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Full text of "Neues Archiv"

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Neues  Archiv 


der 


Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde 


Beförderung  einer  Gesammtausgabe 
der  Quellenschriften   deutscher  Geschichten   des  Mittelalters. 


Vierundzw^anzigster  Band. 


'^^ 


Hannover  und  Leipzig. 

Hahn  sehe    Buchhandlung. 

1899. 


Hannover.    Druck  von  Friedrich  Ciilemann. 


1  n  li  a  1 1. 

Seite 
I.     Bericht  über  die  vierundzwanzigste  Plenarversamm- 
lung  der  Centraldirection  der  Monumenta  Germaniae. 

Berlin  1898 1-12 

II.     Zum    westgothischen    Urkundenwesen.      Von    Karl 

Zeuraer 13 — 38 

III.  Geschichte    der    westgothischen    Gesetzgebung.     II. 

Von   Karl   Zeumer 39-122 

IV.  Urkunden  und  Forschungen  zu  den  Regesten  der 
staufischen  Periode.  Von  Paul  Scheffer- 
Boichorst 123—229 

V.     Die    Anfänge    der    polnischen    Annalistik.     Von   M. 

Perlbach 231-285 

VI.     Zur  Afralegende    und  zum  Martyrologium  Hierony- 

mianum.     Eine  Entgegnung    von  Bruno  Krusch     287 — 337 

Vn.     Miscellen : 

Der  Novellenauszug  De  ordine  ecclesiastico, 
eine  Quelle  des  Benedikt  Levita.  Von  Max 
Conrat    (Cohn) 3il-348 

Ueber  eine  Quelle  der  römischrechtlichen  Texte 
bei  Hinkraar  von  Rheims.  Von  Max  Con- 
rat   (Cohn) .     349-357 

Drei    rheinische    Papsturkunden.      1147  —  1152. 

Von  Julius  V.  Pf lugk-Harttung      .     .     358—366 

Nachrichten 367-397 

VIII.     Die      wiederaufgefundene     Vorlage      der      Annales 

Mettenses.    Von  B.  v.  Simson 399—424 

IX.     Die  Jahrbücher   von  Reichenau   und    der  Fortsetzer 

Regino's.    Von  F.  Kurze 425—456 

X.     Verzeichnis     der    Akten    fränkischer    Synoden    von 

742  —  843.    Von  Albert  AVerminghoff     .     .     .     457—502 


VI  Inhalt. 

Seite 
XI.     Briefe  zur  Geschichte  des  13.  Jahrhunderts  aus  einer 

Durhamer  Handschrift.    Von  K.  Hampe  .     .     .     ,     503—532 
XII.     Zur  Florians-  und  Lupus-Legende.    Eine  Entgegnung 

(Fortsetzung)  von  Bruno  Kruse h 583—570 

XIII.  Geschichte   der   westgothischen    Gesetzgebung.     III. 

Von  Karl  Zeumer 571—630 

XIV.  Ueber    die   Entstehungszeit    und   die   Einheitlichkeit 

der  lex  Saxonum.    Von  Walther  Schiicking      .     631—670 
XV.     Fundationes  monasteriorum  Bavariae.     Von  Georg 

Leidinger 671—717 

XVI.     Miscellen : 

Zu  Nennius.    Von  LudwigTraube     ,     .     .     721—724 
Eine  Urkunde  des  Bischofs  Adaiger  von  Worms 

vom  Jahre  1014.  Mitgetheilt  von  H.  B  r  e  s  s  1  a  u     725—727 
Ein  Schreiben  Odilo's  von  Cluni  an  Heinrich  III. 
vom  October  1046.     Mitgetheilt   von  Ernst 

Sackur 728-735 

Forliveser     Annalen     des      Pietro     Ravennate. 

Von  F.  Güterbock 736—742 

Nachrichten 743—786 

Berichtigungen 786 

Register 787—799 


I. 
Bericht 

über  die 

vierundzwanzigste  Plenarversammlung 

der  Centralclirection 

der 

Monumenta  Germaniae 
Berlin  1898. 


Neues  Archiv  etc.    XXIV. 


Uie  24.  Plenarversammlung  der  Centraldireetion  der 
Monumenta  Germaniae  historica  wurde  in  diesem  Jahre 
vom  18.  bis  20.  April  in  Berlin  abgehalten.  Durch  Er- 
krankung -vrarde  Herr  Geheimerath  von  Hegel  in  Erlangen 
an  der  Theilnahme  verhindert.  Die  Herren  Prof.  Dove 
in  Freiburg  und  Hofrath  Maassen  in  Innsbruck  hatten 
als  Vertreter  der  Münchener  bezw.  Wiener  Akademie  frei- 
willig ihr  Mandat  niedergelegt.  Herr  Geheimerath  Watt  en- 
bach  war  uns  am  20.  September  1897  durch  den  Tod 
entrissen  worden.  An  der  Versammlung  betheiligten  sich 
demnach  die  Herren  Prof .  B  r  e  s  s  1  a  u  aus  Strassburg.  Geh. 
Justizrath  Brunn  er,  Geheimerath  Dum  ml  er  als  Vor- 
sitzender. Prof.  Holder-Egger,  Prof.  ßitter  Luschin 
von  Ebengreuth  aus  Graz.  Prof.  Mommsen,  Prof. 
Mühlbacher  aus  Wien.  Oberbibliothekar  Ei e zier  aus 
München.  Prof.  Scheffer-Boichorst.  Dr.  Traube  aus 
München.  Prof.  Z  e  u  m  e  r. 

Im  Laufe  des  Jahres  1897/98  erschienen 

in  der  Abtheilung  Auetores  antiquissimi : 

1)  Chronica  minora   saec.  IV.  V.  VI.  VII   ed.  Th. 
Mommsen  IH.  4  (A.  a.  XIIL  4); 

in  der  Abtheilung  Scriptores: 

2)  Libelli   de   lite   imperatorum  et  pontificum  sae- 
culis  XI  et  XII  conscripti  III; 

in  der  Abtheilung  Leges : 

3)  Capitularia  regum  Francorum  II  edd.  Boretius 
et  Krause; 

4)  von   dem   Neuen  Archiv    der  Gesellschaft  Band 
XXIII.  herausgfeofeben  von  H.  Bresslau. 

Unter  der  Presse  befinden  sich  7  Quartbände,  2  Octav- 
bände. 

In  der  Sammlung  der  Auetores  antiquissimi  ist  als 
Abschluss  des  3.  Bandes  der  kleineren  Chroniken  das  von 
Herrn  Dr.  Lucas  entworfene  Register  hinzugekommen. 
Da  hiermit  diese  ganze  Reihe  von  Quellen  ihr  Ende  er- 
reicht hat.    so  folgrt  unten  ein  zusammenfassender  Bericht 


4     Bericlit  über  die  vierundzwanzigste  Plenarversammlnng  1898. 

des  Herausgebers  über  dieselben.  Als  einen  Nachtrag 
darf  man  die  kritische  Handausgabe  von  Eugippius'  Vita 
Severini  betrachten,  welche,  aufgebaut  auf  eine  neue  und 
umfassende  Vergieichnng  der  Handschriften,  sich  gegen- 
wärtig unter  der  Presse  befindet. 

Als  ersten  Halbband  der  zu  einer  besonderen  Gruppe 
ausgesonderten  Gesta  pontificum  Romanorum  hat  Herr 
Prof.  Mommsen  den  ersten  Theil  des  Liber  pontificalis 
bis  715  bearbeitet.  Der  Druck  steht  nach  Vollendung  des 
Textes  bei  der  Einleitung.  Die  Fortsetzung  dieser  Aus- 
gabe soll  den  Händen  des  Herrn  Prof.  Kehr  in  Göttingen 
anvertraut  werden.  Das  weitere  biographische  Material 
zur  Papstgeschichte  würde  sich  später  anschliessen. 

In  der  Abtheilung  der  Scriptores  wird  der  4.  Band 
der  Merowingischen  Geschichtsquellen,  bearbeitet  von  Herrn 
Archivar  Kruse h  in  Hannover,  im  Herbste  druckfertig 
werden  und  anhebend  mit  den  Werken  der  Jonas  von 
Bobbio  die  Heiligenleben  dieser  Zeit  zu  immer  reicherem 
Ertrage  für  die  geschichtliche  Erkenntnis  fortsetzen,  doch 
wird  es  auch  ferner  nicht  ganz  an  apokryjDhen  Erzeugnissen 
fehlen.  Mehrfache  Angriffe  gegen  die  stark  negative  Kritik 
des  Herausgebers  im  3.  Baude  konnten  im  Grossen  und 
Ganzen   nur    die   methodische  Sorgfalt  desselben  erhärten. 

Mit  dem  3.  Bande  der  Schriften  zum  Investiturstreit 
ist  diese  kleine  Unterabtheilung  vorläufig  abgeschlossen  und 
in  ihr  für  kirchengeschiclitliche  wie  für  kirchenrechtliche 
Untersuchungen  ein  wichtiges  Hilfsmittel  dargeboten.  Eine 
Fortsetzung  in  späterer  Zeit  könnte  entweder  durch  un- 
verhoffte neue  Funde  oder  durch  eine  Ausdehnung  des 
Planes  auf  das  13.  und  14.  Jh.  veranlasst  werden  und  bleibt 
vorbehalten.  Herr  Prof.  H  o  1  d  e  r  -  E  g  g  e  r  setzte  den  Druck 
der  als  Handausgabe  erscheinenden  Monumenta  Erphes- 
furtensia  saec.  XII.  XIII.  XIV.  fort,  welcher  neben  einer 
sehr  verbesserten  Wiederholung  früher  schon  in  den  Monu- 
menten enthaltener  Annalen  auch  manches  Neue,  wie 
namentlich  die  Cronica  minor  eines  Erfurter  Minoriten, 
bringen  soll  nebst  mehreren  anderen  Quellen  des  14.  Jh. 
Der  umfangreiche  Band  wird  im  Sommer  erscheinen.  Mit 
weitereu  Vorarbeiten  für  den  längst  ersehnten  31.  Band,  der 
die  italienischen  Chroniken  des  13.  Jh.  umfassen  soll,  wurde 
Herr  Dr.  Eberhard  betraut.  Die  sehr  wichtige  Hs.  der 
sogenannten  Annal.  Mettenses  und  des  Eegino  aus  Durham 
durften  wir  durch  die  grosse  Zuvorkommenheit  des  Biblio- 
thekars Rev.  W.  Greenwell  für  künftige  Verwendung  in 
Berlin  benutzen. 


Bericht  über  die  vierundzwanzigste  Plenarversammlung  1898.     5 

In  dem  3.  Bande  der  deutsclien  Chroniken,  den 
Werken  Enikels,  ist  der  Druck  von  Einleitung  und  Register 
durch  Herrn  Prof.  Strauch  in  Halle  endlich  wieder  auf- 
genommen worden  und  wird  wahrscheinlich  in  diesem  Jahre 
zu  Ende  geführt  werden.  Für  den  6.  Band,  die  Oester- 
reichischen  Chroniken,  hat  Herr  Prof.  Seemüller  in 
Innsbruck  weitere  Hss.,  namentlich  in  Klosterneuburg,  ver- 
glichen und  sich  besonders  mit  dem  Texte  der  Chronik 
Hagens  beschäftigt.  Für  die  Sammlung  der  historischen 
Lieder  und  Sprüche  ist  Herr  Dr.  Meyer  in  Göttingen  in 
der  Herstellung  der  Texte,  zunächst  für  die  mittelhoch- 
deutsche Zeit,  begriffen. 

In  der  Abtheilung  Leges  ist  der  durch  den  Tod  des 
Dr.  Krause  abermals  verwaiste  2.  Band  der  fränkischen 
Capitularien  durch  die  angestrengte  Bemühung  der  Herren 
Zeumer  und  Werminghoff,  denen  das  Register  noch 
grosse  Schwierigkeiten  schuf,  zum  Abschluss  gebracht 
worden.  Eine  Untersuchung  über  die  Quellen  des  Bene- 
dictus  Levita  wird  Herr  Dr.  Seckel  als  Vorläufer  seiner 
Ausgabe  demnächst  veröffentlichen. 

Für  die  grosse  Ausgabe  der  Leges  Visigothorum  des 
Herrn  Zeumer  hat  das  Neue  Archiv  mehrere  Vorarbeiten 
gebracht  und  ist  der  Beginn  des  Druckes  demnächst  zu 
gewärtigen.  Die  für  die  neue  Bearbeitung  des  bairischen 
Volksrechtes  erforderliche  Reise  nach  Italien  niusste  Herr 
Prof.  von  Schwind  wegen  der  aus  besonderen  Gründen 
verfügten  Verlegung  der  Osterferien  und  seiner  Versetzung 
nach  Graz  abermals  um  ein  Jahr  verschieben. 

Für  die  karolingischen  Synoden  hat  Herr  Dr.  Wer- 
minghoff das  gedruckte  Material  von  695  bis  916  durch- 
gearbeitet  und,  von  Herrn  Müller  unterstützt,  mit  der 
Vergleichung  von  Hss.  begonnen.  Für  den  ersten  bis  843 
reichenden  Theil  wird  eine  summarische  üebersicht  der 
Ueberlieferung  im  Neuen  Archiv  gegeben  werden.  Beson- 
deren Dank  erwarb  sich  Herr  Dr.  Göldlin  von  Tiefenau, 
Custos  an  der  Wiener  Hofbibliothek,  durch  Vergleichungen 
und  Nachforschungen.  Eine  Reise  nach  Frankreich  wird 
für  den  Fortgang  dieser  Arbeiten  unerlässlich  sein.  Für 
die  Sammlung  der  fränkischen  und  langobardischen  Ge- 
richtsurkunden ist  Herr  Prof.  Tan  gl  in  Berlin  an  die 
Stelle  des  Herrn  A.  Müller  getreten,  und  auch  für  ihn 
erscheint  eine  Reise  geboten. 

Herr  Dr.  Schwalm  in  Göttingen  hofft  im  Herbste 
dieses  Jahres  den  Druck  des  3.  Bandes  der  Constitutiones 
regum  et  imperatorum  anzufangen,  für  welchen  die  Archive 


6     Bericht  über  die  vierundzwanzigste  Plenarversammlung  1898. 

von  Koblenz  und  namentlich  von  München  manchen  neuen 
Fund  ergeben  hatten.  Der  bei  Weitem  wichtigste  der- 
selben, ein  Steuerverzeichnis  königlicher  Städte  aus  dem 
Jahre  1241,  ist  bereits  als  Nachtrag  zum  2.  Bande  ver- 
öffentlicht worden.  Geforscht  wurde  von  ihm  auch  in 
Wolfenbüttel  und  Nassau.  Der  Besuch  einiger  weiterer 
süddeutscher  Archive  und  vor  Allem  eine  Reise  nach  Ve- 
nedig und  Ravenna  ist  ausserdem  noch  in  Aussicht  ge- 
nommen. 

In  der  Abtheilung  Diplomata  ist  der  Druck  der  Ur- 
kunden König  Heinrichs  II.  in  der  bisherigen  Weise  fort- 
gesetzt worden  und  wird  in  diesem  Jahre  bis  an  das  Ende 
der  Texte  gelangen.  An  Stelle  des  in  den  Archivdienst 
übergehenden  Dr.  Meyer  ist  neben  Herrn  Dr.  Bloch  als 
Mitarbeiter  Dr.  Holtzmann  seit  Neujahr  eingetreten. 
Herr  Dr.  Bloch  hat  soeben  noch  eine  kleinere  Reise  nach 
Ferrara  und  S.  Sepolcro  bei  Arezzo  unternommen.  Unter- 
suchungen über  einzelne  Urkunden,  verbunden  mit  Nach- 
trägen für  die  Zeit  der  Ottonen,  gingen  dieser  Aus- 
gabe fördernd  zur  Seite.  Abweichend  von  den  ersten 
beiden  Bänden  wird  das  Register  hinter  den  urkundlich 
überlieferten  zur  Erläuterung  auch  die  neueren  Ortsnamen 
nach  Thunlichkeit  nachweisen. 

Für  die  Karolingerurkunden  wurde  das  Material, 
namentlich  durch  eine  Reise  des  Herrn  Prof.  Dopsch 
nach  dem  südlichen  und  westlichen  Frankreich  und  nach 
dem  nördlichen  Spanien  im  März  bis  Juni,  nicht  unerheb- 
lich vermehrt,  während  Herr  Prof.  Tan  gl  in  dergleichen 
Absicht  im  Sommer  die  Schweiz  besuchte.  Abgesehen  von 
Chur  und  von  Osnabrück,  wohin  Herr  A.  Müller  ent- 
sandt worden  war,  fanden  die  Vertreter  der  M.  G.  überall 
die  günstigste  Aufnahme,  ganz  besonders  auch  bei  dem 
Archivar  in  Urgel,  Herrn  Canonicus  Dr.  Marti,  und  bei 
Herrn  von  Terrebasse  auf  Schloss  Cunault.  An  Stelle 
des  Dr.  Schedy  trat  seit  dem  1.  April  Herr  Dr.  J.  Lechner 
als  Hilfsarbeiter  ein.  Die  Vorarbeiten  für  den  ersten  bis 
zum  Jahre  814  geplanten  Band  sind  so  weit  gediehen,  dass 
der  Druck  noch  im  laufenden  Geschäftsjahre  voraussicht- 
lich beginnen  kann.  Ausser  dem  Besuche  einiger  deutscher 
Archive  wird  dafür  noch  ein  solcher  von  Paris  erheischt 
werden,  um  die  nur  dort  vollständig  vorhandenen  französi- 
schen Drucke  durchzugehen. 

In  der  Abtheilung  Epistolae  hat  der  seit  längerer 
Zeit  ruhende  Druck  des  2.  Bandes  des  Registrum  Gregorii 
seit  Kurzem  mit  dem  Register  der  Namen  wieder  begonnen 


Bericht  über  die  vierundzwanzigste  Plenarversammlung  1898.     7 

und  soll  nunmehr  ohne  Unterbrechung  fortdauern.  Der 
5.  Band,  welcher  die  karolingischen  Briefe  etwa  bis  zur 
Mitte  des  9.  Jh.  weiterführt,  befindet  sich  seit  dem  Sommer 
1897  unter  der  Presse  und  dürfte  etwa  in  Jahresfrist  voll- 
endet werden.  Herr  Dr.  Hampe,  welcher  päpstliche 
Schreiben  sowie  Einhart  und  Frothar  darin  bearbeitet  hat, 
ist  seit  Neujahr  aus  seiner  Stellung  als  Mitarbeiter  aus- 
geschieden, nachdem  er  im  vergangenen  Frühjahr  eine 
Eeise  nach  Paris,  Nordfrankreich  und  Brüssel  für  diese 
Abtheilung  mit  günstigen  Erfolgen  unternommen  hatte. 
Neben  ihm  arbeitete  seit  dem  Herbst  Herr  Dr.  A.  von 
Hirsch-Gereuth,  der  sich  bisher  mit  Vorarbeiten  für 
die  Briefe  der  Päpste  seit  der  Mitte  des  Jahrhunderts  be- 
schäftigt, und  neuerdings  ist  neben  ihm  Herr  Alfons 
Müller  als  zweiter  Mitarbeiter  eingetreten.  Während  die 
Papsturkunden  in  diese  Sammlung  keine  Aufnahme  finden 
sollen,  werden  dagegen  die  in  die  karolingische  Zeit  fallenden 
Register,  soweit  sie  erhalten  sind,  vollständig  abgedruckt 
werden.  Eine  von  Herrn  Dr.  Hampe  in  Paris  vorläufig 
untersuchte  Hs.  mit  werthvollen  Briefen  über  das  sicilia- 
nische  Königreich  aus  dem  Anfange  des  13.  Jh.  wird  für 
weitere  Benutzung  hier  von  ihm  ausgebeutet. 

Das  überaus  zerstreiite  Material  dieses  Bandes  nöthigte 
vielfach  die  Gefälligkeit  auswärtiger  Bibliothekare  und  Ge- 
lehrten, zumal  auch  für  Hraban's  Briefe,  in  Anspruch  zu 
nehmen,  so  der  Herren  Schnorr  von  Carolsfeld  in 
Dresden ,  B a u m a n n ,  R i e z  1  e r  und  Simonsfeld  in 
München,  Leitschuh  in  Bamberg,  K e r  1  e r  in  Würzburg, 
Wolfram  in  Metz,  Stadtarchivar  Beyer  in  Erfurt,  P.  Gabr. 
Meier  in  Einsiedeln,  Prof.  Wil.  Hauthaler  in  Salzburg, 
Ed.  Favre  in  Genf,  H.  Jadart  in  Reims,  Bonnet  in  Mont- 
pellier, Riviere  in  Douai,  Davidsohn  in  Florenz,  Ratti 
in  Mailand,  Arnold  und  Friedens  bürg  in  Rom,  denen 
allen  der  wärmste  Dank  hiermit  ausgesprochen  sei.  In 
Wolfenbüttel  besorgte  Herr  Dr.  Werminghoff  einige 
Vergleichungen. 

In  der  Abtheilung  Antiquitates  sind  für  den  2.  Band 
der  Necrologia  Germaniae  mit  Hülfe  des  Herrn  Dr.  Vancsa 
in  Wien  die  umfangreichen  Register  vollendet  und  z.  Th. 
dem  Drucke  übergeben  worden.  Ein  3.  Band,  welcher  die 
vier  bairischen  Sprengel  Freising,  Brixen,  Regensburg, 
Passau  umfassen  soll,  ist  von  Herrn  Reichsarchivrath  Bau- 
mann  in  München  in  AngrifE  genommen  worden.  Eine 
besondere  Ausgabe  des  Xantener  Todtenbuches  beabsichtigt 
der  frühere  Mitarbeiter  Herr  Dr.  M.  Meyer   in   Münster. 


8     Bericht  über  die  vierundzwanzigste  Pleuarversammlung  1898. 

Der  schon  im  vorigen  Jahre  begonnene  Druck  des 
4.  Bandes  der  Poetae  latini,  bearbeitet  von  Herrn  Dr. 
P.  von  Winterfeld,  ist  bis  zum  Drittel  etwa  fort- 
geschritten. Fast  zwei  Drittel  desselben,  welche  als  erste 
Abtheilung  einzeln  erscheinen  sollen,  werden  noch  von  der 
für  die  lateinische  Kunstdichtung  so  überaus  fruchtbaren 
karolingischen  Zeit  ausgefüllt,  der  Rest  wird  für  das  10.  Jh. 
namentlich  die  Ecbasis  captivi,  Waltharius,  die  Werke  der 
Nonne  Hrotsvitha  und  Walther  von  Speier  bringen. 

Das  Neue  Archiv  hat  seinen  gewohnten  Fortgang  als 
ergänzendes  und  vorbereitendes  Organ  der  M.  G.  gehabt. 
In  den  Redactionsausschuss  wurde  an  Stelle  Watten- 
bachs Herr  Prof.  Holder-Egger  gewählt. 

Dem  Auswärtigen  Amte  des  Deutschen  Reiches  und 
der  Königlichen  Bibliothek  als  Vermittlern  des  für  unsere 
Zwecke  unentbehrlichen  Handschriftenverkehrs  bleiben  wir 
nach  wie  vor  zum  aufrichtigsten  Danke  verpflichtet,  von 
den  auswärtigen  Bibliotheken  aber  ganz  besonders  der 
Nationalbibliothek  in  Paris  und  ihrem  hochsinnigen  Leiter. 


Schlussbericht 
über   die  Herausgabe   der  Auetores   antiquissimi. 

Von  Th.  Mouiiusen. 

Die  im  Jahre  1875  von  mir  übernommene  Abtheilung 
Auetores  antiquissimi  der  Monumenta  Germaniae  historica 
ist  mit  dem  jetzt  abgeschlossenen  Arbeits  jähr  zu  Ende  ge- 
führt worden.  Sie  umfasst  in  13  Quartbänden  die  fol- 
genden Schriftwerke: 

Alcimus  Avitus  (VI,  2) 

Ausonius  (Y,  2) 

Cassiodorus,  Variae  (XII) 

Chronica  minora,  vol.  I.  II.  III  (IX.  XI.  XIII) 

Claudianus  (X) 

Corippus  (III,  2) 

Ennodius  (VII) 

Eugippius,  vita  Severini  (I,  2) 

Eutropius  und  Paulus,  bist.  Eomana  (II) 

lordanes  (V,   1) 

Salvianus  (I,   1) 

Sidonius  (VIII) 

Sjmmachus  (VI,   1) 

Venantius  Fortunatus  (IV) 

Victor  Vitensis  (III,  1). 
Von  diesen  Bänden  sind  Cassiodor,  Jordanes  und  die 
drei  Bände  der  Chroniken  von  mir,  die  übrigen  von  den 
Herren  Birt,  Droysen,  Halm,  Krusch,  Leo,  Lüt- 
johann,  Partsch,  Peiper,  Sauppe,  Schenkl,  Seeck, 
Vogel  unter  meiner  Leitung  bearbeitet  worden. 

Dass  diese  im  Wesentlichen  der  römischen  Geschichts- 
periode angehörige  Abtheilung  in  die  Monumenta  Ger- 
mania historica  aufgenommen  worden  ist,  war  von  den 
Begründern  dieser  Sammlung  beschlossen  worden,  lange 
bevor  nachPertz'  Tode  mit  dem  Eintritt  des  Directorats 
von  Waitz  der  neue  Arbeitsplan  festgestellt  wurde.  Der 
annus  quingentesimus  aus  dem  Vorblatt  unserer  sämmt- 
lichen  Bände  bezieht  sich  auf  die  beabsichtigte  Ausgabe 
von  Jordanes  und  Cassiodor.  Ausgeführt  war  allerdings 
von  den  dafür  bestimmten  Arbeiten  noch  keine,   auch  der 


10  Th.  Mommsen. 

Kreis  derselben  niclit  endgültig  festgestellt ;  aber  für  einen 
Theil  derselben  waren  umfassende  Vorarbeiten  unternommen 
und  die  Abtheilung  selbst  öffentlich  angekündigt  worden, 
so  dass  man  damals  übereinkam,  auch  hierin  an  dem  ur- 
sprünglichen Plan  festzuhalten. 

Für  die  Auswahl  trage  ich  als  Leiter  dieser  Abthei- 
lung im  Wesentlichen  die  Verantwortlichkeit.  Mich  hat  dabei 
zunächst  der  Gedanke  geleitet,  dass  es  überhaupt,  ins- 
besondere aber  für  eine  üebergangsepoche,  wie  diejenige 
ist  von  dem  Zusammenbruch  des  römischen  Westreichs  bis 
zum  Beginn  der  fränkischen  Vormacht,  schlechterdings  un- 
möglich ist,  das  für  den  Historiker  erforderliche  Material 
in  einer  bestimmten  Zahl  von  Bänden  zusammen  zu  fassen, 
und  dass  demnach  diese  Abtheilung  nicht  darauf  angelegt 
werden  durfte,  in  dieser  Hinsicht  eine  nothwendig  schein- 
hafte Vollständigkeit  zu  erzielen,  sondern  vielmehr  bei 
jedem  einzelnen  Schriftwerke  zu  erwägen  war,  einmal  ob 
es  für  die  historische  Kunde  dieser  Epoche  von  wesentlicher 
Bedeutung  sei,  und  zweitens,  ob  eine  kritische  Bearbeitung 
desselben,  namentlich  die  Herstellung  der  handschriftlichen 
Grundlage  Nutzen  verspreche.  Die  höhere  auf  Sprach- 
und  Sachkenntnis  beruhende  Kritik  kann  bei  Collectiv- 
unternehmungen,  wie  die  unsrige  ist,  wohl  als  wünschens- 
werther  Gewinn,  aber  nicht  als  das  regelmässige  Ziel  in 
das  Auge  gefasst  und  wie  die  geistige  Arbeit  überhaupt 
wohl  gefördert,  aber  niemals  abgeschlossen  werden.  Die 
diplomatische  Kritik  dagegen  fordert,  wo  sie  in  weiterem 
Umfang  auftritt,  Mittel,  wie  nur  eine  vom  Staat  getragene 
Institution  sie  zu  liefern  vermag,  und  bei  ihr  ist  andrer- 
seits ein  Abschluss  erreichbar.  Darum  sind  Tacitus  und 
Ammian  ausgeschlossen  worden;  sie  sind  ohne  Zweifel  für 
die  deutsche  Geschichte  unendlich  viel  wichtiger  als  sämmt- 
liche  in  meine  Abtheilung  aufgenommene  Autoren;  aber 
die  diplomatische  Kritik  ist  bei  beiden  einfach  und  im 
Wesentlichen  erledigt.  Dagegen  war  für  alle  oben  ge- 
nannten Schriftwerke  die  handschriftliche  Grundlage  der 
Feststellung  bedürftig,  und  dass  jedes  einzelne  derselben 
für  die  Geschichtsforschung  der  bezeichneten  Epoche  von 
wesentlichem  Nutzen  ist,  wird  nicht  bestritten  werden. 
Die  Grenzen  einer  derartigen  Bearbeitung  sind  allerdings 
mit  objectiver  Bestimmtheit  nicht  zu  ziehen  und  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  abhängig  theils  von  der  Meinung 
des  Leiters  der  Abtheilung,  theils  von  dem  Belieben  der 
Centraldirection  selbst,  die  nicht  alle  Anträge  des  Leiters 
genehmigt    hat.      Bei    der    Grenzenlosigkeit    der    Aufgabe 


Schlussbericht  über  die  Herausgabe  der  Auetores  antiquissimi.     1 1 

selbst  hat  in  der  praktischen  Ausführung  eine  gewisse 
Willkür  nicht  vermieden  werden  können.  Indess  hoffe  ich, 
wenn  auch  im  Einzelnen  manches  hinweg-  oder  hinzu- 
gewünscht werden  mag,  doch  im  Ganzen  den  richtigen 
Mittelweg  zwischen  dem  zu  Wenig  und  dem  zu  Viel  ge- 
funden zu  haben.  Insbesondere  bei  den  in  den  drei  Bänden 
der  Chroniken  vereinigten  Miscellaneen  habe  ich  es  lebhaft 
empfunden,  dass  ohne  die  grossen  Hülfsmittel,  welche  eine 
Institution  wie  die  unsrige  gewährt,  eine  derartige  für  das 
einzelne  Kleinstück  schlechthin  unmögliche  und  doch  in 
ihrer  Gesammtheit  unentbehrliche  Sammlung  sich  niemals 
würde  haben  durchführen  lassen. 

Die  Rücksicht  darauf,  dass  Ausgaben,  wie  die  unsrigen 
sind,  vor  allen  Dingen  den  diplomatischen  Apparat  liefern 
sollen ,  hat  mich  weiter  dazu  bestimmt ,  was  vielleicht 
manchen  Tadel  gefunden  hat,  wo  es  irgend  anging,  nicht 
einzelne  Stücke,  sondern  die  uns  erhaltenen  Werke  des 
betreffenden  Schriftstellers  vollständig  zu  geben.  Freilich 
bei  Prosper,  Eugippius,  Cassiodor,  Beda  Hess  sich  dies 
nicht  durchführen.  Aber  wenn  auch  von  Ausonius  oder 
Claudianus  dem  Historiker  nur  wenige  Abschnitte  direct 
nützlich  sind,  so  darf  auch  über  diese  keiner  mitsprechen, 
der  nicht  den  Schriftsteller  im  Ganzen  kennt  und  beur- 
theilen  kann.  Die  Excerptenpublication  mag  für  die  Wissen- 
schaftlichkeit zweiter  Ordnung  am  Platz  sein,  für  unsere 
Arbeiten  ist  sie  mir  immer  als  ein  dem  nationalen  Unter- 
nehmen wenig  anstehendes  Armuthszeugnis  erschienen. 

Die  mir  übergeben  en  Vorarbeiten  erwiesen  sich  mit 
geringen  Ausnahmen  als  unbrauchbar;  die  CoUationen  — 
solche  von  Pertz  und  Waitz  fanden  unter  den  für  diese 
Arbeit  mir  übergebenen  sich  nicht  —  gehörten  überwiegend 
der  Frühzeit  der  Gesellschaftsarbeit  an  und  waren  ebenso 
unzulänglich  wie  leicht  ersetzlich.  Wir,  meine  Mitarbeiter 
und  ich,  haben  keine  Mühe  und  keine  Kosten  gescheut, 
um  in  dem  bezeichneten  Kreise  die  diplomatische  Kritik 
abschliessend  zu  erledigen. 

Eine  Schranke  habe  ich  bei  dieser  Abtheilung  oft 
ungern,  aber  dennoch  streng  eingehalten ;  es  ist  dies  der 
Ausschluss  der  byzantinischen  Geschichtswerke.  Dass  der 
Eömerstaat  namentlich  der  späteren  Kaiserzeit  diese  ebenso 
und  vielleicht  noch  mehr  fordert  als  die  lateinischen 
Quellen,  bedarf  der  Ausführung  nicht;  und  wie  sehr  selbst 
ein  Schriftsteller  wie  Prokop  des  kritischen  Apparates  ent- 
behrt, in  wie  geringem  Grade  die  sogenannte  akademische 
Byzantinerausgabe    ihrem    Namen    Ehre    macht,    wie    wir 


12  Th.  Mommsen. 

überall,  wo  de  Boor  nicht  gearbeitet  hat,  uns  in  kläg- 
licher Unsicherheit  befinden,  das  wissen  die  Kundigen  alle 
und  fordert  dringend  Abhülfe.  Aber  diese  kann  nur  eine 
Sonderbearbeitung  der  byzantinischen  Geschichtsquellen 
bringen,  die  zu  unseren  Monumenten  so  nothwendig  gehört 
wie  einstmals  das  Ostreich  zum  Westreich  gehört  hat.  Die 
grosse  Gefahr,  der  unsere  Monumenta  Germaniae  in  Folge 
der  centralen  Lage  unseres  Landes  ausgesetzt  sind,  die 
üferlosigkeit  unserer  Sammlungen  durch  das  üebergreifen 
in  die  Geschichte  der  Nachbarstaaten,  würde  wesentlich 
gesteigert  werden,  wenn  unsere  Arbeiten  auch  auf  das 
Gebiet  des  Ostreichs  und  die  griechischen  Geschichts- 
quellen erstreckt  würden.  Ich  habe  darum  der  nament- 
lich bei  der  Bearbeitung  der  kleinen  Chroniken  oft  sehr 
lockenden  Versuchung,  in  diese  Kreise  einzugreifen,  nicht 
nachgegeben. 

Ebenso  wie  ich  bemüht  gewesen  bin,  von  den  auf- 
genommenen Schriftstellern  die  Werke,  so  weit  möglich, 
vollständig  zu  geben,  habe  ich  dieselben  auch  nach  Mög- 
lichkeit in  der  Publication  getrennt.  Ein  Sammelunter- 
nehmen, wie  das  unsrige  ist,  kann  bei  den  Schriftwerken 
die  Trennung  nach  den  Autoren  nicht  in  dem  Umfang 
durchführen,  wie  dies  in  der  Behandlung  der  griechischen 
und  römischen  Schriftsteller  geschieht ;  in  viel  weiterem 
Umfang  ist  es  hier  erforderlich,  kleinere  Schriftwerke  zu- 
sammenzufassen, secundäre  den  primären  anzuschliessen. 
So  weit  aber  die  Sonderung  sich  durchführen  lässt,  er- 
leichtert sie  nicht  bloss  die  Fertigstellung  der  Publicationen, 
welche  ohne  weitgehende  Arbeitstheilung  nicht  zum  Ziel 
gelangen  können,  und  gewährt  den  Benutzern  bei  ihren 
sehr  verschiedenartigen  Interessen  die  Möglichkeit,  sich 
das,  was  ein  jeder  braucht  und  nur  dies  zu  beschaffen, 
sondern  sie  macht  es  auch  möglich,  wo  nöthig  und  so  weit 
wie  nöthig  zu  bessern  und  zu  erneuern.  Bei  weitschich- 
tigen Unternehmungen  dieser  Art  kann  es  nicht  ausbleiben, 
dass  eine  einzelne  Bearbeitung  mit  oder  ohne  Schuld  der 
Herausgeber  sich  als  ungenügend  erweist,  der  litterarische 
Apparat  einer  Ergänzung  oder  einer  Correctur  bedarf.  In 
meiner  Abtheilung  ist  dies  bei  der  kleinen  Schrift  des 
Eugippius  eingetreten.  Ich  habe  in  Folge  dessen  eine 
neue  Recension  derselben  hergestellt,  welcher  bei  dem  ge- 
ringen Umfang  des  Werkes  und  bei  der  Brauchbarkeit  des- 
selben auch  für  Unterrichtszwecke  die  Form  der  Octav- 
ausgabe  gegeben  worden  ist. 


II. 


Zum 

westgothischen  Urkundenwesen. 


Von 


Karl  Zeumer. 


1.    Subscriptio  und  Signum. 

Das  westgothische  Urkundenwesen  ruht  wie  das  aller 
südgermanisclien  Völker  auf  dem  römischen;  ja  es  schliesst 
sich  diesem  ursprünglich  vielfach  enger  an  als  das  der 
Nachbarvölker,  der  Burgunder  und  Franken,  und  erst  im 
Laufe  der  Zeit  treten  stärkere  Abweichungen  hervor. 

Texte  westgothischer  Privat -Urkunden  aus  der  Zeit 
vor  der  arabischen  Eroberung  sind  uns  fast  nur  in  der 
Gestalt  von  Formeln  in  der  deshalb  doppelt  wichtigen 
westgothischen  Formelsammlung  enthalten;  dazu  kommen 
urkundenartige  Bestandtheile  der  Concilsakten  und  eine  ge- 
ringe Anzahl  von  Königsurkunden,  die  in  diesen  Akten  über- 
liefert sind,  sowie  die  in  den  westgothischen  Gesetzbüchern 
enthaltenen  Constitutionen,  soweit  sie  urkundliche  Form 
haben.  Dieses  dürftige  Material  wird  aber  in  so  glück- 
licher Weise  durch  die  reichhaltigen  und  eingehenden  Be- 
stimmungen, welche  die  westgothischen  Gesetzbücher  in 
Bezug  auf  das  Urkundenwesen  enthalten,  ergänzt,  dass  es 
doch  möglich  ist,  das  westgothische  Urkundenwesen  in 
seinen  Grundzügen  zu  erkennen. 

Vollständig  unterrichtet  sind  wir  durch  das  vorlie- 
gende Material  über  die  Unterfertigung  der  Urkunden 
durch  Unterschrift  oder  Handzeichen:  erstere  heisst  tech- 
nisch subscriptio,  letzteres  signum. 

Die  subscriptio  ist  ganz  die  der  spätrömischen  Ur- 
kunden, wie  sie  Bruns,  Die  Unterschriften  der  römischen 
Rechtsurkunden,  S.  122  ff.,  gekennzeichnet  hat.  Es  ist  nicht 
eine  einfache  Namensunterschrift,  sondern  eine  mehr  oder 
weniger  ausführliche,  regelmässig  in  subjektiver  Fassung 
gehaltene  Erklärung,  deren  Grundbestandtheil  etwa  lautet: 

Ego   N subscripsi.      Diese    Unterschriften,    welche 

dem  Zwecke  der  Beglaubigung  des  Inhalts  der  Urkunde 
durch  Aussteller  und  Zeugen  dienen,  sind  in  den  spät- 
römischen Urkunden  vielfach  ausserordentlich  umfangreich, 
wie  ein  Blick  in  die  Sammlungen  von  Marini,  I  Papiri 
diplomatici,  Roma  1805,  und  von  Spangenberg,  Juris  Ro- 
manae  tabulae  negotiorum,   Lipsiae  1822,  zeigt.     Der  Aus- 


16  Karl  Zeumer. 

steller  und  jeder  einzelne  Zenge  wiederholen  in  ihrer  sub- 
scriptio  meist  den  wesentlichen  Inhalt  der  Urkunde,  und 
die  Zeugen  bekunden  vielfach  zugleich  denjenigen  Theil 
des  Vertragschlusses,  der  sich  in  ihrer  Gegenwart  vollzogen 
hat,  etwa  die  Zahlung  des  Kaufpreises,  so  dass  die  ein- 
zelnen Subscriptionen  fast  den  Eindruck  selbständiger  Ur- 
kunden machen.  In  einzelnen  Fällen  begnügen  sich  die 
Unterschriften  mit  einen  Hinweis  auf  den  Inhalt  der  Ur- 
kunde. 

Derartige  Unterschriften  enthält  in  verkürzter  Form 
auch  die  westgothische  Formelsammlung.  In  n.  1  lautet 
die  auf  die  Datierungszeile  folgende  Unterschrift  des  Aus- 
stellers: 'Ego  ill.  hanc  cartulam  libertatis  in  praedictorum 
personas  a  mea  voluntate  collatam  relegi,  cognovi  et  sub- 
scripsi.  Sunt  dies  et  annos  et  era,  quae  supra'.  Die  dann 
folgende  Zeugenunterschrift  lautet :  'Ille,  rogitus  a  domino 
et  fratre  illo,  in  hanc  cartulam  libertatis  ab  ipso  factam 
testis  ^  subscripsi,  die  anno  et  era,  qua  supra'.  Die  Angabe 
des  Datums  in  den  Subscriptionen  ist  eine  Besonderheit 
gegenüber  den  römischen  Unterschriften. 

Der  Formelsammler  hat  in  den  Unterschriftsformeln 
unter  dem  ersten  Stücke  seiner  Sammlung  offenbar  das 
allgemein  gültige  Muster  für  solche  Unterschriften  geben 
wollen,  denn  in  den  folgenden  Stücken  lässt  er  die  Unter- 
schriften mit  dem  übrigen  Eschatokoll  meist  fort.  Nur  in 
einer  Anzahl  von  Stücken,  in  denen  die  Unterschriften  be- 
sonders modificiert  sind,  dehnt  er  die  Formeln  wieder  auf 
sie  aus;  so  in  7.  20.  39.  40.  Auch  diese  Unterschriften 
haben  den  gleichen  Charakter;  denn  die  in  39  und  40  ein 
paar  Mal  auftretende  objective  Fassung  'subscripsit'  statt 
'subscripsi'  ist  theils  sicher,  theils  wahrscheinlich  der  fehler- 
haften Ueberlieferung  zuzuschreiben. 

Die  Erwähnung  des  Datum  in  solchen  Unterschriften 
findet  sich  auch  noch  in  gothischen  Urkunden  der  frän- 
kischen Zeit  in  Septimanien,  z.  B.  Histoire  de  Languedoc 
I,  n.  57.  II,  n.  150  (beide  Stücke  bei  Thevenin,  Textes 
n.  68  und  93  abgedruckt)  und  in  der  spanischen  Mark, 
bei  Marca,  Marca  Hispanica,  App.  n.  38.  39.  41  col.  804  ff. 
Ohne  Datum  dagegen,  aber  sonst  ganz  gleichen  Charakters 
sind  die  Unterschriften  in  den  westgothischen  Concilsakten, 
von  denen  ich  nur  einige  Beispiele  anführe. 

Das  katholische  Glaubensbekenntnis  unterschrieben  unter 
Verdammung  des  Arianischen  Dogmas  auf  dem  III.  Concil 


1)  So  ist  unzweifelhaft  zu  lesen  statt :  'testamentum  suprascriptum'. 


Zum  westgothischen  Urkundenwesen.  17 

von  Toledo  unter  ßeccared  I.  die  Geistlichen  nach  einer  aus- 
führlichen Formel:  'Gardingus,  in  Christi  nomine  civitatis 
Tudensis  episcopus,  anathematizans  haeresis  Arianae  dog- 
mata  superius  damnata,  fidem  hanc  sanctam  catholicam, 
quam  in  ecclesiam  catholicam  veniens  credidi,  manu  mea 
de  toto  corde  subscripsi'.  Die  Laien  unterschrieben  mit 
der  einfacheren  Formel :  'Fonsa  vir  inluster  anathematizans 
subscripsi'.  Die  Akten  des  Concils  selbst  unterschrieb  der 
König  mit  der  Formel:  'Flavius  Reccaredus  rex  hanc  de- 
liberationem,  quam  cum  sancta  definivimus  synodo,  confir- 
mans  subscripsi'.  Darauf  unterschrieben  mit  entsprechenden 
ausführlichen  Formeln  die  Metropolitane,  mit  einfacheren 
die  übrigen  Bischöfe.  Die  Akten  des  IV.  Concils  von 
Toledo  unterschrieb  Isidor:  'Ego  Isidorus,  in  Chr.  n.  eccle- 
siae  Hispalensis  metropolitanus  episcopus,  haec  statuta  sub- 
scripsi', die  übrigen  Bischöfe  ebenso,  doch  mit  Fortlassung 
der  Worte  'haec  statuta'.  Aehnliche  Unterschriften  tragen 
das  V.  und  VI.  Concil,  ausführlichere  wieder  das  VIII. 

Neben  subscriptio,  subscribere  und  subscriptor  nennt 
nun  das  Westgothengesetz  häufig  das  Signum,  und  die 
signa  facientes,  ohne  ausdrücklich  über  das  Verhältnis  des 
Signum  zur  subscriptio  Auskunft  zu  geben.  Schon  Eurichs 
Gesetzbuch  dürfte  an  einer  zu  ergänzenden  Stelle  das 
Signum  neben  der  subscriptio  für  die  Bekräftigung  einer 
Schenkung  zur  Wahl  stellen:  'scriptura  sua  manu  signo 
sive  subscriptione  confirmet',  c.  307.  Oefter  findet  sich  das  in 
der  Eeccessvindiana  z.  B.  II,  3,  3  (Antiqua):  'scriptura  sue 
man  US  vel  testium  signis  vel  suscriptionibus  roborata' ;  II, 
1,  13  (Reccessv.) :  'electionis  pactio  trium  testium  signis  vel 
subscriptionibus  roborata'.  Andere  Stellen  sind  in  der 
Handausgabe  im  Index  rer.  et  verb.  s.  v.  signum  zusammen- 
gestellt. 

Die  subscriptio  setzt  bei  dem  Unterschreibenden  die 
Kunst  des  Schreibens  voraus;  wer  nicht  schreiben  kann, 
kann  auch  nicht  unterschreiben.  Handelt  es  sich  doch 
nicht  nur  um  den  eigenen  Namen,  dessen  Züge  zu  erlernen 
wohl  auch  dem  sonst  des  Schreibens  Unkundigen  gelingt. 
Durch  das  signum  ersetzt  die  subscriptio ,  wer  nicht 
schreiben  kann;  sei  es,  dass  er  es  überhaupt  nicht  ver- 
steht, sei  es,  dass  er  nur  zur  Zeit  daran  verhindert  ist. 
Das  besagt  ausdrücklich  Cap.  15  der  Gaudenzischen  Samm- 
lung :  'in  ea  donatione  ipse  donator  propria  manu  subscribat 
et  ipsa  donatio  non  minus  tribus  testibus  roboretur.  Si 
autem  ipse  donator  et  festes  litteras  nesciunt,  unusquisque 
Signum  faciat'. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  9 


18  Karl  Zeumer. 

Die  Unterschrift  wird  dann  in  der  Art  ersetzt,  dass 
der  Unterzeichner  sein  Handzeichen,  signum,  regelmässig 
wohl  das  Zeichen  des  Kreuzes  macht,  wozu  dann  ein 
anderer  eine  stets  objectiv  gefasste  Erklärung  schreibt, 
deren  Grundbestandtheil  einfach  lautet:  'Signum  illius'. 
Ein  solches  Handzeichen  machte  auch  einer  der  ersten 
Laien,  welche  nach  den  Geistlichen,  die,  weil  des  Schreibens 
kundig,  stets  unterschrieben,  das  Glaubensbekenntnis  des  III. 
Concils  unterfertigten:  'Signum  Gussini  viri  illustris  proceri'. 

Oft  treten  dann  noch  besondere  ausdrückliche  Zeug- 
nisse über  die  Signierung  hinzu,  auf  die  weiter  unten  ein- 
zugehen ist. 

Den  Ersatz  der  subscriptio  durch  das  signum  haben 
die  Westgothen  aus  dem  römischen  Brauche  übernommen. 

In  den  römischen  Gesetzen  begegnen  wir  der  aus- 
drücklichen Erwähnung  des  signum  oder  signum  crucis 
als  Surrogat  der  subscriptio  erst  seit  Justinian.  In  seinem 
Gesetze  Cod.  lust.  VI,  30,  22,  2^  wird  für  das  Nachlass- 
inventar die  subscriptio  des  Erben  gefordert,  doch  mit 
der  Ausnahme :  'si  ignarus  sit  litterarum  vel  scribere  prae- 
peditur' ;  dann  soll  ein  besonderer  Tabularius  zugezogen 
werden:  'ut  pro  eo  litteras  supponat  venerabili  signo  antea 
manu  heredis  praeposito'.  In  Novelle  90  pr.  erwähnt  lu- 
stinian  einen  Fall,  wo  Testamentszeugen  einer  auf  dem 
Sterbelager  testierenden  Person,  nachdem  bereits  der  Tod 
eingetreten  war,  die  Hand  zum  Unterzeichnen  des  Testa- 
ments mittels  Kreuzes  geführt  hatten. 

Nicht  erwähnt  wird  das  signum  in  c.  8  der  Novelle  73, 
wo  bestimmt  wird,  dass,  wenn  des  Schreibens  Unkundige 
{ygcLju/uara  ovx  sTuoTdjuevoi)  Urkunden,  mindestens  5  Zeugen 
unterschreiben  sollen,  von  denen  einer  für  den  Contrahenten 
alles,  d.  h.  die  ganze  Subscriptionsformel,  oder  nach  wenigen 
von  jenem  geschriebenen  Buchstaben  das  übrige  schreiben 
soll :  iv  olg  eorai  xal  6  ygdcpcüv  vjieq  tov  ovfxßdXXovrog  i)  ro  näv 
fj  70  fiexä  Ta  öXiya  ygdju/uara  rä  nag'  ixelvov  reß^evra.  Das 
Authenticum  hält  sich  genau  an  das  Original ;  dagegen 
schreibt  Julian,  Epitome  nov.  66,  c.  9  statt  dieser  Worte: 
'et  postquam  imperitus  (litterarum)  vel  s  an  et  am  crucem 
fecerit  vel  paucas  litteras,  unus  ex  his  quidem  testibus 
pro  eo  subscribat'.  Julian  spricht  also  deutlich  aus, 
was  wohl  auch  Justinian  voraussetzt,  dass  der  Aussteller, 
der  sich  in  der  Unterschrift  vertreten  lässt,  selbst  minde- 
stens das  Kreuz  zeichne. 

Diese  Anwendung  des  Kreuzeszeichens  für  die  Namens- 
unterschrift  ist    aber   nicht   erst  von  Justinian  eing'eführt. 


Zum  westgothischen   ürkundenwesen,  19 

Sie  findet  sich  schon  in  einem  Ravennater  Testament  von 
474  (Spangenberg-  14,  S.  101;  besser  Brmis,  Fontes,  5.  Aufl., 
S.  303)  und  einer  ebendaher  stammenden  Schenkungs- 
urkunde von  491,  Marini  n.  84,  Spang-enberg  n.  28.  Aus 
der  römischen  Praxis  ist  sie  dann  von  den  Westgothen 
und  den  Burgundern  übernommen  und  ebenso  später  von 
den  Franken,  Langobarden  und  anderen  germanischen 
Völkern. 

Während  nun  bei  den  übrigen  Völkern  das  signum 
gewissermaassen  entartete,  indem  es  ganz  unbeschränkt 
statt  der  Unterschrift  gebraucht  wurde,  haben  die  Westgothen 
seine  Anwendung  in  der  altern  Zeit  anscheinend  ganz  in  den 
Grenzen  gehalten,  welche  römische  Gesetze  und  römische 
Praxis  gezogen  hatten.  Diese  aber  beschränkten  den  Ge- 
brauch des  Signum  ausschliesslich  auf  den  Ersatz  für  die  Unter- 
schrift des  Ausstellers  der  Urkunde,  während  die  Zeugen 
stets  die  wirkliche  Unterschrift  leisten  mussten.  Die  Ge- 
setze handeln  an  den  angeführten  Stellen  nur  von  dem 
venerabile  signum  oder  der  crux,  welche  der  Testator, 
der  Verfasser  eines  Inventars,  der  Aussteller  einer  Urkunde 
statt  seiner  subscriptio  unter  das  Document  setzt; 
während  bei  den  Zeugen  stets  nur  von  subscribere  die 
Rede  ist  ^. 

Dass  das  nicht  zufällig  sein  kann,  geht  aus  den  über- 
lieferten römischen  Urkunden  des  fünften  und  sechsten 
Jh.  hervor.  Eine  ganze  Reihe  von  Urkunden  bei  Spangen- 
berg und  Marini  zeigen  oder  erwähnen  das  signum  von 
Ausstellern,  welche  entweder  der  Schrift  unkundig  (litte- 
rarum  nescientes  oder  ignari)  oder  durch  Krankheit  am 
Schreiben  verhindert  sind,  etwa  durch  Augenschwäche, 
wie  Spangenberg  n.  53:  'faciente  invecilitate  oculorum' 
oder,  wie  in  n.  14  der  Testator  Georgius,  durch  das  nichts- 
würdige Podagra :  'faciente  nequissima  egritudine  podagrae'. 
In  20  Urkunden  bei  Spangenberg  finden  sich  34  signa  der 
Aussteller,  nämlich  in  n.  14  (in  2  Testamenten,  dem  des 
Constantius  von  474  und  in  dem  des  Georgius  von  552). 
21.  28.  31  (2  Signa).  35.   38.  41.  42.  44.  49  (2  signa).  50  (in 


1)  Nicht  auf  Unterzeichnung  mittels  signum  ist  zu  deuten  sub- 
signare  in  Cod.  lust.  IV,  29,  23,  §  2.  Bürgschaften  von  Frauen  sollen 
nicht  gelten,  'nisi  instrumento  publice  confecto  et  a  tribus  testibus  sub- 
signato'.  Bruns  S.  124  bemerkt  mit  Recht,  dass  hier  nicht  Untersiegelung 
gemeint  sei,  sondern  dass  'subsignare'  hier  für  'subscribere'  stehe,  und 
führt  dafür  das  Zeugnis  des  Paulus,  Dig.  50,  16,  39  und  des  Festus  s.  v. 
signare  an.  Sonst  heisst  'signare'  in  den  älteren  römischen  Quellen  regel- 
mässig siegeln. 


20  Karl  Zeumer. 

2  Urk.  je  ein  signum).  51  (2  signa).  53  (8  signa).  54.  55.  56 
(2  Signa).  58  (3  signa).  75  (2  signa). 

