenken  zu  be- 
schwichtigen und  seine  Unschuld  kräftigst  zu  betheuern. 
Etwas  ähnliches  findet  sich  natürlich  in  keinem  echten 
Testamente,  und  wir  könnten  die  Untersuchung  hier  ab- 
brechen. 

Rasuren  und  Correcturen  machten  ein  Testament  nicht 
anfechtbar,  wenn  sie  mit  Willen  des  Testators  vorgenom- 
men waren.  Zu  Ulpians  Zeiten  kam  es  auf,  sie  durch  die 
folgende  Clausel  ausdrücklich  anzuerkennen:  'Lituras,  in- 
dnatctiones,  superductiones  ipse  feci'  \  und  in  den  meisten 
fränkischen  Testamenten  findet  sich  eine  Bestätigung  der 
liturae  vel  caraxaturae' 2.  Auch  R.  macht  keine  Ausnahme : 
'in  quo  si  qua  litura  vel  caraxatura  fuerit  inventa,  facta 
est  me  praesente,  dum  a  me  relegitur  et  emendatur',  nur 
stilisiert  es  schlecht,  denn  statt  des  Singulars  müsste  der 
Plural  stehen  und  für  die  passivische  Ausdrucksweise  wäre 
zu  schreiben  gewesen :  'ego  feci  fierique  iussi  (oder  'prae- 
cepi),  dum  testamentum  meum  saepius  relego  et  emendo'. 
Das  römische  Recht  forderte  für  die  Testaments- 
Handlung  fünf,  und  nachdem  der  'libripendens'  und  'fa- 
miliae  emptor'  zu  Zeugen  herabgesunken  waren,  7  Zeugen. 
Diese  unterschrieben  das  Testament,  drückten  nach  dem 
Verschlusse  auf  die  Aussenseite  ihre  Siegel  und  beschei- 
nigten nochmals  dort  mit  ihrer  Hand :  'quis  et  cuius  testa- 
mentum signaverit' 3.  Die  Subscriptio  ist  also  von  der 
Superscriptio  wohl  zu  unterscheiden,  und  in  einem  Raven- 
natischen  Testament  von  575  sind  noch  beide  Bescheini- 
gungen erhalten.  Unter  das  Testament  schrieb  ein  Zeuge4: 
"Riccitanc  v.  c.  huic  testamento.  rogatus  a  Mannane  v.  d. 
testatore,  filio  quondam  Nanderit,  ipso  praesente  et  suscri- 
bente    adque    ei    testamento   relictum,    per   quo    constituit 


1)  Big.  XXVIII,  tit.  IV,  1  aus  Ulpian.  lib.  XV.  ad  Sabinum. 
2)  Nur  .Bu.  ändert:  'malae  adiectiones  vel  subiectiones  imminutionesque', 
und  die  Marculfformel  fügt  hinter  den  'liturae,  caraxaturae'  hinzu  'adiec- 
ciones  superdiccionesque' :  das  sind,  wie  Zeumer  richtig  erklärt,  die  'super- 
ductiones' Ulpians,  die  hier  zum  ersten  Mal  in  das  fränkische  Formular 
eindringen.  3)  Vgl.  Dig.  lib.  XXVIII,  tit.  I,  30.  4)  Marini  1.  1. 

p.  116. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  545 

heredem  sanctam  ecclesiam  catholicam  Ravennatem,  testi« 
suscripsi',  auf  die  Aussenseite  mit  kleineren  Buchstaben: 
'f  Ricchitanc  v.  c.  testamento  Mannanis  signavi  f ',  und  so  be- 
scheinigten auch  die  andern  sechs  immer  durch  'testis  sub- 
scripsi' ihre  Theilnahme  als  Zeugen,  aussen  durch  'signavi' 
ihre  Siegelung.  Nun  weiss  Jedermann,  dass  mit  dem  'Actum' 
der  Text  schliesst,  nur  der  Schreiber  R.  wusste  das  nicht,  denn 
er  setzte  die  Bemerkung :  'intercedentibus  et  mediis  signa- 
toribus'  dahinter.  Um  eine  Vermittelung  handelte  es  sich 
ja  gar  nicht,  sondern  um  ein  Zeugnis,  und  freiwillig 
mischen  sich  die  Betreffenden  auch  nicht  in  die  Sache, 
sondern  sie  werden  vom  Testator  zugezogen :  es  sind  'testes 
rogati',  keine  'intercessores'  oder  'mediatores'.  R.  freilich 
nennt  sie  'signatores',  wie  er  auch  in  den  folgenden  Unter- 
schriften : 

'?•  Remigius  episcopus  testamentum  meum  relegi, 
signavi,  subscripsi  et  in  nomine  Patris  et  Filii 
et  Spiritus  sancti,  Deo  adiuvante,  complevi. 

vc     Pappolus  interfui  et  subscripsi. 

vc     Rusticolus  interfui  et  signavi. 

vc     Eulodius  interfui  et  signavi. 

vc     Eutropius  interfui  et  signavi. 

vc     Eusebius  interfui  et  signavi. 

vc  Dauveus  interfui  et  signavi'. 
den  Testator  und  fünf  von  den  6  Zeugen  —  es  müssten 
eigentlich  7  sein  —  signieren  und  ersteren  nach  der  Signie- 
rung ('Post  conditum  testamentum  vel  signatum')  einen 
Zusatz  machen  lässt.  Der  Testator  aber  durfte  überhaupt 
nicht  siegeln,  sondern  nur,  wie  Bertichramnus  in  Be.  're- 
legi et  subscripsi'  unterschreiben;  er  konnte  auch  nicht 
im  Testamente  die  Zeugen  Siegeler  nennen,  und  diese 
konnten  darin  nicht  die  Siegelung 1  bescheinigen,  denn  sie 
siegelten,  wie  wir  sahen,  aussen;  ein  Zusatz  nach  der  Sie- 
gelung war  also  ganz  unmöglich.  So  findet  sich  auch  in 
den  echten  fränkischen  Testamenten  niemals  'signavi'  in 
den  Unterschriften,  sondern  gewöhnlich  'subscripsi',  und 
die  Siegelung  unter  der  Urkunde  wird  zum  ersten  Mal  722 
in  W.  erwähnt,  wo  sie  mit  dem  Königssiegel  erfolgt :  'immo 
sigillante  per  inlustri  viro  Amalsindone  sigillo  regio'.  Ge- 
wöhnlich  wird   in   der   älteren  Zeit   in  den  Zeugen -Unter- 


1)  Da  in  einer  Unterschrift  'subscripsi'  statt  'signavi'  steht,  könnte 
man  glauben,  dass  'signare'  die  Bedeutung  des  franz.  'eigner'  hat ;  aber 
in  der  Unterschrift  des  Remigius  steht  'signavi'  neben  'subscripsi',  und 
Hinkmar  war  die  classische  Bedeutung  von  'signare'  wohl  bekannt. 


546  Br«  Krusch. 

Schriften  hervorgehoben,  dass  das  Erscheinen  auf  Wunsch 
des  Testators  erfolgt  ist:  'rogante  domno  N.  N.'  (so  Ar. 
Be. ;  vgl.  E.) ;  dagegen  schreiben  in  R.  die  Zeugen  constant 
'interfui',  was  sich  sonst  in  keinem  andern  Testamente 
findet,  wohl  aber  in  Urkunden  der  Reimser  Kirche l  aus 
der  Zeit  Hinkmars.  Schliesslich  verräth  sich  R.  durch  die 
Stellung  des  Prädicats  'vc'  vor  die  Eigennamen  als  das 
Erzeugnis  einer  Zeit,  in  welcher  man  von  der  weisen  Rang- 
ordnung des  römischen  Kaiserrechts  nicht  eben  mehr  viel 
wusste. 

Das  Testament  des  Remigius  beruht,  wie  die  echten 
fränkischen  Testamente,  auf  römischer  Grundlage,  ist  aber 
nicht  mit  den  älteren,  sondern  mit  den  um  die  Wende  des 
7.  Jahrh.  entstandenen  Testamenten  I.  E.  verwandt.  Von 
allen  echten  Testamenten  unterscheidet  es  sich  durch  eine 
Menge  wesentlicher  Abweichungen  vom  Formular.  Der 
Schreiber,  der  sich  gegen  den  Gebrauch  nicht  selbst  ge- 
nannt hat,  hat  an  Stelle  der  vollkommenen  Handlungs- 
fähigkeit des  Testators  dessen  geistliche  Amtsfähigkeit  her- 
vorgehoben, er  hat  das  'Ius  civile'  vergessen  und  das  Testa- 
ment mit  dem  Codicill  auf  eine  Stufe  gestellt;  er  hat  die 
Legate  bei  der  Erbeseinsetzung  ausgenommen  und  Testator 
und  Zeugen  im  Innern  des  Documents  siegeln  lassen ;  er 
hat  so  letztere  zu  Sieglern  und  Vermittlern  gemacht;  er 
hat  die  Datierung  weggelassen  und  'vc'  vor  die  Eigennamen 
gestellt;  er  hatte  also  dem  Rechte  ebensowenig  genügt, 
wie  dem  Zeitgebrauche  des  Remigius,  und  seine  ungewöhn- 
liche und  unbescheidene  rhetorische  Frage  ist  zu  verneinen : 
er  war  ein  Stümper,  und,  wie  die  Verwahrung  gegen  den 
'dolus  malus'  zeigt,  ein  Betrüger.  Das  Testament  des  Re- 
migius ist  eine  grobe  Fälschung  aus  jüngerer  Zeit. 

In  dem  folgenden  Abdrucke  des  Anfangs  und  Schlusses 
des  Testaments  sind  die  Aenderungen  und  eigenen  Zusätze 
des  Schreibers  mit  grossen  Typen  wiedergegeben,  unter 
Beifügung  der  richtigen  Lesarten  in  Klammern :  dadurch 
gewinnt  man  einen  Ueberblick  über  die  Fehler  des  Foi'- 
mulars  und  erkennt  zugleich,  wie  es  aussehen  müsste,  um 
echt  zu  sein. 

I. 

'In  nomine  Patris  et  Filii  et  Spiritus  sancti  gloria  Deo  $ 
Amen,    [tilge   'gl.  D.  A.']    [füge  hinzu  'N.  N.  consule  sub  die '] 


1)  Vgl.  das  auf  Befehl  Hinkmars  abgehaltene  Placitum  bei  Guerard, 
Polyptyque  de  1'  abbaye  de  Saint  -  Remi  de  Reims  p.  58 :  'interfui  et  manu 
propria  subscripsi'. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  547 

Ego  Remigius  episcopus  civitatis  Remorum  sacerdotii  compos 
[lies  'sana  mente  integroque  (oder  'sanoque')  consilio'  und  füge  hinzu 
'metuens'  (oder  'cogitans')  casus  humanae  fragilitatis']  testamentum  meum 
condidi  [füge  hinzu  'quem  ego  ipse  Remigius  manu  propria  scripsi  (oder 
'quem  N.  N.  notario  scribendum  commisi')  et  testibus  numero  competenti 
tradidi  subscribendum.  Quod  testamentum  meum,  si  casu']  iure  [füge 
hinzu  'civili  auf]  pretorio  adque  id  [lies  'valere  non  potuerit']  codicello- 
rum  vice  [lies  'v.  c.']  valere  praecepi  fieri  [lies  'valere  id  volo  ac  va- 
leat'].-  iuris  aliquid  videbitur  defuisse?  [streiche  'iuris  —  de- 
fuisse']. Quandoque  ego  Remigius  episcopus  de  hac  luce  transiero,  tu 
mihi  heres  esto  ...  et  tu  ...  et  tu  ..  .  in  omni  substantia  mea,  quae 
mea  sorte  obvenit,  antequam  moriar,  praeter  id  [lies  'et']  quod  unicui- 
que  donavero  [lies  'dedero'],  legavero  darive  iussero  vel  unumquem- 
cjue  vestrum  voluero  habere  praecipuum  [lies  und  füge  hinzu: 
'id  ut  detur,  fiat,  praestetur,  fidei  heredum  meorum  committo,  quosque 
liberos  liberasve  esse  iussero,  liberi  liberaeve  sint  toti']. 

II. 

Haec  ita  do,  ita  lego,  ita  testor  [füge  hinzu  'ita  vos  mihi,  Quirites, 
testimonium  perhibetote  testanti'].  Ceteri  omnes  [lies  'ceteri  ceteraeque'] 
exheredes  estote,  sunt  (sehr,  'sint' l)  tote.  Huic  autem  testamento 
meo  dolus  malus  abest  aberitque  [tilge  'Huic  —  aberitque']. 
In  quo  si  qua  litura  vel  caraxatura  fuerit  inventa,  facta  est  me  praesente, 
dum  a  me  relegitur  et  emendatur  [sehr.  'Si  quae  litürae  vel  caraxaturae 
inventae  fuerint,  ego  feci  fierique  iussi  (oder  'praecepi'),  dum  testamentum 
meum  saepius  relego  et  emendo'].  Actum  Remis  die  et  consule  supra- 
scripto,  intercedentibus  et  mediis  signatoribus  [tilge  'i.  et 
m.  s.']. 

P  Remigius  episcopus  testamentum  meum  relegi,  signavi  [tilge 
's.'],  subscripsi  et  in  nomine  Patris  et  Filii  et  Spiritus  saneti,  Deo  adiu- 
vante,  complevi. 

vc  Pappolus  [lies  'P.  vc']  interfui  et  [lies  'rogante  domno  Re- 
migio  episcopo'J  subscripsi. 

vc    Rusticolus   [lies  'R.  vc']  interfui  et  [lies  'rogante  domno  Re- 
migio  episcopo']  signavi  [lies  'subscripsi'] 
u.  s.  w. 

Das  Testament  des  Remigius  besteht  nur  aus  Legaten 
und  Freilassungen.  Diese,  wie  auch  die  Erbeseinsetzung, 
hatten  in  imperativischen  Ausdrücken 2  zu  erfolgen,  und 
obwohl  durch  kaiserliches  Edict  von  339  3  der  Formalitäten- 
Kram  aufgehoben  und  jede  beliebige  Ausdrucksweise  zu- 
gelassen war,  —  denn  es  sei  gleichgültig,  heisst  es,  ob 
man   schreibe    'heres   esto'    oder    'erit',    —   wird  man  doch 


1)  So  Be.  Ab.  bei  Pardessus  I,  198.  H,  370.  2)  Sohm  S.  463 ; 

Zariowa  S.  866.  916.        3)  Cod.  lustin.  lib.  VI,  tit.  23,  §  15. 


548  Br.  Krusch. 

auch  in  den  fränkischen  Testamenten  niemals  den  Erben 
mit  'heres  erit'  eingesetzt  finden.  Eine  blinde  Regellosig- 
keit hat  also  nicht  Platz  gegriffen.  Die  Imperative  sind 
allerdings  bei  den  Vermächtnissen  und  Freilassungen  ge- 
schwunden, und  es  wird  in  merowingischer  Zeit  bei  directer 
Anrede  der  Legatare  und  Sclaven  nur  der  Conj.  Praes.  an- 
gewandt: eine  Ausnahme  macht  wiederum  das  Testament 
des  Remigius,  denn  hier  steht  im  Allgemeinen  das  Futu- 
rum: 

1)  'Mellovicum  tuo  iuri  deputabis', 

'porcos  meos  inter  vos  equaliter  dividetis', 

'tu  colonos  possidebis', 

'vitis  plantam  communiter  possidebunt', 

'Fedamiam  diaconi  possidebunt', 

'Edoveifam  et  eius  cognationem  retinebis', 

'agros    ad  te  testamenti  huius  autoritate   revoca- 

bis', 
'agrorum  partem  ad  te  revocabis', 
'pratella  ad  te  revocabis', 
'Placidiam  ad  tuum  dominium  revocabis', 
'servum  tuo  dominio  vindicabis', 
'tuo  dominio  vindicabis  Nifastem', 
'Moram  tuo  dominio  vindicabis'. 

2)  'hos  totos  liberos  defensabis', 
'Monacharius   gratulabitur   beneficio   libertatis'. 

Vergleicht  man  damit  die  Ausdrucksweise  der  echten 
Testamente,  so  zeigt  sich  sofort  die  Unechtheit  von  R. : 

1)  'villam  aequa  lance  dividant'  Be., 
'aream  possideat'  Ar., 

'hoc  ecclesia  possideat'  Be., 
'locellum  teneat  ac  possideat'  H., 
'suprascribta  villa  possedeat'  I., 
'villam  ad  tuam  revoces  potestatein'  Be., 
'ipsum    locellum     ad    suam    revocet    dominatio- 
nem'  Be., 

2)  'liberos  tu  defendas'  Ar., 

'uxor  sua  et  filii  in  libertate  permaneant'  Ar. 
In  R.   findet  sich  sogar  unpersönlich  das  Fut.  Pass. : 
'pauperibus  solidus  dabitur', 
'pauperibus  duo  solidi  inferentur', 
'totidemque  Portensi  inferentur'. 
In   den   echten  Testamenten  wird    dergleichen   durch 
die  Phrasen  'volo  esse  donatum'  oder  'volo  esse  concessum' 
ausgedrückt. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  549 

Das  Testament  des  Remigius  ist  für  die  Germanisten 
von  hohem  Interesse,  denn  die  meisten  der  darin  ange- 
führten Personennamen  sind  deutsch  oder  sollen  es  wenig- 
stens sein.  Es  sind  einige  sechzig,  und  über  die  Hälfte  l 
davon  kommen  sonst  nirgends  vor.  Förstemann  hat  in  sei- 
nem altdeutschen  Namenwörterbuch  ausgiebigen  Gebrauch 
von  der  vermeintlichen  Quelle  des  6.  Jh.  gemacht  und 
seine  Sammlungen  wesentlich  daraus  bereichert,  und 
J.  Grimm2  hat  seinen  Scharfsinn  aufgeboten,  einzelne 
Namen  zu  erklären  und  zu  emendieren.  Es  ist  aber  fast 
unbegreiflich,  dass  Niemand  den  Pferdefuss  bemerkt  hat, 
der  in  der  Namenbildung  überall  zu  Tage  tritt. 

Der  Schreiber  hat  offenbar  Gregor  benutzt.  Das  be- 
weist die  'Meratena' 3,  nach  welcher  er  'Auliatena',  lMella- 
tena',  'Niviatena'  bildete,  er  hat  aber  die  Namen  zum  Theil 
fehlerhaft  gedehnt,  und  so  aus  'Friardus'  —  'Friaredus', 
aus  'Medardus'  —  "Medaridus'  gebildet.  Wie  er  die  Frauen- 
namen mit  Vorliebe  mit  'tena'  zusammensetzte,  so  die 
Männernamen  mit  'ricus',  'ridus',  'vicus'.  Zwei  fast  voll- 
ständige Reihen  gestatten  einen  Einblick  in  die  Werkstätte 
des  Fälschers : 

'Medaricus'  'Mellaricus' 

'Medaridus'  'Mellaridus' 

'Mellatena' 
'Medovicus'  'Mellovicus'; 

es  fehlt  nur  die  'Medatena',  die  auch  gar  zu  unmelodisch 
klingt.  Der  erste  Stamm  'Meli-'  ist  vielleicht  lateinisch l 
('Mellita'),  und  der  zweite  Stamm  '-vicus',  der  noch  in  VA1- 
bovichus',  'Baudovicus',  'Marcovicus'  und  im  Namen  des 
Frankenkönigs  'Hludowicus'  erscheint,  wird,  wie  Jedermann 
weiss,  in  Merowingischer  Zeit  Vechus'  geschrieben.  Grimm5 
will    daher   in   richtiger  Erkenntnis   des  sprachlichen  Ana- 


1)  Folgende  39  Namen  sind  anderswo  nicht  überliefert:  'Albovichus, 
Auliatena,  Baudoroseva,  Baudovicus,  Bebrimodus,  Brittobaudes,  Daero, 
Dagaraseva,  Dauveus,  Dasovinda,  Ductio,  Edoveifa,  Flavaraseva,  Friaredus, 
Leuberedus,  Leudocharius,  Marcovicus,  Medaricus,  Medaridus,  Mellaricus, 
Mellaridus,  Mellatena,  Mellovicus,  Merumvastem  (acc),  Modoroseva,  Mona- 
charius,  Nifastes,  Niviatena,  Noca,  Parovius,  Sonnoveifa,  Sparagildis,Tennaicus, 
Tennaredus,  Teudoroseva,  Totno,  Tottio,  Vinofeifa,  Widragasius'.  2)  Auf- 
recht und  Kuhn,  Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  I,  S.  429 
'Frauennamen  auf  niwi'  und  S.  434  'Baudo'.  3)  Greg.  V.  Patr.  c.  6: 

'devota  Deo  Meratina'.  Auch  'Nonnio'  stammt  aus  Gregor  ('Nunnio' 
V.  Patr.  c.  9).  4)  Wohl   auch  in  'Bebri  -  modus'  =  Bibermuth,  wel- 

cher Name  mit  dem  'Berimud'  des  Iordanes  (ed.  Mommsen  S.  77)  und 
dem  'Bermodus'  des  Polypt.  Irm.  (ed.  Guerard  II,  268)  zu  vergleichen 
ist:  das  ist  aber  Bärmüth.         5)  S.  436. 


550  Br.  Krusch. 

chronismus  den  'Baudovicus'  in  'Baudoricus'  verbessern, 
aber  das  verbieten  die  Formen  'Medovicus',  'Mellovicus' 
neben  'Medaricus',  'Mellaricus'.  Der  Verf.  hat  wirklich 
den  'Chlodovechus'  'Hludowicus'  geschrieben,  also  gerade 
so,  wie  man  zu  Hinkmars  Zeit  den  Namen  sprach.  Die 
Zusammensetzungen  mit  'roseva'  und  'raseva' :  '  Baudoro- 
seva',  'Modoroseva',  'Dagaraseva',  Tlavaraseva',  spotten  jeder 
Erklärung.  In  den  Ausgaben  ist  fälschlich  'rosena'  und 
'rasena'  gedruckt,  und  an  diese  Schreibung  schliesst  sich 
eine  Deutung  von  Grimm1  an.  Er  sieht  in  dem  zweiten 
Stamme  das  deutsche  Wort  'rosomon'  =  'aeruginem',  'ru- 
borem'  und  erklärt  'Rosenna'  als  eine  rothwangige  Frau. 
Besonders  schön  erscheint  ihm  der  Name  'Dagarosena', 
lroth,  wie  der  anbrechende  Tag,  eine  gododdxridog  'Hcbq  ; 
aber  die  Hss.  zerstören  diese  Poesie.  Hat  Förstemann2 
Recht,  dass  'gasius'  für  'gisus'  zuerst  um  das  Jahr  865 
vorkommt,  so  würde  man  damit  eine  Zeitbestimmung  für 
die  Abfassung  des  Testaments  erhalten,  denn  dort  wird 
ein  'Widragasius'  genannt.  Die  weitere  Untersuchung  darf 
ich  den  Germanisten  überlassen.  Es  sei  nur  noch  bemerkt, 
dass  neben  den  falschen  Namen  auch  echte  fränkische  * 
und  sonst  germanische  genannt  werden ;  beispielsweise  trägt 
ein  Unfreier  den  stolzen  Namen  des  Gothenkönigs  Gibe- 
rich, und  historische  Namen  findet  man  noch  mehr  darin: 
'Enias'  heisst  ein  Winzer,  'Aetius'  der  Neffe  des  Remigius. 
Auch  der  lateinische  Name  'Teneursolum',  'Halt  den  Bär', 
vielleicht  eine  falsche  Uebersetzung  von  Bernald,  ist  nicht 
ganz  unbedenklich,  und  zum  Schluss  scheint  die  Inventions- 
gabe  des  Schreibers  vollständig  erschlafft  zu  sein,  denn  wenn 
er  dem  Profuturus  den  Sclaven  Leudocharius,  der  Profutura 
die  Leudovera  durch  Remigius  schenken  lässt:  'Profu- 
turo  Leudocharium  puerum  trado;  Profuturae  dari 
iubeo  Leudoveram',  so  liegt  bei  solchem  Parallelismus 
die  Fiction  klar  zu  Tage. 

Laon  führt  im  Testamente  den  Namen  'Lugdunum', 
und  davon  sind  abgeleitet  'Lugdunensis  ecclesia'  und 
'Lugdunenses   presbyteri'.     Im   6.  Jahrh.    heisst   die   Stadt 


1)  S.  438.         2)  S.  147.  3)  Wenn  Grimm  S.  429  daran  denkt, 

die  Reimser  Unfreie  'Teudonivia1  mit  ihrer  Namensschwester  im  Testa- 
mente des  Bertichramnus  von  Le  Mans  und  die  Nonne  'Baudonivia'  in 
Poitiers  mit  einer  etwa  ein  Jahrhundert  später  lebenden  Hörigen  in  dem 
Testament  der  Erminethrudis  zu  identificieren,  so  überspringt  er  mit  zu 
grosser  Leichtigkeit  die  Schranken  von  Raum  und  Zeit.  'Mora'  im  Testa- 
ment des  Remigius  wird  durch  das  Abbo's,  'Lauta'  durch  die  Trad. 
Weissenburg.  (ed.  Zeuss  p.  253)  bestätigt. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  551 

einzig  und  allein  'Lugdunum  Clavatum',  später  kommt 
'Laudunum'  auf,  und  das  blosse  'Lugdunum'  ist,  wie  ich 
an  anderer  Stelle  nachwies 1,  eine  gelehrte  Rückbildung 
aus  nachmerowingischer  Zeit.  Das  Testament  nennt  ferner 
einen  'ecclesiasticus  homo',  der  durch  Remigius  das  Glück 
hat,  seine  Freilassung  zu  erlangen.  Der  der  Kirche  zu 
Leistungen  verpflichtete  Unfreie  wird  zuerst  so  genannt  in 
der  Lex  Ribuaria2,  und  diese  ist  in  Karolingischer  Zeit 
verfasst  worden3;  der  Ausdruck  erscheint  dann  auch  in 
Karls  d.  Kahlen  Capitularien 4.  Das  Testament  des  Remi- 
gius ist  also  unter  den  Karolingern  gefälscht  worden. 

Remigius  vermacht  im  Testamente  der  Reimser  Kirche 
ein  silbernes  Gefäss,  ein  Geschenk  Chlodovechs:  'quem  de 
sacro  baptismatis  fönte  suscepi'.  Der  Heilige  hatte  also 
den  Frankenkönig  thatsächlich  aus  der  Taufe  gehoben,  wie 
allein  Hinkmar5  bezeugt,  er  war  sein  Gevatter,  sein  'pater 
et  patronus'.  Das  Testament  bestätigt  somit  die  Hink- 
marsche Darstellung  der  Taufe  und  besonders  das  väter- 
liche Verhältnis  des  Bischofs  von  Reims  zum  ersten  christ- 
lichen Frankenkönig,  welches  ihm  den  Einfluss  auf  den 
Gang  der  fränkischen  Geschichte  auszuüben  gestattete,  den 
der  Biograph  ihm  zuschreibt. 

Es  bestätigt  ferner  die  Beziehungen  des  Remigius  zu 
der  Diöcese  von  Laon.  In  Laon  besass  der  Heilige  einen 
Theil  einer  Wiese  und  einen  Weinberg,  und  diesen  ver- 
machte er  seinen  Neffen,  Bischof  Lupus  von  Soissons, 
dessen  Vater  nicht  genannt  ist6,  und  Agricola.  Von  den 
im  Testament  angeführten  Orten  sind  bereits  Cesurnicus 
(Cerny - en - Laonnois)  und  Vindonissa  v  (Vendresse -et- Tro- 
yon)  als  Laoner  Villae  erkannt  worden.  Passiacus  ist  un- 
streitig Paissy,  dicht  bei  Cerny  und  Vendresse;  der  Name 
müsste  aber  Pacciacus8  lauten,  wenn  das  Document  echt 
wäre.  An  diesen  Ortschaften  hatte  Remigius  nur  einen 
Theilbesitz,  welcher  ihm,  wie  es  bei  Cerny  heisst,  'sorte 
divisionis'  zugefallen  war.  Die  Güter  stammten  also  aus 
der  Hinterlassenschaft  des  Vaters  Emilius,  in  welche  sich 
die  drei  Söhne  getheilt  hatten.     Nach  dem  Tode  des  Bru- 


1)  N.  A.  XVIII,  37.  XIX,  459.  2)  Die  Stellen  weist  Zeumera 

Register   zu    Sohms   Handausgabe   der  Lex   nach.  3)  Vgl.  Brunner, 

Deutsche  Rechtsgesch.  S.  304.         4)  Capit.  Suession.  von  853,  Compend. 
von  868.  5)  V.  Remigii  c.  15:  'susceptus  ab  ipso  pontifice  de  sancto 

fönte'.         6)  Testam. :  'fili  fratris  mei ' ;  vgl.  V.  Remig.  c.  1 :  'fratrem  eius, 
patrem  beati  Lupi  episcopi'.  7)  Poquet  in  Congres  archeologique  de 

France  XXVlDIe  session,   Paris  1862,    S.  124.  8)  Vgl.  d'Arbois    de 

Jubainville,  Recherches  sur  l'origine  de  la  propriete  fonciere  p.  164. 


552 


Br.   Krusch. 


ders  Principius,  Bischofs  von  Soissons,  waren  dessen  Län- 
dereien an  Remigius  gefallen,  welcher  sie  nun  dem  Neffen 
Lupus  vermachte.  Wie  in  der  Vita  gilt  also  auch  im 
Testamente  das  Laonnais  als  die  Heimath  des  Eemigius. 
Ferner  wird  auch  hier  ausdrücklich  die  Kirche  von  Laon 
für  eine  Diöcese  der  Eeimser  erklärt,  denn  bei  der  Legie- 
rung eines  silbernen  Gefässes  an  beide  heisst  es :  'inter  te, 
heres  mea,  et  diocesim  tuam,  ecclesiam  Lugdunensem 
.  .  .  distribui'.  Deutlicher  konnte  der  Schreiber  kaum 
sein.  Dieses  Verhältnis  zwischen  den  beiden  Kirchen  findet 
weiter  darin  seinen  Ausdruck,  dass  Remigius  die  Kirche 
und  Geistlichkeit  von  Laon  ganz  ähnlich,  wie  die  Reimser, 
mit  Vermächtnissen  bedenkt,  die  nur  in  Anbetracht  der 
Subordination  verhältnismässig  geringer  sind: 

Reims.  Laon. 


ecclesia 


presbyteri    et    dia- 

coni 
subdiacones ,   lecto- 

res ,     ostiarii     et 

iuniores 
pauperes   in  matri- 

cola 


agri,  coloni  in  solo 
Portensi,  vas  ar- 
genteum 

25  solidi,vitis  planta 

6  sol. 


2  sol. 


10    sol.,    pars   mea 
de  Setia. 

8  sol. 

4  sol. 

1  sol. 


Und  wenn  dann  der  eine  der  Neffen  des  Remigius  einen 
Weinberg  unter  der  Bedingung  erhält:  'ut  diebus  festis 
et  omnibus  dominicis  sacris  altaribus  mea  offeratur  obla- 
tio,  atque  annua  convivia  Remensibus  presbiteris 
et  diaconibus  prebeantur',  der  andere  einen  solchen  in 
Vindonissa:  'ut  a  patribus  suis  omnibus  diebus  festis  ac 
dominicis  pro  comemoratione  mea  sacris  altaribus  offeratur 
oblatio,  etLugdunensibus  presbiteris  atque  dia- 
conibus annua  convivia,  concedente  Domino,  prae- 
beantur',  so  erkennt  man  wiederum  die  gleichmässige  Für- 
sorge des  Heiligen  für  beide  Diöcesen.  Sie  tritt  noch 
schärfer  hervor  durch  Vergleichung  mit  den  Kirchen  von 
Soissons  und  Chälons-sur- Marne.  Diese  sind  ja  auch  Diö- 
cesen der  Reimser  Provinz,  und  sie  werden  im  Testament 
ziemlich   despectierlich  vor  den  vier  Archidiaconaten 1  der 


1)  Mouzon,  Voncq  und  der  pagus  Portensis  sind  bekannt.  In  der 
'Catarigensis  ecclesia'  hat  zuerst  Bouchet  (Congres  archeol.  1862,  p.  121) 
den  'pagus  Castricensis'  erkannt,  der  dem  heutigen  Decanate  von  Mezieres 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  553 

Reimser  Diöcese  eingereiht;  ihnen  sind  auch  nur  im  Gan- 
zen 8  resp.  6  Solidi  ausgesetzt.  Laon  stand  eben  durch 
seinen  Ursprung  in  einem  weit  innigeren  Abhängigkeits- 
verhältnis zu  der  Metropole,  und  so  findet  die  Darstellung 
von  Hinkmars  V.  Eemigii  durch  das  Testament  abermals 
eine  vollständige  Bestätigung,  und  zugleich  sein  Vorgehen 
gegen  den  Neffen  Hinkmar  von  Laon  eine  glänzende  Recht- 
fertigung. 

Hinkmar  selbst  hat  vor  das  Document  die  folgende 
antiquarische  Bemerkung  gesetzt:  'Exemplar  testamenti  a 
beato  Remigio  conditi,  in  quo  lector  attendat,  quia  solidorum 
quantitas  numero  40  denariorum  computatur,  sicut  tunc 
solidi  agebantur,  et  in  Francorum  lege  Salica  continetur 
et  generaliter  in  solutione  usque  ad  tempora  magni  Karoli 
perduravit,  velut  in  eius  capitulis  invenitur'.  Es  ist  rich- 
tig, dass  in  der  Lex  Salica  der  Solidus  zu  40  Denarien l 
gerechnet  wird,  und  in  karolingischer  Zeit  dieser  Goldsoli- 
dus  durch  den  Silbersolidus  zu  12  Denarien 2  verdrängt 
wurde,  während  doch  die  Bussen  der  Lex  Salica  auch  noch 
unter  Karl  d.  Gr.  nach  der  alten  Münze  bezahlt  werden 
mussten3;  da  sich  aber  im  Texte  selbst  keine  Gleichung 
von  Solidi  und  Denarien  findet,  letztere  überhaupt  nicht 
erwähnt  werden,  konnte  den  Cours  der  legierten  Solidi  nur 
der  Verfasser  des  Documents  kennen.  Andererseits  ist  es 
klar,  dass  wenn  die  97,  zum  Theil  in  ganz  kleinen  Posten 
legierten  Solidi  den  angegebenen  Cours  hatten,  der  nur 
bis  zu  Karls  d.  Gr.  Zeit  bestand,  das  Testament  echt  und 
jedenfalls  nicht  von  Hinkmar  gefälscht  sein  konnte.  Die 
Bemerkung  ist  also  zum  Schutze  der  Authenticität  des 
Schriftstücks  hinzugefügt,  sie  ist  von  Hinkmar  hinzugefügt, 
und  Hinkmar  ist  der  Fälscher  des  Testaments  des  Remi- 
gius, welches  das  vorletzte  Capitel  seiner  V.  Remigii  bildet. 
Es  verfolgt  dieselben  Zwecke  wie  die  Vita  selbst;  es  ist 
der  urkundliche  Beleg  zu  derselben. 

Das  kürzere  Testament  hatte  nicht  den  Zweck,  der 
Reimser  Kirche  neue  Besitztitel   zu  verschaffen  oder  etwa 


entspricht;  vgl.  Desnoyers,  Topographie  ecclesiastique  de  la  France  in 
Annuaire  historique  pour  l'annee  1859  p.  143;  Longnon,  Atlas  histori- 
que.  Texte  expl.    II,    p.  119.  1)  Gleich   der  erste  Paragraph  enthält 

eine  solche  Gleichung :  '600  dinarios,  qui  faciunt  solidos  15'.  Vgl.  Waitz, 
VG.  II,  23,  306.  2)  Waitz,  VG.  IV2,  80.  3)  Capit.  leg.  add.  von 

803,  tit.  9  (Boretius,  Capit.  regum  Franc,  p.  114):  'Omnia  debita,  quae 
ad  partem  regis  solvere  debent,  solidis  duodecim  denariorum  solvant,  ex- 
ceptio freda,  quae  in  lege  Saliga  scripta  est;  illa  eodem  solido,  quo  cae- 
terae  com}:>ositiones  solvi  debent,  componatur'. 


554  Br,  Krusch. 

zweifelhafte  zu  stützen,  denn  dazu  sind  die  darin  specifi- 
cierten  Legate  an  Liegenschaften  zu  gering,  und  da  auch 
dem  Rechtsstreit  zwischen  den  beiden  Hinkmar  durch  das 
Abscheiden  der  Parteien  der  Boden  entzogen  war,  hatte  es 
für  die  Epigonen  nur  noch  geringen  praktischen  Werth. 
Durch  umfangreiche  Interpolationen  hat  man  nun  das 
Falsificat  wieder  auf  die  Höhe  der  Zeit  gebracht.  In  dem 
längeren  Testamente  wird  auf  zwei x  frühere  hingewiesen 
und  behauptet,  dass  es  nicht  bloss  enthalte,  was  in  diesen 
gestanden,  sondern  auch,  was  der  Herr  später  noch  dem 
Heiligen  zu  schenken  geruht  hätte.  Es  ist  auch  nur  eine 
Erweiterung  des  kürzeren,  doch  sind  die  Zusätze  fast  um- 
fangreicher als  der  ursprüngliche  Text.  Obwohl  der  Fäl- 
scher ganz  genau  wusste,  dass  die  beiden  früheren  Testa- 
mente vor  14  und  7  Jahren  gemacht  seien,  hat  er  doch 
ebensowenig  wie  Hinkmar  ein  Datum  hinzugefügt,  so  dass 
auch  bei  ihm  der  Hinweis  am  Schlüsse :  'Peractum  Remis 
die  et  consule  supradicto'  in  der  Luft  hängt.  Von  der 
Plumpheit  der  Fälschung  geben  auch  die  Zeugen -Unter- 
schriften Kunde.  Im  kürzeren  standen  nur  die  Namen  von 
6  Laien.  Das  schien  dem  Fälscher  eine  zu  kleine  und 
nicht  genügend  würdige  Gesellschaft  für  seinen  grossen 
Heiligen  zu  sein.  Er  hat  daher  aus  seinem  eigenen  Kopfe 
noch  1 1  Unterschriften  hinzugefügt,  natürlich  nur  von  Geist- 
lichen. Es  sind  die  allgemein  bekannten  Bischöfe  Vedastes 
und  Medardus,  die  Hinkmarschen  Gestalten  Genebaudus, 
Lupus,  Presbyter  Agricola,  Abt  Benedict  und  der  weltliche 
Grosse  Eulogius,  die  inzwischen  beide  zu  Bischöfen  vorgerückt 
sind,  der  Lokalheilige  Celsinus 2  und  ein  Presb.  Teudericus. 
Damit  war  aber  die  Fränkische  Geschichte  erschöpft,  denn 
der  Fälscher  wusste  von  ihr  gerade  so  viel,  wie  in  Hink- 
mars V.  Remigii  stand,  und  da  ihm  kein  Name  mehr  ein- 
fiel, Hess  er  bei  zwei  Unterschriften  den  Raum  dafür  frei. 
Er  hat  sich  auch  nicht  einmal  bemüht,  seine  neuen  Unter- 
schriften den  Hinkmarschen  conform  zu  gestalten,  sondern, 
während  dessen  Zeugen  mit  'interfui  et  subscripsi'  oder 
'signavi'  zeichnen,  seine  eigenen  die  Worte:  'Cui  pater 
meus  Remigius  maledixit,  maledixi,  et  cui  benedixit,  bene- 
dixi.  Interfui  quoque  atque  subscripsi'  unterschreiben 
lassen.  Mit  rührender  Unbefangenheit  lässt  er  den  Heili- 
gen über  Stiftsgut,  also  über  fremdes  Eigenthum,  testieren 
und  er  giebt  gleich   bei   jedem  Vermächtnisse   an,    ob    die 


1)  An  dieses  zweite  verlorene  Testament  glaubt  noch  Schrörs  S.  451. 
2)  Flod.,  hist.  eccl.  I,  10. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  555 

Sache  eigen  war  oder  dem  Stiftsschatze  gehörte,  z.  B. : 
'Vicus  ex  proprio  in  Portensi  et  Villaris  quoque  ex  epi- 
scopio  in  Remensi'. 

Der  Schwerpunkt  des  längeren  Testamentes  liegt  in 
den  Legaten,  und  selbst  diejenigen  an  Schmucksachen  und 
Geld  sind  hier  viel  reichlicher  bemessen  als  in  dem  kür- 
zeren. Die  liegende  Habe  des  Heiligen  ist  natürlich  in- 
zwischen ins  Unendliche  gewachsen.  Schon  Hinkmar  hatte 
in  der  Vita  die  Geschichte  des  Erwerbs  einzelner  Villae 
durch  Remigius  erzählt,  und  so  Besitztitel  der  Reimser 
Kirche  begründet.  Diese  Stellen  sind  natürlich  im  län- 
geren Testament  sorgfältig  verwerthet  und  z.  Th.  wörtlich 
ausgeschrieben,  aber  auch  geändert:  denn  dass  Hinkmar 
zum  Lobe  des  h.  Remigius  die  Wunderkraft  des  h.  Bene- 
dict herabgesetzt  hatte,  war  ein  hinterlistiger  und  gemeiner 
Streich,  und  der  Fälscher  hat  sich  beeilt,  jenen  Benedict 
zum  provencalischen  Grundbesitzer  und  Vater  des  kranken 
Mädchens  zu  machen.  Auf  ihn  führte  er  den  Besitz  der 
Reimser  Kirche  in  der  Provence  zurück,  und  er  hat  ihr 
ausserdem  aus  der  Hinterlassenschaft  des  Heiligen  alles 
zugewandt,  was  sie  faktisch  besass,  aber,  wie  Crugny1, 
lange  Jahre  nach  dessen  Tode  erworben  hatte,  und  viel- 
leicht auch,  was  sie  niemals  besessen  hatte,  aber  gern  be- 
sitzen wollte.  Die  in  fremden  Diöcesen  zerstreuten  Reimser 
Kirchengüter  waren  fortwährenden  Angriffen  der  benach- 
barten weltlichen  Grossen  ausgesetzt,  weil  ihnen  die  Me- 
tropole keinen  genügenden  Schutz  bieten  konnte.  Dieser 
Streubesitz  lag  ausser  in  der  Provence  noch  in  Aquitanien, 
der  Bayrischen  Pfalz  (Kusel,  Altenglan,  Bischmischheim) 
und  Thüringen  (Eisleben),  und  Hinkmar  musste  oft  genug 
die  Feder  zu  seiner  Sicherung  führen.  Führte  man  die 
Liegenschaften  der  Kirche  auf  Vermächtnisse  des  Remi- 
gius zurück,  so  war  dies  Ursprungszeugnis  der  kräftigste 
Schutz,  denn  Beutelustige  mussten  dann  immer  die  per- 
sönliche Rache  des  Heiligen  fürchten.  Das  längere  Testa- 
ment verfolgt  zunächst  diesen  Zweck;  es  will  den  Grund- 
besitz der  Reimser  Kirche  als  Hinterlassenschaft  des  Re- 
migius urkundlich  beglaubigen. 


1)  Crugny  ist  erst  ca.  150  Jahre  nach  Remigius  durch  den  Major- 
domus  Waratto  an  die  Reimser  Kirche  gekommen ;  vgl.  Flod.,  hist.  Rem. 
II,  10.  Dem  Kloster  des  Heiligen  war  nach  dem  Polypt.  S.  Remigii  (ed. 
Guerard  p.  18.  28)  ausser  diesem  Orte  Hermonville  (ib.  p.  27)  zinspflichtig, 
und  es  besass  in  Saint  -  Etienne  -  sur  -  Suippe  (ib.  p.  27)  einige  Colonen : 
beide  Ortschaften  werden  im  längeren  Testament  den  Armen  der  Matri- 
cula  vermacht. 


556  Br.  Krusch. 

Bei  der  Schroffheit,  mit  welcher  der  Fälscher  die 
Interessen  des  Stifts  und  der  Hauptkirche  vertritt,  ist  es 
höchst  auffällig,  dass  er  auch  anderen  Kirchen  der  Stadt, 
—  z.  B.  S.  Sixti  die  Villa  'Plebeias  supra  Matronam',  — 
aus  der  reichen  Hinterlassenschaft  Grundbesitz  zu  Gute 
kommen  und  sogar  die  Diöcesan  -  Kirchen  der  Provinz  nicht 
ganz  leer  ausgehen  lässt: 

Laon:  Anisiacus,  Lauscita, 

Soissons:  Salvonarias  supra  Moram, 

[und  ausserdem  Bischof  Lupus :  Labrinacus,  wo  des  Re- 
migius  Mutter  ruht], 

Chälons-sur- Marne:   Gellonos  supra  Matronam, 

[S.  Memmii  daselbst:  Fascinarias] , 

Arras:  Orcos,  Sabucetum. 
Die  Ueberweisung  von  Anisiacus  (Anizy  -  le  -  Chäteau) 
trägt  allerdings  nicht  viel  auf  sich,  denn  dieser  Ort  ist 
von  jeher  Eigenthum  dieser  Kirche  gewesen  und  wird 
selbst  von  Hinkmar  *  als  solches  anerkannt.  Auch  Labri- 
nacus  (Lavergny)  liegt  in  dieser  Diöcese  und  hat  immer 
unter  dem  Bischof  von  Laon  gestanden '-' ;  wenn  es  also 
jetzt  dem  Bischof  von  Soissons  vermacht  wird,  so  geschieht 
die  Freigebigkeit  auf  Kosten  jener  Kirche.  Die  übrigen 
Ortsnamen  sind  aber  gänzlich  unbekannt  und  haben  allen 
Erklärungsversuchen  gespottet.  Bisher  hat  man  dabei  die 
Geographie  zu  Eathe  gezogen ;  ich  will  einen  andern  Weg 
einschlagen.  Wenn  der  Fälscher  so  grossmüthig  ist,  der 
Kirche  von  Soissons  die  Villa  'Salvonarias  supra  Mo- 
ram' zu  überlassen  und  hinzufügt:  lnam  Sablonarias 
supra  Matronam  heredibus  meis  deputavi',  so  ist  der 
letztere  Ort  (Sablonniere,  c.  Charly,  arr.  Chäteau  -  Thierry) 
und  Fluss  (Marne)  zur  Genüge  bekennt:  wer  aber  'Salvo- 
narias' und  die  'Mora'  auf  der  Landkarte  gesucht,  der  hat 
sich  von  dem  Schalk  an  der  Nase  herumführen  lassen. 
Und  nun  sehen  wir  weiter.  'Plebeias  supra  Matronam'  ist 
natürlich  'Pöbeldorf',  'Gellonos  supra  Matronam'  'Tölpel- 
dorf', denn  'Gillo  et  Gello  dicitur  rusticus,  ineptus' 3, 
'Fascinarias'  (von  'fascinare')  'Hexendorf'  und  der  'Orcos' 
ist  jedem  der  Leser  hinlänglich  bekannt i.  Man  stelle  sich 
die  Verwunderung    der   Betheiligten   vor,    als    sie   in   dem 

1)  V.  Remig.  c.  25:  'episcopii  Laudunensis  villam,  que  Anisiacus 
dicitur'.  2)   Es  liegt   in  der  Nähe  von  Parfondru   (dep.  Aisne) ;    vgl. 

Matton,  Dict.  topogr.  du  dep.  de  l'Aisne   p.  152.  3)  Ugutio  bei  Du- 

cange  s.  v.  'Gillo'.  4)  Hängt  'Lauscita'  vielleicht  mit  'luscitus  =  myops' 
zusammen?  Vgl.  Forcellini  ed.  de  Vit  VI,  p.  652  und  'luscus'  (frz. 
'louche')  bei  Ducange. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  557 

Testamente  von  diesen  hochherzigen  Vermächtnissen  des 
h.  Remigius  lasen,  die  sie  nirgends  finden  konnten,  und 
besonders  die  Enttäuschung  des  Bischofs  von  Soissons,  der 
sein  reelles  'Sablonarias'  gegen  ein  'Salvonarias'  einge- 
tauscht hatte,  welches  ebenso  utopisch  war,  wie  der  zuge- 
nannte Fluss. 

Die  Fürsorge  des  Remigius  erstreckt  sich  nicht  bloss 
auf  die  Befestigung  des  Reimser  Grundbesitzes,  sondern 
auch  auf  die  Erhaltung  des  Kirchenguts  im  Allgemeinen 
und  auf  die  Restitution  entfremdeter  Stücke.  Er  wirkt 
auf  Chlodovech  ein,  dass  dieser  allen  Kirchen  des  Franken- 
reichs die  geraubten  Güter  wieder  zustellt,  er  versichert, 
keinen  Fuss  breit  fränkischer  Erde  von  ihm  als  Geschenk 
zu  nehmen,  bis  nicht  sämmtliche  Kirchen  wieder  in  dem 
Besitz  des  Ihrigen  seien.  Er  trifft  die  schärfsten  Be- 
stimmungen gegen  die  Verschleuderung  des  Kirchengutes 
und  besonders  gegen  die  Verlehnung,  jene  zwar  sehr  be- 
queme, aber  für  die  Kirche  wenig  vortheilhafte  Verwal- 
tungsmethode. Wenn  ein  Bischof  von  Reims  die  Kirchen- 
güter, welche  Remigius  zur  Ehre  Gottes  und  zum  Tröste 
der  Armen  bestimmt  hat,  vergeudet,  vertauscht,  Laien 
lehnsweise  überträgt,  oder  in  solche  Uebertragungen  wil- 
ligt, sollen  Geistlichkeit  und  Laien  der  ganzen  Reimser 
Diöcese  zusammentreten  und  den  Bischof  mit  Absetzung  be- 
strafen, unter  Ausschluss  der  Begnadigung  und  der  Wieder- 
einsetzung in  den  früheren  Stand.  Und  Laien,  die  sich 
Kirchengüter  aneignen,  sollen  verflucht  und  von  der  katho- 
lischen Kirche  ausgeschlossen  sein,  bis  sie  Genugthuung- 
leisten.  Das  Königsgeschlecht  ('genus  regium')  schont  zwar 
den  Fälscher,  wie  er  sagt;  im  Grunde  genommen  ist  aber 
nur  das  Verfahren  etwas  umständlicher.  Wenn  der  König 
die  Kirchen  in  Beschlag  nimmt,  verdirbt  oder  ihnen  sonst 
beschwerlich  fällt,  soll  er  zuerst  von  den  Bischöfen  der 
Reimser  Diöcese,  dann  von  der  Reimser  Kirche  mit  Zu- 
ziehung ihrer  Schwester,  der  Trierer,  und  bis  zum  sieben- 
ten Male  mit  Zuziehung  von  3  oder  4  Erzbischöfen  Gal- 
liens ermahnt  werden.  Bleibt  er  auch  dann  noch  unver- 
besserlich, so  ist  er  von  der  Communion  auszuschliessen. 
Wenn  die  Nachfolger  des  Remigius,  die  Reimser  Erz- 
bischöfe 1,  diese  Bestimmungen  nicht  beobachten,  machen 
sie  sich  selbst  des  Vergehens  der  Fürsten  schuldig  und 
verlieren  das  Bisthum. 

So  führt  uns  der  materielle  Zweck  des  längeren  Testa- 


1)  Im  Testament  steht  wirklich  'archiepiscopi'. 

Neues  Archiv  etc.    XX.  37 


558  Br.  Krusch. 

ments  zu  dem  höheren,  ideellen,  der  Erweiterung  der  kirch- 
lichen und  politischen  Macht  des  Erzbischofs  von  Reims, 
hinüber.  Die  Trierer  Kirche  wird  zwar  als  die  Schwester 
der  Reimser  bezeichnet,  aber  dadurch,  dass  diese  die  Ini- 
tiative hat  und  erst  beim  zweiten  Tadel  verpflichtet  ist, 
jene  zuzuziehen,  wird  ihr  die  Priorität  zugestanden.  Hink- 
mar  vertritt  noch  die  Anschauung,  dass  Reims  und  Trier 
sich  völlig  gleichstehen,  und  nur  der  zuerst  ordinierte  Erz- 
bischof den  Vorrang  hat  *.  Später  aber  nahm  der  Reimser 
Clerus  diesen  für  seinen  Erzbischof  in  Anspruch  und  be- 
hauptete gegen  den  Einspruch  von  Trier  auf  der  Synode 
zu  Reims  1049,  dass  ihm  die  'dispositio  synodica'  zustände. 
Der  anwesende  Papst  Leo  IX.  entschied  sich  in  diesem 
Sinne,  und  so  erhielten  die  Synodalen  ihre  Plätze  in  der 
Reihenfolge,  welche  der  Reimser  festgesetzt  hatte :  er  selbst 
natürlich  zur  rechten,  der  Trierer  zur  linken  des  Papstes 2. 
Dieses  Verhältnis  zwischen  Reims  und  Trier  spiegelt  das 
längere  Testament  wieder. 

Die  Stellung  des  Erzbischofs  von  Reims  zum  König 
wurde  schon  durch  das  geistliche  Strafverfahren  gegen 
diesen  gekennzeichnet.  Remigius  nennt  im  längeren  Testa- 
mente die  Könige  Frankreichs  seine  theuersten  Söhne;  er 
war  ja  der  Vater  Chlodovechs,  natürlich  nur  'spiritalis'. 
Er  rühmt  sich,  das  Königsgeschlecht  nicht  bloss  getauft, 
aus  der  Taufe  gehoben  und  durch  die  Salbung  mit  dem 
Chrisma  ordiniert,  sondern  auch  zusammen  mit  den 
Bischöfen  Deutschlands,  Galliens  und  Neustriens  zur  Kö- 
nigswürde erwählt  zu  haben:  'una  cum  fratribus  meis  et 
coepiscopis  omnibus  Germaniae,  Galliae  atque  Neustriae  in 
regiae  maiestatis  culmen  perpetuo  regnaturum  statuens 
elegi',  und  so  durfte  er  am  Schlüsse  dem  Vertrauen  Aus- 
druck geben,  dass  es  die  Regierungsgewalt  so  handhabe, 
wie  er  sie  ihm  übergeben  habe 3 :  dann  würden  Könige  und 
Kaiser  aus  ihm  hervorgehen.  Erwählt  aber  hat  den  König 
von  Prankreich  zum  ersten  Mal  1059  Erzbischof  Gervasius 
von  Reims  bei  der  Krönung  Philipps  I. :  'Tunc,  annuente 
patre  eius  Heinrico,  elegi t  eum  in  regem'4. 


1)  Hincmari  Opp.  ed.  Sirmondus  II,  258:  'inter  quas,  Remensem 
scilicet  et  Treverensem  ecclesiam,  haec  semper  distinctio  fuit,  .  .  .  ut  isdem 
episcopus  non  loci,  sed  dignitate  ordinis  prior  secundum  sacras  regulas 
haberetur,  qui  f'oret  in  qualibet  istarum  ecclesiarum  metropoli  antea  ordi- 
natus'.  Vergl.  Dümmler,  Gesch.  des  Ostfränk.  Reiches  II,  283,  N.  1\ 
2)  Labbe,  Sacrosancta  concilia  IX,  1036.  3)  'ut,  sicut  a  me  accepit, 
ita  in  dispositione  regni  et  ordinatione  sanctae  Dei  ecclesiae  perseveret'. 
4)  Bouquet  XI,  32. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  559 

Das  längere  Testament  des  Remigius  kann  kaum  vor 
dem  J.  1059  gefälscht  sein,  aber  auch  schwerlich  nachher. 
Es  ist  nämlich  in  den  Codex  Christ,  reg.  561  von  Hinkmars 
V.  Eemigii 1  eingeschwärzt  worden,  und  steht  dort  an  der 
Stelle,  wo  in  den  übrigen  Hss.  der  Vita  das  kürzere  steht. 
Diesen  Codex  setzt  Bethmann  in  den  Anfang  des  11.  Jh.; 
aber  auf  Jahrzehnte  lassen  sich  Hss.  nicht  bestimmen,  und 
Bethmann  hat  im  Allgemeinen  eher  zu  hoch  als  zu  nie- 
drig geschätzt. 

Mein  Ergebnis  steht  im  Widerspruch  mit  der  herr- 
schenden Ansicht.  Nach  dieser  ist  das  längere  Testament 
viel  älter,  und  man  wirft  Hinkmar  vor,  im  Bedürfnisfalle 
davon  Gebrauch  gemacht 2  und,  wie  Roth 3  meint,  sogar 
gefälschte  Nachrichten  desselben  in  sein  Leben  des  Remi- 
gius aufgenommen  zu  haben.  Habe  ich  den  Sünder  vor- 
her mit  der  Fälschung  des  kürzeren  Testaments  belasten 
müssen,  so  freue  ich  mich,  in  diesem  Falle  sein  Verthei- 
diger  sein  zu  können. 

Man  beruft  sich  für  das  höhere  Alter  auf  eine  Urk. 
Karls  d.  Kahlen  von  845  1./10.  und  für  die  Benutzung 
durch  Hinkmar  auf  Auszüge  aus  dessen  Briefen,  und  man 
findet  in  der  That  in  diesen  Schriftstücken  Anspielungen 
und  sogar  ausdrückliche  Berufungen  auf  das  längere  Testa- 
ment. Alle  diese  Zeugnisse  sind  überliefert  in  Flodoards 
Hist.  Rem.  eccl. ,  und  darin  steht  auch  der  vollständige 
Text  des  Documents.  Aber  schon  Marlot  hat  wohl  be- 
merkt, dass  Flodoard  in  seiner  Geschichtsdarstellung  kei- 
nen Gebrauch  macht  von  den  eigenthümlichen  Nachrichten 
des  längeren  Testaments.  Er  weiss  nichts  von  den  gross- 
herzigen Schenkungen  der  Genovefa,  über  welche  Remigius 
darin  disponiert,  nichts  von  der  Bestattung  der  Cilinia,  der 
Mutter  des  Heiligen,  in  Lavergny,  nichts  von  den  sonstigen 
Angaben  dieser  Quelle,  die  doch  für  den  Reimser  Kirchen- 
geschichtsschreiber vom  höchsten  Interesse  sein  mussten. 
Er  giebt  selbst  I,  23  einen  Auszug  aus  dem  Testamente 
des  Remigius  —  er  hatte  sich  ja  auch  bei  den  Testamenten 
der  anderen  Reimser  Bischöfe  mit  Auszügen   begnügt4  — 


1)  In  einer  andern  Hs.,  Reims  114(5,  saec.  XI,  ist  es  hinter  den 
beiden  V.  Remigii  und  anderen  auf  den  Heiligen  bezüglichen  Schriften 
von  einer  Hand  saec.  XV.  nachgetragen,  wohl  aus  Flodoard;  vgl.  X.  A. 
XVHI,  608.  2)    Suysken    in  AA.   SS.  Oct.    I,  108.  3)   Gesch. 

des  Beneficialwesens  S.  -465.  v.  Xoorden  S.  396  zweifelt  nur,  ob  sich 
Hinkmar  durch  die  Entlehnung  eines  bewussten  Betruges  schuldig  ge- 
macht hat.  4)  Man  vgl.  die  Testamente  des  Ronulfus,  Somnatius  und 
Lando,  SS.  XIII,  p.  451.  454.  455. 

73* 


560  Br.  Krusch. 

aber  aus  dem  kürzereu,  denn  nur  dessen  Legatare  und 
Legate  erwähnt  er  und  nur  dessen  6  Zeugen  zählt  er  auf, 
während  in  dem  längeren,  wie  bemerkt,  noch  11  Unter- 
schriften hinzugefügt  sind.  Schon  Marlot  hat  daher  ver- 
muthet,  dass  das  längere  Testament  bei  Flodoard  später 
interpoliert  sei,  obschon  er  es  für  älter  hält  und  an  der 
Benutzung  durch  Hinkmar  keineswegs  zweifelt.  Die  Ver- 
muthung  findet  durch  die  Flodoard -Hss.  ihre  Bestätigung. 
Das  Falsificat  steht  in  der  ersten  Hss.-Klasse  hinter  Cap.  18 
des  ersten  Buches,  in  der  zweiten  und  dritten  vor  dem- 
selben. Einer  der  Abschreiber  hat  also  vermuthlich  das 
Zeichen  übersehen,  wo  die  zugehefteten  Blätter  einge- 
schaltet werden  sollten,  und  nun  den  Text  und  diese  fort- 
laufend copiert. 

In  den  Briefauszügen  bei  Flodoard  tritt  die  Versu- 
chung an  Hinkmar  heran,  Reimser  Kirchengut  zu  alienie- 
ren;  der  Erzbischof  aber  weist  regelmässig  ein  solches 
Ansinnen  mit  Entrüstung  zurück  im  Hinblick  auf  die 
Drohungen  des  Remigius  im  Testamente  und  beschreibt 
eintönig  die  grausige  Furcht  vor  ihnen  immer  in  dersel- 
ben Weise,  wenn  auch  mit  anderen  Worten. 

An  Nantarius  schreibt  Hinkmar  wegen  der  Verwaltung 
der  im  Wormser  Gau  gelegenen  Reimser  Güter.  Einige 
Leute  hatten  ihn  gebeten,  für  verschiedene  Arbeiten  ihnen 
Colonen  zu  leihen,  andere  um  die  Erlaubnis  nachgesucht, 
dass  ihre  Jäger  auf  diesen  Gütern  zuweilen  rasten  dürften. 
Der  weitblickende  Hinkmar  wittert  dahinter  eine  Alienie- 
rung  von  Kirchengut  und  redet  sich  nun  sehr  ins  Feuer. 
Eine  solche  Erlaubnis  würde  er  niemals  geben,  und  seine 
Vorgänger  hätten  es  auch  nie  gewagt,  denn  es  sei  vom 
h.  Remigius  unter  grossen  Verwünschungen  und  Drohungen 
verboten :  'quia  sanctus  Remigius  cum  grandi  maledictione 
vel  interminatione  hoc  fieri  vetuerit'  K 

Hinkmar  hatte  die  in  der  Provence  gelegenen  Reimser 
Güter  dem  Schutze  des  Grafen  Gerard  von  Vienne  anbe- 
fohlen. Dieser  beklagte  sich  bei  ihm,  dass  die  Besitzungen 
von  vielen  verwüstet  würden,  und  zwar  behaupteten  meh- 
rere Eindringlinge,  des  Königs  und  Erzbischofs  Erlaubnis 
zu  besitzen.  Darauf  entgegnete  Hinkmar,  dass  er  nach  der 
dem  Grafen  übertragenen  Commission  nur  einem  gewissen 
Hildoard  die  Verwaltung  einer  Villa  zugestanden  habe, 
aber  unter  der  Oberaufsicht  der  Grafen,  und  fügte  hinzu, 
er  würde   an   Niemanden   die  Güter   zu   Lehen   auszuthun 


1)  SS.  XIII,  p.  539,  47. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  561 

-wagen,  weil  dies  der  h.  Remigius  in  seinem  Testamente 
streng  verboten  hätte:  lipsas  autem  res  nulli  homini  suo 
vel  alterius  in  beneficium  dare  auderet,  quia  sanctus  Remi- 
gius hoc  in  suo  testamento  terribiliter  contradixit' 1.  Da 
es  sich  aber  in  diesem  Falle  um  keine  lehnrechtlichen, 
sondern  um  advokatorische  Ansprüche  handelt,  kämpft 
Hinkmar  gegen  Windmühlen. 

Den  Schutz  über  die  Reiinser  Güter  in  Aquitanien 
hatte  Graf  Bernard  von  Clermont.  Hier  hatte  sich  der 
gleichnamige  Graf  v.  Toulouse  Eingriffe  erlaubt  und  seinen 
Verwandten  Hinkmar  gebeten,  ihm  die  Güter  als  Prae- 
staria  zu  verleihen.  Der  Erzbischof  schlug  dies  aber 
rundweg  ab,  weil  es  durch  das  Testament  des  Remigius 
durchaus  verboten  sei:  'quod  idem  praesul  se  facturum 
negat,  quia  non  audeat  propter  testamentum  sancti  Re- 
migii,  quod  id  omnino  fieri  prohibuerit' 2. 

Wegen  der  in  den  Vogesen  gelegenen  Güter  —  ge- 
meint sind  Kusel  und  Altenglan  in  der  Bayerischen  Pfalz 3 
—  welche  das  Pech  nach  Reims  zu  liefern  hatten,  wandte 
sich  Hinkmar  an  seinen  Freund  Erluin:  Er  solle  König 
Ludwig  zureden,  dass  er  die  der  Reimser  Kirche  entris- 
senen Besitzungen  zurückgebe  und  ihm,  dem  Erluin,  über- 
antworte. Hernach  theilt  er  ihm  mit,  er  habe  gehört, 
dass  sich  ein  gewisser  Lantfrid  rühme,  diese  Güter  mit 
Zustimmung  Hinkmars  vom  Kaiser  Karl  zu  Lehen  er- 
halten zu  haben.  Das  sei  eine  Lüge;  alle  Könige  der 
Welt  sollten  es  bei  ihm  nicht  zu  Wege  bringen,  dass  er 
seine  Zustimmung  zu  irgend  welcher  Güterabtretung  gebe, 
wegen  der  von  Remigius  in  seinem  Testamente  getroffenen 
Bestimmungen :  lquod  per  omnia  dicit  esse  mendacium,  nee 
obtinere  posse  apud  se  omnes  reges  qui  sub  caelo  sunt,  ut 
illas  res  umquam  ab  aliquo  teneri  consentiat  propter  alliga- 
tiones,  quas  sanctus  Remigius  in  testamento  suo  disposuit' 4. 

Die  Stellen,  welche  sich  in  vorstehenden  Auszügen 
auf  die  Entfremdung  oder  Verlehnung  von  Kirchengütern 
und  auf  das  längere  Testament  beziehen,  entsprechen  zum 
Theil  durchaus  nicht  dem  übrigen  Inhalte  der  Briefe,  und 
der  letzte  enthält  sogar  eine  nachweislich  falsche  Nach- 
richt, welche  aus  Flodoard  selbst  verbessert  werden  kann. 
Wenn  nämlich  behauptet  wird,  dass  Kaiser  Karl  d.  Kahle 
die  Pfälzischen  Orte  Kusel  und  Altenglan  als  Lehen   aus- 


1)  SS.  XIII,  p.  540,  27.         2)  Ebd.  p.  543,  3.  3)  Auch  in  der 

V.   Remigii   c.  17   verlegt   Hinkmar   diese   Besitzungen   in   die  Vogesen. 
4)  SS.  XIH,  p.  544,  40. 


562  Br.  Krusch. 

gethan  habe,  so  ist  dabei  zu  bemerken,  dass  dieses  Gebiet 
den  Kaiser  gar  nichts  anging,  sondern  zu  Ludwig  d.  Deut- 
schen Reich  gehörte.  In  der  That  ist  vorher  vielmehr  von 
Eingriffen  des  Letzteren  die  Rede,  so  dass  sich  also  hier 
die  spätere  Interpolation  fast  von  selbst  ausscheidet: 
'Item  significans,  quod  audierat  pro  eisdem  rebus, 
petens,  ut  regi  LUDOWICO  suggerat,  quatinus  .  .  .  resti- 
tui  faciat.  .  .  .  Item  significans,  quod  audierat 
quendam  Lantfridum  se  iactantem,  quia  impetraverit  res 
prefatas  apud  imperatorem  KAROLUM'. 

Das  Erzbisthum  Reims,  welches  nach  Ebo's  Absetzung 
der  Priester  Fulco  9  Jahre  verwaltet  hatte,  kam  nach  der 
Reichstheilung  von  Verdun  843  in  den  Besitz  Karls  d. 
Kahlen,  und  dieser  benutzte  die  willkommene  Beute,  um 
seine  Getreuen  daraus  mit  Lehen  auszustatten.  Hinkmars 
erste  Sorge  war  die  Wiederherbeischaffung  der  entfrem- 
deten Güter,  und  eben  die  Urkunde  vom  1.  October  845, 
bei  Flodoard  III,  4,  durch  welche  er  beim  König  die  Er- 
füllung seiner  Wünsche  erreichte,  enthält  die  Beziehung 
auf  das  Testament.  Die  Restitution  erfolgt  nämlich,  nach- 
dem vor  den  Getreuen  geistlichen  und  weltlichen  Standes 
das  Testament  des  Remigius  eingesehen  war,  d.  h.  das 
längere,  denn  nur  dieses  handelt  von  der  Restitution  der 
Kirchengüter.  Das  Formular  dieser  Urkunde  ist  nicht 
ganz  unbedenklich,  und  der  Uebergang  zur  Dispositio  mit 
den  Worten:  'Et  ut  in  calce  omnia  concludamus'  wider- 
spricht allem  Urkundenstil  und  erinnert  lebhaft  an  einen 
Schüleraufsatz.  Aber  Herr  Prof.  Bresslau,  dessen  kundigen 
Beirathes  ich  mich  bei  dieser  diplomatischen  Untersuchung 
erfreute,  bemerkt  mit  Recht,  dass  die  Urkunde  nicht  ganz 
falsch  sein  könne.  Die  ungewöhnliche  relativische  An- 
knüpfung der  Corroboration :  'Quam  auctoritatem,  ut  per 
Ventura  tempora  certior  habeatur,  manu  nostra  subterfirma- 
vimus  et  anuli  nostri  impressione  roborari  decrevimus' 
findet  sich  auch  in  Karls  d.  Kahlen  Privileg  für  Saint- 
Maur-des-Fosses1  vom  10.  October  d.  J.,  und  dieses  ist 
im  Original  vorhanden.  Die  technischen  Mängel  in  der 
Stilisierung  der  Urkunde  können  dann  vielleicht  durch 
die  Annahme  erklärt  werden,  dass  Hinkmar  ein  Con- 
cept  entworfen  habe,  und  dasselbe  in  der  Canzlei  wenig- 
stens zum  Theil  benutzt  worden  sei.  Leider  sind  die 
älteren  Reimser  Urkunden,  wie  mir  Herr  Stadtarchivar 
Demaison  mittheilt,  schon  früh  verloren  gegangen,  so  dass 

1)  Bouquet  VIII,  479. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen. 


563 


man  also  für  die  Kritik  nur  auf  Flodoard  angewiesen 
ist.  In  diesem  Falle  lässt  sich  aber  wenigstens  über  die 
späte  handschriftliche  Grundlage  des  heutigen  Flodoard- 
Textes  hinauskommen.  Udalrich  von  Bamberg  hat  näm- 
lich einige  dieser  Urkunden,  darunter  die  vorliegende,  in 
seine  Brief  Sammlung  aufgenommen,  und  ihm  hat  ein 
reinerer  Text  vorgelegen,  als  ihn  die  erhaltenen  Hss. 
bieten.     Eine  Gegenüberstellung  wird  das  zeigen  * : 


Codex  Udalrici. 

per  hanc  nostrae  confirma- 
tionis  auctoritatem  in  con- 
spectu  Dei,  coram  cetu 
fidelium  nostrorum  tarn  ec- 
clesiastici  quam  laicalis  ordi- 
nis,  testamento  praesentialiter 
.  .  .  reddimus. 


Flodoardi  codd. 
per  hanc  nostrae  confirnia- 
tionis  auctoritatem,  inspecto 
coram  coetu  fidelium  nostro- 
rum tarn  ecclesiastici  quam 
laicalis  ordinis  testamento 
SANCTI  REMIGII,  presen- 
tialiter  .  .  .  reddimus. 


Der  König  restituiert  also  die  Güter  'in  conspectu  Dei' 
und  'coram  coetu  fidelium'  durch  'testamentum',  d.  h.  ur- 
kundlich, und  nicht  'inspecto  coram  c.  f.  .  .  .  testamento 
sancti  Remigii'.  'Testamentum'  nämlich  hat  hier  die  Be- 
deutung von  Urkunde  schlechtweg,  und  begegnet  in  dieser 
Bedeutung   auch   in   anderen  Diplomen  Karls  d.  Kahlen 2. 

Der  Flodoard  -  Text,  wie  wir  ihn  heute  besitzen,  ist 
also  verfälscht;  er  ist  verfälscht  zur  Beglaubigung  des 
längeren  Testaments  des  Eemigius.  Ich  muss  es  anderen 
überlassen,  diese  Spur  weiter  zu  verfolgen3.  Dabei  wäre 
zu  beachten,  dass  schon  Flodoard  gefälschte  oder  doch 
verfälschte   Urkunden4    im   Reimser   Archive    vorgefunden 


1)  Da  Jaffe,  Bibl.  V,  diese  Briefe,  weil  sie  aus  Flodoard  entlehnt 
sind,  fortgelassen  hat,  muss  mau  für  die  Flodoard  -  Kritik  den  alten  Text 
hei  Eccard,  Corpus  hist.  medii  aevi  II,  p.  4(J — 44,  benutzen,  und  sich 
durch  Anfrage  bei  den  Bibliotheken  Gewissheit  über  seine  Treue  ver- 
schaffen. Ich  erhielt  die  gewünschte  Auskunft  von  HH.  Dr.  Höldlin 
v.  Tiefenau  in  Wien  und  Stiftsbibliothekar  P.  Hammerl  in  Zwettl.  2)  Urk. 
von  863  (Bouquet  VIII,  p.  588) :  'testamentum  hoc  praeceptionis  fieri 
iussimus' ;  Urk.  von  872  (Bouquet  VIII,  p.  639) :  'confirmantes  eis  regali 
testamento  has  villas1.  In  der  ersten  Urk.  werden  'chartarum  instrumenta' 
und  'testamenta  rerum  ecclesiae  pertinentium1  gleichgesetzt.  3)  Augen- 
scheinlich von  demselben  Fälscher  rührt  die  Bemerkung  am  Schlüsse  von 
II,  19  her,  dass  Christus  dem  Remigius  die  Gewalt  über  das  Frankenreich 
und  das  Recht,  ihm  einen  König  oder  Kaiser  zu  setzen,  verliehen  habe; 
sie  steht  auch  mit  der  vorausgehenden  Misbilligung  der  Einmischung 
Ebo's  in  die  weltlichen  Geschäfte  im  Widerspruch.  4)  Die  Urk.  Lud- 

wigs d.  Fr.  bei  Flod.  II,  19  ist  von  Waitz  (v.  Sybels  Hist.  Zeitschr.  XX, 
174 ;  VG.  III,  39 2)  verworfen,  von  Sickel,  Acta  Carol.  II,  330  in  Schutz 


564  Br.  Krusch. 

hat,  Producte  der  Hinkmarschen  Schwindelfabrik :  er  selbst 
aber  war  ein  Ehrenmann  und  ist  über  jeden  Verdacht  er- 
haben. 

Durch  Lug  und  Trug  hat  sich  der  Erzbischof  von 
Reims  zu  der  kirchlichen  und  politischen  Machtstellung 
emporgeschwungen,  die  ihn  unter  dem  Gallischen  Episco- 
pate  auszeichnet,  und  immer  ist  es  der  h.  Remigius,  durch 
welchen  man  in  den  verschiedenen  Zeiten  seine  Präten- 
sionen durchdrückt.  Aus  ihm  ist  allgemach  eine  neue 
Gottheit  geworden,  die  allerdings  nur  für  die  Reimser 
Kirche  und  ihren  Erzbischof  zu  sorgen  hat.  Und  aus 
wie  bescheidenen  Anfängen  ist  Remigius  zu  den  himm- 
lischen Gewalten  emporgestiegen,  seine  Nachfolger  immer 
nach  sich  ziehend !  Wenn  Gregor  von  der  Taufe  Chlodo- 
vechs  durch  Remigius  spricht,  wenn  man  diese  im  7.  Jh. 
nach  Reims  legt,  so  fehlen  doch  noch  alle  Hintergedanken 
bei  dieser  rein  kirchlichen  Ceremonie.  Die  Beziehung  auf 
die  Königserhebung  hat  zuerst  Hinkmar  hergestellt  durch 
geschickte  Ausnutzung  der  kirchlichen  Salbung,  und  er 
hat  zuerst  praktisch  die  Königssalbung  mit  dem  vorgeb- 
lich Chlodovechschen  Salböl  ausgeführt  869  bei  der  Krö- 
nung Karls  d.  Kahlen  zum  Könige  von  Lothringen.  Er 
ist  der  Begründer  und  geschickteste  Vertreter  jener 
Reimser  Fälscherschule,  in  deren  Treiben  wir  eben  einen 
Einblick  gewannen,  der  Verfasser  der  lügenhaften  V.  Re- 
migii  mit  Einschluss  des  kürzeren  Testamentes,  welches 
bisher  für  echt  galt.  Unter  seinen  Nachfolgern  wachsen 
die  Ansprüche  in  demselben  Masse,  wie  die  Fälschungen 
plumper  werden.  Erzbischof  Gervasius  nimmt  1059  schon 
ausser  der  Weihung  auch  die  Wahl  des  Königs  für  sich 
in  Anspruch  unter  Berufung  auf  den  allmächtigen  Remi- 
gius und  dessen  Papst,  der  ihm  die  Gewalt  mittelst 
eines  Stabes  verliehen  habe,  und  dieses  neu  hinzuge- 
fälschte Symbol  in  der  Hand  haltend,  wählt  er  den  König. 
Das  längere  Testament  codificiert  die  Prätensionen  des 
Reimser  Stuhles  in  dieser  seiner  Glanzperiode.  Gefälscht 
um  die  Mitte  des  11.  Jh.  und  nicht  vor  Hinkmar,  wie  man 
bis  jetzt  annahm,  wurde  es  in  Hinkmars  V.  Remigii  ein- 
geschwärzt;  ein  Fälscher  betrog  den  andern,  aber  auch  den 
anständigen  Flodoard  beschmutzte  man  zur  Empfehlung 
des  betrügerischen  Documentes.    Wenn  es  die  Absicht  des 


genommen.  Mühlbacher,  Karol.  Regesten  n.  777  erklärt  sie  neuerdings 
als  umgearbeitet  und  zurechtgerichtet  durch  Hinkmar,  und  das  ist  sie 
mindestens. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen. 


565 


Fälschers  war,  dass  nur  die  so  verfälschten  Texte  auf  die 
Nachwelt  kommen  sollten,  so  hat  er  wenigstens  beim  Flo- 
doard  seinen  Zweck  erreicht. 


Ich  möchte  die  Gelegenheit  benutzen,  auf  eine  Quelle 
Flodoards  aufmerksam  zu  machen.  Das  Kloster  Berceto 
in  der  Provinz  Parma,  eine  Stiftung  König  Liutprands  * 
(712 — 744),  besass  Reliquien  des  h.  Remigius.  Ihre  Ueber- 
tragung  dorthin  durch  Bischof  Moderamnus  von  Rennes 
zur  Zeit  König  Chilperichs  II.  (717 — 722)  erzählt  Flodoard 
I,  20.  Dieselbe  Geschichte  ist  mit  einigen  stilistischen 
Abweichungen  in  gewissen  Hss.  von  Hinkmars  V.  Remigii 
zu  finden,  und  auch  der  Bollandist  Suysken2  hatte  deren 
zwei,  Mus.  Boll.  Q.  Ms.  4  (heute  Brüssel  7487,  s.  XIII) 
und  Cod.  Bonifontanus,  begnügte  sich  aber,  da  er  die  Ver- 
fasserschaft Hinkmar  absprechen  zu  müssen  glaubte,  mit 
dem  Abdruck  der  Flodoardstelle.  Ohne  überhaupt  den 
Wortlaut  jenes  Zusatzes  zur  V.  Remigii  zu  kennen,  urtheilte 
Heller3,  dass  er  aus  Flodoard  entnommen  zu  sein  scheine. 
Die  Sache  verhält  sich  aber  gerade  umgekehrt. 

Der  Stil  in  ihm  ist  ungemein  unbeholfen  und  stellen- 
weise ganz  unklar,  auch  nicht  fehlerfrei,  während  der 
fliessend  geschriebene  Bericht  Flodoards  durchaus  den  ge- 
schickten Stilisten  verräth: 


Hss.  der  V.  Remigii. 

Cumque  diluculo  surrexisset 
et  iter  coeptum  arriperet 

Audiens  autem  praefatus 
episcopus  hoc  miraculum,  re- 
trogradiens 

nitensque  illas  eadem  nocte 
recipere,  ac  minime  valuit 

Remeante  vero  ab  urbe 
Roma  memorato  praesule,  ve- 
nit  ante  sepulchrum  b.  R. 


Flodoard. 

Cumque  d.  surgens  iter  c. 
arriperet 

Hoc  prefatus  episcopus 
audito  miraculo  regrediens 

sed  relicta  pignera  eadem 
nocte  minime  valuit  recipere 

Remeans  autem  ab  urbe 
Roma  memoratus  presul,  ac- 
cessit  ad  venerandum  b.  R. 
sepulchrum. 

Flodoard  hat  mit  gutem  Tact  die  ganz  überflüssigen  Ge- 
rundia  in  den  Wendungen  'tradendo  delegavit',  'donando 
tradidit'  ausgelassen   und   bisweilen  fast   elegant  stilisiert: 


1)  Paulus,  hist.  Lang.  VI,  58. 
3)  SS.  XIII,  p.  434. 


2)  AA.  SS.  Oct.  I,  p.  64.  124. 


566  Br.  Krusch. 


Hss.  der  V.  Eemigii. 

eaedem  ibi  reliquiae  reman- 
serunt. 

recordatus  reliquiarum  in 
quercu  dependentium. 

nullo  ingenio  valuerunt  re- 
liquiae contingi  ab  eo,  sed  in 
subliniius  elevabantur  nutu 
divino. 


Flodoard. 

haec  ibidem  remansere  pi- 
gnera. 

ubi  relictarum  memor  fit 
reliquiarum. 

nullo  valet  eas  ingenio 
contingere ,  dum  m  i  r  a  b  i  1  i 
signo,  ut  eas  contingere 
vellet,  elevarentur  in  sublime. 


Der  Ausdruck  'nutu  divino'  gehört  der  alten  Sprache  an 
und  würde  allein  schon  beweisen,  dass  dieser  Text  der 
ursprüngliche  ist. 

Dass  Hinkmar  selbst  diesen  Nachtrag  zu  seiner  V.  Ee- 
migii gemacht  habe,  halte  auch  ich  für  ausgeschlossen, 
aber  vor  der  Mitte  des  10.  Jahrh.  muss  er  niedergeschrie- 
ben sein  wegen  der  Benutzung  durch  Flodoard.  Sein 
Zweck  ist  ein  sehr  durchsichtiger.  Wenn  nämlich  nach 
dieser  Quelle  König  Liutprand  aus  Liebe  zum  h.  Eemigius 
das  Kloster  Berceto,  welches  ursprünglich  dem  h.  Abundius 
geweiht  war,  aber  schon  im  10.  Jh.  den  Namen  des  Eeim- 
sers  führt1,  mit  allem  Zubehör,  nämlich  800  Hufen  —  der 
vorsichtige  Flodoard  fügt  'ut  tradunt'  hinzu  —  dem  Mode- 
ramnus  schenkt,  und  dieser  wieder  alle  seine  Eechte  auf 
das  Kloster  St.  Eemi  überträgt,  so  liegt  die  Unwahrschein- 
lichkeit2  dieser  Angaben  ebenso  auf  der  Hand,  wie  die 
Absicht  des  Scribenten,  das  italienische  Kloster  in  ein 
Abhängigkeitsverhältnis  zu  der  Mutteranstalt  zu  setzen. 
Nachrichten  von  ihm  wird  man  in  St.  Eemi,  wenn  nicht 
eher,  durch  den  Langobarden  Eadoin  erhalten  haben. 
Zuerst  Canonicus  oder,  wie  Flodoard  will3,  Abt  von  Ber- 
ceto, begab  er  sich  aus  Liebe  zu  seinem  Patron  in  des- 
sen Kloster  nach  Frankreich  und  lebte  dort  unter  Erz- 
bischof Ebo,  also  im  Anfang  des  9.  Jh.,  bis  an  seinen  Tod 
als  Propst,  wie  allein  der  ältere  Text  angiebt. 

