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Neues Archiv
der
Gesellschaft für ältere deutsche Geschiclitskunde
Beförderung einer Gesammtausgabe
der Quellenschriften deutscher Geschichten des Mittelalters.
Zwanzigster Band.
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Hannover und Leipzig.
Hahn' sehe Buchhandlung.
1895.
DD
2
Hannover, Druck von Friedrich Culemann.
Inhalt.
Seite
I. Bericht über die zwanzigste Plenarversammlung der
Centraldirection der Monumenta Germaniae Berlin
1894 1-8
II. Ueber die karolingischen Reicbsannalen von 741 — 829
und ihre Umarbeitung. Von F. Kurze . . . . 9 — 49
III. Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus dem
12. Jahrhundert. Von Ernst Bernheim . . . 51—123
IV. Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. Von
Harry Bresslau 125 — 176
V. Beiträge zu den Regesten der staufischen Periode.
Von Paul Scheffer-Boichorst 177—205
VI. Miscellen :
Die grosse Briefhandschrift zu Hannover. Von
P. Willibald Hauthaler 0. S. B. . . 209—220
Zu Otto von Hammerstein. Von Hans F.
Helmolt 221—222
Ein Brief des Bischofs "Wazo von Lüttich. Von
W. Wattenbach 223—224
Ein Diplom und ein Placitum Heinrichs V. Mit-
getheüt von H. Bresslau 225 — 230
Zu Petrus von Riga. Von Ernst Dümmler 231—232
Ein Brief Hadrians V. Mitgetheilt von A. C h r o u s t 233—234
Zwei Briefe Gregors XH. an den Pfalzgrafen
Ludwig vom Rhein. Mitgetheilt von J. Loserth 235—236
Nachrichten 237—259
VI Inhalt.
Seite
VII. Die Epistolae Viennenses und die älteste Vienner
Chronik. Eine Entgegnung. Von W i 1 h e 1 m G u n d -
lach 261-287
VIII. Zu den Acten der Triburer Synode 895. Zweite
Abhandlung. Von Emil Se ekel 289—353
IX. Nachträge zu dem zweiten Bande der Diplomata-
Ausgabe. Von Wilhelm Erben . . . . . . 355—371
X. Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. Von
Oswald Holder-Egger 373—421
XI. Reise nach Holland, Belgien, Nordfrankreich und
dem Niederrhein im Sommer 1894. Von Jakob
Schwalm 423—433
XII. Miscellen :
Zum Martyrologium Hieronymianum. Von
Bruno Krusch 437—440
Zu Onulfs von Speier Rhetorici colores. Von
M. Manitius 441-443
Zu Pseudo-Udalricus' 'De Continentia Clericorum1
und zu Bruno's von Segni 'De Symoniacis'.
Von J. Loserth .- 444—449
Noch einmal die kurzen Venezianer Annalen.
Von H. Simonsfeld 450—458
Eine ungedruckte Urkunde Friedrichs II. über
Borgo S. Donnino, zugleich als Quelle des
Fälschers Egidio Bossi. Von Paul Scheffer-
Boichorst 459—465
Zur Kritik Veronesischer Geschichtsquellen. Von
Gustav Sommerfeldt 466—480
Nachrichten 481—508
XIII. Beimser Bemigius - Fälschungen. Von Br. Krusch 509 — 568
XIV. Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. IL
Von Oswald Holder-Egger 569—637
XV. Miscellen :
Epitaphien und Epigramme des XII. Jahrhun-
derts. Mitgetheilt von J. Werner . . . . 641—653
Eine Appellation Albenga's an den Kaiser von
1226. Von G. Caro 654—656
Inhalt. VII
Seite
Zu den Regesten Karls IV. Von Jos. Becker 657—660
Matthaeus G-rabow. Von W. Watte nb ach . 661—663
Nachrichten 664—683
Nachträge 683—684
Register 685—693
Gesammtregister von Band XI — XX nach den Ver-
fassern und nach dem Inhalte der Abhandlungen.
Von Hermann Bloch und Martin Meyer 695—717
I.
Bericht
über die
zwanzigste Plenarversammlung
itraldirection
der
Monumenta Germaniae
Berlin 1894.
Siiri A::;:v r-.: XX.
Die 20. Plenarversammlung der Centraldirection der
Monumenta Gertnaniae historica wurde in diesem Jahre in
den Tagen vom 5. bis 7. April in Berlin abgehalten. Durch
Krankheit oder Reisen wurden an der Theilnahme ver-
hindert Herr Prof. Bresslau in Strassburg, Herr Geh.
Hofrath von Rockin g er in München und Herr Prof.
Scheffer-Boichorst in Berlin. Anwesend waren Herr
Geheimerath Brunner und Du mm ler, Herr Geheim e-
rath von Hegel aus Erlangen, Herr Prof. Holder-
Eg-o-er, Herr Hofrath Maassen und Herr Prof. Mühl-
b ach er aus Wien, Herr Prof. Moni rasen, Herr Geh.
Ober-Regierungsrath von Sybel, Herr Geheimerath
Wattenbach und als neues Mitglied Herr Prof. Wei-
land aus Göttingen. Herr Hofrath von Sickel in Rom
ist aus der Centraldirection ausgeschieden.
Im Laufe des Jahres 1893/94 erschienen
in der Abtheilung Auetores antiquissimi :
1) Cassiodori Senatoris Variae ed. Mommsen.
Accedunt I. Epistolae Theodoricianae variae.
II. Acta synodorum habitarum Romae 499. 501.
502. III. Cassiodori orationum ed. Traube
(= A. a. XII);
in der Abtheilung Scriptores :
2) Lamperti Hersfeldensis opera recogn. Holder-
Egger. Acced. Annal. Weissenburg. als Hand-
ausgabe in 8°;
in der Abtheilung Leges :
3) Capitularia regum Erancorum t. II, 2 ed.
Krause.
4) Constitutiones et acta publica imperatorum et
regum ed. Weiland t. I;
in der Abtheilung Diplomata:
5) Die Urkunden der Deutschen Könige und Kaiser
II, 2. Die Urkunden Otto des Dritten, heraus-
gegeben von Sickel;
1*
4 Bericht über die zwanzigste Plenarversainmlung 1894.
in der Abtheilung Epistolae:
6) Epistolae t. II, 1 Gregorii I. Kegistri 1. VIII— IX
ed. Lud. Hartmann;
7) von dem Neuen Archiv der Gesellschaft Bd. XIX,
herausgegeben von Bresslau.
Unter der Presse befinden sich ein Folioband, 7 Quart-
bände, 2 Octavbände.
In der Sammlung der Auetores antiquissimi ist durch
das Erscheinen der Variae Cassiodors (mit dem von Traube
verfassten index verborum) eine der seit langen Jahren am
schmerzlichsten empfundenen Lücken ausgefüllt worden.
Der 2. Band der kleinen Chroniken, zu dessen Vollendung
nur noch wenige Bogen fehlen, bringt in seiner zweiten
Hälfte die schwierigen Chroniken Isidors von Sevilla, der
dritte dagegen, dessen Druck ebenfalls bereits begonnen
hat, führt uns mit Gildas, Nennius und Beda nach Britan-
nien hinüber und wird voraussichtlich diese Reihe ab-
schliessen.
In der Abtheilung Scriptores hat Herr Archivar
Krusch die vormerowingischen Heiligenleben und Pas-
sionen, sowie einen Theil der merowingischen insoweit vor-
bereitet, dass der Druck des ersten dieser beiden Bände
im nächsten Herbst anheben kann. Wenn auch genauere
Prüfung der handschriftlichen Grundlagen den fast durch-
weg jüngeren, karolingischen Ursprung dieser angeblich
zeitgenössischen Quellen herausgestellt hat, so darf dennoch
dies zum guten Theile negative Ergebnis als ein namhafter
Gewinn für die Wissenschaft betrachtet werden. Für die
Bereitwilligkeit, mit welcher uns besonders für diese Ab-
theilung Handschriften französischer Bibliotheken anver-
traut wurden, sind wir der französischen Regierung, sowie
Herrn Delisle zu wärmstem Danke verpflichtet.
Für den 3. Band der Schriften zum Investiturstreit
sind einige weitere Vorarbeiten ausgeführt worden, und
namentlich hat Herr Dr. Dieterich für zwei Werke des
sogen. Honorius von Autun die Hss. von München, Melk,
Kremsmünster und Lüttich verglichen. Der 30. Folioband,
von Herrn Prof. Holder-Egger herausgegeben und Er-
gänzungen für das staufische Zeitalter enthaltend, hat
längere Zeit geruht, ist aber jetzt wieder in Fluss ge-
kommen und wird ausser den grossen thüringischen Chro-
niken des 13. Jahrh. u. a. namentlich auch die neu ent-
deckte Vita Paulinae Sigeboto's und bisher unbekannte
Annalen von St. Afra und Ulrich in Augsburg nebst an-
Bericht über die zwanzigste Plenarversammlung 1894. 5
deren Nachträgen bringen. Daneben sind die Vorbereitun-
gen für den 31. im Quartformat zu veröffentlichenden Band
italienischer Chroniken des 13. Jahrh. fortgesetzt worden,
und Herr Dr. Simonsfeld in München hat dafür die
Chroniken von Faenza des Tolosanus und Petrus Canti-
nelli grossentheils vollendet. Von den Handausgaben
werden die Annales Einhardi und Laurissenses, bearbeitet
von Dr. Kurze, im nächsten Winter unter die Presse
kommen, vollendet ist dagegen durch Herrn Prof. Ho ld er-
Egge r die neue Sonderausgabe von Lamperti Hersfeld,
opera, die mit den Annalen nicht nur die V. Lulli und die
Auszüge aus der Hersfelder Klostergeschichte, sowie die
verwandten Weissenburger Annalen verbindet, sondern
auch die umfassendsten Nachweisungen über den Sprach-
gebrauch Lamperts und seine Anlehnungen bietet. Die
weiteren auf ihn bezüglichen Fragen sind im Neuen Archiv
ausführlich erörtert worden. Für eine spätere Handaus-
gabe der Erfurter Annalen wurde ebenfalls vorgearbeitet,
wie nicht minder für das sogen. Chronic. Ottenburanum.
Um die Förderung dieser Arbeiten machten sich ausser
vielen Bibliotheksvorständen namentlich noch die HH.
Bloch in Strassburg, P. Czerni in St. Florian, von
Heinemann in Wolfenbüttel, Dr. Rud. Schachin g er
in Melk, P. Hugo Schmidt in Kremsmünster, Simons-
feld in München, Vehrt in Bamberg durch mancherlei
schätzbare Nachweisungen verdient.
Für den 1. Band der Deutschen Chroniken ist schon
längst eine Ergänzung im Werke, die in diesem Sommer
endlich zum Drucke gelangen soll, bestehend aus dem
Annoliede, welches Herr Prof. Eödiger herausgiebt, und
der Silvesterlegende, die Herr Dr. Kraus in Wien über-
nommen hat. Enikels Fürstenbuch, von Herrn Prof.
Strauch in Halle bearbeitet, wird im Spätherbst druck-
fertig sein und mit dem Landbuch und den Registern den
3. Band abschliessen. Herr Prof. Seemüller in Inns-
bruck, der verdiente Herausgeber Ottokars, hat seit kurzem
sich der Aufgabe gewidmet, einen weiteren Band mit öster-
reichischen und bairischen Chroniken des 13. und 14. Jahrh.
herzustellen. Eine Reise nach Wien und München in diesen
Osterferien, der sich im Herbst eine zweite anschliessen
soll, diente zur vorläufigen Sichtung des aufzunehmenden,
noch wenig geordneten Stoffes, der ein sehr reichhaltiger
zu werden verspricht. Als Ergänzung zu den Chroniken,
aber als selbständige Sammlung, wird ferner eine Ausgabe
der politischen Sprüche und Lieder in deutscher Sprache
6 Bericht über die zwanzigste Plenarversammlung 1894.
bis 1500 geplant, die in umfassender Weise Herr Prof.
Röthe in Göttinnen mit dem Beistande des Herrn Dr.
Heinr. Mejer zu veranstalten gedenkt.
In der Abtheihmg der Leges ist die Handausgabe
der Leges Visigothornm, die der grösseren zur Grundlage
dienen soll, soeben vollendet worden, und für diese werden
sieb nun weitere handschriftliche Studien, zumal in Paris,
anschliessen. Von dem durch Herrn Dr. Krause bearbei-
teten zweiten Bande der Capitularien ist das 2. Heft er-
schienen, das den eigentlichen Text zu Ende führt, ge-
druckt sind auch bereits die Anhänge, Walahfrids Büch-
lein de exordiis et incrementis rerum ecclesiasticarum und
Hincmar de ordine palatii, doch wird das Schlussheft, da
es ausserdem das Eegister für beide Bände und die um-
fängliche Einleitung enthalten soll, vor nächstem Winter
nicht zur Vollendung kommen können. Hincmars kleine,
aber sehr wichtige Schrift wird auch in einer Sonderaus-
gabe erscheinen.
Von den Reichsgesetzen seit dem Ende der Karo-
linger hat Herr Prof. Weiland den ersten stattlichen
Band veröffentlicht, der von Konrad I. bis auf Hein-
rich VII. (1197) herabreicht. Wie der Doppeltitel dessel-
ben andeutet, ist nach dem Vorbilde von Pertz der dürf-
tige Stoff der Gesetze vielfach durch andere, namentlich
urkundliche, Aufzeichnungen ergänzt worden und haben
besonders auch die Synoden eine noch eingehendere Be-
rücksichtigung erfahren. An dem zweiten Bande, der bis
1273 reichen soll, wird bereits eifrig gedruckt, und für die
folgenden bis zur goldenen Bulle wird durch Herrn Dr.
S c h w a 1 m vorgearbeitet, der das weit zerstreute Material
auf zwei Reisen zu vervollständigen gedenkt. Die als Vor-
arbeit für eine künftige Ausgabe bestimmten Regesten der
Gerichtsurkunden sind durch Herrn Dr. Hiibner in einem
zweiten Hefte zu Ende geführt.
Von den Urkunden des sächsischen Kaiserhauses ist
endlich die lange ersehnte zweite Abtheilung des zweiten
Bandes, die Urkunden Ottos III. nebst beachtenswerthen
Nachträgen für seine beiden Vorgänger und den Registern,
ausgegeben worden. Herr Hofrath von Sickel, durch
seine Uebersiedelung nach Rom in dieser Arbeit, bei wel-
cher ihm die HH. Erben und Tan gl Hülfe leisteten,
vielfach gehemmt, hat damit seiner langjährigen Thätig-
keit für die Monumenta Germaniae einen rühmlichen Ab-
schluss gegeben und für eine ihrer wichtigsten Abtheiiun-
gen festen Grund gelegt. Sein unmittelbarer Eortsetzer
Bericht über die zwanzigste Plenarversammlung 1894. 7
Herr Prof. Bresslau, unterstützt durch Herrn Dr. Bloch,
beabsichtigt im nächsten Herbst mit dem Drucke der Ur-
kunden Heinrichs IL (und Arduins) sich anzuschliessen,
für welche ein eigner Band vorgesehen ist. Ausser den
vielen aus deutschen Archiven nach Strassburg entsandten
Diplomen, deren Benutzung Herr Archivdirector Wie-
gand nach Möglichkeit erleichterte, suchte der Heraus-
geber andere an ihren Fundstätten bis nach Nordfrank-
reich, Oberitalien und Oesterreich auf wiederholten Reisen
auf. Besonders gefällig erwiesen sich ihm neben vielen
anderen Förderern unserer Arbeiten Herr P. Wilibald
Hauthaler in Salzburg, Herr Leitschuh in Bamberg,
Herr Könnecke in Marburg und die fürstl. Leiningen'sche
Generalverwaltung in Amorbach.
Nicht minder emsig ist an der erst später in Angriff
genommenen Abtheilung der Karolingerurkunden fortgear-
beitet worden. Während Herr Prof. Mühlbacher in Wien
mit dem Beistande des Herrn Dr. Tangl das deutsche
Material, welches ihm zu einem sehr grossen Theile zuge-
sandt wurde, für die Ausgabe durcharbeitete und überdies
die Regesten der italienischen Karolinger vorbereitete, be-
fand sich sein Mitarbeiter Dr. Dopsch seit Anfang De-
cember in Frankreich, wo er bei systematischer Durch-
musterung der grossen handschriftlichen Urkundensamm-
lungen des 16. bis 18. Jahrh. auf der Nationalbibliothek
schon eine Reihe glücklicher Funde gemacht hat. Ausser-
dem sind von ihm Nancy und Chaumont besucht worden.
Die Fortsetzung der Arbeiten in Paris, die von den HH.
Delisle, H. Omont und A. Giry in liebenswürdigster
Weise gefördert wurden, sowie der Besuch der Archive
der Departements wird sicher noch Monate erfordern. Was
in Deutschland unversendbar war, gedenkt Herr Prof.
Mühlbacher selbst auf einer Reise nach dem Westen
zu erledigen. Die Frage, ob und inwieweit die Urkunden
der westfränkischen Karolinger von 840 an einbegriffen
werden sollen, darf in Erwartung der in Frankreich ge-
planten Ausgabe derselben vorläufig unentschieden bleiben.
In der Abtheilung Epistolae führte Herr Dr. Hart-
mann den Druck des Registrum Gregorii weiter, so dass
das achte und neunte Buch als erstes Heft des zweiten
Bandes ausgegeben werden konnte. Bei ununterbrochener
Fortsetzung der Arbeit darf man das Ende für nächsten
Winter erhoffen. Inzwischen hat seit dem Herbst auch
der Druck des vierten Bandes der Epistolae angefangen,
welcher der Zeit Karls des Grossen gewidmet ist und zu
8 Bericht über die zwanzigste Pleuarversauimluiig 1894.
zwei Dritteln durch Alchvin ausgefüllt wird. Er wird
sicher im Jahre 1895 erscheinen. Der durch die Ver-
setzung- des Herausgebers, des Herrn Prof. Rodenberg,
nach Kiel zeitweise unterbrochene, sehr inhaltreiche dritte
und letzte Band der Regesta pontificum saec. XIII. ist im
Texte fertig gedruckt und kann in wenigen Wochen her-
vortreten. Die dazu gehörigen Register werden dem neuen
Mitarbeiter, Herrn Dr. Harnpe, verdankt.
In der Abtheilung Antiquitates hat Herr Prof. Herz-
berg-Fränkel, ebenfalls durch seine Berufung nach
Czernowitz längere Zeit in der Arbeit gestört, nunmehr
wieder Hand an das noch fehlende Register des zweiten
Bandes der Necrologia Germaniae gelegt und für das Ende
des Jahres den Wiederbeginn des Druckes verheissen. Von
dem dritten Bande der Poetae Carolini wird durch Herrn
Dr. Traube, mit Beihülfe des Herrn Dr. Neff in Mün-
chen, ein letztes Heft vorbereitet, für welches Iohannes
Scotus und Milo von St. Amand bestimmt sind nebst eini-
gen Nachträgen zu den früheren und dem Register. Ein
vierter Band soll endlich den so überaus reichen Stoff der
karolingischen Zeit erschöpfen. Das Neue Archiv ist in
etwas gefälligerer Ausstattung bis zum 19. Bande fortge-
schritten.
Einzelne Vergleichungen oder Abschriften wurden uns
in dem vergangenen Arbeitsjahre freundlichst besorgt (so-
weit nicht schon oben davon die Rede war) von den HH.
Pastor F 1 i e d n e r in Madrid , H a r 1 e s s in Düsseldorf,
Harmer in Cambridge, Hartmann in Wien, Jeayes
in London, Lampel in Wien, Lebegue in Paris, P. G.
Meier in Einsiedeln, A. Molinier in Paris, E. Ouver-
leaux in Brüssel, R. Priebsch in London, Schellhass
und Starzer in Rom, E. M. Thompson in London,
Traube in München, Tschiedel in Rom, Warner in
London, H. Wart mann in St. Gallen. Allen sei unser
wärmster Dank hiermit ausgesprochen, nicht minder den
zahlreichen Archiv- und Bibliotheksvorständen, die uns
ihre Sehätze zu bequemerer Benutzung und zu wahrer För-
derung der Wissenschaft zeitweise anvertrauten.
IL
Ueber
die karolingischen Reichsannalen
von 741—829
und ihre Ueberarbeitung.
II. Quellen und Verfasser des ersten Tlieiles.
Von
F. Kurze.
Hjine kritische Untersuchung der karolingischen Reichs-
annalen und ihrer Quellen kann nicht umhin, das Gebiet
der gesammten karolingischen Annalistik in den Kreis ihrer
Betrachtung zu ziehen. Bei der Ausdehnung der einschlä-
gigen Litteratur ist es mir unmöglich, jede abweichende
Meinung zu bekämpfen; doch bin ich wenigstens bestrebt,
jedesmal anzugeben, wie viel von dem, was ich als richtig
annehme, schon von andern gefunden ist.
1. Die karolingischen Annalen Ms zum Erscheinen
der Laurissenses \
Die noch nicht von den Ann. Lauriss. beeinflussten
Annalen scheiden sich in drei Hauptgruppen: die Gruppe
der Annales S. Amandi und ihrer Verwandten2 (be-
sonders Tiliani bis 737 und Laubacenses bis 791), die Ab-
leitungen der alten Lorscher Jahrbücher (in erster
Linie Ann. Mosellani 3 und Laureshamenses 4) und die der
alten Murbacher Annalen (namentlich Alamannici,
Guelferbytani und Nazariani5, sowie die mit den Alam.
eng verwandten Sangallenses und deren Sippe ,J). Unter
den Annalen, welche eine Mittelstellung einnehmen, sind
besonders die Petaviani ' hervorzuheben, deren erster Theil
augenscheinlich aus den Quellen der beiden ersten Gruppen
kompiliert ist.
Das wichtigste Glied der ersten Gruppe sind die
Annales S. Amandi 691 — 810, deren Name wenigstens auf
1) Ich sehe mich in diesem Abschnitt genöthigt, die durch die
früheren Ausgaben in allgemeinen Gebrauch gekommenen Namen ohne
Einschränkung beizubehalten, obwohl sie fast sämmtlich unzutreffend sind.
Für die von Pertz sogenannten Annales Laurissenses minores gebrauche
ich jedoch die von Waitz eingeführte richtigere Bezeichnung Chronicon
Laurissense und kann daher aus dem herkömmlichen Namen der Reiehs-
annalen den Zusatz 'maiores' fortlassen. 2) MG. SS. I, 6 — 14. 3) SS.
XVI, 491—499. 4) SS. I, 22—39; Jahresbericht des Stifts St. Paul in
Kärnten 1S89. 5) SS. I, 22-31 und 40— 4S. 6) SS. I, 64—86;
Sanctgaller Mittheil. XIX, 265—323. 7) SS. I, 7—13 und 16—18;
A. Mai, Spicil. Rom. VE, 181—190.
12 F. Kurze.
ihren letzten Theil passt, da sie bei den Jahren 783 und
809 Beziehungen zu dem Kloster St. Ainand im Henneg'au
aufweisen. Bis 791 stimmen die Ann. Laubacenses mit
ihnen zu einem grossen Theile wörtlich überein ; da sie aber
die Lokalnachricht zu 783 nicht enthalten, so ist schon
nicht mehr mit Bestimmtheit zu sagen, ob die älteren An-
nalen bis 791 in St. Ainand verfasst oder dort nur um
einen Zusatz zu 783 bereichert und bis 810 fortgeführt
worden sind. Innerhalb dieser Annalen hat Pertz in der
Ausgabe nach dem Jahre 768, W. Giesebrecht aber in
seiner noch oft zu erwähnenden Abhandlung über die
fränkischen Königsannalen und ihren Ursprung1 (S. 226)
nach dem Jahre 771 einen Abschnitt gemacht. Bis 771
gehen die sehr dürftigen Ann. Sangallenses Baluzii 2 und
die noch dürftigeren Ann. S. Columbae Senonensis 3 (mit
denen die Ann. S. Maximini Treverensis i bis 840 fast gleich
lauten) mit den Ann. S. Amaudi und Laubacenses zusam-
men; aus den Ann. Petaviani aber glaube ich schliessen
zu müssen, dass auch das Jahr 772 der Ann. Amandi noch
dem älteren Theile derselben zugehörte. Denn vergleicht
man
Ann. S. Am. : lKarlus rex Ann. Petav. : 'Domnus rex
Karolus perrexit in Saxo-
niain et conquisivit Eris-
burgo
et pervenit ad locum. qui
dicitur Ermensul, et suc-
cendit ea loca',
bellum habuit contra Sa-
xones in Heresburgo',
Ann. Mos.-Lauresh. : 'Fuit rex
Karlus hostiliter in Saxo-
nia et destruxit fanum eo-
ruin, quod vocatur Irmin-
sul',
so erscheinen die Ann. Petav. auch hier noch als Compi-
lation aus den beiden bisher benutzten Quellen. Hingegen
lässt sich daraus, dass die Uebereinstimmung mit den An-
nales Tiliani nur bis 737 reicht, nicht entnehmen, dass hier
eine noch ältere Quelle geendet habe, da der Verfasser
der Tiliani nur darum von seiner ersten Vorlage abgegan-
gen zu sein scheint, um fortan ausschliesslich die Lauris-
senses auszuschreiben''. Wir bekommen demnach einstweilen
als älteste Quelle dieser Gruppe Annalen von 691 — 7 72
von ungewisser Herkunft; dieselben weiter in ihre Anfänge
zu verfolgen, behalten wir uns für später vor.
Mit grosser Sicherheit lassen sich aus den Annales
1) Münchener historisches Jahrbuch 1865, 187—238. 2) SS. I,
63; Sanctgaller Mittheilungen XIX, 224—265. 3) SS. I, 102—109.
4) SS. IV, 6 f. 5) Das Gleiche gilt von Regino.
Ueber die karolingischen Reichsannalen von 741 — 829. 13
Mosellani und Laureshamenses die verlorenen Lorscher
Jahrbücher von 703 — 7 85 wiederherstellen; denn die
beiden Ableitungen verhalten sich bis dahin fast wie zwei
Abschriften desselben Werkes. Dass das Kloster Lorsch
die Heimath ist, ergiebt sich zweifellos aus den Lokal-
nachrichten zu 764. 765. 771. 775 und 784, die ja auch
der zuerst bekannt gewordenen Ableitung den Narnen Ann.
Laureshamenses eingetragen haben. Aus einer Notiz in
den Mosellani zu 777, welche die seit dem Tode Gregors I.
bis zu diesem Jahre verflossene Zeit berechnet, und einer
ganz entsprechenden in den Lauresh. zu 785 gerade an der
Stelle, wo die Uebereinstimmung mit den Mosellani auf-
hört, hat W. Giesebrecht (S. 225 f.) den scharfsinnigen
Schluss gezogen, das durch die erste das Ende des un-
selbständigen Theiles, durch die zweite aber der Abschluss
einer ersten Recension der Lorscher Annalen bezeichnet
werde. Aus dieser ersten Recension, welche bis 777 im
Wesentlichen nur Abschrift einer älteren Quelle zu sein
scheint, die wegen der Nachrichten zu 761. 762. 765. 766
und 769 wohl nur in Gorze geschrieben sein kann, sind
die Annales Mosellani x und Flaviniacenses 2 bis 785 abge-
leitet ; die zweite Recension dagegen, in welcher die Jahres-
berechnung zu 785 den Beginn der neuen Fortsetzung an-
zeigt, liegt uns in den Ann. Laureshamenses vor und von
769 an in dem Fragmentum Annalium Chesnii3 des Codex
Vaticanus Christ, reg. 213.
Ein werthvolles Hülfsmittel zur Wiederherstellung des
ältesten Wortlautes bilden für den älteren Theil auch die
Ann. Petaviani, welche aus der Quelle der Lorscher An-
nalen geschöpft haben. Dass dies letztere wirklich der
Fall ist und die Petaviani nicht etwa bloss mit Benutzung
der Lorscher Jahrbücher selbst geschrieben sind, ergiebt
sich aus einer Stelle, wo die Mosellani und Laureshamenses
übereinstimmend nur eine Verstümmelung eines in den
Petaviani unversehrt überlieferten Textes geben: zu 717
haben die Petaviani 'in die dominico, die XV. ante pascha',
was mit der Angabe der Ann. Sangall. Baluzii ('XV dies
ante pascha') zu vergleichen ist und mit dem dort über-
lieferten Datum 'XII. Kai. Apr.' stimmt, während die
Mosellani und Laureshamenses nur 'in dominica die ante
pascha' haben.
1) Ueber die später angehängte Fortsetzung derselben von 7S8 — 798
(mit den unrichtigen Jahreszahlen 787 — 797) werden wir späterhin zu
handeln haben. 2) SS. III, 149—152; vgl. N. A. V, 4SI. 3) Du
Chesne Script. II, 21—23; MG. SS. I, 30—34.
14 F. Kurze.
Die Gleichartigkeit der beiden Notizen zu 777 und
785 scheint mir anzudeuten, dass die zweite Eecension von
demselben Verfasser herrührt wie die erste. Die Annahme
W. Giesebrechts (S. 226 f.), dass in der zweiten Eecension
erst so manche für Lorsch bedeutsame Notiz hinzugefügt
sei, halte ich jedoch für unbegründet: denn es braucht
doch nicht alles, was in den Mosellani fehlt, auch in der
von ihnen benutzten Quelle gefehlt zu haben, und warum
sollte der Lorscher Annalist erst bei der zweiten Ausgabe
seines Werkes eingefügt haben, was ihm bei der ersten
um acht Jahre näher lag? Es ist sogar sehr möglich, da
von 786 an sich keine unmittelbaren Beziehungen zu Lorsch
selbst mehr finden, dass die zweite Eecension gar nicht in
Lorsch verfasst ist; vielleicht begann der Annalist gerade
darum seine Arbeit von neuem, weil er das Kloster ver-
liess und den Originalcodex nicht mitnehmen durfte. Mög-
licherweise wurde er in die Umgebung eines Bischofs be-
rufen, sei es nun des von Worms, das von 787 — 790 drei-
mal erwähnt wird, oder Angilrams von Metz, wie Watten-
bach (I6, 145) vermuthet, oder auch Eiculfs von Mainz. In
diesem Falle hätte er um so weniger Veranlassung gehabt,
dem älteren Theile seines Werkes auf Lorsch bezügliche
Notizen nachträglich einzuflechten ; vielmehr müssten dann
alle vorliegenden Lorscher Nachrichten schon in der ersten
Eecension gestanden haben und nur vom Verfasser der
Mosellani, der ja selbst nicht in Lorsch schrieb, ausgelassen
sein. Doch verkenne ich nicht, dass man gerade in der
dreimaligen Erwähnung von Worms weitere Beziehungen
zu Lorsch erblicken kann; als Veranlassung zum Beginn
einer zweiten Eecension Hesse sich etwa denken, dass das
ältere Exemplar um 785 aus dem Kloster weggegeben
wurde. Unter dieser Voraussetzung lässt sich freilich
schwer entscheiden, welche von den in den Lauresh. allein
überlieferten Nachrichten der ersten und welche der zweiten
Eecension zuzuweisen sind. Diese Unterscheidung hat auch
wenig Werth.
Die Annales Laureshamenses enden erst beim Jahre
803. Da sie offenbar nicht bis zu Ende in Lorsch ge-
schrieben sind, so hat W. Giesebrecht (S. 227) die Ver-
nruthung ausgesprochen, dass der letzte Theil in der Pfalz
zu Aachen entstanden sein möchte; als Grenzjahr nimmt
er 793 an, weil in dem verlorenen Lorscher Codex der
Laurissenses x diesen ein Stück der Laureshamenses mit
1) Vgl. den ersten Theil dieser Abhandlung N. A. XIX, S. 298, A 1.
Ueber die karolingischen Reichsannalen von 741 — 829. 15
den Jahren 789 — 793 angehängt war. Der Abfassungs-
ort ist uns zunächst gleichgültig. Mit der Theilung beim
Jahre 793 kann ich mich aber nicht einverstanden er-
klären, da das Aufhören des verlorenen Codex bei 793 in
irgend welchen Zufälligkeiten seinen Grund haben kann;
wir wissen ja gar nicht einmal, ob er nicht etwa verstüm-
melt war. Nimmt man vollends an, dass die zweite Recension
der Lorscher Annalen, von der die Laureshamenses abge-
leitet sind, schon von 786 an überhaupt nicht in Lorsch
geschrieben war, so kann man um so weniger dem End-
punkte eines Lorscher Codex irgend welche Bedeutung für
die Gliederung dieser Annalen beimessen. Auch zeigen
die Jahre 791—793 ganz dieselbe in ziemlich langen und
wohlstilisierten Perioden dahinfliessende Schreibweise wie
die folgenden. Wenn man also die Ann. Lauresh. nach
786 irgendwo theilen will, so führt die Betrachtung des
Stiles darauf, schon hinter dem Jahre 790 einen Absatz
anzunehmen.
Eine solche Theilung halte ich aber mit Giesebrecht
für nothwendig, auch unter der Voraussetzung, dass die
Annalen schon von 786 an ausserhalb des Klosters verfasst
seien. Denn das ganze Stück von 791 an bis gegen 799
hin scheint mir nicht gleichzeitig, sondern erst später in
einem Zuge geschrieben zu sein. Dass es mit der Gleich-
zeitigkeit mindestens nicht so ganz streng zu nehmen ist,
beweist das Jahr 795: denn hierunter wird irrig der Be-
such des avarischen Tudun am Hofe zu Aachen berichtet,
welcher erst im folgenden Jahre erfolgte, sowie der Tod
des Papstes Adrian am 25. Dec, der doch erst zu Anfang
des folgenden Jahres im Frankenreiche bekannt werden
konnte und darum auch in den Laurissenses und Mosellani
(natürlich unrichtig) zu diesem gestellt wird, und die An-
fertigung einer Grabschrift für den Verstorbenen, die auch
erst 796 hergestellt sein kann. Gegen gleichzeitige Ab-
fassung spricht ferner die vielbesprochene Verwandtschaft
der Laureshamenses mit anderen Annalen, welche nicht
aus ihnen abgeleitet zu sein scheinen.
Die Richtigkeit einer Theilung beim Jahre 790 wird
aber endlich dadurch bestätigt, dass hier auch die als
Fragm. Ann. Chesnii bekannte Ableitung endet; denn die
hierunter noch angehängten Jahre 791 — 806 sind ja ein-
fach aus den Laurissenses abgeschrieben. Wir kommen
demnach zu dem Ergebnis, dass die zweite Recension
der Lorscher Annalen bis 790 reichte, worin die
Verwandtschaft ihrer beiden Ableitungen bis zu diesem
Iß F. Kurze.
Jahre ihre E^iärung findet; die starken Abweichungen
zwischen beiden von 786 und noch mehr von 787 an kom-
men daher, dass die eine die Vorlage wahrscheinlich besser
zu stilisieren strebte und vielleicht auch, wie schon vor
785, einzelne Notizen ausliess, während die andere sie zwar
ebenfalls hier und da verkürzt, andererseits aber wieder
um manche Nachricht bereichert und bei dieser selbstän-
digen Bearbeitung erst recht stilistisch verunstaltet zu
haben scheint K
Von den drei Hauptabtheilungen der alten Mur-
bacher Annalen (M) setzen die Guelferbytani (G) erst
mit 740 ein; bei den Alamannici (A) und Nazariani (N)
beginnt aber die wörtliche Uebereinstimmung schon 708,
und sie dauert zwischen allen dreien fort bis 790, wo N
endet, während A und G von da an aus einander gehen.
Murbacher Nachrichten enthalten alle drei zu 744. 755 und
762, G und N auch zu 767 und 774, G allein zu 787, A
allein noch zu 793. Ohne Zweifel liegt also allen dreien
eine Murbacher Quelle zu Grunde ; wenn man aber genauer
zusieht, so findet man doch, dass das Verhältnis der drei
Ableitungen zur gemeinsamen Quelle durchaus nicht bei
allen das gleiche sein kann. C. Th. Heigel 2 hat zuerst
erkannt, dass nur G eine unvermischte Ableitung von M
ist, während A und N daneben noch eine andere Grund-
lage haben, die ihnen mit den Lorscher Annalen3 gemein
ist. In einigen Punkten bedarf sein Ergebnis jedoch noch
einer Ergänzung.
Zunächst halte ich zum Beweise der von ihm nicht
sehr eingehend begründeten Annahme, dass G nicht etwa
eine verstümmelte und verdorbene, sondern die einzige
treue Ableitung aus M ist, folgende Bemerkungen nicht
für überflüssig. Der Jahresbericht zu 741 heisst in A und
N übereinstimmend: 'Karolus mortuus et Theodoaldus inter-
fectus est', in G aber: 'Teudeballus reversus in Alsatia re-
bellavit cum Wascones, Baiuvarii et Saxones'. Diese letz-
tere Nachricht findet sich nur in G und kann unmöglich
anders woher stammen als aus M, ist aber in A und N
gleichmässig durch eine andere verdrängt, die wörtlich
ebenso auch in den Ann. Mosell. und Lauresh. steht. Dazu
stimmt, dass in G auch zu 742. 746 und 762 von 'Wasco-
nes' und 'Wasconia' die Eede ist, wo A und N (wie auch
1) Meine frühere Ansicht über das Fragmentum Chesnii (N. A.
XVII, 127) findet hierdurch ihre Erledigung ; vgl. den dritten Theil meiner
Abhandlung. 2) Forschungen V, 397—403. 3) Unter Lorsch er An-
nalen verstehe ich stets die oben besprochenen, niemals die Laurissenses.
Ueber die karoliugischen Reichsannaleu von 741 — 829. 17
760) von 'Equitania' sprechen, während docn dazwischen
auch einmal alle drei zu 761 'in Wasconia' haben und
ebenso N allein zu 766; woraus hervorgeht, dass diese Be-
zeichnung sich bereits in der gemeinsamen Quelle M fand
und nicht etwa erst in G für 'Equitania' eingesetzt ist.
Eine besondere Nachricht hat G allein auch zu 761: 'Fran-
cia (für 'Eranci') in Wasconia, Clarmonte conquesierunt',
offenbar aus M; dafür haben A und N wie die Ann. Mos.
und Lauresh. : 'Pippinus (AN) rex fuit (N) in Wasconiam
(AN) cum exercitu (N) usque ad Limodiam civitatem
(AN)'.
Nun soll nach Heigel der Verfasser von N die älteste
Quelle der Mosellani ('alte alamannische Annalen') benutzt
haben, und zwar wegen des Fehlens der auf Chrodegang
und Gorze bezüglichen Notizen eine Hs. derselben, welche
die in Gorze entstandene Fortsetzung derselben noch nicht
enthielt. A dagegen hält er für die Abschrift einer nach
790 in Murbach unter Herbeiziehung der Annales Lauresha-
menses entstandenen und bis 799 fortgesetzten Erweiterung
der alten Klosterannalen. Indessen schon die viermal ganz
gleichmässig in A und N wiederkehrende Bezeichnung 'Equi-
tania', für welche die Ann. Mos. und Lauresh. nur 'Wasco-
nia' kennen, ist auf diese Weise nicht zu erklären. Ferner
aber reicht die wörtliche Uebereinstimmung zwischen A
und N in Wendungen und ganzen Sätzen, welche sich in
G nicht finden, weit über 764 hinaus, nämlich bis 781:
noch 781 ändern A und N den in G überlieferten Nomi-
nativ 'Mai campus', der den gleichartigen Notizen zu 773.
775. 776. 777 und 779 entspricht und daher unzweifelhaft
aus M stammt, übereinstimmend ab in 'et habuit Mai cam-
pum'. Folglich müssen A und N eine gemeinsame Vor-
lage gehabt haben, die aus M und einer in den Lorscher
Annalen enthaltenen älteren Quelle compiliert war. Wir
werden späterhin sehen, dass diese Compilation wahrschein-
lich ebenfalls in Murbach verfasst war; um einen Namen
für sie zu haben, bezeichne ich sie daher schon jetzt im
Gegensatz zu den alten Murbacher Annalen (M 1) als zweite
Recension derselben (M 2).
Auffällig ist es ferner, dass in G (wie auch sehr oft
in A und N) als Handelnde fast immer nur die 'Franci'
erscheinen, dagegen statt ihrer in A und N 745 'Karlo-
mannus et Pipjünus', 762 in A 'rex Pippinus' und in N 'rex
Pippinus cum Francis', 773 und 775 in A 'rex Karolus'
und in N 'Carolus rex cum exercitu Francorum', ähnlich
776 in A 'Karolus rex' und in N 'Carolus rex cum Fran-
Neues Archiv etc. XX. 2
18
F. Kurze.
eis'. Vergleicht man damit das von Heigel angezogene
Jahr 754:
A (= Mos. nnd Lauresh.): N: 'Venit Dassilo ad Martis
'Venit Dassilo ad Martis campnm, Francique absque
campum'; G: Tranci abs- bello quieverunt';
que bello quieverunt';
so kann entweder N als getreue Abschrift von M 2 ange-
sehen werden, das dann in A etwas gekürzt sein müsste,
oder es ist anzunehmen, dass M 2 rein in A vorliegt, in N
aber mit M 1 vermischt ist. Man erhält dann folgendes
Schema x :
Quelle der Lorscher Annalen
Ml
M2
A N
G.
E. Seraphim 2 hat bemerkt (S. 44), dass der Charakter
der Murbacher Annalen sich nach dem Jahre 781 ändert;
das folgende Stück von G ist nicht dem vorangehenden
aus M 1 entnommenen gleichartig, sondern den aus M 2
geflossenen Ableitungen A und N. Zu 780 heisst der Be-
richt noch einmal in alter Schlichtheit : 'Franci in Saxonia,
deinde Karolus (fehlt A, 'Car. rex' N) ad Romain' ('per-
rexit' N) ; desgleichen zu 781, wo uns, wie wir sahen, wieder
nur G allein den reinen Text von M 1 erhalten hat : 'Karolus
reversus de Roma, Mai campus ad Wormatia'. Von da an
aber kommen die 'Franci' nicht mehr als selbsthandelnd
vor: 782 haben A, N und G 'Rex Carolus cum Francis',
1) Abzusehen ist dabei von den Zusätzen einer sächsischen Hand
in dem ei'haltenen Autograph von N, welche den Lorscher Jahrbüchern
entnommen sind. Daneben hat aber vielleicht auch schon der Verfasser
von N selbst eine Ableitung dieser Quelle benutzt, und zwar in der Fas-
sung der Mosellani; denn 724 hat N allein die sinnlose Notiz 'levavit
contra Carlo1, ganz wie die Ann. Mosell., während der Satz nach den
Lauresh. vollständig heisst: 'levavit se Raginfridus contra Carlo1. Doch
könnte das Zusammentreffen ja allenfalls auch bloss zufällig sein. Andrer-
seits enthält A einige besondere Zusätze, die aus den Lorscher Jahr-
büchern zweiter Recension genommen sind : 774 'Et Karolus Romam per-
venit', 779 'Farnes magna et mortalitas in Francia1, 781 'Pippino baptizato'
und 786 'deinde ad saneti Benedicti et ad Capuam, et cruces in vestibus
apparuerunt'. Vielleicht aber ist es auch nur Zufall, dass sie in N nicht
stehen, da M 2, wie wir sogleich sehen werden, weiterhin von der zweiten
Recension der Lorscher Annalen abhängig ist. 2) Quellenkritische Unter-
suchungen der kleineren karolingischen Annalen, Programm Fellin 1887.
Ueber die karolingi sehen Reichsannalen von 741 — 829. 19
wie früher N allein, ebenso G auch 783 (A hier nur 'Karo-
lus rex', N 'rex Kar. cum exercitu Francorum'), 785 alle
drei 'rex Karolus', 786 A und G ebenso, 787 'Karolus'. Es
scheint also, dass M 1 selbständig- nur bis 781 geführt, das
Stück von 782 bis 790 aber als Fortsetzung- von M 2 ge-
schrieben und erst von hier in den Urcodex von M 1 ge-
langt ist. Gleichwohl scheint aber sowohl diese Fortsetzung
von 782 bis 790 als auch die weitere bis 799, welche sich
in A (und den Ann. Sangallenses) anreiht, wegen der Kloster-
nachrichten zu 787 und 793 ebenfalls in Murbach geschrie-
ben zu sein. Darum meine ich, wie oben geschehen, die
in A und N benutzte Compilation, welcher diese Fort-
setzungen angehängt waren, als eine zweite Eecension
der Murbacher Annalen bezeichnen zu dürfen.
Auf die Verwandtschaft der Murbacher Annalen von
782 bis 790 mit den Ann. Laureshamenses und dem Frag-
mentum Chesnii haben bereits Dünzelmann \ Arnold 2,
Bernays3 und Seraphim hingewiesen: ich meine aber, dass
man zu ihrer Erklärung keine verschwundenen 'Hofannalen'
nöthig hat, dass vielmehr die bis 790 reichenden Lorscher
Annalen selbst die Quelle waren. Als selbständige Zusätze
der Murbacher bleiben nur bestehen: 784 'ad Lippiham'
als Ort des Rheinübergangs, 787 'ad Paveiam' als Karls
Reiseziel bei seiner Rückkehr von Rom für das in den
Lauresh. und dem Fragin. Chesnii überlieferte weniger ge-
naue 'ad Franciam' und ebenda 'et resedit Wormatia' als
Aufenthalt Karls vor der Heerfahrt gegen Baiern, wäh-
rend die Laureshamenses Karl nur aus Baiern nach Worms
zurückkehren lassen.
Auf die Beziehungen der zweiten Fortsetzung in M 2
(791 — 799) zu anderen Annalen werde ich späterhin näher
eingehen. Die Ann. Nazariani enthalten diesen Theil da-
rum nicht mehr, weil sie selbst bald nach 790 verfasst
sind. Die Schrift des erhaltenen Codex scheint4 noch dem
Ende des achten Jahrh. anzugehören, und bedeutende selb-
ständige Einschaltungen zu den Jahren 786 und 788 lassen
darauf schliessen, dass der Verfasser ein Zeitgenosse war,
der, wie Heigel aus der Erwähnung des Bonifatiusklosters
richtig folgert, in Hessen oder Thüringen, wenn nicht gar
in Fulda selbst, lebte.
Es gilt nun, den verlorenen Annalen von Gorze
1) Beitr. z. Kritik d. karol. Ann., NA. II, 509. 2) Beitr. z. Kr.
karol. Ann., Königsberg 1878. 3) Z. Kritik karol. Ann., Strassburg 1883.
4) Nach Pertz, SS. I, 22.
2*
20 F. Kurze.
näher zu treten, aus welchen nicht nur die Lorscher Jahr-
bücher bis 777, sondern zum Theil auch die Ann. Peta-
viani abgeleitet sind. Dass die letzteren in ihrer ersten
Hälfte x eine Compilation aus der Quelle der Annalen von
St. Amand und den Annalen von Gorze sind, ist augen-
fällig und längst bemerkt; sollte nun die zweite Quelle
nicht bis zum Jahre 777, wo sie endete, benutzt sein?
Die Vermuthung ist gewiss gerechtfertigt, eine sichere Er-
kenntnis aber schwer zu gewinnen, weil die Petaviani von
etwa 772 an stilistisch selbständiger werden und dabei doch
eine weit über das Jahr 777 hinausreichende Verwandt-
schaft mit den Ann. Laureshamenses zeigen, für welche
wir später nach einer Erklärung suchen werden.
Wie die Petaviani sind auch die Ann. Sangallenses
Baluzii aus je einer Quelle der Ann. S. Amandi und der
Annalen von Lorsch compiliert. Ild. v. Arx und Pertz
haben in ihrer Ausgabe (SS. I, 63) nur die Verwandtschaft
mit den Ann. S. Amandi erkannt und auch diese nur bis
764 gelten lassen wollen; von 768 an sollten die Annalen
ihrer genauen Zeitangaben wegen selbständig sein. Aber
das Versehen des Annalisten, dass er Pippin 'VIII. Id. Oct.'
statt 'VIII Kai. Oct.' sterben und infolge dessen die am
9. October erfolgte Salbung seiner Söhne 'in sequente die'
geschehen lässt, beweist seine fernere Abhängigkeit von
geschriebenen Quellen. Zu diesen gehörte aber, wie die
Notizen zu 719 (für 717) und 741 beweisen2, ausser der
Quelle der Ann. S. Am. auch die der Jahrbücher von
Lorsch, und zwar dieselbe, welche in den Petaviani be-
nutzt ist, d. h. die Annalen von Gorze. Selbständige Nach-
richten sind in dem erhaltenen St. Galler Codex vom An-
fange des IX. Jahrh. offenbar nur die vier letzten, welche
zu 801. 805. 813 und 814 eingetragen sind; bis 783, wo
die regelmässigen Eintragungen enden, müssen die An-
nalen wohl aus einer Vorlage abgeschrieben sein. Diese
war also compiliert aus der Quelle der Ann. S. Am. und
den Annalen von Gorze, wahrscheinlich um 783; von 773
an sind aber neben den letzteren auch die von Murbach be-
1) Bis 772 ; s. o. S. 12.
2) Ann. Sangall. Bai. :
719 : 'hoc anno pugna (= pugna-
vit) Karlus in Vinciaco XII. Kai.
April. XV dies ante pascha'.
741: 'Carlus moritur et Teodol-
dus interficitur'.
Ann. Mos. u. Lauresh. :
717 : 'pugnavit Karlus contra
Francos in Vinciaco in dominica die
ante pascha'. (Petav. : 'die XV. ante
pascha').
741 : 'Karlus mortuus et Teodold
interfectus est'.
Ueber die karolingischen Reichsannalen von 741 — 829. 21
nutzt 1, und darum lässt sich, wie in den Petaviani, wieder
nicht unmittelbar beobachten, wie weit die Benutzung der
Ann. von Gorze reicht 2. Indessen aus der nur in den Ann.
Petav. und Sangall. Bai. vorkommenden Nachricht vom Bau
einer Kirche zu Paderborn 777 ist zu erkennen, dass beide
noch 777 die gemeinsame Quelle benutzt haben3.
Hat also W. Giesebrecht den von Pertz angenom-
menen Endpunkt des unselbständigen Theiles der Ann.
Petav. von 770 auf 771 herabgerückt, weil da (richtiger
772) die darin benutzte Quelle der Ann. S. Amandi ende,
so werden wir denselben wegen der andern, bei 777 enden-
den Quelle nun auch noch bis unter dieses Jahr hinab-
schieben müssen. Nun hielt W. Giesebrecht (S. 225), dem
sich Wattenbach (V\ 144) angeschlossen hat, dafür, dass
die Annales Petaviani in Gorze (wegen der Notizen zu 765
bis 769) compiliert worden seien und dann irgendwo anders
('es erhellt nicht deutlich wo') eine Fortsetzung bis 799
erhalten hätten; damit werden also die Petaviani nicht
bloss in einen unselbständigen und einen selbständigen
Theil geschieden, sondern es wird auch vorausgesetzt, dass
der erstere als eine ältere Redaction für sich allein exi-
stiert habe. Diese Annahme aber wird durch die Verschie-
bung des Grenzjahres nicht nur nicht angefochten, son-
dern gewinnt dabei sogar noch sehr an Wahrscheinlichkeit.
Bis 778 (ganz sicher mindestens bis 776) scheinen die Peta-
viani nämlich in den Laurissenses benutzt zu sein4, und
bis zu demselben Jahre reicht auch die Verwandtschaft
derselben mit den Ann. Maximiniani, auf welche Arnold
(S. 9 — 11) aufmerksam gemacht hat. In der gemeinsamen
1) Ann. Mos.-Lauresh. 773 : 'Fuit
rex Karlus in Italia provincia';
Ann. Guelf. 773 : '. . . et Franci
in Langobardia'.
Ann. Mos.-Lauresh. 774: '. . . et
perrexit usque ad Romam' ;
Ann. Guelf. 774: 'Paveia con-
quesita est; Karolus reversus est in
Franciam'.
Ann. Guelf. 778 : 'Karolus rex in
Spania'.
Ann. Guelf. 781: 'Karolus rever-
sus de Roma'.
Ann. Sang. Bai. 773 : 'hoc anno
domnus Karolus perrexit in Italia
cum Francis'.
A. Sang. B. 774: 'hoc anno per-
rexit domnus Karolus ad Romam
. . . adquisivit Peccunia (= Paveia)
civitate ... et cum gaudio reversus
est in Francia'.
A. S. B. 778 : '. . . domnus rex
Karlus perrexit in Spania'.
A. S. B. 781: 'd. r. K. reversus
est de Roma'.
2) Deutlich nur bis 774 ; siehe die vorige Anmerkung. 3) Diese Notiz
findet sich allerdings gerade in der treusten Ableitung der Gorzer An-
nalen, den Lorscher Jahrbüchern (Ann. Mosell.-Lauresh.), nicht; aber
warum sollten diese nicht auch einmal einen Satz aus ihrer Vorlage aus-
gelassen haben? 4) S. unten S. 33.
22 F. Kurze.
Erwähnung* der sonst nirgends genannten Orte Osca, Bar-
celona und Gerunda berühren sich die Petav. und Maxim,
gerade 778 noch einmal auf das engste, um dann für
immer auseinander zu gehen. Man muss Arnold Recht
geben, dass die Petaviani, wie sie vorliegen, nicht die
Quelle der Maximiniani sein können; wenn man aber jene
nach dem Jahre 778 theilt und den ersten Theil nur als
eine (vielleicht hier und da auch ungenaue) Abschrift einer
älteren Recension x betrachtet, so hindert nichts, dieselbe
auch als Quelle der Maxim, anzusehen.
Haben nun die in den Ann. Alam. (A) und Nazar. (N)
ausgeschriebenen Murbacher Annalen zweiter Recension
(M 2), welche mit den Mosellani und Laureshamenses eine
gemeinsame Quelle gehabt haben müssen, ebenfalls aus
den Jahrbüchern von Gorze geschöpft? Wörtliche Ueber-
einstimmung der Mosell. und Lauresh. mit A und N tritt
zuletzt in den Worten 'rex Pippinus . . conquisivit Limo-
diam civitatem et alias civitates' zu Tage, die in A (nur
bis 'Limodiam') und N unter 766, in den Mos. und Lauresh.
unter 767 stehen. Doch ist damit keineswegs zu erweisen,
dass die gemeinsame Quelle hier geendet haben müsse.
Im Gegentheil, wenn man A und N weiterhin mit den
Guelferbyt. (G) vergleicht, so findet man noch zu 774 in
A und N einen Satz, der in G fehlt und darum nicht in
M 1, sondern nur in M 2 gestanden zu haben scheint: 'et
Desiderius rex et Ansa uxor eius ('pariter' A) exiliati sunt'
('in Franciam' N), eine Nachricht, die mit der Erwähnung
des Namens Ansa ganz allein steht. Wenn nun der Verf.
der Lorscher Annalen zu demselben Jahre 774 sich mit
den Worten 'Et regnaverunt Langobardi, ut ipsi autu-
mant, annos CCXIIII' auf einen langobardischen Gewährs-
mann beruft, so gewinnt es angesichts der Notiz in A
und N den Anschein, dass er eine schriftliche Quelle
meint, welche einen Langobarden zum Verfasser hatte. Zu
dieser Annahme passt, dass in den Ann. Mos., Lauresh.
und Petav. der Tod der langobardischen Könige Heribert
(zu 712) und Haistulf (zu 756) angemerkt wird, der Tod
des letzteren auch in A und N zu 755. Diese Quelle der
1) "Will man die Entstehung dieser älteren Recension der Annales
Petav. mit GHesebrecht und Wattenbach nach Grorze setzen, wozu die aller-
dings aus den Grorzer Annalen entlehnten Nachrichten über das Kloster
vielleicht einige Berechtigung verleihen, so könnte man sie auch als zweite
Recension eben dieser Annalen von Gorze bezeichnen. Ich ziehe aber die
Bezeichnung 'ältere Recension der Ann. Petav. (bis 778)' vor, da sie ohne
weiteres verständlich ist.
Ueber die karolingischen Reichsannaleu von 741 — 829. 23
Lorscher Annalen kann aber keine andere sein, als die
aus Gorze. Dass dieselbe nicht in allen ihren Ableitungen
gleich stark benutzt, bezw. dass nicht jede Notiz der Quelle
in alle Ableitungen übergegangen ist, darf uns nicht Wun-
der nehmen. Vielleicht ist auch noch die allein in den
Petav. zu 776 überlieferte Nachricht von der Belagerung
des Stabilinius in Treviso auf dieselbe Quelle zurückzu-
führen; möglich wäre auch, dass die ältere Recension der
Ann. Petav. ( — 778), wenn sie wirklich in Gorze entstanden
ist, denselben langobardischen Verfasser gehabt hätte, wie
die Annalen von Gorze ( — 777) selbst.
Demnach sind für die frühere Zeit drei nicht
unmittelbar erhaltene Quellen ermittelt, die der
Annales S. Amandi, welche bis 772 reichte, die Jahr-
bücher von Gorze, welche 777 endeten und vielleicht
von einem Langobarden verfasst waren, und die Mur-
bacher Annalen, die mit Karls Tode begannen und
beim Jahre 781 vorläufig einen Abschluss fanden. Für die
Frage nach dem ersten Anfange der Karolingischen An-
nalistik kommen nur die beiden ersteren Quellen in Be-
tracht. Natürlich kann weder die eine, noch die andere
von Anfang an bis zu Ende von einem Verfasser in gleich-
massiger Verfolgung der Ereignisse geschrieben sein, und
es ist auch kaum denkbar, dass man an zwei verschiedenen
Orten, ganz ohne sich um einander zu kümmern und ohne
bei Dritten Nachahmung zu finden, sechzig Jahre hindurch
an solchen Annalen gearbeitet hätte. Schon dass die an-
nalistischen Eintragungen in beiden Quellen mit Drogo's
Tod 708 beginnen — denn die in den Ann. S. Am., wie
die in den Mos. und Lauresh. vorangehenden Notizen stehen
noch ausserhalb der eigentlichen Annalen — , kann nicht
reiner Zufall sein; dennoch sind beide von vorn herein so
verschieden von einander, dass man nicht einfach die eine
aus der andern ableiten kann, vielmehr meine ich deutlich
in der ersteren austrasischen, in der andern neust ri-
schen Ursprung zu erkennen.
Die Annalen von S. Am and verzeichnen nicht nur
mit grösster Genauigkeit die austrasischen Heerfahrten in
den Jahren 709 — 712 und 730 gegen die Alamannen, son-
dern auch 713 den Tod des Bischofs Suidbert, der in den
Rheinlanden wirkte, 'in mense Martio', 714 den Tod des
in Lüttich ermordeten Grimoald 'in mense Aprili', 715 den
Einfall der Sachsen in das Gebiet der Hattuarier, 716 das
Vordringen der Friesen bis Köln 'mense Martio', 719 Rat-
bods Tod und 753 den Tod des Bischofs Hildegar von
24 F. Kurze.
Köln. W. Giesebrecht (S. 224 f.) hat darum gemeint, dass
ihre Quelle wahrscheinlich 'im Kölnischen entstanden' sei,
'vielleicht im Schottenkloster St. Martin in Köln selbst,
einer Stiftung Pippins von Heristal' ; Wattenbach (I6, 143)
findet diese Annahme nicht ausreichend begründet und
will die Annalen lieber einem Mitgliede der Hofgeistlich-
keit zuschreiben : soviel aber kann man wohl mit Bestimmt-
heit sagen, dass diese Annalen in Austrasien — sei es
nun am Hofe der Hausmeier oder in irgend einem ripua-
rischen Kloster, welches der Familie derselben nahe stand — ,
ihren Anfang genommen haben müssen.
Die beiden fehlerhaft angesetzten Notizen am Ein-
gange der Ann. S. Amandi (691 Schlacht bei Tertry, 702
Hildeberts Tod), welche unter denselben Jahren auch in
den Ann. Sangall. Bai. stehen, scheinen der Zusatz eines
der späteren Fortsetzer zu sein; der zu 691 gebrauchte
Ausdruck 'superavit' kehrt bei den Jahren 755 und 761
wieder. Die Annalen beginnen also eigentlich erst 708 ;
doch glaube ich nicht, dass Drogo's Tod den Anlass zur
ersten Aufzeichnung gab, vielmehr wohl erst Pippins Tod
oder die Schlacht bei Vincy, die der Verfasser in richtiger
Würdigung ihrer Wichtigkeit so genau datiert.
Während nun aber schon nach 720 die Eintragungen
hier unregelmässiger werden, scheint um dieselbe Zeit, zwi-
schen 720 und 725, durch sie eine gleiche annalistische
Thätigkeit in Neust rien angeregt worden zu sein. Die
Jahrbücher von Gorze, wie sie sich aus den Lorscher An-
nalen, den Ann. Petaviani, Alamannici und Nazariani wieder-
herstellen lassen, merken zu 711 den Tod des merovingi-
schen Königs Hildebert richtig an, zu 715 den seines Nach-
folgers Dagobert, und zu 727 den des freilich schon 720
zu Attigny gestorbenen Childerich ('Daniel in Attiniaco
mortuus'). Ferner wird zu 715 als 'pugna Francorum' der
Kampf der beiden neustrischen Parteien beim Walde Cotia
erwähnt, zu 719 die Schlacht bei Soissons berichtet, sowie
724 der Aufstand des 717 von Karl überwundenen Eegin-
frid und 731 sein Tod, endlich 741 der Tod des 715 von
Eeginfrid verdrängten Theudoald. Deutet dies auf neustri-
schen Ursprung, so weisen die Notizen zu 726 und 728,
welche den Tod des Abtes Martin von Corbie und des
Bischofs Haldulf von Cambray berichten, sogar nach einer
bestimmteren Richtung, vielleicht nach Corbie selbst, wo
eben dieser Martin in vertrauteren Beziehungen zu Karl
gestanden haben soll.
Mich dünkt, dass diese Stellen weit schwerer für neu-
Ueber die karolingischen Reichsannalen von 741 — 829. 25
strischen Ursprung ins Gewicht fallen, als die von Giese-
breckt (S. 223) betonte Erwähnung- der Herzöge Gotefrid
(709) und Lantfrid (730) und des Bischofs Audoin von Kon-
stanz (736) für alamannischen. Auf die Herkunft dieser
drei alamannischen Nachrichten werden wir sehr bald zu-
rückkommen. Die Erwähnung- des 712 gestorbenen lango-
bardischen Königs Haribert ist vielleicht erst Zusatz des
späteren langobardischen Ueberarbeiters in Gorze. Die auf
Angelsachsen und Iren bezüglichen Nachrichten zu 703 —
707. 712. 725. 726. 729 bis hinab zu Beda's Tod 731 statt
735 werden wohl auf angelsächsische Ostertafeln zurück-
gehen x und darum erst später mit dem neustrischen Grund-
stock zusammengebracht sein.
Drogo's Tod 708, Pippins Zug nach Schwaben 710,
sein Tod 714, Karls Kampf mit Ratbod 716, sein Sieg bei
Vincy 717, seine Sachsenkriege 718 und 720 und Eatbods
Tod 719 sind die Thatsachen, welche der neustrische An-
nalist der austrasischen Quelle entnommen zu haben scheint.
Die Schlacht bei Vincy, welche nach jener 'mense Martio,
media quadragesima, die dominica' stattgefunden haben
soll, weiss er selbständig anders zu datieren: 'in dominica,
die XV.2 ante pascha'. Daraus geht hervor, dass diese An-
nalen bald nach 720 geschrieben worden sind; wahrschein-
lich noch vor 725, denn die Nachricht der Ann. S. Amandi
zu diesem Jahre findet sich hier nicht. Die Nachrichten
zu 721 — 726 scheinen denn auch annähernd gleichzeitig
aufgezeichnet zu sein, die folgende Notiz zu 727 (Childe-
richs Tod) ist aber unrichtig angesetzt für 720. Es scheint
also, dass nach dem Jahre 726 eine kleine Stockung ein-
trat, und es ist vielleicht nicht ganz zufällig, dass die letzte
Notiz vorher den Tod des Abtes Martin von Corbie be-
trifft, dessen Einwirkung diese Annalen möglicherweise
ihren Ursprung verdanken.
Auf dieselbe neustrische Urquelle sind anscheinend
auch zwei Notizen zurückzuführen, die sich vereinzelt in
den Annales S. Columbae Senonensis (SS. I, 102 ff.) und
den bis 840 fast wörtlich o-leichlautenden Ann. Maxim. Trev.
(SS. IV, 6 f.) finden. Die gemeinsame Quelle beider ist wie
die Ann. Petaviani und die Sangallenses Baluzii in ihrem
ersten Theile (bis 767 = 771) compiliert aus je einer Quelle
1) Vgl. die angelsächsich - irischen Notizen in den Ann. Iuvavenses
maiores (SS. I, 87), den Fuldenses antiqui des Casseler Codex (SS. II,
237) und den Corbeienses (SS. III, 2). 2) Vielleicht stammt sogar das
volle Datum der Ann. Sangall. Bai. 'XII. Kalend. April.' von hier, an-
dernfalls war es aus der obigen Angabe leicht zu berechnen.
26 F. Kurze.
der Annales S. Amandi und der Mosellani: aus keiner von
beiden konnte der Verfasser aber, wie Pertz richtig hervor-
hebt, den Namen Hunald zu 742 ('Karlomannus et Pip-
pinus contra TJnaldum perrexerunt') und die Notiz 'Hilde-
ricus tonsoratus' zu 750 entnehmen, welche wir in den
Ann. Lauriss. wiederfinden. Diese sind aber sonst gar
nicht benutzt, so dass die Uebereinstimmung nur durch
Annahme einer gemeinsamen Quelle zu erklären ist. Ver-
gleichen wir nun
Lauriss. 750: 'Pippinus . . .
electus est ad regem
et unctus . . .
et elevatus a Francis
in regno in Suessionis
civitate.
Hildericus vero . . .
tonsoratus est . . .',
Col. Sen. 750: Tipinus
electus est in regem, Hil-
dericus tonsoratus';
Am. 751: 'Pippinus in re-
gem unctus est apud Sues-
siones' ;
Petav. 752: 'Pippinus ele-
vatus est ad regem in Su-
essionis civitate';
so ist meines Erachtens nicht zu zweifeln, dass die Lauris-
senses hier aus drei Quellen zusammengeflossen sind, und
dass der Wortlaut der einen uns in den Ann. Col. Sen.
ziemlich getreu erhalten sein muss. Dann aber weiss ich
keine Quelle, welche diese Nachricht sowohl, als die auf
Hunald bezügliche eher enthalten haben könnte, als jene
neustrische, deren wesentlicher Inhalt in den Annalen von
Gorze, bezw. deren Ableitungen, vorliegt. Dass gerade
diese Nachrichten nicht in die Annalen von Gorze über-
gegangen sind, erklärt sich leicht, wenn in denselben
neben der neustrischen noch eine andere Quelle benutzt
worden ist.
Neben den besprochenen Beziehungen zu Neustrien
erscheinen in den Ableitungen der Annalen von Gorze sehr
merkwürdig die gleichfalls schon erwähnten drei Notizen,
welche Schwaben betreffen, nämlich 709 'et Gotofridus
moritur', 730 'Lantfridus mortuus' und 736 'Audoinus epi-
scopus mortuus'. Gotefrid und Lantfrid waren Herzöge
von Schwaben, Othwin Bischof von Konstanz. Der Herzog
Gotefrid war der Vater des Alamannen Thietbald, welchen
die Murbacher Annalen zu 741 und 745 erwähnen, und es
fällt nun ferner auf, dass die Notiz, welche der Annalist
von Gorze zu 752 an die Stelle der vermuthlich in der
neustrischen Vorlage (= Ann. Col. Sen. 750) überkommenen
gesetzt hat (Mos., Lauresh., Pet. 752: 'Pippinus elevatus
est ad regem'), fast der entsprechenden in den Murbacher
Ueber die karolingischen Reichsannalen von 741 — 829. 27
Annalen (Guelf., AI., Naz. 751: 'Pippinus rex elevatus est)
gleich lautet.
Die Murbacher Annalen erster Recension können nicht
ganz ohne schriftliche Quellen verfasst sein. Die verkehrte
Zeitrechnung bei den Jahren 751 — 755 beweist zunächst,
dass die Jahrbücher zu dieser Zeit nicht gleichzeitig ge-
führt sind. Nun könnte ja der Murbacher Annalist einige
Jahre lang gefeiert und dieses Stück später aus dem Ge-
dächtnis mit Verschiebung der Jahreszahlen nachgetragen
haben. Da indessen die Zeitrechnung auf einmal richtig
wird, wenn man nur das Jahr 751 vor Zacharias papa'
theilt und das Folgende bis 754 einschliesslich alles um
ein Jahr hinabrückt, so ist die Vermuthung unab weislich,
dass der Fehler beim Abschreiben einer Vorlage durch
Auslassung der Zahl 752 entstanden sei. Auf Benutzung
einer geschriebenen Vorlage deutet auch ein weiteres Ver-
sehen, das durch irriges Abschreiben entstanden zu sein
scheint, das aber schon im ältesten Codex der Murbacher
Annalen gestanden haben muss, weil es sich nicht nur in
den Ann. Guelferb., sondern auch in den Alamann. findet.
Zu 756 haben beide 'ad Arbonam', wofür doch wohl nach
Pertz' Vorschlag 'ad Narbonam' zu lesen ist; vielleicht
hatte die Vorlage hier 'in narbonam', so dass der Ab-
schreiber leicht ein 'n' übersehen konnte.
Es ist demnach eine alamannische Quelle an-
zunehmen — vielleicht aus Reichenau, wie Giesebrecht ver-
muthete — , welche in den Murbacher, wie in den Gorzer
Annalen benutzt ist. Da nun dieselbe bis 740 doch nicht
bloss die drei Notizen zu 709. 730 und 736 zum Inhalt
gehabt haben kann, so glaube ich nicht fehlzugreifen,
wenn ich ihr die zahlreichen irisch-angelsächsischen Notizen
zuweise, welche wir in den Ableitungen der Annalen von
Gorze finden. Sie wird demnach wohl mit Benutzung
angelsächsischer Ostertafeln nach dem Jahre 735, unter
welches die letzte dieser Notizen (Beda's Tod) gestellt ist,
entstanden sein, wahrscheinlich sogar, da die Zeitrechnung
der Murbacher Annalen für die 40er Jahre so ungenau ist,
erst nach 746.
Nach dem Jahre 756 benutzte man in Murbach diese
Quelle unter Weglassung des ersten Theiles mit den zu-
meist unverständlichen Namen zur Anlegung einheimischer
Annalen von 740 (statt 741) an. Da zu 751 die Weihe
des Bischofs Baldebert (wohl des von Basel) erwähnt wird,
der nach Romanus (f 755) Abt von Murbach wurde, so
scheinen sie schon unter diesem (f 762) begonnen zu sein.
28 F. Kurze.
Also kann die alamannische Quelle, welche bis zum Jahre
756 gereicht haben niuss, auch nicht wohl weiter als bis
zu diesem Jahre gereicht haben.
Die weiteren Eintragungen in den Murbacher Jahr-
büchern nach 756 sind bis 771 sjDärlich und unregelmässig,
zeigen aber dabei doch unverkennbare Aehnlichkeit mit
den Annalen von St. Amand bei 764. 768 und 771 1 und
den Mosellani und Laureshamenses bei 762 und 764 2, wäh-
rend die Notizen zu 772 — 781 einen ganz eigenartigen
Charakter tragen und trotz ihrer beabsichtigten Knapp-
heit gleichzeitig und selbständig Jahr für Jahr aufge-
zeichnet zu sein scheinen. Es ist also wohl anzunehmen,
dass die Annalen in Murbach bald nach ihrem Beginn
liegen geblieben und erst von 772 an fortgeführt sind,
unter Benutzung der australischen Quelle bis 772 und der
neustrischen bis 764.
Die Annalen von Gorze können der das Kloster und
den Bischof Chrodegang betreffenden Nachrichten halber
nicht wohl nach 765 verfasst sein; als Endpunkt ihrer
neustrischen Quelle erhalten wir daher mit grosser Wahr-
scheinlichkeit das Jahr 764, da sie bis hierher auch in den
Murbacher Annalen benutzt ist. Vielleicht kannte der
Gorzer Annalist auch die Quelle der Annalen von St. Amand ;
besonders die Erwähnung von Hildegars Tod zu 753 führt
zu dieser Vermuthung.
Ich fasse das bisherige Ergebnis meiner For-
schung in folgende Sätze3 zusammen:
Kurze austrasische Annalen, mit dem Jahre 708
beginnend, entstanden bald nach 714 oder 717, vielleicht
1) Ann. Am. 761: 'Pippinus fuit Ann. Guelf. 761: 'Francifa ) in
in Wasconia cum Karolo et Cläre- j Wasconia, Clarmonte conquesierunt'.
monte igne cremavit'.
761 : 'Tunc fuit ille gelus pessi- | 764 : 'Tunc ille grandis hiemps
mus .
768 : 'Waifarius interfectus est
IUI. Non. Iun. et rex Pippinus de-
functus est in VIII. Kai. Oct.'
771: 'Karlomannus obiit in Sal-
monciaco pridie Non. Dec.'
2) Ann. Lauresh. 762 : ' Pippinus
fuit in Wasconia et conquesivit Bi-
duricam'.
761 : 'Hibernus grandis et durus'. j 764 : 'Tunc ille grandis hiemps
I profuit'.
3) Selbstverständlich wollen dieselben nicht durchweg für bewiesen, son-
dern nur in einem gewissen Grade für wahrscheinlich gelten.
profuit'.
76S: 'Rex Pippinus obiit VIII.
Kai. Oct. ; Waifarius antea occisus
est'.
771: 'Karolomannus obiit pridia
Non. Dec.'
Ann. Guelf. 762 : 'Franci in Was-
conia, Bituricam conquesierunt'.
Ueber die karolingischeu Reiclisannalen von 741 — 829. 29
in St. Martin zu Köln oder einem anderen ripuarischen
Kloster, vielleicht am Hofe des Hausmeiers selbst, und
wurden, frei von fremden Einflüssen, fortgesetzt bis 772;
durch sie angeregt, erwuchsen bald nach 720 ähnliche
Jahrbücher in Neu Strien, vielleicht in Corbie, gleich-
falls 708 beginnend und bis 764 fortgeführt; unabhängig
von beiden scheinen alamannische Aufzeichnungen ge-
wesen zu sein, die (vielleicht in Reichenau) auf Grund von
angelsächsischen Ostertafeln, mit dem Jahre 703 anhebend,
nach 735 oder gar erst nach 746 begonnen und bis 756
fortgesetzt wurden. Diese Aufzeichnungen kamen zwischen
756 und 760 nach Murbach, wo man sie zur Begründung
eigener Annalen von 740 an benutzte, die zunächst aber
nicht über das Jahr 756 hinauskamen und erst nach 7 72
einen Fortsetzer fanden, der mit Hülfe der neustrischen
Quelle bis 764 und der austrasischen bis 772 das fehlende
Stück in dürftiger Weise ergänzte, dann aber die Annalen
durch regelmässige Eintragungen in knappster Form bis
781 weiterführte. Unterdessen wurden die neustrische und
die alamannische Quelle in den 60er Jahren in Gorze zu
einem Annalenwerke verarbeitet, das hier bis 777 fortge-
setzt wurde und später den Lorscher Annalen als Grund-
lage diente. Der Lorsch er Annalist führte sein Werk
von 778 an selbständig fort, und zwar bis 785 in Lorsch,
von da an in einer zweiten ßecension vielleicht ausser-
halb des Klosters bis 790. Aus der ersten Recension sind
die Annales Mosellani und Flaviniacenses bis 785
abgeleitet, aus der zweiten die Laureshamenses und
das Fragmentum Chesnii bis 790. Unvermischte Ab-
leitungen der austrasischen Quelle sind die Annales T i 1 i a n i
bis 737 und die Ann. S. Amandi bis 772 x; eine dürftige
Compilation dieser Quelle mit der neustrischen ist das
erste Stück der Ann. S. Columbae Senonensis (=
S. Maximini Treverensis) bis 767 (= 771); compiliert aus
den ältesten austrasischen Annalen und denen von Gorze
ist die (vielleicht ebenfalls in Gorze entstandene) ältere
Recension der Annales Petaviani bis 778, aus denselben
beiden Quellen, mit Benutzung der Murbacher Annalen,
1) Die Ann. Laubacenses haben aus den Ann. S. Amandi in einer
bis mindestens 791 reichenden Fassung geschöpft, daneben aber, wie
B. Simson (Forschungen XXV, 375 — 377), an Ausführungeu Arnolds
(S. 55 — 62) anknüpfend, dargethan hat, aus einer ihnen mit den Ann.
Stabulenses (SS. XIII) und Auscienses (SS. III) gemeinsamen Quelle von
687 — 814, die auch in zahlreichen kleineren Annalen benutzt ist. Vgl.
den dritten Theil meiner Abhandlung.
30 F. Kiirze.
die Ann. Sangallenses Baluzii bis 783. Endlich sind
die Annalen von Gorze auch zu einer zweiten Eecen-
sion der Murbacher Jahrbücher von 708 — 781 ver-
arbeitet worden, die nachher eine aus den Lorscher An-
nalen zweiter Eecension abgeleitete Fortsetzung bis 790
und eine weitere bis 799 erhalten hat; aus der erst bis
790 geführten zweiten Eecension sind, vielleicht unter Be-
nutzung der ersten, die in Hessen oder Thüringen geschrie-
benen Ann. Nazariani abgeleitet, aus der bis 799 fort-
gesetzten zweiten Eecension die Alamannici, Sangal-
lenses breves, Weingartenses, Augienses und
Sangallenses maiores; die Fortsetzung von 782 — 790
wurde auch der ersten Eecension der Murbacher Jahr-
bücher angehängt, und in dieser Form sind dieselben über-
gegangen in die Annales Guelferbytani.
2. Der erste Theil der Ann. Laurissenses.
Von allen bisher genannten Annalen machen nur die
Lorscher (erster und zweiter Eecension) den Versuch, vom
abgerissenen Aneinanderreihen der Thatsachen sich zu wirk-
licher Erzählung zu erheben, auch sie aber eigentlich erst
vom Jahre 778 an. Eine neue Epoche der karolingischen
Geschichtschreibung beginnt mit den Annales Laurissenses,
dem ersten Annalenwerk, das sich die Aufgabe stellt, die
Thaten der Herrscher von 741 an in ausführlich erzählen-
der Darstellung aufzuzeichnen. Das einzige karolingische
Geschichtswerk früherer Zeit, das sich in dieser Hinsicht
mit ihnen vergleichen lässt, sind die Fortsetzungen Frede-
gars; die naheliegende Vermuthung, dass der Annalist die-
selben als Quelle und hinsichtlich der Darstellungsweise
als Vorbild benutzt habe, ist jedoch von W. Giesebrecht
(S. 198 und 203) entschieden zurückgewiesen worden. Es
empfiehlt sich daher, ehe man an diese Frage herantritt,
die Abfassungszeit und die anderen Quellen der Ann.
Lauriss. zu untersuchen.
Pertz wollte die Annalen von 768 an als selbständig
und gleichzeitig angesehen wissen. Dagegen hat L. Giese-
brecht1 auf die Notiz zu 781 hingewiesen: 'Sed non diu
praefatus dux Tassilo promissiones, quas fecerat, conser-
vavit' ; denn dieselbe kann nicht vor dem Jahre 787 ge-
schrieben sein. W. Giesebrecht a. a. O. hat eine zweite
1) Wendische Geschichten III, 282 ff.
Ueber die karolingischen Reichsannalen von 741 — 829. 31
Beweisstelle hinzugef ügt : wenn der Annalist zu 777 er-
zählt, dass Karl 'prima vice' einen Reichstag zu Paderborn
gehalten habe, so scheint er dabei schon an den nächsten
zu denken, der erst 785 daselbst stattfand. Weiter be-
merkt Fr. Ebrard 1 (S. 433), dass es auch 772 heisst: lCaro-
lus . . . perrexit partibus Saxoniae prima vice', woraus
wenigstens so viel hervorgeht, dass der Bericht zu 772
nicht vor Ende 774 geschrieben sein kann. Andrerseits
können die Annalen, worauf gleichfalls W. G-iesebrecht
a. a. 0. aufmerksam macht, nicht wohl nach dem grossen
Sachsenaufstande des Jahres 793 verfasst sein, weil der
Verfasser sonst nicht zu 785 hätte schreiben können: 'Et
tunc tota Saxonia subiugata est'. Hiernach steht zunächst
soviel fest, dass die Annalen wenigstens von 772 an nicht
gleichzeitig geschrieben sind, und das Stück von 781 — 785,
wahrscheinlich also auch das Frühere, erst zwischen den
Jahren 787 und 793 verfasst ist. Da nun der verlorene
Lorscher Codex (A l) gerade innerhalb dieser Grenzen beim
Jahre 788 endete und die Annalen bis dahin in Stil und
Charakter, wie ziemlich allgemein 2 anerkannt wird, keinen
Unterschied bemerken lassen, so darf man wohl als er-
wiesen annehmen, was seit Giesebrechts Ausführungen nie-
mand angezweifelt hat, dass das ganze Werk bis 788 in
einem Zuge geschrieben worden ist.
Diese Annahme findet ihre Bestätigung in dem, was
sich über die in den Ann. Lauriss. bis 788 benutzten
Quellen ermitteln lässt.
Als Quellen hat W. Giesebrecht aus den Jahren 740.
750 und 753 der Lauriss. die Ann. S. Amandi und die
Petaviani (bezw. deren ältere Grundlagen) nachgewiesen.
Als hervorragend beweiskräftig möchte ich noch einmal
das Jahr 750 heranziehen (vgl. oben S. 26) : die drei Prä-
1) Forsch. XIII, 425—472. 2) E. Dünzelmanu (NA. II, 479 ff.) findet
allerdings, dass der Stil bei den Jahren 787 u. 788 viel barbarischer sei als z. B.
bei 772 ; denn während der Satzbau 772 verständig und hier und da sogar von
einer gewissen Eleganz sei, falle der Autor 787 f. beständig aus der Construc-
tion und bewege sich fortgesetzt in Anakoluthien. Die gerügte Barbarei be-
schränkt sich aber lediglich auf den Gebrauch des Participium praesentis
anstatt eines Verbuni finitum, und das ist keine Anakoluthie, kein Zeichen
mangelnder Logik, sondern einfach eine grammatische Freiheit, nicht besser
und nicht schlimmer als z. B. der Gebrauch des Plusquamperfects für das
Imperfectum. (Vgl. B. Simson, Karl d. Gr. I2, 659.) Auch Dünzelmann
folgert übrigens aus der vermeintlichen Stilverschiedenheit nicht, dass das
frühere Stück von einem andern Verfasser geschrieben, sondern nur, dass
hier eine in besserem Latein geschriebene Quelle benutzt sei ; vgl. dagegen
unten S. 33, Anm. 3.
32
F. Kurze.
dicate 'electus', 'unctus' und 'elevatus', deren jedes sich in
einer besonderen Quelle als allein stehendes Verbum fini-
tuni findet, beweisen die Benutzung- dreier Quellen zu
diesem Jahre. Die erste mit 'electus' war, wenn meine
Untersuchung- oben das Rechte getroffen hat, die neu-
strische Quelle, die ung-efähr 764 endete; die zweite
mit 'unctus' war die Quelle der Annales S. Amandi1,
die dritte mit 'elevatus' die ältere Recension der
Petaviani. Statt der letztgenannten könnten freilich an
dieser wie an anderen Stellen auch die ältesten alamanni-
schen Aufzeichnungen ( — 756) oder die Annalen von Gorze
( — 777) oder die von Murbach oder Lorsch, erster oder
zweiter Recension, benutzt sein, da diese alle im Ausdruck
vielfach übereinstimmen. Man muss daher besonders die
späteren Theile prüfen, wo die älteren Quellen aufhören
und die jüngeren sich im Ausdruck mehr von einander
entfernen. Da finden wir zu 772
Ann. Laur. : 'et inde perrexit partibus Saxoniae prima
vice, Aeresburgum castrum coepit, ad Ermensul usque per-
venit et rpsum fanum destruxit';
= Petav. : 'Domnus rex Karolus perrexit in Saxoniam
et conquisivit Erisburgo et pervenit ad locum, qui dicitur
Ermensul',
-j- Mosell.-Lauresh. : '. . . et destruxit fanum eorum,
quod vocatur Irminsul'.
Daraus ergiebt sich, dass neben den Petaviani die
Lorscher Annalen benutzt sind, was durch Verglei-
chung der folgenden Stellen bestätigt wird :
Lauriss. 775: '. . . et non
minorem stragem ex eis fecit'.
Laur. 776: 'Hrodgaudus
occisus est, et supradictus
domnus Carolus rex ad Tar-
visium civitatem pascha cele-
bravit et captas civitates . . .
et disposuit eas omnes per
Francos et iterum cum pro-
speritate . . . reversus est in
Franciam. . . . Saxones re-
bellantes. ... Et Saxones
Mosell.-Lauresh. 775: '. . .
fecitque ibidem stragem ma-
gnam'.
Petav. 776: 'Perrexit dom-
nus rex Karolus in Italiam
et occiso Hrotgaudo . . . ob-
sederuntque . . . Taraviso
civitate. Eo capto dispositis-
que omnibus prosper redit
cum suis in Franciam. Et
audivit, quod Saxones rebel-
lassent . . .
1) Beim Jahre 772, mit welchem diese Quelle endete, hört auch
die Verwandtschaft der Ann. S. Amandi und Lauriss. auf.
Ueber die karolingischen Reichsaniialen von 741 — 829. 33
perterriti omnes . . . venien- [ timore perculsi venerunt
tes. . . .
innumerabilis multitudo
baptizati sunt'.
Laur. 777: 'Tunc domirns
Carolus rex sinodum publi-
cum babuit ad Paderbrun-
Mos.-Lauresb. 776: '. . .
et baptizata est eoruui multi-
tudo inuumera'.
Petav. 777 : '. . . gloriosus
rex Karolus venit . . . Patres-
brunna habuitque ibi magnum
nen . . . ibique . . . Saxones j placitum; et ibi convenerunt
convenerunt ... Saxones . . .'
ibique multitudo Saxonum Mos.-Lauresb. 777: '. . . et
baptizati sunt'. ibi paganorum Saxonum mul-
titudo maxima baptizata est'.
Beim Jabre 778 ist die Benutzung der Petaviani nicbt
mehr deutlich, die der Lorscher Quelle aber um so augen-
fälliger. Mit diesem Jahre endete die ältere Pecension der
Petaviani ; die Aehnlichkeiten, die sich nun noch zwischen
Petaviani und Lauriss. finden, wie die von Bernays (S. 7)
angezogene (785 L. 'et tunc tota Saxonia subiugata est',
P. 'et tunc adquisivit Saxones cum Dei auxilio) sind, wenn
man sie nicht für belanglos erachten mag, daraus zu er-
klären, dass der Verfasser der jüngeren Eecension der Peta-
viani (von 796) seinerseits die Laurissenses mittel- oder
unmittelbar benutzte 1. Dagegen dauert die Verwandtschaft
mit den Mosellani und Laureshamenses fort, mit den letz-
teren auch noch über das Jahr 785 hinaus, wo ihre Ueber-
einstimmung mit den Mosell. aufhört - ; daraus folgt, dass
der Verfasser der Ann. Lauriss. die Lorscher Jahrbücher
in einem Exemplar der zweiten Pecension benutzte. Doch
ist es leicht möglich, dass für die Jahre 787 und 788 be-
reits den Laurissenses die Priorität vor den Laureshamenses
zuzusprechen ist. Denn der Fortsetzer der letzteren (791
bis 803) könnte ja bei seiner Ueberarbeitung der Jahre
786 — 790 auch die Lauriss. benutzt haben. Vgl. o. S. 16.
Noch andere eigentlich annalistische Quellen anzu-
nehmen, ist keine Veranlassung 3. Doch muss der Annalist,
wie W. Griesebrecht (S. 203 f.) bemerkt, für seine regel-
mässig am Ende der Jahresberichte von 759 an wieder-
1) Siehe darüber den dritten Theil meiner Abhandlung. 2) Es
genügt, hierfür auf die Parallelstellen bei Bernays S. 7 ff. zu verweisen,
aus welchen dieser allerdings Benutzung einer gemeinsamen Quelle folgern
möchte. 3) Dass die Annalenfragmente, welche Pertz, und die verlorene
Grundlage der Ann. Mettenses, welche Dünzelmann als Quelle der Ann.
Lauriss. erweisen wollte, vielmehr aus denselben abgeleitet sind, haben
schon Waitz (Forschungen VIII, 631 f. und XX, 385 ff.) und Giesebrecht
(Forschungen XIII, 627 ff.) dargethan. Vgl. den folgenden Theil.
Neues Archiv ete. XX. 3
34 F. Kurze.
kehrenden Angaben über den Aufenthalt des Königs am
Weihnachts- und Osterfeste irgend welche kurzen
Notizen darüber vor sich gehabt haben, wie sie uns ähn-
lich in der Hs. der Annales Lindisfarnenses aus St. Ger-
main des Pres (MG. SS. IV, 2) vorliegen1.
Dünzelmann (a. a. O. 535) und Manitius haben sogar
noch weitergehende Vermuthungen aufgestellt. Ersterer
denkt an officielle Aufzeichnungen, die am Hofe gemacht
wurden und sich nicht nur auf die Orte der Weihnachts-
und Osterfeiern, sondern auch auf kriegerische Expeditionen
und politische Gesandtschaften erstreckt hätten. In ähn-
licher Weise nimmt Manitius als Quelle ein genaues Iti-
nerar an, das wahrscheinlich von einem Beamten aufge-
zeichnet worden sei, welcher den König auf seinen Zügen
begleitete. Indessen solche Aufzeichnungen, die nach
Dünzelmann 'keine Annalen' gewesen sein sollen, könnten
doch bei knappstem Notizenton sich von den älteren An-
nalen kaum anders als durch reicheren Inhalt und grössere
Genauigkeit, von den Lauriss. selbst aber nur durch die
knappere Form unterschieden haben; und wenn sie wirk-
lich Jahrzehnte hindurch gleichzeitig bei Hofe geführt
worden wären, so müssten doch wohl deutlichere Spuren
davon schon in früheren Annalen zu finden sein. Auf die
Beobachtungen, welche Dünzelmann und Manitius zu dieser
Annahme veranlasst haben, komme ich wieder zurück 2.
Bekundet nun schon die Zahl der benutzten Quellen
eine grosse Verschiedenheit der Arbeitsweise unseres Anna-
1) Vgl. M. Manitius, Mitth. d. Inst. f. österr. Gesch. X, S. 423 f.:
am Ende des Jahres 772 erwähnt der Annalist mit dem "Weihnachtsfest
in gewohnter Weise die Osterfeier des folgenden Jahres, während er erst
zu Anfang 773 berichtet, dass der König 'ad hiemandum' nach Dieden-
hofen gegangen sei-, für das Osterfest 767 hat er zwei verschiedene An-
gaben, eine am Ende von 766 aus seiner Liste, eine im Zusammenhange
der Erzählung zu 767. Den Widerspruch erklärt Manitius, wie schon
früher H. Bresslau (Jahrbücher Konrads II., Bd. II, Excurs I) für das
XI. Jahrh. gethan, wohl richtig daraus, dass die Feste zuweilen äusserer
Umstände wegen nicht an denjenigen Orten abgehalten werden konnten,
für die sie angesagt waren. 2) Für ganz unzulässig halte ich es, aus
den Worten 'Haeresis Feliciana . . . , quem Anghilbertus . . . deduxit'
(792) auf lückenhafte Benutzung einer schriftlichen Quelle zu schliessen,
wie Manitius (Mitth. d. Inst. f. österr. Gesch. XIII, 229 ff.) thut. Auch
der Vorwurf, welchen derselbe gegen die Nachricht von dem Brückenbau
in den Annalen zu 792 erhebt, dass man daraus gar nicht einmal erfahre,
über welchen Fluss eigentlich die Brücke gebaut worden sei, ist unbe-
rechtigt ; denn es heisst vorher, dass der König in Regensburg Weihnacht
und Ostern feierte, dass 'ibi' Felix verurtheilt wurde, und dass in dem
Jahre keine Heerfahrt stattfand, nachher aber, dass wiederum 'ibi' Weih-
nacht und Ostern gefeiert wurde.
Ueber die karolingischen Reichsannalen von 741 — 829. 35
listen von der seiner Vorgänger, so unterscheidet er sich
noch viel mehr darin von ihnen, dass er diese Quellen nicht
wörtlich abschreibt, sondern im grossen und ganzen nur
dazu benutzt, um den reichen Stoff, der ihm zu Gebote
steht, chronologisch zu fixieren. Man kann sogar beob-
achten, wie er bei Differenzen zwischen seinen Quellen zu
vermitteln sucht, wenngleich man an seine Kritik natür-
lich keine hohen Anforderungen stellen darf. Bei einem
Autor aber, der so viele Quellen kannte und mit solcher
Freiheit benutzte und dabei von Anfang an eine solche
Fülle von eigenen Nachrichten bringt, dass man ihn in
jedem Falle für einen wohl unterrichteten Mann halten
muss, wäre es nun doch im höchsten Grade wunderbar,
wenn er das grösste Geschichtswerk aus der Zeit Pippins,
die Fortsetzungen Fredegars, nicht gekannt hätte.
Eine eingehende Vergleichung des beiderseitigen Inhalts
kaun meiner Ansicht nach auch keinen Zweifel lassen, dass
der Annalist diese Quelle wirklich benutzt hat.
742 bringt der Annalista Laurissensis (L) von Nach-
richten, die nicht aus den kleinen Annalen stammen, nur
zwei: die Eroberung von Loches und die Theilung des
Reiches auf dem Marsche zu Vetus Pictavis. Der Bericht
des Continuator Fredegarii (CF) über die Heerfahrt gegen
die Basken (c. 25) enthält wenigstens die erstere.
Die Angabe von CF, dass im Herbst desselben Jahres
ein Zug gegen die Alamanneii stattgefunden habe, scheint
mir von entscheidendem Einfluss auf die Chronologie von
L bis 750 hin gewesen zu sein. Denn sie halte ich für
die Veranlassung, dass L die wörtlich den Ann. Petaviani
743 entnommene Nachricht 'Carolus Alamanniam vastavit'
mit 'eodemque anno' dem Jahre 742 zuweist und nun con-
sequent alle Nachrichten der Ann. Petav. bis 749 um ein
Jahr früher ansetzt. Zu diesem Verfahren mochte L sich
um so berechtigter halten, als der in den Ann. Pet. 744
erwähnte Friedensschluss zwischen Karlmann und Odilo
mit dem in den Ann. S. Am. 743 berichteten Feldzuge
Karlmanns gegen die Baiern zusammenzugehören schien.
Die Einwirkung von CF zeigt sich 743 aber auch unmittel-
bar darin, dass L wie CF beide Hausmeier gegen Odilo
ziehen lässt, während die Ann. S. Am. 743 wie die Petav.
744 nur Karlmann nennen.
Benutzt L bis 748 vorzugsweise die Ann. Petaviani,
um an die dürftigen Notizen derselben seine eigenen Er-
innerungen anzuknüpfen, so meine ich bei den Jahren 749
und 750 wieder unmittelbaren Einfluss von CF zu erkennen.
36
F. Kurze.
Den Zug Pippins nach Baiern, welchen L fälschlich zu
748 statt zu 749 stellt, erzählt CF, ohne Grifo's Namen zu
nennen, in c. 32 und fügt daran nach der Bemerkung 'et
quievit terra a proeliis annis duobus' in c. 33, mit 'Quo
tempore' anknüpfend, einen ganz kurzen Bericht über
Pippins Gesandtschaft an den Papst und seine Erhebung
zum König. Die letztere fand L in seinen Quellen sehr
verschieden datiert, nämlich in der neustrischen (== Ann.
S. Col. Seiion.) zu dem Jahre 750, in den Ann. S. Amandi
zu 751 und in den Petav. und Lauresham. zu 752 gestellt.
Aus CF musste er entnehmen, dass die beiden in c. 33
berichteten Ereignisse in die zwei Jahre fielen, in welchen
'die Erde von Schlachten ruhte', also, wenn der Zug nach
Baiern 748 stattgefunden hatte, in die Jahre 749 und 750:
so erzählt er denn die Gesandtschaft zu 749 und die Thron-
besteigung zu 750. Auch im Wortlaute sind hier zum
ersten Male deutliche Anklänge wahrzunehmen:
CF 33: '. . . missa rela-
tione ad sede apostolica,
auctoritate praecepta, prae-
celsus Pippinus . . ., ut anti-
quitus ordo deposcit, subli-
matur in reg'no'.
L749: Zwei Gesandte 'missi
fuerunt ad Zachariampapam';
dieser, 'ut non conturbaretur
ordo, per auctoritatem
apostolicam iussit Pippinum
regem fieri'. 750: 'Pipp. . . .
elevatus a Francis in regno'.
Nachdem dann L den unlösbaren chronologischen
Schwierigkeiten einfach durch Auslassung der Jahre 751
und 752 aus dem Wege gegangen ist, fährt er zu 753 mit
der Heerfahrt Pippins nach Sachsen fort. 'Auf dem Rück-
züge', heisst es dann weiter:
(CF 35): 'nuntius veni-
ens . . ., quod germanus
ipsius rege, nomine Gripho,
quod dudum in Vasconia . . .
confugium fecerat, . . . inter-
fectus est'.
Weiterhin bieten sich folgende Stellen zur Verglei-
chung dar:
(L 753): 'nuntiat um est
ei, quod Grifo, qui
in Wasconiam fugatus est,
germanus eius,
occisus fuisset'.
CF 36: '. . . Stephanus
papa . . . veniens, . . . auxi-
lium petens, . . . ut per eius
adiutorium . . . liberaret'.
CF 37 : '. . . Aistulfus, rex
Langobardorum, . . . usque ad
clusas ... veniens'. Schlacht.
L 753: 'Stephanus papa
venit in Franciam, adiuto-
rium et solatium quaerendo'.
L 755
Haistulfus
clu-
sas Langobardorum petiit'.
Langobardorum rex .
Ueber die karolingischen Reichsamialen von 741 — 829. 37
'Franci • . . Deum invocant
et beati Petri apostoli adiu-
torem rogant'. Aistulf flielit
in 'Ticimmi urbem', wird zum
Frieden gezwungen und stellt
Geiseln. Pippin lässt den
Papst wieder nach Koni ge-
leiten und 'reversus est ad
propria'.
CF 38 : '. . . Aistulf us rex
Lang, fideni suam, quod
contra rege Pippino pronii-
serat, . . . fefellit'.
CF 39: 'Post haec Aistul-
fus rex Lang., dum vena-
tionena inquodani silvam
exerceret, divino iudicio . . .
vitaui et regnum . . . am-
misit. Langobardi . . . De-
siderio in sedem regni in-
st ituunt'.
CF 41: '. . . rex Pippinus
legationem ad Waiof ario Aqui-
tanico principe inittens, pe-
tens . . ., ut res ecclesia-
rum de regno ipsius, qui in
Aquitania sitas erant, redde-
ret'.
CF 42 : '. . . ad Dura' Mai-
feld. . . . 'Waiofarius . . . ex-
ercitum suum . . . usque Ca-
Tallonnum . . . transmisit. . . .
Cum haec Pippino rege nun-
tiat um fuisset, quod W.
sacramenta fefellisset'.
Sehlacht. 'Domino auxiliante
et beato Petro intercedente'
Sieg der Franken. Der Papst
wird nach Rom zurückgeführt.
Haistulf in Paria eingeschlos-
sen, macht Frieden. Pippin
nach Empfang von 40 Geiseln
'reversus est in Frantiam'.
L 756 : '. . . ab Haistulf o
Langobardorum rege ea non
esse vera, quod antea pro-
miserat . . .'
L 756: 'Haistulf us . . .
quo dam die venationem
fecit et percussus est Dei
iudicio, vitam finivit. Et
quomodo et qualiter missus
est Desiderius rex in regno,
postea dicamus' (was nachher
unterbleibt). 1
L 760 : Tunc Pippinus rex,
cernens Waipharium ducem
Aquitanioruni minime con-
sentire iustitias ecclesia-
rum partibus, quae erant in
Francia, . . .
L 761: 'Waipharius . . .
exerciturn misit, qui ad Ca-
valonum civitatem venerunt.
Dum . . . rex synodum suum
teneret in villa, qui dicitur
Dura, nuntiatum est ei,
quod W. in omnibus menti-
tus est';
1) M. Manitius (Mitth. XIII, 231) zieht aus dieser Stelle die Fol-
gerung, dass der Annalist eine ausführliche Darstellung dieses Ereignisses
besessen habe, und zwar wahrscheinlich ein amtliches Schriftstück über
die Entthronung des Desiderius, dessen Titel in den Worten 'quomodo et
qualiter — regno' enthalten sei. Ich bin überzeugt, dass nur die Worte
des Cont. Fred, dem Annalisten Veranlassung gaben, Desiderius an dieser
Stelle zu erwähnen ; es schien ihm geeigneter, seine Thronbesteigung in
anderem Zusammenhange zu erzählen, vermuthlich zusammen mit der Ab-
setzung, nachher hat er diesen Vorsatz vergessen: eine verlorene Quelle
brauchen wir darum nicht anzunehmen.
38
F. Kurze.
L 762 : '. . . Pippinus . . .
coepit civitatem Bituricam et
castrum, quod dicitur
Toarcis'.
CF 43 : (Pippin) . . . 'Bito-
ricas venit . . . cepit urbern.
. . . Inde . . . usque ad Ca-
stro, qui vocatur Toar-
tius, veniens, . . . castrus
. . . captus . . .'
Von c. 44 an ist die Fortsetzung Fredegars offenbar
nicht gleichzeitig, wie die chronologische Verwirrung und
die einseitige Berücksichtigung der aquitanischen Angelegen-
heiten beweisen. Ohne Zeitangabe wird in c. 46 die Wieder-
erbauung von Argenton (766) berichtet, in c. 47 mit 'se-
quente anno' die aquitanische Heerfahrt von 763 angereiht,
in c. 48 wieder mit 'evoluto anno' der Zug von 766 ; in
c. 49 ist nur von dem zweiten Zuge des Jahres 767 die
Rede. Wahrscheinlich ist also alles erst 768 oder noch
später geschrieben.
L konnte daraus nicht viel entnehmen; bei 767 und
768 ist aber doch die Benutzung deutlich zu erkennen1:
CF 49: Pippin über den
Liger, 'ad Bitoricas accessit.
. . . Iterum campo Madio,
sicut mos erat, ibidem
tenere iubet'. Nach vergeb-
licher Verfolgung Waifars 'ad
Betör icas • . . reversus
est'.
CF 51: P. bricht von Bour-
ges auf und schickt einige
Grafen aus, die den aufstän-
dischen Pemistagnus fangen.
Waifar 'in pago Petrocoreco
latitans', P. kommt nach
Sellus.
52 : Von hier 'iterum per-
rexit et usque ad Sanctones
. . . venit . . . Waiofarius . . .
terga vertit . . . a suis inter-
fectus est. . . . Pippinus . . .
cum magno triumpho et
victoria Sanctonis . . . ve-
niens'.
53 : Während seines Auf ent-
L 767: Pippin nach Aqui-
tanien, 'Bituricam usque ve-
nit, ibi synodum fecit cum
omnibus Francis solito more
in campo'. Von da zur Ga-
ronne, 'et reversus est
Bituricam'.
L 768: P. bricht auf 'et
Remistagnum coepit'
Feiert Ostern zu Sels.
'Iterum iter adsumens
. . . ad Sanctones civitatem
pervenit ... et partibus Pe-
trogorico perrexit; et inter-
empto Waiphario cum tri-
umpho victoriae ad Sanc-
tones reversus est.
Ibique moram faciens . . .
1) Auf die Aehnlichkeit im Wortlaut hat JBemays S. 87 f. auf-
merksam gemacht.
Ueber die karolingischen Reichsarmalen von 741- — 829. 39
halts daselbst 'egrotare ce-
pit' und reist über Poitiers
nach Tours, '. . . ausilium
beati Martini petens'. Von
da nach St. Denis, wo er
stirbt.
aegrotare coepit, parti-
bus Turonorum revertendo
perrexit, orationem ad sanc-
tum Martin um fecit'. In
St. Denis angekommen, stirbt
er.
Es kommt hinzu, dass die oft bemerkten stilistischen
Eigentümlichkeiten der Ann. Laur., der häufige Gebrauch
von 'partibus' in Verbindung mit Ortsnamen, die über-
mässige Anwendung von 'praefatus, praedictus' u. s. w.,
Redensarten wie 'fidem fallere', 'mentiri', 'igne' oder 'in-
cendio cremare', 'confugium facere', 'cum magno triumpho
reverti', 'ad propria remeare ' u.a., das oft wiederkehrende
'solito more' und die Hervorhebung der göttlichen Hülfe
('Deo' oder 'Domino auxiliante, adiuvante, opitulante) in
den Fortsetzungen Fredegars ihr Vorbild finden. Demnach
halte ich es für ganz unzweifelhaft, dass der Annalist auch
die Fortsetzungen Fredegars gekannt und benutzt hat.
Ehe wir uns nun der Frage nach der Person des
ersten Verfassers und der Stätte seines Aufenthaltes zu-
wenden, haben wir zuvor noch den Umfang des ersten
Theiles der Annalen, den er geschrieben, vollständig
festzustellen. Bisher haben wir nur ermittelt, dass er 787
oder 788 begonnen und das Stück bis 788 in einem Zuge
geschrieben hat; damit ist aber noch nicht entschieden,
ob der Verfasser an diesem Punkte, wo er bei der Gegen-
wart anlangte und zeitweilig also die Feder ruhen lassen
musste, überhaupt zu schreiben aufgehört oder im Laufe
der nächsten Jahre noch eine gleichzeitige Fortsetzung an-
gehängt hat. Dass einmal eine Hs. vorhanden gewesen
ist, welche 788 endete, thut für diese Frage gar nichts zur
Sache; denn dass dieselbe das Original gewesen sei, ist
eine willkürliche Annahme von Pertz, und selbst wenn sie
das Original gewesen wäre, könnte der Verfasser seine Fort-
setzung allenfalls ja auch einer Abschrift angefügt haben.
Nur die Untersuchung des Stils kann hier entscheiden.
Fast allgemein wird anerkannt, dass das Jahr 788
stilistisch keine Grenzscheide bildet ; nur v. Sybel \ dem
Js. Bernays2 (S. 156 f.) beigetreten ist, findet (S. 261, Anm. 1),
dass 'trotz kleiner stilistischer Abwandlungen' die Darstel-
lung der Jahre 788 — 796 'wesentlich gleichartig mit jener
1) Historische Zeitschrift XLII, 260—288.
lingischer Annalen, Strassb. Diss. 1883.
2) Zur Kritik karo
40 F. Kurze.
der folgenden' sei, hat aber diese Meinung- nicht näher be-
gründet.
Ganz überzeugend hat jedoch Dünzelmann x (S. 481 f.)
dargethan, dass die Jahre 789 — 791 noch ganz deu vorher-
gehenden gleichen; denn die Verwendung von 'partibus',
lsupradictus', 'iarndictus', 'supra nominatus', 'iter peragere',
'pergere' ist noch dieselbe wie vorher, auch findet sich 789
noch einmal der Accusativus absolutus. Ich kann hinzu-
fügen, dass am Ende von 788 noch einmal 'per semetipsum
pervenit' vorkommt wie in 787 'venit per semetipsum', in
789 'inante' (so und nicht 'in antea' ist zu lesen) und 'con-
iungere' (= venire)2 ganz wie 787. Die Zugehörigkeit der
Jahre 792 und 793 lässt Dünzelmann vorsichtig unent-
schieden, behauptet aber, dass mit dem Jahre 794 eine
entschiedene Aenderung eintrete, weil bei diesem Jahre
'iamfatus' und 'partibus' nur noch je einmal erscheine.
Indessen das genügt doch schon, um das Jahr 794 noch
dem ersten Abschnitt zuzuweisen. Auch findet sich hier
noch das barbarische Participium praesentis an Stelle des
Verbum finitum: 'Saxones autem congregantes se . . .,
praeparantes se quasi ad pugnam; cum vero audissent . . .'
B. Simson (a. a. O.) will denn auch nach diesem Jahre die
Grenze ziehen, besonders wegen des 'partibus', das im fol-
genden nicht ein einziges Mal wieder vorkommt.
G. Waitz 3 aber macht mit Recht besonders dies gel-
tend, dass bis 795 die Reichsversammlung noch immer
'sinodus' oder 'placitum', der Abgesandte des Königs 'mis-
sus' heisst, während von 796 an 'populi conventus' oder
'generalis populi conventus' und 'legatus' ganz regelmässig
an die Stelle jener älteren Ausdrücke treten.
M. Manitius 4, der alle hier in Frage kommenden
Momente am eingehendsten erörtert, bemerkt noch, dass
bis 795 einschliesslich fast jedes Jahr durch eine zeitliche
Anknüpfung dem vorhergehenden angereiht wird, und hebt
hervor, dass auch die häufig wiederkehrende Erwähnung
des göttlichen Schutzes nur bis 794 vorkommt, während
796 'peracta Deo largitori omnium bonorum gratiarum
actione' Citat aus Prudentius ist und späterhin des unmittel-
baren Eingreifens Gottes nicht mehr gedacht wird.
W. Giesebrecht (a. a. 0. S. 206) wollte den zweiten
Theil bei 797 beginnen lassen, von wo an gewöhnlich lnos'
1) N. A. II, 475-537. 2) Vgl. B. Simson, Karl der Grosse I2,
Excurs III, S. 661 f. 3) Göttinger Nachrichten 1857, S. 46—52. 4) Mitth.
d. Inst. f. österr. Geschichtsforsch. XIII, 226.
Ueber die karolingiscben Reichsannalen von 741 — 829. 41
für die Franken gebraucht wird ; doch beweist das nicht,
dass das Jahr 796 noch zum ersten Theile gehören müsste,
da hier auch die Tranken nicht genannt werden. Fr. Ebrard1
aber will (S. 436) gerade 796 noch zum vorigen Theile
rechnen, weil hier die Person des Herrschers zum letzten
Male durch ehrende Epitheta ausgezeichnet wird. Deshalb
und wegen des unter 795. 796 und 797 vorkommenden Aus-
drucks 'in Gallias' für das linksrheinische Gebiet behauptet
eben Dünzelinann, dass eine scharfe Grenze überhaupt nicht
zu erkennen sei, sondern nur gewisse Gruppen von gleichem
Stil sich festsetzen Hessen. Aber die Bezeichnung 'idein
vir prudentissinms atque largissimus et Dei dispensator'
für den König beim Jahre 796 ist, wie M. Manitius 2 tref-
fend bemerkt, doch recht sehr verschieden von den früher
üblichen Ehrennamen 'dominus Carolus rex'. 'supradictus
gloriosus, iami'atus excellentissimus, iamdictus praecellen-
tissimus rex' und kann keinesfalls beweisen, dass das Jahr
796 noch von dem ersten Verfasser geschrieben sein müsse3.
Das Vorkommen des Ausdrucks in Gallias aber im letzten
Satze von 795 beweist mir, dass derselbe bereits zum zweiten
Theile gehört; und so bekommen wir sogar eine sehr
scharfe Grenze, denn der vorhergehende Satz noch ist
wegen des darin enthaltenen Wortes 'missi dem ersten
Theile zuzuweisen.
Der zweite Autor setzt demnach beim Jahre 795 ein
mit dem Satze 'Rex vero afflictis magna ex parte Saxoni-
bus eorumque terra vastata acceptisque eoruin obsidibus
in Gallias rediit , der auch eine Gewandtheit im Gebrauche
des Ablativus absolutus aufweist, wie sie sich in dem ganzen
vorhergehenden Theile nicht findet. Auch dass es 796
heisst 'per Angilbertum dilectum abbatem suum', während
derselbe 792 schlechthin 'Anghilbertus' genannt wird4,
spricht dafür, dass wir hier einen neuen Autor vor uns
haben.
Was nun den Abfassungsort betrifft, so hat Pertz
durch den Hinweis auf die Verwandtschaft mit den An-
nales Laurissenses minores (Chronicon Laurissense) und auf
1) Forsch. XIII, 425—472. 2) Mitth. d. List. f. österr. Gesch.
XIII, 226. 3) Waitz a. a. 0. hat im Gegentheil gerade daraus ab-
nehmen zu dürfen geglaubt, dass ein neuer Verfasser eintrete, 'der bei
der ersten Erwähnung seines Königs sich gedrungen fühlte, seiner Ver-
ehrung und Hingebung einen Ausdruck zu geben'. I) Vgl. 788 :et fuit
missus Wineghisus una cum paucis Francis' ebenfalls ohne Zusatz ; auch
sonst wird nur eben der Titel, oft bloss die Bezeichnung 'missus' zum
Xamen hinzugefügt.
42 F. Kurze.
die Herkunft des ältesten Codex, von dem wir wissen, be-
kanntlich Lorsch als Heimath unserer Annalen erwiesen
zu haben gemeint. Indessen die Verwandtschaft des Chron.
Laur. , genauer gesagt die Abhängigkeit desselben von
unseren Annalen, beweist doch nichts für die Entstehung
der letzteren, und dass der verlorene Lorscher Codex das
Autograph gewesen sei. ist eine ganz unbegründete An-
nahme. Das Gregentheil ist sogar wahrscheinlicher, wenn
die Fortsetzung bis 795 noch von dem ersten Autor her-
rührt. Auch an sich ist nicht recht glaublich, dass in
einem und demselben Kloster drei Geschichtswerke, wie
die Quelle der Ann. Mosell. und Lauresh., die Laurissenses
und das Chron. Laurissense, so schnell auf einander ge-
folgt wären.
L. v. Ranke l hat die Vermuthung ausgesprochen, dass
die Annalen am Hofe selbst von einem vielleicht speciell
beauftragten Geistlichen verfasst seien ; W. v. Giesebrecht
(a. a. O.) meinte, in dem Erzbischof Arn von Salzburg den
Verfasser gefunden zu haben, H. v. Sybel (a. a. O.) da-
gegen hat besonders den officiellen Ursprung bekämpft.
Ueber die letztere Frage ist dann soviel hin und her ge-
stritten worden, dass sich nicht eben viel Neues mehr wird
vorbringen lassen. Ich verzichte deshalb darauf, die ge-
sammte Litteratur, bezüglich deren ich auf Wattenbach
verweise, hier noch einmal durchzugehen, und begnüge
mich, meinen eigenen Standpunkt klarzustellen und kurz
zu begründen.
Geht man von der Annahme aus, dass die Annalen
in einem Kloster geschrieben seien, so fällt vor allen
Dingen auf, dass wir nirgends vom Tode eines Abtes oder
Bischofs (mit Ausnahme des Bischofs Hildegar von Köln,
der 753 in einem Feldzuge gegen die Sachsen umkam),
nirgends von der Weihe einer Kirche, nirgends von der
Erhebung eines Heiligen lesen, überhaupt keiner klöster-
lichen Lokalnotiz begegnen. Die ganze Erzählung beschäf-
tigt sich so ausschliesslich mit dem Herrscher und seinen
Thaten, dass das Werk, wo und von wem auch immer es
geschrieben sei, ob mit oder ohne höheren Auftrag, durch-
aus den Namen Reichsannalen, wie es von Ranke, oder
Königsannalen, wie es von Giesebrecht genannt worden ist,
verdient. Gesetzt nun auch, dass ein Klostergeistlicher
aus Verehrung für den König eben nur Reichsgeschichte
1) Abhandlungen der Berliner Akademie 1854, S. 415 — 435.
Ueber die karolingisclien Reichsannalen von 741 — 829. 43
zu schreiben sich vorgenommen und aus allerdings nicht
recht erfindlichen Gründen lokalgeschichtliche Nachrichten
geflissentlich verschmäht hätte, wo findet sich ein Kloster,
in welchem ein Mönch so reichen Stoff zusammenzutragen
vermochte? 'Ein Mönch in seinem Kloster konnte un-
möglich die Dinge so genau erkunden, wie sie hier be-
schrieben sind", sagt Ranke (S. 434), und darin hat er,
meines Erachtens, unzweifelhaft recht ; denn die Fülle des
Materials, für welches unsere Annalen selbst die älteste
Quelle sind, ist ganz ungeheuer, und allein quantitativ be-
trachtet, ganz abgesehen von Zusammensetzung und Form.
worin sie doch auch einen erheblichen Fortschritt bedeu-
ten, sind sie eine staunenswerthe Leistung, wie sie einem
einfachen Klosterbruder schwerlich gelingen konnte.
Auch bei der Annahme, dass ein Klostergeistlicher,
von lebhaftem Interesse für alles, was den Hof anging,
erfüllt, jede Gelegenheit, bei der etwas darüber zu er-
fahren war, gewissenhaft wahrgenommen hätte, etwa wenn
das königliche Hoflager am Orte oder in der Nähe weilte,
oder wenn er, vielleicht selbst als Abt oder in der Beglei-
tung seines Abtes, zur grossen Reichsversammlung kam,
würde immer nur je nach der Lage des angenommenen
Klosters ein gewisser Kreis von Nachrichten seine Erklä-
rung finden. Lorsch z. B. würde man wegen der Nähe
von Worms mit v. Sybel als einen Punkt bezeichnen dür-
fen, von dem aus ein Mönch es verhältnismässig leicht ge-
habt hätte, sich — wenigstens von 781 an — über die
meisten wichtigeren Vorgänge zu unterrichten. Aber nicht
einmal über alle in den Annalen berichteten Ereignisse
der 80er. wie nun gar über die aquitanischen Feldzüge der
60er oder die sächsischen der 40er Jahre? Ebenso steht
die Sache aber bei jedem anderen Kloster, wenn wir nicht
etwa eins anzugeben wissen, das dem Hofe besonders nahe
stand. Wie? wenn der Verf. nun z. B. Mönch im Kloster
St. Denis gewesen wäre, dessen Abt Folrad als königlicher
Kapellan schon seit Pippins Zeiten zu den einflussreichsten
Männern bei Hofe zählte? Nicht weniger als dreimal wird
Folrad erwähnt, und zwar so. dass es in der That den An-
schein hat. als wisse der Annalist von dem betreffenden
Vorfall eben darum Näheres, weil Folrad dabei war: 749
wird er mit dem Bischof Burghard von Würzburg zum
Papst geschickt, 755 führt er mit anderen den Papst nach
Eom, 771 erscheint er mit dem Erzbischof Wilchar und
anderen Geistlichen, den Grafen Warin und Adalhard und
anderen Grossen aus Karlmanns Eeich zu Corbeny vor
44 F. Kurze.
Karl zur Huldigung. Ich glaube sicherlich, dass Folrad
zu den Gewährsmännern des Annalisten gehört hat, und
dass seine Erinnerungen namentlich für die ferner liegen-
den Zeiten vortreffliches Material dargeboten haben müssen.
Aber wenn der Erzähler ausschliesslich oder auch nur
hauptsächlich auf seine Mittheilungen angewiesen wäre,
würde er seine Person in der Erzählung doch gewiss noch
viel mehr hervortreten lassen ; es müsste wohl auch von
da an, wo seine Berichte nicht mehr zu Gebote standen,
ein Unterschied zu bemerken sein, und vor allen Dingen
würde sein Tod 784 nicht unerwähnt bleiben. Der Anna-
list kennt auch den Diakon Biculf und den Schenken
Eberhard (781), den Kämmerer Adalgis, den Marschalken
Gailo und den Pfalzgrafen Worad (782), ohne dass er es
für nöthig findet, ihre Titel anzugeben, sowie den Seni-
schalken Audulf (786); als 'missi' erwähnt er noch Amal-
win 785, Grahamann und Audacr 788, ganz ohne Titel
768 den sonst unbekannten Herovic, der damals doch auch
eine hervorragende Stellung im Heere eingenommen haben
muss, 788 Winegis und 792 Angilbert, während andere
Grosse überhaupt nur genannt werden, wenn sie mit dem
Hofe in Berührung kommen. Darum wiederhole ich : wenn
man auch vielleicht jede einzelne der in den Annalen mit-
getheilten Nachrichten erfahren konnte, ohne zur näheren
Umgebung des Königs zu gehören, so konnte doch ihre
Summe, meiner Ansicht nach, nur einer zusammenbringen,
der unmittelbare Beziehungen zum Königshofe hatte.
Auf solche Beziehungen deutet auch die von Simson x
bemerkte Stilgleichheit der Annalen mit den Papstbriefen
des Codex Carolinus und den gleichzeitigen Papstbiogra-
phieen, welche beweist, dass der Verfasser mit diesen Doku-
menten vertraut war, obgleich er sie für seine Geschichte
nicht benutzt hat. Nicht minder war, wie Manitius - ge-
zeigt hat, die Ausdrucksweise der Urkunden und Capitu-
larien dem Annalisten geläufig.
Wenn nun aber der Annalist in dem höfischen Akten-
material so bewandert gewesen ist, so liegt allerdings die Ver-
muthung nahe, auch einen grossen Theil dessen, was er vom
Hofe zu erzählen weiss, auf derartige Aufzeichnungen zurück-
zuführen. Diesen Weg hat, einer Anregung Dünzelmanns
folgend, Manitius a. a. 0. eingeschlagen und, wie man aner-
kennen muss, consequent verfolgt. So gut wie ein Ver-
1) Jahrbücher Karls d. Gr., 1 2, Excurs III. 2) Mitth. d. Inst. f.
österr. Gesch. X, 419 ff.
Ueber die karolingischen Reichsamialen von 741—829. 45
zeichnis der Weihnachts- und Osterfeste könnte der Anna-
list ja auch eine Liste der Reichs Versammlungen gehabt
haben, da er den Ort derselben von 761 an fast bei jedem
Jahre anzugeben weiss. Für einzelne Berichte, wie über
den Treueid, welchen Tassilo 757 zu Compiegne über den
Gebeinen von fünf Heiligen leistete, und über das Ver-
fahren gegen ihn bis zu seiner Absetzung scheint er offi-
cielle Aktenstücke benutzt zu haben \ vielleicht also auch
über die Verträge, die Pippin 758 zu Sythen mit den
Sachsen, 760 zu 'Tedoad' mit Waifar von Aquitanien
schloss, und andere Dinge. Aber diese Archivalien reichen
zur Erklärung des Inhalts noch immer nicht aus. Wenn
der Verfasser z. B. zu 767 zu erzählen weiss, welche Burgen
der König auf seinen Feldzügen nach Aquitanien eroberte,
und wo ihn die Nachricht vom Tode des Papstes Paul
traf, desgleichen zu 768 nicht nur, dass nach der Gefangen-
nahme der Mutter und einer Schwester Waifars auch noch
seine andere Schwester durch einen gewissen Herovic ge-
fangen, sondern auch, dass dieselbe dem König an dem
sonst oranz unbekannten Orte 'Montis' zugeführt wurde,
was doch an sich eine sehr unwichtige Thatsache ist, so
erhält man den Eindruck, dass der Erzähler oder sein Ge-
währsmann diese Züge selbst mitgemacht habe. Dasselbe
gilt aber erst recht von den Feldzügen gegen die Sachsen.
Schon die Angaben, dass Karlmann 743 Hoch -Seeburg er-
obert und den Sachsen Theoderich gefangen habe, dass
Pippin 747 durch Thüringen in Sachsen bis nach Schö-
ningen an der Meissau eingedrungen sei, die Sachsen aber
bei Ohrum an der Ocker sich mit Grifo vereinigt hätten,
zeigen, dass der Verfasser von diesen Zügen recht ein-
gehend unterrichtet war. Besonders aber verräth der Be-
richt über die Heerfahrt von 775 ganz den Standpunkt
eines Begleiters des Königs : Karl theilt an der Weser sein
Heer und rückt mit dem einen Theile zur Ocker, wo sich
die Ostfalen unterwerfen; auf dem Rückwege nimmt er
im Buckigau die Unterwerfung der Engern an, dann kommt
er zu der an der Weser gebliebenen anderen Hälfte zurück
und hört, dass sie unterdessen bei Liedbach mit den
Westfalen gekämpft hat. Nach Franken zurückgekehrt,
hört er von dem Aufstande des Langobarden Hrodgaud.
1) Wie diese letztere Aufzeichnung beschaffen gewesen sein mag,
davon giebt uns ein gleichartiges Aktenstück von 794 (Cap. I, 74), auf
welches Manitius hinweist, eine Vorstellung ; eben daraus ist aber auch zu
entnehmen, dass sie wohl nicht die Ausdehnung gehabt haben wird, welche
Manitius ihr beimisst.
46 F. Kurze.
Auch 778 genügt es dem Annalisten nicht, zu erzählen,
dass die Sachsen sich empörten; er berichtet auch, dass
die Meldung davon den König zu Auxerre traf. 781 weiss
er nicht nur, dass sich Tassilo in Worms zur Stellung von
12 Geiseln verpflichtete, sondern auch, dass der Bischof
Sinbert dieselben zu Kiersy dem König überbrachte; und
so führt er noch hundert andere Einzelheiten an, die
eigentlich nur den interessieren konnten, der dabei ge-
wesen war, während Feldzüge, die der König nicht selbst
unternahm, verhältnismässig kurz abgethan werden.
Wenn man also nicht zugebe« will, dass der Verfasser
selbst am Hofe gelebt habe, so bleibt freilich wohl nichts
weiter übrig, als unter seinen Quellen mit Manitius auch
noch ein ausführliches amtliches Itinerar des Königs an-
zunehmen, das dann eigentlich wohl so ziemlich den ganzen
Inhalt der Annalen in kürzerer Fassung enthalten haben
müsste. Welche Wahrscheinlichkeit ist aber für die Exi-
stenz einer so hochwichtigen Quelle, die so spurlos ver-
loren gegangen sein soll, vorhanden? Eine andere Quelle,
meint Manitius, hätte nicht so gut unterrichtet sein können
und auch nicht das Interesse daran gehabt, zu melden,
über welche Orte und bis zu welchem Punkte der Vor-
marsch ging, und welche Linie auf dem Bückwege einge-
halten wurde ; und welche andere Quelle als das königliche
Itinerar, fragt er, hätte so oft den Ort bezeichnen können,
wo der König eine wichtige Botschaft erhielt? Nun, die
Antwort ist nicht schwer: so gut wie der Schreiber des
angeblich am Hofe geführten Itinerars konnte das der
Annalist selbst auch noch im Jahre 788, aber freilich nur
unter der Voraussetzung, dass er selbst seit langer Zeit
dem königlichen Hofe angehört und die Reisen und Feld-
züge des Königs mitgemacht hatte.
Doch will ich mit der Behauptung, dass der Verfasser
unserer Annalen in Hofkreisen zu suchen sei, noch nicht
gerade für ihre officielle Abfassung eintreten. Nicht ein-
mal ihren officiösen Charakter möchte ich behaupten,
wenigstens nicht in dem Sinne des Worts, dass in ihnen
eine auf höhere Anregung entstandene Publication zu er-
kennen sei, vielmehr halte ich es für sehr möglich, dass
unser Annalist ohne Anregung von oben schrieb, für sehr
wahrscheinlich aber auf der anderen Seite, dass ihm seine
Stellung auch ohne dies gewisse Rücksichten auferlegte.
Mag diese Rücksicht vielleicht auch nur in der warmen
Verehrung für den König ihren Grund haben, wegzuleug-
nen ist sie auf keinen Fall, nachdem die Untersuchung der
Ueber die karolingischen Reichsannalen von 741 — 829. 47
Hss. dargethan hat, dass auch die Verschwörungen Hart-
rats und Pippins, die selbst in den dürftigsten Kloster-
annalen erwähnt werden, von unserem Annalisten mit voll-
kommenem Stillschweigen übergangen worden sind 1. In
so niederer Stellung kann sich auch der Verfasser nicht
befunden haben, dass man in den höheren Kreisen von
seiner Arbeit nichts gewusst hätte ; dagegen spricht schon
die grosse Zahl der von ihm benutzten Hülfsmittel. Ein
Werk, wie dieses, wird nicht in wenigen Tagen fertig ge-
stellt, und der Entschluss dazu nicht über Nacht gefasst.
Auch wenn der Verfasser zur Zeit nicht oder nicht mehr
am Hofe weilte, kann seine Arbeit kaum dem König un-
bekannt geblieben sein. Ein Mann, der sich zu einer sol-
chen Aufgabe entschloss, und dem die Quellen dafür so
reichlich flössen, ist wohl nur unter der höheren Hofgeist-
lichkeit zu suchen. Wer von dem Studium der Litteratur
aus Karls des Grossen späteren Jahren ausgeht, mag aller-
dings zu dem Ergebnis kommen, 'dass die Geistlichkeit des
Hofes doch gebildeter war, als dass aus ihrer Mitte ein
so dürftiges Geschichtswerk hätte hervorgehen können, wie
die Lauriss. mai. sind' (Manitius), aber ein Werk, das wie
dieses, zeitlich auf der Grenze zwischen zwei so weit ver-
schiedenen Litteraturperioden steht, ist billigerweise nach
einem Vergleiche mit seinen Vorgängern, nicht mit seinen
Nachfolgern zu beurtheilen.
Fragen wir noch weiter der Person des Verfas-
sers nach, so kann Arn von Salzburg, den W. Giesebrecht
(a. a. 0. S. 199 — 202) vorschlägt, meines Erachtens nicht
weiter in Betracht kommen, weil er dem Hofe zu fern
stand, mochte er auch vorher Abt von St. Amand gewesen
sein und mit Alkuin Briefe gewechselt haben. Auch stehen
die bairischen Angelegenheiten, wie v. Sybel (S. 285) richtig
hervorhebt, keineswegs so im Vordergrunde, wie es nach
Giesebrecht scheinen möchte. Nicht Baiern und nicht
Sachsen bildet den Hauptgegenstand der Erzählung, son-
dern einzig und allein der König und seine Thaten. Sieht
man sich nun unter den Geistlichen des Hofes um, so
möchte man wohl am ehesten Eolrad für den Verfasser
halten, wenn er nicht schon 784 gestorben wäre; immerhin
dürfte aber ein grosser Theil des selbständigen Inhalts der
1) Sowohl der Satz 'Coniuratio Hardradi — damnati sunt' zu 785
als auch der zu 792 'Coniuratio — conpressa est' ist spätere Interpolation,
die der Hss. -Ellasse D eigentümlich ist und darum erst nach 829 hinzu-
gesetzt sein kann. Vgl. N. A. XIX, 297. 307. 319—322.
48 F. Kurze.
Annalen aus seineu Mittheilungen geschöpft sein. Folrads
Nachfolger war der Bischof Angilrani von Metz, der mit
päpstlicher Erlaubnis trotz seines bischöflichen Amtes be-
ständig am Hofe weilte1; ihn bezeichnet Wattenbach 2 ver-
muthungsweise als den Verfasser. Entscheidendes wird
sich nicht dagegen einwenden lassen ; nur dass die Anna-
len bis 795 noch im ganzen denselben Stil zeigen, will
sich nicht recht damit vertragen, da Angilram schon 791
starb. Eben so gut könnte man auf den Diakon Biculf
rathen, der 787 Erzbischof von Mainz wurde; gerade das
Ausscheiden aus dem unmittelbaren Hofdienste möchte
diesem vielleicht den Anlass zur Aufzeichnung seiner Er-
innerungen gegeben haben8. Ganz willkürlich ist I. G.
v. Eckharts Annahme4, dass die Annalen von den jeweili-
gen Kanzlern in amtlichem Auftrage verfasst und weiter-
geführt worden seien.
Während nach W. Giesebrechts Meinung der Verfasser
'unzweifelhaft ein Deutscher' sein sollte, haben sichW. Arndt 5,
Simson6 und Manitius ' für romanische Abkunft desselben
ausgesprochen. Hatte Giesebrecht besonders auf den Aus-
druck 'theodisca lingua harisliz' (788) Werth gelegt, so
weist Simson darauf hin, dass dieser ebenso auch in einem
für Italien bestimmten Capitulare von 801 gebraucht wird.
Aus 'harisliz' wenigstens ist nichts zu folgern, da es, wie
zahlreiche Beispiele beweisen, der technische Ausdruck für
ein Vergehen war, für das es eine lateinische Bezeichnung
überhaupt nicht gegeben zu haben scheint. Ebenso ist
'scara' ein der fränkischen Sprache entlehnter technischer
Ausdruck. Bei 'theodisca lingua' (788), 'scara Francisca'
(774), 'Austreleudi Saxones' (775) wird man allerdings sagen
dürfen, dass Ausdrücke wie 'lingua Francorum', 'scara
Francica', 'Saxones orientales' einem Romanen näher gelegen
haben würden; doch ist nicht zu übersehen, dass die deut-
schen Wörter 'theodisk' und 'frankisk' sich auch bei den
Romanen später eingebürgert haben und als 'tedesco' und
'francesco' im Italienischen noch heute geläufig sind. Auf-
fällig für einen Romanen wäre immerhin die richtige
Wiedergabe der zahlreichen deutschen Ortsnamen. An-
1) Vgl. Jahrbücher Karls d. Gr. II, 541. 2) Deutschlands Ge-
schichtsquellen I6, 196. 3) Der Bericht über die Heerfahrt von 789
macht nicht den Eindruck, als sei der Verfasser dabei gewesen ; in Mainz
dagegen könnte die Fortsetzung von 788—795 recht wohl geschrieben
sein. 4) Commentarii de rebus Franciae orientalis. 5) Litterar.
Centralblatt 1880, Nr. 40. 6) Jahrbücher Karls d. Gr. I2, Excurs III.
7) Mitth. d. Inst. f. österr. Gesch. X, 419.
Ueber die karolingisehen Reichsannalen von 741 — 829. 49
dererseits erblickt Simson in der genauen Bekanntschaft
des Verfassers mit dem Stil der gleichzeitigen Erzeugnisse
des Laterans einen Grund, ihn für einen Romanen zu
halten, wozu auch das lebhafte Temperament gut passe.
Indessen den lateranischen Stil konnte man auch aus den
von Eom an den fränkischen Hof gerichteten Schrift-
stücken kennen lernen, und das Temperament beweist
nichts. Als romanisch führt Manitius eine Reihe von ein-
zelnen Ausdrücken an, wohin vielleicht auch der Gebrauch
von 'ille' in der Verbindung 'cum illa alia sorore' (768) zu
rechnen ist, da es hier im Sinne des bestimmten Artikels
gemeint zu sein scheint; ich meine aber, dass alle diese
Dinge gar nichts entscheiden: bei der Mischung germani-
scher und romanischer Elemente am fränkischen Hofe ist
es eben so leicht erklärlich, wenn ein Germane einige
romanische Ausdrücke gebraucht, wie das Umgekehrte.
Neues Archiv etc. XX.
III.
Die
sagenhafte sächsische Kaiserchronik
aus dem 12. Jahrhundert.
Von
Ernst Bernheim.
4*
N,
1. Charakterisierung des Werkes.
I achdem Wattenbach \ Pertz 2, Ulmann 3 auf die dem
Annalista Saxo MG. SS. YI und den Annales Palidenses
MG. SS. XVI gemeinsamen Nachrichten aufmerksam ge-
macht hatten, welche z. Th. einen sagenhaften Charakter
an sich tragen, hat Giesebrecht4^ die letzteren besonders
ins Auge gefasst, und Waitz 5 sie zum Gegenstand einer
eingehenderen Untersuchung gemacht. Während Giese-
brecht jene sagenhaften Erzählungen für Zusätze hielt, die
man irgendwo in Sachsen zu einer Hs. des Ekkehard von
Aura machte und die so in die Werke der ihn ausschrei-
benden beiden Annalisten übergingen, hat Waitz sie für
den einheitlichen Stoff einer sagenhaften Kaiserchronik
erklärt, welche wahrscheinlich zu Lothars III. Zeiten im
Hildesheimer Sprengel, vielleicht in Gandersheim, verfasst
worden sei. Jener Ansicht hat sich Jul. Voigt6, dieser
haben sich Paul Hasse 7, Weiland 8 u. a. angeschlossen,
Wattenbach äussert sich in den neuesten Auflagen der
'Geschichtsquellen' 9 unentschieden.
Wie fast immer hat Waitz mit dem genialen Blick
für die Verhältnisse der Quellen, der ihm eigen war, im
Wesentlichen das Richtige erkannt, und es bleibt einer
erneuten Untersuchung nur die Aufgabe, die von Waitz
gezogenen Umrisse zu bestätigen, im Einzelnen schärfer zu
ziehen, auszufüllen. Dies soll zunächst im Folgenden ver-
sucht werden. Anderes wird sich daran schliessen.
1) Deutschlands Gesckichtsquellen im Mittelalter, 1. Aufl. 1858,
5. 410. 2) In der Vorrede zur Ausgabe der Ann. Pal. MG. SS. XVI,
49, 37 ff. 3) G-otfrid von Viterbo, Diss. Göttingen 1S63 , S. 64 ff.
4) Gesch. der deutschen Kaiserzeit, 3. Aufl., Bd. I, S. 794 ff. 5) Ueber
eine sächsische Kaiserchronik und ihre Ableitungen, in Abhandlungen der
kgl. Gesellschaft der Wissensch. zu Göttingen von den Jahren 1864 — 1866,
Bd. XII, hist.-phil. Klasse, S. 1 ff., speciell S. 31 ff. 6) Die Pöhlder
Chronik und die in ihr enthaltenen Kaisersagen, Diss. Halle 1879. 7) Die
Reimchronik des Eberhard von Gandersheim, Dissert. Göttingen 1872.
8) MG. Deutsche Chroniken Bd. II, 21, 33 ff. und 388, 28 ff. 9) In der
4. Aufl. 1877, Bd. II, S. 193, in der 5. Aufl. 1886, Bd. II, S. 225, in der
6. Aufl. 1894, Bd. II, S. 254.
54 Ernst Bernheim.
Es hat neuerdings der Klärung' der ganzen Sachlage
ausserordentlichen Vorschub geleistet, dass man sicher er-
kannt hat, es haben dem Annal. Saxo und den Annal.
Palid. ausser den nachweislich von ihnen gemeinsam be-
nutzten uns bekannten Quellen und abgesehen von den
gemeinsamen Sagengeschichten noch andere verloren ge-
gangene Werke vorgelegen, und dass man diese, deren
Vorhandensein Waitz nur unbestimmt constatierte, jetzt
genau nach Form und Inhalt zu bestimmen weiss. Es sind
das einmal die verlorenen Annales Patherbrunnenses, welche
Scheffer - Boichorst in seinem bekannten Buche 1 recon-
struiert hat, und sodann die verlorenen Halberstädter bezw.
Ilsenburger Annalen, welche jüngst von H. Herre 2 nach-
gewiesen worden sind. Von der Gesamnitheit der Stellen
in den unselbständigen Partien des Ann. Saxo und der
Ann. Pal., welche bis dahin bestimmten Quellen nicht zu-
gewiesen werden konnten — diese Stellen heben sich in
den Ausgaben der MG. auf den ersten Blick überall schnell
ersichtlich durch den Druck in Corpus aus dem übrigen
mit kleinern Typen bezeichneten Text hervor — lassen sich
jetzt die rein annalistischen und einige sonstige Nach-
richten jenen beiden verlorenen Annalenwerken zuschrei-
ben, und befreit von diesen tritt der einheitliche Charakter
der sagenhaften Erzählungen um so deutlicher zu Tage.
Es kann kein Zweifel sein: wir haben in der Ge-
sammtheit derselben Excerpte aus einem einheitlichen
selbständigen Werk vor uns, dessen Struktur, Inhalt, Ten-
denz sich deutlich erkennen lässt.
Wir erkennen vor allem bei einem Ueberblick über
die Excerpte, wie sie uns im ganzen am ausgiebigsten in
den Ann. Pal. erhalten sind, dass es nicht einzelne zu-
sammenhangslose Geschichten waren, sondern dass sie in
einem, wenn auch manchmal leicht geknüpften Zusammen-
hang eine fortlaufende Kaisergeschichte bildeten.
Die Partien über Otto den Grossen, Ann. Pal.
SS. XVI, 62 ff.3 und Ann. Saxo SS. VI, 600 ff. veranschau-
1) Annales Patherbrunnenses 1870. 2) Ilsenburger Annalen als
Quelle der Pöhlder Chronik, Diss. Leipzig 1890 ; dieser treulichen Unter-
suchung ist der Weg gebahnt durch die glückliche Entdeckung von Heine-
manns, die er im N. A. XIII, S. 35 ff. dargelegt hat, z. Th. auch durch
meine Bemerkungen in den Forschungen zur Deutschen Geschichte XV,
S. 281 ff. 3) Weiterhin führe ich der Einfachheit wegen nur immer die
betr. Stellen der Ann. Pal. an, da diese durchweg unsere Quellen reich-
licher wiedergeben ; nur in der Erzählung zum Jahre 817 ist der Ann.
Saxo ausführlicher.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 55
liehen am besten, wie das Werk ausgesehen hat, weil da
die Ann. Pal. recht ausführlich excerpiert haben. 'Otto
res vir erat strenuus, fidelis et humilis atque in exigenda
iusticia severus' — so beginnt die Partie mit einer kurzen
Charakterisierung des Kaisers, um zunächst gleich einen
Beweis seiner frommen Freigebigkeit daran zu knüpfen:
'ad cuius mensam cotidie 30 libre argenti pertinebant,
quibus sex ademtis ecclesiam Magdeburgensem . . . fun-
davit aliasque quamplures. Iste' — so fährt das Werk mit
einer für dasselbe charakteristischen Wendung fort —
'duxit Anglice gentis regiam uxorem nomine Edith, castissi-
mam et magni apud Deum meriti, ut in quibusdam rebus
claruit'. Es folgt als Beispiel die Geschichte von der
Hindin, die bis Gemach der Königin kommt, um durch
deren Barmherzigkeit die Befreiung ihres im Walde ge-
fangenen Kalbes zu bewirken, und daran schliesst sich mit
demUebergang 'Aliud quoque memorabile Dominus cum ipsa
ostendit' die köstliche Sage von der frommen Mildthätig-
keit Ediths, die der König als Bettler verkleidet auf die
Probe stellt, eine Probe, aus der die Königin durch die
wunderbare Wiederherstellung des abgerissenen Aermels
doppelt glorreich hervorgeht. Nach dieser Verherrlichung
der Gattin, die sich dem König so ebenbürtig erweist, wie
er ihr, knüpft die Erzählung an die obige Charakteristik
Otto's wieder an und führt sie weiter aus: 'Rex vero in
commisso fidelis sibi et ecclesie vigilavit, studens per Do-
mini plantaria virtutes inserere, vitia exstirpare; in tantum
autem iustitie inservivit, ut bipennim eius iudiciariam in
media curia infigi nulla dies quantumvis festi^a intereepe-
rit', und es folgt der Bericht von der Bethätigung seiner
Rechtspflege und Herrscherstrenge bei seinem Auftreten
in Italien und in Deutschland; dieser Bericht ist durch
die excerpierenden Annalisten in getrennten Stücken deren
übrigem Material eingearbeitet, daher des ursprünglichen
Ueberganges am Anfang verlustig gegangen, steht aber in
engstem Zusammenhang mit dem Vorhergehenden, wie sich
unfehlbar aus dem Hinweis auf 'illa sua bipenni' (S. 63,
Zeile 50 in den Ann. Pal.) ergiebt, und ist in sich durch-
aus einheitlich; auch die Erwähnung vom Aufstande des
Sohnes (ib. Z. 26 ff.) ist dem Zusammenhange untergeordnet.
Daran reiht sich mit dem Uebergang 'Ipso tempore' der
Aufstand der italischen Landschaften überhaupt und die
Verurtheilung der Lombarden zu einem jährlichen Tribut
von 200 Pfund reinsten Goldes. Ob nun in der Quelle
noch von andern Thaten des Kaisers die Rede war, können
56 Ernst Bernheim.
wir selbsverständlich nicht wissen, da die Excerptoren
manches, was sie dem Inhalt nach entsprechend aus ihren
übrigen Quellen entnahmen, übergangen haben mögen, aber
jedenfalls ist uns der Abschluss dieser Darstellung Otto 's
des Grossen in der Stelle ebd. S. 64, 29 ff. erhalten, wo die
Prophezeiung seines Todes durch die Vision der verkör-
perten Dysenterie, und sein Tod an dieser Krankheit ge-
meldet wird. Dass in unserer Quelle auch die Thron-
besteigung Otto's am Anfang ausdrücklich berichtet, wenn
auch vom Pöhlder Annalisten, der dieselbe aus Ekke-
hard bringt, weggelassen worden ist, kann garnicht zweifel-
haft sein, da, wie wir gleich sehen werden, die Erhebung
anderer Könige, welche ähnlich behandelt werden, aus-
drücklich erwähnt wird.
Nachdem wir uns nämlich vergegenwärtigt haben, wie
in dieser Zusammenstellung der Partien über Otto den
Grossen sich eine zusammenhängende grossentheils durch
einzelne Anekdoten illustrierte Skizze seiner Persönlichkeit
und seinas Wirkens, daneben auch seiner frommen Ge-
mahlin Edith, ergiebt, erkennen wir leicht bei der Be-
trachtung der Stellen über andere Könige, die aus unserer
Quelle stammen, die Fragmente ursprünglich ganz analoger
Skizzen. Die Vollständigkeit, mit der wir sie erkennen
können, hängt natürlich von der grösseren oder geringeren
Menge der uns von den beiden Excerptoren überlieferten
Stellen ab, und diese von dem Geschmack oder der Laune
der beiden, doch waren diese glücklicher Weise im ganzen
bei dem Autor der Ann. Pal. unserer Quelle recht günstig,
so dass wir, wenn auch im einzelnen etwas ungleichmässig,
doch im ganzen ein ziemlich entsprechendes Bild der Ur-
quelle erhalten. Am reichlichsten ist neben Otto dem
Grossen Heinrich IV. bedacht, den wir daher zunächst ins
Auge fassen.
Nachdem die Geburt Heinrichs IV. Ann. Pal.
S. 69, 15 erwähnt ist, wird erzählt, wie schmählich er als
Knabe den am Hofe weilenden künftigen Papst Gregor VII.
behandelte, welchen mehrfache Prophezeiungen als ver-
derblichen Gegner des künftigen Königs verkündet hatten;
die fromme Kaiserin tritt als Schützerin des auch vom
Kaiser Verfolgten auf. Das Ende des Kaisers wird, augen-
scheinlich aus unserer Quelle (ebd. Z. 51 ff.), zu berichten
begonnen, seinen Tod aber und die Erhebung Heinrichs IV.
erfahren wir nicht aus derselben, da der Annalist dies aus
Ekkehard entnimmt. Dann wird die Gottlosigkeit Hein-
richs S. 70, 2 ff. durch die Verehrung eines egyptischen
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik ans d. 12. Jahrh. 57
Götzenbildes, deren er sich schuldig macht, charakterisiert,
und mit der Wendung- Hie velut ipse fuerat perversus,
ita regnum Universum pervertere curavit' die Erzählung
seiner Gewaltthaten gegen die Sachsen, speciell gegen
Bischof Burchard von Halberstadt, sowie sein Auftreten
gegen Gregor VII. eingeleitet. Die Stelle, in der erzählt
wird, dass Gregor auf den päpstlichen Stuhl gelangt ist
(ebd. Z. 25 ff.), zeigt deutlich, wie das in der Quelle Vor-
hergehende und Folgende im geschlossenen Zusammenhang
einheitlicher Erzählung stand: 'Hie primo Hildebrandus
dictus in curia regis crevisse supra memoratus est, de quo
in visione apparuerat patri huius Heinrici regis, per hunc,
papam factum, filium suum honore privandum, sicut con-
sequentia declarabunt'. Fragmente des Berichtes unserer
Quelle über den Zwist Heinrichs mit dem Papst sind uns
erhalten ebd. Z. 34 f., Z. 44 f., und sehr wahrscheinlich
waren auch die Angaben über die Gegenkönige ebd. Z. 40 ff.,
Z. 45 ff., 55 f. und S. 71, 7 ff. in diesen Zusammenhang
eingeordnet. Die erste Excommunication des Königs ist
dann S. 71, 40 f. im causalen Zusammenhang mit der Ge-
schichte von dem missglückten Versuch, die Königin zum
Ehebruch zu verleiten, erzählt, und der angebliche Incest
mit der Nichte nebst der Zurückweisung des ihm vom
Papste angesonnenen Gottesurtheils giebt Anlass zu aber-
und abermaliger Excommunication (S. 72, 1 ff.). Heinrich
thut nun endlich gründlich Busse (ebd. Z. 15 ff.), aber die
Wendung 'Qua penitentia modico tempore servata' ebd.
Z. 18 (mit der dies Excerpt aus unserer Quelle zu Gunsten
der weiteren Entlehnung aus Ekkehard abbricht), zeigt,
dass unsere Quelle ihn wieder rückfällig werden liess. Hier
fehlt nun in der Hs. der Ann. Pal. ein Blatt, doch tritt
in die Lücke ergänzend ein die betreffende Partie der
Sächsischen Weltchronik (oder des Chronicon Luneburgi-
cum, wie Pertz es nannte), worin die Ann. Pal. durchweg
fast wörtlich übersetzend abgeschrieben sind, und da
schliesst sich dem bisher verfolgten Zusammenhange ent-
sprechend an (S. 73, 4 f.1): 'De keiser Heinric de aide wolde
noch sinen side halden; he hadde sine bosheit lief, andere
lüde doget de overdusterde he', worauf als Illustration
eine Reihe wahrhaft neronischer Schandthaten des Kaisers
gegen Menschen und Thiere folgt2; auch die Empörung
1) Vgl. auch hier und weiterhin die entsprechenden Stellen in der
Ausgabe von Weiland, MG. Deutsche Chroniken II, S. 183 ff. 2) Die erste
dieser in der Sachsenchronik erhaltenen Geschichten (von dem Versuch,
58 Ernst Bernheim.
Heinrichs V. ist augenscheinlich z. Th. ans unserer Quelle
in diesem Zusammenhang erzählt * : Der Traum des alten
Kaisers in Lüttich (S. 73, 63 ff.), den die Excerptoren aus den
Hildesheimer bezw. Paderborn er Annalen entnommen haben,
stand nicht in unserer Quelle, denn für diese haben wir
den Satz ebd. S. 74, 47 f. in Anspruch zu nehmen, in dem es,
abweichend yon den dem Traum entsprechenden, in jenen
Annalen berichteten Todesfällen nach dem Tode des Kaisers
heisst : 'Darna ward de keiser Heinric siek ; vor sime dode
twelwe siner heimlikesten vrunde storven schentliken dodes'.
Daran schliesst sich die drastische Schilderung der ärm-
lichen Machtlosigkeit, in der er jämmerlich stirbt, die schon
vorher (S. 74, 29 ff.) nicht minder drastisch durch die an
ihn gerichteten schonungslosen Scheltworte eines geistes-
schwachen Mannes ins Licht gestellt worden ist.
Von Heinrich III. ist zunächst die Thronbestei-
gung und eine kurze Gesammtcharakteristik wiedergegeben.
Denn der Satz 'Decedente itaque Conrado de Wibelingin
anno Domini 1039. Heinricus filius eius huius nominis tertius
cognomento Heinricus cum barba (Glosse : mit ten barde 2)
in omni virtute strenuus regnavit annis 17, cui filia regis
Danorum nomine Agnes sanctissima nupserat' in Ann. Pal.
S. 68, 46 ff. ist keineswegs aus Ekkehard, wie in der Edi-
tion irrig angegeben ist, entnommen, nur die Zahlenangaben
stammen wohl daher, im übrigen steht der Satz den bekannten
Quellen der Ann. Pal. fern und ist ohne Zweifel für un-
sere Fragmente in Anspruch zu nehmen: dafür spricht die
ganz der Art derselben eigene Gesammtcharakteristik des
Kaisers, die da gegeben wird, dafür die Angabe des volks-
thümlichen Beinamens nebst deutscher Glosse, dafür ferner,
dass in dem ursprünglichen Zusammenhang dieser Frag-
mente ein Satz ganz solchen Inhalts gestanden haben muss,
der den Uebergang von Konrad IL zu Heinrich bildete.
Sodann ist aus unserer Quelle die Beseitigung des Schis-
mas durch den Kaiser auf Antrieb der ihm von einem
Eremiten zugesandten Verse (Ann. Pal. S. 68, 57 ff.) erzählt,
woran sich sehr gut die Geschichte seines Verhaltens zu
Hildebrand (Ann. Pal. S. 69, 9 ff.) anschliesst. Endlich ist,
wie schon erwähnt 3, zu erkennen, dass auch sein Tod und
Begräbnis in unserer Quelle berichtet war.
die Kaiserin zum Ehebruch zu verleiten) ist in den Ann. Pal., wie er-
wähnt, schon vorher berichtet, von dem Verfasser der Sachsenchronik
hierher gezogen. 1) Vgl. weiter unten. 2) Vgl. den Anhang zu
diesem Abschnitt I. 3) Oben S. 56.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik ans d. 12. Jahrh. 59
Von Konrad II. ist uns anscheinend in den Ann.
Pal. alles erhalten, was die Quelle überhaupt von ihm er-
zählte. Mit den Worten 'Defuncto igitur pio Heinrico',
die sich S. 67, 30 unmittelbar x an die auch aus unserer
Quelle stammende Todesnachricht Heinrichs II. (ebd. Z. 26)
anschliessen , wird die völlig fabelhafte Geschichte von
Konrads Wahl im Wettstreit mit seinem angeblichen Bruder
Heinrich eingeleitet, sodann werden seine Kämpfe mit
diesem Bruder und seine schnöde Hintergehung der Wahl-
fürsten erzählt, und abschliessend heisst es: 'Sic principes
. . . regem usque in finem tolerabant'; sein Tod ist noch
ausdrücklich in dem eben 2 erwähnten Uebergang zur Re-
gierung Heinrichs III. angeführt.
Ausführlicher ist Heinrich II. behandelt. Wir er-
fahren zunächst Ann. Pal. S. 65, 53 ff., wie ihm ein räthsel-
haftes 'Post sex' prophezeit wird und er dann 6 Jahre nach
Otto's III. Tode — (hier bricht die Entlehnung aus unserer
Quelle in den Ann. Pal. ab, weil diese den Satz mit den
Worten ihrer Hauptquellen vollenden, aber der Annal.
Saxo :! hat uns, hier einmal unserer Quelle getreuer als
jene, den originalen Schluss des Satzes, der nach dem
Vordersatz übrigens auch ohnedies dem Sinne nach nicht
zweifelhaft sein kann, bewahrt) 'rex levatur'. Daran
schliesst sich ohne Zweifel unmittelbar Ann. Pal. S. 65, 60 ff. :
'Evoluto autem aliquot dierum circulo . . . Cunigundam
. . . quasi in matrimonium sibi copulaverat' und die Fabel
von der Keuschheit, verläumderischen Anklage und glor-
reichen Rechtfertigung Kunigunde's durch das Gottes-
urtheil der Feuerprobe. Es folgt ebd. S. 66, Z. 26 ff. das
Histörchen von Heinrichs kühnem Sprung von den Mauern
der Burg Valenciennes, der ihm eine Hüftenlähmung und
den Beinamen Huffehalz einträgt, angeschlossen an den
Bericht über die Belagerung dieser Burg aus Sigebert, so
dass der originale Uebergang, der dies mit dem Vorigen
in unserer Quelle verknüpft haben wird, nebst dem origi-
nalen Anfang der Stelle fortgefallen ist. Der Schluss der-
selben Z. 38 : 'remeavit, alia regni negotia pertractare' lässt
die Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit offen, dass in
unserer Quelle noch andere Thaten des Königs berichtet
1) 'Unmittelbar' in dem ursprünglichen Texte unserer Quelle; in
den Ann. Pal. folgen erst Sätze, die aus Ekkehard und Sigebert ent-
nommen sind, sowie eine Stelle über die Stiftung zu Ehren des Heimrad
in Hasungen, die aus den Annales Patherbrunnenses stammt, s. P. Scheffer-
Boichorst 1. c. S. 93 zu 1020, und unten bei uns Abschn. II. 2) Oben S. 58.
3) SS. VI, 048, 62.
60 Ernst Bernheim.
standen. Wahrscheinlich gehört die nur iin Ann. Saxo
S. 660, 19 ff. stehende Sage von der Auffindung der Me-
talle bei Goslar, wobei der König eine Rolle spielt, hier-
her. Erhalten ist dann wieder jedenfalls der ganze Schluss
der Legendenskizze in der Partie S. 67, 14 ff., wo Heinrich
angesichts der letzten Stunde die unberührte Gattin als
Jungfrau ihren Verwandten zurückgiebt, wo die Vision
eines Eremiten das Bemühen der Dämonen um die Seele
des Sterbenden und deren Rettung durch den Kelch des
h. Laurentius enthüllt, und endlich der selige Tod des
frommen Kaisers verzeichnet wird.
Von Otto III. erfahren wir S. 64, 63 ff. eine charak-
teristische Anekdote aus seiner Knabenzeit, die angebliche
Regentschaft Erzbischof Bruno' s von Köln und die Erz-
bischof Willegis' von Mainz, sowie gelentlich dessen die
Entstehung des berühmten goldenen Crucifixes zu Mainz
aus dem longobardischen Tribut. Es folgt dann nur noch
S. 65, 50 ff. die Sage von Otto's Tod durch das Gift der
Wittwe des Crescentius, deren Anfang aber mit den Worten
des Sigebert und Ekkehard1 wiedergegeben ist.
Von Otto IL ist nur der Bericht seines letzten
Kampfes mit den Sarazenen, seiner dabei empfangenen
tödtlichen Verwundung und seiner Bestattung in Rom
S. 64, 54 ff. erhalten.
Wir wenden uns nun zu Heinrich L, da wir Otto
den Grossen schon oben behandelt haben. Zunächst wird
uns dieser S. 61, 9 f. in Kürze als Herzog von Sachsen, als
Feind Königs Konrad vorgeführt; letzterer empfiehlt ihn
sterbend den Fürsten als Nachfolger 'utpote virum con-
silio et virtute pollentem'. Als Beleg seiner frommen
Tugend wird ebd. Z. 14 ff. erzählt, wie er es ablehnt, sich
an der Aneignung Gandersheimer Lehen zu betheiligen und
lieber auf die ganze Erbschaft von seinem Vater verzichtet,
die ihm freilich später nach dem Tode seiner Brüder doch
zufällt. Dann folgt ebd. Z. 22 mit der für unsere Quelle
charakteristischen Wendung 'Iste est primus Heinricus post
Karolum, cognominatus auceps', die vorher bereits ein-
geleitete Erzählung von der Ueberraschung Heinrichs durch
die Fürsten beim Vogelfang und seiner Erhebung auf den
Thron, sowie sein Verzicht auf das Tragen der Krone
während seiner ganzen Regierung aus Reue über sein frü-
1) Die "Worte Z. 49 'dum ipse iuvenis' bis 'discedit ab Italia1 sind
aus Ekkehard genommen, was in der Ausgabe in den MGr. 1. c. nicht
bemerkt ist.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus cl. 12. Jahrh. 61
heres rebellisches Verhalten gegen das Reich und die
Person Konrads. In der Anknüpfung rückgreifend auf
die vorher berichtete Tributpflicht des Reiches gegen die
Ungarn wird nun ebd. Z. 43 ff. Heinrichs glorreiches Auf-
treten gegen diesen Landesfeind und dessen Vernichtung
geschildert. Weiter ist uns über diesen König nichts mehr
aus unserer Quelle erhalten.
Kurz genug sind Konrad I. und Arnulf, mit voll-
ständiger Uebergehung Ludwig des Kindes, behandelt,
ersterer nur in seinem schon erwähnten Verhältnis zu
Heinrich S. 61, 9 ff. und, wie auch letzterer, in seinem
Tributverhältnis zu den Ungarn ebd. Z. 8 f. Die Ungarn-
plage giebt in diesen Zeilen und der vorhergehenden Ge-
schichte vom Bischof Udalrich von Augsburg den Faden
der Erzählung ab : wie Augsburg ist das ganze Eeich unter
die Gewalt der Heiden gefallen, lange Zeit bleibt es tribut-
pflichtig, zuletzt unter Arnulf und dessen Nachfolger
Konrad; daran knüpft, wie erwähnt, die Heldenthat
Heinrichs nachher wieder an.
Von den vorhergehenden Karolingern finden wir
nur wenig in den Excerpten der Ann. Pal. und des Ann.
Saxo, was für unsere Quelle in Anspruch zu nehmen wäre,
und es ist auch aus später anzuführenden Gründen höchst
wahrscheinlich, dass dieselbe nicht viel mehr von ihnen
enthalten habe. Nicht gestanden haben in derselben ohne
Zweifel die Notizen zu den Jahren 898 bezw. 891. 903 bezw.
902. 906 (Ann. Pal. S. 60, 8 ff. 15 ff. 22 ff., Ann. Saxo S. 588,
41 ff., S. 590, 59 ff., S. 591, 68 ff.), denn diese zeigen sich
durch ihre rein annalenmässige Fassung- mit bestimmten
Tagesangaben, die in Ann. Pal. bei der erst- und letzt-
genannten Notiz nur fortgelassen, vom Ann. Saxo aber bei-
behalten sind, unserer Quelle fremd und sind auf eines
der verlorenen annalistischen Werke zurückzuführen, welche
dem Ann. Saxo und den Ann. Pal. ja mehrfach gemeinsam
vorlagen. Nur zwei Stellen bleiben dann übrig, die dem
Charakter unserer Quelle entsprechen und darin gestanden
haben können, in Ann. Pal. S. 58, 33 ff. und 42 ff., im
Ann. Saxo un getrennt hintereinander und ausführlicher
S. 570, 71 ff. Der letztere Annalist hat hier seine Vorlage,
die der Verfasser der Ann. Pal. bedeutend kürzte *, ge-
treuer wiedergegeben, nur am Anfang hat er dieselbe zu
Gunsten der Einreihung in seinen übrigen Text sichtlich
1) Es ist ersichtlich, dass das Verhältnis so und nicht, wie J. Voigt
1. c. S. 6 meint, umgekehrt ist.
62 Ernst Bernheim.
verändert, und die Ann. Pal. haben da den ursprünglichen
Wortlaut bewahrt : 'Hie (seil. Karolus imperator) inter alia
omnibus pene regibus excellentiora opera Saxoniam . . .
ficlei catholice impressit sigillo' ; dann folgt, im Ann. Saxo
wie gesagt ausführlich, in den Ann. Pal. stark verkürzt,
aber aus gemeinsamer Vorlage, die sagenhafte Erzählung
von der Gründung des Bisthums Elze -Hildesheim, bei
welcher Gelegenheit auch der Abgang Karls und die Nach-
folge Ludwigs ausdrücklich erwähnt wird und zwar offen-
bar so, dass wir erkennen, diese Angaben haben in einer
Quelle gestanden, die nicht anderweitig von dem Thron-
wechsel redete, also nicht in einer annalistischen: 'Karolo
eundem regni quem et vite finem sortito Lodowicus, tarn
paterne religionis quam potestatis heres' u. s. w. (Ann. Sax.
1. c. S. 571, 18 ff.). Namentlich aus diesem Grunde meine
ich, diese ganze Gründungsgeschichte unserer Quelle zu-
weisen zu dürfen, ohne jedoch unbedingt die Möglichkeit
abzulehnen, dass dieselbe in einer der ganz oder z. Th.
verlorenen Hildesheimer Annalen gestanden haben könnte,
welche mehrfach, direkt und indirekt, dem Ann. Saxo und
den Ann. Pal. zu Gebote standen, wie wir wissen1; hierfür
könnte das starke Lokalinteresse, das sich darin äussert,
sprechen, doch erklärt sich dies, wie wir später sehen
werden, vielleicht auch anders. Der Schluss der Stelle im
Ann. Saxo (S. 571, 41 ff.) mit den detaillierten Angaben
über die Veränderungen der Hildesheimer Kirchen unter
den vier ersten Bischöfen ist jedenfalls unserer Quelle
fremd, und ist nach meiner Meinung ein Zusatz des Ann.
Saxo aus Hildesheimer Quelle. Wie dem auch sei, bis zu
Karl dem Grossen lassen sich die Spuren unserer Kaiser-
chronik rückwärts verfolgen.
Ueber Heinrich IV. hinaus verwischen sich die Spu-
ren, einerseits weil die beiden Excerptoren mehr und mehr
Stoff aus ihren immer reicher werdenden annalistischen
Vorlagen entnahmen, darunter den verlorenen Paderborner
und von ca. 1115 an den verlorenen Ilsenburger Annalen,
und wir nicht überall entscheiden können, was sie aus
diesen verlorenen Werken entlehnt haben, andererseits
1) Der Herausgeber des Ann. Saxo hat in der Note 7, S. 571 wegen
des Ausdrucks 'eis Leinam', der in der Erzählung vorkommt, gemeint,
der Verfasser derselben müsse westlich des Leineflusses gelebt haben, allein
das ist durchaus nicht nothwendig, zu schliessen: 'eis1 wird ja oft im
Mittelalter nicht vom subjektiven Standpunkt der Schriftsteller aus, son-
dern vom Standpunkt der Oertlichkeiten oder Personen, von denen die
Rede ist, gesagt.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus cl. 12. Jahrh. 63
weil unsere Quelle sich mehr und mehr der eigenen Lebens-
zeit ihres Verfassers nähert, wie wir später wahrscheinlich
machen werden, und daher einen mehr historischen, weniger
kenntlich sagenhaften Charakter annimmt. Doch dürfen
wir mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit noch einige Stellen
als derselben zugehörig in Anspruch nehmen.
Die Erhebung Heinrichs V. (MG. S.73, 34 ff. in der
Ausgabe Weilands S. 184, 27 ff.) mit dem charakteristisch
sagenhaften Anachronismus, dass Herzog Otto von Sachsen
aus ßaiern den Rath dazu gegeben, gehört hierher, dann
vielleicht die Anekdote von dem missglückten Versuch ver-
rätherischer Gefangennahme des Königs (MG. S. 74, 43 ff.)
in der Ausgabe Weilands S. 187, 18 ff.), sowie der Bericht
über das Schisma mit den Fabeleien über Burdinus, in
den Ann. Pal. (deren Text nun wieder zu Gebote steht),
S. 76, 31 ff. 35 f. 39 ff., wovon eine Spur sich auch im Ann.
Saxo S. 761, 34 f. erhalten hat1. Die Geschichte von der
Pilgerreise des Markgrafen von Baden (Ann. Pal. S. 76, 56 ff.)
gehört, wenn auch sagenhaft, kaum zu unseren Frag-
menten 2.
Von Lothars III. Thaten als Herzogs redet unsere
Quelle wahrscheinlich nach Ausweis der Stelle Ann. Pal.
S.76,17ff.3; dann lässt sich vielleicht eine rühmende Charakte-
ristik des Königs, während solche zu einem Theile bei den
beiden Excerptoren aus den Paderborner Annalen stammt,
zu einem andern Theile (Ann. Pal. S. 77, 50 ff. und Ann.
Saxo S. 762, 59 ff.) für unsere Quelle in Anspruch nehmen,
und mit grösserer Wahrscheinlichkeit das Lob der keuschen
Ehe Lothars (Ann. Pal. S.78, 1 ff.). Weiter lassen sich Spuren
unserer Quelle nicht entdecken; einiges, was Waitz 1. c.
S. 36 und Voigt 1. c. S. 7 ff. noch geneigt sein konnten,
derselben zuzuschreiben, ist durch die Untersuchung von
Herre als Bestand der verlorenen Annalen, die er Ilsen-
burger nennt, in Anspruch genommen4, namentlich, und
zwar ganz sicher, die Erzählung von dem Wunder in Bari
unter dem Jahre 1137 5, die man dem Inhalte nach am
ehesten Anlass haben könnte, hierher zu ziehen.
Wir überblicken den Stoff unserer Quelle nun soweit,
1) Vgl. dazu Scheffer -Boichorst 1. c. S. 134, N. 5. 2) Ebenso
wenig die Anekdote von dem Gotteslästerer im Breisgau unter dem Jahre
1129 in Ann. Pal. Diese wie jene Geschichte entspricht in ihrer lokalen
Färbung und wegen des mangelnden Zusammenhanges mit der Kaiser-
geschichte nicht dem Charakter unserer Quelle, wie wir ihn jetzt erkennen
können, vgl. weiterhin unsere Erörterung darüber. 3) Vgl- Scheffer-
Boichorst 1. c. S. 52. 4) Herre 1. c. S. 94. 33 ff. 5) Ebd. S. 34, N. 1.
64 Ernst Bernheim.
um bestimmt sagen zu können, dass es in der That Skizzen
der Könige und Kaiser waren, welche sie enthielt, ausführ-
licher von Heinrich I. bis zu Heinrich V., in Kürze zurück-
greifend bis zu Karl dem Grossen, dem Eroberer und Be-
kehrer Sachsens, und sich verlierend in der Zeit Lo-
thars III., Skizzen, innerhalb deren einzelne Züge und
Thaten der Herrscher in anekdoten-, legenden- oder sagen-
artiger Erzählung ausgeführt sind, nicht aber unzusammen-
hängende einzelne Erzählungen. Das ist bei der obigen
Zusammenstellung der uns erhaltenen Fragmente wohl
deutlich genug hervorgetreten. Und mehr, es lässt sich
auch noch an deutlichen Spuren erkennen, dass diese
Skizzen untereinander im fortlaufenden Zusammenhang
standen, was wir hier und da schon bemerkt haben, doch
hier noch vollständiger nachweisen wollen. In der Er-
zählung von Heinrichs IV. Zwist mit Papst Gregor (Ann.
Pal. S. 70, 25 ff.) wird ausdrücklich (supra memoratus est) auf
Hildebrands vorher S. 69, 9 ff. erzählten Aufenthalt am
Hofe Heinrichs III. hingewiesen; die Geschichte von Kon-
rads II. Wahl ist unmittelbar mit den Worten 'Defuncto
itaque pio Heinrico' (S. 67, 30 f.) an den Bericht von dem
Tode des pius Heinricus (ib. Zeile 26) angeknüpft; die
Regierung Konrads IL ist mit der des Nachfolgers wie-
derum durch einen ähnlichen Uebergang (S. 68, 46 f.), 'Dece-
dente itaque Conrado de Wibelingin', eng verbunden1; die
Bemerkung in der Skizze Otto's III. (S. 65, 9 f.), dass das
goldene Crucifix zu Mainz von dem Golde des Langobar-
dischen Tributs gefertigt sei, setzt die Angabe von der
Auferlegung dieses Tributs unter Otto dem Grossen (S. 63, 57)
voraus; die Wendung 'Cum iam multo tempore solvendo
vectigal Romani barbaris subiacerent', womit (S. 61, 43)
Heinrichs I. Ungarnkampf eingeleitet ist, nimmt sichtlich
den Faden der Erzählung von der Unterwerfung des Reichs
durch die Ungarn zur Zeit Arnulfs und Konrads I. (ib.
Zeile 7 f.) wieder auf, wo es heisst: Tta per multa tem-
pora tributum Romani reges persolvebant', und damit steht
wieder die Niederlage Bischof Udalrichs von Augsburg in
unmittelbarer Verbindung; endlich weist die Wendung
(S. 58, 42) 'Lodewigus imperator, tarn paterne religionis
quam potestatis heres', darauf zurück, dass vorher von
Karl dem Grossen die Rede geAvesen ist.
Nach alledem können wir mit grösserer Bestimmtheit
und Zuversicht als Waitz annehmen, dass unsere Quelle
1) Vgl. über diese Stelle oben S. 58.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 65
wirklich eine in sich zusammenhängende Kaiserchronik
war. Die Ansicht von Giesebrecht, die auch Voigt ver-
tritt und Wattenbach wenigstens für nicht unmöglich hält,
dass der ganze Stoff aus einzelnen Zusätzen zu einem
Exemplar von Ekkehards Weltchronik bestünde, glauben
wir hiermit definitiv als unzulässig dargethan zu haben.
Denn wem sollte es eingefallen sein, eine derartige voll-
ständige, zusammenhängende Kaisergeschichte an den Rand
oder in den Text eines andern Werkes, wie Ekkehards, zu
verzetteln? Es kommt noch hinzu, dass unsere Quelle so
entschieden wie möglich jeder Ein- oder Anfügung an eine
solche annalistische Chronik widerstrebt, da sie nirgends
bestimmte chronologische Rechnung und Anordnung inne-
hält, ja häufig genug die gröbsten Anachronismen auf-
weist. 'Per multa tempora, interim, deinde, postea, ipso
tempore, semel, quondam, tempore huius N. N., proce-
dente vero tempore, quadam die' u. s. w. , so lauten die
Zeitangaben in unserer Quelle ; nicht einmal die Regie-
rungsdauer und -zeiten der einzelnen Herrscher sind an-
gegeben, geschweige denn Jahresdaten einzelner Ereignisse ;
die einzige bestimmte Angabe, die sich etwa nachweisen
lässt, ist die: (S. 70, 25) 'Gregorius papa sedit annos 12',
aber gerade wegen ihrer Vereinzelung dürfen wir vielleicht
zweifeln, ob sie unserer Quelle angehört. Nur die Reihen-
folge der Könige hält diese richtig inne, wiewohl mit Ueber-
gehung Ludwig des Kindes; in der Erzählung des Ein-
zelnen kümmert sie sich wenig um die historische Ord-
nung und Chronologie ; namentlich in den früheren Partien
finden sich zahlreiche Verstösse dagegen, die wir nicht
aufzuzählen brauchen, doch auch noch in den Partien über
Heinrich IV. und V. begegnen wir so starken Irrthümern,
wie der Angabe, dass Heinrichs IV. Gemahlin Agnes ge-
heissen, dass der — damals längst verstorbene — Herzog
Otto von Sachsen und Baiern zur Erhebung Heinrichs V.
gerathen habe u. s. w. Diesem Charakter unserer Quelle
entspricht es noch besonders, wenn sie inmitten ihrer
chronologischen Unbestimmtheit auf einmal ganz genau
Tag und Stunde weiss, wann die Dinge passiert sind, wie
(S. 65, 60 f.) dass Heinrich II. 'evoluto aliquot dierum
circulo' Kunigunde ehelicht, dass der Rathgeber Kon-
rads II. den Erzbischof von Mainz Nachts aufsucht, um
ihn für seinen Herrn einzunehmen (S. 67, 36), dass Hilde-
brand ein ganzes Jahr auf Hammerstein eingekerkert sass
(S. 69, 26), dass an Einem Tage die Sachsen über ihre
Neues Archiv etc. XX. 5
66 Ernst Bernheini.
christlichen und heidnischen Feinde siegen (S. 76, 17 ff.)1
und dergl. mehr. Es zeug-t von einer starken, doch frei-
lich in jener Zeit gewöhnlichen Kritiklosigkeit des Anna-
lista Saxo und namentlich des Verfassers der Ann. Pal.,
dass sie angesichts ihrer exakten historischen Quellen diese
so durch und durch nnhistorisch angelegte Quelle mit be-
nutzt haben; wir können freilich auch bemerken, wie sie
manchmal Noth hatten, die Excerpte aus derselben in ihren
annalistischen Stoff einzureihen, z. B. die so confuse und
mit den übrigen Nachrichten unverträgliche Darstellung
von Ottos I. verschiedenen Römerzügen. Wie sollte das
ursprünglich in der Form von Zusätzen zu einer annalisti-
schen Quelle entstanden und untergebracht gewesen sein?
Unsere Kaiserchronik hat den Charakter eines Werkes,
das ohne jede Anlehnung an annalistische exakt historische
Quellen verfasst ist.
Nachdem wir soweit den selbständigen Charakter
unserer Quelle festgestellt haben, wollen wir versuchen,
einige nähere Aufschlüsse über ihre Herkunft, Entstehungs-
zeit und Tendenz zu gewinnen.
Waitz hat 1. c. S. 36 bereits darauf hingewiesen, dass
wegen eines starken sächsischen Lokalpatriotismus, der sich
in der Chronik ausspricht, an deren Ursprung im Sachsen-
lande nicht zu zweifeln sei. In der That offenbart sich
die ganze Begeisterung sächsischen Stammesgefühls für die
einheimischen Könige, der ganze traditionelle Hass des
Sachsenblutes gegen die salischen Herrscher durchweg aufs
lebhafteste in dem Werk. Die entfernten altehrwürdigen
Gestalten der Karolinger werden allerdings mit Respekt
oder wenigstens ohne Abneigung behandelt, ebenso Kon-
rad I„ dem die Uebertragung der Krone an den Sachsen
Heinrich als hohes Verdienst angerechnet wird, aber schon
Konrad II. erscheint im gehässigsten Lichte : durch hinter-
listige Versprechungen erschleicht er den Thron, um sich
hernach mit sophistischer Ausrede der Einhaltung derselben
zu entziehen, die betrogenen Fürsten dulden ihn nur als
König ; Heinrich III. kommt z. Th. etwas besser weg, wie
er überhaupt in der gegnerischen Tradition wegen seines
guten Verhältnisses zu Kirche und Papstthum gelinde be-
handelt wird, doch erscheint er in seinem Verfahren gegen
Hildebrand als harter Tyrann; Heinrich IV. aber ist mit
dem zweifachen Hasse des päpstlich gesinnnten Sachsen
geschildert, als ein zweiter Nero, wie wir oben bereits
1) Vgl. Scheffer -Boichorst 1. c. S. 52.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik ans d. 12. Jahrh. 67
sahen, schlimmer fast als in den Pamphleten eines Bruno
und anderer Feinde. Dem gegenüber treten uns die Herr-
scher vom Sachsenstamme in allem Glänze der Regenten-
tugend und persönlichen Trefflichkeit entgegen: das
Reich war seit Arnulf unter die Obmacht der Ungarn ge-
fallen, Heinrich I. befreit es in ruhmreichem Siege, der
tugendreiche, fromme, demuthvolle Mann, der sich weigert,
an der Beraubung der Gandersheimer Kirche Theil zu
nehmen, der widerstrebend vom Vogelheerd zum Thron
geführt werden muss, der den Fehl seiner einstigen Em-
pörung gegen den legitimen Herrscher dadurch sühnt, dass
er zeitlebens darauf verzichtet, die Krone aufzusetzen. Als
Muster aller Tugenden wird auch Otto der Grosse ge-
schildert, kaum weniger der keusche Heinrich II., und
dann scheint auch Lothar III. in allen Beziehungen rüh-
mend gefeiert zu sein 1.
Ausserdem tritt aber noch eine besondere Tendenz
hervor, die bisher nicht bemerkt worden ist. In ganz auf-
fallender Weise werden neben, ja vor den Herrschern die
königlichen Frauen gefeiert. Von Edith werden die oben
erwähnten Geschichten erzählt, welche zeigen sollen, dass
sie 'castissima et magni apud Deuni meriti' gewesen ;
Kunigunde bewährt sich als die keusche Heilige, lSusannae
aemula1, glorreich gegen die vom Teufel angestiftete Ver-
leumdung und sieht den Kaiser, der auch an ihr gezweifelt,
reuig zu ihren Füssen ; Heinrichs III. Gemahlin tadelt
'ut sanctam decuit' das unartige Benehmen des jungen
Sohnes gegen den am Hofe weilenden Hildebrand und
bewirkt bei dem Kaiser die Freilassung des unbarmherzig
eingekerkerten; die Gattin Heinrichs IV., die irrig Agnes
genannt wird, geht aus den schändlichen Fallstricken, die
der eigene Gemahl ihrer Keuschheit legt, rühmlichst her-
vor, und es wird (S. 71, 16 ff.) eine eigentümliche, bei-
läufig im wesentlichen wahre Anekdote von ihr erzählt,
die ihre intensive Frömmigkeit an den Tag stellt; endlich
wird die keusche Ehe der edlen Richinza mit Lothar
rühmend hervorgehoben 2.
1) Vgl. oben die Skizzen dieser Könige; von Otto II. und III. ist
zu wenig erhalten, um deutlich zu erkennen, wie sie behandelt worden,
doch scheint Otto III. nicht mit Vorliebe bedacht zu sein, was nach der
unpopulären Haltung desselben wohl begreiflich ist. 2) Dass auch
Mathilde, König Heinrichs erlauchte Gattin, gebührend gerühmt worden,
kann kaum zweifelhaft sein. Allerdings möchte ich die Stelle, in der sie
in Ann. Pal. (S. 61, 28) erwähnt wird, nicht zu unserer Chronik ziehen,
namentlich wegen der speciellen Bezugnahme auf Pöhlde u. s. w. ; ich nehme
68 Ernst Bernheini.
Als Muster frommer Keuschheit und Barmherzigkeit
werden die Königinnen dargestellt, als Heilige, die der
Versuchung oder der Anzweiflung durch ihre Gatten herr-
lich obsiegen und die Hartherzigkeit derselben beschämen.
Wenn sich nun auch zur Entstehungszeit unserer Chronik x
bereits jene Strömung bemerklich zu machen beginnt, welche
alsbald in den Marienkult ausmündet, so ist eine derartige
stete und tendenziöse Hervorhebung der Frauen, nament-
lich in einem quasi - historischen Werke, doch durchaus
ungewöhnlich — man vergleiche die verhältnismässig be-
scheidenen Züge von Frauenverherrlichung in den ent-
sprechenden Partien der etwa 10 — 20 Jahre späteren baieri-
schen Kaiserchronik. Es scheint mir daher kaum zweifel-
haft zu sein, dass unsere Kaiserchronik vorzugsweise einen
Leserkreis im Auge hatte, zu dessen Erbauung diese Vor-
bilder dienen konnten, d. h. einen Kreis von Nonnen, mit
anderen Worten, dass sie für ein Nonnenkloster bezw. in
einem solchen verfasst ist, einem sächsischen Nonnenkloster.
Diese Annahme wird in überraschender Weise gestützt
und bestätigt durch die schon von Waitz aus ganz anderen
Gründen geäusserte Vermuthung, dass die Chronik in
Gandersheim entstanden sein möchte. Waitz vermuthete
das 1. c. S. 36 ff. wegen mehrerer Beziehungen auf Hildes-
heim und dessen Sprengel, speciell auf Gandersheim, die
vorkommen. Einige dieser Stellen allerdings entfallen,
was schon Waitz als möglich bezeichnete, wir nun aber,
wie oben S. 54 bemerkt, als sicher hinstellen können, auf
die verlorenen annalistischen Quellen, welche dem Ann.
Saxo und den Ann. Pal. vorlagen ; andere können wenigstens
nicht mit voller Sicherheit für unsere Chronik in Anspruch
genommen werden, namentlich nicht die Stellen zum Jahre
924 (Ann. Pal. S. 61. 27 ff.) und zu 817 (Ann. Saxo S. 571,
2 ff.) ; auch die Erzählung von der Gründung Hildesheims
will ich nicht in Anspruch nehmen, da sie, wie oben S. 62
gesagt, nicht unbedingt der Chronik angehören muss. Es
bleiben aber sicher zwei Stellen übrig, die inmitten von
Erzählungen vorkommen, welche jedenfalls der Kaiser-
chronik eigen sind, und zwar als wesentliche Bestandtheile
dieser Erzählungen: erstens die Nennung des Hofes Dinklar
bei Hildesheim, wo Heinrich I. dem Vogelfang obgelegen
vielmehr an, dass die Ann. Pal. das, was in unserer Chronik über Mathilde
stand, nicht aufgenommen haben, weil sie 1. c. betreffs Mathilde auf die
angehängte Vita derselben verweisen. 1) Wir werden dieselbe gleich
näher bestimmen.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 69
haben soll (Ann. Pal. S. 61, 23), und zweitens die Er-
wähnung der Gandersheinier Klosterlehen, die Heinrich
nicht mit seinen Brüdern theilen wollte (ebd. Zeile 14 ff.).
Namentlich die letztgenannte ist eine Lokalbeziehung von
der Art. wie sie uns in mittelalterlichen Quellen als deut-
liche Fingerzeige für den Entstehungsort gelten, und die
Vermuthung von Waitz, dass Gandersheim im Hildesheimer
Sprengel die Heimath unserer Chronik sei. bleibt somit
trotz aller Restrictionen gerechtfertigt. Waren wir auf
ganz anderem Wege zu der Annahme geführt, dass die
Chronik in einem sächsischen Nonnenkloster verfasst sei,
und führt uns Waitz' Vermuthung auf Gandersheim, so
muss es uns allerdings einleuchten, dass kaum ein anderer
Ort so geeignet zur Hervorbringung einer derartigen Kaiser-
geschichte erscheinen kann, wie dieses Kloster, das stets
im engsten Zusammenhang mit dem sächsischen König-
thum gestanden hat, dessen Aebtissinnen meist der Familie
des regierenden Hauses angehört haben. Freilich waren
auch die Töchter des Saliers Heinrich III. nach einander
von 1040 bis gegen Ende des Jahrh. Aebtissinnen von
Gandersheim \ vielleicht noch seine Enkelin zur Zeit Hein-
richs V.'2, aber die salischen Herrscher hatten trotzdem
nicht viel für das Kloster übrig 3 ; dasselbe galt und fühlte
sich als die Stiftung der Ahnherren des sächsischen Königs-
hauses, diesem verdankte es sein Emporkommen, seine
Blüthe, und nachdem es in die Wirren des Investitur-
streits mit hineingerissen war, soweit sich aus der dürftigen,
lückenhaften Ueberlieferung schliessen lässt, erfreute es
sich wieder der besonderen Gunst des befreundeten Sachsen-
königs Lothar; diesem nahestehende, vielleicht verwandte
Frauen standen seit 1126 der Abtei vor4.
Die ausgesprochen sächsische und zugleich anti-
salische Haltung unserer Chronik würde bei ihrem Ganders-
heinier Ursprung ohne Weiteres begreiflich sein, wenn wir
Waitz zustimmen dürfen, der 1. c. S. 36 annimmt, dass
sie zur Zeit Lothars verfasst sei. In der That sind wir
auch hier in der Lage, Waitzs Annahme nicht nur zu be-
stätigen, sondern mit neuen Gründen zu unterstützen. Wir
können zunächst mit Bestimmtheit sagen, dass die Spuren
unserer Quelle in Ann. Pal. und Ann. Saxo sich unter
1) Vgl. Harenberg, Historia eccl. Gandershemensis 1734, S. 675 ff.
2) Ebd. S. 697. 3) Vgl. Lüntzel, Gesch. der Diöcese und Stadt Hüdes-
heim 1858, Bd. I, S. 320 f., im allgemeinen die Geschichte Gandersheims
daselbst S. 63 ff. 317 ff. 4) Vgl. Harenberg 1. c. S. 702 ff.
70 Ernst Bernheim.
Lothar verlieren, denn Einiges, was die beiden im Anfang
von Konrads III. Regierung- gemeinsam haben, der Art,
dass Waitz zweifelhaft lassen nmsste, ob es nicht vielleicht
unserer Quelle zuzuschreiben sei, ist jetzt mit Sicherhett
auf die sogen. Ilsenburger Annalen zurückgeführt1. Ferner:
ist einestheils der terminus ante quem durch die Benutzung
unserer Quelle seitens des Ann. Saxo ungefähr fixiert, so
hindern uns anderntheils die starken Anachronismen und
Unrichtigkeiten, die noch in der Geschichte Heinrichs IV.
und in den Anfängen Heinrichs V. vorkommen — nament-
lich, dass Herzog Otto von Sachsen und Baiern die Er-
hebung des Letzteren angerathen haben soll, und dass die
Gattin Heinrichs IV. Agnes genannt wird — , die Ab-
fassungszeit dem Anfang des 12. Jahrhunderts allzu nahe
zu rücken. Doch aber enthalten die genannten Partien
bereits so viel geschichtlich treue Tradition, dass man bei
dem kurzen historischen Gedächtnis jener Zeiten nicht an-
nehmen kann, diese Partien seien allzu fern demselben
Zeitpunkt entstanden. Die Epoche Lothars würde diesem
Thatbestande entsprechen. Einen positiven Anhalt für
unsere Annahme haben wir auch, falls wir mit Recht den
Bericht über die keusche Ehe Lothars unserer Quelle
zuschreiben, denn da sagt der Verfasser (Annal. Pal. S. 78,
3 ff.), er habe das Nähere selbst von einem Kämmerling
des Königspaares erzählen hören ; wir glaubten aber diese
Stelle unserer Quelle zuschreiben zu dürfen, weil hier
jene selbe Hervorhebung mönchischer bezw. nonnenhafter
Keuschheit im königlichen Hause vorliegt, welche wir in
der Chronik überhaupt so charakteristisch hervortreten
sahen. Eine starke Stütze für die Zeitbestimmung ge-
währt ferner eine bisher nicht beachtete Stelle Ann. Pal.
S. 70, 1-1 innerhalb einer Anekdote von Bischof Burchard
von Halberstadt, die wir ihrem Charakter nach durchaus
unserer Kaiserchronik zuzuschreiben haben: in dieser
Anekdote wird Herzog Otto von Nordheim erwähnt, und
er wird näher bezeichnet durch die Worte 'avo scilicet
imperatricis Richencen' ! Schon das Fehlen eines Bei-
wortes, das die Kaiserin als verstorben kennzeichnet, deutet
darauf hin, dass dies ursprünglich zu ihren Lebzeiten ge-
schrieben sei; aber auch der Sinn der Stelle lässt es als
das Natürlichste erscheinen, dass es ein Zeitgenosse der
Kaiserin war, der die Persönlichkeit des Nordheimers
durch Hinweis auf seine Verwandtschaft mit derselben
1) S. Herre 1. c. S. 34 ff.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 71
seinen Lesern näher zu bringen wünschte, während es ziem-
lich unwahrscheinlich ist, dass ein im späteren 12. Jahrh.
schreibender Autor auf diesen Hinweis hätte kommen
sollen, da das Geschlecht der Nordheimer immer noch in
erlauchten Vertretern blühte, die einem Angehörigen jener
späteren Zeit doch wohl näher lagen als die Kaiserin
Richinza. Endlich darf man auch geltend machen, dass
meist zur Entstehung derartiger Werke, wie unserer Kaiser-
chronik, ein bestimmter Impuls der Zeitverhältnisse und
persönlichen Beziehungen mitgewirkt hat, und einen solchen
Impuls würde die Regierung eines Herrschers von sächsi-
schem Stamme nach der für das Kloster wahrscheinlich
wenig erfreulichen Zeit der Salier auf's beste geboten
haben ; sehen wir doch die ganze Historiographie im
Sachsenlande damals von neuem aufblühen. Weder vor-
her noch nachher innerhalb der möglichen Grenzen der
Abfassungszeit böte sich ein ähnlicher Anstoss.
Es ist ein gutes Zeichen, dass die auf ganz ver-
schiedenartigen Gründen beruhenden Annahmen betreffs
Entstehungszeit und -ort unserer Chronik so mit einander
übereinstimmen. Wir können nun mit der Zuversicht, die
in diesen Dingen überhaupt angebracht ist, sagen, dass
unsere Chronik zu Gandersheim um die Regierungszeit
Lothars III. verfasst ist. Und zwar will es mir scheinen,
als ob eine Nonne selbst die Verfasserin war: mag man
auch die oben S. 68 erwähnte Zeitrichtung geltend machen,
sollte ein Mann, wenn auch zur Erbauung weiblicher Leser,
die Vertreter seines Geschlechts den Frauen gegenüber so
schlimm haben wegkommen lassen? Durchweg werden ja
die Herrscher, und selbst so gerühmte wie Otto der Grosse
und Heinrich IL, im Verhältnis zu ihren Gattinnen als
die Versucher dahingestellt, welche die über alle An-
fechtung erhabene Reinheit und Frömmigkeit der Frauen
glänzend beschämt. Und zwar wird die Demüthigung der
Männer meist in so ausdrücklicher, pointierter Weise her-
vorgehoben, dass die Absicht kaum zu verkennen ist. Das
sind, dünkt mich, die Anschauungen einer Nonne, die sich
in der Auswahl dieser Geschichten oder in den denselben
gegebenen Wendungen kundthun 1. Also eine Nonne zu
Gandersheim, eine zweite Roswitha? Ich will auf diese
1) Recht deutlich zeigt sich das in der pointierten Schlusswendung
der Erzählung von Kunigundens Verleumdung und Rechtfertigung Ann.
Pal. S. 66, 15 f., die sich in den anderen Versionen der Geschichte — s.
weiterhin die Analyse derselben — nicht findet.
72 Ernst Bernheim.
Vermuthung durchaus keinen Werth legen, denn ich
möchte nicht Veranlassung dazu geben, dass sich mono-
graphische Untersuchungen mit der Frage beschäftigten,
ob der Verfasser der Chronik Mann oder Weib gewesen sei.
Jedenfalls lässt sich eine stark erbauliche Tendenz
nicht verkennen, und zwar nicht nur soweit jene muster-
haften Frauen in Betracht kommen, sondern auch sonst
überhaupt. Die Tugend erhält ihren Lohn, das Laster
seine Strafe, auch der Gerechteste darf seiner ewigen Selig-
keit nicht sicher sein, geschweige denn der Sündige 1, mehr-
fach werden die Begebenheiten als Beispiele von Tugenden
oder Laster dargestellt, in allgemeinen Sentenzen werden
hier und da moralische Nutzanwendungen eingestreut,
wie Ann. Pal. S. 61, 4. 11. 18. 20 f. 62, 9. 67, 39. 70, 6 u. s. w.
Dabei besteht aber vollauf" ein kräftiges Gefühl für
die Herrlichkeit und den Ruhm der Sachsen und des
Königthums, eine derbe Freude an Kampf und Sieg, sowie
selbst an gelungener Kriegslist — für Gott und Vater-
land, so gehen die Streiter vor Augsburg in die Ungarn-
schlacht ('honorem Dei, res quoque domesticas defendere',
Ann. Pal. S. 60, 65 f.). Das Werk will eben bei aller Er-
baulichkeit eine Art Königs- oder Kaiserchronik sein, und
man darf daher auch nicht erwarten, dass mehr von
Gandersheim darin erzählt sein sollte ; das wäre Sache
einer Klostergeschichte, wie Waitz 1. c. S. 37. 38 treffend
bemerkt.
Anhang.
In den Ann. Pal. stehen einige deutsche Glossen zu
einzelnen Wörtern, und zwar innerhalb Stellen, die zweifel-
los unserer Kaiserchronik entlehnt sind. Es sind folgende 2 :
Ann. Pal. 61, 22 the vugelere zu auceps,
61, 55 Jechaburg zu Indapolis,
62, 39 curcebord zu vestis preciosa,
65, 10 marcis zu libris,
66, 36 huffehalz zu femore claudus,
68, 47 mit ten barde zu cum barba,
70, 55 cloveloc zu allium.
Von diesen findet sich eine, curcebord, auch im Ann.
Saxo S. 600, 44 innerhalb derselben Erzählung zu dem-
1) S. die Geschichte von Heinrichs II. Tode Ann. Pal. S. 67, 16 ff
2) Ich verzeichne sie in der Form, wie sie im Oxforder Autograph der
Ann. Pal. lauten, nach freundlicher Mittheilung des Herrn Dr. Herre.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik ans d. 12. Jahrh. 73
selben Worte als Glosse beigefügt \ und dies genügt ohne
Zweifel zum Beweise, dass diese Glossen bereits in der
Kaiserchronik gestanden haben.
Mein hiesiger Kollege Dr. Siebs war so freundlich,
für mich zu konstatieren, dass die Glossen, soweit ihr Laut-
bestand Anhaltspunkte zur Bestimmung gewährt, mittel-
oder oberdeutsch, vorwiegend mitteldeutsch seien, ausser
etwa cloveloc, das eher auf Niederdeutschland weist. Es
ist bei unserer geringen Kenntnis der damaligen Dialekt-
unterschiede und -Grenzen, sowie der TJebernahme von
Produkten eines Dialektes in den anderen speciell zwischen
mittel- und niederdeutscher Sphäre müssig, Vermuthungen
darüber anzustellen, wie diese mitteldeutschen Glossen in
unserer durch und durch sächsischen Kaiserchronik zu
erklären seien, denn man sollte erwarten, dass auch bei
der Uebernahme mitteldeutscher Erzählungen oder Gedichte
eine Umwandlung in das Niederdeutsche stattfände, nament-
lich bei den populären Beinamen der Herrscher, von denen
'huffehalz' ja ganz entschieden nicht niederdeutsch ist.
Ich muss mich begnügen, den Thatbestand festzustellen
und von näherer Kenntnis der betr. Sprachverhältnisse
Aufklärung zu erhoffen.
2. Analyse der einzelnen Erzählungen.
Um die Beschaffenheit und Provenienz des Stoffes
zu erkennen, der den Inhalt unserer Kaiserchronik bildet,
müssen wir die einzelnen Erzählungen derselben unter-
suchen, soweit sie Anhaltspunkte zu kritischer Beurtheilung
bieten. Es wird sich dabei herausstellen, dass letzteres
bei den meisten der Fall ist; nur wenige Erzählungen und
Angaben, die gar keine Handhabe zu irgend welcher Kon-
trolle oder Erörterung bieten, waren zu übergehen.
Im Laufe dieser Untersuchungen ergeben sich manche
Momente, die theils für die Kaisergeschichte, theils für
die Sagenliteratur von allgemeinerem Interesse sind.
Da wir uns dabei durchweg auf dem Boden sagen-
hafter Ueberlieferung zu bewegen haben, ist daran zu
erinnern, dass hier z. Th. kritische Grundsätze zur An-
wendung kommen, die auf der erfahrungsgemässen Kenntnis
1) In der Edition ist dieselbe in den Text nach 'vestis preciosa'
gesetzt, nach Ausweis der X. d) steht sie jedoch im Codex als Glosse
übergeschrieben; sie lautet hier 'curcebold', wie beiläufig auch in der
Göttinger Hs. der Ann. Pal.
74 Ernst Bernheim.
von der Art und Weise der Sagenbildung beruhen und
daher zu ihrer richtigen Würdigung eine solche Kenntnis
oder wenigstens die entgegenkommende Anerkenntnis der
Eigenart dieses Stoffes voraussetzen.
Die Erzählung von der Gründung des Bisthums
Hildesheim, die einzige, welche der Annalista Saxo
1. c. S. 571, 19 ff. in vollerer Ausführlichkeit wieclergiebt als
der Pöhlder Annalist, der sich 1. c. S. 58, 42 ff. mit einem
kurzen Excerpt begnügt, tritt hier zum ersten Mal in der
historischen Litteratur auf. Die Relatio de fundatione
quanmdam Saxoniae ecclesiarum bei Leibniz, SS. rer.
Brunsvicens. I. 260, worin dieselbe kurz, aber charak-
teristisch erwähnt wird, ist aus viel späterer Zeit x und
hängt indirekt von Heinrich von Herford ab, der die Notiz
in wörtlich entsprechender Form bringt 2 ; aus welcher
Quelle er sie hat, ist nicht nachzuweisen, jedenfalls nicht
auch nur indirekt aus Ann. Pal., da dort die Art des
Wunders nicht bezeichnet ist, auch nicht aus der Sächsi-
schen Weltchronik, da diese gar nichts davon enthält;
also wird sie ihm wohl aus Ann. Saxo durch eine der
späteren sächsischen Quellen, die er benutzte, zugekommen
sein, falls er oder seine Quelle sie nicht aus der zu der Zeit
ohne Zweifel schon fixierten Hildesheimer Lokaltradition
geschöpft hat. Aber der Kern der ganzen Erzählung, das
Wunder von den haftenden Reliquien, welches die Grün-
dung des Bisthums oder genauer die Verpflanzung des-
selben von Elze nach Hildesheim veranlasst, begegnet
schon im 11. Jahrh. bei der Gründung des Klosters Saint-
Michel 3, sowie in der Legende vom Kloster Evron ; und
B. Haureau, der letztere als 'priscorum narratio' erzählt4,
bemerkt dabei, dass ähnliches von der Gründung lpluri-
morum monasteriorum' berichtet werde. Die litterar-
historische Verfolgung dieser Legende bis zu ihrem ur-
sprünglichen Auftauchen und in ihren verschiedenen Wand-
lungen würde interessant sein, aber zu weit führen, und
wir dürfen uns mit dem einstweilen zu Tage Liegenden
begnügen, um zu schliessen, dass wir in unserer Erzählung
eine Legende in Form einer Wandersage vor uns
haben, die kaum vor dem 11. — 12. Jahrh. auf die Grün-
1) Vgl. Waitz in den Nachrichten von der Göttinger Universität
1857, n. 3, S. 63. 2) Ausgabe von Potthast S. 49. 3) Im Chronicon
S. Michaelis Virdunensis SS. IV, 80. 4) Gallia Christiana XIV, 483.
Vgl. B. Simson, Jahrbücher des fränk. Reiches unter Ludwig d. Frommen
II, 285, N. 1.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik ans d. 12. Jahrh. 75
düng- von Hildesheim übertragen ist, da die Hildesheimer
Lokalqnellen bis dahin noch nichts davon berichten.
Die Erzählung von Bischof Ulrich von Augsburg
und der Ergebung Augsburgs an die Ungarn, die nur in den
Ann. Pal. S. 60, 57 ff. steht, aber auf's innigste in den
Zusammenhang unserer Kaiserchronik verflochten ist, werden
wir zunächst mit Hinblick auf Ekkehards Casus S. Galli
zu betrachten haben. Dort heisst es * : 'Sed plura eos
[scilicet die Biographen Ulrichs], quae de eo concinnantur
vulgo et canuntur, tacuisse, cum infima quaedam eius
magna f ecerint , miramur' ; und unter diesen von den
Biographen übergangenen Thaten Ulrichs, die in Lied und
Sage gefeiert werden, führt Ekkehard an die Befreiung
des von den Ungarn bedrängten Augsburg durch die Für-
bitte des h. Mannes inmitten der auf sein Gebot um die
Altäre versammelten Kindlein der Stadt; diese Befreiung
Augsburgs durch Ulrich erwähnt er auch einmal vorher 2 ;
an beiden Stellen aber bringt er das Ereignis in Ver-
bindung mit dem Ungarneinfall des Jahres 926, welchem
St. Gallen zum Opfer fiel. Die neueren Kritiker haben
gezweifelt, was mit dieser sonst nicht verbürgten Nach-
richt zu beginnen3; vor allem ist doch zu betonen, dass
Ekkehard selbst als Quelle dafür die mündliche Tradition
im Volke angiebt. Die mit den Ungarnkämpfen des
10. Jahrh. zusammenhängende Tradition war im 11. Jahrb.,
als Ekkehard schrieb, nun schon sehr verwirrt ; ich hebe
nur hervor, was unserem Zweck hier dient. Im Chronicon
Eberspergense, und zwar in dem älteren, welches jeden-
falls im 11. Jahrh. verfasst ist, wird die grosse Niederlage
der Ungarn am Lech mit Nebenumständen, die entschieden
bei dieser Schlacht im Jahre 955 vorgekommen sind, als
Heldenthat König Heinrichs nebst dessen Sohn Otto er-
zählt 4 ; die Ueberarbeitung der Erzählung in der späteren
Ebersperger Chronik aus dem 13. Jahrh. fügt ausdrücklich
hinzu, es sei das im Jahre 937 geschehen 5, und weiss auch
den Gunzenlech als das Schlachtfeld zu bezeichnen. Man
sieht hier recht deutlich, wie, dem Charakter der Sage
gemäss, Personen und Zeiten durcheinander zu gerathen
beginnen : König Heinrich war ein berühmter Ungarn-
1) SS. II, 109, 8 ff. Die neueste Ausgabe von G. Meyer von Enonau
in den Mittheilungen des histor. Vereins für St. Gallen stand mir nicht
zu Gebot. 2) L. c. S. 104, 31 ff. 3) Vgl. Waitz, Jahrbücher des fränk.
Reichs unter Heinrich I., 3. Aufl., S. 86 und Dümmler, Kaiser Otto der
Grosse, S. 253 mit den daselbst angeführten Stellen. 4) SS. XX, 12, 4 ff.
5) Herum Boicarum scriptores ed. A. F. Oefele 1763, tom. II, 7.
76 Ernst Bernheini.
besieger, die Schlacht am Lech war ein berühmter Ungarn-
sieg eines deutschen Königs, ein Fürst Heinrich hat sich
dabei betheiligt (Herzog Heinrich von Baiern), daraus
macht die Sage einen Ungarnsieg König Heinrichs am
Lech. Und in ähnlicher Weise hat die heldenhafte, Gott
vertrauende Bethätigung Bischof Ulrichs bei der Be-
lagerung Augsburgs in der Sage, die Ekkehard berichtet,
bereits begonnen, sich von ihrem historischen Datum los-
zumachen und auf eine Zeit und Gelegenheit übertragen
zu werden, die dem Publikum, unter dem sie erzählt wurde,
besonders im Gedächtnis und vor Augen lag — hier in
St. Gallen eben der Ungarneinfall des Jahres 926. Noch
freier schaltet nun bereits die Sage in unserer Kaiser-
chronik. Das historische Datum ist ganz unbestimmt ge-
worden : unter den Ungarneinfällen vor König Heinrich,
von denen der Verfasser berichtet, findet die Erzählung
von Bischof Ulrich Raum. Es ist nämlich nicht zutreffend,
etwa das Jahr 924, welches der Herausgeber am Rande
ausgesetzt hat, darauf zu beziehen: der Pöhlder Annalist
hat nur in der Verlegenheit, den nicht annalistischen Stoff
in seinem Werk unterzubringen, den ganz angemessenen
Ausweg ergriffen, die Erzählung, in der Bischof Ulrich
zunächst die Hauptrolle spielt, an die Erwähnung von
dessen Wahl im Jahre 924 anzuknüpfen, und hat sich
nicht einmal darum gekümmert, dass er im Fortgänge der
entlehnten Erzählung auf Heinrich I. und dessen Er-
hebung geführt wurde, als ob er von diesem nicht schon
vorher mehrere Jahre hindurch berichtet hätte. Betrachten
wir aber den Text unserer Kaiserchronik für sich in seinem
Zusammenhang, so sehen wir offenbar, dass die Erzählung
sich an eine bestimmte Zeitangabe gar nicht bindet, ausser
dass sie in die Zeit der älteren Ungarneinf alle vor Heinrich I.
verlegt wird1. Durch die Loslösung von dem historischen
Datum ist nun zugleich eine wesentliche Abänderung ihres
Verlaufes bedingt: jene älteren Ungarneinfälle waren meist
siegreich, erst unter Heinrich I. wandte sich das Blättchen,
also kann vordem selbst der Bischof Ulrich Augsburg
nicht von der Uebermacht der Ungarn befreit haben, und
dem entsprechend erzählt unsere Quelle den schliesslichen
Verlauf der Begebenheit ganz abweichend von der sonstigen
Ueberlieferuno-. Einerlei ob wir diese Veränderung dem
1) Man sieht, wie unzulässig es ist, eine Bestätigung der von Ekke-
hard zu 926 berichteten Belagerung von Augsburg in unserer Erzählung
finden zu wollen.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik ans d. 12. Jahrh. 77
Verfasser unserer Kaiserchronik zuzuschreiben haben oder
ob die Tradition, aus der er schöpfte, diese sächsisch
interessierte Wandlung verursacht hat, jedenfalls können
wir nicht zweifeln, dass der Kern der ganzen Erzählung'
aus dem Vorrath von Volkssagen stammt, die sich bald
und reichlich an die Ungarnkämpfe des Jahres 955 und
an die dabei betheiligte Person des Bischofs Ulrich von
Augsburg angesetzt haben.
Die Erzählung von dem Ungarn kriege Heinrichs I.
(Ann. Pal. S. 61, 43 ff.), die sich von der dunkeln Folie
des vorherigen Unglücks glänzend abhebt, besprechen wir
wegen der Stoffverwandtschaft mit der eben behandelten
Geschichte hier vor den anderen Zügen aus Heinrichs I.
Reffieruno-. Unverkennbar tritt uns auch in diesem Be-
richte die Sage entgegen : verschiedene Reminiscenzen aus
der Zeit Heinrichs sind zusammengeworfen und willkürlich
ausgeschmückt, und dass unser Autor die Erzählung nicht
erdichtet, sondern sie echt sagenmässiger Tradition ent-
nommen hat, ergiebt sich, wie Waitz x nachgewiesen, aus
der Existenz verschiedener von einander und von der vor-
liegenden unabhängigen Versionen, die uns aus Quellen
des 13. Jahrh. bekannt sind.
Dass diese Versionen von einander unabhängig sind,
müssen wir indess gegen einige Zweifel, die seit Waitz'
Darlegung erhoben worden, sicher stellen.
Es handelt sich dabei um die Erzählungen in der
Reimchronik des Eberhard von Gandersheim, die um 1216
verfasst ist"2, und in der Sächsischen Weltchronik, die
zwischen 1230 und 1251 fällt8. Letztere schöpft bekannt-
lich so ausgiebig aus den Ann. Palidenses, dass sie strecken-
weise nichts als eine Uebersetzung derselben ist, sie hat
also unsere Erzählung, wie sie in Ann. Pal. steht, vor sich
gehabt; einige Abweichungen4 könnte man der Willkür
des Verfassers zuschreiben. Dagegen spricht aber, dass
sich eine und die andere dieser Abweichungen auch bei
Eberhard von Gandersheim findet: da diese beiden Werke
durchaus von einander unabhängig sind, müssen die über-
einstimmenden Abweichungen aus einer ihnen gemeinsamen
Quelle stammen, und das kann nur sagenhafte Tradition
sein. Aber die einzelnen Bestandteile dieses Schlusses
1) In den Jahrbüchern des deutschen Reiches unter Heinrich L,
3. Aufl., Excurs 22, S. 255 ff. 2) Herausgegeben von L. Weiland in
Deutsche Chroniken II. 3) Herausgegeben von demselben ebenda.
4) S. diese bei Waitz 1. c. S. 257.
78 Ernst Bernheim.
sind nicht einwandfrei geblieben. Weiland hat gemeint \
die entscheidendste der Abweichungen — den Schluss der
Botschaft, die Heinrich dem Ungarnherrscher zugleich mit
dem verstümmelten Hunde überbringen lässt : "of he wolde
ienegen anderen tins, den solde he winnen mit den swer-
den' 2 — habe der Verfasser der Sächsischen Weltchronik
doch aus den Annal. Pal.; der Satz habe im Original der
Ann. Pal. gestanden und sei nur, wie gelegentlich andere
Stellen, von dem Schreiber unseres in den MG. wieder-
gegebenen Exemplars fortgelassen. Allein diese Meinung
bestätigt sich nach Ausweis der seitdem bekannt ge-
wordenen Original-Hs. in Oxford nicht. Uebrigens findet
sich derselbe Gedanke in den Ann. Pal. an einer Stelle
weiterhin im Laufe der Erzählung anders formuliert:
S. 62, 13, wo es von Heinrich heisst 'pro tributo ferrum
bis acutum obtulit' ; wollte man aber etwa annehmen, diese
Formulierung sei von dem Verfasser der Weltchronik, der
ja die Ann. Pal. vor sich hatte, in seiner Weise um-
geändert, was an sich sehr unwahrscheinlich ist, so bliebe
unerklärt, wie dieselbe Wendung in die Reimchronik des
Eberhard gekommen sei, denn da heisst es ganz ent-
sprechend
'unde enbot ome ok, wolde he mer tinses gewolden,
den scholde he von ome mit den swerden beholden'.
Weiland meint freilich3, Eberhard habe die Erzählung
vom Ungarnkrieg indirekt aus unserer Kaiserchronik, und
zwar durch Vermittelung der verlorenen Gandersheimer
Klostergeschichte, die er benutzt hat. Aber abgesehen davon,
dass das recht unwahrscheinlich ist, und es dann schon
wahrscheinlicher wäre anzunehmen, Eberhard habe unsere
Kaiserchronik direkt benutzt1, so bringt uns weder diese
noch jene Annahme weiter; denn wenn man auch voraus-
setzen wollte, der fragliche Satz habe in der Kaiserchronik
gestanden und habe von da Eberhard zukommen können,
so bliebe wieder unerklärt, wie derselbe Satz in die
Sächsische Weltchronik gelangt sei, da diese ja den Stoff
der Kaiserchronik nur durch die Ann. Pal. vermittelt er-
1) In der Vorrede zur Edition der Weltchronik 1. c. S. 21, 47 f.
2) MG. 1. c. S. 160, 3 f. 3) MG. 1. c. S. 388, 26 ff. übereinstimmend
mit P. Hasse, Die Reimchronik des Eberhard von Gandersheim, Dissert.
Göttingen 1872. 4) Die 'Cronica', die Eberhard als Quelle erwähnt,
könnte dem ungenauen Charakter seiner historischen Angaben gemäss und
einiger sonstigen Anzeichen wegen allenfalls unserer Kaiserchronik ent-
sprechen, doch gehe ich darauf nicht weiter ein, da es hier nicht in Be-
tracht kommt.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 79
hielt, in denen ja der Satz, wie wir eben konstatiert
haben, nicht steht. Dem Erklärungsversuch Weilands ist
dadurch auf beiden Seiten der Boden entzogen. Es be-
stätigt sich also in jedem Fall der Schluss von Waitz, dass
Eberhard und der Verfasser der Sächsischen Weltchronik
eine von der Kaiserchronik unabhängige Version der Er-
zählung von dem Ungarnkriege kannten, oder vielmehr
jeder eine andere, da sie ausser jenen charakteristischen
Uebereinstimmungen doch auch wieder einige eigenthüm-
liche Abweichungen von einander haben1. Und wir sind
bei dieser Sachlage zu der Annahme berechtigt, dass eine
selbständige sagenhafte Tradition von dem Ungarn-
krieg existierte, aus der unsere Kaiserchronik und jene
späteren Chronisten unabhängig von einander geschöpft
haben. Man darf sich vielleicht dabei der Worte Helmolds
über die Ungarn erinnern2: lQuantis autem imperatorum
laboribus et christiani exercitus dispendio subnervati fuerint
et divinis legibus subacti. multorum habet notitia et
publice loquuntur historiae'.
Aus der Vorgeschichte Heinrichs I. wird uns sein
kirchlich frommes Verhalten bei der Aneignung Ganders-
heinier Kloster guter durch seine Brüder in Ann. Pal.
S.61, 14 ff. und Ann. Saxo S. 592, 8 ff. erzählt. Diese er-
bauliche Geschichte hat offenbar einen sagenhaften An-
strich : da die Brüder, die das von ihrem Vater dem Kloster
verliehene Gut einziehen und es mit Heinrich theilen
wollen, thatsächlich vor ihres Vaters Tode gestorben sind,
so müsste nach dem Verlauf der Erzählung der Vorgang
sich vor dem Ableben des Vaters zugetragen haben; wie
aber die Söhne bei Lebzeiten des Vaters so etwas hätten
unternehmen können, ist nicht begreiflich 3. Zudem ist
die Angabe kTres ergo Heinrico erant fratres', womit die
Geschichte in Ann. Pal. offenbar in getreuerer Wieder-
gabe als in Ann. Saxo4 beginnt, irrig: Heinrich hatte nur
zwei Brüder''; auch die ungeheuere Masse des fraglichen
Klostergutes macht entschieden den Eindruck sagenhafter
Uebertreibung. Es ist ohne Zweifel eine Gandersheimer
Lokalsage, die wir vor uns haben.
1) S. Waitz 1. c. S. 259. Wenn Jemand es für unwahrscheinlich
halten sollte, dass der Verfasser der Weltchronik ausser der schriftlichen
Ueberlieferung in Ann. Pal. noch eine mündliche kannte, verweisen wir
ihn auf Otto von Freising VI, 15, SS. XX, 235, 17 f. 2) Liber I, cap. 1,
SS. XXI, 12, 25 ff. 3) Vgl. Waitz, Jahrbücher des deutschen Reichs
unter Heinrich I. S. 14, X. 2. 4) S. Waitz 1. c. S. 13, N. 3. 5) Der
Ann. Saxo, der vorher die richtige Angabe aus Widukind bringt, hat die
widersprechenden Anfangsworte fortgelassen.
80 Ernst Bernheim.
Heinrichs I. Beiname 'auceps' wird sowohl in
Ann. Pal. S. 61, 22 wie in Ann. Saxo S. 594, 41 f. angegeben,
und zwar in ersteren mit der deutschen Glosse lthe
vugelere' * und der Erklärung- des Beinamens durch die
berühmte Geschichte von Heinrichs Ueberraschung am Vogel-
heerd, welche hier zuerst in der Litteratur auftritt. Aber
Name und Erklärung sind keine Erfindungen unseres
Autors, die von ihm aus erst in die Litteratur eingedrungen
wären. Das zeigen die verschiedenen von einander und von
unserer Quelle unabhängigen Varianten der Geschichte,
die im 12. und 13. Jahrh. begegnen, namentlich zeigt es
der Umstand, dass dieselbe sich schon im Anfang des
13. Jahrh. zur Wandersage gestaltet, indem sie bei Arnold
von Lübeck auf einen Gegenkönig Heinrichs IV. angeb-
lich namens Heinrich übertragen ist. Waitz hat die ver-
schiedenen Versionen und Wiederholungen der Erzählung
ausführlich dargelegt 2 und daraus geschlossen, dass hier,
wie in ähnlichen Fällen, eine allgemein verbreitete
Tradition zu Grunde liegt, aus der auch unsere Kaiser-
chronik geschöpft hat. Wir können diesem Schlüsse nur
beistimmen.
Die Erzählungen von Ottos I. Gemahlin Edith
(Ann. Pal. S. 62, 28 ff. and Ann. Saxo S. 600, 36 ff.) lassen
ohne weiteres legendären Charakter erkennen. Schon Thiet-
mar sagt im Jahre 1013 von der Königin: 'quae innumera
virtute praedita, ut signis post obitum claruit, inducias
vitae . . . Deo hominibusque accepta perduxit' 3 ; und es
ist daher nicht zu verwundern, dass sich an ihre Person
Legendendichtung anknüpfte. Dass unser Autor die Er-
zählungen erst erdichtet habe, ist durchaus nicht anzu-
nehmen.
Die Sage von der Hirschkuh findet sich wesentlich
ebenso in den 1156 — also vor der Existenz der Ann. Pal.
— verfassten Casus monasterii Petrishusensis i von einem
schwäbischen Grafen Outzo, der um 900 lebte, erzählt,
und zwar wie bei uns als Beweis der Pietas und des freund-
lichen Verkehrs mit Gott, der ihn würdigt, Instrument
seiner Barmherzigkeit zu sein. Der Hirsch ist nämlich
von alters her ein heiliges Thier und spielt in mittelalter-
1) Vgl. oben S. 72. 2) In den Jahrbüchern des deutschen Reichs
unter Heinrich I., Excurs 8, 3. Aufl., S. 209 ff. 3) SS. rerum Germ,
in 8", herausg. von F. Kurze S. 20. 4) SS. XX, 628, 36 ff. ; die Stelle
führt an E. Dümmler, Jahrbücher der deutschen Geschichte, Otto der
Grosse S. 147, N. 1.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik ans d. 12. Jahrb. 81
lieber Sage und Legende eine entsprechende Rolle 1 ;
namentlich kehrt häufig- das Motiv wieder, dass ein Hirsch
in wunderbarer Weise zur Auffindung von Orten und Per-
sonen dient 2, und eine eigenartige Verwendung dieses Mo-
tivs liegt in unserem Falle vor. Nun ist es durchaus un-
wahrscheinlich, dass zwischen der Erzählung von Edith
und von Outzo irgend ein litterarischer Zusammenhang
bestehe: auch abgesehen von der ganz verschiedenen Form-
gebung lässt sich nicht absehen, wie der Stoff aus der Kaiser-
chronik oder dem Ann. Saxo in die Petershauser Chronik, die
sonst mit jenen keine Berührung hat, hätte gelangen sollen.
Vielmehr weisen diese zwei von einander unabhängigen
Versionen darauf hin, dass es Fixierungen einer Wände r-
Legende sind, die also wahrscheinlich auch von Edith
nicht zum ersten Male erzählt worden ist und sich viel-
leicht in der Legendenlitteratur älteren Datums noch nach-
weisen lässt, obwohl es mir nicht gelungen ist.
Aehnlich beurtheile ich die Sage von Ediths Mild-
thätigkeit, da sie dem als Bettler verkleideten König, der
ihr die allzu grosse Freigebigkeit verboten bat, einen Aer-
mel ihres kostbaren Mantels giebt und dieser durch ein
Wunder ergänzt wird, als der König ihn zu sehen verlangt.
Eine in den Hauptzügen entsprechende, im Detail und in
der Formgebung stark abweichende Legende berichtet von
der Landgräfin Elisabeth von Thüringen Dietrich von
Apolda in seiner 1289 verfassten Biographie3. Hier ist
nun eher als vorhin bei der Legende von der Hirschkuh
ein litterarischer Zusammenhang mit unserer Quelle denk-
bar, nämlich durch Vermittelung der Ann. Pal.4, deren
Stoff ja vielfach in die historische Litteratur übergegangen
ist; wahrscheinlich ist ein solcher Zusammenhang aber
auch hier nicht, da die Sächsische Weltchronik, die wesent-
lich den Stoff der Ann. Pal. allgemeiner bekannt gemacht
hat, diese Erzählung nicht aufgenommen bat. Zudem
wissen wir, dass Dietrich von Apolda mehrfach aus der
1) Vgl. J. E. "Wessely, Ikonographie Gottes und der Heiligen 1874,
S. 420 im Register unter 'Hirsch' und 'Hirschkuh', auch F. Laudiert,
Geschichte des Physiologus S. 27. 2) Z. B. bei Gregor von Tours,
Historia Francorum lib. 11, cap. 37 in SS. rer. Merowing. I, Pars 1,
S. 100, 10 ff., ferner in der Vita des h. Prokop, Egidius, Wulfram. Mein
hiesiger Kollege Ernst Maass macht mich darauf aufmerksam, dass das
Motiv sich schon bei Pindar, Olympien HI, 45 ff. findet. 3) H. Canisii
Lectiones antiquae ed. Basnage IV, 126. 4) Diese existierten ja zu der
Zeit, da die vorhin behandelte Sage von der Hirschkuh in den Casus
mon. Petrishus. erzählt wird, noch nicht.
Neues Archiv etc. XX. 0
82 Ernst Bernheim.
Volkstradition bezw. Legende schöpft x und dürfen das
daher auch in diesem Falle annehmen. Allerdings kann
ich bis zu Dietrich und vor unserer Kaiserchronik eine
ähnliche Sage nicht nachweisen, aber einem Kenner der
älteren Legendenlitteratur, die ich zu diesem Zwecke un-
möglich durchsuchen konnte, mag das Motiv aus älterer
Zeit bekannt sein, und ich halte einstweilen für wahr-
scheinlich, dass die Legende nicht zum ersten Male von
Edith erzählt worden ist, sondern, wie die vorige, eine
ältere Wander-Legende sei.
Die Italienischen Züge Ottos I. in den Ann.
Pal. S. 63, 25 ff., 33 ff., 39 ff. — 51 bilden eine einheitliche,
chronologisch unbestimmte Erzählung, die sich mit dem
thatsächlichen Hergang derselben, namentlich in annalisti-
scher Wiedergabe, eigentlich nicht vereinigen lässt. Der
Pöhlder Annalist hat sich, so gut er konnte, damit abge-
funden: da in der Erzählung ausdrücklich von der Heim-
kehr Ottos nach einem ersten Aufenthalt in Italien und
von einem abermaligen Zuge gegen Mailand die Rede ist,
hat er das Erzählte bei den ersten italienischen Zügen an-
gebracht, welche ihm die annalistische Darstellung des
Ekkehard, aus der er schöpfte, darbot; den Aufstand des
angeblichen Sohnes Arnold, der zwischen den beiden Zügen
eingeschaltet war, hat er ebenso an der entsprechenden
Stelle aufgenommen, obwohl er nachher aus seiner histo-
risch korrekten Quelle, dem Ekkehard, die Rebellion Liu-
dolfs richtig erzählt. Die dritte Unternehmung Otto's
gegen Italien, die er S. 63, 55 ff. unserer Quelle entnom-
men, und die offenbar die beiden Züge von 961 ff. und
966 ff., letztere mit den Kämpfen in Unteritalien, zusam-
menwirft, hat er sehr unpassend zwischen 955 und 956
untergebracht. Der Annal. Saxo hat verständiger Weise
aus dem ganzen verworrenen Stoff nur zwei Episoden auf-
genommen, die er S. 607, 65 ff. bezw. 608, 10 ff. und 608, 4 f.
bei dem ersten italienischen Zuge des Jahres 951 f. ein-
flicht. Diese und die sonstigen Bestandtheile der ganzen
Erzählung erörtern wir nun im einzelnen.
Die Angabe, dass Otto in Mailand eine neue
Münze eingeführt habe und was damit zusammenhängt
(Ann. Pal. S. 63, 25 f. und 39 ff., Ann. Saxo S. 608, 4 f.),
scheint insofern eine thatsächliche Unterlage zu enthalten,
als es nach der Behauptung des Autors zu seiner Zeit eine
ottonische Münze mailändischen Ursprungs gab, die man
1) Vgl. G. Börner im N. Archiv XIII, 472 ff., speciell S. 484 ff.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 83
Ottelini nannte. In der That kennt und beschreibt Mura-
tori1 und nach ihm Giulini2 eine mailändische Silbermünze
von ungewöhnlicher Form mit Otto's I. Namen, und be-
stätigt somit die Existenz einer derartigen Münze, wie sie
unser Autor behauptet. Dass diese nummi Ottelini genannt
wurden, haben wir keinen Anlass zn bezweifeln, wenn sich
auch sonst keine Bestätigung dafür findet. Die auffallende
Form der Münze erklärt es leicht, dass sie Anlass zu sagen-
haften Weiterungen bieten mochte, wie sie in unserer
Quelle auftreten 3.
Die Behauptung, dass Otto I. den Mailändern
einen Tribut von 200 Pfund Goldes auferlegt habe (Ann.
Pal. S. 63, 56 f., bezw. 65, 9), muss der Verantwortung
unseres Autors überlassen bleiben, da alle sonstigen Er-
wähnungen dieses Tributes auf ihn als Quelle zurückzu-
führen sind4. Mit Recht äussert sich daher Dümmler5
sehr zweifelnd über die Thatsächlichkeit dieser Angabe.
Ueber die Provenienz derselben fehlt es uns an jeder Spur,
falls wir nicht annehmen wollen, dass sie aus der Mainzer
Lokaltradition über die Entstehung des Crucifixes Benna';
herrührt, was nicht unwahrscheinlich ist.
Die Geschichte von Otto's I. strengem Gericht gegen
den Frauenräuber (Ann. Pal. S. 63, 34 ff. und 45 ff., Ann.
Saxo S. 607, 65 ff. u. 608, 11 ff.), den die Vergewaltigte bei dem
Kaiser auf dessen Hinweg nach Italien anklagt und den dieser,
wie versprochen, bei seiner Rückkehr richtet, obwohl die Klä-
gerin sich mit jenem versöhnt und vermählt hat, ist in ihrem
Hauptmotiv doch wohl aus jener Sage vom Kaiser Trajan
entlehnt, die, im 9. Jahrh. entstanden, während des
12. Jahrh. in mannigfachen Versionen weit verbreitet war '.
Auf den ersten Blick scheint unsere Geschichte mit dieser
nur wenige Berührungspunkte zu bieten: Trajan ist im
1) Antiquitates Italicae medii aevi II, 590 f. nebst u. 7 auf der
vorhergehenden Abbildungstafel. 2) Memorie spettanti alla storia di
Milano, nuova edizione 1854, S. 528 ; E. Dümmler, Kaiser Otto der Gr.
S. 201, N. 2 verweist darauf. 3) Die Wendung in der bairischen Kaiser-
chronik. Deutsche Chroniken I, 1, S. 369, Vers 15113 ff. hat kaum eine
Bedeutung, die auf unser Thema hinwiese : Münze und Zoll sind da nur
als die Hauptzweige der kgl. Verwaltung genannt. 4) Auch die von
Giesebrecht, Gesch. d. deutschen Kaiserzeit I, 3. Aufl., S. 822 zu S. 390
angeführte. 5) Kaiser Otto der Grosse S. 524, N. 1 und S. 208, N. 1.
6) Vgl. weiterhin unter den Erzählungen von Otto III. 7) S. die aus-
führliche Entwicklungsgeschichte der Sage bei A. Graf, Roma nella me-
moria e nelle iinaginazioni del medio evo 1883, Bd. II, S. 1 ff. und H. F.
Massmann, Der keiser und der kunige buoch, Theil 3, S. 751 ff., der S. 1071,
N. 3 zu unserer Erzählung auf die Trajansage hinweist.
6*
84 Ernst Bernheim.
Begriff, in den Krieg zu ziehen, als ihn eine Wittwe um
Gerechtigkeit gegen den Mörder ihres Sohnes bittet; der
Kaiser will das Gericht erst bis zu seiner Rückkehr ver-
schieben, lässt sich jedoch dann durch die dringenden
Bitten der Frau zu sofortiger Aburtheilung des Schuldigen
bestimmen. Hiernach wäre also nur die Situation im allge-
meinen eine entsprechende: Otto wie Trajan auf dem Kriegs-
zuge von einer Frau um Gerechtigkeit gegen einen Uebelthäter
angefleht. Aber neben der Trajanssage ist im 12. Jahrh.
bekannt und im 13. mit derselben nachweislich verschmolzen
eine aus Valerius Maximus herrührende Sage vom Könige
und gerechten Richter Zaleukos 1, wonach die Uebelthat,
welche die Wittwe klagt, die Vergewaltigung ihrer einzigen
Tochter durch den Sohn des Herrschers ist: hier haben
wir das Motiv der Vergewaltigung, das in unserer Erzäh-
lung auftritt, nur mit der Veränderung, dass die Frau
selber die Vergewaltigte ist, während der Uebelthäter, wie
in der ursprünglichen Trajanssage, ein beliebiger Fremder
bleibt, der sonst mit dem Kaiser nichts zu thun hat. Der
Ausgang ist unserer Erzählung eigen : Otto vollzieht, wie
oben erwähnt, das Gericht erst nach seiner Rückkehr, ob-
wohl es von der Klägerin gar nicht mehr gewünscht wird;
der Schluss der ursprünglichen Trajanssage, dass Papst
Gregor der Grosse über die Gerechtigkeitsliebe des heid-
nischen Kaisers Thränen des Erbarmens vergossen und ihm
durch seine Fürbitte das ewige Seelenheil gewonnen habe,
musste selbstverständlich hinwegfallen. Unsere Erzählung
erscheint meines Erachtens somit im ganzen als eine eigen-
artige Verarbeitung und Uebertragung von Motiven jener
Trajan -Zaleukos -Sage, oder, wie wir kurz sagen dürfen,
als eine Wander sage, die aus der Kombination jener
zwei Sagen gebildet ist 2.
Die Erzählung vom Aufstande des Sohnes
Otto 's I. (Ann. Pal. S. 63, 26 ff.) beansprucht ein beson-
deres litterar - historisches Interesse, da sie ein wesentliches
Glied in der Bildung der Sage von Herzog Ernst darstellt,
was bisher nicht beachtet worden ist. Sie ist in die ein-
heitliche Darstellung der italienischen Züge Ottos, wie
schon erwähnt, eingeschaltet und steht in organischem Zu-
1) S. Massmann 1. c. S. 755. 2) Die Uebertragung auf eine ganz
andere Person und Zeit ist, wie in solchen Fällen so oft, erleichtert und
vorbereitet dadurch, dass die Trajanssage sich von ihrer ursprünglichen
individuellen und lokalen Bestimmtheit losgelöst hat: statt Trajans tritt
schon in Versionen des 12. Jahrh. ganz unbestimmt 'quidam Romanorum
rex1 auf, s. Graf 1. c. S. 26.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik ans d. 12. Jahrh. 85
sammenhang mit der Erzählung des ersten dieser Züge in
unserer Quelle (Ann. Pal. S. 63, 25—26), an die sie sich
mit dem Worte 'Interim' stilistisch und inhaltlich unmit-
telbar anschliesst. 'Interim', so lautet sie, 'filius suus Ar-
noldus instinctu cuiusdam Wichmanni ducis Saxonicum
regnum invasit et redeunte patre Ratispoli cum eo dimi-
cans victus est et in ecclesiam fugiens iuxta altare sancti
Heimeradi delituit; cui Heinricus, patruus suus, dux Ba-
varie, vitam et Carnotensem ducatum tunc vacantem im-
petravit'. Mit den Worten 'Deinde Mediolanenses rebelli
facti' (Ann. Pal. S. 63, 33) geht der Autor dann zur Dar-
stellung des zweiten italienischen Zuges über.
Die Erzählung giebt sich ohne weiteres als eine echt
sagenhaft entstellte Tradition auf Grund historischer Re-
miniscenzen, die wirr durcheinander geworfen sind, zu er-
kennen. Die wesentlichen Züge derselben bildet offenbar
die Rebellion von Otto's Sohn Liudolf, doch ist wenigstens
ein Zug aus dem Aufstande von Otto's Stiefbruder Thank-
mar, den unser Autor ohne Zweifel nicht behandelt hat,
hineingemischt. Allerdings entspricht der angegebene Name
des Rebellen, Arnold, weder diesem noch jenem histori-
schen Ereignis; einen Königssohn namens Arnold hat es
überhaupt nicht gegeben; vielleicht liegt der Namengebung
eine Erinnerung an den Verbündeten Liudolfs, Arnulf von
Baiern, zu Grunde1, falls man nicht, was ferner liegt, an
Herzog Arnulf von Baiern, den rebellischen Stiefsohn Kon-
rads I.2, denken will. Ein Wichmann, allerdings nur säch-
sischer Graf, nicht Herzog, spielt eine Rolle sowohl beim Auf-
stande Thankmars 3 wie bei dem Liudolfs 4, dort der Vater, hier
der Sohn Wichmann. Die zeitliche Ansetzung des Aufstandes
zwischen den beiden ersten italienischen Zügen Otto's ent-
spricht dem thatsächlichen Zeitpunkt der Liudolfschen Em-
pörung. Um Regensburg hat in der That der entscheidende
Kampf vor der Unterwerfung Liudolfs stattgefunden 5. Dass
der Besiegte in das Asyl einer Kirche flieht, ist offenbar ein
Zug, der der Geschichte Thankmars entlehnt ist, welcher
er so charakteristisch angehört. Aber die hinzugefügte
Lokalbezeichnung 'iuxta altare sancti Heimeradi' hat weder
mit der Geschichte Thankmars, der bekanntlich in der
Peterskirche zu Eresburg endete ,;, noch mit der Liudolfs,
1) S. Dümmler, Kaiser Otto der Grosse S. 223 und 239, Note.
2) S. Riezler, Geschichte Baiems I, 320. Arnold und Arnolf sind nur
verschiedene Foi'inen desselben Namens, s. weiter unten S. 87. 3) Dümmler
1. c. S. 72. 4) Ebd. S. 223. 5) Ebd. S. 239. 6) Ebd. S. 75.
86 Ernst Bernheim.
der ja seinen Vater auf der Jagd in der Nähe von Weimar
überraschte und um Verzeihung bat 1, etwas zu thun, und
ist überhaupt im Zusammenhange unserer Erzählung un-
erklärlich. Einen Altar des h. Heimrad gab es nur in
Hasungen bei Kassel, wo Erzbischöfe von Mainz zu Ehren
des 1019 verstorbenen Eremiten 1021 eine Kirche, 1074
eine Probstei und 1082 ein Kloster stifteten2. Allerdings
berichtet Lambert von Hersfeld unter dem Jahre 1072,
dass zu dieser Zeit der h. Heimrad zu Hasungen neben
Sebald zu Nürnberg im Reiche (per Gallias) sehr grossen
Ruf und grossen Zulauf hatte. Aber auch wenn wir diesen
Ruf in Anschlag bringen, den vielleicht gerade in der
Entstehungszeit unserer Sage Heimrad genoss, so bleibt
der gewaltige Sprung, den die Erzählung ganz unvermittelt
den Fliehenden von Regensburg nach Hasungen machen
lässt3, selbst für eine sagenhafte, doch nicht phantastische,
in sich cohärente Erzählung höchst befremdlich. Wenn
wir die Worte 'Ratispoli cum eo dimicans victus est et
in ecclesiam fugit' unbefangen lesen, erwarten wir un-
bedingt, dass von einer Kirche im Bereiche Regensburgs
die Rede sein solle. Ich zweifle auch nicht, dass das in
der Erzählung ursprünglich der Fall war: es ist ohne
Zweifel der Altar des h. Emineram, nicht der Heimrads,
gemeint. Eine lautliche und graphische Verwechselung der
beiden Namen war sehr leicht : einerseits kommt der Name
Emmeram nicht selten in der Form Heimram, Heimrammus
vor4, andererseits der Name Heimrad in der Form Hem-
merad, Hemmered 5 ; es liegt also auf beiden Seiten, wenn
man die Namen mit einander verwechselt, eigentlich nur
die Verwechselung der Kompositionsglieder ram und rad
vor, und es ist bekannt genug, wie häufig die Verwechse-
1) Dümmler 1. c. S. 240. 2) Vgl. Scklereth, Das Kloster Hasungen,
in der Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde
1843, Bd. III, S. 137 ff., Vita S. Hamieradi in SS. X. 3) Herr Dr. Herre
hat mir brieflich die Meinung ausgesprochen, die Stelle sei anders zu
interpretieren: man müsse 'patre redeunte' mit 'Ratispoli' verbinden und
übersetzen 'als der Vater von Regensburg zurückkehrte' ; allein das ist
nicht wohl zulässig, denn im Zusammenhange unserer Erzählung brauchen
wir nothwendig die Angabe, dass Otto aus Italien zurückgekehrt sei und
müssen daher 'redeunte' auf die Rückkehr aus Italien beziehen ; eine Rück-
kehr aus Regensburg würde gänzlich in der Luft schweben, wir haben
gar nicht erfahren, dass und wie Otto nach Regensburg gekommen wäre,
und erfahren auch nicht, wohin er zurückkehrte. Mir scheint nur die
Verbindung von 'Ratispoli' mit 'cum eo dimicans' möglich. 4) S. z. B.
SS. IV, 545, 34 und andere Citate bei Eörstemanu, Altdeutsches Namen-
buch I, 778 und 591. 5) S. z. B. Deutsche Chroniken II, 168, 29 und
Förstemann 1. c. 591.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 87
hing derselben in Zusammensetzungen mit gleichlautenden
ersten Kompositionsgliedern stattfindet1. Ich meine also,
dass in unserer Stelle eine solche Verwechselung von
Heimram und Heimrad anzunehmen ist, auf die der Sinn
des Zusammenhanges unbedingt hinweist. Irgend einem
Hörer und Erzähler oder Verzeichner der Erzählung, mög-
licherweise erst dem Pöhlder Annalisten, mag der zeit-
weilig, wie wir sahen, berühmte Hasunger Heilige ver-
trauter gewesen sein als der Eegensburger, und das mag
die Verwechselung noch erleichtert haben. Ich bin auf
diesen Punkt so ausführlich eingegangen, um darzuthun,
dass ein Schluss auf das Entstehungslokal der Sage oder
die Heimath eines ihrer Erzähler, etwa des Autors unserer
Kaiserchronik, nicht daraus zu ziehen ist 2. Analysieren
wir die Elemente unserer Erzählung weiter, so stossen wir
in der Erwähnung des Oheims Heinrich, Herzogs von Baiern,
wieder auf eine thatsächlich mit der Geschichte Liudolfs
zusammenhängende Persönlichkeit, wenngleich die Rolle,
die ihm hier zugeschrieben wird, von unseren beglaubigten
Quellen nicht überliefert und an sich nicht gerade glaub-
würdig ist. Dass Liudolf das Herzogtimm Kärnthen nach
der Versöhnung erhalten haben soll, ist dagegen völlig
fabelhaft: bekanntlich wurde ein Herzogthum Kärnthen
überhaupt erst 976 eingerichtet. Wie die Sage zu dieser
Angabe gekommen sein mag, ist schwer zu muthmassen :
ein sächsischer Königssprosse herrschte über Kärnthen nur
in der Zeit von 989 — 995, als Kärnthen zeitweilig wieder
mit Baiern vereinigt war, in der Person Heinrichs des
Zänkers, Liudolfs Vetters; ein Arnold (so heisst ja der
Sohn Otto's in unserer Sage) herrschte nie in Kärnthen,
höchstens kann man daran erinnern, dass Onkel und Vetter
des ersten Herzogs von Kärnthen Arnulf hiessen 3. Doch
die Irrgänge der Sage sind ja meist nicht sicher zu ver-
folgen.
1) Wie z. B. Waideram und Waiderad und andere bei Förstemann
1. c. S. 706 und 991 f. Dasselbe kommt auch bei anderen entsprechenden
Kompositionen vielfach vor, wie mein hiesiger Kollege Dr. Siebs mir be-
stätigt, z. B. auch bei den Namen Arnold und Arnolf, was vielleicht in
unserer Erzählung der Fall, vgl. oben. 2) Ich hebe auch noch hervor,
dass die Nachrichten über Heimrad, welche die Ann. Pal. S. 67, 28 — 30 und
der Ann. Saxo S. 674, 31 f. und 675, 8 bringen, nicht etwa aus unserer
Kaiserchronik herrühren, sondern aus den Annales Patherbrunnenses (vgl.
Scheffer - Boichorst S. 37 f.), woraus der Ann. Saxo sie direkt entnahm,
die Ann. Pal. sie durch Vermittelung der verlorenen Halberstädter An-
nalen (vgl. L. von Heinemann im N. Archiv XIII, S. 47 f.) erhielten.
3) Vgl. Griesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit I, 2. Aufl., S. 668;
betreffs Identificierung der Namen Arnold und Arnulf s. oben Note 1.
88 Ernst Bernheim.
Blicken wir nun auf die bekannte Umwandlung' und
Uebertragung, welche die Schicksale Liudolfs in der Sage
vom Herzog Ernst 1 erfahren haben, so erkennen wir leicht,
dass wir in unserer Erzählung ein älteres Stadium des
Prozesses jener Sagenbildung vor uns haben. Denn eine
Voraussetzung der letzteren, die Verschmelzung der Auf-
stände des Sohnes und Stiefbruders unter Otto2, ist hier
bereits eingetreten, und der Name Liudolfs, der der Sage
die wesentlichen Züge leiht, ist bereits durch einen anderen
Namen verdrängt 3. Mit diesem Hinweis auf die Ernst-
Sage zeigen wir zugleich, dass die Erzählung unserer
Kaiserchonik recht aus dem fliessenden Strom volks-
thümlicher Sagenbildung geschöpft ist.
Die Notiz über die Auffindung der Harzer
Erzadern unter Otto I. (Ann. Pal. S. 64, 17 f.) gehört nicht
in die Reihe unserer Erörterungen: sie stammt nicht aus
unbekannter Quelle, wie der Corpus -Druck in der Edition
irrig andeutet, sondern ist aus Sigebert entlehnt, der die
Nachricht unter dem Jahre 968 4, und zwar aus Widukind 5
bringt. Der Ann. Saxo erzählt dagegen eine Sage über
die Entdeckung der Bergwerke bei Goslar unter Heinrich II.,
die wir weiterhin zu erörtern haben.
Die Darstellung von Ottos I. Krankheit und
Tod (Ann. Pal. S. 64, 30 ff.) enthält gar keinen historischen
Kern, sondern ist ganz und gar phantastisch und giebt
keine Anhaltspunkte zu irgend welcher Erklärung ihrer
Entstehung. Es ist nur zu bemerken, dass die Anfangs-
worte, die ein exaktes, thatsächlich richtiges Datum ent-
halten, 'deinde ascensionem Domini Merseburg celebrans',
nicht aus unserer Kaiserchronik stammen. Diese Wendung
steht wörtlich so im Ann. Saxo S. 625, 11 f. und repräsen-
tiert mit dem sich dort daran schliessenden Satz eine Ent-
lehnung aus Thietmar lib. II, cap. 27° unter leichter, aber
mit Ann. Pal. übereinstimmender Veränderung des Wort-
lauts; eine in Ann. Pal. und Ann. Saxo übereinstimmend
abgeänderte Thietmarstelle weist auf die Vermittelung der-
selben durch die verlorenen Halberstädter Annalen 7.
Der Bericht über Ottos II. Sarazenenschlacht
1) S. die Litteratur darüber in H. Pauls Grundriss der germanischen
Philologie II, S. 257 und bei H. Bresslau, Jahrbücher des deutschen
Reichs unter Konrad II. I, Excurs 9, S. 468 ff. 2) Vgl. die Bemerkung
von E. Dümmler in Haupts Zeitschrift für deutsches Alterthum XIV,
S. 269. 3) Vgl. Dümmler 1. c. 4) SS. VI, 351, 22. 5) SS. III,
462, 32. 6) In der Oktavausgabe der SS. rerum Germ, von F. Kurze
S. 45. 7) S. L. von Heinemann im N. Arch. XIII, S. 58 f.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 89
und Tod in Folge eines vergifteten Pfeiles (Ann. Pal.
S. 64, 54 ff.) bietet recht ein Beispiel für die manchmal
fast eigensinnig erscheinende Willkür der Sagenbildungen.
Die grosse Niederlage Otto's II. in Unteritalien war in
Wirklichkeit von höchst romantischen Umständen begleitet,
der Kaiser entkam auf abenteuerliche Weise, und die Sage
hat nicht gesäumt, sich dieses fruchtbaren Themas zu be-
mächtigen. Schon bei wenig entfernten Zeitgenossen treten
uns bunte Ausschmückungen entgegen \ und Scherer hat
nachgewiesen2, dass ein gleichzeitiges Lied das Abenteuer
in seiner Weise verherrlichte, welches Thietmar in seiner
1013 niedergeschriebenen Erzählung der Begebenheit ver-
werthet hat. Die Sage war im 12. Jahrh. im Sachsenlande
und überall bekannt genug, aber der Autor unserer Kaiser-
chronik kennt sie nicht oder verschmäht sie, und erzählt
statt deren eine gänzlich anders geartete von einer sieg-
reichen Seeschlacht Otto's, in der dieser durch einen ver-
gifteten Pfeil verwundet wird, um an der Wunde im selben
Jahre zu sterben. Unser Autor ist freilich nicht der Er-
finder dieser von der geläufigen romantischen Sage so ab-
weichenden Tradition, wenigstens nachweislich nicht des
Hauptmotivs derselben, denn schon in Quellen des aus-
gehenden 11. Jahrh.3 und in einer von unserem Autor
unabhängigen Quelle seiner Zeit i wird berichtet, dass Otto
zuletzt einen grossen Sieg über die Sarazenen errungen
habe. Wie die einzig dastehende Angabe von Otto's Tode
in unsere Erzählung gekommen sein mag, ist unerfindlich ;
möglicherweise liegt eine Konfundierung mit Otto's Vetter,
Herzog Otto von Baiern und Schwaben vor, der nach
einigen Quellen in der Sarazenenschlacht gefallen sein soll5;
wenn wir diese Verwechselung annehmen, würde auch dieser
Bestandtheil der Erzählung sich als mündliche Tradition
erklären lassen.
Die Geschichte von Otto's III. Erziehung und
Jugendstreich erzählen Ann. Pal. S. 64, 63 ff. und Ann.
1) Vgl. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit I, 3. Aufl.,
S. 840, Anmerkung zu S. 597 f., und derselbe, Jahrbücher des deutschen
Reichs unter der Herrschaft Kaiser Otto's II. (herausgegeben von Ranke),
Excurs 12, S. 164 ff. 2) K. Müllenhoff und W. Scherer, Denkmäler
deutscher Poesie und Prosa aus dem 8. — 12. Jahrh. , 3. Ausgabe von
E. Steinmeyer II, S. 116 f. 3) Bei Bonizo, Liber ad amicum, Libelli
de lite I, S. 582, 4 f. ; bei Benzo von Alba, SS. XI, 603/4, Z. 4 f. 4) Gesta
ep. Mettensium, zwischen 1132 und 1142 verfasst, SS. X, 542, 11 ff. Vgl.
Giesebrecht, Jahrbücher 1. c. Excurs 13, S. 170 ff. 5) S. die N. 59 zum
Chron. Thietmari SS. III, 765 ; thatsächlich ist Herzog Otto erst auf der
Rückkehr in Lucca gestorben, s. Giesebrecht, Jahrbücher 1. c. S. 82.
90 Ernst Bernheim.
Saxo S. 631 , 60 ff. irn wesentlichen wörtlich übereinstimmend,
aber letzterer von Otto IL: er hat ohne Zweifel bemerkt,
dass die angebliche Erziehung Ottos III. durch Erzbischof
Bruno von Köln, die die Kaiserchronik behauptet, ein
Anachronismus sei, und hat daher die Aenderung vorge-
nommen * ; denn dass in den Ann. Pal. die ursprüngliche
Fassung wiedergegeben ist, ergiebt sich aus der sich un-
mittelbar anschliessenden (vom Ann. Saxo fortgelassenen)
Fortsetzung der Geschichte, die von Otto III. handelt,
auch deutet die auffallende Anbringung dieser Jugend-
geschichte am Ende der Regierung Otto's IL im Ann.
Saxo wohl darauf hin, dass dieselbe in der Quelle, die der
Annalist vor sich hatte, nicht am Anfang des Abschnittes
über Otto IL, sondern Otto III. gestanden hat. Der
Anachronismus, dass der 965 verstorbene Bruno den 980
geborenen Kaisersohn erzogen habe, ist also unserer Quelle
zuzuschreiben und vielleicht als eine Konf undierung Otto's III.
mit Otto IL zu erkläreu, insofern eine Erinnerung an die
thatsächliche Regentschaft Bruno's für den unmündigen
Otto IL während Otto des Grossen Romzug im Jahre 961 2
zu Grunde liegen mag. Die vormund schaftliche Regierung
des Erzbischofs Willigis von Mainz, die nach unserer
Quelle auf die Bruno's folgte, entspricht den thatsächlichen
Verhältnissen, obwohl sie sonst nicht ausdrücklich bezeugt
ist 3. Der Jugendstreich, der von dem jungen Kaisersohn
erzählt wird, giebt, vielleicht unbewusst, aber drastisch
genug, den eigenwilligen und bizarren Charakter Otto's III.
wieder. Im Chronicon Spirense rindet sich die Notiz 'Otto
iuvenis, quem suscitavit beatus Willigisus Moguntinus ar-
chiepiscopus a mortuis, qui et tutor illius fuit', welche
offenbar auf unsere Anekdote zurückzuführen ist, wenn-
gleich sie dieselbe in seltsam entstellter Weise wiedergiebt ;
ob und welcher litterarische Zusammenhang besteht, ist
nicht zu konstatieren. Unsere Erzählung charakterisiert
sich jedenfalls in der Vermengung thatsächlicher und
1) Er nennt dementsprechend Bruno 'patruus' statt 'patruus patris1
des Knaben. Dass Otto III. im Laufe der Erzählung bei Ann. Pal. nachher
'nepos' Bruno's genannt wird, widerspricht dem in den Ann. Pal. nach
unserer Quelle angegebenen Verwandtschaftsgrad selbstverständlich nicht,
da 'nepos' ja ebenso gut zur Bezeichnung des Grossneffen angewandt
werden kann. 2) Vgl. Giesebrecht, Gesch. der deutschen Kaiserzeit
3. Aufl., Bd. I, S. 455, speciell Strebitzki, Quellenkritische Untersuchungen
zur Geschichte des Erzbischof Brun I. von Kölu, Programm des Gymn.
zu Neustadt in Westpr. 1875, S. 18 f., N. 6. 3) Giesebrecht 1. c. S. 659.
Die sonst noch angeführten Zeugnisse sind von unserer Quelle bezw. Ann.
Pal. abhängig. -4) SS. XVII, 81, 46, verfasst im 13. Jahrb.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus cl. 12. Jahrh. 91
anachronistischer Züge, sowie in ihrer anekdotenhaften
Ausführlichkeit recht als ein Produkt mündlicher
Volkstradition.
Die Mittheilung über das goldene Crucifix Benna
zu Mainz, welches der Erzbischof Willigis aus dem Tribut
der Mailänder hat anfertigen lassen (Ann. Pal. S. 65, 9 ff.),
tritt in unserer Quelle, wo sie gelegentlich der Erwähnung
des Erzbischofs an die oben analysierte Jugendgeschichte
Ottos III. angeknüpft ist, zum ersten Male litterarisch
auf. Letzteres ist zunächst nachzuweisen, weil man sonst
wegen der gleich zu erwähnenden Verhältnisse annehmen
könnte, die Mittheilung sei ein Zusatz des Pöhlder Anna-
listen aus anderer Quelle. In der Vita Arnoldi archiepi-
scopi Moguntini x steht nämlich eine inhaltlich entspre-
chende Angabe in wörtlich so übereinstimmender Form,
dass ein litterarischer Zusammenhang zwischen dieser und
unserer Stelle noth wendig anzunehmen ist; nun ist zwar
die Vita im übrigen bald nach 1160 verfasst, so dass sie
vom Pöhlder Annalisten benutzt sein könnte, aber, wie
Jaff e 2 nachgewiesen und Baumbach3 neuerdings bestätigt
hat, ist die Schlusspartie der Vita, innerhalb deren die
Stelle von dem Crucifix steht, erst in späteren Hss. zu-
gefügt und zwar aus dem Chronicon Christiani Moguntini4,
welches um die Mitte des 13. Jahrh. verfasst ist; innerhalb
dieser Partie im Chron. Mogunt. ist unsere Stelle aber
wiederum erst eine Zuthat, die sich in den Hss. des Chro-
nicon bis zum Ende des 15. Jahrh. nicht findet5; mithin
ist die Priorität der Stelle in den Ann. Pal. unzweifelhaft,
und es kann dieselbe eben nur aus ihnen oder einer ihrer
späteren Ableitungen in jene späteren Exemplare des Chro-
nicon Mogunt. übernommen sein. Dass die Stelle nicht
etwa ein originaler Zusatz des Pöhlder Annalisten sei,
ergiebt sich aus dem innerlichen Zusammenhange, in dem
sie mit der sagenhaften Erzählung von dem Mailänder
Tribut Otto's des Grossen steht, die unserer Quelle ange-
hört,;; es stimmt dabei wohl nicht zufällig, dass der Tribut
200 Pfund Goldes jährlich beträgt, und das Crucifix, wel-
ches Willigis während seiner dreijährigen Regentschaft
1) Bei J. F. Böhmer, Fontes rerum Germanicarum 111, 325.
2) Bibliotkeca rerum Germ. III, S. 606, IST. 1. 3) Arnold von Seelen-
hofen 1872, S. 3. 4) Jaffe 1. c. 690 f., jetzt unter dem Titel Christiani
archiep. Moguntini liber de calamitate ecclesiae Mogunt. SS. XXV, 244 f.
5) S. Jaffe 1. c. 691, N. 1 ; MG. 1. c. Sternnote zu S. 37. 6) S. oben
S. 83.
92 Ernst Bernheim.
daraus fertigen lässt, 600 Pfund (200 X 3) enthält1. Die
Thatsächlichkeit der Mittheilung ist insofern unzweifelhaft,
als ein solches Crucifix nachweislich im Mainzer Kirchen-
schatz existiert hat: es genügt, deswegen auf die Annalen
des Klosters Disibodenberg zu verweisen, die, in nächster
Nähe von Mainz nach der Mitte des 12. Jahrh. geschrie-
ben, genau und ausführlich von der stückweisen Verschleu-
derung dieses kostbaren Crucifixes durch die zeitgenössi-
schen Erzbischöfe Marculf (1141—1142), Arnold (1153 —
1100), Rudolf (1160 — 1161) berichten2; auch die Inschrift
lAuri sexcentas haec crnx habet aurea libras', welche un-
sere Quelle angiebt, ist authentisch3, sowie der Name des-
selben Beuna4, und aus den Annalen von Disibodenberg
1. c. geht hervor, dass man in Mainz selbst den Ursprung
des Prunkstückes auf Willigis zurückführte. Die Anferti-
gung des Crucifixes aus jenem Tribut der Mailänder hat
freilich nur die zweifelhafte Autorität unserer Quelle für
sich, und wir können nicht wissen, ob dieses Datum auch
aus der stiftmainzer Lokaltradition stammt, von der
offenbar die ganze Angabe herrührt, oder ob es eine ander-
weitige Zuthat, eventuell unserer Kaiserchronik, ist 5.