Das  Signum  ist  beim  Aussteller  häufiger  als  die 
Unterschrift.  Dagegen  finden  wir  die  Zeugen  regelmässig 
unterschreibend.  Eine  Ausnahme  bietet  nur  die  Verkaufs- 
urkunde Spangenberg  n.  52,  wo,  soweit  der  unsichere  Text 
vermuthen  lässt,  nach  der  in  gothischer  Sprache  und 
Schrift  ausgeführten  Unterschrift  des  Verkäufers  ein  Zeuge 
unterschreibt,  zwei  andere  ihre  signa  machen.  Selbst  wenn 
diese  beiden  Zeugensigna  unzweifelhaft  wären,  könnte  man 
sie  auf  besondere  Verhältnisse  des  einzelnen  Falles  zurück- 
führen. Die  durch  so  zahlreiche  Beispiele  belegte  Regel, 
dass  die  Zeugen  in  den  spätrömischen  Urkunden  unter- 
schreiben, während  die  Aussteller  häufiger  signieren  als 
unterschreiben,  vermag  eine  so  vereinzelte  Ausnahme  nicht 
zu  zerstören. 

Während  nun  die  Burgunder  schon  zu  Gundobads 
Zeiten  den  Zeugen  beide  Arten  von  Unterfertigung  frei- 
stellten, nach  Lex  Burg.  -43,  1 :  'quinque  aut  Septem  testes 
donationi  aut  testamento  prout  possunt  aut  signa  aut  sub- 
scriptiones  adiciant',  scheinen  die  Westgothen  ursprünglich 
wie  die  Römer  die  Anwendung  der  signa  auf  die  Aussteller 
beschränkt,  von  den  Urkundszeugen  dagegen  die  subscriptio 
gefordert  zu  haben. 

Dass  die  Lex  Romana  Visigothorum  in  Bezug  auf  die 
Bestimmung,  dass  die  Testamentszeugen  unterschreiben 
sollen,  der  Autor  selbst  sich  in  der  Unterschrift  ver- 
treten lassen  kann,  in  der  Interpretatio  zu  Nov.  Theod. 
IL  9  ganz  dem  Texte  folgt,  will  ich  nicht  besonders  be- 
tonen ;  aber  auch  andere  Quellen  sprechen  für  unsere  An- 
nahme. 

Leider  überliefert  uns  der  Codex  Euricianus  keine 
vollständig  erhaltene  Stelle,  aus  der  dieses  ganz  zweifellos 
hervorginge.  Immerhin  spricht  aber  c.  307  im  Vergleich 
mit  der  späteren  Fassung,  in  welcher  dieses  Capitel  in  der 
Antiqua  V,  2,  7  erscheint,  deutlich  genug  für  jene  Annahme. 
Bei  Eurich  lautet  die  bezügliche  Stelle  in  der  wahrschein- 
lich richtigen  Ergänzung:  'Maritus  si  uxori  suae  aliquid 
donaverit,  de  hoc,  quod  voluerit,  scriptura  sua  ma[nu]  (lies : 
scripturam  suae  manus)  [signo  sivje  subscriptione  confir[met, 
ita  ut  du]o  aut  tres  testes  ingenui  [subscriptorejs  accedant; 
et  sie  volun[tas  ipsius  habeat]  firmitatem'.  In  der  Antiqua 
heisst  es  statt  dessen:  'Maritus  si  uxori  sue  aliquid  dona- 
verit, de  hoc  quod  ipsa  sibi  habere  voluerit,  scriptura 
manus  sue  suscriptione  vel  signo  confirmet,  ita  ut  duo  aut 


Zum  westgothischen  Urkunden wesen,  21 

tres  testes  ingenui  suscriptores  velsigna  facientes  acce- 
dant;  et  sie  voluntas  ipsius  habeat  firmitatem'. 

Sehr  wahrscheinlich  ist  demnach,  dass  schon  Eurichs 
Text  dem  Aussteller  statt  der  subscriptio  das  signum  ge- 
stattete; unbedingt  sicher  aber,  dass  er  bei  Zeugen  das 
Signa  facere  nicht,  sondern  nur  das  subscribere  erwähnte; 
denn  für  die  Worte  vel  signa  facientes  reicht  der  für  die 
Ergänzug  verfügbare  Raum  keines  Falls  aus.  Die  Aus- 
dehnung des  Signum  auf  die  Unterfertigunof  der  Zeusfen 
beruht  also  auf  einem  Zusätze  zu  dem  ursprünglichen 
Texte. 

Es  fragt  sich,  ob  dieser  Zusatz  bereits  Leovigild,  oder 
ob  er  erst  Reccessvind  zuzuschreiben  ist.  Dass  die  grossen 
und  wesentlichen  Veränderungen,  welche  das  Capitel 
namentlich  in  den  folgenden  Sätzen  in  der  Antiqua  gegen- 
über Eurichs  Texte  aufweist,  auf  Leovigild  und  nicht  auf 
Reccessvind  zurückzuführen  sind,  ist  nach  dem,  was  ich 
früher  (s.  N.  Arch.  XXIII,  487  f.)  ausgeführt  habe,  kaum  zu 
bezweifeln.  So  sehr  man  demnach  von  vornherein  zu  der 
Annahme  geneigt  sein  wird,  auch  diese  Interpolation  Leo- 
vigilds  Redactoren  zuzuschreiben,  so  darf  man  doch  an  der 
Möo^lichkeit  festhalten,  dass  dieser  äusserlich  geringfügige 
Zusatz  erst  bei  Herstellung  der  Reccessvindiaua  zugesetzt 
ist.  Ein  derartiger  Zusatz  konnte  gemacht  werden  ohne 
zu  einer  Aenderung  der  Inscription  Anlass  zvi  geben. 

Eine  entsprechende  Interpolation  Reccessvinds  könnte 
vielleicht  auch  vorliegen  in  der  Antiqua  II,  3,  3,  wo  es 
heisst :  "scriptura  (mandati)  sue  (sc.  conditoris)  manus  vel 
testium  signis  aut  subscriptionibus  roborata'. 

In  anderen  Stellen,  an  denen  wohl  Eurichs  Text  im- 
verändeii;  beibehalten  ist,  wird  von  den  Zeugen  schlechthin 
die  subscrij^tio,  nicht  das  signum  gefordert,  so  in  lY,  3,  3 
(Ant.)  für  ein  Inventar:  'brevis  factus  trium  vel  quinque 
testium  subscriptione  firmetur',  und  ebenso  in  V,  2,  7  (Ant.) : 
'iuventarium  (episcopi)  viri  ingenui  subscriptione  conroborent'. 
Wollen  wir  an  jenen  anderen  Stellen  nicht  Interpolationen 
annehmen,  so  bleibt  nur  die  andere  Annahme,  dass,  wie 
das  zu  Chindasvinds  Zeiten  deutlicher  hervortritt,  die  rö- 
mische Reo^el  nur  noch  für  orewisse  Gattungen  von  Ur- 
künden  aufrecht  erhalten  wurde,  während  für  andere  die 
Signierung  durch  Zeuofen  freigfeg-eben  wurde. 

Die  Gaudenzischen  Fragmente  kennen  freilich  be- 
reits ein  Signum  der  Zeugen  einer  Schenkungsurkunde  als 
Ersatz  für  ihre  Unterschrift,  aber  nur  mit  beschränkter 
Wirkung;    c.   15:    'in    ea    donatione    ipse    donator    propria 


22  Karl  Zeumer. 

manu  subscribat,  et  ipsa  donatio  non  minus  tribus  testibus 
roboretur.  Si  autem  ipse  donator  et  testes  litteras  nes- 
ciunt,  unusquisque  signum  propria  manu  faciat,  et  donatio 
ipsa  ante  curiales  deferatur'.  Das  ist  am  wahrscheinlichsten 
so  zu  verstehen:  nur  wenn  Aussteller  und  Zeugen  nicht 
unterschreiben  können,  soll  die  mit  deren  eigenhändigen 
Zeichen  unterfertigte  Urkunde  in  die  Curie  gebracht 
werden,  damit  sie  dort  die  Beglaubigung  und  Autorisation 
erhalte,  welche  die  gehörig  unterschriebene  Urkunde  ver- 
möge der  Unterschriften  besass. 

Der  Gedanke,  dass  gewisse  Schenkungen  zu  ihrer 
Rechtsgültigkeit  der  Insinuation  bei  der  Curie  bedürften, 
scheint  nach  L.  Vis.  II,  5,  1.  2  den  Westgothen  fremd  ge- 
wesen zu  sein,  so  dass  der  Zweck  des  'ante  curiales  de- 
ferre'  wohl  nur  der  gewesen  sein  kann,  die  an  sich  un- 
sicheren Zeugensigna  zu  bestätigen. 

Die  westgothische  Formelsammlung  aus  dem  2.  Jahr- 
zehnt des  7.  Jh.  stimmt,  soweit  sich  das  bei  der  mangel- 
haften Mittheilung  der  Schlussformeln  erkennen  lässt,  mit 
dem  römischen  Brauche  überein. 

Drei  Nummern,  7.  36.  44,  enthalten  statt  der  sub- 
scriptio  des  Ausstellers  dessen  signum.  Von  den  Zeugen 
wird  in  der  Corroboratio  meist  der  unbestimmtere  Aus- 
druck: 'testibus  tradidi  roborandum'  gebraucht,  so  n.  1.  7. 
24.  36.  44.  45.  Aber  da,  wo  dieser  Ausdruck  im  Gegensatz 
zu  dem  vorliergenannten  signum  des  Ausstellers  gebraucht 
wird,  wie  in  7.  36.  44,  dürfen  wir  ihn  wohl  auf  die  sub- 
scriptio  deuten.  Ausdrücklich  wird  das  subscribere  den 
Zeugen  zugeschrieben  in  n.  33 :  'testibus  subscribendam 
tradidimus',  und  in  n.  1  lauten  die  Schlussworte  mit  un- 
bedenklicher Emendation :  'Hl.  rogitus  .  .  .  testis  subscripsi'. 
Dass  auch  in  39  und  40  Zeugen  unterschreiben,  nicht 
signieren,  fällt  vielleicht  weniger  ins  Gewicht,  weil  es  sich 
da  um  gerichtliche  Urkunden  handelt.  Soviel  steht  aber 
fest:  die  Formelsammlung  erwähnt  das  signum  nur  beim 
Aussteller,  niemals  bei  den  Zeugen. 

Chindasvind  scheint  für  gewisse  Fälle  noch  an  der 
subscriptio  der  Zeugen  festgehalten  zu  haben.  So  fordert 
er  VI,  1,  2  für  die  Inscriptio  die  Unterschrift  dreier  Zeugen: 
'trium  testium  subscriptione  roborata  .  Auch  nach  Chin- 
dasvinds  II,  4,  3  hat  der  Zeuge  die  Urkunde  unterschrieben: 
'scriptura,  in  qua  ipse  (testis)  subscripsisse  dinoscitur'. 
Läugnet  der  Zeuge  seine  Unterschrift  ab,  und  kann  sie 
ihm  nicht  'aliis  documentis'  bewiesen  werden,  so  soll  er  vor 
dem    Richter    etwas    schreiben     zum    Zweck    der    Schrift- 


Zum  westgothischen  Urkundenwesen.  23 

vergleichung  mit  seiner  Unterschrift.  Hier  wird  also  vom 
Zeugen  vorausgesetzt,  dass  er  schreiben  kann  und  unter- 
schrieben hat. 

In  II,  5,  13  werden  scripturae  erwähnt:  'in  quibus 
suscriptio  vel  signum  conditoris  adque  testium  firmitas  reppe- 
ritur'.  Wenn  hier  nicht  ausdrücklich  die  sabscriptio  von  den 
Zeugen  verlangt  wird,  so  könnte  man  versucht  sein,  in  der 
Erwähnung  der  'firmitas'  einen  Hinweis  auf  die  subscriptio 
der  Zeugen  zu  finden.  Das  ist  aber  deshalb  nicht  wahr- 
scheinlich, weil  Chindasvind  in  demselben  Gesetze  die 
Schriftvergleichung  ('contropatio  manuum')  zum  Zwecke 
des  Nachweises  der  Echtheit  einer  Urkunde  nicht  nur  für 
die  subscriptiones,  sondern  auch  für  die  signa  anordnet. 
Das  setzt  voraus,  dass  auch  die  signa,  die  Kreuze,  eine 
charakteristische  Handschrift  erkennen  Hessen,  dass  etwa 
die,  welche  nicht  schreiben  konnten,  sich  wenigstens  die 
Zeichnung  eines  besonderen  mit  eigenthümlichen  Kenn- 
zeichen, vielleicht  irgendwelchen  Schnörkeln  versehenen 
Kreuzes   aneigneten. 

Solche  in  ihrer  Eigenart  erkennbare  und  von  anderen 
unterscheidbare  signa  fordert  Chindasvind  geradezu,  wo  er 
ihren  Gebrauch  Zeugen  gestattet,  in  VI,  1,  5:  'epistulam 
tres  festes  evidentibus  signis  aut  subscriptionibus  simul 
cum  eo  (dem  Aussteller)  firment'.  Solche  signa  evidentia, 
die  zur  Schriftvergleichung  dienen  konnten,  waren  aller- 
dings geeignet,  die  subscriptio  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
zu  ersetzen,  und  es  begreift  sich  mit  Berücksichtigung 
dieser  Ausgestaltung  der  Signa,  wenn  Chindasvind  für  die 
Rechtsbeständigkeit  der  Urkunden  neben  der  genauen  Da- 
tierung und  der  Gesetzmässigkeit  des  Inhalts  die  Unter- 
fertigung durch  Aussteller  und  Zeugen  mittels  Unter- 
schriften oder  Handzeichen  fordert,  so  dass  beide  Unter- 
fertigungsarten ganz  gleichstehen ;  s.  II,  5,  1 :  'Scripture, 
quae  diem  et  annum  habuerint  evidenter  expressum  adque 
secundum  legis  ordinem  conscripte  noscuntur,  seu  condi- 
toris vel  testium  fuerint  signis  aut  subscriptionibus  roborate, 
omni  habeantur  stabiles  firmitate'. 

Reccessvind  setzt  dann  ebenso  die  Zeugensigna  den 
Zeugensubscriptionen  ganz  gleich  in  II,  1,  13:  'trium 
testium  .  ,  .  pactio  signis  vel  subscriptionibus  roborata'; 
II,  5,  10 :  'extrema  voluntas  sive  sit  autoris  et  testium 
manu  suscripta,  sive  utrarumque  partium  signis  extiterit 
roborata'. 

Trotz  dieser  scheinbar  vollständigen  Gleichsetzung 
werden  wir  immer  noch  einen  gewissen  Unterschied  in  der 


24  Karl  Zeumer. 

praktischen  Anwendung-  der  beiden  Unterfertigungsarten 
voraussetzen  dürfen.  Eine  nur  mit  Kreuzen,  wenn  auch 
verschiedenen  Charakters  unterfertigte  Urkunde  ist  un- 
denkbar. Die  Handzeichen  der  Zeugen  bedurften  der 
Beglaubigung  durch  andere  Zeugen  oder  durch  den  Ur- 
kundenschreiber; der  Autor  aber  niusste,  wenn  er  nicht 
selbst  unterschreiben  konnte,  sich  durch  einen  des  Schreibens 
kundigen  in  der  Unterschrift  vertreten  lassen.  Diese  Ver- 
tretung in  der  Unterschrift  hat  die  westgothische  Praxis 
der  römischen  entlehnt. 

Schon  eine  Novelle  Theodosius'  II.  und  Valentinians  III., 
Nov.  Theod.  II.  16  (von  439),  in  die  Lex  Eomana  aufge- 
nommen als  9,  1,  bestimmt,  dass,  wenn  derjenige,  welcher 
ein  schriftliches  Testament  macht,  nicht  schreiben  kann, 
zu  den  sonst  nöthigen  sieben  Zeugen,  welche  das  Testa- 
ment unterschreiben  und  siegeln  müssen,  noch  einen  achten 
Zeugen  zuziehen  soll,  der  ihn  in  der  Unterschrift  vertritt : 
'Quod  si  literas  testator  ignoret  vel  subscribere  nequeat, 
octavo  subscriptore  pro  eo  adhibito  eadem  servari  decer- 
nimus'. 

Justinian  kennt  auch  die  Vertretung  des  Urkun- 
denden in  der  Unterschrift.  Doch  soll  nach  der  bereits 
oben  (S.  18)  besprochenen  Stelle  der  Novelle  73  einer  der 
Zeugen,  nicht  ein  besonderer  subscriptor  für  den  Aus- 
steller mit  der  Unterschrift  eintreten,  während  nach  Cod. 
lust.  VI,  30,  22,  2^  bei  der  Anfertigung  des  Inventars  ein 
Tabularius  die  Unterschrift  für  den  Erben  leisten  soll. 

Von  beiden  Arten  der  Stellvertretung  durch  einen 
Notar  und  durch  einen  Zeugen  finden  wir  Beispiele  in  den 
spätrömischen  Urkunden.  In  Spangenberg  n.  31  dictiert 
die  edele  Frau  Eunilo  mit  Zustimmung  ihres  Mannes  Ee- 
lithanc  dem  Notar  ('forensis')  Severus  eine  Schenkungs- 
urkunde, von  der  es  im  Texte  heisst:  'cui  propriae  manus 
tum  ego,  quam  E.  .  .  ivigalis  mens  propter  ignorantiam 
litterarum  signa  inpraessiraus  et  testibus  optuli  suscriben- 
dam'.     Die  Unterschrift  lautet: 

'Signum  -j-  Ranilonis  subl.  f.  suprascriptae  donatricis. 
Signum  +  Eelithauc  viri  subl.  iugalis  suprascrij)tae. 
Quae  ego  Severus  for.  inclusi.' 

Wie  schon  früher  richtig  erklärt  ist,  umschliesst  der  Notar 
mit  seiner  subscriptio,  die  die  Namen  und  Charakterisierung 
der  Aussteller  enthält,  die  signa,  welche  dann  nochmals 
von  den  einzelnen  Zeugen  in  ihren  Subscriptionen  beglau- 
bigt werden. 


Zum  westgothischen  Urkundenwesen.  25 

Tritt  hier  ein  Notar  als  subscrij)tor  ein,  so  tritt  ein 
Freund  der  Ausstellerin  als  subscriptor  auf  in  der  Schen- 
kung- der  Maria,  Spangenberg  n.  28,  v.  J.  491.  Er  kann 
als  mit  der  subscriptio  beauftragter  Zeuge  betrachtet 
werden,  wird  aber  nicht  als  testis  bezeichnet  und  unter- 
schreibt nicht  noch  einmal  als  testis  mit  den  übrigen 
Zeugen,  wie  es  Julian  in  seiner  Fassung  der  justinianischen 
Novelle  später  forderte :  'unus  ex  his  .  .  .  testibus  pro  eo 
subscribat,  omnes  autem  quinque  testes  subscribere  debent, 
quod'  u.  s.  w.  Die  Ausstellerin  erklärt  in  der  Urkunde 
selbst:  'Chartulam  lovino  notario  meo  scribendam  dictavi, 
cuique,  quia  ignoro  litteras,  signum  feci,  ad  quod  Castorium 
V.  c.  carum  meum,  ut  pro  nie  suscriberet,  conrogavi'.  Die 
subscriptio  lautet: 

'Signum  Mariae  sp.  f.  suprascriptae  donatricis.  Fla- 
vius  Castorius  v.  c.  huic  donationi  rogante  Maria  sp.  f. 
ipsa  praesente  ad  signum  eius  pro  ea  subscripsi'.  Dann 
folgt  die  subscriptio  testium. 

Dass  die  Westgothen  die  Stellvertretung  in  der  Unter- 
schrift von  den  Eömern  übernommen  haben,  bezeugt  schon 
die  Interpretatio  zu  der  angeführten  Theodosianischen  No- 
velle, wo  es  im  Anschluss  an  den  Text  heisst:  'septem 
testium  subscriptionibus  confirmatur;  auctor  testamenti,  si 
literas  seit  octavus  ipse  subscribat;  sin  autem  aut  sub- 
scribere non  j)otest  aut  literas  nescit,  tunc  octavum  pro 
se  adhibeat  subscriptorem'. 

Die  älteren  Formen  des  Gesetzbuches  der  Westgothen 
bis  auf  Erwig  erwähnen  einen  solchen  subscriptor  nicht. 
Dagegen  finden  wir  ihn  in  n.  7  der  Formelsammlung.  Dort 
erklärt  der  Aussteller  einer  'Cartula  oblationis' :  'quia  li- 
teras ignoro,  rogavi  dominum  et  fratrem  ill.,  qui  pro  nie 
suscriptor  accessit.  ego  vero  manu  mea  signum  feci  et 
testibus  a  me  rogitis,  bene  natis  viris,  pro  firmitate  tradidi 
roborandam'.  Die  Unterschrift  des  Vertreters  lautet:  '111., 
rogitus  a  domiiio  et  fratre  ill.,  quia  ipse  literas  ignorat,  pro 
eura  [sujscriptor  accessi  et  haue  oblationem  ab  eius  volun- 
tate  factam  pro  confirmationem  suae  personae  subscripsi, 
ipse  vero  subter  manu  suae  signum  fecit'.  Das  in  der 
Formel  nicht  gezeichnete  signum  des  Ausstellers  wird 
dann  noch  einmal,  wahrscheinlich  vom  Urkundenschreiber 
beglaubigt :  'Signum  ill.,  qui  hanc  oblationis  cartulam  cum 
rebus  conlatis  sancto  martiri  ill.  spontanea  voluntate 
contulit'. 

Nicht  nur  einen  solchen  stellvertretenden  subscriptor, 
sondern    sogar   einen  Stellvertreter,    der   entweder   subscri- 


26  Karl  Zeumer. 

bieren  oder  auch  signieren  kann,  kennt  Ervig  in  den  Zu- 
sätzen zu  II,  5,   10  und  II,   5,   1, 

Das  erste  dieser  Gesetze   beginnt   in  Ervigs  Fassung: 

'Morientium  extrema  voluntas  sive  sit  auctoris  et 
testium  manu  subscripta,  sive  utrarumque  partium 
signis  extiterit  roborata,  seu  etiam,  etsi  auctor  subscribere 
vel  Signum  facere  non  praevaleat,  alium  tarnen  cum  legi- 
timis  testibus  subscriptorem  vel  signatorem  ordina- 
tionis  suae  instituat,  sive  quoque  si  tantummodo  verbis 
coram  probationem  ordinatio  eins  qui  moritur  patuerit  pro- 
mulgata:  haec  ordinationum  quattuor  genera  omni  peren- 
niter  valore  subsistant'. 

Vier  Arten  von  letztwilligen  Verfügungen  —  wir  be- 
zeichnen sie  der  Kürze  wegen  als  Testamente  — •  werden  hier 
unterschieden  und  zwar  neben  dem  an  letzter  Stelle  ge- 
nannten mündlichen  Testament  drei  Gattungen  schriftlicher: 
1)  das  von  Testator  und  Zeugen  unterschriebene,  2)  das  von 
Testator  und  Zeugen  unterzeichnete,  3)  das  von  einem 
Andern  an  Stelle  des  Testators,  der  weder  unterschreiben 
noch  unterzeichnen  konnte,  unterschriebene  oder  unter- 
zeichnete Testament.  Darauf  giebt  Ervig  Vorschriften  für 
die  Behandlung  dieser  verschiedenen  Testamente.  In  Bezug 
auf  die  beiden  ersten  Gattungen  schärft  er  zunächst  ein, 
dass  sie,  wie  alle  schriftlichen  Testamente,  gemäss  II,  5,  12 
innerhalb  6  Monaten  nach  dem  Tode  des  Testators  publi- 
ciert  werden  sollen :  'scripturae  illae,  quae  secundum  primi 
et  secundi  ordinis  confectionem  sunt  alligatae,  id  est,  sive 
quae  auctoris  et  testium  manu  subscriptae,  seu  quae  utra- 
rumque partium  signis  extiterint  roboratae,  infra  sex  menses 
iuxta  legem  aliam  sacerdoti  pateant  publicandae'. 

Dann  heisst  es  weiter:  'Et  si  forsitan  contigerit,  ut 
in  huiusmodi  scripturis  auctor,  qui  subscribere  debuit, 
Signum  inpresserit,  hoc  ipsud  testis,  qui  in  eadem  scrip- 
tura  subscriptor  accessit  iurare  curabit,  quia  signum  ipsud 
a  conditore  factum  extiterit'.  Hieraus  sehen  wir,  dass  die 
beiden  ersten  Gattungen  in  dem  Vorhergehenden  nicht 
genau  bezeichnet  sind.  Ob  die  Zeugen  unterschreiben  oder 
unterzeichnen,  macht  keinen  Unterschied  aus,  sondern  nur 
ob  der  Testator  selbst  unterschreibt  oder  nur  sein  Hand- 
zeichen macht.  In  letzterem  Ealle  bedarf  es  eines  Zeugen, 
welcher  subscriptor,  nicht  nur  signator  ist,  also  eine  wirk- 
liche subscriptio  leistete,  die  vermuthlich  eine  Erklärung 
über  das  vom  Testator  gemachte  Handzeichen  enthielt. 
Dieser  subscriptor  soll  später  die  Echtheit  des  Handzeichens 
beschwören. 


Zum  westgothischen  Urkundenwesen.  27 

Ueber  die  dritte  Gattung  wird  dann  verordnet :  'Illae 
vero  scripturae,  quae  snb  tertii  ordinis  alligatione  sunt 
editae,  id  est  in  quibus  advocatus  a  eonditore  legitimus 
testis  snbscripsit,  tunc  omni  habebuntur  stabiles  firmitate, 
quando  infra  sex  inenses  et  ille,  qui  in  eadem  scriptura  ad 
vieem  morientis  subscriptor  accessit,  et  reliqui  testes,  qui 
ab  eo  rogati  sunt,  coram  iudice  conditionibus  factis  iura- 
verint,  quod  in  eadem  scriptura  a  se  subscripta  nulla  sit 
fraus  inpressa,  sed  secundam  voluntatem  ipsius  conditoris 
habeatur  conscripta,  et  quod  ab  eo,  qui  eam  condere  vo- 
luit,  rogiti  extitissent,  nt  in  eadem  scriptura  subscriptores 
accederent  et  ad  vicem  conditoris  eam  legitime  roborarent'. 

Die  dritte  Gattung  bildeten  nach  dem  Vorhergehenden 
diejenigen  Testamente,  in  welche  der  Testator  nicht  einmal 
sein  Handzeichen  setzen  konnte  und  sich  daher  dnrch 
einen  besonders  dazu  berufenen  subscriptor  oder  signator 
vertreten  lassen  musste.  Nur  in  diesem  Falle  bedarf  es 
eines  Vertreters,  während  der  in  seiner  Zeugensubscriptio 
die  Echtheit  des  signnm  bezeugende  Urkundszeuge  in  dem 
vorigen  Falle  nicht  mehr  als  Vertreter  aufgefasst  wird. 
Dieser  Vertreter  brancht  nun,  und  das  ist  besonders  das 
Auffallende,  nicht  nothwendig  subscriptor  zu  sein,  sondern 
kann  entweder  eine  Unterschrift  leisten  oder  auch  nur  sein 
Handzeichen  machen ;  freilich  ist  an  der  eben  angeführten 
Stelle  nur  der  subscriptor  genannt;  doch  zeigt  die  Ver- 
gleichung  mit  dem  Eingange  der  Lex,  dass  der  signator 
auch  hier  mit  gemeint  ist. 

Dieses  Testament,  auf  das  der  Testator  weder  sub- 
scriptio  noch  signum  gesetzt  hat,  wird  nun  aber  in  Folge 
dieses  Mangels  kaum  noch  wie  ein  schriftliches  Testament 
behandelt,  denn  der  stellvertretende  subscriptor  und  sämmt- 
liche  Zeugen  müssen  ganz  wie  die  Zeugen  beim  mündlichen 
Testament  den  vom  Testator  bekundeten  Willen  eidlich 
erhärten ;  nur  dass  hier  der  Inhalt  des  niedergeschriebenen 
Willens  die  Grundlage  des  Eides  bildet,  während  beim 
Zeugnis  über  das  mündliche  Testament  dessen  Inhalt  ganz 
in  die  bei  den  Westgothen  üblichen  schriftlichen  Eides- 
formulare ('conditiones')  aufgenommen  werden  musste. 

Eine  entsprechende  Bestimmung,  wie  sie  hier  für  die 
schriftliche  'extrema  voluntas  morientium'  gegeben  ist,  ent- 
hält auch  der  Zusatz  Ervigs  zu  II,  5,  1,  anscheinend  in 
Bezug  auf  Schrifturkunden  allgemein,  wobei  dann  freilich 
aus  einigen  Wendungen  hervorgeht,  dass  auch  hier  in  erster 
Linie  letztwillige  Verfügungen  gemeint  sind,  die  sich  ja 
bei   den   Westarothen    nicht    wesentlich   von   anderen   Ver- 


28  Karl  Zeumer. 

gabungs-  und  Veräusserungs-Urkunden  unterschieden.  Die 
Bestimmung  lautet  im  Anschluss  an  das  Gesetz  Chindas- 
vinds  über  die  Rechtsgültigkeit  der  von  Aussteller  und 
Zeugen  unterschriebenen  oder  unterzeichneten  Urkunden : 
'Simili  quoqvie  et  illae  scripturae  valore  constabunt,  quas 
etsi  auctor  subscribere  aegritudine  obsistente  non  valuit, 
in  eis  tarnen,  qui  subscriptores  accederent,  postulabit,  sic- 
que,  subscriptionem  vel  signum  ad  vicem  illius  auctoris 
ille,  qui  est  rogatus.  inpresserit'.  Wird  der  ürkundende 
wieder  gesund,  so  soll  er  die  subscriptio  nachholen,  andern- 
falls soll  der  Zeuge  die  von  ihm  unterschriebene  Urkunde 
innerhalb  sechs  Monaten,  wie  jenes  andere  Gesetz  vor- 
schreibt, für  die  Bekräftigung  (durch  seinen  und  der 
übrigen  Zeugen  Eid)  sorgen.  Die  Bestimmungen  sind  in 
ähnlicher  Weise  nachlässig  gefasst,  wie  in  jenen  anderen 
Zusätzen.  Auch  hier  ist  mitunter  nur  von  der  subscriptio 
die  Rede,  wo  diese  oder  das  signum  gemeint  ist. 

Aus  beiden  Gesetzen,  wie  sie  durch  Ervig  erweitert 
und  verändert  sind,  gewinnen  wir  wichtige  Aufschlüsse  über 
die  Bedeutung  der  beiden  Unterfertigungsarten  für  die 
Glaubwürdigkeit  der  Urkunden. 

Was  zunächst  die  Unterfertigung  durch  den  Aussteller 
betrifft,  so  verleiht  die  subscriptio  des  Ausstellers  der  Ur- 
kunde volle  Glaubwürdigkeit.  Tritt  an  Stelle  der  subscriptio 
das  Signum  des  Ausstellers,  so  verleiht  dieses  der  Urkunde 
die  gleiche  Glaubwürdigkeit,  wenn  die  Echtheit  des  Hand- 
zeichens bewiesen  wird.  Diesen  Beweis  hat  ein  Zeuge,  der 
die  Urkunde  unterschrieben  hat,  durch  seinen  Eid  zu  er- 
bringen. Kann  der  Aussteller  aber  drittens  weder  unter- 
schreiben noch  unterzeichnen,  fehlt  also  jede  Unterfertigung 
des  Autors,  so  trägt  die  Urkunde  ihre  Beweiskraft  nicht 
mehr  in  sich  selbst,  sondern  nur  in  den  Zeugen,  die  sie 
unterfertigt  haben,  und  mit  ihrem  Eide  für  die  Wahrheit 
des  Inhalts  eintreten  müssen.  Die  nicht  vom  Aussteller 
unterfertigte  westgothische  Urkunde  hatte  also  dieselbe 
Bedeutung  wie  die  fränkische  Privaturkunde. 

Gegenüber  der  für  die  Beweiskraft  der  Urkunde  ent- 
scheidenden Uuterfertigung  des  Ausstellers  tritt  die  der 
Zeugen  mehr  zurück.  Sie  dient  nur  zur  Sicherung  des 
Beweises  der  Echtheit  für  jene  oder  in  Fällen,  wo  die 
Unterfertigung  des  Ausstellers  ganz  fehlt,  zur  Sicherung 
des  Zeugenbeweises  für  den  Inhalt  der  Urkunde.  Hier  ist 
denn  auch  das  signum  der  subscriptio  ganz  gleichgestellt. 
Während  das  Handzeichen  des  Autors  wie  seit  Alters  der 
Beglaubigung  durch  einen  'testis,   qui  subscriptor  accedit', 


Zum  westgothischen  Urkundenwesen.  29 

bedarf,  wird  von  einer  solchen  Beglaubigung  der  Zeugen- 
signa nichts  berichtet,  und  sie  ist  auch  mit  dem  Wesen 
der  Unterfertigung  durch  Zeugen  kaum  vereinbar.  Sobald 
man,  was  vielleicht  seit  Leogivild,  sicher  seit  Reccessvind 
geschah,  Handzeichen  der  Zeugen  zuliess,  mussten  sie  auch 
für  sich  genügen  und  konnten  es  um  so  eher,  als  sie, 
wie  wir  oben  sahen,  oft  individuell  gestaltet  waren.  Eine 
Art  von  Beglaubigung  fand  dabei  wohl  nur  in  der  Weise 
statt,  dass  der  Urkundenschreiber  die  Namen  der  Zeugen 
zu  deren  Handzeichen  setzte. 

Die  selbständige  Beweiskraft  der  westgothischen  Ur- 
kunde ruhte,  wie  die  Zusätze  Ervigs  zu  einigen  Gesetzen 
im  5.  Titel  des  II.  Buches  zeigten,  allein  in  der  Unter- 
fertigung des  Ausstellers.  Deshalb  galt  es  gegenüber  der 
Anfechtung  einer  Urkunde,  namentlich  wenn  der  Aussteller 
verstorben  war,  sowie  gegenüber  der  Abläugnung  einer 
Unterfertigung  vor  allem  die  Echtheit  der  Unterfertigung 
festzustellen.  Hierzu  aber  diente  bei  den  Westgothen  neben 
dem  Zeugenbeweis  besonders  die  Schriftvergleichung,  ein 
Institut,  welches  sich  bei  den  Franken  und  Langobarden 
nur  in  ganz  beschränktem  Maasse  findet  ^.  Das  reine  ger- 
manische Beweisrecht  konnte  ihm  nur  einen  weit  gerin- 
geren Raum  gewähren,  als  das  romanisierte  Beweisrecht  der 
Westgothen. 


1)  Siehe  darüber  besonders  Brunner,  Deutsche  Rechtsgeschichte  II, 
422  f.  425  f. 


2.   Die  Schriftvergieichung  (contropatio). 

Die  Schriftvergleichung  als  Mittel  zur  Feststellung 
der  Echtheit  einer  Urkunde  haben  die  Westgothen  mit 
ihrem  XJrkundenwesen  von  den  Römern  übernommen.  Ehe 
wir  zur  Betrachtung  der  westgothischen  Schriftvergleichung 
selbst  schreiten,  müssen  wir  daher  die  bisher  noch  nicht 
eingehend  im  Zusammenhang  behandelte  Schriftvergleichung 
des  römischen  Rechtes,  soweit  sie  für  die  Beziehungen  zum 
westgothischen  Rechte  von  Interesse  ist,  erörtern. 

Die  Schriftvergleichung,  von  den  Römern  als  'scrip- 
turarum  collatio,  manus  collatio,  litterarum  comparatio' 
bezeichnet,  ist  im  Criminalprocess  als  Beweismittel  wohl 
von  Alters  her  im  Gebrauch  gewesen.  Constantin  ordnet 
ihre  Anwendung  beim  crimen  falsi  an,  Cod.  lust.  IX, 
22,  22 :  'übi  falsi  examen  inciderit,  tunc  acerrima  fiat  in- 
dago  argumentis,  testibus,  scripturarum  collatione  aliisque 
vestigiis  veritatis'.  Auch  im  Civilprocess  scheint  die  Schrift- 
vergieichung im  älteren  römischen  Rechte  vielfach  ver- 
wendet zu  sein.  Darauf  deuten  die  wiederholten  Versuche 
sie  gesetzlich  einzuschränken.  Eine  Constitution  von  Ho- 
norius  und  Theodosius  vom  Jahre  421  erklärt  die  Schrift- 
vergieichung allein  nicht  für  ausreichend,  die  Echtheit  der 
von  einem  Verstorbenen  ausgestellten  Urkunde  zu  beweisen; 
Cod.  Theod.  II,  27,  1,  §  1:  'scripturam  probator  adfirmet; 
quam  tamen  adstrui  non  sola  manus  collatione  conveniet, 
—  quid  enim  aliud  falsarius  agit,  quam  ut  similitudinem 
veritatis  imitetur?  —  sed   aliis   multiplicibus   documentis'. 

Dann  hat  Justinian  wiederholt  die  Schriftvergieichung 
beschränkt  und  bei  der  Gelegenheit  auch  einmal  auf  jene 
ältere  Constitution  und  die  darin  enthaltene  Begründung 
ausdrücklich  hingewiesen  in  der  Einleitung  zu  Novelle  73, 
wo  es  in  der  Fassung  des  Authenticum  heisst:  'Novimus 
nostras  leges  quae  volunt  ex  collatione  litterarum  fidem 
dari  documentis  et  quia  quidam  imperatorum  .  .  ,  haec 
talia  prohibuerunt,  illud  studium  falsatoribus  esse  cre- 
dentes,  ut  ad  imitationem  litterarum  semet  ipsos  maxime 
exercerent,    eo   quod   nihil   aliud   est   falsitas   nisi  imitatio 


Zum  westgothischen  Urkimdenwesen.  31 

veritatis'.  Zuerst  hat  sich  Justinian  mit  der  Schriftver- 
gleichung  beschäftigt  in  einer  Constitution  vom  Jahre  530, 
Cod.  IV,  20,  21.  Die  häufige  Schriftvergleichung-  reize  zur 
Urkundenfälschung  an.  Deshalb  sollen  Privaturkuuden 
zur  Vergleichung  nur  benutzt  werden,  wenn  sie  die  Unter- 
schrift von  3  Zeugen  tragen  und  nachdem  die  Echtheit 
dieser  Unterschriften  durch  Anerkennung  von  Seiten  der 
Zeugen  oder  durch  Schriftvergleichung  gesichert  ist:  'non 
licere  comparationes  litterarum  ex  chirographis  fieri,  nisi 
habuerint  trium  testium  subscriptiones  et  prius  litteris 
eorum  fides  imponatur,  vel  ex  ipsis  hoc  deponentibus  .  .  . 
sive  comparatione  litterarum  procedente,  et  tunc  ex  huius- 
modi  chartula  iam  probata  comparatio  fiat'.  Ausser  solchen 
beglaubigten  Privaturkunden  sollen  nur  noch  öffentliche 
Urkunden  ('forensia  vel  publica  instrumenta')  zur  Schrift- 
vergleichung zulässig  sein.  In  allen  Fällen  aber  sollen 
diejenigen,  'qui  comparationes  faciunt',  vorher  eidlich  ver- 
sichern: 'quod  neque  lucri  causa  neque  inimicitiis  neque 
gratia  tenti  huiusmodi  faciunt  comparationem'.  Es  ist  dies 
der  Eid  der  die  Schriftvergleichung  ausführenden  Sach- 
verständigen, der  uns  hier  zuerst  begegnet  ^  Einen  solchen 
Sachverständigen -Eid  fordert  Justinian  für  die  Schrift- 
vergleichung auch  in  Novelle  49,  c.  2  am  Ende  -.  Wie  in 
diesem  Punkte  so  bestätigt  diese  537  erlassene  Novelle  auch 
im  übrigen  die  früheren  Bestimmungen  und  weist  nur  eine 
missbräuchliche  Berufung  auf  das  Gesetz  von  530  in  einer 
bestimmten  Richtung  zurück. 

Neue  Anordnungen  über  die  Schriftvergleichung  ent- 
hält die  Novelle  73,  die  auch  andere  Fragen  betreffs  des 
Urkundenwesens  eingehend  regelt.  Die  Einleitung  legt 
sehr  ausführlich  dar,  welche  Schwierigkeiten  dem  Beweis 
durch  Schriftvergleichung  entgegenstehen.  Die  wichtigsten 
Bestimmungen  aber  enthält  Capitel  7. 

Hier  wird  bestimmt,  dass  der  Beweis  durch  Schrift- 
vergleichung nur  dann  eintreten  soll,  wenn  alle  anderen 
Beweismittel    für    die    Echtheit    einer    Urkunde    versagen, 


1)  V,  Bethmann  -  Hollweg,  Civil  -  Process  III,  S.  95  beruft  sich  auf 
dieses  Gresetz  nicht  nur  für  den  Sachverständigen  -  Eid,  sondern  irrthüm- 
lich  auch  für  den  Calumnien -Eid  des  Producenten,  von  dem  darin  nicht 
die  Rede  ist.  2)  Im  griechischen  Texte  heisst  es :  'rör  ogy.or  diÖövat. 
Tovg  d)'r«^£TdC"o)Ta?  rot  ygäß/nara  vEvojxodeTrjy.aiiEv''  und  nachher  'roS  fisvroi 
ogxov  rwr  avyy.oir6vro)y\  Im  Authenticum  steht  dafür:  'iusiurandura 
praebere  discutientes  litteras  sancivimus'  und  'iureiurando  tarnen  compa- 
rantium'.  Julian,  Const.  44,  sagt :  'omnes  autem  litterarum  comparatores 
prius  sacramentum  praestent  et  tunc  deinde  faciant  comparationes'. 
Ueberall  sind  sicher  nur  die  Sachverständigen  gemeint. 


32  Karl  Zeumer. 

wenn  der  Tabellio,  die  Urkundszeugen,  der  etwa  genannte 
Numerator  todt  oder  abwesend  und  andere  Zeugen  nicht 
zu  beschaffen  sind.  Kommt  es  zur  Schriftvergleichung,  so 
soll  diese  nach  Möglichkeit  ausgedehnt  werden  auf  die 
Zeugenunterschriften  und  die  Completio  des  Notars.  Immer 
soll  aber  vor  der  Anwendung  der  Schriftvergleichung  der 
Richter  den  Producenten  einen  Gefährdeeid  schwören  lassen 
des  Inhalts :  'quia  nihil  maligni  conscius  in  eo,  quod  a  se 
profertur,  nee  quandam  artem  circa  collationem  fieri  prae- 
parans,  sie  utitur  eo,  quatenus  neque  perimatur  quicquam 
omnino  et  per  omnia  munitio  in  rebus  fiat'  (Auth.).  Später 
wird  dann  dieser  Eid  des  Producenten  nochmals  erwähnt 
und  zwar  als  etwas  bisher  bereits  übliches :  'quod  hactenus 
valuit  fiat,  ut,  qui  profert  ad  collationes  documentum,  iuret 
sollemniter'  (Auth.),  oder  wie  es  statt  der  letzten  Worte 
genauer  im  Original  heisst:  'ö/uvvvai  ja.  ve/uojuiojueva'  (legi- 
timum  sacramentum  praestet).  Obwohl  dieser  Calumnieneid 
des  Producenten  in  früheren  Gesetzen  nicht  erwähnt  wird, 
dürfen  wir  nach  dieser  Stelle  nicht  zweifeln,  dass  er  be- 
reits herkömmlich  war. 

Als  etwas  unzweifelhaft  Neues  wird  dann  aber  auch 
von  der  Gegenpartei  des  Producenten  (des  'Producten',  wie 
die  Processualisten  zu  sagen  lieben)  ein  Eid  verlangt.  Sie 
soll  nach  dem  Authenticum  schwören:  'quia  non  aliam 
idoneam  habens  fidem  ad  collationes  instrumen forum  venit 
nee  quicquam  circa  eam  egit  aut  machinatus  est,  quod 
forte  possit  veritatem  abscondere'.  Julian,  Const.  66,  fasst 
den  Inhalt  des  Originals  kurz  zusammen:  'Sin  autem  nullum 
aliud  ad  veritatem  probandam  supersit  quam  comparationes 
litterarum,  tunc  illud  teneat,  quod  usque  ad  hoc  tempus 
obtinuit,  ut  qui  instrumentum  producit  legitimum  sacra- 
mentum subeat:  quod  nulla  malitia  usus  est;  sed  et  is, 
qui  fidem  instrumenti  exigit,  de  dolo  et  calumnia  iusiu- 
randum  subeat'. 

Wie  verhält  sich  nun  die  Schriftvergleichung,  wie 
sie  uns  im  Westgothenrecht  entgegentritt,  zu  der  römi- 
schen? 

In  westgothischen  Gesetzen  finden  wir  erst  seit  Chin- 
dasvind  die  Schriftvergleichung  erwähnt.  Sie  wird  in  Ge- 
setzen dieses  Königs  und  seines  Nachfolgers  bezeichnet  als 
'contropatio  manuum'  oder  'scripturarum'.  'Contropare' 
heisst  dasselbe  wie  'conferre',  wird  nicht  ausschliesslich 
von  der  Schriftvergleichung,  aber  von  dieser  immer  ge- 
braucht und  hängt  wohl  zusammen  mit  Spanisch :  'con- 
trovar',  Ital. :    'controvare'.     Das  Wort   ist   meines  Wissens 


Zum  westgothischeu  Urkundenwesen,  33 

bis  jetzt  nur  in  den  westgotliischen  Gesetzen  nachgewiesen 
(vgl.  Leges  Vis.  ant.  p.  73  n.  1). 

Dass  aber  das  Institut  erst  seit  Chindasvind  in  das 
westgothische  Rechtsleben  eingeführt  sein  sollte,  ist  nicht 
anzunehmen.  Wäre  das  der  Fall  gewesen,  so  würden  die 
westgothischeu  Gesetzgeber  des  7.  Jh.  wohl,  wie  das  in 
anderen  Fällen  unzweifelhaft  geschehen  ist,  aus  dem  justi- 
nianischen Eecht  geschöpft  haben.  Die  starken  Abwei- 
chungen der  westgothischeu  Schriftvergleichung  von  der 
Justinians  deuten  also  darauf  hin,  dass  dieses  Institut  schon 
früher  den  Westgothen  bekannt  war;  sei  es,  dass  darauf 
bezügliche  ältere  Gesetze  nicht  erhalten,  sondern  durch  die 
späteren  verdrängt  sind,  sei  es,  dass  das  Institut  ohne  ge- 
setzliche Regelung  in  der  Praxis  galt. 

Schon  die  Art  wie  Chindasvind  II,  4,  3  und  II,  5,  13 
ohne  nähere  Erklärung  den  Ausdruck  'contropare'  gebraucht, 
dessen  Bedeutung  er  als  etwas  bekanntes  vorauszusetzen 
scheint,  dürfte  gegen  die  Annahme  sprechen,  dass  erst  er 
die  Sache  eingeführt  hätte.  Es  kommt  hinzu,  dass  in 
früherer  Zeit  den  Römern  des  Gothenreichs  das  Institut 
bekannt  und  für  sie  durch  die  Lex  Romana  anerkannt 
war.  Die  einzige  Stelle  dieses  Gesetzbuches,  welche  die 
Schriftvergleichung  erwähnt,  ist  die  schon  angeführte  Cod. 
Th.  II,  27,  1.  Hier  unterscheidet  sich  nun  bereits  die 
Interpretatio  in  bemerkenswerther  Weise  vom  Texte.  Dieser 
setzt  als  Object  der  Vergleichung  eine  Schuldurkunde 
voraus,  die  als  chirographum  bezeichnet  wird.  Da  für 
die  Echtheit  dieses  chirographum  nach  dem  Tode  des 
Schuldners  die  Schriftvergleichung  in  Frage  kommt,  kann 
nur  ein  eigenhändiges  chirographum,  ein  sog.  'idiochirum' 
gemeint  sein,  nicht  aber  ein  solches,  welches  im  Auftrage 
des  Ausstellers  von  einem  Dritten  geschrieben  war  ^  Ob  man 
nun  damals  als  eigenhändiges  chirographum  nur,  wie  wohl 
ursprünglich,  eine  vom  Aussteller  geschriebene  Urkunde, 
oder  schon  auch  die  von  einem  andern  geschriebene,  aber 
mit  der  eigenhändigen  subscriptio  des  Ausstellers  versehene 
Urkunde  verstand,  wie  das  nach  Brunners  Erklärung-  bereits 
in  einer  Constitution  des  Kaisers  Leo  vom  Jahre  472,  Cod. 
lust.VIII,  7,11,  geschehen  ist,  können  wir  dahin  gestellt  sein 
lassen.  Die  Interpretatio  lässt  aber  den  ursprünglichen 
Hauptfall,  dass  die  Schuldurkunde  ganz  vom  Aussteller 
geschrieben  war,  gänzlich  bei  Seite  und  setzt  voraus,  dass 


1)  Vgl.  über  das  chirographum  die  Ausführungen  Brunners,  Rechts- 
gesch.  d.  Urk.  S.  44  f.  53  f.        2)  A.  a.  0.  S.  58. 

Xeues  Archiv  etc.     XXIV.  3 


34  Karl  Zeumer. 

durch  die  Schriftvergleichung-  nur  die  Echtheit  der  sub- 
scriptio  erwiesen  werden  solle:  'intra  biennium  defuncti 
publicet  cautionem,  ita  tarnen  ut  manus  mortui  conferatur 
et  agnosci  possit  illius  esse  subscriptio'.  Diese  Be- 
schränkung der  Schriftvergleichung  auf  die  Unterschrift 
findet  sich  nun  nirgend  in  den  justinianischen  Quellen, 
dagegen  regelmässig  bei  den  Westgothen. 

Chindasvinds  Gesetz  II,  5,  13  ordnet  an:  'Omnes 
scripture,  quarum  et  autor  et  testis  defunctus  est,  in  quibus 
tamen  subscriptio  vel  Signum  conditoris  adque  testium  fir- 
mitas  repperitur,  dum  in  audientia  prolate  constituerint, 
ex  aliis  cartarum  signis  vel  subscriptionibus  contropentur, 
sufficiatque  ad  firmitatem  vel  veritatis  huius  indaginem 
agnoscendam  trium  aut  quattuor  scripturarum  similis  et 
evidens  prolata  suscriptio'.  Dem  entsprechen  denn  auch 
Eeccessvinds  Gesetze  II,  5,  14  und  15.  In  ersteren  wird 
von  einer  Urkunde  (scriptura),  deren  Aussteller  verstorben 
ist,  gesagt:  'Quam  sacerdos  idem  et  iudex,  adlatis  sibimet 
tribus  aliis  scripturis,  in  quibus  testatoris  subscriptio  rep- 
peritur, ex  earum  contropationem  considerent,  si  certa  et 
evidens  scriptura  est,  quam  idem  conditor  olografa  ratione 
conscripsit'.  In  dem  zweiten  dieser  Gesetze  wird  ange- 
ordnet :  'querenda  (sunt)  .  .  .  instrumenta  cartarum,  ut  con- 
tropatis  aliarum  scripturarum  suscriptionibus  adque  signis 
possit  agnosci,  utrum  (scriptura)  habeatur  idonea,  an  repro- 
betur  indigna'. 

Es  ist  also  die  Unterschrift  und,  was  ja  eine  sehr 
auffallende  Besonderheit  der  westgothischen  Schriftver- 
gleichung ist,  eventuell  auch  das  stellvertretende  signum\ 
was  allein  zur  contropatio  benutzt  wird.  Nur  bei  dem 
holographischen  Testament  wird  auch  die  Echtheit  der 
Schrift  des  Textes  der  Urkunde  selbst  vermöge  der  Ver- 
gleichung  mit  den  Unterschriften  anderer  Urkunden  fest- 
gestellt; das  ist  aber  auch  da  nicht  die  Hauptsache.  Auch 
beim  sogenannten  'olografum'  darf  nach  westgothischem 
Rechte  die  Unterschrift  nicht  fehlen.  Sie  galt  einmal,  wie 
wir  sahen,  als  das,  worin  die  Glaubwürdigkeit  und  die 
selbständige  Beweiskraft  der  Urkunde  beruhte.  Zur  Con- 
tropation  sollten  nach  den  angeführten  Gesetzen  nicht  die 
Texte,  die  ja  auch  regelmässig  nicht  vom  Aussteller  her- 
rührten, sondern  die  subscriptiones  benutzt  werden,  und 
daher  konnte  auch  ein  'olografum'  am  sichersten  dann 
recognosciert  werden,  wenn  es  eine  solche  subscriptio  hatte. 

1)  S.  oben  S.  23. 


Zum  westgothischen  Urkundenwesen.  35 

Das  ist  der  Grund,  -weshalb  Eeccessvind  in  II,  5,  14  für 
das  zeugenlose  und  ganz  eigenhändig  vom  Testator  geschrie- 
bene holographische  Testament,  welches  nach  römischem 
Rechte  nicht  der  subscriptio  des  Testators  bedurfte,  auch 
noch  diese  subscriptio  verlangt:  'manu  propria  scribat  ea 
que  hordinare  desiderat;  ,  .  .  toto  scripture  textu  con- 
scripto,  rursum  autor  ipse  suscribat'.  Das  ist  nicht  erst 
durch  Eeccessvind  eingeführt;  denn  schon  Isidor  Etymol. 
V,  24,  7  erklärt:  'Holographum  testamentum  est  manu 
auctoris  totum  conscriptum  atque  subscriptum'  ^. 

In  der  regelmässigen  Beschränkung  der  Schriftver- 
gleichung auf  die  Unterschrift  in  den  westgothischen  Ge- 
setzen liegt  eine  so  starke  Abweichung  von  den  Bestim- 
mungen Justinians,  dass  wir  diese  nicht  wohl  als  die  Quelle, 
wenigstens  nicht  als  die  alleinige  Quelle  jener  Gesetze 
Chindasvinds  und  seines  Sohnes  ansehen  können. 

In  einem  Punkte  dagegen  scheint  Eeccessvind  wirk- 
lich justinianisches  Eecht  aufgenommen  zu  haben.  Er  ge- 
stattet II,  5,  15  in  dem  Falle,  dass  die  Urkunde  eines 
Verstorbenen  produciert  wird,  der  Gegner  aber  erklärt, 
von  der  Echtheit  der  Urkunde  seines  Vorfahren  nicht  über- 
zeugt zu  sein  ('nescire  se  dixerit  ipsius  scripture  veri- 
tatem),  dem  Producenten  den  Beweis  durch  Schriftver- 
gleichung. Es  soll  dann  erst  der  Producent,  darauf  aber 
auch  der  Gegner  einen  Gefährdeeid  schwören.  Dieser  eigen- 
thümliche  doppelte  Eid  ist  wohl  auf  Justinians  Novelle  73, 
c.  7  zurückzuführen,  durch  welche,  wie  wir  sahen,  der  Eid 
des  'Producten'  erst  eingeführt  wurde  -. 