Da  dieser  sowohl  an  sich  als  für  die  Kritik  Flodoards 
von  einigem  Interesse  ist,  mag  er  hier  eine  Stelle  finden. 
Benutzt  sind  drei  Hss. : 

1)  Vercelli,  Archivio  capitolare  n.  CCV,  saec.  X., 
in  4°,  fol.  91 — 94.  Der  Zusatz  steht  hinter  Hinkmars 
V.  Eemigii    und    ist    von    derselben   Hand    wie    diese    ge- 


1)  AA.  SS.  1.  1.  p.  124.  2)  Schon  Suysken  zweifelt :  'Adde,  quod 
satis  mirum  videri  debeat,  si  Liutprandus  Lougobardorum  Italiae  rex  per- 
miserit,  sui  regni  abbatiam  alteri  in  Francia  sito  donari'.  3)  Hist.  Rem. 
eccl.  II,  19. 


Reimser  Remigius  -  Fälschungen.  567 

schrieben.     Abschrift    verdanke    ich    Herrn   Prof.   Holder- 
Egger  K 

2a)  Eeims  n.  1146  (793.773),  saec.  XL  und 
2b)  Brüssel  n.  7487—91  (früher  Mus.  Boll.  Q.  Ms.  4), 
saec.  XIII.,  interpolieren  die  Stelle  zwischen  Cap.  30  u.  31 
der  V.  Reinigii.     Diese   beiden   Hss.    habe   ich   selbst   ver- 
glichen. 

Temporibus2  Chilperici  regis  Francoruni  extitit  qui- 
dam  vir  nobili  prosapia  oriundus  nomine  Moderamnus 3, 
qui  gratia  Dei  quodam  praesagio  sui  nominis  prudenter  ac 
moderanter  prakticam,  id  est  actualem  vitam,  ducens,  Re- 
donensi4  meruit  ecclesiae  ordinari  episcopus.  Qui,  pro- 
cessu  temporis  succedente,  per  licentiam  praedicti  regis 
praecordiali  devotione  limina  sancti  Petri  adire  disponens, 
divertit 5  in  monasterium  beati  Remigii  Francoruni  apostoli, 
quod  est  constructuni  in  suburbio  Remorum  praepotentis 
urbis,  ubi  ipse  doninus  et  confessor  Christi  egregius  prae- 
tiosissimo  requiescit  corpore.  Ubi  cum  gratia  orationis 
advenisset,  liberalissime  a  monachis  eiusdem  loci  susceptus, 
petiit  sibi  dari,  si  possibile  foret,  a6  Bernehardo  sacri 
scrinii  custode  aliquid  reliquiarum  sanctissimi  Remigii; 
quod  üie,  ut  erat  praestabilis  super  iustis  petitionibus,  non 
distuM,  quin  daret  illi  particulam  de  stola  et  cilicio  atque7 
sudario  eiusdem  sancti.  Quibus  gratanter  acceptis,  mox 
coeptum  carpens  iter,  post  aliquantos  dies  venit  ad  mon- 
tem  Bardonum  in  Italia,  ibique  nocte  quiescens,  memora- 
tas  in  ramo  ilicis  venerabiliter  suspendit  reliquias.  Cuin- 
que  diluculo  surrexisset  et  iter  coeptum  arriperet,  immemor 
reliquiarum,  nutu,  ut  creditur,  divino  eaedem  ibi  reliquiae 
remanserunt.  Scandente  vero  episcopo  iam  niontem*  Bar- 
donum9, recordatus  reliquiarum  in  quercu  dependentium, 
statim 10  direxit  suum  clericum  nomine  Vulfadum  n,  iubens 
reliquias  recipi  sibique  afferri.  Quo  perveniente  clerico, 
nullo  ingenio  valuerunt  reliquiae  contingi  ab  eo,  sed  in 
sublimius  elevabantur  l-  nutu  divino.  Audiens  autem  prae- 
fatus  episcopus  hoc  miraculum,  retrogradiens ,  in  eodem 
loco  fixit  tentorium,    nitensque  illas  eadem  nocte  recipere, 


1)  Es  ist  das  ungedruckte  Mirakel  in  seinem  Reisebericht  X.  A. 
XVII,  477.  2)  praescr.  'De  reliquiis  beati  Remigii  per  sanctum  Mode- 
rannum  in  Italiam  delatis'  2  b.  3)  'Moderannus'  semper  2  b.         4)  ita 

2a,  b;    lRedmensi'(?)  1.  5)  'dev.'  2a.  6)  'ab  Emebardo'  2a;    'ab 

ernardo'  (corr.  'ernado')  2  b.  7)  'et'  pr.  m.  superscr.  'atque'  1.  8)  'mor- 
tem' corr.  'montem'  1.  9)  'Bardonem'  2  a.  b.  10)  ita  1  cum  Flod. ; 
'ilico'  2 a.b.  11)  ita  1  cum  Flod.;  'Wlfaudum'  2a.  b.  12)  'subleva- 
bantur'  2  a.  b. 


568  Br.  Krusch. 

ac1  nriniine  valuit,  donec,  facto  mane,  propitiante  Deo  et 
intercedente  beato  Remigio ,  in  monasterium 2  vocabulo 
Bercetuin,  in  honore  sancti  Abundii  martyris 2  constrnctum, 
missam  celebraret;  ibique  partem  praedictarum 3  reliquia- 
rum  sancti  Remigii  venerabiliter  collocans,  post  demum 
coeptum  iter  aggressus  est4  Leobrandum  regem  Italoruni 
virum  strenuum.  Nam  idem  rex  praedictarum  virtutem 
reliquiarum  iam  compertam  habens,  amore  beati  Re- 
migii idem  monasterium  Bercetum  cum  omnibus  adia- 
centiis  omnique  abbatia,  800  scilicet  mansa  continen- 
tia5,  praefato  Moderamno6  episcopo  tradendo  delegavit 
eique  in  praesentia  fidelium  suorum  secundum  legalem 
morem  vestituram  et  cartam 7  f ecit.  Remeante  vero  ab  urbe 
Roma  memorato  praesule,  venit  ante  sepulchrurn  beati  Re- 
migii, ubi  ipse  sacratissimo  quiescit  corpore,  atque,  sicut 
Uli  praedictus  rex  illam  terram  donando  tradidit,  ita  nichi- 
lominus  eidem  sancto  contulit.  Et  in  suo  prospere  rever- 
tens  episcopio,  successorem  sibi  destinatum  ordinari  fecit, 
sicque  suis  filiis  valefaciens,  Bercetum  monasterium  petiit 
et  usque  ad  diem  obitus  sui  in  illo  loco  moderate  et  hono- 
rabiliter,  sicut  servus  Dei,  conversatus8  fuit.  Unde  et 
usque  hodie  vocatur  ille  locus  ad  Sanctum  Moderamnum. 
Cuius  loci  canonicus  nomine  Radoinus ü  processu  temporis 
amore  beati  Remigii  in  Franciam  veniens,  in  suo  mona- 
sterio  monachus  est  effectus  et  pro  sua  probitate  usque 10 
ad  extremum  vitae  honorem  praepositurae  adeptus. 

1)  om.  2  a.  b.      2)  'monasterio  v.  B.  ('Berceto'  2  b)  —  A.  m.  Christi 
constructo'  2  a.  b.  3)  'rel.  pr.'  2  a,  corr.         4)  'Cumque  pervreniret  ad 

monasterium  in  ipsius  montis  fastigio  sitüm  atque  in  honore  sancti  Bene- 
dict dedicatum,  reperit  ibidem'  add.  2  a.  b,  om.  1,  neque  Flod.  ea  legisse 
videtur.  5)  'continente'  2  b.  6)  'Moderanno'  2  a,  ut  infra.  7)  'tarn' 
pr.  m.  in  loco  raso  1.  8)  'conservatus'  2  b.  9)  'Rodoinus'  1,  corr. 

10)  'u.  ad  e.  vitae'  om.  2  a.  b. 


XIV. 


Studien 


Thüringischen  Geschichtsquellen. 


IL 


Von 


Oswald  Holder  -  Egger. 


IL    Ueoer  die  C omp osition  der  Chronik  von  Reinliards- 
brunn  und  ihre  verlorenen  Quellen. 

liöchst  verdienstvoll  und  von  der  grössten  Bedeutung 
für  Jeden,  der  deutsche  Geschichte  in  der  Zeit  Otto's  IV. 
und  der  ersten  Regierungs jähre  Friedrichs  II.  zu  behan- 
deln unternimmt,  ist  der  von  K.  Wenck  in  seinem  Buch 
über  die  Entstehung  der  Reinhardsbrunner  Geschichts- 
bücher1 erbrachte  Nachweis,  dass  für  die  Jahre  1209 — 1215 
(1217)  in  der  Chronik  von  Reinhardsbrunn2  nicht  wie  in 
den  übrigen  Partieen  die  Erfurter  St.  Peters  -  Chronik  aus- 
geschrieben, sondern  vielmehr  in  beiden  Chroniken  dieselbe 
Reinhardsbrunner  Quelle  benutzt  ist.  Indessen  ist  mir 
noch  keine  Geschichtsbehandlung  jener  Zeit  bekannt,  in 
welcher  die  Consequenz  jenes  wichtigen  Nachweises  ge- 
zogen wäre3.  Vielleicht  ist  das  dem  Umstand  zuzuschrei- 
ben, dass  Wenck  seinen  Beweis  nicht  so  weit  ausgedehnt 
und  nicht  so  scharf  geführt  hat,  dass  Jedermann,  der  ihn 
läse,  ohne  auf  die  beiden  Quellen  zurückzugreifen,  von 
der  Richtigkeit  jener  Behauptung  überzeugt  sein  müsste4, 
und  dass  Wenck  vielleicht  nicht  genügend  die  Wichtigkeit 
seines  Nachweises  betont  hat 5.  Zwar  hat  er  dann  noch 
einmal  in  dieser  Zeitschrift  dieselbe  Frage  behandelt  und 
seine  Behauptung  vertheidigt 6,  sich  da  aber  nur  allge- 
meinen Erwägungen  hingegeben,  welche  zu  wenig  über- 
zeugend wirken,  hat  es  unterlassen,  durch  Vergleich  ein- 
zelner Stellen  beider  Werke  den  Beweis  zwingend  zu  füh- 
ren.    Und  wie  viel  näher   lag   es    doch    der  früheren,  von 


1)  S.  2(3  ff.  2)  So  nenne  ich  die  von  Wegele  herausgegebenen 

'Annales  Reinhardsbrunnenses',  welche  diese  Bezeichnung  zu  Unrecht 
tragen.  3)  "Winkelmanns  Otto  IV.  erschien  schon  1878,  in  demselben 

Jahre  wie  "Wencks  Abhandlung,  und  die  erste  Partie  von  Regesta  Im- 
perii  V  war  ebenfalls  damals  schon  gedruckt.  Daher  konnte  in  beiden 
Werken  jener  Nachweis  nicht  mehr  berücksichtigt  werden.  4)  Durch 

die  Bemerkungen  von  Erich  Schmidt,  Zeitschr.  d.  V.  für  Thür.  (.-fesch.  N.  F. 
XII,  132  ff.,  der  Wenck  zustimmt,  ist  dessen  Beweis  kaum  verstärkt  worden. 
5)  Aber  nachtraglich  hat  er  Zeitschr.  d.  V.  für  Thür.  Gesch.  N.  F.  XII, 
224  das  mit  Recht  besonders  hervorgehoben.         6)  N.  A.  X,  105—111. 


572  Oswald  Holder -Egger. 

X.  Wegele  x  und  O.  Posse  2  vertretenen  Meinung  zu  folgen, 
dass ,  wie  sonst  durchweg  die  Erfurter  Chronik  in  der  Kein- 
hardsbrunner  ausgeschrieben  ist,  auch  die  Partie  von  1209 
— 1215  auf  jener  beruhe.  Ich  will  daher  einiges  zur  Ver- 
stärkung von  Wencks  Beweisführung  hinzufügen. 

Dass  das  Verhältnis  des  Chron.  Reinhardsbr.  zur 
St.  Peters  -  Chronik  in  den  Jahren  1209 — 1215  ein  voll- 
kommen anderes  ist,  als  sonst  überall,  zeigt  schon  ein 
Blick  auf  Wegele's  Ausgabe  des  ersteren,  wo  petit  gesetzt 
ist,  was  in  der  Erfurter  Chronik  steht,  in  grösserem  Druck 
wiedergegeben,  was  dort  sich  nicht  findet3.  Der  Reinhards- 
brunner  Compilator  des  14.  Jh.  pflegt  sonst  seine  Quellen 
ganz  wörtlich  abzuschreiben.  Seitenlang  copierte  er  sonst 
eben  diese  Erfurter  Chronik,  Dietrichs  von  Apolda  Vita 
Elisabeth  u.  a.  ohne  irgend  welche  erhebliche  Aenderun- 
gen4,  sofern  ihm  nicht  zwei  Quellen,  die  dasselbe  berich- 
teten, Anlass  zur  Compilation  ihrer  Berichte  boten.  In 
der  Partie  aber  von  1209 — 1215  müsste  der  Compilator, 
wenn  er  die  Erfurter  Chronik  abgeschrieben  hätte,  deren 
Wortlaut  in  der  seltsamsten  Weise  bald  abgeändert,  bald  mit 
hinzugefügten  Worten  vermehrt  und  aufgeputzt,  dann  aber 
auch  durch  Zusätze  sachlichen  Inhalts  bereichert  haben, 
welche  eine  gute  Kenntnis  der  Geschichte  jener  Zeit  und  eine 
lebhafte  Theilnahme  an  den  Vorgängen,  immer  zu  Gunsten 
des  Landgrafen  Hermann,  bekunden.  Wären  diese  sach- 
lichen Zusätze  nun  einer  zweiten  Quelle  entnommen,  so 
müssten  bei  dem  groben  Ungeschick  des  späten  Compilators 
die  zusammengefügten  Theile  beider  Werke  weit  ausein- 
ander klaffen,  vor  dem  kritischen  Blick  von  selbst  ausein- 
ander fallen  und  als  Bestandtheile  eben  zweier  verschie- 
dener Schriften  leicht  erkennbar  sein  5.    Liest  man  indessen 


1)  Ann.  Reinhardsbr.  S.  28.  2)  Die  Reinhardsbrunner  Geschichts- 
bücher S.  50  u.  a.  0.  3)  Freilich  ist  das  nicht  streng  durchgeführt. 
Manche  Worte  sind  petit  gesetzt,  welche  in  der  Erfurter  Chronik  fehlen, 
manche  gross,  welche  sich  dort  finden.  4)  Wenn  Wegele  S.  xxv  von 
dem  Compilator  sagt :  'er  gefällt  sich  darin,  den  einfachen  Berichten  des 
Chr.  Sanp.  maius  und  des  Chr.  S.  Aegid.  (d.  i.  Chron.  Minor)  ein  neues 
Gewand  umzuhängen,  das  er  aus  lauter  hohlen  Phrasen  zusammenwebt, 
oder  dieselben  mit  seiner  leeren  Rhetorik  zu  erweitern  und  auszumalen', 
so  trifft  das  an  keiner  der  Chron.  Minor  entlehnten  Stelle  zu  und  auch 
sonst  durchaus  nicht  an  den  aus  der  Erfurter  Chronik  entnommenen 
Stücken.  5)  Die  in  der  That  in  der  Partie  1209 — 1215  vom  Compilator 
aus  anderen  Quellen  eingelegten  Stücke,  nämlich  aus  Dietrichs  Vita  Eli- 
sabeth I,  1.  2  (Wegele  S.  121.  122),  aus  Chron.  Minor  (1212,  S.  126, 
Gründung  des  Minoritenordens ;  1213,  S.  130,  Tod  der  Königin  Gertrud 
von  Ungarn ;  1215,  S.  145,  Dekrete  Innocenz'  III.),  und  aus  Cron.  S.  Petri 
(1214,  S.  133,  über  S.  Dominicus)  und  einiges  wenige  andere,  heben  sich 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         573 

den  reinen,  emendierten  Text  des  Chron.  Reinhardsbrunn., 
zu  dessen  Herstellung  aus  der  oft  zerrütteten  Ueberliefe- 
rung  des  Hannoverschen  Codex  gerade  die  Erfurter  Chronik 
die  wesentlichsten  Dienste  leistet,  so  wird  man  alles  in 
bester  Ordnung  und  schönstem  Zusammenhange  finden.  Es 
stellt  sich  als  ganz  unmöglich  heraus,  dass  die  sachlichen 
Zusätze  einer  zweiten  Quelle  entlehnt  sein  könnten,  denn 
diese  Quelle  müsste  im  wesentlichen  denselben  Inhalt  und 
Wortlaut  gehabt  haben  wie  die  entsprechende  Partie  der 
Erfurter  Chronik.  Denn,  wie  sollte  es  sich  sonst  z.  B.  er- 
klären, dass,  während  Cron.  S.  Petri  zum  J.  1211  hat:  'Nani 
prefatus  Guncelinus  coadunatis  sibi  Saxonibus  in  Mulhusen 
se  recipiens,  exinde  villas  finitimas  depopulabatur  aut  .  .  . 
pecuniam  ab  eis  extorquebat',  das  Chron.  Reinhardsbr. 
sagt:  'Prefatus  namque  Gunjcelinus]  coadunatis  sibi  Saxo- 
nibus in  Molhusen  se  recipiens  et  tarn  cum  hiis  quos 
secum  adduxerat  quam  cum  ipsius  opidicivibus 
de  die  in  diem  inde  progrediens,  villas  finitimas  aut 
depopulabatur  aut  .  .  .  peccuniam  ab  eis  extorquebat'  ?  Es 
ist  doch  keineswegs  nur  eine  rhetorische  Ausmalung,  dass 
die  Bürger  von  Mühlhausen  an  dem  Zuge  des  Gunzelin 
von  Wolfenbüttel  Theil  nahmen.  Hätte  der  Reinhards- 
brunner  Compilator  hier  die  Erfurter  Chronik  benutzen  und 
den  gesperrten  Satz  einer  zweiten  Quelle  entnehmen  kön- 
nen, so  hätte  auch  die  letztere  berichtet  haben  müssen, 
dass  Gunzelin  auf  Mühlhausen  gezogen  wäre  und  von  da 
weiter  marschierend  das  Gebiet  des  Landgrafen  gebrand- 
schatzt hätte,  während  uns  sonst  andere  Quellen  von  diesen 
Vorgängen  überhaupt  nichts  berichten1.  Also  müsste  diese 
zweite  Quelle  eine  ganz  unheimliche  Aehnlichkeit  mit  der 
Erfurter  Chronik  gehabt  haben. 

Oder  wie  kommt  es  doch,  dass,  während  diese  nur 
ganz  kurz  sagt,  dass  der  Landgraf  in  der  Bedrängnis  durch 
eben  jenen  Gunzelin  und  dessen  Thüringische  Verbündete 
'castra  sua,  quantum  prevaluit,  munire  non  distulit',  da- 
gegen das  Chron.  Reinhardsbr.  breit  ausführt,  in  der  Be- 
drängnis durch  jene  Gegner  wäre  er  bald  im  freien  Felde 
ihnen  entgegengezogen,  bald  hätte  er  sich  'intra  murorum 
receptacula'  zu  bergen  gesucht,  schliesslich,  da  er  der 
Uebermacht   der   Gegner   durchaus   nicht   mehr    zu   wider- 

auch  wirklich  so  stark  von  dem  übrigen  Bestände  ab,  dass  es  unmöglich 
ist,  sie  nicht  bei  dem  ersten  Lesen  als  fremdartige  Einlagen  zu  erkennen. 
1)  Die  Sachs.  Weltchronik  c.  348  und  aus  ihr  die  Braunschw.  Reimchr. 
v.  6901  ff.  berichten  nur  ganz  allgemein,  dass  des  Landgrafen  Gebiet  von 
des  Kaisers  Freunden  verheert  wurde. 

Neues  Archiv  etc.     XX.  38 


574  Oswald  Holder -Egger. 

stehen  vermochte,  hätte  er  'tutum  in  Castro  Wartperg  asy- 
lnm'  aufgesucht.  Wenn  auch  dieser  Passus  des  Chron. 
Reinhardsbr.  ganz  ebenso  wie  die  ganze  originale  Partie 
1209 — 1215  desselben  rhetorisch  stark  aufgeputzt  ist,  so 
enthält  sie  denn  doch  beträchtlich  mehr  als  blosse  rheto- 
rische Ausmalung  des  durch  die  Erfurter  Chronik  Ueber- 
lieferten.  Ist  es  nicht  eine  sehr  sachliche  Mittheilung, 
dass  der  Landgraf  schliesslich  auf  die  feste  Wartburg  sich 
zurückzuziehen  genöthigt  war?  Sehr  wohl  kann  der  Er- 
furter Autor  mit  seinen  kurzen  Worten  den  ausführlichen 
Bericht,  wie  er  im  Chron.  Reinhardsbr.  steht,  obwohl  un- 
genau, zusammengefasst  haben.  Der  Reinhardsbrunner 
müsste,  wenn  er  die  Erfurter  Chronik  hier  ausschrieb, 
nothwendig  eine  zweite  Quelle  benutzt  haben,  welche  die 
Thüringischen  Begebenheiten  des  Jahres  1211  sonst  wie 
Cron.  S.  Petri  beschrieb,  aber  noch  genauer  darüber  be- 
richtete, und  müsste  mit  unübertrefflicher  Geschicklichkeit 
die  Nachrichten  der  beiden  Quellen  verbunden  haben. 

Nun  erkannte  Wenck  gerade  an  jener  aufgeputzten 
Stilistik  der  Partie  1209—1215  in  der  Cron.  S.  Petri,  dass 
diese  aus  Reinhardsbrunner  Quelle  geflossen  sein  müsse, 
weil  er  in  den  originalen  Partieen  der  Chronik  von  Rein- 
hardsbrunn für  die  Zeit  1198  — 1208  reichliche  Belege  der- 
selben aufgebauschten  Rhetorik  fand  wie  in  Cron.  S.  Petri 
und  Chron.  Reinhardsbr.  in  deren  Abschnitt  1209 — 1215. 
Ja,  zweifellos  ist  es  so ;  die  pompöse,  richtiger  geschwollene 
Sprache  ist  in  beiden  Abschnitten  durchaus  und  ganz  un- 
verkennbar dieselbe,  wir  werden  darüber  noch  zu  reden 
haben,  nur  ist  sie  im  Chron.  Reinhardsbr.  ganz  die  gleiche 
in  den  Abschnitten  1209  —  1215  wie  1198—1208,  während 
in  der  Erfurter  Chronik  der  Schwulst  gemindert  ist.  Ich 
füge  hier  hinzu,  dass  der  Mann,  welcher  diese  Sprache 
schrieb,  sich  zu  ihrem  Aufputz  mit  Vorliebe  solcher  Flicken 
bediente,  welche  er  von  Lucan,  Vergil,  Boetius,  Sedulius 
erborgte.  Und  diese  Bemerkung  dient  mir,  um  die  hier 
beizubringende  Verstärkung  von  Wencks  Nachweis  über 
jeden  Zweifel  zwingend  zu  machen. 

Ebenfalls  noch  in  dem  Bericht  über  den  Peldzug 
Gunzelins  gegen  den  Landgrafen,  dem  ich  bereits  zwei 
Exempla  entnahm,  erzählt  Chron.  Reinhardsbr.,  die  Thü- 
ringischen Barone  hätten  sich  bei  Gunzelins  Angriff  zu- 
nächst abwartend  verhalten,  um  dann  nicht  dem  beizu- 
stehen, welchem  sie  am  meisten  verpflichtet  waren  (der 
Autor  meint  den  Landgrafen  von  Thüringen),  sondern  dem, 
welcher  ihnen    die   beste  Handsalbe  böte.     Er   fährt   fort: 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         575 

'puto  edocti  a  poeta,  quod  "ibi  fas,  ubi  maxima  merces" ; 
nee  miruni,  cum  eciani  sapientum  oculos  munera  soleant 
excecare  K  Igitur  antedictus  G[uncelinus]  et  universos  con- 
venit  et  singuios,  et  quia  renales  manus  invenerat, 
multa  peceunia  eos  ad  hoc  induxit  et  conduxit,  ut  domino 
suo  hereditario,  videlicet  Thuringie  lantgravio,  consuete 
liberalitatis  et  munificencie  ipsius  inmemores,  publice  re- 
nuneciarent'.  Der  Poet,  welcher  hier  citiert  wird,  ist 
Lucan.  der  X,  407  f.  sagt: 

'Nulla  fides  pietasque  viris.  qui  castra  seeuntur, 
Venalesque  manus:  ibi  fas,  ubi  proxima 2  merces'. 
In  Crom  S.  Petri  findet  sich  nichts  über  die  abwartende 
Haltung  der  Thüringischen  Barone,  der  ganze  oben  be- 
schriebene und  wiedergegebene  Passus  fehlt,  es  heisst  da 
nur:  Tnter  hec  idem  Guncelinus  universos  Thuringie  ba- 
rones  convenit  et  singuios,  et  quia  venales  manus  in- 
venerat, multa  peeunia  eos  ad  hoc  induxit  et  conduxit,  ut 
domino  suo  hereditario,  scilicet  lantgravio,  publice  renunc- 
tiarent'.  Der  Erfurter  Chronist  hat  die  eine  Hälfte  des 
Lucanischen  Verses,  den  der  Reinhardsbrunner  in  einen 
Satz  verwebt  hatte,  mit  überliefert,  er  hat  die  von  jenem 
citierte  andere  Hälfte  des  Verses  mit  dem  ganzen  Eingange  des 
Berichtes  weggelassen !  Wollte  man  nun  selbst  die  Un- 
möglichkeit als  möglich  gelten  lassen,  dass  ein  Späterer 
den  die  Gleichzeitigkeit  des  Schreibenden  bezeugenden 
höhnischen  Ausfall  auf  die  Geldgier  und  Treulosigkeit  der 
Thüringischen  Barone  und  die  Erinnerung  an  die  gewohnte 
Freigebigkeit  und  Munifizenz  'des  muten  lantgräven'  hin- 
zugesetzt hätte,  so  wird  es  Niemand  für  möglich  halten, 
dass  der  Zusatz  so  geräth,  dass  er  die  eine  Hälfte  des 
Lucanverses  enthält,  dessen  andere  der  Autor  der  Quelle 
verwandt  hätte.  Es  ist  so  klar  nicht  wie  die  Sonne  allein, 
sondern  wie  der  Vollmond  dazu  und  sämmtliche  Sterne 
bei  hellster  Nacht,  dass  der  Erfurter  Chronist  dieselbe 
Quelle  hier  gekürzt  hat,  welche  der  Eeinhardsbrunner 
wörtlich  ausschrieb.  Und  was  er  hier  that,  that  er  eben 
in  der  ganzen  Partie  von  1209 — 1215,  er  beschnitt  nicht 
nur  den  unnöthigen  Phrasenschwall  seiner  Quelle,  was  er 
recht  geschickt  durchführte,  sondern  überging  auch  man- 
ches, was  ihm  unwichtig  schien,  sowohl  Urtheile,  Excla- 
mationen,  Motivierungen,  da  es  ihm  nur  auf  den  sach- 
lichen   Inhalt    ankam,    wie    auch  ganze  Abschnitte   seiner 


1)  Nach  Deuter.  16,  19 :  'quia  munera  excaecant  oculos  sapientum'. 
2)  Aber  mit  der  hsl.  Variante:  'maxima'. 

38* 


576  Oswald  Holder -Egger. 

Vorlage.  An  ganz  wenigen  Stellen  hat  er  etwas  hinzu- 
gesetzt K 

Eine  dieser  Stellen,  welche  Wenck  schon  erwähnt 
hat 2,  ohne  sie  für  den  Beweis  zu  benutzen,  bespreche  ich 
noch.  Unter  dem  Jahr  1214  (statt  zu  1213)  meldet  die 
Erfurter  Chronik  übereinstimmend  mit  Chron.  Reinhards- 
brunn.3, nur  wieder  gekürzt,  die  Weissagung  eines  frommen 
Mannes,  dass  das  Heilige  Land  innerhalb  fünf  Jahren  den 
Sarracenen  entrissen  werden  würde.  Danach  fährt  sie 
fort :  'Exinde  dominus  papa  Innocencius  inissis  per  univer- 
sam  ecclesiam  litteris  crucem  constituit  predicari,  magistro 
Cunrado  de  Marburch  in  hoc  negocio  Theutoniam  cominit- 
tendo'.  Der  Schluss  der  Nachricht  ist  ganz  falsch,  nicht 
Konrad  von  Marburg,  der  damals  noch  nicht  im  öffent- 
lichen Leben  hervorgetreten  war,  sondern  eine  Reihe  an- 
derer Personen  wurden  zu  Kreuzpredigern  in  Deutschland 
ernannt,  wie  wir  aiis  Briefen  des  Papstes  wissen4.  Die 
Angabe  entstand  aus  der  Vermuthung  eines  viel  später 
lebenden  Mannes,  welcher  von  der  Rolle  wusste,  welche 
Konrad  als  päpstlicher  Mandatar  später  gespielt  hat.  Wäre 
nun  das  Chron.  Reinhardsbr.  hier  von  der  Erfurter  Chro- 
nik abhängig,  so  müsste  sich  auch  in  ihm  jene  falsche  An- 
gabe finden.  Aber  nichts  davon.  Dort  wird  von  der 
Kreuzzugs  -  Encyclica  des  Papstes  mit  Worten  gesprochen, 
welche  zeigen,  dass  der  Autor  der  Quelle  sie  gelesen  hat 5, 
dann  wird  die  allgemeine  Begeisterung  erwähnt,  welche 
hierdurch  für  den  Kreuzzug  entfacht  wurde.  Hier  werde 
ich  den  Beweis  abbrechen,  der  nun  wohl  überzeugend  ge- 
nug erbracht  sein  wird. 

So  gut  wie  durchweg  bietet  Chron.  Reinhardsbrunn. 
1209  — 1215    den   ursprünglichen    und,    wie    wir    annehmen 


1)  So  hat  er  offenbar  aus  dürftigen  heimischen  Annalen  hinzuge- 
fügt (Stübel  S.  55),  dass  Otto  nach  der  Belagerung  von  Weissensee  sich 
nach  Erfurt  begab,  was  die  Magd.  Schöppenchr.  S.  137  bestätigt.  Mit 
Wenck  S.  29,  N."  2  anzunehmen,  dass  auch  diese  Notiz  auf  die  Reinhards- 
brunner  QueÜe  zurückgehe,  in  Chron.  Reinhardsbr.  ausgefallen  sei,  liegt 
kein  Grund  vor.  Denn  der  Erfurter  Chronist  hatte  auch  für  diese  Zeit 
dürftige  heimische  aunalistische  Notizen,  denen  er  die  Angabe  über  den 
Erfurter  Brand  1213  entlehnte.  In  der  Cron.  Thuring.  Isenac.  (Hist.  Pist. 
c.  31)  ist  die  Angabe,  dass  Otto  nach  Erfurt  ging,  eben  der  Cron.  S.  Petri 
entlehnt,  nicht  dem  Chron.  Reinhardsbr.,  welches  überhaupt  von  dem 
Eisenacher  Dominikaner  nicht  benutzt  wurde,  S.  oben  S.  399  f.  Die  Notiz 
über  Gefangennahme  des  Grafen  von  Beichlingen  stammt  dort  aus  Sachs. 
Weltchr.  c.  348,  nicht  aus  Reinhardsbrunner  Quelle.  2)  S.  29  f.,  N.  2. 
3)  "Wegele  S.  135  f.  4)  Vgl.  Reg.  Imp.  V,  n.  6143.  5)  Daher  konnte 
der  Erfurter  Chronist  die  AVorte  'Exinde  —  predicari'  entnehmen. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         577 

dürfen  \  auch  nahezu  vollständigen  Text 2  der  alten  Rein- 
hardsbrunner  Quelle.  Und  dies  Ergebnis  ist  ein  wichtiges. 
Wer  bisher  die  Nachrichten  der  Erfurter  und  Reinhards- 
brunner  Quelle  für  die  Jahre  1209  — 1215  zu  benutzen 
hatte,  citierte  die  erstere  und  bemerkte,  dass  die  letztere 
Zusätze  dazu  biete.  Wenn  man  auch,  wie  Ed.  Winkelmann, 
den  Werth  des  Mehr  in  der  Reinhardsbrunner  Chronik 
richtig  heraus  fühlte,  scheute  man  sich  doch,  das  recht  zu 
verwerthen,  weil  man  nach  der  früheren  Annahme  des 
Verhältnisses  zwischen  beiden  Quellen  quellenkritisch  kei- 
nen Massstab  für  die  Glaubwürdigkeit  des  Mehr  der  letz- 
teren hatte.  Jetzt  wissen  wir,  dass,  was  Chron.  Reinhards- 
brunn. 1209  — 1215  bietet,  mit  Ausnahme  der  später  ein- 
gelegten Stücke,  alles  gleich  gut  beglaubigt  ist,  da  das 
alles  auf  gleichzeitige  Quelle  zurückgeht,  dass  z.  B.  die 
nur  durch  das  Chron.  Reinhardsbrunn,  gebotenen  Berichte 
über  die  Belagerung  von  Weissensee  durch  Gunzelin  im 
J.  1211  (zu  1212.  1213,  Wegele  S.  128  f.),  über  die  Ankla- 
gen, welche  Bischof  Konrad  von  Speier  gegen  Kaiser  Otto 
vor  der  Versammlung  in  Mainz  erhob  (S.  128.  133  f.),  über 
die  Gefangenschaft  und  Flucht  des  Grafen  Hermann  von 
Orlamünde  und  viele  Einzelheiten  der  Erzählung,  gerade 
so  gut  beglaubigt  sind,  wie  alles  das,  was  auch  Cron. 
S.  Petri  bietet.  Und  es  ist  auch  von  Werth,  dass  wir 
wissen,  in  dem  Chron.  Reinhardsbrunn,  sei  die  ursprüng- 
liche Form  dieser  Berichte  zu  finden.  Es  ist  erfreulich, 
wenn  die  Kritik,  wie  hier,  auch  einmal  aufbauen  kann, 
während  sie  sonst  meist  zerstörend  wirken  muss. 

Jene  verlorene  Quelle  muss  in  Reinhardsbrunn  ge- 
schrieben gewesen  sein.  Das  ergiebt  sich  aus  der  Erzäh- 
lung 3,    dass,  als  die  Landgräfin  Sophie  ihren  verstorbenen 


1)  Denn  hätte  der  Reinhardsbrunner  Chronist  viel  übergangen,  so 
wäre  es  auffällig,  dass  der  Erfurter  nirgend,  mit  einer  gleich  zu  erwäh- 
nenden Ausnahme,  etwas  mehr  bietet  als  jener,  also  eben  alle  von  jenem 
weggelassenen  Stellen  auch  übergangen  haben  müsste.  2)  Auf  S.  123 

von  Wegele's  Ausgabe  sind  zwei  Stellen  nur  durch  das  Ungeschick  des 
Schreibers  der  Hannoverschen  Hs.  ausgefallen,  nicht  aber  vom  Chronisten 
übergangen,  wie  das  bei  der  einen  schon  daraus  erhellt,  dass  in  Hist. 
Eccard.,  in  welcher  da  Chron.  Reinhardsbr.  ausgeschrieben  ist,  mehrere 
Worte,  welche  im  Cod.  Hannover,  ausgefallen  sind,  stehen.  Die  beiden 
Stellen  sind  also  in  der  Ausgabe  des  Chron.  Reinhardsbr.  in  den  Text 
aufzunehmen.  Der  sicher  der  alten  Quelle  angehörige  Satz  'Fama  volat  — 
movebantur'  (Stübel  S.  53)  der  Erfurter  Chronik  fehlt  ganz  im  Cod.  Han- 
nover. Ob  er  von  dessen  Schreiber  oder  schon  vom  Chronisten  ausge- 
lassen ist,  kann  nicht  entschieden  werden,  da  sich  von  ihm  in  keiner  Ab- 
leitung des  Chron.  Reinhardsbr.  Spuren  finden.  3)  Chron.  Reinhardsbr. 
f.  348b.  c,  Wegele  S.  143  f.-,  Cron.  S.  Petri  S.  58. 


578  Oswald  Holder -Egger. 

Gemahl  Hermann  zu  St.  Katherinen  in  Eisenach  begraben 
lassen  wollte,  der  Abt  von  Reinhardsbrunn  dagegen  prote- 
stierte und  die  Leiche  in  sein  Kloster,  die  Familienstiftung 
und  Begräbnisstätte  des  Thüringischen  Landgrafenhauses, 
überführen  lassen  wollte,  die  Landgräfin  aber  ihren  Willen 
'contra  ius'  durchsetzte  1. 

Wenck  meinte  früher  2,  die  Excerpte  jener  Reinhards- 
brunner  Quelle  von  1209 — 1215  seien  in  die  Erfurter  St. 
Peters -Chronik  erst  sehr  spät  aufgenommen,  er  behauptete: 
erst  nach  Aufnahme  von  Stücken  aus  der  Chron.  Minor 
in  die  Reinhardsbrunner  Compilation,  da  eben  aus  der 
Chron.  Minor  zwei  Stellen  zu  1208  und  1215  mit  in  die 
Erfurter  Chronik  übergegangen  seien.  Er  hat  sich  in- 
dessen später  mit  vollem  Recht  überzeugt3,  dass  letzteres 
auf  Irrthum  beruht,  dass  in  dieser  Partie  der  Cron.  S.  Petri 
kein  Wort,  das  der  Chron.  Minor  entnommen  wäre,  steht4, 
dass  nur  in  Chron.  Reinhardsbr.  an  jenen  beiden  Stellen 
der  Wortlaut  der  alten  Reinhardsbrunner  Quelle  mit 
Stücken  der  Chron.  Minor  verbunden  ist.  Daraus  folgt 
mit  Notwendigkeit,  dass  der  Erfurter  Chronist  nicht  die 
Reinhardsbrunner  Compilation,  sondern  die  alte  verlorene 
Quelle  benutzte.  Aber  damit  ergiebt  sich  auch,  dass  die 
Behauptung  von  Wenck,  der  aus  der  Reinhardsbrunner 
Quelle  entlehnte  Abschnitt  von  1209 — 1215  sei  erst  spät 
in  die  Cron.  S.  Petri  mod.  eingefügt,  welche  er  nicht  zu- 
rückgezogen hat,  hinfällig  wird,  da  ihr  nun  die  haupt- 
sächlichste Stütze  entzogen  ist.  Wenck  hatte  für  diese 
seine  Ansicht  noch  den  Umstand  angeführt 5,  dass  in  einigen 
Ableitungen  aus  der  Cron.  S.  Petri,  nämlich  den  Schedei- 
schen Excerpten  derselben6  und  dem  Variloquus  Erphurd.7, 
nichts  aus  der  Partie  von  1209 — 1215,  welche  der  Rein- 
hardsbrunner Quelle  entnommen  ist,  enthalten  sei.  Doch 
kann  dieser  Umstand  garnichts  beweisen.  Jene  beiden  Be- 
nutzer hatten  ihr  Augenmerk  hauptsächlich  auf  Erfurter  Er- 
eignisse gerichtet,  wenn  sie  auch  andere  Dinge  mit  aufge- 


1)  So  mit  Eecht  Wenck  S.  31.  2)  Entst.  der  Reinh.  Gesch.  S.  31. 
3)  N.  A.  X,  109.  Nachdem  E.  Schmidt  a.  a.  O.  S.  135  f.  den  Irrthum 
berichtigt  hatte.  4)  Ebendaher  hat  er  wieder  mit  vollem  Recht  be- 

merkt (N.  A.  X,  109,  N.  2),  dass  die  Benutzung  der  alten  Reinhards- 
brunner Quelle  in  Cron.  S.  Petri  erst  mit  dem  J.  1209,  nicht  mit  1208, 
wie  er  früher  auf  Grund  jenes  Irrthums    annahm,    beginnt.  5)  Entst. 

S.  31,  N.  4.  6)  Das  sind  die  Addit.  ad  Lambert,  bei  Pistorius  -  Struve  I, 
425  ff.,  wie  ich  N.  A.  XIX,  155  gezeigt  habe.  7)  Mencke  II,  482.  Ganz 
ohne  Bedeutung  ist  es,  dass  auch  die  ganz  kurzen  Annalen,  welche  man 
Chronica  Erford.  civit.  nennt,  ebenda  Col.  562,  nichts  aus  dieser  Partie 
bieten. 


! 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         579 

nommen  haben,  und  Erfurt  war  nur  einmal  gelegentlich  in 
dieser  Partie  erwähnt 1.  Wenn  Schedel  nichts  aus  dem  Ab- 
schnitt von  1205 — 1215  bringt,  so  hat  er  z.  B.  auch  aus  dem 
von  1189 — 1203  kein  Wort  entnommen.  Und  wir  wissen,  dass 
sowohl  Schedel  wie  der  Verfasser  des  Variloquus  Hss.  be- 
nutzten, die  der  einzigen  uns  erhaltenen  Hs.  der  Cron. 
S.  Petri  auf  das  nächste  verwandt  waren 2.  Und  diese  ent- 
hält eben  die  Eeinhardsbrunner  Partie.  Beide  schrieben 
die  Cron.  S.  Petri  erst  zu  Anfang  des  16.  Jh.  aus,  welcher 
Zeit  auch  unsere  einzige  Hs.  derselben  angehört.  In  dieser 
kann  aber  der  Eeinhardsbrunner  Abschnitt  nicht  zuerst 
eingefügt  sein3,  denn  im  J.  1395  schon  schrieb  der  Eise- 
nacher  Dominikaner  in  seiner  Cronica  Thuringorum  C.  16, 
§  6.  8  (=  Pist.  C.  34.  36)  einiges  aus  diesem  Abschnitt 
der  Cron.  S.  Petri  aus4,  und  in  der  Erfurter  Chronik  des 
Dresdener  Codex  K316,  welche  bis  1353  reicht,  die  für 
jene  Zeit  noch  dürftige  Excerpte  aus  der  St.  Peters -Chronik 
bringt,  ist  aus  der  Eeinhardsbrunner  Partie  einiges  zu  den 
Jahren  1212.  1214  ausgeschrieben5.  Danach  ist  kein  Grund 
anzunehmen,  dass  der  Abschnitt  später  in  die  Cron.  S.  Petri 
moderna  eingefügt  ist,  sondern  er  hat  ihr  von  ihrem  Ent- 
stehen an  zugehört.  Dieser  Punkt  ist  für  die  Entstehungs- 
geschichte und  Kritik  sowohl  der  Cron.  S.  Petri  wie  der 
Chronik  von  Eeinhardsbrunn  von  grösster  Wichtigkeit,  und 
musste  daher  eingehend  erörtert  werden. 

Wenck  meinte  auch 6,  der  gleichzeitigen  Eeinhards- 
brunner Quelle,  welche  in  den  Chroniken  von  Erfurt  und 
Eeinhardsbrunn  ausgeschrieben  ist,  seien  die  von  beiden 
Chronisten  übernommenen  Nachrichten  über  des  Land- 
grafen Hermann  (f  1217)  und  Innocenz'  III.  Tod  (f  1216) 
viel  später  erst  angefügt  worden.  Er  fand  einen  Grund 
dafür  darin,  dass  im  Chron.  Eeinhardsbr. 7  von  dem  Land- 


1)  An  der  oben  S.  576,  N.  1  besprochenen  Stelle.  2)  Wie  ich 

N.  A.  XIX,  154  ff. ;  Lamperti  Opera  p.  lii  sqq.  lxi  sq.  gezeigt  habe. 
3)  Zudem,  setzen  wir  selbst  diesen  unmöglichen  Fall  als  möglich,  so  müsste 
doch  in  der  Cron.  S.  Petri  zu  den  Jahren  1209 — 1215  statt  der  Reinhards- 
brunner  Partie  etwas  anderes  gestanden  haben,  denn  der  Erfurter  Chronist 
war  durchaus  bemüht,  zu  jedem  Jahr  etwas  zu  berichten.  Es  ist  nicht 
glaublich,  dass  er  da  eine  so  grosse  Lücke  gelassen  hätte.  Immer  hätten 
also  jene   beiden  Benutzer  diesen  Abschnitt  übersprungen.  4)   Nicht 

aus  Chron.  Reinhardsbr. ;   vgl.    oben   S.  399  f.  5)  'Anno  M°CCXII° 

(M°XII°  Hs.)  Otto  imperator  veniens  in  Thur.  cum  trebacho  v  Dribog 
castrum  lantgravii  in  Salcza  obsedit  et  expungnavit.  .  .  .  Anno  M°CCXIin° 
(M°CCIIII0  Hs.)  hoc  tempore  ipse  Dominus  —  —  Cunr.  de  Marburg  in 
hoc  negocio  Teutuniam  conmittendo'  =  Stübel  S.  57.  Vgl.  oben  S.  576. 
6)  Entst.  S.  26  f.  31,  N.  2.         7)  Wegele  S.  143. 


580  Oswald  Holder -Egger. 

grafen  gesagt  wird :  'De  cuius  transitu  quia  varie  et  dissone 
habentur  opiniones  et  cause'  u.  s.w.  Aber  diese  Begründung 
ist  doch  nicht  überzeugend  1.  Jene  Worte  wird  doch  wohl 
derselbe  Mann  geschrieben  haben,  welcher  bei  Friedrichs  II. 
Erscheinen  in  Deutschland  sagte2:  'Hinc  varie  et  dissone 
nascuntur  opiniones',  und  über  den  Tod  Friedrichs  I.3: 
'Que  sit  auteni  mortis  eius  causa,  opinio  vulgi  dissona  et 
inconcinna  abinde  sentencia  est'  4.  Und  über  den  Tod  eines 
Mannes  wird  doch  dann  am  meisten  gesprochen,  wann  er 
eben  gestorben  ist.  Dann  bilden  sich  über  ihn  und  sein 
Ende  doch  am  meisten  verschiedene  Meinungen.  Und  ein 
gleichzeitig  Lebender  musste  doch  Reden  über  den  Tod 
eines  Verstorbenen  viel  leichter  und  mehr  hören  als  ein 
später  Lebender.  Daher  kann  ich  in  den  Worten  viel  eher 
nur  ein  Zeichen  der  Gleichzeitigkeit  des  Schreibenden  als 
des  späteren  Zusatzes  sehen. 

Viel  bestechender  ist  die  Bemerkung  Wencks,  die 
Nachricht  über  den  Tod  Innocenz'  III.  sei  erst  später  hin- 
zugefügt, weil  in  beiden  Chroniken  von  ihm  gesagt  wird5: 
'Qui  .  .  .  viam  universe  carnis  ingressus,  nee  similem  sui 
sciencia,  faeundia,  decretorum  et  legum  pericia,  strennui- 
tate  iudiciorum  nee  adhuc  visus  estfi  habere  se- 
qu entern'.  Man  sollte  Wenck  darin  beistimmen,  wenn 
er  meint,  unmöglich  könnten  diese  letzteren  Worte  gleich- 
zeitig geschrieben  sein.  Indessen  lange  nach  dem  Tode 
Innocenz'  können  sie  auch  nicht  geschrieben  sein,  denn 
diese  ganze  Partie  über  das  Lateranconcil  von  1215  und 
den  Tod  des  Papstes  ist  nicht  nur  völlig  aus  einem  Guss 7, 
sondern  sie  trägt  auch  so  unverkennbar  in  der  Diction 
das  durchaus  eigenthümliche  und  scharf  ausgebildete  Ge- 
präge der  ganzen  vorhergehenden  Geschichten  bis  1215, 
dass  sie  nothwendig  von  demselben  Manne  herrühren  muss, 
welcher  die  ganze  hochwichtige  alte  Reinhardsbrunn  er 
Quelle    verf asste s.      Und    weiter    die    Worte ,    welche    auf 


1)  Einen  weiteren  Grund  für  seine  Meinung  findet  "Wenck  darin, 
dass  der  beiden  Genannten  Tod  falsch  zu  1215  angesetzt  ist.  Darüber  ist 
unten  zu  handeln.  Der  letzte  angeführte  Grund,  Benutzung  der  Chron. 
Minor,  an  der  Stelle,  ist  von  ihm  selbst  als  nicht  vorhanden  zurückge- 
zogen, wie  oben  bemerkt.  2)  Chron.  Reinh.,  "Wegele  S.  134  =  Cron. 
S.  Petri,  Stübel  S.  56,  wo  'sed  tarnen'  für  'Hinc'  abgeändert  ist.  3)  Chron. 
Reinh.,  "Wegele  S.  49.  4)  Der  Satz  ist  corrupt  überliefert.  Ich  habe 
'causa'  ergänzt;    ob  richtig,  ist  mir  selbst  zweifelhaft.  5)  Chr.  Reinh. 

p.  145  =  Cron.  S.  Petri  p.  57,  wo  'Qui  .  .  .  decedens  nee'.  6)  In  Chr. 
Reinh.  fehlt  'est'.  7)  In  dem  Chron.  Reinh.  sind  nur  spät  Einlagen  aus 
der  Chron.  Minor  darin  eingefügt.  8)  Auch  der  im  Chron.  Reinh.  auf 
die  citierten  "Worte  folgende  Satz :  'Nemo  ergo illustrat',  welcher  in 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         581 

spätere  Abfassung  der  Quelle  hinzudeuten  scheinen,  sind, 
wie  der  Hexameterschluss  darin  lehrt,  ein  Citat,  wie  so 
viele  andere  Wendungen,  mit  denen  dieser  Autor  seine 
Rede  zu  würzen  liebt.  Es  stammt  aus  Sedulius'  Carmen 
paschale  II,  v.  68  1 : 

'Nee  primam  similem  visa  es  nee  habere  sequentem'. 
Diesen  Hexameter  hat  der  Eeinhardsbrunner  Autor,  wie 
man  sieht,  in  seine  Worte  verwebt,  und  man  kann  daher 
nicht  mehr  so  viel  Gewicht  auf  sie  legen,  um  die  Abfas- 
sung der  Stelle  lange  nach  dem  Tode  des  Papstes  ansetzen 
zu  müssen.  Sie  kann  schon  unter  dem  Nachfolger  Inno- 
cenz'  III. ,  schon  in  dessen  ersten  Jahren  geschrieben  sein. 
Und  das  anzunehmen  zwingen  uns  entscheidende  Gründe. 
Nach  Wencks  Ansicht  freilich  würden  die  Schlüsse, 
die  wir  aus  der  Gleichheit  der  Diction  in  den  verschiedenen 
Partieen  der  Eeinhardsbrunner  Quelle  im  Vorstehenden  ge- 
zogen haben,  hinfällig  sein.  Jammerschade  ist  es,  dass  er 
sich  um  die  Früchte  seiner  schönen  richtigen  Nachweise 
dadurch  zum  Theil  gebracht  hat,  dass  er  eine  Behauptung 
aufstellte,  welche,  wenn  sie  begründet  wäre,  den  Werth 
der  alten  Eeinhardsbrunner  Quelle  sehr  beeinträchtigen 
müsste.  Glücklicher  Weise  ist  das  nicht  der  Fall.  Wenck 
behauptete,  die  Masse  des  historiographischen  Materials 
von  Eeinhardsbrunn  läge  in  der  späten  Conrpilation  nicht 
in  ursprünglicher  Fassung  vor,  sondern  sei  viel  später  von 
einem  Stilkünstler  dort  überarbeitet.  Diese  unheimliche 
Gestalt  erscheint  in  Wencks  erster  Abhandlung  S.  17  plötz- 
lich, unvermittelt,  und  taucht  dann  an  verschiedenen  Stellen 
wieder  auf2.  Es  wird  vorausgesetzt,  nicht  erwiesen,  dass 
solch  eine  stilistische  Ueberarbeitung  stattgefunden  habe. 
Erwiesen  ist  nur,  dass  in  den  Partieen  der  Cron.  Eein- 
hardsbrunn., welche  mit  der  Eeinhardsbrunner  Historia 
brevis  prineipum  Thuringiae  übereinstimmen,  stilistische 
Abweichungen  und  viele  Einschaltungen  erscheinen,  welche 


der  Cron.  S.  Petri  fehlt,  muss  noch  diesem  Autor  angehören,  weil  er  sich 
fest  an  das  Vorhergehende  fügt  und  in  seinem  kurzen  "Wortlaut  mehrere 
für  diesen  Autor  durchaus  charakteristische  Wendungen  aufweist.  Der 
verständige  Erfurter  Chronist  musste  ihn  weglassen,  weil  darin  Innocenz  III. 
als  heilig  gepriesen  wird,  er  aber  eine  Vision sgeschichte  gleich  danach 
brachte,  in  welcher  der  Papst  als  nichts  weniger  als  heilig  erscheint.  Der 
Reinhardsbrunner  Compilator  nahm  dieselbe  auch  auf,  aber  der  stiess  sich 
bei   seiner   mechanischen   Arbeitsweise    an    solchen  Widersprüchen    nicht. 

1)  Nachdem  ich  lange  danach  gesucht,  aber  nur  diesen  Vers  in  Ricardi 
Londin.  Itinerar.  peregr.  I,  22,  nicht  dessen  Quelle  gefunden  hatte,  hat 
diese    Herr    E.    Dümmler    ermittelt    und    mir    freundlichst    mitgetheilt. 

2)  S.  18,  N.  1.  24.  33  f.  46—49.  69. 


582  Oswald  Holder -Egger. 

sich  zum  Theil  nur  als  stilistische  Erweiterungen,  zumeist 
aber  als  sachliche  Zusätze  charakterisieren.  Dieser  Beweis 
ist  weiter  ausgeführt  N.  A.  X,  112  f.  Aber  damit  ist  noch 
nicht  entschieden,  class  die  Hist.  brevis  überall  das  Ur- 
sprüngliche enthält,  und  gar  zu  beweisen,  dass  die  Rein- 
hardsbrunner alte  Quelle  von  1187 — 1215(7)  eine  ähnliche 
Bearbeitung  erfahren  habe,  wie  sie  bei  der  Hist.  brevis 
anzunehmen  wäre,  falls  diese  die  Quelle  der  Chronik  ist, 
ist  nirgends  auch  nur  der  Versuch  gemacht  worden,  das 
wird  vorausgesetzt.  Wäre  es  der  Fall,  es  stünde  jämmer- 
lich um  den  Werth  dieser  Quelle.  Wenck  suchte  nur1 
wahrscheinlich  zu  machen,  dass  derselbe  Reinhardsbrunner 
Mönch,  welcher  in  Dietrichs  von  Apolda  Vita  S.  Elisabeth 
einige  Erzählungen  einschaltete 2,  auch  das  historiogra- 
phische  Material  seines  Klosters  stilistisch  überarbeitet 
habe 3.  Er  findet  auch  Stilverwandtschaft  zwischen  den 
Zusätzen  des  Reinhardsbrunner  Mönches  zur  Vita  und  den 
originalen  Abschnitten  der  Chronik  von  Reinhardsbrunn. 
Da  aber  kaum  der  Versuch  gemacht  ist,  das  nachzuweisen, 
so  kann  ich  mich  begnügen  zu  erklären,  dass  nach  meinem 
Urtheil  durchaus  keine  Aehnlichkeit  der  Stilistik  zwischen 
der  alten  Eeinhardsbrunner  Quelle  von  1187 — 1215  und 
jenen  Zusätzen  besteht,  dass  ich  auf  Grund  der  Diction 
diese  beiden  Stücke  verschiedenen  Autoren  zuweisen  müsste, 
wenn  auch  starke  Gründe  dafür  sprächen,  dass  sie  von 
demselben  Verfasser  herrühren 4. 


1)  Entst.  S.  23;  N.  A.  X,  117.  2)  Welche  Mencke  II,  1987  ff. 

herausgegeben  hat  nach  2  Hss.  aus  Altzelle  mit  deren  Varianten  der  Vita, 
keineswegs  nach  dem  Eeinhardsbrunner  Original  der  so  vermehrten  Vita. 
3)  Wenck  spricht  da  davon,  dass  dieser  Mann  auch  Dietrichs  Vita  Elisa- 
beth stilistisch  überarbeitet  hat.  Nichts  weniger  ist  der  Fall.  Die  Va- 
rianten, welche  Mencke  mittheilt,  sind  theils  zweifellos  richtige  Les- 
arten der  Vita,  wo  des  Canisius'  recht  fehlerhafter  Text  verdorben  ist, 
theils  zweifellose  Verderbnisse.  Bei  einigen  kann  erst  das  übrige  Hss.- 
Material  entscheiden,  ob  sie  die  richtigen  oder  falschen  sind.  4)  Wenn 
Wenck  N.  A.  X,  117  sagt:  'Der  Geist,  welcher  in  der  Legende  (d.  h.  in 
den  Reinhardsbrunner  Zusätzen  zur  Vita  Elisabeth)  lebt,  giebt  sich  in 
allen  Theilen  der  Historien  (so  nennt  er  die  Chronik  von  Reinhardsbrunn) 
...  zu  erkennen',  und  das  durch  Beispiele  belegt,  so  muss  ich  sagen,  dass 
das  zum  grössten  Theil  meinem  Urtheil  nach  unrichtig  ist,  so  weit  es  aber 
richtig  ist,  in  beiden  Werken  der  Geist  aller  mönchischen  Autoren  des 
Mittelalters  zu  erkennen  ist,  weiter  nichts.  Das  Wenige,  was  Wenck  sonst 
für  seine  Ansicht  anführt,  hat,  wie  ich  gestehen  muss,  nicht  das  Gewicht 
eines  Haares  für  mich.  Oder  sollte  es  mehr  Gewicht  haben,  wenn  er 
N.  A.  X,  117,  N.  1  anführt,  dass  Dietrich  von  Apolda  (nicht  der 
Reinhardsbrunner  Amplificator  von  dessen  Werk)  sagt:  'perrexit  dominus 
exultans  ut  gigas  ad  currendam  viam'  (er  schreibt  da  Ps.  18,  6 :  'exultavit 
ut  gigas   ad  currendam  viam'    ab),   und   in   der   alten   Reinhardsbrunner 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         583 

Fragen  wir  uns,  wie  Wenck  leider  dazu  kam,  eine 
stilistische  Ueberarbeitung  der  alten  Quelle  von  Reinhards- 
brunn anzunehmen,  so  ergiebt  sich  folgende  merkwürdige 
Entwickelung.  Wegele  war  durch  Vergleichung  der  Partie 
von  1209 — 1215  in  den  Chroniken  von  St.  Peter  und  Rein- 
hardsbrunn zu  dem  Schluss  gekommen,  dass  der  Reinhards- 
brunner  Compilator  des  14.  Jh.  in  diesem  Abschnitt  die 
Erfurter  Chronik  in  gräulicher  Weise  stilistisch  über- 
arbeitet hätte,  wie  wir  oben  S.  572,  N.  4  sahen.  Posse  folgte 
ihm  darin  und  nahm  ohne  die  Spur  eines  Beweises  dafür 
zu  versuchen  als  erwiesen  an,  dass  der  Compilator  des 
14.  Jahrh.  schwülstig  geschrieben,  dass  von  ihm  nur  der 
Schwulst  herrühre 1.  Wenck  aber  sah ,  dass  das  falsch 
war,  er  erwies,  dass  umgekehrt  der  schwülstigere  Text  des 
Chron.  Reinhardsbrunn,  der  ursprüngliche,  der  Schwulst 
zum  Theil  von  dem  Erfurter  Chronisten  beseitigt  sei. 
Dennoch  übernahm  er  unbegreiflicher  Weise  den  schwül- 
stigen Compilator  als  durch  den  sensus  communis  über- 
liefertes Erbstück,  er  behielt  dieses  Gespenst  von  Ueber- 
arbeiter  bei,  trennte  es  nur  von  dem  Compilator  der  Chro- 
nik, da  er  in  Folge  seines  eigenen  Nachweises  die  Unmög- 
lichkeit einsah,  erst  diesem  jene  verunstaltende  Thätigkeit 
zuzuweisen.  Er  kam  sonach  zu  einer  so  künstlichen  Con- 
struction,  dass  diese  nothwendig  den  Widerspruch  heraus- 
fordern musste  2.  Es  war  die  natürliche  Folge,  dass  daher 
auch  seine  richtigen  Nachweise  die  rückhaltlose  Anerken- 
nung, welche  sie  verdient  hätten,  bei  allen  denen  nicht 
fanden,  welche  nicht  in  der  Lage  waren,  die  ganze  Unter- 
suchung nachzuprüfen. 

Wäre  Wencks  Behauptung  begründet,  dass  die  ge- 
künstelte und  schwülstige  Schreibweise  in  dem  Text  der 
alten  Reinhard sbrunner  Quelle  von  1209 — 1217  erst  durch 
einen  Ueberarbeiter  um  1307  gekommen  sei,  so  müsste  dem 
Erfurter   Chronisten    schon    diese    Bearbeitung    vorgelegen 


Quelle  einmal  der  Landgraf  'ut  gygas',  einmal  Kaiser  Otto  'tamquam 
gygas'  sich  im  Kampfe  benimmt?  Auch  letztere  beiden  Wendungen  ent- 
stammen der  Lektüre  der  Vulgata,  aber  nicht  sowohl  jener  Psalmstelle, 
als  Stellen  wie  I.  Mach.  3,1:  'induit  se  loricam  sicut  gigas',  lob  16,15: 
'irruit  in  nie  quasi  gigas'.  1)  Als  etwas  selbstverständliches  erklärt  er 

ßeinh.  Gesch.  S.  48,  dass  den  'Compilator  des  14.  Jh.  der  schwulstige 
Stil  verräth'.  2)  Ilgen  und  Vogel  in  Zeitschr.  d.  V.  f.  hessische  Gesch. 
N.  F.  X,  14  ff.,  die  aber  in  ihrem  berechtigten  Widerspruch  gegen  ein- 
zelne Punkte  der  Ausführungen  Wencks  dessen  wichtige,  zweifellos  rich- 
tigen Nachweise,  seine  hochbedeutenden  Verdienste  für  die  Kritik  der 
Reinhardsbrunner  Compilation  völlig  verkennen,  da  sie  es  nur  mit  deren 
unbedeutendstem  Theile  zu  thun  hatten  und  dem  zu  Folge  nur  diesen  kannten. 


584  Oswald  Holder -Egger. 

haben.  Aber  keineswegs  ist  der  Nachweis  bisher  erbracht, 
dass  die  Chronik  von  St.  Peter  später  als  1307  entstanden 
sei,  nnd  es  wäre  etwas  schwierig,  diesen  Beweis  zu  führen1. 
Dieser  Umstand  wohl  veranlasste  Wenck  zu  dem  Beweis- 
versuch, dass  die  Eeinhardsbrunner  Partie  1209 — 1217  erst 
spät  in  die  Erfurter  Chronik  eingefügt  sei.  Aber  wir 
sahen  oben  S.  578  f.,  dass  das  nicht  richtig  ist.  Nach  Wenck 
hatte  aber  der  Stilkünstler  die  originalen  Aufzeichnungen 
von  Reinhardsbrunn  von  c.  1025 — 1230  überarbeitet,  in 
dem  Buche,  das  er  so  neu  gestaltete,  standen  auch  weitere 
Annalen  von  Reinhardsbrunn  von  1230 — 1307,  die  der  Stil- 
künstler freilich  unangetastet  liess.  Man  sollte  nun,  accep- 
tierte  man  Wencks  Aufstellungen,  meinen,  eben  dieses 
Buch  hätte  dem  Erfurter  Chronisten  vorgelegen.  Wie  kam 
es  denn,  dass  der  nur  jenen  Abschnitt  daraus  entlehnte, 
aus  dem  früheren  und  späteren  Theile  kein  Wort,  obgleich 
ihm  für  die  auf  1217  folgenden  Jahre  so  wenig  heimat- 
liche Ueberlieferung  zu  Gebote  stand,  dass  er  sich  bewogen 
fühlte,  lange  Partieen  aus  Olivers  Hist.  Damiatina  auszu- 
schreiben ?  Warum  entnahm  er  denn  nichts  den  Aufzeich- 
nungen des  Kaplans  Berthold  1218 — 1228,  die  doch  die 
thüringische  Heimat  des  Chronisten  betrafen,  die  nach 
Wenck  auch  in  des  Stilkünstlers  Buche  standen  und  von 
ihm  überarbeitet  waren?  Der  Stilkünstler  hatte  Wenck 
zu  Folge  auch  grosse  Partieen  von  Dietrichs  von  Apolda 
Leben  der  h.  Elisabeth  aufgenommen.  Warum  schrieb  er 
denn  diese  wörtlich  ab,  wenn  er  so  versessen  darauf  war, 
seine  Stilkünstelei  auszuüben?  Warum  bewies  er  diese 
nicht  an  der  originalen  Eeinhardsbrunner  Partie  von  1230 
— 1307?2  Man  sieht,  in  welches  Labyrinth  von  Schwierig- 
keiten diese  Aufstellungen  Wencks  führen.  Wir  werden 
schon  jetzt  sagen  müssen:  der  Erfurter  Chronist  entnahm 
die  Eeinhardsbrunner  Partie  von  1209 — 1217  (1215)  nicht 
einer  Ueberarbeitung,  sondern  der  ursprünglichen  Quelle, 
die  eben  mit  dem  Jahr  1217  (1215)  schloss. 

Was  zwingt  denn  nun,  dieses  Stilkünstlergespenst  in 
die  Kritik  der  Eeinhardsbrunner  Ueberlieferung  zu  über- 
nehmen ?  Ja,  wer  das  wüsste !  Posse  sagte 3 :  'Ein  Hauch 
durchweht  das  ganze  Werk,  überall  dieselbe  gekünstelte 
Sprache'.    Durchaus  nicht,  erklärt  dagegen  Wenck  mit  dem 

1)  Die  schwierige  Frage  der  Entstehung  der  Cron.  S.  Petri  mod. 
behandele  ich  in  einem  folgenden  Aufsatz.  2)  Diese  Frage  wirft  auch 

"Wenck,  Entst.  S.  46  auf,  natürlich,  ohne  sie  beantworten  zu  können. 
Ueber  seine  später  modificierte  Ansicht   siehe  unten  S.  587.  3)  Die 

Reinh.  Geschichtsbücher  S.  60. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         585 

vollkommensten  Kecht,  Posse's  'Proben  und  Belege  (dafür) 
beschränken  sich  auf  die  erste  Hälfte  des  Buches',  be- 
merkt er  wieder  vollkommen  richtig.  Und  dennoch  hat 
der  Stilkünstler  um  1307  seine  unheilvolle  Thätigkeit  aus- 
üben müssen! 

In  der  That,  jener  die  Chronik  von  Reinhardsbrunn 
angeblich  durchwehende  eine  Hauch  ist  kein  Hauch,  son- 
dern ein  Wind 1.  Wer  die  wirklich  originalen  Theile  dieser 
Chronik  von  1187  an2  aufmerksam  durchliest,  wird  sogleich 
erkennen,  dass  sie  in  drei  grosse  Abschnitte  zerfallen, 
welche  sich  durch  die  Auswahl  des  Stoffes,  die  Art  der 
Berichterstattung,  die  Stellung,  welche  die  Schreiber  zu 
dem  Berichteten  einnehmen,  von  einander  unterscheiden. 
Nur  im  Grossen  und  Ganzen  lassen  sie  sich  chronologisch 
abtrennen  in  die  Partie  von  1187 — 1215  (1217).  1218 — 1228. 
1230 — 1335,  denn  in  allen  drei  Abschnitten  finden  sich 
Einlagen,  unter  sich  wieder  sehr  verschiedenen  Charakters, 
welche  sich  doch  von  der  Masse,  in  welche  sie  eingefügt 
sind,  so  abheben,  dass  man  sie  ohne  Mühe  als  solche  er- 
kennt. Hat  der  Leser  einige  Empfindung  für  Stileigen- 
thümlichkeit,  so  rnuss  er  auch  erkennen,  dass  die  Diction 
der  Theile  einheitlich  ist,  deren  sachliche  Eigenthümlich- 
keiten  übereinstimmen,  dass  aber  in  den  Theilen,  welche 
sachliche  Verschiedenheit  der  Erzählung  aufweisen,  auch 
die  Sprache  eine  gänzlich  verschiedene  ist.  Ganz  einheit- 
lich, aus  einem  Gusse,  gleichartig  in  der  Stoffwahl,  Be- 
richterstattung, Sprache  ist  mit  Ausschluss  der  Einlagen 
die  weitaus  umfangreichste  Partie  von  1187 — 1215  (1217) 3, 
das  sind  jene  sogenannten  Annalen  zur  Geschichte  Hein- 
richs VI.,  Philipps,  Otto's  IV.,  deren  hoher  Werth  allbe- 
kannt ist.  Hier  durchweg  Geschichte  der  Thüringischen 
Landgrafen  und  des  Reiches,  auch  mit  Berücksichtigung 
des  heiligen  Landes,  so  dass  aber  auch  in  den  Berichten 
über  die  Peichsgeschichte  der  thüringische  Landgraf  ganz 
im  Vordergrunde  der  Handlung  und  des  Interesses  steht, 
Gunst   und    Ungunst    schnell   wechselnd    den   Königen   zu 


1)  Posse's  Schrift  war  seine  Erstlingsarbeit.  Wer  seine  Dissertation 
schreibt,  pflegt  in  der  Litteratur  des  Mittelalters  noch  nicht  sehr  belesen 
zu  sein.  Später  würde  Posse  eine  solche  Behauptung  schwerlich  aufge- 
stellt haben.  2)  Absichtlich  lasse  ich  hier  vorläufig  die  frühere  Partie 
bis  dahin  bei  Seite.  —  Was  wirklich  originale  Partie  ist,  hängt  nicht 
immer  davon  ab,  ob  es  in  Wegele's  Ausgabe  gross  oder  klein  gedruckt  ist, 
sondern  wird  durch  die  späteren  Untersuchungen,  namentlich  durch  die 
von  Wenck,  entschieden.  3)  Warum  ich  den  Abschnitt  mit  dem  J.  1187 
beginnen  lasse,  gebe  ich  unten  an. 


586  Oswald  Holder -Egger. 

Theil  werden,  je  nachdem  diese  sich  freundlich  oder  feind- 
lich zu  den  Landgrafen  stellen.  Diese  ganze  Partie  ist 
nun  in  sehr  gekünstelter,  überladener,  geschwollener, 
citatengespickter  1  Sprache  geschrieben.  Aber  dieser 
Schwulst  findet  sich  nur  hier,  in  keiner  der  späteren  Par- 
tieen  der  Chronik.  Nur  hier  weht  der  eine  Hauch,  wel- 
cher nach  Posse  das  ganze  Werk  durchsäuseln  sollte,  denn 
thatsächlich  sind  die  wenigen  Belege  der  Sprachkünstelei, 
die  er  bringt  (S.  61),  alle  dieser  Partie  entnommen.  Somit 
werden  wir  schliessen  müssen,  dass  die  schwülstige  Sprache 
eben  dem  Verfasser  dieser  wichtigen  Quelle  eigen  war, 
nicht  dass  sie  von  einem  späteren  Stilkünstler  hineinge- 
bracht ist.     Wir  kommen  noch  darauf  zurück. 

Es  folgen  an  originaler  Ueberlieferung  die  Reste  der 
Schrift  des  Kaplans  Berthold 2.  Er  berichtet  ausschliess- 
lich über  die  Thaten  des  Landgrafen  Ludwig  IV.  Die 
Sprache  in  den  ihm  zugehörigen  Stücken  ist  fast  durch- 
weg einfach,  ja  etwas  unbeholfen.  Von  Citatenschatz  ist 
bei  ihm  nichts  zu  finden.  Das  hat  auch  Wenck  vollkom- 
men richtig  empfunden.  Er  sagt3:  'Die  Sprache  ist  ein- 
fach, sachgemäss  und  sticht  höchst  wohlthätig  gegen  an- 
dere überaus  schwülstige  Partieen  ab,  welche  von  dem 
Compilator  verfasst  oder  überarbeitet  sind' 4.  Es  ist  ihm 
auffällig,  'dass  diese  Stücke  vor  der  Hand  des  Ueber- 
arbeiters  besser  bewahrt  blieben'.  Da  ist  es  fast  unbe- 
greiflich, dass  er  sich  nicht  sagte :  'Ja,  warum  nehme  ich 
überhaupt  einen  solchen  stilkünstelnden  Bearbeiter  an? 
Der  hat  ja  garnicht  existiert'.  Freilich  findet  er  nun  doch 
Spuren  der  Thätigkeit  desselben  auch  in  einem  Berthold 
zugehörigen   Stücke.      Die   Reden,    welche    die   polnischen 


1)  S.  oben  S.  574.  Nicht  nur  antike  Autoren  boten  dem  Verfasser 
solche.  Er  war  auch  im  Kirchenrecht  bewandert,  citierte  Gratian  und 
Decretalen  Innocenz'  III.,   natürlich  auch  die  Vulgata.  2)  Wiederum 

sind  in  diese  spätere  Reinhardsbrunner  Einlagen  gemacht.  3)  Entst. 

S.  16.  4)  Dieses  richtige  Urtheil  ist  dann  freilich  von  ihm  in  sein  volles 
Gegentheil  verkehrt  N.  A.  X,  114,  wo  er  sagt:  'Was  von  dem  Stil  der 
Annalen  bis  1215  gilt,  ist  aber  auch  von  den  Annalen  Bertholds  (1218 
— 27)  zu  sagen'.  Die  beiden  Sätzchen,  die  er  dort  für  seine  veränderte 
Ansicht  anführt,  erweisen  nichts  weniger  als  irgend  eine  Aehnlichkeit  der 
Stilistik  mit  der  älteren  Quelle.  Der  zweite  ist  nicht  schwülstig,  sondern 
nur  unverständlich,  weil  er  durch  zwei  grobe  Fehler  in  der  Ausgabe  ent- 
stellt ist.  Wenn  Wenck  da  sagt,  es  sei  bisweilen  nicht  ganz  leicht,  den 
Sinn  der  schwülstigen  Worte  Bertholds  zu  enträthseln,  so  liegt  das  ein- 
fach an  den  Mängeln  der  Ausgabe,  selten  an  der  schlechten  Ueberlieferung, 
aber  von  Schwulst  ist  da  nichts  zu  finden.  In  einem  gereinigten  Texte 
wird  das  Verständnis  nirgend  schwierig  sein.  Ich  muss  hier  Wencks 
frühere  Ansicht   auf  das  entschiedenste   gegen   seine  spätere  vertheidigen. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         587 

Gesandten  vor  dem  Landgrafen,  als  der  Lebus  1225  belagerte, 
halten,  um  ihn  zum  Aufgeben  der  Belagerung  zu  be- 
wegen1, sollen  'sich  auf  den  ersten  Blick  als  Prunkstücke 
des  späteren  Ueberarbeiters  erweisen'.  Aber  das  kann  ich 
nicht  zugestehen !  In  sehr  hübscher  Weise  giebt  da  Berthold 
die  slawische  Phrasenprunkliebe,  die  Grossmäuligkeit  und 
das  Bramarbasieren  der  Gesandten  wieder,  die  nach  Polen- 
art das  Maul  um  so  voller  nehmen,  je  weniger  ihr  Herzog 
thun  kann,  um  das  belagerte  Schloss  zu  retten.  Diese  so 
prächtig  in  die  Sachlage  hineinpassenden  Reden  sollten 
80  Jahre  später  von  einem  Ueberarbeiter  componiert  sein? 
Das  müsste  ein  merkwürdig  geschickter  Ueberarbeiter,  so 
ein  Mann  nach  dem  Sinne  von  Ottokar  Lorenz  gewesen 
sein,  da  er  80  Jahre  später  das,  was  vor  dem  Landgrafen 
Ludwig  IV.  geschah,  viel  besser  wusste,  als  dessen  Kaplan 
Berthold.  Zudem  diese  absichtlich  aufgebauschten  Reden 
haben  nicht  das  geringste  gemein  mit  der  verzwickten 
Sprache  jener  älteren  Quelle  von  Reinhardsbrunn. 

Für  die  letzte  Hauptmasse  der  originalen  Stücke  der 
Chronik  von  1230  — 1307  oder  1310,  in  welcher  zwar  noch 
mehrfach  über  thüringische  Geschichte  berichtet  wird,  aber 
ohne  die  frühere  grosse  Verehrung  der  Landgrafen,  am 
meisten  jedoch  Dinge,  die  das  Kloster  Reinhardsbrunn  an- 
gehen, erzählt  werden,  hatte  Wenck  ursprünglich  selbst 
nicht  mehr  Ueberarbeitung  angenommen,  dann  hat  er  aber 
die  Autorschaft  derselben  eben  diesem  von  ihm  voraus- 
gesetzten Ueberarbeiter  zugeschrieben,  demselben,  der  dann 
auch  nach  seiner  schon  früher  geäusserten  Ansicht  die 
Reinhardsbrunner  Zusätze  zu  Dietrichs  Vita  Elisabeth  ver- 
fasst  habe 2.  Indessen  alles  das  entbehrt  einer  irgendwie 
ernsthaften  Begründung.  Denn  was  Wenck  dafür  anführt, 
kann  ich,  und  ich  glaube,  man  wird  mir  darin  zustimmen, 
als  solche  nicht  gelten  lassen.  Deshalb  halte  ich  es  auch 
nicht  für  noth wendig,  darauf  im  einzelnen  einzugehen. 
Dass  ich  nicht  die  geringste  stilistische  Verwandtschaft 
zwischen  den  Reinhardsbrunner  Zusätzen  zur  Vita  Elisa- 
beth und  der  alten  Quelle  von  1187—1215  (1217)  aner- 
kennen kann,  sagte  ich  schon  oben.  Ob  der  Verfasser  der 
ersteren  irgend  etwas  von  den  originalen  Partieen  der 
Chronik  von  1230 — 1310  geschrieben  hat,  weiss  ich  nicht. 
Es  ist  möglich,  aber  durchaus  nicht  erwiesen.  Fest  aber 
steht   für  mich,    dass  zwar  die  meisten  der  originalen  Ab- 


1)  Wegele  S.  179  f.        2)  N.  A.  X,  118  ff. 


588  Oswald  Holder -Egger. 

schnitte  von  1230 — 1310,  sicher  aber  nicht  alle  von  dem- 
selben Autor  herrühren. 

Da  es  sicher  ist,  dass  Darstellungsart  und  Sprache  der 
alten  Quelle  von  1187—1215  (1217),  der  Annahm  Bertholds, 
der  letzten  Partie  von  1230  an  und  wieder  der  vielen  Ein- 
lagen in  alle  diese  drei  Hauptmassen  unter  sich  völlig  ver- 
schieden sind,  müssen  wir  nun  behaupten,  dass  die  voraus- 
gesetzte Thätigkeit  des  Stilkünstlers  um  1307 — 1310  nicht 
nur  nicht  nachgewiesen,  sondern  dass  sie  geradezu  unmög- 
lich ist.  Und  damit  fällt  selbstverständlich  auch  die  eben- 
falls nur  vorausgesetzte  compilatorische  Thätigkeit  dieses 
Schein wesens  fort.  Denn  diese  war  ja  nur  angenommen, 
weil  es  sich  nach  der  Sachlage  als  unmöglich  ergab  1,  die 
vorausgesetzte  Ueberarbeitung  dem  Compilator  zuzuschreiben, 
dessen  Arbeit  wir  vor  Augen  haben. 

Viel  einfacher  und  natürlicher  war  in  Wirklichkeit 
die  Zusammensetzung  dieser  Compilation.  Wir  kehren  zu- 
nächst zu  ihrem  wichtigsten  Bestandtheil  zurück. 

Die  Partie  der  alten  Reinhardsbrunner  Quelle  von 
1209 — 1215,  welche  in  die  Chronik  von  St.  Peter  über- 
gegangen ist,  war  nur  ein  Theil  eines  grösseren  Werkes. 
Wir  werden  bei  der  Untersuchung  dieser  Chronik  den 
Grund  kennen  lernen,  warum  eben  nur  der  Abschnitt  von 
1209  an  in  sie  aufgenommen  ist.  Wenck  sah  schon,  wenn 
er  das  auch  nicht  begründete,  dass  auch  die  vorhergehende 
Partie,  die  bekannte  hochwichtige  Quelle  für  die  Zeit  Phi- 
lipps und  Otto's  IV.,  von  demselben  Verfasser  herrühren 
müsse,  welcher  den  Abschnitt  von  1209 — 1215(17)  schrieb. 
Er  nahm  daher  Annalen  von  1198 — 1217  an,  welche  dieser 
Mann  verfasst  hätte 2.  Aber  es  kann  kaum  zweifelhaft 
sein,  dass  wir  demselben  Mann  noch  mehreres  zuzuweisen 
haben.  Ich  sagte  schon  oben  (S.  585),  dass  der  ganze  Ab- 
schnitt der  alten  Quelle  von  1187 — 1215  (1217)  durchaus 
einheitlich,  aus  einem  Gusse  ist,  dass  die  Auswahl  des 
Stoffes,  die  Stellung  des  Schreibers  zu  den  Ereignissen, 
die  er  berichtet,  seine  Darstellungsart  und  gespreizte  Sprache 
durchweg  in  diesem  Abschnitt  gleichartig  sind.  Das  hat 
auch  Posse  empfunden,  als  er  bemerkte 3,  dass  die  gleichen 
auffälligen  Wendungen  in  dem  Abschnitt  von  1184 — 1197  4 

1)  Oben  S.  583.  2)  So  bestimmt  N.  A.  X,  105.     Dazu  S.  101. 

3)  S.  60  f.  4)  In  diesem  ist  der  Passus  über  den  Tod  des  Abtes  Her- 
mann von  Reinhardsbrunn  zweifellos  von  derselben  Feder  geschrieben, 
von  welcher  die  ganze  Quelle  herrührt.  Das  ergiebt  wieder,  dass  sie  in 
Reinhardsbrunn  verfasst  sein  muss. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         589 

und  1198 — 1217  vorkämen.  Das  ist  auch  Wenck  nicht 
entgangen1,  der  dieselbe  Bemerkung  machte.  Aber  vor- 
eingenommen durch  den  ihnen  von  Wegele  überlieferten 
Schwulst  des  Compilators,  schrieben  sie  diese  charakteri- 
stischen Wendungen  jenem  Ueberarbeiter  zu.  Um  das  zu 
können,  hätten  sie  aber  doch  nachweisen  müssen,  dass  in 
dem  Product  dieses  Ueberarbeiters,  d.  h.  der  ganzen  Chro- 
nik, sich  jene  eigenthümlichen  Wendungen  fänden.  Hätten 
sie  einen  solchen  Versuch  gemacht,  so  wären  sie  zu  der 
Ueberzeugung  gekommen,  dass  das  nicht  der  Fall  ist,  dass 
also  die  von  ihnen  als  schwülstig  bezeichnete  Sprache  mit 
den  von  ihnen  selbst  bemerkten  Eigentümlichkeiten  dem 
Autor  der  alten  Quelle  selbst  zugehören  müsse. 