Die Erzählung von Ottos III. Vergiftung durch
die Gattin des Crescentius beginnen die Ann. Pal. S. 65,
48 f. bis zu den Worten 'discedit ab Italia' aus den
Chroniken des Sigibert und Ekkehard, und zwar wesent-
lich aus der Ekkehards in der Recension DE G, daran
1) Dass unser Autor bezw. der Pöhlder Annalist in der Erzählung
1200 librae angiebt und unmittelbar darauf in dem Vers 600 librae, ist
nicht als ein Widerspruch aufzufassen, höchstens als ein Schreibfehler,
aber vielleicht auch das nicht, denn der Pöhlder Annalist scheint doch
der Meinung zu sein, dass man 'libra' im Sinne von Halbpfund oder Mark
gebrauchen könne, da er die Glosse hinzufügte oder aus unserer Quelle
übernahm 'id est marcis1, wie nach freundlicher Mittheilung von Herrn
Dr. Herre im Oxforder Autograph die Glosse lautet; ein Pfund ist be-
kanntlich gleich 2 Mark, 1200 Mark wäre also richtig. 2) SS. XVII,
29, 45 ff., vgl. andere authentische Zeugnisse bei C. Will, Regesten zur
Geschichte der Mainzer Erzbischöfe I, S. 128 f. 3) Vgl. die vorige Note;
in den Annal. Disibodenberg. steht 'tenet' statt 'habet', in den übrigen
Quellen 'habet', wie in unserer. 4) Ueber diesen Namen s. F. Liebrecht
in: Göttingische Gelehrte Anzeigen 1870, Bd. I, Stück 3, S. 113 ff. 5) Die
Angabe, dass Kaiser Friedrich I. das Kunstwerk von den Juden habe
herstellen lassen zur Sühne dafür, dass sie seinen Mundschenk Benno ge-
tödtet haben, ergiebt sich eo ipso als eine spätere etymologische Sage
und taucht zuerst um die Mitte des 13. Jahrh. in den Gesta episcoporum
Leodiensium SS. XXV, 108, 31 ff. auf. 6) SS. VI, 192, 14 f. In der
Edition der Ann. Pal. 1. c. sind die Worte 'dum ipse iuvenis — Italia'
fälschlich in Corpus gesetzt ; da sie, wie gesagt, entlehnt sind, hätten sie
in Petit gedruckt werden müssen.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik ans d. 12. Jahrh. 93
schliessen sie aber ganz abweichend von diesen Quellen
den Bericht des Herganges mit eigenartigen Details, die
hier original auftreten und ihrem ganzen Charakter nach
ohne Zweifel unserer Kaiserchronik entnommen sind. Die
schon früh entstandene Sage von der Vergiftung Otto's
durch die Italienerin war in den ersten Decennien des
12. Jahrh. eine der bekanntesten und weitestver breiteten
Kaiser sagen1, die in mannigfachen Versionen erzählt
wurde, und eine dieser Versionen haben wir in unserer
Kaiserchronik vor uns.
Die Erzählung von der prophetischen Vision
Heinrichs II. in Ann. Pal. S. 65, 53 ff. und Ann. Saxo
S. 648, 57 ff., wonach ihm durch eine an der Wand im Dom
zu Regensburg erscheinende 6 seine Erhebung zum Könige
sechs Jahre vorher verkündigt wird, entspricht in ihren
wesentlichen Zügen der Geschichte, die Otloh in seiner
zwischen 1037 und 1052 verfassten Vita Bischof Wolfo-aners
von Regensburg'2 (und beiläufig in wörtlicher Wiedergabe
nach Otloh der Verfasser der in der Mitte des 12. Jahrh.
geschriebenen Vita Heinrici II.3) erzählt. Doch fehlt jede
wörtliche Uebereinstimmung, und abgesehen von der kür-
zeren Fassung in unserer Quelle, die manche Details über-
geht, findet sich auch die nicht unwesentliche Abweichung,
dass hier die Prophezeiung sich auf Heinrichs Königswahl,
bei Otloh auf seine Kaiserkrönung bezieht. Es ist also
kein direkter litterarischer Zusammenhang zwischen letz-
terem und unserer Quelle anzunehmen, vielmehr die un-
abhängige Wiedergabe dieser von Bischof Wolfgangs Grab-
stätte zu Regensburg ausgegangenen Legende.
Die Erzählung von Kunigunde's Verleumdung
und der glänzenden Rechtfertigung ihrer Keuschheit durch
ein Gottesurtheil in Ann. Pal. S. 66, 2 ff. haben Bresslau und
Steindorff bei Behandlung der Sage in den Jahrbüchern
der deutschen Geschichte 4 zutreffend gewürdigt 5.
1) S. die ausführliche Entwicklungsgeschichte der Sage von R. Wil-
mans, Jahrbücher des deutschen Reichs unter Otto III. (in den von Ranke
herausgegebenen Jahrbüchern u. s. w. unter dem sächsischen Hause), Ex-
curs 12, S. 243 ff. 2) SS. IV, 542, 9 ff. 3) Ebenda S. 792, 15 ff.
4) Jahrb. des deutschen Reichs unter Heinrich IL, Bd. IH, S. 359 f. ;
Jahrb. des deutschen Reichs unter Heinrich III., Bd. I, S. 515 f. 5) Die
unserer Erzählung theils voraufgehende theils folgende Mittheilung über
Heinrichs keusche Ehe mit Kunigunde ist nicht aus unserer Quelle,
der Kaiserchronik, entnommen, sondern aus den verlorenen Halberstädter
bezw. Ilsenburger Annalen. Diese Mittheilung findet sich nämlich im
Ann. Saxo SS. VI, 649, 4 ff. in wörtlich stark übereinstimmender Form,
und zwar so, dass mit einer bei beiden (Ann. Pal. und Ann. Saxo) über-
94 Ernst Bemheim.
Wir heben nur hervor, was für den vorliegenden
Zweck in Betracht kommt. Die Erzählung findet sich
wesentlich entsprechend in Adalberts Vita Heinrici II.1,
die um die Mitte des 12. Jahrh. verfasst ist, doch zeigen
inhaltliche Unterschiede und die Unabhängigkeit der Form,
dass ein litterarischer Zusammenhang zwischen diesen beiden
nicht besteht ; nur in der Rede Kunigunde's kommt bei
beiden eine ähnliche Wendung vor2, aber diese Ueberein-
stimmung ist nach der ganzen Sachlage nicht aus littera-
rischem Zusammenhang zu erklären : es kommt innerhalb
sagenhaft sich fortpflanzender Tradition oft genug vor,
dass die Hauptpointen der Erzählung, speciell die Pointen,
die in Aussprüchen und Eeden der Helden liegen, mit
buchstäblicher Genauigkeit von Mund zu Mund festgehalten
werden, und dies besonders in Zeiten gering entwickelter
allgemeiner Bildung, wo das Gedächtnis der Menschen
treuer zu sein pflegt als in unserem 'tintenklecksenden
Saeculum' — ein Beispiel haben wir gleich in der folgen-
den Anekdote und in der Schmährede Hetilo's gegen Hein-
rich IV. weiterhin, und man kann auch noch heutzutage
die Erfahrung machen, wie treu ein mit Wissensstoff nicht
überladenes Gedächtnis dergleichen festhält, wenn man
Kindern eine und dieselbe Geschichte, sei es auch nach
längerer Zeit, wiederholt erzählt, denn sie werden nicht
leicht eine charakteristische Abweichung, die man sich
etwa erlaubt, unbemerkt vorübergehen lassen. Eine in der
Hauptsache analoge, im einzelnen stark abweichende Ge-
schichte berichtet Wilhelm von Malmesbury zwischen 1119
und 1124 in den Gesta regum Angloruni3 von Heinrichs III.
einstimmend modificierten Ekkehardstelle ein Satztheil aus nicht bekannter
Quelle organisch verbunden ist (die Ekkehardstelle beginnt übereinstim-
mend bei beiden mit den AVorten 'numquam cognovit sed ut sororem
dilexit', der Editor der Ann. Pal. in MG. 1. c. S. 66, 2 hat nur versäumt,
diese Worte als Entlehnung aus Ekkehard zu bezeichnen ; in den Ann.
Pal. geht nach diesen Worten das Excerpt aus Ekk., wörtlich ebenso wie
in Ann. Saxo verändert, weiter 'considerans vero se continenter viventem
filios non habiturum' ; es ist in Ann. Pal. nur die Kunigundensage da-
zwischen eingeschoben). Demnach muss die Mittheilung aus einer Quelle
stammen, die ihrerseits den Ekkehard benutzt und Ann. Pal. wie Ann.
Saxo vorgelegen hat — als solche kennen wir jetzt die von L. von Heine-
mann im N. Arch. XIII, S. 33 und von H. Herre in seiner Dissertation
(Ilsenburger Annalen u. s. w. Leipzig 1890) konstatierten Annalen aus
dem Halberstädter Sprengel. 1) SS. IV, 805, 20 ff. 2) Ann. Pal. :
'Sic enim nee virum hunc de quo mihi imponitur nee alium aliquem usque
hanc horam cognoverim' ; Adalbert: 'quia nee hunc praesentem Heinricum
nee alterum quemquam virum carnali commercio umquam cognovi'.
3) SS. X, 466, 15 ff.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 95
Gemahlin , der dänisch - englischen Prinzessin Gunhild :
offenbar hat er die in Deutschland von Heinrichs IL
Gattin kursierende Sage auf die Gattin Heinrichs III.
übertragen \ eine Uebertragung , die um so leichter vor
sich gehen konnte, da Gunhild seit ihrer Vermählung auch
den Namen Kunigunde führte. Die deutsche Erzählung
aber ist ihrerseits ohne Zweifel auch nur eine Uebertrao-uno-
jenes alten zum volksthümlichen Sagenmotiv gewordenen
Faktums von der unschuldig des Ehebruchs angeklagten
und glorreich durch Gottesurtheil gerechtfertigten Fürstin2,
ist also eine sogenannte Wand er sage.
Die Ueberantwortung Kunigunde's an ihre
Verwandten als unentweihte Jungfrau von Seiten des ster-
benden Kaisers (Ann. Pal. S. 67, 14 ff.) erzählt wesentlich ent-
sprechend Leo von Montecassino in seiner mn den Anfang
des 12. Jahrh. verfassten Chronik8, und um die Mitte des
Jahrhunderts Adalbert in seiner Vita Heinrici IL4 Die
Anekdote, wie sie unsere Quelle wiedergiebt, klingt im
Wortlaut einmal an Leos, einmal flüchtig an Adalberts
Text an, ist aber übrigens so weit von beiden verschieden,
dass wir keinen litterarischen Zusammenhang anzunehmen
haben5, sondern selbständige Wiedergabe mündlicher
Tradition, und zwar aus mönchischen Kreisen, wie
die Tendenz erkennen lässt. Ueber das Verhältnis Adal-
berts zu Leo vergleiche man die Noten zur folgenden Er-
zählung.
Aehnlich wie mit der eben behandelten Geschichte
steht es mit der sich daran anschliessenden von der Er-
rettung der Seele Heinrichs aus der Gewalt teufli-
scher Dämonen durch den Kelch des h. Laurentius zu Merse-
burg (Ann. Pal. S. 67, 16 ff.). Dieselbe findet sich wesent-
lich entsprechend, doch inhaltlich im einzelnen und formell
im ganzen abweichend, ohne wörtliche Anklänge, bei Leo
von Montecassino 6 und bei Adalbert '. Wir haben also,
wie eben vorhin, keinen litterarischen Zusammenhang an-
zunehmen. Leo giebt hier seine Quelle ausdrücklich an:
1) So H. Ulmann, Grotfrid von Viterbo, Dissertation, Göttingen
1863, S. 45, N. 9, und E. Steindorff, Jahrb. des deutschen Reichs unter
Heinrich III., Bd. III, S. 359. 2) Vgl. E. Dümmler, Geschichte des
ostfränkischen Reiches, 2. Aufl., Bd. III, S. 285; Deutsche Chroniken
I, pars I, S. 360 ff. ; H. F. Massmann, Der keiser und der kunige buoch
oder die sogenannte Kaiserchronik III, S. 1053 f. 1084. 3) SS. VII,
658, 18 ff. 4) SS. IV, 810, 30 ff. 5) Die erwähnten Anklänge finden
sich auch hier gerade in der Rede des Kaisers, und nöthigen daher nicht
zur Annahme litterarischen Zusammenhangs, vgl. oben S. 94. 6) SS.
VII, 658, 22 ff. 7) SS. IV, 810, 35 ff.
96 Ernst Bernheim.
'Libet hoc in loco', sagt er, 'inserere visionem a religiosis
certe et prorsus veraeibus mihi relatoribus traditam', er
schöpft also aus geistlicher, und wenn wir das Wort 're-
ligiosis' in seinem specifischen Sinne nehmen dürfen, aus
mönchischer Tradition, und dies ist ohne Zweifel auch die
Quelle unserer Kaiserchronik 1. Der Ursprung dieser Le-
gende ist offenbar in Merseburg zu suchen : dient sie doch
zur Verherrlichung des Merseburger Heiligen Laurentius
und des diesem geweihten Kelches, zur Verherrlichung des
Kaisers, der wegen seiner besonderen Fürsorge und Pietät
für das Stift von dessen Patron belohnt wird. Die Tradi-
tion ist auch in Merseburg lebhaft festgehalten worden2,
und unser Autor behauptet, man könne die Spur der Be-
schädigung, die der Kelch bei der Geschichte erlitten,
'noch heutigen Tages' sehen, ein deutlicher Hinweis auf
den lokalen und aitiologischen Charakter der Sage. Uebri-
gens kennt Wilhelm von Mahnesbury'"" schon eine ähnliche
Wundergeschichte vom h. Laurentius zu Merseburg und
dessen Kelch, nur handelt es sich hier nicht um die Seele
des Kaisers, sondern um eine schwere Krankheit, mit der
die Dämonen ihn plagen, und der Heilige befreit ihn davon,
indem er ihn mit Wasser aus dem Kelch besprengt. Man
sieht, die Legende haftet sehr entschieden an St. Lauren-
tius von Merseburg, und wenn nun eine entsprechende
um dieselbe Zeit vereinzelt vom Kelch St. Georgs zu Bam-
berg erzählt wird4, so hat man wohl eher eine Ueber-
tragung von jenem auf diesen Ort und Heiligen, als um-
gekehrt anzunehmen. Unsere Erzählung ist also eine echte
Legende5.
1) Adalbert behauptet auch zu erzählen 'quid religiosorum viroruni
relatione in veritate audierimus' ; wahrscheinlich schreibt er das dem Leo
nur nach, denn er hat dessen Chronik nach seiner Aeusserung (1. c. 807,
16 ff.) doch wohl gekannt. Allerdings weicht er in der mit der Chronik
gemeinsamen Erzählung so von derselben ab, dass man nur AViedergabe
aus dem Gedächtnis annehmen kann, und es immerhin möglich bleibt, er
habe die Geschichte ausserdem auch selbständig gekannt. Ebenso ist sein
Verhältnis zu Leo bei der vorigen Anekdote. 2) S. Bresslau, Jahrb.
des deutschen Reichs unter Heinrich IL, Bd. III, S. 367. 3) SS. X,
468, 5 ff*. Wilhelm erzählt die Geschichte freilich von Heinrich III., aber
wir haben schon gesehen und werden noch sehen, er überträgt Anekdoten
von Heinrich IV. und IL auf diesen einzigen Heinrich, für den er sich
interessiert, und in diesem Falle kann es nicht zweifelhaft sein, von wem
die Legende ursprünglich handelt, da sie sich an die Verdienste des
Kaisers um das Stift Merseburg knüpft, dessen Wiederhersteller bekannt-
lich Heinrich IL war, wogegen die Reparatur des Kirchendachs, die Wil-
helm für seinen Helden in Anspruch nimmt, sich recht dürftig ausnimmt;
zudem haftet die Legende entschieden an Heinrich IL 4) Von Cosmas
von Prag, s. Bresslau 1. c. 5) Für ihre Originalität gegenüber der Bam-
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 97
Die Angabe nnd Entstehungsgeschichte von Hein-
richs IL Beinamen lfemore claudus' (Ann. Pal. S. 66, 26 ff.)
trägt, wie H. Bresslau mit Recht sagt \ das Gepräge echter
Volkssage, um so mehr, da die volksthümliche deutsche
ursprüngliche Bezeichnung 'huffehalz' als Glosse beigefügt
ist. Dass die Tradition von Heinrichs Lahmheit schon im
Anfang des 12. Jahrh. vorhanden war. ero-iebt sich aus
berger Legende dürfte auch sprechen, dass sie bis nach England und bis
zu dem so fernen Mönch von Montecassino drang ; derselbe hörte und er-
zählte sie gewiss gern, da er mit der dem h. Laurentius gewidmeten
Kirche zu Lucina in besonderer Beziehung stand, s. SS. VII, 554, 25 ff.
— Unter den älteren Legenden des Heiligen kommt ein ähnliches Motiv
nicht vor, s. die reiche Aufzählung seiner Heils- und Wunderthaten in den
Acta Sanctorum August Bd. II, S. 485— 532; einen Berührungspunkt mit
unserer Legende bietet allerdings das in den Acta 1. c. S. 495, rechte
Columne, angeführte Privileg des Heiligen, dass er jeden Freitag eine
Seele dem Fegefeuer entreissen könne, aber dies scheint eine viel spätere
Legende zu sein. — Später hat sich auch unsere Sage von ihrer ursprüng-
lichen Bestimmtheit losgelöst, und ist zu einer weitschweifigen erbaulichen
Erzählung von einem 'praepotens et magnus vir in partibus Saxoniae' zur
Zeit Heinrichs IV. geworden, s. Acta Sanct. 1. c. S. 523 f. Dazu mag
einen besonderen Anlass gegeben haben, dass man es nach der Canoni-
sation Heinrichs IL (1146) anstössig fand, es solle das ewige Heil eines
'vir sanctissimus' von einem so geringen Uebergewicht abgehangen haben;
in den Acta 1. c. S. 525 wird daher unsere Legende für apokryph erklärt :
'non solent in sanctos referri', heisst es dort nach Crantz, 'quorum de virtuti-
bus tarn ambiguum est iudicium'. Vgl. die Nutzanwendung' in Ann. Pal.
67, 19 f. — Es scheint nicht bekannt zu sein, dass in der Vorhalle der
Kirche S. Lorenzo fuori zu Rom unter anderen Fresken, die sich auf die
Thaten des Heiligen beziehen, unsere Legende von Heinrich H. dargestellt
ist. Mein Kollege Ulmann hat mich aus der Erinnerung darauf auf-
merksam gemacht, und Kollege Norden hat die Freundlichkeit gehabt,
gelegentlich seines Aufenthalts in Rom mir eine ausführliche Beschreibung
zu geben. Es sind vier Bilder. Das erste zeigt den Eremiten, der aus
seiner Zelle schaut und mit herausgestreckter Rechten drei Teufel weg-
weist. Auf dem zweiten Bilde sieht man den Todten im Purpurmantel
auf der Bahre, umstanden von trauernden Männern ; rechts davon deutet
ein Engel mit der einen Hand gegen die Teufel und hält in der anderen
ein Buch mit der Aufschrift 'Opera bona que fecit'. Auf dem dritten be-
findet sich in der Mitte eine Waage, in deren einer tiefgesunkenen Schaale
ein Buch mit der Aufschrift 'Opera mala que fecit', in der anderen ein
Buch mit der Aufschrift 'Opera bona que fecit'; einer der Teufel sitzt auf
jener Seite der Waage und drückt die Zunge nieder, während von rechts
her der Engel mit einer Lanze nach ihm sticht ; unter der Waage kniet
ein mit einem Lendentuch bekleideter Mann. Das vierte Bild zeigt die
Teufel in lebhaftem Kampf mit dem Engel um die Waage, von rechts
her tritt der Heilige herzu und legt einen Kelch in die tiefsinkende Schaale
mit den guten Werken. Eine ziemlich undeutliche Skizze der Fresken
findet sich in der Sammlung von Denkmälern der Architektur, Skulptur
und Malerei von Seroux d'Agincourt, revidiert von A. F. Quast 1845,
Abtheilung 3, Tafel 99 ; wie aus dem Text 1. c. S. 111 ersichtlich, ist dem
Autor unsere Legende unbekannt gewesen. Die Fresken werden gewöhn-
lich ins 13. Jahrh. gesetzt. 1) Ebd. S. 364.
Neues Archiv etc. XX. 7
98 Ernst Bernlieirn.
den Gesta Trevirorurn, wo Heinrich ohne weitere Bemer-
kung- mit dem Beinamen 'claudus' bezeichnet wird1; die
Sage in unserer Quelle, welche die Entstehung des Ge-
brechens bei der Belagerung von Valenciennes ausführlich
berichtet, ist nicht weiter nachweisbar2.
Die nur im Ann. Saxo S. 660, 19 ff. stehende Erzählung
von der Auffindung der Metalle im Harzer Rammels-
berg und der damit zusammenhängenden Gründung
Goslars, wobei Heinrich IL eine Rolle spielt, giebt sich
ihrem ganzen Charakter nach als eine populäre Sage
und ist wahrscheinlich unserer Kaiserchronik entnommen:
ihre sächsische Lokalfärbung, die darin hervortretende
Antipathie gegen den Franken, der mit seinen Genossen
die erste Ausbeute einheimst, spricht dafür; allerdings
wäre es die einzige Erzählung der Kaiserchronik, die der
Ann. Saxo allein aufgenommen und der Pöhlder Annalist
verschmäht hätte, aber wir kennen ausser unserer Quelle
keine andere, die dem Ann. Saxo in der Epoche derartige
Sagen böte. — Dieselbe Geschichte wird in späteren Werken
von Heinrich I. erzählt 3, und es könnte dem Ann. Saxo
gegenüber zweifelhaft sein, ob dies nicht die ursprüng-
lichere Fassung einer älteren Quelle sei, aber wenn wir
mit Recht annehmen, dass der Ann. Saxo hier aus unserer
Kaiserchronik geschöpft hat, ist die Priorität kaum zweifel-
haft.
Die Wahlgeschichte Konrads IL (Ann. Pal.
S. 67, 30 ff.) mit ihrem wirren Durcheinander von that-
sächlichen Erinnerungen, Anachronismen und anekdoten-
haften Zuthaten trägt so recht den typischen Charakter
sagenhafter Ueberlieferung an sich. Konrad wird als
Herzog von Burgund bezeichnet, sein Rivale, der jüngere
Vetter Konrad von Franken, ist zu einem Bruder von ihm
und zu einem Herzog Heinrich von Baiern geworden; an
Stelle des ziemlich unbekannten Kamba ist Mainz zum
1) SS. VIII, 171, 14. 2) Wie Herr Dr. Herre mir mittheilt, ist
liier in den Ann. Pal. S. 66, 37 statt 'nummis' zu lesen 'nimis', so die
Oxforder Hs. — Die vergebliche Belagerung von Valenciennes durch den
Kaiser und seine Verbündeten, den König von Frankreich und den Herzog
von der Normandie, an die unsere Erzählung angeknüpft ist, hat auch
sonst den Anknüpfungspunkt für sagenhafte Traditionen geboten, s. L. A.
Warnkönig, Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte 1, S. 117, Note;
S. Hirsch, Jahrb. des deutschen Reichs unter Heinrich IL, Bd. I. S. 402,
N. 3 u. 4. 3) Vgl. Gr. Waitz, Jahrb. des deutschen Reichs unter König
Heinrich I., Excurs 15, 3. Aufl., S. 238 f.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik ans cl. 12. Jahrh. 99
Wahlort, an Stelle von Mainz ist Aachen als Krönungsort 1
genannt ; ein Vasall des älteren Konrad, Werner, spielt eine
sonst unbekannte Rolle als intriguanter Anstifter und Be-
förderer der' Wahl, die wesentlich durch Bestechung der
Fürsten unter Vorgang des Erzbischofs von Mainz bewirkt
wird; jenen Rivalen, seinen Bruder, zwingt der Gewählte
nach der Eroberung Regensburgs zur Unterwerfung und
macht ihn dann versöhnt zu seinem Conlateralis, doch
erbittert über ein scharfes Wort des Bischofs von Würz-
burg, für das Heinrich den König verantwortlich macht,
erneut er den Aufstand, wird abermals besiegt und flieht
zum Ungarnkönig Stefan; durch ein Gleichnis Stefans
beschämt, kehrt Heinrich reuig ins Vaterland zurück und
versöhnt sich mit dem königlichen Bruder, indem er Nürn-
berg zur Sühne dem Reiche übergiebt; den Fürsten ent-
zieht König Konrad schliesslich mit Hinterlist die Lehen
wieder, durch die er sie für seine Wahl gewonnen hat,
und diese — so endet die Erzählung charakteristisch für
den antifränkischen Standpunkt unseres Autors — 'regem
usque in finem tolerabant'.
Dass die Erzählung sagenhafte Ueberlieferung reprä-
sentiert, ergiebt sich ohne weiteres aus ihr selbst. Doch
es ist aus mehreren Gründen auf eine Erörterung ihrer
Einzelheiten einzugehen.
Schon bei den entfernteren Zeitgenossen hat die
unerwartete Wahl Konrads mit den sie begleitenden Neben-
umständen anekdotenhafte Motivierung und Ausschmückung
veranlasst 2 ; das Interesse daran und die Kunde davon haben
sich auch weiterhin in der Tradition erhalten und noch
weitere geradezu sagenhafte Ausgestaltung hervorgerufen.
Für die zutreffende Beurtheilung unserer Erzählung ist es
da von der grössten Bedeutung, dass bereits Bonizo, der
Schützling der Grossgräfin Mathilde, in seinem um 1085
verfassten 'Liber ad amicum' die wesentlichen Grundzüge
einer entsprechend sagenhaften Tradition wiedergiebt 3,
indem er von Konrad sagt: 'Franciam vero tumultuantem
1) Denn 'Inthronisation' ist hier ohne Zweifel im allgemeinen Sinne
als 'Krönung1 zu verstehen ; im engeren Sinne des Wortes ist Konrad
wirklich zu Aachen inthronisiert, wie Wipo Cap. 6 berichtet. 2) Siehe
H. Bresslau, Jahrbücher des deutschen Reichs unter Konrad II., Bd. I,
S. 343 ff. Ob die sagenhafte Notiz der Ann. Spirenses, SS. XVII, 83, 19 ff.,
aus dem späteren 13. Jahrh. selbständiger Tradition oder woher sie sonst.
entnommen sei, ist wegen der Unkontrollierbarkeit der Quellen der Ann.
Spirenses nicht zu sagen. 3) Am Anfang von Liber V, Libelli de lite
I, 583, 25 ff. ; Jaffe, Bibliotheca rer. Germ. II, 624.
100 Ernst Bernheim.
citissime sedavit: Canonem quendam Bavariorum ducem,
aliquid de regni fastigio sibi vendicantem , et ducatu
expulit et patrimonio nudavit et in Ungariam fugere coegit'.
Schon hier ist also der Rivale Konrads, während er mit
einer geringen Entstellung seinen richtigen Namen noch
trägt, zu einem Herzog von Baiern gestempelt, der besiegt
zu den Ungarn flieht. Es folgt daraus, dass, wenn wir
Vermuthungen darüber anstellen wollen, wie wohl die
Umwandelung des Rivalen in einen Baiernherzog in unserer
Erzählung zu erklären sei, wir uns zunächst an diese ältere
Tradition bei Bonizo zu halten haben; und da ist denn
keine andere als die einleuchtende Erklärung Jaffe's x an-
zunehmen, dass Konfundierung Konrads, des Gegners unseres
Konrad II., mit dem gleichnamigen Gegner König Hein-
richs III., Herzog Konrad von Baiern, und dessen Ge-
schichte vorliege. Diesem ersten wesentlichen Schritt
sagenhafter Entstellung gegenüber ist die Einsetzung des
Namens Heinrich statt Konrad für den Baiernherzog eine
sekundäre Umbildung. Wie diese zu erklären, ist bei der
Unberechenbarkeit der Sagenbildungen ohne weitere An-
haltspunkte unmöglich mit einiger Sicherheit zu sagen:
es kann Erinnerung an diesen oder jenen Kampf der
Baiernherzöge dieses Namens mit diesem oder jenem Könige
vorliegen, es mag nur der für einen Baiernherzog un-
p-eläufigere Name Konrad durch den vom 9. — 12. Jahrh.
geläufigsten, vorherrschenden Namen derselben verdrängt
worden sein u. s. w. Ebenso wenig lässt sich bestimmen,
wieso aus dem Vetter ein Bruder gemacht ist: es kann
auf Reminiscenz an den Bruderkampf Herzog Heinrichs
von Baiern mit Otto dem Grossen beruhen, es kann ledig-
lich eine pragmatische Zuspitzung des Konflikts im Interesse
dramatischen Eindruckes sein.
Eingehend zu erörtern ist die auffallende Angabe
unserer Erzählung, König Konrad IL sei 'von Weiblingen',
nach dem schwäbischen Weiblingen, genannt: 'Ipse est
Conradus de Weibelingen, quod est praecipua munitionum
in Suevia'. Wie verhält es sich mit dieser Angabe?
S. Hirsch hat in den Jahrbüchern des deutschen Reiches
unter Heinrich IL - angenommen — nicht auf Grund
unserer Stelle, die er nicht berücksichtigt, sondern auf
Grund einer Stelle im Chronicon Laureshamense, welches
um 1167 verfasst ist3 — Konrad sei 'von Weiblingen' nach
1) Ebd. N. 4. 2) Bd. H, S. 23. 3) SS. XXI, 406, 24 ff. :
'Heinrico divae memoriae imperatore secundo de medio facto, deficiente
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik ans d. 12. Jahrh. 101
dem pfälzischen Orte genannt, der nordwestlich von Heidel-
berg mitten im Kerngebiete seines Hauses am unteren
Neckar zwischen Heidelberg und Mannheim gelegen ist ;
und andere sind dieser Annahme gefolgt. Es lässt sich
aber zeigen, dass der Autor des Chronicon Laureshamense
nicht den pfälzischen, sondern den schwäbischen Ort ge-
meint hat. Erstens lautet jener regelmässig 'Wiblingen',
dieser 'Weiblingen' ; und der Autor des Chron. Lauresh.
unterscheidet ganz korrekt so jenen von diesem l; zweitens
berichtet der Autor auf Grund einer im Wortlaut von ihm
mitgetheilten Urkunde, dass der Eigenhof des Klosters,
Wiblingen, tauschweise am 31. Januar 1147 an das Reich
abgetreten sei, und dies ist eben der pfälzische Ort, der
von altersher bis dahin im Besitz des Klosters Lorsch war2:
der Autor, der dies selber mittheilt und weiss, konnte also
nicht diesen Lorscher Ort meinen, da er Konrad 'de Weibe-
lingen' nannte. Vielmehr meint der Autor übereinstimmend
mit unserer Kaiserchronik, dass Konrad IL nach dem
schwäbischen Weiblingen genannt werde. Dies Weiblingen
ist die Burg im unteren Remsthal, nach der die Staufer
den berühmten Beinamen führen 3. Sollten wirklich die
Salier schon darnach genannt worden sein? Liegt hier
nicht eine Verwechselung mit Konrad III. vor? H. Bresslau
hat das, wie nachher näher zu erörtern, als wahrscheinlich
angenommen. Allerdings scheint diese Annahme durch
die oben im Theil I. bestimmte Abfassungszeit der Kaiser-
chronik an und für sich ausgeschlossen ; aber man könnte
ja eben von diesem Punkte aus jene Zeitbestimmung
regia prole quae regno succederet, orta est inter principes nou niodica
contentio ; qua divinitus sedata, in Cuonradum regem, quem dicunt de Weibe-
lingen, convenit regni universalis electio, a quo ut aiunt processit adhuc
permanens imperialis prosapia'. 1) Chr. F. Stalin, Wirtembergische
Gesch. I, S. 261, N. 6; II, S. 248, N. 2; vgl. Chron. Lauresh. SS. XXI,
406, 26 und 440, 2 und 7. Dass es auch einmal inkorrekt verwechselt
wird, ist damit natürlich nicht ausgeschlossen. 2) S. MC 1. c. 390, 31 ;
420, 9 ; 425, 23 u. s. w. 3) Jetzt Oberamtsstadt in Württemberg. Es
giebt ausserdem noch einen schwäbischen Ort des Namens unweit Aalen
in "Württemberg, der jedoch wegen seiner Unbekanntheit im früheren
Mittelalter nicht in Betracht kommt. Vielfach konfundiert mit "Weiblingen
wird in der Litteratur das ebenfalls schwäbische "Wiblingen unweit der
Mündung der Hier in die Donau, im Oberamt Laupheim, so bei Bessel,
Chron. Gottwicense II, S. 520, SS. V, 109, N. 39 nach Ussermann, vgl.
auch E. Förstemann, Altdeutsches Namenbuch II, S. 1493 und 1509: die
seit dem 9. Jahrh. vorkommende königliche Villa "W. ist doch wohl ohne
Zweifel der Ort im Remsthal, der dauernd Königsgut bleibt, während
Wiblingen bei Laupheim uns zuerst im 11. Jahrh., als Eigengut der Grafen
von Kirchberg, bekannt wird.
102 Ernst Bernheim.
anfechten, und zudem ist die Frage allgemein interessant
genug, um sie unabhängig von unserer Quelle zu unter-
suchen. Wir haben es nämlich nicht nur mit den beiden
bisher genannten Chronisten, sondern auch mit keinem Ge-
ringeren als Otto von Freising zu thun. Bekanntlich sagt
Otto in den Gesta Friderici lib. II, cap. 2 : 'Duae in Romano
orbe apud Galliae Germaniaeve fines famosae familiae
hactenus fuere, una Heinricorum de Gweibelinga, alia
Gwelforum de Altorf, altera iniperatores, altera magnos
duces producere solita'. Er bezeichnet also nicht erst die
Staufer, sondern schon ihre Vorfahren auf dem Thron,
die Salier, als Weiblinger. Man hat nun meist ange-
nommen, Otto übertrage hier nur die zu seiner Zeit auf-
gekommene Benennung der Staufer auf ihre Vorfahren.
Allein dem widerspricht offenbar die Art der Bezeichnung
gerade im Sinne und Zusammenhang dieser Stelle. Otto
stellt hier doch die Familien als solche in ihren Schick-
salen von altersher einander gegenüber, und es ist daher
angemessen, dass er die ursprünglich familienmässigste
Bezeichnung derselben wählt : wie er den Namen Weif als
den des Stammvaters und des vorherrschenden Familien-
namens auf der einen Seite anwendet, so hat er bei der
Bezeichnung der anderen Familie als 'Heinrici de Gweibe-
linga' nicht die Könige Heinrich zunächst im Auge, son-
dern den Stammvater Heinrich, den Vater des ersten
Kaisers, Konrads II., aus diesem Stamm 1, und den in
diesem Geschlechte fernerhin vorherrschenden Namen über-
haupt; und wie er auf der einen Seite die alte Stamm-
burg Altdorf2 angiebt, so, muss man zunächst erwarten,
wählt er auf der anderen Seite Weiblingen als eine ent-
sprechende Angabe, und es wäre wenig angemessen, wenn
er zur ursprünglichen und gegensätzlichen Bezeichnung
der Familie einen Beinamen des herrschenden Staufer-
geschlechts verwendete, welches eben aus der Vereinigung
der beiden feindlichen Häuser hervorgegangen ist, wie er
selbst so bedeutungsvoll betont. Die nächstliegende, un-
befangene Interpretation der Stelle erfordert somit meines
Erachten s anzunehmen, dass Otto die Bezeichnung 'von
Weiblingen' als eine der salischen Familie von altersher
zukommende kennt und hier angiebt. Es kommt hinzu,
dass Weiblino-en im Remsthal in der That als Besitz der
1) S. H. Bresslau, Jahrb. des deutschen Reichs unter Konrad II.,
Bd. I, 8. 2 ff. 2) S. P. F. Stalin, Geschichte Württembergs (in der
Geschichte der europ. Staaten) I, S. 399 f. ; S. Riezler, Geschichte Baierns
(ebenda) I, S. 508.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 103
Salier nachweisbar ist x ; von ihnen ist es erst an die
Staufer gekommen. Der alte Stalin hat somit meines
Erachtens Eecht, wenn er sagt, der Name Weiblinger habe
sich von den Saliern auf die Staufer vererbt 2, und es ist
weder bei Otto von Freising eine anachronistische Ueber-
tragung, noch in unserer Kaiserchronik und im Chron.
Laureshamense eine Verwechselung mit Konrad III. an-
zunehmen 3. Weshalb sich die Salier gerade nach Waib-
lingen in Schwaben genannt haben oder darnach benannt
worden sind, während doch ihre Hauptgüter in Rhein-
franken lagen, lässt sich nicht ausmachen, aber es ist
kein vereinzeltes Vorkommnis, dass ein Geschlecht nach
einer Burg heisst, die ausserhalb der Hauptmasse seiner
Besitzungen liegt, sei es aus persönlichen oder politischen
Gründen, und es kann keinen Anlass zur Anzweiflung
solchen Vorkommnisses abgeben, wenn uns diese Gründe
unzugänglich sind.
Das Resultat dieser Untersuchung ist nicht ohne
allgemeines Interesse , aber für das Thema dieser Ab-
handlung hat es noch eine spezielle Bedeutung.
H. Bresslau hat nämlich in den Jahrbüchern des
deutschen Reiches unter Konrad II.4 die Ansicht aus-
gesprochen, es seien in die Wahlgeschichte unserer Kaiser-
chronik, von der wir handeln, Züge und Momente aus der
Geschichte Konrads III. aufgenommen; daraus würde
folgen, dass wir die Abfassungszeit unserer Quelle be-
trächtlich später anzusetzen hätten, als allgemein ange-
nommen wird und ich im ersten Theil dieser Abhandlung
neuerdings zu begründen versucht habe. Für eines jener
Momente erachtet Bresslau die Bezeichnung 'von Weib-
lingen' ; dies fällt nun nach meiner Untersuchung fort.
Aber Bresslau führt noch mehrere andere Momente an,
und er hat die Güte gehabt, mir brieflich seine Ansichten
1) Chr. Fr. Stalin, Wirtembergische Geschichte I, S. 521; II, S. 248,
N. 3. 2) A. a. 0. S. 247. 3) Es könnte Jemand auf den Einfall
kommen, die Stelle 'Ipse est Conradus de Weibelingen' u. s. w. für eine
spätere Interpolation in der Kaiserchronik oder für einen Zusatz der Ann.
Pal. zu erklären. Dem möchte ich gleich vorzubeugen suchen. Die Be-
zeichnung Conradus de W. kommt noch einmal in den Ann. Pal. für
Konrad II. vor, nämlich MC 1. c. 68, 46 ; diese Stelle nebst der damit
verbundenen Nachricht über Heinrichs III. Regierungsantritt ist aber nicht
aus Ekkehard entlehnt, wie in der Edition angegeben ist, sondern, wie
oben S. 58 nachgewiesen, aus unserer Kaiserchronik. — Uebrigens mag
noch zu erwähnen sein, dass auch Gotfrid von Viterbo in seinem Pantheon
SS. XXII, 242, 28 Konrad II. nach seiner Villa Guebelingua benannt sein
lässt. 4) I, S. 350 f.
104 Ernst Bernheim.
ausführlicher zu begründen. Wir müssen auf diese ganze
Frage, die für die Beurtheilung unserer Quelle solche
Tragweite hat, hier eingehen. Allerdings ist der Gesichts-
punkt, unter dem wir die Sache zu betrachten haben, von
unserem Thema aus ein etwas anderer als der Bresslau's.
Wir haben die Frage nicht so zu formulieren: 'lassen sich
möglicherweise Züge aus Konrads III. Zeit in der Wahl-
geschichte Konrads II. wiederfinden?', sondern so: 'finden
sich darin Züge, die nicht anders als aus Konrads III.
Zeit entlehnt sein können ?' Denn wir haben allen Anlass,
an der im ersten Theil aus triftigen Gründen gewonnenen
Bestimmung der Abfassungszeit unserer Quelle so lange
festzuhalten, als nicht zwingende Gründe dem entgegen-
stehen; pflegt doch im allgemeinen die Erklärung einzelner
sagenhafter Züge aus früheren oder späteren Thatsachen
ähnlicher Art so unsicher zu sein, dass wir bei der Zeit-
bestimmung einer Quelle regelmässig nicht von diesem
Moment ausgehen werden, sondern dasselbe erst ins Auge
fassen, wenn wir womöglich auf sichereren Wegen eine
Zeitbestimmung gewonnen haben, deren Stichhaltigkeit wir
dann allerdings in der angegebenen Weise prüfen müssen.
Wie steht es in dieser Hinsicht mit den einzelnen Be-
standteilen der Wahlgeschichte? sind solche darunter,
die nothwendig auf eine andere als die von uns ange-
nommene Zeit der Abfassung unter Lothar schliessen lassen?
Dass die Bezeichnung Konrads II. nach dem schwäbi-
schen Weiblingen nicht auf anachronistischer Uebertragung
aus der Stauferzeit beruhe, glaube ich eben vorhin l nach-
gewiesen zu haben, und auch falls man den Nachweis
nicht für völlig überzeugend halten sollte, muss man doch
jedenfalls zugeben, dass diese Bezeichnung schon vor der
Stauferzeit möglich war; und somit kann dieselbe uns
an unserer Datierung der Quelle nicht irre machen. —
Den durch die Sage umgewandelten Namen und Titel von
Konrads Rivalen (Herzog Heinrich von Baiern) haben wir
auch keinen Anlass mit Hinblick auf das analoge Ver-
hältnis zwischen Konrad III. und Herzog Heinrich dem
Stolzen zu erklären, da, wie wir oben 2 sahen, die Ver-
wandlung dieses Rivalen (des jüngeren Konrad von Franken)
in einen Baiernherzog schon um 1085 in der sagenhaften
Ueb erlief erung vollzogen ist und da das sekundäre Moment,
die Ersetzung des Namens Cono oder Konrad durch den
Namen Heinrich, sehr wohl erklärt werden kann 3, ohne
1) S. 100. 2) S. 99. 3) Wie oben S. 100 bemerkt.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik ans d. 12. Jahrh. 105
eine Erinnerung' an Heinrich den Stolzen vorauszusetzen.
— Dass in unserer Erzählung- dieselben drei Orte Regens-
burg, Nürnberg, Würzburg bei den Kämpfen zwischen
dem König und seinem Gegner eine Rolle spielen wie bei
den Kämpfen zwischen Konrad III. und Heinrich dem
Stolzen, kann ich nicht auffallend finden oder als beweis-
kräftig dafür ansehen, dass eine Uebertragung aus der
letzteren Zeit erfolgt wäre, wie Bresslau meint. Denn dass
die Eroberung der baierischen Hauptstadt Regensburg das
Ende einer Rebellion des Baiernherzogs bildet, entspricht
doch nur der natürlichen Pragmatik aus freier Hand und
setzt keineswegs Anlehnung an die Parteinahme der
Regensburger für Heinrich den Stolzen und deren Unter-
werfung durch eine angedrohte Belagerung voraus. Nürn-
berg ist aber nach einer allgemein gebilligten Vermuthung
Bresslau's 1 wirklich zur Zeit Konrads II. an das Reich
gekommen, und es kann nicht auffallend erscheinen, wenn
das in der Tradition festgehalten ist ; dass es aus der Hand
des Baiernherzogs gewonnen wurde, ergab sich in der Er-
zählung von selbst, nachdem einmal der Gegner des Königs
zu einem Baiernherzog gemacht war (was, wie erwähnt,
schon um 1085 geschehen), und es hat nichts damit zu
thun, dass es zufällig hernach wirklich ein Baiernherzog'
war, dem ein späterer König, Konrad III., Nürnberg ab-
gewann. Es bleibt nur die dritte Analogie: Würzburg ist
in unserer Erzählung der Ort, wo durch eine Aeusserung
des dortigen Bischofs der Zwiespalt zwischen König und
Herzog von neuem angefacht wird, Würzburg ist in der
Zeit Konrads III. der Ort, wo dieser die Acht über Hein-
rich den Stolzen ausspricht — eine Analogie, die offenbar
viel zu schwach und unbestimmt ist, um uns zur Annahme
zu nöthigen, es liege eine Uebertragung letzteren Vor-
ganges auf ersteren vor; überdies kommt es in unserer
Erzählung viel mehr auf die Person des Bischofs als auf
den Ort des Ereignisses an, denn letzterer ist mit der
Person dadurch gegeben, dass es der Sitz des Bischofs
sein muss, wo diesem als dem Wirth des königlichen Hofes
die Besichtigung der Arrangements zusteht ; weshalb gerade
ein Bischof von Würzburg diese Rolle spielt, ist uns frei-
lich unzugänglich, es mag dieser nur ganz willkürlich aus
der Reihe der Reichsprälaten, bei denen der Hof öfter
einzukehren pflegte, herausgegriffen sein. — Endlich könnte
1) In den Jahrb. des deutschen Reichs unter Konrad II., Bd. U,
S. 357/358.
106 Ernst Bernheim.
als Rückübertragung aus staufischer Zeit erscheinen, dass
Konrad II. Herzog' von Burgund genannt wird, da wir
wissen, dass dieser Titel erst unter Konrad III. offiziell
vorkommt1: Heyck hat nämlich jüngst nachgewiesen, dass
ein burgundischer Dukat Rudolfs von Rh einf eklen that-
sächlich nicht bestanden hat2, und dass auch die Be-
fugnisse, die Lothar III. dem Zähringer Konrad in Bur-
gund übertrug, nicht den Charakter des Dukats gehabt
haben. Aber derselbe Forscher hat zugleich nachgewiesen3,
dass man mehrfach im Anfange des 12. Jahrhunderts —
also gerade zu der Zeit, da nach unserer Ansicht die
Kaiserchronik verfasst worden ist — die dereinstige Stel-
lung Rudolfs und die dermalige des Zähringers als eine
herzogliche angesehen hat ; so konnte also der Autor der
Kaiserchronik aus der Auffassung seiner Zeit heraus den
fraglichen Anachronismus begehen, und wir sind deshalb
nicht veranlasst, ihn in die staufische Zeit zu versetzen.
Im übrigen finden sich in unserer Erzählung eine
Reihe von Momenten, die thatsächlich der beglaubigten
Geschichte entsprechen ~° : zunächst die ganze Grundlage
der Erzählung, die Rivalität zweier Kandidaten bei Kon-
rads II. Wahl und die durch listiges Verfahren herbei-
geführte Erhebung dieses Fürsten; ferner die wichtige
Rolle, die der Erzbischof von Mainz als zuerst für Konrad
gewonnener Wähler spielt; auch ist thatsächlich, dass
Konrad einen Vasallen Werner hatte, der sein Intimus
war 6, dass Konrad über Burgund herrschte (wenngleich
hierbei ein zweifacher Anachronismus unterläuft, indem er
schon vor seinem Regierungsantritt als Inhaber Burgunds
und als Herzog des Landes bezeichnet wird), ferner (wenn-
gleich das etwas pragmatisch zugespitzt ist), dass der
König sich vor seiner Erhebung Cono, seitdem aber Konrad
nannte 7, endlich dass Stefan zur Zeit Konrads in Ungarn
herrschte , und dass Nürnberg damals ans Reich ge-
kommen ist \
Es ergeben sich somit aus der Analyse unserer Wahl-
geschichte durchaus keine Momente, die uns nöthigen, eine
spätere als die von uns angenommene Abfassungszeit
zuzugeben, und dieselbe kennzeichnet sich, entsprechend
1) S. Ed. Heyck, Geschichte der Herzoge von Zähringen S. 291.
2) Ebd. S. 581. 3) Ebd. S. 275. 4) An den beiden zuletzt ange-
führten Stellen. 5) Vgl. H. Bresslau, Jahrbücher des deutschen Reichs
unter Konrad II., Bd. I, S. 17 ff. 6) Ebd. S. 29, N. 1. 7) Ebd.
S. 348. 8) Ebd. II, S. 357/358, vgl. oben S. 105.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik ans d. 12. Jahrh. 107
dem ersten Eindruck, als eine auf historischen Reminiscenzen
beruhende, sagenhaft entstellte Volks traditio n mit anti-
fränkischer Tendenz.
Die Jugendge schichte Papst Gregors VII. und
sein Verhältnis zum Kaiserthum (Ann. Pal. S. 69, 0 ff. und
Ann. Saxo S. 701, 68 und S. 702, 1 ff.) charakterisiert sich
recht als ein Erinnerungs- und Stimmungsbild, wie es sich im
sächsisch-klerikalen Parteigeist auf dem Hintergrund des
grossen Volks- und Religionskrieges gestaltet und stark
versetzt mit sagen-, ja märchenhaften Elementen in der
Tradition weitergebildet hat. Schon als Knaben wird dem
Sohne des Zimmermanns, Hildebrand, die künftige Grösse
seiner päpstlichen Weltherrschaft offenbart, schon in der
Kindheit Heinrichs IV. wird dessen Vater, dem Kaiser
Heinrich III., der künftige Sturz des Sohnes durch eine
Traumvision prophezeit, und die dereinstige Gegnerschaft
zwischen Gregor und Heinrich IV. kündigt sich bereits
in der instinktiven Abneigung und Bosheit des Knaben
gegen Hildebrand am Hofe Heinrichs III. an. Indem
Heinrich heranwachsend immer mehr als Inkarnation teuf-
lischer Bosheit geschildert wird, wie wir gleich hernach
bemerken werden, wo wir von den Schandgeschichten aus
seinem Privatleben handeln, tritt ihm Gregor immer mehr
als der reine Vertreter von Sittlichkeit und Tugend ent-
gegen, so dass wir fast den Eindruck eines Kampfes
zwischen Christ und Antichrist gewinnen * und sagen
müssen, die Darstellung sei nur wenige Schritte vor der
Erhebung des Historischen ins religiös Epische oder Roman-
hafte zurückgeblieben. Dass das nicht das Werk, die Er-
findung unseres Kaiserchronisten sei, sondern der Nieder-
schlag breiterer Volkstraditionen, glaube ich
zeigen zu können, wenngleich diese sonst in entsprechen-
den Spuren nicht nachweisbar sind. In der erwähnten
Jugendgeschichte Hildebrands spielt nämlich Kaiser Hein-
rich III. eine recht gehässige, unedle Rolle ; mit Hinblick
darauf hat Steindorff - es bereits für unwahrscheinlich er-
klärt, dass der Verfasser unserer Kaiserchronik Erfinder
der Erzählung sei, denn diese athme die ganze Ursprüng-
lichkeit des Parteihasses gegen die Salier aus der Zeit des
Investiturkampfes; aber es lässt sich noch ein anderer
1) Es ist bemerkenswert!} in diesem Sinne, dass Gregor gleich
Christus zum Sohne eines Zimmermanns gemacht wird, und dass Heinrich
andrerseits (Ann. Pal. S. 70, 2 ff.) ägyptische Zauberkünste zugeschrieben
werden. 2) Jahrbücher des deutschen Reichs unter Heinrich III.,
H, S. 482 f.
108 Erust Bernheini.
Grund geltend machen. Bekanntlich ist Heinrich III.
wegen seiner ergebenen Fürsorge für Kirche und Papst-
thuni im ganzen von der klerikalen Partei freundlich be-
urtheilt und literarisch behandelt worden; so erscheint er
auch in unserer Kaiserchronik kurz vor der in Rede stehenden
Erzählung (Ann. Pal. S. 68, 59 ff. und Ann. Saxo S. 687, 36 ff.)
als der berufene Ordner und Retter der dreifach gespaltenen
Kirche ; die Rolle, die er in der Erzählung betr. Hilde-
brand spielt, steht damit in krassem Widerspruch. Es lässt
sich schwerlich annehmen, dass der Verfasser unserer
Chronik solche Widersprüche aus eigener Initiative in sein
Werk hineingebracht haben sollte, man muss vielmehr
schliessen, dass er die beiden Geschichten als fertige
Traditionen vorfand und sie — das liegt ja in der unselbst-
ständigen Art mittelalterlicher Schriftstellerei — ohne Be-
anstandung aufnahm.
Die Anekdote von der Gewissenhaftigkeit der
Kaiserin Agnes, die dem Papst ihr Bedenken äussert 'an
liceat insistere psalmodie forte in latrina' und mit Hinweis
auf Hiob bejahende Antwort erhält, Ann. Pal. S. 71, 16 ff.,
beruht auf einer Thatsache, die uns Petrus Damiani in
seinem Opusculum de fluxa mundi gloria * mittheilt. Aber
Petrus Damiani, nicht der Papst, war es, an den die An-
frage gerichtet ward, und Heinrichs III. Gattin, nicht die
Heinrichs IV., war die Fragende, die hier fälschlich Agnes
genannt und mit jener confundiert ist — deutliche An-
zeichen, dass die Thatsache hier aus mündlicher Tra-
dition geschöpft ist.
Die Schandgeschichten aiis Heinrichs IV. Privat-
leben, die in Ann. Pal. S. 70, 2 ff., S. 71, 16 ff., und aus Ann.
Pal. in der Sächsischen Weltchronik'2 SS. XVI, 73, 4 ff., 74,
29 ff. erzählt werden, können wir kurz zusammenfassen.
Jeder, der die Literatur des Investiturstreites kennt, wird
ohne weiteres als Quellen dieser Geschichten die gehässigen
Nachreden und Anekdoten erkennen, die in der sächsischen
Partei umgingen und ihren treuesten literarischen Ver-
treter in Bruno gefunden haben. Dass mündliche Tradition
die Quelle ist, zeigt sich besonders an der einen dieser
Geschichten, die ähnlich bei Bruno 3 berichtet wird, dem
1) Migne, Patrologiae cursus compl. latinus tom. 145, col. 814 med.,
cap. 5. 2) Bekanntlich ist in der Edition der Ann. Pal. 1. c. für das
fehlende Blatt der Annalen die entsprechende Partie aus der Sächsischen
Weltchronik oder, wie sie sonst genannt wurde, dem Chronicon Lune-
burgicum eingefügt, da diese hier wesentlich eine Uebersetzung der Ann.
Pal. ist. 3) De bello Saxonico cap. 7.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik ans d. 12. Jahrh. 109
Ekebrucksversuck Heinricks bei seiner eigenen Gattin,
sekr ckarakteristisck : der bei Bruno anf tkatsäcklick
kistoriscken Verhältnissen begründete Zweck des TTnter-
nekmens, nämlick die missliebige Gemaklm durck einen
flagrant delit los zn werden, kat sick in unserer Kaiser-
ckronik zn einem aus allgemeiner Boskeit kervorgekenden
Attentat auf die Keusckkeit des tugendkaften Weibes ver-
flüchtigt, es wird die Exkommunikation Heinricks damit
in causalen Zusammen kang gebrackt1. und die Gemaklm
wird fälscklick Agnes genannt. Bruno selbst sagt in
Cap. 9 : 'multa et magna in koc genere ejus flagitia sponte
praetereo' ; es circulierten also nock mancke Anekdoten
der Art, und es kann uns daker nickt befremden, wenn
wir in unserer Kaiserckronik nock etlicke der Art finden.
Die kinterlistige Grausamkeit, die in zaklreicken Gesckickten
bei Bruno als ein Ckarakterzug Heinricks ersckeint, tritt
auck in unserer Quelle auf, aber es ist sekr bezeicknend
für ikre Sagenkaftigkeit, dass. während bei Bruno die
Grausamkeiten dock einen Sinn und Zweck kaben 2, diese
kier zum Selbstzweck einer Boskeit geworden sind, der alles
Tugendhafte und Edle, sei es Mensck oder Tkier, verkasst
ist: den tapfersten Ritter, das beste Ross, den scknellsten
und stärksten Hund im Lande suckt er zu verderben 3.
Die Sage kat kier sckon ikr Werk vollbrackt, um die dem
säcksiscken Parteikass verfallene Persönlickkeit König
Heinricks zu dem Typus eines unmenscklicken Bösewickts
auszugestalten. Sekr bemerkenswertk ist auck bei den
zuletzt erwähnten Gesckickten. dass sckon geradezu mär-
chenhafte Elemente sick einmiscken : der Kampf des (im-
gewaffneten) Ritters mit dem Löwen4 — vor der Tkür des
königlicken Palastes ! — , das dreifacke Beispiel von Hein-
ricks Boskeit.
Die Anekdote von dem Skandal während der
Pfingstfeier zu Goslar ersckeint in dem Zusammen-
hange, in welckem sie kier (Säcksiscke Weltckronik [= Ann.
Pal.] SS. XVI, 73, 21 ff.) auftritt und vermutklick auck in
unserer Kaiserckronik erzäklt war, mitten unter den Sckand-
gesckickten über Heinrick, ebenfalls als ein Beleg für die
1) Vgl. auch Helmold I, 28 in SS. XXI, 32, 15. 2) S. Bruno
cap. 10. 3) SS. XVI, 73, 5 ff. 4) Es ist das eine alte Wandersage ;
schon Paulus Diaconus erzählt (Historia Langob. II, 30, SS. rer. Longob.
S. 89, 21 f.) von solchem sagenhaften Löwenkampf, dann der Verf. der
späteren Vita Amulfi im 9. Jahrh. von Pippin, dem Vater Karls des Gr.
(Acta Sanctorum Iuli IV, S. 442), Ekkehard, Casus S. Galli cap. 3, SS.
II, 104, 11 ff. vom tapferen Kurzbold.
110 Ernst Bernheim.
teuflische Signatur von Heinrichs Regierung und Wartung.
Die Anekdote knüpft sich an eine historische Thatsache,
die unter dem Jahre 1063 von Lambert von Hersfeld und
anderen berichtet wird *, nämlich den blutigen Tumult, der
zwischen den Dienstmannen von Hildesheim und Fulda zu
Goslar während der Pfingstfeier über den Ehrensitz des
Abtes von Fulda ausbrach. Der Anlass des Tumultes wird
in unserer Quelle garnicht erwähnt, und die Zuthat, die
hier als Hauptsache auftritt, der leibhaftige Ruf des Teufels,
giebt sich ohne weiteres als sagenhaft zu erkennen. Wir
können aber auch auf quellenkritischem Wege zeigen, dass
wir sagenhafte Tradition hier vor uns haben, welcher jene
historische Reminiscenz zu Grunde liegt, nicht etwa eine
Erfindung unserer Kaiserchronik. Wir sind nämlich in der
glücklichen Lage, die ^Tradition, aus der unsere Quelle ge-
schöpft hat, in einer gleichzeitigen ausführlicheren Version
vor uns zu haben in den 1119 — 1124 verfassten Gesta re-
gum Anglorum des Wilhelm von Malmesbury2. Hier ist
der Anlass des Streites ausdrücklich berichtet, wenngleich
mit Abweichungen von den Angaben Lamberts, die deut-
lich das Gepräge mündlich entstellter Tradition zeigen.
Nach Lambert beansprucht der Abt von Fulda den Ehren-
sitz zunächst nach dem Erzbischof von Mainz und stösst
dadurch mit dem Bischof von Hildesheim zusammen —
dies entspricht den thatsächlichen Verhältnissen durch-
aus 3 — , bei Wilhelm verlangt er den Sitz zur Rechten des
Kaisers und geräth dadurch mit dem Erzbischof von Mainz
in Konflikt; ganz nach Art mündlicher Tradition ist hier
der Erzbischof, der in dem Ereignis nebensächlich vor-
kommt, zu einer Hauptperson gemacht und der Hildes-
heimer ist beseitigt. Die Ersetzung des Hildesheimers durch
den Mainzer hat offenbar auch die Verlegung der ganzen
Scene nach Mainz mit sich gebracht. Endlich wird die
Geschichte nicht von Heinrich IV. erzählt, sondern von
Heinrich III. , und zwar unter anderen anekdotenhaften
Zügen, die Wilhelm von diesem als Gatten der englischen
Königstochter beibringt, natürlich in loyalem Sinne, daher
muss denn auch der Ausgang der Geschichte zu einer Ver-
herrlichung des Kaisers führen, der das böse Omen durch
Geistesgegenwart, Gottvertrauen und demüthige Werk-
1) SS. V, 163, 38 ff., vgl. Gr. Meyer von Knonau, Jahrb. d. deutscheu
Reichs uuter Heinrich IV. u. V., Bd. I, S. 664 ff. 2) SS. X, 467, 35 ff,
lib. II, cap. 192. 3) S. A. Busson, Fulda und die goldene Bulle, in
Mitth. des Inst. f. österr. Geschichtsforsch. 1881, Bd. IL S. 37 ff.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 111
thätigkeit abwendet. Bei Wilhelm ist somit bereits eine
charakteristische Uebertragung der Sage hinsichtlich der
Personen, der Zeit und des Ortes eingetreten, welche un-
sere dem Entstehungsbereich näher stehende Quelle nicht
hat 1. Die eigentliche Pointe der Sage, der Ruf des Teufels,
ist aber, wie wir aus der vollständigeren Wiedergabe der
Tradition bei Wilhelm sehen, in der verkürzten Fassung,
die wir in der Sächsischen Weltchronik vor uns haben, um
den besten Theil ihres Sinnes gekommen. Denn bei Wil-
helm erscheint der Ruf des Teufels 'hunc diem bellicosum
ego feci' als höhnendes Responsum auf den Vers der Se-
quenz, der eben vom Chor gesungen wurde 'hunc- diem
gloriosum fecisti', in der Sachsen chronik ist der Ruf allein,
ohne die vorgängige Beziehung mitgetheilt. Und zwar er-
sehen wir aus der Form dieser Mittheilung, dass auch die
Ann. Pal., aus denen ja die Sachsenchronik übersetzend
schöpft, nur diese verkürzte Fassung boten : die Worte des
Teufels lauten nämlich in der Chronik 'disen orlogesdach
heb ich gemaket selve', das ist offenbar die Uebersetzung
von "hunc diem bellicosum ego feci , aber eine unrichtige
Uebersetzung in dem Zusammenhang, in welchem die Worte
mit Bezug auf den Vers des Chors zu fassen sind, denn
dieser verlangt prädikative, nicht attributive Bedeutung des
Adjektivs bellicosum ('ich habe diesen Tag zu einem dies
bellicosus gemacht' muss es heissen) 2 ; es ist kaum anzu-
nehmen, dass der Verfasser der Sachsenchronik so unrichtig
übersetzt haben sollte, wenn er jenen Zusammhang vor
Augen gehabt hätte, also ist zu schliessen, dass er bereits
in seiner Vorlage, den Ann. Pal., die verkürzte Fassung
vorfand. Die ungeschickte Verkürzung ist wohl dem Ver-
fasser der letzteren, nicht dem unserer Kaiserchronik zuzu-
schreiben. — Busson meint 3, man könne einen Hinweis auf
die besondere Rolle, welche die Sage dem Teufel bei dem
1) Es ist nach dem hier Dargelegten meines Erachtens nicht zu
bezweifeln, dass "Wilhelms Erzählung auf dem Ereignisse von 1063 beruht,
nicht etwa auf einer zur Zeit Heinrichs III. wirklich passierten analogen
Scene, wenn auch (nach 1063) wirklich öfter Streitigkeiten über den Ehren-
sitz des Abtes von Fulda vorgekommen sind, s. Busson 1. c. Namentlich
spricht dagegen, dass der Teufelsruf, der doch nicht bei zwei Gelegen-
heiten ursprünglich erzählt worden sein kann, viel besser in die böse Zeit
Heinrichs IV. passt als in die Zeit und zur Person Heinrichs I1L, wie
gerade der künstliche Schluss der Erzählung bei Wilhelm es zeigt ; s. auch
G. Meyer von Knonau, Jahrb. des deutschen Reichs unter Heinrich IV.
und V., Bd. I, S. 667, N. 13. Zudem vgl. oben unter Heinrich H. S. 94 f.
2) Einer meiner Zuhörer, Herr Prager, hat mich hierauf aufmerksam ge-
macht. 3) Ebd. S. 36, Note.
112 Ernst Bernheirn.
Tumult zu Goslar beimass, bereits in den Worten finden,
mit denen Erzbiscbof Sigfrid von Mainz in einem Brief an
den Papst vom Sommer 1075 x jenes Ereignis erwähnt: 'et
instigante diabolo totum profan atum est sanctuarium' ; aber
diese Worte lassen auf gar nichts Besonderes schliessen,
da ja nach mittelalterlicher Anschauung jeder gottlose,
unmoralische Zwist und Kampf als Werk des Teufels gilt,
und diese Anschauung in entsprechenden Wendungen ihren
gewöhnlichen Ausdruck findet.
Die Erzählung von der Schmähung Heinrichs IV.
durch den 'unsinnigen' Hetelo (aus Ann. Pal. in der Sachs.
Weltchronik SS. XVI, 74, 29 ff.) entspricht der bei Hel-
mold lib. IA cap. 33 2, doch mit beträchtlichen Abweichun-
gen vorgetragenen. Dass Helmold nicht aus den Ann. Pal.
geschöpft habe, ist von Hirsekorn in seiner Dissertation
S. 33 ff.3 nachgewiesen; auch unsere Kaiserchronik hat ihm
nicht vorgelegen; er giebt vielmehr als Quelle dieser Ge-
schichte mit einem 'ut aiunt' ausdrücklich mündliche Tra-
dition an. Dass diese etwa auf unsere Kaiserchronik als
ursprüngliche Quelle zurückzuführen, die Erzählung von
dem Verfasser derselben erfunden sei, ist nicht anzuneh-
men : alle charakteristischen Details sind hier anders als
bei Helmold, übereinstimmend ist nur die Situation, der
Vorgang überhaupt und der Kern der Schmährede, der
aus einer Anwendung des Prophetenwortes besteht, also
leicht im Gedächtnis festzuhalten ist4. Es kommt hinzu,
dass Helmold auch sonst 5 Züge aus der Geschichte Hein-
richs IV. mittheilt, die 'auf einen der Volksüberlieferung
entnommenen Sagenkreis deuten' ,J, die sich inhaltlich mit
Erzählungen unserer Quelle berühren, aber doch wieder
wesentlich davon abweichen, in ähnlicher Weise und zum
Theil noch stärker, als es bei der Geschichte vom Hetelo
der Fall ist, d. h. so, wie es eben bei verschiedenen selbst-
ständigen Versionen mündlicher Tradition vorzukom-
men pflegt.
Dahin gehört namentlich die Erzählung vom Herzog
Heinrich von Lothringen (aus Ann. Pal. in der
Sächsischen Weltchronik SS. XVI, 74, 43 ff.), die bei Hel-
1) Jaffe, Bibliotheca rerum Grermanicarum V, S. 99. 2) SS. XXI,
36, 21 ff. 3) C. Hirsekorn, Die Slavenchronik des Presbyter Helmold,
Dissert. Halle 1874, speciell S. 33, N. 1; s. auch H. Herre, Ilsenburger
Annalen als Quelle der Pöhlder Annalen, Dissert. Leipzig 1890, S. 80,
N. 6 mit dem dazu gehörigen Text. 4) Vgl. oben S. 94 bei der Sage
von Kunigundens Verläumdung. 5) Lib. I, cap. 28 — 33. 6) So Hirse-
korn 1. c. S. 33, N. 3.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchroiiik aus d. 12. Jahrh. 113
mold I, 33 so völlig- anders gestaltet ist, dass als gemein-
same Momente nur die handelnden Personen und das gut-
mütkige Interesse des Herzogs für den alten Kaiser ge-
blieben sind.
Zu erwähnen ist hier auch die Angabe des Bei-
namens Knoblauch als Bezeichnung des Gegenkönigs
Hermann, den Ann. Pal. S. 70, 55 und Helmold I, 30 1 an-
führen, erstere mit der Begründung, Hermann sei so ge-
nannt, weil er zu Eisleben gewählt worden und dort viel
Knoblauch wachse. Dass diese Erklärung auf unzutreffender
Volksetymologie beruht, ist wohl nicht zu verkennen : der
Beiname kommt auch sonst noch vor2; ihn mit einiger
Sicherheit zu erklären, wird schwer sein 3. Aber wir haben
keinen Grund zu bezweifeln, dass dieses Cognomen eine
volksthümliche Bezeichnung des Gegenkönigs war, die sich
in der Tradition erhalten hat. Und gerade der unwahr-
scheinliche Erklärungsversuch macht es sehr wahrschein-
lich, dass auch die Angabe betr. einer Wahl zu Eisleben
auf echter Tradition beruht, weil jener Versuch kaum be-
greiflich wäre, wenn nicht Eisleben in der Geschichte
Hermanns wirklich irgend eine Rolle gespielt hätte4; es
1) SS. XXI, 33, 37. 2) S. Ed. Heyck, Geschichte der Herzoge
von Zähringen S. 373, N. 1137, wo aber verdruckt ist SS. XVII statt
SS. XXV, 241, 23. 3) Heyck 1. c. meint, er bedeute entsprechend
dem heutzutage am Rheine volksthümlichen 'Kümmelspalter' im Sinne
eines kleinlichen Menschen etwa 'Lauchspalter'. 4) Das hebt meines
Erachtens zutreffend hervor H. Grössler in seinem Aufsatz 'Hermann von
Luxemburg, der Knoblauchskönig' (Mansfelder Blätter 1891, Jahrgang 5,
S. 123 ff.). Aus diesem Grunde scheint mir die Nachricht von der Wahl
zu Eisleben doch Beachtung zu erheischen, obwohl sie sonst keine Be-
glaubigung hat ('s. Hugo Müller, Hermann von Luxemburg, Gegenkönig
Heinrichs IV, Dissert. Halle 1S88, S. 9), denn auch die Eislebische Orts-
überlieferung, die Hermann mit Eisleben in Verbindung bringt, kann an
und für sich nicht als Beglaubigung gelten, wie Grössler 1. c. will, da
die ersten nachweisbaren Spuren derselben sich erst im 15. Jahrh. finden
und da man weiss, wie häufig solche Lokaltraditionen nicht echte, origi-
nale Ueberlieferung repräsentieren, sondern erst aus der Litteratur entnom-
men und dann sekundär weitergebildet sind. Lassen wir die Nachricht von
der Wahl zu Eisleben gelten, so würde es sich natürlich nur um eine
speciell sächsische Nach- oder Ergänzungswahl handeln, da als ursprüng-
licher Wahlort Hermanns bekanntlich Ochsenfurt, als Krönungsort Goslar
feststeht; die verfassungsmässige Zulässigkeit, ja Herkömmlichkeit einer
Ergänzungswahl von Seiten nicht an der Hauptwahl betheilioter Fürsten,
ohne dass dadurch die Vollgültigkeit der letzteren beeinträchtigt wird, ist
von K. Rodenberg in der Abhandlung Ueber wiederholte deutsche Königs-
wahlen (in den Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgesch.
herausgeg. von Gierke 1889, Heft 28, S. 48 ff.) nachgewiesen worden, und
es hat eine solche Ergänzungswahl unter den Verhältnissen, die bei Her-
manns Erhebung in Betracht kommen, viel innere Wahrscheinlichkeit für
Neues Archiv etc. XX. 3
114 Ernst Bernheini.
würde sich dann um eine sogenannte Ergänzungswahl han-
deln, wie ich in der Anmerkung ausführe.
Die Abendmahlsscene zwischen Heinrich IV. und
Gregor VII., die in Ann. Pal. S. 72, 1 ff. erzählt wird,
scheint auf den ersten Blick nicht ohne historische Be-
glaubigung zu sein. Bekanntlich wird von Zeitgenossen
ähnliches berichtet: bei Berthold -Bernold heisst es \ König
Heinrich habe bei seiner Absolution in Canossa die ihm
von Gregor dargereichte Hostie aus freien Stücken abge-
lehnt, was dem Papste Anlass zu Verdacht gegen die Auf-
richtigkeit seiner Gesinnung gegeben habe; Lambert erzählt
sehr ausführlich 2, dass Gregor die gemeinsame Begehung
des Abendmahls zu einem Gottesgericht für sich und für
König Heinrich habe gestalten wollen, dass aber König
Heinrich im Bewusstsein seiner Sündhaftigkeit den Genuss
der Hostie unter einem Vorwand ablehnt. Die histo-
rische Thatsächlichkeit dieses Vorganges ist von neueren
Forschern mit guten Gründen bestritten worden 3, andere
haben sich wenigstens zweifelnd geäussert4, mir scheint
kein Zweifel, dass die Ablehnung der Hostie thatsächlich
nicht stattgefunden hat, weder in der Weise wie Lambert
sich, wie Grössler 1. c. gegen Müller 1. c. ausführt. — Die vorhin er-
wähnte erste Spur Eislebischer Lokaltradition über Hermann findet sich
in dem aus der ersten Hälfte des 15. Jahrh. stammenden Werder- und
Achtbuche der Stadt Eisleben, herausgeg. von H. Grössler in der wissen-
schaftlichen Beilage zum Programm des königl. Gymnasiums zu Eisleben
1890, S. 55. Hier wird der als sächsisch bezeichnete Brauch, am Panta-
leonstage als am angeblichen Todestag Hermanns Knoblauch und Speck
zu essen, mit der Erinnerung an 'Hermannus Knobelouch de Issleben rex
Saxonum' erklärt. Es ist nicht wahrscheinlich, dass hierin eine selbständige
Lokaltradition vorliegt : die Notiz der Pöhlder Annalen ist durch die
Sächsische Weltchronik (Deutsche Chroniken II, S. 178, 29 f.) in die all-
gemein verbreiteten Geschichtswerke Sachsens übergegangen, und es ist
daher nicht auffallend, wenn man daraus auch in Eisleben Kenntnis
schöpfte; der Todestag Hermanns dagegen ist nicht allgemein bekannt
geworden, und es liegt näher anzunehmen, dass man der erwähnten Er-
klärung des Eestessens am Pantaleonstage zu Liebe diesen Tag willkürlich als
einen Erinnerungstag des Knoblauchskönigs improvisiert, denn dass man in
Eisleben eine alte originale Ueberlieferung dieses Datums besessen und fest-
gehalten habe, schon deshalb, weil derartige Speisebräuche meist auf viel
breiterer, älterer Grundlage allgemeiner Volkssitte beruhen. — Ob Eis-
leben sich dereinst wirklich durch reichliches Vorkommen von Knoblauch
ausgezeichnet habe, lässt sich nicht konstatieren ; gegenwärtig ist es nicht
der Fall, wie mir Herr Oberlehrer Dr. Leers freundlichst mittheilt.
1) SS. V, 290, II ff. 2) MG. 1. c. 259, 38 ff., Oktavausgabe S. 259 ff.,
2. Ausgabe S. 295 ff. 3) S. besonders R. Goldschmit, Die Tage von
Tribur und Kanossa, Diss. Strassburg 1873, S. 42 ff. ; W. Martens, Hein-
rich IV. und Gregor VII. 1887, S. 42 ff . ; 0.- Holder- Egger, N. Archiv
XIX, 557 ff. 4) S. W. von Giesebrecht, Gesch. der deutschen Kaiser-
zeit III5, S. 1148.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 115
noch wie Berthold berichtet. Die italienischen Zeitgenossen,
die in nächsten Beziehungen zu Canossa stehen und auch
entschiedene Gegner des Königs sind, Bonizo x und Donizo -
wissen nichts davon, ersterer erwähnt nur, dass der Papst
Heinrich das Abendmahl mit der warnenden Erinnerung
gespendet habe, dasselbe solle ihm zum Heil gereichen,
wenn sein Gesinnungswandel aufrichtig sei, sonst solle der
Teufel in ihn fahren3, eine Erinnerung, die beiläufig einen
ganz anderen Sinn und Charakter hat als jenes dem Könige
angesonnene Gottesurtheil bei Lambert, durch das er sich
von den ihm zur Last gelegten Vergehen reinigen soll.
Auch alle übrigen Zeitgenossen melden nichts von einer
Ablehnung des Abendmahls, und darunter sind einige, bei
denen das Argumentum ex silentio eine entscheidende Be-
deutung hat. Bruno meldet nichts davon, die Sachsen in
ihren von Bruno überlieferten Briefen an den Papst nichts,
und endlich vor allen Gregor selber nichts in seinen
Aeusserungen bis 1080 und in der ausführlichen Begründung
seines zweiten Bannspruches gegen Heinrich auf der Synode
im Jahre 1080, worin er die Vorgänge von 1077 rekapitu-
liert, alles dies Zeugen, die nicht nur von dem Ereignisse
unterrichtet sein konnten, z. Th. sein mussten, sondern die
auch den allerdringendsten Anlass hatten, von demselben
zu reden, wenn es vorgefallen wäre. Denn wir wissen, in
welcher Verlegenheit der Papst in Folge der Absolvierung
des Königs zu Canossa war, seinen Anhängern in Deutsch-
land klar zu machen, dass er sich dadurch des Urtheils
über die Zulässigkeit Heinrichs zum Thron nicht begeben
habe, und wie er nachträglich deshalb die höchst bedenk-
liche und anfechtbare Theorie aufstellte, die Begierungs-
fähigkeit und -Berechtigung sei Heinrich noch nicht durch
die Absolution wiedergegeben worden ; wir wissen, wie die
Sachsen in ihrem angstvollen Bestreben, Gregor bei der
Sache ihres Gegenkönigs festzuhalten, diese Theorie dem
Papste annehmbar zu machen suchten — wie höchst will-
kommen wäre es beiden gewesen, wenn sie, anstatt solche
zweifelhafte Theorie aufzubringen, sich darauf hätten be-
rufen können, dass Heinrichs Absolution in Canossa \u\-
vollständig gewesen, dass er durch Ablehnung der Com-
munion seine Schuld entweder bestätigt4 oder wenigstens
1) Bibliotheca rerum German. ed. Jaffe II, 672. 2) SS. XII,
382, Vers 114. 3) In den Worten Bruno's 'multum monitus ne Deo
mentiatur1 kann man ähnliches angedeutet finden, aber auch nicht mehr.
4) So nach Lamberts Erzählung.
8*
116 Ernst Bernheim.
nicht beseitigt x habe. Diejenigen also, welche das drin-
gendste Interesse hatten, die Ablehnung zu erwähnen, aber
freilich nur, wenn es eine unleugbare Thatsache war,
schweigen davon. Etwas weniger, aber immerhin auch
noch bedeutendes Gewicht hat das Argumentum ex silentio
bei einem anderen Zeitgenossen, und zwar einem, der auf
königlicher Seite steht, dem Verfasser der Streitschrift De
unitate ecclesiae conservanda 2. Dieser, bekanntlich ein
Hersfelder Mönch, erzählt im Buch I, Cap. 6 Heinrichs
Absolution durch Ertheilung des Abendmahls, um daran
schwere Vorwürfe gegen den Papst zu knüpfen, weil dieser
den Feinden des Königs nachher geschrieben habe, sie
sollten sich nicht beunruhigen, er werde denselben noch
in grössere Schuld als vorher zu bringen wissen. Diesem
Autor kam es ganz darauf an, Gregor bei dieser Gelegen-
heit ins Unrecht zu setzen — wenn er von dem Ansinnen
jenes Gottesgerichtes gewusst bezw. dasselbe für wahr und
glaubhaft gehalten hätte, würde er von seinem antipäpst-
lichen Standpunkt aus dem Papste deswegen viel wirk-
samere Vorwürfe unpriesterlichen, ja unkanonischen Ver-
haltens haben machen können als wegen jener brieflichen
Aeusserung, die zudem mindestens eine tendenziös zuge-
spitzte oder entstellte Wiedergabe von Gregors Versiche-
rungen an die deutschen Fürsten 3 ist. Allerdings würde
sich dieses Argument nur gegen die Wahrheit des von
Lambert erzählten Gottesgerichts, nicht gegen die von
Berthold's Bericht kehren, und wir können ausserdem nicht
sicher behaupten, der Libellist müsse die Thatsache (aus
Lambert oder sonst) gewusst haben, wie wir das von Gre-
gor, der Hauptperson bei der Scene selbst, und von den in
beständigem Verkehr mit Gregor stehenden Sachsenführern
behaupten können. Das Schweigen dieser muss unter den
vorhin erwähnten Umständen als durchschlagend gelten.
Es kommt noch hinzu, dass die innere Unwahrscheinlich-
keit des Vorganges sehr gross ist, wie von den oben ge-
nannten Forschern verschiedentlich ausgeführt ist. Alle
direkten und indirekten Zeugnisse stehen somit gegen die
Angaben zweier parteiischer Zeitgenossen, die von einander
ganz wesentlich abweichen; wir können kein Bedenken
tragen, diese zu verwerfen. Es ist der Niederschlag von
Parteifabeln, die sich hier und da an die Vorgänge zu
1) So nach Bertholds Bericht. 2) Libelli de Ute II, 191, Oktav-
ausgabe S. 12. 3) Registrum Gregorü IV, 12 bei Jaffe, Bibliotheca rer.
Germ. II, 258.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 117
Canossa angeknüpft haben. Die Entstehung- derselben lässt
sich wohl begreifen. In den Kreisen, die an die einge-
fleischte Sündhaftigkeit König Heinrichs glaubten, und
auch in ihrem Parteiinteresse gar nicht umhin konnten,
seine Busse zu Canossa für erheuchelt zu halten, musste
es undenkbar erscheinen, dass der Empfang des Abend-
mahls in der feierlichsten Form, aus der Hand des Stell-
vertreters Christi selbst, ihm nicht zum Unsegen gereichen
sollte. Es widerspricht dem thatsächlichen Hergange
nicht, wenn wir annehmen, dass Gregor an die Darreichung
der Hostie eine homiletische Erinnerung in dem Sinne ge-
knüpft habe, wie Bruno es andeutet, Bonizo mit starker
Zuspitzung behauptet; aber jedenfalls ersehen wir aus den
Worten bei Bonizo, wie lebhaft dieser es empfand, dass
der König nach seiner Ansicht mit unreinem und heuchleri-
schem Herzen die Hostie genommen habe. Da eine ekla-
tante Katastrophe den König nicht traf, mussten Leute
wie Bonizo den Fluch des entweihten Sakraments in dem
ganzen weiteren Verlauf von Heinrichs dornenreichem
Leben sehen; extremere und dem Ereignisse ferner
stehende Gegner konnten sich nicht denken, dass den
Gottlosen nicht unmittelbare Vernichtung getroffen haben
sollte, wenn er die heilige Hostie genommen, sie konnten
sich nur denken, dass er angesichts der Schrecken der
Verdammnis bei seinem sündigen Gewissen die Hostie nicht
genommen habe. Dieser pragmatische Gedanke fand nun
verschiedene sagenhafte Gestaltung. Von den erwähnten
Aeusserungen Bonizo's, der den Gedanken ohne eine
Lösung der darin liegenden Frage scharf herausstellt, bis
zu dem Bericht Bertholds und der Erzählung Lamberts
sehen wir die stufenweis fortschreitende Entwicklung der
Sage vor uns, nicht in chronologischer Folge, die hier
wenig in Betracht kommt, da wir es mit lauter nahen
Zeitgenossen zu thun haben, sondern in räumlicher Folge,
so dass der räumlich entfernteste dem Gedanken die
freieste Ausgestaltung giebt. In dieser Form hat die Sage
sich in sächsischer Tradition erhalten, wie so manche an-
dere Fabel über Heinrich IV. Aus dieser hat der Ver-
fasser unserer Kaiserchronik sie geschöpft. Vergleichen
wir nämlich die Erzählung mit der ihr im ganzen ähn-
lichen bei Lambert, so bemerken wir doch in Form und
Inhalt so bedeutende Abweichung, dass irgend ein littera-
rischer Zusammenhang mit Lambert ausgeschlossen er-
scheint. Wir erkennen vielmehr die charakteristische Art,
wie sich im Laufe von ein bis zwei Generationen münd-
118 Ernst Bernheim.
liehe Tradition noch mehr ins Sagenhafte verirrt hat: die
Geschichte hat bereits ihren ursprünglichen historischen
Ort verlassen, sie wird gelegentlich eines zeitlich unbe-
stimmten Aufenthalts König Heinrichs in Italien erzählt,
und zwar vor der ebenfalls zeitlich und örtlich unbestimm-
ten Busse, die der zu Canossa entspricht l. Somit ist diese
Erzählung in unserer Chronik eine bereits sagenhaft ge-
wordene Parteifabel derselben Provenienz, wie die
Schandg"eschichten aus Heinrichs Privatleben.
3. Resultate.
Bei den vorhergehenden Untersuchungen haben sich
nirgends Spuren der Benutzung exakt historischer Quellen
seitens unseres Autors ergeben ; solche lassen sich auch im
übrigen in der Kaiserchronik nicht nachweisen 2 und er-
scheinen bei dem sagenhaft unbestimmten Charakter der
Erzählung von selbst ausgeschlossen. Es könnte befremden,
dass. wenn doch Gandersheim der Entstehungsort der
Chronik sein soll, nicht die Werke der Roswitha, wenig-
stens die Gesta Oddonis, benutzt sind; allein auch der bei
weitem gelehrtere Eberhard von Gandersheim hat das in
seiner Reimchronik nicht gethan \ und ebenso wenig wie
bei ihm können wir zu wissen verlangen, weshalb unserem
Autor jene und überhaupt andere Geschichtswerke nicht
zugänglich waren oder weshalb er solche nicht heran-
gezogen. Hat doch auch der keineswegs ungebildete Ver-
fasser der bairischen gereimten Kaiserchronik von schrift-
lichen Quellen nur äusserst dürftigen Gebrauch gemacht4.
Aber ausgedacht hat sich unser Autor seine Kaiser-
geschichte ebenso wenig wie jener. Seine Erzählungen
weichen freilich meist stark von dem beglaubigten Her-
gang der Begebenheiten ab, lehnen sich dabei aber doch
so an die wirklichen Hergänge an, wie es nur auf Grund
1) Der Pöhkler Annalist hat die Geschichte, in der Verlegenheit
den gänzlich unannalistisch erzählten Stoff der Kaiserchronik in sein Werk
einzureihen, bei dem italienischen Aufenthalt Heinrichs in den 90 er Jahren
angebracht und sie dadurch noch mehr in die freie Luft gestellt. 2) Wei-
lands Annahme Deutsche Chroniken Li, S. 388. "26 ff.), dass die Granders-
heimer Klostergeschichte benutzt sei, ist nur hervorgerufen durch seine
Erklärung der quellenkritischen Verhältnisse in der "Wiedergabe des
Ungarnkriegs unter Heinrich I., eine Erklärung, die wir oben S. 78 f.
abzulehnen hatten; vgl. auch S. 119, Note 1. 3) S. Weiland 1. c.
S. 388, 21 ff. 4) S. Ed. Schröder in der Einleitung zur Edition Deutsche
Chroniken I, 1, S. 68 ff.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 119
von Traditionen möglich ist, die sich in der Erinnerung
der Sage von Mund zu Mund gebildet und erhalten haben.
Dass unser Autor in der That aus vorhandener Ueber-
lieferung geschöpft hat, konnten wir bei der Analyse der
einzelnen Erzählungen in nicht wenigen Fällen durch den
Nachweis entsprechender Geschichten in älteren Werken
feststellen ; an eine litterarische Entlehnung aus diesen
Werken war überall in diesen Fällen nicht zu denken, weil
die Form und vielfach auch der Inhalt wesentliche Ab-
weichungen zeigten und weil unsere Chronik mit den be-
treffenden Werken ausser dem einen sagenhaften Stoff
überall sonst gar keine Berührung aufwies 1 — wir müssten
sonst schon annehmen, der Autor habe aus einer Anzahl
weit auseinander liegender Produkte verschiedenster Litte-
raturgattungen jene einzelnen Stoffe ausgezogen, sich ge-
wissermassen eine Sammlung davon angelegt, und habe
obendrein die Laune gehabt, die Geschichten wesentlich
verändert wiederzugeben, eine Annahme, die allem wider-
spricht, was wir von der Arbeitsweise mittelalterlicher
Autoren wissen. Vielmehr ist die allein zulässige Ansicht,
dass diese Stoffe in selbständiger Tradition existierten, dass
ihre verschiedene Wiedergabe bei unserem Autor und bei
anderen verschiedene Versionen darstellt , wie sie sich
im Laufe mündlicher Ueberlieferung zu bilden pflegen.
Denselben Schluss durften wir ziehen, wenn es sich um
Erzählungen handelte, die nicht in älteren Werken, son-
dern nur in ungefähr gleichzeitigen oder jüngeren begeg-
neten, ohne dass sich ein litterarischer Zusammenhang
nachweisen oder auch nur wahrscheinlich machen Hess.
Und endlich sprachen auch bei einigen Erzählungen, die
uns aus keiner anderen unabhängigen Quelle bekannt
waren, innere Gründe dafür, dass sie nicht von unserm
Autor erfunden, sondern schon vorhandener Tradition ent-
nommen waren: sichtlich volksthümliche oder legendäre
Färbung, eine für die Volkssage charakteristische Mischung
von Anachronismen, unbestimmten Erinnerungen und dra-
stisch bestimmtem Detail, auch die allgemeine Erfahrung,
dass freie Erfindung von Sagenmotiven in jenen Zeiten,
wie überhaupt, ein seltenes Vorkommnis ist.
Wir haben früher festgestellt, dass der Verfasser dem
geistlichen Stande angehört und haben bemerkt, dass er
1) So liegt auch das Verhältnis unserer Chronik zu der verlorenen
Gandersheimer Klostergeschichte, vgl. oben S. 78 f., dazu aber die nach-
trägliche Bemerkung S. 123, Note 3.
120 Ernst Bernheim.
auch den weltlichen Erzählungen durch eine moralische
Nutzanwendung oder eingestreute Sentenzen gern ein geist-
liches Mäntelchen umhängt. Diese Bemerkung wird von
Bedeutung, wenn wir sie im Zusammenhang mit der ver-
wandten Litteratur betrachten. Wir besitzen nämlich ja
eine Kaiserchronik von ganz ähnlicher Mache, wie die un-
sere, aus wenig späterer Zeit: die um die Mitte des
12. Jahrh. in deutschen Reimen abgefasste 'Kaiserchronik
eines Regensburger Geistlichen', wie sie Edward Schröder
in seiner jüngst erschienenen Edition in den MG.1 nennt.
Wir sind vollauf berechtigt, beide Werke unter dem glei-
chen Gesichtswinkel der allgemeinen Litteratur der Zeit
zu betrachten. Damals begann die Geistlichkeit, wie wir
wissen2, lebhafter als bereits im 11. Jahrh. und vereinzelt
auch schon früher, sich der weltlichen Litteraturstoffe an-
zunehmen, die in den Händen der fahrenden Spielleute so
beliebt geworden waren. Diesen den litterarischen Einfluss
aus der Hand zu spielen und in geistlichem Interesse zu
wenden, war das Bestreben der klerikalen Dichter. Der
Verfasser der gereimten bairischen Kaiserchronik sagt in
seiner Vorrede 3 ausdrücklich, er fürchte, dass die Seligkeit
Vieler durch die gottlosen Lügendichtungen , die Mode
seien, gefährdet werde, und geht mit der Tendenz dagegen
an sein Werk. Nicht etwa die Sagenhaftigkeit ist es,
woran er Anstoss nimmt, wie man dem Wortlaut nach
vermuthen könnte: ihm fehlt ebenso wie jenen Weltkin-
dern die Fähigkeit und das Interesse, zwischen historischer
Wahrheit und Fabel zu unterscheiden, er erzählt gerade
solche Lügengeschichten wie jene Fahrenden. Was er, wie
seine Standesgenossen missbilligt, ist nur die Vernachlässi-
gung der göttlichen Wahrheit bei den weltlichen Sängern
und ihrem Dichten: 'iz ist an gottes minne', sagt er.
Dieser Anschauung gemäss behandelt denn der Klerus
jener Zeit dieselben Stoffe, wie die Spielleute, in erbau-
lichem Tone, unter Ausmerzung allzu weltlicher Züge, mit
moralisierendem Beiwerk, unter Bevorzugung legenden-
artiger Erzählungen und vermischt mit eigentlichen Legen-
den. Man sieht, unsere Kaiserchronik steht ihrem ganzen
Charakter nach, wie wir ihn erkannt haben, mitten in
dieser geistlichen Litteraturströmung des 12. Jahrh., ein
norddeutsches Seitenstück zu der gereimten Kaiserchronik
1) Deutsche Chroniken I, 1, 1S92. 2) Vgl. F. Vogt in H. Pauls
Grundriss der germanischen Philologie II, S. 253 fi'. ; Schröder in der Ein-
leitung 1. c. S. 70, 35 ff. 74, 13 ff. 3) MG. 1. c. S. 79, 27 ff.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 121
aus Süddeutschland, und verdient als ein erstes umfang-
reiches Produkt jener Richtung-, trotz ihrer lateinischen
Formgebung, die Beachtung der deutschen Litteratur-
forschung in hohem Grade. Steht sie doch ihrem Stoffe
nach der deutschen Volksdichtung näher als die bairische
Kaiserchronik mit ihren deutschen Reimen!
Wenn wir nämlich zum Schlüsse die Frage aufwerfen,
in welchen Formen denn wohl die Traditionen, aus denen
wir unseren Autor schöpfen sehen, vorhanden gewesen
seien, so ergiebt sich aus unserer Analyse im zweiten Ab-
schnitt, dass wir mehrere Gruppen zu unterscheiden haben.
Ein Theil der Ueberlieferungen besteht aus Legenden, und
diese sind ohne Zweifel von altersher in lateinischer Prosa
im Kreise der Geistlichen von Mund zu Mund verbreitet
worden, so wie wir es bei der Legende vom h. Laurentius
und Heinrich IL durch das Zeugnis des Mönchs von
Montecassino nachweisen konnten K Die weltlichen Stoffe
sind ohne Zweifel zum Theil auch in Prosa, in Form von
Anekdoten und Schwanken oder Lästergeschichten, über-
liefert worden, wie die Parteifabeln von Heinrich IV., zum
Theil jedoch ohne Frage in gebundener Rede, in Liedern.
Man hat, wie mich dünkt, immer noch eine gewisse Scheu,
dieser Gattung der Poesie den ihr gebührenden Platz ein-
zuräumen, weil vor langen Jahren einmal mit der Annahme
historischer Volkslieder ein phantastischer Missbrauch ge-
trieben worden ist. Ich kann darin aber keinen Grund
finden, offenkundige Thatsachen in einem matten Halb-
dunkel zu lassen, während es zur Erklärung mannigfacher
Verhältnisse wesentlich ist, sie ans Licht zu stellen. Eine
ununterbrochene Kette von Zeugnissen und Ueberresten
bestätigt uns von den ersten Jahrhunderten deutscher Ge-
schichte bis weit ins 12. Jahrh. hinein die Existenz histori-
scher Gedichte in deutscher und lateinischer Sprache aus
allen Epochen dieses Zeitraums. Ich habe das Material
vollständiger vor Augen, als ich es irgendwo zusammen-
gestellt finde, doch genügt es für den vorliegenden Zweck,
auf die Belege in den unten genannten Grundrissen zu
verweisen 2. Galt auch der wandernde Sänger nicht mehr
1) S. oben S. 96. 2) K. Goedeke, Gruudriss der deutschen
Dichtung 2. Aufl., Bd. I, S. 11, 25 f.; R. Kögel in H. Pauls Grundriß
der germanischen Philologie II, S. 191 ff. 227. — Ein besonders lehr-
reiches Beispiel bietet die Sage von Erzbischof Hatto's Verrath in ihren
Versionen bei Widukind I. 22 (SS. III. S. 427 f.), Liudprand IL 6 (1. c.
S. 289, 22 ff.), Otto von Freising im Chronicon YI, 15 (SS. XX, 235, 16 ff.),
da uns ausdrücklich bezeugt wird, dass sie Jahrhunderte hindurch bis
122 Ernst Bernheim.
gleich dem hochangesehenen Barden der älteren Helden-
zeit, so wurde der Spielmann, der auf Strassen und öffent-
lichen Plätzen sang-, doch überall, auch an den Höfen,
gelitten und zum Theil gern gesehen, und nicht nur Stoffe
aus der fernen Vergangenheit trug er vor, sondern er
wusste auch von den Ereignissen des Tages, von Königen
und Helden der Gegenwart oder jüngeren Vergangenheit
zu singen. Wie wäre es auch sonst denkbar, dass sich in
manchen dieser Sagen so verhältnismässig viel historisch
zutreffende Thatsachen aus beträchtlich entlegener Vorzeit,
und zwar oft recht detaillierte, erhalten haben sollten,
wenn die ursprüngliche Entstehungszeit nicht vielfach den
besungenen Ereignissen nahe gelegen hätte ! Zuverlässigere
Ausbeute gewähren sie freilich an und für sich deshalb
dem Historiker doch nicht, denn man kann ohne andere
Kontrolle nie wissen, wo bei ihnen die historische Wahr-
heit endet und die sagenhafte Entstellung oder Erdichtung
beginnt. Das hat man sich früher nicht klar genug
gemacht.
Im 10. und ll.Jahrh. sind nachweislich noch in den
Kreisen des Volkes selbst, namentlich im Lager vor dem
Feinde, auf dem Feldzuge, Lieder über Personen und
Situationen des Moments entstanden, die irgend ein musen-
begabter Mann den Genossen zum Besten gab, und die
nicht selten allgemeinere Verbreitung fanden. Im 12. Jahrh.
scheint diese unmittelbarste Art historischer Volksdichtung
abgenommen zu haben, und man hat sich mehr begnügt,
die Lieder der fahrenden Sänger in empfänglichem Ge-
dächtnis festzuhalten und weiterzugeben. Geistliche machten
solche Lieder in lateinischen Versen ihren Kreisen mund-
gerecht, versuchten sich auch wohl in eigenen derartigen
Produktionen und verarbeiteten die Stoffe in Werken
höheren Stils, im 12. Jahrh., wie wir sahen, mit der aus-
gesprochenen Tendenz, den weltlich frivolen Spielleuten
den Rang abzulaufen. Der Verfasser unserer Kaiserchronik
war gleich dem der baierischen ein solcher Geistlicher,
wie dargelegt. Doch unmittelbarer und naiver als sein
baierischer Standesgenosse, hat er aus dem Born weltlicher
Lieder geschöpft. Wenn wir die sagenhaften historischen
Erzählungen bei beiden vergleichen, so tritt uns lebhaft
in die Mitte des 12. Jahrh. als Lied bekannt geblieben ist : Ekkekard, der
sich in seinen Casus S. Galli mit ihrer Erwähnung begnügt, sagt (SS. II,
83, 26) 'vulgo concinatur et canitur' ; Otto von Freising sagt 1. c. Z. 17 f.,
sie fände sich 'in regum gestis, sed etiam ex vulgari traditioue in com-
pitis et curiis hactenus auditur'.
Die sagenhafte sächsische Kaiserchronik aus d. 12. Jahrh. 123
genug entgegen, wie verschwommen und ins Allgemeine
gezogen sie bei dem letzteren sind, gegenüber den
drastischen, konkret individuellen Zügen, die sie bei jenem
tragen. Ein unwillkürliches Gefallen an den frischen Ge-
staltungen der Volkssage leuchtet durch die geistliche
Tendenz unseres Autors hindurch, und in einigen Fällen
hat er sogar die Spur seiner volksthümlichen Quellen nicht
ganz verwischt, indem er die Beinamen der Könige und
sonst ein Wort in der ursprünglich deutschen Sprache der
Tradition, aus der er schöpfte, seiner lateinischen Ueber-
setzung beifügte 1.
Allerdings geht aus dem dargelegten Charakter unserer
Kaiserchronik im ganzen und einzelnen hervor, dass sie
für eine historische Quelle in dem Sinne durchaus nicht
angesehen werden darf, als ob sie uns eigenwerthige Zeug-
nisse für historische Thatsachen bieten könnte : ihre ganze
Wissenschaft stammt ja aus volksthümlicher oder legen-
därer Sage. Wir dürfen daher ihre Angaben überall nur
gelten lassen, soweit sie durch andere zuverlässigere Quellen-
daten gedeckt werden, ohnedem dürfen wir nur ganz aus-
nahmsweise unter besonderen Umständen, die von der
Glaubwürdigkeit unserer Chronik an sich unabhängig sind,
eine ihrer Angaben für allenfalls thatsächlich halten2.
Aber werthvoll ist und bleibt die sächsische Kaiserchronik
uns als historische Quelle in dem Sinne, dass sie uns un-
mittelbarer als jede andere der Zeit an den lebendigen
Strom der Volksüberlieferungen führt und uns wissen lässt,
was deutsche Mannen durch die Jahrhunderte von ihren
Herrschern und Führern in Gutem und Bösem sagten und
sangen3.
1) S. die Glossen oben S. 72 im Anhang zum ersten Abschnitt.
2) Wie z. B. die Angabe, dass in Eisleben eine Wahl des Gegenkönigs
Hermann stattgefunden habe, s. oben S. 113. 3) Zu S. 63, Note 5
bemerke ich nachträglich: Der Widerspruch Wattenbachs (Deutschlands
Geschichtsquellen im MA. 6. Aufl. Bd. II, 254, Note 5) gegen Herre 1. c.
beruht anscheinend auf einem Missverständnis : Herre meint nicht, dass
die ganze betr. Stelle rückübersetzt sei, sondern nur der mit der Sachs.
Weltchronik allein übereinstimmende Zusatz 'Quod interpretatum est'
u. s. w., der sich im Oxforder Original der Ann. Pal. nicht findet. —
Zu S. 78, Zeile 25 ff. : Bei der Wiedergabe von Weilands Ansicht hat
sich ein Versehen eingeschlichen : statt ' indirekt aus unserer Kaiser-
chronik . . . durch Vermittelung der verlorenen Gandersheimer Kloster-
geschichte' muss es heissen 'aus der verlorenen Gandersh. Klostergesch.',
und dem entsprechend Zeile 33 'in der verlorenen Gandersh. Klostergesch.'
statt 'in der Kaiserchronik'; die Schlussfolgerung wird dadurch nicht
verändert.
TV.
Erläuterungen
zu den Diplomen Heinrichs IL
Erster Abschnitt.
Von
Harry Bresslau.
I. Geschichte der Kauzlei; Datierung:; Itiuerar.
Juni 1002 — Nov. 1007.
iJie Kanzlei Otto's III. war in dessen letzten Lebens-
jahren einheitlich organisiert. Zwar gab es nach wie vor
zwei nominelle Chefs derselben : den Erzbischof Willigis von
Mainz, der als Erzcapellan für Deutschland, und den Bischof
Peter von Como, der als Erzkanzler für Italien in den
Unterfertigungen der Urkunden genannt wurde *. Allein
unter beiden Männern stand nur ein Kanzler: der Erz-
bischof Heribert von Köln, in dessen Händen thatsächlich
die Leitung aller deutschen und italienischen Kanzlei-
geschäfte ruhte ; als Schreiber und Dictatoren begegnen
unter ihm neben zahlreichen Männern, die der Kanzlei
überhaupt nicht angehören oder nur vorübergehend in der-
selben beschäftigt gewesen sind, im letzten Jahre Otto's
nur drei eigentliche Notare: Her. D, ein Italiener-, und
zwei Deutsche, Her. C 3, der den Hauptantheil der Arbeit
übernommen hatte, und Her. F, von dem wir unten ein-
gehender zu reden haben.
Bei den Wirren, welche nach dem Tode Otto's III.
ausbrachen, nahmen die beiden nominellen Oberleiter der
Kanzlei die entgegengesetzte Haltung ein. Während Peter
von Como sich der italienischen Nationalpartei anschloss,
an der Erhebung Arduins zum König von Italien theil-
nahm und von diesem in seinem Erzkanzleramt bestätigt
wurde, gehörte Willigis, wenigstens seit dem Juni 1002, zu
den Anhängern Heinrichs von Baiern, den er zum König
wählte und krönte. Noch anders war die Haltung des
Kanzlers Heribert, der die Kaiserleiche von Italien nach
1) Von den beiden letzten Urkk. Otto's III. (DO. III. 423. 424)
ist die erstere, für Kloster Prataglia. 'advicem Petri Cumani episcopi et
archicancellarii', die letztere, für das Bisthum Eichstädt, 'advicem Uuilli-
gisi archiepiscopi ' recognosciert. 2) Er hat noch im Jahre 1001 DO.
III. 405 dictiert, was zu Kehr, Die Urkk. Otto's III. S. 78 nachzutragen
ist. Vgl. Sickel, DD. Bd. II, S. 388b. 3) Ueber seine deutsche Her-
kunft vgl. gegen Kehrs Annahmen Erben, Mitth. d. Inst. f. österr. Ge-
schichtsforschung XIII, 579 ff.
128 Harry Bresslau.
Deutschland überführte. Als er, in dessen Gefolge sich
die beiden deutschen Notare Her. C und Her. F befunden
haben werden \ etwa im März bei Polling a. d. Ammer
mit Heinrich zusammentraf, der dem Zuge entgegen ge-
kommen war, da widerstrebte er aus Gründen, die nicht
hinlänglich -aufgeklärt sind, der Königswahl desselben und
musste erst durch Zwangsmassregeln des Baiernherzogs ge-
nöthigt werden, diesem, der sich als den Erben der Krone
betrachtete, die heilige Lanze, eine der höchstgehaltenen
Reichsinsignien, auszuliefern. Lange hat der schwer ge-
kränkte Mann sich dann schmollend von Heinrichs Hof
zurückgehalten ; erst im Spätsommer des Jahres hat er in
Duisburg seiner Wahl zugestimmt und ihm gehuldigt.
Aus diesem politischen Verhalten der Kanzleibeamten
Ottos III. erklären sich leicht und einfach die Anordnun-
gen, welche Heinrich traf, als er im Juni 1002 seine eigene
Kanzlei bestellte. Dass er die Einheit der Reichskanzlei
beibehielt, lag in der Natur der Sache: an ein persönliches
Eingreifen in die italienischen Dinge konnte er zunächst
nicht denken; italienische Geschäfte waren, so lange die
Verhältnisse jenseit der Alpen nicht geordnet und das An-
sehen der deutschen Krone dort nicht erneuert war, nicht
in so erheblichem Umfange zu erledigen, dass um ihret-
willen die Begründung einer italienischen Kanzleiabtheilung
erforderlich gewesen wäre. Im November 1002 zum ersten
Mal, so viel wir wissen, ward für Italien geurkundet (St. 1333),
ausser diesem D. ist uns, vor dem ersten Zuge nach Italien,
nur noch ein zweites für einen italienischen Empfänger
bekannt (St. 1349). Dass man in diesen Urkunden den
Bischof von Como, der in Deutschland als Rebell gegolten
haben muss, nicht als Erzkanzler nennen konnte, lag auf
der Hand; die Ernennung eines Nachfolgers desselben war
zunächst mindestens kein dringendes Bedürfnis, und so
ergab es sich von selbst, dass auch die ersten italienischen
Urkunden unsers Königs in Willigis' Namen recognosciert
wurden. War damit durch den Wegfall auch des beson-
deren Erzkanzleramts für Italien die Einheitlichkeit in der
Verfassung der Reichskanzlei noch strenger durchgeführt,
als unter Otto der Fall gewesen war, so erklärt sich doch
diese Veränderung aus den thatsächlichen Verhältnissen so
einfach, dass man schwerlich anzunehmen genöthigt ist,
1) Her. D ist wahrscheinlich in Italien geblieben. Auf dem zweiten
Zuge nach Italien hat er eine Urkunde Heinrichs II. für S. Abondio zu
Como grösstenteils geschrieben, St. 1592.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 129
der König habe sich dabei durch principielle staatsrechtliche
Erwägungen leiten lassen 1.
Ebenso selbstverständlich war es, dass Heribert von
Köln nicht Heinrichs Kanzler blieb ; weder kann er selbst
eine solche Vertrauensstellung am Hofe des neuen Herr-
schers erwartet haben, noch dieser geneigt gewesen sein,
sie ihm zu übertragen. Sein Nachfolger ward ein Baier,
Egilbert, der vielleicht aus dem Haus der G-rafen von
Ebersperg stammt 2, der Bruder eines Heinrich, den der
König zu seinem Truchsessen ernannte.
Anders als mit dem Kanzler stand es mit den Notaren
des verstorbenen Königs. Eine selbständige politische Rolle
zu spielen, hatten diese untergeordneten Beamten der
Kanzlei weder die Gelegenheit noch wahrscheinlich den
Ehrgeiz; leicht mochten sie den Dienst des einen Herr-
schers mit dem des anderen vertauschen, und dieser wird
um so geneigter gewesen sein, auf sie Rücksicht zu nehmen,
als er dadurch in die Lage kam, die Continuität der Ueber-
lieferung in den Kanzleibräuchen zu wahren. So trat denn
von den beiden Notaren, die Heribert über die Alpen ge-
folgt waren, der eine Her. F sofort in die Kanzlei Hein-
richs über, an dessen erster Urkunde (St. 1307) er bereits
mitgearbeitet hat; wir werden ihn fortan als E(gilbert) A
bezeichnen. Auf Grund gewisser Eigenthümlichkeiten
seiner Schrift hat Kehr S. 81 die Verrnuthung ausgespro-
chen, dass er der Kölner Schule angehörte ; die dialekti-
schen Formen der Eigennamen in den von ihm geschrie-
benen Urkunden 3 scheinen auf mittel- oder niederdeutsche
Abkunft des Mannes hinzuweisen. Seine Schrift hat sich
unter Heinrich II. nur wenig verändert; dagegen ist er
als Dictator erst unter diesem Herrscher zu freier Ent-
faltung seiner Kräfte gelangt; von den besonders hervor-
stechenden Eigenthümlichkeiten, welche die von ihm ver-
fassten Urkk. Heinrichs aufweisen, findet sich in den DD.,
1) Vgl. Seeliger, Erzkanzler und Reichskanzleien S. 18. Eher könnte
man, wenn man überhaupt noch einen besonderen Grund für die Recogni-
tion auch der italienischen Urkunden im Namen des "Willigis suchen will,
annehmen, dass diesem die Vereinigung des Erzcapellanats für Deutsch-
land und des Erzkanzleramts für Italien in seiner Hand als Lohn für
seine Bemühungen um Heinrichs Königswahl zugestanden wäre. Dazu
würde das Verhalten Konrads II. gegenüber Aribo von Mainz im Jahre
1024 eine volle Analogie bieten. 2) Vgl. Hirsch I, 217; Steindorff,
Heinrich III. Bd. I, 21, N. 4 ; Graf Hundt, Abhandl. der bair. Akademie,
bist. Classe XIV, 2, 53 ff. 3) Wo ich hier und im folgenden über solche
rede, beziehe ich mich auf Mittheilungen, die mir mein College Henning
auf Grund der von uns zusammengestellten Namensformen gemacht hat.
Neues Archiv etc. XX. 9
130 Harry Bresslau.
an deren Ausfertigung er unter Otto III. Antheil gehabt
hat 1, noch wenig oder nichts ; sie treten übrigens auch
unter Heinrich IL z. Th. erst allmählich bestimmter hervor.
Anders steht es mit dem zweiten Notar Otto's III.,
Her. C, der in dessen Kanzlei der eigentlich führende Be-
amte gewesen war. Auch er hat eine Urk. Heinrichs IL
verfasst und geschrieben, das merkwürdige Stück St. 1312,
das Bischof Heinrich von Würzburg für die Kirche St. Jo-
hannis des Täufers in seiner Vorstadt erwirkt hat. Er
begegnet später niemals weder als Dictator noch als
Schreiber in der Kanzlei Heinrichs, und so liegt zunächst
die Annahme 2 nahe, dass er jene Urk. als Privatschreiber
Heinrichs von Würzburg mundiert habe ; dass der Notar,
der unter Heribert in der Kanzlei eine so grosse Rolle ge-
spielt hatte, später dem Bruder seines ehemaligen Chefs
seine Feder geliehen hätte, würde an sich nicht auffällig
sein. Dennoch ist auch noch eine andere Auffassung des
Sachverhalts möglich. Unsere Urkunde entbehrt des Tages-
datums, des Ausstellortes und der Recognitionszeile ; aber
das Monogramm ist vollzogen und ein Fragment des zweiten
Königssiegels Heinrichs in ganz unverdächtiger Weise be-
festigt. Gehört sie wegen ind. XV vor den 1. Sept. 1002,
so hat Stumpf sie in den Bamberger Aufenthalt vom Juli
dieses Jahres eingereiht, wohl deshalb, weil dort am 10. Juli
Heinrich von Würzburg noch eine andere Urkunde erhalten
hat (St. 1310a); Bayer, der dieser Ansetzung zustimmt8,
führt jenen Umstand ausdrücklich als Grund für seine An-
sicht an. Nun kann ja allerdings die Urkunde wegen der
Anbringung des zweiten Siegels wohl nicht vor dem 1. Juli
vollzogen sein, da die von diesem Tag datierte Urkunde
St. 1308 noch das erste provisorische Siegel zeigt; allein
die Handlung und auch die Mundierung des Diploms
könnten sehr wohl schon früher fallen. Denn Heinrich
von Würzburg war, wie wir aus Adalbold cap. 6 wissen,
schon zu Anfang des Juni bei Worms im Gefolge Hein-
richs; er gehörte nach dem bekannten Briefe Arnolfs von
Halberstadt1 zu dessen ersten und vertrautesten Anhängern ;
gewiss hat er ihn auch nach Mainz zur Krönung begleitet.
Dass er schon in den ersten Reg'ieruno-stao-en eine Gunst-
1) Er hat ganz oder theilweise verfasst und geschrieben DO. III.
393. 404. 409. 410. 420. 2) So Kehr S. 83. 3) KU. i. A. Text
S. 68 d, vgl. auch Hirsch I, 215, N. 1. 4) Jaffe, ßibliotheca V, 474.
Arnolf schreibt an Heinrich : 'tu primus aut inter primos, et iam ante-
quam rex fieret, dominum illum tibi praeelegisti1.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 131
bezeugung vom König- erbeten und zugesagt erhalten hat,
ist sehr wohl denkbar 1.
Um so weniger scheint mir die Möglichkeit ausge-
schlossen, dass Her. C St. 1312 in officiellem Auftrage ge-
schrieben hat. Denn so gut wie bei Her. F = EA kann
auch bei ihm anfangs der Uebertritt in den Dienst des
neuen Herrschers in Aussicht gestanden haben. Warum
sich diese Aussicht dann bei ihm nicht, wie bei seinem
Genossen, verwirklicht hat, bleibt uns freilich verborgen;
irgend eine weitere Spur von der Thätigkeit des Her. C,
sei es in, sei es ausserhalb der Reichskanzlei, ist, wie be-
merkt, bisher nicht zu Tage gekommen.
Ging so nur der eine der beiden deutschen Notare
Otto's III. dauernd in den Dienst des Nachfolgers über,
so ward für den anderen ein Ersatz gewonnen, indem man
einen neuen Beamten E(gilbert) B wohl schon im Juni 1 002
anstellte ; die erste von ihm geschriebene Urkunde St. 1308
ist vom 1. Juli datiert, kann aber, da das Tagesdatum
nachgetragen ist, schon einige Tage früher geschrieben
sein. Nicht nur in der Schrift und im Dictat ist EB dem EA
so nahe verwandt, dass man ihn nothwendig für einen
Schüler oder Schulgenossen desselben halten muss, auch
sein Dialect weist darauf hin, dass beide Notare Lands-
leute waren; und so mag er wohl auf Veranlassung des
EA in die Kanzlei berufen sein, zumal manche Umstände
darauf hinweisen, dass EA, so lange er im Kanzleidienst
stand, eine seinem Genossen übergeordnete Stellung ein-
genommen hat 2. Bis zum ersten Zug des Königs nach
Italien haben EA und EB die ganze Arbeit in der Kanzlei
allein besorgt 3, soweit nicht, was in dieser Zeit ziemlich
häufig vorkommt und gewiss mit dein kleinen Personal-
bestand der eigentlichen Kanzlei zusammenhängt, Privat-
schreiber bei der Herstellung der Urkunden betheiligt ge-
wesen sind.
1) Eine Unterstützung dieser Annahme könnte man in dem Um-
stand zu erblicken geneigt sein, dass St. 1312 der Recognition entbehrt ;
man könnte auf die Vermuthung kommen, das D. sei geschrieben, ehe
die Kanzlei organisiert und der Kanzler ernannt war. Allein ich wage
nicht, auf diesen Umstand Gewicht zu legen, da Her. C auch in einigen
DD. 0. HI. die Recognition nicht selbst geschrieben, sondern ihre Er-
gänzung Anderen überlassen hat, vgl. DO. Hl. 285. 291. Dies kann er
auch hier gethan haben, die Ergänzung aber, wie die der Daten, unter-
blieben sein. 2) EB schreibt einige Male nach dem Dictat des EA,
während das umgekehrte nicht vorkommt. Es kommt auch vor, dass EA
an einem von EB geschriebenen D. Correcturen vorgenommen hat (St.
1337. 1344). 3) Ueber St. 1330 s. unten S. 153 ff.
132 Harry Bresslau.
Die chronologische Anordnung der Diplome Heinrichs
macht in dieser ganzen Zeit wenig Schwierigkeiten, da die
Kanzleibeamten die Datierungsangaben — mit Ausnahme
der Indiction — im ganzen sehr sorgfältig und genau be-
handelt haben, was als ein Verdienst des EA angesehen
werden darf. Als Epochentag für die Regierungs jähre
Heinrichs betrachten wir mit Stumpf den 7. Juni, der im
Jahre 1002 auf einen Sonntag fiel und wahrscheinlich der
Krönungstag des Königs war 1. Die Indiction ist im Jahre
1002 zwischen 27. Aug. und 3. Sept. umgesetzt worden, so
dass also damals der 1. Sept. nach griechischer Rechnung
als Epochentag angenommen sein muss. Dann aber hat
man im Jahre 1003 die Umsetzung der Indiction überhaupt
unterlassen und bis zum 10. April 1004 (St. 1376) in allen
DD. die Ziffer I für die Römerzinszahl beibehalten. Im
übrigen sind in der ganzen Zeit, die wir zunächst ins Auge
fassen, alle Daten sämmtlicher Urkk. correct2.
Die Einreihung der Urkunden und die Feststellung
des Itinerars sind unter diesen Umständen ziemlich ein-
fach ; nur einige Ortsnamen erheischen nähere Betrachtung.
St. 1308 vom 1. Juli 1002 nennt als Ausstellort "Suntheime',
und es entsteht die Frage, welcher von den verschiedenen
Orten des Namens Sontheim gemeint sei. Während Stalin,
Wirtembergische Geschichte I, 469 (auf den Hirsch I, 220,
N. 4 sich bezieht) zwischen Sontheim im Oberamt Heil-
bronn und Obersontheim im Oberamt Gaildorf schwankte,
hat Stumpf sich für Sontheim a. d. Brenz im württem-
1) Vgl. Hirsch I, 215, N. 4, wo die Zeugnisse zusammengestellt
sind. Auch das Necrol. Magdeburgense, Neue Mittheil, des thür.-sächs.
Vereins X, 262 hat, wie das Merseburger, zum 7. Juni die Notiz : 'ordi-
natio Heinrici regis'. "Wenn Thietmar V, 11(7) schreibt: 'VIII. id. Iun.
in regem electus a Willigiso . . . coronätur' (ihm folgt Adalbold cap. 6),
so möchte ich annehmen, dass dies Datum auf die Wahl geht, und dass
die Krönung erst am folgenden Tage stattgefunden habe ; darauf, dass
Marianus Scotus den 7. Juni ausdrücklich als Tag der Wahl, sowie der
Krönung bezeichnet, wird schwerlich grosses Gewicht zu legen sein. Die
beiden DD. St. 1519 u. 1520 vom 7. Juni 1009 mit a. regn. VIII (Nach-
zeichnungen, aber mit Benutzung einer echten Vorlage) lassen sowohl den
(}. wie den 7. Juni als Krönungstag zu, so dass aus dem urkundlichen
Material die Frage nicht zu entscheiden ist. 2) Ob als Epochentag für
das Inearnationsjahr der 25. December gegolten hat, ist nach den Urkk.
nicht sicher festzustellen. Wenn in St. 1370 vom 25. Dec. 1003 noch ann.
ine. 1003 steht, so scheint hier das Tagesdatum nachgetragen zu sein ; die
Urkunde kann also schon vor Weihnachten geschrieben sein. Dagegen
ist in St. 1398 vom 28. Dec. 1004 mit a. ine. 1001 eine Nachtragung des
Tages nicht zu erkennen. Aus der Zeit von 1002—1007 sind diese beiden
Stücke die einzigen, welche zwischen Weihnachten und 1. Januar datiert
sind.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 133
bergischen Jaxtkreis, Oberamt Heidenheim entschieden,
und ihm hat sich P. F. Stalin I, 193 angeschlossen: allein
grade mit Rücksicht auf die von Stumpf angezogenen
Nachrichten bei Thietmar V, 14 (8) und Adalbold cap. 8
über den Aufenthalt des Königs in Reichenau, wo er am
24. Juni war, und auf weitem Wiesengelände, das wir
jedenfalls nicht allzufern vom Bodensee zu suchen haben,
wo er mindestens bis zum 29. Juni geblieben ist, ist es be-
denklich, anzunehmen, dass er schon am 1. Juli1 so weit
nördlich habe vorrücken können. Dazu kommt ein anderes.
Aus St. 1483 wissen wir, dass Heinrich ein Gut zu 'Sunt-
heim' im Gau Durihin besessen hat, und es liegt doch am
nächsten, dies mit dem Orte gleichen Namens zu identi-
ficieren, in welchem er 1002 Quartier genommen hat. Das
an Bamberg geschenkte ' Suntheim' ist aber nicht, wie
Hirsch II, 138 annahm, das heutige Sontheim a. d. Brenz,
sondern, wie die Gauangabe zeigt, das jetzige Sontheim
a. d. Günz im bairischen Amtsgericht Ottobeuren, das schon
unter dem Abt Ruprecht von Ottobeuren (gest. 1145) er-
wähnt wird 2. In die Richtung des Itinerars Reichenau-
Bamberg fügt sich dieser Ort ungefähr eben so gut wie
jener, und zu den Zeit- und Entfernungsverhältnissen passt
er ungleich besser.
In dem zweiten hier zu besprechenden Fall beruht
die bisherige irrige Deutung des Ortsnamens lediglich auf
falscher Lesung. Die beiden DD. für Utrecht vom 3. Sept.
1002, St. 1320. 1321, lassen die meisten bisherigen Drucke,
auch der letzte Mullers, zu 'Elista' ausgestellt sein, und dies
wird übereinstimmend von den Neueren auf Eist zwischen
Arnheim und Nimwegen bezogen. Das bei dieser Deutung
sich ergebende Itinerar Nimwegen -Utrecht -Eist -Aachen
würde nicht unmöglich sein; allein ihre Voraussetzung ist
unbegründet: das zweite Utrechter Chartular (B), die ein-
zige Quelle unserer Ueberlieferung für beide Urkunden,
bietet in beiden Fällen deutlich die Form 'Elisla', und es
liegt auf der Hand, dass dies nicht auf Eist bezogen
werden kann. Wir deuten den Namen auf Elsloo a. d. Maas
in der niederländischen Provinz Limburg, also genau der
Richtung des Itinerars Utrecht-Aachen entsprechend.
1) Oder gar noch vor dem 1. Juli, wenn nämlich die Urkunde,
deren Tagesdatum nachgetragen ist (oben S. 131), schon vorher geschrieben
wurde. ' 2) Chron. Ottenburanum (SS. XXIII, 61S). Vgl. Steichele,
Bisthum Augsburg III, 38 ; ßaumann in Zeitschrift des histor. Vereins für
Schwaben u. Xeuburg II, 174 f.; derselbe, Gaugrafschaften im "Württemberg.
Schwaben S. 86.
134 Harry Bresslau.
Ein dritter bisher falsch, gedeuteter Ortsname führt
tins schon in den Anfang des Jahres 1004. Nachdem der
König am 6. Februar d. J. in Merseburg in feierlicher Ver-
sammlung Wigbert zum Bischof des wiederhergestellten
Bisthums Merseburg ernannt hatte 1, unternahm er einen
Feldzug gegen Boleslav von Polen ins Milzienerland, zu
dessen schnellem Abbruch ihn das eintretende Thauwetter
nöthigte, und von welchem er zunächst nach Merseburg
zurückkehrte 2, um sich von da nach Magdeburg zu be-
geben, wo wir ihn am 24. oder 25. Febr. finden 3. Auf diesem
Feldzuge muss also die von EA verfasste und geschriebene
Urkunde für die alte Kapelle zu B,egensburg ausgestellt
sein (St. 1371), welche 'data 6. id. febr.' (8. Febr.) und
'actum in Vuarim' bietet4. Während Böhmer auf die
Deutung dieses Ortsnamens verzichtet hatte, ist, so viel ich
sehe, zuerst Giesebrecht 5 auf den unglücklichen Gedanken
verfallen, denselben in 'Vvurcin' (Würzen) zu emendieren.
Dieser Einfall hat dann allgemeinen Beifall gefunden:
Usinger,;, Zeissberg ', Posse*, Richter- Kohl 9, und auch
Stumpf, der statt 'Vuarim' lesen will 'Vurzine', sind ihm
gefolgt. Und doch liegt auf der Hand, dass eine solche
Emendation gegenüber der originalen Ueberlieferung unseres
D. durchaus unzulässig ist. Sie ist es umsomehr, als der
Ortsname sehr leicht zu erklären ist: 'Vuarim' ist das
heutige Wahren, Kirchdorf in der sächsischen Amtshaupt-
mannschaft Leipzig, etwa 5 Kilometer nw. von Leipzig an
der Elster. Dieser Ort, der etwa 22 Kilometer östlich
von Merseburg auf dem geraden Wege von dort ins
Milziener Land belegen ist, hat einem Edelgeschlecht der
Herren von 'Warin' den Namen gegeben, aus welchem
u. a. Bischof Heinrich I. von Merseburg entsprossen ist 10,
und das im 12. und 13. Jahrh. nicht selten in Urkunden
dieser Gegend vorkommt11.
Es bleiben uns aus der Zeit vor dem ersten Zuge
nach Italien an dieser Stelle nur noch die drei Urkunden
für Merseburg und Zeitz, St. 1373 — 75, zu besprechen, in-
sofern sie eine chronologische Schwierigkeit bieten.
Wir sahen eben, dass der König von Merseburg
1) Tbietm. VI, 1 ; vgl. Hirsch I, '278, N. 2. 2) Tbietm. VI, 2. 3.
3) St. 1372. 4) Tag und Ortsname sind nachgetragen. 5) Kaiserzeit
II3, 587. Die früheren Auflagen sind mir hier nicht zugänglich. 6) Bei
Hirsch 1,299, N. 3. 1) Sitzungsberichte d. Wiener Akademie, hist.-phil.
Classe LVII, 291, N. 8. 8) Markgrafen von Meissen S. 61, N. 206.
9) Annalen d. deutschen Geschichte III, 185. 10) SS. X, 191. 11) Vgl.
z. B. Cod. dipl. Sax. reg. I, 2, 352; II, 1, 71; 89. 154; II, 4, 292.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 135
unmittelbar nach der Erhebung- Wigberts aufbrach, um
gegen Boleslav ins Feld zu ziehen. Daher blieb zunächst
keine Zeit für die Ausfertigung der Urkunden über die
durch die Wiederaufrichtung des Bisthums nöthig ge-
wordenen Transactionen ; ja es ist sehr wahrscheinlich,
dass auch die Regelung dieser selbst, insbesondere soweit
es sich um den Ausgleich mit den Nachbardiöcesen Magde-
burg, Halberstadt, Meissen und Zeitz handelte, zunächst
noch aufgeschoben wurde. Zu diesem Behuf begab sich
Heinrich, als der Feldzug unerwartet schnell abgebrochen
werden musste, nach Merseburg zurück und von da nach
Magdeburg; hier und dort wird jene Eegelung in Angriff
genommen worden sein.
Nach den Zusätzen zum Chron. Merseburgense SS. X,
176 hat nun Heinrich zunächst dem Merseburger Bischof
Wigbert zwei 'privilegia renovatiouis', später dem Bischof
Thietmar ein drittes l Privilegium confirmationis' gegeben:
aus dem zweiten entnimmt der Verfasser der Zusätze, dass
der Bischof von Zeitz seine Diöcesanrechte über die 'urbes
TribenT und Thuchusi' im Tausch gegen 'tres villae uno
nomine Crozina dictae' abtrat, sowie dass der Bischof von
Meissen 'partem parochiae super duas villas Wissenburg
Loscana' herausgeben musste. Wir haben nun noch jetzt —
abgesehen von dem Diplom für Thietmar St. 1565 — zwei
Diplome Heinrichs für Wigbert vom 4. und 5. März (St.
1373. 1374), das eine im Or., das andere abschriftlich er-
halten, beide von EA verfasst und jenes sicher, dieses
wahrscheinlich auch von ihm geschrieben. Da nun in
dem zweiten dieser DD. sich das findet, was der Vf. der
Zusätze von ihm aussagt, da überdies in der Corroborations-
formel beider Urkunden der Ausdruck lhaec nostra reno-
vatio et confirmatio' gebraucht wird, so ist kein Zweifel,
dass dies die beiden dem Vf. der Zusätze bekannten Doku-
mente sind; wir dürfen weiter annehmen, dass wenigstens
zu seiner Zeit — also im 14. Jahrb..1 — kein weiteres
Privileg Heinrichs aus diesen Tagen im Merseburger Archiv
vorhanden war. Nach dem ganzen Inhalt der Urkunde
vom 4. März erscheint es aber auch durchaus unnöthig
anzunehmen, dass ein solches 'eigentliches' Wiederherstel-
lungsprivileg ausser St. 1373. 1374 überhaupt existiert
hat 2 : alles, was bei dieser Gelegenheit für Merseburg zu
verbriefen war, ist in St. 1373. 74 verbrieft worden.
1) Die Zusätze sind wahrscheinlich zwischen 1320 und 1375 ver-
fasst, vgl. SS. X, 160. 2) So auch Usinger bei Hirsch I, 279, N. 3 gegen
Hirsch selbst. Was Wilmans SS. X, 176, N. 18 sagt, ist ganz unrichtig.
136 Harry Bresslau.
Zu erwarten wären nun weiter Gegenurkunden für
die bei dem Geschäft betheiligten Nachbarbischöfe, in-
sofern nämlich diese für ihre Abtretungen zu Gunsten des
wiederhergestellten Bisthums entschädigt werden sollten.
Erhalten haben sich deren zwei: St. 1372 für Magdeburg
und St. 1375 für Zeitz. Eine Urkunde über die dem
Bischof von Halberstadt zugebilligte Compensation haben
wir nicht mehr: aber dass es eine solche gegeben hat, er-
fahren wir aus den Gesta epp. Halberstadensium SS. XXIII,
90 f., wo ein Extract daraus1 mit der ausdrücklichen Be-
merkung 'hos igitur mansos Halberstadensi ecclesie datos
— regio privilegio confirmavit' mitgetheilt wird. Dass
dagegen Meissen damals überhaupt eine Entschädigung er-
halten hat, ist durchaus unwahrscheinlich, da in St. 1374
- dem zweiten Merseburger Renovationsprivileg — eine
solche nicht erwähnt wird, während von derjenigen für
Zeitz die Rede ist, und da es hier ausdrücklich heisst,
dass Meissens Besitz unrechtmässig und durch keine
Königsurkunde anerkannt gewesen sei 2. Wir haben also
in dieser Angelegenheit nur mit einer verlorenen Urkunde
des Jahres 1004 zu rechnen, und auch von ihr ist nur ein
Auszug erhalten.
Von den vier erhaltenen Urkk. des Jahres 1004 giebt
St. 1372 zu Bedenken keine Veranlassung; der Aufenthalt
zu Magdeburg am 24. oder 25. Febr. stimmt gut zu den An-
gaben Thietmars VI, 3. Von dort begab sich der König 'per
Thuringiae orientalisque fines Franciae' nach Regensburg,
wo am 21. März Heinrich von Baiern belehnt wurde. Auf
dieser Reise muss der König Wallhausen berührt haben,
von wo St. 1373 und 1374 datiert sind. Von diesen beiden
1) Der Auszug hat uns, wie ein Vergleich mit den anderen Urkk.
lehrt, nicht bloss den Inhalt, sondern auch einen Theil des Wortlauts des
verlorenen D. aufbewahrt und verdient daher Aufnahme in unsere Aus-
gabe. Das Extract hat die Daten : anno domini 1003, ind. 1, a. regn. 2.
Die letzteren beiden Angaben hat der Chronist sicher der Urkunde ent-
nommen; das Incarnationsjahr 1003, das Schmidt, ÜB. des Hochstifts
Halberstadt I, 48, N. 1 unnöthige Scrupel verursacht hat, ist falsch : viel-
leicht hat der den damaligen Kanzleibrauch nicht kennende Chronist mit
Rücksicht auf ind. 1 seine Vorlage eigenmächtig corrigiert. Aus den
Worten 'adunatis in Merseburg archiepiscopis et episcopis' u. s. w. darf
wohl geschlossen werden, dass die Urkunde das 'actum Merseburg' trug;
demnach ist das D. für Halberstadt noch vor dem Aufbruch des Königs
nach Magdeburg gegeben und das erste der in dieser Angelegenheit aus-
gestellten Schriftstücke. 2) Vgl. Uhlirz, Gesch. des Erzbisthums Magde-
burg S. 116. Die späteren Verhandlungen mit Magdeburg und Meissen,
in deren Verlauf erst die endgiltige Regelung der Angelegenheit erfolgte,
haben wir in diesem Zusammenhang nicht zu verfolgen.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 137
Urkunden giebt die erstere, wie bemerkt, den 4., die zweite
den 5. März als Tagesdatum ; und den letzteren Tag-, dabei
aber den Ortsnamen 'Geuise', d. i. Gebesee im Regierungs-
bezirk Erfurt, weist endlich St. 1375 auf. Dass nun der
König wirklich am gleichen Tag in Wallhausen und in
Gebesee geurkundet habe, was Usinger noch für möglich
hielt \ dürfen wir bei der Entfernung beider Orte — etwa
45 Kilom. in der Luftlinie gemessen — als ausgeschlossen
betrachten. Stumpf schlug deshalb vor, in St. 1374 'III.
non. mart.' in IUI. non. mart.' zu emendieren, also die
Urkunde auf denselben Tag zu verlegen wie 1373. Der
Vorschlag wäre, da jenes Stück nur abschriftlich über-
liefert ist, nicht ohne weiteres abzuweisen, allein er scheitert
daran, dass, wie oben bemerkt, der Verfasser der Zusätze
zum Chron. Merseb. St. 1374 bestimmt als das zweite Pri-
vileg von 1373 unterscheidet, was doch gewiss darauf zurück-
geht, dass er, der nicht aus unserem Copialbuch (saec. XV.)
schöpft, es mit einer einen Tag späteren Datierung vor-
fand. Demnach bleibt nichts übrig als mit Ficker 2 bei dem
einen oder dem anderen der besprochenen Diplome Nicht-
einheitlichkeit der Datierung anzunehmen — der erste
Fall derart aus diesen früheren Jahren Heinrichs II. Die
eigentliche Schwierigkeit beruht in Fällen, wie dem vor-
liegenden, häufig nicht darauf festzustellen, dass überhaupt
in einer oder mehreren Urkunden nicht einheitlich datiert
worden ist, sondern vielmehr darauf zu entscheiden, bei
welchem der Diplome, deren Daten mit einander in Con-
flict geratheil, die Unregelmässigkeit anzunehmen ist. Um
für unsere Stücke diese Entscheidung zu treffen, halten
wir uns an den Schriftbefund. Da wir aus diesem ersehen,
dass in St. 1373 das Tagesdatum wahrscheinlich erst nach-
träglich hinzugefügt ist, während wir in 1375 keine Nach-
tragung irgend welcher Art in der Datierung erkennen
konnten, so nehmen wir an, dass in der letzteren Urkunde
alle Daten einheitlich sind, d. h. dass das Diplom in
Gebesee am 5. März vollzogen ist 3. Dagegen schliessen
wir aus der Nachtragung in St. 1373, dass in diesem und
dann wohl auch in dem nur abschriftlich überlieferten
St. 1374 die Datierung nicht einheitlich hergestellt ist;
wir beziehen demnach nur das Tagesdatum der beiden
1) Bei Hirsch I, 285, N. 7; 301, N. 3. 2) Beiträge zur Urkunden-
lehre II, 276. Vgl. aber auch schon Lepsius, Geschichte der Bischöfe
des Hochstifts Naumburg S. 186, N. 6. 3) "Wahrscheinlich ist es auch
dort erst geschrieben.
138 Harry Bresslau.
Stücke (4. und 5. März) auf die Vollziehung, den Orts-
namen dagegen auf ein früheres Stadium der Beurkundung1.
St. 1373 und 1374 werden also beide in Wallhausen ge-
schrieben sein. St. 1374 ist gewiss erst am 5. März in
Gebesee, zusammen mit St. 1375, das dasselbe Geschäft
betrifft, vollzogen worden. St. 1373 kann möglicher Weise
noch am 4. März in Wallhausen vollzogen sein, da die
Annahme, dass der König die Strecke von Wallhausen
nach Gebesee an einem Tage zurückgelegt habe, zwar eine
ungewöhnlich starke Marschleistung voraussetzt und des-
halb nicht unbedenklich, aber doch nicht ganz unannehm-
bar ist. Da somit nicht nothwendig ein Widerspruch
zwischen den Angaben der Datierungszeile in 1373 ange-
nommen werden muss, wohl aber Veranlassung zu Zweifeln
an dem Zusammentreffen derselben vorliegt, meinen wir
diesen Zweifeln auch in der Ausgabe Ausdruck geben zu
sollen. Wir führen zu diesem Behufe ein neues Zeichen
ein. Bekanntlich hat Sickel Nichteinheitlichkeit der Datie-
rung zweckmässig dadurch bezeichnet, dass er in der dem
Urkundenregest folgenden Zeile diejenigen Angaben von
Zeit und Ort, welche nicht zu einander passen, durch
einen Strich trennt, während die Urkunde da eingereiht
wird, wohin die auf den frühesten Zeitpunkt treffende
Angabe der Datumszeile gehört -\ Indem wir bei solchen
Datierungen, die wir bestimmt als widerspruchsvoll be-
trachten, ebenso verfahren, richten wir in Fällen wie dem
eben besprochenen von St. 1373 für die Benutzer unserer
Ausgabe dadurch eine Warnungstafel auf, dass wir statt
des einfachen Strichs einen Strich und ein Fragezeichen
setzen. Wir werden also den Ansatz der Datierung bei
1373. 1374. 1375 so geben: 1373: Wallhausen — ? 1004
März 4; 1374: Wallhausen— 1004 März 5; 1375: Gebesee
1004 März 5. Das soll heissen: wir betrachten es als
zweifelhaft, ob der König noch am 4. März in Wallhausen,
als sicher, dass er am 5. März nicht mehr dort, sondern
in Gebesee geurkundet hat.
Auf dem ersten Zuge Heinrichs nach Italien, der im
Frühjahr 1004 unternommen wurde, ward an der Organisa-
tion der Kanzlei nichts geändert; auch jetzt noch muss
1) Auf die Handlung beziehen wir keine der Datierungsangaben
der drei Urkunden, diese bat aller "Wahrscheinlichkeit nach bereits statt-
gefunden, ehe der König nach AVallhausen kam; vgl. oben S. 135 und
S. 136, N. 1. 2) A7gl- DD- II, S. 6.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs IL 139
die Errichtung einer eigenen italienischen Kanzleiabtheilung
nicht als erforderlich angesehen worden sein. Von den
beiden ständigen Notaren hat der eine, EB, den König
über die Alpen begleitet, wie unten näher auszuführen
ist; dass aber auch EA im Gefolge des Königs in Italien
gewesen wäre, davon hat sich kein Zeugnis erhalten: wahr-
scheinlich ist er in Deutschland zurückgeblieben. Statt
seiner ist dagegen ein anderer Notar Otto's III. während
dieser Zeit in der Kanzlei beschäftigt worden, ein Italiener,
der in der Ausgabe der Diplome Otto's mit der Chiffre
Her. E bezeichnet worden ist; er hat die beiden DD. für
Mont-Amiate und San Pietro in cielo d'oro, St. 1378 und
1382, verfasst und geschrieben1. In den ständigen Dienst
der Kanzlei ist dieser Mann, der in Pavia an den könig-
lichen Hof gekommen war, aber nicht getreten; auf dem
Rückwege ist er dem Könige bis Cadempino gefolgt;
dann aber verschwindet er, und wir können keine Spur
seiner Thätigkeit in Deutschland oder auf den zwei späteren
Zügen des Königs in Italien nachweisen.
Ausser den beiden eben besprochenen Diplomen ist
uns 2 nur ein Original aus der Zeit dieses Zuges erhalten,
St. 1380 für Parma, dessen Text, DO. I. 239 nachgebildet,
von einem unbekannten Schreiber herrührt, während EB
das Eschatokoll hinzugefügt hat \ Das gleiche Verhältnis
wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch bei St. 1381 für
die Söhne des Ribaldus obwalten : das Eschatokoll dieser
schlecht überlieferten Urkunde entspricht in allen Dingen4
1) Als Schreiber von 1382 haben ihn schon Kehr S. 79 und Sickel,
DD. II, S. 388b erkannt, vgl. Kehr S. 71, N. 2. Von St. 1378, dessen Ori-
ginalität nicht mehr bezweifelt werden kann, lag Kehr (S. 71, N. 2) nur
ein für die Beurtheilung nicht ausreichendes Facsimilefragment vor, auf
Grund dessen er, freilich mit allem Vorbehalt, Her. B als Schreiber ver-
muthete. Allein das Stück ist nicht nur sicher von derselben Hand wie
1382, sondern auch über die Identität der Schrift mit der uns aus den
Facsimiles von DO. III. 350. 351 bekannten Schrift des Her. E kann kein
Zweifel sein. Auch die in Siena vorgenommene Vergleichung von DO.
HI. 202, das von Her. JB herrührt, mit St. 1378 hat mich in der Ueber-
zeugung, dass letzteres von Her. E sei, bestärkt. Im Dictat bestehen
gleichfalls zwischen St. 1378. 1382 und den Urkk., an denen Her. E unter
Otto III. mitgearbeitet hat, gewisse Berührungen. 2) Abgesehen von
St. 1376 aus Trient für Seben, Orig. in Laibach, geschrieben von EB.
3) Die Annahme Riegers, Die Immunitätsprivilegien der Kaiser aus dem
sächsischen Haus S. 32 f., dass der Context von 1380 durch 'Fälschung
mit Aufopferung eines echten Diploms' entstanden sei, d. h., dass der
echte Text ausradiert und durch einen gefälschten ersetzt sei, hat sich bei
wiederholter Untersuchung des Orig. als völlig grundlos erwiesen. Solche
Hypothesen sollten ohne Autopsie nicht aufgestellt werden. 4) Ueber
die Indiction vgl. unten S. 142.
140 Harry Bresslau.
den Gewohnheiten des Eß , aber der Text kann weder
auf ihn noch auf irgend einen anderen uns bekannten
Kanzleibeamten zurückgeführt werden. Endlich legen wir
dem EB auch das Protokoll der beiden DD. für Como,
St. 1383. 1384, bei, deren Text sich an Vorurkunden
Arduins anschliesst. Dass EB auch jene geschrieben hat,
ist mindestens wahrscheinlich; giebt er in beiden Stücken
dem König den Titel 'Francorum pariterque Longobardorum
divina favente dementia rex', so kehrt genau dieselbe
Form auch mit derselben Stellung der Devotionsformel
in St. 1387 wieder, dessen von EB mundiertes Original
sich erhalten hat 1. Dass EB der Schreiber des Eschatokolls
beider Stücke ist, dafür spricht aber auch noch ein an-
derer Umstand. Es gehört zu den Eigenthümlichkeiten der
von EB geschriebenen Urkunden aus den ersten Jahren
Heinrichs, dass ihnen die Apprecationsformel fehlt, so dass
sie also mit dem Ortsnamen schliessen2. St. 1383. 1384
dagegen bieten die Formel 'in dei nomine feliciter amen',
und dieselbe Formel kehrt nun in der gleichen Fassung
in allen späteren Urkunden des EB, die bis zum April
1005 (St. 1401) geschrieben sind, wieder. Es unterliegt
also wohl keinem Zweifel, dass EB sich diese Formel eben
in Italien angeeignet hat; dass sie in den VU. Arduins,
die für 1383. 1384 benutzt sind, in kürzerer Fassung (ohne
'in dei nomine) steht, ist ohne Belang: neben ihnen haben
EB ohne Zweifel in dieser Zeit auch noch andere italie-
nische Urkunden vorgelegen, in denen er sie in der Fassung
kennen gelernt haben kann, die er dann annahm.
In den vorangehenden Bemerkungen haben wir sämmt-
liche echte Urkunden, die aus dem italienischen Zuge von
1004 auf uns gekommen sind, besprochen3, bis auf eine,
das Privileg für San Sabino zu Piacenza (St. 1379), das
eine ausführlichere Erörterung erfordert,
Mit der Ueberlieferung der Urkunden für dies Kloster
steht es nicht eben gut. Von den zur Zeit Campi's, der
1) In St. 1385. 1388 steht mit geringer Abwandlung : 'Erancorum et
Lorig. div. fav. clem. rex'. 2) Die einzige Ausnahme würde unter den
Originalen St. 1343 bilden, dessen von EB geschriebenes Eschatokoll jetzt
mit dem AVort 'feliciter' endigt. Aber wir sind nicht sicher, ob das Wort
nicht von anderer, die Schrift des EB nachahmender Hand hinzugefügt
ist. Von den abschriftlich erhaltenen Urkunden, die man EA oder EB
beilegen kann, haben nur St. 1319. 1365 in ihrer jetzigen Ueberlieferungs-
form eine Apprecation. Auch von den Originalen des EA hat nur St. 1307
'feliciter'. 3) Abgesehen von einer, wahrscheinlich hierher gehörigen
und bisher unbekannten Neuausfertigung des Privilegs für Peterlingen
St. 1367, die ich an anderem Orte eingehend behandeln werde.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 141
vielfachen Gebrauch von ihnen gemacht hat, noch er-
haltenen Beständen des Archivs war schon um die Mitte
des vorigen Jahrhunderts nicht mehr alles vorhanden:
speziell unsere Urkunde hat schon 1757 Poggiali x ver-
geblich in demselben gesucht. Heute ist einzelnes davon
in privatem Besitz: zwei Abschriften des 12. und 14. Jahr h.
von Diplomen Heinrichs III. sind in den Jahren 1889 und
1890 von einem Mailänder Händler dem Germanischen
Nationalmuseuni in Nürnberg zum Kauf angeboten worden,
von denen eine erworben worden ist 2. Um weiterem der-
artigen Besitz auf die Spur zu kommen, habe ich mich
mit jenem Händler in Verbindung gesetzt; doch haben
diese Bemühungen keinen Erfolg gehabt. So sind wir für
unsere Urkunde jetzt angewiesen auf eine doppelte, aber
späte Ueberlieferung, nämlich
1) auf eine Notariatscopie vom 16. Dec. 1324 auf der
öffentlichen Bibliothek zu Parma, von welcher Stumpf
(Acta n. 259) eine Abschrift durch Herrn Barbieri er-
halten hat (B) ;
2) auf eine Abschrift des 15. Jahrh. im Capitular-
archiv zu Piacenza, die leider am Schluss fast unleserlich
ist (C).
Beide Abschriften haben manche gemeinsame Fehler;
doch geht C nicht unmittelbar auf B, sondern wohl auf
dessen Vorlage zurück, die aber nicht das Original, sondern
eine ältere Copie war3. Neben beiden Abschriften kommt
dann noch der Druck Campi's 4 in Betracht, der nicht auf
die Abschrift von 1324 zurückgeführt werden kann, sondern
einige bessere Lesarten bietet als diese 5.
Zu Bedenken gegen die Authenticität der Urkunde ist
kein Anlass. Ihr Context geht auf die VU. DO. III. 385
zurück; der Titel "Francorum atque Longobardorum superna
dementia rex' entspricht demjenigen in St. 1383 — 1385.
1387. 1388 und könnte auf die Vermuthung führen, dass EB
auch an diesem Stück mitgearbeitet habe. Doch an der
Datierung wenigstens hat er keinen Theil. Diese lautet
in B: 'data V. kal. iunias, indictione III, anno ab in-
1) Memorie storicbe di Piacenza III, 258. 2) Den Ankauf des
anderen hat die Verwaltung des Museums mit Recht abgelehnt, da der
Händler, der das Stück irrig als Original ansah, einen zu hohen Preis
dafür forderte. 3) Auch von der einen der beiden oben erwähnten
Urkk. Heinrichs IH. giebt es eine Notariatscopie von 1324, Dec. 16, die
ihrerseits auf einem Transsumpt von 1172 beruht. 4) Dell' historia eccle-
siastica di Piacenza 1,497, n. 65. 5) So 'de cunctis praediis' statt 'de
dictis praediis', 'regalis protectionis' statt 'imperialis protectionis'.
142 Harry Bresslau.
carnatione domini MIHI, anno vero domni Heinriei secundi
regis in Italia I; actum Leucade comitatu Mediolanensi;
feliciter'. In C ist nur noch lesbar: lDat anno ab
incar domini MIHI, anno Le[uca]de com. Med.
fei.' Hier widerspricht fast alles1 dem Gebrauch des EB
und weist mit Notwendigkeit auf einen anderen Schreiber
hin; die Rechnung nach besonderen italienischen Königs-
jahren hat diese Urkunde von allen auf diesem Zuge aus-
gestellten allein, und sie kann wohl nur von einem Italiener
herrühren.
Auffällig ist nun — abgesehen von dieser Rechnung
— die ind. III. Wie wir oben bemerkten, hatte die Kanzlei
die Indictionsziffer I vom 1. Sept. 1002 bis zum April
1004 festgehalten, ohne sie im Herbst 1003 umzusetzen.
Erst Her. E bemerkte den Fehler; er setzte in St. 1378.
1382 die correcte Ziffer II ein, und dadurch wohl ist EB
veranlasst worden, auch in St. 1380 ind. II zu schreiben.
Aber dieser verfiel bald wieder in den alten Irrthum ;
schon 1381. 1383.1384 haben wiederum ind. I2, und auch
nach der Rückkehr von Italien beherrscht, wie wir sehen
werden, der gleiche Fehler die Indictionsrechnung der
Kanzlei.
Unter diesen Umständen wäre es an sich wohl denk-
bar, dass der unbekannte Italiener, der St. 1379 datiert
hat, in den entgegengesetzten Fehler verfallen und ledig-
lich durch Irrthum die erst zu 1005 passende ind. III
statt ind. II gesetzt hatte. Aber diese Frage wird ver-
wickelter, wenn wir auch Campi's Druck hinzuziehen. Hier
finden wir zwar im übrigen dieselben Daten wie in B,
also auch ind. III :!, aber daneben la. reg. in Italia II'
(statt I). Diese Ziffer für einen einfachen Druckfehler zu
halten, sind wir nicht berechtigt; steht einmal, wie oben
gezeigt ist, fest, dass Campi nicht aus unseren Abschriften
schöpfte, sondern eine in manchen Beziehungen bessere
Ueberlieferung benutzte, so ist auch die von ihm gebotene
Zahl der Regierungsjahre derjenigen, die in einer unserer
Abschriften begegnet4, mindestens gleichwerthig. Folgen
wir aber Campi, so haben wir in St. 1379 zwei auf das
1) Die Stellung der Indiction vor dem Aerenjahr ; die Bezeichnung
des letzteren durch 'a. ab ine. dorn.', die Regierungsjahre in Italien, die
Apprecation mit 'feliciter' allein. 2) Ueber 1381 s. oben S. 139 f. 3) Und
'ann. ab incarn. 1004', nicht 1005 wie bei Stumpf steht. 1005 hat Campi
am Rande emendiert, weil er der Chronologie des Baronius in Bezug auf
die Zeit von Heinrichs Krönung folgt ; aber sein Text hat 1004. 4) Die
andere ist an dieser Stelle unlesbar.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 143
Jahr 1005 hinweisende Jahresangaben, die einfach ab-
zuweisen schon an sich bedenklich ist. Noch bedenklicher
aber wird das, wenn wir noch eine andere Urkunde des
Jahres 1005 in Betracht nehmen: St. 1403 für das Capitel
zu Cremona.
Freilich ist dies Diplom in der denkbar schlechtesten
Weise überliefert; wir kennen es nur aus dem von dem
berüchtigten Fälscher Antonio Dragoni1 angelegten 'Codex
diplomaticus capituli Cremonensis', der sich jetzt in der
Biblioteca governativa zu Cremona befindet. Wie diese
Provenienz die Urkunde verdächtig macht, so ist sie,
worauf ich bereits an anderer Stelle hingewiesen habe,
auch inhaltlich, so wie sie vorliegt, unhaltbar 2. Findet
sich in ihr mit Bezug auf die Restitution des 'castrum
Redaldiscum' der Satz 'quamque divisionem ipsis canonicis
malo modo et iniuste abstulerat Odelricus eiusdem ecclesie
Cremonensis presul, quamque divisionem iisdem canonicis
pro sua religione et pietate in presenti iterum habendum et
pertinendum (!) dedit dilectus noster donus(!) Hubaldus eius-
dem Cremonensis ecclesie nunc beatissimus episcopus', so
kennzeichnet sich die ungeschickte Fälschung auf das deut-
lichste durch den Widerspruch, in welchem sie mit der
Bischofsreihe von Cremona steht3. Im Febr. 1004 ist noch
Odelrich, der zu Arduin übergegangen war, Bischof von
Cremona, dessen Todestag nicht bekannt ist 4. Sein Nach-
folger war Landulf5, der sich durch eine lange Reihe von
Zeugnissen bis zum 18. März 1030 verfolgen lässt, wo er
zum letzten Mal in einem D. Konrads II. (St. 2001) er-
wähnt wird. Nun erst wurde Hubald, den unsere Urkunde
schon im Jahre 1005 'Cremonensis ecclesie nunc beatissimus
episcopus' nennt, erhoben; ich finde ihn zuerst am 27. Febr.
1031 (St. 2013. 2014).
Ist nun an dieser Stelle einmal die Verfälschung
zweifellos erwiesen, so fehlt es natürlich auch den anderen
sachlichen Angaben der Urkunde, insbesondere dem langen
Güterverzeichnis, an jeder Gewähr, und in ihm finden sich
1) Vgl. über ihn Sickel, Acta Karol. II, 401 und die daselbst an-
gezogene Litteratur. 2) Jahrb. Konrads II. Bd. II, 192, N. 3. 3) Was
die Sache angeht, so vgl. man mit unserem Satze DO. II. 272, St. 2480. 2557
(Acta imp. n. 309). Die letztere Urkunde bestätigt dem Bischof Hubald
'Itadaldisco' und andere Güter 'que omnia ipse tenuit octo dies antequam
imperator postremo Verouaru venisset (1055 Nov.) et sui antecessores
semper tenuerunt'. 4) Vgl. Hirsch I, 237. — Noch die letzte Urkunde,
in der er genannt wird (Muratori, Antt. II, 965), ist ein Placitum, in
dem sein Vogt vor einem missus Arduins erscheint. 5) Robolotti,
Repertorio diplomatico Cremonese n. 125 — 176.
144 Harry Bresslau.
Worte, die zweifellos nicht im Jahre 1005 geschrieben
sein können. Aber für eine vollständige Erfindung darf
das D. darum doch nicht angesehen werden ; dass ein
Schutzbrief für das Capitel im Mai 1005 von Heinrich II.
ausgefertigt worden ist, kann als sicher gelten, auch wenn
wir die jetzt vorliegende Passung desselben als vielleicht
vielfach interpoliert betrachten müssen und nicht mehr
im Stande sind, die Interpolationen sämmtlich mit Sicher-
heit auszuscheiden 1.
Dafür ist beweisend das Protokoll der Urkunde 2,
insbesondere die Datierung 'dat. VI. non. maii anno
dominice incarnationis milesimo quinto, ind. III, anno
vero doni (!) Heirici (!) secundi regis in Italia secundo;
actum Traiecti3; feliciter' ; sie stimmt mit derjenigen von
St. 1402 (Or.) 'anno dominicae incarnationis millesimo V,
indic. II, anno vero domni Heinrici secundi regis III, data
YI. non. mai. ; actum Traiectum; feliciter amen' sachlich
so sehr überein und unterscheidet sich zugleich formell
von ihr so sehr, dass der Gedanke von vornherein aus-
geschlossen ist, Dragoni hätte etwa den Druck dieser
Urkunde benutzt.
Ist aber die Datierung von St. 1403 authentisch, so
erinnert man sich sofort, dass sie mit der oben besprochenen
von 1379 — abgesehen von der immerhin nicht häufigen
apprecatio mit blossem 'feliciter' — insbesondere darin zu-
sammentrifft, dass sie Regierungsjahre 'in Italia' anführt.
Die beiden Diplome sind die einzigen Heinrichs II., in
welchen diese Rechnung nach italienischen Regierungs-
jahren vorkommt, und man wird schon dadurch auf die
Vermuthung geführt, dass sie in irgend welchem Zusammen-
hang stehen. Und diese Vermuthung bestätigt sich in
überraschender Weise bei einer Vergleichung ihrer Texte.
Gleich die Arenga beginnt übereinstimmend:
1379. 1403.
Decet r egalem excel- Decet r egalem excel-
lentiam sibi subditorum lentiam petitionibusillorum
placita deo petentium aures | qui in domo domini destinati
1) So auch Wüstenfeld bei Robolotti a. a. O. S. 204: 'per me e sicuro
che il Dragoni abbia infarcito la sua copia di parecchie interpolazioni di
suo gusto1. Aehnlich ebenda S. 290. 2) Aber auch die Vergleichung
mit dem D. Heinrichs IH. für das Capitel zu Cremona St. 2480, in wel-
chem z. B. in der Arenga einzelne Worte von St. 1403 wiederkehren,
führt zu demselben Ergebnis. 3) Hinter 'Traiecti' hat Dragoni '= Ut-
recht'.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II.
145
sue maiestatis precibus divinis officiis incumbunt,
inclinare. iustis et rationabilibus aures
maiestatis benignas incli-
nare.
Wesentlich gleich lauten ferner die Promulgatio und
der Anfang der Narratio :
1379.
Quocirca omni um sanc-
te dei ecclesie nostro-
rum fidelium presen-
cium scilicet ac futuro-
r u m comperiat universi-
tas, qualiter n o -
stram supplex adiit cel-
situdinem postulans, ut
pro dei amore
. . . preceptalique au c tori-
tat e corroborare dignare-
mur. Cuius dignis peti-
cionibus assensum pre-
b e n t e s. . . .
1403.
Quapropter omnium sanc-
te dei ecclesie fidelium
nostrorumque presen-
tium ac futurorum nove-
rit universitas, qualiter
nostram
s u p p 1 ices a d i erunt c e 1 s i -
tudinem . . . postulantes,
quatinus pro dei caritate . . .
nostra regali aucto-
r i t a t e et tuitione confirmare
et def ensare d i g n a r e m u r.
Eorum igitur iustis et dignis
petitionibus assensum
. . . prebentes.
Ebenso grosse Uebereinstimmungen bestehen in den
Schlussformeln :
1379.
Precipientes itaque re-
gali iubemus potentia,
ut nullus dux episco-
pus marchio com es vi ce-
comes nullaque nostri
regni magna vel parva
persona... de cunctis1 pre-
diis et possessionibus . .
superius colla-
tis aut deinceps conferen-
dis inquietare, mole-
stare vel disvestire pre-
s u m a t.
1403.
Precipimus igitur atque
nostra regali iubemus
potentia, ut nullus dein-
ceps dux episcopus mar-
chio comes aut viceco-
mes nullaque nostri re-
gni magna vel parva
persona de cunc-
tis prediis et possessis
tarn superius collatis
. . . quam in posterum . . .
conferendis . . . inquie-
tare, molestare vel dis-
vestire . . . presumat.
Auch die Strafformel ist in beiden Urkunden ähnlich,
und Wort für Wort gleichlautend ist die Corroboratio :
1) So Campi; 'dictis' BC.
Neues Archiv etc. XX. 10
146 Harry Bresslau.
1379.
Quod utverius creda-
tur et diligencius ab
ornnibus observetur, ma-
nu propria confirman-
tes sigilli nostri impres-
sione inferius iussimus
insigniri.
1403.
Quod utverius creda-
t u r diligentius que a b
ornnibus observetur, ma-
nu propria confirman-
tes sigilli nostri impres-
sione inferius iussimus
insigniri.
Endlich finden sich noch einige kleinere Ueber-
einstimmungen in einzelnen Ausdrücken über den Text
zerstreut, die aber minder hervortreten; sie würden wahr-
scheinlich noch zahlreicher sein, wenn wir noch den echten
Text von 1403 und nicht bloss eine verfälschte Ueber-
arbeitung besässen.
Würde nun der nachgewiesene Zusammenhang beider
Urkunden unter gewöhnlichen Verhältnissen nur zu dem
Schluss führen, dass sie von dem gleichen Schreiber und
Dictator herrühren, so reicht doch in unserem Fall diese
Annahme nicht aus. Denn wir erinnern uns, dass St. 1379
ganz auf einer Vorurkunde Otto's III. beruht; aus ihr
stammen sämmtliche oben angeführte Wendungen; sie
sind also auf das Dictat des Her. D zurückzuführen, der
DO. III. 385 verfasst und mundiert hat.
Diesen selbst aber als den Verfasser und Schreiber
von 1379 und 1403 zu betrachten, geht nicht wohl an,
obwohl er, wie wir oben (S. 128 N. 1) bemerkten, wirklich
auf dem zweiten Römerzuge an einer Urkunde unseres
Königs thätig gewesen ist. Denn erstens wäre es sehr
auffallend, wenn er so je einmal im Jahre 1004 in Italien
für ein placentinisches Kloster, im Jahre 1005 in Deutsch-
land für das Cremoneser Capitel, endlich viele Jahre später
wiederum in Italien für ein Stift zu Como seine Feder
geliehen hätte. Zweitens ist es durchaus unglaublich, dass
ein im Kanzleidienst so erfahrener Mann wie Her. D, der
in den Jahren 998 und 999 im Dienst Otto's III. eine so
grosse Thätigkeit entfaltet hatte 1, die allem Kanzleibrauch
unter Otto2 wie unter Heinrich3 zuwiderlaufende Zählung
1) Vgl. Kehr S. 70. 2) Das von einem ravennatischen Notar ge-
schriebene DO. III. 193 kann natürlich für den Kanzleibrauch nichts be-
weisen. — Wenn unter Otto I. nach dessen erstem Zug nach Italien be-
sondere a. regni in Italien auch in der Kanzlei gezählt werden, so liegt
der Fall ganz anders: der war ja wirklich erst seit 951 Herrscher von
Italien. 3) Dass Heinrich sich schon von 1002, nicht erst von 1004 ab
als König von Italien betrachtet hat, ist zweifellos, und für den Brauch
in seiner Kanzlei beweist es nichts, dass italienische Notare, die dei'selben
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II.
147
besonderer italienischer Regierungs jähre angewandt hätte.
Drittens kehrt von mehreren wirklich individuellen und
charakteristischen Wendungen, in welchen 1403 von 1379
abweicht, keine in den vielen von Her. D verfassten DD.
Otto 's III. oder in dem einen von ihm dictierten D. Hein-
richs II. (St. 1592) wieder. Endlich aber ist in St. 1403
auch eine Wendung von 1379 übergegangen, welche nicht
dem Stil des Her. D angehört, sondern von diesem bei
der Abfassung von DO. III. 385 (der VU. von 1379) aus
der damals benutzten Vorlage, einer Urk. des Bischofs
Siegfried von Piacenza vom J. 1000 (Campi I, 496 n. 63)
entlehnt ist 1.
Unter diesen Umständen scheint uns nur eine Er-
klärung zulässig2: St. 1379 und St. 1403 müssen ungefähr
gleichzeitig von demselben Mann geschrieben sein, der die
erstere Urkunde als Dictatvorlage für 1403 benutzte.
Dann aber kann auch St. 1379 erst im Jahre 1005 voll-
endet sein; und somit gewinnt die Ind. III in beiden,
und das zweite italienische Königs jähr in einer der beiden
Ueberlieferungen dieser Urkunde Sinn und Berechtigung.
Die Bitte um Bestätigung seines Klosters muss natür-
nicht angehören, nach 'anni regni hie in Italia' rechnen. Heinrichs eigent-
liche Kanzlei kennt solche Jahre ebenso wenig wie besondere 'anni regni
in Francia'. Das Eschatokoll von St. 1342, in welchem letztere vorkom-
men, stammt nicht von einem Kanzleibeamten. 1) Man vgl. die fol-
gende Zusammenstellung :
Urk. Siegfrieds,
ut de praescriptis
praediis et
possessionibus
a nobis collatis
iterumque a no-
bis vel a qui-
buseunque re-
ligiosis hominibus
in posier um c o n -
ferendis.
DO. III. 385.
ut ... de ewne-
tis prediis et
possessionibus
auf quibus-
cumque rebus
vel rivulis s u pe-
rius collatis
auf deineeps
conferendis.
St. 1379.
ut ... de eun c-
t i s l prediis
et possessio-
nibus a ut qui-
buscumque re-
bus vel rivulis
superius col-
latis aut de-
ineeps confe-
rendis.
1) So Campi! 'dic-
tis' BC.
St. 1403.
ut . . . de eunc-
tis prediis et
possessis...«H<
quibuscumque
r eb HS et iuribus
tarn
superius col-
latis . . . quam
in posterum . . .
conferendis.
2) Eine andere Möglichkeit wäre diese. Man könnte vermuthen, dass
gleichzeitig mit DO. III. 385 von Otto III. auch eine Urkunde für Cre-
mona ausgestellt wäre, für welche DO. HL 385 als Dictatvorlage gedient
hätte : diese könnte dann 1005 von Heinrich bestätigt worden sein. Allein
damit wäre nur die Uebereinstimmung im Context zwischen 1379 und
1403 erklärt, nicht aber auch ihr Zusammentreffen in der Rechnung nach
'anni regni in Italia' und in der Indiction. Für dieses aber eine andere
Erklärung zu suchen, als für jene, oder hier an einen blossen Zufall zu
denken, scheint uns in Anbetracht aller Verhältnisse unthunlich.
10*
148 Harry Bresslau.
lieh der Bischof von Piacenza schon im Mai 1004 in Locate
gestellt haben, und er wird auch wohl damals schon die
Gewährung derselben vom König erhalten haben. Zwischen
Handlung und Vollendung der Beurkundung ist hier also
der Zeitraum eines vollen Jahres verstrichen, was ange-
sichts mancher ähnlicher Fälle, die für das 10. Jahrh.
bereits nachgewiesen sind, nicht sehr befremden kann1.
Von den Daten von St. 1379 beziehen sich demnach In-
carnationsjahr (1004) und Ort (Locate) auf die Handlung,
Indiction (3) und Regierungsjahr (2 in Italien2) auf die
Beurkundung. Nicht ganz so sicher ist die Beziehung des
Tagesdatums: am 28. Mai kann der König im Jahr 1004
zu Locate 3, wohin die Handlung gehört, gewesen sein,
und im Mai 1005 war er zu Utrecht4, wo die Beurkundung
erfolgte ; der Tag passt also zu der einen ebenso gut wie
zu der anderen. Doch ziehe ich vor, ihn auf die Hand-
lung zu beziehen, da ich es nicht für wahrscheinlich halte,
dass zwischen der Ausstellung von St. 1403, das vom 2. Mai
datiert ist, und derjenigen von St. 1379, das den 28. Mai
aufweist, beinahe ein Monat verflossen ist, wie man an-
nehmen müsste, wenn man das Tagesdatum von St. 1379
als Datum der Beurkundung ansähe. Die Entstehung von
St. 1379 aber kann unter diesen Umständen auf doppelte
Weise erklärt werden. Entweder ist bereits im J. 1004
in Locate ein Blanquet hergerichtet und mit dem Eingangs-
protokoll, vielleicht auch mit Signum- und Recognitions-
Zeile sowie dem Tagesdatum, jedenfalls mit Incarnationsjahr
und Ort versehen, aber erst 1005 ausgefüllt worden. Oder ein
im Jahr 1004 aufgenommener Act, der jene Datierungs-
angaben enthielt, ist 1005 bei der Anfertigung des D. be-
nutzt worden. Von diesen beiden Möglichkeiten ist die
erstere die weitaus wahrscheinlichere; sie erklärt zugleich die
Verschiedenheiten, welche, neben der Uebereinstimmung
der Datierung, in dem Protokoll — sowohl zu Anfang wie
am Schluss — zwischen St. 1379 und 1403 bestehen. Das
Blanquet wäre dann im Jahre 1004 von einein anderen
Schreiber als demjenigen, der 1403 schrieb, hergerichtet
1) Kein volles Jahr, aber doch mehr als 4 Monate hat sich eben
in dieser Zeit auch die Vollendung einer anderen italienischen Urkunde
verzögert. Die Bitte um Ausstellung von St. 1402 für S. Ambrosius zu
Mailand ist, wie in der Urk. selbst gesagt wird, zu Dornburg, also Ende
December 1004 gestellt worden ; die Beurkundung aber ist erst im Mai
1005 zu Utrecht erfolgt-, vgl. Ficker, Beiträge I, 141 f. 2) Unter der
Voraussetzung, dass so zu lesen ist. 3) Vgl. unten S. 150. 4) Vgl.
St. 1402—1405.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 149
und von dem letzteren 1005 mit 1403 zugleich ausgefüllt
worden.
Wie dem nun auch sei, so viel ergiebt sich aus den
vorangehenden Ausführungen, wenn sie Zustimmung finden,
bestimmt, dass wir in St. 1379 ein sehr merkwürdiges Bei-
spiel nicht einheitlicher Datierung vor uns haben. Dass
in einer Urkunde Tag oder Ort oder beide nicht zu den
Jahresangaben passen und auf ein anderes Stadium des
Beurkundungsgeschäftes gehen als jene, das ist jetzt für
so zahlreiche Fälle nachgewiesen, dass Niemand mehr an
einem derartigen "Vorgehen der Kanzlei sonderlich Anstoss
nehmen wird. Dass aber auch von den verschiedenen
Jahresangaben die einen auf die eine, die anderen auf die
andere Stufe der Beurkundung zu beziehen seien, haben
gegenüber Ficker, der bei einer Anzahl von Stücken auch
eine solche Erklärung der ihm aufgefallenen Unregel-
mässigkeiten für zulässig erachtete \ für die Zeiten Ottos II.
und Ottos III. Sickel und Kehr bestimmt und nachdrück-
lich in Abrede gestellt2. Unsere Urkunde, in der die Be-
ziehung des Incarnationsjahres einerseits, die der Indiction
und wahrscheinlich auch des Regierungs Jahres andererseits
auseinanderfallen, giebt nun, wenn unsere Erklärung an-
genommen wird, auch hierfür einen Beleg, den wir später
in entsprechenden Fällen zu beachten haben werden3.
Nach Erledigung dieser Frage haben wir in Betreff
der auf dem ersten Zug nach Italien ausgestellten Urkunden
nur noch wenige Bemerkungen zu machen. Einige Be-
denken erweckt die Datierung von St. 1378, Pavia Mai 25 4,
für Mont-Amiate. Nach Thietmar VI, 8 (6), hätte der König
Pavia gleich nach dem Brande der Stadt — also wohl noch
am 15. Mai — verlassen und sich in das feste Peterskloster
zurückgezogen. Dass die Kanzlei eine von hier ausgestellte
Urkunde von Pavia datiert hätte, wäre an sich nicht be-
fremdlich; auffallend ist aber, dass Heinrich hier noch
am 25. Mai gewesen sein soll. Denn von S. Pietro ging
der König nach Pontelungo, wo er einen Tag mit den
Lombarden abhielt und ihre Huldigung entgegennahm5,
von dort begab er sich zu kurzem Besuch nach Mailand
und kehrte dann nach Pontelungo zurück. Auf dem Wege
von Pontelungo nach Mailand — wenn nicht gar auf dem
1) Beiträge z. Urkundenlehre I, 211 f. 2) Sickel, Mitth. d. Instit.
f. österr. Geschichtsf., Ergänz.-Bd. II, 166 ff.; Kehr S.218, N.3. 3) Ein
andersartiges Beispiel von Divergenzen in den Jahresangaben giebt die
oben S. 140, N. 3 erwähnte Neuausfertigung von St. 1367 für Peterlingeu.
4) Vgl. Hirsch I, 310. 5) Thietmar VI, 9 (7).
150 Harry Bresslau.
Rückwege von dort nach Pontelungo — muss nun der
durch St. 1379 bezeugte Aufenthalt zu Locate stattgefunden
haben. Fiel dieser Aufenthalt auf den 28. Mai, wie wir
oben annahmen, so blieben für den ersten Aufenthalt in
Pontelungo nur etwa zwei Tage. Endlich ist der König
schon am 31. Mai in Ehö nördlich von Mailand (St. 1380.
1381) offenbar auf dem Rückmarsch nach Deutschland; wir
hätten also, wenn die Datierung in St. 1378 einheitlich
ist, für alle diese Begebenheiten höchstens 6 Tage zur
Verfügung. Nun will ich nicht behaupten, dass sie in
dieser kurzen Frist unmöglich hätten ablaufen können —
wir sind ja über das, was mit den Lombarden in Ponte-
lungo, abgesehen von der Huldigung, verhandelt wurde,
nicht näher unterrichtet — aber jedenfalls ist unter diesen
Umständen ein Zweifel daran naheliegend, ob die Datierung
von St. 1378 einheitlich ist, oder ob vielmehr bloss die
Handlung nach Pavia gehört, die Beurkundung aber
anderswo, vielleicht zu Pontelungo am 25. Mai statt-
gefunden hat 1. Wir werden also den Ansatz der Datierung
von St. 1378 wiederum so geben: Pavia — ? 1004 Mai 25.
Damit wollen wir sagen : die Ausfertigung unserer Urkunde
ist am 25. Mai 1004 erfolgt, die Handlung fand in Pavia
statt. Ob der König am 25. Mai noch in Pavia war, ist
uns zweifelhaft, wenn wir es auch nicht mit voller Be-
stimmtheit in Abrede stellen können.
Das Itinerar des Rückmarsches Heinrichs aus Italien
macht, soweit es sich um die Bestimmung der Reiseroute
handelt, keine Schwierigkeiten mehr, seit G-. v. Wyss fest-
gestellt hat 2, dass der König über den Lukmanier ge-
gangen und dass unter dem bei Thietmar VI, 9 (7) ge-
nannten Orte 'Gronimo' ('Chromo' bei Adalbold) Grnmo
unweit Cadempino im Agnothal zu verstehen ist. Hier
hat der König nach Thietmar Pfingsten gefeiert und vom
1) Denkbar wäre sogar noch etwas anderes. Es fällt nämlich auf,
dass auch die St. 1378 zuletzt vorangehende Urkunde für Montamiate,
DO. III. 202 vom Jahr 996, dasselbe Tagesdatum — 25. Mai — bietet.
Dass dies Stück mit anderen älteren Privilegien des Klosters der Kanzlei
eingereicht wurde, als Abt AVinizo sich 1004 eine Bestätigung der Güter
und Rechte seines Klosters erbat, ist höchst wahrscheinlich. Nun hat
zwar Her. E dies von Her. B geschriebene Stück nicht eigentlich als
Dictatvorlage benutzt, aber es wäre doch nicht undenkbar, dass irgendwie das
Datum desselben auf sein eigenes Schriftstück eingewirkt hätte oder durch
ein Verseheu in das letztere übergegangen wäre. Ohne das auch nur als
wahrscheinlich zu bezeichnen, haben wir doch nicht unterlassen wollen,
auf das eigenthümliche Verhältnis aufmerksam zu machen. 2) Anzeiger
f. schweizer. Gesch. 1887, n. 2 und 3, S. 41 f.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 151
ersten Pfmgsttage (4. Juni) ist auch St. 1382 für San Pietro
in Cielo d'oro datiert, das Cadempino als Ausstellort nennt.
Obwohl bei der geringen Entfernung beider Orte von ein-
ander, die nur etwa zwei Kilometer beträgt, ein Besuch
beider an einem Tage an sich sehr wohl möglich ist, kann
man doch zweifeln, ob der König am Pfingsttage selbst
gereist sei. Und da nun in St. 1382 das Tagesdatum nach-
getragen zu sein scheint, liegt es nahe anzunehmen, das-
selbe auf die in Grumo erfolgte Vollziehung der Urkunde
zu beziehen, während die Handlung oder die früheren
Stadien der Beurkundung nach Cadempino fallen werden.
Daran, dass Heinrich am 12. Juni noch in Locarno (St. 1383.
1384), am 17. schon in Zürich (St. 1385. 1386) Urkunden
soll, hat v. Wyss keinen Anstoss genommen; vielmehr be-
merkt er ausdrücklich, dass der König in 4 — -5 Tagen
diesen Weg zurückgelegt haben müsse. Darf man aber
an eine solche Marschleistung glauben?1 Zur Bewältigung
der Strecke Bellinzona-Chur ist, wie v. Wyss bemerkt, bei
dem heutigen Stand der Dinge, d. h. auf guter Kunst-
strasse, nach den Angaben der Reisehandbücher eine Zeit
von 32Y2 Stunden erforderlich; noch von Biasca — etwa
20 Kilometer hinter Bellinzona — aus gebraucht für die-
selbe die sehr schnell fahrende Schweizer Post etwas
weniger als 16 Stunden. Wir werden wohl nicht an-
nehmen dürfen, dass der König weniger als drei Tage
darauf verwandt habe 2. Dazu kommen dann noch die
1) Das Itinerar Otto's I., der anfangs 965 ebenfalls über den Luk-
manier gezogen ist (vgl. v. Wyss, Anzeiger f. Schweiz. Gesch. 1884, n. 4,
S. 292), giebt keine sicheren Anhaltspunkte zur Entscheidung der Frage.
Wir wissen nur, dass der Kaiser am 3. Jan. in Mailand war und dass er
am 13. in Ohur eintraf (Dümmler S. 369). Aber weder die Zeit seines
Aufbruchs von Mailand noch die seiner Ankunft an irgend einem Punkt
zwischen dort und Chur ist uns bekannt. Am 18. ist Otto dann in St. Gallen,
am 23. in Reichenau gewesen, in jedem Fall also langsamer gereist als
Heinrich II. im Jahre 1004. — Auch der Zug Otto's I. von 952 über
den Septimer, also auf der Route Como - Chur - Zürich setzt keine so
grosse Schnelligkeit voraus, wie der Heinrichs : Otto war am 15. Febr. in
Como, am 1. März in Zürich (DO. I. 145. 146), kann also, wenn der Auf-
bruch von Como etwa am 16. erfolgt ist, auf eine annähernd gleich lange
Strecke wie diejenige Locarno - Chur - Zürich 13 Tage verwandt haben. —
Im Aug. 972 haben wir für die Septimerroute Pavia - St. Gallen ebenfalls
13 Tage zur Verfügung (Dümmler S. 488). — Friedrichs I. Zug über den
Lukmanier 1164 bietet für die Strecke Varese - Disentis einen Spielraum
von 3—4 Tagen, St. 4031. 4034. 2) Drei Tagereisen rechnet Albert
von Stade, SS. XVI, 340, im 13. Jahrh. auf die Gotthardstrecke Bellin-
zona - Luzern. Die Schweizer Post gebrauchte früher für die Strecke
Flüelen - Bellinzona 14l/2 Stunden, wozu dann noch die Seestrecke Flüelen-
Luzern kommt. Danach dürfte der obige Ansatz gerechtfertigt erscheinen.
152 Harry Bresslau.
Strecken Locarno - Bellinzona (Eisenbaknroute 22 Kilom.)
und Ckur-Züricli (Eisenbahnroute über Weesen-Rapperswyl
129 Kilom., über Weesen-Richtersweil 119 Kilom.). Nehmen
wir nun an, dass Heinrich noch am 12. nach Aus-
fertigung- von St. 1383. 1384 am Abend nach Bellinzona
gelangt sei, am 13., 14. und 15. die eigentliche Bergstrecke
zurückgelegt habe, so blieben für die mindestens 120 Kilom.
lange Strecke Chur- Zürich, ohne die Möglichkeit, einen
Rasttag in Chur in die Rechnung einzustellen, noch der
16. und allenfalls ein Theil des 17. Juni übrig. An eine
so ungewöhnliche Leistung 1 unmittelbar nach drei an-
strengenden Reisetagen im Gebirge glauben wir nicht,
zumal da ganz unerklärlich wäre, warum der König von
Locarno ab plötzlich ein so ausserordentlich beschleunigtes
Tempo eingeschlagen hätte, nachdem er bis dahin (Rhö
31. Mai — Locarno 12. Juni) in aller Gemächlichkeit mar-
schiert wäre. Alle Schwierigkeit verschwindet, wenn wir
die Datierung in St. 1383. 1384 als nicht einheitlich be-
trachten, die Handlung nach Locarno, den Abschluss der
Beurkundung am 12. Juni auf eine spätere Station — etwa
Disentis oder vielleicht schon Chur — verlegen. Da die
beiden DD. nur abschriftlich überliefert sind , lässt sich
diese Annahme durch den Schriftbefund nicht stützen, ent-
gegen aber steht ihr nichts.
Nach der Rückkehr des Königs aus Italien fand sich
Ende Juni 1004 EA noch einmal bei Hofe ein; St. 1387
für St. Cyriacus zu Sulzberg ist zwar von EB geschrieben,
aber ganz von EA dictiert. Auch die zwei nächsten nur
abschriftlich erhaltenen DD. St. 1388. 1389 für Andlau
und Basel zeigen Spuren seines Dictats, die aber auch durch
Benutzung von 1387 als Vorlage erklärt werden können,
so dass die beiden Stücke nicht nothwendig von EA selbst
verfasst sein müssen. Die Corroboratio beider Urkunden
weicht von den Gewohnheiten des EA ab ; in 1388 bietet
sie eine ganz singulare Wendung, in 1389 entspricht sie
vollkommen den Gewohnheiten des EB, und dass EB dies
Stück geschrieben hat, beweist eine uns erhaltene Nach-
Auch der Uebergang über den Septimer, den Heinrich VI. im Jahre 1191
gemacht hat, scheint von Chur bis Chiavenna etwa drei Tage gedauert zu
haben. St. 4862. 4863. 1) Dass Otto III. im Jahre 995 die etwa
130 Kilom. lange Strecke Havelberg-Quedlinburg vom 6. — 8. October zurück-
gelegt habe, hält Sickel, Mitth. d. Inst. f. österr. Geschichtsforsch. XII, 388
für möglich (vgl. zu DO. III. 173), bezeichnet das aber schon als ausser-
ordentliche Leistung. In unserem Falle wäre für eine wenig kürzere
Strecke noch ein Tag weniger zur Verfügung.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 153
Zeichnung aus dem 16. Jahrh. Aber auch für 1388 ist
nach dem Eschatokoll Mundierung durch EB wahrschein-
lich. Demnächst verschwindet EA für lange Jahre völlig
aus der Kanzlei; nur noch eine einzige Urkunde aus dem
Jahre 1015 (St. 1658 für St. Bertin) zeigt unverkennbar
sein Dictat. Man könnte geneigt sein, diese Thatsache so
zu erklären, dass man 1658 als Wiederholung eines ver-
lorenen, von EA verfassten D. aus den Jahren 1002 — 1004
ansieht. Jedoch entspricht auch im Eschatokoll von 1658
das Fehlen der Apprecatio durchaus dem Gebrauch des
EA, so dass ich diesen auch als Schreiber der Urkunde
betrachten möchte. Und ungewöhnlich ist es durchaus
nicht, dass ein früherer Kanzleibeamter längere Zeit nach
seinem Austritt aus dem Dienst bei gelegentlichem Auf-
enthalt am Hof sich noch einmal in der Kanzlei nützlich
macht : wir werden dafür noch weitere Beispiele kennen
lernen.
An Stelle des ausgeschiedenen EA treten wahrschein-
lich gleichzeitig mit einander zwei neue Notare in die
Kanzlei ein, die wir mit den Chiffren E(gilbert) C und
E(gilbert) D bezeichnen ; es sind dieselben, die Bayer in
den Kaiserurkk. in Abbildungen zu Lief. IV, Taf. 10 und
Lief. VI, Taf. 1 besprochen hat. Bayer ist allerdings der
Meinung, dass EC schon im Nov. 1002 eine Urkunde für
Tegernsee (St. 1330) geschrieben habe und nimmt also, da
er ihm danach erst wieder St. 1402 beilegt, eine mehr-
jährige Pause in seiner Thätigkeit an. Nun hat Bayer
gewiss gegen Stumpf, der 1330 für verdächtig erklärt
hatte, darin Becht, dass dies Stück echt ist 1 ; und ebenso
richtig hat er dasselbe dem EC zugewiesen, dessen Schrift
und Dictat unverkennbar sind. Nur darin weichen wir
von Bayer ab, dass wir bestreiten, dass 1330 im Jahre 1002
bereits entstanden sei. Denn nach unserer Meinung verbieten
diese Ansetzung Schrift und Stil der Urkunde. Wie so manche
andere Notare der Kanzlei, hat nämlich auch EC weder
als Dictator noch als Ingrossist die Gewohnheiten, die uns
in seinen ersten Urkunden entgegentreten, unverändert
beibehalten, sondern er hat in beiden Beziehungen eine
fortschreitende Entwicklung durchgemacht, die sich an den
1) An dem Siegel ist allerdings nachträglich auf der Rückseite
vielleicht manipuliert worden. In welcher Weise und zu welchem Zweck
das geschehen ist, lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit bestimmen.
Gegen die ursprüngliche, so viel sich erkennen lässt, völlig kanzleimässige
Besiegelung des Stückes lässt sich aus dieser nachträglichen Manipulation
kein Verdacht ableiten.
154 Harry Bresslau.
von ihm geschriebenen und verfassten Diplomen genau
verfolgen lässt. Leider sind wir nicht im Stande, die all-
mähliche Umbildung seiner Schrift durch eine ausreichende
Zahl guter Facsimiles vollständig zu veranschaulichen: die
beiden Abbildungen von St. 1434 und 1437 im Chron.
Gotwicense I, 229 und im Neuen Lausitzer Magazin Bd. 30
sind recht mangelhaft; und das Facsirnile von St. 1651 in
den Kaiserurkunden in Abbildungen gehört erst der aller-
letzten Zeit des Notars an. So müssen wir uns darauf
beschränken, das wesentlichste und leichtest erkennbare
hervorzuheben. Das Chrismon. das EC in seinen ersten
Urkunden — auch in 1434. 1437 — anwendet, ist voll-
ständig verschieden von demjenigen der späteren, wie es
in 1651 zu sehen ist. Die Umbildung beginnt in 1458. 1462;
ganz fertig liegt die zweite Form zuerst vor in St. 1508.
1513. 1515, und mit dieser stimmt das Chrismon von 1330
überein. Ebenso hat EC zwei Formen für das Königs-
monogramm; sie unterscheiden sich durch die Stel-
lung des S; die ältere Form ist in St. 1434. 1437 zu er-
kennen 1 ; die zweite, in der das S ebenso gestellt ist wie
in dem Kaisermonogramm von St. 1651, so dass es genügt,
auf dessen Abbildung zu verweisen, kommt zum ersten
Mal vor in St. 1508. 1513. 1515 und dann in allen sjmteren
Stücken: und diese nun findet sich wiederum in St. 1330.
Den Buchstaben a der verlängerten Schrift bildet EC
zuerst, so wie er in 1434. 1437 dargestellt ist; später so,
dass er den zweiten Bogen unter die Zeile zieht, wie in
St. 1651: die zweite Form, die zuerst in 1458 begegnet,
ist in 1330 schon vorhanden. Bei dem c der verlängerten
Schrift macht der Notar Aufsätze in der Gestalt, wie sie
auf dem Facsimile von 1651 sichtbar sind, gleichfalls zuerst
in 1458 2; in 1330 kommen sie schon ebenso vor. Eine Form
der langen s, die in den späteren Urkunden häufig ist — die
Schnörkel oben mehrmals durch den Vertikalstrich durch-
gezogen — fehlt in den ältesten Diplomen des EC fast völlig
— vgl. 1434. 1437 — ; erst mit St. 1513 kommt sie öfter vor,
und hier wiederum entspricht 1330 den späteren Stücken. Das
alles (und es Hesse sich noch mehr anführen) 3 kann nicht
auf Zufall beruhen : es ist nicht anders zu erklären, als dass
1) Sie entspricht in Bezug auf die Stellung des S der dem EB
geläufigen Form, KU. i. A. IX, 13. 2) In den früheren Stücken ist
die Form der Aufsätze eine wesentlich verschiedene. 3) So z. B. ein
Orthographicum. In St. 1402. 1434. 1437 schreibt EC 'archicapellaui', in
1458 zuerst (unter dem Einfluss des ED) und so in allen folgenden Stücken
'archicappellani'. Das doppelte p steht aber auch schon in 1330.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 155
1330 erst der späteren Zeit des EC angehört. Wer aber
daran noch zweifelte, den würde die vollständige Ueber-
einstimmung des Dictats von 1330 und 1515 überzeugen:
sie kann nicht auf Benutzung von 1330 in 1515 beruhen,
da jenes eine kürzere und, soweit kürzer, ungewöhnlichere
Fassung derselben Formeln enthält, die wir in 1515 finden,
und sie lässt also keine andere Erklärung zu, als dass
1330 ungefähr gleichzeitig mit 1515 und unter Benutzung
dieses Diploms entstanden ist.
Wie man nun dazu gekommen ist, ein im Jahre 1009
entstandenes Diplom vom Jahre 1002 zu datieren und
demgemäss auch auf den Namen des 1002 regierenden,
aber schon 1003 abgesetzten Abtes Eberhard zu stellen,
das begreift sich wohl am einfachsten, wenn wir 1330 als
Neuausfertigung eines im Jahre 1002 für Eberhard aus-
gestellten Diploms betrachten dürften. Dass aber 1330
eine solche Neuausfertigung darstellt, dafür spricht ins-
besondere seine Datierung. Sie ist zwar, wie das ganze
D., von EC geschrieben, stimmt aber im übrigen nicht
mit seinen späteren Gewohnheiten, sondern genau mit
denen des EB überein und ist einer Urkunde des letzteren
nachgeahmt. Ich veranschauliche das durch einen palaeo-
graphischen Abdruck der Datumszeilen von 1329 (EB),
1330 (EC nach Vorlage von EB) ; 1515JEC).
1329: data. II ID XOV. anno dorn incarii. MII. indict.
I. anno ü domni Heinrici reg. I . actum radesbone.
1330: data II. ID Nou. anno dorn incarn. MII. indict.
I. anno ü domni Heinrici reg. I. actum radesbone.
1515: data XI. kl PTN. indict VII. anno diiicae
incarnt Mill Villi. Anno v döni Heinrici scdi regnt.
VII. actum Ratisbone. feliciter AMEN.
Bemerkt man hier bis in kleinste Einzelheiten hinein
die Uebereinstimmung zwischen 1329 und 1330, so will
ich insbesondere auf zwei Umstände hinweisen: St. 1330
ist von allen Urkunden des EC die einzige, in welcher
hinter dem Namen des Königs in der Datumzeile die
Ordinalzahl 'secundi' und am Schluss der Zeile die Appre-
cation fehlt: beides aber entspricht den Gewohnheiten
des EB.
Vielleicht lässt sich sogar noch etwas mehr über die
Urkunde, deren Neuausfertigung St. 1330 sein kann, er-
mitteln. Die Untersuchung dieses Diploms compliciert sich
nämlich durch zwei andere Umstände. Einmal haben wir
über die in ihm verfügte Schenkung von zwei Hufen zu
Loiben an Tegernsee noch ein anderes DH. IL, St. 1715,
156 Harry Bresslau.
vom Jahre 1019 1. Dieses, in seinem Dictat ganz ab-
weichend, unterscheidet sich von St. 1330 sachlich in fünf
Punkten. Erstens werden die Kaiserin Kunigunde und der
Abt Godehard von Altaich als Intervenierten genannt.
Zweitens wird die Lage der beiden Mansen in Loiben
näher bestimmt durch den Zusatz 'inter duos lapides
Watstein et Holinstein'. Drittens ist die nähere Bestim-
mung der Lage von Loiben selbst (1330: 'in Oriente in
loco Liupna nuncupato iuxta Danubium in comitatu
Heinrici) fortgelassen. Viertens ist eine Pertinenzformel
hinzugefügt, die in 1330 fehlt. Fünftens endlich ist die
in 1330 stehende Angabe, dass die Schenkung 'in manus
Ebarhardi abbatis' erfolgt sei, fortgelassen und auch nicht
durch die Nennung des 1019 regierenden Abtes ersetzt.
Sodann aber haben wir in den späteren Tegernseeer Chro-
niken urkundliche Excerpte, welche wir bei der Unter-
suchung von 1330 nicht ausser Acht lassen dürfen. In
beide Chroniken, die uns vorliegen, diejenige, welche bei
Pez, Thesaurus anecdotorum tom. III, pars 3, und diejenige,
welche bei Oefele, SS. rer. Baioar. tom. II, gedruckt ist,
sind sowohl Auszüge aus einer Urkunde von 1002 wie aus
der von 1019 aufgenommen. Die Excerpte aus der letzteren
sind kurz und geben zu keinen Bedenken Veranlassung.
Die Auszüge aus der ersteren dagegen passen zu 1330
nicht. Die Chronik bei Oefele (II, 69) schreibt : 'Sub hoc
abbate (Eberhardo) S. Heinricus imperator cum S. Kuni-
gunda coniuge interventu S. Gothardi dederunt monasterio
duos regales mansos in Leuben Austriae'. Die Intervention
Godehards und Kunigundens 2 wird, wie wir eben sahen,
nicht in 1330, wohl aber in 1715 erwähnt, auch wird der
geschenkte Besitz wohl in 1715 als 'duo regales mansi', in
1330 aber als 'duae hobae' bezeichnet. In der Chronik
bei Pez (III, 3, 506) heisst es: 'primo electionis suae (Heinrici)
anno, qui est ab incarnatione domini millesimus secundus,
accepimus a gratia eius interventu s. Godhardi abbatis et
s. Kunegundis reginae per manus domini Eberhardi
abbatis duos regales mansos in Leuben in Oriente . . ,
iuxta Danubium inter duos lapides Battscltein3 et Hosestain1
1) Bayer, KU. i. A., Text S. 68 m hält 1715 für Nachzeichnung nach
einem Original von der Hand des von ihm mit GH bezeichneten Notars.
Wir haben uns nach wiederholter Prüfung für die Originalität des Stückes
entschieden. Seine Echtheit scheint auch Bayer nicht zu bezweifeln.
2) Godehard wird in 1330 gar nicht genannt; von Kunigunde ist nur
insofern die Rede, als die Schenkung zu ihrem Seelenheil gemacht wird.
3) Lies: 'Battstem. 4) Lies 'Holestain'.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 157
cum aedificiis cultis et incultis pratis pascuis sylvis viis et inviis
exitibus et reditibus aquis aquarumve decussibus piscationibus
quaesitis et inquirendis'. Hier stehen die gesperrt gedruckten
Worte in 1330 und fehlen in 1715, die cursiv gedruckten
stehen in 1715 und fehlen in 1330.
Nun liegt es ja zuvörderst nahe anzunehmen, die
Excerptoren hätten bei ihrem Excerpt der Urkunde von
1002 (St. 1330) gleich diejenige von 1017 (St. 1715) mit heran-
gezogen und ans ihr ergänzt, was im Text von 1330 zu
fehlen schien. Aber wenn wir das in Bezug auf die nähere
Bestimmung der Schenkung an sich für sehr wohl möglich
halten würden, so will es uns doch in Bezug auf die
Intervention nicht als wahrscheinlich erscheinen; es ist
nicht abzusehen, warum die Chronisten 1, da sie doch beider
Urkunden gedenken, auch die Intervention Kunigundens
und G-odehards aus der zweiten in die erste übertragen
haben sollten. Und so halten wir es denn, wenn nicht
für wahrscheinlich, so wenigstens für möglich, dass den
Chronisten noch eine andere Fassung der Urkunde von
1002 vorgelegen hat, als die uns in St. 1330 erhaltene2.
Tegernsee hätte also, wenn diese Vermuthung zutrifft,
wirklich bereits im Jahre 1002 zwei Vergünstigungen er-
beten und erhalten: 1. das Geschenk eines Hofes in Ree'ens-
1) Vielleicht hat übrigens nur einer derselben die Urkk. direct be-
nutzt, der jüngere aus dem älteren geschöpft. Ich habe eine Unter-
suchung über die Beziehungen der Tegernseeer Chroniken zu einander
nicht angestellt, da ihr Ertrag für unsere Zwecke in keinem Verhältnis
zu dem Aufwand an Zeit und Mühe gestanden hätte, den sie erfordert
haben würde. 2) Zur Unterstützung dieser Vermuthung lassen sich
noch einige andere Umstände anführen. Wenn der Tegernseeer Chronist
den Auszug, den er giebt, nicht einer verlorenen Urkunde von 1002 ent-
nahm, niüsste er ihn aus St. 1330 und 1715 combiniert haben. Nun hat
Kunigunde in 1330 gar keinen Titel, in St. 1715 heisst sie 'imperatrix' —
in dem Extract aber für das Jahr 1002 zutreffend 'regina1. Die Pertinenz-
formel fehlt in 1330 ganz, in 1715 (Or.) bietet sie die ungewöhnliche
Fassung 'aquis aquarumve cursibus', der Chronist schreibt 'aquis aqua-
rumque decursibus' ('decussibus' bei Pez ist gewiss nur Druckfehler).
In beiden Fällen hätte der Chronist, wenn er nur 1330 und 1715 kannte,
seine Vorlagen berichtigt ; besonders die letztere Emendation wäre auf-
fallend ; der Chronist müsste sich geradezu mit dem Formelwesen der
Urkunden beschäftigt haben, um das ungewöhnliche 'cursibus' durch das
gebräuchliche 'decursibus' ersetzen zu können. Endlich : übereinstimmend
bieten der Chronist und 1715 'aedificiis, cultis et incultis' und lassen vor
'cultis' das übliche 'terris' fort. Das "Wort fehlt sonst in keiner Urkunde
des Notars, der 1715 verfasst hat; sein Fehlen in 1715 erklärt sich aber
leicht, wenn es auch in der von uns präsumierten Urkunde von 1002
nicht stand, die sowohl der Chronist wie der Verfasser von 1715 benutzt
haben.
158 Harry Bresslau.
bürg. 2. dasjenige zweier Königshufen in Loiben. Das
erstere wurde durch St. 1329 verbrieft, eine Urkunde,
welche ausserhalb der Kanzlei entworfen und mundiert,
in Stil und Schrift ganz ungewöhnliche und mehrfach an-
stössige Formen, insbesondere einen ganz abnormen Titel
aufweist, dessen ungeachtet aber unzweifelhaft echt ist,
da sie von EB mit dem Eschatokoll versehen wurde 1.
Erhielt das Kloster gleichzeitig eine Urkunde über Loiben,
so ist es durchaus wahrscheinlich, dass diese die gleichen
Formen zeigte. Und darin könnte denn vielleicht der
Grund der Neuausfertigung von 1009 gesucht werden.
War etwa das Kloster im Jahre 1009 in der Lage, aus
irgend welchen Gründen, die wir nicht errathen können,
die Loibener Urkunde damals bei Hofe vorzulegen, so ist
es nicht undenkbar, dass man hier an der Form Anstoss
nahm und die Mönche sich dadurch veranlasst gesehen
hätten, eine Neuausfertigung nachzusuchen. Damit wäre
EC beauftragt worden. Indem dieser das ihm übertragene
Geschäft sehr eilig erledigte — von der Eile bei der Her-
stellung von 1330 zeugt schon die sehr flüchtige Schrift - —
verkürzte er den Text durch Fortlassung alles dessen, was
ihm unwesentlich erscheinen mochte, d. h. der Interventions-
formel, der näheren Angaben über die Lage der beiden
Mausen und der Pertinenzformel : ungeändert entnahm er
der Vorlage nur die Datierung. Diese Auslassungen könnten
dann endlich die Tegernseer bewogen haben, im Jahre 1018 3
die Kanzlei nochmals um eine Wiederholung jener Schen-
kung anzugehen, welche sie in St. 1715 erhielten4.
Diese Annahmen sehen coniplicierter aus, als sie wirk-
lich sind : nichts in ihnen ist an sich unwahrscheinlich
oder widerspricht dem, was wir etwa über das Verfahren
1) Vgl. Bayer, KU. i. A. Text S. 68 d. 2) Ebenso ist an der
Form der Corroboration die Eile, mit der 1330 hergestellt wurde, erkenn-
bar; 'et ut haec nostrae donationis auctoritas stabilis permaneat' sagt EC
sonst in keinem Fall, sondern immer 'e. u. b. n. donationis (oder largi-
tionis oder dgl.) auctoritas stabüis et inconvulsa omni permaneat
tempore1 oder 'iugiter' oder 'in aeternum permaneat'. Aucb die
Uebertragungsformel ist kürzer als in den meisten Urkunden des EC. 3) Die
Handlung des am 9. Jan. 1019 ausgefertigten D. St. 1715 dürfte noch in
1018 fallen. 4) Der Gedanke, dass in St. 1715 zwei weitere Mansen
in Loiben den schon früher geschenkten hinzugefügt wären, ist auszu-
schliessen. Nach beiden Tegernseeer Chronisten handelt es sich 1002 und
1018 (1019) um dieselbe Besitzung ; und da diese Güter in Loiben noch
zu ihrer Zeit im Besitz des Klosters waren — sie haben demselben bis
1806 gehört, vgl. v. Meiller, Reg. der Babenberger S. 193 — so konnten
sie darüber unterrichtet sein ; es ist also kein Grund, ihre Angabe zu be-
zweifeln.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 159
bei der Anfertigung' von Urkunden dieser Zeit anzunehmen
berechtigt sind. Freilich ist auch eine andere Erklärung-
denkbar. War etwa die Schenkung von Loiben 1002 zwar
erbeten, aber nicht bewilligt, erfolgte sie wirklich erst
1009, so könnte man sie damals aus irgend welchem Grunde
zurückdatiert und die Datierung, sowie den Namen des
Abtes aus St. 1329 entlehnt haben. Das Verhältnis der
Chronikentexte zu unseren Urkunden wird freilich durch
diese Deutung, wie mir scheint, weniger befriedigend er-
klärt, als durch die zuerst vorgeschlagene.
Wenn ich Vermuthungen, wie die eben dargelegten,
zur Erwägung stelle, so geschieht das, weil ich die Pflicht
habe, mich nach Versuchen zur Erklärung der vielfach
sehr auffälligen Erscheinungen umzuthun, die wir bei der
Ausgabe der Urkunden Heinrichs II. zu constatieren haben.
Vielleicht mag es Anderen gelingen, noch andere Erklä-
rungen derselben zu finden. Von solchen Vermuthungen
ist aber scharf zu scheiden, was ich auf Grund der Unter-
suchung von Schrift und Stil mit Sicherheit behaupten zu
können meine. Und als sicher betrachte ich, dass St. 1330
nicht im Jahre 1002, sondern erheblich später, als höchst
wahrscheinlich, dass es erst 1009 geschrieben ist. Das
Diplom darf deshalb nicht als ein Zeugnis dafür betrachtet
werden, dass EC schon im Jahre 1002 dem Personal der
Kanzlei angehört habe.
Die älteste Urkunde, bei der wir danach seine Mit-
wirkung vermuthen, ist St. 1393; ganz sicher gestellt ist
sie bei St. 1396, wo er die Worte: 'actum Magadaburch'
geschrieben hat K Mit St. 1393 aber steht es folgender-
massen. Schon Erben2 hat mit vollem Recht darauf auf-
merksam gemacht, dass zwischen der Schrift des EC und
derjenigen eines unter Otto mehrfach begegnenden Schrei-
bers, den er als HH bezeichnet, grosse Aehnlichkeit be-
steht; sie tritt namentlich in den ersten von EC geschrie-
benen Urkk., besonders deutlich in dem von Erben nicht
angeführten D. für S. Ambrogio St. 1402 hervor. Nun
zeigt sich aber weiter diese Aehnlichkeit auch im Dictat;
gewisse, der Urkundensprache Otto's III. geläufige Formen,
wie die Construction des accusativus cum infinitivo nach
1) S. die Vorbemerkung zu dieser Urkunde. 2) Mitth. d. Inst,
f. österr. Geschichtsforschung XIII, 571. — Von einer Einwirkung des
unter Otto III. thätigen Notars HI auf die Kanzleibeamten Heinrichs II.,
wie sie Erben a. a. O. vermuthet, haben wir, abgesehen von St. 1317,
dessen Schrift, wie Erben bemerkt hat, gewisse Aehnlichkeiten mit der
des HI aufweist, bisher keine Spur gefunden.
160 Harry Bresslau.
dem Verbum des Verkündigens in der Publicatio, die häu-
fige Anwendung des abl. gerundivi (concedendo donamus
u. dgl.), die auch HH bietet u. a. m., sind eigentlich erst
durch EC in die Kanzlei Heinrichs eingeführt worden.
Dass nun diese Formen auch in 1393 vorkommen, würde
uns noch nicht bestimmen, dies D. dem EC beizulegen,
denn 1393 ist nicht ganz frei stilisiert, sondern schliesst
sich grossentheils an DO. III. 222 an und könnte jene
Wendungen daher übernommen haben. Mehr Veranlassung
giebt aber die Arenga von 1393, EC als den Verfasser
dieses Stückes zu betrachten. Sie ist der VU. nicht ent-
nommen, sondern frei componiert, und sie entspricht in
Gedanken und auch in einigen Ausdrücken dem Stil des
HH \ während es doch aus vielen Gründen ausgeschlossen
erscheint, dass dieser selbst der Verf. von 1393 gewesen
wäre. Und um ihretwillen halten wir es für wahrschein-
lich, dass EC, den wir mit Erben als einen Schüler des
HH"-' betrachten, am Dictat von 1393 bereits in irgend
welcher Weise betheiligt war.
Trifft diese Annahme zu, so würden, soweit unsere
Kenntnis reicht, EC und ED fast vollkommen gleichzeitig
im October 1004 in den Kanzleidienst eing-etreten sein.
Ganz sicher ist sie freilich nicht ; und wenn man nur auf
ganz feststehende Thatsachen sich berufen will, so wäre
1) Vgl. die Arengen von DO. II. 300, DO. III. 189, St. 1452.
2) Ob übrigens HH jemals eigentlicher Kanzleibeamter gewesen ist, er-
scheint zweifelhaft (vgl. für das folgende Erben a. a. O. S. 567 ff.). Er hat
unter Otto II. einmal eine Urkunde für Mainz (DO. II. 306) verfasst,
während er sonst in dessen Kanzlei nicht nachweisbar ist. Unter Otto III.
hat er D. 132 nach Dictat des HF, D. 146 nach eigenem Dictat mundiert,
D. 189 und 249 verfasst und einen Satz in D. 249 geschrieben. Von letz-
teren vier Stücken sind DD. 189. 249 für St. Stephan zu Mainz ; DO. IH.
132 ist für den Capellan Günther, den ich mit dem nachmaligen Kanzler
Heinrichs II. identificiere, also für einen Untergebenen des Erzcapellans
Willigis, DO. II. 146 für des Kaisers Schwester Sophia, für die u. a.
auch Willigis intervenierte, ausgestellt. Er wird danach als Mainzer Kle-
riker betrachtet werden können, der nur gelegentlich in solchen Angelegen-
heiten, die Mainz oder seinen Erzbischof näher angingen, wohl auf des
letzteren Veranlassung in der Kanzlei beschäftigt wurde. Dass er unter
Heinrich H. nicht im Dienst des Königs, sondern in dem des Erbischofs
stand, ist gewiss und ergiebt sich schon daraus, dass von seiner Hand in der
Originalausfertigung der Beschlüsse der Frankfurter Synode vom 1. Nov.
1007 die Unterschrift des Willigis herrührt: dieser selbst hat den von seinem
Kleriker geschriebenen Worten nur ein Kreuz eigenhändig hinzugefügt
(MG. Const. I, 735). Nichtsdestoweniger hat HH sich auch in der Kanzlei
Heinrichs IL noch in ähnlicher Weise bethätigt wie unter Otto III. ; er
hat St. 1452 für das Erzbisthum und St. 1491—1494 für St. Stephan zu
Mainz verfasst und St. 1491 mundiert.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs IL 161
allerdings ED als Schreiber von 1394 1 einige Wochen
früher nachweisbar als EC, dessen Hand wir erst in 1396
erkennen 2. Dann müssten also streng- genommen die Be-
zeichnungen der beiden Notare vertauscht werden; wir
haben indessen von solcher Vertauschung um so eher ab-
gesehen, da Bayer die Siglen, so wie wir sie gebrauchen
werden, bereits in die Litteratur eingeführt hat, und eine
Veränderung, die immer Verwirrung hervorrufen kann, wo
sie nicht durchaus un ab weislich ist, besser vermieden wird.
Die Sprache des EC weist mehr auf oberdeutsche als auf
fränkische Herkunft, so dass es zweifelhaft bleibt, ob wir
seine Heimath in Mainz oder eher in Schwaben oder
Baiern zu suchen haben. Sein Genosse ED lässt sich mit
ziemlicher Sicherheit als Franke bezeichnen. Sehr bald
aber nach dem Eintritt dieser beiden Männer in die
Kanzlei, im Mai 1005, vollzog sich ein Wechsel in der
Leitung derselben.
Am 6. Mai dieses Jahres war Bischof Gotschalk von
Freising gestorben3. Noch im Laufe des gleichen Monats
1) Ueber das von ED herrührende D. St. 1391 s. unten S. 168.
2) Uebrigens sind auch in 1395 Spuren des Dictats von EC zu bemerken.
3) Ueber das Todesjahr Gotschalks vgl. Ann. S. Stephani Frising., Ann. necrol.
Fuldens. SS. XIII, 51. 209 und das von Dümmler, Forsch, z. deutschen
Gesch. XV, 163 veröffentlichte Necrolog. Letzteres giebt auch den Todes-
tag ebenso wie das Calendarium in clm. 21557, SS. XIII, 51, X. 7 und wie
ein Zusatz zur Scheftlarer Series epp. Frising. SS. XIII, 358. Damit
stimmt die gesammte spätere Freisinger Ueberlieferung überein, vgl. die
Zusätze zum Conradus Sacrista, SS. XXIV, 321; Veit Arnpecks liber de
gestis epp. Frising. ed. Deutinger (1852) S. 33 und die späteren Kataloge
bei Deutinger, Beiträge zur Gesch., Topogr. u. Statistik des Erzbisthums
München -Freising I, 42. 67. 167. Wenn Meichelbeck I, 204 den Tod
Gotschalks und die Nachfolge Egilberts erst zu 1006 ansetzte, so geschah
das, weil er die Nachricht des Thietmar VI, 13 (10) über die am 8. Sept.
gehaltene Predigt Gotschalks zu Prag irrig auf 1005 statt auf 1004 bezog
und in Folge dessen seinen Tod ein Jahr später legen musste ; seine irrige
Ansetzung ist dann für die meisten Neueren massgebend geworden, so für
Hirsch I, 374, N. 5; Steindorff I, 22 (der allerdings nur die Ordination
zum 26. Aug. 1006 ansetzt), Kurze in der neuen Thietmarausgabe S. 118,
N. 3 und S. 141, N. 2, Sickel zu DO. III. 232 und Andere. Richtig zu
1005 setzt den Tod Gotschalks Graf Hundt, Abhandl. der bair. Akad.
hist. Classe XIV, 2, 52 ; dagegen lässt auch er Egilbert erst 1006 geweiht
werden, weil der in dem Freisinger Martyrolog. (Quellen u. Erörterungen
zur bair. und deutschen Gesch. VII, 463) überlieferte Tag der "Weihe, der
25. Aug., im Jahre 1006 ein Sonntag, 1005 aber ein Sonnabend gewesen
sei. Allein in diesem Martyrolog. ist nach der Ausgabe v. Rudharts
VII. kal. sept., d. h. der 26. Aug. als Weihetag genannt (H. Simonsfeld,
der die Hs. in München auf meine Bitte noch einmal untersucht hat,
theilt mir freundlichst darüber mit, dass die Worte 'Ordinatio Egilp. episc.'
zwischen VII. und VIII. kal. sept. stehen, aber näher an VII., so dass
sie auf diesen Tag zu beziehen sind und insofern die Ausgabe das richtige
Neues Archiv etc. XX. H
162 Harry Bresslau.
wurde der bisherige Kanzler Egilbert zu seinem Nachfolger
ernannt und schied sofort aus der Kanzlei aus, obwohl er
erst am 26. August die Weihe empfing. An seine Stelle
trat, am 31. Mai zuerst genannt, ein gewisser Bruno, in
dem schon Usinger l und Stumpf 2 den gleichnamigen
Bruder des Königs erkannt haben, der 1003 in den Auf-
stand des Markgrafen Heinrich vom Nordgau verwickelt,
seit dem März des Jahres 1004 mit Heinrich wieder ver-
söhnt war. Diese Annahme ist als im höchsten Mass
wahrscheinlich zu bezeichnen. Denn am 4. Mai 1006 ist
Bischof Siegfried von Augsburg gestorben3, dessen Nach-
folger Bruno, der Bruder des Königs, bekanntlich geworden
ist. Und andererseits ist zwischen dem 24. April und dem
28. Mai 1006 (St. 1422. 23) der Kanzler Bruno aus der
Kanzlei ausgeschieden. Die Gleichzeitigkeit dieser beiden
Ereignisse macht die Identität der Personen fast zur Ge-
wissheit.
In merkwürdiger Weise wirkte nun die Berufung
Bruno's zum Vorsteher der Kanzlei auf den Personal-
bestand dieser Behörde ein. Von den drei Notaren, welche
in derselben unter dem Kanzler Egilbert zuletzt thätig
waren, verschwindet EC für die ganze Amtsdauer des
Bruno vollständig und tritt erst unter seinem Nachfolger
wieder ein. Auch ED ist in seiner Beschäftigung sehr
eingeschränkt; er schreibt noch die verlängerte Schrift der
ersten Urk. aus Bruno's Zeit (St. 1405), sodann nur noch
im Nov. 1005 eine Urkunde für Niederaltaich (St. 1413):
im übrigen fehlen auch von ihm aus dieser ganzen Zeit
alle sicheren Spuren amtlicher Wirksamkeit. Endlich auch
EB ist zunächst beseitigt: erst Ende November 1005 wird
er wieder herangezogen, um dann allerdings ziemlich häufig
Beschäftigung zu finden.
getroffen hat) ; wenn v. Rudhart das als 25. Aug. aufgelöst hat, so liegt
hier nur ein Fehler seinerseits vor. Der 26. Aug. war aber 1005 ein
Sonntag, und so erhält auch von dieser Seite das von uns angenommene
Todesjahr eine Bestätigung. 1) Bei Hirsch I, 374, N. 5. 2) Reichs-
kanzler S. 109. 3) Das Jahr in den Ann. necrol. Fuld. SS. XIII, 209.
In den Ann. Augustani SS. III, 124 wird fälschlich 1007 angegeben. Der
Tag im Liber annivers. eccl. maioris Augustens. und im Necrol. mon.
S. Udalrici August. MG. Necrol. I, 62. 123. Baumann hat a. a. O. S. 62,
N. 8 angenommen, dass hier eine Verwechselung mit dem am 4. Nov.
(sollte heissen 'December') gestorbenen Siegfried H. vorliege, hat dies aber
schon selbst im Register S. 776 stillschweigend berichtigt. Die Notk des
Necrol. Merseburg, ed. Dümmler, Neue Mittheilungen XI, 239: '19. kal.
sept. Sifridus episcopus' ist entweder irrig oder sie bezieht sich auf einen
anderen Bischof dieses Namens.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 163
Statt der ausgeschiedenen oder doch zurückgedrängten
Arbeitskräfte hat nun Bruno einen neuen Beamten heran-
gezogen, den wir als BA bezeichnen müssen 1. Sehr be-
stimmt unterscheidet sich das Dictat des BA, der, als er
in den Kanzleidienst eintrat, des Beiraths älterer Genossen
entbehrte, von dem bisher üblichen Kanzleibrauch. So
bedient er sich, um nur auf einiges aufmerksam zu machen,
der Invocatio 'divina propiciante dementia' (St. 1406.
1410. 1411), stellt in der Publicationsformel die 'futuri' vor
die 'praesentes' (St. 1406. 1410. 1424), beginnt die Datie-
rung mit 'actum' (St. 1406. 1407. 1409. 1410. 1411. 1414 2)
und fügt hier zweimal in ganz ungewöhnlicher Weise eine
Notiz über die Verlesung der Urkunde ein (1406. 1410).
Seine Sprache überhaupt charakterisiert sich, wenn wir von
der Anwendung einzelner Ausdrücke ganz absehen, beson-
ders durch zwei Eigenthümlichkeiten : eine deutlich hervor-
tretende Vorliebe für den Reim, der bei anderen Kanzlei-
1) Ich habe von ihm in meinem Handbuch der Urkundenlehre I,
763, N. 5 gesprochen, wo ich ihn für einen Aachener Privatschreiber ge-
halten habe, der nur ausnahmsweise einmal ein D. für Magdeburg St. 1410
angefertigt habe. Die Annahme lag nahe, da seine Gewohnheiten von
denen der anderen Kanzleibeamten der Zeit stark abweichen, und da von
den vier Urkunden, welche ich ihm zuweisen zu können glaubte, drei das
Aachener Adalbertstift betrafen. Indem ich aber jetzt die Verhältnisse
in der Kanzlei Heinrichs genauer übersehe, muss ich die Annahme auf-
geben. Einmal erklären sich jene Abweichungen vom bisherigen Kanzlei-
brauch leicht, wenn sie sich an den unter so eigentümlichen Umständen
erfolgenden Eintritt eines neuen Kanzleibeamten knüpften, durch den die
älteren Genossen zeitweise verdrängt wurden. Und sodann weiss ich jetzt,
dass dieser Mann auch noch bei der Herstellung von mehreren Urkunden
für andere Empfänger betheiligt war; er muss also gewiss als wirklicher
Kanzleinotar betrachtet werden. Dies schliesst nicht aus, dass er zu Aachen
in näheren Beziehungen gestanden hat, vielleicht einem der dortigen Stifter
angehörte, s. unten S. 166. 2) Durch den Nachweis, dass diese Gestal-
tung der Datierungsformel lediglich eine Eigentümlichkeit unseres Dicta-
tors ist, tritt dieselbe in ein anderes Licht, als Ficker, Beiträge zur Ur-
kundenlehre I, 154 f. II, 296. 298 annahm. — Auch meine Bemerkungen,
Handbuch der Urkundenlehre I, 763, N. 5 über die zweimal, in St. 1406
und 1410, erwähnte öffentliche Verlesung der Urkunde bedürfen nun der
Modifikation. Ich hatte die Verlesung dort auf das Concept bezogen (vgl.
Ficker II, 105) und den ungewöhnlichen Fall daraus erklärt, dass der
Schreiber nicht dem Kanzleipersonal angehöre. Nun aber ist in St. 1410 das
Tagesdatum, welches nach der Gestaltung der Datierungszeile zunächst auf
die Verlesung zu beziehen ist, nachgetragen, und es steht deshalb nichts
im Wege, Verlesung der Reinschrift anzunehmen. Dass die beabsichtigte
Verlesung schon vorher vom Schreiber durch das AVort 'recitatum1 aus-
gedrückt wurde, dem später nur noch das Datum hinzugefügt ward, unter-
scheidet sich in nichts von dem ständigen Gebrauch, dem zufolge man die
Vollziehung der Urkunde durch den König, schon ehe sie erfolgte, durch
die Worte 'manu propria subscripsimus' ausdrückte.
11*
164 Harry Bresslau.
beamten dieser Zeit nur sehr selten begegnet \ und die
Bevorzugung- der Satzverbindung* mit 'et' - 'et' ; die nament-
lich in der Corroboratio auffällt 2, und die vor ihm kein
Kanzleibeamter so angewandt hat 3. Ja, auch den Singu-
laris statt des Pluralis maiestatis wendet BA gelegentlich
an (1406. 1410).
Viel schwerer als über das Dictat ist über die Schrift
des BA zu urtheilen. Ein unglücklicher Zufall hat es ge-
fügt, dass von allen von ihm verfassten Urkunden nur eine
einzige (1410) im Original erhalten ist4. Da diese jeden-
falls von keinem anderen uns bekannten Notar Heinrichs
geschrieben ist, werden wir sie wohl dem BA beilegen
dürfen. Ausserdem hat dieser nur noch den Context und
die Datierung von St. 1405, der ersten unter Bruno's Cancel-
lariat gegebenen Urkunde, die auf uns gekommen ist, mim-
diert 5 ; sein Stil ist hier nicht zu erkennen, da St. 1405 ganz
auf einer Vorurkunde beruht. Ueber seine Herkunft ist
unter diesen Umständen nicht leicht mit Sicherheit zu ent-
scheiden; nach den Namensformen in St. 1410 ist jedoch
seine niederdeutsche, vielleicht niederfränkische, Abstam-
mung wahrscheinlich.
Nachdem BA bis Ende des Jahres 1005 den grössten
Theil der Kanzleigeschäfte, soweit wir nach den jetzt noch
vorhandenen Ausfertigungen schliessen können, fast allein
besorgt hat, wird im Anfang des nächsten Jahres noch
eine zweite Hilfskraft herangezogen. Es ist der einzige
Schreiber von Urkunden Heinrichs IL, den wir mit Namen
kennen, da er diesen in einem von ihm geschriebenen D.
(1554) der Nachwelt zu überliefern Sorge getragen hat:
Erich, damals Capellan des Erzbischofs Tagino von Magde-
burg, später Bischof von Havelberg und Mitglied der könig-
1) Auch die von Holder -Egger, N. A. XIX, 404 ff. besprochene Wort-
spielerei findet sich bei ihm. 2) Vgl. 1406: 'et manu propria subter
firmavimus et sigilli nostri impressione designari iussimus' ; 1407 : 'et m. p.
firmamus et sig. n. inpr. signari iubemus' ; 1410 : 'et m. p. f. et sig. n.
iupr. designare iubemus'; 1411: 'et m. p. roboravimus et sig. n. inpr.
iussimus insigniri'; 1424: 'et m. p. firmavimus et sig. n. impr. signari ius-
simus'. 3) Nach ihm hat dann der unselbständige EB, der überhaupt
von allen Collegen Einflüsse annimmt, die gleiche Verbindung in 14:20 ge-
braucht. 4) Ueber 1453 s. unten S. 165, N. 4. 5) Die Identität der Schrift
von St. 1405 und 1410 ist, obwohl die beiden DD. bei oberflächlicher Be-
trachtung einen verschiedenen Eindruck machen, doch völlig sicher. Ich
merke an, dass in beiden noch die im 11. Jahrh. schon recht seltene
Ligatur 'rt' in ganz gleicher Gestalt vorkommt. Die verlängerte Schrift in
1405 hat, wie oben bemerkt, ED hinzugefügt; BA hat sich hier wohl an
die ihm ungewohnte Aufgabe, solche Buchstabenformen anzuwenden, noch
nicht herangewagt.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 165
liehen Capelle 1. Seiner Abstammung nach gleichfalls ein
Niederdeutscher, ist Erich niemals eigentliches Mitglied
der Kanzlei Heinrichs gewesen, aber bis zum Jahre 1010
wieder und wieder, so zu sagen als Hilfsarbeiter, in der-
selben verwandt worden 2. Unter dem Kanzler Bruno hat
er im Januar und März 1006 in Merseburg St. 1416. 1417
geschrieben ; auch das Dictat von St. 1419 rührt von ihm
her, und endlich ist St. 1421, im April zu Mühlhausen
gegeben, von ihm sowohl verfasst als mundiert worden.
Schon im nächsten Monat ging die Leitung der
Kanzlei durch Bruno zu Ende ; wir erwähnten schon oben,
dass er im Mai 1006 zum Bischof von Augsburg erhoben
wurde. Sein Nachfolger wurde Eberhard 'ein dem König
verwandter und durch sein besonderes Vertrauen ausge-
zeichneter Mann'3, den Heinrich noch zu grösseren Dingen
bestimmt hatte; am 28. Mai 1006 wird er zum ersten Mal
als Kanzler genannt (St. 1423).
Sofort trat nun auch in dem niederen Beamtenpersonal
der Kanzlei abermals eine wesentliche Veränderung ein.
Erich ist unter Kanzler Eberhard in derselben nicht thätio-
o
gewesen. BA hat noch am 10. Juni 1006 St. 1424 für
Lüttich verfasst; aus späterer Zeit scheint nur noch die
echte Vorlage, nach der St. 1454 gefälscht ist. von ihm her-
zurühren 4 : dass er so noch einmal um die Mitte des Jahres
1) Vgl. über ihn KU. i. A. Lief. IV, Taf. 7 und meine Ausführungen
in Forsch, zur brandenburg. und preuss. Gesch. I, 398. 2) Erichs Stil
zeigt einige Verwandtschaft mit dem des BA, die sich leicht daraus er-
klärt, dass er zuerst in der Kanzlei beschäftigt wurde, als BA in der-
selben hauptsächlich thätig war : er ist sichtlich von BA beeinflusst worden.
3) So Hirsch II, 69, der N. 3 alles zusammengestellt hat, was wir über
seine Persönlichkeit sicher wissen können. Eine genauere Bestimmung
des Verwandtschaftsverhältnisses hat seitdem K. Ch. von Reitzen stein ver-
sucht (Arch. f. Gesch. und Alterthumskunde von Oberfranken X, 3, 54 ff.).
Vgl. auch Looshorn, Gesch. des Bisthums Bamberg I, 329 ff., dem ich
aber weder folgen kann, wenn er die Verwandtschaft Eberhards und
Heinrichs überhaupt bezweifelt und 'nepos noster' in St. 1525 als einen
'Ehrentitel für Fürsten' ansehen will, noch wenn er seinerseits auf den
Grafen Wilhelm von Weimar als Vater Eberhards räth. 4) Allerdings
zeigt auch St. 1453 für Kloster Thorn deutlich seinen Stil. Dies D. ist
im Orig. erhalten, dessen Context ausserhalb der Kanzlei geschrieben ist;
das Protokoll rührt von ED her. Der Kanzlername lautet im Orig. 'Eber-
hardus', nicht wie in den Drucken und einer Brüsseler Copie saec. XVI/XVH.
'Heribertus', so dass jeder Grund zur Anfechtung des D. fortfällt. Hat dem-
nach BA an der Mundierung dieses Stückes keinen Antheil gehabt, so ist
es von vornherein nicht wahrscheinlich, dass er es verfasst habe. Die
Lebereinstimmung desselben mit seinem Stil erklärt sich vielmehr aus der
Benutzung von St. 1424 als VU. ; Notker von Lüttich hat offenbar St. 1453
durch einen seiner Kleriker nach dem Muster des ihm selbst vor einiger
166 Harry Bresslau.
1007 in Aachen und in Angelegenheiten eines Aachener
Stifts thätig gewesen ist, wie er auch unter Bruno beson-
ders mit Aachener Urkunden beschäftigt war, legt die Ver-
muthung nahe, dass er selbst einem der Aachener Stifter
angehört habe, wozu der Dialect der von ihm in St. 1410
gebrauchten Namensformen gut passt.
Statt des BA wird nun sofort ED wieder der meist
beschäftigte Beamte der Kanzlei : schon Eberhards erste
Urkunde, St. 1423, ist, soweit sie nicht auf Vorurkunden
zurückgeht, von ihm verfasst und wahrscheinlich auch ge-
schrieben. Neben ihm wird — spätestens im December
1006 — der in Brunos Zeit verdrängte EC wieder heran-
gezogen ; St. 1434 ist von seiner Hand 1. Dagegen scheidet
EB bald danach aus der Kanzlei aus; in St. 1436 vom
1. Jan. 1007 begegnen wir ihm zum letzten Mal. Bis zum
Herbst 1007 sind dann ED und EC die beiden einzigen
Notare der Kanzlei, der erstere offenbar in leitender Stel-
lung. Erst die Gründung des Bisthums Bamberg führte
zu einer neuen Umgestaltung im Personal der Kanzlei.
Ehe wir von dieser reden, besprechen wir bis zu dem
gleichen Zeitpunkt, bis zu welchem wir eben die Geschichte
der Kanzlei verfolgt haben, die Chronologie der Urkunden
und die mit dem Itinerar des Königs zusammenhängenden
Fragen, deren Erörterung wir oben S. 152 abbrachen.
Wir erinnern uns, dass — im Gegensatz zu Incarna-
tions- und Regierungs jähren — die Indictionsziffer seit dem
Herbst des Jahres 1003 vielfach falsch behandelt ward.
Zwar hatte der Einfluss eines in der Kanzlei Otto's III.
geschulten Notars im Frühjahr 1004 eine Richtigstellung
der Indictionsrechnung herbeigeführt, aber noch vor der
Rückkehr nach Deutschland riss der alte Fehler wieder
ein, und alle späteren Urkunden des Jahres 1004 bis zum
Aug. zeigen wieder die verkehrte Ziffer 1 2. Demnächst ist
diese Ziffer dann, zuerst in St. 1393 3, um eine Einheit erhöht
Zeit ertheilten D. St. 1424 herstellen lassen. Allerdings muss dabei vor-
ausgesetzt werden, dass in der Corroboratio von St. 1424 die dem Stil des
BA entsprechenden Worte 'more antecessorum nostrorum' (vgl. St. 1410.
1411) ausgefallen sind. Da aber 1424 nur abschriftlich erhalten ist, macht
diese Voraussetzung keine Schwierigkeit. 1) Auch das Dictat von St. 1432
rührt wahrscheinlich von ihm her. Ueber die ungefähre Datierung dieses
Stücks s. die Vorbemerkung in der Ausgabe. 2) Ueber St. 1379,
das die Ziffer III aufweist, s. oben S. 142 ff. 3) Das Stück ist vom
9. October. Ist die Aenderung der Ziffer I in II als Umsetzung zu be-
trachten, so würde eine der Septemberepochen massgebend gewesen sein.
Es könnte aber auch, wenn etwa der Schreiber von St. 1393 die Neujahrs-
epoche ins Auge gefasst hätte, eine Berichtigung des bisherigen Fehlers
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 167
worden, und diese so gewonnene Zahl ind. II herrscht bis
zum Sommer 1005 1; sie findet sich noch in St. 1405, der
ersten von BA geschriebenen Urkunde. Dann aber muss
BA den Fehler bemerkt haben, und schon in St. 1406 vom
6. Juli setzte er die correcte Ziffer III, die er dann bei-
behielt 2 ; aber auch im Herbst nicht umsetzte, vielleicht
weil er die Neujahrsepoche anwenden wollte3. Charak-
teristisch für die Art der Behandlung der Daten in der
Kanzlei ist St. 1416, die erste Urkunde Erichs vom 25. Jan.
1006. Dass jetzt unter allen Umständen Ind. IUI zu
schreiben war, muss dieser Mann gewusst haben, und er
hatte die richtige Ziffer zuerst gesetzt, sie dann aber, wir
wissen nicht aus welchem Grunde, durch Rasur in III
corrigiert. Erst in St. 1417 (von Erich, nur Datierung von
EB) dringt die Zahl IUI durch, ohne sich aber zu be-
haupten. Schon in St. 1420 setzt EB wieder III, und diese
Zahl wird von St. 1422 an bis zum 6. März 1007 (1440) bei-
behalten, so dass also zuletzt die kanzleimässige Indictions-
rechnung gar um 2 Einheiten von der richtigen abweicht.
Inzwischen war aber die chronologische Unsicherheit
in der Kanzlei, die BA nur auf kurze Zeit behoben hatte,
schon nicht mehr auf die Indictionsrechnung beschränkt,
sondern hatte auch die Jahresangaben nach der christ-
lichen Aera in Mitleidenschaft gezogen. Diese sind correct
bis zum Mai 1006, also bis zum Ende der Kanzleiperiode
Bruno' s4. Mit dem Uebergang des Kanzleramtes auf Eber-
hard, mit welchem der Eintritt des ED in eine leitende
Stellung zusammenfällt, beginnt auch hier die Verwirrung.
Schon in St. 1423 setzt ED statt 1006 die Ziffer 1005, und
er wie sein College EC behielten diese bis zum Schluss des
Jahres bei5, um dann im Anfang 1007 zwar dem Jahres-
beabsicktigt gewesen sein, und ein neuer Fehler wäre dann nur dadurch
entstanden, dass man zu Anfang 1005 die Umsetzung vergessen hätte. Für
die Unsicherheit, die in Bezug auf die Indictionsrechnung damals bestand,
ist es bezeichnend, dass ED in St. 1394, dem ersten von ihm geschrie-
benen Stück, die Indiction überhaupt fortliess, obwokl er, wie der von
ikm angewandte Königstitel 'Francorum et Langobardorum rex1 zeigt,
ganz sicher 1393 gekannt hat ; er trug sie erst mit dem Tagesdatum zu-
sammen nach. 1) Eine Ausnahme machen nur St. 1400, das von einem
Lütticher Parteischreiber herrühren dürfte, und St. 1403, vgl. oben S. 144.
Diese beiden Stücke haben die richtige Ziffer III. 2) ED, dessen schwächste
Seite die Datierung ist, wurde durch diese Rectificierimg nicht belehrt;
in St. 1413 setzte er die ganz verkehrte und nicht zu erklärende Indic-
tionsziffer I. 3) Ihm folgt Eß in St. 1415. 4) Nur eine scheinbare Aus-
nahme macht St. 1399, vgl. unten S. 171. 5) St. 1424 mit 1006 ist von
BA; 1431 ist falsch; über 1432 s. S. 166, N. 1.
168 Harry Bresslau.
Wechsel Rechnung zu tragen, aber nur, unter dem Einfluss
desselben Irrthums, von 1005 zu 1006 überzugehen.
So bleibt nur das Regierungsjahr als das für die Ein-
reibung der Urkunden massgebende Datum übrig. Und in
Bezug auf dies wenigstens hat man auch damals sich in
der Kanzlei keines Fehlers schuldig gemacht. Wodurch
man der übrigen Irrthümer allmählich inne geworden ist,
wissen wir nicht zu sagen. Schon in den von EC ver-
fassten und wohl auch geschriebenen, aber nur abschriftlich
überlieferten Stücken St. 1438. 1439 findet sich neben der
verkehrten Indiction III das richtige Aerenjahr 1007. Dann
hat der unbekannte Italiener, der St. 1441 schrieb, neben dem
falschen Incarnationsjahr 1006, zwar nicht die richtige In-
dictionsziffer V, aber doch wenigstens die zu 1006 passende
Indictio IUI statt der bis dahin herrschenden Ziffer III
gesetzt, und darin ist ihm ED in St. 1442 gefolgt. Endlich
in St. 1443 (von ED) sind beide Ziffern richtig gestellt (a. ine.
1007, ind. V) und zwischen St. 1453 und 1454 ist der Wechsel
der Regierungsjahre in correcter Weise vorgenommen. So
ist man am Schluss des jetzt zu behandelnden Zeitraumes
wieder zu völlig zutreffenden Datierungsangaben gelangt.
Da die Regierungs jähre, wie schon bemerkt, auch in
dieser ganzen Zeit stets richtig behandelt sind, so macht
auch jetzt die Feststellung des Itinerars keine grossen
Schwierigkeiten; nur bei wenigen Diplomen erfordert die
Datierung in diesem Zusammenhang eine kurze Erörterung.
Was zunächst St. 1391 und St. 1392 betrifft, so hat
bereits Ficker 1 das Verhältnis der beiden Stücke, deren
ersteres eine Reihe von Orten mehr denn das letztere als
an Kloster Nienburg geschenkt aufführt, richtig bestimmt.
St. 1391 ist eine Neuausfertigung von 1392; während 1392
von der Hand des EB herrührt, ist 1391 von ED geschrie-
ben -. Wann die Neuausfertigung erfolgt ist, lässt sich
nicht ermitteln; nur soviel kann bestimmt gesagt werden,
dass es vor Nov. 1007 geschehen ist, da nach diesem Zeit-
punkt, wie noch näher auszuführen sein wird, ED nur noch
mit der Herstellung von Urkunden für Bamberg beschäf-
tigt ist.
In der Neuausfertigung sind die Daten der VU.
(8. Aug. 1004) unverändert beibehalten. Diese aber be-
1) Beitr. zur Urkundenlehre I, 297; vgl. Sickel, N. Arch. I, 473.
2) Dem ED hat dabei das Orig. von St. 1392 unmittelbar vorgelegen. Einen
Schreibfehler in der Arenga ('loco' für 'loca') von 1392 hat er in 1391
zuerst wiederholt, dann aber bemerkt und corrigiert.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 169
ziehen sich auf die Handlung-, nicht auf die Beurkundung.
Schon der alte Dobner1 hat nämlich gesehen, dass die
Worte des Diploms 'Nos igitur suae, quia digna erat, ob-
sequentes petitioni, et quia ea tempestate proxima nobis
in Sclavoniam instabat expeditio, pro certioris gratia
triumphi ad praef atum religionis sacrae locum . . . divertentes,
consummatis ibi rite in dedicatione templi divinis officiis
. . . contulimus' mit Bestimmtheit auf spätere Ausferti-
gung desselben hinweisen. Da nun überdies der Ausdruck
'pro certioris gratia triumphi' doch wohl erst gebraucht
sein wird, nachdem der Triumph errungen war, also nach
dem Ende des erfolgreichen Feldzuges nach Böhmen und
der Lausitz, so wird anzunehmen sein, dass die Urkunde
nach der Rückkehr des Königs ausgefertigt ist, was sich
um so leichter erklärt, als schon Mitte August, also nur
wenige Tage nach der Schenkung, der Aufbruch des Heeres
von Merseburg aus erfolgte. Die Urkunde ist also nach
der Handlung datiert 2 ; an der Einheitlichkeit der Datie-
rung zu zweifeln, ist kein Grund vorhanden, da zwischen
1. Aug., an welchem Tage der König in Magdeburg war,
und Mitte des Monats, da er in Merseburg weilte, ein
Aufenthalt in Nienburg, das zwischen beiden Orten liegt,
noch am 8. sehr möo-lich ist :;.
1) Zu Hayek, Ann. Bohem. V, 11. Was Hirsch, Jahrb. I, 316, N. 3
(dem Zeissberg a. a. 0. S. 294, N. 2 folgt) dagegen bemerkt, ist nicht
zutreffend. Vgl. die von Ficker, Beiträge I, 129 ff. citierten Beispiele.
2) Die von Neumann in einer bei Hirsch a. a. 0. citierten, mir nicht zu-
gänglichen Abhandlung vorgeschlagene Annahme, dass die Schenkung schon
bei dem Winterfeldzug von 1004 gemacht, 8. Aug. aber bei der Ein-
weihung bestätigt sei, ist unzulässig. Dass der in der Urkunde erwähnte
Feldzug der Einweihung unmittelbar folgt, ergiebt sich aus der Urkunde
ganz bestimmt. S) Natürlich braucht der 8. Aug. (im Jahre 1004 ein
Dienstag) nicht als Datum der Weihe selbst betrachtet zu werden. Diese
kann schon Sonntag den 6., die Schenkung aber zwei Tage später erfolgt
sein. Wenn in der von Winter (Magdeburger Geschichtsblätter II, 112 ff.)
herausgegebenen Series abbatum Nienburgensium des Pastors Martin
Weiser oder Weifer die in Anwesenheit des Königs erfolgte Weihe des
Klosters zu 1003 angesetzt wird, so hätte diese Angabe nicht die Be-
achtung verdient, welche Stumpf 1353 a und Ficker ihr geschenkt haben.
Der Catalogus ist eine Compilation des 16. Jahrb., die in ihren älteren
Theilen wesentlich auf bekannte Quellen zurückgeht. Was sie darüber
hinaus über die ältere Zeit mittheilt, ist z. Tb. ganz thöricht, wie die An-
gabe von der Sendung des h. Kreuzes durch Hidda, die Mutter des Erz-
bischofs Gero von Köln im Jahre 1040(1), z. Th. sehr anfechtbar, wie die
Erzählung zu 1050, dass Heinrich III. das Kloster seiner Gemahlin habe
schenken wollen, da die Klostergebäude in seiner Abwesenheit abbrannten,
von diesem Plan abgestanden sei und nun dem Abt Albwin die Klöster
Gandersheim, Quedlinburg und Lüneburg übertragen habe. Im Jahre 1050
hat Heinrich III. für Nienburg geurkundet (vgl. das Extract bei Heine-
170 Harry Bresslau.
Dass während des Feldzuges, der von Merseburg- aus
angetreten wurde, die Thätigkeit der Kanzlei ruhte, ist
begreiflich. Aus demselben haben wir ein sicheres Datum
bei Thietm. VI, 13 (10); am 8. Sept. war der König in
Prag. Dann folgte der Zug ins Milziener Land und die
Belagerung von Bautzen. Wie lange diese gewährt hat,
wissen wir nicht. Wäre der während der Belagerung ge-
fallene Tommo, den Thietm. VI, 15 (11) erwähnt, wie man
vermuthet hat1, identisch mit einem 'Tanko laicus', dessen
Tod das Merseburger Nekrolog zum 25. Oktober ansetzt,
so könnte die Rückkehr des Königs erst zu Anfang
November erfolgt sein. Aber jene Vermuthung ist so will-
kürlich und unsicher, dass wir keinerlei Folgerungen aus
ihr zu ziehen wagen 2.
Wir haben also keinen Grund zu bezweifeln, dass der
König schon im October wieder in Sachsen war, und dem-
nach auch keine Veranlassung an der Datierung von
St. 1393 — 96 Anstoss zu nehmen3.
mann, Cod. clipl. Anhalt. I, 103, n. 128), und ein Brand des Klosters wird
erwähnt in der Urkunde Leo's III. von 1054 (ebenda I, 104, n. 130). Aber
dass darauf dem Abt die Klöster Quedlinburg und Gandersheim geschenkt
seien, ist ganz unglaublich, da in Quedlinburg und auch in Gandersheim,
wie Weiland, Zeitschr. des Harzvereins VIII, 485 gegen Steindorff I, 229
annimmt, Heinrichs eigene Tochter Beatrix Aebtissin war; und dass
er auch Lüneburg nach 1050 erhalten habe 'ut mebus sufficeret in ex-
pensis' ist sicher verkehrt, da hier Albuinus abbas schon 1048 nachweisbar
ist (SS. XXIII, 398). Insbesondere unzuverlässig sind aber vielfach die
Daten des Katalogs. Er setzt die Gründung von Thankmarsfelde zu 971
statt 970, den Amtsantritt des Abts Bruno zu 1024 statt 1025 (sein Vor-
gänger Harding, der keineswegs, wie "Winter meint, bisher unbekannt war,
ist noch 8. Febr. 1025 nachweisbar, St. 1873), den Amtsantritt Hermanns
zu 1199 statt 1201, den Tod Friedrichs zu 1212 statt 1221 u. s. w. So
ist denn also nichts darauf zu geben, wenn er die wahrscheinlich eben auf
unsere Urkunde zurückgehende Nachricht über die Weihe in Anwesenheit
Heinrichs zu 1003 statt zu 1004 bringt. 1) Dies nehmen Lappenberg,
Dümmler, Kurze und Hirsch I, 324, N. 3 an, letzterer, ohne zu bemerken,
dass er mit seinen eigenen bald folgenden Itinerarangaben in Conflict
geräth. 2) Das Necrologium sagt über die Todesart des Tanko nichts
aus ; nicht einmal sein gewaltsames Ende ist also bezeugt. Tanko ist Kose-
form für Thankmar, und für den gleichen Namen kennt Thietmar auch die
Koseform Tammo I, 9 (6). II, 2 (1). Dass Tommo gleich Tammo sei, nehmen
Stark und Förstemänn an, scheinen aber keinen anderen Beleg dafür zu
kennen, als eben unsere Stelle. Aber auch wenn dies der Fall ist, wenn
also Tanko und Tommo wirklich beides Koseformen von Thankmar sind,
bleibt noch zu erwägen, ob es möglich war, dass für ein und dieselbe
Persönlichkeit an ein und demselben Orte (Merseburg) zwei verschiedene
Koseformen gebraucht wurden. So scheint mir auch sprachlich die Iden-
tität von Thietmars 'Tommo' und dem 'Tanko' des Necrologs zweifelhaft,
und sachlich lässt sich schlechterdings nichts dafür geltend machen.
3) Ueber die Echtheit von St. 1395. 1396 s. die Vorbemerkungen in der Aus-
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 171
Dagegen ist die Datierung von St. 1399 nicht ein-
heitlich. Die Daten sind: VI. kal. febr., ind. II, a. ine. 1004,
a. reg. III, actum Altsteti1. Das Tagesdatum kann des
Regierungs jahres wegen mit Stumpf nur auf den 27. Jan.
1005 bezogen werden2. Aber damals ist der König schwer-
lich in Allstedt gewesen; hier war er vielmehr am 21. Dec.
1004 3 und ging darauf nach Dornburg zur Weihnachts-
feier4; dass er noch einmal nach Allstedt zurückgekehrt
wäre, ist unbezeugt und durchaus unwahrscheinlich. Viel-
mehr weist das Incarnationsjahr unserer Urkunde, das wir
als falsch berechnet anzusehen für diese Zeit keine Ver-
anlassung haben, die Ausfertigung derselben bestimmt in
den Allstedter Aufenthalt vom Dec. 1004; das Tagesdatum
ist im Original nachgetragen, es wird auf die etwas mehr
als einen Monat später erfolgte Vollziehung des D. zu be-
ziehen sein. St. 1399 ist also vor St. 1398 einzureihen.
Aus dem Jahre 1005 bedürfen nur einige Diplome
des Juli an dieser Stelle einer Besprechung. Nach den
Ansetzungen von Stumpf würde das Itinerar des Königs
so zu construieren sein:
Juli 6. 7. Dortmund St. 1406—8.
„ 18. Corvei St. 1409.
gäbe. Dass der König nach 1393' — 1396 am 9. October in Magdeburg,
am 15. October in Frose, am 2. und 13. November wieder in Magdeburg
war, giebt keinen Anstoss, da ein Ausflug von Magdeburg nach dem nahen
Frose sehr wohl möglich ist. Dass in St. 1394 — 96 das Tagesdatum nach-
getragen ist, nöthigt uns nicht dazu, Nichteinheitlichkeit der Datierung, in
dem Sinne, dass dadurch das Itinerar betroffen würde, anzunehmen, vgl.
Handbuch der Urkundenlehre I, 862, N. 2. 3. Nur wenn man den Bericht
des Thietmar VI, 15. 16 (11. 12) so verstehen müsste, dass der König gleich
nach dem Ende des Feldzuges in Merseburg Aufenthalt genommen hätte
und hier den ganzen October und November geblieben wäre, würde man
der Nachtragung der Datierung grössere Bedeutung beizumessen und an-
zunehmen haben, dass in allen diesen Urkunden der Ortsname sich auf
die im Juli oder August vollzogene Handlung (damals war Heinrich
1. Aug. in Magdeburg (St. 1390 a), 8. Aug. in Nienburg [s. oben S. 169],
dazwischen hat er gewiss Frose passiert), der Tag aber sich auf die Voll-
ziehung der Urkunde beziehe. Allein der Thietmarstelle so weitgehende
Bedeutung beizulegen, scheint doch bedenklich ; der Autor sagt am Schluss
von cap. 15: 'post haec rex cum exercitu . . . domum rediit . . .'; am
Anfang von cap. 16: 'hie cum se in Merseburg optatae quieti indulge-
ret . . .' Ein vorheriger Aufenthalt in Magdeburg und Frose wird da-
durch doch nicht so bestimmt ausgeschlossen, dass wir genöthigt würden,
alle Urkunden vom 9. Oct. bis 13. Nov. als nicht einheitlich datiert zu
behandeln. 1) Vgl. Ficker, Beiträge II, 258. 2) An Böhmers An-
setzung der Urkunde zum Jan. 1004 hat auch Hirsch 1, 277, N. 4 bereits
Anstoss genommen. Usingers Verdächtigung der von ED geschriebenen
Urkunde beruht auf irrigen Voraussetzungen. 3) Thietm. VI, 46 (31),
vgl. Hirsch I, 327. 4) Ann. Hildesheimenses 1005 ; St. 1398.
172 Harry Bresslau.
Juli 20. Paderborn St. 1410.
Aug. 13. Nienburg- St. 1411.
„ 15. Magdeburg Thietm. VI, 19 (14)1.
Dass diese Reiseroute nicht haltbar ist, liegt auf der
Hand. Auf dem Wege von Dortmund über Nienburg nach
Magdeburg sind zwar Corvei und Paderborn sehr passende
Stationen, aber ein Blick auf die Karte zeigt, dass man
auf dieser Reise zuerst Paderborn und daun erst Corvei
berührte, und die Entfernung zwischen beiden Orten —
über 45 Kilom. — ist so gross, dass die Annahme, der
König könnte erst von Paderborn östlich nach Corvei,
dann von Corvei westlich nach Paderborn zurück — und
dann abermals östlich nach Nienburg gereist sein, völlig
ausgeschlossen ist. Die ganze Schwierigkeit ist aber in
diesem Fall nur durch einen Lesefehler der bisherigen
Drucke von St. 1410 geschaffen: das Tagesdatum ist im Ori-
ginal nicht XIII. kal. aug., sondern XUI. kal. aug. zu lesen2;
damit erhalten wir für 1410, statt Juli 20, Juli 17 als
Datum, und die Urkunde rückt vor 1409. Die Entfernung
von Paderborn nach Corvei bleibt freilich auch so für eine
Tagereise eine sehr erhebliche, und da in 1410 das zunächst
auf die Verlesung zu beziehende Tagesdatum nachgetragen
ist3, so ist auch hier die Annahme nicht einheitlicher
Datierung naheliegend: die Handlung würde dann nach
Paderborn gehören, Verlesung und Vollziehung wären am
17. Juli entweder zwischen Paderborn und Corvei oder
vielleicht erst in Corvei erfolgt. Der Fall gehört zu den-
jenigen, in welchen es sich empfiehlt, diese Möglichkeit
durch das oben S. 138 erwähnte Zeichen auch in der Aus-
gabe anzudeuten4.
1) Hirsch I, 366, N. 2 hat ähnliche Annahmen, lässt aber Nuenberc,
den Ausstellort von 1411, unbestimmt und fügt noch St. 1429 ein, das,
wie schon Usinger bemerkt hat, ins folgende Jahr gehört. An der Be-
ziehung von Nuenberc (oder vielmehr Nuenburc, wie zu lesen ist) auf
Nienburg zu zweifeln, ist kein Grund vorhanden. 2) Dies ist bei Ver-
gleicbung der Ziffern mit der vorangehenden ind. HI ganz sicher. Da-
gegen halten wir bei St. 1409 an der Datierung Stumpfs fest. Zwar findet
sich hier in der von Meinders gebotenen Ueberlieferung statt 'XV. kal.
aug.' 'V. kal. aug.1, vgl. "Wilmans - Philippi H, 150, N. 18. Aber da Mein-
ders wohl nur die von BA gebrauchte, ihm ungewöhnlich erscheinende
Datierungsformel ganz umgearbeitet hat, ist auf seine Aenderung der Ziffer,
die dabei leicht unterlaufen konnte, nichts zu geben. 3) Ueberdies steht
es auf Rasur. 4) An dem Verhältnis der Daten von St. 1413—15 ist
kein Anstoss zu nehmen. Der König, der am 5. Nov. in Werla war, ist
von dort an den Rhein gegangen und war am 22. Nov. in Duisburg. Von
da kehrte er zur "Weihnachtsfeier (Ann. Hildesheim.) nach Pöhlde zurück
und berührte auf dem Rückweg am 27. Nov. Dortmund. — Fälschlich
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 173
Bei der Construction des Itinerars von 1006 ist die
Datierung von St. 1422 mit unserer sonstigen Ueberlieferung
schwer zu vereinigen. Die Daten sind : 8 kal. mai. a.
ine. 1006, ind. 3, a. regn. 41; das Stück gehört also sicher
zum Jahre 1006, zumal da Bruno als Kanzler erscheint.
Nun war der König in den ersten Tagen des April in
Frose2, am 7. April in Mühlhausen (St. 1421); darauf lassen
ihn die Hildesheimer Annalen Ostern, das auf den 21. April
fiel", in Nimwegen feiern; dann würde ihn St. 1422 am
24. April in Ingelheim zeigen. Die Reise von Mühlhausen nach
Nimwegen — c. 330 Kilom. Luftlinie in 13—14 Tagen — ist
möglich; diejenige von Nimwegen nach Ingelheim — c. 260
Kilom. Luftlinie in 2 — 3 Tagen zumal in der Osterwoche —
ist ganz unannehmbar. Nun könnte man ja auch hier an
nicht einheitliche Datierung denken, aber es scheint in
diesem Falle gerathener, die Angabe der Ann. Hildesh.
anzuzweifeln, als zu solchem Mittel der Erklärung Zuflucht
zu nehmen 4. Denn einerseits ist es bekannt, wie unzuver-
lässig in dieser Zeit die Angaben der Ann. Hildesheimenses
über die Festesfeiern des Königs vielfach sind 5, Anderer-
seits würden wir hier genöthigt sein, eine Form nicht ein-
heitlicher Datierung anzunehmen, die für diese Zeit durch-
aus ungewöhnlich ist : wir müssten den Tag auf die Hand-
lung oder ein früheres, den Ort aber auf ein späteres
Stadium der Beurkundung beziehen 6. Da es hierfür aus
hat Kurze in der Thietmarausgabe S. 150, N. 3 die Urkunden für Salz-
burg St. 1434. 1435 zu 1005 gezogen ; sie gehören nach Kanzlei und Re-
gierungsjahr unzweifelhaft zu 100(3. Dagegen war Heinrich im Jan. 1006
in Merseburg (St. 1416), und in diese Zeit wird das fallen, was Thietmar
VI, 28 (21) berichtet. 1) Die Angaben Heda's: ind. 4, a. regn. 5 sind,
wie so oft in dessen Editionen, ganz verkehrt. 2) Das fehlerhafte Datum
des Or. von St. 1420 — VI. non. apr. — lässt keine sichere Auflösung zu ; nur
so viel werden wir behaupten dürfen, dass ein Tag vor den Nouen gemeint
ist. 3) Nicht auf den 20., wie Hirsch I, 373 sagt. 4) Mühlhausen ist als
Zwischenstation denkbar sowohl bei der Reise von Frose nach Ingelheim
direct, wie bei derjenigen nach Nimwegen. Es erscheint z. B. im Jan.
1007 als Station zwischen Pöhlde, Gandersheim und Ladenburg a. Neckar,
im Jan. 1015 zwischen Pöhlde und Frankfurt. Andererseits aber ist im
Herbst 973 Otto II. von Magdeburg über Dornburg, Allstedt, Duisburg
nach Nimwegen gegangen, also wenn auch nicht in Mühlhausen, so doch
ganz in der Nähe gewesen. 5) Vgl. Pabst bei Hirsch II, 206, N. 2.
In den Jahrb. Konrads II. Bd. II, 425 ff. habe ich aus der Zeit von 1025
bis 1041 sechs derartige irrige Angaben der Ann. Hildesheim, angeführt,
dort auch einen Versuch zu ihrer Erklärung gemacht. 6) Unter der
Voraussetzung, dass der König von Mühlhausen zunächst nach Ingelheim,
dann rheinabwärts nach Nimwegen gegangen wäre, lässt sich zwar auch
der Ort auf die Handlung, der Tag auf die Beurkundung, die dann in
oder bei Nimwegen vollzogen wäre, beziehen. Dass durch diesen Umweg
174 Harry Bresslau.
den ersten Jahren der Regierung Heinrichs an jeder Analogie
fehlt, so entscheiden wir uns dahin, die Datierung von
St. 1422 als einheitlich zu behandeln und die damit nicht
vereinbare Angabe der Ann. Hildesheiuienses zu verwerfen.
Der nächste nachweisbare Aufenthaltsort des Königs
ist Pfalz Erstem im Elsass, wo er am 28. Mai für Chur
urkundete (St. 1423). Dass hier etwas längerer Aufenthalt
genommen wurde, schliessen wir aus der durch St. 1424 be-
zeugten Anwesenheit des Bischofs Notker von Lüttich, der
in eben diesem Jahre als Gesandter nach Paris geschickt
wurde : mag er nun erst im Juni von Erstem aus dort hin
gegangen sein oder schon früher seinen Auftrag vollzogen
und in Erstem über den Erfolg berichtet haben 1 ; in jedem
Falle werden eben hier Verhandlungen stattgefunden haben,
die zu dem obigen Schluss berechtigen. Ob nun aber
dieser Aufenthalt bis zum 10. Juni gedauert hat, wie nach
St. 1424 zunächst anzunehmen wäre, bedarf doch noch der
Untersuchung. Denn von diesem Tage datiert noch eine
andere im Original erhaltene Urkunde für Kloster Nieder-
münster zu Regensburg mit 'actum Puözinesheim', St. 1425.
Wohl um einen Ort zu finden, den der König noch am Tage
seines Aufenthalts in Erstem erreicht haben könnte, hat
Stumpf diesen Namen auf das heutige Bolsenheim, 3 — 4
Kilom. westlich von Erstem, bezogen 2 ; aber auch hier wie
mehrfach gerade bei der Deutung schwierigerer Ortsnamen
in Urkunden Heinrichs II. nicht glücklich. Puözinesheim
kann sprachlich nicht zu Bolsenheim geworden sein, ist
aber ohne Frage identisch mit Buezinsheim, Buozensheim,
einem Namen, der in den beiden Fassungen des angeblichen
Testaments der heiligen Odilia vorkommt 3 ; er bezieht sich
die Entfernung von Mühlhausen nach Nimwegen sich bedeutend erhöhte,
würde ich nicht als ausschlaggebenden Grund gegen solche Annahme be-
trachten, da auf der dann möglichen Rheinfahrt zu Thal eine erheblich
grössere Reisegeschwindigkeit erzielt worden sein könnte. Allein, wenn
man einen Aufenthalt des Königs in Nimwegen um diese Zeit annimmt,
ist es doch ungleich wahrscheinlicher, dass der Bischof von Utrecht, für
den St. 1422 ausgestellt ist, den Hof erst hier aufgesucht hat, als dass er
dem König schon bis Ingelheim entgegengezogen wäre. Es versteht sich
dagegen von selbst, dass das letztere — zumal in Anbetracht der politi-
schen Verwicklungen in den Niederlanden — sehr wohl denkbar ist, wenn
der König gar nicht in Nimwegen war, wenn etwa ein dort geplanter
Aufenthalt zu Ostern aus irgend welchen Gründen abgesagt war. 1) Ueber
die Zeit der Gesandtschaft ergiebt sich, wie Usinger zu Hirsch I, 401, N. 1
mit Recht bemerkt, aus dem kurzen Bericht des Anselm, Gesta epp.