Bemerkenswerth  sind  nun  die  weiteren  Bestimmungen 
von  II,  5,  15.  Sind  die  Eide  geschworen,  so  soll  man  das 
Hausarchiv  ('scrinia  domestica')  nach  Urkunden,  welche 
zur  contropatio  dienen  können,  durchsuchen;  wenn  das 
ohne  Erfolg  ist,  sollen  anderweit  Urkunden  zur  Vergleichung 
beschafft  werden.  Wird  so  durch  üebereinkommen  der 
Parteien  ('per  talem  conventionem')  mittels  Schriftver- 
gleichung die  Echtheit  der  Urkunde  festgestellt,  so  braucht 
der  Erbe  die  in  der  Urkunde  enthaltene  Anfechtungsbusse 


1)  Die  Untersclirift  ist  bei  den  Westgothen  also  auch  für  die  vom 
Aussteller  eigenhändig  geschriebene  Urkunde  gesetzlich  gefordert.  Auch 
in  der  langobardischen  Praxis  war  sie  in  diesem  Falle  nach  Brunner, 
Rechtsgesch.  d.  Urk.  S.  34,  mindestens  üblich.  2)  Schon  Ortloff,  Der 
Diffessionseid,  die  Zeugenrecognition  und  die  Schriftenvergleichung  in  den 
Juristischen  Abhandlungen  I,  S.  8  f.  hat  auf  die  Aehnlichkeit  der  Bestim- 
mungen der  Novelle  mit  der  des  westgothischen  Gesetzes  hingewiesen  und 
die  Eide  richtig  für  Calumnieneide  erklärt. 

3* 


36  Karl  Zeumer. 

nicht  zu  zahlen.  Die  Gegenpartei  kann  aber  trotz  der 
Contropatio  der  Urknnde  ihre  Anerkennung-  versagen.  Da- 
durch zwingt  sie  den  Producenten,  die  Echtheit  der  Ur- 
kunde durch  Zeugen  zu  beweisen. 

Gelingt  der  Beweis  durch  Zeugen,  so  hat  nun  der 
Gegner  dem  Producenten  die  in  der  Urkunde  festgesetzte 
Anfechtungsbusse  zu  zahlen.  Uebersteigt  diese  den  Werth 
dessen,  was  der  aus  der  Urkunde  Verpflichtete  von  seinem 
Vorfahren,  dem  Aussteller  der  Urkunde,  geerbt  hat,  so 
kann  jener  sich  durch  Abtretung  dieses  Erbgutes  an  den 
Producenten  von  allen  Ansprüchen  befreien:  eine  Anwen- 
dung des  Grundsatzes,  dass  der  Erbe  aus  Obligationen  des 
Erblassers  nur  bis  zum  Betrage  seines  Erbgutes  zu  haften 
braucht  ^. 

Die  Bestimmung,  wonach  schwerere  Nachtheile  für  den 
die  Echtheit  einer  gegen  ihn  vorgebrachten  Urkunde  Läug- 
nenden  erst  eintreten,  wenn  er  sich  beim  Beweis  durch 
Schriftvergleichung  nicht  beruhigt,  und  ihm  die  Echtheit 
durch  Zeugen  bewiesen  wird,  findet  ein  Analogon  in  der  resti- 
tuierten Lex  Cod.  lust.  IV,  21,  16.  Dort  wird  bestimmt, 
dass  der,  welcher  eine  von  ihm  selbst  herrührende  Urkunde 
abläugnet,  eine  Busse  von  24  Schillingen  wegen  der  Lüge, 
'vTzsQ  avTov  Tov  ysvöovg'  zahlen  soll,  wenn  sie  ihm  nur 
durch  Schriftvergleichung  als  echt  bewiesen  wird;  findet 
ein  Echtheitsbeweis  durch  den  Tabellio  oder  die  Zeugen 
statt,  so  verliert  er  die  'exceptio  non  numeratae  pecuniae'. 
Die  Analogie  ist  deutlich ;  aber  an  eine  Anlehnung  an  diese 
Stelle  bei  Abfassung  der  Lex  Peccessvinds  ist  nicht  zu 
denken.  Der  Gesetzgeber  schöpfte  wohl  aus  der  im  West- 
gothenreiche  überlieferten  römischen  Praxis. 

Dasselbe  dürfen  wir  annehmen  für  eine  eigenthüm- 
liche  Anwendung  der  contropatio  nach  II,  4,  3,  wo  an- 
geordnet wird,  was  geschehen  soll,  wenn  ein  Urkunden- 
zeuge seine  Unterschrift  ableugnet :  'Et  si  hoc  ipse  quibus- 
libet  aliis  documentis  convincere  fortasse  nequiverit, 
experientia  iudicis  id  requirere  sollerter  curabit ;  ita  ut  pro 
manus  contropatione  testis  ille,  qui  negat,  iudice  presente 
scribat;  qui  etiam  plus  cogatur  scribere,  ut  veritas  facilius 
innotescat;  ubi  scilicet  et  hoc  omnino  querendum  est,  ut 
scripture  querantur  et  presententur,  quas  antea  fecit  sive 
suscripsit'.  Wenn  der  Zeuge  nicht  selbst  durch  'alia  docu- 
menta'  den  Beweis  dafür  erbringen  kann,  dass  die  Unter- 
schrift nicht  von  ihm  herrühre,  dann  soll  der  Richter  ihn 


1)  Vgl.  L.  Vis.  VII,  5.  8. 


Zum  westgothischen  Urkundenwesen.  37 

2;wingen,  in  seiner  Gegenwart  etwas  zu.  schreiben,  und  zwar 
mehreres  (d.  h.  wohl  nicht  allein  eine  Unterschrift),  um  die 
Schriftvergleichung  damit  um  so  sicherer  ausführen  zu 
können.  Daneben  sollen  aber  auch  frühere  Schriftstücke 
oder  Unterschriften  des  Zeugen  herangezogen  werden. 
Einen  solchen  Fall  berichtet  uns  auch  Justinian  in  c.  1 
der  Novelle  73:  'quia  enim  non  professus  est  is,  qui  scri- 
psisse  dicebatur,  suara  esse  scripturam,  .  .  .  scribere  alia 
coactus  est,  quae  visa  sunt  velut  similia  quidem,  non  tarnen 
per  omnia  similia,  et  quantum  ad  illam  scripturam  sine 
termino  causa  permansit'.  So  das  Anthenticum ;  Julian  hat 
die  Stelle  nicht. 

Der  Richter  zwingt  also  auch  hier  den  Läugnenden 
zum  Zweck  der  Schriftvergleichung  etwas  zu  schreiben. 
Dass  Chindasvind  nach  dieser  Novellenstelle  seine  Vorschrift 
abgefasst  haben  sollte,  ist  um  so  weniger  anzunehmen,  als 
dort  ausdrücklich  berichtet  wird,  dass  in  dem  Falle  das 
Verfahren  nicht  zum  Ziele  führte.  Das  konnte  den  west- 
gothischen Gesetzgeber  nicht  zur  Nachahmung  reizen.  Wir 
dürfen  in  dieser  Stelle  vielmehr  ein  Zeugnis  für  die  im 
westgothischen  Reiche  erhaltene  gleiche  römische  Praxis 
erblicken,  wie  sie  uns  in  der  Novelle  entgegentritt. 

Das  Gesetz  Chindasvinds  unterstützt  somit  die  Mei- 
nung derer,  welche  auf  Grund  der  Novelle  73  die  Ansicht 
vertreten,  dass  schon  das  römische  Recht  dem  Richter  die 
Macht  gegeben  habe,  die  Partei  im  Gericht  zum  Schreiben 
behufs  Schriftvergleichung  zu  zwingen.  Die  Frage  ist  in 
der  gemeinrechtlichen  Litteratur  vielfach  behandelt,  in 
neuerer  Zeit  meist  verneint,  so  namentlich  von  Ortloff, 
a.  a.  0.  I,  S.  83  f.  und  Wetzell,  Civilprocess,  3.  Aufl.,  S.  240  f; 
vgl.  auch  Strippelmann,  Beweis  durch  Schrifturkunden  II, 
S.  190. 

Die  Novellenstelle  hat  man  mit  der  m.  E.  wenig 
durchschlagenden  Bemerkung,  dass  sie  nur  über  etwas 
thatsächlich  vorgekommenes  referiere,  zu  entkräften  ge- 
sucht. Das  hierfür,  soviel  ich  sehe,  bisher  nicht  heran- 
gezogene westgothische  Gesetz  zeigt  uns,  dass  das  Verhalten 
des  Richters,  über  welches  Justinian  ohne  Tadel  berichtet, 
auf  einer  weiter  verbreiteten  Rechtsübung  beruht,  die 
König  Chindasvind,  wenn  nicht  schon  einer  seiner  Vor- 
gänger, für  sein  Reich  gesetzlich  anerkannte,  ganz  wie  das 
auch  in  der  neueren  Gesetzgebung  mehrfach  geschehen  ist. 

Der  französische  Code  de  procedure  civile  enthält 
Art.  206  die  Vorschrift :  A  defaut  ou  en  cas  d'insuffisance 
des  pieces  de  comparaison  le  juge-commissaire  pourra  ordon- 


38  Karl  Zeumer. 

ner,  qn'  il  sera  fait  mi  corps  d'  ecritures,  lequel  sera  dicte 
par  les  experts.  Diese  Bestimmung'  ist  mit  einigen  Modifica- 
tionen  in  die  bekannte  bürgerliche  Processordnung  lür  das 
Königreich  Hannover  vom  8.  Nov.  1850,  §  335,  übergegangen. 
Eine  entsprechende  Vorschrift  enthält  aber  schon  die  Allge- 
meine Gerichtsordnung  für  die  Preussischen  Staaten,  I.  Theil, 
Titel  10,  §  151,  wo  bestimmt  wird:  'Sodann  müssen  andere 
Schriften,  die  unstreitig  von  des  Ausstellers  Hand  sind 
.  .  .  oder  die  der  Aussteller  selbst  in  Gegenwart  des  In- 
struenten  und  der  Rechtsbeistände  zu  schreiben  angehalten 
wird,  herbeigeschafft  und  von  den  Parteien  ein  oder  zwei 
erfahrene  Schreibmeister,  welche  die  Vergleichung  anstellen 
sollen,  vorgeschlagen  werden'. 

Die  westgothische  Contropatio  ist,  so  können  wir  zu- 
sammenfassend sagen,  auf  der  Grundlage  des  römischen 
Rechtes  erwachsen.  Sie  hat  sich  zum  Theil,  wie  hinsicht- 
lich der  bis  auf  wenige  Ausnahmen  ausschliesslichen  Be- 
rücksichtigung der  Unterschrift  und  ihres  Surrogates,  des 
Signum,  selbständig  ausgestaltet,  zum  Theil  in  ähnlicher 
Weise,  wie  im  justinianischen  Rechte  entwickelt,  ohne  dass 
jedoch  wenigstens  als  Regel  eine  Entlehnung  aus  justinia- 
nischen Quellen  anzunehmen  ist. 


IIT. 


Geschichte 

der 

westgothischen  Gesetzgebung. 

n. 


Von 


Karl  Zenmer. 


IL    Besonderer  Theil. 

Die  nachfolg-ende  Besprechung  einzelner  Gesetze  und 
einzelner  Gruppen  zusammeng-ehöriger  Gesetze  schliesst 
sich  im  Allgemeinen  an  die  Eeihenfolge  der  Stücke  an, 
wie  sie  die  grosse  Ausgabe  der  Lex  Visigothorum  bieten 
wird  ^.  Ich  lasse  daher  zunächst  eine  Uebersichtstafel 
folgen,  welche  die  Reihenfolge  der  Stücke  in  der  neuen 
Ausgabe  und  zugleich  die  entsprechenden  Nummern  der 
Eeccessvindiana  (nach  der  Handausgabe)  sowie  der  Madrider 
Ausgabe  und  derjenigen  Walters  angiebt-.  Die  Gesetze 
des  Codex  Euricianus,  welche  solchen  des  späteren  Gesetz- 
buches entsprechen,  werden  im  Zusammenhange  mit  diesen, 
solche,  denen  keine  späteren  Gesetze  entsprechen,  soweit 
es  nöthig  ist,  da,  wo  es  der  Zusammenhang  fordert,  be- 
sprochen werden. 


Ausgabe. 

n 

1, 

1. 

n 

1, 

2.  3. 

4. 

II, 

1, 

5. 

II 

1, 

6. 

n, 

1, 

7. 

Reccessvind. 

II,  1,  1.  2.  3. 
II,  1,  4. 
11,  1,  5. 


Ervigiana. 

II,  1,  1. 

II,  1,  2.  3.  4. 


II,  1,  5. 
Nov.  Cum  divine. 


Ed.  Madrid. 

II,  1,  1. 

II,  1,  2.  3.  4. 

II,  1,  1  n. 

II,  1,  5. 

n,  l,6ii.(l). 


Ed.  Walter. 

U,  1,  1. 
II,  1,  2.  3.  4. 
II,  1,  5. 
II,  1,  6. 

)II,  1,  34. 
IV,  7,  19. 


1)  Die  Ausgabe  wird  nicht,  wie  das  früher  geplant  war,  die  Rec- 
cessvindiana  und  die  Ervigiana  getrennt  hinter  einander  bringen,  sondern, 
%  soweit  beide  übereinstimmen,  nur  einen  Text  geben  und  nur,  wo  die  Re- 
censionen  von  einander  abweichen,  beide  in  Columnendruck  neben  einander 
bringen.  Die  Novellen  und  andere  Stücke,  welche  keiner  der  beiden  Re- 
censionen  angehören,  aber  in  den  Vulgathss.  stehen,  giebt  die  Ausgabe 
als  Zusätze  da,  wo  die  besten  Hss.  sie  enthalten.  Bestand,  Zählung  und 
Anoi'dnung  der  beiden  Recensionen  kommt  dabei  deutlich  zum  Ausdruck ; 
doch  wird  zur  Erleichterung  des  Citierens  am  Rande  eine  einheitliche 
Zählung  durchgeführt.  Nach  diesen  Citierzahlen  führe  ich  die  Stücke  hier 
an,  füge  aber,  wo  das  wünschenswerth  scheint,  in  Klammern  die  ab- 
weichenden Nummern  der  Reccessvindiana  mit  R.,  oder  der  Walterschen 
Ausgabe  mit  W.  hinzu.  2)  In  der  Rubrik  'Ausgabe'  stehen  die  Citier- 
zahlen der  neuen  Ausgabe.  Die  Uebersichtstafel  giebt  zugleich  den  Plan 
der  Ausgabe. 


42 


Karl  Zeumer. 


Ausgabe. 
II,  1,  8-29. 

II,  1,  30. 

11,1,31.32.33. 
II,  2,  1-4. 
n,  2,  5-9. 
II,  2,  10. 
11,3. 

II,  4,  1-6. 
11,  4,  7. 
II,  4,  8. 
n,  4,  9-13. 

n,  4, 14. 

II,  5,  1. 
II,  5,  2. 
II,  5,  3. 
n,  5,  4-9. 

n,  5. 10. 

II,  5,  11—17. 

n,  5, 18. 

II,  5,  19. 

in,  1-4. 
in,  5, 1-3. 
in,  5, 4. 
ni,  5, 5. 

III,  5,  6. 

III,  5,  7. 

m,  6. 

IV,  1. 

IV,  2,  1-12. 
IV,  2,  13. 

IV,  2,  13*. 

IV,  2, 14-16. 
IV,  2,  17. 
IV,  2, 18-20. 
IV,  3.  4. 
IV,  5,  1-5. 

IV,  5,  6.  7. 

V,  1,  1-4. 
V,  1,  5. 
V,  2-6. 


Reccessvind.   I     Ervigiana. 

II,  1,  6—27.     !  II,  1,  6-27. 
11,1,28:  Quia. 

n,  1,  28:  Sa- 
cerdotes. 
11,1,29.30.31. 1 11,1,29.30.31. 
II,  2,  1-4.        n,  2,  1-4. 
II,  5—9.  I II,  2,  5-9. 

Xov.  Si  cepta. 
II,  3.  I II,  3. 

n,  4,  1-6.        11,4,1—6. 

-  !  n,  4,  7. 

Nov.  Divalis. 
II,  4,  7-11.     I II,  4,  8—12. 
(Ant. '?)  Si  quis  animam. 

II,  5, 1.        I  n,  5, 1. 

II,  5,  2.  I II,  5,  2. 

Xov.  Quarumlibet. 
II,  5,  3—8.       i  II,  5,  3—8. 
(Recc.  ?)  Plene  discretionis. 

II,  5,  9-15.     I II,  5,  9—15. 

Nov.  Cum  sive. 
Nov.  Plerumque. 

III,  1—4.      I  in,  1—4. 

m,  5,  1-3.     I  III,  5,  1-3. 

Nov.  Solet. 
III,  5,  4.  III,  5,  4. 

Nov.  Orthodoxe. 


III,  5,  5. 

m,  6. 

IV,  1. 

IV,  2,  1—12. 
IV,  2,  13. 

Nov.Wambani 
ad  IV,  2, 13: 
In  lege. 

IV,  2, 14-16. 
IV,  2,  17. 

IV,  2, 18—20. 
IV,  3.  4. 
IV,  5,  1-5. 


III,  5,  5. 

ni,  6. 

IV,  1. 

IV,  2,  1—12. 


IV,  2,  13. 

IV,  2, 14-16. 

IV,  2, 17—19. 
IV,  3.  4. 
IV,  5,  1-5. 

IV,  5,  6.  7. 

V,  1,  1-4. 


V,  1,  1-4 

Nov.  Quamquam. 
V,  2—6.  I  V,  2—6. 


Ed.  Madrid. 

II,  1,  6-27. 
n,  1,  28  n. 
II,  1,  28. 

11,1,29.30.31. 
11,2,1-4. 
II,  2,  6—10. 
II,  2,  5. 
11,3. 

11,4,1-6. 
n,  4,  7. 
II,  4,7  n.  (2). 
n,  4,  8—12. 
11,4,  7  n.  (1). 
II,  5,  1. 
II,  5,  3. 
II,  5,  2. 
n,  5,  4—9. 
II,  5,  10  n. 
II,  5,  10—16. 

II,  5,  17. 
n,l,6n.4(2). 
m,  1-4. 

III,  5,  1—3. 
III,  5,  4. 
III,  5,  5. 
III,  5,  6. 
ni,  5,  7. 

III,  6. 

IV,  1. 

IV,  2,  1—12. 
IV,  2,  13. 

IV,  2,  13  n. 

IV,  2, 14-16. 
IV,  2,  17. 
IV,  2, 18-20. 
IV,  3.  4. 

IV,  5,  1—5. 

V,  1,  6.  7. 
V,  1,  1-4. 
V,  1,  5. 

V,  2-6. 


Ed.  Walter. 

II,  1,  7-28. 
II,  1,  29. 
II,  1,  30. 

11,1.31.32.33. 

II,  2,  1-4. 

II,  2,  5—9. 

II,  2,  10. 

11,3. 

II,  4,  1-6. 

n,  4,  7. 

Suppl.p.664(2) 

II,  4,  8—12. 

Suppl.p.664(l) 

n,  5, 1. 
n,  5, 2. 
n,  5, 3. 

II,  5,  4-9. 
II,  5,  11-17. 
II,  5,  11—17. 
II,  5,  18. 

II,  5,  19. 

III,  1-4. 
m,  5,  1—3. 
III,  5,  4. 
III,  5,  5. 
III,  5,  7. 
III,  5,  6. 

III,  6. 

IV,  1. 

IV,  2,  1—12. 
IV,  2,  13. 

Suppl.  p.  6G5. 

IV,  2, 14—16. 
IV,  2,  17. 
IV,  2, 18—20. 
IV,  3.  4. 

IV,  5,  1-5. 

V,  1,  6.  7. 
V,  1,  1-4. 
V,  1,  5. 

V,  2—6. 


Geschichte  der  westgoth.  Gesetzgebung,  II. 


43 


Ausgabe. 
V,  7,  1-18. 
Y,  7,  19. 

V,  7,  20. 

VI,  1,  1.  2. 
VI,  1,  3. 
VI,  1,  4—8. 
VI.  2,  1. 
VI,  2,  2. 
VI,  2,  3-5. 
VI,  3.  4. 
VI,  5,  1-12. 
VI,  5,  13. 
VI,  5,  13*. 

VI,  5, 14—20. 

VII,  1-4. 
VII,  5,  1-8. 
VII,  5,  9. 
VII,  6. 
VIII. 

IX,  1,  1-7. 


IX,  1,  8. 


IX,  1,  9—14. 
TX,  1,  15. 
IX,  1, 16-19. 
IX,  1,  20. 
IX,  2,  1-7. 

IX,  2,  8.  9. 
X,l. 

X,  2,  1—4. 
X,  2,  5. 

X,  2,  6.  7. 
X,  3. 
XI. 

xn,  1,  1.  2. 
XII,  1,  3. 
XII,  2, 1—10. 
XII,  2,  11. 
XII,  2,  12. 


Reccessvind.        Ervigiana. 

V,  7,  1-18.     I  V,  7,  1-18. 
Nov.  Tunc  recte. 
Nov.  Sepe  audivimus. 
IV,  1,  1.  2.       I IV,  1,  1.  2. 

Nov.  Multos. 


VI,  1,  3-7. 
VI,  2,  1. 


VI,  1,  8-7. 
VI,  2,  3. 
VI,  2,  2. 
VI,  2,  3—5. 
VI,  3.  4. 
VI,  5,  1-12. 


VI,  2,  2-4. 
VI,  3.  4. 
VI,  5,  1—12. 
VI,  5,  13.         I  - 

Nov.  Precedentium. 

VI,  5, 14-20. 1  VI,  5, 13-19. 

VII,  1-4.         VII,  1-4. 
Vn,  5, 1-8.   j  VII,  5,  1-8. 

Nov.  Quorundam. 


VII,  6. 

vin. 

IX,  1,  1-7. 

IX,  1,  8:  Ad 
cuius  domum 
fugerit. 


IX,  1,  9—14. 


VII,  6. 

vin. 

IX,  1,  1—7. 


IX,  1,  8:  Ad 

cuius  domum 
transiens. 


IX,  1,  9—14. 
—  1 IX,  1,  15. 

IX,  1, 15—18.  I IX,  1, 16—19. 

Nov.  Priscarum. 
IX,  2,  1—7.     I IX,  2,  1-7. 
IX,  2,  8.  9. 


X,l. 

X,  2,  1-4. 


X,l. 

X,  2,  1-4. 


Nov.  Abrogata. 


X,  2,  5.  6. 
X,  3. 
XI. 
XII,  1,  1.  2. 


X,  2,  5.  6. 
X,  3. 
XI. 
XII,  1,  1.  2. 


Nov.  Eximia. 


XII,  2, 1-60. 

xn,  2, 11. 

XII,  2, 12. 


xn,  2,1— 10. 

XII,  2,  11. 
XII,  2,  12. 


Ed.  Madrid. 

V,  7,  1-18. 
V,  7,  19. 

V,  7,  20. 

VI,  1,  1.  2. 
II,  1,  32. 
VI,  1,  3-7. 
VI,  2,  1. 
VI,  2,3  n. 
VI,  2,  2-4. 
VI,  3.  4. 
VI,  5,  1-12. 
VI,  5,  13. 
VI,  5,  13  n. 

VI,  5, 15-20. 

VII,  1-4. 
VII,  5,  1—8. 
VII,  5,  9. 

vn,  6. 
Vin. 

IX,  1,  1-7. 

IX,  1,  9. 

IX,  1,  8. 

IX,  1, 10—15. 
IX,  1,  16. 
IX,  1, 17-20. 
IX,  1,  21. 
IX,  2,  1-7. 

IX,  2,  8.  9. 
X,l. 

X,  2,  1—4. 
X,  2,  7. 

X,  2,  5.  6. 
X,  3. 
XI. 

XII,  1,  1.  2. 
xn,  2,  3n. 
XII,2, 1— 10. 
XII,  2,  12. 
XII,  2,  11. 


Ed.  Walter. 

V,  7,  1-18'. 
V,  7,  20. 

V,  7,  21. 

VI,  1,  1.  2. 
VI,  1,  3. 
VI,  1,  4-8. 
VI,  2,  1. 
VI,  2,  5. 
VI,  2,  2-4. 
VI,  3.  4. 
VI,  5,  1-12. 

}VI,  5,  13. 

VI,  5,  14-20. 

VII,  1-4. 
VII,  5,  1-8. 
VII,  5,  9. 
VII,  6. 

Vin. 

IX,  1,  1—7. 
IX,  1,  8. 

IX,  1,  9. 

IX,  1,  1-15. 
IX,  1,  16. 
IX,  1, 17—20. 
IX,  1,  21. 
IX,  2,  1-7. 

IX,  2,  8.  9. 
X,l. 

X,  2,  1-4. 
X,  2.  7. 

X,  2,  5.  6. 
X,  3. 
XI. 

XII,  1,  1.  2. 
Suppl.  p.  666. 
XII,  2, 1-10. 
XII,  2,  12. 
XII,  2,  11. 


1)  Walter  V,  7,  19  =  n,  1,  7. 


44 


Karl  Zeumer. 


Ausgabe. 

XII,  2, 13-15. 
Xll,  2,  16. 
XII,  2,  18. 
X,3. 


Reccessvind. 

XII,  2, 13- 15. 
XII,  2,  16. 


Ervigiana. 

XII,  2, 13-15. 
XII,  2,  17. 


Nov.  Cum  sacris. 
-  I  XII,  3. 


Ed.  Madrid. 

XII,  2, 13-15. 
Xn,  2,  17. 
XII,  2,  18. 
XII.  3. 


Ed.  Walter. 

XII,  2, 13-15. 
XII,  2,  17. 
xn,  2,  18. 
XU,  3. 


Das  inhaltlose  erste  Buch,  welches  seit  ßeccessvind 
nur  einzelne  willkürliche  Veränderungen  durch  Abschreiben 
erlitten  hat  und  zu  Aenderungen  durch  die  Gesetzgeber  auch 
keinen  Anlass  bot,  lassen  wir  hier  gänzlich  bei  Seite. 


Das  zweite  Buch. 

II,  1,  1  [W.  II,  1,  1].  —  Dieses  bereits  im  allgemeinen 
Theile  (N.  A.  XXIII,  S.  496  f.  513)  erörtete  Publications- 
edict  der  Ervigiana  enthält  in  der  grossen  Mehrzahl  der 
Vulgathandschriften  gegen  Ende  einen  Satz  über  die  feier- 
liche Publication  des  Gesetzbuches  in  Gegenwart  der  vor 
dem  Throne  versammelten  geistlichen  und  weltlichen  Grossen, 
welcher  in  beiden  Hss.  der  Ervigiana  fehlt.  Er  lautet : 
'ut,  sicut  sublime  in  trono  serenitatis  nostre  celsitudine 
residente,  videntibus  cunctis  sacerdotibus  Dei  senioribusque 
palatii  atque  gardingis,  earum  manifestatio  claruit,  ita 
earnndem  celebritas  vel  reverentia  in  cunctis  regni  nostri 
provinciis  debeat  observari'.  Der  Satz  lehnt  sich  an  eine 
Stelle  der  Lex  Quoniam  II,  1,  6  |E.  II,  1,  5]  an:  'legibus, 
quas  nostri  culminis  fastigium  iudiciali  presidens  trono 
coram  universis  Dei  sanctis  sacerdotibus  cunctisque  offi- 
ciis  palatinis  .  .  .  edidit',  Da  auch  sonst  Ervigs  Publica- 
tionsedict  dem  Eeccessvinds  nachgebildet  ist  und  sich  zum 
Theil  Avörtlich  an  dasselbe  anlehnt,  und  da  ferner  der  in 
unserm  Zusätze  vorkommende  Ausdruck  'gardingi'  für  die 
Palatinen  gerade  nur  unter  Ervig  (s.  Ervigs  Gesetz  IX,  2,  9 
und  Conc.  Tolet.  XIII.  2)  und  seinem  Vorgänger  Wamba 
(Lex  Vis.  IX,  2,  8  und  Julian  von  Toledo,  SS.  rer.  Gall. 
II,  708.  718)  nachweisbar  ist^,  so  müssen  wir  mit  der  Mög- 
lichkeit rechnen,  dass  dieser  Zusatz  der  ursprünglichen  Re- 
daction  des  Gesetzes  angehört  haben  kann. 

Nach  der  Lage  der  Ueberlieferung  ist  allerdings  die 
spätere  Hinzufügung  wahrscheinlicher.  Dass  es  sich  um 
einen  Zusatz  Egicas   handelt,    ist  nach  dem,   was  wir  über 


1)  Die  vandalischen  'gardingi',  die  nach  den  älteren  Ausgaben  bei 
Victor  Tunn.  a.  534  genannt  wurden,  fallen  jetzt  fort,  nachdem  sie  sich  in 
Mommsens  Ausgabe  als  'Asdingi'  entpuppt  haben;  s.  Chronica  minora  11, 
p.  198. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.Vis.  11,1,6 — 9:  5,  19.    45 

dessen  gesetzgeberisclie  Thätigkeit  wissen  (s.  X.  A.  XXIII, 
S.  505  ff.)  nicht  anzunehmen. 


II.  1.  6 — 9.  II.  5.  19.  —  Diese  unter  einander  ini  Zu- 
sammenhange stehenden  Gesetze  beschäftigen  sich  mit  den 
Rechten  des  gothischen  Köuigthums  und  seiner  Sicherung, 
sowie  der  des  Gothenstaates  überhaupt. 

II,  1,  8  rührt  von  Chindasrind  her  und  ist  von  Ervig 
verändert;  II.  1,  6  und  9  sind  von  E^ccessvind.  während 
II.  1.  7  und  II.  5.  19  Novellen  Egicas  sind.  Alle  diese  Ge- 
setze stehen  mit  den  Zeitereignissen  und  z.  Th.  mit  der 
Gesetzgebung   der   Concilien    im   engsten   Zusammenhange. 

II.  1.  6  R.  II,  1,  5  trägt  die  Ueberschrift:  "De  prin- 
cipum  cupiditate  damnata  eorumque  initiis  ordinandis  et  qua- 
liter  conficiende  sunt  scripture  in  nomine  principum  facte  . 
Die  Ueberschrift  erschöpft  den  Inhalt  nicht.  Zunächst 
freilich  eifert  der  Gesetzgeber  gegen  die  Habsucht  der 
Fürsten  und  erklärt  alle  Erpressungen,  auch  wenn  sie  sich 
in  den  Schein  freiwilliger  Gewährungen  hüllen,  für  un- 
gültig. Erwerbungen  der  Könige  von  ihren  Unterthanen 
sollen  aber  —  und  das  ist  offenbar  die  Hauptsache  — 
Gültigkeit  haben,  wenn  gewisse  Xormen  bei  der  Ausstellung 
von  Urkunden  über  Rechtsgeschäfte  zu  Gunsten  des  Königs 
oder  bei  der  Verlautbarung  solcher  Rechtsgeschäfte  vor 
Zeugen  beobachtet  werden. 

Xachdem  so  festgestellt  ist,  wie  der  König  erwerben 
kann,  wird  von  dem  Erworbenen  gehandelt,  die  Frage  er- 
örtert, was  von  dem  Erworbenen  den  Privaterben.  was  dem 
Nachfolger  am  Reich  zufallen  solle.  Man  hat  dieses  Ge- 
setz wohl  so  aufgefasst.  als  ob  hier  zuerst  eine  rechtliche 
Scheidung  des  Privatguts  des  Königs  von  dem  Königsgute 
oder  Krongute  vorgenommen  sei.  Eine  solche  Trennung 
muss  aber  nothweudig  schon  früher  bestanden  haben.  Dass 
der  alte  Köni^sschatz .  die  Staatsdomänen,  die  Königs- 
paläste, die  "servi  fiscales'  dem  Reichsnachfolger  und  nicht 
den  Privaterben  des  Königs  zufielen,  versteht  sich  von 
selbst;  die  Frage  war  nur.  wie  weit  das  von  dem  einzelnen 
Könige  zugebrachte  und  erworbene  dem  Privatgut  ange- 
hören und  also  auf  die  Privat  erben  übergehen,  und  wie 
weit  es  mit  dem  Krongut  dem  Nachfolger  auf  dem  Königs- 
throne zufallen  sollte.  -  Es  wurde  bestimmt,  dass  alles, 
was  der  König  als  solcher  ("pro  regni  apice)  seit  seiner 
Thronbesteigung  erwerbe,  nicht  den  Privaterben  zufallen, 
sondern  auf  den  Nachfolger  übergehen  sollte,  fi-eilich  mit 
der  bedeutsamen  Einschränkung:    soweit    der  König  dieses 


46  Karl  Zeumer. 

Gut  bei  seinem  Tode  hinterlasse  ohne  darüber  verfügt  zu 
haben  ('quae  inordinata  reliqvierit').  Ausserdem  wird  noch 
eine  nachher  zu  erörternde  Bestimmung-  hinzugefügt,  welche 
die  Geltung  dieser  Regel  auch  auf  die  Erwerbungen  der 
nächsten  Vorgänger  Reccessvinds  ausdehnt  ^. 

Diese  Bestimmungen  über  die  Regulierung  des  könig- 
lichen Nachlasses  werden  besonders  geschützt  durch  die 
Anordnung,  dass  jeder  neue  König  vor  seiner  Thronbestei- 
gung dieses  Gesetz  beschwören  soll.  Im  Anschluss  hieran 
wird  dann  weiter  noch  bestimmt,  dass  jeder,  der  durch 
Volksaufstand  oder  Verschwörung  auf  den  Thron  gelangt, 
mit  allen  seinen  Helfern  dem  Kirchenbann   verfallen   soll. 

Entstanden  ist  dieses  Gesetz  aus  Anlass  eines  Vor- 
schlages des  VIII.  Concils  von  Toledo,  mit  welchem  dieses 
vielleicht  in  Folge  einer  im  Tomus  vom  Könige  gegebenen 
Anregung  -  in  einem  an  den  König  gerichteten  Schreiben 
hervortrat,  welches  die  Bezeichnung  führt :  'Decretum  (oder 
auch  'Decretum  iudicii  universalis)  in  nomine  regis  editum'  ^. 

Die  vom  König  hierauf  erlassene  Lex  hat  dann  dem 
Concil  vorgelegen,  ist  von  der  Versammlung  in  can.  10  und 
im  Schlusscapitel  (can.  13)  zugleich  mit  jenem  Decret  be- 
stätigt und  in  die  Concilsacten  aufgenommen.  Das  Gesetz 
ist  uns  denn  auch  thatsächlich  in  wörtlich  gleicher  Fassung 
wie  in  Reccessvinds  Gesetzbuche  als  Anhang  der  Acten 
des  VIII.  Concils  von  Toledo  neben  dem  Decret  überliefert. 


1)  In  Bezug  auf  die  dem  Könige  an  dem  Krongute  zustehenden 
Befugnisse  werden  wir  annehmen  dürfen,  dass  dieselben  dem  ganzen 
Krongute  gegenüber  dieselben  waren  wie  gegenüber  dem  aus  der  eigenen 
Errungenschaft  des  Königs  und  der  seiner  nächsten  Vorgänger  stam- 
menden Theile  des  Kronguts.  Der  König  hatte  nicht  nur  die  Nutzung, 
sondern  ein  anscheinend  unbeschränktes  Verfügungsrecht  über  die  Sub- 
stanz. Nur  was  er  als  'inordinata'  hinterliess  kam  dem  Nachfolger  zu. 
Der  König  steht  dem  Krongut  gegenüber  also  noch  weit  freier  da  als 
der  Fiduciar  gegenüber  dem  'fideicommissum  superfuturi'.  —  Die  Schei- 
dung zwischen  königlichem  Privatgut  und  Krongut  ergab  sich  mit  Noth- 
wendigkeit  aus  dem  Wechsel  der  Greschlechter  auf  dem  Throne.  Dass 
aber  auf  die  Regelung  dieses  Verhältnisses  im  Einzelnen  die  Behandlung 
des  Privatguts  des  Bischofs  im  Verhältnis  zum  Kirchengut,  wie  sie  für 
die  westgothische  Kirche  das  Concil  von  Agde,  Concil.  Agathense  c.  6.  7. 
48,  geordnet  hatte,  nicht  ohne  Einfluss  gewesen  sein  wird,  ist  Dahn  VI'-, 
S,  250  zuzugeben.  Nur  darf  man  sich  dafür  nicht  auf  can.  4  des  späteren 
Conc.  Tolet.  IX  berufen,  welcher  vielmehr  unserm  Gesetze  nachgebildet 
ist.  2)    Siehe   S.  47.  3)  Dieses   'in  nomine  regis'  bedeutet  nicht, 

wie  Dahn,  Könige  VI",  S.  455  in  Bezug  auf  diese  Bezeichnung  meint 
'im  Namen  des  Königs',  wie  wir  das  jetzt  verstehen,  sondern  'an  den 
König  gerichtet'.  Mit  'in  nomine  alicuius'  wird  in  der  Lex  Visigothorum 
stets  der  Destinatar  eines  Schriftstückes  bezeichnet.  Siehe  die  zahlreichen 
Belege  in  dem  Index  rerum  et  verb.  der  Handausgabe. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.Vis.II,l,6 — 9;  5,19.     H 

Die  auf  die  Bestätigung  der  Lex  durch  das  Concil 
bezüglichen  Stellen  sind  folgende.  Can.  10:  'molestis  ac- 
tibus  .  .  .  satis,  ut  opinamur,  et  lege  gloriosi  principis  et 
decreto  sanctae  synodi  huius  contradictum  esse  couspexi- 
mus.  —  ita  .  .  .  praefatae  legis  erit  auctoritas  valitura,  ut 
et  perenniter  maneat  inconyulsa.  —  cui  etiam  legi  vel  de- 
creto episcopali  non  solum  in  futuro,  sed  etiam  in  prae- 
senti  reverentiam  apponentes  decernimus ,  ut  quicumque 
detractor  et  non  potius  renerator  decreti  eiusdem  atque 
legis  esse  maluerit.  sive  religiosus  ille  sit  sive  laicus.  non 
solum  ecclesiastica  excommunicatione  plectatur  verum  et 
sui  ordinis  dignitate  privetur  ^. 

In  can.  13  heisst  es  dann,  nachdem  zunächst  das  De- 
cretum  bestätigt  ist:  'Legem  denique,  quam  pro  coercenda 
principum  horrenda  cujjiditate  idem  clementissimus  edidit 
princeps  (Reccessvind).  simili  robore  firmamus,  atque  ut  in 
futuris  retro  temporibus  modis  omnibus  observetur  pari 
sententia  definimus.  Quae  etiam,  ne  taciturna  temporum  vel 
obliviosa  vetustate  depereant,  huic  nostrae  constitutioni 
utraque  decrevimus  innectenda.  ita  cunctorum  memoriae 
commendanda,  ut  a  cunctis  regulis  superius  ordinatis  nus- 
quam  maneant  segregata'. 

Diese  Stellen  zeigen  deutlich,  dass  Reccessvinds  Ge- 
setz dem  Concil  vorgelegen  hat  und  neben  dem  Decret  die 
Grundlage  für  die  einschlägigen  Bestimmungen  des  Concils 
bildet.  Das  Decret  aber  hat  bei  der  Abfassung  der  Lex 
vorgelegen  und  hat  sie  überhaupt  erst  veranlasst.  In  dem 
Tomus,  welchen  der  König  bei  Eröffnung  des  Concils  am 
16.  December  652  der  Versammlung  überreichte,  und  in  der 
bei  dieser  Gelegenheit  gehaltenen  Rede  des  Königs  wird 
auf  diese  Angelegenheit  mit  keinem  Worte  hingedeutet. 
Der  König  fordert  aber  im  Tomus  das  Concil  auf,  vor- 
behaltlich seiner  Genehmigung  Verbesserungen  der  welt- 
lichen Gesetze  vorzunehmen :  'in  legum  sententiis,  quae  aut 
depravata  consistunt  aut  ex  superfluo  vel  indebito  coniecta 
videntur,  nostrae  serenitatis  accommodante  consensu,  haec 
sola,  quae  ad  sinceram  iustitiam  et  negotiorum  sufficien- 
tiam  conveniunt,  ordinatis'.    Am  2.  Tage  des  Concils,  wenn 

1)  In  der  lex  lautet  die  entsprechende  Stelle:  'Nam  et  si  quis  legis 
huius  seriem  ex  officio  palatino  malivole  detrahendo  lacerare  voluerit  aut 
evacuandam  quandoque.  vel  silenter  musitans  vel  aperte  resultans,  pro- 
loqui  detectus  extiterit,  cunctis  palatine  dignitatis  et  consortiis  et  officiis 
mox  nudatus,  oniniuni  rerum  suaruni  dimidiam  partem  amittat  et  in  de- 
putato  sibi  loco  redactus  a  totius  palatü  maneat  societate  seclusus.  ReU- 
giosus  etiam,  qui  se  in  eadem  culpam  devolverit,  simili  rerum  proprietatis 
sue  dispendio  subiacebit. 


48  ■  Karl  Zeumer. 

die  an  sich  nicht  unwahrscheinliche  Datierung,  welche 
Mansi,  Conc.  ampl.  coli.  X,  1223,  giebt,  Glauben  verdient, 
also  am  17.  December,  erging  dann  wohl  in  Folge  jener 
Aufforderung  das  Beeret  an  den  König.  Dem  Decrete  folgte 
die  Vorlage  des  königlichen  Gesetzes  ^. 

Das  Decret  ist  am  besten  zu  charakterisieren  als  An- 
trag. Die  Formel,  mit  welcher  nach  einer  phrasenreichen 
Einleitung  der  Beschluss  des  Concils,  welcher  den  Inhalt 
des  Schriftstücks  bildet,  eingeführt  wird,  lautet:  'Adeo  cum 
omni  Palatino  officio  simulque  cum  maiorum  minorumque 
conventu  nos  omnes  tam  pontifices,  quam  etiam  sacerdotes 
et  universi  sacris  ordinibus  famulantes  concordi  definitione 
decernimus  et  optamus,  ut  .  .  .'  Damit  stimmt  auch  die 
Abwesenheit  aller  Strafandrohungen,  die  in  einer  kirch- 
lichen Satzung  nicht  fehlen  würden.  Nach  der  Ueber- 
schrift  und  der  ihr  entsprechenden  Bezeichnung  des  De- 
crets  im  Schluss  des  Concils  (13):  'decreti  nostri  seriem 
quam  in  Serenissimi  domini  nostri  ßecesvinthi  regis  edi- 
dimus',  ist  das  Schrifstück  an  den  König  gerichtet.  Es 
ist  in  einem  ziemlich  hochfahrenden  Tone  gehalten,  weit 
entfernt  von  dem  einer  Bittschrift.  Der  gegenwärtige 
König  wird  mit  einer  gewissen  Anerkennung  seines  guten 
Willens  behandelt  wie  einer,  von  dem  man  die  Erfüllung 
der  Forderungen  ziemlich  sicher  erwartet.  Desto  übler 
aber  ist  das  Concil  auf  seine  Vorgänger  zu  sprechen.  Harte 
Zeiten  seien  gewesen;  jetzt  müsse  wieder  das  Recht  an 
Stelle  der  Willkür  treten.  Gewisse  Könige  hätten  die 
Königswürde  benutzt  das  Volk  auszupressen  und  dann  das 
so  erlangte  Gut  nicht  für  die  Ehre  und  den  E-uhm  des 
Reiches  angewandt,  sondern  wie  Privateigentum  ihren 
Kindern  zugewandt.  Namentlich  wird  hervorgehoben,  dass 
die  Könige  durch  Confiscationen  in  Folge  von  Verurthei- 
lungen  sich  bereichert  hätten,  und  dabei  lässt  das  Concil 
durchblicken,  in  welcher  Weise  die  confiscierten  Güter 
hätten  verwandt  werden  sollen.  Es  wird  der  Vorwurf  er- 
hoben, sie  seien  'prorsus  exinanita  et  nee  fisci  usibus  com- 
moda  nee  palatinis  officiis  ...  in  remedium  salutare  col- 
lata' ;  also  weder  für  den  Nutzen  des  Fiscus  noch  —  und 
das  ist   der  Kern  der  Sache  —  zur  Dotierung-   der  Palast- 


1)  Eine  ganz  genaue  Datierung  des  Gesetzes  ist  nicht  möglich,  da 
die  Dauer  des  Concils  nicht  bekannt  ist.  Wahrscheinlich  dauerte  es 
1—2  Wochen.  Das  XII.  Concil  von  Toledo  (681)  dauerte  16  Tage,  das 
XIII.  (683)  dauerte  10  und  das  XVI.  (693)  8  Tage.  Sicher  nach  dem 
16.,  wahrscheinlich  nach  dem  17.  Dec.  652  und  wohl  nur  wenige  Tage 
später  ist  das  Gesetz  anzusetzen. 


Gesch.  d.  westgoth.  üesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  6 — 9 ;  5,  19.    49 

Aeuiter  seien  jene  Güter  verwendet.  Ganz  wie  die  Lehn- 
träger der  späteren  Lehnstaaten  in  ihrem  Interesse  ver- 
langen, dass  die  Könige  heimgefallene  Lehen  nicht  be- 
halten, sondern  wieder  verleihen,  so  verlangen  hier  die 
Grossen,  dass  die  Güter  eines  gestürzten  Genossen  einem 
der  Ihrigen  gegeben  werden.  Sie  behaupten,  das  Volk  habe 
grossen  Schaden  dadurch  erlitten,  dass  nicht  nur  die  Ver- 
urtheilten  beseitigt,  vertilgt  seien,  sondern  auch  mit  ihren 
Gütern  kein  Anderer  an  ihrer  Stelle  bereichert  sei:  'Cum 
et  adiudicatos  sententia  iudiciorum  elisit  et  eorum  bonis 
ad  ipsorum  vicem  munificatus  nemo  surrexit'.  So  sei  allein 
der  fürstliche  Bauch  —  wie  mit  Anspielung  auf  die  alte 
Parabel  gesagt  wird  —  gefüllt,  während  alle  Glieder  des 
Volkes  entkräftet  seien. 

Während  in  diesen  einleitenden  Phrasen  nun  stets 
von  früheren  Königen  in  der  Mehrzahl  die  Eede  ist,  zeigt 
sich  bei  der  Formulierung  des  Antrages,  dass  in  Wirklich- 
keit nur  einer  gemeint  war,  nämlich  Peccessvinds  Vater 
Chindasvind. 

Das  Concil  beantragt,  dass  alles  von  König  Chindas- 
vind seit  seinem  Regierungsantritt  erworbene  Gut  in  die 
Gewalt  des  regierenden  Königs  übergehen  soll,  aber  nicht 
zu  erblichem  ßecht,  sondern  nur  kraft  der  königlichen 
Gewalt,  damit  jeder  was  ihm  gehöre  zurückerhalte  und 
über  das  Uebrige  der  Wille  des  Königs  nach  Gutdünken 
zu  Gunsten  der  Unterthanen  verfüge :  'ut  omnis  conquisi- 
tionis  profligatio  .  .  .  quae  a  gloriosae  memoriae  Chindas- 
vintho  rege  a  die,  quo  in  regnum  dinoscitur  conscendisse, 
repertus  ^  quolibet  modo  extiterit  augmentasse,  omnia  in 
Serenissimi  atque  clementissimi  domini  nostri  P.  principis 
perenni  transeant  potestate  et  perpetuo  deputentur  in  iure, 
non  habenda  parentali  successioue,  sed  possidenda  regali 
congressione,  ita  ut  iuste  sibi  debita  quisque  percipiat  et 
de  reliquis  ad  remedia  subiectorum  quaecumque  elegerit 
principis  voluntas  exerceat'.  Die  Forderung  ist  zumal  in 
Verbindung  mit  dem  vorher  Gesagten  deutlich :  Was  Chin- 
dasvind als  König  erworben  hat,  sollen  nicht  dessen  Privat- 
erben erhalten,  sondern  Reccessvind  soll  das,  was  in  un- 
rechtmässiger Weise  erworben  ist,  zurückerstatten,  über  den 
Rest  zu  Gunsten  der  Würdenträger  des  Palastes  verfügen. 
Nur  was  Chindasvind  vor  der  Thronbesteigung  als  Erbgut 
besessen  oder  rechtmässig  erworben  hat,  soll  dem  privaten 


1)  Der  Satz   ist  nicht  richtig   zu  Ende   geführt,   oder   falsch   über- 
liefert.    Mansi  hat  am  Rande  'reperta  in'  für  'repertus'. 


Neues  Archiv  etc.     XXIV. 


50  Karl  Zeumer. 

Erbrecht  unterliegen,  so  dass  davon  dasjenige,  worüber 
Chindasvind  rechtmässig-  zu  Gunsten  seiner  Söhne  oder 
anderer  Personen  verfügt  hat,  diesen  verbleiben,  das  übrige 
Reccessvind  und  seinen  Brüdern  zu  gleichen  Theilen  zu- 
fallen soll ;  wie  der  Text  nach  der  vorher  angeführten 
Stelle  weiter  lautet:  'illis  tantumdem  exceptis,  quae  memo- 
ratus  d.  m.  Ch.  princeps  ante  regnum  aut  ex  propriis  aut 
ex  iustissime  conquisitis  visus  est  habuisse,  in  quibus 
cunctis  filiis  eius  una  cum  glorioso  domino  nostro  R.  rege 
permaneat  et  divisio  libera  et  possessio  pace  plenissima; 
sed  et  illae  res,  quas  praedictus  princeps  de  iustis  proven- 
tibus  filiis  suis  seu  quibuslibet  iustissime  visus  est  contu- 
lisse  vel  reliquisse ,  omnes  in  eorum  iure  maneant  in- 
convulse'. 

Es  ist  nun  sehr  merkwürdig  zu  sehen,  wie  Reccessvind 
auf  diese  Vorschläge  in  der  Lex  scheinbar  eingeht,  sie  aber 
thatsächlich  umwandelt,  ja  zum  Theil  in  ihr  Gegentheil 
verkehrt.  Die  Durchführung  der  Vorschläge  des  Decrets 
hätte  ihm  ausschliesslich  Beschränkungen  auferlegt.  Sein 
Erbrecht  wie  das  seiner  Brüder  wäre  beschränkt  auf  das, 
was  Chindasvind  vor  der  Thronbesteigung  besessen  hatte, 
und  wenn  ihm  als  König  alles,  was  Chindasvind  später 
erworben,  auch  noch  so  ausdrücklich  zu  'dauernder  Gewalt 
und  bleibendem  Recht'  zugesprochen  war,  und  er  auf  Grund 
dieses  Titels  wohl  manche  Revindicationen  solchen  Gutes 
hätte  vornehmen  können,  so  war  das  doch  bedeutungslos 
gegenüber  der  Beschränkung  in  der  Verwendung  dieser 
Güter.  Die  auf  Anregung  des  Decrets  erlassene  Lex  schuf 
dagegen  einen  Rechtszustand,  der  für  den  König  aus- 
schliesslich vortheilhaft  war. 

Zunächst  beschränkte  Reccessvind  das  Krongut,  auf 
welches  er  als  regierender  König  Anspruch  hatte,  nicht 
auf  das  seit  Regierungsantritt  seines  Vaters  erworbene 
Gut,  auf  welches  er  —  freilich  mit  seinen  Brüdern  —  schon 
nach  der  bisher  herrschenden  privatrechtlichen  Anschauung 
Anspruch  hatte,  sondern  dehnte  es  aus  auf  alles  von  den 
Zeiten  Svintilas  an  erworbene. 

Hierdurch  wurde  als  Krongut  zum  Theil  wohl,  was 
Svintila  selbst,  jedenfalls  alleSj  was  Sisenand,  Chintila  und 
Tulga  als  Könige  erworben  hatten,  anerkannt.  Durch  diese 
Ausdehnung  auf  die  Erwerbungen  vor  Chindasvind  im 
Gegensatze  zum  Decret  zeigt  sich,  dass  Reccessvind  die 
Anschuldigung  der  'damnata  cupiditas  principum'  und  der 
'inmoderatior  aviditas  principum',  welche  er  anscheinend 
in  Uebereinstimmung   mit   dem   Decret   erhebt,   nicht   wie 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  6 — 9;  5,  19.    51 

das  Concil  geg-en  seinen  Vater  Chindasvind,  sondern  viel- 
mehr gegen  dessen  Vorgänger  richtet.  Diese  Ausdehnung 
gab  dem  Könige  Anlass  zu  Revindicationen  gegenüber  den 
Privaterben  der  früheren  Könige ;  und  dass  das  der  Zweck 
dieser  Ausdehnung  ist,  zeigt  die  Begrenzung  auf  die  Zeit 
Svintilas.  Der  Kegierungsantritt  dieses  Königs  lag  32  Jahre 
zurück.  Ueber  seine  Eegierungszeit  mit  Revindicationen 
hinauszugehen  gestattete  die  Geltung  der  'praescriptio  tri- 
cennalis'  nicht.  Ist  diese  auch  erst  durch  ein  Gesetz  Rec- 
cessvinds  selbst,  L.  Vis.  X,  2,  4,  von  dem  nicht  anzu- 
nehmen ist,  dass  es  bereits  damals  vorhanden  war,  für  An- 
sprüche des  Fiscus  ausdrücklich  anerkannt,  so  galt  sie 
doch,  wie  schon  Ghindasvinds  Gesetz  'De  interruptione 
tricennii'  X,  2,  6  [R.  X,  2,  5]  zeigt,  allgemein.  Man  war  so 
daran  gewöhnt  ihre  Geltung  vorauszusetzen,  dass  Reccessvind 
in  der  Einleitung  sagen  konnte,  sie  sei  so  eingewurzelt, 
dass  sie  nicht  von  Menschen  eingerichtet,  sondern  aus  der 
Natur  der  Sache  hervorgegangen  zu  sein  scheine  ('ut  non 
iam  quasi  ex  institutione  humana,  sed  veluti  ex  ipsarum 
rerum  videatur  processisse  natura'). 

Es  sollte  nicht  alles  von  Svintila  und  seinen  Nach- 
folgern erworbene  Gut  deren  Privaterben  abgefordert 
werden  können,  sondern  nur  das,  worüber  jene  nicht  bei 
ihren  Lebzeiten  verfügt  hatten:  'quaecunque  forsitan  prin- 
ceps  inordinata  reliquit  seu  reliquerit'.  Reccessvind  wagte 
wohl  einerseits  nicht,  die  rechtsgültigen  Verfügungen  seiner 
Vorgänger  anzutasten,  und  wollte  andererseits  sich  selbst 
das  freie  Verfügungsrecht  über  das  Krongut  sichern.  Es 
ist  ja  wohl  anzunehmen,  dass  jene  früheren  Könige  im 
Vertrauen  auf  den  bis  dahin  herrschenden  Brauch,  nach 
welchem  die  Privaterben  sich  der  gesammten  Errungen- 
schaft des  verstorbenen  Königs  bemächtigten,  wesentliche 
Theile  ihres  Erworbenen  ohne  besondere  Verfügung  hinter- 
lassen hatten.  Diese  Güter,  soweit  sie  von  den  Privaterben 
in  Besitz  genommen  waren,  konnte  Reccessvind  nunmehr 
revindicieren,  während  er  selbst  durch  Vergabungen  sein 
Erworbenes  in  beliebigem  Umfange  der  Krone  entziehen 
und  seinen  Privaterben  zuwenden  konnte. 