Wenigstens  einiges  aus  der  Masse  des  von  mir  ge- 
sammelten Materiales  muss  ich  anführen,  um  zu  zeigen, 
dass  die  Diction  in  beiden  Abschnitten  durchaus  die  gleiche 
ist,  und  werde  dabei  nur  besonders  charakteristische  und 
auffällige  Wendungen  aufnehmen.  Da  Wegele,  Martens, 
Wenck  übereinstimmend  annehmen,  dass  die  ältere  Quelle 
(1187—1197)  bis  S.  79,  Z.  5  der  Ausgabe  reichte,  die  jün- 
gere (1197 — 1217)  dort  einsetzte,  werde  ich  die  Wendun- 
gen, welche  ich  dem  Früheren  bis  zu  jenem  Abschnitt 
entlehne,  mit  A,  die  dem  Folgenden  entlehnten  mit  B  be- 
zeichnen 2 : 

A  66,  1-1.  ad  malorum  sibi  inminentium  acervum3; 
68,  3.  ad  maioris  doloris  acervum.  —  B  95,  12.  ad  malorum 
acervum;  103,  1.  ad  malicie  sue  acervum;  128,5.  Porro  ad 
acervum  malorum  ex  denigrata  circa  eum  fortuna  sibi 
supervenientium. —  A67,17.  cum  .  .  de  tarn  flebilibus  au- 
spiciis  denigratam  circa  se  fortunam  esse  sentiret4;  62,  3. 
denigratam  circa  se  naturam  profitens.  —  B  89,  19.  Super 
hiis  .  .  .  infelicibus  auspiciis;  93,19.  infaustis  .  .  .  auspiciis. 
—  A  60,  25.  infaustis  fortune  contradicentis  auspiciis;  54,  24. 
flebilibus  auspiciis. 

A  66,  35.  Prosperata  .  .  .  lantgravii  fortuna.  —  B  135,  27. 
prosperatam  regis  fortunam. 

1)  Entst.  S.  30.  2)  Eine  A  und  B  gemeinsame  Wendung  siehe 
schon  oben  S.  580.  Den  Beweis,  dass  die  Partie  von  1197—1208  und  1209 
— 1217  demselben  Autor  angehören,  besonders  zu  führen,  halte  ich  nicht 
für  nothwendig,  da  es  nicht  bestritten  ist.  Es  ergiebt  sich  aber  auch  aus 
den  folgenden  Parallelen.  Der  Abschnitt  bis  1208  reicht  in  der  Ausgabe 
bis  S.  119,  Z.  16.  3)  In  der  Vulgata  kommt,  wie  man  vielleicht  ver- 

muthen  könnte,  die  seltsame  Wendung  nicht  vor.  Ganz  entfernt  ähnlich 
ist  Boet.  Cons.  phil.  I,  4.  'hie  etiam  nostris  malis  cumulus  accedit'.  —  Die 
Citate  sind  nach  dem  Text  meiner  Bearbeitung  gegeben.  4)  Vgl.  auch 
B  135, 13 :  'fortunam  circa  statum  suum  videns  esse  mutatam'. 

Neues  Archiv  etc.    XX.  39 


590  Oswald  Holder -Egger. 

A  47,  2.  tedia  confovit  exilii;  54,  18.  ut  .  .  .  latebrosa 
perverse  consciencie  tedia  .  .  .  foverent.  —  B  135,  15.  te- 
dium  fovens  in  latebris. 

A  66,  1.  quibus  artibus  potuit  lantgraviurn  favorabilem 
sibi  constituit.  —  B  98,  8.  quibus  potuit  artibus  principes 
.  .  .  semper  favorabiles  habuit;  83,  15.  principem  sibi  que- 
rens  esse  f avorabilern ;  88,  9.  ut  favorabilem  sibi  eum  ob- 
tineret. 

A  74,  20.  relatibus  funestis  .  .  .  lugubris  et  mestus 
efficitur;  60,4.  Lugubris  itaque  et  merens  imperator.  — 
B  82, 13.  Ideoque  luctuosi  et  lugubres  .  .  .  divisum  .  .  . 
imperiuni  ab  infaustis  relatibus  audierunt;  108,  9.  quin  .  .  . 
pontifex  lugubris  et  mestus  extiterit;  127,2.  Siquidem  lu- 
gubris ac  mestus  Otto ;  79,  23.  Tmperatrix  vero  lugubris  ac 
mesta. 

A  63,  23.  Sicque  solutis  .  .  .  procinctibus.  —  B  84,  20. 
sicque  solutis  procinctibus ;   98,  4.  procinctum  resolvit. 

A  61,  19.  ipsum  invidencie  calcibus  atterere  .  .  .  cogi- 
tabat;  66,26.  aliis  pungitivum  invidencie  ministravit  acu- 
leum.  —  B  107,  20.  invidencie  stimulos  contra  se  .  .  .  ex- 
citabat;  93,  16.  stimulis  invidencie  agitatus. 

A  61,  19.  ipsum  .  .  .  eradere  et  proscribere  semper 
cogitabat;  71,5.  explosus  et  erasus  ab  omnibus  decernere- 
tur.  —  B  90,  3.  ut  proscriptus  et  erasus  in  laborintum  de- 
speracionis  .  .  .  incidit;  83,22.  quod  .  .  .  imperator  .  .  . 
suum  genitorem  .  .  .  proscriptum  eraserit.  Die  zweimalige 
Verbindung  dieser  beiden  Ausdrücke  bei  B,  die  A  einmal 
hat,  ist  gewiss  bemerkenswerth 1. 

A61,  27.  cui  de  subterraneis  scrobibus  argentum  na- 
tura prebebat.  —  B  100,  19.  civitatenses  de  subterraneis 
scrobibus  prodeuntes;  127,  24.  scrobes  subterraneas  in- 
fodit 2. 

A49, 14.  cum  multa  celebritate  exequiarum.  —  B  120, 30. 
cum  multa  celebritate  cleri  et  populi. 

A  58,  11.  quadam  mirifica  alteritate  sui3.  —  B:  'cum 
.  .  .  cytharam  nostram  in  luctum 4  .  .  .  miseranda  alteri- 
tate demutassent' 5.  Man  bemerkt,  dass  A  und  B  verzwickte, 
seltsame  Worte  lieben,  wie  'alteritas',  'celebritas',  'inviden- 


1)  'eradere'  in  diesem  Sinne  entstammt  der  Vulg.  —  Ier.  11,19: 
'eradamus  eum  de  terra  viventium'.  2)  Der  Ausdruck  bedeutet  also  bei 
A  und  B  verschiedenes,  bei  A  Bergwerksgruben,  bei  B  Minengänge. 
3)  Das  ist  in  dem  Stück  'De  sangwine  miraculoso'  1191,  welches  seiner 
Sprache  nach  zweifellos  von  dem  Autor  der  wichtigen  alten  Quelle  her- 
rührt. 4)  Dieses  aus  lob  30,  31.  5)  Die  letzten  Worte  der  alten 
Quelle  sind  123,  3  ausgefallen,  aus  Cron.  S.  Petri  ergänzt. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         591 

tia',  nicht  'invidia'.  Es  folgen  gleich  einige  ebenso  ver- 
zwickte Adjectiva. 

A  43,  29.  cum  .  .  .  inmimerosa  multitudine  fideliurn. 
—  B  82,  10.  pre  innumerosa  paganorum  multitudine. 

A  52,  21.  undosis  angustiis;  53,10.  inminentibus  peri- 
culis  et  undisonis  procellarum  tumultibus.  —  B  123,  2.  un- 
disonis  pressuris  et  calamitatibus. 

A  60,  27.  cum  lacero  exercitu  1.  —  B  142,  19.  cum  la- 
cera  parte  exercitus ;  85,  22.  cum  lacero  fratrum  suorum 
comitatu;   129,6.  lacera  et  profuga  .  .  .  multitudo. 

A  56,  30.  hoc  fama  prodente  mirifice  emicuit;  74,22. 
fama  prodente  sibi  innotuit.  —  B  126,  1.  fama  prodente2 
affuere  qui  dicerent. 

A  59, 10.  Eomani  monarchiam  apicis  .  .  .  optinuit.  — 
B  116,  24.  qui  .  .  .  tantum  monarchie  apicem  attigerat; 
144,  7.  Romane  apicem  monarchie. 

A  69,  19.  missis  apicibus,  destinatis  ad  hoc  opus  car- 
dinalibus.  —  B  90,  5.  Missis  .  .  .  regiis  apicibus ;  93,  8.  por- 
rectis  specialiter  summi  pontificis  apicibus ;  95, 1.  destinatis 
ad  hoc  a  sede  Romana  testibus  et  sigillatis  apicibus;  144, 11. 
papa  .  .  .  dirigit  apices  preceptivos 3. 

Sehr  charakteristisch  sind  die  zahlreichen  Wendungen 
bei  Erzählung  von  Krankheiten  für  den  Autor,  der  offen- 
bar einige  medicinische  Kenntnisse  besass  und  diese  zu 
verwenden  liebt4:  A  51,  25  f.:  ipsoque  diversa  affecto  egri- 
tudine  et  cronicis  passionibus  laborante.  —  B  126,  16.  qui- 
busdam  .  .  .  cronicas  passiones  ingerit;  143,  6.  ex  cronicis 
passionibus.  —  A51,  29.  passionibus  et  egritudinum  inmi- 
nentibus angustiis;  52,7.  augmentatisque  egritudinum  pas- 
sionibus ;  68,  25.  cum  aliarum  augmento  egritudinum.  — 
B  136.  22.  Ingravescentibus  .  .  .  egritudinis  laboribus.  Es 
ist  charakteristisch  für  die  Schreibweise  des  Mannes,  dass 
er  einen  so  einfachen  Ausdruck  wie  'morbus'  wohl  im  Bilde 
verwendet,  aber  meist  nicht  da,  wo  er  von  der  Krankheit 
eines  Menschen  redet,  da  treten  'passiones' 5  und  'egritu- 
dines'    an    die  Stelle  des  einfachen  Ausdrucks.     Ich   fahre 


1)  Cf.  Lucan.  VI,  315 :  'lacero  petit  agmine  terras'.  2)  Die  Hs. 
hat  'procedente1,  aber  'prodente'  ist  natürlich  mit  Cron.  S.  Petri  zu  lesen. 
Die  Sprache  ist  durchweg  in  der  alten  Quelle  so  gleichniässig,  dass  oft 
eine  Stelle  die  Emendation  einer  anderen  verdorbenen  ermöglicht,  wo  die 
Conjectur  bei  der  verzwickten  Sprache  sehr  schwer  sein  würde.  3)  Der 
Autor  gebraucht  das  Wort  also  nur  für  päpstliche  und  königliche  (einmal) 
Schreiben.  4)  So  bemerkt  er  S.  117,    dass  der  Mordstahl  Otto's  von 

Witteisbach  den  'ysophagus  gutturis'  des  Königs  durchschnitt.  S.  55  be- 
schreibt er  die  Kennzeichen  nahen  Todes.  5)  Auch  55,  21.  'per  fervo- 
rem  passionis'. 

39* 


592  Oswald  Holder -Egger. 

zunächst  noch  in  der  Zusammenstellung  gleicher  Wendun- 
gen in  den  Partieen  A  und  B  fort. 

Es  war  doch  wohl  derselbe  Mann,  welcher  schrieb : 
A  66,  9.  Marchio,  ne  nil  ageretur  \  iterum  fratri  inminebat. 

—  B  84,  23.  lantgravius,  ne  nil  ageretur,  delegatis  sibi  .  .  . 
civitatibus  acriter  inminebat.  Denn  feindlich  im  Kriege 
bedrängen  heisst  bei  diesem  Autor  'inminere',  das  er  un- 
zählige Mal  braucht,  zuweilen  dafür  'instare'  und  'insistere', 
und  will  er  einen  starken  Ausdruck  setzen,  so  dient  ihm 
dafür  'insultare'.  Hier  eine  Auslese  solcher  Stellen:  A  60,  8. 
civitatensibus  viribus  quibus  potuit  inminebat;  63,11.  prin- 
ceps  ipsi  Castro  fortiter  faciendo  constanter  inminebat; 
50,21.  inminentesque  Sarracenis  fortiter  faciendo;  61,27. 
castris  eius  acriter  inminebat;  66,23.  principis  castris  tarn 
acriter  inminebat;  66,  8.  Moguntino  acriter  inminebat; 
67,  26.  hostibus  suis  acriter  inmineret.  —  B  85,  5.  Et  pri- 
mis  fortiter  facientibus  .  .  .  civitatensibus  tarn  acriter  in- 
minebant;  104,2.  civitati  acriter  inminere  decernens,  civi- 
tatenses  obsidere  parat,  muris  inminet;  126,5.  se  velle  .  .  . 
principis  municionibus  acriter  inminere;  142,5.  conatibus 
quibus  valuit  rebus  et  castris  fraternis  inminebat;  100,16. 
cum  eis  .  .  .  acriter  inmineret;  93,  15.  refragantibus  .  .  . 
non  desiit  acriter  inminere;  103,  1.  principes  tarn  acriter 
Philippo  inminere  presciverat.  —  A  46,  4.  in  quantum  pre- 
valebant  ipsi  .  .  .  inminebant;  55,  15.  cum  .  .  .  gentilitas 
.  .  .  christianis  ferocissime  inmineret;  68,  23.  Dei  .  .  . 
manus  valida  sibi  tarn  fortiter  inminebat ;  50,  26.  ut  .  .  . 
hosti  rursum  inminere  potuissent;  67,  4.  Ipseque  .  .  .  Hassie 
inminebat.  —  B  99,  3.  villis  .  .  .  per  incendia  crudeliter 
inminebant;  83,  1.  regis  fautoribus  inminere  metuens; 
135,  10.  fautoribus  Ottonis  inminent;  84,  16.  ulterioribus 
partibus  Reni  inminens;  126,  13.  muris  inminet.  —  A  51,  13. 
multis  .  .  .  milibus  acriter  instabat;  76,20.  christianorum 
.  .  .  residuo2  .  .  .  acriter  instabant;  66,27.  ut  .  .  .  prin- 
cipi  vehementer  instar ent.  —  B  98,  28.  nisi  cum  acriter  in- 
starent;  99,29.  sed  magis  .  .  .  vehementer  instaret,  u.  s.w. 

—  A  55,  5.  residuum  relictorum  muris  civitatis  insistens.  — 
B  99,  8.  cum  ...  ad  oppugnandum  communiter  insisterent. 

Zum  feindlichen  Bedrängen  einer  festen  Stadt  oder 
eines  Schlosses  braucht  man  Belagerungsmaschinen,  für 
diese  steht  in  A  und  B  fast  regelmässig  der  gesuchte  Aus- 


1)  Cf.  Ovid.  Rem.  am.  v.  167:  'ne  nil  illic  ageretur,  amavit'.  —  Noch 
einmal   B  93, 16:    'ne  nil  ageretur'.  2)  Hierzu  vgl.  B84,  22.  'residuo 

bruci  quasi  locusta  (aus  Ioel  1,  4)  inminebat'. 


Studien  zu  Thüringischen   Geschichtsquellen.    II.         593 

druck  'murorum  tormenta' :  A  54,  12.  erectisque  diversorum 
murorum  tormentis  contra  civitatem  .  .  .  viriliter  et  una- 
nirniter  institerunt x ;  60,  8.  murorum  scilicet  tormenta  appli- 
cando  et  .  .  .  civitatem  oppugnando;  68,  16.  ut  .  .  .  locis 
suis  .  .  .  faces  murorumque  tormenta  intenderet.  —  B  84,  27. 
in  muros  facto  impetu  per  multifaria  murorum  tormenta 
eis  fortiter  institit;  87,  6.  applicatisque  murorum  tormentis; 

127,  22.  instaurato  illo  symulacro,  murorum  videlicet  tor- 
mento;    100,  20.  murorum  tormentis  ignem  .  .  .  apposuerunt. 

A  48,  14.  exercitui  .  .  .  insultare  volentes;  77,  12.  in- 
sultabant  Turcis.  —  B  97,  8.  tarn  acriter  insultavit  .  .  . 
exercitibus;  128,28.  multitudini  viriliter  et  vehementer  in- 
sultavit; 99,  23.  manus  inimica  ecclesiis  .  .  .  insultans, 
u.  s.  w. 

A  76,  9.  in  quibus  .  .  .  longiturna  obsidione  vallati  rei 
familiaris  inopia  coacti  sunt  .  .  .  municiones  .  .  .  relin- 
quere;  54,11.  civitatem  obsidione  nova  .  .  .  vallarunt; 
60,  7.  qua  .  .  .  obsidione  vallata;  63,  6.  ad  urbem  .  .  .  ob- 
sidione vallandam.  —  B  101, 19.  qui  .  .  .  fuerant  longiturna 
obsidione   fatigati;     127,  30.    rei    familiaris    inopia    coacti; 

128,  18.  antequam  .  .  .  Album -lacum  obsidione  vallaret; 
87,  6.  ordinata  obsidione  .  .  .  intra  muros  vallavit  epi- 
scopum. 

A  63,  2.  fortes  diversarum  provinciarum  auxiliarios  .  .  . 
in  pugnam  adducit;  60,  9.  fortibus  auxiliariis  civitatem 
oppugnando;  66,21.  cum  fortibus  auxiliariis  .  .  .  Saxoniam 
ingressus  est.  —  B  84,  6.  cum  .  .  .  fortibus  auxiliariis  in 
partem  Philippi  concurrit;  87,  14.  antemurale  civitatis  cum 
fortibus  auxiliariis  invasit;   115, 14.  cum  fortibus  auxiliariis. 

A  48,  24.  facultatibus  illorum  pro  velle  suo2  potiti 
sunt.  —  B  115,  19.  ipsorum  auxilio  pro  velle  suo  abuti 
poterat. 

Hier  werde  ich  die  Vergleichung  solcher  Wendungen 
abbrechen 3.  Sie  ist  nur  ein  Nothbehelf ,  wenn  es  gilt,  die 
Gleichheit  der  Diction  zweier  Stücke  zu  erweisen,  da  es 
schwierig  ist  und  gar  zu  viel  Raum  kostet,  das  an  anderen 
Eigenheiten  der  Sprache  zu  zeigen.  Und  deren  giebt  es 
freilich  genug  beiden  Abschnitten  gemeinsame.  So  ist  der 
vielfache  Gebrauch  des  sonst  gewiss  sehr  seltenen  'quo- 
niamquidem' 4  in  beiden  Theilen  besonders  auffällig. 
Ebenso  ist  es  bemerkenswerth,  dass  bei  A  44,  30  der  König 

1)  Dies  Emendation  für  'astiterunt'  der  Hs.  2)  Diese  drei  "Worte 
sind  in  der  Ausgabe  ausgefallen.  3)  Unten  S.  597  ff.  muss  ich  deren 

noch  weitere  anführen.  4)  In  der  Ausgabe  zuweilen  verdorben  in  'quum 
quidem,  quique,  Quicquid'. 


594  Oswald  Holder -Egger. 

von  Ungarn  seltsamer  Weise  als  kE.ex  Celtice  provincie' 
bezeichnet  wird,  dass  es  bei  B  101,  15  heisst:  'de  Celtica, 
id  est  Ungaria'.  Die  Idee,  dass  die  vollkommene  Gleich- 
mässigkeit  der  verkünstelten  Sprache,  all  diese  zahlreichen 
sich  wiederholenden  eigentümlichen  Wendungen,  die  ich 
leicht  vermehren  kann,  von  denen  kavim  eine  in  den  spä- 
teren Partieen  der  Chronik  von  Reinhardsbrunn  wird  nach- 
gewiesen werden  können,  von  einem  Ueberarbeiter  her- 
rühre, ist  ja  ganz  unmöglich.  Ein  solcher  raüsste  doch 
gerade  Ungleichheiten  des  Stiles  veranlasst  haben,  wenn 
er  seine  Vorlage  nicht  so  völlig  umarbeitete,  dass  er  kaum 
ein  Wort  unverändert  stehen  liess.  Aber  daran  zu  denken, 
ist  ja  erst  recht  unmöglich.  Eine  solche  späte  Bearbeitung 
müsste  sich  doch  wenigstens  an  einigen  Stellen  auffällig 
bemerkbar  machen.  Sie  ist  für  mich  nirgends  zu  ent- 
decken1. Gerade  aber  in  dem  sogenannten  Schwulst,  in 
seinen  vielfach  verzwickten  Wendungen  und  überladenen 
Sätzen  giebt  der  Autor  seine  lebendige  Theilnahme  kund  an 
den  von  ihm  erlebten  Ereignissen,  welche  er  erzählt.  Vortreff- 
lich erkennt  man  das,  wenn  man  die  in  der  Cron.  S.  Petri 
hieraus  entlehnte  Partie,  wo  die  Wortfülle  vielfach  be- 
seitigt ist,  mit  der  im  Chron.  Eeinhardsbr.  erhaltenen  ur- 
sprünglichen Fassung  vergleicht.  Dort  erscheint  die  Er- 
zählung objectiver,  ruhiger,  hier  lebhafter,  von  der  Stimmung 
des  Verfassers  viel  stärker  erregt.  So  etwas  bringt  kein  später 
Bearbeiter  zu  Wege.  Freilich  ist  das  Colorit  der  Sprache 
durchaus  mittelalterlich,  sie  ist  erfüllt  mit  späten  Wort- 
bildungen, aber  dennoch  zeigt  sie  stark  den  Einfluss  der 
Lektüre  antiker  Schriftsteller,  eine  reichliche  Fülle  von 
klassischen  Citaten2.  Das  ist  um  die  Wende  des  12.  und 
13.  Jh.  eine  allgemeine  Erscheinung,  zu  Anfang  des  14., 
da  die  Bettelorden  ihr  Werk  der  Zerstörung  der  kirch- 
lichen Cultur  schon  eifrig  gefördert  haben,  schon  selten 
geworden.  So  wird  nun  wohl  das  Ueberarbeitergespenst 
gebannt  sein.  Aber  die  völlige  Gleichheit  der  Art  der  Be- 
richterstattung und  der  Sprache  zwingt  mich  nun  trotz 
allen  Sträubens  zu  dem  Schluss,  dass  die  Abschnitte  A 
und  B  von   demselben  Verfasser   herrühren.     Daran   kann 


1)  Natürlich  abgesehen  davon,  dass  sich  späte  Einlagen  unbekannter, 
wie  bekannter  Herkunft   darin  finden.  2)  In  dem  Abschnitt  A  kann 

ich  allerdings  eigentliche  Citate  nicht  nachweisen.  Was  Posse  S.  61 
darüber  sagt,  ist  vollkommen  unzutreffend.  Meine  Ausgabe  wird  das 
zeigen.  Posse  erwähnt  da  Benutzung  des  Florus  (welches  ?  Des  antiken  oder 
des  von  Lyon?),  leider  ohne  jedes  Citat.  Ich  habe  mich  vergebens  be- 
müht, zu  ermitteln,  was  er  meinte. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         595 

auch  nichts  ändern,  dass  wir  einige,  sonst  sehr  seltene 
Wendungen  nur  in  A,  einige  nur  in  B  finden.  Denn  man 
wird  in  den  Abschnitten  jeder  anderen  Schrift  dasselbe 
beobachten.  Man  wird  einwenden:  Wie  können  die  Ab- 
schnitte A  und  B  von  demselben  Verfasser  herrühren,  da 
doch  der  erstere  spätestens  1198  geschrieben  sein  muss1? 
Darauf  ist  zu  erwidern:  Das  ist  vollkommen  richtig.  Des- 
halb muss  man  annehmen,  mag  man  das  auch  unwahr- 
scheinlich finden,  dass  derselbe  Eeinhardsbrunner  Mönch, 
der  im  J.  1197/8  den  ersten  Theil  jener  wichtigen  Quelle 
schrieb,  seine  Thätigkeit  später  wieder  aufgenommen,  sein 
Werk  bis  zum  J.  1217  fortgesetzt  hat.  Unmöglich  ist  das 
nicht,  und  die  gemachten  Beobachtungen  sind  für  mich 
so  zwingend,  dass  ich  mich,  bis  ich  eines  besseren  belehrt 
werde,  für  diese  Ansicht  entscheiden  muss. 

Aber  ich  muss  noch  einen  Schritt  weiter  gehen. 
Unter  den  grossen  Verdiensten,  welche  sich  Wenck  um 
die  Forschung  der  Thüringischen  Historiographie  erworben 
hat,  ist  das  nicht  das  geringste,  dass  er  die  so  lange  un- 
beachtet gebliebene  Schrift  'De  ortu  principum  Thuringie' 
wieder  ans  Licht  gezogen 2  und  dadurch  die  Forschung 
über  die  Chronik  von  Reinhardsbrunn  und  ihre  Quellen 
auf  eine  ganz  neue  Grundlage  gestellt  hat.  In  der  Frage 
der  Abfassungszeit  dieser  Schrift  muss  man  ihm  bedin- 
gungslos zustimmen3,  sofern  man  der  Meinung  ist, 
dass  diese  Schrift  für  die  Chronik  Quelle  war. 
Sie  muss  dann  geschrieben  sein,  als  Graf  Poppo  von  Henne- 
berg (f  1190)  todt  war,  sein  Sohn  Berthold  noch  lebte 
(f  1212),  als  Dietrich  Markgraf  von  Meissen  war  (1198 — 
1221),   als  Hermann  Landgraf  von  Thüringen  war  (1190 — 


1)  Wegen  der  bekannten  Stelle  S.  69,  wo  gesagt  ist,  Graf  Dietrich 
sei  bis  auf  den  heutigen  Tag  des  Fürstenthums  (der  Mark  Meissen)  beraubt, 
die  er  im  J.  1198  zurück  erhielt.  2)  Die  dann  Waitz,  SS.  XXIV,  819  ff. 
wieder  herausgegeben  hat  unter  dem  Titel:  Historia  brevis  principum 
Thuringiae.  Aber  er  hat  wohl  nicht  recht  daran  gethan,  den  Titel  zu 
ändern,  da  der  überlieferte  wohl  alt  und  echt  ist.  Zwar  findet  er  sich 
nicht  in  unserer  Hs.  der  Chronik  von  Reinhardsbrunn.  Aber  im  Liber 
cron.  Erford.,  GQ.  der  Provinz  Sachsen  I,  201,  steht  an  der  Stelle,  wo 
im  Chron.  Reinh.  die  Benutzung  jener  Schrift  beginnt:  'De  ortu  comitum 
provincialium  in  Thuringia',  so  dass  es  scheint,  der  Verf.  dieser  Chronik 
hat  im  Chron.  Reinh.  den  obigen  Titel  gelesen  und  ihn  etwas  abgeändert 
aufgenommen.  Aus  dem  Liber  cron.  ist  er  dann  wieder  etwas  verändert 
in  Cron.  Thur.  Isenac.  c.  11,  aus  diesem  in  Hist.  Eccard.  übergegangen. 
3)  Zeitschr.  d.  V.  für  Thür.  Gesch.  N.  F.  IV,  294  f.  und  N.  A.  X,  99  ff. 
Seiner  früheren  Aeusserung  darüber,  Entst.  S.  37  f.,  gegen  die  allerdings 
einiges  zu  bemerken  war,  hatte  Waitz,  MG.  SS.  XXIV,  819,  wider- 
sprochen. 


596  Oswald  Holder -Egger. 

1217).  Denn  ganz  deutlich  wird  dieser  als  der  zur  Zeit 
des  Schreibenden  regierende  Landgraf  bezeichnet,  wie 
Wenck  bemerkte,  mit  den  Worten:  'Hermannum  illu- 
strem huius  provincie  principem  et  Saxonie  comitem 
palatinum'.  Danach  müsste  die  Schrift  zwischen  1198  und 
1212  entstanden  sein,  sie  müsste  ursprünglich  mit  C.  11 
geschlossen  haben,  was  in  C.  12  folgt,  müsste  späterer 
Zusatz  sein,  da  es  auf  die  Zeit  nach  1234  hinweist.  Und 
das  wird  dadurch  bestätigt,  dass  mit  C.  11  die  Uebereinstim- 
mung  der  Schrift  mit  Chron.  Reinhardsbr.  (S.  32)  aufhört. 

Dieses  bietet  meines  Erachtens  auch  eine  Ergänzung 
der  Schrift,  einen  kurzen  Abschnitt,  der  in  der  verlorenen 
Mainzer  Hs.,  aus  der  die  Schrift  bekannt  geworden  ist, 
ausgefallen  war.  In  dieser  Hs.  standen  die  ausgezeichnet 
genauen  und  guten  beiden  Abschnitte  über  die  Töchter 
des  Grafen  Ludwig  des  Bärtigen  und  des  Landgrafen 
Ludwigs  I.  von  der  Hand  desselben  Schreibers,  welcher 
die  ganze  Schrift  copiert  hatte,  mit  kleinerer  Schrift  ge- 
schrieben am  Rande,  obwohl  nicht  zu  zweifeln  ist,  dass 
sie  von  dem  Verfasser  des  Ganzen  herrühren.  Vielleicht 
hatte  der  Schreiber  die  Abschnitte  ursprünglich  weggelas- 
sen, sich  dann  doch  entschlossen,  sie  nachzutragen,  viel- 
leicht ahmte  er  nur  eine  Einrichtung  seiner  Vorlage  nach, 
wo  die  Abschnitte  über  die  Töchter  vielleicht  ausgerückt 
waren,  damit  die  Genealogie  der  Landgrafen  im  Mannes- 
stamme um  so  klarer  herausträte.  Nun  werden  in  C.  7 
die  drei  Töchter  des  Grafen  Ludwigs  des  Springers  ge- 
nannt, aber  nichts  weiteres  über  sie  bemerkt.  Aber  im 
Chron.  Reinh.  S.  12  finden  sich  ebenso  genaue  Nachrichten 
über  deren  Vermählung  wie  über  die  Töchter  der  Vorge- 
nannten. Der  Abschnitt  ist  durchaus  im  Charakter  der 
älteren  Schrift  gehalten.  Daher  kann  ich  nicht  zweifeln, 
dass  er  dazu  gehörte,  vom  Schreiber  der  Mainzer  Hs.  aus 
Willkür  oder  Versehen  weggelassen  ist. 

Wir  sahen  oben  (S.  581  f.),  dass  im  Chron.  Reinh.  die 
aus  der  Schrift  'De  ortu  princ.  Thur.'  entlehnten  Stücke 
mit  manchen  Zusätzen  versehen,  zuweilen  etwas  stilistisch 
verändert  erscheinen.  Die  Zusätze  können  sicher  wenig- 
stens nicht  alle  vom  Compilator  des  14.  Jh.  herrühren,  denn 
während  es  in  der  Schrift  lDe  ortu'  heisst:  'Bopponem,  qui 
in  Terra  Sancta  defunctus  filium  superstitem  Bertoldum  co- 
mitem reliquit',  steht  im  Chron.  Reinh.  S.  6 :  'Bopponem, 
qui  nobilitate  morum  et  virium  strennuitate  laudabiliter 
accinctus  post  multa  et  preclara  facinora  in  Ierosolimitano 
procinctu   quietissimo    fine  terminatus  est.     Cuius   super- 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         597 

st  es  filius  Bertoldus  comes  supereffluentibus  diviciis  am- 
pliatus  cum  sua  germanitate  in  hodiernum  diem  per- 
severat'.  Berthold  starb,  wie  bemerkt,  1212.  Nun,  diese 
Erweiterung-  jener  Quelle  kann  natürlich  nicht  von  dem 
Compilator  des  14.  Jh.  herrühren,  der  wohl  vieles,  was  auf 
vor  Jahrhunderten  lebende  Autoren  deutet,  ruhig-  mit  ab- 
schrieb, aber  unmöglich  einen  solchen  Zusatz  machen 
konnte.  Daraus  folg-t:  der  Compilator  schrieb  nicht  die 
Schrift  'De  ortu  princ.  Thur.'  in  ihrer  uns  vorliegenden 
Fassung  ab,  sondern  hatte  eine  sagen  wir  mit  Zusätzen 
versehene  Bearbeitung  derselben,  welche  vor  1212  ent- 
standen war,  zu  der  Zeit  also,  als  jener  Reinhardsbrunner 
Mönch  lebte,  der  die  Geschichte  der  Jahre  1187  — 1217 
schrieb.  Nun  zeigen  jene  Zusätze  gar  viele  und  merk- 
würdige Eigenheiten  der  seltsamen  Stilistik  dieses  Mannes. 
Schon  eine  Wortbildung  wie  'germanitas',  Geschwisterschaft, 
in  dem  oben  angeführten  Satz  erinnert  an  viele  ähnliche 
verzwickte  Worte  desselben.  In  demselben  Satz  war  von 
'Ierosolimitano  procinctu'  die  Rede 1,  und  in  Chr.  Reinh. 
S.  86,  Z.  23  liest  man  'a  procinctu  Ierosolimitano  rediens', 
und  das  Wort,  welches  wir  schon  oben  (S.  590)  als  dem 
Sprachschatz  unseres  Autors  angehörig  fanden,  kommt 
noch  etwa  15  mal,  namentlich  vom  Zug  in  das  heilige 
Land  gebraucht,  bei  ihm  vor2.  Dem  absonderlichen  'fine 
terminatus  est'  in  dem  oben  angeführten  Satz  entspricht 
bei  unserem  Autor  S.  53,  29.  'salutifera  morte  terminatus 
est'  und  S.  138,  5.  'constanti  beatoque  fine  debere  termi- 
nari ' 3. 

Bezeichnen  wir  die  Zusätze  zu  der  Schrift  'De  ortu 
princ.  Thur.'  im  Chron.  Reinh.  mit  C,  indem  wir  die  oben 
gewählten  Buchstaben  A.  B  für  jene  Abschnitte  festhalten, 
so  finden  wir  bei  C  8,  7  den  Satz:  'carnis  deponens  manu- 
bias,  magnificum  in  medio  ecclesie  mauseolum  invenit'. 
Dazu  A  59,  16.  'Confectis  .  .  .  supprema  morte  carnis  manu- 
biis' 4.  B  79.  23.  'super  defuncti  consortis  manubias  dedit 
lamenta  atque  .  .  .  famosum  .  .  .  principi  instruxit  mau- 
seolum';  143,18.  'Cuius  manubias  corporis  cum  .  .  .  pararet 
...  in  solempni  mauseolo  .  .  .  magnifice  collocare'.  Und 
noch    zweimal    begegnet   bei   unserem  Autor  dieser   in  der 


1)  Zu  'usque  in  hodiemüm    diem  perseverat'    vgl.   A  67, 16.  'usque 
in  hodiernum  diem  defensare  non  desiit' ;    69, 15.  2)  Wohl  kennen  es 

auch  andere  Autoren,  immerhin  aber  ist  der  Ausdruck  ein  gesuchter  und 
weniger  gebräuchlicher.  3)  Dieses  aus  dem  Sermo  über  den  Einsiedler 
Sifrid,   der  nachher  noch  zu  besprechen  ist.  4)  So  ist  natürlich  das 

unsinnige  'manibus'  der  Hs.  zu  verbessern. 


598  Oswald  Holder -Egger. 

Bedeutung  so  wunderliche  Ausdruck,  der  ursprünglich 
Kriegsbeute  bedeutet:  A  53,  2.  'corporeas  eiusdeni  principis 
inanubias' ;  B  94,  26.  'cum  sacratissimis  eiusdem  Virginia 
manubiis'. 

In  noch  absonderlicher  übertragener  Bedeutung  ge- 
braucht unser  Autor  das  Wort  'crepundia' 1,  welches  ein 
Klapperwerkzeug  bedeutet.  Er  sagt  B  94,  24.  'ut  solempne 
festivum  cum  lucubratioribus  crepundiis  largiores  radices 
emitteret' ;  97,21.  lregni  sui  sceptra  cum  magnis  preconio- 
rum  crepundiis  .  .  .  recepit' ;  127,3.  'quasi  triumphabat 
nuptialibus  et  letis  crepundiis'.  Und  in  C  16,  4,  wo  mit  den 
Worten  der  Schrift  'De  ortu'  über  die  Gründung  des  Klosters 
Eeinhardsbrunn  berichtet  wird,  besagt  ein  Zusatz,  das 
Kloster  werde  errichtet  'ad  ventilandum  iugiter  solempnium 
votorum  crepundia'.  Ein  so  merkwürdiger  Wortgebrauch 
wird  sich  schwerlich  auf  Zufall  zurückführen  lassen. 

In  einer  der  eben  angeführten  Stellen  war  gesagt, 
dass  Ottokar  von  Böhmen  sein  Königsscepter  'cum  magnis 
preconiorum  crepundiis'  empfing.  Und  B  83,  28  heisst 
es,  dass  der  Landgraf  Hermann  Otto  IV.  'cum  magnificis 
preconiis  regem  publice  declaravit'.  Und  A  78,  23  wird 
gesagt,  dass  die  Fürsten  den  jungen  Constantin  (Fried- 
rich II.)  'regem  .  .  .  cum  imperialibus  preconiis  et 
magnis  vocibus  declamabant'.  Da  ist  es  denn  sehr  bemerkens- 
werth,  dass  C  24, 12  in  den  Bericht  der  Schrift  'De  ortu',  wie 
Graf  Ludwig  III.  zum  ersten  Landgrafen  von  Thüringen 
von  Kaiser  Lothar  erhoben  wurde,  nur  die  Worte  einge- 
fügt werden  'cum  tumultuoso  preconio'  (nämlich  'prin- 
cipis ei  nomen  aptavit',  Worte  jener  Quelle)2.  In  anderer 
Bedeutung  bringt  C  6,  10  noch  dasselbe  Wort  für  Preis 
und  Lob,  das  Gott  dargebracht  wird :  'ecclesiam  in  memo- 
riam  s.  Blasii  .  .  .  cum  solempnibus  preconiis  instituit'. 
Und  ebenso  A  70,  13:  'inter  summa  Dei  preconia  laudesque 
altisonas'  und  B  141,24:  'offero  hie  laudis  preconium' 3. 

Das  sprachliche  Material,  welches  C  zur  Vergleichung 
bietet,  ist  nur  ein  geringes,  da  es  zuweilen  nur  wenige  Worte 
mehr  als  die  Schrift  'De  ortu'  hat,  die  grösseren  Zusätze  doch 
auch  nicht  sehr  umfangreich   sind.     Aber   dennoch  finden 


1)  Es  ist  dreimal  in  der  Ausgabe  falsch  in  'tripudia'  verändert,  nur 
einmal  richtig  stehen  geblieben.  2)  Vgl.  noch  A  46, 19.  'gloriosi  tropei 
preconiis  .  .  .  decoratus  est' ;  60,  3.  'silentibus  preconiis  summi  triumphales 
tituli  .  .  .  exsibilantur' ;  77,  15.  'cum  triumphalibus  tytulis  et  altisonis  lau- 
dum  preconiis'.  3)  Aehnlich  noch  A  69,  25.  'passim  iubet  fieri  preconia'. 
Ich  bemerke  aber,  dass  das  "Wort  auch  von  dem  Verfasser  der  Vita  Ludo- 
wici  Sancti  gebraucht  wird,  jedoch  in  anderer  Anwendung. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         599 

sich  da  weiter  so  charakteristische  Uebereinstimuiungen 
zwischen  A.  B  einerseits  und  C  andererseits,  wie  C  3,  19. 
'ab  imperatoria  audiencia  intentissime  comuiissus  prosperi- 
tatis  eventibus'.  B  87,  16.  'eisque  prosperitatis  eventibus'. 
C  2,  29.  'ut  iniperatoris  audiencie  decentissime  dispensans 
consilia1  inter  aulicos  -'  laudabiliter  functus  est'.  A  54,  2. 
'pro  consiliis  ingeniosis  apud  imperatoriam  audienciam  per- 
sepe  habitis'.  B  94,  22.  'ubi  Philippi  collateralis  provincie 
princeps  regni  consilia3  dispensare  visus  est'. 

C  2,  22.  ultimo  mortis  supplicio  penas  solvens.  — 
A  52,  8.  ad  ultimum  supplicium  deveniens.  —  B  79,  20.  dum 
eis  mortis  supplicium  intenderat;  82,  21.  ultimo  supplicio 
puniendos;   142,24.  suppremo  mortis  supplicio  torret. 

C  4,  14.  cum  innumerabilibus  adiutoriis,  —  A  51,  18. 
Visis   .   .   .  tarn  magnificis  .   .  .  adiutoriis4. 

C  2,  24.  (ad  eum)  cuius  habetur  in  manibus  oratio 5. 
—  A  56,  4.  femina,  cuius  in  manibus  est  mencio. 

C  8,  6.  processu  temporis.  —  A  61,  24.  In  processu 
autem  temporis. 

C  8,  13.  ut  .  .  .  profugis  tutissimum  ubique  predica- 
retur  asylum  (Ludewicus  comes).  —  A  76,  7.  due  civitates 
.  .  .  tutissimum  peregrinis  .  .  .  prebuerunt  asylum 6.  — 
B  85,  2.  tutum  in  Salevelt  regi  .  .  .  putans  futurum  esse 
asylum ;   125,  29.  tutum  in  Castro  Wartperg  asylum  eligitur. 

Wollen  die  letztangeführten  Parallelstellen  nicht  viel 
besagen,  so  glaube  ich  doch  so  viel  Gewicht  auf  die  ersten 
legen  zu  müssen,  dass  ich  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit 
annehmen  darf,  eben  von  dem  Verfasser  der  Abschnitte  A 
und  B  rühren  auch  diese  angeblichen  Zusätze  zu  der 
Schrift  'De  ortu  princ.  Thur.'  her,  da  wir  ja  sahen,  dass  sie 
wenigstens  theilweise  zu  seiner  Zeit  gemacht  sein  mussten. 

Aber  ich  werfe  nun  die  Frage  auf:  Ist  es  durchaus 
sicher,    dass  alles  Mehr,  was  das  Chron.  Reinh.  gegenüber 


1)  Die  Hs.  hat  'consilio'.  Nimmt  man  die  Emendation  von  Wegele 
an,  so  scheint  noch  ein  Wort  zu  'functus'  zu  fehlen.  2)  Dies  seltenere 
Wort  in  A  65, 16:  'consiliis  aulicorum  .  .  .  obsecuti  sunt' ;  65, 14.  B  117,  26. 
3)  Auch  hier  hat  die  Hs.  'consilio'.  4)  Solche  Uebergangswendungen 

wie  C  5,  20.  'Et  primo  ad  progeniem  filiarum  stilum  dirigamus'.  —  A  49,  20. 
'Nunc  ad  Lodewicum  lantgravium  stilum  dirigamus',  rühren  wohl  erst  von 
dem  Compilator  des  14.  Jh.  her.  Sicher  ist,  dass  eine  solche  S.  113,  3. 
'Modo  revertamus  ad  stilum  priorem'  zwar  nicht  von  dem  Compilator,  aber 
von  dem  noch  späteren  Schreiber  erst  herrührt,  welcher  die  lange  Interpola- 
tion S.  111, 19  — 113,  4  einschaltete.  5)  Eine  doch  nur  ähnliche  Wendung 
hatte  die  Vita  Ludowici :  110,4.  'pro  discucienda  que  ad  manus  habebatur 
materia'.  6)  Vgl.  68, 18 :  'in  quo  .  .  .  tamquam  in  fido  asylo  se  reci- 

pere  cogitavit'. 


600  Oswald  Holder -Egger. 

der  Schrift  'De  ortu'  hat,  späterer  Zusatz  ist?  Ist  es  nicht 
denkbar,  dass  die  Fassung-  der  letzteren  aus  einer  reicheren 
gekürzt  ist  ?  Man  erwäge  Folgendes :  Ist  es  nicht  auf- 
fallend, dass  ein  von  einem  Reinhardsbrunner  Mönch  in 
der  Zeit  zwischen  1198  und  1212  geschriebenes  Werk  genau 
in  derselben  Zeit  von  einem  anderen  Mönch  desselben 
Klosters  in  so  merkwürdiger  Weise  überarbeitet  sein  soll? 
Ferner,  wir  fanden  oben  (S.  596),  dass  die  vorausgesetzte 
Bearbeitung  einen  Passus  enthielt,  welcher  nothwendig  der 
Quelle  zugehören  musste  und  sich  doch  in  dieser  ange- 
nommenen Quelle  nicht  fand.  Und  diese  Quelle  reichte 
gar  weiter  herunter  (bis  1234),  als  die  Bearbeitung  gereicht 
haben  kann 1.  Wäre  es  da  nicht  möglich,  dass  die  ange- 
nommene Quelle  in  Wirklichkeit  erst  aus  der  vorausge- 
setzten Bearbeitung  nach   1234  entnommen  ist? 

Man  sehe  oben  S.  596  f.  die  Sätze  beider  Werke  über 
Berthold  von  Henneberg  an,  der  in  beiden  als  noch  lebend 
bezeichnet  wird.  Man  wird  mir  gewiss  zustimmen,  wenn 
ich  meine,  dass  der  Satz  der  Schrift  'De  ortu'  sehr  leicht 
aus  der  Fassung  in  Chron.  Reinh.  auch  nach  1234  gekürzt 
sein  kann,  wenn  der  Schreiber  der  ersten  nicht  wusste 
oder  nicht  beachtete,  dass  Berthold  zu  seiner  Zeit  schon 
todt  war.  Denn  solche  Unachtsamkeiten  bei  mittelalter- 
lichen Benutzern  älterer  Quellen  sind  durchaus  gewöhnlich. 

Man  bemerke  weiter,  dass  alle  fremden  Benutzer  der 
Schriften  unseres  Reinhardsbrunner  Verfassers  von  A  und  B, 
wie  wir  es  bei  dem  Erfurter  Chronisten  fanden 2,  an  der 
Ueberladenheit  seiner  Sprache  Anstoss  nahmen,  alle  seinen 
Wortschwall  zu  beseitigen  oder  zu  massigen  suchten3. 
Wenn  nun  C  ebenfalls  ursprünglich  in  solcher  überladenen 
Sprache  geschrieben  war,  wäre  es  da  nicht  ganz  erklärlich, 
dass  ein  fremder,  nehmen  wir  an,  ein  Mainzer  Benutzer 
dieser  Quelle  die  Wortfülle  ebenfalls  kürzte? 

Was  nun  aber  das  entscheidende  ist,  wie  die  aus  B 
entlehnte  Partie  der  Cron.  S.  Petri  eine  Fülle  von  Sprach- 
eigenthümlichkeiten  der  Reinhardsbrunner  Quelle  trotz  der 
Kürzung  erhalten  hat,  so  zeigt  auch  die  Sprache  der  Schrift 
'De  ortu  princ'  eine  ganz  unverkennbare  Aehnlichkeit  einmal 
mit  den  zu  ihr  angeblich  gemachten  Zusätzen  und  zweitens 
mit  der  von  A  und  B.  Erstere  hat  (ich  bezeichne  sie  fortan 
mit  T)   c.  2:    'Qui,    ut  aiunt,    .  .  .4   tarn   stulto  ingenio  in- 


1)  Oben  S.  596.  2)  Oben  S.  575.  3)  Nur  der  Reinhardsbrunner 
Compilator  hat  ihn,  wie  fast  alles,  was  er  schrieb,  ungekürzt  copiert. 
4)  Hier  sind  die  "Worte   eingeschoben   'ex  manica  passione',   während   im 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         601 

ventus  est,  ut  per  sentenciam  iudiciariam  habita  a  sede 
Maguntina  beneficia  sibi  subducta  sint'.  C  S.  2 :  'Qui,  ut 
aiunt,  subductis  sibi  nature  beneficiis  tarn  sterilis 
ingenii  inv.  est,  ut  per  s.  iud.  hab.  a  sede  Mog.  bene- 
ficia sibi  subducta  sint'.  Sollte  wirklich  die  beab- 
sichtigte Repetitio  erst  durch  einen  späteren  Bearbeiter 
hineingebracht  sein?  Mir  erscheint  das  nicht  sehr  glaub- 
lich. 

In  Tel  heisst  es :  'suisque  eum  consiliis  nunquam 
deesse  passus  est'.  C  3,  23  steht  derselbe  Satz.  Aber  da 
liest  man  auch  15,  23:  'ut  .  .  .  eorum  consiliis  in  nullo 
rerum  argumento  omnino  deesset'  und  3,  3 :  'et  regio  lateri 
nullatenus  deesse  presumpsit'. 

In  T  c.  5  steht:  'Qui  (Ludowicus  II.)  per  temporum 
incrementa  divieiis  et  etate  proficiens',  welcher  Satz  auch 
C  8,  11  steht.  Aber  schon  an  früherer  Stelle  5,  1  heisst  es 
da  von  Graf  Ludwig  I. :  'divieiis  et  prosperitate  proficiens'. 

In  T  c.  4 :  'coniugem  .  .  .  aeeepit  matrimonialiter'  = 
C  5,  2.  'aeeepit  in  coniugium  matrimonialiter'.  Und  ebenda 
5,21:  'comiti  .  .  .  matrimonialiter  coniungitur' 1  und  12,  9: 
'comiti  .  .  .  matrimonialiter  coniuneta'  und  24,  19 :  'regi 
matrimonialiter2  copulata'. 

In  T  c.  11  heisst  es:  'totius  virtutis  accinetus  poten- 
cia',  welche  Worte  C  32,  8  wiederholt  sind.  Aber  schon 
6,  18  liest  man  da  in  dem  schon  oben  S.  596  angeführten 
Satz:  'qui  nobilitate  morum  et  virium  strennuitate  lauda- 
biliter  accinetus'  3. 

In  T  c.  6 :  'montem  .  .  .  oecupavit  et  ibi  .  .  .  inex- 
pugnabile  castrum  erexit4.  In  C  4,  15:  'ut  .  .  .  montem 
.  .  .  oecuparet,  municionem  erigeret  et  inexpugnabile  sibi 
castrum  constitueret' 5. 


Chr.  Reinh.  nachher  gesagt  ist,  dass  der  Graf  'sive  laborans  manie  morbo, 
sive  quod  in  alterum  beneficia  sua  delata  essent,  et  inde  cordis  dolore 
permotus'  den  'invasorem  suorum  beneficiorum'  getödtet  habe.  Es  ist  mir 
nicht  zweifelhaft,  dass  das  letztere  auch  hier  das  ursprüngliche,  der  "Wort- 
laut in  T  die  Folge  kürzender  Veränderung  ist.  (Wohl  aber  ist  es  mög- 
lich, dass  an  der  letzteren  Stelle  anstatt  'manie  morbo'  'manica  passione' 
in  der  Quelle  ursprünglich  stand.  Vgl.  oben  S.  591.)  Unzweifelhaft  ist 
der  Sinn  im  Chr.  Reinh.,  wonach  der  Graf  wegen  mangelnder  Naturgaben 
dumm  war,  dann  im  Wahnsinn  oder  aus  anderer  Ursache  Jemand  erschlug, 
vernünftiger  als  der  in  T,  wonach  der  Graf  aus  Wahnsinn  dumm  war. 
1)  In  T  c.  4  nur:   'comiti  .  .  .  coniuneta1.  2)  In  T  c.  10    fehlt  hier 

matrim.';  vgl.  Tel:  'matrimonio  copulaverat'.  3)  Vgl.  B  144,  11:  'apo- 
stolica  accinetus  magnanimitate'.  4)  Der  Satz  hat  auch  in  C  gestanden, 
wie  ich  an  anderer  Stelle  nachweise,  ist  nur  in  der  Hannoveraner  Hs. 
ausgefallen.  5)  Dafür  in  T  c.  5  nur  einfach  'edifieavit  castellum'.  Man 
könnte  diese  "Worte   deshalb   für  original   halten,   weil  in  der  gefälschten 


602  Oswald  Holder -Egger. 

T  hat  in  demselben  Cap.  den  Satz:  'partem  eiusdern 
silve  ei  auctoritate  sua  contulit'.  Dafür  C  4,  17 :  'partem 
eiusdern  silve  per  largicionem  regiam  auctoritate  sua 
sibi  contulit'.  Und  auch  in  T  lesen  wir  c.  6:  'eidem  lar- 
gicione  regia  castrum  .  .  .  delegatum  est',  c.  9:  'im- 
peratoria  largicione  sollempniter  extulit'1.  Ist  es 
nicht,  als  ob  der  präsumptive  Bearbeiter  förmlich  darauf 
versessen  gewesen  wäre,  die  Redensarten  seiner  angeblichen 
Quelle  theils  zu  wiederholen,  theils  vorweg  zu  nehmen? 

Es  kommt  dazu,  dass  in  T  c.  6  folgende  dem  Autor 
von  A  und  B  eigene  und  oft  von  ihm  wiederholte  Redens- 
arten vorkommen,  welche  ich  schon  oben  anführte :  'cum 
fortibus  tocius  provincie  auxiliariis'  =  oben  S.  593 ;  'indi- 
genas  usque  in  hodiernum  diem  honorifice  protexit'  = 
C  11,  10  =  oben  S.  597,  N.  1;  'Qui  eciam  imperialibus 
prediis2  tarn  acriter  institit'  =  C  11,  11  =  oben  S.  592. 
Aus  dem  kurzen  Schriftchen  T  lassen  sich  dann  noch  fol- 
gende zum  Theil  auffällige  Wendungen  und  Ausdrücke 
anführen,  welche  mit  dem  Sprachgebrauch  von  A  und  B 
übereinkommen,  c.  2 :  'ad  pontificis  consistorium  audenter 
intravit' 3    =    A  64,  8.   'in  consistorio  principis' ;    73,16.   'in 


Urkunde  Heinrichs  III.  (St.  2266),  deren  Worte  mit  C  und  T  hier  über- 
einstimmen, es  heisst:  'concessimus  edificare  castellum'.  Aber  jene  Worte 
sind  so  gewöhnlich  und  naheliegend,  dass  gewiss  ein  abkürzender  Schreiber 
auf  sie  verfallen  konnte,  auch  wenn  er  die  Worte  von  C  in  seiner  Quelle 
las.  Und  in  zwei  anderen  kleinen  Wendungen  kommt  wieder  C  mit  dem 
Diplom  näher  überein.  Denn  dieses  hat:  'in  confinio  Loibae  silvae, 
cuius  partem  complurimam,  quam  eidem  comiti  ad  id  negotium  pius  ge- 
nitor  noster  regia  auctoritate  donavit'.  C:  'veniens  in  Thuringiam  in 
confinio  silve  que  Loybe  dicitur  .  .  .  ut  .  .  .  iuxta  Loybam  montem 
.  .  .  occuparet  .  .  .;  ad  quod  negocium  imperator  quam  plurimam 
partem  eiusdern  silve  per  largicionem  regiam  auctoritate  sua  sibi  con- 
tulit'. T :  'iuxta  Loibam  silvam  .  .  . ;  ad  quod  negocium  r  e  x  quam  pluri- 
mam partem  eiusdern  silve  ei  auctoritate  sua  contulit1.  Das  'imperator' 
in  0  scheint  deshalb  ursprünglich  gegenüber  'rex'  in  T,  weil  die  gefälschte 
Urkunde  Konrads  II.,  von  dem  hier  die  Rede  ist  (St.  2121),  mit  welcher 
er  einen  grossen  Theil  des  Loibe -Waldes  dem  Grafen  schenkt,  von  ihm 
als  'imperator1  ausgestellt  sein  soll.  Und  in  dieser  Urkunde  best  man: 
'ob  interventum  dilectissimae  contectalis  nostrae  Gislae1,  in  C  2, 25 
(freilich  in  anderer  Verbindung):  'ob  interventum  Gysele  imperatri- 
cis1,  in  T  c.  1:  'Gislam  .  .  .  Cuius  interventu1.  1)  Wiederholt  in  C  11,  13. 
24,  11.  2)  Waitz  nahm  an  'prediis  .  .  .  instare1  Anstoss  und  vermuthete 
SS.  XXIV,  821,  N.  h  'preliis1,  wie  auch  Hist.  landgr.  Eccard.  hat.  Aber 
'prediis1  ist  durchaus  richtig.  Denn  B  hat  99,  3 :  'particularibus  villis  spo- 
liando  per  incendia  crudeliter  inminebant1,  und  der  Autor  braucht  'in- 
stare1 und  'inminere'  oft  in  ganz  gleicher  Bedeutung.  Es  ist  doch  merk- 
würdig, dass  der  Sprachgebrauch  von  B  den  von  T  erklärt  und  bestätigt. 
3)  Auch  0  2,  16  ist  'audenter1  statt  'audacter1,  wie  die  Hannover.  Hs.  hat, 
zu  lesen.     Das  Wort  ist  gewiss  selten  und  hier  bemerkenswerth. 


Studien  zu  Thüringischen  Gesehichtsquellen.    II.         603 

consistorio  imperiali';  63,4.  'auxiliarios  .  .  .  audenter  in 
pugnam  adducit' ;  52,9.  'audenter  dicimus'.  —  T  c.  4:  'cum 
ceteris  honorificis  impendiis' l  =  A  49,  15.  lvenerabilibus 
impendiis  inibi  sepultum  est' ;  52,  3.  'post  innumera  elemo- 
sinarum  impendia';  B  126,  21.  'nuptiarum  impendia  cum 
gloriosis  expensis  procurantur'.  —  T  c.  4  zweimal :  'ex  here- 
ditaria  successione'  =  A  59,  11.  'quasi  successione  heredi- 
taria' ;  78,22.  'quasi  hereditarie  successionis'.  —  T  c.  5: 
'felicibus  auspiciis  progenitus'  =  B  126,  25.  'de  felicibus 
auspiciis' ;  A  45,  16.  'tempore  .  .  .  melioribus  auspiciis  per- 
acto' 2.  —  T  c.  6 :  'sepe  principibus  .  .  .  terrorem  ingerens' 
=  A  63,  15.  'hiis  .  .  .  terrorem  ingessit' ;  B  87,  16.  'timidis 
.  .  .  terrorem  .  .  .  ingessit' ;  106,  20.  'terrorem  .  .  .  ipsi  .  .  . 
innerere'.  —  T  c.  8 :  'omnibus  quibus  potuit  modis  eam 
extulit'  =  B  93,  9.  'ut  .  .  .  quibus  posset  modis  .  .  .  cle- 
ricos  .  .  .  induceret' ;  117,  17.  'cum  .  .  .  imperium  .  .  . 
modis  .  .  .  quibus  potuit  usurpasset'.  —  T  c.  8 :  'novissi- 
mum  exalans  spiritum'  =  B  144,  21.  'novissimum  .  .  .  spiri- 
tum  exalarunt'.  —  T  c.  9.  'reus  maiestatis  effectus'  = 
A  65,  18.  'maiestatis  reos'.  —  T  c.  11.  'pace  et  bello  supra 
modum  gloriosus  enituit'  =  B  104,  6.  'qualiter  ...  in  sua 
acie  et  quam  viriliter  enituit' ;  92,  8.  'cuius  virtus  pre 
cunctis  .  .   .  principibus  domi  belloque  enituit'. 

So  haben  wir  jeden  bemerkenswerthen  Ausdruck,  fast 
jede  auffällige  Wendung  des  kleinen  Schriftchens  T  in  A 
und  B  wiedergefunden,  und  deren  können  nicht  viele  sich 
finden  lassen,  wenn  es  richtig  ist,  dass  T  die  Wortfülle  und 
damit  charakteristische  Phrasen  seiner  Quelle  zu  beseitigen 
sich  bemühte.  Wir  fanden  weiter,  dass  die  Sprache  von  C 
gänzlich  die  von  A  und  B,  aber  auch  die  von  T  ist.  Wir 
sahen,  dass  sie  in  C  aus  einem  Guss  ist,  dass,  was  C  mehr 
als  T  bietet,  durchaus  wieder  der  Sprache  von  T  entspricht. 
Halten  wir  damit  die  Thatsache  zusammen,  dass  die  Ver- 
fasser von  C  und  B  zu  derselben  Zeit  in  Reinhardsbrunn 
gelebt  und  geschrieben  haben  müssen,  dass  T  um  circa 
20 — 30  Jahre  weiter  herabreicht  als  C,  dass  der  Autor  von 
T  keineswegs  ein  Reinhardsbrunner  Mönch  gewesen  sein 
muss,  als  welchen  er  sich  nicht  zu  erkennen  giebt,  dass  T 
ein  Passus  fehlt,  der  in  der  vorausgesetzten  Quelle  C 
nothwendig  gestanden  haben  musste,  so  bleibt  nichts  übrig 
als  zu  schliessen,  dass  T  aus  C  verkürzt  ist,  dass  der  Ver- 
fasser von  A  und  B  auch  der  von  C  ist. 


1)  Das  Wort  ist  im  Mittelalter  sehr  selten.    Vgl.  C  12,  4. 
honorabilibus  impensis  nobilitavit'.         2)  Vgl.  oben  S.  589. 


604  Oswald  Holder -Egger. 

Was  gegen  diese  Ansicht  zn  sprechen  scheint,  ist  in 
der  That  mehr  Schein  als  sachlich  begründetes  Argument. 
Es  war  in  erster  Linie  die  grössere  Gedrungenheit  der  Er- 
zählung, die  grössere  Einfachheit  der  Sprache,  welche 
o-egeniiber  den  entsprechenden  Partieen  der  Chronik  die 
Schrift  'De  ortu'  als  die  Quelle  jener  erscheinen  Hess. 
Aber  genau  dasselbe  Argument  hat  zu  dem  falschen  Schluss 
geführt,  dass  die  Cron.  S.  Petri  für  die  Reinhardsbrunner 
in  dem  Abschnitt  1209 — 1215  Quelle  sei.  Das  Verhältnis 
von  C  zu  T  ist  genau  dasselbe,  wie  das  jener  beiden 
Quellen  in  dieser  Partie.  Dieser  Beweisgrund  ist  also 
keiner.  Nachdem  wir  an  das  stilkünstlerische  Gespenst 
nicht  mehr  glauben,  ist  es  wirklich  nicht  leicht  zu  be- 
greifen, warum  ein  Späterer  für  'nulli  servire  voluit'  in 
T  c.  2,  in  C  2,  5  mit  wunderlicher  Wendung  geschrieben 
haben  soll  'nulli  hominum  neque  ulli  sexuum  servire  vo- 
luit', zumal  sicher  ist,  dass  dem  Compilator  der  Chronik 
es  nicht  in  den  Sinn  kam,  derartige  stilistische  Scherze 
sich  zu  leisten.  Aber  sehr  leicht  begreifen  wir,  dass  ein 
Späterer,  dem  es  um  die  Sache,  nicht  um  Worte  zu  thun 
war,  den  Wortlaut  in  T  aus  C  kürzte,  ganz  wie  es  sicher 
der  Erfurter  Chronist  gegenüber  seiner  Quelle  that.  Oder 
was  veranlasste  den  Späteren  in  C  2,  24  zu  schreiben:  'bene- 
ficia  ...  ad  eum,  cuius  habetur  in  manibus  oratio,  Lode- 
wicum  dico  1,  solempniter  devoluta  sunt',  wenn  er  in  seiner 
Quelle  las,  wie  in  T  c.  2  steht:  'beneficia  ...  ad  eundem 
Ludewicum  devoluta  sunt'  ?  Der  letztere  Wortlaut  ist  bei 
Tendenz  des  Schreibers  zur  Kürzung  aus  dem  ersten  aller- 
dings sehr  erklärlich.  Und  warum  gab  wohl  der  Spätere 
in  C  7,  10  der  Mathilde,  Gemahlin  Ludwigs  von  Wippra, 
das  ehrende  Prädikat  'pie  memorie',  welches  T  c.  4  nicht 
hat?  Aehnliche  Eragen  kann  man  viele  auf  werfen,  und 
wird  nie  eine  befriedigende  Antwort  erhalten 2. 

1)  Vgl.  B  115, 17.  'hostibus  suis,  lantgravio  dico'  etc.  2)  Wenck 
hatte  ursprünglich  ganz  richtig  gesehen  (Entst.  S.  38),  dass  wir  in  T 
'nicht  die  originalste  Gestalt  des  Schriftchens  (C)  besitzen,  diese  aber  dem 
Reinhardsbrunner  Compilator  vorlag'.  Aber  auf  den  Widerspruch  von 
Gr.  Waitz,  SS.  XXIV,  819,  der  freilich  die  Frage  nicht  eingehend  unter- 
sucht hat,  verwarf  "Wenck  seine  frühere  Ansicht  (Zeitschr.  f.  Thür.  Gesch. 
N.  F.  IV,  295)  und  beschränkte  sie  (N.  A.  X,  99  f.)  dahin,  dass  nur  das 
12.  Capitel  in  T  späterer  Zusatz,  sonst  dieses  die  originale  Quelle  sei.  In 
beiden  Fällen  hat  ihn  Wegele's  und  sein  vertrackter  Stilkünstler  gehin- 
dert, das  Richtige  zu  sehen.  Waitz'  Ansicht  ist  dann  allgemein  angenom- 
men. Wattenbach,  GQ.  6.  Aufl.  II,  369  referiert  so,  als  ob  die  von  mir 
hier  vorgetragene  Ansicht  von  Wenck  vertreten  wäre.  Das  hat  er  aller- 
dings nie  gethan,  wegen  des  Stilkünstlers  nicht,  aber  wohl  ehedem  gefühlt, 
dass  es  die  richtige  sei. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         605 

Aber  auch  ganz  gute  Nachrichten  finden  sich  in  den 
angeblichen  Zusätzen  von  C  nicht  selten,  die  in  T  ver- 
stümmelt oder  übergangen  sind.  T  hat  c.  4 :  'Gebehardum 
.  .  .,  qui  Cellam  Sancti  Blasii  ad  monasterium  Reinhers- 
burn  contulit'.  Dafür  hat  C  6,  6:  lqui  Gebehardus  Cellam 
Sancti  Blasii  cum  omnibus  suis  circumiacenciis  intuitu 
mercedis  eterne  ad  monasterium  Reynarsborn  solempniter 
contulit  et  in  cella  prenominata  ecclesiam  in  memoriam 
sancti  Blasii  martiris  cum  solempnibus  preconiis  instituit'  K 
Also  hier  nur  wird  gesagt,  dass  Zella  Blasii  von  Gebhard 
von  Nordeck  gestiftet  wurde.  Man  wird  gewiss  zugeben 
müssen,  dass  T  sehr  wohl  seinen  Satz  aus  der  ausführ- 
licheren Nachricht  von  C  durch  Kürzung  gemacht  haben 
kann 2.  Ich  entnehme  aus  dieser  und  anderen  Stellen,  dass 
der  Autor  von  T  kein  Reinhardsbrunn  er  Mönch  war,  da  er 
für  die  Nachrichten,  welche  dieses  Kloster  betreffen,  ge- 
ringes Interesse  zeigt. 

Namentlich  wohl  deshalb  hat  man  das  Verhältnis  von 
T  zu  C  nicht  gleich  richtig  erkannt3,  weil  ja  C  in  der 
Chronik  uns  keineswegs  so  geschlossen  wie  T  vorliegt,  son- 
dern durch  die  verschiedenen  Quellen  entnommenen  Ein- 
lagen und  eigenen  Zusätze  des  Compilators  zerrissen  und 
mit  fremdartigen  Bestandteilen  durchsetzt  ist.  Auch  hat 
ja  die  Chronik  keineswegs  überall  den  Wortlaut  der 
Quelle  C  besser  bewahrt  als  T.  Das  versteht  sich  deshalb 
schon  von  selbst,  weil  eben  die  Theile  der  Quelle  zerrissen 


1)  S.  oben  S.  598.  2)    Auch    die   in  T   fehlenden  Worte  von 

C  1, 22  'ex  Francis  oriundi  eis  Renum'  (seil.  Ludewicus  Cum-barba  et 
Hugo ;  und  C  3,  21.  22)  sind  schwerlich  späterer  Zusatz.  Dass  sie  etwas 
ganz  Richtiges  aussagen,  erweist  die  recht  gute  Untersuchung  von  A.  Gross, 
Die  Anfänge  des  ersten  Thüring.  Landgrafenhauses.  Göttinger  Diss. 
1880.  3)  Der  einzige  einigermassen  begründete  Einwand,  welcher  gegen 
meine  Ansicht  gemacht  werden  kann,  ist  folgender.  Dass  Poppo  von 
Henneberg  in  der  Schlacht  an  der  Streu  1078  fiel,  entnahm  der  Autor 
vielleicht  Ekkehards  Chronik,  wo  es  heisst:  'Ex  parte  quoque  regis  Hein- 
rici  Poppo,  vir  mire  fortis,  oeeubuit'.  Nun  hat  T  c.  4:  'in  atrocissimo 
bello,  quod  fuit  in  Strowi,  oeeubuit',  C  6, 2  aber :  '  in  atrocissimo  hello, 
quod  habitum  fuit  in  Strowe,  multis  sauciatus  vulneribus  fata- 
liter  oeeubuit'.  T  scheint  also  näher  zu  Ekk.  zu  stehen  als  C.  Aber 
selbst,  wenn  Ekk.  hier  Quelle  wäre,  was  nicht  gewiss  ist,  war  es  sehr 
natürlich,  dass  T  die  gesperrten  Worte  seiner  Quelle  bei  seiner  Tendenz 
zur  Kürzung  wegliess.  Denn,  wenn  Jemand  in  der  Schlacht  fällt,  so  ge- 
schieht das  eben  in  Folge  ihm  beigebrachter  Verwundung,  und  es  konnte 
für  den  kürzenden  Autor  von  T  sehr  gleichgültig  sein,  ob  der  Mann  an 
einer  tödtlichen  Verwundung  oder  an  vielen  Wunden  starb.  Dass  Ekk. 
hier  Quelle  war,  wird  deshalb  zweifelhaft,  weil  er  nichts  davon  sagt,  dass 
die  Schlacht  ein  'atrocissimum  bellum'  war,  was  ganz  richtig  ist,  und  weil 
das  auszeichnende  Prädikat,  welches  er  Poppo  gießt,  nicht  in  CT  erscheint. 

Neues  Archiv  ete.    XX.  40 


606  Oswald  Holder -Egger. 

und  mit  anderen  Stücken  verbunden  sind.  So  ist  gleich 
der  Eingang  der  Quelle  C  deshalb  in  der  Chronik  abge- 
ändert, weil  dem  Compilator  die  in  C  erwähnte  Verwandt- 
schaft der  Kaiserin  Gisela  mit  den  Grafen  Hugo  und 
Ludwig  den  Anlass  bot,  eine  Stelle  aus  Gotfrids  von 
Viterbo  Pantheon  aufzunehmen,  in  welcher  über  die  Ab- 
kunft der  Gisela  von  den  Karolingern  gehandelt  war. 
Meist  hat  indessen  die  Chronik  den  ursprünglichen  Wort- 
laut. In  jedem  Falle  hat  man  beide  Ableitungen  heran- 
zuziehen, um  den  Wortlaut  und  die  Reihenfolge  der  Nach- 
richten von  C  festzustellen. 

Aber  nicht  nur  einzelne  Sätze  gekürzt  hat  der  Autor 
von  T,  sondern  ich  bin  der  festen  Ueberzeugung,  dass  er 
auch  längere  Partieen  der  Quelle  weggelassen  hat.  Ich 
muss  durchaus  die  Erzählung  von  der  Gründung  des  Klo- 
sters Reinhardsbrunn  (S.  14  ff.  der  Chronik)  der  Quelle  C 
zuschreiben.  Das  lehren  mich  Darstellungsart  und  Sprache1 
dieses  Abschnittes 2.  Eine  nothwendige  .Folge  davon  ist, 
dass  auch  etwas  über  die  Ermordung  des  Pfalzgrafen 
Friedrich  durch  den  Grafen  Ludwig  in  der  Quelle  ge- 
standen haben  muss.  Wie  weit  aber  diese  Erzählung  in 
der  Chronik  (S.  9  ff.)  der  Quelle  entnommen,  wie  weit  ab- 
geändert ist,  ist  eine  schwer  zu  entscheidende  Frage. 
Charakteristische  Eigenthümlichkeiten  der  Stilistik  des 
alten  Autors  zeigt  sie  nicht 3.  Wenck  hat  die  Erzählung 
wegen  der  da  berichteten  romantischen  Liebe  des  Grafen 
zur  Pfalzgräfin  als  späteren  Zusatz  des  Ueberarbeiters  ver- 
urtheilt4.  Aber  für  so  sicher  kann  ich  das  nicht  halten. 
Im  12.  Jh.  war  das  Gerücht  verbreitet,  dass  Graf  Ludwig 
den  Pfalzgrafen,  dessen  Gemahlin  er  heirathete,  hat  er- 
morden lassen 5.  Das  hat  man  auch  in  Reinhardsbrunn 
gewusst.      Dass   man    nun    den   Mord    mit    der   Liebe    des 


1)  Zu  den  schon  oben  angeführten  Wendungen  dieses  Abschnittes 
bemerke  ich  noch  15,  16 :  'devocionis  bonum  .  .  .  tandem  perduxit  usque 
ad  effectum1.  Dazu  B 120, 28 :  'quod  affectabat  ad  effectum  usque  per- 
duxit'. 2)  Sein  Eingang  aber  (S.  14,  5),  nach  einer  Ekkehard  -  Stelle,  in 
der  über  Heinrichs  IV.  Aufenthalt  in  Italien  berichtet  ist :  'Interea  dum 
hec  in  Ytalia  aguntur1,  muss  natürlich  vom  Compilator  herrühren.  Es 
kann  selbstverständlich  kein  Gewicht  darauf  gelegt  werden,  dass  diese  so 
gewöhnliche  Uebergangsformel  auch  bei  A  71,  25  und  JB  97,  5  erscheint. 
3)  Sicher  ist,  dass  S.  9,  Z.  19 — 21  die  Nachricht  über  die  angebliche  erste 
Gemahlin  Ludwigs  II.  aus  einer  misverstandenen  Stelle  des  Ekkehard  vom 
Compilator  gemacht  ist,  wie  Wegele  anmerkte.  4)  Entst.  S.  37.  5)  Als 
Thatsache  berichtet  das  Ann.  Saxo  1056,  SS.  VI,  690.  Die  Chronik  von 
Goseck  II,  3,  SS.  X,  152  sagt,  dass  des  Pfalzgrafeu  Sohn  seinem  Stief- 
vater Ludwig  den  Mord  seines  Vaters  vorwarf.    Vgl.  ebenda  I,  15,  S.  146. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.  607 

Grafen  zur  Ffalzgräfin  zu  begründen  und  zu  beschönigen 
suchte,  der  Adelheid  die  Hauptschuld  daran  zuschob,  ist 
doch  bei  einem  Mönch  des  von  dem  Grafen  gestifteten 
Klosters  sehr  erklärlich.  Ich  sehe  nicht  ein,  warum  das 
nicht  eben  so  gut  um  1200  als  später  geschrieben  sein 
kann.  Und  was  die  Romantik  der  Erzählung  anbetrifft,  so 
frage  ich,  ob  denn  spätere  Eeinhardsbrunner  Mönche  ge- 
eigneter waren,  das  Liebesmotiv  in  die  Erzählung  einzu- 
führen, als  ein  solcher,  der  zur  Zeit  von  Minnesangs  Früh- 
ling lebte,  zu  einer  Zeit,  als  die  Liebesdichtung  namentlich 
am  Hofe  des  Landgrafen  Hermann  von  Thüringen  blühte. 
Eine  Schuld  des  Grafen  und  seine  Gewissensbisse  darüber1, 
welche  ihn  zur  Gründung  des  Klosters  Eeinhardsbrunn 
veranlassten,  kennt  auch  T,  wo  das  mit  den  Worten  der 
Chronik  berichtet  wird.  Das  8.  Capitel  in  T  kann  sehr 
wohl  ein  dürftiger  Auszug  einer  viel  reicheren  Erzählung 
von  C  gewesen  sein,  wie  sie  in  der  Chronik  im  wesent- 
lichen vorliegt.  Denn  es  ist  ganz  erklärlich,  dass  ein 
fremder  kürzender  Benutzer  von  C,  der  für  die  Motivierung 
der  Gründung  von  Eeinhardsbrunn  kein  grosses  Interesse 
hatte,  diese  und  damit  die  Erzählung  von  der  Blutschuld 
des  Grafen  wegliess.  Damit  ist  natürlich  nicht  gesagt, 
dass  die  Chronik  überall  in  dem  Bericht  die  Worte  der 
Quelle  besser  wiedergiebt.  Im  Gegentheil  stehen  die 
Schlusssätze  des  Capitels  8  in  T  dieser  sicher  weit  näher 
als  die  Chronik2. 

Sicher  als  spätere  Einlagen  sind  aber  ausser  den  be- 
kannten Quellen  entnommenen  Partieen  in  dem  ersten 
Theil  der  Chronik  zu  erkennen  das  gefälschte  Privileg 
Konrads  IL  für  Ludwig  I.  mit  den  Eingangsworten 3,  die 
Erzählung  vom  Bau  der  Wartburg4,  welche  überhaupt  ur- 
sprünglich   garnicht    in    der    Chronik    stand,    sondern    erst 

1)  AVelcher  Art  das  Herzensgeheimnis  war,  welches  der  Graf  seineu 
Vertrauensmännern  beichtete,  und  warum  er  Gewissensbisse  fühlte,  bleibt 
in  T  unklar.  Nun  wird  man  sagen,  wie  Waitz,  SS.  XXIV,  821,  N.  10, 
der  Autor  hat  die  Blutschuld  des  Grafen  nur  vorsichtig  andeuten  wollen, 
und  das  ist  ja  ganz  wahrscheinlich,  nur  braucht  das  Wahrscheinliche  noch 
nicht  das  Richtige  zu  sein.  Und  hier  kann  es  meinem  TJrtheil  nach  nicht 
richtig  sein.  2)  In  dieser  ist  vielleicht  die  Ableitung  des  Namens  Rein- 
hardsbrunn von  dem  Töpfer  Reinher  (S.  16),  sicher  das,  was  über  die 
Schenkungen  des  Grafen  an  das  Kloster  gesagt  wird  (S.  17),  zumeist  spä- 
terer Zusatz,  denn  der  Satz  von  T  'omnibus  quibus  potuit  modis  eam  ex- 
tulit',  welcher  in  der  Chronik  fehlt,  muss  in  der  Quelle  C  gestanden 
haben.  Ebenso  gehörte  dieser  an  die  Datierung  der  Klostergründung  in 
T  und  was  da  über  den  Tod  des  Grafen  gesagt  wird.  Beides  fiel  in  der 
Chronik  wegen  der  annalistischen  Einordnung  dieser  Ereignisse  zu  1085 
und  1123  aus.         3)  S.  4,  Z.  19  ff.         4)  S.  8,  Z.  15—24. 

40* 


608  Oswald  Holder -Egger. 

später  interpoliert  ist,  wie  sich  in  einem  folgenden  Abschnitt 
zeigen  wird.  Ferner  die  Fabel  von  dem  Sprunge  Lud- 
wigs II.  vom  Giebichenstein 1,  welche  in  der  Sprache  nicht 
die  Spur  einer  Aehnlichkeit  mit  der  der  alten  Quelle  zeigt 2. 
Dann  alle  die  Stellen  über  dem  Kloster  gemachte  Schen- 
kungen, welche  aus  Urkunden  und  vielleicht  aus  einem 
Traditionsbuch  excerpiert  sind,  um  von  kleineren  Zusätzen 
zu  geschweigen 3. 

Die  Schrift  C  war  zwischen  1198  und  1212  abgefasst, 
da  in  beiden  Ableitungen  derselben,  der  Chronik  und  T, 
Berthold  II.  von  Henneberg  (f  1212)  als  lebend  erwähnt, 
da  Dietrich  als  Markgraf  von  Meissen  (1198  — 1221)  ge- 
nannt wird.  Mit  dieser  Entstehungszeit  der  Schrift  ist 
gänzlich  unvereinbar,  was  A.  Naude i  behauptet,  dass  das 
gefälschte  Diplom  Heinrichs  III.  (St.  2266)  darin  benutzt 
sein5  und  doch  dieses  Diplom  erst  nach  dem  Jahr  1215 
gefälscht  sein  soll.  Eins  von  beiden  muss  nothwendig 
falsch  sein.  Gegen  die  frühere  Ansicht  von  Wenck ';,  dass 
umgekehrt  diese  Fälschung  und  die  Konrads  II.  (St.  2121) 
einige  Angaben  der  Schrift  'De  ortu'  entlehnt  haben,  sind 
Gründe  geltend  gemacht  worden 7,  welche  beachtenswerth 


1)  S.  12,  Z.  16—21.  13,  Z.  3—24.  2)  Hätte  jener  Stilkünstler 

existiert,  so  sollte  man  meinen,  von  ihm  sei  diese  späte  Einlage  gemacht 
oder  doch  wenigstens  auch  mit  seiner  Stilkunst  verziert.  Aber  sie  ist 
nur  ungeschickt  geschrieben.  3)  Z.  B.  S.  4,  Z.  4.  5  'de  Glychen1  und 
'de  Kevernberg  comitibus1,  und  S.  1,  Z.  28—2,  Z.  2  wohl  wenigstens  zum 
Theil.  Oder  S.  32,9  'et  Conradi',  durch  welchen  Zusatz  er  (wie  schon 
S.  31,  Z.  2,  wo  'Conradi1  in  der  Ausgabe  ausgefallen  ist)  die  Jutta  zur 
Schwester  ihres  Oheims  macht.  4)  Die  Fälschung  der  ältesten  Rein- 

hardsbrunner  Urkunden  S.  85  f.  5)  Freilich  meinte  er    (S.  86,  N.  1), 

die  Urkunde  sei  nicht  in  dem  Werk  schon  ursprünglich  benutzt  gewesen, 
sondern  erst  in  deren  überarbeiteter  Gestalt  T.  Aber  er  hat  sich  wenig 
um  die  chronistische  Litteratur  von  Reinhardsbrunn  in  seinem  sonst  so 
verdienstlichen  Buch  gekümmert,  sonst  würde  er  gefunden  haben,  dass  in 
der  Chronik  S.  3  f.,  auf  welcher  die  Annahme  einer  Ueberarbeitung  von 
T  doch  allein  beruhen  konnte,  fast  genau  dieselben  mit  jenem  Diplom 
übereinstimmenden  "Worte  stehen  wie  in  T.  Es  ist  also  sicher,  dass  die 
Quelle  C  schon  jene  Worte  hatte.  Nähme  man,  meint  Naude,  seinen  eben 
zurückgewiesenen  Vorschlag  nicht  an,  so  müsse  man  die  erste  Abfassung 
der  Chronik,  er  meint  der  Quelle  C,  in  die  Zeit  nach  dem  .1.  1227  ver- 
legen. Das  ist  denn  aber  gegenüber  der  Thatsache,  dass  in  beiden  Ab- 
leitungen von  C  der  terminus  ad  quem  der  Abfassung  das  J.  1212  ist, 
eine  mehr  als  überkühne  Zumuthung,  die  sich  nur  daraus  erklärt,  dass 
sich  Naude  nicht  genau  über  diese  Fragen  orientiert  hat.  Viel  sicherer 
wird  man  annehmen  können,  dass  sich  Naude  in  einer  seiner  Behauptungen 
geirrt  hat.  Wie  AVenck,  Zeitschr.  f.  Thür.  Gesch.  N.  F.  IV,  295  bei  der 
gegebenen  Sachlage  der  ersten  Hypothese  von  Naude  zustimmen  konnte, 
ist  mir  nicht  klar.  6)  Entst.  S.  40.  7)  A.  Gross  a.  a.  0.  S.  10  ff. 

und  von  Wenck  selbst,  Zeitschr.  f.  Thür.  Gesch.  N.  F.  IV,  295  f.     Naude 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.  609 

sind,  aber  doch  nicht  durchschlagend  erscheinen.  Ueberzeugt 
man  sich  aber,  dass  die  Urkunden  wirklich  in  der  Schrift  C 
benutzt  waren,  so  ist  es  sicher,  dass  sie  mehrere  Jahre  vor 
1212  gefälscht  sind.  Das  Capitel  über  die  Zeit  der  Fäl- 
schung der  Eeinhardsbrunner  Urkunden  in  der  sonst  vor- 
trefflichen Schrift  von  Naude  ist  sicher  das  schwächste, 
nicht  erschöpfend  und  weniger  überzeugend.  Es  bedarf 
der  Eevision  auf  Grund  eingehender  Studien  über  den 
Eeinhardsbrunner  Güterbesitz  und  den  von  Kloster  Geor- 
genthal. 