Leod. cap. 29 nichts bestimmtes. 2) Bim folgen Richter -Kohl S. 192.
3) Grandidier, Hist. de Teglise de Strasbourg I, XL1V, n. 25; XL VI,
n. 26; vgl. v. Jan, Zeitschr. f. Gesch. des Oberrheins N. F. VH, 205.
Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II. 175
auf das heutige Boozheim 1 im Kreise Schlettstadt unweit
Markolsheim, wo Kloster Niedermünster — natürlich das
elsässische, nicht das baierische Stift dieses Namens —
einen Hof besass 2. Da diese Deutung- völlig- sicher ist,
entsteht die Frage, ob der König an ein und demselben
Tage in Erstem und Boozheim geur kündet hat; beide Orte
sind beinahe 30 Kilom. von einander entfernt. Nun ist
die Datierung in St. 1425 einheitlich, da im Or. sowohl
der Tag wie der Ortsname nachgetragen zu sein scheinen,
die Nachtragung also doch wohl gleichzeitig erfolgt ist
und dann nur am 10. Juni in Boozheim erfolgt sein kann 3.
St. 1421 ist nur abschriftlich überliefert, so dass der Schrift-
befund hier keinen Anhaltspunkt zur Beurtheilung der
Sachlage giebt. Dass der König am 10. Juni vor seinem
Aufbruch in Erstein und dann noch am selben Tage nach
seiner Ankunft in Boozheim Urkunden vollzogen habe,
wird durch die Entfernung beider Orte von einander nicht
völlig ausgeschlossen, muss aber doch als sehr zweifelhaft
bezeichnet werden: wir wenden hier wiederum das mehr
besprochene Zeichen an, welches, ohne die Einheitlichkeit
der Datierung von St. 1421 mit voller Bestimmtheit aus-
zuschliessen, unseren Zweifeln an derselben Ausdruck giebt4.
In der zweiten Hälfte des Jahres 1006 und in den
ersten Monaten des Jahres 1007 macht das Itinerar, soweit
es für die Einreihung der Urkunden auf dasselbe ankommt,
keine Schwierigkeit. Nur ein Ortsname giebt zu einer Be-
merkung Anlass : derjenige von St. 1446, das, im Or. über-
liefert, 'actum Se' mit dem Datum 17. April 1007 verbindet.
1) Nicht zu verwechseln mit Boofzheim (saec. XII. Bovisheim) im
Kreise Erstem. 2) Der König hat also von Erstein aus die Rheinstrasse
nach Basel eingeschlagen, wo wir ihn noch am 15. Juli treffen. Demgemäss
ist schwerlich mit Stumpf 1426, dem auch hier Richter - Kohl a. a. O.
folgen, die Zusammenkunft mit Robert v. Frankreich, von der wir durch
eine ungenau datierte Urkunde des letzteren wissen, in den Juni zu setzen,
sondern sie wird mit Hirsch I, 401, Giesebrecht II, 50, Manitius S. 267
(Pfister, Etudes sur le regne de Robert le Pieux S. LXX. 363 verzichtet
auf jede nähere Bestimmung) in den August zu legen sein. An welcher
Stelle der Maas die Zusammenkunft stattfand, darüber fehlt es an allen
Nachrichten : die Anhaltspunkte, auf welche Michael, Die Formen des
unmittelbaren Verkehrs S. 34 seine Vermuthung stützt, Domremy sei der
Ort der Begegnung gewesen, sind doch nur sehr schwach. 3) Das
schliesst natürlich nicht aus, dass auch in diesem Fall Handlung und An-
fang der Beurkundung nach Erstein gehören mögen. 4) In einem völlig
entsprechenden Fall (zwei DD. vom 17. Juli 997 sind das eine aus Eschwege,
das andere aus Mühlhausen datiert; die Entfernung beider Orte ist fast
genau derjenigen von Erstein nach Boozheim gleich) haben Kehr S. 245
und Sickel zu DO. III. 250 sich bestimmt für Nichteinheitlichkeit der
Datierung des ersteren entschieden.
176 Harry Bresslau.
Da der König in Regensburg, wo er Ostern gefeiert hatte
(6. April), noch am 15. nachweisbar ist, kann der Ort nicht
allzuweit Ton der bairischen Hauptstadt und muss auf dem
Wege von da nach Bamberg (St. 1447 ff.) gesucht werden.
Stumpf deutet den Namen auf See 'nördlich von Regen s-
burg" und denkt also wohl an das Dorf See rechts von der
Nab, etwa 5 Kilometer wsw. von Burglengenfeld, das aller-
dings den obigen Bedingungen entsprechen würde, aber
wenigstens jetzt von jedem grösseren Strassenzuge abseits
liegt. Doch kommen auch noch andere Orte des nicht
seltenen Namens in Betracht, so namentlich das Pfarrdorf
See im Landgericht Parsberg, südöstlich von letzterem Ort,
das von Regensburg etwa 30 Kilometer entfernt ist und
an der von dort nach Nürnberg führenden Strasse liegt.
Ich würde am ersten an diesen Ort zu denken geneigt
sein; mit Bestimmtheit aber eine Entscheidung zu treffen,
ist nicht möglich.
Wir sind mit unseren Erörterungen bis in die letzten
Monate des Jahres 1007 gelangt, in denen die Gründung
Bambergs an die Reichskanzlei neue und schwierige Auf-
gaben stellte. Zu zeigen, wie diesen genügt wurde, mag
dem zweiten Abschnitt unserer Erläuterungen zu den Di-
plomen Heinrichs vorbehalten bleiben1.
1) Nachtrag zu S. 16 3. Erst während der Correctur dieses
Aufsatzes sind wir darauf aufmerksam geworden, dass auch DO. III. 210
unverkennbar den Stil des BA aufweist, was auch in der Ausgabe der
DD. Otto's III. nicht bemerkt worden ist. Auf die Consequenzen dieser
Beobachtung behalte ich mir vor zurückzukommen.
V.
Beiträge
zu den
Regesten der staufischen Periode.
Von
Paul Scheffer -Boichorsl
Neues Archiv etc. XX. 12
I. Die gefälschten Kaiserurkuiiden für Bauffreiiioiit
und ihre echten Muster.
In seinen gehaltvollen Instructions du comite des
travaux historiques et scientifiques 53 — 56 hat L. Delisle
gezeigt, dass eine Urkunde, durch welche Friedrich II. am
16. März 1218 die Burg seines 'lieben Verwandten' Libald
von Bauffreniont unter besonderen Schutz genommen haben
soll, erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts von dem
Abbe Jean - Baptiste G-uillaume gefälscht worden ist. Zu-
gleich bemerkte Delisle die durchgehende Uebereinstim-
mung mit einer echten Urkunde, die Friedrich II. am
gleichen Tage dem Kloster Lüders ausgestellt hat. Er
Hess nun beide Diplome abdrucken, um das Verhältnis
recht deutlich zu machen, die gefälschte nach dem angeb-
lichen Original 1, die echte nach Huillard - Breholles, Hist.
dipl. Friderici secundi II, 537, der seinerseits den Druck
bei Würdtwein, Nova subsidia XIII, 229 wiederholte. Die
Uebereinstimmung ist allerdings auffallend, ohne doch voll-
ständig zu sein. Für Bauffremont hebt Friedrich an: Per
presens scriptum notum facimus, für Lüders scheint er
nur Notum facimus zu sagen; vor Allem heisst es nach
Delisle allein in der Fälschung: Ad cuius nostre pro-
tectionis et conf irmationis memoriam et invio-
labile firmamentum presens scriptum fieri feci-
mus sigillo nostre celsitudinis roboratum. Die
hervorgehobenen Worte entsprechen aber, — wie man sich
leicht überzeugen kann2, — durchaus dem Stil der da-
maligen Urkunden Friedrichs IL So bleibt in dem Be-
weise Delisle's eine Lücke, die doch der Ausfüllung bedarf,
wenn sein Verdikt in voller Unbedingtheit aufrecht er-
halten werden soll. Darum verweise ich auf die älteste
Ausgabe des Privilegs für Lüders: der Druck bei Lünig,
Teutsches Eeichsarchiv XIX, 971 vervollständigt die Con-
gruenz sozusagen bis auf den letzten Buchstaben, und erst
damit scheint mir jede Hoffnung zu schwinden, dass die
Urkunde für Bauffremont noch gerettet werden könne.
1) Böhmer - Ficker N. 931 verzeichnet die früheren Ausgaben, ohne
Bedenken zu äussern. 2) Man vergleiche nur Urkunden Friedrichs II.
vom Juli 1217, Januar und März 1218. Huillard I, 519—520. 533. 539—540.
12*
180 Paul Scheffer - Boichorst.
Der angeführte Band des Eeichsarchivs erschien 1720; und
1758 hat Guillaume, wie ein von Delisle mitgetheilter Brief
beweist, sein sauberes Machwerk zu Stande gebracht. Je-
doch mag man auch erwägen, einerseits, dass Guillaume
in Bisanz geboren ist, dass er in Bisanz als Priester lebte,
dass er von dorther dem Fürsten Bauffremont das Privileg
sandte und seine Geschichte der Herrn von Salins wid-
mete, anderseits, dass Lüders im Sprengel von Bisanz liegt:
eine unmittelbare Benutzung des Klosterarchivs war für
Guillaume keine schwere Sache.
Delisle argwöhnte nun natürlich, dass noch andere
Kaiserurkunden für Bauffremont ihr Dasein dem gleichen
Ursprung zu verdanken hätten. Dieser Yermuthung folgte
jüngst A. de Barthelemy, der in der Bibliotheque de
l'ecole des chartes 1891, S. 118 — 128 über die Münzen von
Bauffremont x gehandelt hat. Doch ist Barthelemy theils
viel zu weit gegangen, theils hinter seiner Aufgabe zurück-
geblieben. Er schoss über das Ziel hinaus, indem er nicht
blos eine Urkunde, durch welche Kaiser Friedrich I. den
Bauffremonts das Münzrecht verliehen haben soll, als Fäl-
schung verwarf, sondern auch ein ziemlich gleichlautendes
Privileg 2, das den Bischof Peter von Tüll berechtigt, in
seinem Schlosse Liverdun zu prägen. Nicht genug that
Barthelemy aber, da er die Genealogie der Drucke unbe-
achtet Hess: so entging ihm ein Versehen des Setzers, das
für die Kritik seine Bedeutung hat.
Ich beginne mit der Urkunde Friedrichs I. für Tüll 3,
die nach Benoit, Hist. eccl. et politique de Toul Preuves 30,
früher Calmet, Hist. eccl. et civile de la Lorraine IL Preu-
ves 364, ed. I und nun auch Barthelemy 1. c. 425 abge-
druckt haben. Sie soll aber unecht sein, weil die Daten,
an sich einen Widerspruch enthaltend, Anachronismen für
einzelne Zeugen ergäben4. Eine kleine Aenderung bringt
fast Alles in Ordnung: man schreibe nur Bisuntii XVIII.
Kai Od. ao. dorn. MCLXXVIII. indictione XI statt
MCLXVIII5. Die Einfügung einer Zehn ist aber durch
die 11. Indiktion beinahe geboten. Erwünschte Bestätigung
1) Barthelemy schreibt: Beaufremont, Delisle: Baufremont; ich folge
dem Gothaischen Hofkalender, mit dem die Herausgeber der Docum. rares
ou ined. des Vosges übereinstimmen. Aber auch Guillaume. 2) — redige
evidemment par Ja meine main, also durch Guillaume. Der aber wurde
1728 geboren, er fälschte um 1758, und schon 1707 wurde das Privileg
von Benoit veröffentlicht ! 3) St. 4267. 4) Die folgenden Einwände
erhebt Barthelemy gegen die Urkunde für Bauffremont, dann aber sagt er
von dem Tuller Münzprivileg, es sei behaftet avec les meines erreurs.
5) Das meint auch Barthelemy, aber: les faussaires ne pensent pas ä tont.
Beiträge zu den Regesten der stauflschen Periode. 181
gewährt eine Mittheilung, die Herr Duvernoy in Nanzig
seinem Collegen Wolfram in Metz zu machen die Güte
hatte. Er verweist auf ein Verzeichnis der Urkunden des
Domkapitels von Tüll, welches 1757 angelegt wurde. On
dornte ä cet acte dans V inventaire la date de 1178 et on
indique qu'il est consigne au folio 26 du cartulaire A. Also
am 14. September 1178 hat der Bischof von Tüll sein
Münzrecht vom Kaiser erhalten, und zwar zu Bisanz. Dass
Friedrich dort in der Mitte des September 1178 Hof hielt,
ist aber auch anderweitig bekannt. Am 13. bekundete er
eben zu Bisanz die Entscheidung eines Streites, den die
Aebtissin von Eumelsberg gegen Reiner von Bourbonne
geführt hat1; und unter den Zeugen begegnen uns auch
zwei der Herren, die Barthelemy beanstandet hat: Eber-
hard von Bisanz und Heinrich von Bar. Zwischen beiden
findet sich dann namentlich noch der Prälat, dem der
Kaiser gestattet, in Liverdun zu prägen : Bischof Peter von
Tüll. Ferner bezeugt das Privileg für Rumeisberg: Gisel-
bertus vicecomes Falcon. Die Bezeichnung ist nicht eben
genau ; richtig sollte es heissen Giselbertus Falcon, vicecomes
Vesuliensis, d. h. Giselbert von Eaucogney, Vicomte von
Vesoul 2. Man sieht wohl, wer einen Tag später unter dem
Giselbertus vicecomes Vesuntinensis zu verstehen ist. Die
Aenderung Vesuliensis erscheint ungezwungen, ja selbst-
verständlich. Vesuntinensis ist verlesen 3, vielleicht verschrie-
ben, wie in demselben Diplom decreto aus de cetero wurde.
Damit fällt der letzte Grund, den Barthelemy gegen die
Echtheit geltend machte; eine genauere Prüfung wendet
Alles zum Besten der Urkunde4.
Doch wird man sofort zugeben, dass die gleichen
Fehler 1168 statt 1178 und Vesuntinensis statt Vesuliensis
in einer zweiten Urkunde nicht leicht zu entschuldigen
sind. Sie wiederholen sich mit so Vielem in dem Münz-
privileg für Bauffremont 5, das die Herausgeber der Docu-
ments rares ou inedits de l'histoire des Vosges IV, 342 und
nun auch Barthelemy 1. c. 124 veröffentlicht haben0. Einen
1) St. 4266 b. Ich benutze eine Abschrift aus dem Kopialbuche
des Klosters, die W. Arndt für die MGr. angefertigt hat. 2) Vgl. z. B.
Gallia christ. XV. Instr. 46. 53. 3) In diesem Zusammenhang verdient
Beachtung, dass es bei Benoit heisst: Bisunt. aep., Dat. Bisunt., aber
vicecom. Vesunt. 4) Auch gegenüber der Urkunde von Rumeisberg. Hier
heisst Theoderich von Metz episcopus, in unserem Privileg electus; Theo-
derich ist nie geweiht worden. 5) St. 4267 a hat keinen Verdacht ge-
schöpft. 6) All' die Kaiserurkunden für Bauffremont besitzen wir in
Vidimierungen eines officialis curie Tulhnsis von 1360, die ihrerseits 1761
182 Paul Scheff er - Boichorst.
Augenblick könnte man wohl zweifeln, wo der Betrag zu
suchen sei. Aber der von Delisle erbrachte und dann —
wie ich nieine — von mir gesicherte Beweis, dass ein
Fälscher für Bauffremont thätig war, scheint doch jedes
Bedenken zu zerstreuen. Um Anderes zu übergehen1,
will ich nur noch ein weiteres Argument hervorheben. Bei
Benoit lautet eine Zeugenschaft Everaräi Bisuntinensis ar-
chiepiscopi. Daraus wurde bei Calmet am Ende der einen
Zeile Bisuntinensis, am Anfang der anderen episcopi. Der
Setzer verlor also — wenn ich so sagen darf : beim Ueber-
gange — die Silben archi, und auch in unserer Fälschung
ist Eberhard zum Bischöfe degradiert worden 2. Der an-
geführte Band Calmets erschien 1728, und erst 30 Jahre
später arbeitete G-uillaume.
Das für die Bauffremonts wichtigste Privileg soll
Friedrich I. am 14. November 1157 ertheilt haben3. Es
bringt das erlauchte Geschlecht, das seit 1757 dem Reichs-
fürstenstand angehörte, in schmeichelhafte Beziehungen
nicht blos zu Friedrich I., sondern auch zu einem Kaiser
noch früherer Zeiten, wie man will: Heinrich II. oder
Heinrich III. Friedrich wiederholt nur die Immunitäten
des betreffenden Heinrich, welche ihm die Bauffremonts
vorgelegt haben, ut a novis et indebitis vexationihns castnun
suum de Bafrimont eriperent. Dieses ausserordentlich
schätzenswerthe Aktenstück hat zuerst bekannt gemacht :
Zurlauben, Tables geneal. des augustes maisons d Autriche
et de Lorrain 179 ; willkürliche Aenderungen sich gestat-
tend, folgte Schöpflin, Alsatia dipl. I, 243 i; in unveränderter
Gestalt besitzen wir den Wortlaut nun auch in den Docu-
ments rares ou inedits de l'hist. des Vosges IV, 337.
Gleichlautende Immunitäten desselben Heinrich legte
par le seeretaire greffier de Ja chambre du conseil et des comptes du ducke
de Bar beglaubigt wurden. "Wie es scheint, ist nur das besprochene Pri-
vileg von 1218 daneben auch im angeblichen Original vorhanden. 1) Kleine
Aenderungen dienen keineswegs zur Empfehlung der Urkunde. Nicht
kanzleigemäss ist z. B. Federicus dei gratia Imperator Romanorum et semper
augustus statt Federicus dei gratia Romanorum imperator augustus, dann
Noveritis itaque statt Noverint itaqiie. 2) Mehrere Zeugen seiner Vor-
lage hat Gruillaume unterdrückt, dafür zwei Lothringer hinzugefügt : Theo-
baldus de Novo -Castro, Ulricus de Xuefviler. Sie lassen sich anderweitig
in den damals von Friedrich I. ertheilten Privilegien nicht nachweisen,
wahrscheinlich entnahm Guillaume auch sie aus Calmets Geschichte.
3) St. 3785. 4) Ex transsumpto camerae computorum ducatus Barensis,
also aus derselben Quelle, der auch die anderen Kaiserurkunden für Bauffre-
mont entstammen. Vgl. S. 181, Anm. 6. Die Uebereinstimmung zwischen
dem Drucke in den Tables geneal. und den Docum. rares lehrt, dass
Schöpflin die bessernde Hand angelegt hat.
Beiträge zu den Regesten der staufischen Periode. 183
der Abt von Lüders an demselben 14. November 1157 dem
Kaiser vor \ natürlich ganz zu demselben Zweck, nt a novis
et indebitis vexationibus eccJesiam suam eriperet. Ein wirk-
lich rührendes Zusammengehen des lothringischen Hauses
Bauffremont und des burgundischen Klosters Lüders ! Nicht
blos 1218 treffen sie auf Tag, Monat, Ort und im Wortlaut
zusammen, sondern auch schon 1157! Die seltene Freund-
schaft zwischen Lüders und Bauffremont vermittelte —
Seine Hochwürden, Abbe Jean - Baptiste Guillaume !
Der Mann hatte nun ausser dem bösen Gemüthe noch
eine zuweilen recht unglückliche Hand. Denn wieder griff
er zu einem schlechten Text, den er seiner Fälschuno- zu
Grunde legte. Wir besitzen einen besseren, nämlich ein
Bruchstück bei Lünig XIX, 968, dann den vollen Wort-
laut bei Besson, Memoire hist. sur l'abbaye et la ville de
Lüre 197 -\ Wenig befriedigt dagegen die Wiederholung,
welche Friedrichs Urkunde durch Rudolf I. erfahren hat:
auch sie findet man bei Lünig XIX, 980. Und mit ihr
stimmt zu seinem Verderben das Privileg für Bauffremont
überein. So bieten etwa beide den Unsinn ad feoda exi-
genda statt der bekannten Formel ad freda exigenda3; so
heissen hier und dort zwei Zeugen: comes de Lucenburclt,
comes de Cagesburch: bei Besson liest man: de Lentzburch,
de Dagsburch. Dann verweise ich noch auf die doppelte
Nennung des Ortes, an welchem die Urkunde ausgestellt
ist. Es entspricht Diplomen vom 3. und 4. November, dass
er unter Data und wieder unter Actum angegeben wird:
am 14. November sagte Friedrich I. nach Besson Data in
Monte Barri, — actam in Monte Barri in regno Burgundie.
Der Kanzlist Rudolfs I. meinte, es sei völlig genug, wenn
er schreibe Data in Monte Barri, actum in regno Burgun-
1) St. 3786. Friedrich bezieht sich auf ein Privileg progenüoris
nostri domni Henrici secundi, er sagt dann : felix parens noster Henriais
secimdus. Nicht bloss nach den genealogischen Verhältnissen , sondern
auch nach der in Friedrichs Kanzlei üblichen Zählung könnte nur Hein-
rich III. gemeint sein. Aber die bestätigte Urkunde hat dennoch unser
Heinrich H. ausgestellt. St. 1673. Der Fälscher von St. 3785 hat sich
an dem scheinbaren "Widerspruch von progenitor = parens und secimdus
gestossen und einfach predecessor eingesetzt. 2) Nur aus dem Citate
bei D(uvernoy), Mouvance du comte de Bourgogne Preuves 37 weiss ich,
dass die Urkunde auch in den Dissert. hist. de l'acad. de Besangon 1762. 64
gedruckt ist. 3) Hier z. B. änderte Schöpflin, der ein besserer Kenner
war, als der archiiHste-paMographe, der in den Doc. rar. 1. c. 341 Alles in
schöner Ordnung fand und ohne Bedenken übersetzte : pour y lerer /es
droit* fwlax.r. Mit der Herausgabe der Fälschungen hat man sich näm-
lich nicht begnügt, es mussten auch noch Uebersetzungen hinzugefügt
wei'den !
184 Paul Scheffer - Boichorst.
cliae: seiner Ansicht hat sich der Verfasser des Privilegs
für Bauffremont, das doch auch Friedrich I. 1157 ertheilt
haben soll, nur allzu bereitwillig- angeschlossen 1.
Den Bauffremonts musste das Privileg- Friedrichs I.
als werthvollstes Stück ihres Archivs gelten ; es würde aber
auch in allgemeinerer Richtung eine gewisse Bedeutung
haben, nämlich als Immunitätsbrief für einen weltlichen
Herrn. Urkundliche Verleihung oder Bestätigung lässt
sich nicht oft nachweisen, und darum meinte F. von Wyss
die geringe Zahl der Diplome, worin einem Laien die Frei-
heit von öffentlicher Gewalt zugestanden wird, wohl um
ein stattliches Beispiel zu vermehren, indem er auf unsere
Urkunde aufmerksam machte 2. Noch viel grösseren Werth
in rechtlicher, aber auch in politischer Beziehung hätte
ein Spruch, den der königliche Hof 1224 zu Gunsten eines
Bauffremont gefällt haben soll. Mochte er weniger dazu
beitragen, den Ruhm des gefürsteten Hauses zu erhöhen.
— was er für die Verfassung des Reichs bedeutete, zeigt
der Umstand, dass Pertz ihn seiner Sammlung von Ge-
setzen einreihte 3, dass Franklin ihm einen Platz in den
Sententiae curiae regis gestattete4, dass E. Winkelmann
nicht abgeneigt war 5, darin die erste Spur von Ritterbünd-
nissen zu erblicken.
Libald von Bauffremont hat vor Heinrich (VII.) Klage
erhoben : vasalli et ceteri homines sui de vallibus in Hcmspurgh
auctoritate proprio, quasdam communitates, constitutiones, nori-
tates et coniunctiones r/t/ado ftdei ßrmatas inier unt. Darauf
erfolgt das Urtheil, dass solche Verbindungen rechtswidrig
sind, und am 28. December 1224 erhält Libald die könig-
liche Verbrief ung, die ihn gegen die Eigenmächtigkeit
seiner Vasallen schützt. Ob diese nun ritterbürtige Leute
waren, ob man also von einem Ritterbunde reden darf, ob
es sich um Lehnsleute anderer Art handelt '', kann das
Interesse kaum erhöhen oder mindern. In jedem Falle
bleibt, dass der Korporationsgeist sich nicht auf die Städte
beschränkt, dass er auch die Landbewohner ergriffen hat.
1 ) Uebrigens finden sich noch weitere Fehler, für welche der Druck
bei Lünig 1. c. 980 keine Analogieen bietet. Anderseits müsste ausser
Lünig 1. c. 980 auch noch Lünig 1. c. 968 herangezogen sein, nämlich zur
Ankündigung des Monogramms und zur Vervollständigung der Recogni-
tion. Darum möchte ich doch lieber annehmen, dass der Bisanzer aus
dem Archive des benachbarten Lüders unmittelbar sein Muster entnommen
hat. 2) Abhandlungen zur Gesch. des schweizerischen öffentl. Rechts
305. 3) Leges II, 254. 4) S. 91, n. 239. 5) Kaiser Friedrich IL
Jahrbücher I, 361, Anm. 7. 6) Vgl. dazu Winkelmann a. a. 0.
Beiträge zu den Regesten der staunscheii Periode. 185
Und beide trifft nun das gleiche Schicksal, am gleichen
Tage und Orte, in den gleichen Formen. Es besteht nur
der eine Unterschied : gegen die Vasallen hat Libald von
Bauffremont das Reich angerufen, gegen die Bürger der
Erzbischof von Bisanz. Dessen Klage lautet: cives Bisunti-
nenses auctoritate proprio, quasdam communitates, constitutiones,
novitates et conventiones vinculo ßdei confirmatas inierunt.
Hiermit habe ich zugleich eine Probe der durchgehenden
Uebereinstimmung gegeben.
Die Drucke der Urkunde für den Erzbischof, die kein
Lob verdienen, gehen auf eine und dieselbe Quelle zurück.
Aus den mir unzugänglichen Dissert. de l'academie de
Besancon 1760. 61 entnahm sie D(uvernoy), Mouvance du
comte de Bourgogne envers l'empire Germanique. Preuves 60,
und ihm folgte Huillard - Breholles, Hist. dipl. Frid. sec.
II, 818. Der Text ist nicht einmal vollständig; man er-
kennt es aus der Bestätigung Friedrichs II. : Nostm sefe-
nitas intellexit, qualiter per sententiam düectorum principum
E. Coloniensis, Th. Treverensis venerdbiliwm archiepiscoporwm,
Augustensis, Lausanensis, Basiliensis episcoponun aliononqne
magnatum Burgundie predictas communitates, constitutiones,
novitates et conventiones irrevocabiliter revocaveris. In den
angeführten Drucken der Urkunde Heinrichs fehlen der
Erzbischof von Trier, die Bischöfe von Augsburg und Lau-
sanne. Diese Prälaten werden nun aber in der Fälschung
für Libald von Bauffremont genannt. Sie ist also von dem
Texte der Editionen, deren älteste übrigens auch wahr-
scheinlich schon einem späteren Jahre angehört, ganz
gewiss nicht abhängig. Man muss sich hier erinnern, dass
Guillaume als 'Priester und Mitglied der königlichen Aka-
demie zu Bisanz', wie er sich vorstellt, in den verschie-
denen Archiven seiner Vaterstadt aus- und einging, dass
er dorther auch in seiner Histoire genealogique des sires
de Salins 1 eine Reihe von Urkunden veröffentlicht hat.
Da fand er eine gute Ueberlieferung des Reichsspruches,
der 1224 für den Erzbischof ergangen ist, und sie legte ei-
serner Fälschung zu Grunde. Wenn in Bisanz, dessen
Archivalien seitdem manche Schmälerung erfahren haben,
sich heute kein reinerer Text für das Diplom Hein-
richs (VII.) auffinden lässt, als der durch die Ausgaben
1) Ich kenne den ersten, 1757 erschienenen Band, den die Ver-
waltung der Universitäts- und Landesbibliothek zu Strassburg mir gütigst
hierher sandte. Dieser enthält nur eine Kaiserurkunde Preuves S. 50 =
St. 4074: sie ist unzweifelhaft echt.
186 Paul Scheffer - Boichorst.
bekannte \ dann wird man die Nachbildung Guillaume's
immerhin zur Besserung und Vervollständigung benutzen
können.
Aber ist auch diese Urkunde wirklich eine Nach-
bildung, eine Fälschung?
Die einzige Quelle für die Drucke ist Schöpflin, Al-
satia diplomatica I, 352, ihm folgte namentlich auch Pertz,
LL. II, 254. Schöpflin verdankte das Diplom dem Baron
von Zurlauben, der es ex transs. cur. Basü. entnommen
habe. Doch ist statt Basü. wohl zu lesen Tullens. Denn
dort sind alle Privilegien für Bauffremont beglaubigt worden,
auch die nicht kaiserlichen, deren Besprechung mir fern
liegt. Auf einer Yidimierung des Officials von Tüll beruht
ebenfalls die Ausgabe des Immunitätsbriefes von 1157, die
Zurlauben selbst besorgte 2. Der verdächtige Ursprung soll
indess nur erwähnt werden.
In Wahrheit würde ein zwingender Beweis der Un-
echtheit kaum zu erbringen sein, wenn nicht der Vergleich
mit den übrigen Urkunden für Bauffremont volle Klarheit
gäbe. Oder will Jemand annehmen, dass die Diplome von
1157. 1168 und 1218 allerdings auf Grund echter Vorlagen
desselben Jahres, Tages und Ortes gefälscht seien, dass
dagegen der Rechtsspruch von 1224 thatsächlich mit der
Entscheidung für den Erzbischof von Bisanz sozusagen in
derselben Stunde gefällt wäre und daher auch dieselbe
Fassung erhalten hätte ? Solche Vertrauensseligkeit würde
doch zu weit gehen, selbst dann noch, wenn der Empfänger
der echten Urkunde nicht Erzbischof von Bisanz gewesen
wäre. Doch die Beziehungen des Fälschers zu Bisanz,
seiner Vaterstadt, deren Archive ihm offen standen, habe
ich schon zur Genüge hervorgehoben.
Nicht gerade unmöglich wäre die Verbindung unter
Vasallen. Sonst hören wir zu Anfang des 13. Jahrh. frei-
lich nur, wie die Bürger einer Stadt zusammentreten, sich
eine Verfassung geben und ihrem Herrn Trotz bieten.
Aber aus Sachsen vernehmen wir doch schon um die Mitte
des 12. Jahrh., dass die Ministerialen, der ordentlichen Ge-
richtsbarkeit zum Hohne, sich selber Recht sprachen 3, also
1) Eine Abschrift aus dem Chartul. eccles. Bisunt., die nach dem
N. Arch. II, 282 W. Arndt für die MG. angefertigt hat, war in deren
Sammlungen nicht zu finden. 2) Auch die anderen, auf Bauffremont
bezüglichen Urkunden, die Schöpflin veröffentlicht hat, verdankte er der
Mittheilung Zurlaubens. Doch finde ich keine Anhaltspunkte, Zurlauben
mit dem Betrüge in Verbindung zu bringen. Sein litterarischer Nachlass
befindet sich in Aarau, Anzeiger f. Schweiz. Gesch. V, 152. 3) Annal.
Palid. ad 1146, SS. XVI, 82.
Beiträge zu den Regesten der staufischen Periode. 187
doch eine Vereinigung eingegangen sind; und in Italien
hatten sich die Vasallen der Gräfin Mathilde schon früher
zu einer Genossenschaft vereinigt :. Könnte nicht noch-
mals, jetzt im Gebiete Bauffremonts, von der Lehnsmann-
schaft ein Versuch gemacht sein, sich eine eigene Organi-
sation zu geben? Solch' eine Erwägung würden wir uns
gestatten dürfen, wenn ihre Voraussetzung auf festerem
Grunde beruhte.
Und die Thäler von Hauspurgh, worin die Vasallen
wohnen? Schöpflin. hat die Oertlichkeit nicht nachweisen
können2, und auch ich habe sie vergebens gesucht. Sich
aus der Verlegenheit zu retten, verfällt vielleicht Jemand
auf die Idee, Thäler von Habsburg seien gemeint. In einer
Urkunde der gleichen Zeit und des gleichen Ortes, deren
ein Jahrhundert älteren Druck Guillaume gekannt hat 3,
erscheint als Zeuge: comes Rudolplnis de Haiispurc. Wollte
Guillaume die Bauffremonts mit den Habsburgern in Ver-
bindung bringen, etwa durch gemeinsamen Besitz? Seine
handschriftliche Geschichte der Familie Bauffremont x wird
darüber aufklären. Aber man kann die Antwort auch recht
gut entbehren : ich wenigstens bedauere keinen Augenblick,
dass das Werk ungedruckt blieb. Wenn es erschienen
wäre, müsste ich mich vielleicht noch mit weiteren Be-
weisen der Unechtheit befassen.
II. Egidio Rossi und seine Nachahmer.
Die berühmte Fälschung, wodurch Heinrich VI. am
29. Mai 1195 die Venerosi berechtigt haben soll, Richter
und Notare zu ernennen und Uneheliche zu legitimieren,
ist zwei echten Mustern nachgebildet. Auf das eine hat
schon Ficker hingewiesen: nach seiner Ausführung ent-
sprechen die Eingangs- und Schlussformeln, der grösste
Theil der Zeugen, die Datierung genau einer Urkunde, die
derselbe Kaiser an demselben Tage der Kirche von Parma
ausgestellt hat5. Die andere Vorlage ist ein Privileg, das
Heinrich VI. den Kapitänen von Monteveglio, einer Burg
1) Das zeigen zuerst die Stilübungen in "Wattenbachs Iter Austr.
83— 86. Vgl. Ficker, Forschungen zur Reichs- und Rechtsgesch. Italiens
II, 294. 2) Forte Dagsburg comitatus, in quo vaUes Angusta, Nivea et
Wolfllngla. Schöpflin I, 353, Änra. e. 3) Chifflet, Lettre touchant Beatrix
comtesse de Chalon 113. Auch konnte Cxuillaume die Urkunde aus dem
Bisanzer Archiv kennen. Dorther entnahm sie Zeerleder, U.-B. von Bern
I, 213. 4) Ihrer wird in der Biogr. univer. gedacht, s. v. Guillaume.
5) Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens II, 100.
188 Paul Scheffer - Boichorst.
unweit Bologna's, am 9. September 1196 verlieh1. Von
den beiden Vertretern der Kapitäne heisst es: Qui Sini-
baldus consul et Petrus Bottus iuraverunt nöbis fidelitatem
contra omnem hominem de mundo excepto domnum papam et
ecclesiam Bomanam, secundum quod in capitulis fldelitatis con-
tinetur, corporaliter ab ipsis prestito iuramento, (eisdem delato)
per me Conradum Hildeslieimensem eleetum. Daraus machte
der Verehrer des Hauses Venerosi: Qui Venerosus de Vene-
rosis etc. dicto domino Heinrico sexto imperatori iuravit fideli-
tatem contra omnem hominem de mundo excepto dominum papam
et ecclesiam Bomanam, secundum quod in capitulis fldelitatis
in omnibus et per omnia continetur, corporaliter ab ipso pre-
stito sacramento, eidem delato per nie Corradum imperiales aide
cuncellarium vice domni Odulplii Coloniensis archiepiscopi totius
Baue archicancellarii infrascripti2. Das letzte Wort verräth
schon, dass die Erweiterung mit Hülfe der Recognition
erfolgte. So sollte man glauben, die Entgegennahme des
Treuschwures sei Sache der Kanzlei gewesen. In Wahr-
heit hatte Konrad von Hildesheim nicht als Kanzler, nicht
als Stellvertreter des Erzkanzlers, sondern als Reichslegat,
in welcher Eigenschaft er kurz vorher Italien bereiste, die
Kapitäne vereidigt. Ein weiterer Unsinn ist, dass auch
Veneroso dem Papste die Treue wahrt. Sein Geschlecht
hatte Nichts mit dem 'Mathildinischen Hause' gemein; die
Kapitäne von Monteveglio dagegen, ehemalige Unterthane
der grossen Gräfin, hatten gerade im gegenwärtigen Augen-
blick allen Grund, 'die Kirche auszunehmen', denn zwischen
Kaiser und Papst schwebten Verhandlungen wegen eines
Abkommens über das Mathildinische Gut3. Aber trotz der
Ungeschicklichkeiten verdient der Fälscher doch Dank,
denn die Worte eisdem (sc. capitaneis) delato, deren Fehlen
im schlecht überlieferten Privileg für Monteveglio den
Vorgang unverständlich machte4, sind uns durch ihn ge-
sichert.
Die Verleihung Heinrichs VI. soll Friedrich II. am
1) Savioli, Annali Bolog. III», 191 aus jüngerer Abschrift im Archive
der eigenen Familie. Diesen Druck wiederholte La Farina, Bischiarazioni
e documenti sopra nove studi storici 301. 2) Aus Bologneser Beglau-
bigung von 1322, Sarti, De claris archigymnasii Bonn. prof. II, 143; aus
Sieneser von 1325, Muratori, Ant. Ital. I, 394. 3) Ficker a. a. O. II,
297. 4) Vgl. darüber Ficker II, 150, Anm. 37. — per me Conradum
HiJdesh. eleetum ist in der Urkunde des Kaisers, der bis dahin natürlich
von sich gesprochen hat, nicht ohne Interesse : es wird doch einen per-
sönlicheren Charakter haben, als die Recognition. Schade, dass das Ori-
ginal verloren zu sein scheint ; auch das Citat im Archiv XII, 574 deutet
wohl nur auf eine jüngere Abschrift.
Beiträge zu den Regesten der staufischen Periode. 189
13. März 1245 bestätigt haben1. Den Kern des Privilegs
bilden natürlich Worte der vorausgegangenen Fälschung;
die Einfassung ist freier erfunden, aber doch auch nicht
ganz ohne Muster. Während die Namen der Zeugen zu-
meist nur Ausgeburt einer tollen Phantasie zu sein schei-
nen 2, begegnet uns als Kanzler Konrad von Metz, er ver-
tritt den deutschen Erzkanzler Siegfried von Mainz3, und
der Protonotar Heinrich übergiebt die Urkunde. Diese
Angaben passen zusammen, sie weisen auf Deutschland,
und wie man sich leicht überzeugen kann, wäre als Zeit
1217 — 1220 anzusetzen. Solchen Anforderungen entspricht
die Kegalienverleihung, welche die Stadt Parma im Februar
1219 zu Speier empfing4. Eine Parma betreffende Ur-
kunde5 wurde ja aber auch für die bestätigte Fälschung
benutzt, und dass nun die bestätigende den Ausstellungs-
1) Aus Bologneser Beglaubigung von 1322, Sarti 1. c. 112 und
Huillard - Breholles VI, 941. 2) Auf Erfindung beruht aber keinesfalls:
Ansdmus de Stringunt regalis aide mareschalcus. Man muss Stringunt nur
in Justingen änderen. Nebenbei bemerkt, entstand aus der angedeuteten
Verlesung auch Robertus eomes de Stringunt, der die Urkunde Heinrichs VI.
bezeugt. Ein anderer Spross des fabelhaften Geschlechts wird uns später in
einer Fälschung für Bobbio begegnen: Richolfus eomes de Stringunt. Vgl.
S. 194, Anm. 4. 3) Freilich heisst es Maihensis statt Metensis und Sieg-
fried wird Erzkanzler von Deutschland und auch von Italien. 4) Böhmer-
Ficker 991. Die Daten konnte der Fälscher nicht übernehmen, denn
Bertolotto Venerosi, für den er das Brivileg anfertigte, war damals kaum
schon geboren : er lebte noch 1297. 5) Auf eine solche möchte man ja
auch gern die Arenga zurückführen. Aber die ganz gleichen Worte habe
ich überhaupt in keinem Diplom Friedrichs II. gefunden, freilich darf ich
mich auch nicht rühmen, systematisch danach geforscht zu haben. Doch
begegnen ähnliche Gedanken. So namentlich in der Urkunde, die Fried-
rich II. im Juli 1213 dem Grafen von Dietz ertheilt: Ut fidelium nostro-
rutti animos in fiele roboremus et aliorum mentes ad nostra invitemus ob-
sequia etc. Winkelmann, Acta I, 100. Dasselbe sagt doch auch der
Fälscher: Ut singulorum animos ad fidelitatis nosfre obsequia efficacius in-
r item us et fidelium mentes in fide efficiantur fortiores. Diese Arenga wäre
sehr sachgemäss gewesen, da Friedrich II. am 11. Februar 1216 den Giu-
liani von Parma sich gnädig zeigte. Leider ist die Urkunde, die übrigens
von Böhmer - Ficker übersehen wurde, mir nur in dürftigem Begest be-
kannt, nämlich bei Affö, Storia di Parma III, 108, Anm. c. Danach ver-
lieh der König den Brüdern Ugolino, Tommaso und Gabriele Giuliani
die Herrschaft über Borgo San Donnino: 1215 ind. 4, ao. Rom. regni 3
regnique sui in Italia flies: Sicilia) 18. Dat. ap. Hagenowam 3. id. feb.
Nur das Jahr der Bömerherrschaft ist um eins zu erhöhen, sonst passen
alle Daten auf Februar 1216, und damals weilte Friedrich in Hagenau.
Affö erklärt die Urkunde freilich für unecht, doch ohne Grund: wenig-
stens für ihren Inhalt leistet eine Urkunde Friedrichs II., die Ficker,
Forschungen IV, 333, n. 299 veröffentlicht hat, die beste Gewähr. Vgl.
die Worte non obstante pririlegio et commissione, quam Ugo Lupus et Hugo
Iuliani et fratres eins — a curia nostra ad tempus impetrasse dicantur.
190 Paul Scheffer - Boichorst.
ort 'Parma' erhielt, beweist wiederum Beziehungen des
Fälschers zu dieser Stadt 1.
1198 mussten die Kapitäne von Monteveglio sich den
Bolognesen unterwerfen2. Die Urkunde vom 9. September
1196 gelangte damit gewiss in das Archiv von Bologna.
Man wird also behaupten dürfen, dass der Fälscher sich
ausser den Parmesaner Vorlagen auch einer Bologneser
Urkunde bediente, um seinen Betrug auszuführen. Es will
ungefähr dasselbe bedeuten, wenn ich die Ansicht aus-
spreche, der Fälscher sei entweder Bolognese gewesen, habe
indess auch in Parmesaner Archiven gearbeitet, oder er sei
von Parma ausgegangen, habe indess auch in Bologna so-
zusagen archivalische Studien gemacht. Aber auch ein
dritter Fall ist nicht ausgeschlossen : nämlich gemeinsames
Werk eines Bolognesen und eines Parmesanen.
Möglicher Weise haben die Venerosi schon früher in
Bologna gewohnt; Bürger der Stadt wurden sie erst 1285 3.
Ein Jahr darauf hat ein Bolognese die Urkunden in seinem
Interesse zu verwerthen gewünscht. Es ist der hoch-
berühmte Rolandino Passagerii, der erste Praeconsul des
Kollegs der Notare, der offenbar von den Privilegien der
Venerosi die schönsten Hoffnungen hegte — für eine Jung-
frau, die ihn Vater, nicht aber seine Gattin Mutter nennen
durfte. '14 kaiserliche Briefe besässe das Haus Venerosi;
der letzte sei dem derzeitigen Venerosi, Bertolotto, von
Friedrich II. ertheilt worden. Die gelehrten Herren4
möchten urtheilen, ob seine Tochter von den Privilegien
Bertolotto's einen unanfechtbaren Nutzen ziehen könne'.
Dieser Zusammenhang scheint nun die oben erwiesene
Thatsache, dass für die Herstellung des pergamentenen
Schatzes der Venerosi auch das Archiv von Bologna einen
Beitrag lieferte, doch aufs Beste zu erklären, und vielleicht
1) In gleicher Richtung wird man auch einige der Zeugen ver-
werthen dürfen. So den Markgrafen Hubert von Pallavicini, der in der
Geschichte von Parma eine bedeutende Rolle spielt. Parmenses diruerunt
paJutium, quod habebat in Parma. — Civis enim Parmensis fiiit. Salim-
bene ed. Parm. 165. Ferner erscheinen als Zeugen: Ugo Lupus, Monte-
lupus de Oliveto. Darunter sind Markgrafen von Soragna verstanden : qui
fuerunt magni barones et habitabant in Parma in Capite-pontis. Monte-
lupo hatte mehrere Söhne ; der älteste hiess Hugo, der jüngste auch Monte.
Salimbene 161. Andere Zeugen stammen allerdings nicht aus Parma, und
wieder andere weiss ich überhaupt nicht unterzubringen. 2) Ficker
a. a. 0. II, 289. 3) Ficker II, 101 nach einer urkundlichen Notiz bei
Grhirardacci, Della bist, di Bologna I, 267. 4) Nämlich ein Kollegium
von Doctoren, Advokaten und Richtern, an die er seine Bittschrift richtet ;
sie ist gedruckt bei Sarti 1. c. II, 140 ; genauer unterrichtet über Alles,
was in Betracht kommt, Ficker II, 99 ff.
Beiträge zu den Regesten der staufischen Periode. 191
glaubt man schon über die Autorschaft nicht zweifeln zu
dürfen. Dem gegenüber muss ich indess an die Parme-
saner Bestandtheile erinnern. Sie kann man schwerlich
dem Rolandino Passagerii zuschreiben; ohne Grund würde
man ihn mit Parma in Verbindung bringen. So bleibt für
mich die Frage nach dem Fälscher noch offen. Weiter
führen die notariellen Beglaubigungen der beiden einzigen
Urkunden Bertolotto's, die in vollständigen Drucken vor-
liegen. Am 11. Januar 1291 hatte er sein beglückendes
Recht an einem Florentiner ausgeübt, und die darüber
aufgenommene Akte schliesst nun: Ego Egidius de Rubels
de Cassio Pannen sis notarius et iudex Ordinarius d. comitis
Bartholoti predicti auctoritate imperiali Ms omnibus interfui et
Jianc cartam rogatus et de mandato dicti d. comitis scripsi et
publicavi x. Wir besitzen dann das Testament des Berto-
lotto, worin er am 6. September 1297 seinem einzigen Sohne
Brandaligio seine Güter und Rechte vermacht, namentlich
seine köstlichen Privilegien, deren letztes Kaiser Friedrich
dem Erblasser selbst ertheilt habe. Darunter steht wie-
derum: Ego Egidius de Rubels de Cassio Parmensi nota-
rius et iudex Ordinarius d. comitis Bertholotl predicti etc.2
Also Egidio Rossi aus Cassio, einem Dorfe im Gebiete von
Parma3, war Bertolotto's Notar. In seinem unbedeutenden
Heimatsorte4 konnte er sich für seinen Beruf nicht vor-
bereiten. Das ist sicher in Parma selbst geschehen5. Da
wird er sich aus den dortigen Archivalien Auszüge oder
Abschriften angefertigt haben, und sie nahm er mit in
die Fremde, mit nach Bologna. Diese Parmesaner Vor-
1) Ficker a. a. 0. IV, 502, n. 495 aus dem Florentiner Original.
2) Sarti 1. c. II, 144. 3) Vgl. darüber Molossi, Vocabulario topogr. dei
ducati di Parma, Piacenza e Guastalla 68. Der grossen Familie Rossi aus
Parma selbst darf man ihn also nicht zuschreiben, es sei denn, das Pri-
vileg der Venerosi hätte nicht bloss in Richtung auf Notariat und Richter-
amt ein Interesse für ihn gehabt, sondern auch wegen der Legitimierung.
4) Uebrigens gab es auch in Parma selbst ein casale Worum de Cassio.
Das aber war zur Zeit, als Salimbene schrieb, quantum ad masculos, tota-
liter deletum. Salimbene ed. Parm. 24. Vgl. auch die Genealogie des
Hauses de Cassio im Anhange zu E. Michael, Salimbene und seine Chronik:
darin findet sich kein Egidius. Nebenbei bemerkt: wenn Michael S. 94
behauptet, ich hätte die Herausgabe der Chronik Salimbeue's für die MC
übernommen, jedoch verzögert, so ist er durch Ehrle, seinen Gewährs-
mann, völlig in die Irre geleitet worden. 5) Ebensowohl danach, als
weil er im Parmesanischen geboren war, mochte er sich Parmensis nennen.
So wenigstens liest Ficker ; dagegen heisst es bei Sarti : de Cassio Par-
mensi, wir würden also sagen: Cassio - Parmigiano. Aber ein zweites
Cassio habe ich vergebens gesucht, und das einzige von den Ortsbüchern
genannte Cassio führt denn auch heute nicht etwa den Beinamen: Par-
misiano.
192 Paul Scheffer - Boichorst.
lagen sind nun "wesentliche Bestandtheile unserer Fäl-
schungen, deren eine überdies in Parma ausgestellt sein
soll. Einmal in Bologna, konnte der Parmesane aber doch
auch ein Bologneser Dokument benutzen, ohne dass gerade
Rolandino Passagerii, und kein Anderer, es ihm verschafft
haben müsste. Allerdings, das lebhafteste Interesse, das
der Praeconsul der Notare an den Privilegien hatte, liegt
offen zu Tage. Wie viel mehr aber bedeuteten sie für
Egidio Rossi! Sie haben seine ganze Stellung, wenn nicht
überhaupt erst begründet, so doch gesichert und im Werthe
gehoben 1. Indess mag ihn Rolandino immerhin ermuntert,
unterstützt haben.
An dem überraschend schnellen Erfolge der Fäl-
schungen hat unzweifelhaft die Gunst eines Mannes, wie
Rolandino, der in Bologna eine fast herrschende Stellung
einnahm, ihr gutes Theil gehabt. Wir hören schon in den
nächsten Jahren, dass die Venerosi Notare ernennen und
Uneheliche legitimieren. Letzteres Recht scheinen sie be-
sonders ausgenutzt zu haben. Liess doch der Enkel Ber-
tolotto s im Jahre 1346 einem geehrten Publikum von Lucca
verkünden, er sei angekommen, und jeder Hülfsbedürftige,
'Bürger oder Fremder, Laie oder Geistliche', könne ihn im
Gasthause des Vanni Abatelli antreffen 2. Dabei scheint
es dann Sitte gewesen zu sein, dass eine notarielle Be-
glaubigung der Privilegien, auf denen das Geschäft 'Vene-
rosi und Erben' beruhte, mit in den Kauf gegeben wurde.
So ist die Urkunde Friedrichs IL schon im Jahre 1291,
als Bertolotto selbst in der Florentiner Wirthschaft des
Betto seinen Handel trieb, dem Dokumente einer Legiti-
mierung hinzugefügt worden3; ferner haben wir Beglaubi-
gungen der Privilegien Heinrichs VI. und Friedrichs IL
von 1322 aus Bologna4 und von 1325 aus Siena5. Wie
nun aber Abschriften hierhin und dorthin gelangten fi, da
regten sie zur Nachahmung an.
1) Stillschweigend habe ich angenommen, dass unser Parmesane,
der sich freilich nicht vor 1291 nachweisen lässt, auch schon zur Zeit der
Fälschung, also um 1285, im Dienste der Venerosi stand. Aber da Alles
so gut auf einen Parmesanen passt, so werde ich meine Voraussetzung
wohl festhalten dürfen, bis ein Anderer mir darthut, dass Egidio mit den
Venerosi überhaupt erst in Berührung gekommen sei, als die Fälschungen
längst vorhanden waren. 2) Ficker a. a. O. IV, 534, n. 519. 3) Vgl. Ficker
IV, 503, Anm. 1 zu n. 495. 4) Vgl. oben S. 188, Anm. 2 und S. 189, Anm. 1.
5) Danach hat H. Pabst beide Privilegien für die MGr. abgeschrieben, ist
das Heinrichs VI. von Muratori gedruckt worden, vgl. S. 188, Anm. 2.
6) Ein Regest der Urkunde Friedrichs II. findet sich auch in den Annalen
von Mailand, die bis 1401 reichen, Muratori, SS. XVI, 653.
Beiträge zu den Regesten der staufischen Periode. 193
Im Gebiete von Piacenza lebten die Edlen von Eizzoli
und die Mönche von Bobbio. Und die Einen, wie die An-
deren, versuchten mit Hülfe von Fälschungen vorwärts zu
kommen, ich glaube : die Einen nicht ohne die Anderen.
Ein schönes Privileg, das Karl der Dicke 883 zu Pavia
den Mönchen von Bobbio ausgestellt haben soll, sagt von
dem Abte: iuravit fidelitatem — contra omnes homines de
mundo, — corporaliter ab ipso prestito sacramento, eidem delato
per nie Ingenium imperialis aidae notarium ad vicem Liutardi
praefati venerabüis episcopi, totius Italiae archicanceUarii1.
Wie man wohl sieht: derselbe eigenartige Satz, der aus
der Urkunde Heinrichs VI. vom September 1196 in die
Privilegien der Venerosi überging! Es fehlt nur die dort
vorhandene Wendung: secundum quod in capitulis fidelitatis
continetur. Nicht den Treueschwur, aber Anderes, hat mit
der Bobbieser Fälschung das älteste Privileg der Eizzoli
gemein 2. Auch dieses ertheilte angeblich Karl der Dicke,
auch 883, auch zu Pavia! und in beiden heisst es: Liutar-
dus sanctae Vercellensis ecclesiae episcopus nosterque summus
consiliarius 3 et archicancellarius et Wiboldus sanctae Parmensis
ecclesiae venerabüis pontifex nostram expetierunt celsitudinem.
Ebenfalls zeigt das zweite Privileg der Rizzoli, das den
Namen Konrads III. und das Datum des 28. August 1143
trägt4, wenigstens Eine auffallende Gleichheit mit einer
echten und dann auch mit einer unechten Urkunde, die
Friedrich I. den Mönchen im März 1153 gegeben hat, be-
züglich gegeben haben soll : mit beiden stimmen die Zeugen
durchweg überein, zunächst auch deren Anordnung, nicht
bloss deren Namen6. Im Uebrigen steht der Fälscher viel
mehr in Abhängigkeit von Egidio ßossi. Doch eine Probe
muss genügen. Ich wähle wiederum den Satz, welcher
in letzter Reihe aus dem Privileg Heinrichs VI. für die
Kapitäne von Monteveglio herrührt: iuraverunt fidelitatem
secundum quod in capitulis fidelitatis in omnibus et per omnia
continetur, corporaUter ab ipsis praestito sacramento, eisdem
singidis delato per me Arnolduni regalis aidae cancellarium vice
d. Arnoldi Coloniensis archiepiscopi et archicanceUarii. Mithin
1) Mon. patr. eh. I, 66, Böhmer - Mühlbacher 1613. 2) Campi,
Dell' istoria eccl. di Piacenza I, 469, B.-M. 1606. 3) Für Bobbio: praesul
nostraeque siqnaturae consiliarius! Uebrigens stammt der berichtigte Satz
aus echter Vorlage. 4) Campi 1. c. I, 541; St. 3462. 5) St. 3665. 66.
Erstere Urkunde ist nicht verdächtig, letztere offenbar gefälscht. 6) Am
Schlüsse erscheinen dann noch: Lambertus de Rudio, Ubertus de Calnara,
dazu vgl. die Zeugen der Urkunde Friedrichs II. für die Venerosi: Gutu-
lanus dux de Grangoh, Robertus de Rudio comes, Guilhlmus de Calvara
comes.
Neues Archiv etc. XX. 13
194 Paul Scheffer - Boichorst.
fehlen nur die Worte: contra omnem etc., excepto domino
papa etc. So zeigen sich denn die Mönche von Bobbio
und die Edlen von Rizzoli als Benutzer einer Fälschung, die
Egidio Rossi für die Venerosi geschmiedet hat. Was aber
das gegenseitige Verhältnis der Fälscher von Bobbio und
Rizzoli betrifft, so erfährt es durch zwei Transsunipte eine
weitere Erläuterung: die Bobbieser Urkunde von 883 und
die Rizzoleser von 1143, — beide soll Kardinal Manfred
1172 zu Piacenza beglaubigt haben, die eine für Bobbio
den 18., die andere für Rizzoli den 23. November1. Also
wären Urkunden, die auf Grund von Fälschungen der
zweiten Hälfte des 13. Jahrh. entstanden sind, schon im
12. für echt erklärt worden !
Der Fälscher für Rizzoli hat besonders die Urkunde
Friedrichs II. geplündert ; der Bobbieser schloss sich in
seinen geringeren Entlehnungen mehr den angeblichen
Worten Heinrichs VI. an. Doch kannte und benutzte diese
auch der Rizzoleser 2, jene auch der Bobbieser. Mit Bezug
auf Bobbio sei noch Eins bemerkt. In einer anderen Fäl-
schung, die den Namen Ottos IL trägt3, werden als Zeugen
genannt: PiiclioJfus com es de Stringunt4, Bermisinus
comes de Sacroponte, Ronadfus de Oliveto. Für
die Venerosi erscheinen bei Heinrich VI.: Robertus comes
de Stringunt, Gotfredus comes de Saraponte, dann
aber bei Friedrich II.: Montelupus de Oliveto5.
Der Urkunde Heinrichs VI. bediente sich auch ein
Fälscher, der für die Markgrafen von Colle thätig war.
Wie der Verehrer der Venerosi nach der echten Urkunde,
die Heinrich dem Bischof von Parma verlieh, seine Com-
position anhob : Dignum est et imperial! glorie decorum, ut
nostra liberalis munificentia quosque fideles nostros praeveniat,
so begann mit ihm nun sein Nachahmer: imperiali dignum
est decore, uf nostra magnificentia liberalis quosque fideles
nostros praeveniat ; und der eigenthümliche Schlusssatz, den
der Fälscher für die Venerosi dem Privileg der Kapitäne
von Monteveglio entnahm, er kehrt hier wieder: — tnarchio
1) Campi 1. c. II, 33 gedenkt der Bestätigungen. Was Bobbio an-
geht, so spricht er freilich nur von einer Urkunde Otto's III. Aber nach
Mühlbacher, W. S. B. XCII, 484 finden sich die Bobbieser Fälschungen
'sämmtlich in Transumpten von 1313, welche wieder aus einem Transumpte
von 1172 stammen wollen'. Gegen die Echtheit der Bestätigung für
Rizzoli erklärte sich schon Poggiali, Mem. stör, di Piacenza IV, 303.
2) Das im Einzelnen zu belegen, darf ich mir wohl erlassen.
3) Dipl. Otton. II. 322, p. 380. 4) Vgl. S. 189, Anm. 2. 5) So
Pabst; Sarti: Bulivito; Huillard: Ulmeto. Andere Abweichungen dieser
Art habe ich nicht erwähnt.
Beiträge zu den Regesten der stauflschen Periode. 195
de Colle iuravit fidelitatem contra omnem hominem de mundo
excepto domino papa et ecctesia Romana, secundum qxod in
capitidis fideUtatis continetur, corporaliter ab ipso prestito sacra-
mento, eidem delato per me Rodulphum archiepiscopum Colo-
niensem, totius Italiae archicancettarium. Diese Nachbildung
wurde dann Friedrich I. aufgebürdet und mit dem Datum :
'im Lager vor Mailand 1162, März 13' versehen1. Hier,
wie bei dem Bobbieser und Rizzoleser Betrüge, durfte aber
auch die Beglaubigung nicht fehlen, und so verbürgte
denn ein Notar, der im Jahre 1223 die Feder geführt
haben soll, die Echtheit einer Fälschung2, die ihrerseits
auf einer Fälschung vom Ende des 13. Jahrh. beruht ! Zur
Vervollständigung muss ein liebenswürdiger Zug des bösen
Betrügers hinzugefügt werden. Weil das Privileg für die
Venerosi ihm die Arbeit wesentlich erleichtert hatte, so
schloss er seine Zeugenreihe: Venerosus comes palatinus in
Lombardia : er schuf damit den einzigen Beleg für die Exi-
stenz des Hauses Venerosi schon im 12. Jahrh.!
Man hat die Fälschung jüngst als Werk Ceccarelli's
bezeichnet 3 ; und wahr ist, dass sie sich mit anderen Er-
findungen Ceccarelli's, dessen Geschäft um 1580 blühte,
aufs Engste berührt, ja mit ihnen vielfach den Wortlaut
gemein hat. Aber es fehlt auch nicht an beachtenswerthen
Differenzen: während z. B. zwei Urkunden, die aus Cecca-
relli's Werkstatt hervorgingen, das Datum der unsrigen
tragen: 'im Lager vor Mailand 1162', lauten ihre Eecogni-
tionen, die unter sich übereinstimmen4, doch ganz
1) Aus Soldani, Hist. mon. S. Michaelis de Passiniano I, 82 wieder-
holt bei Böhmer - Ficker, Acta imp. 104 = St. 3932. 2) Gleichfalls
nach Soldani 1. c. von Böhmer - Ficker 1. c. 105 abgedruckt. Ficker hat
sich da schon gegen die Echtheit auch dieses notariellen Akts ausgesprochen.
Der nun aufgedeckte Zusammenhang mit dem Privileg der Venerosi zer-
streut alle Bedenken. 3) S. die Ausführungen Fanta's in dem Aufsatze
Riegls 'Alfonso Ceccarelli und seine Fälschungen', Mitth. d. österr. Inst.
XV, 225. Doch lassen sie gerade hier zu wünschen übrig. St. 3932 =
Privileg für Colle, und nur St. 3932, nicht auch 3966, liegt in einem
Transsumpte von 1223 vor. Um einige andere Berichtigungen oder Ergän-
zungen hinzuzufügen, so bemerke ich: n. 75 = St. 3851 und vollständig
gedruckt bei Campi, Piacenza II, 358 ; vor n. 87 ergänze : Heinrich VI.
für die Ubaldini, Bari 1196, Sept. 22 = St. 5046 a, dessen Regest nach der
italienischen Uebersetzung der Urkunde bei Gr. B. di Lorenzo Ubaldini, Storia
della famiglia Ubaldini 46 zu berichtigen ist: wenn Stumpf, einem unge-
nügenden Citate folgend, die Urkunde noch für echt hielt, so hat sie
(Muzi) Mem. di Cittä di Castello VI, 28 schon als Machwerk Ceccarelli's
erkannt; n. 94 = St. 3720 und auch Böhmer - Ficker 1348. 4) Fanta-
Riegl n. 72. 79, Mitth. XV, 230. Die Recognition lautet in beiden Ur-
kunden: Ego Botettridus auctaritate imperiali cancellarius vice Philippi
Colmiiensis archiepiscopi etc. Der Fälscher benutzte also eine Urkunde
13*
196 Paul Scheffer - Boichorst.
anders 1, und die eigentümliche Form des Treueides ist
ihnen fremd. So scheint mir die Möglichkeit nicht aus-
geschlossen, dass Ceccarelli die Fälschung für das Haus
Colle nur als Vorbild benutzte, dass sie nicht sein eigenes
Elaborat war 2.
Doch Andere mögen feststellen, — wenn sie's der
Mühe für werth erachten, — welcher Art das Verhältnis
sei. Mir genügt, dass die besprochenen Nachahmungen in
gewissem Sinne den bekannten Fluch der bösen That auch
für das diplomatische Gebiet belegen, und was diese hier
erzeugt und forterzeugt hat, das kann auch durch kein
Legitimierungsprivileg, und wäre es mit Goldbuchstaben
geschrieben, wie jenes für Veneroso Venerosi, von dem
Charakter des 'spurium' befreit werden.
III. Texte und Auszüge ungedruckter Kaiserurkunden.
Die Urkunde Friedrichs I., die ich unter n. I ver-
öffentliche, fand H. Bresslau in dem jüngeren Baseler
Diplomatar3 des Archivs zu Pruntrut. Durch die Punkte
am Ende hat der Schreiber wahrscheinlich andeuten wollen,
dass er nur ein Bruchstück mittheile. Jedoch möchte nicht
eben viel verloren sein : der wesentliche Inhalt ist uns wohl
erhalten. Für die hohe Gunst, in welcher der Empfänger,
Bischof Ortlieb von Basel, beim Könige stand4, bietet das
Privileg einen neuen Beweis, es erweitert die bis dahin
beschränkte Gerechtsame der Bischöfe 5, nach Silber graben
zu lassen, auf den ganzen Sprengel von Basel. Vielleicht
darf man es mit dem Münzprivileg, das Friedrich dem
Bischöfe zu Anfang 1154 verliehen hatte'5, in Zusammen-
hang bringen. Da waren für die Verbesserung der sehr
entwertheten Münze von Basel geeignete Massregeln ge-
troffen, und hier nun mochte der König dem Bischöfe das
Material verschaffen wollen, damit er überhaupt gutes Geld
mit der Recognition : Ego Gotefridus aulae imperialis cancellarius vice
Philippi etc. "Wenn man hinzunimmt, dass in n. 77 Bischof Bonifaz von
Novara als Zeuge erscheint, so erkennt man leicht, dass die Vorlage
zwischen 1174 und 78 oder 1184 und 86 entstanden ist. 1) Ego Rodulpkus
archiepiscopus Coloniensis, archicancellarius totius Italiae reo. St. 3932
schreibt: 'Ego Rainaldus etc. nach Pertz' Mittheilung1. Das ist aber nur
willkürliche Verbesserung. 2) Mit der Urkunde für Colle stimmen ferner
mehrfach überein St. 3939 a und 3966, Riegl-Fanta n. 78. 80. 3) Trouillat
hat es für seine Mon. de Fhist. de Tancien eveche de Bäle öfter benutzt.
Weshalb ging er über unser Diplom hinweg? 4) (Ortliebo) idem
nobiscum est animus. Trouillat 1, 323. 5) Trouillat I, 161. 274.
6) Trouillat I, 323. St. 3683.
Beiträge zu den Regesten der staufischen Periode. 197
prägen könne. So würde sich die Zeit auf 1154 oder 1155
bestimmen. Jedenfalls gehört die Urkunde vor den 18. Juni
1155, denn Friedrich heisst noch König-.
Auf n. II und III habe ich schon in dieser Zeit-
schrift XIX, 594, Anm. 2 verwiesen. Leider musste ich
mich damals mit dürftigen Auszügen Tiraboschi's begnügen.
Doch hegte ich die Hoffnung, in den Besitz der Texte
selbst zu gelangen, und dieser Wunsch ist mir nun sehr
bald erfüllt worden. Denn als ich neulich Modena be-
suchte, konnten der liebenswürdige Vorsteher des dortigen
Staatsarchivs, Graf Malaguzzi, und einer seiner gefälligen
Beamten, Herr Ramazzini, meiner Bitte sofort entsprechen.
Zwar die Originale sind in Modena nicht vorhanden, aber
die Copien genügen. Denn wenn n. II auch nur ein Bruch-
stück bietet, so ist doch Alles, was der Schreiber bei Seite
Hess , bloss Wiederholung früherer Urkunden ; und wenn
n. III sehr Adele Lücken enthält, — offenbar weil die Vor-
lage schwer zu lesen war, — so ergab sich doch fast überall
eine sichere Ergänzung.
Weniger glücklich war ich in Hinsicht auf eine un-
gedruckte Urkunde Heinrichs VI., deren ich XIX, 596,
Anm. 2 gedachte. Doch kann ich wenigstens das dürftige
Citat Bronziero's, mit dem ich damals zufrieden sein musste,
um Einiges erweitern, namentlich um die Zeitangabe. Denn
der Güte des Grafen Cipolla verdanke ich die Kenntnis
eines anderen, ausführlicheren Regests unserer Urkunde ;
es findet sich in der handschriftlichen Chronik Cavicchia's \
welche die Markusbibliothek zu Venedig aufbewahrt. Aus
Bronziero's und Cavicchia's Notizen ist nun n. IV zu-
sammengesetzt.
n. V gewann ich aus einer Andeutung Seh ums, N. A.
I, 130. Danach schienen die Manuscripta Aquileiensia
autographa der Markusbibliothek eine Urkunde Heinrichs VI.
zu enthalten. Dort findet sich aber nur eine Erwähnung,
und zwar in einem recht eigenartigen Schriftstück, dessen
Verfasser um weitere Forschungen nach Diplomen der
Herren von Petrojo ersucht2. Bei dieser Gelegenheit wird
eben der Urkunde Heinrichs VI. gedacht3; am unteren
Rande sind Jahr und Monogramm hinzugefügt, dann auch
die Zeugen, die eine genauere Zeitbestimmung ermöglichen;
1) Vgl. Cipolla im Nuovo Archivio Veneto VI, 170, Anm. 2) Schum
hat die Empfänger unrichtig Herren von Voläspella genannt und die
Urkunde als Fälschung verworfen. 3) Ein Citat nach Schum bei
St. 4867b, der die Urkunde aber als echt behandelt.
198 Paul Scheffer - Boichorst.
vom Inhalt erfährt man Mchts 1. Eine Copie des weit-
schweifigen Briefes wurde mir auf Vermittlung des Herrn
Dr. Simonsfeld von einem Beamten der Markusbibliothek
angefertigt.
n. VI beruht auf dem Original im Archive der Basi-
lica Vaticana. Deren Bibliothekar Monsignore Wenzel
hatte die grosse Güte, das Dokument abzuschreiben, und
zwar auf Bitten Th. von Sickels, den ich meinerseits darum
ersucht hatte 2. Die Publikation reiht sich an die anderen
Urkunden, die ich aus demselben Archiv im 4. Ergänzungs-
bande der Mittheilungen des österreichischen Instituts
94 — 101 herausgegeben habe.
I. König Friedrich I. berechtigt den Bischof Ortlieb
und dessen Nachfolger, im ganzen Bisthum Basel nach
Silber graben zu lassen. 1152 — 1155.
Fridericus dei gratia Romanorum rex Ortlibo Basi-
liensi episcopo gratiam suam et omne bonum.
Quos inter ceteros regni principes speciali dileccione
conplectimur, ipsorum desiderium a regia dign(it)ate effectui
mancipandum ducimus. Quocirca tibi, dilectissime princeps
Or(t)libe, tuisque successoribus concedimus (ius) in omni loco
episcopatus tui fodiendi argentum et facere argentarias. . . .
Aus dem Diplomatarium B. des Archivs zu Pruntrut
fol. 3.
II. König Friedrich I. bestätigt auf Bitten des Abtes
Albert dem Kloster Nonantola, das er in alte Würde wieder-
herstellen möchte, den gesammten Besitzstand. Im Gebiete
von Bologna, 1155 Mai 13 8.
In nomine sancte et individue trinitatis. Fridericus
divina favente dementia Romanorum rex augustus.
Ne temporum decursu et rerum commutatione a po-
steritatis memoria decidat, quod antecessores nostri reges
seu imperatores ecclesiis dei per Romanum imperium con-
stitutis pia devotione contulerunt, nos quoque usibus earum
profuturum eternaliter privilegii nostri attestatione firma-
mus et pari donationis voto stabilimus. Omnibus igitur
1) Was über die Beziehungen der Herren von Petrojo zu Hein-
rich VII. und Florenz gesagt wird, verwerthe ich ein anderes Mal.
2) Vgl. Bethmann im Archiv XII, 408. Danach Böhmer - Ficker 305.
Fickers Zeitbestimmung wird bestätigt. 3) Vgl. die ähnlich datierten
Urkunden vom 13. und 15. Mai 1155, St. 3708. 09. 09a. St. 3708 hat
noch den Zusatz iuxta Rhenum. St. 3709 a ist jetzt gedruckt von Cipolla
in den Mitth. des österr. Inst. IV, 224—226. Uebrigens entspricht das
Diplom für Nonantola dem Citate bei St. 4023 a, das nun in 3708 a zu
ändern ist.
Beiträge zu den Regesten der staufischen Periode. 199
tarn futuris quam presentibus Christi regnique fidelibus
cognitum esse volunius, quod petitione Alberti Nonantu-
lensis ecclesie venerabilis abbatis necnon interventu princi-
pum nostrorum ecclesiam videlicet Nonantulensem, a pre-
decessoribus nostris regibus et imperatoribus constructam
et beneficiis regalibus fundatam et dotatam, in pristinum
honoris sui statum reformare intendimus et omnia sibi
donatione regum, oblatione pontificum seu quorumlibet
aliorum Christi fidelium collata nostra regali auctoritate
firmare. Ex quibus quedam propriis duximus exprimenda
vocabulis, scilicet silvam unam 1 ex curte Gena per loca
designata coherente : ab una parte fluvio Panario et ab alia
parte cesa, que est inter Persecitanos et prescriptam sil-
vam 2 in rivo mortuo, a tertia parte strata publica, a quarta
vero parte 3 silva et paludes, una cum basilica beati Mar-
tini (confessoris Christi) 4, sicut a regibus et imperatoribus
suprascripto cenobio concessa sunt, id est cum omnibus re-
galibus 5 et decimationibus et pertinentiis suis et redi-
bitionibus, que exigi possunt aut poterunt de omnibus rebus,
que videntur esse infra suprascriptas coherentias. Que
omnia, ut concessa sunt, eidem monasterio confirmamus
cum coherentiis et cum omnibus, que superius dicta sunt.
Et aqua de fluvio Gena a cuiuspiam hominis potestate sub-
tracta non fiat. Atque subtus stratam publicam nullus
molendinum edificare presumat usque in fines illius flumi-
nis ,;, preter duo molendina in curte Panciano edificanda,
sine licentia ipsorum monachorum. Confirmamus etiam
ibidem insulam unam, que esse videtur inter Panarium et
fossam, que dicitur Munda per designata loca: ab Oriente
predictus fluvius Panarius, a meridie villa Salicetum, ab
occidente predicta fossa Munda et Militaria usque ad sil-
vam comunem et de subtus fossa mortua exeunte in Pana-
rio 7, cum omni integritate que superius legitur. Et ut
nemo in predictis fossis vel flumine audeat molendinum edi-
ficare absque consensu8 abbatis et monachorum etc.
Signum domni Friderici Romanorum regis invictis-
simi.
1) Von hier beginnt vielfache Uebereinstimmung mit der unechten
Urkunde Aistulfs. N. A. III, 279, n. 250. 2) silvam usque Aistulf.
3) vero predicta silva Aistulf. 4) Für die eingeklammerten Worte ist
in der Abschrift Raum gelassen. 5) Abschrift : legalibus. 6) illorum
fluminum Aistulf. 7) Abschrift: Locupleto, was offenbar aus dem wei-
teren, vom Copisten nicht mitgetheiltem Inhalte der Urkunde hierher ge-
rathen ist. 8) Abschrift: concessione.
200 Paul Scheffer - Boichorst.
Ego Arnoldus Coloniensis archiepiscopus et Italici
regni archicancellarius recognovi, subscripsi1.
Actum in territorio Bononiensi 3. id. maii anno do-
minice incarnationis 1155, indictione 4, regnante domno
Friderico Ronianorum rege glorioso, anno vero regni eius
quarto; in Christo feliciter.
Staatsarchiv zu Modena : Diversa instrumenta porrecta
in causa Gene contra Gasparem Petricanum 1440 ohne
Seitenzählung.
III. Kaiser Friedrich I. schenkt dem Turisendo (von
Verona)2 und dessen Erben die Gerichtsbarkeit und das
Fodrum, stellt sie unmittelbar unter das Reich, verleiht
ihnen wegen des besonderen Dienstes des Turisendo 3 den
Hof Nogara, wofür aber jährlich am Martinstage ein Zins
von 50 Mark Silber gezahlt werden soll. Pavia4, 1164
April 7.
Fredericus divina favente dementia Romanorum im-
perator augustus.
Notum sit omnibus imperii nostri fidelibus per Italiam
existentibus presentibus et futuris, quod nostra (imperiali)
gratia nostrum fidelem Turisendum cum filiis suis et omnia
bona et possessiones, que in presentiarum habet et in
posterum domino largiente rationabiliter adipisci poterit,
sub nostra et imperii nostri protectione atque tutela benigne
suscepimus, ei quoque et legitimis heredibus suis (di)strictum,
bannum, placitum et omnem nostram iurisdictionem, quam
(in terra sua) et hominum suorum tarn in alodiis, quam in
feudis suis de iure habeinus, (donavimus) et totius terre
sue nostrum imperiale fodrum concessimus eis (atque)
roboramus, statuentes et precipientes, ut nulla civitas, nulla
persona, nulla potestas aliquod fodrum, aliquam (albergariam)
vel aliquod genus servitii a Turisendo vel a terra sua vel
ab hominibus suis exigere (audeat, sed) Turisendus hec
omnia suprascripta libere habeat et teneat, nee alicui
subiaceat, (nee modo) aliquo respondeat, nisi soli nostre
maiestati nostrisque successoribus, regibus 5 et imperatoribus.
1) Nach einem Zwischenraum die nicht zur Urkunde gehörigen
Worte: presentem Adigerium istius. 2) Ueber Turisendo's Beziehungen
zum Reiche handelte ich XIX, 593 und 594 in den Anmerkungen.
3) Die kürzlich vorausgegangene Empörung Turisendo's wird nicht in Be-
tracht gezogen, sondern nur die reichsfreundliche Haltung, die er in frü-
heren Zeiten beobachtet hatte. 4) Dass Stumpf Urkunden vom 3. und
17. April 1164 irrig nach Parma verlegt hat, erwähnte ich schon XIX,
594, Anm. 5) Abschrift: legalibus. Anderes habe ich stillschweigend
geändert.
Beiträge zu den Regesten der staufischen Periode. 201
Predicto etiam fideli nostro Turisendo et filiis suis legitimis
pro (honorabili) et preclaro servitio, quod nobis et imperio
Turisendus fideliter contulit et de cetero (collaturus creditur,
hanc) gratiam ei et suis heredibus concedimus, quod curtem
Nogariam l una cum pertiuentiis suis intus et foris, aquis,
molendinis, piscariis, pascuis, et (cum omni) districtu et
honore atque utilitate tali tenore ex auctoritate nostra
habeant et possideant, ut singulis annis quinquaginta
marcas puri argenti (imperiali) camere nostre in festo sancti
Martini nobis vel certo nuntio nostro persolvant Papie vel
in Lombardia, ubi commode nobis placuerit. Ut hoc autem
verius credatur et ab onmibus certum esse probetur, pre-
sentem inde paginam scribi et sigillo nostro iniunximus
premuniri.
Datum apud sanctum Salvatorem iuxta Papiam 7. idus
aprilis anno 1164, indictione duodecima, regnante domno
Frederico Romanorum imperatore invictissimo anno regni
eius 12, imperii vero 9.
Staatsarchiv zu Modena: Registro e collezione delle
bolle e degli diplomi sopra le pertinenze ed altre cose della
venerabile abbazia di Nonantola 244 — 246.
IV. Kaiser Heinrich VI. verleiht dem Albrich von
Lendinara und dessen Erben die Gerichtsbarkeit in ver-
schiedenen Orten, besonders in Lendinara, Lavigno und
Zevio2. 1193 März 7.
M. Cavicchia Ex pervetustis pugilaribus decerpta
vernaculis et in latinum incultum etc. traducta, Class. 22.
Cod. lat. 293. Fol. 148 der Markusbibliothek, verglichen mit
G. Bronziero, Istoria delle origini e condizioni de' luoghi
principali del Polesine e Rovigo, Venezia 1748, p. 132.
V. Kaiser Heinrich VI. urkundet für die Ruffi di
Petrojo3 im Val-di-Pesa. (Pisa), 1194 (August)4.
Zeugen : Henricus Vormaciensis episcopus, Lupaldus 5
1) Ueber Nogara, einen Besitz des Klosters Nonantola, vgl. XIX,
593, Anra. 2 und 595, Anm. 3. 2) — cum conditlone, ut nemo inibi
posset fabrieare (?), nisi Albricus. Doch wohl : iudicare. 3) Nach Re-
petti Dizionario etc. della Toscana s. v. Petrojo Val-di-Pesa waren die
Rossi de' Buondelmonti im Besitze von Petrojo ; in unserem Schriftstücke
heissen die Empfänger der Urkunde : Ruffi de Petronio, Uli de Petron'o
Valispese. Daraus hat denn Schum Herren von Volaspella gemacht.
4) Ort und Monat bestimme ich nach den Zeugen : ganz dieselben mit
einziger Ausnahme des Robert von Walldürn, und nur sie, erscheinen in
der Urkunde, die Heinrich VI. zu Pisa den 1. August 1194 dem Grafen
von Castelvecchio im Val-d'-Orcia ertheilt. Stumpf, Acta 271, n. 194.
5) Lies: Ludewicus.
202 Paul Scheffer - Boichorst.
dux Baverie, comes Sifridus de Morle, Hubertus de Dorne,
Arnoldus de Horemberc et alii quam plures. 1194.
Manuscr. Aquil. autogr. der Markusbibliothek, Class. 14.
Cod. lat. 101. Fol. 226.
VI. Kaiser Otto IV. beschützt in besonderer Ver-
ehrung für die Cisterzienser deren Kloster S. Martin bei
Viterbo. Im Lager bei Isola Farnese, 1209 Oktober 7.
Otto quartus dei gratia Romanorum imperator semper
augustus.
Si omnibus ecclesiis dei ex debito imperatorie maiestatis
preesse volumus, sicut et tenemur, cura tarnen sollertiori
saluti et quieti hiis volumus intendere, que maiori pre-
pollent religione et sanctitate. Cum igitur homines Cister-
ciensis ordinis inter alios religiosos vitam ducant sanctiorem,
cura propensiori hiis volumus adhibere Studium efficax,
per que conmodis eorum consulatur, ut, dum a strepitu
rerum temporalium ipsi melius fuerint expediti, liberius
deum pro salute nostra et pro bono statu imperii nostri
valeant exorare. Notum igitur facimus universis imperii
nostri fidelibus presentibus et futuris, quod nos quandam
ecclesiam Cisterciensis ordinis sancti Martini de Monte
iuxta Bitervium cum personis deo ibi iugiter famulantibus
et cum eorum possessionibus et omnibus bonis mobilibus
et immobilibus, que nunc possident vel inantea iusta acqui-
sicionis titulo poterunt adipisci, sub imperialem nostram
recepimus protectionem. Mandamus igitur et sub pena
gratie nostre firmiter precipimus, ut nullus hominum sit,
qui iam dictam ecclesiam in personis, deo ibidem servien-
tibus, vel in bonis mobilibus aut immobilibus, adtinentibus
ipsi ecclesie, aliquo modo gravare audeat vel molestare.
Quodsi quis ausu temeritatis hec facere presumpserit,
iram et indignationem nostram graviter se sciat incurrisse.
Actum anno dominice incarnationis 1209. Datum vero
in castris prope Insulam * nonis Octobris indictione 13.
Aus dem Originale im Archive des Peterskapitels
zu Rom.
Zusatz.
Während der Correctur erhielt ich von Herrn Dr.
H. Bloch zwei Regesten ungedruckter Urkunden Hein-
richs VI., die er den Inventaires de l'eveche de Toul im De-
partementalarchiv zu Nanzig entnahm 2. Die Auszüge dieses
1) Ueber den Ort vgl. Böhmer - Ficker 304. 2) G. 1384.
Beiträge zu den Regesten der staufischen Periode. 203
Verzeichnisses, auf das ich schon S. 181 verwies, wieder-
holen z. Th. die lateinischen Sätze der Originale, sind z. Th.
in französischer Sprache abgefasst. n. VII hätte Stumpf
schon nach Benoit, Hist. eccl. et polit. de Toul 426 1 an-
führen können; auch heute noch würde die Mittheilung
Benoits neben dem Regest der Inventaires ihren Werth
behaupten, wenn uns nicht anderweitig der volle Wortlaut
erhalten wäre. In dem Nanziger Inhaltsverzeichnis ist
nämlich, — worauf auch H. Bloch mich aufmerksam ge-
macht hat, — zu dem Extracte unserer Urkunde hinzu-
gefügt: Copie dans Ferdinand I. 1561 Sept. 11. Damit war
mir der Weg nach Wien gewiesen, und alsbald erhielt ich
von Herrn Dr. A. von Györy aus den Registraturbüchern
König Ferdinands den unten folgenden Text. Ueber die
rechtliche Wichtigkeit des Privilegs brauche ich nicht zu
handeln : man sieht wiederum , dass der Markt für die
städtische Entwicklung hohe Bedeutung hatte, dass ferner
dem städtischen Gemeindekörper sehr wohl ein anderer,
hier gewiss hofrechtlicher, zur Seite stehen konnte. Von
geringerem Werth e ist n. VIII., doch war das Stück, wo-
von ich leider nur einen Auszug nach den Inventaires
geben kann, bisher ganz unbekannt. Ich will aus Benoit
428 hinzunehmen, dass es die beabsichtigte Wirkung ver-
fehlte : er sah einen Brief, den ein Jahr später Bischof
Odo an Kaiser Heinrich richtete contre Thiebau I. comte de
Bar, qui avoit inquiete son eglise2, und nach unserer Urkunde
schien doch der Friede gesichert zu sein.
VII. Kaiser Heinrich VI. bestätigt, um ihren Strei-
tigkeiten mit der Stadt ein Ende zu machen, den Dom-
herren von Tüll besonders ihre und ihrer Leute Freiheit;
wahrt ihnen die Hoheit über ihre Leute in Stadt und
Burg; verbietet diese zu besteuern und vor ein anderes
Gericht zu ziehen, als das der Domherren, es wäre denn,
dass sie als Marktleute in Handelssachen sich zu verant-
worten hätten ; ermächtigt sie, Marktleute zu werden, wie
die übrigen Bürger. Hagenau4, 1192, März 1.
In nomine sanctae et individuae trinitatis. Henricus
divin a favente dementia Romanorum imperator et semper
augustus.
Interest imperatoriae maiestatis, defensioni et quieti
ecclesiarum curain adhibere. Utilitati igitur et quieti Tul-
1) Danach Daulnoy, Hist. de la ville et cite de Toul 93. 94.
2) Ebenso Gall. christ. XIII, 1005. 3) Peter I, 1165-1191. 4) Vgl.
St. 4738. 39.
204 Paul Scheffer - Boickorst.
lensis ecclesiae providentes , ad tollendam in posterum
omnem calumniam et controversiarn, quae inter canonicos
Tullensis ecclesiae et cives Tullenses saepe nasci solebat,
authoritate irnperiali concedimus et confirmanras ecclesiae
Tullensi et canonicis, ibidem deo et beatae Mariae semper
virgini et beato protomartvri Stephano servientibus, tarn
praesentibus quam futuris, omnia acquisita et acquirenda,
ad praebendam eorum pertinentia, et omnia intuitu pietatis
eis collata et conferenda libere habenda et possidenda in
perpetuum, necnon ecclesiae canonicorum et suorum homi-
num libertatem, sicut piissimi imperatores praedecessores
nostri eis universa confirmarmit et sicut in scripto bonae
memoriae Petri Tullensis episcopi continetur1. Praeterea con-
cedimus eisdem canonicis et confirmanras, ut liomines sui
in civitate vel in burgo Tullensi commorantes in ditione
tantum sint canonicorum et eis solis serviant, salvo tarnen
in omnibus iure irnperiali. Statuimus etiam et nostra irn-
periali authoritate sancimus, ut nullus episcopus, nullus
comes, nullus cives, nulla persona talliam vel praecationem
seu aliquam aliam exactionem in praefatis hominibus cano-
nicorum sine grata licentia eorundem faciat, canonicis ex-
ceptis. Liberi sint ab omni banno et damnatione, excepta
canonicorum, salvo iure irnperiali, ut dictum est; nee re-
spondeant nisi in praesentia et in iustitia canonicorum,
hoc excepto, quod illi homines canonicorum, qui mercatores
fuerint, eis, quibus caeteri mercatores respondere debent
in nundinis vel in die fori, quantum ad mercaturam speeta-
verit, de negotio mercaturae tantummodo2 respondeant;
nee cives nee aliqua persona prohibeat, quin homines cano-
nicorum mercatores flaut, sicut et caeteri cives. Quicunque
autem huius nostrae concessionis et confirmationis violator
extiterit, decem libras auri puri pro poena componat, medie-
tatem camerae nostrae, reliquam medietatem passis iniuriam.
Datum Aguenovae anno ab incarnatione domini mil-
1) — sicut venerabiiissimus Gerardus (963 — 994) et felicis memoriae
Petrus (1167 — 1192) praedecessores nostri et piissimi imperatores confirma-
verunt, so sagt 1200 Bischof Matthaeus von Tüll. Benoit 1. c. Preuves 99;
Calmet, Hist. de Lorraine II, 412 ed. Ia. Die Urkunde stimmt fast
Wort für Wort mit der unsrigen überein. Hatte Bischof Matthaeus diese
vor Augen oder folgte er und Heinrich VI. dem — wie es scheint —
verlorenen Privileg des Bischofs Peter? 2) Xach E. Mayer, Zoll, Kauf-
mannschaft und Markt in der Festschrift f. K. v. Maurer 469 wäre damit
'nicht eine sachliche Beschränkung in Bezug auf die Handelsgeschäfte
gemacht'. Meine entgegengesetzte Auffassung habe ich in der Ueber-
schrift ausgedrückt.
Beiträge zu den Regesten der staufischen Periode. 205
lesimo centesimo nonagesiuio secundo, indictione decima,
calendas martii.
Staatsarchiv zu Wien : Registraturbücher Ferdinands I.
Bd. XXIII, fol. 210.
VIII. Kaiser Heinrich VI. bezeugt für Bischof und
Kapitel von Tüll das Versprechen des Grafen Theobald von
Bar, dass er die von ihm genommenen Güter der Stadt, des
Bisthums und Kapitels herausgeben, und dass weder er
noch seine Nachfolger den Wiederaufbau der von ihm zer-
störten Kirche zu Troussey verhindern wollen. (Laden-
burg)1, 1196, Mai 17.
liegest der Inventaires 1. c. 115, n. 15 b.
1) Vgl. St. 4993.
VI.
Miscellen.
Die grosse Briefliandschrift zu Hannover.
Von P. Willibald Hanthaler 0. S. B.
Die königl. Bibliothek zu Hannover verwahrt eine
mächtige Folio -Handschrift, welche J. G. Eccard1 als 'vetus
epistolarum ecclesiasticarum collectio' erwähnt und Gr. H.
Pertz im Verzeichnis Hannoveranischer Handschriften 2 an-
führt. Letzterer veröffentlichte auch eine Anzahl Briefe
dieser Sammlung3. H. Sudendorf ging- endlich in seiner
Stellung als Registrator am königl. Archive zu Hannover
daran, den gesammten Inhalt dieser merkwürdigen Hs.,
soweit er nicht schon aus anderen Vorlagen bekannt war,
durch Druck zu veröffentlichen. Solches geschah theil-
weise in den 3 Theilen des von ihm herausgegebenen Re-
gistrum i und theilweise im Berengarius Turonensis 5.
Die mächtige Hs. war früher einfach in einen Perga-
mentdeckel gebunden und hatte auf dem Rücken den Titel:
'Codex epistolaris Imperatoruni, Regum, Pontificum, Epi-
scoporum' und an anderer Stelle die Notiz: n. 110 ,;. Mit
den gleichen Worten ist die Hs. auch von Pertz 7 ange-
führt. Heutzutage besitzt dieselbe einen festen modernen
Einband, Rücken und Ecken in Leder, und obiger Titel
ist dem Rücken aufgedrückt. Der Band führt heute die
Standortnummer XI, 671 und besitzt 551 gezählte Blätter,
wobei zu bemerken ist, dass viele leere Blätter nicht ge-
zählt sind und dass einige Nummern doppelt vorkommen.
Behufs Collation von 64 Salzburgische Erzbischöfe betref-
fenden Briefen erbat ich mir die Hs. nach Salzburg. Ich
danke es der liberalen Leitung der kgl. Bibliothek und
der kräftigen Verwendung des Herrn Professors Dr. Ludwig
Weiland in Göttingen, dass meiner Bitte nachsichtig will-
fahrt und mir die Benutzung der Hs. hier in St. Peter
1) Corpus bist, medii aevi II, p. 3. 2) Archiv d. Ges. I, 468.
3) MG. LL. II (1837). 4) I. Th. Jena 1849 (152 S.), II. Th. Berlin
1851 (194 S.) u. in. Th. Berlin 1854 (414 S.). 5) Hamburg u. Gotha
1850 (239 S.). 6) Sudendorf, Reg. II, p. V. 7) Archiv (1820) I, 468.
Neues Archiv etc. XX. 14
210 Willibald Hauthaler.
ermöglicht wurde. Beiden Theilen sei hierait der beste
Dank ausgesprochen.
Ich gehe nun daran, die vorliegende reiche Brief -
sammlung ihrem Inhalt nach mit ganz besonderer Rück-
sicht auf die Vorlagen und den Werth der enthaltenen
Abschriften möglichst kurz zu charakterisieren, damit jeder
Forscher auf einschlägigen Gebieten erfahre, ob eine Colla-
tion der Abschriften dieses Codex nothwendig ist oder
nicht.
Der Codex ist, wie Sudendorf richtig dargethan hat,
ein Sammelband aus dem 16. Jahrh. und zerfällt inhaltlich
und formell in 5 Theile. Da sich auf dem unteren Rande
des ersten Blattes die Glosse findet: 'Illyrici est', so schreibt
G. EL Pertz bei der ersten Erwähnung dieser Hs. : 'quem
olim Matthiae Flacii fuisse constat', und an der nächst-
folgenden Stelle führt er den Codex an als 'olim Flacia-
nus' K Auch L. Weiland hält an dieser Ansicht fest 2.
Sudendorf meinte dag*egen3, sowohl auf Grund eines Facsi-
miles der Hs. des Flacius als durch Vergleichung des vor-
liegenden Codex mit den Ausgaben des Catalogus testium
veritatis den Beweis erbringen zu können, Flacius habe
nichts in diesem Codex geschrieben und es sei auch
höchst unwahrscheinlich, dass er ihn oder eine der drei
ersten Sammlungen selbst zur Zeit der zweiten Ausgabe
des Catalogus 1562 gekannt habe. Pertz und Weiland
führen dagegen wieder den Druck der königl. Encyklika
vom April 1076 im Catalogus speciell auf diesen Codex
zurück4, doch ich sehe hierfür keinen zwingenden Grund,
zumal ich annehmen muss, dass alle hier vorkommenden
Stücke des sog. Codex Udalrici aus einer jetzt verschollenen
Hs. stammen, und aus derselben mag auch Flacius das
Stück geschöpft haben5. Sei dem aber, wie immer, einen
wirklich zwingenden Grund, die Hs. mit Flacius in eine
andere engere Verbindung zu bringen, ausser, dass er sie
gegen Ende seines Lebens (f 1575) mag erworben, be-
ziehungsweise vielleicht durch Schüler oder Freunde ge-
1) MG. LL. II, 44. 47. 2) MG. LL. Const. I, 257 (wo er von
den Zusätzen am Anfange bemerkt : *a Flacio in margine addita sunt')
und 273 (wo er beifügt 'olim Flacii Illyrici'). 3) Berengarius Turonens.
p. IV— Vin. 4) MG. LL. II, 47 und Constitutiones I, 112. 5) Der
Druck im Catalogus (ed. 1562, p. 322 u. ed. 1608, p. 1339), verglichen mit
der Ausgabe von Weiland, zeigt die grösste Verwandtschaft mit den
Varianten 4 oder mit der Wolfenbüttler Hs., wie z. B. in den Varianten :
c. f. t. w. x; a. r (mäterialem). u. v. x. y; c (Lücke von 14 Zeilen);
e (moratus). f (Valete).
Die grosse Briefhandschrift zu Hannover. 211
wisse Stücke für sich mag haben abschreiben lassen, finde
ich nicht l.
Ursprünglich lagen die einzelnen Abtheiluiigen der
Hs. je in grösseren Fascikeln, wohl nach den Vorlagen,
denen die Stücke entnommen waren, und wurden theils
mit Ziffern theils mit Buchstaben bezeichnet. So findet
man auf fol. 31, das an den Anfang gehört, in grosser
Schrift das Zahlzeichen 4; auf fol. 49, zu Beginn der
Wormser Sentenz gegen Hildebrand, 8; auf fol. 91, zu Be-
ginn der zweiten Abtheilung steht J und auf fol. 404, dem
ersten Blatt der vierten Abtheilung in, so dass diese Zeichen,
wie man sieht, zusammen kein System bilden. Möglich,
dass einzelne solcher Zeichen auch durch Beschneiden weg-
gefallen sind. Dazu ist auch zu bemerken, dass die an
verschiedenen Stellen von einem Schreiber X beigefügten
Glossen mit Verweisungen auf Wiederholungen einzelner
Stücke 2 oder die entsprechende Nummer von Catalogus
testium veritatis (des Flacius Illyricus) 3, ferner auf Fasci-
culus rerurn expetendarum ac fugiendarum (von Gratius)4
und auf Concilia omnia tarn generalia qiiam particularia
(von Crabbe) 5 erst gemacht wurden, nachdem der ge-
sammte Codex mit den 5 Abtheilungen vereinigt und mit
durchlaufenden Blattnummern versehen worden war. Bei
dieser ersten Vereinigung des ganzen Codex wurde die
Blattfolge der ersten Abtheilung und der Fascikel leider
etwas verwirrt: es hätte das heutige fol. 31 ganz an die
Spitze gehört, wie es heute noch die Stücknummer 1 trägt,
und dafür hätten die heutigen Blattnummern 1 — 5bis (leer)
sich an das heutige fol. 90 anschliessen sollen, wie eben-
falls noch die Reihenfolge der 46 Capitelnummern auf
halber Blatthöhe am Aussenrande beweist, welche nach
heutiger Zusammensetzung des Codex von fol. 49 — 90 und
daran anschliessend von fol. 1 — 5bis durchlaufen. Ausser-
dem hätte der Anhang zur ersten Abtheilung fol. [91 — 96]
mit der vierten Abtheilung vereinigt werden sollen, zu der
er nach Schrift und Inhalt gehört.
Ueber die einzelnen fünf Abtheilungen ist Folgendes
anzugeben.
Die erste Abtheilung reicht bis fol. 90, bezw.
1) Auch die Bemerkung auf dem zweiten Blatte des Index zu n. 1
der ersten Abtheilung 'quam Blyricus Vdalrico A(ugu)stano epo adscribit'
scheint mehr gegen als für Flacius zu sprechen. 2) fol. 5. 37. 42'. 49.
158. 196. 220. 224. 349. 355. 410 u. 415. 3) fol. 1. 47. 49. [97]. 93'.
99. 99'. 122. 157. 196. 4) fol. 97. 122. 123. 5) fol. 145.
14*
212 Willibald Hauthaler.
[96] 1 und enthält 37 Stücke, welche grossentheils auch im
Codex Udalrici vorkommen. Ausserdem finden sich noch
im Anhange zum zweiten Theil, fol. 145 — 158, 3 Stücke
des Codex Udalrici. Der Schreiber des ersten Theiles der
ersten Abtheilung (A) schrieb im allgemeinen gut, wenn
auch zahlreiche Schreib- und Lesefehler vorkommen, und
da die Vorlage, nach den bei Jaffe 2 beigebrachten Varianten
zu urtheilen, als verschollen zu betrachten ist, so sind, so
weit meine Vergleichungen ein Urtheil gestatten, diese
Abschriften für eine neue Ausgabe immerhin der Benutzung
werth.
Die Hs. beginnt gleich mit der in einigen Hss. dem
hl. Ulrich von Augsburg zugeschriebenen Fiction über den
Cölibat der Geistlichen 3. Im Hann. fehlt die Ueberschrif t
und in der Adresse findet sich die Sigle G statt 0, die
etwa über den Verfasser des famosen Stückes eine An-
deutung bietet. Daran schliesst sich fol. 5' der Bericht
über den Tod des Papstes Gregor VII. und zwar nach der
Fassung Hugos von Flavigny bis 'indubitanter' 4 mit folgen-
den Varianten : 24) 'postea ipse'. 25) 'rogantes ('eum' fehlt)
atque postulantes . . subrogari vellet successorem in ponti-
ficatum eius (statt 'eis') ostenderet'. 28) 'vel Hostiensem aut
Lugdunensem archiepiscopum'. 30) nisi] 'ni . . melius vide-
bitur'. 31) 'praeter' fehlt. 32) 'impietati' H. add.: 'eorum
. . haue me habere spiritalem potestatem'. Der Schluss-
absatz lautet bei Hann. : 'Praeter hsec 5 ammonens eos de
multis et hoc illis dedit prseeeptum : Ex parte Dei ,; omni-
potentis atque ex authoritate beatorum apostolorum Petri
et Pauli ' pra?cipio vobis , ut neminem habeatis Romano-
rum * pontificem, nisi canonice electum et sanetorum pa-
trum authoritate ordinaturn. Ubi vero in extremo positus
erat, ultima eius hsec verba fuerunt: Dilexi' etc.
Hierauf folgt fol. 6 — 22 der grosse Brief des Erz-
bischofs Gebhard von Salzburg an den Bischof Hermann
von Metz, der beim Vergleiche mit der Ausgabe K. Francke's9
meist mit der Hss.- Gruppe B (2) stimmt, aber auch Stellen
enthält, die sonst nur in der Gruppe A (1) vertreten sind,
so dass auch diese Abschrift eine Benutzung verdient.
1) Da die fol. 91 — 96 sich wiederholen und die erste Reihe noch
inhaltlich zum ersten bezw. zum 4. Theil gehört, so gebe ich diese Blatt-
zahlen in eckigen Klammern. 2) Bibliotheca, tom. II und V. 3) Vgl.
Jaffe, Bibl. V, 114 ff., insbesondere Anm. 73. 4) Vgl. Jaffe, Bibl. V, 143—
144 und dazu MG. SS. VIII, 466, 23—33'. — Fol. 224 findet sich dasselbe
Stück vom Schreiber G , dessen Varianten ich mit H 2 bezeichne.
5) 'hse' Hl. 6) 'ex parate toi' H2! 7) 'P. et P.' H 2. 8) 'Ro-
manu' H 1. 2. 9) MG. Libelli de lite I, 263—279.
Die grosse Brief handschrift zu Hannover. 213
Ich wähle eine Anzahl solcher Stellen aus \ damit
man zugleich ersehen könne, wie A arbeitete. Abweichungen,
bei welchen ich nur einen Schreib- oder Lesefehler des A
vermuthe, lasse ich unbeachtet.
Von besonderer Beachtung- sind selbstverständlich
jene 8 Stücke, welche Sudendorf veröffentlichte 2, da an-
dere Vorlagen für dieselben bisher nicht bekannt sind.
Ausserdem ist noch besonders hervorzuheben die Eeihe der
Unterschriften der Concilsväter von Brixen, welche nur im
Hann. f. 52 überliefert ist 3.
Die übrigen Schriftstücke dieser Abtheilung finden
sich zumeist in Jaffe's Bibliotheca4 mit dem sonstigen
litterarischen Apparat abgedruckt. Ausser diesen kommen
nur noch vor: die Antwort des Papstes Urbau II. an den
Bischof Gebhard von Constanz und die Constitutionen von
Piacenza 5. Hiermit ist der Inhalt der ersten Abtheilung
erschöpft.
Die zweite Abtheilung reicht nach der Ein-
theilung Sudendorf s von fol. 91 — 159. Hier schreibt zu-
nächst fol. 91—94, Z. 12 eine Hand C, dann bis 144 D,
1) 264, 13 — 14 : [fol. 6'] scilicet archiepiscopum Colouiensem, episco-
pos Babenbergensem, Spirensem electos, et Trevirensern. 18 possent] sine
mora (add. fol. 6')- 30 doctrinae] doctores locum sibi vendicant (fol. 7).
265, 32 : id quod iustum est pervertant et ponaut lucem tenebras et tene-
bras lucem (f. 7'). 266,14: non immerito et incongrue (f. 8')- 34 opi-
nioues] oppositiones (f. 9). 35 non leve agitur, ut iani de omni lateque
patentis itineris ductu (f. 9). 267, 3: constituerunt] ediderunt (f. 9).
17 scitum] sancitum (f. 9'). 268, 3 : tritae sunt] irritse sint (f. 10).
6 conatu] annissu (f. 10). 19 boc] modo add. (f. 10'). 269,8: aliarum]
aliorum (f. 11'). 17 prefinito] prsefato (f. 11'). 26 presulum] pont. (f. 11').
25 utrosque] poena add. (f. 12). 35 illud — dicitur] fehlt (f. 12). 270, 12:
denuntiaverunt] illum add. (f. 12'). 13 incipientes per u. r. prsedicandum
adiunctis bis et aliis e. v. m. (f. 12). 37 iudicantes condemnaverunt (f. 13).
271,11: Ex abündantia enim (f. 13'). 25 condempnaverunt] excommuni-
cati ad annum add. (f. 13'). sex] VII. mensibus. 273, 7 : in repreben-
sores eius (f. 15). 35 quee vel iuranda vel observanda (f. 16). 35 nullo
u. t.] nunquam s. e. m. autem nunc cum pene (f. 16). 274, 1 : ad vivum]
ad iuditium (f. 16). 275,41: Propter quam] Postquam sententiarum veri-
tatem n. p. c. remissionem. 276 vocabuli] vocationis (f. 18). 13 ordi-
nationis] creationis (f. 18). 2) Nämlicb Sud. Reg. I, n. 10 (f. 37). 11
(f. 53). 13 (f. 65). 14 (f. 65'- 89')- 17 (f. 90); II, n. 30 (f. 64). 40 (f. 31)
und III, p. 18, Anm. * (f. 27). 3) Siebe Jafte, Bibl. V, 135 und MG.
LL. Const. I, 120. 4) Tom. II, Mon. Greg. Reg. lib. I, 1 (f. 24). 2
(f. 25). 3 (f. 23); üb. IV, 12 + 12a (f. 33-34). 24 (f. 34'); V, 7 (f. 36);
VII, 14a (f. 28). Epist. coli. 8 (f. 44). 9 (f. 45). 14 (f. 28). 17 (f. 32').
18' (f. 32). — Tom. III, Mon. Bamb. 43 (f. 41'). 48 (f. 49 obue Xamen-
protokoll). 49 (f. 47). 52 (f. 54). 53 (f. 53'). 56 (f. 1). 57 (f. 38'— 41). 63
(f. 42). 64 (f. 50'- 52). 69 (f. 46). 71 (f. 5'). 73 (f. 54'— 60). 79 (f. 63).
199 (f. [91—96]). 5) Jaffe-Loew. Reg. 5393 und 5541.
214 Willibald Hauthaler.
endlich fol. 144 — 159 eine Hand E, deren Arbeit noch von
einer Hand E' nachcorrigiert wurde. Wie schon Suden-
dorf nachträglich in der Vorrede zu Registrum II mit
Berufung auf Pertz erwähnt, finden sich die ersten Stücke
dieser Abtheilung sämmtlich nach ganz derselben Ordnung
in einem Brüsseler Codex des 12. Jahrb., welcher aus dem
St. Nikolaus - Spital zu Kues, nächst Bernkastei im Mosel-
thale, stammt 1. Die Stücke sind in vorliegender Hs. nicht
numeriert, aber die Collation des Textes B bei Jaffe mit
Hann. f. 142' — 143 lieferte den stricten Beweis, dass Hann.
nur Abschrift von B sein könne, aber eine sehr schlechte,
die vielfach zeigt, dass der Schreiber D im Cod. Hann.
nicht Lateinisch verstand und daher einen Unsinn nach
dem andern schrieb2, weshalb dieser Theil, soweit die
Brüsseler Hs. reicht, sich keineswegs für eine Vergleichung
lohnt.
Ausser den werthlosen Abschriften aus dem Brüsseler
Codex enthält diese Abtheilung noch fol. 143 — 144 von
derselben Hand D ein Stück, dessen Vorlage unbekannt
ist. Der Wortlaut ist von Sudendorf veröffentlicht 3.
Fol. 144 Mitte folgt noch ein kurzes Stück, das in der
Chronik Sigberts von Gembloux vorkommt4. Endlich
fol. 145 — 159 sind wieder 3 verschiedene Briefe angehängt,
welche auch im Cod. Udalrici enthalten sind. Vom Schreiber
E stammt der Lütticher Brief gegen Papst Paschal II.
fol. 144 — 156 5. Am Beginne desselben steht die Bemer-
kung des gewöhnlichen Glossators X mit dem Verweis auf
(Crabbe) Conciliensammlung und darunter die Nummer 230,
für deren Erklärung* nirgends ein Anhaltspunkt geboten
ist, und gegenüber obiger Bemerkung findet sich wieder
von anderer Hand XI des 16. Jahrh. die Notiz: 'Tempore
Hezili quinti scisma fuit . . . Ioannem (?) de Turre cre-
mata. 16'. Die Abschrift dieses Briefes scheint mir daher
einer ganz andern Sammlung entnommen zu sein, stimmt
aber, von den Schreib- und Lesefehlern abgesehen, meist
mit den Varianten des Codex B bei Jaffe und dürfte eben-
falls für eine Collation sich kaum verlohnen.
Auf fol. 156' setzte der gleiche Schreiber, welcher
fol. 145 die Notiz über das Schisma beifügte, abermals
1) Sud. Reg. H, p. VII und Pertz, Archiv VII, 872—875. Nach
Jaffe, Bibl. II, 465 führt der Brüsseler Codex die Nummer 11196. 2) Z. B.
für capitulum] ea populo ; pruinam] primam; fraterne] faciunt; increpare]
in incorpore ; adipem] ad ipse ; ergo karissimi] golumen ! 3) Reg. II,
39, n. 32. 4) MGr. SS. VI, 365 med. 5) Jaffe, Bibl. V, 201, n. 113.
Die grosse Briefhandschrift zu Hannover. 215
eine solche Anmerkung hinzu, die ich nicht ganz zu ent-
ziffern vermag.
Auf fol. 157 schrieb eine Hand F das Präsentations-
instrument über die Erwählung eines Erzbischofs1 und
fol. 148—159 den Brief des Bischofs Dietrich von Verdun
an den Erzbischof Egilbert von Trier2, welcher auch in
der ersten Abtheilung auf fol. 42 von der Hand A nach
einer andern Vorlage geschrieben ist, und zwar viel besser
als hier. Hiemit endigt die zweite Abtheilung.
Die dritte Abtheilung reicht von fol. 160 — 402,
so dass sie 242 von den 549 Folien umfasst, und es ist
alles von einer Hand G geschrieben. Die meisten Stücke
tragen unten in der rechten Ecke die laufende Nummer
(bis 111). Dem vorletzten Stücke allein ist auf fol. 397
von anderer Hand links oben eine Notiz über die Pro-
venienz beigefügt, wo es heisst : 'Ex antiquo libro epistola-
rum reperto Wesalise apud predicatores' 3. Dem letzten
dieser 111 Stücke fügte der Schreiber G noch das bezeich-
nende 'Finis' bei, wonach immerhin die ganze einheitlich
geschriebene Sammlung einer einzigen Vorlage entnommen
sein könnte, wie schon Sudendorf es als möglich andeutete 4.
Inhaltlich zerfällt aber diese Sammlung in 3 Gnrppen, wie
dies wieder Sudendorf schon näher darlegte 5. Die erste
Gruppe verweist nach Hildesheim, die zweite nach Bam-
berg und die dritte nach Tours. Nur wenige der hier
enthaltenen Stücke sind uns auf anderem Wege überliefert,
so dass fast Alles neu ist und erst durch Sudendorf be-
kannt und benutzbar gemacht wurde 6. Aus anderen Vor-
1) Vgl. Jaffe, Bibl. V, p. 5 unter E 7, und Eccard. 1. c. col. 19—20
(bis 'subscripserunt'). 2) Jaffe ebd. 130, n. 63. 3) Vgl. Sudendorf,
Bereng. Turon. p. VII. 4) A. a. 0. 5) Registrum III, p. IX— XII.
6) Registrum I, n. 1 (f. 203). 2 (f. 183). 3 (f. 248). 4 (f. 187). 5 (f. 181).
6 (f. 176). 7 (f. 177). 8 (f. 178). 9 (f. 387). 10 (f. 37 u. 220). 12 (f. 214).
15 (f. 190). 16 (f. 192). 18 (f. 171). 19 (f. 199). 20 (f. 213) ; II, 1 (f. 313).
2 (f. 174). 3 (f. 397). 4 (f. 277). 5 (f. 296). 6 (f. 307). 7 (f. 298). 8 (f. 279).
9 (f. 301). 10 (f. 275). 11 (f. 303). 12 (f. 290). 13 (f. 217). 14 (f. 209).
15 (f. 211). 16 (f. 250). 17 (f. 219). 18 (f: 180). 19 (f. 262). 20 (f. 175).
21 (f. 242). 22 (f. 272). 23 (f. 200). 24 (f. 205). 25 (f. 210). 26 (f. 264).
27 (f. 294). 28 (f. 305). 29 (f. 218). 33 (f. 381); in, 1 (f. 244). 2 (f. 252).
3 (f. 226). 4 (f. 270). 5 (f. 292). 6 (f. 266). 7 (f. 256). 8 (f. 274). 9 (f. 385).
10 (f. 166). 11 (f. 319). 12 (f. 279). 13 (f. 311). 13* (f. 315). 14 (f. 230).
15 (f. 164). 16 (f. 309). 17 (f. 173). 18 (f. 232). 19 (f. 234). 20 (f. 236).
21 (f. 238). 22 (f. 240). 23 (f. 260). 24 (f. 268). 25 (f. 167). 26 (f. 246).
27 (f. 254). 28 (f. 321). 29 (f. 323). 30 (f. 317). 31 (f. 300). Bereng.
Vorre.de, p. IX— XI, n. 1 (f. 162). 2 (f. 258) ; p. 200-233, n. 1 (f. 365).
2 (f. 375). 3 (f. 337). 4 (f. 329). 5 (f. 367). 6 (f. 363). 7 (f. 347). 8 (f. 333).
9 (f. 361). 10 (f. 343). 11 (f. 359). 12 (f. 341). 13 (f. 379). 14 (f. 351).
216 Willibald Hauthaler.
lagen sind nur bekannt: n. 20 (f. 196 — 198), die aucli in
der Sammlung Udalrichs von Bamberg' vorkommt und hier
ebenfalls noch in der ersten Abtheilung fol. 49, doch nur
auf fol. 196 des Hann. ist die Namenreihe der Concilsväter
von Worms erhalten1; ferner n. 35 (f. 224), welche wieder
sowohl in der ersten Abtheilung f. 5 begegnet, als auch
in der Sammlung Udalrichs von Bamberg2; dann n. 108
und 109, welche von Mabillon veröffentlicht wurden3, und
endlich n. 111, welche durch D'Achery4 bekannt gemacht
wurde. Der Schreiber G arbeitete leider ähnlich schlecht,
wie D in der zweiten Abtheilung, was aber hier um so
bedauernswerther ist, als nur für 5 Stücke von 111 eiue
Controle möglich ist.
Die vierte und fünfte Abtheilung enthalten
in ihren Haupttheilen Abschriften aus zwei Briefsamm-
lungen, welche in Salzburg entstanden sind, nämlich erst-
lich Briefe, welche den Erzbischof Eberhard I. von Salz-
burg (1147 — 1164) und seine kirchlichen und politischen
Beziehungen betreffen, und zweitens solche, welche an der
Seite des Erzbischofs Adalbert (1169—77 und 1183—1200)
gesammelt wurden.
Die vierte Abtheilung umfasst 37 auf der rechten
Ecke des unteren Randes mit den fortlaufenden Zahlen
1 — 37 versehene Stücke. Die erste Nummer (f. 404 — 406) ist
von der Hand F geschrieben, von welcher auch die Anhänge
der zweiten Abtheilung (f. 157 — 159), stammen und enthält
den Brief des Kaisers Friedrich III. an den französischen
König Karl VII. über die Beseitigung des Schisma und
die Herstellung des kirchlichen Friedens, vom 1. Juni 1443°.
Die folgenden Nummern 2 — 37 sind sämmtlich Abschriften
aus dem sog. Concept- oder Briefbuch des Erzbischofs
Eberhard I. von Salzburg, das heute noch in der Wiener
Hofbibliothek unter n. 629 (Ius can. 133), saec. XII. er-
halten ist'5. Diese Hs. ist nicht erst bei der Säcularisierung
Salzburgs nach Wien gekommen,, sondern war schon zur
15 (f. 353). 16 (f. 371). 17 (f. 325). 18 (f. 357). 19 (f. 369). 20 (f. 349 u.
355). 21 (f. 373). 22 (f. 377) ; Anhang n. 1 (f. 169). 2 (f. 222). 3 (f. 160).
Die Citate bei Sudendorf, Reg. III, p. VIII, Amu. stimmen nicht immer
mit der Ausgabe der Briefe Berengars. 1) S. Jaffe, Bibl. V, 103, n. 18
und MG. LL. Const. I, 10(3. 2) Jaffe 1. c. V, 143, n. 71. 3) Ana-
lecta 1,251—259 u. 2. Ausg. 455—457. Vgl. Sudendorf, Bereng. p. VIII.
4) Spicileg. IV, 257—261 und 2. Ausg. III, 430—431. Vgl. Sudendorf
a. a. O. 5) Gedr. bei Martene, Collectio VIII, 977—980. Vgl. auch
Chmel, Reg. n. 1456. 6) Vgl. darüber W. Wattenbach, GQ,° II, 302,
ferner in Pertz, Archiv X, 491 und W. Schmidt in Archiv f. öst. Gesch.
XXXIV, 4, Anm.
Die grosse Brief handschrift zu Hannover. 217
Zeit des Bibliothekars Sebastian Tengnagel daselbst, wel-
cher den ganzen brieflichen Inhalt ausschrieb und zum
Druck beförderte, theilweise durch den Keichersberger
Chorherren Gewold l und theilweise durch den Jesuiten
Jakob Gretser2. Ausser diesen enthält die Wiener Hs.
noch einige Stücke, die in Kagewins Fortsetzung der Gesta
Friderici imp. vorkommen 3.
Der Sammler für Hann. Hess nun aus diesem Brief-
buch nur Stücke ausschreiben, welche sich auf das Schisma
unter Kaiser Friedrich I. beziehen, hat aber dabei einzelne
Stücke übergangen4. Die 36 dem Wiener Codex 629 ent-
nommenen Stücke stammen abwechselnd von 2 Schreibern;
die meisten schrieb eine Hand H und ein Drittel die
Hand B, die schon den Anhang der ersten Abtheilung
schrieb, öfters wechseln die Hände mitten in einem Stücke.
Die Collation der meisten dieser Abschriften aus der
Wiener Hs. stellte ausser allein Zweifel, dass diese Vor-
lage der Abschriften war und dass letztere ausserordentlich
flüchtig und ohne alles Verständnis angefertigt wurden,
weshalb jede Nachvergleichung des Hann. hier überflüssig
ist. Wie flüchtig gearbeitet wurde, zeigt schon, dass die
Nummern 4 und 5 identisch sind, erstere von B und letz-
tere von H geschrieben, doch auch in letzterer Nummer
scheint ganz in der Mitte (fol. 415' — 416) ein Theil von B
zu stammen. Die Hand H schrieb auch meist die Sigle F
statt E(berhard), und beide lösten Siglen der Vorlage ganz
falsch auf, so fol. 410 A in Albertus, was eine andere Hand
richtig stellte mit Alexander; in n. 11 (fol. 430) schrieb H
Ferdinandus, was dann verbessert wurde mit Fridericus.
Die fünfte Abtheil ung umfasst in ihrem Haupt-
theile 35 Briefe, wovon 10 noch der Zeit des Erzbischofs
Eberhard I. , 7 jener Konrads II. und 18 der Adalberts
angehören. Dieselben scheinen daher einer ähnlichen
Sammlung entnommen zu sein, wie die des Wiener Codex
629 ist, nur dass sie in der Umgebung des Erzbischofs
Adalbert entstand. Die meisten Stücke tragen oben in der
linken Ecke die fortlaufende Nummer. Leider ist die Vor-
lage dieser Sammlung gänzlich verschollen. Von den im
Hann. erhaltenen 35 Briefen sind uns auch nur zwei ander-
1) S. Hund, Metropolis Salisb., ed. Gewold (Monachii 1620, tom. II,
210—213 u. Ratisp. 1719, tom. II, 145—147). 2) Divi Bambergenses
(1611), p. 486—501, n. 29—44 und Vetera Monumenta contra Schismaticos
H, 329—338. 383—439 oder n. 24-77. 3) MG. SS. XX, 420. 425.
426. 470. 472. 484. 487. 4) Ausgelassen sind Tengnagel n. 35. 39. 56.
60. 63. 64. 65. 67—73. 75.
218 Willibald Hauthaler.
weit überliefert, so dass wir die Arbeit des Schreibers J
nur ungenügend controlieren können. N. 1 (f. 490) ist in
einer anderen Ausfertigung von 3 anderen Hss. überliefert 1,
und die neue Ausgabe durch Weiland beweist, dass die
Abschrift des J gut und ziemlich verlässlich ist. Ausser-
dem soll n. 11 (f. 510) in einem Manuscript des Stiftes
St. Peter zu Salzburg erhalten sein, woraus es durch Pez
veröffentlicht wurde 2. Auch dieses Stück stimmt ziemlich
mit dem Drucke überein 3. Von den übrigen Briefen dieser
Sammlung hat bereits G. H. Pertz 3 Stück veröffentlicht
und alle übrigen machte endlich Sudendorf bekannt4 und
nach sorgfältiger Vergleichung der Sudendorfischen Drucke
kann ich bestätigen, dass dieselben sehr genau sind.
Die Hand J schrieb auch noch einen Anhang von
Briefen aus der Zeit des Basler Schisma. Es sind 7 Stücke,
welche Sudendorf ■' veröffentlichte. Sie betreffen einen ver-
traulichen Briefwechsel zwischen zwei Freunden. Der
Schreiber der Nummern 71 — 74 und 77 ist Alexander, ein
geborener Herzog von Masovien, welcher 1424 März 24 zum
Bischof von Trient bestätigt wurde, dann 1440 Oct. 15
durch das Basler Concil, bezw. P. Felix V., zum Cardinal
imd Legaten für Deutschland etc. ernannt wurde. Der
Adressat dieser und der Schreiber von n. 75 und 76 ist
leider nirgends genannt. Sudendorf hält ihn für den Erz-
bischof Johann II. von Salzburg (1429 — 1441) und mit
Rücksicht darauf, dass nach dem ersten Briefe die Ver-
handlungen zwischen Alexander und der Concilspartei noch
in der Schwebe waren*', mögen die Ansätze des Heraus-
gebers richtig sein, obwohl mir sonst der Gedanke an den
1) S. MCK LL. Constitutiones I, 318. 2) Antecd. VI, b, 48, n. 70
= Dalham, Concilia 84 (zu 1127) = Zahn, St. ÜB. I, 514 (zu 1172
lim. [c.]). Vgl. auch Meiller, SR. 123, n. 49 u. 484, n. 20. Leider konnte
ich bisher den fraglichen Codex hier nicht entdecken und W. Wattenbach
erwähnt im Archiv X, 614 — 618 auch nichts darüber. 3) Von be-
merkenswerthen Varianten führe ich an : Z. 5 pra?latis] Saltzburgen. eccle-
siae add. H. Z. 29 honorem] vestrum et Dei H. Z. 30 conveniremus
fehlt H. Z. 31 providentius H. Z. 32 ergo] igitur H. Z. 37 super voca-
tionibus] invocationibus H. 4) Die ersteren finden sich jetzt bei Wei-
land (Constitutiones I) p. 311 (n. 19, f. 521 u. n. 17, f. 519'); ferner p. 314
(n. 9, f. 508) u. 318 (n. 1, f. 490). Die letzteren im Registrum I, n. 21
(f. 522). 22 (f. 523). 24 (f. 532). 25 (f. 518). 26 (f. 492). 27 (f. 506). 28
(f. 511). 29 (f. 499). 30 (f. 498). 31 (f. 494). 32 (f. 500). 33 (f. 501). 34
(f. 508'). 35 (f. 524). 36 (f. 527') ; H, n. 53 (f. 522'). 56 (f. 531). 57 (f. 525').
58 (f. 526). 59 (f. 526'). 60 (f. 525). 61 (f. 530). 63 (f. 519). 64 (f. 533').
65 (f. 517). 66 (f. 513). 67 (f. 515). 68 (f. 529'). 69 (f. 529). 70 (f. 533).
5) Registrum III, p. 126—135, n. 71—77). 6) Sud. III, p. 128: 'de
quaestionibus nuper habitis inter nos et partes Felicianas'.
Die grosse Briefhandschrift zu Hannover. 219
Erzbischof Friedrich IV. (1441 — 1452) näher zu liegen
schiene. Die Vorlage dieser Abschriften konnte ich leider
noch nirgends entdecken.
Als ein weiterer Anhang zu dieser Abtheilung folgt
fol. 541—547 ein Brief des h. Petrus Damiani an Papst
Nikolaus II. von einer Hand K, welche einige Aehnlich-
keit hat mit der Hand H in der IV. Abtheilung und auch
ähnlich flüchtig und nachlässig zu sein scheint. Obwohl
der Brief hier nur etwa den vierten Theil beträgt von der
Ausgabe bei C. Caetani1, so ist doch am Schlüsse 'Fiiiis'
beigefügt.
Das letzte Stück des Hann. (fol. 549 — 551) ist neue-
stens durch L. Weiland als 'Oratio advocati Victoris IV. in
concilio habita' 2 herausgegeben worden. Die Ueberschrift
'De scismate — astrictum' und die unmittelbar folgenden
2 Zeilen des Textes 'Füit inter — foedus contractum' sind
mit blasserer Tinte geschrieben und wohl auch von anderer
Hand (Y). Der folgende Text stammt von der Hand B,
welche den Anhang zur ersten Abtheilung (fol. [91 — 96])
und beiläufig ein Drittel der vierten Abtheilung aus dem
Cod. Vind. 629 schrieb. — Der Anfang 'Incipit ita hie
traetatus' und der Wortlaut des ersten Capitels 'Et quia
— faciamus' sind links oben neben der Ueberschrift wieder
von anderer Hand (Z) nachgetragen, welche durch L. Wei-
land Flacius selbst zugeschrieben wird 3. Zur Ueberschrift
bemerkte auf dem äusseren Rande der schon zu fol. 145
und 156' erwähnte Glossator X: 'q ut opinor . . se voeavit',
das Ausgefallene ist weggeschnitten, und nur der untere
Schaft des Anfangsbuchstabens ist noch sichtlich. Dieses
Stück findet sich auch im Cod. Vind. 629, f. 36, doch das
vorhergehende Blatt ist ausgeschnitten, und so ist das
Stück wie am Ende so auch am Anfange unvollständig,
weshalb es von den Schreibern der vierten Abtheilung wird
übergangen worden sein. Wie der Druck bei Weiland be-
weist, muss hier der Schreiber des Hann. eine andere Vor-
lage gehabt haben als den Cod. Vind., die aber bis jetzt
verschollen ist.
Hiermit ist der Inhalt des vorliegenden Codex episto-
laris erschöpft.
1) B. Petri Damiani . . epistolarum libri octo, lib. I, n. 9, p. 16 — 21
'subneetamus'. 2) LL. Constitutiones I, 257—260. 3) Weiland schrieb
obige Angabe aber nur, weil die Hand Z bei oberflächlicher Vergleichung
für identisch gehalten werden kann mit der Hand der Notiz 'Illyrici est'
auf fol. 1. Doch bei genauerer Vergleichung erscheint mir die Gleichheit
sehr zweifelhaft.
220 Willibald Hauthaler.
Ganz am Schlüsse wurde, nachdem' alle Fascikel zu
einem mächtigen Bande vereinigt und die Blätter nume-
riert worden waren, noch im 16. Jahrh. ein 6 Blätter um-
fassendes Inhaltsverzeichnis angefertigt nach den bezüg-
lichen Centurien. Die Ueberschrift lautet : 'Index eorum
quse in hoc libro continentur' und dazu ergänzte eine an-
dere Hand 'iuxta centu(rias)'. Dieselbe Hand setzte auch
bei: 'De Thebeorum legione vide qusedam pag. 100 etc.'1
Bemerkenswerth ist noch, dass der Schreiber bei Anführung
des berühmten Briefes eines Bischofs G an P. Nikolaus II.
'in qua sacerdo(tum) coniugium defendit', beifügt: 'quam
Illyricus Vdalrico A(ugu)stano episcopo adscribit' 2, weil
Flacius eben eine andere Vorlage benutzte 3. Bezüglich
des Briefes des Petrus Damiani an P. Nikolaus II. ist hier
im Index von gleicher Hand auf dem Seitenrande bemerkt:
'Est epistola Petri Damiani episcopi Hostiensis, ut est videre
in Actis Romanorum pontificum Balei in Benedicto 8' (?).
1) S. Sudendorf, Reg. H, 48 sqq. 2) Vgl. oben S. 211. 2) Vg
oben S. 212.
Zu Otto von Hammerstein.
Von Hans F. Helmolt.
In den Forschungen z. Deutschen Gesch. XXI (1881),
405 hat H. Bresslau die Vermuthung geäussert, dass sich
ein Paragraph in dem Zweitältesten Werdner Heberegister
(Düsseldorf, St.-A. Msc. A 89. Bl. 12b) auf Otto v. Hammer-
stein und seine Gemahlin Irmgard beziehe. Ich bin in der
Lage, diese 'mit minderer Zuversicht' aufgestellte Hypo-
these als ziemlich sieher zu erweisen.
Noch ehe mir der Aufsatz Bresslau's über den Ham-
mersteiner zu Gesicht gekommen war, hatte ich, da mir
die Aehnlichkeit einiger Zeugennamen aufgefallen war, den
Paragraphen mit einem andern in Verbindung gebracht,
der in demselben Codex auf den ersten Zeilen von Bl. 20 b
steht. Dieser letztere ist sicher von einer Hand des
11. Jahrh. geschrieben — was ich für die erste Notiz trotz
Bresslau und Friedlaender (Ostfries. ÜB. II, 774, N. 44)
nicht für ganz ausgemacht halte 1. Die betreffenden Zeilen
lauten :
'Haec sunt nomina testium, qui traditioni presentes
fuerunt, quam Udo sancto Liudgero donavit: Gerhard,
Kristian, Gerhard, Sikko, Liudolf, Emod, Gerru, Wig-
mann, Benno, Bernheri, Godefrid, Nizo, Azzelin, Bern-
heri, Benzo, W^lf heri, Waldo, Azzekin, Heriman, Nidger,
Folkmar, Hungi, Thiederik, Azziko, Falerius, Liudulf,
Benzo, Gezo, Othilrik, Hase, Sigibraht, Thuring, Benno'.
Nun kehren zwar nur zwei Zeugen — Nidger und
Thuring — in jener ersten Notiz wieder. Dagegen
ist zu beachten, dass weder Nidger noch Thuring sonst
in der ganzen Hs., die unzählige andere sächsische und
friesische Namen enthält, vorkommen: ein Name wie
Benno wäre natürlich nicht beweiskräftig, da er zu oft
wiederkehrt. Ausserdem aber entspricht der ganze Cha-
1) Für solche urbariale Aufzeichnungen giebt an und für sich die
Zeit des Schreibers noch nicht den Ausschlag dafür, den Inhalt des Ge-
schriebenen in dieselbe Zeit zu verlegen.
222 Hans F. Helmolt.
rakter der übrigen Namen aufs treneste dem der andern
auf Bl. 12 b. Drittens folgt das wiedergegebene Stück
direkt einem Register über den Werdenschen Hof Loge in
Friesland. Und schliesslich ist's doch merkwürdig, dass in
der Zeugenreihe zu der Urkunde von 1033 (Mon. Boica
XXIXa, p. 40; vgl. Forschungen XXI, p. 406) hinterein-
ander 'Gerhart. Cristan. Siggo.' erscheinen. Sollten das
nicht dieselben Edeln sein, die auch oben, zu Udo's Um-
gebung gehörend, unmittelbar hintereinander auftauchen?
Drum darf man wohl ohne weiteres annehmen, unter
unserm Udo sei der Sohn des schicksalverfolgten Paares
Otto und Irmgard zu verstehen. Denn die Sache liegt
doch so. Auf der einen Seite für ein und dieselbe Gegend
aus ein und derselben Quelle (dem Werdenschen Hebe-
register) ein Otto, eine Irmgard und ein Udo nachgewiesen,
die zwei verschiedene Akte durch Zeugen bekräftigen lassen,
von denen zwei hier wie dort fungieren; auf der andern
ebenfalls ein Otto, eine Irmgard, ein Udo : sollte man da
nicht identificieren dürfen, zunial da der Hammersteiner
im Werdenschen begütert war?
Denn dass Otto Besitzungen dort hatte, schliesse ich
aus dem Namen 'Sualmanaha' (Svalman - aha) der Hersfelder
Urkunde von 1043 (vgl. Forschungen XXI, 404, N. 2). Das
ist der jetzige Schwelniebach ; der Ort heisst Schwelm (ö.
Barmen). Darüber giebt am besten Auskunft W. Crecelius
in der Bergischen Zeitschr. II (1865), p. 315, N. 29, wo er
die Stelle aus dem ältesten Werdenschen Heberegister : 'In
villa Svelmiu tradiderunt simul Salaco et Werinheri unum
niancipiuni ad sanctum Liudgerum' (Düsseldorf, St.-A. Msc.
A 88. Bl. 26 b) glossiert. Eigenthümlich ist's immerhin,
dass auch in dieser zusammenhangslosen Notiz ein 'Salaco'
wiederkehrt; doch ist darauf kein Gewicht zu legen: der
Name ist nicht allzu selten.
Ein Brief des Bischofs Wazo von Lüttich.
Von W. Wattenbach.
Herr Prof. Steinineyer in Erlangen hatte die Güte,
mir ans der Leidener Hs. Lat. 191 E (beschrieben von Geel
S. 84, Arch. VIII, 572) die Abschrift eines Briefes von
"Wazo zuzuschicken, welcher sich dort auf Bl. 44b den
Briefen des Ivo von Chartres anschliesst. Es ist derselbe,
welcher von Anselni in seinen Gesta episcoporum Leodien-
sium (SS. VII, 211 — 215) aufgenommen ist, die sehr nach-
drücklichen Ermahnungen an den Probst Johannes ent-
haltend, und es ist nicht ohne Interesse, dass wir den-
selben nun auch selbständig in einer Hs. des 12. Jahrh.
finden, so wie Anselms Zuverlässigkeit durch die völlige
Uebereinstimmung gewinnt. Die Hs. stammt aus dem
Cistercienserkloster Hardehausen bei Warburg und ist einst
von Martene benutzt (Coli. I, 555. 977. 978). Die Varianten,
worunter einige Verbesserungen, theile ich hier mit, nur
einige orthographische und Umstellungen ohne Bedeutung
übergehend.
S. 211, Z. 34 'nunc quoniam'. 35 'adiudicavimus'. 38 'opibus'.
40 'possum'. 43 'defendis' (besser). 46 'patenter'. 212, 1 'Prel. et
prep.' 3 'singulatim . . . prepos. prel.' 5 'ascribi'. 11. 12 'unum
sit'. 14 'ponit1. 16 'frequentat'. 18 'racionab. . . . igitur'. 22 'sunt
ibi'. 27 'comedit'. 32 'exemplis amm.', 'sed' feblt. 34 'Et si' (richtig).
38 'domino . . . dominus' (besser). 39 'tuum' fehlt. 46 'frater queso .
frater d.' 213, 4 'laboret'. 6 'opibus'. 9 'sec. suuni lab. . . . accipiat
. . . si relig.' (besser). 12 'parvus'. 13 'qui se e. h. et' fehlt. 14 'Sic'.
19 'se ipsum c.' 20 'relinquat'. 31 'quia maxime concupiscis pr.'
34 'consulo'. 50 'inpeditus'. 214,6 'frater'. 11 'gr. ago . nil.' 13 'di-
lectionem' (besser). 15 'praevenire' fehlt. 22 'edificationem'. 24 'con-
valesc' (richtig). 28 'cognomen archi' (richtig). 29 'Corepiscopos et
archidiaconos pr.' (richtig). 35 'pecore'. 41 'veritatem meam vel' fehlt.
42 'dedere' (richtig). 44 'semper' fehlt. 215, 6 'cellerario' (richtig).
20 'prevalente' (richtig).
In derselben Hs. folgt auf f. 57' — 58 eine Zusammen-
stellung von Briefanfängen, beginnend : 'Labilis huius vite
solatium et etern§ beatitudinis consortium. Eegi domino
suo servulus indignus su§ presentie. donum a Deo victorie.
et ^quitatis et plenitudinem iusticie. et pacis', jedoch ledig-
224 W. Wattenbach.
lieh Adressen ohne weiteren Inhalt und ohne einen einzi-
gen ausgeschriebenen Namen 1. Ich bemerke darunter nur :
'F(ridericus) gratia Dei sanete, Coloniensis ^cclesie. archiepi-
scopus (1099—1131) U(doni) Hyldenensi episcopo (1079 —
1114) cum devotis orationibus sinceros fraterne. dilectionis
affectus', ferner 'F(riderico) Dei gratia sanete Coloniensis
ecclesie, presuli O(tbertus) Leodiensium episcopus (1091 —
1119) vinculum fidei spei et caritatis in Domino', weil diese
beiden zur Bestimmung der Zeit dienen können.
1) Aehnliche Briefanfänge finden sich — als Musterbeispiele für
die Form der Salutatio — wie in anderen Formularbüchern so auch im
Cod. Udalrici, Jaffe, Bibliotheca V, 18—23.
Ein Diplom und ein Placitum Heinrichs V.
Mitgetheilt von H. Bresslau.
1. Heinrich V. bestätigt dein Kloster Pomposa Reichs-
unmittelbarkeit, Güterbesitz, freie Abtswahl und andere
Rechte.
Speyer 1114 September 13.
Abschrift des 15. Jahrhunderts im k. italienischen
Staatsarchiv zu Modena (B).
In nomine sanctae et individuae trinitatis. Heinricus
divina favente dementia quartus Eomanorum imperator
augustus. Si circa sanctorum loca beneficia condigna
impendimus, hoc nostram imperialem maiestatem con-
decere credimus, insuper et aeterna premia nos inde
adipisci confidimus. Quapropter omnium Christi nostro-
rumque fidelium uniTersitatem scire volumus, qualiter nos
ob amorem Christi et eins genetricis virginis Mariae ac per
interventum dilectae nostrae contectalis Mathildis * regine,
et aliorum principum nostrorum scilicet2 Erlungi3 Werce-
burgensis , Cunonis Strazeburgensis 4, Alberonis Metensis
episcoporum, Erlulfi Fuldensis5, Stephani Limburgensis,
Bennonis Laurisensis abbatum, Herimanni marchionis,
Godefridi comitis palatii, [Gozjmari i; comitis, Bertholdi
comitis ceterorumque fidelium nostrorum abbatiam sancte
Mariae in Pomposia ab antecessore nostro imperatore
Ottone a Erederico Ravennatis ecclesiae archiepiscopo iuxta
utriusque placitum ad imperialem subiectionem proprietatis
concambiatam ' ac postea - ab Heinrico nostro altero anteces-
sore corroboratam et ab Hug-one marchione magnilice
1) Corr. aus 'Mathilois1 von anderer Hand. 2) 'sciciliae1 B.
3) 'Erlunbi' B. Die Namen waren wohl mit Majuskeln geschrieben, wobei
Verwechslung von Gr und b öfter vorkommt. 4) 'Strareburgensis1 B
5) 'Erlulti tuldensis' B. 6) Die Ergänzung des in B verstümmelten
Namens nach der Zeugenliste von St. 3117, wo Erlulf von Fulda und
'coines Grozmarus' erscheinen. 7) VII; 'cetero ambiatam' B. 8) VU;
'propterea' B.
Neues Archiv etc. XX. 15
226 H. Bresslau.
dotatam x et in2 atavum nostruni Cuonradum impera-
torein et avuni nostruni Heinricum bon^que memoriae
patrein nostrum Heinricnm iniperatoreni successione imperii
et legali iure hereditatarn, dehinc eodem iure ad nostrae
dominationis manus receptani, cum omnibus suis pertinentiis,
quicquid videlicet predicta abbatia per aliquod munimen
eartarum vel traditionum detinet vel eidem pertinet ab
ecclesia Eomana et Eauennate aut ab aliqua alia, seu
etiam quicquid iure proprietatis detinet aut acquirere in
futuro potuerit: id est3 totam insulam integram, a primo
latere Pado percurrente in mari, a secundo latere litus
maris, a tertio vero latere Gauro et piscariam que vocatur
Volana cum portu integro [a rivo Badarino] A ex utrisque
partibus usque in mare; et massam que dicitur Lacus
Sanctus cum lateribus suis et cum piscaria que vocatur
Tidini, a primo latere fundo qui vocatur Grecule et fundo
qui vocatur Cornaceruina et fluvio qui vocatur Cesi et
canale qui vocatur Curlo, a secundo latere valle que vocatur
Farulle 5 et fluvio qui vocatur Conca Agathe, descendente
in Gaurum, a tertio latere ipso Gauro, a quarto vero Pado
percurrente; insuper curtem unam integram que, vocatur
Vstolatus cum plebe sua et alia que vocatur Baoria et
curtem aliam que vocatur Ultracanalem cum omnibus ad
monasterium sancte, Marie, in cenodochio pertinentibus et
cum omnibus, que, predicte, abbatie, Hugo marchio filius
Vberti dedit; quidquid etiam habet aut aquirere poterit
infra Padum et Atasim fluvium vel infra Padum et San-
dalum, et quantacunque in apostolice, sedis privilegio rele-
guntur; verum etiam queque habet aut aquirere in civitate
Rauenna poterit et infra totum comitatum Comaclensem
et Gauellensem et Ferrariensem et Mutinensem et Bono-
niensem et Corneliensem et Fauentinum et Liviensem 6 et
Popliensem et Cesenatem et Montemferetranum et Ari-
minensem et Pensauriensem et Fanensem et Vrbinensem
et Castellanum et Perusinum et in omnibus quoque
locis, cum areis edificiis castris capellis silvis pratis
pascuis paludibus salectis olivetis vineis montibus vallibus
planiciebus aquis aquarumque decursibus piscationibus vena-
tionibus salinis et cum omni utilitate, que, vel nominari
vel scribi potest, — ab omni subiectione archiepiscoporum,
Rauennatum excutimus, ut regalis imperpetuum sit, nullis
1) Von anderer Hand in Lücke ergänzt; VU und NU. St. 4223
'ditatam'. 2) B und NU. St. 4223; VU. 'per'. 3) VU; 'idem' B.
4) Lücke in B ergänzt aus VU. 5) 'Sarole' VU. G) VU; 'lunensem' B.
Ein Diplom und ein Placitum Heinrichs V. 227
dominantium personis subiecta. Sintque monachi eius ab
omni secularis servicii infestatione securi, nullius persone
inagne vel parve. nisi nostre. de placito respondentes et ab
omni angaria sive fodro tarn nostro quam missorum nostro-
rum seu omnium secularium potestatum cum suis omnibus 1
remoti. Qui etiam de suis qualem voluerint abbatem
eligant ab episcopo Comiaclensi consecrandum ; qui si sibi
pro pecunia vel aliqua humana potestate molestus esse
voluerit , veniat ad archiepiscopum Rauemnatem ab eo
benedicendus; et si hoc in isto quod in illo intervenerit,
ad qualemcumque episcopum voluerit causa consecrationis
properet. Si quis autem hoc preceptum imperiale nostrum
[infringere] 2 presumpserit, componat ducentas libras auri
[cocti, medietatem camere nostre. et medietatem] 2 prelibate.
abbatie. Quod ut verius credatur, hanc paginam imperialem
manu propria roboratam sigillari iussimus.
Signum domini Heinrici quarti Ronianorum impera-
toris invictissimi. (M.)
Datum idus septembris indictione septima, anno
domiuicae mcarnationis millesimo CXIIII0, regnante Heinrico
quarto rege Romanorum anno Villi0, imperante [IUI0] 3 ;
actum est Spire; in Christo feliciter amen.
2. Unter Vorsitz Heinrichs V. wird im Hofgericht auf
Bitte des Abts Faletrus vom Kloster Brondolo der
Bann von hundert Pfund Goldes auf die Verletzung
des Güterbesitzes des Klosters gelegt.
Treviso 1118 August 1.
Originalplacitum im k. italienischen Staatsarchiv zu
Venedig (A).
V. Bellemo, II territorio di Chioggia (Chioggia 1893)
295 aus A.
(C.) Dum in dei nomine in civitate Taruisii in casa
archidiaconi ipsius civitatis subter porticum resideret
domnus Einricus Romanorum semper augustus imperator
ad iusticiam faciendam ac deliberandam, ad^sset cum eo
domnus Einricus dux nee non Tridentinus episcopus et
comes Albertus Ueronensis, Warnerius iudex, Azo Ferrarie
iudex, Iohannes Monsilicanus iudex, item Aicardus iudex4,
1) B und XU. St. 4223; 'hominibus' VU. 2) Lücke in B, ergänzt
aus VU. 3) Fehlt in B. 4) 'iudex' über der Zeile nachgetragen.
15*
228 H. Bresslau.
Engelfredus, Ardericus iuris causidici, Wecili, Arduinus
Palude et Tisus et reliqui plures, ibique in istorum
presencia veniens domnus Faletrus abas sancte. trinitatis
et sancti Michaelis archangiieli 1 de loco Brundolo, qui esse
videtur infra regnuin Uenecie, rogans domnuui imperatorem,
ut jjropter deum animeque sue suorumque parentum merce-
dem banimm imponeret super illum et super iain dictum
monasterium et in cunctis bonis predicti monasterii tarn
mobilibus quamque inmobilibus casis terris salinis seu
familiis, tam quod nunc habet aut inantea habiturus est.
Cumque ita mercedem postulasset, illico per iudicum con-
silio, qui ibi aderant, et per fustem, quem in manu
sua tenebat, bannum inposuit supra iam dictum domnum
Faletrum abatem et supra iam dictum monasterium et
in cunctis rebus eius seu villis, nomina quorum hie subter
leguntur : in coinitatu Patavensi et curte qui dicitur Baniolo
cum capellis et cum omni suorum pertinentiis et casis silvis
terris cum paludibus et aquis piscationibus et omnibus rebus,
que iacet in finibus Montegutero et in Galzegnano et in
ßouolone et in Agna et in Uico Cerboni et in Montesilice
et in Tribano et in Anguilaria et in Cona, et in coinitatu
Taruis[an]ense 2 in finibus Sacisica in vila Capuduico, in
Arosaria, in Melaria, in Ärgere et in pleve Canni et
Fugulani et iuxsta fluvium Sile locus ubi dicitur Turre et
est tercia porcio de villa et de terris et de Castro qui
dicitur Cendone, et in civitate Senegalia et in toto coinitatu
suo, et in monasterio sancti Enesti et in omnibus aliis locis
ubicumque fuerit inventum de rebus iam dicti monasterii,
tam quod nunc habet aut inantea deo propicio iuste ad-
quirere vel laborare3 potuerit, in pena librarum auri centum,
ut nullus quislibet homo neque comes neque e,piscopus
neque vecedominus x neque gastaldius neque deganus audeat
iam dictum domnum abatem et monasterium et homines
suprascripti monasterii et omnes res suas molestare aut
causare vel disvestire sine legali iudicio. Qui vero hoc
bannum fregerit, siat x se compositurum predietas libras
auri centum, medietatem camere domni imperatoris et
medietatem in predicto monasterio et in abate et suis
succesoribus x aut pars ipsius monasterii. Et hec noticia
facta est propter securitatem suprascripti monasterii et
iam dicti domni abati suisque rebus. Factum est hoc anno
1) A. 2) Die eingeklammerten Buchstaben sind ergänzt: das
Pergament ist hier durchlöchert. 3) 'vel laborare1 über der Zeile
nachgetragen.
Ein Diplom und ein Placitum Heinrichs V. 229
ab incarnacione domini nostri Iesu Christi millesimo cen-
tesimo octavo decimo, primo die mensis augusti, indicione
undeciina.
Ego Albericus iuris causidicus et notarius ex iussione
domni imperatoris et amonicione mdicum scripsi. *j* Hoc
Signum fecit domnus Eiriricus imperator suis nianibus.
Ego Wernerius iudex ss. Ego Iohannes iudex ss. Ego Azo
iudex ss. Ego Aicardus iudex interfui. Ego Ingelfredus
causidicus interfui.
Von den beiden hier mitgetheilten Urkunden Hein-
richs V. fand ich die erstere, die bei Stumpf nicht ver-
zeichnet ist, im Frühjahr dieses Jahres im Staatsarchiv zu
Modena und erhielt durch die liebenswürdige Freundlich-
keit des Herrn Direktors dieses Archivs, Conte Ippolito
Malaguzzi, eine Abschrift übersandt, da mir die
Zeit fehlte, sie selbst anzufertigen. Die Copie, aus der
der Druck stammt, gehört dem Ende des 15. Jahrb.. an;
die Schrift gleicht, wie mir Malaguzzi mittheilt, der in
der Kanzlei des Borso und des Ercole I. von Este üblichen.
Auf die zweite Urkunde machte mich mein junger Freund
Dr. W. Lenel aufmerksam, dem ich auch die Abschrift
verdanke : das Buch, in welchem sie im vorigen Jahre
nicht ganz fehlerfrei gedruckt wurde, ist nur in wenigen
Exemplaren verbreitet und dürfte in Deutschland fast
unzugänglich sein, so dass ein neuer Abdruck an dieser
Stelle sich empfahl.
Das D. für Pon^osa geht anscheinend wörtlich auf
die Purpururkunde Heinrichs IV. St. 2932 zurück, von der
ich N. A. XIX, 683 ff. gesprochen habe. Ich habe diese
für die Ergänzung und Berichtigung des Textes benutzt,
auf die Anwendung von Petit-Druck zur Bezeichnung des
aus derVU. Entlehnten aber verzichtet, da von jener Urkunde,
wie ich a. a. O. bemerkt habe, noch keine ausreichende
Ausgabe vorhanden ist, und sich daher noch nicht sagen
lässt, ob die Abweichungen des DH. V. von der VU. nur
dem Drucke der letzteren bei Muratori oder auch dem
Original gegenüber bestehen. Der geschichtliche Werth
beider Urkunden beruht wesentlich auf ihren Daten und
den Listen der Intervenienten und Beisitzer. Das D. für
Pomposa lehrt uns, dass der Kaiser, der am 26. August
1114 in Erfurt, am 30. in Fulda war (St. 3116. 3117) und
Ende September einen Feldzug nach Westfalen unter-
nahm, vor Beginn desselben zunächst an den Oberrhein
zurückkehrte : in den Intervenienten lernen wir wahrschein-
lich einen Theil der Fürsten kennen, die ihn auf diesem
230 H. Bresslau.
Zuge begleiteten. Das Placitum für Brondolo fügt den
spärlichen Itinerarangaben, die aus dem Jahre 1118 für
die Zeit nach dem Aufbruch von Rom bisher bekannt
waren, eine willkommene neue hinzu 1 ; indem unter den
Beisitzern der 'iudex Warnerius', d.i. der berühmte Rechts-
lehrer Irnerio von Bologna erscheint, giebt die Urkunde
auch zu dessen Regesten einen neuen Beitrag2. lieber
die Form, in welcher das Placitum durch den Kaiser unter-
fertigt ist, vgl. Cipolla, Diplomi imperiali e reali delle
cancellerie d'Italia Text S. 26 ff.
1) Von Urkunden waren bisher nur zwei bekannt: St. 3158, Boni-
biana (im Renothal, nördlich von Pistoja), Juni 21 und St. 3158 a, Mon-
tecchio, westlich von Vicenza, dessen Datierung Schwierigkeit macht. Im
Abdruck bei Ficker, Forsch, zur ital. Reichs- und Rechtsgesch. IV, 141,
n. 96, der einen älteren Drück Castellinis wiederholt, sind die Daten zu
Anfang: 'feria VII., que est quinto kal. sept.1, am Schluss: 'a. ine. 1118,
ind. 11'. Danach hat Ficker das Stück zum 28. August angesetzt, während
es im Nachtrag zu Stumpf zum 21. August eingereiht ist; endlich ist es
doch wohl dasselbe, welches "Winkelmann N. A. V, 12 aus der Bibliothek
zu ATicenza mit 1118 Aug. 19 citiert. Aber weder der 19., noch der 21.,
noch der 28. August fiel im Jahre 1118 auf einen Sonnabend! 2) Vgl.
Ficker a. a. 0. III, 156 ; Fitting, Die Anfänge der Rechtsschule von Bo-
logna S. 90.
Zu Petrus von Riga.
Von Ernst Dümmler.
Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg be-
wahrt unter n. 3794 a zwei gut erhaltene Folioblätter aus
dem 13. — 14. Jahrh., zweispaltig beschrieben und verkehrt
eingeheftet, unbekannter Herkunft. Sie enthalten anschei-
nend zwei Gedichte in elegischem Versmasse, von denen
das erste, die Geschichte der Esther, mitten im Zusammen-
hange beginnt: 'Res est quesita, res est inventa, reosque'
(= Esth. c. 2, v. 23) und auf der 3. Spalte endet: 'Illud
ab antiquo perpetuando decus' (138 Verse). Unmittelbar
daran schliesst sich das zweite Gedicht, welches die Thaten
der Maccabäer verherrlicht: 'Magnus Alexander, quo pri-
mum Grecia rege' bis (= 1. Macc. 13, 8) 'Symon dux fra-
tris incipit esse loco' (246 Verse ohne Schluss).
Obgleich nun dies zweite Stück meines Wissens un-
gedruckt ist, so müssen wir doch leider der Handschrift
fast allen Werth absprechen, denn es handelt sich nur
um Bruchstücke aus der unter dem Titel Aurora bekannten
Umdichtung der gesammten Bibel des Eeimsers Petrus de
Riga aus dem 12. Jahrh. Gerade die Geschichte der Esther
ist daraus, allerdings sehr schlecht und mit einigen Lücken,
abgedruckt bei Casp. Barth, Adversarior. lib. XXXI, c. 15,
p. 1456 — 1460. Die Nürnberger Hs. beginnt mit v. 133
dieser Ausgabe. Die Unzuverlässigkeit dieses Textes bewog
Polycarp Leyser in seiner Histor. poetar. et poemat. medii
aevi p. 697 — 700 Verbesserungen und Ergänzungen aus
zwei jetzt Wolfenbüttler Hss. (Helmstad. 1046 und 570,
beide aus dem 14. Jahrh.) zu bringen, die durch die
Nürnberger vielfach bestätigt werden. Die ausserordent-
liche Verbreitung und Beliebtheit der Aurora erhellt je-
doch daraus, dass ausser den schon genannten, einer in
Brügge, und einer Dresdener in München allein nicht
weniger als 10 Hss. davon vorhanden sind, in Wien 18,
232
Ernst Dümmler.
in Cambrai 3 und in Paris mindestens 36; dennoch, hat
noch keiner von den gelehrten Landsleuten des Petrus in
neuerer Zeit sein grosses Werk zum Druck befördert, den
es nach seiner früheren Werthschätzung doch unbedingt
verdienen würde. Es genügt, auf das Registrum multorum
auctorum des Hugo von Trimberg v. 465 ff. zu verweisen
(ed. Huemer, Sitzungsber. der phil.-hist. Classe der Wiener
Akad. CXYI, 173).
Ein Brief Hadrians V.
Mitgetheilt von A. Chroust.
Hadrian V. verleiht einem Ungenannten den Archi-
diakonat einer ungenannten (vermuthlich englischen) Kirche
und rechtfertigt dabei den Gebrauch der Bulle ohne Namens-
stempel.
Cod. lat. perg. s. XIII. der k. k. Universitätsbibliothek
zu Graz, n. 975, f. 164' (G) und cod. lat. chart. s. XIY. der
k. k. Hofbibliothek zu Wien, n. 2209, f. 59' (V.).
Viterbo 1276 Juli 30.
Adrianus electus episcopus servus servorum dei etc.
Viros litterarum scientia preditos, morum honestate decoros
et virtutibus redimitos, precipue quos augmentum gratie
nostre continuate devotionis studio mereri perspicimus \
favoris apostolici gratia prevenimus, prosequendo illos dignis
honoribus et nonnunquam beneficiis ecclesiasticis liberaliter
attollendo. Hiis igitur in dilectum fratrem . . . paterna
consideratione pensatis eo gratioribus donis honorare per-
sonam ipsius intendimus, quo pleniorem de suis laudabili-
bus 2 meritis notitiam optinemus. Ut itaque benivolentiam,
quam erga ipsum gerimus, sentiat per effectum, talem
archidiaconatum etc. Nee miremini quod bulla non ex-
primens nomen nostrum est appensa presentibus, que ante
nostre consecrationis solempnia transmittuntur ; quia hü,
qui fuerunt hactenus in Romana ecclesia electi pontifices,
consueverunt in bullandis litteris ante sue consecrationis
munus modum huius observare. Data Viterbii tertio kalen-
das augusti suseepti a nobis apostolatus officii anno primo 3.
Der vorstehende Brief Hadrians V. ist die zweite
bisher überhaupt bekannt gewordene Urkunde dieses kurz-
lebigen Papstes (vgl. Potthast 21149 von 1276 Juli 23),
1) V. : 'prospieimus'. 2) Gr. : 'laudibus'. 3) In V. folgt noch
'Amen'; in G. 'satis est'.
234 A. Chroust.
und verdient schon aus diesem Grunde, sodann aber
auch wegen des diplomatischen Interesses seines Schluss-
satzes x Mittheilung- an dieser Stelle. Nur um des letzteren
willen ist er gewiss in die beiden Hss. aufgenommen wor-
den, in denen ich ihn gefunden habe ; der sonstige Inhalt
wurde in der Weise von Formularien verkürzt.
1) Vgl. Diekamp, Mittheil, des Inst. f. österr. Geschichtsforschung
III, 613.
Zwei Briefe Gregors XII. an den Pfalzgrafen
Ludwig vom Rhein.
Mitgetheüt von J. Loserth.
I.
Gregor XII. an den Pfalzgrafen Ludwig : Er habe den
an ihn gesandten Boten, Magister Heinrich, nach Wunsch
abgefertigt und erwarte mit Begierde die Antwort des
Pfalzgrafen auf die ihm durch Johannes de Pruscia und
Bussonus de Berlim zugesandten Briefe. Rimini 1413
Oct. 12.
(E cod. III, 79 bibl. univ. Graec. ; est codici in fronte
alligat.)
Gregorius episcopus servus servorum dei dilecto
filio nobili viro Lodovico comiti palatino Reni salutem
et apostolicam benedictionem. Dilectus filius magister
Henricus decretorum doctor, qui ad presentiam nostram
venit cum literis nobilitatis tue, ad eam revertitur secun-
dum tua vofca expeditus et de occurentibus informatus.
Itaque ad alia nos non extendimus in presenti, nisi quod,
ut per alias tibi scripsimus, dilectos filios magistros Iohan-
nem de Pruscia capellanum et Bussonum de Berlim bacha-
larium in decretis nuntios nostros, quos iste refert iam ad
tuam, cum discessit, presentiam attigisse, cum responsis
avide expectamus, ut possimus eligere et salubrius pro-
videre.
Datum Arimini IUI. idus octobris, pontificatus nostri
anno septimo.
G. de Imola.
Orig. in perg.
II.
Gregor XII. an den Pfalzgrafen Ludwig: Die Nach-
richten, die dieser von dem Treiben der Gegner gesandt
habe, gefallen ihm ebensowenig, als die Unternehmungen
Sigismunds von Ungarn, von dem er besseres erwartet hätte.
Rimini 1414 Febr. 27.
236 J. Loserth.
(Est alligat. cod. III, 79 bibl. tiniv. Graec. in fine.)
Gregorius episcopus servus servorum dei dilecto filio
nobili viro Lodovico comiti palatino Reni salutem et apo-
stolicam benedictionem. Fictiones ille, quas tua nobilitas
scribit ab adversariis in illis partibus emanasse, nobis displi-
cent, cum a fönte maligno derivent et similes sint illis,
que facte fuerunt in conciliabnlo Pisano, nnde tot sunt
secuta mala, utinam non eveniant graviora de hoc secundo
per eos Constantie ordinato. Sed nee minus displicent
cepta, prineipia et modi hueusque retenti per prineipem
istum Hungarie, super quibus a iam diu decrevimus ad te
et alios remittere, quoniam gravia sunt et non ad pacem
tendentia, sicut credimus etiam te sentire. Et quam vis sit
retardatum de mittendo, nichilominus omnino decrevimus
mittere. Sed quia nondum habuimus, quod modi transmissi
tibi venerint ad notitiam ipsius regis, per quos poterat satis
comprebendere de intentione nostra, deliberationes nostre
retardate sunt. Ab ipso quidem initio et continue Optimum
putavimus ipsos modos copiose communicari, quod et de-
sideravimus, et presertim voluissemus pervenisse ad noticiam
ipsius regis, de quo aliter sperabamus quam nunc pereipia-
mus. Dens tarnen, in quo spem nostram posuimus, omnia
reparare potest et evacuare omnes iniustos conatus, contra
quos decet tuam nobilitatem et alios catholicos et fideles
se in virtute altissimi opponere, et, cum res et ternpus
postulent, oecurentia queque super biis, quam frequencius
potes, mittere vel scribere seeundum exigenciam non re-
tardes.
Datum Arimini III. kalendas martii, pontificatus nostri
anno oetavo.
G. de Imola.
Orig. in perg.
Nachrichten.
1 . Erschienen sind :
Von der Abtheilung Auetores antiquissimi : T. XI,
pars I, Chronica minor a saec. IV. V. VI. VII,
voluminis II fasciculus II, ed. Th. Mo mm sen
(Inhalt : Isidori iunioris ep. Hispal. historia Gotho-
rum Wandalorum Sueborum ad a. 624 mit 9 Addi-
tamenten, zu deren viertem, der Contin. Byzantia
Arabica a. 741, Th. Nöldeke einen kleinen Bei-
trag- geliefert hat; Isidori iunioris ep. Hispal. chro-
nica maiora ed. primum a. 615 und chronicorum
epitome a. 627 mit 4 Additamenteii ; Berolini 1894).
Von der Abtheilung Leges in der Octavserie der
Fontes iuris Germanici antiqui: Leges Visigotho-
rum antiquiores ed. Karolus Zeumer; Hinc-
marus De ordine palatii ed. Victor Krause
(beides Hannoverae 1894).
Von der Abtheilung Epistolae : Epistolae sae-
culiXIII. e regestis pontificum Eomanorum se-
lectae per G. H. Pertz ed. Carolus Rodenberg
T. III (Berolini 1894).
2. Von den Geschichtschreibern der deutschen Vor-
zeit ist erschienen: Der sächsische Annalist, über-
setzt von E. Winkelmann, 2. Aufl. neu bearbeitet von
W. Wattenbach (Leipz. 1894).
3. E. Steindorff verdanken wir eine neue (die 6.)
sehr sorgfältig gearbeitete Auflage von Dahlmann-Waitz'
Quellenkunde der deutschen Geschichte (Göttin-
gen, Dieterich 1894). Nicht nur, dass der Umfang des
238 Nachrichten.
unentbehrlichen Werkes und die Zahl der verzeichneten
Schriften im Vergleich zu der 5. Auflage ungemein ge-
wachsen sind (730 statt 341 Seiten, 6550 Nummern ohne
die Nachträge statt 3753); auch an der Anordnung und
Einrichtung des Buches und vor allein am Register hat
St. viele sehr empfehlenswerthe Neuerungen und Verbesse-
rungen vorgenommen.
4. Von Ulysse Chevalier ist der Anfang eines
neuen nützlichen Hülfsmittels für unsere Studien erschie-
nen : Repertoire des sources historiques du moyen äge. Topo-
Bibliographie (Montbeliard, Hoff mann 1894). Unter den
modernen Ortsnamen, aber auch unter sachlichen Schlag-
worten sind hier reichhaltige, wenn auch nicht immer ganz
vollständige bibliographische Nachweisungen gegeben. Selt-
sam berührt in einem so trockenen Nachschlagebuch der
wiederholte Ausdruck eines lächerlichen Chauvinismus;
hinter dem Schlagwort Alsace liest man z. B. : province
de France (Haut- et Bas-Rhin)!
5. Eine kurze Uebersicht über die Entwickelung des
Studiums der mittelalterlichen Geschichtsquellen giebt die
Einleitungs-Vorlesung von C. Merkel in Pavia: 'Gli studi
intorno alle cronache del medio evo considerati nel loro
svolgimento e nel presente loro stato' (Torino, Clausen
1894).
6. In einer Erlanger Rektoratsrede (1893) hat F. von
Bezold die Anfänge der Selbstbiographie und ihre Ent-
wickelung im Mittelalter feinsinnig dargelegt. Ueber
Augustin s klassisches Werk hinaus verfolgt er ihre
Spuren in den Ich-Romanen und Legenden der ersten
christlichen Zeit; er findet sie wieder in den aus dem
strengen Geist der mönchischen Reform hervorgegangenen
Selbstbetrachtungen eines Ratherius, Otloh, Guibert
von Nogent, über deren Einseitigkeit sich Petrus
Abälard in der Schilderung seines Unglücks erhebt. Mit
Dantes Vita Nuova und Petrarca tritt die Selbst-
biographie aus der Beschränkung auf die geistlichen Kreise,
in denen sie ihren Ursprung genommen, in ein neues
Stadium. H. Bl.
7. Zu der Vermählungsfeier unseres Mitarbeiters
H. Simonsfeld hat G. Mazzatinti in Forli 4 Bücher-
kataloge saec. XIV. XV. herausgegeben, von denen drei
sicher, der vierte wahrscheinlich sich auf die Bibliothek
von S. Francesco d'Assisi beziehen.
Nachrichten. 239
8. Von dem 'Beschreibenden Verzeichnis der Hand-
schriften der Stadtbibliothek zu Trier' von M. Keuffer
ist das dritte Heft erschienen (Trier, Lintz 1894), eine sehr
sorgfältige und genaue Beschreibung der Predigthand-
schriften, n. 215 — 353. Auf die Verwechslung des Paulus
Cholner mit Paul von Bernried bei n. 327 ist schon von
anderer Seite aufmerksam gemacht worden.
9. In den Sitzungsber. der Berliner Akademie der
Wissensch. vom 8. März d. J., S. 261 — 273, handelt Harnack
über eine von P. Morin (Anecdota Maredsol. II) jüngst
veröffentlichte latein. Uebersetzung des echten Clemens-
briefes. Abgefasst im 2. Jahrh. und wichtig für die
Herstellung des Textes, wird sie uns durch eine aus
Florennes stammende Hs. des 11. Jahrh. überliefert. In
dieser sind einige Stellen des Textes im hierarchischen
Sinne verfälscht, und es bleibt die Frage, ob dies schon
in pseudoisidorischer Zeit geschehen sei oder etwa unter
cluniacensischem Einfluss im 11. Jahrh. Das Original der
neu entdeckten Hs. scheint in Lobbes gesucht werden zu
müssen. E. D.
10. Die N. A. XIX, 250 n. 13, angekündigte ausführ-
liche Besprechung von Fr ick s Ausgabe der Chronica
minor a durch K. J. Neumann befindet sich in der
Deutschen Literaturzeitung 1894, n. 8, S. 552 ff.
11. Der 5. und letzte Band der von Rühl muster-
haft herausgegebenen Kleinen Schriften A. v. Gutschmids
(Leipzig 1894) führt uns in das Mittelalter. Wir begegnen
darin wieder der Kritik des Vincentius Kadlubek,
bisher ungedruckten Aufsätzen über Ammianus Marcellinus
und Ethikus, dessen Kosmographie hier vor Fredegar
zwischen 630 und 640 angesetzt wird. Sehr dankenswerth
ist auch der Abdruck vieler Recensionen, die stets an-
regend und von selbständigem Werthe sind. Hier ver-
dienen besonders die auf Sulpicius Severus und Jor-
danis bezüglichen hervorgehoben zu werden. Manches
andere geht mehr die byzantinische Geschichte an. E. D.
12. Als Questions Merovingiennes VII bringt die
Bibliotheque de 1 ecole des Chartes, LIV, 597 ff. ; LV, 5 ff.,
die nachgelassene Arbeit des um die kritische Erforschung
der Merovingerzeit so hoch verdienten Julien Ha vet: les
actes des eveques de Mans. Die Gesta Aldrici erklärt er
vielfach übereinstimmend mit Waitz, SS. XV, 304, für eine
um 840 geschriebene Selbstbiographie des Bischofs, die Actus
240 Nachrichten.
pontificum Cenomanensium für eine zwischen 850 — -
856 entstandene Arbeit seines Chorbischofs David. Die
Urkunden der Gesta, auch die beiden der Merovingerzeit,
hält Havet für echt ; bei denen der Actus sondert er sorg-
fältig von den zahlreichen Fälschungen die Stücke, die er
ganz oder doch in einzelnen Theilen als echt betrachtet
wissen will. — Die Pseudo-Isidorischen Dekreta-
lien sind in den Actus benutzt; Simsons Annahmen über
ihre Entstehung lässt H. nur insoweit gelten, dass er ihre
Fälschung in Le Maus in der Umgebung Aldrichs als
möglich zugiebt. H. Bl.
13. H. Suchier behandelt in Gröbers Zeitschr. für
Romanische Philologie XVIII, 175 — 194 die bekannten
Verse in der V. Faronis über Chlothars II. Sachsenkrieg,
setzt sie richtig in das 9. Jahrh. und erhebt entschieden
Einspruch gegen die Versuche Rajnas und Kurths, die
Existenz eines französischen Volksepos zur Zeit der Mero-
winger aus ihnen zu deducieren. Meines Erachtens dürfen
sie aber auch nicht als Bruchstücke eines Karolingischen
Volksepos aufgefasst werden ; sondern als Belegstellen
Hildegars für Faro's Eingreifen in die politischen Ereig-
nisse, für welches die benutzte Quelle, der L. h. Fr., nicht
den mindesten Anhalt bot, sind sie dringend verdächtig,
gefälscht zu sein. Die Vermuthung, dass ein fränkisches
Lied aus dem 8. Jahrh. die Quelle des L. h. Fr. sei, lässt
sich durch nichts begründen, und bisher hat die kritische
Untersuchung der Fabeleien in den fränkischen Geschichts-
quellen immer nur das Resultat geliefert, dass gelehrte
Combination ihnen zu Grunde liegt. Der Cultus, wel-
chen die Romanisten mit der V. Faronis treiben, wird
hoffentlich junge Historiker nicht verleiten, sich diese
schlechte Quellenschrift als Versuchsfeld zu wählen.
B. Kr.
14. In den Melanges d'archeologie et d'histoire XIII,
391 ff. handelt P. Fabre über das von Paulus Diaco-
nus II, 18 erwähnte 'oppidum quod Verona appellatur',
das er in die angebliche Provinz der 'Apenninae Alpes' ver-
legt, vgl. Mommsen, N. A. V, 86 ff. ; Waitz ebenda 420.
F. zeigt, dass es wirklich eine von der Stadt an der Etsch
verschiedene Oertlichkeit 'Verona' ('Massa Verona', 'Vallis
Veronae) gegeben hat, die zuerst 967 als zur Grafschaft
Arezzo gehörig erwähnt wird. Hier habe, wie er meint,
das 'oppidum Verona' des Paulus gelegen, vielleicht an der
Stelle des heutigen Pieve San Stefano.
Nachrichten. 241
15. In der Zeitschr. für Gesch. des Oberrheins N. F.
IX, 215 — 220 erläutert und verbessert B. v. Sinison eine
verderbte Stelle in dem Wiener Regino codex und giebt
ausserdem einige Nachträge zu seinem früheren Aufsatz
über die Annal. Mettenses (N. Arch. XV, 557), deren
bis 805 reichende Quelle er aus ihren Ableitungen herge-
stellt zu sehen wünscht. E. D.
16. Im Historischen Jahrbuch XV, 373 f. giebt
F. Kampers Nachricht von einer jetzt in Privatbesitz
befindlichen Hs. des Klosters Nordhorn, welche die Vita
Anskarii des Rimbert enthält. H. Bl.
17. In der von den Jesuiten zu Paris herausgege-
benen Monatsschrift 'Etudes relig. phil. histor.' etc. t. LXI,
444 — 475 beschäftigt sich P. Lapötre in Verfolg seiner
Studien über Johann VIII. (vgl. N. A. XVI, 646, n. 225)
mit dem sogen. Libellus de imper. potest. in urbe
Roma, welchen er, mit Jung übereinstimmend, als eine
glaubwürdige Quelle für die Politik jenes Papstes be-
trachten will. Abweichend von allen seinen Vorgängern,
setzt er die Entstehung bereits in das Jahr 897/898 un-
mittelbar vor die Synode zu Ravenna und hält für den
Urheber einen Langobarden aus Rieti, der auf Anregung
der Kaiserin Ageltrude im spoletinischen Interesse schrieb.
E. D.
18. 'Heldenlieder der deutschen Kaiserzeit' will
W. Gundlach durch eine nach neuem Plane angelegte
Sammlung von Uebersetzungen weiteren Kreisen zugänglich
machen. Der erste Band: Hrotsvithas Otto-Lied
(Innsbruck, Wagner 1894) giebt das Epos in einem frei
erfundenen Versmass wieder und sucht durch eine umfas-
sende Einleitung und durch Uebersetzung charakteristischer
Stücke, namentlich aus Widukind und Liudprand, in
die Geschichte und Litteratur der sächsichen Kaiserzeit
einzuführen. — S. 153 ff. wird gegen Kurze's Annahme von
der Entstehungszeit und Eintheilung der Chronik Thiet-
mars Einspruch erhoben. H. Bl.
19. Gegen W. Ketrzynski (Mon. Polon. hist. IV,
206 ; Przewodnik naukowy i literacki XII, 1 ff.) tritt R. F.
Kaindl (Mittheilungen des Vereins für die Geschichte der
Deutschen in Böhmen XXXII, 338 ff.) für die Abfassung
der ältesten Adalbertslegende durch Canaparius ein
und bringt neue Gründe dafür, dass ihre Umarbeitung durch
Brun von Querfurt erfolgt ist. Ueber die Zeit dieser
Neues Archiv etc. XX. 16
242 Nachrichten.
neuen Redaktion handelt er in den Beiträgen zur älteren
ungarischen Geschichte (Wien, Perles 1893) S. 62 ff. Eben-
dort S. 29 ff. wird über Bruns Mission bei den 'nigri Ungri'
gesprochen. Vgl. N. A. XVIII, 703, n. 104. H. Bl.
20. Eine sehr eingehende und sorgfältige Unter-
suchung widmet G. Meyer von Knonau im 2. Band
der Jahrb. des deutschen Reichs unter Heinrich IV. und
Heinrich V. Excurs I (vgl. auch Excurs III — VII) der Frage
nach der Glaubwürdigkeit Lamberts von Hersfeld.
Während er in der Kritik der von diesem gebotenen Ueber-
lieferung vielfach ebenso weit geht, wie Holder -Egger in
seinen in dieser Zeitschrift veröffentlichten Untersuchungen,
weicht er in Bezug auf die Beurtheilung Lamberts selbst
und seiner Absichten erheblich von jenem ab und steht
dem Standpunkt näher, den Wattenbach und gelegentlich
auch ich vertreten haben. Auch aus Dieffenbachers Aus-
führungen nimmt er mehr auf als Holder -Egger; völlig
überein stimmt er mit letzterem in der Abweisung der
Hypothese Pannenborgs.
21. Im VIII. Excurs der eben erwähnten Jahrbücher
bespricht Meyer von Knonau die von Pertz als Ann.
Bertholdi edierte Geschichtsquelle. Während er den
Text bis 1066 — von SS. XIII — als verkürzte Annalen
Bertholds ansieht und in der Compilation von St. Blasien
von 1066 — 1075 von Fall zu Fall eine Entscheidung über
die Autorschaft Bertholds oder anderer Verfasser für nöthig
erklärt, sondert er die Fortsetzung von 1075 ab bestimmt
von allem Vorangehenden, spricht sich aber über Ursprung
und Gestaltung dieser Fortsetzung m. E. mit vollem Recht
sehr vorsichtig aus.
22. In den Historischen Untersuchungen, Ernst Förste-
mann zum fünfzigjährigen Doctorjubiläum gewidmet von
der Historischen Gesellschaft zu Dresden (Leipzig, Teubner
1894) S. 71 ff. handelt M. Manitius über die hypothetische
sächsische Quellenschrift (Wattenbach II6, 434. 84. 339.
440) mit Nachrichten über die Zeit Heinrichs IV., deren
Spuren sich namentlich in den Ann. Disibodenb. und bei
Helmold erkennen lassen. Helmold und Albert von Stade
haben sie nach M. nur mittelbar, die Ann. Rosenveldenses
gar nicht benutzt.
23. Die reichhaltige Schrift von C. Mirbt, Die
Publicistik im Zeitalter Gregors VII. (Leipzig 1894)
erfordert hier nur so weit eine Besprechung, als die Be-
Nachrichten. 243
urtheilung der dem Werke zu Grunde liegenden Quellen
von der in den beiden Libellibänden vorgetragenen ab-
weicht. Ueber die Schrift De ordinando pontifice auctor
Gallicus cf. N. A. XIX, 708 ; p. 9 werden einige Schriften
des Petrus Damiani besprochen, die in Libelli I nicht auf-
genommen wurden. P. 18 wird die p. 629 vorgetragene
Hypothese angenommen und erweitert, ebenso der Vermu-
thung p. 628, dass das Gedicht über die Einnahme Eoms
(Lib. I, 433) von Petrus Crassus herrühre, beigestimmt.
Auf p. 27 sucht Verf. die Schwierigkeiten, die bezüglich
der Abfassungszeit der Schrift des Manegold bestehen, im
Sinne des Herausgebers auszugleichen. P. 34 hat Mirbt
entgegen früheren Aeusserungen die Sdraleksche Hypothese
bezüglich der Autorschaft Altmanns v. Passau am Liber
canonum fallen lassen. P. 37 wird die Erwähnung eines
Apologeticus bei Bernold Lib. II, 102 weder auf Bernolds
Schrift dieses Namens noch auf Libellus III mit Thaner,
sondern wohl mit mehr Recht auf eine verlorene Schrift
bezogen. Auf p. 51 spricht M. die Vermuthung aus, dass
die im Liber de unitate eccles. erwähnte, im Liber cano-
num benutzte Hirschauer Schrift von. Markward von Cor-
vey verfasst und an Hartwig v. Magdeburg adressiert war.
Auf p. 55 bemüht sich M. wieder, die Autorschaft Wal-
rams von Naumburg für den Liber de unitate ecclesiae zu
retten oder doch als möglich hinzustellen. Es genügt dem
gegenüber, auf die letzten Aeusserungen Holder -Eggers,
N. A. XIX, 201, N. 2 zu verweisen. Auf p. 79 hält M.
den Correspondenten Hildeberts v. Le Mans, in dem ich
einen Deutschen sah, wohl mit mehr Recht für einen
Italiener. Die p. 79 besprochene Epistola de vitanda
missa uxoratorum sacerdotum wird Lib. III ediert, Adressat
und Verfasser dort, wie ich glaube, mit ziemlicher Sicher-
heit festgestellt werden. Auf p. 80, N. 9 giebt der Heraus-
geber eine dankenswerthe Liste der verlorenen Streit-
schriften, von denen wir Kenntnis haben. P. 203 werden
Deusdedits und Anselms Canonsammlungen als Arbeiten
unmittelbarer Zeitgenossen nicht ausreichend gewürdigt;
ihre Verfasser waren Gregors canonistische Berather. Den
Dictatus papae benutzt der Verf. weiter als Programm
des Papstes, ohne seinen Standpunkt meiner negativen
Kritik gegenüber, die ihm wohl unbekannt blieb, zu recht-
fertigen. E. Sackur.
24. Das Verhältnis der drei auf uns gekommenen
Vitae S. Stephani (vgl. Wattenbach, GQ. II6, 210) zu
16*
244 Nachrichten.
einander bestimmt R. F. Kaindl in den Studien zu den
Ungarischen Geschichtsquellen (Wien 1894 ; vgl. dazu auch
Beiträge zur älteren ungarischen Geschichte 79 ff.) dahin,
dass die Vita auctore Hartwico im Anfang des 12. Jahrh.
von Hartwich unter Benutzung der etwas älteren Vita
maior verfasst worden sei, dass sie dagegen mit der Vita
minor ursprünglich in gar keiner Beziehung stehe, sondern
erst durch den Schreiber des Pester Codex um 1200 mit
ihr verbunden worden sei. H. Bl.
25. Im Historischen Jahrbuch XV, 257 ff. bestimmt
G. Ea vi sehen für die Descriptio, d. i. die lateinische
Legende über den Zug Karls d. Gr. nach Jerusalem und
Konstantinopel, St. Denis als Ort und die Jahre vor 1100
als Zeit der Entstehung. — Nachrichten der Descriptio
bestimmen ihn, die Fälschung der jüngst so viel bespro-
chenen Urkunde Karls d. Gr. für Aachen (vgl. N. A.
XVIII, 714, n. 168) früher, also vor dem Ende des 11. Jahrh.
anzusetzen. H. Bl.
26. Dem Tübinger Doctorenverzeichnis 1894 giebt
B. v. Kugler eine Beschreibung der in Deutschland vor-
handenen — von Bongars und in den Gesta nicht be-
nutzten — Hss. der Chronik Alberts von Aachen bei,
von denen die Darmstädter (102 Historia Hierosolymitana)
bei einer von Kugler lebhaft befürworteten Neuausgabe
besondere Beachtung verdienen wird. Sie ist auch die
älteste, welche die Chronik bezeichnet als 'edita ab Adal-
berto canonico et custode Aquensis ecclesiae'. Ein von
H. Günter angefertigtes Variantenverzeichnis ist hinzugefügt.
H. Bl.
27. In der deutschen Zeitschrift f. Geschichtswissen-
schaft XI, 154 ff. druckt und bespricht H. Bresslau ein
zwar schon veröffentlichtes, aber bisher wenig beachtetes
Schriftstück aus einem Magdeburger Copialbuch, durch
welches die Existenz eines Bischofs Marco beglaubigt wird.
Damit erhalten Wiggers Ausführungen gegen Schirrens
Angriffe auf die Glaubwürdigkeit Helmolds eine er-
wünschte Bestätigung. — Mit diesem Bischof Marco hängen
ohne Zweifel auch die Nachrichten der Cronica Saxo-
num bei Heinrich von Herford über einen Bischof
Marcus von Fallersieben zusammen. H. Bl.
28. In der Deutschen Zeitschr. f. Geschichtswissensch.
XI, 46 ff. giebt H. Herre sehr dankenswerthe genauere
Nachrichten. 245
Mittheilungen über die Oxforder Hs. der Pöhlder Chro-
nik (Ann. Palidenses) und weist starke Benutzung des
Hydatius und Hieronymus in der Einleitung des Werkes
nach.
29. Im neuesten Hefte des Nuovo Archivio Veneto
tom. VII, p. 5 ff. hat Sauerland aus einer Hs. der Stadt-
bibliothek in Metz (n. 8, früher im Besitze des Barons von
Salis) Annales Veneti des 12. Jahrh. veröffentlicht, ohne
zu bemerken, dass die Hs. lediglich eine sehr lückenhafte
Copie der von mir vor 17 Jahren zuerst hier (Bd. I, S. 397 ff.),
dann (durch E. Fulin) im nämlichen Archivio Veneto tom. XII,
p. 335 ff., endlich in den Monum. Germ. bist. SS. t. XIV,'
p. 69 ff. veröffentlichten Venetianer Annalen enthält. Es
fehlen in der Metzer Hs. eine Anzahl der wichtigsten No-
tizen, nur am Anfang und am Schluss finden sich einige
wenige (im Ganzen 6) andere. Auch einige Lesefehler kom-
men vor. H. Simonsfeld.
30. In den Beiträgen zur älteren ungarischen Ge-
schichte (vgl. oben S. 242, N. 19) S. 45 ff. prüft E. F.
Kai n dl die ungarischen Nachrichten des Alberich von
Trois-Pontaines und glaubt, für dieselben eine schrift-
liche Quelle bis zum Ausgang des XI. Jahrh. annehmen
zu müssen. H. Bl.
31. Eine lehrreiche Untersuchung über Mag. Gott-
fried Hagen und sein Buch von der Stadt Köln,
das nicht als Eeimchronik, sondern als zur Gattung der
politischen Parteischriften gehörig anzusehen ist, veröffent-
licht H. Kellet er in der Westdeutschen Zeitschr. für
Gesch. u. Kunst XIII, 150 ff. Die Abfassungszeit setzt K.
gegen Cardauns in 1270/71.
32. In der Zeitschr. des Bergischen Geschichtsvereins
XXIX, 167 ff. hat W. Harless aus Cod. B 117 der Düssel-
dorfer Landesbibliothek die ältere Form der Altenberger
Gründungssage (Fundatio Bergensis coenobii) mit kri-
tischen Erörterungen herausgegeben, die nach ihm nicht
lange vor dem Ende des 13. Jahrh. entstanden ist.
33. In der Zeitschr. f. Gesch. des Oberrheins N. F.
IX, 321 ff. führt A. Cartellieri den Nachweis, dass
Nikolaus von Butrinto, dessen Leben man bisher nur
bis zum Sommer 1313 verfolgen konnte, im Nov. 1314
Generalvicar des Bischofs von Lausanne gewesen ist. Gegen
einige daran geknüpfte Vermuthungen über Leben und
246 Nachrichten.
Herkunft des Nikolaus, die Cartellieri in den Landschaften
am Genfersee sucht, wendet sich G. Sommerfeldt im
Jahrb. der Gesellschaft f. Lothr. Gesch. und Alterthums-
kunde V, 223 ff., der an der Luxemburgischen Abkunft des
Geschichtschreibers festhalten will, und bei dieser Ge-
legenheit die Urkunde Clemens V. vollständig abdruckt,
durch welche Nikolaus zum Bischof von Butrinto er-
nannt wird.
34. Im Archivio della Societä Rom. di storia patria
XIV, 503 ff. bespricht G. Monticolo den Cod. Barberini
XXXII, 125 der kurzen Chronik des Dandolo, der aus
einem bisher noch nicht wieder aufgefundenen Cod. reg.
Christinae abgeschrieben ist.
35. In der Römischen Quartalschrift VIII, 283 ff. teilt
Schmitz zwei Bullen Gregors XII. mit, aus denen u. a.
hervorgeht, dass Dietrich von Niem auch unter diesem
Scriptor in der päpstlichen Kanzlei gewesen ist. H. Bl.
36. In der Alemannia XXII (1894), 1 ff. handelt
P. Joachimsohn über die Augsburger Stadtchro-
niken des 15. Jahrh. Mit Frensdorff erklärt er sich gegen
Roth dahin, dass die anonyme Chronik bis 1469 und Hek-
tor Mülich auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen,
woneben Mülich jedoch den Anonymus auch direct be-
nutzt habe. Er sucht dann Inhalt und Umfang des ver-
lorenen Werks genauer festzustellen, namentlich mit Hülfe
einer weiteren Ableitung in Cgm. 213. Ein zweiter Ab-
schnitt erörtert die Entstehungsgeschichte der Chronik des
Burkard Zink.
37. Kurze Memorialverse über die Belagerung
und Eroberung von Broich a. d. Ruhr durch Erzbischof
Dietrich von Köln 1443 veröffentlicht und erläutert Th.
Ilgen im Correspondenzblatt der Westdeutschen Zeitschr.
f. Gesch. und Kunst 1893, n. 11.
38. Im Correspondenzblatt der Westdeutsch. Zeitschr.
für Gesch. und Kunst 1894, S. 26 theilt Keussen eine
Notiz aus dem Kölner Stadtarchiv mit, derzufolge Simon
Moulart, Dechant von Heinsberg, im J. 1470 dem Kölner
Rath einen von ihm verfassten 'liber compositus metrice,
rigmatice et prosaice de ortu, victoria et triumpho d.
Karoli ducis Burgondie moderni' einsandte. Diese Schrift
über Karl den Kühnen ist leider bisher nicht zu Tage
gekommen.
Nachrichten. 247
39. In der Zeitsckr. des Bergischen Geschichtsvereins
XXIX, 171 ff. hat F. Küch eine Chronik des Klosters
Altenberg' herausgegeben, die zwar erst 1517 verfasst
ist, aber ältere Aufzeichnungen benutzt.
40. Der 2. Band der 'Osnabrücker Geschichts-
quellen' (Osnabrück, Kackhorst 1894) enthält die bis
1553 reichende niederdeutsche Bischofschronik, bearbeitet
von F. Runge. Es ist zunächst eine Uebersetzung der
Ertmannschen Chronik ohne selbständigen Werth, dann
deren Fortsetzung von dem I burger Mönch Diedrich
von Lilie.
41. Federico Patetta, La 'Lex Frisionum'.
Studii sulla sua origine e sulla critica del testo 1892,
Memorie della r. accademia delle scienze di Torino. Ser. II.
T. XLIII, 1893, Scienze morali, storiche e filologiche
S. 1 — 90. Patetta giebt eine sehr eingehende Untersuchung
des Rechtsbuchs, deren Ergebnis ist, dass zwischen den
Jahren 785 und 790 das uns erhaltene Denkmal auf Ge-
heiss des Königs aus verschiedenartigen Bestandtheilen
angefertigt sei. S. 70 — 90 liefert er einen Abdruck des
Textes. W. Sickel.
42. B. Hübler, Kirchliche Rechtsquellen
(Berlin, Schulze 1893), giebt eine auch dem Historiker will-
kommene Uebersicht über die Sammlungen des kirchlichen
Rechtsstoffes; unter den abgedruckten Urkunden heben
wir das Wormser Konkordat hervor. H. Bl.
43. Spicilegium Casinense complectens analecta
sacra et profana e codd. Casinensibus aliarumque biblio-
thecarum collecta atque edita cura et studio monachorum
S. Benedicti archicoenobii Montis Casini. Tomus I. Typis
archicoenobii Montis Casini 1888. Der kürzlich erst voll-
endete Band bringt S. 331 — 333 die von Maassen heraus-
gegebene Synode von Mäcon 855, S. 334 — 336 das zu-
letzt bei Krause, Capitularia II, 65 — 68 gedruckte Acten-
stück und S. 343 f. die Mailänder Synode von 86 3,
welche, wie S. 343 bemerkt ist, vor Maassen Allegranza,
Opuscula erudita 1781 ediert hatte. S. 363 — 368 stehen
17 Formulae epistolarum ex cod. Casinensi n. 439;
S. 372 f. ein Fragment des Schreibens Gregors L, Jaffe,
Reg. pont.2 1629; S. 405 f. eine Stelle aus Gregor. Hist.
Franc. II, 34, S. 975 in zwei Texten. W. Sickel.
248 Nachrichten.
44. In den Berichten der königl. sächs. Gesellsch.
der Wissensch. vom 5. Mai 1894 handelt Alb. Hauck
'über den über decretorum Burchards von Worms'.
Die Quellen dieses Sammelwerkes werden im Ganzen nach-
gewiesen und die eigenthümlich freie Art ihrer Bearbei-
tung an Beispielen dargethan. Als Zweck der Sammlung
ergiebt sich, ohne kirchenpolitische Tendenz, nur den
gegenwärtigen Rechtszustand zu sichern und dadurch eine
straffere Ordnung des bischöflichen Sprengeis zu begrün-
den. Die Benutzung einer alten Freiburger Hs. zeigt, dass
nicht nur der Druck Burchards, sondern schon die hand-
schriftliche Ueberlieferung reich an Fehlern ist, die nur
zum Theil den Abschreibern zur Last fallen. E. D.
45. F. Frensdorff bestimmt in den Nachrichten
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen,
Phil.-Hist. Klasse, I, S. 36 ff. die Quellen für das zusammen-
hängende Stück des Sachsenspiegels über den Land-
frieden II, 66 — III, 3, und bezeichnet als solche für den
Theil bis II, 70, § 1 einen nicht erhaltenen Landfrieden,
der mit der Treuga Henrici und dem sächsischen Land-
frieden (vgl. zu diesem Weiland, Zeitschr. f. Rechtsgeschichte
VIII, 113) verwandt ist. Das folgende geht auf einen Land-
frieden zurück, der dem Rheinfränkischen (MG. Constitu-
tiones I, 380, n. 277) nahe steht. In einer sich daran an-
schliessenden Untersuchung zeigt Fr. den Sachsenspiegel
mit seiner Behandlung der Fehde im Gegensatz zu dem
Rechte seiner Zeit. H. Bl.
46. L. v. Rockinger (Mittheilungen der phil.-hist.
Klasse der kgl. b. Akademie zu München 1894, S. 124 ff.)
weist auf eine Hermannstädter Hs. des sog. Schwaben-
spiegels (beschrieben in der Savigny- Zeitschr. VI, 113 ff.)
hin, in welcher dieser als 'Nuerenpergisch Recht' bezeichnet
wird, und führt des weiteren aus, dass irgend welche Be-
ziehung des Rechtsbuches zu Nürnberg — etwa Bestäti-
gung auf dem Nürnberger Reichstag 1298 — daraus nicht
geschlossen werden darf. H. Bl.
47. Eine Hallenser Dissertation von M. G. Schmidt
(1894) behandelt die staatsrechtliche Anwendung der Gol-
denen Bulle bis zum Tode König (warum nicht Kaiser?)
Sigmunds, vielfach im Gegensatz zu den Ausführungen
Weizsäckers und seiner Schüler und in Uebereinstimmung
mit denjenigen Th. Lindners.
Nachrichten. 249
48. Auf die neuerdings mehrfach behandelte Contro-
verse über den Binger Kurverein (vgl. N. A. XVIII, 709,
n. 145; XIX, 490, n. 142) kommt in der Deutsch. Zeitschr.
f. Geschichtswissensch. XI, 63 ff. E. Brandenburg zu-
rück, der sich hinsichtlich der Datierung der Fassung B
Heuer gegen Lindner anschliesst und die verfassungs-
geschichtliche Bedeutung des Vertrages sogar noch höher
veranschlagt, als Heuer gethan hatte.
49. In den Verhandlungen des hist. Vereins f. Nieder-
bayern XXX, 293 ff. giebt A. Kalcher die Vilsbibur-
ger Stadt- und Markt rechte heraus, beginnend mit
einem herzoglichen Privileg von 1323.
50. De Keure van Hazebroek van 1336 hat
Edw. Gaillard (Gent, Siffer 1894) mit Facs. und sehr
ausführlichen Erläuterungen herausgegeben.
51. Im Neuen Lausitz. Magazin LXX, 100 ff. behan-
delt R. Je cht den ältesten Görlitzer Liber actorum
im Rathsarchiv daselbst 1389 — 1413.
52. L. Duchesne will in einem umfassenden Werk :
'Fastes episcopaux de l'ancienne Gaule' (Paris, Thorin 1894)
die Anfänge der gallischen Bisthümer bis ins 9. Jahrh.
verfolgen; der vorliegende 1. Band beschäftigt sich mit
den südöstlichen Provinzen. Aus dem bei der Feststellung
der Bischofslisten verwertheten handschriftlichen, zuweilen
auch inschriftlichen Material heben wir besonders den im
Chron. Novaliciense erwähnten Liber episcopalis eccl.
Viennensis des Erzbischofs Leodegar (f 1070) hervor,
dessen Restitution Duchesne versucht. Auf Grund der
Untersuchung darüber stellt er (vgl. N. A. XVII, 448,
n. 126) die von Gundlach behauptete Einheitlichkeit der
Fälschung der Epistolae Viennenses in Abrede und
weist den grösseren Theil derselben (bis auf Leo IX. ein-
schliesslich) in die Zeit Leodegars vor 1068. Das Schluss-
capitel behandelt die provencalischen Legenden der h.
Martha und der h. Magdalena.
53. E. Marckwald, Beiträge zu Servatus Lupus,
Abt von Ferneres (Strassburg. Diss. 1885; gedruckt erst
1894), giebt eine Uebersicht über die Werke des Lupus
und ihre Ueberlieferung. Eine Reihe von Briefen werden
anders datiert, als in der neuen Ausgabe von Desdevises
du Dezert. Die Varianten der für diese Ausgabe nicht
250 Nachrichten.
benutzten Berner Hs. 141 und der Notizen in Daniels
Handexemplar werden im Anhange verzeichnet.
H. Bl.
54. Im Archivio storico italiano XIII, 1 ff. bringt
N. Festa einen wesentlich verbesserten Abdruck der vier
griechischen Briefe Friedrichs II. (B.-F. 3811. 3820.
3823. 3826), durch den vor allem in B.-F. 3823 die von
Ficker bemerkte Unordnung gänzlich beseitigt wird. Ab-
weichend von Ficker setzt Festa B.-F. 3820 erst in den
September 1250, also nach 3823, und hält daher an der
handschriftlichen Reihenfolge der Briefe fest. Er glaubt
nicht, wie Wolff, dass sie ursprünglich lateinisch konzi-
piert seien, sondern nimmt Herstellung durch einen des
Griechischen kundigen, süditalienischen Schreiber an.
H. Bl.
55. Eine von R. Fester in der Zeitschr. f. Gesch.
des Oberrheins N. F. IX, 323 ff. mitgetheilte Instruction
des badischen Gesandten auf dem Konstanzer Concil
vom 19. Decbr. 1414 giebt von Erbansprüchen des Mark-
grafen Bernhard von Baden auf die Pfalz Kunde, von denen
sonst nichts bezeugt ist.
56. In der Zeitschr. f. vergleichende Literaturgesch.
N. F. VII, 129 ff. zeigt A. Richter, in wie ausgiebigem
Masse Enea Silvio in seinen Briefen Horaz geplündert
hat : ein Brief an den berühmten Reichskanzler Schlick z. B.
ist wesentlich eine Prosaumschreibung der Ode an Mäcen 1, 1.
Bei dieser Gelegenheit führt R. den dankenswerthen Nach-
weis, dass Schlick 1413 in Leipzig immatrikuliert worden
ist, womit eine mehrfach behandelte Controverse entschie-
den wird. ^
57. Noch ohne Kenntnis von den Aufsätzen von
K. Norgate und Scheffer-Boichorst erhalten zu haben (vgl.
N. A. XIX, 492, n. 150), handelt J. v. Pf lugk-Harttung
in der Deutschen Zeitschr. f. Geschichtswissensch. X, 323 ff.,
von den Briefen Gregors VII., Hadrians IV. und Alexan-
ders III. über Irland (J.-L. 5059. 10056. 12174). Im End-
ergebnis — dass sie Fälschungen sind — stimmt er mit
Scheffer überein ; im einzelnen weicht er erheblich von
ihm ab, namentlich indem er den Bericht des Johann
von Salisbury für interpoliert hält. Als Fälscher von
J.-L. 10056 und 12174 ist er geneigt, Giraldus Cambrensis
anzusehen, bei dem allein sie uns überliefert sind.
H. Bl.
Nachrichten. 251
58. In der Römischen Quartalschrift VII, 486 ff. giebt
L. Schmitz Ergänzungen zu seiner Uebersicht über die
Publikationen aus den päpstlichen Registerbänden
des XIII.— XV. Jahrb.; vgl. N. A. XIX, 258, n. 47.
H. Bl.
59. In der Römischen Quartalschrift VII, 492 ff. be-
müht sich R. F. Kaindl, vermuthungsweise eine deut-
lichere Vorstellung von der Art des durch Diekamp be-
schriebenen Verschlusses der päpstlichen Privilegien und
Briefe im 13. Jahrh. zu geben.
60. Im Historischen Jahrbuch XV, 51 ff. veröffentlicht
Dr. Ratti liger aus einer Hs. der Bibliothek Barberini
den Liber provisionum praelatorum Papst UrbanV.
Vgl. dazu die auf umfassenden Studien im vatikanischen
Archiv beruhenden Abhandlungen von K. Eubel, Rom.
Quartalschrift VII, 405 ff. VIII, 170 ff.
61. In den Sitzungsber. der Berliner Akademie 1894,
n. XX, veröffentlicht W. Wattenbach eine merkwürdige
Schrift des Mag. Onulf von Spei er aus der Mitte des
11. Jahrh. über die colores rhetorici aus Cod.Vindob. 2521.
Mit Recht macht W. besonders auf den Abschnitt (cap. 4)
aufmerksam, in welchem die zuletzt von Holder -Egger in
dieser Zeitschrift XIX, 404 ff. im Gegensatz zu Gundlach
behandelte Wortspielerei der Traductio besprochen wird.
62. Eine interessante und gut geschriebene Studie
von C. Sutter (Freiburger Habilitationsschrift 1894) han-
delt über 'Leben und Schriften des Magisters Boncom-
pagno', der unter den Lehrern der ars dictandi im
13. Jahrh. eine bedeutende Rolle spielte. Aus den unge-
druckten Schriften des B. werden in den Anmerkungen
und im Texte zahlreiche Mittheilungen gemacht; der lLiber
qui dicitur Palma', eine Einleitung in die Kunst des Brief-
stils, ist im Anhang vollständig abgedruckt. Leider lässt
die Art, wie Sutter die mitgetheilten Texte behandelt, zu
wünschen übrig.
63. In den Mittheil, des Inst, für Österreich. Ge-
schichtsf. XV, 367—372 veröffentlicht A. Dop seh als
erste Frucht seiner französischen Reise (der bald weitere
folgen sollen) aus neuerer Abschrift eine bisher unbekannte
Urkunde Arnolfs für den Priester Egwolf vom 1. Nov.
891 aus Nimwegen, die sowohl durch die Erwähnung des
Notars Engilpero interessant ist, als noch viel mehr durch
252 Nachrichten.
ihr Datum, aus welchem der Herausgeber mit Wahrschein-
lichkeit folgert, dass die Schlacht an der Dyle um den
20. Oct. stattgefunden haben müsse. E. D.
64. Aus den Documents inedits pour servir ä l'hi-
stoire ecclesiastique de la Belgique, publies par D. U. Ber-
liere Bd. I (Maredsous 1894) verzeichnen wir die Sammlung
der Urkunden von Florennes 1012 — 1299 (darunter
ungedruckt: Heinrich II. 1018; Konrad II. 1033; Hein-
rich V. 1107 December; J.-L. 4317 vollständig mit 1051
Januar 12, u. a. Papsturkunden) und die der Reste der
Urkunden von Lobbes 1143 — 1231; ferner die Gesta
abbatum monasterii S. Jacobi Leodiensis aus dem
Ende des XV. Jahrh. , die im XIV. Jahrh. begonnene
Chronik der Aebte von Eenam und ein im XIII. Jahrh.
angelegtes Nekrolog der Abtei S. Martin von
Tournay. H. Bl.
65. In einer kurzen Notiz in den Atti della E. Acca-
demia di Torino vol. XXIX, Sitzung vom 18. März 1894,
tritt C. Cipolla neuerdings für die Originalität des D.
Konrads II. für Bergamo St. 1911 ein. Ich muss mein
Urtheil über diese Frage von erneuter Prüfung der Urkunde
selbst abhängig machen.
66. In der Westdeutschen Zeitschrift f. Gesch. und
Kunst XIII, 104 ff. giebt P. Richter nach den jetzt im
Koblenzer Staatsarchiv befindlichen Originalen einen Neu-
druck der Diplome für Kloster Springiersbach, St.
3460. 4125. 4810, von denen er das erste dem J. 1144
zuweist. H. Bl.
67. In den Atti e memorie della societä storica Sa-
vonese III werden in 38 Nummern Regesten der Kaiser-
urkunden für Savona gegeben, von denen ein grosser
Theil im 2. Theile erstmals veröffentlicht worden sind.
Bisher unbekannt und im Anhang abgedruckt sind : Fried-
rich II. undatiert (Bestätigung der Privilegien), Karl IV.
1364 December 15, Sigmund 1414 Januar 10; 1415
Januar 10. H. Bl.
68. Aus dem mit kritischer Sorgfalt gearbeiteten
Buche von K. Hampe, Geschichte Konradins von Hohen-
staufen (Innsbruck, Wagner 1894) kommen hier in Betracht
Excurs 6, in dem Peter von Prece, ein Kanzleibeamter
Konradins, als Verfasser der Protestatio Konradins
Nachrichten. 253
(B.-F. 4836) bezeichnet und damit ihre Echtheit gesichert
wird; ferner der Anhang, in dem eine bisher unbekannte
Urkunde des Bischofs Eberhard von Konstanz 1270 März 24
gedruckt wird, die dessen Verhältnis zu Konradin be-
leuchtet. H. Bl.
69. Im Pfälzischen Museum von 1894, April 1, be-
richtet Dr. Grünenwald über die — der Mehrzahl nach
unbekannten — Kaiserurkunden des Archivs zu Neu-
stadt a. d. Hardt, 21 an der Zahl, von 1275 — 1582. Es
sind Eudolf, Weissenburg 1275 Apr. 6 ; Albrecht, Speyer
1302 Jan. 3; Ludwig, Speyer 1330 Juni 7 und Frankfurt
1346 Febr. 18; Karl IV., Speyer 1349 Sept. 15 (2 Stücke);
Wenzel, Heidelberg 1378 März 7; dann aus dem 15. Jahr h.
5 Urkunden Ruprechts, 2 Sigmunds, 2 Friedrichs III.
70. Im Anhang zu der grossentheils auf archivali-
schen Quellen beruhenden Schrift von J. Becker, Die
Landvögte des Elsass von 1308 — 1408 (Diss. Strassburg
1894 ; auch Programm des bischöflichen Gymnasiums da-
selbst) werden 79 Regesten bisher unbekannter Kaiser-
urkunden aus der Zeit von 1311 — 1400 mitgetheilt.
71. In der Monatsschrift für Geschichte und Wissen-
schaft des Judenthums (1894, S. 371) wird die Urkunde
Karls IV. vom 4. Oktober 1347 über den Judenzins
(Huber 367) von M. Popper neugedruckt; dass sie schon
bekannt ist, scheint der Herausgeber nicht zu wissen.
H. Bl.
72. Im Anhang zu der Abhandlung von W. von
Boetticher, Die Schlosskapelle zu Bautzen (Neues Laus.
Magazin LXX, 25 ff.) sind eine Anzahl Urkunden mitge-
theilt, darunter Karl IV., Sulzbach 1354 Juni 6 (Huber
1864).
73. Eine sehr interessante Untersuchung von A. Riegl,
grossentheils auf Vorarbeiten des verstorbenen A. Fanta
beruhend und von einem Nachwort E. von Ottenthals
begleitet (Mitth. d. Inst. f. österr. Geschichtsf. XV, 193 ff.),
enthüllt die umfassende Fälscherthätigkeit des römischen
Arztes Alfonso Ceccarelli, der in den 70er und 80er
Jahren des 16. Jahrh. eine grosse Anzahl von Kaiser-
urkunden fabrikmässig hergestellt und mit diesem Geschäft
viel Geld verdient hat, worüber er in seinen Memoiren, die
uns für die Jahre 1578 — 1580 erhalten sind, gewissenhaft
Buch geführt hat. Die von Fanta und Riegl S. 227 ff.
254 Nachrichten.
aufgestellte, vielleicht noch ergänzungsfähige Liste der
Fälschungen nmfasst 103 Nummern von Theodosius bis auf
Friedrich III. ; freilich war, wie Ottenthai mit Recht be-
merkt, ein sehr grosser Theil dieser Fälschungen nur pro-
jectiert, indem Ceccarelli die angeblichen Urkunden vor-
läufig nur citierte, ihre vollständige Ausführung aber sich
für später vorbehielt. — Zu einem einzelnen Punkt der
Untersuchung von Riegl und Fanta vgl. oben S. 195.
74. In den Mittheilungen des Vereins f. Gesch. der
Deutschen in Böhmen XXXII, 317 ff. beginnt V. Schmidt
eine Untersuchung über die Urkundenfälschungen
des 1462 gestorbenen Ulrich von Rosenberg. Er
schreibt ihm 22 Falsificate zu: 2 von Ottokar II., 5 von
K. Johann, 1 von Karl IV., 2 von Wenzel, 11 von Sig-
mund, 1 von Ladislaus.
75. Angesichts der mancherlei Schwierigkeiten, welche
die Kritik der Königsurkunden für Kloster Montamiate
macht, ist die Publication einer Anzahl bisher ungedruckter
Montamiatiner Privaturkunden, welche C. Calisse
im Archivio della Societä Rom. di storia patria XVI, 289 ff.
begonnen hat, recht dankenswerth. Der erste Artikel
bringt 28 inedita von 819 — 1011, alle bezüglich auf den
Klosterbesitz im Territorio Romano.
76. Die in den Niederlanden in letzter Zeit so leb-
haft erörtete Frage nach der Echtheit der wichtigen Ur-
kunde Graf Dietrichs V. von Holland für Egmond
ist zuletzt behandelt worden von A. C. Bon dam, Bij-
dragen voor vaderlansche geschiedenis en oudheidk. 3 r.
8. deel (1894), S. 1 ff., der nachdrücklich für die Urkunde
eintritt und auch andere Egmonder Aufzeichnungen in die
Untersuchung einbezieht.
77. In dem Neuen Archiv f. sächs. Gesch. u. Alter-
thumskunde XV, 27 — 40 handelt Berth. Schmidt über
die verschollenen Originalurkunden des im Jahre 1536
aufgehobenen Cisterzienserstiftes Grünhain in Sachsen,
von denen 5 im Reussischen Hausarchiv zu Schleiz von
ihm wieder aufgefunden worden sind. Von diesen wird die
älteste aus dem Jahre 1233 abgedruckt,* der Inhalt der
übrigen mitgetheilt und erläutert. E. D.
78. Im Anhang der Schrift von L. Z de kauer, Lo
studio di Siena nel rinascimento (Milano, Hoepli 1894)
Nachrichten. 255
werden 26 Aktenstücke ans den Jahren 1323 — 1500 zur
Geschichte der Universität Siena mitgetheilt. N. 26
ist ein Inventar der Bibliothek des Mag. Nicolö di Barto-
lomeo Borghesi.
79. In der Zeitschr. d. hist. Vereins f. Schwaben u.
Neuburg XX, 1 ff. giebt F. X. Glasschröder Urkun-
den zur Geschichte des Augsburger Bischofs Mark wart I.
von Randeck heraus (1348 — 65), darunter Brief Clemens VI.
an Karl IV., 1348 Febr. 3; D. Karls IV., 1348 Dec. 21
(Huber 798) und Urkunden Markwards als Reichsstatthalter
in Italien von 1356.
80. In der Zeitschr. des Bergischen Geschichtsvereins
XXIX, 1—132 veröffentlicht G. v. Below Urkunden und
Akten zur Gesch. der Steuern in Jülich und Berg, be-
ginnend mit dem 15. Jahrh.
81. Im Programm des Gymnasium Carolinum zu
Osnabrück von 1894 (n. 317) werden im Anhang zu einer
Geschichte des Erzstifts Mainz unter Diether von Isenburg
und Adolf IL von Nassau von J. Jäger 19 Urkunden
(1460 — 1479) aus den Archiven von Erfurt, Würzburg und
Dresden mitgetheilt.
82. Amaury de Ghellinck, Cartulaire de l'abbaye
de Beaulieu, 1. fascicule (Bruges, Plancke 1894) enthält
202 Nummern von 1265—1500.
83. In den Bulletins de la Comm. royale d'histoire
de Belgique 5. Ser. IV, n. 1 hat H. Pirenne den Inhalt
und sechs bisher ungedruckte Urkunden eines Chartu-
lars der Stadt Brüssel (saec. XIV.) aus einer Berner Hs.
bekannt gemacht, die mit dem ältesten Theile des Brüsseler
Corenboek nahe verwandt ist.
84. Einen beachtenswerthen Beitrag zur Geschichte
der mittelalterlichen deutschen Urkundensprache, in
welcher der Kampf zwischen Schriftsprache und Mundart
der wichtigste Vorgang ist, giebt die Strassburger Disser-
tation von E. Haendcke, Die mundartlichen Elemente in
den elsässischen Urkk. des Strassburger Urkundenbuchs
(Strassburg, Trübner 1894).
85. Die 7. Lieferung der Neuausgabe von Böhmers
Regesta imperii V (1198 — 1272), die italienischen und
burgundischen Reichssachen enthaltend, schliesst den Haupt-
text dieser von F i c k e r und Winckelmann bearbeiteten
256 Nachrichten.
Abtheilung des grossen Regesten werkes ab. Nachträge
und Zusätze zu demselben sollen eine besondere Lieferung
bilden. H. Bl.
86. Von den Regesten der Pfalzgrafen am
Rhein (Innsbruck, Wagner 1894) sind als Schluss des
ersten Bandes Nachträge und ausführliche Register er-
schienen. H. Bl.
87. In den Verhandlungen des histor. Vereins für
Niederbayern XXX, 133 ff. sind von A. von Ow Ur-
kundenregesten aus dem Schlossarchiv zu Haiming
a. Salzach mitgetheilt, 259 Nummern, beginnend mit 1330.
88. In den Mittheil, der Gesellschaft f. Erhaltung
der geschichtl. Denkmäler im Elsass 2. F. XVII, 34 ff. sind
die Regesten der Propstei von St. Peter zu Colmar
(vgl. N. A. XIX, 263, n. 72) von X. Mo ss mann bis zum
Jahre 1399 fortgesetzt.
89. J. Schreiber, Die Vaganten -Strophe der mittel-
lateinischen Dichtung (Strassburg, Schlesier 1894, der erste
Theil auch Diss. Strassburg) untersucht die Carmina
Burana, deren Textgestaltung erheblich gebessert wird,
vorwiegend auf ihre poetische Technik, um bestimmte
Kriterien für ihre Abfassungszeit zu gewinnen. Uns in-
teressiert hier, dass Schreiber durch die Ergebnisse seiner
Arbeit zu der Ansicht Giesebrechts geführt wird, dass
Walther von Chätillon, der Archipoeta und der
Anonymus von S. Omer eine und dieselbe Person
seien. H. Bl.
90. P. Lejay veröffentlicht in der Revue de Philo-
logie de Litterature et d' Histoire anciennes XVIII, 42 ff.
das in cod. Paris. Lat. 7530 enthaltene Calendarium und
stellt durch Vergleich mit drei andern, sicher aus Monte
Cassino stammenden Calendarien die gleiche Herkunft für
dasselbe fest. Geschrieben wurde es nach ihm in der zweiten
Hälfte 778 oder 779 vor Ostern. Stammt also cod. 7530
aus Monte Cassino und aus dieser Zeit, so wird auch da-
durch, wie L. mit Recht betont, die Annahme unterstützt,
dass das darin enthaltene Carmen de speciebus praeteriti
perfecti (MG. Poetae latini I, 625 ; vgl. N. A. XV, 200) von
Paulus Diaconus herrührt. H. Bl.
91. In der English Historical Review IX, 320 ff.
macht M. Bateson auf ein in mehreren Hss. überliefertes
Nachrichten. 257
Werk des Halitgar von Cambrai 'de vita sacerdotum'
aufmerksam, von dem bisher nur das dritte Buch gedruckt
ist, und zwar als dritter Theil eines Poenitentiale des Hra-
banus Maurus (ed. Colvenerius VI, 111 ff.), dessen beide
erste Theile gleichfalls nicht diesem angehören, sondern
dem bekannten Poenitentiale Halitgars. H. Bl.
92. In den Abhandlungen der Berliner Akademie
von 1894 handelt E. Dümniler in einem inhaltreichen
Aufsatz über Leben und Schriften des Mönches Theoderich
von Amorbach, den man weniger zutreffend auch von
Hersfeld benannt hat. Ausser zahlreichen Anführungen
kulturgeschichtlich interessanter Stellen aus seinen Schriften
in den Anmerkungen, werden die Widmungsschreiben an
den Abt Richard abgedruckt, ferner einige Abschnitte aus
der Illatio S. Benedicti, der Anfang des Commentars zu
den canonischen Briefen und ein Abschnitt daraus, in
dem eine in Salzburg unter einem schwer zu deutenden
Erzbischof Benzo passierte Wundergeschichte erzählt wird.
93. In der Festschrift zur Eröffnung des histor.
Museums in Basel, am 21. April d. J., handelt S. 151 — 158
H. Wölfflin über das Grabmal der Königin Anna,
Gemahlin Rudolfs von Habsburg (f 1281), und ihres
Kindes Karl im Basler Münster und zeigt, dass die dasselbe
schmückende Platte, von der eine gute Photographie bei-
gefügt wird, sicher der ersten Hälfte des 14. Jahrh. angehört.
E. D.
94. J. H. Round widerlegt im Genealogist, April
1894, u. d. T. Our English Hapsburgs: a great
delusion, den Anspruch der Familie Feilding, zu welcher
die Grafen von Denbigh gehören, abzustammen von Gottfried
von Laufenburg, der 1271 starb. Die Genealogie scheint
im 17. Jahrh. erfunden. F. Liebermann.
95. Fast ganz auf ungedrucktem Material des Danziger
Stadtarchivs, namentlich auf den sehr wichtigen Berichten
der Danziger Feldhauptleute an den Rath. von denen
zahlreiche Excerpte in den Anmerkungen mitgetheilt werden,
beruhen die schönen Untersuchungen von M. Baltzer,
Zur Gesch. des Danziger Kriegswesens im 14. und 15. Jahrh.
(Programm des k. Gymnas. zu Danzig 1893 n. 28).
96. In den Annales de la societe d'emulation u. s. w.
de la Flandre 5. ser. T. 4, livr. 2 ediert E. Fey s den vlä-
misch geschriebenen Bericht über eine Pilgerfahrt des
Anselm Adornes nach dem heiligen Lande 1470.
Neues Archiv etc. XX. 17
258 Nachrichten.
97. In den Melanges. ~d' archeologie et d' histoire
t. XIV., 225 ff. hat P. Fabre eine interessante Rechnung
über die Einkünfte aus den Spenden am Hauptaltar und
den Nebenaltären der römischen Peterskirche aus den
Jahren 1285. 1286 herausgegeben und mit gewohnter Sach-
kunde erläutert.
98. In den Melanges d'archeologie et d' histoire XIII,
397 ff. macht Bourel de la Ron eiere bemerkenswerthe
Mittheilungen aus den päpstlichen Kammerregistern
über die Ausrüstung einer für einen Kreuzzug bestimmten
päpstlich - französischen Flotte 1318 — 1320.
99. In der Zeitschr. f. Gesch. des Oberrheins N. F.
IX, 261 ff. giebt E. Waldner ein sehr interessantes Ver-
zeichniss (aus dem Anfang des 14. Jahrh.) über die Güter
und Rechte der Dompropstei Konstanz zu Colmar
heraus.
100. Aus dem verdienstlichen Werke des Prof. R.
von Fischer-Ben zon, 'Altdeutsche Gartenflora' (Kiel
und Leipzig, Lipsius und Tischer 1894) haben wir hier auf
die im Anhang S. 181 ff. gebotenen Erläuterungen zu Mon.
Germ. Capitularia I, n. 128 c. 29. 37, sowie zum
Capitulare de villis I, n. 32 c. 70 aufmerksam zu
machen, die v. Fischer -Benzon noch nach der alten Aus-
gabe citiert. Daran schliessen sich Erläuterungen zu dem
St. Galler Entwurf eines Klostergartens aus dem 9. Jahrh.,
zum Hortulus des Walahfrid Strabo, zu deutschen
Glossen, die nach Eckhart angeführt werden, und besonders
eingehend zu den Pflanzennamen in der Physica der h.
Hildegard von Bingen.
101. Von Cesare Paoli's dankenswerthen Hand-
büchern der Lateinischen Palaeographie und Diplomatik
ist ein neues Bändchen erschienen, das die 'materie scrittorie
e librarie' behandelt, also Schreibstoffe und Schreibgeräth-
schaften, Herstellung der Handschriften, Verbreitung und
Aufbewahrung derselben.
102. W. Schmitz reproduciert auf 132 Tafeln die
commentarii notarum Tironianarum (Leipzig, Teubner 1893).
Der beigegebene Text enthält eine eingehende Beschreibung
der benutzten Handschriften, kritische Bemerkungen zu
den Tafeln, ein alphabetisches Verzeichnis der darin
erscheinenden Worte und eine kurze Darlegung der Ent-
stehung der Commentare, in der gegen L. Traube die
Nachrichten. 259
ältesten Noten wieder auf den Dichter Ennius zurückge-
führt werden.
103. In den Mittheil, des Instit. f. österr. Ge-
schichtsforschung XV, 372 f. theilt Th. von Sickel aus
einem Pergamentblatt saec. XV. in. des Vaticanischen
Archivs eine Anleitung zu einer Geheimschrift mit.
104. Dem uns leider hierorts nicht zugänglichen
Prachtwerk von Otto Posse, Die Siegel der Wettiner
und der Landgrafen von Thüringen, der Herzöge von
Sachsen-Wittenberg und Kurfürsten von Sachsen aus
askanischem Geschlecht (Leipzig, Giesecke und Devrient
1893) ist eine auch separat gedruckte, sehr lehrreiche
Abhandlung des Herausgebers über Heraldik u. Sphragistik
der Wettiner beigegeben, in der auch ungedruckte Urkunden
(z. B. S. 3 N. 4 die merkwürdige Bestallung eines Wappen-
herolds des Markgrafen Friedrich von Meissen vom J. 1421)
mitgetheilt sind.
Berichtigung.
Da die Zeugen des Protocolls, welches ich N. A. XIX, 575 ff.
herausgab, am 12., 13. und 31. December verhört wurden, als Jahr aber
nur 1181 genannt ist, so nahm ich einheitliche Datierung an. Wie jedoch
die hinzugefügten Wochentage beweisen, ist 1180 gemeint, so dass das
angegebene Jahr 1181, als mit dem 25. December beginnend, nur auf die
Zeugenvernehmung vom 31. December zu beziehen ist. Auf meine Aus-
führungen hat der Irrthum übrigens keinen Binfluss.
Scheffer-Boichorst.
VII.
Die
Epistolae Viennenses
und
die älteste Vienner Chronik.
Eine Entgegnung.
Von
Wilhelm Gundlach.
Neues Archiv etc. XX. 18
Uie in dieser Zeitschrift veröffentlichten Erörterungen
über die Epistolae Viennenses l haben zu dem Ergebnis ge-
führt : 'Unter dem bestimmenden Einflüsse des Erzbischofs
Guido von Vienne in der Zeit von 1094 bis 1121 sind die
Vienner Briefe und Urkunden gefälscht, in der Weise, dass
das jüngste Stück später, als Guido schon den Stuhl Petri
bestiegen hatte, den übrigen in Vienne noch angefügt
wurde, trotzdem aber die Gesammtheit der Epistolae Vien-
nenses demselben Fälscher beigelegt werden darf'2. Weil
mir die bestimmte Nachricht vorlag, dass die — angeb-
lichen — Originale in der grossen französischen Staats-
umwälzung zu Grunde gegangen sind 3, habe ich mich der
Nachforschung nach ihnen für überhoben gehalten und
meine Untersuchung von vornherein auf den überlieferten
Wortlaut der Briefe beschränkt: ich habe ihre äussere
Ausstattung — die Formeln — und ihren Inhalt geprüft
und dann ihre Einheitlichkeit dargethan, um schliesslich,
da für zwei der anscheinend ältesten Stücke eine Hs. des
11. Jahrb.. benutzt schien4, und zwei unter Guido bren-
nende Fragen in den sechs vorgeblich jüngsten behandelt
waren5, die Fälschung aller der Zeit dieses Erzbischofs
zuzuweisen 6.
Dieses Ergebnis ist von zwei Angehörigen der Pariser
Akademie, Ulysse Chevalier und Louis Duchesne, ange-
fochten worden. Indem der erstere aus der Berner Hs.
A 9, welche, im 10. Jahrh. geschrieben, zum grössten Theil
(fol. 3 — 321') die Bibelübersetzung des Hieron ymns enthält,
die älteste Vienner Chronik — sie findet sich fol. 323' —
1) 'Der Streit der Bisthümer Arles und Vienne um den Primatus
Clalliarum'. Zweiter Theil. N. A. XV, 11—102. In der unter gleichem
Titel veröffentlichten Sonderausgabe sind die Seitenzahlen um 82 höher.
2) Ebd. S. 102. 3) Ebd. S. 22 und Anm. 1. 4) Ebd. S. 88— 90.
5) Ebd. S. 90—101. 6) Hierfür ist auch noch der dritte Theil der oben
Anm. 1 angezogenen Arbeit von Belang : ebd. S. 235—292 (in der Sonder-
ausgabe S. 185 — 243).
18*
264 Wilhelm Gundlach.
herausgab1 und dabei entdeckte, dass in derselben der
Zosirnus - Brief der Vienner Sammlung erwähnt wird, und
indem er weiter in einem andern Aufsatze 2 die Angabe
der Vienner Chronik: 'Commemorat hoc beatus Stepha-
nus pontifex in epistola quadam ad principem Francorum'
auf den Paulus- Brief der nämlichen Sammlung deutete,
folgerte er, dass die beiden angezogenen Briefe schon im
10. Jahrh. vorhanden gewesen seien. Duchesne hat zu-
nächst eine Besprechung meiner Arbeit geliefert 3, dann
über die Vienner Briefe in der Sitzung der Academie des
inscriptions et belies lettres am 12. Juni 1891 einen Vor-
trag gehalten4 und endlich im ersten Bande seiner Fastes
episcopaux de l'ancienne Gaule (Paris 1894) über 'Les faux
Privileges' — die Vienner Briefe — und 'Le livre episco-
pal de l'archeveque Leger'5 p. 162 — 206 gehandelt (:: er ver-
tritt überall die Meinung, dass die Vienner Briefe in zwei
1) 'La plus ancienne chronique de l'eglise de Vienne' im Bulletin
d' histoire ecclesiastique et d'archeologie religieuse des dioceses de Valence,
Gap, Grenoble et Viviers, Xe annee, 5e livraison (Septembre - Octobre
1890) p. 185 — 189. 2) 'Etüde sur les catalogues des anciens eveques
de la province de Vienne1 in der Zeitschrift L'universite catholique. Nou-
velle serie V, 492 — 525 (Decembre 1890). 3) Bulletin critique XII
(1891), 241 — 245. 4) Comptes reudus des seances de l'annee 1891. Qua-
trieme serie XIX (1892), 186. 5) Hier findet sich auch 'die älteste
Vienner Chronik' als erster Bestandtheil des 'Liber episcopalis Viennensis
ecclesiae' (p. 179 — 188) ohne die beiden Verkürzungen, welche Chevaliers
Ausgabe unter Justus und Avitus leider aufweist. 6) Duchesne hat in
seinem zweiten Capitel 'Les metropoles du sud - est et la primatie d1 Arles'
p. 84 — 140 auch diejenigen Fragen berührt, welche ich im ersten Theil
meiner Arbeit über Arles und Vienne erörtert habe, sich aber darauf be-
schränkt, seine Auffassung zu entwickeln, ohne sich in eine Auseinander-
setzung mit mir einzulassen: 'Les sources', begründet er sein bequemes
Verhalten, 'sont assez accessibles pour que le lecteur qui en aurait le
desir puisse y recourir aisement et se faire une opinion personnelle1.
Indem ich mir darauf bei anderer Gelegenheit zurückzukommen vorbe-
halte, gehe ich hier nur auf einen allgemeineren Vorwurf ein. "Wenn er mich
(Bulletin critique XII, 243) 'par une distraction singuliere' zu der Meinung
kommen lässt, 'que les archeveques d' Arles et de Vienne existaient encore,
qu' ils se disputaient encore les suffragants et les titres, et qu'ainsi la
question n'etait pas tout ä fait morte', so erwidere ich darauf, dass zwar
jetzt weder in Arles noch in Vienne ein Erzbisthum mehr besteht, dass
beide Erzbisthümer aber nicht aufgehoben, sondern das eine sammt £m-
brun mit Aix, das andere mit Lyon vereinigt sind, also in den Erz-
bischöfen von Aix und Lyon auch heute noch die Erzbischöfe von Arles
und Vienne vorhanden sind (unio aeque principalis). Duchesne hätte das
deutlich ausgesprochen finden können ; S. X des Sonderabzugs heisst es
nämlich: 'Auf Grund der Epistolae Viennenses führt auch jetzt noch der
Erzbischof von (Lyon-) Vienne den Titel Primat des primats des
Gaules'. In der vorliegenden Arbeit gebe ich mich nur mit dem neuen
Material ab, welches zur Beurtheilung der Vienner Briefe inzwischen bei-
gebracht ist.
Die Epistolae Viennenses u. die älteste Vienner Chronik. 265
Gruppen zu zerlegen sind, von welchen die frühere, die
ersten 24 Stücke umfassend, schon zur Zeit des Erzbischofs
Leodegar (1030 — 1070) da war. die spätere, mit dem Stücke
Gregors VII. beginnend, unter Guido hinzugefügt wurde.
Da auch für das Verfahren Duchesne's die älteste
Vienner Chronik von Belang ist, so dürfte es unumgäng-
lich sein, zuvörderst ihren Umfang und ihre Anordnung
zu betrachten und ihren Zusammenhang mit ähnlichen
Vienner Geschichtsquellen zu bestimmen.
Die Chronik beginnt mit dem ersten Bischof Crescens
und reicht bis auf Avitus; sie zählt in der Zeitfolge
15 Vienner Bischöfe her. in der Weise, dass Tag und Monat
— nicht auch das Jahr — des Todes vorangestellt wird
und danach im Genitiv der Name des stets als 'episcopus
Viennensis' gekennzeichneten Bischofs folgt; daran schliessen
sich bei den ersten drei Nachrichten über ihre apostolische
Sendung, als Zeitbestimmungen die Namen der römischen
Kaiser und Chlodovechs. unter welchen das Bisthum ver-
laufen ist, und endlich auch kirchengeschichtliche Angaben.
Der erste Bischof ist z. B. so angeführt:
'IUI. Kalendas Ianuarii — sancti Crescentis Vien-
nensis episcopi. Traditur primum Crescentem discipulum
Pauli apostoli Gallias venisse et Viennae aliquod temporis
resedisse hac verbum vite ibi primum predicasse' ; und der
zwölfte Abschnitt lautet:
'III. Nonas Maii — sancti Nicetae Viennensis epi-
scopi, sub quo Iustus sanctus episcopus Lugdunensis mirae
sanctitatis vir in Aegipto moritur; quem constat nutrituni
a sancto Paschasio beatique Claudii diaconum fuisse ; noruit
autem temporibus Graciani et Theodosii augustorum'.
Wenn Chevalier die Chronik auch zuerst herausgegeben
hat, so hat er damit dennoch nicht einen bisher unbe-
kannten Wortlaut veröffentlicht: ein Vergleich lehrt näm-
lich, dass die Angaben der ältesten Vienner Chronik fast
wortgetreu mit den Angaben des sogenannten Hagiologiums
übereinstimmen 1. Dieser Sachverhalt lässt sofort die Frage
nach dem Verhältnis beider Ueberlieferungen zu einander
aufwerfen.
Das Hagiologium ist weit umfänglicher als die Chro-
nik: der jüngste in ihm behandelte Bischof ist Leodegar,
welcher im Jahre 1070 starb. Könnte man daraufhin ge-
neigt sein, das Hagiologium für eine Fortsetzung der ihm
1) Es ist herausgegeben von Chevalier in den Documents ingdits
relatifs au Dauphine 2e volume (Grenoble 1868), 5e livraison p. 1—13.
266 Wilhelm Gundlach.
einverleibten Chronik zu halten, so macht die Anordnung
der einzelnen Angaben im Hagiologium den Eindruck
grösserer Ursprünglichkeit: sie sind nicht, wie in der
Chronik, nach der Zeitfolge der Bischöfe, sondern nach
den vorangestellten Gedächtnistagen kalendermässig anein-
ander gereiht, also zu einem Todtenbuch, als dessen Be-
standteil man jede beliebige Einzelangabe zunächst auf-
fassen möchte, zusammengestellt. Aber schon Chevaliers
Scharfblick hat erkannt, dass die kalendermässige Anord-
nung auf einen willkürlichen Eingriff zurückzuführen ist.
Die Angabe über den Bischof Pantagathus von Vienne,
dessen Todestag der 17. April ist, enthält nämlich die Be-
stimmung, 'qui floruit supradicti Iustiniani imperatoris
temporibus'. Da nun in der Kalenderordnung vor Panta-
gathus kein einziger Vienner Bischof als unter Justinian
lebend genannt wird, sondern nur in der Anordnung, welche
die Aufeinanderfolge der Vienner Bischöfe zum Ausdruck
bringt, unmittelbar vor Pantagatlms der Bischof Domninus
(Nov. 2) und vor diesem Iulianus (April 22) zu stehen
kommt, von welchen der eine durch die Bemerkung: 'Hie
sub Iustiniano seeundo principe floruit', der andere
durch: 'Hie sub Iustiniano imperatore floruit' bestimmt
ist, so muss die Anordnung der Angaben nach der Auf-
einanderfolge der Bischöfe als die echte, der Aufzeichnung
eigenthümliche angesehen werden1. Nun könnte ja noch
immer in dieser ursprünglichen Gestalt das Hagiologium
die Vorlage der ältesten Vienner Chronik gewesen sein -
die Meinung Chevaliers, dass diese schon im 10. Jahrh.
in die Berner Hs. A 9 eingetragen sei, lasse ich einstweilen
bei Seite — ; und dafür spricht der Umstand, dass in der
Chronik die Angabe über den Bischof Simplides aus den
1) Chevalier urtheilt mit Recht (L'universite catholique V, 501),
dass Estiennot, welcher das Hagiologium aus den Papieren Choriers ab-
geschrieben hat , die Umänderung vorgenommen habe ; denn der Ab-
schreiber bemerkt am Ende des Hagiologiums : 'Hucusque manuscriptus
codex ; seriem vero antistitum Viennensium sie texit' und stellt dann die
blossen Namen der im Hagiologium abgehandelten Bischöfe zusammen so,
wie diese auf einander gefolgt sind. Wenn in dieser Tabelle [Simplicius
und] Villicarius ausgelassen sind, so erklärt sich das, wie Duchesne (Fastes
episcopaux I, 168) meint, als ein einfaches Versehen sehr leicht aus dem
Umstände, dass [Simplicius und] Villicarius mit ihren Vorgängern [Nicetius
und] Austrobertus unter derselben Rubrik besprochen werden. 'On peut
donc', sagt Duchesne a. a. O., 'regärder l'Hagiologe et le catalogue qui
lui fait suite comme un seul et meine document ; le catalogue forme comme
la table de l'Hagiologe et permet de reconstituer, dans son ordre chrono-
logique primitif, la serie que l'Hagiologe disperse entre les jours du ca-
lendrier'.
Die Epistolae Vieunenses u. die älteste Vienner Chronik. 267
auf diesen Bischof und seinen Nachfolger Paschasius be-
züglichen Angaben des Hagiologiums zusammengezogen ist
— aus Unachtsamkeit; denn dass von Paschasius auch in
der Vorlage die Eede war, geht aus der Angabe über Ni-
cetas (s. oben) hervor, welcher ein Zögling des Paschasius
genannt wird — ; eine Nebeneinanderstellung lehrt es:
Aelteste Vienner Chronik.
III. Idus Februarii — ■
sancti Simplide Vien-
nensis episcopi, viri ut
fertur disertissimi et
sanctitatis precipui, qui
sub temporibus Diocle-
ciani et Valeriani floruit.
Hagiologium.
III. Idus Februarii —
sancti SimplicideVien-
nensis episcopi, sub tem-
pore Titi, Probi et Cari im-
peratorum ; cuius tempore
Manichaeorum haeresis exorta
est.
VIII. Kalendas Martii —
sancti Paschasii Viennensis
episcopi, viri ut fertur
disertissimi et sancti-
tatis praecipui, qui sub
temporibus Diocletiani
et Gralerii floruit.
Es spricht ferner dafür der Ueberschuss, welchen das Ha-
giologium in der Angabe über den Bischof Verus I.1 auf-
weist ; aber dagegen entscheidet die grössere Reichhaltig-
keit der Chronik in den Angaben über die Bischöfe Ma-
mertus und Avitus; über Mamertus z. B. berichtet
das Hagiologium : und die Chronik :
V. Idus Maii — sancti
Mamerti episcopi, viri
praecipuae sanctitatis
et doctrinae. Hie fuit
temporibus Arcadii et
Honorii imperatorum, quan-
do Turonensis episco-
pus, sanetus Martinus,
defunetus est. Iacet hie
pontifex in ecclesia
Apostolorum, foris mu-
V. Idus Maii — sancti
Mamerti Viennensis epi-
scopi, viri preeipue
sanctitatis et doctrine.
Hie fuit temporibus
Archadii et Honorii,
quando Turonensis epi-
scopus, sanetus Marti-
nus, defunetus est. Inter
huius episcopatum et beati
Martini obitum LXX cueur-
1) Der Zusatz: 'Tunc temporis apud Pontum Synopis civitatis epi-
scopus Phocas gloriosissime martyrium duxit, cuius sacratissimae reliquiae
translatae sunt in Galliam, civitatem Vienuaiu, ibique in ecclesia saneto-
ruin Apostolorum repositae' ist nahezu wörtlich der Chronik Ado's ent-
lehnt.
268
"Wilhelm Gundlach.
ruin civitatis, in dex
tera parte altaris
rerunt anni. Tempore huius
episcopatus Chlodoveus rex
Franc or um primus christia-
nns factus est, quem beatus
Remigius Remorum episcopus
cum exhercitu babtizavit. Ia-
cet hie pontifex Mamer-
tus in ecclesia Aposto-
lorum, foris murum ci-
vitatis, in dextera parte
altaris. A transitu igitur
saneti Martini Yiennensis epi-
scopi usque ad transitum
saneti Mamerti colliguntur
anni CCCXXXVIII. Perman-
sit hie in episcopatu usque
ad tempora Valentiniani et
Marciani augustorum, quando
sacra illa sinodus Calcidonen-
sis DCu,rumXXX episcoporum,
agente Leone pontifice, cae-
lebrata est, quando Euticeus
error confutatus est; huius
tempore et Ephesina prima
QQtorum epiSCoporurn, quando
Nestorius, duas personas in
domino Iesu Christo predi-
cans, anathematizatus est 1.
Danach ist doch wohl angesichts der Gedankenlosig-
keit, mit welcher die den Bischof Simplides betreifende
Angabe behandelt ist, der Schluss unabweisbar, dass Chro-
nik wie Hagiologium von derselben Vorlage abstammen.
Aber schon diese Vorlage dürfte nicht aus einem
Gusse gewesen sein; schon sie dürfte kritische Zusätze ent-
halten haben, welche sich gegen einzelne ihrer Angaben
richteten und vielleicht ursprünglich am Rande standen,
dann aber in den Text mit einbezogen wurden. Als eine
solche kritische Bemerkung sehe ich in dem ausgeschrie-
benen Abschnitt über Mamertus den Satz an : 'Inter huius
episcopatum et beati Martini obitum LXX cueurrerunt
anni ' ; denn er hebt die vorhergehende Angabe, dass Ma-
mertus lebte, als der h. Martin starb, geradezu auf. Ich
1) Auch hier ist Ado's Chronik die Quelle für die meisten Be-
merkungen, welche sich nicht im Hagiologium finden.
Die Epistolae Viennenses u. die älteste Vienner Chronik. 269
rechne weiter dahin die Worte, welche sich an die oben
S. 265 nritgetheilte Angabe über Nicetas anschliessen : Tost
hunc fnit beatns Simplicius episcopus, ad quem beatus
Zosimus papa scribit; qui tarnen in cathalogo nescimus qua
de causa non ponitur', weil 1. der kritische Tadel nicht
deutlicher zum Ausdruck gebracht werden kann, als es in
dem letzten Relativsatz geschieht, in welchem 'cathalogus'
gewiss nicht, wie Chevalier wähnt 1, auf einen 'catalogue an--
terieur', sondern eben auf die Vorlage der Chronik und
des Hagiologiums geht; weil 2. die Anführung des Bischofs
Simplicius der allgemeinen Regel durchaus zuwiderläuft,
nach welcher erst der Todestag und darauf der Name des
Bischofs im Genitiv genannt wird, und weil 3. auf einen
Papstbrief Bezug genommen wird. Der zweite und dritte
Grund treffen auch zu, um die Fortsetzung der oben S. 265
beigebrachten Angabe über Crescens, den ersten Vienner
Bischof: 'Commemorat hoc beatus Stephanus pontifex in
epistola quadam ad principem Francorum ; cui successit
Zacharias episcopus, martirio coronatus' als nachträglichen
Zusatz zu kennzeichnen.
Da nun die angezogenen Papstbriefe der Vienner
Sammlung angehören — der zweite ist, wie Chevalier
richtig erkannt hat, der Brief Pauls I. J.-E. 2367 — , so
wird nunmehr die Aufgabe drängend, für die Vorlage der
Chronik und des Hagiologiums die Entstehungszeit zu er-
mitteln: zu dieser Zeit müssen wenigstens die beiden ge-
nannten Stücke der Vienner Briefsammlung bereits vor-
handen gewesen sein 2.
1) Bulletin d'histoire ecclesiastique p. 188, n. 2. Chevalier ist übri-
gens nur Delisle gefolgt, welcher schon 1885 in der Histoire litteraire
XXIX, 451 die älteste Vienner Chronik besprochen hatte; er sagt hier:
'L'auteur de la compilation que le manuscrit de Berne nous a conservee
avait sous les yeux un catalogue anterieur. II le cite expressement
ä la fin de la note relative ä saint Nicetas (s. oben). L'ancien cata-
logue auquel il est ici fait allusion pourrait bien etre represente — der
Meinung ist Chevalier aber nicht — par une seche nomenclature que dorn
Estiennot a tiree des papiers de Chorier1. Wenn diese letztere auch in den
MG. SS. XIII, 875 zu finden ist, so ist doch leider weder für diesen (1881),
noch für den XXIV. Scriptores - Band (1879) die Angabe Hagens im Cata-
logus codicum Bernensium (1875) verwerthet worden — eine Unterlassung,
die wiederum daran schuld ist, dass ich die Chronik nicht für meine Ar-
beit benutzt habe. Auch schon das Hagiologium in ursprünglicher Ge-
stalt, sowie es Duchesne herausgegeben hat (vgl. oben S. 204, Anm. 5),
hätte vielleicht einen Platz in den MG. verdient. 2) Durch das Ergebnis
dieser Erörterung wird meine im N. A. XV, 90, Anm. 1 ausgesprochene
Meinung berichtigt: dass erst in der 1239 zusammengestellten Series epi-
scoporum Viennensium zum ersten Mal die Vienner Briefe benutzt wor-
den sind.
270 Wilhelm Gundlach.
Dass die Ausdehnung' der ältesten Vienner Chronik,
welche mit dem Bischof Avitus schliesst, keine Handhabe
bietet, ergiebt sich aus meinen Ausführungen über die
Verwandtschaft, in welcher Chronik und Hagiologium zu
einander stehen. Damit ist die Meinung Leopold Delisle's
beseitigt, welcher die Chronik 'au plus tard ä l'epoque
carlovingienne, peut-etre du temps et sous l'influence
d'Adon' redigiert glaubt1; auch hat die Vorlage der Chro-
nik und des Hagiologiums selbst im Grundstock eine Stelle,
durch welche Pritnatialgelüste des Bisthums Vienne sich
bekunden dürften : es sind die beiden aus Ado's Chronik
nicht belegbaren Angaben in dem Abschnitt über Avitus:
'Hie venerabilem abbatem monachorum Veranum episco-
pum Lugdunensibus dedit ; hie etiam sanetum Vivenciolum
de grege presbyterorum Dei electum eisdem episcopum de-
signavit'. Sie zeigen meines Erachtens, dass wie der Ur-
heber der kritischen Bemerkungen, so auch schon der Ver-
fasser der Chronik einer Zeit angehört, in welcher allein
mit Sicherheit derartige Bestrebungen bei einem Erzbischof
von Vienne nachgewiesen werden können : der Zeit Guidos,
frühestens dem Ausgang des 11. Jahrh.
Fasst man nun das Hagiologium mit der Absicht ins
Auge, aus etwa erkennbaren Abschnitten die Ausdehnung
der Vorlage und ihre Entstehungszeit zu erforschen, so
dürfte auch dieses Unternehmen ergebnislos ablaufen. Das
regelrechte Formular, nach welchem bei jedem Bischof der
Monatstag seines Todes vorangestellt und darauf sein Name
im Genitiv genannt wird, erfährt — unter 40 Nennungen ! 2
— nur dreimal eine geringfügige Abweichung, indem die
Namen des Desiderius, Etherius und Villicarius im Nomi-
nativ angeführt werden. Der Abschnitt über Villicarius
schliesst mit der Bemerkung, dass nach seinem Tode Vienne
einige Jahre ohne Bischof war; und nun, nach diesem
natürlichen Einschnitt, tritt allerdings eine allgemeinere
Aenderung des Formulars ein, indem von den 14 jüngsten
Vienner Bischöfen nur noch zwei, der 6., Ado, und der 8.,
Berno, nach dem bisher gebräuchlichen Formular genannt
werden, zwölf dagegen nach einem um 'Commemora-
tio' erweiterten, welches Wort zwischen Monatstag und
Namensgenitiv eingeschoben ist. Aber dieser Aeusserlich-
1) Histoire litteraire XXIX, 450. 2) Die Nennung des ersten
Bischofs Crescens hat im Hagiologium weder den eröffnenden Monatstag
noch den darauffolgenden Genitiv ; es ist aber bei der nahen Verwandt-
schaft zwischen Hagiologium und Chronik unbedenklich, hier die Chronik,
welche beides hat, zur Ergänzung heranzuziehen.
Die Epistolae Yiennenses u. die älteste Vienner Chronik. 271
keit darf man darum keinen Werth beimessen, weil durch
sachliche Besonderheiten die Angaben über die 14 jüngsten
Bischöfe einerseits nicht als geschlossener Abschnitt sich
darstellen, andererseits ihre Verwandtschaft mit den An-
gaben über die älteren Bischöfe bezeugen. Man kann wohl
bei jeder einen längeren Zeitraum begreifenden Bischofs-
liste die Beobachtung machen, dass die Genauigkeit um so
grösser wird, je näher ein Bischof der Zeit der Abfassung
steht, dass insbesondere die in der einfachen Aufeinander-
folge enthaltene Bestimmung dann durch die Summe der
Bisthumsjahre vervollständigt, diese endlich durch die An-
führung des Antritts- und Hintrittsjahres abgelöst wird.
Auch von den 14 jüngsten Vienner Bischöfen sind noch die
beiden ersten, Proculus und Ursus, wie die älteren nur durch
Namhaf tmachung zeitgenössischer Herrscher bestimmt ; dann
wird bei den 11 folgenden die Anzahl der Jahre angege-
ben, während welcher sie das Bisthum inne gehabt, und
bei dem letzten, Leodegar, das Todesjahr angeführt, was
ausnahmsweise sammt der Zahl der bischöflichen Jahre
auch schon bei einem der ältesten Bischöfe, Pantagathus,
vermerkt wird. Weiter wird die Begräbnisstelle bei allen
jüngeren Bischöfen, nur nicht bei ihrem ersten, Proculus,
dagegen auch schon bei 8 älteren, Mamertus, Avitus, Pan-
tagathus, Ysicius, Naamatus, Desiderius, Etherius und
Austrobertus, verzeichnet. Wenn ferner Ultraja, der dritte
unter den jüngsten Bischöfen, 'Boioarii generis homo' ge-
nannt wird, so findet sich auch schon bei älteren, bei De-
siderius ('Augustudunensis') und Paracodas ('sicut Dionysius
Graecus') die Herkunft berührt. Endlich dürfte auch für
diesen Theil des Hao-iologiums die Bekanntschaft seines
Verfassers mit dem schon für eine kritische Bemerkung
benutzten Paulus -Brief der Vienner Sammlung sich er-
geben. Die auf Ultraja bezügliche Angabe nämlich: 'Cuius
tempore, agente pio principe Carolo, parteni rerum sua-
rurn Viennensis ecclesia recepit' erinnert an den Vienner
Brief, in welchem Paul I. sich bei Karl dem Grossen für
die Vienner Kirche verwendet, 'quae prae ceteris humilior
rebus iam invenitur' — eine Vorstellung, deren Erfolg
aus dem nächsten Vienner Briefe (Hadrians) zu entnehmen
ist. Demnach wird man Duchesne 1, welcher über die
Formulare nur des siebenten bis dreizehnten unter den
jüngsten Bischöfen urtheilt : 'tout est evidemment du meme
jet', nicht beipflichten, insonderheit seine Ausschliessung
1) Fastes episcopaux I, 178.
272 Wilhelm Gundlach.
des letzten Bischofs Leodegar aus der Reihe noch durch
den Hinweis darauf ablehnen können, dass auch die noch
nicht belegten ihn betreffenden Angaben von einigem Be-
lang, wenngleich nicht immer bei den unmittelbar vorher-
gehenden Bischöfen, so doch bei älteren Vorgängern auf-
zuzeigen sind. So ist Leodegars Charakterisierung als Erz-
bischof auch bei dem vorletzten Bischof Burchard ersicht-
lich ; die Verwandtschaft mit dem Könige ('consanguinitatis
linea Henrico primo Gallorum regi coniunctus) wird auch
dem Bischof Boaldus nachgesagt ('affinis Francorum regi-
bus); und die schliesslich unter Leodegar erwähnte Be-
reicherung der Vienner Kirche hat schon früher gleichfalls
in der Angabe über Boaldus ein Seitenstück ('Viennensem
ecclesiam rebus auxit'). Die Meinung Duchesne's ist durch
nichts anderes begründet als durch seinen Wunsch, dass
das Hagiologium unter Leodegar abgefasst sein möge; denn
nur unter dieser Voraussetzung ist die gegen mich ver-
fochtene Meinung, auf welche ich alsbald eingehen werde,
haltbar. Lässt man nun aber die Angabe über Leodegar
im Verbände des ganzen Hagiologiums, so zwingt die An-
setzung seines Todes 'circa annum Domini MXL' dazu, die
Abfassungszeit beträchtlich nach seinem Abscheiden anzu-
nehmen ; denn das dem Verfasser anscheinend nur noch
ungefähr (circa!) bestimmbare Datum schliesst, wie schon
Chevalier hervorgehoben hat 1, einen so groben Irrtimm
in sich — Leodegar ist nicht 1040, sondern 1070 gestor-
ben — , dass man die Abfassung des Vermerks und des
ganzen Hagiologiums ziemlich weit nach Leodegars Tod
hinausschieben muss: lpeut-etre\ wie Chevalier meint, 'ä
l'episcopat de Guy de Bourgogne'.
Sonach hindert nichts, der gemeinsamen Vorlage der
ältesten Vienner Chronik und des Hagiologiums dieselbe
Ausdehnung zuzuschreiben, wie sie das Hagiologium heute
noch hat, sie in derselben Zeit wie dieses, d. h. am Ende
des 11. Jahrh., entstanden sein zu lassen. Dass die Chro-
nik nur ein Bruchstück dieser Vorlage wiedergiebt, nicht
über Avitus hinausreicht, wäre dann, so kann man vor-
läufig annehmen, etwa durch die Unlust des Schreibers
über diese ausführlichste Angabe hinaus seine Arbeit fort-
zusetzen veranlasst.
Aber nun kommt Chevalier mit seiner Einrede: 'L'ecri-
ture — der Chronik in der Berner Hs. — est du dixieme
siecle' ! Wenn sein Urtheil treffend wäre, so müssten in
1) L'universite catholique V, 503.
Die Epistolae Viennenses u. die älteste Vienner Chronik. 273
der für Chronik und Hagiologiuui anzunehmenden Vorlage
mindestens die Angaben über die Bischöfe des 11. Jahrh.
nachgetragen und wenigstens diejenigen Vienner Briefe,
auf welche in der Chronik Bezug genommen wird, schon
im 10. Jahrh. zur Hand gewesen sein.
Indessen schon Duchesne kehrt sich hier gegen Che-
valier; er sagt (Bulletin critique XII, 245): lOn sait com-
bien il est difficile de dater sürement les ecritures de ces
temps-lä. Cependant il me parait difficile, ä moi aussi —
et je parle ayant sous les yeux la Photographie de la piece,
communiquee obligeamment par M. L. Delisle — il me
parait difficile de descendre jusqu'au XII e siecle. Je ne
serais pas porte a remonter au Xe'. Ohne also hier mit
voller Entschiedenheit das 12. Jahrh. als Entstehungszeit
auszuschliesseii, nimmt er das 11. Jahrh. an1. Um mich
nun nicht dem Vorwurf auszusetzen, als wähle ich ledig-
lich wegen meiner Anschauung über die Ursprungszeit der
Vienner Briefe zwischen den Urtheilen Chevaliers und Du-
chesnes, habe ich eine erneute Prüfung der Berner Hs.
für nöthig erachtet : ich habe die ganze Frage Herrn Pro-
fessor Hermann Hagen in Bern zur Entscheidung unter-
breitet. Seine gütigst ertheilte Auskunft hat mich darüber
belehrt, dass die von einer Hand herrührende Schrift der
Chronik durch zahlreiche Eigenheiten von der, in welcher
die Bibelübersetzung gehalten ist, sich unterscheidet, dass
sie 'bedeutend jünger' aussieht und dem 11. Jahrh. zuge-
schrieben werden kann 2. Das Urtheil ist abgegeben unter
der Voraussetzung, dass der Schreiber der Vienner Chronik
ohne jeden Hintergedanken seiner Schrift den Ausdruck
ihres Zeitalters belassen hat; aber diese Voraussetzung
unterliegt so wenig einer zwingenden Notwendigkeit, dass
vielmehr eine andere Auffassung wahrscheinlich werden
dürfte. Die Berner Hs. A9 ist jedenfalls einmal inVienne
gewesen: darauf deutet nicht bloss die Vienner Chronik
selbst, sondern noch ein anderes Stück (fol. 248'), welches
Hagen bestimmt als 'Stipulatio quaedam, qua dux nescio
quis episcopatum Viennensem nullo modo se laesurum
1) Vgl. Fastes episcopaux I, 164. 2) Auch de Rossi urtheilt so,
wie ich hinterher gefunden habe; er sagt (Inscriptiones christianae urbis
ßomae II, 1, 264): 'In codice sacrorum bibliorum olim ecclesiae Viennensis,
nunc bibliothecae Bernensis A 9, pagina forte vacua remanserat , quae
manu saeculi fere XL impleta est chronico historico nondum, opinor,
edito episcoporum Viennensium a Crescente primo episcopo ad Avituin.
Cuius paginae imaginem photographam prae oculis habeo beneficio Leo-
poldi Delisle'.
274 Wilhelm Gundlach.
profitetur', und zwar eben noch zu einer Zeit, auf welche
es hier besonders ankommt, da das Stück nach Hagens
Angabe von zwei Händen 'saec. XI. — XII.' geschrieben
ist1. Diese Bestimmung gestattet gerade Guido's Bisthum
(1094 — 1121) in Betracht zu nehmen, und gegen ihn, wel-
cher der Urheber des Pseudo -Turpinus ist und unzweifel-
haft in dem Streite mit dem Bischof Hugo von Grenoble
um die Grafschaft Sermorens 2 gefälschter Schriftstücke
sich bedient hat — gegen ihn den Verdacht zu äussern,
dass er die im 10. Jahrh. geschriebene Bibelhandschrift
benutzt habe, um an einem unauffälligen Orte durch die
Vienner Chronik die Erwähnung zweier Epistolae Vien-
nenses emzuschwärzen. Dass man den Schriftzeichen ge-
flissentlich ein älteres Aussehen gab, als für das Ende des
11. oder den Anfang des 12. Jahrh. sonst zu erwarten
wäre, ist danach natürlich und die Fähigkeit dazu in dem
Vienne des Erzbischofs Guido nicht zu bezweifeln ; wird
uns doch ausdrücklich bezeugt, dass der Erzbischof ei11©11
Schriftkundigen an der Hand gehabt hat, welcher es ver-
stand, seinen Machwerken den Schein eines hohen Alters
zu verleihen3.
Damit darf wohl der Einwurf Chevaliers als abge-
wiesen erachtet werden.
Ungleich eingehender als Chevalier hat Duchesne auf
die Angelegenheit sich eingelassen; er ist von einer Kritik
meiner Auffassung dazu fortgeschritten, über die Ent-
stehungszeit der Vienner Briefe einen umfänglichen Gegen-
beweis zu führen. In seiner Recension erkennt er an
(p. 244): kM. Gundlach etablit, avec succes, je crois, que
toutes les pieces Viennoises trahissent la rnenie intention,
lintention d'affirmer le droit primatial de l'archeveque de
Vienne sur les Sept Provinces, c'est-ä-dire sur les trois
provinces Aquitaniques, sur les deux Narbonnaises, sur la
Viennoise et les Alpes maritimes', er giebt weiter zu: 'Quant
ä la primatie, il faut bien reconnaitre que, avant Guy de
Bourgogne, il n'y a pas la moindre trace dune teile pre-
1) Vgl. auch Hagen 1. c. p. XII: 'Haud pauci extant Codices Ber-
nenses ex claustro Floriacensi petiti' und p. XVIII: 'Omnes fere nostrae
bibliothecae saeculi IX. vel X. libri ad claustrum Floriacense sive Petrum
Danielein — cf. p. XI — XIV — referendi sunt'. Denselben Fundort —
la bibhotheque de Saint -Benoit sur Loire — geben, wie ich N. A. XV,
18, Anm. 2 bemerkt habe, auch Charvet und Maupertuis für einzelne
Stücke der Vienner Briefsammlung an. 2) So, nicht Salmorenc, wie
ich nach Bresslau's Vorgang stets geschrieben habe, heisst die Grafschaft.