Darin  aber  liegt  neben  der  Ausdehnung  auf  das  seit 
Svintila  erworbene  königliche  Gut  der  weitere  grosse  Unter- 
schied zwischen  dem  aus  diesen  Bestandtheilen  gebildeten 
Krongut,  wie  es  das  Decret  wollte,  und  dem,  welches  die 
Lex  zugestand,  dass  letztere  dem  regierenden  Könige  in 
der  Verwendung  dieses  Gutes  keinerlei  Beschränkung  auf- 
erlegte:    der    successor    regni    erhält    alles,    was   die    Vor- 

4* 


52  Karl  Zeumer. 

ganger  als  Könige  erworben  und  ohne  darüber  zu  verfügen 
hinterlassen  haben,  zu  völlig  freier  Verfügung :  'ita  habita 
potestate,  ut  quidquid  ex  his  elegerit  facere,  liberum  ha- 
beat  velle'. 

Dieselbe  freie  Verfügung  wird  auch  dem  Könige  ge- 
sichert für  dasjenige  Gut,  welches  er  selbst  als  König 
rechtmässig  erworben  hat.  Indem  das  Gesetz  durch  Zwang 
erpresste,  wenn  auch  der  Form  nach  freiwillig  zugestandene 
Erwerbungen  für  ungültig  erklärt,  sichert  es  zugleich  recht- 
mässige Erwerbungen  des  Königs  vor  Rückforderung  unter 
dem  Vorwande  der  Erpressung.  Diese  Materie  ordnet  das 
Gesetz  ganz  unabhängig  von  der  kirchlichen  Vorlage. 

Am  engsten  schliesst  es  sich  an  diese  an  in  Bezug 
auf  die  Abgrenzung  des  königlichen  Privateigenthums.  Es 
wiederholt  jenen  Satz  der  Vorlage,  nach  welchem  das  vor 
dem  Regierungsantritt  erworbene  Gut  den  Privaterben  zu- 
stehen solle,  fast  wörtlich  ^.  Indem  der  König  aber  auch 
hier  die  im  Decret  aufgestellte  Beschränkung  auf  Chinda- 
svind  fallen  lässt  und  die  Regel  ganz  allgemein  fasst,  sichert 
er  auch  dem  von  ihm  selbst  vor  der  Thronbesteigung  er- 
worbenen Gute  die  freie  Verfügbarkeit  und  Vererbbarkeit. 
Er  erweitert  aber  dieses  königliche  Privatvermögen,  indem 
er  es  nicht  auf  das  vor  der  Thronbesteigung  Erworbene  be- 
schränkt, sondern  ihm  auch  dasjenige  zuweist,  was  der 
König  später  durch  Erbgang  oder  Vertrag  von  seinen  Ver- 
wandten erwirbt.  Diese  durchaus  sachgemässe  und  noth- 
wendige  Erweiterung  zeigt  wieder,  wie  selbständig  der 
König  den  einseitigen  Bestrebungen  des  Concils,  wie  sie 
in  dem  Decret  zum  Ausdruck  kamen,  gegenüberstand. 

Dass  der  König  übrigens  nicht  durchweg  neue  Grund- 
sätze hier  zur  Anwendung  brachte,  sondern  im  wesentlichen 
den  bereits  geltenden  Rechtsanschauungen  folgte,  darauf 
deuten  die  Bestimmungen  des  V.  und  VI.  Toletanischen 
Concils   über   den  Schutz    der   Nachkommen   des   Königs  ^. 


1)  Decretum:  quae  .  .  .  princeps  ante  regnum  aut  ex  proprüs 
aut  ex  iustissirae  conquisitis  visus  est  habuisse;  Lex:  de  illis  rebus,  quas 
.  .  .  princeps  ante  regnum  aut  ex  proprio  aut  ex  iustissime  conquisito  di- 
noscitur  abuisse.  2)  König  Chintila,  der  sich  und  sein  Haus  wohl  vor 
dem  Schicksal  Svintilas  schützen  wollte,  erwirkte  zunächst  vom  V.  Concil 
(von  636)  einen  Beschluss,  der  seinen  Nachkommen  Schutz  und  nament- 
lich die  Erhaltung  ihres  Vermögens  zusicherte,  can.  2 :  'ne  rebus  iuste 
provisis  aut  etiam  parentum  digna  provisione  procuratis  vel  iuris  proprie- 
tate  iniuste  fraudentur'.  Entsprechend,  nur  mit  einer  Erweiterung,  be- 
stimmte dann  2  Jahre  später  das  VI.  Concil  in  can.  16  in  Bezug  auf  die 
Nachkommen  des  Königs :  'ne  de  rebus  iuste  profligatis  aut  parentum 
dignitate  procuratis  vel  largitate  principis  aut  alicuius  impensis  aut  etiam 


Gesch.  d,  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  6 — 9 ;  5,  19.    53 

Darüber,  dass  das  königliche  Gesetz  den  im  Decret 
gestellten  Anforderungen  des  Concils  keineswegs  entsprach, 
konnte  die  Versammlung  auch  durch  die  Phraseologie  des 
Gesetzes,  welches  in  seiner  scharfen  Verurtheilung  der  Hab- 
sucht der  Könige  so  sehr  mit  dem  Decret  übereinzustimmen 
schien,  nicht  hinweggetäuscht  werden.  Immerhin  enthielt 
das  Gesetz  eine  gewisse  Sicherung  gegen  Uebergriffe  der 
Privaterben  des  Königs  und  ebenso  eine  Sicherung  gegen 
Erpressungen.  Der  herrschenden  Unsicherheit  gegenüber 
mochte  daher  das  Concil  in  dem  Gesetze  einen  Fortschritt 
zum  Besseren  erkennen,  den  es  nicht  zurückweisen  wollte 
oder  konnte.  Es  bestätigte,  wie  wir  sahen,  das  Gesetz  und 
Hess  es  den  Concilsacten  anfügen.  Um  aber,  so  müssen 
wir  annehmen,  die  weitergehenden  Wünsche,  die  der  König 
nicht  berücksichtigt  hatte,  neben  dem  Gesetze  zur  Geltung 
zu  bringen,  wurde  auch  das  Decret  vom  Concil  bestätigt 
und  wie  die  Lex  mit  den  Acten  verbunden.  Man  über- 
liess  es  zukünftigen  Benutzern,  aus  den  widerstreitenden 
Bestimmungen  der  beiden  Documente  das  dem  Zweck  Ge- 
mässe  auszuwählen. 

Wie  sich  das  Concil  zu  dem  Inhalte  der  Lex  stellte, 
das  geht  auch  deutlich  hervor  aus  dem  Canon  10,  in 
welchem  Decret  und  Lex  bestätigt  und  angeblich  der  an- 
scheinend ganz  übereinstimmende  Inhalt  beider  Stücke  zu- 
sammengefasst  wird.  Von  den  einander  widersprechenden 
Bestimmungen  beider  Stücke, wird  keine  angeführt,  weder 
der  Begrenzung  auf  Chindasvinds  Regierungsantritt  noch 
der  auf  Svintilas  Zeit  gedacht,  nicht  die  freie  Verfügung 
über  die  königliche  Errungenschaft,  aber  auch  nicht  die 
Beschränkung  erwähnt,  sondern  gewissermassen  als  Com- 
promiss  zwischen  den  einander  entgegenstehenden  Bestim- 
mungen die  farblose  Bemerkung  hinzugefügt:  '(reges)  erunt 
in  conquisitis  .  .  .  rebus  non  prospectantes  proprii  iura 
commodi,  sed  consulentes  patriae  atque  genti'. 

Nicht  im  Decret  berührt  war  die  Frage  der  Thron- 
besetzung. Die  hierauf  bezüglichen  ausführlichen  Bestim- 
mungen des  Canon  10  sind  angeblich  gleichfalls  den  'defi- 
nitiones'  des  Decrets  und  der  Lex  entlehnt,  finden  sich 
aber  nur  und  auch  nur  zum  Theil  in  der  Lex.  Wir  stellen 
die  entsprechenden  Stellen  neben  einander: 

proprietate  debitis  fraudentnr'.  Die  Nachkommen  des  Königs  sollen  also 
ihr  Erbgut  ('proprietas'),  ferner  was  sie  selbst  von  ihren  Verwandten, 
dem  Könige  oder  sonst  Jemand  erworben  haben,  behalten.  Das  Erbgut 
des  Königs  fiel  also  an  seine  Privaterben,  und  ausserdem  war  er  berech- 
tigt, ihnen  Schenkungen  zu  machen  ('largitate  principis'). 


54  Karl  Zeumer. 

Lex.  I  Can.  10. 

Quemcumqtie  vero  aut  per  i      Abhinc    ergo    et    deiuceps 
tumultuosas    plebes    aut    per    ita    erunt    in    regni    gloriam 


absconsa  dignitati  publice 
macinamenta  adeptum  esse 
constiterit  regni  f  astigia,  mox 
idem  cum  omnibus  tarn  nef arie 
sibi  consentientibus  et  ana- 
thema  fiat  .  .  . 


praeficiendi  rectores,  ut  aut 
in  urbe  regia  aut  in  loco,  ubi 
princeps  decesserit,  cum  pon- 
tificum  maiorumque  palatii 
omnimodo  eligantur  assensu, 
non  forinsecus  aut  conspira- 
tione  paucorum  aut  rusti- 
carum  plebium  seditioso  tu- 
multu. 


Was  die  Lex  bietet,  ist  eine  ziemlicb  dürftige  nega- 
tive Bestimmung,  ein  Verbot,  den  Thron  durch  Aufstand 
und  Complott  zu  erwerben.  Der  Canon  aber  beschränkt 
sich  nicht  darauf  den  Inhalt  der  Lex  wiederzugeben,  sondern 
fügt  die  positiven  Bestimmungen  über  die  Königswahl 
hinzu:  die  Wahl  des  neuen  Königs  soll  stattfinden  ent- 
weder in  der  Hauptstadt  oder  am  Sterbeorte  des  früheren 
Königs,  und  zwar  soll  sie  stattfinden  durch  die  Bischöfe 
und  Grossen  des  Palastes.  Indem  der  Canon  auch  hier 
nicht  den  Inhalt  des  königlichen  Gesetzes,  wie  er  war, 
wiedergiebt,  sondern  so,  wie  er  nach  der  Meinung  des 
Concils  hätte  sein  sollen,  zeigt  sich  wiederum  eine  starke 
Differenz  zwischen  den  Wünschen  des  Concils  und  dem 
Willen  des  Königs.  Nur  das  Concil  hat  das  Wahlrecht 
der  Grossen  ausdrücklich  anerkannt,  keineswegs  aber  der 
König,  wie  Dahn  meint,  sich  zu  einer  'feierlichen  und  um- 
ständlichen Anerkennung  des  unbeschränktesten  Königs- 
Wahlrechts  des  geistlichen  und  weltlichen  Adels'  ver- 
standen. 

Nach  alledem  dürfte  feststehen,  dass  die  von  Dahn 
vorgetragene  Ansicht,  nach  welcher  zwischen  Reccessvind 
und  den  Bischöfen  völlige  üebereinstimmung  geherrscht 
und  dieser  nur  den  Willen  des  Concils  vollzogen  hätte, 
unbegründet  ist^ 


1)  Dahn's  Ausführungen,  Könige  V,  S.  201  f.  und  VP,  S.  452  ff., 
enthalten  eine  Anzahl  störender  INIissverständnisse,  die  zum  Theil  wohl 
auf  seine  Gesamtauffassung  Reccessvinds  nicht  ohne  Einfluss  gewesen  sind. 
Es  ist  nicht  richtig,  dass  R.,  wie  an  der  zuerst  angeführten  Stelle  be- 
hauptet wird,  'Straflosigkeit  für  alle  überwiesenen  Empörer'  beantragt 
und  'die  Aufstellung  von  Schiedsrichtern  für  Beschwerden  Einzelner  gegen 
den  König,  denen  sich  die  Krone  unweigerlich  unterwerfen  müsse',  ge- 
fordert habe.     Der  König   stellt  nur   die  Lösung  des  Eides   anheim,  der 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  6 — 9;  5,  19.    55 

Dass  Eeccessvind  in  seiner  Lex  das  Wahlrecht  der 
Grossen  gänzlich  mit  Stillschweigen  übergeht,  ist  um  so 
auffallender,  als  die  Concilien  es  bereits  mehrfach  prokla- 
miert hatten,  und  der  König  die  Bestimmungen  dieser 
Concilschlüsse.  soweit  sie  gegen  Usurpation  und  Verschwö- 
rung gerichtet  sind,  im  Wesentlichen  wiedergiebt  und  aus 
ihnen  sogar  die  Androhung  geistlicher  Strafen  wiederholt. 

Ausdrücklich  anerkannt  hatte  das  Wahlrecht  das 
IV.  Concil  von  Toledo,  welches  633  unter  dem  soeben 
durch  Empörung  gegen  Svintila  auf  den  Thron  erhobenen 
Sisenand  abgehalten  wurde.  Unter  einer  Reihe  von  Be- 
stimmungen zum  Schutze  des  regierenden  Königs  gegen 
Empörer  und  Kronräuber  in  can.  75  finden  sich  auch  solche 
über  die  Thron besetzung:  'nullus  apud  nos  praesumptione 
regnum  arripiat;  nullus  excitet  mutuas  seditiones  civium; 
nemo  meditetur  interitus  regum;  sed  defuncto  in  pace 
principe  primatus  totius  gentis  cum  sacerdotibus  succes- 
sorem  regni  consilio  communi  constituant'.  Durch  eine 
dreimal  wiederholte  feierliche  Sentenz  wird  dann  über  den 
Thronräuber,  'qui  praesumptione  tyrannica  regni  fastigium 
usurpaverit',  und  über  seine  Helfer  Anathem  und  Excom- 
munication  verhängt. 


die  Möglichkeit  der  Begnadigung  ausschloss.  Eine  Stelle  aber,  welche 
auf  ein  Schiedsgericht  in  dem  angeführten  Sinne  bezogen  werden  könnte, 
finde  ich  nicht.  Ebensowenig  finde  ich  in  den  Acten  etwas  von  einem 
'bedeutenden  Steuemachlass',  der  'die  Mittel  der  Regierung  schwächte'. 
Dahns  Bemerkung  beruht  wohl  auf  einer  Verwechslung  mit  Ervig  und 
dem  Xin.  Concil  von  Toledo.  Wie  wenig  aber  die  Regelung  der  Kron- 
gutfrage, soweit  Reccessvind  darauf  einging,  eine  Beraubimg  des  Königs 
bedeutete,  und  dass  dieser  das  Wahlrecht  der  Grossen  nicht  ausdrück- 
lich anerkannte,  ist  im  Texte  ausgeführt.  In  VI"  hat  Dahn  jene  vorigen 
Behauptungen  nicht  wiederholt.  Aber  neue  Irrthümer  haben  sich  hier 
S.  455  eingeschlichen.  Die  Beschlüsse  des  Concils  ergehen  nicht  im  Namen 
des  Königs,  ebensowenig  das  Gresetz  zur  Zügelung  der  'furchtbaren  Hab- 
sucht der  Fürsten'.  Freilich  finden  sich  im  Canon  13  die  Worte:  'decreti 
nostri  seriem,  quam  in  Serenissimi  domini  nostri  R.  regis  edidimus  nomine'. 
Sie  beziehen  sich  aber  nicht  auf  die  Beschlüsse  des  Concils,  sondern  nur 
auf  das  Decret,  und  ausserdem  bedeuten,  wie  oben  S.  46,  N.  3  bemerkt, 
die  Worte :  'in  .  .  .  regis  nomine'  etwas  ganz  anderes  als  im  'Xameu  des 
Königs'.  Bei  dem  Gesetz  gegen  die  Habsucht  der  Fürsten  kann  aber  in 
keiner  Weise  von  einer  Veröffentlichung  im  Namen  des  Königs  die  Rede 
sein.  Es  ist  ja  ein  Gesetz  des  Königs  selbst.  Weiter  meint  Dahn,  ange- 
hängt seien  zwei  Decrete  des  Königs.  Aus  der  folgenden  Charakterisie- 
rung geht  hervor,  dass  hier  nur  das  eine  Decret  des  Concils  gemeint  ist. 
Dieser  Irrthum  ist  wieder  wichtig  für  Dahns  Auffassung  Reccessvinds, 
wegen  der  angeblichen  Vorwürfe  gegen  die  Regierung  seines  Vaters. 
Merkwürdiger  Weise  folgt  dann  der  irrigen  Darstellung  von  den  an- 
gehängten zwei  Decreten  noch  die  richtige:  'Auf  das  Decretum  des  Con- 
cils folfft  dann  eine  Lex  des  Königs'  u.  s.  w. 


56  Karl  Zeumer. 

Das  unter  Chintila  636  gehaltene  V.  Concil  von  Toledo 
proclamierte  ebenfalls  das  Wahlreclit,  c.  3 :  'quoniam  .  .  . 
se  minime  capientes,  quos  nee  ovigo  ornat  nee  virtns  de- 
corat, passim  putant  licenter  ad  regiae  potestatis  pervenire 
fastigia,  liuius  rei  causa  nostra  omnium  .  .  .  profertur 
sententia,  ut  quisquis  talia  meditatus  fuerit,  quem  nee 
electio  omnium  provehit  nee  Gothicae  gentis  nobilitas  ad 
hunc  honoris  apicem  trahit,  sit  a  consortio  catholicorum 
privatus  et  divino  anathemate  condemnatus'. 

Hier  wird  noch  die  Bedingung  edeler  gothischer  Ab- 
stammung des  Gewählten  hinzugefügt.  Auch  davon  hat 
Reccessvind  keine  Notiz  genommen;  ebenso  wenig  von  den 
weiteren  Bedingungen,  die  das  VI.  Concil  von  638  in  c.  17 
dieser  noch  hinzufügte:  'Eege  vero  defuncto  nullus  tyran- 
nica  praesumptione  regnum  assumat,  nullus  sub  religionis 
habitu  detonsus  aut  turpiter  decalvatus  aut  servilem  or- 
dinem  trahens  vel  extraneae  gentis  homo,  nisi  genere  Gothus 
et  moribus  dignus  provehatur  ad  apicem  regni'. 

Geflissentlich  vermeidet  offenbar  Reccessvind,  sich  auf 
die  Thronbesetzungsfrage  weiter  einzulassen,  als  sein  nächstes 
Interesse,  der  Schutz  gegen  Usurpation  und  Empörung, 
verlangte. 

Wir  sahen,  wie  dann  das  VIII.  Concil  von  Toledo 
unter  dem  Anschein  der  Bestätigung  des  königlichen  Ge- 
setzes die  Anerkennung  des  Wahlrechts  von  neuem  aus- 
sprach, zugleich  aber  eine  neue  Bestimmung  bezüglich  des 
Wahlortes  hinzufügte.  Eine  Bestätigung  der  Beschlüsse 
des  Concils  hat  Eeccessvind  nicht  ertheilt,  und  das  Ver- 
sprechen die  Beschlüsse  zu  bekräftigen  und  durchzuführen, 
welches  der  König  im  Tomus  in  voraus  aussprach,  war 
nach  allen  Eichtungen  so  verklausuliert,  dass  man  daraus 
nicht  etwa  schliessen  darf,  dass  die  königliche  Bestätigung 
als  vorweg  gegeben  anzunehmen  sei. 

Es  ist  nicht  der  Ort  hier  eingehend  zu  prüfen,  in  wie 
weit  in  der  Folgezeit  die  Beschlüsse  über  Besetzung  des 
Thrones  beobachtet  sind  oder  nicht.  Der  nächste  Nach- 
folger Reccessvinds,  Wamba,  ist  in  Uebereinstimmung  mit 
Concil.  Tolet.  VIII  am  Sterbeorte  Reccessvinds  erhoben, 
und  sonst  haben  bis  zum  Ende  des  toletanischen  Reiches 
die  Erhebungen  wohl  regelmässig  in  Toledo  stattgefunden. 
Aber  frei  gewählt  ist  seit  Wamba  keiner  der  Könige  mehr, 
sondern  formell  sind  Ervig,  Egica  und  Wittiza  durch  De- 
signation bei  Lebzeiten  des  Vorgängers  zur  Königswürde 
gelangt.  Mit  Ervigs  Zugehörigkeit  zum  Gothenvolke  stand 
es  zweifelhaft,  da  nur  seine  Mutter,  nicht  aber  sein  Vater 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  6 — 9;  5, 19.     57 

gothisch  war.  Wir  müssen  annebmeu,  dass  eine  so  ent- 
schiedene Beiseitesetzung  der  Wahlregeln  der  Concilien 
nur  möglich  war,  weil  Reccessvind  die  Aufnahme  dieser  Be- 
stimmungen in  das  Gesetzbuch  uuterlassen,  wir  können 
wohl  sagen,  verweigert  hat. 

II,  1,7  [W.  II,  1,  34  u.  V,  7,  19j.  Diese  Novelle  Egicas 
sichert  die  Ableistung  des  bereits  längst  üblichen  allge- 
meinen Huldig-ungseides,  welcher  den  Freien  von  einem 
reisenden  'discussor  iuramenti"  in  den  Provinzen  abge- 
nommen wird,  während  die  Palatinen  sich  zur  Ableistung 
vor  dem  Könige  stellen  müssen.  Zuerst  erwähnt  wird 
dieser  Huldigungseid  Conc.  Toi.  IV,  can.  75;  vgl.  Dahn, 
Könige  VI^  S.  527  f. 

II,  1,  8  [R.  II,  1,  6].  Dieses  Gesetz  gegen  Landes- 
flüchtige, Hochverräther  und  Verschwörer  hat  Chindasvind 
erlassen,  wohl  damit  es  ihm  als  Grundlage  diene  für  sein  rück- 
sichtsloses Vorgehen  zur  Wiederherstellung  der  königlichen 
Gewalt  und  zur  Ausrottung  der  Revolution.  Selbst  hervor- 
gegangen aus  den  Kreisen  des  gegen  das  Königthum  con- 
spirierenden  Adels  und  als  fast  Achtzigjähriger  noch  durch 
einen  revolutionären  Gewaltact  zur  Herrschaft  gekommen, 
wollte  er  die  Krone  sich  und  seinem  Hause  gegen  jeden 
Augriff  sichern.  Nur  durch  blutige  Strenge  und  rücksichts- 
loseste Gewalt  glaubte  er  seiner  früheren  Genossen  Herr 
werden  zu  können.  Der  sog.  Fredegar  sagt,  Chindasvind 
habe  'die  Krankheit  der  Gothen',  ihre  'Sucht  die  Könige 
zu  entthronen'  gekannt,  und  sei  früher  oft  an  solchen  An- 
schlägen betheiligt  gewesen  ^.  Die  Heilmittel,  welche  er 
gegen  diese  Krankheit  anwandte,  waren  Hinrichtungen 
und  Gütereinziehungen.  Dieselbe  Quelle  berichtet,  dass 
er  200  Adlige  und  500  Gemeinfreie  habe  hinrichten  lassen  -. 
Zu  solchem  Vorgehen  brauchte  Chindasvind  ein  Gesetz, 
eben  das,  welches  uns  vorliegt.  Dieses  Gesetz  gestattete 
dem  Könige  nicht  nur  die  strengste  Bestrafung  der  Hoch- 
verräther, sondern  verpflichtete  ihn  dazu. 

Der  König  bestimmt  in  dem  Gesetze:  1.  Wer  in  der 
Absicht,  Volk  und  Land  der  Gothen  zu  schädigen,  von  der 
Zeit    des    Königs    Chintila    bis    zu    unserm    gegenwärtigen 


1)  Fredegarii  Cliron.  IV.  82,  SS.  Merov.  II,  p.  163:  'cognetus 
morbum  Gotorum  quem  de  regebus  degradandum  habebant,  unde  sepius 
cum  ipsis  in  consilio  fuerat'.  2)  Ebendas. :  'Fertur,  de  primatis  Go- 
torum hoc  vicio  repremendo  duceutis  fuisse  iuterfectis ;  de  mediogrebus 
quingentis  interfecere  iussit'.  Vgl.  Contin.  Isidor.  Hisp.  c.  26,  MG.  Auct. 
ant.  XI,  p.  341 :  'Chindasviiitus  per  tirannidem  regnum  Gothorum  in- 
vasum  Yberie  triumphabiliter  principat,  demoliens  Gothos'. 


58  Karl  Zeumer. 

zweiten  Eegierungs jähre  zu  den  Feinden  oder  überhaupt 
in  das  Ausland  geflohen  ist  oder  dies  in  Zukunft  thut  oder 
zu  thun  versucht,  und  ebenso  2.  wer  vom  ersten  Jahre 
unserer  Regierung  an  innerhalb  des  Eeiches  Feindseliges 
gegen  unser  Eegiment  und  das  gothische  Volk,  gegen  unser 
und  der  folgenden  Könige  Leben  unternimmt,  den  soll 
Todesstrafe  und  Confiscation  der  Güter  treffen;  im  Falle 
der  Begnadigung  kann  der  König  die  Todesstrafe  nur  in 
Blendung  verwandeln^. 

Dass  Chindasvind  den  strafbaren  Hochverrath  im 
Innern  des  Reiches  in  diesem  Gesetze  nicht  auf  die  Fälle 
über  seine  eigene  Regierungszeit  rückwärts  erstreckt,  ist 
natürlich,  da  er  sonst  sich  selbst  ja  für  strafbar  erklärt 
haben  würde.  Dass  dagegen  die  Strafbarkeit  der  hoch- 
verrätherischen  Landesflucht  bis  auf  Chintilas  Zeit  zurück- 
erstreckt wird,  zeigt,  dass  die  bereits  unter  Chintila  vor- 
handene und  von  diesem  bekämpfte  Emigration  ^  auch 
Chindasvind,  der  doch  den  Sohn  Chintilas  entfernt  hatte, 
feindlich  gesinnt  war.  Sie  bestand  also  nicht  aus  Gegnern 
nur  eines  einzelnen  Königs  oder  Königshauses;  sie  setzte 
sich  offenbar  aus  den  Feinden  eines  starken  Königthums 
überhaupt  zusammen. 

Weiter  enthält  das  Gesetz  noch  Bestimmungen  gegen 
die,  welche  den  Wirkungen  der  Confiscation  dadurch  zu 
entgehen  suchen,  dass  sie  ihre  Güter  der  Kirche  oder  ihren 
Ehefrauen,  Kindern  oder  Verwandten  zum  Scheine  über- 
tragen. 

Zum  Schutz  der  Vergabungen  aus  den  Confiscationen 
wird  dann  noch  bestimmt,  dass  auch  im  Falle  der  Be- 
gnadigung die  confiscierten  Güter  selbst  unter  keinen  Um- 


1)  'quicumque  ex  tempore  reverende  memorie  Chintilani  principis 
usque  ad  annum  Deo  favente  regni  nostri  secundo  vel  amodo  et  ultro  ad 
adversam  gentem  vel  extraneam  partem  perrexit  sive  perrexerit  .  .  .  ut 
sceleratissimo  ausu  contra  gentem  Gotorum  vel  patriam  ageret  .  .  .  sive 
ab  anno  regni  nostri  primo  vel  deinceps  quispiam  infra  fines  patrie  Go- 
torum quamcumque  conturbationem  aut  scandalum  in  contrarietatem  regni 
nostri  vel  gentis  facere  voluerit,  sive  ...  in  necem  vel  abiectionem 
nostram  sive  subsequentium  regum  intendere  .  .  .  proditus  videtur  esse 
.  .  .  inretractabilem  sententiam  mortis  excipiat  .  .  .  Quod  si  fortasse  .  .  . 
a  principe  fuerit  illi  vita  concessa,  non  aliter  quam  effossis  oculis  relin- 
quatur  ad  vitam  .  .  .  Res  tarnen  omnes  (des  Hingerichteten  wie  des 
Geblendeten)  in  regis  ad  integrum  potestate  persistant'.  2)  Vgl.  Conc. 
Tolet.  VI  (a.  638)  can.  12:  'De  confugientibus  ad  hostes.  Pravarum  auda- 
cia  mentium  .  .  .  refugium  aj^petit  hostium ;  unde  quisquis  patrator  cau- 
sarum  extiterit  talium,  virtutes  enitens  defendere  adversariorum  et  patriae 
vel  genti  suae  detrimenta  intulerit  rerum  .  .  .  excommunicatus  et  retrusus 
longinquioris  poenitentiae  legibus  subdatur'. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  6  — 9;  5,  19.    59 

ständen  zurückgegeben  werden  dürfen.  Der  König  soll 
höchstens  ans  anderen  Mitteln  den  20sten  Theil  des  Werthes 
jener  Güter  den  Begnadigten  schenken  dürfen.  Die  bereits 
früher  durch  Vorgänger  des  Königs  erfolgten  Begnadigungen 
sollen  dagegen  volle  Wirkung  behalten. 

Gab  es  Begnadigungen  von  Hochverräthern,  so  wird 
es  auch,  was  ja  an  und  für  sich  wahrscheinlich  genug  ist, 
bereits  früher  ein  Gesetz  gegeben  haben,  welches  den  Hoch- 
verrath  mit  Strafe  bedrohte.  Von  einem  solchen  älteren 
Gesetze,  welches  Reccessvind  von  seinem  Gesetzbuch  als 
veraltet  ausschloss  und  durch  das  Gesetz  Chindasvinds  er- 
setzte, glaube  ich  deutliche  Spuren  in  der  Lex  Baiuvariorum 
und  im  Edictus  Eothari  nachweisen  zu  können.  In  beiden 
Gesetzen  finden  sich  übereinstimmende  Anordnungen,  welche 
an  römische  Bestimmungen  erinnern,  und  kaum  anders  zu 
erklären  sind,  als  durch  die  Annahme,  dass  beide  Gesetze 
sie  aus  dem  Westgothenrecht  entlehnt  haben. 


L.  Baiuv.  II,  1. 

si  in  necem  ducis  con- 

siliatus    fuerit    aut    ini- 

micos  in  (infral,  10)  pro- 

vinciam    invitaverit  aut 


civitatem  capere  ab  extraneis    fiscentur. 


Ed.  Eoth. 

c.  1.  Si  quis  contra  ani- 

mam  regis  .  .  .  consilia- 

verit,  animae  suae  incurrat 

periculum   et   res    eins  in- 


c.  4.  Si  quis  inimicus 
intra  provinciam  invi- 
taverit .  .  .  animae  suae 
incurrat  periculum  et  res 
eins  infiscentur. 


machinaverit  ...  in  ducis  sit 
potestate  vita  ipsius  et  omnes 
res  eius  in  Patrimonium  .  .  . 
Si  quis  ducem  occiderit  anim a 
illius  .  .  .  mortem  recipiat  et 
res  eius  infiscentur. 

Auf  römischen  Ursprung  deutet  der  Ausdruck  'pro- 
vincia'.  Das  römische  Eecht  aber  behandelt  nicht  nur 
den  Verrath  einer  'provincia',  sondern  ganz  wie  die  Lex 
Baiuvariorum  daneben  auch  den  einer  'civitas'  als  'crimen 
maiestatis';  vgl.  Dig.  XLVIII,  4,  1.  10:  'Maiestatis  crimen 
accusari  potest,  cuius  ope,  consilio,  dolo  malo  provincia 
vel  civitas  hostibus  prodita  est'.  Jene  Erwähnung  der 
'civitas'  in  der  bairischen  Quelle  gegenüber  ihrem  Fehlen 
im  langobardischen  Edict  verhindert  die  Annahme,  dass  die 
Redactoren  des  bairischen  Gesetzes  hier  etwa  aus  dem  Edict 
geschöpft  haben  könnten. 

Andrerseits  erwähnt  aber  der  Edictus  Rothari  die 
im  Baiernrecht  nicht  berücksichtigte  Landesflucht  in 
c.  3 :  'Si  quis  foris  provincia  fugire  timtaverit,  morti  in- 
currat  periculum    et   res   eius   infiscentur'.     Auch  das  ent- 


60  Karl  Zeumer. 

spricht  dem  römischen  Eecht,  nach  welchem  des  Majestäts- 
verbrechens schuldig  galt  'qui  .  .  .  privatus  ad  hostes 
perfug-it',  Dig.  XLVIII,  4,  1.  2;  vgl.  XLIX,  15,  1.  19,  c.  4: 
'qui  malo  consilio  et  proditoris  animo  patriam  reliquit, 
hostium  numero  habendus  est'. 

Die  Annahme,  dass  die  Lex  Baiuvariorum  und  der 
Edictus  hier  wie  an  anderen  Stellen  aus  dem  alten  West- 
gothenrecht  geschöpft  haben,  werden  wir  kaum  abweisen 
können.  In  diesem  Zusammenhange  gewinnt  es  auch  eine 
gewisse  Bedeutung,  dass  Chindasvind  'in  necem  nostram' 
sagt,  wie  auch  in  der  Lex  Baiuvariorum  steht  'in  necem 
ducis'.  An  beiden  Stellen  dürfen  wir  'in  necem'  als  einen 
aus  dem  verlorenen  Hochverrathsgesetz  Eurichs  herüber- 
genommenen Ausdruck  ansehen '. 

Die  Lex  Baiuv.  und  Eotharis  Edict  berücksichtigen 
nur  den  Angriff  gegen  das  Leben  des  Königs,  nicht  die 
versuchte  und  vollendete  Entthronung;  als  Verbrechen  gegen 
den  Bestand  des  Eeiches  stellen  sie  nur  vollendete  Hand- 
lungen des  Landesverraths  hin.  Ohne  Zweifel  waren  diese 
Bestimmungen  der  verlorenen  auf  Eurich  zurückgehenden 
Antiqua  entnommen,  erschöpften  aber  deren  Inhalt  nicht. 
Eine  unverkennbare  Hindeutung  auf  diesen  Inhalt  enthält 
eine  andere  Antiqua  VI,  1,  4  [E.  VI,  1,  3],  wo  die  dem 
römischen  Eecht  entlehnte  Bestimmung  wiedergegeben  wird, 
dass  in  gewissen  Fällen  die  Knechte  gegen  ihre  Herren 
peinlich  befragt  werden  dürfen.  Zu  diesen  Fällen  gehört 
der  Hochverrath  und  dieser  wird  in  der  Antiqua  definiert: 
'si  contra  regnum,  gentem  vel  patriam  aliquid  dictum  vel 
dispositum  fuerit'.  Also  alle  gegen  das  'regnum',  d.  h.  die 
Herrschaft  des  Königs,  das  Königthum,  sowie  gegen  das 
Volk  und  das  Eeich  ('patria')  gerichteten  Anschläge  werden 
als  Hochverrath  angesehen. 

Wenn  nun  das  gesammte  Volk  nach  can.  75  des 
IV.  Concils  von  Toledo  einen  Eid  zu  schwören  hatte:  'pro 
patriae  gentisque  Gothorum  statu  vel  conservatione  regiae 
salutis',  so  dürfte  darin  das  Widerspiel  des  Hochverraths- 
gesetzes  zu  erblicken  sein,  welches  die  Verletzung  dessen 
mit  Strafe  bedrohte,  dessen  Förderung  der  Eid  verlangte. 
Bei  der  Uebereinstimmung  des  Eides  mit  VI,  1,  4  in  der 
Sache  und  in  den  Ausdrücken  'gens'  und  'patria'  —  nur 
für  'regnum'  heist  es  hier  'regia  salus'  —  dürfen  wir  ver- 


1)  Die  Fassung  des  alten  westgothischen  Hochverrathsgesetzes  hat 
wohl  auch  eingewirkt  auf  Oonc.  Tolet.  IV,  can.  75 :  'qui  .  .  .  nece  regem 
attrectaverit'. 


Gesch. d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  6 — 9;  5,  19.     61 

mutheu,  dass  der  Eid  im  Auschluss  au  das  Hochverraths- 
gesetz  formuliert  war. 

Nach  alledem  dürfeu  wir  wohl  auuehmeu,  dass  jeues 
ältere,  verlorene  Gesetz  nicht  nur  die  Bedrohung  des  Lebens 
des  Königs  und  bestimmte  einzelne  Handlungen  des  Landes- 
verraths,  sondern  allgemein  sämmtliche  gegen  König,  Volk 
und  Reich  gerichteten  feindseligen  Handlungen  und  An- 
schläge, auch  die  blosse  Landesflucht,  unter  die  Hochver- 
rathsstrafen  stellte. 

Stimmte  demnach  das  alte  Gesetz  wahrscheinlich  mit 
dem  neuen  von  Chindasvind  an  seine  Stelle  gesetzten  in 
der  Hauptsache  überein,  so  enthielt  dieses  doch  einige 
Neuerungen,  welche  Chindasvind  nicht  entbehren  konnte ; 
vor  Allem  die  Straflosigkeit  der  Empörung,  Verschwörung 
und  Usurpation  innerhalb  des  Reiches  bis  zu  seinem  eigenen 
ßegierungsantritte,  ferner  die  Schärfung  der  Strafe  durch 
die  äusserste  Beschränkung  des  königlichen  Begnadigungs- 
rechtes. 

Zur  Sicherung  der  Durchführung  seines  Gesetzes  hat 
nun  Chindasvind  zu  einer  ganz  aussergewöhnlichen  Mass- 
regel gegriffen.  Er  hat  das  Gesetz  wahrscheinlich  von  dem 
ganzen  Volke,  jedenfalls  von  dessen  massgebenden  Kreisen 
beschwören  lassen,  wie  wir  aus  den  Verhandlungen  des 
VII.  und  VIII.  Concils  von  Toledo  erfahren. 

In  can.  1  des  VII.  Concils  vom  Jahre  646,  welches 
Chindasvinds  Gesetz  wohl  auf  dessen  Veranlassung  durch 
Androhung  kirchlicher  Strafen  für  die  Verletzer  bekräftigte 
und  ergänzte,  wird  zuerst  jener  Eid  erwähnt:  'novimus 
omnes  pene  Hispaniae  sacerdotes  omnesque  seniores  vel 
iudices  ac  ceteros  homines  officii  palatini  iurasse  atque  ita 
dudum  legibus  decretum  fuisse,  ut  nullus  refuga  vel  per- 
fidus,  qui  contra  gentem  Gothorum  vel  patriam  seu  regem 
agere  aut  in  alterius  gentis  societatem  se  transducere  repe- 
ritur,  integritati  rerum  suarum  ullatenus  reformetur,  nisi 
forsitan  princeps  humanitatis  aliquid  personis  talibus  imper- 
tiri  voluerit,  sui  tamen  non  amplius,  quam  vicesimam  partem 
rerum  ei,  qui  perfidus  extitit,  de  rebus  unde  rex  elegerit 
tribuendi  potestatem  habebit'.  Hier  werden  die  auf  die 
Vermögensconfiscation  bezüglichen  Bestimmungen  des  Ge- 
setzes Chindasvinds  ^   unter   ausdrücklicher   Beziehung   auf 

1)  Auch  die  Schlussbestimmung  des  Gesetzes  bezüglich  der  Schen- 
kung im  Betrage  des  20.  Theiles  wdrd  angeführt,  war  also  64:6  bereits 
vorhanden.  Damit  erledigt  sich  Helflerichs  grundlose  Bemerkung  S.  89 : 
'Was  weiter  folgt  .  .  .  zumal  der  Schluss  des  Gesetzes  könnte  später  hin- 
zugefügt sein'. 


62  Karl  Zemner. 

das  vor  einiger  Zeit  erlassene  Gesetz  ('dudum  legibus  de- 
cretum')  angefahrt  und  gleichmässig  als  Inhalt  des  Eides 
wie  des  Gesetzes  angegeben. 

Während  nach  dieser  Stelle  anseheinend  einerseits  der 
Eid  auf  die  hohe  Geistlichkeit,  den  Adel  und  die  könig- 
lichen Beamten  beschränkt  war  und  andererseits  sich  nur 
auf  die  das  Vermögen  betreffenden  Strafbestimniungen 
bezog,  stellen  der  Tomus  und  can.  2  des  VIII.  Concils 
von  Toledo  den  Eid  als  allgemein  vom  ganzen  Volke  ge- 
leistet und  auch  auf  die  Leibes-  und  Lebensstrafen  der 
Hochverräther  bezüglich  dar.  In  dem  von  Reccessvind 
dem  Concil  überreichten  Tomus  heisst  es :  'revolutis  retro 
temporibus  ita  vos  omnemque  populum  iurasse  recolimus, 
ut  cuiuscumque  ordinis  vel  honoris  persona  in  necem  regiam 
excidiumque  Gothorum  gentis  ac  patriae  detecta  fuisset 
vel  cogitasse  noxia  vel  egisse,  irrevocabilis  sententiae  mulc- 
tatus  atrocitate  nusquam  mereretur  veniae  remedium  vel 
alicuius  temperantiae  perciperet  qualecumque  subsidium'. 
Der  König  ersucht  das  Concil ,  den  Conflict  zwischen 
diesem  Eide  und  den  Forderungen  der  Menschlichkeit  zu 
lösen.  Die  Entscheidung  des  Concils  erfolgt  in  can.  2 : 
'  .  .  .  quaecumque  iuramenta  pro  regiae  potestatis  salute 
vel  contutatione  gentis  et  patriae  vel  hactenus  sunt  exacta 
vel  deinceps  extiterunt  exigenda,  omni  custodia  omnique 
vigilantia  insolubiliter  decernimus  observanda,  a  membro- 
rum  truncatione  mortisque  sententia  religione  penitus  ab- 
soluta' ^ 

Ob,  wie  im  Tomus  behauptet  wird,  das  ganze  Volk 
geschworen  hat,  oder  ob  gemäss  can.  1  des  VII.  Concils 
nur  die  Grossen  und  die  Beamten  geschworen  haben, 
möchte  ich  nicht  mit  voller  Bestimmtheit  entscheiden. 
Wahrscheinlich  aber  ist,  dass  die  Nachricht  des  Tomus 
richtig  und  die  ältere  Angabe  nur  unvollständig  ist;  dem 
VII.  Concil  kam  es  wohl  nur  darauf  an  hervorzuheben, 
dass  die  massgebenden  Kreise  des  Volkes  den  Eid  geleistet 
hätten.  Jedenfalls  werden  wir  in  Bezug  auf  den  Inhalt 
des  Eides  den  Angaben  des  VIII.  Concils  vor  denen  des 
VII.  Concils  insofern  den  Vorzug  geben  müssen,  als  sie  un- 
zweifelhaft zeigen,  dass  es  sich  bei  jenen  Eiden  nicht  nur 


1)  Die  letzten  Worte :  'a  membrorum'  u.  s.  w.  sind  zu  erklären: 
'doch  soll  die  eidliche  Verpflichtung  von  Verstümmlungs-  und  Todesstrafe 
völlig  gelöst  sein'.  Dahn,  Könige  VI-,  S.  454  bemerkt,  dass  diese  (Ver- 
stümmelungs-  und  Todesstrafe)  beschlossen  worden,  wissen  wir  sonst  nicht. 
Beschlossen  sind  sie  freilich  nicht,  aber  durch  Chindasvinds  Gesetz  und 
den  Eid  verhängt. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  6—9;  5,  19.    63 

um  die  Aiifrechterhaltung-  der  Vermögensstrafen  handelte. 
Indem  das  Concil  den  Eid  in  Bezug  auf  die  Leibes-  und 
Lebensstrafen  löst,  ihn  aber  in  Kraft  lässt  bezüglich  der 
Vermögens-  und  Freiheitsstrafen,  zeigt  es,  dass  die  Eide 
nicht  nur  von  diesen,  sondern  auch  von  jenen  handelten. 
Ein  Zweifel  an  der  Richtigkeit  der  Annahme  des  Concils 
ist  aber  deshalb  schon  nicht  möglich,  weil  das  Concil  vor 
seiner  Entscheidung  den  Wortlaut  des  Eides  nach  dem 
schriftlichen  Eidesformulare  ('series  conditionum'),  wie  solche 
bei  den  Westgothen  üblich  waren,  verlesen  Hess.  Ist  es 
auch  zu  bedauern,  dass  wir  den  Wortlaut  der  conditiones 
nicht  kennen,  so  können  wir  doch  aus  den  Angaben  in 
can.  1  des  VII.  und  im  Tomus  und  can.  2  des  VIII.  Concils 
von  Toledo  in  Verbindung  mit  einander  unzweifelhaft 
folgern,  dass  den  Gegenstand  des  Eides  der  ganze  Inhalt 
des  Chindasvindschen  Gesetzes  bildete,  und  als  wahrschein- 
lich annehmen,  dass  es  wenigstens  in  allen  hauptsächlichen 
Bestimmungen  wörtlich  in  die  'conditiones  sacramentorum' 
aufgenommen  war. 

Der  Eid  sicherte  den  Bestand  des  Gesetzes  wohl  min- 
destens in  gleicher  Weise,  wie  ihn  eine  Bestätigung  durch 
das  Concil  gesichert  hätte.  Es  erklärt  sich  daraus,  dass 
Chindasvind  auf  eine  solche  Bestätigung  zunächst  ver- 
zichtete. Warum  der  König  aber  diesen  ungewöhnlichen 
Weg  einschlug,  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  erkennen.  Hätte 
Dahn  mit  seiner  Ansicht  Eecht,  dass  der  König  im  Kampfe 
gegen  die  Priesterpartei  zur  Herrschaft  gelangt  sei,  dass 
das  'Widerstreben  gegen  die  Herrschaft  der  Krummstäbe 
über  ein  Heldenvolk  und  gegen  den  Weihrauchqualm  der 
Synoden'  bei  seiner  Erhebung  mitgewirkt  habe  S  so  würde 
sich  daraus  eine  Erklärung  dafür  herleiten  lassen,  dass 
Chindasvind  bis  zu  seinem  5.  Regierungs jähre  kein  Concil 
berief.  Jene  Ansicht  ist  aber,  wie  mir  scheint,  unbegründet, 
und  das  Verhalten  des  im  November  646  zu  Toledo  zu- 
sammentretenden VII.  Concils   spricht    deutlich   gegen   sie. 

Mit  unverkennbarer  Beflissenheit  beeilt  sich  das  Concil 
vor  allen  andern  Dingen  Chindasvinds  Gesetz  durch  An- 
drohung geistlicher  Strafen  für  die  Verletzer  zu  sichern 
und  zu  verschärfen.  Das  Concil  giebt  im  can.  1  den 
wesentlichen  Inhalt  des  Gesetzes  wieder  und  fügt  an  den 
entsprechenden  Stellen  die  neuen  kirchlichen  Strafbestim- 
mungen hinzu.  Dabei  lehnt  es  sich  vielfach  an  den  Wort- 
laut des  königlichen  Gesetzes  an  und  nimmt  sogar  dessen 


1)  Vgl.  Dahn,  Könige  V,  S.  192  f.  VI-,  S.  451. 


64  Karl  Zeumer. 

Motivierung    zum   Theil    wörtlich    auf,    wie    folgende  Ver- 
gleichung  zeigt: 


Conc.  Toi.  VII,  can.  1. 
Quis  enim  nesciat,  quanta 
sit  hactenus  per  tyrannos 
et  refugas  transferendo  se 
in  externas  partes  illicite  per- 
pepetrata  et  quam  nef  anda 
super bia  iugiter  frequen- 
tata,  quae  et  patriae  di- 
minutionem  äff  errent  et 
exercitui  Gothorum  indesi- 
nentem  laborem  imponerent. 


Chindasvind  (II,  1,  7). 
Quautis  actenus  Goto- 
rum  patria  concussa  sit  cla- 
dibus  quantisque  iugiter  qua- 
tiatur  istimulis  profugorum 
hac  nefanda  supervia  de- 
bitorum,  ex  eo  pene  eunctis 
est  cognitum,  quod  et  pa- 
trie  diminutionem  agnos- 
cunt,  et  hac  hoccasione  po- 
tius  quam  expuguandorum 
hostium  externorum  arma 
sumere  saepe  compellimur. 

Das  Concil  bestimmt  dann,  dass  Geistliche,  welche 
sich  gegen  das  Gesetz  vergehen,  degradiert  werden  und 
bis  zum  Todestage  der  Kirchenbusse  unterworfen  und  ex- 
communiciert  sein  sollen,  und  dass  der  Priester,  welcher 
einem  solchen  früher  die  Communion  ertheilt,  selbst  wenn 
es  auf  Befehl  des  Königs  geschehen  ist  ('etiam  ordinante 
principe),  die  gleiche  Strafe  verwirkt.  Laien  verfallen 
ebenfalls  der  Excommunication  bis  zum  Todestage,  doch 
wird  dem  Könige  das  Recht  zugesprochen  die  Excommuni- 
cation schon  früher  aufzuheben:  'utrum  tamen  sit  illi 
quandoque  communicandum  pietati  principis  discernendum 
relinquimus,  cuius  procul  dubio  potestatis  est  subiectorum 
culpas  misericordiae  iudiciique  sententia  temperare'. 

So  spricht  das  Concil  dem  Könige  das  Begnadigungs- 
recht über  Laien  in  Bezug  auf  rein  geistliche  Strafen  zu, 
während  dieser  selbst  in  seinem  Hochverrathsgesetze  sein 
Begnadigungsrecht  in  Hochverrathssachen  in  die  engsten 
Grenzen  einschränkt  und  ausserdem  diirch  ein  besonderes 
Gesetz  YI,  1,  7  [R.  VI,  1,  6]  bestimmt,  dass  dem  Könige 
allein  das  Begnadigungsrecht  nur  in  eigenen  Sachen  zu- 
stehe, dass  er  dagegen  in  Sachen  die  Volk  und  Reich  be- 
träfen, an  die  Zustimmung  der  Priester  und  der  Grossen 
des  Palastes  gebunden  sei. 

Ich  nehme  an,  dass  dieses  Gesetz  später  als  das  von 
642  erlassen  ist  und  bestimmt  war,  dieses  zvi  modificieren. 
Wahrscheinlich  ist  es  sogar  erst  nach  dem  VII.  Concil 
von.  Toledo  erlassen,  welches,  wie  wir  sahen,  dem  Gesetze 
und  den  Eiden,  mit  denen  es  bekräftigt  war,  noch  volle 
Geltung  beimass.     Ja,    es  ist  zweifelhaft  ob  dieses  spätere 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  6 — 9 ;  5,  19.    65 

Gesetz,  wie  andere  undatierte  Gesetze  Chindasvinds,  über- 
haupt zur  Zeit  seiner  Regierung  publiciert  ist,  und  nicht 
etwa  nur  für  die  Publication  in  dem  geplanten,  aber  erst 
unter  Reccessvind  vollendeten  Gesetzbuche    bestimmt  war. 

Chindasvind  scheint  nach  VI,  1,  7  der  Meinung  ge- 
wesen zu  sein,  dass  er  sein  eigenes  älteres  Gesetz  trotz 
des  ihm  vom  Volke  darauf  geleisteten  Eides,  abändern  könne. 
Sein  Sohn  Eeccessvind  dagegen  empfand  jenen  Eid,  den 
er  selbst  mitgeschworen  zu  haben  scheint,  als  Hemmnis 
für  die  Ausübung  des  Begnadigungsrechtes.  Er  entschloss 
sich,  die  Entscheidung  des  Concils  über  die  Geltung  des 
Eides  einzuholen,  und  berief  anscheinend  in  erster  Linie 
zu  diesem  Zwecke  das  VIII.  Concil  zu  Toledo. 

Ein  Brief,  welchen  ein  Bischof  Fructuosus,  der  am 
Concil  selbst  nicht  theilnahm,  an  den  König  richtete  ^,  enthält 
die  Aufforderung,  sich  in  der  Begnadigung  der  durch  lange 
Gefangenschaft  Gebrochenen  nicht  durch  jenen  Eid  hindern 
zu  lassen.  Deutlich  wird  auf  die  bevorstehende  Entschei- 
dung durch  den  König  und  das  Concil  hingewiesen :  'Quibus 
si  impium  iuramenti  facinus  abrogat  misericordie  bonum, 
regali  saltim  et  sacerdotali  dementia  valde  crudele  est  ut 
abdicetur  indulgentie  patrocinium.  Quam  de  eius(?)  huius- 
cemodi  suggessione  et  tu  .  .  .  et  venerantissimi  ac  sanc- 
tissimi  patres  et  famuli  vestri,  pontifices  Dei,  sententiam  - 
tuleritis,  cum  iudex  mundi  iudicare  seculum  per  ignem 
advenerit,  ipsi  videbitis.  Concedat  ipse  pius,  ea  vestra(m) 
in  bis  causis  serenitate(m)  agere,  pro  quibus  non  confu- 
sionis  sententiam,  sed  gloriam  percipiatis  eternam'.  Das 
heisst  etwa:  Wenn  der  unselige  Eid  ihnen  die  Gnade  ver- 
sagt, so  ist  es  doch  zu  grausam,  wenn  ihnen  auch  König 
und  Priesterschaft  die  Verzeihung  absprechen.  Welche 
Entscheidung  über  diese  Bitte  Ihr,  Du  und  die  Priester 
Gottes,  fällen  werdet,  das  werdet  Ihr  beim  jüngsten  Gericht 
erkennen.  Gebe  Gott,  dass  Ihr  so  in  dieser  Sache  handelt, 
dass  Euch  nicht  Verdammnis,  sondern  ewige  Seligkeit  zu 
Theil  wird.  Mit  Gundlach,  N.  A.  XVI,  S.  46,  in  diesem 
Schreiben  'die  Veranlassung  zu  der  von  Recesvinth  gestellten 
Frage,  zu  dem  ganzen  Beschlüsse  (des  Concils)'  zu  erblicken, 
scheint  mir  nicht  zvilässig,  da  der  Inhalt  als  bereits  fest- 
stehend vorauszusetzen  scheint,  dass  eine  Entscheidung 
durch  das  Concil  getroffen  werden  sollte. 


1)  Epist.  Wisigoth.  18,  Mon.  Germ.  Epp.  in,   p.  688.  2)   So  ist 

sicher  zu  interpungieren,  nicht  mit  dem  Herausgeber  W.  Gundlach :  'pon- 


tifices,  Dei  sententiam'  u.  s.  w 

Neues  Archiv  etc.     XXIV. 


66 


Karl  Zeumer. 


Die  Entscheidung-  fiel  nicht  im  Sinne  des  Bittstellers 
aus.  Dieser  wollte  Begnadigung-  der,  wie  die  Ueberschrift 
angiebt,  seit  Chintilas  ^)  Zeit  gefangen  gehaltenen;  can.  2 
des  Concils  löste  aber  die  durch  den  Eid  übernommene 
Verpflichtung  nur  in  Bezug  auf  die  Ausführung  der  Todes- 
und  Verstümmelungsstrafen,  also  nicht  in  Bezug  auf  Ge- 
fängnis (Exil)  und  Vermögensstrafen. 

Der  Wortlaut  der  Entscheidung  ist  oben  mitgetheilt. 
Dieser  voran  geht  aber  ein  Satz,  durch  welchen  das  Concil 
das  Begnadigungsrecht  dem  Könige  beilegt,  der  schon  die 
Rücksichten  auf  das  Wohl  des  Volkes  und  Reiches  mit  den 
Forderungen  der  Barmherzigkeit  vereinigen  werde.  Damit 
weist  das  Concil  dem  Könige  abweichend  von  Chindasvinds 
VI,  1,  7  auch  die  Begnadigung  solcher,  die  sich  gegen 
Volk  und  Reich  vergangen  haben,  zu,  und  es  scheint  dabei 
auf  dieses  Gesetz  selbst  Rücksicht  zu  nehmen,  worauf  auch 
Ankläng-e  im  Wortlaut  deuten. 