Durch  den  Nachweis,  dass  der  Verfasser  der  kurzen 
Schrift  über  das  Thüringische  Landgrafen  haus  derselbe 
Mann  war,  welcher  die  Geschichte  von  1187 — 1215  schrieb1, 
sind  nun  auch  die  letzten  Zweifel  beseitigt,  welche  noch 
gegen  Wencks  Meinung  erhoben  waren,  dass  die  letztere 
wichtige  Quelle  in  Eeinhardsbrunn  entstanden  war,  da  der 
Verfasser  der  ersteren  nothwendig  ein  Eeinhardsbrunner 
Mönch  gewesen  sein  muss.  In  der  That  waren  diese 
Zweifel  wenig  berechtigt.  Denn  diese  Quelle  wurde  in  die 
Eeinhardsbrunner  Chronik  aufgenommen,  befand  sich  also 
in  diesem  Kloster,  sie  wurde  von  dem  Eeinhardsbrunner  Verf. 
der  Vita  Ludowici  und  sonst  nur  noch  zum  Theil  in  dem 
Erfurter  St.  Peters -Kloster  benutzt,  und  dieses  von  Hirschau 
aus  gleichzeitig  mit  Eeinhardsbrunn  gestiftete  Kloster  hat 
sicher  lebendige  Beziehungen  zu  dem  Zwillingsstift  unter- 
halten. Die  beiden  haben  untereinander  ihr  chronistisches 
Material  ausgetauscht.  Und  vor  allem  in  keinem  Stifte 
Thüringens  konnte  die  Sympathie  für  das  Thüringische 
Landgrafenhaus,  wie  sie  jene  Quelle  verräth,  so  gross  sein 
als   in   dem    Familienstifte    dieses  Hauses  Eeinhardsbrunn. 

Eine  wichtige  Anmerkung  ist  hier  noch  zu  machen: 
Die  Schrift  'De  ortu'  (T)  hat  nur  eine  einzige  Jahresangabe, 
nämlich  die  über  die  Gründung  des  Klosters  Eeinhards- 
brunn. Daraus  ist  zu  schliessen,  dass  auch  die  Quelle,  die 
Schrift  C,  keine  anderen  Jahrangaben  hatte,  wie  das  bei 
dem  Charakter  dieser  Schrift,  welche  die  Form  einer  Ge- 
nealogie hat,  schon  fast  selbstverständlich  ist.  In  der 
Chronik  aber  sind  die  verschiedenen  Stücke  dieses  Werkes 
unter  verschiedenen  Jahren  eingeordnet,  wie  sich  das  bei 
der  annalistischen  Anlage  der  Chronik  beinahe  von  selbst 
ergab.     Daraus  folgt,   dass  die  Jahrangaben  erst  von  dem 

S.  86,  N.  1  beruft  sich  nur  auf  Gross.    "Waitz,  SS.  XXIV,  819,  nahm  die 

Benutzung   des  Diploms  Heinrichs  III.   in    der  Schrift   ohne  weiteres  an. 

1)  Ich  muss  doch  noch  bemerken,  dass  das  auch  "VVenck,  Entst.  S.  45, 
für  nicht  unmöglich  hielt. 


610  Oswald  Holder  -  Egger. 

Compilator  des  14.  Jh.  herrühren,  also  vollständig  und 
o-änzlich  werthlos  für  uns  sind.  Ich  werde  später  dar- 
über noch  eine  kleine  Ausführung  bringen. 

Aber  auch  die  Geschichte  von  1187 — 1215  (17)  kann 
ursprünglich  nicht  annalistisch  angelegt  gewesen  sein.  Man 
erkennt  ja  schon  beim  oberflächlichen  Lesen  der  dieser 
Quelle  entnommenen  Berichte  in  der  Chronik,  dass  da 
viele  Berichtstoffe  im  Zusammenhange  und  breiter  Aus- 
führung behandelt  waren,  obwohl  die  Entwickelung  der 
berichteten  Ereignisse  sich  über  einen  längeren  Zeitraum 
erstreckte.  So  behandelt  die  ganze  erste  Partie  der  Quelle 
(S.  43  —  54)  fast  nur  die  Vorbereitungen  zum  Kreuzzuge 
und  den  Kreuzzug  von  1189  — 1191  selbst.  Eingeschoben 
ist  nur  (S.  45  f.)  ein  Abschnitt  über  die  inneren  Meissni- 
schen Kämpfe,  die  Verbannung  und  Heimkehr  Heinrichs 
des  Löwen,  welche  beide  durch  den  Kreuzzug  des  Kaisers 
veranlasst  sind.  Nach  zwei  Wundererzählungen  (S.  55 — 59) 
werden  dann  die  Anfänge  der  Regierung  Heinrichs  VI., 
sein  Zug  nach  Apulien  (S.  59 — 61),  darauf  die  Thaten  des 
Landgrafen  Hermann,  besonders  seine  Händel  mit  Meissen, 
(S.  61 — 69)  im  Zusammenhange  dargestellt.  Eingemischt 
ist  da  von  anderen  Ereignissen  nur  das,  was  auf  die  Schick- 
sale des  Landgrafen  einwirkt,  wie  die  Ermordung  des 
Bischofs  von  Lüttich  (S.  65).  Und  so  bietet  uns  diese 
Quelle  auch  weiter  fast  nur  in  sich  pragmatisch  zusammen- 
hängende Erzählungen,  deren  Charakter  von  der  Erzäh- 
lungsweise der  Annalisten  jener  Zeit  so  verschieden  wie 
möglich  ist.  Wohl  nimmt  unser  Autor  natürlich  auf  die 
Zeitfolge  der  Ereignisse  Rücksicht  —  er  entschuldigt  sich 
einmal  (S.  78,  4  ff.)  charakteristischer  Weise,  dass  er  den 
Faden  einer  Erzählung  mit  Rücksicht  auf  die  Zeitfolge  der 
Dinge  habe  abbrechen  müssen  — ,  aber  für  seine  Bericht- 
erstattung ist  in  erster  Linie  durchaus  der  sachliche  Zu- 
sammenhang der  Ereignisse  massgebend.  Mit  dem  Kreuz- 
zuge von  1197  und  den  Schicksalen  des  Landgrafen  Her- 
mann auf  demselben  beschäftigt,  erzählt  er,  dass  dieser 
1198  zurückkehrend,  das  Reich  in  zwei  Parteien  getheilt, 
zwei  erwählte  Könige  vorfand,  und  wie  weiter  diese  Doppel- 
wahl auf  die  Stellung  und  Schicksale  des  Landgrafen  ein- 
wirkte (S.  82  ff.).  Wie  es  zur  Doppelwahl  gekommen  war, 
setzte  er  dort  nicht  auseinander.  Erst  weit  später,  nach- 
dem er  die  Erzählung  bis  zum  J.  1204  heruntergeführt  hat, 
holt  er  das  nach  (S.  102  ff.),  schiebt  die  Schuld  daran  aus- 
schliesslich dem  Erzbischof  Adolf  von  Köln  zu  und  erzählt 
nun  im  Zusammenhange    damit   dessen  Parteiwechsel   und 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         611 

Absetzung-,  die  Bekämpfung-  der  Kölner  durch  König-  Phi- 
lipp bis  zum  J.  1206  hinab.  Es  ist  klar,  dass  derartige 
Berichterstattung-  nicht  in  die  beengende  annalistische  Form 
gezwängt  gewesen  sein  kann.  In  der  Chronik  freilich  sind 
alle  diese  Erzählungen  wie  die  Stücke  der  Quelle  C  unter  be- 
stimmte Jahre  vertheilt  und  zuweilen  stehen  sie  auch  unter 
den  richtigen  Jahren.  So  wird  die  Kreuznahine,  der  Aus- 
zug zum  Kreuzzuge,  der  Tod  des  Landgrafen  Ludwig  III. , 
Ereignisse,  welche  sich  über  die  J.  1188 — 1190  erstrecken, 
unter  dem  J.  1190  erzählt.  Unter  demselben  Jahr  wird 
aber  auch  der  weitere  Verlauf  des  Kreuzzuges  bis  zur  Ein- 
nahme von  Akkon  (1191)  erzählt.  Unter  dem  J.  1192 
stehen  nur  Ereignisse,  welche  1190  und  1191  stattfanden, 
unter  den  J.  1193.  1194  nur  solche  von  1190  und  1191/2, 
unter  dem  J.  1195  solche  von  1192  — 1195,  unter  1197 
solche  von  1195 — 1197.  In  den  nächsten  Jahren  ist  wieder 
etwas  bessere  Ordnung,  doch  steht  auch  da  keineswegs 
alles  unter  dem  richtigen  Jahr.  Unter  1199  findet  sich 
schon  vieles  zu  1200  und  auch  zu  1201  Gehöriges,  unter 
1201  ausschliesslich  Ereignisse  von  1202.  1203,  unter  1205 
dann  gar  die  oben  erwähnte  Erzählung  über  Adolf  von 
Köln  von  1198 — 1206,  unter  1206  Dinge  aus  den  Jahren 
1205 — 1207.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  solche  chrono- 
logische Verwirrung  nicht  von  dem  gleichzeitigen  alten 
Autor  angestiftet  sein  kann,  sondern  einem  Späteren,  ver- 
muthlich  dem  Compilator  der  Chronik,  angehört,  der  hier 
genau  so  wie  bei  der  chronologischen  Einordnung  der 
Stücke  von  C  verfuhr.  Die  alte  Quelle  enthielt  offenbar, 
wie  es  bei  der  Art  ihrer  Erzählung  sehr  erklärlich  ist, 
wenige  Jahrangaben,  wenn  sie  deren  auch  nicht  ganz  ent- 
behrte. Aber  diese  waren  nicht  an  die  Spitze  der  Berichte 
wie  in  der  Chronik  gestellt,  sondern  in  diese  hinein  ver- 
webt. Zwei  solche  Angaben  sind  uns  an  der  ursprünglichen 
Stelle  noch  erhalten 1.  Soweit  diese  vorhanden  waren,  wird 
sie  der  Chronist  zur  Einordnung  benutzt  haben,  indem  er 
nach  seinem  Schema  diese  an  die  Spitze  der  Erzählungen 
stellte.  Für  die  Einordnung  anderer  Abschnitte  2  konnten 
die  Jahrangaben  seiner  zweiten  Hauptquelle,  der  Cron. 
S.  Petri,  aushelfen. 

In  den  ersten  Jahren  der  Partie  von  1209  an,  welche 
die  letztere   und  Chron.  Peinh.    gemeinsam   aus   der   alten 


1)  1191,  S.  58,  Z.  20;  1209,  S.  120,  Z.  29.  2)  Z.  B.  Kreuznahme 
Friedrichs  I.  (1188),  Beginn  seines  Kreuzzuges  (1189),  Uebergang  über 
den  Hellespont  und  Friedrichs  Tod  (1190). 


612  Oswald  Holder  -  Egger. 

Quelle  entlehnt  haben,  stehen  die  ersten  Jahrangaben 
1209  — 1212  im  wesentlichen  in  beiden  an  der  richtigen 
Stelle,  wenn  auch  nicht  jedesmal  an  derselben,  was  jedoch 
genügend  dadurch  erklärt  wird,  dass  die  erster e  einiges 
aus  der  Quelle  weggelassen,  die  andere  fremdartige  Ein- 
schaltungen enthält.  Aber  A.  D.  1213  steht  in  dem  Chron. 
Reinh.  mitten  in  einem  in  Cron.  S.  Petri  weggelassenen 
Bericht  über  Ereignisse  des  J.  1211,  und  es  folgen  unter 
diesem  Jahr  noch  Ereignisse  des  J.  1212,  welche  in  der 
Cron.  S.  Petri  zum  Theil  unter  dem  richtigen  Jahr,  zum 
Theil  falsch  zu  1213  stehen1.  Man  sieht  deutlich,  dass 
die  letzte  Jahrzahl  in  der  Quelle  überhaupt  nicht  gestan- 
den haben  kann.    Im  Chron.  Reinh.  stehen  die  Jahrzahlen 

1214  und  1215  zwar  wieder  an  anderer  Stelle  als  in  der 
Cron.  S.  Petri,  da  ersteres  hier  viel  reicher  ist  als  letztere, 
aber  alles  was  in  dieser  unter  1214  steht,  in  Wahrheit  zu 
1213—1215  gehört,  alles,  was  in  ihr  unter  dem  J.  1215 
steht,  in  Wirklichkeit  zu  1215 — 1217  gehört,  steht  auch 
gleich  vertheilt  in  Chron.  Reinh.  unter  1214  und  1215. 
Unmöglich  konnte  der  Autor  der  alten  Quelle  so  grobe 
chronologische  Fehler  in  der  letzten  Partie  seiner  Arbeit, 
deren  Berichte  er  bald  nach  den  Ereignissen  niedergeschrie- 
ben haben  muss,  begangen  haben.  Er  konnte  unmöglich 
den  Tod  des  Landgrafen  Hermann  zu  1215  statt  zu  1217 
ansetzen,  wie  es  in  beiden  Ableitungen  geschehen  ist.  Wenn 
die  Jahrzahlen  1214  und  1215  sich  bei  ihm  fanden,  können 
sie  sich  nur  auf  ein  bestimmtes  Ereignis  bezogen  haben2. 
Der  Erfurter  Chronist  wird  die  Jahrzahl  1214  willkürlich 
eingesetzt  haben,  die  Zahl  1215  deshalb  vor  dem  Bericht 
über  das  Lateranconcil  eingefügt  haben,  weil  er  wusste, 
was  auch  ein  Späterer  leicht  ermitteln  konnte,  dass  das 
Concil  eben  in  diesem  Jahr  stattfand.  Da  er  weitere  Jahr- 
angaben in  seiner  Quelle  nicht  fand,  setzte  er  auch  deren 
Nachrichten  über  des  Papstes  (f  1216)  und  des  Landgrafen 
(f  1217)  Tod  unter  dieses  Jahr.  Der  Reinhardsbrunner 
Chronist  eröffnete  die  Abschnitte,    welche  er  zu  1214  und 

1215  setzte,  mit  annalistischen  Nachrichten,  welche  er  einer 


1)  Man  erkennt  deutlich,  weshalb  der  Erfurter  Chronist  an  der  von 
ihm  beliebten  Stelle  die  Jahreszahl  1213  einsetzte  (Stübel  S.  55).  Nach 
der  Quelle  sollte  ein  Hoftag,  der  in  Wirklichkeit  1212,  Dec.  5  gehalten 
wurde,  'circa  epiphaniani'  angesetzt  gewesen  sein.  Ganz  mit  Recht  mar- 
kierte daher  der  Chronist  vor  dem  durch  dieses  Datum  (Jan.  6)  bezeich- 
neten Ereignis  den  Jahreswechsel  durch  die  Zahl  1213.  2)  "Wie  1215 
in  der  That  an  einer  von  ihm  herrührenden  Stelle  steht,  Wegele  S.  138, 
Z.  10. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.        613 

anderen  Quelle,  nicht  jener  grossen  entnahm.  Dass  er 
dann  neben  vielem  anderen  auch  das  unter  diese  Jahre 
setzte,  was  in  der  Cron.  S.  Petri  steht,  obwohl  seine  Quelle 
das  nicht  verursacht  haben  kann,  könnte  schon  durch 
reinen  Zufall  veranlasst,  er  kann  aber  gerade  auch  durch 
die  Ansätze  der  Cron.  S.  Petri  dazu  bewogen  worden  sein, 
denn  diese  benutzte  er  ja,  wenn  er  auch  für  die  Jahre 
1209  — 1217  nicht  ihr,  sondern  ihrer  reicheren  Quelle, 
welche  er  besass,  folgte.  Und  dass  er  den  Tod  des  Land- 
grafen Hermann  falsch  wie  Cron.  S.  Petri  zu  1215  statt 
zu  1217  ansetzte,  kann  ihm  auch  noch  durch  eine  andere 
Quelle,  die  Chronica  Minor,  eingegeben  sein 1,  welche  den- 
selben Fehler  hat. 

Wenck  hat  die  Eeinhardsbrunner  Geschichten  von 
1187 — 1217  Annalen  genannt2,  aber  aus  unserer  Betrach- 
tung derselben  ergiebt  sich,  dass  keine  Bezeichnung  weniger 
auf  sie  passt.  Es  wären  das  Annalen  von  einer  der  anna- 
listischen geradezu  entgegengesetzten  Art  der  Bericht- 
erstattung und  ohne  Jahrangaben.  Da  wir  einen  Namen 
für  diese  Quelle  brauchen,  die  uns  nahezu  vollständig  in 
der  Chronik  von  Reinhardsbrunn  erhalten  ist,  so  werden 
wir  den  schon  im  Gebrauch  befindlichen  der  Historiae 
Reinhardsbrunnenses.  welchen  man  mit  Unrecht  und  un- 
passend auf  die  Chronik  angewandt  hat,  für  sie  in  An- 
spruch nehmen  können,  denn  er  eignet  sich  in  der  That 
ausgezeichnet  für  diese  Erzählungen  aus  der  Reichs-,  Kreuz- 
zugs- und  Thüringischen  Landesgeschichte 3,  denen  noch 
Mirakelgeschichten  eingemischt  sind.  Er  bezeichnet  durch 
seine  Pluralform  auch  gut,  dass  das  Werk  aus  zwei  zu 
verschiedener  Zeit  geschriebenen  Theilen  (1187 — 1197  und 
1197—1217)  besteht. 

In  der  Chronik  ist  unter  den  Jahren  1213  und  1215 


1)  Er  compilierte  einen  in  ihr  unmittelbar  hinter  der  Notiz  über 
des  Grafen  Tod  stehenden  Bericht  einer  Vision  über  Innocenz'  Tod  mit 
dem  entsprechenden  der  Cron.  S.  Petri  noch  unter  dem  J.  1215.  —  Sehr 
auffallend  ist,  dass  das  Deutsche  Leben  Ludwigs  d.  Heil.  II,  1,  ed.  Rückert 
S.  15  ebenfalls  1215  als  Todesjahr  Hermanns  angiebt,  wo  in  diesem  Ca- 
pitel  die  Historien  ausgeschrieben  sind.  Es  muss  das  eben  das  letzte  an- 
gegebene Incarnationsjahr  dieser  Quelle  gewesen  sein.  2)  Entst.  S.  24; 
N.  A.  X,  99.  Er  folgte  darin  dem  früheren  Gebrauch,  wonach  man  den 
Theil  bis  1197  Annalen  zur  Geschichte  Heinrichs  VI.  nannte.  3)  Ich 

wüsste  kein  Werk,  das  ihm  in  der  Behandlungsart  näher  stünde,  als  die 
etwa  60  Jahre  später  in  französischer  Sprache  geschriebenen  köstlichen 
'Istores'  des  Menestrels  von  Reims.  Nur  dass  diese  wegen  des  Gebrauchs 
der  Muttersprache  ungleich  frischer  geschrieben  und  dazu  sehr  fabel- 
haft sind. 


614  Oswald  Holder -Egger. 

ein  in  zwei  Theile  zerrissener,  in  Form  eines  Sermons  ge- 
haltener Tractat  über  die  Frömmigkeit  des  Eremiten  Sifrid 
eingelegt,  der  schon  als  älterer  Mann  Mönch  zn  Reinhards- 
brunn wurde,  dann  aber  sich  bei  Georgenthal  als  Einsiedler 
niederliess,  dort  am  1.  Februar  1215  starb.  Der  Sermon 
ist  bald  nach  dem  Tode  Sifrids,  aber  nach  dem  21.  Juni 
1217  x  von  einem  Reinhardsbrunner  Mönch,  der  die  Priester- 
weihe hatte 2,  verfasst.  Der  Verfasser  war  in  der  Zelle  bei 
Georgenthal  nur  noch  mit  einem  anderen  Mönch  seines 
Klosters  bei  dem  Tode  Sifrids  gegenwärtig,  stritt  sich  da 
mit  den  Georgenthaler  Cisterziensermönchen  um  den  Besitz 
der  Leiche  des  frommen  Mannes,  erstritt  den  Sieg  und 
brachte  sie  nach  Reinhardsbrunn,  wo  er  der  Beisetzung 
beiwohnte.  Er  beschreibt  das  alles  genau.  Sifrid  hatte 
ihn  kurz  vor  seinem  Tode  aus  Reinhardsbrunn  nach  seiner 
Zelle  holen  lassen,  weil  er  ihm  besonders  zugethan  war3. 
Damit  haben  wir  auch  etwas  über  den  Autor  der  Historien 
ermittelt,  denn  es  kann  ein  Blinder  mit  dem  Stocke  fühlen, 
dass  der  auch  dieses  Stück  geschrieben  hat.  Schon  oben 
habe  ich  einige  Redensarten  daraus  angeführt,  welche  für 
ihn  charakteristisch  sind.  Viele  andere  würden  sich  aus 
diesem  in  erbaulichem  Tone  gehaltenen  und  in  Folge  dessen 
mit  Vulgata  -  Stellen  erfüllten  kleinen  Stück  eben  nicht 
anführen  lassen,  welche  sich  in  den  Geschichtserzählungen 
desselben  Autors  wiederfinden,  aber  das  ganze  Colorit  der 
auch  hier  überladenen  und  geschwollenen  Sprache  lässt 
auch  hier  mit  Sicherheit  die  Feder  jenes  Autors  erkennen. 
Ich  möchte  nicht  gar  viel  Gewicht  darauf  legen,  dass  er 
Virgils  'auri  sacra  fames'  in  diesem  Stück  sowohl,  an  nicht 
eben  sehr  passlicher  Stelle  (S.  138,  17),  wie  in  den  Historien 
(S.  102,  16)  citiert.  Mehr  bedeutet  schon,  wenn  er  in 
diesen  (S.  144,  17)  sagt:  'Ecce  sagena  Petri  per  mare  mag- 
num  et  spaciosum  manibus  expansa'  (nach  Ps.  103,  25.  Mit 
dem  'mare'  meint  er  alle  Lande  der  Christenheit)  und  im 
Sermon  (S.  141,  3):  'in  hoc  furenti  et  discriminoso  mari, 
id  est  in  hoc  presenti  seculo,  magno  et  spacioso  manibus.' 
Aber  ich  will  nicht  wieder  durch  einzelne  Sprachbrocken 
etwas    zu    erweisen    suchen,     woran    kein    Urtheilsfähiger 


1)  S.  141,  Z.  12-  16.  2)  S.  138,  Z.  11.  3)  Der  Verfasser  sagt 
das  zwar  nicht  mit  deutlichen  Worten,  aber  es  ist  leicht  zu  erkennen,  dass 
er  sich  selbst  bezeichnet,  wenn  er  S.  136,  Z.  25  sagt:  '(Sifridus)  misit  pro 
quodam  fratre  in  Reynersborn,  sibi,  ut  ipse  fatebatur,  desiderantissimo', 
da  er  ausdrücklich  nachher  sagt,  dass  ausser  ihm  nur  noch  e  i  n  Reinhards- 
brunner Mönch  bei  dem  Tode  des  Einsiedlers  zugegen  war,  da  er  sich 
nachher  bewogen  fühlte,  dieses  Schriftchen  zum  Preise  Sifrids  zu  schreiben. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.     II.         615 

zweifeln  kann1.  Der  Sermon  hat  sicher  in  der  Hs.  der 
Historien  gestanden,  vielleicht  am  Ende  derselben,  vielleicht 
aber  auch  schon  denselben  eingefügt  wie  in  der  Chronik  2, 
da  auch  andere  ähnliche  Stücke,  wie  das  über  das  heilige 
Blut -Wunder  zu  1191  und  die  Teufelsgeschichte  zu  1206, 
darin  standen. 

Es  will  mir  scheinen,  als  ob  die  Historien  nicht  schon 
mit  dem  Tode  des  Landgrafen  Hermann  schlössen,  sondern 
noch  einen  Abschnitt  über  seinen  Sohn  und  Nachfolger 
Ludwig  den  Heiligen  enthielten,  in  welchem  dessen  Tugen- 
den gepriesen  werden  (S.  146—148).  Die  Gründe  für  eine 
solche  Ansicht  wiegen  in  der  That  nicht  leicht.  Es  heisst 
da  (S.  146):  'Qui  (Lucio wicus)  .  .  .  iuvenis  ipse  senum  ex- 
empla  hactenus  declarans,  sub  regis  serenissimi  Fri- 
derici  fulgente  potencia  ...  in  principalis  sedem  dignitatis 
est  elevatus'.  Es  scheint  doch  fast,  als  ob  das  'hactenus' 
anzeigt,  der  Landgraf  lebe  als  junger  Mann  zur  Zeit,  da 
das  geschrieben  ist.  Aber  vielleicht  kann  man  es  so  ver- 
stehen, dass  es  bedeuten  soll  'bis  zu  dem  Zeitpunkte,  da  er 
seinem  Vater  folgte'.  Das  'regis  serenissimi'  jedoch  deutet 
doch  wohl  darauf  hin,  dass  der  Abschnitt  geschrieben 
wurde,  ehe  Friedrich  IL  zum  Kaiser  gekrönt  war  (1220, 
Nov.  18) 3.  Das  Stück  stand  in  der  Vita  Ludowici.  Von 
deren  Verfasser  aber,  der  um  1300  schrieb,  kann  es  nicht 
herrühren,  denn  der  würde  wohl  Friedrich  Kaiser  genannt 
und  ihm  schwerlich  ein  ehrendes  Prädikat  gegeben  haben. 
Berthold  zwar  hätte  wohl  so  schreiben  können  in  der  Er- 
innerung, dass,  als  Ludwig  IV.  Landgraf  wurde,  Friedrich 

1)  Wenck,  Entst.  S.  18,  N.  1  sah  sehr  wohl,  dass  die  Sprache  des 
Sermons  die  der  Historien  war.  Da  er  die  der  letzteren  seinem  Stil- 
künstler zuschrieb,  musste  der  natürlich  auch  dieses  Stück  stark  über- 
arbeitet haben.  Es  ist  ein  Jammer  zu  sehen,  wohin  ihn  dieser  eine  von 
seinen  Vorgängern  übernommene  Irrthum  geführt  hat.  Er  wollte  zu- 
geben, dass  diesem  Sermon,  der  vom  ersten  bis  zum  letzten  Wort  das 
Gepräge  gleichzeitiger  Abfassung  trägt,  gleichzeitige  Aufzeichnungen  z  u 
Grund  elägen!  2)  Dort  steht  die  erste  Hälfte  zwar  unter  der  vom 
Oompilator  eingesetzten  Jahrzahl  1213,  aber  doch  ganz  passend  an  der 
Stelle,  nach  Dingen  aus  dem  J.  1212  nämlich.  Denn  die  Uebersiedelung 
Sifrids  nach  der  Zelle,  die  hier  erzählt  wird,  geschah  1212,  August  oder 
September.  Dass  der  Erfurter  Chronist  das  Stück  über  Sifrid  wegliess, 
ist  ziemlich  selbstverständlich.  3)  Ausser  dem  Preise  der  Frömmigkeit 
und  Regententugenden  des  jungen  Landgrafen  enthält  das  Stück  noch 
einen  Hinweis  auf  Schwierigkeiten,  die  er  zu  Anfang  seiner  Regierung  zu 
überstehen  hatte,  und  durch  die  er  in  seinem  Gewissen  beschwert  wurde. 
Ist  darunter  zu  verstehen,  dass  er  1218  mit  dem  Erzbischof  von  Mainz 
in  Streit  gerieth  und  von  ihm  gebannt  wurde,  was  sehr  wahrscheinlich 
ist,  so  macht  solche  zarte  Andeutung  sicher,  dass  der  Abschnitt  gleich- 
zeitig- ist.     Berthold  erzählt  den  Streit  mit  klaren  Worten  S.  155. 


616  Oswald  Holder -Egger. 

noch  König  war.  Aber  das  Stück  passt  nicht  zu  der  Art 
seiner  Schreibweise,  wie  wir  sie  aus  den  erhaltenen  Frag- 
menten seines  Werkes  kennen  lernen.  Um  so  mehr  zeigt 
es  die  verzwickte  und  aufgebauschte  Schreibart  der  Historien, 
auch  einige  von  dem  Autor  beliebte  Wendungen1.  Er 
würde  dann  sein  Werk  etwa  in  den  Jahren  1218/9  beendigt 
haben.  Aber  freilich  das  ganze  Stück  rührt  wohl  sicher 
nicht  vom  Autor  der  Historien  her2. 


Auch  in  die  aus  den  Historien  entlehnten  Partieen 
sind  in  der  Chronik  fremde  Einlagen  gemacht,  zum  Theil 
aus  bekannten  Quellen,  der  Cron.  S.  Petri3  und  Chron. 
Minor,  zum  Theil  aber  auch  solche  unbekannter  Her- 
kunft. Dahin  gehört  die  Genealogie  der  Grafen  von 
Käfernburg  und  Schwarzburg,  welche  sich  ja  sofort  als 
Einschaltung  ergiebt,  weil  sie  bis  in  die  Mitte  des  13.  Jh. 
herunterreicht  (S.  80,  17 — 81,  18).  Auch  trockene  annali- 
stische Notizen  finden  sich  mitunter  eingestreut4,  die  von 
dem  Charakter  der  Historien  so  abweichen,  dass  sie  denen 
unmöglich  entstammen  können.  Dann  sind  vom  Compi- 
lator   noch,    wie    auch    früher    schon,     zwei   Notizen    über 


1)  Es  heisst  da:  'dum  floridam  iuventutis  etatem  attigisset,  nimie 
benignitatis  et  bonitatis  in  eo  virtus  emicuit'  =  T  c.  5:  'virilemque  eta- 
tem attingens' ;  B  92,  8 :  'cuius  virtus  pre  cunctis  principibus  .  .  .  enituit1 
(vgl.  oben  S.  603) ;  A  54,  27 :  'qui  et  pre  ceteris  bene  faciendo  emicuit'. 
Weiter :  'favorabili  populorum  assensu  in  paterni  dominatus  successione  .  .  . 
elevatus  est'  (vgl.  oben  S.  590  über  den  häufigen  Gebrauch  von  'favora- 
bilis'  in  den  Historien)  =  B  118, 18 :  'solidatus  in  regno  .  .  .  favore  popu- 
lorum';  129,10:  'populi  favorabiliter  ad  illum  coadunantur' ;  vgl.  103,5. 
Der  Verfasser  der  Historien  braucht  zweimal  das  Wort  'mediastinus'  in 
einer  der  ursprünglichen  ganz  fremden  Bedeutung,  wie  es  auch  sonst  im 
Mittelalter,  aber  selten,  geschieht.  (Ducange-Henschel  führt  nur  2  Stellen 
an,  wo  die  Stelle  unter  2.  der  Vita  Haimeradi  ganz  unsinnig  erklärt  ist.) 
A  62, 13 :  'seque  mediastinum  affuturum  .  .  .  spospondit'  (wo  das  Wort  von 
mir  conjiciert  ist)  und  B  135, 29 :  'tempore  mediastino',  und  so  auch  in 
dem  in  Rede  stehenden  Abschnitt  S.  147,  6 :  'hoc  ambiguum  non  diu  me- 
diastinum tractans'.  2)  Da  es  sicher  ist,  dass  der  Compilator  dieses 
Stück  aus  der  Vita  Ludowici  II,  2  übernahm,  den  Schluss  desselben  aber 
wegliess,  kann  deren  Verfasser  daran  geändert  und  zugesetzt  haben,  auch 
wenn  es  zum  Theil  ursprünglich  vom  Autor  der  Historien  geschrieben 
war.  Dass  es  in  die  Chronik  von  St.  Peter  nicht  Aufnahme  fand,  auch 
wenn  es  am  Ende  der  in  dieser  benutzten  Historien  stand,  ist  bei  seinem 
Charakter  nicht  auffällig.  3)  Durch  Einlagen  aus  dieser  sind  zuweilen 
Stücke  der  Historien  verdrängt  worden,  wie  Wenck  bemerkte.  4)  Zu 
1187,  S.  43,  Z.  8—11;  zu  1189,  S.  47,  Z.  9  ff . ;  zu  1200,  S.  92,  Z.  20; 
zu  1206.  1207,  S.  108,  Z.  20  —  23;  zu  1214,  S.  133,  Z.  20  f. ;  zu  1215, 
S.  136,  Z.  12 — 14.  Auch  wohl  S.  55,  Z.  11 — 14  entstammt  anderer  Rein- 
hardsbrunner  Aufzeichnung. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.        617 

Güterschenkungen  nach  Urkunden  eingefügt  (S.  49.  133). 
Ueber  grosse  Abschnitte  zu  1200.  1207.  1211  wird  nach- 
her noch  zu  reden  sein. 


Wir  kehren  noch  einmal  zu  dem  früheren  Theil  der 
Chronik  bis  1186  zurück.  Dem  Compilator  des  14.  Jh.  kam 
es  auf  die  Masse  an,  er  schrieb  aus  der  Crom  S.  Petri  und 
Chron.  Minor  wörtlich  ab  \  was  er  diesen  Quellen  entnahm. 
Da  ist  es  auffällig,  dass  er  dem  Pantheon  Gotfrids  von 
Viterbo  nur  5  kurze  Stellen  entnahm2,  und  dass  diese  so- 
wie stets  die  nicht  eben  umfangreichen  Excerpte  aus 
Ekkehards  Chronik  in  gleicher  Weise  stark  gekürzt  und 
im  Wortlaut  verändert  sind.  Man  könnte  auf  den  Ge- 
danken kommen,  dass  schon  vor  dem  Compilator  ein  Pein- 
hardsbrunner  Mönch  diese  Excerpte  gemacht,  sie  vielleicht 
entweder  mit  dem  ursprünglichen  Text  der  Hist.  brevis 
principum  Thur.  und  den  Historien,  oder  vielleicht  auch 
mit  anderen  annalistischen  Elementen  verbunden,  seiner- 
seits auch  schon  Zusätze  sagenhaften  Charakters,  auch 
vielleicht  schon  Auszüge  aus  Reinhardsbrunner  Urkunden 
hinzugefügt  habe.  Ihm  müsste  dann  auch  das  Plagiat  aus 
Ekkehard 3  über  Landgraf  Ludwig  III.  zugetheilt  werden, 
denn  es  hat  ein  gewisses  Bedenken,  sowohl  solch  eine 
Plagiats  -  Leistung  wie  alle  die  Peinhardsbrunner  späteren 
Einlagen  in  dem  ersten  Theil  der  Chronik  dem  simplen 
Compilator  erst  zuzuschreiben,  der  so  mechanisch  verfuhr, 
dass  er  öfter  zwei  Berichte  verschiedener  Quellen  über  das- 
selbe Ereignis  hinter  einander  abschrieb.  Wo  er  sie  ver- 
band, geschah  das  in  ganz  ungeschickter  und  roher  Weise 4. 
Man  könnte  für  diese  Ansicht  auch  geltend  machen,  dass 
die  Stücke  der  kleinen  Landgrafengeschichte  zuweilen  mit 
den  Excerpten  aus  Ekkehard  und  Gotfrid  in  organische 
Verbindung  gebracht  sind 5,  was  auch  der  mechanischen 
Arbeitsweise  des  Compilators  nicht  sehr  entspricht.     Aber 


1)  Er  hat  sicher  noch  viel  weniger  geändert,  als  das  nach  der 
Hannoverschen  Hs.  den  Anschein  hat.  "Wo  uns  andere  Ableitungen  zu 
Hülfe  kommen,  zeigt  es  sieht  oft,  dass  die  Aenderungen  nur  dieser  Hs. 
eigenthümlich  sind.  So  werden  also  auch  an  anderen  Stellen,  wo  wir  eines 
anderen  Hülfsmittels  entbehren,  manche  Aenderungen  erst  dem  zur  Last 
fallen,  welcher  die  Stücke  der  Chronik  mit  den  Gesta  archiep.  Magd. 
verband.  2)  S.  1.  3.  7.  9.  23  der  Ausgabe,  wo  die  Benutzung  Gotfrids 
nur  S.  1  angemerkt  ist.  S.  23  ist  ein  Theil  der  Gotfrid  -  Stelle  ausge- 
fallen. 3)  Vgl.  oben  S.  403.  4)  Man  sehe  z.  B.  S.  145,  wo  die  Be- 
richte der  Reinhardsbr.  Historien  und  der  Chron.  Minor  über  das  Lateran- 
concil  von  1215  in  einander  geschachtelt  sind.       5)  S.  1.  3,  Z.  17. 14,  Z.  5. 


618  Oswald  Holder -Egger. 

wir  bewegen  uns  damit  freilich  auf  ganz  unsicherem  Boden 
von  Conjecturen,  und  manches  spricht  gegen  jene  Ver- 
muthung,  zunächst  schon  der  Umstand,  dass  die  Ekkehard- 
Excerpte  in  der  Chronik  nicht  erst  mit  1026,  wie  man  auf 
Grund  der  Ausgabe  meinte,  sondern  in  der  Hannoverschen 
Hs.  schon  mit  962  \  in  Schedels  Excerpten 2  gar  schon  mit 
530  beginnen  und  da  mit  Auszügen  aus  der  Chron.  Minor 
und  aus  der  kleinen  Chronik  in  Jacobs  de  Varagine  Gol- 
dener Legende  u.  s.  w.  verbunden  sind 3.  Wenden  wir  uns 
daher  sicher  noch  erkennbaren  Dingen  zu. 

Die  Ekkehard  -  Hs. ,  welche  sich  zu  Keinhardsbrunn 
befand  und  in  der  Chronik  ausgeschrieben  wurde,  war  eine 
Abschrift  des  dem  Erfurter  St.  Peters -Kloster  gehörigen, 
jetzt  in  Gotha  aufbewahrten  Codex,  der  durch  Zusätze 
aus  Lamperts  Annalen  und  andere  vermehrt,  durch  An- 
fügung der  sogenannten  Annales  Erphesfurdenses  (Lotha- 
riani)  bis  1137  fortgesetzt  ist4.  Denn  in  den  der  Ausgabe 
fehlenden  Partieen  der  Eeinhardsbrunner  Chronik  von  949 
an  und  S.  9  der  Ausgabe  sind  einige  Stellen  aus  Lamperts 
Annalen  in  Verbindung  mit  solchen  aus  Ekkehard  aufge- 
nommen, welche  sämmtlich  in  dem  Erfurter  Codex  stehen 
und  stets  dessen  abgeänderte  Lesarten  darbieten.  Auch 
von  den  von  Schedel  aus  der  Reinhardsbr.  Chronik  excer- 
pierten  kurzen  Notizen  von  530 — 1039  2,  welche  aus  Ekke- 
hard, Lampert  und  Chron.  Minor  entlehnt  sind,  stehen  die 
Lampert- Stellen  sämmtlich  im  Erfurter  Codex5.  Ferner 
in  der  Hs.  der  Münchener  Königl.  Bibliothek  Lat.  951  hat 
Hartmann   Schedel   f.   126  —  130    (186—196)   Excerpte    aus 


1)  Vgl.  SS.  XIV,  364,  N.  ttt.  389,  N.  ***.  391,  N.  **.      2)  Wenck, 
Entst.  S.  85  f.  3)  Auch  folgende  Bemerkung  scheint  gegen  jene  An- 

sicht zu  sprechen.  Das  Plagiat  aus  Ekk.  über  Ludwig  III.  beginnt  S.  37 
mit  den  Worten :  'Ludewicus  .  .  .  principatum  et  probitatem  et  nomen 
fratris  obtinuit',  welche  mit  Ausnahme  des  Gesperrten  aus  der  Cron. 
S.  Petri  entlehnt  sind.  Bei  Ekkehard,  SS.  VI,  211,  heisst  es  vor  der  im 
Chron.  Reinh.  plagiierten  Stelle:  'Chuonradus  ...  et  nomen  et  dignitatem 
regis  annis  fere  VIII  obtinuit'.  Die  zufällige  Uebereinstimmung  dieser 
Worte  mit  den  aus  der  Cron.  S.  Petri  entlehnten  scheint  den  Anlass 
gegeben  zu  haben,  an  diese  das  bei  Ekk.  folgende  anzuknüpfen.  Die 
St.  Peters  -  Chronik  benutzte  aber  sicher  erst  der  Compilator  des  14.  Jh., 
und  daher  scheint  er  auch  Ekkehards  Chronik  benutzt  und  excerpiert  zu 
haben.  Uebrigens  wird  derselbe  Mann  wohl  auch  S.  5  der  Chronik  in 
den  Text  der  Schrift  'De  ortu'  die  Worte  eingefügt  haben:  'Ludewicus 
itaque  patris  sui  et  nominis  et  probitatis  cunctorumque  bonorum  suo- 
rum  heres  factus  est'.  4)  In  der  Ausgabe,  SS.  VI,  14,  mit  5  bezeichnet. 
5)  Die  letzte  zu  1012  genau  mit  dem  Fehler  wie  bei  Schedel :  'primo 
eiusdem  episcopo  consecratur'  statt  bei  Lampert:  'primo  eiusdem  sedis 
episcopo  consecrata  est'. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         619 

Ekkehards  Chronik  abgeschrieben  mit  der  Uebersckrift: 
'Ex  cronica  Eusebii  cum  addicionibus  monasterii  Reinharts- 
born  und  an  einer  Stelle  mit  der  Unterschrift:  'Hec  in 
Cronica  Eusebii  cum  addicioni  (!)  in  Reinhersborn'  K  Darin 
ist  zum  J.  908  nach  Ekkehards  Worten:  'Adelbertus  — 
interficiuntur'  -  ein  Sätzchen  aus  Lamperts  Annalen  mit 
abgeschrieben  3,  das  eben  an  dieser  Stelle  im  Erfurter  Codex 
steht4.  Also  hat  Schedel  dieselbe  Reinhardsbrunner  Ab- 
schrift des  Erfurter  Codex  excerpiert,  welche  in  der  Chro- 
nik von  Reinhardsbrunn  benutzt  ist.  Er  hat  gemeint,  dass 
sie  Reinhardsbrunner  Additiones  enthalte,  weil  er  wusste, 
dass  sie  aus  diesem  Kloster  stammte. 

Mit  der  Feststellung,  dass  die  Reinhardsbrunner  Ek- 
kehard-Hs.  als  Abschrift  der  Erfurter  5  die  Annales  Erphes- 
furdenses  bis  1137  enthalten  haben  muss,  fällt  aber  Wencks 
Aufstellung  zusammen 6,  dass  in  dieser  Hs.  an  Ekkehard 
die  Ann.  S.  Petri  Erphesfurt.  maiores  bis  1181,  daran  die 
alte  Reinhardsbrunner  Quelle,  die  er  mit  1183  beginnen 
lässt,  bis  1215  angeschlossen  war.  Die  Conjectur  war  schon 
an  sich  nicht  begründet,  denn  die  Ann.  S.  Petri  maiores 
1078 — 1181  sind  nie  eine  Ekkehard-,  sondern  eine  Lam- 
pert  -  Fortsetzung  gewesen,  wie  die  ganze  verwandte  Gruppe 
der  Erfurter  Annalen  7. 

Sehr  verlockend,  wie  ich  gestehen  muss,  war  es  für 
Wenck,  seine  Combination  auf  überlieferte  Nachrichten 
über  eine  ehemals,  wie  es  scheint,  vorhandene  Ekkehard- 
Hs.  zu  stützen  8.  Die  leider,  leider  verlorene  Mainzer  Hs., 
aus   welcher    Gudenus    die    Schrift     De    ortu   princ.   Thur.' 


1)  Herr  Dr.  H.  Simonsfeld  hat  die  Grüte  gehabt,  diese  Excerpte 
für  mich  abzuschreiben.  Wenck  hat  N.  A.  X,  103  über  sie  gesprochen, 
nachdem  er  und  Andere  sie  früher  unter  irrigen  Voraussetzungen  erwähnt 
hatten.  2)  SS.  VI,  174,  Z.  66.  67.  3)  'Liutpoldus  dux  occisus  est  ab 
Ungariis'.  4)  Auch  hat  einmal  Schedel  eine  Variante,  die  nur  die  Er- 
furter Hs.  bietet,  nämlich  SS.  VI,  182,  Z.  42:  'minima  donavit  et  hono- 
ravit'  =  N.  w.  5)  Nicht  etwa  konnte  umgekehrt  diese  Copie  der  Rein- 
hardsbrunner sein,  weil  sie  mehrere  Erfurter  Interpolationen  enthält,  von 
denen  einiges  in  die  Chronik  von  Reinhardsbrunn  aus  der  Ekkehard -Hs. 
dieses  Klosters  übergegangen  ist.  6)  N".  A.  X,  102  ff.  7)  Vgl.  N.  A. 
XIX,  151  ff.  Was  Wenck  für  seine  Ansicht  geltend  macht  (S.  103),  dass 
in  drei  Ekkehard -Hss.  Annales  S.  Petri  Erphesf.  1125—1169  als  Fort- 
setzung angeschlossen  seien,  ist  von  gar  keinem  Belang,  denn  diese  An- 
nalen sind  keine  Erfurter,  sondern  die  Ann.  S.  Petri  antiqui  sind  nur 
in  ihnen  benutzt.  Pertz  nennt  sie  SS.  XVI,  17  Ann.  S.  Petri  et  Aquen- 
s  e  s.  8)  AVas  er  Zeitschrift  f.  Thür.  Gesch.  N.  F.  IV,  298,  N.  2  gethan 
hat.  Mir  war,  bevor  ich  diese  Aeusserung  las,  derselbe  Gredanke  gekom- 
men, den  er  hier  vorträgt,  ich  hatte  ihn  aber  sehr  bald  wieder  aufgeben 
müssen. 


620  Oswald  Holder -Egger. 

herausgab,  in  welcher  unter  anderem  auch  die  Annales 
Erphordenses  1220 — 1254  standen,  enthielt  an  erster 
Stelle  ein  Chronicon  Eusebii  bis  1215,  dessen  Ränder  mit 
Zusätzen  von  einer  Hand  des  14.  Jh.  ganz  bedeckt  waren1. 
Man  wird  wohl  mit  Recht  vermuthen,  dass  das  ein  Ekke- 
hard  mit  Fortsetzung  war 2.  Wenck  nimmt  das  bestimmt 
an,  er  vermuthet,  dass  in  diesem  Codex  die  Reinhard s- 
brunner  Annalen  (Historien)  1183 — 1215  als  Fortsetzung 
von  Ekkehard  gestanden  hätten;  die  zahlreichen  Glossen 
am  Rande  könnten  mit  den  Zuthaten  des  späteren  Rein- 
hardsbrunner  Bearbeiters  identisch  sein.  Das  ist  eine  ganz 
prächtige  Combination,  aber  sie  taugt  doch  nichts.  Denn 
erstens,  was  berechtigt  zu  der  Annahme,  dass  diese  Hs. 
aus  Reinhardsbrunn  stammte?  wie  das  noth wendig  der  Fall 
sein  müsste,  wenn  die  letzte  Conjectur  begründet  wäre. 
Der  Umstand,  dass  die  Schrift  'De  ortu'  darinstand,  gewiss 
nicht,  denn  wir  fanden  oben  (S.  605),  dass  die  Schrift,  wie 
sie  in  dieser  Hs.  stand,  wahrscheinlich  von  einem  Fremden, 
vielleicht  von  einem  Erfurter,  vielleicht  einem  Mainzer, 
aus  der  originalen  Reinhardsbrunner  abgekürzt  war.  Ge- 
wiss würde  ich  mit  mehr  Recht  vermuthen,  die  Hs.,  wenn 
sie  einen  Ekkehard  enthielt,  sei  vielmehr  eine  Abschrift 
der  Erfurter  Hs.  des  St.  Peters  -  Klosters  gewesen,  da  sie 
ja  Erfurter  Annalen  enthielt,  und  die  Beziehungen  zwischen 
Mainz  und  Erfurt  waren  doch  gewiss  lebhafter  als  die 
zwischen  Mainz  und  Reinhardsbrunn.  Aber  ich  werde 
eine  solche  Vermuthung  nicht  wagen.  Zweitens,  die  Rein- 
hardsbrunner Historien  reichten  keineswegs  nur  bis  zum 
J.  1215,  sondern,  wie  wir  sahen,  mindestens  bis  1217,  wahr- 
scheinlich noch  weiter3,  wir  fanden,  dass  die  Jahrzahl  1215 
erst  von  dem  Erfurter  Chronisten  als  letzte  eingesetzt  ge- 
wesen sein  muss4.  Also  das  Schlussjahr  der  Hs.  stimmt  nur 
schlecht  mit  dem  der  Historien.  Drittens,  wäre  eine  so  wich- 
tige, noch  gänzlich  unbekannte  Quelle  wie  die  Reinhards- 
brunner Historien  in  einer  alten  Mainzer  Hs.  bis  zum 
Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  vorhanden  gewesen,  so  sollte 
man  meinen,  dass  etwas  davon  durch  Gudenus,  der  diese 
Hs.  benutzte  und  beschrieb,  oder  durch  Schannat 5  oder 
Andere  bekannt  geworden  wäre.  Viertens,  Schedel  excer- 
pierte,  wie  wir  sahen,  die  Reinhardsbrunner  Ekkehard -Hs., 

1)  Menüs,  Codex  dipl.  s.  Anecd.  H,  597;  vgl.  SS.  XXIV,  819. 
2)  Aber  sicher  ist  das  doch  auch  nicht.  Es  konnte  z.  B.  eine  Hs.  von 
(Eusebius-)  Hieronymus,  Prosper,  Sigebert  mit  Fortsetzung  sein.  3)  Oben 
S.  615  f.  4)  Oben  S.  612  f.  5)  Der  aus  dieser  Hs.  (aber  vielleicht  nur 
nach  einer  Abschrift  derselben)  die  Erfurter  Annalen  herausgab. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         621 

es  müsste  diese  Hs.  gewesen  sein  \  die  er  benutzte,  wäre 
die  Conjectur  richtig.  Er  hätte  in  ihr  also  (oder,  wenn 
wir  die  zweite  Conjectur  über  die  Glossen  bei  Seite  lassen, 
doch  zum  mindesten  in  deren  Mutter-Hs.)  die  wichtige  Thü- 
ringische Quelle  gefunden.  Da  sollte  man  meinen,  er 
würde  sie  für  seine  Sammlung  chronikalischer  Thüringi- 
scher Nachrichten,  die  er  zweimal,  in  Clm.  593  und  der 
verlorenen  Hs.  des  Pistorius 2,  veranstaltete ,  ausgenutzt 
haben.  Aber  alles,  was  er  an  Keinhardsbrunner  Aufzeich- 
nungen brachte,  entnahm  er  der  Chronik,  nicht  der  alten 
Quelle 3.  Endlich  die  Randglossen  der  Hs.  konnten  von 
dem  Compilator  der  Reinhardsbr.  Chronik  gewiss  nicht 
herrühren,  Wenck  schreibt  sie  also  seinem  stilistischen 
Bearbeiter  zu.  Aber  der  hat  nicht  existiert.  Und  es  ist 
ja  auch  eine  willkürliche  "Voraussetzung,  dass  die  Zusätze 
sich  vornehmlich  auf  das  12.  und  13.  Jh.  bezogen,  sie 
konnten  in  einer  Ekkehard-Hs.  eben  so  gut  vornehmlich 
zu  der  ältesten  Geschichte,  meinetwegen  zu  den  Geschich- 
ten von  Adam  und  Noah  gemacht  sein.  So  entbehrt  diese 
Combination,  so  verlockend  sie  erscheinen  konnte,  doch 
jeder  haltbaren  Stütze. 

Hier  hätte  eigentlich  noch,  wenn  die  Aufgabe,  die 
sich  dieser  Aufsatz  nach  seiner  Ueberschrift  gestellt  hatte, 
vollständig  gelöst  werden  sollte,  über  die  annalistischen 
Bestandtheile  der  Chronik  von  1110 — 1184  gehandelt  wer- 
den müssen,  woran  sich  noch  manche  Fragen  über  die 
Composition  der  Chronik  und  ihre  Quellen  knüpfen,  doch 
können  diese  ebenso  gut  im  Zusammenhange  mit  einer  Be- 
sprechung der  Erfurter  Denkmäler,  welche  in  einein  nächsten 
Aufsatz  folgen  soll,  erörtert  werden.  Mit  Rücksicht  auf 
den  in  diesem  Heft  zu  Gebot  stehenden  Raum  habe  ich 
diesen  Theil  daher  hier  weggeschnitten  und  gehe  gleich 
zur  Besprechung  einer  anderen  verlorenen  Hanptquelle  der 
Chronik  über. 


1)  Wie  unwahrscheinlich  das  ist,  sieht  Jeder  sogleich.  2)  Vgl. 

N.  A.  XIX,  154  f.  3)  Wenck  sagte  a.  a.  0.,  wir  kennen  keine  Ekke- 

hard-Hs. mit  Fortsetzung  bis  1215.  Doch  wir  haben  eine  solche,  die,  in 
welcher  die  Annales  Pegavienses  als  Fortsetzung  Ekkehard  angehängt 
sind.  Das  letzte  darin  angegebene  Jahr  ist  1215,  obgleich  die  Erzählung 
bis  1227  reicht  (SS.  XVI,  268  ff.).  Aber  nach  Pertz  ist  die  letzte  Fort- 
setzung von  1191 — 1215  erst  von  einer  Hand  des  14.  Jh.  im  Pegauer 
Originalcodex  angefügt.  Ich  denke  aber  auch  nicht  daran  zu  vermuthen, 
dass  die  Mainzer  Hs.  diese  Annalen  enthielt,  viel  eher  würde  ich  glauben, 
dass  der  letzte  Abschnitt  des  sogenannten  Chron.  Eusebii  darin  recht 
dürftig  und  in  den  Augen  von  Gudenus  ziemlich  werthlos  war. 

Neues  Archiv  etc.    XX.  41 


622  Oswald  Holder -Egger. 

Wieder  ein  wirkliches  und  grosses  Verdienst  hat  sich 
Wenck  erworben,  als  er  den  Nachweis  führte  \  dass  Die- 
trichs von  Apolda  Vita  S.  Elisabeth  mit  deren  Reinhards- 
brunner  Zusätzen  Quelle  gewesen  ist  für  die  Chronik  von 
Reinhardsbrunn  und  die  mit  ihnen  übereinstimmenden 
Capitel  des  deutschen  Lebens  Ludwigs  des  Heiligen,  dass 
nicht  umgekehrt,  wie  H.  Rückert  -  und  Wegele  3  früher  an- 
genommen hatten,  Dietrich  die  Vita  Ludowici  ausge- 
schrieben hat.  Freilich  ist  es  schwer  begreiflich,  wie  man 
eine  solche  Ansicht  hat  hegen  können.  Das  ist  nur  dadurch 
erklärlich,  dass  Rückert  von  historischer  Forschung  durch- 
aus nichts  verstand,  und  Wegele  die  Sache  vermuthlich 
garnicht  untersucht,  sondern  sich  auf  Rückerts  Urtheil 
verlassen  hat.  Es  wäre  sündhaft,  den  Worten  Wencks 
über  diese  Frage  noch  etwas  hinzuzusetzen.  Aber  leider 
hat  sich  Wenck  mit  dieser  Feststellung  nicht  begnügt.  Er 
eröffnet  das  betreffende  Capitel  mit  den  Worten:  'Eine 
lateinische  Vita  Ludovici  hat  überhaupt  nicht  existiert'. 
Er  meint  (S.  4),  Niemand  bis  auf  Rückert  habe  diese  Vita 
erwähnt.  Aber  sehr  mit  Recht  hat  dagegen  E.  Bernecker4 
bemerkt,  dass  sie  ja  in  der  Vorrede  der  deutschen  Lebens- 
beschreibung deutlich  erwähnt  sei,  wo  es  nach  dem  Preise 
der  Frömmigkeit  des  Landgrafen  heisst :  'alse  sin  leben 
wol  uz  wiset,  daz  beschrebin  hat  er  Berit,  sin  cappellan, 
der  im  heimelich  gewest  ist  von  jogent  biz  in  sinen  tod, 
alse  her  gesehen  und  gehört  had  di  sundirlichen  grozen 
gnade,  di  got  in  dem  vorgenanten  fürst en  geworcht  had. 
Unde  er  had  daz  buch  sines  lebins  geteilt  in 
sechs  bucher'5.     Es  folgt  darauf  die  Inhaltsangabe  der 


1 )  Entst.  S.  4  ff.  2)  Das  Leben  des  h.  Ludwig,  Landgrafen  in 

Thüringen  S.  vn  f.  3)  Ann.  Reinh.  S.  xxi.     Er  setzte  einfach  voraus, 

dass  Rückerts  Ansicht  richtig  ist.  4)  Beiträge  zur  Chronologie  der  Re- 
gierung Ludwig  IV.,  des  Heiligen.  Königsb.  Diss.  1880,  S.  8,  N.  23. 
Ganz  das  Richtige,  was  ich  im  Folgenden  ausführe,  hat  G.  Börner  er- 
kannt und  N.  A.  XHI,  434  ff.  einige  durchaus  zutreffende  Gründe  dafür 
beigebracht.  Aber  diese  sind  nicht  nach  allen  Richtungen  überzeugend 
genug.  Sie  haben  z.  B.  auf  Wattenbach,  GQ.  6.  Aufl.  II,  370,  N.  3  so 
wenig  Eindruck  gemacht,  dass  er  Börners  richtige  Ansicht  neben  der 
Wencks  nur  sehr  nebensächlich  erwähnt.  Daher  ist  es  nothwendig,  die 
Sache  noch  einmal  gründlich  zu  behandeln.  5)  In  der  zu  Reinhards- 

brunn von  Nicolaus  Götze  unter  Abt  Diether  Nekils  geschriebenen  Co- 
burger Hs.  lautet  die  Unterschrift  (Rückert  S.  xi  f.,  N.  2) :  'Iste  liber  com- 
paratus  est  .  .  .  a.  D.  1404,  translatus  de  Latino  in  Theutonicum 
per  Fridericum  Kodicz  de  Salvelt  presbiterum,  pro  tunc  rectorem  parvu- 
lorum  huius  monasterii1.  Die  Worte  scheinen  doch  darauf  hinzudeuten, 
dass  Nicolaus  Götze  wohl  wusste,  dass  eine  lateinische  Vita  Ludowici  in 
seinem  Kloster  vorhanden  war.     Nur   sehr   gezwungen,   wenn  auch  allen- 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         623 

6  Bücher,  wie  sie  auch  in  der  deutschen  Uebersetzung  bei- 
behalten sind.  Darauf  wird  man  wieder  mit  vollem  Eecht 
antworten:  Das  ist  ja  ganz  unmöglich.  Wie  kann  des 
Landgrafen,  der  1227  starb,  Kapellan  Berthold  ein  nach 
1308  zu  Reinhardsbrunn  geschriebenes  Werk  verfasst  haben? 
Gewiss  das  ist  unmöglich.  Friedrich  Köditz  irrte  eben, 
indem  er  meinte,  die  von  ihm  übersetzte  Vita  sei  von 
Berthold  verfasst,  aber  es  liegt  ja  auf  der  Hand,  wie  er 
zu  dem  Irrtimm  kam.  In  der  Vita  war  wörtlich  die  Stelle 
aus  Bertholds  Werk  aufgenommen,  an  welcher  dieser  die 
Begleiter  des  Landgrafen  auf  der  Kreuzfahrt  aufzählt, 
darunter  auch:  'Bertoldus  sacerdos  et  capellanus,  de  cuius 
manu  hec  omnia  notata  sunt  atque  conscripta'.  Natürlich 
musste  Friedrich  Köditz1  auf  diese  Stelle  hin  meinen,  das 
ganze  Werk,  das  er  übersetzte,  sei  von  Berthold  verfasst 2. 
Aber  dieser  Irrthum  kann  doch  nichts  gegen  seine  be- 
stimmte Aussage  beweisen,  dass  er  eine  Vita  in  6  Büchern 
vor  sich  hatte  3. 

Dennoch  meinte  Wenck,  Köditz  habe  nicht  ein  solches 
Buch  übersetzt,  sondern  den  ganzen  Stoff  seines  Werkes 
der  Chronik  entnommen.  Damit  er  das  thun  konnte,  be- 
hauptet Wenck  (S.  12)  Folgendes:  Dietrichs  Vita  wurde, 
wie  wir  wissen,  im  J.  1293  (oder  kurz  danach)4  in  Rein- 
hardsbrunn durch  Zusätze  vermehrt,  welche  den  dort  be- 
statteten Landgrafen  Ludwig  betrafen,  der  nach  dem 
Brande  von  1292  Wunder  zu  thun  begann  und  fortan  von 
den  Reinhardsbrunnern  als  Heiliger  verehrt  wurde.  In 
dieser    überarbeiteten     (lies:    vermehrten5)     Gestalt,     sagt 


falls  möglich,  wäre  doch  die  Auslegung,  Friedrich  Köditz  habe  eben  aus 
der  Reinhardsbrunner  Chronik  übersetzt.  1)    Der  diese  Worte  V,  1, 

S.  58  f.  übersetzte.  2)  Und  weiter  es  ist  möglich,  dass  der  Reinhards- 
brunner Mönch,  welcher  die  Vita  Lud.  fabricierte  und  Bertholds  Werk 
ausschrieb,  sich  schon  auf  diesen  in  seiner  Vorrede  berufen  hatte.  Viel- 
leicht hatte  er  geradezu  da  gesagt,  Berthold  habe  des  Ländgrafen  Vita 
geschrieben,  was  nicht  ganz  unrichtig  war.  3)  Die  bodenlosen  Phanta- 
sieen  Rückerts  über  die  drei  Redactionen  der  Vita  S.  vn  f.,  welche  er 
erträumte,  weil  er  den  sehr  einfachen  Sachverhalt  nicht  einsah,  und  über 
den  Reinhardsbrunner  Mönch  Berthold,  welcher  Kapellan  des  Landgrafen, 
nach  dessen  Tode  wieder  Mönch  wurde,  sind  natürlich  durch  Wencks  Nach- 
weis abgethan.  4)  Es  geht  meines  Erachtens  durchaus  nicht  aus  den  von 
Wenck  citierten  Worten  des  Reinhardsbrunner  Additamentes  (Mencke  II, 
1998  f.)  hervor,  dass  die  durch  dieReinhardsbrunner  Zusätze  vermehrte  Ab- 
schrift von  Dietrichs  Vita  Elisabeth  zwischen  dem  5.  April  und  1.  Juli  1293 
gemacht  ist.  Es  ist  mir  vielmehr  wahrscheinlicher,  dass  das  später  geschah, 
nachdem  die  durch  den  grossen  Brand  von  1292  zerstörten  Gebäude  des 
Klosters  wieder  hergestellt  waren,  Ordnung  und  Ruhe  im  Kloster  wieder 
herrschten.         5)  Vgl.  oben  S.  582,  N.  3. 

41* 


624  Oswald  Holder -Egger. 

Wenck,  sei  Dietrichs  Vita  in  die  grosse  Reinhardsbrunner 
Compilation  aufgenommen.  Nun  die  Vita  selbst  ist  freilich 
nie  in  die  Compilation  aufgenommen1,  aber  alle  die  Ca- 
pitel  daraus  und  aus  den  in  Reinhardsbrunn  hinzugefügten 
Stücken 2,  welche  den  Landgrafen  Ludwig  und  der  heil. 
Elisabeth  Beziehungen  zu  ihm  betrafen,  stehen  in  der 
Chronik  und  in  der  deutschen  Lebensbeschreibung  des 
Landgrafen.  Alles  andere,  namentlich  alles,  was  von  Die- 
trich über  Elisabeth  nach  dem  Tode  ihres  Gemahls  erzählt 
ist  (Buch  VI — VIII),  ist  weggelassen.  Nimmt  man  alle 
diese  Capitel  zusammen,  so  ergeben  sie  schon  nahezu  eine 
Vita  des  Landgrafen,  freilich  eine  unvollständige.  Aber 
dem  hat  der  Chronist  abzuhelfen  gewusst,  er  hat  sie  mit 
Excerpten  aus  Bertholds  Annalen  und  eigenen  Zusätzen 
so  klug  verbunden,  dass  Köditz  nur  sein  Buch  vorzunehmen 
brauchte,  um  eine  völlig  abgerundete,  in  sich  geschlossene 
Biographie  des  Landgrafen  daraus  zu  übersetzen.  Damit 
ja  nichts  an  einem  normalen  Heiligenleben  fehlte,  nahm 
der  Chronist  auch  gleich  zwei  Gruppen  von  durch  den 
heiligen  Landgrafen  1233  und  1292—1308  gewirkten  Wun- 
dern auf.  Diese  brauchte  sich  der  Uebersetzer  dann  nur 
an  den  verschiedenen  Stellen  des  Buches  aufzusuchen  und 
hatte  dann  eine  schöne  Lebensbeschreibung  seines  Heiligen 
mit  allem  nothwendigen  Zubehör  zusammengebracht,  er 
brauchte  dann  blos  —  zu  welchem  Zweck,  bleibt  freilich 
ganz  unklar  —  zu  erdichten,  dass  er  ein  Werk,  das  in 
6  Bücher  getheilt  war,  übersetzt  habe. 

Und  welcher  Chronist  that  das?  Nicht  der,  dessen 
Buch  wir  kennen.  Keineswegs  dieser,  denn  der  schrieb  die 
Cron.  S.  Petri  und  Chron.  Minor  aus  und  verband  aus 
diesen  entlehnte  Sätze  gelegentlich  so  mit  solchen  des 
Dietrich,  dass  Köditz  diese  nothwendig  hätte  mit  über- 
setzen müssen,  wenn  er  dieses  Buch  benutzt  hätte.  Aber 
er  bringt  kein  Wort,  das  diesen  beiden  Quellen  angehört 3. 


1)  Das  meint  Wenck  auch  eigentlich  nicht.  2)  Sogar  4  in  Rein- 
hardsbrunn zugesetzte  Capitel  (Mencke  II,  2002  —  2006),  welche  Ludwig 
nicht  betrafen,  sondern  die  h.  Elisabeth  und  Konrad,  den  Bruder  des 
Landgrafen,  sind  weggelassen.  3)  Ein  klassisches  Beispiel  der  Art  führte 
"Wenck,  N.  A.  X,  115  zu  anderem  Zweck  an.  Ein  anderes  noch  packen- 
deres, welches  Posse  S.  37  anführte,  ist  der  Anfang  von  IV,  5  der  deut- 
schen Lebensbeschreibung  (S.  52),  wo  nur  Dietrich  IV,  1  übersetzt  ist, 
verglichen  mit  Chron.  Reinh.  1227  (S.  197),  wo  Dietrich  IV,  1  (durch 
Vermittelung  der  Vita  Lud.  nämlich)  compiliert  ist  mit  Chron.  Minor  und 
Cron.  S.  Petri.  Börner  bemerkte  übrigens  ganz  richtig  N.  A.  XIII,  482, 
dass  an  dieser  Stelle  Dietrich  seinerseits  schon  die  Cron.  S.  Petri  benutzt 
hatte,   wie   schon  "Wenck,   Entst.    S.  25,   N.  2,   vermuthet   hatte.      Auch 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         625 

Auch  falsche  Einschaltungen  finden  sich  in  der  Chronik1, 
von  denen  in  der  Uebersetzung  nichts  steht,  die  aber  der 
Uebersetzer  hätte  aufnehmen  müssen,  wenn  er  die  Chronik 
benutzte.  Also  statuierte  Wenck  einen  älteren  Compilator, 
der  um  1315  die  Materialien  zusammengetragen  habe, 
denen  der  spätere  dann  nur  die  Excerpte  aus  den  beiden 
genannten  Chroniken  und  einiges  Falsche  hinzugefügt  habe. 
Fragen  wir,  was  diese  ComjDÜation  enthalten  habe,  so 
werden  wir  die  Antwort  erhalten:  eben  das,  was  in  dem 
deutschen  Leben  Ludwigs  stand,  und  ein  ganz  verschwinden- 
des kleines  Mehr  und  unbedeutendes  Weniger.  Fragen  wir, 
warum  eine  solche  ältere  Compilation  der  Chronik  ange- 
nommen wird,  so  ist  die  Antwort,  damit  sie  Friedrich 
Köditz  benutzen  konnte.  Einen  anderen  Grund  giebt  es 
dafür  schlechterdings  nicht.  Es  ist  eine  durchaus  unbe- 
gründete Voraussetzung,  dass  eine  Reinhardsbrunner  Chro- 
nik früher  existiert  hätte,  ehe  die  uns  erhaltene  Compi- 
lation gemacht  wurde. 

Bei  dieser  Sachlage  wird  man  Wencks  Behauptung, 
dass  eine  lateinische  Vita  nicht  existiert  hätte,  verwerfen 
müssen,  sondern  feststellen,  dass  bald  nach  1308  ein  Rein- 
hardsbrunner Mönch   eine   solche  Vita 2  in  6  Büchern   aus 


S.  130, 11 — 13  ist  in  der  Chronik  ein  Satz  aus  Dietrich  I,  2  an  einen  der 
Chron.  Minor  angehängt,  während  Vita  Lud.  I,  9  den  reinen  Text  Die- 
trichs hat.  1)  S.  182,  Z.  9—15.  195,  Z.  15—17.  2)  Dass  eine  solche 
existiert  hätte,  giebt  nun  "Wenck,  Entst.  S.  24  dennoch  beinahe  als  mög- 
lich zu,  aber  er  behauptet  nun,  diese  könnte  nur  eine  verkürzte  Abschrift 
aus  der  Chronik  gewesen  sein.  Aber  die  Begründung  dieser  Aufstellung 
ist  mir  ganz  unverständlich.  Er  folgert  das  erstens  daraus,  dass  einige 
Sätze,  welche  aus  Dietrichs  Vita  und  deren  Reinhardsbr.  Additamenten 
genommen  sind  und  in  der  Chronik  stehen  (S.  150,  31  —  151, 1  und  153, 
16 — 25),  in  der  Uebersetzung  sich  nicht  finden.  Ja,  konnte  der  Uebersetzer 
denn  nicht  auch  eiumal  einige  Sätzchen  —  vielleicht  nur  aus  Versehen  — 
übergehen?  (Die  erste  Stelle  enthält  nur  ein  Uebergangssätzchen.)  Ist  es  denn 
durchaus  wahrscheinlicher,  dass  Jemand,  der  eine  lateinische  Vita  aus  der 
präsumierten  Chronik  zusammenschrieb,  solche  Sätze  überging,  als  Jemand, 
der  die  lateinische  Vita  ins  Deutsche  —  und  dazu  recht  frei  —  übersetzte  ? 
Die  Sätze  müssen  freilich  in  der  lateinischen  Vita  gestanden  haben.  Köditz 
hat  sie  eben  aus  irgend  einem  Grunde  weggelassen.  Zweitens  begründet 
"Wenck  seine  Behauptung  damit,  dass  in  der  Chronik  3  Stellen  aus 
Bertholds  Annalen  stehen,  welche  in  der  Uebersetzung  fehlen.  Von  diesen 
3  Stellen  (Entst.  S.  16,  N.  3)  stammt  aber  die  erste  (S.  166,  21  — 167,  4) 
aus  Cron.  S.  Petri  1233,  ist  durch  irgend  ein  Versehen  da  falsch  zu  1220 
eingeschoben,  wie  schon  "Wegele  S.  xxiv  berichtigte.  Die  zweite  (S.  183, 11 
— 184, 9),  ein  guter  gleichzeitiger  Bericht  über  die  Doppelhochzeit  zu 
Nürnberg  1225,  Nov.  29  und  die  Vorgänge  auf  dem  Hoftage  daselbst, 
kann  unmöglich  von  Berthold  (und  in  Folge  dessen  nicht  aus  der  Vita  Lud.) 
stammen,  denn  dieser  berichtete  die  Doppelhochzeit  schon  S.  183,  Z.  5—8 
und   in  anderem  Zusammenhange   noch   einmal  S.  193,  Z.  26 — 194,  Z.  2. 


626  Oswald  Hold  er -Egger. 

Dietrichs  von  Apolda  Vita  Elisabeth  und  deren  um  1293 
gemachten  Reinhardsbrunner  Zusätzen,  aus  Bertholds  An- 
nalen,  aus  den  Reinhardsbrunner  Historien  \  mit  eigenen 
ziemlich  umfangreichen  Zusätzen  des  Verfassers,  mit  Ein- 
und  Anfügung  der  Wundergeschichten  zusammengeschrie- 
ben hat,  dass  dieses  Werk  nahezu  vollständig  von  dem 
Chronisten  in  seine  Compilation  aufgenommen,  nach  deren 
annalistischer  Anlage  in  viele  Theile  zerhackt  ist,  die  an 
verschiedenen  Orten  des  Buches  eingereiht  sind. 

Und  das  kann  man  ja  aus  dem  Chron.  Reinh.  und 
durch  die  Vergieichung  desselben  mit  dem  deutschen  Leben 
Ludwigs  leicht  weiter  erhärten  2.    Der  Chronist  strebte  und 


Auch  unterscheidet  sich  dieser  Bericht  seinem  Inhalt  nach  sehr  bestimmt 
von  den  Fragmenten  der  Schrift  Bertholds,  welche  sich  ausschliesslich 
mit  dem  befassen,  was  den  Landgrafen  Ludwig  betraf,  während  hier  über 
die  Gerichtssitzung  über  Friedrich  von  Altena,  den  Mörder  des  Erzbischofs 
von  Köln,  ausführlich  berichtet  ist.  Wollte  man,  weil  sich  nicht  nach- 
weisen lässt,  woher  der  Chronist  diesen  guten  Bericht  hatte,  behaupten, 
er  stamme  dennoch  von  Berthold  —  was  ich  für  unmöglich  halte  — ,  so 
müsste  man  annehmen,  er  habe  in  der  Vita  Lud.  gestanden,  sei  aber  von 
Köditz  weggelassen,  weil  er  thatsächlich  nichts  mit  dem  Leben  Ludwigs 
zu  thun  hat.  Denn  dass  der  Chronist  die  Schrift  Bertholds  selbständig 
benutzte,  ist  ausgeschlossen.  Es  bleibt  eine  einzige  wirkliche  Berthold- 
Steile  (S.  194,  9 — 12)  von  drei  Zeilen  über  den  Hoftag  zu  Aachen,  welche 
in  der  Chronik  steht,  in  der  Uebersetzung  aber  fehlt.  Diese  muss  in  der 
Vita  Lud.  gestanden  haben,  von  Köditz  aber  weggelassen  sein,  weil  er 
nicht  mit  Unrecht  nicht  einsehen  mochte,  was  sie  mit  dem  Leben  Lud- 
wigs zu  schaffen  hatte.  Ich  kann  hier  nur  wiederholen :  es  ist  doch  ebenso 
wahrscheinlich,  dass  Köditz  sie  wegliess  als  Jemand,  der  eine  lateinische 
Vita  aus  der  Chronik  zusammenschrieb.  1)  Diese  sind  benutzt  II,  1  = 
Chron.  Reinh.  S.  143,  Z.  10 — 144,  Z.  5  (wo  das  natürlich  direkt  aus  den 
Historien,  nicht  aus  der  Vita  Lud.  genommen  ist.  Der  Verf.  der  Vita 
hat  den  Todestag  eingesetzt),  vielleicht  II,  2,  wenn  es  richtig  ist,  was  ich 
oben  S.  615  f.  wahrscheinlich  zu  machen  suchte,  dass  in  Chron.  Reinh.  146, 
Z.  22  —  148,  Z.  7  noch  Reste  des  Autors  der  Historien  vorliegen.  Aber 
das  Stück  ist  so,  wie  es  hier  vorliegt,  sicher  aus  der  Vita  genommen. 
Endlich  scheint  auch  noch  I,  3,  S.  8  das  Lob  des  Landgrafen  Hermann 
den  Historien  entnommen  =  Chr.  Reinh.  S.  92,  Z.  7 — 18,  denn  ich  glaube 
hier  sprachliche  Wendungen  des  Autors  der  Historien  wiederzufinden 
(vgl.  oben  S.  603).  Aber  auch  dieser  Passus  muss  von  dem  Chronisten 
mit  dem  vorhergehenden  von  S.  90,  Z.  15  an  (=  Leben  I,  2 — 4)  aus  der 
Vita  entnommen  sein.  2)  Zu  einem  Beweisgrunde,  den  Börner,  N.  A. 

XIII,  495  ff.  ausgeführt  hat,  dass  die  Capitelüberschriften  des  deutschen 
Lebens  mehrfach  mit  denen  Dietrichs  übereinstimmen,  dass  auch  einmal 
eine  Ueberschrift  der  Vita  zu  einem  Capitel,  welche  nicht  von  Dietrich 
stammt,  im  Chron.  Reinh.  erhalten  ist,  gebe  ich  den  kleinen  Nachtrag, 
dass  da,  wo  die  Benutzung  der  Vita  in  der  Chronik  beginnt,  die  (in  der 
Ausgabe  weggefallene)  Ueberschrift  steht:  'Lodewicus  bonus  lantgravius 
natus  est'  =  Leben  I,  4  'Von  der  gebort  lantgravin  Lodewigis'  u.  s.  w. 
Während  sich  sonst  in  der  Chronik  nur  einmal  eine  Ueberschrift  findet, 
zu  der  in  sich  geschlossenen  Erzählung  von  dem  Blutwunder  (S.  55),  sind 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         627 

musste  nach  der  Anlage  seines  Werkes  trachten  nach 
chronologischer  Einordnung  der  Ereignisse.  Wie  erklärt 
es  sich  da,  dass  er  unter  dem  J.  1233  (S.  219)  von  dem 
Brande  seines  Klosters  vom  J.  1292  spricht?  Hätte  er 
selbst  die  Materialien,  aus  denen  das  deutsche  Leben  Lud- 
wigs zusammengesetzt  ist,  gesammelt,  so  sollte  man  meinen, 
er  würde  diese  einem  Reinhardsbrunner  Additament  zur 
Vita  Elisabeth  entlehnte  Stelle  unter  dem  J.  1292,  wo  er 
ausführlich  von  dem  Brande  spricht,  eingeordnet  haben. 
Aber  die  Uebersetzung  erklärt  das:  Da  war  dieses  Addi- 
tament (VI,  2)  hinter  der  Erzählung  der  im  J.  1233  angeb- 
lich geschehenen  Wunder  ganz  passend  eingeordnet,  wo  es 
auch  in  der  Chronik  steht,  da  in  ihm  gesagt  war,  die 
früheren  Wunder  seien  später  (1293)  in  Vergessenheit  ge- 
rathen.  Der  Chronist  hat  eben  unbesehen  abgeschrieben, 
was  er  in  der  lateinischen  Vita  fand,  wie  er  überall  ver- 
fahren ist.  Ueberhaupt  würde  die  ganze  Anlage  des  zweiten 
Haupttheiles  seines  Werkes,  der  eine  vollständige  Vita 
Ludowici  enthält,  vollkommen  unerklärbar  sein  ohne  die 
Benutzung  einer  solchen  schon  vorhandenen  Vita. 

Ferner  die  Uebersetzung  hebt  I,  1  mit  dem  ersten 
Capitel  von  Dietrichs  Vita  Elisabeth  ganz  passend  an. 
Dieses  fehlt  in  der  Chronik  und  musste  darin  übergangen 
werden.  Wenn  Jemand,  der  noch  weiter  die  Existenz  der 
lateinischen  Vita  und  ihre  Benutzung  in  der  Chronik 
läugnen  wollte,  sich  bei  anderen  der  amplificierten  Vita 
Elisabeth  entlehnten  Stellen  der  Uebersetzung,  welche  in 
der  Chronik  fehlen,  und  anderweitem  Mehr  der  ersteren 
mit  dem  billigen  Auskunftsmittel  getrösten  könnte,  diese 
Stellen  seien  nur  durch  die  mangelhafte  Ueb erlief erung 
der  Chronik  untergegangen,  ursprünglich  hätten  sie  darin 
gestanden,  so  ist  das  bei  diesem  Capitel  unmöglich.  Denn 
da  wird  kurz  erwähnt,  dass  im  J.  1198  zwei  Könige  in 
Deutschland  gekoren  wurden,  dass  damals  in  Thüringen 
der  edele  Landgraf  Hermann,  der  Vater  Ludwigs  des  Hei- 
ligen, herrschte.  Nimmermehr  und  an  keiner  Stelle  der 
Chronik,  in  welcher  nach  den  Historien  so  vieles  über  die 
Doppelwahl  von  1198,  so  vieles  über  Hermanns  Schicksale 
zu  der  Zeit  der  Eeichsspaltung  erzählt  war,  konnte  dieses 
Capitel  stehen.    Nun  setzt  das  2.  Capitel  der  Uebersetzung, 


die  ersten  drei  der  Vita  Lud.  entlehnten  Stücke  daselbst  jedes  mit  einer 
Ueberschrift  versehen,  selbst  in  unserer  so  stark  getrübten  Ueberlieferung. 
Das  ist  ein  nicht  zu  verwerfendes  Zeugnis  für  die  Benutzung  der  in  Bücher 
und  Capitel  getheilten  Vita. 


ß28  Oswald  Holder -Egger. 

welches  in  der  Chronik  (S.  91)  steht,  jenes  erste  von  Die- 
trich entlehnte  nothwendig  voraus,  so  dass  es  nicht  angeht 
zu  verinuthen  —  wozu  freilich  schon  ein  ganz  ungewöhn- 
licher Grad  von  Vermuthungsfähigkeit  gehören  würde  — , 
dieses  sei  erst  von  Köditz  so  passlich  an  den  Eingang  des 
Buches  gestellt  worden. 

Was  die  Uebersetzung  der  Chronik  gegenüber  mehr 
an  originalen  Stellen  und  an  solchen  hat,  welche  der  ver- 
mehrten Vita  Elis.  Dietrichs  entlehnt  sind,  ist  nicht  eben 
viel,  wenn  man  abzieht,  was  nur  durch  Zufall  in  unserer 
Ueberlief erung  der  Chronik  ausgefallen  ist 1.  Aber  sie  hat 
einige  Stellen  mehr,  wo  nicht  der  geringste  Anhalt  dafür 
vorhanden  ist,  dass  sie  je  in  der  letzteren  gestanden  haben, 
und  doch  muss  sie  der  Uebersetzer  in  seiner  Quelle  gefun- 
den haben.  Diese  kann  also  nicht  die  Chronik,  sondern 
muss  die  lateinische  Vita  gewesen  sein.  Und  sehr  bemerkens- 
werth  ist  nun,  dass  auch  einmal,  wo  die  Uebersetzung  mehr 
hat,  der  Chronist  deutlich  genug  merken  lässt,  dass  er 
etwas  weggelassen  hat.  In  dem  originalen  Capitel  des 
deutschen  Lebens  II,  2  wird  mit  vollen  Tönen  das  Lob  der 
Frömmigkeit  und  Gerechtigkeit  des  Landgrafen  gesungen. 
Nur  bis  zu  zwei  Dritteln  des  Capitels  etwa  stimmt  die 
Chronik  S.  146  — 148  damit  überein,  der  Schluss  des  Ca- 
pitels, in  welchem  das  vorige  Thema  noch  weiter  ausge- 
führt ist,  fehlt  in  der  Chronik.  Dafür  liest  man  da:  'Quid 
plura?  Hie  Ludewicus  in  omnibus  virtutibus  clarus  habe- 
tur'. Man  sieht  doch  wohl  deutlich,  dass  es  dem  Chro- 
nisten zuviel  geworden  ist,  die  langathmigen  Lobeserhe- 
bungen noch  weiter  abzuschreiben,  was  ihm  nicht  zu 
verdenken  ist,  da  er  schon  S.  90  solche  aus  der  Vita  über- 
nommen und  gleich  darauf  diejenigen  abschrieb,  welche 
aus  Dietrichs  Werk  in  die  Vita  aufgenommen  waren.  Mit 
jenem  Satz  suchte  er  gewissermassen  sein  Gewissen  wegen 
der  Weglassung  zu  entlasten  und  so  kurz  alles  zusammen 
zu  fassen,  was  sich  zum  Ruhme  des  Landgrafen  sagen  liess 2. 