3) Vgl. N. A. XV, 100. 98.
Die Epistolae Vierinenses u. die älteste Vienner Chronik. 275
tention chez les archeveques de Vienne' ; und trotzdem will
er die Vienner Briefe in zwei Gruppen zerlegen : LLes que-
relles' erläutert er p. 245 seine Anschauung, 'que l'on sait
avoir interesse Guy de Bourgogne, c'est-ä-dire Celles de
Sermorens et de B-oraans, n'ont laisse aucune trace dans
les plus anciens documents, depuis les lettres de Pie I
jusqu'ä celle de Leon IX. II neu est question que dans
les lettres f abriquees sous le nom de Gregoire VII. et d'Ur-
bain II. Ces dernieres n'auraient-elles pu etre ajoutees
apres coup, comme complement ä une collection dejä for-
mee?' — Dieser Gedanke hat ihn offenbar dahin geleitet,
jenes Beweisverfahren anzustrengen, welches jetzt in den
Fastes episcopaux I, 162—179 vorliegt.
Schon Chevalier hatte hingewiesen x auf eine Angabe
des Chronicon Novaliciense (SS. VII, 127: Hoc tempore
Leodegarius archiepiscopus Viennensis vitam et mores, ortus
et actus suorum antecessorum archiepiscoporum scribendo
colligere curavit), nach welcher Leodegar eine Geschichte
seiner Amtsvorgänger habe verfassen lassen, und diese An-
gabe in Beziehung gebracht zu einer Urkunde des näm-
lichen Bischofs vom 12. November 1068, in welcher er sich
als den 61. aller Vienner Bischöfe bezeichnet'2, um darauf-
hin die Meinung Estiennots zurückzuweisen, welcher am
Schlüsse der Series antistitum Viennensium, der Tabelle
zum Hagiologium, betreffs Leodegars sagt: lin quo desinit
manuscriptus codex, quem eo sedente exaratum fuisse fa-
cile opinor'. Denn, so begründet Chevalier seine Zurück-
weisung3, wären das Hagiologium und die Series unter
Leodegar entstanden, so dürfte er in ihnen nicht, wie es
nach der Zählung Estiennots der Fall ist, den 54. Platz4,
er müsste den 61. einnehmen.
Hier setzt nun Duchesne ein, indem er darauf auf-
merksam macht, dass es doch eine Liste giebt, in welcher
Leodegar als der 61. Bischof erscheint; das ist diejenige,
welche du Boys im Laevum Xyston seines 1605 gedruckten
Buches Floriacensis vetus Bibliotheca zur Kenntnis bringt.
Mit ihr stimmt seines Erachtens die Liste der Vienner
1) L'universite catliolique V, 501. 2) Es handelt sich in der von
G-iraud (Cartulaire de Romans P, 171) abgedruckten Urkunde um ein
Rechtsgeschäft 'inter domnum Leudegarium, Viennensem archiepiscopum
sexagesimum primum et Rollannuni abbatem nonum coenobii Montis Ma-
ioris' (nach Chevalier ibidem). 3) Vgl. auch Documents inedits II, 5,
p. 13, N. 19. 4) Da Estiennot, wie oben S. 266, Anm. 1 angemerkt,
Simplicius und Villicarius nicht mitgezählt hat, so kommt dem Bischof
Leodegar die 56. Stelle zu.
276 Wilhelm Gundlach.
Bischöfe vom Jahre 1239 (SS. XXIV, 811) bis auf eine
Abweichung überein: sie hat den Bischof Verus II. nicht
oder vielmehr sie identifiziert ihn mit dem Bischof Clau-
dius, welcher darum den Doppelnamen Claudius Verus er-
hält. Daraufhin glaubt sich Duchesne zu dem Schluss be-
fugt, dass du Boys und der Verfasser der Liste von 1239
derselben Ueberlieferung gefolgt sind, einer Ueberlief erung,
welche, das dürfe man von vornherein annehmen, an den
von Leodegar herrührenden Text anschliesst. Nun ist aber
nach Ausweis der auf uns gekommenen Bischofslisten die
vor 1239 liegende Ueberlieferung durchaus nicht einheit-
lich, und Duchesne muss, ehe er weiter vorgeht, zunächst
den Versuch machen, die erforderliche Einheitlichkeit her-
zustellen. Das Hagiologium 1 unterscheidet sich von Ado's
Liste an zwei Stellen: 1. Bertericus, welcher in Ado's
Chronik und der Liste von 1239 genannt wird, ist im
Hagiologium ausgelassen — wie Duchesne (p. 169, N. 1)
meint 'par une distraction de celui qui a distribue les
notices suivant 1' ordre du calendrier' ; 2. das Hagiologium
kennt den von Ado als Vorgänger des Blidrannus ange-
führten Bischof Deodatus nicht; es hat aber dafür als
Nachfolger des Blidrannus einen Bischof Agratus, welcher
von den späteren Verzeichnissen beibehalten ist — Duchesne
nimmt hier an (p. 171), lqu' Agratus n'est qu'une faute de
copiste pour Deodatus'. Können diese beiden Abweichun-
gen als unerheblich angesehen werden, dann ist eine ein-
heitliche Ueberlieferung hergestellt, in welcher Ado der
48. und Leodegar, der achte nach ihm, der 56. in der
Reihe aller Vienner Bischöfe ist. Damit nun Leodegar der
61. werde, braucht es nur noch fünf eingeschobener
Namen: der erste wird dadurch gewonnen, dass in der
Liste von 1239 sowohl Deodatus als Agratus figurieren; und
die anderen sind Desiderius (L), Simplicius, Wolferius und
Wolfericus, um welche die Liste von 1239 reicher als das
Hagiologium ist. Zur Zeit des Bischofs Leodegar nimmt
Duchesne also zwei Arten von Bischofsverzeichnissen an :
die eine Art stellte im wesentlichen die Ueberlieferung
Ado's dar, nach welcher Leodegar der 56. Bischof war;
1) Nach den gepflogenen Erörterungen kann mit ihm die älteste
Vienner Chronik (vgl. oben S. 265 ff.) und die Series antistitum Viennensium
(vgl. oben S. 266, Anm. 1) gleich gesetzt werden. Zwischen dieser Ueber-
lieferungsform und Ado's Chronik ist ein anscheinend aus dem 10. Jahrh.
stammendes Calendarium erhalten, das aber darum hier nicht in Betracht
kommt, weil es keine Vollständigkeit in der Aufzählung der Vienner
Bischöfe anstrebt; vgl. Chevalier in L'universite catholique V, 498. 499.
Die Epistolae Viennenses u. die älteste Vienner Chronik. 277
die andere, erst in der Liste von 1239 erhalten, war um
die fünf angeführten Namen erweitert : nur nach ihr konnte
sich im Jahre 1068 Leodegar als den 61. Vienner Bischof
bezeichnen. Weil nun aber drei der eingeschobenen Bischöfe
Desiderius, Simplicius und Wolferius durch die gefälschten
Vienner Briefe und Wolfericus durch eine mit ihnen ent-
standene Urkunde Karls des Kahlen l dargeboten sind, so
müssen nach Duchesne auch die Vienner Briefe schon 1068
vorhanden gewesen sein. Dieser Zeitpunkt schliesst ja von
selbst den einheitlichen Ursprung aller Vienner Briefe aus :
Duchesne scheidet als nachträglich unter Guido hinzu-
gefügte Gruppe die Stücke aus, welche den Namen Gre-
gors VII., Urbans II. und Paschais II. tragen, zumal nur
in ihnen die beiden Angelegenheiten, welche den Erzbischof
Guido so sehr beschäftigt haben: die der Abtei des h.
Barnard in Fnomans und der Grafschaft Sermorens, be-
handelt werden, und bestimmt als Entstehungszeit der
ersten Gruppe, weil ihr letztes Stück auf den Namen des
Papstes Leo IX. (1048—1054) gefälscht ist, die Jahre 1054
bis 1068, etwa ihre Mitte, d. h. das Jahr 1060.
Wenig später soll nach Duchesnes Meinung der Liber
episcopalis Viennensis ecclesiae abgefasst sein, das ist die
von Leodegar angeregte Geschichte seiner Amtsvorgänger,
welche nicht verloren, sondern das Hagiologium in seiner
ursprünglichen Gestalt ist. Denn so wenig auch sein In-
halt dem durch das Chronicon Novaliciense angegebenen
Thema (vitam et mores, ortus et actus) zu genügen scheine,
es sei doch beachtenswerth, dass die Urheber der Bischofs-
verzeichnisse im 13. und den folgenden Jahrhunderten eben
keine andere Bisthumsgeschichte vorgefunden haben, und
sonst doch recht sonderbar, dass der Liber episcopalis
Leodegars vor dem 13. Jahrh. ohne Spur sollte verschwun-
den sein. Natürlich kann in seiner ursprünglichen Anlage
nicht, wie es im Hagiologium geschieht, ein Vermerk über
den Tod seines Urhebers angebracht gewesen sein ; es kann
auch nicht geschehen sein in der 'zweiten Ausgabe des
Liber episcopalis', welche Duchesne noch vor 1068 ansetzt
und von der ersten dadurch unterscheidet, dass die Bischofs-
reihe jetzt nach Massgabe der Liste von 1239 abgeändert
sei. Den sehr nahe liegenden Einwand, dass man auch in
'der ersten Ausgabe' den Bischof Leodegar doch wohl an
61. Stelle zu finden erwarten kann, sucht Duchesne (p. 178)
1) Ich habe von dieser Urkunde gesprochen N. A. XIV, 254, Anm. 2
und XV, 60, Anm. 4.
Neues Archiv etc. XX. 19
278 Wilhelm Ghmdlach.
folgenderniassen hinweg zu erörtern : 'L'archeveque anra pn
n'accorcler d'abord qu'une attention restreinte aux faux Privi-
leges et surtout a la perturbation qu' ils introduisaient dans
la serie acceptee et datee par Adon: c'est l'etat d'esprit dont
ternoigne le livre episcopal. Avec le temps, quelqu'un de
ses clercs, peut-etre l'autenr meme des faux privileges,
aura combine ceux-ci avec le livre episcopal nouvellement
paru; l'archeveque, dejä bien dispose pour les faux Privi-
leges, se sera decide ä corriger Adon d'apres leurs indi-
cations, et, de cette facon, il se sera attribue la Gle place
dans la serie episcopale ; il en etait la quand il fit rediger
la lettre du 12 novembre 1068'.
Den Beschluss des ganzen Verfahrens macht der
lateinische Wortlaut des Liber episcopalis Viennensis eccle-
siae erster Ausgabe nach der ältesten Vienuer Chronik und
dem Hagiologium in seiner ursprünglichen Fassung.
Diesem Verfahren gegenüber werde ich nun zeigen,
1. dass es nur aus einer Kette von Unwahrscheinlichkeiten
besteht und nicht das beweist, was es beweisen soll, und
2. dass den vor 1239 erhaltenen Bischofslisten zufolge Leode-
gar sich als 61. Bischof hat bezeichnen können, ohne dass
auf die Epistolae Viennenses dabei Rücksicht zu nehmen ist.
Der Bischofsliste, welche du Boys veröffentlicht hat,
kommt gar nicht die selbständige Bedeutung zu, welche
Duchesne ihr beimisst; denn sie ist augenscheinlich aus
dem Hagiologium und der Liste von 1239 zusammen-
gewirkt 1.
Dass wesentlich das Hagiologium in seinem ursprüng-
lichen Stande für den Bericht, durch welchen du Boys die
einzelnen Brieftexte an einander reiht, benutzt ist, lehrt
eine Nebeneinanderstellung :
Hagiologium.
Traditur autem 2 p r i m u m
Crescentem discipulum
beati2 Pauli apostoli3
Gallias venisse et Viennae
aliquod temporis rese-
disse ac verbum vitae
ibi primum praedicasse:
c o m m e m o r a t hoc beatus
du Boys.
(p. 21) Paulus aposto-
lus . . . ecclesiam Viennen-
sem instituit . . ., ubi ver-
bum vitae primo prae-
dicans, aliquod tempo-
ris resedit ac inde discedens
in ea sui loco Crescen-
tem Christi discipulum
1) Man vergleiche bezüglich der Bischofsnamen die von Chevalier
aufgestellten Tabellen F und H mit M : L'universite catholique V, 507 ff",
und 522 ff. 2) Fehlt in der Chronik. 3) Fehlt im Hagiologium.
Die Epistoiae Viennenses u. die älteste Vienner Chronik. 279
Stephanus papa1 iu epi-
stola quadam ad prin-
cipem Francorum. . . .
Kalendis Iulii — beati
M a r t i n i Vieunensis epi-
scopi; hie a sanetis apo-
s t o 1 i s Viennain niissus, quae
urbs eo tempore2 in Gal-
liis florentissima erat,
iniunetum sibi officium longe
lateque praedicando et do-
cendo beatissimo fine com-
plevit ; floruit s u b tempori-
bus Neronis , Vespasiani
et Titi; cuius festivitas agi-
tur Kalendis Iulii.
III.3 Nonas Ianuarii
— saneti Florentii Vieu-
nensis episcopi, cuius episco-
patus et vita floruit Gor-
diani, Philip pi, Decii,
Galli et Yolusiani im-
peratorum 4 temporibus,
quando Novatus, beati
Cjpriani presbiter, Ro-
main v e n i e n s , N o v a c i a -
nam haeresim condidit.
XVIII.5 Kalendas Ia-
nuarii — saneti Lupicini
Vieunensis episcopi; hie flo-
ruit Valeriani et Gallieni
temporibus, quando sanetus
Cyprianus passus est, et
tempore4 Claudii, sub
quo Paulus haeresiar-
ches, et Aureliani tem-
poribus.
| primum episcopum ordina-
j vit, uti Paulus papa in qua-
dam epistola ad quendam
prineipem Francorum
inferius commemorat.
(p. 22) . . . saneti apo-
s t o 1 i tertium episcopum
ad hanc tunc temporis in
Galliis florentissimam
civitatem direxeruut Marti-
num . . . tandem sub Ve-
spasiano placido fine ob-
dormivit, annua a successori-
bus memoria Kalendis Iulii
honoratus.
(p. 26) . . . sanetus Flo-
rentius qui tempore Gor-
dia n i , Philippi, Decii,
Galli et Volusiani decu-
currit , quando Novatus,
beati Cjpriani presbj-
ter, Eomam veniens, No-
va ti an am haeresim con-
d i d i t. Anniversaria eius dies
est III. Nonas Ianuarii.
. . . beatus Lupicinus
martyr, qui cathedram rexit,
dum Valerianus et Gal-
li enus in humanis degebant,
sub quibus sanetus Cy-
p r i a n u s martyrio enituit ;
attigit etiam tempora Clau-
dii, sub quo Paulus erat
haeresiarcha et devenit
usque ad Aurelianum; co-
litur VIII. Kalendas Ia-
nuarii.
1) 'pontifex' Chron. ; 'papa pontifex' Hag. 2) 'eo tempore' fehlt
im Hag. 3) 'IIH.' Chron. 4) Fehlt in der Chron. 5) 'XVIIIJ7
Chron.
19*
280
Wilhelm Guudlach.
II. Idus Noveinbris1
— sancti Ysicii Viennensis
episcopi, senatoriae dig-
nitatis primum viri, cui
fuerunt duo filii infula
sacerdotali praeclaris-
simi, Apollina r i s scili-
cet 2, Valentinae urbis
beatissimus episcopus, et Avi-
tus, qui patri Viennae
successit. F 1 o r u i t sub
Leone imperatore et Ze-
il o n e ; cuius tempore cor-
pus Barnabae apostoli et
e v a n g e 1 i u m Mattbaei
eius stilo scriptum, ipso3
r e v e 1 a n t e , repertum est.
Francis autem adhuc regna-
bat Clilodovaeus.
(p. 31). Huic autem succes-
sit beatissimus Ysicius, se-
natoriae primum vir dig-
nitatis, cui fuerunt duo
filii sacerdotali infula
praeclarissimi, nempe
Apolinaris, Valentinae
urbis antistes, et Avitus,
qui Ysicio patri in Vien-
n e n s i episcopatu succes-
sit. Floruit vero Ysicius
sub Leone imperatore
necnon sub Zenoue, reg-
n a n t e in Francia C h 1 o d o -
vaeo primo, qua etiam aetate
corpus beati Barnabae
cum evangelio manu beati
Mattbaei evangelistae
scripto, ipso revelaiite,
repertum f uit. Memoria
eius habetur XL Idus No-
vembris.
Wenn du Boys, wie die angemerkten Varianten er-
sehen lassen, bald mit dem Hagiolog'ium in seinem jetzigen
Stande, bald mit der Vienner Chronik übereinstimmt, so
folgt daraus, dass er eben ihre gemeinsame Vorlage seinem
Bericht zu Grunde gelegt hat.
Was die Liste von 1239 anlangt, so ergiebt sich ihre Be-
nutzung schon aus dem einen Umstände, dass der alte Bischof
Desiderius, der Nachfolger des Justus, von allen überhaupt
bekannten Bischofslisten nur in der von 1239 und bei du
Boys erscheint. Es ist ein Grundirrthum Duchesne's, an-
zunehmen, dass die Fälschung der Vienner Briefe diesen
Vienner Bischof eingeschmuggelt habe : sein Name hat nie-
mals darin gestanden, er ist nach meiner Ueberzeugung
von du Boys oder seinem Cartular gerade auf Grund der
Liste von 1239 eingeschwärzt worden. Der dritte Vienner
Brief ist nämlich nach der verlässlichsten Ueberlieferung,
nach le Lievre und Charvet4, von dem Papste Victor I.
an den Bischof Dionysius von Vienne — 'collega bea-
tissime' nennt ihn der Papst — gerichtet und dazu be-
stimmt, durch den Bischof 'omnes Galliarum presbyteros'
1) «XII. Kalendas Aprüis' Chron.
4) Vgl. N. A. XV, 13-21.
2) Fehlt im Hag. 3) 'Christo'
Die Epistolae Vieimenses u. die älteste Vienner Chronik. 281
mit der rechten Auffassung in der Osterfrage zu versehen.
Genau denselben Zweck verfolgt derselbe Papst Victor in
dem folgenden Briefe, welcher an den Bischof Paracodas
von Vienne, den Nachfolger des Dionysius, gerichtet ist:
auch Paracodas soll 'per ecclesias sibi commissas' die wahre
Anschauung über die Feier des Osterfestes verbreiten.
Wenn nun dieser Brief mit den Worten beginnt: 'C ol-
le ga noster Dionysius dormiens te nobis socium in ec-
clesia Christi reliquit', so sollte man doch wohl erwarten,
dass die von du Boys vertretene minderwerthige Ueber-
lieferung auch hier an Stelle des Dionysius den Desiderius
nannte; da das aber nicht der Fall ist, dürfte es augen-
fällig werden, dass du Boys oder der fälschende Schreiber
seines Cartulars, um dem ganz in der Luft schwebenden
Desiderius einen Halt zu verschaffen, in dem einen Brief
des Papstes Victor den Namen des Empfängers Dionysius
unbefugt in Desiderius verwandelt, die entsprechende Aen-
derung in dem andern Briefe Victors vorzunehmen aber
vergessen hat. Die Erwägung, durch welche Duchesne die
Einführung des Desiderius in die Vienner Bischofsreihe
verständlich macht (p. 165. 166): man habe in Vienne nur
die allgemeine Vorstellung gehabt, dass der seit mehreren
Jahrhunderten in der Vienner Kirche verehrte Märtyrer
Desiderius in der Zeit der berühmtesten Blutzeugen gelebt
habe, und ihn demnach in das letzte Viertel des zweiten
Jahrhunderts versetzt — diese Erwägung lässt nicht er-
sehen, dass die Einführung gerade im 11. Jahrh. geschehen
sei — sie kann ebenso gut in einem andern, z. B. erst im
13. bei der Zusammenstellung der Liste von 1239 erfolgt
sein — , schliesst aber völlig die Möglichkeit aus, dass le
Lievre und Charvet, wenn ihnen in ihrer besseren Ueber-
lieferung der Name des Desiderius geboten worden wäre,
ihn zweimal in Dionysius umgewandelt hätten.
Erst durch Combination der Liste von 1239 mit dem
Hagiologium ist also du Boys dahin gelangt, den Erzbischof
Leodegar als den 61. in der Reihe seiner Amtsbrüder zu
bezeichnen: es ist sonach — denn von dieser durch ge-
lehrte Thätigkeit gewonnenen Liste darf man absehen —
nicht ein einziges Verzeichnis Vienner Bischöfe überliefert,
in welchem Leodegar die 61. Stelle einnähme.
Weiter hatte Duchesne die Liste aus dem Jahre 1239
zu einem Mittelgliede zwischen du Boys' Aufstellung und
einem vermuthlich von Leodegar herrührenden Text ge-
macht, indem er annahm, dass der siebenundzwan-
zigste Bischof Verus IL nur dadurch ausgefallen und
282 Wilhelm Gundlach.
Leodegar auf den 60. Platz herabgerückt sei, dass der
dreizehnte Bischof Claudius den Doppelnamen Claudius
Yerus erhalten habe. So geistvoll Duchesne das annehm-
bar zu machen sucht — er meint (p. 166. 167): weil Ado
aus Claudius einen Zeitgenossen des Arier Concils von 314
mache, man aber in den Concilsacten den Vienner Bischof
Yerus aufgeführt fand, habe man beide Namen combiniert
und dann Verus II. als 27. Bischof gestrichen — , es ist
doch nur ein Phantasiegebilde, mit welchem er uns hier
abfindet; denn derselbe Ado, welcher zu dieser sonderbaren
Verschiebung den Anlass gegeben haben soll, bezeichnet
Yerus IL klar und deutlich als dem Ende des 6. Jahrh.
angehörig, verbietet also gleichzeitig, da sein Gewicht an
einer Stelle nicht grösser sein kann, als an der andern,
den Bischof dem Anfang des 4. Jahrh. zuzuweisen. Dass
das Fehlen des Bischofs Yerus II. in der Liste von 1239
auf einem organischen Mangel beruht, wird durch eine
Liste des 14. Jahrh. dargethan, welche den Namen 'Fun-
datio sanctae Yiennensis ecclesiae' trägt l : unabhängig von
der Liste des Jahres 1239 — denn sie hat nicht wie diese
die Namen Desiderius und Proculus, dagegen den Bischof
Landolmus, welchen diese nicht kennt — , führt die Fun-
datio auch den Bischof Yerus II. nicht auf, ohne darum
den Bischof Claudius mit dem Doppelnamen zu benennen.
Auch bei dem Bestreben, Einheitlichkeit zwischen der
Ueberlieferung Ado's und der des Hagiologiums herzu-
stellen, ist Duchesne nicht glücklich gewesen. Die Aus-
lassung des Bertericus im Hagiologium kann nicht, wie er
annimmt, verschuldet sein durch ein Yersehen dessen, wel-
cher die einzelnen ursprünglich nach der Bischofsfolge
chronologisch geordneten Angaben in die Kalenderordnung
vertheilte ; denn die in der Hs. an das Hagiologium sich
anschliessende Uebersichtstabelle, welche allein die Aufein-
anderfolge der Vienner Bischöfe und damit die ursprüng-
liche Gestalt des Hagiologiums veranschaulicht, ist doch
wohl nach seiner ursprünglichen Fassung zusammengestellt:
es ist ausgeschlossen, dass die Tabelle hinterher mit an-
deren Hülfsmitteln aus den kaleudermässig geordneten An-
gaben mühselig erarbeitet worden ist — und diese Tabelle
lässt auch den Namen Bertericus aus. Ferner ist die Zu-
muthung, welche Duchesne an seine Leser stellt: den
Bischofsnamen Agratus als einen Schreibfehler für Deo-
1) Sie ist von Chevalier herausgegeben in den Documents inedits
II, 5, p. 14—19.
Die Epistolae Viennenses u. die älteste Viemier Chronik. 283
datus anzusehen, auch wenn die Namen in jeder Liste an
derselben Stelle ständen, so arg-, dass er kaum irgendwo
auf Zustimmung rechnen darf; nun ist aber gar, wie Du-
chesne selber angiebt, Deodatus in Ado's Chronik der Vor-
gänger des Blidrannus, im Hagiologium dagegen Agratus
der Nachfolger desselben Blidrannus ! Endlich hat Du-
chesne ganz übersehen, dass zwischen Ado und dem Ha-
giologium noch eine dritte Verschiedenheit obwaltet: im
Hagiologium ist vor Mamertus, welcher bei Ado unmittel-
bar auf Nicetius folgt, noch Simplicius eingeschoben 1. So
ergiebt sich denn, dass die Listen bei Ado und im Hagio-
logium einschliesslich Ado's zwar in der Zahl übereinstim-
mend 48 Bischöfe aufzählen, dass aber die eine Deodatus
und Bertericus für sich allein, die andere statt dieser
Namen Simplicius und Agratus ausschliesslich hat.
Stellt man nun auch alle diese Namen in eine ein-
zige Liste ein, nach welcher also Ado der 50., Leodegar
der 58. Bischof wäre, so reichen auch die beiden Namen,
welche Duchesne ausser Simplicius noch aus den Vienner
Briefen und der gefälschten Urkunde Karls des Kahlen bei-
bringt: Wolferius und Wolfericus — denn dass Desiderius
nicht hierher gehört, glaube ich oben gezeigt zu haben —
noch nicht aus, um Leodegar den 61. Platz in der Reihe
seiner Amtsbrüder zu verschaffen : er ist und bleibt vor
der Liste du Boys' der 60. Bischof.
Dem Bischof zu seinem urkundlich in Anspruch ge-
nommenen Platz zu verhelfen, dazu giebt es nur ein Mittel,
welches Duchesne selbst schon unbewusst zu verwenden
begonnen hat. Er setzt (p. 165) vortrefflich, wie mir scheint,
auseinander, dass man in Vienne aus der Namensform Sim-
plicius des von Ado Simplides geheissenen Bischofs, welche
man in einem Zosimus - Brief e der Arier Sammlung fand,
einen eigenen Bischof, den vierten Nachfolger des Pascha-
sius, machte, während diesem Simplides unmittelbar vorher-
geht. Sollte man denn nun in Vienne nur ein einziges
Mal Simplicius und Simplides für verschiedene Bischöfe
gehalten haben, sollte man auf diese Weise gewonnene
Namen nur dann in die Bischofsliste eingeordnet haben,
wenn der Fälscher der Vienner Briefe sie wie den Simpli-
cius in seine Sammlung aufgenommen hatte, oder sollte
1) Duchesne sagt p. 173: 'dans l'Hagiologe, ces documents — die
Vienner Briefe — sont allegues sans que cependant la serie episcopale
soit alteree d'apres eux1, und doch findet sich, wie oben S. 269 angegeben,
hinter der Angabe über Nicetius ein Zusatz, durch welchen .Simplicius als
sein unmittelbarer Nachfolger bezeichnet wird.
284 Wilhelm Gundlach.
nicht vielmehr zu allen Zeiten durch dieses Verfahren eine
Erweiterung der Yienner Bischofsliste möglich gewesen
sein? Ich dächte: ehe man ein derartiges Monopol des
Fälschers statuiert, wie man es nach Duchesne's Verhalten
annehmen soll, liesse man besser eine zunächst nur münd-
lich fortgepflanzte Tradition gelten, welcher der Fälscher
mit seinen ohnedies manches neue bringenden Schrift-
stücken lediglich gefolgt ist. Sehen wir uns nun die
Vienner Bischofslisten auf die Ständigkeit ihrer Namens-
formen hin an, so ergeben sich auffallend viele und zum
Theil recht beträchtliche Schwankungen. Ich betrachte
A d o ' s M a r t yrologium und C h r o n ik, das C a 1 e n d arium
aus dem 10. Jahrh., die Bern er Hs. und das Hagiolo-
gium mit der damit zugleich überlieferten chronologischen
Bischofs -Tab eile ; denn obschon das Hagiologium nach
meiner Auffassung erst der Zeit Guido's angehört, so steht
es doch der von Leodegar angeblich veranlassten Bisthums-
geschichte der Zeit nach so nahe, dass es für sie als Er-
satz dienen kann, zumal es hier nicht so sehr darauf an-
kommt, den Formenreichthum gerade zur Zeit Leodegars
als vielmehr die Entwickelung einzelner Namensformen
überblicken zu lassen ; darum habe ich auch bisweilen noch
die Liste von 12 3 9 und die Fund atio für die folgende
Auswahl herangezogen 1 :
1. Paracodes (Ado), Paracodas (Bern.), Tarcode (Hag.).
2. Florentinus (Ado), Florentius (Hag.), Floretus (Fund.).
3. Simplides (Ado), Sinrplicides (Hag.), Simplidas (1239),
Simplicidas (Fund.).
4. Niceta (Ado), Nicetius (Hag.).
5. Dominus (Ado), Domninus (Hag.).
6. Namatus (Ado), Naamatus (Hag.), Naamatius (1239).
7. Evantius (Ado), Eventius (Calend.), Evantus (Hag.).
8. Clarentius (Ado), Clarentus (Hag.).
9. Hecdicus (Ado), Edictus (Calend. und 1239),
Hecdicius (Hag.).
10. Caaeldus (Ado's Mart.), Caldeoldus (Ado's
Chron.), Caoldus (Calend.), Eoaldus (Hag.), Edaldus
(1239).
11. Bobolinus (Ado), Bobonus (Hag.), Bobo (1239).
1) Ich beschränke mich absichtlich auf das Material, welches Che-
valier in seinen Tabellen (L' universite catholique V, 507 ff.) zusammen-
getragen und Duchesne in seiner Ausgabe des Liber episcopalis (Fastes
episcopaux I, 179 ff.) für Ado, die Vienner Chronik in der Berner Hs. und
das Hagiolosfinm berichtigt hat.
Die Epistolae Viennenses u. die älteste Vienner Chronik. 285
12. Eoldus (Ado), Evaldus (Calend.), Goaldus (Tab.),
Boaldus (Hag.), Evaldus (1239).
L3. Vulferi, Vultreja (Ado), Ultra ja (Hag.).
14. Aglimatus (Ado), Agilmarus (Hag.).
Beachtet man nur die besonders hervorgehobenen Ab-
weichungen, so bieten schon sie, ganz abgesehen davon,
dass das Calendarium des 10. Jahrh. noch den sonst in
keinem Verzeichnis enthaltenen Bischof Eumondus auf-
führt1, vor der Liste von 1239 Stoff genug, die Bischofs-
reihe um 5 — 6 Namen zu vermehren, dem Bischof Leode-
gar, welcher nach der niedrigsten Zählung den 56. Platz
erhalten würde, den 61. einzuräumen. Dass eine Vermeh-
rung der Bischofsliste in der That in dieser Weise erfolgt
ist, wird nicht nur an Simplides - Simplicius erweislich, son-
dern auch an Ultraja-Wolferius; denn die Nebenform Ul-
tra ja' s bei Ado: Vulferi hat augenscheinlich dem Vorgänger
des Ursus, dem Bischof Wolferius, zum Dasein verholfen.
Kann dieser auch erst im 18. Stück der Vienner Briefe be-
legt werden (J.-E. 2533), so ist doch klar, dass die Möglich-
keit, ihn in die Bischofsliste aufzunehmen, seit dem 9. Jahrh.
vorlag und keiner andern Voraussetzung bedurfte als des
— wie an den oben aufgedeckten kritischen Bemerkungen
wahrnehmbaren, wohl stets regen — Interesses der Vienner
Geistlichkeit an der Geschichte ihres Bisthums.
Mit dem ohne Benutzung der Vienner Briefe geführten
Nachweis, dass Leodegar von Anfang seines Bisthums an
im Stande war, sich als den 61. Vienner Bischof zu be-
zeichnen, wird jeder Grund, dass im Jahre 1068 Vienner
Briefe bereits vorhanden waren, beseitigt ; es fällt aber da-
mit zugleich auch die Stütze für Duchesne's Aufstellung,
dass in der Vienner Sammlung zwei Gruppen zu unter-
scheiden seien, von welchen die zweite unter Guido hinzu-
gefügt sei ; denn was Duchesne sonst noch dafür vorbringt :
dass nur in den Stücken der zweiten Gruppe diejenigen
beiden Angelegenheiten, welche Guido besonders betrieben
hat, die der Abtei des h. Barnard und der Grafschaft Ser-
morens, behandelt werden, ist einerseits nicht so auszu-
legen, als ob alle Stücke der letzten Gruppe nur damit
angefüllt wären — von Urban II. geht der Brief J.-L. 5421
und das von Paschalis einzig vorhandene Stück J.-L. 6596
überhaupt nicht weder auf die eine noch auf die andere
Angelegenheit ein, sondern beide Stücke wahren inhaltlich
den Zusammenhang mit den früheren Stücken — , anderer-
1) Vgl. Chevalier in L'universite catholique V, 498. 499.
286 Wilhelm Gundlach.
seits doch in der Natur der Sache begründet: hiesse es
denn nicht der Dummheit des Fälschers ungebührlich viel
zumuthen, wenn man mit Duchesne verlangen wollte, dass
er in Stücken, deren Entstehung er für die Zeit vom
2. Jahrh. bis 1054 glaubhaft machen wollte, schon vorweg
les conflits ecclesiastiques du temps de Gui' hätte berüh-
ren sollen, welche in ihrem Ursprung nach der damaligen
allgemeinen Erinnerung kaum ein Menschenalter zurück-
reichten ?
Nachdem so die Einwürfe Duchesne's zurückgewiesen
sind, tritt meine Beweisführung, welche die Einheitlichkeit
der Vienner Briefe zum Gegenstand hat, wieder in ihr
Recht: es ist nicht abzusehen, weshalb etwa unter Leode-
gar oder einem andern Bischof, für dessen Primatansprüche
'il n'y a pas la moiudre trace', die der Primatialherrlich-
keit Vienne's gewidmeten, garnicht glatt auslösbaren Stücke
entstanden sein sollten, weshalb nicht unter Guido, welcher
erwiesenermassen nicht blos auf die Abtei des h. Barnard
und die Grafschaft Sermorens, sondern auch auf die Pri-
matialhoheit seiner Kirche seine eifrigen Bestrebungen
wandte, gleich die ganze Sammlung gefälscht sein sollte.
Duchesne's Bemühen endlich, dem Hagiologium in
seiner ursprünglichen Fassung als dem von Leodegar ver-
anlassten Liber episcopalis Viennensis ecclesiae Anerken-
nung zu verschaffen, scheitert, wie es an sich schon durch
die gekünstelte Annahme zweier ßedactionen Bedenken
erregt, einmal daran, dass Leodegar darin als 56. Bischof
geführt wird, während er den gepflogenen Erörterungen
zufolge nicht nur im Jahre 1068, sondern während seines
ganzen Bisthums sich als 61. hat bezeichnen können, und
sodann daran, dass das Hagiologium eine einheitliche
Schöpfung und als solche erst geraume Zeit nach Leode-
gars Tod — wie Chevalier und ich meinen, erst im Zeitalter
Guido's — entstanden ist. Mit der von Leodegar ange-
regten Bisthumsgeschichte ist offenbar auch diejenige Ee-
daction der Bischofsliste verloren gegangen, in welcher er
als der 61. Bischof aufgeführt war.
Eine schätzbare Kunde verdanke ich der Besprechung,
welche Duchesne meiner Arbeit gewidmet hat: die über-
raschende Nachricht, dass von dem letzten Stück der Epi-
stolae Viennenses, der Urkunde Calixts IL (J. -L. 6822),
welche ich in Yienne gefälscht glaubte zu einer Zeit, als
Guido bereits den Stuhl Petri bestiegen hatte, aber sein
Erzbisthum noch in der Hand hielt — dass von diesem
Stück nach dem Urtheil Ulvsse Eoberts ein echtes Original
Die Epistolae Viennenses u. die älteste Vienner Chronik. 287
vorhanden sein soll1. Wenn das richtig ist — eine Nach-
prüfung-, welche nothwendig von einer Einsicht in das
Original ausgehen müsste, ist mir nicht möglich — , dann
erfährt damit der innere Antheil Guido' s an der Vienner
Fälschung eine ungeahnte Bestätigung, dann wird die Fol-
gerung, welche ich bisher zu ziehen nicht vermocht habe,
unabweislich : dass Guido -Calixt, indem er durch eine äusser-
lich unantastbare Urkunde sein Fälschungswerk krönte, den
Betrug, den er als Erzbischof verübt hatte, als Statthalter
Christi fortgesetzt hat 3.
1) Bullaire du pape Calixte II. tome I, p. 214, n. 145. Robert be-
merkt zu dieser Urkunde (1120 Febr. 25): 'Original aux archives departe-
mentales de l'lsere, ä Grenoble, serie G, fonds de l'eglise de Vienne'.
Demselben Archiv hat Robert eine bisher unbekannte frühere Ausfertigung
(1119 Juni 28) der nämlichen Urkunde entlehnt und a. a. 0. I, 36 (n. 25)
veröffentlicht; indem er dabei erklärt (p. 36, N. a), dass beide Ausferti-
gungen gleichlautend seien bis auf die Datierung, scheint er einige be-
achtenswerthe Unterschiede übersehen zu haben. Die frühere Ausfertigung
hat nämlich (p. 37) in der Aufzählung derjenigen Kirchen, von welchen
der Papst sagt: 'pontifices Viennenses omnem habere decernimus potesta-
tem', nach den Worten 'beate Marie de Annonaico' noch eingeschoben:
'et in ecclesia beati Antonii'; andererseits wird in der späteren Ausferti-
gung (p. 215) nach den Worten 'crucem deferri concedimus' eingeschaltet:
'et Viennensem ecclesiam alicui subiacere legato nisi cardinali vel alii de
Romana provincia, qui a Romani pontificis latere dirigitur, prohihemus.
Porro in ecclesiis, quas in Viennensi episcopatu post assumptum apostolice_
sedis ministerium consecravimus, Viennensis archiepiscopus eandem quam
ante habuerat interdicendi et ordinandi habeat potestatem. Sane infra
claustri ambitum, ubi clericorum mansiones continentur, nullus omnino
laicorum deinceps habeat mansionem aut assultum vel rapinam facere seu
corporalem cuilibet audeat iniuriam irrogare' ; endlich hat dieselbe spätere
Ausfertigung (p. 216) am Schluss des Contextes ein dreifaches 'Amen', die
frühere (p. 37) nur ein einfaches. Erst durch diese sachlichen Abweichun-
gen wird die Neuausfertigung nach kaum acht Monaten verständlich. Wenn
Duchesne (Fastes episcopaux I, 163, N. 2) bemerkt: 'La premiere de ces
bulles manque ä l'edition de M. Gundlach, lequel, du reste, ne parait pas
avoir eu connaissance de la publication de M. Ulysse Robert', so hat er
damit vollkommen Recht: meine Ausgabe der Epistolae Viennenses ist
nämlich vom October 1888 datiert, und das Buch Roberts ist 18 91 er-
schienen. 2) Auch Duchesne zieht diesen Schluss: 'U demeurera', sagt
er im Bulletin critique p. 245, 'toujours fort regrettable que Gui, devenu
pape, ait cru pouvoir legitimer tous ces documents supposes, les plus re-
cents comme les plus anciens' und ähnlich in den Fastes episcopaux 1,
163: 'II est sür que Calixte II a authentique toute cette collection de
faux'.
VIII.
Zu den
Acten der Triburer Synode 895.
Zweite Abhandlung.
Von
Emil Seckel.
K,
II. Weitere Beiträge.
1 . Eine bisher nicht beachtete Quelle der
V u 1 g a t a.
■rause hat sich in den Noten seiner Ausgabe x red-
liche Mühe gegeben, die Quellencitate der Triburer Acten
nachzuweisen. Nur in einigen wenigen Fällen 2 ist ihm
dies nicht gelungen. Geholfen wird hier durch die Be-
obachtung 3 der nicht uninteressanten Thatsache, dass
der gelehrte Eedactor der Yulgata4 an mehr als einer
Stelle aus der Collectio canonum Hibernensis5
1) MG. Capp. T. II, p. 196—249 (im Folgenden mit 'ed.' citiert).
2) Ed. p. 215, N. 47, p. 236, N. 99, p. 237, lin. 13. Vgl. ferner p. 224,
N. 21, wo doch wohl eine Anspielung auf 1. Petr. 2, 9 vorliegen dürfte.
In Vulg. c. 16 ed. p. 222, lin. 21 sind auch die Worte 'sciens — morie-
mur1 aus dem Eccles. (8, 8). Die Bibelstellen, die sich in der Vulg. ein-
gestreut finden, ohne durch ausdrücklichen Hinweis citiert zu sein, sind
von Krause nicht vollständig herausgehoben worden, vgl. etwa Vulg. c. 11,
p. 219, lin. 21 sq.: 1. Iohann. 2, 6; Vulg. c. 16, p. 220, lin. 26: Matth.
10, 8. 3) Sehr überraschend kommt übrigens die Neuheit nicht ; denn
die fragliche Quelle war im Frankenreiche wohlbekannt — von ihren
12 Hss. befinden sich heute 9 auf ehemals fränkischem Boden — und sie
ist von Regino wie von Burchard benutzt worden; s. Wasserschieben, an
dem Anm. 5 anzuführenden Ort, S. XXIX und dazu unten S. 293. 302.
4) Ueber die Coli. Diessensis und Burchard s. unten S. 294 f. 302. 5) Vgl.
über sie Maassen, Geschichte der Quellen I (1870), S. 877—885. 954. 973—
981; Die irische Kanonensammlung, herausgegeben von Wasserschieben
1874, 2. Aufl. — nach der hier citiert wird — 1885. Ferner: Kunstmann
im Archiv für katholisches Kirchenrecht VI (1861), S. 4 — 11. Die hier
aus Cod. Monac. 6242 abgedruckte eherechtliche Sammlung ist im Wesent-
lichen nichts andres als eine Recension des 46. Buches der (erweiterten)
Collectio Hibernensis, vgl. auch Maassen a. a. O. S. 885, Anm. 7 ; Maassen
und AVasserschleben ist die Edition des Kunstmannschen Fragments,
Schulte, Geschichte der Quellen I (1875), S. 33, Anm. 16 der Zusammen-
hang dieses Tractats mit der Coli. Hib. entgangen. Es entsprechen sich:
Kunstmann I. II: Hib. 46. 1. 2, III: 46, 13a, IV— VII: 46, 3-6, VIII.
IX: 46, 11. 12, X— XII: 46, 16—18, XIII: nach 46, 7, p. 187, N. a?, XIV.
XV: 46, 8. 9, XVI, Satz 1: nach 46, 35, p. 194, X. m i. f.?, XVI,
Satz 2 — XIX, Satz 1: 46, 22. 23. 25. 24. 26, XIX, Satz 2. 3: '?, XIX,
Satz 4. 5 bis 'impius1 : 46, 27, XIX, Satz 5 : 'ubi igitur', XX : nach 46, 35,
p. 194, N. m?, XXI-XXVI: 46, 28-32. 34, XXVII: 46, 15, XXVIII;
292
Emil Seckel.
geschöpft hat *•.
schein :
Den Beweis erbring-t der
Augen-
Vulg. c. 3
(ed. p. 215, 11. 12).
Qui percutit malos in eo,
quod mali sunt, minister do-
mini est.
Coli. Hib. lib. 27, c. 8 a
(ed. p. 87).
Hieronimus : Qui percutit
malos in eo, quod mali sint,
et habet vasa interfectionis,
ut percutiat pessimos, mini-
ster domini est2.
Die in der Vulgata 1. c. vorangehenden Worte 'et,
cum evangelium legeretur, audivimus: "Si — publicanus"
et alibi' sind also nicht mit Krause 1. c. p. 215, N. 47
dahin aufzufassen, dass zn 'alibi' auch die Nennung des
Evangeliums heranzuziehen wäre; es ist vielmehr nur zu
ergänzen: alibi audivimus.
b.
Coli. Hib. lib. 46, c. 29
Vulg. c. 39
(ed. p. 236, 14—16).
Synodus Romana
ait: Quod non di-
mittenda sit uxor
post baptismum,
quae habita est et
ante baptismum. In
baptismo solvuntur
crimina , non ta-
(ed. Wass. p. 192).
De non dimitten-
da uxore in baptis-
mo (nibr.). Sinodus
Eomana dicit: Is,
qui habuit primam
uxorem virginem
ante baptismum, vi-
vente illa alteram
(ed. Kunstmann
[c. 22] p. 8).
Deeo,quod(CW.
quae) non dimit-
tenda est uxor
in baptismo, quae
habita est ante
baptismum (rubr.).
Synodus ait Roma-
na: Is, qui habuit
46, 35 a— c, XXX: 46, 33; cap. XXIX stammt aus Hib. 18, la. b ; die
beiden Rubriken nach XXX sind die wie öfter stark modificierten von
Hib. 40, 15. 16. — Die irische Sammlung gehört wahrscheinlich dem frühen
8. Jahrh. an. 1) Ob aus der vollständigen oder aus einem Auszuge
nach Art des Kunstmannschen, muss dahingestellt bleiben, ist auch völlig
gleichgültig. 2) Es soll nicht verschwiegen werden, dass der Vulgata
1. c. die, aus der Hibernensis 1. c. verkürzte, Fassung von Exe. Egberti
c. 79 (81) (Migne, Patrol. lat. T. 89, col. 389) näher steht als die im Text
abgedruckte Stelle der Hibernensis. Exe. Egb. c. 79 lautet : 'Hieronymus
dicit: Qui percusserit malos, eo quod mali sunt, minister domini est'.
Vielleicht stammen Vulg. und Exe. Egb. beide aus einer bereits gekürzten
Recension der Hib. ; an eine Benutzung der Exe. Egb. durch die Vulg.
wird man erst denken können, wenn die m. W. noch unaufgeklärte
Frage nach der Abfassungszeit der Exe. zu Gunsten schon des 9. Jahrh.
entschieden sein wird. — Die Worte des Hieronymus sind oft wiederholt
worden, z. B. aus der Hib. bei Burch. 6, 43 = Ivo 10, 171, aus dem
Original bei Ivo 10, 114.
Zu den Acten der Triburer Synode 895.
293
men legitima con-
iugia.
habere post baptis-
mum non poterit,
quia crirnina in bap-
tismo solvuntur,
non tarnen legiti-
mum coniugium K
primam uxorem vir-
ginem ante baptis-
ma, vivente illa al-
teram habere post
baptismum non po-
terit : crirnina in
baptismo solvuntur,
non tarnen legiti-
mum coniugium sol-
vitur.
Die Vulgata folgt offensichtlich derjenigen Ueber-
lieferung, welche in Kunstmanns Texte vorliegt2.
Der mehr oder weniger enge Zusammenhang zwischen
Vulg. c. 39 cit. und C. 28, q. 2, c. 1 ist von Friedberg3
und Krause4 erkannt5 worden. Man braucht nur C. 28,
q. 2, c. 1 cit. oder vielmehr die Quelle dieser Stelle, d. h.
Burchard 9, 61:
'De illo, qui ante baptismum mulierem virginem
acceperat. Ex concilio Meldensi cap. II (rubr.). Si quis
habuerit uxorem virginem ante baptisma, vivente illa
post baptismo alteram habere non potest: crirnina in
baptismo solvuntur, non coniugia'
mit Coli. Hib. 1. c. zu vergleichen, um zu sehen, dass das
Stück durch directe selbständige Benutzung (und Verfäl-
schung) eben der Hibernensis von Seiten Burchards zu
Stande g-ekommen ist.
Vulg. c. 41
(ed. p. 237, 18. 19 6).
Hieronimus ait : Mulier
duorum fratrum non ascen-
dat thorum : si autem ascen-
dit , adulterium perpetrabit
(perpetravit codd. not. i ritt.).
Coli. Hib. lib. 46, c. 35 d
(ed. p. 194).
Hieronimus : Mulier duo-
rum fratrum thorum non
ascendat: si enim ascenderit,
adulterium perpetravit.
1) Vgl. Poenit. Theodori 2, c. 4, § 1. 2 ("Wasserschieben, Die Buss-
ordnungen S. 205). 2) Die von Krause 1. c. p. 236, N. 99 nicht ge-
fundene 'Synodus Romana' ist übrigens noch an einem dritten Orte publi-
ciert : bei Maassen a. a. 0. S. 978 ; dieser theilt das Rubrum nicht mit,
sein Text nähert sich dem oben nach "Wasserschieben abgedruckten.
3) Friedberg, Decretum Gratiani zu der angeführten Stelle. 4) Krause
ed. p. 236, N. 99. 5) "Wasserschieben zu Hib. 46, 29 cit., vgl. Ein-
leitung S. XXJX, hat ihn übersehen. 6) Krause z. d. St. hat auf den
Nachweis der Quelle verzichtet.
Neues Archiv etc. XX. 20
294
Emil Seckel.
Vulg. c. 46
(ed. p. 240, 5—9).
audiat sanctum
Augustinum dicen-
tem : Cum enim vir
a virtute nomen ac-
cipit et nmlier a
mollicia, id est fra-
gilitate, quare con-
tra crudelissimani
libidinis bestiam
vult unusquisque
uxorem suam esse
victricem, cum ipse
ad primum libidinis
ictum victus cadit?
Nam quicquid con-
tra fidem catholi-
I Pseudo -Augustinus
Coli. Hib. lib. 46, ' Append. Sermo 289,
c.l6i. f. (ed. p.189).
Ag-ustinus: . . .
Cum enim vir a vir-
tute nomen accepit
et mulier a molli-
tia, id est l fragili-
tate, quare contra
crudelissimam be-
stiam libidinis vult
unusquisque uxo-
rem suam esse vic-
tricem, cum ipse ad
primum libidinis ic-
tum victus cadit ?
Nam quicquid con-
tra fidem catholi-
1 i. f. § 3 i. med.2
Cum enim vir a
virtute nomen acce-
perit et mulier a
mollitie, id est fra-
gilitate, quare con-
tra crudelissimam
bestiam libidin e m
vult unusquisque
uxorem suam vic-
tricem esse , cum
ipse ad primum libi-
dinis ictum victus
cadat? ... (§3)
. . . Nam in fide
catholica quid-
q u i d mulieribus
noii licet , omnino
nee viris licet.
cam mulieribus non
cam mulieribus non j licet , omnino nee
licet, nee viris licet. ] viris licet.
Krause (ed. 1. c.) hat auf alle Fälle darin geirrt, dass
er das Augustin - Citat schon mit den Worten 'victus cadit'
zu Ende sein lässt; denn das Folgende (lNam quicquid —
nee viris licet') steht ebenfalls, wenn auch durch längere
Ausführungen vom ersten Excerpte getrennt, bei Pseudo-
Augustin (<§ 3 cit.). — Sowohl die Lesarten, auf die jedoch
wegen der vermuthlichen Unsicherheit des pseudoaugustini-
schen gedruckten Textes nicht zu viel Gewicht gelegt
werden darf, als gerade die übereinstimmende Verbindung
des Satzes aus § 3 cit. mit dem aus § 1 cit. des Originals
ergeben beinahe mit Sicherheit, dass die Hibernensis als
Zwischenquelle und nicht unmittelbar das Original be-
nutzt ist.
Wohl nicht mit Unrecht nimmt Wasserschieben3 an,
dem Verfasser von Coli. Diess. c. 20 habe Coli. Hib. 42, 14 b
1) Die Wörter 'mollitia id est' hat Wasserschieben zu Unrecht aus-
gelassen: sie finden sich im Originale, in einem Theile der Parallelüber-
lieferung (vgl. Kunstmann a. a. O. S. 11; anders ebenda S. 6, cap. 10) und
in unserer Ableitung. 2) Opera ed. Maur. T. 5, P. 2 (1700), col. 341
= ed. Maur. altera T. 5 (1837), col. 3128. 3129 = Migne Patrol. T. 39,
col. 2292. 3) Wasserschieben a. a. O. S. 166, Anm. 37 (schon 1. Aufl.
S. 192, Anm. 27).
Zu den Acten der Triburer Synode 895.
295
vorgeschwebt. Wasserschleben hätte hinzufügen können,
dass leise Anklänge sich vielleicht auch in Vulg\ c. 27
finden. Man vergleiche, neben dem allgemeinen Gedanken-
gang, die gelegentlichen wörtlichen Uebereinstimmungen :
Coli. Hib. lib. 42, c. 14b
(ed. p. 166).
Sinodus Mcena dicit: Si
quis in monasterio nu-
tritus est et usque ad suni-
mum studium auditionis edoc-
tus est et postmodum dis-
cesserit, nisi de novo
revertatur, desertoris et
peccatoris crimine condem-
nandus est.
Diess. c. 20
(ed. c. 27 a, p. 228 sq.).
Si quis clericus in mo-
nasterio nutritus1 f uerit
et in ecclesia publice legerit
vel cantaverit et postmo-
d u m 2 ad saeculi negotia
egreditur, hie ab episcopo
suo coerceatur, ut iterum ad
monasterium revertatur3,
unde discesserat. Si autem
tarn pertinax extiterat, ut ca-
pillos capitis sui nutriat, tunc
ab episcopo constringatur, ut
iterum detondeat caput, et
deineeps nee uxorem sibi
usurpet nee ad sacrum ordi-
nem promoveatur.
Einige andere Stellen der Vulgata hingegen, die ihr
Gegenstück in der Coli. Hib. haben, gehen nicht auf die
letztere, sondern auf die Quellen selbst zurück. Dies gilt
augenscheinlich für Vulg. c. 17 4 im Verhältnis zu Hib.
18, 8d; es ist so gut wie sicher, und zwar auf Grund der
Lesarten, für
Vulg. c. 4
(ed. p. 216, 19—25).
Isidorus5: His enim, sicut
et episcopis, dispensatio my-
steriorum dei commissa
est. Praesunt enim ecclesiae
Christi, et in confessione
divini corporis et sanguinis
consortes cum episcopis sunt,
similiter et in doctrina po-
Coll. Hib. lib. 2, c. 4
(ed. p. 13).
Isidorus de prespiteris ait:
His vero, sicut episcopis, dis-
pensatio ministerii dei com-
missa est. Praesunt enim
ecclesiae Christi, et in conpo-
sitione divina corporis et san-
guinis consortes cum episco-
pis sunt, similiter et in doc-
1) 'nutritus' Vulg. c. 27, ed. p. 229, 8. 2) 'postmodum' ibid.
p. 229, 9. 10. 3) 'revertatur' ibid. p. 229, 15. 4) Ed. p. 223, lim 4 sqq.
verbunden mit N. 13. 5) Isid. de eccl. off. lib. II, c. 7, § 1. 2 (ed. Migne,
Patrol. lat. T. 83, col. 787) weicht vom Texte der Vulgata nur ab in den
"Wörtern 'sicut' (statt 'sicut et') und 'confectione' (statt 'confessione').
20*
296
Emil Seckel.
pulornm et in officio prae-
dicandi.
trina apostolica et in officio
predicandi . . . (contin.).
Es müsste denn die Gesauimtüberlieferung der Coli. Hib.
ein andres Bild ergeben als der nach wenigen Hss. be-
sorgte Abdruck Wasserschiebens und sein ganz ungenü-
gender Variantenapparat.
2. Eine unbekannte TJeberlieferung der Col-
lectio X (Diessensis-Coloniensis).
Im Jahre 1677 gab Jacques Petit u. a. eine Sammlung
von 60 Capiteln unter der Ueberschrift 'Capitula Theo-
dor i ' heraus * ; Petit hatte sie von Nicol. Favier mitge-
theilt erhalten, durch den sie auf einer Bibliothekenreise
in Flandern lex antiquo ms.' 2 abgeschrieben worden war 3.
Mit Theodor von Canterbury haben die Capitula nichts zu
thun i ; es ist sogar ein leiser Zweifel erlaubt, ob die Ueber-
schrift auch nur in der Hs. gestanden habe. Die Samm-
lung der 60 Capitel, ein Bussbuch — allem Anscheine nach
im Anfang des 10. Jahrh. und in fränkischem Gebiete ent-
standen — , ist aus einer Reihe von Quellen compiliert.
Unter den Quellen befindet sich die Sammlung X der
kurzen Triburer Schlüsse. Die Coli. X ist direct be-
nutzt und in weiterm Umfang als in der gesammten
bisher der Forschung ins Gesichtsfeld gekommenen Ueber-
lief erung 5.
1) Iäcobus Petit Theodori archiepiscopi Cantuariensis Poenitentiale
(1677) T. 1, p. 15 — 42. Das Buch ist mir nicht zur Hand ; ich benutze
den Abdruck bei Migne, Patrol. lat. T. 99, col. 901 sqq. (Text selbst
col. 935 — 952), verglichen mit dem bei Kunstmann, Die lateinischen Poeni-
tentialbücher der Angelsachsen (1844) S. 106 — 128 (wo mit einer bereits
von Wasserschieben gerügten Unverfrorenheit der schlechte Text und die
noch schlechteren Noten Petits einfach wiedergegeben werden) und in
den Ancient laws and institutes of England (1840) p. 308 — 313 (noch
werthloser als die Kunstmannsche Copie, nicht einmal vollständig).
2) Nicht aus 2 Hss., wie Kunstmann a. a. O. S. 27 irrthümlich behauptet.
3) Vgl. Petit bei Migne 1. c. col. 906. 909. 4) Vgl. Wasserschieben,
Die ßussordnüngen (1851) S. 16; Councils and ecclesiastical documents
Vol. 3 (1871), p. 175, col. 1. — Worauf sich die — unhaltbare — Ansicht
von Hüdenbrand, Untersuchungen über die germanischen Poenitentialbücher
(1851) S. 7, die Capitula Theodori seien 'erst von Petit aus Fragmenten
zusammengesetzt', stütze, ist nicht abzusehen ; es liegt vielleicht ein Miss-
verständnis der Aeusserungen der Ballerinii (Opera Leonis T. 3, p.CCLXVIII)
vor, die von den Capitula Theodori (begriffen unter 'alia eiusdem generis
manuscripta') nur sagen, sie enthalten nicht das echte Poenitentiale Theo-
dori, sondern seien in der Hs. 'collecta', d. h. aus verschiedenen Quellen
zusammengetragen. 5) In der Beilage zu dieser Mise. 2 (S. 300. 301) ist der
uns interessierende Stoff aus den Cap. Theod. nach Migne 1. c, verglichen
Col.
Reg. Burch. Codd. var.1 Vulg.
3,64
- — 31
3,31
2,21 6,36 53
3,47
— — Mon.3853 4.6
—
2,19 19,149 — 37
Zu den Acten der Triburer Synode 895. 297
Yon bisher schon bekannten Capiteln der Sammlung X
kehren vier in den Capitula Pseudo-Theodori wieder:
Cap.Th. Textanfäuge Diess
42 De furibus et raptoribus 10
43 b Si quis filium suum —
46 Si in atrio ecclesiae quislibet 3
59 Mater si iuxta focum 18
Die Zusammenstellung der Ueberlieferungsquellen
zeigt, dass die Petitschen Capitel aus keiner der bekannten
Kanonensammlungen allein geflossen sein können. Und
ehe man sich zu der Annahme einer Mehrheit von
Zwischenquellen2 entschliesst, wird man lieber glauben
wollen, dass die 4 Capitel unmittelbar (oder schlimmsten-
falls durch eine, bisher nicht bekannt gewordene, Ver-
mittelung) auf die Sammlung X selbst zurückgehen.
Der Textform nach stehen c. 42 näher bei Diess. als
bei Col., c. 46 näher bei Diess. als bei Col.-Monac, und,
was am auffallendsten ist, c. 59 näher bei Reg. - Burch. als
bei Diess. — Inscriptionen fehlen allen Petitschen Capiteln,
da sie ja als Busskanonen Theodors erscheinen sollen. Sach-
rubriken finden sich hingegen vor allen Capiteln3; die zu
c. 42. 46 sind den Capitula Ps.-Theod. eigenthümlich, die
Rubrik von c. 59 kehrt merkwürdigerweise wörtlich4 bei
Burch. 19, 149 wieder. Da nun eine Benutzung Burchards
durch die Petitschen Capitel ausgeschlossen erscheint, so
hat entweder Burchard die Capitula Ps.-Theod. zur Quelle
mit Kunstmami und den Ancient laws a. d. a. 00., abgedruckt. Geän-
dert sind nur die Interpunction und Kleinigkeiten in der Orthographie.
In den Buchstabennoten sind zum Text (nicht zu den Rubriken) die Va-
rianten der übrigen Ueberlieferung angegeben. 1) Soweit sie von
Burchard unabhängig sind. 2) Sieht man auf die z. Z. bekannten, so
wäre höchstens an Diess. -f- Reg. zu denken ; von den andern an sich
möglichen Combinationen scheitert die eine (Diess. -j- Col.) an der Text-
gestalt von Cap. Theod. 59, die andre (Col. -f- Reg.) an der von Cap.
Theod. 42. 46; vgl. den Variantenapparat und den oben folgenden Satz
meines Textes. Aber auch die Verbindung Diess. -f- Reg. scheint aus-
scheiden zu müssen, da Regino aller Wahrscheinlichkeit nach in den Cap.
Ps.-Theod. nicht benutzt ist, siehe die Beilage S. 341 f. ; man erwäge vor-
läufig das Fehlen aller bei Regino stehenden Capitel der Coli. Cat. im
Ps.-Theod. 3) Cap. 43b als Theil des Gesammtcapitels 43 begründet
keine Ausnahme. 4) Einzige Variante: 'posuerat' Burch., 'posuerit'
Cap. Th. — Dass dem Kanon bei Burchard Regino zum Grunde Hege,
wird, wie durch die Rubrik, so auch durch die Capitelreihe, innerhalb
deren er bei Burchard auftritt, vgl. die Beilage S. 346. 351, sehr unwahr-
scheinlich.
Vulg.
Cat.
Reg.
52
(6)
2,20
22
9
—
298 Emil Seckel.
oder gehen beide auf eine gemeinsame x bereits rubricierte 2
Vorlage zurück.
Ausser den vier auch sonstwoher bekannten, zweifel-
los der Sammlung X-Diess.-Col. zugehörigen Stücken finden
sich in den Capitula Pseudo-Theodori zwei weitere Frag-
mente, die ich mit Zuversicht der Coli. can. Trib. X vin-
dicieren möchte :
Cap.Th. Textaufänge
43 a De homicidiis non sponte
47 Scelere si quis ingenuus
In Cap. Ps. -Theod. 43 a. 47 liegen, trotz der man-
gelnden Inscriptionen , ganz zweifellos Auszüge aus der
Vulgata, oder vorsichtiger: Triburer Schlüsse in kürzerer
Recension, vor. Hat nun der Auetor Cap. Ps. -Theod. da,
wo wir ihn controllieren können, lediglich aus der Coli. X
und nirgends aus der Vulgata oder der Coli. Catalaun. ge-
schöpft, und besteht nicht der geringste Anhaltspunkt zur
Annahme einer vierten Sammlung von Triburer Schlüssen,
so spricht die höchste Wahrscheinlichkeit dafür, dass
c. 43 a. 47 cit. in der Coli. X gestanden haben.
Hinsichtlich Cap. Ps.- Theod. 43a = Eegino 2,20 er-
blicke ich in dem neuen Funde eine vollwichtige Bestäti-
gung dessen, was von mir 3 als 'ziemlich sicher' behauptet,
von Krause 4 aber bestritten worden ist. Nach Krause ist
Eegino der eigenmächtige Urheber des kurzen Schlusses:
er hat ihn aus Cat. 6 gebildet! — Aus Eegino oder gar
aus der Coli. Cat. hat der Auetor Cap. Ps.- Theod., wenn
nicht alles trügt, nicht geschöpft 5 : es giebt für ihn ausser
der Coli. X keine zweite Quelle seiner Triburer Fragmente.
Bei Cap. Ps.- Theod. 47, einem jetzt erstmals resti-
tuierten kurzen Schlüsse, wiederholt sich die Erscheinung,
dass die Coli. X in der Fassung der Vulgata näher steht
als der Coli. Cat.'3:
1) Dafür spricht manches. Die Frage ist zu verwickelt, um hier
nebenbei abgethan werden zu können ; die Petitschen Oapitel verdienen
eine eingehendere quellenkritische Untersuchung, wie sie in der Beilage,
unten S. 328 — 351, unternommen werden soll. Vgl. auch unten Mise. 3,
S. 303, Anm. 4. 2) Träfe die erste Alternative zu, so könnten die Ru-
briken möglicherweise eine eigne Zuthat des Verfassers der 60 Busscapitel
sein. 3) Seckel, Zu den Acten der Triburer Synode 895 in diesem
Archiv XVIII (1893), S. 365—409 — im Folgenden citiert als Abh. I —
S. 377. 4) N. A. XVIII, S. 419, Anm. la. F., ed. p. 241, N. 21.
5) Vgl. auch den Standort von Cap. Ps. -Theod. 43a. 47 bei und unter
c. 42. 43b. 46. 6) Was in Cap. Ps. - Theod. und Vulg. wörtlich über-
einstimmt, ist gesperrt, was in Cap. Ps. - Theod. und Cat., cursiv, was in
Cap. Ps. -Theod. mit den beiden andern Texten, gesperrt cursiv gedruckt.
Zu den Acten der Triburer Synode 895.
299
Cap. Ps.-Theod. 47.
De ingenuo fideli
accusato. Scelere
si quis ingenuus
fideli s notatur, li-
ceat ei cum iura-
mento se expurg&re.
Quod si quilibet in-
genuus gravi infa-
mia publicetur,
u t eum p o p u 1 u s
superiur averit
criminosum ha-
beri, si se excusare
voluerit, fe r r o se
e x a m i n e t.
Cat. 9.
Nobilis bomo vel
ingenuus, dum in
synodo accusatur et
negaverit , si eum
fidelem esse sciunt,
iuramento se expur-
get. Sin antea fuit
deprebensus in fur-
to aut periurio, ad
iuramentum non ad-
mittatur, sed, sicut
qui ingenuus non
est , f erventi aqua
vel candenti ferro
se expurget.
Vulg. c. 22.
De eo, si quis
liber aliquo crimine
infamatur. Si quis
fidelis libertate
notabilis aliquo cri-
mine aut infamia
deputatur, utatur
iure iuramento
se excusare. Si
vero tanto talique
crimine publica-
tur, ut crimino-
sus a populo su-
spicetur et propter-
ea superiur etur,
aut confiteatur et
paeniteat, aut epi-
scopo vel suo misso
discutiente per ig-
nem candenti ferro
caute examine-
tur. . . .
Mebr als fragwürdig ist der Zusammenbang von Cap.
Ps.-Tbeod. 37. 44 mit der Collectio X. Es wird sieb niebt
entsebeiden lassen, ob die von der Triburer Synode laut
Vulgata (c. 5. 11) zweifellos wiederholten Satzungen des
c. 26 Conc. Wormat. 868 * und des c. 25 Can. apost.2 in
der Coli. X gestanden haben. Nicht entscheidend dafür
spricht die Nachbarschaft, in welcher sie in den sogen.
Cap. Tbeod. auftreten, und wohl nicht ganz entscheidend
dagegen, dass die Cap. Ps.-Theod. die Originale voll-
ständiger, bezw. in etwas modificierter Fassung aufnehmen.
Die Vulgata (c. 5) folgt nämlich einem Texte des Conc.
Worin., der sich weniger vom Wortlaute der Vulgata der
Wormser Synode entfernt als die Cap. Ps.-Theod. (37) und
Eegino (2, 42) 3; und c. 44 Cap. Ps.-Theod. giebt den Text
des c. 25 Can. apost. vollständiger als die Vulgata (c. II)4.
1) Mansi, Coli. conc. T. 15, col. 874. 2) Mansi T. 1, col. 53.
3) Die Cap. Ps. - Theod. haben aus derselben Kecension geschöpft, die bei
Regino zu Grunde liegt. 4) Besser auch als Reg. 1, 87 (= Burch.
2, 189) und Burch. 17, 39, von denen keiner für die Cap. Ps. - Theod. die
Quelle abgegeben haben kann. — Can. apost. 25 ist m. E. entweder aus
Ps. -Beda, Poenit. 1, § 5 (Wasserschieben, Die Bussordnungen S. 260) oder
aus Hrabani Ep. ad Heribald. c. 10 (Migne, Patrol. lat. T. 110, col. 475)
in die Cap. Ps. - Theod. übergegangen.
300 Emil Seckel.
Beilage.
Capitulum XXXVII.
[De1 eodem (sc. De illo, qui presbyterum occiderit).
Qui sacerdotem voluntarie occiderit, carnem non comedat
et vinurn non bibat cunctis diebus vitae suae : ieiunet us-
que ad vesperam exceptis diebus festis atque2 arma non
suinat, equum non ascendat, ecclesiam per quinque annos3
ingrediatur, nondum vero comniunicet, sed inter audientes4.
Cum autem duodecimi auni cursus finitus erit, communi-
candi ei licentia concedatur et equitandi tribuatur remissio.
Maneat autem in reliquis observationibus tres dies per
bebdomadam, ut perfectius purgari mereatur.]
Capitulum XLII.
De furibus et raptoribus. De furibus et raptori-
bus placet, uta, si in ipsa praeda occiduntur, pro eis minime
orandum sitb. Si vulnerati in desperationemc prolapsi fue-
rint et dea pravitatibus suis se poenituerint etd, si super-
vixerint, deo et sacerdoti see emendatnros repromiserint '',
communionem eis impendere non negamusf.
Capitulum XLIII.
De homicidiis non sponte commissis. (a). De
bomicidiis non sponte commissis, quali poenitentiaea sub-
mittantur iib, qui fecerunt0, in episcopi sententia maneat.
[Postquamd viderit illorum dignam poenitentiam, clemen-
tius erga illos agatd,5.j
(h). Si quis filium suum non sponte occidita, iuxta
homicidia non sponte commissa poeniteat.
Capitulum XLIV.
[De continentia sacerdoti s. Episcopus aut pres-
XLII (ed. c. 31a). a) om. Col. b) om. Diess. Col. c) 'prae-
sentis vitae' add. Diess. Col. d) 'de . . . et1 om. Col. e) 'repr. se
em.' Diess. Col. f) 'denegamus' Diess. Col.
XLIII a (ed. c. 52 a). a) 'iugo' ins. Reg. b) 'hi' Reg. c) 'fece-
rint ea' Reg. d) 'Postquam . . . agat' om. Reg.
XLIIIb (ed. c. 53a). a) 'occiderit' omnes.
1) Uucis quadratis [ ] inclusa a synodo Triburiensi aliena esse vi-
dentur. 2) 'domiuicis', ins. sec. Burch. 3) 'non ingrediatur, sed ante
fores ecclesiae stet: post quinque annos ecclesiam' ins. sec. Burch. 4) 'stet'
ins. sec. Burch. 5) 'Postquam . . . agat' del., cf. Abh. I, p. 375, N. 7.
Zu den Acten der Triburer Synode 895. 301
byter aut diaconus, qui in fornicatione aut periurio aut furto
lapsus est, deponatur, non tarnen communione privetur:
dicit enim scriptura 'Non vindicabit dominus bis in id
ipsuni'.]
Capitulum XL VI.
De crimine perpetrato in atrio ecclesiae. Si
in atrio ecclesiae quislibet iniuriaverit aliquem presbyteruur1
vel ibidem aliquod sacrilegiuni perpetraverit , altarib et
domino c componatur.
Capitulum XLVII.
De ingenuo fideli accusato. Scelere si quis in-
genuus fidelis notatur, liceat ei cum iuramento se expurgare.
Quodsi quilibet ingenuus gravi infamia publicetur, ut eum
populus superiuraverit l criminosum haberi, si se excusare
voluerit, ferro se examinet.
Capitulum LIX.
De matre, quae infantem suum iuxta ignem
posuerit et sua negligentia mortuus est. Mater
si iuxta a focum infantem suumb posuerit a etc homo aquam
in caldarium miserit et ebullita aqua infans superfusus mor-
tuus fuerit, pro negligentia materd poeniteat et ille homo
securus site.
3. Eliminierung der Extravaganten 'Quicumque
clericus aut in bello ' "- und 'Si quis nupserit die
dominico'.
Die Quelle des erstgenannten Caput incertum (Burch.
2, 233) schien zunächst gefunden zu sein in Excerptiones
Egberti c. 155 3:
XL VI (ed. c. 4 b). a) 'presbyterorum' omnes. b) 'cuiuscumque
personae fuerit ecclesia' add. omnes. c) 'quod ('cui' Monac.) commissum
est' add. Col. Monac.
LIX (ed. c. 37a). a) 'inf. iuxta foc. collocaverit' Diess. b) om.
et ipsi Reg. Burch. c) 'alius' add. omnes. d) om. Diess. e) 'per-
sistat1 Diess.
1) 'superiuraverit' Anc. L., Kunstm. ; 'superiuravit' Migne. 2) Ex-
trav. 10, ed. p. 248. 3) Mansi, Coli. conc. T. 12, col. 429; Ancient
Laws and Institutes of England (1840), p. 341 ; Migne, Patrol. lat. T. 89,
col. 399.
302 Emil Seckel.
Item 1. Clericus quoque non debet armis uti nee
ad bellum procedere, quia canones docent, ut, quicum-
qne clericus in bello aut in rixa mortuus fue-
rit, neque oblatione neque oratione postuletur
pro eo, sepultura tarnen non privetur. Aposto-
lus quoque dicit etc.
In Wirklichkeit liegt die Collectio Hibernensis zu
Grunde, deren Wortlaute Burchards 2 Text weit näber steht
als den Excerpt. Egberti 3. Im Abdruck sind die wenigen
Differenzen durch Cursive hervorgehoben:
Coli. Hib. lib. 40, c. 15c
Extrav. 10, Burch. 2, 233.
Ex concilio Triburiensi [cui
Arnolfus rex interfuit om.
Krause] cap. L. Quicumque
clericus aut in bello aut in
rixa aut gentilium ludis mor-
tuus fuerit, neque oblatione
neque oratione pro eo postu-
letur, sed in (om. Krause) ma-
nus ineidat iudicis, sepultura
tarnen non privetur.
(ed. p. 157).
Item 4. Quicumque cleri-
cus in bello aut in rixa mor-
talium et gentium ludis mor-
tuus fuerit, neque oblatione
neque oratione postuletur pro
eo, sed in manus ineidat iu-
dicis, sepultura tarnen non
privetur.
1 ) Das vorhergehende Capitel ist überschrieben 'E can. Rom. die'
2) Burchard gehört, wie schon oben S. 293 bemerkt ist, zu den Benutzern
der Hibernensis. Wasserschieben a. a. 0. S. XXIX drückt sich zu schüch-
tern aus ; sagt uns doch Burchard selbst (ed. Migne, Patrol. lat. T. 140,
col. 539 und besser edd. Ballerinii, Opera Leonis T. 3, p. CCXCIII), dass
er 'ex transmarinis conciliis' schöpfe, womit wohl nur die Hibernensis ge-
meint sein kann ; a. M. Gerhard von Mastricht, Historia iuris ecclesiastici
(Ant. Augustini Opera T. 3, 1767, p. lxvii): 'Intelligit orientalia'. —
Burchard hat weit häufiger die Hib. excerpiert als Wasserschieben a. a. O.
verzeichnet; W. hat zum mindesten übersehen:
Burch. 1,14. 1,104. 1,205. 1,206. 2,233. 3,141.
Hib. 37, 10 e. f. 37,12. 39,12 b. 28, 13 f. 40,15 c. 32, 12 a— c.
Burch. 3, 160. 3, 161. 3, 162. 9, 61. 12, 22. 12, 23. 12, 24.
Hib. 18, 1 a.b. 18,1c. 18, Id. 46,29. 35,10. 35, Id. 35, 1 f.
Burch. 12,25. 12,26. 12,27. 15,14. 15,23. 19,109.
Hib. 35, 5f. 35,5g. 35,5h. 37,6. 37,8. 28,12a.
— Ob der falsche Triburer Schluss Burch. 16, 20 'Testes ad testimonium'
direct aus Cod. can. eccl. Afric. c. 131 oder aus einer Zwischenquelle, etwa
Hib. 16, 3 a. b, stamme, lasse ich dahingestellt. 3) Auf die Identität von
Hib. 40, 15c und Burch. 2, 233 hatte Wasserschieben bereits 1874 in der
ersten Auflage der irischen Kanonensammlung p. 182, N. 16 hingewiesen.
Diese Notiz ist wie Friedberg zu C. 23, q. 8, c. 4, so auch Krause und
mir — Abh. I, S. 383/4, Anm. 9, S. 408, Tab. IV, Sp. 8, n. 1 — ent-
gangen. — Auf das Verhältnis der Exe. Egb. zu der Coli. Hib. ist hier
nicht einzugehen. 4) Das vorhergehende Stück (c. 15b) ist inscribiert
'Item Sinodus'.
Zu den Acten der Triburer Synode 895.
303
Von der Extravagante 'Si quis nupserit' (Burch. 19,
157) habe ich1 unter dem Beifall von Krause2 angenom-
men, dass sie dem Poenitentiale Valicellanum I c. 42 ent-
stamme 3. Dies ist unrichtig, wie die Auffindung der, nun
wohl definitiv einwandfreien, Quelle des Stückes in den
Petitschen Capitula Ps. -Theodori ergeben hat. Burchard
copiert seine Vorlage4 mit fast buchstäblicher Treue:
Burch. 19, 157.
Si quis nupserit die domi-
nico, petat a deo indulgen-
tiam et quatuor dies poeni-
teat.
Cap. Ps.-Theod. 35 a.
Si quis die dominico nupse-
rit, petat a domino 5 indulgen-
tiam et quatuor dies poeni-
teat.
4.G Zwei neue kurze Capitel 'Si maritus uxorem'
und 'Ubicumque temporum'.
Das erstere Excerpt lautet im Vergleich mit der Vul-
gata c. 46, ed. p. 239 sq. so:
1) Abh. I, S. 383/84, Änra. 9. 2) Ed. p. 206, N. 16. 3) Ich
trage nach, dass, gerade so gut wie das Poen. Valicell. I c. 42, das diesem
nahe verwandte Poenitentiale Merseburgense A c. 133 (Wasserschieben,
Die Bussordnungen S. 404) : 'Si quis coitum fecerit in die dominica, a deo
petat indulgentiam et III dies poeniteat' hätte verwerthet werden können.
4) Es lässt sich, so sicher wie nur irgend wünschenswerth ist, beweisen,
dass die Capitula Ps.- Theodori, oder vielmehr ihre bisher nicht zum Vor-
schein gekommene Vorlage, eine reichlich fliessende Quelle für die Poeni-
tentialkanonen Burchards waren, s. Beilage S. 345 — 347. Die quellen-
geschichtliche Bedeutung der Cap. Ps.-Theod. beruht vorwiegend auf
diesem Verwandtschaftsverhältnis zu Burchard. 5) Hier hat wahrschein-
lich Petits Gewährsmann die bekannte Abkürzung falsch aufgelöst. Auch
an vielen andern Stellen schreibt Burchard 'deus', wo Petit 'dominus' hat.
6) In den Miscellen 4. 5. 6. 7. 10. 11 lege ich u. a. vor, was die Prüfung
einiger Florentiner Hss. ergeben hat. Was positiv mitgetheilt wird, er-
hebt Anspruch auf Zuverlässigkeit; dagegen kann ich, weil ich die Hss.
in summarischem Verfahren durchzunehmen genöthigt war, die Gewähr
nicht übernehmen, dass in den benutzten Codices schlechthin nichts über-
sehen worden ist. — Wie sich herausstellen wird, sind die Florentiner Hss.
für die Textkritik sämmtlich ohne jeden Werth. Das nach dieser einen
Seite hin negative Resultat war natürlich kein Grund, von der Behandlung
der Hss. in diesem Aufsatz abzusehen ; musste doch jenes negative Er-
gebnis selbst zunächst bewiesen werden. — Keine Ausbeute für die Tri-
burer Acten haben geliefert Cod. Florent. Laurent. XX, 48, sowie Cod.
Florent. Laur. Gadd. LXXXIX, sup. 32; letztere Hs. (Perg., 12. Jh.,
64 Bll. kleinquart) enthält von römischem Recht Bl. 17b— 18b C. Th.
16, 2, 8. 16. 26. 29. 30. 34 mit den Zusätzen Hincmars und Bl. 28 das
Schreiben 'Sacratissimo ac beatissimo archiepiscopo ahne urbis Rome et
patriarche Ormisde Iustinus imperator. Scias effectum nobis — penitentia
304
Emil Seckel.
Ex concilio T(r)iburi-
ensi. Si maritus uxoreni
coustupratam occidere volue-
rit et illa ad episcopum con-
fugerit, laboret episcopus, ne
occidatur. Si vero non potest,
nullo modo reddat eam ad
occidenduni, que. se ei optu-
lit ad defendendum.
Si cuius uxor constuprata
fuerit et propterea maritus
capitali sententia delere illam
niachinaverit, ipsa vero ur-
guente mortis periculo ad epi-
scopum confugerit et auxi-
lium quaesierit , operosiori
tarnen si potest episcopus
labore desudet, ne occidatur.
Si vero non potest, nullo
modo liceat ei requireuti eam
reddere viro ad occideudum,
quae se ei obtulit ad defen-
dendum. . . .
Das Stück findet sich in der Kanonensammlung' der
Hs. zu Florenz Laurenziana S. Cruc. V, sin. 7 (Pergament,
wohl 12. Jahrh., 113 grossentheils nicht foliierte Blätter,
kleinfolio oder quart, zweispaltig1) auf Bl. 56b. Diese
Sammlung, die auch noch andern triburischen Stoff auf-
genommen hat 2, gehört zu den jüngsten, vielfach abge-
leiteten systematischen Collectionen. Sie ist in der ersten
Hälfte des 12. Jahrh. compiliert8. Die Abschnitte, welche
Triburer Kanonen enthalten, stammen theils aus Ivo's De-
cret 4, theils aus dem Polycarpus 5, wie an der Hand der
correeti'; die Sammlung gehört also zur Gruppe Anselms von Lucca, ohne
mit diesem (Ans. 4, 13 — 18. 12, 31), oder mit seiner Quelle eines Theils
der römisch -rechtlichen (und vieler andrer) Capitel (Thaner in den Wiener
Sitzungsberichten LXXXLX, S. 607, n. 33—38, S. 629 ; unrichtig Conrat,
Geschichte I, S. 365, Anm. 9), oder mit seinem Benutzer, dem Polycarp (3, 15,
18—22. 7, 5, 19 ; Ans. 4, 18 fehlt ; vgl. Hüffer, Beiträge S. 103—109) iden-
tisch zu sein. 1) Vgl. Bandinius, Catal. codd. lat. bibl. Media Laur.
T. 4 (1777), col. 52. 53. 2) Vgl. unten Miscelle 10, S. 323, Mise. 11,
S. 327 f. 3) Ihr jüngster Bestandtheil scheint eine Decretale Paschalis' II.
(1099 — 1118) zu sein. — Ueber eine nah verwandte Sammlung vgl. unten
S. 327, Anm. 6. 4) Ed. Migne, Patrol. lat. T. 161. Vgl. Conrat, Ge-
schichte der Quellen I, S. 378 — 385. 5) "Was aus Drucken vom Poly-
carpus zu erfahren ist, beschränkt sich so ziemlich auf die Mittheilungen
bei Hüffer, Beiträge zur Geschichte der Quellen des Kirchenrechts und
des Römischen Rechts im Mittelalter (1862), S. 74—109 und bei Fried-
berg, Decretum Gratiani col. LXVIII — LXX. Vgl. Conrat a. a. O. I,
S. 374—377. — Die bei Hüffer a. a. O. S. 74. 75, nach einer Notiz vom
Jahre 1757 in der Bibl. vet. Hisp., erwähnte Hs. des Polycarpus auf der
Riccardianischen Bibliothek in Florenz existiert dort noch heute als Cod.
258 (früher S. II, 41), Pergament, 12. Jahrb., 151 Blätter quart; der
Polycarp steht Bl. 65b bis Schluss und bricht im 6. Buche ab; vorher
geht eine Kanonensammlung historischer Ordnung und verschiedenes An-
dere, z. B. ein Päpsteverzeichnis, in dem Hand I bis Calixtus (1124),
Hand H bis Lucius (1145) reicht, und eine dritte Hand (E)vgenius (bis
Zu den Acten der Triburer Synode 895.
305
zahlreichen römisch - rechtlichen Bestandteile i der Samm-
lung unschwer zu erweisen ist 2 :
Bl. 48b.
Bl. 50a.
B1.50a— a'.
Bl. 50 a'.
Bl. 50b'.
Bl. 50 b'—
51a.
B1.54b-b'.
[Bl. 54b'.
In libro pandectarum. In
libere mulieris consuetudine —
corpore questum fecerit.
Novellarum institutio. Si quis
per errorem ancillam - — tarn in-
genui quam legitimi sint.
Ex libro codicum. Si quis
sine uxore manens ancillam —
una cum sua sobole.
Cap. constit. lxm. Si quis
cum muliere libera — nullus
alius sit | procreatus.
Constitutio novellarum. Prin-
ceps constituit, ut liceat mere-
tricibus — sine aliquo timore et
nullus prohibeat.
In libro pandectarum. Gene-
raliter diffiniendum est — ad
aliud matrimonium.
Constfantinus ! ] novellarum.
Mulier que. ad secundas nuptias
— mariti non utatur.
libro codicum. Si maritus
uxori ab initio — discedere.
Ex eodem 3. Si vir et mulier
matrimonio — reddere debitum.
D. 23, 2, 24 =
Ivo 8, 62.
Iul. 36,3(133)
= Ivo 8, 56.
C.I.7,15,3pr.
— Ivo 8, 31.
Iul. 67, 1 (241)
= Ivo 8, 36.
Iul. 45,1(179)
in. gekürzt,
= Ivo 8, 37
gekürzt.
D. 24, 2, 6 post
init. = Ivo 8,
246.
Iul.36,24(l54)
= Ivo 8, 273
in.
0.1.5,17,10 =
Ivo 8, 79.
Bened. Lev. 2,
55 4m. Zusatz
= Ivo 8, 80.]
1153) nachgetragen hat, und die Erklärung der Wörter 'xenodochium,
ptochotroph(i)um, nosochomium, orphanotroph(i)um, gerontochomium, bre-
ph[r]othrophium' aus Iuliani Epitome 7, 1 (32) i. f. ; vgl. auch Archiv XII
(1874), S. 729. 1) Auf sie gehe ich hier wie im Folgenden ein, weil
sich nach dem Gehalte an römischem Recht bei dem Stande der For-
schung immer noch am besten eine jüngere Kanonensammlung zu den
übrigen in Beziehung setzen oder von ihnen trennen lässt. — Zu Abh. I,
S. 392, Ziffer 7 ist berichtigend nachzutragen: Vgl. Hänel in den Be-
richten der hist. - phil. Classe der Sachs. Gesellsch. d. Wiss. XX (1868),
S. 1 — 15. 2) Mit der Textvergleichung ist nicht weit zu kommen.
3) Leicht erklärliches Missverständnis der Vorlage (Ivo 8, 80). 4) Bene-
dicts Quelle ist Theodori Poenitentiale 2, 12, § 32 (Wasserschieben, Die
Bussordnungen S. 216), eine Stelle, die nach Wasserschiebens hier nicht
nachzuprüfender Ansicht ihrerseits auf römischem Recht (Iust. Novell. 22,
c. 6 ; vgl. übrigens auch Cod. Iust. 5, 17, 10) basieren soll (vgl. Conrat,
Geschichte I, S. 61, Anm. 1. 2).
306
Emil Seckel.
Bl. 58 a'.
Bl. 61b'.
Bl. 96b.
Bl. 96b'.
Bl. 96 b'—
97 a.
Bl. 100b.
Bl. 103 a.
Primus über institutioimm.
Eam que. (per) adoptionem filia
— eam (e)mancipaveris.
Item. Cuius filiam uxorem
ducere — civili iure tibi con-
iungitur.
Item. Mariti filius ex alia
uxore — non est privigna.
Ex quinto libro codicis Iusti-
uiani. Iubemus ut quicumque
mulierem — affectu matrimouia
contrahuntur.
Item Ulpianus iu 1. libro di-
gestorum. Nuptias non concu-
bitus — facit.
Ex libro instit. Iustiniani.
Nullius autem sunt res sacre —
adhuc cesar (!) manet ut Papinia-
nus scripsit.
Imp(eratores) valenti(nia)nus
et Theod(osius) (et) Arcn(adius)
aug-(usti). Si quis in tantam —
restituere compellatur.
Ex libro digestionum (!). Sive
autem corpore sive animo —
non ex intervallo set ex co(n)ti-
nenti.
Ex novellis Iustiniani. Si quis
in monasterium consecratus —
a priore monasterio vendicetur.
Ex novellis Iustiniani imp(e-
ratoris). Si quis rapuerit vel sol-
licitaverit — pars legitirna liberis
eius prestetur.
Ex septimo libro codicis Iusti-
niani. Cessante quoque causa
peremptorii edicti — posse ferri
certum est.
De eodem. Si ut proponis
preses — expectare minime
oportet.
Inst.l,10,li.f.
= Ivo9,llin.
11—13.
Inst. 1, 10, 3 i. f.
= Ivo9,llin.
24—28.
Inst. 1,10, 8.9
in. = Ivo 9, 1
lin. 37—42.
C.I.5,17,llpr.
= Polyc. 6, 4,
69.
D.50,17,30 =
Polyc. 6,4,70.
Inst. 2, 1,7. 8
= Polyc. 3,
12, 31.
C. I. 8, 4, 7 =
Polyc. 3, 12,
35.
D. 43, 16, 1,24
—29. D. 43,
16, 3, 9 = Po-
lyc. 3, 12, 36.
Iul.4,8(19) =
Polyc. 4, 35,
38.
Iul. 115, 67
(493)=Polyc.
4, 39, un.
0.1.7,43,2 =
Polyc. 5,5,22.
0.1.7,43,5 =
Polyc. 5,5,23.
Zu den Acten der Triburer Synode 895.
307
Bl
. 103 a
-a'.
iL
103a'.
BL 103 a'
— b.
Ex eodem. [Ex] ea que sta-
tuuntur adversus absentes — ob-
tinere certuni est.
De eodem. Cum non volun-
tatis — ratio non permittit.
Ex eodem. Cum presentibus
par[i]tibus littem — refra[n]gan-
tur.
De eodem. Constat in qua-
cumque causa — spem negotii
reposuerit.
Ex eodem. Neque sua(m) ne-
que decessoris (s)ui sententiam —
explorati iuris est.
De eodem. Sententia que
dicta fuerit — sollempnitas re-
quiratur.
Ex eodem. De eo qui pretio
depravatus — discriminis pre-
beatur.
C. 1.7, 43, 7 =
Polyc. 5,5,24.
C. 1.7,43,10 =
Polyc. 5,5,25.
C.I.7, 43,11 =
Polyc. 5,5,26.
C.I.7, 49,1 =
Polyc. 5,5,27.
C.I.7, 50,1 =
Polyc. 5,5,28.
C. 1.7,44,3,1=
Polyc. 5,5,29.
C.I.7, 49, 2 =
Polyc. 5,5,30.
Unsere Verkürzung von Vulg. c. 46 ist also nicht ein
Auszug des Originals, sondern ein Excerpt aus Ivo (8, 210).
Sie ist sehr späten Ursprungs ; denn sie lässt sich erst in
unserer dem 12. Jahrh. angehörigen Sammlung nachweisen.
Sie rührt wohl sicher vom Verfasser der Sammlung selbst,
der auch sonst seine Vorlage nicht unverändert wieder-
gegeben, sondern gekürzt oder sonstwie bearbeitet hat1,
also von privater Seite her. Es kommt ihr demnach so
viel oder vielmehr so wenig Autorität zu als Krause den
Auszügen in X und Cat. zuzugestehen geneigt ist.
Ein bisher allgemein2 übersehenes kurzes Capitel, ein
Auszug aus Vulg. c. 15, ist im Gratianischen Decret als
C. 13, q. 2, c. 6 überliefert. Das Original und das Excerpt,
deren Uebereinstimmungen cursiv gedruckt sind, lauten :
Vulg. c. 15.
De sepultura mortuorum.
Eestat propter instantem,
C. 13, q. 2, c. 6.
Item in Triburiensi con-
cilio legitur: Ubi quisque eli-
1) Vgl. Iul. 45, 1, Bl. 50 a'; Iul. 36, 24 aus Ivo 8, 273, Bl. 50 b';
die Stücke von Inst. 1,10 aus Ivo 9,1, Bl. 58a'. — Die Entlehnungen
aus dem Polycarpus seheinen freilich unverkürzt zu sein. 2) Vgl. z. B.
Phillips, Die grosse Synode von Tribur (1865, Sonderabdruck) S. 21. 38—41.
308
Emil Seckel.
quae tunc inaxima occurrit,
necessitatem , ubicunque x fa-
cultas renim et oportunitas
temporum suppetat, sepultur&m.
morientium apud ecclesiam, ubi
sedes est episcopi, celebraxi. Si
autem hoc propter itineris lon-
ginquitatem aut adiacentem
alicuius inoportunitatis diffi-
cultatem inpossibile videatur,
expectet eum terra sepulturae
suae, quo canonicorum aut
monachorum sive sanctaemonia-
lium congregatio sancta com-
muniter deg&t. . . . Quodsi et
hoc ineptum et difficile esti-
metur, ubi decim&m persolvebat
vivus, sepeliatur mortuus.
Die Ursprungsverhältnisse dieses Auszugs liegen völlig
im Dunkeln. Wird man geneigt sein, ihn in verhältnis-
mässig späte Zeit hinabzurücken, so fehlt es doch an aus-
reichenden Gründen, den Excerpenten in Gratian selbst zu
suchen : die Vorlagen zu modeln ist seine Sache nicht 2.
gere sepulturam sibi debet.
Ubicumque temporum vel loco-
rum facultas tulerit, apud rna-
iorem ecclesiam, ubi sedes est
episcopi, sepultur&e celebrentwv.
Si autem propter temporis vel
loci asperitatem hoc difficile
visum fuerit, apud ecclesiam,
quo religiosorum canonicorum
vel monachorum vel sanctimo-
nialium religiosa congregatio
communiter degerit, sepeliatur.
Si autem et hoc ineptum vi-
sum fuerit, ubi quis decim&s
persolvebat vivus, ibi sepeliatur
mortuus.
1) Vgl. hierzu den Anlauf zu einer genauem "Wiedergabe in C. 16,
q. 1, c. 16. 2) Dass C. 27, q. 2, c. 11. 14. 15 Auszüge aus Vulgata c. 41
seien, wie Friedberg zu den Stellen behauptet, ist doch mehr als zweifel-
haft. Von Krause sind also die drei Capitel ohne Schaden nicht beachtet
worden. — Im Cod. Taurin. D V, 19, saec. XII. bildet ein Excerpt aus
Vulg. c. 47 einen Böstandtheil der in der Hs. Bl. 97 a überlieferten
kanonistischen Erörterung, vgl. Fitting, Juristische Schriften des früheren
Mittelalters (1876) S. 23. Das Excerpt lautet nach dem Tübinger Apo-
graph (Cod. Tub. Mc. 312, 111,2, Bl. 76 b): 'In concilio Triburiensi con-
ceditur, ut homo defun(c)to (com)patre suo uxorem illius ducat, si ei
compater non est ; quod tarnen in alibus (!) locis inhibitum repperi-
tur'. Ausser dem Conc. Trib. sind in der Erörterung von Quellen heran-
gezogen ein Capitel Gregors III. bezw. II. 'Progeniem suam' (= Burch.
7, 11 und Ableitungen), sowie c. 5. 7. 9 conc. Roman, sub Greg. II. 721:
'Si quis fratris uxorem', 'Si quis novercam', 'Si quis de propria' (Mansi
T. 12, col. 263). Die fünf Stellen finden sich meines Wissens in keiner
andern Sammlung beieinander als im Decret und in der Panormie Ivo's;
vgl. Ivo, Decr. 9, 96. 26. 19 (9, 19 ist mit vollendeter Gedankenlosigkeit
in 9, 59. 60 theilweise wiederholt, und zwar aus Burch. 7, 23. 24 in der
aus Burch. entnommenen Reihe 9, 54—66), Ivo, Pan. 7, 67. 77. 57. Also
ist eine der Sammlungen Ivo's die Zwischenquelle der Turiner Hs. —
Ueber die Hs. vgl. auch unten S. 323 ff.
Zu den Acten der Triburer Synode 895.
309
5. Zur Geschichte der Bearbeitung- von Vulg.
c. 5 5 — 5 81.
Wie sich von Burch. 6, 6. 16, 19. 3, 196 eine verfäl-
schende Bearbeitung- im Cod. Monac. 3909 abzweigt2, so
begegnen auch von Texten, die es mit der Triburer Synode
zu thun haben und Burchard 6, 1 — 4 entsprechen, zwei der
bisherigen Forschung über die canones Triburienses unbe-
kannt gebliebene Verfälschungen3.
Die eine ist eingefügt in das sog. Poenitentiale Vali-
cellanum III4, die andre ist vom Verf. im Cod. Riccard. 300 5,
Bl. 118b — 119b aufgefunden worden.
Ich gebe zunächst die beiden Texte wieder. Cursiv
gedruckt ist, was sich im Wortlaute, wenn schon in an-
derer Wortstellung, auch bei Burchard findet; in gewöhn-
licher Antiqua, was dem Sinne nach nichts Neues bietet,
vielmehr nur Burchards Worte mehr oder weniger genau
paraphrasiert oder glossiert ; in gesperrter Antiqua die sach-
lichen Aenderungen und Zusätze der beiden Eecensionen.
Poenitentiale Valicella-
nuni III.
Ex decretis Melchiadis pape
et ex concilio Triburiensi.
(I.6) Si quis spontanea voJun-
tate homicidium perpetraverit,
imprimis ille proximos quadra-
ginta continuos'1 dies et noctes
iuxta ecclesiam inclusus sit
nudis pedibus et in Janeis ve-
stibus dbsque femoralibus. Et
in Iris quadraginta dieJms et
noctibus nihil sumat nisi solum
panem tantiim et pur am aquam.
In terra nuda sedeat et
de terra sumat, quid-
Collectio canonum Cod.
Riccard.
De homicidiis iuxta Meltia-
dis pape decretmn. et Tribuense
(scr. Triburiensis) statuta con-
cilii.
(1.) Scilicet: qui || sponte
vel causa cupiditatum8 homi-
cidium sine necessitate ° fecerit,
in pane et aqua quarentinam
ieiunet et cum Janeis vestibus,
discalciatus ac sine femorali-
bus: et cum nullo christiano
dormiat nee manducet, set
iuxta eceJesiam caste et sobrie
nocte ac die maneat ibique
peccata sua cum prephata re-
gula defleat. Tarnen in his
1) Bisher Bekanntes bei Krause ed. p. 204. 242—246. 2) Nach-
gewiesen in Abh. I, S. 402. 403. Dazu ferner unten Mise. 6. 3) Auch
Jaffe T. 22, p. 732, n. 173a ist nach dem hier Beigebrachten zu ergänzen.
4) Ed. Schmitz, Die Bussbücher (1883), S. 779 f. 5) Ueber den alsbald
zu handeln sein wird, unten S. 313 f. 6) Vgl. Burch. 6, 1. 7) Zu
'continuos' Burch. 19, 5 in. 8) Vgl. zu 'vel causa cupiditatum' Burch.
6, 33 : 'vel propter cupiditatem', Burch. 19, 5 in. : 'per tuam cupiditatem'.
9) Zu 'sine necessitate' Burch. 19, 5 in.
Neues Archiv etc. XX. 21
310
Emil Seckel.
quid ei porrigitur, sine
mensa. Parva utatur
mappa. In terra super
mattam in modico Stra-
mine dormiat. Die ac nocte
iugiter Dei misericordiam im-
ploret. Cum nullo cdio chri-
stiano, neque cum poenitente,
ullam communionem habeat in
ribo vel potu. Consukmta ta-
rnen qualitate personae vel In-
fi rmitate in dominicis die-
bus et praecipuis festis
sive etiam quinta feria.
prout sacerdoti visu»/ fuerit,
aliquid pro misericordia ei in-
dulgeatur de vino, de pomi-
bus (!), de pisciculis, de
oleribus, de crudis her bis,
de leguminibus absque ca-
seo ... (ins. cervisia?) et
carne. Et si summa neces-
sitas irruerit, fiat ei miseri-
cordia in vestibus et in
strato. Completis XL c o ri-
tin uis diebus et noctibus
aqua Iotas vestimenta et calcea-
menta accvpiat, capillos et un-
gulas incidat, liminibus
ecclesiae episcopo se
repraesentet. [Tres ex
bis in parie et aqua.]
(2.1) [De primo anno.] In
primo anno totum ülwm annum
se mbstineat a vino, ab omni
potione et carne, a caseo,
ab ovis(?) et pmguibus et
magnis piscibus, nisi domi-
nicis et festis diebus et nisi
forte in magno itinere aut in
oste regio2 vel diu ad curtem
dominica[txi\m vel in infirmi-
diebus considerata persone qua-
litatis (scr. qualitate^ de po-
mis, de oleribus yel de legu-
minibus aliqaid pro misericor-
dia concedatur.
(2.) Deinde vn sequentes
annis (scr. annos) ita, ut pri-
mnrn ab omnibus vini liquori-
bus et a carne, sagimine3,
pisce, caseo se abstineat (Cx
abstinet^, nisi in principali-
bus festis, qu% (!) a cuncto po-
pulo celebrantur, aut in regali 4
curia vel in difficili itineri
(scr. itinere) fuerit seu in
1) Vgl. Burch. 6, 2.
gimine' Burch. 19, 5 in.
2) Zu 'regio' Burch. 19, 5 in. 3) Zu
4) Zu 'in regali' Burch. 19, 5 in.
Zu den Acten der Triburer Synode 895.
311
täte detentus sit. Tunc Jiceat ei
uno denario vel pretio unius
denarii (tut tres pauperes pa-
scendo tertiam feriam, quintam
feriam l et säbbatum redimere,
ita duntaxat. ut una re de tri-
bus uiatur, id est, si vinuni
bibit , neque carnem neque
piscem manducet; si carnem
manducat, neque vinuni ne-
que piscem sumat; si pisce
utitur, vinuni et carnem di-
mittat. Post quam domum ve-
nerit et sanüati fuerit restitu-
tus, nuttam licentiam häbeat
redimendi.
(3.2) [De secundo anno.] In
secundo et tertio anno similiter
ieiunet, nisi quod tertiam feriam
et quintam feriam x et säbba-
tum redim&t pro taxato pretio,
ubicunque est, et sumat, ex-
cepta sola carne, de Om-
nibus, quae sibi appo-
nuntur. Cetera diligenter ob-
servet ut in primo. Expletis3
tribus annis ecclesiam intro-
ducaiur et pacis osculum ei con-
cedatur.
(4.4) In quatuor aliis annis
sequentibus tres quadragesimas
per legitimas ferias5 tres ieiu-
net in pane et aqua. In aliis
autem feriis aeeipiat quidquid
velit'K excepta sola carne.
Extra tres quadragesimas se-
cundam feriam et quartam fe-
riam redimed iam dictis pretiis.
Sextam feriam, guamdiu vi-
rit \ observet in pane et aqua.
hoste domiiii sui, vel infirm i-
tate detentus. Zr?'eentiam redi-
mendi im. (scr. m.), vi. {*er.
v.) et sabbati feria (scr. ferias?)
habeat, pro unoquoque die
denarium unum vel pretixim
unius denarii, aut tres pauperes
pascendo. Absque (ins. his?)
diebus vero redimendi lieen-
tiam non habeat. Anno enim
expleto pacis osculum conceda-
tur et in ecclesia introducatur.
(3.) Deinde seeundum. et ter-
thun annum ut primum ieiu-
net, excepto im. (scr. in.) et
vi. (scr. v.) et sabbati ferias
(C fer.) iam dicto pretio redi-
mendi potestatem habeat.
(4.) Quattuor autem (ins. se-
quentibus ?) annis legitima
(scr. legitimas ?) quadragesi-
marum ferias (C fer.) cum
abstinentia supradieta ieiunet.
Secunda et IUI. feria (C fer.),
si vult, iam dicto pretio redi-
wat, set VI. feria (Cfer.) sem-
pers ieiunet in pane et aqua.
His enim expletis communio-
nem sanetam aeeipiat, ita;'
1) Zu 'feriam' Burch. 19, 5 in. 2) Vgl. Burch. 6, 3. 3) Vgl.
Burch. 6, 2 fin. 4) Vgl. Burch. 6, 4. 5) Zu 'per legitimas ferias'
Burch. 19, 5 in. 6) Zu 'aeeipiat quidquid velit' Burch. 19, 5 in. 7) Zu
'quamdiu vivit' Burch. 19, 5 in. 8) Zu 'semper' Burch. 19, 5 in. 9) Zum
Folgenden Burch. 19, 5 in.
21*
312
Emil Seckel.
Et 1 post finern septimi anni,
si non potuerit ieiunare, re-
dimat eam supra dicto pretio.
tarnen, ut, dum vivit, || semper
feria (C fer.) VI. in pane et
aqua ieiunet, aut supra dicto
pretio emat. Et si durum
sibi hoc visum fuerit,
relinguat seculum et ingrediatur
monasterium et deo iugiter ibi
serviat.
(5.2) Si q/ds homicidium vo-
luntarie3 atque odii medita-
tione^ et per insidias6 aut
sponte perpetraverit, et non
sibi resistentem., sed . . . (ins.
rin/ faciens) innocentem, aut
in insidiis latens simpli-
citer gradientevn aut dor-
m i e n t e m interfecerit , r e -
iectis armis usque ad finem
vitae suae, sicut supra dic-
tum est, peniteat.
Die Capitel des Poenit. Valicell. III können nicht aus
denen der Coli. Riccard. stammen ; denn sie enthalten einen
Ueberschuss an ursprünglichem (; Material 7. Aus demselben
Grunde s ist eine Entlehnung im umgekehrten Sinne aus-
geschlossen. Man hat also nach der gemeinsamen Quelle
zu fragen.
Regino 9 ist diese Quelle sicher nicht. Denn ihm sind
die Ueberschrift und gewisse Texteseigenthümlichkeiten 10
noch fremd.
Als gemeinsame Vorlage wird nur Burchard n be-
1) Zum Folgenden Burch. 19, 5 in. 2) Vgl. im Allgemeinen
Eurch. 6, 14. 3) Zu 'voluntarie1 vgl. Burch. 6, 12 oder 6, 13. 4) Zu
'odii meditatione" vgl. Burch. 6, 33. 5) Zu 'et per insidias1 vgl. Burch.
6, 12. 6) Einerlei, ob das Original oder Regino oder Burchard ins Auge
gefasst wird. 7) Besondere Hinweise überflüssig. 8) Vgl. z. B. Coli.
Rice. c. 2 i. f., 3 (v. 'redimendi potestatem habeat'), 4 i. f. 9) Oder gar
die Sammlung X nach der Kölner Hs. 10) In c. 1 in. die Auslassung
von 'diabolo suadente' (Reg. 2, 6) ; c. 1 i. f. Valic. v. 'calceamenta aeeipiat' ;
c. 2 i. f. Valic, c. 3 i. f. Rice, 'in ecclesiam introducatur' ; c. 3 'pro (prae)
taxato pretio' ; c. 4 'in päne et aqua' ; vgl. den Apparat der ed. Krause.
C. 5 i. f. Valic. folgt dem Texte Burchards, nicht dem Regino's (2, 11).
11) Vgl. die Nachweise in den Anmerkungen zu S. 309—312. — Zu unter-
suchen bleibt übrigens, wie sich zu Burchard die Sammlung der Hs. Ste-
Genevieve 166 (vgl. Catalogue general, Bibliotheque Ste - Genevieve T. 1,
1893, p. 106 s.) in ihren zahlreichen (Catalogue a. a. O. p. 107) Triburer
Schlüssen verhält ; nach Blumenstock, Anzeiger der Akademie der Wissen-
Zu den Acten der Triburer Synode 895. 313
trachtet werden können1. Bei ihm ist der benutzte Stoff
gerade in der Gestalt zu finden, wie ihn unsere beiden Ee-
censionen dem Concilium Triburiense auf Eechnung setzen.
Die Vorlage ist beidemal durch Auslassungen gekürzt,
durch Aenderungen bearbeitet und durch fremdartige Ein-
schiebungen verfälscht ; im Poen. Valic. ist sie um ein fal-
sches Capitel (c. 5) vermehrt. Die Tendenz der Abweichungen
liegt beim Poen. Valic. auf flacher Hand : es wird auf Ver-
schärfung der Todtschlagbusse ausgegangen. Eine ähnliche
Tendenz klingt auch im c. 4, alin. 2 der Eiccardianischen
Kanonensammlung an.
Es erübrigt noch, die Collectio canonum Eiccardiana2
in Kürze zu charakterisieren. Sie ist überliefert in der
Hs. zu Florenz, Eiccardiana 300 (früher K III 9), Perga-
ment, 11./12. Jahrb., 129 Blätter quart, und nimmt hier
Bl. 33b unten — Ende ein3. Die Sammlung gehört zur
Gruppe der oberitalischen systematischen Collectionen,
welche die Hibernensis stark benutzt haben. Die Gruppe
war nach dem bisherigen Stande des Wissens vertreten
1) durch den Cod. Vatic. 1349, eine Sammlung des 8. Jahrh.4
und 2) durch den wahrscheinlich auf dem ebengenannten
erweiternd aufgebauten Cod. Vatic. 1339, eine Arbeit des 10.
oder des beginnenden 11. Jahrh.5. Auf letztere geht aller
Schäften in Krakau 1890, S. 160 — 163 ist die Sammlung nicht aus Bur-
chard, sondern mit Burchard aus einer gemeinsamen Quelle abgeleitet. —
Ivo scheint jünger zu sein als die Coli. Riccard. ; dagegen ist Ivo's Be-
nutzung in dem sehr jungen Poenit. Valic. III an sich nicht ausgeschlossen.
Schmitz a. a. 0. S. 770 oben irrt, wenn er behauptet, dass unser Capitel 'Si
quis spontanea' sich in der Sammlung des Burchard nicht finde. 1) Nichts
berechtigt, eine gemeinsame Quelle von Burch., Valicell. und Riccard. zu
statuieren. Eher könnte man an eine für Valicell. und Riccard. gemein-
schaftliche Zwischenquelle denken, die sich hinter Burchard einschöbe ;
doch genügt m. E. zu deren Annahme der vorliegende Thatbestand nicht,
auch nicht die Uebereinstimmung in c. 4, alin. 2, die noch am schein-
barsten ist. 2) Sie wird uns im Folgenden — Miscelle 7. 10 — wegen
ihrer Triburer Capitel noch mehrfach begegnen. 3) Vgl. Lamius, Cata-
logus codicum manuscriptorum bibliothecae Riccardianae (1756), p. 129 —
133, wo auch schon die Benutzung des Conc. Tribur. p. 133, col. 2 ange-
merkt ist, überhaupt die Quellen der Sammlung nach der Hs. namhaft
gemacht und die Rubriken verzeichnet werden. S. auch Archiv XXI
(1874), S. 729. 4) Vgl. Mai, Spicilegium T. VI, p. 396—474; Savigny,
Geschichte des röm. Rechts im MA.2 II, S. 294, VII, S. 72 f. ; Maassen,
Geschichte der Quellen I, S. 885—887; Wasserschieben a. a. O. S. XXVIII.
XXIX; Conrat, Geschichte der Quellen I, S. 210. 5) Vgl. Theiner,
Disquisitiones criticae p. 271 — 300 (viele "Worte bei geringem Inhalt) ; Sa-
vigny a. a. O. II, S. 299, VII, S. 73—75; Giesebrecht, Münchener bist.
Jahrbuch für 1866, S. 100, Anm. 3 ; Maassen a. a. O. S. 886 ; Bibliotheca
Casinensis, T. III (1877), p. 130—160, Florileg. p. 120—128; Wassersch-
ieben a. a. O. S. XXVIII ; Conrat a. a. O. I, S. 215-217 ; MG. Consti-
tutiones T. I (1893), p. 61, N. 1.
314 Emil Seckel.
Wahrscheinlichkeit nach unser Cod. Riccard., ein verhältnis-
mässig junges Werk des ausgehenden 11. Jahrh.1, zurück2.
Die Coli. Riccard. ist bisher gänzlich übersehen worden, ob-
gleich Land 's Angaben über Rubriken und Quellen3 die allge-
meine Charakterisierung der Sammlung erlaubten. — Alle
drei Redactionen sind noch nicht genügend untersucht. So
ist z. B. wohl möglich, dass die Triburer Stücke sich schon
im Cod. Vatic. 1339 finden4; wenigstens ist in ihm nach
seinen Untersuchern-3 aus den Acten 'deutscher Synoden'
geschöpft.
6. Zur Geschichte des falschen Capitulares
'Placuit nobis et fidelibus nostris'.
Der Cod. Florent. Laur. Gadd. LXXXVIIII, sup. 31
(Pergament, 12. Jahrh-, 122 nichtnumerierte Blätter klein-
quart6) enthält Bl. 17a — 28 b eine kleine Kanonensammlnng
in drei Büchern. Sie dürfte nachburchardisch sein ".
In Buch 3, Bl. 25 b findet sich eine eigenthümliche
bisher unbekannte Recension des Capitulare 8. Sie geht
auf Burchard 6, 6 (5) zurück. Während Burchard dem
(falschen) Original sehr nahe bleibt, sind in unserm erheb-
lich gekürzten Text auch bereits eine Reihe von Inter-
polationen eingefügt, die fast ausnahmslos aus Burch. 6, 5,
dem falschen Concilium apud Theodonis villam, entnom-
men sind; sie gehen nicht so weit wie in dem Text bei
Phillips und vollends nicht so weit wie in der Recension
des Cod. Monac. 3909 bei Schmitz. Das Capitel der Samm-
lung des Cod. Gadd. lautet:
1) Seine jüngste Quelle ist Gregor VII. 2) Von römischem Recht,
das sehr spärlich vertreten ist, findet sich Bl. 59 b Iul. Epit. 108, 9 (386)
'Iustinianus rex. Non liceat consensu matrimonium solvere — ratione
concedimus', also gerade eine der charakteristischen Stellen, die sich bis-
her — vgl. aber jetzt unten Miscelle 10, S. 318 ff. — nur in der Samm-
lung des Cod. Vatic. 1339 nachweisen Hessen, s. Oonrat a. a. 0. I, S. 216,
Anm. 2. 3) Auf die hiemit Bezug genommen wird. 4) Freilich
müsste sich dann die chronologische Ansetzung der Sammlung (S. 313,
Anm. 5) eine kleine Modification (wegen der Beziehungen zu Burchard) ge-
fallen lassen, zum Mindesten denen gegenüber, die sich für das 10. Jahrh.
ausgesprochen haben. 5) Merkel bei Savigny a. a. O. VII, S. 73 ; Conrat
a. a. O. I, S. 217 f., Anm. 4. 6. 6) Vgl. Bandinius 1. c. T. III (1776),
col. 299. 7) Wohl nur aus Burchard (16, 4) kann das Capitel stammen,
das in Buch 8, Bl. 25 a. b sich findet 'ex concilio apud Teodonis villam
cap. V. Homicide malefici fures — erunt admittendi'; Ivo (10,37; vgl.
6, 333) hat eine andere, und zwar die richtige, Inscription. 8) Die vier
bisher bekannten sind Abk. I, S. 402 nebst Anm. 2 aufgezählt.
Zu den Acten der Triburer Synode 895. 315
Ex concilio Triburiensi et capitularibus Karoli. Pla-
cuit nobis et fidelibus nostris, ut, sicut ab episcopis no-
stris et reliquis sacerdotibus ac dei servis alio anno apud
Teodonis villam admoniti sumus et rogati, ut episcopi et
eorum ministri et dei sacerdotes eorunique cooperatores
intacti permaneant. Constituimus itaque, ut, si quis sub-
diaconum caluinpniatus fuerit et prevaluerit, vulnerave-
rit vel acceperit vel debilitaverit, v quadragesimas sine
subditis annis canonica (ins. penitentia) peniteat et ccc soli-
dos episcopo conponat. et si mortuus fuerit, iuxta id,
quod canones precipiunt, peniteat et episcopo cccc soli-
dos conponat. § Si diaconum quis calumpniatus fuerit
et prevaluerit, debilitaverit, acceperit, vulneraverit,
vi quadragesiinas peniteat et episcopo cccc solidos con-
ponat. Si mortuus fuerit, vi ebdo[b]madas cum annis
sequentibus peniteat et dcccc solidos episcopo conponat.
§ Si presbiterum quis male tractaverit, conprebenderit,
vulneraverit, secundum episcopi sententiam peniteat et
dcccc solidos episcopo conponat. Si autem mortuus fue-
rit, ut synodus diiudicaverit, peniteat et Mcc solidos
episcopo conponat. § Si episcopo quis insidias posuerit,
conprebenderit vel in aliquo debonestaverit , x quadra-
g-esiinas cum subditis annis peniteat et presbiteri occisi
tripliciter emendationem conponat. x
7. Ein neues Caput falsum 'Ab infirmis in
periculo mortis'.
Die Biccardianische Kanonensammlung 3 enthält Bl. lila
ein Capitel 'De infirmis in p(er)iculo mortis constituti(s),
(ex) concilio Triburiensi. Ab infirmis in periculo mortis
positis — secundum statuta sanctorum patrum communione
viatici referantur (scr. reficiantur)'.
1) Daran schliesst sich in der Hs. unmittelbar ein Capitel:
'Item de eodem. Si quis martirium violaverit, id est atrium,
quod omnino interdicimus, ter novem et Lx solidos exsolvat : Lx vide-
hcet, quia terra alterius iuris est, ter novem, quia deo regi regum
sacrata et dicata est. Quodsi ad ecclesiam infringendam diabolo in-
stigante grassetur, quoniam tantum nefas peregit, Lx libras, id est
mcc solidos, exsolvat, legem scilicet de martyriis et atriis duplam(?!),
et diu multetur penitentia'.
Es erscheint nicht angängig, auf Grund der zweideutigen Aufschrift 'Item
d e eodem' dieses Stück als Triburer Extravagante in Anspruch zu nehmen.
2) S. oben S. 313 f.
316 Emil Seckel.
Derselbe Kanon ist als c. 1, C. 26, q. 7 in Gratians
Decret übergegangen und wird hier, wie schon bei Burchard
(18, 14) und bei Ivo (15, 36) 1 unrichtigerweise dem Poeni-
tentiale Theodori zugeschrieben2. Eriedberg z. d. St. ver-
mag die wahre Quelle nicht nachzuweisen, obwohl sie be-
reits in Fronto's Ausgabe des Ivonischen Decrets (1647) zu
15, 36 3 namhaft gemacht war als Conc. Mogunt. 847, c. 26 4.
Die Varianten der Coli. Biccard. verglichen mit dein
Original und mit Burchard und Ivo 5 ergeben, dass ihr Text
Burchard am nächsten steht; die Originalacten und Ivo
sind nicht benutzt. Wie freilich das Stück zu der In-
scription '(ex) conc. Triburiensi ' gekommen ist, vermag ich
z. Z. nicht zu erklären''; die Nachbarcapitel in der Coli.
Biccard. habe ich leider nicht notiert.
8. Ein ferneres Caput falsum 'Si quis episcopus
in aliquibus causationibus'.
In dem Cod. Guelferbyt. 35 (inter Helmstad. 32)
saec. XI. ineuntis ' steht s Bl. 17 b ein Capitel 'Ex concilio
T(r)ibur(i)ensi. Si quis episcopus in aliquibus causationi-
bus'. Als triburisch ist es durch nichts beglaubigt als
durch die sicher irrthümliche Inscription. Seine Quelle
ist c. 14 conc. Antioch. 332 nach der Uebersetzung des
Bischofs Martin von Braga9.
1) Ebenso bei den andern von Friedberg z. d. St. citierten Samm-
lern. 2) Vielleicht ist er von Burchard der Vorlage der Capitula Pseudo-
Theodori entnommen, vgl. unten S. 329 u. S. 34(3, Anm. 3. 3) Nach-
druck bei Migne, Patrol. lat. T. 161, col. 865 ; ebenso schon von Antonius
Augustinus zum Poen. Pseudo - Romanum 9,7 (Opera T. 3, p. 287, N. z.j.
4) MGr. Capp. II, p. 182. 5) '(ex) concilio Triburiensi' — 'Ex poeniten-
tiali Theodori1 B. Iv. ; 'non tarnen' — 'non tarnen est1 orig. codd. quidam;
'et si forte1 — 'ut s. f.1 orig.; 'migraverint ne[c] ] Schreibfehler; 'ex com-
munione1 — 'excommunicatione' orig., 'et a communione' Iv. ; 'vel ex1 —
'ex' orig., 'vel1 Iv. ; 'erepti convaluerint (Conjectur) . . . observet1 —
'ereptus -it ... -et' B. Iv., '-i -int . . . -ent1 orig.; 'via pietatis1 —
'ianua p.1 orig. B. Iv. ; 'coniunctione 5 Schreibfehler für 'cum unctione1.
6) Die entfernte inhaltliche Verwandtschaft mit Conc. Trib. c. 55 i. f.
möchte ich nicht verwerthen. 7) Ueber den Inhalt der Hs. vgl. Was-
serschieben, Regino p. XX , num. 1 3 und insbesondere Heinemann, Die
Handschriften der Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abth. 1, Bd. I (1884).
S. 22 — 24. 8) Nach Heinemann a. a, 0. S. 23. Ich habe die Hs.
nicht selbst gesehen, kenne also nur die bei Heinemann abgedruckten
Anfangsworte des Kanon, die aber zur Bestimmung des Stückes gerade
ausreichen. 9) Capitula Martini c. 13, ed. Bruns, Canones apostolorum
et conciliorum P. 2, 1839, p. 46.
Zu den Acten der Triburer Synode 895. 317
9. Die Fälschungen Gratians1.
1. C. 17, q. 4, c. 20 'Item ex concilio Triburiensi.
Si quis contuniax'. Quelle'2: Burchard (3,197) oder Ivo
Decr. (3, 114). Bei beiden ist das vorhergehende Capitel
ein Triburer Schluss.
2—5. C. 27, q. 1, c. 11— 14 3. Die vier Capitel 'Inpu-
dicas detestabilesque personas', 'Virgineni que se deo', 'Hü
igitur qui scientes', 'Virginibus sacris' werden durch die
Aufschriften 'Item ex concilio Triburiensi c. 6' bezw. 'Item
ex eodem' der Triburer Synode zugeschrieben. Von Gra-
tian sind sie aus Burchard 8, 29 — 32 entlehnt, wo sie an-
dere Inscriptionen führen. Gratian hat die Fälschung
durch einen Irrthum verschuldet, dessen Veranlassung sich
höchstens vermuthen lässt. Vielleicht hatten in seinem
Burchard -Exemplar die Capitel 8, 29. 30. 32 je eine Glosse
des Inhalts 'Hec inveniuntur in conc. Trib.' ; welche ganz
richtige Bemerkung4 dann von Gratian niiss verstand lieh
für eine Verbesserung der Inscription genommen und durch
ein zweites Missverständnis auch auf das Capitel 8, 31 be-
zogen worden wäre.
6. C. 31, q. 1, c. 5 'Item in eodem (sc. conc. Trib.).
Si quis vivente'. Als Quelle kommt zunächst in Frage
entweder Burchard (9, 65) oder Ivo Decr. (8, 202) ; hier wie
dort folgt im nächsten Capitel ein Triburer Kanon. Wäre
aber auf die Ausgabe von Ivo's Panormie Verlass, so müsste
eher diese (7, 12) als Vorlage betrachtet werden, da das
Stück in der Panormie 'Conc. Trib.' inscribiert ist.
7. C. 32, q. 7, c. 24 'Item ex Triburiensi concilio. Si
quis cum noverca'. Quelle: Burch. 17,11. — Auch Burch.
17, 12 5 ist zu einem falschen Triburer Schluss geworden in:
8. C. 34, q. 1, c. 9 'Item ex eodem (sc. conc. Trib.).
Si quis cum matre'.
1) Sie hätten wohl von Krause gerade so gut wie die Falsihcate
Burchards im N. A. XVII, S. 82 und in der ed. p. 205 sq. aufgezählt
werden sollen. 2) Bei Phillips a. a. 0. S. 21 ist das Capitel irrthüm-
lich zu Vulg. c. 20 in Beziehung gebracht, statt zu Bened. Lev. 1, 337.
3) Von Phillips a. a. 0. S. 38 — 41 ('Die Triburiensischen Canones bei
. . . Gratian') ebenso wie die folgenden Stellen übersehen. 4) Burch.
8, 29 hat ein ähnliches Excerpt aus dem c. 6 (7) der Epist. Siricii ad
Himer. (Coustant, Epist. rom. pont. T. 1, p. 623. 629) benutzt (oder an-
gefertigt), wie die Vulgata in c. 23 (ed. p. 226, lin. 5—15). In Burch.
8, 30. 32 wie in Vulg. c. 23 sind conc. Chalc. c. 16 bezw. Ep. Gelasii
ad episec. Lucaniae c. 20 herangezogen. 5) Xach Wasserschieben zu
Regino 2, 220 wäre Gratians Stelle aus Ivo, Decr. 9, 72 geschöpft ; ich
halte dies nicht für zutreffend.
318
Emil Seckel.
In den zwei letzten Fällen scheinen die Triburer
Schlüsse bei Burchard 17, 4 — 7. 16 — 18 durch ihre Nähe
attrahierend gewirkt zu haben.1
10. Zu den Codices varii der Vulgata2.
Vulg. c. 21 findet sich in der sehr merkwürdigen,
bisher nirgends behandelten 3 Kanonensammlung des Cod.
Florent. Laur. S. Cruc. IV, sin. 44 (Pergament, 11. Jahrh.
[eher noch erste als zweite Hälfte?], 96 grossentheils nicht
foliierte beschriebene Blätter, quart). Die Sammlung ist
leider nur Fragment. Sie ist systematisch geordnet und
setzt sich zusammen aus Concilienschlüssen, Decretalen,
Schriften von Kirchenvätern 5, Bussbüchern ß, römischem
und langobardischem 7 Recht 8.
Zur Charakterisierung der eigenartigen Sammlung
theile ich die von mir notierten römisch -rechtlichen Ex-
cerpte mit:
Bl. 10b. Si vir vel uxor causa (!) legi- Iul. 114, 4
c. 74 ('?). tima matrimonium solvent. Cap. (426).
ccccxxvi. Iustinianus rex. In
superioribus posita est — ut pari
dilecto (!) par pena utrosque co-
mitetur.
1) In den MC. Constit. T. I (1893), p. 629 sagt Weiland, c. 2, Conc.
Confluent. 922 'Nullus proprium filium' (= c. 55, Conc. Mog. 813) sei
vermuthlich aus dem Conc. Tribur. 895 — also einer echten Extra-
vagante dieser Synode — und von diesem erst aus dem Conc. Mog.
entnommen, da das Capitel sowohl im Cod. Monac. 14628 als bei Burch. 17
(Druckfehler XVI), 25 der Triburer Synode zugewiesen werde. "Weiland
hat übersehen, dass, wie Krause N. A. XVII, S. 82 festgestellt hat, der
Cod. Monac. 1. c. aus Burchard stammt, ihm also neben Burch. kein selb-
ständiger Beweiswerth zukommt. — Ebenda ist übersehen, dass Conc. Con-
fluent. c. 12. 13 aus Conc. Trib. Coli. Cat. c. 33. 34 herrühren, worauf von
mir Abh. I, S. 385, Anm. 3 aufmerksam gemacht worden ist. 2) Vgl.
Krause ed. p. 198 — 201, letzte Spalten. Zu Vulg. c. 16 hätte wohl Ivo
3, 215 herangezogen werden sollen, da er das Capitel direct der Vulgata
entnommen hat, vgl. Phillips a. a. 0. S. 21, er also für eine alte Ueber-
lieferung, wie sonst Beg. App., Burch. u. A., einen (wenn schon nicht
gerade classischen) Zeugen äbgiebt. 3) Sie verdient künftige nähere
Untersuchimg. 4) Vgl. Bandinius 1. c. T. 4 (1777), col. 44. 5) Sehr
häufig Iohannes Constantinopolitanus. 6) Z. B. Theodorus et Comea-
nus'. 7) Z. B. 'Grrimualdus rex'. 8) Bl. 2b unten wird berichtet,
dass Rothad Bischof von Soissons von einer Synode unter Karl und dass
Soffrenus (sie) Bischof von Piacenza verurtheilt und von Papst Nicolaus
reconciliiert worden seien, = Burch. 1, 233 i. f.
Zu den Acten der Triburer Synode 895.
319
Bl. IIa.
[Bl. IIb.
Bl. IIb.
c. 77.
Bl. . .
c. 84.
Bl. . .
c. 107.
Bl. 47 b
48 a,
Bl. 69 a.
B1.69a— b.
Bl. 69b —
70a.
Si sponsalia. , . . Titut. cccc
Lxx(x)vi. Iustinianus rex. Si
sponsalia leg-itime — partem (!)
remittatur.
Iustinianus rex. Si sponsalia
— remittatur. (Irrtkümliche
Wiederholung.) Folgt unmittel-
bar:
Non licet. . . . Capit. ccclxxxvi.
Iustinianus rex. Lxxvn. Non
licet consensu matrimonium sol-
vere — nulla ratione concedi-
mus.
Soluto matrimonio in anno
abstineat nuptias (!) mulier. Iu-
stinianus rex. Lxxxim. Illud
certum est — propter sanguinis
confusionem.
De nefariis nuptiis et ince.-
stis. Iustinianus rex. cvn. Si
quis nefarium — excusetur igno-
rantia.
Imperator Leo Armasio per-
petuo (!). Si quemquam vel in
hac urbe, regia — similis p^na
com[m]it[ter]etur.
In liber (!) nobellarum refert
Iustinianus imperator: neque de-
cennium neque viginti, triginta
annorum — sed etiam in legatis
et in ereditatibus. [sedem iudi-
cetur, sicut superius dictum est.] x
Impr. Leo et Antbemius AA.
Iubemus, (ut) nullus arckiepisco-
pus, nullus yconomus, qui (!) res
§cclesiastica gubernanda manda-
tur, nullo modo alienare || aut
transferre — bonorum omnium
spoliatione da(m)pnandi.
Lib. novellarum Cap. ccccxxx
(v)n. de episcoporum profectione.
Non liceat episcopis (§ps Cod.)
Iul. 115, 60
(486).
Iul. 115, 60
(486)].
Iul. 108, 9
(386).
Iul. 36,5 (135).
Iul. 32, 1(110).
C. I. 1, 3, 30
(31).
Iul. 119, 6
(511).
Auszug aus C.
I. 1, 2, 14 pr.
-§7.
Iul. 115, 11
(437).
fangen.
1) Mit den eingeklammerten "Worten weiss ich z. Z. nichts anzu-
320
Emil Seckel.
B1.70a— b.
Bl. 70b.
Bl. 70b.
B1.94a— b.
c. 24.
Bl. 94 b.
suas quidem ecclesias — cuius-
cuinque gradus sint vel mini-
steria (!).
Cap. De rebus ad venerabii
locis (!) pertinentibus non alienan-
dum (!) — quod (!) in sequentibus
exponi(t) capitnlis, per quos ec-
clesiarum immobiles. (!)
Domni Iustiiiiani perpetui
augusti. De venditionibus et
donationibus ecclesiasticarum. Si
quis episcopus ant presbyter
(poris Cod.) vel quicumque ex
cleris (!) preter consensu (!) cete-
rorum clericorum — 2 adque de-
cernunt.
De dolo. Si quis dolo vel
metu aliuui circumvenerit , ut
transferat rem suarn ad alium,
non stabit. Uterque de vi et dolo
actione tenebitur. 3
XXI1II. De consecrationibus
clericorum. titulo (c)cccxlim. ||
Nemo presbiter consecretur qui
minor — ad secundum matrimo-
uium perveuerit.
Item tit. ccccxlv. Si ante
coiisecratum clericum episcopus (!)
cuiuscumque collegii — et in
hac optineant parte.
Iul. 7, 1 (32)
Epit. Aegid.
Paul.Sent. 1,
8 (ed.Haenel,
Lex Roin. Vi-
sig, p. 346).
Iul. 115, 19
(445).
Iul. 115, 20
(446).
1) Dem römischen Rechte ist der Inhalt des Capitels fremd ; es
gehört zu den kanonischen Vorschriften, die durch Leonis 1. Ep. 17 (ed.
Ballerinii T. I, 1753, col. 727 --729) oder durch c. 50, Statut, eccl. antiq.
(ibid. T. III, 1757, col. 661) inauguriert worden sind. 2) Die durch den
Gedankenstrich angedeuteten Worte, deren Abschrift ich der Liebens-
würdigkeit meines Freundes P. Lichtenstein in Florenz verdanke, lauten:
'aliquid de rebus ecclesie vendiderit vel donaverit, hoc firmum non esse
precipimus, nisi ita fuerit facta venditio sive donatio, quemadmodum sanc-
torum canonum instituta constituunt'. 3) Daran schliesst sich, ebenfalls
ohne Quellen- oder Autor - Angabe, Bl. 70 b— 71a an 'Ln. Eos qui viduas
accepisse suggeruntur uxores — et si repetiti (!) fuerint, submovere', zu v.
'infulas' am Anfang die Randglosse : 'Infula est vita sacerclotalis, id honor'.
Dies ist nicht römisches Recht, sondern Innocentii I. Epist. 17, c. 2, a. 414;
Jaffe2 n. 303; Coustant, Epistolae rom. pont. T. I (1721), col. 831.
Zu den Acten der Triburer Synode 895. 321
Von diesen Stellen ist:
Epit. Aegid. Paul. Seilt. 1, 8 in keiner einzigen andern
Kanonensammlung nachweisbar ;
C. I. 1, 2, 14 abbrev. ist ebenfalls der Collectio S. Crucis
eigeiitküinlich 1 ;
C. I. 1, 3, 30 findet sich nur noch bei Anselm von Lucca
und in der Caesaraugustana;
Iul.2 36, 5 ist unserer Sammlung mit der Lex Romana
canonice compta c. 184 3, der Coli. Anselmo dedicata
und dem Cod. Vat. 1339 gemein;
Iul. 108, 9. 114, 4 sind bisher allein in der Sammlung
des Cod. Vat. 1339 nachgewiesen1;
Iul. 115, 11 begegnet in der Lex Rom. canon. compta
c. 315, in der Coli. Ans. ded. und bei Hincmar;
Iul. 115, 19. 20 kehren in der Lex Rom. can. compta
c. 7. 9 5, in den Bobienser Excerpten c. 29 6 und in
der Coli. Ans. ded. wieder, 115, 19 auch in den
Codd. Vat. 1349 und 1339;
Iul. 115, 60 in der Lex Rom. can. compta c. 156 ', in der
Coli. Ans. ded., in den Codd. Vat. 1349. 1339. 8487
und in der Add. Bened. Levit. 3, 69 ;
Iul. 119, 6 in den Constit. de reb. eccl. , in den Codd.
Phillipps. 1745 (jetzt Berol. 83) und S. German. 366,
in der Lex Rom. can. compta c. 110-, bei Bened.
Lev. und im Polycarpus9.
Eine einheitliche Zwischenquelle für alle diese Frag-
mente giebt es also nicht ; auch hält es schwer, an eine
Zwischenquelle für einen Theil der Excerpte oder an eine
Mehrheit von vermittelnden Arbeiten zu glauben. Die Coli.
S. Cruc. steht bis auf Weiteres dem römischen Recht gegen-
über als selbständige Benutzerin da.
Aus dem bisher Gesagten ergiebt sich auch, dass die
Sammlung sicher in Italien, wahrscheinlich im langobar-
dischen Oberitalien entstanden ist10.
1) Zwar hat auch Deusdedit 3, 136 ed. Martinucci p. 306 (vgl.
Merkel bei Savigny a. a. O. VII, S. 77) eine Abkürzung von C. I. 1, 2, 14;
sie weicht aber von der unsrer Sammlung ab ; die Fassung bei Deus-
dedit scheint auch nicht ein Auszug unsres Auszugs zu sein. 2) Iul.
7, 1 und 32, 1 sind vielfach in andern Sammlungen vertreten. 3) Vgl.
Maassen, Ueber eine Lex Rom. can. compta in den Wiener Sitzungs-
berichten, phil.-hist. Cl. XXXV, Heft 2 (1860), S. 80. 88. 4) Vgl.
Merkel bei Savigny a. a. O. VII, S. 75; Conrat a. a. O. I, S. 216, Anm. 2;
über Iul. 108, 9 vgl. auch oben S. 314, Anm. 2. 5) Vgl. Maassen a. a. O.
S. 76. 89. 6) Vgl. Maassen, Bobienser Excerpte des römischen Rechts,
Sonderabdruck aus den Wiener SB., phil.-hist. CL, XL VI (1864), S. 6. 9.
7) Vgl. Maassen a. zuerst a. O. S. 79. 89. 8) Vgl. Maassen a. zuerst
a. O. S. 78. 89. 9) Vgl. Hüffer a. a. O. S. 102. 10) Gründe für
322 Emil Seckel.
Vulg. c. 21 in der Coli. S. Cruc.1 hat die Ueberschrift
'De eadein re. Ex concilio Triburiensi. Cap. xxi.' und um-
fasst den Text vom Anfang 'Si quis presbiter contra lai-
cum' bis zu den Worten 'Quod autem his habundantius
est, a malo est' ; der Rest fehlt. Der Text des Capitels
steht Burchard (2, 182) näher als der Vulgata2. Nun giebt
entweder die ed. Burch. den richtigen Text Burchards
— dann hat Coli. S. Cruc. nicht aus Burch. geschöpft,
sondern zeigt, wenn auch aus verwandter Quelle nies-
send3, ursprünglichere Fassung; oder die ungenügende
ed. Burch. ist auch hier mangelhaft4 — dann spricht alle
Wahrscheinlichkeit für Entlehnung seitens der Coli. S. Cruc.
aus Burchard.
Da die zweite Alternative immerhin am meisten für
sich hat5, so dürfte es auch gerathen sein, den Zeitpunkt
der Abfassung der Coli. S. Cruc. nach Burchard, aber noch
ins 11. Jahrh. zu setzen.
Vulg. c. 47 ist in den zwei späten Kanonensamm-
lungen wiederholt, deren oben6 gedacht ist, nämlich in der
Collectio Cod. Elorent. Laur. S. Cruc. V, sin. 7 und in der
Collectio Riccardiana.
In der letztern steht Vulg. c. 47 auf Bl. 56 a lEx
Italien : die Benutzung des Codex Iustinianus ; dem steht die Heranziehung
der gallischen Epitome Aegidii nicht entgegen, da diese auch in Italien
bekannt war, s. Oonrat a. a. 0. I, S. 224 ; — für Oberitalien : 'Grimual-
dus rex', 'Iustinianus rex'. 1) Auf nicht foliiertem Blatt a — b gegen
Mitte des Codex ; letzte vorhergehende Capitelzahl : 153. 2) Sieht man
von offenbaren Schreibfehlern ab, so weicht Coli. S. Cruc. von Burch. nur
in den "Wörtern 'conficitur' ('consecrantur' Burch.) und 'a malo' ('ex malo'
Burch.) ab, beidemal zu Gunsten der Vulgata. 3) Die aber nicht etwa
in Reg. App. 3, 44 zu sehen wäre. 4) Wofür man auf Ivo 6, 227 hin-
weisen könnte, der mit der Vulgata 'conficitur' und 'a malo' schreibt.
Doch ist die Möglichkeit, dass Ivo auch hier seinerseits auf die Vulgata
zurückgeht, nicht ausgeschlossen, vgl. meine Abh. I, S. 381, Anm. 9.
Zur Ergänzung des dort Gesagten diene Folgendes. Auch einigen in
letzter Linie aus X - Diess. stammenden Capiteln (Diess. c. 9. 15. 23) giebt
Ivo (8, 202. 7, 42. 7, 33) nicht die Nummern Burchards: m Burch. 9,66;
xi Burch. 8, 22 ; x Burch. 8, 10, sondern die Ziffern der Parallelcapitel der
Vulgata xxxx. xxvi. xxim. Vulg. c. 18 hat bei Ivo (3, 282) wiederum che
richtige Zahl xvm, während Burchard (3, 223 ; Abh. I, S. 382, Anm. 8)
oder dessen verderbte Ueberlieferung vim schreibt. Der Stoff freilich,
welchen Burch. (8, 35. 36. 38; 9, 74; 17, 13. 14. 15, vgl. Abh. I, S. 380,
Anm. 6) durch falsche Inscriptionen der Triburer Synode entfremdet hat,
ist ihr auch bei Ivo (7, 54. 55. 57; 8, 211; 9, 73. 74. 75) nicht restituiert.
Vulg. c. 16 ist von Ivo (3, 215) direct dem Original entnommen ; vgl. oben
S. 318, Anm. 2. 5) Vgl. auch oben S. 318, Anm. 8. 6) S. 304—307
und S. 313 f.
Zu den Acten der Triburer Synode 895. 323
concilio Triburiensi. Quicum (!) spirituale (!) habet compa-
trem — vel in id generatione (!) secessit (!) spiritualis'. Vom
echten Texte weicht die Fassung nur in Kleinigkeiten in-
folge von Schreibfehlern ab. Es kann hier also aus der
Vulgata oder aus Burchard (17, 45) geschöpft sein; zu Gun-
sten Burchards giebt den Ausschlag, dass den andern Tri-
burer Kanonen der Coli. Eiccard. sicher Burchard zum
Grunde liegt *.
In der Coli. Cod. Laur. S. Cruc. V, sin. 7 ist Vulg.
c. 47 zweimal aufgenommen, das erste Mal Bl. 58b' Ex
concilio T(r)iburiensi. Qui sp(irit)ualem habet compatrem
— nullam habet propinquitatis consanguinitatem' aus Ivo
(9, 96) 2, das zweite Mal Bl. 104a — a' 'Ex concilio Triburiensi
cui interfuit Arnulfus rex3. Qui spiritualem habet com-
patrem — vel || in id generatio secernit spiritualis' aus dem
Polycarpus (6, 6, 24). Die Varianten der Hs. sind beide-
mal unerheblich.
In dem berühmten Cod. Taurin.5 D V. 19 (früher
H II. 5) aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrh.,; steht
Bl. 87a — 88a' 7 eine kleine Sammlung kanonischer Capitels,
worunter sich ein Fragment von Vulg. c. 21 befindet.
Nach der früheren Ansicht Fittings9 sollte die Sammlung
dem 9. Jahrh. angehören; Conrat10 hat dagegen 'sehr wahr-
scheinlich' gemacht, dass einige der Capitel aus 'Ivo 's De-
cret oder eine(r) affiliierte(n) Sammlung' stammen.
Da die kleine Collectio canonum noch niemals ge-
nauer untersucht worden ist, da sowohl Fitting als Conrat
die Sammlung in einen verkehrten Zusammenhang gebracht
und nichtgegründete Schlüsse auf sie gebaut zu haben
1) Vgl. oben S. 312 f. 315 f. 2) Nicht ganz vollständig, 'Quid enim
— spiritalis' fehlt, während dieser Passus bei Ivo nicht gestrichen ist.
3) Diese Ueberschrift ist im Cod. an den Schluss des Capitels gerathen.
4) Vgl. C. 30, q. 4, c. 4. 5) Ich benutze das Apographum bei den
Schraderschen Papieren, Ms. Tubing. Mc. 312, Fase. III, 2. 6) Be-
schrieben von Schrader, Prodromus (1823) p. 54 sq. 145 — 149; Fitting,
Juristische Schriften des früheren Mittelalters (1876) S. 16—24. 7) Tü-
binger Apograph Bl. 61b — 62b'. 8) Sie ist erwähnt bei Schrader 1. c.
p. 147, N. 6 i. f. ; Fitting a. a. 0. S. 22 ; Fitting, Zeitschrift der Savigny-
Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanist. Abth., VI (1885), S. 124 f. 169 f.;
Conrat, Das Ashburnhamer Rechtsbuch (als Manuscript gedruckt o. J.
[1887]) S. 27, Anm. 3 ; Fitting, Die Anfänge der Rechtsschule zu Bologna
(1888) S. 59, Anm. a ; Conrat, Geschichte I, S. 323 f. - - Schrader 1. c.
gedenkt des Vorkommens der Triburer Synode. 9) Zurückgenommen
von Fitting, Die Anfänge u. s. w. S. 59, Anm. a. 10) Conrat, Geschichte
I, S. 324.
324
Emil Seckel.
scheinen, da die kanonistischen Capitel von Conrat gegen
die in der Hs. vorhergehenden romanistischen Ausführungen
nicht einmal richtig abgegrenzt worden sind, da endlich
als die Ivo's Decret affiliierte Sammlung, und damit auch
als die Quelle des Vulgatafragmentes, sich Ivo's Panormie
mit Sicherheit erweisen lassen dürfte, so halte ich es nicht
für überflüssig, in die nicht ganz einfache Behandlung der
Collectio Taurinensis einzutreten. Sie setzt sich folgender-
massen zusammen:
1
2
3
4
5
6
Rubriken
Anfänge
Ivo
Ivo
Grat.
und Inscriptionen
Decr.
Pan.
Decr.
1.
de testibus in iu-
Convinci nemo
16, 316
5,16
! dicio. ex cod. (?)
2.
Item.
Ei incombit
16,179
5,18
—
3.
1 1 ein.
Testimonia autem
16, 136
5,19
—
4.
Item.
Testium productio
16, 156
5,20
—
5.
1 1 e m.
Testes priusquam
16, 204
5,21
—
6.
de eodem.
ex cod. (?)
Summopere admo-
nendi
16, 337
5,24
—
7.
Item.
Servo penitus
16, 224
5,27
—
8.
de e o d e m. Ex 1.
const. (?) *
Si quis dixerit
16, 154
5,29
9.
Item.
Placuit ut testes
16, 208
5,30
—
10.
de accusat. e p i -
Urbis Romane, epi-
5,245
4,135
Cf.C.2,q.l,
scoporum. ex dec.
scopus Zephirinus
c. 5 etc.
Zeph.
omnibus episcopis.
Patriarche vel pri-
mates
11.
de accus, cleri-
De accusationibus
6, 316
4,136
C. 3, q. 6,
corum. ex decr.
(ult.)
c. 7.
Eleut.
12.
de accus, sacer-
dotum. ex dec.
N. pp.
Si quis presbiter vite
6,226
5,1
C. 2, q. 5,
c. 12.
13.
de causa inter
Si quis presbiter con-
6,227
5,10
C. 2, q. 5,
presbiterum et
tra
c.4.
laicum. ex concü.
Tribur.
14.
Item, ex concil. Re-
Nullus ex ecclesia-
6,233
5,11
C. 22, q. 5,
mensi.
stico
c. 22.
1) Daraus hat Schrader 1. c. p. 147, N. 6 'Constantinus' gemacht,
infolge desselben Versehens, das (vgl. oben S. 305) einem Schreiber des
12. Jahrb. begegnet ist. In n. 1. 6 steht in der That 'cod.' = codex (freilich
etwas undeutlich, von 'eod.' nicht zu unterscheiden); also nur theilweise
richtig Conrat, Geschichte I, S. 323, Anm. 6.
Zu den Acten der Triburer Synode 895.
325
Rubriken
und Inscriptionen
De presbiteris
üxoratis. Nich.
pp.
de presbiteris
singular um § c -
clesiarum. Dion.
pp.
Quod nullus pres-
biter nas eccle-
sias habeat. ex
concil. Remensi.
de dandis §ccle-
siis vel aufer.
ex concil. Cabilon.
de transmutand.
locis sanctis.
Aug.
de bis qui vom.
eucbar. ex pen.
Bede.
de eif usione ca-
licis. Pius pp.
de custodia s a -
crificii. ex pen.
Bede,
unde calix fiat.
ex concil. Remensi.
Unde corporalia
fiant. Euseb. pp.
de eucb. p repa-
rat, ex concil. Vuar.
Quod dos eccle-
sie_ ad episco-
pum pertin. ex
concil. Tolet.
de dedicatione
gcclesig. Nie. pp.
de motione alta-
r i s. Higinus pp.
de violatione ec-
clesie. Idem.
de sep. in eccle-
sia.
de pec. pro se-
p u 1 1 u r a. Greg. pp.
de metropol. con-
s u e t. ex concil.
Epanesi (!).
Neues Archiv etc. XX.
3
Anfänge
Consulendum esse
Ecclesias singulas
Unusquisque presbi-
ter
Inventum est
Tribus causis
Si quis per ebrieta-
tem
Si vero per neglegen-
tiam
Qui bene non custo-
dierit
Calix domini
Hoc inter cetera
Presbiter euchari-
stiam
Multi contra
De ecclesiarum und
Omnes autem basilice
Si motum
Si homieidio
In ecclesia in qua
Peti aut aliquid
Altaria si non
Ivo
Decr.
2,82
3,47
3,48
3,88
3,80
2,55
2,56
2,60
2,131
2,134
2,20
3,23
3,24.32
3,13
3,14
3,16.43
3,101
fin.
3,30
Ivo
Pan.
5,12
2,42
2,43
2,46
2,38
1,154
1,155
1,156
1,160
1,161
1,147
2,12
2,11.13
2,20
2,21
2,19.
(23)
2,27
2,32
22
Grat.
Decr.
D.28,c.l7.
C.13,q.l,
c.l.
C.16,q.7,
c. 38.
D. 1, c. 36
de cons.
D.2,c.28
de cons.
D.2,c.27
de cons.
D. 2, c. 94
de cons.
D.l,c.45
de cons.
D.l,c.46
de cons.
D. 2, c. 93
de cons.
C. 10, q. 1,
c. 2.
D.l,c.l6.3
pr. de cons.
D. 1, c. 19
de cons.
D.l,c.l9
de cons.
cf.D.l,c.28
de cons.
D.l, c.3l
de cons.
326
Emil Seckel.
Rubriken
und Inscriptionen
3
Anfänge
Ivo
Decr.
Ivo
Pan.
Grat.
Decr.
33.
34.
35.
36.
37.
38.
Quando missa di-
catur. Theophil. (!)
pp.
Quod pro cris-
mate accipiendo
presbiteri n i -
chil dent. ex
concil. Cabil.
de imag. et pic-
turis in eccle-
sia. Greg. pp.
de cimiteriis ec-
clesiarnm. Nie.
pp.
de diocesi epi-
s c o p o r u m. Calixt.
pp.
Missarum celebratio-
nes
Quidam fratres
Aliud est picturam
Sicut antiquitus
Nullus primas
Si quis episcopus in
alterius
3,65
1,287
3,41
3,104
5,101
med.
(5, 101
in.)
2,40
1,98
2,56
2,81
4,28
(4,27
fin.)
D.l,c.48i.f.
de cons.
C. 1, q. 1,
c. 106.
C.17,q.4,
c. 6.
C.9, q.2,
c.3.
Die Stücke können nicht ans den Originalen her-
rühren, nnd ebensowenig aus einer andern Zwischenquelle
als entweder aus Ivo's Decret oder aus seiner Panormie :
nicht aus einer altern Kanonensamnilung, da einige der
Capitel l zuerst in Ivo's Decretum begegnen, und nicht aus
einer Jüngern, da in keiner wenigstens der bekannten alle
Capitel wiederkehren 2.
Zu Gunsten der Panormie geben mehrfache Gründe
den Ausschlag. Einmal die Reihenfolge der Excerpte :
hätte die Coli. Taur. z. B. in ihren n. 1 — 9 aus Ivo's De-
cret3 selbständig geschöpft, so hätte sie nur durch den
unwahrscheinlichsten Zufall in der Anordnung mit der
Panormie i zusammentreffen können ; um einiges weniger
in die Augen springende zu übergehen, so liegen die Ver-
hältnisse ganz ähnlich, wie für die n. 1 — 9, auch für die
n. 12 — 15 und 26 — 33, wie ein vergleichender Blick in die
Tabelle lehrt. Weiterhin ist es so gut wie ausgeschlossen,
dass ein von der Panormie unabhängiger Excerpent gerade
nur dieselben Capitel und insbesondere dieselben Capitel-
1) Zum Mindesten die n. 11. 15. 36. 2) Vgl. Friedberg zu den
in Sp. 6 citierten Stellen des Decretum Gratiani. 3) Vgl. die in Sp. 4
zu n. 1 — 9 citierten Stellen. 4) Vgl. die in Sp. 5 zu n. 1 — 9 citierten
Stellen.
Zu den Acten der Triburer Synode 895. 327
fragmente sollte hervorgezogen haben, die auch in der
Panormie eine Stätte erhielten K
Die Turiner Sammlung ist ein Ganzes. Sie wird
weniger durch den systematischen Verband ihres Inhaltes,
als durch die Einheit ihrer Quelle zusammengehalten.
Dieser Zusammenhalt erstreckt sich gerade auch auf die
n. 1 — 9, die von Conrat als cap. 19 — 21 zu der ausserdem
aus 18 Capiteln römisch -rechtlichen Inhalts bestehenden
vorangehenden Arbeit gerechnet worden sind 2.
Die Texte der Coli. Taur. sind nicht überall wört-
liche Eeproduction der Panormie ; es finden sich Streichun-
gen und, in einigen wenigen Fällen, Umarbeitungen3.
Vulg. c. 21 (n. 13) ist am Schlüsse gekürzt, das Capitel
reicht nur bis 'ex levi causa iurare non debent'.
11. Zu den Codices varii von Cat. und X-Diess.1
Cat. 10. 23. 30 und Diess. 9 5 finden sich sämmtlich
in der mehrerwähnten Coli. Cod. Laur. S. Cruc. V, sin. 7
und zwar :
Bl. 52b, Cat. 10 'Ex concilio T(r)iburiensi. Quidam ingenuus
ingenuam accepit uxorem — quem liberum mari-
tima ipsa accepit' aus Ivo 8, 212;
Bl. 54a'. Cat. 23 'Ex concilio de Francia6. Quidam no-
1) Bei den Inscriptionen ergeben sich nicht selten scheinbare An-
stände, vgl. die n. 12. 22. 24. 27. 28. 32. 33. 36. 37; doch wird man hier
eine ernstliche Schwierigkeit nicht finden können, wenn man sich erinnert,
dass die Ausgabe der Panormie unter aller Kritik unzuverlässig ist. 2 Zu
der romanistischen Sammlung steht die Coli, canonum Taur. in gar keiner
andern Beziehung, als dass letztere auf erstere in derselben Hs. folgt. Es
liegt auf der Hand, dass aus der Abfassungszeit der Coli. Taur. (frühestens
Anfang des 12. Jahrh.) lediglich keine Schlüsse zwecks chronologischer
Bestimmung der römisch - rechtlichen Capitel gezogen werden dürfen, wie
Schrader, Fitting und Conrat gethan haben, zumal da auch keine Spur
inhaltlicher Verwandtschaft der beiden Sammlungen besteht. :; Am
weitesten geht hierin n. 38 'Si quis episcopus in alterius parrochia sine
episcopi voluntate aliquid egerit, gradus sui periculo subiacebit et, quod
egerit, vacuum et irritum habeatur'. 4) Vgl. Krause ed. p. 202 — 205,
letzte Spalten. — Stephanus Tornacensis Epist. 71 (Migne, Patrol. lat.
T. 211, col. 367) citiert das Triburer Capitel 'Virgines sacrae' (Diess. 15)
in der Fassung Burchards (8, 22) aus diesem oder einem seiner Benutzer;
von Hartzheim, Conc. Germ. T. 4, p. 565 ist es unrichtigerweise dem
Conc. Trib. n zugeschrieben. 5) Cat. 10 = ed. Extravag. 2, Cat. 23 =
ed. lud. 4, Cat. 30 = ed. c. 29 a, Diess. 9 = ed. c. 40 a. 6) Der ita-
lienische Schreiber der Hs., der sich bei Tribur nichts denken konnte,
machte des öftern aus Tribur sein italienisches Tibur - Tivoli. Als er nun,
übrigens verkehrt, 'Ex concilio Triburiensi de Francia' las. wurde er stutzig
22*
328 Emil Seckel.
bilis hoino nobilem de Saxonia — priorem resu-
mere cogatur' aus Ivo 8, 213;
Bl. 56b, Diess. 9 'Ex concilio T(r)iburiensi cap. I. Relatum
est quendam alterius uxorem — prohibemus et
anatheinatizamus' aus Ivo 8, 202 ;
Bl. 92b', Cat. 30 'Ex concilio Triburiensi. Ut nulli de
servili conditione — cuius fuerit ante gradum' aus
dem Polycarpus 2, 31, 45 K
Ivo 8, 212. 213 sind leicht bearbeitet2, Ivo 8, 202 ist
etwas verkürzt3; in dem Stück des Polyc. übersteigen die
Varianten das gewöhnliche Mass nicht 4.
Beilage.
Die Petitschen Capitula Pseudo-Theodori5.
Die — durchweg nichtgenannten — Quellen der
Capitel Pseudo - Theodors haben sich, mit einigen Ausnah-
men und Vorbehalten, ermitteln lassen. Sie werden zum
Theil durch Concilien und Decretalen, zum weitaus grössten
Theil durch Bussordnungen gebildet.
Die Kanonen zerfallen in fränkische und nicht-
fränkische. Von der zweiten Classe sind benutzt:
1. die Canones apostolorum c. 25 6 (Ps.-Th. 44); die ver-
mittelnde Zwischenquelle scheint entweder Ps.-Beda
Poenitentiale c. 1, § 5 oder, was noch wahrschein-
licher ist, Hrabanus Epist. ad Heribaldum c. 11 —
vgl. auch Hrabanus ad Otgarium c. 1 — zu sein.
und half sich durch Streichung von 'Triburiensi'. — Ein Capitel mit
der Ueberschrift 'Ex concilio de Francia', und in derselben Umgebung :
'Liber pandectarum', 'Novellarüm institutio' (in unserm Cod. Flor. Bl. 50 a),
'liber codicum' (Bl. 50 a), 'cap. constitutionum' (Bl. 50 a), 'Alexander se-
cundus Landulfo in Corsica' (Bl. 51 oder 52), 'Ex concilio de Francia'
(Bl. 54a'), findet sich auch im Cod. R 127, saec. 12/13 der Madrider
Nationalbibliothek, s. Hartel in den Wiener Sitzungsberichten CXIII (1886),
S. 263 f. ; der Zusammenhang der Madrider mit der Florentiner Sammlung
leuchtet ein. 1) Vgl. D. 54, c. 2. 2) Zu Ivo 8, 212 vgl. den Anfang,
vor 'utrum' steht dann 'quesitum est' ; zu Ivo 8, 213 vgl. ausser dem Ein-
gang z. B. 'diu tenuit' statt Ivo's 'tenuit multis annis et ex ea'. 3) Am
Anfang fehlt 'auribus sanctorum sacerdotum'. 4) Dem Poenitentiale
Pseudo - Romanum, das Antonius Augustinus (Opera T. 3) herausgegeben
hat, sind Triburer Kanonen einverleibt; die Quellen des Poenitentiale
reichen von Burchard bis Grratian (vgl. Wasserschieben, Die Bussordnungen
S. 95) und aus ihnen sind auch die Triburer Schlüsse übernommen.
5) Vgl. oben S. 296—301, und zur Uebersicht die Tabelle am Ende der
Beilage. 6) Mansi T. 1, col. 53. Vgl. oben S. 299, Anm. 4.
Zu den Acten der Triburer Synode 895. 329
2. die Synode von Braga 563, c. 16 1 (Ps.-Th. 26 a);
Zwischenquelle wird irgend ein Bussbuch sein, wel-
ches, muss dahingestellt bleiben3.
3. die Collectio Hibernensis 46, 11 (Ps.-Th. 32); auch
hier ist schwerlich aus dem Original geschöpft, die
vermittelnde Schrift scheint Pseudo - Theodor und
Eegino — s. unten — gemeinsam zu sein.
4. die apocryphe II. römische Synode unter Silvester I.
c. 3 3 (Ps.-Th. 39) ; Zwischenquelle ist vielleicht c. 12
Conc. Mogunt. 888 4.
Von fränkischen Concilienschlüssen begegnen:
5. die Synode von Auxerre um 573 — 603, c. 17 5 (Ps.-Th.
26b).
6. die Synode von Compiegne 757, c. 20 6 (Ps.-Th. 48b).
7. die Mainzer Synode 813, c. 31 7 (Ps.-Th. 40).
8. die Mainzer Synode 847, c. 12.s 24. 27 9 (Ps.-Th. 38a. b.
36. 41).
9. die Wormser Synode 868, c. 26 10 (Ps.-Th. 37).
10. die Triburer Synode 895 u (Ps.-Th. 42. 43a. b. 46.
47. 59).
11. die Synode zu Eouen, 9. Jahrh.12, c. 12 13 (Ps.-Th. 22).
12. das apocryphe Concilium de clericorum percussoribus
i. f.u (Ps.-Th. 35 b).
Aus einem unbekannten fränkischen Concil scheint
Ps.-Th. 58 herzurühren 15.
Von Decretalen sind nur zwei Fragmente aufge-
nommen aus:
Leonis I. Epist. 167 ad Pusticum ep. Narbonensem 458 —
459 16 (Ps.-Th. 45); als Zwischenquelle dürfte Hra-
banus ad Heribaldum c. 11 zu betrachten sein, vgl.
1) Bruns (Canones apostolorum et conciliorum) T. 2, p. 35. 2) Vgl.
z. B. Poen. Valicell. II (ed. Schmitz), c. 9, Poen. Ps.-Gregorii III. c. 32,
Halitgar. lib. 4, c. 6. 3) Mansi T. 2, col. 623. 624, vgl. Hinschius,
Decretales Ps.-Isid. p. 449. 4) Mansi T. 18, col. 63. 67 sq. ; die Rubrik
deckt sich mit der Ps. -Theodors, der Text weist neben zwei wenig be-
deutenden Varianten ein nicht unerhebliches Plus auf, das aber wohl nur
unsrer Ueberlieferung Ps.-Theodors abgeht, daneben allerdings auch ein
Minus — die Schlussworte 'et omnino Christum praedicantes1 bei Ps.-
Theod. fehlen im Conc. Mog. wenigstens nach der Ausgabe. 5) MG.
Concilia T. 1, p. 181. 6) MC. Capp. T. 1, p. 39. 7) Mansi T. 14,
col. 72. 8) Plraban. ad Heribald. c. 19 ist nicht Zwischencpaelle. 9) MC.
Capp. T. 2, p. 179. 182. 10) Mansi T. 15, col. 874. 11) Vgl. oben
S. 296 ff. 12) Vgl. Hefele, Conciliengeschichte HP, S. 96 f. 13) Bruns
T. 2, p. 270. 14) MC. Capp. T. 1, p. 361. 15) Verwandtes: Cap.
eccl. 789, c. 74 (MC. Capp. T. 1, p. 60), Conc. Arelat. 813 , c. 15 (Mansi
T. 14, col. 61), Conc. Turon. 813, c. 45 (Mansi T. 14, col. 90); Anseg. 3, 90;
Regino 2, 436. 16) Leonis M. Opera edd. Ballerina T. 1 (1753), col. 1421.
330 Emil Seckel.
das wohl durch Hrab. ad Herib. c. 10 vermittelte
c. 44 Ps.-Th.; — und
Felicis III. Epist. ad universos ep. per Siciliam consti-
tutos 488 1 (Ps.-Th. 14) ; die vermittelnde Sammlung
lässt sich schwer feststellen.
Es hält nicht ganz leicht, aus dem Material der be-
kannten Bussbücher die Stücke glatt herauszuschälen,
die von Pseudo- Theodor verarbeitet worden sind. Da die
Capitel Pseudo - Theodors aus einer späten Epoche des frü-
hern Mittelalters stammen, so wird man der Wahrheit um
so näher kommen, je weiter ab man ihre Quellen von den
ältesten originalen Bussordnungen legt. So dürfte sich
directe Benutzung des Theodorschen Bussbuches gänzlich
in Abrede ziehen lassen; wenn Beda und Egbert im nach-
folgenden Verzeichnisse erscheinen, so soll damit keines-
wegs behauptet sein, dass sie unmittelbar unsern Capitula
zum Grunde liegen: sie sind nur genannt, weil die Jüngern
Sammlungen, durch die hindurch sie vermuthlich zu Pseudo-
Theodors Kenntnis gelangten — etwa eine Eecension
Pseudo -Beda's, die seinen Quellen, Beda und Egbert, noch
näher stand als die jetzt allein bekannte Form — sich ent-
weder nicht erhalten haben oder jedenfalls bisher nicht
aus den Hss. hervorgezogen worden sind.
Die Bussordnungen, die den Capitula Ps.-Theodori am
nächsten stehen und also bis auf Weiteres als seine wenn
schon theil weise mittelbaren Quellen zu gelten haben, ge-
hören samt und sonders zu den fränkischen oder zu den
im Frankenreich weitverbreiteten. Die angelsächsischen
Werke von Beda2 und Egbert3 sind in der fränkischen
Literatur reichlich benutzt4; Cummean3, Pseudo - Beda (i,
das Poenitentiale Hubertense 7, Hrabanus 8 gehören dem
Frankenreiche an9.
Wörtliche oder beinahe wörtliche Uebereinstimmung
herrscht zwischen:
Beda und Cap. Ps.-Th. 25.
Egbert und Cap. Ps.-Th. 20c. d. e. f. g. 57.
Ps.-Beda und Cap. Ps.-Th. 7. 18. 31a. b. 50.
1) Thiel, Epistolae roroanorum pontificum p. 265. 2) Wassersch-
leben, Die Bussordnungen S. 39. 3) Ebd. S. 40. 4) Ebd. S. 5.
5) Ebd. S. 12. 61. 6) Ebd. S. 38. 47. 7) Ebd. S. 57. 8) Ebd.
S. 79 ; Maassen, Geschichte der Quellen I, S. 870. 9) Da der fränkische
Ursprung der Cap. Ps.-Theod. ohnehin feststeht, so hat man sich, wenn
im Einzelfall die AVahl zwischen einem fränkischen Poenitential und einem
nichtfränkischen, z. B. Theodor, freibleibt, zu Gunsten des ersteren zu
entscheiden.
Zu den Acten der Triburer Synode 895.
331
Cummean und Cap. Ps.-Th. 15. 16. 19. 21. 23. 33. 51.
52. 53. 55b. g.
Hraban und Cap. Ps.-Th. 48a. 49. 60.
Entferntere Beziehungen bestehen zwischen:
Egbert und Cap. Ps.-Th. 20a. b.
Ps.-Beda und Cap. Ps.-Th. 2. 3a. b. c. d. e. f. 4a. b. 5.
6. 8. 9. 13.
Cummean und Cap. Ps.-Th. 17. 24. 27. 35a. 54. 55a.
c. d. e. f. h. i. 56 ; dem
Poenitentiale Huberte nse und Cap. Ps.-Th. 29. 30. 34.
Mcht ermittelt sind die Quellen von Cap. Ps.-Th.
la. b.1 10. 11. 12. (13.) 28.
Zur Begründung und näheren Bestimmung der hier
behaupteten Verwandtschaftsverhältnisse mögen die folgen-
den Bemerkungen und Nachweise dienen; sie schliessen
sich der Reihenfolge der Pseudo- Theodorischen Capitel an2.
Cap. 2 — 3. 4a — 5. 6 scheinen sich auf der Grundlage
des Pseudo -Beda'schen Bussbuches (c. 44. 42. 46) entwickelt
zu haben3.
1) Parallelen zu Cap. Ps.-Theod. la— 5 finden sich in dem Anhang
des sog. Poenitentiale Romanum bei Canisius, Lectiones antiquae ed. Bas-
nage T. 2, P. 2 (1725), p. 128. 129.' Ich wage nicht zu entscheiden, ob
der Text bei Canisius von dem bei Petit und dem in Burchards Samm-
lung unabhängig sei oder ob er eine Bearbeitung entweder Ps. -Theodors
oder Burchards darstelle. Der Text bei Canisius ist stellenweise besser
als der des edierten Ps. -Theodor, auch sind die Capitel zum Theil mit
Inscriptionen versehen. Quelle Ps.-Theodors sind die Capitel der Appen-
dix nicht ; die Fassung bei ersterem ist ungeschlachter und ursprünglicher
als die geglättete, Weitläufigkeiten vermeidende der letztern, vgl. insbes.
Ps.-Theod. c. 3. 2) Die benutzten Ausgaben der Poenitentialien finden
sich bei Wasserschieben a. a. O. und bei Schmitz, Die Bussbücher, und
zwar :
Arundel Schm. 437
Beda Wass. 220
Ps.-Beda Wass. 248
Bigotianum Wass. 441
Bobiense Wass. 407
Casinense Schm. 397
Clementis Wass. 433
Columbanus Wass. 353
Cummeanus Wass. 460
Dacheriana capp. Wass. 145.
Egbertus Wass. 231
Gildas Wass. 105
Gregorii Canones Wass. 160
Ps.-Gregor.III.Poen. Wass. 535
Hubertense Wass. 377
Martenianum
Merseburgense A
Merseburgense B
Parisiense
Parisiense
Remense
Ps.-Romanum
Sangallense
Theodorus
Ps.-Theodorus
XXXV Capitulorum
Valicellanum I
Valicellanum II
Vindobonense A
282
387
429
681
Wass.
Wass.
Wass.
Schm.
Wass. 412
iWass. 497
!Schm. 645
Wass. 360
Wass. 425
Wass. 182
Wass. 566
Wass. 505
Schm. 239
Schm. 350
Wass. 418.
Hrabanus ad Otgarium s. Migne, Patrol. lat. T. 112, col. 1397 ; Hrabanus
ad Heribaldum s. Migne 1. c. T. 110, col. 467; Conc. Wormat. 868 s. Mansi
T. 15, col. 880. 3) Vgl. Anm. 1.
332 Emil Seckel.
Cap. 7: Ps.-Beda c. 41.
Cap. 8. 9 erinnern an Ps.-Beda c. 45. 46.
Cap. 13 stammt grossentheils wörtlich aus Ps.-Beda;
Z. 27—35 'Interr. Habes fidem . . . Resp. Volo' : Ps.-Beda p. 255,
Z. 69 — 74 'Oratio. Deus cuius . . . salvetur : Ps.-Beda p. 255,
Z. 75 — 85 'Oratio. Domine sancte . . . aeternam' : Ps.-Beda
p. 256, Z. 86 — 90 'Oratio. Omnipotens . . . absolvat' Ps.-
Beda p. 257, Z. 91 — 95 'Oratio. Omnipotens . . . veniam':
Ps.-Beda p. 256, Z. 96—108 'Oratio. Precor . . . mancipe-
tur': Ps.-Beda p. 256.
Cap. 15 ist Cumm. c. 1, § 20. 21 = Theod. 2, c. 11,
§ 1. 2, Martenian. c. 55, § 6. 10, Paris. Schm. c. 82. —
Nicht wörtlich übereinstimmend: Casin. c. 83. 84, Cap.
Dach. c. 21. 168, Gregor, can. c. 138. 140. 142. 143, Merse-
burg. A c. 119, Paris. Schm. c. 81, Valicell. I c. 98, Vali-
cell. II c. 65. 67; Conc. Worin. 868, c. 65 in. 65 fin.
Cap. 16: Cumm. c. 1, § 25. — Nicht: Gregor, can.
c. 141, Märten, c. 55, § 14, Merseb. A c. 149, Paris. Schm.
c. 84, Theod. 2, c. 11, § 6, Valicell. II c. 68; Conc.
Wormat. 868, c. 64 fin.
Cap. 17 findet sich wörtlich in keinem bekannten
Bussbuch. — Vgl. Cumm. c. 1, § 26. 27; Casin. c. 82, Cap.
Dach. c. 20. 23, Gregor, can. c. 137. 138, Märten, c. 55, § 8,
Merseb. A c. 150. 151, Paris. Schm. c. 84, Ps.-ßom. App.
c. 29, Theod. 2, c. 11, § 7. 8, Valicell. I c. 96, Valicell.
II c. 64; Conc. Wormat. 868, c. 65 post init.
Cap. 18: Ps.-Beda c. 22, § 1, vgl. Beda c. 7, § 1. 2.
— Nicht: Cumm. c. 1, § 14, Cap. Dach. c. 120, Gild. c. 13,
Gregor, can. c. 147, Märten, c. 55, § 1, Paris. Schm. c. 77,
Theod. 1, c. 7, § 6.
Cap. 19: Cumm. c. 1, § 16 = Theod. 1, c. 7, § 12. —
Nicht: Beda c. 7, § 6, Märten, c. 58, § 4, Paris. Schm.
c. 77 (fin.).
Cap. 20 a — g finden sich nur im Poenitentiale Egberti
beieinander, unser Text entfernt sich aber schon etwas von
dem des Originals. — Cap. 20a ungefähr: Egb. c. 13, § 4,
Ps.-Beda c. 22, § 2; nicht: Bigot. 1, c. 5, § 7, Merseb. A
c. 86, Eemens. Wass. c. 3, § 21, Valicell. I c. 91, Vindob. A
c. 70. — Cap. 20b ungefähr: Egb. c. 13, § 5, Ps.-Beda c. 22,
§ 2; nicht: Cumm. c. 1, § 30, Merseb. Ä c. 84, Valicell. I
c. 94, Vindob. A c. 70. — Cap. 20 c: Egb. c. 13, § 6, Ps.-
Beda c. 22, § 2. — Cap. 20 d: Egb. c. 13, § 7; nicht: Ps.-
Beda c. 31, § 2 in. — Cap. 20e beinahe: Egb. c. 13, § 8,
Ps.-Beda c. 31, § 2 fin., vgl. Bigot. 1, c. 4, § 2; nicht:
Cumm. c. 4, § 6, Merseb. A c. 55, Sangall. c. 6, § 13. —
Zu den Acten der Triburer Synode 895. 333
Cap. 20f: Egb. c. 13, § 9, Ps.-Beda c. 35, § 2 ; nicht: Re-
mens. c. 3, § 19. — Cap. 20g: Egb. c. 13, § 10, mit klei-
nen Abweichungen: Ps.-Beda c. 35, § 2; nicht: Cumm. c. 1,
§31, Merseb. A c. 85, Paris. Schm. c. 88, Ps.-Rom. c. 10,
§ 6, Valicell. I c. 93, Valicell. II c. 71, Vindob. A c. 71.
Cap. 21: Cumm. p. 462 unten, Gild. c. 14. — Nicht:
Beda c. 3, § 27, Ps.-Beda c. 1, § 1 fin.
Zu Cap. 22 : Das Capitel Ps.-Theodors deckt sich wört-
lich mit dem c. 12 der Synode zu Rouen, während letzterer
Kanon, der sich zweifellos auf eine Bussordnung- gründet,
in keinem der Bussbücher wörtlich wiederkehrt; vgl. Arundel
c. 24, Ps.-Beda c. 39, § 2 gegen Ende, Casin. c. 10, Co-
lumb. B, c. 9, Cumm. c. 6, § 18, Hubert, c. 26, Märten,
c. 51, § 5, Merseb. A c. 24, Paris. Wass. c. 18, Ps.-Rom.
c. 7, § 7, Ps.-Theod. c. 6, § 37, Poen. XXXV cap. c. 2, § 1,
Valicell. I c. 65, Valicell. II c. 15, Vindob. A c. 27.
Cap. 23: Cumm. c. 6, § (22.) 23, von § 22 leichte Ab-
weichungen; Paris. Schm. c. (65.) 66. — Nicht: Arundel
c. 23, Beda c. 4, § 9, Ps.-Beda c. 13, § 1 med., Bigot. 4,
c. 3, § 1, Casin. p. 430, Columb. B, c. 21, Merseb. A c. 65,
Ps.-Theod. c. 6, § 25, Valicell. I c. 70.
Cap. 24 : Cumm. c. 6, § 24. 25. 26 mit unbedeutenden
Abweichungen. — Nicht: Merseb. A c. 65 fin. 19. 105, Paris.
Schm. c. 67. 68. 69, Ps.-Theod. c. 6, § 27. 28. 31. 32, Vali-
cell. I c. 69, Valicell. II c. 16, u. s. f.
Cap. 25: Beda c. 4, § 10. 11, Märten, c. 51, § 11; be-
reits in Einigem verändert bei Ps.-Beda c. 13, § 1 fin.
Cap. 27 steht wörtlich in keinem Poenitential, da-
gegen mit e i n e r Ab weichung in: Cumm. c. 3, § 14, Cap.
Dach. c. 42, Greg. can. c. 125, Märten, c. 77, § 9, Paris.
Schm. c. 119, Theod. 1, c. 14, § 17, Poen. XXXV cap. c. 10,
§ 5. — Nicht: Casin. c. 51.
Cap. 28 ist in keinem Bussbuch in gleicher Fassung
enthalten: Arundel c. 57, Ps.-Beda c. 5, § 1. 2, Cumm.
c. 3, § 15. 16, Cap. Dach. c. 42, Greg. can. c. 126, Märten,
c. 77, § 9, Merseb. A c. 96, Paris. Schm. c. 120. 121,
Theod. 1, c. 14, § 18. 19, Valicell. I c. 32.
Cap. 29. 30: Hubert, c. 44. 47, bezw. Merseb. B c. 3. 6,
mit Abweichungen.
Cap. 31a. b: Ps.-Beda p. 251, Ps.-Rom. p. 361, Merseb. A
p. 389.
Cap. 33 : Cumm. c. 6, § 9. (10), vgl. Merseb. A c. 162.
163, Poen. XXXV cap. c. 1, § 2 fin. — Nicht: Greg. can.
c. 102. 103, Theod. 1, c. 14, § 25. 26, Valicell. II c. 14, u. s. f.
334 Emil Seckel.
Cap. 34: Hubert, c. 39, bezw. Merseb. B c. 31, mit
Abweichungen.
Cap. 35a stellt wörtlich in keinem Bussbuch: Cumm.
c. 3, § 17, Greg. can. c. 127, Ps.-Greg. c. 30, Märten, c. 77,
§ 8, Merseb. A c. 133, Paris. Schm. c. 122, Theod. 1, c. 14,
§ 20, Valicell. I c. 42. — Vielleicht liegt eine Eecension
Cummeans zum Grunde, die Theodor noch näher stand.
Cap. 48 a: Hrab. ad Herib. c. 29, worin Theod. 2,
c. 12, § 32 aufgenommen ist.
Cap. 49: Hrab. ad Herib. c. 10. — Nicht: Hrab. ad
Otgar. c. 1.
Cap. 50: Ps.-Beda c. 20 in. — Nicht: Columb. B, c. 12,
Cumm. c. 1, § 12, Egb. c. 11, § 7. 8, Hubert, c. 18, Merseb. A
c. 17, Paris. Schm. c. 76, Valicell. I c. 119.
Cap. 51: Cumm. c. 13, § 18. 19 mit unbedeutenden
Abweichungen. — Nicht: Bobiens. c. 46, Casin. c. 99,
Merseb. A c. 83, Ps.-Eom. c. 10, § 9, Valicell. I c. 126,
Valicell. II c. 80, Vindob. A c. 69.
Cap. 52: Cumm. c. 13, § 22.
Cap. 53: Cumm. c. 13, § 23 (vgl. Cumm. c. 1, § 12).
— Nicht: Hubert, c. 18, Merseb. A c. 17, Ps.-Eom. c. 10,
§ 4, u. s. f.
Cap. 54: Cumm. c. 14, § 12, bezw. Beda c. 7, § 10, Ps.-
Beda c. 21, § 2, Casin. c. 102, Theod. 1, c. 12, § 6, erweitert.
Cap. 55a: Cumm. c. 13, § 7 mit Zusatz; wie Cummean:
Casin. c. 100, Ps.-Eom. c. 10, § 1. — Nicht: Merseb. A c. 78,
Valicell. I c. 121, Valicell. II c. 77.
Cap. 55b: Cumm. c. 13, § 8. — Nicht: Beda c. 8, § 2,
Ps.-Beda c. 21, § 3 fin., Merseb. A c. 78, Valicell. I c. 121.
Cap. 55c: Cumm. c. 13, § 10, verändert. — ■ Nicht:
Merseb. A c. 79, Ps.-Eom. c. 10, § 2, Valicell. I c. 122.
Cap. 55 d: Cumm. c. 13, § 12, leicht geändert; vgl.
Ps.-Greg. c. 28. — Nicht: Ps.-Beda c. 21, § 3 fin., Egb.
c. 12, § 7, Merseb. A c. 79, Valicell. I c. 122.
Cap. 55 e. f: Cumm. c. 13, § 13, bearbeitet.
Cap. 55g: Cumm. c. 13, § 14. — Nicht: Ps.-Eom.
c. 10, § 5.
Cap. 55 h: Cumm. c. 13, § 15 mit einigen Abweichun-
gen; vgl. Ps.-Eom. c. 10, § 7. — Nicht: Casin. c. 100,
Merseb. A c. 80, Valicell. I c. 124.
Cap. 55 i: Cumm. c. 13, § 16, bearbeitet. — Nicht:
Merseb. A c. 81, Valicell. I c. 123.
Cap. 56: Cumm. c. 13, § 17 mit einigen Abweichun-
gen. — Nicht: Merseb. A c. 82, Ps.-Eom. c. 10, § 8, Vali-
cell. I c. 125, Valicell. II c. 79, Vindob. A c. 69.
Zu den Acten der Triburer Synode 895. 335
Cap. 57 : Egb. c. 12, § 1. 2. 3, Abweichungen unbe-
deutend; vgl. Ps.-Beda c. 21, § 3 in. — Nicht: Ps.-Greg.
c. 28, Valicell. I c. 119, Valicell. II c. 76.
Cap. 60: Hrab. ad Herib. c. 10 = Hrab. ad Otgar. c. 1.
Der Verfasser der Capitula Pseudo-Theodori ist
unbekannt. Er muss wohl in fränkischem Gebiete
geschrieben haben, da die von ihm benutzten Quellen der
Mehrzahl 1 nach fränkisch sind 2. Als Entstehungs zeit der
Capitel hat das 10. Jahrh. zu gelten. Die äusserste Grenze
nach unten ist das Abfassungsjahr von Burchards Kanonen-
sammlung, in welche die Cap. Ps.-Theod., wie noch zu er-
örtern sein wird, beinahe vollständig aufgegangen sind.
Die obere Grenze bestimmt sich durch die Entstehungs-
zeiten der jüngsten Quellen; diese sind von den genauer
datierbaren die Triburer Synode nach der im Jahr 895 oder
bald darauf zusammengestellten Collectio X, von den chrono-
logisch unbestimmteren das Concilium de clericorum per-
cussoribus, das noch dem ersten Viertel des 10. Jahrh. an-
gehören dürfte 3. Die völlige Systemlosigkeit der Cap.
Ps.-Theod. lässt keinen Gedanken erkennen, der für die
Anordnung des Stoffes und für seine Begrenzung leitend
gewesen sein könnte.
1) Die Papstbriefe, die vier nichtfränkischen Kanonen und einige
in fränkischen Bussbüchern z. Z. nicht nachweisbare angelsächsische Buss-
satzungen sind im Frankenreiche bekannt gewesen und wahrscheinlich
ausnahmslos fränkischen Zwischenquellen entnommen. 2) In c. la und
lb wird das Fest des h. Remigius erwähnt; es ist der fränkischen Kirche
eigenthümlich, vgl. Wasserschieben, Die Bussordnungen S. 16. Hat Pseudo-
Theodor c. la. b selbst verfasst, so war er Franke; hat er es aus einer
etwaigen Quelle übernommen, so war er es nicht minder. 3) Vgl.
Phillips a. a. O. S. 43—54; Boretius, MG. Capp. T. 1, p. 359 sq. ; AVeiland,
MG. Const. T. 1, p. 629 med. — Das apocryphe Concil fällt sicher nach
895, da die Triburer Synode in ihm benutzt ist, und sicher vor Burchards
Kanonensammlung. Innerhalb dieses Zeitraums den Entstehungspunkt
näher zu fixieren, ist schwierig; mag auch die von Phillips behauptete
Beziehung des Ooncils zu der Coblenzer Synode 922 sehr problematisch
sein, so haben sich doch alle Stimmen in der Annahme vereinigt, dass es
um die Zeit jener Synode abgefasst sei. Von einer Entstehung im 9. Jh.
(um 820) kann keine Rede sein; allerdings ist unter den Gründen, die
Boretius 1. c. p. 360 gegen das Jahr 820 ins Feld führt, ein nicht stich-
haltiger : der Ausdruck 'cingulum militare', welcher nach Boretius 'omnino
dissuadet, ut capita circa annum 820 edita habeamus, et multo posteriorem
aetatem indicat', ist auch der ersten Hälfte des 9. Jahrh. geläufig, siehe
Hrabanus ad Otgarium 841, c. 11 (Migne 1. c. T. 112, col. 1410), Conc.
Mog. 847, c. 24 fin. (MG. Capp. T. 2, p. 182).
336 Emil Seckel.
Dringende Veranlassung besteht, die Pseudo-Theo-
dorischen Capitel auf ihr Verhältnis zu Regino zu
prüfen. Zu 35 Capiteln (von 87) finden sich Parallelen
bei Regino *.
In den Rubriken gehen Regino und Pseudo-Theodor
im Allgemeinen auseinander; nur in vier Fällen herrscht
Uebereinstimmung 2 und in weiteren vier Fällen mehr oder
weniger ausgesprochene Aehnlichkeit 3. Inscriptionen
fehlen bei Pseudo-Theodor gänzlich; bei Regino sind sie
zumeist vorhanden4 und zwar in einwandfreier Gestalt5.
Im Texte stimmen manche Capitel bei Pseudo-
Theodor und Regino in allem Wesentlichen überein 6,
manche in vielem Wesentlichen nicht7. In denjenigen
Capiteln, in welchen die Texte Pseudo-Theodors und Regino's
sich nur im grossen Ganzen decken, gehen sie in folgenden
bedeutsameren8 Einzelheiten auseinander:
Ps.-Beda Poen. c.45.
Item sequitur.
Qui9 non potest
Regino 2, 453.
Item de redem-
tione trium anno-
rum.
Qui10 non potest
Cap. Ps.-Theod. 8.
De iis, qui non
possunt adimplere,
quod in poeniten-
tiali scriptum est.
Qui10 non possunt
1) Vgl. die Tabelle am Ende dieser Beilage. 2) Ps.-Theod.
c. 31a. 32 ('ab uxoribus' stand im echten Text Ps. -Theodors, s. unten
S. 844. 345). 41. 43a. 3) Ps.-Theod. c. 14 'Ut nullus episcopus vel
presbyter alterius poenitentem sine litteris sui episcopi suscipiat' : 'Ut nullus
presbyter alterius civitatis vel parochiae poenitentem suscipiat vel sine
episcopi vel presbyteri testimonio reconciliet' Reg. — c. 36 'De illo, qui
presbyterum occiderit' : 'De eadem re' (sc. 'De eo, qui sacerdotem occiderit')
Reg., c. 37 'De eodem' : 'De eo, qui sacerdotem occiderit1 Reg. — c. 44
'De continentia sacerdotis' : 'De eadem re1 (sc. 'De Incontinentia sacerdo-
tum') Reg. 4) Sie fehlen in den Stellen, die Ps.-Theod. c. 2. 3 a. b. e.
4a. 8. 11. 50 entsprechen. 5) Zu Ps.-Theod. c. 4b: 'Unde supra' (sc.
'Ex poenitentiali'), 5: 'Item' (sc. 'Ex poen.'), 7: 'Ex poen.', (9: 'Ex dictis
sancti ßonifacii episcopi'), 12. 13: 'Unde supra' ('Ex Theodori archiepiscopi
vel Bedae presbyteri poenitentiali'), 14: 'Ex epistola Felicis papae', 18. 20a:
'Ex poen.', 20 b: 'Ex eodem', 23: 'Ex eodem' (sc. 'poen.'), 26 a: 'Ex
conc. Brac. c. 15', 31a: 'Ex eodem' (sc. 'poen. Romauo'), 31b: 'Item',
32: 'Ex conc. Eliberitano', 36: 'Ex conc. Moguntiacensi c. 24', 37:
'Ex conc. Wormatiensi', 38a: 'Ex conc. Mog. tit. 12', 38b: 'Ex eo-
dem', 41: 'Ex conc. Mog.', 43a und 43 b: 'Ex eodem' (sc. 'conc. Tribur.'j,
44 : 'In canone apostolorum', 45 : 'Ex decretis Leonis papae', 48 a : 'Ex
epistola Hrabani ad Heribaldum episcopuni c. 29', 48 b : 'Ex conc. ad Com-
pendium', 59 : 'Ex eodem' (sc. 'conc. Tribur.'). 6) Dies gilt von Cap.
Ps.-Theod. 7. 31a. 31b. 32. 43 a. 43 b. 45. 48 a. 48 b. 50. 59. 7) Cap.
Ps.-Theod. 2. 3 a. 3 b. 3e. 4 a. 4 b. 5 (nur Z. 1 — 3 stimmen mit Reg.
überein). 9. 8) Ganz gewöhnliche Varianten, denen für unsere Zwecke
kein Beweiswerth zukäme, sind nicht verzeichnet. 9) Was in Pseudo-
Beda's Text mit Antiqua gedruckt ist, ist weder von Regino noch von Ps.-
Theodor aufgenommen. 10) "Was bei Regino und Ps.-Theodor cursiv
Zu den Acten der Triburer Synode 895.
337
sie agere poeniten-
tiam, ut superius di-
ximus, inprimo anno
eroget in elemosynam
solidos XX VI, in
seetmäo anno XX,
in tertio solidos
XVIII, id sunt so-
lulxLXIV. Potentes
homines pro eulpis
crirninalibus faci-
ant, ut Zachen s ait
'Domine, omnium bo-
norum meorum dimi-
dium do pauperibus,
et si aliquid iniuste
abstuli, in quadru-
plum restituo'. Et de
maneipiissuis aliquos
dimittat liberos et
captivos redimat, et
a quo die desinit
peccare , non desi-
nat coniniunicare.
Sicut apostolus di-
xit 'Qui per corpus
peccat, per corpus
einendet', hoc est
in ieiuniis, in vigi-
liis ff oratio)iibus ad
dominum.
Cap. 11, Z. 4 i
(Z. 4 nach 'induti' :
sie agere poeniten-
tiam, ut superius di-
ximus, inprimo anno
eroget in eleemosy-
nam solidos XXVI,
in seeundo XX, in
tertio XVIII, hoc
sunt solidos LXIV.
Potentes homines fa-
ciant pro eulpis suis,
quod Zachaeus fe-
cit : ait enim ad Ie-
sum 'Domine, om-
nium bonorum meo-
rum dimidium do
pauperibus, et si ali-
quid iniuste abstuli,
in quadruplum resti-
tuo'. Et de manci-
piis suis aliquos di-
mittat liberos et cap-
tivos redimat et in
se peccantibus ex
corde dimittat. Et
qui illicita com-
m i sit , e t i a m a
licitis se absti-
neat et corpus af-
f 1 i g at i e k i ) i iis, vi-
giliis et crebris
orationibus: caro
enim laeta nos
ad eulpam tra-
xit, afflieta re-
ducit ad veniam.
nach 'episcopo' : 'civitatis' add. Reg. -
'nudis pedibus' add. Reg., Burch.) —
sie agere poeniten-
tiam, ut superius dixi-
mus, faciat sie. Si
tres annos conti-
nuos ieiunare debet
et ieiunare non pot-
est, sie redimere pot-
est. Primo anno ero-
get solidos viginti
(sex) in eleemosy-
nam, seeundo anno
eroget solidos vi-
ginti et tertio anno
oetodeeim s ol i dos,
hoc est solidos se-
xaginta quatuor. Po-
tentes autem homi-
nes plus dare de-
bent, quia, cui plus
committitur, plus
ab eo exigetur. Qui
illicita commit-
tunt, etiam a li-
citis abstin ere
debent e t corpus
debent affligere
ieiuni is , vigili is et
crebris orationi-
bus : caro enim
laeta t r ahi t ad
eulpam, afflieta
autem reducit ad
veniam.
gegeben ist, stammt aus der gemeinsamen Quelle Ps.-Beda, was antiqua, ist
diesem gegenüber selbständig, was in gesperrter aufrechter Schrift, rührt
wiederum aus gemeinsamer — unbekannter — Quelle her. 1) Die Zeilen-
zahlen beziehen sich auf den Text der einzelnen Capitel Pseudo-Theodors aus-
schliesslich der Rubrik; die Zeilen der Capitel sind nach Migne's Abdruck
fortlaufend durchgezählt. Die sich aus Burchard ergebenden Berichti-
gungen des pseudotheodorischen Textes (vgl. unten S. 343 ff.) waren schon
hier zu berücksichtigen.
338
Emil Seckel.
(Z. 6 nach 'debent' : 'decani id est' add. Reg., Burch.) —
Z. 7 nach 'parochiarum' : 'cum testibus' add. -Reg. codd. pars.
— Z. 25 'ab eorum presbyteris' om. Reg.
Cap. 12, Z. 1 . . . 3 'Si . . . celes' om. Reg. — Z. 7
... 10 'De superbia . . . arrogantia' om. Reg. codd. omnes.
— Z. 12. 13 'De vana . . . hypocrisis': 'De1 inani gloria
oriuntur inobedientia, iactantia, hypocrisis, couten-
tiones, pertinaciae, discordiae, novitaturn praesumtiones'
Reg. — Z. 15 'praesumptio' om. Reg. — Z. 16. 17 'sangui-
nis . . . memoria' om. Reg. — Z. 18 'animi' om. Reg., 'ama-
ritudo' om. Reg. — Z. 19. 20 'saepe . . . delectatio' om. Reg.
— Z. 20 . . . 24 'De avaritia . . . cordis' : 'De avaritia
oriuntur proditio, fraus, fallacia, periuria, inquie-
tudo et contra misericordiam obduratio' Reg. — Z. 25
. . . 27 'levitas . . . sensus' : 'immunditia, multiloquium,
hebet udo sensus' Reg. — Z. 28. 29 'oculorum vel to-
tius corporis' om. Reg. — Z. 29 'immoderatus' om. Reg.
— Z. 30 'mandatorum' om. Reg.
Cap. 13, Z. 18 ... 35. 48 ... 58 om. Reg. — Z. 59
. . . 64:
Ps.-Theod.
Deinde sacer-
dos cum poenitente
se proster nat in
terra et decan-
tet hos psalmos
'Miserere mei deus'
usque ad 'omnes in-
iquitates meas dele ,
'Benedic, anima
mea, dominum' us-
que ad 'renovabi-
tur', 'Salvum fac
servuin tuum , do-
mine', 'Mittat auxi-
lium tibi de sancto',
'Custodiat dominus
te ab omni malo'
etc.
Reg.
Deinde sacer-
dos surgat et psal-
m um trigesimum
septimum decan-
t e t , deinde quin-
quagesimum et
quinquagesimum
tertium , et p r o -
sternat se in
terra et dicat hanc
orationem.
Burch.
Deinde sacer-
dos cum poeni-
tente proster-
nat se in terram
et decantet hos
sequentes psal-
mos. In primis di-
cat psalmum trige-
simum septimum
totum 'Domine, ne
in furore tuo' et
postea dicat 'Ore-
mus' et cantet psal-
mum cn. 'Bene-
dic, anima mea,
d o m i n o ' et iterum
dicat 'Oreinus' et
cantet psalmum L.
'Miserere mei,
deus'. Post haec
1) Das Gesperrte auch bei Ps.-Theod.
Zu den Acten der Triburer Synode 895.
339
cantet psalmum
LUX 'Deus, in no-
mine tuo' et dicat
'Orenms' et cantet
psalmum LI. 'Quid
gioriaris in malitia'.
Tunc dicat has sub-
sequentes orationes.
Z. 65 ... 95 om. Reg. — Z. 99 . . . 101 'debitam (?)...
indulgeas' : 'veniam relaxare digneris et praeteri-
torum culpas indulgeas' Reg.
Cap. 14 Rubr.: 'Ut nullus presbyter alterius
civitatis vel parochiae poenitentem suscipiat vel sine
episcopi vel presbyteri testimonio reconciliet' Reg. — Z. 1
'curandum . . . providendum' : 'curandum summopere est'
Reg.
Cap. 18, Z. 1. 2 'morticinam', 'dilaceratam' : 'morticinum',
'dilaceratum' Reg. — Z. 2 'bestiis' : 'bestia' Reg. — Z. 3 'Si
autem . . . contingat' : 'Si quis necessitate famis cogente
manducavit' Reg. — Z. 4 'est' : 'poeniteat' Reg. (Sequuntur
ap. Reg. 2Y2 lineae 'Qui fraudatum . . . poeniteant'.)
Cap. 20 a, Z. 1 'intinctum': 'contaminatum' Reg. , 'fa-
miliari' : 'domestica' Reg. — Z. 2 'etc.' (?): 'vel catto' Reg. —
Z. 2. 3 'et seit . . . Si nescit' om. Reg. — Z. 3 'ieiunet' : 'poe-
niteat' Reg. — Z. 3. 4 'vel si . . . cantet' om. Reg.
Cap. 20 b, Z. 4 'Qui' : 'Si quis' Reg. — Z. 4 nach 'de-
derit' : 'alicui' add. Reg., nach 'liquorem' : 'aliquem' add. Reg.
— Z. 5 'inventi' om. Reg- — Z. 6 nach 'Si' : 'autem' add.
Reg. — Z. 7 'contigit' : 'sunt' Reg., 'trecentos' : 'cc' Reg. —
Z. 8 'centum quinquaginta' : 'unum psalterium' Reg.
Cap. 23:
Ps.-BedaPoen.
c. 13, § 1 med.
Qui per ri-
xam ictu debi-
lem vel defor-
mem hominem
facit, reddat
impensa, quae
fiunt in medi-
Reg. 2, 54.
De eo, qui
hominem debi-
litaverit.
Qui homi-
nem debilita-
verit et defor-
mem fecerit,
impensas in
medicos tri-
buat et rnacu-
Cumm. Poen.
c. 6, § 22.
Si per rixaui
ictu debilem
vel deformem
hominem fece-
rit, reddat im-
pensas medici
et egritudinem
Ps.-Theod.
De illis, qui
truncationes
membrorum
fecerunt.
Qui per ri-
xam ictu de-
bilem vel de-
formem homi-
nem fecerit,
reddat impen-
sas medico et
340
Emil Seckel.
curn, et macule
precium et
opus eius, do-
necsanetur,re-
stituat et di-
midium an-
num peniteat.
Si vero non ha-
bet unde resti-
tuat, unum an-
lae pretium et
opus eius, do-
necsanetur,re-
stituat et di-
midium an-
num poeniteat.
Sivero non ha-
bet unde hoc
restituat, an-
num unum
restituat et
medio anno in
pane et aqua
peniteat. Si
non habuerit
unde reddat,
unum annum
peniteat.
medium an-
num poeni-
teat. Si non
habuerit unde
reddat, annum
unum poeni-
teat.
num peniteat. poeniteat.
Z. 4 . . . 8 'Si laicus . . . poeniteat' om. Reg.
Cap. 26 a, Z. 1 'voluntariam' om. Reg.
Cap. 32 (Rubr. in fine : 'ab uxoribus' add. Reg., cf.
Burch.).
Cap. 36, Rubr. : 'De eadem re' (sc. 'De eo, qui sacer-
dotem occiderit') Reg. — Z. 3 'septuaginta duobus' : 'duo-
decim' Reg. (cf. orig.). — Z. 5 'expurget' : 'purget' Reg., 'ad':
'usque ad' Reg. — Z. 6 'careat . . . coniugii (maneat)' : 'mi-
litiae cingulum deponat et uxorem amittat' Reg. (cf. orig.).
Cap. 37, Rubr.: 'De eo, qui sacerdotem occiderit' Reg.
— Z. 5 'quinque annos' : 'quinquennium' Reg., Z. 5 (Ergän-
zung) 'quinque annos' : 'quinquennium' Reg. (cf . orig.). —
Z. 6 (Ergänzung) 'stet' : 'stet vel sedeat' Reg. (cf. orig.).
Cap. 38 a. b.
Ne presbyteri sine
consensu episcopo-
rum per ecclesias
constituantur vel ab
eis recipiantur l. Qui-
cumque presbyter
ecclesiam per pre-
tium adeptus fuerit,
omnino 2 deponatur,
cum3 eam4 contra
ecclesiasticae regu-
lae disciplinam ha-
bere 5 dignoscitur,
qui alium presbyte-
runi legitime ad ec-
clesiam ordinatum
Reg. 1, 349. 350.
Ne presbyteri
per pretium ec-
clesias obtineant.
Quicumque pres-
byter per pretium
ecclesiam fuerit ad-
eptus, omnimodis
deponatur, q u o n -
iam6 contra eccle-
siasticae regulae di-
sciplinam a g e r e
dignoscitur, qui ali-
um presbyterum le-
gitime ad ecclesiam
ordinatum per pe-
cuniam expulerit
Burch. 3, 110.
De presbyteris,
qui ecclesias suas
per pretium ac-
quisierint. Quicum-
que presbyter per
pretium ecclesiam
fuerit adeptus,
q u o n i a m 6 contra
ecclesiasticae regu-
lae disciplinam
agere dignoscitur,
e t 7 qui alium pres-
byterum legitime
ad ecclesiam ordi-
natum per pecu-
niam expulerit eam-
1) Orig. 'reiciantur'. 2) 'omnimodis'.
5) 'agere'. 6) Vgl. dazu Hrab. ad Heribald. c. 19.
3) 'quod'. 4) om.
7) Vgl. Hrab. 1. c.
Zu den Acten der Triburer Synode 895.
341
eamque sibi taliter
vindicaverit. — De
eadem re. Item
interdicendum v i -
detur clericis sive
laicis, ne quis cui-
libet presbytero
praesumat dare ec-
clesiam sine licen-
tia et consensu epi-
scopi sui.
que sibi taliter vin-
dicaverit , omni-
modis deponatur.
per pecnniam ex-
pulerit eamque sibi
[tojtaliter x vendica-
verit. Quod vitium
late diffusum sum-
mo studio emendan-
dum est. Itemque
interdicendum est 2
clericis sive laicis,
ne quis quamlibet 3
ecclesiam 4 presby-
tero dare praesumat
sine licentia et con-
sensu sui episcopi.
Cap. 41, Z. 10 'et confitentur vel confiteri desiderant'
om. Reg. — Z. 12 ... 16 'nam ipse . . . denegavit' om. Reg.
Cap. 44, Z. 1 'Episcopus auf om. Reg. — Z. 2 nach
'furto' : laut homicidio' add. Reg., 'lapsus' : 'captus' Reg.
Zur Entscheidung der Frage, ob Pseudo-Theodor
aus Regino geschöpft habe, tragen diejenigen Capitel
nicht viel bei, deren Text im Wesentlichen mit dem Regino's
übereinstimmt5, und ebensowenig diejenigen, welche durch
Bearbeitung, insbesondere Erweiterung von Texten, die mit
Regino sich decken, entstanden sind oder entstanden sein
können''. Hier steht neben der Möglichkeit einer Ab-
leitung aus Regino gleichwerthig die andere, dass Pseudo-
Theodor und Regino beide auf eine gemeinsame Quelle —
Original ' oder Zwischenquelle 8 — zurückgehen. Ent-
scheidende Bedeutung kommt hingegen denjenigen pseudo-
theodorischen Capiteln zu, deren Fassung den Originalen
näher steht als die Regino's 9. Sie können unmöglich aus
1) Orig. 'taliter'. 2) 'videtur'. 3) om. 4) 'cuilibet' add.
5) Sie sind oben S. 336, Anm. 6 verzeichnet. In allen anderen
Fällen handelt es sich keinenfalls um wörtliche Entlehnung aus Regino.
In Spalte 4 der Tabelle stehen die von Regino's Wortlaut abgehenden
Texte, 20 von 35, in Klammern. 6) Es sind Ps.-Theod. c. 8. 11. 12.
26 a. 36. 37. Als Bearbeitung Regino's kann übrigens c. 12 nur gelten,
wenn bei Regino der Abschnitt Z. 7 — 10 gestanden hat; was sehr zweifel-
haft ist. 7) Vgl. z. B. Ps.-Theod. c. 36. 37. 8) Für die fünf Capitel
8. 31 a. 31 b. 37. 48 b ist gemeinschaftliche Quelle nicht das Original, son-
dern eine Bearbeitung, da hier manche Abweichungen von der ursprüng-
lichen Fassung Pseudo - Theodor und Regino gemeinsam sind ; vgl. wegen
c. 8 oben S. 336 f., in c. 31a die übereinstimmende Rubrik, in c. 31b
'poenitentium iudicia', in c. 37 und 48b eine ganze Reihe von Diffe-
renzen. 9) Grössere Ursprünglichkeit haben bewahrt Ps.-Theod. c. (12,
vgl. Anm. 6) 13. 14. 18. 20 a. 20 b. (23.) 38 a. 38 b. 41. 44. — Cap. 23
Neues Archiv etc. XX.
23
342 Emil Seckel.
Regino entstanden sein. Was aber für einen bedeutenden
Theil der Capitel sieher ist, wird für ihre Gesammtheit als
sehr wahrscheinlich anzunehmen sein. Gegen die Ent-
lehnung aus Regino spricht auch die weitgehende Un-
gleichheit der Rubriken l. Für die Unabhängigkeit lässt
sich endlich der literargeschichtliche Grund anführen, dass
ein Excerpt aus Regino der Vorlage in der Anordnung
und an Quellenreichthum 2 wohl mehr gleichen würde als
die hierin dem Regino sehr unähnlichen pseudotheodo-
rischen Capitel.
Regino kann aus Pseudo-Theodor selbst3, dessen
Capitula so wie wir sie jetzt vor uns haben4 jedenfalls
nach 906 verfasst sind, schon aus Gründen der Chronologie
nicht geschöpft haben. Aber auch eine Recension des
Pseudo-Theodor, die des jüngsten Stückes5 noch entbehrt'
und die Inscriptionen noch bewahrt hätte, wäre Quelle
Regino's mit nichten. Denn Regino's Text ist ' in einer
Reihe von Capiteln"1 von ursprünglicherem Charakter als
der Pseudo-Theodors.
Sämmtliche Capitel Pseudo-Theodors kehren bei Bur-
chard wieder, nur sieben (c. 38b. 39. 42. 43a. 46. 47. 57)
unter den 87 ausgenommen '\ Was die gemeinsamen Stücke
bei Burchard zunächst auszeichnet, sind die Inscriptionen :
während die Quellenangaben aus Ps.-Theodors Texte durch-
stammt nicht aus demselben Original wie Regino: Ps. -Theodor hat Cum-
mean, Regino dagegen Ps.-Beda zur Quelle, vgl. oben S. 339 f. Alle an-
dern Parallelcapitel bei Regino und Ps.-Theodor dürften auf gemeinschaft-
liche Quellen zurückgehen, was übrigens in letzter Linie auch für c. •_>•'!
(Ps.-Beda, Cummean) zutrifft. — Ps.-Theod. c. 2. 3 a. 3 b. 3e. 4a. 4 b. 5. !»
entfernen sich in der Textgestalt so weit von Regino, dass sich die An-
nahme empfiehlt, Pseudo - Theodor habe wohl nicht Texte, die mit denen
Regino's übereinstimmen, selbstthätig bearbeitet, sondern er habe bereits
in der Entwickelung weiter gediehene Texte entweder einfach abgeschrie-
ben oder nur leicht retouchiert ; denn, wo wir ihn controllieren können,
ist Pseudo - Theodor ohne erhebliche Eingriffe seinen Quellen treu geblie-
ben. 1) Vgl. oben S. 336. 2) Vgl. oben S. 297, Anm. 2 a. E. 3) Dass
die Quellen Ps.-Theodors grossentheils auch die Regino's sind, ist selbst-
verständlich. 4) Und wie sie schon Burchard vor sich hatte, vgl. unten
S. 345 ff. 5) D. h. des um 922 anzusetzenden Conc. de cler. percuss.
in c. 35 b. 6) Die Möglichkeit, dass es eine solche Recension gegeben
habe, ist übrigens eine sehr entfernte. 7) Abgesehen natürlich von den
gleichlautenden Stücken (S. 336, Anm. 6), sowie von den Parallelen zu
Ps.-Theod. c. 11. 12. 13. 14. 18. 20 a. 20 b. 26 a. 32. 44, die aus jener
Recension an sich genommen oder entstanden sein könnten. 8) Denen,
die Ps.-Theod. c. 2. 3 a. 3 b. 3e. 4 a. 4 b. 5. 8 (vgl. S. 336 f.). 9. (23, vgl.
S. 341, Anm. 9) 36. 37. 38 a. 38 b. 41 entsprechen. —Vgl. auch hier die
Abweichungen in der Rubricierung (S. 336). 9) Vgl. Spalte 5 der Tabelle.
Zu den Acten der Triburer Synode 895. 343
gehend ausgemerzt sind, finden sie sich bei Burchard vor K
Der Wortlaut von Eubriken und Text deckt sich im Allge-
meinen in beiden Werken; die Abweichungen bei Burchard,
welche über das Mass gewöhnlicher Varianten erheblich
hinausgehen, sind die folgenden:
Cap. Ps.-Theod. 1 a, Z. 3 nach 'tres dies id est' : 'secun-
dam feriam, quartam feriam, sextam feriam in pane et
aqua ieiunet et tres dies, id est tertiam' add. B. (cf. Poen.
Rom. App.'2).
Cap. 1 b, Z. 10 nach 'sancti Iohannis' : 'et si totam
quadragesimam ante missam sancti Iohannis implere non
possit, post missam impleat' add. B. — Z. 14 'et in pente-
coste' om. B. — Z. 17 nach 'ascensione domini': 'et pente-
coste quatuor dies' add. B.
Cap. 3 a, Z. 1 'Primo' : 'pro uno' B. (cf . Poen. Rom. App.).
Cap. 3 b : Rubr. 'Alio modo' add. B.
Cap. 3c: Rubr. 'Item alio modo' add. B.
Cap. 3d: Rubr. 'Item alio modo' add. B. — Z. 5
nach 'sumat' : 'quidquid velit. (3e) Item alio modo.
Pro uno die, quem in pane et aqua poenitere debet, tres
pauperes pascat et eo die, excepto vino, carne et sagimine,
sumat' add. B.
Cap. 4 b : Rubr. 'De redemptione unius mensis, quem
in pane et aqua ieiunare debet' add. B. — Z. 2 nach
'decantet' : '[Ex eodem.] Si autem hoc facere non potest,
sine genuflexione, sedendo aut stando in ecclesia, si fieri
potest, sin autem, in uno loco, mille DC octoginta psalmos
decantet' add. B.
Cap. 10, Z. 7 nach 'psalmi' : 'cum totidem veniis per
noctem et' add. B. — Z. 8 nach 'psalmi' : 'cum veniis per
noctem et' add. B.
Cap. 11, Z. 4 nach induti' : 'nudis pedibus' add. B. —
Z. 6 nach 'debent' : 'decani id est' add. B. — Z. 25 nach
'eorum' : 'decanis et eorum' add. B.
Cap. 13, Z. 18 ... 35 'Postquam . . . Resp. Volo' om.
B. — • Z. 48 ... 58 'Oratio. Tunc sacerdos . . . perducat'
om. B. — Z. 59 . . . 64 : siehe oben S. 338 f. — Z. 65 . . .
69 'Oratio . . . Oratio' om. B. - Z. 91 . . . 95 'Oratio.
Omnipotens . . . veniam' om. B.
1) Mit zwei Ausnahmen : c. 13. 33 ; dem c. 33 giebt Ivo, Decr.
15, 164 (= Burch. 19, 156) die Aufschrift 'Ex eodem' (sc. 'concilio Eliber-
tano'), was möglicherweise schon bei Burchard stand. — Den Wortlaut der
Inscriptionen siehe in Spalte 6 der Tabelle. 2) Vgl. oben S. 331,
Anm. 1.
23*
344 Emil Seckel.
Cap. 17, Z. 2 vor 'proiciantur' : 'intralia' add. B.
Cap. 20, Z. 12 nach 'poeniteat' : 'qui est xx annorum'
add. B.
Cap. 24, Z. 4 nach 'poeniteat': 'unum ex his' add. B.
(cf. orig.).
Cap. 26 b : Rubr. 'De eadem re add. B.
Cap. 31b: Rubr. 'De eadem re' add. B.
Cap. 32 Rubr. in fine: 'ab uxoribus' add. B.
Cap. 36 Rubr. : 'De eadem re' (sc. 'De homicidiis et
calumniis episcoporum et reliquorum ordinum') B. — Z. 2
'etiamsi negaverit, si liber est, septuaginta dies ieiunet' (!) :
'aut, si negaverit, si liber est, cum septuaginta duobus
iuret' B. — Z. 6 nach 'coniugii' : 'maneat' add. B.
Cap. 37 Rubr. : 'De interfectoribus sacerdotum' B. —
Z. 4 nach 'atque' : 'dominicis' add. B. — Z. 5 nach 'quinque
annos' : 'non ingrediatur, sed ante fores ecclesiae stet, post
quinque annos ecclesiam' add. B. — Z. 6 nach 'audientes':
'stet' add. B.
Cap. 38 a: siehe oben S. 340 f.
Cap. 40 Rubr. : 'Ut unusquisque episcopus clericos in
suo episcopio vagantes ad suum episcopum redire faciat'
B. — Z. 2 'quinam' : 'unde' B. (cf. orig.).
Cap. 41, Z. 12 . . . 16 'nam ipse . . . denegavit' om.
B. (cf. Reg.).
Cap. 43 b : Rubr. 'De illis, qui infantes suos non sponte
interficiunt' add. B.
Cap. 44: Burch. 2, 189 = Reg. 1,87, oben S. 341.
Cap. 45 Rubr. : 'Quod diaconi, sicut episcopus et pres-
byter, cessare debeant ab opere coniugali' B.
Cap. 48a Rubr.: 'De his, qui in matrimonio iuncti
sunt et concumbere non possunt' B. (cf. Reg.). — Z. 6 nach
'alium' : 'si autem ille aliam acceperit, separentur' add. B.
Cap. 48 b Rubr. : 'De eadem re' B. (cf. Reg.).
Cap. 49, Z. 12 nach 'peccantibus' : 'fecisse leguntur et'
add. B. (cf. orig.).
Cap. 51, Z. 2 nach 'terram': 'linguabitur' add. B. —
Z. 6 nach 'poeniteat' : 'si per linteum altaris ad aliud stilla
pervenerit. quatuor dies poeniteat' add. B.
Cap. 54 Rubr. 'per quinquaginta dies' om. B.
Cap. 55, Z. 9 nach 'poeniteat' : 'Si vero celebrata missa
presbyter neglexerit accipere sacrificium, similiter XL dies
poeniteat' add. B. — Am Ende : 'et qui neglexerit, quaternis
diebus suam negligentiam solvat. (55 i) Si cum amissione
saporis decoloratur sacrificium, xx dies expleantur ieiunio,
conglutinatum vero VII dies, qui niersit, poeniteat add. B.
Zu den Acten der Triburer Synode 895. 345
Cap. 56, Z. 6 'ut supra comburatur' : 'et strauien ut
supra ignetur' B.
Cap. 58 Rubr. nach 'pondera iniusta' : 'et a civibus non
collaudata' add. B. — Z. 2 'ergo statuimus ab omnibus hoc
observandum' : 'et in capitulari dominico continetur et iste
sacer conventus statuit, sie omnibus nobis observare
placet' B.
Fast durchweg hat in den Abweichungen Burchard l
dem Petitschen Pseudo-Theodor gegenüber Eecht. Er bietet
vielfach den richtigeren ursprünglicheren Text 2 und die
richtigen Rubriken ; auch etliche seiner Inscriptionen treffen
das Richtige 3. Der Petitsche Pseudo-Theodor ist also nicht
Burchards unmittelbare Grundlage. Man hat die Quelle
in einem bessern Texte zu suchen ; ob man diesen in einer
bessern Recension des Petitschen Werkes oder in einer
Vorlage (F) , die an G-üte und Vollständigkeit auch von
der hypothetischen besten Gestalt des Pseudo-Theodor nicht
erreicht wird, erblicken will, ist eine Frage von unterge-
ordneter Bedeutung. Da es schwer zu glauben ist, dass
durch blosse Zerrüttung der Ueberlieferung ein Text sich
soweit vom echten Wortlaut entferne wie es beim Petit-
schen der Fall ist, so verdient von den beiden Alternativen
die zweite, die Annahme einer Vorlage (F), die durch un-
1) Soweit er aus Ps.-Theodor bezw. dessen Quelle F, und nicht
vielmehr aus Regiuo stammt, worüber unten S. 347. 2) Als Ausnahmen
in den Texten betrachte ich etwa c. 1 b, Z. 10 (wahrscheinlich Zusatz Bur-
chards oder seiner Vorlage), c. 10, Z. 7. 8 (wohl Zusätze Burchards), c. 13
(von Burch. vorgenommene Verkürzungen), c. 20, Z. 12 (Zusatz ?), c. 41
(Streichung), c. 48 a, Z. 6 (Zusatz Burchards). 3) Zu Ps.-Theod. c. 14.
22. 26 a. 36 (auch die Ziffer richtig). 37. 40. 41. 45 (die richtige Diony-
sische Ziffer). 48 b (die richtige Ziffer). 59 (die Zahl 14 des Triburer Ca-
pitels kommt vielleicht der "Wahrheit nahe, die Coli. Diess. hat 18 ; so
geht wohl das Abh. I, S. 383, Anm. 7 a. E. Gesagte für Burch. 19, 149
etwas zu weit). — Den Hrabanus zugehörigen Fragmenten c. 48a. 49. 60
hat Burchard, seiner Tendenz getreu, den Namen des Hrabanus niemals
in den Mund zu nehmen (vgl. ausser Burch. 9, 40. 19, 150. 151 z. B. auch:
10, 41 — 46. 17, 24. 19, 152), durch bewusste Fälschung andre Inscriptionen
vorgesetzt. Zweifelhaft bleibt dies nur bei c. 49 (wo zum mindesten die
Capitelziffer — 10 — des Hrabanus beibehalten ist) : hier scheint die In-
scription vom Original — Hrab. ep. ad Heribald. c. 9 — beeinflusst zu
sein ; vielleicht stand sie in derselben Gestalt wie bei Burchard infolge
eines Misverständnisses bereits in der Vorlage F Pseudo - Theodors ; auch
die Rubrik des Capitels ist nicht die des Originals c. 10, sondern die bei
Pseudo-Theodor wiederkehrende (von F). — Die relative Richtigkeit oder
Unrichtigkeit der Aufschriften: 'Ex poenitentiali Romano', 'Ex poeniten-
tiali Theodori1, 'Ex poenitentiali Bedae presbyteri' lässt sich nicht con-
trollieren.
346 Emil Seckel.
verständige Bearbeitung heruntergebracht worden sein
müsste, immerhin den Vorzug. So erklärt sich z. B. die
seltsame Verquickung eines ursprünglich Theodorischen, dann
wohl Cummeanischen Busskanons mit dem Fragment eines
falschen fränkischen Concilsschlusses 1 in Cap. Ps.-Theod. 35
wohl am einfachsten aus einer verständnislosen Kürzung 2 ;
man müsste denn etwa den Ausfall eines Blattes in der
Mutterhandschrift der Pseudo-Theodorischen Capitel an-
nehmen wollen3. Auch der heile Zustand mancher In-
scriptionen bei Burchard einerseits, deren gänzliches Fehlen
bei Ps.-Theodor andererseits spricht für das Vorhandensein
der beiden gemeinsamen Vorlage F : Burchard kann nicht
wohl in zehn Fällen4 die richtigen Inscriptionen durch
selbständige Quellenforschung ergänzt haben; und Pseudo-
Theodor konnte zu seinem erborgten Namen nur kommen,
wenn die verrätherischen Inscriptionen getilgt waren. In
der Tilgung wird man das Werk nicht eines Abschreibers,
sondern eines fälschenden Bearbeiters zu erblicken haben.
Burchard hat seine Vorlage F grossentheils in Reihen
abgeschrieben :
Ps.-Theod. c. la— 10 = B. 19, 9—25.
12. 13 = 19, 6. 7.
15—19 = 19, 85—88. 90.
21. 22 = 19, 118. 119.
23. 24 = 19, 101. 102.
26 a. b = 19, 130. 131.
27. 28 = 19, 140. 141.
29. 30 = 19, 137. 138.
31a— 33. 35a = 19, 153—156. 157.
35 b— 37 = 6, 5 fin. 7. 8.
48 a. b = 9, 40. 42.
50- 56 = 5, 46—52.
58—60 = 19, 148. 149. 151.
Wo als mögliche Quellen Burchards Regino und
Pseudo-Theodor (F) concurrieren, hat letzterer fast durch-
weg den Sieg davon getragen5, wie aus der Fassung der
1) Dass in der Vorlage F die vollständigen Texte von Burch. 19,
153—157 (Cap. Ps.-Theod. 31a— 33. 35a) und Burch. 6, 5-8 (vgl. Cap.
Ps.-Theod. 35 b — 37) je eine Reihe bildeten, halte ich für nicht unwahr-
scheinlich. 2) Insbesondere wenn man der Numerierung der 60 Capitel
trauen darf. 3) Die Frage, ob nicht einige dem Petitschen Ps.-Theodor
fehlende Capitel Burchards (z. B. 19, 152 = Hrab. ad Herib. c. 30) ver-
muthlich ebenfalls in der vollständigeren Sammlung F gestanden haben,
muss einer Untersuchung der Quellen Burchards vorbehalten bleiben. Vgl.
oben S. 316, Anm. 2. 4) Vgl. oben S. 345, Anm. 3. 5) Wenn
Wasserschieben in den Noten zu Pegino von vielen Capiteln (c. 11. 12.
Zu den Acten der Triburer Synode 895. 347
Rubriken, aus der Gleichheit der Reihenfolge bei Burchard
und Pseudo-Theodor und aus den gemeinsamen Texteigen-
thümlichkeiten Regino gegenüber sich mit Sicherheit er-
giebt1. Als Ausnahmen vermag ich nur die Capitel (11 2).
38 a3. 43 b. 44. (48 a. 48 b2) anzuerkennen.
Dass die Capitula Pseudo-Theodori auf der Grund-
lage von Burchards Sammlung gearbeitet, insbesondere dass
sie aus Burchard ausgezogen seien, erscheint als völlig-
ausgeschlossen. Denn einmal ist das Petitsche Bussbuch
um ganze Capitel4 und innerhalb einiger Capitel5 um
ganze Sätze6 reicher als Burchard, sodann ist Pseudo-
Theodor von gelegentlichen Interpolationen Burchards frei 7
und auch in anderen Dingen ursprünglicher als dieser8,
und endlich wäre die Beschränktheit des Quellenkreises in
den Petitschen Capiteln, falls sie ein Excerpt aus den reichen,
anderthalb hundert verschiedene Inscriptionen führenden
Decreta Burchards wären, kaum begreiflich.
13. 26 a. 31a. 31b. 32. 36. 37. 41. 51. Ps.-Theod.) das Gegentheil be-
hauptet, so beruht dies auf Irrthum ; er ist sich über das Verhältnis von
Pseudo-Theodor und Burchard nicht klar geworden. 1) Bei Ps.-Theod.
c. 11 stammt nur die Inscription Burchards entweder aus Regino oder aus einer
Regino ähnlichen Vorlage ; Rubrik und Text (vgl. das Ende des letztern)
rühren aus Ps.-Theodor her. — Im Verhältnis zu c. 13 scheinen Regino
und Burchard je selbständige Auszüge aus dem bei Ps.-Theodor vollstän-
dig erhaltenen Original zu sein; vgl. auch oben S. 338 f. — Bei c. 48a
scheint die Rubrik aus Regino zu stammen (Ps.-Theodor hat die Rubrik
des Originals); woher der Text von c. 48a und c. 48b bei Burchard
stamme, lässt sich nicht entscheiden. 2) Vgl. Anm. 1. 3) Vgl. oben
S. 340 f. 4) Siehe oben S. 342 ; sie stammen fast durchweg aus Quellen,
die auch Burchard direct oder indirect benutzt hat. 5) Cap. 13. (38.) 41.
6) "Welche nicht Zusätze sein werden, da sie in den Originalen stehen.
7) Vgl. cap. 48 a in fine, und S. 345, Anm. 2. 8) Vgl. cap. 48 a Rubrik.
348
Emil Seckel.
Tabelle.
Die Capitula Pseudo-Theodori, ihre Quellen
und ihr Verhältnis zu Regino und Burchard.
1
2
Q
o
4
5
6
Quelle
cap.
Anfang
Reg.
Burck.
Burch. Inscr.
—
la
Poenitentia illi- ; —
us anni
19,9
Ex poen. Ro-
mano
—
lb
Poenitentia isti-
us anni
—
19,10
Ex eodem
2
Qui ieiunare pot-
est
(2, 452)
19, 11
Ex eodem
3 a
Primo (!) die
(2, 452)
19,12
Ex eodem
(Ps.-Beda Poen.
c. 44)
3 b
quem
Si autem talis
(2, 452)
19,13
Ex eodem
3c
Qui in ecclesia i
19,14
Ex eodem
3d
Qui psalmos non
—
19,15
Ex eodem
(3e)
(Pro uno die)
(2, 452)
19,16
Ex eodem
3f
Quidam dicunt
—
19,17
Ex eodem
4a
Pro una hebdo- (2, 448)
19,18
Ex eodem
(Ps.-Beda Poen.
c. 42)
4b
mada
Pro uno mense
(2, 447)
19,19
Ex eodem
5
Qui vero psal-
(2,449)
19, 20
Ex eodem
mos
(Ps.-Beda Poen.
6
Item qui ieiu-
—
19,21
Ex poen. Theo-
c. 46)
nare
dori
Ps.-Beda Poen.
7
Si quis forte 2, 446
19, 22
Ex eodem
c. 41
(Ps.-Beda Poen.
8
Qui non possunt \ (2, 453)
19,23
Ex eodem
c. 45)
(Ps.-Beda Poen.
9
Qui ieiunare non
(2, 454)
19,24
Ex poen. Bedae
c. 46)
presb.
—
10
Item alio modo
—
19,25
Ex poen. Ro-
mano
—
11
In capite qua-
dragesimae
1,295
19,26
Ex conc. Agath.
c. 9
—
12
Nunc tibi octo
(1, 304,
p. 146)
19,6
Ex poen. Theo-
dori
(Ps.-Beda Poen.
13
Ergo si superbus
(1, 304,
19,7
—
p. 255. 256)
p. 146
—148
Felicis III. Ep.
14
Curandum est
vero
(1, 313)
19,62
Ex epist. Fe-
licis p. c. 2
Cummeanus
15
Animalia quae a
—
19,85
Ex poen. Theo-
Poen. c.l, §20.21
dori
Cummeanus
16
Apes si hominem
—
19,86
Ex eodem
Poen. c. 1, § 25
(Cummeanus
17
Si porci vel
—
19,87
Ex eodem
Poen. c. 1, § 26.
27?)
Zu den Acten der Triburer Synode 895.
349
1
2
3
4
5
6
Quelle
cap.
Anfang
Reg.
Burch.
Burcb. Inscr.
Ps.-Beda Poen.
18
Qui manducat
(2, 376
19,88
Ex eodem
c. 22, § 1
carnem
in.)
Cummeanus
19
Qui sanguine vel
19,90
Ex eodem
Poen. c. 1, § 16
(Egbertus Poen.
20 a
Qui comedit vel
(2, 376
19, 106
Ex poen. Ro-
c 13, § 4)
fin.)
mano
(Egbertus Poen.
20 b
Qui dederit li-
(2, 377)
19, 106
c 13, § 5)
quorem
Egbertus Poen.
20 c
Si quis comede-
—
19, 106
c. 13, § 6
rit
Egbertus Poen.
20 d
Pro furto mo-
—
19, 106
c 13, § 7
dico
Egbertus Poen.
20 e
Puer qui est
—
19, 106
c. 13, § 8
Egbertus Poen.
20 f
Si quis tinxerit
—
19, 106
c. 13, § 9
Egbertus Poen.
20 g
Si in farina
—
19, 106
c. 13, § 10
Cummeanus
21
Sciendum vero
—
19, 118
Ex poen. Bedae
Poen. p. 462
est
presb.
Conc. Rotomag.
22
Si quis aliquem
—
19, 119
Ex conc. Ro-
c. 12
toma g. c. 9
Cummeanus
23
Qui per rixam
(2,54)
19, 101
Ex poen. Ro-
Poen.c.6,§(22).
mano
23
(Cummeanus
24
Qui ictum pro-
—
19, 102
Ex poen. Bedae
Poen. c. 6, § 24
ximo
presb.
—26)
Beda Poen. c. 4,
25
Qui ad ferien-
—
19, 120
Ex poen. Ro-
§ 10. 11
dum
mano
Conc. Bracar. I,
26 a
Placuit ut qui
2,91
19, 130
Ex conc. Bra-
563, c. 16
car. c. 10
Conc.Autissiodor.
26 b
Quicumque se
—
19, 131
Ex conc. Ca-
c. 573 — 603,
propria
bilon. c. 5
c. 17
(Cummeanus
27
Mulieres men-
—
19, 140
Ex conc. Mo-
Poen. c. 3, § 14)
struo
gunt. c. 6
—
28
Mulier quae in-
trat
—
19, 141
Ex poen. Theo-
dori
(Poen. Hubert.
29
Si quis obtrecta-
—
19, 137
Ex eodem (sc.
c. 44)
verit
poen. Rom.)
(Poen. Hubert.
30
Si quis in balneo
—
19, 138
Ex poen. Theo-
c. 47)
dori
j
31a
Sicut enim sacri-
1,299
19, 153
Ex poen. Ro-
Ps.-Beda Poen.!
ficium
mano
p. 251
31b
Si autem neces-
sitas
1,300
19, 154
Ex eodem
Coli. can. Hibern.
32
In tribus quadra-
1,338
19, 155
Ex concilio
46,11
gesimis
Elibertano
350
Emil Seckel.
1
2
3
4
5
6
Quelle
cap.
Anfang
Reg.
Burch.
Burch. Inscr.
Curameanus
33
Si mater filium
19, 156
Poen. c. 6, § 9.
(10)
(Poen. Hubert.
34
Si quis inhono-
—
19,94
Ex poen. Ro-
c. 39)
raverit
mano
(Cummeanus
35 a
Si quis die domi-
—
19, 157
Ex conc. Tribu-
Poen.c.3,§17?,
nico
riensi c. 51
cf. Poen. Vali-
cell. I c. 42)
Conc. de cleric.
35 b
Si principibus
—
6,5fin.
Ex conc. ap.
percuss. i. f.
placuerit
Theodon. vill.
hab. c. 3
Conc. Mogunt.
36
Qui presbyterum
2,43
6,7
Ex conc. Mo-
847, c. 24
occiderit
gunt. c. 24
Conc. Wormat.
37
Qui sacerdotem
2,42
6,8
Ex conc. Wor-
868, c. 26
voluntarie
mat. c. 3
|
38 a
Quicumquepres-
(1,349)
(3, HO)
Ex conc. Mo-
Conc. Mogunt. !
byter
gunt. c. 5
847, c. 12
38 b
Itemque inter-
dicendum
(1, 350)
—
Conc. Roman. II.
39
Presbyter non
—
—
sub Silvest. I.
adversus
(apocr.) c. 3
Conc. Mogunt.
40
Ut unusquisque
—
8,56
Ex conc. Mo-
813, c. 31
episcopus
gunt. c. 19
Conc. Mogunt.
41
Quaesitum est ab
(2,92)
11,76
Ex conc. Mo-
847, c. 27
gunt. c. 5
Coli. can. Trib. X
42
De furibus et
—
—
Coli. can. Trib. X
43 a
De homicidiis
non
2,20
—
Coli. can. Trib. X
43 b
Si quis filium
2,21
(6,36)
Ex conc. Tribur.
c. 21
Can. apost. c. 25
44
Episcopus aut
presbyter
(1,87)
(2, 189.
17, 39)
Ex can. apost.
LeonisI.Ep. 167,
45
Lex continen-
1,97
2,114
Ex e p. Leo-
c. 3
tiae eadem
nis p. c. 17
Coli. can. Trib. X
46
Si in atrio eccle-
siae
—
—
Coli. can. Trib. X
47
Scelere si quis
—
—
Hrabani Ep. ad
48 a
Quod autem in-
2,243
9,40
Ex ep. Greg, ad
Heribaldum
terrogasti
Ioannem Ra-
(853), c. 29
vennatem ep.
Conc. ap. Com-
48 b
Si quis acceperit
2,245
9,42
Ex conc. ap.
pendium 757,
Compendi-
c. 20
um c. 20
Hrabani Ep. ad
49
De his ergo Vi-
—
19, 150
Ex conc. Hiler-
Heribaldum
sum
densi c. 10
(853), c. 10
Ps.-Beda Poen.
50
Si quis per ebrie-
1,151
5,46
Ex poen. Bedae
c. 20 in.
tatem
Zu den Acten der Triburer Synode 895.
351
1
2
3
4
5
6
Quelle
cap.
Anfang
Reg.
Burch.
Burch. Inscr.
Cummeanus
51
Si vero per ne-
5,47
Ex decr. Pii p.
Poen.c.l3,§18.
19
Cummeanus
gligentiam
c. 3
52
Qui evomuerit
5,48
Ex poen. Theo-
Poen.c.l3,§22
sacrificium
dori
Cummeanus
53
Si vero sacrifi-
—
5,49
Ex poen. Ro-
Poen. c. 13, § 23
cium
mano
(Cummeanus
54
Omne sacrifi-
—
5,50
Ex conc. Aure-
Poen.c.l4,§12)
cium
lian. c. 5
(Cummeanus
55 a
Qui non bene
—
5,51
Ex eodem c. 6
Poen. c. 13, §7)
Cummeanus
55 b
Qui autem per-
—
5,51
Poen. c. 13, § 8
diderit
(Cummeanus
55 c
Profundens ali-
—
5,51
Poen.c.l3,§10)
quid
(Cummeanus
55 d
Qui autem per-
—
5,51
Poen.c.l3,§12)
fundit
(Cummeanus
(55e)
(Si vero cele-
brata)
Et qui acceperit
—
5,51
Poen.c.l3,§13)|
55 f
—
5,51
Cummeanus
55g
Diaconus oblivi-
—
5,51
Poen. c. 13, § 14
scens
(Cummeanus
55 h
Qui negligen-
—
5,51
Poen.c.l3,§15)
tiam erga
(Cummeanus
(55i)
(Si cum amis-
—
5,51
Poen.c.l3,§16)
sione)
(Cummeanus
56
Si ceciderit sa-
—
5,52
Ex poen. Ro-
Poen.c.l3,§17)
crificium
mano
Egbertus Poen.
57
Si quis euchari-
—
—
c. 12, § 1-3
stiam
58
Ut mensurae et
pondera
19,148
Ex eodem (sc.
conc.Mogunt.)
c. 21
Coli. can. Trib. X
59
Mater si iuxta
focum
2,19
19, 149
Ex conc. Tri-
b u r. ... c. 14
Hrabani Ep. ad
60
De viris ordina-
—
19, 151
Ex conc. Tole-
Heribald. c. 10
tis
tan.
352 Emil Seckel.
Nachträge.
Zu S. 291/292, Anm. 5 a. E., Altersbestimmung- der
Coli. Hibernensis. Hätte Wasserschlebeu (a. a. 0. S. 142)
mit seiner Behauptung recht, dass in Hib. 38, 4h Gregors
Registrum — d. h. das Hadrianische Register 1, 24, ed.
Ewald T. 1, P. 1, p. 30, lin. 3. 4 — benutzt sei, so müsste
die irische Sammlung- ans Ende des 8. Jahrh. verlegt
werden, da Ewalds Beweis für die Publicationszeit jenes
Registers unumstösslich ist. Nun hat aber die Hib. 1. c.
nicht die Briefsammlung Gregors, sondern dessen Regula
pastoralis 2, 2 (ed. Migne, Patrol. lat. T. 77, col. 27) zur
Vorlage. — Für Hib. 2, 13 c will auch Wasserschieben die
Benutzung des Registers nicht behaupten.
Zu S. 313, Z. 8 v. u. Nach Patetta im Bullettino
dell' istituto di diritto romano T. 3 (1890) p. 286, N. 2
ist die Heimat der Sammlungen des Cod. Vat. 1349 und
des Cod. Vat. 1339 nicht das nördliche, sondern das süd-
liche Italien. Die Frage scheint mir noch nicht spruch-
reif zu sein.
Zu S. 313, Z. 5 v. u. Patetta 1. c. 3, 288 sq. theilt
mit, dass die Coli. Cod. Vat. 1349 pseudo-isidorische Be-
standteile aufweise, und zieht daraus die richtige Con-
sequenz, dass die Sammlung der 2. Hälfte des 9. Jahrh.
angehöre. Damit wird auch der bisherige Altersan-
satz der Hs. (saec. 9. ineunt. ) hinfällig ; sie ist erst zu
Ende des 9. oder zu Beginn des 10. Jahrh. geschrieben.
Zu S. 313, Anm. 4. Vgl. Patetta 1. c. 3, 286—289.
Zu S. 313, Anm. 5. Vgl. Patetta 1. c. 3, 289—293.
Zu S. 321. Von den hier im Texte verzeichneten
Stellen der Epitome Iuliani kehren Iul. 115, 11. 19. 60
in den 'Capitula ex lege Iustiniana numero XXXVII' des
Cod. Valicell. 18 (saec. 9/10.) wieder, s. Patetta 1. c. 3,
280 — -284. — Iul. 115, 60 ist aus der Sammlung genannter
Hs. in die des Cod. Casanat. B. V. 17 übergegangen, s.
Patetta 1. c. 3, 294. — Iul. 115, 19 ist aus der Coli. Cod.
Vat. 1339 seitens der Coli. Cod. Vat. 4977 (saec. 12. in.)
entlehnt, s. Patetta 1. c. T. 4 (1891), p. 285. — Iul. 115,
11. 19. 20. 60; 119, 6 stehen auch im Cod. Vat. 3830
(erste Hälfte des 11. Jahrh.), s. Patetta 1. c. 3, 297. 298.
Diese neuen Nachweise ändern an dem von mir S. 321
unten Gesagten nichts.
Iul. 36, 5 ist auch in dem Anhang (c. 218 — 264)
zum Corrector Burchardi c. 246 (bei Wasserschieben, Die
Bussordnungen S. 678) ohne Rubrik und ohne Inscription
Zu den Acten der Triburer Synode 895. 353
überliefert. Wasserscbleben hat die Herkunft des Capitels
nicht erkannt.
Zu S. 323—327. Vergl. Patetta 1. c. 4, 40—49, ins-
besondere p. 47. Er hat, wie ich nach Abschluss vorstehen-
der Arbeit aus dem mir bisher unzugänglichen Bullettino
ersehe, richtig erkannt, dass die Coli, canon. Taur. aus
Ivo's Panormie abgeleitet ist. Doch kann Patetta's Unter-
suchung der Vorzug der Genauigkeit (oben S. 323) nicht
zugebilligt werden. Abgesehen von der Art der Darstellung,
die jedem, der die Hs. nicht vor sich hat, alle Controlle
unmöglich macht, leidet Patetta's Behandlung an nicht
unerheblichen Mängeln. Er hat nicht vermocht, 'il capitolo
quinto', = n. 11 meiner Tabelle, S. 324 (P. zählt die blos
mit 'Item' überschriebenen Capitel nicht), in der Panormie
nachzuweisen. Er behauptet, dass Pan. 5, 28 'Si hereti-
cus' zwischen Pan. 5, 27 und 5, 29 in der Sammlung stehe;
dies trifft nicht zu, wie ich nach wiederholter Einsicht in
das Tübinger Apograph nochmals versichern kann. Er
hat endlich drei Capitel der Coli. Taur., n. 14. 30. 38 der
Tabelle, übersehen, was zur Eolge hat, dass er die Ge-
sammtzahl der Capitel auf 29 angibt, während nach seiner
Art zu numerieren sich 30 Capitel ergeben müssen.
IX.
Nachträge
zu dem
zweiten Bande der Diplomata-Ausgabe.
Von
Wilhelm Erben.
.Als ich im Sommer 1892 mit dem Zusammenstellen
der Nachträge für den zweiten Band der Diplomata be-
schäftigt war, wurde ich auf einige Punkte aufmerksam,
deren sofortige Erledigung nicht möglich war, um deren-
willen ich aber den Abschluss der Arbeit nicht länger
hinausziehen wollte. Yon den Fragen, deren Erörterung
deshalb für das Neue Archiv aufgespart worden ist (s.
Vorrede zum 2. Bande S. V), hat H. Prof. Bresslau in-
zwischen jene gelöst, welche sich auf das neugefundene
Original DO. I. 239 bezog; H. Dr. Bloch hat sich erboten,
ein im Besitze der Deutschen Gesellschaft in Leipzig be-
findliches Originalfragment zu untersuchen, das vielleicht
mit DO. I. 404 identisch ist1; H. Hofrath v. Sickel und
H. Prof. Kehr haben — leider bisher ohne Erfolg — nach
einer handschriftlichen Ueberlieferung für DO. II. 315 und
für DO. III. 263 gesucht. Die übrigen damals absichtlich
unerledigt gelassenen Fragen habe ich selbst, sobald mir
andere Verpflichtungen hiezu Zeit Hessen, wieder aufge-
nommen. Indem ich die folgenden, auf diese Weise ent-
standenen Aufsätze hier veröffentliche, glaube ich mich
meiner letzten Verpflichtung gegenüber der bestandenen
Diplomata -Abtheilung zu entledigen.
I. Eine angebliche Urkunde Otto's I. für das Kloster Rott.
Im 13. Band des Oberbayerischen Archivs hat Geiss
Regesten zur Geschichte des am Inn gelegenen Klosters
Rott publiciert, die einer im vorigen Jahrhundert ange-
legten Urkundensammlung (jetzt. Cod. 1819 der deutschen
Handschriften der Königlichen Bibliothek zu München)
entnommen sind. Die Reihe dieser Regesten eröffnet der
Auszug einer zum 9. März 970 angesetzten Urkunde
Otto's L, durch welche dem Kloster Rott das Bergrecht auf
allen seinen Besitzungen verliehen wird2. Diese Notiz
1) [Ueber beide Stücke werden H. Dr. Bloch und ich später be-
richten. H. B.] 2) Greiss a. a. 0. 176. Ich verdanke die Kenntnis dieses
Begests Herrn Dr. V. Hofman v. Wellenhof, der, als ich mit Zusammen-
stellung der Nachträge zu Bd. 2 der Diplomata -Ausgabe beschäftigt war.
die Freundlichkeit hatte, mich darauf aufmerksam zu machen.
Neues Archiv etc. XX. 24
358 Wilhelm Erben.
wäre von grossem Werth für die Geschichte des Klosters,
wenn sie sich wirklich auf Otto I. bezöge. Aber dieser
Annahme widerspricht schon die Datierung, welche in der
Form, wie sie Geiss mittheilt (Dat. apud Katisp. VII. id.
martii, indict. X) weder sachlich noch formell zu der Re-
gierungszeit Otto's I. als Kaiser passen würde. Die Schwierig-
keit erklärt sich einfach, wenn wir eine Urkunde König
Philipps vom Jahre 1207 heranziehen, in welcher ebenfalls
dem Kloster Rott das Bergrecht verliehen wird K Das aus-
führliche Regest bei Geiss gestattet festzustellen, dass die
Urkunde des fraglichen Kaisers Otto mit jener des Königs
Philipp wörtlich übereinstimmte: ja die Verwandtschaft bei-
der Stücke geht soweit, dass selbst die Datierung beiden ge-
meinsam ist. Die Urkunde Philipps passt aufs beste in das
sonst bezeugte Itinerar dieses Königs - und die ganze Fassung
entspricht vollkommen den zu Beginn des 13. Jahrh. üb-
lichen Formen3. Es ist deshalb nicht anzunehmen, dass
der Z\isammenhang der beiden Urkunden durch Benutzung
einer Kaiserurkunde des 10. Jahrh. in der Kanzlei Phi-
lipps zu erklären wäre, vielmehr muss das Diplorn Philipps
als prius, jenes Otto's als posterius angesehen werden : unter
dem Kaiser Otto muss somit Otto IV. verstanden werden1.
Dass die besprochene Urkunde für Rott in der Aus-
gabe der Kaiserur künden des 10. Jahrh. unberücksichtigt
geblieben ist, dürfte durch diese Erörterung genügend ge-
rechtfertigt sein. Eine andere Frage ist es, wie das Ver-
hältnis zwischen den beiden gleichlautenden Urkunden
Philipps und Otto's IV. zu beurtheilen ist. Die Ueberein-
stimmung des Contextes bietet nichts auffallendes; es ist
dies nicht der einzige Fall, in welchem Otto ein von seinem
Vorgänger verliehenes Diplom wörtlich wiederholte ■'. Merk-
würdig bleibt jedoch die Gemeinsamkeit der Datierung, die
sich zwar gut in das Itinerar Philipps, aber keineswegs in
1) Böhmer - Ficker, Regesten des Kaiserreichs 1198—1272, Reg.
n. 113. 2) Am 9. März 1207, also am gleichen Tage, urkundet Philipp
ebenfalls zu Regensburg für die Stadt Regensburg. Ficker a. a. 0. Reg. 142.
3) Der gleiche Eingang ('universis fidelibus suis ad quos hae litterae per-
venerint gratiam suam et omne bonum1) bei Ficker, Reg. 74. 157. 161,
ähnlich Ficker 62. 66. 101. 129. 138. 4) Dass ein Fälscher aus einer
Urkunde Philipps eine solche Otto's I., II. oder III. hätte herstellen
wollen, erscheint äusserst unwahrscheinlich. Die bei Geiss an den Rand
gesetzten Daten 970 März 9. sind vermuthlich von dem Freisinger Bischof
Johann Franz Freih. von Ecker berechnet und beigefügt worden, welcher
sich um 1720 die Urkunden und Copialbücher von Rott einsenden Hess
und seine Auszüge hierüber in dem oben genannten Manuscript eintrug.
5) Vgl. Ficker, Reg. 102 und 246 für Berchtesgaden.
Nachträge zu d. zweiten Bande d. Dipl omata -Ausgabe. 359
jenes Otto's fügt, der sich im Frühjahr 1207 gar nicht in
Deutschland befand. Ist somit wirklich eine auf Otto's
Namen lautende Urkunde mit jener Datierung vorhanden
gewesen, so bleiben nur zwei Annahmen offen: entweder
ist die Urkunde Otto's echt und die Datierung der Vorur-
kunde ist unverändert in dieselbe herübergenommen worden,
oder wir haben es mit einer Fälschung zu thun, die sich
begnügte den Titel Philipps durch den seines Gegenkönigs
und Nachfolgers zu ersetzen. Im letzteren Fall müsste
die Entstehung des spuriums wohl noch in Otto's Regie-
rungszeit fallen, da nach seinem Tode eine auf seinen Namen
lautende Fälschung keinen höheren Werth haben konnte,
als die erste Urkunde Philipps; die Anfertigung einer
Fälschung auf den Namen des noch regierenden Kaisers
wäre aber wohl ein allzu schwieriges Unterfangen gewesen.
Mir ist deshalb die andere Erklärung wahrscheinlicher.
Fälle, in denen einzelne Theile aus der Datierung der Vor-
urkunde in jene der Nachurkunde übergegangen sind,
liegen gerade aus dem Anfang des 13. Jahrh. vor1; es ist
somit wohl denkbar, dass aus Unachtsamkeit auch einmal
die ganze Datierung einfach wiederholt wurde. Für die
wirkliche Ausstellungszeit des DO. IV. gewährt die Datie-
rung also keinen Anhalt; am ehesten dürfte Otto IV. nach
seiner Rückkehr aus Italien, etwa im Mai 1212 zu Nürn-
berg jene Urkunde für Rott ertheilt haben, deren Regest
uns Geiss mitgetheilt hat.
IL Eine Verwechslung Otto's III. mit Otto IV.
Der aus Tegernsee stammende Cod. lat. 19411 der
Kgl. Bibliothek zu München, welchen Wattenbach im 17.
Bd. des Neuen Archivs S. 31 ff. eingehend beschrieben
hat. bietet auf S. 181 der alten Paginierung einen Brief
folgenden Wortlauts :
'Otto dei gratia Romanorum imperator augustus. Ottoni
comiti salutem et gratiam. Monachi de Tegrinse nostram
queritando adierunt praesentiam pro vineis ad Pauzanum
iniuste sibi abstractis. Firmiter vobis praecipimus, si no-
stram gratiam vel aliquid nostri habere velitis, ut vera-
cissime ac diligentissime ex credulis et probabilibus viris
cum iureiurando examinare valeatis pro dei amore et sancti
Quirmi et pro elemosina et pro statu imperii nostri prae-
decessorumque nostrorum absolutione quorum temporibus
1) Ficker, Beiträge I, 328.
24*
360 Wilhelm Erben.
sancto loco vi et sine iure alienatum est, imperiali auctori-
tate nostra illuc restituatis et postea si aliquid inde requi-
rendum sit, corrigatur; et hoc pro certo iubemus, ne dein-
ceps incorrectum ad nos perveniat' 1.
Bernhard Pez hat diesen Brief im Thesaurus anec-
dotorum VIb, 50 abgedruckt und die Jahreszahl 1197 an den
Rand gesetzt, offenbar in der Absicht, hiemit den Anfang
der Regierung Otto's IV. zu bezeichnen; denn diesen Kaiser
betrachtete er, wie die von ihm beigefügte Ueberschrift
zeigt, als Aussteller des Briefes. Seiner Annahme ist Frey-
berg gefolgt, der den Abt Manegold von Tegernsee, welcher
1206 Bischof von Passau wurde, bei Otto IV. gegen die
Widersacher des Klosters Schutz suchen lässt2. Mit Rück-
sicht auf die erst 1209 erfolgte Kaiserkrönung Otto's IV.
ist der Brief dann in den Origines Guelncae III, 820 zum
Jahre 1213 eingereiht worden. Ficker endlich hielt für
das wahrscheinlichste, dass die Ausfertigung 1212 erfolgt
sei 3. Alle diese Ansätze gehen von der Voraussetzung aus,
dass unter dem Kaiser Otto Otto IV. gemeint sei; wenn,
wie Wattenbach angibt, die Schrift des Codex in den An-
fang des 13. Jahrh. gehört, dann ist diese Annahme der
Ueberlieferung nach allerdings möglich ; aber es fragt sich,
ob nicht innere Merkmale eine andere Einreihung erfordern.
Betrachten wir zunächst das Protokoll des vorliegen-
den Briefes. Das Fehlen der Verbalinvokation im Eingange
bietet keinen genügenden Anhaltspunkt zur Zeitbestimmung;
denn seit Otto II. ist diese noch in den Briefen Otto's I.
mehrfach nachweisbare Formel auf die Diplome beschränkt
und fehlt den Briefen und Mandaten durchwegs4. Ein
wichtiges Unterscheidungsmerkmal bietet der Titel, der
allerdings durch den ganzen in Betracht kommenden Zeit-
raum einfacher gestaltet ist, als in den gleichzeitigen
1) Herr Oberbibliothekar Dr. Riezler hatte die Freundlichkeit, mir
eine Collation des Briefes mitzutheilen, welche hier benutzt ist; ich sage
ihm für seine Bemühungen besten Dank. Vielleicht ist 'quorüni tempori-
bus' verderbt aus 'quod eorum temporibus1 ; aber es ist recht gut möglich,
dass schon das Original die fehlerhafte Construction enthielt, 'incorrectum1
ist in der Hs. corr. aus 'incorreptum'. 2) Aelteste Geschichte von
Tegernsee S. 91. 3) Ficker, Reg. 481. 4) Die Angabe Bresslau's,
Handbuch I, 49, dass den Mandaten der vorstaufischen Zeit 'häufig die
Königs- und Kanzlerunterschrift, bisweilen auch die verbale oder mono-
grammatische Invokation1 fehle, bedarf insofern der Modifikation, als wenig-
stens seit 970 das Fehlen der genannten Formeln in Mandaten (und
Briefen überhaupt) durchaus Regel ist; unter Otto I. finden sie sich z. Th.
in DD. 344. 347 und 366. Die mit Inscription versehenen DDO. I. 55 und
110, dann der Rechtsspruch Stumpf, Reg. 1572, sowie die seit Heinrich V.
aufkommenden Diplome in Briefform kommen hier nicht in Betracht.
Nachträge zu d. zweiten Bande d. Diplomata -Ausgabe. 361
Diplomen1, der aber doch, eine dort vorgekommene Ver-
änderung mitgemacht hat, nämlich das Aufkommen von
'semper augustus', welches seit Friedrich I. zur ßegel ge-
worden ist und unter Heinrich VI., Philipp und Otto IV.
ausnahmslos auch in den Briefen verwendet wird. Schon
dadurch ist ein Moment gegeben, welches gegen die Ein-
reihung des fraglichen Briefes zu Otto IV. spricht, da in
demselben jene Erweiterung des Titels fehlt. Ein zweites
in derselben Eichtung wirkendes Argument ergibt sich aus
der Betrachtung der im Eingang unseres Briefes ange-
wandten Grussformel, denn gerade dieser Theil des Brief -
formulars hat mehr als jeder andere eine fortschreitende
Entwicklung durchgemacht.
Im 10. und im Anfang des 11. Jahrh. ist das ge-
bräuchlichste Wort zur Bezeichnung des Grusses: 'salutem';
allein oder mit Beiworten und Zusätzen geschmückt, bildet
es in dieser Zeit einen ständigen Bestandtheil des Ein-
gangsgrusses in allen Briefen, die nicht rein persönlichen
Charakters sind2; am häufigsten kommt die Formel 'salutem
et gratiam' vor, also gerade jene, die auch dem hier zu
untersuchenden Briefe eigen ist3. Im Laufe des 11. Jahrh.
ist der Gruss im Eingang, der vorher keineswegs in allen
Briefen angewandt worden war, immer regelmässiger ge-
worden , so dass die Unterlassung desselben schon unter
Heinrich IV. als Zeichen der königlichen Ungnade galt4.
Damit wird es zusammenhängen, dass sich unter diesem
Herrscher das Wort 'gratiam' in der Grussformel der Briefe
immer mehr einbürgert, auch dieses in verschiedenen Ver-
bindungen, aber wenn wir von Briefen an gleichgestellte
Personen absehen, fast ausnahmslos an erster Stelle; die
1) Die Devotionsformel lautet zumeist 'dei gratia'. 2) DDO. I.
347. 366. 374», O. III. 216. 319 und Stumpf, Reg. 1572. 2128; in den an
die Allgemeinheit gerichteten Schreiben sind die Grussformeln, wie der
Vergleich der hier angeführten Stücke ergiebt, reicher gestaltet, als in
jenen an einzelne Personen. 3) DO. I. 434, O. III. 162 a. 345, Stumpf
2108 und 2127. 4) In drei Briefen Heinrichs IV. (Jafie, Bibl. rer.
Germ. V, 101. 230 und 250), welche des Grusses im Eingang entbehren,
wird die unfreundliche Form der Anrede ausdrücklich mit der Ungnade
erklärt, die sich der Angeredete zugezogen. Es scheint mir deshalb
unbegründet, wenn Michael, Die Formen des unmittelbaren Verkehrs
zwischen den deutschen Kaisern und souveränen Fürsten S. 81 und 106
in solchen Fällen an verderbte Ueberlieferung denkt ; ich nehme also auch
bei Stumpf 3834 absichtliche Unterlassung des Grusses an ; lässt sich die
Form dieses Briefes Friedrichs I. an Hadrian mit dem Berichte Ragewins
nicht ganz in Einklang bringen (s. Michael 106), so möchte ich eher dem
letzteren misstrauen. Absichtliche Unterlassung des Grusses dürfte end-
lich auch in dem strengen Mandate Stumpf 4573 a vorliegen.
362 Wilhelm Erben.
beliebteste Form ist nun 'gratiam et omne boirum' 1. Unter
Heinricb V. wird der unter dem Vater entstandene Brauch
beibehalten und weitergebildet; auch unter ihm behauptet
'gratiam' seine Stelle und zwar wird nunmehr seit dem
Jahre 1111 die unter Heinrich IV. noch nicht nachweis-
bare Formel 'gratiam suam et omne bonum' die geläufigste 2
und behauptet sich auch unter den folgenden Herrschern,
lange hinaus über den hier in Betracht kommenden Zeit-
raum als die allgemein übliche Grussform in den Briefen
der Kaiser und Könige an ihre Untergebenen. Neben ihr
kommt nur 'gratiam suam et bonam voluntatem' in Be-
tracht, eine Formel, welche zuerst unter Lothar III. auf-
tauchte 3 und von nun an in den an Italiener gerichteten
Schreiben ständig Anwendung fand4.