Chindasv.  VI,  1,  7  [R.  VI,  1,  6]. 
Quotienscumque  nobis  pro 
his,  qui  in  causis  nostris  ali- 
quo  crimine  inplicati  sunt, 
subplicatur ,  et  suggerendi 
tribuimus  aditum  et  pia 
miseratione  delinquentibus 
culpas  omittere  nostre  po- 
testati  servamus.  Pro  causa 
autem  gentis  et  patriae 
huiusmodi  licentiam  dene- 
gamus.  Quod  si  divina  uii- 
seratio  tarn  sceleratis  per- 
sonis  cor  principis  misereri 
conpulerit,  cum  adsensu  sa- 
cerdotum  maiorumque  palatii 
licentiam  miserandi  li- 
benter  habebit. 


Conc.  Tolet.  VIII.  can.  2  (i.f.). 

Hac  indulgentiae  concessa 
1  i  c  e  n  t  i  a  m  i  s  e  r  a  t  i  o  n  i  s 
ipsius  opus  in  gloriosi  prin- 
cipis j)otestatem  redigi- 
mus,  ut,  quia  Deus  illi  mi- 
serendi  aditum  patefecit, 
remedia  pietatis  ipse  quoque 
non  deneget;  quae  ita  prin- 
cipali  discretione  moderata 
persistant,  ut  et  illis  sit  ali- 
quatenus  misericordia  contri- 
buta  et  nusquaiu  gens  aut 
patria  per  eosdem  aut  peri- 
culum  quodcumque  perferat 
aut  iacturam.  Haec  mise- 
rationis  obtentu  temperasse 
sufficiat. 


1)  Die  Ueberschrift  des  Briefes  lautet  in  der  leider  verderbten 
Ueberlieferung :  'Epistola  domni  Fructuosi  ad  domno  Recesvindo  rege 
directa  pro  culpatos,  quos  retinebatur  de  tempore  domni  Scindani'.  Für 
Scindani  will  der  Herausgeber  Sisinanthi  lesen  und  beruft  sich  dafür  auf 
Stellen  bei  Dahn,  die  aber  nichts  dafür  austragen.  Die  Endung  -ani 
deutet  vielmehr  auf  einen  Nominativ  auf  -a,  und  ofifenljar  ist  Chintila 
gemeint,  der  ja  auch  in  Chindasvinds  Gesetz  und  also  wohl  auch  im  Eide 
die  entsprechende  Stelle  einnahm.  Zu  lesen  ist:  Scindilani.  Der  Name 
Chintila  wird  auch  sonst  ähnlich  entstellt;  so  haben  Vulgathss.  der 
Lex  Vis.  in  II,  1,  8  Cintila,  während  andere  Svintila  einsetzen,  und  bei 
Eredegar  c,  82,  p.  162  steht  Sintela  und  Sintiila. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  \"is.  II,  1,  6—9;  5,  19.     67 

Merkwürdig  genug-  ist  nun,  dass  Reccessviud  trotz  der 
von  ihm  provocierten  Entscheidungen  des  Concils  die  beiden 
Gesetze  seines  Vaters  ungemildert  und  unverändert  neben 
einander  in  sein  Gesetzbuch  aufnahm.  Das  Begnadigungs- 
gesetz VI,  1.  7  ist  stets  unverändert  in  Geltung  geblieben, 
das  Hochverrathsgesetz  ist  erst  durch  Ervig  gemildert.  Noch 
unter  Wamba  war  es  in  der  ursprünglichen  Gestalt  in  Kraft, 
wie  das  über  den  Empörer  Paulus  und  seine  Genossen  ge- 
fällte Urtheil  zeigt,  über  welches  wir  durch  das  'ludicium 
in  tjrannorum  perfidiam  promulgatum',  verfasst  vom  Metro- 
politan Julian  von  Toledo,  genau  unterrichtet  sind  ^. 

Das  Urtheil  schliesst  sich  eng  an  Chindasvinds  Ge- 
setz an,  welches  nach  der  Reccessvindiana  richtig  als  II, 
1,  6  ('in  libro  II.  titulo  I.  era  VI')  citiert  wird.  Die  Em- 
pörer werden  zum  Tode  verurtheilt,  und  zwar  soll  die 
Todesstrafe  durch  die  Gnade  des  Königs  nur  in  Blendung 
verwandelt  werden  können:  'Quod  si  forsan  eis  a  principe 
condonata  fuerit  vita,  non  aliter  quam  evulsis  luminibus 
reserventur,  ut  vivant'.  Ebenfalls  gemäss  dem  Gesetze  wird 
die  Confiscation  der  Güter  der  Verurtheilteu  verhängt. 
Der  König  soll  über  diese  Güter  frei  verfügen,  d.  h.  offenbar 
sie  nicht  den  Verurtheilten  oder  ihren  Erben  belassen  oder 
wiedergeben;  denn  nur  so  ist  die  daran  geknüpfte  Be- 
merkung zu  verstehen:  'ut  seditiosorum  nomen  funditus 
a  terra  depereat'. 

Das  Urtheil  geht  also  gemäss  der  Strenge  des  Gesetzes 
auf  völlige  Vernichtung  der  Uebelthäter;  aber  das  Urtheil 
wurde  nicht  vollzogen.  König  Wamba  begnadigte  die  Em- 
pörer zu  Decalvation,    lebenslänglicher  Haft   und  Infamie. 

Wie  erklärt  sich  dieser  Gegensatz  zwischen  dem  aus- 
drücklich anerkannten  gesetzlichen  Eecht  und  der  Praxis? 
Vielleicht  nahm  man  an,  dass  durch  can.  2,  Conc.  Toi.  VIII. 
das  Begnadigungsrecht  des  Königs  noch  über  die  in  Chin- 
dasvinds Gesetz  enthaltene  Schranke  hinaus  ausgedehnt 
sei.  Das  stand  freilich  im  Widerspruch  mit  der  bei  dieser 
Gelegenheit  gerade  völlig  anerkannten  ursprünglichen  Fas- 
sung des  Gesetzes. 

Ervig  beseitigte  den  Widerspruch  zwischen  dem  Ge- 
setz und  der  Praxis,  wie  er  im  Process  des  Paulus  hervor- 
getreten war,  indem  er  den  Wortlaut  des  Gesetzes  bei 
seiner  Revision  des  Gesetzbuches  der  Praxis  entsprechend 
änderte.  Der  Text  von  Chindasvinds  Gesetz,  wie  er  in 
der  682  publicierten  Ervigiana  lautet,  lässt  statt  der  Todes- 


1)  SS.  rer.  Gall.  H,  p.  716. 

5* 


68  Karl  Zeumer. 

strafe  oder  deren  Surrogat,  der  Blendung,  auch  Decalva- 
tion  nebst  Prügelstrafe,  lebenslängliche  Haft  ^  und  Ver- 
knechtung  an  den  König  zu.  Ervig  strich  den  Satz,  der 
mindestens  Blendung  verlangte,  und  fügte  hinzu :  'et  si 
nulla  mortis  ultione  plectatur  aut  effosionem  perferat  ocu- 
lorum,  secundum  quod  in  lege  hac  hucusque  fuerat  consti- 
tutum, decalvatus  tamen  C  flagella  suscipiat  et  sub  artiori 
vel  perpetuo  erit  religandus  exilio  pene  et  insuper  nullo 
umquam  tempore  ad  palatini  officii  reversurus  est  dignitatem, 
sed  servus  principis  factus  et  sub  perpetua  servitutis  catena 
in  principis  potestate  redactus  eterna  tenebitur  exilii  reli- 
gatione  obnoxius'. 

Die  rückwirkende  Kraft  des  Gesetzes  in  Bezug  auf 
die  Landesflucht  bis  auf  König  Chintilas  Zeit  hat  Ervig 
im  Gesetze  selbst  stehen  lassen.  Er  hat  aber  später  nach 
Erlass  des  revidierten  Gesetzbuches  einen  Beschluss  in 
can.  1  des  XIII.  Concils  von  Toledo  veranlasst,  durch 
welchen  zunächst  die  Anhänger  des  Paulus  amnestiert,  in 
ihre  Ehren-  und  Standesrechte  wieder  eingesetzt  wurden. 
Diese  Amnestie  soll  sich  aber,  wie  dann  mit  deutlichem 
Hinweis  auf  Chindasvinds  Gesetz  gesagt  wird,  auf  alle  be- 
ziehen, 'qui  ex  tempore  divae  memoriae  Chintilani  regis 
simili  hucusque  infamationis  nota  respersi  sunt'.  Auch  in 
ihre  Güter  sollen  die  Begnadigten  wieder  eingesetzt  werden, 
soweit  jene  nicht  bereits  von  den  Königen  an  andere 
Personen  übertragen  sind. 

Egica  hat  das  weltliche  Gesetz  unverändert  gelassen, 
so  wie  es  aus  Ervigs  Revision  hervorgegangen  war.  Auch 
ist  das  XVI.  Concil  von  Toledo  (v.  693),  welches  unter 
Egicas  Einfluss  stand  und  sich  offenbar  in  voller  üeber- 
einstimmung  mit  dem  Könige  befand,  bei  der  Verurtheilung 
des  Bischof  Sisbert  wegen  Hochverraths  und  bei  der  sich  daran 
knüpfenden  Gesetzgebung  nicht  wieder  auf  den  strengeren 
Standpunkt  Chindasvinds  zurückgekehrt.  Sisberts  Verurthei- 
lung durch  das  Concil  (can.  9)  erfolgte  auf  Grund  der  Be- 
stimmungen des  can.  1  des  VII.  Concils  und  zwar  zu  De- 
gradation, lebenslänglicher  Haft  und  Excommunicatiou  bis 
zum  Lebensende,  wobei  noch  die  von  jenem  Concil  bei 
Geistlichen  ausgeschlossene  Begnadigung  von  der  Excom- 
munication  dem  Könige  anheimgestellt  wird.  Die  in  can.  10 
folgende  Strafandrohung  gegen  andere  Hochverräther  hält 


1)  Das  ist  die  Bedeutung  des  'exilio  religari',  vgl.  z.  B.  L.  Vis. 
Reec.  VI,  5,  13 :  'trium  annorum  exilio  sub  penitentia  religetur  aput  epi- 
scopum,  in  cuius  territorio'  etc. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  6—9 ;  5,19.    69 

sich  fast  ganz  in  den  Grenzen  der  Ervigschen  Fassung 
von  II,  1,  8:  Verlust  der  Palatinenwürde,  Verknechtung  an 
den  Fiscus  und  Confiscation  des  Vermögens  sind  die  Strafen, 
die  hier  durchweg  auf  die  gesammte  Nachkommenschaft 
ausgedeht  werden.  Von  Todes-  oder  Verstiimmelungsstrafen 
ist  gar  nicht  mehr  die  Rede,  ja  nicht  einmal  von  der  von 
Ervig  anerkannten  Decalvation  nebst  Prügelstrafe.  Das 
Begnadigungsrecht  wird  auch  hier  wieder  dem  Könige 
ohne  Beschränkung  zugestanden. 

II,  5,  19.  [W.  II,  5,  19.]  —  Mit  Sisberts  Verschwörung 
steht  auch  Egicas  erst  unter  II,  5,  19  eingereihte  Novelle 
'Plerumque'  in  engstem  Zusammenhange.  Sie  ist  in  Folge 
jenes  Ereignisses  erlassen  und  also  wohl  im  Jahre  693  ent- 
standen, lieber  den  wesentlichen  Inhalt  dieses  Gesetzes 
ist  bereits  im  ersten  Theile  gehandelt  (N.  A.  XXIII,  S.  507). 
Das  Bestreben,  die  Bedeutung  des  allgemeinen  dem  Könige 
zu  leistenden  Treueides  zu  stärken,  ist  diesem  Gesetze  mit 
der  oben  S.  57  besprochenen  Novelle  desselben  Königs 
(II,  1,  7)  gemein. 

II,  1,  9.  [E.  II,  1,  7.]  —  Dieses  Gesetz  Reccessvinds 
ergänzt  das  vorhergehende  Hochverrathsgesetz  seines  Vaters, 
indem  es  auch  die  wörtliche  Beleidigung  des  Königs  unter 
Strafe  stellt.  Obwohl  der  Satz  des  Paulus,  nach  welchem 
entgegen  anderen  im  römischen  Rechte  begegnenden  An- 
schauungen das  crimen  maiestatis  nicht  nur  durch  Thaten, 
sondern  auch  durch  Worte,  'non  solum  facto,  sed  et  verbis 
impiis  ac  maledictis'  begangen  werden  konnte,  in  die  Lex 
Romana  Visigothorum  Paul.  V,  31,  1  aufgenommen  wurde, 
scheint  doch  die  wörtliche  Beleidigung  des  Königs  bei 
den  Westgothen  nicht  unter  die  Hochverrathsfälle  gerechnet 
zu  sein.  Chindasvind  erwähnt  in  seinem  Gesetze  nichts 
davon,  und  ebensowenig  in  dem  Gesetz  über  falsche  An- 
klagen beim  König,  VI,  1,  6  [R.  VI,  1,  5],  wo  die  Anklage 
wegen  Hochverraths  mit  den  Worten  umschrieben  wird : 
'adversus  regem,  gentem  vel  patriam  aliquid  nequiter  medi- 
tatum  fuisse  aut  agere  vel  egisse'.  Wenn  aber  die  Antiqua 
VI,  1,  4  [R.  VI,  1,  3]  in  Bezug  auf  den  Straf process  den 
Fall:  'si  contra  regnum,  gentem  vel  patriam  aliquid  dictum 
vel  dispositum  fuerit',  als  crimen  maiestatis  behandelt,  so 
geht  das  'dicere'  hier  auf  hochverrätherische  Anschläge 
und  Verabredungen,  nicht  auf  Beleidigungen  durch  Schmäh- 
reden. 

Die  Behandlung  der  wörtlichen  Beleidigung  als  Hoch- 
verrath  könnte  man  vermuthen  aus  can.  5  des  V.  Concils 
und    can.  1    des  VII.  Concils    von   Toledo,    da    an    beiden 


70  Karl  Zeumer. 

Stellen  Schmäbreden  auf  den  König'  ^  im  Zusammenbang 
mit  Hochverrathsliandlungen  genannt  und  gleich  diesen 
mit  Excommunication  bedroht  werden.  Gegen  diese  Ver- 
muthung  aber  spricht  ausser  dem  Schweigen  Cbindasvinds 
ganz  besonders  Fassung  und  Inhalt  des  Reccessvindschen 
Gesetzes.  Dieses  belegt  die  Majestätsbeleidigung  nicht  mit 
der  Hochverrathsstrafe,  sondern  mit  sehr  viel  geringeren 
Bussen.  Die  Möglichkeit  aber,  dass  früher  die  Hoch- 
verrathsstrafen  gegolten  haben  und  erst  durch  Reccessvinds 
Gesetz  beseitigt  und  durch  mildere  Strafen  ersetzt  sein 
könnten,  ist  durch  die  Einleitung  ausgeschlossen.  In  dieser 
wird  nicht  etwa  die  Nothwendigkeit  dargelegt,  die  Strafen 
herabzusetzen,  sondern  im  Gegentheil  ausführlich  begründet, 
dass  die  Person  des  Königs  nicht  nur  vor  feindlichen  Ab- 
sichten und  Thaten,  sondern  auch  vor  Schmähreden  und 
öffentlichen  Anschuldigungen  geschützt  werden  müsse.  Es 
wird  also  die  Nothwendigkeit  der  Bestrafung  der  Majestäts- 
beleidigung überhaupt  erst  begründet.  Auch  Bibelstelleu 
werden  dazu  herangezogen,  darunter  auch  Exodus  22,  28 : 
'principi  populi  tui  non  maledices'.  Wenn  nun  in  can.  5, 
Conc.  Tolet.  V.  dieselbe  Stelle  zu  denselben  Zwecken  be- 
nutzt ist,  so  unterliegt  es  wohl  keinem  Zweifel,  dass  wir 
in  jenem  Canon  die  Grundlage  für  unser  Gesetz  zu  sehen 
haben. 

Hervorzuheben  ist  noch,  dass  Reccessvind  nicht  nur 
die  Person  des  lebenden  Königs,  sondern  auch  das  An- 
denken des  verstorbenen  Königs  gegen  Schmähreden 
schützt.  Wer  den  princeps  defunctus  schmäht,  wird  mit 
50  Stockhieben  bedroht.  Auf  die  Bedeutung  dieser  Be- 
stimmung für  die  Würdigung  des  Verhältnisses  Reccessvinds 
zu  seinem  Vater  habe  ich  schon  früher  (N.  A.  XXIII,  S.  492) 
hingewiesen. 

II,  1,  13.  [R.  II,  1,  11.]  —  Dass  in  diesem  Stücke, 
welchem  nach  der  besten  Ueberlieferung  eine  Inscriptio 
fehlt,  eine  Antiqua  zu  erblicken  ist,  dafür  spricht  der  Um- 
stand, dass  auch  die  übrigen  ohne  Inscriptio  überlieferten 
Stücke  für  Antiquae  zu  nehmen  sind.  Sie  dürfte  aus  dem 
Codex  Euricianus  stammen,  da  Gundobads  burgundisches 
Gesetzbuch,  für  welches  jener  öfter  als  Vorlage  diente, 
eine  ganz  entsprechende  Bestimmung  enthält. 


I 


1)    An  ersterer  Stelle :    'maledicere   principi',    an    der  zweiten :    'in 
derogationem  aut  contumeliam  princii^is  nequiter  loqui'. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  9.  13.      71 


Lex  Vis. 
Nullns  iudex  causam  au- 
dire  presuniat,  quae  in  legi- 
bus non  continetur,  sed  .  .  . 
conspectui  principis  utrasque 
partes  j)resentare  procuret. 


Lex  Burg.  pr.  const.  c.  10. 

Si  quid  vero  legibus  nostris 
non  tenetur  insertum ,  hoc 
tantum  ad  nos  referre  prae- 
cipimus  iudicantes. 


Eine  römische  Vorlage  für  diese  Bestimmung,  welche 
den  Gebrauch  jeder  anderen  Rechtsquelle,  auch  das  Ge- 
wohnheitsrecht und  das  freie  Ermessen  des  Richters  neben 
dem  geschriebenen  Gesetzbuche  ausschliessen  sollte,  ist 
nicht  nachzuweisen.  Sie  ist  aber  aus  den  spätrömischen 
Anschauungen  über  die  Entstehung  des  Rechtes  hervor- 
gegangen, den  Anschauungen,  welchen  später  Justinian 
Ausdruck  gegeben  hat  in  dem  bekannten  Satze :  'tarn  con- 
ditor  quam  interpres  legum  solus  Imperator  iuste  existi- 
mabitur'  (Cod.  lust.  I,  14,  1.  12,  5).  Der  Zweck  jener  Be- 
stimmung des  Westgothenrechtes  war,  wie  ausdrücklich 
gesagt  wird,  ein  doppelter.  Einmal  sollten  die  vorliegenden 
Rechtsstreitigkeiten  durch  den  König  entschieden  werden, 
zugleich  aber  dadurch  die  Möglichkeit  gegeben  werden,  ent- 
sprechende Rechtssätze  in  das  Gesetzbuch  einzufügen:  'quo 
facilius  et  res  finem  accipiat  et  potestatis  regle  discretione 
tractetur,  qualiter  exortum  negotium  legibus  inseratur'. 
Neben  der  Entscheidung  des  vorliegenden  Falles  sollte  das 
Recht  fortgebildet  oder  ergänzt  werden,  durch  den  König, 
der  als  die  Quelle  alles  Rechtes  galt.  Das  entsprach  der 
römischen  Auffassung,  nach  welcher  ein  vom  Kaiser  ge- 
fälltes richterliches  Urtheil  zugleich  für  alle  künftigen 
Fälle  Gesetzeskraft  hatte,  wie  schon  Ulpian  anerkennt, 
Dig.  I,  4,  1.  1,  §  1:  'Quodcumque  Imperator  .  .  .  cognoscens 
decrevit  .  .  .  legem  esse  constat',  und  wie  Justinian  aus- 
führlicher sagt,  Cod.  lust.  1,  14,  1.  12  pr.:  'Si  imperialis 
maiestas  causam  cognitionaliter  examinaverit  et  partibus 
cominus  constitutis  sententiam  dixerit,  omnes  omnino  iudices 
.  .  .  sciant  hoc  esse  legem  non  solum  illi  causae,  pro  qua 
producta  est,  sed  omnibus  similibus'. 

In  einem  wesentlichen  Punkte  aber  unterscheidet  sich 
die  Auffassung  des  westgothischen  Gesetzgebers  von  der 
römischen.  Während  nach  dieser  die  Gesetzeskraft  der  kaiser- 
lichen PräJudicien  ohne  weiteres  eintrat,  Hess  jener  sie 
erst  durch  Aufnahme  eines  entsprechenden  Rechtssatzes 
in  das  Gesetzbuch  eintreten.  Li  derselben  Weise  wichen 
auch  die  Burgunder  vom  römischen  Rechte  ab,  wie  die  in 
die   Lex   Burgundionum   aufgenommenen   königlichen  Prä- 


72  Karl  Zeumer. 

Judicien  bezeugen,  welchen  die  Gesetzeskraft  erst  durch 
eine  ausdrückliche  Bestimmung-  und  durch  die  Aufnahme 
in  das  Gesetzbuch  beigelegt  wird;  51,  1:  'Judicium  quoque 
nostrum,  ut  praesumptoris  inobedientiam  resecavit,  ita 
inditum  legibus  generalis  praecepti  iustitiam  retinebit',  und 
52,  5:  Judicium  vero  in  hac  causa  prolatum  ad  vicem  man- 
surae  in  aevum  legis  praecipimus  custodiri'. 

Ob  auch  diese  üebereinstimmung  mit  dem  West- 
gothenrecht  durch  dessen  Binfluss  zu  erklären  ist,  lassen 
wir  dahingestellt  sein.  Jedenfalls  unterstützt  sie  unsere 
Annahme,  dass  das  vorliegende  westgothische  Gesetz  dem 
ältesten  Bestände,  dem  Codex  Euricianus  angehört. 


II,  1,  14.  [E.  II,  1,  12.]  —  Reccessvind  bestimmt  in 
diesem  Gesetze,  dass  bei  Publication  seines  Gesetzbuches 
bereits  anhängige,  aber  noch  nicht  entschiedene  Eechts- 
sachen  nach  dem  neuen  Gesetzbuche  entschieden,  bereits 
vorher  nach  dem  älteren  Recht  entschiedene  nicht  wieder 
aufgenommen  werden  sollen.  Ervig  hat  dann  durch  eine 
Aenderung  diese  Bestimmung  ausdrücklich  auf  sein  revi- 
diertes, mit  Beginn  seines  zweiten  Regierun gs Jahres  in 
Kraft  getretenes  Gesetzbuch  bezogen,  indem  er  statt  der 
Worte  'Illas  autem  (causas),  quae  iam  iuste  determinate 
sunt,  resuscitare  nullatenus  patimvir'  setzte :  'Illas  autem 
causas,  quae  antequam  istae  leges  a  nostra  gloria  emenda- 
rentur,  legaliter  determinatae  sunt,  id  est  secundnm  legum 
modum.  qui  ab  anno  priaio  regni  nostri  in  praeteritis  ob- 
servatus  est,  resuscitari  nullatenus  patimur'. 

Ist  sonach  Reccessvinds  Fassung  dieses  Gesetzes  die 
ältere  der  beiden  überlieferten  Formen,  so  ist  sie,  trotzdem 
das  Gesetz  Reccessvinds  Namen  trägt,  nicht  die  ursprüng- 
liche. Das  Gesetz  ist  die  genaue,  z.  Th.  wörtliche  Nach- 
bildung einer  Bestimmung  der  Novelle  Theodosius  II. 
(2  §  2),  und  da  diese  auch  in  die  Lex  Romana  Alarichs  II. 
aufgenommen  ist,  so  wäre  es  an  sich  denkbar,  dass  erst 
unter  Reccessvind  die  Bestimmung  im  Anschluss  an  jene 
Novelle  formuliert  wäre.  Es  wird  das  aber  unwahrschein- 
lich dadurch,  dass  die  entsj)rechende  Vorschrift  mit  starken 
Anklängen  im  Wortlaut  sich  auch  im  Schlusscapitel  des 
Edictus  Rothari  wiederfindet.  Freilich  hat  Tamassia  ^  ver- 
sucht, Justinians  Constitutio  Tanta  als  Quelle  Rotharis 
hinzustellen ;  doch  mit  Unrecht.  Rotharis  Text  ist  nicht 
aus   einer   Benutzung   der  Const.  Tanta,    sondern   nur   aus 


1)  Le  fonti  dell'  eddito  di  Rothari  (Pisa  1889)  p.  4. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  13.  14.      73 

einer  Benutzung  der  Stelle  des  alten  Westgothenrechtes 
zu  erklären,  welche  wir  als  Grundlage  des  Eeccessviudschen 
Gesetzes  ansehen  müssen,  und  die  ebenso  wie  jene  Stelle 
Justinians  im  Ansehluss  an  die  Theodosische  Novelle  ver- 
fasst  war.  Die  Zusammenstellung  der  vier  Quellenstellen 
macht  das  ohne  Weiteres  deutlich. 

Ed.  ßothari:  'decernimus,  ut  causae,  que  fenitae 
sunt,  non  revolvantur.  Quae  autem  non  sunt  fenitae  et  a 
presente  .  .  .  diae  .  .  .  incoatae  aut  commotae  fuerint, 
per  hoc  edictum  iucidantur  et  finiantur'. 

Nov.  Theod. :  lites,  quas  inchoatas  quidem,  necdum 
tarnen  finitas  eo  tempore,  quo  publicantur  (hae  leges),  in- 
venerint ,  secundum  earum  tenorem  volumus  terminari ; 
illas  autem,  quae  iam  vel  sententiis  definitivis  vel  trans- 
actionibus  decisae  sunt,  minime  resuscitari'. 

Reccessvind:  'Ut  terminate  cause  nullatenus  revol- 
vantur .  .  .  Quaecumque  causarum  negotia  incoata  sunt, 
nondum  vero  finita,  secundum  has  leges  determinare  san- 
cimus.  Illas  autem,  que  iam  iuste  determinate  sunt,  resu- 
scitare  (all. :  -ari)  nullatenus  patimur'. 

Const.  Tanta.  Das  Corpus  iuris  civilis  soll  gelten 
vom  30.  Dec.  533  an :  'in  omnibus  causis,  sive  quae  postea 
emerserint,  sive  in  iudiciis  adhuc  pendent  — .  Quae  enim 
iam  vel  iudiciali  sententia  finita  sunt  vel  amicali  j^acto 
sopita,  haec  resuscitari  nuUo  volumus  modo'. 

Die  Constitutio  Tanta  bezeichnet  die  anhängigen 
Processe  nicht  mit  ihrer  Vorlage  als  'lites  inchoatae',  son- 
dern spricht  statt  dessen  von  'causae  quae  emerserint,  quae 
in  iudiciis  adhuc  pendent'.  Rothari  hat  keinen  dieser 
beiden  Ausdrücke  verwendet,  sondern  entsprechend  der 
Novelle  und  dem  Gesetze  ßeccessvinds  'causae  incoatae'. 
Das  allein  schon  schliesst  die  Annahme  aus,  dass  E-othari 
hier  aus  Justinian  geschöpft  haben  könnte,  und  bezeugt, 
dass  er  von  ihm  unabhängig  ist.  Die  Annahme,  dass  er 
die  Novelle  selbst  benutzt  habe,  ist  wohl  ausgeschlossen. 
So  bleibt  als  einziger  Ausweg  die  Annahme,  dass  er  aus 
dem  Westgothenrecht  geschöpft  hat,  mit  dem  der  Edictus  an 
dieser  Stelle  auch  das  'causae  non  revolvantur'  gemeinsam 
hat.  Da  nun  Rothari  nicht  wohl  Reccessvinds  Gesetzbuch 
benutzt  haben  kann,  sondern  hier  ^^ie  auch  sonst  eine 
frühere  Form  als  Vorlage  gehabt  haben  muss;  so  müssen 
wir  annehmen,  dass  Reccessvinds  vorliegendes  Gesetz  nicht 
ganz  neu  ist,  sondern  die  fragliche  Bestimmung  aus  der 
Antiqua,  vielleicht  aus  deren  Publicationsedict,  herrührt. 
Da  Reccessvind  trotzdem  seinen  Namen  darüber  setzte,  ist 


7-i  Karl  Zeumer. 

anzunehmen,  dass  er  den  Wortlaut  nicht  ganz  unverändert 
liess  und  etwa  den  Schlusssatz  hinzufügte. 


II,  1,  15—18.  [E.  II,  1,  13—16.]  —  Der  Gesetzgeber 
der  3  ersten  dieser  Gesetze  ist  Reccesvind,  der  des  4.  Chin- 
dasvind.  Sie  handeln  sämmtlich  von  der  Autorisation  der 
Eichter.  Nach  II,  1,  15  sollen  Eechtssachen  nur  von 
solchen  entschieden  werden,  denen  der  König  richterliche 
Gewalt  verliehen  hat,  oder  von  gewillkürten  Schiedsrichtern, 
denen  die  Parteien  die  Entscheidung  vor  Zeugen  über- 
tragen habend  In  II,  1,  16  wird  von  der  den  Thiufadi 
neben  der  übrigen  Gerichtsbarkeit  zustehenden  Criminal- 
gerichtsbarkeit  gehandelt  und  in  II,  1,  17  bestimmt,  dass 
allen  Eichtern  eine  allgemeine  Competenz  in  Bezug  auf 
Criminal-  wie  auf  Civilgerichtsbarkeit  zustehen  solle,  mit 
Ausnahme  der  Friedensrichter  ('assertores  pacis'),  deren 
Zuständigkeit  sich  nur  auf  die  ihnen  besonders  vom  Könige 
aufgetragenen  Sachen  beschränken  solle.  Chindasvinds 
Gesetz  endlich  bestimmt,  dass  nur  der,  welchem  für  einen 
Bezirk  ('territorium')  die  richterliche  Gewalt  verliehen  sei, 
in    diesem    executivische    Zwangsgewalt   handhaben   dürfe. 

Die  lU'sprünglichen  Texte  dieser  Gesetze  gedenken 
zweimal  beiläufig  der  Befugnis  der  verordneten  Eichter, 
andere  an  ihrer  Stelle  mit  der  Wahrnehmung  richterlicher 
Functionen  zu  beauftragen:  in  II,  1,  16  wird  dem  Thiu- 
fadus  aufgegeben,  für  den  Fall  seiner  Abwesenheit  Stell- 
vertreter für  die  Handhabung  der  Gerichtsbarkeit  zu  be- 
stellen, und  in  II,  1,  18  wird  der  Fall  vorausgesetzt,  dass 
der  Eichter  sich  in  der  Eechtsprechung  durch  einen  Un- 
freien vertreten  lässt,  für  dessen  Handlungen  er  dann  ver- 
antwortlich ist.  So  erfahren  wir,  ohne  dass  es  ausdrück- 
lich durch  ein  Gesetz  ausgesprochen  wird,  dass  den  west- 
gothischen  Eichtern  die  Delegationsbefugnis  zustand.  Diese 
hat  Ervig  noch  erweitert,  indem  er  in  einem  Zusätze  zu 
II,  1,  15:  'Nam  et  si  hü,  qui  potestatem'  u.  s.  w.  bestimmt, 
dass  auch  die  Substitute  der  vom  Könige  eingesetzten 
Eichter  ('comites  et  iudices)  selbst  wieder  die  Delegations- 
befugnis haben  sollen.  Zugleich  erfahren  wir  aus  dieser 
Stelle,  dass  der  Auftrag  schriftlich  ertheilt  werden  musste, 
durch  ein  Schriftstück,  welches  als  'commissoria'  (mit  einer 
vom  römischen  Sprachgebrauch  abweichenden  Bedeutung) 
oder  als  'informatio'  bezeichnet  wird.     Unter  Hinweis   auf 


1)  In  diesem  Gesetze  finden  sich  Anklänge  an  Cod.  Inst.  III,  1,  14 
§  1 :  'causas  dirimendas  .  .  .  partium  consensu  electi'.    Vgl.  Dig.  V,  1,  81. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb,  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  15 — 20.    75 

dieses  Gesetz  hat  dann  Ervig  in  einem  Zusätze  II,  1,  18 
die  Zwangsg-ewalt  nicht  nnr  den  Substituten  der  Grafen 
und  Richter,  sondern  auch  den  von  den  Parteien  erwählten 
Schiedsrichtern  zuerkannt. 


II,  1,  19.  [E.  II,  1,  17.1  _  Chindasvind  handelt  in 
diesem  Gesetze  von  der  Ladung  durch  den  Richter  oder 
unter  richteidicher  Autorität  und  von  dem  Ungehorsam 
gegen  solche  Ladung.  Ueber  die  Form  und  Bedeutung 
der  Ladung  'per  epistolam  vel  sigillum'  habe  ich  früher 
(N.  A.  XXIII,  S.  85  f.)  gehandelt.  Dass  diese  Form  der  La- 
dung erst  durch  Chindasvind  eingeführt  sei,  ist  nicht  an- 
zunehmen ;  sie  wird  anscheinend  als  etwas  Herkömmliches 
angesehen.  Wahrscheinlich  war  schon  ein  älteres  Gesetz 
über  diesen  Gegenstand  vorhanden,  welches  durch  dieses 
ersetzt  wurde,  und  lag  vielleicht  bei  Abfassung  von  Lex 
Baiuv.  II,  13  vor.  Dort  handelt  es  sich  um  den  Ungehorsam 
gegen  eine  Ladung  des  Herzogs,  die  mittels  dessen  signum 
erfolgt  ist.  Es  ist  vielleicht  dem  Einfluss  des  älteren  west- 
gothischen  Gesetzes  zuzuschreiben,  dass  im  ßaiernrecht 
neben  dem  als  Ladezeichen  dienenden  Siegelring  auch  der 
Siegelabdruck  genannt  ist:  'Si  .  .  .  signnm,  quäle  usus 
fuerit,  dux  transmiserit  aut  annulum  aut  sigillum'. 

In  Chindasvinds  Gesetz  ist  bezeichnend  für  seine 
mächtige  Stellung  gegenüber  der  Kirche  die  Androhung 
von  Strafen  für  alle  Geistlichen  vom  einfachen  Kleriker 
und  Mönche  bis  hinauf  zum  Bischof,  welche  die  Annahme 
der  richterlichen  Ladung  verweigern  oder  keinen  Vertreter 
('adsertor,  prosecutor)  zum  Termin  entsenden. 

Weder  von  Bethmann-HoUweg,  der  Civilprocess  IV, 
S.  242  f.,  noch  von  Dahn,  der  Studien  S.  249  f.  über  dieses 
Gesetz  handelt,  ist  die  grosse  Schwierigkeit,  welche  sich 
der  Erklärung  dieses  schlecht  formulierten  Gesetzes  entgegen- 
stellt, bemerkt.  Der  Geladene,  welcher  100  Meilen  ent- 
fernt wohnt,  wird  erst,  wenn  er  nach  dem  11.  Tage  nach 
dem  Termin  kommt,  straffällig,  der,  welcher  200  Meilen 
entfernt  wohnt,  wenn  er  nach  dem  21.  Tage  erscheint. 
Das  ist  ganz  verständlich.  Warum  aber  soll  dieser  mit 
20  Schillingen  büssen,  jener  nur  mit  10? 


II,  1,  20.  [R.  II,  1,  18.]  —  Hier  handelt  Chindasvind 
im  Gegensatz  zum  vorigen  Gesetze  von  der  Rechtsverwei- 
gerung und  -Verzögerung  durch  den  Richter.  Der  schuldige 
Richter  soll  dem  Kläger  den  Werth  des  Klaggegenstandes 


76 


Karl  Zeumer. 


leisten,  das  Klagereclit  des  Klägers  aber  soll  ausserdem 
innerhalb  der  gesetzlichen  Klagenverjährnngsfrist  fort- 
bestehen ^.  Auch  an  Stelle  dieses  Gesetzes  stand  wohl 
früher  eine  aus  Eurichs  Gesetzbuch  herrührende  Antiqua, 
welche  das  Vorbild  gewesen  sein  dürfte  für  König  Gundo- 
bads  Bestimmung  über  Eechtsrerweigerung  in  Lex  Burg., 
prima  const.  §  12. 

Am  Schluss  unseres  Gesetzes  wird  in  Anlehnung  an 
Lex  Rom.  C.  Theod.  II,  6,  4  und  II,  7  bestimmt,  dass  die 
Richter  in  den  Mittagsstunden  und  ausserdem  an  zwei  Wochen- 
tagen Ruhe  haben,  sonst  aber  stets  bereit  sein  sollen,  un- 
verzüglich ihres  Amtes  zu  walten.  Diese  Bestimmung  ist 
wohl  sicher  erst  von  Chindasvind  getroffen,  der  ja  auch 
die  römischen  Gerichtsferien  in  einem  eigenen  Gesetze  (II, 
1,   12)  einführte. 


II,  1,  21.  [R.  IL  1,  19.]  —  Diese  Antiqua  muss  bereits 
in  Eurichs  Gesetzbuch  vorhanden  gewesen  sein,  wie  die 
üebereinstimmung  mit  der  Lex  Baiuvar.  beweist. 


Antiqua. 
Iudex  s  i  j)er  quodlibet 
commodum  male  iudica- 
verit  et  cuicumque  iniuste 
qvTi  dqu  am  a  u  f  e  r  r  i  pr  e  c  e  - 
perit,  ille  .  .  .  ea  que  tulit 
restituat.  Nam  ipse  iu- 
dex contrarius  equitatis  aliut 
tantum  de  suo,  quantum  au- 
ferri  iusserat,  mox  reformet 
.  .  .  Sin  autem  per  igno- 
rantiam  iniuste  iudica- 
V  e  r  i  t ,  et  ...  non  per  ami- 
citiam  vel  cupiditate  .  .  . 
s  e  d  tantundem  ignoranter 
.  .  .  quod  iudicabit  non  va- 
leat  et  ipse  iudex  non  in- 
plicetur  in  culpa. 

Trotz   der   weitgehenden    üebereinstimmung    weichen 
aber  in  einigen  wichtio-en  Punkten   die  beiden  Texte  nach 


Lex  Bai.  II,  16.  17. 
Iudex  s  i  accepta  pecunia 
male  iudicaverit,  ille, 
qui  iniuste  aliquid  ab  eo  per 
sententiam  iudicantis  abstu- 
lerit,  ablata  restituat. 
Nam  iudex  qui  perperam 
iudicaverit  in  duplum  ei,  eui 
damnum  intulerit ,  cogatur 
exsolvere  ...  Si  vero  nee 
per  gratiam  nee  per  cupi- 
ditate m,  sed  per  errorem 
iniuste  iudicavit,  iudicium 
non  habeat  firmitatem,  iudex 
vacet  a  culpa. 


1)  Ueber  die  Art.  wie  der  Inhalt  dieses  Gesetzes  mit  zwei  andern 
desselben  Gesetzgebers,  die  von  Rechtsverweigerung  in  Criminal-  und 
Busssachen  handeln,  VI,  4,  3.  VI,  5,  14,  vereinigt  werden  kann,  vgl. 
G.  Colin,  Justizverweigerung  S.  147  ff. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  20.  21.      77 

Fassung  und  Inhalt  stark  von  einander  ab.  Es  fragt  sich, 
ob  diese  Abweichungen  auf  Aenderungen  des  bairischen 
Gesetzgebers  oder  auf  solche  der  Revisionscommission  Leo- 
vigilds  zurückzuführen  sind.  Als  bairische  Aenderung  dem 
westgothischen  Texte  gegenüber  können  wir  die  Normierung 
der  Geldstrafe  an  den  Fiscus  auf  40  Schillinge  betrachten. 
Dagegen  glaube  ich  eine  andere  Abweichung  aus  einer 
Aenderung  des  Eurichschen  Gesetzes  durch  Leovigild  er- 
klären zu  müssen.  Das  bairische  Gesetz  legt  dem  par- 
teiischen Richter  die  Zahlung  des  duplum  des  der  be- 
günstigten Partei  zugesprochenen  Streitgegenstandes  an  die 
geschädigte  Partei  auf.  Dass  die  zu  Unrecht  einer  Partei 
zugesprochene  Sache  selbst  zurückzugeben  sei,  war  bereits 
vorher  gesagt,  so  dass  wir  nur  annehmen  können,  dass  der 
Richter  ausserdem  noch  den  doppelten  Betrag  zahlen  sollte. 
Das  dürfte  auch  dem  ursprünglichen  Sinne  des  westgothi- 
schen Gesetzes  entsprochen  haben.  Die  Antiqua  spricht 
aber  nur  von  einem  'aliut  tan  tum',  welches  der  Richter 
dem  Geschädigten  neben  der  Rückgabe  der  durch  das 
ürtheil  fälschlich  entzogenen  Sache  zu  leisten  habe,  und 
erläutert  das  ausdrücklich  in  diesem  Sinne :  'aliut  tantum 
de  suo.  quantum  auferri  iusserat,  mox  reformet,  id  est, 
oblate  rei  simpla  redintegratione  concessa  pro  satisfactione 
sue  temeritatis  aliut  tantum  .  .  .  illi,  quem  iniuste  dam- 
naverat,  reddat'.  Das  sieht  ganz  nach  einer  einschrän- 
kenden authentischen  Interpretation  eines  älteren  Rechts- 
satzes aus.  In  der  That  wäre  die  einfache  Leistung  des 
Betrages  kaum  eine  Strafe  für  den  bestechlichen  gothischen 
Richter  gewesen,  solange  noch  das  Gesetz  des  Theudis 
galt,  welches  gewissermassen  Bestechungssummen  bis  zur 
Höhe  des  Streitgegenstandes  erlaubte;  vgl.  N.  A.  XXIII, 
S.  91  £P.  Ich  habe  a.  a.  0.  S.  95  aus  einem  andern  Grunde 
vermuthet,  dass  Chindasvind  bereits  diese  Bestimmung 
nicht  mehr  in  Geltung  gefunden  habe.  Sie  müsste  dem- 
nach durch  die  Revision  Leovigilds  beseitigt  sein;  dazu 
aber  würde  gut  die  Annahme  stimmen,  dass  durch  jene 
Revision  die  Strafe  für  die  bestochenen  Richter  gegenüber 
der  älteren  Gesetzgebung  gemildert  sei. 

Eine  weitere  Milderung  der  Strafe  hat  dann  Ervig 
vorgenommen.  Unsere  Antiqua,  wie  sie  in  der  Reccessvin- 
diana  überliefert  ist,  bestimmt,  dass  der  straffällige  Richter, 
der  die  Strafsumme  nicht  aufbringen  kann,  mit  allem,  was 
er  hat,  dem  Geschädigten  verknechtet  werden  soll.  Ervig 
ersetzte  die  Bestimmung  durch  eine  andere,  nach  welcher 
der  Richter  dem  Geschädigten  in  diesem  Falle   nur  soviel 


78  Karl  Zeumer. 

er  besitzt  geben,    im  Falle  aber,  dass   er  garnichts  besitzt, 
Prügelstrafe  erleiden  soll. 

II,  1,  23.  [E.  II,  1,  21.]  —  Diese  Antiqua,  welche  un- 
verändert aus  dem  Codex  Euricianus  übernommen  zu  sein 
scheint,  ist  dem  Inhalte  nach,  soweit  sie  auf  die  bairischen 
Verhältnisse  anwendbar  war,  und  zum  Theil  wörtlich  in 
die  Lex  Baiiiv.  als  IX,  17  aufgenommen.  Sie  verlangt  in 
scharfem  Gegensatze  zu  dem  germanischen  Process,  dass 
der  Eichter  jeden  Eechtsstreit  gründlich  untersuchen  und 
nur,  wenn  durch  Zeugen  und  ürkundenbeweis  die  Wahrheit 
nicht  zu  ermitteln  ist,  die  Entscheidung  durch  den  Eid 
zulassen  soll:  'Iudex  ut  bene  causam  aguoscat,  primum 
testes  interroget,  deinde  scripturas  requirat,  ut  veritas 
possit  certius  inveniri,  ne  ad  sacramentum  facile  veniatur 
...  In  his  vero  causis  sacraraenta  prestentur,  in  quibus 
nullam  scripturam  vel  probationem  seu  certa  iudicia  veri- 
tatis  discussio  iudicantis  invenerit'. 

Die  Erwähnung  der  Zeugen,  die  ja  ihre  Aussagen 
auch  beschwören  mussten  ^,  im  Geg'ensatz  zu  dem  sacra- 
mentum, welches  nur  als  letztes  Auskunftsmittel  zugelassen 
wird,  zeigt,  dass  unter  diesem  nur  der  Parteieneid  gemeint 
ist.  Aus  Chindasvinds  Gesetze  II,  2,  5  erhellt  aber,  dass 
es  sich  dabei  nur  um  das  wichtigste  germanische  Beweis- 
mittel, den  Eeinigungseid  des  Beklagten,  handelt.  Dort 
wird  der  Eichter  angewiesen,  zunächst  von  beiden  Parteien 
Beweise  zu  fordern:  'probatio  ab  utraque  parte,  hoc  est 
tarn  a  petente  quam  ab  eo,  qui  petitur,  debet  inquiri'. 
Unter  'probatio'  wird  hier  der  Beweis  durch  Zeugen,  Ur- 
kunden und  anderes  Beweismaterial,  dessen  freie  Würdi- 
gung dem  Eichter  überlassen  zu  sein  scheint,  verstanden. 
Erst  wenn  der  Eichter  hieraus  die  Wahrheit  nicht  ermitteln 
kann,  soll  der  Beklagte  zum  Eeinigungseid  zugelassen 
werden :  'si  per  probationem  rei  veritas  investigare  (lies :  -ri) 
nequiverit,  tunc  ille,  qui  pulsatur,  sacramentis  se  expiet'. 
Musste  der  Eichter  noch  unter  Chindasvind  beim  Versagen 
anderer  Beweismittel  den  Beklagten  zum  Eeinigungseide 
zulassen,  so  ist  unzweifelhaft  auch  in  unserer  Antiqua  nur 
an  den  Eid  des  Beklagten  zu  denken ;  und  gewiss  ist  es 
kein  Zufall,  dass  nach  einer  Formel  aus  Sisebuts  Zeit, 
Form.  Visig.  n.  40,  in  einem  Process,  nachdem  andere 
Beweismittel  versagt  haben,  zuletzt  dem  Beklagten  der  Eid 
auferlegt  wird,  den  dieser  aber  nicht  zu  leisten  wagt,  so- 
dass  der   Kläger   den    Process   gewinnt.      Dieser   Eest   des 

1)  Oonditiones  für  einen  Zeugeneid  Form.  Visig.  n.  39. 


Gesch.  cl.westgoth.Gesetzgeb.il.— L.  Vis. II,  1,23.24.30.31.     79 

germanischen  Beweisrechtes  ist  dann  durch  Ervig  beseitigt, 
indem  er  in  einem  Zusätze  dem  Richter  auch  die  Ent- 
scheidung darüber,  welche  Partei  schwören  sollte,  über- 
liess:  'In  quibus  tarnen  causis  et  a  quo  iuramentum  detur,  pro 
sola   investigatione   iustitiae  in  iudicis  potestate  consistat'. 


II,  1,  24.  30 A.B.  31.  —  Diese  vier  vom  gerichtlichen 
Instanzenzuge  handelnden  Gesetze  Chindasvinds,  Reccess- 
vinds  und  Ervigs  sind  nur  im  Zusammenhang  mit  einander 
zu  verstehen  und  zu  besprechen. 

Chindasvinds  Gesetz  II,  1,  24  [R.  II,  1,  22]  regelt  die 
Berufung  im  Civilprocess.  Wenn  der  Richter  bis  zum  dux 
provinciae  hinauf  von  einer  Partei  —  das  Gesetz  fasst 
wohl  nur  als  häufigeren  Fall  den  ins  Auge,  dass  es  die 
des  Beklagten  ist  —  für  verdächtig  erklärt  wird,  so  soll 
der  für  verdächtig  erklärte  Richter  gemeinsam  mit  dem 
Bischof  die  Sache  verhandeln  und  beide  sollen  ein  ge- 
meinsames Urteil  fällen :  "Si  quis  iudicem  aut  comitem  aut 
vicarium  comitis  seu  thiufadum  suspectos  habere  se  dixerit 
et  ad  suum  ducem  aditum  accedendi  poposcerit  aut  fortasse 
eundem  ducem  suspectum  habere  dixerit,  ,  .  .  ipsi,  qui 
iudicant  eins  negotium,  unde  suspecti  dicuntur  haberi,  cum 
episcopo  civitatis  ad  liquidum  discutiant  adqvie  pertractent 
et  de  quo  iudicaverint  pariter  conscribant  subscribantque 
iudicium'.  Auch  gegen  dieses  Urtheil  steht  dem  Wortlaute 
nach  freilich  nur  der  Partei,  welche  den  Richter  für  ver- 
dächtig erklärt  hatte,  die  Berufung  an  den  König  offen: 
'Et  qui  suspectum  iudicem  habere  se  dixerat  .  .  .  conpletis 
prius,  que  per  iudicium  statuta  sunt,  sciat  sibi  aput  audieu- 
tiam  principis  appellare  iudicem  esse  permissam'.  Diese  Be- 
rufung hat  keinen  Suspensiveffect;  vielmehr  muss  das 
richterlich -bischöfliche  Urtheil  erfüllt  werden,  bevor  sie 
eingelegt  wird  (vgl.  die  oben  angeführten  Worte :  'conpletis 
prius'  u.  s.  w.  und  vorher:  'non  sub  hac  occasione  petitor 
hac  presertim  pauper  quilibet  patiatur  ultra  dilatione  ).  Die 
Berufung  geschieht  in  der  Form  einer  Klage  gegen  Richter 
und  Bischof,  ungerecht  geurtheilt  zu  haben  ('nequiter  iudi- 
casse').  Wird  die  Klage  begründet  gefunden,  so  trifft 
Richter  und  Bischof  die  Strafe  des  Falschurtheils ;  wird 
sie  unbegründet  gefunden,  so  trifft  den  Appellanten  die 
gleiche  Strafe.  Diese  Appellation  war  somit  eine  zwei- 
schneidige Waffe.  Der  König  sollte  vor  unnöthiger  Be- 
lästigung möglichst  geschützt  werden,  und  in  der  That  bot 
das  übereinstimmende  Urtheil  des  Richters  und  Bischofs 
eine   so   weitgehende  Garantie   für   gerechte  Beurtheilung, 


80  Karl  Zeumer. 

dass  sich  die  Parteien  in  den  meisten  Fällen  dabei  be- 
ruhigen konnten. 

Mcht  ganz  deutlich  lässt  der  Eingang  des  Gesetzes 
das  Instanzenverhältnis  zwischen  den  verschiedenen  vrelt- 
lichen  Richtern  erkennen.  Nur  soviel  erhellt,  dass  der 
dux,  sonst  dux  provinciae  genannt,  über  den  anderen 
steht.  Das  stimmt  mit  II,  1,  18,  wo  er  als  Aufsichtsinstanz 
über  den  Richtern  erscheint.  Andererseits  werden  dem 
einfachen  iudex  oder  iiidex  loci  als  höhere  entgegengestellt 
der  dux  und  der  comes  (c.  civitatis),  so  II,  1,  19,  VI,  5,  12. 
Offenbar  war  der  comes  civitatis  im  Allgemeinen  den 
übrigen  Richtern  seines  Bezirks,  der  civitas,  die  sich  mit 
der  bischöflichen  Diöcese  deckt,  übergeordnet,  während  in 
einzelnen  Beziehungen  der  dux,  wie  dem  comes,  so  un- 
mittelbar den  andern  Richtern  übergeordnet  war.  Ob  in 
II,  1,  24  ein  Instanzenzug  für  die  Appellation  a  iudice 
suspecto  von  den  übrigen  Richtern  an  den  dux  ange- 
nommen ist,  scheint  unsicher.  Vielleicht  ist  eine  solche 
unmittelbar  von  allen  Richtern  an  den  dux  gehende  Be- 
rufung, vielleicht  auch  eine  von  den  übrigen  Richtern  an 
den  comes  civitatis,  von  diesen  erst  an  den  dux  gehende 
Berufung  vorausgesetzt.  Für  Klagen  gegen  die  unteren 
Richter  bildete,  das  wird  in  Chindasvinds  Gesetz  II,  1,  o 
[R.  II,  1,  29]  ausdrücklich  gesagt,  der  comes  civitatis  die 
ordentliche  Instanz :  'Iudex,  si  a  quacumque  fuerit  persona 
pulsatus,  sciat  se  .  .  .  ante  comitem  civitatis  rationem  ple- 
nissimam  legali  ordine  redditurum'.  Wollte  eine  Partei 
sich  bei  dem  Spruch  des  comes  civitatis  nicht  beruhigen, 
so  konnte  sie  nach  II,  1,  24  den  comes  civitatis  für  ver- 
dächtig erklären  und  die  Intercession  des  Bischofs  anrufen. 
Das  ist  in  II,  1,  31  nicht  ausdrücklich  wiederholt,  aber 
doch  angedeutet,  indem  diese  Intercession  ausdrücklich 
ausgeschlossen  wird  für  den  Fall,  dass  der  König  auf  An- 
suchen der  Partei  die  Sache  durch  besondere  Commissare 
aburtheilen  lässt:  'Sane  si  regia  in  hoc  negotio  fuerit 
postulata  preceptio,  remoto  episcopo  aliisque  iudicibus, 
causam  qui  fuerint  iudices  (per  regium  decretum)  instituti 
terminabunt'. 

Es  fragt  sich,  wie  die  auf  den  ersten  Blick  nicht 
ganz  klar  erscheinenden  Bestimmungen  von  Reccessvinds 
Gesetz  11,  ],  30  A  [R.  II,  1,  28]  sich  zu  denen  dieser  beiden 
Gesetze  verhalten.  Hier  ist  ebenfalls  von  einer  richter- 
lichen Thätigkeit  der  Bischöfe  die  Rede;  diese  wird  aber 
allgemein  auf  eine  besondere  Gerichtsbarkeit  'in  Armen- 
sachen'   bezogen;    so    von   Dahn,    Könige  V,    S.  393,    von 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  24.  .30.  31.     81 

V.  Bethmann  -  Hollweg,  Civilprocess  IV,  S.  225,  von  Colin, 
Justizverweigerung  S.  150.  Mir  scheint  diese  Auffassung 
unhaltbar  zu  sein.  Vor  allem  spricht  der  Umstand  dagegen, 
dass  Ervig  dieses  Gesetz  durch  ein  anderes  ersetzt  hat,  in 
dem  die  Competenz  der  Bischöfe  im  Allgemeinen  geregelt 
wird  ohne  besondere  Eücksicht  auf  Armensachen,  Da- 
gegen spricht  aber  auch  deutlich  der  Text  des  Gesetzes, 
wenn  wir  ihn  sorgfältig  interpretieren  und  im  Zusammen- 
hange mit  jenen  andern  Gesetzen  betrachten. 