An  anderer  Stelle  sagt  der  Chronist  aber  mit  deut- 
lichsten Worten,  dass  er  etwas  weggelassen  hat,  was  seine 
Quelle  bot.     Er  hat  eine  ziemliche  Anzahl  Wunder  aufge- 


1)  Von  den  Stellen  der  Uebersetzung,  welche  nach  der  Analyse  bei 
Wenck,  Entst.  S.  72  ff.  in  der  Chronik  nicht  stehen,  sind  drei  in  der 
Hannoverschen  Hs.  nachweislich  theils  mit  Absicht,  theils  durch  Versehen 
des  Schreibers  weggelassen.  2)  Wäre  der  Passus  aber  auch  erst  von 

dem  Schreiber  der  Chronik  in  unserer  Hs.  weggelassen  und  jener  Satz 
von  ihm  eingefügt,  so  wäre  damit  natürlich  noch  kein  Beweisgrund  ge- 
wonnen, dass  die  Chronik  für  das  deutsche  Leben  Ludwigs  Quelle  sei. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         629 

nommen,  welche  der  heil.  Ludwig  in  Reinhardsbrunn  in 
den  Jahren  1292 — 1294  that,  die  sämuitlich  auch  in  dem 
deutschen  Leben  stehen.  Danach  sagt  er  (S.  269):  'Item 
multa  et  innumerabilia  miracula,  que  Deus  operatus  est 
per  gloriosum  principem  Ludewicum  .  .  .,  taceo  propter 
brevitatem'.  Die  zahlreichen  von  ihm  weggelassenen 
Wundergeschichten  stehen  aber  in  dem  deutschen  Leben. 
Wie  dabei  Wenck,  Enst.  S.  74  sagen  kann,  die  Frage  dürfte 
schwer  zu  entscheiden  sein,  ob  der  Chronist  diese  weg- 
gelassen oder  der  Uebersetzer  sie  hinzugefügt  hat,  ist  mir 
unbegreiflich.  Es  ist  klar,  dass  sie  in  der  lateinischen  Vita 
standen,  dass  der  Chronist  sie  weggelassen 1,  der  Ueber- 
setzer sie  mit  aufgenommen  hat. 

Wie  das  Capitel  VI,  3  der  Uebersetzung  so  hätte 
lauten  können,  wie  es  zu  lesen  ist,  wenn  hier  die  Chro- 
nik benutzt  wäre,  ist  nun  vollends  unbegreiflich.  In 
dieser  ist  zuerst  der  Brand  des  Klosters  1292  (S.  261  f.) 
erzählt,  danach  folgt  das  Wunder  von  der  Heilung  eines 
stummen  Knaben  übereinstimmend  mit  dem  Anfang  von 
VI,  3  der  Uebersetzung.  Aber  in  dieser  heisst  es,  der 
Grosskellner  des  Klosters  Reinhardsbrunn  Heinrich  von 
Emeleiben  hätte  an  das  Wunder  nicht  geglaubt,  dem  Vater 
des  geheilten  Knaben  verboten  davon  zu  reden,  und  zur 
Strafe  dafür  sei  bald  danach  das  Brandunglück,  das  vor- 
her nicht  erwähnt  ist,  über  das  Kloster  gekommen.  Da 
ist  vernünftiger  Sinn  und  logische  Verbindung.  In  der 
Chronik  aber  heisst  es  im  Gegentheil,  der  Vater  des  Kna- 
ben hätte  das  Wunder  vielen  erzählt.  Dennoch  wird  fort- 
gefahren: lUn  de  nulli  ambiguum,  quin  proinde  Deo 
nostras  negligencias  et  incurias  corrigente  facta 
sit  exustio  claustri  nostri  totalis'  -.  Offenbar  hat  der  Chro- 
nist daran  Anstoss  genommen,  dass  ein  Reinhardsbrunner 
Mönch  ein  Wunder  des  h.  Ludwig  nicht  glaubte,  hat  das 
ihm  Anstössige  getilgt  und,  um  die  Lücke  auszufüllen,  die 
'negligentiae  et  incuriae'  eingesetzt,  hat  aber  ungeschickt 
genug  das  lUnde'  seiner  Quelle  stehen  lassen,  welches  den 
Brand  durch  die  Sünde  des  Kellners  motivierte.  Aber 
diese  Feuersbrunst  hatte,  wie  der  Chronist  selbst  vorher 
sagte,  ein  Bösewicht  angelegt.  Dass  dieser  Bericht  nicht 
für  Köditz  Quelle  gewesen  sein  kann,  ist  doch  wohl  sonnen- 


1)  "Wie  er  auch  von  den  Wundern  aus  dem  J.  1233,  welche  in  dem 
deutschen  Leben  stehen,  einige  weggelassen  hat.  2)  Leben  S.  77  :  'daz 
(das  Gebot  des  Kellners  an  den  Vater,  das  Wunder  zu  verschweigen)  wart 
ane  zwifil  von  got  swerlich  an  uns  gerochin,  wenne  kortlich  dar  nach  .  .  . 
wart  daz  clostir  jemerlich  vorbrant'. 


630  Oswald  Holder -Egger. 

klar,  vielmehr  haben  beide  die  lateinische  Vita  ausge- 
schrieben, der  Chronist  hat  das  Cap.  VI,  3  an  seinen  Be- 
richt über  die  Feuersbrunst  gefügt  und  darin  geändert. 

Vor  den  Wundern  des  J.  1233  steht  im  deutschen 
Leben  VI,  1  der  erste  Theil  des  Reinhardsbrunner  Addita- 
mentes  von  1293,  wo  über  ältere  Wunder  des  h.  Ludwig 
gesprochen  wird,  dessen  Rest  sowohl  hier  (VI,  2)  als  in  der 
Chronik  (S.  218  ff.)  hinter  den  Wundern  folgt.  An  Stelle 
jenes  ersten  Theiles  steht  aber  in  der  Chronik  (S.  215  f.) 
ein  in  erbaulich  geschwollener  Sprache x  gehaltenes  Stück 
zum  Preise  des  h.  Ludwig.  Es  ist  ein  Sermon  oder  eine 
Lection 2,  die  vermuthlich  an  seinem  Todestage  gelesen 
wurde,  ehe  die  Vita  geschrieben  war3.  Der  Chronist  hat 
für  gut  befunden,  dieses  Stück  hier  an  Stelle  des  ersten 
Additamentstheiles  einzufügen.  Hätte  nun  Köditz  die 
Chronik  übersetzt,  so  hätte  er  doch  nothwendig  dieses  Stück 
mit  übersetzen  müssen.  Wie  hätte  er  darauf  verfallen 
sollen,  gerade  den  Theil  des  Additamentes  hier  einzusetzen, 
der  in  der  Chronik  übergangen  war? 

In  Cap.  IV,  4  des  deutschen  Lebens  wird  die  fromme 
Milde  des  Landgrafen  gegen  Gotteshäuser  und  vornehmlich 
gegen  das  Kloster  Reinhardsbrunn  gepriesen.  Nach  einer 
längeren  Erzählung,  die  das  beweist,  heisst  es  dann  S.  51 
sehr  passend  an  dieser  Stelle :  'Diser  selbe  ture  furste  hat 
unsreme  gotishus  Reinhersborn  vel  gutis  unde  gnadin  ge- 
tan', und  es  folgen  dann  Mittheilungen  darüber  nach 
2  Urkunden.  Der  grösste  Theil  von  IV,  4  steht  in  der 
Chronik  S.  195 — 197,  aber  der  eben  angeführte  Passus  ist 
davon  abgetrennt  und  steht  an  ganz  unpassender  Stelle 
(S.  207,  Z.  20—22)   zwischen   zwei   Capiteln   aus   Dietrich4. 

1)  Diese  ist  in  der  Ausgabe  so  verdorben,  dass  das  Stück  da  ganz 
unverständlich  ist.  2)  Durchaus  nicht  als  Einleitung  zu  den  folgenden 

Wundererzählungen  kann  es  gefasst  werden,  schon  weil  deren  Einleitung 
in  der  Chronik  S.  216  f.  vollständig  erhalten  ist.  3)  Ich  bin  überzeugt, 
dass  es  erst  nach  1292  geschrieben  ist,  weil  es  darin  heisst:  'dum  per 
famulum  suum  Lodewicum  super  terram  spargitur  lux  eius  miraculorum'. 
Und  das  geschah  erst  1292  und  in  den  folgenden  Jahren.  Wenn  auch 
die  Mirakel  vom  J.  1233  nicht  expost  fabriciert  sind,  um  den  später 
Wunder  wirkenden  Landgrafen  Ludwig  schon  bald  nach  seinem  Tode 
diese  Heiligenthätigkeit  ausüben  zu  machen  —  was  zu  glauben  man  stark 
versucht  wird,  da  im  Reinhardsbrunner  Additament  von  1293  gesagt  wird 
(Mencke  II,  1998) :  'Hec  et  alia  multa  (miracula)  per  ingratitudinem  n  e  - 
glecta  et  per  inhabitantium  negligentiam  sunt  sopita',  womit  es  sich 
nicht  wohl  verträgt,  dass  sie  vorher  doch  schon  aufgezeichnet  waren  — , 
so  ist  es  doch  sicher,  dass  sie  damals  keineswegs  grosses  Aufsehen  er- 
regt haben.  4)  Es  sind  da  nur  die  ersten  Worte  in  der  Hannoverschen 
Hs.  erhalten,  aber  erst  deren  Schreiber  überging  den  Rest,  wie  aus  einem 
'etc.'  erhellt,  das  er  oft  setzte,  wo  er  etwas  wearliess. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         631 

Hat  nun  Köditz  erst,  wenn  er  die  Chronik  benutzte,  die 
gute  Ordnung-  hergestellt? 

Damit  wird  denn  wohl  zur  Genüge  erwiesen  sein, 
dass  eine  lateinische  Vita  Ludowici  existierte,  dass  sie 
vom  Chronisten  fast  ganz  aufgenommen,  von  Köditz  über- 
setzt ist.  Denn  nun  zu  vermuthen,  es  hätte  dennoch  eine 
ältere  Chronik  existiert,  von  deren  Existenz  sich  auch  nicht 
eine  Spur  finden  lässt,  in  der  alles  das  richtig  und  gut 
gestanden  hätte,  was  in  der  Uebersetzung  mehr  und  besser 
als  in  der  Chronik  steht,  obgleich  das  alles  vortrefflich  in 
eine  Vita,  aber  wenig  in  eine  Chronik  passt,  obgleich  aus 
Köditz'  Worten  hervorgeht,  dass  er  eine  Vita,  nicht  eine 
Chronik  übersetzte  — :  das  wäre  doch  ein  übermensch- 
licher Gedanke. 

Und  es  handelt  sich  hier  keineswegs  um  eine  ziem- 
lich gleichgültige  Doctorfrage,  sondern  dieser  Nachweis 
ist  von  grossem  Werth  für  die  Kritik  der  Chronik  und  der 
einzelnen  Stücke  darin.  Durch  die  Vergleichung  des 
deutschen  Lebens  erkennen  wir,  welch  ein  simpler  Com- 
pilator  unser  Chronist  war,  der  im  wesentlichen  aus  fünf 
Büchern  sein  Werk  zusammenschrieb,  dass  seine  ganze 
Thätigkeit  fast  nur  sich  auf  Copieren  beschränkt,  und  dem 
irgend  welche  einschneidenden  Aenderungen  zuzuschreiben 
unzulässig  ist.  Und  das  ist  von  grossem  Werth  für  uns, 
denn  um  so  weniger  Zweifel  dürfen  wir  hegen,  dass  er  die 
uns  nicht  erhaltenen  wichtigen  Bücher,  welche  er  abschrieb, 
in  der  Hauptsache  unverändert  überliefert  hat.  Jener 
Nachweis  befähigt  uns,  die  Herkunft  der  einzelnen  Stücke 
und  die  Zeit  ihrer  Entstehung  deutlicher  zu  erkennen,  zu 
ermitteln,  welche  Stücke  die  spätesten  Einlagen  sind,  was 
der  Chronist  hinzugethan  hat. 

Die  eigentliche  Vita  Ludowici  —  abgesehen  von  den 
Mirakelgeschichten x  —  war  aus  drei  Bestandteilen  zu- 
sammengesetzt, der  amplificierten  Vita  Elisabeth,  den  Frag- 
menten der  Schrift  des  Kaplans  Berthold  und  den  eigenen 
Zuthaten  des  kurz  nach  1308  schreibenden  Autors.  Die 
den  letzteren  beiden  zugehörigen  Stücke  zu  erkennen,  ist 
nun  fast  überall  sehr  leicht.  Wiederum  hat  Wenck  das 
Verdienst  gegenüber  den  Irrthümern  seiner  Vorgänger,  die 
hochwichtigen  B,este  der  Schrift  Bertholds  deutlich  erkannt 
und  nachgewiesen  zu  haben  "2.  Ueberall  kann  ich  ihm  da 
mit  einer  schon  oben 3  besprochenen  Ausnahme  zustimmen. 


1)  Und   den  schon    oben  S.  626,  N.  1    erwähnten   kleinen  Stücken 
der  Historien.         2)  Entst.  S.  12  ff.         3)  S.  625,  N.  2. 


632  Oswald  Holder -Egger. 

Aber  allerdings  kann  ich  nicht  mit  ihm  annehmen,  dass 
Bertholds  Werk  erst  1218  begann.  Ich  bin  vollkommen 
überzeugt,  dass  die  guten  Angaben  über  die  Familie  Her- 
manns1  (Chron.  S.  91  f.  =  Leben  I,  2.  3)  und  über  Jahr 
und  Tag2  der  Geburt  Ludwigs  IV.  (1200,  Oct.  28)  (Chron. 
S.  90  =  Leben  I,  4)  schon  Berthold  zugehört  haben 3,  dass 
sie  bei  ihm  in  der  Reihenfolge  wie  in  der  Lebensbeschrei- 
bung, nicht  in  der,  wie  in  der  Chronik  standen.  Den 
Historien  können  die  Stücke  nicht  angehört  haben,  sie 
fallen  ganz  heraus  aus  ihrem  Gefüge,  nichts  Aehnliches 
findet  sich  in  ihnen.  Der  späte  Reinhardsbrunner  Biograph 
konnte  über  diese  Dinge  nicht  mehr  so  genau  unterrichtet 
sein.  Vollkommen  passt  aber  die  Angabe  über  die  Geburt 
Ludwigs  zu  der  Art  Bertholds,  der  eben  so  genaue  An- 
gaben über  die  Kinder  Ludwigs  machte.  Und  dass  er, 
wenn  er  mit  dessen  Geburt  anhob,  etwas  über  seine  Eltern 
sagte,  ist  nahezu  selbstverständlich4. 

Bertholds  Werk  war,  wie  aus  der  Chronik  und  der 
Vita  deutlich  zu  ersehen  ist,  annalistisch  angelegt,  dennoch 
möchte  ich  ihm  mit  Wenck  nicht  den  Titel  von  Annalen 
beilegen.  Er  schrieb  ganz  ausschliesslich  die  Schicksale 
und  Thaten  des  Landgrafen  Ludwigs  des  Heiligen  von 
dessen  Geburt  (1200)  bis  zu  dessen  Tode  und  Begräbnis  in 
Reinhardsbrunn  (1228),  daher  werden  wir  sein  Werk  passend 
'Gesta  Ludowici  IV.  lantgravii'   nennen. 

Wir  besitzen  Bertholds  Gesta  lange  nicht  vollständig 
in  den  beiden  Ableitungen  der  lateinischen  Vita  Ludowici, 
und  das  ist  namentlich  daher  gekommen,  dass  sie  schon 
von  Dietrich  von  Apolda  für  seine  Vita  Elisabeth  benutzt 
waren.  Der  Biograph  fand  daher  mehrfach  dasselbe  bei 
Berthold  und  Dietrich  über  seinen  Helden  erzählt,  bei 
jenem  einfach  in  der  Form,  desto  reicher  an  Inhalt,  bei 
diesem  den  Sachgehalt  sehr  vermindert,  diesen  aber  in  sehr 
elegantes  Gewand  gekleidet.  Es  kann  nicht  befremden, 
dass  er  meist  das  Letztere  vorzog,  zuweilen  dieses  durch 
Bertholds  Bericht,  der  jenem  schon  den  Stoff  geliehen,  ver- 
mehrte, das  aber  sehr  ungeschickt  that. 

G.  Boerner    hat    mit    vollem    Recht    behauptet,    dass 


1)  Aber  der  Verf.  der  Vita  hat  die  Genealogie  der  Henneberger 
weiter  herabgeführt  und  zwei  Zusätze  über  Heinrich  Raspe  als  späteren 
König  und  Konrad  als  späteren  Deutschordensmeister  eingelegt.  2)  Der 
Tag  ist  in  der  Hs.  der  Chronik  wie  sehr  viele  Daten  weggelassen,  steht 
aber  in  nicht  weniger  als  6  Ableitungen  der  Chronik.  3)  Wie  Börner, 
N.  A.  XIII,  477  mit  Recht  bemerkt  hat.  4)  Dass  er  noch  mehr  aus 

der  Jugendzeit  Ludwigs  erzählt  hat,  werden  wir  gleich  sehen. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         633 


Dietrich  Bertholds  Gesta  benutzt  hat 1,  hat  auch  schon 
die  Stücke  bezeichnet,  die  Dietrich  aus  diesem  Werk  ent- 
lehnte2, hat  das  jedoch  nicht  bewiesen.  Aber  es  lässt  sich 
sicher  beweisen,  obwohl  das  Material  dazu  natürlich  nicht 
eben  gross  sein  kann,  da  der  Biograph  eben  aus  Bertholds 
Werk  nieist  wegliess,  was  er  bei  Dietrich  fand.  Aber  schon 
die  Charakteristik  des  Landgrafen,  welche  Dietrich  III, 
1 — 3  giebt,  zeigt  doch  sehr  grosse  Verwandtschaft  mit  der, 
welche  wir  in  der  Chronik  S.  90  gleich  an  die  Nachricht 
von  seiner  Geburt  angeknüpft  finden. 


Berthold. 
Ipse  ergo  puer  erat  optime 
indolis,  pulcher  aspectu,  vultu 
decorus  et  visu  fuit  delecta- 
bilis,  pius,  mansuetus,  pa- 
ciens,  iocundus  et  conti  - 
nens,  sua  legittima  contentus, 
fidelis,  pudicus,  iustus 
in  iudicio,  inter  coevos  et 
commilitones  existens  affa- 
bilis  et  benignus. 


Dietrich  III,  1—3. 
quis  virtutem  animi,  quis 
corporis  pulchritudinem  ex- 
plicet?  Extulit  eum  medio- 
cris  stature  decens  valde  pro- 
ceritas  et  graciosi  vultus  se- 
renitas.  .  .  .  Erat  pudicus 
sensibus,  carne  mundus.  .  .  . 
Et  verba  eius  fidelissima 
et  vera  erant  .  .  .  pauperi- 
bus  largus  et  benignus, 
militibus  et  familiaribus  so- 
cialis  et  iocundus,  baroni- 
bus  et  nobilibus  venerabilis, 
principibus  et  magnatibus 
spectabilis  cunctisque  gene- 
raliter  affabilis. 

Mit  dem  besten  Recht  hat  dann  Börner  (S.  477)  be- 
merkt, dass  der  Bericht  über  die  Sendung  der  Boten  nach 
Ungarn  1211,  welche  im  Auftrage  des  Landgrafen  Hermann 
um  Elisabeth  für  seinen  Sohn  freiten  und  das  Kind  nach 
Thüringen  brachten,  bei  Dietrich  I,  1.  2  von  Berthold  ent- 
lehnt sein  muss,  obgleich  der  Biograph  von  diesem  kein  Wort 
darüber  entnommen  hat.  Dass  da  die  Boten  mit  Namen 
genannt  werden3,  ist  so  recht  in  der  Art  Bertholds,  der 
die  Herren  mehrfach  aufzählt,  welche  der  Landgraf  als 
Boten  sandte  und  welche  den  Landgrafen  auf  seinen  Reisen 
in  das  Ausland  begleiteten4.    Und  sicher  von  Niemand  als 


1)  N.  A.  XIII,  476—480.  2)  Im  Einzelnen  kann  man  da  noch 
anderer  Meinung  sein.  So  bin  ich  nicht  so  sicher  wie  er,  dass  der  Eingang 
von  Dietrich  I,  1  auf  Berthold  zurückgeht.  3)  Wahrscheinlich  hatte 

Berthold  noch  mehrere  genannt,  während  Dietrich  sich  begnügte,  die  her- 
vorragendsten (principales)  aufzuführen.  4)  So  1221.  1226.  1227,  Chron. 
S.  172.  183.  203  ff. 


634  Oswald  Holder -Egger. 

von  Bertkold  konnte  Dietrich  diese  Namen  und  überhaupt 
etwas  über  diese  Gesandtschaft  erfahren1. 

Auf  Dietrichs  Worte  III,  9,  wo  gesagt  ist,  dass  der 
Landgraf  den  Ketzerverfolger  Konrad  von  Marburg  so  ver- 
ehrte, 'ut  eidem  omnia  beneficia,  quorum  ius  patronatus 
ad  ipsum  pertinebat,  committeret  conferenda',  folgt  in  der 
Chronik  S.  192 :  'sub  sigillo  suo  et  fratrum  suorum  Hein- 
rici  Rasponis  et  Conradi',  weil  Konrad  den  Landgrafen 
überredet  hätte,  er  thäte  besser,  60  Menschen  zu  tödten 
als  eine  Kirche  einem  Unwürdigen  anzuvertrauen.  Daran 
schliesst  sich  in  ein  Bibelwort  gekleidet  der  Zweifel,  ob 
Konrad  des  Hasses  oder  der  Liebe  würdig  sei,  eine  Aeusse- 
rung,  die  im  schroffsten  Widerspruch  steht  zu  den  oben 
von  Dietrich  entlehnten  Worten,  welche  Konrad  bis  in 
den  Himmel  erheben.  Es  ist  nicht  daran  zu  denken,  dass 
der  späte  Biograph  das  selbständig  angefügt  hat.  Er  muss 
hier  Dietrichs  Worte  mit  einem  anderen  Bericht  verbun- 
den haben,  und  der  kann  nur  Berthold  angehört  haben. 
Wenn  es  aber  möglich  war,  in  dem  angefügten  Passus 
Bertholds  die  Begründung  dafür  zu  geben,  was  Dietrich 
über  die  Pfründenertheilung  des  Landgrafen  gesagt  hatte, 
wenn  es  möglich  war,  in  den  citierten  Worten  eine  Er- 
gänzung zu  dem  Satze  Dietrichs  über  die  Form  dieser  Ver- 
leihungen zu  liefern,  so  muss  hier  Dietrich  nothwendig  eben 
aus  Bertholds  Gesta  geschöpft  haben.  Dass  er  wegliess,  was 
der  Reinhardsbrunner  ergänzte,  ist  bei  seinem  Urtheil  über 
Konrad  selbstverständlich. 

Folgende  Stelle  über  die  Rückkehr  des  Landgrafen 
von  der  Reise  nach  Apulien  1226  wird  dann  aber  schon 
entscheidend  beweisen  können,  dass  Dietrich  die  Gesta 
benutzte. 


Berthold  (S.  190). 
Nobilissima  vero  uxor  eius 
Elizabeth  .  .  .  mille  osculis 
subimpressis  corde  et  labiis 
dilectum  suum  gloriosissime 
suscepit.  Et  mater  eius 
Sophia  cum  incredibili 
gaudio  et  exultacione  cor- 
dis  adventui  dilectissimi  filii 
sui  congratulabatur.  Omnibus 
ergo  in  unum  e  x  u  1 1  a  ntibus 


Dietrich  III,  8. 
Cum  autem  post  multos 
menses  ab  imperatore  lant- 
gravius  rediisset,  exultavit 
tota  terra,  principem  suum 
cum  inestimabili  gau- 
dio suscipiens  letabunda. 
Gaudebat  precipue  mater 
et  fratres,  sed  iocundabatur 
domina  Elizabeth  super  om- 
nes. 


1)   Auch   das   Jahr    der   Vermählung   von   Ludwig   und   Elisabeth 
stammt,  wie  Börner  richtig  bemerkt,  bei  Dietrich  I,  8  sicher  aus  Berthold. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         635 


tota  terra  resultabat, 
quoniam  venit  desideratus 
eorum. 

Am  deutlichsten  und  stärksten  zeigt  sich  aber  die 
Benutzung  der  Gesta  in  Dietrichs  Bericht  über  Ludwigs 
Aufbruch  und  Reise  nach  Apulien  zum  Kreuzzuge,  wie  wir 
Dank  der  ungeschickten  Compilationsart  des  Biographen 
nachweisen  können. 


Dietrich  IV,  2. 
Deinde  Smalchalden  oppi- 
dum  sue  ditionis  veniens  .  .  -1 
circa  finem  mensis  Iunii  pere- 
gre  profecti  sunt. 


Berthold  (S.  203). 
In  festo  beati  Iohannis 
baptiste  (Iun.  24)  cum  multo 
comitatu  exiens  de  civitate 
sua  Smalkalden  ad  partes 
transmarinas  tendere  cepit. 

Woher  konnte  Dietrich  Zeit  und  Ort  des  Aufbruches 
des  Landgrafen   wissen  als  aus  dieser  Stelle  der  Gesta? 

In  gräulich  ungeschickter  Weise  hat  der  Biograph 
Bertholds  Bericht  mit  dem  Dietrichs  compiliert  und  an 
einer  Stelle  noch  sein  Unzeug  hinzugethan.  Auf  diese 
Weise  hat  er  es  fertig  gebracht,  dass  bei  ihm  der  Land- 
graf dreimal  zu  erkranken  beginnt.  Aber  trotz  seiner  Ver- 
stümmelung von  Bertholds  ausgezeichnetem  Bericht  ist 
doch  deutlich  erkennbar,  dass  derselbe  von  Dietrich  be- 
nutzt ist. 


Berthold  (S.  205). 
(Troia 2)  .  .  .  in  inventione 
sancti  Stephani,  et  ibi  com- 
morabantur  (imperator  et 
lantgravius)  per  triduum. 
(Nach  4  Stationen  mit  ge- 
nauen Daten:)  sequenti  die 
Brandusium  sunt  ingressi,  in 
qua  steterunt  usque  ad  na- 
tivitatem  beate  virginis 
Marie.  Feria  autem  quinta 
proxima  p  o  s  t  nativitatem 
virginis  (navim  ascenderunt 3). 


Dietrich  IV,  4. 
venit  in  Siciliam,  ubi  im- 
perator Fridericus  ipsum  cum 
inestimabili  gaudio  suscepit 
in  civitate  que  Troia  nuncu- 
patur.  Cum  quo  per  totam 
viam  progrediens,  tandem 
Brundusium  pervenerunt. 
Inde  post  nativitatem 
beate  Marie  semper  vir- 
ginis cum  omni  virtute  mi- 
litie  aliaque  familia  navigare 
ceperunt.    Sed  antequam  na- 


1)  Dietrich  sagt,  dass  der  Landgraf  'cum  rnultis  baronibus,  nobili- 
bus'  etc.  aufbrach;  das  setzt  er  an  Stelle  des  Verzeichnisses  der  Edeln, 
welches  bei  Berthold  gleich  nach  den  hier  citierten  Worten  folgt.  2)  Die 
eingeklammerten  Worte  müssen  aus  Dietrichs  Sätzen  ergänzt  werden,  in 
welche  diese  Bruchstücke  eingeschachtelt  sind.  3)  Da  muss  natürlich 

viel  mehr  gestanden  haben. 


636  Oswald  Holder -Egger. 


Sed  navini  gubernantes  ab 
insula  Sancti  Andre  e, 
ubi  lantgravius  cepit  infir- 
uiari. 


vim  ascenderent  in  insnla 
Sancti  Andree,  imperator 
et  lantgravius  mutuis  collo- 
quiis  fruebantur.  Ibi  proch 
dolor!  delicatissimns  ille  et 
Serenissimus  princeps  Lude- 
wicus  cepit  panlisper  febri- 
bns  inqnietari. 

Der  Rest  von  Bertholds  Bericht  ist  vom  Biographen 
leider  ganz  durch  den  Dietrichs  verdrängt.  Er  hat  nur 
noch  ein  'sequenti  die'  als  Zeitangabe  der  Ankunft  in 
Otranto  und  drei  werthlose  Worte  aufbehalten  x.  Man  sieht 
aber  aus  dem  Vorstehenden  wohl,  dass  Bertholds  Bericht 
aus  dem  Dietrichs  ergänzt  werden  kann.  Wieder  mit 
vollem  Recht  hat  Börner  gesagt,  dass  auch  Dietrichs  Er- 
zählung von  dem  Tode  Ludwigs  und  der  Uebertragung 
seiner  Gebeine  nach  R-einhardsbrunn  (so  weit  sie  Thatsäch- 
liches  enthält)  aus  Bertholds  Werk  geschöpft  ist,  wenn 
auch  von  diesem  in  die  Vita  Ludowici  direct  darüber 
nichts  übernommen  ist,  dass  also  die  Gesta  erst  mit  dem 
J.  1228  schlössen.  So  erhält  also  Dietrichs  schön  geschrie- 
benes Buch  auch  sachlich  für  uns  erhöhte  Bedeutung. 

Noch  einmal  muss  ich  betonen,  dass  nur  er  ausser 
dem  Verfasser  der  Vita  Ludowici  Bertholds  Gesta  benutzt 
hat,    dagegen   nicht    der    Eeinhardsbrunner   Chronist,    da 


1)  Die  Worte  'bibensque,  ut  dicitur,  mortiferum  poculum'  (nämlich 
der  Landgraf  bei  dem  Besuch  der  Kaiserin  in  Otranto)  müssen  von  dem 
Reinhardsbrunner  späten  Biographen  eingeschaltet  sein,  nimmermehr 
können  sie  von  Berthold  stammen,  denn  sie  vertragen  sich  durchaus  nicht 
mit  dem,  was  dieser  vorher  sagte,  dass  der  Landgraf  schon  im  Hafen  von 
Brindisi  erkrankte,  und  noch  weniger  mit  dem,  was  bei  Dietrich  von 
diesem  übernommen  ist,  der  auf  jenen  Besuch  bei  der  Kaiserin  die  Worte 
folgen  lässt :  'Iamque  corpus  eius  acrius  febribus  vexabatur'.  Der  Domini- 
kaner hätte  es  gewiss  nicht  versäumt,  die  klägliche  Verläumdung  aufzu- 
nehmen, wenn  er  sie  bei  Berthold  fand.  Der  Biograph  wird  diese  Weis- 
heit der  Chron.  Minor  verdanken,  welche,  wie  wir  wissen,  in  seinem 
Kloster  sich  befand,  welche  sagt  (SS.  XXIV,  165):  'apud  Ortrant,  ut  fertur, 
veneno  intoxicatus'.  Nach  Schirrmacher,  Friedrich  II.  II,  384  und  ihm 
folgend  Winkelmann,  Friedrich  H.  I,  330,  N.  5  wäre  zwar  der  Ausdruck 
'mortiferum  poculum'  nur  bildlich  zu  nehmen,  es  wäre  sein  letzter 
Becher.  Aber  solche  Interpretation  ist  ganz  und  gar  unmöglich,  wie  ja 
doch  das  'ut  dicitur'  schon  deutlich  genug,  sollte  ich  meinen,  zeigt. 
Und  die  Berufung  auf  Cic.  Tusc.  I,  29  stützt  jene  Interpretation  nicht  im 
geringsten,  sondern  bestätigt  die  naturgemässe,  denn  da  bedeutet  'morti- 
ferum poculum'  den  Giftbecher,  welchen  Socrates  trinken  musste.  Und 
natürlich  hat  auch  Köditz,  Leben  Ludwigs  V,  1,  S.  60  den  Ausdruck  so 
verstanden,  wie  er  allein  interpretiert  werden  kann :  'tranc  her  mit  or 
einen  giftigen  schedelichen  tranc'. 


Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen.    II.         637 

in  der  Chronik  sich  nur  ein  Satz  mehr  als  in  dem 
deutschen  Leben  findet1,  das  Köditz  weggelassen  haben 
muss,  unmöglich  an  der  richtigen  Stelle  vom  Chronisten 
erst  ergänzt  sein  kann.  Hätte  ein  Chronist,  wie  dieser, 
Bertholds  Werk  benutzt,  er  hätte  ihm  sicher  mehr  entlehnt, 
und  darüber  wäre  das  erbauliche  Element  aus  Dietrichs 
Vita  Elisabeth,  das  der  Hagiograph  natürlicher  Weise  be- 
vorzugte, mehr  zurückgetreten.  Gänzlich  zurückzuweisen 
ist  es,  was  Wenck  vermuthet 2,  dass  der  Eisenacher  Ver- 
fasser der  Hist.  landgr.  Eccard.  Bertholds  Werk  benutzt 
hat3,  weil  er  in  den  Bericht  des  Chron.  Reinh.  über  den 
Zug  nach  Lebus  1225,  der  von  Berthold  stammt,  ein  Sätz- 
chen unbekannter  Herkunft  eingelegt  hat.  Der  hat  sonst 
hier  nichts  benutzt  als  die  Reinhardsbrunner  Chronik4. 
Nie  sonst  findet  sich  bei  ihm  ein  Wort,  das  auf  die  Gesta 
zurückgeführt  werden  könnte  oder  müsste. 


Mehrfach  habe  ich  in  den  vorstehenden  Untersuchun- 
gen von  Karl  Wenck  ausgesprochene  Ansichten  bekämpfen 
müssen.  Um  so  mehr  ist  es  Pflicht,  wiederholt  hervor- 
zuheben, dass  er  auf  diesem  Gebiet  durch  seine  eindrin- 
genden Untersuchungen  zuerst  Klarheit  und  Einsicht  in 
die  Composition  der  Reinhardsbrunner  Chronik  geschaffen, 
deren  Hauptbestandteile  zuerst  richtig  erkannt,  schwere 
Irrthümer  seiner  Vorgänger  beseitigt  hat.  Nur  der  Um- 
stand, dass  er  sich  von  einem  der  überlieferten  Irrthümer 
noch  nicht  frei  machen  konnte,  hat  ihn  verhindert,  über- 
all die  wahre  Sachlage  zu  erkennen.  Ich,  der  ich  die 
Chronik  kritisch  zu  bearbeiten  habe,  habe  die  grösste  Ur- 
sache, sein  grundlegendes  Verdienst  um  sie  dankbar  anzu- 
erkennen. 


1)  Oben  S.  625  f.,  N.  2.  2)  Entst.  S.  17.  3)  Denn  das  wollen  doch 
"Wencks  Worte  sagen,  'dass  ihm  die  Annalen  Bertholds  hier  in  reinerer 
Gestalt  vorlagen'.  4)  Aus  ihr  hat  er  auch  das  Datum  des  Auszuges  des 
Landgrafen,  welches,  wie  so  oft  die  Daten  in  unserer  Hs.,  ausgefallen  ist. 
Dass  es  in  der  Chronik  [stand,  lehrt  die  Cron.  Tur.  Isenac.  ampl.  Aus 
dieser  erklärt  sich  auch  das  falsche  Datum,  welches  die  deutsche  Lebens- 
beschreibung an  der  Stelle  hat  (III,  9,  S.  37).  Darüber  siehe  im  nächsten 
Abschnitt.  Da  "Wenck  die  Hs.  der  Cron.  Thur.  ampl.  noch  nicht  kannte, 
war  es  allerdings  sehr  natürlich,  dass  er  wegen  des  Datums  mit  zu  seiner 
Vermuthuno-  kam. 


Neues  Archiv  etc.    XX.  42 


XV. 


Miscellen. 


42* 


Epitaphien  und  Epigramme  des  XII.  Jahrhunderts. 

Mitgetheilt  von  J.  Werner. 

Die  bekannte1  Sauimelhs.  C  58/275  in  Zürich  bietet 
unter  den  verschiedenartigen  Stücken  auch  eine  Anzahl 
von  Epitaphien  und  Epigrammen.  Schon  Orelli  hatte  diese 
Hs.  an  Meyer,  den  Herausgeber  der  lateinischen  Anthologie 
zur  Benutzung  geschickt2,  und  später  sind  einzelne  der- 
artige Gedichte  gelegentlich  veröffentlicht  worden 3.  Manche 
der  Epitaphien  sind  ganz  allgemein  gefasst  und  beziehen 
sich  wohl  kaum  auf  bestimmte  Personen.  Einige  wenige 
mögen  auf  Persönlichkeiten  hinweisen,  die  auch  ander- 
weitig bekannt  sind.  Dass  dies  aber  wirkliche  Grabschrif- 
ten waren,  ist  kaum  anzunehmen ;  es  sind  vielmehr  Muster- 
beispiele und  mehr  oder  minder  gelungene  Nachahmungen 
und  Variationen,  welche  dem  Studium  der  Metrik  ihr 
Dasein  verdanken. 

I4. 

Vilior  est  humana  caro  quam  pellis  ovina : 
Si  moriatur  homo,  moritur  caro,  pellis  et  ossa. 
Si  mori(a)tur  ovis,  nimium  valet  ipsa  ruina: 
Extrahitur  pellis  et  scribitur  intus  et  extra. 
Darauf  folgt  das  Epitaphium  Hectoris.    lHac  pre- 
mitur  tumba  Troiae  fortissima   turris',    14  Verse.     Epita- 
phium Achillis.    'Pelides  ego  sum'.    (Kiese,  Anth.  lat.  I, 
630;  Baehrens,  Poet.  lat.  min.  IV,  148),  14  Verse. 

IL    Epitaphium. 

Orta  fluunt,  cumulata  ruunt :        homo,  quomodo  sta- 

bis? 
Lude,  caro!  pinguesce,  caro!        vermes  saturabis. 


I.   fol.  4a  I.    II.    fol.  4b  I. 

1)  Vgl.  Bd.   XV,  396;  XVIII,  720.  2)  Vgl.  Anthol.  lat.  ed. 

Meyer  n.  395.  1173.  1614.  3)  Z.  ß.  vom  Schneekind  in  Haupt,  Ztschr. 
f.  d.  Alterth.  XIX,  240;  vom  Biertrinken  im  Anzeiger  f.  Kunde  d.  d. 
Vorzeit  1876,  Sp.  80.  4)  Herausgeg.  von  Wattenbach,  Schriftwesen  im 
Mittelalter  2.  Aufl.  S.  447. 


642 


J.  Werner. 


Mole  tui 
Si  valeas 

5  Ordo  malus 
Pessima  pax, 

At  nielior 

Si  superet, 
Dormierat 

10  In  manibus 

Pane  fluens, 
Dives  inops: 

Pane  carens 
Dives  eris, 


Plangis  homo 
Cum  redeas, 

Plange  magis, 
Morte  luit, 

5  Nee  reditus 
Nam  graviter 

Distulerat, 
Si  veniat, 

In  Lazaro 

10  In  domino 

Quandoquidem 
Ut  requies 


Quisquis  ades, 
Pars  cineris 

Namque  vides, 
Quos  fatuos 


dum  spiritui 
et  ei  placeas 

neque  vera  salus, 
inimica,  rapax, 

vigor  interior, 

si  te  maceret, 

—  mors  somnus 

erat  — 
nihil  ex  opibus, 

pietate  carens, 
tibi  mors,  tibi  nox, 

et  tabe  fluens, 
cum  dormieris: 

III.    Epitaphium. 

migrare  domo, 
ubi  non  timeas 

quod  in  hisce  plagis 
quia  prima  ruit 

nisi  per  gemitus, 
per  mortis  iter 

non  abstulerat 
qui  pereuciat 

rediviva  caro, 

quod  habebat  homo, 

patiemur  idem, 
suprema  quies 


laseiva  resistis, 
vos  ambo  peristis. 

nisi  tu  subigaris. 
ubi  tu  dominaris. 

quem    molliter   ur- 

ges. 
victura  resurges. 

vir  diviciarum; 

loca    sed    tenebra- 
rum. 

cui  purpura,  byssus ; 
te  sorbet  abyssus. 

cur,  Lazare,  meres? 
quia  celicus   heres. 


quam  scis  ruituram ; 
cladem    nocituram. 

humana  propago 
male  siiasa  virago* 

illuc  reparatur: 
quis  non  rapiatur? 

deus  hanc  Ezechiae, 
nee   parcet  Heliae. 

num  quid  modo  vi- 

vit? 
sibi  mors  repetivit. 

det  gratia  Christi, 
nobis  sit  et  isti. 


IV.    Epitaphium. 

qui  morte  cades,       sta!  perlege!  plora! 
quia  sum,  quod  eris,   pro  me   —   precorT 
ora! 


quia  nulla  fides 
probat  et  vaeuos 


sit  honoribus  istis, 
dormicio  tristis. 


in.  IV.   fol.  4h  I. 


Epitaphien  und  Epigramme  des  XII.  Jahrh.  643 

5  Hoc  sapiens,         hoc  insipiens  somno  feriuntur: 

Nobilitas,  ignobilitas  hac  sorte  ferantur. 

Nunc _  video,         servire  deo  decus  esse  perenne ; 

Divicias  et  amicitias  iter  esse  gehennae. 

Vgl.  N.  Archiv  VI,  537. 

Nach  den  Bd.  XV,  399  f.  unter  n.  IV  und  V  her- 
ausgegebenen Versen  folgt  das  verbreitete  Gedicht  von 
Hildebert:  Tlurima  cum  soleant'.  Vgl.  Haureau,  Les  me- 
langes  poetiques  d'Hildebert  p.  106—111;  Pertz,  Archiv 
VIII,  409;  N.  Archiv  X,  602;  Biblioth.  de  Tee.  des  char- 
tes  XL VII  (1886),  94.  Da  dieses  Thema  von  dem  Weibern 
im  Mittelalter  auf  unzählige  Arten  behandelt  und  wieder- 
holt wurde,  so  weicht  diese  Hs.  von  der  Anordnung  bei 
Haureau  bedeutend  ab.  Insbesondere  ist  hier  das  Gedicht 
von  68  Versen  in  drei  Stücke  zerlegt:  1—28;  29 — 52; 
52 — 66  mit  dem  Schluss: 

Absque  deo  quisquam  si  vincere  se  putat  ista, 

Quod  sibi  promittit,  noverit,  esse  nichil. 
Zwischen  dem  ersten  und  zweiten  dieser  Gedichte 
lesen  wir  ohne  Bezeichnung  eines  neuen  Abschnittes  zwei 
Stücke:  das  bekannte  'Cum  sine  doctrina',  25  Verse.  Vgl. 
Bd.  II,  402;  Wiener  Stud.  IX,  57;  Münch.  Sitzungsber. 
1873,  p.  708.     Darauf: 

V. 
Cecus  es  et  graviter  peccas  et  turpiter  erras : 
Non  amor,  imo  dolor  iste  vocandus  amor. 
Non  unum,  verum  duo  crimina  reddis  in  unum; 
Haec  duo:  sacrilegus  factus,  adulter  eris. 
5  lila  deo  sacrata,  dei  venerabile  templum 
Efficitur;  per  te  desinit  esse  dei. 
Efficitur  domus  illa  dei,  per  te  violata 
Efficitur  per  te  demonis  illa  domus: 
Sponsa  dei,  teniplumque  dei  per  te  violatur. 

VI.    Epitaphium   episcopi  Cathal.  * 

Hie  situs  est  presul  fama  celeberrimus,  actu 
Nobilis,  ore  placens,  religione  sacer. 

Huic  pietas,  sed  vera;  fides,  sed  pura;  rigorque 
Iusticiae  stabilis,  sed  moderatus  erat. 


V.    fol.  7  a  I.       VI.    fol.  5  b  I. 

1)  Gemeint  ist  gewiss  Gaufrid  von  Chälons,  gest.  nach  Garns  S.  534 
am  27.  (28.)  Mai  1142,  während  unser  Epitaph  den  26.  Mai  1143  zu  er- 
geben scheint;  vgl.  auch  Gallia  Christiana  IX,  880. 


ß44  J.  Werner. 

5   Iunius  instabat  Maio  sex  stante  diebus. 

Cum  ditavit  humum  corpore,  mente  polum, 
Unitam  verbo  carnem  referentibus  annis 
Mille  ter  undenis  undeciesque  decem. 

Voran  geht  das  Epitaphium  Petri  Baiolardi  a 
semet  conpositum:  'Servi  animam  servans',  7  Verse,  und 
'Est  satis  in  titulo:  Petrus  hie  iacet  Habaelardus',  7  Verse. 

VII.    De   sodomitis   quibusdam   clericis. 

Non  placet  a  dextris  chorus  hie,  qui  continet  hedos : 

Quos  deus  a  leva  parte  locare  volet. 
Aut  nostra  de  parte  gregem  removebis  olentem, 

Aut  nos  cessuros,  presul  amande,  scias. 

VIII.    De  sodomita   prelato. 

Qui  sedet  hac  sede  ganimedior  est  Ganimede; 
Cur  uxoratos  a  clero  separat  omnes, 

Audiat:  uxoris  non  amat  officium. 
Vile  nimis  scortum,  sed  vilior  est  sodomita: 
5        Peior  quam  meretris  femina  vir  meretris. 
Femineus  coitus  fruetum  pariendo  reportat; 

Polluitur  tantum,  dum  sodomita  coit 1. 

IX.    Epitaphium   cuiusdam    domin ae. 

In  facie2  Venerem  gestans,  in  mente  Dianam 
Grata  viro  fuit  hec;  grata  sit  ipsa  deo! 

Hanc  humilem  mores,  sublimem  fecit  origo ; 
Unde  viro  placuit,  grata  sit  inde  deo! 
5  Expirans  Februi  Manentia  luce  seeunda 
Insoliti  partus  lesa  dolore  ruit. 

X.    Epitaphium  Odonis. 

Si  dolor  aut  lacrime  de  morte  iuvare  valerent, 
Plures  et  merito  super  huius  morte  dolerent. 


VII.  VIII.  IX.  fol.  5b  IL  X.  fol.  6a  I  [steht  auch  im  Cod.  lat. 
Monac.  6911,  fol.  123  (M.,  vgl.  Anz.  f.  Kunde  d.  deutschen  Vorzeit  1876, 
S.  75;  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymnasien  XXXII,  422),  dessen  Lesarten 
Herr  Dr.  Keyssner  uns  mitgetheilt  hat.  1  'valerent]  solerent'  getilgt,  dar- 
über von  derselben  Hand  'valerent'  M.  3  'nitore]  decore'  M.  7  'Fervida 
cum  fervens  premeret  sol  terga  leonis'  M.     8  'tumulatur  corpus'  M.]. 

1)  Vergleiche  über  das  nämliche  Laster  die  Verse  aus  dem  IX.  Jh. 
in  Bd.  XIII,  p.  358  ff. ;  unter  Marbods  Gedichten  eines  über  denselben 
Gegenständ,  das  auch  in  unserer  Hs.  sich  findet:  'Daemonis  inventum'. 
2)  'faciem'  c,  verb.  von  W.  W. 


Epitaphien  und  Epigramme  des  XII.  Jahrh.  645 

Nobilitate  quidem  forrnaeque  nitore  nitebat; 
Ingenii  fontem  rivum  sermonis  habebat. 

5   Curnque  foret  locuples,  cum  largus  et  inde  fuisset: 
Nulla  fuit  probitas  cuiquam,  quam  11011  habuisset. 

Fervida  sol  fervens  premeret  dum  terga  leonis, 
Idibus  Augusti  corpus  tumulatur  Odonis. 

Unmittelbar  darauf  folgt:    'Vivere  non  possum',   vgl. 
Bd.  XV,  401,  und  nach  diesem  die  Schmährerse: 
Felix  expertus  exemplo  femina  quid  sit, 

Quique  suos  aliquo  suffigit1  arte  dolos. 
Femina  vicit  Adam,  victus  fuit  arbore  quadam. 

Im  Ganzen  37  Verse,  mit  dem  Schluss,  welchen  Watten- 
bach  Münch.  Sitzungsb.  1873,  p.  709  anführt.  Vgl.  Haureau, 
Melanges  p.  172  f. 

XI.    Epitaphium   Lugdunensis   Hunberti. 

Artibus,  ingenio,  maturis  moribus  olim 

Iste  bonus,  melior,  optimus  esse  cadit. 
Mente  senex,  annis  iuvenis,  famosus  ubique 

Pro  meritis,  claris  clarior  ortus  avis. 
5  Res  amplas  fortuna  dedit,  natura  decorem, 

Sed  neque  fastus  ei,  nee  decor  obprobrium. 
Lugduni  natus  studuit  moriturus  apud  nos: 

Illic  assumpsit,  exuit  hie  hominem. 

XII.    Epitaphium  utriusque   Marcelli. 

In  terra  terror  Marcellus  et  unus  et  alter 
Hie  iacet:  ambo  duces;  hie  avus,  ille  nepos. 

Consilio,  cruce,  vi:  coneives,  furta,  tyrannos: 
Rexit,  correxit,  stravit  uterque  potens. 

XIII.    Epitaphium  cuiusdam  puellae. 

Annis,  forma,  re:  fervens,  celeberrima,  dives 

Proh  dolor  intrat  humum  frigida,  turpis,  egens. 

Haec  humilis  fastus  fugiebat,  iurgia  mitis; 
Mens  erat  interius  Candida,  fama  foris 
5   Sepe  puella  ioco,  semper  matrona  pudore 
Hoc  annis,  illud  moribus  ista  dabat. 


XI.  (gedruckt  Revue  de  philologie  1845  I,  414.  W.  W.)  fol.  8  a  II. 
XII.  XIII  (gedr.  Revue  de  philologie  1845  I,  414.  W.  W.)  fol.  8  b  I. 

1)  'aliquo  suffigit'  unverständlich  W.  W. ;  vielleicht  'aliqua  suf- 
fugit'  H.  B. 


646  J.  Werner. 

fol.  8,  col.  1.  'iurigia'  Hs.      Darauf  folgt:    'Non  sum 
sub  terris',  zwei  Verse.     Vgl.  Bd.  VI,  537. 

XIV.    De  cornite  Tkeobaldo. 

Hie  latet  ille  comes  Tkeobaldus  ciaras  ubique, 

Ecclesiae  inatris  filius,  immo  pater. 
Magnus  honore,  potens  subiectis,  nobilis  ortu, 

Mente  sagax,  verbis  lucidus,  ore  decens. 
5  Exiguis  parvus,  tumidis  ferus,  asper  iniquis, 

Simplicibus  simplex,  omnibus  omnis  erat. 
Re(i)s,  pauperibus,  monachis,  egrisque  parabat 

Incessanter  opein,  munera,  templa,  domos. 
Huius  erat  servare  bonos,  punire  nocentes; 
10        Huius  erat  iuste  vivere,  iusta  loqui. 
Onines  virtutes  in  eo  lucere  videres, 

Certabantque  simul  mirificare  virum. 
Gallia  nostra  gernens  tanto  viduata  patrono, 

Sicut  eo  stabat  staute,  iacente  iacet. 
15  Ergo  sui  cursus  perfecit  tempora  mense 

Iano  bis  quinos  perficiente  dies. 

Es  folgt  das  Epitaphium  Sviggeri  abbatis 
saneti  Dionisii.  'Hie  iacet  ecclesiae  flos',  16  Verse. 
Vgl.  Haureau,  Melanges  d' Hildebert  p.  30. 

XV. 

Cum  sis  flos  patrum,  cum  spes,  cum  vita  tuorum, 

Effice,  cur  tu  sis  illud  habendus  ei. 
Idque  facis,  si  nunc  es,  quod  prius  esse  solebas, 

Si  non  te  mores  destituere  tui. 
5  Mens  prudens,  sit  larga  manus,  sit  lingua  modesta: 

Haec  gerat,  haec  tribuat,  haec  sonet  usque  bonum ! 
Sic  deus  haue  ut  pauperiem,  plebs  ut  probet  illam: 

Sicque  tribus  si  vis  patria  gratus  eris. 
Tu  mea  praeeipue,  tua  spes  ponatur  in  uno; 
10        Ne  spes  cassa  ruat,  ut  potes,  äff  er  opem ! 

XVI. 

Floruit  ars  lo(g)icae  placuitque  Galone  docente : 
Marcet,  vilescit,  cum  sinet  esse  docens. 

Alter  Aristotiles,  cleri  caput,  artis  acumen; 
Unde  gemit  clerus,  heu,  vacat  a  studio. 


XIV.    fol.  8  b  I.      XV.    fol.  8  b  II.      XVI.    fol.  9  b  I. 


Epitaphien  und  Epigramme  des  XII.  Jahrh.  647 

5  Ars  lo(g)icae!  rectore  cares,  ruis  orba  magistro! 
Non  est  qui  recto  tramite  lora  regat. 
Dum  tuus  auderet  tua  lora  tenere,  fuisti 

Altior,  utilior  artibus,  ars  melior. 
Privatus  studio  doctor,  doctore  iuventus 
10        Heu  dolor!  ille  gregem  plangit  et  illa  ducem. 
Hinc  mens,  hinc  stomacus,  [hinc  os] 1  plausu,  dape,  risu 

Ees  miranda  vacat:  undique  fletus  adest. 
Cum  stet  cumque  putet  fore  tutus  in  urbe  vel  extra, 
Hinc  illincque  fugat  emulus  hostis  eum. 
15   O  genus,  o  species!  hie  vobis  conputo  damnum: 
Imbre  rigate  genas!  iam  viduata  duce. 
0  genus,  o  species!  vestram  denete  ruinam! 
A  summo  ruitis  non  relevanda  gradu. 

Auf  diesen  Philosophen  (vgl.  Haureau,  Melanges  p. 
d' Hildebert  p.  33)  bezieht  sich  ein  kürzeres  Epitaph  auf 
fol.  15  b  derselben  Hs. 

XVII. 

Philosophia,  dole !  sed  tu  Dialectica  sola 
Prae  eunetis  doleas  orba  Galone  tuo! 

Plet  genus  et  species,  flent  argumenta  Galonem; 
Exstinctum  florem  flet  genus  et  species. 

XVIII. 

Es  furatus  equam  nocturno  tempore  nequam, 

Nee  paries  geminus  detinuit  facinus. 
Furis  habes  nomen,  veniat  tibi  nominis  omen, 
Et  videam  lucem,  qua  patiare  crucem. 
5  Pro  f actis  rebus  te  torreat  in  cruce  Phebus! 
Nigris  alitibus  sint  tua  membra  eibus! 

Ich  verbinde  mit  diesem  Epigramm  einige  spasshafte 
Stücke,  die  noch  ungedruckt  zu  sein  scheinen: 

XIX. 

A  meretrice  sua  monachus  dum  forte  veniret, 
Contingit 2  merito  res  sibi  foeda  nimis : 

Nam  ratus  esse  suam,  tunicam  tulit  ille  puellae; 
Sic  indutus  abit  ingrediturque  chorum. 


XVin.    fol.  15  a  I.        XIX.    fol.  42  a  I. 

1)  Von  W.  W.  hinzugefügt,  fehlt  im  cod.         2)  'Contigit'  c,  verb. 
von  W.  W. 


648  J-  Werner. 

XX. 

Nupta  tibi  sine  dote  datur!   sie  audio  dici. 

Unde,  miser,  vives  tuque  domusque  tna? 
Dum  tu  solus  eras,  soli  non  proficiebat 

Res  tua;  sufficiet  nunc  minus  illa  tibi. 
5  Ancillam  nuptae,  famulum  tibi,  naevole,  quaeres, 

Nutricem 1  puero,  cum  puer  (ortus)  erit. 
Cum  sis  omnibus  bis  vestemque  eibumque  daturus, 

Non  poterit  sumptus  res  tua  ferre  tuos. 

XXI. 

Querela  monaebi. 
Condicione  nova  mibi  dantur  quatuor  ova, 
Haec  nova  condicio  prodiit  ex  vitio. 
Responsio  abbatis. 
Si  tibi  praebemus  laeto  vultu  quod  babemus, 
Dicas  esse  satis,  quia  conferimus  tibi  gratis. 

XXII. 

Avertens 2  vultum  noli  transire  sepultum, 

Sed  preeibus  dominum  fac  sibi  propicium ! 
Heu!  mortis  portam  quis  claudet  semper  apertam, 

Quae  rapiendo  probos  devorat  et  reprobos? 
5  Heu!  cinis  et  vermis,  quid  in  ista  carne  superbis, 

Quae  similis  fumo  euneta  reponit  humo? 
0 !  qui,  dum  vixit,  vivendo  deum  benedixit 

Yotaque  tunc  voluit  reddere,  dum  potuit. 
E  contra  multi,  quos  claudit  porta  sepulcri 
10        Acbles,  nunc  siccas  multiplicant  lacrimas. 
Quorum  vox  sterilis  circumtonat  atria  regis, 

Pulsant  per  gerriitus  nee  datur  introitus. 
Qui  legis  haec  verba,  miserere  iacentis  in  urna; 

Et  sie  esto  sibi,  ceu  tibi  sint  alii. 
15  Lex  nostrae  sortis  exposcit  debita  mortis, 

Omnis  ut  unde  meat  Spiritus  huc  redeat. 
Die,  deus  hunc  redimat,  ac  alta  pace  quiescat, 

Adsignato  crucem,  cum  benedicis!    Amen. 

XXIII. 

Militet  in  domino,  quisquis  bene  militat,  huius 
Militiae  deus  est  mite  patrocinium. 


XX.    fol.  42  a  I  (in  2  Epigramme  getheilt  bei  Haureau,  Notices  et 
Extr.  (1890)  I,  378  aus  cod.  lat.  Paris.  8433.  W.  W.).         XXI.  fol.  36  b  I. 

xxii.  fol.  i6b  i.      xxrn.  m.  73  b  1. 

1)  'Niticium'  c,  verb.  von  W."W.     2)  'Auertedo'  c,  'do'  vom  Rubricator. 


Epitaphien-  und  Epigramme  des  XII.  Jahrh.  649 

Quem  tegit  iste  lapis  miles  fuit  et  moriendo 
Desiit  esse  suo  miles  in  officio. 
5   Is  tumulatus  erat  vir  in  armis  strenuus,  ortu 
Nobilis,  eximius  pace,  vigens  animo. 
Heu!  fuit  et  non  est,  quia  telis,  igne,  ruina 

Abstulit  nunc  triplici  mors  gravis  interitu. 
Hunc  deus  a  culpis  expurget,  ab  igne  gehennae 
10        Liberet,  in  requie  collocet,  addat  opem. 

XXIV. 

Cum  totum  nequeat  aliquod  nomen  dare  parti, 
Quod  sit  homo  corpus,  logicae  non  consonat  arti. 

Ergo  non  sequitur  homines  istic  tumulari, 
Cum  liquido  constet  hie  corpora  sola  locari. 

5   Cessent  obniti,  cessent  latrare  sophistae ! 

Nam  nil  quod  sit  homo  circumscribit  locus  iste. 

XXV. 

Vitae  mortalis  status  est  quidam  generalis 

Temporis  exigui  curriculo  minui. 
Est  hominis  labi,  verti,  suecumbere  trabi; 

Est  hominis  fleri  consimilem  cineri. 
5   Sic  pereunt  nata,  rediguntur  materiata 

In  sua  simplicia  traduce  materia. 
Sic  quoque  Waltherum  tulit  'ultima  linea  rerum' * 

Quondam  canonicum,   nunc  cinerem  modicum. 
Huic,  pater  aeterne!  da  lucis  amoena  supernae! 
10        Perpetis  ut  patriae  gaudeat  in  requie. 

XXVI. 

De  quo  processit  in  id  ipsum  carne  recessit 
Advena  Waltherus  hoc  in  tumulo  tumulatus. 
Heu !  primae  matris  primi  transgressio  patris 
Criminis  heredes  dedit  has  ineurrere  sedes. 

XXVII. 

Hie  tumulatus       praeco  beatus  rite  vigebat 

Condecoratus  prespiteratus  iure  virebat. 

Nunc  meritorum   digna  suorum  praemia  captat, 

Dum  sociorum       se  superorum  coetibus  aptat. 

5  Martyrio  dedit  egregio  caro  carnea  iura, 

Supplicio,  latrocinio  terras  subitura. 

XXIV— XXVII.    fol.  73  b  II. 
1)  Horat.  Epist.  I,  16,  79. 


650  J-  Werner. 

XXVIII. 
Hie  sita  Kichardis,  iarn  libera  carcere  carnis, 
Terris  sublata  iacet  in  terris  tumulata. 
Nexibus  hanc  fragilis  vitae  subduxit  Aprilis, 
Luce  Kalendarum  primam  subeunte  Nonaruin. 

XXIX. 

Heu !  Gerlandus  erain ;  modo  suui  nihil,  aut  Epicurus 

Mentitur,  veri  si  quid  habet  Samius; 
Sed  tarnen  et  Samius  et  Chrysippus  sine  vero 

Attribuunt  seetae  pondus  utrumque  suae. 
5  Neutrius  admitto  dictum  vel  inane  sophisma; 

Neuter  enim  dicet:  post  sua  fata  probo. 
Heu!    Gerlandus  eram,  sed  nunc  sine  corpore  nomen 

Restat,  utrumque  tarnen  interiisse  reor. 
Vox  prolata  perit,  'nescit  vox  missa  reverti'  \ 
10        Vox  perit,  et  vocis  significata  labant. 

Heu  Gerlandus  eram,  sed  nunc  in  pulvere  pulvis 

Atteror ;  omnipotens  rex  miserere  mei ! 

XXX. 

Femina  prima  fuit  erroris  origo,  ruinae 

Inicium,  mortis  fomes  et  interitus. 
Femilla  virgo  dei  genitrix  commissa  prioris 

Abluit,  interitum  sustulit,  auxit  opem. 
5  Virginis  hinc  prolem,  sponsum  sibi  virgo  pudica 2 

Delegit  fatuis  dissona  virginibus. 
Haec  virgo  sapiens  oleum  cum  lampade  munda 

Protulit  et  media  nocte  secuta  deum. 
Ipsa  die  Maii  quae  transit  ante  kalendas 
10        Quatuor  atque  decem  carne  soluta  fuit. 

Annus  erat  domini  millesimus,  huic  quoque  centum 

Atque3  duos  menses  sol  celer  addiderat. 

XXXI. 

Transitione  brevi  fuit  usus4  labilis  aevi 
Pro  levitate  brevis,  pro  brevitate  levis. 

Indolis  ergo  bonae  puer,  aegra  transitione 
Heinricus  misere  fit  cinis  in  cinere. 


XXVIII.  fol.  74  a  I.  XXDC.    fol.  74b  I.  XXX  — XXXVI. 

fol.  74  a  II. 

1)  Horat.  Ep.  ad.  Pis.  390.  2)  'pudi  caca  virgo1  c.  3)  'ad- 

que'  c.         4)  v'  d.  i.  'unus'  c. 


Epitaphien  und  Epigramme  des  XII.  Jahrh.  651 

5  Ille  per  aetatem  teneram  carnis  levitatem 
Vincere  non  potuit,  sed  prius  occubuit. 

XXXII. 

Pene  relativa  sunt  niors  et  vita,  quod  horum * 

Lex  perhibet,  ratio  iudicat,  usus  habet. 
Sed  quia  mors  posita  vitam  non  ponit,  in  istis 

Fallere  seu  falli  nescit  Aristotiles. 
5   Mors  vitam  perimit,  duo  sunt  haec  inmedia(ta) 2, 

Nam  medium  moriens  Albero  non  habuit. 
Iunius  hunc  rapuit,  geniinos  cum  sole  tenente 

Ipsa  kalendarum  fulsit  in  orbe  dies. 
Huic  pius  aeternam  requiem  donet  miserator 

Et  lux  perpetua 

XXXIII. 

Carnis  vertigo  que  sit,  sua  monstrat  origo: 
Dum  cinerem  sequitur,  dum  cinis  efficitur. 

Sic  cinis  effectus  iacet  hoc  in  pulvere  tectus 
Hartwicus3;  sit  ei  gratia  larga  dei! 

XXXIV. 

Quisquis  ad  haec,  lector,  oculos  epitafia  vertis : 
Quid  sit  homo  potes  indiciis  advertere  certis. 

Funde  preces  pro  nie  nee  te  laseivia  tardet4, 
'Nam  tua  res  agitur,  paries  cum  proximus  ardet' 5. 

Qui  Fromoldus  eram,  modo  sum  cinis;   ergo  levamen 
Sit  deus,  a  poenis  animam  qui  liberet.    Amen. 

XXXV. 

Quid  nisi  pulvis  homo,  nisi  ros,  nisi  flos,  nisi  vermis ; 
Exul  et  absque  domo,  res  vilis,  iners  et  inermis. 

Vita  quid  est  hominis?  nisi  putredo?  nisi  fenum, 
Terra,  favilla,  cinis!  quid  sunt,  quid  habent  nisi  cenum? 

5   Ergo  canonicus,  qui  nunc  iacet  hie  tumulatus, 
Prespiter  Heinricus  primi  pro  labe  beatus 

Nunc  vigeat,  nunc  obtineat  caelestia  dona, 
Possideat  caelum,  subeat  radiante  Corona! 


1)  Dieser  Vers  ist  kaum  richtig.  "W.  W.  2)  'inmedia'  c,  verb. 

von  W.  W.       3)  'Hantwicus'  c.       4)  'trdet'  c,  verb.  W.  W.        5)  Horat. 
Epist.  I,  8,  84. 


652  J.  Werner. 


XXXVI. 


Epitaphium  super  Adam. 
Si  mors  concludi  posset  per  verba  sophistae, 
Conclusisset  ei  tumulus  quem  continet  iste, 
Cui  semel  opposuit  mors  et  conclusit  eidem, 
Non  poteras  igitur  dicere:  nou  sequitur. 

XXXVII. 

Invida  mors!  quid  agis?  mors  invida  vilia  tollis 

Oninia  praecipitans,  maxima  cum  minimis. 
Parcere  debueras,  mors  inproba,  Theoderico. 

Theodericus  erat,  quem  tegit  iste  lapis ; 
5  Ille  peritus  erat  lapides  quadrare,  polire, 

Quamlibet  in  formam  vertere  materiam. 
Nunc  cinis  est,  homo  qui  fuerat,  nunc  vermibus  esca; 

Nunc  opus  artificis  conprimit  artificem. 

XXXVIII. 

Ingrederis  Euodolfe,  viam,  quae  nee  redeunti 
Se  facilem  neque  difficilem  se  praestat  eunti. 

Tutus  abis  moderante  tuam  virtute  pliasellum ; 
Portum  pacis  habet,  cuius  tenet  anchora  caelum. 

5   Caelum  laudum  pascens 1  sua  gaudia  luctu 
Nunc  tibi  centeno  cumulata  dat  horrea  fruetu. 

Caelum  thesauros  aperit  tibi  deliciarum 
Balsama  praetendens  et  aromata  caelicolarum. 

XXXIX. 

Copia  si  rerum  daret  incrementa  dierum, 
Non  ego  tantillo  fueram  claudenda  lapillo; 
Sed  nee  opes  patris  poterant,  nee  copia  matris 
Qualibet  in  cura  morti  sua  tollere  iura. 

XL. 

Cur  portam  claudis,  tu  dives  papa  subaudis; 
Sed  nummi  causa  scio  quod  sit  portula  clausa. 


XXXVII.    fol.  74  a  I.  XXX VIII.    fol.  112  a  I.  XXXIX. 

fol.  152  a  H.        XL.   fol.  158  a  IL 

1)  'pascens'  c,  verb.  von  W.  "W.,  der  hinzufügt,  dass  diese  Ver- 
besserung noch  nicht  genügt. 


Epitaphien  und  Epigramme  des  XII.  Jahrh.  653 

Arg-uo  claustrales  permulta  sed  officiales 
üt  viciis  plenos  verisque  bonis  alienos. 

XLI. 
Inportuna  fames,  princeps  et  domna  cocorum, 
Efficit  ut  sapiant  quaelibet  insipida. 
Aspera  gustu  dulcia  reddit  luxus  edendi 
Et  potum  quamvis  acidum  sitis  arida  blandum. 


XLI.    fol.  158  a  II. 


Neues  Archiv  etc.    XX.  10 


Eine  Appellation  Albenga's  an  den  Kaiser 
von  1226. 

Von   G.   Car o. 

In  der  publicistischen  Schrift  'Memoires  touchant  la 
superiorite  Imperiale  sur  les  villes  de  Genes  et  de  S.  Eemo 
.  .  .  seconde  partie  .  .  .  pieces  justificatives'  (Ratisbonne 
1768)  ist  eine  Urkunde  abgedruckt  (S.  40  f.  n.  XVII),  die 
der  Herausgeber  bezeichnet  als :  'Acte  d'Appel  de  la  Ville 
Imperiale  d'Albenga  ä  l'Empereur  Louis  de  Baviere  •  .  . 
(en  date  du  14.  May)  1316'.  Die  —  offenbar  verderbte  — 
Datierung  lautet  (S.  41):  'Actum  in  civitate  Albingane  in 
ecclesia  sancti  Michaelis  anno  domini  MCCCXVI.  Indic- 
tione  XIV.  Maii'. 

Dieselbe  Urkunde  findet  sich  in  einem  modernen  Ab- 
schriftenbande der  Universitäts  -  Bibliothek  zu  Genua  (Sig- 
natur C.  IV.  14)  auf  f.  42.  Woher  die  Abschrift  genommen, 
ist  nicht  ersichtlich.  Dass  sie  nicht  aus  dem  Drucke 
stammt,  zeigen  die  besseren  Lesarten  ('Capriatam'  statt  'Ca- 
pritam'  S.  40,  Z.  7  von  unten;  'imponere'  statt  'imperare' 
S.  40,  Z.  4  v.  u.  u.  s.  w.).  Dass  sie  nicht  direkt  aus  dem  Ori- 
ginal abgeleitet  ist,  zeigen  die  gemeinsamen  Fehler  (S  40 
letzte  Zeile  die  Lücke  hinter  'vicarius'  und  das  folgende 
falsche  'consules').  Man  wird  anzunehmen  haben,  dass 
Druck  wie  Abschrift  auf  eine  ältere,  schon  fehlerhafte, 
Abschrift  zurückgehen. 

In  der  Hs.  ist  die  Datierung:  (Actum  etc.)  'anno  na- 
tivitatis  domini  MCXXVI  ind.  XIV.  die  XVII.  Maii'. 

Der  Inhalt  der  Urkunde  ist:  Ansaldus  Niger,  Ge- 
sandter der  Commune  Genua  'de  octo  nobilibus  constitutis 
in  ipsa  civitate',  in  Gegenwart  seines  Mitgesandten  Jacobus 
Bellamutus,  befiehlt  fünf  Consuln  von  Albenga,  sie  sollen 
der  Commune  Genua  im  laufenden  Monat  Mai  (per  totum 
istum  mensem  Maii)  35  servientes  nach  Capriata  schicken, 
bei  poena  dupli  (zu  verstehen  wohl  des  doppelten  des 
Schadens,  der  Genua  aus  dem  Ungehorsam  gegen  den 
Befehl  erwächst)  und  bei  jeder  Strafe,  die  Genua  der  Com- 


Eine  Appellation  Albenga's  an  den  Kaiser  von  1226.      655 

umne  Albenga  wird  auferlegen  wollen  (für  'valet'  in  Druck 
und  Hs.  zu  lesen  'volet'). 

Das  folgende  ist  im  Druck  und  in  der  Hs.  gleich  ver- 
derbt: 'et  interdixit  Bonvassallo  notario  vel  scribano  in- 
strumentura  fieri  praecepit  Ansaldus.'  Mit  Rücksicht  auf 
den  gleich  zu  erwähnenden  Gegenbefehl  wird  für  'inter- 
dixit' zu  lesen  sein  'inde  sibi  a',  dann  ist  der  Sinn  klar. 
Der  Gesandte  verlangt,  dass  über  seine  Ankündigung  ein 
Protokoll  in  rechtsgültiger  Form  aufgenommen  werde.  Der 
Judex  und  Vicar  der  Consuln  von  Albenga  (für  'consules' 
ist  'consulum'  zu  lesen,  die  Lücke  zu  ergänzen  'dictorum')  ant- 
wortet für  sie;  er  sagt:  'quod  appellabat  nomine  ipsius 
communis  Albingane  ad  dominum  deum  et  ad  imperatorem, 
et  appellavit  ab  omni  dicto  sive  (Druck  'et')  precepto  et 
(fehlt  im  Dr.)  ab  omni  gravamine  et  ab  omni  pena  et  ab 
omni  onere,  quod  eisdem  consulibus  nomine  ipsius  com- 
munis Albingane  imponebat  pro  communi  Ianue  et  nomine 
ipsius  communis  Albingane.  Et  contradixit  dicto  Ansaldo 
predictus  iudex  nomine  communis  Albingane  (von  'Et'  an 
fehlt  im  Druck)  ex  parte  ipsius  domini  imperatoris,  ne  pre- 
dicta  imponeret  ipsi  communi  Albingane,  dicens  ex  parte 
ipsius  communis  Albingane  ipsi  Ansaldo  ambasciatori  com- 
munis Ianue,  quod  non  habeat  ras  imponere  predicta,  nee 
debeat  nee  de  iure  facere  poterat  predieta'.  Dann  ver- 
bietet der  Judex  und  Vicar  dem  Notar  das  Instrument 
auszufertigen,  das  der  Gesandte  von  ihm  gefordert  hat,  da 
es  gegen  den  Kaiser  sei  und  gegen  die  Commune  Albenga. 
Darauf  folgt  die  Datierung.  (Der  Vorname  des  Notars, 
Basilius,  ist  in  Bonvassallus  zu  verbessern.  Der  zweimal 
in  der  Urkunde  genannte  Notar  hat  Protokoll  über  den 
Vorgang  aufgenommen,  aber  nicht  nur  einseitig  über 
den  Befehl  des  genuesischen  Gesandten,  sondern  auch  über 
die  folgende  Appellation  an  den  Kaiser.) 

Weder  zu  1316  noch  zu  1126  kann  die  Urkunde  ge- 
hören. In  beiden  Jahren  gab  es  keinen  gekrönten  Kaiser, 
auch  kein  Amt  der  octo  nobiles  in  Genua.  Zu  1126  passt 
auch  die  Indiction  nicht.  In  die  sonst  aus  beiden  Jahren 
bekannten  Ereignisse  lässt  sich  die  Urkunde  nicht  einfügen. 

Zweimal  suchten  Albenga  und  Savona  in  Anlehnung 
an  die  kaiserliche  Macht  Unabhängigkeit  von  Genua  zu 
gewinnen,  in  den  Jahren  1226  und  1238;  in  letzterem 
durch  gewaltsame  Erhebung  gegen  den  von  Genua  gesetz- 
ten Podesta1.      Anders  1226. 

1)  Annales  Ianuenses  SS.  XVIII,  S.  187,  Z.  50;  cf.  G.  Caro,  Verf. 
Genua's  z.  Z.  des  Podestats  S.  18. 

43* 


656  GL  Caro. 

Die  Verhandlungen,  die  in  diesem  Jahre  dem  Abfall 
Savona's  vorausgingen,  sowie  das  Auftreten  von  dessen  Ge- 
sandten am  kaiserlichen  Hofe,  beschreiben  die  genuesischen 
Annalen(S.  159  ff.)  ausführlich,  wenn  auch  parteiisch;  dass  Al- 
benga  mit  Savona  im  Einverständnis  war,  wird  nur  erwähnt 
(S.  159,  Z.  52;  S.  160,  Z.  53).  Diese  Lücke  in  dem  Berichte 
ergänzt  nun  die  Urkunde.  Denn  dass  sie  wirklich  zu  1226 
zu  setzen  ist,  dafür  spricht  das  Zusammentreffen  aller 
übrigen  Merkmale.  Die  Indiction  14  stimmt.  Ansaldus 
de  Nigro  gehört  1226  zu  den  octo  nobiles  (Ann.  S.  159, 
Z.  51).  Um  Capriata  drehte  sich  der  Krieg  Genua's  mit 
Alessandria  und  Tortona  (Ann.  S.  155,  Z.  22),  der  1225 
zu  einer  Reihe  erbitterter  Kämpfe  geführt  hatte  *.  Die 
bedrängte  Lage,  in  die  Genua  durch  den  Krieg  gerieth 
(Ann.  S.  160,  Z.  7  und  Z.  43),  bot  die  Gelegenheit  zum 
Abfall.  Das  machtvolle  Auftreten  Friedrichs  II.  in  Ober- 
Italien2  Hess  hoffen,  dass  er  sich  der  Schwachen  gegen 
die  Starken  annehmen  werde. 

Richtig  datiert  ist  also  diese  Urkunde  ein  meines 
Wissens  bisher  nicht  beachtetes  Zeugnis  für  das  Streben 
der  kleineren  italienischen  Städte  unter  Anrufung  der 
kaiserlichen  Obergewalt  sich  der  Vorherrschaft  der  benach- 
barten Grossstadt  zu  entziehen,  und  die  Ausbildung  eines 
Territorialstaates  mit  einer  Commune  als  Mittelpunkt  zu 
hindern. 


1)  Ann.  S.  157  ff. ;   vgl.  "Winkelmann,   Jahrb.  Friedrichs  II.    Bd.  I, 
S.  261.         2)  Vgl.  Winkelmann  a.  a.  0.  S.  282. 


Zu  den  Regesten  Karls  IV. 

Von  Jos.  Becker. 

Bei  den  Vorarbeiten  für  meine  Untersuchung  über 
die  Landvögte  des  Elsass  1308 — 1408  (Strassburg  1894) 
habe  ich  ausser  den  im  Anhang  zu  dieser  Schrift  ver- 
zeichneten, bisher  unbekannten  Kaiserurkunden  des  14.  Jahr- 
hunderts in  den  Archiven  zu  Colmar  und  Hagenau  noch 
eine  Anzahl  ungedruckter  Urkunden  Karls  IV.  gefunden, 
die  dort  nicht  aufgenommen  werden  konnten,  weil  sie  mit 
der  Geschichte  der  Landvögte  nichts  zu  thun  haben.  Ich 
theile  deshalb  hier  kurze  Regesten  derselben  mit. 

1.  1347.  Dec.  12.  Hagenau. 

Karl  IV.  erlässt  Kolmar  die  letztverfallene  Martins- 
steuer. Zu  Hagenowe  1347  an  der  nehesten  mitwochen 
nach  saut  Nycolaus  tag,  im  andern  iare  vnser  rieh.  Org. 
Perg.  m.  Rest  des  hg.  Majestätssiegels,  Colm.  CC. 

2.  1352.  April  11.  Prag. 

Karl  IV.  führt  bei  den  Bürgern  Hagenau's  Klage 
darüber,  dass  sie  seinen  Richter  vertrieben  und  abgesetzt 
und  sich  das  Gericht  angemasst  hätten  ohne  seines  Pflegers 
Willen ;  dass  sie  gewaltsam  in  den  Hof  seines  Richters  ein- 
gebrochen seien  und  die  Pferde  daraus  weggenommen 
hätten,  die  jener  solchen  Bürgern  gepfändet  hatte,  welche 
den  hl.  Porst  geschädigt  hatten;  dass  sie  solche  Unthat 
nicht  vor  seinen  Richter  bringen,  sondern  selber  richten 
wollten ;  dass  sie  das  Thor  von  der  Burg  freventlich  abge- 
rissen hätten  ohne  die  Erlaubnis  seiner  Amtleute ;  dass  sie 
sich  des  Reichsforstes,  da  wo  er  am  schönsten  und  besten 
sei,  bereits  ein  Jahr  lang  unterwunden  hätten,  wodurch  sie 
einen  Schaden  von  mehr  als  1000  Pfund  Heller  verursacht 
hätten.  Deshalb  habe  er  bestimmt,  dass  der  Reichsvicar 
Pfalzgraf  Ruprecht  Besserung  und  Busse  von  der  Stadt 
verlangen  solle  nach  seinem  Gutdünken.  Ze  Präge  an  der 
nehesten  mitwoche    noch    dem    Ostertag   Reich    6.    J.     Ad 


658  J°s-  Becker. 

relat.     electi    Nevnburgensis    Michael.    Org.    Perg.     hinten 
Spuren  von  aufgedr.  rot.  Sgl.  Hag.  AA  104. 

3.  1354.  Mai  23.  Strassburg. 

.  .  .  quittiert  der  Stadt  Colmar  über  ihre  künftige 
Martinssteuer,  300  Mark  Silber,  und  verspricht,  dass  weder 
er,  noch  sein  Landvogt  diese  Steuer  von  1354  mehr  fordern 
werde.  Strassburg  1354  am  frejtage  nach  vnsers  herren 
auffart  tage,  Reich  8.  J.  Ad  rel.  comitis  Meydb.  mag. 
curie,  Heinricus  thesaurarius.  Org.  Perg.  m.  Rest  d.  hg. 
Msgl.     Colm.  CC. 

4.  1355.  Dec.  24.  Nürnberg. 

.  .  .  quittiert  der  Stadt  Colmar  über  70  Gulden  von 
Florenz,  welche  Ulrich  vom  Hus  eingenommen  habe  und 
die  von  der  nächstfälligen  Martinssteuer  abzuziehen  seien- 
Nurenberg  1355  an  dez  hl.  Cristes  abent,  Reich  10.  Kaisert. 
1.  J.  Per  dorn.  Cancell.  Heinricus  thesaur.;  R.  Hertwicus. 
Or.  Perg.  m.  hg.  Msgl.  Colm.  CC. 

5.  1356.  Mai  11.  Prag. 

.  .  .  befiehlt  Colmar,  die  nächstfällige  Martinssteuer 
dem  Friedrich  von  Hatstadt  und  seinen  Brüdern  zu  geben. 
Ze  Präge  1356  des  nechsten  mitwochen  nach  dem  suntag 
misericordias  dorn.,  Reich  10.  Kais.  2.  J.  Per  dorn.  mag. 
curie,  Iohannes  de  Glacz.  Or.  Perg.  m.  hg.  rot.  Adlersgi. 
in  gelb.  Schüssel.     Colm.  CC. 

6.  1357.  Aug.  27.  Taus. 

.  .  .  befiehlt  Colmar,  die  nächstfällige  Martinssteuer 
dem  Burkhard  Münch  dem  Jungen  von  Landskron  zu 
geben.  Taus  1357  des  neuesten  suntages  na  sente  Bar- 
tholomeus  tage,  Reich  12.  Kais.  3.  J.  Per  dorn.  mag.  curie, 
Rudolfus  de  Friedeberg.  Or.  Perg.  m.  hg.  rot.  Adlersgi.  in 
gelb.  Schüssel.     Colm.  CC. 

7.  1358.  Oct.  12.  Prag. 

.  .  .  gebietet  Hagenau,  von  der  nächstfälligen  Martins- 
steuer dem  Herzog  Friedrich  von  Teck  500  Gulden  zu  geben. 
Prag  1358  am  freytag  vor  sand  Gallen  tag,  Reich  13.  J., 
Kais.  4.  Per  dorn.  mag.  curie,  Joh.  Eystetensis ;  R.  Mili- 
czius.  Or.  Perg.  Sgl.  abgef.  Hag.  CC.  2  n.  2. 