Ist auf diese Weise die Entwicklung der Grussformel
unter Lothar zu einem Abschlüsse gekommen, indem seit
seiner Regierung die Unterthanen des Reiches nur mit
'gratiam suam et omne bonum' oder mit 'gratiam suam et
bonam voluntatem' angeredet werden, so scheidet sich hie-
von um so deutlicher die Correspondenz mit fremden
Fürsten und mit anderen dem Reiche nicht unterstehen-
den Personen. Trotz des grossen Spielraums, welcher der
Anwendung verschiedener, den jeweiligen Beziehungen an-
gepasster Ausdrücke auf diesem Gebiete naturgemäss ge-
wahrt bleiben musste, inachte sich aber auch hier seit
Lothar eine gewisse Regelmässigkeit geltend. So sind
etwa alle Briefe Konrads III. an den Papst mit einer
gleichbleibenden Grussformel versehen, die sich bis in die
ersten Jahre Friedrichs I. erhalten hat 5 ; später ist sie
1) Stumpf 2865. 2948 ; Jaffe, Bibl. V, 87. 155. 189. 190 (n. 103 und
104). 232 und 233 ; daneben begegnen 'gratiam salutem et omne bonum,
gr. sal. et dilectionem, gr. dil. et o. b., gr. suam et dilectionis donum, gr.
et dil. dignantibus eam recipere, gr. et bonam voluntatem, gratiae suae
optimam vol., gr. suae et opt. voluntatis sincerissimum affectum, gr. suam
et plurimam in Christo sab' etc. ; Grussformeln ohne 'gratiam1 (oder
'gratiae') finde ich unter Heinrich IV. nur in Stumpf 2766. 2795. 2859,
bei Sudendorf, Registrum I, 10, n. 6 und in den Briefen an gleichgestellte
fürstliche Personen, Jaffe, Bibl. V, 100. 172 und 241. — Vielleicht geht
die Voranstellung des 'gratiam1 bis auf Heinrich III. zurück, der wenigstens
einmal den Abt von Cluny mit 'gratiam et salutem1 anspricht, D'Achery,
Spicil. ed. princ. II, 396. 2) Stumpf 3051. 3098. 3146 a. 3218». 3) Jaffe,
Bibl. I, 79 ff., n. 4—10. 4) Diese von nun an herrschende Scheidung
zwischen deutscher und italienischer Grussformel war schon vor Lothar
angebahnt, s. 'gratiam et bonam voluntatem1 und 'gr. suam cum bona
voluntate1 in Briefen an Italiener ; Jaffe, Bibl. V, 238, n. 126 und 268,
n. 148. 5) 'filialem (per omnia) dilectionem et debitam in domino (oder
'in Christo1) reverentiam1 zuerst in Stumpf 3578, zuletzt in Stumpf 3712,
vgl. Michael, Die Formen des unmittelbaren Verkehrs S. 83.
Nachträge zu d. zweiten Bande d. Diplomata -Ausgabe. 363
durch andere Formeln ersetzt worden, die zwar grössere
Mannigfaltigkeit aufweisen, aber stets aus demselben Wort-
vorrath gebildet sind 1. Ebenso entwickelt sich für die
übrigen an Fürsten oder vom Eeich unabhängige Personen
gerichteten Briefe und für die Patente zwar keine be-
stimmte Grussformel, aber doch ein bestimmter Wortschatz,
aus dem die Grussformel zu bestehen hat. Neben den
immer wiederkehrenden Versicherungen der unverfälschten
und unauflöslichen brüderlichen oder väterlichen Liebe ist
es nun insbesondere das Wort 'salutem', welches mit be-
sonderer Vorliebe in dieser Art von Briefen gebraucht
wird2, während es in allen anderen längst verschwun-
den ist 3.
Kehren wir nach dieser Betrachtung zurück zu dem
Briefe des Kaisers Otto an den Grafen Otto, so erweist die
dort angewandte Grussformel 'salutem et gratiam' im Ver-
ein mit dem eben Gesagten deutlich, dass jener Brief nicht
von Otto IV., sondern von einem der älteren Kaiser dieses
Namens ausgestellt sein muss. Denn alle Schreiben
Otto's IV. an Unterthanen des Reiches sind mit 'gratiam
suam et omne bonum' oder mit 'gr. s. et bonam volun-
tatem' eingeleitet ; Formeln mit 'salutem' finden sich unter
Otto IV. nur in Patenten oder in Briefen, die an Aus-
wärtige gerichtet sind. Für das 10. Jahrh. hingegen ist
'salutem et gratiam' gerade in Mandaten an Reichsunter-
tlianen vorwiegend üblich.
1) 'salutem et füialem dilectionem' (mit Zusätzen 'in Christo' oder
'cum debita reverentia') oder 'sal. et filialis dilectionis affectum' (mit Zu-
sätzen 'sincerum' und 'cum omni' oder 'cum debita reverentia') oder 'sal.
et filialis reverentie dil.', vgl. Michael a. a. 0. 122 ; die Reihe der Briefe,
in denen diese Grussformeln angewandt sind, beginnt mit Stumpf 4375
und reicht durch die Regierungen Heinrichs VI. und Philipps hindurch ;
stärkere Abweichungen unter Otto IV. 2) Jaffe, Bibl. V, 259, Stumpf
3437. 3494. 3870. 3933» u. s. w. bis zu Otto IV. Ficker, Reg. 303, vgl.
auch Michael 127. 130. 135 ; dass die Patente (Stumpf 3277. 4046. 4206.
5072, Ficker 250. 357. 511) in gleicher Weise behandelt werden, beruht
wohl darauf, dass dieselben theilweise auch für das Ausland berechnet
waren. 3) Die wenigen Fälle, in welchen 'salutem' als Gruss an ein-
zelne dem Reich unterstehende Personen gebraucht wird, verlangen als
Ausnahmen besondere Erklärung. "Wenn Konrad III. an den Erzbischof
von Salzburg einen mit 'sal. et dil. affectum' eingeleiteten Brief (Jaffe,
Bibl. V, 530) schrieb, so dürfte die ungewöhnlich höfliche Form sich durch
das Interesse des Königs erklären, den Erzbischof auf seine Seite zu
ziehen. Zu 'sal. et o. b.' in dem Schreiben Friedrichs I. an den Bischof
von Brixen (Stumpf 3868) kann der gleichzeitige Brief an den zum Papst
erwählten Kanzler Roland (Stumpf 3869) Anlass gegeben haben. Es er-
übrigt noch 'sal. et gratiam', Sudendorf, Registrum II, 129 und 'sal. in
perpetuum', AVinkelmann, Acta I, 9.
364 Wilhelm Erben.
Es steht somit fest, dass der besprochene Brief nicht von
Otto IV., sondern von einem seiner gleichnamigen Vor-
gänger herrührt. Die weitere Frage, ob an Otto I.. Otto II.
oder Otto III. zu denken sei, lässt sich zwar nicht mit
solcher Sicherheit beantworten, aber es spricht doch ein
wichtiger Grund dafür, Otto III. als Aussteller zu be-
trachten. Die Klage der Mönche von Tegernsee, welche
zu dem Schreiben Anlass gegeben hatte, bezog sich auf
Besitzstörungen in der Gegend von Bozen. Im südlichen
Tirol also muss auch jener Graf Otto geboten haben,
welchen der Kaiser mit der Untersuchung und Erledigung
der Sache betraute. Die Brixener Traditionen aus der Zeit
von 985 bis 1005 machen nun wiederholt einen Grafen
Otto namhaft, so auch bei Schenkung eines Weinberges
bei Bozen 1. Es ist anzunehmen, dass er mit dem
Empfänger jenes Briefes identisch, und dass dieser somit
in der Kaiserzeit Otto's III. entstanden ist2. In Ermange-
lung anderer sicherer chronologischer Anhaltspunkte hätte
der vorliegende Brief somit etwa an das zweite zu Gunsten
von Tegernsee erlassene Mandat, DO. III. 345, angeschlossen
werden können3. Zu beachten ist aber doch ein Unter-
schied zwischen diesen beiden inhaltlich verwandten Stücken.
Die Klage, welche zu dem Einschreiten des Kaisers führt,
geht bei DO. III. 345 von dem Abte des Klosters aus,
bei dem hier besprochenen Mandat an den Grafen Otto
hins'eo-en von den Mönchen des Klosters. Haben also
wirklich die Mönche des Klosters ohne Intervention ihres
Abtes sich an den Kaiser gewandt, so ist zu vermuthen,
dass diese Angelegenheit sich zu einer Zeit abspielte, als
die Abtswürde unbesetzt oder der Abt des Klosters für
1) Redlich, Acta Tirolensia I, 9 und 17 ff. (n. 18. 20. 42. 46 und 57).
Ein Brief des Abtes Gozbert von Tegernsee (982—1001) an einen Grafen
Otto bei Pez Thes. VI». 126. Schon das Fehlen jedes Beinamens bei dem
Grafennanien hätte übrigens darauf aufmerksam machen können, dass der
Brief nicht ins 13. Jahrh. gehören könne. 2) Freilich wären auch die
letzten Jahre Otto's II. nicht ausgeschlossen. — Nebenbei sei bemerkt,
dass sich auch die Xamensform Pauzanum nur bis 1174 in den Brixener
Traditionen findet, während der Name im 13. Jahrh. schon Bozanum ge-
schrieben wird. Vielleicht bildet auch der Inhalt des Briefes, das dem
Grafen Otto ei'theilte Inquisitionsmandat, einen Beweis für das höhere
Alter; mir scheint fraglich, ob sich derartige Mandate (vgl. Brunner,
Wiener Sitzungsberichte 51, 155) noch im 13. Jahrh. finden. 3) Uebri-
gens ist auch die Einreihung vou DO. III. 345 keineswegs sicher; sie ist
nur mit Rücksicht auf das Itinerar des Kaisers gewählt worden, der im
Jänner 1000 in die Nähe von Tegernsee. gekommen ist (D. 341), der aber
doch auch an anderen Orten von den Tegernseern um Hülfe angegangen
worden sein kann.
Nachträge zu d. zweiten Bande d. Diplomata -Ausgabe. 365
längere Zeit von Tegernsee abwesend war. Diese Erwägung
lässt vermuthen, dass die Klage der Mönche nach dem
Tode des Abtes Gozpert (21. Jänner 1001) erfolgt ist,
während der auch mit der Leitung von Niederaltaich be-
traute Gotahard dem Kloster vorstand K
Mit einiger Wahrscheinlichkeit dürfte somit der bis-
her Otto IV. zugeschriebene Brief in das letzte Regierungs-
jahr Ottos III. zu setzen sein.
III. Das Yorladungsschreiben Otto's III. au Abt Kerhard
von S. Gallen.
Die zweite Fortsetzung der Klostergeschichten von
S. Gallen berichtet mit grosser Ausführlichkeit über einen
Streit, welcher zwischen dem Abte Kerhard und seinen
Mönchen entstand. Der bessere Theil der Mönche, so wird
uns erzählt, entschloss sich, durch die Misswirthschaft des
Abtes gereizt, bei dem Kaiser Klage zu führen. Wir er-
fahren im Wortlaut das Schreiben, das die Mönche deshalb
an Kaiser Otto III. gerichtet haben sollen, und ebenso
die Antwort, die der Kaiser hierauf ertheilte und deren
Inhalt in einer Vorladung des Abtes und der Mönche be-
hufs richterlicher Entscheidung ihrer Sache bestand2.
Der weitere Verlauf der Angelegenheit, über den der
Verfasser genaue Angaben bietet, soll uns zunächst nicht
beschäftigen ; wir wollen auf Grund dessen, was im vorher-
gehenden Abschnitt über die Entwicklung des Formulars
königlicher Briefe gesagt ist, an die Prüfung der von
Otto III. erlassenen Vorladung herantreten, gegen deren
Echtheit schon Waitz 3 und Meyer v. Knonau i ihre Be-
denken geäussert haben. Auffällig ist in diesem Schreiben
schon der Titel: 'Otto III. Romanorum imperator augustus.'
Otto III. bedient sich als Kaiser in seinen Briefen zumeist
des Einganges: 'Otto dei gratia (oder 'gratia dei', einmal
'divina gratia') imperator augustus5; nur der im vorigen
1) Von der Abwesenheit Gotahards von Tegernsee legt der bei Pez
Thes. VIa, 132 gedruckte Brief seiner Mönche Zeugnis ab. 2) Goldast,
Constitutiones imperii, Ausg. von 1673, II, 46; SS. II, 152; Franklin in
Forschungen zur Deutschen Gesch. IV, 485, Anm. 2 ; Mittheil, zur vaterl.
Gesch. hrsg. vom hist. Verein in St. Gallen, N. F. VII, 19. 3) Verfassungs-
geschichte 1. Aufl. V, 418 und 2. Aufl. V, 474. — Weniger bestimmt
urtheilt Franklin a. a. O. und Reichshofgericht II, 212. 4) Mitth. zur
vaterl. Gesch. X. F. VII, 19, Anm. 62. 5) Ausnahmen machen die an
Gerbert gerichteten DDO. III. 241 und 260, in denen Otto sich nicht als
Kaiser, sondern als Freund und Schüler ausspricht ; endlich DO. III. 319,
366 Wilhelm Erben.
Abschnitt besprochene Brief weist die in den Diplomen
desselben Herrschers überwiegende vollere Form 'Romanorum
imperator augustus' auf; die Anwendung der Ordnungszahl
im Titel kennt kein Brief Otto 's III. Noch wichtiger ist
das Fehlen der Devotiousformel, die nicht nur zur Zeit
der Ottonen, sondern auch in den beiden folgenden Jahr-
hunderten zum noth wendigen Formular jedes Briefes ge-
hörte 1. Als gar nicht zu Otto III. passend ergibt sich
ferner die an die Inscription anschliessende Grussformel
'gratiam suam et omne bonum', welche, wie wir oben ge-
sehen haben, vor Heinrich V. überhaupt nicht nach-
weisbar ist.
Ich glaube, dass diese Umstände im Verein mit der
in dem Briefe erwähnten Zustimmung der Fürsten aus-
reichen, um die Entstehung des Briefes in das 12. Jahrh.
zu verweisen. Da sein Formular auch abgesehen von der
Grussformel gut zu den Mandaten Heinrichs V., Lothars
oder Konrads III. passt-, so ist anzunehmen, dass mit Zu-
hülfenahme eines Briefes, der von einem der genannten
Kaiser herrührte, der angebliche Brief Otto's III. gefälscht
worden ist, offenbar in der Absicht, die mit solcher Vor-
liebe behandelte Geschichte von dem bösen Abte Kerhard
noch schöner auszuschmücken. Ist dem so, dann kommt
jener Brief für die Zeiten Otto's III. gar nicht in Betracht,
aber er wird werthvoll für die Frage nach der Entstehungs-
zeit und der Glaubwürdigkeit der zweiten Fortsetzung der
Casus s. Galli, durch die er uns überliefert ist.
Bernheim und Meyer von Knonau, welche sich zuletzt
mit dieser Quelle befasst haben, sind in Bezug auf die
Entstehungszeit jenes Abschnittes der Fortsetzung, der die
Geschichte Kerhards enthält, zu verschiedenen Ergebnissen
gelangt. Bernheim nimmt an, dass derselbe um das Jahr
1120 entstanden sei3; Meyer von Knonau hingegen setzt
die Entstehungszeit dieses Abschnittes kurz nach 1076 K
Was hier über die Entstehung des Otto III. zugeschriebenen
Briefes gesagt ist, spricht natürlich eher zu Gunsten der
welches, wie hier nachgetragen werden kann, in Bezug auf seine Authen-
ticität auch sonst Bedenken erregt, jedenfalls aber wegen seines ganz ab-
normen Inhalts nicht als Massstab für Mandate wie das an Abt Kerhard,
angenommen werden darf. 1) Als Ausnahmen notiere ich Jaffe, Bibl.
V, 230 und 241, Stumpf 3493», Ficker 24.125. 2) Zu 'mandando tibi
praecipimus' vgl. 'mandando commonemus' (oder 'monemus, rogamus, com-
mittimus, precipimus') in Stumpf 3329. 3379. 3493 a. 3560, Jaffe, Bibl. I,
108, n. 30 ; zu 'sub optentu ergo gratiae nostrae' Stumpf 3350, Jaffe, Bibl.
I. Klo. n. 24, 108, n. 30. 3) Forschungen zur Deutschen Geschichte
XIV, 180. 4) Mitth. zur vaterl. Gesch. N. F. VII, II f.
Nachträge zu d. zweiten Bande d. Diplomata -Ausgabe. 367
Bernheimschen Auffassung- x ; aber auch dieser kann ich
mich nicht vollständig anschliessen, denn mir erscheint
die Abgrenzung- des fraglichen Abschnittes, welcher nach
Bernheim und nach Meyer von Knonau die Geschichte
der Aebte Immo, Ulrich I., Kerhard und Purchard II.,
also die Zeit von 975 bis 1022 umfassen soll, nicht ge-
nügend begründet. Bernheim hat nach dem Tode Pur-
chards II. deshalb einen Wechsel in der Autorschaft an-
nehmen zu müssen geglaubt, weil die Erzählung bis zu
diesem Punkte ausführlicher gehalten ist, als die Ge-
schichte der beiden folgenden Aebte, Thietpald und Nort-
pert (1022 — 1072), die er deshalb einem zweiten Fortsetzer
zuweist. Aber bei einer Quelle, die an glaubwürdigen
Thatsachen so arm und an leeren Phrasen so reich ist, wie
die ersten Partien der vorliegenden, wird es immer gewagt
sein, aus grösserer oder geringerer Ausführlichkeit sofort
auf Verschiedenheit des Autors zu schliessen. Wichtiger
wird in solchen Fällen die Vergleichung der Sprache sein.
Diese aber führt hier gerade zu dem entgegengesetzten
Ergebnis; zahlreiche gemeinsame Worte und Wendungen'2
1) Wenn dagegen Meyer von Knonau in der Erwähnung des gegen-
wärtigen Elends in der Vorrede eine Anspielung auf die nach 1076 aus-
gebrochenen Wirren erblicken will, so lässt sich einwenden, dass hiermit
ebenso gut die Verhältnisse in den zwanziger Jahren des 12. Jahrh. ge-
meint sein können, als sich abermals zwei Aebte gegenüberstanden (Oont.
II, c. 35—37, Mitth. zur vaterl. Gesch. N. E. VII, 92 ff.); ja auch auf die
ersten Zeiten des 1133 erwählten Abtes Wernher, der damals in harten
Oonflict mit seinen Mönchen gerieth (ebd. c. 38, S. 101 f.), würde die Er-
wähnung der gegenwärtigen Widerwärtigkeiten passen. Gegen Meyer von
Knonau's Ansicht spricht überdies ein Fehler, den der Continuator in seiner
Vorrede begangen hat; indem dort die Namen der Aebte, deren Schil-
derung noch nachzuholen wäre, aufgezählt werden, wird der letzte von
diesen Ulrich II. irrthümlich als vorletzter, also vor statt nach Nortpert
genannt. Wie sollte dies Versehen erklärt werden, wenn der erste Theil
der Continuatio sammt der Vorrede unmittelbar nach Ulrichs II. Tode
verfasst wäre? 2) 'fletus' cap. 15. 18. 20 der Ausgabe von Meyer-
Knonau; 'depravare' c. 16. 19; 'adaugere1 und 'ampliare' c. 17. 20; fditare'
c. 7. 15. 17. 19; 'fratrum amator' c. 2. 19; mit 'pius et fidissimus' c. 1
vgl. 'pius et mansuetus', 'piissimus et . . . ndissimus' c. 19. 20 ; mit 'veris
sima fratrum narratione didici1 und 'haec pauca quae diximus quorundam
narratione didicimus' c. 2, dann 'multa gesta non didici, set ea quae
dixi quorundam veridicorum relatione cognovi' c. 16 und 'veraci relatione
didicerunt1 in der Vorrede vgl. 'eorum relatione didici' und 'certa rela-
tione . . . non didici' c. 19. 20; zu 'Post Ymmonem Uodalricus loci nostri
suscepit regimina' c. 4 vgl. die Anfänge von c. 19. 20 ; Ausrufsätze ein-
geleitet mit 'O quanto . . . dolore' etc. c. 3. 17 vgl. mit 'o utinam' in c. 20 ;
besondere Vorliebe hat der Verfasser für indirekte Fragesätze, welche dem
Hauptverb vorangehen, so 'Qualiter autem accessisset vel qualiter vixisset,
aetas . . . usque ad nos pervenire non permisit' c. 4, 'Sed qualiter acce-
pisset' c. 5, 'Quantis autem doloribus' c. 7 ; ebenso 'Quomodo vero illam
368 Wilhelm Erben.
beweisen deutlich, dass der ganze Bericht über die Zeit
von 975 bis 1072 von einem einzigen Verfasser herrührt,
dass also in der That, wie die Vorrede erwarten lässt, die
Erzählung in einem Zuge bis zum Abte Nortpert geführt
worden ist, dessen Regierung schon Ekkehard als Endpunkt
seines Werkes in Aussicht genommen, aber nicht erreicht
hatte. Es entsteht also die Frage, wann dieser erste Theil
der Continuatio entstanden ist, der demnach die Capitel
1 — 20 der neuen Ausgabe nebst der Vorrede umfasst.
Was bisher an chronologischen Merkmalen hiefür beige-
bracht worden ist, hat geringes Gewicht. Wenn sich der
Autor auf Greise beruft, die den Abt Thietpald (f 1034)
noch gekannt haben, so lässt dies an und für sich ziemlich
freien Spielraum und verdient um so weniger unbedingten
Glauben, als es dem Erzähler offenbar zur Gewohnheit ge-
worden war, sich überall auf die mündliche Tradition zu
berufen; noch schwieriger ist es, aus dem Umstände, dass
der Autor nicht mehr weiss, ob Ekkehard seine Chronik
über Notker hinaus fortgesetzt, oder wie Nortpert die Prä-
bende verbessert habe, auf die Abfassungszeit unserer
Quelle schliessen zu wollen. Diesen unsicheren Anhalts-
punkten steht nun als feste Stütze gegenüber, was oben
über die Entstehungszeit des angeblichen Vorladungs-
schreibens gesagt worden ist. So wie dieses aller Wahr-
scheinlichkeit nach nicht vor dem Jahre 1111 entstanden ist,
so kann auch die Abfassung von c. 1 — 20 der Continuatio
nicht über die Kaiserzeit Heinrichs V. hinaufgerückt werden.
Auf die Untersuchung der unteren Zeitgrenze für die Ent-
stehung dieses Abschnittes lasse ich mich nicht näher ein,
nur eine Vermuthung sei hierüber vorgebracht, weil sie
mit dem angeblichen Brief Otto's III. in engem Zusammen-
hange steht.
Durch den Nachweis, dass dieser Brief gefälscht ist,
verliert natürlich die ganze Erzählung über den Conflict
zwischen Kerhard und den Mönchen an Glaubwürdig-
keit. Denn sowie das Schreiben Otto's, so ist auch jenes
der Mönche an den Kaiser unecht ; es erweist sich, gleich
den in den Text eingeflochtenen Eeden, schon durch den
Stil als Machwerk des Erzählers. Was also bleibt als
echter Kern übrig? Ist die Berufung auf die Mittheilung
adauxerit1, 'Quante autem virtutis fuerit, qualiter . . . didicerit' u. s. w.
und 'Quantus autem fletus' c. 20; am deutlichsten sprechen endlich die
charakteristischen Wendungen : 'dies prius finiretur quam sermo perficere-
tur' c. 11 und 'dies ante finiretur quam in cedula scriberetur' c. 20.
Nachträge zu d. zweiten Bande d. Diplomata -Ausgabe. 369
glaubhafter Männer, die den ganzen Bericht beschliesst,
wirklich ernst zu nehmen oder haben wir es mit einer frei
erfundenen Geschichte zu thun, die dazu bestimmt war,
das Bild eines schlechten Abtes in abschreckenden Zügen
darzustellen1? Da die letztere Möglichkeit keineswegs aus-
geschlossen ist, so wird es erlaubt sein, nach den Zeitum-
ständen zu fragen, die dem Verfasser eine solche Ge-
schichte eingegeben haben und ihn veranlasst haben könnten,
sie mit solcher Vorliebe auszuspinnen.
Die letzten Regierungs jähre des Abtes Ulrich III.,
welcher zugleich die Würde eines Patriarchen von Aquileja
bekleidete, scheinen für S. Gallen in Buhe verflossen zu
sein 2. Nach seinem Tode kam es zu einer Doppelwahl,
welche das Kloster in arge Noth versetzte. Damals, zu
Ende 1122 oder im Laufe des Jahres 1123 3, hatte wirk-
lich der Kaiser Gelegenheit, in die Angelegenheiten des
Klosters einzugreifen, indem sich Manegold, der eine der
beiden erwählten, persönlich an Heinrich V. wandte und
dieser ihm, auf Grund einer vom Hofgerichte getroffenen
Entscheidung die Abtswürde zusprach. Von der Geschichte
Kerhards aber unterscheidet sich dieses Ereignis schon in-
sofern, als es hier der Abt ist, der den Kaiser aufsucht,
als keine Vorladung erfolgt ist, und vor allem dadurch,
dass der Streit infolge einer zwiespältigen Wahl ent-
standen ist, nicht aber aus Mishelligkeiten über die Ver-
waltung, wie es von Kerhard erzählt wird. Grössere Aehn-
lichkeit mit dem Bericht der Continuatio über Kerhard
zeigen daher die Verhältnisse, welche nach dem Tode
Manegolds, in den ersten Jahren des Abtes Werinher in
S. Gallen eintraten. Bald nach seiner einhellig erfolgten
Wahl gerieth dieser, wie es scheint um der kirchlichen
Disciplin willen, mit seinen Mönchen in Zwist und führte
deshalb Klage bei dem päpstlichen Legaten Cardinal
Dietwin. Erzürnt beschlossen die Mönche einmüthig ihrem
Abte Widerstand zu leisten. Eine Anzahl Klagepunkte
wurden aufgesetzt und es wäre wohl zu offenem Conflict
gekommen, wenn nicht der Propst Werinher seine Mit-
brüder zur Nachgiebigkeit bestimmt hätte. Von nun an,
so erzählt der Continuator, erwies der Abt äusserlich den
1) Dass viele Züge dieser Erzählung 'aus der Zeit des Verf. heraus
gedacht' seien und für jene des Abtes Kerhard nicht passen, hat Meyer
von Knonau a. a. 0. S. VI f. 19 ff. mehrfach betont. 2) Meyer von
Knonau a. a. 0. S. 91, Anm. 236. 3) Meyer von Knonau a. a. O.
S. 98, Anm. 249.
370 Wilhelm Erben.
Mönchen alle Liebe, im Innern aber bewahrte er ihnen
den alten Hass 1.
Auch dieser Vorgang deckt sich nicht ganz mit dem,
was über Kerhard überliefert ist, aber eine gewisse Aehn-
lichkeit ist ohne Zweifel vorhanden. Hier wie dort ist
Unzufriedenheit mit dem Regiment des Abtes die Ver-
anlassung zu gemeinsamem und verabredetem Vorgehen der
Mönche gegen denselben und es kommt hier wie dort zu
der Aufzeichnung der wider ihn vorliegenden Beschwerden 2 ;
beidemale wird der Streit durch die Bemühungen ver-
mittelnder Personen äusserlich beigelegt; der Abt bleibt
in seiner Würde und die Verstimmung besteht fort. Es
liegt also nahe zu denken, dass es die Verhältnisse unter
Werinher gewesen sind, welche dem ersten Fortsetzer die
Geschichte von dem bösen Abte Kerhard eingegeben haben;
als abschreckendes Beispiel für den gegenwärtig-en Abt
mag er sie ersonnen, oder wenn ihm ein wahrer Kern vor-
lag, in so auffälliger Weise ausgeschmückt haben.
Diese Erwägung lässt vermuthen, dass der erste Fort-
setzer in den ersten Jahren des Abtes Werinher, also etwa
um 1140 an der Arbeit gewesen ist. Die Klage Werinhers
bei dem Cardinal Dietwin dürfte 1134 oder 1135 anzu-
setzen sein 3. Es wäre nicht ausgeschlossen, dass auch von
Seiten der Mönche ein ähnlicher Schritt unternommen
worden wäre, dass sie sich gleichzeitig oder bald hernach
klagend an den Kaiser gewendet hätten und dass eine
daraufhin ergangene Vorladung des Abtes durch Lothar
jenes Muster abgegeben hätte, das der Chronist zu einem
Briefe Ottos III. verwendet hat. Die Continuatio weiss aller-
dings von einer Anrufung des Kaisers durch die Mönche
in diesem Falle nichts; nach ihrer Erzählung hätte das
Eingreifen des Propstes genügt, die Gemüther zu be-
sänftigen. Aber es ist nöthig, sich zu erinnern, dass der
Bericht der Continuatio auch hier, wie in dem früheren
Abschnitt im Sinne der Mönche abgefasst ist und dass
der Abt Werinher für die erste Zeit seiner Amtsführung
ungünstig beurtheilt wird. Wenn wirklich die Mönche ihre
Klagen bis zum Kaiser gebracht hätten und dann abge-
wiesen worden wären, hätte ein auf Seite der Mönche
stehender Erzähler nicht Grund gehabt, ihren auffälligen
1) Cont. II, c. 38, bei Meyer v. Knonau S. 102 f. 2) Dabei ist
die Wiederkehr des Wortes 'capitula' zu beacbten, dessen sieb die Mönche
in ihrem Brief an Otto III. (c. 8) und in ihrer Rede (c. 11) bedienen, und
das dann im gleichen Sinne bei der Erzählung des Confüctes unter We-
rinher (c. 38) wiederkehrt. 3) Meyer v. Knonau S. 102, Anm. 257.
Nachträge zu d. zweiten Bande d. Diplomata -Ausgabe. 371
und doch erfolglosen Schritt zu verschweigen? Das
Schweigen des Continuators ist also kein Beweis gegen
die Vermuthung, dass Kaiser Lothar in ähnlicher Weise
an Werinher geschrieben habe, wie nach dem gefälschten
Briefe Otto III. an Kerhard. Zu erweisen ist indes diese
Vermuthung nicht, und es ist nicht ausgeschlossen, dass
der Wortlaut des von dem Fälscher benutzten echten
Kaiserbriefes anderen Inhalts gewesen ist, als die Fäl-
schung und dass er sich auf andere Angelegenheiten be-
zogen hat, als auf den Streit Werinhers mit seinen Mönchen.
X.
Studien
Thüringischen Geschichtsquellen,
i.
Von
Oswald Holder -Egger.
Neues Arohiv etc. XX. 25
JVlir ist die Aufgabe zugefallen, die beiden grossen
Thüringischen Chroniken von St. Peter in Erfurt und Rein-
hardsbrunn für die Monumenta zu bearbeiten. Diese Auf-
gabe so zu lösen, wie die Anforderungen der modernen
Kritik erheischen und das vorhandene Material es zulässt,
ist nur möglich, wenn vorher eine ganze Reihe kritischer
Fragen, die äusserst verwickelt, zum Theil ganz gewaltige
Schwierigkeiten bieten, richtig beantwortet ist, oder, wo
deren sichere Lösung sich als unmöglich herausstellt, sie
doch so weit klar gestellt sind, dass man sich der kriti-
schen Consequenzen bewusst wird, die sich ergeben würden,
je nachdem die Entscheidung nach dieser oder jener Seite
erfolgte.
Da die Chronik von Erfurt grossen Theils in die Rein-
hardsbrunner aufgenommen ist, da das Quellenmaterial der
beiden Hirschauer Zwillingsklöster, welches in jenen grossen
Compilationen verarbeitet ist, zum Theil dasselbe, zum Theil
unter einander verwandt ist, so lässt sich eine brauchbare
Ausgabe der einen nicht ohne die der andern herstellen.
Die kritischen Fragen, welche vor der Bearbeitung der
einen wie der andern gelöst werden müssen, verschlingen
sich auf das mannigfachste mit einander. Da die Cronica
S. Petri Erphesfurtensis moderna1 von 1078 — 1352, die
früher durch den hässlichen Titel Chronicon Sampetri-
num verunziert wurde, im wesentlichen nur in einer,
ziemlich jungen, Handschrift überliefert ist, die Chronik
von Reinhardsbrunn bis 1337 aber überhaupt nicht ganz
vollständig erhalten ist, sondern nur grosse, freilich über-
aus umfangreiche Partieen von ihr in einer Hs. der Gesta
archiepiscoporum Magdeburgensium eingelegt sind, der Text
derselben vom Abschreiber vielfach verstümmelt, verdorben,
zuweilen verkürzt ist, beide Chroniken aber in der späteren
historischen Litteratur Thüringens vielfach benutzt sind,
so mussten alle späteren Werke, in denen jene ausgeschrie-
ben sind, herangezogen werden, theils um den Text der-
1) Vgl. N. A. XIX, 151.
25*
376 Oswald Holder - Egger.
selben zu bessern oder zu vervollständigen, theils um die
wichtigsten Fragen, wie über die erste Abfassungszeit, ihren
ursprünglichen Bestand, über ältere Formen dieser Compi-
lationen, der Lösung näher zu bringen. Von jenen späteren
Thüringischen Werken sind aber einige noch gar nicht oder
nur unvollständig publiciert, und die Ausgaben, welche
existieren, sind meist so beschaffen, dass sie für die Be-
handlung kritischer Fragen keine Unterlage bieten können.
Es musste also die handschriftliche Ueberlieferung in weitem
Umfang herangezogen werden.
Schon viel ist über die Chroniken von Erfurt und
Reinhardsbrunn geschrieben, namentlich haben Otto Posse
und Karl Wenck manche Fragen endgültig gelöst, die
Lösung anderer wesentlich gefördert, der Letztere auch
durch Publikation früher unbekannten Materiales. Das
muss ich hier im allgemeinen besonders betonen und werde
ich in den weiteren Erörterungen um so mehr hervorheben,
da ich in manchen Punkten deren Ansichten widersprechen
muss.
Zunächst will ich, scheinbar von dem Ende ausgehend,
eine Quellengruppe behandeln, über die noch völlige Un-
klarheit herrscht.
I. Ueber die Thüringischen Landgrafengeschichten.
Zwei unter sich nah verwandte, aber doch sehr ver-
schiedene Werke sind unter dem Titel 'Historia de land-
graviis Thuringiae' herausgegeben, die eine von Noe bis
1426 reichend von Pistorius * in Rerum Germ. Script. I,
908 — 955, wiederholt in der Ausgabe von Struve I, 1296 —
1365, die zweite vom J. 1025 — 1430 von J. G. Eccard, Hist.
genealogica principum Saxoniae superioris col. 351 — 468.
Danach hat man sich gewöhnt, die eine als Hist. de landgr.
Pistoriana, die andere als Hist. de landgr. Eccardiana2 zu
citieren. Aber der Titel passt auf die erstere nicht völlig,
auf die letztere garnicht, da jene in ihrem Haupttheil aller-
dings die Geschichte der Thüringer Landgrafen fast aus-
schliesslich, aber auch die Geschichte der Thüringer vor
den Landgrafen, schon von ihrem ersten Auftreten an (an-
geblich um das Ende des dritten Weltalters vor König
1) Diese mit dem durchaus irrigen Zusatz 'Erphesfordensis ano-
nymi scriptoris'. 2) In älteren "Werken wird diese oft unter dem Titel
Auetor de ortu lantgraviorum Thuringiae nach der Ueberschrift des ersten
Abschnittes citiert.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 377
David) behandelt, die zweite neben der Landgraf engeschichte
auch Universalgeschichte der Kaiser und Päpste enthält.
Wir beschäftigen uns zunächst nur mit der Hist. de landgr.
Pistoriana, indem wir vorläufig diesen Titel beibehalten.
Die verlorene Hs., aus welcher Pistorius die Land-
grafengeschichte abdruckte, ist dieselbe, wie er selbst sagt,
in welcher er Lamberts Annalen — in Wahrheit nur Ex-
cerpte derselben — benutzte. Ich habe über sie schon
N. A. XIX, 155 f. gehandelt1, gezeigt, dass sie auf das
nächste dem von Hartmann Schedel geschriebenen Codex
Monacensis Lat. 593 verwandt war, dass sie im wesent-
lichen dieselben Stücke wie dieser enthielt, und habe daher
vermuthet, dass auch sie von H. Schedel ehedem geschrie-
ben, dass sie diejenige war, welche dieser, wie er in Clm. 593
sagt, dem Abte Johann von Tritheim geliehen, von diesem
aber nicht zurück erhalten hatte. Wir werden weiter unten
eine Thatsache zu constatieren haben, welche diese Ver-
muthung durchaus zu bestätigen scheint.
In der That zeigt nun auch die Vergleichung von
Schedels Hs. 593 mit Pistorius' Druck eine solche Ueber-
einstimmung, wie sie sich kaum noch erklären lässt, wenn
jene und Pistorius' Hs. von verschiedenen Schreibern aus
demselben Codex abgeschrieben waren. Beide schliessen
unter dem Jahr 1426 mit denselben Worten ('sicut per
hostes interfecti fuerunt'). Mit Ausnahme des gefälschten
Privilegs Konrads IL für Reinhardsbrunn, welches Pisto-
rius in C. 11 bietet, Schedel aber, wie ich schon N. A.
XIX, 156, N. 3 bemerkte, nicht hat, das aber, wie ich
gleich hier bemerken will, dem originalen Werk nicht an-
gehört, sondern nur in Pistorius' Hs. oder gar erst von
diesem selbst an dieser Stelle eingefügt war, bieten Beide
genau denselben Textbestand1, dieselbe Anordnung, sie
haben zahllose Varianten, grobe Lesefehler und falsche
vermeintliche Besserungen gegenüber der originalen Ueber-
lieferung gemein, namentlich in den Capitel-Ueberschriften
zeigen sie die gleichen Abweichungen von jener, auch
fehlen bei Beiden dieselben Nachrichten, welche der ori-
ginale Text bietet.
Will man sich über den ursprünglichen Bestand des
Werkes und, was davon in erster Linie abhängt, dessen
Abfassungszeit unterrichten, so darf man sich freilich mit
1) Vgl. SS. R. Germ., Lamperti opera p. LV sq. 2) Abgesehen
nur von wenigen Sätzen, welche bei Pistorius durch Versehen ausge-
fallen sind.
378 Oswald Holder -Egger.
der Ausgabe und Schedels Hs. nicht begnügen1, sondern
muss zu weiterem handschriftlichem Material greifen. Und
wir sind hier in der denkbar günstigsten Lage. Gr. Waitz
beschrieb die Hs. der Hist. de landgr. Pistoriana der Uni-
versitätsbibliothek zu Jena Ms. Buder. 4. n. 12 im Archiv
XI, 402 2, und da er darin 'zahlreiche Zusätze am Rande
und Verbesserungen im Texte' fand und sah, dass 'die
letzten Jahre mit verschiedener Dinte geschrieben und
Platz für Zusätze gelassen war', bemerkte er: 'Der Codex
scheint Autographon zu sein'. Hätte er Anlass gehabt,
sich näher mit der Hs. zu beschäftigen, so würde er sein
vorsichtiges 'scheint zu sein' sehr bald in ein apodiktisches
'ist, wie auf das klarste erhellt, ein Autographon' verwan-
delt haben. Denn nichts kann sicherer sein. Schon ein
äusserer Umstand kann dafür geltend gemacht werden.
Sehr richtig hat Wenck a. a. O. S. 58 f. bemerkt, was schon
Michelsen 3 sah, und was Niemand, der das Werk mit Auf-
merksamkeit liest, verborgen bleiben kann, dass wegen der
Menge Eisenacker Lokalnachrichten und namentlich wegen
der beträchtlich grossen Zahl von Nachrichten über die
Eisenacher Dominikaner und über die Predigerbrüder in
Thüringen überhaupt das Werk von einem Eisenacher
Dominikaner geschrieben sein muss. Nun war die Jenenser
Hs., wie an zwei Stellen derselben eingeschrieben ist, und
zwar an der einen von einer Hand des XV. Jahrh., an der
andern im Jahr 1520, 'Liber fratrum Predicatorum in Yse-
nach', befand sich also in dem Convent, in welchem der
Verfasser schrieb, und wo seine Original -Hs. aller Voraus-
setzung nach verbleiben inusste. Sicher aber erweisen die
Originalität der Hs. eben jene zahlreichen Verbesserungen
im Texte und Zusätze am Pande, welche durchweg solchen
Charakters sind, dass sie nicht von einem Abschreiber,
welcher sich verschrieb oder durch Versehen Sätze weg-
gelassen hatte, sondern nur von dem bessernden und er-
gänzenden Verfasser herrühren können. Und diese Besse-
rungen sind, soweit sie für die Abschreiber lesbar waren,
durchweg, die Zusätze grösstentheils in die späteren Hss.
übergegangen. Einzelne wurden von diesem oder jenem
Abschreiber, sei es aus Versehen, sei es, dass er sie als
1) Dass C. Wenck, Entstehung der Reinhardsbrunner Geschichts-
bücher S. 57 ff. allein auf Grund der Ausgaben über die Landgrafen- .
geschichten zu handeln versuchte, hat ihn zu Irrthum führen müssen.
2) Vgl. Karl Herrmann, Bibliotheca Erfurtina S. 65 ff, wo noch andere
Hss. der Landgrafengeschichte aufgeführt sind. 3) Zeitschrift d. V. für
Thüringische Geschichte u. Alt. IV, 363.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 379
fremdartige betrachtete, fortgelassen. Und gerade dies
auch erweist die Originalität der Jenenser Hs., dass sich
ein Theil dieser Zusätze nur in einer Gruppe der späteren
Ueberlieferung findet, während er in einer andern weg-
gelassen ist, die dafür andere Zusätze der Original -Hs.
bietet, welche wieder in jenen andern Codices übergan-
gen sind. Von den zahlreichen Zusätzen, welche die Thätig-
keit des ändernden Verfassers durchaus deutlich zeigen,
führe ich wenigstens einen an. In C. 12 bei Pistorius (C. 11
der richtigen Zählung x) lautete ein Satz nach der Jenenser
Hs. ursprünglich: 'De qua Cecilia genuit duos filios, sci-
licet Ludewicum, qui sibi successit in comitatu Thuringie,
et Berngeruni, qui post mortem patris habitavit in Sangir-
husen'. Das entnahm der Verfasser mit der bei ihm ge-
wöhnlichen Abänderung und Erweiterung der Worte aus
dem Liber cronicorum Erfordensis 2, wo es heisst : 'accepit
in coniugium . . . Ceciliam . . . Per quam suscepit duos
liberos, Ludewicum et Beringerum comites', und weiter
unten 'relinquens duos filios, Ludewicum ... et Berin-
gerum, qui habitavit in Sangerhusen'. Nachträglich aber
fügte des Schreibers Hand in der Jenenser He. am unteren
Rande gegen seine Quelle und gegen die historische Wahr-
heit, gegen die er sich überaus häufig in purer Willkür
auf das gröblichste versündigt, hinzu: 'et tercium Heynri-
cum, qui dicebatur Raspe, ex eo quod castrum Raspenberg
construxit et ibi habitavit', und änderte in Folge dessen
in dem obigen Satz 'duos', indem er eo tilgte und 'tres'
überschrieb. Diese Aenderung und jener Zusatz sind in
den Druck des Pistorius und in die mir bekannten späteren
Hss. übergegangen. Daraus dürfte sich schon folgern
lassen, dass der Schreiber des Jenenser Codex auch der
Verfasser des Werkes war.
Mit absoluter Sicherheit aber ergiebt sich das aus
einigen Stellen, die er an einer Stelle tilgte, um sie an
anderem Orte in anderer Form zu wiederholen. Hinter
C. 14 des Pistorius folgt in der Jenenser Hs. f. 15 folgender
1) Die Capitelzählung bei Pistorius stimmt mit der originalen nur
bis C. 8 überein. Von da an hat Pistorius überall da, wo in seiner Hs.
(genau wie in der Schedeischen) eine rothe Ueberschrift stand, ein neues
Capitel gezählt. Die Original -Hs. beginnt aber weiterhin neues Capitel
nur mit der Geschichte je eines der Thüringischen Grafen (der Ludwige),
später der Landgrafen, von denen die meisten dann durch Ueberschriften
noch in viele Unterabschnitte getheilt sind. Es finden sich da zwar keine
Capitelzahlen, aber nur bei Beginn je einer Grafen- bezw. Landgrafen-
geschichte ist rothe Initiale gesetzt. Sie hat somit nur 24 Capitel gegen
162 bei Pistorius. 2) GQ. der Provinz Sachsen I, 202.
380 Oswald Holder - Egger.
Abschnitt: 'Anno Domini M°LXX. Heynricus quartns Eo-
manorum rex pugnavit cum Saxonibus inter Neylstet et
Homborg 1, et multi ex utraque parte occisi sunt, et rex
triumphavit cum adiutorio Ludewici comitis Thuringie,
cognati sui 2. Eodem anno Tycicho marchio de Landisberg
cum amicis et cognatis comitis palatini occisi per Ludewi-
cum comitem Thuringie manu valida Thuringiam intravit
et depopulare 3 nitebatur. Sed mox per exercitum regis
Heinrici conpescitur, et filius Tethiconis per proprium ser-
vum4 occiditur, et duo castra marchionis, que habuit in
Thuringia, scilicet Schydingen et Biclielingen, destruuntur,
et non longe post hoc etiam Tethico marchio moritur' 5.
Die ganze hier abgedruckte Stelle tilgte der Schreiber aber
wieder, sie findet sich weder im Druck noch in andern
Hss., dagegen sowohl in allen diesen wie in der Jenenser
dasselbe weiter unten in anderer Form, nämlich in C. 16
bei Pistorius (= C. 12, § 5): 'Primuni bellum habuerunt
in Thuringia inter Homborg et Neylstet, ubi multi potentes
ceciderunt ex utraque 6, et Saxones f ugam inierunt' 7. Und
1) Wo das hergenommen ist, was sich in den später aufzuführen-
den mir bekannten Quellen des Werkes so nicht findet, wollen wir nach-
her zu ermitteln suchen. 2) Die Worte 'cum — cognati ' durchstrich der
Schreiber schon früher, ehe er die ganze Stelle tilgte ('sui' Hess er damals
aus Versehen stehen). Sie enthalten eine vollständig unbegründete Erfin-
dung in maiorem gloriam des Grafen Ludwig, wie der Autor solche massen-
haft zu Gunsten des von ihm verherrlichten Landgrafenhauses producierte.
Wenn Graf Ludwig an der Schlacht bei Homburg 1075 Theil nahm, was
wir nicht wissen, ist es wahrscheinlicher, dass er auf Seiten der Sachsen
focht. Der Verfasser beseitigte die Worte wohl deshalb wieder, weil er
bei Fortsetzung seiner Arbeit fand, dass seine Quellen nur von Feindschaft
zwischen König Heinrich IV. und Graf Ludwig H. zu berichten wussten.
3) So die Hs. Der Verf. war der lateinischen Grammatik sehr wenig
kundig und versündigte sich oft viel stärker als durch solche Form an
ihr. 4) 'per pr. servum' ist von des Schreibers Hand aus der Quelle
am Rande ergänzt. 5) Diese Nachricht ist gemacht aus der des Liber
cron. Erford. 1. 1. p. 203: 'A. D. MLXX. Thecico marchio tyrannidem
in regias partes orditur, qüi tarnen mox a rege Heinrico conpescitur, sci-
licet castellis suis Bichelingen et Schidingen destructis, filio quoque suo a
proprio servo interempto. Ipse postmodum in brevi moritur'. Was hier-
mit im obigen Text nicht übereinstimmt, ist pure Erfindung oder Con-
jectur des Eisenacher Verfassers. 6) 'parte', was Pist. und Schedel
hinzusetzen, ist nicht original. 7) Dies ist grösstentheils der Erfurter
St. Peters - Chronik, aber wohl nicht der bisher publicierten Fassung, son-
dern eher einer bisher ungedruckten, über die ich weiter unten handele,
entnommen, wo es heisst : 'Bellum primum iuxta Neylstete prope Unstrut
committitur . . . a Saxonibus contra regem Heinricum. Ubi multi po-
tentes ex utraque parte ceciderunt, et Saxones fugam inierunt'. Die ersten
Worte aber stimmen viel näher mit der getilgten Stelle oben, die unbe-
kannter Quelle entstammten.
Studien zu Thüringischen Geschichtsqiiellen. I. 381
nachdem fünf Schlachten zwischen den Sachsen und Hein-
rich IV. nach der St. Peters - Chronik und dem Liber cron.
Erford. aufgezählt sind, heisst es: 'Etiam infra idem tem-
pus Tyzcico marchio de Landesberg- Orientalis cum amicis
et cognatis comitis palatini occisi per Ludewicum comitem
Thuringie1 manu valida intravit Thuringiam et depopulare2
nitebatur ; sed mox exercitus regis, qui fuit in Northusen 3,
audiens interesse Saxones, restiterunt et ipsos fugaverunt
et duo castra marchionis, scilicet Bychelingen et Schydin-
gen, destruxerunt. Et ibidem filius marchionis4 per pro-
prium servum 5 occiditur ; et non longe etiam post hoc
Tyzcico marchio moritur'. Vergleicht man diese Stelle mit
der getilgten oben, so sieht man sofort, dass der Autor
hier seine unsinnigen Conjecturen der früheren wieder-
holte, aber, indem er noch weitere Erdichtungen einflocht,
sich in der letzteren noch weiter von der Quelle, dem Liber
cron. Erford., den er hier nicht mehr heranzog, entfernte.
Die zweite Stelle über die Schlacht bei Homburg hat er
durch Benutzung der auch sonst oft von ihm abgeschrie-
benen Erfurter St. Peters - Chronik abgeändert. Es kann
nun kein Zweifel mehr sein, dass der Schreiber der Je-
nenser Hs. der Verfasser des Werkes ist, der es für ange-
messen hielt, den früher concipierten Abschnitt in an-
derem .Zusammenhange, indem er die übrigen Sachsen-
kämpfe Heinrichs IV. dazwischen schob, zu bringen.
Ferner im 60. Capitel des Pistorius (= C. 19, § 6)
steht unter dem Jahr 1261 in der Jenenser Hs. folgende
getilgte Stelle, die sich wiederum weder bei Pistorius noch
in den übrigen Hss. findet: 'Eodem anno turres ecclesie
sancte Marie in Ysenach muro civitatis annexe sunt de-
structe per cives, timentes incastellari a marchione' (Hein-
rich dem Erlauchten im Thüringischen Erbfolgekriege, da
die Eisenacher auf Seite Heinrichs von Brabant und seiner
Mutter Sophie standen) 'vel a suis'. Was hier getilgt ist,
findet sich aber sowohl in der Jenenser wie in den andern
Hss. und bei Pistorius (C. 81 = C. 20, § 18) unter dem
Jahr 1306 wieder, wo von dem Kampf zwischen den Söhnen
Albrechts des Entarteten und den Eisenachern, die auf
Seiten des Vaters standen, die Rede ist. Es heisst da:
'Eodem anno cives Ysenacenses tantum infestati per filios
1) 'Thur. — intravit1 fehlt bei Pist. und Schedel. 2) So die Hss.
3) Ich weiss durchaus nicht anzugeben, wie der Autor dazu kam, die
Worte 'qui — Northusen' einzuflechten. Falsch ist das sicher. 4) Pist.
hat 'march', wie die Hss. haben, falsch aufgelöst. 5) Seh. hat nur f.,
Pist. falsch 'fratrem'.
382 Oswald Holder -Egger.
lantgravii, timentes tradi per castruni in civitate eorum,
de voluntate Alberti lantgravii, data sibi pecunia, funditus
everterunt et sirniliter turres in ecclesia sancte Marie, an-
nexe 1 muro civitatis'. Der Haupttheil der Nachricht ist
wieder aus der Erfurter Peters - Chronik entnommen, welche
berichtet: 'A. D. 1306. Cives Ysinacenses castrum quod erat
in sua civitate de voluntate Alberti senioris lantgravii Thu-
ringie, data ei pecunia, funditus everterunt'. Also nur die
oben beim Jahr 1261 getilgte Nachricht über die Zerstö-
rung der Thürme von St. Marien, welche an die Stadtmauer
stiessen, ist hier selbständig vom Verfasser eingefügt. Die
Erklärung der Erscheinung ist einfach : Der Eisenacher
Autor wusste vom Hörensagen, dass jene Thürme einmal
zu Kriegszeiten niedergelegt worden seien. Er brachte
diese Nachricht erst unter dem Jahr 1261 bei dem Angriff
Heinrichs des Erlauchten auf die Stadt, dann dünkte es
ihm aber wahrscheinlicher, dass die Sache 1306 bei dem
Kampf der Söhne Albrechts gegen die dem Könige Al-
brecht anhängende Stadt passiert sei; er tilgte sie also
oben und brachte sie hier unter. Damit werde ich eines
weiteren Beweises, dass die Jenenser Hs. Originalconcept
des Verfassers ist, überhoben sein, obgleich ich noch eine
Fülle von Stellen anführen könnte, welche mit Notwen-
digkeit zu demselben Ergebnis führen.
Ein interessantes Beweismoment dafür ist auch, dass
sich zahlreiche Lesefehler der späteren Hss. genau und
nur aus den Abkürzungen2 der Art erklären, wie sie in
der Jenenser Hs. geschrieben sind. So z. B. heisst es
in C. 13 (= C. 12, § 1): 'et sepultus in Goczik mona-
sterio prope Nuenborg' (nämlich Friedrich, Pfalzgraf von
Sachsen). Nun ist in dem Ortsnamen das G mit Majuskel
so geschrieben, dass Go täuschend ähnlich sieht bö 3 (=
Bonczik). Also machte ein Schreiber in einer Copie daraus
'bötzik', und der Compilator der Hist. landgr. Eccardiana,
der, wie wir sehen werden, eben diese Copie benutzte,
übernahm natürlich die corrupte Form4. Ich will dem
1) So die Hss. 2) Von diesen sind übrigens zahllose genau in
der starken Verkürzung wie dort in späteren Hss. wiederholt. 3) Aber
am Rande steht mit Mennig geschrieben: 'Monasterium Grozzig'. Die
Nachricht stammt aus Liber cron. Erford. a. 1062, 1. 1. p. 202. 4) Bei
Eccard col. 356 : 'et sepultus in Bonzcigk monasterio prope Nuwinburgk'.
Und da nun Johann Rothe eben wieder diese Compilation ausschrieb, Hess
er natürlich (C. 341, ed. v. Liliencron p. 262) den Pfalzgrafen auch in
dem so corrumpierten Stifte (Bonzigk) statt in dem bekannten Groseck be-
graben werden. Und auf Grund dieser beiden Autoritäten erbaute dann
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 383
Leser nicht mit weiteren ähnlich aus der Jenenser Hs. zu
erklärenden Lesefehlern der späteren Abschriften lästig-
fallen. Sie sind eben sehr zahlreich, wie sich das bei der
Beschaffenheit des Originals von selbst ergiebt. Diese
Papier -Hs., welche in traurigem Zustande sich jetzt be-
findet — die ersten Blätter sind stark verstümmelt; sie
hat stark durch Feuchtigkeit und sonst durch schlechte
Behandlung gelitten; als ein Familienvater sie studierte,
hat dessen Büblein zwei Seiten in seiner Weise rescribiert,
was ein Insasse des Eisenacher Dominikanerconvents be-
sonders angemerkt hat — ist nicht etwa eine Reinschrift
des Verfassers, sondern, wie ich schon sagte, sein Concept,
sein erster Entwurf. Das zeigt neben der grossen Menge
von Correcturen und Aenderungen schon ihre äussere Er-
scheinung. Sie ist mit sehr blasser, auf dem rauhen Papier
zu leicht flüssiger, daher oft verlaufener Tinte 1, nachlässig
mit zahllosen starken Abkürzungen, deren richtige Aui-
lösung nicht jedem Abschreiber sofort klar werden konnte,
geschrieben. Eine Reinschrift hat der Verfasser sicher nie
angefertigt, da die späteren Hss. auf das Concept zurück-
gehen und die stärksten Spuren von dessen schlechter Les-
barkeit aufweisen.
In der Jenenser Hs. schrieb die Hand des Verfassers
aber ursprünglich nur bis zum Jahr 1395. Im 138. Ca-
pitel bei Pistorius nach den Worten 'sub anno Domini
M°CCC°XCV.' legte sie die Feder nieder2. In den kurzen
Notizen der Jahre 1396—1398 (Pist. C. 138. Ttein a. D.
M°CCC°XCVI — C. 110. Resenborg in Bohemia' 3) wechselt
die Tinte viermal. Jeder dieser vier Absätze4 ist sicher
zu anderer Zeit hinzugefügt, doch halte ich es nicht nur
für wahrscheinlich, sondern für sicher, dass sie allmählich
von dem Verfasser selbst noch hinzugesetzt sind, wenn die
Züge auch jedesmal ein wenig von dem Schriftcharakter
des vorigen Absatzes abweichen5. Zu verschiedener Zeit,
mit anderer Feder und Tinte schreibend, konnte der Autor
auch etwas verschiedene Schriftzüge bilden. Und mit voller
Sicherheit würde man noch dem Autor des Werkes wenig-
stens die ersten drei dieser vier Nachrichten zuschreiben
H. Oesterley in seinem Hist. - geogr. Wörterbuch S. 80 ein Kloster Bonzigk
bei Naumburg a. d. Saale. 1) Daher war schon früh manches so ver-
blasst, dass es von andern Händen nachgezogen wurde, um lesbar ge-
macht zu werden. 2) Der bei Pistorius folgende Satz: 'Haec discordia
— potentiam' steht überhaupt nicht in dieser Hs. 3) Bei Pist. steht
davor falsch das Jahr 1397 statt 1398. 4) Der Text derselben bei Pist.
ist stark verändert und verdorben. 5) Vgl. darüber unten S. 396 f.
384 Oswald Holder -Egger.
müssen, wenn er und der Illuminator der Hs. identisch
wären, denn die Ueberschriften der Capitel 139. 140 bei
Pist. ('De destructione villarum civitatis Erfordie per Wil-
helmum marchionem' und 'De destructione castri Maris-
felt') sind noch von derselben Hand geschrieben, welche
die Ueberschriften und rothen .Randnoten des ganzen
Werkes eintrug. Aber ich muss zugeben, dass gegen diese
Identität Einwendungen von Gewicht erhoben werden
können, obgleich ich sie dennoch für wahrscheinlich halten
muss \ Sicher ist, dass der Illuminator, wenn er nicht der
Verfasser selbst war, bei dessen Lebzeiten und nach dessen
Vorschrift gearbeitet haben muss.
Es ist übrigens keine Frage von grosser Wichtigkeit,
von wem diese vier Nachrichten herrühren : sicher ist, dass
das folgende (C. 141) 'A. D. 1398. Gerhardus' von der Hand
eines anderen Schreibers herrührt, welche mit dem Jahr
1402 aufhört, dass dann noch andere Hände weiteres hin-
zufügten. Da nun in dem Werk, das ursprünglich mit dem
Jahr 1395 schloss, nichts auf eine spätere Abfassungszeit
hindeutet 2, da der Autor selbst (oder Andere) Nachrichten
zu 1396 — 1398 erst später hinzufügte, da dann sicher An-
dere weitere Fortsetzungen anschlössen, so ergiebt sich,
dass der Eisenacher Dominikaner im Jahr 1395 oder 1396
1) Nach der Vergleichung der Schriftzüge zwischen Text und Ueber-
schriften rnüsste man eher meinen, dass Schreiber und Illuminator nicht
identisch sind. Doch ist solche Schlussfolge sehr problematisch, da hier,
wie gewöhnlich, die Ueberschriften mit grösseren Schriftzügen (wenn auch
meist in Minuskelform), die sich eben von der Textschrift unterscheiden
und aus dieser heraustreten sollten, gebildet wurden, und so auch von der
Schrift desselben Schreibers sich sehr unterscheiden konnten. Aber frei-
lich beging der Illuminator bei seiner Arbeit einige grobe Versehen. Er
trug z. B. die Ueberschrift, welche Pist. vor sein 139. Capitel gesetzt hat
('De destructione villaruni civitatis Erfordie per Wilhelmum marchionem'),
an der Seite der Zeile 'culpa — durante' ein und illuminierte das vom
Schreiber klein geschriebene 'in' (das erste Wort des C. 139) in 'In', wäh-
rend der Satz lauten muss : 'absolventes advenientes . . . a pena et a culpa
in festo nativitatis Marie, durante gracia per octavas. Infra quas octa-
vas' etc. Durch die falsche Illumination wurden die Abschreiber der spä-
teren Hss. veranlasst, mit 'In' einen neuen Satz zu beginnen, und Pist. be-
gann damit gar ein neues Capitel. Aber ich meine, auch der Autor konnte
beim Illuminieren, sofern er flüchtig verfuhr, derartige Fehler begehen.
2) Bei Pistorius liest man zwar : 'et duravit (scisma) XXXVI annis usque
ad concilium Constantiense, in quo electus fuit Martinus', aber die Worte,
welche auf Abfassung nacb dem Jahr 1417 hindeuten würden, sind späte
Interpolation. In der Original -Hs. heisst es da (C. 24, § 4) nur: 'et du-
ravit', und ist Raum frei gelassen für die Einfügung der Jahrzahl, in wel-
chen dann viel später '40 annis' hineingeschrieben ist. Man sieht also, dass
der Autor das Ende des Schismas nicht erlebt hat.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 385
sein Werk schrieb oder vollendete, dass er aller Wahr-
scheinlichkeit nach im Jahr 1398/9 gestorben ist K
Die Frage, wie dieser Predigerbruder hiess, zu beant-
worten, habe ich bis jetzt nicht den geringsten Anhalt,
obgleich ich nicht sagen will, dass sein Name nicht doch
noch einmal wird ermittelt werden können. Aus seinem Werk
vermag ich keine andere Beziehung zu entnehmen, als dass
er dem markgräflich Meissnischen und landgräflich Thürin-
gischen Hause sehr ergeben war. Sicher ist ferner, dass
er nicht Heinricus de Frimaria hiess. Auf dem zweiten
Schmutzblatt der Jenenser Hs. steht zwar dieser Name,
von einer Hand des 17. Jahrh. geschrieben, aber mit Ott.
Lorenz 2 deswegen anzunehmen, dass die Hs. damit 'die be-
stimmteste Hinweisung' aiif diesen Mann als den Autor
des Werkes enthalte, ist doch etwas gewagt 3. Hätte man
auch Anlass, zu glauben, dass derjenige, welcher den blossen
Namen hinschrieb, seine Meinung kundgeben wollte, der
Verfasser dieses Buches sei Heinrich de Frimaria gewesen,
so ist damit noch nicht im mindesten erwiesen, dass diese
richtig war. Der Kritzler hat schwerlich mehr Möglich-
keit gehabt, den Autornamen zu ermitteln als wir heute
zu Tage. Und dass der bekannte Theologe dieses Namens,
der schon 1323 Professor der Theologie, aber kein Domini-
kaner war, nicht im Jahr 1395/6 dieses Werk eines Eisenacher
Dominikaners verfasst haben kann, liegt auf der Hand.
Nun taucht Heinrich von Friemar aber auch in der
Litteratur als Autor einer Thüringischen Chronik auf.
Unter den handschriftlichen Quellen, welche Marcus
1) Wäre er von Eisenach nach einem anderen Convent versetzt
worden, so würde er ohne Zweifel seine Hs. mitgenommen haben, da
diese aber dem Eisenacher Convent verblieb, wird er dort zur angegebenen
Zeit gestorben sein. 2) DGQ. II3, 103, N. 1. Obgleich Wenck, Entst.
der Reinh. Gesch. S. 61 die vollkommene Grundlosigkeit der Annahme
der Autorschaft Heinrichs von Friemar klar gegen Lorenz nachgewiesen
hat, behielt dieser doch in der neuesten Auflage seiner GQ. die Sätze
der früheren, welche diesen Heinrich betreffen, bei. 3) Sonst könnte
Jemand mit dem gleichen Recht behaupten, der Verfasser sei Bertold
Grefenstein, denn auf dem letzten Blatt der Hs. (f. 57') hat unter vielen
anderen Federproben eine Hand des 15. Jahrh. 'Bertoldus' und wieder
'Bertoldus Grefensteyn Hermanni' geschrieben. Freilich wissen wir, dass
in diesem Falle sicher nicht der Autor gemeint ist. Sondern ein Mann
dieses Namens fertigte im Jahr 1454 eine Copie dieser Hs., welche sich
jetzt in der Fürstlich Stolbergischen Bibliothek zu Wernigerode Za 41
befindet, und verewigte sich auch im Original durch Einzeichnnng seines
Namens. Denn die Wernigeroder Hs. trägt die Unterschrift: 'Completa
sunt hec per me Bertoldum Grefensteyn sub a. D. 1454'. Vgl. N. A.
VUI, 205.
386 Oswald Holder -Egger.
Wagner aus Friemar für sein Buch: 'Thüringen König-
reichs . . . wahrhafftiger kurtzer gegründter Auszug'
(Jhena 1593. 4°) benutzte, nennt er K2' auch: 'Chronicon
Heinrici de Frimaria valde vetustum Latinum de Thuringia
in quarto multis in locis obesuni'. Die Merkmale, die er
hier angiebt (in Quart und stark beschädigt), passen im
Allgemeinen auf die Jenaer Hs., deshalb hat man ange-
nommen1, Wagner habe diese Hs. mit jenem Titel be-
zeichnet. Dass das aber nicht angeht, hatte bereits Struve 2
bemerkt. Denn Wagner schreibt J 4' seines Buches : 'Denn
Gottinga ist ein alt Wort, und hat nach Aussage der alten
geschrieben Chronica Heinrici de Frimaria seine gewisse
Ankunfft von den Gotthis'. Nun ist aber von Göttingen
nirgends in dem Jenaer Msc. die Rede, und die Ableitung
des Namens von den Gothen deutet auf einen Skribenten,
der schwerlich lange vor 1500 gelebt hat. Hun fährt
Wagner fort, das Msc. des Heinricus sei 'etwa zu Meintz
ad S. Albanum in einem codice chartaceo antiquicsimo ge-
wesen, und noch vielleicht wohl anzutreffen sein möchte,
wenn es nicht durch die Kriegs - Gurgel verbrandt wäre
worden'. Zu Mainz hat er sicher die Jenaer Hs. nicht ge-
sehen, und verbrannt ist sie auch nicht. Was also auch
immer die Chronik Heinrichs von Friemar für ein Ding
gewesen sein mag3, sicher ist, dass Wagner mit seinem
Citat nicht die Jenaer Hs. meinte. Wohl aber hat er
diese gesehen, denn unter den von ihm benutzten Hss.
nennt er auch K 3 : 'Legenda de S. patribus conventus
Isenac. ord. Praedic.', das ist der genaue Titel einer Gchrift,
die in der Jenaer Hs. steht, und die wir sogleich bespre-
chen. Danach nennt er: 'De genealogia Elgeri comitis öTe
Hohnstein et de vita ipsius', das ist der erste Theil jener
Legenda4. Danach: 'De ortu landgraviorum Thuringiae
1) Z. B. K. Herrmann, Bibl. Erfurt, S. 67. Auch Wenck a. a. 0.
S. 61. 2) Pistorii SS. I, 1292. 3) Ihre Existenz ist überhaupt wohl
sehr problematisch, denn Wenck bemerkt a. a. 0. S. 81, N. 2, dass Wagner
aus Friemar sich den Friemarer Chronisten erdacht haben mag. Die
Späteren, welche ihn erwähnen, thun das nur auf Wagners Citate hin, wie
Pfefferkorn, Merckwürdige und außerlesene Gesch. von Thüringen (Gotha
1684. 4°) S. 9 f. Ott. Lorenz, DGQ. 3. Aufl. H, 103, N. 1 behauptet zwar,
Henricus de Frimaria (als Chronist?) sei 'schon erwähnt in Spangenberg,
Chron. Henneberg. lib. 5, cp. 9, f. 197'. Dort ist aber von keinem Chro-
nisten Heinrich von Friemar die Rede, sondern wird erzählt, dass Hans
von Freymar im J. 1346 dem Landgrafen das Leben rettete. Das gelehrte
Citat hat Lorenz wohl aus Pistorius - Struve I, 1293, N. b oder sonst
irgend woher übernommen, aber nicht gesehen, worauf es sich bezog.
4) Freilich ist darin von der Genealogie Elgers nicht die Bede, aber wohl
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 387
chronicon lacerum, multis in locis ob vetustatem vix legi-
bile et muribus exesum'. Diese Beschreibung passt nun
aber ausgezeichnet auf die Jenaer Hs. der Landgrafen-
geschichte. Freilich ist der Titel lDe ortu landgr. Thur.'1
dort nur Ueberschrift des 10. Capitels auf f. 6', aber die
ersten Blätter der Hs. sind so zerstört, dass Wagner sie
wenig beachtet haben mag, und eben mit diesem Capitel
beginnt erst die ausführlichere Erzählung. Also hat auch
Wagner dieses Werk ohne Autornamen citiert. Wenn
nun jener Mann des 17, Jahrb., der den Namen 'Heinricus
de Frimaria' auf das Schmutzblatt der Jenaer Hs. schrieb,
den Autor der folgenden Chronik damit nennen wollte, so
ist es klar, dass er den Namen aus Wagners Buch über-
nahm und irrig auf dieses Werk übertrug, wie Wenck
a. a. O. S. 61 bemerkte. Damit wird vielleicht sogar für
O. Lorenz Heinrich von Friemar als Verfasser dieses Werkes
beseitigt sein.
Also auf den Namen des Autors verzichten wir zu-
nächst, wohl aber können wir ermitteln, dass derselbe
Predigerbruder, der die sogenannte Landgrafengeschichte
im Jahr 1395/6 schrieb, noch drei andere Büchlein oder
Schriftlein verfasst hat. In der oft genannten Jenaer Hs.
steht f. 43 — 55 die Legenda de sanctis patribus conventus
Tsenacensis ordinis Predicatorum, welche Michelsen in der
Zeitschrift für Thüringische Geschichte IV, 361 — 394 aus
eben dieser Hs. herausgegeben hat 2. Nun dieses Werkchen
ist ganz von der Hand des Verfassers der Landgrafenchronik
geschrieben. Dann hat Wenck3 mit vollem Recht geltend
gemacht, dass in diesem Büchlein schon die in der Hs.
voranstehende Landgrafenchronik citiert sei, dass es also
später als diese (er meint im 15. Jahrh.) verfasst sein
müsse. Da es aber nun einmal nicht angeht, eine fest-
findet sich etwas über die Genealogie der Grafen von Hohnstein in der
Hist. Pistor. Wagner kann sich die Genealogie hinzu erdacht haben, um
seine Erfindungen zu rechtfertigen. 1) Dass das erste Capitel der Hist.
Eccard. diese Ueberschrift trägt, und oft danach als Ganzes citiert worden
ist, ist Zufall. Man kann daraus nicht 3chliessen, dass Wagner diese
Schrift meinte. 2) Auch in der oben genannten Wernigeroder Hs. ist
dieses Stück aus der Jenaer von Bertold Grefensteyn mit abgeschrieben.
Michelsens Ausgabe ist zwar nicht fehlerlos, aber doch recht gut. Nur
hat er es unterlassen, die zahlreichen Correcturen und alle Zusätze anzu-
merken, und hat nicht gesehen, dass die Capitelzahlen von der ursprüng-
lichen Hand geschrieben am Rande stehen, die er hätte einsetzen sollen.
Unleidlich ist C. 2 das unausrottbare 'Parisios' statt des indeklinabeln
'Parisius1, wie man im Mittelalter schreibt. 3) Entstehung der Rein-
hardsbr. Geschichtsbücher S. 58.
388 Oswald Holder - Egger.
gestellte Thatsache als solche anzuerkennen, so hat M. Bal-
tzer1 Wencks Behauptung bestritten, meint vielmehr, die
Legenda sei Quelle der Landgrafengeschichte, sie sei zwi-
schen 1320 und 1330 abgefasst, die Cronica, welche ihr
Verfasser citiert, sei die Reinhardsbrunner oder eine ihr
zunächst verwandte Aufzeichnung gewesen. Aber die Be-
gründung dieser Behauptungen ist denn doch gar zu
schwächlich 2.
Das 8. Capitel der Vita Elgeri der Legenda beginnt :
'Legitur in cronicis, quod a. D. M°CCXXVIII, mortuo illu-
stri principi Ludewico, lantgravio Thuringie, marito sancte
Elizabeth, Heynricus eiusdem Ludewici frater eandem re-
lictam fratris de consilio malorum hominum de Castro
Wartberg eiecerit et eam per tempus in miseria et in exilio
ad tempus permiserit, licet correptus super hoc conmisso
ipsam reassumpserit'. In der Reinhardsbrunn er Chronik3
steht aber nur, dass Landgraf Heinrich die Elisabeth aus
der Wartburg mit ihren Kindern vertrieben, nichts davon,
dass er sie 'in miseria et in exilio' hätte leben lassen,
nichts davon, dass er sie später, wegen dieses Frevels ge-
scholten, wieder aufgenommen hat. Für alles weitere wird
da auf Dietrichs von Apolda Lebensbeschreibung der h. Eli-
sabeth verwiesen. Ebensowenig steht etwas davon in Auf-
zeichnungen, welche der Reinhardsbrunner Chronik nächst-
verwandt sind, wohl aber ist der Satz über die Vertreibung
der Elisabeth in zwei Ableitungen der Reinhardsbrunner
Chronik, in dem Lib. cron. Erford.4 wörtlich und in Sche-
dels5 Excerpten verkürzt abgeschrieben. Und in allen
diesen drei Quellen wird die Geschichte zum Jahr 1227
(nicht zu 1228, wie in der Legenda) erzählt! Also kann
der Autor der Legenda mit seiner Cronica unmöglich die
Reinhardsbrunner oder den Liber cron. Erford. gemeint
haben. Dagegen heisst es in der Landgrafengeschichte
(Pist. C. 40 = C. 17, § 5): '(Ludewicus lantgravius) mor-
1) Mitth. des Inst, für Oesterr. Gesch. IV. Ergänzungsband, S. 127 ff.
Er hat die Jenaer Hs. benutzt, aber, was sie lehrt, nicht gesehen. 2) Er
hält es S. 127 'von vornherein für wahrscheinlicher, dass man im Eise-
nacher Predigerkloster zuerst des Klosters und dann der Landgrafen Ge-
schichte schrieb, als dass man die umgekehrte Reihenfolge beobachtete'.
Darauf ist nur zu erwidern, dass man sich dennoch erlaubte, auf diese
angeblich unwahrscheinliche Weise zu verfahren, wie die Jenaer Hs. bei
richtiger Benutzung lehrt, sofern man zugeben wollte, dass die Legenda
'des Klosters Geschichte' enthält, was freilich nicht der Fall ist. Aber es
ist weder das eine noch das andere von vornherein wahrscheinlicher.
3) Wegele S. 208. 4) GQ. der Provinz Sachsen I, 210. 5) Wenck
S. 98.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 389
tuus est. Et ossa sua translata sunt ... in Reynhartsborn
a. D. MCCXXVIII.1 . . . Interim, dum adhuc ossa de-
functi Ludewici non pervenerunt ad Thuringiam, Heynri-
cus frater Ludewici Elizabet uxorem de Castro Wartberg
de consilio malorum hominum ammovit; que cum
parvulis suis in miseria vixit in civitate Ysenacensi'.
Darauf wird erzählt, wie sie von dort nach 'Kyczingen' ging,
wie der Bischof von Bamberg ihre 'miseriam et pauperta-
tem percipiens' sie nach Bamberg holte. Wie die Ritter,
welche des Landgrafen Gebeine aus dem heiligen Lande
brachten, sie nach Reinhardsbrunn begleiteten, wie dort
Rudolf von Varila den Landgrafen Heinrich ob des an des
Bruders Gemahlin verübten Frevels ausschalt, wie der die
Schwägerin reuig wieder in die Wartburg aufnahm. Jene
Cronicis entnommene Nachricht der Legenda charakteri-
siert sich sonach als ein kurzer Auszug aus der längeren
Erzählung der Landgrafengeschichte, sie lässt sich ganz
aus dieser herleiten, abgesehen von einiger Wortänderung,
die schon durch die gedrängte Kürzung geboten war. Nun
weiter, dieser ganze § 5 der Landgrafengeschichte, in dem
über des Landgrafen Ludwig Tugenden, seine Kreuzfahrt
und Tod berichtet und dann erzählt wird, was wir eben
erwähnten, ist zusammengesetzt aus Theoderici Vita Elisa-
beth III, 1. 3. II, 1. IV, 1—5. 7. V, 1—8 und dem Liber
crom Erford. a. 1227. 1228 in der gewöhnlichen Mache
dieses Autors mit starken Wortänderungen, hier nament-
lich mit starken Kürzungen und Zusammenziehung des
Wortschwalles Dietrichs, mit einigen seiner willkürlichen
Zusätze. Die Worte Dietrichs IV, 7 : 'quidam vasalli de-
functi principis, qui fratrem ipsius Henricum iuvenem re-
gere debuerant, Dei timoris et iustitie, proprie honestatis
. . . obliti . . . ipsam (Elisabeth) de Castro et cunctis eius
possessionibus eiecerunt. Descendit ergo ... ad subiacens
Castro oppidum. In cuiusdam autem cauponis hospitio re-
cepta cum suis mansit. . . . Cumque nullus auderet eam
hospitio recipere, confugit ad Dominum' etc. und des Liber
cron. Erford. : cMox autem ab Heinrico predicti principis
fratre tarn miserabiliter cum suis parvulis de Castro Wart-
berg eicitur et, ne hospicio recipiatur in Ysennach a quo-
quam, ab eodem striccius2 interdicitur', verbindend, zweier
Quellen also, die er auch sonst viel ausschreibt, machte
der Autor der Landgraf engeschichte daraus: 'Heynricus
1) Also daher das Jahr 1228 in der Legenda ! 2) So die Hss.,
auch die Wiener, nicht 'secrecius', wie Lorenz S. 210 hat.
Neues Archiv etc. XX. 26
390 Oswald Holder -Egger.
. . . Elizabet ... de Castro Wartberg de consilio malorum
homirmm 1 aminovit - ; que cum parvulis suis in miseria
vixit civitate Ysenacensi, et nullus recepit eam ho-
spicio, qui esset alicuius reputacionis, quia timebant, ne
off endereiit, sed oportuit, ut cum pauperibus se reciperet'.
Nähme man nun auch mit Baltzer an, dass der Autor der
Landgrafengeschichte die Legenda an dieser Stelle benutzt
hätte, so müsste er dennoch jene beiden Quellen für
diesen Paragraphen neben der Legenda benutzt haben. Da
aber jene beiden Quellen vollkommen ausreichen, um den
Inhalt des Paragraphen der Landgraf engeschichte aus ihnen
abzuleiten, so muss man diese Annahme als falsch zurück-
weisen, zumal man dann für jenen Passus der Legenda als
Quelle keine einzelne Cronica, sondern immer Liber cron.
Erford. (resp. Chron. Reinhardsbr.) und Dietrichs Vita Eli-
sabeth annehmen müsste, also eben jene, die dem Bericht
der Landgraf engeschichte zu Grunde liegen, und dann
noch immer zu erklären hätte, warum der Autor die Nach-
richt zu 1228 statt zu 1227 setzte.
Vollends klar wird nun die Sachlage, wenn man den
folgenden Satz der Legenda vergleicht, den der Autor, wie
er sagt, ebenfalls jener Cronica entnahm. Er bietet da,
1) Da Baltzer nicht erklären kann, woher die Worte 'de consilio
malorum hominum' in die Legenda gekommen sind (die aus der Land-
grafengeschichte stammen, deren Autor sie wieder aus Dietrichs Darstellung
entnommen hatte), so meint er S. 129, das 'könnte aus einem Exemplar
der Reinh. Gesch. stammen, das vollständiger war als unsere sehr lücken-
haften Texte'. Das ist oft eins der strafwürdigsten Auskunftsmittel, das
fast regelmässig ergriffen wird, wenn eine falsche Behauptung ä tout
prix bewiesen werden soll, dass man einem andern Exemplar vindiciert,
was in dem, mit welchem man zu operieren hat, nicht steht. Statt solche
Vermuthung zu wagen, hätte er aus Liber cron. Erford. und Schedels
Excerpten sich überzeugen sollen, dass der Satz in der Ausgabe von
Wegele durchaus vollständig überliefert ist, dass jene Worte nicht in
dem Chron. Reinhardsbr. gestanden haben, da keiner von dessen drei Ver-
tretern an dieser Stelle sie hat. 2) Baltzer sagt S. 128, da die Legenda
für 'ammovit' an dieser Stelle 'eiecerit' hat, und darin mit Dietrich ('eie-
cerunt') und Chron. Reinhardsbr. ('eicitur') näher übereinkommt, so hätte
deren Autor, wenn er die Landgrafengeschichte benutzte, daneben noch
eine andere Quelle verwerthen müssen, die ihm den Ausdruck 'eicere'
bot. An sich wird das des einen Wortes wegen nicht nothwendig anzu-
nehmen sein, aber wohl möglich ist es, erklärt sich aber eben gar leicht-
lich bei meinem Nachweis, dass der Autor der Landgrafengeschichte und
Legenda identisch ist. Er konnte sehr wohl eine der beiden Quellen, die
er für diesen Abschnitt der Landgrafengeschichte benutzt hatte, und die
beide diesen Ausdruck boten (Liber cron. Erford. und Dietrich), bei der
Abfassung der Legenda wieder zur Hand nehmen.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 391
wie in dem vorigen, einen kurzen Auszug aus dem C. 43
(Pist. = C. 18, § 4) der Landgraf engeschichte , welches,
immer mit den von diesem Autor beliebten Aenderungen
des Ausdrucks und Willkürlichkeiten, dem Liber cron.
Erford.1 a. 1232 entnommen ist. Denn es wird bei der
Vergleichung nun sonnenklar, dass der Bericht des letz-
teren erst durch die Landgrafengeschichte dem Autor der
Legenda vermittelt ist. Das wird schon ein Theil der drei
Berichte in der Zusammenstellung überzeugend darthun:
Lib. cron. Erf.
A. D. 1232. . . .
archiepiscopus Si-
fridus ab Eckehardo
B-eynhersborn ceno-
bii abbate octavo
quandam pecunie
summ am extorque-
bat, quam sibi ero-
gare rennuens, pre-
fato episcopo Erfor-
diam veniente mo-
ramque in monte
sancte Marie tra-
hente, dictus abbas
est vocatus ; qui . . .
graviori culpe per
ipsum ibidem sub-
icitur, et triduana
peracta penitencia
. . . nulla veste ve-
latus capitolium,
virgam manu baiu-
lans, veniam peciit
. . . princeps (Con-
radus lantgravius,
frater Henrici re-
gis) furore suffusus
capitulum extrac-
to cultello citissime
adiit , archiepisco-
pum coma inmani-
Hist. landgr.
A. D. 1232. Sif-
fridus archiepisco-
pus Maguntinus a
monasterio Reyn-
hartsborn aliquam
summam pecunie
extorquebat, et quia
abbas dare recusa-
bat, ipsum pene
gravio r i s culpe
subiecit. Et in Er-
fordia in capitolio
canonicorum
Sancte Marie tribus
diebus discipli-
nas recepit . . .
dum pre dictus ab-
bas debebat se pre-
sentare ad discipli-
nas, et nudus in
superiori parte cor-
poris, virgas in ma-
nibus baiulans, in-
travit capitolium.
. . . Qui (Conradus
lantgravius Thurin-
gie, frater Heynrici)
in furia magna ca-
pitolium ascendit et
ex t r a c t o cultello
i n archiepiscopum
Legenda c. 8.
Eciam legitur,
quod frater eiusdem
Heynrici lantgravii,
scilicet Conradus,
in Erfordia propter
abbatem de Reyn-
hartsborn, quem Si-
f ridus episcopus Ma-
guntinus pene gra-
vio r i s culpe sub-
iectum virgis d i s -
ciplinavit, in
ipsum episcopum
irruebat et cul-
tello exempto in-
terficere labora-
bat, licet inipe-
ditus.
meint.
1) Nicht direct dem Chron. Reinhardsbr., wie Baltzer S. 129, N. 1
26*
392 Oswald Holder -Egger.
ter deprehensum,
s e d p r e peditus,
transfigere labo-
ravit.
i r r u i t et comam
capitis deprehendit
et ipsum transfi-
gere laboravit,
sed prepeditus.
Das wird für den zu erbringenden Nachweis genügen.
Es wird Niemand glauben, dass der Autor der Landgrafen-
geschichte neben dem Liber cron. Erford., den er ja hier
wie so oft sicher ausschreibt, die Legenda benutzt haben
müsse, um seinen Bericht niederzuschreiben, dagegen er-
klärt sich jedes Wort der Nachricht in der Legenda aus
der Landgraf engeschichte. Wenn ferner Baltzer S. 128 f.
meint, der Bericht, welchen der Eisenacher Dominikaner
in der Landgrafengeschichte (Pist. C. 50 = C. 18, § 10)
vom Tode des ersten Eisenacher Dominikaner -Priors Elger
von Honstein im Zusammenhange mit seiner Erzählung von
dem erfundenen Frankfurter Reichstage von 1242 bringt,
müsse als Kürzung aus dem längeren Bericht in der
Legenda angesehen werden, so ist auch das durchaus zu-
rückzuweisen. Es ist sehr selbstverständlich, dass der
Autor der Legenda, der die Vita Elgeri schreibt, bei der
Erzählung vom Tode dieses seines gefeierten Helden viel
länger verweilt, dabei viel ausführlicher ist, als der Ver-
fasser der Landgraf engeschichte , ebenso wie es sehr er-
klärlich ist, dass er in dieser Vita überging, was in der
Landgrafengeschichte über den Frankfurter Reichstag die
Reichsgeschichte betreffendes erzählt war \ obgleich ihm
1) Baltzer S. 130—132 sucht einiges zur Verteidigung der Angabe
der Legenda über den Frankfurter Reichstag von 1242 beizubringen und
sagt, in der Legenda sei die Sagenbildung über diesen Reichstag noch
nicht so weit entwickelt wie in der Hist. landgr. Das ist insofern richtig,
als alles das, was über Kaiser Friedrich und König Konrad in der letz-
teren gesagt ist, in der Legenda weggelassen ist, weil es dahin eben nicht
gehörte. Aber es ist damit nichts bewiesen über das Verhältnis der beiden
Quellen zu einander und die Existenz des Frankfurter Reichstages. Man
muss die Frage von der richtigen Seite angreifen, um ihr energisch zu
Leibe gehen zu können. Von Sagenbildung ist hier überhaupt nicht die
Rede. Wenn der Autor der Landgrafengeschichte in seinen Quellen findet,
dass einer der Landgrafen, deren Geschichte er schreibt, in einer der
Rheinischen Städte war, so vermuthet er, dass der zu einem Reichstage
sich dorthin begeben hatte. In dem Liber cron. Erford. a. 1055, a. a. O.
S. 202, las er z. B., dass Graf Ludwig der Bärtige im St. Albans-Kloster
zu Mainz begraben wurde. Also schrieb er (Pist. C. 11): 'veniens
Magunciam ad unam convocacionem principum et comitum
mortuus est et sepultus apud Sanctum Albanum1, wie in der Legenda
C. 17: 'Regnante tunc imperatore Friderico imperatore 2°, qui convo-
cacionem principum in Alemania habuit in Frankenfort'. (Es ist
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 393
diese Quelle auch hier vorlag, weil das ja in dieses sein
Werkchen nicht hineingehörte K
Haben wir somit Wencks Behauptung, dass in der
Legenda die Landgrafengeschichte citiert und benutzt sei,
zu ihrem Rechte verholfen, so ergiebt sich nun sofort fol-
gende Schlussfolge: Da die Landgrafen geschichte erst 1395/6
verfasst ist, muss die Legenda später entstanden sein. Da
der Autor der Landgraf engeschichte , der am Ende des
Jahrhunderts (wahrscheinlich schon im Jahr 1398) ver-
storben war, die Legenda, in der sein eigenes Werk schon
benutzt war, und die früher nicht existierte, mit eigener
eben derselbe Autor, der beides schrieb !) Nun muss im Eisenacher
Dominikanerconvent die Ueberlieferung gewesen sein, dass der erste Prior
Elger von Honstein zu Frankfurt starb, wohin er mit dem Landgrafen
Heinrich gereist war. Sein Todesjahr 1242 wird schriftlich überliefert
gewesen sein, denn wir werden finden, dass die Eisenacher Dominikaner
kurze annalistische Aufzeichnungen besassen. Also wenn der Landgraf
nach Frankfurt reiste, so musste er nach der Präsumption des Autors zu
einem Reichstage dorthin gegangen sein. Nun war Frankfurt zu des
Autors Zeiten der Ort der Königswahl, also Hess sich auf diesen Reichs-
tag eine solche gut ansetzen. Freilich bei der eigentlichen Wahl hatte
der Landgraf (immer nach Anschauung aus der Zeit des Autors heraus),
der nicht Kurfürst war, nichts zu thun. Daher schrieb unser braver Bettel-
bruder in der Landgrafengeschichte (Pist. C. 50 = C. 18, § 10) : <A. D.
MCCXLII. Fridericus imperator . . . convocavit principes Alemanie in
Frankenfort, volens cum eis tractare, qualiter filium suum Conradum in
regem . . crearet', denn er wusste wohl, dass Konrad zum König erwählt
war, aber keine seiner Quellen belehrte ihn, wo und wann das geschehen
war. Ferner wusste er aus der Erfurter St. Peters - Chronik (deren Quelle
Chronica Minor), dass Kaiser Friedrich in Gegenwart des Landgrafen
Heinrich den bekannten Ausspruch von den drei Völkerverführern gethan
haben soll. Hier in Frankfurt hatte er nun den Kaiser (der freilich da-
mals in Italien war) und den Landgrafen glücklich zusammen gebracht,
also Hess er hier den Kaiser sein blasphemisches Dictum vorbringen und
knüpft daran seine weiteren Erfindungen, wie der Landgraf die Lästerung
dem (damals verstorbenen) Papst Gregor meldet, worauf dieser den Kaiser
excommuniciert , u. s. w. Auf Grund dieser unlauteren Quelle würde
schwerlich Jemand geneigt gewesen sein, den Frankfurter Reichstag für
historisch beglaubigt zu halten. Da deren Autor aber keinen Grund hatte,
in der Vita Elgeri all diesen Unsinn zu wiederholen, so war man der
Meinung, in dieser eine bessere Beglaubigung jenes Reichstages zu finden,
während er doch nur aus der älteren Quelle übernommen, dort in dem
entwickelten Zusammenhange erfunden war. Sehr mit Recht hat ihn
J. Ficker in den Reg. Imp. V, 2 nicht erwähnt. 1) Baltzer S. 129
findet es auffällig, dass der Autor der Legende nicht die Beisetzung von
Heinrich Raspes Herz ('Sarg' bei Baltzer ist wohl nur seltsamer Druck-
fehler) im Dominikanerconvent von Eisenach, die in Hist. landgr. Pist.
C. 52 erzählt war, berichtet haben sollte, wenn er diese Quelle benutzte.
Ja gehörte denn das nothwendig in eine Vita Elgeri? Nun kommt ja
aber hinzu, was ich sofort beweise. Da der Autor zwei Werke hinter
einander in demselben Bande schrieb, wird er in dem zweiten aus dem
ersten doch nur das wiederholt haben, was da durchaus nothwendig war.
394 Oswald Holder -Egger.
Hand hinter dessen Concept schrieb, so folgt nicht nur,
dass er das zwischen 1396 und 1398 that, sondern es ist
beinahe mit Händen zu greifen, dass er auch der Verfasser
der Legenda ist. Und das lässt sich nun auf verschiedenen
Wegen mit absoluter Sicherheit beweisen.
Baltzer meinte S. 130, es stehe nichts im Wege, das
um 1400 geschriebene Jenaer Manuscript für eine Abschrift
zu halten. Nur die Kleinigkeit steht dem im Wege, dass
auch die Legenda in dieser Hs. die deutlichsten Zeichen
in grosser Zahl, dass sie Originalniederschrift ist, an sich
trägt 1. Gleich im ersten Capitel (f. 43) hatte der Schreiber
und Autor zuerst geschrieben 'nobilis vite et morum' (er
wollte ursprünglich anders fortfahren, als er es nachher
that), aber er corrigierte 'vite moribus' und fuhr fort 'et
virtute'. Er hatte geschrieben 'genuit filium' und änderte
'habuit filium'. Liessen sich diese Aenderungen noch allen-
falls aus ursprünglichem Versehen eines Abschreibers er-
klären, so ist das schon unmöglich bei einer Stelle in C. 3.
Da hatte er geschrieben: 'regnante in Thuringia christia-
nissimo principe Ludewico lantgravio Thuringie cum
sua consorte, beate2 Elizabeth, filie2 regis Un-
garie, anno Domini M°CCXXIX', dann aber besann er
sich, oder fand, in seiner Landgrafengeschichte oder deren
Quellen nachschlagend, dass Ludwig der Heilige, der G-e-
mahl der h. Elisabeth, schon im Jahr 1227 gestorben war,
änderte deshalb: 'regn. in Thur. ehr. pr. Heynrico
lantgr. Thur., fratre Ludewici prenominati, a. D.
M°CCXXIX'. In C. 11 hatte er ursprünglich geschrieben:
'Et illa eadem ymago in predieta ecclesia ad altare sanete
Crucis hodierna die cernitur et multis miraculis dominus
de us per illam fieri', sah dann aber, dass er mit den
hier gesperrten Worten völlig aus der Construction des
Satzes, wie er ihn begonnen hatte, fiel, strich sie deshalb
und fuhr fort: 'narratur claruisse'. Unmöglich konnte so
Jemand verfahren, der ein ihm vorliegendes Manuscript
copierte, das sieht Jedermann ein. Ebenso erkennt man
1) Das hat schon A. J. L. Michelsen vollkommen durchschaut, der
Zeitschr. für Thüring. Gesch. IV, 363 sagte: 'Ein urschriftlicher Anhang
zu der Chronik der Landgrafen ist das vorliegende Legendarium'. Wahr-
scheinlich hatte er auch schon richtig gesehen, dass auch die Landgrafen-
geschichte in der Jenaer Hs. Original des Verfassers ist. 2) So die Hs.
Der Autor kannte das grammatische Gesetz nicht, dass die Apposition
stets in demselben Casus stehen muss wie das Substantiv, zu welchem sie
gesetzt ist. Er fehlte auch in der Landgrafengeschichte sehr vielemal
gegen dasselbe.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 395
die bessernde Hand des Verfassers, wenn er C. 18 ursprüng-
lich schrieb : 'ut Deum in sancto suo, cuius preces et suf-
fragia fidelibus in tota Alemania profutura spera-
bant, collaudarent', die gesperrten Worte dann strich und
dafür nur 'eis' setzte, weil er fortfuhr: 'et domino Deo
gracias agerent, qui fidelibus suis in tota Alemania
talem dedit sanctum et patronum'. Füge ich dann hinzu,
dass an den Rändern und, wo noch Raum war, im Texte
eine ganze Anzahl grösserer und kleinerer Zusätze von des
Schreibers Hand gemacht sind, dass eine Menge anderer
Correcturen von seiner Hand herrühren, so wird Jeder-
mann überzeugt sein, dass auch die Legenda in der Je-
naer Hs. Originalconcept des Verfassers ist. Baltzer meinte
freilich, sie um etlicher Schreibfehler willen (S. 130) für
eine Abschrift halten zu müssen. Ja, es finden sich darin
ziemlich viele Schreibfehler, aber es ist eine seltsame Mei-
nung, die man so oft wiederholt findet, dass Autoren in
Originalmanuscripten keine Schreibfehler machen durften.
Sie waren doch auch Menschen und konnten sich nicht in
eine Versicherung gegen Schreibfehler einkaufen K Aber
man muss sich auch sehr hüten, grobe Sprachfehler in den
Schriften dieses Mannes sowohl wie in denen vieler seiner
Geistesverwandten jener Zeit ohne weiteres für Schreibfehler
zu nehmen. Ich habe schon oben S. 380 bemerkt, dass er
mit der lateinischen Grammatik auf sehr gespanntem Fusse
stand. Richtige Satzbildung mit einer Participialconstruction
war für ihn schon ein Ding der Unmöglichkeit, und grobe
Flexionsfehler begeht er nicht einmal, sondern dieselben so
oft, dass man nicht mehr daran denken kann, sie für lapsus
calami zu halten. Diese Bettelbrüder hatten die hohe Bil-
dung, welche in der Kirche bestand, als ihre Orden ge-
stiftet wurden, um diese Zeit schon so weit herabgebracht,
dass von ihrer Diction bis zu der Stilistik der Epistolae
obscurorum virorum nur noch ein sehr kleiner Schritt
war
1) Vgl. z. B., was ich N. A. IX, 289 f. darüber bemerkt habe.
2) Unglaubliches an Sprachverhunzung leistet schon 40 Jahre vor unserem
Autor z. B. der Dominikaner Konrad von Halberstadt. Für den damaligen
Bildungsgrad der Dominikaner zu Eisenach mag folgendes Epitaph des
ersten Priors Elger von Honstein einen Massstab abgeben, das von einer
Hand des 15. Jahrh. f. 51' auf dem leer gebliebenen Seitenraum der Vita
Elgeri eingetragen ist:
Epithavium apta(!) sepulchro.
Comitis de Honsteyn hie iacet filius et frater l
Ordinis Predicatorum, cui nomen est Elgerus, 2
396 Oswald Holder - Egger.
Eben auch in der Unbehülflickkeit der Satzbildung,
in der Fehlerhaftigkeit seiner Sprache, kurzum überhaupt
in der Diction bleibt sich der Autor in der Landgrafen-
geschichte und in der Legenda völlig gleich. Ich will mir
aber ersparen, dieses sichere Ergebnis, dass er eben der
Verfasser beider Werke ist, auch vermittelst der Stilverglei-
chung beider Werke zu erhärten, bis es vielleicht Jemandem
einfallen wird, es anzufechten.
Jedoch noch eine interessante Anmerkung muss ich
machen: Kurz vor dem Ende der Legenda (f. 55) in der
ganz kurzen Vita fratris Heinrici de Wiszense wechselt die
Tinte, und von 'Item levato' an schrieb nun den Schluss
von wenigen Zeilen * sicher noch des Autors eigene Hand
und zwar genau mit derselben Tinte, mit welcher oben
f. 36. 36' in der Fortsetzung der Landgrafengeschichte die
vorletzte der, wie ich oben S. 383 annahm, noch von des
Autors eigener Hand später hinzugefügten Notizen (Pist.
C. 140. 'A. D. 1398 — alias curias raptorum') geschrieben
ist. Damit haben wir nicht nur die sichere Bestätigung,
dass in der That die oben besprochenen vier Absätze von
1396 — 1398 noch von des Autors Hand herrühren, sondern
zugleich auch das Datum, zu welcher Zeit er die Legenda
vollendete. Als er jene Notiz zu 1398 etwa gegen Mitte
dieses Jahres hinzufügte, schrieb er auch die letzten Zeilen
der Legenda.
Und mit derselben Tinte, mit welcher der Autor
diese letzten Zeilen hinzufügte, schrieb er auf f. 55' — 57' -
der Jenaer Hs. einen kurzen Tractat über die Tugenden
der ältesten Dominikaner zur Zeit der Ordensmeister Do-
minicus und Iordanus, den Michelsen a. a. O. S. 391 — 394
als Schlusstheil der voranstehenden Legenda herausgegeben
hat (von 'Temporibus duorum patrum' an). Er schied ihn
deshalb nicht von der Legenda 3, weil diesem Tractat schon
Ysenacensis domus prior primus, anima cuius 3
Requiem eteniam ac lucem habeat divam. 4
vel : Obiit anno Domini mille binios (!) centum 5
Additis quadraginta annis atque duobus. 6
Vel sie:
Virginis a partu hie annis obiit mille
Bis centum quadraginta tunc duobus elapsis.
Schöner haben auch die Viri obscuri nicht metrificiert und poeticiert.
1) Bei Michelsen S. 391 bis 'stöthet (so zu lesen) nicht den kelch umme1.
2) Auf dem leer gebliebenen unteren Raum von f. 55 trug eine spätere
Hand s. XV. Notizen über päpstliche Verordnungen betreffend Todten-
messen ein, die nichts mit dem vorhergehenden und folgenden zu thun
haben. 3) Richtiger erkannte Baltzer S. 125 f. den Sachverhalt. Dass
aber das Rubrum fehlt, sah schon Michelsen.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 397
die mit Minium einzutragende Ueberschrift fehlt. Aber
der ganze Tractat ist schon nicht mehr illuminiert, es fehlt
sogar das roth einzusetzende Anfangs -T (von Temporibus).
Daraus ist wiederum zu schliessen, dass der Schreiber, der
natürlich der Verfasser auch dieses Schriftchens ist, kurz
nach der Niederschrift derselben, also 1398/9, wie wir schon
oben fanden, gestorben ist, da er nicht mehr Zeit fand,
die letzte Hand daran zu legen. Und ferner ist auch
daraus zu schliessen, dass der Schreiber auch der Illumi-
nator der Hs. ist, wie wir bereits oben S. 384 annehmen
mussten.
Wiederum zweifellos von der Hand desselben Eise-
nacher Dominikaners, aber schon früher als die Legenda
und bald nach der Landgraf engeschichte geschrieben steht
f. 40 — 42 der Jenaer Hs. ein kurzer Tractat über die Grün-
dung des Dominikanerordens mit der Ueberschrift: vOrdo
fratrum Predicatorum ex cronicis et legendis sanctorum
taliter legitur esse institutus ab ecclesia', der bisher nicht
gedruckt, des Druckes auch kaum werth ist. Indessen hat
Baltzer S. 124 f. den Inhalt der Schrift angegeben. In
ihr finden sich keine die Originalniederschrift charakteri-
sierenden Correcturen, doch ist auch sie völlig in der Sti-
listik unseres Autors geschrieben. Und mit Hecht hat
Baltzer S. 126 bemerkt, dass dieser Tractat, die Legenda
und das letzte Schriftchen über die Tugenden der ältesten
Dominikaner nicht zufällig hier zusammengestellt sind,
sondern zu einander gehören, sich gegenseitig ergänzen
sollten. Daher dürfen wir unbedenklich auch den ersten
Tractat für ein Schriftchen des Autors der Landgrafen-
geschichte halten.
Bisher habe ich den üblichen Titel (Hist. de landgr.
Thur.) für das Hauptwerk unseres Autors festgehalten, ob-
wohl ich schon oben S. 376 bemerkte, dass er nicht zu-
trifft. Aber wir wissen auch, dass der Verfasser selbst sein
Werk anders benannte. Er selbst citierte es (oben S. 388)
im 8. Capitel der Legenda als Cronica. Nun liest man
in der Jenaer Hs. (f. 3 = p. 5) noch als Rest der ver-
stümmelten Minium - Ueberschrift 'Cronica', während ein
Wort folgte, das vernichtet ist. Aber auf dem zweiten
Schmutzblatt der Hs. steht zweimal von einer Hand des
17. Jahrh. geschrieben: 'Chronica Thuringorum'. Wir dürfen
mit Sicherheit annehmen, dass dieses der originale, damals
noch lesbare Titel des Werkes war. Und das wird zur Ge-
wissheit, wenn wir in Schedels Abschrift die Ueberschrift
finden: 'Incipit Cronica Thuringorum. De origine Thurin-
398 Oswald Holder -Egger.
gorum, Francorum et Saxonum' \ Wir haben das Werk
demnach zu benennen : 'Cronica Thuringorum auctore Prae-
dicatore Isenacensi'.
Kehren wir noch einmal zu den Fortsetzungen dieses
Werkes zurück, um festzustellen, dass, was in Pistorius'
Ausgabe von 1396 — 1426 (C. 138—162) als Schlusstheil
dieses Werkes gedruckt ist, keineswegs alles aus der Ori-
ginal-Hs. entnommen ist. Nach den noch vom Verfasser,
wie ich oben S. 383. 396 ausführte, allmählich hinzuge-
fügten vier Absätzen, die den C. 138,2 — 140 bei Pist. ent-
sprechen, haben drei verschiedene Hände Fortsetzungen
von 1398 (von lA. IX 1398. Gerhardus' an = C. 141) nur
bis zum Jahre 1412 allmählich hinzugefügt2. Dem Inhalt
dieser Fortsetzungen entsprechen wohl im allgemeinen die
C. 141 — 157 bei Pistorius, aber der originale Text ist hier
stark verändert, erweitert, verkürzt, mit Zusätzen versehen3,
und zwar nehmen die Abänderungen allmählich fortschrei-
tend zu, so dass endlich in den C. 155 — 157 der ursprüng-
liche Text zwar noch benutzt, aber fast nirgends mehr
wörtlich wiedergegeben ist. Die C. 158 — 162 (1414—1426)
bei Pistorius sind dann originale Fortsetzung eines Mannes,
der zwar auch in Thüringen schrieb 4, der sich aber viel
mehr um die allgemeine Reichsgeschichte kümmerte, als
die früheren Fortsetzer, deren Nachrichten fast ausschliess-
lich Thüringen und speciell Eisenach betreffen. Andere
Hss. ergeben noch andere Fortsetzungen, die ich, als meine
Zwecke zunächst nicht angehend, bei Seite gelassen habe.
Die noch vorhandenen Quellen, welche in unserer
Cronica Thuringorum benutzt sind, sind zum Theil schon
oben genannt. Es sind in erster Linie der Liber cronico-
1) 'De — Saxonum1 ist als Ueberschrift des ersten Capitels zu
fassen, die aber in der Original - Hs. nicht steht. 2) Und zwar schrieb
der erste der Fortsetzer zunächst Notizen von 1398 — 1401, dann setzte
der zweite mit einer Nachricht zu 1401 ein, aber danach fuhr wieder der
erste mit Notizen zu 1401. 1402 fort. Es folgte ein dritter mit zwei
Nachrichten zu 1403. 1404. Dann schrieb wieder der zweite Fortsetzer
den ganzen Rest von 1404 — 1412. Eine vierte Hand setzte nur am oberen
Blattrande eine Notiz über grossen Sturm im J. 1406 (nicht 1407) hinzu
(= C. 153, 2). Ich bemerke noch, dass auch zu dem Originalwerk in
früheren Abschnitten einige Nachrichten auf den ßlatträndern nicht von
dessen Verfasser, sondern von späteren Händen hinzugesetzt sind. 3) Solche
sind z. B. C. 151. 155, 2. Auch manche der letzten Capitel des originalen
Werkes sind in Pistorius' Text schon stark verändert, z. B. C. 131.
4) Ueber Eisenach hat er nichts mehr.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 399
rum Erford. und die Erfurter St. Peters - Chronik, ferner
die Sächsische Weltchronik in der Recension C \ der im
Verhältnis zu ihrem Umfange wenig entnommen ist, die
Chronik Martins von Troppau, wohl zweifellos auch die
Erfurter Chronica Minor, Dietrichs von Apolda Vita Eli-
sabeth. Einiges wenige stammt aus Lamberts Annalen.
Was unserem Autor diese Quellen für seinen Zweck, die
Geschichte Thüringens und vornehmlich von dessen Fürsten
zu schreiben, boten, hat er nicht nur in freier, sondern
meist in willkürlichster Weise verarbeitet, mit einer Unmasse
eigener Erfindung verbunden, welche theils dem Zwecke
der Verherrlichung Thüringens und seiner Fürsten diente,
theils zum Zweck der pragmatischen Verbindung der ver-
einzelt überlieferten Facta erdacht war. In der Willkür
solcher, im besten Falle auf Vermuthung beruhender Er-
findungen leistet er grossartiges, und dabei kümmert er
sich wenig um die Wahrung der richtigen Zeitfolge der
berichteten Ereignisse. Oft zwar übernimmt er die Jahr-
angaben seiner Quellen, aber es kommt ihm garnicht darauf
an, solche auch, sei es aus Nachlässigkeit, sei es aus Will-
kür, zu verschieben. Braucht er eine Jahrangabe und findet
sie in seinen Quellen nicht, so setzt er eine solche nach
Gutdünken an. Wir haben schon an einzelnen Beispielen
die wenig lobenswerthe Arbeitsweise unseres Mannes kennen
gelernt, und beschränken uns hier auf diese allgemeine
Bemerkung. Aber nicht nur aus diesen geschriebenen
Quellen, sondern auch aus echt sagenhafter Tradition hat
der Verfasser an einigen Stellen geschöpft, so namentlich
zwei sehr berühmt gewordene Geschichten von Landgraf
Ludwig dem Eisernen 2 dieser entnommen.
Dass der Liber cron. Erford. in der Cronica Thurin-
gorum benutzt ist, hat O. Posse nachgewiesen 3, doch meinte
er annehmen zu müssen, dass diese Quelle neben dem
Chron. Reinhardsbrunn. ausgeschrieben sei. Aber diese für
die Ausgabe des letzteren sehr wichtige Frage, welche der
genauesten Untersuchung unterzogen werden musste, ist
durchaus zu verneinen. Wie bekannt, ist der Theil des
Liber cron. von 1015 — 1294 Excerpt aus dem Chron. Rein-
hardsbrunn, mit wenigen Zusätzen. Es stellt sich nun
heraus, dass alles, was in der Cron. Thuring. sicher auf
Chron. Reinhardsbrunn, zurückgeht, sich auch im Liber
1) Wie L. Weiland, Deutsche Chron. II, 62 bereits bemerkte.
2) Pist. C. 20. 21 = C. 14, § 2. 3. 3) Die Reinhardsbrunner Geschichts-
bücher S. 26 f.
400 Oswald Holder -Egger.
cron. findet, dass alle aus jener Urquelle geflossenen Nach-
richten in der Cron. Thuring. in solcher Form vorliegen, dass
sie sich stets dem mannigfach abgeänderten und stark ver-
kürzten Wortlaut des Liber cron. viel mehr nähern als der
ursprünglichen Quelle. Um das strict nachzuweisen, müsste
ich sämmtliche der in Betracht kommenden Stellen der
drei Chroniken hier zusammenstellen. Da aber eine solche
Raum- und Zeitverschwendung nicht wohl zulässig ist,
muss hier die Versicherung genügen, dass es sich so verhält,
dass nur der Liber cron. Quelle der Cron. Thuring. für
die sicher aus Chron. Reinhardsbrunn, stammenden Nach-
richten ist.
Freilich zeigen nun auch einige Nachrichten der Cron.
Thuring., welche sich nicht im Liber cron. finden, eine ge-
wisse Verwandtschaft mit solchen des Chron. Reinhards-
brunn. Aber sie ist nur der Art, dass man unmöglich
ihretwegen Benutzung des letzteren in jener annehmen
darf. Zum ersten Mal zeigt sie sich in dem hübschen Ge-
schichtchen von Ludwigs des Springers Sprung in die Saale
vom Giebichenstein. Diese ist im Liber cron. aus Chron.
Reinhardsbrunn, zwar aufgenommen, aber sehr stark ge-
kürzt. Nun ist zwar, wie über allen Zweifel klar erhellt,
gerade dieser gekürzte Wortlaut in Cron. Thuring. C. 15
(= C. 12, § 4) benutzt, aber auch wieder erweitert durch
den Zusatz, dass Graf Ludwig einen Diener mit zwei
Pferden zu seiner Rettung an den Saalefluss beordert hatte,
dass der Graf mit einem weiten Kleide bei dem Sprunge an-
gethan war und bei wehendem Winde (welcher sich in das
Kleid setzte, durch diesen getragen) den Sprung glücklich
vollzog. Aehnlich wohl, aber doch wesentlich anders er-
zählt Chron. Reinhardsbrunn.1 Da sieht der Graf seinen
Diener (den er keineswegs dorthin bestellt hatte) zufällig
jenseit der Saale mit des Grafen eigenem Streitross, dem
Schwan, (nicht mit zwei Pferden) sich dem Flussufer
nähern. Auch hier glückt der Sprung dadurch, dass des
Grafen Festkleider, die er absichtlich unter einem Vorwande
angezogen hat, sich dabei ausbreiten. Aber im Wortlaut
findet sich zwischen beiden Quellen keine Uebereinstimmung.
Unmöglich konnte der Eisenacher Dominikaner, falls er
diesen poetischen und reich ausgemalten Bericht benutzte,
seinen viel farbloseren an dessen Stelle setzen. Man sieht,
die Sage war ihm bekannt, er vervollständigte seine Quelle
nach der mündlichen Ueberlieferung, der er auch sonst
1) Wegele S. 13, wo freilich der Text sehr verdorben ist.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 401
zuweilen folgte, und kam dadurch mit Chron. Reinhardsbr.,
wo die Sage zuerst schriftlich überliefert ist, in einigen
Punkten überein.
Der Verfasser des Liber cron. nennt unter den Kin-
dern des ersten Landgrafen Ludwig nur eine Tochter des-
selben 1, die allein für ihn Interesse hatte, weil sie ein
Kloster gestiftet haben sollte und dessen Aebtissin ge-
worden war, obgleich seine Quelle, das Chron. Reinhardsbr.'-,
vier Töchter des Landgrafen aufzählte. Wiederum ist Liber
cron. Erford. die Quelle für die Angaben über die Familie
des ersten Landgrafen in der Cron. Thuring.3 C. 18 (= C. 13,
§ 1), aber diese nennt zwei Töchter und sagt durchaus
richtig: 'Item genuit filiam Ceciliam, que duxit ducem
Bohemie' und kommt darin mit Chron. Reinhardsbrunn,
überein. Aber woher jener richtige Zusatz auch entnom-
men sein mag, sicher ist doch, dass der Eisenacher Autor
ihn nicht aus Chron. Reinhardsbrunn, entlehnt haben kann.
Denn dort heisst es ja: 'suscepit . . . IUI01' filias, quarum
una Cecilia nupsit Udalrico illustri duci Bohemie'. Sowie
er sich an diese Quelle wandte, musste er, dem es so sehr
um die Mitglieder des Landgrafenhauses zu thun war, ihr
entnehmen, dass der Landgraf vier Töchter, nicht zwei,
hatte.
Die kurze Angabe des Chron. Reinhardsbrunn.4, dass
die Leiche des Landgrafen Ludwig des Eisernen von seinen
Rittern nach Reinhardsbrunn zur Beisetzung getragen
wurde, ist in der Cron. Thuring. C. 21 (= C. 14, § 3) zu
1) GQ. der Provinz Sachsen I, 204. 2) Wegele S. 24. 3) Nur
hat der Eisenacher Dominikaner einen für ihn höchst charakteristischen
Zusatz gemacht. Seine Quelle enthielt keine Angabe darüber, woher
Hedwig, die Gemahlin des Landgrafen Ludwigs I, stammte. Aber wohl
fand er in dieser Quelle, dass Kaiser Lothar Ludwig zum Landgrafen er-
hoben hatte. Alles fügte sich schön, wenn er die Hedwig zur Tochter
des Kaisers machte, dann hatte er eine so illustre Dame, wie eine Kaiser-
tochter, mehr in den Stammbaum des Landgrafenhauses eingereiht, und
erklärt, warum der Kaiser Ludwig beförderte. Der musste doch für seinen
Schwiegersohn sorgen. Also wurde bei ihm Hedwig zu einer Tochter des
Kaisers Lothar. — Auch bei anderer Gelegenheit erfand sich der Autor
die Abkunft einer Dame des Landgrafenhauses. Adelheid, die Gemahlin
Ludwigs des Springers, Wittwe Pfalzgraf Friedrichs von Sachsen, war,
wie Chron. Reinhardsbrunn, angiebt, eine Tochter Markgraf Udo's von
Stade (von der Nordmark). Diese Angabe Hess der Liber cron. weg.
Daher wusste das der Autor der Cron. Thuring. nicht (beiläufig : ein schla-
gendes Beweismoment, dass er Chron. Reinhardsbr. nicht gekannt hat)
und machte sie zur Tochter eines Herzogs von Sachsen. Nun las er bei
Martin von Troppau, dass der Gegenkönig Rudolf Herzog von Sachsen
gewesen sei. Also machte er diesen und jene Adelheid zu Geschwistern.
So arbeitete dieser Biedermann ! 4) Wegele S. 37.
402 Oswald Holder -Egger,
einer sagenhaften Erzählung ausgesponnen, dass der Land-
graf seine ehedem widerspenstigen, von ihm aber gebän-
digten Edeln vor seinem Tode verpflichtet hätte, das zu
thun. Man kann aber nicht im mindesten daraus folgern,
dass der Autor hier das Chron. Reinhardsbrunn, benutzte.
Uebereinstimmend zwar mit Chron. Reinhardsbrunn.1
nennt Crom Thuring. C. 22 (= C. 15, § 1) drei Söhne des
Landgrafen Ludwigs IL, aber auch hier kann ersteres nicht
Quelle der letzteren sein, denn diese sagt ausdrücklich :
'Ludowicus . . . reliquid tres filios', während dort vier
Söhne und eine Tochter Ludwigs IL genannt werden, und
zwar stehen in den beiden Quellen die Söhne in anderer
Reihenfolge.
Sehr auffällig ist dann aber folgende Uebereinstim-
mung der beiden Quellen. Ueber die unglückliche Fürsten-
versammlung zu Erfurt im J. 1184, bei welcher durch Ein-
sturz des Bodens mehrere Grafen und Edele zu Tode
kamen, berichtet Cron. Thuring. C. 27 (= C. 15, § 6) im
wesentlichen nach der St. Peters - Chronik. Aber während
diese unter den Verunglückten nennt2: 'Heinricus comes
Thuringie, Gozmarus comes Hassie', sagt Cron. Thuring. :
'comes Hassie, scilicet Gotzmannus de Zcegenhajn,
comes Heynricus de Swarzcborg, qui causa tocius
discordie erat', wie Chron. Reinhardsbrunn.3: 'Heinri-
cus de Swartzborg, tocius incentor discordie, . . . Gozmarus
de Czegenhagin'. Hier bleibt in der That kaum etwas an-
deres übrig, als anzunehmen, dass die Angaben von Cron.
S. Petri und Reinhardsbrunn, compiliert sind.
Auch in dem nächsten Paragraphen der Cron. Thuring.
(C. 28) findet sich Uebereinstimmung mit dem letzteren.
Da wird übereinstimmend mit Chron. Reinhardsbrunn. S. 51
gesagt, dass Landgraf Ludwig III. in Eisenach eine Kirche
zu Ehren S. Georgs 4 bauen Hess. Daran schliesst sich ein
kurzer Bericht, dass er auf dem Kreuzzuge mit Hilfe des
ihm vom Himmel dargebotenen 'vexillum S. Georgii' die
Sarracenen besiegt habe. Eine ausführliche Erzählung des
Sieges mit Hilfe des 'vexillum S. Georgii' steht auch an
der citierten Stelle des Chron. Reinhardsbrunn., die aber
nur im allgemeinen mit jener übereinstimmt. Wiederum
müsste es Wunder nehmen, dass der Eisenacher Autor sich
nicht mehr aus dieser langen Erzählung angeeignet und
1) Wegele S. 32. 2) Stübel S. 41. 3) Wegele S. 41 f.
4) 'quem multum coluit' in Cron. Thuring. ; 'quem ipse princeps multum
venerabatur' im Chron. Reinhardsbrunn.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 403
überhaupt so wenig über den Kreuzzug Ludwigs III., nach
Liber cron. Erford. nämlich, berichtet hätte, über welchen
so reiche Nachrichten im Chron. Eeinhardsbrunn. standen,
wenn er dieses zur Hand gehabt hätte. Und was er nun
weiter über die Fahne S. Georgs erzählt, dass diese nach
Tharant gebracht, von dort durch das Fenster ostwärts
entschwunden sei, steht überhaupt nicht im Chron. Eein-
hardsbrunn. Daher ist auch die direkte Benutzung dieser
Quelle durch den Eisenacher Autor für die vorangehende
Erzählung durchaus unwahrscheinlich.
Am merkwürdigsten stimmt aber mit Chron. Eein-
hardsbrunn. S. 37 überein, was in der Cron. Thuring. so-
gleich folgt: 'Hie (Ludewicus III.) lantgravius de uxore
sua Margareta, filia ducis Austrie, non habuit filios', wäh-
rend es in jenem heisst: 'Hie . . . ducis Austrie filiam,
famosissimi pene nostrorum temporum viri, duxit uxorem.
Cuius tarn caste usus est coniunecione, ut vix crederetur
eam umquam cognovisse'. Aber die erste Gemahlin Lud-
wigs III. war durchaus keine Tochter eines Herzogs von
Oesterreich (sondern eines Grafen von Cleve), und wie Posse
a. a. O. S. 48 f. nachgewiesen hat, ist die ganze Stelle des
Chron. Eeinhardsbrunn. ein Plagiat aus Ekkehards Chronik
1099, indem hier auf den Landgrafen bezogen ist, was dort
von König Konrad, Heinrichs IV. Sohn, gesagt wird. Nur
die Worte 'Euotkeri ducis Siciliae' sind hier durch 'ducis
Austrie' ersetzt. Also muss doch die falsche Angabe der
Cron. Thuring. auf diese Stelle der Eeinhardsbrunner
Chronik zurückgehen 1. Gewiss, das ist höchst wahrschein-
lich, aber sicher auch, dass der Eisenacher Autor diese
auch hier nicht benutzt hat. Den richtigen Namen Mar-
gareta der Gemahlin Ludwigs, welche die Cron. Thuring.
hat, kennt der Eeinhardsbrunner Chronist nicht. Wiederum
hat der erstere, dessen Tendenz es doch ist, die Landgrafen
zu verherrlichen, nichts von den reichen Lobsprüchen,
welche der letztere hier dem Landgrafen ertheilt 2, und
Wortübereinstimmung findet sich hier zwischen den beiden
Quellen überhaupt nicht. Und, was das wichtigste ist,
hiermit sind schon alle Nachrichten der Cron. Thuring.
erschöpft, welche auf Chron. Eeinhardsbrunn. zurückgeführt
werden müssten oder könnten, und die ihr nicht durch
1) Auch darin stimmen beide Quellen überein, dass sie nur die
erste Gemahlin Ludwigs III. kennen, von der zweiten, der dänischen
Sophie, nichts wissen. 2) Da sie nämlich im Liber cron. Erford. über-
gangen waren.
404 Oswald Holder -Egger.
Liber crem, vermittelt waren. Es ist nun ganz undenkbar,
dass der Eisenacher Dominikaner, welcher sich eifrig be-
mühte, Stoff für seine Thüringische Geschichte aus ver-
schiedenen Werken zu sammeln, so wenig den für seinen
Zweck so überaus reichhaltigen Berichten des Chron. Rein-
hardsbrunn, entnommen hätte, wenn er es gekannt hätte.
Daher werden wir annehmen müssen, dass sich unter seinen
Quellen eine befand, welche noch neben dem Liber cron.
dürftige Excerpte aus der Reinhardsbrunn er Quelle bot.
Diese können in einem besonderen Werkchen gestanden
haben, sie können aber auch in eins der von ihm benutzten
Bücher interpoliert gewesen sein. Irgend eine Vermuthung-
darüber Hesse sich schwerlich begründen.
K. Wenck, der einen Theil des Liber cron. Erford. aus
der Leydener und Wiesbadener Hs. herausgab \ urtheilte
mit vollkommenem Recht S. 198, dass eine Anzahl von
Nachrichten, welche sich nur in der letzteren Hs. finden 2,
spätere Zusätze sind. Er vermuthete, sie seien Annalen
von St. Marien zu Erfurt entnommen, und da er verwandte
Nachrichten auch in der Cron. Thuring. fand, so meinte er
S. 202, Benutzung dieser verlorenen Quelle auch in den
Eisenacher Landgraf engeschichten annehmen zu müssen.
Da sehen wir zunächst von der Hist. de landgr. Eccard.
ab, und fragen nur, ob sich für die Cronica Thuring.
diese Meinung bestätigt, denn, was möglicherweise für eines
der beiden Werke gilt, braucht noch nicht für das andere
zuzutreffen.
Einer der Zusätze der Wiesbadener Hs. lautet zum
Jahr 1214 3: 'Eodem tempore rex Otto cum rege Francie
fugatus est de Thuringia per comites et nobiles terre'.
Diesen greulichen Unsinn kann der Interpolator schwerlich
älteren Annalen so entnommen haben, er wird vielmehr
seinerseits erst eine Notiz missverstanden und so greulich
entstellt haben, welche besagte, dass Otto im Jahr 1214
vom Könige von Frankreich (bei Bouvines) geschlagen und
zur Flucht genöthigt wurde. Nun hat die Cron. Thuring.
C. 34 (= C. 16, § 6) folgenden Passus4: Tostea Otto, ad-
iuncto sibi regi Francie, absente Friderico imperatore,
1) Zeitschrift für Thuring. Gesch. N. F. IV, 187 ff. 2) Sie steheo
auch nicht in der Mayhinger, Breslauer, Wiener Hss., welche ich colla-
tionierte. Auf Benutzung der Wolfenbüttler Hs., Heimst. 329, welche
dasselbe Werk enthält, habe ich bisher verzichten müssen, da von Seiten
der Leitung dieser Bibliothek der Versendung von Hss. leider noch immer
die grössten Schwierigkeiten entgegengesetzt werden. 3) Wenck S. 229.
4) Welchen Wenck selbst zu dieser Stelle anführte.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 405
iterum Thuringiain veniens, ipsam devastando, quos Her-
mannus lantgravius de terra cedere conpulit' K Also ge-
nau derselbe Unsinn kehrt hier wieder, dass Otto mit dem
Könige von Frankreich aus Thüringen vertrieben wurde.
Dass an die Stelle der 'comites et nobiles' der Wiesbadener
Hs. hier der Landgraf Hermann tritt, ist bei diesem Autor,
der bestrebt ist, jede tapfere That seinen Landgrafen zu-
zuschreiben, ziemlich selbstverständlich. Die Abänderung
des Wortlautes der Quelle ist Regel bei ihm. Da wir nun
wissen, dass er den Liber cron. viel benutzte, ist doch ein-
fach anzunehmen, dass er eine Hs. hatte, in welcher die
Interpolationen des Wiesbadener Codex schon standen.
Auch kurz vorher in demselben Capitel der Cron. Thuring.
ist schon die Benutzung einer dieser Interpolationen deut-
lich wahrnehmbar. Denn eine solche zum J. 1212 (Wenck
S. 229) lautet: 'Otto rex Romanorum Salza opidum
cum castro expugnavit et civitatem Wisense
obsedit per sex septimanas'. Und dem zufolge in der
Cron. Thuring. : 'Hoc audiens Otto rex2 depositus collegit
exercitum et opidum Salzca cum castro expungnavit
et civitatem Wiszense obsedit', während die dritte
Quelle unseres Dominikaners, die Cron. S. Petri, welche
die Sache ebenfalls berichtet, einen stark abweichenden
Wortlaut bietet.
Eine dritte Interpolation der Wiesbadener Hs. lautet
1) Er lässt dann die beiden Könige noch einen weiteren Zug unter-
nehmen, indem er fortfährt: 'et terram orientalem Mysne contra mar-
chionem Theodericum intraverunt, ubi propter metum civitas Lipcz re-
cessit a marchione'. Dafür ist die einzige Quelle Sachs. Weltchronik C. 352 :
'Darna karde Libzeke van deme marcgreven Diderike van Misne'. Da er
in dem Zusatz des Liber cron. las, die beiden Könige seien aus Thüringen
vertrieben, und dazu diesen Satz der Sachs. Weltchronik hielt, conjicierte
er in seiner Weise, die Könige seien von Thüringen in die Markgrafschaft
Meissen gezogen, das sei der Anlass zum Abfall von Leipzig gewesen. Ich
brauche nicht zu sagen, dass das völliger Blödsinn ist. Die Worte des im
Texte angeführten Satzes 'absente Friderico imperatore', 'ipsam devastando'
entnahm der Autor wahrscheinlich demselben Capitel der Sachs. Welt-
chronik, wo es kurz vorher heisst : 'Darna ret de keiser Otto mit here to
Mersburch, dar de koning Vrederic enen hof hadde geleget. Den werede
he unde brande dat lant to Doringen', obgleich er, was über die Ge-
fangennahme des Grafen von Käfernburg dort folgt, schon oben vorweg
genommen hat. Er hat eben die Capitel über die Thüringischen Feldzüge
der Könige Philipp und Otto in wirrster Weise aus Cron. S. Petri, Liber
cron. und Sachs. Weltchr. zusammengestoppelt. Der beste Beweis, dass er
die reichen Berichte des Chron. Reinhardsbrunn. über diese Dinge nicht
kannte. 2) Die Quelle des vorigen bis hier ist Sachs. Weltchronik
C. 348, wo es heisst: 'Do de keiser dit orloge vernam, he vor wider to
lande unde belach Wizense'.
Neues Archiv etc. XX. 27
406 Oswald Holder - Egger.
(Wenck S. 230) : 'A. D. 1250. fratres x habentes conveutum
in Gotha transtulerunt se et cesserunt domui sue, quibus
sanctimoniales successerunt. . . . Eodern anno fratres Mi-
nores in Arnstete fecerunt cenobiurn'. Und in Cron.
Thuring. C. 51 (= C. 18, § 11), wo aber das Jahr 1246
vorhergeht2, heisst es: 'Eodem anno fratres Minores ha-
bentes conventurn in Gotha transtulerunt se in Arnstete,
quibus successerunt Augustinenses fratres'3. Ich
kann nicht zweifeln, dass diese Notiz aus jenen zwei Nach-
richten des Wiesbadener Codex zusammengezogen und irrig
abgeändert ist. In der That ist das Cistercienser Nonnen-
kloster, wie aus einer Urkunde hervorgeht, um 1251 ge-
gründet4, das Jahr 1250, welches die Interpolation angiebt,
kann durchaus richtig sein5. Die Augustiner kamen aber
nicht schon im J. 1250 (oder gar 1246) nach Gotha, son-
dern erst im J. 1258 traten ihnen eben die Cisterzienser-
nonnen eine Kirche ab, in der sie sich ansiedelten'1. Der
Eisenacher Dominikaner, der von dem Augustinerkloster in
Gotha wusste, hat einen vermeintlichen Irrthum seiner
Quelle irrig abgeändert. Da wir also drei der wenigen
Interpolationen des Wiesbadener Codex in der Cron.
Thuring. benutzt finden, so können wir nicht zweifeln, dass
der Codex, welchen der Eisenacher Dominikaner hatte,
eben diese Interpolationen schon enthielt. Und sonst
dürfte es schwer halten, in der Cron. Thuring. Nachrichten
aufzufinden, welche auf jene verlorenen Erfurter Annalen.
deren Benutzung Wenck annahm, zurückgeführt werden
könnten oder müssten.
Allerdings finden wir in der Cron. Thuring. für die
zweite Hälfte des 12. und das 13. Jahrh. Nachrichten,
welche auf eine verlorene Quelle zurückgehen müssen.
Diese war aber keine Erfurter. Die erste dieser Nach-
richten, für deren Richtigkeit man freilich nicht einstehen
kann, ist, dass die Aebtissin Adelheid von S. Nicolai zu
Eisenach im Jahr 1151 gestorben sei7. Es folgen Notizen
über Gründung der Cisterzienserklöster zu Walkenried,
1) Ob 'Minores' ausgefallen ist? 2) Ich bemerkte schon oben
S. 399, dass der Eisenacher Autor Jahrzahlen oft in der nachlässigsten
und willkürlichsten Weise verschiebt. 3) Nie. von Siegen ed. Wegele
S. 358 hat das mit einiger Wortveränderung abgeschrieben und hinzu-
gesetzt: 'videlicet de Erfurdia'. 4) Siehe J. H. Möller in Zeitschrift
für Thuring. Gesch. IV, 47 f. 5) Denn nach der Urkunde von 1251
waren die Nonnen damals schon in Gotha und im Besitz ihrer Kirche.
6) Vgl. Möller a. a. O. IV, 259. 7) Wenn ihr auch eine vom Verfasser
gesehene Grabsteininschrift zu Grunde liegen könnte, ist sie doch unglaublich.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 407
Volkenrode, Georgenthal, Ichtershausen, deren Jahrzahlen
aber sänimtlich falsch sind. Zwei von ihnen könnten, wenn
man Verderbnis der Zahl annimmt, auf die Chron. Minor,
zurückgehen. Die Angabe (C. 19 = C. 14, § 1), dass Land-
graf Ludwig II. seine Gemahlin Jutta im Jahr 1150 ge-
heirathet habe, ist wohl sicher vom Autor erfunden 1. Da-
gegen müssen sicher zwei Notizen in C. 29 (= C. 16, § 1)
ohne Jahrangabe über Belagerung des Schlosses Orlamünde
durch Heinrich VI. 2 und Wasserarmuth der Unstrut aus
einer unbekannten annalistischen Quelle geschöpft sein.
Ueber Sophie, die erste Gemahlin des Landgrafen Her-
mann, macht der Autor C. 30 (= C. 16, § 2) Angaben, welche
sicher falsch sind. Ich werde sie in einer Beilage zum
zweiten Theil dieser Studien besprechen. Alter Quelle
entstammt noch die Notiz über Gefangennahme des Grafen
von Orla-münde zu 1214 3, über den Tod Hermanns, des
Sohnes des Landgrafen Hermann, zu 1216, über die Heirath
des Landgrafen Heinrich zu 1240 (richtig 1238). Neben
diesen Thüringischen Nachrichten, deren Entstehungsort
nicht angegeben werden kann, treten dann aber vom Jahr
1235 an Nachrichten auf, welche mit Sicherheit auf Be-
nutzung von älteren Aufzeichnungen der Dominikaner von
Eisenach deuten. Dürftige ältere Thüringische Annalen,
welche dorthin gekommen sein können, mögen hier fort-
gesetzt sein. Es ist aber sehr schwer, bei der Arbeitsweise
dieses Autors über das uns unbekannte Quellenmaterial,
was ihm zu Gebote gestanden, ins Klare zu kommen.
Sicher war es nicht bedeutend.
Bisher habe ich die zweite sogenannte Landgrafen-
geschichte, welche J. G. Eccard herausgab, ganz bei Seite
gelassen. Wir werden jetzt erst festzustellen haben, wie
sie sich zu der Eisenacher Cronica Thuringorum verhält.
E. von Liliencron 4 bezeichnete diese einfach als Quelle
der Eccardiana, indem er von dieser eine Quellenanalyse
1) Da im Liber cron. Erford. das Todesjahr des Landgrafen Lud-
wigs I. (1140) aus der Reinhardsbrunner Quelle nicht übernommen war,
so setzte er dessen Tod ganz falsch und willkürlich zu 1149 an, obgleich
er das richtige Jahr in der Cron. S. Petri finden konnte. Im folgenden
Jahr Hess er dann dessen Sohn heirathen. 2) In wie weit der Autor
sie verunstaltet hat, wann sie anzusetzen sei, lasse ich dahin gestellt.
3) Vgl. Chron. Reinhardsbrunn. S. 142 zu 1215. 4) Vorrede zu des
Johann Rothe Düringischer Chronik, Thür. GQ. III, xiv ff.
27*
408 Oswald Holder -Egger.
gab. Diese Ansicht bat dann K. Wenck 1 lebhaft bekämpft,
meinte vielmehr eine gemeinsame Quelle, 'eine ursprüng-
lichere Fassung der Eisenacher Dominikanerchronik' an-
nehmen zu müssen, welche beiden Werken zu Grunde läge.
Ich brauche mich mit der Widerlegung dieser irrigen Mei-
nung nicht aufzuhalten, sondern kann gleich positiv das
richtige Verhältnis darlegen, da man, sowie man das hand-
schriftliche Material heranzieht, sofort erkennt, wie die
Sache liegt, und Wencks Bedenken, die er von Liliencron
gegenüber erhebt, sogleich durch dieses beseitigt werden.
Eine hochinteressante und sehr werthvolle Hs. ist die
der Königlichen Bibliothek zu Dresden K 316 a. Diese
Papierhandschrift in klein Quarto ist um das Jahr 1442
im Minoritenconvent bei Eisen ach geschrieben. Die ersten
42 Blätter, welche sie ehemals enthielt, sind jetzt daraus
entfernt. Nach dem leeren Blatt 43 folgt f. 44—132' die
Cronica Thuringorum des Eisenacher Dominikaners. Diese
reicht hier aber nur bis zum Jahr 1350 (Pist. C. 105 bis
'absoluti sunt a pena et a culpa'). Es folgen unmittelbar
danach mit der Ueberschrift in Schwarz: 'Ortum (!) filiorum
nostri fundatoris' auf f. 132'. 133 Notizen über Geburt und
Tod der Söhne des Markgrafen Friedrichs des Ernsthaften
von Meissen2, des Gründers des Eisenacher Minoritencon-
vents zu S. Elisabeth, und danach noch eine Notiz über
Jubiläen zu Prag und Meissen in den Jahren 1393. 1394.
Bis hierher ist alles von einer Hand des XV. Jahrh. ge-
schrieben. Daran fügte aber eine andere Hand f. 133' —
137' eine Geschichte der Gründung des Minoritenconventes
zu S. Elisabeth und eine Schilderung der Thätigkeit von
dessen Guardianen bis 1442. In der letzten Partie machte
der Verfasser auch über sich selbst Mittheilungen 3. Diese
Hand schrieb in nicht leicht lesbaren, cursiven Zügen mit
zahllosen Compendien. Das ist wohl der Grund, dass dieses
interessante Stück und das, was folgt, noch nicht bekannt
gemacht worden ist. Dieselbe Hand schrieb nämlich auf
f. 138 — 194 eine Chronik von 1036 — 1353, welche auf das
1) Entstehung der Reinhardsbr. Geschichtsbücher S. 59 ff. 2) Da
auch der Tod Balthasars erwähnt ist, reichen sie also bis zum J. 140(3
hinab. 3) Das Stück schliesst mit den Worten: 'Anno Domini 1441.
invitatus per dominum abbatem de Reynersborn super festo nativitatis vir-
ginis gloriose, mortuus est equus meus, qui valuit 24 flor.' Als ich diese
Hs. benutzte, dachte ich noch nicht, mich so weit auf die Landgrafen-
geschichten einzulassen, ich habe daher nicht ermittelt, wer der Verfasser
dieses Stückes ist, was sich wohl bei genauerer Untersuchung ergeben
dürfte.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 409
engste mit der Erfurter St. Peters - Chronik verwandt ist.
Wir werden uns mit ihr in einem folgenden Abschnitt zu
beschäftigen haben. Als Fortsetzung dieser Erfurter Chro-
nik schloss dieselbe Hand ohne Zwischenraum oder Ueber-
schrift daran den zweiten Theil der Eisenacher Cronica
Thuringorum von 1351 an (Pist. C. 106), also von da an,
bis wohin die erste Hand sie abgeschrieben hatte. Es ist
über allem Zweifel sicher, dass die beiden Theile des
"Werkes hier nur durch die Willkür der Schreiber aus-
einander gerissen sind. Es erhellt durch tausend Merk-
male, dass auch diese Hs. des Werkes aus der Jenaer Ori-
ginal-Hs. geflossen ist. Sie enthält also eine vollständige
Abschrift des Werkes, nur dass einige Randnoten des Ori-
ginals schon im ersten und besonders im zweiten Theil
fehlen *. Und zwar ist nicht nur das ursprüngliche Werk
des Dominikaners bis 1395 vollständig copiert, sondern auch
dessen eigene Fortsetzung von 1396 — 1398 2 und die Fort-
setzungen der drei folgenden Hände des Originals von
1398—1402 mit abgeschrieben. Aber in den letzteren ist
schon viel abgeändert, einiges fortgelassen, dafür ein län-
gerer Zusatz zum J. 1398 und anderes eingeschoben. Man
sieht: derjenige, welcher diese Aenderungen machte, war
sich bewusst, vom J. 1398 an nicht mehr das ursprüngliche
Werk vor sich zu haben, daher änderte er hier freier.
Auch die in der Dresdener Hs. folgenden Nachrichten
zu den Jahren 1404 — 1407 zeigen noch einige Verwandt-
schaft zu den entsprechenden Originalzusätzen der Jenaer
Hs., diese sind aber in jenen gänzlich umgestaltet und be-
reichert. Die dann folgenden kurzen Nachrichten zu 1408
— 1414 zeigen mit denen der Jenaer Hs. keine Verwandt-
schaft mehr. Daraus, dass die dieser Hs. eigenthümlichen
Zusätze nur bis zu dem angegebenen Jahr reichen, ersieht
man schon, dass dieser erst um 1442 geschriebene Codex
nicht direct aus der Jenaer Hs. copiert, sondern dass er
Abschrift einer Copie ist, welche von dem Original schon
zu Anfang des 15. Jahrh., wahrscheinlich 1409/10 3 von
1) Im zweiten Theil sind die Rubra weggelassen. Doch hat der
Schreiber eines derselben aus Versehen im Text mit abgeschrieben.
2) Nur in der letzten Notiz seiner Hand ist einiges weggelassen. 3) Denn
zum J. 1408 stehen noch drei, zum J. 1409 noch eine Nachricht. Dann
folgt: 'Anno M°CCCCXniT0 heretici conbusti fuerunt prope Sangerhusen
flagellatores. Anno M°CCCCX° prelium inagnum fuit in festo divisio-
num (!) appostolorum a rege Poloniorum et dominis de ordine Thetuni-
corum, qui occubuerunt et interfecti fuerunt ultra C milia'. Die Notizen
zu 1414. 1410 waren also vermuthlich in der Vorlage der Dresdener Hs.
später nachgetragen.
410 Oswald Holder -Egger.
dein Original genommen wurde. Und das finden wir nun
sofort durch weitere Bemerkungen bestätigt.
Die erste Hälfte der Cronica Thuringorum in dieser
Hs. ist sehr viel reicher als das Jenaer Original. Es findet
sich in ihr eine Fülle von Zusätzen, die, zum Theil sehr
umfangreich, mehrere Seiten füllen, zuweilen nur aus we-
nigen Sätzen oder Worten bestehen, zuweilen nur ein
Tagesdatum sind. Die Quellen dieser Zusätze sind: Die
Chronik von Reinhardsbrunn, welche der Eisenacher
Dominikaner nicht kannte. Ihr sind weitaus die meisten
und umfangreichsten Zusätze entnommen. Ferner die Er-
furter St. Peters - Chronik 1, der Liber cronicorum Erford.,
die Chronica Minor (mit den Zusätzen der Hs. B 2) 2, der
Dialogus Miraculorum des Caesarius von Heisterbach, an
einer einzigen Stelle die Chronik Martins von Troppau.
Einige wenige der letzten Zusätze 3 sind überhaupt sonst in
keiner Quelle nachweisbar. Einige dieser Zusätze beweisen,
dass sie in Eisenach und zwar verrnuthlich im Minoriten-
convente daselbst hinzugefügt sind. Die Geschichte vom
Sängerkrieg auf der Wartburg ist schon hier in die Cron.
Thuring. eingefügt. Da hat der Interpolator nun den Eise-
nacher Lokalzusatz über den Stein in der Dinster Kenmate
hinzugefügt, der in der Hist. Eccard. c. 409 übernommen
ist4. Zum J. 1222 machte er einen Zusatz über den Guss
einer neuen Glocke zu Eisenach, 'que terribilem sonum
habet' 5. In C. 60 (= C. 19, § 6) ist hinter 'et civitatem
Ysenacensem cepit' eingeschaltet: 'in nocte conversionis
sancti Pauli retro claustrum Minorum'. In C. 88 (= C. 21,
§ 11) ist eingefügt: 'A. D. M°CCCXVII. Turris et aula in
Wartberg per ignem fulminis in tectis cremate sunt'. Zu
C. 93 (= C. 22, § 3) findet sich der Zusatz : 'A. D. MCCCXXI
(zu lesen 1331) fundata est capella sancte Elizabeth sub
Castro Wartperg' ,;, d. i. die Kirche, in welcher die Mino-
riten angesiedelt wurden.
Viele dieser Zusätze sind nun in masslos ungeschickter
Weise in den Text des ursprünglichen Werkes eingefügt, so
dass sie Zusammenhang und Satzbau desselben stören, meh-
rere sind an falscher Stelle eingesetzt. Beispielsweise in die
1) Ueber deren Benutzung in dieser Quelle ist später noch zu
sprechen. 2) Aus ihr sind nur ganz wenige kurze Notizen entlehnt.
3) Der letzte findet sich znm J. 1344. 4) Bei ihm fehlen aber die
deutschen Worte, welche auf dem Stein gestanden haben sollen. 5) Auch
dieser ist in Hist. Eccard. c. 414 übergegangen. 6) Der Interpolator
hat übersehen, dass dieselbe Sache von dem Dominikaner in C. 95 (= C. 22,
§ 5) berichtet ist, wo sie auch in der Dresdener Hs. steht.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 411
Worte des ursprünglichen Textes C. 17 (C. 12, § 8): 'multi
nobiles venerunt non vocati et sine licencia, advenit etiam
Ludewicus comes' ist hinter 'licencia' eingeschoben eine
Nachricht über Gründung des Cisterzienserordens 1098 (aus
Martin von Troppau) mit den oft wiederholten Denkversen
über diese Gründung, Nachrichten über die Schlacht am
Weifesholz 1115, über Erdbeben 1117, über Zerstörung des
Kyffhäuser- Schlosses 1118 (aus der Chronik von St. Peter).
Danach geht der Text weiter wie im ursprünglichen Text :
'Advenit eciam' u. s. w. Die Erklärung für diese Erschei-
nung liegt auf der Hand. In der Vorlage der Dresdener
Hs. war ursprünglich nur das Werk des Dominikaners aus
dessen Original-Hs., der Jenaer, abgeschrieben. Dann hatte
ein Eisenacher Minorit jene Zusätze aus den obengenannten
Quellen an den Rändern der Hs. und auf angehefteten be-
sonderen Blättern hinzugefügt. Sie hatten nach dem Wort-
laute der Quelle oft eine Fassung, welche in das Satzgefüge
des originalen Werkes nicht hineinpasste. Der Schreiber
der Dresdener Hs. copierte diesen Codex und fügte die
Zusätze in den Text ein, ob sie da hinein passten oder
nicht. Er erkannte auch oft nicht, wohin eine der Inter-
polationen gehörte, und schob sie an ganz falscher Stelle
ein. Diesen so vermehrten Text haben wir zu bezeichnen
als 'Cronica Thuringorum amplificata (a fratre Minore Ise-
nacensi)'. Dieser hat seine Arbeit nicht später als 1414,
wie wir oben S. 409 sahen, gemacht, da er es sonst nicht
unterlassen haben würde, noch weitere Notizen hinzuzu-
fügen. Es ist sehr erklärlich, dass die Minoriten von Eise-
nach bald Kenntnis von der neuen Thüringischen Landes-
geschichte, welche ein Dominikaner dort verfasst hatte,
und bald die Erlaubnis erhielten, eine Abschrift davon zu
nehmen.
Vergleicht man nun den Text der Dresdener Hs. mit
der sogenannten Hist. de landgraviis Eccardiana, so er-
kennt man sofort, dass der Compilator des letzteren Werkes
eben jenen von dem Minoriten vermehrten T£xt der Cro-
nica Thuringorum mit allen seinen Zusätzen nahezu voll-
ständig in sein Opus aufgenommen hat, dass er dagegen
das originale Werk des Dominikaners überhaupt nicht ge-
kannt hat K Vom Jahr 1350 an ist sein Werk überhaupt
nur noch eine Abschrift des Textes, wie ihn die Dresdener
1) Keine der Randnotizen und der Nachrichten in den Fort-
setzungen von 1396—1412 des Originals, die in der Dresdener Hs. fehlen,
obwohl sie in anderen Abschriften desselben stehen, findet sich bei ihm.
412
Oswald Holder - Egger.
Hs. bietet, mit sehr wenigen und unbedeutenden Zusätzen.
Sogar die dieser Hs. eigenthümliche Fortsetzung von 1404
bis 1414 hat er noch mit abgeschrieben l. Dass er eben
deren Text copiert hat, ergiebt sich sonnenklar aus kleinen
Zusätzen, welche er zu demselben machte. Das wird der
nachstehende Passus zu 1408 der beiden Quellen deutlich
lehren :
Cod. Dresd.
Eodem anno quarto Kaien.
Augusti facta sunt continue
per diem et noctem, scilicet
XXIIII horas, tonitrua, cho-
ruscaciones et fulmina in
tantum, quod tanta aura
in Thuringia in simili non
audita nee visa est, que for-
ciorein turrim Erfordensem
in Bruleto percussit et seidit
de summo usque ad fundum,
sieud hodie cernitur et
videtur per omnes homi-
nes.
Hist. Eccard.
Eodem anno V. Kai. Augusti
facta sunt continue per diem
et noctem, scilicet XXIV ho-
ras, tonitrua, corruscationes
et f ulmin a. S u p e r v e n i t
hoc sedecies recenter.
Et tanta aura fuit in Thu-
ringia, quod similis non
audita nee visa est, que tunc
fortiorem turrim Erfforden-
sem in Bruleto percussit et
seidit de summo usque ad
fundum; quod vestigium
videtur in perpetuum.
Man erkennt wohl klar genug, dass der Compilator
bei Eccard der spätere Cojrist des ersten Textes ist. Aller-
dings konnte das bei der Sachlage keinen Augenblick
zweifelhaft sein2.
1) Es fehlt bei ihm nur die oben (S. 409, N. 3) angeführte Schluss-
notiz der Dresdener Hs. zu 1410 über die Schlacht bei Tannenberg. Die
Notizen der Dresdener Hs. zu 1409 und 1414 hat er etwas erweitert, zwei
Sätze zu 1407 hinzugesetzt, eine Notiz zu 1409 (Schlacht bei Maastricht)
weggelasseu. Ihm selbst ferner gehört an oder anderer Quelle ist ent-
nommen der Passus zu 1409 Eccard c. 466 'Domini Misnenses — c. 468
sepulta in Reynhardisborn' und die Schlussnotiz zu 1400/1430. 2) Unter
den zahlreichen Stellen, die das beweisen, ist folgende eine besonders
lehrreiche. Wife wir schon oben S. 404, N. 3 sahen, hatte der Verf.
der Cron. Thuring. die Gemahlin Ludwigs des Springers, Adelheid, zu
einer Tochter des Herzogs von Sachsen gemacht, da seine Quelle, der
Liber cron., deren Geschlecht nicht angab. Und so, wie er schrieb : 'no-
mine Alheidis, filia ducis Saxonie', steht auch in der Dresdener Hs. Aber
zu demselben Capitel hatte der Eisenacher Minorit einen langen Zusatz
gemacht, welcher aus Chron. Reinhardsbrunn, entnommen, mit den Worten
beginnt: 'Ista Alheidis erat filia Ottonis (so statt 'Utonis') marchionis de
Staden', und der in dasselbe Capitel weiter unten im Dresdener Codex
eingefügt ist. Das ganze Capitel mit dem Zusatz (und dem Fehler Otto-
nis!) schrieb der Eccardsche Compilator (c. 356) ab, aber an der ersten
Stelle hat er statt 'filia ducis Saxonie' richtig 'filiam marchionis de Staden'.
Natürlich! Denn durch den Zusatz seiner Vorlage musste er erkennen,
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 413
Jedoch nicht die Dresdener Hs., sondern deren Vor-
lage muss der Compilator benutzt haben. Er hat die Zu-
sätze, welche in jener Hs. oft an falscher Stelle stehen,
passender eingeordnet, er hat nicht selten die richtige Les-
art, wo jene, die überhaupt sehr fehlerhaft geschrieben ist,
Corruptelen aufweist1. Und die Benutzung jener Hs. durch
den Compilator war schon von vornherein unmöglich, da
er sicher beträchtlich vor 1442 sein Werk fabriciert haben
muss 2.
Der Eisenacher Dominikaner hatte C. 16 (= C. 12, § 5)
der Cronica Thuringorum nach der Erfurter St. Peters-
Chronik über die Schlachten, welche zwischen Heinrich IV.
und den Sachsen geschlagen wurden, berichtet. Er hatte
aber die Schlacht bei Bleichfeld ausgelassen und daher
die Schlacht von Gleichen, welche in der Erfurter Chronik
als sechste gezählt wird, als fünfte gerechnet. Da aber
die Hist. Eccard. mit der Erfurter Chronik die Schlacht
bei Bleichfeld als fünfte erwähnt, die von Gleichen als
sechste zählt, so meinte Wenck a. a. O. S. 59 f., erstere
könne nicht Quelle der letzteren sein. So viel diese Argu-
mentation auf den ersten Blick für sich haben mag, so
unrichtig erweist sie sich doch 3. In der Cron. Thuring.
heisst es : 'Quintum bellum habuerunt iterum in Thuringia
prope castrum Glichen, quod obsessum fuit per exercitum
Heinrici regis'4; in der Cron. Thuring. ampl. (Dresdener
Hs.) lesen wir: '[Factum a. D. MLXXXVL] Quintum bel-
lum [iuxta Bleichfeld prope Wurtzburg 3° Idus Augusti,
in quo pauci de nobilibus, vulgus tarnen innumerabile
interiit. Sextum bellum sub a. D. MLXXXIX. in vigilia
class ersteres (oder doch zum mindesten eines von beiden) falsch war, und
daher hat er es abgeändert, wenn er auch etwa vorher schon den Fehler
abgeschrieben hatte. Nun wäre aber die Quadratur des Zirkels zu finden,
eine Kleinigkeit im Vergleich zu der Aufgabe, eine gemeinsame Quelle
für die drei Texte zu construieren, welche es erklärt, dass die älteste Ab-
leitung den Fehler, die zweite den Fehler und das Richtige, die letzte
beidemal nur das Richtige hat. 1) Aber auch eine Fülle von Verderb-
nissen hat er mit der Dresdener Hs. gemein, eben aus der gemeinsamen
Vorlage übernommen, wie das oben S. 382, N. 4 erwähnte Bonzcigk.
2) Das ist schon deshalb sicher, weil Johann Rothe dieses Werk schon
ausgeschrieben hat. 3) Der Fehler liegt hier darin, dass die Lösung nur
vermittelst der einfachsten Kategorie der Kritik versucht worden ist : Ge-
setzt A und B stimmen überein, B kann nicht aus A allein, A nicht aus
B genommen sein, folglich stammen beide aus nicht vorhandenem X. Aber
der Schluss ist falsch, denn A -f C -+- D ergeben B. 4) Die Worte
'quod — regis' stammen nicht mehr aus der St. Peters - Chronik, sondern
aus Liber cron. Erford. (der sie aus Chron. Reinhardsbrunn., dieses aus
Ekkehard hat): 'rex Heinricus cum exercitu obsedit Glichen castrum'.
414 Oswald Holder -Egger.
nativitatis Domini, que fuit die dorninica, et Ecbertus
marchio vicit, et] habuerunt [bellum] iterum in Thuringia
prope castrum Gliclien, quod obsessum fuit per exercitum
Heinrici regis' u. s. w. wie Cron. Thuring. Nimmt man
hierzu nun die Quelle 1, so erkennt man mit grosser Sicher-
heit, dass die von mir in der vorstehenden Stelle einge-
klammerten Worte Randnotiz zur Cron. Thuriug. waren,
welche aus der Erfurter Chronik ergänzt war, und welche
der Schreiber der Dresdener Hs. so ungeschickt wie mög-
lich in den Text einfügte. Denn das 'Sextum bellum' war
ja eben das von Gleichen, welches er mit 'et hab. bel-
lum iterum' dem Text der Cron. Thuring. folgend anfügt.
Nun, der Compilator der Hist. Eccard. hat eben jene mit
Zusätzen versehene Hs., daneben aber auch die Erfurter
St. Peters - Chronik, die er sehr oft selbständig ausschreibt,
vor Augen gehabt. Da ist es denn sehr erklärlich, dass
er schrieb: 'Quintum bellum habuerunt in Franconia
iuxta Bleichfeldt prope Wirtzburgk, in quo pauci poten-
tes et nobiles, vulgus autem innumerabile interiit, et
factum est a. D. MLXXXVI. tertio Idus Augusti, in die
b. Tiburtii martyris' 2. Und weiter unten (falsch hinter
1087): 'Sextum bellum habuerunt iterum in Thuringia
prope Glichin castrum, quod obsessum fuit per exercitum
Heinrici regis' u. s. w. wie Cron. Thuring. Man ersieht,
nur A -f~ C -j- D ergiebt B, nie können A und B und C
durch ein X erklärt werden3, und an der Richtigkeit der
Lösung des Exempels ändert nichts, dass A = D -f- E,
C = D -j- d ist. Es ist nichts weniger als auffällig, son-
1) Diese ist hier nicht die eigentliche Cron. S. Petri mod., son-
dern deren nächste Verwandte, die Erfurter Chronik, welche in der
Dresdener Hs. folgt: 'A. MLXXXVI. Quintum bellum iuxta Bleych-
velt prope Wirczeburg committitur IH. Idus Aug., in quo pauci poten-
tes, vulgus tarnen innumerabile interiit' (in der Cron. S. P. mod. fehlt
'prope Wircz.'). 'A. MLXXXIX. Sextum bellum committitur iuxta Gli-
chen castellum in Thuringia in die dorninica, vigilia nativitatis Domini
inter Henricum imperatorem et Ecbertum marchionem'. 2) Der Com-
pilator hat sich in diesem Theil seines Werkes den Spass gemacht, jedes
Datum, das er in seinen Quellen fand, auch noch nach dem Heiligen des
betreffenden Tages zu bezeichnen. Dieselbe Neigung zeigt z. B. Konrad
von Halberstadt. 3) Ebenso liegt es an anderen Stellen, welche Wenck
für seine Ansicht anführt. Es ist nicht das geringste auffällige dabei, dass
der Compilator einer von dem Dominikaner garnicht benutzten Quelle,
dem Chron. Reinhardsbr., eine Partie entlehnt und daran einen Satz aus
Cron. Thuring. C. 32 (der dort aus der St. Peterschronik entlehnt ist)
fügt, wogegen sich Wenck S. 60, N. 3 erklärt. Der Versuch, ein X zu
construieren, aus welchem Cron. Thuring. und Hist. Eccard. abgeleitet sein
könnten, würde ihn sogleich von der ITnhaltbarkeit seiner Ansicht über-
zeugt haben.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 415
dem eine der gewöhnlichsten Erscheinungen, dass eine
Quelle und deren Ableitung von einem späteren Chronisten
neben einander benutzt und mit einander verbunden werden.
Ganz im Gegensatz zu dem Eisenacher Dominikaner,
welcher nur die Geschichte Thüringens schrieb, war es die
Absicht des Eccard'schen Compilators, ein Werk zu Stande
zu bringen, in welchem neben ausführlicher Darstellung
der Thüringischen Geschichte die allgemeine Geschichte,
vor allein die der Kaiser und Päpste Platz fand. Für die
erstere diente ihm als Hauptquelle eben die Cron. Thu-
ringorum amplificata. Deren Berichte erweiterte und ver-
vollständigte er stark durch selbständige Benutzung der
Ann. S. Petri Erphesfurt. maiores, des Chron. Reinhards-
brunn, und der Erfurter St. Peters - Chronik K Die beiden
letzteren Werke lieferten ihm auch manches für die Ge-
schichte der Kaiser und Päpste. Seine Hauptquellen für
diese aber waren Chron. Minor mit den Zusätzen der Hs.
B 2, des Bernardus Guidonis Flores cronicorum2, die kleine
Chronik in Jacobs a Varagine Legenda Aurea3 und die
Brevis historia occupationis et amissionis Terrae Sanctae4.
Eine Erzählung entnahm er aus einer Quelle, die ich bis-
her nicht auffinden konnte 5.
1) Auch direkte Benutzung des Liber cron. Erford. ist an einigen
wenigen Stellen nicht zu verkennen, wenn sie sich auch nur durch wenige
Worte kund giebt. 2) Aus diesen entnahm er wohl alles, was sich aus
Martins von Troppau Chronik bei ihm findet. Doch ist das nicht leicht
festzustellen, da die meisten Redactionen der Werke des Bern. Guid. noch
unpubliciert sind, war auch für die Richtung meiner Untersuchung von
gar keinem Belang. 3) Auf diese und die Chron. Minor geht zurück,
was von Liliencron auf das Werk des Sifrid (von Ballhausen) zurückführte.
Sifrids Werk hat der Compilator nicht gekannt. 4) Welche Eccard,
Corpus II, 1349 ff. herausgab. Da aus dieser lange Partieen auch im
Chron. Ursperg. abgeschrieben sind, so meinte von Liliencron, dass dieses
vom Compilator benutzt sei. Das ist aber unmöglich, da sich eben nur
die aus der Schrift über das h. Land entlehnten Stücke bei ihm finden,
sonst garnichts mit Chron. Ursperg. bei ihm übereinstimmt. Allerdings
haben beide Werke in den aus jener Schrift entlehnten Partieen viele
Lesarten gemein, das aber nur, weil Eccards Druck fehlerhaft und lücken-
haft ist. Benutzung des Chron. Ursperg. in Eisenach war von vornherein
höchst unwahrscheinlich. 5) Zum J. 1201, Eccard c. 401. Dagegen die
aus Caesarius entlehnte Geschichte, wie der Nekromant die Seele des
Landgrafen Ludwig des Eisernen in der Hölle befragt (c. 380 f.), ent-
nahm der Compilator schon wörtlich aus der Cron. Thuring. ampl. Sehr
mit Recht hat Wenck, Zeitschr. für Thüring. Gesch. N. F. IV, 209 seine
früher in Uebereinstimmung mit Wegele und Lorenz geäusserte Ansicht
(Entst. der Reinhardsbr. Gesch. S. 2) zurückgezogen, dass diese Geschichte,
die auch der Liber cron. Erford. (GQ. der Provinz Sachsen I, 205 f.)
nach Caesarius viel kürzer erzählt, im Chron. Reinhardsbrunn, gestanden
habe, aus diesem in die beiden genannten Quellen übergegangen sei. Das
416 Oswald Holder -Egger.
Das Quellenverzeichnis und die mühselige und ver-
dienstliche Quellenanalyse der Hist. Eccard. , welche R. von
Liliencron S. XIV — XXIV seiner Ausgabe von Johann
Rothe gab, ist nach dem Vorstehenden allerdings noch
mannigfach abzuändern 1, für die Thüringische Geschichte
behandelnden Partieen ist die Analyse meist richtig. Aller-
dings sind da oft die Quellen der Zusätze der Cron. Thuring.
ampl. angegeben, während directe Quelle für den Compi-
lator eben die letzteren waren. Daher hat dieser auch
nicht so häufig die Quelle gewechselt2, wie es nach der
Analyse von R. von Liliencron den Anschein hat. So
stammt die erste Partie der Ausgabe Eccards über Graf
Ludwig mit dem Barte fast ganz aus Cron. Thuring. ampl.
Der Compilator hat da nur eine Anzahl vollständig
schwindelhafter (nicht etwa anderer Quelle entnommener)
Jahrzahlen eingeschaltet, und in Folge dieser Willkür sind
ebenso willkürlich die Namen zweier Erzbischöfe von
Mainz, Erkenbald3 und Aribo hinzugesetzt, und wenige
ist schon deshalb nicht glaublich, weil die Reinhardsbrunner für das Ge-
schlecht des Gründers ihres Klosters, des Familienstiftes der Landgrafen,
denn doch zu viel Verehrung hatten, um eine für Ludwig den Eisernen
und seine Söhne so ehrenrührige Geschichte ohne besonderen Grund ihrer
Chronik einzuverleiben. Es ist aber unmöglich, weil im Chron. Rein-
hardsbrunn. 1220, "Wegele S. 164 ff. thatsächlich eine ganz ähnliche Ge-
schichte erzählt wird. Da handelt es sich aber nicht um das Seelenheil
Landgraf Ludwigs des Eisernen, sondern um das des Landgrafen Her-
mann, um welches sein Sohn Ludwig der Fromme" bekümmert ist, und
den Necromanten auffordert, zu erforschen, wie es darum bestellt sei.
Dem Landgrafen Hermann wird hier schlimm eingeheizt, weil er das
Kloster Reinhardsbrunn geschädigt hat. "Wegen solch einer Sünde konnten
auch die Reinhardsbrunner einen Landgrafen in das Fegefeuer oder in die
Hölle versetzen. Es ist offenbar, dass dieselbe mündliche Ueberlieferung,
welche der Erzählung des Caesarius zu Grunde liegt, auch Anlass zu dem
Reinhardsbrunner Bericht gegeben hat. Somit ist es geradezu ausge-
schlossen, dass des Caesarius Geschichte im Chron. Reinhardsbrunn, ge-
standen hat, und es lag kein Grund vor, das zu vermuthen, wie Wenck
jetzt mit Recht bemerkt, da es nicht im mindesten unwahrscheinlich ist,
dass zwei verschiedene Autoren das vielgelesene Buch des Caesarius be-
nutzt und daraus dieselbe Erzählung entlehnt haben. 1) Gotfrid von
Viterbo ist nur deshalb unter den Quellen aufgeführt, weil ein auf diesen
zurückgehender Satz des Chron. Reinhardsbrunn, in der Ausgabe "Wegele's
ausgefallen ist. Aus diesem hat ihn der Compilator entnommen. 2) Auch
das war für "Wenck ein Grund zu seiner Annahme, dass Cron. Thuring.
und Hist. Eccard. gemeinsame Quelle zu Grunde liege. Aber vielfacher
"Wechsel der Quellen ist durchaus nichts seltenes bei Compilatoren, im
Gegentheil eine ganz normale Erscheinung. 3) Hugo soll danach dem
Erkenbald im J. 1026 gedient haben. Aber dieser war schon im J. 1021
gestorben. Die Quelle, welcher der Compilator die beiden Namen ent-
lehnte, war vermuthlich nur ein Katalog der Erzbischöfe, welcher keine
Jahrzahlen hatte.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 417
andere Zusätze ebenso schwindelhafter Natur, welche von
Liliencron zum Theil anführt, gemacht. Aber ein paren-
thetischer Einsatz aus Chron. Reinhardsbrunn. ist so unge-
schickt in den Text der Cron. Thuring. eingelegt, dass er
sofort als fremdartiger Bestandtheil zu erkennen ist K
Dann ist erst der Schlusssatz des Abschnittes über die
Taufe Ludwigs des Springers direkt aus Chron. Reinhards-
brunn, entnommen.
Weiter vereinfacht sich die Quellenanalyse der Hist.
Eccard. dadurch, dass Ekkehards Chronik aus ihr zu
streichen ist. Alles was sich aus ihr in der Compilation
findet, ist ihr sicher durch Chron. Reinhardsbrunn, zuge-
kommen, wenn auch eine Reihe von diesen Stellen sich
nicht in der Hannoverschen Hs. und demzufolge nicht in
Wegele's Ausgabe findet. Der Nachweis dafür und alles
dessen aber, was sich aus der vorstehenden Untersuchung
für die Chroniken von Erfurt und Reinhardsbrunn ergiebt.
ist einem folgenden Abschnitt vorbehalten. Hier sollte
dafür eben das sichere Fundament geschaffen werden, das
nur durch eine gründliche Untersuchung dieser Quellen-
gruppe zu gewinnen war.
Der Compilator scheint bei seiner Thätigkeit allmäh-
lich erlahmt zu sein und daher seinen Plan einer breiten
Darstellung der universalen und Thüringischen Geschichte
nicht mehr vollständig durchgeführt zu haben. Während
er aus Bern. Guid. noch für die Zeit Innocenz' III. be-
deutende Partieen abschrieb, entnahm er aus diesem für
die Folgezeit nur noch ganz dürftige vereinzelte Notizen
über Päpste und beschränkte sich für deren Geschichte
meist auf seine übrigen angeführten Quellen. Aber auch
deren Anzahl verringerte sich allmählich. Mit 1272 schied
die Chronica Minor aus. Zu Anfang des 14. Jahrh. schon
hörte Benutzung des Chron. Reinhardsbrunn. 2 auf. Zu
1349 findet sich die letzte Entlehnung aus der Erfurter
Chronik3. Von da an war die Cron. Thuring. ampl. im
1) Eccard. c. 353 : 'Beringerius — processerunt'. Da dieser Einsatz
genau so ungeschickt in den Text der Cron. Thuring. eingefügt ist, wie
viele andere Zusätze der Cron. Thuring. ampl., so könnte man auf den
Gedanken kommen, in deren Mutter- Hs. habe auch dieser Zusatz (und
vielleicht noch andere aus Chron. Reinhardsbrunn, entlehnte der Hist.
Eccard.) am Rande oder auf eingelegtem Zettel gestanden, sei nur von
dem Schreiber der Dresdener Hs. weggelassen. 2) Da dieses in diesem
Abschnitt fast nur aus Cron. S. Petri entlehnte Stücke bietet, ist es nicht
leicht zu entscheiden, was aus der einen, was aus der anderen Chronik
entlehnt ist. 3) Schon lange nicht mehr aus dem publicierten sog. Chron.
Sampetrinum, sondern aus der Form, welche die Dresdener Hs. enthält.
418 Oswald Holder - Egger.
wesentlichen einzige Quelle ; nur noch sehr dürftige Nach-
richten über Kaiser und Päpste wurden aus einem eben so
dürftigen Katalog, wie es scheint, eingefügt neben sonst
ganz geringfügigen Zusätzen.
Der Eest dessen, was der Compilator selbständig hin-
zugesetzt hat, ist nun noch viel geringer, als es nach der
Analyse bei R. von Liliencron den Anschein hat. Ausser
zum Theil oben S. 416 schon erwähnten ganz schwindel-
haften Zusätzen und den am Schluss des Werkes gemach-
ten, welche ich oben S. 412 nannte, bleibt für ihn ver-
schwindend wenig übrig. Einige mal weitere Ausführung
schon in seinen Quellen überlieferter Sage \ dann einige
Nachrichten von Erfurt und Reinhardsbrunn, die sich sonst
in unserer Ueb erlief erung nicht vorfinden, endlich aber
einige Notizen über Eisenach, welche beweisen, dass auch
dieser Autor in Eisenach schrieb, obwohl einige der Nach-
richten, welche von Liliencron a. a. O. S. XXIV anführte,
um das zu erhärten, dem Compilator schon durch Crom
Thuring. ampl. vermittelt waren. Denn es kommt dazu
eine Reihe anderer Eisenacher Lokalzusätze, die ihm
eigen sind. So zu 1215 (Eccard c. 410) die Nachricht über
Gründung des Cisterzienser - Nonnenklosters bei Eisenach.
Unter dem Jahr 1261 (Eccard c. 431) und 1306 (c. 452),
wo von dem Schloss in der Stadt Eisenach die Rede ist,
setzte er den Namen desselben hinzu 'scilicet Kiemen' und
'quod dicitur Klemme.' An der letzteren Stelle ist davon
die Rede, dass die Eisenacher Bürger, um die Wartburg
zu bezwingen, den Eisenacherberg wieder befestigten. Da
machte der Autor neben einem anderen Einschub den Zu-
satz : 'ubi adhuc, ubi steterat (die angelegte Befestigung),
1) So vor allenl die Sage vom Schmied zu Ruhla, für welche in
der Cron. Thur. C. 20 (= C. 14, § 2) schon insofern ein vorbildlicher Zug-
gegeben war, als da erzählt wurde : Den Landgrafen Ludwig den Eisernen
hätten seine Edlen zuerst für so weichlich gehalten, dass sie sprachen, es
sei Xoth, dass er von den Eisenschmieden im Walde hart gehämmert würde.
Der Compilator übernahm schon eine Stelle dieser Erzählung wörtlich in
seine Sage ('quod ille nobilis princeps, cmi primo nimis mollis ipsis nobili-
bus apparebat, . . . postea eis ferreus et durissimus factus fuit'j. Wenck
a. a. Ü. S. 60, der diese Uebereinstimmung zum Theil sah, meinte nun,
auch für diese Erzählung hätte Beiden eine gemeinsame Quelle vorgelegen.
Gerade hier ist aber eine solche Annahme denn doch ganz unzulässig.
Eine solche Quelle müsste dann wohl den wesentlichen Inhalt der Sage,
wie sie in der Hist. Eccard. steht, gehabt haben. Wie aber kommt es
denn, dass der gewiss fabelsüchtige Dominikaner die exacte Geschichte,
wie der Landgraf zu dem Schmied von Ruhla kommt, in das oben er-
wähnte Gerede seiner Edlen verflüchtigt? In der That, die verlorene
Quelle ist hier die unmöglichste aller unmöglichen Annahmen.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 4 19
vestigium apparet'. Unter demselben Jahr setzte er zu
dem Texte der Cron. Thuring., welche über die Geburt
der Tochter des Markgrafen Friedrich berichtete, hinzu:
'quam cum nutrice de nocte in Tenebergk contra
voluntatem Isenacensium.' Wenn die Nachricht
vielleicht auch zum Theil aus Chron. Reinhardsbrunn,
p. 294 genommen ist, so sind doch die gesperrten Worte
diesem nicht entlehnt und bezeugen des Autors Interesse
an den Eisenaeher Ereignissen. Zu 1270 (Eccard c. 438)
hat er die sonst unbekannte Nachricht, dass der Markgraf
Dietrich von Landsberg nach Eisenach kam, um seine
Neffen, die Söhne Albrechts des Entarteten, von der Wart-
burg nach der Flucht ihrer Mutter Margarete abzuholen.
Zum Jahr 1324 (Eccard c. 455) fügte er zu der Nachricht
seiner Quellen, dass Markgraf Friedrich gestorben und zu
S. Katharinen in Eisenach begraben sei, ausser dem Todes-
datum noch hinzu: lin capella S. Iohannis apostoli sui'.
Man erkennt, dass der Autor das Grabmal des Markgrafen
dort gesehen hat.
Dass er also zu Eisenach lebte, ist unzweifelhaft,
aber aus seinem Werke lässt sich nichts darüber ermit-
teln, wer und was er war1. Es ist nicht zu erkennen, ob
er Geistlicher war, ob er einem Orden angehörte. Da er
grossentheils dieselben Quellen benutzte wie der Minorit,
welcher die Cron. Thuring. mit Zusätzen bereicherte 2, so
könnte man auf den Gedanken kommen, derselbe sei der
Verfasser der Compilation. Er habe sich zunächst be-
müht, die Cron. Thuring. durch Zusätze zu erweitern, habe
dann gefühlt, dass das nicht genüge, um ein seinen An-
sprüchen genügendes Geschichtswerk herzustellen, und
darum das grössere Werk zusammengeschrieben. Indessen,
so manches sich dafür sagen lässt3, so manches spricht
1) Ich bemerke noch, dass er ein besonderes Interesse für die
Herren von Mädelstein (über Eisenach, vor der Wartburg gelegen) und
Frankenstein bekundet. In der sagenhaften Erzählung vom Bau der Wart-
burg (Eccard. c. 357) ergänzt er, dass diese Edlen dem Bau der Burg,
die in ihrem Gebiet lag, sich widersetzten. Zu 1258, wo seine Quelle
besagte, dass die Herzogin Sophie den Eisenach erberg gegen die Wartburg
befestigte 'auxilio Isenacensium1, setzte er hinzu 'et nobilium de Metil-
steyn'. Zu 1261 (Eccard. c. 431), wo Chron. Reinhardsbrunn, einfach
hatte: 'Heinricus marchio cepit castrum Methensteyn', sagt er: 'de nocte
per träditionem cepit castrum Metilsteyn idque combussit et destruxit',
stellt sich also auf Seite der Herren von Frankenstein gegen Markgraf
Heinrich den Erlauchten. 2) Besonders bemerkenswerth ist, dass beide
die Chronica Minor mit den Zusätzen der Hs. B 2 benutzten. 3) Ein
gewisses Interesse für den Minoritenorden zeigt sich bei dem Compilator
420 Oswald Holder -Egger.
doch, auch dagegen, vor allern, dass doch auch manche
Zusätze der Cron. Thuring. ampl. in der Compilation fehlen.
Und dann darf man auf die Benutzung mehrerer gleicher
Quellen nicht zuviel Gewicht legen. In einem Orte wie
Eisenach gab es wenige Geschichtsbücher, und wer dort
Geschichte schreiben wollte, musste sich die Bücher aus
den verschiedenen Stiftern der Stadt zusammen leihen. Da
ist es kein Wunder, wenn an demselben Ort ungefähr zu
derselben Zeit auch verschiedene Personen dieselben Hand-
schriften für ihre Werke benutzten. Deshalb muss ich.
mich auch entschieden gegen die Vermuthung von R. von
Liliencron erklären, dass Johann Rothe der Verfasser der
Hist. Eccard. sei 1, nur weil dieser das Werk und einige
Quellen desselben ausschrieb. Um eine solche Vermuthung
annehmbar zu machen, müssten doch ganz andere Gründe
geltend gemacht werden2. Da nun aber Rothe schon im
Jahr 1407 eine Chronik in deutscher Sprache verfasst
hat3, ist es nicht im mindesten wahrscheinlich, dass er
jene lateinische Compilation, welche zwischen 1410 und
1420 entstanden sein muss4, gemacht hat. Sobald jene
ältere Chronik Rothe's bekannt sein wird, wird sich wahr-
scheinlich sogar die Unmöglichkeit herausstellen, dass er
Verfasser der Hist. Eccard. sein kann.
In den Kreis dieser so zahlreichen Eisenacher Ge-
schichtsquellen, zu deren Entstehung der unbekannte Domini-
kaner den Anstoss gab, gehört noch eine deutsch geschrie-
bene Thüringer Chronik bis zum Jahr 1409 5, welche eben-
falls zweifellos in Eisenach verfasst ist. Ich habe sie bisher
nicht eingehend untersucht, da sie für meine Zwecke nichts
austragen konnte; doch, soviel ich gesehen habe, ist sie
fast ganz Excerpt aus der Historia landgraviorum Eccar-
diana, sie enthält z. B. schon ganz ausführlich und mit
vielen Erweiterungen das Geschichtchen von dem mit
Waaren beladenen Esel, den fränkische Ritter einem Kauf-
mann raubten, und den Landgraf Ludwig der Heilige
durch energisches Handeln zurückgewann; eine Erzählung,
darin, dass er manches über ihn aus seinen Quellen, namentlich der
Chron. Minor, aufnahm. 1) A. a. O. S. XXIV f. 2) AYenn er etwa
in seiner Vorrede, in welcher er sich über seine frühere litterarische
Thätigkeit auslässtj gesagt hätte, er hätte früher schon eine Chronik 'czu
Latin1 geschrieben, was er nicht thut, so hätte man wohl die Frage auf-
werfen können, ob die Hist. landgr. sein "Werk sei. So aber hat man
keinen Anhalt dafür. 3) A. Witschel in Pfeiffers Germania XVII, 129 ff.
4) Die Schlussnotiz, in welcher das Jahr 1430 erwähnt wird, muss später
nachgetragen sein. 5) Herausgegeben von Schöttgen und Kreysig, Diplo-
mat, et Script, hist. Germ. I, 85—106.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. I. 421
die in der Cron. Thuring. ampl. nur ganz kurz erwähnt
wird1, in der Hist. Eccard. zum Jahr 1226 (c. 417 f.) aber
ausführlich erzählt ist. Wie sich diese deutsche Chronik
zu der von Johann Rothe verhält, lasse ich unentschieden,
weil ich die Untersuchung nicht vollständig gemacht habe.
Ich wollte eben nur bemerken, dass die deutsche Chronik
zu dieser Eisenacher Quellengruppe gehört und für all-
seitige Klärung des Verhältnisses derselben unter einander
heranzuziehen ist.
J. G. Eccard wählte für die Eisenacher Compilation
den Titel 'Historia de landgraviis Thuringiae', den Pisto-
rius der Cronica Thuringorum gegeben hatte, nur darum,
damit er stolz hinzusetzen konnte, er böte diese 'duplo
auctior multoque emendatior editione Pistoriana' dar.
Einzig dieser ganz unpassende Titel der Compilation, die,
wie wir sahen, keineswegs nur die Geschichte der Thü-
ringischen Landgrafen enthält, hat zur Folge gehabt, dass
man zuweilen die beiden Werke, welche in den Ausgaben
denselben Namen trugen, beinahe nur als ein Werk oder
doch nur als verschiedene Recensionen desselben Werkes
betrachtet hat 2, während thatsächlich das eine nur eine
Quelle des andern ist, allerdings eine Hauptquelle. Das
letztere würde man viel passender Chronicon universale
Isenacense benennen.
Der Werth desselben beruht nicht so sehr in den neuen
Nachrichten, die es uns liefert, als darin, dass es uns
wichtige Dienste leistet für die Kenntnis und Textkritik
der Erfurter und Reinhardsbrunner Denkmäler.
1) Da ist sie aus Chron. Reinhardsbr. entnommen, obwohl sie in
der Hannoverschen Hs. nicht steht. Da sie aber in dem deutschen Leben
Ludwigs ü, 8, ed. Rückert S. 25, mit Chron. Thuring. ampl. vollständig
übereinstimmend erzählt wird, so erhellt, dass sie im Chron. Reinhardsbr.
stand, was von dem Schreiber jener Hs. wie so manches andere über-
gangen ist. 2) In dem wirren Gerede von 0. Lorenz, DGQ. LT, 3. Aufl.,
über die Thüringischen Quellen liest man thatsächlich nur von einem
"Werk mit diesem Titel, S. 103, N. 1 und S. 105, wo in N. 3 die beiden
Ausgaben ohne irgend eine Belehrung über deren Inhalt angeführt werden.
Neues Archiv etc. XX. 28
XL
Reise
nach
Holland, Belgien, Nordfrankreich
und dem
Niederrhein
im Sommer 1894.
Von
Jakob Schwalm.
28*
Jj ür die Neubearbeitung- und Fortführung- des zweiten
Bandes der Leg-es, die jetzt als besondere Section unter
dem Titel 'Constitutiones et Acta publica itnperatorum et
regum' erscheint, namentlich für die Zeit von Rudolf von
Habsburg- bis zu Ludwig- dem Baiern, habe ich bereits im
Juni und Juli 1893 eine Reise nach Dresden, Wien, Mün-
chen und Nürnberg- unternommen, die für einen eigenen
Bericht keine Veranlassung- bot. Im August und Septem-
ber 1894 folgte dann eine zweite Reise nach Holland, Bel-
gien, Nordfrankreich und dem Niederrhein.
Ausgangs- wie Endpunkt der Reise war Düsseldorf,
über das ich füglich am Schluss berichte, um hier gleich
mit dem zweiten Aufenhaltsort Arnhem zu beginnen. In
Arnhem befindet sich das Rijksarchief van Gelderland
nahe dem Markt am Eusebius - binnen - Singel in eigenem
Gebäude, das 1880 ganz aus Stein und Eisen hergestellt
ist. Archivar ist Herr J. F. Bijleveld, der meine Wünsche
ohne weiteres in der liebenswürdigsten Weise erfüllte.
Js. A. Nijhoff hat in seinem Urkundenbuche die Schätze
des Arnheimer Archivs erschöpft, sodass ich an einem
Tage in den Oeffnungsstunden von 10 — 3 Uhr bequem
meine Collationen erledigen konnte.
Ebenso rasch wurde ich im Rijksarchief des Haag-
fertig, wo in Abwesenheit des ersten Beamten Jh1' Th. van
Riemsdijk mich Herr A. Telting in gütiger Weise förderte.
Nur ganz wenig gab es zu thun, da unbekanntes gar nicht
vorhanden war und ausserdem eine Angabe in Van den
Berghs Urkundenbuch sich als falsch erwies. Erstaunt war
ich nur, das Exemplar einer Sentenz Rudolfs von 1287
März 24, das ich erst in Mons erwartete, schon hier zu
finden. Dass ich wirklich das Monser Exemplar vor mir
hatte, ergab völlig sicher die charakteristische Ordnungs-
nummer DD. 24 von der Hand des Jean Godefroy, die mir
aus meinen Notizen schon bekannt war. Ich erfuhr, dass
1816 durch Hendrik van Wijn alle auf Holland, Seeland
u. s. w. bezüglichen Stücke des Hennegauischen Archivs
426 Jakob Schwalm.
nach dem Haag übergeführt worden sind. Vgl. auch Van
der Aa, Biographisch Woordenboek XX, 473 f.
Ohne Aufenthalt wandte ich mich hierauf nach
Brüssel, wo in Abwesenheit von M. Piot ich von M. Goo-
vaerts eingeführt und von einem jüngeren Beamten M. She-
ridan freundlich gefördert wurde. Ich collationierte ein
paar Stücke aus Butkens' Trophees de Brabant nach dem
Cartulaire de Brabant B, was sich als sehr nothwendig
erwies ; auch sah ich hier die Originalurkunden Eduards III.
von England aus den Jahren 1337 — 40 durch, von denen
einige aus der Zeit seines Reichsvicariats von Interesse sind.
Obwohl sie schon bei Rynier stehen, können doch für den
Fall der Aufnahme in einen der Anhänge Copieen von
einigen dieser Originale, die ich anfertigte, von Werth sein.
Leider fanden wir zwei wichtige Stücke nicht, die J. W.
Metzler am Schlüsse seiner Argentorati 1778 erschienenen
Dissertatio de vicariis imp. Rom. Germ, noch aus den Ori-
ginalen abgedruckt hat. Doch wurde mir von M. Sheri-
dan Hoffnung gemacht, dass sie sich vielleicht noch finden
lassen. Eine kleine Collation für Herrn Geheimrath
Dümmler beschäftigte mich kurze Zeit auch auf der Brüs-
seler Königl. Bibliothek.
Von hier begab ich mich nach dem Archiv des Henne-
gau in Mons (Archives de l'Etat, Place du Parc, offen von
9 — 3 Uhr). Der bejahrte Archivar M. L. Devillers hat in
grosser Liebenswürdigkeit mit mir einen Rundgang durch
die zahlreichen Säle gemacht und mir dadurch einen guten
Ueberblick über die trefflich geordneten Massen werth-
voller Bestände verschafft. Ich fand für meine Collationen
hier weniger, als ich nach dem Verzeichnis von Jean Gode-
f roy \ das im Jahre 1693 aufgenommen ist, erwarten durfte.
1) Dieses werthvolle Verzeichnis ist in dem ebenso eigenthümlichen,
wie seltenen Buche : Droits primitifs des anciennes terres et seigneuries
du pays et comte de Haynaut . . . par Joseph de St. Grenois. Tome I,
Paris 1782 fol. enthalten. Der zweite Band erschien viel später (Lille um
1807) unter dem Titel: Monumens anciens essentiellement utiles ä la
France, aux Provinces de Hainaut, Flandre, Brabant, Namur u. s. w.
Dieser Titel ist dann auch vor einen Theil der Exemplare des ersten
Bandes gekommen mit der Bezeichnung Lille (1782). Das vollständigste
Exemplar besitzt die Strassburger Bibliothek : Tome I mit 1071, Tome II
mit 230 Seiten. Im Exemplar der Berliner Kgl. Bibliothek hat Tome I
nur 700 Seiten (neben Tome II). Die Göttinger Bibliothek besitzt über-
haupt nur 272 Seiten von Tome I, ein Exemplar, wie ich es auch in Mons
fand, wo ja allerdings das Manuscript von Godefroy vorhanden ist. Jenes
Verzeichnis der Tresorerie des Chartes de Hainaut ä Mons steht auf
S. 197 — 461 des ersten Bandes und ist durchaus geistiges Eigenthum des
Jean Grodefroy und nicht vom Herausgeber Joseph de St. Grenois, unter
dessen Namen der Band gewöhnlich citiert wird.
Reise nach Holland, Belgien, Nordfrankreich u. d. Niederrhein. 427
Wie in diesem Jahrhundert viele Stücke nach dem Haag,
so wurden schon durch Godefroy selbst im Anschluss an
seine Aufnahme Ende des 17. Jahrh. eine grosse Zahl von
Originalen, die Frankreich betrafen, nach Lille geschafft.
Hier fand ich sie dann zumeist vor. Jedoch fehlten an-
dere Originale sowohl in Mons wie in Lille, für die man
nun auf die Chartulare des Hennegau, jetzt ebenfalls in
Lille, angewiesen ist.
So war naturgemäss das nächste Ziel der Reise Lille.
Ein stattliches Gebäude zwischen Rue Negrier und Rue du
Pont-Neuf birgt das Departementalarchiv ; es ist geöffnet
von 9 — 4 Uhr. Die Benutzung ist erleichtert durch das
mehrbändige gedruckte Inventar. Der Archivar M. Jules
Finot ist von grösster Zuvorkommenheit und hat mir auch
noch nachher in liebenswürdiger Weise eine erbetene Aus-
kunft gegeben. Ich habe vor allem Originale bekannter
Sachen verglichen und von neuem die fünf Cartulaires du
Hainaut durchgesehen. Ein paar interessante Stücke, die
sich zur Aufnahme in die Constitutiones nicht eignen, ver-
öffentliche ich als Beilagen zu diesem Bericht.
Von Lille aus machte ich einen eintägigen Abstecher
nach dem durch seine monumentalen Bauten ganz beson-
ders schätzenswerthen Ypern. Das werthvolle Stadtarchiv
ist nach Anmeldung bei dem Archivar M. Arthur Merghe-
lynck leicht zugänglich. Man muss rechtzeitig anfragen
und sich den Tag bestimmen lassen, worauf mich bereits
in Brüssel die Herren des Archivs aufmerksam gemacht
hatten. M. Merghelynck ist Heraldiker und Genealog und
besitzt bedeutende Collectaneen für diese Gebiete; er ver-
waltet die Stadtarchive von Furnes und Ypern nur au titre
honorifique, ist aber jederzeit den Benutzern in der zuvor-
kommendsten Weise gefällig. Ich verdanke ihm nicht nur,
dass ich in seiner Privatwohnung ungestört meine Colla-
tionen vornehmen konnte, sondern neben einer Führung
durch die Stadt auch die liebenswürdigste Gastlichkeit in
seinem Hause.
Weiter führte mich mein Weg nach Cambrai, wo
auf der Bibliotheque communale Aufträge für die Herren
Geheimrath Dümmler und Professor Holder -Egger zu er-
ledigen waren. Hier ergab die nochmalige Collationierung
des Cod. 386, dass die seinerzeit von Bethmann ge-
machte Abschrift des Gedichtes über den Lütticher In-
vestiturstreit (N. Archiv XI, 175 ff.) sehr viel besser war, als
die von Haureau (Notices et Extraits XXXI, 2, 165 ff.), der
ganz willkürlich ändert. Der Bibliothekar M. Gautier
428 Jakob Schwalm.
war in den Ferien, sodass ich auf die Freundlichkeit des
Concierge angewiesen war, der mich am ersten Tage unter
peinlicher Aufsicht im Bibliothekssaal, am zweiten zwar
etwas freier, aber dennoch weniger günstig in seinem Wohn-
zimmer arbeiten liess, vor mir die einzige Thüre nach der
Küche offen, wo den Tag über das rege Familienleben sich
abspielte. In den Nachmittagsstunden des zweiten Tages
wurde es mir am sauersten, als das laute Gerassel einer
Nähmaschine meine Collation unermüdet begleitete.
Auf der Rückreise habe ich noch einen Vormittag im
Lütticher Staatsarchiv (Eingang von der Rue du Palais,
geöffnet von 10 — 3 Uhr) gearbeitet, um zuletzt in Düssel-
dorf die begonnenen Arbeiten fortzuführen und zu been-
den. Kann ich nach den Erfahrungen im Auslande die
Liberalität nur rühmen, mit der jederzeit auch die hand-
schriftlichen Inventare vorgelegt wurden und während der
Arbeit zur Verfügung standen, so habe ich demgegenüber
das Gefühl, dass ich meine Düsseldorfer Arbeiten nicht
als erschöpfende bezeichnen darf. Denn trotz aller bereit-
willigen und freundlichen Förderung durch die Herren
Beamten des Staatsarchivs, die bekannt ist und auch mir
in jeder Weise zu Theil wurde, giebt es doch nichts, was jene
Sicherheit des Arbeitens ersetzen könnte, die man nach
gehabter Einsicht in die Inventare gewinnt. Wie ich so
rein zufällig Kenntnis gewann von dem Vorhandensein des
Originals einer allerdings bekannten Papsturkunde von 1300
Mai 13 (Potthast 24953), von dem weder Lacomblet noch
sonst jemand berichtet, können auch noch andere Stücke
in Düsseldorf sein, deren man vielleicht bedarf. Ich habe
in Düsseldorf vorwiegend collationiert und nur von wenigen
Originalen Abschriften gemacht.
Zwei Abstecher nach Köln und Neuss ergaben aus
den beiden Stadtarchiven die erwarteten Collation en. Das
Stadtarchiv zu Neuss soll in absehbarer Zeit endgültig ge-
ordnet und in einem würdigen Räume untergebracht
werden.
Allen Vorständen und Beamten der von mir besuchten
Archive statte ich hierdurch nochmals meinen geziemenden
Dank ab.
Reise nach Holland, Belgien, Nordfrankreich u. d. Niederrhein. 429
Beil agen.
N. I, der Brief König Adolfs an Guido von Flan-
dern ist zwar schon in der französischen Ausgabe der Flan-
drischen Staats- und Rechtsgeschichte von Warnkönig I,
396 nach einer Abschrift von Godefroy und bei Kervvn
van Lettenhove in seinen Etudes sur l'histoire du XIII.
siecle S. 29 (Memoires de lacademie royale de Belgique
XXVIII) gedruckt, doch ist durch beide ein nochmaliger
Abdruck des Originals nicht überflüssig geworden. — Vgl.
Böhmer, Reg. Adolfs 364.
Die Existenz von n. II, einer Botschaft des Johann
von Kuik an Guido von Flandern, kannte man bereits
aus den wichtigen Briefen des letzteren an seine in Rom
weilenden Söhne. Bei Th. Limburg - Stirum , Codex diplo-
maticus Flandriae I, 262 lautet die betreffende Stelle:
'Item, chier fil, des avenues de nos parties vous faisoins
nous savoir, ke li rois Ayous d'Allemaigne jadis le secont
jour de Jule entre Mayenche et Oppenem fu desconfis et
ochis en bataille dou duch Aubert d'Osteriche et se gent
aussy; et dient le pluseur, ke li dis dus a grant faveur
des eliseurs, et tient on kil doie y estre rois d'Allemaigne,
et kil aproche vers Ais et trait les gens dou pays a son
acord et commenche a faire allianches; pour che nous
avoins ja envoie vers lui pour traiter et ordener avoech
lui amistei, selonc che ke boin samblera pour no pourfit
au seigneur de Faukemont, ki de par nous i est alei se-
lonc les avenues des besoignes, ki sont ou tans de höre;
et fumes fondei en partie sour le teneur d'une lettre le
signeur de Kuk, dont nous vous envoions chi dedens le
transcrit . . .' Der Abdruck des Stückes selbst wird je-
doch auch erwünscht sein. Ueber die Rückkehr des Unter-
händlers Walram von Falkenberg berichtet der Brief des
Grafen Guido an Eduard I. von England (ebenda I, 265 f.),
den man gegen Ende Juli anzusetzen hat.
N. III giebt vollständigeren Abdruck einer gleich-
falls zu den Reichssachen zu rechnenden Urkunde, die schon
Nijhoff, Gedenkwaardigheden van Gelderland I, 369, n. 324
aus demselben Originale mitgetheilt hat.
N. IV ist ein interessantes Blatt aus der Hennegaui-
schen Kanzlei, das, ursprünglich in Mons aufbewahrt, sich
jetzt in Lille befindet. Für die Feststellung der abgekürz-
ten Namen in n. III und IV bot der erste Band des Car-
tulaire des comtes de Hainaut von L. Devillers den nöthi-
gen Anhalt.
430 , Jakob Schwalm.
I. König Adolf antwortet dem Grafen Guido von
Flandern über seine Lage. 1297 Aug. 31.
Or. im Departementalarchiv zu Lille B. 408,
n. 3986.
Adolfus dei gracia Romfanorum] rex semper augustus
spectabili viro Gwidoni comiti Flandrie, fideli suo karis-
simo, graciam suam et omne bonum.
Litteras sinceritatis tue nostro eulmini noviter desti-
natas solita affeccione reeepimus et contenta in eis pleno
coneepimus intellectu. Sane scire te volumus, quod super
tuis turbacionibus non minus affieimur, quam de nostris,
unde licet rebellio aliquorum precipuoruma imperii princi-
pum et machinaciones eorum perverse, quibus crimine lese
maiestatis se polluere non formidant, desideriis nostris tibi
celeriter oecurrendi contra regem Francie hactenus obstite-
rint et adhuc non medioeriter impediant nostre proposi-
tum voluntatis, quod quidem sub fiducia fidelitatis tibi
presencium serie declaramus, indubitanter tarnen teneat
tua fiducia, quod absque more periculo cum viribus arma-
torum, quam admittet presentis necessitatis instancia, de-
beamus consolabiliter te videre, iuxta quod nobilis vir
Iobannes de Kvig, affinis noster dilectus, lacius te poterit
expedire, cui statum premissorum et exinde nostram penitus
expressimus voluntatem. Iuxta hoc siquidem volumus, quod
spiritum consolacionis et animum fortitudinis assumens
amicos tuos et subditos debeas fiducialiter consolari, sci-
turus certissime, quod si quos cum predicto rege Francie
contigerit haberi finales traetatus, tibi per omniab cavebi-
mus, quantum possibile nobis eritb. De adventu eciam
illustris Ed[wardi] regis Anglorum nuper nobis fuerunt ali-
qua intimata, cuius revera adiutorium tarn nobis quam tibi
crederetur plurimum opportunum; qui sive veniat, quod
multum nostris desideriis arrideret, sive non, quod0 satis
esset contrarium votis nostris, de adiutorio tarnen nostro
certitudinem omnimodam volumus te habere.
Dat. in Sletstad II. Kai. Septembr. regni nostri anno
sexto.
Auf der Rückseite: Spectabili viro Gwidfoni] comiti
Flandrie fideli nostro karissimo. Von der Besiegelung nur
die Schnitte erkennbar.
a) Für 'ci' verschrieben 'er1. b) 'a — erit' auf Rasur. c) Ueber
der Zeile.
Reise nach Holland, Belgien, Nordfrankreich u. d. Niederrhein. 431
II. Johann von Kuik empfiehlt dem Grafen Guido von
.Flandern, mit Albrecht von Oesterreich zu ver-
handeln. 1298 vor Mitte Juli.
Or. im Departementalarchiv zu Lille B. 434,
n. 4189.
Magnifico viro et honesto domino suo dilecto, domino
G. comiti Flandr[ie] Iohannes de Kyuc se totum ad quevis
beneplacita et mandata.
Domine karissime, significamus vobis, quod dominus
Albertus dux Austrie se scribens in regem Romanorum
electum domino de Falkenbourgh demandavit, ut ad ipsum
aut ad suos nuncios et consiliarios apud Crucenake hac
feria quinta post diem beate Margharete vellet se trans-
ferre pro amicicia et confederatione secum ordinanda et
vobiscum et cum domino nostro duce 1, qui dominus de
Falkenb[our]gh ipso die ibidem est iturus. Quare consuli-
mus, ut virum discretum de vestris clericis cum litteris
vestris patentibus dicto domino de Falkenb[our]gh potesta-
tem conf erentes transmittatis, uta quicquid ex parte vestra
ordinaverit ibidem, ratum habeatisb et firmum; mittendoc
dictum clericum vestrum feria secunda in sero post Mar-
ghar[etam] aut tercia apud Falkenb[our]gh de mane, ut
cum dicto domino de Falkenb[our]gh aut suis famulis ulte-
rius procedere poterit ad locum supradictum. Nam spera-
mus, ut nobis dictus dominus de Falkenb[our]gh exposuit,
cum dicto domino Alberto aut suis nunciis proficuum*1
vestrum ac nostri domini . . ducise, secundum quod res
ad presens se habeant, bene faciet et procurabit. Preterea
scientes, quod nuncii domini regis Francie iam sunt iuxta
ipsum aut ipsos et magnam pecuniam ipsi prebent pro
negociis domini regis Francie procurandis, unde ut vestram
utilitatem et proficuum d diligitis, cum dicto nuncio et lit-
teris festinatis.
Ohne Adresse auf der Rückseite, doch mit Siegel-
schnitten.
III. Wilhelm von Holland verpflichtet sich zur Wah-
rung der Reichsrechte. 1337 Dec. 12.
Or. im Rijksarchief zu Arnhem n. 657.
Nous Guillaumez cuens de Haynn[au], de Hollande,
a) 't quicquid' auf Rasur. b) 'habentes' Or. c) 'o de' auf Rasur,
d) 'icuü' auf Rasur. e) 'duos' Or.
1) Johann II. von Brabant.
432 Jakob Schwalin.
de Zelande et sire de Frize faisons sauoir a tous, ke,
comme nous a le requeste de no tresch[ier] signfeur] et
pere de boine memore euyssiens proinis et encouuent loyal-
raent en boine foy de no boine volentet et certaine science,
que nous au mandement de no treschier seigneur . . lem-
pereur des Rommains v de mons[igneur] le . . roy d'Engle-
terre, sil estoit rois d'Aleinaingne v vicaires v lieutenans
dou dit empereur, v au mandement dautre vicaire v lieute-
nant de par lempereur dessusdit, estaulit dou consente-
ment dou dit monsfigneur] le roy d'Engleterre, aideriens
en boine foy loyalment a nostre povir sans mal engien,
comme loyaus et foyables de lempire, a reconquerre, re-
couurer, warder et maintenir lestat et les droitures de
lempire, contre tous chiaus, ki mis y aroient, v mettre
volroient aucun empecbement v destourbier, durant lestat
de no dit signeur lempereur v de mons[igneur] le roy
d'Engleterre, sil estoit rois d'Alemaingne, v se il v autres
estoit vicaires v lieutenans de no dit signeur lempereur
dou consentement dou dit monsfigneur] le roy d'Engleterre.
Nous encore en ratefiant et approuuant toutez les coses
et lez prommesses dessusdittes , reconnoissons, que nous
sommes tenu de tenir et dacomplir en boine foy loyau-
ment tout cbou que deseure est dit et deuiset en le ma-
niere, que prommis lauiens par deuant si comme dit est,
en suiwant le volentet et commandement de no dit signeur
et pere. Par le tiesmoing de ces lettres sayellees de no
grant seel.
Donn. a Mallines le venredy apres le saint Nicolay
en hyuier lau de grace milCCC trente et sept.
Unter dem Bug links ein rotlies E-ingsiegel, die Le-
gende undeutlich, im Wappen die vier Löwen, daneben
die Worte: dou commant mons. le conte
P. Songn[ie]
Unter dem Bug rechts die Worte : presens mons. de
Biaumont, le sign, de Haurech, | le sign, de Bouland, mons.
Wfillaumes] de Duuord et Hfenri] de Jaudfongne], | maistrea
Clais Stuc et Henri le panetier . .a
Mit leidlich erhaltenem Siegel von braunem Wachs
am Pergamentstreifen.
IV.
Ce sont les rubrikes de IUI lettres, que me sires
Jak[es] de Maub[oege] a scellees dou seel le roy d'Engleterre.
a) 'maistre — panetier' auf Rasur ; hierunter in der folgenden Zeile
noch eine Rasur von der Länge einer halben Zeile.
Reise nach Holland, Belgien, Nordfrankreich u. d. Niederrhein. 433
Premiers lettre dou roy d' Englettere par le quelle il
tesmoigne et afferme, que li serviches, que me sires de
Haynn[au] li a prornmisa a faire contre le roy au nie de
France pour recouvrer les droitures del empire, ne puist
en tans avenir porter preiudice as contes de Haynn[au] 1.
Item lettre dou roy d'Engleterre de le maniere de
passer avoek sen ost parmi Haynn[au] pour werijer le ro-
yaume de France2.
Item monitio facta domino comiti per regem Anglie
ad habendum exercitumb suum et ad assistendum eidem
in adventu suo 3.
Item lettre par le quelle li rois d'Engleterre comme
vicaires del empire mande a mons[igneur] de Haynnfau],
quil soit a une certaine iournee a Malinnes pour declarer
pluseurs ordenanches, qui furent faites a Conflences4.
Chi apres sensuivent les copies des deus premieres
lettres u. s. w.
Pergamentblatt im Departementalarchiv zu Lille
B. 771, n. 7321. 22 (ehemals in Mons, Inventaire de Gode-
froy J. 87). Auf der Eückseite: Traities entre le roy Edo-
w[ard] d'Engleterre et mons. de H[aynnau] pour passer
parmy Hayn[nau] et aler en Franche.
a) 'promnis' c. b) 'excercitum' c.
1) 1339 Aug. 20. Or. ehemals in Mons, Inventaire de Godefroy
J. 87. Ein Abdruck in Rymers Foedera. 2) 1339 Aug. 20. Or. in
Mons 581 (ehemals J. 86). Siegel fehlt. Hieraus im Cartulaire des comtes
de Hainaut par L. Devillers I, 87, n. 42. Auch bei Rymer. 3) Dieses
Mandat Eduards scheint nicht erhalten zu sein. 4) 1338 Oct. 12. Die
Ausfertigung für Reinald von Geldern ist nach dem Or. Arnhem Rijks-
archief n. 311 bei Nijhoff I, 383, n. 336 gedruckt. Die Ausfertigungen
an den Bischof von Lüttich und den Herzog von Brabant erwähnen
Hocsem bezw. Dynter.
xn.
Miscellen.
Zum Martyrologiuni Hieronymianum.
Von Bruno Krusch.
Der eben erschienene Band der Acta Sanctorum,
Nov. I, 1, Brüssel 1894, enthält die sehnlichst erwartete
Ausgabe des Martyrologiuni Hieronymianum von
de Rossi und Duchesne, oder vielmehr den Abdruck der
drei ältesten Texte, die letzte Arbeit des allverehrten römi-
schen Archäologen, die selbst zu vollenden ihm nicht mehr
vergönnt war. Die älteste Echternacher Hs. (X) in Angel-
sächsischer Schrift aus dem Anfang des 8. Jahrh. ist minder
ausführlich als die Berner (B) saec. VIII. ex. und die Weissen-
burger (W) von 772. De E. hielt ihren Text für gekürzt
und reihte sie zwischen die beiden andern ein; sie ist aber
vielmehr minder interpoliert, B und W stammen aus dem-
selben erweiterten Exemplar (Y), und die ausführlichste
von ihnen B ist zugleich die interpolierteste1. Duchesne,
der nach der schweren Erkrankung des Freundes die Ar-
beit zum Abschluss brachte, hat das Verhältnis richtig er-
kannt, ohne indessen die einmal getroffene Classification
aufzugeben, und auch seine Untersuchung über Heimath
und Alter des Martyrologs schliesst sich der Ansicht seines
Vorgängers an. Der Verfasser, der durch zwei gefälschte
Briefe der Bischöfe Chromatius und Heliodorus und des
Hieronymus seine Schrift dem alten Kirchenvater unter-
geschoben hat, schrieb nach ihm am Ende des 6. Jahrh.
in Auxerre; um 614 hätte sich B. abgezweigt, und schon
1) Dafür nur ein Beispiel. Ueber den h. Eptadius berichten:
X. 25. Aug. 'alibi Aptati prb.'
W. 24. Aug. 'et in terreturio Eduae civit. dep. sancti Eptati
prbi. et conf.',
und B hat beide Notizen, die zweite mit noch ausführlicherer Ortsangabe,
nur ist der Kalender hier um einen Tag vorgerückt:
24. Aug. 'et alibi Eptati presbit.'
23. Aug. 'et in territurio Edua civitate vico Cervidunensi depos.
sancti Epadi (!) prbi.'
Neues Archiv etc. XX. 29
438 Bruno Krusch.
im 6. Jahrk. sei das Martyrolog in Italien bekannt ge-
wesen; es sei überhaupt ursprünglich italienischer Her-
kunft. Allerdings werden aus der Diöcese Auxerre in XY
die meisten Heiligen angeführt, nämlich 28, neben 26 aus
Lyon und 25 aus Autun; aber hier kann die einfache Plus-
Rechnung nicht entscheiden, denn so viel Namen können
nur aus schriftlichem Material, aus den Kaiendarien der
drei Kirchen geschöpft sein. Natürlich dürften bei obiger
Ansicht keine gleichlautenden Eintragungen aus dem
7. Jahrh. in XY vorhanden sein, und Duchesne behauptet
dies, indem er bezüglich des h. Desiderius von Vienne
(f 606/7) darauf verweist, dass die Hss. weder im Wort-
laut noch in der Stellung mit einander übereinstimmen.
Aber des h. Columban (f 615) gedenken XY (in B fehlt
der Schluss) an gleicher Stelle und mit denselben Worten
am 23/11, — nur setzt W, wie häufig (vgl. die Note über
Eptadius), 'depositio sancti' hinzu. Es wäre höchst in-
teressant gewesen, Duchesne's Ansicht über diese Bemer-
kung zu hören ; er nimmt aber von ihr nicht die geringste
Notiz, und das ist sehr befremdlich, denn es leuchtet ein,
dass sie seine ganze Aufstellung erschüttert und überhaupt
ganz unmöglich macht. Nur in X stehen dann noch die
Gedenktage der Aebte Eustasius von Luxeuil und Attala
von Bobbio. Des letzteren Todesjahr lässt sich nicht ge-
nau ermitteln, — man nimmt 627 an, — das des ersteren
steht aber fest, es ist 629. Die Scheidung der Recensionen
X und Y ist mithin zur Zeit des Abtes Eustasius von
Luxeuil zwischen 616 und 628 erfolgt. Die XY gemein-
same Bemerkung über die h. Eleutherius und Rusticus, die
Genossen des Dionysius von Paris, die in beiden in dem-
selben Zusammenhange steht, — nur ist in Y der ganze
Abschnitt zu dem folgenden Tage (9. Oct.) gerückt, — führt
uns weiter. Diese Heiligen hat erst König Dagobert ent-
deckt (Gesta Dag. c. 17), und das Jahr ihrer Entdeckung
ist 626 (Havet, Questions Meroving. Y). So sind jetzt über-
haupt nur noch die beiden Jahre 627/8 möglich ; in diesen,
und nicht im 6. Jahrh., ist das Martyrologium verfasst
worden. Wenn in ihm der h. Columban und in der besten
Recension X, soweit sie Gallischen Ursprungs ist, dessen
Nachfolger Eustasius und Attala die jüngsten Heiligen
sind, so gleicht es in diesem Punkte dem Calendarium von
Luxeuil; nur fehlt hier Columban, weil es unvollständig,
und es ist Eustasius' Nachfolger Walde bert hinzugefügt,
weil es jünger ist. Was für dieses galt (Piper, Calendarium
Karls d. Gr. S. 61), muss auch für das Martyrologium
Zum Martyrologiuni Hieronymianum. 439
gelten ; es ist also in keiner der 3 Civitates mit den massen-
haften Heilig'ennamen geschrieben worden, sondern in
einem von Auxerre und Antun ungefähr gleich weit ent-
fernten Kloster, einer jungen Stiftung, die bisher nur einen
Heiligen aufzuweisen hatte, den Gründer. Es trägt bur-
gundische Färbung (1. Mai h. Sigismund in Acaunum,
18. 19. Sept. h. Siggonus = Sequanus, Stifter von St. Seine,
Diöc. Langres) und reiht sich passend den burgundischen
Geschichtswerken des 7. Jahrh. an. Auf Befehl Colum-
baus hatte Eustasius von Luxeuil in Bayern das Christen-
thum gepredigt und bei seiner Rückkehr Missionare dort
stationiert: so mag sich die sonderbare Schwärmerei für
die h. Afra von Augsburg erklären, die nicht weniger als
viermal (5. 6. 7. Aug., 8./9. Oct.) im Mart. gefeiert wird.
Die Schlüsse der beiden Herausgeber aus den Auxerrer
Notizen könnten höchstens für das benutzte Calendar mass-
gebend sein. Nach der Trennung der beiden Recensionen
sind in Auxerre zu dem Exemplare Y einige Zusätze ge-
macht, und besonders die lokalen Monats - Litaneien bei-
geschrieben worden, deren Fehlen in X Duchesne sich ver-
geblich zu erklären bemüht. Nach seiner Untersuchung
geht W. auf einen Fontanellensis aus der Mitte des 8. Jahrh.
zurück; in B ist die späteste Eintragung von 766.
Bei dem spezifisch gallischen Charakter des Martyro-
logs war es ein verzweifeltes Geschäft, dessen italienischen
Ursprung darthun zu wollen, und Duchesne hatte hier
schwere Arbeit. Die vorgebrachten Zeugnisse beweisen
aber nichts : Gregor d. Gr. erwähnt ein Martyrolog ohne
Beziehung auf das Hieronymianum, und dass Cassiodor
dieses im Auge gehabt haben soll, als er zur Lektüre der
im Briefe des Hieronymus an Chromatius und Heliodorus
erwähnten Märtyrer -Leidensgeschichten aufforderte, kann
ich nicht eher glauben, als bis man mir nachweist, dass
das Mart. Hieron. ein Brief sei. Es steht allerdings mit
diesem Zeugnis im Zusammenhang-, nur ist das Verhältnis
ein umgekehrtes, und der Verf. hat vielmehr auf Grund
desselben die Briefe gefälscht, von denen oben die Rede
war. Dass er aber die beiden italienischen Bischöfe ge-
wählt haben soll, weil er Italiener war, ist ein wunder-
licher Schluss. Wenden wir uns ab von solcher Logik !
Das Mart. Hieron. ist der Prüfstein für die ältere
Hagiographie und auch sonst ein für die Kirchengeschichte
nicht unwichtiges Denkmal eines literarisch unproduktiven
Zeitalters, das Erzeugnis einer kritiklosen, aber höchst müh-
samen Sammler -Thätigkeit. Die undankbare und schwie-
29*
440 Bruno Krusch.
rige Aufgabe einer kritischen Ausgabe ist noch zu lösen;
vorläufig ist schon die Vorlegung des hauptsächlichsten
handschriftlichen Materials ein grosser Fortschritt, und den
verdanken wir der Anregung der Bollandisten 1.
1) Von Heiligenleben enthält der Band u. a. das des Amantius
Ruthen., herausgegeben von de Smedt unter Benutzung des vollständigen
Handschriften - Materials, während für meine Ausgabe nur eine schlechte
Hs. benutzt war.
Zu Onulfs von Speier Rhetorici colores.
Von M. Manitius.
Die Ehetorici colores des Speierer Lehrers Onulf, die
kürzlich von Wattenbach herausgegeben sind (Sitzungsber.
der Berl. Akad. 1894, S. 361—386), bieten kein zu unter-
schätzendes Denkmal für die litterarische Bildung der
deutschen Geistlichkeit um die Mitte des 11. Jahrh. Denn
dass die Schrift in jene Zeit gehört, ist vom Herausgeber
S. 367 erwiesen worden. An der Hand der dem Eedner
nothwendigen exornationes verborum entwickelt hier Onulf
die sittlichen und intellektuellen Bedürfnisse des Clerikers,
indem er in seiner Eintheilung vom Auetor ad Herennium
IV, 13, 19 ausgeht und an der Hand dieser dem Mittelalter
wohlbekannten Schrift * (bis IV, 29, 40) deren rednerischen
Forderungen seine sittlichen Postulate gegenüberstellt. Der
Anfang der Schrift ist bei dem Mangel des ersten Blattes
in Cod. Vindobon. 2521 verloren. Da sich nun Onulf genau
an die Reihenfolge der einzelnen Figuren hält, so hat er
jedenfalls mit ad Her. IV, 12, 17 begonnen, so dass uns
die Erörterungen über elegantia, compositio und dignitas
fehlen. Das ergiebt sich daraus, dass er jene Eigenschaften
in den ersten erhaltenen Worten seiner Schrift zusammen-
fasst, indem er sie auf das sittliche Gebiet überträgt 'mo-
rum elegantiam, compositionem habitus, vitae dignitatem'.
So ist der Verlust ausser der Vorrede kein grosser. Er
fährt dann mit den Worten ad Her. IV, 13, 18 über die
exornatio fort und geht die exornationes verborum et sen-
tentiarum der Reihe nach durch. Dabei stellt er stets an
den Anfang seiner Abschnitte die Definitionen der einzelnen
exornationes, indem er sie seiner Quelle wörtlich entnimmt
und sich nur ganz geringe Aenderungen erlaubt.
1) Noch giebt es karolingische Hss., s. Teufel - Schwabe, G. R. L.5
§ 162, 6. In alten Bibliotheksverzeichnissen erscheint das Werk bis zum
Jahre 1300 nur in Frankreich und Deutschland, s. Rhein. Mus. 47 Suppl.
S. 12 f.
442 M. Manitins.
Doch zeigt sich Onulf auch noch in anderen Schriften
des Alterthums unterrichtet, von denen in der Ausgabe
S. 382 Horaz und S. 369 Juvenal erwähnt wird. Hierzu
kommt noch folgendes. Cap. 6, S. 371 heisst es 'O impu-
dentem attritae frontis . . . audaciam' mit Benutzung von
Juvenal. XIII, 242 'Eiectum simul attrita de fronte rubo-
rem'. Cap. 8, p. 372 geht der Satz 'fere iam in naturam versa
prior consuetudo retrahit' zurück auf Sali. lug. 85, 9 'bene
facere iam ex consuetudine in naturam vortit'. Besonders
aber zeigt sich Onulf im Phormio des Terenz unterrichtet.
Cap. 15, p. 374 heisst es: 'Cum ergo in pueris erudiendis
subiectus obedientiae duram ceperis provinciam' 1, mit An-
lehnung an Phorm. 1, 2, 21 GE. 'Abeuntes ambo hinc tum
senes nie filiis Eelinquont quasi magistrum'. DA. 'O Geta,
provinciam cepisti duram'; cap. 20, p. 377 'munuscula mi-
mis et palatinis canibus undecunque corradunt'. Phorm.
1, 1, 6 'ei credo munus hoc corraditur'. Und da hiernach
Onulfs Kenntnis des Phormio feststeht, so glaube ich auch,
dass das cap. 15, p. 375, N. 1 von W. geänderte Wort 'in-
terere' ('tempus tibi concessum intereres') nach Phorm. 2,2,4
'Tute hoc intristi' zu halten sein wird. Dann ist Horaz
benutzt cap. 14, p. 374 'Augustinus ergo tuis versetur in
manibus'. A. P. 268 'Vos exemplaria Graeca | Nocturna
versate manu'; in c. 15, p. 375 'ut monachus vivat exlex'
stammt wohl das seltene Wort aus A. P. 224; cap. 20,
p. 377 ist die Phrase 'in calamitatem communis fundi
nummos alienos pascunt' genommen aus Ep. I, 18, 35 'num-
mos alienos pascet'. Vergilisch ist c. 15, p. 375 'quibus
indiget usus', Ecl. II, 71 'quorum indiget usus'; auf Sedu-
lius scheint c. 20, p. 378 'veniat cum exaltacione suum
portando manipulum' zurückzugehen, Pasch. Carm. I, 368
'Portantes nostros Christo veniente maniplos'. Auch in
den angehängten Versen verräth Onulf noch einige Be-
kanntschaft mit älteren Dichtern. 8, 2 'prona facultas'
Sedul. P. C. IV, 2. 12, 14 'metuis quod fabula fias' Hör.
Ep. I, 13, 9. 12, 20 'quod scire tuum sit inane' Pers. Sat.
I, 27. 20, 2 'inque nefas miseros trahit omne ruentes' Hör.
Carm. I, 3, 26.
Hierzu kommt nun in c. 17, p. 376 die Benutzung
einer anderen Quelle. Bei der definitio nämlich hält es
Onulf für nothwendig, einige Beispiele für die Definition
von Tugenden zu geben und zwar der prudentia, iustitia,
fortitudo und temperantia. Er benutzt hierzu den Ab-
1) So ist bei Onulf statt 'providentiain' zu schreiben.
Zu Onulfs von Speier Rhetorici colores. 443
schnitt von Cicero de inventione II, 53, 159 — 164. Cicero
sagt dort § 159 'habet igitur (seil, virtus) partes quatuor:
pfudentiam histitiani fortitudinem temperantiam'. Diese
vier Cardinaltugenden führt Onulf ein und giebt ihre De-
finition zwar nicht genau nach Cicero's Worten, doch in
einer Weise, die noch durchaus an Cicero's Begriffsbestim-
mungen erinnert. So sagt Cicero von der prudentia § 160
'Prudentia est rerum bonarum et malarum neutrarumque
scientia', Onulf definiert 'Prudentia est rerum divinarum
humanarumque prout homini datum est scientia' u. s. w,
So hat Onulf in diesem Abschnitt eine Verbindung von
Stellen aus dem Werke ad Herennium mit Definitionen
aus Cicero's de inventione gegeben.
Endlich scheint Onulf c. 23, p. 379 'Sicut enirn liomo
non ideirco vivit ut comedat, sed necessario comedit ut
vivat' eine Stelle aus Quintilian ausgeschrieben zu haben,
wo es IX, 3, 85 heisst 'Non ut edam vivo, sed ut vivam
edo' 1. Näher liegt es allerdings, hier an die Benutzung
von ad Herenn. IV, 28, 39 ('esse oportet ut vivas, non vivere
ut edas') zu denken, da sich dieses Beispiel für die coin-
mutatio, von welcher Onulf hier handelt, in jenem Werke
unmittelbar nach der Definition des Begriffes befindet.
1) So wird der Spruch aus Quintilian auch von Isidor, Orig. II,
21, 11 angeführt.
Zu Pseudo-Udalricus' 'De Continentia Clericorum'
und zu Bruno's von Segni 'De Symoniacis',
Von J. Loserth.
Der Cod. 1242 der Grazer Universitätsbibliothek, 144
Pergainentblätter (22 cm X 14 cm) fassend, enthält zwar
keine ausdrückliche Angabe, aus der wir auf seine Her-
kunft schliessen könnten, aber ein sonst wenig- beachteter
Umstand führt doch darauf. Eine Anzahl von Hss. der-
selben Bibliothek hat als Schutz- und Vorlegeblätter die
erste Ausgabe der Briefe des Enea Silvio benutzt. Im Cod.
1242 sind in solcher Weise sechs Blätter verwendet worden,
auf denen sich die Briefe 222—229. 246—257, dann 126
finden. Nun finden wir solche Schutzblätter auch beim
Cod. 1256 verwendet und bei diesem die Angabe, dass der
Cod. dem (Benediktiner) Stifte St. Lambrecht angehörte.
Dahin ist denn auch der Cod. 1242 zu verweisen. Die
Schriften, die er enthält, gehören dem XII. Jahrh. an und
stehen insgesammt mit einander insofern in engem Zu-
sammenhang, als in ihnen die brennendsten Fragen aus
der Zeit des Investiturstreites behandelt wrerden: f. lb: Tn-
cipiunt capitule (sie) canonum apostolorum' ; f. 2a: 'Inci-
piunt tituli Niceni concilii'; f. 2 . 'Incipiunt tituli cano-
num Ancirani concilii'. Num. XXIV; f. 3a: 'Tituli cano-
num Neocesariensium (sie) concilii. Num. XIV ; ib.: 'Tituli
canonum Gangrensis concilii. Num. XX'; f. 3b: 'Tituli
canonum Anthioceni concilii. Num. XXV; f. 4a: 'Tituli
canonum apud Laodiciam Phrigie congregati ('concilii' fehlt).
Num. LVIIII'; f. 5b: 'Incipiunt tituli canonum concilii
apud Constantinopolim congregati. III'; ib.: 'Tituli cano-
num Calcedonensis concilii. Num. XXVII'; f. 6a: 'Titulus
canonum Serdicensis concilii. Num. XXI'; f. 6b: 'Tituli
canonum congregati apud Carthaginem. Num. XXIII';
f. 7b: 'Tituli canonum diversorum conciliorum Africanae
provincie. Num. CV. Diese Sammlung schliesst f. 98 b,
dann folgt : 'Incipiunt opöscula saneti Augustini de diversis
heresibus'. Beginnt bezeichnender Weise mit den Syino-
Zu Pseudo-Udalricus' 'De Continentia Clericorum'. 445
niaci. f. 107b: 'Hec est rescriptio sancti Odalrici
episcopi, in qua pape Nycolao de continencia
clericorum iuste ('non' vor 'niste' ist ausradiert) sed
impie, non canonice sed discrete ('in' vor 'discrete' ist aus-
radiert) tractata ita respondit'. Wir haben es also hier mit
einer neuen bisher unbekannten Hs. des Pseudo-Udalricus,
De continencia clericorum zu thun. Die Schrift reicht von
f. 107b — 11 1 b. Die Blätter, auf denen der Tractat geschrieben
ist, waren zuvor schon mit einer anderen Schrift beschrieben,
die ausgekratzt wurde, so dass man von ihr nur noch Spuren
sieht. Das Auskratzen wurde so scharf vorgenommen, dass
mehrere Blatter durchgerissen oder durchlöchert sind.
f. 11 lb beginnt ein neuer Tractat: 'Illud quod qui-
dam eorum veritate convicti dicere coeperunt, baptismum
quidem non amittit, qui recedit ab ecclesia, sed ius dandi
amittit, multis modis apparet frustra et inaniter dici : primo
quia nulla offendit causa, cur ille, qui ipsum baptismum
amittere non potest, ius dandi possit amittere. Utrumque
enim sacramentum est et quadam consecracione utrumque
homini datur'. . . .
Mit dem vorhergehenden hängt noch ein Stück zu-
sammen, das f. 117 mit den Worten beginnt: 'Videtur no-
bis subnectendum, qualiter ad cotidianam celebrationem
venire debeamus, quoniam multiplex est eius rei apud doc-
tores relacio'. . . .
f, 127 b beginnt der Libellus Bruno 's von Segni:
De Symoniacis und was damit in Verbindung steht.
f. 132b: 'Ordo excommunicationis. Incipit: Episcopus cum
excommunicare vel anathematizare aliquem pro certis culpis
voluerit, preparet se ad missam'. . . .
Dann folgen zusammenhanglos Stücke verschiedenen,
doch alle geistlichen Inhalts, f. 136 ein Stück aus den
Decreten Gregors VII. : 'Gregorius papa Romane synodo
presidens dixit: Quoniam multos peccatorum nostrorum
meritis exigentibus pro causa excommunicacionis — fieri
non prohibemus. Actum in ecclesia Salvatoris V. non.
martii anno dominice incarnacionis 1078'. Dann das im
MA. so oft citierte Stück: 'Tres fuere sorores Maria'. . . .
f. 137 a: 'Incipit ordo Romanus de sacramentis'. f. 140b:
'Alexander papa, V. a beato Petro, constituit, ut sal et
aqua benedicatur' und ähnliche Bestimmungen bis an den
Schluss.
Im folgenden werden die Varianten der Grazer Hs.
des Pseudo-Udalricus und Bruno's von Segni (abgesehen
von gleichgültigen Schreibfehlern und bloss orthographi-
446 J. Loserth.
sehen Dingen) angemerkt. Der Vergleichung ist die neue
Ausgabe in den Libelli de lite imperatorum et pontificum
zu Grunde gelegt.
a) Zur Epistola Udalrici 'De Conti nencia
0 1 e r i c o r u m ' .
Libelli I, pag. 255, Z. 15: 'Hec est rescriptio saneti
Odalrici episcopi' (wie oben). Z. 18: '0 solo'. Z. 21: 'trans-
missa'. Z. 26: 'possent carere'. Z. 29: 'parum' fehlt. Z. 30:
'Nurnquid non'. Z. 34: 'pauca ex multis'. Z. 36: 'inter-
dicere non legitur'. Z. 37: 'hoc capiunt verbum'.
pag. 256, Z. 1: 'Quapropter quoque ait apostolus: De
virginibus autem domini preeeptum'. Z. 2: 'eciam' fehlt.
Z. 3: 'posse capere . . . sed eiusdem consilii multos . . .'.
Z. 5: 'masculoruni ac'. Z. 7: 'suam habeat uxorem'. Z. 8:
'qui quanvis'. Z. 9: 'uxoribus abuti non dubitant'. Z. 11:
'scripturam intellexerunt'. Z. 12: 'suam habeat uxorem'.
Z. 13: 'verae' fehlt, ('ae' wird übrigens niemals geschrie-
ben, sondern immer 'e' oder 'e' ; letzteres aber auch in
Wörtern Avie 'specie/.) Z. 13: 'eum' fehlt; Votum' fehlt.
Z. 15: 'vel ore vel manu'. Z. 17: 'hoc viriliter implere'.
Z. 18: 'non pigros habebis . . . voti huius . . . esse non
cogendos'. Z. 21: 'Si quis autem'. Z. 22: 'Diaconi'. Z. 26:
'certe' fehlt. Z. 30 : 'Episcopus autem et presbyter . . .'.
Z. 32: 'abiciatur. Z. 34: 'quod eum'.
pag. 257, Z. 2: 'Maximus'. Z. 3: 'sinistris suribus in-
cisis'. Z. 4: 'dicens esse'. Z. 5 : 'persuasit concilio'. Z. 8 :
'laudavit sent. eius ... ex parte hac . . . hoc uniuseuius-
que' ('in' fehlt). Z. 14 : 'et ablata inde . . . plus quam
mille'. Z. 17: 'suoque prorsus decreto . . . apostolicum
illud consultum protulit: Melius'. Z. 18: 'Melius est nubere'.
Z. 19: '. . . deineeps iudicassent'. Z. 20: 'Nolite iudicare etc.'
(Z. 20 — 22 : 'ut non — statuere illum' fehlt). Z. 26: 'censeas
horrescendum'. Z. 28: 'peccare peniteat'. Z. 29: 'Nihil hat
nocendi'. Z. 30: 'nihil sit immaniter'. Z. 31: 'habere ne
cupiatis'.
pag. 258, Z. 2: 'apostolice hauserat'. Z. 4: 'Ubi et
subditur'. Z. 6 : 'tantum in Deo. Nubere autem in Deo'.
Z. 7 : 'Nolite ait'. Z. 10: 'proferunt'. Z. 11: '. . . apostoli
illam . . . diffinicionem virginalem'. Z. 12: 'corporis' fehlt.
'. . . animo stuprato'. Z. 16: 'huius pravitatis intentionem
te cito correpturum non dubitamus. Ideo'. Z. 17: 'corrigi-
mus'. Z. 19: 'Augustinus — est' fehlt. Z. 20: 'cum ille
qui'. Z. 23: 'habere debemus'. Z. 25: 'si fortiter invene-
Zu Pseudo-Udalricus' 'De Continentia Clericorurn'. 447
rimus . . . divino auxilio'. Z. 26: 'potest inveniri'. Z. 27:
'non hoc unius hominis'. Z. 28 : 'quod' fehlt. Z. 30 : 'potest
fieri . . .'. Z. 31: 'episcopi scilicet'. Z. 32: 'sunt in . . .
pro dolor'. Z. 33: 'abhorre (sie) casta revera clericorum'.
pag. 259, Z. 1: 'ab bis non . . . clericos' fehlt. Z. 2:
'vel rnoneant' fehlt; '. . . et cogant' fehlt. Z. 3: 'consilii
persuasionein — tamque turpem' fehlt. Z. 4: 'Honestius
oeculte pluribus' ('est' fehlt). Z. 6 : 'vel in illo . . . qui
dicit per prophetam . . . pharisei'. Z. 7: 'facilis' fehlt.
Z. 9 : 'in conspectu eius cuius et iudicia omnia aperta sunt
a conspectu erubescamus'. Z. 11: 'pravitatis nullius'. Z. 16:
"mittat in eam'. Z. 17 : 'quod adducitis, adtendite queso
quod estis'. Z. 18: ut' fehlt, Z. 19: 'etiam' fehlt; '. . .
contumescant'. Z. 20: 'animas non ministrare pertimeseunt,
isti etiam'. Z. 22: 'nimium deplorans: Quid, inquit de ovi-
bus quando'. Z. 23: 'nonne qui sevit'. Z. 24: 'ministrabit.
. . . ut audiatur'. Z. 25: linduatur. . . . clerus' fehlt.
Z. 26: 'eorum' fehlt. Z. 26. 27: 'eos' fehlt; '. . . dicere
disjmtaverim de quibusdam Paulus ap. dixit ad Timotheum,
quia in'. Z. 29 : 'habentium sanetam conscienciam'.
pag*. 260, Z. 1 : 'eventus insanie . . . unius — scilicet'
fehlt. Z. 2. 3 : 'fornicatores adulteri'. Z. 3 : 'qui in hac
ecclesia . . .'. Z. 4: 'heresim' fehlt; '. . . illud' fehlt. Z. 5:
'psalmista eius'. Z. 6: 'semper' fehlt. Z. 7: 'Quia erg*o
nemo ignorat, quia per tui decreti sentenciam tamquam
futura sit pestilencia et si solite discrecionis claritudinem
perspexisses . . .'. Z. 14: 'sed et coniugali'. Z. 15: 'visurus
sit dominum deum nostrum'. Das folgende 'qui cum —
Amen' fehlt.
An diese Rescriptio Udalrici schliesst sich unmittel-
bar und ohne Titelüberschrift eine Erörterung an, deren
Zusammenhang mit den Gesetzen gegen die Simonie und
den Verkehr mit den gebannten Simonisten niemand ver-
kennen wird. Ich habe oben die Anfangsworte mitgetheilt
und behalte mir vor, die Untersuchung darüber, ob wir es
hier mit einem Bruchstück einer noch erhaltenen oder ver-
lorenen Schrift zu thun haben, bei etwas mehr Müsse, als
sie mir jetzt zu Gebote steht, wieder aufzunehmen.
b) Zum Libellus de Symoniacis des Bruno
von S e g n i.
Die Grazer Hs. enthält nicht den ganzen Tractat.
Er reicht nur bis in das 12. Capitel, von dem noch drei
Sätze mitgetheilt werden: 'bis denuo consecretur' (Libelli
448 J. Loserth.
II, 557, Z. 18). Ausserdem fehlt ihm dieselbe grosse Partie
über das Leben Leo's IX., die auch im Wolfenbüttler Cod.
nicht vorhanden ist 1. An den Theil des Libellus schliessen
sich dann zahlreiche Excerpte aus den Schriften einzelner
Kirchenväter, den Decreten der Päpste u. s. w. an, die mit
dem im Libellus behandelten Gegenstand in Verbindung
stehen. Indem sie aber nicht durch theoretische Ausein-
andersetzungen verbunden, sondern in losester Form an-
einander gereiht sind, wird ersichtlich, dass der Libellus
in der Grazer Hs. nicht etwa eine zweite Redaction bildet,
sondern selbst nur als ein Citat — allerdings ein sehr aus-
führliches — anzusehen ist.
F. 127 b, Z. 12: 'Incipit Brunonis episcopi epistola ex
eo loco vite beati Leonis, ubi magnis auctoritatibus symo-
niaci feriuntur. Bruno' etc. s. Libelli de lite II, 516.
Varianten: Libelli, Lib. II, 546, Z. 27: 'patre et
domino ; nostro' fehlt. Z. 28 : 'dominum mecum usque in
id ipsum' ('et — eius' fehlt also). Z. 33: 'servi illius'. Z. 36:
'virtuteinque et'. Z. 38 : 'in id ipsum' fehlt.
pag. 547, Z. 2: 'una' fehlt. Z. 4: 'quae omnino care-
ant'. Z. 6: 'etiam' fehlt. Z. 9: 'ordinati vos; erant' fehlt.
Z. 12: 'ordinati. Quibus' fehlt. Dann folgt wie in der
Wolfenbüttler Hs. 'Quibus nunc respondendum est, postea
vero ea que cepimus prosequamur. Sed prius'.
pag. 554, Z. 18: 'eniin' fehlt. Z. 19: 'a' fehlt. Z. 21:
'Si enim omnes symoniaci omnes (ö~s) ordinantur'. Z. 24:
'neque pars neque sors in seculo isto'. Z. 28 : 'sed tunc'.
Z. 29: 'dereliquid. Ad hoc'. Z. 31: 'et miracula' fehlt.
Z. 32: 'date vos mihi hanc'. Z. 33: 'inposuero manus'.
Z. 34 —36 : 'quia — isto' fehlt. Z. 36 : 'ordinantur symo-
niaci. Pecuniam offerunt. Quare? Quia existimatur'. Z. 39:
'in' fehlt. Z. 42 : 'offerant' fehlt. Z. 42 : 'consecrentur'.
pag. 555, Z. 1: 'crisma (wie Cod. 2); ib.: Symoni'. Z. 3:
'benedicunt, iste benedicit'. Z. 8 — 12: 'Hoc enim — mitte-
batur' fehlt. Z. 12: 'qui Isaac illudunt' fehlt. Z. 14: 'surri-
pere volunt. Unde non'. Z. 15: 'enim soli' fehlt. Z. 20:
'maledicit eos, malediccionem convertetur; eis' fehlt. Z. 21:
'ordinati sie construeti'. Z. 22 : 'ecclesias commissas'. Z. 22:
'tales s (sunt)'. Z. 24: 'disseramus' (eigentlich 'disferamus'
in cod.). Z. 28: 'redeat' fehlt; 'nisi in ecclesia'. Z. 29:
'Potest tunc'. Z. 31: 'aeeipiat remissionem . . . Sic tunc si
. . . et conversione'. Z. 36: 'inde' fehlt. Z. 38: 'et' fehlt.
1) Mit diesem Cod. steht der Text der Grazer Hs. auch sonst in
nächstem Zusammenhang.
Zu Pseudo-Udalricus' fDe Continentia Clericorum'. 449
Z. 40 : 'arescent ... et ardent'. Z. 42 : 'si separantnr . . .
sie nee christiani si separantur'. Z. 42. 43 : 'corpus — cor-
pore Christi (inclusive)' fehlt.
pag. 556, Z. 2: 'faciaent? In ignem'. Z. 4: 'Dicit ite-
rum'. Z. 5 : 'manserit et rel.' ('mittetur — ardet' fehlt). Z. 6 :
'ille' fehlt. Z. 7: 'si in eo non'. Z. 7 — 9: 'nee in — quia
nunquam fuit (incl.)' fehlt. Z. 12: 'ipsam' fehlt. Z. 13:
'esset corpus'. Z. 14: 'dari extra ecclesiam . . . baptismus
namque'. Z. 19: 'et' fehlt, Z. 22: 'saneto' fehlt. Z. 22:
'non potest intrare in regnum Dei. Utrumque tibi neces-
sarium'. Z. 23: 'est' fehlt. Z. 24: 'solum hominem a pec-
catis purgat'. Z. 29: 'spiritus saneti que ab'. Z. 34: 'dis-
sentire et non ique (sie) aliis'. Z. 38: 'recordaciones . . .'.
pag. 557, Z. 1: 'tantum' fehlt. Z. 2: 'id est' fehlt.
Z. 3 : 'aliis' fehlt. Z. 5 : 'cum aliis' ... Z. 12 : 'penitentium'.
Z. 14: 'Quod autem'. Z. 18: Nach 'consecretur' setzt der
Text ganz anders fort:
'Augustinus dicit: Qui de ecclesia furatur, lüde prodi-
tori eomparatur. Quod symoniacus für est, dominus ostendit
dicens: Qui non intrat per ostium ovium, is für est et latro.
Quod equalis est für et symoniacus in magnis et in parvis,
Leo papa addidit dicens: Non quod furto ablatum est, sed
mens furantis ostenditur. Canones apostolorum: Quicumque
presbyter per precium ecclesiam fuerit adeptus, quoniam
contra ecclesiasticam doctrinam agere dinoscitur, et qui
alterum presbyterum legitime ad ecclesiam ordinatum per
peraniam expulerit, omnimodis deponatur' (Migne, Patrol.
lat. 130, 17).
In diesem Sinne folgen Entscheidungen der Mainzer
(Migne 143, 621) und Eheimser Synode (Migne 142, 1430),
der römischen Synode Clemens II. (Migne 142, 581) u. s. w.
Noch einmal die kurzen Venezianer Annalen.
Von H. Simonsfeld.
Meiner kurzen Notiz über die von Sauerland aus
einer Hs. der Metzer Stadtbibliotkek (n. 8) im Nuovo Ar-
chivio Veneto VII, 5 veröffentlichten Venezianer Annalen
(saec. XII.?) liabe ich hier noch einige weitere Bemerkungen
folgen zu lassen. Denn inzwischen sind in Italien zwei
von meinen Ansichten abweichende Anschauungen über
diese Annalen laut geworden, die mich zwingen, dazu
Stellung zu nehmen.
Noch ohne Kenntnis meiner erstgedachten Notiz hat
Monticolo im Archivio della Societa Romana di storia
patria t. XVII p. 237 u. ff. einen Aufsatz über die Sauer-
land'sche Publication veröffentlicht, in welcher er — ganz
richtig — gleichfalls auf die Aehnlichkeit und wieder-
holt wörtliche Uebereinstimmung dieser Annalen mit den
von mir früher veröffentlichten hinweist. Mit grösster,
fast übertriebener Ausführlichkeit untersucht und ver-
gleicht er dann die beiden Texte und kommt schliesslich
zu dem Urtheil (p. 242), dass seiner Ansicht nach in den
Sauerland'schen Annalen ein älteres Werk vorliege, wel-
ches wahrscheinlich i. J. 1177 oder wenig später von einem
Augenzeugen des Venezianer Friedenskongresses verfasst
worden und geradezu Vorlage und Quelle für die späteren
Venezianer Annalen gewesen sei — also gerade das Gegen-
theil von dem, was ich über das Verhältnis beider Texte
behauptet habe, da ich die neuen Annalen nur als eine
ungenaue und verkürzte Abschrift der älteren erklärte.
Dieser meiner Ansicht hatte ich unter Hinweis auf
meine früheren, von Sauerland und der Direktion des Nuovo
Archivio Veneto übersehenen, Publikationen in einer kurzen
(mit der oben S. 249 n. 29 abgedruckten, fast identischen)
italienischen Notiz im Nuovo Archivio Veneto t. VII, p. 493
Ausdruck gegeben, auf welche Cipolla — wohl auf Wunsch
der Direktion — sogleich eine Erwiederung hat folgen
lassen.
Noch einmal die kurzen Venezianer Annalen. 451
Auf den mehr persönlichen Theil dieser Antwort werde
ich das Nöthige in einer Eeplik im Nuovo Archivio Veneto
vorbringen. Ich kann mich daher- hier auf die übrigen
Ausführungen Cipolla's beschränken. Diese sollen meinen
Bemerkungen gegenüber offenbar dem Zweck dienen, die
nochmalige Publikation der Annalen zu vertheidigen (gegen
diese habe ich mich übrigens gar nicht gewandt, sondern
nur gegen die Art ihrer Ausführung). Und zwar wird zum
Schutze derselben angeführt, dass die neuen Annalen einen
selbständigen Werth besitzen. Aus welchen Gründen?
Erstens, weil sich hier einige Zusätze finden, die ich gleich-
falls hervorgehoben habe, die aber — wie ich sogleich hin-
zufügen will — ■ in gar keinem Zusammenhang mit den
Annalen stehen.
Zweitens, weil zwischen beiden Texten einige Va-
rianten bestehen, von denen eine dazu dienen kann, einen
Irrthum in meiner Ausgabe der Annalen zu berichtigen.
Bei dem Jahre 1167 wird in den früheren Annalen eine
Feuersbrunst in Venedig auf den dritten Tag nach dem
Feste der h. Lucia verlegt ('post terciam diem ipsius festi
sancte Lucie), und ich habe dazu an den Rand der Aus-
gabe gesetzt: 16. Dec. (und dementsprechend zu der darauf-
folgenden Notiz 'altera die venerunt legati regis Ungarie'
das Datum: 17. Dec). In der Metzer Hs. aber heisst es
'die XV. Deceinbri intrante exivit ignis', und so hat auch
Andrea Dandolo in seinen Annalen (Muratori, SS. XII,
col. 291 C). Nun wohl: wenn ich bei Umwandlung eines
Datums mich geirrt habe, indem ich die (von Monticolo
betonte) römische Zählweise nicht berücksichtigte und den
Anfangstermin nicht mitrechnete \ — kommt deshalb der
anderen Hs., welche das Datum richtig aufgelöst hat und
in einfacherer Form wiedergiebt, ein selbständiger histo-
rischer Werth zu? Das wird im Ernst doch sicher Niemand
behaupten wollen.
Den Hauptwerth aber legt Cipolla auf die Zeit,
welcher die Metzer Hs. angehöre: nämlich dem 12. Jahrh. —
wie es ähnlich sogleich bei der Publikation des neuen Textes
(N. A. Ven. VII, 6) hiess, die Annalen seien zwar von einer
Hand des 13. Jahrh. geschrieben, entstammten aber 'offenbar'
dem vorhergehenden Jahrhundert: 'scritti da una inano del
sec. XIII, ma provenienti manifestamente da fönte del
1) Dass dies die richtige Zählweise, geht, wie ich selbst erst jetzt
sehe, daraus hervor, dass auch bei den Angaben zum Jahre 1106 zwischen
28. Januar und 5. April 68 Tage gezählt sind.
452 H. Simonsfeld.
secolo precedente'. Offenbar — manifestamente?
Ja, worin liegt denn das 'offenbar? Etwa darin, dass die
Annalen im Text nicht über 1177 humusreichen? und 1220
von derselben Hand mit anderer Tinte nur ein Nachtrag
oder Zusatz gemacht ist? oder etwa weil der frühere
Theil der Hs. dem XII. Jahrh. angehört? Das scheint
mir doch eine gar zu leichte Argumentation.
Jedenfalls hat Monticolo die Sache etwas gründ-
licher angepackt und sich nach ernsteren Gründen um-
gethan. Er spricht von der 'grösseren Einfachheit der
Form' und dem 'grösseren inneren sachlichen
Zusammenhang', die ihn veranlassen, in den neuen
Metzer Annalen die Vorlage für die alten Vatikanischen
zu finden. Mit den Beweisen dafür freilich sieht es meines
Erachtens auch wieder ziemlich bedenklich aus. Was den
grösseren inneren sachlichen Zusammenhang betrifft, so
scheint er für Monticolo darin zu liegen, dass in der
Metzer Hs. eine Reihe von Feuersbrünsten (4 oder 5) und
Erdbeben (l) (von 1115, 1116, 1117, 1149, 1167) unmittelbar
hintereinander aufgezählt wird — während in der Vati-
kanischen Hs. dazwischen noch andere Nachrichten ein-
geschoben werden (zum Jahre 1120 sogar über eine weitere
Feuersbrunst) — in derselben Form und des nämlichen
Charakters, wie die paar (4) anderen Notizen, welche sich
auch in der Metzer Hs. vor und hinter jenen lokalen Un-
fällen vorfinden und welche Monticolo nun freilich (un-
glaublicherweise) von den anderen loslösen und beson-
ders entstanden sein lassen will. 'Si distinguono', sagt
er, 'nettamente tre parti secondo la loro materia e forse
anche secondo la loro composizione' : 1) Gründung der
Stadt und Translation des hl. Markus, 2) die Feuers-
brünste mit Erdbeben, 3) zwei politische Ereignisse : Ver-
mählung einer ungarischen Prinzessin mit einem Dogen-
sohn und die Zusammenkunft in Venedig 1177. Logisch
wäre es nun richtig, wenn Monticolo gesagt hätte, den
ursprünglichen Stamm der Metzer Annalen bildet die
Gruppe 2) mit den 5 Notizen ; aber er bemerkt ausdrücklich,
wie schon oben erwähnt, dass nach seiner Ansicht ein
Augenzeuge von 1177 die Annalen verfasst habe. Wo
bleibt dann die grössere Einheit? und wohin führt über-
haupt eine solche Zergliederung? Da würde sich schliesslich
jede Quelle in eine Reihe von Atomen auflösen.
Die neuen Metzer Annalen sollen aber auch durch
eine grössere Einfachheit der Form sich unter-
scheiden. Es fehlen hier ein paar Male die Indiktions-
Noch einmal die kurzen Venezianer Annalen. 453
angaben; beim Brand von 1106 heisst es liier gleich am
Anfang, dass 24 Kirchen 'cum omnibus adiacenciis (sie!) casis'
eingeäschert wurden, während die Vatikanische Hs. dies
mit einigen Worten mehr erst am Ende bringt: 'ecclesie
superius Scripte numero sunt 24 etc.' Beim Brand von
1167 fehlen hier die Worte: 'paucis (sc. conviciniis) vero
permanentibus', welche die Ausdehnung des Brandes ein-
schränken. Bei der Translation des hl. Markus fehlen des
Weiteren hier die Notizen, dass dieselbe unter dem Dukat
des Justinianus Particiacus und aus Alexandria erfolgte;
und bei der Verheirathung der ungarischen Prinzessin mit
dem Dogensohne 1167 fehlen hier die Namen der beiden
Vermählten Maria und Nikolaus. Das ist allerdings Alles
'grössere Einfachheit der Form', aber ob auch
Beweis grösserer Ursprünglichkeit?
Doch verweilen wir noch einen Augenblick bei den
Angaben zum Jahre 1167. Die Metzer Hs. bringt hier
nur zwei:
1) die XV. Decembri intrante exivit ignis de solario
saneti Salvatoris
2) altera die venerunt legati regis Ungarie et duxerunt
neptem et dederunt ipsam filio domini Vitalis Michaelis
ducis in uxorem;
in der Vatikanischen Handschrift aber stehen drei,
nämlich vor jenen zwei Notizen noch eine über die
Ankunft dreier Gesandter des byzantinischen Kaisers mit
drei Galeeren und zwar in dieser Form:
Anno Dom. mill. cent. sexag. septimo mense Decembris
indicione quinta deeima tercia die ante festum
sanete Lucie venerunt tres legati imperatoris Grecie
cum tribus galeis. Et j>ost terciam diem ipsius
festi exivit ignis de solario s. Salvatoris . . .
Da hätte nun also nach der Ansicht Monticolo's der
Verfasser oder Schreiber der Vatikan. Annalen den älteren
Metzer Text zu Grunde gelegt und das einfache Datum :
'die 15. Dec. intrante' umgewandelt in das umständlichere:
'post terciam diem ipsius festi' ; er hätte in derselben
umständlichen Form die Nachricht über die byzantinischen
Gesandten und ausserdem die Indiktion, wie auch später
den einschränkenden Zusatz 'paucis vero permanentibus'
und endlich jene Namen seiner 'einfacheren' Vorlage
hinzugefügt. Eine etwas complicierte Arbeit! Wie viel
einfacher ist doch das Umgekehrte! Der Schreiber der
Metzer Handschrift verändert das in der früheren Vorlage
überlieferte längere Datum in das kürzere, er lässt aus
Neues Arohiv etc. XX. 30
454
H. Simonsfeld.
Bequemlichkeit die Indiktion, den ganzen Passus über die
byzantinischen Gesandten und jene beiden Namen weg-,
und es kommt ihm in der Eile bei dem Brand auch gar
nicht auf ein paar Häuser mehr oder weniger an : er lässt
die betreffenden Kirchen (S. Luca etc.) mit der ganzen
Umgebung 'cum suis conviciniis' verbrennen, während nach
der Vatikanischen Handschrift einige wenige (Häuser)
übrig bleiben — wie auch Andrea Dandolo (1. c. tom. XII.
col. 291 C.) nur von mehreren umliegenden mitverbrannten
Häusern 'cum pluribus adiacentibus domibus' spricht. Jeden-
falls hat also in diesem Falle die Vatikan. Handschrift das
Richtigere oder wenigstens das, was auch Dandolo als das
Eichtigere erschien; und für mich unterliegt es keinem
Zweifel, dass sie auch das Ursprünglichere hat. Und dafür
scheint mir ganz besonders eben jene umständlichere
Datierung 'tercia die ante festum s. Lucie' und 'post
terciam diem ipsius festi' zu sprechen.
Aehnlich verhält es sich mit dem Passus über den
Priedensabschluss von 1177 in Venedig, auf welchen
Monticolo besonderes Gewicht legt. Ich setze denselben
daher nach dem beiderseitigen Wortlaut hieher.
Cod. Vatic. (SS. XIV, 72).
Anno Domini millesimo
centesimo septuagesimo sep-
timo, mense Marcii, tem-
pore Sebastiani ducis dom-
nus papa Alexander, car-
dinales , archiepiscopi , e p i -
scopi, abbates et priores
octavo die exeunte mense
Marcii intravit Veneciam.
Et in annunciatione sancte
Marie virginis susceptus fuit
cum magna gloria. Et eodern
anno Fridericus imperator,
duces, comites et principes,
et magna multitudine
et o m n i u m n a c i o n u m ve-
nerunt in Veneciam nono die
exeunte mense Iulii; et in
festivitate sancti Iacobi apo-
stoli honorifice susceptus fuit
in obsculo pacis a domino
papa Alexandro ante ianuas
Cod. Met. (N. A. Ven. VII, 7).
Anno Domini M°C° septua-
gesimo septimo in martio
(VIII. die venit' von der-
selben Hand übergeschrie-
ben) dominus papa Alexander
cum gardinalibus, archiepi-
scopis, abbatibus et prioribus
intravit Venetias et in annun-
ciatione s. Marie receptus
fuit cum magna gloria. Et
eodem anno Fridericus im-
perator cum ducibus, prin-
cipibus et baronibus intravit
Venetias die IX. exeunte Iulii,
et in festo s. Iacobi apostoli
honorifice susceptus fuit in
osculo pacis a domino papa
Alexandro ante ianuas eccle-
sie beati Marci, et permansit
in palatio domini ducis usque
ad tercium decimum diem
exeuntem Septembris ; et do-
Noch einmal die kurzen Venezianer Annalen.
455
ecclesie beati Marci, et per- minus papa exivit de Vene-
mansit in palacio domini du- ciis XVII. kl. novembris.
eis usque ad tercium deci-
mum diem exeunte mense
Septembris; et supra dictus
dominus papa Alexander exi-
vit de Venecia septimo de-
eimo Kalendis Novenbris.
Die stilistischen und sachlichen Differenzen hat auch
Monticolo bemerkt und zum Theil gewürdigt; er hat das
auffällige Fehlen des 'episcopis' in der Metzer Hs. als Irrthum
des Copisten bezeichnet, er bemerkt in einer Anmerkung1,
dass das Datum 'VIII. die venit' der Metzer Hs. in 'VIII. die
exeunte' zu korrigieren sei — aber die weiteren Konse-
quenzen hat er nicht daraus gezogen. Denn, um es kurz zu
sagen, gerade dieser notorische Fehler in dem Datum
des 8. März ist für mich der Hauptbeweis, dass die
Vatikanische Hs. die Vorlage, und die Metzer nur eine
ungenaue und verkürzte Abschrift daraus enthält; und ich
denke, es bedarf an dieser Stelle dafür nicht erst noch
einer weiteren Begründung. Es erscheint unbegreiflich,
warum Monticolo bei aller seiner Weitschweifigkeit die
Möglichkeit dieses gegenseitigen Verhältnisses nicht ein
einziges Mal auch nur streift.
Vielleicht kommt nun aber er oder Cipolla oder ein
Anderer mit dem Einwand, dass beide, die Vatikanischen
wie die Metzer Annalen, aus einer gemeinsamen, dritten
unbekannten Quelle abgeleitet seien, jede dieselbe selbständig
benutzt habe. Gegen diese , meiner Ansicht nach ganz
unstatthafte, Hyjsothese will ich sogleich einwendend dar-
auf hinweisen, dass sich in der Vatikan., wie in der Metzer
Hs. die Translation des h. Markus fälschlich zum Jahre
700 gesetzt findet, und dass beide Hss. beim Brand von
1106 unter den 24 verbrannten Kirchen die des h. Pater-
nianus auslassen, welche Dandolo (1. c. XII, 260 C.)
ausdrücklich in der Liste aufführt.
Mit meiner Annahme, dass die Metzer Annalen nur
eine Abschrift aus den Vatikanischen sind, stimmt endlich
1) Ich mache hier gleichfalls von einer Anmerkung Gehrauch, um
zu konstatieren, dass in meiner Ausgabe der Annalen SS. XIV, p. 71,
1. 15 wirklich 'ceciderunt' statt 'exiderunt' zu lesen ist. In meiner ersten
Abschrift aus dem Cod. Vatican., die ich noch bewahre, steht richtig 'ce-
ciderunt', was schon beim ersten Abdruck im X. A. I, 404 vermuthlich
bei der Correktur in das falsche 'exiderunt' verwandelt worden ist.
30*
456 H. Simonsfeld.
auch der handschriftliche Befund nach der äusseren,
paläographischen Seite. Den Annalen geht in dem Vaticanus
voraus eine Dogenliste, die mit dem Regierungsantritt
Pietro Ziani's schliesst: 'Petrus Ziani successit anno Dom.
1205 mense Augustus indicione quinta intrante'. Vor dieser
Zeit sind also die Vatikan. Annalen nicht geschrieben,
aber wohl auch sicher vor Ziani's Tod (1229). Die
Metzer Hs. besteht aus 2 Theilen: einer Regula s. Be-
nedicti, die in Venedig im Kloster des hl. Gregorius
1157 geschrieben ward, und einem Calendarium und
Necrologium (Obituarium) des nämlichen Klosters, die dem
14. Jahrhundert angehören. Auf einem weissen leeren
Blatt vor der 'Regula s. Benedicti' stehen von einer Hand
des ausgehenden 12. Jahrhunderts zwei Notizen, die ich
der Vollständigkeit halber hier ebenfalls mittheilen will:
1) Incisio Brente facta fuit currente MC XXXVII.
2) Magna guerra fuit inter Venetos et Paduanos.
Duodecim homines de Padua iuraverunt coram
domino duce, quod non fecerunt ad damnum nee
ad dedecus regni Venetiaruni et pax fuit facta XIII.
die intrante Octubri.
Unsere Venetianer Annalen aber stehen auf der
letzten, ursprünglich leeren weissen Seite des ersten Theiles
der Handschrift, geschrieben von einer Hand des 1 3. Jahr-
hunderts, und schliessen nach der Erzählung des Friedens
von 1177 mit der Notiz:
3) Fuit quodam tempore maxima aqua per mediam
noctem et integram diem, ita quod nullus poterat
stare in domibus ; unde maximum dannum de rebus
abuerunt, et multi pueri, iuvenes et homines in
aqua perierunt.