Es  heisst  da  zunächst:  'quemcumque  pauperem  con- 
stiterit  causam  habere,  adiunctis  sibi  aliis  viris  honestis, 
episcopus  iuter  eos  negotium  discutere  vel  terminare  pro- 
curet'.  Das  sieht  fast  aus,  als  ob  der  Bischof  in  allen 
Sachen,  in  denen  Arme  Partei  waren,  richten  solle.  Wie 
wäre  aber  eine  solche  Competenz  zu  begrenzen  gewesen? 
Gab  es  doch  eine  scharfe  Begrenzung  des  Begriffs  des 
Armen  im  rechtlichen  Sinne  damals  nicht!  Sollten  etwa 
die  Bischöfe  das  Recht  haben,  alle  Sachen,  die  sie  für 
Armensachen  erklärten,  dem  ordentlichen  Richter  zu  ent- 
ziehen? Das  ist  undenkbar.  Der  Begriff  des  Armen  ist 
hier  in  einem  andern  Sinne  als  dem  heutigen  genommen, 
in  dem  Sinne  wie  oft  im  Mittelalter  die  Armen  den  Reichen 
entgegengesetzt  werden. 

Die  'pauperes'  stehen  im  Gegensatze  zu  den  'potentes', 
sie  bilden  die  grosse  Masse  des  Volkes,  welche  von  den 
'potentes'  regiert  und  ausgebeutet  wird.  Wird  jemand  be- 
drückt, so  gehört  er  zu  den  'pauperes'.  Nach  can.  32  des 
IV.  Concils  von  Toledo  und  ähnlich  nach  can.  23  des  Conc. 
Turon.  II.  wurden  die  Bischöfe  zur  Controlle  der  'iudices 
ac  potentes,  pauperum  oppressores'  bestellt.  Auch  Ervig 
erliess  das  bereits  erwähnte  Gesetz  zum  Schutze  der  'op- 
pressi  vel  pauperes'  gegen  die  'iudices  perversis  iudiciis 
populos  opprimentes'.  Bei  der  uns  erst  durch  das  Gesetz 
des  Theudis  ganz  enthüllten  Laxheit  der  Westgothen  in 
Hinsicht  der  Bestechung  war  es  kein  Wunder,  wenn  man 
ohne  Weiteres  den  durch  Rechtsverweigerung  oder  unge- 
rechtes Urtheil  bedrückten  zu  den  Armen  rechnete. 

Die  Worte:  'episcopus  inter  eos  uegotium  discutere 
vel  terminare  procuret'  bedeuten,  der  Bischof  soll  sich  der 
Entscheidung  der  zwischen  den  Armen  und  ihren  Gegnern 
schwebenden  Sachen  annehmen.  Die  Gegner  sind  die  Be- 
drücker, die  Richter.  Aus  dem  folgenden  ergiebt  sich, 
dass  es  sich  um  Sachen  handelt,  die  der  Entscheidung  des 
comes  civitatis  unterliegen,  und  dass  der  Bischof  die  Auf- 
gabe hat,  den  comes  zur  Zustimmung   zu  einem  gerechten 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  ß 


82  Karl  Zeumer. 

Urtheil  zu  bewegen;  nur  wenn  das  nicht  gelino^t,  soll  der 
Bischof  allein  ein  rechtskräftig-es  Urtheil  fällen  und  den 
comes  zur  Vollstreckung-  desselben  anhalten :  'ita  ut,  si 
contemni  se  a  comite  vel  nolle  eum  adquiescere  veritati 
sacerdos  inspexerit,  potestatis  eins  sit,  .  .  .  emisso  iustum 
iudicium  .  .  .  rem,  de  qua  ag-itur,  petentis  partibus  con- 
signare'.  Offenbar  handelt  es  sich  hier  um  dieselbe  Inter- 
cession  des  Bischofs,  wie  in  II,  1,  24  und  II,  1,  31.  Die 
Partei  klagt  etwa  wegen  Rechtsverweigerung  oder  wegen 
Verdächtigkeit  des  Richters  (nach  II,  1,  31)  oder  wegen 
einer  bereits  in  erster  Instanz  vor  diesen  gehörigen  Sache 
beim  comes  civitatis.  Dieser  will  dem  Kläger  nicht  Recht 
geben  und  wird  deshalb  von  ihm  für  verdächtig  erklärt 
unter  Anrufung  der  Intercession  des  Bischofs.  Der  Fall 
ist  also  bis  hierher  ganz  derselbe  wie  in  II,  1,  24;  der 
Unterschied  beruht  aber  darin,  dass  dort  angenommen 
wurde,  dass  Bischof  und  Graf  sich  über  ein  Urtheil  einigen  ; 
während  hier  der  Fall  behandelt  wird,  wo  eine  Einigung 
nicht  zu  Stande  kommt. 

Das  vom  Bischof  in  diesem  Falle  abgegebene  Urtheil 
soll  der  comes  zur  Ausführung  bringen ;  weigert  er  sich, 
so  zahlt  er  dem  Bischof  ein  Fünftel  vom  Werthe  des  Streit- 
gegenstandes als  Busse.  Die  gleiche  Busse  aber  zahlt  der 
Bischof  dem  Kläger  für  Rechtsverzögerung,  d.  h.  für  ver- 
zögerte Rechtshülfe  gegen  den  verdächtigen  comes :  'Si 
vero  episcopus  fraudis  communionem  cum  comite  tenens 
reppertus  fuerit  pauperi  facere  dilationem,  eandem  quintam 
partem  idem  episcopus  querellanti  exolvat,  staute  nihil- 
hominus  negotio  pauperis,  donec  iudicium  inveniat  veritatis'. 
Mit  dem  in  den  letzten  Worten  erwähnten  iudicium  veri- 
tatis deutet  der  Gesetzgeber  wohl  auf  die  endgültige  Ent- 
scheidung, die  nach  II,  1,  24  eventuell  der  König  zu 
geben  hatte. 

So  fügt  sich  der  Inhalt  von  II,  1,  30  A  völlig  in  die  Vor- 
schriften ein,  welche  Chindasvind  über  den  ordentlichen 
Instanzenzug  im  Process  gegeben  hatte;  und  nur,  wenn 
wir  das  Gesetz  so  erklären,  enthält  Ervigs  Gesetz  II,  1,  30 B, 
durch  welches  er  jenes  ersetzte,  eine  Abänderung  derselben 
Materie;  während  bei  der  gewöhnlichen  Deutung  von  II, 
1,  30A  auf  eine  besondere  Gerichtsbarkeit  der  Bischöfe  in 
Armensachen  gar  nicht  zu  verstehen  wäre,  weshalb  Ervig 
jenes  ältere  Gesetz  nicht  neben  seinem  neuen  hätte  be- 
stehen lassen  sollen. 

Ervigs  Gesetz  II,  1,  30  B  [W.  II,  1,  30]  enthält  nun 
nicht   nur  eine  Veränderung,    sondern   auch  eine  offenbare 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  l,  24.  30.  31.     83 

Verbesserung-  der  Bestimmungen  über  die  Theilnahme  der 
Bischöfe  an  der  Rechtspflege.  Der  Gesetzgeber  geht  von 
derselben  Voraussetzung  aus,  wie  Chindasvind  in  II,  1,  24, 
dass  nämlich  der  weltliche  Eichter  nach  Meinung  der  be- 
drohten Partei  ungerecht  geurtheilt  hat  oder  urtheilen 
will,  d.  h.  also  der  Partei  verdächtig  ist:  dann  soll  der 
Bischof  ■ —  natürlich  auf  Anrufen  der  Partei,  was  still- 
schweigend vorausgesetzt  wird  —  mit  dem  Richter  ge- 
meinsam die  Sache  durch  ein  gemeinschaftliches  Urtheil 
beendigen.  'Quod  si  hi,  qui  iudiciaria  potestate  funguntur, 
aut  iniuste  iudicaverint  causam,  aut  perversam  voluerint 
in  quolibet  ferre  sententiam:  tunc  episcopus,  in  cuius 
territorio  agitur,  convocato  iudice  ipso,  qui  iniustus  asse- 
ritur,  atqne  sacerdotibus  vel  idoneis  aliis  viris  negotium 
ipsud  una  cum  iudice  communi  sententia  iustissime  termi- 
nabit'.  Bis  hierher  stimmt  das  Gesetz  sachlich  ganz  mit 
II,  1 ,  24  überein ;  weiter  aber  wird  hier  derselbe  Fall  an- 
genommen, wie  in  II,  1,  30  A,  nämlich  dass  ein  solches  ge- 
meinsames Urtheil  nicht  zu  Stande  kommt:  'Quod  si  .  .  . 
iudex  ipse  .  .  .  iniquum  a  se  datum  iudicium  .  .  .  noluerit 
reformare  in  melius,  tunc  episcopo  ipsi  licitum  erit  iudi- 
cium de  oppressi  causa  emittere'.  Hier  stimmt  das  neue 
Gesetz  Ervigs  wieder  mit  dem  älteren  Reccessvinds  überein : 
der  Bischof  spricht  in  diesem  Falle  allein  ein  Urtheil. 
Dieses  Separaturtheil  soll  aber  nicht  sogleich,  wie  nach 
jenem  älteren  Gesetze,  vollstreckt  werden,  sondern  es 
soll  mit  einem  ausführlichen  Bericht  des  Bischofs  über 
die  Punkte,  in  welchen  es  von  dem  Urtheil  des  Richters 
abweicht,  mit  dem,  der.  durch  dieses  beschwert  war,  an 
den  König  geschickt  werden  ziir  Entscheidung  der  Sache 
durch  königlichen  Urtheilsspruch :  'ita  ut,  quid  a  iudice 
ipso  perverse  iudicatum,  quidve  a  se  correctum  extiterit,  in 
speciali  formula  iudicii  sui  debeat  adnotari.  Sicque  idem 
episcopus  et  eum,  qui  opprimitur,  nostris  procuret  dirigere 
sensibus  pertractandum,  ut  quae  pars  videatur  veritatis 
habere  statum,  glorioso  serenitatis  nostrae  oraculo  confir- 
metur'. 

Nach  dem  Recht  der  Ervigiana  ist  also  die  Appella- 
tion wegen  Verdächtigkeit  des  Richters  und  die  anschei- 
nend analog  behandelte  Beschwerde  wegen  Rechtsverwei- 
gerung in  den  Grundzügen  folgendermaassen  geordnet. 
Vom  niederen  Richter  ist  anscheinend  Berufung  oder  Be- 
schwerde an  den  höheren  Richter,  den  conies  civitatis 
oder  dux  gestattet;  von  diesem  geht  sie  an  den  Bischof. 
Bischof  und  Richter  sollen  dann  gemeinsam  die  Sache  ver- 

6* 


84  Karl  Zeumer. 

handeln.  Vereinigen  sie  sich  zu  einem  gemeinsamen  Ur- 
theil,  so  bleibt  der  beschwerten  Partei  gegen  dieses  als 
letztes,  nicht  ungefährliches  Rechtsmittel  die  Appellation 
an  den  König.  Einigen  sie  sich  nicht  auf  ein  gemeinsames 
Urtheil,  so  fällt  der  Bischof  ein  Sonderurtheil  und  schickt 
mit  diesem  und  einem  Bericht  über  das  abweichende  Ur- 
theil des  weltlichen  Richters  die  durch  jenen  beschwerte 
Partei  an  den  König  zur  endgültigen  Entscheidung. 

Diese  ganze  Gesetzgebung  scheint  nun  entstanden  zu 
sein  unter  dem  Einfluss  justinianischen  Rechts  und  zwar 
der  Novelle  86  vom  Jahre  531.  Die  tJebereinstimmung 
der  Novelle  mit  jenen  Gesetzen  ist  unverkennbar,  und 
kann  wenigstens  nicht  in  allen  Stücken  aus  unabhängiger 
paralleler  Entwicklung  des  römischen  und  westgothischen 
Rechtes  erklärt  werden.  Die  üebereinstimmung  tritt  noch 
deutlicher  hervor,  wenn  wir  an  einigen  Stellen  die  ver- 
kürzte Bearbeitung  der  Novelle  bei  Julian,  Const.  69,  bei 
der  Vergleichung  zu  Grunde  legen.  Wo  jedoch  nichts 
weiter  bemerkt  ist,  führe  ich  die  Novelle  nach  dem  latei- 
nischen Text  des  Authenticum  an. 

In  Capitel  1  der  Novelle  wird  der  iudex  (oder  praeses) 
provinciae  als  ordentlicher  Richter  bezeichnet  und  dann 
hinzugefügt:  'Si  vero  dum  aliquis  adierit  iudicem  provin- 
ciae, non  meruerit  iusticiam,  tunc  iubemus  eum  adire  suum 
.  .  .  episcopum,  et  ipsum  mittere  ad  .  .  .  iudicem  aut  per 
se  venire  ad  eum,  et  praeparare  eum,  ut  omnibus  modis 
audiat  interpellantem  et  liberet  eum  cum  iustitia.  Si  vero 
.  .  .  iudex  differt  discernere  negotium  et  non  servet  liti- 
gantibus  iustitiam,  iubemus  episcopum  dare  ad  nos  litteras' 
u.  s.  w.  Also  bei  Justizverweigerung  durch  den  ordent- 
lichen Richter  wird  Beschwerde  beim  Bischof  vorge- 
schrieben. Ist  dessen  Intercession  beim  Richter  erfolglos, 
so  hat  der  Bischof  dem  Beschwerdeführer  einen  Bericht  an 
den  princeps  mitzugeben.  Dieser  auch  im  3.  Capitel  wieder 
hervorgehobene  Bericht  dürfte  das  Vorbild  gewesen  sein 
für  den  Bericht,  mit  welchem  nach  Ervigs  Gesetz  II,  1,  30B 
der  Bischof  den  Kläger  an  den  König  senden  soll. 

Entspricht  die  Stellung,  welche  hier  der  Bischof  ein- 
nimmt, im  Allgemeinen  schon  etwa  der,  welche  ihm  die 
westgothischen  Gesetze  zuweisen,  so  entspricht  diesen  noch 
genauer  der  Inhalt  des  2.  Capitels.  Dieses  lautet  bei 
Julian:  'Si  cui  praeses  provinciae  suspectus  esse  videatur 
et  litigare  apud  eum  solum  noluerit,  liceat  ei  episcopum 
invocare,  ut  cum  ipso  considente  litem  aiidiat'  u.  s.  w.  Also 
hiernach    soll    ganz   wie   nach    Chindasviuds  II,   1,  24    der 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  24.  30.  31.     85 

welcher  den  ordentlichen  Richter  für  verdächtig  erklärt, 
den  Bischof  anrufen,  welcher  dann  mit  dem  Richter  ge- 
meinsam in  der  Sache  richten  soll. 

Im  4.  Capitel  wird  dem  Bischof  die  Gerichtsbarkeit 
für  Klagen  der  Unterthanen  wegen  Rechtsverletzungen  ^ 
durch  den  iudex  provinciae  zugewiesen.  Dem  entspricht 
die  Anerkennung  der  westgothischen  Bischöfe  als  Be- 
schwerdeinstanz bei  Verdächtigkeit  des  Richters,  nament- 
lich der  comites  civitatum.  Reccessvind  fasste  II,  1,  30 A 
die  dabei  durch  die  Bischöfe  geübte  Thätigkeit  ebenfalls 
als  ein  Richten  zwischen  den  Beschwerdeführern  und  dem 
Richter  auf;  und  wenn  Reccessvind  die  Möglichkeit  berück- 
sichtigt, dass  der  Bischof  aus  Connivenz  gegen  den  Grafen 
seiner  Pflicht  nicht  nachkommt,  so  hatte  er  auch  darin 
ein  Vorbild  in  Capitel  6  der  Novelle,  welches  bei  Julian 
beginnt :  'Si  episcopus  ad  gratiam  praesidis  supplicem  con- 
tempserit'. 

Justinian  hat  durch  seine  Novelle  den  Bischöfen  eine 
Stellung  in  der  römischen  Gerichtsverfassung  angewiesen, 
die  sie  früher  nicht  innehatten.  Freilich  hatte  bereits 
Constantin  eine  weitgehende  Gerichtsbarkeit  der  Bischöfe 
anerkannt.  Das  war  aber  keine  staatliche  Gerichtsbarkeit, 
sondern  eine  selbständige  kirchliche,  die  mit  jener  concur- 
rierte  -.  Justinian  erst  fügte  die  Bischöfe  in  den  Orga- 
nismus der  staatlichen  Gerichtsverfassung  ein.  Er  bestellte 
den  Bisehof  als  ordentliche  Instanz  in  allen  Klagen  gegen 
den  ordentlichen  weltlichen  Richter  und  als  dessen  gesetz- 
lichen coniudex  für  den  Fall,  dass  jener  von  einer  Partei 
für  verdächtig  erklärt  war. 

Diese  letztere  Einrichtung  ist  in  der  westgothischen 
Gesetzgebung  am  genauesten  nachgebildet;  und  dass  es 
sich  nur  um  eine  Nachbildung,  nicht  um  eine  von  Chin- 
dasvind  wie  von  Justinian  selbständig  in  den  gewohnheits- 
mässig  ausgebildeten  Verhältnissen  vorgefundene  und  lega- 
lisierte Einrichtung  handelt,  ist  hier  besonders  deutlich, 
da  sie  sich  als  Neuerung  Justinians  nachweisen  lässt. 

Ein  coniudex  oder  ovvdiy.aoT/jg,  der  mit  dem  iudex 
suspectus  richten  sollte,  wurde  früher  in  jedem  einzelnen 
Falle  vom  Kaiser  besonders  bestellt.  Cod.  lust.  III,  1,  14, 
§  1.  Auch  die  zwei  Jahre  vor  Novelle  86  erlassene  Novelle  53 


1)  Diese  werden  in  den  verschiedenen  Texten  mit  allgemeinen 
Ausdrücken,  welche  auch  jede  durch  Pflichtwidrigkeit  in  der  Ausübung 
des  Richteramtes  begangenen  Benachtheiligungen  zu  umfassen  scheinen, 
bezeichnet ;  Orig. :  ^ddniTj&ijvai^  Auth. :  'laedi',  lul. :  'iniuriam  pati'. 
2)  Siehe  Löning,  Gesch.  d.  D.  Kirchenrechts  I,  S.  293. 


86  Karl  Zeiimer. 

(von  537)  c.  3,  weiss  noch  nichts  von  einem  gesetzlichen 
coniudex,  sondern  kennt  nur  den  von  Fall  zu  Fall  er- 
betenen und  gegebenen.  Erst  durch  Novelle  86  ist  also 
der  Bischof  zum  gesetzlichen  Mitrichter  des  iudex  suspectus 
erklärt. 

An  der  Erklärung  der  westgothischen  Gesetze  aus 
Nachbildung  der  Novelle  können  wir  festhalten,  trotzdem 
wir  anerkennen  müssen,  dass  der  westgothische  Gesetzgeber 
nicht  überall  die  wahre  Bedeutung  der  Bestimmungen 
seiner  römischen  Vorlage  genau  erkannte,  den  Begriff  der 
Rechtsverweigerung  weiter  fasste  und  namentlich  der  Ver- 
dächtigkeit des  Richters  eine  andere  Bedeutung  beilegte 
als  Justinian. 

Nach  justinianischem  Recht  konnte  gegen  den  ver- 
dächtigen Richter  nur  vor  Einlassung  in  den  Process,  vor 
der  litis  contestatio  vorgegangen  werden.  Das  hat  erst 
Justinian  eingeführt  durch  die  undatierte  Constitution 
Cod.  111,  1,  12  §  1.  Noch  November  530  musste  er  sogar 
die  irrige  Annahme  zurückweisen,  dass  die  recusatio  des 
iudex  suspectus  vor  der  litis  contestatio  verboten  sei. 
Cod.  VII,  45,  16.  Schon  im  Februar  531  aber  und  wieder 
537  konnte  er  auf  sein  eigenes  Gesetz  hinweisen,  nach 
welchem  das  Verfahren  gegen  den  iudex  suspectus  nur  vor 
der  litis  contestatio  gestattet  sein  sollte,  Cod.  III,  1,  16. 
Nov.  53,  3  (lul.  c.  47).  War  der  verdächtige  Richter  ein 
iudex  delegatus  oder  datus,  so  konnte  nach  justinianischem 
Recht  die  beschwerte  Partei  den  Richter  recusieren ;  worau^f 
an  seine  Stelle  ein  arbiter  gewählt  werden  sollte  ^  Wurde 
ein  richtender  Magistrat  für  suspectus  erklärt,  so  konnte 
ein  anderer  Richter  statt  seiner  vom  princeps  erbeten  werden, 
oder  ein  Mitrichter  neben  ihm '-. 

Chindasvind  und  Ervig  gehen  dagegen  von  der  Vor- 
aussetzung aus,  dass  das  Verfahren  wegen  Verdächtigkeit 
des  Richters  in  jedem  Stadium  des  Processes  vor  und  nach 
der  ürtheilsfällung  möglich  sei*,  und  kennen  als  Folge  der 
Verdächtigkeitserklärung  die  Aj)pellation,  welche  offenbar 
in  der  Regel  —  wie  die  Ausnahme  in  II,  1,  24  zeigt  — 
Suspensiveffect  hatte. 

Eine    solche    appellatio    a    iudice    suspecto    ist    dem 


1)  Cod.  lust.  III,  1,  16.  18.  2)  Cod.  lust.  III,  1,  14  §  1 ;  Nov.  53, 
c.  3.  3)  L.  Vis.  II,  1,  24:  'qiü  suspectum  iudicem  habere  se  dixerat 
.  .  .  conpletis  prius,  que  per  iudicium  statuta  sunt'  u.  s.  w. ;  II,  1,  30  B: 
'si  .  .  .  aut  iuiuste  iudicaverint  aut  ])erversam  voluerint  in  (juoliljet  ferre 
sententiam'. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  24.  30.  31.      87 

justinianischen  Rechte  fremd,  dagegen  dem  älteren  römi- 
schen Rechte  bekannt,  und  ist  dort  ganz  wie  die  west- 
gothische  wohl  in  jedem  Stadium  des  Processes,  jedenfalls 
noch  nach  dem  ürtheil  zulässig;  vgl.  C.  Theod.  XI,  30,  58: 
'si  qui  provocatione  interposita  suspecti  iudicis  velit  vitare 
sententiam  .  .  .  liberam  habeat  potestatem  .  .  .  Sciant 
igitur  cuncti  sibi  ab  iniuriis  et  suspectis  iudicibus  .  .  . 
provocatiouem  esse  concessam' ;  Nov.  Valent.  III.  34,  c.  16 : 
'Si  quis  a  suspecto  iudice  .  .  .  vocem  appellationis  emiserit' 
u.  s.  w.  Die  letztere  Novelle  ist  (als  Nov.  Val.  12)  in  die 
Lex  Romana  Visigothorum  aufgenommen  und  zwar  mit 
einer  Interpretatio,  welche  womöglich  noch  deutlicher  die 
Appellation  als  Folge  der  Verdächtigkeit  des  Richters  hin- 
stellt: 'Si  quis  iudicem  pro  quibuscumque  causis  adversum 
sibi  esse  senserit  aut  habuerit  fortasse  suspectum,  vocem 
appellationis  exhibeat'.  Von  dieser  älteren  im  Westgothen- 
reiche  bekannten  appellatio  a  iudice  suspecto  gingen  Ghin- 
dasvind  und  seine  Nachfolger  aus  und  verbanden  damit 
die  Neuerung  Justinians  in  Bezug  auf  die  Mitwirkung  des 
Bischofs. 

Die  Einführung  dieser  Neuerung  wurde  dadurch  er- 
leichtert, dass  im  Westgothenreiche  die  Bischöfe  bereits 
vor  Chindasvind  die  Aufsichtsinstanz  für  die  weltlichen 
Beamten  bildeten.  Das  war  vielleicht  unter  fränkischem 
Einfluss  geschehen.  Im  Frankenreiche  wurde  auf  dem 
Concil  zu  Tours  (567)  can.  27  (MG.  Conc.  Mer.  p.  135)  be- 
stimmt: 'üt  iudices  aut  potentes,  qui  pauperes  oppremunt, 
si  commoniti  a  pontifice  suo  se  non  emendaverint,  excom- 
municentur'.  Dem  entsprechend  bestimmte  die  Praeceptio 
Chlotharii  (MG.  Gap.  I,  p.  19):  'Si  iudex  alequem  contra 
legem  iniuste  damnaverit,  in  nostri  absentia  ab  episcopis 
castigetur,  ut  quod  perpere  iudicavit  versatim  melius  dis- 
cussione  habeta  emendare  procuret'.  Für  das  Westgothen- 
reich  aber  bestimmte  Reccared  I.  L.  Vis.  XII,  1,  2:  'Sacer- 
dotes  .  .  .  monemus,  si  excessus  iudicum  aut  actorum  scie- 
rint  et  ad  nostram  non  retulerint  agnitionem,  noverint  se 
concilii  iudicio  esse  plectendos'  u.  s.  w.  Das  III.  Concil 
von  Toledo  (589)  sanctionierte  diese  Bestimmung  in  can.  18, 
und  das  IV.  Concil  (633)  erneuerte  sie  in  can.  32  mit  auf- 
fallendem Anklang  an  das  Concil  von  Tours.  Die  Bischöfe, 
heisst  es,  sollen  das  Volk  beschützen :  'ideoque  dum  con- 
spiciunt  iudices  ac  potentes  pauperum  oppressores  existere, 
prius  eos  sacerdotali  admonitione  redarguant;  et  si  con- 
tempserint  emendari,  eorum  insolentias  regiis  auribus  in- 
timent'. 


88  Karl  Zeumer. 

Durch  eine  solche  Stellung  der  Bischöfe  war  der 
Boden  bereitet,  auf  welchen  Chindasvind  und  seine  Nach- 
folger Bestandtheile  der  Bestimmungen  der  Novelle  86 
verpflanzen  konnten.  Sie  haben  dann  die  Functionen  der 
Bischöfe  für  die  weltliche  Gerichtsbarkeit  noch  erweitert. 
Chindasvind  baute  die  durch  II,  1,  24  aufgenommene  Ein- 
richtung des  mit  Bischof  und  Richter  besetzten  Gerichts 
noch  weiter  aus,  indem  er  einem  solchen  auch  die  Ab- 
urtheilung  der  Amtsvergehen  des  abgesetzten  Richters 
auftrug. 

Reccessvind  bestellte  IV,  3,  4  den  Bischof  neben  dem 
Richter  als  Vormundschaftsrichter  und  übertrug  ihm,  wie 
schon  Chindasvind  gethan  hatte,  wichtige  Functionen  in 
Testamentssachen  (II,  5,  11.  12.  14). 


II,  1,  25.  [R.  II,  1,  23.]  —  Chindasvind  trifft  in  diesem 
Gesetze  genaue  Anordnungen  über  die  schriftliche  Aus- 
fertigung der  richterlichen  Urtheile  für  beide  Parteien  und 
den  Ersatz  der  schriftlichen  Judicate  in  geringeren  Sachen 
('res  modicas')  durch  'condiciones,  ad  quas  iurantur'  —  bei- 
läufig ein  Zeichen  dafür,  dass  trotz  der  oben  besprochenen 
Gesetze,  welche  den  Parteieneid  einzuschränken  suchten, 
die  Beendigung  wenigstens  der  geringeren  Sachen  durch 
solchen  Eid  die  Regel  war  — .  Die  schriftliche  Ausfertigung 
der  Urtheile  haben  die  Gothen  natürlich  von  den  Römern 
angenommen,  ohne  dass  sich  für  dieses  Gesetz  ein  be- 
sonderes römisches  Vorbild  nachweisen  liesse  ^  Die  schrift- 
lichen Judicate  sind  nicht  erst  durch  dieses  Gesetz  eingeführt. 
Schon  die  Antiqua  kennt  sie.  Nach  II,  3,  2  (Ant.)  soll  der 
Richter  eine  Processvollmacht  aufbewahren,  'cum  iudicati 
exemplaribus',  und  V,  5,  10  (Ant.)  erwähnt  'scripturas, 
que  simul  tradi  partibus  debent  .  .  .  i.  e.  testamenta, 
iudicia,  pacta'.  Auch  Cod.  Euric.  276  setzt  wohl  im  Schluss- 
satze bereits  schriftlich  ausgefertigte  Urtheile  voraus. 


II,  1,  26.  [R.  II,  1,  24.]  —  Ueber  dieses  Sportelgesetz 
Chindasvinds,  über  die  älteren  Vorgänger  dieses  Gesetzes 
und  über  seine  Erweiterung  durch  Ervig  habe  ich  in  einem 
früheren  Aufsatze  gehandelt  (N.  A.  XXIII,  SS.  77  ff.,  85  ff. 
100).  Hier  ist  nur  noch  nachzutragen,  dass  der  zweite 
Zusatz  gegen  Ende  hinter  '^^^i'solvat',  der  mit  'Idem  vero 
si   super'    beginnt  und  mit  'poena  flagelli'    schliesst,    nicht 


1)  Vorl.  V.  Bethmann-HoUweg,  Civilprocess  III,  S.  292. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  1,  25.  26;  2,  1.    89 

in  den  Hss.  der  Ervigiana,  aber  schon  in  den  besten 
Vulgathss.  steht,  und  deshalb  vielleicht  Egica  zuzu- 
schreiben ist. 

II,  2,  l.  —  Dieses  kurze  Gesetz,  dem  die  Inscriptio 
fehlt,  ist  unzweifelhaft  eine  Antiqua.  Es  lautet:  'Nullus 
quemcumque  repetentem  ac  obiectione  suspendat,  ut  dicat 
idcirco  se  non  posse  de  negotio  conveniri,  quia  ille,  qui 
pulsat,  causam  cum  eius  auctorem  non  dixerit  nee  eum 
aliqua  repetitione  pulsaverit,  excepto  si  legum  tempora 
obviare  moustraverit'.  Der  Beklagte  soll  den,  welcher  ihn 
wegen  einer  Sache  beklagt,  nicht  mit  dem  Einwände  zurück- 
weisen können,  dass  der  Kläger  nicht  zuvor  seinen  Auetor 
beklagt  habe.  Unter  dem  Auetor  kann  nur  der  des  Be- 
klagten gemeint  sein,  nicht,  wie  der  Verfasser  der  in  der 
Reccessvindiana  hinzugefügten  Ueberschrift  sagt,  der  des 
Klägers  ('petentis  auctor").  Es  ist  dieses  ein  recht  schla- 
gendes Beispiel  für  die  Unzuverlässigkeit  der  Ueberschriften, 
deren  Verfasser  hier  den  Sinn  des  Gesetzes  gar  nicht  er- 
fasste.  Ganz  leicht  mochte  es  freilich  für  einen  an  den 
längst  romanisierten  westgothischen  Process  gewöhnten 
Mann  des  7.  Jh.  nicht  sein  zu  verstehen,  wie  Jemand  auf 
den  Gedanken  kommen  sollte,  einer  Klage  mit  dem  Ein- 
wände zu  begegnen,  dass  nicht  der  Auctor  des  Beklagten 
in  Anspruch  genommen  sei.  Die  Bestimmung  der  Antiqua 
ist  nur  verständlich,  wenn  wir  annehmen,  dass  sie  gegen 
einen  germanischen  Processgrundsatz  gerichtet  ist,  welcher 
zu  Gunsten  des  abweichenden  römischen  beseitigt  werden 
sollte. 

Nach  germanischem  Recht  wie  nach  römischem  Recht 
haftete  der  Auctor  dem  Erwerber;  er  war  sein  Gewähre. 
Die  Haftbarkeit  äusserte  sich  aber  im  germanischen  Pro- 
cess anders  als  im  römischen.  In  diesem  hatte  der.  welcher 
eine  Sache  von  einem  anderen  erworben  hatte,  diese  gegen 
eine  Klage  selbst  zu  vertheidigen,  musste  aber  seinem 
Auctor  litem  denuncieren,  um  ihm  die  Möglichkeit  zu 
geben,  mit  seiner  Sachkunde  für  die  Vertheidigung  einzu- 
treten, da  er  an  dem  Ausgange  des  Processes  wegen  seiner 
Haftung  für  etwaige  Eviction  interessiert  war.  Sein  Ein- 
treten war  aber  ein  bloss  accessorisches,  wenn  ihn  nicht 
etwa   der  Beklagte   zum  procurator  in  rem   suam  machte. 

Im  germanischeu  Process  aber  hatte  der  angegriffene 
Besitzer  einer  »Sache,  wenn  er  diese  durch  Vertrag  von 
einem  Dritten  erworben,  diesen  seinen  Auctor  zu  stellen, 
der  dann  selbst  die  Sache  zu  vertheidigen  hatte.    Der  an- 


90  Karl  Zeuraer. 

gegriffene  Erwerber  durfte  in  der  Regel  gar  nicht  selbst 
statt  seines  Auetors  die  Sache  führen.  Er  musste  'auc- 
torem  dare',  nicht  ioco  auctoris  stare'  ^  Mit  der  Stellung 
seines  Auetors  schied  dann  der  Beklagte  völlig  aus  dem 
Rechtsstreite  aus. 

Dem  romanistisch  geschulten  Verfasser  der  Antiqua 
mochte  ein  solches  Zurückweichen  des  Beklagten  hinter 
seinen  Auctor  als  unzulässiger  Verschleppungsversuch  oder 
als  Versuch,  die  Stellung  des  Klägers  zu  verschlechtern, 
erscheinen.  Dass  er  die  eigentliche  Bedeutung  des  germa- 
nischen Verfahrens  nicht  erkannte,  deutet  seine  Formu- 
lierung an,  nach  welcher  er  dieses  so  auffasste,  als  ob  der 
Beklagte  die  Einlassung  verweigerte,  weil  der  Kläger  nicht 
den  Auctor  in  Anspruch  genommen  habe.  Veranlasst 
konnte  er  zu  dieser  Auffassung  durch  einen  Fall  sein,  in 
welchem  der  Beklagte,  der  eine  Klage  nicht  Wort  für 
Wort  leugnen  konnte,  nach  germanischer  Weise  formell 
die  Antwort  verweigert  hatte  unter  der  Einrede:  'quia 
auctorem  habeo'. 

Nur  in  einem  Falle  lässt  das  Gesetz  die  Beziehung 
auf  den  Auctor  noch  gelten,  nämlich  wenn  diese  in  Ver- 
bindung mit  der  Einrede  der  Verjährung  erfolgt,  d.  h. 
wenn  der  Beklagte  sich  auf  einen  Auctor  berief,  der  die 
streitige  Sache  solange  besessen  hatte,  dass  dadurch  allein 
oder  unter  Zurechnung  der  Besitzzeit  des  Beklagten  selbst 
die  Verjährung  des  Klageanspruchs  eingetreten  war.  Der 
Beklagte  wird  aber  auch  in  diesem  Falle  nicht  durch  Stellung 
des  Gewähren  befreit,  sondern  weist  mit  Hülfe  des  Ge- 
währen die  Klage  durch  die  Einrede  der  Verjährung  zurück. 
Ebenso  findet  auch  nach  VII,  2,  8.  9  bei  der  Eigenthums- 
verfolgung  an  gestohlener  Fahrhabe  eine  Befreiung  des 
Beklagten  durch  Stellung  des  Auctor  nicht  statt,  wenn 
auch  die  Stellung  vom  Beklagten  verlangt  wird  und  ihm 
den  Nachweis  der  Unschuld  erleichtert. 


II,  2,  2.  3.  8.  —  Der  Codex  Theodosianus  enthält  in 
Titel  13  und  14  des  II.  Buches  (in  der  westgothischen  Be- 
arbeitung) Bestimmungen,  welche  den  Zweck  haben  zu 
verhüten,  dass  in  Rechtssachen  eine  Partei  die  andere  da- 
durch in  eine  ungünstigere  Lage  bringt,  dass  sie  eine 
mächtige  Person  vorschiebt,  sei  es  durch  Uebertragung  einer 
Schuldurkunde  zur  Eintreibung  der  Schuld  an  einen  Mäch- 
tigen,   oder   durch  Führung   der  eigenen  Sache  unter  dem 

1)  Siehe  Brunner,  D.  Rg.  II,  S.  515  f. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  IL  —  L.  Vis.  II,  2,  1.  2.  3.  8.      91 

Namen  eines  Mächtigen.  Denselben  Zweck  verfolgte  Eurich 
mit  seinem  Capitel  312,  wo  er  den  Römern  verbot,  eine 
streitige  Sache  einem  Gothen  vor  der  richterlichen  Ent- 
scheidnng  zu  überlassen.  Dem  entspricht  die  Antiqua  II, 
2,  8  mit  dem  Verbot,  sich  selbst  während  eines  Rechts- 
streites an  einen  Mächtigeren  zu  übertragen  ('ad  maiorem 
personam  se  conferre)  um  dessen  Schutzes  theilhaftig  zu 
werden  und  dadurch  den  Gegner  zu  unterdrücken.  Wer 
dieses  Verbot  übertritt,  soll  mit  Sachverlust  bestraft  werden ; 
der  'potens  in  causam  2>a.trocinans'  soll  vom  Richter  unter 
Androhung  schwerer  Strafen  aus  dem  Gerichte  entfernt 
werden  können,  ebenso  andere  Personen. 

Hier  soll  offenbar  die  Hülfeleistung,  der  Beistand  vor 
Gericht  nicht  unbedingt  ausgeschlossen  werden,  sondern 
nur  soweit  der  Richter  es  im  Interesse  der  zu  stark  be- 
nachtheiligten  Gegner  glaubt  verbieten  zu  müssen. 

Das  ist  im  Wesentlichen  auch  noch  der  Standpunkt 
Chindasvinds  in  II,  2,  2,  wo  ebenfalls  der,  welcher  nach 
dem  Verbot  des  Richters  noch  Beistand  zu  leisten  fort- 
fährt, mit  Strafe  bedroht  wird.  Chindasvinds  Gesetz  er- 
gänzt und  modificiert  die  Antiqua.  Diese  setzte  eine 
Geldstrafe,  und  zwar  eine  sehr  hohe  von  2  Pfund  Gold, 
nur  fest  für  den  potens,  den  Mächtigen,  der  sich  der 
Uebertretung  schuldig  machte,  während  andere,  Freie 
und  Knechte,  mit  Prügelstrafe  bedroht  wurden.  Wenn 
Chindasvind  dagegen  bestimmt,  dass  derjenige,  welcher 
gegen  das  Verbot  des  Richters  fortfährt  Rechtsbeistand  zu 
leisten,  10  Goldschillinge,  deren  72  auf  ein  Pfund  gingen, 
an  den  Richter  zahlen  soll,  so  könnte  man  das  als  eine 
allgemeine  Strafbestimmung,  welche  die  ältere  aufheben 
sollte,  ansehen.  Dass  der  Gesetzgeber  die  Antiqua  vor 
Augen  hatte,  zeigt  schon  der  umstand,  dass  er  in  genauer 
Uebereinstimmung  mit  jener  die  schimpfliche  Entfernung 
des  Uebelthäters  aus  dem  Gericht  anordnet.  Nach  beiden 
Gesetzen  soll  dieser  hinausgeworfen  werden  ^.  Chindasvind 
mag  die  Absicht  gehabt  haben,  die  Antiqua  aufzuheben ; 
jedenfalls  hat  Reccessvind  durch  ihre  Aufnahme  die  fort- 
dauernde Geltung  anerkannt.  Dasselbe  hat  auch  noch 
Ervig  gethan,  indem  er  ihr  einen  Zusatz  einfügte,  welcher 
die  Theilung  der  2  Pfund  Gold  zwischen  dem  Richter  und 
der  Gegenpartei  anordnet.  Wir  müssen  deshalb  annehmen, 
dass  nach  Reccessvinds  und  Ervigs  Meinung  die  Busse  von 


1)  Ant. :    'iuiuria  violeuta  a  iudicio  propulsare' ;   Chind. :  'contume- 
Uose  de  iudicio  proiectus  abscedat'. 


92  Karl  Zeiimer. 

10  Schillingen  als  Eegel,  die  höhere  von  2  Pfund  als  Aus- 
nahme und  zwar  für  die  Fälle,  wo  potentes  die  Schul- 
digen waren,  gelten,  die  Prügelstrafe  der  Antiqua  aber  für 
die  gewöhnlichen  Freien  und  Knechte  neben  der  10  Schil- 
lingsbusse bestehen  bleiben  sollte. 

Nicht  nur  als  Ergänzung  von  II,  2,  8  ist  Chinda- 
svinds  Gesetz  II,  2,  2  anzusehen,  sondern  zugleich  als 
Ergänzung  der  hier  unmittelbar  folgenden  Antiqua  II,  2,  3. 
Diese  hatte  bestimmt,  dass  der  Richter,  wenn  die  eine 
Partei  der  andern  an  Zahl  überlegen  war,  anordnen  konnte, 
dass  von  der  grösseren  Partei  nur  ein  gewählter,  der  klei- 
neren Partei  an  Zahl  gleicher  Ausschuss  im  Gericht  zu- 
gelassen werden  sollte :  'ut  nulla  pars  multorum  intentione 
aut  clamore  turbetur'. 

Demselben  Zwecke  diente  auch  Chindasvinds  Gesetz, 
wie  die  Eingangsworte,  welche  an  die  eben  angeführten 
Schlussworte  der  Antiqua  anknüpfen,  ausdrücklich  hervor- 
heben: 'Audientia  non  tumulto  aut  clamore  turbetur'. 
Chindasvind  ordnet  deshalb  allgemein  an,  dass  der  Richter 
zu  bestimmen  habe,  wer  ausser  den  Parteien  selbst  in  der 
Sitzung  zugegen  sein  dürfe,  und  knüpft  daran  die  beson- 
dere Bestimmung  über  die  patrocinantes. 


II,  2,  5.  6.  —  lieber  das  erstere  Gesetz  Chindasvinds 
ist  in  Bezug  auf  den  Hauptinhalt  bereits  oben  (S.  78)  ge- 
handelt. Hier  sei  noch  auf  die  Schlussbestimmung  hin- 
gewiesen, durch  welche,  wie  an  anderer  Stelle  ausgeführt 
ist  (N.  A.  XXIII,  S.  85),  wahrscheinlich  die  Processbusse 
von  5  Schillingen  als  Strafe  für  leichtfertiges  Processieren 
statt  der  Verpflichtung  der  unterliegenden  Partei,  die  Pro- 
cesskosten  ('sumptus  et  expensae  litis')  zu  ersetzen,  einge- 
führt ist. 

Eine  Ergänzung  dieses  Gesetzes  enthält  das  folgende 
Reccessvinds.  Es  geht  von  der  richtigen  Ansicht  aus,  dass 
unter  Umständen  der  Pauschalsatz  von  5  Schillingen  als 
Ersatz  für  die  vom  ungerecht  Beklagten  aufgewendeten 
Kosten  nicht  ausreiche.  Für  diejenigen,  welche  eine  Reise 
von  60  Meilen  zu  machen  hatten,  um  der  Vorladung  zu 
folgen,  wird  daher  der  Satz  auf  6  Schillinge  erhöht  und 
so  für  jede  ferneren  10  Meilen  ein  je  um  1  Schilling  er- 
höhter Satz  für  die  Processbusse  des  Anklägers  festgesetzt. 


II,  2,  7.  —  Dieses  Gesetz,  welches  ein  sehr  merk- 
würdiges Requisitionsverfahren  anordnet  für  den  Fall,  dass 
die  beklagte  Partei  in  einem  andern  Bezirk  wohnt  als  die 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  L.  Vis.  II,  2,  2.  3.  8;  2,  5—7.  93 

des  Klägers,  trägt  in  beiden  Hss.  der  Reccessvindiana  den 
Namen  Chindasvinds  in  der  Inscriptio,  ebenso  in  der  Ma- 
drider Ausgabe,  wohl  auf  Grund  der  Mehrzahl  der  benutzten 
Hss.  Der  Codex  Cardonensis  hat  statt  dessen  Reccesvinds 
Namen.  Beide  Hss.  der  Ervigiana  und  ebenso  eine  Anzahl 
Hss.  des  Vulgattextes  lassen  hier  wie  auch  sonst  sehr  oft 
die  Inscriptio  gänzlich  aus,  und  nur  der  Codex  Legionensis 
bezeichnet,  soweit  mir  bekannt  ist,  das  Gesetz  als  An- 
tiqua. Dieser  in  seinem  Werthe  früher  masslos  überschätzte 
Codex  Legionensis  kann  gegen  die  Auctorität  der  beiden 
Hss.  der  Reccessvindiana  natürlich  nichts  beweisen.  Das 
Gesetz  ist  demnach  von  Chindasvind,  und  dieser  Fall  zeigt 
einmal  wieder  so  recht  schlagend,  wie  bedenklich  es  ist, 
das  Alter  der  Quellen  nach  dem  vermeintlichen  Alter  der 
in  ihnen  vorausgesetzten  Zustände  bestimmen  zu  wollen, 
statt  aus  dem  durch  glaubwürdige  Ueberlieferung  bezeugten 
Alter  der  Quellen  das  der  darin  geschilderten  Zustände  zu 
folgern.  Dahn,  Westg.  Studien,  S.  253  meint:  Die  Be- 
stimmungen des  Gesetzes  seien  offenbar  Ueberbleibsel  aus 
einer  Zeit,  da  der  Staatsgedanke  noch  wenig  entwickelt 
war;  und  vielleicht  hätten  ursprünglich  ähnliche  Grund- 
sätze gegolten,  wenn  die  Parteien  verschiedenen  Bezirken 
eines  Stammes  angehörten.  Der  Inhalt  sei  gewiss  altes 
Recht  und  der  Zusatz  des  Cod.  Leg. :  antiqua  glaubhafter 
als  die  Chiffre :  Kindasvinth.  Und  ebenso  erklärt  Cohn, 
Justizverweigerung,  S.  152:  dass  das  Gesetz  nicht  aus  der 
Zeit  Kindasvinths  herrührt,  sondern  wie  der  Codex  von 
Leon  bezeugt,  eine  antiqua  ist,  kann  nicht  bezweifelt 
werden. 

Freilich  muthet  es  uns  sehr  alterthümlich  an,  wenn 
dem  im  Bezirk  eines  anderen  Richters  wohnenden  Kläger 
wegen  Rechtsverweigerung  ein  Pfändungsrecht  nicht  nur 
gegen  den  pflichtvergessenen  Richter,  sondern  sogar  gegen 
beliebige  Eingesessene  seines  Bezirkes  gegeben  wird.  Ob 
die  Einrichtung  aus  alter  Zeit  stammt,  ob  vielleicht  Chin- 
dasvind nur  eine  alte  Einrichtung  durch  dieses  Gesetz  neu 
geregelt  hat,  mag  dahingestellt  bleiben.  Dass  aber  dieses 
Gesetz  von  ihm  herrührt,  ist  unzweifelhaft;  und  dass  diese 
Formulierung  nicht  vor  Chindasvind  entstanden  sein  kann, 
bezeugt  auch  der  [Jmstand,  dass  im  Texte  sehr  nachdrück- 
lich auch  auf  den  Fall  Rücksicht  genommen  wird,  dass 
der  Kläger  nicht  ein  Freier,  sondern  Knecht  ist.  Erst  der 
'humane   Despot   Chindasvind'  ^   aber   hat   in    II,  2,  9    den 


1)  S.  V.  Bethmann-Hollweg,  Civilprocess  IV,  S.  237. 


94  Karl   Zenmer. 

Knechten  das  Recht  gegeben,  als  Kläger  für  sich  selbst 
und  unter  Umständen  auch  für  ihre  Herren  —  offenbar 
in  Bezus:  auf  das  von  ihnen  bewirthschaftete  herrschaft- 
liehe  Gut  —  aufzutreten.  Vgl.  die  Bemerkungen  zu  II,  3,  3. 


Der  3.  Titel  des  II.  Buches:  'De  mandatis  et  manda- 
tariis',  handelt  von  der  processualen  Stellvertretung,  welche 
die  Westgothen  entgegen  den  Grundsätzen  des  germani- 
schen Rechts  aus  dem  römischen  Rechte  aufgenommen 
und  noch  weiter  ausgebildet  haben.  Eine  Ausdehnung 
der  Vertretung  über  das  nach  römischem  Rechte  geforderte 
Maass   hinaus   enthält   gleich   das   erste  Gesetz   des  Titels. 

II,  3,  1.  —  Reccessvind  ordnet  in  diesem  Gesetze  an, 
dass  der  König  und  jeder  Bischof  als  Partei  sich  vor  Ge- 
richt vertreten  lassen  sollen,  um  das  Uebergewicht,  das 
ihnen  ihr  Ansehen  über  die  Gegenpartei  gab,  zu  mildern. 
In  Hinsicht  auf  den  König  entsprach  das  gewiss  längst 
herrschender  Gewohnheit,  und  dass  auch  die  Bischöfe  als 
Beklagte  sich  bereits  vor  Reccessvind  regelmässig  vor 
Gericht  vertreten  Hessen,  ergiebt  sich  aus  Chindasvinds 
II,  1,  19  [R.  II,  1,  17].  Es  ist  noch  nicht  völlig  klargestellt, 
in  wieweit  Bischöfe  im  Westgothenreiche  auch  in  Criminal- 
sachen  ihren  Gerichtsstand  vor  dem  weltlichen  Richter 
hatten  ^  Soweit  dies  aber  der  Fall  war ,  genossen  sie 
jedenfalls  gemäss  Valentinians  III.  Novelle  36,  die  als  n.  12 
in  die  Lex  Romana  Visigothorum  aufgenommen  ist,  das 
Privileg,  sich  als  Beklagte  in  gewissen  Sachen  vertreten 
zu  lassen.  Dieses  beschränkte  Vertretungsprivileg  wandelte 
Reccessvind  durch  sein  Gesetz  in  einen  unbedingten  Ver- 
tretungszwang. Offenbar  aus  denselben  Beweggründen, 
welche  dieses  Gesetz  veranlassten,  hatten  schon  392  Valen- 
tinian,  Theodosius  und  Arcadius  angeordnet,  dass  höhere 
Staatsbeamte  sich  im  Gericht  vertreten  lassen  sollten, 
C.  iust.  II,  12,  25. 

II,  3,  2.  3.  —  Beide  Gesetze  sind  Antiquae  und  ent- 
halten Bestimmungen  über  die  Vertretung  im  Process  auf 
Grund  schriftlicher  Vollmacht.  Die  westgothische  Formel- 
sammlung aus  Sisebuts  Zeit  bietet  eine  Reihe  von  Mustern 
für  solche  Vollmachten.  Die  Vollmacht  wird  dort  als  'in- 
iuncto',    sonst   als   mandatum    bezeichnet,    der  Bevollmäch- 


1)    S.   V.    Bethmann  -  Hollweg ,    Civilprocess  IV,    S.  225 ;    Löning, 
Gesch.  d.  D.  Kirchenrechts  I,  S.  523  f. ;  Dahn,  Könige  VP,  S.  371. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  Lex  Vis.  II,  8,  1 — 8.      95 

tigte  heisst  mandatarius,  prosecutor  oder  auch  adsertor  \ 
der  Auftraggeber  mandator. 

Das  erstere  der  beiden  Gesetze  ist  lediglich  eine  Um- 
schreibung und  weitere  Ausführung  von  L.  Rom.  Vis. 
C.  Th.  II,  12,  3  und  bestimmt,  dass  der  Richter  eine  Ab- 
schrift des  Mandates  zu  den  Acten  nehmen  und  das  Mandat 
des  Klägers  auf  Verlangen  dem  Beklagten  vorgelegt 
werden  soll. 

Nach  II,  3,  3  haftet  der  Mandatar  dem  Vollmacht- 
geber für  Verlust  des  Processes  in  Folge  dolosen  Ein- 
vernehmens mit  dem  Gegner.  Ervig  hat  folgenden  Zusatz 
angefügt:  'Servo  tamen  non  licebit  per  maudatum  causas 
quorumlibet  suscipere,  nisi  tantum  domini  vel  dominae 
suae,  ecclesiarum  quoque  vel  j)auperum  seu  etiam  nego- 
tiorum fiscalium'  -.  Da  dieser  Satz  früher  unter  der  falschen 
Elagge  der  Antiqua  segelte,  verleitete  er  zu  der  irrthüm- 
lichen  Annahme,  dass  bei  den  Westgothen  die  Knechte, 
schon  bevor  ihnen  Chindasvind  die  Processfähigkeit  in 
eigener  Sache  verliehen  hatte ,  in  gewissen  Fällen  die 
Fähigkeit  gehabt   hätten,   als  Processvertreter  aufzutreten. 


II,  3,  4.  —  Chindasvind  gestattet  durch  dieses  Gesetz 
in  gewissen  Fällen  auch  schwere  Criminalklagen  mittels 
Vollmacht  durchzuführen,  was  nach  römischem  Recht  und 
auch  nach  dem  Rechtsbuche  Alarichs  II.  verboten  war; 
s.  L.  Rom.  Vis.  C.  Th.  IX,  1,  9  mit  Interpretatio. 

Auch  diesem  Gesetze  hat  Ervig  einen  Zusatz  gegeben, 
der  sachlich  unbedeutend  ist,  aber  früher,  bevor  er  sich 
als  Zusatz  Ervigs  herausgestellt  hatte,  zu  irrigen  Meinungen 
über  die  Entstehung  der  Lex  Visigothorum  Anlass  gegeben 
hat.  Es  wird  hier  nämlich  ein  anderes  Gesetz  Chinda- 
svinds  angeführt,  und  zwar  nach  Buch,  Titel  und  Aera 
('in  libro  sexto,  titulo  primo,  era  secunda').  Solange  der 
echte  Text  der  Reccessvindiana ,  wo  dieser  Zusatz  noch 
fehlt,  noch  nicht  bekannt  war,  musste  man  annehmen, 
dass  dieses  Citat  von  Chindasvind  selbst  herrühre,  und 
daraus  schliessen,  dass  es  bereits  zu  Chindasvinds  Zeit  ein 
in  Bücher,  Titel  und  Acren  gegliedertes  Gesetzbuch  ge- 
geben habe. 

II,  3,  5  —  8.  —  Diese  4  Gesetze,  sämmtlich  Antiquae, 
sind   wohl   durchweg   im   Anschluss   an   römische    Einrich- 

1)  Der  adsertor  ist  nicht  Fürsprecher,  wie  iri'ig  v.  Bethmann- 
Hollweg  IX,  S.  238  und  Dahn,    Studien  S.  265,   meinen.  2)  Ein  wei- 

terer Zusatz  der  Ausgaben  gehört  nicht  hierher. 


96  Karl  Zeumer. 

tung-en,    zum    Theil   mit   nachweisbarer  Anlehnung-   an   rö- 
mische Quellen  verfasst. 