Zu  den  Regesten  Karls  IV.  659 

8.  1359.  Sept.  1.  Königstein. 

.  .  .  bescheinigt,  dass  Hagenau  auf  seinen  Befehl  hin 
die  gewöhnliche  Steuer  von  diesem  Jahre  dem  Herzog 
Friedrich  von  Teck  bezahlt  habe.  Zu  Kunigisteyn  1359 
an  send  Egidien  tage,  Eeich  14.  Kais.  5.  J.  Per  dorn.  Im- 
perat.  Eudolfus.     Or.  Perg.  m.  hg.  Msgl.    Hag.,CC.  2  n.  4. 

9.  1361.  Aug.  3.  Prag. 

.  .  .  befiehlt  Hagenau,  von  der  nächstfälligen  Martins- 
steuer dem  Herzog  Friedrich  von  Teck  500  Gulden  zu 
geben.  Prag  1361  an  sant  Stephans  tag  als  er  funden  wart, 
Rom.  Reich  16.  Kais.  7.  J.  Per  dorn.  Maideburgens.  elec- 
tum,  Conr.  de  Gysinheiin,  R.  loh.  Saxo.  Or.  Perg.  m.  hg. 
Msgl.  Hag.  CC  2*.  n.  5. 

10.  1364.  Mai  14.  Bautzen. 

.  .  .  befiehlt  Hagenau,  dem  Herzog  Friedrich  von  Teck 
500  Gulden  von  der  nächstfälligen  Martinssteuer  zu  geben. 
Budissin  1364  am  nehesten  dinstage  nach  dem  heiligen 
pingstage,  Reich  18.  Kais.  10.  Per  dorn.  Imperat.,  Rudolf, 
de  Frideberg.  R.  Petrus  Scholast.  Lubuc.  Or.  Perg.  m.  hg. 
Msgl.    Hag.  CC.  2.  n.  8. 

11.  1366.  Aug.  14.  Nürnberg. 

.  .  .  befiehlt  Colmar,  von  der  künftigen  Martinssteuer 
dem  Heinrich  von  Varnbach,  Bischof  von  Termopel, 
seinem  Kaplan,  80  Gulden  zu  bezahlen.  Nuremberg  1366 
an  vnserer  frawen  abend  wurczwey,  Reich  21.  Böhm.  20. 
Kais.  12.  J.  Per  dorn,  cancell.,  decanus  Glogouiensis ; 
R.  loh.  Saxo.    Or.  Perg.  m.  Rest  des  hg.  Msgl.    Colmar  CC. 

12.  1367.  Febr.  24.  Prag. 

.  .  .  befiehlt  Colmar,  von  der  nächstfälligen  Martins- 
steuer an  Heinrich,  Bischof  von  Termopel,  80  Gulden  zu 
bezahlen.  Prag  1367  an  sancte  Matthyss  tag  des  heiligen 
aposteln,  Reich  21.  Kais.  12.  J.  Ad  rel.  dorn,  cancell., 
Petrus  scholast.  Lubuc. ;  R.  Volczo  de  Wormacia.  Or.  Perg. 
m.  hg.  Msgl.    Colm.  CC. 

13.  1370.  Aug.  19.  Nürnberg. 

.  .  .  befiehlt  Colmar,  von  der  nächstfälligen  Martins- 
steuer an  Bischof  Heinrich  zu  Termopel  80  Gulden  zu  be- 
zahlen.    Nuremberg    1370    am  montag   vor   sant  Bartholo- 


660  Jos.  Becker. 

rneustag,  Rom.  25,  Böhm.  24,  Kais.  16.  J.  Per  dorn,  cancell. 
Conradus  de  Gysenheim;  R.  loh.  Lust.  Or.  Perg.  m.  hg. 
Msgl.    Colm.  CC. 

14.  1372.  Juli  22.   Sulzbach. 

.  .  .  befiehlt  Hageuau,  von  der  nächstfälligen  Martins- 
steuer dem  Herzog  Friedrich  von  Teck  500  Gulden  zu  geben. 
Sulzbach  1372  an  sant  Marie  Magdalene  tage,  Rom.  27. 
Böhm.  26.  Kais.  18.  J.  Per  dorn.  mag.  curie,  Nicl.  Cameric, 
prepos. ;  R.  loh.  Saxo.  Or.  Perg.  m.  hg.  Msgl.  Hag.  CC. 
2  n.  16. 

15.  1373.  Mai  6.  Prag. 

.  .  .  entbietet  den  Geistlichen,  den  Comenturen  und 
ihren  Unterthanen  der  Häuser  des  Johamiiterordens  zn 
Colmar,  Schlettstadt,  Mülhausen,  dass  er  vernommen  habe, 
dass  sie  sich  weigerten,  'mit  füre  zu  herferten,  zu  wege, 
zu  stege  vnd  zu  andern  Sachen'  zu  helfen;  deshalb  befehle 
er  ihnen,  jenen  Städten,  wie  es  von  alters  herkömmlich 
sei,  in  den  genannten  Sachen  behülflich  zu  sein.  Prag 
an  dem  fritag  nach  des  heiligen  cruces  tag  als  es  gefunden 
wart,  Reich  27,    Kais.  19.  J.   —   Schlettstadt.    Copialbuch. 

16.  1373.  Aug.  20.  Frankfurt  a./O. 

.  .  .  befiehlt  Hagenau,  die  jährliche  Martinssteuer 
gänzlich  dem  Herzog  Friedrich  von  Teck  zu  geben.  Fran- 
kenfurt anf  der  Oder  1373  an  dem  sampstag  nach  vnser 
frawen  tag  schiedung  Rom.  28.  Böhm.  27.  Kais.  19.  J.  Per 
mag.  curie,  P.  Lauric. ;  R.  Nicol.  de  Praga.  Or.  Perg.  m. 
hg.  Msgl.  Hag.  CC.  2  n.  18. 


Matthaeus  Grabow. 

Von  W.  Wattenbach. 

Bei  den  Anfeindungen,  welchen  die  im  Niederland 
aufkommenden  Genossenschaften  ohne  Klosterregel  ausge- 
setzt waren,  spielt  eine  Rolle  die  heftige  Anklageschrift 
des  Dominikaners  M.  Grabow,  damals  Lectors  in  Groningen, 
welche  er  beim  Konstanzer  Concil  einreichte,  die  aber  1419 
auf  Grund  von  Gutachten  Peters  von  Ailly  und  Joh.  Ger- 
sons  verdammt  wurde,  er  selbst  zum  Widerruf  genöthigt; 
s.  Moll,  Kerkgeschiedenis  van  Nederland  II,  2,  169.  Die 
Schrift  selbst  nebst  den  Gutachten  ist  gedruckt  in  Ger- 
sons  Werken  I,  624  (Ed.  Antw.  I,  467),  und  danach  bei 
von  der  Hardt  III,  106.  Aber  die  Diöcese  ist  zur  Merse- 
burger geworden,  und  deshalb  will  auch  von  der  Hardt 
den  Convent  zu  Wismar  in  einen  zu  Weimar  umgestalten ; 
er  selbst  heisst  Grabon,  und  bei  Quetif  I,  759  Grabeen. 
Den  Niederschlag  dieser  Verkehrtheiten  finden  wir  bei  Fa- 
bricius.  Bei  dieser  Sachlage  war  es  ganz  willkommen,  dass 
Prof.  Paul  Fredericq  mich  freundlichst  aufmerksam  machte 
auf  die  Brüsseler  Hs.  2285 — 2301,  saec.  XV.  aus  dem  Klo- 
ster Korsendonc,  welche  unter  vielen  auf  diese  Streitig- 
keiten bezüglichen  Schriften  fol.  35  u.  36  auch  die  Ver- 
dammung und  den  Widerruf  des  M.  Grabow  enthält,  der 
dem  Convent  zu  Wismar  im  K-atzeburger  Sprengel  ange- 
hörte und  Lector  in  Groningen  war.  Ich  habe  sie  aus  der 
Kgl.  Bibliothek  zu  Brüssel  durch  die  dankbar  anerkannte 
Güte  der  Direction  zugesandt  erhalten,  und  gebe  danach 
den  folgenden  Abdruck.  Das  Urtheil  war,  so  viel  ich  ge- 
sehen habe,  noch  nicht  gedruckt. 

f.  35.  Anno  Domini  1419,  die  31.  Maii  per  cardina- 
lem  Aquilegiensem,  iudicem  in  hac  causa,  dampnatus  est 
quidam  libellus  et  17  conclusiones   in   eo   contente,    editus 


662  W.  Wattenbach. 

a  quodam  fratre  Matheo  de  Grabow  ordinis  Predicatorum, 
professo  conventus  Wismariensis  dyoc.  Razeburgensis  pro- 
vincie  Saxonie  (f.  35')  tamquam  bereticalis  et  heresim  sa- 
piens, erroneus,  scandalosus,  iniuriosus,  temerarius,  pre- 
sumptuosns  et  piaruni  aurium  offensivus,  set  et  aqua  an- 
gustie  sustentandus  donec  appareret,  an  in  luce  an  in 
tenebris  ambnlaret.  Compulsus  quoque  predictum  libellum 
cum  suis  conclusionibus  publice  revocare,  si  ad  unitatem 
ecclesie  eligeret  redire.  Si  vero  non  elegisset,  degradandus 
ut  liereticus  fuerat,  et  brachio  seculari  relinquendus.  Ei- 
dem  quoque  fratri  M.  quoad  vixerit *  interdictus  est  accessus 
ad  provinciam  Coloniensem,  maxime  ad  dyoc.  Traiectenseni, 
sub  pena  perpetue  incarceracionis  et  aliis  iuris  penis. 
Principium  libelli  fuit  tale:  'Suppono  primo  quod  non  in- 
tendo',  finis  vero:  'Et  per  hoc  patet  responsio  ad  deci- 
muni'.  Prima  eiusdem  libelli  conclusio  fuit  hec :  'Nullus 
potest  licite  et  meritorie,  immo  nee  veraciter,  obediencie, 
paupertatis  et  castitatis  universalia  consilia  coniunetim 
extra  veras  religiones  manendo  adimplere'.  Ultima  eius 
conclusio  scilicet  17.  fuit  ista:  'Ex  quibus  sequitur,  quod 
predieta  tria  Salvatoris  consilia  sunt  ita  concathenata,  ut 
ubi  paupertas  veraciter  seu  meritorie  invenitur,  oportet 
quod  necessario  obediencia  et  castitas  veraciter  seu  meri- 
torie inveniantur'. 


Revocacio  eiusdem   fratris  Mathe i. 

Ego  frater  Matheus  Grabow,  ordinis  Predicatorum 
professus  conventus  Wismariensis  dyoc.  Razeburgensis  pro- 
vincie  Saxonie,  cognoscens  veram  catholicam  et  apostoli- 
cam  sedem,  anathematizo  et  abiuro  omnem  heresim  om- 
nemque  falsam  et  erroneam  doctrinam  contentam  in  quo- 
dam meo  libello  ineipiente  'Suppono'  etc.  et  finiente  'et 
per  hoc  patet  responsio  ad  deeimum',  maxime  17  conclu- 
siones  pretensas  et  asserciones,  quarum  alie  sunt  heretice, 
alie  erronee  et  alie  scandalose  ac  piarum  aurium  offensive, 
per  me  editas  in  illo,  de  qua  doctrina  hactenus  infamatus 
(f.  36)  convictus  et  sentencialiter  condempnatus  sum.  Et 
consentio  sanete  Romane  ecclesie  et  apostolice  sedi,  pro- 
fitens  eandem  fidem  nie  tenere  et  credere,  quam  saneta 
ecclesia  tradidit  et  firmavit,  et  iurans  per  sanetam  Trini- 
tatem    et    hec    Christi    evangelia,     eos    qui    contra    hanc 


1)  'vixit'  Hs. 


Mattheus  Grabow.  663 

fidem    veniunt,    cum    dogmatibus   suis    eterno   auathemate 
diguos  esse. 

Se  quoque  subscripsit  manu  propria  abiuracioni  a  se 
lecte,  approbate  et  facte  coram  dicto  cardinali  et  aliis 
multis  prelatis,  doctoribus  et  magistris  in  theologia  et  in 
utroque  iure  ad  futuram  rei  memoriam  et  testimonium 
j)remissorum. 


Nachrichten. 


232.  Die  Gesellschaft  für  ältere  Deutsche  Geschichts- 
kunde hat  kurz  nach  einander  zwei  schmerzliche  Verluste 
erlitten  durch  den  Tod  von  Männern,  die,  beide  Schüler 
von  Waitz,  beide  noch  unter  Pertz  zu  ihren  Arbeiten  heran- 
gebildet, ihr  bis  auf  die  Gegenwart  herab  wesentliche 
Dienste  geleistet  haben. 

Wilhelm  Ferdinand  Arndt  wurde  am  27.  September 
1838  zu  Lobsens  in  der  Provinz  Posen  geboren,  doch  sie- 
delte sein  Vater  als  Kreisgerichtsdirector  später  nach  Kulm 
über,  wo  der  Sohn  seine  Gymnasialbildung  im  Herbst  1858 
vollendete.  Seine  Studien  machte  er  z.  T.  in  Berlin,  doch 
vorzugsweise  in  Göttingen  bei  Waitz  und  promovierte  dort 
1861  mit  einer  Abhandlung  über  die  Wahl  Konrads  II. 
Seit  dem  1.  Nov.  1861  Mitarbeiter  der  Mon.  Genn.,  blieb 
er  dieser  Thätigkeit  bis  zum  1.  Oct.  1875  treu,  wo  er  sich 
endlich  der  akademischen  Laufbahn  in  Leipzig  zuwandte. 
Im  Auftrage  von  Pertz,  dessen  besonderes  Vertrauen  er 
besass,  unternahm  Arndt  im  J.  1864  eine  Eeise  nach  Breslau, 
Krakau  und  Lemberg,  auf  der  er  für  die  Bearbeitung  der 
polnischen  Annalen  mit  Eöpell  in  nähere  Verbindung  trat, 
1864 — 65  eine  zweite  nach  Petersburg1  und  Warschau,  die, 
durch  Krankheit  schwer  gestört,  zur  Auffindung  der  Hand- 
schrift Heinrichs  'des  Letten'  führte.  1867  begab  sich  Arndt2 
zu  einem  längeren  Aufenthalte  nach  Belgien,  1868  von 
dort  nach  Frankreich,  wo  er  zahlreiche  karolingische  Ur- 
kunden abschrieb.  Die  Ergebnisse  dieser  Reise  wurden 
durch  eine  zweite  vom  Juli  1869  bis  Januar  1870  wesent- 
lich ergänzt,  die  zur  Entdeckung  des  wichtigen  Registrum 
Friedrichs  IL  in  Marseille  den  Anlass  gab. 

Arndts  erste  Arbeit  in  den  Mon.  Germ,  selbst  war 
das  Register  zu  dem  1863  erschienenen  18.  Bande  der  SS. ; 


1)  Vgl.  N.  Arch.  V,  220.        2)  Vgl.  N.  Arch.  H,  232—299. 


Nachrichten.  665 

neben  verschiedenen  kleineren  Quellen  folgten  im  19.  B. 
die  grosse  Weltchronik  Romualds  von  Salerno  und  Annalen 
von  Pommern,  Preussen,  Polen,  im  20.  die  Chroniken  von 
Ebersberg  und  Lippoldsberg,  die  Werke  Reiners  von  Lüttich, 
Johanns  von  Salisbury  hist.  pontinc.  und  das  Register,  im 
21.  die  Geschichte  der  Aebte  von  Lobbes  und  namentlich 
die  grosse  Hennegauer  Chronik  des  Gislebert  von  Mons, 
endlich  im  23.  die  Chronik  Heinrichs  des  Letten  nach  der 
Warschauer  Hs.  Von  den  durch  Pertz  ihm  gleichfalls 
bereits  übertragenen  Merowingischen  Quellen,  auf  welche 
sich  neben  Gislebert  besonders  auch  die  belgisch -franzö- 
sische Reise  bezogen  hatte,  erschien  nach  längerer  Unter- 
brechung 1882 — 1884  die  Frankengeschichte  Gregors  von 
Tours  nach  den  ältesten  und  rohesten  Hss.,  alles  aber,  was 
sich  weiter  daran  anschliessen  sollte,  überliess  er  zuletzt 
seinem  Schüler  B.  Krusch.  Und  so  folgten  als  Nachklang 
dieser  Thätigkeit  nur  noch  die  Vita  Alchvini  im  15.  Bande 
der  SS.  und  die  Briefe  des  Desiderius  von  Cahors.  Unab- 
hängig von  den  MG.,  doch  in  ihrem  Sinne  veröffentlichte 
er  als  Leipziger  Habilitationsschrift  die  Chronik  des  Bischofs 
Marius  von  Avenches  nach  der  einzigen  Hs.  und  schon 
vorher  die  kleineren  Merowingischen  Denkmäler,  die  Waitz 
1874  zugeeignet  wurden.  Wie  Arndt  im  Lesen  schwieriger 
Hss.  stets  als  ein  besonderer  Meister  gegolten  hatte,  so 
förderte  er  darin  auch  weitere  Kreise  durch  seine  1887  in 
zweiter  Auflage  erschienenen  sehr  praktischen  Schrifttafeln. 
Arndts  Lehrthätigkeit,  welche  in  einem  engeren  Zirkel 
schon  in  Berlin  begonnen  hatte  und  sich  keineswegs  auf 
Hilfswissenschaften  beschränkte,  trat  am  wirksamsten  in 
seinem  der  Einführung  in  die  Quellenkritik  gewidmeten 
Seminar  hervor,  in  welchem  er  die  pädagogische  Methode 
seines  Meisters  mit  grosser  Virtuosität  handhabte.  Rasch 
zum  ausserordentlichen  Professor  befördert  und  neben  Noor- 
den  mit  dem  ihm  später  für  einige  Zeit  entzogenen  offici- 
ellen  Seminar  für  Mittelalter  betraut,  blieb  er  trotz  seiner 
anerkannten  Lehrerfolge  lange  auf  dieser  Stufe,  bis  er  end- 
lich im  Sommer  1894  eine  ordentliche  Professur  für  Hilfs- 
wissenschaften erlangte.  Neben  den  uns  hier  ferner  liegen- 
den Goethestudien  wurde  er,  der  auch  an  dem  politischen 
Leben  der  Gegenwart  stets  warmen  Antheil  nahm,  in  seinen 
späteren  Jahren  von  dem  ursprünglichen  Arbeitsfelde  weiter 
abgeführt  durch  den  Plan  einer  umfassenden  Deutschen 
Geschichte  nach  dem  Westfälischen  Frieden,  für  welchen 
er,  namentlich  in  Stockholm  und  Wien,  reiche  Materialien 
sammelte.     Etwas  davon  zu  vollenden  war  ihm  nicht  mehr 


666  Nachrichten. 

beschieden :  ein  Herzschlag  bereitete  am  10.  Januar  seinem 
Leben  und  Wirken  ein  jähes  Ende.  Wie  er  den  MG.,  die 
den  besten  Theil  seiner  Kraft  in  Anspruch  genommen,  stets 
die  alte  Anhänglichkeit  bewahrt,  indem  er  einzelne  seiner 
Schüler  zur  Thätigkeit  an  ihnen  auszubilden  bestrebt  war, 
und  viele  jüngere  Fachgenossen  in  ihren  Arbeiten  mit 
grosser  persönlicher  Gefälligkeit  förderte,  so  sei  auch  hier 
seinem  Andenken  dankbare  Anerkennung  gewidmet. 

Vgl.  0.  EL  Geffcken  in  der  Beil.  zur  Allgem.  Zeitung, 
München  vom  22.  Januar. 

Ludwig  Weiland  wurde  aus  einer  katholischen  Fa- 
milie am  16.  November  1841  zu  Frankfurt  am  Main  geboren 
und  zählte  zu  seinen  Lehrern  am  Gymnasium  auch  den 
bekannten  klerikalen  Historiker  Joh.  Janssen.  Seine  Stu- 
dien in  den  Jahren  1861  bis  1864  galten  in  Göttingen  wie 
in  Berlin  der  Geschichte  und  zugleich  der  Germanistik, 
jene  unter  der  Leitung  von  Waitz,  diese,  in  die  er  tiefer 
als  die  meisten  seiner  Fachgenossen  eindrang,  unter  der 
von  W.  Müller  und  Müllenhoff.  Nachdem  er  1864  in 
Göttingen  mit  einer  Abhandlung  über  das  sächsische  Her- 
zogthum  unter  Lothar  und  Heinrich  dem  Löwen  (1866  im 
Buchhandel  erschienen)  promoviert  hatte,  ging  er  auf  die 
Empfehlung  von  Waitz  zu  Joh.  Mart.  Lappenberg  nach 
Hamburg,  um  diesem,  der  altersschwach  und  augenleidend 
war,  als  Gehilfe  zur  Seite  zu  stehen.  Er  unterstützte  ihn 
bei  seinen  literarhistorischen  Arbeiten,  von  denen  er  die 
Ausgabe  der  Briefe  Klopstocks  erst  nach  seinem  Tode  1867 
vollendet  herausgab,  aber  auch  bei  den  für  die  MG.  vor- 
bereiteten Quellenschriftstellern,  wie  Helmold  und  Arnold, 
deren  Druck  er  später  besorgte.  Einige  Zeit  nach  Lappen- 
bergs Ende  (f28.  Nov.  1865)  kehrte  W.  nach  Göttingen  zu- 
rück, um  zunächst  an  H.  Korners  Weltchronik  zu  arbeiten. 

Eine  Aufforderung  von  Pertz,  der  mit  ihm  über  die 
Hinterlassenschaft  Lappenbergs  schon  vorher  in  Verbindung 
getreten  war,  berief  Weiland  zu  Neujahr  1867  in  den  Dienst 
der  MG.  Seine  Thätigkeit  für  diese,  die  im  Ganzen  bis 
1876  währte,  wurde  wiederholt  durch  ein  böses  Augenleiden 
gestört  oder  unterbrochen,  erst  auf  einige  Monate  im 
J.  1869,  dann  auf  ein  und  ein  viertel  Jahr  vom  1.  Apr. 
1870  an,  endlich  wieder  1875.  Wie  er  hier  zuerst  mit  dem 
Nachlass  Lappenbergs  sich  zu  beschäftigen  hatte,  wohin 
auch  das  Chronicon  Holtzatiae  gehörte,  so  fiel  ihm  später 
die  Aufgabe  zu,  die  von  Otto  Abel  vorbereiteten  Ausgaben 
schwäbischer  Quellen,  der  Geschichte  von  Petershausen  und 
des  Chron.  Ursperg.,  druckfertig  zu  machen.    Seine  eigenen 


Nachrichten.  667 

Arbeiten  beginnen  mit  dem  1869  veröffentlichten  21.  Bande, 
für  den  er  ausser  dem  Register  die  Weingartner  Weifen- 
geschichte nebst  Fortsetzungen  lieferte;  im  22.  folgte  der 
überaus  verbreitete  nnd  schwierige  Martin  von  Troppan  mit 
Fortsetzern  (z.  T.  im  24.) ;  im  23.,  dessen  Register  wir  ihm 
ebenfalls  verdanken,  die  Echternacher  Denkmäler,  die  grosse 
Halberstädter  Bistumschronik,  Emo  und  Menko,  die  Ge- 
schichte der  Bischöfe  von  Utrecht,  der  Aebte  von  Marien- 
gaarde,  die  Chroniken  von  Lüneburg,  Ebersheim,  Ottobeuern. 

Hatte  Weiland,  um  endlich  zu  einer  gesicherten 
Lebensstellung  zu  gelangen,  sich  mit  der  Absicht  getragen, 
die  Archivlaufbahn  einzuschlagen,  so  wurde  er  diesen  Zwei- 
feln durch  eine  Berufung  nach  Giessen  als  ausserordent- 
licher Professor  an  Stelle  Scheffer-Boichorsts  im  Sommer 
1876  enthoben.  Yon  hier  aus  lieferte  er  (im  15.  und  24. 
Bande  der  SS.)  noch  einige  Ergänzungen  zu  seinen  früheren 
Arbeiten:  seine  ausgezeichnetste  Leistung  aber  unter  der 
neuen  Centraldirection  bestand  darin,  dass  er,  als  geschulter 
Germanist  hierzu  vorzüglich  berufen,  die  Reihe  der  Deutschen 
Chroniken  würdig  mit  dem  2.  niedersächsischen  Bande  er- 
öffnete, dessen  Kern  die  sächsische  Weltchronik  bildet, 
während  die  Braunschweigische  Reimchronik  darin  an 
Lappenbergs  Pläne  anknüpft. 

In  die  Unterbrechung,  welche  nach  diesem  stattlichen 
Bande  in  Weilands  Schaffen  für  die  Monumenta  eintrat, 
fiel,  nachdem  er  schon  in  Giessen  zum  ordentlichen  Pro- 
fessor befördert  worden,  im  J.  1881  seine  Berufung  nach 
Göttingen,  wo  er  als  Nachfolger  Weizsäckers  zugleich  der 
Nachfolger  seines  Lehrers  Waitz  wurde,  der  ihm  stets  ein 
Vorbild  bei  allen  seinen  Bestrebungen  geblieben  war.  Eben- 
so wie  dieser  kehrte  auch  er  von  andern  Arbeiten  immer 
wieder  am  liebsten  zu  den  MG.  zurück,  denn  als  Lorsch 
in  Bonn  die  eine  Zeit  lang  von  ihm  geförderte  neue  Be- 
arbeitung des  2.  Bandes  der  Leges  doch  wieder  aufgab, 
wurde  Weiland  sein  Nachfolger.  Indem  unter  seinen  Hän- 
den der  Plan  sich  auf  4  Quartbände  bis  zur  goldenen  Bulle 
Karls  IV.  ausdehnte,  behielt  er  sich  zur  eigenen  Ausfüh- 
rung die  beiden  ersten  vor,  seinem  durch  ihn  herangebil- 
deten Mitarbeiter  Schwalm  den  Rest  überlassend.  Den 
Druck  der  grösseren  Hälfte  des  2.  Bandes  hat  er  noch 
selbst  erlebt.  Wenn  auch  W.  zum  Mitgliede  der  Central- 
direction erst  im  J.  1893  gewählt  wurde  und  somit  nur 
einmal  an  unsrer  Versammlung  sich  betheiligen  konnte,  so 
war  ihm  doch  schon  1888  der  Vorsitz  und  die  Leitung 
unserer  Arbeiten  angeboten  worden,  die  er  ablehnte. 


668  Nachrichten. 

Es  ist  begreiflich,  dass  neben  einer  so  ausgedehnten 
Thätigkeit  als  Herausgeber  und  bei  dem  Hemmnis  der  nie 
ganz  überwundenen  Augenschwäche  die  Müsse  zu  grösseren 
literarischen  Leistungen  fehlte ,  aber  eine  ganze  Reihe 
höchst  schätzbarer  Abhandlungen  und  Untersuchungen 
theils  zur  Verfassungsgeschichte  theils  zur  Quellenkunde 
entstanden  dennoch  neben  jenen  Ausgaben.  Von  den  letz- 
teren erwähne  ich  namentlich  die  über  Mathias  von  Neuen- 
burg in  den  Abhandl.  der  Gott.  Gel.  Ges.  und  über  ein 
Privilegium  Friedrichs  II.  in  den  histor.  Aufsätzen  zum 
Andenken  an  Waitz.  Auch  manche  der  ausführlichen,  oft 
scharfen  Besprechungen  über  Bände  der  MG.  oder  ver- 
wandte Erscheinungen  in  v.  Sybels  histor.  Zeitschrift  trugen 
zur  Förderung  unserer  Arbeiten  bei.  In  dem  hanseatischen 
Geschichtsverein  nahm  er,  wie  einst  Waitz,  eine  hervor- 
ragende Stellung  ein.  An  der  Universität  Göttingen,  die 
Weiland  1888  zu  ihrem  Prorector  wählte,  gehörte  er  als 
ein  stets  mannhafter,  bisweilen  etwas  schroffer,  Charakter 
zu  den  angesehensten  Collegen,  in  seinen  Vorlesungen  und 
namentlich  im  Seminar  bewährte  er  sich  als  ein  sehr  be- 
liebter Lehrer.  Wie  der  von  ihm  gefeierte  Dahlmann 
widmete  er  manche  Stunde  und  eine  nicht  gewöhnliche 
Redegabe  in  politischen  Versammlungen  der  Sache  des 
Deutschen  Reiches,  der  zu  Liebe  er  selbst  einst  zum  evan- 
gelischen Glauben  übergetreten  war. 

Gerade  in  dem  letzten  Winter  arbeitete  W.  mit  be- 
sonderem Eifer  an  der  Ausgabe  der  Reichsgesetze,  als 
nach  einer  Erkrankung  von  wenigen  Tagen,  die  das  Vor- 
handensein einer  Zuckerkrankheit  herausstellte,  am  5.  Fe- 
bruar ein  plötzliches  Ende  ihn  aus  seinem  Wirken  abrief. 

Vgl.  P.  Hasse  in  den  Lübeck.  Blättern  Nr.  12  vom 
10.  Febr.  1895,  J.  Schwalm  in  der  Gott.  Zeit,  vom  11.  Febr. 

E.  D. 

233.  In  Rom  starb  am  9.  März  P.  B ollig  S.  L, 
der  als  Bibliothekar  an  der  Vaticana  durch  seine  Gefällig- 
keit und  Zuvorkommenheit  sich  oft  Anspruch  auf  den  Dank 
unserer  Mitarbeiter  erworben  hat.  E.  D. 

234.  Zum  Mitglied  der  Centraldirection  ist  von  der 
kgl.  bayrischen  Akademie  an  Stelle  des  ausscheidenden 
Hrn.  Geh.  Hofraths  von  Rockinger  Hr.  Professor  Alfred 
Dove  in  München  gewählt  worden. 

235.  Von  den  Geschichtschreibern  der  deutschen 
Vorzeit  ist  erschienen  Bd.  62  der  zweiten  Gesammtausgabe: 


Nachrichten.  669 

die  Chronik  von  Ste  der  bürg,  übers,  von  Winkel- 
mann, 2.  Aufl.  bearbeitet  von  Wattenbach  (Leipz., 
Dyk  1895). 

236.  Von  den  '  J  ah  resbe  richte  nderGeschich  t  s  - 
wissen  schaff,  herausgeg.  von  J.  Jastrow,  ist  Jahrgang 
XVI.   1893.  erschienen  (Berlin,  Gaertner  1895). 

237.  Im  Auftrage  der  Württembergischen  Kommis- 
sion f.  Landesgeschichte  hat  W.  H  e  y  d  eine  Bibliographie 
der  Württemberg.  Geschichte  bearbeitet,  deren  erster  Band 
(Stuttgart,  Kohlhammer  1895)  die  allgemeine  Literatur  in 
3608  Nummern  verzeichnet,  wobei  auch  hsl.  Quellen  be- 
rücksichtigt sind.  Bd.  2  soll  die  Lokalliteratur  und  die- 
jenige über  Personen,  Familien  and  Stände  bringen. 

238.  Von  dem  von  W.  Meyer  herausgegebenen  Ver- 
zeichnis der  Göttinger  Handschriften  (N.  A.  XIX, 
479,  n.  96)  ist  der  dritte  Band  erschienen,  mit  Registern 
zu  Bd.  1 — 3.  Wir  machen  namentlich  auf  das  Verzeichnis 
des  hsl.  Nachlasses  von  Th.  Wüstenfeld,  S.  305  ff.,  auf- 
merksam. 

239.  Von  dem  sehnlich  erwarteten  neuen  'Katalog' 
der  Handschriften  der  kgl.  Bibliothek  zu  Bamberg',  durch 
den  das  unzulängliche  Verzeichnis  Jaecks  ersetzt  werden 
soll,  ist  die  erste  Lieferung  erschienen,  welche  das  Ver- 
zeichnis der  Bibelhss.  enthält  (Bamberg,  Büchner  1895), 
eine  sehr  sorgfältige  und  verdienstliche  Arbeit  des  zeitigen 
Bibliothekars  Dr.  F.  Leitschuh,  der  wir  schnellen  und 
glücklichen  Fortgang  wünschen. 

240.  Gleichfalls  eine  sehr  werthvolle  Gabe  ist  der 
von  N.  van  Werveke  bearbeitete  3.  Theil  des  Supplement 
du  catalogue  de  la  bibliotheque  de  Luxem bourg  (Lux., 
Bourg-Bourger  1894).  Er  verzeichnet  262  vollständige  Hss. 
und  18  Hss.  -  Fragmente,  grösstentheils  aus  Epternach  und 
Orval  stammend,  darunter  mancherlei  von  Werth;  die  Be- 
schreibung ist  sehr  eingehend,  und  manche  kleinere  Stücke 
werden  in  extenso  mitgetheilt.  Wir  werden  auf  das  Ver- 
zeichnis, sobald  es  der  Raum  gestattet,  zurückkommen. 

241.  Im  Bullettino  Senese  di  storia  patria  Jahrg.  I 
(1894),  fasc.  3.  4.  geben  L.  Zdekauer  und  G.  Pampa- 
loni  über  das  Archivio  provinciale  notarile  zu  Siena, 
dessen  Bestände  mit  dem  J.  1251  beginnen,  ausführliche 
Nachricht.  Ein  dankenswerthes  Verzeichnis  der  Senesischen 
Notare  von  1251 — -1530  ist  beigegeben. 

Neues  Archiv  etc.     XX.  _J_J. 


670  Nachrichten. 

242.  Sotheby,  Wilkinson  &  Hodge  zu  London  ver- 
steigerten 21. — 26.  März  1895,  laut  des  "Catalogue  of  a  por- 
tion  of  the  collection  of  Sir  Thomas  Phillipps',  1285  Num- 
mern der  Cheltenhamer  Sammlung,  darunter: 

5.  Alcuin,    De    salute    animae;    Smaragdus,    Diadema 
12.  Jh.,  aus  Pontigny. 

72.  Beda,  Hist  eccl.  und  Theologisches  14.  Jh. 

73.  Beda,  Hist.  eccl.    Beda,  contin.  — 766,   14.  Jh. 

74.  Beda,  Theologisches;  Epistola  W.  Mapes,   12.  Jh. 
133.  Carmina:  Gradus  humilitatis ;  Vita  Mariae;   De  tri- 

plici  archa.  Geschr.  1441.  Einst  Dr.  Kloss,  Frankfurt. 
332.  Forma  investiendi  fratres  tercii  ord.  s.  Franc.  14.  Jh., 

für  Antwerpener  Minoriten,  z.  Th.  Flämisch. 
345.  Giraldi    Cambr.  Expugn.    Hibernie;   Itiner.   Wallie; 

12.  (vielmehr  13.)  Jh.  F.  Liebermann. 

243.  S.  von  Sychowski,  Hieronymus  als  Li- 
terarhistoriker (Kirchengeschichtl.  Studien  II,  2.  Münster, 
Schöningh  1894)  erweist  durch  die  Einleitung  und  den 
Commentar  zu  der  nach  dem  Texte  des  Vallarsi  neuge- 
druckten Schrift  des  Hieronymus  de  viris  illustribus,  dass 
dieselbe,  wie  schon  Harnack  gelegentlich  bemerkt  hatte, 
in  ihrem  ersten  Theil  (cap.  1 — 80)  fast  nichts  ist  als  eine 
werthlose  Abschrift  aus  der  Kirchengeschichte  des  Euse- 
bius.  Ihre  Bedeutung  beruht  ausschliesslich  auf  dem 
zweiten,  aus  eigener  Kenntnis  schöpfenden  Abschnitt  über 
die  lateinischen  Autoren.  Abweichend  von  Ebrard  (vgl. 
Wattenbach,  GQ.  II6,  118)  hält  S.  die  überlieferte  Gestalt 
für  die  vollständige.  H.  Bl. 

244.  In  der  Zeitschr.  für  Deutsches  Alterthum  XXXIX, 
154 — 184  handelt  Th.  v.  Grienberger  über  die  bei  Jor- 
dan es  überlieferten  Namen  von  Ermanariks  Völkern,  deren 
richtige  Form  er  festzustellen  sucht.  E.  D. 

245.  P.  v.  Winterfeld  macht  in  seiner  Dissertation 
lDe  Run  Festi  Avieni  metaphrasi  Arateor.  recensenda'  Ber- 
lin 1895,  p.  37 — 38  eine  Anzahl  höchst  beachtenswerther 
Verbesserungsvorschläge  zu  dem  Text  der  Hrotsvitha 
bei  Pertz  und  Barack.  E.  D. 

246.  Ueber  meine  Ausgabe  von  Lamperti  opera 
ist  in  der  Deutschen  Litteraturzeitung  1895  n.  1  ein  Re- 
ferat von  L.  Dief  f  enbacher  gedruckt,  demselben,  dessen 
zwei  Arbeiten  über  Lampert  ich  nur  ein  sehr  geringes  Ver- 
dienst beimessen  konnte.  Ueber  die  von  ihm  da  vorge- 
tragenen eigenen  Meinungen  etwas  zu  sagen,  halte  ich  der 


Nachrichten.  671 

Mühe  nicht  für  werth.  Nur  rnuss  ich  bemerken,  dass  er 
über  den  Standpunkt,  den  ich  in  der  Beurtheilung  Lam- 
perts  einnehme,  schief  und  irrig  berichtet.         O.  H.-E. 

247.  Aus  der  Untersuchung-  von  J.  Greving,  Pauls 
von  Bernried  Vita  Gregorii  VII.  papae  (Münster,  Scho- 
ningh  1893),  die  im  einzelnen  Pauls  Quellen  erweist,  heben 
wir  hervor,  dass  G.  die  werthvollen  Nachrichten  über  die 
Wahl  des  Gegenkönigs  Rudolf  (c.  93 — 98)  nicht  auf  eine 
verlorene  Schrift  Gebhards  von  Salzburg  (vgl.  Wattenbach, 
GQ.  IIG,  226,  N.  5),  sondern  auf  eine  die  Rechtmässigkeit 
der  Forchheimer  Wahl  vertheidigende  Streitschrift  Ber- 
nolds  zurückführt.  H.  Bl. 

248.  Zu  der  Notiz  N.  A.  XX,  484  n.  125  über  Sauer- 
lands Mittheilung  über  eine  Paderborner  Hs.  saec.  XII. 
in  der  Yaticana  haben  uns  H.  Finke  und  P.  Scheffer- 
Boichorst  freundlichst  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass 
der  publicierte  Inhalt  der  Hs.  längst  bekannt  ist.  Nach 
einer  Schrift  Evelts  hat  Scheffer-Boichorst  Annal. 
Patherbr.  70  Anm.  3.  4  über  die  Beziehungen  des  Dom- 
herrn Theoderich  zu  Lanfrank  und  über  dessen  eigenes  Werk- 
chen gehandelt ;  letzteres  ist  sogar  schon  zweimal  gedruckt, 
zuletzt  von  J.  Niesert  (Coesfeld  1829).  Die  wichtigsten 
der  annalistischen  Aufzeichnungen  und  das  Paderborner 
Schatzverzeichnis  hatte  bereits  Schaten,  Ann.  Paderborn, 
(ed.  1693)  I,  568  herausgegeben.  Neuerdings  hat  dann  H. 
Finke  in  der  Vaterl.  Zeitschr.  f.  Gesch.  und  Alterthums- 
kunde  Westfalens  XLV  (1887),  1,  149  ff.  die  Hs.  einge- 
hend besprochen  und  die  historisch  bemerkenswerthen 
Aufzeichnungen  derselben  vollständig  wiedergegeben.  Ygl. 
auch  Wattenbach,  GQ.  II6,  36  N.  2. 

249.  Ein  Pergamentblatt  im  Stiftsarchiv  zu  Melk, 
das  P.  Eduard  E.  Katschthaler  in  den  Mittheil,  des 
Instituts  f.  österr.  Geschichtsschreibung  XYI,  125  ff.  be- 
schreibt, enthält  den  ersten  Theil  der  Originalhs.  der  Ann. 
Ottenburani  Isingrimi  abbatis  maiores  (der  zweite 
Theil  ist  in  Leiden),  der  bisher  nur  aus  zwei  Abschriften 
des  18.  Jh.  bekannt  war,  und  theilt  die  wenigen  von  der 
Ausgabe  von  Pertz  abweichenden  Lesarten  mit. 

250.  In  Sybels  histor.  Zs.  LXXIV,  282—292  be- 
spricht J.  Loser th  Seemüllers  Ausgabe  der  Oesterr. 
Reimchronik   und   handelt    dabei    eingehender  von  den 

44* 


672  Nachrichten. 

Quellen  Ottokars,    in   deren  Aufsuchung   ihm    der  Heraus- 
geber hie  und  da  zu  weit  gegangen  zu  sein  scheint. 

E.  D. 

251.  Einen  ausserordentlich  drastischen  und  leben- 
digen Bericht  über  Verhandlungen  des  Cardinais  Benedict, 
nachmals  Papst  Bonifaz'  VIII.,  mit  französischen 
Bischöfen  und  der  Universität  Paris  im  J.  1290  hat 
H.  Finke  in  einer  Soester  Hs.  gefunden  und  daraus  in 
der  Römischen  Quartalschrift  1895,  S.  171  ff.  publiciert. 
Er  ist  für  unsere  Kenntnis  vom  Wesen  und  Charakter  des 
späteren  Papstes  von  hohem  Interesse. 

252.  J.  Loserth,  Sigmar  und  Bernard  von 
Kremsmünster  (im  Archiv  für  österr.  Gesch.  LXXXI,  2 
und  daraus  besonders  abgedruckt,  Wien  1894)  sucht  den 
Beweis  für  eine  früher  schon  von  ihm  vertretene  und  von 
G.  Waitz  bekämpfte  Ansicht  zu  erbringen,  dass  der  Keller- 
meister Sigmar  der  Verfasser  der  meisten  um  1300  und 
danach  entstandenen  Geschichtsquellen  von  Kremsmünster, 
insbesondere  der  beiden  Abtskataloge,  dann  aber  auch  der 
Narratio  de  ecclesia  Chremsmunstrensi,  des  Auctarium 
Cremifanense  und  vielleicht  auch  der  Vita  Agapiti  sei. 
Wenn  die  Schrift  auch  dadurch  einige  Verdienste  hat, 
dass  ein  reicheres  Material  als  bisher  zur  Erörterung  der 
Frage  herbeigezogen  ist,  kann  es  nicht  anerkannt  werden, 
dass  der  versuchte  Beweis  erbracht  ist,  da  er  sich  auf 
unbewiesenen  Präsumptionen  in  der  Hauptsache  aufbaut. 
Auch  nach  dieser  Schrift  muss  man  meinem  Urtheil  nach 
bei  der  Ansicht  von  Waitz  stehen  bleiben,  dass  nur  der 
Gimndstock  des  älteren  Abtskataloges  mit  Sicherheit  Sig- 
mar zugeschrieben  werden  kann.  Um  so  unangenehmer 
berührt  die  Art  der  Polemik  des  Verfassers  gegen  einen 
Mann  wie  G.  Waitz  nach  dessen  Tode,  während  man  ver- 
gebens nach  einem  Wort  der  Anerkennung  sucht  für  die 
Verdienste,  welche  dieser  sich  um  die  Kremsmünsterer  Ge- 
schichtsquellen gerade  gegenüber  der  früheren  Arbeit  des 
Verfassers  über  dieselben  erworben  hat.  0.  H.-E. 

253.  Im  Hist.  Jahrb.  XV,  796  ff.  bespricht  F.  Kam- 
pers die  der  Mitte  des  14.  Jh.  angehörenden  Prophezei- 
ungen des  Minoriten  Johannes  de  Rupescissa. 

254.  In  der  Römischen  Quartalschrift  1894,  S.  502  ff. 
macht  Schmitz  aus  vatikanischen  Akten  einige  ergänzende 
Mittheilungen  zum  Leben  des  Matthäus  von  Krakan. 
vgl.   N.  A.  XVII,   446  n.  114. 


Nachrichten.  673 

255.  Im  Hist.  Jahrb.  XV,  802  ff.  sucht  Sägmüller 
darzuthun,  class  in  der  in  Cod.  Vat.  5623  erhalteneu  Fort- 
setzung des  Liber  pontificalis  (Duchesne  II,  527  ff.) 
Dietrich  vonNiems  Schrift  'de  schisinate'  benutzt  sei. 

256.  In  den  Bulletins  de  la  comniission  royale  de 
l'histoire  de  Belgique  5.  ser.  t.  IV  n.  2  theilt  D.  TJrsmer 
Berliere  aus  einer  Leidener  Hs.  Fragmente  einer  ver- 
lorenen Chronik  des  Wilhelm  von  Wottem,  Priors 
von  St.  Jakob  zu  Lüttich,  mit.  die  sich  auf  die  Geschichte 
des  1378  ausgebrochenen  Schisma  beziehen.  —  Eben  der- 
selbe handelt  in  den  Annales  du  cercle  archeologique  de 
Mons  t.  XXIV  über  die  gleichfalls  verlorene  Chronik  des 
Johann  von  Sivry,  Prior  des  Klosters  Boniie-Esperance, 
die  von  1126 — 1318  reichte,  und  von  der  einige  von  B. 
zusammengestellte  Bruchstücke  in  dem  Chron.  Bonae-Spei 
des  Abts  Engelbert  Maghe  (1704)  erhalten  sind. 

257.  In  der  Zeitschr.  f.  Vaterl.  Gesch.  u.  Alterthums- 
kunde  Westfalens  LH,  2,  151  liefert  Abels  einen  urkund- 
lichen Beweis  aus  dem  J.  1412  für  die  wiederholt  bezwei- 
felte Thatsache,  dass  Gobelinus  Persona  Official  des 
Bisthums  Paderborn  gewesen  ist. 

258.  Eine  auch  für  die  Geschichte  der  Päpste, 
namentlich  des  Florentiner  Konzils  von  1438  zu  beachtende 
Quelle  ist  das  Diario  florentino  des  Weinhändlers  Bar- 
tolommeo  di  Michele  del  Corazza  1405 — 1438,  das,  von 
Muratori  SS.  rer.  ital.  XIX,  945  ff.  nach  einem  unvoll- 
ständigen Cod.  Estensis  herausgegeben,  in  einer  nach  einem 
cod.  Strozzianus  verbesserten  Form  von  0.  Corazzini 
(Arch.  stör,  italiano  XIV,  233  ff.)  neugedruckt  ist.    H.  Bl. 

259.  Einen  für  die  Kirchengeschichte  des  XV.  Jahrh. 
werthvollen  Beitrag  liefert  der  gegen  die  Kardinäle  ge- 
richtete Traktat  über  das  Verhältnis  von  Primat  und  Kar- 
dinalat,  den  J.  B.  Sägmüller  (Rom.  Quartalschrift,  Suppl.  2. 
Born  1893)  aus  einer  Berliner  Hs.  saec.  XV.  erstmals  ab- 
druckt. Als  seinen  Autor  bezeichnet  er  den  als  Gegner 
Gregors  von  Heimburg  bekannten  Teodoro  de'  Lelli, 
Bischof  von  Feltre  und  Treviso,  der  die  Schrift  als  ein  für 
Paul  IL  bestimmtes  Gutachten  im  Herbst  1464  ver- 
fasst  habe.  H.   Bl. 

260.  In  den  Sitzungsberichten  der  Berliner  Akademie 
1894  n.  LIII  o-iebt  H.  Brunn  er  eine  neue  und  einleuch- 
tende  Erklärung  von  Lex  Salica  tit.  44:  De  reipus.  der 
zufolee  der  Titel  eine  vielleicht  im  Anschluss  an  römisches 


674  Nachrichten. 

Recht  vorgenommene  Neuerung,  das  Ergebnis  einer  Satzung 
enthält,  durch  welche  das  Verlobungsrecht  und  die  Ver- 
lobungsgebühr den  männlichen  Muttermagen  des  verstor- 
benen Ehemanns  zugesprochen  wurde,  damit  die  Wieder- 
verheirathung  der  Wittwe  nicht  durch  widerstrebende  In- 
teressen der  Erben  des  Mannes  gefährdet  werde. 

261.  Auf  Grund  einer  aus  Nürnberg  1288  einge- 
holten Auskunft  über  die  Rechtsverhältnisse  der  dortigen 
Juden  hat  die  Stadt  Weissen  bürg  im  Nordgau  1312  ihr 
Judenrecht  geregelt.  Die  inhaltlichen  Bestimmungen 
der  lateinischen  Rechtsbelehrung  von  1288  und  des  deutschen 
Privilegs  von  1312  theilt  L.  v.  Rockin g er  in  der  Archival. 
Zeitschrift  N.  F.  V,  93  ff.  mit. 

262.  In  der  Archival.  Zeitschr.  N.  F.  V,  286  ff.  ist 
aus  dem  Nachlass  von  Chr.  Häutle  eine  Aufzeichnung 
von  Zeugenaussagen  über  eine  von  Kaiser  Ludwig  d. 
Bayern  getroffene  Entscheidung  betreffend  die  Zugehörig- 
keit von  Lechanschwemmungen  zu  Bayern  und  Schwaben 
abgedruckt. 

263.  In  den  Miscellanea  storica  della  Valdelsa, 
2.  Jahrg.  fasc.  3,  bespricht  L.  Zdekauer  zwei  Hss.  von 
Statuten  der  Commune  von  P  o  g  g  i  b  o  n  s  i  im  dortigen 
Stadtarchiv,  von  denen  die  ältere,  welche  die  Statuten- 
redaction  von  1332  enthält,  nach  der  Meinung  des  Autors 
mehr  als  lokales  Interesse  beanspruchen  kann. 

264.  Im  Anhang  zu  einem  Aufsatz  L.  v.  Rockin- 
gers,  welcher  die  in  bayerischen  Urkunden  des  späteren 
MA.  begegnenden  Anklänge  an  römisches  Recht  behandelt 
(Archival.  Zeitschr.  N.  F.  V,  127  ff.),  hat  der  Vf.  das  In- 
haltsverzeichnis und  eine  Anzahl  von  Musterstücken  aus 
dem  Formularbuch  des  Joh.  Genzinger  zu  Ingol- 
stadt mitgetheilt ,  das  auf  Actenbeständen  der  herzogl. 
bayrischen  und  der  städtischen  Kanzlei  beruht  und  1446 
abgeschlossen  ist.  S.  154  ff.  sind  noch  einige  andere  For- 
mularbücher  des  15.  Jh.  besprochen. 

265.  G.  Erler  (Zeitschr.  f.  d.  Gesch.  d.  Oberrheins 
X,  1  ff.)  zeigt  durch  Vergleich  mit  einer  bisher  nicht  ge- 
nügend beachteten  Ueberlieferung  in  der  Chronik  Zantfliets, 
dass  das  Schriftstück  über  die  zwischen  König  Wenzel 
von  Böhmen  und  Karl  VI.  von  Frankreich  in  Reims 
(1398)  geplante  Zusammenkunft  nicht,  wie  bisher  ange- 
nommen wurde,  als  ein  Gutachten  des  Pfalzgrafen  Ru- 
precht (II.  oder  III.)  von  der  Pfalz  angesehen  werden  kann, 


Nachrichten.  675 

und  will  es  als  ein  von  der   römischen  Kurie   in   zwei  Re- 
daktionen ausgesandtes  Flugblatt  erklären.        H.  Bl. 

266.  In  der  Römischen  Quartalschrift  1894  S.  500  f. 
theilt  P.  M.  Baumgarten  eine  Urkunde  Alexanders  III. 
von  1179  Oct.  12  mit,  in  welcher  eine  Recherche  in  den 
päpstlichen  Registerbüchern  erwähnt  wird. 

267.  In  der  zweiten  Auflage  des  2.  Bandes  von 
L.  Pastors  Geschichte  der  Päpste  (Freiburg,  Herder  1894; 
vgl.  N.  A.  XVI,  217  n.  62)  ist  der  Anhang  der  Documente 
durch  einige  Nummern  vermehrt  worden.  Davon  kommen 
für  die  Zeit  Friedrichs  III.  namentlich  in  Betracht  mehrere 
Schreiben  des  Cardinais  Bessarion  (n.  44  a.  57  a.  57  b.  58a.), 
von  1461  und  1463,  von  denen  drei  im  berichtigten  Neu- 
druck, eine  im  ersten  vollständigen  Druck  gegeben  werden, 
dann  ein  Breve  Sixtus'  IV.  an  Friedrich  III.  von  1482 
und  eine  Bulle  desselben  gegen  die  Ketzerei  in  Deutsch- 
land von  1483  (n.  131a.  147  a.).  Auch  in  den  Textnoten 
ist  mehrfach  neues  archivarisches  Material  verwerthet. 

268.  In  der  Römischen  Quartalschrift  1894  S.  451  ff. 
berichtet  L.  Schmitz  über  die  Libri  formatarum 
der  Camera  apostolica,  14  Bde.  aus  der  Zeit  von  1425  bis 
1524  mit  Einträgen  und  Urkunden  über  die  an  der  römi- 
schen Curie  erfolgten  Ordinationen  und  Consecrationen. 

269.  Die  Urkunde  Heinrichs  IL,  durch  die  der  Kaiser 
auf  Bitten  des  Erzbischofs  Heribert  von  Köln  dem  Grafen 
Acodus  die  Klöster  der  heil.  Eufemia  zu  Spoleto  und  S.  An- 
gelo  zu  Mogliano  überträgt  (Stumpf  1611),  ist  nur  unvoll- 
ständig als  Inschrift  neben  einem  Freskogemälde  im 
erzbischöflichen  Palaste  zu  Spoleto  erhalten.  Auf  Grund 
einer  von  dem  Spoletiner  Lokalhistoriker  Pietro  Fontana 
an  Bethmann  gesandten  Mittheilung  gelang  es  mir  in  Ge- 
meinschaft mit  Herrn  G.  Sordini,  das  in  Spoleto  völlig 
unbekannte  Fresko  nach  längeren  durch  den  Herrn  Erz- 
bischof selbst  gütigst  unterstützten  Nachforschungen  in 
einem  Räume  im  Erdgeschoss  des  Palastes  wiederzufinden, 
der  früher  als  Kanzlei  gedient  hatte,  jetzt  aber  schon  seit 
langem  als  Kornmagazin  vermiethet  war.  G.  Sordini 
hat  nun  noch  andere  überweisste  Inschriften  und  Gemälde 
ebendort  blossgelegt  und  giebt  darüber,  sowie  namentlich 
auch  über  die  enge  Beziehung  der  von  ihm  abgedruckten 
Urkunde  zu  dem  das  Kloster  S.  Eufemia  darstellenden 
Fresko  im  Giornale  Arte  e  Storia  1894  n.  15 — 17  einen 
interessanten    Bericht,    nach    dem    die    Abschrift    des   Di- 


676  Nachrichten. 

ploins  und  das  Gemälde  gleichzeitig  unter  Bischof  Ga- 
lardus  (1374 — 1383)  entstanden  sind.  —  Zu  der  Urkunde 
selbst  möchte  ich  sogleich  hier  bemerken,  dass  die  Datie- 
rung :  anno  dominice  incarnationis  MXVI,  anno  regni 
domni  Heinrici  XIII  (lies:  XVI),  imperii  vero  eins  IUI, 
indictione  XII ;  actum  Mugdeburg  (!)  X.  kal.  Martii  sicher 
mit:  Magdeburg  1017  Februar  20  aufzulösen  ist.  In 
Magdeburg  war  Heinrich  II.  vom  9.  —  23.  Februar  nach 
Thietmar  VIII,  52  (VII,  37).  H.  Bl. 

270.  E.  von  Oefele  hat  in  der  Stuttgarter  Hs. 
n.  243  K.  Peutingers,  aus  welcher  er  die  oben  S.  499 
n.  181  erwähnten  Kühbacher  Traditionsiiotizen  entnahm, 
auch  Auszüge  von  den  verlorenen  Eichstätte r  Königs- 
und  Kaiserurkunden  (vgl.  N.  A.  XIX,  494  n.  159)  ge- 
funden, deren  Mittheilung  in  der  Archival.  Zeitschrift  N.  F.  V, 
276  ff.  unsere  Kenntnis  jener  Stücke  wenigstens  einiger- 
massen  erweitert,  indem  diese  Auszüge  das  Anfangsprotokoll 
und  die  ersten  Worte  des  Contextes  wiedergeben.  Auch 
für  einige  noch  erhaltene  Diplome  ergeben  sich  aus  Peu- 
tingers Auszügen  Verbesserungen.  Die  verlorenen  Eich- 
stätter  Urkk.  selbst  sind  noch  nicht  wieder  gefunden, 
dagegen  entnehmen  wir  demselben  Aufsatz  die  willkom- 
mene Kunde,  dass  das  Or.  des  D.  Friedrichs  I.  für 
Eebdorf  (St.  3861)  aus  privatem  Besitz  für  das  Münchener 
Reichsarchiv  erworben  ist. 

271.  In  den  Studi  storici  III,  533  ff.  setzt  G.  Simo- 
ne tti  seine  Mittheilungen  über  la ngobardische  Urkk. 
des  erzbisch.  Archivs  zu  Lucca  fort. 

272.  Der  2.  Band  der  von  der  Württembergischen 
Kommission  f.  Landesgeschichte  herausgegebenen  Würt- 
tembergischen Geschichtsquellen  (Stuttg.,  Kohlhanimer 
1895),  deren  Leitung  in  den  Händen  D.  Schäfers  liegt, 
enthält  zunächst  die  auf  Württemberg  bezüglichen  Ab- 
schnitte des  Cod.  Laureshamensis,  der  Tradit.  Ful- 
denses  und  der  Weiss enburger  Quellen,  bearbeitet 
von  G.  Bossert,  mit  lehrreichen  Einleitungen,  die  nament- 
lich für  die  Kritik  des  Lorscher  Codex  von  Bedeutung 
sind,  reichhaltigem  Commentar,  Registern  und  einer  Ueber- 
sichtskarte.  Die  S.  283  ausgesprochene  Vermuthung,  dass 
der  Graf  Konrad,  der  nach  dem  Weissenburger  Güter- 
verzeichnis ed.  Zeuss  S.  299  f.  reiche  Weissenburger  Lehen 
besass,  der  spätere  Kaiser  Konrad  IL  sei,  kann  ich  nicht 
theilen ;  die  von  B.  nicht  beachtete  Urkunde  Heinrichs  III. 


Nachrichten.  677 

St.  2497  (vgl.  Jb.  Konrads  IL  Bd.  II,  159  N.  1)  scheint  mir 
neben  anderem  entscheidend  dagegen  zu  sprechen.  —  Ausser- 
dem enthält  der  stattliche,  auch  wegen  seines  billigen  Preises 
rühinenswerthe  Band  Auszüge  aus  den  vatikanischen  Re- 
gisterbüchern 1316 — 1378  und  den  Rechnungsbüchern  der 
camera  apostolica  1402—1534,  bearbeitet  von  E.  Schnei- 
der und  K.  Käser. 

273.  Im  Programm  des  Gymnasiums  zu  Straubing 
1893/94  giebt  A.  Mayer  Berichtigungen,  Ergänzungen  und 
Erläuterungen  zu  dem  Mon.  Boica  XII  abgedruckten  Tra- 
ditionscodex von  Oberaltaich;  S.  10  Schatzverzeich- 
nis und  Bücherkatalog  saec.  XII.,  S.  14  series  abbatum 
aus  dem   14.  Jh. 

274.  G.  Novati  druckt  im  Archivio  stör,  italiano 
XIX,  299  ff.  einige  unbekannte  Cremoneser  Urkunden  der 
Jahre  990—1007  und  1148.  Die  beiden  zu  1005  und  1007 
gesetzten  Urkunden  des  Bischofs  Landulf  gehören  jedoch 
nach  den  Angaben  anno  imperii  (seil.  Heinrici)  II  und  VI 
in  die  Jahre  1015  und  1018;  in  der  ersteren  ist  offenbar 
bei  anno  millesimo  quinto  ein  in  der  Abschrift  ausgefallenes 
deeimo  zu  ergänzen.  H.  Bl. 

275.  Im  Geschichtsfreund  XLIX,  233  ff.  beginnt  der 
Stiftsarchivar  P.  A.  Vogel  eine  sehr  willkommene  neue 
Edition  der  Urkunden  des  Klosters  Engelberg. 

276.  In  den  Mittheil,  des  Oberhess.  Geschichtsver- 
eins  N.  F.  V,  85  ff.  macht  G.  von  der  Ropp  aus  dem 
Falkensteinischen  Copialbuch  in  Würzburg  (N.  A.  XVI, 
624  ff.)  weitere  urkundliche  Mittheilungen  zur  Ge- 
schichte der  Herren  von  Falkenstein-Münzenberg  aus  dem 
Ende  des  13.  und  dem  14.  Jh.  Von  reichsgeschichtlichem 
Interesse  ist  n.  7,  ein  Abkommen  zweier  Falkensteiner  über 
Ausübung  und  Einkünfte  des  Erbkämmereramts  von  1333. 
—  Ebenda  S.  102  ff.  giebt  K.  Ebel  Regesten  zur  Ge- 
schichte der  Stadt  Alsfeld  bis  1396  aus  den  Urkunden 
des  Stadtarchivs.  —  Fünf  Regesten  zur  Geschichte  Giessens 
und  des  Gleibergs  (1325—1433)  theilt  das.  141  f.  H.  Haupt 
aus  der  gleichen  Hs.  mit. 

277.  In  der  Zeitschr.  des  Aachener  Geschichtsver- 
eins XVI,  38  ff.  handelt  E.  v.  Oidtmann  über  Arnoldus 
Parvus  von  Aachen,  den  Stammvater  des  Geschlechtes 
von  Palant,  und  giebt  S.  54  ff.  urkundliche  Mittheilungen 
über  ihn  und  seine  Nachkommen :  darunter  manches  bisher 
Ungedrucktes. 


678  Nachrichten. 

278.  Zur  Herausgabe  eines  Oorkondenboek  van 
Groningen  en  D  r  e  n  t  h  e ,  von  welchem  uns  die  schön 
ausgestattete  erste  Lieferung  vorliegt  (Groningen,  Wolters 
1895)  haben  sich  die  Herren  Blök,  Feith,  Gratama,  Reitsnia 
und  Rutgers  verbunden.  Sie  umfasst  176  Nummern  vom 
Anfang  des  9.  Jh.  bis  1288 ;  das  älteste  ungedruckte  Stück 
scheint  n.  27  eine  Urkunde  des  Bischofs  Andreas  von  Ut- 
recht von  1139  zu  sein.  Zu  n.  17  (St.  2180)  vgl.  Stein- 
dorff  I,  391  ff. 

279.  R.  Hönigers  grosse  Edition  der  Kölner 
Schreinsurkunden  ist  mit  der  2.  Hälfte  des  2.  Bandes 
(Bonn,  Weber  1894)  zum  Abschluss  gelangt.  Die  Lieferung 
enthält  die  merkwürdigen  und  in  vielen  Beziehungen  noch 
räthselhaften  Kölner  Namenlisten  des  12.  Jh.  (von  denen 
eine,  welche  die  Aufschrift  'fraternitas  mercatorum  gilde' 
trägt,  durch  ein  gutes  Facsimile  veranschaulicht  ist)  und 
ausführliche  Register  zu  der  Gesammtpublication.  Die 
ursprünglich  für  die  Einleitung  bestimmte  Zusammenfas- 
sung der  Ergebnisse  seiner  Studien  über  die  Kölner  Stadt- 
verfassung hat  der  Herausgeber  einer  besonderen  Ver- 
öffentlichung vorbehalten. 

280.  Der  dritte  Band  der  von  Paul  Mitzschke 
herausgeg.  Thüringisch-  sächsischen  Geschichtsbibliothek 
enthält  den  1.  Theil  eines  Urkundenbuchs  von  Stadt 
und  Kloster  Bürgel  (Gotha,  Perthes  1895),  der  von  1133 
bis  1454  geht. 

281.  Der  6.  Band  des  Württembergischen  Ur- 
kundenbuchs (Stuttgart,  Aue  1894)  enthält  in  n.  1608 
bis  2035  die  Urkunden  der  Jahre  1261—1268  und  bringt 
zahlreiche  Nachträge  zu  den  früheren  Bänden. 

282.  Der  dritte  Band  des  Rap  polt  st  einer  Ur- 
kundenbuchs führt  die  von  K.  Albrecht  besorgte  Ausgabe 
(Colmar,  Barth  1894)  in  1200  Nummern,  von  denen  nur 
44  bisher  bekannt  waren,  bis  zum  Jahre  1442  und  enthält 
einige  Nachträge. 

283.  P.  Marichal  (Memoires  de  la  societe  d'archeo- 
logie  lorraine  XLIV,  S.  5  ff.)  macht  beachtenswerthe 
Mittheilungen  über  die  alten  Inventare  des  Tresor  des 
Chartes  de  Lorraine,  die  sich  in  Nancy  nur  unvoll- 
ständig, dagegen  vollkommen  in  Paris  auf  der  National- 
bibliothek und  in  den  archives  nationales  finden.      H.  Bl. 


Nachrichten.  670 

28-1.  D.  Morea,  il  chartulariuni  del  monastero  di 
S.  Beuedetto  di  Conversano  I.  (Monte  Cassino  1892)  ent- 
hält 200  Nummern  von  815 — 1266,  von  denen  196  erstmals 
gedruckt  werden;  zu  den  bekannten  gehören  J.-L.  2532.  6275. 
17111.  Wir  verzeichnen  ausserdem  Alexander  IV.  Anagni 
1258  Mai  23  (wo  indess  das  Datum  verderbt  ist);  Tancred, 
apud  S.  Apollinarem  1193  Mai;  Friedrich  II.,  Bari  1222 
November,  gegen  dessen  Datierung  der  Herausgeber  (S.  317) 
mit  Unrecht  Bedenken  hegt  (vgl.  Böhmer-Ficker  1417). 

H.  Bl. 

285.  J.  Delaville  Le  Roulx,  Cartulaire  general 
de  Vordre  des  hospitaliers  de  S.  Jean  de  Jerusalem 
I,  1100—1200  (Paris,  Leroux  1894)  bietet  in  1129  zum 
grossen  Theil  unbekannten  Nummern  ein  reichhaltiges  Ma- 
terial. Die  umfangreiche  Einleitung  enthält  eine  sehr 
dankenswerthe  Beschreibung  des  Malteser  Archivs  und  der 
die  Urkunden  des  Johanniterordens  enthaltenden  Abthei- 
lungen der  europäischen  Archive,  die  auch  für  die  Ge- 
schichte des  Ordens  viel  Interessantes  bietet.        H.  Bl. 

286.  Von  den  Regesten  der  Bischöfe  von  Kon- 
stanz ist  die  5.  und  letzte  Lieferung  des  1.  Bandes  er- 
schienen, welche  den  Schluss  der  von  P.  Ladewig  ver- 
fassten  Regesten  bis  1293  und  das  von  Th.  Müller 
bearbeitete  Register  enthält.  Dass  auf  dem  Titelblatt  des 
Bandes  letzterer  in  gleicher  Linie  mit  ersterem  als  Bear- 
beiter desselben  genannt  wird,  hat  Ladewig  zu  einer  Be- 
schwerde im  Litterarischen  Centralblatt  und  in  der  Deut- 
*schen  Litteraturzeitung  n.  9  veranlasst,  auf  welche  A.  Schulte 
in  der  Deutschen  Litteraturzeitung  n.  11  geantwortet  hat. 

287.  Im  Auftrage  des  Vereins  f.  thüring.  Geschichte 
u.  Alterthumskunde  hat  O.  Dobenecker  den  ersten  Halb- 
band  von  Regest a  diplomatica  nee  non  epistolaria  histo- 
riae  Thuringiae  herausgegeben  (Jena,  Fischer  1895),  der 
bis  1120  reicht.  Die  neuere  Literatur  ist  mit  grossem 
Fleisse  verwerthet. 

288.  Von  A.  Overmanns  Schrift  über  Mathilde 
von  Tuscien  und  ihre  Besitzungen  (N.  A.  XVIII,  718,  n.  188) 
ist  eine  erweiterte  Bearbeitung  erschienen  (Innsbruck,  Wag- 
ner 1895),  aus  welcher  wir  hier  die  bedeutend  vermehrten, 
sorgfältig  bearbeiteten  Regesten  der  Gräfin  und  die  Ex- 
curse  2  und  7  zu  erwähnen  haben.  2  enthält  einen 
wohlgelungenen  Versuch,  die  Lehre  von  den  Urkunden 
der    Canossaner   Markgrafen    soweit    darzustellen   als 


680  Nachrichten. 

dies  ohne  Kenntnis  der  Originale  möglich  ist ;  in  Excurs  7 
werden  fünf  bisher  unedierte  Urkunden  Mathildens  abge- 
druckt, die  J.  Ficker  dem  Vf.  mitgetheilt  hat. 

289.  Im  Auftrage  der  Gesellschaft  für  die  Heraus- 
gabe von  Quellen  zur  dänischen  Geschichte  giebt  Kr. 
Erslev  in  Verbindung  mit  W.  Christensen  und  A.  Hude 
ein  neues  Regestenwerk  'Repertorium  diplomaticum 
regni  Danici  mediaevalis'  (Kopenhagen,  Gad  1894)  heraus. 
Die  erste  Abtheilung  von  Bd.  1  geht  von  1085 — 1327;  bei 
schon  gedruckten  Stücken  werden  nur  Drucke,  Kegesten 
und  hsl.  Ue b erlief erung  verzeichnet ;  ungedruckte  (das  älteste 
Hadrian  II..  1155  Nov.  22)  werden  vollständig  oder  im 
Auszug-  gegeben. 

290.  In  den  Sitzungsber.  der  Berliner  Akad.  vom 
14.  Febr.  d.  J.  giebt  Wattenbach  eine  ausführliche  Be- 
schreibung der  aus  Hautmont  im  Hennegau  stammenden 
Berliner  Hs.  theol.  oct.  94,  welche  ausser  Schriften  Sige- 
berts  eine  Sammlung  lateinischer  Gedichte  aus  dem 
12.  Jahrh.  enthält.  Neben  manchen  bekannten  Dichtungen 
Hildeberts  und  des  angeblichen  Philipp  von  Har- 
vengt  (dessen  Anspruch  auf  den  Parnass  W.  als  völlig 
unerwiesen  ansieht),  sowie  des  Petrus  Riga,  die  aus  dieser 
Hs.  mehrfach  verbessert  werden  könnten,  bietet  dieselbe 
auch  eine  grössere  Zahl  von  ungedruckten  Stücken  dieser 
Zeit,  von  denen  die  anziehendsten  als  Probe  mitgetheilt 
werden.  Für  die  Geschichte  Frankreichs  und  Flanderns, 
sowie  der  literarischen  Bildung  lässt  sich  daraus  man- 
cherlei gewinnen.  E.  D. 

291.  In  der  Zeitschr.  f.  deutsche  Philologie  XXVII. 
474  ff.  sucht  K.  Schenk  darzuthun,  dass  die  in  der  Heidel- 
berger und  Weingartener  Liederhs.  einem  Kaiser  Heinrich 
zugeschriebenen  Lieder  nicht  von  Heinrich  VI.,  sondern 
von  Heinrich  (VII.),  dein  Sohn  Friedrichs  II.,  gedichtet 
seien,  wobei  er  sich  namentlich  auf  eine  Stelle  in  einer 
Canzone  des  Gaucelm  Faidit  stützt.  Die  neuere  histori- 
sche Literatur  ist  ihm  leider  nicht  genügend  bekannt. 

292.  O.  Schultz,  Die  Briefe  des  Trobadors  Raini- 
baut  de  Vaqueiras  an  Bonifaz  L,  Markgrafen  von 
Montf errat  (Halle,  Niemeyer  1894)  giebt  die  drei  für 
Bonifaz  und  die  Geschichte  namentlich  des  4.  Kreuzzuges 
interessanten  poetischen  Schreiben  in  kritischer  Gestalt 
mit  ausführlichen  Erläuterungen  und  mit  einer  Beilage  über 


Nachrichten.  681 

die   Beziehungen   der  Markgrafen  von  Montferrat  und  der 
Malaspina  zu  den  Trobadors.  H.  Bl. 

293.  Cod.  Palat.  lat.  1447,  in  welchem  K.  Zange- 
meister die  altsächsische  Bibeldichtung  entdeckt  hat, 
enthält  auf  f.  12 — 17'  auch  ein  Calendarium  mit  8  neuro- 
logischen Notizen  saec.  X.,  die  in  Zangemeisters  und 
Braunes  Publication  über  die  höchst  wichtige  Entdeckung, 
N.  Heidelberger  Jahrbücher  IV,  207,  abgedruckt  sind.  Zwei 
Einträge  beziehen  sich  auf  magdeburgische  Kirchenfeste. 
Zu  Juli  2  ist  der  Tod  Heinrichs  I.,  zu  Juli  18  'Liut- 
dulf  laicus',  April  27  'Baue  laica'  verzeichnet.  Man  könnte 
versucht  sein,  in  jenem  einen  Angehörigen  des  könig- 
lichen Hauses  und  in  dieser  die  angebliche  Schwester 
des  Königs  (Dümmler  Ostfränk.  Reich  III2,  523,  N.  2; 
Waitz,  Heinrich  I.3  S.  208)  erkennen  zu  wollen,  wenn  man 
nicht   für  so  vornehme  Tote    eine   andere  Bezeichnung  als 

laicus'  und  'laica'  erwarten  müsste. 

294.  Edmund  Bishop,  The  earliest  Eoman  mass- 
book  (Dublin  Review  Oct.  1894)  übt  mit  Benutzung  der 
Forschungen  Bäumers  und  Wilsons  auf  Grund  ausgebreite- 
ter liturgischer  Kenntnisse  scharfe  Kritik  an  Duchesne. 
Die  Namen  Gelasius'  und  Gregors  I.  bezeichnen  we- 
nigstens die  Zeit  der  Sacramentare,  die  nach  ihnen 
heissen.  Alcuin  ist  es,  der  den  Umfang  des  von  Hadrian 
übersendeten  Gregorianum  verdreifacht  durch  Zufügungen 
namentlich  aus  dem  bis  dahin  im  Frankenreiche  herrschen- 
den Gelasianum  und  so  das  Gebetbuch  der  Lateinischen 
Kirche  herstellt.  F.  Liebermann. 

295.  In  der  Mehler'schen  Festschrift  'Der  h.  Wolf- 
gang, Bischof  von  Regensburg'  (Regensburg  1894)  S.  163  ff. 
beschreibt  A.  Ebner  das  in  der  Dombibliothek  zu  Verona 
befindliche  prächtige  Sacramentarium  des  h.  Wolf- 
uang  (Wattenbach  GQ.  I6,  402)  und  theilt  daraus  S.  171  ff. 
den  Regensburger  Kirchenkalender  zur  Zeit  des  h.  Wolf- 
gang mit. 

296.  In  der  Römischen  Quartalschrift  1894,  S.  367  ff. 
veröffentlicht  H.  Finke  aus  der  Hs.  Darmstadt  28  (N.  A. 
XIII,  592)  Aufzeichnungen  über  Versammlungen  der  Pro- 
vinzialcapitel    des    Dominicanerordens    im    13.    und   14.  Jh. 

297.  M.  Sdralek,  Die  Strassburger  Diözesan- 
synoden  (Strassburger  Theolog.  Studien  II,  1.  Freiburg, 
Herder  1894)  veröffentlicht  im  Anschluss  an  die  inter- 
essante Geschichte  derselben  Aktenstücke  zur  Strassburger 


682  Nachrichten. 

Kirchengeschichte,  namentlich  Diözesanstatuten  des  14.  Jh., 
aus  dem  Wolfenbüttler  cod.  Aug\  84  und  aus  dem  cod. 
ms.  17  der  Schlettstadter  Stadtbibliothek,  der  in  seinem 
ersten  Theile  eine  von  der  Melker  Hs.  (vgl.  N.  A.  XII, 
451)  abweichende  Form  von  Fritsche  Kloseners  Di- 
rectorium  chori  enthält.  Auf  eine  für  den  Text  der 
Synoden  heranzuziehende  Luzerner  Hs.  macht  A.  Schulte 
(Zeitschr.  f.  d.  Gesch.  des  Oberrheins  X,   148)  aufmerksam. 

H.  Bl. 

298.  Im  Gegensatz  zu  dem  Aufsatz  von  A.  Dopsch 
(N.  A.  XIX,  503  n.  208),  der  in  dem  bei  Chmel  gedruckten 
Ratio narium  Austriacum  ein  einheitliches,  unter  Ot- 
tokar zwischen  1262 — 1265  auf  Grund  einer  neuen  Landes- 
aufnahme hergestelltes  Urbar  sieht,  führt  W.  Erben  (Mitth. 
d.  Inst.  f.  öst.  Gesch.  XVI,  97  ff.)  aus,  dass  es  auf  dieselbe 
ältere  Quelle  zurückgeht  wie  das  von  Rauch  veröffent- 
lichte Rationarium  Austriae  aus  der  Zeit  Rudolfs  I.  Beide 
beruhen  auf  einem  Urbar  aus  der  Zeit  Leopolds  VI.  mit 
Nachträgen  Friedrichs  IL,  das  sowohl  unter  Ottokar  wie 
—  unabhängig  davon  —  unter  Rudolf  I.  abgeschrieben  und 
mit  Nachträgen  versehen  worden  ist.  H.  Bl. 

299.  In  der  Abhandlung  von  F.  Küch  über  Land- 
graf Hermann  IL  von  Hessen  (gest.  1413;  Zeitschr.  f.  Hess. 
Gesch.  u.  Landesk.  N.  F.  XIX,  1  ff.)  werden  umfangreiche 
Auszüge  aus  hessischen  Einnahme-  und  Ausgabe- 
registern  mitgetheilt. 

300.  In  den  Hohenzollerischen  Forschungen  von 
Chr.  Meyer  Bd.  III,  401  ff.  ist  das  Lehenbuch  des 
Burggrafen  Johann  III.  von  Nürnberg  (1397 — 1420) 
herausgegeben. 

301.  In  der  Römischen  Quartalschrift  1894,  S.  393  ff. 
macht  F.  Miltenberger  in  einem  Aufsatz  über  die  in  den 
ersten  Jahren  Martins  V.  versuchte  Neuordnung  der  päpst- 
lichen Kammer  zahlreiche  Mittheilungen  aus  ungedruck- 
tem Material,  aus  denen  wir  S.  436  ein  Verzeichnis  von 
1418  über  die  introitus  bulle  et  registri  hervorheben. 

302.  St.  Beissel,  Vatikanische  Miniaturen  (Frei- 
burg i.  B.,  Herder  1893)  giebt  auf  30  Tafeln  eine  Auswahl 
von  Miniaturen  des  5. — 15.  Jh.  aus  Vatikan.  Hss.  mit 
Erläuterungen  und  Mittheilungen  über  gleichartige  Hss. 

H.  Bl. 


Berichtigungen  und  Nachträge.  683 

303.  G.  A.  Seylers  Geschichte  der  Siegel  (Leipzig, 
Friesenhahn  o.  J.  [1894])  hat  einigen  Werth  durch  die 
Ausstattung  mit  zahlreichen  Siegelabbildungen  und  -Be- 
schreibungen. Weitergehenden  wissenschaftlichen  Ansprü- 
chen genügt  das  Buch  nicht. 

304.  B.  Engl,  Die  mittelalterl.  Siegel  des  Thor- 
ner Eathsarchives  I.  Theil  (Thorn,  Lanibeck  1894)  enthält 
auf  8  Tafeln  149  Siegelabbildungen  und  20  S.  Text, 

305.  K.  Primbs  weist  in  der  Archival.  Zeitschr.  N. 
F.  V,  102  ff.  284  f.  auf  verschiedenen  päpstlichen  Blei- 
bullen (zuerst  1387,  dann  erst  wieder  1503)  Andeutungen 
von  Wappenbildern  der  Päpste  nach,  welche  jene  Bullen 
gebrauchten.  Vgl.  dazu  Nouveau  Traite  de  diplomatique 
IV,  310. 


Berichtigungen  und  Nachträge. 

N.  A.  XIII,  15  wusste  ich  nicht  anzugeben,  welcher  Mainzer  Kirche 
der  Domscholaster  und  Probst  Gozwin  oder  Gozechin  vorgestanden  habe, 
und  konnte  nur  bemerken,  dass  er  nicht  Domprobst  gewesen  sei.  Es 
findet  sich  aber  in  dem  Necrol.  eccl.  metropol.  Mogunt.  bei  Schannat, 
Vind.  liter.  I,  4  (daraus  Böhmer,  Fontes  III,  143)  die  Notiz:  IIII.  Kai. 
Oct.  Gunzuvinus  praepositus  S.  Mariae  et  magister  scolarum  S.  Martini 
(d.  i.  des  Domes).  Es  scheint  mir  nun  fast  zweifellos,  dass  der  Name  in 
dem  von  Schannat  benutzten,  leider  verschollenen  Manuskript  verlesen, 
dass  Gunzwinus  in  Gozwinus  (oder  wäre  Gfizwinus  möglich?)  zu  ändern 
ist.  Denn  einen  Mainzer  Domscholaster  des  (wie  mir  scheint,  doch  wohl 
unmöglichen)  Namens  Gunzwin  vermag  ich  nicht  nachzuweisen.  Wir 
erfahren  damit  nicht  nur  den  Todestag  (28.  Sept.)  des  Gozwin-Gozechin. 
der  uns  freilich  wenig  hilft,  da  wir  sein  Todesjahr  nicht  kennen,  sondern 
auch,  welcher  Kirche  Probst  er  war.  O.  H.-E. 

Zu  Bd.  XIX,  617  ff.  ist  nachzutragen,  dass  die  dort  dargelegte  Auf- 
fassung von  der  Bedeutung  der  Arenga :  Duo  sunt,  quibus  mundus  hie 
principaliter  regitur.  pontificum  auetoritas  et  regalis  potestas  ihre  Bestä- 
tigung findet  durch  das  Erscheinen  eben  dieser  Worte  in  Stumpf  Reg. 
3234  und  namentlich  durch  ihre  Verwerthung  bei  Adalbert  in  der  Vita 
Heinrici  II.  c.  8  (M.  G.  SS.  IV,  794).  H.  Bl. 

Bd.  XX,  21,  Z.  13  f.  sind  die  Worte  'dem  sich  Wattenbach  ange- 
schlossen hat'  zu  streichen,  ebenso  S.  22,  Anm.  1,  Z.  2  die  Worte  'und 
Wattenbach'.  Ich  bedaure  den  Irrtum,  der  mir  da  begegnet  ist,  um  so 
lebhafter,  als  ich  leider  nicht  einmal  anzugeben  weiss,  wie  ich  dazu  ge- 
kommen bin.  S.  24  Z.  14  von  unten  muss  es  heissen  'Chilperich'  statt 
'Childerich'.  Kurze. 


684  Berichtigungen  und  Nachträge. 

Zu  Bd.  XX,  87  Note  1 :  Zahlreiche  Beispiele  für  die  Identificirung 
der  Namen  Arnold  und  Arnolf  giebt  Edw.  Schröder,  Zwei  altdeutsche 
Rittermären  1894,  S.  XLV  f. 

Zu  Bd.  XX,  100  ff. :  Eine  höchst  wertkvolle  Belegstelle  für  den  sali- 
schen  Ursprung  des  Beinamens  'von  Weiblingen'  ist  bisher  nicht  genügend 
beachtet  worden :  der  langobardische  Jurist  Ariprand  nennt  in  seiner 
Brevis  Langobardorum  historia  saec.  XII.  in.  (M.  G.  SS.  rer.  Langob.  et 
Ital.  S.  595,  29  f.)  den  Stammvater  des  damals  herrschenden  deutschen 
Kaisergeschlechtes  Enricum  de  Guibeileng. 