Dann folgt von der gleichen Hand, aber mit
anderer Tinte eine Notiz zum Jahre 1220:
4) Anno Domini MCCXX, in die natalis Domini magnus
terre motus fuit, unde ecclesia s. Gregorii de
Veneciis pro tere (sie!) motu cecidit.
Mit 1205 endigt die Dogenliste im Vaticanus, hier
macht die nämliche Hand, welche die Annalen abschrieb,
1220 mit anderer Tinte einen Zusatz : könnten diese Daten
besser miteinander stimmen? Und endlich am Ende des
13. Jahrhunderts wird in demselben Kloster noch ein
Zusatz gemacht :
5) Anno Domini MCCLXXXIIII die Veneris deeimo
exeunte decembri fuit maxima aqua, ita quod nulus
(sie !) poterat stare in terra nisi super sufitas et sola-
Noch einmal die kurzen Venezianer Annalen. 457
ria; et multi muri ceciderunt, et maximum damnum
de rebus abuerunt, et aliqui obierunt; et hoc fuit
a media nocte usque ad mediam terciam,
welcher zu dem Necrologium des 14. Jahrhunderts hinüber-
leitet. Dass diese 5 Zusätze in der That im Kloster
S. Gregorio gemacht wurden, kann wohl keinem Zweifel
unterliegen. Die Notiz (4) zum Jahre 1220 zwar scheint
mir nicht ganz unverdächtig. Ich finde nämlich in
anderen Quellen, bei Dandolo (1. c. XII, 343 E am Rand
des Cod. Ambrosianus) und bei Sanuto (Muratori SS. XXII,
539 B) ein starkes Erdbeben nicht zu Weihnachten 1220,
sondern 1223 gemeldet, welches das Kloster des h. Georg,
aber nicht das des h. Gregor stark beschädigte 1. Be-
zeichnender dafür sind die beiden ersten Notizen, die
freilich in dieser Form auch nicht ganz korrekt scheinen.
Von einem Streit zwischen Venedig und Padua wegen
versuchter Ableitung der Brenta und Niederlage und Ab-
bitte der Paduaner ist nämlich anderwärts nicht zum
Jahre 1137 die B-ede, wie hier, sondern zu einer späteren
Zeit, nämlich zum Jahre 1143: so bei Dandolo (1. c. XII,
280 A, wobei, wie ich früher hier verzeichnet habe 2), 'tercio
decimo' statt 'quarto decimo ducis Polani anno' zu lesen
ist) und bei Sanuto 1. c. XXII, 492 B. Der Friedens-
schluss aber erfolgte im Jahre 1144 am 14. (oder 10.)
Oktober, wie aus Flaminius Cornelius, Ecclesiae Venetae
dec. XII (tom. IX) p. 338 und dem von Gloria heraus-
gegebenen 'Codice Diplomatico Padovano' I, 326 zu ersehen
ist. Wie schon aus dem Anfang der von Gloria benutzten
Abschrift des Vertrages erhellt (die noch dazu aus dem
Archiv des Klosters S. Gregorio stammt) handelte es sich bei
dem Friedensschluss gerade auch um Entschädigung des
Klosters des h. Hilarius und Benedikt, dessen Besitzungen bei
der 'incisio Brentae' waren geschädigt worden. Die Klöster
S. Gregorio und S. Ilario e Benedetto aber sind auf das
innigste mit einander verwachsen, indem das erste seit
alter Zeit dem zweiten untergeben war und später, als
1247 Ezzelino das letztere zerstörte, der Zufluchtsort des
Abtes und der Mönche von S. Ilario e Benedetto wurde.
Die Aebte nannten sich fortan bald nach dem einen, bald
nach dem andern Kloster, bald nach beiden ; und es ist
daher ganz einfach, wenn in die Metzer Handschrift eine
1) Cf. Cicogna, Delle Inscrizioni Veneziane vol. IV, p. 245. Zu
Notiz 5 über das Hochwasser von 1284 cf. Dandolo 1. c. XII, 399 C.
2) 'Textvarianten zu Andrea Dandolo' N. A. XVIII, S. 342.
458 H. Sirnonsfeld.
spätere Hand bemerkt hat: 'Codex ss. Ylarii et Benedicti',
aber irreführend, wenn dazu von Sauerland gesagt
wird, es scheine, dass die Handschrift aus dem Besitz des
einen Klosters in den des anderen übergegangen sei. Ist
aber die Conjectur Gloria's richtig, dass der Schreiber der
von ihm benutzten Copie bei dem Datum \MCXLIV quarto
decimo die intrante Octubri' das eine 'quarto' ausgelassen \
dann liegt in der Metzer Hs. , wo der Friede 'XIII. die
intrante Octubri' geschlossen wird, ein neuer Fehler vor,
der mit den anderen beweist, wie flüchtig die Notizen hier
eingetragen wurden und dass man in denselben, um es
zu wiederholen , die Vorlage für die Vatikanischen Annalen
nicht erblicken darf.
Wann aber, um auch dies noch zu streifen, diese selbst
entstanden sind und auf Grund welcher Aufzeichnungen,
gestehe ich mit Bestimmtheit nicht angeben zu können.
Ich habe früher bereits auf die Angaben zum Jahre 1120
hingewiesen, wo die Kirche S. Pietro di Castello als
'ecclesia Sancti Petri nostri episcopatus' bezeichnet wird;
vielleicht sind die genauen Tagesangaben bei diesem Jahre
ein Beleg für gleichzeitige Aufzeichnung und wäre hier
ein Einschnitt in die Annalen zu machen, deren zweite
Hälfte dann in den Anfang des 13. Jahrhunderts gehörte.
Endlich will ich noch bemerken , dass aus einem
alten Necrologium des Klosters S. Gregorii bereits Fl. Cor-
nelius 1. c. IX, 365 u. ff. einige Notizen abgedruckt hat.
1) Dass auch die Indiction nicht stimmt, hat Gloria a. a. O. richtig
hervorgehoben.
Eine ungedruckte Urkunde Friedrichs II. über
Borgo S. Donnino, zugleich als Quelle des Fälschers
Egidio Rossi.
Von Paul Schelfer -Boichorst.
Wurde für eine gefälschte Urkunde, welche nicht
schon auf Grund eines Druckes entstand, die Quelle auf-
gedeckt, so ist gewöhnlich auch die Heiinath des Betruges
dargethan, und näher tritt uns sein Urheber. Der Mann
z. B., dem das Haus Venerosi wirkungsvolle Privilegien
verdankt, hat entweder das Archiv von Bologna benutzt
und darauf in Parma sein Bologneser Excerpt mit Parme-
saner Materialien verbunden oder in Parma Muster ge-
sammelt und zu ihnen später in Bologna Bestandtheile
einer Bologneser Urkunde hinzugefügt. Parma oder Bo-
logna war damit als Werkstätte erkannt. Nun ist von
Parma ausgegangen, hat in Bologna gelebt : der Notar der
Venerosi, Egidio Rossi, und die Kette des Beweises war
geschlossen. An Einer Stelle nur hätte ich sie gern fester
geschmiedet, als mir beim ersten Versuche möglich war 1.
Die Benutzung einer Bologneser Urkunde, sowohl für das
angebliche Privileg Heinrichs VI., als das Friedrichs IL,
konnte zwar leicht erwiesen werden, und ebenso lag klar
zu Tage, dass der formale Theil der Fälschung, welche auf
den Namen Heinrichs VI. lautet, wesentlich einem Diplom
desselben Kaisers für den Bischof von Parma nachgebildet
ist. Aber woher nahm der Fälscher sozusagen den Rahmen,
in den er die Bestätigung Friedrichs II. fasste? Die Frage
zu beantworten, wagte ich eine Vermuthung 2.
Die einleitenden Worte : Ut fidelium nostrorum animos
ad fidelitatis nostre obsequia efficacius invitemus et ftdeliitni
mentes in fide efficiantur fortiores etc., — diese Worte, meinte
ich, wären 'sehr sachgemäss gewesen, da Friedrich II. am
11. Februar 1216 den Giuliani von Parma sich gnädig
1) S. meinen Artikel : Egidio Rossi und seine Nachahmer im N. A.
XX, 187—196. 2) S. 189, Anm. 5.
460 Paul Sckeffer-Boichorst.
zeigte. Leider ist die Urkunde, die übrigens von Böhmer-
Ficker übersehen wurde, mir nur in dürftigem Regest be-
kannt, nämlich bei Affö, Storia di Parma III, 108, Anm. c.
Danach verlieh der König den Brüdern Ugolino, Tommaso
und Gabriele Giuliani die Herrschaft über Borgo San Don-
nino: 1215 ind. 4, ao. Rom. regni 3 regnique sui in Italia
Hies: Sicilia) 18 ., datum ap. Hagenowam id. feb. Nur das
Jahr der Römerherrschaft ist um eins zu erhöhen, sonst
passen alle Daten auf Februar 1216, und damals weilte
Friedrich in Hagenau. Affö erklärt die Urkunde freilich
für unecht, doch ohne Grund : wenigstens für ihren Inhalt
leistet eine andere Urkunde Friedrichs IL, die Ficker,
Forschungen IV, 333, n. 299 veröffentlicht hat, die beste
Gewähr'. Wie es hier nämlich heisst, gab der Kaiser im
April 1222 den Söhnen früherer Besitzer Borgo und Bar-
gone zurück : non obstante privilegio et commissione, quam Ugo
Lupus et Hugo Iuliani et fratres eins . . a curia nostra ad tem-
pus impetrasse dicantur.
Die Arenga dieses Privilegs für die Giuliani, — glaubte
ich demnach, — könnte sehr wohl so gelautet haben, wie
die, mit welcher Friedrich seine Bestätigung der Rechte
des Hauses Venerosi eingeleitet haben soll. Heute nun
darf ich meine ungewisse Annahme zur sicheren Behauptung
erheben. Ja, das Privileg des Parmesaner Geschlechtes
hat dem Fälscher noch weitere, ungeahnte Dienste geleistet.
Eine Abschrift fand ich, als ich im August 1894 auf
der Bibliothek in Parma arbeiten konnte. Affö hatte auf
Briefschaften Gozzi's verwiesen, hatte Gozzi frischweg als
Fälscher gebrandmarkt, — in Gozzi's Miscellanea storica
II, 30 Mscr. saec. XVIII. n. 427 liest man einen nicht
fehlerfreien, doch brauchbaren Text. Dank diesem, aller-
dings bequemen Funde darf ich nun sagen: was bei der
Fälschung, die den Namen Heinrichs VI. trägt, dessen
echtes Privileg für den Bischof von Parma gewesen ist,
fast dasselbe war bei der angeblichen Bestätigung Fried-
richs IL die Urkunde vom 11. Februar 1216. Nicht blos
die Arenga, auch noch Einzelheiten des sachlichen Theils,
dann das Verbot der Zuwiderhandlung, der Strafsatz, der
Ausfertigungsbefehl, die Recognition 1, — Alles stimmt
hier und dort auf's Wort überein! Nur von den Zeugen2
1) Diese lautet in beiden Urkunden Ego Conradus Metensis etc.,
nicht Ego Conradus Spirensis et Metensis, was der Regel entsprechen
würde. Doch fehlt es nicht an Ausnahmen. 2) S. 189, Anm. 2 be-
merkte ich schon, dass der Zeuge Anselmus de Stringunt regalis aide ma-
reschalcus keineswegs auf Erfindung beruhe ; man müsse Stringunt nur in
Eine ungedruckte Urkunde Friedrichs II. 461
machte der Fälscher einen sehr spärlichen Gebrauch, und
der Datierung bediente er sich gar nicht; er verfuhr hier
also umgekehrt wie bei dem Privileg Heinrichs VI., dessen
Zeugen und Datierung er einfach aus der Vorlage abschrieb.
Man muss bedenken, dass Bertolotto Venerosi — eben für
ihn wurde Friedrich II. in Thätigkeit gesetzt, — jeden-
falls bis 1297 lebte, also 1216 kaum schon geboren war.
Danach waren andere Zeugen und eine spätere Datierung
geboten.
Noch sei bemerkt, dass Spuren der Benutzung auch
in der Urkunde Heinrichs VI. sich finden. Hier, wie in
der Bestätigung, die Friedrich II. untergeschoben wurde,
heisst es: sine nostra nostrorumque successorum et aliquarum
personarum contradidione vel molestia, lege aliqiia non obstante.
Ungefähr ebenso hat Friedrich für die Giuliani verfügt.
Man sieht zugleich, dass die Nachahmung sich nicht blos
über den formelhaften Theil erstreckt.
Mithin hat ein weiteres Dokument \ das in Parma
beruhte, damals gewiss noch im Original, als Muster für
die Venerosi -Privilegien gedient. Wir nehmen noch hinzu,
dass der Fälscher mehrere Parmesaner bei Friedrich II.
als Zeugen auftreten, ihn selbst in Parma seine Urkunde
ausstellen Hess, dass er ferner ein Bologneser Aktenstück
benutzte, um seinen Betrug auszuführen, und wir können
über seine Person nicht mehr zweifeln: Egidius de Rubeis
de Cassio Parmensis, wie der Notar der in Bologna
ansässigen Venerosi sich nennt, hätte zum Verlust seiner
rechten Hand verurtheilt werden müssen.
Von dieser Seite hat der Fund unleugbar einiges
Iustingen ändern. In der Urkunde für die Giuliani begegnet uns nun :
Ansehnus de Iustingen regalis aide marischalcus. Aus diesem Iustingen-
Stringunt entwickelt sich dann Robert us comes de Stringunt, der die Ur-
kunde Heinrichs VI. bezeugt. Im Uebrigen hat der Fälscher sich der
Zeugen nur noch einmal bedient, und zwar für die Verleihung Hein-
richs VI. Der dort erscheinende Gotofredus comes de Saraponte verdankt
seine Entstehung dem Aktenstück vom 11. Februar 1216, worin Simon
comes de Saraponte genannt ist. 1) Ausser dem Privileg für den Bischof
von Parma, worauf im Grossen und Ganzen die angebliche Urkunde Hein-
richs VI. beruht, — meinte ich S. 189 — habe sich der Fälscher noch
die Regalienverleihung, welche die Stadt Parma im Februar 1219 empfing,
zu Nutzen gemacht : ihr habe er für die Bestätigung Friedrichs H. die
Recognition entlehnt, dann aber auch die Uebergabe per manum Heinrici
prothonotarii imperialis aule. Für diese bietet auch mein neues Dokument
keine Parallele, natürlich nicht, denn Heinrich trat erst im folgenden
Jahre sein Amt an. Da glaube ich also meine frühere Vermuthung fest-
halten zu sollen. Die Recognition dagegen stimmt genauer mit der des
Privilegs für die Giuliani überein. Vgl. S. 460, Anm. 1.
462 Paul Scheffer -Boichorst.
Interesse; in anderer Hinsicht wird nian ihm grössere Be-
deutung einräumen dürfen, nämlich als Beitrag- zur italie-
nischen Politik Friedrichs II. Früher waren Borge- San
Donnino und Bargone im Besitze eines deutschen Ge-
schlechtes. Konrad III. hatte die Burgen 1144 einem
Berthold verliehen 1, Friedrich I. sie dessen Söhnen Fried-
rich und Otto bestätigt 2. Indessen strebten auch Parma
und Piacenza nach der Herrschaft3, und 1191 erreichte
Piacenza insofern sein Ziel, als Heinrich VI. ihm die Orte
verpfändete : der ältere der Brüder selbst, Friedrich, musste
einen Vertreter Piacenza's in die bisherigen Besitzungen
seines Hauses einführen4. Aber Friedrich blieb doch Herr
beider Territorien, wenn nunmehr auch als Vasall Piacen-
za's5. Ja, Philipp II. konnte 1199 den Brüdern die Lehen
des Vaters aufs Neue verbrief eii (;. Nur gelang es ihnen
nicht, sich dauernd zu befestigen, ihnen so wenig, wie Pia-
cenza. Im Jahre 1214 huldigten Borgo und Bargone dem
Bischöfe, der Kirche und der Stadt Parma, freilich unter
Wahrung der Rechte eines römischen Königs, der in Güte
oder Gewalt die Vesten wieder gewinnen würde 7. Und in
der That, — auch Parma vermochte sich nicht zu behaupten.
Vielmehr waren es zwei grosse Geschlechter von Parma,
deren Vertretern Friedrich II. je eine der Burgen zu Lehen
gab. Wie die bisher ungedruckte Urkunde zeigt, erhielten
1216 Hugo Giuliani und seine Brüder das wichtigere Borgo;
und heisst es in einer späteren, oben schon angeführten
Verfügung Friedrichs, die Borgo und zugleich auch Bar-
1) Ficker, Forschungen IV, 157, n. 114. Eine nochmalige Ver-
gleichung, die ich Bresslau verdanke, ergiebt wohl einige Aenderungen,
hebt aber nicht die in einem Original auffallenden Fehler. Dennoch bin
ich der Ansicht Fickers, dass der Inhalt der Urkunde zu keinem Zweifel
berechtige. A.uch erscheint Berthold — vgl. Ficker III, 437 — bald
darauf in der Umgebung König Konrads als Bertolfus de Burgo S. Domnini.
Nur war Verleihung nicht schon Ausübung der Herrschaft. Denn wie
A. Overmann, Die Besitzungen der Grossgräfin Mathilde 42 gezeigt hat,
gebot bis 1149 ein Pallavicini über Borgo und Bargone. Ja, noch später
— in leider nicht genau zu bestimmender Zeit — hat Friedrich I. die
Burgen unter den Lehen der Pallavicini aufgeführt. Allerdings möchte
ich daraus nicht auf wirklichen Besitz schliessen. Vgl. Affö 1. c. II, 291;
Seletti, La cittä di Busseto I, 47. 2) Ficker a. a. O. IV, 187, n. 147.
3) Urk. von 1189 bei Affö II, 287. 4) Poggiali, Storia di Piacenza
V, 13. 5) Poggiali V, 42. Am 22. August 1197 erneuert Borgo ex
mandato et voluntate d. Henrici Born, imperatoris den Piacentinern die
Eide; am 8. Januar 1198 schwört Friedrich als Podestä von Borgo, im
Namen, zu Ehre und Nutzen Piacenza's über Borgo und Bargone zu
walten. Man sieht zugleich, dass Heinrich VI. nicht, wie behauptet worden
ist, im April 1194 die Pfandschaft eingelöst hat. Das ist ein Missver-
ständnis von St. 4856. 6) Ficker IV, 257, n. 204. 7) Affö HI, 328.
Eine ungedruckte Urkunde Friedrichs II. 463
gone betrifft: non obstante privüegio et commissione, quam
Ugo Lupus et Hugo Juliemi . . a curia nostra ad tempus im-
petrasse dicantur, so scheint mir kein Zweifel zu sein, dass
Hugo Lupus über Bargone gesetzt wurde. Die Lupi aber,
die auch Markgrafen von Soragna heissen, gehörten zu
den angesehensten Bürgern Parma's, wie die Giuliani.
Den Giuliani hatte Friedrich offenbar sein ganzes
Vertrauen geschenkt; er erwartete von ihren Bemühungen,
singula queque nostra et imperii agenäa in antea de bono in
melius provenire. Das Haupt der Familie erfuhr noch wei-
tere Gunst; der König ernannte den Hugo zum Grafen
derEomagna1. Aber 1221 fiel er in Ungnade; die Gründe
sind in Dunkel gehüllt 2. Wie es scheint, ereilte dasselbe
Geschick auch den Hugo Lupus: 1222 setzte Friedrich in
die Besitzungen Beider, zu Borgo und Bargone, das alte
deutsche Geschlecht wieder ein3.
Ich lasse nun die Urkunde folgen, nicht ganz so, wie
Gozzi sie abgeschrieben hat, vielmehr mit den nöthigen Cor-
recturen, die sich indessen leicht ergeben. Kleinere Fehler
habe ich stillschweigend gebessert und nur durchgreifende
Aenderungen angezeigt. Ein übersehenes Wort ergänzt
das Privileg der Venerosi, eine durch Punkte bezeichnete
Lücke kann mit derselben Hülfe ausgefüllt werden. Noch
sei bemerkt, dass Gozzi doch gewiss ein Original im Auge
hatte, als er hinzufügte : In archivio canonicorum cathedralis
Parme, asservatur. Da hat es Affö vergebens gesucht, und
wohl deshalb schöpfte er Verdacht. Diesen noch weiter
zu entkräften, darf ich mir ersparen : der vollständige Druck
der Urkunde wird hoffentlich jedes Bedenken verscheuchen.
In nomine sanete et individue trinitatis. Fredericus
seeundus divina favente dementia Romanorum rex semper
augustus et rex Sicilie,.
Ut singulorum animos ad fidelitatis nostre obsequia
efficacius invitemus et fidelium mentes in fide efficiantur
fortiores, [merita] 4 eorum, quos iam dudum in agendis
1) B.-F.-W. 12600. 12617. 12648. 2) Winkelmann, Kaiser Fried-
rich II. I, 173. 3) Sollte es nicht aus Nürnberg stammen, nicht der
Ministerialität der dortigen Reichsburg angehören? Bertolfus de Nuren-
berc erscheint 1138 am Hofe Konrads III. Mittheil, des österr. Instituts
VI, 63. Zu Nürnberg belehnt Konrad dann 1144 seinen getreuen Berthold
mit Borgo und Bargone. Bald darauf heisst er wieder Bertolf, nun mit
dem Zusätze de Burgo S. Domnini. Vgl. S. 462, Anm. 1. 4) Offenbar
ist vor eorum ein Wort ausgefallen ; in der Sieneser Ueberlieferung des
Privilegs für die Venerosi heisst es meritis eorum; in der Ravennater
mentis eorum; Huillard - Breholles ändert merita eorum,; ihm folge ich,
obwohl mir merita promovere wenig gefällt.
464 Paul Scheffer-Boichorst.
nostris et imperii invenimus et experti sumus omni studio
exercitatos, honoribus et regiis beneficiis consuevimus pro-
movere 1. Inter quos nostrum fidelem et familiärem, hospi-
tem nostrum, Ugolinum Iuliani cum fratribus Tboma et
Gabriele de Parma imperio fideles, nostre, maiestati devotos
recognoscentes et omnimodo obsequiosos, attendentes suis
suorumque fratrum laudabilibus ac fidelibus studiis singula
que,que nostra et imperii agenda inantea de bono in melius
provenire, de consuete, benevolentie, nostre, largitate sibi
et [pre,dictis] 2 fratribus suis tanquam [benemeritis] 3 regia
volentes respondere recompensatione, damus eis et ke,redi-
bus eorum imperpetuum atque concedimus castrum Burgi
sancti Donnini cum omni iurisdictione sua, placitis, fictis,
bray dis , pratis , pascuis , molendinis , aquis , aquimolis 4,
pedagio, moneta et omnibus aliis, quoquomodo in dicto
Burgo et eius districtu ad nostram sive imperii iurisdictio-
nem pertinentibus, ad liabendum, tenendum, possidendum,
fidelitates et bomagia recipiendum et ad omnia faciendum
que ipsis placuerit, sine nostra et nostrorum successorum
molestia vel contradictione, non obstantibus aliquibus lit-
teris sive publicis instrumentis a nostra regia serenitate
impetratis. Statuentes et firmiter pre,cipientes, ne aliqua
omnimodo persona alta vel humilis, ecclesiastica vel se,cu-
laris, huius nostre; concessionis et confirmationis formam
infringere vel eis ausu temerario debeat contraire. Quod
qui facere attemptaverit aut aliquo modo contravenire
pre,sumpserit , centum libras puri auri componat, medieta-
tem camer ^ nostre, aliamque medietatem iniuriam passis
soluturus. Ad cuius rei certam evidentiam, robur ac
memoriam lioc scriptum privilegium eis indulsimus aurea
bulla nostre maiestatis communiri.
Huius rei testes sunt Otto dux Meranie,, Thebaldus
dux Lotharingi§, Sigibertus comes de Werda et lantgra-
vius Alsati§ et Henricus filius eius, Henricus [comes] 5 de
Geminoponte, Simon comes de Saraponte, Fredericus comes
de Liningen, Herimannus marchio de Badin, Lodowicus
comes de Wirtinberg, Boppo comes de Lowfin, Gottofridus
1) promovere in den Privilegien für die Giuliani und die Venerosi;
man darf also nicht etwa: meritis respondere oder providere vorschlagen.
2) Lücke. 3) Lücke, die aus dem Privileg für die Venerosi zu er-
gänzen ist. 4) aquibolis. Zu meiner Aenderung vgl. Du Cange s. v.
aquimola, aquimollia; die vorausgehenden molendina sind als Mühlen an-
derer Art zu fassen, wie in der Urkunde Friedrichs bei Huillard IIa, 148:
molendinis, terris cultis et incultis, aquis, aquimolliis etc. 5) Eine Lücke
ist nicht angedeutet.
Eine ungedruckte Urkunde Friedrichs II. 465
comes de Calwa, Gerardus comes de Diets1, Eberardus de
Ebersten, Gerlachus de Büdingen, Wernherus 2 de Boland
regalis aule dapifer, Anseimus de Iustingen regalis aule
marischalcus, Philippus de Bolande et alii quam plures.
Ego Conradus Metensis episcopus imperialis aule. can-
cellarius vice domni Sigifridi Maguntie archiepiscopi, totius
Germani§ archicancellarii, recognovi.
Signum invictissimi domni Frederici secundi Romano-
rum 3 regis semper augusti et regis Sicili^.
Acta sunt hec anno incarnationis domini 1215, in-
dictione quarta, regnante gloriosissimo domno nostro Fre-
derico Romanorum rege semper augusto et rege Sicili^4,
anno Eomanorum regni eius 3 regnique sui in Sicilia 5
18. Data apud Hagenowam 3 idus februarii.
1) Sats. 2) Ungherus. 3) domni statt Romanorum. 4) Italic
5) Itaita.
Zur Kritik Veronesischer Geschichtsquellen.
Von Gustav Sommer feldt.
I. Der sogenannte Chronist des Orti Manara.
Codex 81 H. L. der Bibliotheque de 1' Arsenal (Catal.
11. 1111. meinbr. 4°. saec. 15), eine der werthvolleren in
Paris befindlichen Hss. zur älteren Geschichte Italiens, ent-
hält f. 2 — 32 das von Osio, darnach von Muratori edierte,
auch sonst überlieferte Chronicon monachi Patavini de re-
bus gestis in Lombardia praecipue et marchia Tarvisina
1207 — 1270. Daran anknüpfend, — jedoch geht ein Stamm-
baum des Geschlechtes der della Scala voraus sammt kurzer
Tabelle der Regenten bis auf Antonio della Scala — finden
sich in f. 34 — 39 annalistische Aufzeichnungen zur Ge-
schichte dieses Geschlechtes in den Jahren 1260 — 1405,
welche in der hier vorliegenden Form an anderer Stelle
bisher nicht nachgewiesen sind. G. Molini, der den Codex
1831/32 benutzte und auf ihn die Aufmerksamkeit lenkte,
erklärte das in den Aufzeichnungen enthaltene für 'affatto
diverso' von dem, was die bei Muratori SS. VIII, 621 ff.
gedruckte Chronik (d. h. also Parisio da Cerea resp. dessen
anonymer Fortsetzer, wie er genannt wird) darbietet. G. Orti
Manara hat dann im Jahre 1842 die Aufzeichnungen
unter dem Titel 'Cronaca inedita dei tempi degli Scaligeri'
(Verona 1842) ediert, anscheinend ohne ihren compilatori-
schen Charakter genauer zu erkennen. Introduzione p. 6
charakterisiert er das Werk mit den Worten 'breve si, ma
in parte esatta e curiosa'. Die nachstehende Untersuchung
wird zeigen, dass wir es mit einer Ausarbeitung zu thun
haben, die frühestens wohl der ersten Hälfte des 15. Jahrh.
angehört und, was die Qualität ihres Nachrichtengehaltes
angeht, ganz geringe Beachtung verdient. Ein originaler
Werth der Aufzeichnungen, wenn von einem solchen ge-
sprochen werden kann, beginnt ungefähr beim Jahre 1354
(p. 17 der Ausgabe), doch bleibt auch von da ab der
Charakter der Quelle ein solcher, dass wir ihr schwerlich
Unrecht thun, wenn wir sie als blosse Spielart des Fort-
Zur Kritik Veronesischer Geschichtsquellen.
467
setzers des Parisio da Cerea bezeichnen. Vielleicht wäre
es angemessen, bei Neuherausgabe des Fortsetzers — Ci-
polla ist mit einer solchen für Band II seiner Antiche
Cronache Veronesi beschäftigt — , den Chronisten des Orti
Manara zur Herstellung des Textes für diesen heranzu-
ziehen, wenn möglich darin theilweise aufgehen zu lassen.
Es wird genügen, die Angaben des Chronisten für
einzelne ausgewählte Jahre mit den entsprechenden anderer
Quellen zu vergleichen. Der Grad der Abhängigkeit der
ganzen Chronik ergiebt sich darnach von selbst. Veran-
lassung zu dieser Untersuchung oder richtiger gesagt Ana-
lyse gab mir der Umstand, dass auch neuerdings in einem dar-
stellenden Werke 1 von den Angaben des Chronisten für
das Ende des 13. und die ersten Jahrzehnte des 14. Jahrh.
gleichwie von einer originalen Quelle Gebrauch gemacht ist.
Für das Anfangs] ahr der Chronik (1260) giebt der
Compilator begreiflicherweise einige der Orientierung
dienende Wendungen. Die Anlehnung an Parisio da Cerea
tritt schon hier hervor, und wird ganz deutlich bei dem
folgenden Jahre:
Parisio da Cerea (Mon. Germ. SS.
XIX, p. 16).
1261. De mense Septembris.
Anno completo potestariae ipsius
doinni Mastini de la Scala et de
eius voluntate f actus fuit potestas
Veronae domnus Andreas Zeno de
Venetiis. Et eo anno Azo Estensis
marchio cum Ferrariensibus, Loy-
sius comes Sancti Bonifacii cum
Veronensibus extrinsecis et illis de
Lendenaria iverunt contra civita-
tem Veronae fere per quinque
miliaria, credentes ipsam civitatem
violenter int rare; quod minime
facere potuerunt. Sed castra verteil-
tes, obtinuerunt castra Coloniae,
Sabloni, Leniaci et gironem castri
Chronist des Orti Ma-
nara p. 10.
1261. Completo anno
potestarie sue, eius or-
dine electus fuit pote-
stas Andreas Zeno de
Veneciis. Azo marchio
Estensis cum Ferrarien-
sibus , Loixius comes
sancti Bonifacii cum
Veronensibus extrinse-
cis, et illi de Lendena-
ria , hostiliter V e r o -
nensem intraverunt
castra Colonie, Sabloni,
Liniaci, et gironem Por-
tus occupavere. Homi-
nes Liniaci post paulu-
1) H. Spangenberg, Cangrande I. della Scala. Berlin 1892.
Vgl. z. B. p. 121. 127. 147. 183. 201. A. Huber, Begesten Karls IV.
(Innsbruck 1877) p. LVI nennt den Chronisten des Orti Manara unter den
Quellen für die Geschichte Karls IV., ohne den Fortsetzer des Parisio zu
erwähnen. Der Chronist entlehnt diesem auch für die Zeit Karls IV. fast
ausnahmslos sein Material.
468 Gustav Sortmierfeldt.
lum Liniacum atque
Portum domino Mastino
dederunt, comite Loixio
ex girone expulso, ubi
steterat novem rnenses.
Hoc anno Mastmus
de la Scala creatus fuit
capitaneus et dominus
Verone.
Ponti; et in eo girone castri Ponti
stetit ipse Loysius cum tota fami-
lia sua per 9 menses et ultra. Et
tunc temporis et Uli de Leniaco
dederunt terras Leniaci et Ponti
dicto domno Mastino de la Scala
et parti intrinsecae de Verona, et
expulerunt dictum Loysium conii-
tem a dictis castris. . . .
1262. Domims Mastmus de la
Scala factus fuit et creatus capi-
taneus totius populi civitatis Vero-
nae de communi voluntate et con-
silio populi civitatis eiusdem.
Wir haben, da die Ableitung im allgemeinen ersicht-
lich ist, nur einige Stellen durch Druck hervorgehoben,
welche die Art der Benutzung der Vorlage durch den Chro-
nisten näher kennzeichnen. Er verkürzt stark und verän-
dert öfter die Stellung der Worte und Sätze, sieht aber
auch von genaueren Zeit- und Ortsbestimmungen fast grund-
sätzlich ab. Dagegen besitzt er z. B. nicht die Genauig-
keit, zu 'Veronensem' das erforderliche 'civitatem' beizufügen,
setzt irrig 'intraverunt' für 'credentes intrare' und hält
ferner die Jahre 1261 und 1262 nicht auseinander, son-
dern theilt das von Parisio zu 1262 Berichtete dem vor-
ausgehenden Jahre zu. In solcher Weise also, oft nach-
lässig, bisweilen willkürlich, benutzt er Parisio, sowie dessen
Fortsetzer. Dass dieselben ihm in der Form vorgelegen
haben, die der Modenesische Codex, auf dem Muratori's
Ausgabe beruht, darbietet, dürfte sich im Verlauf unserer
Untersuchung zeigen. Der Fortsetzer des Parisio, wie man
in der Pegel jenes Conglomerat von Aufzeichnungen älterer
und verhältnismässig neuer Zeit nennt, das im Modenesi-
schen Codex in Anschluss an Parisio gegeben wird, bricht
bei 1374 mit kurzem Hinweis auf einige Ereignisse der
unmittelbar folgenden Jahre ab. Wie sich das Abhängig-
keitsverhältnis unseres Chronisten vom Jahre 1374 bis zum
Schluss der Aufzeichnungen (1405) gestaltet, ist eine Frage,
die anhangsweise zuletzt zu erörtern sein wird.
Einfach überschlagen hat unser Chronist, was Parisio
(SS. XIX, p. 16. 17) zu 1263. 1266. 1267 darbietet. Nach-
dem er dann dessen Aufzeichnungen für 1269 in ähnlicher
Weise wie für 1261 verkürzt hat, folgt eine Lücke gleich-
wie bei Parisio bis zum Jahre 1277, für das er noch
Zur Kritik Veronesischer Geschichtsquellen.
469
nach dieser bisher ausschliesslichen Quelle, die hier em
digt, berichtet.
Der sog. Fortsetzer des Parisio beginnt, wenn wir der
Ausgabe Muratori's folgen, beim Jahre 1301; die Anmer-
kung a) zu p. 18 Mon. Germ. SS. XIX macht jedoch wahr-
scheinlich, dass schon die bei Muratori (col. 641) zu 1278
stehende Notiz Eigenthum des Fortsetzers, nicht mehr des
Parisio, ist. Wie dem nun auch sei, der Compilator der
Chronik des Orti Manara hat die Notiz zu 1278, ferner
das dort von 1301 ab Folgende ausgeschrieben, allerdings
nicht ohne eine Ergänzung der Lücke für 1278 — 1301 zu
versuchen. Er hat die Ann. Veronenses de Romano be-
fragt (jetzt ediert von C. Cipolla in Antiche Cronache
Veronesi I, p. 409 ff.) und verdankt diesen, was bei ihm
für die Jahre 1285 — 1299 zu lesen ist. Für das Voraus-
liegende hat er sich begnügt, aus der nämlichen Quelle je
eine Notiz zu 1269. 1277 und 1278 einzuschalten.
Die folgende Gegenüberstellung wird das Verhältnis
klar machen. Wir geben, da dies für den späteren Ver-
lauf der Untersuchung von Belang ist, als von einer dritten
Quelle noch die Angaben der Chronica illorum de la Scala
(ed. Cipolla a. a. O. I, p. 49 — 53, vorher schon von Verci,
Storia della marca Trivigiana VII, p. 149 — 151 nach an-
derem Codex veröffentlicht). Cipolla, Prefazione p. hx ff.
hat eine Charakteristik dieser Quelle versucht, die bei
grosser Dürftigkeit des Inhalts wesentlich aus Parisio und
dessen Fortsetzer geschöpft hat — für die ältere Zeit je-
doch mit zahlreichen Entlehnungen aus den Ann. de Ro-
mano durchsetzt — . und ihrer Entstehungszeit nach un-
serm Chronisten nicht unerheblich voranzugehen scheint.
Annales de Romano
p. 414 ff.
1269. Item eodem
anno dominus Bo-
cha de la Schala
mortuus fuit apud
Villam Francham
per eos, qui tene-
bant eam.
1277 et occa-
sione predicta cap-
tus fuit Mantue do-
Neues Archiv etc. XX.
Cronica illorum de
la Scala p. 500.
1269. Dominus
Bocha f rat er su-
prascripti domini
Mastini fuit inter-
fectus apud Villam-
francham per eos,
qui tenebant eam.
Chronist des Orti
Manara p. 11.
1269. Bucca fra-
ter domini Mastini
apud Villamfran-
caminterfectusfuit.
1277. . . . Nico-
laus et p 1 u r i m i
de Arlotis, Ugolinus
31
470
Gustav Sommerfeldt.
minus Nicolaus de
Arlotis, dominus
Ugolinus de Pizo et
f rater ipsiusGuelf us
nomine, et isti tres
decapitati fuerunt
Mantue et multi
alii de Arlotis mor-
tui sunt. . . .
1278. Die domi-
nico 13. mensis Fe-
bruarii in arena Ve-
ronensi combusti
fuerunt circa d u -
centi patareni de
illis, qui capti fue-
runt in Sermiono, . . .
1285 [p. 430]. . . .
filie condam nobilis
viri domini Uberti
marcliionis Pelavi-
cini venerunt Vero-
nam et fuerunt de-
sponsate in domo
domini Alberti de
la Scala, scilicet do-
mina Iuana per Sa-
linguerram de Fer-
raria, et domina
Margarita per Pi-
cardum de la Scala,
filium condam do-
mini Boche, fratris
dicti domini Al-
berti.
1291 [p. 440] de
mense Septembris
1291 [p. 500]. Die
ultimo Septembris
et Albertus 1 fratres
de Pizo propter
mortem domini Ma-
stini Mantue deca-
pitati fuerunt.
1278. . . . Hoc
anno centum he-
retici et patarini de
Sermione in arena
combusti sunt.
1285. In palacio
domini Alberti Io-
hana filia Uberti
marcliionis Palavi-
cini, desponsata f uit
per dominum Salin-
guerram Ferarie ; et
Margaritam, etiam
filiam marcliionis,
per Picardum filium
Boce fratris domini
Mastini et Alberti.
Hoc non consonat ad
illud, quod superius
dictum est: quod do-
minus Salhiguerra
expulsus fuit admo-
dum Ferarie in 1240
et incarceratus Vene-
ciis, dux Iacobus
Teu/polo ipsum Vene-
cias conducendo.
1291. Bartola-
meus filius domini
1) Wahrscheinlich vom Chronisten verlesen. Gruelffus wird dieser
Bruder des Ugolinus auch in den Annales Mantuani (Mon. Grerm. SS.
XIX, 28) genannt.
Zur Kritik Veronesischer Geschichtsquellen.
471
die dominico ultimo
dicti mensis Bartho-
lomeus filius domini
Alberti de la Scala
duxit in uxorem
doininam Constan-
ciam filiam domini
Conradi de Anthio-
chia filii condarn
domini regis Frede-
rici imperatoris.
1292 [p. 440]. . . .
Paduani inceperunt
facere in districtu
Veronensi in loco
Credaroli, super flu-
men Athasis , Ca-
strumbaldum.
1294 [p. 443]
Nicolaus de la Scala
filius condam do-
mini Mastini et Pe-
scarexius de Dalfi-
nis fuerunt positi
ad confines, propter
proditionem, quam
facere ordinaverant
de domino Alberto
de la Scala. . . .
1296 [p. 450]
mortuus est domi-
nus Nicolaus filius
condam domini Ma-
stini de la Scala.
1298 [p. 452]. . . .
in civitate Medio-
lani dominus Albui-
nus filius domini
Alberti de la Scala
desponsavit per pro-
curatorem filiam do-
mini Maphei de Vi-
cecomitibus capita-
nei Mediolani.
Bartholomeus pri-
mogenitus supra-
scripti domini Al-
berti duxit in uxo-
rem dominam Con-
stantiam filiam do-
mini Conradi de
Antiochia quondam
domini Ioannis
regis, filii Fede-
rici imperatoris.
1298 [p.500]. Do-
minus Alboinus fi-
lius domini Alberti
suprascripti secun-
dusgenitus dispon-
savit filiam domini
Maff ei de Vicecomi-
tibus capitanei Me-
diolani, que voca-
batur domina Ca-
tbarina.
Alberti duxit uxo-
rem Constanciam
Conradi de Antio-
cia filii Ihoannis
regis, filii Fede-
rici imperatoris.
1292. Castrum
Baldum a Paduanis
in Veronensem di-
strictum conditum
est.
1293. Nicolaus
filius d. Mastini et
Pescaresius de Del-
finis confinati fue-
runt propter sedi-
cionem quesi-
tam contra d. Al-
ber tum.
1295. . . . Mor-
tuus est Nicolaus
filius d. Mastini.
1298. Alboinus d.
Alberti filius in Me-
diolano per procu-
ratorem desponsa-
vit Katerina m
natam Maphei de
Vicecomitibus do-
mini Mediolani.
3V
472 GustaA* Sonirnerfeldt.
Zum Jahre 1299, über das der Chronist des Orti Ma-
nara ausführlich berichtet, finden wir endlich auch die
Ann. de Romano, und zwar enganschliessend, zu Grunde
gelegt. Betrachten wir die Art der Benutzung im einzel-
nen, so ergiebt sich, dass ein Irrthum in der Jahresangabe
nur einmal bei 1295, wo es 1296 heissen müsste, stattge-
funden hat ; dagegen sind der oben angedeuteten Gewohn-
heit gemäss alle Daten für Tag und Monat, die in den
Annales de Romano sich regelmässig finden, vom Chro-
nisten bei Seite gelassen. Auch hat der Chronist willkür-
lich bei 1278 'ducenti' in 'centum' verwandelt, bei 1277
aus 'multi alii' ein 'et plurimi' gemacht, bei 1293 die lpro-
ditio' zu einer 'seditio' gemildert. Gleichwohl ist sein Ver-
halten gegenüber diesen Annalen nicht ganz demjenigen
zu Parisio entsprechend. Er weist, was dort nicht der
Fall war, Zusätze im Vergleich zur Vorlage auf, so bei
1269 'frater' zu 'Bucca', 1291 'Ihoannis regis filii' zu lCon-
radi de Antiocia', 1298 'Katerinam' zu lnatam Maphei'.
Bei der Art unseres Autors zu arbeiten ist es ausgeschlos-
sen, dass diese Vermehrungen des Textes von ihm selbst
herrühren, ferner finden wir, was noch auffälliger ist, jene
nämlichen Zusätze auch in der Chronica illorum de la
Scala, die, wie gesagt, eine verhältnismässig frühe Ent-
stehungszeit hat. Da eine noch vollständigere Fassung der
Ann. de Romano als jene, die bei Cipolla vorliegt, nicht
bekannt geworden ist, die Chronica illorum de la Scala
ihrerseits aber kurz ist und solcher Angaben, wie wir sie aus
unserem Chronisten für die Jahre 1277. 1278. 1285. 1292.
1293. 1295 erwähnt haben, entbehrt, so ist die einzig mög-
liche Annahme, dass dieser nach einer dritten Quelle ge-
arbeitet hat, die bezüglich ihres Inhaltes voller war als die
uns vorliegende Chronica illorum de la Scala, den ursprüng-
lichen Ann. de Romano sehr nahe stand, aber durch ge-
wisse Zusätze über diese hinaus vermehrt war. Unser
Chronist hat einige davon, freilich rein lokaler Natur,
seiner Compilation einverleibt. Es sind folgende : Zum
Jahre 1287 'Murus Campi Marcii a porta episcopi usque
Athicen fabricatus fuit' ; zum Jahre 1295 'Constructa fuit
domus Arivoltis apud puteum platee Dominorum. Tunis
Hostilie super Padum incepta est et turris Porte Rofiolis' ;
zum Jahre 1298 'Regastra Beverarie, turris palacii, coper-
tara pontis Petre facta fuerunt' ; zu 1302 'Congelatus est
flumen Aticis, ita ut apud pontem Petre hac et illac trans-
irent homines'. Diese Notizen sind, weil ausschliesslich
örtlichen Charakters, von der Chronica illorum de la Scala
Zur Kritik Veronesischer Geschichtsquellen. 473
übergangen worden und könnten als dem Chronisten des
Orti Manara eigenthümlich angesehen werden, wenn sie
sich nicht nahezu wörtlich, aber ausführlicher, in dem bis
1306 reichenden Syllabus potestatum Veronensium vor-
fänden, den Cipolla, Antiche Cronache I, p. 387 — 408 ver-
öffentlicht hat (vgl. dort zu den Jahren 1296. 1298 u. 1302,
p. 401. 402 u. 405). Die Frage nach der vom Chronisten
benutzten Quelle wird sich also zugleich mit der Frage
nach den Quellen des Syllabus potestatum künftig er-
ledigen.
Was die Methode unseres Chronisten bei Verwerthung
jener Quelle angeht, so finden wir bei ihm eine über-
raschende Zweifelsiicht. An der oben durch cursiven Druck
kenntlich gemachten Stelle zum Jahre 1285 giebt er dem
ihn erfüllenden Misstrauen wunderlich genug Ausdruck mit
den Worten 'Hoc non consonat' u. s. w. Da seine Chronik
erst bei 1260 einsetzt, so kann jene Bemerkung, die (von
den Annales de Romano p. 430 berichtete) Verlobung des
Salinguerra von Ferrara mit einer Tochter des Markgrafen
Palavicini stehe in Widerspruch mit dem zum Jahre 1240
Gesagten, nicht auf eine Stelle der Chronik selbst gehen.
Was er meint, ist vielmehr eine Angabe des im Pariser
Codex vorangehenden Chron. mon. Patavini (Muratori SS.
VIII, 679), wo es in der That heisst: 'Salinguerram captum
dux Iacobus Teupulus Venetias secum duxit, ubi usque ad
diem mortis suae fuit in carcere custoditus'. Die Ann. de
Romano sprechen aber in jener Notiz garnicht von dem
berüchtigten Salinguerra von Ferrara aus der Zeit Kaiser
Friedrichs II., sondern meinen eine Persönlichkeit ähn-
lichen Namens aus späterer Zeit, einen Salinguerra von
Ferrara, der den Beinamen de Torelli geführt zu haben
scheint. Derselbe tritt als heftiger Gegner des Hauses Este
auf, lebt meist in der Verbannung und ist an den Wirren,
die seine Vaterstadt während der Jahre 1306 — 1311 zer-
rütteten, in hervorragender Weise betheiligt \
Mit einem zweiten Versuch zur Kritik, den er zum
Jahre 1288 macht (p. 11), ergeht es unserm Chronisten
nicht viel besser. Dort giebt er die Nachricht : 'Filia Bar-
dolini domini de Bonacosis venitVeronam in uxorem
1) Chronicon Estense (Muratori XV, 355. 359. 365. 369. 371). In
den Amiales Parmenses maiores (Mon. Germ. SS. XVIII, p. 750) wird er
Saienguera de Saiengueris genannt. Als Salinguerra de' Torelli bezeichnet
ihn die Historia miscella Bononiensis (Muratori SS. XVIII, 310). Er-
wähnt wird er auch in einer Bulle Papst Clemens V. vom 10. August 1311.
Bonaini, Acta Henrici VII. T. I, p. 191.
474 Gustav Somrnerfeldt.
Cards Grandis nati domini Alberti', und fährt fort: Hoc
eiiam non consonat, quia inferius scribitur, quod nativitas do-
mini Canis Grandis fuit in 1292. Die Amiales de Romano
berichten über diese Heirath (p. 442 — 443) zürn Jahre
1294(1): 'Die dominica 20. Iunii filia domini Bardeloni de
Bonaconsis capitanei Man tue venit Veronam ad filium
domini Alberti de la Scala, qui vocabatur Canis magnus,
quia debet esse uxor sua'. Da die Heirath also erst
1294 stattgefunden hat, ist der Zweifel des Chronisten ein
unberechtigter. Dieser muss entweder seine Quelle, die
Ann. de Romano, in beinahe unbegreiflicher Weise miss-
verstanden haben, oder es lag ihm, wie oben wahrschein-
lich gemacht werden konnte, nur eine Ableitung der Ann.
de Romano vor, die dann fehlerhaft 1288 statt 1294 ange-
geben hätte. Und schliesslich lässt der Chronist selbst
Cangrande I. gar nicht, wie er doch angekündigt hatte, im
Jahre 1292 geboren werden, sondern schreibt zu 1312:
'Natus fuit 1291'! Die Irrthümer und Widersprüche häufen
sich, wie wir sehen, da, wo der eigentliche Gewährsmann
Parisio da Cerea versagt, in recht bedenklicher Weise K
Den Ann. de Romano bezw. deren Ableitung entnimmt
der Chronist eine letzte Notiz zu 1302 ('rexit annis 23' mit
Bezug auf Alberto della Scala). Begierig hat er sich schon
für 1300 des Fortsetzers des Parisio da Cerea, der doch
erst Nachrichten für die Jahre 1301 bis 1374 bietet, be-
mächtigt. Er liefert einen eng anschliessenden, öfter wort-
getreuen Auszug, dem es freilich an Flüchtigkeiten, ähnlich den
vorhin nachgewiesenen, nicht fehlt. So lässt er gleich An-
fangs den Alberto della Scala 1300 statt 1301 sterben, dessen
Sohn Bartolomeo 1305 statt 1304. Die Genauigkeit der
Uebereinstimmung ist jedoch so gross, dass unbedenklich
wird angenommen werden können, er habe den Fortsetzer
gerade in der Form, wie ihn Muratori (SS. VIII) auf Grund
des Modenesischen Codex veröffentlicht hat, vor sich ge-
habt. Erwähnenswerth ist noch, dass der Chronist zu den
Jahren 1318 und 1328, von da ab dann häufiger, Tages-
daten aus der Vorlage, bisweilen allerdings fehlerhaft, her-
übergenonmien hat.
Ein Plus gegenüber dem Fortsetzer des Parisio da
Cerea hat er an folgenden Stellen: Zum Jahre 1318 (p. 12)
bietet er allein die Worte 'Dominus Passarinus — eam
1) Näheres über das Geburtsjahr des Cangrande I., Heirath und ver-
wandte Fragen wird ein Aufsatz von mir in den Mitth. des Inst, für
österr. Geschichtsforschung Jahrg. 1895, Heft 2 enthalten.
Zur Kritik Veronesischer Geschichtsquellen. 475
ceperat'; zu 1323 'Civitas Montie — redita fuit' ; zu 1327
'Veronam et Vicentiam in vicariatu obtinuit' ; zn 1337
'galea et vessillo ibidem collocatis' ; zu 1339 (bei ihm fälsch-
lich 1338, da er beide Jahre confundiert; cf. col. 652 des
Fortsetzers) die Worte 'Quo obtento, Guielmo de Castro
Barco nomine domini Martini illud consignavit'. Ferner
sind die ganzen Angaben zu 1347 und 1348 (p. 16) unserm
Chronisten zugehörig, da bei dem Fortsetzer, wenigstens in
der von Muratori gebrauchten Modeneser Hs., die Jahre
1346 bis 1350 übergangen sind. Für 1354 (p. 17—18) wird
der Bericht des Fortsetzers über den Aufruhr gegen Can-
grande II. durch Angabe der Namen einzelner Anhänger
des Fregnano della Scala ergänzt; auch vermissen wir beim
Fortsetzer zu 1354 den auf Karl IV. bezüglichen Passus
'Iohannes Vicecomes — Ferrarie' ; ferner zu 1357 die Worte
'et ut pax — civem suum' ; zum Jahre 1363 'Dominus Ber-
nabos — inter partes' ; endlich zu 1365 'Föns de rivo Sancti
Georgii per pontem Petre canalis plumbeis ad brolium
palacii et super capitelo fori ductus est. Föns navis lapi-
deus est f actus, qui de ligno erat'.
Die Quelle, aus der alle diese Zusätze geflossen sind,
lässt sich nicht mit Sicherheit angeben. Diejenigen für
1318. 1323. 1347. 1356. 1367 zeigen freilich eine unver-
kennbare Verwandtschaft mit der Modenesischen Chronik
des Giovanni da Bazzano (ediderunt L. Vischi, T. San-
donnini und 0. Raselli. Modena 1888), und für die
Jahre 1323 und 1347 erscheinen wörtliche Anklänge an
entsprechende Notizen des Chronicon Estense (Muratori,
SS. XV) ; eine definitive Entscheidung wird aber durch die
Vergleichung mit diesen Quellen nicht gegeben. Die Unter-
suchung über diesen Gegenstand ist eine schwierige und
lässt sich wohl nur in grösserem Rahmen führen. Wir
müssten einerseits der verlorenen Chronik jenes Minoriten-
mönches genauer nachforschen, die Giovanni da Bazzano
zufolge eigener Angabe (siehe die Notiz zu 1312, edd.
Vischi etc. p. 110, vgl. Prefazione p. XVI ff.) vorgelegen
hat, sodann auch das Verhältnis der Modenesischen Auf-
zeichnungen zu der genannten ausführlichen Chronik von
Este - Ferrara, ferner zum Polistore des Niccolö di Ferrara 1
(Muratori, SS. XXIV) und zur Historia miscella Bononien-
1) Ueber die Person des Verfassers des Polistore vgl. 0. Knoll,
Beiträge zur italienischen Historiographie. Göttingen 1876, p. 34 ff. —
G. Weltzien, Untersuchung italienischer Quellen zum Römerzuge Ludwigs
des Baiern. Hallesche Dissertation 1882, p. 36 hätte darnach nicht mehr
von Bartolomeo di Ferrara als Verfasser sprechen sollen.
476
Gustav Sommerfeldt.
sis (Muratori, SS. XVIII), sowie dieser Chroniken unter
einander klarlegen. Endlich wäre vielleicht auch jener
Mailändisch-Parmesischen Compilation des Giovanni Balduc-
chino nachzugehen, welche L. A. Ferrai (Archivio storico
Lombardo VII [1890], p. 293 ff.) als in die späten Mailän-
der Annalen (Muratori, SS. XVIII) verwebt kürzlich nach-
gewiesen hat.
Für unsern Zweck genügt es, zu constatieren, dass der
Chronist in Bezug auf die Zusätze für 1318 und folgende
Jahre unselbständig ist, ferner das von ihm Dargebotene
sich meist auch in andern Quellen, und zwar dort in der
Regel besser und ausführlicher vorfindet. Das gilt auch
für den zum Jahre 1327 gemachten Zusatz, der in der
Chronica illorum de la Scala (ed. Cipolla p. 501) sich
dahin erweitert vorfindet: 'Canisgrandis quia faciebat
expensas maiores quam imperator [Ludwig der Baier j, ea
de causa ipse imperator fecit ipsum vicarium imperialem
Verone et Vicentie' ; und ferner für die Notiz zu 1348, zu
der die Chronik des Veronesen Boninsegna de' Mitocoli
theilweise ein Correlat liefert :
Boninsegna de' Mitocoli (ed.
Verci, Storia della marca Tri-
vigiana VII, p. 157).
1347. Caterina dicta Re-
gina filia domini Mastini de
la Scala nupsit Berna-
bovi Vicecomiti, nepoti
archiepiscopi Vicecomitis Me-
diolani.
Chronist des Orti Manara
p. 16.
1348. Terremotus magnus
die conversionis S. Pauli toto
fuit in orbe. Beatrix que Re-
gina dicebatur, domini Ma-
stini filia, nupsit domino
Bernabovi de Vicecomi-
tibus, ex qua plures filios
procreavit: Ludovicum, Karo-
lum, Rodulfum et Mastinum.
Die Chronik des Boninsegna de' Mitocoli bei Verci
VII, 152 — 160 reicht bis zum Jahre 1413 und dürfte ihrer
Entstehung nach, selbst was die letzten Eintragungen an-
geht, etwas früherer Zeit angehören als der Chronist des
Orti Manara. Für die ältere Periode (1259 ff.) hat Mito-
coli den bei 1306 abbrechenden Syllabus potestatum Vero-
nensium (ed. Cipolla, Cronache I, p. 386 ff.), darauf in eini-
gen Notizen den Fortsetzer des Parisio da Cerea zu Grunde
gelegt. Da wir nach den von Verci VII, p. 152 gegebenen
Einleitungsworten ('servivit Cansignorium et postea Bartho-
lomeum et Antonium eius filios') es in Mitocoli wohl mit
einem den politischen Ereignissen nahestehenden Manne,
Zur Kritik Veronesischer Geschichtsquellen. 477
der vielleicht gar zu den leitenden Kreisen Verona's zählte,
zu thun haben, ist das Interesse, welches wir an dieser
Aufzeichnung trotz inhaltlicher Dürftigkeit nehmen, ein
erhebliches, und jedenfalls verdient sie in dem, was sie
darbietet, den Vorzug vor dem Chronisten des Orti Ma-
nara. Letzterer hat mehr oder minder mit dem Auge des
Sammlers, dem es um eine gleichmässige Aneinanderreihung
zu thun ist, die Dinge angesehen, während Mitocoli's Ein-
tragungen dem unmittelbaren Interesse an den Vorgängen
entstammen. Mitocoli scheint übrigens schon 1405 abge-
schlossen zu haben. Die noch folgenden Eintragungen der
Chronik zu 1412 und 1413 müssen anderen Ursprungs sein,
Verci a. a. O. VII, p. 152 wenigstens sagt, der Chronist sei
im Jahre 1410 (75 Jahre alt) gestorben. Mitocoli kann,
wo er Zusätze zum Syllabus potestatum Veronensium auf-
weist, was bisweilen der Fall ist, seine Kenntnis dem Ge-
brauch von Acten oder Briefschaften verdanken. Der Chro-
nist des Orti Manara dagegen hat, entsprechend der Art
wie er seinem Stoffe gegenüberstand, den Jedermann zu-
gänglichen Ueberresten der Vergangenheit seine Aufmerk-
samkeit zugewandt.
Für Mastino L, Cangrande L, Mastino II. und Can-
signorio della Scala schaltet er, diesem Interesse folgend,
die öffentlich zu lesenden Epitaphien dieser Fürsten seiner
Chronik ein (p. 10. 13. 16 und 19), ferner unterlässt er nicht
leicht für einen der späteren Veroneser Gebieter, den ge-
genauen Ort, an dem sie ihre Ruhestätte gefunden haben,
deutlich zu bezeichnen (vgl. zu 1277. 1329. 1351. 1352.
1365). Er hat auch das zu Venedig befindliche Grabmal
des Pietro de' Rossi gesehen. Die oben zu 1337 erwähnte
Notiz 'galea et vessillo ibidem collocatis' ist, zumal sie eben
in anderen Aufzeichnungen fehlt, von unserm Chronisten
wohl auf Grund eigener Anschauung gegeben worden.
In entsprechender Weise wird die namentliche Nen-
nung der gegen Cangrande IL Verschworenen (vgl. oben
zu 1354), worin der Chronist zum Theil Abweichungen
vom Fortsetzer des Parisio aufweist, zu erklären sein. Der
Fortsetzer schreibt zu 1354 (Muratori VIII, 654): 'Et simi-
liter plures gladio fuerunt necati ob tractatum praedictum,
videlicet , quorum nomina et imagines pictae fue-
runt in sala procuratorum communis Veronae'. Der
Chronist des Orti Manara hat jene Abbildungen gesehen
und die Namen, welche er dort gelesen, der Chronik als
eigene Gabe eingefügt. Das eigentlich Individuelle an dem
Werke unseres Chronisten wird weiter erkannt werden,
478 Gustav Sornmerfeldt.
wenn wir hinzufügen, dass der an der Spitze der ganzen
Zusammenstellung stehende Stammbaum des Hauses Scala
aller Wahrscheinlichkeit nach gleichfalls unserm Autor
verdankt wird, und wenn wir auch berücksichtigen, dass
die Aufzeichnungen gerade beim Jahre 1405 mit der Ueber-
nahme der Herrschaft über Verona durch die Venetianer
enden. Es bleibt kein Zweifel, dass wir ein Product eifri-
geren Sammelfleisses vor uns haben, der indessen dem
Kern der Dinge selten nachgegangen ist. Der Werth
der Chronik richtet sich ausschliesslich nach der Art des
darin zu Tage tretenden Materials.
Für die Zeit bis 1374 konnten wir den Werth dieses
Materials nur gering veranschlagen. Zu 1365 (p. 19) hat
der Chronist in auffallender Kürze alles zusammengedrängt,
was der Fortsetzer des Parisio für 1365 bis 1374 berichtet
bat. Er setzt nun wieder bei 1380 ein; die Jahre 1374
bis 1380 sind unberücksichtigt geblieben. Unsere Erwar-
tung, fortan Nachrichten von grösserer Ausführlichkeit zu
begegnen, finden wir durchaus getäuscht. Die Jahre 1381.
1384. 1389. 1392. 1396. 1399 und 1403 fallen z. B. ganz
aus. Aber auch die Selbständigkeit der auftretenden Nach-
richten muss bezweifelt werden. Zwar besitzen wir keine
Veronesische Cbronik, die für das Ende des 15. Jahrh. an
Werth das darstellte, was Parisio, die Annales de Romano
und der Fortsetzer des Parisio für die ältere Zeit sind,
doch lässt sich aus den leider so kurzen Notizen des Bo-
ninsegna de' Mitocoli das Sach Verhältnis einigermassen er-
läutern. In der folgenden Gegenüberstellung hat Mitocoli
bezüglich des Jahres 1401 in der Jahresbezeichnung geirrt,
sonst aber werden seine Notizen durch fernerstehende
Quellen bestätigt1. Fehlerhaft ist beim Chronisten des
Orti Manara, abgesehen von andern Irrthümern, schon die
Jahresangabe 1380 für Ereignisse, die ins folgende Jahr
gehören. Ganz unzweifelhaft aber ergiebt sich der Zu-
sammenhang zwischen den Werken beider Autoren aus der
Gleichheit gewisser Wendungen und der Aehnlichkeit ihrer
Geschichtserzählung.
Boninsegna de' Mitocoli
a. a. O. p. 158.
1381. mense Iulii. Bartho-
lomeus de la Scala crudeli
Chronist des Orti Manara
p. 20.
1380. . . . Dominus Barto-
lameus et Antonius dirui fe-
1) Vgl. zu 1380/81 Chron. Estense, Muratori, SS. XV, 508; zu
1387 Chron. Piacent. Giov. de' Mussi, ibid. XVI, 549; zu 1401/2 Ann.
Mediolanenses, ibid. XVI, 838 f.
Zur Kritik Veronesischer Geschicktsquellen.
479
morte fuit interemptus i n
broilo palatii in curia
de nocte cum uno socio, et
portatus fuit ante domum
illorum de Nogarolis penes
Sanctani Ceciliam.
1387. 18. Octobris gentes
comitis Iohannis Galeacii de
Vicecomitibus, comitis Papie
et domini Mediolani, cum qui-
busdam Veronensibus ingre-
diuntur portam Sancti Maxi-
mi et expellunt Antonium de
la Scala.
1401. 24. Augusti. Dux
Mediolani moritur, relictis
duobus filiis leg'itimis
et uno naturali, quem reli-
quit dominum Pisarum.
1404 [p. 159— 160]. Diemar-
tis 8. Aprilis Franciscus de
Carraria, niarchio Estensis et
Gulielmus de la Scala cum
duobus filiis cum exercitu de
nocte hora matutina ceperunt
muros Verone . . . Eodem
mense Aprili Gulielmus de
la Scala moritur forte ve-
n eno mandato Francisci Car-
rariensis. Mense Maii die
festo paschatis pentecoste Ia-
cit ponticelos, qui super vias
publicas erant. Dominus Bar
tolameus et Galvanus de Po-
iana 12. Iulii in nocte zuzu
(soll wohl heissen liussu') do-
mini Antonii fratris sui inter-
fecti fuerunt inpalacio in
camera terrena brolii a
Iohanne de Insula Cortesia
de Seratico Benedicto de Ma-
lersano. Cadavera ea nocte
delata sunt sub porticu prope
domum Antonii de Nogarolis
apud sanctani Ceciliam.
1387. 18. Octobris. Iohan-
nes Azo de Ubaldinis . . .
cum exercitu domini Iohan-
nis Galeacii venerunt contra
Veronam, et per tractatum
habita porta sancti Maximi,
burguin sancti Zeni intra-
verunt . . . Dominus Anto-
nius per pontem castri Ve-
rone recessit, et relicta civi-
tate ambasciatoribus impera-
toris, Venecias ivit.
1402. [p. 22] ... Die 3.
Setenbris Iohannes Galeacius
de Vicecomitibus, dux Me-
diolani, morte naturali obiit,
duobus filiis legittimis
relictis, Iohanne Maria et
Philippo Maria.
1404. Dominus Franciscus
de Carraria, Nicolaus mar-
chio Ferrarie gener suus, cum
multis gentibus et vexillis
imperialibus intraverunt cit-
tadelam Verone ; et dominium
Verone sub nomine Vielmi
de la Scala obtinuerunt. Pau-
cis post diebus mortuus
est dominus Vielmus, non
sine suspicione veneni,
cui successerunt Brunorius
480 Gustav Sominerfeldt.
cobus filius Francisci de Car-
raria invitavit ad cenain se-
cum in Castro saucti Martini
Aquarii Brunorium et Anto-
nium fratres filios Gulielmi
de la Scala, ineaque cena
capti fuere dicti fratres de
la Scala missiqne in car-
c e r i b u s . . . ; paucisque die-
et fratres, filii doniini Vielmi
predicti. Anno supradicto
dominus Franciscus de Car-
raria proditorie in Vero-
na cepit dominum Bruno-
rium et fratres, quos Paduam
ad carceres misit; domi-
niumque Verone in se arri-
puit; ad cuius regimen con-
bus post Franciscus de Car- ■ stituit Iacobum suum secun-
raria vocatus fuit dominus j dum filium.
Verone super capitello . . .
Wir sehen, der Zusammenhang ist nicht wohl zu be-
zweifeln. Die Chronik des Boninsegna de' Mitocolo ist
nicht ausführlich genug, um den Grad des Abhängigkeits-
verhältnisses genauer feststellen zu können. Dass aber
der Chronist des Orti Manara die Aufzeichnungen Mito-
coli's, der ja der ältere von beiden ist, direct benutzt habe,
ist kaum anzunehmen; Abweichungen in den Daten und
in anderer Hinsicht sprechen dagegen. Es muss also eine
Quelle beiden gemeinsam zu Grunde liegen. Diese dürfte
eine Veronesische gewesen sein; dafür spricht der Umstand,
dass beim Chronisten des Orti Manara an anderen als den
oben citierten Stellen mehrfach Nachrichten rein territo-
rialer Natur gegeben werden. Ferner Hesse sich, was die
politischen Ereignisse angeht, aus dem für diese Zeit so
ausführlichen Chronicon Estense neben andern Quellen dar-
thun, dass unser Chronist für den uns hier beschäftigenden
Theil seines Werkes kaum eine Nachricht bietet, die nicht
auch anderwärts bezeugt wäre. Es ist zu hoffen, dass,
wenn Cipolla in Band II seiner 'Cronache' jene bisher
unedierte Fortsetzung der Annales de Romano, von der er
Bd. I, p. 360 Note spricht, veröffentlicht haben wird, und
wenn wir zugleich durch ihn in die Lage gesetzt sind, den
Fortsetzer des Parisio da Cerea sammt allen verwandten
Quellen in gereinigter handschriftlicher Ueberlieferung vor
uns zu sehen, wir von diesem wenig zuverlässigen Chro-
nisten des Orti Manara als historischer Quelle so gut wie
ganz werden absehen können.
Nachrichten.
105. Ende September 1894 ist die Ceutraldirection der
MG. mit ihrer Bibliothek ans der Bendlerstr. 41 in das
neu erbaute Reichsversicherungsamt, Königin Augusta-Str.
25 — 27 übergesiedelt.
106. Bei der Abtheilung Diplomata, Serie des 11. Jh.,
ist Herr Dr. Martin Meyer aus Münster am 15. Nov.
1894 als Mitarbeiter eingetreten.
107. Von der Abtheilung Auetores antiquissimi ist
erschienen :
Tomi XIII, pars I. Chronica minora saec. IV.
V. VI. VII, ed. Th. Mommsen vol. III, fasc. I
(Inhalt: Gildae Sapientis de excidio et conquestu
Britanniae ac flebili castigatione in reges prineipes
et sacerdotes mit 4 Additamenten und Historia
Brittonum cum additamentis Nennii ; Berolini 1894).
108. Von der zweiten Gesammtausgabe der Ge-
schichtschreiber der deutschen Vorzeit sind er-
schienen: Die Chronik Otto's von Freising lib. VI.
VII, dessen Gesta Friderici, Rahewins Fortsetzung
derselben und die Chronik des Otto von S. Blasien,
sämmtlich übersetzt von Horst Kohl, und die Ann.
Palide nses, übersetzt von E. Winkelmann, in zweiter
von W. Wattenbach bearbeiteter Auflage. Letzterer
bespricht in der Einleitung die neuesten Untersuchungen
von Herre und Bernheim und theilt S. VI die alte, jetzt
von Madan wieder ganz lesbar gemachte Inschrift der
Oxforder Hs. mit, aus der sich ergiebt, dass der Codex
wirklich aus Pöhlde stammt.
109. Durch die Allg. Geschichtsforschende Gesell-
schaft der Schweiz werden unter Leitung G. Meyers
482 Nachrichten.
von Knonau die Vorlesungen herausgegeben, welche
G. von Wyss mit grösstem Erfolg über die Geschichte
der Historiographie in der Schweiz gehalten hat.
Wir werden auf das Werk, dessen erste Lieferung er-
schienen ist (Zürich, Fäsi und Beer 1894), nach seiner
Vollendung zurückkommen.
110. Die in der Vaticana erhaltenen hsl. Kataloge
der Handschriftensammlung der Königin Christine
bespricht G. Monticolo im Archivio della E. soc. Ro-
mana di storia patria XVII, 197 ff. Ueber einen anderen
Aufsatz Monticolo's in demselben Heft s. oben S. 450 ff.
111. Im Centralblatt f. Bibliotheksw. XI, 345 ff. be-
schreibt H. Nentwig die 12 Hss. meist theologischen
Charakters und die Wiegendrucke der Stadtbibliothek
zu Hildesheim.
112. Von den Hss.-Katalogen der französi-
schen Provinzialbibliotheken sind folgende Bände
(vgl. N. A. XIX, 249, n. 9) erschienen: T. XVI. Aix, XVIII.
Alger, T. XIX. Amiens, T. XX— XXII. kleinere Biblio-
theken, darunter in T. XX. Le Mans, Arles, XXI. St.
Etienne, Cognac, Vienne, XXII. Nantes, endlich T. XXIII.
Bordeaux. H. Bl.
113. Der hist. Verein für den Niederrhein hat eine
Inventarisierung der niederrheinischen Stadtarchive be-
schlossen. Die erste Abtheilung dieser verdienstlichen
Publication bringt Heft 59 der Annalen des Vereins, in
welchem J. Hansen die Inventare der Stadtarchive von
Andernach, Duisburg. Linz mittheilt.
114. Der 4. Band der Inventare des Frankfurter
Stadtarchivs (Frankfurt a. M., Völcker 1894) verzeichnet
die Bestände Münzwesen 1350 — 1499, Acht und Aberacht
1394 — 1497 und Nachträge namentlich zu den Eeichssachen
1275 — 1499. Ein von H. v. Nathusius - Neinstedt angelegtes
Gesammtregister zu den Bänden 1 — 4 ist beigegeben.
H. Bl.
115. In der Karinthia I, 1894, S. 15 ff. 53 ff. spricht
sich R. Müller gegen die Identifizierung des in der Vita
S. Severini erwähnten Tiburnia mit Debern im Lurnfeld
(vgl. Wattenbach, GQ. I6, 47) aus; der Name Tiburnia =
Liburnum sei vielmehr in dem Namen Lurnfeld selbst er-
halten.
Nachrichten. 483
116. Eine literarhistorische Studie über Johannes
von Biclaro auf Grund der neuen Ausgabe von Mornm-
sen hat F. Görres in den Theol. Studien und Kritiken
Jg. 1895, S. 103 ff. veröffentlicht.
117. L. Schwenkow, Kritische Betrachtung der
lat. geschriebenen Quellen zur Gesch. d. Eroberung Spa-
niens durch die Araber (Diss. Götting. 1894) untersucht
die von Mommsen (Chron. minora II, 323 ff.) als Conti-
nuatio Byzantia Arabica und Continuatio Hi-
spana des Isidor herausgegebenen, früher als Cont. Iohan-
nis Biclarensis und Isidorus Pacensis bezeichneten Schriften,
noch ohne Kenntnis der neuen Ausgabe, durch die seine
Ausführungen zum grossen Theil bestätigt, z. Th. allerdings
überholt werden. Daneben behält seine Kritik der Nach-
richten beider Quellen ihren Werth.
118. Das von Mommsen (N. A. XIX, 285 ff.) ge-
würdigte Fragment der Historia Brittonum aus der
Hs. von Chartres veröffentlicht L. Duchesne in der Re-
vue celtique XV, 174 ff. und führt in Anschluss daran eine
Reihe abweichender Ansichten über die Entstehungszeit
der Hist. Brittonum und über Nennius aus. Die neue Aus-
gabe Mommsens hat er noch nicht benutzen können.
H. Bl.
119. In der Bibl. de l'ecole des chartes LV, 515 ff.
berichtet H. 0[mont], dass Vorarbeiten des Jesuiten
P. Gilles Bouchier (gest. 1665) für die von ihm beabsich-
tigte Edition des Gregor von Tours noch erhalten sind.
Sie sind in ein Exemplar der Freherschen Ausgabe (Chel-
tenham n. 11917 des Katalogs von 1837) eingetragen.
120. Eine neue eingehende Erörterung über die oft
besprochene Stelle Greg. Tur. II, 9 (SS. Mer. I, 77) giebt
K. Plath in einer Untersuchung über die Lage von Dispar-
gum (Jb. der Alterthumsfreunde im Rheinland XCV, 121 ff.).
Er bestreitet die Existenz linksrheinischer Thoringi, nimmt
an, dass das Thüringergebiet sich einmal bis an den Rhein
erstreckt habe und identificiert demgemäss Dispargum
wieder mit unserem Duisburg.
121. Im XII. Bande der Analecta Bollandiana
Fase. I gab Chr. Pfister die schon bekannte Vita Odi-
liae (Otiliae) abbatissae Hohenburgensis (8. Jahrh.) nach
vielen Hss., deren er 48 aufzählt, verbessert heraus. In
demselben Heft bekämpft einer der Herren Bollandisten
484 Nachrichten.
mit entscheidenden Gründen die von Br. Krusch in dieser
Zeitschrift (XIX, 19 ff.) aufgestellte Ansicht über das Ver-
hältnis der drei Vitae S. Austremonii, der den bis
dahin für den jüngsten gehaltenen Text als den ältesten
hinstellte und für dessen Verfasser S. Praeiectus hielt.
Der fein geführte Beweis, dass die frühere Ansicht
fest zu halten ist, scheint mir schlagend. Im 2. und
3. Heft haben die Herren Bollandisten die verloren ge-
glaubten beiden ersten Bücher der Vita Odiliae vi-
duae Leodiensis ediert, welche Aegidius von Orval
ausschrieb, und deren drittes Buch MG. SS. XXV heraus-
gegeben ist. Die Herren Väter hatten das Glück, das
Werk in einer Hs. des XV. Jahrh. der kaiserl. Fidei-
Commiss-Bibl. in Wien zu entdecken. In den Berichten
dieser drei Hefte über die hagiographische Litteratur sind
auch eine grosse Anzahl von Arbeiten, welche unser Ar-
beitsgebiet betreffen, darunter die unserer Mitarbeiter
Br. Krusch und J. Dieterich in dieser Zeitschrift ein-
gehend besprochen. O. H.-E.
122. In der Zeitschr. f. Gesch. des Oberrheins N. F.
IX, 516 macht B. v. Simson zu Ann. S. Amandi 807,
wo von einem Placitum Karls d. Gr. zu 'Confflem' die Rede
ist, auf Ann. Aquenses 806 'Karolus placitum habuit apud
Costen' aufmerksam und hält daraufhin die Deutung auf
Kostheim fest, während Mühlbacher und Kohl Corruption
aus dem Namen Ingelheim (vgl. Chr. Moiss. 807) ange-
nommen hatten.
123. In der Revue des langues Romanes VII, 251 ff.
beginnt F. Gabotto eine Untersuchung über die Quellen
der Karolingischen Legenden im Chron. imaginis
mundi des Jacob von Acqui. H. Bl.
124. In den N. Mitth. des thüring. - sächs. Vereins
XVIII, 3, 66 ff. veröffentlicht H. V. Sauerland aus Cod.
VI. 1 der Trierer Seminarbibl., der auch die älteste, unge-
druckte Recension der Inventio et mirac. S. Mathiae
apost. enthält, eine merkwürdige, im Magdeburger Dom-
kloster verfasste Vision (geschrieben im 12. Jh.), in der
Kaiser Otto, König Heinrich II. und Erzbischof Gero eine
Rolle spielen. Heinrich II. muss Busse dafür thun, dass
er einen von Gero gebannten Mann zu seinem Tischgenossen
(participem mense) gemacht hat.
125. H. V. Sauerland macht (Histor. Jahrb. XV,
574 f.) Mittheiluno- von einer die Streitschrift Lanfranks
Nachrichten. 485
gegen Berengar und eine Erklärung des Vaterunser ent-
haltenden Paderborn er Hs. des 12. Jh. in der Vatikani-
schen Bibliothek. Von zugefügten kleineren Aufzeichnun-
gen desselben Jahrhunderts werden Paderborner anna-
listische Notizen, das 11. Jh. betreffend (vgl. Watten-
bach, GQ. II G, 518), und ein Schatzverzeichnis der Pader-
borner Doinkirche wiedergegeben. M. M.
126. In der Zeitschr. des Vereins f. Gesch. und Alter-
thumsk. Schlesiens XXVIII, 259 ff. handelt Ketrzyriski
über die von ihm in Mon. Pol. Hist. VI (vgl. N. A. XIX,
480, n. 99) herausgegebenen Breslauer Bischofskata-
loge, ihr Verhältnis zu einander und zu anderen Quellen.
127. Auf Grund eines reichen hsl. Materials, das
erst in einer grösseren Arbeit über Kaiserprophetien und
Kaisersagen zugänglich gemacht werden wird, scheidet
F. Kampers, Die tiburtinische Sibylle des Mittel-
alters (Diss. München 1894) die Ueberlieferungen dieser von
Gottfried von Viterbo benutzten Weissagung (vergl.
Wattenbach, GQ. II6, 230), deren älteste Form er schon
vor 1047 entstanden glaubt. Als ihre Quelle sucht er ein
byzantinisches Konstans -Vaticinium zu erweisen, das seiner-
seits auf eine römische Kaiserprophetie zurückgehe.
H. Bl.
128. In den St. Galler Mittheilungen zur vaterländ.
Gesch. bringt Emil Arbenz die Fortsetzung der Brief -
Sammlung des Humanisten Joachim Vadianus, welche
die J. 1519 — 1522 umfasst. Sehr merkwürdig wäre darin
(S. 233) zum J. 1519 die Erwähnung von Lamberts Ge-
schichtswerk, wenn nicht, wie schon das Beiwort ldivus'
beweist, vielmehr die Legende vom h. Lambert von Ma-
stricht gemeint wäre. E. D.
129. In der Anzeige des 2. Bandes der Li belli de
lite in v. Sybels Histor. Zeitschrift 73, 487 — 490 bietet
Mirbt abermals einige, wenn auch nicht sehr erhebliche,
Ergänzungen zu den Quellennachweisen und dem Register.
E. D.
130. Nach einer Mittheilung des Herrn Delisle ist
der von Bethmann einst vergeblich gesuchte Codex Signia-
censis des Sigebert von Gembloux kürzlich mit eini-
gen andern Hss. in den Besitz der Pariser Nationalbiblio-
thek gelangt. Gegen 1172 schön geschrieben, soll er doch
für den Text nicht von erheblicher Bedeutung sein.
E. D.
Neues Archiv etc. XX. 32
486 Nachrichten.
131. In einem R. Fruin (der 1. Jannar 1894 seine
Leidener Professur niedergelegt hat) gewidmeten Bande
Geschiedkundige opstellen (Haag, Nijhoff 1894) ist
gedruckt ein Aufsatz über die Annales Egmundani
von M. S. Pols, der, gestützt auf eine genaue Beschrei-
bung der Londoner Hs. ausführt, dass Richthofen mit Un-
recht das Chron. Egmundanum, als ältere Bearbeitung einer
gemeinsamen Quelle, den Ann. Egmundani vorzieht. Die
Annales sind zweifellos Quelle des Chronicon. Zu den
Ann. Xantenses, die den Anfang der Ann. Egmund.
bilden, gehören nur die Jahresberichte 790 — 873; der frü-
here Theil gehört dem Egmonder Annalisten an. Der älteste
Theil der Egmonder Annalen ist gegen Mitte des 12. Jh.
geschrieben; als Hauptquellen (neben einer verlorenen
Utrechter) werden nachgewiesen Regino, Sigebertus-Ansel-
mus Gemblacensis mit der Cont. Burburgensis und die
Ann. Blandinienses.
Utrecht. S. Mull er Fz.
132. Die 'Festschrift der Lat. Hauptschule z. 200 jäh-
rigen Jubelfeier der Universität Halle -Wittenberg' (Halle
1894) enthält auf S. 105 — 117 eine Abhandlung von Reinhold
Nebert über 'Die Abfassungszeit der Kaiserchronik'.
Was zur Beantwortung dieser Frage in der Einleitung zur
Ausgabe der MG. S. 39 — 45 vorgebracht worden ist,
erscheint dem Herausgeber selbst keineswegs derart, dass
nicht die Ermittelung neuer Anhaltspunkte recht erwünscht
wäre. Die Dreizahl von solchen freilich, die N. heraus-
gefunden hat, zerrinnt bei näherem Suchen leider in nichts.
Unter Konrad I. (!) kennt die Kehr., die bekanntlich
von ungenauen und fehlerhaften Namenangaben wimmelt,
einen würzburgischen Bischof Gebhard (15746), der der Ab-
setzung des kranken Königs widersprochen haben soll, und
weil nun vor Ende 1150 kein Träger dieses Namens den
ostfränkischen Bischofssitz innegehabt hat, so hatte ich
(S. 45, 11 ff.) angedeutet, der Chronist möge erst durch
diesen Gebhard I. von Henneberg (1150 — 1159) veranlasst
worden sein, den Namen auf einen für ihn namenlosen
Würzburger Bischof des 10. Jahrh. zu übertragen. Mit
meiner Annahme, dass das Werk noch bei Lebzeiten Kon-
rads III. und jedenfalls vor dem Tode des Regensburger
Bischofs Heinrich von Wolfratshausen (1155) ans Licht
getreten sei, schien diese 'vorsichtige Anmerkung' wohl über-
einzustimmen. N. geht weiter: er erklärt jenen Gebhard
des 10. Jhs. nicht nur für einen Taufpaten, nein für Geb-
Nachrichten. 48 7
hard von Henneberg selbst! S. 110: 'Gebhard ist deshalb
an so früher Stelle erwähnt (!), weil das bei der Behand-
lung' der Regierungszeit Friedrichs I. nicht gut geschehen
konnte, ohne dass der Dichter Partei nehmen musste ent-
weder für den Kaiser oder für den Bischof. Es ist also
so gut wie sicher, dass der Dichter, während Gebhard das
(!) Würzburger Episkopat inne hatte, gelebt hat'. Und
schon vorher soll (S. 109) wahrscheinlich gemacht werden,
dass der Chronist 'um die am Würzburger Hofe im Stillen
gehegte Absicht einer Fälschung [der Immunitätsurkunden]
gewusst und mit seinen Versen (16219 ff.) den Zweck ver-
folgt hat, der Fälschung gleichsam vorzuarbeiten und den
Glauben zu erwecken, dass die Urkunden, die später
gefälscht wurden, schon lange im Besitze der Würzburger
Kanzlei seien'. Die verschiedenen Erwägungen vereinigen
sich dann dahin, die Abfassung der Kaiserchronik in die
letzten Jahre der Eegierung Gebhards, 'etwa zwischen 1157
bis 1160' (!) zu setzen.
Noch schiefer sind die Deutungen, noch luftiger die
Gründe, die diese neue Datierung bestätigen sollen. Die
merkwürdig schroffe Zurückweisung des Bauernstandes,
welche sich 14791 ff. als Satzung Karls d. Gr. einführt,
soll erst 'etwa ein Jahrzehnt' nach dem 2. Kreuzzuge
möglich gewesen sein, ja sie soll sich 'direkt beziehen' auf
§ 12 der Const. de pace tenenda von 1156. Dabei steht,
um nur eines herauszugreifen, in der Constitutio, 'der
Richter solle dem Bauern die Waffen abnehmen oder ihn
um 20 Schillinge strafen', in der Kehr., man solle ihm am
Kirchzaune 'Haut und Haar abschlagen'. Ist hier ein
Schluss erlaubt, so ist es nur der, dass der junkerhafte
Ausfall des Chronisten am ehesten möglich war in einer Zeit,
wo die brutalen Ueberhebungen und die kecken Ansprüche
des neuen Ritterstandes officiell weder anerkannt noch ge-
zügelt und eingeschränkt waren. Also eher vor, als nach
jenem Landfriedensgesetz!
Und nun gar die Verse 4599 ff., wo Held Totila der
redegewandten Dame Almenia eine galante Auskunft über
die Macht der Minne giebt. Ihren kulturhistorischen Werth
hat Scherer scharf hervorgehoben. N. aber findet heraus —
der das Gras wachsen hörte, war ein Tauber dagegen! — ,
dass in den Reden der beiden der 'altheimische Minnesang'
mit dem französierten ringt und dass der letztere seinen
Gegner 'bereits ins Wanken gebracht hat' (S. 116). Natürlich
kann das auch wieder 'nicht lange vor 1160' gewesen sein,
damals aber, 'im letzten Drittel der fünfziger Jahre', muss
32*
488 Nachrichten.
der französische Minnesang nach N. in Regensburg seinen
Einzug* gehalten haben, und 'jedenfalls hat unser Dichter
den altern Heinrich genannt', den 1161 bezeugten Burg-
grafen von Regensburg, dem N. ohne viel Federlesens alles
zuschreibt, was unsere Liederhss. unter 'Burggraf von
Regensburg' und 'Burggraf von Rietenburg' überliefern.
Die Verwegenheit, mit der hier beständig Gründe und
Kombinationen aus der Luft heruntergeholt, die Leicht-
fertigkeit, mit der allgemeine Behauptungen aufgestellt
und (besonders auf S. 116) alsbald in Sperrdruck der Welt
verkündigt werden, dabei die ungenügende Kenntnis der
neuen Litteratur (z. B. über die Regensburger Minnesänger,
die Würzburger Immunitäten) und das Totschweigen aller
Gegengründe, auch der längst präcis formulierten, das
alles in dieser Häufung ist, Gott sei Dank ! selbst bei den
Germanisten ungewöhnlich.
So luftigen Ausführungen gegenüber halte ich vor-
läufig an allen Behauptungen meiner Einleitung fest —
ausser an denen, die ich in den Herrn N. unbekannt ge-
bliebenen Nachträgen S. 438 ff. selbst zurückgenommen habe.
Insbesondere die Identität des Hauptverfassers der Kehr,
mit Konrad von Regensburg, dem Dichter des Rolands-
liedes, hat bisher jeder bestätigt, der tiefer in den Gegen-
stand eingedrungen ist, so zuletzt noch Kraus, Deutsche
Gedichte des 12. Jhs. (Halle 1894) S. 137. 181. Mein Buch
über den Dichter und die Litteratur seiner Zeit hoffe ich
nach einem Besuch der Münchener Hof- und Staatsbiblio-
thek in den Osterferien 1895 endlich abzuschliessen.
Edw. Sehr.
133. Im Korrespondenzblatt der Westdeutschen
Zeitschr. 1894 S. 217 ff. veröffentlicht H. Kell et er aus
einer Hs. des Kölner Domarchivs eine Notiz über die
Helenareliquien in St. Gereon zu Köln, aus der sich
ergiebt, dass diese erst nach 1135 hierhin und nach
S. Cassius in Bonn gekommen sein können, sowie einen
manche neue Einzelheiten bietenden Bericht über die Er-
schlagung des Grafen Wilhelm IV. von Jülich zu
Aachen am 16. März 1278.
134. In der Alemannia XXII, 123 ff. giebt P. Joa-
chimsohn Mittheilungen über Wittwers Catalog. abbat,
mon. SS. Udalrici et Afrae August., sowie über einen
bis 1216 reichenden und wahrscheinlich bald nachher ge-
schriebenen Abtskatalog in Cod. 80 der bischöfl. Biblio-
thek zu Augsburg, der noch ungedruckt ist. Im Anhang
Nachrichten. 489
publiziert er Stücke aus der Chrouik in Cgm. 213 (vgl.
N. A. XX, 246 n. 36) und Wittwers Katalog.
135. Die von A. Gaudenzi gefundene Chronik des
Eichard von S.Germano (vgl. N. A. XIV, 628, n. 185)
bestimmt A. Winkelmann (Mittheil. d. Inst, für öst. Ge-
schichtsforsch. XV, 600 ff.) als eine für den Abt Stephan
von Montecassino 1220 — 1222 begonnene, bis 1226 geführte
Klosterchronik, welche Eichard nach Stephans Tode
zu der in den Mon. Germ, vorliegenden Eeichschronik,
mit einer Friedrich II. günstigeren Auffassung, umarbeitete.
Beide Werke haben nebeneinander Werth. — Unabhängig
von W. hat H. Loewe, Eichard von S. Germano u. d.
ältere Eedaktion seiner Chronik (Diss. Berlin, 1894), in
breiter Untersuchung ähnliche Ergebnisse gewonnen. Dass
die Klosterchronik von Eichard je veröffentlicht worden
sei, scheint mir allerdings mit W. unglaubwürdig. Auch
ist mindestens zweifelhaft, ob die im Prolog der älteren
Fassung erwähnte 'promotio' sich auf Eichards Ernennung
zum Notar bezieht, wie L. mit Gaudenzi in der Uebersicht
über Eichards Leben annimmt. H. Bl.
136. P. Ei cht er (Mittheil. d. Inst. f. öst. Geschichts-
forsch. XV, 561 ff.) behandelt in Verfolg seiner Beiträge
zur Historiographie in den Kreuzfahrerstaaten (vgl. N. A.
XVIII, 354, n. 33) die Estoire d'Eracles, deren einheit-
licher Theil 1205 — 1248 zu den Plazentiner und Genueser
Annalen und auch zu der von Holder-Egger (N. A. XVI,
299 ff.) besprochenen Arbeit des italienischen Klerikers
aus der Umgebung des Pelagius in Beziehung steht, ferner
die Annales de terre sainte und kommt auf die Me-
moiren des Philipp de Nevaire zurück. H. Bl.
137. Das sog. Christiani Chronicon Mogunti-
num untersucht E. Schwarz (Archiv f. hess. Geschichte
N. F. I, 523 ff.) auf Quellen und Entstehung, und be-
gründet mit seiner kirchenpolitischen Tendenz den geringen
historischen Werth; den Autor C. — die Auflösung Chri-
stian lehnt S. ab — hält er für einen Cisterciensermönch,
vielleicht des Salzburger Sprengeis. H. Bl.
138. In den Nachrichten der Gesellsch. der Wissen-
schaften zu Göttingen 1894, n. 4 (Phil.-hist. Kl.) hat L. Wei-
land ein merkwürdiges Bruchstück einer niederrheini-
schen Papst- und Kaiserchronik aus dem Anfang des
14. Jh. mitgetheilt, das W. Meyer auf einem dem Göttinger
diplomatischen Apparat gehörigen Pergamentblatt entdeckt
490 Nachrichten.
hat. Das Bruchstück steht mit keiner bisher bekannten
Chronik in Verwandtschaft; interessant ist namentlich in
c. 9 die Erzählung- von K. Albrechts Plan, Deutschland
mit Hülfe Philipps IV. von Frankreich und unter Ab-
tretung des linken Rheinufers in eine Erbmonarchie zu
verwandeln.
139. In Erwiederung auf einen Hinweis von F. Ga-
botto (Nuovo Archivio Veneto VII, 423), der die Benutzung
des (Gedichtes des Pace dal Friuli (vgl. N. A. XIX, 501,
n. 194) bei G. Merula, Historia Vicecomitum bemerkte, be-
spricht L. A. Ferrai im Arch. stör. Lombardo N. S. II,
157 ff. den seiner Meinung nach von Grabotto zu hoch ge-
schätzten historischen Werth des Bruchstückes. H. Bl.
140. Der aus S. Denis stammende cod. Vat. Reg. 370
enthält nach L. Auvray (Bull, de la soc. de l'hist. de
Paris XXI, 67 ff.) einen grossen Theil des Wilhelm von
O c c a m , dialogus de potest. imperiali et papali (Goldast,
Monarchia III, 398 — 739), den Architrenius des Johann
von Hauvilla und einige Gedichte des sogen. Bernard us
Silvester. Die Autorschaft einiger anderer Gedichte,
deren eines veröffentlicht wird, bleibt zweifelhaft.
H. Bl.
141. J. Hürbin hat auf seine Publication des Li-
bellus de caesarea monarchia Peters von Andlau (vgl.
N. A. XVIII, 707, n. 127) den ersten Theil einer Biographie
des hervorragenden Mannes folgen lassen (Luzern, Räber
1894).
142. A. Kneer, Entstehung der konziliaren Theorie
(Rom. Quartalschr. Suppl. I) zeigt nach einer Analyse der
Schriften Heinrichs von Langenstein, dass der vom
Konzil handelnde Theil seiner Epistola concilii pacis (bisher
'consilium pacis de unione ac reformatione ecclesiae' ge-
nannt) der 1380 verfassten Epistola concordiae des Konrad
von Gelnhausen entlehnt ist. Im Anhang werden aus
Heinrichs Invectiva contra monstrum Babylonis die im
Drucke von der Hardts fehlenden Verse mitgetheilt und
seine Epistola de cathedra Petri ohne die Eingangs- und
Schlussverse abgedruckt. H. Bl.
143. Th. Ludwig, Die Konstanzer Geschichts-
schreibung bis zum 18. Jahrh. (Diss. Strassburg, Trübner
1894) führt in sorgfältiger, auf umfassende hsl. Studien
begründeter Darlegung den Nachweis, dass die reichhaltige
Historiographie der Stadt und des Bisthums vom 15. Jh.
Nachrichten. 491
an in ihren Konstanzer Nachrichten hauptsächlich auf eine
1397 verfasste, in der ursprünglichen Form verlorene Chro-
nik des Seckelmeisters Johann Stetter zurückgehe; in
dieser findet er Reste älterer Bischofs- und Stadtnach-
richten bis ins 12. Jahrb.. hinein (vgl. Arndt, N. A. IV,
199 ff.) wieder. In 2 Excursen werden Eupperts Ausgabe
der Chroniken der Stadt Konstanz (vgl. N. A. XVIII, 355,
n. 37) und Mone's Ausgabe des Chronicon Constantiense
besprochen. H. Bl.
144. Eine ausführliche Untersuchung über die Hss.
der Konstanzer Concilschronik des Ulrich von Eiche n-
t h a 1 veröffentlicht E. K a u t z s c h in der Zeitschr. f. Gesch.
des Oberrheins N. F. IX, 443 ff. Dabei ist vorwiegend auf
den Bilderkreis des Werks Eücksicht genommen, während
es nicht die Absicht des Verf. war, ein abschliessendes
Urtheil über die Textverhältnisse der verschiedenen Hss. (9)
zu gewinnen.
145. Das Itinerar Papst Martins V. von Kon-
stanz bis Eom (16. Mai 1418 — 28. Sept. 1420) stellt
F. Miltenberger (Mitth. d. Inst. f. öst. Geschichtsforsch.
XV, 661 ff.) aus ungedrucktem Material des Vatikan.
Archivs zusammen. H. Bl.
146. In dem Centralblatt für Bibliothekswesen XI,
433 — 483 giebt Arthur Wyss eine scharfe und ein-
gehende Kritik von Altmanns Ausgabe des Eberh. Win-
deck (N. A. XIX, 488, n. 129), welche reich an positiven
Ergebnissen eigener Forschung ist. Neben manchen Aus-
stellungen an dem Text gelangt W. namentlich zu einer
ganz abweichenden Auffassung der hsl. Grundlagen, indem
er nur H als das ursprüngliche Sigmundbuch, alle übrigen
Hss. als Abkömmlinge einer nach Windecks Tode 1443
hergestellten illustrierten Ausgabe betrachtet, die sowohl
Verkürzungen als Einschiebsel aufweist. Innerhalb dieser
letzteren Gruppe wird die Identität von E und C nach-
gewiesen und für V * die Ergänzung einiger Lücken durch
3 Blätter in Wiesbaden dargethan, während für dieselbe
Hs. die Benutzung in einer etwas jüngeren Speirischen
Chronik von Bedeutung ist. Auch für die Lebensumstände
Windecks bringt W. einige werthvolle Nachträge. E. D.
[Auch auf Bemerkungen von E. Fester, Zeitschr. f.
Gesch. des Oberrheins N. F. IX, 329 ff., sei hier hingewiesen,
wo gleichfalls auf die Beziehung zu der Speirer Chronik
aufmerksam gemacht und überdies das Verhältnis der Hs.
492 Nachrichten.
V2 und der Hs. Jordans zu der Chronik des Eeinbold
Siecht erörtert ist. H. B.]
147. F. Eoth bringt in Bd. XXIII der Chroniken
der deutschen Städte einen erstmaligen Druck der die Zeit
von den Anfängen der Stadt bis 1536 unifassenden Augs-
burger Chronik des Benediktiners Clemens Sender
von St. Ulrich und Afra. Sie ist ein Auszug aus desselben
Verfassers Chronographia und z. Th. bekannt aus der einen
anderen Auszug dieses Werkes darstellenden, aber nicht
von Sender herrührenden Relatio de ortu et progressu hae-
resum etc. (Ingolstadt 1654). — Ein Anhang giebt aus den
Fortsetzungen der Mülich'schen Chronik von Deiner,
Walther und Rem das von Sender nicht Benutzte. M. M.
148. Im Archiv des hist. Vereins f. d. Canton Bern
XIV, 97 ff. hat M. v. Diesbach die Berichte des Hans
v. d. Gruben über eine Reise nach Italien, Spanien, Frank-
reich und Deutschland 1447 — 50 und über eine Reise ins
heilige Land 1467 herausgegeben.
149. K. Weinmann, Bischof Georg von Baden und
der Metzer Kapitelstreit (Diss. Strassburg 1894) bespricht
in einer Beilage mehrere mangelhaft oder noch nicht ge-
druckte Metzer Geschichtsquelle n für die 2. Hälfte
des 15. Jahrh. ; in einer 2. Beilage werden drei unge-
druckte Verträge des Bischofs Georg mit dem Pfalzgrafen
Friedrich vom 12. Januar 1463 bekannt gemacht. H. Bl.
150. In den Hansischen Geschichtsblättern 1893,
S. 105 ff. theilt F. Bruns einen bisher unbekannten Be-
richt über die Kopenhagener Hochzeitsfeierlichkeiten von
1478 mit und weist ihn als Quelle des in der Ztschr. des
Vereins f. Lüb. Gesch. IV, 283 ff. mitgetheilten Berichtes
nach, auf welchem wiederum die Darstellung der Lübecki-
schen Chronik beruht.
151. Während man bisher aus einer Stelle der Con-
stitutiones de foresta des Pseudo-Knut auf die Benutzung
einer sonst unbekannten Hs. der Lex Angliorum et
Werinorum geschlossen hatte, zeigt F. Liebermann in
der Zeitschr. der Savignystiftung f. Rechtsgesch. Germ.
Abtheil. XV, 174 dass daselbst statt 'secundum legem
Werinorum i. e. Thuringorum' zu lesen ist 'sec. leg. Mer-
cinorum'. — Bei dieser Gelegenheit mag auf die sehr sorg-
fältige Ausgabe, die Liebermann von den Const. de foresta
veranstaltet hat (Halle, Niemeyer 1894), hingewiesen werden.
Nachrichten. 493
152. M. Gietl, Hincmars Collectio de ecclesiis et ca-
pellis (Hist. Jahrb. XV, 556 ff.) weist darauf hin, dass die von
Gaudenzi (Bibl. iurid. med. aevi II, 7 ff.) unter diesem Titel
herausgegebene Abhandlung nur ein Auszug aus der ersten
der beiden von W. G-undlach (vgl. N. A. XIV, 438, n. 105)
veröffentlichten Schriften Hincmars ist. Inhalt und Quellen
der zwischen Ende 857 und März 858 verfassten Schrift
werden besprochen. — Die zweite der von Gaudenzi a. a. O.
veröffentlichten Schriften, S. 7 als Admonitio contra eccle-
siast. rerum raptores et pauperum oppressores bezeichnet,
ist nahezu identisch mit dem zweiten Theile des von Hinc-
mar verfassten Schreibens der Synode von Tusey 860.
M. M.
153. In den Melanges d'archeologie et d'hist. XIV,
147 ff. 285 ff. untersucht P. Fournier die canonistische
Sammlung 'Diversorum patrum sententiae' in 74 Titeln,
über welche u. a. Thaner in den Wiener SB. Bd. 89 ge-
handelt hat. Er zählt 17 Hss. auf, theilt die Rubriken,
sowie incipit und explicit jedes Titels mit, führt 250 der
315 Fragmente auf Pseudo-Isidor zurück und nimmt an,
dass die Sammlung unter Leo IX. entstanden sei. Benutzt
ist sie von Anselin von Lucca, Bernold und Manegold.
154. Wichtige Untersuchungen zur Geschichte des
Irnerius von Bologna hat H. Fitting in den ge-
lehrten und scharfsinnigen Einleitungen der Ausgaben
zweier Werke, der Questiones de iuris subtilitatibus und
der Summa codicis (beide Berlin, Guttentag 1894, die
erste als Festschrift zum Hallenser Universitäts Jubiläum)
niedergelegt, welche er mit sehr erheblichen Gründen
dem Irnerius zuweist. Es ergiebt sich danach, dass
Irnerius um 1082 in Rom als Lehrer gewirkt hat, wo
die Questiones entstanden sind und die Existenz einer
Schule des römischen Rechts beweisen. Die Questiones
haben, abgesehen von ihrer Bedeutung für die juristische
Literaturgeschichte, auch ein namhaftes allgemein histori-
sches Interesse durch eine Reihe von Aeusserungen (I, 10
— 16. IV, 3 — 9), welche sich auf die Anschauungen wenig-
stens der römischen Juristen über römisches Recht und
germanische Volksrechte, überhaupt über die Stellung
Roms einer-, der 'reges transalpini' andererseits im römi-
schen Reich beziehen.
155. Ph. Heck, Die altfriesische Gerichtsverfassung,
mit sprachwissenschaftlichen Beiträgen von Th. Siebs,
494 Nachrichten.
(Weimar, Böhlau 1894), beginnt mit einer Uebersicht über
die Quellen der friesischen Gerichtsverfassung-.
— Den Namen des Rudolfsbuches leitet H. (Beilage VIII)
nicht von Rudolf von Habsburg, sondern von dem Gegen-
könig Rudolf von Schwaben her; es ist in der 1. Hälfte
des 13. Jh. von einem sonst unbekannten Herderich ver-
fasst. — Siebs giebt (Beilage XI) vorläufige Mittheilungen
über die von ihm in Oxford abgeschriebenen Apographa
Iuniana des Codex Gabbemae, in denen wir eine ältere,
zuverlässigere Ueberlieferung des westerlauwerschen Land-
rechts gewinnen. M. M.
156. Im Arch. stör. Italiano Ser. V, t. XIII, 249 ff.
theilt C. de Stefan i bisher unbekannte Bruchstücke der
Statuten von Lucca mit, die aus den Jahren 1224 und
1232 stammen.
157. Interessante juristische Gutachten über
die aus den Beziehungen Heinrichs VII. zu Clemens V.
und Robert von Neapel sich ergebenden Rechtsverhältnisse
hat P. Gachon aus einer Hs. des Departementalarchivs
zu Mende (Lozere) in den Memoires de la soc. archeol. de
Montpellier 1894 herausgegeben. Leider ist die Ausgabe
nicht befriedigend; im Text sind viele ganz handgreifliche
und leicht zu emendierende Fehler unverbessert geblieben,
die Interpunktion ist sehr mangelhaft, und die Erörterun-
gen des Herausgebers über die Datierung der Dokumente
und ihr Verhältnis zu einander bedürfen gründlichster
Revision.
158. In der Zeitschr. der Savignystift. f. Rechtsgesch.
Germ. Abth. XV, 168 ff. veröffentlicht Ch. Meyer aus
Cgm. 1524 eine Rechtsaufzeichnung des mittelfränki-
schen Klosters Heidenheim vom J. 1400.
159. In der Zeitschr. des Harzvereins XXVII, 91 ff.
veröffentlicht und erläutert G. Bode die allerdings schon
zweimal herausgegebenen Satzungen des Forstdinges
zu Goslar aus dem 15. Jh. mit Nachträgen bis 1552.
160. In der Byzantin. Zeitschr. III, 630 ff. bespricht
E. Kurtz zwei russische bereits 1875 und 1889 erschienene,
aber in Deutschland kaum beachtete Untersuchungen von
Vasiljewski und Bezobrazoff über die Correspondenz
zwischen Kaiser Michael VII. Ducas und Robert
Guiscard. In der ersten wird ausgeführt, dass der
Adressat zweier Briefe des Kaisers, mit einer Brautwerbung
für seinen Bruder Konstantin, nicht, wie Sathas u. a.
Nachrichten. 495
annahmen, Robert Guiscard, sondern ein Kiewscher Theil-
f ürst sei ; die zweite giebt aus Cod. Laurent. Plut. LVII, 40
die Uebersetzung eines Briefes des Kaisers vom Aug. 1074
betreffend die Ehe seines Sohnes Konstantin mit Roberts
Tochter Helene.
161. In der Verhandl. des Hist. Vereins f. Oberpfalz
und Regensburg XL VI, 263 ff. handelt B. Sepp neuer-
dings über Paul und G e b h a r d , die Gründer des Klosters
St. Mang in Stadtamhof (vgl. Wattenbach, GQ. II6, 268.
519). S. 269 ff. wird der Briefwechsel der beiden mit den
Mailändern, der bisher nicht an einer Stelle vereinigt war,
allerdings ohne Vergleichung der Hss., neu abgedruckt,
im Anhang ein Neudruck von 6 Urkunden (1138 — 1147) des
Klosters St. Mang gegeben.
162. In der Bibl. de l'ecole des chartes LV, 563
wird aus den Etudes religieuses LXII, 322 ein Brief des
h. Bernhard abgedruckt, geschrieben nach der Versamm-
lung von Chartres 7. Mai 1150, worin Peter von Cluny
eingeladen wird, sich an einer auf den 15. Juli anberaumten
Versammlung zu Compiegne zu betheiligen, die sich mit
den Angelegenheiten des h. Landes beschäftigen sollte.
163. In den Beiträgen zur Kunde Steiermark. Ge-
schichtsquellen XXVI, 21 ff. theilt J. Loserth aus einer
Grazer Hs. des Boncompagno einige zwar fingierte, aber
doch auf gewisser Kunde von den wirklichen Verhältnissen
beruhende Briefe zur Geschichte der letzten Baben-
berger mit.
164. Von der Ausgabe der Schriften des Guido
Faba, welche A. Gaudenzi in 'il Propugnatore' besorgt
(vgl. N. A. XVI, 454, n. 160; XVII, 232, n. 44; XVIII, 712,
n. 154), sind in T. VI der N. Serie die Epistolae erschienen.
Der letzte Brief der Hs. ist eine spätere Zuthat; ein
Gratulationsschreiben an Elisabeth, Karls IV. Gemahlin, zur
Geburt einer Tochter [Anna, 11. Jul. 1366].
165. Von der werthvollen Wiener Brief Sammlung,
die A. Starzer in Cod. Vat. Ottobon. 2115 (saec. XIII. ex.
oder XIV. in.) entdeckt hat, hat nach dessen Abschriften
0. Redlich im 2. Bd. der Mittheilungen a. d. Vatikan.
Archiv (Wien, Tempsky 1894) eine vortreffliche Ausgabe
veranstaltet. Die Brief Sammlung zerfällt — mit der Summa
des Johannes von Bologna beginnend — in zwei Theile, deren
erster, 217 bisher so gut wie ganz unbekannte Stücke ent-
496 Nachrichten.
haltend, wahrscheinlich von Gottfried, dem Protonotar
Herzog Albrechts I. von Oesterreich compiliert ist, aber
auch beträchtliche aus der Kanzlei König Rudolfs stammende
Materialien, vielleicht z. Th. gesammelt von dem gleich-
namigen Protonotar des Königs, enthält. Den Compilator
des ersten sieht R. auch als den Redactor des 2. Theiles
der Briefsammlung an, welcher mit den von Kretzschmar
untersuchten, auf den Notar Andreas von Rode zurück-
gehenden rudolfinischen Formularbüchern im engsten Zu-
sammenhang steht; das neue Material hat R. zu einer
Modifikation der Ansichten Kretzschmars über die ver-
schiedenen Redactionen dieser Formularbücher Anlass und
Mittel gegeben. Verbunden mit der Briefsammlung sind
Sammlungen von Exordia, (z. Th. auf Guido Faba zurück-
gehend), Salutationes, Sententiae und einige Verse, darunter
ein begeistertes Lobgedicht auf Wien. Die Sammlung
enthält, wie R. ausführt, durchaus echtes Material, wenn
auch nicht frei von Ueberarbeitung; ihr historischer Werth
ist sehr bedeutend, ihre Benutzung erleichtern ein reich-
haltiger Commentar und sorgfältige Register.
166. In der Karinthia I, 1894 S. 65 ff. beschreibt
G. Hann drei bemalte Indulgenzbriefe von 1334.
1512. 1515 im Archiv des kärnthnischen Geschichtsvereins
für Klagenfurt.
167. In dem N. Archiv f. sächs. Gesch. u. Alterthums-
kunde XV, 317 ff. theilt W. Lippert einige auf einem
Pergamentdeckel des Dresdener Hauptstaatsarchivs gefun-
dene Einträge mit, die aus einem Briefe der Kurfürstin
Margarete von Sachsen vom J. 1436, sowie aus anna-
lis tischen Notizen für die J. 1450 — 1463 bestehen,
unter denen besonders der Geburtstag Friedrichs des Weisen
bemerkens werth ist. E. D.
168. Der erste Band der Politischen Correspon-
denz des Kurfürsten Alb recht Achilles (Publik,
aus den preuss. Staatsarchiven Bd. 59, Leipzig, Hirzel 1894)
bringt, nach einer die wissenschaftlichen Ergebnisse dar-
legenden Einleitung des Herausgebers F. Priebatsch,
1034 Briefe von der Uebertragung der Kur an Albrecht
Achill (etwa 1. April 1470) bis zu dem Breslauer Beifrieden
im Dezember 1474. H. Bl.
169. In der Zeitschr. f. Gesch. des Oberrheins N. F.
IX, 718 ff. veröffentlicht Weiss einen Brief aus dem
Feldlager vor Neuss, in welchem ein Theilnehmer an
Nachrichten. 497
dein Zuge gegen Neuss über die Vorgänge vom 24. Apr.
bis 24. Mai 1475 berichtet.
170. Aus dem zweibändigen Werke von W. Mar-
tens, Gregor VII.. sein Leben und Wirken (Leipzig.
Duncker und Humblot 1894), kommen neben dem Abschnitt
über die Litteratur der Zeit (II, 137 ff.) an dieser Stelle die
beiden Excurse über Gregors Registrum (II, 298 ff.)
und den Dictatus papae (II, 314 ff.) in Betracht. M.
hält das Kegistrum für einen privaten, zur Orientierung
über die Kirchenpolitik des Papstes hergestellten, zwischen
1085 und 1086 abgeschlosseneu Auszug aus dem vollstän-
digeren Register. Den von ihm mit Kommentar versehenen
Dictatus ist er geneigt, mit Sackur (NA. XVIII, 137 ff.)
für eine Arbeit Deusdedits zu halten. Zahlreiche kritische
Bemerkungen, auf die hier nicht eingegangen werden kann,
sind über das ganze Werk verstreut; bei der Beurtheilung
Lamberts stimmt M. im wesentlichen mit Holder-Egger
überein. H. Bl.
171. R. Graf Nostitz-Rieneck veröffentlicht im
3. Jahresber. des Privatgymnasiums zu Feldkirch (1894) die
päpstliche Ausfertigung des Wormser Concordats in
der Fassung des cod. Paris, lat. 9631 und kommt im An-
schluss daran auf die Frage zurück, ob die Worte 'absque
omni exactione' wirklich als Interpolation betrachtet wer-
den müssen.
172. Unter den von P. M. Baumgarten aus Mss.
des British Museum veröffentlichten Papsturkunden
sind bisher unbekannt: Innocenz IL 1133 Oktober 9;
Urban III. 1185 Dezember 17. 1185 Dezember 18 (2 Stück).
1186 — 87 Juni 23; Clemens III. 1187 Dezember. J.-L.
13722. 14964. 15204. 15205 werden mit gebessertem Text
und z. Th. besserer Datierung gegeben. H. Bl.
173. P. Fabre, Massa d'Arno, Massa di Bagno, Massa
Trabaria (Arch. della Soc. Rom. di storia patria XVII,
5 ff.) fügt einer Untersuchung über diese dem Römischen
Stuhl zugehörigen Gebiete ein Bruchstück eines Registers
von 1278 aus dem Stadtarchiv von Cittä di Castello hinzu,
das fünf Urkunden Nikolaus III. vom 28. — 30. April
1278 enthält. H. Bl.
174. Eine Publikation von hervorragender Wichtig-
keit für die Lehre vom Urkundenwesen der Päpste im
späteren Mittelalter verdanken wir M. Tangl, der ldie
päpstlichen Kanzleiordnungen von 1200 — 1500'
498 Nachrichten.
(Innsbruck, Wagner 1894) mit musterhafter Sorgfalt heraus-
gegeben hat (darunter viele bisher ganz unbekannte, erst
von ihm entdeckte Stücke, vgl. N. A. XV, 221, n. 45)
und in einer höchst lehrreichen Einleitung über die Ent-
stehungsverhältnisse der päpstlichen Kanzleibücher und
-Ordnungen handelt.
175. In einer Zusammenstellung der Fälle, in denen
die Päpste sich auf die Konstantinische Schenkung-
berufen haben, tritt F. Zink eisen (Engl. Historical Re-
view IX, 625 ff.) dafür ein, dass die Fälschung erst im
Laufe des XV. Jahrh. ihre Hauptbedeutung erhalten habe.
An ihrer Verwerthung durch Stephan IL, Gregor VII.,
Hadrian IV. glaubt er zweifeln zu dürfen. H. Bl.
176. Als Anhang zu der nachgelassenen Arbeit
J. Havets (vgl. N. A. XX, 239, n. 12) werden in der Bibl.
de l'ecole des chartes LV, 306 ff. 12 von ihm für den Druck
vorbereitete Urkunden der Merowinger zeit veröffent-
licht, darunter MG. DD. ed. Pertz 122, n. 6 zu 596 Juni 8.
190, n. 74. 191, n. 75, alle drei als interpoliert. H. Bl.
177. Ph. Heck in seinem oben n. 155 angeführten
Werke tritt (Beilage VII) gegen von Richthofen für die
Meinung von Halsema u. a. ein, dass das gefälschte Pri-
vileg Karls d. Gr. für Friesland (Mühlb. 386) Kreuz-
predigern des Jahres 1247 seine Entstehung verdanke; eine
Versifikation, nicht, wie Bichthofen will, ein Vorläufer des
Privilegs sei das friesische Gedicht in den Hunsingoer Hss.
178. In den Analectes pour servir ä l'hist. ecclesiast.
de la Belgique 2 ser. IX, 93 — 210 giebt E. Reusens eine
eingehende und sehr scharfe Kritik der Ausgabe des Lüt-
ticher Chartulars von Bormans imd Schoolmeesters
(N. A. XIX, 716, n. 264). Angehängt sind 1) Neudrucke
der drei DD. Ludwigs d. Frommen, Ludwigs d.
Kindes und Heinrichs IL (Mühlb. 803. 1990. St. 1508)
2) eine Sammlung von 70 Lütticher Urkunden (1075 — 1248),
die theils vollständig theils im Regest aus neueren Drucken
wiederholt werden, während sie im Chartular und dem-
gemäss auch in der Ausgabe desselben fehlen. Von Wich-
tigkeit für die Geschichte der Kanzlei Ludwigs d. K. ist
der durch ein Facsimile des Anfangs der Recognitionszeile
geführte Nachweis, dass in Mühlb. 1990 wirklich 'Ernustus'
und nicht 'Ernuldus cancellarius' zu lesen ist. — Bormans
hat sich gegen die ihm gemachten Vorwürfe in einer
Nachrichten. 499
eigenen Broschüre 'La Commission royale d'histoire et son
detracteur (Liege, Poncelet 1894) zu vertheidigen gesucht.
179. In der Zeitschr. f. Gesch. des Oberrheins N. F.
IX, 389 ff. handelt W. Wieg and eingehend über das
D. Lothars I. für St. Stephan zu Strassburg Mühlb. 108(3
(vgl. N. A. XVII, 449, n. 136). Er weist überzeugend nach,
dass es auch in der von Fritz neu gefundenen Ueber-
lieferungsform, die sich noch in weiteren Gliedern verfolgen
lässt, nicht echt, sondern zusammen mit der Immunität
Ludwigs d. D. Mühlb. 1379 und wahrscheinlich auch mit
der Urk. Bischof Wernhers (Strassb. ÜB. I, n. 51) in der
zweiten Hälfte des 12. Jh., vielleich 1163, von einem
Fälscher hergestellt ist, dem aber noch eine echte Schen-
kungsurk. Lothars für St. Stephan vorlag. Im Zusammen-
hang mit diesen Trugwerken steht wahrscheinlich auch
eine von mir beobachtete Verfälschung eines Satzes in dem
im übrigen echten D. Heinrichs IL für Strassburg St. 1341
(DH. IL 34).
180. Ueber die Ueberlieferung der Peterlinger,
die elsässischen Besitzungen betreffenden Urkunden,
namentlich über die Quelle Wurstisens und Tschudis, ver-
breiten die Abschriften eines aus Wetzlarer Kammergerichts-
akten stammenden Rotels Licht, die H. Bresslau (An-
zeiger f. Schweizer Geschichte 1894 S. 79 ff.) besprochen hat;
er entnimmt ihnen eine durch Neuausfertigung im J. 1004
zu erklärende bisher unbekannte Fassung von St. 1367.
H. Bl.
181. In den SB. der Münchener Akademie, hist.
phil. Cl., 1894 S. 269 ff. hat E. v. Oefele aus einer Stutt-
garter Hs. Konrad Peutingers Traditionsnotizen des
Klosters Kühbach herausgegeben, die für die bairische
Territorialgeschichte des 11. und 12. Jahrhs. von Interesse
sind. Dabei bespricht v. Oefele auch die in der Hs. ent-
haltenen DD. Heinrichs IL und Heinrichs III.
St. 1549. 2222, auf die wir demnächst zurückkommen
werden. Unter den Traditionsnotizen ist die wichtigste
n. 11, eine Schenkung der Kaiserin Kunigunde betreffend.
182. Das oben S. 227 mitgetheilte Placitum Hein-
richs V. hat gleichzeitig C. Cipolla im Nuovo Arch.
Veneto VII, 321 ff. mit sachlichen Erläuterungen heraus-
gegeben.
183. G. Sforza, Memorie e documenti per servire
alla storia di Pontremoli, parte II a, Lucca 1887, scheint
500 Nachrichten.
in Deutschland unbekannt zu sein. Hier ist S. 251 zuerst
die Urk. Heinrichs VI. gedruckt, die in den Const. et
Acta I, 469 als ineditum bezeichnet wird. S. 259 der Friede
des Trussard, vgl. Const. I, 505. Unbekannt war mir
die Urk. Friedrichs IL d. d. Borge- S. Donnino 1248 März
S. 294 = Widerrufung von B. F. 3503, die wegen Undank-
barkeit des rebellierenden Parma erfolgt. Die übrigen von
Kaisern ausgestellten oder auf das Reich bezüglichen
Urkk., die Sforza mittheilt, waren schon gedruckt, ohne
dass der neue Herausgeber, wenn er hsl. Quellen folgt,
auf die früheren Publikationen Rücksicht nähme. S.-B.
184. Auch A. F. Giachi's Saggio di ricerche sto-
riche sopra lo stato antico e moderno di Volterra, seconda
edizione corredata di molti documenti che rimasero inediti
nella prima, Volterra 1887, möchte kaum über die Alpen
gekommen sein. Das Buch enthält viele Papstbullen
und Kais er Urkunden. Doch sind die letzteren jetzt
ohne Ausnahme anderweitig gedruckt : S. 427 = Mittheilungen
d. oest. Inst. V, 382, S. 431 = Mittheilungen V, 381. Es
bleibt nur St. 4646 zu erwähnen, das hier S. 462 mit
Zeugen, Kanzler und Datar erscheint. B. F. 1219 = S. 571
entbehrt aiich jetzt noch der Zeugen u. s. w. Zwei Urkk.
kaiserl. Legaten, nämlich des Heinrich Testa vom 12. III.
1190 und des Kanzlers Rudolf vom 1. X. 1282, finden sich
S. 464, 576. S.-B.
185. In den Melanges d'archeologie et d'histoire
XIV, 456 hat Ed. Jordan eine Urk. Konradins d. d.
'Augsburg 1267 August' als ungedruckt mitgetheilt. Aus
gleicher Quelle hatte sie aber schon 1883 Wüstenfeld bei
Pflugk-Harttung, Iter Ital. 688 veröffentlicht; nur ist sein
Text, der übrigens auch für die Nachträge der Regesta
imperii V unbeachtet blieb, aufs ärgste entstellt, so fehlt
z. B. der Name der Grafschaft (Chieti), die dem Empfänger,
Guido von Montefeltre, nach fränkischem Rechte zu Lehen
gegeben wird. Daher hat K. Hampe, Konradin von
Hohenstaufen, S. 157, die Urk. lediglich als Bestätigung
alter Besitzungen der Montefeltre aufgefasst. S.-B.
186. In den Verhandl. des hist. Vereins f. Oberpfalz
u. Regensburg XLVI, 1 ff. veröffentlicht K. Schaube
aus einer Hs. des Germ. Museums die Abschrift von
5 Urkunden Heinrichs VII. für Regensburg und eine
Liste in 12 §§, welche weitere Wünsche der Stadt enthält.
Sie waren offenbar bestimmt, Unterhändlern der Stadt mit-
Nachrichten. 501
gegeben zu werden, um daraufhin Bestätigung und Er-
weiterung ihrer Privilegien zu erwirken, wie Schaube
annimmt, als die Stadt sich an Ludwig d. Baiern anschloss,
der 1315 in der That einen Theil jener Wünsche erfüllte.
Auffällig ist indess bei dieser Annahme, dass in mehreren
§§ der Wünsche von 'deinen cia, maiestas, auctoritas i m p e -
rialis' (statt 'regalis') die Rede ist.
187. Einen Anhang zu dem theilweise auf unge-
drucktem archivalischem Material beruhendem Buche von
W. Lippert, Wettiner und Witteisbacher sowie die Nieder-
lausitz im 14. Jahrhundert (Dresden, Baensch 1894) bilden
143 für die Geschichte der Niederlausitz und die wetti-
nische Verwaltung wichtige, hier zuerst vollständig oder
im Regest gegebene Urkunden, darunter 6 Ludwigs
des Baiern, 13 Karls IV. H. Bl.
188. Die Urk. Karls IV. für Ingweiler (Huber 490)
ist im Jahrb. f. Geschichte, Sprache und Literatur Elsass-
Lothringens X, 63 vollständig gedruckt.
189. Im Jahrb. des hist. Vereins f. d. Kanton Glarus
XXX, 1 ff. ist ein durch die Forschungen Schulte's (vgl.
N. A. XIX, 499, n. 184) veranlasster Aufsatz von G. v.
Wyss über die Urkundenfälschungen des Aeg.
Tschudi abgedruckt, der hoffentlich dazu beitragen wird,
die in jenem Lande durch die Schulte'sche Kritik entstan-
dene Erregung zu beschwichtigen.
190. In den Pisaner Studi storici III, 189 ff. be-
spricht G. Simone tti die ältesten langobardischen
Urkunden des erzbischöflichen Archivs von Lucca. Ein
von Paoli verloren geglaubtes Stück von 713 ist wieder
aufgefunden.
191. Im Archiv f. Hess. Gesch. und Alterth. N. F.
I, 469 ff. giebt F. Waller einen neuen Abdruck der oft be-
sprochenen, inschriftlich in einer Erneuerung des 12. oder
13. Jh. erhaltenen Heppenheimer Grenzbeschrei-
bung vom J. 805.
192. Im Archivio della R. Soc. Rom. di storia patria
XVII, 95 ff. beendet C. Calisse seine Publication von
Montamiatiner Urkunden bis 1197 (vgl. oben S. 254,
n. 75), denen eingehende rechts- und wirthschaftsgeschicht-
liche sowie diplomatische Erläuterungen hinzugefügt sind.
193. In der Zeitschr. f. rom. Philologie XVIII, 138 ff.
handelt Oscar Schultz über die ältesten Urkunden in
Neues Archiv etc. XX. 33
502 Nachrichten.
sardischer Sprache. Als die einzige wirklich noch
dem Ende des 11. Jh. angehörige Originalurkunde ergiebt
sich nach seinen auch für die Geschichte der Insel Sardi-
nien beachtenswerthen Untersuchungen ein in Cagliari aus-
gestelltes, mit griechischen Buchstaben geschriebenes Do-
cuinent des Marseiller Archivs, das in der Bibl. de l'ecole
des chartes t. 35, 256 f. mit Facsimile herausgegeben ist.
194. Excurs II einer Berliner Dissertation von
H. Zander, Sieben Jahre nordalbingischer Geschichte
nach der Schlacht von Bornhöved (1894), tritt gegen Frens-
dorff (Hans. Geschichtsbl. 1876, S. 136 ff.) dafür ein, dass
die von D et mar ed. Koppmann I, 21 gegebene Urkunde
Uebersetzung der lateinischen Rathswahlordnung Hein-
richs d. Löwen sei und sucht aus dem Text Detmars auch
noch andere von ihm benutzte Urkunden nachzuweisen.
Vgl. N. A. XIX, 714, n. 258.
195. In der Karinthia I, 1894, S. 166 ff. handelt
A. v. Jaksch über die älteste Urkunde des Stadtarchivs
zu Friesach, eine in deutscher Uebersetzung erhaltene,
wahrscheinlich 1235 ausgestellte Handwerksordnung für die
Bruderschaft der Schuster und Lederer.
196. In der Zeitschr. Württembergisch Franken V,
1 ff. giebt D. Kerler urkundliche Beiträge zur Gesch. des
Prämonstratenserinnen- Klosters Schäftersheim aus einem
Würzburger Copialbuch saec. XV. in deutscher Ueber-
setzung. Das erste bisher unbekannte Stück ist von 1260.
197. Im Arch. stör. Italiano ser. V, t. XIV, 149 ff.
veröffentlicht G. Papaleoni drei interessante Urkunden
zur Geschichte des Schulwesens im Mittelalter. In
der ersten schliesst 1296 ein Notar aus der Gegend von
Arezzo mit dem mag. Bartolus, Lehrer der Grammatik in
Montevarchi, einen Vertrag über den Unterricht seines
Sohnes; in der zweiten von 1302 geben 15 Scholaren aus
Laterina demselben Wanderlehrer ein Zeugnis, dass er sie
gut unterrichtet habe; in der dritten von 1346 wird eine
Klage eines Florentiner maestro di gramatica gegen einen
von ihm engagierten Unterlehrer verhandelt.
198. Einem Aufsatz von Je cht im N. Lausitz. Ma-
gazin LXX, 153 ff. über Heinrich vom Dorfe, einen Gör-
litzer Bürger aus dem Ende des 13. Jh., sind Facsimiles
einer Görlitzer Eathsur künde von 1298 und des An-
fangs des ältesten Görlitzer Stadtbuches von 1305 ff.
beigegeben.
Nachrichten. 503
199. Zur Feier der 500 jährigen Vereinigung- des Amts
Ritzebüttel mit Hamburg hat A. Hagedorn ein schönes
Lichtdruck - Facsimile der Urkunde mit interessanten Er-
läuterungen veröffentlicht, durch welche am 31. Juli 1394
die Vettern Wolder und Alverich, genannt die Lappen, das
Schloss Ritzebüttel und die dazu gehörenden Ortschaften
an Hamburg verkauften (Hamburg, Lütcke und Wulff
1894).
200. In Grünhuts Zeitschr. f. d. Privat- und öffentl.
Recht d. Gegenwart XXII, 70 ff. findet sich ein auch für
die Diplomatik wichtiger Aufsatz von A. S. Schultze, 'Zur
Lehre vom Urkundenbeweise', in welchem überzeugend
dargethan wird, dass das Siegel im Mittelalter nicht bloss
als das massgebende Kriterium der Echtheit, sondern auch,
was juristisch nicht dasselbe ist, als untrügliches Zeugnis
der Begebung und damit der Rechtsverbindlichkeit einer
Urkunde angesehen wurde.
201. Die umfangreiche 3. Abtheilung des 4. Bandes
des westfälischen Urkundenbuches (Münster, Re-
gensberg 1894), herausgegeben von H. Finke, enthält die
Urkunden des Bisthums Paderborn von 1251 — 1300. Das
ausführliche Orts- und Personenregister für den ganzen
Band verdankt man H. Hoogeweg.
202. Der 3. Band des von H. Reimer herausgege-
benen Urkundenbuchs zur Geschichte der Herren von
Hanau (Publ. aus den Preuss. Staatsarchiven Bd. 60.
Leipzig, Hirzel 1894) umfasst die Jahre 1350 — 1375; darin
zahlreiche ungedruckte Kaiserurkunden.
203. Der 16. Band des Mecklenburg. Urkunden-
buchs (Schwerin 1893), mit einer Reihe von Siegelabbil-
dungen im Texte ausgestattet, betrifft die Jahre 1366 — 1370.
204. Die dritte und vorletzte Lieferung von dem
4. Theile des trefflichen Urkundenbuches der Abtei
St. Gallen, bearbeitet von H. Wartmann, umfasst nur
die Jahre 1392 — 1402 und bietet uns, von einigen ganz
vereinzelten Ausnahmen abgesehen, lediglich deutsche Ur-
kunden. E. D.
205. Heft 57 der Annalen des hist. Vereins für den
Niederrhein bringt den Schluss (mit sehr sorgfältigen Re-
gistern) der Publication von L. Korth über das reich-
haltige Gräflich Mirbachsche Archiv zu Harff. Vgl.
N. A. XIX, 717, n. 268.
33*
504 Nachrichten.
206. E. Haut co en r, Cartulaire de l'eglise collegiale
de St. Pierre de Lille (Paris-Lille 1894) giebt in 2 Bänden
die Urkunden des Stifts von 1050 — 1500, mit zahlreichen
bisher ungedruckten Papsturkunden des 13. Jahrh.
207. Die 8. Lieferung der Regesten des Kaiser-
reichs 1198 — 1272 bringt neben einer Vorbemerkung
E. Winkelmanns Nachträge, Verbesserungen und Zu-
sätze zu Fickers und seinem grundlegenden Werke.
208. Der 2. Band der Regesten zur Geschichte der
Bischöfe von Konstanz, dessen erste Lieferung, die
Jahre 1293 — 1314 umfassend (Wagner, Innsbruck 1894), er-
schienen ist, ist unter Benutzung des von P. Ladewig ge-
sammelten Materials von A. Cartellieri bearbeitet.
209. Die 4. und 5. Lieferung der Regesten der
Markgrafen von Baden und Hachberg (Innsbruck,
Wagner 1894), von R. Fester bearbeitet, verzeichnen die
Urkunden Bernhards, 1400 — 1421, Johanns, Hesso's und
Ottos bis 1414. H. Bl.
210. In der Zeitschr. des Harzvereins XXVII, 633 ff.
theilt F. Rosenfeld Regesten bisher unbekannter Ur-
kunden für den St. Johanneshof in Quedlinburg (1248
— 1467) in nhd. Sprache aus einer Leipziger Hs. saec.
XVII. mit.
211. Aus dem Innsbrucker und römischen Archiven
veröffentlicht F. Schneller Regesten zur Geschichte des
Bisthums Trient in den letzten Jahrhunderten des MA.,
Zeitschr. des Ferdinandeunis, 3. F. XXXVIII, 159 ff.
212. Regesten zur Kirchengeschichte Kärnthens
im 14. und 15. Jh. aus römischen Archiven veröffentlicht
A. Starzer im (kärnthnischen) Archiv f. vaterl. Gesch.
und Topographie XVII, 59 ff.
213. H. Diemar (Mitth. aus dem Stadtarchiv von
Köln XXV, 213 ff.) fährt mit der danken swerthen Sammlung
der Regesten über Kölns Beziehungen zum Reich (vgl.
N. A. XIX, 717, n. 272) fort, die in dem neu behandelten
Zeitraum von 1452 — 1474 auf bisher unbekannten Akten
beruht. H. Bl.
214. In der schon N. A. XIX, 264 erwähnten Preis-
schrift des Herrn Cuissard, Unterbibliothekars der Stadt
Orleans, über Theodulf findet sich S. 328 folgendes
ebenso liebenswürdige wie charakteristische Urtheil über
Nachrichten. 505
die Ausgabe dieses Dichters im 1. Bande der Poetae Caro-
lini: 'Mais ces editions (die älteren) . . ne peuvent lutter
avec celle qu'a donnee Dümmler, qui a trouve un petit
poeme inedit et qui a com pulse une foule de manuscrits
curieux (Note: il ne compulsa cependant que les biblio-
theques de Leyde et de Milan). Toutefois ce savant ne
semble pas avoir produit une edition qui puisse satisfaire
la science francaise. Qu' importent, en effet, une foule de
variantes, de lecons diverses, qui tout en n'apprenant rien
de nouveau ne forment qu'un amas indigeste d'erudition,
mise en note et consequemment negligee? En outre le
texte lui- meine n'est point conforme aux usages fran9ais,
je doute fort que Theodulfe ait ecrit cuius pro cujus, iura
pro jura, et bien d'autres germanismes qui, je le concois,
peuvent plaire aux races teutoniques, mais qui, pour des
gens de la race latine, paraitront toujours bizarres et meme
inexpliquables'. — Wie mag es kommen, dass auch Sir-
mond in der ed. pr. Theodulfs das i der Hss. an Stelle des
neueren j durchweg beibehielt? E. D.
215. In den Mittheil, der Gesellschaft für deutsche
Erziehungs- und Schulgeschichte Jahrg. IV (1894), S. 149
— 158 berichtet E. Voigt über 'ein unbekanntes Lehr-
buch der Metrik aus dem XI. Jahrh.' Die von ihm
abgedruckten Bruchstücke desselben, welche sich auf 2 von
den Deckeln einer Würzburger Hs. (Theol. fol. 26) abge-
lösten Blättern fanden, enthalten als Beispiele eine Bear-
beitung der Thierfabel nach Romulus in leoninischen Hexa-
metern und haben vornehmlich ein schulgeschichtliches
Interesse. S. 155 X, 1 ist 'Angustiis' zu lesen. E. D.
216. In den Theol. Studien und Kritiken Jg. 1895,
S. 153 ff. handelt E. Bratke eingehend über den Cod.
Bernens. 645, vgl. Chron. minora I, 564, n. 13, und ver-
öffentlicht aus demselben ein Glaubensbekenntnis,
das nach ihm am Ende des 7. Jahrh. in Gallien ange-
fertigt ist.
217. In der English Historical Review IX, 690 ff.
bespricht Miss Mary Bateson altenglische Hss. (auch
Uebersetzungen) der Regula S. Benedicti, des Memo-
riale des Benedict von Aniane, der sog. Regula Chro-
degangi, der Regularis con cordia des Aethelwold und
des Briefes Aelfrics an die Mönche von Eynsham.
218. Eine von O. Seebass im Kölner Stadtarchiv
aufgefundene Hs. erweist er (Zeitschr. f. Kirchengesch.
506 Nachrichten.
XV, 244 ff.) als Abschrift des von Haeften (Disquis. cri-
ticae 1644) benutzten Trierer Ms. des Regelbuches
Benedicts von Aniane und verzeichnet ihre für die
ursprüngliche Gestaltung- desselben werthvollen Unter-
schiede von der Ausgabe Holstens. In einem Anhang
zeigt er die Existenz einer besonderen Regula Cassiani
zur Zeit Benedicts und sucht ihren Inhalt festzustellen.
H. Bl.
219. In den Beiträgen z. Kunde Steiermark. Ge-
schichtsquellen XXVI, 3 ff. theilt J. Loserth aus Grazer
Hss. eine Anzahl nekrologischer Aufzeichnungen (als
Nachträge zu dem Aufsatz von Herzberg - Fränkel N. A.
XIII, 290 ff.), sowie einige Weihenotizen, Reliquienverzeich-
nisse u. dgl. mit.
220. In den Magdeburger Geschichtsblättern XXIX,
51 ff. hat G. Hertel das Brüderschaftsbuch der 1439
gestifteten fraternitas corporis Christi zu Stassfurt heraus-
gegeben.
221. W. Harster (Programm zum Jahresbericht
des humanist. Gymnasiums zu Speier 1893/4) setzt seine
Untersuchungen über den Güterbesitz des Klosters Weissen-
burg (vgl. N. A. XIX, 498, n. 178) mit einer Besprechung
des über possessionum Edelini fort, der, im 13. Jh.
aufgezeichnet, im wesentlichen Besitzverhältnisse des 10. Jh.
wiederspiegelt. H. Bl.
222. Band XIV der Quellen zur Schweizer Geschichte
enthält eine von R. Maag unter Leitung Paul Schwei-
zers bearbeitete neue Ausgabe des Habsburgischen
Urbars, die wegen der Mangelhaftigkeit der Edition von
Pfeiffer und der Wichtigkeit dieser Quelle für die Terri-
torial- und Wirthschaftsgeschichte der Schweiz und des
deutschen Südwestens sehr willkommen ist. Reichhaltige
topographische und andere Erläuterungen sind hinzugefügt.
223. In der Zeitschr. des hist. Vereins f. Nieder-
sachsen 1894, S. 360 f. giebt Grotefend ein Güterver-
zeichnis des h. Geist -Altars zu Uelzen (saec. XV.) heraus.
224. P. Kirsch, Die päpstlichen Kollektorien in
Deutschland während des 14. Jh. (Paderborn, Schöningh
1894) erschliesst durch Veröffentlichung der Rechnun-
gen und Berichte der von der päpstlichen Camera für
Deutschland bestellten Einnehmer eine für die Geschichte
des päpstl. Finanzwesens wichtige, aber auch für
Nachrichten. 507
kirchliche Geographie und Geldgeschichte beachtenswerthe
Quelle. In der ausführlichen Einleitung wird u. a. die
Art der Abgabenerhebung und der Buchführung be-
sprochen. H. Bl.
225. Die von E. Pauli 1856 entdeckten Eechnungen
über Heinrich von Derby's Preussenf ahrten 1390
— 91 und 1392 hat jetzt H. Prutz (Leipzig, Duncker und
Humblot 1893) mit ausführlicher und lehrreicher Einleitung
herausgegeben, soweit sie für die Geschichte des Ordens-
landes in Betracht kommen. Die vollständige Publikation
erfolgt in England durch die Camden- Society. H. Bl.
226. In den Hansischen Geschichtsblättern 1893,
S. 41 ff. handelt P. Hasse über die älteste Lübecker
Zollrolle, die er übereinstimmend mit Frensdorff etwa
in das J. 1227 setzt. — Zu einer abweichenden Datierung
ist eine Hasse noch unbekannte Leipziger Dissertation von
C. Mo 11 wo von 1894 gelangt, welche die älteste Zollrolle
zu 1225 ansetzt und ihr Verhältnis zu den drei uns erhal-
tenen späteren Zollrollen des 13. Jahrh. eingehend unter-
sucht.
227. Die 1. Lieferung des 4. Heftes der von
Th. Ilgen herausgegebenen westfälischen Siegel des
Mittelalters (Münster, Regensberg 1894) enthält auf 41 Ta-
feln die Siegel von Adligen, Bürgern und Bauern des Bis-
thums Münster und der angrenzenden Gebiete. H. Bl.
228. Die Beschreibung eines in Florenz aufgetauchten
Siegelstempels Kaiser Friedrichs IL für Sizilien
und Abbildung seines Abdrucks, der dem von Philippi,
Reichskanzlei S. 65, n. 6b beschriebenen nahesteht, giebt
E. Winkelmann (Mitth. d. Inst. f. öst. Geschichtsforsch.
XV, 485 ff.), ohne sich über die Echtheit, die den Stempel
zu dem ältesten uns von einem deutschen Kaiser erhal-
tenen machen würde, endgültig auszusprechen. Doch stellt
W. die Vermuthung auf, dass er als Ersatz für den am
18. Februar 1248 bei Vittoria verlorenen gedient habe.
H. Bl.
229. Von der prachtvollen Strassburger Facsimile-
Ausgabe des Hortus deliciarum der Herr ad von L an ds-
per g ist eine neue, die 6. Lieferung erschienen, welche
10 Tafeln bringt. Der erläuternde Text stammt von dem
Canonicus G. Keller.
230. R. Kautzsch, Einleitende Erörterungen zu
einer Geschichte der deutschen Handschriftenillustration
508 Nachrichten.
im spätem Mittelalter (Diss - Leipzig. Strassburg, Heitz
1894) behandelt unter Heranziehung* hsl. Materials die
Veränderung-, welche die Handschriftenillustration
vom 14. zum 15. Jh. durchgemacht hat, und die Anfänge
des Bilddrucks. H. Bl.
231. K. Miller, Die ältesten Weltkarten. 1. Heft:
Die Weltkarte des Beat us (Stuttgart, Roth 1895) stellt
in Bild und Text die Weltkarte des Beatus v. J. 776 n. Chr.
aus ihren 10 erhaltenen Ableitungen wieder her. M. M.
XIII.
Reimser Remigius- Fälschungen.
Von
Br. Krusch.
Neues Archiv etc. XX. 34
Die Ehrenhaftigkeit des Erzbischofs Hinkmar von
Keims war von Both * und v. Noorden 2 stark verdächtigt
worden, und ich hatte mich ihrem Urtheil angeschlossen
und den Mann als einen 'notus falsarius' bezeichnet 3. Dafür
ist mir von Herrn Kurth4 eine derbe Zurechtweisung zu
Theil geworden. Er ist sehr ungehalten darüber, dass 'ge-
wisse deutsche Schriftsteller' sich darin gefallen, den un-
schuldigen Kirchenfürsten bei jeder Ungenauigkeit der Lüge
und des Betruges zu bezichtigen; als wenn er sich nicht hätte
irren können ! Für den Ausfall gegen die deutsche Wissen-
schaft war die Gelegenheit wenig günstig gewählt; bereits
Nicolaus I. hat dieselben schweren Beschuldigungen gegen
Hinkmar erhoben, und der war doch kein deutscher Schrift-
steller. Aber Kurth ist offenbar über den Charakter seines
Schützlings besser unterrichtet, als der zeitgenössische Papst;
er sieht nur menschliche Irrthümer an den Stellen, auf
welche sich die Anklage stützt, und so konnte er gerade
das Zeugnis Hinkmars, an welchem ich die bewusste Fäl-
schung nachgewiesen zu haben glaubte, für seine These
verwerthen, dass Gregor eine nicht mehr vorhandene
V. Eemigii benutzt habe. Die Benutzung einer V. Re-
migii durch Gregor steht fest, und nur über ihren In-
halt bin ich anderer Ansicht als Kurth. Dieser hält sie
für die Quelle aller Nachrichten Gregors nicht bloss über
den Heiligen, sondern auch über die Bekehrungsgeschichte
des Frankenkönigs, und besonders führt er die Darstellung
des Alamannenkriegs und der Taufe Chlodovechs auf sie
zurück. Dadurch würden allerdings diese Berichte eine
historische Beglaubigung erhalten, die ihnen bisher gefehlt
hat ; aber der Wunsch ist hier Vater des Gedankens, und
für Kurths Muthmassungen fehlt jeder Anhalt, ja es ist
sehr wahrscheinlich, dass Gregor die ganze Taufgeschichte
1) Gesch. des Beneficialwesens S. 461. 2) Hinkmar, Erzb. von
Rheims, Bonn 1863, S. 395. 3) Auct. antiq. IV, 2, S. XXII. 4) lLes
sources de l'histoire de Clovis dans Grregoire de Tours' in 'Revue des
questions historiques', Paris 1888, S. 403 ff. Dies ist ein auf dem inter-
nationalen Katholiken - Congress in Paris gehaltener Vortrag.
34*
512 Br. Krusch.
sich selbst ausgedacht hat, was für den theologischen
Disput zwischen Chlodechilde und ihrem Manne auch
Kurth annimmt. lieber den Inhalt jener V. Remigii kann
aber nur Gregors Zeugnis entscheiden, und der schreibt,
nachdem er die Heiligkeit des Remigius gepriesen und ihn
mit Silvester verglichen hat: 'Est enim nunc über vitae
eius, qui eum narrat mortuum suscitasse' 1. Aus dieser
Stelle folgt nur, dass eine Todten- Erweckung in der Vita
erzählt war, und wenn Kurth ihr die oben aufgezählten
Nachrichten zutheilen will und zu solchem Ergebnis durch
ein logisches Beweisverfahren gekommen zu sein glaubt,
giebt er sich einer beklagen swerthen Selbsttäuschung hin.
Von einer Todten - Erweckung handelt in der That die er-
haltene älteste V. Remedii 2 ; das Object war ein Mädchen,
was auch Gregor an einer anderen Stelle 3 ausdrücklich
bezeugt. Der Biograph hat den Heiligen nicht persönlich
gekannt. Dieser Umstand schliesst aber die Benutzung
durch Gregor nicht aus, denn die obige Stelle kann ein
halbes Jahrhundert nach dem Tode des Remigius geschrie-
ben sein, da der Verf. zur ersten Hälfte der H. Fr. spä-
tere Zusätze gemacht hat, und mindestens sind 40 Jahre
verflossen : in dieser langen Zwischenzeit könnte aber recht
gut ein erst nach dem Tode des Heiligen geborener Reimser
Cleriker die Vita geschrieben haben. Sie dient ausschliess-
lich liturgischen Zwecken und enthält nur eine Reihe von
Wundern: das sind Mängel, die sie mit den meisten
Heiligenleben theilt, denn es ist ja bekannt, dass die alten
Hagiographen im Allgemeinen keine historischen Zwecke
verfolgten, und die politische Geschichte gewöhnlich erst
später hineingearbeitet ist. Dass man solche Erbauungs-
schriften schrieb : 'quand on avait perdu la biographie
authentique et qu'ou voulait la remplacer' war mir bisher
unbekannt, und ich wäre Kurth sehr verbunden, wenn er
mir seine Quellen für diese Wissenschaft angäbe. Auch
der Cult des Remigius, welchen die Vita voraussetzt, be-
weist nichts für eine spätere Entstehung, denn der Heilige
ist seit seinem Tode in Reims verehrt worden, und schon
585 wurde sein Fest auch in Metz gefeiert 4. Dagegen er-
weckt eine günstige Vorstellung von ihrem Alter gerade
die Abwesenheit der Taufscene, durch welche Gregor den
Remigius zum Frankenapostel gestempelt hat, und die seit
1) H. Fr. II, 31. 2) Auct. antiq. IV, 2, p. 66. 3) Gl. Conf.
c. 78 : 'Remigius . . . oratioue sua defuuctae cadaver puellae obtinuit susci-
tari'. 4) Greg., H. Fr. VIII, 21.
Reimser Remigius - Fälschungen. 513
dem 7. Jh. gegen sein und des Nicetius von Trier Zeugnis
nach Reims verlegt wurde 1. Dieses Argumentum ex silentio
beweist also gerade das Gegentheil von dem, was Kurth
daraus folgern will, und auf jeden Fall steht fest, dass
keine ältere V. Remigii vorhanden war, als die erhaltene
Biographie in Reims geschrieben wurde, denn ihr Verf.
bezeugt das selbst 2.
Die Bestätigung seines vermeintlichen Schlusses, dass
die von Gregor benutzte V. Remigii verloren sei, fand
Kurth bei Hinkmar. Dieser will nach der Vorrede zu
seiner V. Remigii dreierlei Quellen benutzt haben : 'histo-
riae', 'pittaciolae' oder 'schedulae' und die 'vulgata relatio'.
Unser besonderes Interesse erweckt die zweite Gruppe.
Diese fliegenden Blätter waren durch das Alter fast ver-
nichtet, und Hinkmar erzählt über ihre Herkunft folgende
rührende Geschichte. Er habe von alten Männern aus der
Zeit des Bischofs Tilpin erfahren, sie hätten von ihren
Vorfahren gehört, dass diese ein dickes Buch in alter
Schrift "De ortu ac vita et virtutibus atque obitu beati
Remigii' gesehen hätten, und dieses wäre auf folgende
Weise verloren gegangen. Bischof Egidius von Reims,
welcher 590 relegiert wurde, hätte Fortunat gebeten, aus
dem in schwülstigem gallischen Latein geschriebenen Buche
einige Wunder in einfacher Sprache zum Vortrage für das
Volk auszuziehen; über dem Auszuge wäre der grosse
Codex vernachlässigt worden; zur Zeit Karl Martells, als
in dem Bürgerkriege mit Ragamfred, also 715/7, die Bis-
thümer Laien gegeben wurden, und ein Cleriker Milo die
Stühle von Reims und Trier 40 Jahre sich anmasste, und
das Kirchenvermögen verschleudert wurde, hätten die weni-
gen noch übrigen Cleriker ihr Dasein vom Handel ge-
fristet und die erschacherten Denare in Urkunden und
Bücherblätter eingewickelt, und so wäre das Buch erstens
durch Feuchtigkeit, zweitens durch Mäusefrass, drittens
durch Ausschneiden zu Grunde gegangen, und nur wenige
und zerstreute Blätter wären noch vorhanden. Die Vor-
aussetzung für diese Erklärung ist die Annahme, dass die
erhaltene kürzere Vita ein Auszug sei, und Hinkmar sucht
dies durch Anführung der unten N. 2 citierten Stelle zu
beweisen ; er führt aber nur den ersten Theil von 'Studia-
1) Mitth. des Instituts für Österreich. Geschichtsforsch. XIV, 441.
2) V. Remedii c. 3 : 'Studiamus ergo pauca disserere, plurima praeterire,
nam si tanta virtutum suarum insignia aut ariditas nostri sermonis posset
excolere aut memoria retinere, prius habere poterat terminum lux hodierna
quam pagina'.
514 Br. Krusch.
mus — praeterire' an, und das war klug-, denn der zweite
beweist gerade das Gregentheil. Da sie nun kein Auszug
ist, und der Biograph vielmehr ohne schriftliche Quellen
arbeitete, kann die von den Vorfahren alter Männer ge-
sehene längere Vita niemals existiert haben, und die ein-
zelnen Blätter von ihr sind erdichtet. Kurth giebt mir
zu, dass in der kürzeren Vita keine schriftlichen Quellen
benutzt sind 1, und schliesst trotzdem aus Hinkmar, dass
sie das Resume einer älteren ist. Er hat offenbar die
Tragweite meines Argumentes nicht erkannt, denn er be-
handelt es nur in einer Note; dafür denkt er sich thö-
richte Schlüsse aus, um sie mir in die Schuhe zu schieben.
Da er aber selbst nicht sieht, dass sich seine Schlüsse
gegenseitig kreuzen, darf ich auf einen logischen Disput
mit ihm verzichten. Die Beglaubigung der fliegenden
Blätter war nur durch die falsche Interpretation der obigen
Textstelle möglich geworden. Damit ist die Frage, ob
Hinkmar mit oder ohne Bewusstsein den Fehler begangen
hat, entschieden; es ist der dolus malus constatiert, und
der Verbreiter des Märchens muss zugleich der Erfinder
sein. Den Stempel der Unwahrheit trägt es, so zu sagen,
schon an der Stirn, und hier freue ich mich, mit Kurth
übereinzustimmen. Wenn er nämlich in der raffinierten
Art, wie Hinkmar das dreifache Unheil auf den armen
Codex einstürmen lässt, lun peu d'artifice litteraire' sieht, so
ist dies doch wohl eher die Umschreibung für die Lüge, als
für die Wahrheit, und schon Suysken hatte die Sache mit
dem rechten Namen bezeichnet 2. Zu der Autorschaft For-
tunats an der kürzeren Vita konnte Hinkmar ebenfalls nur
durch die Lüge kommen, denn keine Hs. nennt dessen
Namen, und der Stil spricht dagegen; er wählte den be-
rühmtesten Hagiographen, wie es die Heiligkeit des Remi-
gius forderte, und denjenigen, der nachweislich mit dem
Bischof Egidius in Beziehungen gestanden hat 3. Wenn er
dann Milo zur Zeit des Bürgerkrieges 715/7 Bischof wer-
den lässt, so begeht er denselben Fehler, wie Papst Ha-
1) 'L'absence de sources ecrites du Vita attribuee ä Fortunat prouve
d'ailleurs simplement qu'elles etaient dejä perdues, ce que je crois'. Kurtks
Gedankengang ist nicht so einfach, wie er meint. Wenn ich ihn recht
verstehe, schliesst er aus dem Fehlen schriftlicher Quellen auf deren vor-
zeitigen Untergang. Das ist kein richtiger Schluss ; wie aber hernach der
Biograph aus den nicht mehr vorhandenen Quellen seinen Auszug machen
konnte, bleibt bei dem heutigen Stande der Wissenschaft vollständig un-
fassbar. 2) AA. SS. Oct. I, p. 133: 'Non videtur dubitandum, quin
calamitates illae ab Hincmaro supra verum amplificatae sunt'. 3) Cf.
Fortun. Carm. III, 15.
Reimser Remigius - Fälschungen. 515
drian in dem Schreiben an Erzb. Tilpin \ und dieses hat
er benutzt 2.
Gerüchte von der Existenz eines vollständigeren Lebens
des h. Eemigius mögen Hinkmar zu Ohren gekommen sein.
Er hatte dahin und dorthin geschickt, um des Buches hab-
haft zu werden, aber alle Angaben erwiesen sich als falsch 3.
Von einem Buche über das Leben und die Wunder des
Heiligen hatte er Ludwig d. Deutschen geschrieben, als
dieser ihn um Mittheilung von Eeliquien bat4, und einen
ehemaligen Eeimser Priester hatte er ersucht, ihm alles
in seinem Besitz befindliche biographische Material, ausser
den alten Lectionen der Eeimser Kirche, persönlich zu
überbringen oder verpetschiert zu übersenden, unter An-
bietung seiner Gegendienste 5. Auch von einem Briefe des
Avitus an den Heiligen hatte er gehört, den Erzbischof
Ado von Vienne besitzen sollte, und er erbat sich diesen
und ausserdem, was jener sonst noch über Eemigius finden
könnte, denn das sei ihm mehr werth als Gold und Edel-
stein 6 ; wahrscheinlich befand er sich auch hier auf einer
falschen Fährte, denn es liegt offenbar eine Verwechslung
mit dem berühmten Schreiben des Avitus an Chlodovech
vor '. Obwohl nun der Erfolg seiner Bemühungen zur Er-
langung unbekannten biographischen Materials ein nega-
tiver war, Hess er sich doch von seinem Plane, eine neue
Vita zu schreiben nicht abschrecken; er hatte ja noch ge-
nug Nachrichten über den Heiligen, die in der kürzeren
Vita nicht standen, und auch der Eeimser Clerus ermun-
terte ihn, mit seinen Entdeckungen nicht zurückzuhalten.
Er konnte aber leicht mehr wissen als die Quellen, da
seine Ansichten über die Geschichtsschreibung von den
heutigen grundverschieden waren: der wahre Zweck der
Geschichte ist nach ihm die Sammlung unverbürgter Ge-
rüchte, und das hat er durch Verdrehung eines Ausspruchs
Beda's herausgebracht8. Das Erzeugnis dieser Geschichts-
1) V. Rigoberti § 18, Flod. II, 16. Milo's Vorgänger Rigobert hat
noch von Theuderich IV., der 722 zur Regierung kam, ein Privileg er-
halten. 2) Die Stelle findet sich übrigens ebenso, wie in der Vorrede
zur V. Remigii, in der Schrift De iure metropolitan. (Hincmari Opp. ed.
Sirmondus II, 731), die schon 876 verfasst ist. 3) Cf. Praef. V. Re-
migii: 'Ad quae mittens quae mihi promissa fuerunt, penitus falsa inveni'.
4) Flod. III, 20, SS. XHI, p. 511. 5) Flod. in, 28, SS. XIII, p. 552.
6) Flod. III, 21, SS. XIII, p. 515. 7) Dies hat Schrörs, Hinkmar
Erzb. v. Reims S. 452, erkannt. 8) Beda, Hist. eccl. Praef., lehnt die
Verantwortung für etwaige Irrthümer in seiner Darstellung ab, weil er,
wie es die Geschichte fordert, einfach die überkommene Tradition wieder-
giebt. Er kennt also Mängel der letzteren und kann sie nur nicht ver-
516 Br- Krusch.
auffassung stand daher auch, von jeher bei den Gelehrten
in schlimmem Rufe ; man hat es seines Verfassers unwürdig
gescholten1, und selbst eifrige Freunde des vielgeschmäh-
ten Mannes haben diesem Verdammungsurtheil, wenn auch
zögernd, zugestimmt2. Eine unparteiischere Würdigung
bahnt erst Kurths Kritik an; die Geschichte von dem
dicken Codex ist wahr, und es wäre nun eine interessante
Aufgabe gewesen, die von Hinkmar verwertheten Frag-
mente herauszuschälen. Leider scheint Kurth selbst auf
diesen Gedanken nicht gekommen zu sein, denn er be-
schränkt sich bei der Restitution der angeblichen längeren
Vita nur auf Gregor.
Seine Quellen will Hinkmar wörtlich wiedergeben,
nicht bloss die Historiae, sondern auch die alten Zettel
und sogar die Tradition, wie er sie von seinen Gewährs-
männern erfuhr. Das verräth einen hohen Grad von Ge-
wissenhaftigkeit, und kein Leser wird ihm die Verschieden-
artigkeit des Stils zum Vorwurf machen, auch wenn er
nicht ausdrücklich deshalb um Verzeihung gebeten hätte.
Seine eigenen Worte findet man also angeblich nur in den
zur Ermahnung und Belehrung der andächtigen Leser und
Hörer eingefügten dogmatischen und homiletischen Par-
tieen, die einen ziemlichen Umfang haben und mit dem
h. Remigius in gar keinem oder doch nur sehr losem Zu-
sammenhange stehen. Für diese Abschweifungen hatte er
sich den Gr. Gregor und seine Dialoge zum Vorbild ge-
nommen, trotzdem bleiben sie ungeniessbar, und Hinkmar
selbst hat gefühlt, dass dies keine Kost für Jedermann
war. Der practische Mann hat aber sogleich auf die ge-
ringe Erleuchtung der grossen Menge Rücksicht genommen,
und indem er sich die Grammatiker -Zeichen bei Isidor,
Orig. I, 20, zu Nutze machte, die historischen Partieen mit
dem Asteriscus, die anderen aber mit dem Paragraphus
ausgezeichnet und diesen als Schlusszeichen das Antisigma
beigefügt. So hatten die Abschreiber gleich die Weg-
weiser für Abstriche, und es ist nicht zu verwundern, dass
von den Hss. die meisten nur einen gekürzten Text bieten.
Für den kirchlichen Gebrauch hatte Hinkmar die Lectio-
nen zu den beiden Festen des Heiligen, der Depositio und
Translatio, angezeichnet und ausserdem eine fortlaufende
meiden : daraus wird unter den Händen des Taschenspielers ein Lobgesang
auf dieselbe; Beda's Namen nennt er aber nicht. 1) Suysken, AA. SS.
Oct. I, 64 : '(Vitam) novam contexuit, . . . sed quantum ad historica per-
tinet, ex communi eruditorum sententia illo auctore indignam'. 2) Schrörs
S. 453.
Reimser Remigius - Fälschungen. 517
Capitel - Eintheiluug nicht vergessen. Die vielfache Glie-
derung der Schrift ist ein Meisterwerk verschrobener Com-
pliciertheit.
Nach der Vorrede müsste Hinkmar den angeblichen
Auszug der V. Remigii als ungenügend bei Seite gelegt
und nur seine dreierlei Quellen verarbeitet haben, denn
seine Vita soll eine Ergänzung zu jenem sein1. Die Text-
Vergleichung beweist das Gegentheil, und er hat vielmehr
die kürzere V. Remedii fast vollständig und im Allgemeinen
wörtlich abgeschrieben. Für die politische Geschichte be-
nutzte er den Lib. hist. Franc, der seinem kritischen Stand-
punkte am meisten zusagte, und er hatte eine Hs. der
Austrasischen Eecension B. Unter den 'historiae' der Vor-
rede versteht er diese Quelle, er citiert sie an einer Stelle
geradezu so 2, und bisweilen weist er in allgemeinen Aus-
drücken auf die vollständigere Darstellung hin 3 ; er musste
nämlich den Text mitunter kürzen, und auch sonst hat er
hie und da geändert, denn sein Versprechen, nur mit den
Worten der Quellen zu reden, konnte er natürlich nicht
halten. Aber auch die älteren fränkischen Geschichts-
quellen hat er gekannt, wie sich dies von einem Reimser
Erzbischof aus dem 9. Jh. erwarten lässt, und er hat so-
wohl bei Gregor als bei Fredegar kleinere Anleihen ge-
macht4. Die ältesten Wunder nach dem Tode des Heili-
gen hat er aus Gregors Schrift In Gl. Conf. c. 78 nicht
ohne einige kleine Abweichungen abgeschrieben (c. 24).
Von der goldenen Krone, welche Kaiser Anastasius dem
Chlodovech übersandte, las er im L. h. Fr. c. 17 und von
1) Cf. Praef. V. Remig. : 'plura in quibusdam historiis et diversis
pitaciolis ac usitata relatione . . . habemus, que in memorata exceptione
non continentur. Unde bonis vestris desideriis placuit, ut illa mea servitus
ad ignorantium et subsequentium notitiain in unum colligeret1. 2) Oap. 11
(der hsl. Eintheilung) : 'ut historiae produnt' mit Beziehung auf L. h. Fr.
c. 1. 3) Cäp. 12 : 'sicut lector in suo loco plenius legere potest' (L. h.
Fr. c. 11); Cap. 18: 'sicut locis suis lector inveniet' (L. h. Fr. c. 17).
4) Cap. 11 hat er zu den Worten 'urceum mirae magnitudinis1 (L. h. Fr.
c. 10) die Worte 'atque pulchritudinis' aus Greg. II, 27 und bei der Taufe
Chlodovechs in Cap. 15 zu 'velisque' die Worte 'ac cortinis' aus Greg. II,
31 hinzugefügt und weiter unten die Vergleiche mit Constantin und Sil-
vester ebendaher genommen. Aus Fredeg. III, 16 konnte er wissen, dass
der oben genannte 'urceus' Remigius, resp. der Reimser Kirche gehörte,
nach ihm (III, 21) konnte er die Taufe in Cap. 14 auf das Osterfest setzen,
und ihn (II, 58) hat er sicher für die Darstellung der Gesandtschaft des
Paternus an Alarich in Cap. 18 benutzt. Dass Schrörs S. 449. 450 alle
diese Entlehnungen bestreitet, ist ohne Belang; wenn er aber die letzte
Nachricht auf Idacius (Bouquet II, 463) zurückführen will, so ist jener
Idacius eben das 2. Buch Fredesfars.
518 Br. Krusch.
dem sog. Regnum, einem Geschenke des Frankenkönigs an
den Papst Hormisda, im Liber pontif . ; er identificierte c. 20
beide und fügte hinter 'coronam auream' aus letzterer
Quelle die Worte 'cum geinmis' und weiter unten vor 'cum
geuimis, que Regnum appellari solet' aus dem L. h. Fr.
'coronam auream' hinzu. Und da er einmal den Lib. pontif.
vor sich hatte, schrieb er aus ihm auch gleich die Stelle
über eine Gesandtschaft des Bischofs Germanus von Capua
aus und zeigte selbst den nicht leicht erkennbaren Zusam-
menhang mit dem h. Remigius : des Germanus Seele hatte
nach Gregors Dialogen III, 35 der h. Benedict von Engeln
in den Himmel tragen sehen, und zwischen diesem und
Remigius sollen allerdings Beziehungen bestanden haben,
wie man unten sehen wird. Seine Arbeit schmückt er mit
Versen und Stilblüthen des Ovid \ Lucanus und Sedulius.
Die zahlreichen und mit ermüdender Weitschweifigkeit
commentierten Bibelstellen entlehnte er einer von der Vül-
gata sehr abweichenden Uebersetzung , die stellenweise
reinen Itala - Text bot 2. Für eine seiner dogmatischen Ab-
schweifungen über die Trinität benutzte er das Symboluin
Athanasianum (c. 7). An Belegen und Gleichnissen man-
gelte es ihm nicht bei seiner ausgebreiteten Belesenheit in
der patristischen und hagiographischen Litteratur. Den
angeblichen Verlust der langen V. Remigii sucht er durch
Vergleiche mit den heiligen Schriften wahrscheinlicher zu
machen, und er beruft sich für verlorene Propheten auf
eine Stelle des Johannes Chrysostomus in der 9. Homilie
zum Matthaeus ; seine Anordnung der Wunder des Heiligen
vergleicht er mit der der Psalmen, und er citiert für diese
eine Stelle des Hieronymus 3. Erlebnisse und Wunder des
Heiligen geben ihm Veranlassung, ähnliche Fälle vom
Apostel Johannes nach Cassian4, Coli. XXIV, 21 (= V.
Remig. c. 5), von Christus, als er vor Pilatus stand, nach
Antoninus uiart., De locis sanctis c. 23 (= V. Remig. c. 8),
von Basilius und Evurtius nach deren Lebensbeschreibun-
gen (= V. Remig. c. 15), vom Papste Fabian nach Rufin,
Hist. eccl. VI, 21 (= ibid.), vom h. Martin nach Sulp. Sev.,
Dial. 2, 2 (= ibid.) zu erzählen. Dass nach der Poenitenz
der Verbrecher zum geistlichen Amte noch fähig sei, recht-
1) Ovid., Metam. IV, 64 ist im Cap. 16, Lucan. I, 1 und Sedul. Carm.
pasch. I, 1 in der Vorrede benutzt. 2) Cap. 16 : 'Quis alligabit ignem
in sinu suo, et vestimenta eius non comburentur ? ' (Prov. 6, 27) = Sept.:
äjzodtfoei ng jivq sv xöhtcp, xa de i/ndria ov y.araxavaei ; 3) Vorrede
zum Psalterium, ed. de Lagarde 1874, p. 1. 4) Hinkmar schrieb: 'Fertur
relatione maiorum', obwohl er den Cassian vor sich liegen hatte.
Reimser Remigius - Fälschungen. 519
fertigt er mit den Worten Augustins in dessen Briefe an
Bonifaz1; er nennt dies Zeugnis eine 'consona catholicorum
sententia' (c. 16), obwohl die Frage häufiger verneint, als
bejaht worden ist. Endlich war ihm aus der V. Vedastis
dessen Ordination durch Remigius bekannt (c. 3), und ge-
legentlich erwähnt er die Lex Salica und die Kapitularien
Karls d. Gr. (c. 32).
Was nun nach Abzug der noch erhaltenen Quellen
in Hinkmars Schrift an sachlichen Nachrichten übrig bleibt,
soll nach des Verf. eigenem Zeugnis aus den zerstreuten
Blättern einer älteren längeren Vita und aus der Tradition
geschöpft sein. Diese Nachrichten betreffen :
1) die Heiligkeit und Wunderthätigkeit des Remigius
im Allgemeinen,
2) seine geistliche Amtsgewalt und insbesondere sein
Verhältnis zu den Suffraganen von Soissons und
Laon,
3) sein Verhältnis zu dem fränkischen Königthum,
•4) seine Sorge für den Güterbesitz der Kirche.
Remigius hatte eine göttliche Mission, die Rache des
Herrn von dem barbarischen Frankenvolke abzuwenden; er
ist der Besänftiger des göttlichen Zornes und geradezu der
Heiland Galliens. Eine himmlische Stimme hat seine Ge-
burt prophezeit ; er ist durch ein Geschenk des h. Geistes
gezeugt und daher zweifellos frei von Sünde. Der Mutter-
brust entwöhnt, bestreicht er mit der Muttermilch die
Augen des blinden Mönches Montanus, durch den Gott
seine Geburt offenbart hatte, und giebt ihm dadurch das
Augenlicht zurück ; er thut also Wunder, ehe er noch Vater
und Mutter sagen kann. Bei seiner Bischofserhebung
strahlt sein Scheitel, wie von der Sonne beleuchtet, und
er fühlt sich mit himmlischer Salbe gesalbt. Der h. Bene-
dict erkennt seine Ueberlegenheit im Wunderfache an und
schickt ein besessenes Mädchen, welches er selbst nicht
heilen kann, mit einem Empfehlungsschreiben zu ihm. Wie
Christus bei der Hochzeit zu Cana, füllt er Fässer mit
Wein, Krüge mit h. Oel und Chrisma. Durch Enthüllung
des h. Geistes erfährt er den Tod Chlodovechs. Er steht
eben mit der Gottheit auf vertrautestem Fusse; er ist ein
Engel, und als solchen verehren ihn die Bischöfe Galliens
und Belgiens auf einer sonst unbekannten Synode ; nur ein
übermüthiger Arianer verweigert ihm die schuldige Ehr-
furcht, dafür verliert er die Sprache, wird aber sogleich
1) Migne, Patr. Lat. 33, p. 812.
520 Br- Krusch.
o-eheilt, als er dein Heiligen sich zu Füssen wirft und den
katholischen Glauben bekennt.
Reniigius regierte die 'Ecclesia Dei' und besonders
die Reimser 'Civitas' und 'Provincia'. Letztere umfasste
damals 12 'Civitates', und ebenso viele Bischöfe hatte der
Heilige unter sich. Nachdem er das Frankenvolk dem
Christenthume zugeführt, übertrug ihm Papst Hormisda
das päpstliche Yicariat für das ganze Reich Chlodovechs.
Mit den Bischöfen von Soissons war er verwandt. Prin-
cipius war sein Bruder, dessen Nachfolger Lupus Bruders-
sohn. In Soissons erfreute sich Chlodovech seiner Gesell-
schaft; in diesem Gau und dem von Laon lagen die ihm
von dem König und den Franken geschenkten Besitzungen,
die er den betreffenden Kirchen überwies. Für das Bis-
thum Laon hatte er besondere Sympathieen, und dasselbe
verdankte ihm überhaupt erst seine Entstehung. Er war
in diesem Gau geboren, in Laon erzogen, und man zeigte
dort noch den Ort, wo er sich in seiner Jugend einge-
schlossen hatte. Die dortige Kirche gehörte zur Reimser
Parrochie 1, und da auch die ihm als Bischof gewor-
denen Schenkungen, mit denen er das Bisthum ausstat-
tete, als Reimser Kirchengut anzusehen waren2, war die
neue Diöcese von der Parrochie und nicht von der Pro-
vinz abgezweigt und stand also zur Metropole in einem
engeren Abhängigkeits-Verhältnis als die andern Diöcesen.
Er ordinierte dort Genebaudus zum Bischof und unter-
stellte ihm die Parrochie des dortigen Comitats. Sein neuer
Suffragan machte ihm aber schwere Sorgen. Er setzte den
Verkehr mit seiner früheren Frau fort und wurde so Vater
eines Söhnchens, welches er Latro nannte, weil es durch
'latrocinium' erzeugt war, und eines Töchterchens Vulpe-
cula. Es waren also in der Diöcese Sachen vorgefallen,
die der Suffragan allein nicht entscheiden konnte 3 : 'tales
causae ibi emerserant, quas per se diffinire non posset',
und Genebaudus kannte seine Pflicht. Er wusste, dass er
als Suffragan alle zweifelhaften Sachen dem Metropoliten
vorzulegen hatte, wenn er auch den bezüglichen Erlass4
1) Vgl. V. Remigii c. 16 : 'ecclesiae sauctae Mariae in castro Lau-
duni Clavati Remensis parrockiae' mit Opusc. 55. capit. adv. Hinein. Laud.
(Opp. II, p. 432) : 'Reniigius eandem sedem Laudunensem . . . a sua
parrochia, non autem a dioecesis provincia seidit'. 2) Vgl. Opusc.
55. capitul. a. a. 0. : 'quiequid rerum et maneipiorum in ordine episco-
patus adquirit episcopus, sicut et illae quae ante fuerunt ecclesiae, haben-
tur ecclesiasticae'. 3) Hincm., V. Remig. c. 16. 4) Hincmari Rem.
opusc. 55. capitulorum ad Hincmarum Laudun. (Opp. ed. Sirmond II, 409) :
'Ego de dubiis et obscuris rebus, de quibus certam diffinitionem non ha-
Reimser Remigius - Fälschungen. 521
des Erzb. Hinkmar an seinen Neffen, den Bischof von Laon,
natürlich nicht kennen konnte, und er bat den Remigius,
nach Laon zu kommen. Dieser legte dem Geständigen
Busse auf und bestrafte ihn mit Kerkerhaft ; er versiegelte
die Pforte und nahm den Schlüssel zu sich. Er verur-
theilte ihn also ohne Zuziehung der Synode kraft seiner
eigenen Amtsgewalt: 'decreto beati Eemigii, proprio iudi-
cio'. Die Leitung der Parrochie übernahm er jetzt selbst,
und er hat sie 7 Jahre, neben seiner eigenen ('ut et pro-
priam') verwaltet, indem er einen Sonntag in Reims, den
andern in Laon celebrierte. Da erschien dem Verurtheilten
ein Engel und kündigte ihm Straf erlass an, auch die
Kerkerpforte öffnete sich ohne Verletzung des Siegels und
des Schlosses ; Gott hatte ihm die Sünde vergeben, aber
des Genebaudus scharf entwickeltes Rechtsbewusstsein er-
kannte, dass nur derjenige, der ihn eingeschlossen, auch
lösen durfte. Der Engel hatte den Metropoliten übergan-
gen und den Instanzenweg nicht eingehalten, der Sünder
selbst hatte ihn erst darüber belehren müssen ; nun machte
er den Fehler wieder gut und begab sich zum Remigius,
um ihn von dem göttlichen Beschlüsse in Kenntnis zu
setzen. Dieser eilte nach Laon und fand den pflichttreuen
Genebaudus auf der Schwelle liegend ! Ein rührendes
Bild ! Natürlich setzte er ihn sogleich wieder in das Bis-
thum ein, und später wurde Latro der Nachfolger des Vaters.
Die Wunder des Remigius verfehlten ihren Eindruck
auf die heidnischen Franken nicht; sie liebten ihn, und
der König hörte ihn gern und enthielt sich auf seine Vor-
stellungen hin vieler Nichtswürdigkeiten. Remigius begiebt
sich Nachts in den Palast; der König springt ihm erfreut
entgegen, umarmt ihn und beide gehen mit der Königin
in ein benachbartes Oratorium. Hier weiht ihn der Bischof
in die christliche Lehre ein; da erhellt sich die Kirche
durch ein überirdisches Licht, und von einer himmlischen
Stimme erschallen Bibelsprüche : nur Remigius erkennt den
Urheber des Lichts, nämlich Jesus. Umstrahlt wie Moses,
steht der Bischof da und erleuchtet die ganze Kirche ;
Chlodovech und die Königin liegen zu seinen Füssen. Er
prophezeit ihnen die Zukunft, dass sich ihre Nachkommen
der Römischen Kaiserwürde ('Romana dignitate regnoque')
bemächtigen werden. Auf dem Wege zum Baptisterium
bemus, si forte emerserint, et de his, quae sine plurimorum iudicio
episcoporum finiri non possunt, cum coepiscopis provinciae . . . debeo
consilium quaerere. . . . Si in causis dubiis vel obscuris aliquid dubitas,
me debes interrogare'.
522 Br. Krusch.
wird der Geistliche mit dem Chrisma vom Volke abge-
halten, und Niemand kann wegen des G-edränges aus der
Kirche herauskommen. In dieser Verlegenheit betet Re
migius zum Himmel. Da bringt eine schneeweisse Taube,
Avie sie bei Christus' Taufe und seitdem noch öfter er-
schienen war, — die Fälle führt Hinkmar einzeln an, —
eine Ampullula mit dem heiligen Chrisma im Schnabel.
Remigius giesst davon in die Taufquelle und hebt selbst
den König aus der Taufe ; er ist also der Pathe Chlodo-
vechs, sein 'pater et patronus', wie ihn Hinkmar nennt.
Er tauft dann von Chlodovechs Heere 3000 Mann, ohne
die Kinder und Weiber, und nach Ragnachars Ermordung
lässt ihn der König das ganze Frankenvolk bekehren und
taufen. Nun wurde diesem das Siegen leicht. Er erhält
von Remigius den Segen und geweihten Wein und schlägt
die Burgunder, und nachdem er auf den Rath des Bischofs
die Synode von Orleans (511) abgehalten hatte, zieht er,
wieder mit dessen Segen und einer Flasche Champagner
ausgerüstet, gegen die Westgothen (507) ins Feld und
kehrt wieder als Sieger heim. So lange der Wein reichte,
hatte ihm Remigius gesagt, würde er siegen, und die Ge-
schichte hat das bewiesen.
Hinkmar verlangte von einem guten Bischöfe, dass
er über den geistlichen Pflichten die Materie nicht ver-
nachlässige 1, und das scheint er seinem Heiligen abgelernt
zu haben. Denn dieser sorgte allerdings gleichmässig
nach Innen und Aussen 2, und man kann ihm durchaus
nicht vorwerfen, dass er je die äusseren Bedürfnisse seiner
Kirche aus dem Auge verloren habe. Von seiner Muhme
('sobrina') Celsa erhielt er deren Erbe, die Villa Celtus, für
die Füllung eines Weinfasses zum Geschenk, und der Act
wurde auf gesetzliche Weise 'per chartam et investituram
vollzogen. Nach der Taufe bedachten ihn Chlodovech und
die vornehmen Franken mit zahlreichen Besitzungen in
verschiedenen Provinzen; er aber verschenkte sie wieder
an die Kirchen seiner Provinz, besonders die in Laon, denn
er wollte nicht für habgierig gelten und zu dem Gerede
Anlass geben, als habe er nur irdischen Gutes halber die
Bekehrung ins Werk gesetzt. Nur einen Theil der Ost-
1) Hincmari ep. ad clerum et plebem Bellovacensem (Migne 126,
p. 260): 'sie exteriora administret, ut interiora non deserat; sie interiori-
bus serviat, ut exteriora penitus non relinquat'; ähnlich Hincm., V. ftemig.
c. 17. 2) Hine. V. Remigii c. 7 : 'Erat enim hie presul beatissimus in-
ternorum curam in exteriorum oecupatione non minueus, exteriorum pro-
videntiam in internorum sollicitudine non relinquens'.
Reimser Remigius- Fälschungen. 523
fränkischen Güter vereinigte er auf specielle Bitte der
Geber mit dem Erzbisthum. So besass er, als er sich am
Hofe des Königs in Soissons aufhielt, nur eine kleine Villa
in der Nähe dieser Stadt, und er bedurfte dringend neuer
Schenkungen. Das erkannte die Königin, und auf ihr Zu-
reden, und da auch die Bauern ihre vielfachen Unpflichten
lieber der Kirche als dem Könige leisten wollten, Hess sich
dieser zu dem folgenden Abkommen bewegen. Er ver-
sprach, ihm so viel Land zu schenken, als der Bischof um-
gehen könnte, während er selbst sein Mittagsschläfchen
hielt. Remigius ist rüstig zugeschritten, denn er hat
Leuilly, Coucy - le - Chäteau und Chavigny in den Kreis ge-
zogen, und der practische Mann vergass auch nicht, die
Grenze sorgfältig zu versteinen ; wer aber nicht bischöflich
werden wollte und sich ihm in den Weg stellte, dem hat
er Böses angewünscht. Ueber die Schenkung stellte ihm
der König natürlich eine Urkunde aus. Von einem ange-
sehenen Manne Eulogius kaufte er Epernay aus dem Kirchen-
schatze für 5000 Pf. Silber. Er hatte dem Besitzer die
Begnadigung für ein Majestätsverbrechen erwirkt, und
dieser wollte ihm den Ort zum Geschenk geben ; aber irdi-
schen Lohn nahm er für seine Intercessionen nicht, und
so rieth er dem Manne, seine Habe zu verkaufen, und ge-
wann nun als Käufer einen wohlerworbenen Besitztitel für
die Kirche. Auch den grössten Theil des Vogesen- Waldes
erwarb er durch Kauf, und er gründete dort die Weiler
Cusel und Altenglan und setzte aus der nahen bischöf-
lichen Villa Berna, die ihm die Franken geschenkt hatten,
Bauern dorthin, damit sie der Reimser Kirche alljährlich
das Pech für die Weinfässer lieferten; die Grenzen ver-
steinte er wieder sorgfältig. Endlich erhielt er von dem
Prinzen Chlodovald aus dessen Erbe Douzy (dep. Ardennes).
Seine Sorge wäre aber nur halb gewesen, wenn er nicht
auch das erworbene Kirchengut gehütet und geschützt
hätte, und das besorgte er mit rücksichtsloser Grausamkeit.
Einem Manne, der einen Grenzstein zu entfernen versucht,
verdorrt die Hand, und er verliert das Augenlicht. Die
Bewohner von Celtus, welche seine Getreidemieten in
Brand stecken und ihn 'Jubelgreis' ('Iubeleus') schimpfen,
verflucht er, dass sie leistenbrüchig, und ihre Frauen
kröpfig werden. Und noch nach seinem Tode wacht sein
sorgendes Auge über dem Kirchengute nicht bloss der Diö-
cese, sondern der ganzen Provinz. Als König Pippin die
Villa Anizy - le - Chäteau dem Bisthum Laon zu entreissen
trachtete, die der Heilige dieser Kirche geschenkt hatte,
524 Br. Krusch.
folgte die Strafe auf dem Fusse. Reniigius stieg- bei Nacht
vom Himmel herab, und er hat den König- so recht-
schaffen durchgehauen, dass man noch lang-e die blauen
Flecken an seinem Leibe sehen konnte. Schleunig-st ver-
liess der Gezüchtigte darauf die bischöfliche Villa, und
seitdem haben sich die Herrscher wohl gehütet, auf den
Besitzungen der Kirche ihre Ablager zu halten. Mit glei-
cher Strenge ahndete der Schutzpatron Eingriffe der Kaiser-
lichen Beamten in den Besitz der Kirche, und als nach
der Reichstheilung 843 Karl d. Kahle das Bisthum unter
seine Mannen vertheilt und Leuilly dem Richuin zu Lehen
gegeben hatte, schlug er dessen Frau, die nach dreimaliger
Ermahnung den Ort nicht verlassen hatte, dass sie er-
krankte und elendiglich ums Leben kam. Nach solchen
Thaten war es sehr zu verwundern, dass der Heilige zu
Hinkmars Zeiten sich lässiger zeigte und nicht mehr, wie
früher, die Kirchenräuber bestrafte. Diesen Einwand hat
der Biograph vorausgesehen 1 ; er fertigt aber die Zweifler
sehr gut mit der Mahnung ab, lieber darüber betrübt zu
sein, denn die Welt sei eben so schlecht geworden, dass
sie die Heiligenwunder nicht mehr verdiene.
Seitdem haben sich die Zeiten nur noch mehr ver-
schlechtert. Wer über drei Jahrhunderte zurückliegende
Begebenheiten so viel mehr weiss, als die alten Quellen,
kommt heute leicht in den Verdacht zu schwindeln, und
selbst gute Freunde fordern von ihm die Ausweise. Auch
Schrörs hat nach den Quellen gesucht, die Hinkmar für
seine eigenen Nachrichten benutzt haben könnte. Er be-
merkte da, dass dieser gelegentlich von Schenkungsurkun-
den der Reimser Kirche spricht, und er war rasch mit der
Behauptung2 bei der Hand, dass diese 'in Betreff der von
Remigius erworbenen Besitzungen werthvolle Nachrichten
enthalten konnten'. Hinkniar führt sie aber nur zum Be-
weis für die Orthographie "Remedius' an, unter seine Ge-
schichtsquellen rechnet er sie nicht, und wer Urkunden
gelesen hat, weiss, dass iu ihnen Romane, wie die Hink-
marschen, nicht zu stehen pflegen. Ueberdies schliesst
schon der Wortlaut der Stelle Schrörs' Deutung aus, denn
den Gegenstand jener Urkunden bildeten nicht Erwerbungen
des Remigius, sondern Schenkungen, die nach seinem Tode,
und zum Theil viele Jahre später der Reimser Kirche ge-
1) Hincm. V. Remig. c. 28: 'Causantur etiam aliqui, quoniam
sanctus Remigius nunc in reruni suarum invasores et familiae suae oppres-
sores non vindicat, sicut praecedentibus temporibus egerat'. 2) S. 450.
Reiruser Remigius -Fälschungen.
525
macht waren 1. Mit dem 'monumentum reclusionis', dessen
Benutzung- er für die Geschichte des Genebaudus an-
nimmt 2, steht es fast noch schlimmer, denn der lateinische
Ausdruck bezeichnet den Kerker des sündigen Bischofs,
und Hinkmar verweist an der betreffenden Stelle ausdrück-
lich auf die Tradition3. Es bleiben nun nur noch die
'emendatiora gesta' übrig, auf die sich Hinkmar ein ein-
ziges Mal beruft4. Er will in ihnen die Geschichte von
der himmlischen Stimme, welche die Geburt des Remigius
prophezeite, gefunden haben; er kennt den vollständigen
Wortlaut des göttlichen Beschlusses, welcher aus den himm-
lischen Sitzen dem Montanus notificiert wurde. Diese
Wissenschaft müsste er also den fliegenden Blättern seiner
längeren Vita verdanken; nun eine Empfehlung würde sie
für jene gerade nicht sein. Auf demselben Niveau stehen
aber alle anderen Zusätze Hinkmars; sie können unmöglich
auf eine alte Quelle zurückgeführt werden.
Nun besass allerdings der Reimser Erzbischof einen
hohen Grad von Findigkeit. Er copiert die Todten- Er-
weckung aus der kürzeren V. Remedii, deren Benutzung
er ableugnet, und lässt das Wunder durch die Geheilte
selbst bezeugen:
V. Remedii c. 8.
Quae protinus . . . cum
integra incolomitate surrexit
et ad propriam feliciter re-
meavit,
Hincm. V. Kernig, c. 9.
Quae mox cum integra incolomi-
tate, sicut ipsa postea fateba-
tur, ab ipsis inferni claustris
surrexit et ad propria feliciter re-
meavit,
das ist doch wohl eine Fälschung, und verfälscht hat er
auch seine anderen Geschichtsquellen, indem er den h.
Remigius in die Texte hineinschwärzte :
1) V. Remig. c. 2 : 'Nee illud silendum est, quia in cartis recenti
tempore post illius obitum, sed et post plura annorum curricula factis de
rebus isti Remensi aecclesiae traditis Remedium eum fuisse nomin atuni
legimus1. 2) S. 451. 3) Opuscul. 55 capitul. (Hincm. Opp. II, 435):
'ex quo beatus Remigius sanetum Grenebaudum in Laudunensi castello
episcopum non solum constituit, sed etiam, ut ostendit antiqua traditio
et monimentum reclusionis, qua eum propter excessum notissimum se-
eundum regulas reclusit, post dignam satisfactionem restituit'. Im besten
Falle hätte Schrörs zwei Quellen herauslesen können ; die richtige Erklä-
rung konnte er aber bei Noorden S. 399 finden. 4) Hincm. V. Remig.
c. 2 : 'Merito igitur eum Remedium fuisse nominatum in baptismate cre-
deremus, nisi in emendatioribus gestis illum oraculo divino per sanetum
Montanum Remigium vocari debere cognosceremus'.
Neues Archiv etc. XX.
35
526
Br. Krusch.
Hincm. V. Reinig, c. 19.
magis autem Dominus lorica
fidei indutum per orationem
sancti Remigii patris et pa-
tronis sui adiuvit eum.
ib. c. 20.
Huius . . . tempore . . . Hludo-
wicus rex . . . cum gemmis . . .
Regnum . . . beato Petro, sancto
Remigio suggerente, direxit.
L. h. Fr. c. 17.
Dominus autem adiuvabat
eum (seil. Chlodovechum) in
eunetis.
Lib. pontif., V. Hormisdae
(ed. Duchesne I, 271).
Eodem tempore venit Re-
gnus cum gemmis praetiosis
a rege Francorum Cloduveum
christianum donum beato
Petro apostolo.
So konnten die Thaten Chlodovechs leicht zu solchen
des Remigius gestempelt werden, und die Geschichte des
Frankenkönigs verwandelte sich in einen Panegyricus auf
den Reimser Bischof. Die Ansicht Schrörs' \ dass Hink-
mar eine spätere Ueberarbeitung des L. h. Fr. mit Zu-
sätzen über Remigius benutzt habe, würde den Fälscher auf
Kosten eines Unbekannten entlasten, aber die Gründe sind
doch zu fadenscheinig, und bis man nicht auch ein ebenso
vervollständigtes Exemplar des Lib. pontif. angenommen
hat, bleibt die Vertheidigung nur halb. Und die Beweise
für die Unehrlichkeit der Hinkmarschen Geschichtsschrei-
bung sind damit keineswegs erschöpft. Wenn er die
Wunderthätigkeit seines Patrons auf Kosten des h. Bene-
dict preist, wenn er diesen die Curierung einer Besessenen
vergeblich versuchen und ihn dann die Kranke mit einem
Brief zu Remigius schicken lässt, so ist die Geschichte
wiederum aus der kürzeren Vita abgeschrieben, und die
dort erwähnten 'affatus' können die Bedeutung von Brief
haben; der erste Wunderdoctor führt aber dort keinen
Namen ('quidam Dei servus), und in den Worten 'ipsius
benedicti', mit welchen im Verlauf der Erzählung einmal
auf ihn Bezug genommen wird, ist 'benedictus' natürlich
Adjectiv. Durch die Deutung als Eigenname und die
Beziehung auf den h. Benedict ist die Erhebung des Re-
migius über diesen Heiligen möglich geworden, nicht zur
Freude der Mönche von Monte Cassino. Der Urheber
1) Er schliesst S. 448 auf eine andere Form des L. h. Fr. aus der
Lesart 'Moglotinse' für 'Vogladinse' und auf eine spätere Ueberarbeitung
aus der Schreibung der Namen 'Ludovicus' und 'Rothildis1 : die Möglich-
keit, dass diese Orthographie von Hinkmar sein könnte, scheint er gar
nicht zu sehen.
Reimser Remigius - Fälschungen. 527
dieser Textfälschung kann aber nur Hinkmar sein. Seine
Mache verräth weiter die Schilderung des Conflicts zwischen
dem Heiligen und den Einwohnern von Celtus : er legt
ihnen das Schimpfwort lIubeleus' in den Mund ; nun dieses
haben Amtsgenossen gegen Remigius gebraucht, und dessen
noch erhaltene Replik hat er gelesen 1. Die Spuren der
Erfindung tragen auch noch andere Geschichten: Latro
und Vulpecula heissen die Kinder des Genebaudus, Celsa
ist der Name der Besitzerin von Celtus ; der Bischof ver-
steint die Grenzen, und durch seinen Wein besiegt der
König die Burgunder und Westgothen. Das Bestreben,
die Thaten Chlodovechs auf die Unterstützung des Rerni-
gius zurückzuführen, blickt überall durch; wenn aber dann
Hinkmar vor dem Westgothischen Kriege dem Könige
durch den Bischof den Rath ertheilen lässt, die Synode
von Orleans zu veranstalten, so ist diese Lüge doch zu
frech: die Synode ist ja vier Jahre nach dem Kriege ge-
halten worden, und Remigius hat ihr gar nicht einmal bei-
gewohnt. Nach diesen Proben wird man getrost den Schluss
ziehen dürfen : Hinkmars Lebensbeschreibung des Remigius
ist theils aus noch vorhandenen Quellen abgeschrieben,
theils von dem Verf. selbst erlogen; so konnte Remigius
dem Königspaare allerdings leicht prophezeien, dass sich
dessen Nachkommen in den Besitz der Römischen Kaiser-
würde setzen würden.
Für das päpstliche Vicariat des Remigius erbringt
Hinkmar den urkundlichen Beweis durch vollständige Ein-
rückung einer Bulle des Papstes Hormisda. Dieses Mach-
werk ist eine Copie der echten Bulle jenes Papstes für den
Bischof Sallustius von Sevilla2, und nur die Begrenzung
des Vicariats auf das ganze Reich Chlodovechs ist eigene
Zuthat 3 des Fälschers ; ein beklagenswerthes Misgeschick
hat ihn einen Papst wählen lassen, der 3 Jahre nach dem
Tode des Frankenkönigs den Stuhl Petri bestiegen hat.
Das päpstliche Privileg für Remigius ist daher heute all-
gemein aufgegeben, auch Hiukmars Freunde versuchen es
nicht zu retten; sie haben sich aber bemüht, den Erz-
bischof von dem Verdachte der Fälschung schleunigst zu
entlasten. Den Einwand, dass in dem Schreiben die Hi-
spana benutzt sei, während Hinkmar sonst die Sammlung
1) Brief des Remigius an die Bischöfe Heraclius, Leo und Theodo-
sius, MGr. Ep. III, p. 114: 'Annorum numerum me esse scribitis iubeleum'.
Schrörs S. 452 hätte Hinkmar die Kenntnis der Briefe des Heiligen nicht
absprechen sollen. 2) Thiel, Ep. Rom. pontif. I, 979. 3) In der
Quelle stand : 'per Baeticam Lusitaniamque provincias'.
35*
528 Br. Krusch.
Pseudo - Isidors zu benutzen pflege, hätte Thiel1 nicht er-
heben sollen, denn seine hsl. Studien gehen so wenig in
die Tiefe, dass er weder den einen noch den andern Text
genügend kennt, und sein Satz ist auch an sich unrichtig,
nachdem jetzt Schrörs 2 Benutzung der Hispana bei Hink-
mar nachgewiesen hat. Dieser hat denn auch die Ehren-
Rettung in anderer Weise versucht. Wenn Hinkmar der
Verfasser wäre, meinte er3, wäre nicht einzusehen, warum
er dem Remigius bloss ein persönliches Vicariat und nicht
ein solches, welches auch auf die Nachfolger überging,
verliehen haben sollte. Das ist bei jedem andern ebenso-
wenig einzusehen, wie bei Hinkmar, denn Schrörs hat
ganz Recht, dass ein allgemeines Privileg sich für die
Reimser Interessen besser hätte verwerthen lassen, und so
könnte Niemand der Thäter sein. Aber vielleicht hatte
sich Hinkmar überlegt, dass eine solche Verallgemeinerung
den Schwindel leicht an den Tag gebracht hätte, denn bis
auf seine Zeit war kein Reimser Bischof Vicar gewesen4,
und seine eigenen Bemühungen um diese Ehre waren kläg-
lich gescheitert; oder es fehlte ihm an einem Modell für
das bessere Privileg, denn seine Vorlage lautete auch nur
auf die Person des Sallustius. Kurz völlig beweisend
scheint mir der Einwand Schrörs' nicht zu sein, und eigent-
lich enthält er eine Spitze gegen Hinkmar: Warum soll
er denn gerade ein so schlimmer Bösewicht gewesen sein,
dass er sich mit der Fälschung eines persönlichen Privilegs
für einen seiner Vorgänger gar nicht erst abgegeben
hätte ?
Schon v. Noorden 5 hatte bemerkt, dass in Hinkmars
V. Remigii bei aller scheinbaren Planlosigkeit und Naive-
tät allenthalben dieselbe schlaue Berechnung durchblickt,
und der Verf. mit dieser Schrift noch andere Zwecke ver-
folgt, als die blosse Erbauung. Vielleicht hatte auch
Suysken (i dasselbe im Sinne, wenn er schreibt : 'Hincmarus
quamvis suis naevis non caruerit, maxime ubi de suae sedis
excellentia agebatur'. In der kürzeren Vita war Remigius
ein Heiliger, wie so viele anderen, und seine einzige Aus-
zeichnung bestand in der Todten - Auf erweckung. Durch
Hinkmars Schrift — und ich halte mich an seine eigenen
1) S. 125. 2) S. 393. 3) S. 510. 4) Anders Schrörs S. 369:
'Die Urk. des P. Hormisda ist unecht; ob die Thatsache eines Reimser
Vicariats richtig ist, lässt sich nicht sicher entscheiden'. Warum : Nicht
sicher? Würde man etwa in Reims die Bulle gefälscht haben, wenn die
Thatsache unrichtig gewesen wäre? 5) S. 395. 6) AA. SS. Oct. I,
p. 87.
Reimser Remigius - Fälschungen. 529
Conclusionen in Cap. 31 — wurde er ein Engel, ein Erz-
engel ; der Brief des Hormisda zeigt ihn als Cherubim, die
Taufe der Franken als Seraphim. Er zählt zu den himm-
lischen Gewalten, er zählt auch zu den Fürstlichkeiten,
denn er hat den Principat über die 'fratres electi', die
Bischöfe von Arras, Laon, Soissons, Viromandis und die
übrigen in den ihm unterworfenen 'Civitates'. Er hat den
Bischof Genebaudus von Laon gerichtet und nach seinem
Urtheilsspruche ihn unter göttlicher Leitung und auf gött-
lichen Befehl in das Bisthum wieder eingesetzt: in ihm
thront also der Herr, er gehört zu den himmlischen Thro-
nen ('supernae sedes'), welche die 'electi' zu richten befugt
sind. Er hat durch seine Reinheit Jesus von Angesicht
sehen können, er hat dem Könige Chlodovech befohlen, wie
einem ihm unterworfenen Sclaven, als er ihm die Worte:
'Beuge dein Haupt, Sicamber' zurief : wie im Vergleich zu
solchen Menschen die übrigen nur Sclaven sind, wie sie
selbst unter ihren Mitmenschen für Götter ('dii') angesehen
und unter die Herrschaften ('dominationes') gerechnet wer-
den , so zählt auch Reniigius — zu den Fürstlichkeiten
('principatus'), schliesst Hinkmar abermals. Alles dies, wird
man einwenden, waren nur persönliche Vorrechte des h.
Reniigius : indessen wurde doch das Ansehen des Reimser
Stuhles dadurch gehoben, und aus persönlichen Vorrechten
hat man allgemeine construiert; auch Hinkmar hat sich in
seinem bewegten Leben verschiedene Male auf seinen
grossen Vorgänger berufen, und auf jeden Fall hat er die
gleichen Ziele verfolgt.
Die Usurpation des Reiches Lothars nach dessen Hin-
scheiden 869 hatte Karl d. Kahle auf Anstiften Hinkmars
vorgenommen. Eine kirchliche Ceremonie in der Stephans-
kirche in Metz sollte die widerrechtliche Handlung legi-
timieren 1. Der Veranstalter und Leiter des theatrali-
schen Aufzugs war wiederum Hinkmar, und er war be-
müht, seine Einmischung in die Trierer Kirchenprovinz zu
rechtfertigen. Unter Berufung auf die Krönung Ludwigs
d. Fr. durch Papst Stephan V. 816 in Reims2 und auf das
Beispiel Chlodovechs, der von Remigius ebenda getauft
und mit einem vom Himmel gekommenen Salböl ('chris-
rnate') gesalbt und zum König geweiht sei, vollzog er an
Karl die Königssalbung, und er behauptete, dass noch von
der Chlodovech'schen Salbe ein Vorrath vorhanden sei.
1) Dümmler, Gesch. des Ostfräok. Reichs II, 282 2. 2) Simson,
Jahrbücher I, 72.
530 Br. Krusch.
Von der Arnpulla, wie v. Noorden 1 meint , ist also hier
nicht die Rede, und damit fällt dessen Bedenken, dass ein
beabsichtigter Unterschleif von den mit dem Reliquien-
schatze vertrauten Dienern der Reiinser Kirche leicht hätte
verrathen werden können. Der vorsichtige Hinkmar ge-
denkt nur der alten Salbe. Die Salbung Chlodovechs mit
dem Chrisma erwähnt schon Gregor, H. Fr. II, 31; hinzu-
gelogen hat also der Erzbischof nur, dass die Salbe vom
Himmel gekommen sei, und er noch davon habe. Da die
Salbung des ersten Frankenkönigs, wie schon Suysken ge-
sehen hat, nur ein Theil der kirchlichen Taufhandlung
war, so passte das Beispiel nicht auf den vorliegenden Fall,
und das hat Hinkmar sehr wohl bemerkt; durch seine
nicht gewöhnliche Geschicklichkeit kam er aber über die
Schwierigkeit leicht hinweg, indem er zu der Taufe und
Salbung des ersten Frankenkönigs stracks eine Königs-
weihe ('peruncti et in regem sacrati') hinzufälschte. Diese
kecke Lüge hat er nur für den vorliegenden Fall erfunden
und später nicht weiter ausgesponnen, dagegen fühlte er
das Bedürfnis, für die himmlische Herkunft des Chrisma
eine Erläuterung zu geben. Dies geschieht in der V. Re-
migii; hier wird auch zum ersten Mal das Gefäss für die
Salbe, die 'ampullula', genannt, aber er behauptet nicht,
es noch zu besitzen, und so könnte es sehr wohl erst nach
seiner Zeit 'entdeckt' worden sein. Und das ist das Wahr-
scheinlichere, denn erst seit Philipps II. Krönung 1179
ist es benutzt worden. Während der Erzbischof von Reims
den König krönte und salbte, trug der Bischof von Laon
die heilige Arnpulla'-'. Sie hat für die franz. Königskrö-
nungen eine hervorragende Bedeutung gewonnen, und
Hinkmar hat seinen Nachfolgern den Weg gezeigt, wie
sich der Schutzpatron zur Hebung der politischen Stellung
des Erzbischofs von Reims verwerthen liess.
Die Disciplinargewalt über die Kirchenprovinz stand
in Merowingischer Zeit der Provinzialsynode zu, und ihr
war auch der Metropolit unterworfen 3. Nur der päpst-
liche Vicar, der Primas der fränkischen Kirche, stand un-
mittelbar unter dem Papste 4. Dem Reimser Stuhl war
von Papst Hadrian (c. 775) der Primat über die ihm unter-
worfenen 'Civitates', nämlich über die Reimser Kirchen-
provinz, verbrieft und zugleich dem Erzbischof ein gewisses
1) S. 252. 2) Vgl. Warnkönig und Stein, Franz. Staats- und
Recktsgesckickte I, 207. 3) Löning, Das Kirckenreckt im Reicke der
Merovinger S. 208. 4) Löning S. 83.
Reimser Rernigius - Fälschungen. 531
Vorrecht hinsichtlich seines Gerichtsstandes 1 verliehen
worden. Hinkmars Streben war auf das Vicariat gerichtet.
Dasselbe war zu seiner Zeit Beruf ungs - Instanz gegen die
Urtheile der Provinzialsynode , und nur in zweifelhaften
Fällen sollte noch die Appellation an den päpstlichen
Stuhl gestattet sein: der Vicar durfte also Bischöfe und
Aebte richten, und in dieser Form war Erzbischof Drogo
von Metz 844 für Frankreich und Deutschland damit be-
liehen worden 2. Nachdem Hinkmar von Leo IV. bereits
das gewöhnliche Pallium auf Verwendung Lothars erhalten
hatte, Hess er durch denselben um Verleihung des Viea-
riates nachsuchen, um "Erzbischöfe, Bischöfe und Aebte'
richten zu können3; aber der Papst lehnte das Gesuch
unter Berufung auf Drogo ab und gestand dem herrsch-
süchtigen Manne nur den täglichen Gebrauch des Palliums
zu, woran ihm weniger lag, wenn er sich auch darum be-
worben hatte. Der Versuch, sich über die synodale Ge-
walt zu setzen, war somit fehlgeschlagen, und er musste
weiter mit diesem Hindernisse rechnen. Wie ein Chamä-
leon i trat er auf der Synode von Soissons 853 bald als
Angeklagter, bald als Ankläger, bald als Richter auf, und
erlangte so die Verurtheilung der von seinem Vorgänger
Ebo nach dessen Absetzung geweihten Cleriker. Um die-
sen die Appellation an den päpstlichen Stuhl abzuschnei-
den, bemühte er sich eifrigst, von Leo IV. die Confirnia-
tion des unrechtmässigen Urtheils zu erlangen; der aber
wollte ohne eine Nachprüfung davon nichts wissen, und
erst dessen Nachfolger Benedict liess sich von dem schlauen
Erzbischof überlisten 5 und gab ihm das gewünschte
Privileg, doch nicht ohne durch die folgende Clausel
seinen Vorbehalt zu machen: lsi ita est, nostroque ut
1) Flod. II, 17 (SS. XIII, 463): 'primatem . . . non presumat . . . ali-
quis de episcopätu deicere sine canonico iudicio, et neque in ullo iudicio sine
consensu Romani pontificis, si ad hanc sedern . . . appellaverit in ipso
iudicio ; sed in sola subiectione Romani pontificis permanens1 etc. Das
war aber keine vollständige Befreiung von dem Zwange der Provinzial-
synode. 2) Sirmond, Concil. III, 10: 'Drogoni archiepiscopo in exami-
nandis ac perquirendis episcopis et abbatibus sub hoc tenore hanc nostram
licentiam et auctoritatem concessimus1. Vgl. Dümmler, Gesch. des Ostfränk.
Reichs I2, 252. 3) Vgl. den Brief des Papstes an Lothar (N. A. V,
381) : 'ut Hincmaro . . . auctoritatem potestatemque praecipuam vice nostra
alios archiepiscopos vel episcopos sive abbates ipsius regionis per sacras
canonum sanctiones iudicandi dedissemus licentiam'. 4) Schreiben des
Papstes Nicolaus von 866 6/12 (Sirmond III, 303) : 'more cuiusdam ani-
mantis non semper unius eiusdemque coloris apparet'. 5) Schreiben
des Nicolaus von 866 6/12 : 'Hincmarus arma praeparat et eidem summo
praesuli, tamquam suarum inexperto versutiarum, latenter subripit'.
532 Br. Krusch.
scriptis praesulatui intimasti et gestorum serie deinon-
strasti'1. Diese verfängliche Bedingung störte zwar Hink-
mar, indessen konnte er doch an dem Privileg seine Freude
haben, denn es enthielt nicht bloss eine Bestätigung, son-
dern auch eine Erweiterung der Bulle Hadrians. Dem
Erzbischof wurde jetzt der befreite Gerichtsstand vor dem
päpstlichen Stuhle zugesprochen, und zugleich sein heisse-
ster Wunsch erfüllt durch Uebertragung der Gerichtshoheit
über die ganze Diöcese der Reimser Metropole. Die Fas-
sung war äusserst geschickt gewählt. Das Gericht des Me-
tropoliten war nicht zur Provinzialsynode, sondern zu frem-
den Gerichten in Gegensatz gesetzt, und es wurde nun den
Prälaten und Unterthanen verboten, mit Umgehung des
Metropoliten vor diesen Recht zu geben oder zu nehmen,
doch unbeschadet der Rechte des apostolischen Stuhles.
Dadurch wurde Hinkmar fast ein Vicariat 2 über die Reimser
Provinz übertragen. Schlimme Erfahrungen veranlassten
ihn, 863 beim Papste Nicolaus um die Bestätigung und
abermalige Erweiterung dieses Privilegs einzukommen, denn
neue Krankheiten, meinte er, erforderten neue Heilmittel.
Er sandte zu diesem Zwecke eine Abschrift der Bulle Bene-
dicts nach Rom, und er entschuldigte sich deshalb, aber
das Original, meinte er, könne auf der Reise leicht ver-
unglücken. Ueber die Glaubwürdigkeit der Abschrift gab
er dem Papste die beruhigendsten Versicherungen : man
könne das Actenstück im päpstlichen Archive aufsuchen
und sich den augenscheinlichen Beweis von der Zuverlässig-
keit verschaffen3. Das war die sichere Sprache des guten
Gewissens, und so konnte man sich wohl mühsame Re-
cherchen ersparen. Auf Grund jener Abschrift bestätigte
Nicolaus die Beschlüsse der Synode von Soissons, und zwar
nicht bedingungsweise, wie sein Vorgänger, sondern im
vollen Umfange, und nur unbeschadet der Rechte des apo-
stolischen Stuhles. Das war um so auffälliger, als er sich
sonst gegen Hinkmar alle möglichen Vorbehalte machte.
Er bemerkte sehr wohl, dass sein Vorgänger die Amts-
gewalt des Erzbischofs auf Kosten der Provinzialsynode
gestärkt hatte, und setzte diese schleunigst in ihr Recht
1) Privileg des Papstes Benedict III. für Hinkmar von 855, bei
Sirmond, Concilia III, 107. 2) Er führt es selbst, De iure metropolit.
(Opp. II, 732), nach den Vicariats - Privilegien für Arles, für Remigius
und Bonifaz an. 3) Vgl. Hincmari Opp. II, 309: 'Vestra vero dignatio
in scrinio sanctae Romanae ecclesiae ex more exemplar illius potest re-
quirere et utrum ita se habeat evidenter agnoscere'.
Reimser Remigius - Fälschungen. 533
wieder ein1. Den befreiten Gerichtsstand schränkt er
durch den Zusatz ein, dass der Erzbischof 'ex communi
placito' 2 vor die Provinzialsynode eines andern Primas ge-
laden werden könne, und stellte überdies noch die Bedin-
gung, dass er sich gegen die Befehle des apostolischen
Stuhles in keiner Weise ungehorsam erzeige ; und über-
haupt sollte das ganze Privileg bei Unbotmässigkeit des
Empfängers sofort kraftlos werden. Ueber eine solche
Confirmation hatte Hinkmar allen Grund, entrüstet zu sein.
Er wurde jetzt boshaft und verglich den apostolischen
Vater mit einer Chimaere 3. Noch mehr Enttäuschungen
standen ihm bevor. Der Papst nahm die Untersuchung in
Sachen der abgesetzten Reimser Cleriker wieder auf und
ordnete ein neues Concil zu Soissons (866 Aug.) an. Unter
Berufung auf seine Privilegien widerrieth Hinkmar den
versammelten Bischöfen dringend die Restitution; sowohl
Benedict habe unter Androhung des Anathems die Be-
schlüsse der früheren Synode bestätigt, 'ut inde quaestio
nullis aliquando temporibus oriatur', als Nicolaus, und er
legte ihnen die Originale vor, machte sie auch in seiner
peinlichen Gewissenhaftigkeit noch ausdrücklich darauf
aufmerksam, dass Siegel, Text und Unterschriften unver-
sehrt und unverfälscht seien4. Von Benedicts Clausel aber
schwieg er. Die Synode erkannte die Verurtheilten für
unschuldig und stellte dem Papste ihre Restitution anheim,
welche dieser unverzüglich anordnete. Dessen Schreiben
geben die richtige Charakteristik des doppelzüngigen und
verlogenen Erzbischofs. Die Acten der früheren Synode
von Soissons, welche er eingesandt hatte, hatte der Papst
in seinem Archive aufsuchen lassen: sie erwiesen sich als
verfälscht5, und verfälscht waren auch die von Hinkmar
vorgelegten Abschriften der Bulle Benedicts. Er hatte den
Bedingungssatz: 'si ita est — - demonstrasti' ausgemerzt6
1) Privileg des Papstes Nicolaus für Hinkmar von 863 (Sirmond
III, 215): 'ne quilibet . . . te contempto vel posthabita coepisco-
porum ipsius dioeceseos provinciali synodo, impune audeat
seu valeat aliena expetere aut expectare iudicia'. Die durch den Druck
hervorgehobenen Worte fehlen im Privileg -Benedicts. 2) Durch Aus-
lassung der Worte 'nisi ex communi placito1 erhält Schrörs S. 250 den
entgegengesetzten Sinn : 'und kann von keinem andern primas provinciae
zu einer Synode beschieden werden'. 3) Schrörs S. 252. 4) Hincmari
Opp. II, 266 : 'velut hie potestis retexere et sigilla eorum salva ac in-
coiTuptas scripturas ätque subscriptiones valetis inspicere'. 5) Sehr,
des Papstes Nicolaus an die Synode von Soissons 866 6/12 (Sirmond III,
303): 'Ibi namque falsitas in ipso mox actionum invenitur prineipio'.
6) Sehr, des Nicolaus an die Synode von 866 6/12 : 'quod frater Hincma-
rus de textu penitus erasit'.
534 Br. Krusch.
und dadurch dem Folgesätze : 'ut inde quaestio nullis ali-
quando temporibus oriatur' eine andere Bedeutung unter-
gelegt 1, die Bestätigung selbst aber durch Einfügung yon
'in omnibus' verstärkt. Was ihm in Benedicts Bulle gefiel,
hatte er bekannt gemacht, die Vorbehalte des päpstlichen
Stuhles aber verheimlicht. Der Papst ist erstaunt über
die wunderbare Schlauheit des Bruders Hinkmar, wie dieser
für seine eigenen Interessen zu sorgen weiss 2 ; da aber die
Vorbedingung von Benedicts Privileg nicht erfüllt war, er-
klärte er dieses für kraftlos 3. Hochmuth, Verschlagenheit
und Grausamkeit hatte er dem Erzbischof vorgeworfen,
des Betruges4 hatte er ihn bezichtigt, und dieser glaubte
die Beschuldigungen durch seine Sünden verdient zu
haben, wie er in seiner Antwort an den Papst 867 de-
müthig bekannte 5. Die Bulle Benedicts wollte er nicht
verfälscht haben, und er führte zu seiner Rechtfertigung
an, dass er 863 bei Einsendung der Copie durch die Be-
merkung 'quiddam ibi sub quadam dubitatione est positum'
auf die Clausel hingewiesen und dem Papste ausdrücklich
die Aufsuchung im Archive anheimgestellt habe : das,
meinte er, hätte man nicht schreiben können, wenn die
Bulle geändert gewesen wäre. Auf diese Betheuerung hin
war das Aufsuchen der Voracten damals unterblieben, und
gerade das konnte man mit ihr bezweckt haben ; natürlich
musste aber auch mit dem entgegengesetzten Falle ge-
rechnet werden, und diesem diente die allgemeine Bemer-
kung über die bedenkliche Stelle in der Bulle. Ein Hinter-
pförtchen hatte sich also der schlaue Mann offen gelassen,
durch welches er jetzt hindurchzuschlüpfen versuchte ,;.
1) Sehr, des Nicolaus an die Synode : 'quod ipse longe aliter mu-
tavit scribens', und an Hincmar: 'Quod quantum inter se discrepat, vide-
licet quod ille promulgavit, et quod tu minuisti vel adiecisti vel mutasti,
ipse perpendis'. 2) Sehr, des Nicolaus an die Synode: 'Sed adhuc et
in alio mira fratris Hinein ari rursus accedit astutia, et soli proprio voto
favens se immiscet prudentia'. 3) Sehr, des Nicolaus an Hinkmar:
'(Privilegium) merito in irritum duetum est, quod contra deiectos non sim-
pliciter impetraveras'. 4) Sehr, des Nicolaus an Hinkmar : 'Quamobrem
iure fortassis te fraudis aliquid in talibus committere fateri possemus, nisi
reverentiae tuae, quod ipse non speras, parcere nostra moderatio studuisset'.
5) Hincm. Opp. H, 309 : 'tantas et tales increpationes indignitati meae a
dignitate vestra inlatas inveni, sicut peccata mea merentur1. 6) Hinkmar
hat zugegeben, dass die Clausel in dem Original der Bulle Benedicts stand,
und Nicolaus hat ihre Auslassung in den von jenem bei der Curie einge-
reichten Abschriften constatiert, auch fehlt sie in der auf Grund einer solchen
Abschrift erfolgten Confirmation von 863, und Hinkmar selbst unterdrückt
sie auf der Synode von 866 : nach solchen Zeugnissen war die Verteidi-
gung des Reimser Erzbischofs eine ziemlich undankbare Aufgabe, aber
Reimser Reraigius- Fälschungen. 535
In Rom hütete man sich aber, die Macht dieses Mannes
weiter zu stärken, und wenn er sich noch Hoffnungen auf
das Vicariat gemacht hatte, so zerstörte diese vollständig
Johann VIII., als er 875 den Erzbischof Ansegis von Sens
zu seinem Stellvertreter für Frankreich und Deutschland
ernannte l. Durch die Einschiebung dieser Mittel - Instanz
fühlte sich der stolze Erzbischof schwer gekränkt.
Wenn Hinkmar glaubte, der oberste Eichter über
seine Kirchenprovinz zu sein, so hatte er eben erfahren
müssen, dass es noch eine höhere Gewalt über ihm gab.
Aber auch nach unten hin waren seine Pläne durchkreuzt
worden. Die Suffragan - Bischof e theilten durchaus nicht
seine Ansicht2, dass ihm die Sorge für die ganze Provinz
obliege, dass ihm das Entscheidungsrecht in allen geist-
lichen Dingen der subordinierten Diöcesen zustände. Den
Eingriffen in seine Diöcese hatte Rothadus von Soissons
hartnäckigen Widerstand entgegengesetzt; er war dafür
mit Absetzung bestraft worden, und trotz seiner Appellation
an den apostolischen Stuhl hatte Hinkmar sogleich einen
Nachfolger für ihn geweiht, aber der Papst hatte den
Sünder wieder in das Bisthum eingesetzt. Und selbst sein
Neffe, Hinkmar von Laon, der «von ihm zum Bischof ge-
weiht war, bereitete ihm schwere Sorgen. Auch er wurde
wegen Auflehnung gegen die Metropolitangewalt ohne Be-
rücksichtigung seiner Appellation an die höhere Instanz
abgesetzt und später geblendet, aber wiederum mischte sich
der Papst in die Sache und setzte ihn 878 in den Genuss
eines Theils seiner Bisthumseinkünfte ein; Metropoliten
und Bischöfe bekleideten ihn wieder mit dem bischöflichen
Ornate, führten ihn in die Kirche und Hessen ihn dem
Volke den Segen spenden 3. Sein Loos erregte das allge-
meine Mitgefühl, und der Onkel wurde ob seiner Grau-
Schrörs hat sie mühsam durchgeführt, indem er S. 284 erklärt, dass
'ein entscheidendes Urtheil sich in dieser Frage nicht abgeben lasse',
und dann S. 508 Hinkmars Betonung der Integrität des Documents auf
der Synode zu Soissons nicht als Symptom seines Schuldbewusstseins,
sondern als nothwendige Folge der Anklage des Papstes hinstellt ('deren
Fälschung ihn Nicolaus kurz vorher angeklagt hatte'), also das päpst-
liche Schreiben von 866 Dez. vor die Synode von 866 Aug. setzt: durch
dieses schwere Misverständnis geht allerdings der Erzbischof rein wie ein
Engel aus der Untersuchung hervor. 1) Sirmond, Concüia III, 422.
2) Hincm. Opp. II, 409 : 'Mihi sollicitudo totius provinciae est commissa,
propter quod ad me omnes undique ex tota provincia, qui negotia eccle-
siastica videntur habere, debent concurrere, et ego illorum causas, sicut et
de tua parochia, debeo regulariter diffinire'. 3) Ann. Bertin. auct. Hiuc-
maro a. 878.
536 Br. Krusch.
sainkeit und Ueberhebung gegen den päpstlichen Stuhl
hart mitgenommen1.
In diese Zeit fällt die Abfassung der V. Remigii. Der
Subdiaconus Rado von Soissons war bei der Translation
des Heiligen im October 852 von Zahnschmerzen geheilt
und seitdem 25 Jahre nie mehr von diesem Leiden geplagt
worden ; er hat das Hinkmar selbst erzählt 2, und dieser
hat mithin die Lebensbeschreibung 877/8 verfasst.
Der neue Remigius hatte das päpstliche Vicariat er-
langt, den Bischof von Laon 'proprio iudicio' bestraft und
nach der Busse in sein Amt wieder eingesetzt: er hatte
erreicht, was Hinkmar vergeblich erstrebt hatte. In der
Zeichnung des Genebaudus erkennt man sofort Hinkmars
unglücklichen Neffen, den Bischof von Laon, und die Be-
ziehung auf ihn giebt sogar Schrörs 3 zu. Der Erzbischof
hatte dem Halsstarrigen oft genug die Vergangenheit von
Laon vorgehalten, wie der Prätor 'Marcobrius' das Muni-
cipium gegründet, und hernach Remigius aus seiner Par-
rochie das Bisthum abgezweigt und den ersten Bischof ge-
richtet hatte : er hatte sich bisher dafür auf die Tradition
und das Zeugnis des Eutrop4 bezogen, indessen konnte
leichtlich bemerkt werden, wie es mit dem letzteren stand,
dass es gefälscht war, und der Römische Autor Laon über-
haupt nicht erwähnt. Auch das famose Vicariats- Privileg
des Papstes Hormisda war schon oft hervorgeholt worden.
Der Erzbischof hatte seinem Neffen daran deduciert, wie
dem Vicar die Handhabung der Canones übertragen sei,
und ihn ermahnt, dem Ausspruche des Papstes Hormisda
seinen Kopf unterzuordnen 5 ; er hatte ihm hernach den
vollständigen Wortlaut des Privilegs vorgehalten 6, um ihm
zu zeigen, dass der Primat über die Provinz demjenigen
zustände, welcher auf dem Stuhle des Remigius in der
Reimser Metropole als Bischof ordiniert sei; er hatte auch
das Privileg Hadrians für Tilpin erwähnt, und in seiner
übergrossen Bescheidenheit hinzugefügt, dass er solche
1) Flod. III, 21 (SS. XIII, 515) : 'De hoc etiam unde calumpniatus
fuerat a quibusdam apud eundem papam, quasi diceret, non ipsum maioris
dignitatis esse papam, quam esset ipse'. 2) V. Remigii c. 29. 3) S. 454.
4) Opusc. 55. capitul. adversus Hincmarum Laud. (Opp. II, 431) : 'Quod,
sicut Eutropius antiquus historiographus dicit, auctore Marcobrio praetore
conditum1 ; vgl. Ep. ad Hincmarum Laud. (Opp. II, 602) : 'postquam a
Marcobrio praetore, ut produnt historiae, conditum fuit' ; SS. XIII, p. 523.
An allen drei Stellen wird der Name Marcobrius geschrieben, und so er-
kennt man den Vogel schon an den Federn. 5) Opusc. 55. capitul.
(Opp. H, 419): 'His, frater, appone sensum tuum, his suppone mentem
tuam\ 6) Opp. II, 435.
Remiser Remigius - Fälschungen. 537
Privilegien gar nicht beanspruche, obwohl sie ihm Leo
und Benedict ohne sein Zuthun verliehen hätten, sondern
er sei mit den Rechten zufrieden, welche jedem Metropo-
liten nach den Canones zuständen: das schrieb er, nach-
dem er eben die Nutzanwendung von dem Privileg des
Hormisda gemacht hatte, und auch über den Ursprung
seiner eigenen Privilegien täuschte er den Leser, denn er
hatte sich allerdings recht sehr darum beworben. Und als
875 Ansegis das päpstliche Vicariat erhalten hatte, wurde
wiederum der alte Hormisda dagegen ins Treffen geführt;
Hinkmar wiederholt das Privileg vollständig in seiner
Gegenschrift De iure metropolitanorum \ er giebt ihm den
Platz nach dem Arier des Caesarius, denn er ist nicht so
schlecht, dass er dieses durch jenes entkräften will2. In
der neuen Vita konnte es nun jeder nachlesen; jeder konnte
sich jetzt überzeugen, welche Machtstellung Remigius nicht
bloss in der Kirche, sondern auch im Staate innegehabt
hatte, und welches kräftigen Schutzes sich das Reirnser
Kirchengut erfreute. Und Remigius thronte noch in seinen
Nachfolgern3 auf dem Reirnser Stuhle; wer diesen trotzt,
trotzt ihm und hat seine Rache zu fürchten: er fordert
vor dem Herrn den schuldigen Gehorsam 4 gegen die
Reirnser Bischöfe. Die Befugnisse also, welche Hinkmar
dem Patrone beilegte, durfte er getrost für sich selbst in
Anspruch nehmen, und er hat somit in der V. Remigii die
Berechtigung seiner eigenen Prätensionen nachgewiesen.
Diese ist keine Geschichtsdarstellung, sondern eine kirchen-
politische Schrift; ihr Verfasser war schon seinen Zeit-
genossen als Fälscher bekannt, und sein Ausschreiber
Flodoard hat bereits durch häufige Einstreuung von 'fer-
tur', 'traditur' seine Kritik an der Schrift geübt. Wenn
Hinkmar selbst keine Vortheile mehr von derselben gehabt
hat, — er starb schon 882, — so hat er doch seinen Nach-
folgern die Wege geebnet.
Der historische Werth von Hinkmars V. Remigii be-
steht dann ausschliesslich in dem Testamente des Heiligen,
1) Opp. II, 726. 2) Er schreibt ib. S. 731 : 'manente privilegio
Arelatensi ecclesiae in sibi antiquitus delegatis provinciis'. 3) Vgl.
Opusc. 55. capit. (Opp. II, 434): 'Si ergo, frater, immemor beneficiorum
a nie tibi impensorum oblitus, adversum me rebellare non times, time
tarnen rebellare adversus beatum Remigium, qui sicut modo audisti, nunc
usque in suis successoribus qualibuscumque sedet1. 4) Siehe ebenda
(Opp. II, 435) : 'sanctus Remigius a te reposcit in conspectu Domini ob-
edientiam dependendam suis successoribus et tuis praepositis, quam insti-
tuit, quando in eodem castello, in quo ordinatus es, consecravit episco-
pum.
538 Br. Krusch.
welches allein hier erhalten ist. Schon in der Darstellung- 1
selbst hat der Biograph auf dasselbe Bezug genommen
und versprochen, als Muster für die gegenwärtig-en und
zukünftigen Bischöfe es seiner Schrift anzuhängen. Es
bildet das vorletzte Capitel (32) der Vita, und in dem vor-
ausgeschickten Capitelverzeichnis wird mit den Worten:
'Sequitur exemplar testamenti beati Remigii' auf dasselbe
verwiesen. Es heisst das kürzere im Gegensatz zu einem
interpolierten längeren, welches als Fälschung längst er-
kannt ist. Auch gegen jenes haben sich Stimmen erhoben.
Savigny 2 nahm an einem Zusatz nach der Versiegelung
Anstoss; er giebt aber mehrere Erklärungen für denselben
und entkräftet so selbst seine Bedenken. Wenn er weiter
auf die grossen Abweichungen der Hss. hinweist, so be-
trachtet er die beiden differierenden Recensionen unter
einem Gesichtspunkte, während doch die Untersuchung für
beide getrennt zu führen ist. Seitdem Roth 3 die Echtheit
des kürzeren Testaments als feststehend annahm, ist nicht
mehr daran gerüttelt worden. Die neueren Forscher v. Noor-
den 4, Löning 5, Schrörs 6, Hauck 7 und selbst mein unglück-
licher Freund Havet 8 benutzen es als authentische Quelle.
Man spricht heute allgemein von einem echten und einem
falschen Testamente des Remigius". Es ist aber klar, dass
auch das ältere als Bestandtheil einer so berüchtigten
Quellenschrift nicht a priori als echt gelten kann, und es
sollen jetzt die echten Testamente aus der Merowingerzeit
zur Vergleichung herangezogen werden, um zu ermitteln,
ob es wirklich aus dem Archive der Reimser Kirche ge-
zogen, oder etwa auch von dem ehrgeizigen Prälaten als
ein Beweismittel gefälscht worden ist.
In den Testamenten hat römisches Recht während
der ganzen Merowingerzeit fortgelebt, ja dieselbe noch
überdauert 10. Auf die Lex beruft sich Bischof Berti-
chramnus von Le Mans für die 7 Zeugen, Burgundofara
citiert die Lex Theodosiana, Wideradus und Abbo beziehen
sich für den Pflichttheil auf die Falcidia oder Faucidia,
1) V. Remigii c. 23. 2) Gesch. des Römischen Rechts II, 113.
3) A. a. 0. S. 461 ff. 4) A. a. 0. S. 396. 5) Das Kirchenrecht im
Reiche der Merowinger S. 671. 6) A. a. 0. S. 451. 7) Kirchen-
geschichte Deutschlands I, 129. 8) Questions Merovingiennes II, 13
und in der nach seinem Tode erschienenen Fortsetzung VII, 641 (ßibl.
de l'ecole des chartes 1893). 9) Vgl. z. ß. Varin, Archives admini-
stratives de la ville de Reims (in Collection des documents inedits) p. 2;
Weizsäcker in der Real - Encyclopädie für protestant. Theologie XII, 693.
10) Savigny a. a. 0. S. 101 ff.
Reimser Remigms - Fälschungen. 539
wie man damals auch schrieb, und noch am Ende des
8. Jh. werden in zwei fränkischen Testamenten die längst
vergessenen Quiriten angerufen. Aber nicht auf einzelne
Citate und Ausdrücke beschränkt sich die Anlehnung an
römisches Recht, sondern die ganze Form, die äussere Ge-
staltung der merowingischen Testamente ist römisch und
unterscheidet sich nicht wesentlich von der der ravenna-
tischen1 des 5. und 6. Jh. Wenn sie nun auch nicht in
allen mit der gleichen Gewissenhaftigkeit und Sachkenntnis
befolgt ist, so finden sich doch trotz aller Abweichungen
im Einzelnen so viele gemeinsame Merkmale in den echten
fränkischen Testamenten, dass sich die Echtheit oder Un-
echtheit eines zweifelhaften Schriftstücks fast mit mathe-
matischer Gewissheit nachweisen lässt.
Von den folgenden Testamenten 2, die ich mit dem
des Remigms (R) vergleiche :
Ar. Testament des Abtes Aredius3 von Attanus, jetzt
Saint - Yrieix, (f 591) und seiner Mutter Pelagia,
von Aredius selbst geschrieben,
Be. Testament des Bischofs Bertichramnus i von Le
Maus, geschrieben 616 vom Notar Ebbo,
Bu. Testament der Aebtissin Burgundofara 5 von Ebo-
1) Bei Marini, 1 papiri diplomatici S. 110 ff. 2) In dem fol-
genden Verzeichnis wird man das Testament des Bischofs Caesarius von
Arles vermissen, das zur Zeit als echt gilt. Dasselbe ist nur in einer Con-
firmation des Grafen Wilhelm von der Provence (992) erhalten und war
früher wegen des Ausdrucks 'archiepiscopus' verdächtig ; Pardessus, Diplo-
mata I, p. 104 — 107, liest dafür 'dominus episcopus' und 'D. episcopus1,
aber dadurch werden die Bedenken gegen die Echtheit keineswegs be-
seitigt. Schon die ganz ungeheuerliche Einkleidung dieses Testamentes
in die Form eines Briefes beweist die Fälschung, und auch der Inhalt ist
im höchsten Grade verdächtig. Ganz beiläufig bemerkt der Verf. : 'Addi-
tur et hoc, quod Deus misericors per parvitatem meam etiam immunitate
tributorum tarn iuxta urbem et infra, quam etiam in suburbanis et villis
ex maxima parte concessit', und diese Sache lag ihm offenbar sehr am
Herzen, denn er kommt am Schlüsse des Schriftstücks noch einmal darauf
zu sprechen und wird hier deutlicher: 'Hec quidem et ego, ut timori
meo satisfacerem, scripsi; nam absit, ut de tua, piissime pontifex (d. i.
Caesarius1 Nachfolger), inscientia inculperis, quia, ut supra iam dixi,
pietas divina concessit, ut per meam humilitatem munitas ecclesie in tot
capitibus daretur1. Der Zweck des Testamentes ist also offenbar, die
Immunität von Arles zu beglaubigen, und zu demselben Zwecke ist auch
die Hs. der V. Caesarii, Paris. 5295, saec. XL, verfälscht worden. Nach
ihr hätte Caesarius von König Alarich ein solches Privileg erlangt, aber
nach 511 besass Arles keine Immunität, wie aus Cassiodor, Var. ill, 32,
klipp und klar hervorgeht. Es ist auffällig, dass Arnold in seinem sonst
sehr gründlichen Buche, Caesarius von Arelate (Leipzig 1894), an eine
kritische Prüfung des gedachten Schriftstücks gar nicht gedacht hat.
3) Pardessus, Diplomata I, p. 136. 4) Ebd. p. 197. 5) Ebd. II, 15.
540 Br. Krusch.
riacus, jetzt Faremoutiers , geschrieben 627 vom
Notar Waldo,
H. Testament des Bischofs Hadoindus x von Le Mans,
geschrieben 643 vom Diacon Cadnlphus,
I. Testament eines Mannes 2, dessen Mutter Idda und
dessen Frau Chramnethrudis hiess, saec. VII/VIII,
E. Testament der Erminethrudis 3, geschrieben saec.
VII/VIII von Eusebius,
W. Testament des Abtes Wideradus4, geschrieben 722
vom Notar Aldofredus,
Ab. Testament des Abbo 5, geschrieben 739 vom Cleriker
Hytbertus,
und den Formeln:
M. Formula Marculfi II, 17 6,
V 1 und V 2. Formulae Visigothicae n. 21 und 22 7,
geben Ar. und Be. das römische Muster am besten wieder.
H. lehnt sich ganz offenbar an das des Vorgängers im
Episcopat an. I. und E. sind zwar nicht direct von ein-
ander abhängig, aber nach ein und derselben Vorlage ge-
arbeitet, die das letztere im Allgemeinen treuer bewahrt
hat; diese war darum sehr merkwürdig, weil ihr Schreiber
noch einmal direct auf die Rechtsquellen zurückgegangen
ist. In W. ist bereits die Marculfformel benutzt. Bu. ist
von Pardessus 8 mit Unrecht verdächtigt worden. Der Text
ist entschieden echt, und so darf ein anhängendes Siegel,
welches recht gut später von unnützer Hand angebracht
sein kann, nicht ins Gewicht fallen.
Anfang und Schluss der Testamente sind rein formel-
haft, und auf diese Theile wird sich die Untersuchung zu-
nächst zu erstrecken haben.
Vom Testator verlangt das Römische Recht die voll-
kommene Handlungsfähigkeit, und der Wahnsinnige kann
kein Testament machen, 'quoniam mentem non habet, ut
testari de ea re possit' 9. Ein richtiges Testament muss
also den Nachweis über den normalen geistigen Zustand
des Erblassers enthalten, und dieser wird in den echten
fränkischen Testamenten mit den Formeln :
lsana mente integroque consilio' Ar. W. M.,
'sana mente sanoque consilio' V 1. 2,
1) Pardessus, Diplomata II, p. 69. 2) Tardif, Monuments histo-
riques p. 21. 3) Ebd. p. 32. 4) Pardessus 1. 1. II, p. 323. 5) Ebd.
p. 370. 6) Ed. Zeumer p. 86. 7) Ed. Zeumer p. 585. 586. 8) H,
17, n. 1. 9) Ulpian. tit. XX, § 13. Vgl. Dig. XXVIII, tit. I, 2: 'In
eo qui testatur eius temporis, quo testamentum facit, integritas mentis,
non corporis sanitas exigenda est'.
Remiser Remigius - Fälschungen. 541
'sana mente atque consilio' Ab.,
'sanus mente et corpore sanoque consilio' Be. H.,
und in ganz derselben Weise in den ravennatischen Testa-
menten bezeugt. Dagegen betont R. mit der Wendung:
'Ego Remigius episcopus civitatis Remorum sacerdotii
compos' den Besitz der priesterlichen, resp. bischöf-
lichen Würde, also die geistliche Amtsfähigkeit, jedenfalls
weil der Schreiber den grossen Heiligen zu beleidigen
fürchtete, wenn er dessen Zurechnungsfähigkeit bestätigt
hätte; aber das Gesetz kennt da keinen Unterschied, und
die naive Aenderung zeigt schon, dass ein Hagiograph und
kein Rechtsverständiger R. geschrieben hat.
Das Datum, welches hätte vorausgehen müssen, fehlt
in R., obwohl am Schlüsse mit den Worten 'die et con-
sule suprascripto' auf dasselbe verwiesen ist: mit Consu-
laten zu operieren ist eben nicht Jedermanns Sache. Es
fehlt auch hernach der Hinweis auf die menschliche Ge-
brechlichkeit, mit welchem der Testator seinen Entschluss
zu begründen pflegt: 'metuens (oder 'cogitans') casus hu-
manae fragilitatis', und nach den Worten 'testamentum
meum condidi' hätte sich der Testamentsschreiber vorzu-
stellen gehabt, wie er dies in allen 1 echten fränkischen
Testamenten thut:
'condidimus, quem ego ipse Aredius manu propria
scripsi' Ar.,
'condidi idemque filium meum Ebbonem notarium scri-
bere rogavi et dictavi' Be.,
'Interea, accersito Waldone notario, praesentibus testi-
bus sacerdotibus , secularibus, in praesentia mea
rogavi hoc testamentum confirmare' Bu.,
'tradidi illudque Cadulpho diacono scribendum dic-
tavi' H.,
'condidi, quem Aldofredo notario scribendo commisi' W.,
'condidi, quo venerabili Hytberto clerico scribendo ro-
gavi' Ab.,
'condedimus, quem illius notario scribendum comise-
mus' M.
Allein der Schreiber von R. hat die Anonymität vor-
gezogen, und er wird wohl seine Gründe dafür gehabt
haben.
Ueber den Unterschied zwischen Testament und Co-
dicill war er sich vollständig im Unklaren, denn er setzt
beides durch 'atque' gleich und schwächt so selbst die
1) In I. E. ist der Anfang verstümmelt.
Neues Archiv etc. XX. 36
542 Br. Krusch.
Rechtskraft seines Schriftstücks : 'testamentum meum con-
didi iure pretorio atque id codicellorum vice valere pre-
cepi fieri'. Die sogen. Codicillarclausel, die er mit in den
ersten Satz gezogen hat, sollte der Ungültigkeit der Ur-
kunde für den Fall eines Formfehlers vorbeugen und ihr
die Rechtskraft eines Codicills für die Intestaterben sichern,
falls sie nach bürgerlichem oder prätorischem Recht als
Testament nicht bestehen konnte. R. hat den Conditional-
satz beseitigt und die hypothetische Gültigkeit coordiniert ;
so war er gezwungen, dem 'condidi' am Anfang entspre-
chend noch einmal 'praecepi fieri' in dem copulierten
Satze zu wiederholen, wodurch nun wiederum das aus der
Vorlage herübergenommene 'valere' aus der Construction
gerenkt ist. Dennoch glaubte er seine Sache recht gut ge-
macht zu haben, denn er schliesst mit der stolzen Frage :
'iuris aliquid videbitur defuisse ? ' Es bedarf keiner näheren
Begründung, dass diese Wendung aus dem Geschäftsstil
gerichtlicher Urkunden, und nicht bloss römischer, voll-
ständig heraustritt. Das Schriftstück erweist sich schon
allein dadurch als eine nichtsnutzige Stilübung, und des-
halb haben sich die Herausgeber beeilt, das vorausgehende
'fieri' gegen die Hss. in 'si ei' zu verbessern. Die Antwort
auf jene Frage kann aber nur bejahend lauten. Der
Schreiber hat vor dem prätorischen Rechte das 'Ius civile'
just ganz vergessen, und das war doch wesentlich und
durfte in keinem echten Testamente fehlen 1.
Der Zweck des Testaments ist die Erbeseinsetzung;
sie erfolgt in den Gesammtbesitz des Testators 2, und die
Vermächtnisse sind eine den Erben auferlegte Verpflich-
tung 3, die sie auf Kosten der Erbschaft 4 zu erfüllen haben.
Es kann also bei der Erbeseinsetzung nichts ausgenommen
werden, und wenn in R. die Erben, nämlich die Reimser
Kirche und des Remigius Neffen Bischof Lupus ('filius fra-
tris mei') und Priester Agricola ('nepos meus'), die Erbfolge
'in omni substantia' erhalten : 'praeter id quod unicui-
que donavero, legavero darive iussero', so ist das Testa-
ment ungültig. Der Schreiber konnte nicht begreifen, dass
die Vermächtnisse von den Erben bestritten werden. Er
hat daher ihre Anweisung: 'id ut detur, fiat, praestetur,
1) In Ab., dessen Text nur durch eine Confirmationsurkunde Karls
d. Gr. erhalten ist, ist die Stelle offenbar verstümmelt: 'si quo casum et
iure praetorio', und "W. lässt die ganze Formel aus. Sonst steht das 'Ius
civile' in allen fränkischen Testamenten. 2) Sohm, Institutionen des
Römischen Rechts S. 397 6. 3) Sohm S. 453. 4) Kariowa, Römische
Rechtsgeschichte II, 914.
Reimser Remigius - Fälschungen. 543
fidei heredum meoruni comniitto, quosque liberos liberasve
esse iussero, liberi liberaeve sint toti' ganz gestrichen und
dafür durch den Zusatz : 'vel ununiquemque vestrum vo-
luero habere praecipuum' auch die Erben mit Legaten be-
dacht, und er kennt überhaupt nur Legate und Freilassun-
gen. Die echten fränkischen Testamente stimmen in der
Fassung der Formel mit dem römischen Rechte vollständig
überein und differieren untereinander nicht wesentlich im
Wortlaut; keines liest 'praeter id1 und alle1 haben 'dedero
für 'donavero'.
Nach der Zweitältesten Testamentsform 'per aes et
libram' musste der Testator, das fertige Testament in der
Hand haltend, die Worte sagen: 'Haec ita, ut in his ta-
bulis cerisque scripta sunt, ita do, ita lego, ita testor, ita-
que vos. Quirites, testimonium mihi perhibetote' -. Das ist
die sog. Nuncupatio, und Schulin3 vermuthet, dass jene
Worte wörtlich aus dem ältesten Ritual des 'Testamentum
in calatis comitiis' herübergenommen sind. Durch ein
sonderbares Misverständnis sind diese Worte um die Wende
des 7. Jh. in das Testamentsformular selbst aufgenommen
worden; sie finden sich fast gleichlautend in I. und E..
auf deren Verwandtschaft ich schon hinwies. Ihnen reiht
sich nun als drittes im Bunde R. an :
I. Tta do, ita lego, ita testor, ita tos mihi. Quirites,
testimunium testanti' (sie),
E. 'Ita do, ita ligo, ita testor. ita tos mihi, Quiritis,
testimonium perhibetote testanti',
R. 'Haec ita do. ita lego, ita testor'.
Man sieht, dass E. die Formel Tollständiger wieder-
giebt als L, und beide der Quelle näher stehen als R.,
denn dieses hat den ganzen letzten Satz gestrichen, offen-
bar wegen der anstössigen Erwähnung der Quiriten.
Die Verwandtschaft zwischen den drei Testamenten
erstreckt sich aber noch weiter. Die Ausschliessung der
Nichterben, welche in R. folgt, steht an ungehöriger Stelle,
denn sie gehört an den Anfang hinter die Einsetzung der
Erben und steht dort in Be. Ab. M. Nur in zwei fränki-
schen Testamenten findet sie sich am Schlüsse und an der-
selben Stelle, wie in R., nämlich in I. E. ; die Fassung,
welche wiederum E. am treuesten bewahrt hat, ist dort
etwas ausführlicher als in R. :
1) Die Formel ist unvollständig in Ar. und fehlt ganz in Bu.
2) Sohm S. 436. 3) Das Griechische Testament verglichen mit dem
Römischen, Basel 1882, S. 54.
36*
544 Br. Krusch.
E. 'Citeri citeraeque, proxiini proximeque exheredis
mihi estote proculque habetote',
R~ 'Ceteri omnes exheredes estote sunt tote'.
Nun wird R. selbständig. Der Schreiber versichert
feierlichst, dass dem Testamente jeder Betrug fern liegt
und liegen wird : ' Huic autem testamento meo dolus
malus abest aberitque'. Er fürchtet also selbst, als Be-
trüger zu gelten, und beeilt sich, die Bedenken zu be-
schwichtigen und seine Unschuld kräftigst zu betheuern.
Etwas ähnliches findet sich natürlich in keinem echten
Testamente, und wir könnten die Untersuchung hier ab-
brechen.
Rasuren und Correcturen machten ein Testament nicht
anfechtbar, wenn sie mit Willen des Testators vorgenom-
men waren. Zu Ulpians Zeiten kam es auf, sie durch die
folgende Clausel ausdrücklich anzuerkennen: 'Lituras, in-
dnatctiones, superductiones ipse feci' \ und in den meisten
fränkischen Testamenten findet sich eine Bestätigung der
liturae vel caraxaturae' 2. Auch R. macht keine Ausnahme :
'in quo si qua litura vel caraxatura fuerit inventa, facta
est me praesente, dum a me relegitur et emendatur', nur
stilisiert es schlecht, denn statt des Singulars müsste der
Plural stehen und für die passivische Ausdrucksweise wäre
zu schreiben gewesen : 'ego feci fierique iussi (oder 'prae-
cepi), dum testamentum meum saepius relego et emendo'.
Das römische Recht forderte für die Testaments-
Handlung fünf, und nachdem der 'libripendens' und 'fa-
miliae emptor' zu Zeugen herabgesunken waren, 7 Zeugen.
Diese unterschrieben das Testament, drückten nach dem
Verschlusse auf die Aussenseite ihre Siegel und beschei-
nigten nochmals dort mit ihrer Hand : 'quis et cuius testa-
mentum signaverit' 3. Die Subscriptio ist also von der
Superscriptio wohl zu unterscheiden, und in einem Raven-
natischen Testament von 575 sind noch beide Bescheini-
gungen erhalten. Unter das Testament schrieb ein Zeuge4:
"Riccitanc v. c. huic testamento. rogatus a Mannane v. d.
testatore, filio quondam Nanderit, ipso praesente et suscri-
bente adque ei testamento relictum, per quo constituit
1) Big. XXVIII, tit. IV, 1 aus Ulpian. lib. XV. ad Sabinum.
2) Nur .Bu. ändert: 'malae adiectiones vel subiectiones imminutionesque',
und die Marculfformel fügt hinter den 'liturae, caraxaturae' hinzu 'adiec-
ciones superdiccionesque' : das sind, wie Zeumer richtig erklärt, die 'super-
ductiones' Ulpians, die hier zum ersten Mal in das fränkische Formular
eindringen. 3) Vgl. Dig. lib. XXVIII, tit. I, 30. 4) Marini 1. 1.
p. 116.
Reimser Remigius - Fälschungen. 545
heredem sanctam ecclesiam catholicam Ravennatem, testi«
suscripsi', auf die Aussenseite mit kleineren Buchstaben:
'f Ricchitanc v. c. testamento Mannanis signavi f ', und so be-
scheinigten auch die andern sechs immer durch 'testis sub-
scripsi' ihre Theilnahme als Zeugen, aussen durch 'signavi'
ihre Siegelung. Nun weiss Jedermann, dass mit dem 'Actum'
der Text schliesst, nur der Schreiber R. wusste das nicht, denn
er setzte die Bemerkung : 'intercedentibus et mediis signa-
toribus' dahinter. Um eine Vermittelung handelte es sich
ja gar nicht, sondern um ein Zeugnis, und freiwillig
mischen sich die Betreffenden auch nicht in die Sache,
sondern sie werden vom Testator zugezogen : es sind 'testes
rogati', keine 'intercessores' oder 'mediatores'. R. freilich
nennt sie 'signatores', wie er auch in den folgenden Unter-
schriften :
'?• Remigius episcopus testamentum meum relegi,
signavi, subscripsi et in nomine Patris et Filii
et Spiritus sancti, Deo adiuvante, complevi.
vc Pappolus interfui et subscripsi.
vc Rusticolus interfui et signavi.
vc Eulodius interfui et signavi.
vc Eutropius interfui et signavi.
vc Eusebius interfui et signavi.
vc Dauveus interfui et signavi'.
den Testator und fünf von den 6 Zeugen — es müssten
eigentlich 7 sein — signieren und ersteren nach der Signie-
rung ('Post conditum testamentum vel signatum') einen
Zusatz machen lässt. Der Testator aber durfte überhaupt
nicht siegeln, sondern nur, wie Bertichramnus in Be. 're-
legi et subscripsi' unterschreiben; er konnte auch nicht
im Testamente die Zeugen Siegeler nennen, und diese
konnten darin nicht die Siegelung 1 bescheinigen, denn sie
siegelten, wie wir sahen, aussen; ein Zusatz nach der Sie-
gelung war also ganz unmöglich. So findet sich auch in
den echten fränkischen Testamenten niemals 'signavi' in
den Unterschriften, sondern gewöhnlich 'subscripsi', und
die Siegelung unter der Urkunde wird zum ersten Mal 722
in W. erwähnt, wo sie mit dem Königssiegel erfolgt : 'immo
sigillante per inlustri viro Amalsindone sigillo regio'. Ge-
wöhnlich wird in der älteren Zeit in den Zeugen -Unter-
1) Da in einer Unterschrift 'subscripsi' statt 'signavi' steht, könnte
man glauben, dass 'signare' die Bedeutung des franz. 'eigner' hat ; aber
in der Unterschrift des Remigius steht 'signavi' neben 'subscripsi', und
Hinkmar war die classische Bedeutung von 'signare' wohl bekannt.
546 Br« Krusch.
Schriften hervorgehoben, dass das Erscheinen auf Wunsch
des Testators erfolgt ist: 'rogante domno N. N.' (so Ar.
Be. ; vgl. E.) ; dagegen schreiben in R. die Zeugen constant
'interfui', was sich sonst in keinem andern Testamente
findet, wohl aber in Urkunden der Reimser Kirche l aus
der Zeit Hinkmars. Schliesslich verräth sich R. durch die
Stellung des Prädicats 'vc' vor die Eigennamen als das
Erzeugnis einer Zeit, in welcher man von der weisen Rang-
ordnung des römischen Kaiserrechts nicht eben mehr viel
wusste.
Das Testament des Remigius beruht, wie die echten
fränkischen Testamente, auf römischer Grundlage, ist aber
nicht mit den älteren, sondern mit den um die Wende des
7. Jahrh. entstandenen Testamenten I. E. verwandt. Von
allen echten Testamenten unterscheidet es sich durch eine
Menge wesentlicher Abweichungen vom Formular. Der
Schreiber, der sich gegen den Gebrauch nicht selbst ge-
nannt hat, hat an Stelle der vollkommenen Handlungs-
fähigkeit des Testators dessen geistliche Amtsfähigkeit her-
vorgehoben, er hat das 'Ius civile' vergessen und das Testa-
ment mit dem Codicill auf eine Stufe gestellt; er hat die
Legate bei der Erbeseinsetzung ausgenommen und Testator
und Zeugen im Innern des Documents siegeln lassen ; er
hat so letztere zu Sieglern und Vermittlern gemacht; er
hat die Datierung weggelassen und 'vc' vor die Eigennamen
gestellt; er hatte also dem Rechte ebensowenig genügt,
wie dem Zeitgebrauche des Remigius, und seine ungewöhn-
liche und unbescheidene rhetorische Frage ist zu verneinen :
er war ein Stümper, und, wie die Verwahrung gegen den
'dolus malus' zeigt, ein Betrüger. Das Testament des Re-
migius ist eine grobe Fälschung aus jüngerer Zeit.
In dem folgenden Abdrucke des Anfangs und Schlusses
des Testaments sind die Aenderungen und eigenen Zusätze
des Schreibers mit grossen Typen wiedergegeben, unter
Beifügung der richtigen Lesarten in Klammern : dadurch
gewinnt man einen Ueberblick über die Fehler des Foi'-
mulars und erkennt zugleich, wie es aussehen müsste, um
echt zu sein.
I.
'In nomine Patris et Filii et Spiritus sancti gloria Deo $
Amen, [tilge 'gl. D. A.'] [füge hinzu 'N. N. consule sub die ']
1) Vgl. das auf Befehl Hinkmars abgehaltene Placitum bei Guerard,
Polyptyque de 1' abbaye de Saint - Remi de Reims p. 58 : 'interfui et manu
propria subscripsi'.
Reimser Remigius - Fälschungen. 547
Ego Remigius episcopus civitatis Remorum sacerdotii compos
[lies 'sana mente integroque (oder 'sanoque') consilio' und füge hinzu
'metuens' (oder 'cogitans') casus humanae fragilitatis'] testamentum meum
condidi [füge hinzu 'quem ego ipse Remigius manu propria scripsi (oder
'quem N. N. notario scribendum commisi') et testibus numero competenti
tradidi subscribendum. Quod testamentum meum, si casu'] iure [füge
hinzu 'civili auf] pretorio adque id [lies 'valere non potuerit'] codicello-
rum vice [lies 'v. c.'] valere praecepi fieri [lies 'valere id volo ac va-
leat'].- iuris aliquid videbitur defuisse? [streiche 'iuris — de-
fuisse']. Quandoque ego Remigius episcopus de hac luce transiero, tu
mihi heres esto ... et tu ... et tu .. . in omni substantia mea, quae
mea sorte obvenit, antequam moriar, praeter id [lies 'et'] quod unicui-
que donavero [lies 'dedero'], legavero darive iussero vel unumquem-
cjue vestrum voluero habere praecipuum [lies und füge hinzu:
'id ut detur, fiat, praestetur, fidei heredum meorum committo, quosque
liberos liberasve esse iussero, liberi liberaeve sint toti'].
II.
Haec ita do, ita lego, ita testor [füge hinzu 'ita vos mihi, Quirites,
testimonium perhibetote testanti']. Ceteri omnes [lies 'ceteri ceteraeque']
exheredes estote, sunt (sehr, 'sint' l) tote. Huic autem testamento
meo dolus malus abest aberitque [tilge 'Huic — aberitque'].
In quo si qua litura vel caraxatura fuerit inventa, facta est me praesente,
dum a me relegitur et emendatur [sehr. 'Si quae litürae vel caraxaturae
inventae fuerint, ego feci fierique iussi (oder 'praecepi'), dum testamentum
meum saepius relego et emendo']. Actum Remis die et consule supra-
scripto, intercedentibus et mediis signatoribus [tilge 'i. et
m. s.'].
P Remigius episcopus testamentum meum relegi, signavi [tilge
's.'], subscripsi et in nomine Patris et Filii et Spiritus saneti, Deo adiu-
vante, complevi.
vc Pappolus [lies 'P. vc'] interfui et [lies 'rogante domno Re-
migio episcopo'J subscripsi.
vc Rusticolus [lies 'R. vc'] interfui et [lies 'rogante domno Re-
migio episcopo'] signavi [lies 'subscripsi']
u. s. w.
Das Testament des Remigius besteht nur aus Legaten
und Freilassungen. Diese, wie auch die Erbeseinsetzung,
hatten in imperativischen Ausdrücken 2 zu erfolgen, und
obwohl durch kaiserliches Edict von 339 3 der Formalitäten-
Kram aufgehoben und jede beliebige Ausdrucksweise zu-
gelassen war, — denn es sei gleichgültig, heisst es, ob
man schreibe 'heres esto' oder 'erit', — wird man doch
1) So Be. Ab. bei Pardessus I, 198. H, 370. 2) Sohm S. 463 ;
Zariowa S. 866. 916. 3) Cod. lustin. lib. VI, tit. 23, § 15.
548 Br. Krusch.
auch in den fränkischen Testamenten niemals den Erben
mit 'heres erit' eingesetzt finden. Eine blinde Regellosig-
keit hat also nicht Platz gegriffen. Die Imperative sind
allerdings bei den Vermächtnissen und Freilassungen ge-
schwunden, und es wird in merowingischer Zeit bei directer
Anrede der Legatare und Sclaven nur der Conj. Praes. an-
gewandt: eine Ausnahme macht wiederum das Testament
des Remigius, denn hier steht im Allgemeinen das Futu-
rum:
1) 'Mellovicum tuo iuri deputabis',
'porcos meos inter vos equaliter dividetis',
'tu colonos possidebis',
'vitis plantam communiter possidebunt',
'Fedamiam diaconi possidebunt',
'Edoveifam et eius cognationem retinebis',
'agros ad te testamenti huius autoritate revoca-
bis',
'agrorum partem ad te revocabis',
'pratella ad te revocabis',
'Placidiam ad tuum dominium revocabis',
'servum tuo dominio vindicabis',
'tuo dominio vindicabis Nifastem',
'Moram tuo dominio vindicabis'.
2) 'hos totos liberos defensabis',
'Monacharius gratulabitur beneficio libertatis'.