Für  II,  3,  5,  welches  von  der  Entziehung  des  Man- 
dates gegenüber  pflichtwidrigen  Procuratoren  handelt, 
vermag  ich  eine  Quelle  nicht  anzugeben. 

II,  3,  6  schliesst  sich  z.  Th.  eng  an  römische  Bestim- 
mungen au.  Zunächst  wird  in  üebereinstimmung  mit  dem 
römischen  Recht  des  Breviars  bestimmt,  dass  Frauen  für 
sich  selbst  im  Process  auftreten,  nicht  aber  die  Sachen 
anderer  führen  können;  vgl.  L.  Rom.  Vis.  C.  Th.  II,  12,  .5; 
IX,  1,  2;  Paul.  I,  2,  2.  Dann  folgt  die  Bestimmung:  'Ma- 
ritus  sane  non  sine  mandatum  causam  dicat  uxoris  aut 
certe  ante  iudicem  se  tali  obliget  cautione,  quod  uxor 
negotium  non  re"volvat,  et  si  revolverit,  damnum,  quod 
cautio  demonstrat,  maritns  accipiat'. 

Das  entspricht  dem  römischen  Rechte.  Dieses  ge- 
stattete einem  kleinen  Kreise  von  Personen  für  andere, 
darunter  auch  dem  Ehemann  für  die  Frau,  ohne  Mandat 
zu  klagen,  verlangte  aber  hier  wie  ursprünglich  in  allen 
Fällen  processualer  Vertretung  satisdatio  oder  cautio  rati- 
habitionis  (ratam  rem  haberi,  de  rato) ;  vgl.  Dig.  XL  VI,  7,  3 ; 
besonders  aber  Cod.  lust.  II,  12,  21  (Constantin  a.  315): 
'Maritns  citra  mandatum  in  rebus  uxoris  cum  sollemni 
satisdatione  et  alia  observatione  intercedendi  habeat  liberam 
facultatem  .  .  .  Sin  autem  mandatum  susceperit,  licet 
maritus  sit,  id  solum  exsequi  debet,  quod  procuratio 
emissa  praescripserit'.  Nach  römischem  Rechte  wie  nach 
westgothischem  konnte  also  der  Ehemann  ohne  Mandat 
für  seine  Frau  klagen,  wenn  er  Sicherheit  gegen  die  Nicht- 
anerkennung seiner  Processführung  leistet. 

Das  römische  Gresetzbuch  Alarichs  II.  kennt  nun 
dieses  Privilegium  nicht.  Statt  jenes  Gesetzes  Constantins 
nimmt  es  aus  dem  Cod.  Theod.  als  II,  12,  4  nur  einen 
Satz  aus  einer  Constitution  von  Theodosius,  Arcadius  und 
Honorius  vom  Jahre  393  auf,  welcher  dem  Schlusssatze 
jenes  älteren  Gesetzes  nachgebildet  ist:  'Procurator  licet 
maritus  sit,  id  solum  exsequi  debet,  quod  procuratio 
emissa  praescripserit'.  Deutlicher  als  diese  Textesstelle 
lässt  die  Interpretatio  die  Meinung  erkennen,  dass  auch 
der  Ehemann  nicht  ohne  Mandat  für  die  Frau  handeln 
dürfe :  'Qui  uxoris  suae  negotium  fuerit  prosecutus,  quam  vis 
maritus  sit,  nihil  aliud  agat,  nisi  quod  ei  agendum  per 
mandatum  illa  commiserit'.  Die  gleiche  Auffassung  finden 
wir  auch  schon  in  der  im  5.  Jh.  in  Burgund  verfassten 
Consultatio  veteris  cuiusdam  iurisconsulti,  wo  c.  8  §  1  jene 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  Lex  Vis.  II,  3,  5 — 10.     97 

Stelle  des  Codex  Theodosianus  angeführt  und  mit  wört- 
lichem Anklänge  an  die  Interpretatio  umschrieben  wird : 
'maritum  illa  tantum  negotia  uxoris  velut  extraneum  auc- 
torem  prosecuturum,  quae  procuratio  emissa  perscripserit' 
(vgl.  das.  §  2  und  c.  3  §1.2).  Dieselbe  Anschauung  findet 
sich  dann  auch  später  deutlich  ausgesprochen  in  den  im 
fränkischen  Reiche  verfassten  Auszügen  aus  der  Lex  ßo- 
mana  (Epitome  Aegidii  und  Epit.  Cod.  Paris,  suppl.  lat.  215) 
und   in    den  Formeln  von  Tours  n.  20  und  Appendix  n.  4. 

Auch  hier  liegt,  wie  öfter  (s.  N.  A.  XXIII,  454  ff.)  der 
Fall  vor,  dass  das  Eecht  der  Antiqua  mit  älteren  römi- 
schen Quellen,  nicht  aber  mit  der  Lex  Romana  überein- 
stimmt, und  wie  stets  in  solchen  Fällen  ist  auch  hier  zu 
schliessen,  dass  solche  Antiqua  dem  Codex  Euricianus,  nicht 
erst  der  Revision  Leovigilds  angehört. 

II,  3,  7  regelt  zum  Theil  in  freier  Anlehnung  an 
römisches  Recht  das  Verhältnis  zwischen  dem  Vertreter 
und  dem  Vertretenen,  mandator  iind  prosecutor  oder  nach 
römischem  Sprachgebrauch  dominus  und  procurator.  Dabei 
wird  auch  des  Honorars  für  die  Vertretung  gedacht  und 
dabei  ganz  wie  im  römischen  Recht  gefordert,  dass  der 
Betrag  vorher  fest  vereinbart  werde :  '(prosecutor)  ante 
cause  principium  cum  mandatore  definiat,  quantum  pro 
commodo  sui  laboris  finito  negotio  ab  eo  sit  accepturus' ; 
vgl.  C.  lust.  IV,  35,  17:  'Salarium  incertae  pollicitationis 
peti  non  potest',  und  Dig.  XVII,  1,  56  §  3.  Das  Breviar 
erwähnt  das  Honorar  des  Procurators  nicht,  so  dass  auch 
hier  wieder  die  Unabhängigkeit  einer  Antiqua  von  jenem 
Rechtsbuche  Alarichs  II.  hervortritt. 

II,  3,  8  handelt  von  der  Aufhebung  des  Mandats 
durch  den  Tod  eines  der  beiden  Contrahenten.  Zum  Theil 
ist  die  Materie  in  Uebereinstimmung  mit  L.  Rom.  Vis.  C. 
Th.  II,  12,  1.7  geregelt.  Die  selbständige  Fassung  aber, 
starke  sachliche  Abweichungen  und  namentlich  die  Berück- 
sichtigung des  Honorars,  die  sich  auch  hier  findet,  beweisen 
die  Unabhängigkeit  auch  dieser  Antiqua  vom  Breviar. 


II,  3,  9.  10.  —  Diese  beiden  letzten  Gesetze  des  Titels 
rühren  von  Chindasvind  her.  Das  erstere  enthält  in  un- 
geschickter  Formulierung^    den    einfachen    und    gesunden 

1)  Statt  einfach  zu  bestimmen :  keine  Partei  darf  sich  durch  einen 
Procurator  vertreten  lassen,  der  höheren  Standes  als  der  Gregner  ist,  wird 
unterschieden :  1)  wenn  beide  Parteien  gleichen  Standes  sind,  2)  wenn  sie 
ungleichen  Standes  sind;  und  hier  wird  wieder  unterschieden,  a)  wenn 
die  vornehmere,   b)  wenn   die  geringere  Partei  sich  vertreten  lässt.     Für 

Xeues  Archiv  etc.    XXIV.  7 


98  Karl  Zeumer. 

Gedanken,  dass  Niemand  seinen  Gegner  dadurch  in  eine 
ungünstigere  Lage  versetzen  darf,  dass  er  seine  Sache  einem 
Procurator  überträgt,  der  mächtiger  ist  als  jener.  Der 
gleiche  Gedanke,  aber  weniger  consequent  durchgeführt, 
findet  sich  auch  in  Cod.  Inst.  II,  13.  Die  Lex  Eomana 
dagegen  bietet  in  C.  Th.  II,  13.  14  nur  einige  auf  dem- 
selben Grundgedanken  beruhende,  aber  nicht  auf  die  pro- 
cessuale  Vertretung  bezügliche  Sätze. 

II,  3,  10  befreit  die  Beauftragten  des  Fiscus  in  fisca- 
lischen  Processen  von  den  Beschränkungen  des  vorigen 
Gesetzes. 

Der  4.  Titel  enthält  wie  die  Ueberschrift :  'De  testibus 
et  testimoniis'  ankündigt,  Satzungen  über  Zeugenbeweis  und 
Zeugnis  überhaupt. 

Die  volle  Glaubwürdigkeit  und  damit  die  Fähigkeit 
eidliches  Zeugnis  abzulegen,  kam  bei  den  Gothen,  wie  bei 
den  übrigen  Germanen  und  nicht  minder  bei  den  Römern, 
ursprünglich  nur  Freien  zu.  Den  Aussagen  Unfreier  legt 
das  ältere  gothische  Recht  im  Anschluss  an  das  römische 
Recht  nur  dann  Bedeutung  bei,  wenn  sie  auf  der  Folter 
abgegeben  sind.  Das  ist  der  Standpunkt,  welchen  die 
Antiquae  III,  4,  10.  V,  4,  14.  VI,  1,  4.  VIL  6,  1  vertreten. 
Wenn  eine  Antiqua  V,  7,  12  bereits  eine  Ausnahme  für 
den  Fall,  dass  freigeborene  Zeugen  nicht  vorhanden  sind, 
zuzulassen  scheint,  wie  sie  später  Reccessvind  in  II,  4,  10 
ausdrücklich  anerkennt,  so  hat  es  sich  hier,  wie  wir  sehen 
werden,  in  der  ursprünglichen  Fassung  nur  um  die  Zulas- 
sung Freigelassener  (liberti,  manumissi)  gehandelt. 

Erst  Chindasvind  hat  in  II,  4,  4  den  vornehmsten 
Königsknechten  die  volle  Zeugnisfähigkeit  verliehen. 

Bei  den  Freien  ruht  die  Zeugnisfähigkeit  während 
der  Minderjährigkeit.  Erst  mit  dem  vollendeten  14.  Jahre 
Hess  Reccessvind  II,  4,  12  sie  bei  beiden  Geschlechtern  in 
Wirksamkeit  treten. 

Die  Zeugnisfähigkeit  erlischt  mit  dem  Verlust  der 
Standesrechte  des  Freien  durch  Infamie.  Die  wesentlichste 
Wirkung  der  Inf  amie(infamia,infamium),  ja  die  einzige,  welche 
das  Gesetz  besonders  hervorhebt,  ist  der  Verlust  des  testimo- 


die  beiden  letzten  Fälle  unter  2)  wird  richtig  gesagt :  der  Vertreter  darf 
nicht  vornehmer  sein  als  der  Gegner ;  für  den  ersten  Fall  dagegen,  wo 
die  Parteien  gleich  stehen,  wird  bestimmt,  dass  der  Vertreter  nicht  höheren 
Standes  als  der  Vertretene  sein  soll.  Es  kommt  das  in  diesem  Falle  auf 
dasselbe  hinaus,  als  wenn  bestimmt  wäre,  er  soll  nicht  vornehmer  sein  als 
der  Gegner.   Doch  wird  der  Grundgedanke  durch  die  Fassung  verdunkelt. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  Lex  Vis.  II,  3,  9  —  4,  2.      99 

nium.  Zeugnisunfähigkeit  und  infamia  werden  geradezu 
gleichgesetzt.  So  finden  wir  als  gleichbedeutende  Wen- 
dungen in  II,  1,  21:  'ita  ut  non  flagellorum  ista  correptio 
inducat  notam  infamie',  und  'absque  uUa  testificandi  iac- 
tura  XXX  flagella  suscipiat' ;  ähnlich  II,  4,  2.  3 ;  vgl.  auch 
II,  1,  33  mit  VI,  4,  2.  Ausdrücklich  als  Folge  der  Infamie 
wird  der  Verlust  des  Zeugnisses  hingestellt  in  der  Extra- 
vagante II,  4,  14,  wohl  einer  Antiqua:  'sie  notam  infamie 
incurrat,  ut  postea  ei  testificari  non  liceat',  und  ebenso  in 
Reccessvinds  II,  4,  11 :  'non  infamie  notam  eis  pertineat, 
sed  testificandi  .  .  .  sit  illis  concessa  semper  et  indubitata 
libertas'. 

Diese  Auffassung  können  die  Gothen  nicht  von  den 
Römern  angenommen  haben,  da  nach  römischem  Recht 
mit  der  Infamie  nicht  nothwendig  Verlust  des  Zeugnisses 
verbunden  war,  sondern  die  Zeugnisunfähigkeit  eine  be- 
sondere Art  der  Ehrenminderung  bildete.  Was  die  gothi- 
schen  Gesetze  als  infamia  bezeichnen,  war  wohl  die  germa- 
nische Ehrlosigkeit,  die  nicht  immer  von  der  Rechtlosig- 
keit deutlich  unterschieden  wird.  Nach  diesen  orientie- 
renden Bemerkungen  wenden  wir  uns  nunmehr  einzelnen 
Gesetzen  des  Titels  zu. 

II,  4,  1.  —  Chindasvind  zählt  hier  die  Verbrechen 
auf,  durch  deren  Begehung  die  Zeugnisfähigkeit  verwirkt 
wird.  Die  Stelle  erinnert  an  die  Aufzählung  derjenigen: 
'qui  notantur  infamia'  im  prätorischen  Edict,  Dig.  III,  2,  1 ; 
doch  decken  sich  die  Fälle  so  wenig,  dass  an  eine  An- 
lehnung an  die  römische  Quelle  kaum  zu  denken  ist.  Es 
sind  ausser  dem  Ehre  und  Glaubwürdigkeit  vernichtenden 
falschen  Zeugnis  die  schweren  todeswürdigen  Verbrechen, 
deren  Begehung  nach  germanischem  Recht  Ehrlosigkeit 
allein  oder  Ehrlosigkeit  und  Rechtlosigkeit  nach  sich  zog^. 
Hier  liegt  also  in  der  Hauptsache  sicher  germanisches 
Recht  zu  Grunde,  wenn  auch  vielleicht  im  Einzelnen  durch 
römische  Einflüsse  modificiert. 


II,  4,  2.  —  Dieses  Gesetz,  eine  Antiqua,  handelt  vom 
Zeugenbeweise.  Der  Richter  soll,  wenn  von  beiden  Par- 
teien Zeugenbeweis  angeboten  wird,  die  Aussagen  der  Zeu- 
gen prüfen  und  dann  entscheiden,  welcher  Partei  Zeugen 
ihre  Aussagen  beschwören  sollen.  Es  wird  also  entgegen 
den  Grundsätzen  des  römischen  Processes,  nach  welchen 
die  Zeugen  vor   der  Aussage    schwören,    C.  lust.  IV,  20,  9 


1)  S.  Brunner,  D.  Rg.  n,  S.  597 ;  Budde,  Rechtlosigkeit  S.  95  ff. 


100  Karl  Zeumer. 

=  C.  Theod.  XI,  39,  3,  gemäss  dem  germanischen  Process- 
recht  vorausgesetzt  und  gesetzlich  anerkannt,  dass  die  Zeu- 
gen nachträglich  den  Inhalt  ihrer  Aussagen  zu  beschwören 
haben. 

Eömisch  dagegen  ist  wohl  der  Zeugniszwang,  der  in 
diesem  Gesetze  ausgesprochen  wird.  Wer  von  den  vorge- 
brachten Zeugen  weder  eidlich  bezeugen  will,  was  er  weiss, 
noch  auch  beschwören  will,  dass  er  nichts  weiss  ('si  nescire 
se  dixerit,  id  ipsum  etiam  iurare  distulerit')  wird  mit  der 
Strafe  des  falschen  Zeugnisses  bedroht.  Die  gleiche  Strafe 
für  falsches  Zeugnis  und  Zeugnisverweigerung  sprechen 
auch  die  fränkischen  Volksrechte  aus.  Lex  Salica  49,  Lex 
Rib.  50. 

In  einem  Gesetz,  dessen  Wortlaut  uns  nicht  überlie- 
fert ist,  C.  lust.  IV,  20,  16  pr.,  hat  Justinian  den  Zeugnis- 
zwang, der  für  den  Criminalprocess  schon  längst  bestand, 
auch  für  den  Civilprocess  anerkannt  ^  und  dabei  ganz  wie 
der  westgothische  Gesetzgeber  verlangt,  dass  die  Zeugen 
entweder  beschwören  sollen,  was  sie  wissen,  oder  schwören 
sollen,  dass  sie  nichts  wissen.  Diese  Uebereinstimmung 
zwischen  dem  justinianischen  Gesetz  und  der  Antiqua  ist 
so  auffallend,  dass  man  geneigt  sein  könnte,  einen  ursäch- 
lichen Zusammenhang  zwischen  ihnen  anzunehmen.  Sollte 
eine  Einwirkung  der  Bestimmung  Justinians  auf  die  Ab- 
fassung der  Antiqua  anzunehmen  sein,  so  würde  diese 
natürlich  erst  bei  der  Revision  Leovigilds  enstanden  sein 
können. 

II,  4,  3.  —  Ueber  die  eigenthümliche  Anwendung  der 
Schriftvergleichung,  welche  sich  in  diesem  Gesetze  Chin- 
dasvinds  findet,  habe  ich  oben  S.  33.  36  f.  eingehend  ge- 
handelt. Wie  in  jenen  Bestimmangen,  so  lehnt  sich  der 
Gesetzgeber  auch  in  den  darauf  folgenden  an  römisches 
Recht  an. 

Es  wird  bestimmt :  'In  duobus  autem  idoneis  testibus, 
quos  prisca  legum  recipiendos  sanxit  auctoritas,  non  solum 
considerandum  est,  quam  sint  idonei  genere,  hoc  est  in- 
dubitanter  ingenui,  sed  etiam  si  sint  honestate  mentis  per- 
spicui  adque  rerum  plenitudine  opulenti'.    Die  'prisca  legum 

1)  Etwas  ganz  Neues  war  das  nicht,  wie  man  nach  Wetzeil,  Civil- 
process §  23,  n.  39  annehmen  könnte;  denn  schon  in  constantinischer  Zeit 
behauptete  der  Jurist  Arcadius  Charisius  das  Bestehen  des  Zeugnis- 
zwanges auch  für  den  Civilprocess ;  Dig.  XXII,  5,  1  §  1 :  'Adhiberi  quoque 
testes  possunt  non  solum  in  criminalibus  causis,  sed  etiam  in  pecuniariis 
litibus  .  .  .  nee  ulla  lege  a  dicendo  testimonio  excusantur'. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  IL  —  Lex  Vis.  II,  4,  2 — 4.      101 

auctoritas'  kann  sich  auf  L.  Eom.  C.  Th.  XI,  14,  2  beziehen, 
wo  das  Zeugnis  eines  einzigen  Zeugen  für  ungenügend, 
also  mindestens  das  zweier  Zeugen  für  nothwendig  erklärt 
wird.  Dort  heisst  es  im  Texte :  'honestioribus  potius  fides 
testibus  habeatur.  Simili  modo  sanximus,  ut  unius  testi- 
monium  nemo  iudicum  .  .  .  facile  patiatur  admitti.  Et 
nunc  manifeste  sancimus,  ut  unius  omnino  testis  responsio 
non  audiatur,  etiamsi  praeclarae  curiae  honore  praefulgeat'. 
Dazu  die  Interpretatio :  'ut  honestioribus  magis  quam  vilio- 
ribus  testibus  fides  potius  admittatur.  Unius  autem  testi- 
monium,  quamlibet  splendida  et  idonea  videatur  esse  per- 
sona, nullatenus  audiendum'. 

Nicht  ausgeschlossen  ist  aber,  dass  die  Erwähnung 
des  früheren  Gesetzes  sich  auf  eine  entsprechende  Consti- 
tution des  Codex  Euricianus  bezog,  die  uns  nicht  erhalten 
ist.     Dafür  scheint  folgendes  zu  sprechen. 

Chindasvind  fordert  von  den  zwei  Zeugen,  deren  Noth- 
wendigkeit  er  mit  dem  Hinweis  auf  das  ältere  Gesetz  be- 
gründet, nicht  nur,  dass  sie  freigeboren,  sondern  auch, 
dass  sie  ehrenhaft  und  begütert  seien.  Von  dieser  For- 
derung findet  sich  nun  weder  in  jener  Stelle  noch  sonst 
in  der  Lex  Romana  eine  Spur,  während  sie  dem  älteren 
römischen  Rechte  wie  dem  Justinians  bekannt  war.  Justi- 
nian  nennt  in  Novelle  90, 1  unter  den  Bedingungen,  welche 
einen  Freien  ohne  Weiteres  zum  Zeugnis  qualificieren,  auch 
Reichthum,  und  schon  um  das  Jahr  200  forderte  der  Jurist 
Callistratus,  dass  bei  der  Prüfung  der  Glaubwürdigkeit 
eines  Zeugen  darauf  gesehen  werde :  'an  locuples  vel  egens 
sit,  ut  lucri  causa  quid  facile  admittat',  Dig.  XXII,  5,  3  pr. 
Es  ist  dieselbe  Erwägung,  aus  welcher  auch  Chindasvind 
den  armen  Zeugen  für  verdächtig  erklärt:  'Nam  videtur 
esse  cavendum,  ne  forte  quisque  conpulsus  inopia  .  .  .  pre- 
cipitanter  periurare  non  metuat'  ^. 

Es  ist  unwahrscheinlich,  dass  Chindasvind  die  Armuth 
als  Verdachtsgrund  selbständig  aufgestellt  haben  sollte. 
Dann  aber  liegt  es  nahe,  anzunehmen,  dass  er  als  Quelle 
eine  verlorene,  auf  dem  römischen  Rechte  ruhende  Anti- 
qua benutzte. 

II,  4,  4.  —  Chindasvind  erkennt  hier  als  Regel  noch 
den  dem  römischen  Rechte  entlehnten  Grundsatz  an,  dass 
Aussagen  von  Knechten  im  Criminalprocess  nur  dann  Ge- 


1)  Auch   bei  Reccessvind   finden  wir  Armuth   als  Verdachtsgrund 
gegen  einen  Zeugen ;  s.  11,  4,  10  [R.  II,  4,  8]. 


102  Karl  Zeumer. 

wicht  haben  sollen,  wenn  sie  auf  der  Folter  abgegeben 
sind,  legt  aber  den  Königskneehten  eine  eigentliche  Zeugnis- 
fähigkeit in  gewissem  Umfange  bei.  Ohne  Weiteres  sollen, 
etwa  unter  denselben  Voraussetzungen  wie  Freie,  diejenigen 
Königsknechte  zeugnisfähig  sein,  welche  eins  der  höheren 
Hausämter  im  Palaste  bekleiden ;  andere  Königsknechte 
sollen  nur  dann  Zeugnis  ablegen  können,  wenn  es  ihnen 
der  König  ausdrücklich  gestattet.  Ausgeschlossen  aber 
sollen  von  der  Zeugnisfähigkeit  alle  diejenigen  Königs- 
knechte sein,  welche  ad  hoc,  um  sie  zeugnisfähig  zu 
machen,  dem  Könige  übereignet  sind.  Das  ist  der  Sinn 
der  Parenthese:  'nisi  qui  ad  hoc  regalibus  servitiis  man- 
cipantur'.  Merkwürdiger  Weise  ist  dieser  einfache  und 
klare  Sinn  schon  von  den  Redactoren  Ervigs  nicht  mehr 
verstanden.  Sie  haben  durch  Tilgung  des  'nisi'  einen  noth- 
dürftigen  Zusammenhang  mit  dem  übrigen  ebenfalls  ver- 
änderten Wortlaut  hergestellt,  dadurch  aber  einen  Text 
geschaffen,  der  eine  wirklich  befriedigende  Interpretation 
nicht  zulässt. 


II,  4,  5.  —  Auch  dieses  Gesetz  Chindasvinds  zeigt 
Beziehungen  zum  römischen  Recht.  Dieses  kannte  als 
vollwerthiges  Zeugnis  nur  die  Aussage  von  testes  prae- 
sentes,  daneben  als  minderwerthiges  das  testimonium  per 
epistulam  oder  t.  quod  recitatur;  vgl.  Dig.  XXII,  5,  3. 
Unser  Gesetz  verbietet  nun  das  testimonium  per  epistu- 
lam gänzlich  und  verlangt  regelmässig  testes  praesentes 
mit  Benutzung  der  technischen  römischen  Ausdrücke  und 
wohl  im  bewussten  Gegensatze  zum  römischen  und  dem 
diesem  wahrscheinlich  bisher  entsprechenden  westgothischen 
Recht.  Die  noch  nach  justinianischem  Recht  von  der 
Zeugnispflicht  befreiten  Kranken  und  Greise  und  ebenso 
sehr  entfernt  wohnende  Personen  sollen  sich  in  der  Ab- 
gabe des  Zeugnisses  vertreten  lassen  können :  'festes  .  .  . 
seu  etate  decrepiti  vel  infirmitate  gravati  aut  in  aliam  et 
longinquam  provinciam  constituti,  de  re,  que  ipsis  est 
cognita,  testimonium  aliquibus  iniungendum  putaverint'. 
Das  Mandat,  welches  einem  solchen  Vertreter  ertheilt  wird, 
muss  den  Wortlaut  der  vom  Zeugen  über  die  Sache  in 
Gegenwart  des  Mandatars  beschworenen  Aussage  in  Form 
der  dafür  abgefassten  conditiones  sacramenti  enthalten. 
Der  Mandatar  soll  dann  im  Gericht  beschwören,  dass  diese 
conditiones  vom  Zeugen  in  seiner  Gegenwart  beschworen 
seien. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  Lex  Vis.  II,  4,  4 — 8.      103 

Das  eig-enthümlich  ausgestaltete  Verfahren  dient  dem- 
selben Zwecke,  wie  das  Reqnisitionsverfahren  Justinians, 
Cod.  lust.  IV,  20,  16  §  1;  21,  18.  Nov.  90,  c.  5. 


II,  4,  6  —  8.  —  Das  erste  dieser  Gesetze  gehört  Chin- 
dasvind  an.  Es  setzt  die  Strafe  für  falsches  Zeugnis  nach 
dem  Talionsprincip  fest.  Soviel  dem  Gegner  durch  das 
falsche  Zeugnis  entzogen  werden  konnte,  soviel  soll  der 
falsche  Zeuge  ihm  leisten  und  die  Zeugnisfähigkeit  ver- 
lieren. Im  Falle  des  Unvermögens  trifft  ihn  Verknechtung 
an  den  Geschädigten.  Den  Anstifter  soll  die  gleiche  Strafe 
treffen.  Die  Ervigiana  weist  nun  hierzu  einen  Zusatz  auf, 
der  zwischen  'serviturus'  und  'Quicumque  autem'  eingescho- 
ben ist  und  lautet :  'Nam  omnino  per  talium  testimonium, 
qui  se  primitus  false  testificasse  prodiderit,  causa  ipsa  re- 
volvi  non  poterit,  excepto  si  aliter  evidentior  ordo  veritatis 
claruerit,  id  est  aut  per  legitimum  alium  et  melioratum 
festem  aut  per  iustos  et  legales  ordines  scripturae'. 

Dieser  Zusatz,  nach  welchem  die  Selbstbezichtignng* 
eines  Zeugen,  früher  falsch  ausgesagt  zu  haben,  zur  Wieder- 
aufnahme eines  Processes  nicht  genügen  soll,  diese  viel- 
mehr nur  erfolgen  darf,  wenn  neue  glaubwürdigere  Zeugen 
oder  Urkunden  beigebracht  werden,  stimmt  in  der  Sache 
überein  mit  dem  wesentlichsten  Theile  des  Inhaltes  des 
folgenden  Gesetzes,  einer  Novelle  Ervigs,  11,4,7  [W.  II,  4,7]. 

Ervig  bestimmt :  wenn  durch  das  Zeugnis  eines  Zeu- 
gen ein  Rechtsstreit  entschieden  ist,  soll  der  Zeuge  nicht 
nachträglich  —  wozu  er  durch  Drohung  oder  Bestechung 
der  unterlegenen  Partei  leicht  gebracht  werden  könne  — 
sein  früheres  Zeugnis  als  falsch  widerrufen  und  ein  neues 
entgegengesetztes  ablegen  dürfen.  Der  Gesetzgeber  bestimmt 
vielmehr,  durch  ein  neues  Gesetz  ('novella  tenendum  sanc- 
tione  praecipimus)  unter  Aufrechterhaltung  des  obigen 
Gesetzes  ('staute  superiore  lege'),  d.  h.  unter  Aufrecht- 
erhaltung der  Strafen,  welche  Chindasvind  in  II,  4,  6  für 
das  falsche  Zeugnis  festgesetzt  hatte,  welche  also  den  sich 
selbst  des  falschen  Zeugnisses  bezichtigenden  treffen  sollen, 
dass  dieser  nicht  zu  einem  zweiten  Zeugnis  zugelassen  und 
der  Process  nur  auf  Grund  des  Angebots  neuer  glaubwür- 
diger Zeugen  und  Urkunden  wieder  aiifgenommen  werden 
dürfe.  Auf  Grund  dieses  Gesetzes  ist  dann  offenbar  jener 
genau  entsprechende  Zusatz  von  den  Redactoren  der  Ervi- 
giana in  Chindasvinds  Gesetz  eingesetzt,  um  die  Beobach- 
tung dieser  Bestimmung  noch  mehr  zu  sichern. 


104  Karl  Zeumer. 

Ervig  fügt  dann  noch  weiter  eine  seltsame  Bestim- 
mung hinzu.  Wenn  in  einem  Rechtsstreit  von  einer  Partei 
Zeugen  produciert  werden  und  die  Gegenpartei  erklärt,  sie 
wisse  gegen  die  Zeugen  nichts  einzuwenden,  so  kann  ein 
vollstreckbares  ürtheil  auf  Grund  der  Aussagen  dieser 
Zeugen  ergehen ;  der  Gegner  soll  aber  noch  innerhalb 
6  Monaten  die  Zeugnisunfähigkeit  jener  gegen  ihn  produ- 
cierten  Zeugen  nachweisen  und  Restitution  ('reparatio  cau- 
sae')  verlangen  können.  Gegen  inzwischen  verstorbene 
Zeugen  sollen  aber  lebende  Zeugen  nicht  vorgebracht  wer- 
den dürfen.  Doch  soll  dadurch  die  Bestimmung  eines 
anderen  Gesetzes  ('iuxta  legem  aliam'),  unter  welchem  Chin- 
dasvinds  V,  6,  6  gemeint  ist,  nicht  berührt  werden,  nach 
welcher  Schulden  und  Delicte  Verstorbener  durch  Zeugen 
und  Urkunden  bewiesen  werden  können. 

Ervigs  Gesetz  hat  dann  wieder  eine  Abänderung  er- 
fahren durch  Egica's  Novelle  Divalis,  II,  4,  8  [W.  Suppl. 
p.  664].  Es  ist  das  einer  der  Fälle,  in  welchen  Egica  gegen 
Bestimmungen  seines  Vorgängers  polemisiert.  Er  hebt  die 
Beschränkung  der  reparatio  causae  auf  die  Frist  von 
6  Monaten  auf  und  bestimmt,  dass  es  bei  dem  älteren  Ge- 
setze Chindasvinds  sein  Bewenden  haben  solle;  'sub  gene- 
rali edicto  Omnibus  regni  nostri  populis  reparabilem  in 
huiusmodi  negotiis  causandi  licentiam  pandimus ;  ut  ex 
tempore,  quo  idem  legis  ordo  est  conditus  .  .  .  causae  .  .  . 
ad  eiusdem  legis  seriem  eodem  capitulo  non  teneantur  ad- 
strictae.  Sed  disrupta  mensium  ipsorum  Institution e  cunctis 
liceat  causas  suas  legitima  testium  probatione  iuxta  ante- 
riorem domini  Chindasvindi  principis  legem  proprium  ne- 
gotium reparare  et  alium  testem  proferre'.  Mit  dem  citier- 
ten  Gesetz  Chindasvinds  kann  nur  II,  4,  6  gemeint  sein 
sollen,  und  zwar  bezieht  sich  Egica  gerade  auf  jenen  von 
Ervig  herrührenden  Zusatz.  Egica  bemerkt  nicht,  dass  er 
sich  thatsächlich  gegen  eine  Bestimmung  Ervigs  auf  Ervig 
selbst  beruft.  Er  konnte,  da  er  sicher  nur  den  Text  der 
Ervigiana  benutzte,  zumal  bei  der  Art  der  Interpolationen 
dieses  Textes,  auch  kaum  wissen,  dass  jener  von  ihm  an- 
gezogene Satz  nicht  von  Chindaswind,  sondern  von  Ervig 
herrühre. 

II,  4,  10.  [R.  II,  4,  8.]  —  Die  älteste  Hs.  der  Ree- 
cessvindiana  schreibt  dieses  Gesetz  Reccessvind  zu,  und  für 
dessen  Urheberschaft  spricht  auch  Fassung  wie  Inhalt. 
Das  Gesetz  handelt  von  den  Fällen,  in  welchen  Unfreie 
in   Ermangelung   freier   Zeugen   gültiges    Zeugnis    ablegen 


Gesch.  d.westgoth.Gesetzgeb.  II. —  Lex  Vis.  II,  4,7.8. 10. 13.     105 

können,  nämlich  1.  bei  Tödtungsklagen,  2.  in  geringeren 
Civilsachen,  u.  a.  auch  bei  Streitigkeiten  um  kleineren 
Grundbesitz  zwischen  Nachbarn  und  Miterben,  3.  in  Bezug 
auf  streitige  oder  flüchtige  Knechte.  Voraussetzung  ist 
Töllige  Unbescholtenheit  und  nicht  zu  grosse  Armuth  und, 
ausdrücklich  nur  für  den  ersten  Fall  genannt,  aber  wohl 
auf  alle  zu  beziehen,  das  Fehlen  freier  Zeugen. 

Chindasvind  hatte  in  II,  4,  4  den  Königsknechten 
Zeugnisfähigkeit  theils  bedingt,  theils  unbedingt  verliehen, 
in  II,  2,  11  dann  allen  Knechten  ein  beschränktes  Klage- 
recht gegeben.  Es  entspricht  dem  Fortschreiten  der  An- 
schauungen von  der  Rechtsfähigkeit  der  Knechte,  dass 
Reccessvind   allen   eine    beschränkte  Zeugnisfähigkeit   gab. 

Dieser  Entwicklung  scheint  nun  zu  widersprechen  die 
Antiqua  V,  7,  12,  welche  lautet:  'Libertus  vel  liberta  in 
nullis  negotiis  contra  quemquam  testimonium  dicere  ad- 
mittantur,  excepto  in  aliquibus  causis,  ubi  ingenuitas 
deesse  dinoscitur,  sicut  permissum  est  et  de  servis'. 
Die  letzten  Worte  in  Verbindung  mit  der  Beschränkung 
auf  einige,  aber  hier  nicht  genannte  besondere  Fälle  kön- 
nen nur  als  ein  Hinweis  auf  ein  anderes  Gesetz  und  zwar 
auf  das  Reccessvinds  aufgefasst  werden.  Dieser  Hinweis 
muss  dann  nachträglich  bei  der  Redaction  des  Gesetz- 
buches unter  Reccessvind  hinzugefügt  sein.  Dass  im  Uebri- 
gen  V,  7,  12  eine  Antiqua  ist  und  zwar  dem  Codex  Euri- 
cianus  bereits  angehört  hat,  ist  unzweifelhaft.  Die  älteste 
Hs.  der  Reccessvindiana  bezeichnet  sie  als  Antiqua,  und 
der  Hauptsatz  stimmt  inhaltlich  ganz  überein  mit  Lex 
Burg.  60,  3 :  'Libertos  etiam,  si  comj^etens  ingenuorum 
numerus  defuerit,  patimur  testimonium  perhibere'.  Bei 
den  Beziehungen,  in  denen  Gundobads  Gesetzgebung  zu 
der  Eurichs  steht,  dürfen  wir  als  sicher  annehmen,  dass 
die  beschränkte  Zeugnisfähigkeit  der  liberti  bereits  in 
Eurichs  Gesetzgebung  anerkannt  war.  Dass  dagegen  da- 
mals bereits  den  Knechten  das  gleiche  Recht  zugestanden 
sein  sollte,  ist  an  sich  und  besonders  im  Hinblick  auf  die 
burgundische  Parallelstelle  unwahrscheinlich  und  wird 
durch  die  späteren  westgothischen  Gesetze  geradezu  aus- 
geschlossen. Es  bleibt  also  nur  unsere  Annahme  möglich, 
dass  die  Erwähnung  der  servi  durch  die  Redactoren  Rec- 
cessvinds  als  Hinweis  auf  II,  4,  10  zugesetzt  ist. 


II,  4,  13.  [R.  II,  4,  11.]  —  Als  Antiqua  emendata  be- 
zeichnet ist  in  beiden  Hss.  der  Reccessvindiana  diese  letzte 
Lex  des  Titels  nach  seinem  ursprünglichen  Bestände.    Ich 


106  Karl  Zeumer. 

muss  den  kurzen  Wortlaut  g-anz  hersetzen  :  'Fratres,  sorores 
uterini,  patrui,  amite,  avunculi,  matertere  sive  eorum  filii, 
item  nepos,  neptis,  consubrini  vel  amitini  in  iudicio  ad- 
versus  extraneos  testimonium  dieere  non  admittantur ;  nisi 
forsitan  parentes  eiusdem  cognationis  inter  se  litem  habue- 
rint'.  Der  Gesetzgeber  zählt  solche  Verwandten  aiif,  die 
als  Zeugen  vermöge  ihrer  Verwandtschaft  für  verdächtig 
gelten.  Die  Aufzählung  beginnt  mit  den  fratres  und 
sorores  uterini  ^,  also  mit  den  Halbgeschwistern  von  einer 
Mutter;  dann  folgen  Vaterbruder  und  -Schwester,  Mutter- 
bruder und  Mutterschwester,  deren  Bruder  u.  s.  w.  Die 
Aufzählung  ist  nicht  vollständig;  es  fehlen  die  nächsten 
Grade :  Eltern,  Kinder,  Vollgeschwister  und  Halbgeschwister 
von  einem  Vater.  Dass  diese  näher  verbundenen  Personen 
als  unverdächtige  Zeugen  für  einander  zugelassen  werden 
sollen,  während  jene  ferneren  ausgeschlossen  waren,  kann 
natürlich  nicht  gemeint  sein.  Die  hier  ausgelassenen  näher 
verbundenen  Verwandten  bilden  eine  Hausgemeinschaft,  die 
Familie  oder  domus,  und  zwar  in  römischer  Begrenzung 
auf  diejenigen  Personen,  welche  unter  der  patria  potestas 
desselben  pater  familias  stehen.  Dazu  gehören  auch  die 
Halbgeschwister  vom  Vater  her  (consanguinei),  nicht  die 
von  einer  Mutter  (uterini),  mit  denen  unsere  Aufzählung 
beginnt.  Es  setzt  also  unser  Gesetz  ein  anderes  voraus, 
welches  der  Hausgemeinschaft  das  Zeugnis  gegen  Fremde 
zu  Gunsten  der  Havisgenossen  versagte.  Ein  solches  findet 
sich  nun  in  der  Lex  Visigothorum  nicht,  wohl  aber  in  der 
Lex  Eomana  und  zwar  in  Pauli  Sent.  V,  17,  1:  'Suspectos 
gratiae  testes  et  eos  vel  maxime,  quos  accusator  de  domo 
produxerit  .  .  .  interrogari  non  placuit' '-.  War  dieser  Satz 
oder  ein  inhaltlich  entsprechender  in  einer  älteren  Form 
des  Westgothenrechtes,  in  dem  Gesetzbuche  Eurichs  oder 
Leovigilds  enthalten?  Diese  Annahme  ist  unvermeidlich; 
denn  einen  für  den  Process  so  wichtigen  Satz  konnte  der 
Gesetzgeber  nicht  stillschweigend  als  bekannt  voraussetzen. 
Es  dürfte  sogar  nicht  unwahrscheinlich  sein,  dass  der  Satz, 
welcher  das  testimonium  domesticum  verbot,  dem  Texte 
von  III,  4,  11  unmittelbar  vorherging  und  erst  von  Leovi- 
gilds oder  Eeccessvinds  Redactoren  fortgelassen  ist. 

Weshalb    dieser  Satz  nicht  mit  aufgenommen  wurde, 
darüber  wage  ich  keine  Vermuthung  aufzustellen.     Sicher 


1)  In  der  Ausgabe  ist  das  Komma  vor  uterini  zu  streichen.  2)  An- 
dere Stellen  römischer  Quellen,  welche  das  testimonium  domesticum  ver- 
bieten oder  erläutern,  s.  Wetzell,  Civ.-Pr.  §  23  n.  9  ff. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  IL  —  Lex  Vis.  II,  4,  13.      107 

aber    ist,    dass   unsere    Antiqua    bereits    dem   Codex   Euri- 
cianus   angehört    hat.     Die   Abgrenzung   des    engeren   von 
dem    weiteren    Verwandtenkreise,    wie     sie    hier    gegeben 
ist,    ist    römisch    und     weicht    von     der    westgothischen, 
was    den    Redactoren    des    Gesetzbuches    leicht    entgehen 
konnte,    ab.      Nach    der    römischen    Begrenzung    gehörten 
zum   Hause   nicht  die   fratres,    sorores   uterini,    wohl    aber 
die  consanguinei,    auch  wenn   sie   von  verschiedenen  Müt- 
tern   stammten.     Nach   westgothischem   Rechte    aber,   wel- 
ches  von  Eurich   bis    auf  Wamba   galt,    gehörten    die  von 
einem  Vater,    aber  aus  verschiedenen  Ehen  erzeugten  con- 
sanguinei   nicht   zu    einem    Hause;    vielmehr   schieden   die 
Kinder    der    früheren    Ehe    bei  Wiederverheirathung    des 
Vaters  aus  der  Hausgemeinschaft  des  Vaters  aus  und  gingen 
in    die    eines  Vormundes    über  ^.      Da    nun    zu    Leovigilds 
Zeiten  die  schriftliche  Ueberlieferung  des  römischen  Rechtes 
nur   auf   Alarichs   Rechtsbuche   und   vielleicht    auf    einem 
und  dem  anderen  Stücke  der  justinianischen  Gesetzgebung 
beruhte,    in   diesen    Quellen  aber   ein  entsprechender  Satz 
nicht    enthalten    ist,    so   müssen   wir   dieses    Gesetz    schon 
Eurich  zuschreiben,   dessen  Redactoren  vielfach    aus  ande- 
ren älteren  Quellen   oder   der  Praxis   ihrer  Zeit  schöpften. 
Jedenfalls    liegt    hier   ein    Zeugnis   für   ursprünglich   römi- 
sches Recht  vor,  welches  in  der  Lehre  von  der  Verdächtig- 
keit   der    Zeugen    eine    Lücke    auszufüllen    geeignet    sein 
dürfte.     Denn    dass    die   fernere  Verwandtschaft    erst   von 
den  Gothen  als  Verdachtsgrund   neben    die  engere  gesetzt 
sein   sollte,    ist,    als    der    germanischen    Anschauung    ganz 
fremd,  nicht  anzunehmen.    Wir  hätten  hier  also  ein  Zeugnis 
dafür,    dass    auch    das   römische   Recht   schon   ausser    den 
testes  de  domo  producti  die   entfernteren  Verwandten   für 
verdächtig    erklärte,    und   zugleich    eine    feste   Grenze    für 
diese  weitere  Verwandtschaft,  welche  man  in  den  Quellen 
sonst  nicht  findet. 

Nicht  ganz  zweifellos  ist  die  Bedeutung  des  Schluss- 
satzes: 'nisi  forsitan  parentes  eiusdem  cognationis  inter  se 
litem  habuerint'.  Man  könnte  diese  Worte  allenfalls  so 
verstehen,  dass  Jemand  in  einem  Rechtsstreit  zwischen 
gleich  nahe  mit  ihm  Verwandten  als  Zeuge  unverdächtig 
sei;  so  dass  also  parentes  eiusdem  cognationis  zu  über- 
setzen wäre :  Verwandte  gleichen  Verwandtschaftsgrades. 

1)  'ad  domum  transeimt  alienum'  Cod.  Eur.  c.  321.  L.  Vis.  Recc.  IV, 
2,  1.3.  Dass  dieses  Gesetz  wirklich  so  und  nicht  anders  zu  interpretieren 
ist,  beweist  Wamba's  Novelle  zu  IV,  2,  13  und  die  auf  ihr  beruhende  Fas- 
sung der  Ervigiana.     Näheres  s.  bei  IV,  2,  13. 


108  Karl  Zeumer. 

Damit  wäre  der  Satz,  dass  nur  gleich  nahe  Verwandt- 
schaft mit  beiden  Parteien  die  Verdächtigkeit  des  Zeugen 
aufheben  könne,  den  erst  ein  Spruch  der  Hallischen 
Juristenfacultät  von  1855  (Seufferts  Archiv  IX,  n.  92, 
S.  134  f.)  gegenüber  der  Praxis  und  Doctrin  des  gemeinen 
Eechtes  zur  Geltung  gebracht  hat,  schon  im  5.  Jh.  aner- 
kannt gewesen. 

Die  richtige  Erklärung  dürfte  jedoch  folgende  sein: 
Wenn  Angehörige  derselben  Sippe  in  der  im  Gesetz  ange- 
gebenen Begrenzung  mit  einander  streiten,  darf  ein  Mit- 
glied dieser  Sippe  als  Zeuge  auftreten.  Die  Zugehörig 
keit  des  Zeugen  zu  derselben  Sippe,  der  beide  Parteien 
angehören,  hebt  die  Verdächtigkeit  des  Zeugen  auf,  auch 
wenn  er  innerhalb  jener  Grenzen  mit  der  einen  Partei  näher 
als  mit  der  anderen  verwandt  ist.  Bei  jener  anderen  Er- 
klärung, die  auch  dem  Wortlaute  weniger  entsprechen 
würde,  wäre  die  Begrenzung  der  Sippe  überflüssig;  es  hätte 
der  Satz  genügt,  dass  der  Zeuge,  welcher  mit  einer  Partei 
verwandt  ist,  mit  der  anderen  nicht,  oder  mit  einer  näher 
verwandt  ist  als  mit  der  anderen,  verdächtig  sei.  Nach 
unserer  Erklärung  ergiebt  das  Gesetz,  wenn  wir  seine  Be- 
stimmungen durch  den  römischen  Satz  über  die  testes  de 
domo  producti  ergänzen,  folgendes :  Gehört  der  Zeuge  dem- 
selben Hause  (bis  zu  den  consanguinei  gerechnet)  an  mit 
der  einen  Partei,  während  die  andere  Partei  nicht  dem- 
selben Hause  angehört,  so  ist  er  verdächtig.  Gehört  er 
mit  beiden  Parteien  derselben  Sippe  an,  so  ist  er  stets 
unverdächtig.  Gehört  er  aber  zur  Sippe  der  einen  Partei, 
so  ist  er  der  anderen  sippefremden  Partei  gegenüber  ver- 
dächtig. 

Als  Ausnahme  fügt  die  Ervigiana  hinzu,  dass  das 
Zeugnis  der  angeführten  Verwandten  gegen  Fremde  bei 
gänzlichem  Mangel  an  andern  freien  Zeugen  gelten  sollte  : 
'aut  (si)  in  causa  de  qua  agitur  aliam  omnino  ingenuitatem 
deesse  constiterit  . 

II,  4,  14.  [R.  Extrav.  1 ;  W.  Suppl.  p.  664(1)].  —  Wir 
haben  es  hier  wahrscheinlich  mit  einer  besonders  überlie- 
ferten Antiqua  zu  thun.  Ist  das  der  Fall,  so  kann  sich 
das  Citat  einer  lex  superior  de  falsariis  nicht  auf  Chin- 
dasvinds  VII,  5,  2,  sondern  nur  auf  ein  älteres,  durch  dieses 
ersetzte  Gesetz  beziehen. 

II,  5,  1.  —  Die  Forderung  der  genauen  Datierung 
für  die  Gültigkeit   von  Schrifturkunden   hat  dieses  Gesetz 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  Lex  Vis.  11,  4,  13 — 5,  3.    109 

Chindasvinds  der  folgenden  Antiqua  entlehnt.  Ausserdem 
enthält  es  die  Forderung  der  Unterschrift  oder  Unterzeich- 
nung. Hierüber,  sowie  über  den  angefügten  grösseren  Zu- 
satz Ervigs  habe  ich  an  anderer  Stelle  eingehend  gehan- 
delt K  

II,  5,  2.  —  Diese  Antiqua,  die  schon  dem  Codex  Euricia- 
nus  angehört  hat,  wie  die  Thatsache  ergiebt,  dass  sie  in  die 
Lex  Baiuvariorum  übergegangen  ist,  fordert  für  die  Gültig- 
keit schriftlicher  Geschäftsurkunden  (pacta  vel  placita) 
deutliche  Angabe  von  Jahr  und  Tag.  Das  entspricht  ganz 
dem  römischen  Brauche,  wie  er  uns  in  den  zahlreichen 
überlieferten  Urkunden  seit  dem  1.  Jh.  entgegentritt,  und 
wie  ihn  die  Gesetze  und  die  Schriften  der  Juristen  voraus- 
setzen. Ein  älteres  Gesetz  aber,  welches  die  Datierung 
ausdrücklich  als  gesetzliches  Erfordernis  hinstellt,  und  wel- 
ches für  unsere  Antiqua  als  Vorbild  hätte  dienen  können, 
giebt  es  nicht  -. 

II,  5,  3.  [W.  II,  5,  3.]  —  Die  Ueberlieferung  lässt  die 
Autorschaft  dieses  mit  'Quarumlibet  scripturarum'  begin- 
nenden Gesetzes  zweifelhaft.  Der  E-eccessvindiana  gehört 
es  nicht  an,  ebenso  wenig  der  Ervigiana;  freilich  findet  es 
sich  in  E  2,  aber  nur  im  Texte,  nicht  in  den  Capitelüber- 
schriften  am  Anfang  des  Titels.  Die  Hss.  E  2,  Cod.  Skokloster., 
Cod.  Toi.  43,  5;  43,  7  haben  gar  keine  Inscriptiou,  Toi. 
43,6  und  Legionensis:  Antiqua;  Cod.  Gorlit.  Chindasvinds 
und  Egicas  Namen  nacheinander,  Vigil.  und  Emilian.  1. 
weisen  das  Gesetz  Egica  zu  durch  die  gleichmässige  Rand- 
notiz: 'Intromissa  lex  in  lib.  II.  tit.  V.  era  II,  Flavii  glo- 
riosi  Egicani  regis'.  Dass  ältere  Gesetze,  die  sich  in  den 
Redactionen  Reccessvinds  und  Ervigs  nicht  finden,  in  Vul- 
gattexten  nachgetragen  sind,  ist  an  sich  möglich;  die  Anti- 
qua, welche  in  den  Legg.  Vis.  ant.  auf  S.  321  gedruckt 
ist,  bietet  dafür  ein  Beispiel.  Es  ist  das  aber  immer  nur 
eine  seltene  Ausnahme,  und  so  möchte  ich  auch  hier  den 
Angaben  folgen,  welche  Egica  als  den  Autor  nennen.  Die 
Lex  bestimmt,  dass,  wer  als  zugezogener  Zeuge  seine  Unter- 
schrift unter  eine  Urkunde  setzt,  ohne  diese  vorher  gelesen 
oder    vorlesen    gehört    zu    haben,    seine    Zeugnisfähigkeit 


1)  S.  oben  S.  23  u.  27  f.  2)  Merkel,   LL.  III,  p.  60,   n.  88   be- 

hauptet ganz  verkehrt,  es.  sei  die  Bestimmung  unseres  Gesetzes,  welche 
durch  Vermittlung  der  Lex  Baiuv.  auch  in  die  Lex  Alam.  gelangt  ist, 
aus  der  Interpretatio  zu  L.  Rom.  Vis.  C.  Th.  I,  1,  1  entlehnt. 


110  Karl  Zeumer. 

verloren  haben  soll.  Diese  Bestimmung'  sieht  nicht  sehr 
alterthümlich  aus.  Bei  den  Römern  kannten  Instruments- 
zeugen bei  Vertragsurkunden  den  Inhalt  und  brachten  das 
meist  auch  in  der  subscriptio  zum  Ausdruck,  während  den 
Testamentszeugen  der  Inhalt  des  schriftlichen  Testaments 
unbekannt  bleiben  konnte.  Da  hier  scripturae  im  Allge- 
meinen genannt  werden,  sind  Testamente  mit  einbegriffen. 
Für  die  westgothischen  Testamente  aber  zur  Zeit  Eurichs 
oder  Leovigilds  bereits  eine  sich  von  dem  römischen  Testa- 
ment so  weit  entfernende  Bestimmung  anzunehmen,  hat 
wenig  für  sich.  Im  7.  Jh.  dagegen,  wo,  wie  die  westgothi- 
sche  Formelsammlung  zeigt,  vom  römischen  Testament 
wenig  mehr  als  der  Name  und  einige  halb  verstandene 
Formeln  übrig  waren  (vgl.  n.  22  u.  ff.),  war  eine  solche 
alle  scripturae  gleichmässig  behandelnde  Vorschrift  wohl 
möglich.  Am  besten  verstehen  lässt  sich  unser  Gesetz  als 
Ergänzung  zu  Chindasvinds  II,  4,  3.  Dem  Zeugen,  welcher 
'aliut  loquitur,  quam  scriptura  continet,  in  qua  subscripsisse 
dinoscitur',  und  der  überführt  wird,  die  abgeleugnete  Unter- 
schrift der  Urkunde  dennoch  geleistet  zu  haben,  wird  die 
letzte  Einrede,  dass  er  den  Inhalt  nicht  gekannt  hätte, 
abgeschnitten. 

II,  5,  4.  [R.  II,  5,  3.]  —  Der  Hauptinhalt  der  kurzen 
Antiqua  ist:  'Filio  vel  heredi  contra  priorum  definitionem 
venire  non  liceat'.  Dieser  Satz  ist  auf  die  Haftung  des 
Erben  für  die  Schulden  des  Erblassers  bezogen  ^ ;  wie  ich 
glaube,  mit  Unrecht.  Es  handelt  sich  um  die  Anfechtung 
der  Echtheit  und  Gültigkeit  von  Urkunden  der  Eltern 
oder  der  Erblasser.  Die  Schuldenhaftung  der  Erben  wird 
erst  später  in  V,  6,  6  und  VII,  2,  19  behandelt.  Unser  Ge- 
setz ist  nicht  mit  diesen,  sondern  mit  II,  5,  17  in  Verbin- 
dung zu  bringen. 

II,  5,  5.  [II,  5,  4].  —  Dieses  Gesetz  Chindasvinds  ist 
offenbar  in  Anlehnung  an  L.  Rom.  Vis.  C.  Th.  II,  9  verfasst. 
Der  Anfang  stimmt  sachlich  fast  ganz  überein  mit  dem 
Text  und  mehr  noch  mit  der  Interpretatio  jener  Consti- 
tution. 