Zu  Bd.  XX,  113  f.,  Note  4 :  Eine  merkwürdige,  auf  Eislebische  Agrar- 
verhältnisse bezügliche  Lokaltradition,  die  angeblich  auf  König  Hermann 
zurückgeht,  berichtet  H.  Grössler  in  den  Mannsfelder  Blättern  1892,  Jahr- 
gang 6,  S.  188  f.  Herr  Prof.  Grössler  theilt  mir  ausserdem  mit,  dass 
allerdings  der  Knoblauch  in  Eisleben  nicht  angebaut  wird,  aber  wild  sehr 
viel  vorkommt,  ob  in  auffallend  starkem  Maasse  im  Verhältnis  zu  anderen 
Gegenden,  muss  dahingestellt  bleiben.  E.  Bernheim. 

Zu  Bd.  XX,  140  ff. :  Handschriftliches  Material  aus  Cremona,  das 
uns  erst  jetzt  zugänglich  geworden  ist,  hat  uns  einen  näheren  Einblick  in 
die  äusserst  raffinierte  Fälscherthätigkeit  Dragonis  ermöglicht  und  scheint 
eine  völlig  andere  Beurtheilung  von  St.  1403  und  von  dem  Zusammen- 
hang dieser  Fälschung  mit  St.  1379  nöthig  zu  machen,  als  sie  oben  S.  143  ff. 
vorgetragen  wurde.  Um  die  verwickelte  Angelegenheit  völlig  klar  zu 
übersehen,  bedürfen  wir  indess  noch  weiterer  Mittheilungen  aus  cremonesi- 
schen  Archiven.  Sobald  wir  diese  erhalten,  werde  ich  auf  die  Sache 
zurückkommen.  H.  B. 

Bd.  XX,  269,  N.  1  beklagt  sich  W.  Gundlach  darüber,  dass  der 
Vienner  Bischofskatalog  der  Berner  Hs.,  welchen  L.  Duchesne  heraus- 
gegeben hat,  in  SS.  XH1  und  XXIV  nicht  publiciert  ist;  dieser  Um- 
stand sei  schuld,  dass  er  das  Stück  nicht  benutzt  habe.  Eine  Abschrift 
dieses  Katalogs  befindet  sich  seit  dem  Jahr  1879  in  den  Sammlungen 
der  Monumenta,  er  konnte  aber  in  jenen  Bänden  nicht  Platz  finden, 
da  er  so  früh  schon  schliesst,  dass  er  als  selbständiges  Stück  überhaupt  in 
die  Scriptores  nicht  gehört.  Da  er  aber  doch  von  Interesse  war,  beschloss 
G.  Waitz,  ihn  später  einer  neuen  Bearbeitung  der  Chronik  des  Ado  von 
Vienne  anzufügen,  wo  er  passend  seine  Stelle  finden  würde.  Dass  Gund- 
lach ihn  nicht  gekannt  hat,  ist  nur  seine  eigene  Schuld.  Ein  Wort  der 
Nachfrage  hätte  für  ihn  genügt,  um  ihn  kennen  zu  lernen.      0.  H.-E. 


Register, 


A. 

Aachen  677. 

Abaelard,  Petrus  238.  644. 

Actus  pontificum  Cenomänens.    240. 

Ado  von  Vienne   267  f.  270.  276  ff. 

282  ff. 
Adornes,  Anselm  257. 
Aegidius  von  Orval  484. 
Aegidius  Tschudi  501. 
Aelfric,  Abt  505. 
Aethelwold  von  Winchester  505. 
Aix,  Bibliothek  482. 
Albenga  654  ff. 

Alberich   von  Trois-Fontaines   245. 
Albert  von  Aachen  244. 
Albert  von  Stade  242. 
Albrecht     Achilles,     Korrespondenz 

496. 
Alchvin  (Alcuin)  8.  670.  681. 
Alger,  Bibliothek  482. 
Alsfeld,  Regesten  zur  Geschichte  von 

677. 
Altenberg,  Chronik  des  Klosters  247. 
Altmann  von  Passau  243. 
Altsächsische  Bibeldichtung  681. 
Amiens,  Bibliothek  482. 
Ammianus  Marcellinus  239. 
Andernach,  Stadtarchiv  482. 
Andreas  Dandolo  246. 
Andreas  von  Kode  496. 
Angilram  von  Metz  14.  48. 
Anna,  Gemahlin  Rudolfs  I.  257. 
Annales    Alamannici    11.    16  ff.    27. 

30 ;    Augiens.    30 ;    Ausciens.    29  ; 

Austrasici   23  f.   29 ;    Blandiniens. 

486 ;    Corbeiens.    25 ;    Egmundan. 

486  ;    Einhardi   5 ;    Erphesfurtens. 

576  ;  Flaviniacens.  13.  29  ;  Fuldens. 

antiqui  25 ;  Gorziens.  17.  19  ff.  23. 

27  ff.  32;   Guelferbytan.  11.  16  ff. 

27.    30 ;    Halberstadens.    54.  87  ff 

93  f. ;   Hildesheimens.  58.  62 ;  Ia- 

Neues  Archiv  etc.     XX. 


nuens.  489 ;  llsenburgens.  54.  62. 

70.    93 ;     Iuvavens.    maiores    25 ; 

Laubacens.  11  f.  29 ;  Laureshamens. 

11  ff.    26.  28  f.    32  f. ;   Laurissens. 

maiores     5.    11  ff.    21.    26.    30  ff, 

minores     s.     chronicon ;      Lindis- 

farnens.    34 ;    Maximiniani    21  f. ; 

Mediolanens.    476;    Mettens.    33. 

241 ;  Mosellani  11  ff.  26.  28  f.  32  f. ; 

Murbacens.    11.    16  ff.    26  ff.    32 ; 

Nazarian.  11.  16  ff.  30;  Neustriac. 

23  ff.    29.    32 ;    Ottenburan.    Isin- 

grimi   671;    Palidens.    53  ff  72  ff. 

245.  481 ;  Patherbrunnens.  54.  58  f. 

62.  87;  Pegaviens.  621;  Petaviani 

11  ff.  20  ff.    29  ff    35 ;    Piacentini 

489 ;    Reinhardsbrunnens,  s.  chro- 
nicon. ;      Rosenfeldens.     242 ;      s. 

Amandi   11  ff.    20.  23.  26  ff.  31  f. 

484;    s.   Columbae    Senonens.   12. 

25  f.  29.  36 ;    s.  Disibodi   242 ;    s. 

Galli  Baluzii    12.    20  f.    24  f.    30, 

breves  30,  maiores  11.  19.  30;    s. 

Maximini  Treverens.  12.    25.    29 ; 

s.    Mariae    Erphesfurtens.    404  ff. ; 

s.  Petri  Erphesfurtens.  antiqui  619, 

Lothariani    618  f.,     maiores    415. 

619,   s.  Petri  et  Aquens.  619;    ss. 

Udalrici    et    Afrae    Augustan.    4; 

Spirens.    99 ;    Stabulens.    29 ;    de 

Terre  sainte  489;  Tiliani  11  f.  29; 

Thuringici  407 ;  Veneti  245.  450  ff. ; 

Veronens.     de     Romano     469  ff. ; 

Weingartens.  30 ;  Weissenburgens. 

3.  5 ;  Xantens.  486. 
Annalista    Saxo    53  ff.    61  ff.    72  ff. 

79  ff.  237. 
Annalistische  Notizen  aus  Paderborn 

485.  671;  aus  Sachsen  496. 
Annolied  5. 

Anonymus  von  S.  Omer  256. 
Anselm  Adornes  257. 

45 


686 


Register. 


Anselm  von  Gernbloux  486. 
Anselm  von  Lucca   243.    304.    321. 

493. 
Anselm  von  Lüttich  223. 
Antoninus   martyr,    de   locis   sanctis 

518. 
Apographa   Iuniana    des   cod.   Gab- 

bemae  494. 
Apologeticus  243. 
Archipoeta  256. 
Arles,  Bibliothek  482. 
Arn  von  Salzburg  42.  47. 
Arnold  von  Lübeck  80. 
Assisi,  Bücherkataloge  238. 
Auctarium  Cremifanense  672. 
Auetor  Galheus  de  ordinando  ponti- 

fice  243. 
Augsburg,  Stadtchroniken  246.  492. 
Augustinus  238.  444.  519. 
Avitus  515. 


Balducchino,  Giovanni  476. 

Bamberg,  Bibliothek  669. 

Bartolommeo  Michele  del  Corazzo 
673. 

Beaulieu,  Urkundenbuch  255. 

Beda  4.  515.  670. 

Benedict  von  Aniane  505  f. 

Benedictus  Levita  305.  317.  321. 

Bernard  von  Clairvaux  495. 

Bernardus  Guidonis  415.  417. 

Bernard  von  Kremsmünster  672. 

Bernardus  Silvester  490. 

Bernold  von  Konstanz  243.  493.  671. 

Berthold,  Kaplan  Ludwigs  IV.  von 
Thüringen  s.  gesta  Ludovici  IV. 

Berthold  von  Reichenau  114  ff.  242. 

Binger  Kurverein  249. 

Boncompagno  251.  495. 

Bonifaz  VIII.  672. 

Boninsegna  de1  Mitocoli  476  ff. 

Bonizo  99  f.  115  ff 

Bordeaux,  Bibliothek  482. 

Briefe  s.  Epistolae. 

Broich,  Memorialverse  über  die  Be- 
lagerung 246. 

Brüssel,  Cartular  255. 

Bruno  (de  bello  Saxonico)  108  f.  115. 

Bruno  von  Querfurt  241  f. 

Bruno  von  Segni  445  ff. 

Bürgel,  Urkundenbuch  678. 

Burchard  von  Worms  248.  291  ff. 
342  ff. 

Burkard  Zink  246. 


C. 

Caesarius  von  Heisterbach  410.  415  f. 

Calendaria  681 ;  Casinens.  256 ;  Ratis- 
bonens.  681;  s.  Gregorii  Veneti 
456  ;  Viennens.  284  f. 

Canaparius  241. 

Cantinelli,  Petrus  5. 

Capitularia  3.  6.  258.  314  f.  519. 

Carmina  latina  varia  121.  240.  427. 
498.  505.  670.  680  f. ;  aevi  Karo- 
lini  8 ;  Burana  256 ;  de  Roma  ex- 
pugnata  243;  de  speciebus  prae- 
teriti  perfecti  256.  —  Bernardi 
Silvestris  490;  Hildeberti  643.  680; 
Pauli  diaconi  256 ;  Petri  Crassi 
243;  Petri  de  Riga  231  f.  680; 
des  Raimbaut  de  Vaqueiras  680  f. 
S.  auch  versus. 

Cassian  518. 

Cassiodor  3  f. 

Casus  monasterii  Petrishusens.  80  f. ; 
s.  Galli  75.  366  ff 

Catalogi  librorum  von  Oberaltaich 
677;  von  S.  Francesco  d' Assisi  238. 

Catalogus  abb.  Cremifanens.  672 ; 
abb.  mon.  ss.  Udalrici  et  Afrae 
Augustan.  488 ;  epp.  Viennens. 
275  ff.  684;  epp.  Vratislaviens.  485 ; 
pontif.  Romanorum  304.  S.  auch 
series. 

Ceccarelli,  Alfonso  195.  253  f. 

Cheltenham,  Bibliothek  670. 

Cholner,  Paulus  239. 

Christian  (von  Mainz?)  s.  chronicon 
Moguntinum. 

Chronica  Bonae  -  Spei  673;  Constan- 
tiens.  491;  Eberspergens.  75;  ab- 
batum  Eenamens.  252;  Egmundan. 
486;  Erfordiae  civitatis  578;  Er- 
phesfurtens.  cod.  Dresdens.  380  ff. 
408  f.  414.  417.  579,  Minor  393. 
399.  407  ff.  572.  578.  613.  616  ff. 
637;  Estens.  475.  480;  Faventina  5; 
imaginis  mundi  484;  Isenacens. 
universale  421.  637;  Laurissens.  11. 
41  f.;  de  rebus  gestis  in  Lombardia 
466.  473;  minora  237.  239.  481; 
Modenens.  475 ;  Moguntinum  91. 
489;  Novaliciens.  249.  277;  Otten- 
buran.  5 ;  pontificum  et  imperato- 
rum  (Rheni  inferioris)  489 ;  Rein- 
hardsbrunnens. 4.  375.  3S8  ff.  399  ff. 
410.  413  ff  571  ff . ;  Sampetrinum 
=  S.  Petri  Erphesfurtens.  moderna 
4.  375  ff.  393.  399    405  ff    571  ff. 


Register. 


687 


611  ff.  624;  Saxonum  244:  illorum 
della  Scala  469  ff. ;  Spirens.  90. 
491 :  Stederburgeris.  669  ;  Tegern- 
seeens.  156  ff. ;  Thuringorum  (fratr. 
Praedicator.  Iseuacens.  i  398.  409  f. 
576.  579.  lamplificata  a  fratre 
minore  Isenacens.)  408  ff.  415  f. 
637:  Urspergens.  415;  Viennens. 
263  ff. 
Chroniken  des  Klosters  Altenberg 
247 :  von  Augsburg  246 ;  bairische 
5 ;  deutsche  5 ;  von  Este  -  Ferrara 
475 ;  italienische  5 ;  von  Konstanz 
491 ;  von  Lübeck  492 ;  von  Metz 
492 ;  österreichische  5 ;  von  Osna- 
brück 247;  Thüringer  (bis  1409) 
420  f.  —  des  Boninsegna  de'  Mito- 
coli  476  ff. ;  Burkard  Zink  246  ; 
Clemens  Sender  492;  Cornelius 
Zantfliet  674 ;  des  Lesemeisters 
Detmar  502 ;  Dietrich  von  Lilie 
247 ;  Ertwin  Ertmann  247 ;  Gregor 
Hagen  245 :  Hector  Mülich  246. 
492  ;  Heinricus  de  Primaria  385  ff. ; 
Johann  von  Sivry  673 ;  Johann 
Stetter  491 ;  Martin  von  Troppäu 
399 ;  Petrus  Cantinelli  5 ;  Rein- 
bold Siecht  492 ;  Ulrich  von  Richen- 
thal  491;  Wilhelm  von  Wottem 
673. 

Chronist  des  Orti  Manara  466  ff. 

Clemensbrief  239. 

Clemens  Sender  492. 

Codes  Carolinus  44 ;  Laureshamens. 
676 ;  traditionum  Fuldens.  676 ; 
Oberaltacens.  677 ;  Weissenburgens. 
506.  676  ;  Udalrici  210.  212.  214  ff. 
562  f. 

Cognac,  Bibliothek  482. 

CoÜectiones  canonum  243.  296  ff. 
303  ff.  321.  328  f.  352.  493;  Cata- 
launens.  298  ff.;  Coloniens.  296  ff; 
Diessens.  294  ff. ;  Hiberniens.  291  ff. 
352 :  Hispana  527  f. ;  ItaUae 
superioris  313  f.  352 ;  Riccardiana 
309  ff.  322;  S.  Crucis  Florent. 
Laur.  304  ff.  318  ff. ;  Taurinens. 
308.  323  ff.  353.  S.  auch  Burchard, 
Deusdedit,  Regino,  Synodi. 

Compilatio  Sanblasiana  242. 

Conciba  s.  Synodi. 

Constitutio  de  foresta  Pseudo-Knuti 
492. 

Constitutiones  regum  et  imperatorum 
3.  6.  212.  247  ff.  425  ff.  674. 

Continuatio     Burburofens.     Sisreberti 


486  :  Byzantia  Arabica  Isidori  237. 

483  :  Plispana  Isidori  483. 
Continuator  Fredegari  30.  35  ff. 
Conversano,  Urkundenbuch  678. 
Corneüus  Zantfliet  674. 


ö. 

Dandolo,  Andreas  246. 

Dante,  vita  nuova  238. 

Danzig,  Bericht  der  Feldhauptleute 
257. 

David,  Chorbischof  von  Le  Mans  24u. 

Decretales  304.  318.  329  f.  445. 

Demer,  Jörg  492. 

Descriptio  expeditionis  Karoli  magni 
in  terram  sanctam  244. 

Detmar  502. 

Deusdedit  243.  321.  497. 

Dialogus  de  potest.  imperiali  et  pa- 
pali  490. 

Diario  fiorentino  673. 

Dictatus  papae  243.  497. 

Dietrich  von  Apolda  s.  vita  Elisa- 
bethae. 

Dietrich  von  Lilie  247. 

Dietrich  von  Xiem  246.  673. 

Directorium  chori  s.  Fritsche  Klo- 
sener. 

Dominikaner,  Traktat  über  die  Tugen- 
den der  ältesten  396  f. ;  Verhand- 
lungen der  Provinzial  -  Kapitel 
681.    S.  auch  Ordo. 

Donizo  115. 

Dragoni  684. 

Duisburg,  Stadtarchiv  482. 


E. 

Eberhard    von    Gandersheim    77  ff. 

118. 
Eberhard   von    Salzburg.   Briefbuch 

216. 
Eberhard  Windecke  491. 
Egidio  Rossi  187  ff.  459  ff. 
Eichstätt,  Königsurkunden  676. 
Einhard  5. 
Eisleben,    Werder-    und    Achtbuch 

114. 
Ekkehard  von  Aura    54.    57  ff.    82. 

92  ff.  103.  413.  417.  605  f.  617  ff. 
Ekkehard  von  St.  Gallen  75  f. 
Enea  Silvio  250. 
Engelberg.  Urkunden  677. 

45* 


688 


Register. 


Engelbert  Maghe  673. 

Enikel  5. 

Epigrammata  647  ff. 

Epistola  de  vitanda  missa  243. 

Epistolae  variae  7  f.  209  ff.  237.  243. 
250.  257.  495  f. ;  Adalberti  aep. 
Salisburgens.  216  f. ;  Adolfi  regis 
429  f. ;  Aelfrici  505 ;  Alberti  Achil- 
lis  496 ;  Alexandri  III.  250 ;  Alex- 
andri  de  Masovia  218 ;  Augustini 
519 ;  Aviti  515 ;  Berengarii  Tu- 
ronens.  215  f. ;  s.  Bemhardi  495 ; 
Bessarionis  cardinalis  675 ;  Calixti 
II.  286;  Conradi  II.  aep.  Salis- 
burgens. 217;  Dieterici  Verdunens. 
215;  Eberhardil.  aep. Salisburgens. 
216  f. ;  Eduardi  regis  Angliae  432  f. ; 
Felicis  III.  330 ;  Friderici  II.  im- 
per.  250;  Friderici  III.  imper. 
216  ;  Friderici  IV.  aep.  Salisbur- 
gens. 219;  Gebhardi  aep.  Salis- 
burgens. 212;  Gelasii  1.317;  Gre- 
gorii  I.  4.  7.  247 ;  Gregorii  VII. 
250.  277;  Gregorii  XII.  235  f.; 
Guidonis  com.  Flandriae  429 ; 
Hadriani  IL  514  f. ;  Hadriani  IV. 
250 ;  Hadriani  V.  233  f. ;  Hiero- 
nymi  437  ff.;  Hildesheimens.  215; 
imperatorum  360  ff. ;  Hrabani  299  ; 
Innocentii  I.  320 ;  Iohannis  de 
Kuik  429.  431 ;  Iohannis  LI.  aep. 
Salisburgens.  218  f. ;  Ivonis  223  ; 
Margaretae  princip.  elect.  Saxoniae 
496 ;  Leonis  I.  829 ;  Michaelis  VII. 
494  f. ;  Nicolai I.  533  ff. ;  Ottonis  LLL 
359  ff. ;  paparum  44 ;  Paschalis  IL 
277.  285 ;  Pauli  I.  264.  269 ;  Pauli 
et  Grebhardi  495;  Petri  Damiani 
219  f. ;  Pseudo-Udalrici  212.  445  f.; 
Raimbaut  de  Vaqueiras  680  f.; 
s.  Bemigii  216  ff.  527;  Salisburgens. 
216  f.;  Servati  Lupi  249  f.;  Sige- 
berti  Gemblac.  214;  Siricii  317; 
Stephani  Tornacens.  327 ;  Theodo- 
ricianae  3;  Urbani  II.  213.  277. 
285;  Victoris  I.  281;  Viennens. 
249.  263  ff.;  Waltheri  Mapes  670; 
Wazonis  Leodiens.  223  f. ;  Zosimi 
264.  283. 

Epitaphia  varia  257.  641  ff. ;  Elgeri 
de  Honstein  395  f. ;  Graufridi  ep. 
Cataljaunens.]  643;  Hunberti  Lug- 
dunens.  645 ;  Petri  Baiolardi  644 ; 
Swiggeri  abb.  s.  Dionisii  646 ; 
Theobaldi  com.  646. 

Ernstsage  88. 


Erphurdianus    antiquitatum     varilo- 

quus  578  f. 
Ertwin  Ertmann  247. 
Este-Ferrara,  Chronik  475. 
Estoire  d'Eracles  489. 
Ethicus  239. 
Eusebius  620  f. 
Excerptiones  Egberti  292.  301  f. 

F. 

Flodoard  559  ff.  565  ff. 

Florennes,  Urkunden  252. 

Flores  cronicorum  Bernardi  Guido- 
nis 415.  417. 

Formulare  und  Formularbücher  223  f. 
247.  495  f.  674. 

Fortunatus  s.  Veuantius. 

Fragmentum  Chesnii  13.  15  f.  19.  29. 

Frankfurt,  Stadtarchiv  482. 

Franziskaner,  forma  investiendi  fra- 
tres  tercii  ordinis  670 

Fredegar  517. 

Friedrich  Köditz  622  ff. 

Friesach,  Handwerksordnung  502. 

Fritsche  Klosener  682. 

Fulrad  von  S.  Denys  47. 

Fundatio  Bergens.  coenobii  245 ;  con- 
ventus  fratrum  minor.  Isenacens. 
408  ff.  Viennens.  ecclesiae  283  ff. 

G. 

Gabbema  s.  apographa  Iuniana. 

Gebhard,  Regensburger  Domherr  495. 

Gebhard  von  Salzburg  671. 

Genealogia,  Habsburger,  der  Familie 
Feilding  257;  com.  de  Honstein 
386  f. ;  com.  de  Kefernburg  616 ; 
gentis  della  Scala  466.  478. 

Genzinger,  Johann  674. 

Gesta  Aldrici  239 ;  abb.  mon.  s.  Ia- 
cobi  Leodiens.  252  ;  epp.  Leodiens. 
92.  223 ;  Ludovici  IV.  lantgravii 
584  ff.  615  f.  622  ff.  631  ff.;  ar- 
chiepp.  Magdeburgens.  375. 

Gildas  4.  481. 

Giorgio  Merula  490. 

Giovanni  Balducchino  476. 

Giovanni  de  Bazzano  475. 

Giraldus  Cambrens.  250.  670. 

Glossen,  deutsche  72  f. 

Gobelinus  Persona  673. 

Görlitz,  liber  actorum  249 ;  Stadt- 
buch 502. 

Göttingen,  Bibliothek  669. 


Register. 


689 


Goslar,  Satzungen  des  Forstdings 
494. 

Gottfried,  Protonotar  Herzog  Al- 
brechts I.  496. 

Gottfried  Hagen  245. 

Gottfried  von  Viterbo  416.  485.  606. 
617. 

Gozwin,  Domscholaster  in  Mainz  683. 

Grabow,  Matthaeus  661  ff. 

Gratian  307  f. ;  316  ff. 

Gregorii  dialogi  516.  518. 

Gregor  von  Heimburg  673. 

Gregor  von  Tours  247.  483.  511  ff. 
530. 

Groningen,  Urkundenbuch  678. 

v.  d.  Gruben  s.  Hans. 

Guibert  von  Nogent  238. 

Guido  Faba  495. 

Guido  von  Vienne  (Calixt  H.)  263  ff. 
274.  287. 

H. 

Hagen,  Gottfried  245. 

Habsburger  s.  Genealogia. 

Hagiologium  Viennens.  265  ff. 

Haiming,  Regesten  der  Urk.  zu  256. 

Halitgar  von  Cambrai  257. 

Hanau,  Urkundenbucb  503. 

Handschriftenkataloge  von  Bamberg 
669 ;  von  Cheltenham  670 ;  fran- 
zösischer Provinzialbibliotheken 
482 ;  von  Göttingen  669 ;  Hildesheim 
482 ;  Luxemburg  669 ;  codd.  reg. 
Christinae  aus  der  Vaticana  zu 
Rom  482;  Trier  239. 

Hans  v.  d.  Gruben,  Reiseberichte 
492. 

Hartmann  Schedel  61  f.  377  f.  388. 
578  f.  618  ff. 

Hart  wich  (von  Regensburg?)  244. 

Hazebroek,  Stadtrecht  249. 

Heidenheim,  Rechtsaufzeichnung  des 
Klosters  494. 

Heinrich  IL.  Vision  über  484. 

Heinrich  VI,  Lieder  680. 

Heinrich  VII. ,  Gutachten  über 
Rechtsverhältnisse  H's.  VII.  zu  Cle- 
mens V.  und  Robert  von  Neapel 
494. 

Heinricus  de  Frimaria  385  ff. 

Heinrich  von  Herford  74.  244. 

Heinrich  von  Langenstein  490. 

Heinrich,  Burggraf  von  Regensburg 
488. 

Hektor  Mülich  246.  492. 


Helmold  112  f.  242.  244. 

Heppenheim,  Grenzbeschreibung  501. 

Herderich  s.  Rudolfsbuch. 

Herrad  von  Landsperg  507. 

Hessische  Rechnungen  682. 

Hieronymus  245.  263.  292.  437  ff. 
670. 

Hildebert  von  Le  Mans  243.  643.  680. 

Hildegard  von  Bingen  258. 

Hildesheim,  Bibliothek  482. 

Hincmar  von  Reims  6.  237.  321. 
493.  511  ff. 

Historia  Bononiens.  miscella  475  f. ; 
Brittonum  481.  483  ;  Cremifanens. 
672 ;  Damiatina  584 ;  Ganders- 
heimens.  78. 118  f.  123 ;  Herveldens. 
5 ;  Reinhardsbrunnens.  613  f. ;  oc- 
cupationis  et  amissionis  Terrae 
sanctae  415;  de  lantgraviis  Thu- 
ringiae  Eccardiana  407  ff.  (vgl. 
chron.  Isenacens.  universale),  Pisto- 
riana  376  ff.  (vgl.  chron.  Thurin- 
gorum  Isenacens.);  de  ortu  prin- 
cipum  Thuringiae  (=  brevis  princ. 
Thur.)  581  f.  595  ff.  617. 

Honorius  von  Autun  4. 

Hrabanus  Maurus  257.  299.  329  f. 
345. 

Hrotsvith  118.  241.  670. 

Hugo  von  Flavigny  212. 

Hydatius  245.  517. 

I.  J. 

Jacob  von  Acqui  484. 

Iacobus  de  Varagine  415.  618. 

Inventio  et  miracula  s.  Mathiae  apo- 
stob  484. 

Joachim  Vadianus  485. 

Johannes  von  Biclaro  483. 

Johannes  von  Bologna  495. 

Iohannes  Gonstantinopolitanus  318. 
518. 

Johann  Genzinger  674. 

Johann  von  Hauvilla  490. 

Johann  HI.  von  Nürnberg,  Lehn- 
buch des  Burggrafen  682. 

Johannes  Rothe  382.  413.  420  f. 

Iohannes  de  Rupescissa  672. 

Johann  von  Salisbury  250. 

Iohannes  Scotus  8. 

Johann  von  Sivry  673. 

Johann  Stetter  491. 

Johanniterorden,  Urkundenbuch  678. 

Jordanes  239.  670. 

Irnerius  von  Bologna  493. 


690 


Register. 


Isidorus  Pacens.  s.  continuatio  His- 

pana. 
Isidor  von  Sevilla  4.  237. 
Isingrim  von  Ottobeuren  671. 
Itala  518.  . 

Judenrecht  von  Nürnberg  u.  W  eissen- 

burg  674. 
Jülich,  Graf  Wilhelm  IV.  488. 
Ivo  von   Chartres    292.    304.    307  f. 

313.  316  f.  322.  326  ff.  353. 


Kadlubek  s.  Vincentius. 

Kaiser chronik,  bairische  82.  118  ff. 
486  ff. ;  sächsische  53  ff. 

Kaiser-  und  Königsurkunden  3.  6  f. 
127  ff.  179  ff.  196  ff.  225  ff.  240. 
244.  247  f.  251  ff.  357  ff.  377.  459. 
487.  498  ff.  562  ff.  601  f.  607  f. 
675  f. 

Kanzleiordnungen,  päpstliche  497  f. 

Karolingische  Annalen  s.  annales. 

Karolus  magnus  s.  descriptio. 

Köditz,  Friedrich  622  ff. 

Köln,  Regesten  504;  Schreinsurkun- 
den 678. 

Kolmar,  Propstei  von  St.  Peter  256. 

Konrad  von  Gelnhausen  480. 

Konrad  von  Regensburg  488. 

Konstanz,  Chroniken  491;  Regesten 
504.  679 ;  Urbar  der  Dompropstei 
258. 

Konstanzer  Konzil,  Chronik  491 ;  In- 
struktion der  badischen  Gesandten 

250. 
Kremsmünster,Geschichtsquellen672. 


Lampert   von   Hersfeld   3.    5.    110. 

114  ff.   242.   377.   399.    497.   578. 

618  f.  670  f. 
Landfrieden  248. 

Landrecht,  Westerlauwersches  494. 
Lanfranc  von  Canterbury   484.  671. 
Langobardische  Urkunden  501.  676. 
Legendae   de  s.   patribus   conventus 

Isenacens.  ord.  Praedicator.  386  ff. ; 

Karolingicae  484.  S.  auch  vita. 
Leges  Angliorum  et  Werinorum  492 ; 

Frisionum  247.  494;  Romana  ca- 

non.  compta  321 ;  Salica  519.  673 ; 

Visigotorum  6.  237. 
Le  Mans,  Bibliothek  482. 


Leo  von  Monte  Cassino  95  ff. 
Leodegar  von  Vienne  249  ff. 
Libelli  de  lite  485. 
Libellus  de  imperatoria  potestate  in 

urbe  Roma  241. 
Liber  actorum  Gorlitzens.  249 ;  cano- 
num  243  ;  cronicor.  Erfordiens.  379 
ff.  388  ff.  398  ff.  410.  413  ff. ;  decre- 
torum  s.  Burchard;  de  ortu,  victo- 
ria  et  triumpho  Karoli  ducis  Bur- 
gundiae  246 ;  de  unitate  eccl.  con- 
serv.  116.  243;  episcopalis  Vien- 
nens.  249.  264.  277  ff. ;  historiae 
Francorum  240.  517.  526;  ponti- 
ficalis  518.  526.  673 ;  possessionum 
Wissenburgens.  Edelini  506;  pro- 
visionum  praelatorum  251. 

Libri  formatarum  camerae  aposto- 
licae  675. 

Lieder,  deutsche  5.  121;  Heinrichs 
VI.  680. 

Lille,  Urkundenbuch  von  S.  Pierre 
504. 

Linz,  Archiv  482. 

Liturgisches  485.  505  f.  681. 

Liudprand  241. 

Lobbes,  Urkunden  252. 

Lucca,  Statuten  494. 

Lübeck,  Chronik  492;  Rathswahl- 
ordnung  502;  Zollrolle  507. 

Lüttich,  Cartular  von  S.  Lambert 
498;  Gedichte  über  den  Investi- 
turstreit in  L.  427. 

Lupus  s.  Servatus. 

Luxemburg,  Bibliothek  669. 

HI. 

Maghe,  Engelbert  673. 

Manegold  von  Lautenbach  243.  493. 

Mapes,  Walther  670. 

Markward  von  Korvey  243. 

Martin  V.,  Itinerar  491. 

Martin  von  Troppau  399.  410.  415. 

Martin  Weifer  (oder  Weiser)  169. 

Martyrologium  Hieron  yinianum  437ff. 

Mathilde     von     Tuscien,     Regesten 

679  f. 
Matthaeus  Grabow  661  ff. 
Matthaeus  von  Krakau  672. 
Mecklenburg,  Urkundenbuch  503. 
Merula,  Giorgio  490. 
Metrisches  505. 
Metz,  Geschichtsquellen  492. 
Milo  v.  S.  Amand  8. 
Miniaturen  508.  682. 


Register. 


691 


Mirbach,  Urkundenbuch  der  Grafen 

503. 
Monte  Cassino,  Calendariuni  256. 
Moulart,  Simon  246. 
Mülich,  Hektor  246.  492. 

Nancy,  Arcbiv  678. 

Nantes,  Bibliothek  482. 

Narratio     de     ecclesia    Chremsmun- 

strensi  672. 
Necrologia     Gennaniae    8;     Styriae 

506 ;    von  S.  Martin   zu    Tournay 

252 ;  S.  Gregorii  zu  Venedig  456. 

458. 
Nekrologische  Notizen  681. 
Nennius  4.  481.  483. 
Neuss,  Brief  aus  dem  Feldlager  vor 

496  f. 
Nicolaus  von  Butrinto  245  f. 
Nicolaus  von  Siegen  406. 
Niccolö  di  Ferrara  475. 
Nürnberg,  Judenrecht  674. 

O. 

Oberaltaich,  Catalogus  librorum  677 ; 

Schatzverzeichnis  677. 
Oesterreich.  Reimchronik  671. 
Oliver,  scholasticus  584. 
Onulf  von  Speier  251.  441  ff. 
Ordo  fratrum  Praedicatorum  397. 
Osnabrück,  Geschichtsquellen  247. 
Ostertafeln,    angelsächs.   25.   27.   29. 
Othloh  93.  238. 
Otto  von  Freising  102  f.  481. 
Otto  von  S.  Blasien  481. 
Ottokar  s.  Oesterreich.  Reimchronik. 

P. 

Pace  dal  Friuli  490. 

Paderborn,     annalist.    Notizen    und 

Schatzverzeichnis  485.  671. 
Palaeographisches  258.  507  f. 
Papstbriefe  und  -Urkunden  44.  213. 

233  ff.    246  f.    250  f.    264.    269  ff. 

286  f.  428.  497  f.  527.  531  ff.  675. 
Paris,  Universität  s.  Bonifaz  VIII. 
Parisius  de  Cereta  466  ff. 
Paul  von  Bernried  239.  495.  671. 
Paulus  Cholner  239. 
Paulus  diaconus  240.  256. 
Peter  von  Andlau  490. 
Petrarca  238. 


Petrus  Abälard  238.  644. 

Petrus  Cantinelli  5. 

Petrus  Crassus  243. 

Petrus  Damiani  108.  243. 

Petrus  de  Riga  231  f.  680. 

Philipp  von  Harvengt  680. 

Philippe  de  Nevaire  489. 

Placita  6.  227.  499. 

Poenitentialia  296  ff.  330  ff. ;  Halitgari 
257  ;  Hrabani  257  ;  Pseudo-Roma- 
num  328 ;  Vallicellanum  309  ff. 

Poggibonsi,  Statuten  674. 

Polistore  s.  Niccolo  di  Ferrara. 

Polycarpus  304  ff.  321. 

Praeiectus  484. 

Prophetiae  485.  672. 

Pseudo-Isidor  240.  352.  493.  528. 

Pseudo-Knut  492. 

Pseudo-Theodorus  296  ff.  316.  328  ff. 

Pseudo-Udalricus  212.  445  f. 


Quaestiones  de  iuris  subtilitatibus  s. 
Irnerius. 

Quedlinburg,  Regesten  des  Johannes- 
hofes 504. 


R. 

Rahewin  217.  481. 

Raimbaut  de  Vaqueiras  680  f. 

Rappoltstein,  Urkundenbuch  678. 

Ratherius  238. 

Rationarium  Austriacum  682. 

Rechnungen  und  Rechnungsbücher 
der  camera  apostolica  506.  677. 
682 ;  Heinrichs  von  Derby  507 ; 
hessische  682 ;  der  Peterskirche  zu 
Rom  258. 

Rechtsquellen,  kirchl.  247. 

Regensburg,  calendarium  681. 

Regesta  diplomatica  regni  Danici 
680 ;  imperii  255  f.  504 ;  Karoli  IV. 
657  ff. ;  placitorum  6 ;  pontificum  8 ; 
hist.  Thuringiae  679. 

Regesten  zur  Geschichte  von  Alsfeld 
677 ;  der  Markgrafen  von  Baden 
504 ;  der  Urkk.  zu  Haiming  256 ; 
zur  Kirchengesch.  Kärnthens  504 ; 
der  Beziehungen  Kölns  zum  Reich 
504 ;  von  S.  Peter  zu  Kolmar  256  ; 
der  Bischöfe  von  Konstanz  504. 
679 ;  des  Johanneshofes  zu  Qued- 
linburg 504;  der  Pfalzgrafen  am 
Rhein    256;     der    Kaiserurk.    für 


692 


Register. 


Savona  253;  der  Gräfin  Mathilde 
von  Tuscien  679  f. ;  des  Bisthums 
Trient  504. 

Regino  12.  241.  291.  297  ff.  312. 
336  ff.  486. 

Registerbücher  der  Päpste  251.  677  ; 
der  päpstl.  Kammer  258.  677. 

Registrum  Gregorii  I.  4.  7 ;  Gregorii 
VII.  497. 

Regula  s.  Benedicti  456.  505 ;  Bene- 
dict Anianens.  506 ;  Cassiani  506  ; 
Chrodegangi  505. 

Regula  pastoralis  Gregorii  I.  352. 

Reinbold  Siecht  492. 

Relatio  de  fundatione  quarundam 
Saxoniae  ecclesiarum  74;  de  ortu 
et  progressu  haeresum  492. 

Reliquienverzeichnisse,  steirische  506. 

Rem,  Wilhelm  492. 

Richard  von  S.  Germano  489. 

Riculf  von  Mainz  14.  48. 

Rimbert  241. 

Römische  Rechtsquellen  318  ff.  352. 

Rom,  Codd.  reg.  Christinae  482. 

Rossi,  Egidio  187  ff.  459  ff. 

Rothe,  Johannes  382.  413.  420  f. 

Rudolfsbuch  494. 

Rufinus  518. 

S. 

Sachsenspiegel  248. 

Sacramentaria  Gelasianum  681 ; 
Gregorianum    681 ;    s.    Wolfgangi 
681. 

Sächsische  annalist.  Notizen  496 ; 
Quelle  aus  der  Zeit  Heinrichs  rV. 
242;  S.  Weltchronik. 

S.  Etienne,  Bibliothek  482. 

S.  Gallen,  Urkundenbuch  503. 

Savona,  Regesten  253. 

Schede!  s.  Hartmann. 

Schwabenspiegel  248. 

Sedulius  518.  581. 

Sender,  Clemens  492. 

Sententiae   diversorum  patrum   493. 

Series  abbat.  Nienburgens.  169  f. ; 
abbat.  Oberaltacens.  677 ;  antistitum 
Viennens.  266.  275  f.  282 ;  episc. 
Viennens.  269.  276  ff. 

Sermo  de  Sifrido  Eremita  614  f. 

Servatus  Lupus  249. 

Sibyllenweissagung  485. 

Siegel  259.  507.  683. 

Siena,  archivio  notarile  669;  Uni- 
versität 254  ff. 


Sifrid  von  Ballhausen  415. 
Sigebert  von  Gembloux  59.  88.  214. 

485  f. 
Sigeboto  s.  vita  Paulinae. 
Sigmar  von  Kremsmünster  672. 
Silvesterlegende  5. 
Simon  Moulart  246. 
Siecht,  Reinbold  492. 
Smaragdus  670. 
Sprüche,  deutsche  5. 
Stadtbuch  von  Görlitz  502. 
Stadtrecht  von  Hazebroek  249 ;  Stadt- 

und  Marktrecht  vonVilsbiburg  249. 
Stassfurt,  Brüderschaftsbuch  506. 
Statuten  von  Lucca  494 ;  Poggibonsi 

674. 
Stetter,  Johann  491. 
Strassburg,  Diözesansynoden  681  f. 
Sulpicius  Severus  239.  518. 
Summa  codicis  s.  Irnerius;  lohannis 

de  Bononia  495. 
Syllabus   potestatum  Veronens.  473. 

476. 
Synodi  6.   213  ff.    314  ff.   444.   449; 

Matisconens.     247 ;     Mediolanens. 

247 ;  Romanae  3.  293 ;  der  Strass- 

burger  Diözese  681  f. ;  Suessionens. 

531  ff. ;  Triburiens.291  ff. ;  Tusiacens. 

493 ;  Wormatiens.  299  f. 

T. 

Teodoro  de  Lelli  673. 

Testamenta     aevi     Merovingici     et 

Karolini  538  ff. 
Theoderich  von  Amorbach  257. 
Theoderich  von  Canterbury  296. 
Theoderich  von  Paderborn  671. 
Theodulf  504  f. 
Thietmar  88  f.  241. 
Tironisches  258  f. 
Tolosanus  5. 
Tournay,    Nekrolog   von    S.   Martin 

252. 
Tractatus  de  cardinalatu  673. 
Traditiones  Kuebacens.  499 ;  S.  auch 

codex  trad. 
Trajanssage  83  f. 
Translatio  s.  Helenae  488 ;  s.  Remigii 

565  ff. 
Trithemius  377. 
Tschudi,  Aegidius  501. 

U. 

Uelzen,  Urbar  506. 
Ulrich  von  Richenthal  491. 


Register. 


693 


Ulrich  von  Rosenberg  254. 

Urbare  der  Habsburger  506 ;  der 
Dompropstei  Konstanz  258;  Öster- 
reich. 682;  des  h.  Geistaltars  zu 
Uelzen  506. 

Urkunden  und  Urkundenbücher  240. 
252  ff.  426.  431  f.  501  ff.  617. 
676  ff. ;  S.  auch  Kaiserurkunden, 
Papsturkunden. 

V. 

Vadianus,  Joachim  485. 

Venantius  Fortunatus  514. 

Venedig,  calendar.  u.  necrol.  s. 
Gregorii  456. 

Versus  496.  505.  647  ff. ;  über  die 
Belagerung  von  Broich  246 ;  Petri 
Baiolardi  644. 

Vienne,  Bibliothek  482. 

Vilsbiburg,  Stadt-  uud  Marktrecht 
249. 

Vincentius  Kadlubek  239. 

Vision  über  Heinrich  II.  484. 

Vitae  sanctorum  aevi  Merovingici 
4;  Adalberti  241;  Agapiti  672; 
Amantii  Ruthenens.  440;  Anskarii 
241 ;  Arnoldi  archiepisc.  Moguntin 
91 ;  Austremonii  484 ;  Basilii  518  , 
Caesarii  Arelatens.  539;  Elisabethae 
81  f.  388  ff.  399.  572.  582.  584 
587.  622  ff.  631  ff. ;  Evurtii  518 
Faronis  240 ;  Gregorii  VII.  671 , 
Heinrici  II.  93  ff.;  Lamberti 
Traiectens.  485;  Ludovici  IV 
lantgravii  Thuring.  421.  609.  613 
615  f.  622  ff.  631  ff. ;  Lulli  5 , 
Magdalenae  249;  Mariae  670; 
Marthae  249;  Odiliae  abbatissae 
Hohenburgens.  483 ;   viduae  Leo- 


diens.  484 ;  paparum  44 ;  Paulinae 
4;  Remedii  sive  Remigii  511  ff. 
525.  559.  565  ff. ;  Severini  482 ; 
Stephani  243  f.;  Vedastis  519; 
Wolfkangi  93. 


W. 

Walahfrid  6.  258. 
Walram  von  Naumburg  243. 
Walther,  Marx  492. 
Walther  von  Chätillon  256. 
Walter  Map  es  670. 
Weifer  (Weiser?)  s.  Martin. 
Weihenotizen,  steirische  506. 
Weissenburg   (Abtei),    über   posses- 

sionum    Edilini    506;    ü-aditiones 

676. 
Weissenburg  im  Nordgau,  Judenrecht 

674. 
Weltchronik,    sächs.    57.    74.    77  ff. 

108  ff.  399.  405.  576. 
Weltkarten  508. 
Westfalen,  Urkundenbuch  503. 
Widukind  79.  88.  241. 
Wilhelm  von  Malmesbury  94.  96.  110. 
Wilhelm  von  Occam  490. 
AVilhelm  Rem  492. 
Wilhelm  von  Wottem  673. 
Windecke,  Eberhard  491. 
Wittwer  488. 
Würtemberg ,     Bibliographie     669 ; 

Urkundenbuch  678. 
Wüstenfeld ,     Handschriftennachlass 

669. 

Z. 

Zantfliet,  Cornelius  674. 
Zink,  Burkart  246. 
Zollrolle,  Lübecker  507. 


Gesammtregister 


Band  XI— XX 


nach  den  Verfassern  und  nach  dem  Inhalte  der  Abhandlungen. 


Von 


Hermann  Bloch  und  Martin  Meyer 


Gesammtregister  von  Band  XI — XX 

uacli  den  Verfassern. 


Altmann,  Wilhelm.  Bruchstücke 
aus  dem  'Liber  Cancellariae  Apo- 
stolicae'  nach  einer  bisher  unbe- 
kannten Hs.  XV,  418—422.  —  Zu 
Eberhart  Windecke  XVIII,  689 
—692. 

Arnold,  Robert.  Königsurkk.  des 
Gräfl.  Solms  -  Rödelheimischen  Ar- 
chivs zu  Assenheim  XI,  580 — 589. 

Bäum  er,  P.  Suitbert,  O.  S.  B.  Der 
Micrologus,  ein  Werk  Bernolds 
v.  Konstanz  XVIII,  429  —  446. 
725. 

Baumann,  F.  L.  Ueber  die  Todten- 
bücher  der  Bisthümer  Augsburg, 
Konstanz  u.  Cur  XIII,  409—429. 

Baumgarten,  Paul  Maria.  Ueber 
eine  Hs.  der  Briefe  Gregors  I. 
XV,  600  f. 

Becker,  Jos.  Zu  den  Regesten 
Karls  IV.  XX,  657—660. 

Bernheim,  Ernst.  Die  sagenhafte 
sächs.  Kaiserchronik  aus  dem  12.  Jh. 
XX,  51—123.  684. 

B  i  s  h  o  p ,  Edmund.  Ein  Schreiben 
des  Abts  Helisachar  XI,  564—568. 

Bloch,  Hermann.  Die  Urkk.  Kaiser 
Heinrichs  IL  f.  Kl.  Michelsberg 
zu  Bamberg  XIX,  603—663;  XX, 
683. 

Born  er,  Gr.  Zur  Krit.  der  Quellen 
f.  die  Gesch.  der  h.  Elisabeth 
XIII,  431-515. 

B  o  n  n  e  t ,  Max.  Codex  A  2  der  Hi- 
storia  Francorum  des  Gregors  v. 
Tours  Xn,  309—312.  —  Zu  Gre- 
gor v.  Tours  XVII,  199—201. 

Brandes,  W.  Bruchstück  eines 
rhythmischen  Gedichtes,  die  Gesch. 
des  Tempels  zu  Jerusalem  betr. 
XTV,  424—431. 

Bresslau,   Harry.     Aus  Archiven 


u.  Bibl.  XI,  93—108.  643  f.  —  Der 
Titel  der  Merovinger  Könige  XII, 
353  —  360.  —  Ein  unediertes  Di- 
plom  Heinrichs  V.    XIH,  215  f. 

—  Formulare  aus  der  Kanzlei 
Ludwigs  des  Bayern  XIV,  432 — 
434.  —  Ein  Brief  des  Erzbischofs 
Anno  v.  Köln  XLV,  623  f.  —  Be- 
merkungen zu  den  Papstbriefen 
der  Brit.  Sammlung  XV,  189—193. 

—  Zusatz  über  einen  Gregor  I. 
zugeschriebenen  Brief  (zu  L.  M. 
Hartmann  XV,  527  ff.)  XV,  550— 
554.  —  Ueber  die  Hss.  des  Chron. 
Ebersheimense  XVI,  545  —  561 ; 
XVIII,  724.  —  Vier  ungedruckte 
Königsurkk.  des  11.  und  12.  Jh. 
XVH,  433  —  439.  —  Die  Pariser 
Hs.  des  Chron.  Ebersheimense 
XVIII,  309—317.  —  Zur  Kanzlei 
Heinrichs  IV.  XIX,  683—685.  — 
Erläuterungen  zu  den  Diplomen 
Heinrichs  IL  XX,  125—176.  684. 

—  Ein  Diplom  u.  ein  Placitum 
Heinrichs  V.  XX,  225—230. 

Bretholz,  B.  Die  Unterschriften 
in  den  gallischen  Concilien  des 
6.  u.  7.  Jh.  XVIII,  527—547. 

C  a  r  o ,  G.  Eine  Appellation  Alben- 
ga's  an  den  Kaiser  von  1226  XX, 
654-656. 

Chroust,  Anton.  Topographische 
Erklärungen  zu  einigen  Stellen  in 
den  Mon.  Germ.  XV,  585—591.  — 
Unedierte  Königs-  u.  Papsturkk. 
XVI,  135  —  168.  —  Die  Ueber- 
lieferung  des  dem  Ansbert  zuge- 
schriebenen Berichtes  über  den 
Kreuzzug  Friedrichs  I.  XVI,  511 
— 526.  —  Ein  ungedrucktes  Diplom 
Heinrichs  IV.  XVH,  430—432.  — 
Ein  Brief  Hadrians  V.  XX,  233  f. 


698 


Gesammtregister  von  Band  XI — XX 


Conrat  (Colin),  Max.  Zur  Lex 
Romana  Raetica  Curiensis  XV,  202. 

Davidsohn,  R.  Das  Petitions- 
Bureau  der  päpstl.  Kanzlei  am 
Ende  des  12.  Jh.  XVI,  638  f.  — 
Process  wegen  Fälschung  einer 
päpstl.  Bulle  1216  XIX,  232—235. 

Dieterich,  J.  Heber  Paulinzeller 
Urkk.  u.  Sigeboto's  Vita  Paulinae 

XVIII,  447-489. 

Dorr,  Robert.  Nachtr.  zu  dem 
Aufsatz  'Beitr.  zur  Einhardsfrage' 
(X,  243  ff.)  XI,  475-488. 

Dümmler,  Ernst.  Naso's (Modoins) 
Gedichte  an  Karl  d.  Gr.  XI,  75 — 
91.  —  Zur  Gesch.  des  Investitur- 
streites im  Bisthum  Lüttich  XI, 
175—194. 413.  644.  —  Ein  Nachtr. 
zu  Einhards  Werken  XI,  231—238. 

—  Mittheilungen  aus  Hss.  XI, 
404  —  412.  455  —  474.  —  Ermah- 
nungsschreiben an  einen  Karolin- 
ger XIII,  191—196.  —  Briefe  u. 
Verse  des  9.  Jh.  XIII,  343—363 
vgl.  648  f.;  XV,  627.  —  Zu  den 
Gedichten  des  Paulus  Diaconus 
XVn,  397—401.  —  Zur  Lebens- 
gesch.    Alchvins   XVIII,    51 — 70. 

—  Zu  Udalrich  v.  Babenberg  XIX, 
222—227.  720.  —  Waitz  u.  Pertz 

XIX,  269—282.  —  Zu  Petrus  v. 
Riga  XX,  231  f. 

Ebner,  Adalbert.  Der  über  vitae 
u.  die  Nekrologien  v.  Remiremont 
in  der  Bibliotheca  Angelica  zu 
Rom  XIX,  47—83. 

Erben,  Wilhelm.  Zu  der  Fort- 
setzung des  Regino  v.  Prüm  XVI, 
613  —  622.  —  Nachtr.  zu  dem 
2.  Bande  der  Diplomata- Ausgabe 

XX,  355—371. 

E  w  a  1  d ,  P.  Nachtr.  zu :  Th.  Momm- 
sen,  Actenstücke  zur  Kirchengesch. 
aus  dem  Cod.  Cap.  Novar.  30  (XI, 
361—368)  XI,  644. 

Falk,  F.  Johann  Gisen  v.  Nastätten 
XI,  195  f.  vgl.  417.  —  Verschie- 
dene Addenda  XI,  617  f.  —  Varia 
XIV,  173  f.  —  Necrologia  Mogun- 
tina XIX,  693—704. 

Fitting,  H.  Zum  Streit  um  die 
Grafschaft  Provence  im  12.  Jh. 
XIX,  228—231. 

Friedländer,  Ernst.  Eine  unge- 
druckte Urk.  Konrads  IV.  XV, 
410. 


Gebhardt,  Bruno.  Die  Confutatio 
primatus  papae  XII,  517 — 530.  — 
Zur  Chronik  des  Dietrich  v.  Niem 
XIII,  225—230. 

Goldmann,  A.  Ann.  v.  122— 1044 
XII,  403—407. 

Günther,  O.  Kritische  Beitr.  zu 
den  Akten  der  röm.  Synode  vom 
12.  April  732  XVI,  235—249. 

Gundlach,  Wilhelm.  Die  Vita 
Heinrici  IV.  u.  die  Schriften  des 
Sulpicius  Severus   XI,  289  —  309. 

—  Zu  Rahewin  XI,  569  f.  — 
Uebersicht  der  ersten  Abschnitte 
der  Abtheilung  'Briefe'  der  Mon. 
Germ,  bis  zum  J.  911  XII,  245— 
288.  453—502.  —  Die  Sammlung 
der  Epistolae  Austrasicae  XIII, 
365—387.  —  Der  Streit  der  Bis- 
thümer  Arles  u.  Vienne  um  den 
Primatus  Galliarum  XIV,  251 — 
342;  XV,  9— 102.  233— 291;  dazu 
Nachtr.  291  f.  627.  —    Ueber  die 

.    Columban  -  Briefe  XV,    497—526. 

—  Der  Anhang  des  3.  Epistolae- 
Bandes  der  Mon.  Germ. :  Epp.  ad 
res  Wisigothorum  pertinentes  XVI, 
9 — 48.  —  Zu  den  Columban-Briefen 
XVII,  425—429.  —  Ueber  den 
Codex  Carolinus  XVII,  525—566. 
— Ueber  die  vermeintliche  Unecht- 
heit  einiger  Stücke  der  Epp.  Lan- 
gobardicae  collectae  des  2.  An- 
hangs im  3.  Epp. -Bande  der  Mon. 
Germ.  XVIII,  653  —  663.  —  Die 
Epp.  Viennenses  und  die  älteste 
Vienner  Chronik  XX,  261  —  287. 
684. 

Hahn,  H.  Die  Namen  der  Boni- 
fazischen  Briefe  im  Liber  vitae 
ecclesiae  Dunelmensis  XII,  109 — 
127. 

Hansen,  Joseph.  Chronik  der 
Pseudorektoren  der  Benedikts- 
kapelle zu  Dortmund  XI,  491 — 
550. 

Hartmann,  Ludo  M.  Zur  Chro- 
nologie der  Briefe  Gregors  I. 
XV,  411—417.  —  Ueber  die  Or- 
thographie Papst  Gregors  I.  XV, 
527 — 549.  —  Ueber  zwei  Gregor- 
briefe XVII,  193—198. 

Hasse,  P.  Das  Angers'sche  Frag- 
ment des  Saxo  Grammaticus  XII, 
315—332. 

Hauthaler,  P.  Willibald,  O.  S.  B. 


nach  den  Verfassern. 


699 


Notae  Seccovienses  XVIII,  674 — 
678.  —  Die  grosse  Briefhs.  zu 
Hannover  XX,  209—220. 

Heck,  Ph.  Der  Ursprung  der  ge- 
meinfriesischen Rechtsquellen  und 
der  fries.  Gottesfrieden  XVH,  567 
—598. 

Hegel,  Karl.  Ueber  die  wieder- 
gefundene Hs.  v.  Königshofens 
Chronik  XII,  207  f.  —  Latein. 
Wörter  u.  deutsche  Begriffe  XVIII, 
207—223. 

H  eine  mann,  Lothar  v.  Zur  Krit. 
Tegernseer  Gesch.  -  Quellen  XII, 
143 — 160.  —  Ueber  ein  verlorenes 
sächs.  Annalenwerk  XIII,  33 — 59. 

—  Zur  Krit.  ungar.  Gesch. -Quellen 
im  Zeitalter  der  Arpaden  XIII, 
61 — 74.  —  Ueber  die  Deutsche 
Chronik  u.  andere  histor.  Schriften 
des  Magister  Dietrich  Engelhus 
XIII,  171—187.  —  Zur  Lebens- 
gesch.  des  Chronisten  Dietrich 
Engelhus  XIV,  196  f.  —  Die  äl- 
teste Translatio  des  h.  Dionysius 
XV,  331—361.  —  Die  älteren  Di- 
plome f.  das  Kl.  Brogne  u.  die 
Abfassungszeit  der  Vita  Gerardi 
XV,  592—596.  —  Ein  unbekannter 
Brief  der  Pisaner  an  König  Kon- 
rad III.  XVI,  182  f. 

Heisenberg,  A.  Ueber  ein  Frag- 
ment des  Anonymus  Canisii  de 
vita  Ottonis  XIX,  460  f. 

Helmholt,  Hans  F.  Zu  Otto  v. 
Hammerstein  XX,  221  f. 

Herrmann,  Max.  Paul  u.  Geb- 
hard  v.  Bernried  u.  ihre  Briefe 
an  Mailänder  Geistliche  XIV,  565 
—588. 

Herzberg-Fränkel,  S.  Ueber 
das  älteste  Verbrüderungsbuch  v. 
St.  Peter  in  Salzburg  XII,  53— 
107.  —  Ueber  die  necrologischen 
Quellen  der  Diöcesen  Salzburg  u. 
Passau  XIII,  269—304. 

Holder,  A.  Ein  Brief  des  Abts 
Bern  v.  Reichenau  XIII,  630 — 
632. 

Holder-Egger,  Oswald.  Bericht 
über  eine  Reise  nach  Italien  1885 

XI,  253  —  288.  —  Desgl.  1891 
XVII,  "461—524.  642  ;   XIX,  720. 

—  Zur    Translatio    S.    Benedicti 

XII,  129—141.  —  Zu  deutschen 
Heiligenleben  XIII,  9—32;    XX, 


683  —  Aus  Münchener  Hss.  XIII, 
557  —  587.  —  Zur  Textkrit.  des 
Saxo  u.  Sueno  Aggeson  XIV,  135 
—162.  —  Ueber  ein  Ekkehard- 
Fragment  XIV,  175—177.  635.  — 
Italien.    Prophetieen   des    13.    Jh. 

XV,  141—178.  —  Ueber  die  histor. 
Werke  des  Johannes  Codagnellus 
v.  Piacenza  XVI ,  251  —  346.  473 
— 509.  654.  —  Zu  den  Gesta  abba- 
tum  Fontanellensium  XVI,  602 — 
606.  —  Zu  den  gefälschten  Livin- 
Versen  XVI,  623.  —  Ueber  die 
Braunschweiger  u.  Sächs.  Fürsten- 
chronik u.  verwandte  Quellen  XVII, 
159—184.  —  Zur  Translatio  S.  Ger- 
mani  XVIII,  274—281.  —  Studien 
zu  Lambert  v.  Hersfeld  XIX,  141 — 
213.  369— 430.  507-574.  —  Be- 
richtigung zur  Bonizo-  u.  Beno- 
Ausgabe  XIX,  680—682.  —  Stu- 
dien zu  Thüring.  Gesch.  -  Quellen 
XX,  373—421.  569—637. 

Holder-Egger,  O.  u.  Waitz,  G. 
Aus   neueren  Hss. -Verzeichnissen 

XI,  418—425;  vgl.  644. 
Hoogeweg,  H.    Eine  neue  Schrift 

des  Kölner  Domscholasters  Oliver 

XVI,  186—192. 
Joachimsohn,  Paul.    Spottverse 

vom  Basler  Concil   XVIII,  693  f. 

Karamianz  s.  Löwenfeld. 

Kehr,  P.  Der  Vertrag  v.  Anagni 
i.  J.  1176  XIII,  75—118.  —  Die 
Kaiserurkk.  des  Vatican.  Archivs 
XIV,  343—376.  —  Die  Purpururk. 
Konrads  III.  f.  Corvei  XV,  363 
—381. 

Krause,  K.  E.  H.  Zu  Widukind 
I,  12  XVI,  610—612. 

Krause,  Victor.  Die  Fortsetzung 
der  Capitularien  -  Ausgabe  XVI, 
421—429.  —  Die  Acten  der  Tri- 
burer  Synode  895  XVH,  49—82. 
281—326.  —  Hincmar  v.  Reims 
der  Verfasser  der  sog.  Collectio 
de   raptoribus  XVIII,  303  —  308. 

—  Die  Triburer  Acten  in  der 
Chälons'er  Hs.  XVIII,  411—427. 

—  Die  Münchener  Hss.  3851.  3853 
mit  einer  Compilation  von  181 
Wormser  Schlüssen  XIX,  85 — 139. 

K  '  u  s  c  h ,  Bruno.  Zu  den  Hss.  des 
Gregor  v.  Tours  XI,  629.  —  Chlo- 
dovechs  Sieg  über  die  Alamannen 

XII,  289  —  301.    —    Zu    Gregors 


700 


Gresammtregister  von  Band  XI — XX 


Schrift  'De  cursu  stellarum'  XII, 
303—308.  —  Entgegnung  auf  Max 
Bonnets  Erklärung  (XII,  309— 
312)  XII,  312—314.  —  Der  Fonds 
Libri  in  Florenz  XII  423  f.  — 
Das  Leben  des  Bischofs  Gaugerich 
v.  Cambrai  XVI,  225-234.  —  Zu 
M.  Bonnets  Untersuchungen  über 
Gregor  v.  Tours  XVI,   432—434. 

—  Die  älteste  Vita  Leudegarii 
XVI,  563—596.  —  Zu  Gregor  v. 
Tours  XVII,  201  —  203.  —  Die 
Fälschung  der  Vita  Genovefae 
XVIII,  9  —  50.  —  Reise  nach 
Frankreich  im  Frühjahr  u.  Sommer 
1892  XVIII,  549—649;  XIX,  11 
—45.  720.  —  Das  Alter  der  Vita 
Genovefae  XIX,  444  —  459.  — 
Zum  Martyrologium  Hieronymia- 
num  XX,  437—440.  —  Reimser 
Remigius  -  Fälschungen  XX,  509 — 
568. 

Kühn,  Fritz.  Zur  Krit.  Alberts  v. 
Aachen  XII,  543—558. 

Kurth,  Otto.  Ein  Brief  Gerhohs 
v.  Reichersberg  XIX,  462—467. 

Kurze,  F.  Zur  Krit.  des  Chron. 
Gozecense  XII,  187—202.  —  Ab- 
fassungszeit u.  Entstehungsweise 
der  Chronik  Thietmars  XIV,  59— 
86.  —  Hsl.  Ueberlieferung  und 
Quellen  der  Chronik  Regino's  u. 
seines  Fortsetzers   XV,  293—330. 

—  Nachlese  zur  Quellenkunde 
Thietmars  XVI,  459  —  472.  ■ 
Ueber  die  Ann.  Fuldenses  XVII, 
83  — 158.  —  Ueber  die  karoling. 
Reichsann.  v.  741  —  829  und  ihre 
Ueberarbeitung  XIX,  295  —  339; 
XX,  9—49.  683. 

Lehmann,  Karl.  Zur  Ausgabe 
der  Lex  Ribuaria  (LL.  V)  XI,  414 

—  416.  —  Der  Codex  Paris,  lat. 
nouv.  acq.  204  XII,  579—585.  — 
Die  Libri  Feudorum  XVI,  387— 
418. 

Lehner,  F.  A.  v.  Supplik  des 
Frauenkl.  Inzigkofen  an  Papst 
Alexander  VI.  XIX,  468—473. 

Leidinger,  Georg.  Zur  Vita 
Ludovici  IV.  XIX,  686—692. 

Liebermann,  F.  Zur  Gesch. 
Friedrichs  IL  u.  Richards  v.  Corn- 
wall  XIII,  217—222.  —  Raginald 
v.  Canterbury  XIII,  517—556.  — 
Ein  Brief  Innocenz'  II.  an  Hein- 


rich I.  v.  England  XIV,  616  f.  — 
Ueber  ostengl.  Gesch.-Quellen  des 
12. — 14.  Jh.,  bes.  den  falschen 
Ingulf  XVIII,  225-267. 

L  i  n  d  n  e  r ,  Theodor.  Zum  Chron. 
Urspergense  XVI,  115 — 134. 

L  i  p  p  e  r  t ,  Woldemar.  Das  Capi- 
tulare  des  Kaisers  Lothar  I.  v. 
J.  846  XII,  531— 541.  —  Die  Ver- 
fasserschaft der  Canonen  gallischer 
Concilien  des  5.  u.  6.  Jh.  XIV, 
9—58.  —  Zu  dem  Necrologium 
S.  Vitoni  Virdunensis  XV,  608— 
610.  —  Zu  Guido  v.  Bazoches  u. 
Alberich  v.  Troisfontaines  XVII, 
408—417. 

Lorsch,  H.  Formulare  v.  Gottes- 
urtheilen  in  einer  Trierer  Hs. 
XVII,  612  f. 

Löwenfeld,  S.  Elf  Papstbullen 
XI,  369—388.  —  Kleinere  Beitr. 
XI,  595—616  ;  dazu:  Eine  Berichti- 
gung XII,  419  f.  —  Drei  Briefe 
Clemens'  III.  Aus  dem  Armen, 
übersetzt  v.  Dr.  Karamianz  XIV, 
178—182.  —  Ein  Aktenstück  aus 
der  Ostersynode  v.  1078  XIV,  618 

—  622.  —  Der  Dictatus  Papae 
Gregors  VII.  u.  eine  Ueberarbei- 
tung desselben  im  12.  Jh.  XVI, 
193-202. 

Loser th,  J.  Zwei  Briefe  Gre- 
gors XII.  an  den  Pfalzgrafen 
Ludwig  vom  Rhein  XX,  235  f.  — 
Zu  Pseudo-Udalricus1  'De  Conti- 
nentia  Clericorum'  u.  zu  Bruno's 
v.  Segni  'De  Symoniacis'  XX,  444 

—  449. 

Maassen,  Fr.  Zwei  Excurse  zu 
den  falschen  Capitularien  des  Bene- 
dictus  Levita  XVIII,  294—302. 

Manitius,  M.  Zu  deutschen  Gesch.- 
Quellen  des  9.— 12.  Jh.  XI,  43— 
73.  —  Desgl.  des  6.  u.  11.  Jh. 
XIII,  197—214.  —  Zu  karoling. 
Gedichten  XI,  553  —  563.  —  Zu 
Einharts  Vita  Karoli   XII,   205  f. 

—  Zu  Rahewin,  Ruotger  u.  Lam- 
bert XII,  361—385.  —  Zu  Fortu- 
natus,  den  Ann.  Quedlinburgenses 
u.  Sigeberts  Vita  Deoderici  XII, 
591 — 596.  —  Bemerkungen  zu  ver- 
schiedenen Quellenschriften  XIII, 
633  —  647.  —  Zur  Gesch.  v.  Sul- 
picius'  Schriften  über  S.  Martinus 
im  MA.    XIV,  165—170.  —  Zur 


nach   den  Verfassern. 


701 


Benutzung  des  Sulpicius  Severus 
im  MA.  XV,  194—196.  —  Ge- 
schichtliches aus  alten  Bibl.  -  Kata- 
logen  XVI,  171—174;   vgl.   653. 

—  Zur  karoling.  Poesie  XVI, 
175  —  177.  —  Zu  karoling.  Dich- 
tern XVII,  614—616.  —  Zu  Onulfs 
v.  Speier  Rhetorici  colores  XX, 
441—443. 

May,  J.  Zu  Hermannus  Contractus 
XII,  226  —  231.  —  Leben  Pauls 
v.  Bernried  XII,  333—352. 

Meier,  P.  Gabriel.  Amalarii  For- 
tunati episcopi  Trevirensis  epi- 
stula  de  tempore  consecrationis  et 
ieiunii.  Nebst  Nachtr.  zu  dem 
Verzeichnis  der  Briefe  v.  AV.  Gund- 
lach  XIII,  305—323. 

M  o  m  m  s  e  n ,  Theodor.  Actenstücke 
zur  Kirchengesch.  aus  dem  Cod. 
Cap.  Novar.  30  XI,  361—368;  vgl. 
644.  -  -  Ostgoth.  Studien  XIV, 
223—249.  451—544;  XV,  181  — 
186.  —  Bemerkungen  zu  den 
Papstbriefen  der  Brit.  Sammlung 
XV,  187  f.  —  Das  röm.  -  german. 
Herrscherjahr  XVI,  49  —  65.  — 
Zu  den  Ann.  Vedastini  XVI,  430  f. 

—  Die  Synode  v.  Turin  XVII, 
187—192.  —  Die  Papstbriefe  bei 
Beda  XVII,  387—396.  —  Aera 
XVIII,  271—273.  —  Die  Historia 
Brittonum  u.  König  Lucius  v.  Bri- 
tannien XIX,  283  —  293.  —  Eine 
Erwiederung  XIX,  433—435. 

Mühlbacher,  E.  Die  Urk.  Lud- 
wigs des  Fr.  f.  Halberstadt  XVIII, 
282—293. 

Neff,  K.  Zur  Frage  nach  den 
Quellen  der  Historia  Langobardo- 
rum  XVII,  204—208. 

Nürnberger,  A.  Die  Bonifatius- 
litteratur  der  Magdeburger  Cen- 
turiatoren  XI,  9—41;  vgl.  412.  — 
Die  angebliche  Unechtheit  der  Pre- 
digten des  h.  Bonifatius  XIV,  109 
—134. 

P  e  r  1  b  a  c  h  ,  M.  Aus  einem  ver- 
lorenen Codex  traditionum  der 
Bonner  Münsterkirche  S.  Cassius 
u.  Florentius  XIII,  145—170.  - 
Johannes  Diugoss1  Quellen  f.  die 
deutsche  Gesch.  in  seinen  ersten 
6  Büchern  XTV,  183—195. 

Pflugk-Harttung,  Julius  von. 
Register  und  Briefe  Gregors  VII. 

Neues  Archiv  etc.     XX. 


XI,  141—172.  —  Das  Breve  Papst 
Clemens'  II.  f.  Romainmötier  Xl, 
590  —  594.  —  Beitr.  zur  Krit.  v. 
Bonizo,  Lambert  u.  Berthold  XIII, 
325—341. 

P 1  a  t  h  ,  Konrad.  Zur  Entstehungs- 
gesch.  der  Visio  Wettini  des  Walah- 
frid  XVII,  261-279. 

Rademacher,  Otto.  Aventin  u . 
die  ungar.  Chronik  XII,  559 — 576. 

Rethfeld,  A.  Zur  Genealogia 
regum  Francorum  XII,  223 — 225. 

Rockinge r,  Ludwig  von.  Eine 
Rechtshs.  der  Bibl.  des  Benedic- 
tinerstifts  S.  Peter  in  Salzburg 
XVIII,  318—328. 

Rodenberg,  Carl.  Die  Vorver- 
handlungen zum  Frieden  v.  San 
Germano  1229—1230  XVIII,  177 
—205. 

Röhricht,  Reinhold.  Zur  Gesch. 
der  Kreuzzüge  XI,  571 — 579.  — 
Aus  den  Regesten  Honorius'  III. 

XII,  415  —  418.  —  Zur  Gesch. 
der  Kirche  S.  Maria  Latina  in 
Jerusalem  XV,  203—206.  —  Ein 
Brief  über  die  Gesch.  des  Friedens 
v.  Venedig  (1177)  XVII,  621—623. 

R  o  p  p ,  G.  v.  d.  Urkk.  zur  Reichs- 
gesch.  aus  einem  Falkensteiner 
Copialbuch  XVI,  624—631. 

Roth,  F.  W.  E.  Eine  ungedruckte 
Vita  Erzb.  Anno  IL  v.  Köln  XU, 
209  —  217.  —  Der  Mainzer  Chro- 
nist Georg  Heilmann ;  Bruchstück 
seiner  Chronik  XII,  421  f.  —  Mit- 
theilungen  aus  Darmstädter  Hss. 

XIII,  591—602.  Deutsche 
Kaiserurkk.  XVI,  435  f.  —  Kaiser- 
urkk.  u.  Reichssachen  1205 — 1424 
XVI,  632—635.  —  Eine  Mainzer 
Chronik  XVII,  212  f.  —  Ein  Brief 
des  Chronisten  Rudolf  v.  S.  Trond 
an  Rupert  v.  Deutz   XVH,  617  f. 

Sackur,  Ernst.  Noch  einmal  die 
Biographieen  des  MajolusXII,  503 
— 516.  —  Studien  über  Rodulfus 
Glaber  XIV,  377—418.  —  Hand- 
schriftliches aus  Frankreich  XV, 
103—139.  —  Zu  Petrus  de  Ebulo 
XV,  387—393.  —  Reise  nach  Nord- 
frankreich im  Frühjahr  1889  XV, 
437 — 473.  —  Zu  den  Legenden  des 
h.  Franz  v.  Assisi  XV,  597—599. 
—  Ein  Schreiben  über  den  Tod 
des  Majolus  v.  Cluny  XVI,  180  f. 

46 


702 


Gesammtregister  von  Band  XI — XX 


—  Zu  den  Streitschriften  des  Deus- 
dedit  u.  Hugo  v.  Fleury  XVI, 
347—386.  —  Zur  Chronologie  der 
Streitschriften  des  Gotfried  von 
Vendome  XVII,  327—347.  —  Der 
Dictatus  papae  u.  die  Canonsamm- 
lung des  Deusdedit  XVIII,  135— 
153.  —  Die  Briefe  Gotfrieds  von 
Vendome  im  Cod.  Vat.  reg.  1.  59 
XVIII,  666—673. 

S  a  u  e  r  1  a  n  d ,  H.  V.  Der  sog.  Brief- 
wechsel des  Trierer  Erzb.  Hillin 
u.  Dietrich  v.  Nieheims  Chronik 
XII,  599  —  601.  —  Hildesheimer 
Inedita  XIII,  623—626.  —  Zwei 
Gedichte  an  einen  Bischof.  Aus 
einer  Trierer  Hs.  XVI,  178  f.  — 
Aus  Hss.  der  Trierer  Seminarbibl. 
XVII,  601T611-,  XVIII,  724. 

Schäfer,  Dietrich.  Zur  Datierung 
zweier  Briefe  Gregors  VII.  XVTI, 
418—424. 

S chef  f er -Boichorst,  Paul.  Dic- 
tamina  über  Ereignisse  der  Papst- 
gesch.  XVIH,  155—175.  —  Vero- 
neser  Zeugenverhör  v.  1181  XIX, 
575—602;  XX,  259.  —  Beitr.  zu 
den  Regesten  der  stauf.  Periode 
XX,  177  —  205.  -■  Eine  unge- 
druckte Urk.  Friedrichs  IL  über 
Borgo  S.  Donnino,  zugleich  als 
(Quelle  des  Fälschers  Egidio  Rossi 
XX,  459—465. 

Schepss,  G.  Geschichtliches  aus 
Boethiushss.  XI,  123  —  140.  - 
Nachtr.  zu  'Johann  Gisen  v.  Na- 
stätten'  (XI,  195  f.)  XI,  417.  - 
Latein.  Elegie  auf  'Neun  Schneider 
u.  ein  Ei'  'XII,  221  f.  —  Würz- 
burger Hs.  zu  Theoderich  v.  Hers- 
feld XIX,  221. 

Schmidt,    Adolf.      Mittheilungen 
aus   Darmstädter  Hss.    XIII,  603 
622. 

S  c  h  m  i  d  t ,  Ludwig.  Paulus  Dia- 
conus  u.  die  Origo  gentis  Lango- 
bardorum  XIII,  '391—394. 

Schmitz,  Wilhelm.  Zur  Erklä- 
rung der  tiron.  Noten  in  Hss.  der 
Kölner  Dombibl.  XI,  109—121.  — 
Tironisches  u.  Kryptographisches 
XV,  197  f.  -  Tiron.  Miscellen 
XV,  602—607. 

Schultze,  Walther.  Noch  ein 
Wort  zu  den  Biooraphieen  des  Ma- 
jolus  XVI,  545—564. 


S  chum ,  W.  Miracula  Burchardi  III. 
archiepisc.  Magdeburg.  XII,  586 — 
590.  -  -  Ungedruckte  LTrk.  Hein- 
richs VI.  XVI,  184  f.  —  Bemer- 
kungen zu  einigen  Diplomen  Kon- 
rads III.  XVII,  619  f. 

Schwal  m ,  Jakob.  Beise  nach 
Holland,  Belgien,  Nordfrankreich 
u.  dem  Niederrhein  im  Sommer 
1894  XX,  423—433. 

S  e  c  k  e  1 ,  Emil.  Zu  den  Acten  der 
Triburer  Synode  895  XVIII.  365 
—409;  XX,  289—353. 

Seebass,  O.  Ueber  die  Hss.  der 
Sermonen  u.  Briefe  Columba's  v. 
Luxeuil  XVII,  243—259.  —  Ueber 
zwei  Turiner  Hss.  des  Capitulare 
monasticum  XIX,  217—220. 

Seeliger,  Gerhard.  Aus  Ruprechts 
Registern  XIX,  236—240.  —  Mit- 
theilungen aus  einer  Münchener 
Hs.derCapitularienXIX,670— 679. 

Seemüller,  Joseph.  Aus  dem 
Strein'schen  Nachlass  XVIH,  681 
—688. 

Sickel,  Th.  R.  v.  Die  Vita  Ha- 
driani  Nonantulana  u.  die  Diurnus- 
Hs.  5  XVIH,  107—133. 

Simonsfeld,  H.  Compendium  hi- 
storiae  Troianae- Roman  ae  XI,  239 
— 251.  —  Hss.  italien.  Chroniken 
XH,  218—220.  —  Zu  Heinrich  v. 
Diessenhoven  XHI,  223  f.  —  Be- 
richt über  einige  Reisen  nach  Ita- 
lien XV,  475 — 495.  —  Textvarian- 
ten zu  Andrea  Dandolo  XVIH, 
336  —  346.  —  Noch  einmal  die 
kurzen  Venezianer  Ann.  XX,  450 
—458. 

Simson,  Bernhard  v.  Zur  Krit. 
des  Widukind  XII,  597  f.  —  Zu 
Wipo,  den  Ann.  Altahenses,  dem 
Chron.  Urspergense  XIV,  607— 
615.  —  Krit.  Erörterungen  XV, 
555—579. 

Simson,  Paul.  Zu  den  ältesten 
Magdeburger  Gesch.-  Quellen  XIX, 
341—368. 

S  o  m  m  e  r  f  e  1  d  t ,  Gustav.  Zur  Krit. 
Verones.  Gesch.- Quellen  XX,  466 
—480. 

Steffen,  Hans.  Beitr.  zur  Krit. 
der  Xantener  Jahrbücher  XIV. 
87—108. 

Stein  dorf  f,  E.  Eine  unedierte 
Urk.  Karls  IV.  XVIII,  679  f. 


nach   den  Verfassern. 


703 


Sternfeld,  R.  Ein  Brief  König- 
Ruprechts  XVI,  636  f.  —  Ein  unge- 
druckter Bericht  aus  dem  Arelat 
v.  J.  1-251  XVII,  214—219. 

Sybel,  Heinrich  v.  Nachwort  zu 
Robert  Dorrs  Nachtr.  (XI,  475  ff.) 
zu  seinem  Aufsatze  'Beitr.  zur  Ein- 
hardsfrage'  (X,  243  ff.)  XI,  489. 

Thaner,  F.  Zu  zwei  Streitschriften 
des  11.  Jh.  XVI,  527—543. 

Tliommen,  Rudolf.  Ueber  einige 
unechte  Kaiserurkk.  in  der  Schweiz 
XII,  161-186.  --  Ein  Nachtr. 
XII,  411—414. 

Traube,  Ludwig.  Zu  den  Versen 
auf  S.  355  v.  Bd.  XIII,  ebd.  64S  f. 
-  Zu  den  Gedichten  des  Paulus 
Diaconus  XV,  199—201.  —  Aber- 
mals die  Biographieen  des  Maiolus 
XVII,  402  —  407.  --  Computus 
Helperici   XVIII,  71—105.  724  f. 

—  Zu  Walahfrid  Strabo's  De  ima- 
gine  Tetrici  XVIII,  664  f. 

W  a  i  t  z ,  Georg.  Ueber  den  sog. 
Catalogus    Eelicianus    der    Päpste 

XI,  217—229.  —  Zur  Krit.  dän. 
Gesch. -Quellen   XII,  11—39.    - 
Ueber  den  1.  Theil  der  Ann.  Fuld. 

XII,  41—51.  -■  Ein  Bericht  aus 
dem  ,T.  1884  XIII,  259—268. 

W  a  i  t  z ,  G.  u.  H  o  1  d  e  r  -  E  g  g  e  r,  O. 
Aus  neueren  Hss. -Verzeichnissen 
XI,  418—425;  vgl.  644. 

W attenbach,  Wilhelm.  Zur  Vita 
Heinrici  IV.  XI,  197-201.  - 
Urkk.  u.  andere  Aufzeichnungen 
XI,  389  —  403;  vgl.  644.  —  Zur 
Genealogia  Karolorum  XI,  631.  — 
Die  Abtheilung  'Briefe'  der  Mon. 
Germ.  XII,  239—245.  —  Papst- 
bullen im  German.  Museum  XII, 
408  —  410.  —  Ottokar  Lorenz  u. 
Georg  Waitz  XIII,  249—258.  - 
Ein  gleichzeitiges  Gedicht  zum 
Preise  des  h.  Audoenus  XIV,  171  f. 

—  Aus  neueren  Hss.  -  Verzeich- 
nissen XIV,  198—200.  —  Aus  den 
Briefen  des  Guido  von  Bazoches 
XVI,  67—113.  --  Zu  den  Ann. 
Bertiniani  XVI,  607—609.  —  Be- 
schreibung der  Hs.  Cod.  lat.  19411 
aus  Tegernsee  in  der  Kgl.  Bibl.  zu 
München  XVII,  31—47.   642.  - 


Beschreibung  einer  Hs.  mittelalter- 
licher Gedichte  XVII,  349  —  384. 
460.  642;  XVIII,  724.  -  Beschrei- 
bung einer  Hs.  der  Stadtbibl.  zu 
Reims  XVIII,  491-526.  -  Er- 
werbungen der  Nationalbibl.  in 
Paris  v.  1875-1891  XIX,  241— 
246.  —  Ein  Brief  des  Bischofs 
Wazo  v.  Lüttich  XX,  22:1  f. 
Matthaeu3  Grabow  XX,  661—663. 
Weiland,  Ludwig.  Ungedruckte 
Urkk.  Friedrichs  I.  u.  Rudolfs  I. 
f.  S.  Marien  in  Utrecht  XIII,  627 

—  629.  —  Hss.  der  vormaligen 
Kgl.  Handbibl.  in  Stuttgart  (zu 
N.  A.  X,  600)  XV,  385  f.  —  Verse 
auf  Kaiser  Friedrich  I.  XV,  394  f. 

—  Ueber  die  Sprache  u.  die  Texte 
des  Kurvereins  u.  des  Weisthums 
v.  Rense  XVIII,  329—335. 