Vergleicht man damit die Ausdrucksweise der echten
Testamente, so zeigt sich sofort die Unechtheit von R. :
1) 'villam aequa lance dividant' Be.,
'aream possideat' Ar.,
'hoc ecclesia possideat' Be.,
'locellum teneat ac possideat' H.,
'suprascribta villa possedeat' I.,
'villam ad tuam revoces potestatein' Be.,
'ipsum locellum ad suam revocet dominatio-
nem' Be.,
2) 'liberos tu defendas' Ar.,
'uxor sua et filii in libertate permaneant' Ar.
In R. findet sich sogar unpersönlich das Fut. Pass. :
'pauperibus solidus dabitur',
'pauperibus duo solidi inferentur',
'totidemque Portensi inferentur'.
In den echten Testamenten wird dergleichen durch
die Phrasen 'volo esse donatum' oder 'volo esse concessum'
ausgedrückt.
Reimser Remigius - Fälschungen. 549
Das Testament des Remigius ist für die Germanisten
von hohem Interesse, denn die meisten der darin ange-
führten Personennamen sind deutsch oder sollen es wenig-
stens sein. Es sind einige sechzig, und über die Hälfte l
davon kommen sonst nirgends vor. Förstemann hat in sei-
nem altdeutschen Namenwörterbuch ausgiebigen Gebrauch
von der vermeintlichen Quelle des 6. Jh. gemacht und
seine Sammlungen wesentlich daraus bereichert, und
J. Grimm2 hat seinen Scharfsinn aufgeboten, einzelne
Namen zu erklären und zu emendieren. Es ist aber fast
unbegreiflich, dass Niemand den Pferdefuss bemerkt hat,
der in der Namenbildung überall zu Tage tritt.
Der Schreiber hat offenbar Gregor benutzt. Das be-
weist die 'Meratena' 3, nach welcher er 'Auliatena', lMella-
tena', 'Niviatena' bildete, er hat aber die Namen zum Theil
fehlerhaft gedehnt, und so aus 'Friardus' — 'Friaredus',
aus 'Medardus' — "Medaridus' gebildet. Wie er die Frauen-
namen mit Vorliebe mit 'tena' zusammensetzte, so die
Männernamen mit 'ricus', 'ridus', 'vicus'. Zwei fast voll-
ständige Reihen gestatten einen Einblick in die Werkstätte
des Fälschers :
'Medaricus' 'Mellaricus'
'Medaridus' 'Mellaridus'
'Mellatena'
'Medovicus' 'Mellovicus';
es fehlt nur die 'Medatena', die auch gar zu unmelodisch
klingt. Der erste Stamm 'Meli-' ist vielleicht lateinisch l
('Mellita'), und der zweite Stamm '-vicus', der noch in VA1-
bovichus', 'Baudovicus', 'Marcovicus' und im Namen des
Frankenkönigs 'Hludowicus' erscheint, wird, wie Jedermann
weiss, in Merowingischer Zeit Vechus' geschrieben. Grimm5
will daher in richtiger Erkenntnis des sprachlichen Ana-
1) Folgende 39 Namen sind anderswo nicht überliefert: 'Albovichus,
Auliatena, Baudoroseva, Baudovicus, Bebrimodus, Brittobaudes, Daero,
Dagaraseva, Dauveus, Dasovinda, Ductio, Edoveifa, Flavaraseva, Friaredus,
Leuberedus, Leudocharius, Marcovicus, Medaricus, Medaridus, Mellaricus,
Mellaridus, Mellatena, Mellovicus, Merumvastem (acc), Modoroseva, Mona-
charius, Nifastes, Niviatena, Noca, Parovius, Sonnoveifa, Sparagildis,Tennaicus,
Tennaredus, Teudoroseva, Totno, Tottio, Vinofeifa, Widragasius'. 2) Auf-
recht und Kuhn, Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung I, S. 429
'Frauennamen auf niwi' und S. 434 'Baudo'. 3) Greg. V. Patr. c. 6:
'devota Deo Meratina'. Auch 'Nonnio' stammt aus Gregor ('Nunnio'
V. Patr. c. 9). 4) Wohl auch in 'Bebri - modus' = Bibermuth, wel-
cher Name mit dem 'Berimud' des Iordanes (ed. Mommsen S. 77) und
dem 'Bermodus' des Polypt. Irm. (ed. Guerard II, 268) zu vergleichen
ist: das ist aber Bärmüth. 5) S. 436.
550 Br. Krusch.
chronismus den 'Baudovicus' in 'Baudoricus' verbessern,
aber das verbieten die Formen 'Medovicus', 'Mellovicus'
neben 'Medaricus', 'Mellaricus'. Der Verf. hat wirklich
den 'Chlodovechus' 'Hludowicus' geschrieben, also gerade
so, wie man zu Hinkmars Zeit den Namen sprach. Die
Zusammensetzungen mit 'roseva' und 'raseva' : ' Baudoro-
seva', 'Modoroseva', 'Dagaraseva', Tlavaraseva', spotten jeder
Erklärung. In den Ausgaben ist fälschlich 'rosena' und
'rasena' gedruckt, und an diese Schreibung schliesst sich
eine Deutung von Grimm1 an. Er sieht in dem zweiten
Stamme das deutsche Wort 'rosomon' = 'aeruginem', 'ru-
borem' und erklärt 'Rosenna' als eine rothwangige Frau.
Besonders schön erscheint ihm der Name 'Dagarosena',
lroth, wie der anbrechende Tag, eine gododdxridog 'Hcbq ;
aber die Hss. zerstören diese Poesie. Hat Förstemann2
Recht, dass 'gasius' für 'gisus' zuerst um das Jahr 865
vorkommt, so würde man damit eine Zeitbestimmung für
die Abfassung des Testaments erhalten, denn dort wird
ein 'Widragasius' genannt. Die weitere Untersuchung darf
ich den Germanisten überlassen. Es sei nur noch bemerkt,
dass neben den falschen Namen auch echte fränkische *
und sonst germanische genannt werden ; beispielsweise trägt
ein Unfreier den stolzen Namen des Gothenkönigs Gibe-
rich, und historische Namen findet man noch mehr darin:
'Enias' heisst ein Winzer, 'Aetius' der Neffe des Remigius.
Auch der lateinische Name 'Teneursolum', 'Halt den Bär',
vielleicht eine falsche Uebersetzung von Bernald, ist nicht
ganz unbedenklich, und zum Schluss scheint die Inventions-
gabe des Schreibers vollständig erschlafft zu sein, denn wenn
er dem Profuturus den Sclaven Leudocharius, der Profutura
die Leudovera durch Remigius schenken lässt: 'Profu-
turo Leudocharium puerum trado; Profuturae dari
iubeo Leudoveram', so liegt bei solchem Parallelismus
die Fiction klar zu Tage.
Laon führt im Testamente den Namen 'Lugdunum',
und davon sind abgeleitet 'Lugdunensis ecclesia' und
'Lugdunenses presbyteri'. Im 6. Jahrh. heisst die Stadt
1) S. 438. 2) S. 147. 3) Wenn Grimm S. 429 daran denkt,
die Reimser Unfreie 'Teudonivia1 mit ihrer Namensschwester im Testa-
mente des Bertichramnus von Le Mans und die Nonne 'Baudonivia' in
Poitiers mit einer etwa ein Jahrhundert später lebenden Hörigen in dem
Testament der Erminethrudis zu identificieren, so überspringt er mit zu
grosser Leichtigkeit die Schranken von Raum und Zeit. 'Mora' im Testa-
ment des Remigius wird durch das Abbo's, 'Lauta' durch die Trad.
Weissenburg. (ed. Zeuss p. 253) bestätigt.
Reimser Remigius - Fälschungen. 551
einzig und allein 'Lugdunum Clavatum', später kommt
'Laudunum' auf, und das blosse 'Lugdunum' ist, wie ich
an anderer Stelle nachwies 1, eine gelehrte Rückbildung
aus nachmerowingischer Zeit. Das Testament nennt ferner
einen 'ecclesiasticus homo', der durch Remigius das Glück
hat, seine Freilassung zu erlangen. Der der Kirche zu
Leistungen verpflichtete Unfreie wird zuerst so genannt in
der Lex Ribuaria2, und diese ist in Karolingischer Zeit
verfasst worden3; der Ausdruck erscheint dann auch in
Karls d. Kahlen Capitularien 4. Das Testament des Remi-
gius ist also unter den Karolingern gefälscht worden.
Remigius vermacht im Testamente der Reimser Kirche
ein silbernes Gefäss, ein Geschenk Chlodovechs: 'quem de
sacro baptismatis fönte suscepi'. Der Heilige hatte also
den Frankenkönig thatsächlich aus der Taufe gehoben, wie
allein Hinkmar5 bezeugt, er war sein Gevatter, sein 'pater
et patronus'. Das Testament bestätigt somit die Hink-
marsche Darstellung der Taufe und besonders das väter-
liche Verhältnis des Bischofs von Reims zum ersten christ-
lichen Frankenkönig, welches ihm den Einfluss auf den
Gang der fränkischen Geschichte auszuüben gestattete, den
der Biograph ihm zuschreibt.
Es bestätigt ferner die Beziehungen des Remigius zu
der Diöcese von Laon. In Laon besass der Heilige einen
Theil einer Wiese und einen Weinberg, und diesen ver-
machte er seinen Neffen, Bischof Lupus von Soissons,
dessen Vater nicht genannt ist6, und Agricola. Von den
im Testament angeführten Orten sind bereits Cesurnicus
(Cerny - en - Laonnois) und Vindonissa v (Vendresse -et- Tro-
yon) als Laoner Villae erkannt worden. Passiacus ist un-
streitig Paissy, dicht bei Cerny und Vendresse; der Name
müsste aber Pacciacus8 lauten, wenn das Document echt
wäre. An diesen Ortschaften hatte Remigius nur einen
Theilbesitz, welcher ihm, wie es bei Cerny heisst, 'sorte
divisionis' zugefallen war. Die Güter stammten also aus
der Hinterlassenschaft des Vaters Emilius, in welche sich
die drei Söhne getheilt hatten. Nach dem Tode des Bru-
1) N. A. XVIII, 37. XIX, 459. 2) Die Stellen weist Zeumera
Register zu Sohms Handausgabe der Lex nach. 3) Vgl. Brunner,
Deutsche Rechtsgesch. S. 304. 4) Capit. Suession. von 853, Compend.
von 868. 5) V. Remigii c. 15: 'susceptus ab ipso pontifice de sancto
fönte'. 6) Testam. : 'fili fratris mei ' ; vgl. V. Remig. c. 1 : 'fratrem eius,
patrem beati Lupi episcopi'. 7) Poquet in Congres archeologique de
France XXVlDIe session, Paris 1862, S. 124. 8) Vgl. d'Arbois de
Jubainville, Recherches sur l'origine de la propriete fonciere p. 164.
552
Br. Krusch.
ders Principius, Bischofs von Soissons, waren dessen Län-
dereien an Remigius gefallen, welcher sie nun dem Neffen
Lupus vermachte. Wie in der Vita gilt also auch im
Testamente das Laonnais als die Heimath des Eemigius.
Ferner wird auch hier ausdrücklich die Kirche von Laon
für eine Diöcese der Eeimser erklärt, denn bei der Legie-
rung eines silbernen Gefässes an beide heisst es : 'inter te,
heres mea, et diocesim tuam, ecclesiam Lugdunensem
. . . distribui'. Deutlicher konnte der Schreiber kaum
sein. Dieses Verhältnis zwischen den beiden Kirchen findet
weiter darin seinen Ausdruck, dass Remigius die Kirche
und Geistlichkeit von Laon ganz ähnlich, wie die Reimser,
mit Vermächtnissen bedenkt, die nur in Anbetracht der
Subordination verhältnismässig geringer sind:
Reims. Laon.
ecclesia
presbyteri et dia-
coni
subdiacones , lecto-
res , ostiarii et
iuniores
pauperes in matri-
cola
agri, coloni in solo
Portensi, vas ar-
genteum
25 solidi,vitis planta
6 sol.
2 sol.
10 sol., pars mea
de Setia.
8 sol.
4 sol.
1 sol.
Und wenn dann der eine der Neffen des Remigius einen
Weinberg unter der Bedingung erhält: 'ut diebus festis
et omnibus dominicis sacris altaribus mea offeratur obla-
tio, atque annua convivia Remensibus presbiteris
et diaconibus prebeantur', der andere einen solchen in
Vindonissa: 'ut a patribus suis omnibus diebus festis ac
dominicis pro comemoratione mea sacris altaribus offeratur
oblatio, etLugdunensibus presbiteris atque dia-
conibus annua convivia, concedente Domino, prae-
beantur', so erkennt man wiederum die gleichmässige Für-
sorge des Heiligen für beide Diöcesen. Sie tritt noch
schärfer hervor durch Vergleichung mit den Kirchen von
Soissons und Chälons-sur- Marne. Diese sind ja auch Diö-
cesen der Reimser Provinz, und sie werden im Testament
ziemlich despectierlich vor den vier Archidiaconaten 1 der
1) Mouzon, Voncq und der pagus Portensis sind bekannt. In der
'Catarigensis ecclesia' hat zuerst Bouchet (Congres archeol. 1862, p. 121)
den 'pagus Castricensis' erkannt, der dem heutigen Decanate von Mezieres
Reimser Remigius - Fälschungen. 553
Reimser Diöcese eingereiht; ihnen sind auch nur im Gan-
zen 8 resp. 6 Solidi ausgesetzt. Laon stand eben durch
seinen Ursprung in einem weit innigeren Abhängigkeits-
verhältnis zu der Metropole, und so findet die Darstellung
von Hinkmars V. Eemigii durch das Testament abermals
eine vollständige Bestätigung, und zugleich sein Vorgehen
gegen den Neffen Hinkmar von Laon eine glänzende Recht-
fertigung.
Hinkmar selbst hat vor das Document die folgende
antiquarische Bemerkung gesetzt: 'Exemplar testamenti a
beato Remigio conditi, in quo lector attendat, quia solidorum
quantitas numero 40 denariorum computatur, sicut tunc
solidi agebantur, et in Francorum lege Salica continetur
et generaliter in solutione usque ad tempora magni Karoli
perduravit, velut in eius capitulis invenitur'. Es ist rich-
tig, dass in der Lex Salica der Solidus zu 40 Denarien l
gerechnet wird, und in karolingischer Zeit dieser Goldsoli-
dus durch den Silbersolidus zu 12 Denarien 2 verdrängt
wurde, während doch die Bussen der Lex Salica auch noch
unter Karl d. Gr. nach der alten Münze bezahlt werden
mussten3; da sich aber im Texte selbst keine Gleichung
von Solidi und Denarien findet, letztere überhaupt nicht
erwähnt werden, konnte den Cours der legierten Solidi nur
der Verfasser des Documents kennen. Andererseits ist es
klar, dass wenn die 97, zum Theil in ganz kleinen Posten
legierten Solidi den angegebenen Cours hatten, der nur
bis zu Karls d. Gr. Zeit bestand, das Testament echt und
jedenfalls nicht von Hinkmar gefälscht sein konnte. Die
Bemerkung ist also zum Schutze der Authenticität des
Schriftstücks hinzugefügt, sie ist von Hinkmar hinzugefügt,
und Hinkmar ist der Fälscher des Testaments des Remi-
gius, welches das vorletzte Capitel seiner V. Remigii bildet.
Es verfolgt dieselben Zwecke wie die Vita selbst; es ist
der urkundliche Beleg zu derselben.
Das kürzere Testament hatte nicht den Zweck, der
Reimser Kirche neue Besitztitel zu verschaffen oder etwa
entspricht; vgl. Desnoyers, Topographie ecclesiastique de la France in
Annuaire historique pour l'annee 1859 p. 143; Longnon, Atlas histori-
que. Texte expl. II, p. 119. 1) Gleich der erste Paragraph enthält
eine solche Gleichung : '600 dinarios, qui faciunt solidos 15'. Vgl. Waitz,
VG. II, 23, 306. 2) Waitz, VG. IV2, 80. 3) Capit. leg. add. von
803, tit. 9 (Boretius, Capit. regum Franc, p. 114): 'Omnia debita, quae
ad partem regis solvere debent, solidis duodecim denariorum solvant, ex-
ceptio freda, quae in lege Saliga scripta est; illa eodem solido, quo cae-
terae com}:>ositiones solvi debent, componatur'.
554 Br, Krusch.
zweifelhafte zu stützen, denn dazu sind die darin specifi-
cierten Legate an Liegenschaften zu gering, und da auch
dem Rechtsstreit zwischen den beiden Hinkmar durch das
Abscheiden der Parteien der Boden entzogen war, hatte es
für die Epigonen nur noch geringen praktischen Werth.
Durch umfangreiche Interpolationen hat man nun das
Falsificat wieder auf die Höhe der Zeit gebracht. In dem
längeren Testamente wird auf zwei x frühere hingewiesen
und behauptet, dass es nicht bloss enthalte, was in diesen
gestanden, sondern auch, was der Herr später noch dem
Heiligen zu schenken geruht hätte. Es ist auch nur eine
Erweiterung des kürzeren, doch sind die Zusätze fast um-
fangreicher als der ursprüngliche Text. Obwohl der Fäl-
scher ganz genau wusste, dass die beiden früheren Testa-
mente vor 14 und 7 Jahren gemacht seien, hat er doch
ebensowenig wie Hinkmar ein Datum hinzugefügt, so dass
auch bei ihm der Hinweis am Schlüsse : 'Peractum Remis
die et consule supradicto' in der Luft hängt. Von der
Plumpheit der Fälschung geben auch die Zeugen -Unter-
schriften Kunde. Im kürzeren standen nur die Namen von
6 Laien. Das schien dem Fälscher eine zu kleine und
nicht genügend würdige Gesellschaft für seinen grossen
Heiligen zu sein. Er hat daher aus seinem eigenen Kopfe
noch 1 1 Unterschriften hinzugefügt, natürlich nur von Geist-
lichen. Es sind die allgemein bekannten Bischöfe Vedastes
und Medardus, die Hinkmarschen Gestalten Genebaudus,
Lupus, Presbyter Agricola, Abt Benedict und der weltliche
Grosse Eulogius, die inzwischen beide zu Bischöfen vorgerückt
sind, der Lokalheilige Celsinus 2 und ein Presb. Teudericus.
Damit war aber die Fränkische Geschichte erschöpft, denn
der Fälscher wusste von ihr gerade so viel, wie in Hink-
mars V. Remigii stand, und da ihm kein Name mehr ein-
fiel, Hess er bei zwei Unterschriften den Raum dafür frei.
Er hat sich auch nicht einmal bemüht, seine neuen Unter-
schriften den Hinkmarschen conform zu gestalten, sondern,
während dessen Zeugen mit 'interfui et subscripsi' oder
'signavi' zeichnen, seine eigenen die Worte: 'Cui pater
meus Remigius maledixit, maledixi, et cui benedixit, bene-
dixi. Interfui quoque atque subscripsi' unterschreiben
lassen. Mit rührender Unbefangenheit lässt er den Heili-
gen über Stiftsgut, also über fremdes Eigenthum, testieren
und er giebt gleich bei jedem Vermächtnisse an, ob die
1) An dieses zweite verlorene Testament glaubt noch Schrörs S. 451.
2) Flod., hist. eccl. I, 10.
Reimser Remigius - Fälschungen. 555
Sache eigen war oder dem Stiftsschatze gehörte, z. B. :
'Vicus ex proprio in Portensi et Villaris quoque ex epi-
scopio in Remensi'.
Der Schwerpunkt des längeren Testamentes liegt in
den Legaten, und selbst diejenigen an Schmucksachen und
Geld sind hier viel reichlicher bemessen als in dem kür-
zeren. Die liegende Habe des Heiligen ist natürlich in-
zwischen ins Unendliche gewachsen. Schon Hinkmar hatte
in der Vita die Geschichte des Erwerbs einzelner Villae
durch Remigius erzählt, und so Besitztitel der Reimser
Kirche begründet. Diese Stellen sind natürlich im län-
geren Testament sorgfältig verwerthet und z. Th. wörtlich
ausgeschrieben, aber auch geändert: denn dass Hinkmar
zum Lobe des h. Remigius die Wunderkraft des h. Bene-
dict herabgesetzt hatte, war ein hinterlistiger und gemeiner
Streich, und der Fälscher hat sich beeilt, jenen Benedict
zum provencalischen Grundbesitzer und Vater des kranken
Mädchens zu machen. Auf ihn führte er den Besitz der
Reimser Kirche in der Provence zurück, und er hat ihr
ausserdem aus der Hinterlassenschaft des Heiligen alles
zugewandt, was sie faktisch besass, aber, wie Crugny1,
lange Jahre nach dessen Tode erworben hatte, und viel-
leicht auch, was sie niemals besessen hatte, aber gern be-
sitzen wollte. Die in fremden Diöcesen zerstreuten Reimser
Kirchengüter waren fortwährenden Angriffen der benach-
barten weltlichen Grossen ausgesetzt, weil ihnen die Me-
tropole keinen genügenden Schutz bieten konnte. Dieser
Streubesitz lag ausser in der Provence noch in Aquitanien,
der Bayrischen Pfalz (Kusel, Altenglan, Bischmischheim)
und Thüringen (Eisleben), und Hinkmar musste oft genug
die Feder zu seiner Sicherung führen. Führte man die
Liegenschaften der Kirche auf Vermächtnisse des Remi-
gius zurück, so war dies Ursprungszeugnis der kräftigste
Schutz, denn Beutelustige mussten dann immer die per-
sönliche Rache des Heiligen fürchten. Das längere Testa-
ment verfolgt zunächst diesen Zweck; es will den Grund-
besitz der Reimser Kirche als Hinterlassenschaft des Re-
migius urkundlich beglaubigen.
1) Crugny ist erst ca. 150 Jahre nach Remigius durch den Major-
domus Waratto an die Reimser Kirche gekommen ; vgl. Flod., hist. Rem.
II, 10. Dem Kloster des Heiligen war nach dem Polypt. S. Remigii (ed.
Guerard p. 18. 28) ausser diesem Orte Hermonville (ib. p. 27) zinspflichtig,
und es besass in Saint - Etienne - sur - Suippe (ib. p. 27) einige Colonen :
beide Ortschaften werden im längeren Testament den Armen der Matri-
cula vermacht.
556 Br. Krusch.
Bei der Schroffheit, mit welcher der Fälscher die
Interessen des Stifts und der Hauptkirche vertritt, ist es
höchst auffällig, dass er auch anderen Kirchen der Stadt,
— z. B. S. Sixti die Villa 'Plebeias supra Matronam', —
aus der reichen Hinterlassenschaft Grundbesitz zu Gute
kommen und sogar die Diöcesan - Kirchen der Provinz nicht
ganz leer ausgehen lässt:
Laon: Anisiacus, Lauscita,
Soissons: Salvonarias supra Moram,
[und ausserdem Bischof Lupus : Labrinacus, wo des Re-
migius Mutter ruht],
Chälons-sur- Marne: Gellonos supra Matronam,
[S. Memmii daselbst: Fascinarias] ,
Arras: Orcos, Sabucetum.
Die Ueberweisung von Anisiacus (Anizy - le - Chäteau)
trägt allerdings nicht viel auf sich, denn dieser Ort ist
von jeher Eigenthum dieser Kirche gewesen und wird
selbst von Hinkmar * als solches anerkannt. Auch Labri-
nacus (Lavergny) liegt in dieser Diöcese und hat immer
unter dem Bischof von Laon gestanden '-' ; wenn es also
jetzt dem Bischof von Soissons vermacht wird, so geschieht
die Freigebigkeit auf Kosten jener Kirche. Die übrigen
Ortsnamen sind aber gänzlich unbekannt und haben allen
Erklärungsversuchen gespottet. Bisher hat man dabei die
Geographie zu Eathe gezogen ; ich will einen andern Weg
einschlagen. Wenn der Fälscher so grossmüthig ist, der
Kirche von Soissons die Villa 'Salvonarias supra Mo-
ram' zu überlassen und hinzufügt: lnam Sablonarias
supra Matronam heredibus meis deputavi', so ist der
letztere Ort (Sablonniere, c. Charly, arr. Chäteau - Thierry)
und Fluss (Marne) zur Genüge bekennt: wer aber 'Salvo-
narias' und die 'Mora' auf der Landkarte gesucht, der hat
sich von dem Schalk an der Nase herumführen lassen.
Und nun sehen wir weiter. 'Plebeias supra Matronam' ist
natürlich 'Pöbeldorf', 'Gellonos supra Matronam' 'Tölpel-
dorf', denn 'Gillo et Gello dicitur rusticus, ineptus' 3,
'Fascinarias' (von 'fascinare') 'Hexendorf' und der 'Orcos'
ist jedem der Leser hinlänglich bekannt i. Man stelle sich
die Verwunderung der Betheiligten vor, als sie in dem
1) V. Remig. c. 25: 'episcopii Laudunensis villam, que Anisiacus
dicitur'. 2) Es liegt in der Nähe von Parfondru (dep. Aisne) ; vgl.
Matton, Dict. topogr. du dep. de l'Aisne p. 152. 3) Ugutio bei Du-
cange s. v. 'Gillo'. 4) Hängt 'Lauscita' vielleicht mit 'luscitus = myops'
zusammen? Vgl. Forcellini ed. de Vit VI, p. 652 und 'luscus' (frz.
'louche') bei Ducange.
Reimser Remigius - Fälschungen. 557
Testamente von diesen hochherzigen Vermächtnissen des
h. Remigius lasen, die sie nirgends finden konnten, und
besonders die Enttäuschung des Bischofs von Soissons, der
sein reelles 'Sablonarias' gegen ein 'Salvonarias' einge-
tauscht hatte, welches ebenso utopisch war, wie der zuge-
nannte Fluss.
Die Fürsorge des Remigius erstreckt sich nicht bloss
auf die Befestigung des Reimser Grundbesitzes, sondern
auch auf die Erhaltung des Kirchenguts im Allgemeinen
und auf die Restitution entfremdeter Stücke. Er wirkt
auf Chlodovech ein, dass dieser allen Kirchen des Franken-
reichs die geraubten Güter wieder zustellt, er versichert,
keinen Fuss breit fränkischer Erde von ihm als Geschenk
zu nehmen, bis nicht sämmtliche Kirchen wieder in dem
Besitz des Ihrigen seien. Er trifft die schärfsten Be-
stimmungen gegen die Verschleuderung des Kirchengutes
und besonders gegen die Verlehnung, jene zwar sehr be-
queme, aber für die Kirche wenig vortheilhafte Verwal-
tungsmethode. Wenn ein Bischof von Reims die Kirchen-
güter, welche Remigius zur Ehre Gottes und zum Tröste
der Armen bestimmt hat, vergeudet, vertauscht, Laien
lehnsweise überträgt, oder in solche Uebertragungen wil-
ligt, sollen Geistlichkeit und Laien der ganzen Reimser
Diöcese zusammentreten und den Bischof mit Absetzung be-
strafen, unter Ausschluss der Begnadigung und der Wieder-
einsetzung in den früheren Stand. Und Laien, die sich
Kirchengüter aneignen, sollen verflucht und von der katho-
lischen Kirche ausgeschlossen sein, bis sie Genugthuung-
leisten. Das Königsgeschlecht ('genus regium') schont zwar
den Fälscher, wie er sagt; im Grunde genommen ist aber
nur das Verfahren etwas umständlicher. Wenn der König
die Kirchen in Beschlag nimmt, verdirbt oder ihnen sonst
beschwerlich fällt, soll er zuerst von den Bischöfen der
Reimser Diöcese, dann von der Reimser Kirche mit Zu-
ziehung ihrer Schwester, der Trierer, und bis zum sieben-
ten Male mit Zuziehung von 3 oder 4 Erzbischöfen Gal-
liens ermahnt werden. Bleibt er auch dann noch unver-
besserlich, so ist er von der Communion auszuschliessen.
Wenn die Nachfolger des Remigius, die Reimser Erz-
bischöfe 1, diese Bestimmungen nicht beobachten, machen
sie sich selbst des Vergehens der Fürsten schuldig und
verlieren das Bisthum.
So führt uns der materielle Zweck des längeren Testa-
1) Im Testament steht wirklich 'archiepiscopi'.
Neues Archiv etc. XX. 37
558 Br. Krusch.
ments zu dem höheren, ideellen, der Erweiterung der kirch-
lichen und politischen Macht des Erzbischofs von Reims,
hinüber. Die Trierer Kirche wird zwar als die Schwester
der Reimser bezeichnet, aber dadurch, dass diese die Ini-
tiative hat und erst beim zweiten Tadel verpflichtet ist,
jene zuzuziehen, wird ihr die Priorität zugestanden. Hink-
mar vertritt noch die Anschauung, dass Reims und Trier
sich völlig gleichstehen, und nur der zuerst ordinierte Erz-
bischof den Vorrang hat *. Später aber nahm der Reimser
Clerus diesen für seinen Erzbischof in Anspruch und be-
hauptete gegen den Einspruch von Trier auf der Synode
zu Reims 1049, dass ihm die 'dispositio synodica' zustände.
Der anwesende Papst Leo IX. entschied sich in diesem
Sinne, und so erhielten die Synodalen ihre Plätze in der
Reihenfolge, welche der Reimser festgesetzt hatte : er selbst
natürlich zur rechten, der Trierer zur linken des Papstes 2.
Dieses Verhältnis zwischen Reims und Trier spiegelt das
längere Testament wieder.
Die Stellung des Erzbischofs von Reims zum König
wurde schon durch das geistliche Strafverfahren gegen
diesen gekennzeichnet. Remigius nennt im längeren Testa-
mente die Könige Frankreichs seine theuersten Söhne; er
war ja der Vater Chlodovechs, natürlich nur 'spiritalis'.
Er rühmt sich, das Königsgeschlecht nicht bloss getauft,
aus der Taufe gehoben und durch die Salbung mit dem
Chrisma ordiniert, sondern auch zusammen mit den
Bischöfen Deutschlands, Galliens und Neustriens zur Kö-
nigswürde erwählt zu haben: 'una cum fratribus meis et
coepiscopis omnibus Germaniae, Galliae atque Neustriae in
regiae maiestatis culmen perpetuo regnaturum statuens
elegi', und so durfte er am Schlüsse dem Vertrauen Aus-
druck geben, dass es die Regierungsgewalt so handhabe,
wie er sie ihm übergeben habe 3 : dann würden Könige und
Kaiser aus ihm hervorgehen. Erwählt aber hat den König
von Prankreich zum ersten Mal 1059 Erzbischof Gervasius
von Reims bei der Krönung Philipps I. : 'Tunc, annuente
patre eius Heinrico, elegi t eum in regem'4.
1) Hincmari Opp. ed. Sirmondus II, 258: 'inter quas, Remensem
scilicet et Treverensem ecclesiam, haec semper distinctio fuit, . . . ut isdem
episcopus non loci, sed dignitate ordinis prior secundum sacras regulas
haberetur, qui f'oret in qualibet istarum ecclesiarum metropoli antea ordi-
natus'. Vergl. Dümmler, Gesch. des Ostfränk. Reiches II, 283, N. 1\
2) Labbe, Sacrosancta concilia IX, 1036. 3) 'ut, sicut a me accepit,
ita in dispositione regni et ordinatione sanctae Dei ecclesiae perseveret'.
4) Bouquet XI, 32.
Reimser Remigius - Fälschungen. 559
Das längere Testament des Remigius kann kaum vor
dem J. 1059 gefälscht sein, aber auch schwerlich nachher.
Es ist nämlich in den Codex Christ, reg. 561 von Hinkmars
V. Eemigii 1 eingeschwärzt worden, und steht dort an der
Stelle, wo in den übrigen Hss. der Vita das kürzere steht.
Diesen Codex setzt Bethmann in den Anfang des 11. Jh.;
aber auf Jahrzehnte lassen sich Hss. nicht bestimmen, und
Bethmann hat im Allgemeinen eher zu hoch als zu nie-
drig geschätzt.
Mein Ergebnis steht im Widerspruch mit der herr-
schenden Ansicht. Nach dieser ist das längere Testament
viel älter, und man wirft Hinkmar vor, im Bedürfnisfalle
davon Gebrauch gemacht 2 und, wie Roth 3 meint, sogar
gefälschte Nachrichten desselben in sein Leben des Remi-
gius aufgenommen zu haben. Habe ich den Sünder vor-
her mit der Fälschung des kürzeren Testaments belasten
müssen, so freue ich mich, in diesem Falle sein Verthei-
diger sein zu können.
Man beruft sich für das höhere Alter auf eine Urk.
Karls d. Kahlen von 845 1./10. und für die Benutzung
durch Hinkmar auf Auszüge aus dessen Briefen, und man
findet in der That in diesen Schriftstücken Anspielungen
und sogar ausdrückliche Berufungen auf das längere Testa-
ment. Alle diese Zeugnisse sind überliefert in Flodoards
Hist. Rem. eccl. , und darin steht auch der vollständige
Text des Documents. Aber schon Marlot hat wohl be-
merkt, dass Flodoard in seiner Geschichtsdarstellung kei-
nen Gebrauch macht von den eigenthümlichen Nachrichten
des längeren Testaments. Er weiss nichts von den gross-
herzigen Schenkungen der Genovefa, über welche Remigius
darin disponiert, nichts von der Bestattung der Cilinia, der
Mutter des Heiligen, in Lavergny, nichts von den sonstigen
Angaben dieser Quelle, die doch für den Reimser Kirchen-
geschichtsschreiber vom höchsten Interesse sein mussten.
Er giebt selbst I, 23 einen Auszug aus dem Testamente
des Remigius — er hatte sich ja auch bei den Testamenten
der anderen Reimser Bischöfe mit Auszügen begnügt4 —
1) In einer andern Hs., Reims 114(5, saec. XI, ist es hinter den
beiden V. Remigii und anderen auf den Heiligen bezüglichen Schriften
von einer Hand saec. XV. nachgetragen, wohl aus Flodoard; vgl. X. A.
XVHI, 608. 2) Suysken in AA. SS. Oct. I, 108. 3) Gesch.
des Beneficialwesens S. -465. v. Xoorden S. 396 zweifelt nur, ob sich
Hinkmar durch die Entlehnung eines bewussten Betruges schuldig ge-
macht hat. 4) Man vgl. die Testamente des Ronulfus, Somnatius und
Lando, SS. XIII, p. 451. 454. 455.
73*
560 Br. Krusch.
aber aus dem kürzereu, denn nur dessen Legatare und
Legate erwähnt er und nur dessen 6 Zeugen zählt er auf,
während in dem längeren, wie bemerkt, noch 11 Unter-
schriften hinzugefügt sind. Schon Marlot hat daher ver-
muthet, dass das längere Testament bei Flodoard später
interpoliert sei, obschon er es für älter hält und an der
Benutzung durch Hinkmar keineswegs zweifelt. Die Ver-
muthung findet durch die Flodoard -Hss. ihre Bestätigung.
Das Falsificat steht in der ersten Hss.-Klasse hinter Cap. 18
des ersten Buches, in der zweiten und dritten vor dem-
selben. Einer der Abschreiber hat also vermuthlich das
Zeichen übersehen, wo die zugehefteten Blätter einge-
schaltet werden sollten, und nun den Text und diese fort-
laufend copiert.
In den Briefauszügen bei Flodoard tritt die Versu-
chung an Hinkmar heran, Reimser Kirchengut zu alienie-
ren; der Erzbischof aber weist regelmässig ein solches
Ansinnen mit Entrüstung zurück im Hinblick auf die
Drohungen des Remigius im Testamente und beschreibt
eintönig die grausige Furcht vor ihnen immer in dersel-
ben Weise, wenn auch mit anderen Worten.
An Nantarius schreibt Hinkmar wegen der Verwaltung
der im Wormser Gau gelegenen Reimser Güter. Einige
Leute hatten ihn gebeten, für verschiedene Arbeiten ihnen
Colonen zu leihen, andere um die Erlaubnis nachgesucht,
dass ihre Jäger auf diesen Gütern zuweilen rasten dürften.
Der weitblickende Hinkmar wittert dahinter eine Alienie-
rung von Kirchengut und redet sich nun sehr ins Feuer.
Eine solche Erlaubnis würde er niemals geben, und seine
Vorgänger hätten es auch nie gewagt, denn es sei vom
h. Remigius unter grossen Verwünschungen und Drohungen
verboten : 'quia sanctus Remigius cum grandi maledictione
vel interminatione hoc fieri vetuerit' K
Hinkmar hatte die in der Provence gelegenen Reimser
Güter dem Schutze des Grafen Gerard von Vienne anbe-
fohlen. Dieser beklagte sich bei ihm, dass die Besitzungen
von vielen verwüstet würden, und zwar behaupteten meh-
rere Eindringlinge, des Königs und Erzbischofs Erlaubnis
zu besitzen. Darauf entgegnete Hinkmar, dass er nach der
dem Grafen übertragenen Commission nur einem gewissen
Hildoard die Verwaltung einer Villa zugestanden habe,
aber unter der Oberaufsicht der Grafen, und fügte hinzu,
er würde an Niemanden die Güter zu Lehen auszuthun
1) SS. XIII, p. 539, 47.
Reimser Remigius - Fälschungen. 561
-wagen, weil dies der h. Remigius in seinem Testamente
streng verboten hätte: lipsas autem res nulli homini suo
vel alterius in beneficium dare auderet, quia sanctus Remi-
gius hoc in suo testamento terribiliter contradixit' 1. Da
es sich aber in diesem Falle um keine lehnrechtlichen,
sondern um advokatorische Ansprüche handelt, kämpft
Hinkmar gegen Windmühlen.
Den Schutz über die Reiinser Güter in Aquitanien
hatte Graf Bernard von Clermont. Hier hatte sich der
gleichnamige Graf v. Toulouse Eingriffe erlaubt und seinen
Verwandten Hinkmar gebeten, ihm die Güter als Prae-
staria zu verleihen. Der Erzbischof schlug dies aber
rundweg ab, weil es durch das Testament des Remigius
durchaus verboten sei: 'quod idem praesul se facturum
negat, quia non audeat propter testamentum sancti Re-
migii, quod id omnino fieri prohibuerit' 2.
Wegen der in den Vogesen gelegenen Güter — ge-
meint sind Kusel und Altenglan in der Bayerischen Pfalz 3
— welche das Pech nach Reims zu liefern hatten, wandte
sich Hinkmar an seinen Freund Erluin: Er solle König
Ludwig zureden, dass er die der Reimser Kirche entris-
senen Besitzungen zurückgebe und ihm, dem Erluin, über-
antworte. Hernach theilt er ihm mit, er habe gehört,
dass sich ein gewisser Lantfrid rühme, diese Güter mit
Zustimmung Hinkmars vom Kaiser Karl zu Lehen er-
halten zu haben. Das sei eine Lüge; alle Könige der
Welt sollten es bei ihm nicht zu Wege bringen, dass er
seine Zustimmung zu irgend welcher Güterabtretung gebe,
wegen der von Remigius in seinem Testamente getroffenen
Bestimmungen : lquod per omnia dicit esse mendacium, nee
obtinere posse apud se omnes reges qui sub caelo sunt, ut
illas res umquam ab aliquo teneri consentiat propter alliga-
tiones, quas sanctus Remigius in testamento suo disposuit' 4.
Die Stellen, welche sich in vorstehenden Auszügen
auf die Entfremdung oder Verlehnung von Kirchengütern
und auf das längere Testament beziehen, entsprechen zum
Theil durchaus nicht dem übrigen Inhalte der Briefe, und
der letzte enthält sogar eine nachweislich falsche Nach-
richt, welche aus Flodoard selbst verbessert werden kann.
Wenn nämlich behauptet wird, dass Kaiser Karl d. Kahle
die Pfälzischen Orte Kusel und Altenglan als Lehen aus-
1) SS. XIII, p. 540, 27. 2) Ebd. p. 543, 3. 3) Auch in der
V. Remigii c. 17 verlegt Hinkmar diese Besitzungen in die Vogesen.
4) SS. XIH, p. 544, 40.
562 Br. Krusch.
gethan habe, so ist dabei zu bemerken, dass dieses Gebiet
den Kaiser gar nichts anging, sondern zu Ludwig d. Deut-
schen Reich gehörte. In der That ist vorher vielmehr von
Eingriffen des Letzteren die Rede, so dass sich also hier
die spätere Interpolation fast von selbst ausscheidet:
'Item significans, quod audierat pro eisdem rebus,
petens, ut regi LUDOWICO suggerat, quatinus . . . resti-
tui faciat. . . . Item significans, quod audierat
quendam Lantfridum se iactantem, quia impetraverit res
prefatas apud imperatorem KAROLUM'.
Das Erzbisthum Reims, welches nach Ebo's Absetzung
der Priester Fulco 9 Jahre verwaltet hatte, kam nach der
Reichstheilung von Verdun 843 in den Besitz Karls d.
Kahlen, und dieser benutzte die willkommene Beute, um
seine Getreuen daraus mit Lehen auszustatten. Hinkmars
erste Sorge war die Wiederherbeischaffung der entfrem-
deten Güter, und eben die Urkunde vom 1. October 845,
bei Flodoard III, 4, durch welche er beim König die Er-
füllung seiner Wünsche erreichte, enthält die Beziehung
auf das Testament. Die Restitution erfolgt nämlich, nach-
dem vor den Getreuen geistlichen und weltlichen Standes
das Testament des Remigius eingesehen war, d. h. das
längere, denn nur dieses handelt von der Restitution der
Kirchengüter. Das Formular dieser Urkunde ist nicht
ganz unbedenklich, und der Uebergang zur Dispositio mit
den Worten: 'Et ut in calce omnia concludamus' wider-
spricht allem Urkundenstil und erinnert lebhaft an einen
Schüleraufsatz. Aber Herr Prof. Bresslau, dessen kundigen
Beirathes ich mich bei dieser diplomatischen Untersuchung
erfreute, bemerkt mit Recht, dass die Urkunde nicht ganz
falsch sein könne. Die ungewöhnliche relativische An-
knüpfung der Corroboration : 'Quam auctoritatem, ut per
Ventura tempora certior habeatur, manu nostra subterfirma-
vimus et anuli nostri impressione roborari decrevimus'
findet sich auch in Karls d. Kahlen Privileg für Saint-
Maur-des-Fosses1 vom 10. October d. J., und dieses ist
im Original vorhanden. Die technischen Mängel in der
Stilisierung der Urkunde können dann vielleicht durch
die Annahme erklärt werden, dass Hinkmar ein Con-
cept entworfen habe, und dasselbe in der Canzlei wenig-
stens zum Theil benutzt worden sei. Leider sind die
älteren Reimser Urkunden, wie mir Herr Stadtarchivar
Demaison mittheilt, schon früh verloren gegangen, so dass
1) Bouquet VIII, 479.
Reimser Remigius - Fälschungen.
563
man also für die Kritik nur auf Flodoard angewiesen
ist. In diesem Falle lässt sich aber wenigstens über die
späte handschriftliche Grundlage des heutigen Flodoard-
Textes hinauskommen. Udalrich von Bamberg hat näm-
lich einige dieser Urkunden, darunter die vorliegende, in
seine Brief Sammlung aufgenommen, und ihm hat ein
reinerer Text vorgelegen, als ihn die erhaltenen Hss.
bieten. Eine Gegenüberstellung wird das zeigen * :
Codex Udalrici.
per hanc nostrae confirma-
tionis auctoritatem in con-
spectu Dei, coram cetu
fidelium nostrorum tarn ec-
clesiastici quam laicalis ordi-
nis, testamento praesentialiter
. . . reddimus.
Flodoardi codd.
per hanc nostrae confirnia-
tionis auctoritatem, inspecto
coram coetu fidelium nostro-
rum tarn ecclesiastici quam
laicalis ordinis testamento
SANCTI REMIGII, presen-
tialiter . . . reddimus.
Der König restituiert also die Güter 'in conspectu Dei'
und 'coram coetu fidelium' durch 'testamentum', d. h. ur-
kundlich, und nicht 'inspecto coram c. f. . . . testamento
sancti Remigii'. 'Testamentum' nämlich hat hier die Be-
deutung von Urkunde schlechtweg, und begegnet in dieser
Bedeutung auch in anderen Diplomen Karls d. Kahlen 2.
Der Flodoard - Text, wie wir ihn heute besitzen, ist
also verfälscht; er ist verfälscht zur Beglaubigung des
längeren Testaments des Eemigius. Ich muss es anderen
überlassen, diese Spur weiter zu verfolgen3. Dabei wäre
zu beachten, dass schon Flodoard gefälschte oder doch
verfälschte Urkunden4 im Reimser Archive vorgefunden
1) Da Jaffe, Bibl. V, diese Briefe, weil sie aus Flodoard entlehnt
sind, fortgelassen hat, muss mau für die Flodoard - Kritik den alten Text
hei Eccard, Corpus hist. medii aevi II, p. 4(J — 44, benutzen, und sich
durch Anfrage bei den Bibliotheken Gewissheit über seine Treue ver-
schaffen. Ich erhielt die gewünschte Auskunft von HH. Dr. Höldlin
v. Tiefenau in Wien und Stiftsbibliothekar P. Hammerl in Zwettl. 2) Urk.
von 863 (Bouquet VIII, p. 588) : 'testamentum hoc praeceptionis fieri
iussimus' ; Urk. von 872 (Bouquet VIII, p. 639) : 'confirmantes eis regali
testamento has villas1. In der ersten Urk. werden 'chartarum instrumenta'
und 'testamenta rerum ecclesiae pertinentium1 gleichgesetzt. 3) Augen-
scheinlich von demselben Fälscher rührt die Bemerkung am Schlüsse von
II, 19 her, dass Christus dem Remigius die Gewalt über das Frankenreich
und das Recht, ihm einen König oder Kaiser zu setzen, verliehen habe;
sie steht auch mit der vorausgehenden Misbilligung der Einmischung
Ebo's in die weltlichen Geschäfte im Widerspruch. 4) Die Urk. Lud-
wigs d. Fr. bei Flod. II, 19 ist von Waitz (v. Sybels Hist. Zeitschr. XX,
174 ; VG. III, 39 2) verworfen, von Sickel, Acta Carol. II, 330 in Schutz
564 Br. Krusch.
hat, Producte der Hinkmarschen Schwindelfabrik : er selbst
aber war ein Ehrenmann und ist über jeden Verdacht er-
haben.
Durch Lug und Trug hat sich der Erzbischof von
Reims zu der kirchlichen und politischen Machtstellung
emporgeschwungen, die ihn unter dem Gallischen Episco-
pate auszeichnet, und immer ist es der h. Remigius, durch
welchen man in den verschiedenen Zeiten seine Präten-
sionen durchdrückt. Aus ihm ist allgemach eine neue
Gottheit geworden, die allerdings nur für die Reimser
Kirche und ihren Erzbischof zu sorgen hat. Und aus
wie bescheidenen Anfängen ist Remigius zu den himm-
lischen Gewalten emporgestiegen, seine Nachfolger immer
nach sich ziehend ! Wenn Gregor von der Taufe Chlodo-
vechs durch Remigius spricht, wenn man diese im 7. Jh.
nach Reims legt, so fehlen doch noch alle Hintergedanken
bei dieser rein kirchlichen Ceremonie. Die Beziehung auf
die Königserhebung hat zuerst Hinkmar hergestellt durch
geschickte Ausnutzung der kirchlichen Salbung, und er
hat zuerst praktisch die Königssalbung mit dem vorgeb-
lich Chlodovechschen Salböl ausgeführt 869 bei der Krö-
nung Karls d. Kahlen zum Könige von Lothringen. Er
ist der Begründer und geschickteste Vertreter jener
Reimser Fälscherschule, in deren Treiben wir eben einen
Einblick gewannen, der Verfasser der lügenhaften V. Re-
migii mit Einschluss des kürzeren Testamentes, welches
bisher für echt galt. Unter seinen Nachfolgern wachsen
die Ansprüche in demselben Masse, wie die Fälschungen
plumper werden. Erzbischof Gervasius nimmt 1059 schon
ausser der Weihung auch die Wahl des Königs für sich
in Anspruch unter Berufung auf den allmächtigen Remi-
gius und dessen Papst, der ihm die Gewalt mittelst
eines Stabes verliehen habe, und dieses neu hinzuge-
fälschte Symbol in der Hand haltend, wählt er den König.
Das längere Testament codificiert die Prätensionen des
Reimser Stuhles in dieser seiner Glanzperiode. Gefälscht
um die Mitte des 11. Jh. und nicht vor Hinkmar, wie man
bis jetzt annahm, wurde es in Hinkmars V. Remigii ein-
geschwärzt; ein Fälscher betrog den andern, aber auch den
anständigen Flodoard beschmutzte man zur Empfehlung
des betrügerischen Documentes. Wenn es die Absicht des
genommen. Mühlbacher, Karol. Regesten n. 777 erklärt sie neuerdings
als umgearbeitet und zurechtgerichtet durch Hinkmar, und das ist sie
mindestens.
Reimser Remigius - Fälschungen.
565
Fälschers war, dass nur die so verfälschten Texte auf die
Nachwelt kommen sollten, so hat er wenigstens beim Flo-
doard seinen Zweck erreicht.
Ich möchte die Gelegenheit benutzen, auf eine Quelle
Flodoards aufmerksam zu machen. Das Kloster Berceto
in der Provinz Parma, eine Stiftung König Liutprands *
(712 — 744), besass Reliquien des h. Remigius. Ihre Ueber-
tragung dorthin durch Bischof Moderamnus von Rennes
zur Zeit König Chilperichs II. (717 — 722) erzählt Flodoard
I, 20. Dieselbe Geschichte ist mit einigen stilistischen
Abweichungen in gewissen Hss. von Hinkmars V. Remigii
zu finden, und auch der Bollandist Suysken2 hatte deren
zwei, Mus. Boll. Q. Ms. 4 (heute Brüssel 7487, s. XIII)
und Cod. Bonifontanus, begnügte sich aber, da er die Ver-
fasserschaft Hinkmar absprechen zu müssen glaubte, mit
dem Abdruck der Flodoardstelle. Ohne überhaupt den
Wortlaut jenes Zusatzes zur V. Remigii zu kennen, urtheilte
Heller3, dass er aus Flodoard entnommen zu sein scheine.
Die Sache verhält sich aber gerade umgekehrt.
Der Stil in ihm ist ungemein unbeholfen und stellen-
weise ganz unklar, auch nicht fehlerfrei, während der
fliessend geschriebene Bericht Flodoards durchaus den ge-
schickten Stilisten verräth:
Hss. der V. Remigii.
Cumque diluculo surrexisset
et iter coeptum arriperet
Audiens autem praefatus
episcopus hoc miraculum, re-
trogradiens
nitensque illas eadem nocte
recipere, ac minime valuit
Remeante vero ab urbe
Roma memorato praesule, ve-
nit ante sepulchrum b. R.
Flodoard.
Cumque d. surgens iter c.
arriperet
Hoc prefatus episcopus
audito miraculo regrediens
sed relicta pignera eadem
nocte minime valuit recipere
Remeans autem ab urbe
Roma memoratus presul, ac-
cessit ad venerandum b. R.
sepulchrum.
Flodoard hat mit gutem Tact die ganz überflüssigen Ge-
rundia in den Wendungen 'tradendo delegavit', 'donando
tradidit' ausgelassen und bisweilen fast elegant stilisiert:
1) Paulus, hist. Lang. VI, 58.
3) SS. XIII, p. 434.
2) AA. SS. Oct. I, p. 64. 124.
566 Br. Krusch.
Hss. der V. Eemigii.
eaedem ibi reliquiae reman-
serunt.
recordatus reliquiarum in
quercu dependentium.
nullo ingenio valuerunt re-
liquiae contingi ab eo, sed in
subliniius elevabantur nutu
divino.
Flodoard.
haec ibidem remansere pi-
gnera.
ubi relictarum memor fit
reliquiarum.
nullo valet eas ingenio
contingere , dum m i r a b i 1 i
signo, ut eas contingere
vellet, elevarentur in sublime.
Der Ausdruck 'nutu divino' gehört der alten Sprache an
und würde allein schon beweisen, dass dieser Text der
ursprüngliche ist.
Dass Hinkmar selbst diesen Nachtrag zu seiner V. Ee-
migii gemacht habe, halte auch ich für ausgeschlossen,
aber vor der Mitte des 10. Jahrh. muss er niedergeschrie-
ben sein wegen der Benutzung durch Flodoard. Sein
Zweck ist ein sehr durchsichtiger. Wenn nämlich nach
dieser Quelle König Liutprand aus Liebe zum h. Eemigius
das Kloster Berceto, welches ursprünglich dem h. Abundius
geweiht war, aber schon im 10. Jh. den Namen des Eeim-
sers führt1, mit allem Zubehör, nämlich 800 Hufen — der
vorsichtige Flodoard fügt 'ut tradunt' hinzu — dem Mode-
ramnus schenkt, und dieser wieder alle seine Eechte auf
das Kloster St. Eemi überträgt, so liegt die Unwahrschein-
lichkeit2 dieser Angaben ebenso auf der Hand, wie die
Absicht des Scribenten, das italienische Kloster in ein
Abhängigkeitsverhältnis zu der Mutteranstalt zu setzen.
Nachrichten von ihm wird man in St. Eemi, wenn nicht
eher, durch den Langobarden Eadoin erhalten haben.
Zuerst Canonicus oder, wie Flodoard will3, Abt von Ber-
ceto, begab er sich aus Liebe zu seinem Patron in des-
sen Kloster nach Frankreich und lebte dort unter Erz-
bischof Ebo, also im Anfang des 9. Jh., bis an seinen Tod
als Propst, wie allein der ältere Text angiebt.
Da dieser sowohl an sich als für die Kritik Flodoards
von einigem Interesse ist, mag er hier eine Stelle finden.
Benutzt sind drei Hss. :
1) Vercelli, Archivio capitolare n. CCV, saec. X.,
in 4°, fol. 91 — 94. Der Zusatz steht hinter Hinkmars
V. Eemigii und ist von derselben Hand wie diese ge-
1) AA. SS. 1. 1. p. 124. 2) Schon Suysken zweifelt : 'Adde, quod
satis mirum videri debeat, si Liutprandus Lougobardorum Italiae rex per-
miserit, sui regni abbatiam alteri in Francia sito donari'. 3) Hist. Rem.
eccl. II, 19.
Reimser Remigius - Fälschungen. 567
schrieben. Abschrift verdanke ich Herrn Prof. Holder-
Egger K
2a) Eeims n. 1146 (793.773), saec. XL und
2b) Brüssel n. 7487—91 (früher Mus. Boll. Q. Ms. 4),
saec. XIII., interpolieren die Stelle zwischen Cap. 30 u. 31
der V. Reinigii. Diese beiden Hss. habe ich selbst ver-
glichen.
Temporibus2 Chilperici regis Francoruni extitit qui-
dam vir nobili prosapia oriundus nomine Moderamnus 3,
qui gratia Dei quodam praesagio sui nominis prudenter ac
moderanter prakticam, id est actualem vitam, ducens, Re-
donensi4 meruit ecclesiae ordinari episcopus. Qui, pro-
cessu temporis succedente, per licentiam praedicti regis
praecordiali devotione limina sancti Petri adire disponens,
divertit 5 in monasterium beati Remigii Francoruni apostoli,
quod est constructuni in suburbio Remorum praepotentis
urbis, ubi ipse doninus et confessor Christi egregius prae-
tiosissimo requiescit corpore. Ubi cum gratia orationis
advenisset, liberalissime a monachis eiusdem loci susceptus,
petiit sibi dari, si possibile foret, a6 Bernehardo sacri
scrinii custode aliquid reliquiarum sanctissimi Remigii;
quod üie, ut erat praestabilis super iustis petitionibus, non
distuM, quin daret illi particulam de stola et cilicio atque7
sudario eiusdem sancti. Quibus gratanter acceptis, mox
coeptum carpens iter, post aliquantos dies venit ad mon-
tem Bardonum in Italia, ibique nocte quiescens, memora-
tas in ramo ilicis venerabiliter suspendit reliquias. Cuin-
que diluculo surrexisset et iter coeptum arriperet, immemor
reliquiarum, nutu, ut creditur, divino eaedem ibi reliquiae
remanserunt. Scandente vero episcopo iam niontem* Bar-
donum9, recordatus reliquiarum in quercu dependentium,
statim 10 direxit suum clericum nomine Vulfadum n, iubens
reliquias recipi sibique afferri. Quo perveniente clerico,
nullo ingenio valuerunt reliquiae contingi ab eo, sed in
sublimius elevabantur l- nutu divino. Audiens autem prae-
fatus episcopus hoc miraculum, retrogradiens , in eodem
loco fixit tentorium, nitensque illas eadem nocte recipere,
1) Es ist das ungedruckte Mirakel in seinem Reisebericht X. A.
XVII, 477. 2) praescr. 'De reliquiis beati Remigii per sanctum Mode-
rannum in Italiam delatis' 2 b. 3) 'Moderannus' semper 2 b. 4) ita
2a, b; lRedmensi'(?) 1. 5) 'dev.' 2a. 6) 'ab Emebardo' 2a; 'ab
ernardo' (corr. 'ernado') 2 b. 7) 'et' pr. m. superscr. 'atque' 1. 8) 'mor-
tem' corr. 'montem' 1. 9) 'Bardonem' 2 a. b. 10) ita 1 cum Flod. ;
'ilico' 2 a.b. 11) ita 1 cum Flod.; 'Wlfaudum' 2a. b. 12) 'subleva-
bantur' 2 a. b.
568 Br. Krusch.
ac1 nriniine valuit, donec, facto mane, propitiante Deo et
intercedente beato Remigio , in monasterium 2 vocabulo
Bercetuin, in honore sancti Abundii martyris 2 constrnctum,
missam celebraret; ibique partem praedictarum 3 reliquia-
rum sancti Remigii venerabiliter collocans, post demum
coeptum iter aggressus est4 Leobrandum regem Italoruni
virum strenuum. Nam idem rex praedictarum virtutem
reliquiarum iam compertam habens, amore beati Re-
migii idem monasterium Bercetum cum omnibus adia-
centiis omnique abbatia, 800 scilicet mansa continen-
tia5, praefato Moderamno6 episcopo tradendo delegavit
eique in praesentia fidelium suorum secundum legalem
morem vestituram et cartam 7 f ecit. Remeante vero ab urbe
Roma memorato praesule, venit ante sepulchrurn beati Re-
migii, ubi ipse sacratissimo quiescit corpore, atque, sicut
Uli praedictus rex illam terram donando tradidit, ita nichi-
lominus eidem sancto contulit. Et in suo prospere rever-
tens episcopio, successorem sibi destinatum ordinari fecit,
sicque suis filiis valefaciens, Bercetum monasterium petiit
et usque ad diem obitus sui in illo loco moderate et hono-
rabiliter, sicut servus Dei, conversatus8 fuit. Unde et
usque hodie vocatur ille locus ad Sanctum Moderamnum.
Cuius loci canonicus nomine Radoinus ü processu temporis
amore beati Remigii in Franciam veniens, in suo mona-
sterio monachus est effectus et pro sua probitate usque 10
ad extremum vitae honorem praepositurae adeptus.
1) om. 2 a. b. 2) 'monasterio v. B. ('Berceto' 2 b) — A. m. Christi
constructo' 2 a. b. 3) 'rel. pr.' 2 a, corr. 4) 'Cumque pervreniret ad
monasterium in ipsius montis fastigio sitüm atque in honore sancti Bene-
dict dedicatum, reperit ibidem' add. 2 a. b, om. 1, neque Flod. ea legisse
videtur. 5) 'continente' 2 b. 6) 'Moderanno' 2 a, ut infra. 7) 'tarn'
pr. m. in loco raso 1. 8) 'conservatus' 2 b. 9) 'Rodoinus' 1, corr.
10) 'u. ad e. vitae' om. 2 a. b.
XIV.
Studien
Thüringischen Geschichtsquellen.
IL
Von
Oswald Holder - Egger.
IL Ueoer die C omp osition der Chronik von Reinliards-
brunn und ihre verlorenen Quellen.
liöchst verdienstvoll und von der grössten Bedeutung
für Jeden, der deutsche Geschichte in der Zeit Otto's IV.
und der ersten Regierungs jähre Friedrichs II. zu behan-
deln unternimmt, ist der von K. Wenck in seinem Buch
über die Entstehung der Reinhardsbrunner Geschichts-
bücher1 erbrachte Nachweis, dass für die Jahre 1209 — 1215
(1217) in der Chronik von Reinhardsbrunn2 nicht wie in
den übrigen Partieen die Erfurter St. Peters - Chronik aus-
geschrieben, sondern vielmehr in beiden Chroniken dieselbe
Reinhardsbrunner Quelle benutzt ist. Indessen ist mir
noch keine Geschichtsbehandlung jener Zeit bekannt, in
welcher die Consequenz jenes wichtigen Nachweises ge-
zogen wäre3. Vielleicht ist das dem Umstand zuzuschrei-
ben, dass Wenck seinen Beweis nicht so weit ausgedehnt
und nicht so scharf geführt hat, dass Jedermann, der ihn
läse, ohne auf die beiden Quellen zurückzugreifen, von
der Richtigkeit jener Behauptung überzeugt sein müsste4,
und dass Wenck vielleicht nicht genügend die Wichtigkeit
seines Nachweises betont hat 5. Zwar hat er dann noch
einmal in dieser Zeitschrift dieselbe Frage behandelt und
seine Behauptung vertheidigt 6, sich da aber nur allge-
meinen Erwägungen hingegeben, welche zu wenig über-
zeugend wirken, hat es unterlassen, durch Vergleich ein-
zelner Stellen beider Werke den Beweis zwingend zu füh-
ren. Und wie viel näher lag es doch der früheren, von
1) S. 2(3 ff. 2) So nenne ich die von Wegele herausgegebenen
'Annales Reinhardsbrunnenses', welche diese Bezeichnung zu Unrecht
tragen. 3) "Winkelmanns Otto IV. erschien schon 1878, in demselben
Jahre wie "Wencks Abhandlung, und die erste Partie von Regesta Im-
perii V war ebenfalls damals schon gedruckt. Daher konnte in beiden
Werken jener Nachweis nicht mehr berücksichtigt werden. 4) Durch
die Bemerkungen von Erich Schmidt, Zeitschr. d. V. für Thür. (.-fesch. N. F.
XII, 132 ff., der Wenck zustimmt, ist dessen Beweis kaum verstärkt worden.
5) Aber nachtraglich hat er Zeitschr. d. V. für Thür. Gesch. N. F. XII,
224 das mit Recht besonders hervorgehoben. 6) N. A. X, 105—111.
572 Oswald Holder -Egger.
X. Wegele x und O. Posse 2 vertretenen Meinung zu folgen,
dass , wie sonst durchweg die Erfurter Chronik in der Kein-
hardsbrunner ausgeschrieben ist, auch die Partie von 1209
— 1215 auf jener beruhe. Ich will daher einiges zur Ver-
stärkung von Wencks Beweisführung hinzufügen.
Dass das Verhältnis des Chron. Reinhardsbr. zur
St. Peters - Chronik in den Jahren 1209 — 1215 ein voll-
kommen anderes ist, als sonst überall, zeigt schon ein
Blick auf Wegele's Ausgabe des ersteren, wo petit gesetzt
ist, was in der Erfurter Chronik steht, in grösserem Druck
wiedergegeben, was dort sich nicht findet3. Der Reinhards-
brunner Compilator des 14. Jh. pflegt sonst seine Quellen
ganz wörtlich abzuschreiben. Seitenlang copierte er sonst
eben diese Erfurter Chronik, Dietrichs von Apolda Vita
Elisabeth u. a. ohne irgend welche erhebliche Aenderun-
gen4, sofern ihm nicht zwei Quellen, die dasselbe berich-
teten, Anlass zur Compilation ihrer Berichte boten. In
der Partie aber von 1209 — 1215 müsste der Compilator,
wenn er die Erfurter Chronik abgeschrieben hätte, deren
Wortlaut in der seltsamsten Weise bald abgeändert, bald mit
hinzugefügten Worten vermehrt und aufgeputzt, dann aber
auch durch Zusätze sachlichen Inhalts bereichert haben,
welche eine gute Kenntnis der Geschichte jener Zeit und eine
lebhafte Theilnahme an den Vorgängen, immer zu Gunsten
des Landgrafen Hermann, bekunden. Wären diese sach-
lichen Zusätze nun einer zweiten Quelle entnommen, so
müssten bei dem groben Ungeschick des späten Compilators
die zusammengefügten Theile beider Werke weit ausein-
ander klaffen, vor dem kritischen Blick von selbst ausein-
ander fallen und als Bestandtheile eben zweier verschie-
dener Schriften leicht erkennbar sein 5. Liest man indessen
1) Ann. Reinhardsbr. S. 28. 2) Die Reinhardsbrunner Geschichts-
bücher S. 50 u. a. 0. 3) Freilich ist das nicht streng durchgeführt.
Manche Worte sind petit gesetzt, welche in der Erfurter Chronik fehlen,
manche gross, welche sich dort finden. 4) Wenn Wegele S. xxv von
dem Compilator sagt : 'er gefällt sich darin, den einfachen Berichten des
Chr. Sanp. maius und des Chr. S. Aegid. (d. i. Chron. Minor) ein neues
Gewand umzuhängen, das er aus lauter hohlen Phrasen zusammenwebt,
oder dieselben mit seiner leeren Rhetorik zu erweitern und auszumalen',
so trifft das an keiner der Chron. Minor entlehnten Stelle zu und auch
sonst durchaus nicht an den aus der Erfurter Chronik entnommenen
Stücken. 5) Die in der That in der Partie 1209 — 1215 vom Compilator
aus anderen Quellen eingelegten Stücke, nämlich aus Dietrichs Vita Eli-
sabeth I, 1. 2 (Wegele S. 121. 122), aus Chron. Minor (1212, S. 126,
Gründung des Minoritenordens ; 1213, S. 130, Tod der Königin Gertrud
von Ungarn ; 1215, S. 145, Dekrete Innocenz' III.), und aus Cron. S. Petri
(1214, S. 133, über S. Dominicus) und einiges wenige andere, heben sich
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 573
den reinen, emendierten Text des Chron. Reinhardsbrunn.,
zu dessen Herstellung aus der oft zerrütteten Ueberliefe-
rung des Hannoverschen Codex gerade die Erfurter Chronik
die wesentlichsten Dienste leistet, so wird man alles in
bester Ordnung und schönstem Zusammenhange finden. Es
stellt sich als ganz unmöglich heraus, dass die sachlichen
Zusätze einer zweiten Quelle entlehnt sein könnten, denn
diese Quelle müsste im wesentlichen denselben Inhalt und
Wortlaut gehabt haben wie die entsprechende Partie der
Erfurter Chronik. Denn, wie sollte es sich sonst z. B. er-
klären, dass, während Cron. S. Petri zum J. 1211 hat: 'Nani
prefatus Guncelinus coadunatis sibi Saxonibus in Mulhusen
se recipiens, exinde villas finitimas depopulabatur aut . . .
pecuniam ab eis extorquebat', das Chron. Reinhardsbr.
sagt: 'Prefatus namque Gunjcelinus] coadunatis sibi Saxo-
nibus in Molhusen se recipiens et tarn cum hiis quos
secum adduxerat quam cum ipsius opidicivibus
de die in diem inde progrediens, villas finitimas aut
depopulabatur aut . . . peccuniam ab eis extorquebat' ? Es
ist doch keineswegs nur eine rhetorische Ausmalung, dass
die Bürger von Mühlhausen an dem Zuge des Gunzelin
von Wolfenbüttel Theil nahmen. Hätte der Reinhards-
brunner Compilator hier die Erfurter Chronik benutzen und
den gesperrten Satz einer zweiten Quelle entnehmen kön-
nen, so hätte auch die letztere berichtet haben müssen,
dass Gunzelin auf Mühlhausen gezogen wäre und von da
weiter marschierend das Gebiet des Landgrafen gebrand-
schatzt hätte, während uns sonst andere Quellen von diesen
Vorgängen überhaupt nichts berichten1. Also müsste diese
zweite Quelle eine ganz unheimliche Aehnlichkeit mit der
Erfurter Chronik gehabt haben.
Oder wie kommt es doch, dass, während diese nur
ganz kurz sagt, dass der Landgraf in der Bedrängnis durch
eben jenen Gunzelin und dessen Thüringische Verbündete
'castra sua, quantum prevaluit, munire non distulit', da-
gegen das Chron. Reinhardsbr. breit ausführt, in der Be-
drängnis durch jene Gegner wäre er bald im freien Felde
ihnen entgegengezogen, bald hätte er sich 'intra murorum
receptacula' zu bergen gesucht, schliesslich, da er der
Uebermacht der Gegner durchaus nicht mehr zu wider-
auch wirklich so stark von dem übrigen Bestände ab, dass es unmöglich
ist, sie nicht bei dem ersten Lesen als fremdartige Einlagen zu erkennen.
1) Die Sachs. Weltchronik c. 348 und aus ihr die Braunschw. Reimchr.
v. 6901 ff. berichten nur ganz allgemein, dass des Landgrafen Gebiet von
des Kaisers Freunden verheert wurde.
Neues Archiv etc. XX. 38
574 Oswald Holder -Egger.
stehen vermochte, hätte er 'tutum in Castro Wartperg asy-
lnm' aufgesucht. Wenn auch dieser Passus des Chron.
Reinhardsbr. ganz ebenso wie die ganze originale Partie
1209 — 1215 desselben rhetorisch stark aufgeputzt ist, so
enthält sie denn doch beträchtlich mehr als blosse rheto-
rische Ausmalung des durch die Erfurter Chronik Ueber-
lieferten. Ist es nicht eine sehr sachliche Mittheilung,
dass der Landgraf schliesslich auf die feste Wartburg sich
zurückzuziehen genöthigt war? Sehr wohl kann der Er-
furter Autor mit seinen kurzen Worten den ausführlichen
Bericht, wie er im Chron. Reinhardsbr. steht, obwohl un-
genau, zusammengefasst haben. Der Reinhardsbrunner
müsste, wenn er die Erfurter Chronik hier ausschrieb,
nothwendig eine zweite Quelle benutzt haben, welche die
Thüringischen Begebenheiten des Jahres 1211 sonst wie
Cron. S. Petri beschrieb, aber noch genauer darüber be-
richtete, und müsste mit unübertrefflicher Geschicklichkeit
die Nachrichten der beiden Quellen verbunden haben.
Nun erkannte Wenck gerade an jener aufgeputzten
Stilistik der Partie 1209—1215 in der Cron. S. Petri, dass
diese aus Reinhardsbrunner Quelle geflossen sein müsse,
weil er in den originalen Partieen der Chronik von Rein-
hardsbrunn für die Zeit 1198 — 1208 reichliche Belege der-
selben aufgebauschten Rhetorik fand wie in Cron. S. Petri
und Chron. Reinhardsbr. in deren Abschnitt 1209 — 1215.
Ja, zweifellos ist es so ; die pompöse, richtiger geschwollene
Sprache ist in beiden Abschnitten durchaus und ganz un-
verkennbar dieselbe, wir werden darüber noch zu reden
haben, nur ist sie im Chron. Reinhardsbr. ganz die gleiche
in den Abschnitten 1209 — 1215 wie 1198—1208, während
in der Erfurter Chronik der Schwulst gemindert ist. Ich
füge hier hinzu, dass der Mann, welcher diese Sprache
schrieb, sich zu ihrem Aufputz mit Vorliebe solcher Flicken
bediente, welche er von Lucan, Vergil, Boetius, Sedulius
erborgte. Und diese Bemerkung dient mir, um die hier
beizubringende Verstärkung von Wencks Nachweis über
jeden Zweifel zwingend zu machen.
Ebenfalls noch in dem Bericht über den Peldzug
Gunzelins gegen den Landgrafen, dem ich bereits zwei
Exempla entnahm, erzählt Chron. Reinhardsbr., die Thü-
ringischen Barone hätten sich bei Gunzelins Angriff zu-
nächst abwartend verhalten, um dann nicht dem beizu-
stehen, welchem sie am meisten verpflichtet waren (der
Autor meint den Landgrafen von Thüringen), sondern dem,
welcher ihnen die beste Handsalbe böte. Er fährt fort:
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 575
'puto edocti a poeta, quod "ibi fas, ubi maxima merces" ;
nee miruni, cum eciani sapientum oculos munera soleant
excecare K Igitur antedictus G[uncelinus] et universos con-
venit et singuios, et quia renales manus invenerat,
multa peceunia eos ad hoc induxit et conduxit, ut domino
suo hereditario, videlicet Thuringie lantgravio, consuete
liberalitatis et munificencie ipsius inmemores, publice re-
nuneciarent'. Der Poet, welcher hier citiert wird, ist
Lucan. der X, 407 f. sagt:
'Nulla fides pietasque viris. qui castra seeuntur,
Venalesque manus: ibi fas, ubi proxima 2 merces'.
In Crom S. Petri findet sich nichts über die abwartende
Haltung der Thüringischen Barone, der ganze oben be-
schriebene und wiedergegebene Passus fehlt, es heisst da
nur: Tnter hec idem Guncelinus universos Thuringie ba-
rones convenit et singuios, et quia venales manus in-
venerat, multa peeunia eos ad hoc induxit et conduxit, ut
domino suo hereditario, scilicet lantgravio, publice renunc-
tiarent'. Der Erfurter Chronist hat die eine Hälfte des
Lucanischen Verses, den der Reinhardsbrunner in einen
Satz verwebt hatte, mit überliefert, er hat die von jenem
citierte andere Hälfte des Verses mit dem ganzen Eingange des
Berichtes weggelassen ! Wollte man nun selbst die Un-
möglichkeit als möglich gelten lassen, dass ein Späterer
den die Gleichzeitigkeit des Schreibenden bezeugenden
höhnischen Ausfall auf die Geldgier und Treulosigkeit der
Thüringischen Barone und die Erinnerung an die gewohnte
Freigebigkeit und Munifizenz 'des muten lantgräven' hin-
zugesetzt hätte, so wird es Niemand für möglich halten,
dass der Zusatz so geräth, dass er die eine Hälfte des
Lucanverses enthält, dessen andere der Autor der Quelle
verwandt hätte. Es ist so klar nicht wie die Sonne allein,
sondern wie der Vollmond dazu und sämmtliche Sterne
bei hellster Nacht, dass der Erfurter Chronist dieselbe
Quelle hier gekürzt hat, welche der Eeinhardsbrunner
wörtlich ausschrieb. Und was er hier that, that er eben
in der ganzen Partie von 1209 — 1215, er beschnitt nicht
nur den unnöthigen Phrasenschwall seiner Quelle, was er
recht geschickt durchführte, sondern überging auch man-
ches, was ihm unwichtig schien, sowohl Urtheile, Excla-
mationen, Motivierungen, da es ihm nur auf den sach-
lichen Inhalt ankam, wie auch ganze Abschnitte seiner
1) Nach Deuter. 16, 19 : 'quia munera excaecant oculos sapientum'.
2) Aber mit der hsl. Variante: 'maxima'.
38*
576 Oswald Holder -Egger.
Vorlage. An ganz wenigen Stellen hat er etwas hinzu-
gesetzt K
Eine dieser Stellen, welche Wenck schon erwähnt
hat 2, ohne sie für den Beweis zu benutzen, bespreche ich
noch. Unter dem Jahr 1214 (statt zu 1213) meldet die
Erfurter Chronik übereinstimmend mit Chron. Reinhards-
brunn.3, nur wieder gekürzt, die Weissagung eines frommen
Mannes, dass das Heilige Land innerhalb fünf Jahren den
Sarracenen entrissen werden würde. Danach fährt sie
fort : 'Exinde dominus papa Innocencius inissis per univer-
sam ecclesiam litteris crucem constituit predicari, magistro
Cunrado de Marburch in hoc negocio Theutoniam cominit-
tendo'. Der Schluss der Nachricht ist ganz falsch, nicht
Konrad von Marburg, der damals noch nicht im öffent-
lichen Leben hervorgetreten war, sondern eine Reihe an-
derer Personen wurden zu Kreuzpredigern in Deutschland
ernannt, wie wir aiis Briefen des Papstes wissen4. Die
Angabe entstand aus der Vermuthung eines viel später
lebenden Mannes, welcher von der Rolle wusste, welche
Konrad als päpstlicher Mandatar später gespielt hat. Wäre
nun das Chron. Reinhardsbr. hier von der Erfurter Chro-
nik abhängig, so müsste sich auch in ihm jene falsche An-
gabe finden. Aber nichts davon. Dort wird von der
Kreuzzugs - Encyclica des Papstes mit Worten gesprochen,
welche zeigen, dass der Autor der Quelle sie gelesen hat 5,
dann wird die allgemeine Begeisterung erwähnt, welche
hierdurch für den Kreuzzug entfacht wurde. Hier werde
ich den Beweis abbrechen, der nun wohl überzeugend ge-
nug erbracht sein wird.
So gut wie durchweg bietet Chron. Reinhardsbrunn.
1209 — 1215 den ursprünglichen und, wie wir annehmen
1) So hat er offenbar aus dürftigen heimischen Annalen hinzuge-
fügt (Stübel S. 55), dass Otto nach der Belagerung von Weissensee sich
nach Erfurt begab, was die Magd. Schöppenchr. S. 137 bestätigt. Mit
Wenck S. 29, N." 2 anzunehmen, dass auch diese Notiz auf die Reinhards-
brunner QueÜe zurückgehe, in Chron. Reinhardsbr. ausgefallen sei, liegt
kein Grund vor. Denn der Erfurter Chronist hatte auch für diese Zeit
dürftige heimische aunalistische Notizen, denen er die Angabe über den
Erfurter Brand 1213 entlehnte. In der Cron. Thuring. Isenac. (Hist. Pist.
c. 31) ist die Angabe, dass Otto nach Erfurt ging, eben der Cron. S. Petri
entlehnt, nicht dem Chron. Reinhardsbr., welches überhaupt von dem
Eisenacher Dominikaner nicht benutzt wurde, S. oben S. 399 f. Die Notiz
über Gefangennahme des Grafen von Beichlingen stammt dort aus Sachs.
Weltchr. c. 348, nicht aus Reinhardsbrunner Quelle. 2) S. 29 f., N. 2.
3) "Wegele S. 135 f. 4) Vgl. Reg. Imp. V, n. 6143. 5) Daher konnte
der Erfurter Chronist die AVorte 'Exinde — predicari' entnehmen.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 577
dürfen \ auch nahezu vollständigen Text 2 der alten Rein-
hardsbrunner Quelle. Und dies Ergebnis ist ein wichtiges.
Wer bisher die Nachrichten der Erfurter und Reinhards-
brunner Quelle für die Jahre 1209 — 1215 zu benutzen
hatte, citierte die erstere und bemerkte, dass die letztere
Zusätze dazu biete. Wenn man auch, wie Ed. Winkelmann,
den Werth des Mehr in der Reinhardsbrunner Chronik
richtig heraus fühlte, scheute man sich doch, das recht zu
verwerthen, weil man nach der früheren Annahme des
Verhältnisses zwischen beiden Quellen quellenkritisch kei-
nen Massstab für die Glaubwürdigkeit des Mehr der letz-
teren hatte. Jetzt wissen wir, dass, was Chron. Reinhards-
brunn. 1209 — 1215 bietet, mit Ausnahme der später ein-
gelegten Stücke, alles gleich gut beglaubigt ist, da das
alles auf gleichzeitige Quelle zurückgeht, dass z. B. die
nur durch das Chron. Reinhardsbrunn, gebotenen Berichte
über die Belagerung von Weissensee durch Gunzelin im
J. 1211 (zu 1212. 1213, Wegele S. 128 f.), über die Ankla-
gen, welche Bischof Konrad von Speier gegen Kaiser Otto
vor der Versammlung in Mainz erhob (S. 128. 133 f.), über
die Gefangenschaft und Flucht des Grafen Hermann von
Orlamünde und viele Einzelheiten der Erzählung, gerade
so gut beglaubigt sind, wie alles das, was auch Cron.
S. Petri bietet. Und es ist auch von Werth, dass wir
wissen, in dem Chron. Reinhardsbrunn, sei die ursprüng-
liche Form dieser Berichte zu finden. Es ist erfreulich,
wenn die Kritik, wie hier, auch einmal aufbauen kann,
während sie sonst meist zerstörend wirken muss.
Jene verlorene Quelle muss in Reinhardsbrunn ge-
schrieben gewesen sein. Das ergiebt sich aus der Erzäh-
lung 3, dass, als die Landgräfin Sophie ihren verstorbenen
1) Denn hätte der Reinhardsbrunner Chronist viel übergangen, so
wäre es auffällig, dass der Erfurter nirgend, mit einer gleich zu erwäh-
nenden Ausnahme, etwas mehr bietet als jener, also eben alle von jenem
weggelassenen Stellen auch übergangen haben müsste. 2) Auf S. 123
von Wegele's Ausgabe sind zwei Stellen nur durch das Ungeschick des
Schreibers der Hannoverschen Hs. ausgefallen, nicht aber vom Chronisten
übergangen, wie das bei der einen schon daraus erhellt, dass in Hist.
Eccard., in welcher da Chron. Reinhardsbr. ausgeschrieben ist, mehrere
Worte, welche im Cod. Hannover, ausgefallen sind, stehen. Die beiden
Stellen sind also in der Ausgabe des Chron. Reinhardsbr. in den Text
aufzunehmen. Der sicher der alten Quelle angehörige Satz 'Fama volat —
movebantur' (Stübel S. 53) der Erfurter Chronik fehlt ganz im Cod. Han-
nover. Ob er von dessen Schreiber oder schon vom Chronisten ausge-
lassen ist, kann nicht entschieden werden, da sich von ihm in keiner Ab-
leitung des Chron. Reinhardsbr. Spuren finden. 3) Chron. Reinhardsbr.
f. 348b. c, Wegele S. 143 f.-, Cron. S. Petri S. 58.
578 Oswald Holder -Egger.
Gemahl Hermann zu St. Katherinen in Eisenach begraben
lassen wollte, der Abt von Reinhardsbrunn dagegen prote-
stierte und die Leiche in sein Kloster, die Familienstiftung
und Begräbnisstätte des Thüringischen Landgrafenhauses,
überführen lassen wollte, die Landgräfin aber ihren Willen
'contra ius' durchsetzte 1.
Wenck meinte früher 2, die Excerpte jener Reinhards-
brunner Quelle von 1209 — 1215 seien in die Erfurter St.
Peters -Chronik erst sehr spät aufgenommen, er behauptete:
erst nach Aufnahme von Stücken aus der Chron. Minor
in die Reinhardsbrunner Compilation, da eben aus der
Chron. Minor zwei Stellen zu 1208 und 1215 mit in die
Erfurter Chronik übergegangen seien. Er hat sich in-
dessen später mit vollem Recht überzeugt3, dass letzteres
auf Irrthum beruht, dass in dieser Partie der Cron. S. Petri
kein Wort, das der Chron. Minor entnommen wäre, steht4,
dass nur in Chron. Reinhardsbr. an jenen beiden Stellen
der Wortlaut der alten Reinhardsbrunner Quelle mit
Stücken der Chron. Minor verbunden ist. Daraus folgt
mit Notwendigkeit, dass der Erfurter Chronist nicht die
Reinhardsbrunner Compilation, sondern die alte verlorene
Quelle benutzte. Aber damit ergiebt sich auch, dass die
Behauptung von Wenck, der aus der Reinhardsbrunner
Quelle entlehnte Abschnitt von 1209 — 1215 sei erst spät
in die Cron. S. Petri mod. eingefügt, welche er nicht zu-
rückgezogen hat, hinfällig wird, da ihr nun die haupt-
sächlichste Stütze entzogen ist. Wenck hatte für diese
seine Ansicht noch den Umstand angeführt 5, dass in einigen
Ableitungen aus der Cron. S. Petri, nämlich den Schedei-
schen Excerpten derselben6 und dem Variloquus Erphurd.7,
nichts aus der Partie von 1209 — 1215, welche der Rein-
hardsbrunner Quelle entnommen ist, enthalten sei. Doch
kann dieser Umstand garnichts beweisen. Jene beiden Be-
nutzer hatten ihr Augenmerk hauptsächlich auf Erfurter Er-
eignisse gerichtet, wenn sie auch andere Dinge mit aufge-
1) So mit Eecht Wenck S. 31. 2) Entst. der Reinh. Gesch. S. 31.
3) N. A. X, 109. Nachdem E. Schmidt a. a. O. S. 135 f. den Irrthum
berichtigt hatte. 4) Ebendaher hat er wieder mit vollem Recht be-
merkt (N. A. X, 109, N. 2), dass die Benutzung der alten Reinhards-
brunner Quelle in Cron. S. Petri erst mit dem J. 1209, nicht mit 1208,
wie er früher auf Grund jenes Irrthums annahm, beginnt. 5) Entst.
S. 31, N. 4. 6) Das sind die Addit. ad Lambert, bei Pistorius - Struve I,
425 ff., wie ich N. A. XIX, 155 gezeigt habe. 7) Mencke II, 482. Ganz
ohne Bedeutung ist es, dass auch die ganz kurzen Annalen, welche man
Chronica Erford. civit. nennt, ebenda Col. 562, nichts aus dieser Partie
bieten.
!
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 579
nommen haben, und Erfurt war nur einmal gelegentlich in
dieser Partie erwähnt 1. Wenn Schedel nichts aus dem Ab-
schnitt von 1205 — 1215 bringt, so hat er z. B. auch aus dem
von 1189 — 1203 kein Wort entnommen. Und wir wissen, dass
sowohl Schedel wie der Verfasser des Variloquus Hss. be-
nutzten, die der einzigen uns erhaltenen Hs. der Cron.
S. Petri auf das nächste verwandt waren 2. Und diese ent-
hält eben die Eeinhardsbrunner Partie. Beide schrieben
die Cron. S. Petri erst zu Anfang des 16. Jh. aus, welcher
Zeit auch unsere einzige Hs. derselben angehört. In dieser
kann aber der Eeinhardsbrunner Abschnitt nicht zuerst
eingefügt sein3, denn im J. 1395 schon schrieb der Eise-
nacher Dominikaner in seiner Cronica Thuringorum C. 16,
§ 6. 8 (= Pist. C. 34. 36) einiges aus diesem Abschnitt
der Cron. S. Petri aus4, und in der Erfurter Chronik des
Dresdener Codex K316, welche bis 1353 reicht, die für
jene Zeit noch dürftige Excerpte aus der St. Peters -Chronik
bringt, ist aus der Eeinhardsbrunner Partie einiges zu den
Jahren 1212. 1214 ausgeschrieben5. Danach ist kein Grund
anzunehmen, dass der Abschnitt später in die Cron. S. Petri
moderna eingefügt ist, sondern er hat ihr von ihrem Ent-
stehen an zugehört. Dieser Punkt ist für die Entstehungs-
geschichte und Kritik sowohl der Cron. S. Petri wie der
Chronik von Eeinhardsbrunn von grösster Wichtigkeit, und
musste daher eingehend erörtert werden.
Wenck meinte auch 6, der gleichzeitigen Eeinhards-
brunner Quelle, welche in den Chroniken von Erfurt und
Eeinhardsbrunn ausgeschrieben ist, seien die von beiden
Chronisten übernommenen Nachrichten über des Land-
grafen Hermann (f 1217) und Innocenz' III. Tod (f 1216)
viel später erst angefügt worden. Er fand einen Grund
dafür darin, dass im Chron. Eeinhardsbr. 7 von dem Land-
1) An der oben S. 576, N. 1 besprochenen Stelle. 2) Wie ich
N. A. XIX, 154 ff. ; Lamperti Opera p. lii sqq. lxi sq. gezeigt habe.
3) Zudem, setzen wir selbst diesen unmöglichen Fall als möglich, so müsste
doch in der Cron. S. Petri zu den Jahren 1209 — 1215 statt der Reinhards-
brunner Partie etwas anderes gestanden haben, denn der Erfurter Chronist
war durchaus bemüht, zu jedem Jahr etwas zu berichten. Es ist nicht
glaublich, dass er da eine so grosse Lücke gelassen hätte. Immer hätten
also jene beiden Benutzer diesen Abschnitt übersprungen. 4) Nicht
aus Chron. Reinhardsbr. ; vgl. oben S. 399 f. 5) 'Anno M°CCXII°
(M°XII° Hs.) Otto imperator veniens in Thur. cum trebacho v Dribog
castrum lantgravii in Salcza obsedit et expungnavit. . . . Anno M°CCXIin°
(M°CCIIII0 Hs.) hoc tempore ipse Dominus — — Cunr. de Marburg in
hoc negocio Teutuniam conmittendo' = Stübel S. 57. Vgl. oben S. 576.
6) Entst. S. 26 f. 31, N. 2. 7) Wegele S. 143.
580 Oswald Holder -Egger.
grafen gesagt wird : 'De cuius transitu quia varie et dissone
habentur opiniones et cause' u. s.w. Aber diese Begründung
ist doch nicht überzeugend 1. Jene Worte wird doch wohl
derselbe Mann geschrieben haben, welcher bei Friedrichs II.
Erscheinen in Deutschland sagte2: 'Hinc varie et dissone
nascuntur opiniones', und über den Tod Friedrichs I.3:
'Que sit auteni mortis eius causa, opinio vulgi dissona et
inconcinna abinde sentencia est' 4. Und über den Tod eines
Mannes wird doch dann am meisten gesprochen, wann er
eben gestorben ist. Dann bilden sich über ihn und sein
Ende doch am meisten verschiedene Meinungen. Und ein
gleichzeitig Lebender musste doch Reden über den Tod
eines Verstorbenen viel leichter und mehr hören als ein
später Lebender. Daher kann ich in den Worten viel eher
nur ein Zeichen der Gleichzeitigkeit des Schreibenden als
des späteren Zusatzes sehen.
Viel bestechender ist die Bemerkung Wencks, die
Nachricht über den Tod Innocenz' III. sei erst später hin-
zugefügt, weil in beiden Chroniken von ihm gesagt wird5:
'Qui . . . viam universe carnis ingressus, nee similem sui
sciencia, faeundia, decretorum et legum pericia, strennui-
tate iudiciorum nee adhuc visus estfi habere se-
qu entern'. Man sollte Wenck darin beistimmen, wenn
er meint, unmöglich könnten diese letzteren Worte gleich-
zeitig geschrieben sein. Indessen lange nach dem Tode
Innocenz' können sie auch nicht geschrieben sein, denn
diese ganze Partie über das Lateranconcil von 1215 und
den Tod des Papstes ist nicht nur völlig aus einem Guss 7,
sondern sie trägt auch so unverkennbar in der Diction
das durchaus eigenthümliche und scharf ausgebildete Ge-
präge der ganzen vorhergehenden Geschichten bis 1215,
dass sie nothwendig von demselben Manne herrühren muss,
welcher die ganze hochwichtige alte Reinhardsbrunn er
Quelle verf asste s. Und weiter die Worte , welche auf
1) Einen weiteren Grund für seine Meinung findet "Wenck darin,
dass der beiden Genannten Tod falsch zu 1215 angesetzt ist. Darüber ist
unten zu handeln. Der letzte angeführte Grund, Benutzung der Chron.
Minor, an der Stelle, ist von ihm selbst als nicht vorhanden zurückge-
zogen, wie oben bemerkt. 2) Chron. Reinh., "Wegele S. 134 = Cron.
S. Petri, Stübel S. 56, wo 'sed tarnen' für 'Hinc' abgeändert ist. 3) Chron.
Reinh., "Wegele S. 49. 4) Der Satz ist corrupt überliefert. Ich habe
'causa' ergänzt; ob richtig, ist mir selbst zweifelhaft. 5) Chr. Reinh.
p. 145 = Cron. S. Petri p. 57, wo 'Qui . . . decedens nee'. 6) In Chr.
Reinh. fehlt 'est'. 7) In dem Chron. Reinh. sind nur spät Einlagen aus
der Chron. Minor darin eingefügt. 8) Auch der im Chron. Reinh. auf
die citierten "Worte folgende Satz : 'Nemo ergo illustrat', welcher in
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 581
spätere Abfassung der Quelle hinzudeuten scheinen, sind,
wie der Hexameterschluss darin lehrt, ein Citat, wie so
viele andere Wendungen, mit denen dieser Autor seine
Rede zu würzen liebt. Es stammt aus Sedulius' Carmen
paschale II, v. 68 1 :
'Nee primam similem visa es nee habere sequentem'.
Diesen Hexameter hat der Eeinhardsbrunner Autor, wie
man sieht, in seine Worte verwebt, und man kann daher
nicht mehr so viel Gewicht auf sie legen, um die Abfas-
sung der Stelle lange nach dem Tode des Papstes ansetzen
zu müssen. Sie kann schon unter dem Nachfolger Inno-
cenz' III. , schon in dessen ersten Jahren geschrieben sein.
Und das anzunehmen zwingen uns entscheidende Gründe.
Nach Wencks Ansicht freilich würden die Schlüsse,
die wir aus der Gleichheit der Diction in den verschiedenen
Partieen der Eeinhardsbrunner Quelle im Vorstehenden ge-
zogen haben, hinfällig sein. Jammerschade ist es, dass er
sich um die Früchte seiner schönen richtigen Nachweise
dadurch zum Theil gebracht hat, dass er eine Behauptung
aufstellte, welche, wenn sie begründet wäre, den Werth
der alten Eeinhardsbrunner Quelle sehr beeinträchtigen
müsste. Glücklicher Weise ist das nicht der Fall. Wenck
behauptete, die Masse des historiographischen Materials
von Eeinhardsbrunn läge in der späten Conrpilation nicht
in ursprünglicher Fassung vor, sondern sei viel später von
einem Stilkünstler dort überarbeitet. Diese unheimliche
Gestalt erscheint in Wencks erster Abhandlung S. 17 plötz-
lich, unvermittelt, und taucht dann an verschiedenen Stellen
wieder auf2. Es wird vorausgesetzt, nicht erwiesen, dass
solch eine stilistische Ueberarbeitung stattgefunden habe.
Erwiesen ist nur, dass in den Partieen der Cron. Eein-
hardsbrunn., welche mit der Eeinhardsbrunner Historia
brevis prineipum Thuringiae übereinstimmen, stilistische
Abweichungen und viele Einschaltungen erscheinen, welche
der Cron. S. Petri fehlt, muss noch diesem Autor angehören, weil er sich
fest an das Vorhergehende fügt und in seinem kurzen "Wortlaut mehrere
für diesen Autor durchaus charakteristische Wendungen aufweist. Der
verständige Erfurter Chronist musste ihn weglassen, weil darin Innocenz III.
als heilig gepriesen wird, er aber eine Vision sgeschichte gleich danach
brachte, in welcher der Papst als nichts weniger als heilig erscheint. Der
Reinhardsbrunner Compilator nahm dieselbe auch auf, aber der stiess sich
bei seiner mechanischen Arbeitsweise an solchen Widersprüchen nicht.
1) Nachdem ich lange danach gesucht, aber nur diesen Vers in Ricardi
Londin. Itinerar. peregr. I, 22, nicht dessen Quelle gefunden hatte, hat
diese Herr E. Dümmler ermittelt und mir freundlichst mitgetheilt.
2) S. 18, N. 1. 24. 33 f. 46—49. 69.
582 Oswald Holder -Egger.
sich zum Theil nur als stilistische Erweiterungen, zumeist
aber als sachliche Zusätze charakterisieren. Dieser Beweis
ist weiter ausgeführt N. A. X, 112 f. Aber damit ist noch
nicht entschieden, class die Hist. brevis überall das Ur-
sprüngliche enthält, und gar zu beweisen, dass die Rein-
hardsbrunner alte Quelle von 1187 — 1215(7) eine ähnliche
Bearbeitung erfahren habe, wie sie bei der Hist. brevis
anzunehmen wäre, falls diese die Quelle der Chronik ist,
ist nirgends auch nur der Versuch gemacht worden, das
wird vorausgesetzt. Wäre es der Fall, es stünde jämmer-
lich um den Werth dieser Quelle. Wenck suchte nur1
wahrscheinlich zu machen, dass derselbe Reinhardsbrunner
Mönch, welcher in Dietrichs von Apolda Vita S. Elisabeth
einige Erzählungen einschaltete 2, auch das historiogra-
phische Material seines Klosters stilistisch überarbeitet
habe 3. Er findet auch Stilverwandtschaft zwischen den
Zusätzen des Reinhardsbrunner Mönches zur Vita und den
originalen Abschnitten der Chronik von Reinhardsbrunn.
Da aber kaum der Versuch gemacht ist, das nachzuweisen,
so kann ich mich begnügen zu erklären, dass nach meinem
Urtheil durchaus keine Aehnlichkeit der Stilistik zwischen
der alten Eeinhardsbrunner Quelle von 1187 — 1215 und
jenen Zusätzen besteht, dass ich auf Grund der Diction
diese beiden Stücke verschiedenen Autoren zuweisen müsste,
wenn auch starke Gründe dafür sprächen, dass sie von
demselben Verfasser herrühren 4.
1) Entst. S. 23; N. A. X, 117. 2) Welche Mencke II, 1987 ff.
herausgegeben hat nach 2 Hss. aus Altzelle mit deren Varianten der Vita,
keineswegs nach dem Eeinhardsbrunner Original der so vermehrten Vita.
3) Wenck spricht da davon, dass dieser Mann auch Dietrichs Vita Elisa-
beth stilistisch überarbeitet hat. Nichts weniger ist der Fall. Die Va-
rianten, welche Mencke mittheilt, sind theils zweifellos richtige Les-
arten der Vita, wo des Canisius' recht fehlerhafter Text verdorben ist,
theils zweifellose Verderbnisse. Bei einigen kann erst das übrige Hss.-
Material entscheiden, ob sie die richtigen oder falschen sind. 4) Wenn
Wenck N. A. X, 117 sagt: 'Der Geist, welcher in der Legende (d. h. in
den Reinhardsbrunner Zusätzen zur Vita Elisabeth) lebt, giebt sich in
allen Theilen der Historien (so nennt er die Chronik von Reinhardsbrunn)
... zu erkennen', und das durch Beispiele belegt, so muss ich sagen, dass
das zum grössten Theil meinem Urtheil nach unrichtig ist, so weit es aber
richtig ist, in beiden Werken der Geist aller mönchischen Autoren des
Mittelalters zu erkennen ist, weiter nichts. Das Wenige, was Wenck sonst
für seine Ansicht anführt, hat, wie ich gestehen muss, nicht das Gewicht
eines Haares für mich. Oder sollte es mehr Gewicht haben, wenn er
N. A. X, 117, N. 1 anführt, dass Dietrich von Apolda (nicht der
Reinhardsbrunner Amplificator von dessen Werk) sagt: 'perrexit dominus
exultans ut gigas ad currendam viam' (er schreibt da Ps. 18, 6 : 'exultavit
ut gigas ad currendam viam' ab), und in der alten Reinhardsbrunner
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 583
Fragen wir uns, wie Wenck leider dazu kam, eine
stilistische Ueberarbeitung der alten Quelle von Reinhards-
brunn anzunehmen, so ergiebt sich folgende merkwürdige
Entwickelung. Wegele war durch Vergleichung der Partie
von 1209 — 1215 in den Chroniken von St. Peter und Rein-
hardsbrunn zu dem Schluss gekommen, dass der Reinhards-
brunner Compilator des 14. Jh. in diesem Abschnitt die
Erfurter Chronik in gräulicher Weise stilistisch über-
arbeitet hätte, wie wir oben S. 572, N. 4 sahen. Posse folgte
ihm darin und nahm ohne die Spur eines Beweises dafür
zu versuchen als erwiesen an, dass der Compilator des
14. Jahrh. schwülstig geschrieben, dass von ihm nur der
Schwulst herrühre 1. Wenck aber sah , dass das falsch
war, er erwies, dass umgekehrt der schwülstigere Text des
Chron. Reinhardsbrunn, der ursprüngliche, der Schwulst
zum Theil von dem Erfurter Chronisten beseitigt sei.
Dennoch übernahm er unbegreiflicher Weise den schwül-
stigen Compilator als durch den sensus communis über-
liefertes Erbstück, er behielt dieses Gespenst von Ueber-
arbeiter bei, trennte es nur von dem Compilator der Chro-
nik, da er in Folge seines eigenen Nachweises die Unmög-
lichkeit einsah, erst diesem jene verunstaltende Thätigkeit
zuzuweisen. Er kam sonach zu einer so künstlichen Con-
struction, dass diese nothwendig den Widerspruch heraus-
fordern musste 2. Es war die natürliche Folge, dass daher
auch seine richtigen Nachweise die rückhaltlose Anerken-
nung, welche sie verdient hätten, bei allen denen nicht
fanden, welche nicht in der Lage waren, die ganze Unter-
suchung nachzuprüfen.
Wäre Wencks Behauptung begründet, dass die ge-
künstelte und schwülstige Schreibweise in dem Text der
alten Reinhard sbrunner Quelle von 1209 — 1217 erst durch
einen Ueberarbeiter um 1307 gekommen sei, so müsste dem
Erfurter Chronisten schon diese Bearbeitung vorgelegen
Quelle einmal der Landgraf 'ut gygas', einmal Kaiser Otto 'tamquam
gygas' sich im Kampfe benimmt? Auch letztere beiden Wendungen ent-
stammen der Lektüre der Vulgata, aber nicht sowohl jener Psalmstelle,
als Stellen wie I. Mach. 3,1: 'induit se loricam sicut gigas', lob 16,15:
'irruit in nie quasi gigas'. 1) Als etwas selbstverständliches erklärt er
ßeinh. Gesch. S. 48, dass den 'Compilator des 14. Jh. der schwulstige
Stil verräth'. 2) Ilgen und Vogel in Zeitschr. d. V. f. hessische Gesch.
N. F. X, 14 ff., die aber in ihrem berechtigten Widerspruch gegen ein-
zelne Punkte der Ausführungen Wencks dessen wichtige, zweifellos rich-
tigen Nachweise, seine hochbedeutenden Verdienste für die Kritik der
Reinhardsbrunner Compilation völlig verkennen, da sie es nur mit deren
unbedeutendstem Theile zu thun hatten und dem zu Folge nur diesen kannten.
584 Oswald Holder -Egger.
haben. Aber keineswegs ist der Nachweis bisher erbracht,
dass die Chronik von St. Peter später als 1307 entstanden
sei, nnd es wäre etwas schwierig, diesen Beweis zu führen1.
Dieser Umstand wohl veranlasste Wenck zu dem Beweis-
versuch, dass die Eeinhardsbrunner Partie 1209 — 1217 erst
spät in die Erfurter Chronik eingefügt sei. Aber wir
sahen oben S. 578 f., dass das nicht richtig ist. Nach Wenck
hatte aber der Stilkünstler die originalen Aufzeichnungen
von Reinhardsbrunn von c. 1025 — 1230 überarbeitet, in
dem Buche, das er so neu gestaltete, standen auch weitere
Annalen von Reinhardsbrunn von 1230 — 1307, die der Stil-
künstler freilich unangetastet liess. Man sollte nun, accep-
tierte man Wencks Aufstellungen, meinen, eben dieses
Buch hätte dem Erfurter Chronisten vorgelegen. Wie kam
es denn, dass der nur jenen Abschnitt daraus entlehnte,
aus dem früheren und späteren Theile kein Wort, obgleich
ihm für die auf 1217 folgenden Jahre so wenig heimat-
liche Ueberlieferung zu Gebote stand, dass er sich bewogen
fühlte, lange Partieen aus Olivers Hist. Damiatina auszu-
schreiben ? Warum entnahm er denn nichts den Aufzeich-
nungen des Kaplans Berthold 1218 — 1228, die doch die
thüringische Heimat des Chronisten betrafen, die nach
Wenck auch in des Stilkünstlers Buche standen und von
ihm überarbeitet waren? Der Stilkünstler hatte Wenck
zu Folge auch grosse Partieen von Dietrichs von Apolda
Leben der h. Elisabeth aufgenommen. Warum schrieb er
denn diese wörtlich ab, wenn er so versessen darauf war,
seine Stilkünstelei auszuüben? Warum bewies er diese
nicht an der originalen Eeinhardsbrunner Partie von 1230
— 1307?2 Man sieht, in welches Labyrinth von Schwierig-
keiten diese Aufstellungen Wencks führen. Wir werden
schon jetzt sagen müssen: der Erfurter Chronist entnahm
die Eeinhardsbrunner Partie von 1209 — 1217 (1215) nicht
einer Ueberarbeitung, sondern der ursprünglichen Quelle,
die eben mit dem Jahr 1217 (1215) schloss.
Was zwingt denn nun, dieses Stilkünstlergespenst in
die Kritik der Eeinhardsbrunner Ueberlieferung zu über-
nehmen ? Ja, wer das wüsste ! Posse sagte 3 : 'Ein Hauch
durchweht das ganze Werk, überall dieselbe gekünstelte
Sprache'. Durchaus nicht, erklärt dagegen Wenck mit dem
1) Die schwierige Frage der Entstehung der Cron. S. Petri mod.
behandele ich in einem folgenden Aufsatz. 2) Diese Frage wirft auch
"Wenck, Entst. S. 46 auf, natürlich, ohne sie beantworten zu können.
Ueber seine später modificierte Ansicht siehe unten S. 587. 3) Die
Reinh. Geschichtsbücher S. 60.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 585
vollkommensten Kecht, Posse's 'Proben und Belege (dafür)
beschränken sich auf die erste Hälfte des Buches', be-
merkt er wieder vollkommen richtig. Und dennoch hat
der Stilkünstler um 1307 seine unheilvolle Thätigkeit aus-
üben müssen!
In der That, jener die Chronik von Reinhardsbrunn
angeblich durchwehende eine Hauch ist kein Hauch, son-
dern ein Wind 1. Wer die wirklich originalen Theile dieser
Chronik von 1187 an2 aufmerksam durchliest, wird sogleich
erkennen, dass sie in drei grosse Abschnitte zerfallen,
welche sich durch die Auswahl des Stoffes, die Art der
Berichterstattung, die Stellung, welche die Schreiber zu
dem Berichteten einnehmen, von einander unterscheiden.
Nur im Grossen und Ganzen lassen sie sich chronologisch
abtrennen in die Partie von 1187 — 1215 (1217). 1218 — 1228.
1230 — 1335, denn in allen drei Abschnitten finden sich
Einlagen, unter sich wieder sehr verschiedenen Charakters,
welche sich doch von der Masse, in welche sie eingefügt
sind, so abheben, dass man sie ohne Mühe als solche er-
kennt. Hat der Leser einige Empfindung für Stileigen-
thümlichkeit, so rnuss er auch erkennen, dass die Diction
der Theile einheitlich ist, deren sachliche Eigenthümlich-
keiten übereinstimmen, dass aber in den Theilen, welche
sachliche Verschiedenheit der Erzählung aufweisen, auch
die Sprache eine gänzlich verschiedene ist. Ganz einheit-
lich, aus einem Gusse, gleichartig in der Stoffwahl, Be-
richterstattung, Sprache ist mit Ausschluss der Einlagen
die weitaus umfangreichste Partie von 1187 — 1215 (1217) 3,
das sind jene sogenannten Annalen zur Geschichte Hein-
richs VI., Philipps, Otto's IV., deren hoher Werth allbe-
kannt ist. Hier durchweg Geschichte der Thüringischen
Landgrafen und des Reiches, auch mit Berücksichtigung
des heiligen Landes, so dass aber auch in den Berichten
über die Peichsgeschichte der thüringische Landgraf ganz
im Vordergrunde der Handlung und des Interesses steht,
Gunst und Ungunst schnell wechselnd den Königen zu
1) Posse's Schrift war seine Erstlingsarbeit. Wer seine Dissertation
schreibt, pflegt in der Litteratur des Mittelalters noch nicht sehr belesen
zu sein. Später würde Posse eine solche Behauptung schwerlich aufge-
stellt haben. 2) Absichtlich lasse ich hier vorläufig die frühere Partie
bis dahin bei Seite. — Was wirklich originale Partie ist, hängt nicht
immer davon ab, ob es in Wegele's Ausgabe gross oder klein gedruckt ist,
sondern wird durch die späteren Untersuchungen, namentlich durch die
von Wenck, entschieden. 3) Warum ich den Abschnitt mit dem J. 1187
beginnen lasse, gebe ich unten an.
586 Oswald Holder -Egger.
Theil werden, je nachdem diese sich freundlich oder feind-
lich zu den Landgrafen stellen. Diese ganze Partie ist
nun in sehr gekünstelter, überladener, geschwollener,
citatengespickter 1 Sprache geschrieben. Aber dieser
Schwulst findet sich nur hier, in keiner der späteren Par-
tieen der Chronik. Nur hier weht der eine Hauch, wel-
cher nach Posse das ganze Werk durchsäuseln sollte, denn
thatsächlich sind die wenigen Belege der Sprachkünstelei,
die er bringt (S. 61), alle dieser Partie entnommen. Somit
werden wir schliessen müssen, dass die schwülstige Sprache
eben dem Verfasser dieser wichtigen Quelle eigen war,
nicht dass sie von einem späteren Stilkünstler hineinge-
bracht ist. Wir kommen noch darauf zurück.
Es folgen an originaler Ueberlieferung die Reste der
Schrift des Kaplans Berthold 2. Er berichtet ausschliess-
lich über die Thaten des Landgrafen Ludwig IV. Die
Sprache in den ihm zugehörigen Stücken ist fast durch-
weg einfach, ja etwas unbeholfen. Von Citatenschatz ist
bei ihm nichts zu finden. Das hat auch Wenck vollkom-
men richtig empfunden. Er sagt3: 'Die Sprache ist ein-
fach, sachgemäss und sticht höchst wohlthätig gegen an-
dere überaus schwülstige Partieen ab, welche von dem
Compilator verfasst oder überarbeitet sind' 4. Es ist ihm
auffällig, 'dass diese Stücke vor der Hand des Ueber-
arbeiters besser bewahrt blieben'. Da ist es fast unbe-
greiflich, dass er sich nicht sagte : 'Ja, warum nehme ich
überhaupt einen solchen stilkünstelnden Bearbeiter an?
Der hat ja garnicht existiert'. Freilich findet er nun doch
Spuren der Thätigkeit desselben auch in einem Berthold
zugehörigen Stücke. Die Reden, welche die polnischen
1) S. oben S. 574. Nicht nur antike Autoren boten dem Verfasser
solche. Er war auch im Kirchenrecht bewandert, citierte Gratian und
Decretalen Innocenz' III., natürlich auch die Vulgata. 2) Wiederum
sind in diese spätere Reinhardsbrunner Einlagen gemacht. 3) Entst.
S. 16. 4) Dieses richtige Urtheil ist dann freilich von ihm in sein volles
Gegentheil verkehrt N. A. X, 114, wo er sagt: 'Was von dem Stil der
Annalen bis 1215 gilt, ist aber auch von den Annalen Bertholds (1218
— 27) zu sagen'. Die beiden Sätzchen, die er dort für seine veränderte
Ansicht anführt, erweisen nichts weniger als irgend eine Aehnlichkeit der
Stilistik mit der älteren Quelle. Der zweite ist nicht schwülstig, sondern
nur unverständlich, weil er durch zwei grobe Fehler in der Ausgabe ent-
stellt ist. Wenn Wenck da sagt, es sei bisweilen nicht ganz leicht, den
Sinn der schwülstigen Worte Bertholds zu enträthseln, so liegt das ein-
fach an den Mängeln der Ausgabe, selten an der schlechten Ueberlieferung,
aber von Schwulst ist da nichts zu finden. In einem gereinigten Texte
wird das Verständnis nirgend schwierig sein. Ich muss hier Wencks
frühere Ansicht auf das entschiedenste gegen seine spätere vertheidigen.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 587
Gesandten vor dem Landgrafen, als der Lebus 1225 belagerte,
halten, um ihn zum Aufgeben der Belagerung zu be-
wegen1, sollen 'sich auf den ersten Blick als Prunkstücke
des späteren Ueberarbeiters erweisen'. Aber das kann ich
nicht zugestehen ! In sehr hübscher Weise giebt da Berthold
die slawische Phrasenprunkliebe, die Grossmäuligkeit und
das Bramarbasieren der Gesandten wieder, die nach Polen-
art das Maul um so voller nehmen, je weniger ihr Herzog
thun kann, um das belagerte Schloss zu retten. Diese so
prächtig in die Sachlage hineinpassenden Reden sollten
80 Jahre später von einem Ueberarbeiter componiert sein?
Das müsste ein merkwürdig geschickter Ueberarbeiter, so
ein Mann nach dem Sinne von Ottokar Lorenz gewesen
sein, da er 80 Jahre später das, was vor dem Landgrafen
Ludwig IV. geschah, viel besser wusste, als dessen Kaplan
Berthold. Zudem diese absichtlich aufgebauschten Reden
haben nicht das geringste gemein mit der verzwickten
Sprache jener älteren Quelle von Reinhardsbrunn.
Für die letzte Hauptmasse der originalen Stücke der
Chronik von 1230 — 1307 oder 1310, in welcher zwar noch
mehrfach über thüringische Geschichte berichtet wird, aber
ohne die frühere grosse Verehrung der Landgrafen, am
meisten jedoch Dinge, die das Kloster Reinhardsbrunn an-
gehen, erzählt werden, hatte Wenck ursprünglich selbst
nicht mehr Ueberarbeitung angenommen, dann hat er aber
die Autorschaft derselben eben diesem von ihm voraus-
gesetzten Ueberarbeiter zugeschrieben, demselben, der dann
auch nach seiner schon früher geäusserten Ansicht die
Reinhardsbrunner Zusätze zu Dietrichs Vita Elisabeth ver-
fasst habe 2. Indessen alles das entbehrt einer irgendwie
ernsthaften Begründung. Denn was Wenck dafür anführt,
kann ich, und ich glaube, man wird mir darin zustimmen,
als solche nicht gelten lassen. Deshalb halte ich es auch
nicht für noth wendig, darauf im einzelnen einzugehen.
Dass ich nicht die geringste stilistische Verwandtschaft
zwischen den Reinhardsbrunner Zusätzen zur Vita Elisa-
beth und der alten Quelle von 1187—1215 (1217) aner-
kennen kann, sagte ich schon oben. Ob der Verfasser der
ersteren irgend etwas von den originalen Partieen der
Chronik von 1230 — 1310 geschrieben hat, weiss ich nicht.
Es ist möglich, aber durchaus nicht erwiesen. Fest aber
steht für mich, dass zwar die meisten der originalen Ab-
1) Wegele S. 179 f. 2) N. A. X, 118 ff.
588 Oswald Holder -Egger.
schnitte von 1230 — 1310, sicher aber nicht alle von dem-
selben Autor herrühren.
Da es sicher ist, dass Darstellungsart und Sprache der
alten Quelle von 1187—1215 (1217), der Annahm Bertholds,
der letzten Partie von 1230 an und wieder der vielen Ein-
lagen in alle diese drei Hauptmassen unter sich völlig ver-
schieden sind, müssen wir nun behaupten, dass die voraus-
gesetzte Thätigkeit des Stilkünstlers um 1307 — 1310 nicht
nur nicht nachgewiesen, sondern dass sie geradezu unmög-
lich ist. Und damit fällt selbstverständlich auch die eben-
falls nur vorausgesetzte compilatorische Thätigkeit dieses
Schein wesens fort. Denn diese war ja nur angenommen,
weil es sich nach der Sachlage als unmöglich ergab 1, die
vorausgesetzte Ueberarbeitung dem Compilator zuzuschreiben,
dessen Arbeit wir vor Augen haben.
Viel einfacher und natürlicher war in Wirklichkeit
die Zusammensetzung dieser Compilation. Wir kehren zu-
nächst zu ihrem wichtigsten Bestandtheil zurück.
Die Partie der alten Reinhardsbrunner Quelle von
1209 — 1215, welche in die Chronik von St. Peter über-
gegangen ist, war nur ein Theil eines grösseren Werkes.
Wir werden bei der Untersuchung dieser Chronik den
Grund kennen lernen, warum eben nur der Abschnitt von
1209 an in sie aufgenommen ist. Wenck sah schon, wenn
er das auch nicht begründete, dass auch die vorhergehende
Partie, die bekannte hochwichtige Quelle für die Zeit Phi-
lipps und Otto's IV., von demselben Verfasser herrühren
müsse, welcher den Abschnitt von 1209 — 1215(17) schrieb.
Er nahm daher Annalen von 1198 — 1217 an, welche dieser
Mann verfasst hätte 2. Aber es kann kaum zweifelhaft
sein, dass wir demselben Mann noch mehreres zuzuweisen
haben. Ich sagte schon oben (S. 585), dass der ganze Ab-
schnitt der alten Quelle von 1187 — 1215 (1217) durchaus
einheitlich, aus einem Gusse ist, dass die Auswahl des
Stoffes, die Stellung des Schreibers zu den Ereignissen,
die er berichtet, seine Darstellungsart und gespreizte Sprache
durchweg in diesem Abschnitt gleichartig sind. Das hat
auch Posse empfunden, als er bemerkte 3, dass die gleichen
auffälligen Wendungen in dem Abschnitt von 1184 — 1197 4
1) Oben S. 583. 2) So bestimmt N. A. X, 105. Dazu S. 101.
3) S. 60 f. 4) In diesem ist der Passus über den Tod des Abtes Her-
mann von Reinhardsbrunn zweifellos von derselben Feder geschrieben,
von welcher die ganze Quelle herrührt. Das ergiebt wieder, dass sie in
Reinhardsbrunn verfasst sein muss.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 589
und 1198 — 1217 vorkämen. Das ist auch Wenck nicht
entgangen1, der dieselbe Bemerkung machte. Aber vor-
eingenommen durch den ihnen von Wegele überlieferten
Schwulst des Compilators, schrieben sie diese charakteri-
stischen Wendungen jenem Ueberarbeiter zu. Um das zu
können, hätten sie aber doch nachweisen müssen, dass in
dem Product dieses Ueberarbeiters, d. h. der ganzen Chro-
nik, sich jene eigenthümlichen Wendungen fänden. Hätten
sie einen solchen Versuch gemacht, so wären sie zu der
Ueberzeugung gekommen, dass das nicht der Fall ist, dass
also die von ihnen als schwülstig bezeichnete Sprache mit
den von ihnen selbst bemerkten Eigentümlichkeiten dem
Autor der alten Quelle selbst zugehören müsse.
Wenigstens einiges aus der Masse des von mir ge-
sammelten Materiales muss ich anführen, um zu zeigen,
dass die Diction in beiden Abschnitten durchaus die gleiche
ist, und werde dabei nur besonders charakteristische und
auffällige Wendungen aufnehmen. Da Wegele, Martens,
Wenck übereinstimmend annehmen, dass die ältere Quelle
(1187—1197) bis S. 79, Z. 5 der Ausgabe reichte, die jün-
gere (1197 — 1217) dort einsetzte, werde ich die Wendun-
gen, welche ich dem Früheren bis zu jenem Abschnitt
entlehne, mit A, die dem Folgenden entlehnten mit B be-
zeichnen 2 :
A 66, 1-1. ad malorum sibi inminentium acervum3;
68, 3. ad maioris doloris acervum. — B 95, 12. ad malorum
acervum; 103, 1. ad malicie sue acervum; 128,5. Porro ad
acervum malorum ex denigrata circa eum fortuna sibi
supervenientium. — A67,17. cum . . de tarn flebilibus au-
spiciis denigratam circa se fortunam esse sentiret4; 62, 3.
denigratam circa se naturam profitens. — B 89, 19. Super
hiis . . . infelicibus auspiciis; 93,19. infaustis . . . auspiciis.
— A 60, 25. infaustis fortune contradicentis auspiciis; 54, 24.
flebilibus auspiciis.
A 66, 35. Prosperata . . . lantgravii fortuna. — B 135, 27.
prosperatam regis fortunam.
1) Entst. S. 30. 2) Eine A und B gemeinsame Wendung siehe
schon oben S. 580. Den Beweis, dass die Partie von 1197—1208 und 1209
— 1217 demselben Autor angehören, besonders zu führen, halte ich nicht
für nothwendig, da es nicht bestritten ist. Es ergiebt sich aber auch aus
den folgenden Parallelen. Der Abschnitt bis 1208 reicht in der Ausgabe
bis S. 119, Z. 16. 3) In der Vulgata kommt, wie man vielleicht ver-
muthen könnte, die seltsame Wendung nicht vor. Ganz entfernt ähnlich
ist Boet. Cons. phil. I, 4. 'hie etiam nostris malis cumulus accedit'. — Die
Citate sind nach dem Text meiner Bearbeitung gegeben. 4) Vgl. auch
B 135, 13 : 'fortunam circa statum suum videns esse mutatam'.
Neues Archiv etc. XX. 39
590 Oswald Holder -Egger.
A 47, 2. tedia confovit exilii; 54, 18. ut . . . latebrosa
perverse consciencie tedia . . . foverent. — B 135, 15. te-
dium fovens in latebris.
A 66, 1. quibus artibus potuit lantgraviurn favorabilem
sibi constituit. — B 98, 8. quibus potuit artibus principes
. . . semper favorabiles habuit; 83, 15. principem sibi que-
rens esse f avorabilern ; 88, 9. ut favorabilem sibi eum ob-
tineret.
A 74, 20. relatibus funestis . . . lugubris et mestus
efficitur; 60,4. Lugubris itaque et merens imperator. —
B 82, 13. Ideoque luctuosi et lugubres . . . divisum . . .
imperiuni ab infaustis relatibus audierunt; 108, 9. quin . . .
pontifex lugubris et mestus extiterit; 127,2. Siquidem lu-
gubris ac mestus Otto ; 79, 23. Tmperatrix vero lugubris ac
mesta.
A 63, 23. Sicque solutis . . . procinctibus. — B 84, 20.
sicque solutis procinctibus ; 98, 4. procinctum resolvit.
A 61, 19. ipsum invidencie calcibus atterere . . . cogi-
tabat; 66,26. aliis pungitivum invidencie ministravit acu-
leum. — B 107, 20. invidencie stimulos contra se . . . ex-
citabat; 93, 16. stimulis invidencie agitatus.
A 61, 19. ipsum . . . eradere et proscribere semper
cogitabat; 71,5. explosus et erasus ab omnibus decernere-
tur. — B 90, 3. ut proscriptus et erasus in laborintum de-
speracionis . . . incidit; 83,22. quod . . . imperator . . .
suum genitorem . . . proscriptum eraserit. Die zweimalige
Verbindung dieser beiden Ausdrücke bei B, die A einmal
hat, ist gewiss bemerkenswerth 1.
A61, 27. cui de subterraneis scrobibus argentum na-
tura prebebat. — B 100, 19. civitatenses de subterraneis
scrobibus prodeuntes; 127, 24. scrobes subterraneas in-
fodit 2.
A49, 14. cum multa celebritate exequiarum. — B 120, 30.
cum multa celebritate cleri et populi.
A 58, 11. quadam mirifica alteritate sui3. — B: 'cum
. . . cytharam nostram in luctum 4 . . . miseranda alteri-
tate demutassent' 5. Man bemerkt, dass A und B verzwickte,
seltsame Worte lieben, wie 'alteritas', 'celebritas', 'inviden-
1) 'eradere' in diesem Sinne entstammt der Vulg. — Ier. 11,19:
'eradamus eum de terra viventium'. 2) Der Ausdruck bedeutet also bei
A und B verschiedenes, bei A Bergwerksgruben, bei B Minengänge.
3) Das ist in dem Stück 'De sangwine miraculoso' 1191, welches seiner
Sprache nach zweifellos von dem Autor der wichtigen alten Quelle her-
rührt. 4) Dieses aus lob 30, 31. 5) Die letzten Worte der alten
Quelle sind 123, 3 ausgefallen, aus Cron. S. Petri ergänzt.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 591
tia', nicht 'invidia'. Es folgen gleich einige ebenso ver-
zwickte Adjectiva.
A 43, 29. cum . . . inmimerosa multitudine fideliurn.
— B 82, 10. pre innumerosa paganorum multitudine.
A 52, 21. undosis angustiis; 53,10. inminentibus peri-
culis et undisonis procellarum tumultibus. — B 123, 2. un-
disonis pressuris et calamitatibus.
A 60, 27. cum lacero exercitu 1. — B 142, 19. cum la-
cera parte exercitus ; 85, 22. cum lacero fratrum suorum
comitatu; 129,6. lacera et profuga . . . multitudo.
A 56, 30. hoc fama prodente mirifice emicuit; 74,22.
fama prodente sibi innotuit. — B 126, 1. fama prodente2
affuere qui dicerent.
A 59, 10. Eomani monarchiam apicis . . . optinuit. —
B 116, 24. qui . . . tantum monarchie apicem attigerat;
144, 7. Romane apicem monarchie.
A 69, 19. missis apicibus, destinatis ad hoc opus car-
dinalibus. — B 90, 5. Missis . . . regiis apicibus ; 93, 8. por-
rectis specialiter summi pontificis apicibus ; 95, 1. destinatis
ad hoc a sede Romana testibus et sigillatis apicibus; 144, 11.
papa . . . dirigit apices preceptivos 3.
Sehr charakteristisch sind die zahlreichen Wendungen
bei Erzählung von Krankheiten für den Autor, der offen-
bar einige medicinische Kenntnisse besass und diese zu
verwenden liebt4: A 51, 25 f.: ipsoque diversa affecto egri-
tudine et cronicis passionibus laborante. — B 126, 16. qui-
busdam . . . cronicas passiones ingerit; 143, 6. ex cronicis
passionibus. — A51, 29. passionibus et egritudinum inmi-
nentibus angustiis; 52,7. augmentatisque egritudinum pas-
sionibus ; 68, 25. cum aliarum augmento egritudinum. —
B 136. 22. Ingravescentibus . . . egritudinis laboribus. Es
ist charakteristisch für die Schreibweise des Mannes, dass
er einen so einfachen Ausdruck wie 'morbus' wohl im Bilde
verwendet, aber meist nicht da, wo er von der Krankheit
eines Menschen redet, da treten 'passiones' 5 und 'egritu-
dines' an die Stelle des einfachen Ausdrucks. Ich fahre
1) Cf. Lucan. VI, 315 : 'lacero petit agmine terras'. 2) Die Hs.
hat 'procedente1, aber 'prodente' ist natürlich mit Cron. S. Petri zu lesen.
Die Sprache ist durchweg in der alten Quelle so gleichniässig, dass oft
eine Stelle die Emendation einer anderen verdorbenen ermöglicht, wo die
Conjectur bei der verzwickten Sprache sehr schwer sein würde. 3) Der
Autor gebraucht das Wort also nur für päpstliche und königliche (einmal)
Schreiben. 4) So bemerkt er S. 117, dass der Mordstahl Otto's von
Witteisbach den 'ysophagus gutturis' des Königs durchschnitt. S. 55 be-
schreibt er die Kennzeichen nahen Todes. 5) Auch 55, 21. 'per fervo-
rem passionis'.
39*
592 Oswald Holder -Egger.
zunächst noch in der Zusammenstellung gleicher Wendun-
gen in den Partieen A und B fort.
Es war doch wohl derselbe Mann, welcher schrieb :
A 66, 9. Marchio, ne nil ageretur \ iterum fratri inminebat.
— B 84, 23. lantgravius, ne nil ageretur, delegatis sibi . . .
civitatibus acriter inminebat. Denn feindlich im Kriege
bedrängen heisst bei diesem Autor 'inminere', das er un-
zählige Mal braucht, zuweilen dafür 'instare' und 'insistere',
und will er einen starken Ausdruck setzen, so dient ihm
dafür 'insultare'. Hier eine Auslese solcher Stellen: A 60, 8.
civitatensibus viribus quibus potuit inminebat; 63,11. prin-
ceps ipsi Castro fortiter faciendo constanter inminebat;
50,21. inminentesque Sarracenis fortiter faciendo; 61,27.
castris eius acriter inminebat; 66,23. principis castris tarn
acriter inminebat; 66, 8. Moguntino acriter inminebat;
67, 26. hostibus suis acriter inmineret. — B 85, 5. Et pri-
mis fortiter facientibus . . . civitatensibus tarn acriter in-
minebant; 104,2. civitati acriter inminere decernens, civi-
tatenses obsidere parat, muris inminet; 126,5. se velle . . .
principis municionibus acriter inminere; 142,5. conatibus
quibus valuit rebus et castris fraternis inminebat; 100,16.
cum eis . . . acriter inmineret; 93, 15. refragantibus . . .
non desiit acriter inminere; 103, 1. principes tarn acriter
Philippo inminere presciverat. — A 46, 4. in quantum pre-
valebant ipsi . . . inminebant; 55, 15. cum . . . gentilitas
. . . christianis ferocissime inmineret; 68, 23. Dei . . .
manus valida sibi tarn fortiter inminebat ; 50, 26. ut . . .
hosti rursum inminere potuissent; 67, 4. Ipseque . . . Hassie
inminebat. — B 99, 3. villis . . . per incendia crudeliter
inminebant; 83, 1. regis fautoribus inminere metuens;
135, 10. fautoribus Ottonis inminent; 84, 16. ulterioribus
partibus Reni inminens; 126, 13. muris inminet. — A 51, 13.
multis . . . milibus acriter instabat; 76,20. christianorum
. . . residuo2 . . . acriter instabant; 66,27. ut . . . prin-
cipi vehementer instar ent. — B 98, 28. nisi cum acriter in-
starent; 99,29. sed magis . . . vehementer instaret, u. s.w.
— A 55, 5. residuum relictorum muris civitatis insistens. —
B 99, 8. cum ... ad oppugnandum communiter insisterent.
Zum feindlichen Bedrängen einer festen Stadt oder
eines Schlosses braucht man Belagerungsmaschinen, für
diese steht in A und B fast regelmässig der gesuchte Aus-
1) Cf. Ovid. Rem. am. v. 167: 'ne nil illic ageretur, amavit'. — Noch
einmal B 93, 16: 'ne nil ageretur'. 2) Hierzu vgl. B84, 22. 'residuo
bruci quasi locusta (aus Ioel 1, 4) inminebat'.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 593
druck 'murorum tormenta' : A 54, 12. erectisque diversorum
murorum tormentis contra civitatem . . . viriliter et una-
nirniter institerunt x ; 60, 8. murorum scilicet tormenta appli-
cando et . . . civitatem oppugnando; 68, 16. ut . . . locis
suis . . . faces murorumque tormenta intenderet. — B 84, 27.
in muros facto impetu per multifaria murorum tormenta
eis fortiter institit; 87, 6. applicatisque murorum tormentis;
127, 22. instaurato illo symulacro, murorum videlicet tor-
mento; 100, 20. murorum tormentis ignem . . . apposuerunt.
A 48, 14. exercitui . . . insultare volentes; 77, 12. in-
sultabant Turcis. — B 97, 8. tarn acriter insultavit . . .
exercitibus; 128,28. multitudini viriliter et vehementer in-
sultavit; 99, 23. manus inimica ecclesiis . . . insultans,
u. s. w.
A 76, 9. in quibus . . . longiturna obsidione vallati rei
familiaris inopia coacti sunt . . . municiones . . . relin-
quere; 54,11. civitatem obsidione nova . . . vallarunt;
60, 7. qua . . . obsidione vallata; 63, 6. ad urbem . . . ob-
sidione vallandam. — B 101, 19. qui . . . fuerant longiturna
obsidione fatigati; 127, 30. rei familiaris inopia coacti;
128, 18. antequam . . . Album -lacum obsidione vallaret;
87, 6. ordinata obsidione . . . intra muros vallavit epi-
scopum.
A 63, 2. fortes diversarum provinciarum auxiliarios . . .
in pugnam adducit; 60, 9. fortibus auxiliariis civitatem
oppugnando; 66,21. cum fortibus auxiliariis . . . Saxoniam
ingressus est. — B 84, 6. cum . . . fortibus auxiliariis in
partem Philippi concurrit; 87, 14. antemurale civitatis cum
fortibus auxiliariis invasit; 115, 14. cum fortibus auxiliariis.
A 48, 24. facultatibus illorum pro velle suo2 potiti
sunt. — B 115, 19. ipsorum auxilio pro velle suo abuti
poterat.
Hier werde ich die Vergleichung solcher Wendungen
abbrechen 3. Sie ist nur ein Nothbehelf , wenn es gilt, die
Gleichheit der Diction zweier Stücke zu erweisen, da es
schwierig ist und gar zu viel Raum kostet, das an anderen
Eigenheiten der Sprache zu zeigen. Und deren giebt es
freilich genug beiden Abschnitten gemeinsame. So ist der
vielfache Gebrauch des sonst gewiss sehr seltenen 'quo-
niamquidem' 4 in beiden Theilen besonders auffällig.
Ebenso ist es bemerkenswerth, dass bei A 44, 30 der König
1) Dies Emendation für 'astiterunt' der Hs. 2) Diese drei "Worte
sind in der Ausgabe ausgefallen. 3) Unten S. 597 ff. muss ich deren
noch weitere anführen. 4) In der Ausgabe zuweilen verdorben in 'quum
quidem, quique, Quicquid'.
594 Oswald Holder -Egger.
von Ungarn seltsamer Weise als kE.ex Celtice provincie'
bezeichnet wird, dass es bei B 101, 15 heisst: 'de Celtica,
id est Ungaria'. Die Idee, dass die vollkommene Gleich-
mässigkeit der verkünstelten Sprache, all diese zahlreichen
sich wiederholenden eigentümlichen Wendungen, die ich
leicht vermehren kann, von denen kavim eine in den spä-
teren Partieen der Chronik von Reinhardsbrunn wird nach-
gewiesen werden können, von einem Ueberarbeiter her-
rühre, ist ja ganz unmöglich. Ein solcher raüsste doch
gerade Ungleichheiten des Stiles veranlasst haben, wenn
er seine Vorlage nicht so völlig umarbeitete, dass er kaum
ein Wort unverändert stehen liess. Aber daran zu denken,
ist ja erst recht unmöglich. Eine solche späte Bearbeitung
müsste sich doch wenigstens an einigen Stellen auffällig
bemerkbar machen. Sie ist für mich nirgends zu ent-
decken1. Gerade aber in dem sogenannten Schwulst, in
seinen vielfach verzwickten Wendungen und überladenen
Sätzen giebt der Autor seine lebendige Theilnahme kund an
den von ihm erlebten Ereignissen, welche er erzählt. Vortreff-
lich erkennt man das, wenn man die in der Cron. S. Petri
hieraus entlehnte Partie, wo die Wortfülle vielfach be-
seitigt ist, mit der im Chron. Eeinhardsbr. erhaltenen ur-
sprünglichen Fassung vergleicht. Dort erscheint die Er-
zählung objectiver, ruhiger, hier lebhafter, von der Stimmung
des Verfassers viel stärker erregt. So etwas bringt kein später
Bearbeiter zu Wege. Freilich ist das Colorit der Sprache
durchaus mittelalterlich, sie ist erfüllt mit späten Wort-
bildungen, aber dennoch zeigt sie stark den Einfluss der
Lektüre antiker Schriftsteller, eine reichliche Fülle von
klassischen Citaten2. Das ist um die Wende des 12. und
13. Jh. eine allgemeine Erscheinung, zu Anfang des 14.,
da die Bettelorden ihr Werk der Zerstörung der kirch-
lichen Cultur schon eifrig gefördert haben, schon selten
geworden. So wird nun wohl das Ueberarbeitergespenst
gebannt sein. Aber die völlige Gleichheit der Art der Be-
richterstattung und der Sprache zwingt mich nun trotz
allen Sträubens zu dem Schluss, dass die Abschnitte A
und B von demselben Verfasser herrühren. Daran kann
1) Natürlich abgesehen davon, dass sich späte Einlagen unbekannter,
wie bekannter Herkunft darin finden. 2) In dem Abschnitt A kann
ich allerdings eigentliche Citate nicht nachweisen. Was Posse S. 61
darüber sagt, ist vollkommen unzutreffend. Meine Ausgabe wird das
zeigen. Posse erwähnt da Benutzung des Florus (welches ? Des antiken oder
des von Lyon?), leider ohne jedes Citat. Ich habe mich vergebens be-
müht, zu ermitteln, was er meinte.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 595
auch nichts ändern, dass wir einige, sonst sehr seltene
Wendungen nur in A, einige nur in B finden. Denn man
wird in den Abschnitten jeder anderen Schrift dasselbe
beobachten. Man wird einwenden: Wie können die Ab-
schnitte A und B von demselben Verfasser herrühren, da
doch der erstere spätestens 1198 geschrieben sein muss1?
Darauf ist zu erwidern: Das ist vollkommen richtig. Des-
halb muss man annehmen, mag man das auch unwahr-
scheinlich finden, dass derselbe Eeinhardsbrunner Mönch,
der im J. 1197/8 den ersten Theil jener wichtigen Quelle
schrieb, seine Thätigkeit später wieder aufgenommen, sein
Werk bis zum J. 1217 fortgesetzt hat. Unmöglich ist das
nicht, und die gemachten Beobachtungen sind für mich
so zwingend, dass ich mich, bis ich eines besseren belehrt
werde, für diese Ansicht entscheiden muss.
Aber ich muss noch einen Schritt weiter gehen.
Unter den grossen Verdiensten, welche sich Wenck um
die Forschung der Thüringischen Historiographie erworben
hat, ist das nicht das geringste, dass er die so lange un-
beachtet gebliebene Schrift 'De ortu principum Thuringie'
wieder ans Licht gezogen 2 und dadurch die Forschung
über die Chronik von Reinhardsbrunn und ihre Quellen
auf eine ganz neue Grundlage gestellt hat. In der Frage
der Abfassungszeit dieser Schrift muss man ihm bedin-
gungslos zustimmen3, sofern man der Meinung ist,
dass diese Schrift für die Chronik Quelle war.
Sie muss dann geschrieben sein, als Graf Poppo von Henne-
berg (f 1190) todt war, sein Sohn Berthold noch lebte
(f 1212), als Dietrich Markgraf von Meissen war (1198 —
1221), als Hermann Landgraf von Thüringen war (1190 —
1) Wegen der bekannten Stelle S. 69, wo gesagt ist, Graf Dietrich
sei bis auf den heutigen Tag des Fürstenthums (der Mark Meissen) beraubt,
die er im J. 1198 zurück erhielt. 2) Die dann Waitz, SS. XXIV, 819 ff.
wieder herausgegeben hat unter dem Titel: Historia brevis principum
Thuringiae. Aber er hat wohl nicht recht daran gethan, den Titel zu
ändern, da der überlieferte wohl alt und echt ist. Zwar findet er sich
nicht in unserer Hs. der Chronik von Reinhardsbrunn. Aber im Liber
cron. Erford., GQ. der Provinz Sachsen I, 201, steht an der Stelle, wo
im Chron. Reinh. die Benutzung jener Schrift beginnt: 'De ortu comitum
provincialium in Thuringia', so dass es scheint, der Verf. dieser Chronik
hat im Chron. Reinh. den obigen Titel gelesen und ihn etwas abgeändert
aufgenommen. Aus dem Liber cron. ist er dann wieder etwas verändert
in Cron. Thur. Isenac. c. 11, aus diesem in Hist. Eccard. übergegangen.
3) Zeitschr. d. V. für Thür. Gesch. N. F. IV, 294 f. und N. A. X, 99 ff.
Seiner früheren Aeusserung darüber, Entst. S. 37 f., gegen die allerdings
einiges zu bemerken war, hatte Waitz, MG. SS. XXIV, 819, wider-
sprochen.
596 Oswald Holder -Egger.
1217). Denn ganz deutlich wird dieser als der zur Zeit
des Schreibenden regierende Landgraf bezeichnet, wie
Wenck bemerkte, mit den Worten: 'Hermannum illu-
strem huius provincie principem et Saxonie comitem
palatinum'. Danach müsste die Schrift zwischen 1198 und
1212 entstanden sein, sie müsste ursprünglich mit C. 11
geschlossen haben, was in C. 12 folgt, müsste späterer
Zusatz sein, da es auf die Zeit nach 1234 hinweist. Und
das wird dadurch bestätigt, dass mit C. 11 die Uebereinstim-
mung der Schrift mit Chron. Reinhardsbr. (S. 32) aufhört.
Dieses bietet meines Erachtens auch eine Ergänzung
der Schrift, einen kurzen Abschnitt, der in der verlorenen
Mainzer Hs., aus der die Schrift bekannt geworden ist,
ausgefallen war. In dieser Hs. standen die ausgezeichnet
genauen und guten beiden Abschnitte über die Töchter
des Grafen Ludwig des Bärtigen und des Landgrafen
Ludwigs I. von der Hand desselben Schreibers, welcher
die ganze Schrift copiert hatte, mit kleinerer Schrift ge-
schrieben am Rande, obwohl nicht zu zweifeln ist, dass
sie von dem Verfasser des Ganzen herrühren. Vielleicht
hatte der Schreiber die Abschnitte ursprünglich weggelas-
sen, sich dann doch entschlossen, sie nachzutragen, viel-
leicht ahmte er nur eine Einrichtung seiner Vorlage nach,
wo die Abschnitte über die Töchter vielleicht ausgerückt
waren, damit die Genealogie der Landgrafen im Mannes-
stamme um so klarer herausträte. Nun werden in C. 7
die drei Töchter des Grafen Ludwigs des Springers ge-
nannt, aber nichts weiteres über sie bemerkt. Aber im
Chron. Reinh. S. 12 finden sich ebenso genaue Nachrichten
über deren Vermählung wie über die Töchter der Vorge-
nannten. Der Abschnitt ist durchaus im Charakter der
älteren Schrift gehalten. Daher kann ich nicht zweifeln,
dass er dazu gehörte, vom Schreiber der Mainzer Hs. aus
Willkür oder Versehen weggelassen ist.
Wir sahen oben (S. 581 f.), dass im Chron. Reinh. die
aus der Schrift 'De ortu princ. Thur.' entlehnten Stücke
mit manchen Zusätzen versehen, zuweilen etwas stilistisch
verändert erscheinen. Die Zusätze können sicher wenig-
stens nicht alle vom Compilator des 14. Jh. herrühren, denn
während es in der Schrift lDe ortu' heisst: 'Bopponem, qui
in Terra Sancta defunctus filium superstitem Bertoldum co-
mitem reliquit', steht im Chron. Reinh. S. 6 : 'Bopponem,
qui nobilitate morum et virium strennuitate laudabiliter
accinctus post multa et preclara facinora in Ierosolimitano
procinctu quietissimo fine terminatus est. Cuius super-
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 597
st es filius Bertoldus comes supereffluentibus diviciis am-
pliatus cum sua germanitate in hodiernum diem per-
severat'. Berthold starb, wie bemerkt, 1212. Nun, diese
Erweiterung- jener Quelle kann natürlich nicht von dem
Compilator des 14. Jh. herrühren, der wohl vieles, was auf
vor Jahrhunderten lebende Autoren deutet, ruhig- mit ab-
schrieb, aber unmöglich einen solchen Zusatz machen
konnte. Daraus folg-t: der Compilator schrieb nicht die
Schrift 'De ortu princ. Thur.' in ihrer uns vorliegenden
Fassung ab, sondern hatte eine sagen wir mit Zusätzen
versehene Bearbeitung derselben, welche vor 1212 ent-
standen war, zu der Zeit also, als jener Reinhardsbrunner
Mönch lebte, der die Geschichte der Jahre 1187 — 1217
schrieb. Nun zeigen jene Zusätze gar viele und merk-
würdige Eigenheiten der seltsamen Stilistik dieses Mannes.
Schon eine Wortbildung wie 'germanitas', Geschwisterschaft,
in dem oben angeführten Satz erinnert an viele ähnliche
verzwickte Worte desselben. In demselben Satz war von
'Ierosolimitano procinctu' die Rede 1, und in Chr. Reinh.
S. 86, Z. 23 liest man 'a procinctu Ierosolimitano rediens',
und das Wort, welches wir schon oben (S. 590) als dem
Sprachschatz unseres Autors angehörig fanden, kommt
noch etwa 15 mal, namentlich vom Zug in das heilige
Land gebraucht, bei ihm vor2. Dem absonderlichen 'fine
terminatus est' in dem oben angeführten Satz entspricht
bei unserem Autor S. 53, 29. 'salutifera morte terminatus
est' und S. 138, 5. 'constanti beatoque fine debere termi-
nari ' 3.
Bezeichnen wir die Zusätze zu der Schrift 'De ortu
princ. Thur.' im Chron. Reinh. mit C, indem wir die oben
gewählten Buchstaben A. B für jene Abschnitte festhalten,
so finden wir bei C 8, 7 den Satz: 'carnis deponens manu-
bias, magnificum in medio ecclesie mauseolum invenit'.
Dazu A 59, 16. 'Confectis . . . supprema morte carnis manu-
biis' 4. B 79. 23. 'super defuncti consortis manubias dedit
lamenta atque . . . famosum . . . principi instruxit mau-
seolum'; 143,18. 'Cuius manubias corporis cum . . . pararet
... in solempni mauseolo . . . magnifice collocare'. Und
noch zweimal begegnet bei unserem Autor dieser in der
1) Zu 'usque in hodiemüm diem perseverat' vgl. A 67, 16. 'usque
in hodiernum diem defensare non desiit' ; 69, 15. 2) Wohl kennen es
auch andere Autoren, immerhin aber ist der Ausdruck ein gesuchter und
weniger gebräuchlicher. 3) Dieses aus dem Sermo über den Einsiedler
Sifrid, der nachher noch zu besprechen ist. 4) So ist natürlich das
unsinnige 'manibus' der Hs. zu verbessern.
598 Oswald Holder -Egger.
Bedeutung so wunderliche Ausdruck, der ursprünglich
Kriegsbeute bedeutet: A 53, 2. 'corporeas eiusdeni principis
inanubias' ; B 94, 26. 'cum sacratissimis eiusdem Virginia
manubiis'.
In noch absonderlicher übertragener Bedeutung ge-
braucht unser Autor das Wort 'crepundia' 1, welches ein
Klapperwerkzeug bedeutet. Er sagt B 94, 24. 'ut solempne
festivum cum lucubratioribus crepundiis largiores radices
emitteret' ; 97,21. lregni sui sceptra cum magnis preconio-
rum crepundiis . . . recepit' ; 127,3. 'quasi triumphabat
nuptialibus et letis crepundiis'. Und in C 16, 4, wo mit den
Worten der Schrift 'De ortu' über die Gründung des Klosters
Eeinhardsbrunn berichtet wird, besagt ein Zusatz, das
Kloster werde errichtet 'ad ventilandum iugiter solempnium
votorum crepundia'. Ein so merkwürdiger Wortgebrauch
wird sich schwerlich auf Zufall zurückführen lassen.
In einer der eben angeführten Stellen war gesagt,
dass Ottokar von Böhmen sein Königsscepter 'cum magnis
preconiorum crepundiis' empfing. Und B 83, 28 heisst
es, dass der Landgraf Hermann Otto IV. 'cum magnificis
preconiis regem publice declaravit'. Und A 78, 23 wird
gesagt, dass die Fürsten den jungen Constantin (Fried-
rich II.) 'regem . . . cum imperialibus preconiis et
magnis vocibus declamabant'. Da ist es denn sehr bemerkens-
werth, dass C 24, 12 in den Bericht der Schrift 'De ortu', wie
Graf Ludwig III. zum ersten Landgrafen von Thüringen
von Kaiser Lothar erhoben wurde, nur die Worte einge-
fügt werden 'cum tumultuoso preconio' (nämlich 'prin-
cipis ei nomen aptavit', Worte jener Quelle)2. In anderer
Bedeutung bringt C 6, 10 noch dasselbe Wort für Preis
und Lob, das Gott dargebracht wird : 'ecclesiam in memo-
riam s. Blasii . . . cum solempnibus preconiis instituit'.
Und ebenso A 70, 13: 'inter summa Dei preconia laudesque
altisonas' und B 141,24: 'offero hie laudis preconium' 3.
Das sprachliche Material, welches C zur Vergleichung
bietet, ist nur ein geringes, da es zuweilen nur wenige Worte
mehr als die Schrift 'De ortu' hat, die grösseren Zusätze doch
auch nicht sehr umfangreich sind. Aber dennoch finden
1) Es ist dreimal in der Ausgabe falsch in 'tripudia' verändert, nur
einmal richtig stehen geblieben. 2) Vgl. noch A 46, 19. 'gloriosi tropei
preconiis . . . decoratus est' ; 60, 3. 'silentibus preconiis summi triumphales
tituli . . . exsibilantur' ; 77, 15. 'cum triumphalibus tytulis et altisonis lau-
dum preconiis'. 3) Aehnlich noch A 69, 25. 'passim iubet fieri preconia'.
Ich bemerke aber, dass das "Wort auch von dem Verfasser der Vita Ludo-
wici Sancti gebraucht wird, jedoch in anderer Anwendung.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 599
sich da weiter so charakteristische Uebereinstimuiungen
zwischen A. B einerseits und C andererseits, wie C 3, 19.
'ab imperatoria audiencia intentissime comuiissus prosperi-
tatis eventibus'. B 87, 16. 'eisque prosperitatis eventibus'.
C 2, 29. 'ut iniperatoris audiencie decentissime dispensans
consilia1 inter aulicos -' laudabiliter functus est'. A 54, 2.
'pro consiliis ingeniosis apud imperatoriam audienciam per-
sepe habitis'. B 94, 22. 'ubi Philippi collateralis provincie
princeps regni consilia3 dispensare visus est'.
C 2, 22. ultimo mortis supplicio penas solvens. —
A 52, 8. ad ultimum supplicium deveniens. — B 79, 20. dum
eis mortis supplicium intenderat; 82, 21. ultimo supplicio
puniendos; 142,24. suppremo mortis supplicio torret.
C 4, 14. cum innumerabilibus adiutoriis, — A 51, 18.
Visis . . . tarn magnificis . . . adiutoriis4.
C 2, 24. (ad eum) cuius habetur in manibus oratio 5.
— A 56, 4. femina, cuius in manibus est mencio.
C 8, 6. processu temporis. — A 61, 24. In processu
autem temporis.
C 8, 13. ut . . . profugis tutissimum ubique predica-
retur asylum (Ludewicus comes). — A 76, 7. due civitates
. . . tutissimum peregrinis . . . prebuerunt asylum 6. —
B 85, 2. tutum in Salevelt regi . . . putans futurum esse
asylum ; 125, 29. tutum in Castro Wartperg asylum eligitur.
Wollen die letztangeführten Parallelstellen nicht viel
besagen, so glaube ich doch so viel Gewicht auf die ersten
legen zu müssen, dass ich mit grosser Wahrscheinlichkeit
annehmen darf, eben von dem Verfasser der Abschnitte A
und B rühren auch diese angeblichen Zusätze zu der
Schrift 'De ortu princ. Thur.' her, da wir ja sahen, dass sie
wenigstens theilweise zu seiner Zeit gemacht sein mussten.
Aber ich werfe nun die Frage auf: Ist es durchaus
sicher, dass alles Mehr, was das Chron. Reinh. gegenüber
1) Die Hs. hat 'consilio'. Nimmt man die Emendation von Wegele
an, so scheint noch ein Wort zu 'functus' zu fehlen. 2) Dies seltenere
Wort in A 65, 16: 'consiliis aulicorum . . . obsecuti sunt' ; 65, 14. B 117, 26.
3) Auch hier hat die Hs. 'consilio'. 4) Solche Uebergangswendungen
wie C 5, 20. 'Et primo ad progeniem filiarum stilum dirigamus'. — A 49, 20.
'Nunc ad Lodewicum lantgravium stilum dirigamus', rühren wohl erst von
dem Compilator des 14. Jh. her. Sicher ist, dass eine solche S. 113, 3.
'Modo revertamus ad stilum priorem' zwar nicht von dem Compilator, aber
von dem noch späteren Schreiber erst herrührt, welcher die lange Interpola-
tion S. 111, 19 — 113, 4 einschaltete. 5) Eine doch nur ähnliche Wendung
hatte die Vita Ludowici : 110,4. 'pro discucienda que ad manus habebatur
materia'. 6) Vgl. 68, 18 : 'in quo . . . tamquam in fido asylo se reci-
pere cogitavit'.
600 Oswald Holder -Egger.
der Schrift 'De ortu' hat, späterer Zusatz ist? Ist es nicht
denkbar, dass die Fassung- der letzteren aus einer reicheren
gekürzt ist ? Man erwäge Folgendes : Ist es nicht auf-
fallend, dass ein von einem Reinhardsbrunner Mönch in
der Zeit zwischen 1198 und 1212 geschriebenes Werk genau
in derselben Zeit von einem anderen Mönch desselben
Klosters in so merkwürdiger Weise überarbeitet sein soll?
Ferner, wir fanden oben (S. 596), dass die vorausgesetzte
Bearbeitung einen Passus enthielt, welcher nothwendig der
Quelle zugehören musste und sich doch in dieser ange-
nommenen Quelle nicht fand. Und diese Quelle reichte
gar weiter herunter (bis 1234), als die Bearbeitung gereicht
haben kann 1. Wäre es da nicht möglich, dass die ange-
nommene Quelle in Wirklichkeit erst aus der vorausge-
setzten Bearbeitung nach 1234 entnommen ist?
Man sehe oben S. 596 f. die Sätze beider Werke über
Berthold von Henneberg an, der in beiden als noch lebend
bezeichnet wird. Man wird mir gewiss zustimmen, wenn
ich meine, dass der Satz der Schrift 'De ortu' sehr leicht
aus der Fassung in Chron. Reinh. auch nach 1234 gekürzt
sein kann, wenn der Schreiber der ersten nicht wusste
oder nicht beachtete, dass Berthold zu seiner Zeit schon
todt war. Denn solche Unachtsamkeiten bei mittelalter-
lichen Benutzern älterer Quellen sind durchaus gewöhnlich.
Man bemerke weiter, dass alle fremden Benutzer der
Schriften unseres Reinhardsbrunner Verfassers von A und B,
wie wir es bei dem Erfurter Chronisten fanden 2, an der
Ueberladenheit seiner Sprache Anstoss nahmen, alle seinen
Wortschwall zu beseitigen oder zu massigen suchten3.
Wenn nun C ebenfalls ursprünglich in solcher überladenen
Sprache geschrieben war, wäre es da nicht ganz erklärlich,
dass ein fremder, nehmen wir an, ein Mainzer Benutzer
dieser Quelle die Wortfülle ebenfalls kürzte?
Was nun aber das entscheidende ist, wie die aus B
entlehnte Partie der Cron. S. Petri eine Fülle von Sprach-
eigenthümlichkeiten der Reinhardsbrunner Quelle trotz der
Kürzung erhalten hat, so zeigt auch die Sprache der Schrift
'De ortu princ' eine ganz unverkennbare Aehnlichkeit einmal
mit den zu ihr angeblich gemachten Zusätzen und zweitens
mit der von A und B. Erstere hat (ich bezeichne sie fortan
mit T) c. 2: 'Qui, ut aiunt, . . .4 tarn stulto ingenio in-
1) Oben S. 596. 2) Oben S. 575. 3) Nur der Reinhardsbrunner
Compilator hat ihn, wie fast alles, was er schrieb, ungekürzt copiert.
4) Hier sind die "Worte eingeschoben 'ex manica passione', während im
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 601
ventus est, ut per sentenciam iudiciariam habita a sede
Maguntina beneficia sibi subducta sint'. C S. 2 : 'Qui, ut
aiunt, subductis sibi nature beneficiis tarn sterilis
ingenii inv. est, ut per s. iud. hab. a sede Mog. bene-
ficia sibi subducta sint'. Sollte wirklich die beab-
sichtigte Repetitio erst durch einen späteren Bearbeiter
hineingebracht sein? Mir erscheint das nicht sehr glaub-
lich.
In Tel heisst es : 'suisque eum consiliis nunquam
deesse passus est'. C 3, 23 steht derselbe Satz. Aber da
liest man auch 15, 23: 'ut . . . eorum consiliis in nullo
rerum argumento omnino deesset' und 3, 3 : 'et regio lateri
nullatenus deesse presumpsit'.
In T c. 5 steht: 'Qui (Ludowicus II.) per temporum
incrementa divieiis et etate proficiens', welcher Satz auch
C 8, 11 steht. Aber schon an früherer Stelle 5, 1 heisst es
da von Graf Ludwig I. : 'divieiis et prosperitate proficiens'.
In T c. 4 : 'coniugem . . . aeeepit matrimonialiter' =
C 5, 2. 'aeeepit in coniugium matrimonialiter'. Und ebenda
5,21: 'comiti . . . matrimonialiter coniungitur' 1 und 12, 9:
'comiti . . . matrimonialiter coniuneta' und 24, 19 : 'regi
matrimonialiter2 copulata'.
In T c. 11 heisst es: 'totius virtutis accinetus poten-
cia', welche Worte C 32, 8 wiederholt sind. Aber schon
6, 18 liest man da in dem schon oben S. 596 angeführten
Satz: 'qui nobilitate morum et virium strennuitate lauda-
biliter accinetus' 3.
In T c. 6 : 'montem . . . oecupavit et ibi . . . inex-
pugnabile castrum erexit4. In C 4, 15: 'ut . . . montem
. . . oecuparet, municionem erigeret et inexpugnabile sibi
castrum constitueret' 5.
Chr. Reinh. nachher gesagt ist, dass der Graf 'sive laborans manie morbo,
sive quod in alterum beneficia sua delata essent, et inde cordis dolore
permotus' den 'invasorem suorum beneficiorum' getödtet habe. Es ist mir
nicht zweifelhaft, dass das letztere auch hier das ursprüngliche, der "Wort-
laut in T die Folge kürzender Veränderung ist. (Wohl aber ist es mög-
lich, dass an der letzteren Stelle anstatt 'manie morbo' 'manica passione'
in der Quelle ursprünglich stand. Vgl. oben S. 591.) Unzweifelhaft ist
der Sinn im Chr. Reinh., wonach der Graf wegen mangelnder Naturgaben
dumm war, dann im Wahnsinn oder aus anderer Ursache Jemand erschlug,
vernünftiger als der in T, wonach der Graf aus Wahnsinn dumm war.
1) In T c. 4 nur: 'comiti . . . coniuneta1. 2) In T c. 10 fehlt hier
matrim.'; vgl. Tel: 'matrimonio copulaverat'. 3) Vgl. B 144, 11: 'apo-
stolica accinetus magnanimitate'. 4) Der Satz hat auch in C gestanden,
wie ich an anderer Stelle nachweise, ist nur in der Hannoveraner Hs.
ausgefallen. 5) Dafür in T c. 5 nur einfach 'edifieavit castellum'. Man
könnte diese "Worte deshalb für original halten, weil in der gefälschten
602 Oswald Holder -Egger.
T hat in demselben Cap. den Satz: 'partem eiusdern
silve ei auctoritate sua contulit'. Dafür C 4, 17 : 'partem
eiusdern silve per largicionem regiam auctoritate sua
sibi contulit'. Und auch in T lesen wir c. 6: 'eidem lar-
gicione regia castrum . . . delegatum est', c. 9: 'im-
peratoria largicione sollempniter extulit'1. Ist es
nicht, als ob der präsumptive Bearbeiter förmlich darauf
versessen gewesen wäre, die Redensarten seiner angeblichen
Quelle theils zu wiederholen, theils vorweg zu nehmen?
Es kommt dazu, dass in T c. 6 folgende dem Autor
von A und B eigene und oft von ihm wiederholte Redens-
arten vorkommen, welche ich schon oben anführte : 'cum
fortibus tocius provincie auxiliariis' = oben S. 593 ; 'indi-
genas usque in hodiernum diem honorifice protexit' =
C 11, 10 = oben S. 597, N. 1; 'Qui eciam imperialibus
prediis2 tarn acriter institit' = C 11, 11 = oben S. 592.
Aus dem kurzen Schriftchen T lassen sich dann noch fol-
gende zum Theil auffällige Wendungen und Ausdrücke
anführen, welche mit dem Sprachgebrauch von A und B
übereinkommen, c. 2 : 'ad pontificis consistorium audenter
intravit' 3 = A 64, 8. 'in consistorio principis' ; 73,16. 'in
Urkunde Heinrichs III. (St. 2266), deren Worte mit C und T hier über-
einstimmen, es heisst: 'concessimus edificare castellum'. Aber jene Worte
sind so gewöhnlich und naheliegend, dass gewiss ein abkürzender Schreiber
auf sie verfallen konnte, auch wenn er die Worte von C in seiner Quelle
las. Und in zwei anderen kleinen Wendungen kommt wieder C mit dem
Diplom näher überein. Denn dieses hat: 'in confinio Loibae silvae,
cuius partem complurimam, quam eidem comiti ad id negotium pius ge-
nitor noster regia auctoritate donavit'. C: 'veniens in Thuringiam in
confinio silve que Loybe dicitur . . . ut . . . iuxta Loybam montem
. . . occuparet . . .; ad quod negocium imperator quam plurimam
partem eiusdern silve per largicionem regiam auctoritate sua sibi con-
tulit'. T : 'iuxta Loibam silvam . . . ; ad quod negocium r e x quam pluri-
mam partem eiusdern silve ei auctoritate sua contulit1. Das 'imperator'
in 0 scheint deshalb ursprünglich gegenüber 'rex' in T, weil die gefälschte
Urkunde Konrads II., von dem hier die Rede ist (St. 2121), mit welcher
er einen grossen Theil des Loibe -Waldes dem Grafen schenkt, von ihm
als 'imperator1 ausgestellt sein soll. Und in dieser Urkunde best man:
'ob interventum dilectissimae contectalis nostrae Gislae1, in C 2, 25
(freilich in anderer Verbindung): 'ob interventum Gysele imperatri-
cis1, in T c. 1: 'Gislam . . . Cuius interventu1. 1) Wiederholt in C 11, 13.
24, 11. 2) Waitz nahm an 'prediis . . . instare1 Anstoss und vermuthete
SS. XXIV, 821, N. h 'preliis1, wie auch Hist. landgr. Eccard. hat. Aber
'prediis1 ist durchaus richtig. Denn B hat 99, 3 : 'particularibus villis spo-
liando per incendia crudeliter inminebant1, und der Autor braucht 'in-
stare1 und 'inminere' oft in ganz gleicher Bedeutung. Es ist doch merk-
würdig, dass der Sprachgebrauch von B den von T erklärt und bestätigt.
3) Auch 0 2, 16 ist 'audenter1 statt 'audacter1, wie die Hannover. Hs. hat,
zu lesen. Das Wort ist gewiss selten und hier bemerkenswerth.
Studien zu Thüringischen Gesehichtsquellen. II. 603
consistorio imperiali'; 63,4. 'auxiliarios . . . audenter in
pugnam adducit' ; 52,9. 'audenter dicimus'. — T c. 4: 'cum
ceteris honorificis impendiis' l = A 49, 15. lvenerabilibus
impendiis inibi sepultum est' ; 52, 3. 'post innumera elemo-
sinarum impendia'; B 126, 21. 'nuptiarum impendia cum
gloriosis expensis procurantur'. — T c. 4 zweimal : 'ex here-
ditaria successione' = A 59, 11. 'quasi successione heredi-
taria' ; 78,22. 'quasi hereditarie successionis'. — T c. 5:
'felicibus auspiciis progenitus' = B 126, 25. 'de felicibus
auspiciis' ; A 45, 16. 'tempore . . . melioribus auspiciis per-
acto' 2. — T c. 6 : 'sepe principibus . . . terrorem ingerens'
= A 63, 15. 'hiis . . . terrorem ingessit' ; B 87, 16. 'timidis
. . . terrorem . . . ingessit' ; 106, 20. 'terrorem . . . ipsi . . .
innerere'. — T c. 8 : 'omnibus quibus potuit modis eam
extulit' = B 93, 9. 'ut . . . quibus posset modis . . . cle-
ricos . . . induceret' ; 117, 17. 'cum . . . imperium . . .
modis . . . quibus potuit usurpasset'. — T c. 8 : 'novissi-
mum exalans spiritum' = B 144, 21. 'novissimum . . . spiri-
tum exalarunt'. — T c. 9. 'reus maiestatis effectus' =
A 65, 18. 'maiestatis reos'. — T c. 11. 'pace et bello supra
modum gloriosus enituit' = B 104, 6. 'qualiter ... in sua
acie et quam viriliter enituit' ; 92, 8. 'cuius virtus pre
cunctis . . . principibus domi belloque enituit'.
So haben wir jeden bemerkenswerthen Ausdruck, fast
jede auffällige Wendung des kleinen Schriftchens T in A
und B wiedergefunden, und deren können nicht viele sich
finden lassen, wenn es richtig ist, dass T die Wortfülle und
damit charakteristische Phrasen seiner Quelle zu beseitigen
sich bemühte. Wir fanden weiter, dass die Sprache von C
gänzlich die von A und B, aber auch die von T ist. Wir
sahen, dass sie in C aus einem Guss ist, dass, was C mehr
als T bietet, durchaus wieder der Sprache von T entspricht.
Halten wir damit die Thatsache zusammen, dass die Ver-
fasser von C und B zu derselben Zeit in Reinhardsbrunn
gelebt und geschrieben haben müssen, dass T um circa
20 — 30 Jahre weiter herabreicht als C, dass der Autor von
T keineswegs ein Reinhardsbrunner Mönch gewesen sein
muss, als welchen er sich nicht zu erkennen giebt, dass T
ein Passus fehlt, der in der vorausgesetzten Quelle C
nothwendig gestanden haben musste, so bleibt nichts übrig
als zu schliessen, dass T aus C verkürzt ist, dass der Ver-
fasser von A und B auch der von C ist.
1) Das Wort ist im Mittelalter sehr selten. Vgl. C 12, 4.
honorabilibus impensis nobilitavit'. 2) Vgl. oben S. 589.
604 Oswald Holder -Egger.
Was gegen diese Ansicht zn sprechen scheint, ist in
der That mehr Schein als sachlich begründetes Argument.
Es war in erster Linie die grössere Gedrungenheit der Er-
zählung, die grössere Einfachheit der Sprache, welche
o-egeniiber den entsprechenden Partieen der Chronik die
Schrift 'De ortu' als die Quelle jener erscheinen Hess.
Aber genau dasselbe Argument hat zu dem falschen Schluss
geführt, dass die Cron. S. Petri für die Reinhardsbrunner
in dem Abschnitt 1209 — 1215 Quelle sei. Das Verhältnis
von C zu T ist genau dasselbe, wie das jener beiden
Quellen in dieser Partie. Dieser Beweisgrund ist also
keiner. Nachdem wir an das stilkünstlerische Gespenst
nicht mehr glauben, ist es wirklich nicht leicht zu be-
greifen, warum ein Späterer für 'nulli servire voluit' in
T c. 2, in C 2, 5 mit wunderlicher Wendung geschrieben
haben soll 'nulli hominum neque ulli sexuum servire vo-
luit', zumal sicher ist, dass dem Compilator der Chronik
es nicht in den Sinn kam, derartige stilistische Scherze
sich zu leisten. Aber sehr leicht begreifen wir, dass ein
Späterer, dem es um die Sache, nicht um Worte zu thun
war, den Wortlaut in T aus C kürzte, ganz wie es sicher
der Erfurter Chronist gegenüber seiner Quelle that. Oder
was veranlasste den Späteren in C 2, 24 zu schreiben: 'bene-
ficia ... ad eum, cuius habetur in manibus oratio, Lode-
wicum dico 1, solempniter devoluta sunt', wenn er in seiner
Quelle las, wie in T c. 2 steht: 'beneficia ... ad eundem
Ludewicum devoluta sunt' ? Der letztere Wortlaut ist bei
Tendenz des Schreibers zur Kürzung aus dem ersten aller-
dings sehr erklärlich. Und warum gab wohl der Spätere
in C 7, 10 der Mathilde, Gemahlin Ludwigs von Wippra,
das ehrende Prädikat 'pie memorie', welches T c. 4 nicht
hat? Aehnliche Eragen kann man viele auf werfen, und
wird nie eine befriedigende Antwort erhalten 2.
1) Vgl. B 115, 17. 'hostibus suis, lantgravio dico' etc. 2) Wenck
hatte ursprünglich ganz richtig gesehen (Entst. S. 38), dass wir in T
'nicht die originalste Gestalt des Schriftchens (C) besitzen, diese aber dem
Reinhardsbrunner Compilator vorlag'. Aber auf den Widerspruch von
Gr. Waitz, SS. XXIV, 819, der freilich die Frage nicht eingehend unter-
sucht hat, verwarf "Wenck seine frühere Ansicht (Zeitschr. f. Thür. Gesch.
N. F. IV, 295) und beschränkte sie (N. A. X, 99 f.) dahin, dass nur das
12. Capitel in T späterer Zusatz, sonst dieses die originale Quelle sei. In
beiden Fällen hat ihn Wegele's und sein vertrackter Stilkünstler gehin-
dert, das Richtige zu sehen. Waitz' Ansicht ist dann allgemein angenom-
men. Wattenbach, GQ. 6. Aufl. II, 369 referiert so, als ob die von mir
hier vorgetragene Ansicht von Wenck vertreten wäre. Das hat er aller-
dings nie gethan, wegen des Stilkünstlers nicht, aber wohl ehedem gefühlt,
dass es die richtige sei.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 605
Aber auch ganz gute Nachrichten finden sich in den
angeblichen Zusätzen von C nicht selten, die in T ver-
stümmelt oder übergangen sind. T hat c. 4 : 'Gebehardum
. . ., qui Cellam Sancti Blasii ad monasterium Reinhers-
burn contulit'. Dafür hat C 6, 6: lqui Gebehardus Cellam
Sancti Blasii cum omnibus suis circumiacenciis intuitu
mercedis eterne ad monasterium Reynarsborn solempniter
contulit et in cella prenominata ecclesiam in memoriam
sancti Blasii martiris cum solempnibus preconiis instituit' K
Also hier nur wird gesagt, dass Zella Blasii von Gebhard
von Nordeck gestiftet wurde. Man wird gewiss zugeben
müssen, dass T sehr wohl seinen Satz aus der ausführ-
licheren Nachricht von C durch Kürzung gemacht haben
kann 2. Ich entnehme aus dieser und anderen Stellen, dass
der Autor von T kein Reinhardsbrunn er Mönch war, da er
für die Nachrichten, welche dieses Kloster betreffen, ge-
ringes Interesse zeigt.
Namentlich wohl deshalb hat man das Verhältnis von
T zu C nicht gleich richtig erkannt3, weil ja C in der
Chronik uns keineswegs so geschlossen wie T vorliegt, son-
dern durch die verschiedenen Quellen entnommenen Ein-
lagen und eigenen Zusätze des Compilators zerrissen und
mit fremdartigen Bestandteilen durchsetzt ist. Auch hat
ja die Chronik keineswegs überall den Wortlaut der
Quelle C besser bewahrt als T. Das versteht sich deshalb
schon von selbst, weil eben die Theile der Quelle zerrissen
1) S. oben S. 598. 2) Auch die in T fehlenden Worte von
C 1, 22 'ex Francis oriundi eis Renum' (seil. Ludewicus Cum-barba et
Hugo ; und C 3, 21. 22) sind schwerlich späterer Zusatz. Dass sie etwas
ganz Richtiges aussagen, erweist die recht gute Untersuchung von A. Gross,
Die Anfänge des ersten Thüring. Landgrafenhauses. Göttinger Diss.
1880. 3) Der einzige einigermassen begründete Einwand, welcher gegen
meine Ansicht gemacht werden kann, ist folgender. Dass Poppo von
Henneberg in der Schlacht an der Streu 1078 fiel, entnahm der Autor
vielleicht Ekkehards Chronik, wo es heisst: 'Ex parte quoque regis Hein-
rici Poppo, vir mire fortis, oeeubuit'. Nun hat T c. 4: 'in atrocissimo
bello, quod fuit in Strowi, oeeubuit', C 6, 2 aber : ' in atrocissimo hello,
quod habitum fuit in Strowe, multis sauciatus vulneribus fata-
liter oeeubuit'. T scheint also näher zu Ekk. zu stehen als C. Aber
selbst, wenn Ekk. hier Quelle wäre, was nicht gewiss ist, war es sehr
natürlich, dass T die gesperrten Worte seiner Quelle bei seiner Tendenz
zur Kürzung wegliess. Denn, wenn Jemand in der Schlacht fällt, so ge-
schieht das eben in Folge ihm beigebrachter Verwundung, und es konnte
für den kürzenden Autor von T sehr gleichgültig sein, ob der Mann an
einer tödtlichen Verwundung oder an vielen Wunden starb. Dass Ekk.
hier Quelle war, wird deshalb zweifelhaft, weil er nichts davon sagt, dass
die Schlacht ein 'atrocissimum bellum' war, was ganz richtig ist, und weil
das auszeichnende Prädikat, welches er Poppo gießt, nicht in CT erscheint.
Neues Archiv ete. XX. 40
606 Oswald Holder -Egger.
und mit anderen Stücken verbunden sind. So ist gleich
der Eingang der Quelle C deshalb in der Chronik abge-
ändert, weil dem Compilator die in C erwähnte Verwandt-
schaft der Kaiserin Gisela mit den Grafen Hugo und
Ludwig den Anlass bot, eine Stelle aus Gotfrids von
Viterbo Pantheon aufzunehmen, in welcher über die Ab-
kunft der Gisela von den Karolingern gehandelt war.
Meist hat indessen die Chronik den ursprünglichen Wort-
laut. In jedem Falle hat man beide Ableitungen heran-
zuziehen, um den Wortlaut und die Reihenfolge der Nach-
richten von C festzustellen.
Aber nicht nur einzelne Sätze gekürzt hat der Autor
von T, sondern ich bin der festen Ueberzeugung, dass er
auch längere Partieen der Quelle weggelassen hat. Ich
muss durchaus die Erzählung von der Gründung des Klo-
sters Reinhardsbrunn (S. 14 ff. der Chronik) der Quelle C
zuschreiben. Das lehren mich Darstellungsart und Sprache1
dieses Abschnittes 2. Eine nothwendige .Folge davon ist,
dass auch etwas über die Ermordung des Pfalzgrafen
Friedrich durch den Grafen Ludwig in der Quelle ge-
standen haben muss. Wie weit aber diese Erzählung in
der Chronik (S. 9 ff.) der Quelle entnommen, wie weit ab-
geändert ist, ist eine schwer zu entscheidende Frage.
Charakteristische Eigenthümlichkeiten der Stilistik des
alten Autors zeigt sie nicht 3. Wenck hat die Erzählung
wegen der da berichteten romantischen Liebe des Grafen
zur Pfalzgräfin als späteren Zusatz des Ueberarbeiters ver-
urtheilt4. Aber für so sicher kann ich das nicht halten.
Im 12. Jh. war das Gerücht verbreitet, dass Graf Ludwig
den Pfalzgrafen, dessen Gemahlin er heirathete, hat er-
morden lassen 5. Das hat man auch in Reinhardsbrunn
gewusst. Dass man nun den Mord mit der Liebe des
1) Zu den schon oben angeführten Wendungen dieses Abschnittes
bemerke ich noch 15, 16 : 'devocionis bonum . . . tandem perduxit usque
ad effectum1. Dazu B 120, 28 : 'quod affectabat ad effectum usque per-
duxit'. 2) Sein Eingang aber (S. 14, 5), nach einer Ekkehard - Stelle, in
der über Heinrichs IV. Aufenthalt in Italien berichtet ist : 'Interea dum
hec in Ytalia aguntur1, muss natürlich vom Compilator herrühren. Es
kann selbstverständlich kein Gewicht darauf gelegt werden, dass diese so
gewöhnliche Uebergangsformel auch bei A 71, 25 und JB 97, 5 erscheint.
3) Sicher ist, dass S. 9, Z. 19 — 21 die Nachricht über die angebliche erste
Gemahlin Ludwigs II. aus einer misverstandenen Stelle des Ekkehard vom
Compilator gemacht ist, wie Wegele anmerkte. 4) Entst. S. 37. 5) Als
Thatsache berichtet das Ann. Saxo 1056, SS. VI, 690. Die Chronik von
Goseck II, 3, SS. X, 152 sagt, dass des Pfalzgrafeu Sohn seinem Stief-
vater Ludwig den Mord seines Vaters vorwarf. Vgl. ebenda I, 15, S. 146.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 607
Grafen zur Ffalzgräfin zu begründen und zu beschönigen
suchte, der Adelheid die Hauptschuld daran zuschob, ist
doch bei einem Mönch des von dem Grafen gestifteten
Klosters sehr erklärlich. Ich sehe nicht ein, warum das
nicht eben so gut um 1200 als später geschrieben sein
kann. Und was die Romantik der Erzählung anbetrifft, so
frage ich, ob denn spätere Eeinhardsbrunner Mönche ge-
eigneter waren, das Liebesmotiv in die Erzählung einzu-
führen, als ein solcher, der zur Zeit von Minnesangs Früh-
ling lebte, zu einer Zeit, als die Liebesdichtung namentlich
am Hofe des Landgrafen Hermann von Thüringen blühte.
Eine Schuld des Grafen und seine Gewissensbisse darüber1,
welche ihn zur Gründung des Klosters Eeinhardsbrunn
veranlassten, kennt auch T, wo das mit den Worten der
Chronik berichtet wird. Das 8. Capitel in T kann sehr
wohl ein dürftiger Auszug einer viel reicheren Erzählung
von C gewesen sein, wie sie in der Chronik im wesent-
lichen vorliegt. Denn es ist ganz erklärlich, dass ein
fremder kürzender Benutzer von C, der für die Motivierung
der Gründung von Eeinhardsbrunn kein grosses Interesse
hatte, diese und damit die Erzählung von der Blutschuld
des Grafen wegliess. Damit ist natürlich nicht gesagt,
dass die Chronik überall in dem Bericht die Worte der
Quelle besser wiedergiebt. Im Gegentheil stehen die
Schlusssätze des Capitels 8 in T dieser sicher weit näher
als die Chronik2.
Sicher als spätere Einlagen sind aber ausser den be-
kannten Quellen entnommenen Partieen in dem ersten
Theil der Chronik zu erkennen das gefälschte Privileg
Konrads IL für Ludwig I. mit den Eingangsworten 3, die
Erzählung vom Bau der Wartburg4, welche überhaupt ur-
sprünglich garnicht in der Chronik stand, sondern erst
1) AVelcher Art das Herzensgeheimnis war, welches der Graf seineu
Vertrauensmännern beichtete, und warum er Gewissensbisse fühlte, bleibt
in T unklar. Nun wird man sagen, wie Waitz, SS. XXIV, 821, N. 10,
der Autor hat die Blutschuld des Grafen nur vorsichtig andeuten wollen,
und das ist ja ganz wahrscheinlich, nur braucht das Wahrscheinliche noch
nicht das Richtige zu sein. Und hier kann es meinem TJrtheil nach nicht
richtig sein. 2) In dieser ist vielleicht die Ableitung des Namens Rein-
hardsbrunn von dem Töpfer Reinher (S. 16), sicher das, was über die
Schenkungen des Grafen an das Kloster gesagt wird (S. 17), zumeist spä-
terer Zusatz, denn der Satz von T 'omnibus quibus potuit modis eam ex-
tulit', welcher in der Chronik fehlt, muss in der Quelle C gestanden
haben. Ebenso gehörte dieser an die Datierung der Klostergründung in
T und was da über den Tod des Grafen gesagt wird. Beides fiel in der
Chronik wegen der annalistischen Einordnung dieser Ereignisse zu 1085
und 1123 aus. 3) S. 4, Z. 19 ff. 4) S. 8, Z. 15—24.
40*
608 Oswald Holder -Egger.
später interpoliert ist, wie sich in einem folgenden Abschnitt
zeigen wird. Ferner die Fabel von dem Sprunge Lud-
wigs II. vom Giebichenstein 1, welche in der Sprache nicht
die Spur einer Aehnlichkeit mit der der alten Quelle zeigt 2.
Dann alle die Stellen über dem Kloster gemachte Schen-
kungen, welche aus Urkunden und vielleicht aus einem
Traditionsbuch excerpiert sind, um von kleineren Zusätzen
zu geschweigen 3.
Die Schrift C war zwischen 1198 und 1212 abgefasst,
da in beiden Ableitungen derselben, der Chronik und T,
Berthold II. von Henneberg (f 1212) als lebend erwähnt,
da Dietrich als Markgraf von Meissen (1198 — 1221) ge-
nannt wird. Mit dieser Entstehungszeit der Schrift ist
gänzlich unvereinbar, was A. Naude i behauptet, dass das
gefälschte Diplom Heinrichs III. (St. 2266) darin benutzt
sein5 und doch dieses Diplom erst nach dem Jahr 1215
gefälscht sein soll. Eins von beiden muss nothwendig
falsch sein. Gegen die frühere Ansicht von Wenck ';, dass
umgekehrt diese Fälschung und die Konrads II. (St. 2121)
einige Angaben der Schrift 'De ortu' entlehnt haben, sind
Gründe geltend gemacht worden 7, welche beachtenswerth
1) S. 12, Z. 16—21. 13, Z. 3—24. 2) Hätte jener Stilkünstler
existiert, so sollte man meinen, von ihm sei diese späte Einlage gemacht
oder doch wenigstens auch mit seiner Stilkunst verziert. Aber sie ist
nur ungeschickt geschrieben. 3) Z. B. S. 4, Z. 4. 5 'de Glychen1 und
'de Kevernberg comitibus1, und S. 1, Z. 28—2, Z. 2 wohl wenigstens zum
Theil. Oder S. 32,9 'et Conradi', durch welchen Zusatz er (wie schon
S. 31, Z. 2, wo 'Conradi1 in der Ausgabe ausgefallen ist) die Jutta zur
Schwester ihres Oheims macht. 4) Die Fälschung der ältesten Rein-
hardsbrunner Urkunden S. 85 f. 5) Freilich meinte er (S. 86, N. 1),
die Urkunde sei nicht in dem Werk schon ursprünglich benutzt gewesen,
sondern erst in deren überarbeiteter Gestalt T. Aber er hat sich wenig
um die chronistische Litteratur von Reinhardsbrunn in seinem sonst so
verdienstlichen Buch gekümmert, sonst würde er gefunden haben, dass in
der Chronik S. 3 f., auf welcher die Annahme einer Ueberarbeitung von
T doch allein beruhen konnte, fast genau dieselben mit jenem Diplom
übereinstimmenden "Worte stehen wie in T. Es ist also sicher, dass die
Quelle C schon jene Worte hatte. Nähme man, meint Naude, seinen eben
zurückgewiesenen Vorschlag nicht an, so müsse man die erste Abfassung
der Chronik, er meint der Quelle C, in die Zeit nach dem .1. 1227 ver-
legen. Das ist denn aber gegenüber der Thatsache, dass in beiden Ab-
leitungen von C der terminus ad quem der Abfassung das J. 1212 ist,
eine mehr als überkühne Zumuthung, die sich nur daraus erklärt, dass
sich Naude nicht genau über diese Fragen orientiert hat. Viel sicherer
wird man annehmen können, dass sich Naude in einer seiner Behauptungen
geirrt hat. Wie AVenck, Zeitschr. f. Thür. Gesch. N. F. IV, 295 bei der
gegebenen Sachlage der ersten Hypothese von Naude zustimmen konnte,
ist mir nicht klar. 6) Entst. S. 40. 7) A. Gross a. a. 0. S. 10 ff.
und von Wenck selbst, Zeitschr. f. Thür. Gesch. N. F. IV, 295 f. Naude
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 609
sind, aber doch nicht durchschlagend erscheinen. Ueberzeugt
man sich aber, dass die Urkunden wirklich in der Schrift C
benutzt waren, so ist es sicher, dass sie mehrere Jahre vor
1212 gefälscht sind. Das Capitel über die Zeit der Fäl-
schung der Eeinhardsbrunner Urkunden in der sonst vor-
trefflichen Schrift von Naude ist sicher das schwächste,
nicht erschöpfend und weniger überzeugend. Es bedarf
der Eevision auf Grund eingehender Studien über den
Eeinhardsbrunner Güterbesitz und den von Kloster Geor-
genthal.
Durch den Nachweis, dass der Verfasser der kurzen
Schrift über das Thüringische Landgrafen haus derselbe
Mann war, welcher die Geschichte von 1187 — 1215 schrieb1,
sind nun auch die letzten Zweifel beseitigt, welche noch
gegen Wencks Meinung erhoben waren, dass die letztere
wichtige Quelle in Eeinhardsbrunn entstanden war, da der
Verfasser der ersteren nothwendig ein Eeinhardsbrunner
Mönch gewesen sein muss. In der That waren diese
Zweifel wenig berechtigt. Denn diese Quelle wurde in die
Eeinhardsbrunner Chronik aufgenommen, befand sich also
in diesem Kloster, sie wurde von dem Eeinhardsbrunner Verf.
der Vita Ludowici und sonst nur noch zum Theil in dem
Erfurter St. Peters -Kloster benutzt, und dieses von Hirschau
aus gleichzeitig mit Eeinhardsbrunn gestiftete Kloster hat
sicher lebendige Beziehungen zu dem Zwillingsstift unter-
halten. Die beiden haben untereinander ihr chronistisches
Material ausgetauscht. Und vor allem in keinem Stifte
Thüringens konnte die Sympathie für das Thüringische
Landgrafenhaus, wie sie jene Quelle verräth, so gross sein
als in dem Familienstifte dieses Hauses Eeinhardsbrunn.
Eine wichtige Anmerkung ist hier noch zu machen:
Die Schrift 'De ortu' (T) hat nur eine einzige Jahresangabe,
nämlich die über die Gründung des Klosters Eeinhards-
brunn. Daraus ist zu schliessen, dass auch die Quelle, die
Schrift C, keine anderen Jahrangaben hatte, wie das bei
dem Charakter dieser Schrift, welche die Form einer Ge-
nealogie hat, schon fast selbstverständlich ist. In der
Chronik aber sind die verschiedenen Stücke dieses Werkes
unter verschiedenen Jahren eingeordnet, wie sich das bei
der annalistischen Anlage der Chronik beinahe von selbst
ergab. Daraus folgt, dass die Jahrangaben erst von dem
S. 86, N. 1 beruft sich nur auf Gross. "Waitz, SS. XXIV, 819, nahm die
Benutzung des Diploms Heinrichs III. in der Schrift ohne weiteres an.
1) Ich muss doch noch bemerken, dass das auch "VVenck, Entst. S. 45,
für nicht unmöglich hielt.
610 Oswald Holder - Egger.
Compilator des 14. Jh. herrühren, also vollständig und
o-änzlich werthlos für uns sind. Ich werde später dar-
über noch eine kleine Ausführung bringen.
Aber auch die Geschichte von 1187 — 1215 (17) kann
ursprünglich nicht annalistisch angelegt gewesen sein. Man
erkennt ja schon beim oberflächlichen Lesen der dieser
Quelle entnommenen Berichte in der Chronik, dass da
viele Berichtstoffe im Zusammenhange und breiter Aus-
führung behandelt waren, obwohl die Entwickelung der
berichteten Ereignisse sich über einen längeren Zeitraum
erstreckte. So behandelt die ganze erste Partie der Quelle
(S. 43 — 54) fast nur die Vorbereitungen zum Kreuzzuge
und den Kreuzzug von 1189 — 1191 selbst. Eingeschoben
ist nur (S. 45 f.) ein Abschnitt über die inneren Meissni-
schen Kämpfe, die Verbannung und Heimkehr Heinrichs
des Löwen, welche beide durch den Kreuzzug des Kaisers
veranlasst sind. Nach zwei Wundererzählungen (S. 55 — 59)
werden dann die Anfänge der Regierung Heinrichs VI.,
sein Zug nach Apulien (S. 59 — 61), darauf die Thaten des
Landgrafen Hermann, besonders seine Händel mit Meissen,
(S. 61 — 69) im Zusammenhange dargestellt. Eingemischt
ist da von anderen Ereignissen nur das, was auf die Schick-
sale des Landgrafen einwirkt, wie die Ermordung des
Bischofs von Lüttich (S. 65). Und so bietet uns diese
Quelle auch weiter fast nur in sich pragmatisch zusammen-
hängende Erzählungen, deren Charakter von der Erzäh-
lungsweise der Annalisten jener Zeit so verschieden wie
möglich ist. Wohl nimmt unser Autor natürlich auf die
Zeitfolge der Ereignisse Rücksicht — er entschuldigt sich
einmal (S. 78, 4 ff.) charakteristischer Weise, dass er den
Faden einer Erzählung mit Rücksicht auf die Zeitfolge der
Dinge habe abbrechen müssen — , aber für seine Bericht-
erstattung ist in erster Linie durchaus der sachliche Zu-
sammenhang der Ereignisse massgebend. Mit dem Kreuz-
zuge von 1197 und den Schicksalen des Landgrafen Her-
mann auf demselben beschäftigt, erzählt er, dass dieser
1198 zurückkehrend, das Reich in zwei Parteien getheilt,
zwei erwählte Könige vorfand, und wie weiter diese Doppel-
wahl auf die Stellung und Schicksale des Landgrafen ein-
wirkte (S. 82 ff.). Wie es zur Doppelwahl gekommen war,
setzte er dort nicht auseinander. Erst weit später, nach-
dem er die Erzählung bis zum J. 1204 heruntergeführt hat,
holt er das nach (S. 102 ff.), schiebt die Schuld daran aus-
schliesslich dem Erzbischof Adolf von Köln zu und erzählt
nun im Zusammenhange damit dessen Parteiwechsel und
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 611
Absetzung-, die Bekämpfung- der Kölner durch König- Phi-
lipp bis zum J. 1206 hinab. Es ist klar, dass derartige
Berichterstattung- nicht in die beengende annalistische Form
gezwängt gewesen sein kann. In der Chronik freilich sind
alle diese Erzählungen wie die Stücke der Quelle C unter be-
stimmte Jahre vertheilt und zuweilen stehen sie auch unter
den richtigen Jahren. So wird die Kreuznahine, der Aus-
zug zum Kreuzzuge, der Tod des Landgrafen Ludwig III. ,
Ereignisse, welche sich über die J. 1188 — 1190 erstrecken,
unter dem J. 1190 erzählt. Unter demselben Jahr wird
aber auch der weitere Verlauf des Kreuzzuges bis zur Ein-
nahme von Akkon (1191) erzählt. Unter dem J. 1192
stehen nur Ereignisse, welche 1190 und 1191 stattfanden,
unter den J. 1193. 1194 nur solche von 1190 und 1191/2,
unter dem J. 1195 solche von 1192 — 1195, unter 1197
solche von 1195 — 1197. In den nächsten Jahren ist wieder
etwas bessere Ordnung, doch steht auch da keineswegs
alles unter dem richtigen Jahr. Unter 1199 findet sich
schon vieles zu 1200 und auch zu 1201 Gehöriges, unter
1201 ausschliesslich Ereignisse von 1202. 1203, unter 1205
dann gar die oben erwähnte Erzählung über Adolf von
Köln von 1198 — 1206, unter 1206 Dinge aus den Jahren
1205 — 1207. Es liegt auf der Hand, dass solche chrono-
logische Verwirrung nicht von dem gleichzeitigen alten
Autor angestiftet sein kann, sondern einem Späteren, ver-
muthlich dem Compilator der Chronik, angehört, der hier
genau so wie bei der chronologischen Einordnung der
Stücke von C verfuhr. Die alte Quelle enthielt offenbar,
wie es bei der Art ihrer Erzählung sehr erklärlich ist,
wenige Jahrangaben, wenn sie deren auch nicht ganz ent-
behrte. Aber diese waren nicht an die Spitze der Berichte
wie in der Chronik gestellt, sondern in diese hinein ver-
webt. Zwei solche Angaben sind uns an der ursprünglichen
Stelle noch erhalten 1. Soweit diese vorhanden waren, wird
sie der Chronist zur Einordnung benutzt haben, indem er
nach seinem Schema diese an die Spitze der Erzählungen
stellte. Für die Einordnung anderer Abschnitte 2 konnten
die Jahrangaben seiner zweiten Hauptquelle, der Cron.
S. Petri, aushelfen.
In den ersten Jahren der Partie von 1209 an, welche
die letztere und Chron. Peinh. gemeinsam aus der alten
1) 1191, S. 58, Z. 20; 1209, S. 120, Z. 29. 2) Z. B. Kreuznahme
Friedrichs I. (1188), Beginn seines Kreuzzuges (1189), Uebergang über
den Hellespont und Friedrichs Tod (1190).
612 Oswald Holder - Egger.
Quelle entlehnt haben, stehen die ersten Jahrangaben
1209 — 1212 im wesentlichen in beiden an der richtigen
Stelle, wenn auch nicht jedesmal an derselben, was jedoch
genügend dadurch erklärt wird, dass die erster e einiges
aus der Quelle weggelassen, die andere fremdartige Ein-
schaltungen enthält. Aber A. D. 1213 steht in dem Chron.
Reinh. mitten in einem in Cron. S. Petri weggelassenen
Bericht über Ereignisse des J. 1211, und es folgen unter
diesem Jahr noch Ereignisse des J. 1212, welche in der
Cron. S. Petri zum Theil unter dem richtigen Jahr, zum
Theil falsch zu 1213 stehen1. Man sieht deutlich, dass
die letzte Jahrzahl in der Quelle überhaupt nicht gestan-
den haben kann. Im Chron. Reinh. stehen die Jahrzahlen
1214 und 1215 zwar wieder an anderer Stelle als in der
Cron. S. Petri, da ersteres hier viel reicher ist als letztere,
aber alles was in dieser unter 1214 steht, in Wahrheit zu
1213—1215 gehört, alles, was in ihr unter dem J. 1215
steht, in Wirklichkeit zu 1215 — 1217 gehört, steht auch
gleich vertheilt in Chron. Reinh. unter 1214 und 1215.
Unmöglich konnte der Autor der alten Quelle so grobe
chronologische Fehler in der letzten Partie seiner Arbeit,
deren Berichte er bald nach den Ereignissen niedergeschrie-
ben haben muss, begangen haben. Er konnte unmöglich
den Tod des Landgrafen Hermann zu 1215 statt zu 1217
ansetzen, wie es in beiden Ableitungen geschehen ist. Wenn
die Jahrzahlen 1214 und 1215 sich bei ihm fanden, können
sie sich nur auf ein bestimmtes Ereignis bezogen haben2.
Der Erfurter Chronist wird die Jahrzahl 1214 willkürlich
eingesetzt haben, die Zahl 1215 deshalb vor dem Bericht
über das Lateranconcil eingefügt haben, weil er wusste,
was auch ein Späterer leicht ermitteln konnte, dass das
Concil eben in diesem Jahr stattfand. Da er weitere Jahr-
angaben in seiner Quelle nicht fand, setzte er auch deren
Nachrichten über des Papstes (f 1216) und des Landgrafen
(f 1217) Tod unter dieses Jahr. Der Reinhardsbrunner
Chronist eröffnete die Abschnitte, welche er zu 1214 und
1215 setzte, mit annalistischen Nachrichten, welche er einer
1) Man erkennt deutlich, weshalb der Erfurter Chronist an der von
ihm beliebten Stelle die Jahreszahl 1213 einsetzte (Stübel S. 55). Nach
der Quelle sollte ein Hoftag, der in Wirklichkeit 1212, Dec. 5 gehalten
wurde, 'circa epiphaniani' angesetzt gewesen sein. Ganz mit Recht mar-
kierte daher der Chronist vor dem durch dieses Datum (Jan. 6) bezeich-
neten Ereignis den Jahreswechsel durch die Zahl 1213. 2) "Wie 1215
in der That an einer von ihm herrührenden Stelle steht, Wegele S. 138,
Z. 10.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 613
anderen Quelle, nicht jener grossen entnahm. Dass er
dann neben vielem anderen auch das unter diese Jahre
setzte, was in der Cron. S. Petri steht, obwohl seine Quelle
das nicht verursacht haben kann, könnte schon durch
reinen Zufall veranlasst, er kann aber gerade auch durch
die Ansätze der Cron. S. Petri dazu bewogen worden sein,
denn diese benutzte er ja, wenn er auch für die Jahre
1209 — 1217 nicht ihr, sondern ihrer reicheren Quelle,
welche er besass, folgte. Und dass er den Tod des Land-
grafen Hermann falsch wie Cron. S. Petri zu 1215 statt
zu 1217 ansetzte, kann ihm auch noch durch eine andere
Quelle, die Chronica Minor, eingegeben sein 1, welche den-
selben Fehler hat.
Wenck hat die Eeinhardsbrunner Geschichten von
1187 — 1217 Annalen genannt2, aber aus unserer Betrach-
tung derselben ergiebt sich, dass keine Bezeichnung weniger
auf sie passt. Es wären das Annalen von einer der anna-
listischen geradezu entgegengesetzten Art der Bericht-
erstattung und ohne Jahrangaben. Da wir einen Namen
für diese Quelle brauchen, die uns nahezu vollständig in
der Chronik von Reinhardsbrunn erhalten ist, so werden
wir den schon im Gebrauch befindlichen der Historiae
Reinhardsbrunnenses. welchen man mit Unrecht und un-
passend auf die Chronik angewandt hat, für sie in An-
spruch nehmen können, denn er eignet sich in der That
ausgezeichnet für diese Erzählungen aus der Reichs-, Kreuz-
zugs- und Thüringischen Landesgeschichte 3, denen noch
Mirakelgeschichten eingemischt sind. Er bezeichnet durch
seine Pluralform auch gut, dass das Werk aus zwei zu
verschiedener Zeit geschriebenen Theilen (1187 — 1197 und
1197—1217) besteht.
In der Chronik ist unter den Jahren 1213 und 1215
1) Er compilierte einen in ihr unmittelbar hinter der Notiz über
des Grafen Tod stehenden Bericht einer Vision über Innocenz' Tod mit
dem entsprechenden der Cron. S. Petri noch unter dem J. 1215. — Sehr
auffallend ist, dass das Deutsche Leben Ludwigs d. Heil. II, 1, ed. Rückert
S. 15 ebenfalls 1215 als Todesjahr Hermanns angiebt, wo in diesem Ca-
pitel die Historien ausgeschrieben sind. Es muss das eben das letzte an-
gegebene Incarnationsjahr dieser Quelle gewesen sein. 2) Entst. S. 24;
N. A. X, 99. Er folgte darin dem früheren Gebrauch, wonach man den
Theil bis 1197 Annalen zur Geschichte Heinrichs VI. nannte. 3) Ich
wüsste kein Werk, das ihm in der Behandlungsart näher stünde, als die
etwa 60 Jahre später in französischer Sprache geschriebenen köstlichen
'Istores' des Menestrels von Reims. Nur dass diese wegen des Gebrauchs
der Muttersprache ungleich frischer geschrieben und dazu sehr fabel-
haft sind.
614 Oswald Holder -Egger.
ein in zwei Theile zerrissener, in Form eines Sermons ge-
haltener Tractat über die Frömmigkeit des Eremiten Sifrid
eingelegt, der schon als älterer Mann Mönch zn Reinhards-
brunn wurde, dann aber sich bei Georgenthal als Einsiedler
niederliess, dort am 1. Februar 1215 starb. Der Sermon
ist bald nach dem Tode Sifrids, aber nach dem 21. Juni
1217 x von einem Reinhardsbrunner Mönch, der die Priester-
weihe hatte 2, verfasst. Der Verfasser war in der Zelle bei
Georgenthal nur noch mit einem anderen Mönch seines
Klosters bei dem Tode Sifrids gegenwärtig, stritt sich da
mit den Georgenthaler Cisterziensermönchen um den Besitz
der Leiche des frommen Mannes, erstritt den Sieg und
brachte sie nach Reinhardsbrunn, wo er der Beisetzung
beiwohnte. Er beschreibt das alles genau. Sifrid hatte
ihn kurz vor seinem Tode aus Reinhardsbrunn nach seiner
Zelle holen lassen, weil er ihm besonders zugethan war3.
Damit haben wir auch etwas über den Autor der Historien
ermittelt, denn es kann ein Blinder mit dem Stocke fühlen,
dass der auch dieses Stück geschrieben hat. Schon oben
habe ich einige Redensarten daraus angeführt, welche für
ihn charakteristisch sind. Viele andere würden sich aus
diesem in erbaulichem Tone gehaltenen und in Folge dessen
mit Vulgata - Stellen erfüllten kleinen Stück eben nicht
anführen lassen, welche sich in den Geschichtserzählungen
desselben Autors wiederfinden, aber das ganze Colorit der
auch hier überladenen und geschwollenen Sprache lässt
auch hier mit Sicherheit die Feder jenes Autors erkennen.
Ich möchte nicht gar viel Gewicht darauf legen, dass er
Virgils 'auri sacra fames' in diesem Stück sowohl, an nicht
eben sehr passlicher Stelle (S. 138, 17), wie in den Historien
(S. 102, 16) citiert. Mehr bedeutet schon, wenn er in
diesen (S. 144, 17) sagt: 'Ecce sagena Petri per mare mag-
num et spaciosum manibus expansa' (nach Ps. 103, 25. Mit
dem 'mare' meint er alle Lande der Christenheit) und im
Sermon (S. 141, 3): 'in hoc furenti et discriminoso mari,
id est in hoc presenti seculo, magno et spacioso manibus.'
Aber ich will nicht wieder durch einzelne Sprachbrocken
etwas zu erweisen suchen, woran kein Urtheilsfähiger
1) S. 141, Z. 12- 16. 2) S. 138, Z. 11. 3) Der Verfasser sagt
das zwar nicht mit deutlichen Worten, aber es ist leicht zu erkennen, dass
er sich selbst bezeichnet, wenn er S. 136, Z. 25 sagt: '(Sifridus) misit pro
quodam fratre in Reynersborn, sibi, ut ipse fatebatur, desiderantissimo',
da er ausdrücklich nachher sagt, dass ausser ihm nur noch e i n Reinhards-
brunner Mönch bei dem Tode des Einsiedlers zugegen war, da er sich
nachher bewogen fühlte, dieses Schriftchen zum Preise Sifrids zu schreiben.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 615
zweifeln kann1. Der Sermon hat sicher in der Hs. der
Historien gestanden, vielleicht am Ende derselben, vielleicht
aber auch schon denselben eingefügt wie in der Chronik 2,
da auch andere ähnliche Stücke, wie das über das heilige
Blut -Wunder zu 1191 und die Teufelsgeschichte zu 1206,
darin standen.
Es will mir scheinen, als ob die Historien nicht schon
mit dem Tode des Landgrafen Hermann schlössen, sondern
noch einen Abschnitt über seinen Sohn und Nachfolger
Ludwig den Heiligen enthielten, in welchem dessen Tugen-
den gepriesen werden (S. 146—148). Die Gründe für eine
solche Ansicht wiegen in der That nicht leicht. Es heisst
da (S. 146): 'Qui (Lucio wicus) . . . iuvenis ipse senum ex-
empla hactenus declarans, sub regis serenissimi Fri-
derici fulgente potencia ... in principalis sedem dignitatis
est elevatus'. Es scheint doch fast, als ob das 'hactenus'
anzeigt, der Landgraf lebe als junger Mann zur Zeit, da
das geschrieben ist. Aber vielleicht kann man es so ver-
stehen, dass es bedeuten soll 'bis zu dem Zeitpunkte, da er
seinem Vater folgte'. Das 'regis serenissimi' jedoch deutet
doch wohl darauf hin, dass der Abschnitt geschrieben
wurde, ehe Friedrich IL zum Kaiser gekrönt war (1220,
Nov. 18) 3. Das Stück stand in der Vita Ludowici. Von
deren Verfasser aber, der um 1300 schrieb, kann es nicht
herrühren, denn der würde wohl Friedrich Kaiser genannt
und ihm schwerlich ein ehrendes Prädikat gegeben haben.
Berthold zwar hätte wohl so schreiben können in der Er-
innerung, dass, als Ludwig IV. Landgraf wurde, Friedrich
1) Wenck, Entst. S. 18, N. 1 sah sehr wohl, dass die Sprache des
Sermons die der Historien war. Da er die der letzteren seinem Stil-
künstler zuschrieb, musste der natürlich auch dieses Stück stark über-
arbeitet haben. Es ist ein Jammer zu sehen, wohin ihn dieser eine von
seinen Vorgängern übernommene Irrthum geführt hat. Er wollte zu-
geben, dass diesem Sermon, der vom ersten bis zum letzten Wort das
Gepräge gleichzeitiger Abfassung trägt, gleichzeitige Aufzeichnungen z u
Grund elägen! 2) Dort steht die erste Hälfte zwar unter der vom
Oompilator eingesetzten Jahrzahl 1213, aber doch ganz passend an der
Stelle, nach Dingen aus dem J. 1212 nämlich. Denn die Uebersiedelung
Sifrids nach der Zelle, die hier erzählt wird, geschah 1212, August oder
September. Dass der Erfurter Chronist das Stück über Sifrid wegliess,
ist ziemlich selbstverständlich. 3) Ausser dem Preise der Frömmigkeit
und Regententugenden des jungen Landgrafen enthält das Stück noch
einen Hinweis auf Schwierigkeiten, die er zu Anfang seiner Regierung zu
überstehen hatte, und durch die er in seinem Gewissen beschwert wurde.
Ist darunter zu verstehen, dass er 1218 mit dem Erzbischof von Mainz
in Streit gerieth und von ihm gebannt wurde, was sehr wahrscheinlich
ist, so macht solche zarte Andeutung sicher, dass der Abschnitt gleich-
zeitig- ist. Berthold erzählt den Streit mit klaren Worten S. 155.
616 Oswald Holder -Egger.
noch König war. Aber das Stück passt nicht zu der Art
seiner Schreibweise, wie wir sie aus den erhaltenen Frag-
menten seines Werkes kennen lernen. Um so mehr zeigt
es die verzwickte und aufgebauschte Schreibart der Historien,
auch einige von dem Autor beliebte Wendungen1. Er
würde dann sein Werk etwa in den Jahren 1218/9 beendigt
haben. Aber freilich das ganze Stück rührt wohl sicher
nicht vom Autor der Historien her2.
Auch in die aus den Historien entlehnten Partieen
sind in der Chronik fremde Einlagen gemacht, zum Theil
aus bekannten Quellen, der Cron. S. Petri3 und Chron.
Minor, zum Theil aber auch solche unbekannter Her-
kunft. Dahin gehört die Genealogie der Grafen von
Käfernburg und Schwarzburg, welche sich ja sofort als
Einschaltung ergiebt, weil sie bis in die Mitte des 13. Jh.
herunterreicht (S. 80, 17 — 81, 18). Auch trockene annali-
stische Notizen finden sich mitunter eingestreut4, die von
dem Charakter der Historien so abweichen, dass sie denen
unmöglich entstammen können. Dann sind vom Compi-
lator noch, wie auch früher schon, zwei Notizen über
1) Es heisst da: 'dum floridam iuventutis etatem attigisset, nimie
benignitatis et bonitatis in eo virtus emicuit' = T c. 5: 'virilemque eta-
tem attingens' ; B 92, 8 : 'cuius virtus pre cunctis principibus . . . enituit1
(vgl. oben S. 603) ; A 54, 27 : 'qui et pre ceteris bene faciendo emicuit'.
Weiter : 'favorabili populorum assensu in paterni dominatus successione . . .
elevatus est' (vgl. oben S. 590 über den häufigen Gebrauch von 'favora-
bilis' in den Historien) = B 118, 18 : 'solidatus in regno . . . favore popu-
lorum'; 129,10: 'populi favorabiliter ad illum coadunantur' ; vgl. 103,5.
Der Verfasser der Historien braucht zweimal das Wort 'mediastinus' in
einer der ursprünglichen ganz fremden Bedeutung, wie es auch sonst im
Mittelalter, aber selten, geschieht. (Ducange-Henschel führt nur 2 Stellen
an, wo die Stelle unter 2. der Vita Haimeradi ganz unsinnig erklärt ist.)
A 62, 13 : 'seque mediastinum affuturum . . . spospondit' (wo das Wort von
mir conjiciert ist) und B 135, 29 : 'tempore mediastino', und so auch in
dem in Rede stehenden Abschnitt S. 147, 6 : 'hoc ambiguum non diu me-
diastinum tractans'. 2) Da es sicher ist, dass der Compilator dieses
Stück aus der Vita Ludowici II, 2 übernahm, den Schluss desselben aber
wegliess, kann deren Verfasser daran geändert und zugesetzt haben, auch
wenn es zum Theil ursprünglich vom Autor der Historien geschrieben
war. Dass es in die Chronik von St. Peter nicht Aufnahme fand, auch
wenn es am Ende der in dieser benutzten Historien stand, ist bei seinem
Charakter nicht auffällig. 3) Durch Einlagen aus dieser sind zuweilen
Stücke der Historien verdrängt worden, wie Wenck bemerkte. 4) Zu
1187, S. 43, Z. 8—11; zu 1189, S. 47, Z. 9 ff . ; zu 1200, S. 92, Z. 20;
zu 1206. 1207, S. 108, Z. 20 — 23; zu 1214, S. 133, Z. 20 f. ; zu 1215,
S. 136, Z. 12 — 14. Auch wohl S. 55, Z. 11 — 14 entstammt anderer Rein-
hardsbrunner Aufzeichnung.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 617
Güterschenkungen nach Urkunden eingefügt (S. 49. 133).
Ueber grosse Abschnitte zu 1200. 1207. 1211 wird nach-
her noch zu reden sein.
Wir kehren noch einmal zu dem früheren Theil der
Chronik bis 1186 zurück. Dem Compilator des 14. Jh. kam
es auf die Masse an, er schrieb aus der Crom S. Petri und
Chron. Minor wörtlich ab \ was er diesen Quellen entnahm.
Da ist es auffällig, dass er dem Pantheon Gotfrids von
Viterbo nur 5 kurze Stellen entnahm2, und dass diese so-
wie stets die nicht eben umfangreichen Excerpte aus
Ekkehards Chronik in gleicher Weise stark gekürzt und
im Wortlaut verändert sind. Man könnte auf den Ge-
danken kommen, dass schon vor dem Compilator ein Pein-
hardsbrunner Mönch diese Excerpte gemacht, sie vielleicht
entweder mit dem ursprünglichen Text der Hist. brevis
principum Thur. und den Historien, oder vielleicht auch
mit anderen annalistischen Elementen verbunden, seiner-
seits auch schon Zusätze sagenhaften Charakters, auch
vielleicht schon Auszüge aus Reinhardsbrunner Urkunden
hinzugefügt habe. Ihm müsste dann auch das Plagiat aus
Ekkehard 3 über Landgraf Ludwig III. zugetheilt werden,
denn es hat ein gewisses Bedenken, sowohl solch eine
Plagiats - Leistung wie alle die Peinhardsbrunner späteren
Einlagen in dem ersten Theil der Chronik dem simplen
Compilator erst zuzuschreiben, der so mechanisch verfuhr,
dass er öfter zwei Berichte verschiedener Quellen über das-
selbe Ereignis hinter einander abschrieb. Wo er sie ver-
band, geschah das in ganz ungeschickter und roher Weise 4.
Man könnte für diese Ansicht auch geltend machen, dass
die Stücke der kleinen Landgrafengeschichte zuweilen mit
den Excerpten aus Ekkehard und Gotfrid in organische
Verbindung gebracht sind 5, was auch der mechanischen
Arbeitsweise des Compilators nicht sehr entspricht. Aber
1) Er hat sicher noch viel weniger geändert, als das nach der
Hannoverschen Hs. den Anschein hat. "Wo uns andere Ableitungen zu
Hülfe kommen, zeigt es sieht oft, dass die Aenderungen nur dieser Hs.
eigenthümlich sind. So werden also auch an anderen Stellen, wo wir eines
anderen Hülfsmittels entbehren, manche Aenderungen erst dem zur Last
fallen, welcher die Stücke der Chronik mit den Gesta archiep. Magd.
verband. 2) S. 1. 3. 7. 9. 23 der Ausgabe, wo die Benutzung Gotfrids
nur S. 1 angemerkt ist. S. 23 ist ein Theil der Gotfrid - Stelle ausge-
fallen. 3) Vgl. oben S. 403. 4) Man sehe z. B. S. 145, wo die Be-
richte der Reinhardsbr. Historien und der Chron. Minor über das Lateran-
concil von 1215 in einander geschachtelt sind. 5) S. 1. 3, Z. 17. 14, Z. 5.
618 Oswald Holder -Egger.
wir bewegen uns damit freilich auf ganz unsicherem Boden
von Conjecturen, und manches spricht gegen jene Ver-
muthung, zunächst schon der Umstand, dass die Ekkehard-
Excerpte in der Chronik nicht erst mit 1026, wie man auf
Grund der Ausgabe meinte, sondern in der Hannoverschen
Hs. schon mit 962 \ in Schedels Excerpten 2 gar schon mit
530 beginnen und da mit Auszügen aus der Chron. Minor
und aus der kleinen Chronik in Jacobs de Varagine Gol-
dener Legende u. s. w. verbunden sind 3. Wenden wir uns
daher sicher noch erkennbaren Dingen zu.
Die Ekkehard - Hs. , welche sich zu Keinhardsbrunn
befand und in der Chronik ausgeschrieben wurde, war eine
Abschrift des dem Erfurter St. Peters -Kloster gehörigen,
jetzt in Gotha aufbewahrten Codex, der durch Zusätze
aus Lamperts Annalen und andere vermehrt, durch An-
fügung der sogenannten Annales Erphesfurdenses (Lotha-
riani) bis 1137 fortgesetzt ist4. Denn in den der Ausgabe
fehlenden Partieen der Eeinhardsbrunner Chronik von 949
an und S. 9 der Ausgabe sind einige Stellen aus Lamperts
Annalen in Verbindung mit solchen aus Ekkehard aufge-
nommen, welche sämmtlich in dem Erfurter Codex stehen
und stets dessen abgeänderte Lesarten darbieten. Auch
von den von Schedel aus der Reinhardsbr. Chronik excer-
pierten kurzen Notizen von 530 — 1039 2, welche aus Ekke-
hard, Lampert und Chron. Minor entlehnt sind, stehen die
Lampert- Stellen sämmtlich im Erfurter Codex5. Ferner
in der Hs. der Münchener Königl. Bibliothek Lat. 951 hat
Hartmann Schedel f. 126 — 130 (186—196) Excerpte aus
1) Vgl. SS. XIV, 364, N. ttt. 389, N. ***. 391, N. **. 2) Wenck,
Entst. S. 85 f. 3) Auch folgende Bemerkung scheint gegen jene An-
sicht zu sprechen. Das Plagiat aus Ekk. über Ludwig III. beginnt S. 37
mit den Worten : 'Ludewicus . . . principatum et probitatem et nomen
fratris obtinuit', welche mit Ausnahme des Gesperrten aus der Cron.
S. Petri entlehnt sind. Bei Ekkehard, SS. VI, 211, heisst es vor der im
Chron. Reinh. plagiierten Stelle: 'Chuonradus ... et nomen et dignitatem
regis annis fere VIII obtinuit'. Die zufällige Uebereinstimmung dieser
Worte mit den aus der Cron. S. Petri entlehnten scheint den Anlass
gegeben zu haben, an diese das bei Ekk. folgende anzuknüpfen. Die
St. Peters - Chronik benutzte aber sicher erst der Compilator des 14. Jh.,
und daher scheint er auch Ekkehards Chronik benutzt und excerpiert zu
haben. Uebrigens wird derselbe Mann wohl auch S. 5 der Chronik in
den Text der Schrift 'De ortu' die Worte eingefügt haben: 'Ludewicus
itaque patris sui et nominis et probitatis cunctorumque bonorum suo-
rum heres factus est'. 4) In der Ausgabe, SS. VI, 14, mit 5 bezeichnet.
5) Die letzte zu 1012 genau mit dem Fehler wie bei Schedel : 'primo
eiusdem episcopo consecratur' statt bei Lampert: 'primo eiusdem sedis
episcopo consecrata est'.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 619
Ekkehards Chronik abgeschrieben mit der Uebersckrift:
'Ex cronica Eusebii cum addicionibus monasterii Reinharts-
born und an einer Stelle mit der Unterschrift: 'Hec in
Cronica Eusebii cum addicioni (!) in Reinhersborn' K Darin
ist zum J. 908 nach Ekkehards Worten: 'Adelbertus —
interficiuntur' - ein Sätzchen aus Lamperts Annalen mit
abgeschrieben 3, das eben an dieser Stelle im Erfurter Codex
steht4. Also hat Schedel dieselbe Reinhardsbrunner Ab-
schrift des Erfurter Codex excerpiert, welche in der Chro-
nik von Reinhardsbrunn benutzt ist. Er hat gemeint, dass
sie Reinhardsbrunner Additiones enthalte, weil er wusste,
dass sie aus diesem Kloster stammte.
Mit der Feststellung, dass die Reinhardsbrunner Ek-
kehard-Hs. als Abschrift der Erfurter 5 die Annales Erphes-
furdenses bis 1137 enthalten haben muss, fällt aber Wencks
Aufstellung zusammen 6, dass in dieser Hs. an Ekkehard
die Ann. S. Petri Erphesfurt. maiores bis 1181, daran die
alte Reinhardsbrunner Quelle, die er mit 1183 beginnen
lässt, bis 1215 angeschlossen war. Die Conjectur war schon
an sich nicht begründet, denn die Ann. S. Petri maiores
1078 — 1181 sind nie eine Ekkehard-, sondern eine Lam-
pert - Fortsetzung gewesen, wie die ganze verwandte Gruppe
der Erfurter Annalen 7.
Sehr verlockend, wie ich gestehen muss, war es für
Wenck, seine Combination auf überlieferte Nachrichten
über eine ehemals, wie es scheint, vorhandene Ekkehard-
Hs. zu stützen 8. Die leider, leider verlorene Mainzer Hs.,
aus welcher Gudenus die Schrift De ortu princ. Thur.'
1) Herr Dr. H. Simonsfeld hat die Grüte gehabt, diese Excerpte
für mich abzuschreiben. Wenck hat N. A. X, 103 über sie gesprochen,
nachdem er und Andere sie früher unter irrigen Voraussetzungen erwähnt
hatten. 2) SS. VI, 174, Z. 66. 67. 3) 'Liutpoldus dux occisus est ab
Ungariis'. 4) Auch hat einmal Schedel eine Variante, die nur die Er-
furter Hs. bietet, nämlich SS. VI, 182, Z. 42: 'minima donavit et hono-
ravit' = N. w. 5) Nicht etwa konnte umgekehrt diese Copie der Rein-
hardsbrunner sein, weil sie mehrere Erfurter Interpolationen enthält, von
denen einiges in die Chronik von Reinhardsbrunn aus der Ekkehard -Hs.
dieses Klosters übergegangen ist. 6) N". A. X, 102 ff. 7) Vgl. N. A.
XIX, 151 ff. Was Wenck für seine Ansicht geltend macht (S. 103), dass
in drei Ekkehard -Hss. Annales S. Petri Erphesf. 1125—1169 als Fort-
setzung angeschlossen seien, ist von gar keinem Belang, denn diese An-
nalen sind keine Erfurter, sondern die Ann. S. Petri antiqui sind nur
in ihnen benutzt. Pertz nennt sie SS. XVI, 17 Ann. S. Petri et Aquen-
s e s. 8) AVas er Zeitschrift f. Thür. Gesch. N. F. IV, 298, N. 2 gethan
hat. Mir war, bevor ich diese Aeusserung las, derselbe Gredanke gekom-
men, den er hier vorträgt, ich hatte ihn aber sehr bald wieder aufgeben
müssen.
620 Oswald Holder -Egger.
herausgab, in welcher unter anderem auch die Annales
Erphordenses 1220 — 1254 standen, enthielt an erster
Stelle ein Chronicon Eusebii bis 1215, dessen Ränder mit
Zusätzen von einer Hand des 14. Jh. ganz bedeckt waren1.
Man wird wohl mit Recht vermuthen, dass das ein Ekke-
hard mit Fortsetzung war 2. Wenck nimmt das bestimmt
an, er vermuthet, dass in diesem Codex die Reinhard s-
brunner Annalen (Historien) 1183 — 1215 als Fortsetzung
von Ekkehard gestanden hätten; die zahlreichen Glossen
am Rande könnten mit den Zuthaten des späteren Rein-
hardsbrunner Bearbeiters identisch sein. Das ist eine ganz
prächtige Combination, aber sie taugt doch nichts. Denn
erstens, was berechtigt zu der Annahme, dass diese Hs.
aus Reinhardsbrunn stammte? wie das noth wendig der Fall
sein müsste, wenn die letzte Conjectur begründet wäre.
Der Umstand, dass die Schrift 'De ortu' darinstand, gewiss
nicht, denn wir fanden oben (S. 605), dass die Schrift, wie
sie in dieser Hs. stand, wahrscheinlich von einem Fremden,
vielleicht von einem Erfurter, vielleicht einem Mainzer,
aus der originalen Reinhardsbrunner abgekürzt war. Ge-
wiss würde ich mit mehr Recht vermuthen, die Hs., wenn
sie einen Ekkehard enthielt, sei vielmehr eine Abschrift
der Erfurter Hs. des St. Peters - Klosters gewesen, da sie
ja Erfurter Annalen enthielt, und die Beziehungen zwischen
Mainz und Erfurt waren doch gewiss lebhafter als die
zwischen Mainz und Reinhardsbrunn. Aber ich werde
eine solche Vermuthung nicht wagen. Zweitens, die Rein-
hardsbrunner Historien reichten keineswegs nur bis zum
J. 1215, sondern, wie wir sahen, mindestens bis 1217, wahr-
scheinlich noch weiter3, wir fanden, dass die Jahrzahl 1215
erst von dem Erfurter Chronisten als letzte eingesetzt ge-
wesen sein muss4. Also das Schlussjahr der Hs. stimmt nur
schlecht mit dem der Historien. Drittens, wäre eine so wich-
tige, noch gänzlich unbekannte Quelle wie die Reinhards-
brunner Historien in einer alten Mainzer Hs. bis zum
Ende des vorigen Jahrhunderts vorhanden gewesen, so sollte
man meinen, dass etwas davon durch Gudenus, der diese
Hs. benutzte und beschrieb, oder durch Schannat 5 oder
Andere bekannt geworden wäre. Viertens, Schedel excer-
pierte, wie wir sahen, die Reinhardsbrunner Ekkehard -Hs.,
1) Menüs, Codex dipl. s. Anecd. H, 597; vgl. SS. XXIV, 819.
2) Aber sicher ist das doch auch nicht. Es konnte z. B. eine Hs. von
(Eusebius-) Hieronymus, Prosper, Sigebert mit Fortsetzung sein. 3) Oben
S. 615 f. 4) Oben S. 612 f. 5) Der aus dieser Hs. (aber vielleicht nur
nach einer Abschrift derselben) die Erfurter Annalen herausgab.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 621
es müsste diese Hs. gewesen sein \ die er benutzte, wäre
die Conjectur richtig. Er hätte in ihr also (oder, wenn
wir die zweite Conjectur über die Glossen bei Seite lassen,
doch zum mindesten in deren Mutter-Hs.) die wichtige Thü-
ringische Quelle gefunden. Da sollte man meinen, er
würde sie für seine Sammlung chronikalischer Thüringi-
scher Nachrichten, die er zweimal, in Clm. 593 und der
verlorenen Hs. des Pistorius 2, veranstaltete , ausgenutzt
haben. Aber alles, was er an Keinhardsbrunner Aufzeich-
nungen brachte, entnahm er der Chronik, nicht der alten
Quelle 3. Endlich die Randglossen der Hs. konnten von
dem Compilator der Reinhardsbr. Chronik gewiss nicht
herrühren, Wenck schreibt sie also seinem stilistischen
Bearbeiter zu. Aber der hat nicht existiert. Und es ist
ja auch eine willkürliche "Voraussetzung, dass die Zusätze
sich vornehmlich auf das 12. und 13. Jh. bezogen, sie
konnten in einer Ekkehard-Hs. eben so gut vornehmlich
zu der ältesten Geschichte, meinetwegen zu den Geschich-
ten von Adam und Noah gemacht sein. So entbehrt diese
Combination, so verlockend sie erscheinen konnte, doch
jeder haltbaren Stütze.
Hier hätte eigentlich noch, wenn die Aufgabe, die
sich dieser Aufsatz nach seiner Ueberschrift gestellt hatte,
vollständig gelöst werden sollte, über die annalistischen
Bestandtheile der Chronik von 1110 — 1184 gehandelt wer-
den müssen, woran sich noch manche Fragen über die
Composition der Chronik und ihre Quellen knüpfen, doch
können diese ebenso gut im Zusammenhange mit einer Be-
sprechung der Erfurter Denkmäler, welche in einein nächsten
Aufsatz folgen soll, erörtert werden. Mit Rücksicht auf
den in diesem Heft zu Gebot stehenden Raum habe ich
diesen Theil daher hier weggeschnitten und gehe gleich
zur Besprechung einer anderen verlorenen Hanptquelle der
Chronik über.
1) Wie unwahrscheinlich das ist, sieht Jeder sogleich. 2) Vgl.
N. A. XIX, 154 f. 3) Wenck sagte a. a. 0., wir kennen keine Ekke-
hard-Hs. mit Fortsetzung bis 1215. Doch wir haben eine solche, die, in
welcher die Annales Pegavienses als Fortsetzung Ekkehard angehängt
sind. Das letzte darin angegebene Jahr ist 1215, obgleich die Erzählung
bis 1227 reicht (SS. XVI, 268 ff.). Aber nach Pertz ist die letzte Fort-
setzung von 1191 — 1215 erst von einer Hand des 14. Jh. im Pegauer
Originalcodex angefügt. Ich denke aber auch nicht daran zu vermuthen,
dass die Mainzer Hs. diese Annalen enthielt, viel eher würde ich glauben,
dass der letzte Abschnitt des sogenannten Chron. Eusebii darin recht
dürftig und in den Augen von Gudenus ziemlich werthlos war.
Neues Archiv etc. XX. 41
622 Oswald Holder -Egger.
Wieder ein wirkliches und grosses Verdienst hat sich
Wenck erworben, als er den Nachweis führte \ dass Die-
trichs von Apolda Vita S. Elisabeth mit deren Reinhards-
brunner Zusätzen Quelle gewesen ist für die Chronik von
Reinhardsbrunn und die mit ihnen übereinstimmenden
Capitel des deutschen Lebens Ludwigs des Heiligen, dass
nicht umgekehrt, wie H. Rückert - und Wegele 3 früher an-
genommen hatten, Dietrich die Vita Ludowici ausge-
schrieben hat. Freilich ist es schwer begreiflich, wie man
eine solche Ansicht hat hegen können. Das ist nur dadurch
erklärlich, dass Rückert von historischer Forschung durch-
aus nichts verstand, und Wegele die Sache vermuthlich
garnicht untersucht, sondern sich auf Rückerts Urtheil
verlassen hat. Es wäre sündhaft, den Worten Wencks
über diese Frage noch etwas hinzuzusetzen. Aber leider
hat sich Wenck mit dieser Feststellung nicht begnügt. Er
eröffnet das betreffende Capitel mit den Worten: 'Eine
lateinische Vita Ludovici hat überhaupt nicht existiert'.
Er meint (S. 4), Niemand bis auf Rückert habe diese Vita
erwähnt. Aber sehr mit Recht hat dagegen E. Bernecker4
bemerkt, dass sie ja in der Vorrede der deutschen Lebens-
beschreibung deutlich erwähnt sei, wo es nach dem Preise
der Frömmigkeit des Landgrafen heisst : 'alse sin leben
wol uz wiset, daz beschrebin hat er Berit, sin cappellan,
der im heimelich gewest ist von jogent biz in sinen tod,
alse her gesehen und gehört had di sundirlichen grozen
gnade, di got in dem vorgenanten fürst en geworcht had.
Unde er had daz buch sines lebins geteilt in
sechs bucher'5. Es folgt darauf die Inhaltsangabe der
1 ) Entst. S. 4 ff. 2) Das Leben des h. Ludwig, Landgrafen in
Thüringen S. vn f. 3) Ann. Reinh. S. xxi. Er setzte einfach voraus,
dass Rückerts Ansicht richtig ist. 4) Beiträge zur Chronologie der Re-
gierung Ludwig IV., des Heiligen. Königsb. Diss. 1880, S. 8, N. 23.
Ganz das Richtige, was ich im Folgenden ausführe, hat G. Börner er-
kannt und N. A. XHI, 434 ff. einige durchaus zutreffende Gründe dafür
beigebracht. Aber diese sind nicht nach allen Richtungen überzeugend
genug. Sie haben z. B. auf Wattenbach, GQ. 6. Aufl. II, 370, N. 3 so
wenig Eindruck gemacht, dass er Börners richtige Ansicht neben der
Wencks nur sehr nebensächlich erwähnt. Daher ist es nothwendig, die
Sache noch einmal gründlich zu behandeln. 5) In der zu Reinhards-
brunn von Nicolaus Götze unter Abt Diether Nekils geschriebenen Co-
burger Hs. lautet die Unterschrift (Rückert S. xi f., N. 2) : 'Iste liber com-
paratus est . . . a. D. 1404, translatus de Latino in Theutonicum
per Fridericum Kodicz de Salvelt presbiterum, pro tunc rectorem parvu-
lorum huius monasterii1. Die Worte scheinen doch darauf hinzudeuten,
dass Nicolaus Götze wohl wusste, dass eine lateinische Vita Ludowici in
seinem Kloster vorhanden war. Nur sehr gezwungen, wenn auch allen-
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 623
6 Bücher, wie sie auch in der deutschen Uebersetzung bei-
behalten sind. Darauf wird man wieder mit vollem Eecht
antworten: Das ist ja ganz unmöglich. Wie kann des
Landgrafen, der 1227 starb, Kapellan Berthold ein nach
1308 zu Reinhardsbrunn geschriebenes Werk verfasst haben?
Gewiss das ist unmöglich. Friedrich Köditz irrte eben,
indem er meinte, die von ihm übersetzte Vita sei von
Berthold verfasst, aber es liegt ja auf der Hand, wie er
zu dem Irrtimm kam. In der Vita war wörtlich die Stelle
aus Bertholds Werk aufgenommen, an welcher dieser die
Begleiter des Landgrafen auf der Kreuzfahrt aufzählt,
darunter auch: 'Bertoldus sacerdos et capellanus, de cuius
manu hec omnia notata sunt atque conscripta'. Natürlich
musste Friedrich Köditz1 auf diese Stelle hin meinen, das
ganze Werk, das er übersetzte, sei von Berthold verfasst 2.
Aber dieser Irrthum kann doch nichts gegen seine be-
stimmte Aussage beweisen, dass er eine Vita in 6 Büchern
vor sich hatte 3.
Dennoch meinte Wenck, Köditz habe nicht ein solches
Buch übersetzt, sondern den ganzen Stoff seines Werkes
der Chronik entnommen. Damit er das thun konnte, be-
hauptet Wenck (S. 12) Folgendes: Dietrichs Vita wurde,
wie wir wissen, im J. 1293 (oder kurz danach)4 in Rein-
hardsbrunn durch Zusätze vermehrt, welche den dort be-
statteten Landgrafen Ludwig betrafen, der nach dem
Brande von 1292 Wunder zu thun begann und fortan von
den Reinhardsbrunnern als Heiliger verehrt wurde. In
dieser überarbeiteten (lies: vermehrten5) Gestalt, sagt
falls möglich, wäre doch die Auslegung, Friedrich Köditz habe eben aus
der Reinhardsbrunner Chronik übersetzt. 1) Der diese Worte V, 1,
S. 58 f. übersetzte. 2) Und weiter es ist möglich, dass der Reinhards-
brunner Mönch, welcher die Vita Lud. fabricierte und Bertholds Werk
ausschrieb, sich schon auf diesen in seiner Vorrede berufen hatte. Viel-
leicht hatte er geradezu da gesagt, Berthold habe des Ländgrafen Vita
geschrieben, was nicht ganz unrichtig war. 3) Die bodenlosen Phanta-
sieen Rückerts über die drei Redactionen der Vita S. vn f., welche er
erträumte, weil er den sehr einfachen Sachverhalt nicht einsah, und über
den Reinhardsbrunner Mönch Berthold, welcher Kapellan des Landgrafen,
nach dessen Tode wieder Mönch wurde, sind natürlich durch Wencks Nach-
weis abgethan. 4) Es geht meines Erachtens durchaus nicht aus den von
Wenck citierten Worten des Reinhardsbrunner Additamentes (Mencke II,
1998 f.) hervor, dass die durch dieReinhardsbrunner Zusätze vermehrte Ab-
schrift von Dietrichs Vita Elisabeth zwischen dem 5. April und 1. Juli 1293
gemacht ist. Es ist mir vielmehr wahrscheinlicher, dass das später geschah,
nachdem die durch den grossen Brand von 1292 zerstörten Gebäude des
Klosters wieder hergestellt waren, Ordnung und Ruhe im Kloster wieder
herrschten. 5) Vgl. oben S. 582, N. 3.
41*
624 Oswald Holder -Egger.
Wenck, sei Dietrichs Vita in die grosse Reinhardsbrunner
Compilation aufgenommen. Nun die Vita selbst ist freilich
nie in die Compilation aufgenommen1, aber alle die Ca-
pitel daraus und aus den in Reinhardsbrunn hinzugefügten
Stücken 2, welche den Landgrafen Ludwig und der heil.
Elisabeth Beziehungen zu ihm betrafen, stehen in der
Chronik und in der deutschen Lebensbeschreibung des
Landgrafen. Alles andere, namentlich alles, was von Die-
trich über Elisabeth nach dem Tode ihres Gemahls erzählt
ist (Buch VI — VIII), ist weggelassen. Nimmt man alle
diese Capitel zusammen, so ergeben sie schon nahezu eine
Vita des Landgrafen, freilich eine unvollständige. Aber
dem hat der Chronist abzuhelfen gewusst, er hat sie mit
Excerpten aus Bertholds Annalen und eigenen Zusätzen
so klug verbunden, dass Köditz nur sein Buch vorzunehmen
brauchte, um eine völlig abgerundete, in sich geschlossene
Biographie des Landgrafen daraus zu übersetzen. Damit
ja nichts an einem normalen Heiligenleben fehlte, nahm
der Chronist auch gleich zwei Gruppen von durch den
heiligen Landgrafen 1233 und 1292—1308 gewirkten Wun-
dern auf. Diese brauchte sich der Uebersetzer dann nur
an den verschiedenen Stellen des Buches aufzusuchen und
hatte dann eine schöne Lebensbeschreibung seines Heiligen
mit allem nothwendigen Zubehör zusammengebracht, er
brauchte dann blos — zu welchem Zweck, bleibt freilich
ganz unklar — zu erdichten, dass er ein Werk, das in
6 Bücher getheilt war, übersetzt habe.
Und welcher Chronist that das? Nicht der, dessen
Buch wir kennen. Keineswegs dieser, denn der schrieb die
Cron. S. Petri und Chron. Minor aus und verband aus
diesen entlehnte Sätze gelegentlich so mit solchen des
Dietrich, dass Köditz diese nothwendig hätte mit über-
setzen müssen, wenn er dieses Buch benutzt hätte. Aber
er bringt kein Wort, das diesen beiden Quellen angehört 3.
1) Das meint Wenck auch eigentlich nicht. 2) Sogar 4 in Rein-
hardsbrunn zugesetzte Capitel (Mencke II, 2002 — 2006), welche Ludwig
nicht betrafen, sondern die h. Elisabeth und Konrad, den Bruder des
Landgrafen, sind weggelassen. 3) Ein klassisches Beispiel der Art führte
"Wenck, N. A. X, 115 zu anderem Zweck an. Ein anderes noch packen-
deres, welches Posse S. 37 anführte, ist der Anfang von IV, 5 der deut-
schen Lebensbeschreibung (S. 52), wo nur Dietrich IV, 1 übersetzt ist,
verglichen mit Chron. Reinh. 1227 (S. 197), wo Dietrich IV, 1 (durch
Vermittelung der Vita Lud. nämlich) compiliert ist mit Chron. Minor und
Cron. S. Petri. Börner bemerkte übrigens ganz richtig N. A. XIII, 482,
dass an dieser Stelle Dietrich seinerseits schon die Cron. S. Petri benutzt
hatte, wie schon "Wenck, Entst. S. 25, N. 2, vermuthet hatte. Auch
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 625
Auch falsche Einschaltungen finden sich in der Chronik1,
von denen in der Uebersetzung nichts steht, die aber der
Uebersetzer hätte aufnehmen müssen, wenn er die Chronik
benutzte. Also statuierte Wenck einen älteren Compilator,
der um 1315 die Materialien zusammengetragen habe,
denen der spätere dann nur die Excerpte aus den beiden
genannten Chroniken und einiges Falsche hinzugefügt habe.
Fragen wir, was diese ComjDÜation enthalten habe, so
werden wir die Antwort erhalten: eben das, was in dem
deutschen Leben Ludwigs stand, und ein ganz verschwinden-
des kleines Mehr und unbedeutendes Weniger. Fragen wir,
warum eine solche ältere Compilation der Chronik ange-
nommen wird, so ist die Antwort, damit sie Friedrich
Köditz benutzen konnte. Einen anderen Grund giebt es
dafür schlechterdings nicht. Es ist eine durchaus unbe-
gründete Voraussetzung, dass eine Reinhardsbrunner Chro-
nik früher existiert hätte, ehe die uns erhaltene Compi-
lation gemacht wurde.
Bei dieser Sachlage wird man Wencks Behauptung,
dass eine lateinische Vita nicht existiert hätte, verwerfen
müssen, sondern feststellen, dass bald nach 1308 ein Rein-
hardsbrunner Mönch eine solche Vita 2 in 6 Büchern aus
S. 130, 11 — 13 ist in der Chronik ein Satz aus Dietrich I, 2 an einen der
Chron. Minor angehängt, während Vita Lud. I, 9 den reinen Text Die-
trichs hat. 1) S. 182, Z. 9—15. 195, Z. 15—17. 2) Dass eine solche
existiert hätte, giebt nun "Wenck, Entst. S. 24 dennoch beinahe als mög-
lich zu, aber er behauptet nun, diese könnte nur eine verkürzte Abschrift
aus der Chronik gewesen sein. Aber die Begründung dieser Aufstellung
ist mir ganz unverständlich. Er folgert das erstens daraus, dass einige
Sätze, welche aus Dietrichs Vita und deren Reinhardsbr. Additamenten
genommen sind und in der Chronik stehen (S. 150, 31 — 151, 1 und 153,
16 — 25), in der Uebersetzung sich nicht finden. Ja, konnte der Uebersetzer
denn nicht auch eiumal einige Sätzchen — vielleicht nur aus Versehen —
übergehen? (Die erste Stelle enthält nur ein Uebergangssätzchen.) Ist es denn
durchaus wahrscheinlicher, dass Jemand, der eine lateinische Vita aus der
präsumierten Chronik zusammenschrieb, solche Sätze überging, als Jemand,
der die lateinische Vita ins Deutsche — und dazu recht frei — übersetzte ?
Die Sätze müssen freilich in der lateinischen Vita gestanden haben. Köditz
hat sie eben aus irgend einem Grunde weggelassen. Zweitens begründet
"Wenck seine Behauptung damit, dass in der Chronik 3 Stellen aus
Bertholds Annalen stehen, welche in der Uebersetzung fehlen. Von diesen
3 Stellen (Entst. S. 16, N. 3) stammt aber die erste (S. 166, 21 — 167, 4)
aus Cron. S. Petri 1233, ist durch irgend ein Versehen da falsch zu 1220
eingeschoben, wie schon "Wegele S. xxiv berichtigte. Die zweite (S. 183, 11
— 184, 9), ein guter gleichzeitiger Bericht über die Doppelhochzeit zu
Nürnberg 1225, Nov. 29 und die Vorgänge auf dem Hoftage daselbst,
kann unmöglich von Berthold (und in Folge dessen nicht aus der Vita Lud.)
stammen, denn dieser berichtete die Doppelhochzeit schon S. 183, Z. 5—8
und in anderem Zusammenhange noch einmal S. 193, Z. 26 — 194, Z. 2.
626 Oswald Hold er -Egger.
Dietrichs von Apolda Vita Elisabeth und deren um 1293
gemachten Reinhardsbrunner Zusätzen, aus Bertholds An-
nalen, aus den Reinhardsbrunner Historien \ mit eigenen
ziemlich umfangreichen Zusätzen des Verfassers, mit Ein-
und Anfügung der Wundergeschichten zusammengeschrie-
ben hat, dass dieses Werk nahezu vollständig von dem
Chronisten in seine Compilation aufgenommen, nach deren
annalistischer Anlage in viele Theile zerhackt ist, die an
verschiedenen Orten des Buches eingereiht sind.
Und das kann man ja aus dem Chron. Reinh. und
durch die Vergieichung desselben mit dem deutschen Leben
Ludwigs leicht weiter erhärten 2. Der Chronist strebte und
Auch unterscheidet sich dieser Bericht seinem Inhalt nach sehr bestimmt
von den Fragmenten der Schrift Bertholds, welche sich ausschliesslich
mit dem befassen, was den Landgrafen Ludwig betraf, während hier über
die Gerichtssitzung über Friedrich von Altena, den Mörder des Erzbischofs
von Köln, ausführlich berichtet ist. Wollte man, weil sich nicht nach-
weisen lässt, woher der Chronist diesen guten Bericht hatte, behaupten,
er stamme dennoch von Berthold — was ich für unmöglich halte — , so
müsste man annehmen, er habe in der Vita Lud. gestanden, sei aber von
Köditz weggelassen, weil er thatsächlich nichts mit dem Leben Ludwigs
zu thun hat. Denn dass der Chronist die Schrift Bertholds selbständig
benutzte, ist ausgeschlossen. Es bleibt eine einzige wirkliche Berthold-
Steile (S. 194, 9 — 12) von drei Zeilen über den Hoftag zu Aachen, welche
in der Chronik steht, in der Uebersetzung aber fehlt. Diese muss in der
Vita Lud. gestanden haben, von Köditz aber weggelassen sein, weil er
nicht mit Unrecht nicht einsehen mochte, was sie mit dem Leben Lud-
wigs zu schaffen hatte. Ich kann hier nur wiederholen : es ist doch ebenso
wahrscheinlich, dass Köditz sie wegliess als Jemand, der eine lateinische
Vita aus der Chronik zusammenschrieb. 1) Diese sind benutzt II, 1 =
Chron. Reinh. S. 143, Z. 10 — 144, Z. 5 (wo das natürlich direkt aus den
Historien, nicht aus der Vita Lud. genommen ist. Der Verf. der Vita
hat den Todestag eingesetzt), vielleicht II, 2, wenn es richtig ist, was ich
oben S. 615 f. wahrscheinlich zu machen suchte, dass in Chron. Reinh. 146,
Z. 22 — 148, Z. 7 noch Reste des Autors der Historien vorliegen. Aber
das Stück ist so, wie es hier vorliegt, sicher aus der Vita genommen.
Endlich scheint auch noch I, 3, S. 8 das Lob des Landgrafen Hermann
den Historien entnommen = Chr. Reinh. S. 92, Z. 7 — 18, denn ich glaube
hier sprachliche Wendungen des Autors der Historien wiederzufinden
(vgl. oben S. 603). Aber auch dieser Passus muss von dem Chronisten
mit dem vorhergehenden von S. 90, Z. 15 an (= Leben I, 2 — 4) aus der
Vita entnommen sein. 2) Zu einem Beweisgrunde, den Börner, N. A.
XIII, 495 ff. ausgeführt hat, dass die Capitelüberschriften des deutschen
Lebens mehrfach mit denen Dietrichs übereinstimmen, dass auch einmal
eine Ueberschrift der Vita zu einem Capitel, welche nicht von Dietrich
stammt, im Chron. Reinh. erhalten ist, gebe ich den kleinen Nachtrag,
dass da, wo die Benutzung der Vita in der Chronik beginnt, die (in der
Ausgabe weggefallene) Ueberschrift steht: 'Lodewicus bonus lantgravius
natus est' = Leben I, 4 'Von der gebort lantgravin Lodewigis' u. s. w.
Während sich sonst in der Chronik nur einmal eine Ueberschrift findet,
zu der in sich geschlossenen Erzählung von dem Blutwunder (S. 55), sind
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 627
musste nach der Anlage seines Werkes trachten nach
chronologischer Einordnung der Ereignisse. Wie erklärt
es sich da, dass er unter dem J. 1233 (S. 219) von dem
Brande seines Klosters vom J. 1292 spricht? Hätte er
selbst die Materialien, aus denen das deutsche Leben Lud-
wigs zusammengesetzt ist, gesammelt, so sollte man meinen,
er würde diese einem Reinhardsbrunner Additament zur
Vita Elisabeth entlehnte Stelle unter dem J. 1292, wo er
ausführlich von dem Brande spricht, eingeordnet haben.
Aber die Uebersetzung erklärt das: Da war dieses Addi-
tament (VI, 2) hinter der Erzählung der im J. 1233 angeb-
lich geschehenen Wunder ganz passend eingeordnet, wo es
auch in der Chronik steht, da in ihm gesagt war, die
früheren Wunder seien später (1293) in Vergessenheit ge-
rathen. Der Chronist hat eben unbesehen abgeschrieben,
was er in der lateinischen Vita fand, wie er überall ver-
fahren ist. Ueberhaupt würde die ganze Anlage des zweiten
Haupttheiles seines Werkes, der eine vollständige Vita
Ludowici enthält, vollkommen unerklärbar sein ohne die
Benutzung einer solchen schon vorhandenen Vita.
Ferner die Uebersetzung hebt I, 1 mit dem ersten
Capitel von Dietrichs Vita Elisabeth ganz passend an.
Dieses fehlt in der Chronik und musste darin übergangen
werden. Wenn Jemand, der noch weiter die Existenz der
lateinischen Vita und ihre Benutzung in der Chronik
läugnen wollte, sich bei anderen der amplificierten Vita
Elisabeth entlehnten Stellen der Uebersetzung, welche in
der Chronik fehlen, und anderweitem Mehr der ersteren
mit dem billigen Auskunftsmittel getrösten könnte, diese
Stellen seien nur durch die mangelhafte Ueb erlief erung
der Chronik untergegangen, ursprünglich hätten sie darin
gestanden, so ist das bei diesem Capitel unmöglich. Denn
da wird kurz erwähnt, dass im J. 1198 zwei Könige in
Deutschland gekoren wurden, dass damals in Thüringen
der edele Landgraf Hermann, der Vater Ludwigs des Hei-
ligen, herrschte. Nimmermehr und an keiner Stelle der
Chronik, in welcher nach den Historien so vieles über die
Doppelwahl von 1198, so vieles über Hermanns Schicksale
zu der Zeit der Eeichsspaltung erzählt war, konnte dieses
Capitel stehen. Nun setzt das 2. Capitel der Uebersetzung,
die ersten drei der Vita Lud. entlehnten Stücke daselbst jedes mit einer
Ueberschrift versehen, selbst in unserer so stark getrübten Ueberlieferung.
Das ist ein nicht zu verwerfendes Zeugnis für die Benutzung der in Bücher
und Capitel getheilten Vita.
ß28 Oswald Holder -Egger.
welches in der Chronik (S. 91) steht, jenes erste von Die-
trich entlehnte nothwendig voraus, so dass es nicht angeht
zu verinuthen — wozu freilich schon ein ganz ungewöhn-
licher Grad von Vermuthungsfähigkeit gehören würde — ,
dieses sei erst von Köditz so passlich an den Eingang des
Buches gestellt worden.
Was die Uebersetzung der Chronik gegenüber mehr
an originalen Stellen und an solchen hat, welche der ver-
mehrten Vita Elis. Dietrichs entlehnt sind, ist nicht eben
viel, wenn man abzieht, was nur durch Zufall in unserer
Ueberlief erung der Chronik ausgefallen ist 1. Aber sie hat
einige Stellen mehr, wo nicht der geringste Anhalt dafür
vorhanden ist, dass sie je in der letzteren gestanden haben,
und doch muss sie der Uebersetzer in seiner Quelle gefun-
den haben. Diese kann also nicht die Chronik, sondern
muss die lateinische Vita gewesen sein. Und sehr bemerkens-
werth ist nun, dass auch einmal, wo die Uebersetzung mehr
hat, der Chronist deutlich genug merken lässt, dass er
etwas weggelassen hat. In dem originalen Capitel des
deutschen Lebens II, 2 wird mit vollen Tönen das Lob der
Frömmigkeit und Gerechtigkeit des Landgrafen gesungen.
Nur bis zu zwei Dritteln des Capitels etwa stimmt die
Chronik S. 146 — 148 damit überein, der Schluss des Ca-
pitels, in welchem das vorige Thema noch weiter ausge-
führt ist, fehlt in der Chronik. Dafür liest man da: 'Quid
plura? Hie Ludewicus in omnibus virtutibus clarus habe-
tur'. Man sieht doch wohl deutlich, dass es dem Chro-
nisten zuviel geworden ist, die langathmigen Lobeserhe-
bungen noch weiter abzuschreiben, was ihm nicht zu
verdenken ist, da er schon S. 90 solche aus der Vita über-
nommen und gleich darauf diejenigen abschrieb, welche
aus Dietrichs Werk in die Vita aufgenommen waren. Mit
jenem Satz suchte er gewissermassen sein Gewissen wegen
der Weglassung zu entlasten und so kurz alles zusammen
zu fassen, was sich zum Ruhme des Landgrafen sagen liess 2.
An anderer Stelle sagt der Chronist aber mit deut-
lichsten Worten, dass er etwas weggelassen hat, was seine
Quelle bot. Er hat eine ziemliche Anzahl Wunder aufge-
1) Von den Stellen der Uebersetzung, welche nach der Analyse bei
Wenck, Entst. S. 72 ff. in der Chronik nicht stehen, sind drei in der
Hannoverschen Hs. nachweislich theils mit Absicht, theils durch Versehen
des Schreibers weggelassen. 2) Wäre der Passus aber auch erst von
dem Schreiber der Chronik in unserer Hs. weggelassen und jener Satz
von ihm eingefügt, so wäre damit natürlich noch kein Beweisgrund ge-
wonnen, dass die Chronik für das deutsche Leben Ludwigs Quelle sei.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 629
nommen, welche der heil. Ludwig in Reinhardsbrunn in
den Jahren 1292 — 1294 that, die sämuitlich auch in dem
deutschen Leben stehen. Danach sagt er (S. 269): 'Item
multa et innumerabilia miracula, que Deus operatus est
per gloriosum principem Ludewicum . . ., taceo propter
brevitatem'. Die zahlreichen von ihm weggelassenen
Wundergeschichten stehen aber in dem deutschen Leben.
Wie dabei Wenck, Enst. S. 74 sagen kann, die Frage dürfte
schwer zu entscheiden sein, ob der Chronist diese weg-
gelassen oder der Uebersetzer sie hinzugefügt hat, ist mir
unbegreiflich. Es ist klar, dass sie in der lateinischen Vita
standen, dass der Chronist sie weggelassen 1, der Ueber-
setzer sie mit aufgenommen hat.
Wie das Capitel VI, 3 der Uebersetzung so hätte
lauten können, wie es zu lesen ist, wenn hier die Chro-
nik benutzt wäre, ist nun vollends unbegreiflich. In
dieser ist zuerst der Brand des Klosters 1292 (S. 261 f.)
erzählt, danach folgt das Wunder von der Heilung eines
stummen Knaben übereinstimmend mit dem Anfang von
VI, 3 der Uebersetzung. Aber in dieser heisst es, der
Grosskellner des Klosters Reinhardsbrunn Heinrich von
Emeleiben hätte an das Wunder nicht geglaubt, dem Vater
des geheilten Knaben verboten davon zu reden, und zur
Strafe dafür sei bald danach das Brandunglück, das vor-
her nicht erwähnt ist, über das Kloster gekommen. Da
ist vernünftiger Sinn und logische Verbindung. In der
Chronik aber heisst es im Gegentheil, der Vater des Kna-
ben hätte das Wunder vielen erzählt. Dennoch wird fort-
gefahren: lUn de nulli ambiguum, quin proinde Deo
nostras negligencias et incurias corrigente facta
sit exustio claustri nostri totalis' -. Offenbar hat der Chro-
nist daran Anstoss genommen, dass ein Reinhardsbrunner
Mönch ein Wunder des h. Ludwig nicht glaubte, hat das
ihm Anstössige getilgt und, um die Lücke auszufüllen, die
'negligentiae et incuriae' eingesetzt, hat aber ungeschickt
genug das lUnde' seiner Quelle stehen lassen, welches den
Brand durch die Sünde des Kellners motivierte. Aber
diese Feuersbrunst hatte, wie der Chronist selbst vorher
sagte, ein Bösewicht angelegt. Dass dieser Bericht nicht
für Köditz Quelle gewesen sein kann, ist doch wohl sonnen-
1) "Wie er auch von den Wundern aus dem J. 1233, welche in dem
deutschen Leben stehen, einige weggelassen hat. 2) Leben S. 77 : 'daz
(das Gebot des Kellners an den Vater, das Wunder zu verschweigen) wart
ane zwifil von got swerlich an uns gerochin, wenne kortlich dar nach . . .
wart daz clostir jemerlich vorbrant'.
630 Oswald Holder -Egger.
klar, vielmehr haben beide die lateinische Vita ausge-
schrieben, der Chronist hat das Cap. VI, 3 an seinen Be-
richt über die Feuersbrunst gefügt und darin geändert.
Vor den Wundern des J. 1233 steht im deutschen
Leben VI, 1 der erste Theil des Reinhardsbrunner Addita-
mentes von 1293, wo über ältere Wunder des h. Ludwig
gesprochen wird, dessen Rest sowohl hier (VI, 2) als in der
Chronik (S. 218 ff.) hinter den Wundern folgt. An Stelle
jenes ersten Theiles steht aber in der Chronik (S. 215 f.)
ein in erbaulich geschwollener Sprache x gehaltenes Stück
zum Preise des h. Ludwig. Es ist ein Sermon oder eine
Lection 2, die vermuthlich an seinem Todestage gelesen
wurde, ehe die Vita geschrieben war3. Der Chronist hat
für gut befunden, dieses Stück hier an Stelle des ersten
Additamentstheiles einzufügen. Hätte nun Köditz die
Chronik übersetzt, so hätte er doch nothwendig dieses Stück
mit übersetzen müssen. Wie hätte er darauf verfallen
sollen, gerade den Theil des Additamentes hier einzusetzen,
der in der Chronik übergangen war?
In Cap. IV, 4 des deutschen Lebens wird die fromme
Milde des Landgrafen gegen Gotteshäuser und vornehmlich
gegen das Kloster Reinhardsbrunn gepriesen. Nach einer
längeren Erzählung, die das beweist, heisst es dann S. 51
sehr passend an dieser Stelle : 'Diser selbe ture furste hat
unsreme gotishus Reinhersborn vel gutis unde gnadin ge-
tan', und es folgen dann Mittheilungen darüber nach
2 Urkunden. Der grösste Theil von IV, 4 steht in der
Chronik S. 195 — 197, aber der eben angeführte Passus ist
davon abgetrennt und steht an ganz unpassender Stelle
(S. 207, Z. 20—22) zwischen zwei Capiteln aus Dietrich4.
1) Diese ist in der Ausgabe so verdorben, dass das Stück da ganz
unverständlich ist. 2) Durchaus nicht als Einleitung zu den folgenden
Wundererzählungen kann es gefasst werden, schon weil deren Einleitung
in der Chronik S. 216 f. vollständig erhalten ist. 3) Ich bin überzeugt,
dass es erst nach 1292 geschrieben ist, weil es darin heisst: 'dum per
famulum suum Lodewicum super terram spargitur lux eius miraculorum'.
Und das geschah erst 1292 und in den folgenden Jahren. Wenn auch
die Mirakel vom J. 1233 nicht expost fabriciert sind, um den später
Wunder wirkenden Landgrafen Ludwig schon bald nach seinem Tode
diese Heiligenthätigkeit ausüben zu machen — was zu glauben man stark
versucht wird, da im Reinhardsbrunner Additament von 1293 gesagt wird
(Mencke II, 1998) : 'Hec et alia multa (miracula) per ingratitudinem n e -
glecta et per inhabitantium negligentiam sunt sopita', womit es sich
nicht wohl verträgt, dass sie vorher doch schon aufgezeichnet waren — ,
so ist es doch sicher, dass sie damals keineswegs grosses Aufsehen er-
regt haben. 4) Es sind da nur die ersten Worte in der Hannoverschen
Hs. erhalten, aber erst deren Schreiber überging den Rest, wie aus einem
'etc.' erhellt, das er oft setzte, wo er etwas wearliess.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 631
Hat nun Köditz erst, wenn er die Chronik benutzte, die
gute Ordnung- hergestellt?
Damit wird denn wohl zur Genüge erwiesen sein,
dass eine lateinische Vita Ludowici existierte, dass sie
vom Chronisten fast ganz aufgenommen, von Köditz über-
setzt ist. Denn nun zu vermuthen, es hätte dennoch eine
ältere Chronik existiert, von deren Existenz sich auch nicht
eine Spur finden lässt, in der alles das richtig und gut
gestanden hätte, was in der Uebersetzung mehr und besser
als in der Chronik steht, obgleich das alles vortrefflich in
eine Vita, aber wenig in eine Chronik passt, obgleich aus
Köditz' Worten hervorgeht, dass er eine Vita, nicht eine
Chronik übersetzte — : das wäre doch ein übermensch-
licher Gedanke.