Werner,  J.  Mittelalterliches  Klage- 
gedicht über  die  Missachtung  u. 
den  Verfall  der  Dichtkunst  XIV, 
421—423.  —  Latein.  Gedichte  des 
12.  Jh.  XV,  396-409  vgl.  XVI, 
653.  —  Epitaphien  u.  Epigramme 
des    12.  Jh.  XX,  641  —  65:  [. 

W  i  d  m  a  n  n.  Vita  Eckeberti  XI, 
445 — 454.  —  Kleine  Mittheilungen 
aus  Wiesbadener  Hss.  XI,  619  — 
628.  —  Die  Eberbacher  Chronik 
der  Mainzer  Erzbischöfe  XIII,  119 
—143. 

W  r  e  d  e ,  F.  Zwei  ostgoth.  Miscellen 
XV,  583  f. 

Zeumer,  Karl.  Neue  Erörterungen 
über  ältere  fränk.  Formelsamm- 
lungen XI,  311—358.  —  Eine  neu- 
entdeckte westgoth.  Rechtsquelle 
XII,  387  —  400.  --  Die  Linden- 
bruch'sche  Hs.  der  Formelsamm- 
lung v.  Flavigny  XIV,  589—603. 

Zimmer,  H.  Zur  Orthographie 
des  Namens  Beda  XVI,  599—601. 

—  Blaithmaic.  Moengal  XVII.  209 

—  211.  —  Ein  weiteres  irisches 
Zeugnis  f.  Nennius  als  Autor  der 
Historia  Brittonum  XIX,  436  — 
4P'..  —  Ein  weiteres  Zeugnis  f.  die 
nordwelsche  Herkunft  der  Samuel- 
Beulan  -  Recension  der  Historia 
Brittonum  XIX,  667—669. 


46* 


704 


Gesamnitregister  von  Band  XI — XX 


Gesanimtregister  von  Band  XI — XX 

nach  dem  Inhalte  der  Abhandlungen. 


A  d  a  1  b  e  r  t  v.  Egmond.  —  O.  Holder- 
Egger,  A.  v.  E.  XIII,  29-32. 

Aedituus  minorita,  flores  tempo- 
rum  s.  München. 

A  e  r  a.  —  Th.  Mommsen,  A.  XVIII, 
271—273. 

Afra,  S.  —  B.  Krusch,  Ein  Zusatz 
zu  der  Passio  s.  Afrae  XIX,  13 
—17. 

Alamannen  s.  Gregor  v.  Tours. 

A 1  b  e  n  g  a.  —  G.  Caro,  Eine  Appel- 
lation A.'s  an  den  Kaiser  von  1226 
XX,  654-656. 

Alb  er  ich  v.  Troisfontaines  s.  Guido. 

Albert  v.  Aachen.  —  F.  Kühn, 
Zur  Krit.  A.'s  v.  A.  XII,  543  — 
558. 

Alchvin.  —  "W.  Gundlach,  Ein 
neuer  A.- Brief  XII,  500-502.  — 
E.  Bummler,  Zur  Lebensgesch.  A.'s 
XVin,  51-70. 

Alexander  VI.  —  F.  A.  v.  Leh- 
ner, »Supplik  des  Frauenkl.  In- 
zigkofen  an  Papst  A.  VI.  XIX, 
468—473. 

Alexander,  Subdiacon.  —  S.  Löwen- 
feld, Briefe  über  die  Berufung  A.'s 
an  den  Hof  Hadrians  IV.  XI,  597 
—599. 

Alpert.  —  M.  Manitius,  Zu  den 
Werken  A.'s  XIII,  202—208. 

A 1 1  a  i  c  h.  —  M.  Manitius,  Zu  den 
Ann.  Altahens.  XIII,  633  f.  —  S. 
Topographisches,  Wipo. 

Amalarius  Fortunatus.  — 
P.  G.  Meyer,  A.  F.  epistola  de 
tempore  consecrationis  et  ieiunii 
Xin,  308—323. 

Amiens  s.  Frankreich  2). 

Amploniana,  Bibl.  s.  Erfurt. 

Anaclet  II.  —  S.  Löwenfeld, 
Ueber  A.'s  II.  Persönlichkeit  XI, 
596  f.  _ 

Anagni.  —  P.  Kehr,  Der  Vertrag 
v.  A.  im  J.  1176  X1TI,  75—118. 

Andrea  D  a  n  d  o  1  o.  —  BZ.  Simons- 
feld, Textvarianten  zu  A.  D.  XVIII, 
336—346. 

Angers  s.  Formeln,  Saxo  Gram- 
maticus. 


A  n  n  a  1  e  n.  —  G.  Waitz,  Ungedruckte 
[Dänische]  Ann.  XII,  33—39.  — 
A.  Goldmann,  [Prümer]  Ann.  v. 
122-1044  XII,  403  —  407.  —  S. 
die  Eigennamen. 

Annianus  s.  Marinus. 

Anno  IL  —  F.  W.  E.  Roth,  Eine 
ungedruckte  Vita  Erzb.  A.'s  IL  v. 
Köln  XII,  209—217.  -  H.  Bress- 
lau,  Ein  Brief  des  Erzb.  A.  v.  Köln 
XIV,  623  f. 

Anonymus  C  a  n  i  s  i  i  s.  Otto  v. 
Bamberg. 

Ansbert.  —  A.  Chroust,  Die 
Ueberlieferung  des  dem  A.  zuge- 
schriebenen Berichtes  über  den 
Kreuzzug  Friedrichs  I.  XVI,  511 
—526. 

An s e Im  v.  Lüttich.  —  M.  Manitius, 
Zu  A.'s  gesta  epp.  Leodiens.  XIII, 
645—647. 

Antonius  Godius.  —  H.  Simons- 
feld, Hss.  von  A.  G.  chronica  Vi- 
centina  XII,  219  f. 

Appellation  s.  Albenga. 

Archive.  —  H.  Bresslau,  Aus  A. 
u.  Bibl.    XI,    93—108.  643  f.    - 
S.  Kaiserurkk.  u.  die  Eigennamen. 

Arelat.  —  R.  Sternfeld,  Ein  un- 
gedruckter Bericht  aus  dem  A.  v. 
J.  1251  XVII,  214—219. 

Arles.  —  W.  Gundlach,  Der  Streit 
der  Bisthümer  A.  u.  Vienne  um 
den  Primatus  Galliarum  XIV, 
251—342;  XV,  9—102.  233—271. 
291  f.  627.  —  Ders.,  Epistolae  Are- 
latens.  XV,  271—274. 

A  r  p  a  d  e  n  s.  Ungarn. 

Ashburnham,  codd.  s.  Florenz. 

Assen  heim  s.  Kaiserurkk. 

Audoenus.  —  W.  "Wattenbach, 
Ein  gleichzeitiges  Gedicht  zum 
Preise  des  h.  A.  XIV,  171  f. 

Augsburg.  —  F.  L.  Baumann, 
Ueber  die  Todtenbücher  der  Bis- 
thümer A.,  Constanz  u.  Cur  XIII, 
409—429. 

Austrasien.  —  W.  Gundlach,  Die 
Sammlung  der  Epistolae  Austra- 
sicae  XIII,  365—387. 


nach  dem  Inhalte  der  Abhandlungen. 


705 


Auvergne  s.  Formeln. 

Aventin.  —  0.  Rademacher,  A. 
u.  die  ungar.  Chronik  XII,  559 — 
576. 

Bamberg  s.  Heinrich  II.,  Otto 
v.  B.,  Udalrich. 

Basel.  —  P.  Joachimsohn,  Spott- 
verse vom  Basler  Concil  XVIII, 
693  f. 

B  a  u  f  f  r  e  m  o  n  t.  —  P.  Scheffer- 
Boichorst,  Die  gefälschten  Kaiser- 
urkk.  für  B.  u.  ihre  echten  Muster 
XX,  179-187. 

B  e  d  a.  —  H.  Zimmer,  Zur  Ortho- 
graphie des  Xamens  B.  XVI,  599 
—601.  —  S.  Papstbriefe. 

Belgien  s.  Holland. 

Benedictbeuern,  Hss.  u.  Reli- 
quienverzeichnisse  des  Kl.  s.  Mün- 
chen. 

Benedict  von  Monte  Cassino.  — 
O.  Holder- Egger,  Zur  Translatio 
S.  Benedict!  XII,  129—141. 

Benedict  us  Levita.  —  Fr. 
Maassen,  Zwei  Excurse  zu  den 
falschen  Capitularien  des  B.  L. 
XVIII,  294—302. 

Benediktska pelle  s.  Dortmund. 

B  e  n  o  s.  Bonizo. 

Berengar.  —  S.  Löwenfeld, Ueber 
die  Briefe  aus  der  Zeit  des  Königs 
B.  XI,  599—603. 

Berichte  s.  Mon.  Germ. 

Berlin,  Kgl.  Bibl.   s.  Papstbullen. 

Bern  v.  Reichenau.  —  A.  Holder, 
Ein  Brief  des  Abtes  B.  v.  R,  XIII, 
630—632. 

B  e  r  n  o  1  d.  -  P.  S.  Bäumer  O.  S.  B., 
Der  Micrologus,  ein  Werk  B.'s  v. 
Konstanz  XVHI,  429  —  446.  725. 

Bernward  v.  Hildesheim,  vita  s. 
Thangmar. 

B  e  r  t  h  o  1  d  v.  Reichenau  s.  Bonizo. 

Besangon  s.  Eberhard. 

Beulan  s.  Historia  Brittonum. 

Bibliotheken.  —  M.  Manitius, 
Geschichtliches  aus  alten  Bibl.'s- 
Katalogen  XVI,  171 — 174;  vgl. 
653.  —  S.  Archive  und  die  Eigen- 
namen. 

Biographie,  Vita  s.  die  Eigen- 
namen. 

Blaithmaic.  —  H.  Zimmer,  B.  u. 
Moengal  XVII,  209—211. 

B  o  d  m  a  n.  —  Pilgerreise  des  Johann 
v.  B.  s.  Kreuzzüge. 


B  o  e  t  h  i  u  s.  —  G.  Schepss ,  Ge- 
schichtliches aus  Boethiushss.  XI, 
123-140. 

Bologna.  —  S.  Löwenfeld ,  Die 
Universität  B.  und  Raymund  von 
Pennaforte  XI,  605  f.  —  Ders., 
Eine  Berichtigung  XII,  419  f. 

Bonifatius.  —  A.  Nürnberger, 
Die  B.-Litteratur  der  Magdeburger 
Centuriatoren  XI,  9—41 ;  vgl.  412. 
—  Ders.,  Die  angebliche  Unecht- 
heit  der  Predigten  des  h.  B.  XIV, 
109—134.  —  H.  Hahn,  Die  Namen 
der  Bonifazi  sehen  Briefe  im  Liber 
vitae  ecclesiae  Dunelmensis  XII, 
109—127. 

Bonizo.  —  J.  v.  Pflugk  -  Harttung, 
Beitr.  zur  Krit.  v.  B.,  Lambert  u. 
Berthold  XIH,  325—341.  —  O. 
Holder -Egger,  Berichtigung  zur 
Bonizo-  u.  Beno  -  Ausgabe  XIX, 
680—682. 

Bonn.  —  M.  Perlbach,  Aus  einem 
verlorenen  Codex  traditionum  der 
Bonner  Münsterkircke  S.  Cassius 
u.  Florentius  XIH,  145—170. 

Borgo  S.  Donnino  s.  Friedrich  II. 

Boulogne-sur-mer  s.  Frank- 
reich 2). 

Braunschweig.  —  0.  Holder- 
Egger,  Ueber  die  Chronica  prin- 
cipum  Brunsvicens.  u.  die  Cronica 
dueum  de  Brunsvick  XVII,  161 
— 169.  —  S.  Sachsen. 

B  r  e  s  c  i  a.  —  0.  Holder  -  Egger,  Hss. 
der  Bibl.  Queriniana  zu  B.  XVII, 
492  f. 

Briefe,  Epistolae.  —  Vvr.  "Watten- 
bach, Die  Abtheilung  'B.'  der  Mon. 
Germ.  XII,  239  —  245.  —  Dazu: 
W.  Gundlach,  Uebersicht  der  ersten 
Abschnitte    bis   zum   J.  911    ebd. 
245  —  283.    453  —  502.    —    P.  G. 
Meier,  B.  in  den  Hss.  v.  Einsiedeln 
XIII,  307  f.  —  W.  Gundlach,  Der 
Anhang  des  3.  Epp.  -  Bandes    der 
Mon.  Germ.,  Epp.  ad  res  Wisigotho- 
rum  pertinentes   XVI,  9  —  48.  — 
Ders.,  Ueber  die  vermeintliche  Un- 
echtheit   einiger  Stücke  der  Epp 
Langobardicae  collectae  des  2.  An 
hangs  im  3.  Epp.-Bande  der  Mon 
Germ.  XVIH,  653  —  663.   —   E 
Dümmler,    Briefe    und  Verse   des 
9.  Jh.  XIII,  343-363 ;  vgl.  648  f. 
XV,  627.  —  W.  Wattenbach,  Be- 


706 


Gesararatregister  von  Band  XI — XX 


Schreibung  der  Hs.  cod.  lat.  19411 
aus  Tegernsee  in  der  Kgl.  Bibl. 
zu  München  XVII,  31-47.    642. 

—  P.  W.  Hauthaler,  Die  grosse 
ßriefhs.  zu  Hannover  XX,  209— 
220.  —  S.  Tironische  Miscellen 
u.  die  Eigennamen. 

Britengeschichte  s.  Historia. 

Britische  Sammlung  s.  Papst- 
briefe. 

Brogne,  Kl.  s.  Gerard  v.  Br. 

Bruno  v.  Segni  s.  Pseudo-Udalri- 
cus. 

Burchard  III.  v.  Magdeburg.  — 
W.  Schum,  Miracula  Burchardi  HI. 
archiep.  Magdeburg.  XH,  586—590. 

Burchard  v.  Ursperg  s.  Ursperg. 

Burchard  v.  Worms.  —  M.  Mani- 
tius,  Ueber  die  Vita  Burchardi 
episc.  Wormat.  XIII,  197—202. 

Caesarius  v.  Heisterbach.  —  G. 
Boerner,  Auszug  aus  C.  v.  H.  XIII, 
503—515. 

Calendarien  s.  Mariamünster, 
Weissenburg. 

Oambrai  s.  Gaugerich. 

Oanonessammlungen  s.  Capi- 
tularien,  Deusdedit,  Gallische  Con- 
cilien,  Tribur.  —  Hss.  der  Collectio 
canonum  XII  partium  s.  Capitu- 
larien  2). 

Canossa  s.  Lambert  v.  Hersfeld. 

Canterbury  s.  Raginald. 

Capitula  presbyterorum  s. 
Capitularien  2). 

Capitula ri  en.  —  1)  V.  Krause, 
Die  Fortsetzung  der  C.  -  Ausgabe 
XVI,  421—429.  —  2)  Ders.,  Die 
Münchener  Hss.  3851.  3853  mit 
einer  Kompilation  von  181  Worm- 
ser  Schlüssen  XIX,  85—139.  — 
3)  O.  Seebass,  Ueber  zwei  Turi- 
ner Hss.  des  C.  monasticum  XLX, 
217—220.  —  4)  G.  Seeliger,  Mit- 
theilungen aus  einer  Münchener 
Hs.  der  C.  XLX,  670  —  679.  — 
S.  Benedictus  Levita,  Hincmar, 
Lothar  I. 

Catalogus  pontificum.  —  G. 
Waitz,  Ueber  den  sog.  C.  Feli- 
cianus  der   Päpste  XI,   217—229. 

Catalogus  regum  Italic or um. 

—  0.  Holder  -  Egger,  C.  r.  I.  Lu- 
cens.  XI,  263  f. 

Centuriatoren,  Magdeburger  s. 
Bonifatius. 


C  h  ä  1  o  n  s  s.  Frankreich  2). 

Chartres  s.  Frankreich  2). 

Chlodovech   s.  Gregor  v.  Tours. 

Chroniken   s.  die  Eigennamen. 

Clemens  IL  —  J.  v.  Pfiugk- 
Harttung,  Das  Breve  Papst  0.'  II. 
f.  Romainmötier  XI,  590—594. 

Clemens  III.  --  S.  Löwenfeld, 
Drei  Briefe  C  HI.  Aus  dem  Ar- 
menischen übers,  v.  Karamianz. 
XIV,  178-182. 

Clemens  IV.  s.  Bologna. 

Clermont-Ferrand  s.  Frank- 
reich 2). 

Cluny  s.  Maiolus,  Odilo,  Odo. 

Codagnellus  s.  Johannes  C. 

Codex  Carolinus.  —  W.  Gund- 
lach,  Ueber  den  C.  C.  XVH,  525 
-566. 

Codex  traditionum  s.  Bonn. 

C  o  e  1  e  s  t  i  n  III.  —  R.  Thommen, 
Ein  Nachtrag  XII,  411-414. 

C  o  1  b  a  z.  —  G.  Waitz,  Ueber  die 
Ann.  Colbaziens.,  Lundens.  uud 
ältere  dänische  Annalen  XII,  25 
—33. 

Collectio  de  raptoribus  s.  Hinc- 
mar. 

C  o  1  u  m  b  a  n.  —  W.  Gundlach,  Ueber 
die  C- Briefe  XV,  497—526.  — 
Ders.,  Zu  den  C. -Briefen  XVII, 
425  —  429.  —  0.  Seebass,  I 
die  Hss.  der  Sermonen  u.  Briefe 
C.'s  v.  Luxeuil  XVII,  243  —  259. 
—  S.  Blaithmaic. 

Computus.  —  L.  Traube,  C.  Hel- 
perici  XVIH,  71—105.  724  f. 

Concilien  s.  Basel,  Gallische  C. 

Confutatio.  —  B.  Gebhard,  Die 
C.  primatus  papae  XH,  517 — 530. 

Continuator  Reginonis s.  Regino. 

C  o  r  v  e  i  s.  Konrad  HI. 

C  r  e  m  o  n  a.  —  0.  Holder-Egger.  Hss. 
der  bibl.  governativa  zu  C.  XVH, 
490-492. 

C  u  r  s.  Augsburg. 

Dänemark  s.  Annalen,  Colbaz, 
Saxo,  Sueno. 

Dagobert  III.  —  B.  v.  Simson, 
Zu  der  Vita  D.  und  den  Ann. 
Mettens.  XV,  557—564. 

Damiate.  —  Gesta  obsidionis  Da- 
miatae  s.  Johannes  Codagnellus. 

Darmstadt.  —  1)  E.  Dümmler, 
Aus  D.'er  Hss.  XI,  408—412.  — 
2)  F.  W.  E.  Roth,  Mittheilungen  aus 


nach  dem  Inhalte  der  Abhandlungen. 


707 


D.'er  Hss.  XIII,  591—  602.  —  S. 
Köln,  Seligenstadt,  Wedinghausen. 

Deusdedit.  —  E.  Sackur,  Zu  deu 
Streitschriften  des  D.  und  Hugo 
v.  Fleury  XVI,  347—386. 

Dictamina.  —  P.  Scheffer  -  Boi- 
cliorst,  D.  über  Ereignisse  der  Papst- 
geschichte  XVIII,  155 — 175. 

Dictatus  papae.  —  S.  Löwen- 
feld, Der  D.  p.  Gregors  VII.  u.  eine 
Ueberarbeitung  desselben  im  12.  Jh. 
XVI,  193—202.  —  E.  Sackur,  Der 

D.  p.  u.  die  Oanonsammlung  des 
Deusdedit  XVHI,  135—153. 

Dietrich  v.  Apoldas.  Elisabeth. 

Dietrich  Engelhus.  —  L.  v. 
Heinemann,  Üeber  die  Deutsche 
Chronik  u.  andere  histor.  Schriften 
des  Magister  D.  E.  XLTI,  171  — 
187.  —  Ders.,  Zur  Leb.ensgesch. 
des  Chronisten  D.  E.  XIV,  196  f. 

D  i  e  t  r  i  c  h  v.  X  i  e  m.  —  B.  Gebhardt, 
Zur  Chronik  des  D.  v.  N.  XIH, 
225—230.  —  S.  Hillin. 

Dijon  s.  Frankreich  2). 

Dionysius,  S.  —  M.  Manitius, 
Zu  der  Translatio  s.  Dionysii  Areo- 
pagitae  XIII,  642  —  644.  — 
L.  v.  Heinemann,  Die  älteste  Trans- 
latio   des  h.  D.   XV,  331—361. 

Dirlo  s.  Hambach. 

Disibodenb  erg.  —  Falk,  Marty- 
rologium  v.  D.  XIV,  174. 

D  i u r  uu s  - H s.  s.  Hadrian  LI. 

D  i  u  g  o  s  s  s.  Johannes  D. 

Dortmund.  —  J.  Hansen,  Chro- 
nik der  Pseudorektoren  der  Be- 
nediktskapelle zu  D.  XI,  491 — 550. 

Douai.  —  E.  Sackur,  Aus  Hss. 
von  D.  XV,  445-472. 

Dresden.  —  GL  Waitz  u.  O.  Hol- 
der -  Egger ,  Aus  D'er  Hss.  XI, 
420-42.").  H44.  —  S.  Karl  LV 

Dur  kam  s.  Bonifacius. 

Eberbach  s.  Mainz. 

E  b  e  r  h  a  r  d  v.  B  e  s  a  n  q  o  n.  —  H. 
Bresslau,     Urk.     des     Erzbischofs 

E.  v.  B.  XI,  103. 

Eber  hart  Windecke.  —  W. 
Altmann,  Zu  E.  W.  XVLU,  689 
—692. 

E  b  e  r  s  h  e  i  m.  —  H.  Bresslau,  Ueber 
die  Hss.  des  Chron.  Ebersheimense 
XVI,  545  —  561 ;  XVHI,  724.  — 
Ders.,  Die  Pariser  Hs.  des  Chron. 
Ebersh.  XVIII,  309—317. 


Echternach.  —  E.  Sackur,  Ne- 
crolog.Epternacens.  XV,  132—136. 

Egidio  Rossi  s.  Friedrich  IL, 
Kaiserurkk. 

E  g  m  o  n  d  s.  Adalbert. 

Eid.  —  P.  Scheffer  -  Boichorst,  Der 
Sicherheitseid      unserer      Könige 

XVIII.  172-175. 
Einhard.    —    E.    Dümmler,     E.'s 

Quaestio  de  adornanda  cruce  XI, 
231—238.  —  R.  Dorr,  Nachtr.  zu 
dem  Aufs. :  Beitr.  z.  Einhards- 
frage  (X,  243  ff.)  XI,  475  —  488. 
Dazu  Xachwort  von  H.  v.  Sybel 
ebd.  489.  -  M.  Manitius,  "  Zu 
Einharts  vita  Karoli  XII,  205  f. 

Einsiedeln  s.  Briefe. 

Ekkebert  v.  Hersfeld  s.  Lambert. 

Ekkebert  v.  Schönau.  —  Wid- 
mann, Vita  Ekkeberti  XI,  445 — 
454. 

E  k  k  e  h  a  r  d  v.  Aura.  —  M.  Mani- 
tius, Zu  E.  u.  Jordanes  XIII,  212 
—214.  —  O.  Hokler-Egger,  Ueber 
ein  E.-Fragment  XIV.  175  —  177. 
635.  —  S.  Heinrich  IL 

Elegie  s.  Gedichte. 

Elisabeth,  die  h.  —  G.  Börner, 
Zur  Krit.  der  Quellen  f.  d.  Gesch. 
der  h.  E.  XIII,  431—515. 

Engel b er g,  Bibl.  s.  Archive. 

Engelhus  s.  Dietrich. 

England  s.  Ingulf,  Innocenz  IL 

E  p  i  g  ramme  u.  E  p  i  t  ap  h  i  e  n.  — 
J.  Werner,  E.  u.  E.  des  12.  Jh. 
XX,  641—653. 

Erfurt.  —  W.  Wattenbach,  Hss. 
der  Bibl.  Amploniana  zu  E.  XIV, 
198  f. 

Exkommunikationen.  —  V. 
Krause,  E.  von  Kaisern  u.  Kö- 
nigen zur  Zeit  des  Investiturstreits 

XIX,  125  f. 
Falkenstein  s.  Kaiserurkk. 
Ferrara  s.  Riccobald. 
Flavigny  s.  Formeln. 
Florenz.  —  B.  Krusch,  Der  Fonds 

Libri  in  F.  XII,  423  f.  —  W.  Wat- 
tenbach, Codd.  Ashburnham.  in 
F.  XIV,  199  f.  —  S.  Papstchronik. 

Flores  temporum  des  Aedituus 
s.  München. 

Fontanella  s.  S.  Wandrille. 

Formeln  u.  Formularbücher. 
—  K.  Zeumer,  Neue  Erörterungen 
über    ältere    fränk.    Formelsamm- 


708 


Gesammtregister  von  Band  XI — XX 


hingen  XI,  311—358.  —  Ders., 
Die  Lindenbruch'sche  Hs.  der 
Formelsamml.  v.  Flavigny  XIV, 
589  —  603.  -  -  S.  Gottesurtheile, 
Ludwig  d.  Bayer. 

Foroiulienses  s.  Friaul. 

Fortunatus   s.  Venantius. 

Frankreich.  —  1)  E.  Sackur, 
Reise  nach  Nordfr.  im  Frühjahr 
1889  XV,  437-473.  —  2)  B. 
Krusch,  Beise  nach  Fr.  im  Früh- 
jahr u.  Sommer  1892  XVIII,  549 
-649;  XIX,  11—45.  720.  —  Hsl. 
aus  Fr.  s.  Echternach,  Heinrich TTT., 
Odilo,  Odo,  Verdun.  —  S.  auch 
Holland. 

Franz  v.  Assisi.  —  E.  Sackur, 
Zu  den  Legenden  des  h.  F.  v.  A. 
XV,  597-599. 

Friaul.  —  H.  Simonsfeld,  Bemer- 
kungen zu  den  Ann.  Foroiuliens. 
XV,  483—495. 

Friedrich  I.  —  L.  Weiland,  Un- 
gedruckte Urkk.  F.'s  I.  und  Bu- 
dolfs  I.  f.  S.  Marien  in  Utrecht 
XIII,  627—629.  --  Ders.,  Verse 
auf  Kaiser  F.  I.  XV,  394  f.  — 
P.  Scheffer  -Boichorst,  Korrespon- 
denz Fr.'s  I.  mit  Hadrian  IV. 
XVIII,  163-172.  —  Ders.,  Ve- 
roneser  Zeugenverhör  v.  1181. 
Ein  Beitr.  zu  den  Regesten  Kaiser 
Fr.'s  I.  u.  zur  Geschichte  der 
Reichsburg  Garda  XIX,  575—596; 
XX,  259.  —  Ders.,  Fr.'s  Urk.  f. 
Ottobeuren  XIX,  597—602.  — 
S.  Ansbert,  Jacob  von  Acqui,  Jo- 
hannes   Codagnellus ,    Kreuzzüge. 

Friedrich  II.  —  F.  Liebermann, 
Fr.  II.  u.  Irland  XIII,  217—219. 
—  P.  Scheffer- Boichorst,  Eine 
ungedruckte  Urk.  F.'s  II.  über 
Borgo  S.  Donnino,  zugleich  als 
Quelle  des  Fälschers  Egidio  Bossi 
XX,  459—465.    --   S.  Kreuzzüge. 

Friesland.  —  Ph.  Heck,  Der 
Ursprung  der  gemeinfries.  Rechts- 
quellen u.  der  fries.  Gottesfrieden 
XVH,  567—598. 

Fulda.  —  G.  Waitz,  Ueber  den 
1.  Theil  der  Ann.  Fuldens.  XII, 
41—51.  —  F.  Kurze,  Ueber  die 
A.  F.  XVII,  83-158.  —  S.  Topo- 
graphisches. 

Fürstenchronik  s.Braunschweig, 
Sachsen. 


Gallisch  eConcilien.  —  W.  Lip- 
pert,  Die  Verfasserschaft  der  Ca- 
nonen  g.  C.  des  5.  u.  6.  Jh.  XIV, 
9—58.  —  W.  Gundlach,  Die  Un- 
terschriften in  den  Akten  g.  Sy- 
noden XV,  275—291.  —  B.  Bret- 
holz,  Die  Unterschriften  in  den  g. 
C.  des  6.  u.  7.  Jh.  XVIII,  527 
—547. 

Garda,  Reichsburg   s.  Friedrich  I. 

Gaugerich  v.  Cambrai.  —  B. 
Krusch,  Das  Leben  des  Bischofs 
G.  v.  C.  XVI,  225-234. 

G  e  b  h  a  r  d  s.  Paul  v.  Bernried. 

Gedichte,  Verse.  —  S.  Löwen- 
feld, Verse  aus  Hss.  der  Pariser 
Nationalbibl.  XI,  607  f.  —  G. 
Schepps,  Elegie  auf  ,,Xeun  Schnei- 
der und  ein" Ei."  XII,  221  f.  — 
L.  Traube,  Zu  den  Versen  XIII, 
355  ebd.  648  f.  —  J.  Werner,  Mit- 
telalter!. Klagegedicht  über  die 
Missachtung  und  den  Verfall  der 
Dichtkunst  XIV,  421—423.  — 
Ders.,  Latein.  G.  des  12.  Jahrb. 
XV,  396-409;  vgl.  XVI,  653.  — 
H.  V.  Sauerland,  2  G.  an  einen 
Bischof  aus  einer  Trierer  Hs.  XVI, 
178  f.  —  W.  Wattenbach,  Beschrei- 
bung einer  Hs.  mittelalterlicher  G. 
XVII,  349-384.  460.  642 ;  XVIII, 
724.  —  Ders.,  Beschreibung  einer 
Hs.  [von  Versen  und  Briefen]  der 
Stadtbibl.  zu  Beims  XVIII,  491 
— 526.  —  Verse  aus  einer  Unders- 
dorfer  Hs.  s.  München.  —  S.  Briefe 
und  die  Eigennamen. 

Gembloux.  —  M.  Manitius ,  Zu 
den  metr.  (lesta  abb.  Gemblacens. 
XIII,  644  f.  —  S.  Sigebert. 

Genealogia.  —  W.  Wattenbach, 
Zur  G.  Karolorum  XI,  631.  — 
A.  Bethfeld,  Zur  G.  regum  Fran- 
corum  XII,  223—225. 

Genovefa.  B.  Krusch,  Die  Fäl- 
schung der  Vita  Genovefae  XVIII, 
9  —  50.  —  Ders.,  Das  Alter  der 
V.  G.  XIX,  444-459. 

Georg  Heilmann  s.  Heilmann. 

G  e  r  a  r  d  v.  Brogne.  —  L.  v.  Heine- 
mann, Die  älteren  Diplome  f.  das 
Kl.  Br.  u.  die  Abfassungszeit  der 
Vita   Gerardi  XV,   592  —  596. 

GerardusMaurisius.  —  H.  Si- 
monsfeld, Die  Hss.  des  G.  M.  XII, 
218  f. 


nach  dem  Inhalte  der  Abhandlungen. 


709 


G  e  r  h  o  h  v.  Reichersberg-.  —  O. 
Kurth,  Ein  Brief  G.'s  v.  R.  XIX, 
462—467. 

German.  Museum  s.  Papstbullen. 

Germanus,  S.  —  0.  Holder- 
Egger,  Zur  Translatio  S.  Germani 
XVIII,  274-281. 

Geschichtsquellen.  — ■  M.  Ma- 
nitius,  Zu  deutschen  GQ.  des  9. — 
12.  Jh.  XI,  43—73.  —  Desgl.  des 
6.  u.   11.  Jh.  s.  die  Eigennamen. 

Gesta  obsidionis  Damiate  s.  Johan- 
nes Codagnellus ;  Federici  imp.  s. 
ebd.;  abbat.  Fontanellens.  s.  S. 
Wandrille;  abb.  Gemblacens.  s. 
( rembloux,  Sigebert ;  epp.  Leo- 
diens.  s.  Anselm. 

Gieseb recht  s.  Mon.  Germ. 

G  i  s  e  n  s.  Johann. 

Goar,  S.,  s.  Johann  Gisen. 

Godius  s.  Antonius. 

G  o  s  e  c  k.  —  F.  Kurze ,  Zur  Krit. 
des  Chron.  Gozecense  XII,  187 — 
202. 

Gotfried  v.  Vendome.  —  E. 
Sackur,  Zur  Chronologie  der  Streit- 
schriften des  G.  v.  V.  XVII,  327 
—  347.  —  Ders.,  Die  Briefe  G.'s 
v.  V.  im  Cod.  Vat.  reg.  1. 59  XVIII, 
666-673. 

Gottes  fr  ieden  s.  Friesland,  "Wan- 
gerland. 

Gottesurtheile.  —  H.  Lorsch, 
Formulare  v.  G.  in  einer  Trierer 
Hs.  XVII,  612  f. 

Gozechin,Gozwin.  —  0.  Holder- 
Egger,  Gozwin  und  Gozechin, 
Domscholaster  zu  Mainz  XIII,  11 
—21;  XX,  683. 

G  r  a  b  o  w.  —  W.  AVattenbach,  Mat- 
thaeus  G.  XX,  661—663. 

Gregor  I.  —  L.  M.  Hartmann, 
Zur  Chronologie  der  Briefe  G.'s  I. 
XV,  411—417.  —  Ders.,  Ueber  die 
Orthographie  Papst  G.'s  I.  XV, 
527—549.  Dazu:  H.  Bresslau,  Zu- 
satz über  einen  G.  I.  zugeschrie- 
benen Brief  (Orig.  in  Monza)  ebd. 
550  —  554.  —  L.  M.  Hartmann, 
Ueber  zwei  Gregorbriefe  XVII, 
193—198.  —  P.  M.  Baumgarten, 
Ueber  eine  Hs.  der  Briefe  G.'s  I. 
XV,  600  f. 

Gregor  VII.  —  J.  v.  Pflugk- 
Harttung,  Register  und  Briefe 
G.'s  VII.    XI,    141  —  172.    -    D. 


Schäfer,     Zur   Datierung     zweier 
Briefe  G.'s  VII.  XVII,  418-424. 

Gregor  XII.  —  J.  Loserth,  Zwei 
Briefe  G.'s  XII.  an  den  Pfalz- 
grafen Ludwig  vom  Rhein  XX, 
235  f. 

Gregor  v.  Tours.  —  B.  Krusch,  Zu 
den  Hss.  des  G.  v.  T.  XI,  629.  — 
Ders.,  Chlodowechs  Sieg  über  die 
Alamannen  XII,  289  —  301.  — 
Ders.,  Zu  G.'s  Schrift  'De  cursu 
stellarum'  XII ,  303  —  308. 
M.  Bonnet,  Codex  A  2  der  His- 
toria  Francorum  des  G.  v.  T. 
XII,  309  —  312.  Entgegnung 
v.  B.  Krusch  XII,  312—314.  — 
B.  Krusch,  Zu  M.  Bonnets  Unter- 
suchungen über  G.  v.  T.  XVI, 
432  —  434.  —  M.  Bonnet,  Zu 
G.  v.  T.  XVII,  199  —  201.  - 
B.  Krusch,  Zu  G.  v.  T.  XVII, 
201—203.  —  Ders.  Ueber  die  hsl. 
Grundlage  von  G.'s  Miracula  XIX, 
25-45. 

Grenoble  s.  Kaiserurkk.,  Frank- 
reich 2). 

Guido  v.  Bazoches.  —  W.  "VVatten- 
bach,  Aus  den  Briefen  des  G.  v.  B. 
XVI,  67—113.  —  W.  Lippert,  Zu 
G.  v.  B.  u.  Alberich  v.  Troisfon- 
taines  XVII,  408—417. 

Hadrian  IL  —  Th.  R.  v.  Sickel, 
Die  Vita  Hadriani  Nonantulana  u. 
die  Diurnus-Hs.  5  XVIII,  107— 
133. 

Hadrian  IV.  —  R.  Röhricht,  Zur 
Geschichte  der  Kirche  S.  Maria 
Latina  in  Jerusalem  XV,  203 — 
206.  —  S.  Alexander,  Friedrich  1. 

Hadrian  V.  —  A.  Chroust ,  Ein 
Brief  H.'s  V.  XX,  233  f. 

Halberstadt  s.  Ludwig  d.  Fr. 

H  a  m  b  a  c  h.  —  S.  Löwenfeld,  Leo  III. 
weiht  die  Kirchen  in  Hambach  u. 
Dirlo  XI,  603-605. 

H  a  m  m  e  r  s  t  e  i  n  s.  Otto  v.  H. 

Handschriften  s.  die  Eigen- 
namen. 

Hannover,   Hs.  s.  Briefe. 

Heiligenkreuz,  Hss.  von  s. 
Capitularien  2). 

Heiligenleben.  —  F.  Falk,  Zu 
meroving.  H.  XI,  617  f.  —  M. 
Manitius.  Zu  metrischen  H.  XIH, 
636—639.  —  Zu  deutschen  H.  s. 
Adalbert,  Marinus,    Gozechin.    — 


710 


Gesamnitregister  von  Band  XI — XX 


Hss.  v.  H.  s.  München.  —  S.  die 
Eigennamen. 

Heilmann,  Georg.  —  F.  W.  E. 
Roth,  Der  Mainzer  Chronist  G.  H. ; 
Bruchstück  seiner  Chronik  XII, 
421  f. 

Heinrich  IL  —  H.  Bloch,  Die 
Urkk.  Kaiser  H/s  IL  f.  Kl. 
Michelsberg  zu  Bamberg  XIX,  603 
—663;  XX,  684.  —  H.  Bresslau, 
Erläuterungen  zu  den  Diplomen 
H.'s  IL  XX,  125-176.  684. 

Heinrichlll.  —  E.  Sackur,  Ein 
Diplom  H.'s   III.  XV,    136—139. 

Heinrich  IV.  —  W.  Wattenbach, 
Zur  Vita  Heinrici  IV.  XI,  197 
„201.  —  W.  Gundlach,  Die  Vita 
Heinrici  IV.  u.  die  Schriften  des 
Sulpicius   Severus   XI,    289—309. 

—  A.  Chroust,  Ein  ungedrucktes 
Diplom  H.'s  IV.  XVII,  430—432. 

—  H.  Bresslau,  Zur  Kanzlei  H.'s 
IV.  XIX,  683-685.  —  S.  Liber 
canomrm. 

Heinrich  V.  —  H.  Bresslau,  Ein 

unediertes    Diplom  H.'s  V.    XIII, 

215  f.  —  Ders.,  Ein  Diplom  u.  ein 

Placitum  H.'s  V.   XX,   225—230. 
Heinrich  VI.  —  W.  Schum,  Un- 
gedruckte   Urk.    H.'s    VI.    XVI, 

184  f. 
Heinrich  I.   v.  England   s.   Inno- 

cenz  IL 
Heinrich   v.  Diessenhoven.  —  H. 

Simonsfeld,    Zu    H.   v.   D.    XIII, 

223  f. 
Heinrich  v.  Herford  s.  Sachsen. 
H  e  i  r  i  c  h     v.     Anxerre.     —     L. 

Traube,    Commentare    des    H.   v. 

A.  XVIII,  103—105.  —  S.  Com- 

putus. 
Heiisa char.    —   E.    Bishop,    Ein 

Schreiben   des   Abts  H.   XI,    564 

—568. 
Helpericus  (Heirich  v.  Auxerre) 

s.  Computus. 
Hermann    v.    Reichenau. 

J.  May,   Zu  H.   Contractus   XII, 

226—231. 
Herrscher  jähr.  —   Th.  Momm- 

sen,  Das  röm.  germ.  H.  XVI,  49 

—65. 
Hersfeld  s.  Lambert,  Theoderich. 
Hieronymus.  —  B.  Krusch,  Zum 

Martyrologium       Hieronymianum 

XX,  437—440. 


H  i  1  d  e  s  h  e  i  m.  —  H.  V.  Sauerland, 
Fragmente    der   Ann.  H.  maiores 

XIII,  623  f.  —  Ders.,  Katalog  der 
Bischöfe  v.  H.  ebd.  624—626. 

H  i  1 1  i  n  v.  Trier.  —  H.  V.  Sauer- 
land, Der  sog.  Briefwechsel  des 
T.'er  Erzbs.  H.  u.  Dietrich  v.  Nie- 
heims Chronik  XII,  599—601. 

Hincraa r  v.  Reims.  —  V.  Krause, 
H.  v.  R.  der  Verfasser  der  sog. 
Collectio  de  raptoribus  im  Capitu- 
lar  v.  Quierzy  857  XVIII,  303 
—308. 

Historia  Brittonum.  —  Th. 
Mommsen,  Die  Historia  Brittonum 
u.  König  Lucius  v.  Britanien  XIX, 
283  —  293.  —  H.  Zimmer,  Ein 
weiteres  irisches  Zeugnis  f.  Xennius 
als  Autor  der  Historia  Brittonum 
XIX,  436-443.  -  Ders.,  Ein 
weiteres  Zeugnis  f.  d.  nordwelsche 
Herkunft  der  Samuel  -Beulan-Re- 
cension  der  Historia  Brittonum 
XIX,  667-669. 

Historia  Troiana-Romana. 
—  H.  Simonsfeld ,  Compendium 
h.  Tr.-Romanae  XI,  239—251. 

Holland.  —  .1.  Schwalm,  Reise 
nach  H.,  Belgien,  Nordfrankreich 
u.  dem  Niederrhein  im  Sommer 
1894  XX,  423-433. 

H  o n  o  r  i u s  IL  —  S.  Löwenfeld , 
Ueber  die  letzten  Tage  H.'  IL 
XI,  595  f. 

Honorius  III.  —  R.  Röhricht, 
Aus  den  Regesten  H.'  III.  XII, 
415-418. 

Hugo  v.  Fleury  s.  Deusdedit. 

Jacob  v.  Acqui.  —  O.  Holder- 
Egger,  Ueber  die  Hss.  der  Imago 
mundi  des  J.  XVII,  496—503.  — 
Ders.,  Des  J.  Bericht  über  den 
Kreuzzug  Fr.'s  I.  XVII,  503— 
510. 

Jerusalem.  —  W.  Brandes,  Bruch- 
stück eines  rhythmischen  Gedichtes, 
die  Gesch.  des  Tempels  zu  J.  betr. 

XIV,  424-431.  -  S.  HadrianIV. 
Ingulf.  —    F.  Liebermann,  Ueber 

ostengl.  Gesch. -Quellen  des  12. — 
14.  Jh.,  bes.  den  falschen  I.  XVIII, 
225—267. 
Innocenz  IL  —  F.  Liebermann, 
Ein  Brief  L'  IL  an  Heinrich  I.  v. 
England  XIV,  616  f.  —  O.  Holder- 
Egger ,  Ein  Brief  I.'  IL  XVII,  489  f. 


nach  dem  Inhalte   der  Abhandlungen. 


711 


Investitur  streit  s.  Exkommuni- 
kationen, Lüttick. 

Inzigkofen  s.  Alexander  VI. 

Johannes  v.  Cluny  s.  Odo. 

Johannes  Codagnellus.  —  O. 
Holder -Egger,  Ueber  die  histor. 
Werke  des  J.  C.  v.  Piacenza  XVI, 
251-346.  473—509.  654. 

Johannes  Dlugoss.  —  M.  Perl- 
bach, J.  D.'  Quellen  f.  die  deutsche 
Gesch.  in  seinen  ersten  6  Büchern 
XIV,  183-195. 

Johann    Gfisen    v.    Nastätten.    — 

F.  Falk,  J.  Gr.  v.  N.,  Herausgeber 
der  Vita  S.  Cloaris  1489  XI,  195  f. 
Nachtr.    v.    Gr.  Schepss    ebd.   417. 

Jordan  es  s.  Ekkehard. 

Jotsald  s.  Odilo. 

Irland  s.  Blaithmaic,  Friedrich  IL 

Italien.  —  1)  0.  Holder -Egger, 
Bericht  über  eine  Reise  nach  I. 
1885  XI,  253  —  288.  —  2)  Ders., 
Desgl.  im  J.  1891  XVII,  461—524. 
642 ;  XIX,  720.  —  3)  H.  Simons- 
feld, Bericht  über  einige  Reisen 
nach  I.  XV,  475-495.  —  S. 
Antonius ,  Gerardus  Maurisius, 
Prophetieen. 

Kaiserchronik  s.  Papstchronik, 
Sachsen. 

Kaiser-  u.  Königsurkunden  ■ — 
H.  Bresslau,  KU.  im  Departe- 
mentalarchiv  zu  Grenoble  XI,  98  f. 

—  R.  Arnold,  Königsurkk.  des 
Gräfl.  Sohns  -  Rödelheimisch.  Ar- 
chivs zu  Assenheim  XI,  580 — 589. 

—  R.  Thommen,  Ueber  einige 
unechte  KU.  in  der  Schweiz  XII, 
161—186.  411—414.  —  P.  Kehr, 
Die  KU.  des  Vatican.  Archivs 
XIV,  343—376.  —  A.  Chroust, 
Unedierte  Königs-    u.    Papsturkk. 

XVI,  135-168.  -  F.  W.  E. 
Roth,   Deutsche  KU.  XVI,  435  f. 

—  Ders.,  KU.  u.  Reichssachen 
1205—1424  XVI,    632-635.    — 

G.  v.  d.  Ropp,  Urkk.  zur  Reichs- 
gesch.  aus  einem  Falkensteiner 
Kopialbuch  XVI,  624—631.  — 
H.  Bresslau ,  Vier  ungedruckte 
Königsurkk.    des    11.    u.    12.    Jh. 

XVII,  433-439.  —  P.  Scheffer- 
Boichorst,  Egidio  Rossi  und  seine 
Nachahmer  XX,  187—196.  — 
Ders.,  Texte  und  Auszüge  unge- 
druckter Urkk.    der    Staufer  XX, 


196—205.  —  W.  Erben,  Nachträge 
zu  dem  2.  Bd.  der  Diplomat a- 
Ausgabe  XX,  355-371.  —  S. 
Bauffremont,  Gerard  v.  Browne 
und  die  Kaisernamen. 

Kanzlei  der  Deutschen  Könige  s. 
Heinrich  IL,  Heimich  IV.,  Lud- 
wig der  Bayer. 

Kanzlei,  päp st  1.  —  W.  Altmann, 
Bruchstücke  aus  dem  Libercancell. 
apost.  nach  einer  bisher  unbe- 
kannten Hs.  XV,  418-422.  — 
R.  Davidsohn,  Das  Petitionsbureau 
der  päpstl.  Kanzlei  am  Ende  des 
XII.  Jh.  XVI,  638  f. 

Karl  d.  Gr.  —  F.  Falk,  Zur  Visio 
domni  Karoli  XI,  617.  —  S.  Codex 
Carolinus,  Einhard,  Naso. 

Karl  IV  —  H.  Bresslau,  Regi- 
straturbuch K.'s  IV.  im  Dresdener 
Archiv  XI,  95—97.  —  E.  Stein- 
dorff,  Eine  unedierte  Urk.  K.'s  IV. 
XVIII,  679  f.  --  J.  Becker,  Zu 
den  RegestenK's  IV.XX,  657—660. 

Karolinger.  —  M.  Manitius,  Zu 
karoling.  Gedichten  XI,  553— 563. 

—  Ders. ,  Zur  karoling.  Poesie 
XVI,  175—177.  —  Ders.,  Zu  ka- 
roling-. Dichtern  XVII,  614—616. 

—  E.  Dümmler,  Ermahnungs- 
schreiben an   einen  K.  XIII,  191 

—  196.  —  L.  Traube,  Eine  karol. 
Quaestio  :  Quid  sit  ceroma  XVIII, 
99—102.  724  f.  —  F.  Kurze,  Ueber 
die  karol.  Reichsannalen  v.  741  — 
829  u.  ihre  Ueberarbeitung  XIX, 
295-339;    XX,    9—49.    683.    — 

5.  Genealogia. 
Kirchengeschichte    des    5.    u. 

6.  Jh.  —  Th.  Mommsen,  Acten- 
stücke  zur  K.  aus  dem  Cod.  Cap. 
Novar.  30  XI,  361—368.  Nachtr. 
v.  P.  Ewald  ebd.  644. 

Koblenz  s.  Trier. 

Köln.  —  A.  Schmidt,  Seelstiftungen 
aus  dem  Mariengradenstift  XIII, 
603—606.  —  Ders.,  Urkk.,  Ein- 
künfte ,  Schatzverzeichnisse  aus 
S.  Georg  ebd.  614—622.  —  Hss. 
s.  Capitularien  2),  Tironisch.  — 
S.  Anno. 

Königshof  en.  —  C.  Hegel,  Ueber 
die  wiedergefundene  Hs.  v.  K.'s 
Chronik  XII,  207  f. 

Konrad    III.  P.    Kehr,    Die 

Purpururk.  K.'s  HI.  f.  Corvei  XV, 


712 


Gesamnitregister  von  Band  XI — XX 


363—381.  —  W.  Schum,  Bemer- 
kungen zu  einigen  Diplomen  Kon- 
rads HI.  XVII,  619  f.  —  S.  Pisa. 

Konrad  IV.  —  E.  Friedländer, 
Eine  ungedr.  ürk.  K.'s  IV.  XV, 
410. 

Konstanz  s.  Augsburg. 

Kreuzzüge.  —  R.  Röhricht,  Zur 
Gesch.  der  K.  XI,  571—579.  - 
S.  Ansbert,  Jacob  v.  Acqui,  Oliver. 

Kryptographie  s.  Tironisch. 

Lambert  v.  Hersfeld.  —  0.  Holder- 
Egger,  Studien  zu  L.  v.  H.  XIX, 
141—213.  369-430.  507—574. 
—  S.  Bonizo,  Rahewin. 

Lamfred  v.  Mozac.  —  B.  Krusch, 
Aufzeichnung  des  Abts  L.  v.  M. 
über  K.  Pippins  Beziehungen  zu 
seinem  Kloster  XIX,  17— 25. 

L  a  n  d  recht,  Oberbairisches.  — 
L.  v.  Rockinger,  Eine  Rechtshs. 
der  Bibl.  des  Benediktinerstifts 
S.  Peter  zu  Salzburg  XVIH,  318 
—328. 

Langobarden  s.  Briefe,  Paulus 
I  Haconus. 

Laon  s.  Frankreich  2). 

Lateinisch.  —  K.  Hegel,  Latein. 
Wörter  u.  deutsche  Begriffe  XVIH, 
207—223.    -  S.  Gedichte. 

Legendarium.  —  B.  Krusch,  Das 
grosse  Trierer  L.  XVIII,  618— 
628. 

L  e  g  e  s.  —  K.  Lehmann,  Zur  Ausgabe 
dir  Lex  Ribuaria  (LL.  V)  XI, 
414—416.  •  •  Ders.,  Der  Cod. 
Paris.  Lat.  nouv.  acq.  204  XH, 
579—585.  —  M.  Conrat  (Colin), 
Zur  L.  Romana  Raetica  Curiens. 

XV,  202. 

Le  Mans  s.  Frankreich  2). 
Leo  III.  s.  Hambach. 
Leodegar.     —     B.    Krusch,     Die 

älteste  Vita  Leudegarii  XVI,  563 

—596. 
Li  bell  us  tristitiae  s.  Mailand. 
L i b e r  c a ncellariae  s.  Kanzlei, 

päpstl. 
Liber  canonnm.    —    F.  Thaner, 

Zum  L.  c.  contra  Heinricum  IV. 

XVI,  528—540. 

Liber  diurnus  s.  Hadrian  II. 
Libervitae  s.Bonifaz,  Remiremont. 
Libri  feudorum.  —  K.  Lehmann, 

Die  1.  f.  XVI,  387—418. 
Libri,  Fonds  s.  Florenz. 


Lindenbruch  s.  Formeln. 

Livin.  —  0.  Holder-Egger,  Zu  den 
gefälschten  L. -Versen  XVI,    623. 

Lombardenbund.  —  0.  Holder- 
Egger,  Rhythmus  auf  den  Sieg 
des  L.  vom  J.  1175  XVII,  493 
—496. 

London  s.  Archive. 

Lorenz,  Ottokar  s.  Mon.  Germ. 

Lothar  I.  —  W.  Lippert,  Das 
Capitulare  des  Kaisers  Lothar  I. 
v.  J.  846  XH,  531—541. 

Lucca  s.  Catalogus  reg.  Ital. 

Lucius, König s.  Historia  Brittonum. 

Ludwig  der  Bayer. —  H.  Bresslau, 
Formulare  aus  der  Kanzlei  L.'s 
d.  B.  XIV,  432  —  434.  —  G. 
Leidinger,  Zur  Vita  Ludovici  IV. 
XIX,  686-692. 

Ludwig  der  Deutsche.  —  E.  Dümm- 
ler,  Theologisches  Gutachten  für 
L.  d.  D.  XI,  457—459. 

Ludwig  d.  Fromme.  —  E.  Mühl- 
bacher,  Die  Urk.  L.'s  d.  Fr.  f. 
Halberstadt  XVIH,  282—293. 

Ludwio-,  Pfalzgraf  v.  Rhein  s. 
Gregor  XII. 

Lüttich.  —  E.  Dümmler,  Gedichte 
zur  Gesch.  des  Investiturstreits  im 
Bisthum  L.  XI,  175—194.  413. 
644.  —  Ders.,  L.'er  Briefe  XHI, 
360—363.  —  S.  Rupert,  Wazo. 

L  u  1 1  u  s ,  vita  s.  Lambert. 

L  u  n  d  s.  Colbaz. 

Lyon  s.  Archive. 

Magdeburg.  —  P.  Simson,  Zu  den 
ältesten  M.'er  Gesch.-Quellen  XIX, 
341—368.  —  S.  Burchard  III. 

Mailand.  —  E.  Dümmler,  Gedicht 
über  die  Zerstörung  M.'s  XI,  466 
— 474.  —  Libellus  trist,  et  dol. 
Mediol.  s.   Johannes  Codagnellus. 

—  S.  Paul  v.  Bernried. 
Mainz.  —  Widmann,  Die  Eber- 
bacher Chronik  der  M.'er  Erz- 
bischöfe XIII,  119—143.  —  F. 
W.  E.  Roth,  Eine  Mainzer  Chronik 
XVII,  212  f.  —  F.  Falk,  Necro- 
logia  Moguntina  XIX,    693—704. 

—  S.  Gozechin,  Heilmann. 
Majolus   v.   Cluny.    —    E.   Sackur, 

Noch  einmal  die  Biographieen  des 
M.  XII,  503—516.  —  Ders.,  Ein 
Schreiben  über  den  Tod  des  M.  v. 
C.  XVI,  180  f.  —  W.  Schultze, 
Noch  ein  AVort  zu  den  Biogr.  des 


nach  dem  Inhalte  der  Abhandlungen. 


713 


M.  XIV,  545—564.  —  L.  Traube, 
Abermals  die  Biogr.  des  M.  XVII, 
402—407. 

Marculf  s.  Formeln. 

Mariamünster.  —  F.  Falk,  Calen- 
darium  v.  M.  XIV,  173  f. 

Mariengr adenstift  s.  Köln. 

Mar  in  us.  —  0.  Holder- Egger, 
Ueber  die  [Vitae  der]  Heiligen 
Marinus  und  Annianus  XIII,  22 
—28. 

Martin,  d.  h.  —  E.  Dümmler, 
G-edichte  auf  den  h.  M.  XI,  460 
— 466.  --  S.  Sulpicius  Scverus. 

Martin  v.  Troppau.  —  0.  Hol- 
der-Egger,  Hss.  des  M.  v.  Tr. 
XI,  267-274;  XVII,  521—523. 

Martyrologiums.  Disibodenberg, 
Hieronymus. 

M  a  1 1  h  a  e  u  s  s.  Grabow. 

Maurisius  s.  Gerardus. 

Melanins.  —  "W.  Lippert ,  Zur 
vita  M.  XIV,  50-58. 

Merlin  s.  Prophetieen. 

M  e  r  o  v  i  n  g  e  r.  —  H.  Bresslau,  Der 
Titel  der  M.-KöDige  XII,  353— 
360.  —  S.  Heiligenleben. 

Metz  s.  Dagobert. 

Michelsberg,  Kl.  s.  Heinrich  II. 

Microlog  us  s.  Bernold. 

M  i  r  a  c  u  1  a  s.  Burchard  III. 

Modoin  v.  Antun  s.  Naso. 

M  o  e  n  g  a  1  s.  Blaithmaic. 

Monumenta  Germania  e.  — 
Berichte  über  die  11. — 20.  Plenar- 
versammlung  XI  —  XX,  1  ff .  — 
Satzungen  und  "Wahlordnungen 
XVII,  624  —  627.  —  G.  Waitz, 
Ein  Bericht  aus  dem  J.  1884  XIII, 
259  —  268.  —  W.  Wattenbach, 
Ottokar  Lorenz  und  Georg  AVaitz 
XIII,  249—258.  —  E.  Dümmler, 
Waitz  und  Pertz  XIX,  269-282. 

—  Briefe  W.  von  Giesebrechts  an 
G.  H.  Pertz  aus  den  JJ.  1843— 
1847    XVII,  9-29.  —  S.  Briefe. 

Monza  s.  Gregor  I. 
Mozac  s.  Lamfred. 
München.     —    O.  Holder -Egger, 
Aus   M.'er   Hss.    XIII,  557—587. 

—  S.  Briefe,  Capitularien. 
Naso.    —    E.  Dümmler,   N.'s  (Mo- 

doins)  Gedichte  an  Karl  d.  Gr.  XI, 

75—91. 
Xastätten  s.  Johann. 
Neurologien  s.  die  Eigennamen. 


Nennius  s.  Historia  Brittonum. 

Niederrhein  s.  Holland. 

Nonantula  s.  Hadrian  IL 

Novara  s.  Kirchengesch. 

Oberbayern  s.  Landrecht. 

Obizo.  —  S.  Löwenfeld,  O.  Ma- 
gister und  Arzt  XI,  606  f. 

Odilo  v.  Cluny.  —  E.  Sackur,  Zu 
Jotsaldi  Vita  Odilonis  und  Verse 
auf  O.  XV,  117—126. 

Odo  v.  Cluny.  —  E.  Sackur,  Zur 
Vita  Odonisabb.Cluniacens.  auctore 
Johanne  XV,  105—116. 

Oliver.  —  H.  Hoogeweg,  Eine  neue 
Schrift  des  Kölner  Domscholasters 
0.  XVI,  186—192. 

Onulf  v.  Speier.  —  M.  Manitius, 
Zu  O.'s  v.  Sp.  Bhetorici  colores 
XX,  441-443. 

0  r  i  g  o  gentis  Langobardorum  s. 
Paulus  Diaconus. 

Orleans  s.  Frankreich  2). 

Orti  Manara  s.  Verona. 

Ostersynode.  —  S.  Löwenfeld, 
Ein  Actenstück  aus  der  0.  von 
1078  XIV,  618—622. 

Ostgothen.  —  Th.  Mommsen, 
Ostgoth.  Studien  XIV,  223—249. 
451—544;  XV,  181— 186.  —  F. 
Wrede,  Zwei  ostgoth.  Miscellen 
XV,  583  f. 

Otto  I.  —  B.  v.  Simson,  Zum  Pri- 
vilegium Ottonianum  für  die  Rö- 
mische Kirche  XV,  575—579.  — 
W.  Erben,  Eine  angebliche  Urk. 
O.'s  1.  für  das  Kl.  Hott  XX,  357 
359 

Otto  III.  —  ^Y.  Erben,  Eine  Ver- 
wechseluno- O.'s  III.  mit  0.  TV. 
XX,  359—365.  —  Ders.,  Das  Vor- 
ladungsschreiben O.'s  IH.  an  Abt 
Kerhard  von  S.  Gallen  XX,  365 
-371. 

Otto  IV.  s.  Otto  III. 

Otto  v.  Bamberg.  —  A.  Heisen- 
berg, Ueber  ein  Fragment  des 
Anonymus  Canisii  de  vita  Ottonis 
XIX,  460  f. 

Otto  v.  Hammerstein.  —  Hans  F. 
Helmolt,  Zu  O.  v.  H.  XX,  221  f. 

Ottobeuren  s.  Friedrich  I. 

Ottokar's  Reimchronik.  —  J.  See- 
müller, Aus  dem  Strein'schen 
Nachlass  XVIH,  681—688. 

Papstbriefe  und  -Urkunden. 
—  S.  Löwenfeld.  Elf  P.  XI,  369 


714 


Gesarnmtregister  von  Band  XI — XX 


—388.  —  Ders.,  P.  in  der  Kgl. 
Bibliothek  zu  Berlin  XI,  609 
_616.  _.  F.  Falk,  2  Papst- 
regesten ebd.  617.  —  W.  Watten- 
bach, P.  im  German.  Museum  XII, 
408—410.  —  Th.  Mommsen,  Be- 
merkungen zu  den  P.  der  Brit. 
Sammlung  XV,  187  f.  -  H. 
Bresslau,    Desgl.    ebd.    189—193. 

—  Th.  Mommsen,  Die  P.  bei 
Beda  XVII,  387—396.  —  R. 
Davidsohn ,  Process  wegen  Fäl- 
schung einer  päpstl.  Bulle  1216 
XIX,  232—235.  —  S.  Kaiserurkk. 
und  die  Papstnamen. 

Papst-     und    Kais  er  ehr  o  nik. 

—  O.  Holder -Egger,  P.-  u.  K.- 
Ohr. 1294  XI,  274-277.  —  Ders., 
Aus  einer  Florentiner  P.-  u.  K.- 
Ohr. XVII,  511—518.  642. 

Papstregesten  s.  Papstbriefe. 

Paris.  W.    Wattenbach,     Er- 

werbungen der  Nationalbibl.  in 
P.  v.  1875—1891  XIX,  241—246. 

—  Canoneshss.  s.  Capitularien  2) ; 
Bibliotheken  s.  Frankreich  2).  — 
S.  auch  Ebersheim,  Gedichte, 
Leges. 

Passau  s.  .Salzburg. 
Passio  S.  Afrae  s.  Afra. 
Paulina,    Paulinzelle.    —    J. 

Dieterich ,  Ueber   P.'er   Urkk.    u. 

Sigeboto's  Vita   Paulinae   XVIII, 

447-489. 
Paul    v.     Bernried.     —     J.     May, 

Leben   P.'s  v.  B.   XII,  333-352. 

—  M.  Hermann,  P.  u.  Gebhard 
v.  B.  u.  ihre  Briefe  an  Mailänder 
Geistliche  XIV,  565—588. 

Paulus  Diaconus.  —  L.  Schmidt, 
P.  D.  u.  die  Origo  gentis  Lango- 
bardorum  XIII,  391—394.  — 
L.  Traube,  Zu  den  Gedichten  des 
P.  D.  XV,  199—201.  —  E. 
Dümmler,  Desgl.  XVII,  397—401. 

—  K.  Neff,  Zur  Frage  nach  den 
Quellen  der  Historia  Langobar- 
dorum  XVII,  204—208.  —  S. 
Topographisches. 

Pennaforte,  Raymund  v.  s.  Bo- 
logna. 

Pertz  s.  Mon.  Germ. 

Petitionsbureau  s.  Kanzlei, 
päpstl. 

Petrus  v.  Ebulo.  —  E.  Sackur, 
Zu  P.  de  E.  XV,  387—393. 


Petrus  v.  Riga.  —  E.  Dümmler, 
Zu  P.  v.  R.  "XX,  231  f. 

Piacenza.  —  Ann.  Piacentini 
Gibellini  s.  Johannes  Codagnellus, 
A.  PI.  Guelfi  ebd. 

Pippin  s.  Lamfred. 

Pisa.  —  L.  v.  Heinemann,  Ein  un- 
bekannter Brief  der  Pisaner  an 
König  Konrad  IH.  XVI,  182  f. 

P  o  e  ld  e ,  Annalen  s.  Dietrich  Engel  - 
hus. 

Praeiectus.  —  B.  Krusch ,  Die 
älteste  vita  Praeiecti  XVIII,  629 
-649. 

Privilegiu m  s.  Otto  I. 

P  r  o  p  h  e  t  i  e  e  n.  —  O.  Holder-Egger, 
Italienische  Pr.  XV,  141— 17s. 

Provence.  —  H.  Fitting,  Zum 
Streit  um  die  Grafschaft  P.  im 
12.  Jh.  XIX,  228—231. 

Prüfe ning,  Hss.  und  Schatzver- 
zeichnisse s.  München. 

Prüm  s.  Annalen,  Regino. 

Pseudorektoren    s.    Dortmund. 

Pseudo-Theodorus.  —  E.  Seckel, 
Die  Petit'schen  Capitula  Pseudo- 
Theodori  XX,  328—351. 

'Pseudo-Udalricus.  —  J.  Lo- 
serth,  Zu  Ps.-U.'  'De  continentia 
clericorum'  u.  zu  Bruno's  v.  Segni 
'De  Symoniacis'  XX,  444—449. 

Quedlinburg,  Ann.  s.  Venantius. 

Q  u  i  e  r  z  y  s.  Hincmar. 

R  a  d  u  i  n  ,    Mönch   zu    S.  Remi.    - 
O.  Holder-Egger,  Visio    Raduini 
XI,  262  f. 

Raginaldv.  Cauterbury.  —  F.  Lie- 
bermann, [Gedichte  des]  R.  v.  0. 
XIII,  517—566. 

Rahewi n.  —  W.  Gundlach,  Zu  R. 
XI,  569  f.  —  M.  Manitius,  Zu  R., 
Ruotger  u.  Lambert  XII,  361 — 
385. 

R  a  y  m  u  n  d  v.  Pennaforte  s.  Bologna. 

Rechts  quellen  s.  Friesland, 
Westgothen. 

Regensburg.  —  Chronikenhss.  u. 
Güterverzeichnisse  v.  S.  Emmeram 
s.  München. 

Regesten  s.  Friedrich I.,  Honorius 
III. ,  Karl  IV. ,  Papsturkunden, 
Staufer. 

Regino  v.  Prüm.  —  F.  Kurze, 
Hsl.  Ueb  erlief  er  ung  und  Quellen 
der  Chronik  R.'s  und  seines  Fort- 
setzers    XV,     293—330.    —    W. 


nach  dem  Inhalte  der  Abhandlungen. 


715 


Erben,  Zu  der  Fortsetzung  des  R. 
v.  P.  XVI,  613—622. 

Register  s.  Gregor  I.,  Gr.  VII., 
Karl  IV.,  Ruprecht. 

R  e  i  c  h  e  n  a  u  s.  Bern. 

R  e  i  m  s.  —  Br.  Krusch ,  Reimser 
Remigiusfälschungen  XX ,  509 — 
568.  —  S.  Frankreich  2),  Gedichte, 
Hincmar. 

Reinhardsbrunn.  —  0.  Holder- 
Egger,  Ueber  die  Chronik  von  R. 
und  ihre  verlorenen  Quellen  XX, 
571-637.  —  S.  Elisabeth,  Thü- 
ringen. 

Reiseberichte  s.  Frankreich, 
Holland,  Italien. 

Remigius  s.  Reims. 

Remiremont.  —  A.  Ebner,  Der 
Liber  vitae  und  die  Neurologien 
von  R.  in  der  Bibl.  Angelica  zu 
Rom  XIX,  47—83. 

R  e  n  s  e.  —  L.  "Weiland ,  Ueber 
die  Sprache  u.  die  Texte  des  Kur- 
vereins u.  des  Weisthums  v.  Rense 

XVIII,  329-335. 
Riccobald     v.     Ferrara.     —     0. 

Holder  -  Egger ,    Hss.    der  Werke 

des  R.  v.  F.  XI,  277—287. 
Richard    v.    Cornwall.     — ■    F. 

Liebermann,  [Briefe  über]  R.'s  erstes 

Jahr  und  Wahl  zum  röm.  Senator 

XIII,  219-222. 
Roduifus  Glaber.  —  E.  Sackur, 

Studien  über  R.  G.  XIV,  377—418. 
Römische      Kaisererlasse.      — 

Th.  Mommsen,  Eine  Erwiederung 

XIX,  433-435. 

Rom.  —  O.  Günther,  Krit.  Beitr. 
zu  den  Akten  der  röm.  Synode 
v.  12.  April  732  XVI,  235— 
249.  —  H.  Bresslau,  Necrolo.o-. 
eccl.  S.  Mariae  trans  Tiberim  XI, 
99—101.  -  -  0.  Holder  -  Egger, 
Die  Hss.  der  Bibl.  Vittorio 
Emanuele  XVII,  481—483.  — 
Ders.,  Hss.  der  Bibl.  Palatina  im 
Vatican  XVII,  484—487.  —  S. 
Königsurkk.,  Remiremont. 

Romainmotier  s.  Clemens  II. 

R  o  s  s  i ,  Egidio  s.  Friedrich  IL, 
Kaiserurkunden. 

Rott,  Kl.  s.  Otto  I. 

Ronen  s.  Frankreich  2). 

Rudolf  I.  s.  Friedrich  I. 

Rudolf  v.  St.  Trond.  —  F.  W.  E. 
Roth,    Ein    Brief   des    Chronisten 


R.  v.  St.  T.  an  Rupert  v.  Deutz 
XVII,  617  f. 

R  u  o  t  g  e  r  ,Vita  Brunonis  s.  Rahewin. 

Rupert  v.  Deutz.  —  M.  Manitius, 
Zu  Ruperti  chronicon  S.  Laurentii 
Leodiens.  XIII,  639  —  642.  — 
S.  Rudolf  v.  St.  Trond. 

Ruprecht.  —  R.  Sternfeld,  Ein 
Brief  König  R.'s  XVI,  636  f.  — 
G.  Seeliger,  Aus  R.'s  Registern 
XIX,  236-240. 

Sachsen.  —  L.  v.  Heinemann, 
Ueber  ein  verlorenes  sächs.  An- 
nalenwerk  XIII,  33—59.  —  O. 
Holder  -  Egger ,  Ueber  eine  er- 
weiterte Recension  der  chronica 
principum  Saxonie  und  verlorene 
Ann.  von  S.  Blasien  in  Braun- 
schweig XVII,  169—176.  —  Ders., 
Ueber  die  cronica  Saxonum  bei 
Heinrich   v.  Herford   XVH,    177 

—  184.  —  E.  Bernheim,  Die 
sagenhafte  s.'sche  Kaiserchronik 
aus  dem  12.  Jh.  XX,  51—123. 
684. 

Sachsenspiegel  s.  Landrecht. 

Salzburg.  —  S.  Herzberg-Fränkel, 
Ueber  die  necrolog.  Quellen  der 
Diöcesen  S.  u.  Passau  XIII,  269 
— 304.  —  Ders.,  Ueber  das  älteste 
Verbrüderungsbuch  von  S.  Peter 
in  S.  XII,  53—107.  —  S.  Land- 
recht. 

Samuel  ß  e  u  1  a  n  s.  Historia  Brit- 
tonum. 

Saint  B  e  r  t  i  n.  —  VT.  Wattenbach, 
Zu  den  Ann.  Bertiniani  XVI,  607 

-  609. 

S.  0  m  e  r  s.  Frankreich. 

S.    Vaast.    —   Th.    Mommsen,    Zu 

den  Ann.  Vedastini  XVI,  430  f. 
S.  Van nes  s.  Verdun. 
S.  AV  a  n  d  r  i  1 1  e.  —  0.  Holder-Egger, 

Zu  den  Gesta    abb.    Fontanellens. 

XVI ,  602—606. 
SainteGenevieve  zu  Paris,  Bibl. 

s.  Frankreich  2). 
San  Germano.  —  C.  Rodenberg, 

[Briefe  über]  die  Vorverhandlungen 

zum  Frieden  v.  S.  G.  1229—1230 

XVHI,  177-205. 
Sanct  Blasius   in   Braunschweig 

s.  Sachsen. 
S.  C  a  s  s  i  u  s  u.  Florentius  s.  Bonn. 
S.    Emmeram    zu    Regensburg    s. 

München. 


716 


Gesamnitregister  von  Band  XI — XX 


S  Gallen.  —  E.  Dümmler,  Aus 
S.  (x.'er  Hss.  XI,  404-407.  -  S. 
Otto  III. 

S.  Georg  s.  Köln. 
S.  Lorenz  zu  Lüttich  s.  Rupert. 
S.  Maria  s.  Köln,  Rom;  S.  M.  La- 
tina  zu  Jerusalem  s.  Hadrian  IV.; 
S.  M.  zu  Utrecht  s.  Friedrich  I. 

S.  Max  im  in  s.  Trier. 

S.  Peter  s.  Landrecht,  Salzburg-, 

SaxoGrammaticus.  —  G.AVaitz, 
Quellen  des  S.  G.  XII,  17—25. 
—  P.  Hasse,  Das  Angers'sche  Frag- 
ment des  S.  G.  XII,  315 — 332.  — 
0.  Holder -Egger,  Zur  Textkrit. 
des  S.  und  Sueno  Aggeson  XIV, 
135—162. 

Schaffhausen,  Hs.  der  Vita  Co- 
lumbae  s.  Blaithmaic. 

Schweiz  s.  Kaiserurkk. 

S  eck  au.  —  P.  AV.  Hauthaler  0.  S. 
B. ,  Notae  Seccovienses  XVIII, 
674—678. 

Seligenstadt.  —  A.  Schmidt, 
Zinsregister  u.  Urkk.  v.  S.  XIH, 
607—613.  —  F.  Falk,  Xecrolog. 
v.  S.  XIV,  173. 

Semur   s.  Frankreich  2). 

Sendgericht,  Anleitung  zur  Ab- 
haltung s.  Capitularien  2). 

S  e  r  m  o  synodalis  s.  Capitula- 
rien 2). 

Sibyllen  s.  Prophetieen. 

Siena.  —  0.  Holder  -  Egger,  Ann. 
Senens.  XI,  2,s7  f. 

Sigebertv.  Gembloux.  —  M.  Ma- 
nitius,  Zu  S.'s  Gesta  abb.  Gem- 
blacens.  XIII,  209—211.  —  S.  Ve- 
nantius. 

Sigeboto  s.  Paulina. 

St  auf  er.  —  P.  Scheffer-Boichorst, 
Beitr.  zu  den  Regesten  d.  stauf. 
Periode  XX,  177—205.  —  S.  Bauf- 
fremont,  EgidioRossi,  Kaiserurkk. 

Strabo  s.  AValahfrid. 

Strein  s.  Ottokar. 

Streitschriften  s.  Liber  canonum 
und  die  Eigennamen. 

Stuttgart.  —  L.  Weiland,  Hss.  der 
vormaligen  Kgl.  Handbibl.  in  St. 
XV,  385  f. 

Sueno  A  g  g  o  ni  s.  —  G.  Waitz,  Der 
Text  des  S.  A.  XH,  13—17.  — 
S.  Saxo. 

Sulpicius  Severus.  —  M.  Mani- 
tius,  Zur  Gesch.  von  S.  S.'  Schriften 


über  S.  Martin  im  MA.  XIV,  165 
— 170.  —  Ders.,  Zur  Benutzung 
des  S.  S.  im  M.  A.  XV,  194-196. 
—  S.  Heinrich  IV. 
Synoden  s.  Ostersynode  1078,  Rom, 
Tribur.  Turin.  —  Sermo  synodalis 
s.  Capitularien  2). 
T al loire s.  —  H.  Bresslau.  Necrolog. 

v.  Kl.  T.  bei  Annecy  XI,  102  f. 
Tegernsee.   —    L.   v.  Heinemann, 
Zur    Krit.    T.'er    Gesch.  -  Quellen 
XII,    143  —  160.    —     S.    Briefe, 
Otto  III. 

Thangmar.  —  M.  Manitius,  Zu 
Th.'s  Vita  Bernwardi  XIII,  208  f. 

Theoderich  v.  Hersfeld  [Amor- 
bach].  —  G.  Schepss,  "Würzburger 
Hs.   zu  Th.  v.  H.  XIX,  221. 

Theoderich  v.  Metz  s.  Venantius. 

Thessalonich,  Sammlung  von, 
s.  Rom.  Kaisererlasse. 

Thietmar.  —  F.  Kurze,  Abfassungs- 
zeit u.  Entstehungsweise  der  Chro- 
nik Th.'s  XIV,  59—86.  —  Ders., 
Nachlese  zur  Quellenkunde  Th.'s 
XVI,  459—472. 

Thüringen.—  O.  Holder  -  Egger, 
Ueber  die  Thüring.  Landgrafcn- 
gesch.  XX,  376—421.  —  S.  Elisa- 
beth, Reinhardsbrunn. 

T ironisch.  —  W.  Schmitz,  Zur 
Erklärung  der  tiron.  Noten  in 
Hss.  der  Kölner  Dombibl.  XI, 
109 — 121.  —  Ders.,  Tironisches  u. 
Kryptographisches  XV,  197  f.  — 
Ders.,  Tir.  Miscellen  XV,  602 
—607. 

Topographisches.  —  A.  Chroust, 
Top.  Erklärungen  zu  einigen  Stellen 
in  den  Mon.  Germ.  XV,  585 — 591. 

Translatio  s.  Benedictus,  Diony- 
sius,  Germanus. 

Tribur.  —  V.  Krause,  Die  Acten 
der  T.'er  Synode  895  XVII,  49— 
82.  281—326.  —  Ders.,  Die  T.'er 
Acten  in  der  Chälons'er  Hs.  XVHI, 
411  —  427.  —  E.  Seckel,  Zu  den 
Acten  der  T.'er  Synode  895 
XVHI,  365— 409;  XX,  289—353. 

Trier.  —  H.  V.  Sauerland,  Aus 
Hss.  der  T.'er  Seminarbibl.  XATI, 
601-611 ;  XVIII,  724.  —  H.  Bress- 
lau, Cartular  von  S.  Maximin  im 
St.-Archiv  zu  Koblenz  XI,  99.  - 
S.  Archive,  Gedichte,  Gottesur- 
theile,  Legendarium,  Udo,  Wenrich. 


nach  dem   Inhalte  der  Abhandinngen. 


717 


T  r  o  j  a  n  e  r  s  a  g  e  s.  Historia. 

Turin.  —  Tb.  Mommsen,  Die  Sy- 
node v.  T.  XVII,  187—192.  — 
S.  Capitularien. 

Udalrich  v.  Babenberg.  —  E. 
Dümmler,  Zu  U.  v.  B.  XIX.  222 
-227.  720. 

Udo  v.  Trier.  —  0.  Holder  -  Egger, 
Ein  Brief  des  Erzbischofs  U.  v.  T. 
XVII,  487-489;  XIX,  720. 

U  n  d  e  r  s  d  o  r  f ,  Hs.  s.  München. 

Ungarn.  —  U.  v.  Heinemann,  Zur 
Krit.  ung.  Gresch.  -  Quellen  im  Zeit- 
alter der  Arpaden  XIII,  61—74. 

—  S.  Aventin. 

Urkunden.  —  W.  "Wattenbach,  U. 
u.  andere  Aufzeichnungen  XI,  389 
—403;  vgl.  644.  —  S.  Kaiser-, 
Papsturkk.  u.  die  Eigennamen. 

Urs])  erg.  —  Th.  Lindner,  Zum 
Chron.   Ursperg.    XVI,  115-134. 

—  S.  Wipo. 

Utrecht,  S.  Marien  zu,  s.  Fried- 
rich I. 

Vatican  s.  Rom. 

Vedastini,  Ann.  s.  S.  Vaast. 

Venantius  Fortunatus.  —  M.Ma- 
nitius,  Zu  Fort.,  den  Ann.  Qued- 
linburg, und  Sigeberts  Vita  Deo- 
derici  XII,  591—596.  —  Ders.. 
Zu  V.  F.  XIII,  634  f. 

Venedig.  —  R  Röhricht,  Ein 
Brief  über  die  Gresch.  des  Frie- 
dens v.  V.  (1177)  XVII,  621—623. 
H.  Simonsfeld,  Noch  einmal 
die  kurzen  Venezianer  Ann.  XX, 
450  —  458.  —  Chronik  s.  Historia 
Troiana. 

Verbrüderungsbuch  v.  S.  Peter 
s.  Salzburg. 

Verdun.  —  E.  Sackur,  Necrologium 
S.  Vitoni  Virdunens.  XV,  126  - 
132.  Dazu:  "W.  Lippert  XV,  608 
—610. 

Verona.  —  Ct.  Sommerfeldt,  Der 
Chronist  des  Orti  Manara  XX, 
466—480.  —  S.  Friedrich  I. 

Verse  s.  Gedichte. 

Vicenza  s.  Antonius  Grodius. 

Vienne.  —  "W.  Gundlaeh,  Die 
Epistolae  Viennenses  u.  die  älteste 


Vienner  Chronik  XX,  261  —  287. 

—  S.  Arles. 

V  i  s  i  o  s.  Karl  d.  Gr.,  Raduin,  Wa- 
lahfrid. 

Vita  s.  Heiligenleben  u.  die  Eigen- 
namen. 

"Waitz  s.  Mon.  Germ. 

"Wal  ah  fr  id  Strabo.  --  K.  Plath, 
Zur  Entstehungsgesch.  der  Visio 
"Wettini    des  "W.  XVII,  261-279. 

—  L.  Traube,  Zu  W.  St.'s  De  ima- 
gine  Tetrici  XVIII,  664  f. 

Wange rland.  —  Ph.  Heck,  Wan- 

gerl.  Grottesfrieden  XVII,  597  f. 
Wazo    v.   Lüttich.   —  W.  Watten- 

bach,   Ein  Brief  des  Bischofs  "W. 

v.  L.  XX,  223  f. 
"We  ding  hau  sen.    —    A.  Schmidt, 

2  Urkk.  aus  Kl.  W.  XIII,  606  f. 
Weissenburg.  —  Fr.  Falk,  Calen- 

darium  v.  W.  XIV,  174. 
"Wen rieh.  —  F.  Thaner,  Zu  Wen- 

rici  scholastici  Trevirens.    epistola 

XVI,  540-543. 
Westgothen.  —  K.  Zeumer,  Eine 

neuentdeckte   westg-.   Rechtsquelle 

XH,  387-400.  —  S.  Briefe. 
"Wetti  s.  Walahfrid. 
W  i  d  u  k  i  n  d.  —  B.v.  Simson,  Zur  Krit. 

des  AV.  XII,  597  f.  —  Ders.,  Ueber 

die  versch.  Texte  des  W.  XV,  565 

—575.    —    K.  E.  H.  Krause,    Zu 

"W.  I,  12  XVI,  610-612. 
"Wiesbaden.   —  Widmann,  Kleine 

Mittheilungen     aus     Wiesbadener 

Hss.  XI,  619-628. 
Windecke  s.  Eberhart  W. 
Wipo.  —  B.  v.  Simson,  Zu  W..  den 

Ann.     Altahenses,      dem     Chron. 

Ursperg.  XIV,  607-615. 
Wolfenbüttel.    --    Gr.  Waitz   und 

O.  Holder -Egoer,  [Aus  Hss.  von] 

Wolfenbüttel  XI,  418-420. 
Wormss.  Burchard,  Capitularien 2). 
Würzburg  s.  Heinrich  IL,  Theo- 
derich v.  Hersfeld. 
Xanten.  —  H.  Steffen,   Beitr.  zur 

Krit.    der  X.'er  Jahrbücher  XIV, 

87-108. 
Zinsregfister  s.  Seligenstadt. 


Neues  Archiv   etc      XX. 


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DD 

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G32' 

Bd.  20 


Gesellschaft  für  Ältere 
Deutsche  Geschieht skunde  zur 
Beförderung  einer  Gesamm- 
t ausgäbe  der  Quellenschriften 
Deutscher  Geschichten  des 
Mittelalters 
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