Und es handelt sich hier keineswegs um eine ziem-
lich gleichgültige Doctorfrage, sondern dieser Nachweis
ist von grossem Werth für die Kritik der Chronik und der
einzelnen Stücke darin. Durch die Vergleichung des
deutschen Lebens erkennen wir, welch ein simpler Com-
pilator unser Chronist war, der im wesentlichen aus fünf
Büchern sein Werk zusammenschrieb, dass seine ganze
Thätigkeit fast nur sich auf Copieren beschränkt, und dem
irgend welche einschneidenden Aenderungen zuzuschreiben
unzulässig ist. Und das ist von grossem Werth für uns,
denn um so weniger Zweifel dürfen wir hegen, dass er die
uns nicht erhaltenen wichtigen Bücher, welche er abschrieb,
in der Hauptsache unverändert überliefert hat. Jener
Nachweis befähigt uns, die Herkunft der einzelnen Stücke
und die Zeit ihrer Entstehung deutlicher zu erkennen, zu
ermitteln, welche Stücke die spätesten Einlagen sind, was
der Chronist hinzugethan hat.
Die eigentliche Vita Ludowici — abgesehen von den
Mirakelgeschichten x — war aus drei Bestandteilen zu-
sammengesetzt, der amplificierten Vita Elisabeth, den Frag-
menten der Schrift des Kaplans Berthold und den eigenen
Zuthaten des kurz nach 1308 schreibenden Autors. Die
den letzteren beiden zugehörigen Stücke zu erkennen, ist
nun fast überall sehr leicht. Wiederum hat Wenck das
Verdienst gegenüber den Irrthümern seiner Vorgänger, die
hochwichtigen B,este der Schrift Bertholds deutlich erkannt
und nachgewiesen zu haben "2. Ueberall kann ich ihm da
mit einer schon oben 3 besprochenen Ausnahme zustimmen.
1) Und den schon oben S. 626, N. 1 erwähnten kleinen Stücken
der Historien. 2) Entst. S. 12 ff. 3) S. 625, N. 2.
632 Oswald Holder -Egger.
Aber allerdings kann ich nicht mit ihm annehmen, dass
Bertholds Werk erst 1218 begann. Ich bin vollkommen
überzeugt, dass die guten Angaben über die Familie Her-
manns1 (Chron. S. 91 f. = Leben I, 2. 3) und über Jahr
und Tag2 der Geburt Ludwigs IV. (1200, Oct. 28) (Chron.
S. 90 = Leben I, 4) schon Berthold zugehört haben 3, dass
sie bei ihm in der Reihenfolge wie in der Lebensbeschrei-
bung, nicht in der, wie in der Chronik standen. Den
Historien können die Stücke nicht angehört haben, sie
fallen ganz heraus aus ihrem Gefüge, nichts Aehnliches
findet sich in ihnen. Der späte Reinhardsbrunner Biograph
konnte über diese Dinge nicht mehr so genau unterrichtet
sein. Vollkommen passt aber die Angabe über die Geburt
Ludwigs zu der Art Bertholds, der eben so genaue An-
gaben über die Kinder Ludwigs machte. Und dass er,
wenn er mit dessen Geburt anhob, etwas über seine Eltern
sagte, ist nahezu selbstverständlich4.
Bertholds Werk war, wie aus der Chronik und der
Vita deutlich zu ersehen ist, annalistisch angelegt, dennoch
möchte ich ihm mit Wenck nicht den Titel von Annalen
beilegen. Er schrieb ganz ausschliesslich die Schicksale
und Thaten des Landgrafen Ludwigs des Heiligen von
dessen Geburt (1200) bis zu dessen Tode und Begräbnis in
Reinhardsbrunn (1228), daher werden wir sein Werk passend
'Gesta Ludowici IV. lantgravii' nennen.
Wir besitzen Bertholds Gesta lange nicht vollständig
in den beiden Ableitungen der lateinischen Vita Ludowici,
und das ist namentlich daher gekommen, dass sie schon
von Dietrich von Apolda für seine Vita Elisabeth benutzt
waren. Der Biograph fand daher mehrfach dasselbe bei
Berthold und Dietrich über seinen Helden erzählt, bei
jenem einfach in der Form, desto reicher an Inhalt, bei
diesem den Sachgehalt sehr vermindert, diesen aber in sehr
elegantes Gewand gekleidet. Es kann nicht befremden,
dass er meist das Letztere vorzog, zuweilen dieses durch
Bertholds Bericht, der jenem schon den Stoff geliehen, ver-
mehrte, das aber sehr ungeschickt that.
G. Boerner hat mit vollem Recht behauptet, dass
1) Aber der Verf. der Vita hat die Genealogie der Henneberger
weiter herabgeführt und zwei Zusätze über Heinrich Raspe als späteren
König und Konrad als späteren Deutschordensmeister eingelegt. 2) Der
Tag ist in der Hs. der Chronik wie sehr viele Daten weggelassen, steht
aber in nicht weniger als 6 Ableitungen der Chronik. 3) Wie Börner,
N. A. XIII, 477 mit Recht bemerkt hat. 4) Dass er noch mehr aus
der Jugendzeit Ludwigs erzählt hat, werden wir gleich sehen.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 633
Dietrich Bertholds Gesta benutzt hat 1, hat auch schon
die Stücke bezeichnet, die Dietrich aus diesem Werk ent-
lehnte2, hat das jedoch nicht bewiesen. Aber es lässt sich
sicher beweisen, obwohl das Material dazu natürlich nicht
eben gross sein kann, da der Biograph eben aus Bertholds
Werk nieist wegliess, was er bei Dietrich fand. Aber schon
die Charakteristik des Landgrafen, welche Dietrich III,
1 — 3 giebt, zeigt doch sehr grosse Verwandtschaft mit der,
welche wir in der Chronik S. 90 gleich an die Nachricht
von seiner Geburt angeknüpft finden.
Berthold.
Ipse ergo puer erat optime
indolis, pulcher aspectu, vultu
decorus et visu fuit delecta-
bilis, pius, mansuetus, pa-
ciens, iocundus et conti -
nens, sua legittima contentus,
fidelis, pudicus, iustus
in iudicio, inter coevos et
commilitones existens affa-
bilis et benignus.
Dietrich III, 1—3.
quis virtutem animi, quis
corporis pulchritudinem ex-
plicet? Extulit eum medio-
cris stature decens valde pro-
ceritas et graciosi vultus se-
renitas. . . . Erat pudicus
sensibus, carne mundus. . . .
Et verba eius fidelissima
et vera erant . . . pauperi-
bus largus et benignus,
militibus et familiaribus so-
cialis et iocundus, baroni-
bus et nobilibus venerabilis,
principibus et magnatibus
spectabilis cunctisque gene-
raliter affabilis.
Mit dem besten Recht hat dann Börner (S. 477) be-
merkt, dass der Bericht über die Sendung der Boten nach
Ungarn 1211, welche im Auftrage des Landgrafen Hermann
um Elisabeth für seinen Sohn freiten und das Kind nach
Thüringen brachten, bei Dietrich I, 1. 2 von Berthold ent-
lehnt sein muss, obgleich der Biograph von diesem kein Wort
darüber entnommen hat. Dass da die Boten mit Namen
genannt werden3, ist so recht in der Art Bertholds, der
die Herren mehrfach aufzählt, welche der Landgraf als
Boten sandte und welche den Landgrafen auf seinen Reisen
in das Ausland begleiteten4. Und sicher von Niemand als
1) N. A. XIII, 476—480. 2) Im Einzelnen kann man da noch
anderer Meinung sein. So bin ich nicht so sicher wie er, dass der Eingang
von Dietrich I, 1 auf Berthold zurückgeht. 3) Wahrscheinlich hatte
Berthold noch mehrere genannt, während Dietrich sich begnügte, die her-
vorragendsten (principales) aufzuführen. 4) So 1221. 1226. 1227, Chron.
S. 172. 183. 203 ff.
634 Oswald Holder -Egger.
von Bertkold konnte Dietrich diese Namen und überhaupt
etwas über diese Gesandtschaft erfahren1.
Auf Dietrichs Worte III, 9, wo gesagt ist, dass der
Landgraf den Ketzerverfolger Konrad von Marburg so ver-
ehrte, 'ut eidem omnia beneficia, quorum ius patronatus
ad ipsum pertinebat, committeret conferenda', folgt in der
Chronik S. 192 : 'sub sigillo suo et fratrum suorum Hein-
rici Rasponis et Conradi', weil Konrad den Landgrafen
überredet hätte, er thäte besser, 60 Menschen zu tödten
als eine Kirche einem Unwürdigen anzuvertrauen. Daran
schliesst sich in ein Bibelwort gekleidet der Zweifel, ob
Konrad des Hasses oder der Liebe würdig sei, eine Aeusse-
rung, die im schroffsten Widerspruch steht zu den oben
von Dietrich entlehnten Worten, welche Konrad bis in
den Himmel erheben. Es ist nicht daran zu denken, dass
der späte Biograph das selbständig angefügt hat. Er muss
hier Dietrichs Worte mit einem anderen Bericht verbun-
den haben, und der kann nur Berthold angehört haben.
Wenn es aber möglich war, in dem angefügten Passus
Bertholds die Begründung dafür zu geben, was Dietrich
über die Pfründenertheilung des Landgrafen gesagt hatte,
wenn es möglich war, in den citierten Worten eine Er-
gänzung zu dem Satze Dietrichs über die Form dieser Ver-
leihungen zu liefern, so muss hier Dietrich nothwendig eben
aus Bertholds Gesta geschöpft haben. Dass er wegliess, was
der Reinhardsbrunner ergänzte, ist bei seinem Urtheil über
Konrad selbstverständlich.
Folgende Stelle über die Rückkehr des Landgrafen
von der Reise nach Apulien 1226 wird dann aber schon
entscheidend beweisen können, dass Dietrich die Gesta
benutzte.
Berthold (S. 190).
Nobilissima vero uxor eius
Elizabeth . . . mille osculis
subimpressis corde et labiis
dilectum suum gloriosissime
suscepit. Et mater eius
Sophia cum incredibili
gaudio et exultacione cor-
dis adventui dilectissimi filii
sui congratulabatur. Omnibus
ergo in unum e x u 1 1 a ntibus
Dietrich III, 8.
Cum autem post multos
menses ab imperatore lant-
gravius rediisset, exultavit
tota terra, principem suum
cum inestimabili gau-
dio suscipiens letabunda.
Gaudebat precipue mater
et fratres, sed iocundabatur
domina Elizabeth super om-
nes.
1) Auch das Jahr der Vermählung von Ludwig und Elisabeth
stammt, wie Börner richtig bemerkt, bei Dietrich I, 8 sicher aus Berthold.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 635
tota terra resultabat,
quoniam venit desideratus
eorum.
Am deutlichsten und stärksten zeigt sich aber die
Benutzung der Gesta in Dietrichs Bericht über Ludwigs
Aufbruch und Reise nach Apulien zum Kreuzzuge, wie wir
Dank der ungeschickten Compilationsart des Biographen
nachweisen können.
Dietrich IV, 2.
Deinde Smalchalden oppi-
dum sue ditionis veniens . . -1
circa finem mensis Iunii pere-
gre profecti sunt.
Berthold (S. 203).
In festo beati Iohannis
baptiste (Iun. 24) cum multo
comitatu exiens de civitate
sua Smalkalden ad partes
transmarinas tendere cepit.
Woher konnte Dietrich Zeit und Ort des Aufbruches
des Landgrafen wissen als aus dieser Stelle der Gesta?
In gräulich ungeschickter Weise hat der Biograph
Bertholds Bericht mit dem Dietrichs compiliert und an
einer Stelle noch sein Unzeug hinzugethan. Auf diese
Weise hat er es fertig gebracht, dass bei ihm der Land-
graf dreimal zu erkranken beginnt. Aber trotz seiner Ver-
stümmelung von Bertholds ausgezeichnetem Bericht ist
doch deutlich erkennbar, dass derselbe von Dietrich be-
nutzt ist.
Berthold (S. 205).
(Troia 2) . . . in inventione
sancti Stephani, et ibi com-
morabantur (imperator et
lantgravius) per triduum.
(Nach 4 Stationen mit ge-
nauen Daten:) sequenti die
Brandusium sunt ingressi, in
qua steterunt usque ad na-
tivitatem beate virginis
Marie. Feria autem quinta
proxima p o s t nativitatem
virginis (navim ascenderunt 3).
Dietrich IV, 4.
venit in Siciliam, ubi im-
perator Fridericus ipsum cum
inestimabili gaudio suscepit
in civitate que Troia nuncu-
patur. Cum quo per totam
viam progrediens, tandem
Brundusium pervenerunt.
Inde post nativitatem
beate Marie semper vir-
ginis cum omni virtute mi-
litie aliaque familia navigare
ceperunt. Sed antequam na-
1) Dietrich sagt, dass der Landgraf 'cum rnultis baronibus, nobili-
bus' etc. aufbrach; das setzt er an Stelle des Verzeichnisses der Edeln,
welches bei Berthold gleich nach den hier citierten Worten folgt. 2) Die
eingeklammerten Worte müssen aus Dietrichs Sätzen ergänzt werden, in
welche diese Bruchstücke eingeschachtelt sind. 3) Da muss natürlich
viel mehr gestanden haben.
636 Oswald Holder -Egger.
Sed navini gubernantes ab
insula Sancti Andre e,
ubi lantgravius cepit infir-
uiari.
vim ascenderent in insnla
Sancti Andree, imperator
et lantgravius mutuis collo-
quiis fruebantur. Ibi proch
dolor! delicatissimns ille et
Serenissimus princeps Lude-
wicus cepit panlisper febri-
bns inqnietari.
Der Rest von Bertholds Bericht ist vom Biographen
leider ganz durch den Dietrichs verdrängt. Er hat nur
noch ein 'sequenti die' als Zeitangabe der Ankunft in
Otranto und drei werthlose Worte aufbehalten x. Man sieht
aber aus dem Vorstehenden wohl, dass Bertholds Bericht
aus dem Dietrichs ergänzt werden kann. Wieder mit
vollem Recht hat Börner gesagt, dass auch Dietrichs Er-
zählung von dem Tode Ludwigs und der Uebertragung
seiner Gebeine nach R-einhardsbrunn (so weit sie Thatsäch-
liches enthält) aus Bertholds Werk geschöpft ist, wenn
auch von diesem in die Vita Ludowici direct darüber
nichts übernommen ist, dass also die Gesta erst mit dem
J. 1228 schlössen. So erhält also Dietrichs schön geschrie-
benes Buch auch sachlich für uns erhöhte Bedeutung.
Noch einmal muss ich betonen, dass nur er ausser
dem Verfasser der Vita Ludowici Bertholds Gesta benutzt
hat, dagegen nicht der Eeinhardsbrunner Chronist, da
1) Die Worte 'bibensque, ut dicitur, mortiferum poculum' (nämlich
der Landgraf bei dem Besuch der Kaiserin in Otranto) müssen von dem
Reinhardsbrunner späten Biographen eingeschaltet sein, nimmermehr
können sie von Berthold stammen, denn sie vertragen sich durchaus nicht
mit dem, was dieser vorher sagte, dass der Landgraf schon im Hafen von
Brindisi erkrankte, und noch weniger mit dem, was bei Dietrich von
diesem übernommen ist, der auf jenen Besuch bei der Kaiserin die Worte
folgen lässt : 'Iamque corpus eius acrius febribus vexabatur'. Der Domini-
kaner hätte es gewiss nicht versäumt, die klägliche Verläumdung aufzu-
nehmen, wenn er sie bei Berthold fand. Der Biograph wird diese Weis-
heit der Chron. Minor verdanken, welche, wie wir wissen, in seinem
Kloster sich befand, welche sagt (SS. XXIV, 165): 'apud Ortrant, ut fertur,
veneno intoxicatus'. Nach Schirrmacher, Friedrich II. II, 384 und ihm
folgend Winkelmann, Friedrich H. I, 330, N. 5 wäre zwar der Ausdruck
'mortiferum poculum' nur bildlich zu nehmen, es wäre sein letzter
Becher. Aber solche Interpretation ist ganz und gar unmöglich, wie ja
doch das 'ut dicitur' schon deutlich genug, sollte ich meinen, zeigt.
Und die Berufung auf Cic. Tusc. I, 29 stützt jene Interpretation nicht im
geringsten, sondern bestätigt die naturgemässe, denn da bedeutet 'morti-
ferum poculum' den Giftbecher, welchen Socrates trinken musste. Und
natürlich hat auch Köditz, Leben Ludwigs V, 1, S. 60 den Ausdruck so
verstanden, wie er allein interpretiert werden kann : 'tranc her mit or
einen giftigen schedelichen tranc'.
Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen. II. 637
in der Chronik sich nur ein Satz mehr als in dem
deutschen Leben findet1, das Köditz weggelassen haben
muss, unmöglich an der richtigen Stelle vom Chronisten
erst ergänzt sein kann. Hätte ein Chronist, wie dieser,
Bertholds Werk benutzt, er hätte ihm sicher mehr entlehnt,
und darüber wäre das erbauliche Element aus Dietrichs
Vita Elisabeth, das der Hagiograph natürlicher Weise be-
vorzugte, mehr zurückgetreten. Gänzlich zurückzuweisen
ist es, was Wenck vermuthet 2, dass der Eisenacher Ver-
fasser der Hist. landgr. Eccard. Bertholds Werk benutzt
hat3, weil er in den Bericht des Chron. Reinh. über den
Zug nach Lebus 1225, der von Berthold stammt, ein Sätz-
chen unbekannter Herkunft eingelegt hat. Der hat sonst
hier nichts benutzt als die Reinhardsbrunner Chronik4.
Nie sonst findet sich bei ihm ein Wort, das auf die Gesta
zurückgeführt werden könnte oder müsste.
Mehrfach habe ich in den vorstehenden Untersuchun-
gen von Karl Wenck ausgesprochene Ansichten bekämpfen
müssen. Um so mehr ist es Pflicht, wiederholt hervor-
zuheben, dass er auf diesem Gebiet durch seine eindrin-
genden Untersuchungen zuerst Klarheit und Einsicht in
die Composition der Reinhardsbrunner Chronik geschaffen,
deren Hauptbestandteile zuerst richtig erkannt, schwere
Irrthümer seiner Vorgänger beseitigt hat. Nur der Um-
stand, dass er sich von einem der überlieferten Irrthümer
noch nicht frei machen konnte, hat ihn verhindert, über-
all die wahre Sachlage zu erkennen. Ich, der ich die
Chronik kritisch zu bearbeiten habe, habe die grösste Ur-
sache, sein grundlegendes Verdienst um sie dankbar anzu-
erkennen.
1) Oben S. 625 f., N. 2. 2) Entst. S. 17. 3) Denn das wollen doch
"Wencks Worte sagen, 'dass ihm die Annalen Bertholds hier in reinerer
Gestalt vorlagen'. 4) Aus ihr hat er auch das Datum des Auszuges des
Landgrafen, welches, wie so oft die Daten in unserer Hs., ausgefallen ist.
Dass es in der Chronik [stand, lehrt die Cron. Tur. Isenac. ampl. Aus
dieser erklärt sich auch das falsche Datum, welches die deutsche Lebens-
beschreibung an der Stelle hat (III, 9, S. 37). Darüber siehe im nächsten
Abschnitt. Da "Wenck die Hs. der Cron. Thur. ampl. noch nicht kannte,
war es allerdings sehr natürlich, dass er wegen des Datums mit zu seiner
Vermuthuno- kam.
Neues Archiv etc. XX. 42
XV.
Miscellen.
42*
Epitaphien und Epigramme des XII. Jahrhunderts.
Mitgetheilt von J. Werner.
Die bekannte1 Sauimelhs. C 58/275 in Zürich bietet
unter den verschiedenartigen Stücken auch eine Anzahl
von Epitaphien und Epigrammen. Schon Orelli hatte diese
Hs. an Meyer, den Herausgeber der lateinischen Anthologie
zur Benutzung geschickt2, und später sind einzelne der-
artige Gedichte gelegentlich veröffentlicht worden 3. Manche
der Epitaphien sind ganz allgemein gefasst und beziehen
sich wohl kaum auf bestimmte Personen. Einige wenige
mögen auf Persönlichkeiten hinweisen, die auch ander-
weitig bekannt sind. Dass dies aber wirkliche Grabschrif-
ten waren, ist kaum anzunehmen ; es sind vielmehr Muster-
beispiele und mehr oder minder gelungene Nachahmungen
und Variationen, welche dem Studium der Metrik ihr
Dasein verdanken.
I4.
Vilior est humana caro quam pellis ovina :
Si moriatur homo, moritur caro, pellis et ossa.
Si mori(a)tur ovis, nimium valet ipsa ruina:
Extrahitur pellis et scribitur intus et extra.
Darauf folgt das Epitaphium Hectoris. lHac pre-
mitur tumba Troiae fortissima turris', 14 Verse. Epita-
phium Achillis. 'Pelides ego sum'. (Kiese, Anth. lat. I,
630; Baehrens, Poet. lat. min. IV, 148), 14 Verse.
IL Epitaphium.
Orta fluunt, cumulata ruunt : homo, quomodo sta-
bis?
Lude, caro! pinguesce, caro! vermes saturabis.
I. fol. 4a I. II. fol. 4b I.
1) Vgl. Bd. XV, 396; XVIII, 720. 2) Vgl. Anthol. lat. ed.
Meyer n. 395. 1173. 1614. 3) Z. ß. vom Schneekind in Haupt, Ztschr.
f. d. Alterth. XIX, 240; vom Biertrinken im Anzeiger f. Kunde d. d.
Vorzeit 1876, Sp. 80. 4) Herausgeg. von Wattenbach, Schriftwesen im
Mittelalter 2. Aufl. S. 447.
642
J. Werner.
Mole tui
Si valeas
5 Ordo malus
Pessima pax,
At nielior
Si superet,
Dormierat
10 In manibus
Pane fluens,
Dives inops:
Pane carens
Dives eris,
Plangis homo
Cum redeas,
Plange magis,
Morte luit,
5 Nee reditus
Nam graviter
Distulerat,
Si veniat,
In Lazaro
10 In domino
Quandoquidem
Ut requies
Quisquis ades,
Pars cineris
Namque vides,
Quos fatuos
dum spiritui
et ei placeas
neque vera salus,
inimica, rapax,
vigor interior,
si te maceret,
— mors somnus
erat —
nihil ex opibus,
pietate carens,
tibi mors, tibi nox,
et tabe fluens,
cum dormieris:
III. Epitaphium.
migrare domo,
ubi non timeas
quod in hisce plagis
quia prima ruit
nisi per gemitus,
per mortis iter
non abstulerat
qui pereuciat
rediviva caro,
quod habebat homo,
patiemur idem,
suprema quies
laseiva resistis,
vos ambo peristis.
nisi tu subigaris.
ubi tu dominaris.
quem molliter ur-
ges.
victura resurges.
vir diviciarum;
loca sed tenebra-
rum.
cui purpura, byssus ;
te sorbet abyssus.
cur, Lazare, meres?
quia celicus heres.
quam scis ruituram ;
cladem nocituram.
humana propago
male siiasa virago*
illuc reparatur:
quis non rapiatur?
deus hanc Ezechiae,
nee parcet Heliae.
num quid modo vi-
vit?
sibi mors repetivit.
det gratia Christi,
nobis sit et isti.
IV. Epitaphium.
qui morte cades, sta! perlege! plora!
quia sum, quod eris, pro me — precorT
ora!
quia nulla fides
probat et vaeuos
sit honoribus istis,
dormicio tristis.
in. IV. fol. 4h I.
Epitaphien und Epigramme des XII. Jahrh. 643
5 Hoc sapiens, hoc insipiens somno feriuntur:
Nobilitas, ignobilitas hac sorte ferantur.
Nunc _ video, servire deo decus esse perenne ;
Divicias et amicitias iter esse gehennae.
Vgl. N. Archiv VI, 537.
Nach den Bd. XV, 399 f. unter n. IV und V her-
ausgegebenen Versen folgt das verbreitete Gedicht von
Hildebert: Tlurima cum soleant'. Vgl. Haureau, Les me-
langes poetiques d'Hildebert p. 106—111; Pertz, Archiv
VIII, 409; N. Archiv X, 602; Biblioth. de Tee. des char-
tes XL VII (1886), 94. Da dieses Thema von dem Weibern
im Mittelalter auf unzählige Arten behandelt und wieder-
holt wurde, so weicht diese Hs. von der Anordnung bei
Haureau bedeutend ab. Insbesondere ist hier das Gedicht
von 68 Versen in drei Stücke zerlegt: 1—28; 29 — 52;
52 — 66 mit dem Schluss:
Absque deo quisquam si vincere se putat ista,
Quod sibi promittit, noverit, esse nichil.
Zwischen dem ersten und zweiten dieser Gedichte
lesen wir ohne Bezeichnung eines neuen Abschnittes zwei
Stücke: das bekannte 'Cum sine doctrina', 25 Verse. Vgl.
Bd. II, 402; Wiener Stud. IX, 57; Münch. Sitzungsber.
1873, p. 708. Darauf:
V.
Cecus es et graviter peccas et turpiter erras :
Non amor, imo dolor iste vocandus amor.
Non unum, verum duo crimina reddis in unum;
Haec duo: sacrilegus factus, adulter eris.
5 lila deo sacrata, dei venerabile templum
Efficitur; per te desinit esse dei.
Efficitur domus illa dei, per te violata
Efficitur per te demonis illa domus:
Sponsa dei, teniplumque dei per te violatur.
VI. Epitaphium episcopi Cathal. *
Hie situs est presul fama celeberrimus, actu
Nobilis, ore placens, religione sacer.
Huic pietas, sed vera; fides, sed pura; rigorque
Iusticiae stabilis, sed moderatus erat.
V. fol. 7 a I. VI. fol. 5 b I.
1) Gemeint ist gewiss Gaufrid von Chälons, gest. nach Garns S. 534
am 27. (28.) Mai 1142, während unser Epitaph den 26. Mai 1143 zu er-
geben scheint; vgl. auch Gallia Christiana IX, 880.
ß44 J. Werner.
5 Iunius instabat Maio sex stante diebus.
Cum ditavit humum corpore, mente polum,
Unitam verbo carnem referentibus annis
Mille ter undenis undeciesque decem.
Voran geht das Epitaphium Petri Baiolardi a
semet conpositum: 'Servi animam servans', 7 Verse, und
'Est satis in titulo: Petrus hie iacet Habaelardus', 7 Verse.
VII. De sodomitis quibusdam clericis.
Non placet a dextris chorus hie, qui continet hedos :
Quos deus a leva parte locare volet.
Aut nostra de parte gregem removebis olentem,
Aut nos cessuros, presul amande, scias.
VIII. De sodomita prelato.
Qui sedet hac sede ganimedior est Ganimede;
Cur uxoratos a clero separat omnes,
Audiat: uxoris non amat officium.
Vile nimis scortum, sed vilior est sodomita:
5 Peior quam meretris femina vir meretris.
Femineus coitus fruetum pariendo reportat;
Polluitur tantum, dum sodomita coit 1.
IX. Epitaphium cuiusdam domin ae.
In facie2 Venerem gestans, in mente Dianam
Grata viro fuit hec; grata sit ipsa deo!
Hanc humilem mores, sublimem fecit origo ;
Unde viro placuit, grata sit inde deo!
5 Expirans Februi Manentia luce seeunda
Insoliti partus lesa dolore ruit.
X. Epitaphium Odonis.
Si dolor aut lacrime de morte iuvare valerent,
Plures et merito super huius morte dolerent.
VII. VIII. IX. fol. 5b IL X. fol. 6a I [steht auch im Cod. lat.
Monac. 6911, fol. 123 (M., vgl. Anz. f. Kunde d. deutschen Vorzeit 1876,
S. 75; Zeitschr. f. d. österr. Gymnasien XXXII, 422), dessen Lesarten
Herr Dr. Keyssner uns mitgetheilt hat. 1 'valerent] solerent' getilgt, dar-
über von derselben Hand 'valerent' M. 3 'nitore] decore' M. 7 'Fervida
cum fervens premeret sol terga leonis' M. 8 'tumulatur corpus' M.].
1) Vergleiche über das nämliche Laster die Verse aus dem IX. Jh.
in Bd. XIII, p. 358 ff. ; unter Marbods Gedichten eines über denselben
Gegenständ, das auch in unserer Hs. sich findet: 'Daemonis inventum'.
2) 'faciem' c, verb. von W. W.
Epitaphien und Epigramme des XII. Jahrh. 645
Nobilitate quidem forrnaeque nitore nitebat;
Ingenii fontem rivum sermonis habebat.
5 Curnque foret locuples, cum largus et inde fuisset:
Nulla fuit probitas cuiquam, quam 11011 habuisset.
Fervida sol fervens premeret dum terga leonis,
Idibus Augusti corpus tumulatur Odonis.
Unmittelbar darauf folgt: 'Vivere non possum', vgl.
Bd. XV, 401, und nach diesem die Schmährerse:
Felix expertus exemplo femina quid sit,
Quique suos aliquo suffigit1 arte dolos.
Femina vicit Adam, victus fuit arbore quadam.
Im Ganzen 37 Verse, mit dem Schluss, welchen Watten-
bach Münch. Sitzungsb. 1873, p. 709 anführt. Vgl. Haureau,
Melanges p. 172 f.
XI. Epitaphium Lugdunensis Hunberti.
Artibus, ingenio, maturis moribus olim
Iste bonus, melior, optimus esse cadit.
Mente senex, annis iuvenis, famosus ubique
Pro meritis, claris clarior ortus avis.
5 Res amplas fortuna dedit, natura decorem,
Sed neque fastus ei, nee decor obprobrium.
Lugduni natus studuit moriturus apud nos:
Illic assumpsit, exuit hie hominem.
XII. Epitaphium utriusque Marcelli.
In terra terror Marcellus et unus et alter
Hie iacet: ambo duces; hie avus, ille nepos.
Consilio, cruce, vi: coneives, furta, tyrannos:
Rexit, correxit, stravit uterque potens.
XIII. Epitaphium cuiusdam puellae.
Annis, forma, re: fervens, celeberrima, dives
Proh dolor intrat humum frigida, turpis, egens.
Haec humilis fastus fugiebat, iurgia mitis;
Mens erat interius Candida, fama foris
5 Sepe puella ioco, semper matrona pudore
Hoc annis, illud moribus ista dabat.
XI. (gedruckt Revue de philologie 1845 I, 414. W. W.) fol. 8 a II.
XII. XIII (gedr. Revue de philologie 1845 I, 414. W. W.) fol. 8 b I.
1) 'aliquo suffigit' unverständlich W. W. ; vielleicht 'aliqua suf-
fugit' H. B.
646 J. Werner.
fol. 8, col. 1. 'iurigia' Hs. Darauf folgt: 'Non sum
sub terris', zwei Verse. Vgl. Bd. VI, 537.
XIV. De cornite Tkeobaldo.
Hie latet ille comes Tkeobaldus ciaras ubique,
Ecclesiae inatris filius, immo pater.
Magnus honore, potens subiectis, nobilis ortu,
Mente sagax, verbis lucidus, ore decens.
5 Exiguis parvus, tumidis ferus, asper iniquis,
Simplicibus simplex, omnibus omnis erat.
Re(i)s, pauperibus, monachis, egrisque parabat
Incessanter opein, munera, templa, domos.
Huius erat servare bonos, punire nocentes;
10 Huius erat iuste vivere, iusta loqui.
Onines virtutes in eo lucere videres,
Certabantque simul mirificare virum.
Gallia nostra gernens tanto viduata patrono,
Sicut eo stabat staute, iacente iacet.
15 Ergo sui cursus perfecit tempora mense
Iano bis quinos perficiente dies.
Es folgt das Epitaphium Sviggeri abbatis
saneti Dionisii. 'Hie iacet ecclesiae flos', 16 Verse.
Vgl. Haureau, Melanges d' Hildebert p. 30.
XV.
Cum sis flos patrum, cum spes, cum vita tuorum,
Effice, cur tu sis illud habendus ei.
Idque facis, si nunc es, quod prius esse solebas,
Si non te mores destituere tui.
5 Mens prudens, sit larga manus, sit lingua modesta:
Haec gerat, haec tribuat, haec sonet usque bonum !
Sic deus haue ut pauperiem, plebs ut probet illam:
Sicque tribus si vis patria gratus eris.
Tu mea praeeipue, tua spes ponatur in uno;
10 Ne spes cassa ruat, ut potes, äff er opem !
XVI.
Floruit ars lo(g)icae placuitque Galone docente :
Marcet, vilescit, cum sinet esse docens.
Alter Aristotiles, cleri caput, artis acumen;
Unde gemit clerus, heu, vacat a studio.
XIV. fol. 8 b I. XV. fol. 8 b II. XVI. fol. 9 b I.
Epitaphien und Epigramme des XII. Jahrh. 647
5 Ars lo(g)icae! rectore cares, ruis orba magistro!
Non est qui recto tramite lora regat.
Dum tuus auderet tua lora tenere, fuisti
Altior, utilior artibus, ars melior.
Privatus studio doctor, doctore iuventus
10 Heu dolor! ille gregem plangit et illa ducem.
Hinc mens, hinc stomacus, [hinc os] 1 plausu, dape, risu
Ees miranda vacat: undique fletus adest.
Cum stet cumque putet fore tutus in urbe vel extra,
Hinc illincque fugat emulus hostis eum.
15 O genus, o species! hie vobis conputo damnum:
Imbre rigate genas! iam viduata duce.
0 genus, o species! vestram denete ruinam!
A summo ruitis non relevanda gradu.
Auf diesen Philosophen (vgl. Haureau, Melanges p.
d' Hildebert p. 33) bezieht sich ein kürzeres Epitaph auf
fol. 15 b derselben Hs.
XVII.
Philosophia, dole ! sed tu Dialectica sola
Prae eunetis doleas orba Galone tuo!
Plet genus et species, flent argumenta Galonem;
Exstinctum florem flet genus et species.
XVIII.
Es furatus equam nocturno tempore nequam,
Nee paries geminus detinuit facinus.
Furis habes nomen, veniat tibi nominis omen,
Et videam lucem, qua patiare crucem.
5 Pro f actis rebus te torreat in cruce Phebus!
Nigris alitibus sint tua membra eibus!
Ich verbinde mit diesem Epigramm einige spasshafte
Stücke, die noch ungedruckt zu sein scheinen:
XIX.
A meretrice sua monachus dum forte veniret,
Contingit 2 merito res sibi foeda nimis :
Nam ratus esse suam, tunicam tulit ille puellae;
Sic indutus abit ingrediturque chorum.
XVin. fol. 15 a I. XIX. fol. 42 a I.
1) Von W. W. hinzugefügt, fehlt im cod. 2) 'Contigit' c, verb.
von W. W.
648 J- Werner.
XX.
Nupta tibi sine dote datur! sie audio dici.
Unde, miser, vives tuque domusque tna?
Dum tu solus eras, soli non proficiebat
Res tua; sufficiet nunc minus illa tibi.
5 Ancillam nuptae, famulum tibi, naevole, quaeres,
Nutricem 1 puero, cum puer (ortus) erit.
Cum sis omnibus bis vestemque eibumque daturus,
Non poterit sumptus res tua ferre tuos.
XXI.
Querela monaebi.
Condicione nova mibi dantur quatuor ova,
Haec nova condicio prodiit ex vitio.
Responsio abbatis.
Si tibi praebemus laeto vultu quod babemus,
Dicas esse satis, quia conferimus tibi gratis.
XXII.
Avertens 2 vultum noli transire sepultum,
Sed preeibus dominum fac sibi propicium !
Heu! mortis portam quis claudet semper apertam,
Quae rapiendo probos devorat et reprobos?
5 Heu! cinis et vermis, quid in ista carne superbis,
Quae similis fumo euneta reponit humo?
0 ! qui, dum vixit, vivendo deum benedixit
Yotaque tunc voluit reddere, dum potuit.
E contra multi, quos claudit porta sepulcri
10 Acbles, nunc siccas multiplicant lacrimas.
Quorum vox sterilis circumtonat atria regis,
Pulsant per gerriitus nee datur introitus.
Qui legis haec verba, miserere iacentis in urna;
Et sie esto sibi, ceu tibi sint alii.
15 Lex nostrae sortis exposcit debita mortis,
Omnis ut unde meat Spiritus huc redeat.
Die, deus hunc redimat, ac alta pace quiescat,
Adsignato crucem, cum benedicis! Amen.
XXIII.
Militet in domino, quisquis bene militat, huius
Militiae deus est mite patrocinium.
XX. fol. 42 a I (in 2 Epigramme getheilt bei Haureau, Notices et
Extr. (1890) I, 378 aus cod. lat. Paris. 8433. W. W.). XXI. fol. 36 b I.
xxii. fol. i6b i. xxrn. m. 73 b 1.
1) 'Niticium' c, verb. von W."W. 2) 'Auertedo' c, 'do' vom Rubricator.
Epitaphien- und Epigramme des XII. Jahrh. 649
Quem tegit iste lapis miles fuit et moriendo
Desiit esse suo miles in officio.
5 Is tumulatus erat vir in armis strenuus, ortu
Nobilis, eximius pace, vigens animo.
Heu! fuit et non est, quia telis, igne, ruina
Abstulit nunc triplici mors gravis interitu.
Hunc deus a culpis expurget, ab igne gehennae
10 Liberet, in requie collocet, addat opem.
XXIV.
Cum totum nequeat aliquod nomen dare parti,
Quod sit homo corpus, logicae non consonat arti.
Ergo non sequitur homines istic tumulari,
Cum liquido constet hie corpora sola locari.
5 Cessent obniti, cessent latrare sophistae !
Nam nil quod sit homo circumscribit locus iste.
XXV.
Vitae mortalis status est quidam generalis
Temporis exigui curriculo minui.
Est hominis labi, verti, suecumbere trabi;
Est hominis fleri consimilem cineri.
5 Sic pereunt nata, rediguntur materiata
In sua simplicia traduce materia.
Sic quoque Waltherum tulit 'ultima linea rerum' *
Quondam canonicum, nunc cinerem modicum.
Huic, pater aeterne! da lucis amoena supernae!
10 Perpetis ut patriae gaudeat in requie.
XXVI.
De quo processit in id ipsum carne recessit
Advena Waltherus hoc in tumulo tumulatus.
Heu ! primae matris primi transgressio patris
Criminis heredes dedit has ineurrere sedes.
XXVII.
Hie tumulatus praeco beatus rite vigebat
Condecoratus prespiteratus iure virebat.
Nunc meritorum digna suorum praemia captat,
Dum sociorum se superorum coetibus aptat.
5 Martyrio dedit egregio caro carnea iura,
Supplicio, latrocinio terras subitura.
XXIV— XXVII. fol. 73 b II.
1) Horat. Epist. I, 16, 79.
650 J- Werner.
XXVIII.
Hie sita Kichardis, iarn libera carcere carnis,
Terris sublata iacet in terris tumulata.
Nexibus hanc fragilis vitae subduxit Aprilis,
Luce Kalendarum primam subeunte Nonaruin.
XXIX.
Heu ! Gerlandus erain ; modo suui nihil, aut Epicurus
Mentitur, veri si quid habet Samius;
Sed tarnen et Samius et Chrysippus sine vero
Attribuunt seetae pondus utrumque suae.
5 Neutrius admitto dictum vel inane sophisma;
Neuter enim dicet: post sua fata probo.
Heu! Gerlandus eram, sed nunc sine corpore nomen
Restat, utrumque tarnen interiisse reor.
Vox prolata perit, 'nescit vox missa reverti' \
10 Vox perit, et vocis significata labant.
Heu Gerlandus eram, sed nunc in pulvere pulvis
Atteror ; omnipotens rex miserere mei !
XXX.
Femina prima fuit erroris origo, ruinae
Inicium, mortis fomes et interitus.
Femilla virgo dei genitrix commissa prioris
Abluit, interitum sustulit, auxit opem.
5 Virginis hinc prolem, sponsum sibi virgo pudica 2
Delegit fatuis dissona virginibus.
Haec virgo sapiens oleum cum lampade munda
Protulit et media nocte secuta deum.
Ipsa die Maii quae transit ante kalendas
10 Quatuor atque decem carne soluta fuit.
Annus erat domini millesimus, huic quoque centum
Atque3 duos menses sol celer addiderat.
XXXI.
Transitione brevi fuit usus4 labilis aevi
Pro levitate brevis, pro brevitate levis.
Indolis ergo bonae puer, aegra transitione
Heinricus misere fit cinis in cinere.
XXVIII. fol. 74 a I. XXDC. fol. 74b I. XXX — XXXVI.
fol. 74 a II.
1) Horat. Ep. ad. Pis. 390. 2) 'pudi caca virgo1 c. 3) 'ad-
que' c. 4) v' d. i. 'unus' c.
Epitaphien und Epigramme des XII. Jahrh. 651
5 Ille per aetatem teneram carnis levitatem
Vincere non potuit, sed prius occubuit.
XXXII.
Pene relativa sunt niors et vita, quod horum *
Lex perhibet, ratio iudicat, usus habet.
Sed quia mors posita vitam non ponit, in istis
Fallere seu falli nescit Aristotiles.
5 Mors vitam perimit, duo sunt haec inmedia(ta) 2,
Nam medium moriens Albero non habuit.
Iunius hunc rapuit, geniinos cum sole tenente
Ipsa kalendarum fulsit in orbe dies.
Huic pius aeternam requiem donet miserator
Et lux perpetua
XXXIII.
Carnis vertigo que sit, sua monstrat origo:
Dum cinerem sequitur, dum cinis efficitur.
Sic cinis effectus iacet hoc in pulvere tectus
Hartwicus3; sit ei gratia larga dei!
XXXIV.
Quisquis ad haec, lector, oculos epitafia vertis :
Quid sit homo potes indiciis advertere certis.
Funde preces pro nie nee te laseivia tardet4,
'Nam tua res agitur, paries cum proximus ardet' 5.
Qui Fromoldus eram, modo sum cinis; ergo levamen
Sit deus, a poenis animam qui liberet. Amen.
XXXV.
Quid nisi pulvis homo, nisi ros, nisi flos, nisi vermis ;
Exul et absque domo, res vilis, iners et inermis.
Vita quid est hominis? nisi putredo? nisi fenum,
Terra, favilla, cinis! quid sunt, quid habent nisi cenum?
5 Ergo canonicus, qui nunc iacet hie tumulatus,
Prespiter Heinricus primi pro labe beatus
Nunc vigeat, nunc obtineat caelestia dona,
Possideat caelum, subeat radiante Corona!
1) Dieser Vers ist kaum richtig. "W. W. 2) 'inmedia' c, verb.
von W. W. 3) 'Hantwicus' c. 4) 'trdet' c, verb. W. W. 5) Horat.
Epist. I, 8, 84.
652 J. Werner.
XXXVI.
Epitaphium super Adam.
Si mors concludi posset per verba sophistae,
Conclusisset ei tumulus quem continet iste,
Cui semel opposuit mors et conclusit eidem,
Non poteras igitur dicere: nou sequitur.
XXXVII.
Invida mors! quid agis? mors invida vilia tollis
Oninia praecipitans, maxima cum minimis.
Parcere debueras, mors inproba, Theoderico.
Theodericus erat, quem tegit iste lapis ;
5 Ille peritus erat lapides quadrare, polire,
Quamlibet in formam vertere materiam.
Nunc cinis est, homo qui fuerat, nunc vermibus esca;
Nunc opus artificis conprimit artificem.
XXXVIII.
Ingrederis Euodolfe, viam, quae nee redeunti
Se facilem neque difficilem se praestat eunti.
Tutus abis moderante tuam virtute pliasellum ;
Portum pacis habet, cuius tenet anchora caelum.
5 Caelum laudum pascens 1 sua gaudia luctu
Nunc tibi centeno cumulata dat horrea fruetu.
Caelum thesauros aperit tibi deliciarum
Balsama praetendens et aromata caelicolarum.
XXXIX.
Copia si rerum daret incrementa dierum,
Non ego tantillo fueram claudenda lapillo;
Sed nee opes patris poterant, nee copia matris
Qualibet in cura morti sua tollere iura.
XL.
Cur portam claudis, tu dives papa subaudis;
Sed nummi causa scio quod sit portula clausa.
XXXVII. fol. 74 a I. XXX VIII. fol. 112 a I. XXXIX.
fol. 152 a H. XL. fol. 158 a IL
1) 'pascens' c, verb. von W. "W., der hinzufügt, dass diese Ver-
besserung noch nicht genügt.
Epitaphien und Epigramme des XII. Jahrh. 653
Arg-uo claustrales permulta sed officiales
üt viciis plenos verisque bonis alienos.
XLI.
Inportuna fames, princeps et domna cocorum,
Efficit ut sapiant quaelibet insipida.
Aspera gustu dulcia reddit luxus edendi
Et potum quamvis acidum sitis arida blandum.
XLI. fol. 158 a II.
Neues Archiv etc. XX. 10
Eine Appellation Albenga's an den Kaiser
von 1226.
Von G. Car o.
In der publicistischen Schrift 'Memoires touchant la
superiorite Imperiale sur les villes de Genes et de S. Eemo
. . . seconde partie . . . pieces justificatives' (Ratisbonne
1768) ist eine Urkunde abgedruckt (S. 40 f. n. XVII), die
der Herausgeber bezeichnet als : 'Acte d'Appel de la Ville
Imperiale d'Albenga ä l'Empereur Louis de Baviere • . .
(en date du 14. May) 1316'. Die — offenbar verderbte —
Datierung lautet (S. 41): 'Actum in civitate Albingane in
ecclesia sancti Michaelis anno domini MCCCXVI. Indic-
tione XIV. Maii'.
Dieselbe Urkunde findet sich in einem modernen Ab-
schriftenbande der Universitäts - Bibliothek zu Genua (Sig-
natur C. IV. 14) auf f. 42. Woher die Abschrift genommen,
ist nicht ersichtlich. Dass sie nicht aus dem Drucke
stammt, zeigen die besseren Lesarten ('Capriatam' statt 'Ca-
pritam' S. 40, Z. 7 von unten; 'imponere' statt 'imperare'
S. 40, Z. 4 v. u. u. s. w.). Dass sie nicht direkt aus dem Ori-
ginal abgeleitet ist, zeigen die gemeinsamen Fehler (S 40
letzte Zeile die Lücke hinter 'vicarius' und das folgende
falsche 'consules'). Man wird anzunehmen haben, dass
Druck wie Abschrift auf eine ältere, schon fehlerhafte,
Abschrift zurückgehen.
In der Hs. ist die Datierung: (Actum etc.) 'anno na-
tivitatis domini MCXXVI ind. XIV. die XVII. Maii'.
Der Inhalt der Urkunde ist: Ansaldus Niger, Ge-
sandter der Commune Genua 'de octo nobilibus constitutis
in ipsa civitate', in Gegenwart seines Mitgesandten Jacobus
Bellamutus, befiehlt fünf Consuln von Albenga, sie sollen
der Commune Genua im laufenden Monat Mai (per totum
istum mensem Maii) 35 servientes nach Capriata schicken,
bei poena dupli (zu verstehen wohl des doppelten des
Schadens, der Genua aus dem Ungehorsam gegen den
Befehl erwächst) und bei jeder Strafe, die Genua der Com-
Eine Appellation Albenga's an den Kaiser von 1226. 655
umne Albenga wird auferlegen wollen (für 'valet' in Druck
und Hs. zu lesen 'volet').
Das folgende ist im Druck und in der Hs. gleich ver-
derbt: 'et interdixit Bonvassallo notario vel scribano in-
strumentura fieri praecepit Ansaldus.' Mit Rücksicht auf
den gleich zu erwähnenden Gegenbefehl wird für 'inter-
dixit' zu lesen sein 'inde sibi a', dann ist der Sinn klar.
Der Gesandte verlangt, dass über seine Ankündigung ein
Protokoll in rechtsgültiger Form aufgenommen werde. Der
Judex und Vicar der Consuln von Albenga (für 'consules'
ist 'consulum' zu lesen, die Lücke zu ergänzen 'dictorum') ant-
wortet für sie; er sagt: 'quod appellabat nomine ipsius
communis Albingane ad dominum deum et ad imperatorem,
et appellavit ab omni dicto sive (Druck 'et') precepto et
(fehlt im Dr.) ab omni gravamine et ab omni pena et ab
omni onere, quod eisdem consulibus nomine ipsius com-
munis Albingane imponebat pro communi Ianue et nomine
ipsius communis Albingane. Et contradixit dicto Ansaldo
predictus iudex nomine communis Albingane (von 'Et' an
fehlt im Druck) ex parte ipsius domini imperatoris, ne pre-
dicta imponeret ipsi communi Albingane, dicens ex parte
ipsius communis Albingane ipsi Ansaldo ambasciatori com-
munis Ianue, quod non habeat ras imponere predicta, nee
debeat nee de iure facere poterat predieta'. Dann ver-
bietet der Judex und Vicar dem Notar das Instrument
auszufertigen, das der Gesandte von ihm gefordert hat, da
es gegen den Kaiser sei und gegen die Commune Albenga.
Darauf folgt die Datierung. (Der Vorname des Notars,
Basilius, ist in Bonvassallus zu verbessern. Der zweimal
in der Urkunde genannte Notar hat Protokoll über den
Vorgang aufgenommen, aber nicht nur einseitig über
den Befehl des genuesischen Gesandten, sondern auch über
die folgende Appellation an den Kaiser.)
Weder zu 1316 noch zu 1126 kann die Urkunde ge-
hören. In beiden Jahren gab es keinen gekrönten Kaiser,
auch kein Amt der octo nobiles in Genua. Zu 1126 passt
auch die Indiction nicht. In die sonst aus beiden Jahren
bekannten Ereignisse lässt sich die Urkunde nicht einfügen.
Zweimal suchten Albenga und Savona in Anlehnung
an die kaiserliche Macht Unabhängigkeit von Genua zu
gewinnen, in den Jahren 1226 und 1238; in letzterem
durch gewaltsame Erhebung gegen den von Genua gesetz-
ten Podesta1. Anders 1226.
1) Annales Ianuenses SS. XVIII, S. 187, Z. 50; cf. G. Caro, Verf.
Genua's z. Z. des Podestats S. 18.
43*
656 GL Caro.
Die Verhandlungen, die in diesem Jahre dem Abfall
Savona's vorausgingen, sowie das Auftreten von dessen Ge-
sandten am kaiserlichen Hofe, beschreiben die genuesischen
Annalen(S. 159 ff.) ausführlich, wenn auch parteiisch; dass Al-
benga mit Savona im Einverständnis war, wird nur erwähnt
(S. 159, Z. 52; S. 160, Z. 53). Diese Lücke in dem Berichte
ergänzt nun die Urkunde. Denn dass sie wirklich zu 1226
zu setzen ist, dafür spricht das Zusammentreffen aller
übrigen Merkmale. Die Indiction 14 stimmt. Ansaldus
de Nigro gehört 1226 zu den octo nobiles (Ann. S. 159,
Z. 51). Um Capriata drehte sich der Krieg Genua's mit
Alessandria und Tortona (Ann. S. 155, Z. 22), der 1225
zu einer Reihe erbitterter Kämpfe geführt hatte *. Die
bedrängte Lage, in die Genua durch den Krieg gerieth
(Ann. S. 160, Z. 7 und Z. 43), bot die Gelegenheit zum
Abfall. Das machtvolle Auftreten Friedrichs II. in Ober-
Italien2 Hess hoffen, dass er sich der Schwachen gegen
die Starken annehmen werde.
Richtig datiert ist also diese Urkunde ein meines
Wissens bisher nicht beachtetes Zeugnis für das Streben
der kleineren italienischen Städte unter Anrufung der
kaiserlichen Obergewalt sich der Vorherrschaft der benach-
barten Grossstadt zu entziehen, und die Ausbildung eines
Territorialstaates mit einer Commune als Mittelpunkt zu
hindern.
1) Ann. S. 157 ff. ; vgl. "Winkelmann, Jahrb. Friedrichs II. Bd. I,
S. 261. 2) Vgl. Winkelmann a. a. 0. S. 282.
Zu den Regesten Karls IV.
Von Jos. Becker.
Bei den Vorarbeiten für meine Untersuchung über
die Landvögte des Elsass 1308 — 1408 (Strassburg 1894)
habe ich ausser den im Anhang zu dieser Schrift ver-
zeichneten, bisher unbekannten Kaiserurkunden des 14. Jahr-
hunderts in den Archiven zu Colmar und Hagenau noch
eine Anzahl ungedruckter Urkunden Karls IV. gefunden,
die dort nicht aufgenommen werden konnten, weil sie mit
der Geschichte der Landvögte nichts zu thun haben. Ich
theile deshalb hier kurze Regesten derselben mit.
1. 1347. Dec. 12. Hagenau.
Karl IV. erlässt Kolmar die letztverfallene Martins-
steuer. Zu Hagenowe 1347 an der nehesten mitwochen
nach saut Nycolaus tag, im andern iare vnser rieh. Org.
Perg. m. Rest des hg. Majestätssiegels, Colm. CC.
2. 1352. April 11. Prag.
Karl IV. führt bei den Bürgern Hagenau's Klage
darüber, dass sie seinen Richter vertrieben und abgesetzt
und sich das Gericht angemasst hätten ohne seines Pflegers
Willen ; dass sie gewaltsam in den Hof seines Richters ein-
gebrochen seien und die Pferde daraus weggenommen
hätten, die jener solchen Bürgern gepfändet hatte, welche
den hl. Porst geschädigt hatten; dass sie solche Unthat
nicht vor seinen Richter bringen, sondern selber richten
wollten ; dass sie das Thor von der Burg freventlich abge-
rissen hätten ohne die Erlaubnis seiner Amtleute ; dass sie
sich des Reichsforstes, da wo er am schönsten und besten
sei, bereits ein Jahr lang unterwunden hätten, wodurch sie
einen Schaden von mehr als 1000 Pfund Heller verursacht
hätten. Deshalb habe er bestimmt, dass der Reichsvicar
Pfalzgraf Ruprecht Besserung und Busse von der Stadt
verlangen solle nach seinem Gutdünken. Ze Präge an der
nehesten mitwoche noch dem Ostertag Reich 6. J. Ad
658 J°s- Becker.
relat. electi Nevnburgensis Michael. Org. Perg. hinten
Spuren von aufgedr. rot. Sgl. Hag. AA 104.
3. 1354. Mai 23. Strassburg.
. . . quittiert der Stadt Colmar über ihre künftige
Martinssteuer, 300 Mark Silber, und verspricht, dass weder
er, noch sein Landvogt diese Steuer von 1354 mehr fordern
werde. Strassburg 1354 am frejtage nach vnsers herren
auffart tage, Reich 8. J. Ad rel. comitis Meydb. mag.
curie, Heinricus thesaurarius. Org. Perg. m. Rest d. hg.
Msgl. Colm. CC.
4. 1355. Dec. 24. Nürnberg.
. . . quittiert der Stadt Colmar über 70 Gulden von
Florenz, welche Ulrich vom Hus eingenommen habe und
die von der nächstfälligen Martinssteuer abzuziehen seien-
Nurenberg 1355 an dez hl. Cristes abent, Reich 10. Kaisert.
1. J. Per dorn. Cancell. Heinricus thesaur.; R. Hertwicus.
Or. Perg. m. hg. Msgl. Colm. CC.
5. 1356. Mai 11. Prag.
. . . befiehlt Colmar, die nächstfällige Martinssteuer
dem Friedrich von Hatstadt und seinen Brüdern zu geben.
Ze Präge 1356 des nechsten mitwochen nach dem suntag
misericordias dorn., Reich 10. Kais. 2. J. Per dorn. mag.
curie, Iohannes de Glacz. Or. Perg. m. hg. rot. Adlersgi.
in gelb. Schüssel. Colm. CC.
6. 1357. Aug. 27. Taus.
. . . befiehlt Colmar, die nächstfällige Martinssteuer
dem Burkhard Münch dem Jungen von Landskron zu
geben. Taus 1357 des neuesten suntages na sente Bar-
tholomeus tage, Reich 12. Kais. 3. J. Per dorn. mag. curie,
Rudolfus de Friedeberg. Or. Perg. m. hg. rot. Adlersgi. in
gelb. Schüssel. Colm. CC.
7. 1358. Oct. 12. Prag.
. . . gebietet Hagenau, von der nächstfälligen Martins-
steuer dem Herzog Friedrich von Teck 500 Gulden zu geben.
Prag 1358 am freytag vor sand Gallen tag, Reich 13. J.,
Kais. 4. Per dorn. mag. curie, Joh. Eystetensis ; R. Mili-
czius. Or. Perg. Sgl. abgef. Hag. CC. 2 n. 2.
Zu den Regesten Karls IV. 659
8. 1359. Sept. 1. Königstein.
. . . bescheinigt, dass Hagenau auf seinen Befehl hin
die gewöhnliche Steuer von diesem Jahre dem Herzog
Friedrich von Teck bezahlt habe. Zu Kunigisteyn 1359
an send Egidien tage, Eeich 14. Kais. 5. J. Per dorn. Im-
perat. Eudolfus. Or. Perg. m. hg. Msgl. Hag.,CC. 2 n. 4.
9. 1361. Aug. 3. Prag.
. . . befiehlt Hagenau, von der nächstfälligen Martins-
steuer dem Herzog Friedrich von Teck 500 Gulden zu
geben. Prag 1361 an sant Stephans tag als er funden wart,
Rom. Reich 16. Kais. 7. J. Per dorn. Maideburgens. elec-
tum, Conr. de Gysinheiin, R. loh. Saxo. Or. Perg. m. hg.
Msgl. Hag. CC 2*. n. 5.
10. 1364. Mai 14. Bautzen.
. . . befiehlt Hagenau, dem Herzog Friedrich von Teck
500 Gulden von der nächstfälligen Martinssteuer zu geben.
Budissin 1364 am nehesten dinstage nach dem heiligen
pingstage, Reich 18. Kais. 10. Per dorn. Imperat., Rudolf,
de Frideberg. R. Petrus Scholast. Lubuc. Or. Perg. m. hg.
Msgl. Hag. CC. 2. n. 8.
11. 1366. Aug. 14. Nürnberg.
. . . befiehlt Colmar, von der künftigen Martinssteuer
dem Heinrich von Varnbach, Bischof von Termopel,
seinem Kaplan, 80 Gulden zu bezahlen. Nuremberg 1366
an vnserer frawen abend wurczwey, Reich 21. Böhm. 20.
Kais. 12. J. Per dorn, cancell., decanus Glogouiensis ;
R. loh. Saxo. Or. Perg. m. Rest des hg. Msgl. Colmar CC.
12. 1367. Febr. 24. Prag.
. . . befiehlt Colmar, von der nächstfälligen Martins-
steuer an Heinrich, Bischof von Termopel, 80 Gulden zu
bezahlen. Prag 1367 an sancte Matthyss tag des heiligen
aposteln, Reich 21. Kais. 12. J. Ad rel. dorn, cancell.,
Petrus scholast. Lubuc. ; R. Volczo de Wormacia. Or. Perg.
m. hg. Msgl. Colm. CC.
13. 1370. Aug. 19. Nürnberg.
. . . befiehlt Colmar, von der nächstfälligen Martins-
steuer an Bischof Heinrich zu Termopel 80 Gulden zu be-
zahlen. Nuremberg 1370 am montag vor sant Bartholo-
660 Jos. Becker.
rneustag, Rom. 25, Böhm. 24, Kais. 16. J. Per dorn, cancell.
Conradus de Gysenheim; R. loh. Lust. Or. Perg. m. hg.
Msgl. Colm. CC.
14. 1372. Juli 22. Sulzbach.
. . . befiehlt Hageuau, von der nächstfälligen Martins-
steuer dem Herzog Friedrich von Teck 500 Gulden zu geben.
Sulzbach 1372 an sant Marie Magdalene tage, Rom. 27.
Böhm. 26. Kais. 18. J. Per dorn. mag. curie, Nicl. Cameric,
prepos. ; R. loh. Saxo. Or. Perg. m. hg. Msgl. Hag. CC.
2 n. 16.
15. 1373. Mai 6. Prag.
. . . entbietet den Geistlichen, den Comenturen und
ihren Unterthanen der Häuser des Johamiiterordens zn
Colmar, Schlettstadt, Mülhausen, dass er vernommen habe,
dass sie sich weigerten, 'mit füre zu herferten, zu wege,
zu stege vnd zu andern Sachen' zu helfen; deshalb befehle
er ihnen, jenen Städten, wie es von alters herkömmlich
sei, in den genannten Sachen behülflich zu sein. Prag
an dem fritag nach des heiligen cruces tag als es gefunden
wart, Reich 27, Kais. 19. J. — Schlettstadt. Copialbuch.
16. 1373. Aug. 20. Frankfurt a./O.
. . . befiehlt Hagenau, die jährliche Martinssteuer
gänzlich dem Herzog Friedrich von Teck zu geben. Fran-
kenfurt anf der Oder 1373 an dem sampstag nach vnser
frawen tag schiedung Rom. 28. Böhm. 27. Kais. 19. J. Per
mag. curie, P. Lauric. ; R. Nicol. de Praga. Or. Perg. m.
hg. Msgl. Hag. CC. 2 n. 18.
Matthaeus Grabow.
Von W. Wattenbach.
Bei den Anfeindungen, welchen die im Niederland
aufkommenden Genossenschaften ohne Klosterregel ausge-
setzt waren, spielt eine Rolle die heftige Anklageschrift
des Dominikaners M. Grabow, damals Lectors in Groningen,
welche er beim Konstanzer Concil einreichte, die aber 1419
auf Grund von Gutachten Peters von Ailly und Joh. Ger-
sons verdammt wurde, er selbst zum Widerruf genöthigt;
s. Moll, Kerkgeschiedenis van Nederland II, 2, 169. Die
Schrift selbst nebst den Gutachten ist gedruckt in Ger-
sons Werken I, 624 (Ed. Antw. I, 467), und danach bei
von der Hardt III, 106. Aber die Diöcese ist zur Merse-
burger geworden, und deshalb will auch von der Hardt
den Convent zu Wismar in einen zu Weimar umgestalten ;
er selbst heisst Grabon, und bei Quetif I, 759 Grabeen.
Den Niederschlag dieser Verkehrtheiten finden wir bei Fa-
bricius. Bei dieser Sachlage war es ganz willkommen, dass
Prof. Paul Fredericq mich freundlichst aufmerksam machte
auf die Brüsseler Hs. 2285 — 2301, saec. XV. aus dem Klo-
ster Korsendonc, welche unter vielen auf diese Streitig-
keiten bezüglichen Schriften fol. 35 u. 36 auch die Ver-
dammung und den Widerruf des M. Grabow enthält, der
dem Convent zu Wismar im K-atzeburger Sprengel ange-
hörte und Lector in Groningen war. Ich habe sie aus der
Kgl. Bibliothek zu Brüssel durch die dankbar anerkannte
Güte der Direction zugesandt erhalten, und gebe danach
den folgenden Abdruck. Das Urtheil war, so viel ich ge-
sehen habe, noch nicht gedruckt.
f. 35. Anno Domini 1419, die 31. Maii per cardina-
lem Aquilegiensem, iudicem in hac causa, dampnatus est
quidam libellus et 17 conclusiones in eo contente, editus
662 W. Wattenbach.
a quodam fratre Matheo de Grabow ordinis Predicatorum,
professo conventus Wismariensis dyoc. Razeburgensis pro-
vincie Saxonie (f. 35') tamquam bereticalis et heresim sa-
piens, erroneus, scandalosus, iniuriosus, temerarius, pre-
sumptuosns et piaruni aurium offensivus, set et aqua an-
gustie sustentandus donec appareret, an in luce an in
tenebris ambnlaret. Compulsus quoque predictum libellum
cum suis conclusionibus publice revocare, si ad unitatem
ecclesie eligeret redire. Si vero non elegisset, degradandus
ut liereticus fuerat, et brachio seculari relinquendus. Ei-
dem quoque fratri M. quoad vixerit * interdictus est accessus
ad provinciam Coloniensem, maxime ad dyoc. Traiectenseni,
sub pena perpetue incarceracionis et aliis iuris penis.
Principium libelli fuit tale: 'Suppono primo quod non in-
tendo', finis vero: 'Et per hoc patet responsio ad deci-
muni'. Prima eiusdem libelli conclusio fuit hec : 'Nullus
potest licite et meritorie, immo nee veraciter, obediencie,
paupertatis et castitatis universalia consilia coniunetim
extra veras religiones manendo adimplere'. Ultima eius
conclusio scilicet 17. fuit ista: 'Ex quibus sequitur, quod
predieta tria Salvatoris consilia sunt ita concathenata, ut
ubi paupertas veraciter seu meritorie invenitur, oportet
quod necessario obediencia et castitas veraciter seu meri-
torie inveniantur'.
Revocacio eiusdem fratris Mathe i.
Ego frater Matheus Grabow, ordinis Predicatorum
professus conventus Wismariensis dyoc. Razeburgensis pro-
vincie Saxonie, cognoscens veram catholicam et apostoli-
cam sedem, anathematizo et abiuro omnem heresim om-
nemque falsam et erroneam doctrinam contentam in quo-
dam meo libello ineipiente 'Suppono' etc. et finiente 'et
per hoc patet responsio ad deeimum', maxime 17 conclu-
siones pretensas et asserciones, quarum alie sunt heretice,
alie erronee et alie scandalose ac piarum aurium offensive,
per me editas in illo, de qua doctrina hactenus infamatus
(f. 36) convictus et sentencialiter condempnatus sum. Et
consentio sanete Romane ecclesie et apostolice sedi, pro-
fitens eandem fidem nie tenere et credere, quam saneta
ecclesia tradidit et firmavit, et iurans per sanetam Trini-
tatem et hec Christi evangelia, eos qui contra hanc
1) 'vixit' Hs.
Mattheus Grabow. 663
fidem veniunt, cum dogmatibus suis eterno auathemate
diguos esse.
Se quoque subscripsit manu propria abiuracioni a se
lecte, approbate et facte coram dicto cardinali et aliis
multis prelatis, doctoribus et magistris in theologia et in
utroque iure ad futuram rei memoriam et testimonium
j)remissorum.
Nachrichten.
232. Die Gesellschaft für ältere Deutsche Geschichts-
kunde hat kurz nach einander zwei schmerzliche Verluste
erlitten durch den Tod von Männern, die, beide Schüler
von Waitz, beide noch unter Pertz zu ihren Arbeiten heran-
gebildet, ihr bis auf die Gegenwart herab wesentliche
Dienste geleistet haben.
Wilhelm Ferdinand Arndt wurde am 27. September
1838 zu Lobsens in der Provinz Posen geboren, doch sie-
delte sein Vater als Kreisgerichtsdirector später nach Kulm
über, wo der Sohn seine Gymnasialbildung im Herbst 1858
vollendete. Seine Studien machte er z. T. in Berlin, doch
vorzugsweise in Göttingen bei Waitz und promovierte dort
1861 mit einer Abhandlung über die Wahl Konrads II.
Seit dem 1. Nov. 1861 Mitarbeiter der Mon. Genn., blieb
er dieser Thätigkeit bis zum 1. Oct. 1875 treu, wo er sich
endlich der akademischen Laufbahn in Leipzig zuwandte.
Im Auftrage von Pertz, dessen besonderes Vertrauen er
besass, unternahm Arndt im J. 1864 eine Eeise nach Breslau,
Krakau und Lemberg, auf der er für die Bearbeitung der
polnischen Annalen mit Eöpell in nähere Verbindung trat,
1864 — 65 eine zweite nach Petersburg1 und Warschau, die,
durch Krankheit schwer gestört, zur Auffindung der Hand-
schrift Heinrichs 'des Letten' führte. 1867 begab sich Arndt2
zu einem längeren Aufenthalte nach Belgien, 1868 von
dort nach Frankreich, wo er zahlreiche karolingische Ur-
kunden abschrieb. Die Ergebnisse dieser Reise wurden
durch eine zweite vom Juli 1869 bis Januar 1870 wesent-
lich ergänzt, die zur Entdeckung des wichtigen Registrum
Friedrichs IL in Marseille den Anlass gab.
Arndts erste Arbeit in den Mon. Germ, selbst war
das Register zu dem 1863 erschienenen 18. Bande der SS. ;
1) Vgl. N. Arch. V, 220. 2) Vgl. N. Arch. H, 232—299.
Nachrichten. 665
neben verschiedenen kleineren Quellen folgten im 19. B.
die grosse Weltchronik Romualds von Salerno und Annalen
von Pommern, Preussen, Polen, im 20. die Chroniken von
Ebersberg und Lippoldsberg, die Werke Reiners von Lüttich,
Johanns von Salisbury hist. pontinc. und das Register, im
21. die Geschichte der Aebte von Lobbes und namentlich
die grosse Hennegauer Chronik des Gislebert von Mons,
endlich im 23. die Chronik Heinrichs des Letten nach der
Warschauer Hs. Von den durch Pertz ihm gleichfalls
bereits übertragenen Merowingischen Quellen, auf welche
sich neben Gislebert besonders auch die belgisch -franzö-
sische Reise bezogen hatte, erschien nach längerer Unter-
brechung 1882 — 1884 die Frankengeschichte Gregors von
Tours nach den ältesten und rohesten Hss., alles aber, was
sich weiter daran anschliessen sollte, überliess er zuletzt
seinem Schüler B. Krusch. Und so folgten als Nachklang
dieser Thätigkeit nur noch die Vita Alchvini im 15. Bande
der SS. und die Briefe des Desiderius von Cahors. Unab-
hängig von den MG., doch in ihrem Sinne veröffentlichte
er als Leipziger Habilitationsschrift die Chronik des Bischofs
Marius von Avenches nach der einzigen Hs. und schon
vorher die kleineren Merowingischen Denkmäler, die Waitz
1874 zugeeignet wurden. Wie Arndt im Lesen schwieriger
Hss. stets als ein besonderer Meister gegolten hatte, so
förderte er darin auch weitere Kreise durch seine 1887 in
zweiter Auflage erschienenen sehr praktischen Schrifttafeln.
Arndts Lehrthätigkeit, welche in einem engeren Zirkel
schon in Berlin begonnen hatte und sich keineswegs auf
Hilfswissenschaften beschränkte, trat am wirksamsten in
seinem der Einführung in die Quellenkritik gewidmeten
Seminar hervor, in welchem er die pädagogische Methode
seines Meisters mit grosser Virtuosität handhabte. Rasch
zum ausserordentlichen Professor befördert und neben Noor-
den mit dem ihm später für einige Zeit entzogenen offici-
ellen Seminar für Mittelalter betraut, blieb er trotz seiner
anerkannten Lehrerfolge lange auf dieser Stufe, bis er end-
lich im Sommer 1894 eine ordentliche Professur für Hilfs-
wissenschaften erlangte. Neben den uns hier ferner liegen-
den Goethestudien wurde er, der auch an dem politischen
Leben der Gegenwart stets warmen Antheil nahm, in seinen
späteren Jahren von dem ursprünglichen Arbeitsfelde weiter
abgeführt durch den Plan einer umfassenden Deutschen
Geschichte nach dem Westfälischen Frieden, für welchen
er, namentlich in Stockholm und Wien, reiche Materialien
sammelte. Etwas davon zu vollenden war ihm nicht mehr
666 Nachrichten.
beschieden : ein Herzschlag bereitete am 10. Januar seinem
Leben und Wirken ein jähes Ende. Wie er den MG., die
den besten Theil seiner Kraft in Anspruch genommen, stets
die alte Anhänglichkeit bewahrt, indem er einzelne seiner
Schüler zur Thätigkeit an ihnen auszubilden bestrebt war,
und viele jüngere Fachgenossen in ihren Arbeiten mit
grosser persönlicher Gefälligkeit förderte, so sei auch hier
seinem Andenken dankbare Anerkennung gewidmet.
Vgl. 0. EL Geffcken in der Beil. zur Allgem. Zeitung,
München vom 22. Januar.
Ludwig Weiland wurde aus einer katholischen Fa-
milie am 16. November 1841 zu Frankfurt am Main geboren
und zählte zu seinen Lehrern am Gymnasium auch den
bekannten klerikalen Historiker Joh. Janssen. Seine Stu-
dien in den Jahren 1861 bis 1864 galten in Göttingen wie
in Berlin der Geschichte und zugleich der Germanistik,
jene unter der Leitung von Waitz, diese, in die er tiefer
als die meisten seiner Fachgenossen eindrang, unter der
von W. Müller und Müllenhoff. Nachdem er 1864 in
Göttingen mit einer Abhandlung über das sächsische Her-
zogthum unter Lothar und Heinrich dem Löwen (1866 im
Buchhandel erschienen) promoviert hatte, ging er auf die
Empfehlung von Waitz zu Joh. Mart. Lappenberg nach
Hamburg, um diesem, der altersschwach und augenleidend
war, als Gehilfe zur Seite zu stehen. Er unterstützte ihn
bei seinen literarhistorischen Arbeiten, von denen er die
Ausgabe der Briefe Klopstocks erst nach seinem Tode 1867
vollendet herausgab, aber auch bei den für die MG. vor-
bereiteten Quellenschriftstellern, wie Helmold und Arnold,
deren Druck er später besorgte. Einige Zeit nach Lappen-
bergs Ende (f28. Nov. 1865) kehrte W. nach Göttingen zu-
rück, um zunächst an H. Korners Weltchronik zu arbeiten.
Eine Aufforderung von Pertz, der mit ihm über die
Hinterlassenschaft Lappenbergs schon vorher in Verbindung
getreten war, berief Weiland zu Neujahr 1867 in den Dienst
der MG. Seine Thätigkeit für diese, die im Ganzen bis
1876 währte, wurde wiederholt durch ein böses Augenleiden
gestört oder unterbrochen, erst auf einige Monate im
J. 1869, dann auf ein und ein viertel Jahr vom 1. Apr.
1870 an, endlich wieder 1875. Wie er hier zuerst mit dem
Nachlass Lappenbergs sich zu beschäftigen hatte, wohin
auch das Chronicon Holtzatiae gehörte, so fiel ihm später
die Aufgabe zu, die von Otto Abel vorbereiteten Ausgaben
schwäbischer Quellen, der Geschichte von Petershausen und
des Chron. Ursperg., druckfertig zu machen. Seine eigenen
Nachrichten. 667
Arbeiten beginnen mit dem 1869 veröffentlichten 21. Bande,
für den er ausser dem Register die Weingartner Weifen-
geschichte nebst Fortsetzungen lieferte; im 22. folgte der
überaus verbreitete nnd schwierige Martin von Troppan mit
Fortsetzern (z. T. im 24.) ; im 23., dessen Register wir ihm
ebenfalls verdanken, die Echternacher Denkmäler, die grosse
Halberstädter Bistumschronik, Emo und Menko, die Ge-
schichte der Bischöfe von Utrecht, der Aebte von Marien-
gaarde, die Chroniken von Lüneburg, Ebersheim, Ottobeuern.
Hatte Weiland, um endlich zu einer gesicherten
Lebensstellung zu gelangen, sich mit der Absicht getragen,
die Archivlaufbahn einzuschlagen, so wurde er diesen Zwei-
feln durch eine Berufung nach Giessen als ausserordent-
licher Professor an Stelle Scheffer-Boichorsts im Sommer
1876 enthoben. Yon hier aus lieferte er (im 15. und 24.
Bande der SS.) noch einige Ergänzungen zu seinen früheren
Arbeiten: seine ausgezeichnetste Leistung aber unter der
neuen Centraldirection bestand darin, dass er, als geschulter
Germanist hierzu vorzüglich berufen, die Reihe der Deutschen
Chroniken würdig mit dem 2. niedersächsischen Bande er-
öffnete, dessen Kern die sächsische Weltchronik bildet,
während die Braunschweigische Reimchronik darin an
Lappenbergs Pläne anknüpft.
In die Unterbrechung, welche nach diesem stattlichen
Bande in Weilands Schaffen für die Monumenta eintrat,
fiel, nachdem er schon in Giessen zum ordentlichen Pro-
fessor befördert worden, im J. 1881 seine Berufung nach
Göttingen, wo er als Nachfolger Weizsäckers zugleich der
Nachfolger seines Lehrers Waitz wurde, der ihm stets ein
Vorbild bei allen seinen Bestrebungen geblieben war. Eben-
so wie dieser kehrte auch er von andern Arbeiten immer
wieder am liebsten zu den MG. zurück, denn als Lorsch
in Bonn die eine Zeit lang von ihm geförderte neue Be-
arbeitung des 2. Bandes der Leges doch wieder aufgab,
wurde Weiland sein Nachfolger. Indem unter seinen Hän-
den der Plan sich auf 4 Quartbände bis zur goldenen Bulle
Karls IV. ausdehnte, behielt er sich zur eigenen Ausfüh-
rung die beiden ersten vor, seinem durch ihn herangebil-
deten Mitarbeiter Schwalm den Rest überlassend. Den
Druck der grösseren Hälfte des 2. Bandes hat er noch
selbst erlebt. Wenn auch W. zum Mitgliede der Central-
direction erst im J. 1893 gewählt wurde und somit nur
einmal an unsrer Versammlung sich betheiligen konnte, so
war ihm doch schon 1888 der Vorsitz und die Leitung
unserer Arbeiten angeboten worden, die er ablehnte.
668 Nachrichten.
Es ist begreiflich, dass neben einer so ausgedehnten
Thätigkeit als Herausgeber und bei dem Hemmnis der nie
ganz überwundenen Augenschwäche die Müsse zu grösseren
literarischen Leistungen fehlte , aber eine ganze Reihe
höchst schätzbarer Abhandlungen und Untersuchungen
theils zur Verfassungsgeschichte theils zur Quellenkunde
entstanden dennoch neben jenen Ausgaben. Von den letz-
teren erwähne ich namentlich die über Mathias von Neuen-
burg in den Abhandl. der Gott. Gel. Ges. und über ein
Privilegium Friedrichs II. in den histor. Aufsätzen zum
Andenken an Waitz. Auch manche der ausführlichen, oft
scharfen Besprechungen über Bände der MG. oder ver-
wandte Erscheinungen in v. Sybels histor. Zeitschrift trugen
zur Förderung unserer Arbeiten bei. In dem hanseatischen
Geschichtsverein nahm er, wie einst Waitz, eine hervor-
ragende Stellung ein. An der Universität Göttingen, die
Weiland 1888 zu ihrem Prorector wählte, gehörte er als
ein stets mannhafter, bisweilen etwas schroffer, Charakter
zu den angesehensten Collegen, in seinen Vorlesungen und
namentlich im Seminar bewährte er sich als ein sehr be-
liebter Lehrer. Wie der von ihm gefeierte Dahlmann
widmete er manche Stunde und eine nicht gewöhnliche
Redegabe in politischen Versammlungen der Sache des
Deutschen Reiches, der zu Liebe er selbst einst zum evan-
gelischen Glauben übergetreten war.
Gerade in dem letzten Winter arbeitete W. mit be-
sonderem Eifer an der Ausgabe der Reichsgesetze, als
nach einer Erkrankung von wenigen Tagen, die das Vor-
handensein einer Zuckerkrankheit herausstellte, am 5. Fe-
bruar ein plötzliches Ende ihn aus seinem Wirken abrief.
Vgl. P. Hasse in den Lübeck. Blättern Nr. 12 vom
10. Febr. 1895, J. Schwalm in der Gott. Zeit, vom 11. Febr.
E. D.
233. In Rom starb am 9. März P. B ollig S. L,
der als Bibliothekar an der Vaticana durch seine Gefällig-
keit und Zuvorkommenheit sich oft Anspruch auf den Dank
unserer Mitarbeiter erworben hat. E. D.
234. Zum Mitglied der Centraldirection ist von der
kgl. bayrischen Akademie an Stelle des ausscheidenden
Hrn. Geh. Hofraths von Rockinger Hr. Professor Alfred
Dove in München gewählt worden.
235. Von den Geschichtschreibern der deutschen
Vorzeit ist erschienen Bd. 62 der zweiten Gesammtausgabe:
Nachrichten. 669
die Chronik von Ste der bürg, übers, von Winkel-
mann, 2. Aufl. bearbeitet von Wattenbach (Leipz.,
Dyk 1895).
236. Von den ' J ah resbe richte nderGeschich t s -
wissen schaff, herausgeg. von J. Jastrow, ist Jahrgang
XVI. 1893. erschienen (Berlin, Gaertner 1895).
237. Im Auftrage der Württembergischen Kommis-
sion f. Landesgeschichte hat W. H e y d eine Bibliographie
der Württemberg. Geschichte bearbeitet, deren erster Band
(Stuttgart, Kohlhammer 1895) die allgemeine Literatur in
3608 Nummern verzeichnet, wobei auch hsl. Quellen be-
rücksichtigt sind. Bd. 2 soll die Lokalliteratur und die-
jenige über Personen, Familien and Stände bringen.
238. Von dem von W. Meyer herausgegebenen Ver-
zeichnis der Göttinger Handschriften (N. A. XIX,
479, n. 96) ist der dritte Band erschienen, mit Registern
zu Bd. 1 — 3. Wir machen namentlich auf das Verzeichnis
des hsl. Nachlasses von Th. Wüstenfeld, S. 305 ff., auf-
merksam.
239. Von dem sehnlich erwarteten neuen 'Katalog'
der Handschriften der kgl. Bibliothek zu Bamberg', durch
den das unzulängliche Verzeichnis Jaecks ersetzt werden
soll, ist die erste Lieferung erschienen, welche das Ver-
zeichnis der Bibelhss. enthält (Bamberg, Büchner 1895),
eine sehr sorgfältige und verdienstliche Arbeit des zeitigen
Bibliothekars Dr. F. Leitschuh, der wir schnellen und
glücklichen Fortgang wünschen.
240. Gleichfalls eine sehr werthvolle Gabe ist der
von N. van Werveke bearbeitete 3. Theil des Supplement
du catalogue de la bibliotheque de Luxem bourg (Lux.,
Bourg-Bourger 1894). Er verzeichnet 262 vollständige Hss.
und 18 Hss. - Fragmente, grösstentheils aus Epternach und
Orval stammend, darunter mancherlei von Werth; die Be-
schreibung ist sehr eingehend, und manche kleinere Stücke
werden in extenso mitgetheilt. Wir werden auf das Ver-
zeichnis, sobald es der Raum gestattet, zurückkommen.
241. Im Bullettino Senese di storia patria Jahrg. I
(1894), fasc. 3. 4. geben L. Zdekauer und G. Pampa-
loni über das Archivio provinciale notarile zu Siena,
dessen Bestände mit dem J. 1251 beginnen, ausführliche
Nachricht. Ein dankenswerthes Verzeichnis der Senesischen
Notare von 1251 — -1530 ist beigegeben.
Neues Archiv etc. XX. _J_J.
670 Nachrichten.
242. Sotheby, Wilkinson & Hodge zu London ver-
steigerten 21. — 26. März 1895, laut des "Catalogue of a por-
tion of the collection of Sir Thomas Phillipps', 1285 Num-
mern der Cheltenhamer Sammlung, darunter:
5. Alcuin, De salute animae; Smaragdus, Diadema
12. Jh., aus Pontigny.
72. Beda, Hist eccl. und Theologisches 14. Jh.
73. Beda, Hist. eccl. Beda, contin. — 766, 14. Jh.
74. Beda, Theologisches; Epistola W. Mapes, 12. Jh.
133. Carmina: Gradus humilitatis ; Vita Mariae; De tri-
plici archa. Geschr. 1441. Einst Dr. Kloss, Frankfurt.
332. Forma investiendi fratres tercii ord. s. Franc. 14. Jh.,
für Antwerpener Minoriten, z. Th. Flämisch.
345. Giraldi Cambr. Expugn. Hibernie; Itiner. Wallie;
12. (vielmehr 13.) Jh. F. Liebermann.
243. S. von Sychowski, Hieronymus als Li-
terarhistoriker (Kirchengeschichtl. Studien II, 2. Münster,
Schöningh 1894) erweist durch die Einleitung und den
Commentar zu der nach dem Texte des Vallarsi neuge-
druckten Schrift des Hieronymus de viris illustribus, dass
dieselbe, wie schon Harnack gelegentlich bemerkt hatte,
in ihrem ersten Theil (cap. 1 — 80) fast nichts ist als eine
werthlose Abschrift aus der Kirchengeschichte des Euse-
bius. Ihre Bedeutung beruht ausschliesslich auf dem
zweiten, aus eigener Kenntnis schöpfenden Abschnitt über
die lateinischen Autoren. Abweichend von Ebrard (vgl.
Wattenbach, GQ. II6, 118) hält S. die überlieferte Gestalt
für die vollständige. H. Bl.
244. In der Zeitschr. für Deutsches Alterthum XXXIX,
154 — 184 handelt Th. v. Grienberger über die bei Jor-
dan es überlieferten Namen von Ermanariks Völkern, deren
richtige Form er festzustellen sucht. E. D.
245. P. v. Winterfeld macht in seiner Dissertation
lDe Run Festi Avieni metaphrasi Arateor. recensenda' Ber-
lin 1895, p. 37 — 38 eine Anzahl höchst beachtenswerther
Verbesserungsvorschläge zu dem Text der Hrotsvitha
bei Pertz und Barack. E. D.
246. Ueber meine Ausgabe von Lamperti opera
ist in der Deutschen Litteraturzeitung 1895 n. 1 ein Re-
ferat von L. Dief f enbacher gedruckt, demselben, dessen
zwei Arbeiten über Lampert ich nur ein sehr geringes Ver-
dienst beimessen konnte. Ueber die von ihm da vorge-
tragenen eigenen Meinungen etwas zu sagen, halte ich der
Nachrichten. 671
Mühe nicht für werth. Nur rnuss ich bemerken, dass er
über den Standpunkt, den ich in der Beurtheilung Lam-
perts einnehme, schief und irrig berichtet. O. H.-E.
247. Aus der Untersuchung- von J. Greving, Pauls
von Bernried Vita Gregorii VII. papae (Münster, Scho-
ningh 1893), die im einzelnen Pauls Quellen erweist, heben
wir hervor, dass G. die werthvollen Nachrichten über die
Wahl des Gegenkönigs Rudolf (c. 93 — 98) nicht auf eine
verlorene Schrift Gebhards von Salzburg (vgl. Wattenbach,
GQ. IIG, 226, N. 5), sondern auf eine die Rechtmässigkeit
der Forchheimer Wahl vertheidigende Streitschrift Ber-
nolds zurückführt. H. Bl.
248. Zu der Notiz N. A. XX, 484 n. 125 über Sauer-
lands Mittheilung über eine Paderborner Hs. saec. XII.
in der Yaticana haben uns H. Finke und P. Scheffer-
Boichorst freundlichst darauf aufmerksam gemacht, dass
der publicierte Inhalt der Hs. längst bekannt ist. Nach
einer Schrift Evelts hat Scheffer-Boichorst Annal.
Patherbr. 70 Anm. 3. 4 über die Beziehungen des Dom-
herrn Theoderich zu Lanfrank und über dessen eigenes Werk-
chen gehandelt ; letzteres ist sogar schon zweimal gedruckt,
zuletzt von J. Niesert (Coesfeld 1829). Die wichtigsten
der annalistischen Aufzeichnungen und das Paderborner
Schatzverzeichnis hatte bereits Schaten, Ann. Paderborn,
(ed. 1693) I, 568 herausgegeben. Neuerdings hat dann H.
Finke in der Vaterl. Zeitschr. f. Gesch. und Alterthums-
kunde Westfalens XLV (1887), 1, 149 ff. die Hs. einge-
hend besprochen und die historisch bemerkenswerthen
Aufzeichnungen derselben vollständig wiedergegeben. Ygl.
auch Wattenbach, GQ. II6, 36 N. 2.
249. Ein Pergamentblatt im Stiftsarchiv zu Melk,
das P. Eduard E. Katschthaler in den Mittheil, des
Instituts f. österr. Geschichtsschreibung XYI, 125 ff. be-
schreibt, enthält den ersten Theil der Originalhs. der Ann.
Ottenburani Isingrimi abbatis maiores (der zweite
Theil ist in Leiden), der bisher nur aus zwei Abschriften
des 18. Jh. bekannt war, und theilt die wenigen von der
Ausgabe von Pertz abweichenden Lesarten mit.
250. In Sybels histor. Zs. LXXIV, 282—292 be-
spricht J. Loser th Seemüllers Ausgabe der Oesterr.
Reimchronik und handelt dabei eingehender von den
44*
672 Nachrichten.
Quellen Ottokars, in deren Aufsuchung ihm der Heraus-
geber hie und da zu weit gegangen zu sein scheint.
E. D.
251. Einen ausserordentlich drastischen und leben-
digen Bericht über Verhandlungen des Cardinais Benedict,
nachmals Papst Bonifaz' VIII., mit französischen
Bischöfen und der Universität Paris im J. 1290 hat
H. Finke in einer Soester Hs. gefunden und daraus in
der Römischen Quartalschrift 1895, S. 171 ff. publiciert.
Er ist für unsere Kenntnis vom Wesen und Charakter des
späteren Papstes von hohem Interesse.
252. J. Loserth, Sigmar und Bernard von
Kremsmünster (im Archiv für österr. Gesch. LXXXI, 2
und daraus besonders abgedruckt, Wien 1894) sucht den
Beweis für eine früher schon von ihm vertretene und von
G. Waitz bekämpfte Ansicht zu erbringen, dass der Keller-
meister Sigmar der Verfasser der meisten um 1300 und
danach entstandenen Geschichtsquellen von Kremsmünster,
insbesondere der beiden Abtskataloge, dann aber auch der
Narratio de ecclesia Chremsmunstrensi, des Auctarium
Cremifanense und vielleicht auch der Vita Agapiti sei.
Wenn die Schrift auch dadurch einige Verdienste hat,
dass ein reicheres Material als bisher zur Erörterung der
Frage herbeigezogen ist, kann es nicht anerkannt werden,
dass der versuchte Beweis erbracht ist, da er sich auf
unbewiesenen Präsumptionen in der Hauptsache aufbaut.
Auch nach dieser Schrift muss man meinem Urtheil nach
bei der Ansicht von Waitz stehen bleiben, dass nur der
Gimndstock des älteren Abtskataloges mit Sicherheit Sig-
mar zugeschrieben werden kann. Um so unangenehmer
berührt die Art der Polemik des Verfassers gegen einen
Mann wie G. Waitz nach dessen Tode, während man ver-
gebens nach einem Wort der Anerkennung sucht für die
Verdienste, welche dieser sich um die Kremsmünsterer Ge-
schichtsquellen gerade gegenüber der früheren Arbeit des
Verfassers über dieselben erworben hat. 0. H.-E.
253. Im Hist. Jahrb. XV, 796 ff. bespricht F. Kam-
pers die der Mitte des 14. Jh. angehörenden Prophezei-
ungen des Minoriten Johannes de Rupescissa.
254. In der Römischen Quartalschrift 1894, S. 502 ff.
macht Schmitz aus vatikanischen Akten einige ergänzende
Mittheilungen zum Leben des Matthäus von Krakan.
vgl. N. A. XVII, 446 n. 114.
Nachrichten. 673
255. Im Hist. Jahrb. XV, 802 ff. sucht Sägmüller
darzuthun, class in der in Cod. Vat. 5623 erhalteneu Fort-
setzung des Liber pontificalis (Duchesne II, 527 ff.)
Dietrich vonNiems Schrift 'de schisinate' benutzt sei.
256. In den Bulletins de la comniission royale de
l'histoire de Belgique 5. ser. t. IV n. 2 theilt D. TJrsmer
Berliere aus einer Leidener Hs. Fragmente einer ver-
lorenen Chronik des Wilhelm von Wottem, Priors
von St. Jakob zu Lüttich, mit. die sich auf die Geschichte
des 1378 ausgebrochenen Schisma beziehen. — Eben der-
selbe handelt in den Annales du cercle archeologique de
Mons t. XXIV über die gleichfalls verlorene Chronik des
Johann von Sivry, Prior des Klosters Boniie-Esperance,
die von 1126 — 1318 reichte, und von der einige von B.
zusammengestellte Bruchstücke in dem Chron. Bonae-Spei
des Abts Engelbert Maghe (1704) erhalten sind.
257. In der Zeitschr. f. Vaterl. Gesch. u. Alterthums-
kunde Westfalens LH, 2, 151 liefert Abels einen urkund-
lichen Beweis aus dem J. 1412 für die wiederholt bezwei-
felte Thatsache, dass Gobelinus Persona Official des
Bisthums Paderborn gewesen ist.
258. Eine auch für die Geschichte der Päpste,
namentlich des Florentiner Konzils von 1438 zu beachtende
Quelle ist das Diario florentino des Weinhändlers Bar-
tolommeo di Michele del Corazza 1405 — 1438, das, von
Muratori SS. rer. ital. XIX, 945 ff. nach einem unvoll-
ständigen Cod. Estensis herausgegeben, in einer nach einem
cod. Strozzianus verbesserten Form von 0. Corazzini
(Arch. stör, italiano XIV, 233 ff.) neugedruckt ist. H. Bl.
259. Einen für die Kirchengeschichte des XV. Jahrh.
werthvollen Beitrag liefert der gegen die Kardinäle ge-
richtete Traktat über das Verhältnis von Primat und Kar-
dinalat, den J. B. Sägmüller (Rom. Quartalschrift, Suppl. 2.
Born 1893) aus einer Berliner Hs. saec. XV. erstmals ab-
druckt. Als seinen Autor bezeichnet er den als Gegner
Gregors von Heimburg bekannten Teodoro de' Lelli,
Bischof von Feltre und Treviso, der die Schrift als ein für
Paul IL bestimmtes Gutachten im Herbst 1464 ver-
fasst habe. H. Bl.
260. In den Sitzungsberichten der Berliner Akademie
1894 n. LIII o-iebt H. Brunn er eine neue und einleuch-
tende Erklärung von Lex Salica tit. 44: De reipus. der
zufolee der Titel eine vielleicht im Anschluss an römisches
674 Nachrichten.
Recht vorgenommene Neuerung, das Ergebnis einer Satzung
enthält, durch welche das Verlobungsrecht und die Ver-
lobungsgebühr den männlichen Muttermagen des verstor-
benen Ehemanns zugesprochen wurde, damit die Wieder-
verheirathung der Wittwe nicht durch widerstrebende In-
teressen der Erben des Mannes gefährdet werde.
261. Auf Grund einer aus Nürnberg 1288 einge-
holten Auskunft über die Rechtsverhältnisse der dortigen
Juden hat die Stadt Weissen bürg im Nordgau 1312 ihr
Judenrecht geregelt. Die inhaltlichen Bestimmungen
der lateinischen Rechtsbelehrung von 1288 und des deutschen
Privilegs von 1312 theilt L. v. Rockin g er in der Archival.
Zeitschrift N. F. V, 93 ff. mit.
262. In der Archival. Zeitschr. N. F. V, 286 ff. ist
aus dem Nachlass von Chr. Häutle eine Aufzeichnung
von Zeugenaussagen über eine von Kaiser Ludwig d.
Bayern getroffene Entscheidung betreffend die Zugehörig-
keit von Lechanschwemmungen zu Bayern und Schwaben
abgedruckt.
263. In den Miscellanea storica della Valdelsa,
2. Jahrg. fasc. 3, bespricht L. Zdekauer zwei Hss. von
Statuten der Commune von P o g g i b o n s i im dortigen
Stadtarchiv, von denen die ältere, welche die Statuten-
redaction von 1332 enthält, nach der Meinung des Autors
mehr als lokales Interesse beanspruchen kann.
264. Im Anhang zu einem Aufsatz L. v. Rockin-
gers, welcher die in bayerischen Urkunden des späteren
MA. begegnenden Anklänge an römisches Recht behandelt
(Archival. Zeitschr. N. F. V, 127 ff.), hat der Vf. das In-
haltsverzeichnis und eine Anzahl von Musterstücken aus
dem Formularbuch des Joh. Genzinger zu Ingol-
stadt mitgetheilt , das auf Actenbeständen der herzogl.
bayrischen und der städtischen Kanzlei beruht und 1446
abgeschlossen ist. S. 154 ff. sind noch einige andere For-
mularbücher des 15. Jh. besprochen.
265. G. Erler (Zeitschr. f. d. Gesch. d. Oberrheins
X, 1 ff.) zeigt durch Vergleich mit einer bisher nicht ge-
nügend beachteten Ueberlieferung in der Chronik Zantfliets,
dass das Schriftstück über die zwischen König Wenzel
von Böhmen und Karl VI. von Frankreich in Reims
(1398) geplante Zusammenkunft nicht, wie bisher ange-
nommen wurde, als ein Gutachten des Pfalzgrafen Ru-
precht (II. oder III.) von der Pfalz angesehen werden kann,
Nachrichten. 675
und will es als ein von der römischen Kurie in zwei Re-
daktionen ausgesandtes Flugblatt erklären. H. Bl.
266. In der Römischen Quartalschrift 1894 S. 500 f.
theilt P. M. Baumgarten eine Urkunde Alexanders III.
von 1179 Oct. 12 mit, in welcher eine Recherche in den
päpstlichen Registerbüchern erwähnt wird.
267. In der zweiten Auflage des 2. Bandes von
L. Pastors Geschichte der Päpste (Freiburg, Herder 1894;
vgl. N. A. XVI, 217 n. 62) ist der Anhang der Documente
durch einige Nummern vermehrt worden. Davon kommen
für die Zeit Friedrichs III. namentlich in Betracht mehrere
Schreiben des Cardinais Bessarion (n. 44 a. 57 a. 57 b. 58a.),
von 1461 und 1463, von denen drei im berichtigten Neu-
druck, eine im ersten vollständigen Druck gegeben werden,
dann ein Breve Sixtus' IV. an Friedrich III. von 1482
und eine Bulle desselben gegen die Ketzerei in Deutsch-
land von 1483 (n. 131a. 147 a.). Auch in den Textnoten
ist mehrfach neues archivarisches Material verwerthet.
268. In der Römischen Quartalschrift 1894 S. 451 ff.
berichtet L. Schmitz über die Libri formatarum
der Camera apostolica, 14 Bde. aus der Zeit von 1425 bis
1524 mit Einträgen und Urkunden über die an der römi-
schen Curie erfolgten Ordinationen und Consecrationen.
269. Die Urkunde Heinrichs IL, durch die der Kaiser
auf Bitten des Erzbischofs Heribert von Köln dem Grafen
Acodus die Klöster der heil. Eufemia zu Spoleto und S. An-
gelo zu Mogliano überträgt (Stumpf 1611), ist nur unvoll-
ständig als Inschrift neben einem Freskogemälde im
erzbischöflichen Palaste zu Spoleto erhalten. Auf Grund
einer von dem Spoletiner Lokalhistoriker Pietro Fontana
an Bethmann gesandten Mittheilung gelang es mir in Ge-
meinschaft mit Herrn G. Sordini, das in Spoleto völlig
unbekannte Fresko nach längeren durch den Herrn Erz-
bischof selbst gütigst unterstützten Nachforschungen in
einem Räume im Erdgeschoss des Palastes wiederzufinden,
der früher als Kanzlei gedient hatte, jetzt aber schon seit
langem als Kornmagazin vermiethet war. G. Sordini
hat nun noch andere überweisste Inschriften und Gemälde
ebendort blossgelegt und giebt darüber, sowie namentlich
auch über die enge Beziehung der von ihm abgedruckten
Urkunde zu dem das Kloster S. Eufemia darstellenden
Fresko im Giornale Arte e Storia 1894 n. 15 — 17 einen
interessanten Bericht, nach dem die Abschrift des Di-
676 Nachrichten.
ploins und das Gemälde gleichzeitig unter Bischof Ga-
lardus (1374 — 1383) entstanden sind. — Zu der Urkunde
selbst möchte ich sogleich hier bemerken, dass die Datie-
rung : anno dominice incarnationis MXVI, anno regni
domni Heinrici XIII (lies: XVI), imperii vero eins IUI,
indictione XII ; actum Mugdeburg (!) X. kal. Martii sicher
mit: Magdeburg 1017 Februar 20 aufzulösen ist. In
Magdeburg war Heinrich II. vom 9. — 23. Februar nach
Thietmar VIII, 52 (VII, 37). H. Bl.
270. E. von Oefele hat in der Stuttgarter Hs.
n. 243 K. Peutingers, aus welcher er die oben S. 499
n. 181 erwähnten Kühbacher Traditionsiiotizen entnahm,
auch Auszüge von den verlorenen Eichstätte r Königs-
und Kaiserurkunden (vgl. N. A. XIX, 494 n. 159) ge-
funden, deren Mittheilung in der Archival. Zeitschrift N. F. V,
276 ff. unsere Kenntnis jener Stücke wenigstens einiger-
massen erweitert, indem diese Auszüge das Anfangsprotokoll
und die ersten Worte des Contextes wiedergeben. Auch
für einige noch erhaltene Diplome ergeben sich aus Peu-
tingers Auszügen Verbesserungen. Die verlorenen Eich-
stätter Urkk. selbst sind noch nicht wieder gefunden,
dagegen entnehmen wir demselben Aufsatz die willkom-
mene Kunde, dass das Or. des D. Friedrichs I. für
Eebdorf (St. 3861) aus privatem Besitz für das Münchener
Reichsarchiv erworben ist.
271. In den Studi storici III, 533 ff. setzt G. Simo-
ne tti seine Mittheilungen über la ngobardische Urkk.
des erzbisch. Archivs zu Lucca fort.
272. Der 2. Band der von der Württembergischen
Kommission f. Landesgeschichte herausgegebenen Würt-
tembergischen Geschichtsquellen (Stuttg., Kohlhanimer
1895), deren Leitung in den Händen D. Schäfers liegt,
enthält zunächst die auf Württemberg bezüglichen Ab-
schnitte des Cod. Laureshamensis, der Tradit. Ful-
denses und der Weiss enburger Quellen, bearbeitet
von G. Bossert, mit lehrreichen Einleitungen, die nament-
lich für die Kritik des Lorscher Codex von Bedeutung
sind, reichhaltigem Commentar, Registern und einer Ueber-
sichtskarte. Die S. 283 ausgesprochene Vermuthung, dass
der Graf Konrad, der nach dem Weissenburger Güter-
verzeichnis ed. Zeuss S. 299 f. reiche Weissenburger Lehen
besass, der spätere Kaiser Konrad IL sei, kann ich nicht
theilen ; die von B. nicht beachtete Urkunde Heinrichs III.
Nachrichten. 677
St. 2497 (vgl. Jb. Konrads IL Bd. II, 159 N. 1) scheint mir
neben anderem entscheidend dagegen zu sprechen. — Ausser-
dem enthält der stattliche, auch wegen seines billigen Preises
rühinenswerthe Band Auszüge aus den vatikanischen Re-
gisterbüchern 1316 — 1378 und den Rechnungsbüchern der
camera apostolica 1402—1534, bearbeitet von E. Schnei-
der und K. Käser.
273. Im Programm des Gymnasiums zu Straubing
1893/94 giebt A. Mayer Berichtigungen, Ergänzungen und
Erläuterungen zu dem Mon. Boica XII abgedruckten Tra-
ditionscodex von Oberaltaich; S. 10 Schatzverzeich-
nis und Bücherkatalog saec. XII., S. 14 series abbatum
aus dem 14. Jh.
274. G. Novati druckt im Archivio stör, italiano
XIX, 299 ff. einige unbekannte Cremoneser Urkunden der
Jahre 990—1007 und 1148. Die beiden zu 1005 und 1007
gesetzten Urkunden des Bischofs Landulf gehören jedoch
nach den Angaben anno imperii (seil. Heinrici) II und VI
in die Jahre 1015 und 1018; in der ersteren ist offenbar
bei anno millesimo quinto ein in der Abschrift ausgefallenes
deeimo zu ergänzen. H. Bl.
275. Im Geschichtsfreund XLIX, 233 ff. beginnt der
Stiftsarchivar P. A. Vogel eine sehr willkommene neue
Edition der Urkunden des Klosters Engelberg.
276. In den Mittheil, des Oberhess. Geschichtsver-
eins N. F. V, 85 ff. macht G. von der Ropp aus dem
Falkensteinischen Copialbuch in Würzburg (N. A. XVI,
624 ff.) weitere urkundliche Mittheilungen zur Ge-
schichte der Herren von Falkenstein-Münzenberg aus dem
Ende des 13. und dem 14. Jh. Von reichsgeschichtlichem
Interesse ist n. 7, ein Abkommen zweier Falkensteiner über
Ausübung und Einkünfte des Erbkämmereramts von 1333.
— Ebenda S. 102 ff. giebt K. Ebel Regesten zur Ge-
schichte der Stadt Alsfeld bis 1396 aus den Urkunden
des Stadtarchivs. — Fünf Regesten zur Geschichte Giessens
und des Gleibergs (1325—1433) theilt das. 141 f. H. Haupt
aus der gleichen Hs. mit.
277. In der Zeitschr. des Aachener Geschichtsver-
eins XVI, 38 ff. handelt E. v. Oidtmann über Arnoldus
Parvus von Aachen, den Stammvater des Geschlechtes
von Palant, und giebt S. 54 ff. urkundliche Mittheilungen
über ihn und seine Nachkommen : darunter manches bisher
Ungedrucktes.
678 Nachrichten.
278. Zur Herausgabe eines Oorkondenboek van
Groningen en D r e n t h e , von welchem uns die schön
ausgestattete erste Lieferung vorliegt (Groningen, Wolters
1895) haben sich die Herren Blök, Feith, Gratama, Reitsnia
und Rutgers verbunden. Sie umfasst 176 Nummern vom
Anfang des 9. Jh. bis 1288 ; das älteste ungedruckte Stück
scheint n. 27 eine Urkunde des Bischofs Andreas von Ut-
recht von 1139 zu sein. Zu n. 17 (St. 2180) vgl. Stein-
dorff I, 391 ff.
279. R. Hönigers grosse Edition der Kölner
Schreinsurkunden ist mit der 2. Hälfte des 2. Bandes
(Bonn, Weber 1894) zum Abschluss gelangt. Die Lieferung
enthält die merkwürdigen und in vielen Beziehungen noch
räthselhaften Kölner Namenlisten des 12. Jh. (von denen
eine, welche die Aufschrift 'fraternitas mercatorum gilde'
trägt, durch ein gutes Facsimile veranschaulicht ist) und
ausführliche Register zu der Gesammtpublication. Die
ursprünglich für die Einleitung bestimmte Zusammenfas-
sung der Ergebnisse seiner Studien über die Kölner Stadt-
verfassung hat der Herausgeber einer besonderen Ver-
öffentlichung vorbehalten.
280. Der dritte Band der von Paul Mitzschke
herausgeg. Thüringisch- sächsischen Geschichtsbibliothek
enthält den 1. Theil eines Urkundenbuchs von Stadt
und Kloster Bürgel (Gotha, Perthes 1895), der von 1133
bis 1454 geht.
281. Der 6. Band des Württembergischen Ur-
kundenbuchs (Stuttgart, Aue 1894) enthält in n. 1608
bis 2035 die Urkunden der Jahre 1261—1268 und bringt
zahlreiche Nachträge zu den früheren Bänden.
282. Der dritte Band des Rap polt st einer Ur-
kundenbuchs führt die von K. Albrecht besorgte Ausgabe
(Colmar, Barth 1894) in 1200 Nummern, von denen nur
44 bisher bekannt waren, bis zum Jahre 1442 und enthält
einige Nachträge.
283. P. Marichal (Memoires de la societe d'archeo-
logie lorraine XLIV, S. 5 ff.) macht beachtenswerthe
Mittheilungen über die alten Inventare des Tresor des
Chartes de Lorraine, die sich in Nancy nur unvoll-
ständig, dagegen vollkommen in Paris auf der National-
bibliothek und in den archives nationales finden. H. Bl.
Nachrichten. 670
28-1. D. Morea, il chartulariuni del monastero di
S. Beuedetto di Conversano I. (Monte Cassino 1892) ent-
hält 200 Nummern von 815 — 1266, von denen 196 erstmals
gedruckt werden; zu den bekannten gehören J.-L. 2532. 6275.
17111. Wir verzeichnen ausserdem Alexander IV. Anagni
1258 Mai 23 (wo indess das Datum verderbt ist); Tancred,
apud S. Apollinarem 1193 Mai; Friedrich II., Bari 1222
November, gegen dessen Datierung der Herausgeber (S. 317)
mit Unrecht Bedenken hegt (vgl. Böhmer-Ficker 1417).
H. Bl.
285. J. Delaville Le Roulx, Cartulaire general
de Vordre des hospitaliers de S. Jean de Jerusalem
I, 1100—1200 (Paris, Leroux 1894) bietet in 1129 zum
grossen Theil unbekannten Nummern ein reichhaltiges Ma-
terial. Die umfangreiche Einleitung enthält eine sehr
dankenswerthe Beschreibung des Malteser Archivs und der
die Urkunden des Johanniterordens enthaltenden Abthei-
lungen der europäischen Archive, die auch für die Ge-
schichte des Ordens viel Interessantes bietet. H. Bl.
286. Von den Regesten der Bischöfe von Kon-
stanz ist die 5. und letzte Lieferung des 1. Bandes er-
schienen, welche den Schluss der von P. Ladewig ver-
fassten Regesten bis 1293 und das von Th. Müller
bearbeitete Register enthält. Dass auf dem Titelblatt des
Bandes letzterer in gleicher Linie mit ersterem als Bear-
beiter desselben genannt wird, hat Ladewig zu einer Be-
schwerde im Litterarischen Centralblatt und in der Deut-
*schen Litteraturzeitung n. 9 veranlasst, auf welche A. Schulte
in der Deutschen Litteraturzeitung n. 11 geantwortet hat.
287. Im Auftrage des Vereins f. thüring. Geschichte
u. Alterthumskunde hat O. Dobenecker den ersten Halb-
band von Regest a diplomatica nee non epistolaria histo-
riae Thuringiae herausgegeben (Jena, Fischer 1895), der
bis 1120 reicht. Die neuere Literatur ist mit grossem
Fleisse verwerthet.
288. Von A. Overmanns Schrift über Mathilde
von Tuscien und ihre Besitzungen (N. A. XVIII, 718, n. 188)
ist eine erweiterte Bearbeitung erschienen (Innsbruck, Wag-
ner 1895), aus welcher wir hier die bedeutend vermehrten,
sorgfältig bearbeiteten Regesten der Gräfin und die Ex-
curse 2 und 7 zu erwähnen haben. 2 enthält einen
wohlgelungenen Versuch, die Lehre von den Urkunden
der Canossaner Markgrafen soweit darzustellen als
680 Nachrichten.
dies ohne Kenntnis der Originale möglich ist ; in Excurs 7
werden fünf bisher unedierte Urkunden Mathildens abge-
druckt, die J. Ficker dem Vf. mitgetheilt hat.
289. Im Auftrage der Gesellschaft für die Heraus-
gabe von Quellen zur dänischen Geschichte giebt Kr.
Erslev in Verbindung mit W. Christensen und A. Hude
ein neues Regestenwerk 'Repertorium diplomaticum
regni Danici mediaevalis' (Kopenhagen, Gad 1894) heraus.
Die erste Abtheilung von Bd. 1 geht von 1085 — 1327; bei
schon gedruckten Stücken werden nur Drucke, Kegesten
und hsl. Ue b erlief erung verzeichnet ; ungedruckte (das älteste
Hadrian II.. 1155 Nov. 22) werden vollständig oder im
Auszug- gegeben.
290. In den Sitzungsber. der Berliner Akad. vom
14. Febr. d. J. giebt Wattenbach eine ausführliche Be-
schreibung der aus Hautmont im Hennegau stammenden
Berliner Hs. theol. oct. 94, welche ausser Schriften Sige-
berts eine Sammlung lateinischer Gedichte aus dem
12. Jahrh. enthält. Neben manchen bekannten Dichtungen
Hildeberts und des angeblichen Philipp von Har-
vengt (dessen Anspruch auf den Parnass W. als völlig
unerwiesen ansieht), sowie des Petrus Riga, die aus dieser
Hs. mehrfach verbessert werden könnten, bietet dieselbe
auch eine grössere Zahl von ungedruckten Stücken dieser
Zeit, von denen die anziehendsten als Probe mitgetheilt
werden. Für die Geschichte Frankreichs und Flanderns,
sowie der literarischen Bildung lässt sich daraus man-
cherlei gewinnen. E. D.
291. In der Zeitschr. f. deutsche Philologie XXVII.
474 ff. sucht K. Schenk darzuthun, dass die in der Heidel-
berger und Weingartener Liederhs. einem Kaiser Heinrich
zugeschriebenen Lieder nicht von Heinrich VI., sondern
von Heinrich (VII.), dein Sohn Friedrichs II., gedichtet
seien, wobei er sich namentlich auf eine Stelle in einer
Canzone des Gaucelm Faidit stützt. Die neuere histori-
sche Literatur ist ihm leider nicht genügend bekannt.
292. O. Schultz, Die Briefe des Trobadors Raini-
baut de Vaqueiras an Bonifaz L, Markgrafen von
Montf errat (Halle, Niemeyer 1894) giebt die drei für
Bonifaz und die Geschichte namentlich des 4. Kreuzzuges
interessanten poetischen Schreiben in kritischer Gestalt
mit ausführlichen Erläuterungen und mit einer Beilage über
Nachrichten. 681
die Beziehungen der Markgrafen von Montferrat und der
Malaspina zu den Trobadors. H. Bl.
293. Cod. Palat. lat. 1447, in welchem K. Zange-
meister die altsächsische Bibeldichtung entdeckt hat,
enthält auf f. 12 — 17' auch ein Calendarium mit 8 neuro-
logischen Notizen saec. X., die in Zangemeisters und
Braunes Publication über die höchst wichtige Entdeckung,
N. Heidelberger Jahrbücher IV, 207, abgedruckt sind. Zwei
Einträge beziehen sich auf magdeburgische Kirchenfeste.
Zu Juli 2 ist der Tod Heinrichs I., zu Juli 18 'Liut-
dulf laicus', April 27 'Baue laica' verzeichnet. Man könnte
versucht sein, in jenem einen Angehörigen des könig-
lichen Hauses und in dieser die angebliche Schwester
des Königs (Dümmler Ostfränk. Reich III2, 523, N. 2;
Waitz, Heinrich I.3 S. 208) erkennen zu wollen, wenn man
nicht für so vornehme Tote eine andere Bezeichnung als
laicus' und 'laica' erwarten müsste.
294. Edmund Bishop, The earliest Eoman mass-
book (Dublin Review Oct. 1894) übt mit Benutzung der
Forschungen Bäumers und Wilsons auf Grund ausgebreite-
ter liturgischer Kenntnisse scharfe Kritik an Duchesne.
Die Namen Gelasius' und Gregors I. bezeichnen we-
nigstens die Zeit der Sacramentare, die nach ihnen
heissen. Alcuin ist es, der den Umfang des von Hadrian
übersendeten Gregorianum verdreifacht durch Zufügungen
namentlich aus dem bis dahin im Frankenreiche herrschen-
den Gelasianum und so das Gebetbuch der Lateinischen
Kirche herstellt. F. Liebermann.
295. In der Mehler'schen Festschrift 'Der h. Wolf-
gang, Bischof von Regensburg' (Regensburg 1894) S. 163 ff.
beschreibt A. Ebner das in der Dombibliothek zu Verona
befindliche prächtige Sacramentarium des h. Wolf-
uang (Wattenbach GQ. I6, 402) und theilt daraus S. 171 ff.
den Regensburger Kirchenkalender zur Zeit des h. Wolf-
gang mit.
296. In der Römischen Quartalschrift 1894, S. 367 ff.
veröffentlicht H. Finke aus der Hs. Darmstadt 28 (N. A.
XIII, 592) Aufzeichnungen über Versammlungen der Pro-
vinzialcapitel des Dominicanerordens im 13. und 14. Jh.
297. M. Sdralek, Die Strassburger Diözesan-
synoden (Strassburger Theolog. Studien II, 1. Freiburg,
Herder 1894) veröffentlicht im Anschluss an die inter-
essante Geschichte derselben Aktenstücke zur Strassburger
682 Nachrichten.
Kirchengeschichte, namentlich Diözesanstatuten des 14. Jh.,
aus dem Wolfenbüttler cod. Aug\ 84 und aus dem cod.
ms. 17 der Schlettstadter Stadtbibliothek, der in seinem
ersten Theile eine von der Melker Hs. (vgl. N. A. XII,
451) abweichende Form von Fritsche Kloseners Di-
rectorium chori enthält. Auf eine für den Text der
Synoden heranzuziehende Luzerner Hs. macht A. Schulte
(Zeitschr. f. d. Gesch. des Oberrheins X, 148) aufmerksam.
H. Bl.
298. Im Gegensatz zu dem Aufsatz von A. Dopsch
(N. A. XIX, 503 n. 208), der in dem bei Chmel gedruckten
Ratio narium Austriacum ein einheitliches, unter Ot-
tokar zwischen 1262 — 1265 auf Grund einer neuen Landes-
aufnahme hergestelltes Urbar sieht, führt W. Erben (Mitth.
d. Inst. f. öst. Gesch. XVI, 97 ff.) aus, dass es auf dieselbe
ältere Quelle zurückgeht wie das von Rauch veröffent-
lichte Rationarium Austriae aus der Zeit Rudolfs I. Beide
beruhen auf einem Urbar aus der Zeit Leopolds VI. mit
Nachträgen Friedrichs IL, das sowohl unter Ottokar wie
— unabhängig davon — unter Rudolf I. abgeschrieben und
mit Nachträgen versehen worden ist. H. Bl.
299. In der Abhandlung von F. Küch über Land-
graf Hermann IL von Hessen (gest. 1413; Zeitschr. f. Hess.
Gesch. u. Landesk. N. F. XIX, 1 ff.) werden umfangreiche
Auszüge aus hessischen Einnahme- und Ausgabe-
registern mitgetheilt.
300. In den Hohenzollerischen Forschungen von
Chr. Meyer Bd. III, 401 ff. ist das Lehenbuch des
Burggrafen Johann III. von Nürnberg (1397 — 1420)
herausgegeben.
301. In der Römischen Quartalschrift 1894, S. 393 ff.
macht F. Miltenberger in einem Aufsatz über die in den
ersten Jahren Martins V. versuchte Neuordnung der päpst-
lichen Kammer zahlreiche Mittheilungen aus ungedruck-
tem Material, aus denen wir S. 436 ein Verzeichnis von
1418 über die introitus bulle et registri hervorheben.
302. St. Beissel, Vatikanische Miniaturen (Frei-
burg i. B., Herder 1893) giebt auf 30 Tafeln eine Auswahl
von Miniaturen des 5. — 15. Jh. aus Vatikan. Hss. mit
Erläuterungen und Mittheilungen über gleichartige Hss.
H. Bl.
Berichtigungen und Nachträge. 683
303. G. A. Seylers Geschichte der Siegel (Leipzig,
Friesenhahn o. J. [1894]) hat einigen Werth durch die
Ausstattung mit zahlreichen Siegelabbildungen und -Be-
schreibungen. Weitergehenden wissenschaftlichen Ansprü-
chen genügt das Buch nicht.
304. B. Engl, Die mittelalterl. Siegel des Thor-
ner Eathsarchives I. Theil (Thorn, Lanibeck 1894) enthält
auf 8 Tafeln 149 Siegelabbildungen und 20 S. Text,
305. K. Primbs weist in der Archival. Zeitschr. N.
F. V, 102 ff. 284 f. auf verschiedenen päpstlichen Blei-
bullen (zuerst 1387, dann erst wieder 1503) Andeutungen
von Wappenbildern der Päpste nach, welche jene Bullen
gebrauchten. Vgl. dazu Nouveau Traite de diplomatique
IV, 310.
Berichtigungen und Nachträge.
N. A. XIII, 15 wusste ich nicht anzugeben, welcher Mainzer Kirche
der Domscholaster und Probst Gozwin oder Gozechin vorgestanden habe,
und konnte nur bemerken, dass er nicht Domprobst gewesen sei. Es
findet sich aber in dem Necrol. eccl. metropol. Mogunt. bei Schannat,
Vind. liter. I, 4 (daraus Böhmer, Fontes III, 143) die Notiz: IIII. Kai.
Oct. Gunzuvinus praepositus S. Mariae et magister scolarum S. Martini
(d. i. des Domes). Es scheint mir nun fast zweifellos, dass der Name in
dem von Schannat benutzten, leider verschollenen Manuskript verlesen,
dass Gunzwinus in Gozwinus (oder wäre Gfizwinus möglich?) zu ändern
ist. Denn einen Mainzer Domscholaster des (wie mir scheint, doch wohl
unmöglichen) Namens Gunzwin vermag ich nicht nachzuweisen. Wir
erfahren damit nicht nur den Todestag (28. Sept.) des Gozwin-Gozechin.
der uns freilich wenig hilft, da wir sein Todesjahr nicht kennen, sondern
auch, welcher Kirche Probst er war. O. H.-E.
Zu Bd. XIX, 617 ff. ist nachzutragen, dass die dort dargelegte Auf-
fassung von der Bedeutung der Arenga : Duo sunt, quibus mundus hie
principaliter regitur. pontificum auetoritas et regalis potestas ihre Bestä-
tigung findet durch das Erscheinen eben dieser Worte in Stumpf Reg.
3234 und namentlich durch ihre Verwerthung bei Adalbert in der Vita
Heinrici II. c. 8 (M. G. SS. IV, 794). H. Bl.
Bd. XX, 21, Z. 13 f. sind die Worte 'dem sich Wattenbach ange-
schlossen hat' zu streichen, ebenso S. 22, Anm. 1, Z. 2 die Worte 'und
Wattenbach'. Ich bedaure den Irrtum, der mir da begegnet ist, um so
lebhafter, als ich leider nicht einmal anzugeben weiss, wie ich dazu ge-
kommen bin. S. 24 Z. 14 von unten muss es heissen 'Chilperich' statt
'Childerich'. Kurze.
684 Berichtigungen und Nachträge.
Zu Bd. XX, 87 Note 1 : Zahlreiche Beispiele für die Identificirung
der Namen Arnold und Arnolf giebt Edw. Schröder, Zwei altdeutsche
Rittermären 1894, S. XLV f.
Zu Bd. XX, 100 ff. : Eine höchst wertkvolle Belegstelle für den sali-
schen Ursprung des Beinamens 'von Weiblingen' ist bisher nicht genügend
beachtet worden : der langobardische Jurist Ariprand nennt in seiner
Brevis Langobardorum historia saec. XII. in. (M. G. SS. rer. Langob. et
Ital. S. 595, 29 f.) den Stammvater des damals herrschenden deutschen
Kaisergeschlechtes Enricum de Guibeileng.
Zu Bd. XX, 113 f., Note 4 : Eine merkwürdige, auf Eislebische Agrar-
verhältnisse bezügliche Lokaltradition, die angeblich auf König Hermann
zurückgeht, berichtet H. Grössler in den Mannsfelder Blättern 1892, Jahr-
gang 6, S. 188 f. Herr Prof. Grössler theilt mir ausserdem mit, dass
allerdings der Knoblauch in Eisleben nicht angebaut wird, aber wild sehr
viel vorkommt, ob in auffallend starkem Maasse im Verhältnis zu anderen
Gegenden, muss dahingestellt bleiben. E. Bernheim.
Zu Bd. XX, 140 ff. : Handschriftliches Material aus Cremona, das
uns erst jetzt zugänglich geworden ist, hat uns einen näheren Einblick in
die äusserst raffinierte Fälscherthätigkeit Dragonis ermöglicht und scheint
eine völlig andere Beurtheilung von St. 1403 und von dem Zusammen-
hang dieser Fälschung mit St. 1379 nöthig zu machen, als sie oben S. 143 ff.
vorgetragen wurde. Um die verwickelte Angelegenheit völlig klar zu
übersehen, bedürfen wir indess noch weiterer Mittheilungen aus cremonesi-
schen Archiven. Sobald wir diese erhalten, werde ich auf die Sache
zurückkommen. H. B.
Bd. XX, 269, N. 1 beklagt sich W. Gundlach darüber, dass der
Vienner Bischofskatalog der Berner Hs., welchen L. Duchesne heraus-
gegeben hat, in SS. XH1 und XXIV nicht publiciert ist; dieser Um-
stand sei schuld, dass er das Stück nicht benutzt habe. Eine Abschrift
dieses Katalogs befindet sich seit dem Jahr 1879 in den Sammlungen
der Monumenta, er konnte aber in jenen Bänden nicht Platz finden,
da er so früh schon schliesst, dass er als selbständiges Stück überhaupt in
die Scriptores nicht gehört. Da er aber doch von Interesse war, beschloss
G. Waitz, ihn später einer neuen Bearbeitung der Chronik des Ado von
Vienne anzufügen, wo er passend seine Stelle finden würde. Dass Gund-
lach ihn nicht gekannt hat, ist nur seine eigene Schuld. Ein Wort der
Nachfrage hätte für ihn genügt, um ihn kennen zu lernen. 0. H.-E.
Register,
A.
Aachen 677.
Abaelard, Petrus 238. 644.
Actus pontificum Cenomänens. 240.
Ado von Vienne 267 f. 270. 276 ff.
282 ff.
Adornes, Anselm 257.
Aegidius von Orval 484.
Aegidius Tschudi 501.
Aelfric, Abt 505.
Aethelwold von Winchester 505.
Aix, Bibliothek 482.
Albenga 654 ff.
Alberich von Trois-Fontaines 245.
Albert von Aachen 244.
Albert von Stade 242.
Albrecht Achilles, Korrespondenz
496.
Alchvin (Alcuin) 8. 670. 681.
Alger, Bibliothek 482.
Alsfeld, Regesten zur Geschichte von
677.
Altenberg, Chronik des Klosters 247.
Altmann von Passau 243.
Altsächsische Bibeldichtung 681.
Amiens, Bibliothek 482.
Ammianus Marcellinus 239.
Andernach, Stadtarchiv 482.
Andreas Dandolo 246.
Andreas von Kode 496.
Angilram von Metz 14. 48.
Anna, Gemahlin Rudolfs I. 257.
Annales Alamannici 11. 16 ff. 27.
30 ; Augiens. 30 ; Ausciens. 29 ;
Austrasici 23 f. 29 ; Blandiniens.
486 ; Corbeiens. 25 ; Egmundan.
486 ; Einhardi 5 ; Erphesfurtens.
576 ; Flaviniacens. 13. 29 ; Fuldens.
antiqui 25 ; Gorziens. 17. 19 ff. 23.
27 ff. 32; Guelferbytan. 11. 16 ff.
27. 30 ; Halberstadens. 54. 87 ff
93 f. ; Hildesheimens. 58. 62 ; Ia-
Neues Archiv etc. XX.
nuens. 489 ; llsenburgens. 54. 62.
70. 93 ; Iuvavens. maiores 25 ;
Laubacens. 11 f. 29 ; Laureshamens.
11 ff. 26. 28 f. 32 f. ; Laurissens.
maiores 5. 11 ff. 21. 26. 30 ff,
minores s. chronicon ; Lindis-
farnens. 34 ; Maximiniani 21 f. ;
Mediolanens. 476; Mettens. 33.
241 ; Mosellani 11 ff. 26. 28 f. 32 f. ;
Murbacens. 11. 16 ff. 26 ff. 32 ;
Nazarian. 11. 16 ff. 30; Neustriac.
23 ff. 29. 32 ; Ottenburan. Isin-
grimi 671; Palidens. 53 ff 72 ff.
245. 481 ; Patherbrunnens. 54. 58 f.
62. 87; Pegaviens. 621; Petaviani
11 ff. 20 ff. 29 ff 35 ; Piacentini
489 ; Reinhardsbrunnens, s. chro-
nicon. ; Rosenfeldens. 242 ; s.
Amandi 11 ff. 20. 23. 26 ff. 31 f.
484; s. Columbae Senonens. 12.
25 f. 29. 36 ; s. Disibodi 242 ; s.
Galli Baluzii 12. 20 f. 24 f. 30,
breves 30, maiores 11. 19. 30; s.
Maximini Treverens. 12. 25. 29 ;
s. Mariae Erphesfurtens. 404 ff. ;
s. Petri Erphesfurtens. antiqui 619,
Lothariani 618 f., maiores 415.
619, s. Petri et Aquens. 619; ss.
Udalrici et Afrae Augustan. 4;
Spirens. 99 ; Stabulens. 29 ; de
Terre sainte 489; Tiliani 11 f. 29;
Thuringici 407 ; Veneti 245. 450 ff. ;
Veronens. de Romano 469 ff. ;
Weingartens. 30 ; Weissenburgens.
3. 5 ; Xantens. 486.
Annalista Saxo 53 ff. 61 ff. 72 ff.
79 ff. 237.
Annalistische Notizen aus Paderborn
485. 671; aus Sachsen 496.
Annolied 5.
Anonymus von S. Omer 256.
Anselm Adornes 257.
45
686
Register.
Anselm von Gernbloux 486.
Anselm von Lucca 243. 304. 321.
493.
Anselm von Lüttich 223.
Antoninus martyr, de locis sanctis
518.
Apographa Iuniana des cod. Gab-
bemae 494.
Apologeticus 243.
Archipoeta 256.
Arles, Bibliothek 482.
Arn von Salzburg 42. 47.
Arnold von Lübeck 80.
Assisi, Bücherkataloge 238.
Auctarium Cremifanense 672.
Auetor Galheus de ordinando ponti-
fice 243.
Augsburg, Stadtchroniken 246. 492.
Augustinus 238. 444. 519.
Avitus 515.
Balducchino, Giovanni 476.
Bamberg, Bibliothek 669.
Bartolommeo Michele del Corazzo
673.
Beaulieu, Urkundenbuch 255.
Beda 4. 515. 670.
Benedict von Aniane 505 f.
Benedictus Levita 305. 317. 321.
Bernard von Clairvaux 495.
Bernardus Guidonis 415. 417.
Bernard von Kremsmünster 672.
Bernardus Silvester 490.
Bernold von Konstanz 243. 493. 671.
Berthold, Kaplan Ludwigs IV. von
Thüringen s. gesta Ludovici IV.
Berthold von Reichenau 114 ff. 242.
Binger Kurverein 249.
Boncompagno 251. 495.
Bonifaz VIII. 672.
Boninsegna de1 Mitocoli 476 ff.
Bonizo 99 f. 115 ff
Bordeaux, Bibliothek 482.
Briefe s. Epistolae.
Broich, Memorialverse über die Be-
lagerung 246.
Brüssel, Cartular 255.
Bruno (de bello Saxonico) 108 f. 115.
Bruno von Querfurt 241 f.
Bruno von Segni 445 ff.
Bürgel, Urkundenbuch 678.
Burchard von Worms 248. 291 ff.
342 ff.
Burkard Zink 246.
C.
Caesarius von Heisterbach 410. 415 f.
Calendaria 681 ; Casinens. 256 ; Ratis-
bonens. 681; s. Gregorii Veneti
456 ; Viennens. 284 f.
Canaparius 241.
Cantinelli, Petrus 5.
Capitularia 3. 6. 258. 314 f. 519.
Carmina latina varia 121. 240. 427.
498. 505. 670. 680 f. ; aevi Karo-
lini 8 ; Burana 256 ; de Roma ex-
pugnata 243; de speciebus prae-
teriti perfecti 256. — Bernardi
Silvestris 490; Hildeberti 643. 680;
Pauli diaconi 256 ; Petri Crassi
243; Petri de Riga 231 f. 680;
des Raimbaut de Vaqueiras 680 f.
S. auch versus.
Cassian 518.
Cassiodor 3 f.
Casus monasterii Petrishusens. 80 f. ;
s. Galli 75. 366 ff
Catalogi librorum von Oberaltaich
677; von S. Francesco d' Assisi 238.
Catalogus abb. Cremifanens. 672 ;
abb. mon. ss. Udalrici et Afrae
Augustan. 488 ; epp. Viennens.
275 ff. 684; epp. Vratislaviens. 485 ;
pontif. Romanorum 304. S. auch
series.
Ceccarelli, Alfonso 195. 253 f.
Cheltenham, Bibliothek 670.
Cholner, Paulus 239.
Christian (von Mainz?) s. chronicon
Moguntinum.
Chronica Bonae - Spei 673; Constan-
tiens. 491; Eberspergens. 75; ab-
batum Eenamens. 252; Egmundan.
486; Erfordiae civitatis 578; Er-
phesfurtens. cod. Dresdens. 380 ff.
408 f. 414. 417. 579, Minor 393.
399. 407 ff. 572. 578. 613. 616 ff.
637; Estens. 475. 480; Faventina 5;
imaginis mundi 484; Isenacens.
universale 421. 637; Laurissens. 11.
41 f.; de rebus gestis in Lombardia
466. 473; minora 237. 239. 481;
Modenens. 475 ; Moguntinum 91.
489; Novaliciens. 249. 277; Otten-
buran. 5 ; pontificum et imperato-
rum (Rheni inferioris) 489 ; Rein-
hardsbrunnens. 4. 375. 3S8 ff. 399 ff.
410. 413 ff 571 ff . ; Sampetrinum
= S. Petri Erphesfurtens. moderna
4. 375 ff. 393. 399 405 ff 571 ff.
Register.
687
611 ff. 624; Saxonum 244: illorum
della Scala 469 ff. ; Spirens. 90.
491 : Stederburgeris. 669 ; Tegern-
seeens. 156 ff. ; Thuringorum (fratr.
Praedicator. Iseuacens. i 398. 409 f.
576. 579. lamplificata a fratre
minore Isenacens.) 408 ff. 415 f.
637: Urspergens. 415; Viennens.
263 ff.
Chroniken des Klosters Altenberg
247 : von Augsburg 246 ; bairische
5 ; deutsche 5 ; von Este - Ferrara
475 ; italienische 5 ; von Konstanz
491 ; von Lübeck 492 ; von Metz
492 ; österreichische 5 ; von Osna-
brück 247; Thüringer (bis 1409)
420 f. — des Boninsegna de' Mito-
coli 476 ff. ; Burkard Zink 246 ;
Clemens Sender 492; Cornelius
Zantfliet 674 ; des Lesemeisters
Detmar 502 ; Dietrich von Lilie
247 ; Ertwin Ertmann 247 ; Gregor
Hagen 245 : Hector Mülich 246.
492 ; Heinricus de Primaria 385 ff. ;
Johann von Sivry 673 ; Johann
Stetter 491 ; Martin von Troppäu
399 ; Petrus Cantinelli 5 ; Rein-
bold Siecht 492 ; Ulrich von Richen-
thal 491; Wilhelm von Wottem
673.
Chronist des Orti Manara 466 ff.
Clemensbrief 239.
Clemens Sender 492.
Codes Carolinus 44 ; Laureshamens.
676 ; traditionum Fuldens. 676 ;
Oberaltacens. 677 ; Weissenburgens.
506. 676 ; Udalrici 210. 212. 214 ff.
562 f.
Cognac, Bibliothek 482.
CoÜectiones canonum 243. 296 ff.
303 ff. 321. 328 f. 352. 493; Cata-
launens. 298 ff.; Coloniens. 296 ff;
Diessens. 294 ff. ; Hiberniens. 291 ff.
352 : Hispana 527 f. ; ItaUae
superioris 313 f. 352 ; Riccardiana
309 ff. 322; S. Crucis Florent.
Laur. 304 ff. 318 ff. ; Taurinens.
308. 323 ff. 353. S. auch Burchard,
Deusdedit, Regino, Synodi.
Compilatio Sanblasiana 242.
Conciba s. Synodi.
Constitutio de foresta Pseudo-Knuti
492.
Constitutiones regum et imperatorum
3. 6. 212. 247 ff. 425 ff. 674.
Continuatio Burburofens. Sisreberti
486 : Byzantia Arabica Isidori 237.
483 : Plispana Isidori 483.
Continuator Fredegari 30. 35 ff.
Conversano, Urkundenbuch 678.
Corneüus Zantfliet 674.
ö.
Dandolo, Andreas 246.
Dante, vita nuova 238.
Danzig, Bericht der Feldhauptleute
257.
David, Chorbischof von Le Mans 24u.
Decretales 304. 318. 329 f. 445.
Demer, Jörg 492.
Descriptio expeditionis Karoli magni
in terram sanctam 244.
Detmar 502.
Deusdedit 243. 321. 497.
Dialogus de potest. imperiali et pa-
pali 490.
Diario fiorentino 673.
Dictatus papae 243. 497.
Dietrich von Apolda s. vita Elisa-
bethae.
Dietrich von Lilie 247.
Dietrich von Xiem 246. 673.
Directorium chori s. Fritsche Klo-
sener.
Dominikaner, Traktat über die Tugen-
den der ältesten 396 f. ; Verhand-
lungen der Provinzial - Kapitel
681. S. auch Ordo.
Donizo 115.
Dragoni 684.
Duisburg, Stadtarchiv 482.
E.
Eberhard von Gandersheim 77 ff.
118.
Eberhard von Salzburg. Briefbuch
216.
Eberhard Windecke 491.
Egidio Rossi 187 ff. 459 ff.
Eichstätt, Königsurkunden 676.
Einhard 5.
Eisleben, Werder- und Achtbuch
114.
Ekkehard von Aura 54. 57 ff. 82.
92 ff. 103. 413. 417. 605 f. 617 ff.
Ekkehard von St. Gallen 75 f.
Enea Silvio 250.
Engelberg. Urkunden 677.
45*
688
Register.
Engelbert Maghe 673.
Enikel 5.
Epigrammata 647 ff.
Epistola de vitanda missa 243.
Epistolae variae 7 f. 209 ff. 237. 243.
250. 257. 495 f. ; Adalberti aep.
Salisburgens. 216 f. ; Adolfi regis
429 f. ; Aelfrici 505 ; Alberti Achil-
lis 496 ; Alexandri III. 250 ; Alex-
andri de Masovia 218 ; Augustini
519 ; Aviti 515 ; Berengarii Tu-
ronens. 215 f. ; s. Bemhardi 495 ;
Bessarionis cardinalis 675 ; Calixti
II. 286; Conradi II. aep. Salis-
burgens. 217; Dieterici Verdunens.
215; Eberhardil. aep. Salisburgens.
216 f. ; Eduardi regis Angliae 432 f. ;
Felicis III. 330 ; Friderici II. im-
per. 250; Friderici III. imper.
216 ; Friderici IV. aep. Salisbur-
gens. 219; Gebhardi aep. Salis-
burgens. 212; Gelasii 1.317; Gre-
gorii I. 4. 7. 247 ; Gregorii VII.
250. 277; Gregorii XII. 235 f.;
Guidonis com. Flandriae 429 ;
Hadriani IL 514 f. ; Hadriani IV.
250 ; Hadriani V. 233 f. ; Hiero-
nymi 437 ff.; Hildesheimens. 215;
imperatorum 360 ff. ; Hrabani 299 ;
Innocentii I. 320 ; Iohannis de
Kuik 429. 431 ; Iohannis LI. aep.
Salisburgens. 218 f. ; Ivonis 223 ;
Margaretae princip. elect. Saxoniae
496 ; Leonis I. 829 ; Michaelis VII.
494 f. ; Nicolai I. 533 ff. ; Ottonis LLL
359 ff. ; paparum 44 ; Paschalis IL
277. 285 ; Pauli I. 264. 269 ; Pauli
et Grebhardi 495; Petri Damiani
219 f. ; Pseudo-Udalrici 212. 445 f.;
Raimbaut de Vaqueiras 680 f.;
s. Bemigii 216 ff. 527; Salisburgens.
216 f.; Servati Lupi 249 f.; Sige-
berti Gemblac. 214; Siricii 317;
Stephani Tornacens. 327 ; Theodo-
ricianae 3; Urbani II. 213. 277.
285; Victoris I. 281; Viennens.
249. 263 ff.; Waltheri Mapes 670;
Wazonis Leodiens. 223 f. ; Zosimi
264. 283.
Epitaphia varia 257. 641 ff. ; Elgeri
de Honstein 395 f. ; Graufridi ep.
Cataljaunens.] 643; Hunberti Lug-
dunens. 645 ; Petri Baiolardi 644 ;
Swiggeri abb. s. Dionisii 646 ;
Theobaldi com. 646.
Ernstsage 88.
Erphurdianus antiquitatum varilo-
quus 578 f.
Ertwin Ertmann 247.
Este-Ferrara, Chronik 475.
Estoire d'Eracles 489.
Ethicus 239.
Eusebius 620 f.
Excerptiones Egberti 292. 301 f.
F.
Flodoard 559 ff. 565 ff.
Florennes, Urkunden 252.
Flores cronicorum Bernardi Guido-
nis 415. 417.
Formulare und Formularbücher 223 f.
247. 495 f. 674.
Fortunatus s. Veuantius.
Fragmentum Chesnii 13. 15 f. 19. 29.
Frankfurt, Stadtarchiv 482.
Franziskaner, forma investiendi fra-
tres tercii ordinis 670
Fredegar 517.
Friedrich Köditz 622 ff.
Friesach, Handwerksordnung 502.
Fritsche Klosener 682.
Fulrad von S. Denys 47.
Fundatio Bergens. coenobii 245 ; con-
ventus fratrum minor. Isenacens.
408 ff. Viennens. ecclesiae 283 ff.
G.
Gabbema s. apographa Iuniana.
Gebhard, Regensburger Domherr 495.
Gebhard von Salzburg 671.
Genealogia, Habsburger, der Familie
Feilding 257; com. de Honstein
386 f. ; com. de Kefernburg 616 ;
gentis della Scala 466. 478.
Genzinger, Johann 674.
Gesta Aldrici 239 ; abb. mon. s. Ia-
cobi Leodiens. 252 ; epp. Leodiens.
92. 223 ; Ludovici IV. lantgravii
584 ff. 615 f. 622 ff. 631 ff.; ar-
chiepp. Magdeburgens. 375.
Gildas 4. 481.
Giorgio Merula 490.
Giovanni Balducchino 476.
Giovanni de Bazzano 475.
Giraldus Cambrens. 250. 670.
Glossen, deutsche 72 f.
Gobelinus Persona 673.
Görlitz, liber actorum 249 ; Stadt-
buch 502.
Göttingen, Bibliothek 669.
Register.
689
Goslar, Satzungen des Forstdings
494.
Gottfried, Protonotar Herzog Al-
brechts I. 496.
Gottfried Hagen 245.
Gottfried von Viterbo 416. 485. 606.
617.
Gozwin, Domscholaster in Mainz 683.
Grabow, Matthaeus 661 ff.
Gratian 307 f. ; 316 ff.
Gregorii dialogi 516. 518.
Gregor von Heimburg 673.
Gregor von Tours 247. 483. 511 ff.
530.
Groningen, Urkundenbuch 678.
v. d. Gruben s. Hans.
Guibert von Nogent 238.
Guido Faba 495.
Guido von Vienne (Calixt H.) 263 ff.
274. 287.
H.
Hagen, Gottfried 245.
Habsburger s. Genealogia.
Hagiologium Viennens. 265 ff.
Haiming, Regesten der Urk. zu 256.
Halitgar von Cambrai 257.
Hanau, Urkundenbucb 503.
Handschriftenkataloge von Bamberg
669 ; von Cheltenham 670 ; fran-
zösischer Provinzialbibliotheken
482 ; von Göttingen 669 ; Hildesheim
482 ; Luxemburg 669 ; codd. reg.
Christinae aus der Vaticana zu
Rom 482; Trier 239.
Hans v. d. Gruben, Reiseberichte
492.
Hartmann Schedel 61 f. 377 f. 388.
578 f. 618 ff.
Hart wich (von Regensburg?) 244.
Hazebroek, Stadtrecht 249.
Heidenheim, Rechtsaufzeichnung des
Klosters 494.
Heinrich IL. Vision über 484.
Heinrich VI, Lieder 680.
Heinrich VII. , Gutachten über
Rechtsverhältnisse H's. VII. zu Cle-
mens V. und Robert von Neapel
494.
Heinricus de Frimaria 385 ff.
Heinrich von Herford 74. 244.
Heinrich von Langenstein 490.
Heinrich, Burggraf von Regensburg
488.
Hektor Mülich 246. 492.
Helmold 112 f. 242. 244.
Heppenheim, Grenzbeschreibung 501.
Herderich s. Rudolfsbuch.
Herrad von Landsperg 507.
Hessische Rechnungen 682.
Hieronymus 245. 263. 292. 437 ff.
670.
Hildebert von Le Mans 243. 643. 680.
Hildegard von Bingen 258.
Hildesheim, Bibliothek 482.
Hincmar von Reims 6. 237. 321.
493. 511 ff.
Historia Bononiens. miscella 475 f. ;
Brittonum 481. 483 ; Cremifanens.
672 ; Damiatina 584 ; Ganders-
heimens. 78. 118 f. 123 ; Herveldens.
5 ; Reinhardsbrunnens. 613 f. ; oc-
cupationis et amissionis Terrae
sanctae 415; de lantgraviis Thu-
ringiae Eccardiana 407 ff. (vgl.
chron. Isenacens. universale), Pisto-
riana 376 ff. (vgl. chron. Thurin-
gorum Isenacens.); de ortu prin-
cipum Thuringiae (= brevis princ.
Thur.) 581 f. 595 ff. 617.
Honorius von Autun 4.
Hrabanus Maurus 257. 299. 329 f.
345.
Hrotsvith 118. 241. 670.
Hugo von Flavigny 212.
Hydatius 245. 517.
I. J.
Jacob von Acqui 484.
Iacobus de Varagine 415. 618.
Inventio et miracula s. Mathiae apo-
stob 484.
Joachim Vadianus 485.
Johannes von Biclaro 483.
Johannes von Bologna 495.
Iohannes Gonstantinopolitanus 318.
518.
Johann Genzinger 674.
Johann von Hauvilla 490.
Johann HI. von Nürnberg, Lehn-
buch des Burggrafen 682.
Johannes Rothe 382. 413. 420 f.
Iohannes de Rupescissa 672.
Johann von Salisbury 250.
Iohannes Scotus 8.
Johann von Sivry 673.
Johann Stetter 491.
Johanniterorden, Urkundenbuch 678.
Jordanes 239. 670.
Irnerius von Bologna 493.
690
Register.
Isidorus Pacens. s. continuatio His-
pana.
Isidor von Sevilla 4. 237.
Isingrim von Ottobeuren 671.
Itala 518. .
Judenrecht von Nürnberg u. W eissen-
burg 674.
Jülich, Graf Wilhelm IV. 488.
Ivo von Chartres 292. 304. 307 f.
313. 316 f. 322. 326 ff. 353.
Kadlubek s. Vincentius.
Kaiser chronik, bairische 82. 118 ff.
486 ff. ; sächsische 53 ff.
Kaiser- und Königsurkunden 3. 6 f.
127 ff. 179 ff. 196 ff. 225 ff. 240.
244. 247 f. 251 ff. 357 ff. 377. 459.
487. 498 ff. 562 ff. 601 f. 607 f.
675 f.
Kanzleiordnungen, päpstliche 497 f.
Karolingische Annalen s. annales.
Karolus magnus s. descriptio.
Köditz, Friedrich 622 ff.
Köln, Regesten 504; Schreinsurkun-
den 678.
Kolmar, Propstei von St. Peter 256.
Konrad von Gelnhausen 480.
Konrad von Regensburg 488.
Konstanz, Chroniken 491; Regesten
504. 679 ; Urbar der Dompropstei
258.
Konstanzer Konzil, Chronik 491 ; In-
struktion der badischen Gesandten
250.
Kremsmünster,Geschichtsquellen672.
Lampert von Hersfeld 3. 5. 110.
114 ff. 242. 377. 399. 497. 578.
618 f. 670 f.
Landfrieden 248.
Landrecht, Westerlauwersches 494.
Lanfranc von Canterbury 484. 671.
Langobardische Urkunden 501. 676.
Legendae de s. patribus conventus
Isenacens. ord. Praedicator. 386 ff. ;
Karolingicae 484. S. auch vita.
Leges Angliorum et Werinorum 492 ;
Frisionum 247. 494; Romana ca-
non. compta 321 ; Salica 519. 673 ;
Visigotorum 6. 237.
Le Mans, Bibliothek 482.
Leo von Monte Cassino 95 ff.
Leodegar von Vienne 249 ff.
Libelli de lite 485.
Libellus de imperatoria potestate in
urbe Roma 241.
Liber actorum Gorlitzens. 249 ; cano-
num 243 ; cronicor. Erfordiens. 379
ff. 388 ff. 398 ff. 410. 413 ff. ; decre-
torum s. Burchard; de ortu, victo-
ria et triumpho Karoli ducis Bur-
gundiae 246 ; de unitate eccl. con-
serv. 116. 243; episcopalis Vien-
nens. 249. 264. 277 ff. ; historiae
Francorum 240. 517. 526; ponti-
ficalis 518. 526. 673 ; possessionum
Wissenburgens. Edelini 506; pro-
visionum praelatorum 251.
Libri formatarum camerae aposto-
licae 675.
Lieder, deutsche 5. 121; Heinrichs
VI. 680.
Lille, Urkundenbuch von S. Pierre
504.
Linz, Archiv 482.
Liturgisches 485. 505 f. 681.
Liudprand 241.
Lobbes, Urkunden 252.
Lucca, Statuten 494.
Lübeck, Chronik 492; Rathswahl-
ordnung 502; Zollrolle 507.
Lüttich, Cartular von S. Lambert
498; Gedichte über den Investi-
turstreit in L. 427.
Lupus s. Servatus.
Luxemburg, Bibliothek 669.
HI.
Maghe, Engelbert 673.
Manegold von Lautenbach 243. 493.
Mapes, Walther 670.
Markward von Korvey 243.
Martin V., Itinerar 491.
Martin von Troppau 399. 410. 415.
Martin Weifer (oder Weiser) 169.
Martyrologium Hieron yinianum 437ff.
Mathilde von Tuscien, Regesten
679 f.
Matthaeus Grabow 661 ff.
Matthaeus von Krakau 672.
Mecklenburg, Urkundenbuch 503.
Merula, Giorgio 490.
Metrisches 505.
Metz, Geschichtsquellen 492.
Milo v. S. Amand 8.
Miniaturen 508. 682.
Register.
691
Mirbach, Urkundenbuch der Grafen
503.
Monte Cassino, Calendariuni 256.
Moulart, Simon 246.
Mülich, Hektor 246. 492.
Nancy, Arcbiv 678.
Nantes, Bibliothek 482.
Narratio de ecclesia Chremsmun-
strensi 672.
Necrologia Gennaniae 8; Styriae
506 ; von S. Martin zu Tournay
252 ; S. Gregorii zu Venedig 456.
458.
Nekrologische Notizen 681.
Nennius 4. 481. 483.
Neuss, Brief aus dem Feldlager vor
496 f.
Nicolaus von Butrinto 245 f.
Nicolaus von Siegen 406.
Niccolö di Ferrara 475.
Nürnberg, Judenrecht 674.
O.
Oberaltaich, Catalogus librorum 677 ;
Schatzverzeichnis 677.
Oesterreich. Reimchronik 671.
Oliver, scholasticus 584.
Onulf von Speier 251. 441 ff.
Ordo fratrum Praedicatorum 397.
Osnabrück, Geschichtsquellen 247.
Ostertafeln, angelsächs. 25. 27. 29.
Othloh 93. 238.
Otto von Freising 102 f. 481.
Otto von S. Blasien 481.
Ottokar s. Oesterreich. Reimchronik.
P.
Pace dal Friuli 490.
Paderborn, annalist. Notizen und
Schatzverzeichnis 485. 671.
Palaeographisches 258. 507 f.
Papstbriefe und -Urkunden 44. 213.
233 ff. 246 f. 250 f. 264. 269 ff.
286 f. 428. 497 f. 527. 531 ff. 675.
Paris, Universität s. Bonifaz VIII.
Parisius de Cereta 466 ff.
Paul von Bernried 239. 495. 671.
Paulus Cholner 239.
Paulus diaconus 240. 256.
Peter von Andlau 490.
Petrarca 238.
Petrus Abälard 238. 644.
Petrus Cantinelli 5.
Petrus Crassus 243.
Petrus Damiani 108. 243.
Petrus de Riga 231 f. 680.
Philipp von Harvengt 680.
Philippe de Nevaire 489.
Placita 6. 227. 499.
Poenitentialia 296 ff. 330 ff. ; Halitgari
257 ; Hrabani 257 ; Pseudo-Roma-
num 328 ; Vallicellanum 309 ff.
Poggibonsi, Statuten 674.
Polistore s. Niccolo di Ferrara.
Polycarpus 304 ff. 321.
Praeiectus 484.
Prophetiae 485. 672.
Pseudo-Isidor 240. 352. 493. 528.
Pseudo-Knut 492.
Pseudo-Theodorus 296 ff. 316. 328 ff.
Pseudo-Udalricus 212. 445 f.
Quaestiones de iuris subtilitatibus s.
Irnerius.
Quedlinburg, Regesten des Johannes-
hofes 504.
R.
Rahewin 217. 481.
Raimbaut de Vaqueiras 680 f.
Rappoltstein, Urkundenbuch 678.
Ratherius 238.
Rationarium Austriacum 682.
Rechnungen und Rechnungsbücher
der camera apostolica 506. 677.
682 ; Heinrichs von Derby 507 ;
hessische 682 ; der Peterskirche zu
Rom 258.
Rechtsquellen, kirchl. 247.
Regensburg, calendarium 681.
Regesta diplomatica regni Danici
680 ; imperii 255 f. 504 ; Karoli IV.
657 ff. ; placitorum 6 ; pontificum 8 ;
hist. Thuringiae 679.
Regesten zur Geschichte von Alsfeld
677 ; der Markgrafen von Baden
504 ; der Urkk. zu Haiming 256 ;
zur Kirchengesch. Kärnthens 504 ;
der Beziehungen Kölns zum Reich
504 ; von S. Peter zu Kolmar 256 ;
der Bischöfe von Konstanz 504.
679 ; des Johanneshofes zu Qued-
linburg 504; der Pfalzgrafen am
Rhein 256; der Kaiserurk. für
692
Register.
Savona 253; der Gräfin Mathilde
von Tuscien 679 f. ; des Bisthums
Trient 504.
Regino 12. 241. 291. 297 ff. 312.
336 ff. 486.
Registerbücher der Päpste 251. 677 ;
der päpstl. Kammer 258. 677.
Registrum Gregorii I. 4. 7 ; Gregorii
VII. 497.
Regula s. Benedicti 456. 505 ; Bene-
dict Anianens. 506 ; Cassiani 506 ;
Chrodegangi 505.
Regula pastoralis Gregorii I. 352.
Reinbold Siecht 492.
Relatio de fundatione quarundam
Saxoniae ecclesiarum 74; de ortu
et progressu haeresum 492.
Reliquienverzeichnisse, steirische 506.
Rem, Wilhelm 492.
Richard von S. Germano 489.
Riculf von Mainz 14. 48.
Rimbert 241.
Römische Rechtsquellen 318 ff. 352.
Rom, Codd. reg. Christinae 482.
Rossi, Egidio 187 ff. 459 ff.
Rothe, Johannes 382. 413. 420 f.
Rudolfsbuch 494.
Rufinus 518.
S.
Sachsenspiegel 248.
Sacramentaria Gelasianum 681 ;
Gregorianum 681 ; s. Wolfgangi
681.
Sächsische annalist. Notizen 496 ;
Quelle aus der Zeit Heinrichs rV.
242; S. Weltchronik.
S. Etienne, Bibliothek 482.
S. Gallen, Urkundenbuch 503.
Savona, Regesten 253.
Schede! s. Hartmann.
Schwabenspiegel 248.
Sedulius 518. 581.
Sender, Clemens 492.
Sententiae diversorum patrum 493.
Series abbat. Nienburgens. 169 f. ;
abbat. Oberaltacens. 677 ; antistitum
Viennens. 266. 275 f. 282 ; episc.
Viennens. 269. 276 ff.
Sermo de Sifrido Eremita 614 f.
Servatus Lupus 249.
Sibyllenweissagung 485.
Siegel 259. 507. 683.
Siena, archivio notarile 669; Uni-
versität 254 ff.
Sifrid von Ballhausen 415.
Sigebert von Gembloux 59. 88. 214.
485 f.
Sigeboto s. vita Paulinae.
Sigmar von Kremsmünster 672.
Silvesterlegende 5.
Simon Moulart 246.
Siecht, Reinbold 492.
Smaragdus 670.
Sprüche, deutsche 5.
Stadtbuch von Görlitz 502.
Stadtrecht von Hazebroek 249 ; Stadt-
und Marktrecht vonVilsbiburg 249.
Stassfurt, Brüderschaftsbuch 506.
Statuten von Lucca 494 ; Poggibonsi
674.
Stetter, Johann 491.
Strassburg, Diözesansynoden 681 f.
Sulpicius Severus 239. 518.
Summa codicis s. Irnerius; lohannis
de Bononia 495.
Syllabus potestatum Veronens. 473.
476.
Synodi 6. 213 ff. 314 ff. 444. 449;
Matisconens. 247 ; Mediolanens.
247 ; Romanae 3. 293 ; der Strass-
burger Diözese 681 f. ; Suessionens.
531 ff. ; Triburiens.291 ff. ; Tusiacens.
493 ; Wormatiens. 299 f.
T.
Teodoro de Lelli 673.
Testamenta aevi Merovingici et
Karolini 538 ff.
Theoderich von Amorbach 257.
Theoderich von Canterbury 296.
Theoderich von Paderborn 671.
Theodulf 504 f.
Thietmar 88 f. 241.
Tironisches 258 f.
Tolosanus 5.
Tournay, Nekrolog von S. Martin
252.
Tractatus de cardinalatu 673.
Traditiones Kuebacens. 499 ; S. auch
codex trad.
Trajanssage 83 f.
Translatio s. Helenae 488 ; s. Remigii
565 ff.
Trithemius 377.
Tschudi, Aegidius 501.
U.
Uelzen, Urbar 506.
Ulrich von Richenthal 491.
Register.
693
Ulrich von Rosenberg 254.
Urbare der Habsburger 506 ; der
Dompropstei Konstanz 258; Öster-
reich. 682; des h. Geistaltars zu
Uelzen 506.
Urkunden und Urkundenbücher 240.
252 ff. 426. 431 f. 501 ff. 617.
676 ff. ; S. auch Kaiserurkunden,
Papsturkunden.
V.
Vadianus, Joachim 485.
Venantius Fortunatus 514.
Venedig, calendar. u. necrol. s.
Gregorii 456.
Versus 496. 505. 647 ff. ; über die
Belagerung von Broich 246 ; Petri
Baiolardi 644.
Vienne, Bibliothek 482.
Vilsbiburg, Stadt- uud Marktrecht
249.
Vincentius Kadlubek 239.
Vision über Heinrich II. 484.
Vitae sanctorum aevi Merovingici
4; Adalberti 241; Agapiti 672;
Amantii Ruthenens. 440; Anskarii
241 ; Arnoldi archiepisc. Moguntin
91 ; Austremonii 484 ; Basilii 518 ,
Caesarii Arelatens. 539; Elisabethae
81 f. 388 ff. 399. 572. 582. 584
587. 622 ff. 631 ff. ; Evurtii 518
Faronis 240 ; Gregorii VII. 671 ,
Heinrici II. 93 ff.; Lamberti
Traiectens. 485; Ludovici IV
lantgravii Thuring. 421. 609. 613
615 f. 622 ff. 631 ff. ; Lulli 5 ,
Magdalenae 249; Mariae 670;
Marthae 249; Odiliae abbatissae
Hohenburgens. 483 ; viduae Leo-
diens. 484 ; paparum 44 ; Paulinae
4; Remedii sive Remigii 511 ff.
525. 559. 565 ff. ; Severini 482 ;
Stephani 243 f.; Vedastis 519;
Wolfkangi 93.
W.
Walahfrid 6. 258.
Walram von Naumburg 243.
Walther, Marx 492.
Walther von Chätillon 256.
Walter Map es 670.
Weifer (Weiser?) s. Martin.
Weihenotizen, steirische 506.
Weissenburg (Abtei), über posses-
sionum Edilini 506; ü-aditiones
676.
Weissenburg im Nordgau, Judenrecht
674.
Weltchronik, sächs. 57. 74. 77 ff.
108 ff. 399. 405. 576.
Weltkarten 508.
Westfalen, Urkundenbuch 503.
Widukind 79. 88. 241.
Wilhelm von Malmesbury 94. 96. 110.
Wilhelm von Occam 490.
AVilhelm Rem 492.
Wilhelm von Wottem 673.
Windecke, Eberhard 491.
Wittwer 488.
Würtemberg , Bibliographie 669 ;
Urkundenbuch 678.
Wüstenfeld , Handschriftennachlass
669.
Z.
Zantfliet, Cornelius 674.
Zink, Burkart 246.
Zollrolle, Lübecker 507.
Gesammtregister
Band XI— XX
nach den Verfassern und nach dem Inhalte der Abhandlungen.
Von
Hermann Bloch und Martin Meyer
Gesammtregister von Band XI — XX
uacli den Verfassern.
Altmann, Wilhelm. Bruchstücke
aus dem 'Liber Cancellariae Apo-
stolicae' nach einer bisher unbe-
kannten Hs. XV, 418—422. — Zu
Eberhart Windecke XVIII, 689
—692.
Arnold, Robert. Königsurkk. des
Gräfl. Solms - Rödelheimischen Ar-
chivs zu Assenheim XI, 580 — 589.
Bäum er, P. Suitbert, O. S. B. Der
Micrologus, ein Werk Bernolds
v. Konstanz XVIII, 429 — 446.
725.
Baumann, F. L. Ueber die Todten-
bücher der Bisthümer Augsburg,
Konstanz u. Cur XIII, 409—429.
Baumgarten, Paul Maria. Ueber
eine Hs. der Briefe Gregors I.
XV, 600 f.
Becker, Jos. Zu den Regesten
Karls IV. XX, 657—660.
Bernheim, Ernst. Die sagenhafte
sächs. Kaiserchronik aus dem 12. Jh.
XX, 51—123. 684.
B i s h o p , Edmund. Ein Schreiben
des Abts Helisachar XI, 564—568.
Bloch, Hermann. Die Urkk. Kaiser
Heinrichs IL f. Kl. Michelsberg
zu Bamberg XIX, 603—663; XX,
683.
Born er, Gr. Zur Krit. der Quellen
f. die Gesch. der h. Elisabeth
XIII, 431-515.
B o n n e t , Max. Codex A 2 der Hi-
storia Francorum des Gregors v.
Tours Xn, 309—312. — Zu Gre-
gor v. Tours XVII, 199—201.
Brandes, W. Bruchstück eines
rhythmischen Gedichtes, die Gesch.
des Tempels zu Jerusalem betr.
XTV, 424—431.
Bresslau, Harry. Aus Archiven
u. Bibl. XI, 93—108. 643 f. — Der
Titel der Merovinger Könige XII,
353 — 360. — Ein unediertes Di-
plom Heinrichs V. XIH, 215 f.
— Formulare aus der Kanzlei
Ludwigs des Bayern XIV, 432 —
434. — Ein Brief des Erzbischofs
Anno v. Köln XLV, 623 f. — Be-
merkungen zu den Papstbriefen
der Brit. Sammlung XV, 189—193.
— Zusatz über einen Gregor I.
zugeschriebenen Brief (zu L. M.
Hartmann XV, 527 ff.) XV, 550—
554. — Ueber die Hss. des Chron.
Ebersheimense XVI, 545 — 561 ;
XVIII, 724. — Vier ungedruckte
Königsurkk. des 11. und 12. Jh.
XVH, 433 — 439. — Die Pariser
Hs. des Chron. Ebersheimense
XVIII, 309—317. — Zur Kanzlei
Heinrichs IV. XIX, 683—685. —
Erläuterungen zu den Diplomen
Heinrichs IL XX, 125—176. 684.
— Ein Diplom u. ein Placitum
Heinrichs V. XX, 225—230.
Bretholz, B. Die Unterschriften
in den gallischen Concilien des
6. u. 7. Jh. XVIII, 527—547.
C a r o , G. Eine Appellation Alben-
ga's an den Kaiser von 1226 XX,
654-656.
Chroust, Anton. Topographische
Erklärungen zu einigen Stellen in
den Mon. Germ. XV, 585—591. —
Unedierte Königs- u. Papsturkk.
XVI, 135 — 168. — Die Ueber-
lieferung des dem Ansbert zuge-
schriebenen Berichtes über den
Kreuzzug Friedrichs I. XVI, 511
— 526. — Ein ungedrucktes Diplom
Heinrichs IV. XVH, 430—432. —
Ein Brief Hadrians V. XX, 233 f.
698
Gesammtregister von Band XI — XX
Conrat (Colin), Max. Zur Lex
Romana Raetica Curiensis XV, 202.
Davidsohn, R. Das Petitions-
Bureau der päpstl. Kanzlei am
Ende des 12. Jh. XVI, 638 f. —
Process wegen Fälschung einer
päpstl. Bulle 1216 XIX, 232—235.
Dieterich, J. Heber Paulinzeller
Urkk. u. Sigeboto's Vita Paulinae
XVIII, 447-489.
Dorr, Robert. Nachtr. zu dem
Aufsatz 'Beitr. zur Einhardsfrage'
(X, 243 ff.) XI, 475-488.
Dümmler, Ernst. Naso's (Modoins)
Gedichte an Karl d. Gr. XI, 75 —
91. — Zur Gesch. des Investitur-
streites im Bisthum Lüttich XI,
175—194. 413. 644. — Ein Nachtr.
zu Einhards Werken XI, 231—238.
— Mittheilungen aus Hss. XI,
404 — 412. 455 — 474. — Ermah-
nungsschreiben an einen Karolin-
ger XIII, 191—196. — Briefe u.
Verse des 9. Jh. XIII, 343—363
vgl. 648 f.; XV, 627. — Zu den
Gedichten des Paulus Diaconus
XVn, 397—401. — Zur Lebens-
gesch. Alchvins XVIII, 51 — 70.
— Zu Udalrich v. Babenberg XIX,
222—227. 720. — Waitz u. Pertz
XIX, 269—282. — Zu Petrus v.
Riga XX, 231 f.
Ebner, Adalbert. Der über vitae
u. die Nekrologien v. Remiremont
in der Bibliotheca Angelica zu
Rom XIX, 47—83.
Erben, Wilhelm. Zu der Fort-
setzung des Regino v. Prüm XVI,
613 — 622. — Nachtr. zu dem
2. Bande der Diplomata- Ausgabe
XX, 355—371.
E w a 1 d , P. Nachtr. zu : Th. Momm-
sen, Actenstücke zur Kirchengesch.
aus dem Cod. Cap. Novar. 30 (XI,
361—368) XI, 644.
Falk, F. Johann Gisen v. Nastätten
XI, 195 f. vgl. 417. — Verschie-
dene Addenda XI, 617 f. — Varia
XIV, 173 f. — Necrologia Mogun-
tina XIX, 693—704.
Fitting, H. Zum Streit um die
Grafschaft Provence im 12. Jh.
XIX, 228—231.
Friedländer, Ernst. Eine unge-
druckte Urk. Konrads IV. XV,
410.
Gebhardt, Bruno. Die Confutatio
primatus papae XII, 517 — 530. —
Zur Chronik des Dietrich v. Niem
XIII, 225—230.
Goldmann, A. Ann. v. 122— 1044
XII, 403—407.
Günther, O. Kritische Beitr. zu
den Akten der röm. Synode vom
12. April 732 XVI, 235—249.
Gundlach, Wilhelm. Die Vita
Heinrici IV. u. die Schriften des
Sulpicius Severus XI, 289 — 309.
— Zu Rahewin XI, 569 f. —
Uebersicht der ersten Abschnitte
der Abtheilung 'Briefe' der Mon.
Germ, bis zum J. 911 XII, 245—
288. 453—502. — Die Sammlung
der Epistolae Austrasicae XIII,
365—387. — Der Streit der Bis-
thümer Arles u. Vienne um den
Primatus Galliarum XIV, 251 —
342; XV, 9— 102. 233— 291; dazu
Nachtr. 291 f. 627. — Ueber die
. Columban - Briefe XV, 497—526.
— Der Anhang des 3. Epistolae-
Bandes der Mon. Germ. : Epp. ad
res Wisigothorum pertinentes XVI,
9 — 48. — Zu den Columban-Briefen
XVII, 425—429. — Ueber den
Codex Carolinus XVII, 525—566.
— Ueber die vermeintliche Unecht-
heit einiger Stücke der Epp. Lan-
gobardicae collectae des 2. An-
hangs im 3. Epp. -Bande der Mon.
Germ. XVIII, 653 — 663. — Die
Epp. Viennenses und die älteste
Vienner Chronik XX, 261 — 287.
684.
Hahn, H. Die Namen der Boni-
fazischen Briefe im Liber vitae
ecclesiae Dunelmensis XII, 109 —
127.
Hansen, Joseph. Chronik der
Pseudorektoren der Benedikts-
kapelle zu Dortmund XI, 491 —
550.
Hartmann, Ludo M. Zur Chro-
nologie der Briefe Gregors I.
XV, 411—417. — Ueber die Or-
thographie Papst Gregors I. XV,
527 — 549. — Ueber zwei Gregor-
briefe XVII, 193—198.
Hasse, P. Das Angers'sche Frag-
ment des Saxo Grammaticus XII,
315—332.
Hauthaler, P. Willibald, O. S. B.
nach den Verfassern.
699
Notae Seccovienses XVIII, 674 —
678. — Die grosse Briefhs. zu
Hannover XX, 209—220.
Heck, Ph. Der Ursprung der ge-
meinfriesischen Rechtsquellen und
der fries. Gottesfrieden XVH, 567
—598.
Hegel, Karl. Ueber die wieder-
gefundene Hs. v. Königshofens
Chronik XII, 207 f. — Latein.
Wörter u. deutsche Begriffe XVIII,
207—223.
H eine mann, Lothar v. Zur Krit.
Tegernseer Gesch. - Quellen XII,
143 — 160. — Ueber ein verlorenes
sächs. Annalenwerk XIII, 33 — 59.
— Zur Krit. ungar. Gesch. -Quellen
im Zeitalter der Arpaden XIII,
61 — 74. — Ueber die Deutsche
Chronik u. andere histor. Schriften
des Magister Dietrich Engelhus
XIII, 171—187. — Zur Lebens-
gesch. des Chronisten Dietrich
Engelhus XIV, 196 f. — Die äl-
teste Translatio des h. Dionysius
XV, 331—361. — Die älteren Di-
plome f. das Kl. Brogne u. die
Abfassungszeit der Vita Gerardi
XV, 592—596. — Ein unbekannter
Brief der Pisaner an König Kon-
rad III. XVI, 182 f.
Heisenberg, A. Ueber ein Frag-
ment des Anonymus Canisii de
vita Ottonis XIX, 460 f.
Helmholt, Hans F. Zu Otto v.
Hammerstein XX, 221 f.
Herrmann, Max. Paul u. Geb-
hard v. Bernried u. ihre Briefe
an Mailänder Geistliche XIV, 565
—588.
Herzberg-Fränkel, S. Ueber
das älteste Verbrüderungsbuch v.
St. Peter in Salzburg XII, 53—
107. — Ueber die necrologischen
Quellen der Diöcesen Salzburg u.
Passau XIII, 269—304.
Holder, A. Ein Brief des Abts
Bern v. Reichenau XIII, 630 —
632.
Holder-Egger, Oswald. Bericht
über eine Reise nach Italien 1885
XI, 253 — 288. — Desgl. 1891
XVII, "461—524. 642 ; XIX, 720.
— Zur Translatio S. Benedicti
XII, 129—141. — Zu deutschen
Heiligenleben XIII, 9—32; XX,
683 — Aus Münchener Hss. XIII,
557 — 587. — Zur Textkrit. des
Saxo u. Sueno Aggeson XIV, 135
—162. — Ueber ein Ekkehard-
Fragment XIV, 175—177. 635. —
Italien. Prophetieen des 13. Jh.
XV, 141—178. — Ueber die histor.
Werke des Johannes Codagnellus
v. Piacenza XVI , 251 — 346. 473
— 509. 654. — Zu den Gesta abba-
tum Fontanellensium XVI, 602 —
606. — Zu den gefälschten Livin-
Versen XVI, 623. — Ueber die
Braunschweiger u. Sächs. Fürsten-
chronik u. verwandte Quellen XVII,
159—184. — Zur Translatio S. Ger-
mani XVIII, 274—281. — Studien
zu Lambert v. Hersfeld XIX, 141 —
213. 369— 430. 507-574. — Be-
richtigung zur Bonizo- u. Beno-
Ausgabe XIX, 680—682. — Stu-
dien zu Thüring. Gesch. - Quellen
XX, 373—421. 569—637.
Holder-Egger, O. u. Waitz, G.
Aus neueren Hss. -Verzeichnissen
XI, 418—425; vgl. 644.
Hoogeweg, H. Eine neue Schrift
des Kölner Domscholasters Oliver
XVI, 186—192.
Joachimsohn, Paul. Spottverse
vom Basler Concil XVIII, 693 f.
Karamianz s. Löwenfeld.
Kehr, P. Der Vertrag v. Anagni
i. J. 1176 XIII, 75—118. — Die
Kaiserurkk. des Vatican. Archivs
XIV, 343—376. — Die Purpururk.
Konrads III. f. Corvei XV, 363
—381.
Krause, K. E. H. Zu Widukind
I, 12 XVI, 610—612.
Krause, Victor. Die Fortsetzung
der Capitularien - Ausgabe XVI,
421—429. — Die Acten der Tri-
burer Synode 895 XVH, 49—82.
281—326. — Hincmar v. Reims
der Verfasser der sog. Collectio
de raptoribus XVIII, 303 — 308.
— Die Triburer Acten in der
Chälons'er Hs. XVIII, 411—427.
— Die Münchener Hss. 3851. 3853
mit einer Compilation von 181
Wormser Schlüssen XIX, 85 — 139.
K ' u s c h , Bruno. Zu den Hss. des
Gregor v. Tours XI, 629. — Chlo-
dovechs Sieg über die Alamannen
XII, 289 — 301. — Zu Gregors
700
Gresammtregister von Band XI — XX
Schrift 'De cursu stellarum' XII,
303—308. — Entgegnung auf Max
Bonnets Erklärung (XII, 309—
312) XII, 312—314. — Der Fonds
Libri in Florenz XII 423 f. —
Das Leben des Bischofs Gaugerich
v. Cambrai XVI, 225-234. — Zu
M. Bonnets Untersuchungen über
Gregor v. Tours XVI, 432—434.
— Die älteste Vita Leudegarii
XVI, 563—596. — Zu Gregor v.
Tours XVII, 201 — 203. — Die
Fälschung der Vita Genovefae
XVIII, 9 — 50. — Reise nach
Frankreich im Frühjahr u. Sommer
1892 XVIII, 549—649; XIX, 11
—45. 720. — Das Alter der Vita
Genovefae XIX, 444 — 459. —
Zum Martyrologium Hieronymia-
num XX, 437—440. — Reimser
Remigius - Fälschungen XX, 509 —
568.
Kühn, Fritz. Zur Krit. Alberts v.
Aachen XII, 543—558.
Kurth, Otto. Ein Brief Gerhohs
v. Reichersberg XIX, 462—467.
Kurze, F. Zur Krit. des Chron.
Gozecense XII, 187—202. — Ab-
fassungszeit u. Entstehungsweise
der Chronik Thietmars XIV, 59—
86. — Hsl. Ueberlieferung und
Quellen der Chronik Regino's u.
seines Fortsetzers XV, 293—330.
— Nachlese zur Quellenkunde
Thietmars XVI, 459 — 472. ■
Ueber die Ann. Fuldenses XVII,
83 — 158. — Ueber die karoling.
Reichsann. v. 741 — 829 und ihre
Ueberarbeitung XIX, 295 — 339;
XX, 9—49. 683.
Lehmann, Karl. Zur Ausgabe
der Lex Ribuaria (LL. V) XI, 414
— 416. — Der Codex Paris, lat.
nouv. acq. 204 XII, 579—585. —
Die Libri Feudorum XVI, 387—
418.
Lehner, F. A. v. Supplik des
Frauenkl. Inzigkofen an Papst
Alexander VI. XIX, 468—473.
Leidinger, Georg. Zur Vita
Ludovici IV. XIX, 686—692.
Liebermann, F. Zur Gesch.
Friedrichs IL u. Richards v. Corn-
wall XIII, 217—222. — Raginald
v. Canterbury XIII, 517—556. —
Ein Brief Innocenz' II. an Hein-
rich I. v. England XIV, 616 f. —
Ueber ostengl. Gesch.-Quellen des
12. — 14. Jh., bes. den falschen
Ingulf XVIII, 225-267.
L i n d n e r , Theodor. Zum Chron.
Urspergense XVI, 115 — 134.
L i p p e r t , Woldemar. Das Capi-
tulare des Kaisers Lothar I. v.
J. 846 XII, 531— 541. — Die Ver-
fasserschaft der Canonen gallischer
Concilien des 5. u. 6. Jh. XIV,
9—58. — Zu dem Necrologium
S. Vitoni Virdunensis XV, 608—
610. — Zu Guido v. Bazoches u.
Alberich v. Troisfontaines XVII,
408—417.
Lorsch, H. Formulare v. Gottes-
urtheilen in einer Trierer Hs.
XVII, 612 f.
Löwenfeld, S. Elf Papstbullen
XI, 369—388. — Kleinere Beitr.
XI, 595—616 ; dazu: Eine Berichti-
gung XII, 419 f. — Drei Briefe
Clemens' III. Aus dem Armen,
übersetzt v. Dr. Karamianz XIV,
178—182. — Ein Aktenstück aus
der Ostersynode v. 1078 XIV, 618
— 622. — Der Dictatus Papae
Gregors VII. u. eine Ueberarbei-
tung desselben im 12. Jh. XVI,
193-202.
Loser th, J. Zwei Briefe Gre-
gors XII. an den Pfalzgrafen
Ludwig vom Rhein XX, 235 f. —
Zu Pseudo-Udalricus1 'De Conti-
nentia Clericorum' u. zu Bruno's
v. Segni 'De Symoniacis' XX, 444
— 449.
Maassen, Fr. Zwei Excurse zu
den falschen Capitularien des Bene-
dictus Levita XVIII, 294—302.
Manitius, M. Zu deutschen Gesch.-
Quellen des 9.— 12. Jh. XI, 43—
73. — Desgl. des 6. u. 11. Jh.
XIII, 197—214. — Zu karoling.
Gedichten XI, 553 — 563. — Zu
Einharts Vita Karoli XII, 205 f.
— Zu Rahewin, Ruotger u. Lam-
bert XII, 361—385. — Zu Fortu-
natus, den Ann. Quedlinburgenses
u. Sigeberts Vita Deoderici XII,
591 — 596. — Bemerkungen zu ver-
schiedenen Quellenschriften XIII,
633 — 647. — Zur Gesch. v. Sul-
picius' Schriften über S. Martinus
im MA. XIV, 165—170. — Zur
nach den Verfassern.
701
Benutzung des Sulpicius Severus
im MA. XV, 194—196. — Ge-
schichtliches aus alten Bibl. - Kata-
logen XVI, 171—174; vgl. 653.
— Zur karoling. Poesie XVI,
175 — 177. — Zu karoling. Dich-
tern XVII, 614—616. — Zu Onulfs
v. Speier Rhetorici colores XX,
441—443.
May, J. Zu Hermannus Contractus
XII, 226 — 231. — Leben Pauls
v. Bernried XII, 333—352.
Meier, P. Gabriel. Amalarii For-
tunati episcopi Trevirensis epi-
stula de tempore consecrationis et
ieiunii. Nebst Nachtr. zu dem
Verzeichnis der Briefe v. AV. Gund-
lach XIII, 305—323.
M o m m s e n , Theodor. Actenstücke
zur Kirchengesch. aus dem Cod.
Cap. Novar. 30 XI, 361—368; vgl.
644. - - Ostgoth. Studien XIV,
223—249. 451—544; XV, 181 —
186. — Bemerkungen zu den
Papstbriefen der Brit. Sammlung
XV, 187 f. — Das röm. - german.
Herrscherjahr XVI, 49 — 65. —
Zu den Ann. Vedastini XVI, 430 f.
— Die Synode v. Turin XVII,
187—192. — Die Papstbriefe bei
Beda XVII, 387—396. — Aera
XVIII, 271—273. — Die Historia
Brittonum u. König Lucius v. Bri-
tannien XIX, 283 — 293. — Eine
Erwiederung XIX, 433—435.
Mühlbacher, E. Die Urk. Lud-
wigs des Fr. f. Halberstadt XVIII,
282—293.
Neff, K. Zur Frage nach den
Quellen der Historia Langobardo-
rum XVII, 204—208.
Nürnberger, A. Die Bonifatius-
litteratur der Magdeburger Cen-
turiatoren XI, 9—41; vgl. 412. —
Die angebliche Unechtheit der Pre-
digten des h. Bonifatius XIV, 109
—134.
P e r 1 b a c h , M. Aus einem ver-
lorenen Codex traditionum der
Bonner Münsterkirche S. Cassius
u. Florentius XIII, 145—170. -
Johannes Diugoss1 Quellen f. die
deutsche Gesch. in seinen ersten
6 Büchern XTV, 183—195.
Pflugk-Harttung, Julius von.
Register und Briefe Gregors VII.
Neues Archiv etc. XX.
XI, 141—172. — Das Breve Papst
Clemens' II. f. Romainmötier Xl,
590 — 594. — Beitr. zur Krit. v.
Bonizo, Lambert u. Berthold XIII,
325—341.
P 1 a t h , Konrad. Zur Entstehungs-
gesch. der Visio Wettini des Walah-
frid XVII, 261-279.
Rademacher, Otto. Aventin u .
die ungar. Chronik XII, 559 — 576.
Rethfeld, A. Zur Genealogia
regum Francorum XII, 223 — 225.
Rockinge r, Ludwig von. Eine
Rechtshs. der Bibl. des Benedic-
tinerstifts S. Peter in Salzburg
XVIII, 318—328.
Rodenberg, Carl. Die Vorver-
handlungen zum Frieden v. San
Germano 1229—1230 XVIII, 177
—205.
Röhricht, Reinhold. Zur Gesch.
der Kreuzzüge XI, 571 — 579. —
Aus den Regesten Honorius' III.
XII, 415 — 418. — Zur Gesch.
der Kirche S. Maria Latina in
Jerusalem XV, 203—206. — Ein
Brief über die Gesch. des Friedens
v. Venedig (1177) XVII, 621—623.
R o p p , G. v. d. Urkk. zur Reichs-
gesch. aus einem Falkensteiner
Copialbuch XVI, 624—631.
Roth, F. W. E. Eine ungedruckte
Vita Erzb. Anno IL v. Köln XU,
209 — 217. — Der Mainzer Chro-
nist Georg Heilmann ; Bruchstück
seiner Chronik XII, 421 f. — Mit-
theilungen aus Darmstädter Hss.
XIII, 591—602. Deutsche
Kaiserurkk. XVI, 435 f. — Kaiser-
urkk. u. Reichssachen 1205 — 1424
XVI, 632—635. — Eine Mainzer
Chronik XVII, 212 f. — Ein Brief
des Chronisten Rudolf v. S. Trond
an Rupert v. Deutz XVH, 617 f.
Sackur, Ernst. Noch einmal die
Biographieen des MajolusXII, 503
— 516. — Studien über Rodulfus
Glaber XIV, 377—418. — Hand-
schriftliches aus Frankreich XV,
103—139. — Zu Petrus de Ebulo
XV, 387—393. — Reise nach Nord-
frankreich im Frühjahr 1889 XV,
437 — 473. — Zu den Legenden des
h. Franz v. Assisi XV, 597—599.
— Ein Schreiben über den Tod
des Majolus v. Cluny XVI, 180 f.
46
702
Gesammtregister von Band XI — XX
— Zu den Streitschriften des Deus-
dedit u. Hugo v. Fleury XVI,
347—386. — Zur Chronologie der
Streitschriften des Gotfried von
Vendome XVII, 327—347. — Der
Dictatus papae u. die Canonsamm-
lung des Deusdedit XVIII, 135—
153. — Die Briefe Gotfrieds von
Vendome im Cod. Vat. reg. 1. 59
XVIII, 666—673.
S a u e r 1 a n d , H. V. Der sog. Brief-
wechsel des Trierer Erzb. Hillin
u. Dietrich v. Nieheims Chronik
XII, 599 — 601. — Hildesheimer
Inedita XIII, 623—626. — Zwei
Gedichte an einen Bischof. Aus
einer Trierer Hs. XVI, 178 f. —
Aus Hss. der Trierer Seminarbibl.
XVII, 601T611-, XVIII, 724.
Schäfer, Dietrich. Zur Datierung
zweier Briefe Gregors VII. XVTI,
418—424.
S chef f er -Boichorst, Paul. Dic-
tamina über Ereignisse der Papst-
gesch. XVIH, 155—175. — Vero-
neser Zeugenverhör v. 1181 XIX,
575—602; XX, 259. — Beitr. zu
den Regesten der stauf. Periode
XX, 177 — 205. -■ Eine unge-
druckte Urk. Friedrichs IL über
Borgo S. Donnino, zugleich als
(Quelle des Fälschers Egidio Rossi
XX, 459—465.
Schepss, G. Geschichtliches aus
Boethiushss. XI, 123 — 140. -
Nachtr. zu 'Johann Gisen v. Na-
stätten' (XI, 195 f.) XI, 417. -
Latein. Elegie auf 'Neun Schneider
u. ein Ei' 'XII, 221 f. — Würz-
burger Hs. zu Theoderich v. Hers-
feld XIX, 221.
Schmidt, Adolf. Mittheilungen
aus Darmstädter Hss. XIII, 603
622.
S c h m i d t , Ludwig. Paulus Dia-
conus u. die Origo gentis Lango-
bardorum XIII, '391—394.
Schmitz, Wilhelm. Zur Erklä-
rung der tiron. Noten in Hss. der
Kölner Dombibl. XI, 109—121. —
Tironisches u. Kryptographisches
XV, 197 f. - Tiron. Miscellen
XV, 602—607.
Schultze, Walther. Noch ein
Wort zu den Biooraphieen des Ma-
jolus XVI, 545—564.
S chum , W. Miracula Burchardi III.
archiepisc. Magdeburg. XII, 586 —
590. - - Ungedruckte LTrk. Hein-
richs VI. XVI, 184 f. — Bemer-
kungen zu einigen Diplomen Kon-
rads III. XVII, 619 f.
Schwal m , Jakob. Beise nach
Holland, Belgien, Nordfrankreich
u. dem Niederrhein im Sommer
1894 XX, 423—433.
S e c k e 1 , Emil. Zu den Acten der
Triburer Synode 895 XVIII. 365
—409; XX, 289—353.
Seebass, O. Ueber die Hss. der
Sermonen u. Briefe Columba's v.
Luxeuil XVII, 243—259. — Ueber
zwei Turiner Hss. des Capitulare
monasticum XIX, 217—220.
Seeliger, Gerhard. Aus Ruprechts
Registern XIX, 236—240. — Mit-
theilungen aus einer Münchener
Hs.derCapitularienXIX,670— 679.
Seemüller, Joseph. Aus dem
Strein'schen Nachlass XVIH, 681
—688.
Sickel, Th. R. v. Die Vita Ha-
driani Nonantulana u. die Diurnus-
Hs. 5 XVIH, 107—133.
Simonsfeld, H. Compendium hi-
storiae Troianae- Roman ae XI, 239
— 251. — Hss. italien. Chroniken
XH, 218—220. — Zu Heinrich v.
Diessenhoven XHI, 223 f. — Be-
richt über einige Reisen nach Ita-
lien XV, 475 — 495. — Textvarian-
ten zu Andrea Dandolo XVIH,
336 — 346. — Noch einmal die
kurzen Venezianer Ann. XX, 450
—458.
Simson, Bernhard v. Zur Krit.
des Widukind XII, 597 f. — Zu
Wipo, den Ann. Altahenses, dem
Chron. Urspergense XIV, 607—
615. — Krit. Erörterungen XV,
555—579.
Simson, Paul. Zu den ältesten
Magdeburger Gesch.- Quellen XIX,
341—368.
S o m m e r f e 1 d t , Gustav. Zur Krit.
Verones. Gesch.- Quellen XX, 466
—480.
Steffen, Hans. Beitr. zur Krit.
der Xantener Jahrbücher XIV.
87—108.
Stein dorf f, E. Eine unedierte
Urk. Karls IV. XVIII, 679 f.
nach den Verfassern.
703
Sternfeld, R. Ein Brief König-
Ruprechts XVI, 636 f. — Ein unge-
druckter Bericht aus dem Arelat
v. J. 1-251 XVII, 214—219.
Sybel, Heinrich v. Nachwort zu
Robert Dorrs Nachtr. (XI, 475 ff.)
zu seinem Aufsatze 'Beitr. zur Ein-
hardsfrage' (X, 243 ff.) XI, 489.
Thaner, F. Zu zwei Streitschriften
des 11. Jh. XVI, 527—543.
Tliommen, Rudolf. Ueber einige
unechte Kaiserurkk. in der Schweiz
XII, 161-186. -- Ein Nachtr.
XII, 411—414.
Traube, Ludwig. Zu den Versen
auf S. 355 v. Bd. XIII, ebd. 64S f.
- Zu den Gedichten des Paulus
Diaconus XV, 199—201. — Aber-
mals die Biographieen des Maiolus
XVII, 402 — 407. -- Computus
Helperici XVIII, 71—105. 724 f.
— Zu Walahfrid Strabo's De ima-
gine Tetrici XVIII, 664 f.
W a i t z , Georg. Ueber den sog.
Catalogus Eelicianus der Päpste
XI, 217—229. — Zur Krit. dän.
Gesch. -Quellen XII, 11—39. -
Ueber den 1. Theil der Ann. Fuld.
XII, 41—51. -■ Ein Bericht aus
dem ,T. 1884 XIII, 259—268.
W a i t z , G. u. H o 1 d e r - E g g e r, O.
Aus neueren Hss. -Verzeichnissen
XI, 418—425; vgl. 644.
W attenbach, Wilhelm. Zur Vita
Heinrici IV. XI, 197-201. -
Urkk. u. andere Aufzeichnungen
XI, 389 — 403; vgl. 644. — Zur
Genealogia Karolorum XI, 631. —
Die Abtheilung 'Briefe' der Mon.
Germ. XII, 239—245. — Papst-
bullen im German. Museum XII,
408 — 410. — Ottokar Lorenz u.
Georg Waitz XIII, 249—258. -
Ein gleichzeitiges Gedicht zum
Preise des h. Audoenus XIV, 171 f.
— Aus neueren Hss. - Verzeich-
nissen XIV, 198—200. — Aus den
Briefen des Guido von Bazoches
XVI, 67—113. -- Zu den Ann.
Bertiniani XVI, 607—609. — Be-
schreibung der Hs. Cod. lat. 19411
aus Tegernsee in der Kgl. Bibl. zu
München XVII, 31—47. 642. -
Beschreibung einer Hs. mittelalter-
licher Gedichte XVII, 349 — 384.
460. 642; XVIII, 724. - Beschrei-
bung einer Hs. der Stadtbibl. zu
Reims XVIII, 491-526. - Er-
werbungen der Nationalbibl. in
Paris v. 1875-1891 XIX, 241—
246. — Ein Brief des Bischofs
Wazo v. Lüttich XX, 22:1 f.
Matthaeu3 Grabow XX, 661—663.
Weiland, Ludwig. Ungedruckte
Urkk. Friedrichs I. u. Rudolfs I.
f. S. Marien in Utrecht XIII, 627
— 629. — Hss. der vormaligen
Kgl. Handbibl. in Stuttgart (zu
N. A. X, 600) XV, 385 f. — Verse
auf Kaiser Friedrich I. XV, 394 f.
— Ueber die Sprache u. die Texte
des Kurvereins u. des Weisthums
v. Rense XVIII, 329—335.
Werner, J. Mittelalterliches Klage-
gedicht über die Missachtung u.
den Verfall der Dichtkunst XIV,
421—423. — Latein. Gedichte des
12. Jh. XV, 396-409 vgl. XVI,
653. — Epitaphien u. Epigramme
des 12. Jh. XX, 641 — 65: [.
W i d m a n n. Vita Eckeberti XI,
445 — 454. — Kleine Mittheilungen
aus Wiesbadener Hss. XI, 619 —
628. — Die Eberbacher Chronik
der Mainzer Erzbischöfe XIII, 119
—143.
W r e d e , F. Zwei ostgoth. Miscellen
XV, 583 f.
Zeumer, Karl. Neue Erörterungen
über ältere fränk. Formelsamm-
lungen XI, 311—358. — Eine neu-
entdeckte westgoth. Rechtsquelle
XII, 387 — 400. -- Die Linden-
bruch'sche Hs. der Formelsamm-
lung v. Flavigny XIV, 589—603.
Zimmer, H. Zur Orthographie
des Namens Beda XVI, 599—601.
— Blaithmaic. Moengal XVII. 209
— 211. — Ein weiteres irisches
Zeugnis f. Nennius als Autor der
Historia Brittonum XIX, 436 —
4P'.. — Ein weiteres Zeugnis f. die
nordwelsche Herkunft der Samuel-
Beulan - Recension der Historia
Brittonum XIX, 667—669.
46*
704
Gesamnitregister von Band XI — XX
Gesanimtregister von Band XI — XX
nach dem Inhalte der Abhandlungen.
A d a 1 b e r t v. Egmond. — O. Holder-
Egger, A. v. E. XIII, 29-32.
Aedituus minorita, flores tempo-
rum s. München.
A e r a. — Th. Mommsen, A. XVIII,
271—273.
Afra, S. — B. Krusch, Ein Zusatz
zu der Passio s. Afrae XIX, 13
—17.
Alamannen s. Gregor v. Tours.
A 1 b e n g a. — G. Caro, Eine Appel-
lation A.'s an den Kaiser von 1226
XX, 654-656.
Alb er ich v. Troisfontaines s. Guido.
Albert v. Aachen. — F. Kühn,
Zur Krit. A.'s v. A. XII, 543 —
558.
Alchvin. — "W. Gundlach, Ein
neuer A.- Brief XII, 500-502. —
E. Bummler, Zur Lebensgesch. A.'s
XVin, 51-70.
Alexander VI. — F. A. v. Leh-
ner, »Supplik des Frauenkl. In-
zigkofen an Papst A. VI. XIX,
468—473.
Alexander, Subdiacon. — S. Löwen-
feld, Briefe über die Berufung A.'s
an den Hof Hadrians IV. XI, 597
—599.
Alpert. — M. Manitius, Zu den
Werken A.'s XIII, 202—208.
A 1 1 a i c h. — M. Manitius, Zu den
Ann. Altahens. XIII, 633 f. — S.
Topographisches, Wipo.
Amalarius Fortunatus. —
P. G. Meyer, A. F. epistola de
tempore consecrationis et ieiunii
Xin, 308—323.
Amiens s. Frankreich 2).
Amploniana, Bibl. s. Erfurt.
Anaclet II. — S. Löwenfeld,
Ueber A.'s II. Persönlichkeit XI,
596 f. _
Anagni. — P. Kehr, Der Vertrag
v. A. im J. 1176 X1TI, 75—118.
Andrea D a n d o 1 o. — BZ. Simons-
feld, Textvarianten zu A. D. XVIII,
336—346.
Angers s. Formeln, Saxo Gram-
maticus.
A n n a 1 e n. — G. Waitz, Ungedruckte
[Dänische] Ann. XII, 33—39. —
A. Goldmann, [Prümer] Ann. v.
122-1044 XII, 403 — 407. — S.
die Eigennamen.
Annianus s. Marinus.
Anno IL — F. W. E. Roth, Eine
ungedruckte Vita Erzb. A.'s IL v.
Köln XII, 209—217. - H. Bress-
lau, Ein Brief des Erzb. A. v. Köln
XIV, 623 f.
Anonymus C a n i s i i s. Otto v.
Bamberg.
Ansbert. — A. Chroust, Die
Ueberlieferung des dem A. zuge-
schriebenen Berichtes über den
Kreuzzug Friedrichs I. XVI, 511
—526.
An s e Im v. Lüttich. — M. Manitius,
Zu A.'s gesta epp. Leodiens. XIII,
645—647.
Antonius Godius. — H. Simons-
feld, Hss. von A. G. chronica Vi-
centina XII, 219 f.
Appellation s. Albenga.
Archive. — H. Bresslau, Aus A.
u. Bibl. XI, 93—108. 643 f. -
S. Kaiserurkk. u. die Eigennamen.
Arelat. — R. Sternfeld, Ein un-
gedruckter Bericht aus dem A. v.
J. 1251 XVII, 214—219.
Arles. — W. Gundlach, Der Streit
der Bisthümer A. u. Vienne um
den Primatus Galliarum XIV,
251—342; XV, 9—102. 233—271.
291 f. 627. — Ders., Epistolae Are-
latens. XV, 271—274.
A r p a d e n s. Ungarn.
Ashburnham, codd. s. Florenz.
Assen heim s. Kaiserurkk.
Audoenus. — W. "Wattenbach,
Ein gleichzeitiges Gedicht zum
Preise des h. A. XIV, 171 f.
Augsburg. — F. L. Baumann,
Ueber die Todtenbücher der Bis-
thümer A., Constanz u. Cur XIII,
409—429.
Austrasien. — W. Gundlach, Die
Sammlung der Epistolae Austra-
sicae XIII, 365—387.
nach dem Inhalte der Abhandlungen.
705
Auvergne s. Formeln.
Aventin. — 0. Rademacher, A.
u. die ungar. Chronik XII, 559 —
576.
Bamberg s. Heinrich II., Otto
v. B., Udalrich.
Basel. — P. Joachimsohn, Spott-
verse vom Basler Concil XVIII,
693 f.
B a u f f r e m o n t. — P. Scheffer-
Boichorst, Die gefälschten Kaiser-
urkk. für B. u. ihre echten Muster
XX, 179-187.
B e d a. — H. Zimmer, Zur Ortho-
graphie des Xamens B. XVI, 599
—601. — S. Papstbriefe.
Belgien s. Holland.
Benedictbeuern, Hss. u. Reli-
quienverzeichnisse des Kl. s. Mün-
chen.
Benedict von Monte Cassino. —
O. Holder- Egger, Zur Translatio
S. Benedict! XII, 129—141.
Benedict us Levita. — Fr.
Maassen, Zwei Excurse zu den
falschen Capitularien des B. L.
XVIII, 294—302.
Benediktska pelle s. Dortmund.
B e n o s. Bonizo.
Berengar. — S. Löwenfeld, Ueber
die Briefe aus der Zeit des Königs
B. XI, 599—603.
Berichte s. Mon. Germ.
Berlin, Kgl. Bibl. s. Papstbullen.
Bern v. Reichenau. — A. Holder,
Ein Brief des Abtes B. v. R, XIII,
630—632.
B e r n o 1 d. - P. S. Bäumer O. S. B.,
Der Micrologus, ein Werk B.'s v.
Konstanz XVHI, 429 — 446. 725.
Bernward v. Hildesheim, vita s.
Thangmar.
B e r t h o 1 d v. Reichenau s. Bonizo.
Besangon s. Eberhard.
Beulan s. Historia Brittonum.
Bibliotheken. — M. Manitius,
Geschichtliches aus alten Bibl.'s-
Katalogen XVI, 171 — 174; vgl.
653. — S. Archive und die Eigen-
namen.
Biographie, Vita s. die Eigen-
namen.
Blaithmaic. — H. Zimmer, B. u.
Moengal XVII, 209—211.
B o d m a n. — Pilgerreise des Johann
v. B. s. Kreuzzüge.
B o e t h i u s. — G. Schepss , Ge-
schichtliches aus Boethiushss. XI,
123-140.
Bologna. — S. Löwenfeld , Die
Universität B. und Raymund von
Pennaforte XI, 605 f. — Ders.,
Eine Berichtigung XII, 419 f.
Bonifatius. — A. Nürnberger,
Die B.-Litteratur der Magdeburger
Centuriatoren XI, 9—41 ; vgl. 412.
— Ders., Die angebliche Unecht-
heit der Predigten des h. B. XIV,
109—134. — H. Hahn, Die Namen
der Bonifazi sehen Briefe im Liber
vitae ecclesiae Dunelmensis XII,
109—127.
Bonizo. — J. v. Pflugk - Harttung,
Beitr. zur Krit. v. B., Lambert u.
Berthold XIH, 325—341. — O.
Holder -Egger, Berichtigung zur
Bonizo- u. Beno - Ausgabe XIX,
680—682.
Bonn. — M. Perlbach, Aus einem
verlorenen Codex traditionum der
Bonner Münsterkircke S. Cassius
u. Florentius XIH, 145—170.
Borgo S. Donnino s. Friedrich II.
Boulogne-sur-mer s. Frank-
reich 2).
Braunschweig. — 0. Holder-
Egger, Ueber die Chronica prin-
cipum Brunsvicens. u. die Cronica
dueum de Brunsvick XVII, 161
— 169. — S. Sachsen.
B r e s c i a. — 0. Holder - Egger, Hss.
der Bibl. Queriniana zu B. XVII,
492 f.
Briefe, Epistolae. — Vvr. "Watten-
bach, Die Abtheilung 'B.' der Mon.
Germ. XII, 239 — 245. — Dazu:
W. Gundlach, Uebersicht der ersten
Abschnitte bis zum J. 911 ebd.
245 — 283. 453 — 502. — P. G.
Meier, B. in den Hss. v. Einsiedeln
XIII, 307 f. — W. Gundlach, Der
Anhang des 3. Epp. - Bandes der
Mon. Germ., Epp. ad res Wisigotho-
rum pertinentes XVI, 9 — 48. —
Ders., Ueber die vermeintliche Un-
echtheit einiger Stücke der Epp
Langobardicae collectae des 2. An
hangs im 3. Epp.-Bande der Mon
Germ. XVIH, 653 — 663. — E
Dümmler, Briefe und Verse des
9. Jh. XIII, 343-363 ; vgl. 648 f.
XV, 627. — W. Wattenbach, Be-
706
Gesararatregister von Band XI — XX
Schreibung der Hs. cod. lat. 19411
aus Tegernsee in der Kgl. Bibl.
zu München XVII, 31-47. 642.
— P. W. Hauthaler, Die grosse
ßriefhs. zu Hannover XX, 209—
220. — S. Tironische Miscellen
u. die Eigennamen.
Britengeschichte s. Historia.
Britische Sammlung s. Papst-
briefe.
Brogne, Kl. s. Gerard v. Br.
Bruno v. Segni s. Pseudo-Udalri-
cus.
Burchard III. v. Magdeburg. —
W. Schum, Miracula Burchardi HI.
archiep. Magdeburg. XH, 586—590.
Burchard v. Ursperg s. Ursperg.
Burchard v. Worms. — M. Mani-
tius, Ueber die Vita Burchardi
episc. Wormat. XIII, 197—202.
Caesarius v. Heisterbach. — G.
Boerner, Auszug aus C. v. H. XIII,
503—515.
Calendarien s. Mariamünster,
Weissenburg.
Oambrai s. Gaugerich.
Oanonessammlungen s. Capi-
tularien, Deusdedit, Gallische Con-
cilien, Tribur. — Hss. der Collectio
canonum XII partium s. Capitu-
larien 2).
Canossa s. Lambert v. Hersfeld.
Canterbury s. Raginald.
Capitula presbyterorum s.
Capitularien 2).
Capitula ri en. — 1) V. Krause,
Die Fortsetzung der C. - Ausgabe
XVI, 421—429. — 2) Ders., Die
Münchener Hss. 3851. 3853 mit
einer Kompilation von 181 Worm-
ser Schlüssen XIX, 85—139. —
3) O. Seebass, Ueber zwei Turi-
ner Hss. des C. monasticum XLX,
217—220. — 4) G. Seeliger, Mit-
theilungen aus einer Münchener
Hs. der C. XLX, 670 — 679. —
S. Benedictus Levita, Hincmar,
Lothar I.
Catalogus pontificum. — G.
Waitz, Ueber den sog. C. Feli-
cianus der Päpste XI, 217—229.
Catalogus regum Italic or um.
— 0. Holder - Egger, C. r. I. Lu-
cens. XI, 263 f.
Centuriatoren, Magdeburger s.
Bonifatius.
C h ä 1 o n s s. Frankreich 2).
Chartres s. Frankreich 2).
Chlodovech s. Gregor v. Tours.
Chroniken s. die Eigennamen.
Clemens IL — J. v. Pfiugk-
Harttung, Das Breve Papst 0.' II.
f. Romainmötier XI, 590—594.
Clemens III. -- S. Löwenfeld,
Drei Briefe C HI. Aus dem Ar-
menischen übers, v. Karamianz.
XIV, 178-182.
Clemens IV. s. Bologna.
Clermont-Ferrand s. Frank-
reich 2).
Cluny s. Maiolus, Odilo, Odo.
Codagnellus s. Johannes C.
Codex Carolinus. — W. Gund-
lach, Ueber den C. C. XVH, 525
-566.
Codex traditionum s. Bonn.
C o e 1 e s t i n III. — R. Thommen,
Ein Nachtrag XII, 411-414.
C o 1 b a z. — G. Waitz, Ueber die
Ann. Colbaziens., Lundens. uud
ältere dänische Annalen XII, 25
—33.
Collectio de raptoribus s. Hinc-
mar.
C o 1 u m b a n. — W. Gundlach, Ueber
die C- Briefe XV, 497—526. —
Ders., Zu den C. -Briefen XVII,
425 — 429. — 0. Seebass, I
die Hss. der Sermonen u. Briefe
C.'s v. Luxeuil XVII, 243 — 259.
— S. Blaithmaic.
Computus. — L. Traube, C. Hel-
perici XVIH, 71—105. 724 f.
Concilien s. Basel, Gallische C.
Confutatio. — B. Gebhard, Die
C. primatus papae XH, 517 — 530.
Continuator Reginonis s. Regino.
C o r v e i s. Konrad HI.
C r e m o n a. — 0. Holder-Egger. Hss.
der bibl. governativa zu C. XVH,
490-492.
C u r s. Augsburg.
Dänemark s. Annalen, Colbaz,
Saxo, Sueno.
Dagobert III. — B. v. Simson,
Zu der Vita D. und den Ann.
Mettens. XV, 557—564.
Damiate. — Gesta obsidionis Da-
miatae s. Johannes Codagnellus.
Darmstadt. — 1) E. Dümmler,
Aus D.'er Hss. XI, 408—412. —
2) F. W. E. Roth, Mittheilungen aus
nach dem Inhalte der Abhandlungen.
707
D.'er Hss. XIII, 591— 602. — S.
Köln, Seligenstadt, Wedinghausen.
Deusdedit. — E. Sackur, Zu deu
Streitschriften des D. und Hugo
v. Fleury XVI, 347—386.
Dictamina. — P. Scheffer - Boi-
cliorst, D. über Ereignisse der Papst-
geschichte XVIII, 155 — 175.
Dictatus papae. — S. Löwen-
feld, Der D. p. Gregors VII. u. eine
Ueberarbeitung desselben im 12. Jh.
XVI, 193—202. — E. Sackur, Der
D. p. u. die Oanonsammlung des
Deusdedit XVHI, 135—153.
Dietrich v. Apoldas. Elisabeth.
Dietrich Engelhus. — L. v.
Heinemann, Üeber die Deutsche
Chronik u. andere histor. Schriften
des Magister D. E. XLTI, 171 —
187. — Ders., Zur Leb.ensgesch.
des Chronisten D. E. XIV, 196 f.
D i e t r i c h v. X i e m. — B. Gebhardt,
Zur Chronik des D. v. N. XIH,
225—230. — S. Hillin.
Dijon s. Frankreich 2).
Dionysius, S. — M. Manitius,
Zu der Translatio s. Dionysii Areo-
pagitae XIII, 642 — 644. —
L. v. Heinemann, Die älteste Trans-
latio des h. D. XV, 331—361.
Dirlo s. Hambach.
Disibodenb erg. — Falk, Marty-
rologium v. D. XIV, 174.
D i u r uu s - H s. s. Hadrian LI.
D i u g o s s s. Johannes D.
Dortmund. — J. Hansen, Chro-
nik der Pseudorektoren der Be-
nediktskapelle zu D. XI, 491 — 550.
Douai. — E. Sackur, Aus Hss.
von D. XV, 445-472.
Dresden. — GL Waitz u. O. Hol-
der - Egger , Aus D'er Hss. XI,
420-42."). H44. — S. Karl LV
Dur kam s. Bonifacius.
Eberbach s. Mainz.
E b e r h a r d v. B e s a n q o n. — H.
Bresslau, Urk. des Erzbischofs
E. v. B. XI, 103.
Eber hart Windecke. — W.
Altmann, Zu E. W. XVLU, 689
—692.
E b e r s h e i m. — H. Bresslau, Ueber
die Hss. des Chron. Ebersheimense
XVI, 545 — 561 ; XVHI, 724. —
Ders., Die Pariser Hs. des Chron.
Ebersh. XVIII, 309—317.
Echternach. — E. Sackur, Ne-
crolog.Epternacens. XV, 132—136.
Egidio Rossi s. Friedrich IL,
Kaiserurkk.
E g m o n d s. Adalbert.
Eid. — P. Scheffer - Boichorst, Der
Sicherheitseid unserer Könige
XVIII. 172-175.
Einhard. — E. Dümmler, E.'s
Quaestio de adornanda cruce XI,
231—238. — R. Dorr, Nachtr. zu
dem Aufs. : Beitr. z. Einhards-
frage (X, 243 ff.) XI, 475 — 488.
Dazu Xachwort von H. v. Sybel
ebd. 489. - M. Manitius, " Zu
Einharts vita Karoli XII, 205 f.
Einsiedeln s. Briefe.
Ekkebert v. Hersfeld s. Lambert.
Ekkebert v. Schönau. — Wid-
mann, Vita Ekkeberti XI, 445 —
454.
E k k e h a r d v. Aura. — M. Mani-
tius, Zu E. u. Jordanes XIII, 212
—214. — O. Hokler-Egger, Ueber
ein E.-Fragment XIV. 175 — 177.
635. — S. Heinrich IL
Elegie s. Gedichte.
Elisabeth, die h. — G. Börner,
Zur Krit. der Quellen f. d. Gesch.
der h. E. XIII, 431—515.
Engel b er g, Bibl. s. Archive.
Engelhus s. Dietrich.
England s. Ingulf, Innocenz IL
E p i g ramme u. E p i t ap h i e n. —
J. Werner, E. u. E. des 12. Jh.
XX, 641—653.
Erfurt. — W. Wattenbach, Hss.
der Bibl. Amploniana zu E. XIV,
198 f.
Exkommunikationen. — V.
Krause, E. von Kaisern u. Kö-
nigen zur Zeit des Investiturstreits
XIX, 125 f.
Falkenstein s. Kaiserurkk.
Ferrara s. Riccobald.
Flavigny s. Formeln.
Florenz. — B. Krusch, Der Fonds
Libri in F. XII, 423 f. — W. Wat-
tenbach, Codd. Ashburnham. in
F. XIV, 199 f. — S. Papstchronik.
Flores temporum des Aedituus
s. München.
Fontanella s. S. Wandrille.
Formeln u. Formularbücher.
— K. Zeumer, Neue Erörterungen
über ältere fränk. Formelsamm-
708
Gesammtregister von Band XI — XX
hingen XI, 311—358. — Ders.,
Die Lindenbruch'sche Hs. der
Formelsamml. v. Flavigny XIV,
589 — 603. - - S. Gottesurtheile,
Ludwig d. Bayer.
Foroiulienses s. Friaul.
Fortunatus s. Venantius.
Frankreich. — 1) E. Sackur,
Reise nach Nordfr. im Frühjahr
1889 XV, 437-473. — 2) B.
Krusch, Beise nach Fr. im Früh-
jahr u. Sommer 1892 XVIII, 549
-649; XIX, 11—45. 720. — Hsl.
aus Fr. s. Echternach, Heinrich TTT.,
Odilo, Odo, Verdun. — S. auch
Holland.
Franz v. Assisi. — E. Sackur,
Zu den Legenden des h. F. v. A.
XV, 597-599.
Friaul. — H. Simonsfeld, Bemer-
kungen zu den Ann. Foroiuliens.
XV, 483—495.
Friedrich I. — L. Weiland, Un-
gedruckte Urkk. F.'s I. und Bu-
dolfs I. f. S. Marien in Utrecht
XIII, 627—629. -- Ders., Verse
auf Kaiser F. I. XV, 394 f. —
P. Scheffer -Boichorst, Korrespon-
denz Fr.'s I. mit Hadrian IV.
XVIII, 163-172. — Ders., Ve-
roneser Zeugenverhör v. 1181.
Ein Beitr. zu den Regesten Kaiser
Fr.'s I. u. zur Geschichte der
Reichsburg Garda XIX, 575—596;
XX, 259. — Ders., Fr.'s Urk. f.
Ottobeuren XIX, 597—602. —
S. Ansbert, Jacob von Acqui, Jo-
hannes Codagnellus , Kreuzzüge.
Friedrich II. — F. Liebermann,
Fr. II. u. Irland XIII, 217—219.
— P. Scheffer- Boichorst, Eine
ungedruckte Urk. F.'s II. über
Borgo S. Donnino, zugleich als
Quelle des Fälschers Egidio Bossi
XX, 459—465. -- S. Kreuzzüge.
Friesland. — Ph. Heck, Der
Ursprung der gemeinfries. Rechts-
quellen u. der fries. Gottesfrieden
XVH, 567—598.
Fulda. — G. Waitz, Ueber den
1. Theil der Ann. Fuldens. XII,
41—51. — F. Kurze, Ueber die
A. F. XVII, 83-158. — S. Topo-
graphisches.
Fürstenchronik s.Braunschweig,
Sachsen.
Gallisch eConcilien. — W. Lip-
pert, Die Verfasserschaft der Ca-
nonen g. C. des 5. u. 6. Jh. XIV,
9—58. — W. Gundlach, Die Un-
terschriften in den Akten g. Sy-
noden XV, 275—291. — B. Bret-
holz, Die Unterschriften in den g.
C. des 6. u. 7. Jh. XVIII, 527
—547.
Garda, Reichsburg s. Friedrich I.
Gaugerich v. Cambrai. — B.
Krusch, Das Leben des Bischofs
G. v. C. XVI, 225-234.
G e b h a r d s. Paul v. Bernried.
Gedichte, Verse. — S. Löwen-
feld, Verse aus Hss. der Pariser
Nationalbibl. XI, 607 f. — G.
Schepps, Elegie auf ,,Xeun Schnei-
der und ein" Ei." XII, 221 f. —
L. Traube, Zu den Versen XIII,
355 ebd. 648 f. — J. Werner, Mit-
telalter!. Klagegedicht über die
Missachtung und den Verfall der
Dichtkunst XIV, 421—423. —
Ders., Latein. G. des 12. Jahrb.
XV, 396-409; vgl. XVI, 653. —
H. V. Sauerland, 2 G. an einen
Bischof aus einer Trierer Hs. XVI,
178 f. — W. Wattenbach, Beschrei-
bung einer Hs. mittelalterlicher G.
XVII, 349-384. 460. 642 ; XVIII,
724. — Ders., Beschreibung einer
Hs. [von Versen und Briefen] der
Stadtbibl. zu Beims XVIII, 491
— 526. — Verse aus einer Unders-
dorfer Hs. s. München. — S. Briefe
und die Eigennamen.
Gembloux. — M. Manitius , Zu
den metr. (lesta abb. Gemblacens.
XIII, 644 f. — S. Sigebert.
Genealogia. — W. Wattenbach,
Zur G. Karolorum XI, 631. —
A. Bethfeld, Zur G. regum Fran-
corum XII, 223—225.
Genovefa. B. Krusch, Die Fäl-
schung der Vita Genovefae XVIII,
9 — 50. — Ders., Das Alter der
V. G. XIX, 444-459.
Georg Heilmann s. Heilmann.
G e r a r d v. Brogne. — L. v. Heine-
mann, Die älteren Diplome f. das
Kl. Br. u. die Abfassungszeit der
Vita Gerardi XV, 592 — 596.
GerardusMaurisius. — H. Si-
monsfeld, Die Hss. des G. M. XII,
218 f.
nach dem Inhalte der Abhandlungen.
709
G e r h o h v. Reichersberg-. — O.
Kurth, Ein Brief G.'s v. R. XIX,
462—467.
German. Museum s. Papstbullen.
Germanus, S. — 0. Holder-
Egger, Zur Translatio S. Germani
XVIII, 274-281.
Geschichtsquellen. — ■ M. Ma-
nitius, Zu deutschen GQ. des 9. —
12. Jh. XI, 43—73. — Desgl. des
6. u. 11. Jh. s. die Eigennamen.
Gesta obsidionis Damiate s. Johan-
nes Codagnellus ; Federici imp. s.
ebd.; abbat. Fontanellens. s. S.
Wandrille; abb. Gemblacens. s.
( rembloux, Sigebert ; epp. Leo-
diens. s. Anselm.
Gieseb recht s. Mon. Germ.
G i s e n s. Johann.
Goar, S., s. Johann Gisen.
Godius s. Antonius.
G o s e c k. — F. Kurze , Zur Krit.
des Chron. Gozecense XII, 187 —
202.
Gotfried v. Vendome. — E.
Sackur, Zur Chronologie der Streit-
schriften des G. v. V. XVII, 327
— 347. — Ders., Die Briefe G.'s
v. V. im Cod. Vat. reg. 1. 59 XVIII,
666-673.
Gottes fr ieden s. Friesland, "Wan-
gerland.
Gottesurtheile. — H. Lorsch,
Formulare v. G. in einer Trierer
Hs. XVII, 612 f.
Gozechin,Gozwin. — 0. Holder-
Egger, Gozwin und Gozechin,
Domscholaster zu Mainz XIII, 11
—21; XX, 683.
G r a b o w. — W. AVattenbach, Mat-
thaeus G. XX, 661—663.
Gregor I. — L. M. Hartmann,
Zur Chronologie der Briefe G.'s I.
XV, 411—417. — Ders., Ueber die
Orthographie Papst G.'s I. XV,
527—549. Dazu: H. Bresslau, Zu-
satz über einen G. I. zugeschrie-
benen Brief (Orig. in Monza) ebd.
550 — 554. — L. M. Hartmann,
Ueber zwei Gregorbriefe XVII,
193—198. — P. M. Baumgarten,
Ueber eine Hs. der Briefe G.'s I.
XV, 600 f.
Gregor VII. — J. v. Pflugk-
Harttung, Register und Briefe
G.'s VII. XI, 141 — 172. - D.
Schäfer, Zur Datierung zweier
Briefe G.'s VII. XVII, 418-424.
Gregor XII. — J. Loserth, Zwei
Briefe G.'s XII. an den Pfalz-
grafen Ludwig vom Rhein XX,
235 f.
Gregor v. Tours. — B. Krusch, Zu
den Hss. des G. v. T. XI, 629. —
Ders., Chlodowechs Sieg über die
Alamannen XII, 289 — 301. —
Ders., Zu G.'s Schrift 'De cursu
stellarum' XII , 303 — 308.
M. Bonnet, Codex A 2 der His-
toria Francorum des G. v. T.
XII, 309 — 312. Entgegnung
v. B. Krusch XII, 312—314. —
B. Krusch, Zu M. Bonnets Unter-
suchungen über G. v. T. XVI,
432 — 434. — M. Bonnet, Zu
G. v. T. XVII, 199 — 201. -
B. Krusch, Zu G. v. T. XVII,
201—203. — Ders. Ueber die hsl.
Grundlage von G.'s Miracula XIX,
25-45.
Grenoble s. Kaiserurkk., Frank-
reich 2).
Guido v. Bazoches. — W. "VVatten-
bach, Aus den Briefen des G. v. B.
XVI, 67—113. — W. Lippert, Zu
G. v. B. u. Alberich v. Troisfon-
taines XVII, 408—417.
Hadrian IL — Th. R. v. Sickel,
Die Vita Hadriani Nonantulana u.
die Diurnus-Hs. 5 XVIII, 107—
133.
Hadrian IV. — R. Röhricht, Zur
Geschichte der Kirche S. Maria
Latina in Jerusalem XV, 203 —
206. — S. Alexander, Friedrich 1.
Hadrian V. — A. Chroust , Ein
Brief H.'s V. XX, 233 f.
Halberstadt s. Ludwig d. Fr.
H a m b a c h. — S. Löwenfeld, Leo III.
weiht die Kirchen in Hambach u.
Dirlo XI, 603-605.
H a m m e r s t e i n s. Otto v. H.
Handschriften s. die Eigen-
namen.
Hannover, Hs. s. Briefe.
Heiligenkreuz, Hss. von s.
Capitularien 2).
Heiligenleben. — F. Falk, Zu
meroving. H. XI, 617 f. — M.
Manitius. Zu metrischen H. XIH,
636—639. — Zu deutschen H. s.
Adalbert, Marinus, Gozechin. —
710
Gesamnitregister von Band XI — XX
Hss. v. H. s. München. — S. die
Eigennamen.
Heilmann, Georg. — F. W. E.
Roth, Der Mainzer Chronist G. H. ;
Bruchstück seiner Chronik XII,
421 f.
Heinrich IL — H. Bloch, Die
Urkk. Kaiser H/s IL f. Kl.
Michelsberg zu Bamberg XIX, 603
—663; XX, 684. — H. Bresslau,
Erläuterungen zu den Diplomen
H.'s IL XX, 125-176. 684.
Heinrichlll. — E. Sackur, Ein
Diplom H.'s III. XV, 136—139.
Heinrich IV. — W. Wattenbach,
Zur Vita Heinrici IV. XI, 197
„201. — W. Gundlach, Die Vita
Heinrici IV. u. die Schriften des
Sulpicius Severus XI, 289—309.
— A. Chroust, Ein ungedrucktes
Diplom H.'s IV. XVII, 430—432.
— H. Bresslau, Zur Kanzlei H.'s
IV. XIX, 683-685. — S. Liber
canomrm.
Heinrich V. — H. Bresslau, Ein
unediertes Diplom H.'s V. XIII,
215 f. — Ders., Ein Diplom u. ein
Placitum H.'s V. XX, 225—230.
Heinrich VI. — W. Schum, Un-
gedruckte Urk. H.'s VI. XVI,
184 f.
Heinrich I. v. England s. Inno-
cenz IL
Heinrich v. Diessenhoven. — H.
Simonsfeld, Zu H. v. D. XIII,
223 f.
Heinrich v. Herford s. Sachsen.
H e i r i c h v. Anxerre. — L.
Traube, Commentare des H. v.
A. XVIII, 103—105. — S. Com-
putus.
Heiisa char. — E. Bishop, Ein
Schreiben des Abts H. XI, 564
—568.
Helpericus (Heirich v. Auxerre)
s. Computus.
Hermann v. Reichenau.
J. May, Zu H. Contractus XII,
226—231.
Herrscher jähr. — Th. Momm-
sen, Das röm. germ. H. XVI, 49
—65.
Hersfeld s. Lambert, Theoderich.
Hieronymus. — B. Krusch, Zum
Martyrologium Hieronymianum
XX, 437—440.
H i 1 d e s h e i m. — H. V. Sauerland,
Fragmente der Ann. H. maiores
XIII, 623 f. — Ders., Katalog der
Bischöfe v. H. ebd. 624—626.
H i 1 1 i n v. Trier. — H. V. Sauer-
land, Der sog. Briefwechsel des
T.'er Erzbs. H. u. Dietrich v. Nie-
heims Chronik XII, 599—601.
Hincraa r v. Reims. — V. Krause,
H. v. R. der Verfasser der sog.
Collectio de raptoribus im Capitu-
lar v. Quierzy 857 XVIII, 303
—308.
Historia Brittonum. — Th.
Mommsen, Die Historia Brittonum
u. König Lucius v. Britanien XIX,
283 — 293. — H. Zimmer, Ein
weiteres irisches Zeugnis f. Xennius
als Autor der Historia Brittonum
XIX, 436-443. - Ders., Ein
weiteres Zeugnis f. d. nordwelsche
Herkunft der Samuel -Beulan-Re-
cension der Historia Brittonum
XIX, 667-669.
Historia Troiana-Romana.
— H. Simonsfeld , Compendium
h. Tr.-Romanae XI, 239—251.
Holland. — .1. Schwalm, Reise
nach H., Belgien, Nordfrankreich
u. dem Niederrhein im Sommer
1894 XX, 423-433.
H o n o r i u s IL — S. Löwenfeld ,
Ueber die letzten Tage H.' IL
XI, 595 f.
Honorius III. — R. Röhricht,
Aus den Regesten H.' III. XII,
415-418.
Hugo v. Fleury s. Deusdedit.
Jacob v. Acqui. — O. Holder-
Egger, Ueber die Hss. der Imago
mundi des J. XVII, 496—503. —
Ders., Des J. Bericht über den
Kreuzzug Fr.'s I. XVII, 503—
510.
Jerusalem. — W. Brandes, Bruch-
stück eines rhythmischen Gedichtes,
die Gesch. des Tempels zu J. betr.
XIV, 424-431. - S. HadrianIV.
Ingulf. — F. Liebermann, Ueber
ostengl. Gesch. -Quellen des 12. —
14. Jh., bes. den falschen I. XVIII,
225—267.
Innocenz IL — F. Liebermann,
Ein Brief L' IL an Heinrich I. v.
England XIV, 616 f. — O. Holder-
Egger , Ein Brief I.' IL XVII, 489 f.
nach dem Inhalte der Abhandlungen.
711
Investitur streit s. Exkommuni-
kationen, Lüttick.
Inzigkofen s. Alexander VI.
Johannes v. Cluny s. Odo.
Johannes Codagnellus. — O.
Holder -Egger, Ueber die histor.
Werke des J. C. v. Piacenza XVI,
251-346. 473—509. 654.
Johannes Dlugoss. — M. Perl-
bach, J. D.' Quellen f. die deutsche
Gesch. in seinen ersten 6 Büchern
XIV, 183-195.
Johann Gfisen v. Nastätten. —
F. Falk, J. Gr. v. N., Herausgeber
der Vita S. Cloaris 1489 XI, 195 f.
Nachtr. v. Gr. Schepss ebd. 417.
Jordan es s. Ekkehard.
Jotsald s. Odilo.
Irland s. Blaithmaic, Friedrich IL
Italien. — 1) 0. Holder -Egger,
Bericht über eine Reise nach I.
1885 XI, 253 — 288. — 2) Ders.,
Desgl. im J. 1891 XVII, 461—524.
642 ; XIX, 720. — 3) H. Simons-
feld, Bericht über einige Reisen
nach I. XV, 475-495. — S.
Antonius , Gerardus Maurisius,
Prophetieen.
Kaiserchronik s. Papstchronik,
Sachsen.
Kaiser- u. Königsurkunden ■ —
H. Bresslau, KU. im Departe-
mentalarchiv zu Grenoble XI, 98 f.
— R. Arnold, Königsurkk. des
Gräfl. Sohns - Rödelheimisch. Ar-
chivs zu Assenheim XI, 580 — 589.
— R. Thommen, Ueber einige
unechte KU. in der Schweiz XII,
161—186. 411—414. — P. Kehr,
Die KU. des Vatican. Archivs
XIV, 343—376. — A. Chroust,
Unedierte Königs- u. Papsturkk.
XVI, 135-168. - F. W. E.
Roth, Deutsche KU. XVI, 435 f.
— Ders., KU. u. Reichssachen
1205—1424 XVI, 632-635. —
G. v. d. Ropp, Urkk. zur Reichs-
gesch. aus einem Falkensteiner
Kopialbuch XVI, 624—631. —
H. Bresslau , Vier ungedruckte
Königsurkk. des 11. u. 12. Jh.
XVII, 433-439. — P. Scheffer-
Boichorst, Egidio Rossi und seine
Nachahmer XX, 187—196. —
Ders., Texte und Auszüge unge-
druckter Urkk. der Staufer XX,
196—205. — W. Erben, Nachträge
zu dem 2. Bd. der Diplomat a-
Ausgabe XX, 355-371. — S.
Bauffremont, Gerard v. Browne
und die Kaisernamen.
Kanzlei der Deutschen Könige s.
Heinrich IL, Heimich IV., Lud-
wig der Bayer.
Kanzlei, päp st 1. — W. Altmann,
Bruchstücke aus dem Libercancell.
apost. nach einer bisher unbe-
kannten Hs. XV, 418-422. —
R. Davidsohn, Das Petitionsbureau
der päpstl. Kanzlei am Ende des
XII. Jh. XVI, 638 f.
Karl d. Gr. — F. Falk, Zur Visio
domni Karoli XI, 617. — S. Codex
Carolinus, Einhard, Naso.
Karl IV — H. Bresslau, Regi-
straturbuch K.'s IV. im Dresdener
Archiv XI, 95—97. — E. Stein-
dorff, Eine unedierte Urk. K.'s IV.
XVIII, 679 f. -- J. Becker, Zu
den RegestenK's IV.XX, 657—660.
Karolinger. — M. Manitius, Zu
karoling. Gedichten XI, 553— 563.
— Ders. , Zur karoling. Poesie
XVI, 175—177. — Ders., Zu ka-
roling-. Dichtern XVII, 614—616.
— E. Dümmler, Ermahnungs-
schreiben an einen K. XIII, 191
— 196. — L. Traube, Eine karol.
Quaestio : Quid sit ceroma XVIII,
99—102. 724 f. — F. Kurze, Ueber
die karol. Reichsannalen v. 741 —
829 u. ihre Ueberarbeitung XIX,
295-339; XX, 9—49. 683. —
5. Genealogia.
Kirchengeschichte des 5. u.
6. Jh. — Th. Mommsen, Acten-
stücke zur K. aus dem Cod. Cap.
Novar. 30 XI, 361—368. Nachtr.
v. P. Ewald ebd. 644.
Koblenz s. Trier.
Köln. — A. Schmidt, Seelstiftungen
aus dem Mariengradenstift XIII,
603—606. — Ders., Urkk., Ein-
künfte , Schatzverzeichnisse aus
S. Georg ebd. 614—622. — Hss.
s. Capitularien 2), Tironisch. —
S. Anno.
Königshof en. — C. Hegel, Ueber
die wiedergefundene Hs. v. K.'s
Chronik XII, 207 f.
Konrad III. P. Kehr, Die
Purpururk. K.'s HI. f. Corvei XV,
712
Gesamnitregister von Band XI — XX
363—381. — W. Schum, Bemer-
kungen zu einigen Diplomen Kon-
rads HI. XVII, 619 f. — S. Pisa.
Konrad IV. — E. Friedländer,
Eine ungedr. ürk. K.'s IV. XV,
410.
Konstanz s. Augsburg.
Kreuzzüge. — R. Röhricht, Zur
Gesch. der K. XI, 571—579. -
S. Ansbert, Jacob v. Acqui, Oliver.
Kryptographie s. Tironisch.
Lambert v. Hersfeld. — 0. Holder-
Egger, Studien zu L. v. H. XIX,
141—213. 369-430. 507—574.
— S. Bonizo, Rahewin.
Lamfred v. Mozac. — B. Krusch,
Aufzeichnung des Abts L. v. M.
über K. Pippins Beziehungen zu
seinem Kloster XIX, 17— 25.
L a n d recht, Oberbairisches. —
L. v. Rockinger, Eine Rechtshs.
der Bibl. des Benediktinerstifts
S. Peter zu Salzburg XVIH, 318
—328.
Langobarden s. Briefe, Paulus
I Haconus.
Laon s. Frankreich 2).
Lateinisch. — K. Hegel, Latein.
Wörter u. deutsche Begriffe XVIH,
207—223. - S. Gedichte.
Legendarium. — B. Krusch, Das
grosse Trierer L. XVIII, 618—
628.
L e g e s. — K. Lehmann, Zur Ausgabe
dir Lex Ribuaria (LL. V) XI,
414—416. • • Ders., Der Cod.
Paris. Lat. nouv. acq. 204 XH,
579—585. — M. Conrat (Colin),
Zur L. Romana Raetica Curiens.
XV, 202.
Le Mans s. Frankreich 2).
Leo III. s. Hambach.
Leodegar. — B. Krusch, Die
älteste Vita Leudegarii XVI, 563
—596.
Li bell us tristitiae s. Mailand.
L i b e r c a ncellariae s. Kanzlei,
päpstl.
Liber canonnm. — F. Thaner,
Zum L. c. contra Heinricum IV.
XVI, 528—540.
Liber diurnus s. Hadrian II.
Libervitae s.Bonifaz, Remiremont.
Libri feudorum. — K. Lehmann,
Die 1. f. XVI, 387—418.
Libri, Fonds s. Florenz.
Lindenbruch s. Formeln.
Livin. — 0. Holder-Egger, Zu den
gefälschten L. -Versen XVI, 623.
Lombardenbund. — 0. Holder-
Egger, Rhythmus auf den Sieg
des L. vom J. 1175 XVII, 493
—496.
London s. Archive.
Lorenz, Ottokar s. Mon. Germ.
Lothar I. — W. Lippert, Das
Capitulare des Kaisers Lothar I.
v. J. 846 XH, 531—541.
Lucca s. Catalogus reg. Ital.
Lucius, König s. Historia Brittonum.
Ludwig der Bayer. — H. Bresslau,
Formulare aus der Kanzlei L.'s
d. B. XIV, 432 — 434. — G.
Leidinger, Zur Vita Ludovici IV.
XIX, 686-692.
Ludwig der Deutsche. — E. Dümm-
ler, Theologisches Gutachten für
L. d. D. XI, 457—459.
Ludwig d. Fromme. — E. Mühl-
bacher, Die Urk. L.'s d. Fr. f.
Halberstadt XVIH, 282—293.
Ludwio-, Pfalzgraf v. Rhein s.
Gregor XII.
Lüttich. — E. Dümmler, Gedichte
zur Gesch. des Investiturstreits im
Bisthum L. XI, 175—194. 413.
644. — Ders., L.'er Briefe XHI,
360—363. — S. Rupert, Wazo.
L u 1 1 u s , vita s. Lambert.
L u n d s. Colbaz.
Lyon s. Archive.
Magdeburg. — P. Simson, Zu den
ältesten M.'er Gesch.-Quellen XIX,
341—368. — S. Burchard III.
Mailand. — E. Dümmler, Gedicht
über die Zerstörung M.'s XI, 466
— 474. — Libellus trist, et dol.
Mediol. s. Johannes Codagnellus.
— S. Paul v. Bernried.
Mainz. — Widmann, Die Eber-
bacher Chronik der M.'er Erz-
bischöfe XIII, 119—143. — F.
W. E. Roth, Eine Mainzer Chronik
XVII, 212 f. — F. Falk, Necro-
logia Moguntina XIX, 693—704.
— S. Gozechin, Heilmann.
Majolus v. Cluny. — E. Sackur,
Noch einmal die Biographieen des
M. XII, 503—516. — Ders., Ein
Schreiben über den Tod des M. v.
C. XVI, 180 f. — W. Schultze,
Noch ein AVort zu den Biogr. des
nach dem Inhalte der Abhandlungen.
713
M. XIV, 545—564. — L. Traube,
Abermals die Biogr. des M. XVII,
402—407.
Marculf s. Formeln.
Mariamünster. — F. Falk, Calen-
darium v. M. XIV, 173 f.
Mariengr adenstift s. Köln.
Mar in us. — 0. Holder- Egger,
Ueber die [Vitae der] Heiligen
Marinus und Annianus XIII, 22
—28.
Martin, d. h. — E. Dümmler,
G-edichte auf den h. M. XI, 460
— 466. -- S. Sulpicius Scverus.
Martin v. Troppau. — 0. Hol-
der-Egger, Hss. des M. v. Tr.
XI, 267-274; XVII, 521—523.
Martyrologiums. Disibodenberg,
Hieronymus.
M a 1 1 h a e u s s. Grabow.
Maurisius s. Gerardus.
Melanins. — "W. Lippert , Zur
vita M. XIV, 50-58.
Merlin s. Prophetieen.
M e r o v i n g e r. — H. Bresslau, Der
Titel der M.-KöDige XII, 353—
360. — S. Heiligenleben.
Metz s. Dagobert.
Michelsberg, Kl. s. Heinrich II.
Microlog us s. Bernold.
M i r a c u 1 a s. Burchard III.
Modoin v. Antun s. Naso.
M o e n g a 1 s. Blaithmaic.
Monumenta Germania e. —
Berichte über die 11. — 20. Plenar-
versammlung XI — XX, 1 ff . —
Satzungen und "Wahlordnungen
XVII, 624 — 627. — G. Waitz,
Ein Bericht aus dem J. 1884 XIII,
259 — 268. — W. Wattenbach,
Ottokar Lorenz und Georg AVaitz
XIII, 249—258. — E. Dümmler,
Waitz und Pertz XIX, 269-282.
— Briefe W. von Giesebrechts an
G. H. Pertz aus den JJ. 1843—
1847 XVII, 9-29. — S. Briefe.
Monza s. Gregor I.
Mozac s. Lamfred.
München. — O. Holder -Egger,
Aus M.'er Hss. XIII, 557—587.
— S. Briefe, Capitularien.
Naso. — E. Dümmler, N.'s (Mo-
doins) Gedichte an Karl d. Gr. XI,
75—91.
Xastätten s. Johann.
Neurologien s. die Eigennamen.
Nennius s. Historia Brittonum.
Niederrhein s. Holland.
Nonantula s. Hadrian IL
Novara s. Kirchengesch.
Oberbayern s. Landrecht.
Obizo. — S. Löwenfeld, O. Ma-
gister und Arzt XI, 606 f.
Odilo v. Cluny. — E. Sackur, Zu
Jotsaldi Vita Odilonis und Verse
auf O. XV, 117—126.
Odo v. Cluny. — E. Sackur, Zur
Vita Odonisabb.Cluniacens. auctore
Johanne XV, 105—116.
Oliver. — H. Hoogeweg, Eine neue
Schrift des Kölner Domscholasters
0. XVI, 186—192.
Onulf v. Speier. — M. Manitius,
Zu O.'s v. Sp. Bhetorici colores
XX, 441-443.
0 r i g o gentis Langobardorum s.
Paulus Diaconus.
Orleans s. Frankreich 2).
Orti Manara s. Verona.
Ostersynode. — S. Löwenfeld,
Ein Actenstück aus der 0. von
1078 XIV, 618—622.
Ostgothen. — Th. Mommsen,
Ostgoth. Studien XIV, 223—249.
451—544; XV, 181— 186. — F.
Wrede, Zwei ostgoth. Miscellen
XV, 583 f.
Otto I. — B. v. Simson, Zum Pri-
vilegium Ottonianum für die Rö-
mische Kirche XV, 575—579. —
W. Erben, Eine angebliche Urk.
O.'s 1. für das Kl. Hott XX, 357
359
Otto III. — ^Y. Erben, Eine Ver-
wechseluno- O.'s III. mit 0. TV.
XX, 359—365. — Ders., Das Vor-
ladungsschreiben O.'s IH. an Abt
Kerhard von S. Gallen XX, 365
-371.
Otto IV. s. Otto III.
Otto v. Bamberg. — A. Heisen-
berg, Ueber ein Fragment des
Anonymus Canisii de vita Ottonis
XIX, 460 f.
Otto v. Hammerstein. — Hans F.
Helmolt, Zu O. v. H. XX, 221 f.
Ottobeuren s. Friedrich I.
Ottokar's Reimchronik. — J. See-
müller, Aus dem Strein'schen
Nachlass XVIH, 681—688.
Papstbriefe und -Urkunden.
— S. Löwenfeld. Elf P. XI, 369
714
Gesarnmtregister von Band XI — XX
—388. — Ders., P. in der Kgl.
Bibliothek zu Berlin XI, 609
_616. _. F. Falk, 2 Papst-
regesten ebd. 617. — W. Watten-
bach, P. im German. Museum XII,
408—410. — Th. Mommsen, Be-
merkungen zu den P. der Brit.
Sammlung XV, 187 f. - H.
Bresslau, Desgl. ebd. 189—193.
— Th. Mommsen, Die P. bei
Beda XVII, 387—396. — R.
Davidsohn , Process wegen Fäl-
schung einer päpstl. Bulle 1216
XIX, 232—235. — S. Kaiserurkk.
und die Papstnamen.
Papst- und Kais er ehr o nik.
— O. Holder -Egger, P.- u. K.-
Ohr. 1294 XI, 274-277. — Ders.,
Aus einer Florentiner P.- u. K.-
Ohr. XVII, 511—518. 642.
Papstregesten s. Papstbriefe.
Paris. W. Wattenbach, Er-
werbungen der Nationalbibl. in
P. v. 1875—1891 XIX, 241—246.
— Canoneshss. s. Capitularien 2) ;
Bibliotheken s. Frankreich 2). —
S. auch Ebersheim, Gedichte,
Leges.
Passau s. .Salzburg.
Passio S. Afrae s. Afra.
Paulina, Paulinzelle. — J.
Dieterich , Ueber P.'er Urkk. u.
Sigeboto's Vita Paulinae XVIII,
447-489.
Paul v. Bernried. — J. May,
Leben P.'s v. B. XII, 333-352.
— M. Hermann, P. u. Gebhard
v. B. u. ihre Briefe an Mailänder
Geistliche XIV, 565—588.
Paulus Diaconus. — L. Schmidt,
P. D. u. die Origo gentis Lango-
bardorum XIII, 391—394. —
L. Traube, Zu den Gedichten des
P. D. XV, 199—201. — E.
Dümmler, Desgl. XVII, 397—401.
— K. Neff, Zur Frage nach den
Quellen der Historia Langobar-
dorum XVII, 204—208. — S.
Topographisches.
Pennaforte, Raymund v. s. Bo-
logna.
Pertz s. Mon. Germ.
Petitionsbureau s. Kanzlei,
päpstl.
Petrus v. Ebulo. — E. Sackur,
Zu P. de E. XV, 387—393.
Petrus v. Riga. — E. Dümmler,
Zu P. v. R. "XX, 231 f.
Piacenza. — Ann. Piacentini
Gibellini s. Johannes Codagnellus,
A. PI. Guelfi ebd.
Pippin s. Lamfred.
Pisa. — L. v. Heinemann, Ein un-
bekannter Brief der Pisaner an
König Konrad IH. XVI, 182 f.
P o e ld e , Annalen s. Dietrich Engel -
hus.
Praeiectus. — B. Krusch , Die
älteste vita Praeiecti XVIII, 629
-649.
Privilegiu m s. Otto I.
P r o p h e t i e e n. — O. Holder-Egger,
Italienische Pr. XV, 141— 17s.
Provence. — H. Fitting, Zum
Streit um die Grafschaft P. im
12. Jh. XIX, 228—231.
Prüfe ning, Hss. und Schatzver-
zeichnisse s. München.
Prüm s. Annalen, Regino.
Pseudorektoren s. Dortmund.
Pseudo-Theodorus. — E. Seckel,
Die Petit'schen Capitula Pseudo-
Theodori XX, 328—351.
'Pseudo-Udalricus. — J. Lo-
serth, Zu Ps.-U.' 'De continentia
clericorum' u. zu Bruno's v. Segni
'De Symoniacis' XX, 444—449.
Quedlinburg, Ann. s. Venantius.
Q u i e r z y s. Hincmar.
R a d u i n , Mönch zu S. Remi. -
O. Holder-Egger, Visio Raduini
XI, 262 f.
Raginaldv. Cauterbury. — F. Lie-
bermann, [Gedichte des] R. v. 0.
XIII, 517—566.
Rahewi n. — W. Gundlach, Zu R.
XI, 569 f. — M. Manitius, Zu R.,
Ruotger u. Lambert XII, 361 —
385.
R a y m u n d v. Pennaforte s. Bologna.
Rechts quellen s. Friesland,
Westgothen.
Regensburg. — Chronikenhss. u.
Güterverzeichnisse v. S. Emmeram
s. München.
Regesten s. Friedrich I., Honorius
III. , Karl IV. , Papsturkunden,
Staufer.
Regino v. Prüm. — F. Kurze,
Hsl. Ueb erlief er ung und Quellen
der Chronik R.'s und seines Fort-
setzers XV, 293—330. — W.
nach dem Inhalte der Abhandlungen.
715
Erben, Zu der Fortsetzung des R.
v. P. XVI, 613—622.
Register s. Gregor I., Gr. VII.,
Karl IV., Ruprecht.
R e i c h e n a u s. Bern.
R e i m s. — Br. Krusch , Reimser
Remigiusfälschungen XX , 509 —
568. — S. Frankreich 2), Gedichte,
Hincmar.
Reinhardsbrunn. — 0. Holder-
Egger, Ueber die Chronik von R.
und ihre verlorenen Quellen XX,
571-637. — S. Elisabeth, Thü-
ringen.
Reiseberichte s. Frankreich,
Holland, Italien.
Remigius s. Reims.
Remiremont. — A. Ebner, Der
Liber vitae und die Neurologien
von R. in der Bibl. Angelica zu
Rom XIX, 47—83.
R e n s e. — L. "Weiland , Ueber
die Sprache u. die Texte des Kur-
vereins u. des Weisthums v. Rense
XVIII, 329-335.
Riccobald v. Ferrara. — 0.
Holder - Egger , Hss. der Werke
des R. v. F. XI, 277—287.
Richard v. Cornwall. — ■ F.
Liebermann, [Briefe über] R.'s erstes
Jahr und Wahl zum röm. Senator
XIII, 219-222.
Roduifus Glaber. — E. Sackur,
Studien über R. G. XIV, 377—418.
Römische Kaisererlasse. —
Th. Mommsen, Eine Erwiederung
XIX, 433-435.
Rom. — O. Günther, Krit. Beitr.
zu den Akten der röm. Synode
v. 12. April 732 XVI, 235—
249. — H. Bresslau, Necrolo.o-.
eccl. S. Mariae trans Tiberim XI,
99—101. - - 0. Holder - Egger,
Die Hss. der Bibl. Vittorio
Emanuele XVII, 481—483. —
Ders., Hss. der Bibl. Palatina im
Vatican XVII, 484—487. — S.
Königsurkk., Remiremont.
Romainmotier s. Clemens II.
R o s s i , Egidio s. Friedrich IL,
Kaiserurkunden.
Rott, Kl. s. Otto I.
Ronen s. Frankreich 2).
Rudolf I. s. Friedrich I.
Rudolf v. St. Trond. — F. W. E.
Roth, Ein Brief des Chronisten
R. v. St. T. an Rupert v. Deutz
XVII, 617 f.
R u o t g e r ,Vita Brunonis s. Rahewin.
Rupert v. Deutz. — M. Manitius,
Zu Ruperti chronicon S. Laurentii
Leodiens. XIII, 639 — 642. —
S. Rudolf v. St. Trond.
Ruprecht. — R. Sternfeld, Ein
Brief König R.'s XVI, 636 f. —
G. Seeliger, Aus R.'s Registern
XIX, 236-240.
Sachsen. — L. v. Heinemann,
Ueber ein verlorenes sächs. An-
nalenwerk XIII, 33—59. — O.
Holder - Egger , Ueber eine er-
weiterte Recension der chronica
principum Saxonie und verlorene
Ann. von S. Blasien in Braun-
schweig XVII, 169—176. — Ders.,
Ueber die cronica Saxonum bei
Heinrich v. Herford XVH, 177
— 184. — E. Bernheim, Die
sagenhafte s.'sche Kaiserchronik
aus dem 12. Jh. XX, 51—123.
684.
Sachsenspiegel s. Landrecht.
Salzburg. — S. Herzberg-Fränkel,
Ueber die necrolog. Quellen der
Diöcesen S. u. Passau XIII, 269
— 304. — Ders., Ueber das älteste
Verbrüderungsbuch von S. Peter
in S. XII, 53—107. — S. Land-
recht.
Samuel ß e u 1 a n s. Historia Brit-
tonum.
Saint B e r t i n. — VT. Wattenbach,
Zu den Ann. Bertiniani XVI, 607
- 609.
S. 0 m e r s. Frankreich.
S. Vaast. — Th. Mommsen, Zu
den Ann. Vedastini XVI, 430 f.
S. Van nes s. Verdun.
S. AV a n d r i 1 1 e. — 0. Holder-Egger,
Zu den Gesta abb. Fontanellens.
XVI , 602—606.
SainteGenevieve zu Paris, Bibl.
s. Frankreich 2).
San Germano. — C. Rodenberg,
[Briefe über] die Vorverhandlungen
zum Frieden v. S. G. 1229—1230
XVHI, 177-205.
Sanct Blasius in Braunschweig
s. Sachsen.
S. C a s s i u s u. Florentius s. Bonn.
S. Emmeram zu Regensburg s.
München.
716
Gesamnitregister von Band XI — XX
S Gallen. — E. Dümmler, Aus
S. (x.'er Hss. XI, 404-407. - S.
Otto III.
S. Georg s. Köln.
S. Lorenz zu Lüttich s. Rupert.
S. Maria s. Köln, Rom; S. M. La-
tina zu Jerusalem s. Hadrian IV.;
S. M. zu Utrecht s. Friedrich I.
S. Max im in s. Trier.
S. Peter s. Landrecht, Salzburg-,
SaxoGrammaticus. — G.AVaitz,
Quellen des S. G. XII, 17—25.
— P. Hasse, Das Angers'sche Frag-
ment des S. G. XII, 315 — 332. —
0. Holder -Egger, Zur Textkrit.
des S. und Sueno Aggeson XIV,
135—162.
Schaffhausen, Hs. der Vita Co-
lumbae s. Blaithmaic.
Schweiz s. Kaiserurkk.
S eck au. — P. AV. Hauthaler 0. S.
B. , Notae Seccovienses XVIII,
674—678.
Seligenstadt. — A. Schmidt,
Zinsregister u. Urkk. v. S. XIH,
607—613. — F. Falk, Xecrolog.
v. S. XIV, 173.
Semur s. Frankreich 2).
Sendgericht, Anleitung zur Ab-
haltung s. Capitularien 2).
S e r m o synodalis s. Capitula-
rien 2).
Sibyllen s. Prophetieen.
Siena. — 0. Holder - Egger, Ann.
Senens. XI, 2,s7 f.
Sigebertv. Gembloux. — M. Ma-
nitius, Zu S.'s Gesta abb. Gem-
blacens. XIII, 209—211. — S. Ve-
nantius.
Sigeboto s. Paulina.
St auf er. — P. Scheffer-Boichorst,
Beitr. zu den Regesten d. stauf.
Periode XX, 177—205. — S. Bauf-
fremont, EgidioRossi, Kaiserurkk.
Strabo s. AValahfrid.
Strein s. Ottokar.
Streitschriften s. Liber canonum
und die Eigennamen.
Stuttgart. — L. Weiland, Hss. der
vormaligen Kgl. Handbibl. in St.
XV, 385 f.
Sueno A g g o ni s. — G. Waitz, Der
Text des S. A. XH, 13—17. —
S. Saxo.
Sulpicius Severus. — M. Mani-
tius, Zur Gesch. von S. S.' Schriften
über S. Martin im MA. XIV, 165
— 170. — Ders., Zur Benutzung
des S. S. im M. A. XV, 194-196.
— S. Heinrich IV.
Synoden s. Ostersynode 1078, Rom,
Tribur. Turin. — Sermo synodalis
s. Capitularien 2).
T al loire s. — H. Bresslau. Necrolog.
v. Kl. T. bei Annecy XI, 102 f.
Tegernsee. — L. v. Heinemann,
Zur Krit. T.'er Gesch. - Quellen
XII, 143 — 160. — S. Briefe,
Otto III.
Thangmar. — M. Manitius, Zu
Th.'s Vita Bernwardi XIII, 208 f.
Theoderich v. Hersfeld [Amor-
bach]. — G. Schepss, "Würzburger
Hs. zu Th. v. H. XIX, 221.
Theoderich v. Metz s. Venantius.
Thessalonich, Sammlung von,
s. Rom. Kaisererlasse.
Thietmar. — F. Kurze, Abfassungs-
zeit u. Entstehungsweise der Chro-
nik Th.'s XIV, 59—86. — Ders.,
Nachlese zur Quellenkunde Th.'s
XVI, 459—472.
Thüringen.— O. Holder - Egger,
Ueber die Thüring. Landgrafcn-
gesch. XX, 376—421. — S. Elisa-
beth, Reinhardsbrunn.
T ironisch. — W. Schmitz, Zur
Erklärung der tiron. Noten in
Hss. der Kölner Dombibl. XI,
109 — 121. — Ders., Tironisches u.
Kryptographisches XV, 197 f. —
Ders., Tir. Miscellen XV, 602
—607.
Topographisches. — A. Chroust,
Top. Erklärungen zu einigen Stellen
in den Mon. Germ. XV, 585 — 591.
Translatio s. Benedictus, Diony-
sius, Germanus.
Tribur. — V. Krause, Die Acten
der T.'er Synode 895 XVII, 49—
82. 281—326. — Ders., Die T.'er
Acten in der Chälons'er Hs. XVHI,
411 — 427. — E. Seckel, Zu den
Acten der T.'er Synode 895
XVHI, 365— 409; XX, 289—353.
Trier. — H. V. Sauerland, Aus
Hss. der T.'er Seminarbibl. XATI,
601-611 ; XVIII, 724. — H. Bress-
lau, Cartular von S. Maximin im
St.-Archiv zu Koblenz XI, 99. -
S. Archive, Gedichte, Gottesur-
theile, Legendarium, Udo, Wenrich.
nach dem Inhalte der Abhandinngen.
717
T r o j a n e r s a g e s. Historia.
Turin. — Tb. Mommsen, Die Sy-
node v. T. XVII, 187—192. —
S. Capitularien.
Udalrich v. Babenberg. — E.
Dümmler, Zu U. v. B. XIX. 222
-227. 720.
Udo v. Trier. — 0. Holder - Egger,
Ein Brief des Erzbischofs U. v. T.
XVII, 487-489; XIX, 720.
U n d e r s d o r f , Hs. s. München.
Ungarn. — U. v. Heinemann, Zur
Krit. ung. Gresch. - Quellen im Zeit-
alter der Arpaden XIII, 61—74.
— S. Aventin.
Urkunden. — W. "Wattenbach, U.
u. andere Aufzeichnungen XI, 389
—403; vgl. 644. — S. Kaiser-,
Papsturkk. u. die Eigennamen.
Urs]) erg. — Th. Lindner, Zum
Chron. Ursperg. XVI, 115-134.
— S. Wipo.
Utrecht, S. Marien zu, s. Fried-
rich I.
Vatican s. Rom.
Vedastini, Ann. s. S. Vaast.
Venantius Fortunatus. — M.Ma-
nitius, Zu Fort., den Ann. Qued-
linburg, und Sigeberts Vita Deo-
derici XII, 591—596. — Ders..
Zu V. F. XIII, 634 f.
Venedig. — R Röhricht, Ein
Brief über die Gresch. des Frie-
dens v. V. (1177) XVII, 621—623.
H. Simonsfeld, Noch einmal
die kurzen Venezianer Ann. XX,
450 — 458. — Chronik s. Historia
Troiana.
Verbrüderungsbuch v. S. Peter
s. Salzburg.
Verdun. — E. Sackur, Necrologium
S. Vitoni Virdunens. XV, 126 -
132. Dazu: "W. Lippert XV, 608
—610.
Verona. — Ct. Sommerfeldt, Der
Chronist des Orti Manara XX,
466—480. — S. Friedrich I.
Verse s. Gedichte.
Vicenza s. Antonius Grodius.
Vienne. — "W. Gundlaeh, Die
Epistolae Viennenses u. die älteste
Vienner Chronik XX, 261 — 287.
— S. Arles.
V i s i o s. Karl d. Gr., Raduin, Wa-
lahfrid.
Vita s. Heiligenleben u. die Eigen-
namen.
"Waitz s. Mon. Germ.
"Wal ah fr id Strabo. -- K. Plath,
Zur Entstehungsgesch. der Visio
"Wettini des "W. XVII, 261-279.
— L. Traube, Zu W. St.'s De ima-
gine Tetrici XVIII, 664 f.
Wange rland. — Ph. Heck, Wan-
gerl. Grottesfrieden XVII, 597 f.
Wazo v. Lüttich. — W. Watten-
bach, Ein Brief des Bischofs "W.
v. L. XX, 223 f.
"We ding hau sen. — A. Schmidt,
2 Urkk. aus Kl. W. XIII, 606 f.
Weissenburg. — Fr. Falk, Calen-
darium v. W. XIV, 174.
"Wen rieh. — F. Thaner, Zu Wen-
rici scholastici Trevirens. epistola
XVI, 540-543.
Westgothen. — K. Zeumer, Eine
neuentdeckte westg-. Rechtsquelle
XH, 387-400. — S. Briefe.
"Wetti s. Walahfrid.
W i d u k i n d. — B.v. Simson, Zur Krit.
des AV. XII, 597 f. — Ders., Ueber
die versch. Texte des W. XV, 565
—575. — K. E. H. Krause, Zu
"W. I, 12 XVI, 610-612.
"Wiesbaden. — Widmann, Kleine
Mittheilungen aus Wiesbadener
Hss. XI, 619-628.
Windecke s. Eberhart W.
Wipo. — B. v. Simson, Zu W.. den
Ann. Altahenses, dem Chron.
Ursperg. XIV, 607-615.
Wolfenbüttel. -- Gr. Waitz und
O. Holder -Egoer, [Aus Hss. von]
Wolfenbüttel XI, 418-420.
Wormss. Burchard, Capitularien 2).
Würzburg s. Heinrich IL, Theo-
derich v. Hersfeld.
Xanten. — H. Steffen, Beitr. zur
Krit. der X.'er Jahrbücher XIV,
87-108.
Zinsregfister s. Seligenstadt.
Neues Archiv etc XX.
47
DD
2
G32'
Bd. 20
Gesellschaft für Ältere
Deutsche Geschieht skunde zur
Beförderung einer Gesamm-
t ausgäbe der Quellenschriften
Deutscher Geschichten des
Mittelalters
Neues Archiv
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