Interpr. :  'Si  quis  .  .  .  adversus  pactionem  vel  defini- 
tionem suam,  quam  nulla  potestate  constrictus  emisit,  sed 
voluntate  propria  fecisse  dignoscitur,  aut  interpellare  iudi- 
ees   .  .  .  praesumserit  .  .  . ,  non  solum  ex   hoc   facto   pro- 


1)  Lewis,  Succession  des  Erben  etc.  S.  71. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  11.  —  Lex  Vis.  II,  5,  3 — 7.      111 

nuncietur  iufamis,  sed  nee  causam  ipsam  agere  j)ermittatur 
et  poenam,  quam  in  pacto  constituit,  cogatur  exsolvere.  .  .  .' 

L.  Vis. :  'Qui  contra  pactum  vel  placitum  iuste  liac 
legitime  conscriptum  venerit,  quod  non  forsitam  persona 
potentior  extorserit,  antequam  causa  dicatur,  penam,  que 
in  pacto  vel  placito  legitime  continetur,  exolvat'. 

Die  Uebereinstimmung  der  Voraussetzung  ist  deut- 
lich. Das  'nee  causam  ipsam  agere  permittatur'  ist  wieder- 
gegeben durch  'antequam  causa  dicatur'.  In  Bezug  auf  die 
Folgen  der  That  unterscheidet  sich  die  westgothisehe  Lex 
von   ihrem  Vorbilde   nur   durch   den  Fortfall  der  Infamie. 


II,  5,  6.  [ß.  II,  5,  5.]  —  In  diesem  Gesetze  bestimmt 
ßeccessvind  ausdrücklich,  dass  Knechte  nicht  fähig  seien, 
ohne  Auftrag  der  Herren  rechtsgültige  Verträge  schriftlich 
oder  vor  Zeugen  abzuschliessen.  Dadurch  wird  das  von 
Chindasvind  V,  4,  13  anerkannte  Eecht  der  Knechte,  Fahr- 
habe aus  ihrem  Peculium  zu  verkaufen,  wohl  kaum  be- 
rührt, zumal  beim  Verkauf  von  Fahrhabe  Vertragsschluss 
durch  Urkunde  oder  vor  Zeugen  nicht  noth wendig  war. 


II,  5,  7.  [R.  II,  5,  6].  —  Chindasvind  giebt  hier  den 
dem  römischen  Rechte  entlehnten  Satz  von  der  Ungültig- 
keit von  Verträgen  mit  ungesetzlichen  oder  unsittlichen 
Zwecken  wieder.  Wenn  es  da  heisst:  'de  turpibus  et  in- 
licitis  rebus  .  .  .  sicut  nulluni  pactum  aut  mandatum  vel 
placitum,  ita  nee  damnum  ^  ex  omnibus  seu  quamcumque 
definitionem  deeernimus  posse  valere',  so  besagt  das:  wie 
unerlaubte  und  unsittliche  Verträge  selbst,  sollen  auch  die 
darin  festgesetzten  Bussen  und  Nebenbestimmungen  un- 
gültig sein.  Das  dürfte  die  Erweiterung  eines  älteren  Ge- 
setzes sein,  welches  nur  die  Ungültigkeit  der  Verträge 
selbst  aussprach.  Hätte  Chindasvind  das  Gesetz  ganz  von 
Grund  aus  neu  abgefasst,  so  würde  sich  der  Wortlaut 
sicher  an  den  in  die  Lex  Romana  aufgenommenen  Satz 
des  Paulus,  Sent.  I,  1.  2:  'Neque  contra  leges,  neque  contra 
bonos  mores  pacisei  possumus',  angelehnt  haben.  Mehr  als 
an  diese  Stelle  klingt  der  Wortlaut  des  Gesetzes  an  ver- 
schiedene andere  nicht  in  die  Lex  Romana  aufgenommene 
an :  Dig.  II,  14,  27  §  4 :  'Pacta,  quae  turpem  causam  conti- 
nent,  non  sunt  observanda' ;  cf.  Dig.  XLV,  1,  26.  XVII,  1,  6, 


1)  damnum  =   mulcta,   poena   s.    Index   rer.    et   verb.    der   Hand- 
ausgabe. 


112  Karl  Zemner. 

§  3 :  'Rei  turpis  nullum  mandatum  est' ;  cf.  eod.  22  §  6. 
Das  spricht  dafür,  dass  hier  nur  eine  von  Chindasvind  er- 
weiterte Antiqua  Euriehs  vorliegt. 


II,  5,  8.  [E.  II,  5,  7.]  —  Reccessvind  verbietet  durch 
dieses  Gesetz,  dass  Jemand  für  eine  Leistung  sein  ge- 
sammtes  Gut  und  seine  Person  verpfänden  dürfe.  Als 
Strafe  für  Verletzung  des  Vertrages  dürfe  nur  die  Verdop- 
pelung oder  Verdreifachung  der  zu  zahlenden  Summe  fest- 
gesetzt werden.  Kohler,  Shakespeare  vor  dem  Forum  der 
Jurisprudenz  S.  21  und  S.  55  meint,  dass  durch  dieses 
Gesetz  die  vertragsmässige  Schuldknechtschaft  aufgehoben 
sei;  doch  mit  Unrecht.  Es  wurde  nur  verboten,  sich  zur 
Hingabe  des  ganzen  Vermögens  und  der  Freiheit  zu  ver- 
pflichten, für  den  Fall  der  Nichterfüllung  eines  Vertrages. 
Das  zeigt  deutlich  der  Wortlaut.  Die  Habgier  schlechter 
Menschen  verstricke  viele  in  der  Weise :  'ut  cum  pro  re 
qualibet  adimplenda  sit  pactio,  res  eorum  simul  obligent 
et  personas.  Sed  quotiens  undelibet  placitus  conscribitur 
non  amplius  in  transgressoris  pena,  quam  duplatio  reddende 
rei  vel  triplatio  nummorum  satisf actione  taxetur'.  Also 
statt  der  obligatio  rerum  et  personae  soll  in  pena  trans- 
gressoris nur  duplatio  oder  triplatio  gestattet  sein.  Es 
hatte  also  die  verbotene  obligatio  rerum  et  personae  den 
Charakter  eines  Strafgedinges.  Die  Obnoxiatio  durch  Ver- 
trag war  damit  nicht  getroffen.  Eine  solche  Selbstverknech- 
tung war  regelmässig  das  letzte  Hülfsmittel  in  Verschul- 
dung. Wer  wegen  Mittellosigkeit  eine  Schuld,  namentlich 
eine  Busssumme  nicht  zahlen,  sich  von  der  Todesstrafe 
nicht  lösen  konnte,  verkaufte  sich  gegen  die  Busse  oder 
Lösungssumme.  Was  hätte  es  für  einen  Sinn  gehabt,  zu 
befehlen,  dass  in  solchem  Falle  an  Stelle  der  Hingabe  der 
Person  die  doppelte  oder  dreifache  Zahlung  treten  solle? 
Unser  Gesetz  hebt  also  nicht  die  vertragsmässige  Schuld- 
knechtschaft auf,  sondern  nur  das  Versprechen  der  Schuld- 
knechtschaft nebst  Hingabe  des  ganzen  Vermögens  im  Falle 
der  Nichterfüllung  eines  Vertrages:  'quia  iniustum  penitus 
adprobamus,  ut  unius  causa  debiti  rerum  fiat  omnium  per- 
ditio  vel  persone'. 

Mit  dem  Verbot  und  der  Ungültigkeitserklärung 
schriftlicher  Verträge  mit  solchen  Abmachungen  dürfte 
Reccessvind  nur  einem  vorübergehenden  Missbrauch  ge- 
steuert haben.  Wir  haben  weder  in  den  westgothischen 
Formeln  noch  in  den  fränkischen  Formeln  und  Urkunden 
ein  Beispiel  dafür,  dass  dauernde  Schuldknechtschaft,  Ver- 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  Lex  Vis.  II,  5,  8.  9.      113 

lust  der  Freiheit  für  den  Fall  der  Nichtleistung  festgesetzt 
wäre.  Die  Freiheit  wird  meist  sofort  aufgegeben  gegen 
Zahlung  oder  Erlass  einer  Schuld,  wie  Form.  Andec.  2.  3. 
19.  25;  Arv.  5;  Marc.  II,  28;  Tur.  10;  Sen.  4;  Visig.  32; 
Bign.  14.  27  (=  Pith.  75);  Chartes  de  Cluny  I,  30  p.  35. 
Allerdings  kennt  das  fränkische  Recht  auch  die  Verpfän- 
dung der  Freiheit  oder  eines  Theiles  der  Freiheit  für  Er- 
stattung einer  Schuld.  Die  Freiheit  wird  dabei  aber  nur 
vorübergehend  aufgegeben  bis  zur  Zahlung  der  Schuld. 
Nicht  die  Freiheit  verfällt,  wenn  der  Schuldner  nach  Ab- 
lauf der  Frist  nicht  zahlt  oder  sich  der  Pfandknechtschaft 
entzieht,  sondern  die  Verdoppelung  der  Schuld  tritt  ein ; 
Form.  And.  38;  Sen.  3.  Die  der  römischen  stipulatio  dupli 
nachgebildete  Verdoppelung  im  Falle  des  Verzuges  war 
nicht  nur  in  fränkischen  Verträgen  üblich  (Form.  And.  60 ; 
Marc.  II,  25),  sondern  findet  sich  auch  in  der  westgothi- 
schen  Formelsammlung  in  n.  38.  Eeccessvinds  positive 
Bestimmung  bestätigte  im  Wesentlichen  wohl  den  älteren 
billigen  Brauch. 

II,  5,  9.  [II,  5,  8.]  —  Diese  Antiqua  enthält  den  dem 
römischen  Rechte  nachgebildeten  Satz,  dass  durch  Gewalt 
und  Furcht  erzwungene  Verträge  ungültig  sein  sollen.  Sie 
ist  im  Wesentlichen  wohl  der  ältesten  Gesetzgebung  ent- 
lehnt; denn  die  Fragmente  des  Codex  Eurici  enthalten  zwei 
specielle  Vorschriften  über  Kauf  und  Schenkung,  welche 
aus  diesem  allgemeinen  Satze  abgeleitet  sind;  c.  286:  'Ven- 
ditio  si  fuerit  violenter  extorta,  id  est  per  metu  mortis  aut 
per  custodiam,  nulla  valeat  ratione' ;  c.  309 :  'Donatio,  que 
per  vim  et  metum  probatur  extorta,  nullam  habeat  firmi- 
tatem'.  Erstere  Bestimmung  ist  fast  wörtlich  in  die  Lex 
Baiuvariorum  16,  2  übergegangen,  und  in  etwas  verkürzter 
Fassung  in  die  Antiqua  V,  4,  3 ;  letztere  findet  sich  mit 
einer  geringfügigen  Variante  in  der  Antiqua  V,  2,  .1  wieder. 
Wie  Eur.  c.  286  dürfte  auch  unser  Gesetz  bei  der  Redac- 
tion  der  Reccessvindiana  etwas  verändert  sein.  'Pactum 
quod  per  vim  extorserit  persona  potentior'  lautet  jetzt  der 
Eingang.  Dabei  fällt  auf,  dass  neben  vis  nicht  auch  metus 
genannt  wird,  während  es  in  der  Ueberschrift  heisst :  'scrip- 
tura  vel  definitio,  que  per  vim  et  metum  extorta  fuerit'. 
Vermuthlich  ist  der  vollständige  technische  Ausdruck  vom 
Verfasser  der  Ueberschrift  dem  Texte  entlehnt,  dann  aber 
im  Texte  selbst,  wo  die  Sache  deutlich  genug  auch  ohne 
das  technische  Wort  ausgedrückt  war,  als  überflüssig  fort- 
gelassen. 

Neues  Arohiv  etc.    XXIV.  3 


114  Karl  Zeumer. 

Die  Fälle  der  Furcht  und  Gewalt,  welche  die  Verträge 
ungültig  machen,  sind  im  gothischen  Rechte  im  Ganzen 
gleich  begrenzt  wie  im  römischen.  Von  den  beiden  Stellen 
des  Codex  Euricianus  giebt  nur  c.  286  eine  Erläuterung  von 
metus  und  vis:  'i.  e.  per  metum  mortis  aut  per  custodiam'. 
Ausführlicher  ist  unsere  Antiqua:  'i.  e.  si  ille,  qui  pacisci- 
tur,  aut  in  custodia  mittitur  aut  sub  gladio  mortem  forte 
timuerit  aut  ne  penas  quascumque  vel  ignominia  patiatur  vel 
certe  si  aliquam  iniuriam  passus  fuerit,  .  .  .  pactio  .  .  . 
nullam  habeat  firmitatem'.  Beide  Quellen  stimmen  in  der 
Hervorhebung  der  durch  Bedrohung  mit  dem  Tode  erreg- 
ten Furcht  und  der  Gefangenschaft  überein. 

Die  Furcht  wegen  Bedrohung  mit  dem  Tode  bildet 
auch  im  römischen  Rechte  den  Hauptfall  des  metus  iustus ; 
Cod.  lust.  II,  19  (20),  4;  IV,  44,  8;  Dig.  IV,  2,  3,  §  1 ;  7  §  1. 
Als  Zwang,  welcher  das  Geschäft  nichtig  macht,  wird  auch 
in  den  römischen  Quellen  vor  allem  Freiheitsberaubung  ge- 
nannt; Paul.  Sent.  I,  7,  8— 10;  Dig.  IV,  2,  22;  XL VIII,  6,  5. 
Was  die  Antiqua  als  Furcht  vor  penae  bezeichnet,  deckt 
sich  mit  der  Furcht  wegen  einer  Reihe  von  Bedrohungen, 
die  Cod.  lust.  II,  4,  13.  II,  19,  4;  IV,  44,  8  und  Dig.  IV, 
2,  3.  7  einzeln  aufgeführt  werden,  Bedrohung  mit  salutis 
periculum,  cruciatus  corporis,  verbera,  vincula.  Der  im 
westgothischen  Gesetze  erwähnten  Furcht  vor  ignominia  ent- 
spricht in  den  römischen  Quellen  die  Furcht  vor  stuprum, 
Dig.  IV,  2,  7  §  1,  Knechtschaft  und  ähnlichem  (servitutis 
timor  similiumque)  Dig.  IV,  2,  4.  Unter  ignominia  dürfte 
bei  den  Westgothen  wohl  auch  die  infamia  mit  inbegriffen 
sein ;  während  bei  den  Römern  freilich  timor  infamiae 
nicht  als  iustus  metus  galt,  Dig.  IV,  2,  7  pr.  Entschieden 
über  das  römische  Recht  geht  das  westgothische  aber  hin- 
aus, indem  es  jede  Zufügung  einer  iniuria  als  Anwendung 
von  Gewalt  im  Sinne  dieses  Gesetzes  ansieht  ^. 


II,  5,  10.  [R.  Extrav.  2;  W.  II,  5,  10.]  —  Nach  der 
Ueberlieferung  ist  dieses  Gesetz  wahrscheinlich  von  Rec- 
cessvind,  dann  aber  wohl  erst  nach  Fertigstellung  der  Re- 
daction  des  Gesetzbuches,  erlassen.  Testamente,  Schen- 
kungen, Dotalverschreibungen  und  andere  Urkunden,  welche 


1)  Als  Bedeutung  des  Wortes  iniuria  ergiebt  sich  durch  Ver- 
gleichung  der  grossen  Mehrzahl  der  im  Iudex  rer.  et  verb.  der  Hand- 
ausgabe angefiUirteu  Stellen  die  thätliche  Beleidigung  durch  Schläge, 
Tritte,  Raufen,  Wegelage  und  ähnliches.  Nur  vereinzelt  kommt  das  Wort 
für   andere    ni  '  --      -  ■     --  .  .  „     . 

letzungen  vor. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  11.  —  Lex  Vis.  II,  5,  9.  10.  11.     115 

das  gesetzlich  erlaubte  Maass  überschreiten,  d.  h.  grössere 
Vergabungen  enthalten,  als  das  Gesetz  gestattet,  sollen  nicht 
gänzlich  ungültig  sein,  sondern  nur  insoweit,  als  sie  jenes 
Maass  überschreiten.  Dieses  Gesetz,  welches  mehrfach 
redactionelle  Ueberarbeitung  erfahren  hat,  steht  eigentlich 
nicht  an  der  richtigen  Stelle.  Beschränkungen  in  Bezug 
auf  die  Quantität  von  Zuwendungen  finden  sich  in  dem 
Vorhergehenden  nicht.  Es  setzt  diese  Novelle  mindestens 
die  Bestimmungen  von  III,  1,  5  und  IV,  5,  1.  2  voraus. 
Hierher  ist  sie  wohl  von  den  Handschriftencompilatoren 
nur  gesetzt,  weil  sie  eine  Norm  über  die  Gültigkeit  von 
Schrifturkunden  und  letztwilligen  Verfügungen  enthielt. 


II,  5,  11.  [R.  II,  5,  9.]  —  Anscheinend  eine  Mischung 
römischen  und  germanischen  Rechts  enthält  dieses  Gesetz 
Eeccessvinds.  Die  volle  Handlungsfähigkeit  lässt  das  West- 
gothenrecht  wie  das  römische  mit  dem  vollendeten  14.  Lebens- 
jahre eintreten;  vgl,  II,  4,  12,  IV,  3,  1.  4;  freilich  unter- 
schiedslos für  beide  Geschlechter,  während  das  römische 
Recht  von  den  Mädchen  nur  die  Vollendung  des  12.  Jahres 
fordert.  Das  vollendete  14.  Jahr  wird,  ganz  wie  in  Dig. 
XXVIII,  1,  5  für  die  Testamentserrichtung,  so  auch  hier 
für  das  testare  de  rebus  suis,  sowie  für  andere  in  Schrift- 
form oder  vor  Zeugen  abzuschliessende  Geschäfte  gefordert. 
Denn  dass  auch  die  undeutliche  Wendung  'infra  quartum 
decimum  annum'  im  Anfange  unseres  Gesetzes  vou  der 
Zeit  vor  dem  vollendeten  14.  Jahre  zu  verstehen  ist,  geht 
hervor  aus  der  späteren  Wiederholung,  wo  ausdrücklich 
steht :  'venientes  usque  ad  plenum  ^  quartum  decimum 
annum  in  omnibus  iudicandi  de  rebus  suis  habeant  li- 
centiam'. 

Abweichend  vom  römischen  Rechte  wird  aber  den 
minores  schon  vom  vollendeten  (wie  wir  nach  der  Analogie 
annehmen)  zehnten  Jahre  an  ausnahmsweise  in  schwerer 
gefährlicher  Krankheit  das  Recht  letztwilliger  Verfügungen 
eingeräumt.  Ein  Anknüpfungspunkt  im  römischen  Recht 
findet  sich  hierfür  nicht.  Vielleicht  dürfen  wir  mit  Kraut, 
Vormundschaft  I,  S.  113,  hierin  sowie  in  der  Bestimmung 
der  Antiqua  IV,  4,  3,  wonach  Alimentationsgelder  für  aus- 
gethane  Kinder  nur  bis  zum  10.  Lebensjahre  gefordert 
werden  können,  Ueberbleibsel  eines  älteren  gothischen 
Mündigkeittermins  von  10  Jahren  sehen,  wie  er  sich  später 


1)  Das  Wort  fehlt  freilich  in  R.  1,   findet   sich    aber   nicht   nur  in 
R.  2,  sondern  auch  in  den  späteren  Formen. 


116  Karl  Zeumer. 

bei  den  Ang-elsachsen  und  mit  der  Zusatzfvist  von  Jahr 
und  Tag  bei  den  Ditmarschen  findet.  Den  Sehluss  des 
Gesetzes  bildet  die  Bestimmung,  dass  Geisteskranke  über  ihr 
Vermögen  nur  während  der  intervalla  temporum  vel  (h)o- 
rarum,  wo  sie  ihre  Gesundheit  wieder  erlangt  zu  haben 
scheinen,  verfügen  können.  Die  Fassung  dieser  dem  römi- 
schen Rechte  entlehnten  Bestimmung  über  die  lucida  inter- 
valla würde  die  Annahme  zulassen,  dass  ßeccessvind  aus 
Justinians  Constitution  Cod.  VI,  22,  9  geschöpft  habe. 


II,  5,  12.  [R.  II,  5,  10.]  —  Reccessvind  handelt  hier 
von  dem  mündlichen  Testamente.  Nur  einleitungsweise 
wird  des  schriftlichen  Testaments  gedacht.  Die  Voluntas 
tantummodo  verbis  coram  probationem  promulgata'  soll 
durch  die  Zeugen  innerhalb  6  Monaten  vor  dem  Richter 
eidlich  festgestellt  werden.  Die  den  Inhalt  der  voluntas 
enthaltenden  von  den  Zeugen  beschworenen  conditiones 
werden  vom  Richter  und  den  Zeugen  unterschrieben,  die 
Zeugen  haben  ebenfalls  innerhalb  6  Monaten  bei  Strafe  der 
Fälschung  den  Erben  zu  benachrichtigen  und  erhalten  als 
Entschädiguug  für  ihre  Mühe  den  SOsten  Theil  des  im 
Nachlass  vorhandenen  haaren  Geldes  —  nicht  auch  des  in 
Urkunden  ( Werthpapieren)  und  Büchern  vorhandenen  Activ- 
vermögens,  welches  den  Erben  unverkürzt  bleibt  ^. 

Die  Bestimmungen  knüpfen  im  Allgemeinen  an  römi- 
sche Einrichtungen  an,  sind  aber  im  Einzelnen  durchaus 
selbständig  ausgebildet.  Die  Pflicht,  den  Inhalt  des  Testa- 
ments eidlich  anzugeben,  wird  ausdrücklich  von  Justinian  den 
Zeugen  des  sog.  'testamentum  ruri  conditum'  auferlegt;  Cod. 
VI,  23,  31  §  4  :  'ipsi  testes  cognoscant  testatoris  voluntatem  et 
maxime,  quem  vel  quos  heredes  sibi  relinquere  voluerit,  et 
hoc  post  mortem  testatoris  iurati  deponant'.  Auch  noch 
in  einem  andern  Falle  wird  der  eidlichen  Deposition  des 
mündlich  den  Zeugen  kund  gegebenen  Willens  gedacht: 
tit.  cit.  1.  21,  §  5a:  'in  qua  voluntate  quinque  testium  iura- 


1)  So  verstehe  ich  die  Stelle :  'testes  ex  defuncti  bonis  trecensime 
pretium  portionis  prosequantur  in  solidis  tantummodo  nummis,  cartarum 
strumentis  et  librorum  voluminibus  sequestratis,  que  pertinebunt  ad  heredes'. 
Unrichtig  sagt  Dahn,  Westg.  Studien  S.  69 :  'Auf  die  Wichtigkeit  und 
Zahl  der  Urkunden  weist  auch  die  Bestimmung,  wonach  sie  (mit  Büchern 
und  Geld)  von  dem  übrigen  Nachlass  ausgeschieden  und  ohne  Abzug  der 
Zeugengebühr  den  Erben  geliefert  werden'.  Letzteres  betrifft  nur  die 
Urkunden  und  Bücher,  während  vom  Geld  grade  die  Gebühr  bezahlt 
wird.  Dass  hier  nicht  Bücher  überhaupt,  sondern  Rechnungsbücher  zu. 
verstehen  sind,  scheint  unzweifelhaft. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  II.  —  Lex  Vis.  II,  5, 11. 12. 13.     117 

torum  depositiones  sufficient' ;  und  eine  solche  eidliche 
Zeugenaussage  ist  als  selbstverständlich  stets  vorauszusetzen, 
wenn  ein  mündliches  Testament  gemacht  ist.  Die  FrivSt 
von  6  Monaten  (nach  dem  Tode  des  Erblassers)  ist  dem 
Gesetz  Chindasvinds,  II,  5,  12,  entlehnt,  welches  diese  Frist 
für  die  Publication  des  schriftlichen  Testaments  festsetzt. 
Auch  die  Zeug'engebühr,  die  Verpflichtung  der  Zeugen  zur 
Anzeige  an  die  Erben  sind  westgothische  Zuthaten.  Die 
Strafe  der  Fälschung,  welche  den  Zeugen  angedroht  wird, 
wenn  sie  die  Verlautbarung  innerhalb  der  vorgeschriebenen 
Frist  versäumen,  ist  nach  Analogie  der  römischen  Lex 
Cornelia  de  falsis,  welche  die  Unterschlagung  eines  schrift- 
lichen Testaments  mit  der  poena  falsi  belegte  (Cod.  lust. 
IX,  22,  14;   Dig.  XLIX,  10,  2)  hinzugefügt. 

Unser  Gesetz  ist  dann  von  Ervig  stark  erweitert  und 
verändert.  Namentlich  die  Bestimmungen  über  die  schrift- 
lichen Testamente  sind  vervollständigt,  so  dass  das  ganze 
Gesetz  seinen  Charakter  verändert  hat.  Ueber  die  merk- 
würdigen Bestimmungen,  welche  die  Unterfertigung  der 
Testamente  behandeln,  habe  ich  an  anderer  Stelle  ein- 
gehend gehandelt;  s.  oben  S.  26.  Hier  ist  nur  noch  her- 
vorzuheben, dass  Ervig  die  Zeugen  von  der  Strafe  wegen 
Versäumnis  der  sechswöchigen  Frist  freispricht,  wenn  sie 
durch  Betrug  oder  Täuschung  anderer  oder  durch  könig- 
lichen Befehl  an  der  Erfüllung  verhindert  sind. 


II,  5,  13.  [R.  II,  5,  13.]  —  Im  Eingange  dieses  von 
Chindasvind  herrührenden  Gesetzes  heisst  es :  'In  itinere 
pergens  aut  in  expeditione  publica,  si  ingenuos  secum  non 
habeat,  volumtatem  suam  propria  manu  conscribat'.  Hier 
ist  Anlehnung  an  Valentinians  III.  Novelle  20  (als  n.  4 
in  die  Lex  Romana  Alarichs  aufgenommen)  §  2  erkennbar, 
wo  für  Nothfälle,  in  denen  Freie,  die  als  Zeugen  fungieren 
könnten,  nicht  vorhanden  sind,  das  zeugenlose  hologra- 
phische Testament  zugelassen  wird :  'Aliis  festes  itinerum 
necessitas,  aliis  solitudo  villarum,  aliis  navigatio  servis  tan- 
tum  comitibus  expetita  subducit.  .  .  .  intestatus  nemo  mo- 
rietur,  cui  fuerit  sollicitudo  testandi,  late  viam  supremis 
aperimus  arbitriis:  si  holographa  manu  testamenta  condan- 
tur,  festes  necessarios  non  putamus'.  Unser  Gesetzgeber 
geht  dann  aber  über  sein  Vorbild  hinaus,  indem  er  dem 
in  solcher  Lage  befindlichen  Testator,  der  nicht  schreiben 
kann,  gestattet,  seinen  letzten  Willen  vor  anwesenden  Un- 
freien zu  erklären.  Diese  sollen  später  vom  Bischof  und 
Richter  geprüft  werden  und,  wenn  sie  glaubwürdig  befun- 


118  Karl  Zeumer. 

den  sind,  soll  ihre  eidlich  bekräftigte  Aussage  durch  den 
Bischof  und  Richter  unterschrieben  und  dann  noch  vom 
Könige  bestätigt  werden.  —  Die  Bestimmungen  über  das 
in  der  Vorlage  behandelte  holographische  Testament  fügte 
erst  ßeccessvind  in  II,  5,  16  hinzu. 


II,  5,  14.  [R.  II,  5,  12.]  —  Chindasvind  fordert  in  die- 
sem Gesetze  die  Publication  des  schriftlichen  Testaments 
innerhalb  6  Wochen  vor  Priester  (Bischof)  und  Zeugen. 
Für  die  Unterdrückung  einer  solchen  scripta  voluntas  wird 
nicht  die  poena  falsi  des  römischen  Rechts  angedroht 
(s.  oben  zu  II,  5,  12),  sondern  Ersatz  an  die  dadurch  Ge- 
schädigten aus  dem  Vermögen  des  Schuldigen. 


II,  5,  15—17.  [R.  II,  5,  13—15.]  —  Ueber  den  Inhalt 
und  die  Quellen  dieser  Gesetze,  von  denen  das  erste  von 
Chindasvind,  die  beiden  anderen  von  Reccessvind  erlassen 
sind,  habe  ich  eingehend  in  dem  Aufsatze  über  die  Schrift- 
vergleichung gehandelt;  s.  oben  S.  30  ff. 


Mit  diesen  Capiteln  schliesst  ursprünglich  der  Titel 
und  damit  das  II.  Buch  überhaupt.  Vulgathss.  und  ältere 
Ausgaben  lassen  aber  noch  zwei  Novellen  Egicas  als  II,  5, 18 
und  19  folgen. 

II,  5,  18.  [W.  II,  5,  18.]  —  Egica  trifft  Bestimmungen, 
welche  den  Beweis  durch  Urkunden  gegen  Anfechtung 
durch  die  Aussteller  sichern  sollen. 

Während  diese  Novelle  dem  Inhalte  nach  sehr  gut 
an  diese  Stelle  passt,  gehört  die  folgende  II,  5,  19  [W.  II, 
5,  19]  in  einen  ganz  andern  Zusammenhang.  S.  oben  S.  69 
und  N.  A.  XXIII,  S.  507. 


Nachträge  und  Berichtigiiiigen  zum  allgemeineu  Theil. 

(N.  A.  XXIII,  S.  419  ff.) 

Zu  S.  468.  Die  Ueberschrift :  Uebersicht  u.  s.  w.  hätte 
der  auf  S.  421  stehenden  zweiten  Ueberschrift  entspre- 
chend gedruckt  und  mit  arabischer  2.  bezeichnet  werden 
sollen,  da  es  sich,  ebenso  wie  dort,  um  eine  Unterabthei- 
lung des  allgemeinen  Theils  handelt. 

Zu  S.  468  ff.  Ich  hole,  einer  freundlichen  Anregung 
Fittings   folgend,    ein  Versäumnis  nach,    indem   ich   meine 


Nachträge  und  Berichtigungen  zum  allgemeinen  Theil.     119 

Meinung  über  Beziehungen  des  Narbonenser  Gelehrten  Leo 
zu  Eurichs  Gesetzgebung,  welche  manche  Historiker  ange- 
nommen haben,  äussere. 

Leo  war  ein  Freund  des  Apollinaris  Sidonius,  der 
Briefe  und  Verse  an  ihn  richtet  und  mehrfach  über  ihn 
berichtet.  Er  rühmt  ihn  als  einen  Historiker,  vor  dem 
Tacitus,  wenn  er  in  das  Leben  zurückkehrte,  wirklich  'tacitus' 
werden  (Epist.  IV,  22),  als  einen  Dichter,  der  Horaz  ver- 
stummen machen  würde,  und  den  er  dem  Pindar  vergleicht, 
als  einen  Juristen,  vor  dem  sich  Appius  Claudius  verkrochen 
haben  würde,  hätte  er  ihn  die  12  Tafeln  erklären  hören 
(Carm.  XXIII,  v.  446  fE.).  Dieser  vielseitige  Mann  war  nun 
unzweifelhaft  Eurichs  Rathgeber. 

In  dem  eben  citierten  Briefe,  der  an  ihn  nach  Tolosa, 
der  Residenz  Eurichs,  gerichtet  ist  (IV,  22),  redet  ihn  Sido- 
nius folgendermaassen  an :  'cotidie  namque  per  potentissimi 
consilia  regis  totius  sollicitus  orbis  pariter  negotia  et  iura, 
foedera  et  bella,  loca  spatia  merita  cognoscis'  (Auct.  ant. 
VIII,  p.  73).  Damit  stimmt  überein,  was  Ennodius  über 
ihn  in  der  Vita  Epiphanii  c.  85  schreibt :  'Erat  ea  tem- 
pestate  consiliorum  principis  (Eurici)  et  moderator  et  arbi- 
ter  Leo  nomine'  (Auct  ant.  VII,  p.  94).  Danach  wäre  er 
sogar  der  erste  und  ausschlaggebende  im  Rathe  des  Königs 
gewesen,  der  Lenker  seiner  Entschlüsse.  Nach  Gregor  von 
Tours,  Glor.  mart.  c.  91  ('contulit  haec  cum  Leone  consi- 
liario  rex  Alaricus',  SS.  rer.  Mer.  I,  p.  549),  war  er  auch 
noch  bei  Alarich  IL  in  gleicher  Stellung.  Sidonius  berichtet 
von  ihm,  dass  er  die  Erlasse  Eurichs  in  dessen  Namen  ver- 
fasse: 'declamationes,  quas  oris  regii  vice  conficis,  quibus 
ipse  rex  inclitus  modo  corda  terrificat  gentium  transmari- 
narum,  modo  de  superiore  cum  barbaris  .  .  .  foedus  victor 
innodat,  modo  per  promotae  limitem  sortis,  ut  populos  sub 
armis,  sie  frenat  arma  sub  legibus'.  Auch  Ennodius  preist  an 
der  citierten  Stelle  seine  declamationes.  Leo  nahm  offenbar 
bei  Eurich  eine  ähnliche  Stellung  ein,  wie  später  Cassiodor 
bei  Theoderich  dem  Grossen.  Sollte  nun  dieser  mächtige 
Minister  nicht  einen  Theil  an  der  Gesetzgebung  Eurichs 
genommen  haben?  Ist  sie  etwa  von  ihm  veranlasst  oder 
unter  seiner  Leitung  oder  Beihülfe  entstanden? 

Das  hat  man  früher  vermuthet  oder  angenommen. 
Lembke,  Geschichte  von  Spanien  I,  S.  45,  sagt  noch  vor- 
sichtig von  Eurichs  Gesetzgebung,  die  er  nur  aus  Isidors 
kurzem  Bericht  kennt:  'Bei  diesem  Unternehmen  benutzte 
er  wahrscheinlich  den  Rath  des  weisen  Leo'.  Weber,  Allgem. 
Weltgeschichte  2.  Aufl.  IV,    S.  681  behauptet  dann  schon 


120  Karl  Zeiimer. 

bestimmt:  'Eurich  veranstaltete  die  erste  schriftliche  Auf- 
zeichnung der  westgothischen  Gesetze  .  .  . ,  wobei  er  sich 
der  Dienste  des  .  .  .  Rechtsgelehrten  Leo  aus  Narbo  be- 
diente'. Die  Bestimmtheit  wächst  mit  der  Entfernung  von 
den  Quellen! 

Wir  sind  über  die  Aemter  -  Organisation  am  Hofe  zu 
Tolosa  nicht  genügend  unterrichtet,  um  beurtheilen  zu 
können,  ob  Leo  als  einflussreichster  Rathgeber  des  Königs 
und  —  was  aus  dem  Inhalt  der  declamationes,  wie  ihn 
Sidonius  charakterisiert,  hervorzugehen  scheint,  —  Minister 
des  Auswärtigen  auch  nothwendig  mit  der  Gesetzgebung 
betraut  sein  musste.  Eurichs  Gesetzbuch  selbst  spricht  in 
seiner  Knappheit  und  Schlichtheit  der  Fassung  entschieden 
gegen  einen  Einfiuss  eines  Ehetors,  Dichters  und  Juristen 
vom  Schlage  Leos.  Wir  haben  seine  Werke  nicht;  doch 
dürfen  wir  nicht  zweifeln,  dass  sie  ebenso  schwülstig  und 
gelehrt  gewesen  sind,  wie  die  seines  Lobredners  Apollinaris 
Sidonius.  Was  dieser  von  Leos  Jurisprudenz  sagt,  ist 
vielleicht  frei  erfunden;  jedenfalls  giebt  es  ein  Bild  von 
der  'gelehrten'  Jurisprudenz  jener  Zeit.  Ein  solcher  Jurist 
konnte  vielleicht  in  geschraubten  Phrasen  über  die  12  Tafeln 
reden  ohne  sie  zu  kennen ;  dass  er  im  Stande  gewesen  wäre, 
einfache  und  klare  Satzungen  für  die  praktischen  Be- 
dürfnisse der  Gothen  zu  verfassen  oder  unter  seiner  Leitung 
verfassen  zu  lassen,  muss  man  billig  bezweifeln. 

Auch  Cassiodor  war  ein  solcher  gelehrter  Jurist.  Wenn 
wir  sein  schwülstiges  Edictum  Athalarici  regis,  Variae  IX, 
18,  mit  dem  nicht  von  ihm  verfassten  schlichten  und  klaren 
Edictum  Theoderici  vergleichen,  so  können  wir  daran  den 
Unterschied  ermessen  zwischen  dem,  was  Eurichs  Gesetzbuch 
geworden  wäre,  wenn  Leo  es  redigiert  hätte,  und  dem, 
was  es  thatsächlich  ist^.  Mit  anderen  Worten,  Eurichs 
Gesetzbuch  kann  so  wenig  unter  Leos  Einfiuss  entstanden 
oder  gar  von  ihm  verfasst  sein,  wie  das  Edict  Theoderichs 
unter  Cassiodors  Leitung  oder  durch  ihn  selbst. 

Mag  Leo  vielleicht  dem  Könige  auch  in  Hinsicht  auf 
die  gothische  Gesetzgebung  seinen  Rath  geliehen  haben; 
irgend  welche  nähere  Beziehung  Leos  zum  Codex  Euri- 
cianus  glaube  ich  als  höchst  unwahrscheinlich  ablehnen 
zu  müssen. 

Zu  S.  485  f.  Für  die  noch  im  7.  Jh.  thatsächlich  fort- 
dauernde Geltung-   der   Lex  Romana  Alarichs  IL  im  West- 


1)  Auch  Cassiodor  kann  sich  nicht  enthalten,  in  dem  Publications- 
patent  zum  Edictum,  Var.  IX,  19,  auf  die  12  Tafeln  hinzuweisen. 


Nachträge  und  Berichtigungen  zum  allgemeinen  Theil.      121 

^othenreiche  bietet  einen  sicheren  Beleg  eine  Stelle  in  dem 
ludicium  inter  Martianum  et  Aventinum  episcopos,  welches 
durch  das  VI.  Concil  von  Toledo  von  638  ergang-en  ist  und 
schon  öfter,  zuletzt  von  Dahn,  Könige  VI-,  S.  615  ff.  ge- 
druckt ist.  Dort  wird  berichtet,  dass  in  diesem  Process 
von  einem  Diacon  Eulalius  eine  sententia  legum  vorgebracht 
und  verlesen  sei,  welche  lautet :  'Neque  contra  leges  neque 
contra  bonos  mores  pacisci  possumus' ;  a.  a.  O.  S.  616  f. 
Dahn  bemerkt  mit  Eecht,  S.  631:  'der  Diacon  Eulalius  lebte 
als  Römer  .  .  .  nach  römischem  Recht' ;  er  irrt  aber,  wenn 
er  meint,  das  Citat  beziehe  sich  auf  Cod.  lust.  II,  3,  6 ; 
wo  freilich  derselbe  Rechtssatz,  aber  ganz  anders  formuliert 
steht.  Dahn  fügt  hinzu:  'In  der  Lex  Romana  Vis.  steht  wört- 
lich entsprechendes,  soweit  ich  sehe,  nicht';  er  hat  über- 
sehen, dass  jene  Worte  aus  dieser  buchstäblich  entlehnt 
sind.     Sie  finden  sich  Pauli  Sent.  I,  1,2. 

Zu  S.  492.  Die  beiden  Gesetze  Wambas  (bei  Walter 
V,  1,  6.  7)  sind  vom  23.  December  (10.  Kai.  lanuar.)  675. 
Danach  ist  die  Parenthese  in  Anmerkung  3  (S.  493)  zu  ver- 
bessern. 

Zu  S.  486.  Im  Tomus,  welchen  Reccessvind  dem 
VIII.  Concil  von  Toledo  überreichte,  finden  sich  die  Worte: 
'in  legum  sententiis,  quae  aut  depravata  consistunt  aut  ex 
superfluo  vel  indebito  coniecta  videntur,  nostrae  serenitatis 
accommodante  consensu,  haec  sola,  quae  ad  sinceram  ivisti- 
tiam  et  negotiorum  sufficientiam  conveniunt,  ordinetis'. 
Darin  liegt  doch  wohl  eine  Aufforderung  an  das  Concil, 
die  weltliche  Gesetzgebung  zu  revidieren,  und  vielleicht 
steht  diese  Aufforderung  auch  im  Zusammenhange  mit  der 
damals  im  Werke  befindlichen  Bearbeitung  der  Reccessvin- 
diana.  Wenigstens  hat  Egica  in  seinem  dem  XIII.  Concil 
überreichten  Tomus  seine  Aufforderung,  an  der  Revision 
des  Gesetzbuches  mitzuwirken,  mit  Worten,  die  zum  Theil 
denjenigen  Reccessvinds  entlehnt  sind,  ausgesprochen.  S. 
S.  507. 

Zu  S.  501,  letztem  Absatz.  Das  Decret  ging  vielmehr 
der  Lex  Reccessvinds  II,  1,5  voran,  S.  oben  S.  47  ff. 

Zu  S.  502.  Nach  dem  oben  zu  S.  486  Nachgetragenen 
hatte  Ervig  doch  wohl  schon  einen  Vorgänger  in  diesem 
Verfahren  an  Reccessvind. 


122  Karl  Zeumer. 


Nachtrag  zum  besonderen  Theil. 

Zu  S.  84  dieses  Bandes.  Die  'appellatio  a  iudice  su- 
specto'  bezeugt  für  das  römische  Reclit  im  Westgothen- 
reiehe  auch  noch  Lex  Rom.  Vis.  Nov.  Martiani  1,  Inter- 
pretatio:  '.  .  •  illi  vero  qui  pulsatus  fuerit,  si  iudicem 
suspectum  habuerit,  liceat  appellare'. 


i 


IV. 


Urkunden  und  Forschungen 


zu  den 


Regesten  der  stauflschen  Periode. 


Von 


Paul  Scheifer-Boichorst. 


S.   Thomas   zu   Acquanegra. 

Ottentlial  hat  neulich  aus  einem  Codex  der  Pariser 
Nationalbibliothek  —  Collection  Baluze  n.  17  —  eine  sehr 
wichtige,  bis  dahin  unbekannte  Urkunde  Ottos  des  Grossen 
veröffentlicht.  Nach  seiner  Aufzählung  oberitalienischer 
Klöster  ^,  deren  Archive  beigesteuert  haben,  um  die  Samm- 
lung zu  Stande  zu  bringen,  durfte  ich  annehmen,  dass  sie 
auch  kaiserliche  Urkunden  der  mich  zunächst  beschäfti- 
genden Zeit  enthalte ;  und  die  Vermuthung  hat  sich  als 
richtig  erwiesen.  Einer  meiner  früheren  Zuhörer,  Dr.  Kükel- 
haus,  hatte  die  Freundlichkeit,  den  Codex  für  mich  zu 
durchsuchen  und  mir  alsbald  die  Abschriften  von  zwei  un- 
gedruckten Stücken  zu  übersenden.  Beide  Diplome  sind 
für  S.  Thomas  zu  Acquanegra  ausgestellt  ■^,  das  eine  von 
Lothar  III.,  das  andere  von  Friedrich  I. 

Bis  dahin  fehlte  es  an  jedem  Zeugnisse,  dass  mittel- 
alterliche Kaiser  sich  dem  Thomaskloster  zu  Acquanegra 
gnädig  erwiesen  haben :  G.  B.  Casnighi,  der  sich  in  unserer 
Zeit  mit  dessen  Geschichte  befasste  •^,  hatte  von  der  Exi- 
stenz der  zwei  Privilegien  keine  Ahnung.  So  wird  der 
Fund  willkommen  sein;  und  wenn  die  Urkunde  Friedrichs  I., 
die  eine  blosse  Wiederholung  ist  und  nicht  einmal  sein 
Itinerar  ergänzt,  auch  keinen  anderen  Werth  hat,  als  für 
Beziehungen  Acquanegras  zu  unseren  Herrschern  einen 
Beleg  zu  liefern;  —  mit  derjenigen  Lothars  darf  ich  die 
Aufmerksamkeit  der  Leser  noch  einen  Augenblick  beschäf- 
tigen. Sie  ist  die  letzte,  die  meines  Wissens  aus  seiner 
Kanzlei  hervorging;  sie  erweitert  dann  unsere  Kenntnis 
seiner  Aufenthaltsorte.  Am  6.  November  1137  befand  sich 
Lothar  in  loco,   qui   dicitur  Isola   Genese,    heute :    Isola   della 


1)  Mittheilungen  des  Instituts  für  Österreich.  Geschichtsforschung 
XVII,  37.  Danach  geht  der  codex  vetits  manuscri])tus,  aus  dem  Baluze 
schöpfte,  kaum  über  das  16.  Jh.  zurück.  2)  Der  Ort  liegt  am  Chiese, 
nahe  bei  dessen  Mündung  in  den  Oglio.  Daher  auch:  'Acquanegra  sul 
Chiese'.  3)  'Raccolta  di  memorie  e  documenti  risguardanti  i  tre  paesi 

di  Acquanegra,  Barbasso  e  Medole  nel  Mantovano.     Brescia  1860. 


126  Paul  Scheffer-Boichorst. 

Scala^,  südlich  von  Verona.  Wenn  nicht  schon  dort,  so 
werden  die  Mönche  von  Acquanegra  den  Kaiser  doch  in 
Verona  noch  anzutreffen  gehofft  haben.  Er  aber  hatte 
seine  Eeise  ungemein  beschleunigt;  die  Bittsteller  mussten 
ihm  bis  Rivoli  jenseits  der  Veroneser  Clausen  folgen.  Da 
er  schon  am  11.  November  Trient  erreichte-,  so  ist  die 
Urkunde,  die  der  Tagesdaten  entbehrt,  zwischen  dem  6.  und 
11.  ausgestellt.  Im  Uebrigen  mag  noch  bemerkt  sein,  dass 
Lothar  dem  Kloster,  das  sich  'römischer  Freiheit'  erfreute, 
ein  Privileg  Innocenz'  II.  vom  8.  September  1136  bestätigt, 
aber  doch  unter  Wahrung  der  Rechte  des  Reiches,  von 
denen  der  Papst  natürlich  nicht  gesprochen  hatte  ^. 

Lothar  III.  beschützt  auf  Bitten  seiner  Gemahlin 
das  Kloster,  bestätigt  dessen  Besitzungen,  dann  die 
Kapellen,  die  Papst  Innocenz  IL  ihm  verliehen  hat, 
die  Zehnten,  den  ganzen  Inhalt  des  päpstlichen 
Privilegs,  wahrt  aber  die  Rechte  des  Reiches. 
1137  (November  6—11),  Rivoli  Veronese. 

In  nomine  sanctae  et  individuae  trinitatis.  Lotarius 
divina  favente  dementia  tertius  Romanorum  Imperator 
augustus. 

Cum  nullus  deesse  debeat  ecclesiis,  imperialis  muni- 
ficentia  praecipue  eas  amplecti  debet,  quae  ecclesiasticae 
disciplinae  tenent  rigorem.  Quocirca  omnium  fidelium 
nostrorum  noverit  industria,  qualiter  nos  iustinctu  consortis 
nostrae  Richinzae^  monasterium  sancti  Thomae  apostoli  de 
Aquanigra  cum  omnibus  pertinentiis  ipsius,  mobilibus  et 
immobilibus,  quae  vel  nunc  habet  vel  in  futuro  habiturum 
est,  in  nostrae  confirmationis  tuitionem  suscipimus ;  atque, 
privilegii  nostri  auctoritate  omnes  res  ipsius  comprehen- 
dendo,  confirmamus  ei  capellas,  quas  habet  ex  concessione 
domini  papae  Innocentii''  et  decimas  omnium  reddituum 
et  praediorum  dominicatorum,  quae  eidem  oblata  sunt  quo- 
libet  modo,  idque  facimus  cum  omni  iure  et  potestate  ac 
iurisdictione,  quam  habuerunt  ipsi,  qui  obtulerunt.  Insuper 
confirmamus  ipsi  omnia  ea,  quae  in  privilegio  domini  papae 


a)  Richmae.         b)  In. 

1)  Vgl.  darüber  CipoUa  im  Archivio  Veneto  XX,  345.  Die  Orts- 
bestimmung bei  St.  3356  und  Bernhardi  Lothar  III.  S.  783  ist  irrig. 
2)  Bernhardi  a.  a.  0.  784  Anm.  3.  3)  Seine  Urkunde  hat  aus  dem 
Original,  das  sich  im  bischöflichen  Archiv  zu  Mantua  befindet,  Pflugk- 
Harttung  veröffentlicht.     Acta  pont.  Rom.  ined.  II,  286. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      127 

eidem  ecclesiae  indulta  sunt,  salvo  in  omnibns  iure  impe- 
riali.  Haec  itaque  inviolabiliter  omni  tempore  conservari 
volentes  praecipiendo  statuimus,  ut  nullus  episcopus,  dux, 
marchio,  comes,  vicecomes,  nulla  denique  magna  parvave 
persona  huius  confirmationis  nostrae  tenorem  infringere 
audeat  nee  in  praenominatis  rebus  ipsam  ecclesiam  dis- 
vestire,  molestare  aut  inquietare  praesumat.  Si  quis  vero 
contra  hoc,  quod  non  credimus,  praesumpserit,  centum 
libras  auri,  medietatem  camerae  nostrae  et  medietatem 
praefatae  componat  ecclesiae.  Quod  ut  verius  credatur  et 
ab  Omnibus  diligentius  custodiatur,  praesentem  inde  cartam 
sigilli  nostri  impressione  insigniri  iussimus. 

Signum  domini  Lotharii  tertii  Romanorum  imperatoris 
invictissimi. 

Ego  Ekkehardus*  vice  Henri ci^  archicancellarii  re- 
cognovi. 

Datum  anno  incarnationis  dominicae  1137,  indictione 
prima,  anno  vero  regni  regis  Lotharii*^  13,  imperii  quinto. 
Actum  apud  Rivollam   in  Christi   nomine,    feliciter,    amen. 

Friedrich   I.    wiederholt    dem    Kloster    die    Urkunde 
Lothars  III.  vom  November  1137. 

1158  November  26,  Eoncaglia. 

In  nomine  sanctae  et  individuae  trinitatis.  Federicus  divina  fa- 
vente  dementia  Romanorum  imperator  augustus. 

Cum  nullus  deesse  debeat  ecclesiis,  imperialis  munificentia  prae- 
cipue  eas  amplecti  debet,  quae  ecclesiasticae  disciplinae  tenent  rigorem. 
Quocirca  omnium  fideUum  nostrorum  noverit  industria ,  qualiter  nos 
divinae  mercedis  intuitu  monasterium  sancti  Thomae'i  apostoli  de 
Aquanigra  cum  omnibus  pertinentiis  ipsius,  mobilibus  et  immobilibus, 
quae  vel  nunc  habet  vel  in  futuro  habiturum  est,  in  nostrae  confirma- 
tionis tuitionem  suscipimus  *i.  Nos  itaque  privilegii  nostri  auctoritate 
omnes  res  ipsius  e  comprehendendo,  confirmamus  ei  capellas,  quas  habet 
ex  concessione  domini  papae  Innocentii  et  decimas  omnium  reddituum  et 
praediorum  dominicatorum,  quae  eidem  oblata  sunt  quolibet  modo,  idque 
facimus  cum  omni  iure  et  potestate  ac  iurisdictione,  quam  habuenint  ipsi, 
qui  obtulerunt.  Insuper  confirmamus  ipsi  omnia  ea,  quae  in  privilegio 
domini  papae  eidem  ecclesiae  indulta  sunt,  salvo  in  omnibus  iure  impe- 
riali.  Haec  itaque  inviolabiliter  omni  tempore  conservari  volentes  prae- 
cipiendo statuimus,  ut  nullus  episcopus,  dux,  marchio,  comes,  vicecomes, 
nulla  denique  magna  parvave  persona  huius  confirmationis  nostrae  tenorem 
infringere  audeat  nee  in  praenominatis  rebus  ipsam  ecclesiam  disvestire, 
molestare  aut  inquietare  praesumat.  Si  quis  vero  contra  hoc,  quod  non 
credimus ,  praesumpserit «,  centum  libras  auri  componat ,  medietatem 
camerae  nostrae  et  medietatem  praefatae  ecclesiae.     Quod  ut  verius  cre- 


a)  AUhardus.        b)  Inrici.         c)  Lother ii.         d)  Thomae  etc.  tit  in 
■swperiore  usqiie  ad:  tuitionem  suscipimus.         e)  ipsius  etc.,  centum. 


128  Paul  SchefEer-Boichorst. 

datura  et  ab  omnibus  diligentius  custodiatur,  praesentem  inde  cartam 
sigilli  nostri  impressione  iussimus  *  insigniri. 

Signum  domini  Federici  Romanoruin  imperatoris  invictissimi. 

Ego  Eainaldus  cancellarius  vice  Federici  Coloniensis 
archiepiscopi  et  archicancellarii  recognovi. 

[Acta  sunt  haec]  anno  dominicae  incarnationis  1158, 
indictione  7,  regnante  Federico  Romanorum  imperatore 
gl oriosissimo,  anno  regni  eins  7,  imperii  vero  4.  Datum  in 
ßuncalia''   6.  kal.  Decembris. 


S.  Leo  am  Aetna. 

Pirro,  Sicilia  sacra  II,  1159  ed.  17.33  hat  eine  Urkunde 
Heinrichs  VI.  für  das  Kloster  angeführt.  Danach  verlieh 
der  Kaiser  pro  tarenis  200,  a  WiUelmo  indultis,  facidtatem 
instnurandi  molendinuni  de  Ruvefo  in  territorio  Pafernionis, 
Messanae  7.  Fehruarii  1196.  Um  die  Notiz  über  200  Tarenen 
zu  verstehen,  muss  man  die  Angabe  von  Seite  1157  hinzu- 
nehmen :  (Wülelmus  I.  Sicüiae  rex)  tarenos  ducentos  pro  vesti- 
mentis  fratrum  quofannis  eidem  (monasterio)  indidsit. 

St.  4904  hat  die  Urkunde  zu  1195  gesetzt,  und  aller- 
dings befand  sich  Heinrich  am  7.  Februar  1195  in  Messina: 
wir  können  ihn  dort  vom  30.  Januar  bis  15.  Februar  nach- 
weisen. Aber  gleichfalls  im  Februar  1197  hat  Heinrich  VI. 
sich  in  Messina  aufgehalten,  und  wenn  man  annehmen 
dürfte,  dass  die  sicilische  Kanzlei  auch  1197,  wie  wenig- 
stens einmal  1195^,  nach  Oster-  oder  Marienjahren  ge- 
rechnet hätte,  Hesse  sich  '1196'  besser  auf  Februar  1197, 
als  1195  beziehen. 

Das  Original  mit  genaueren  Daten  würde  Sicherheit 
geben.  Leider  sind  meine  Bemühungen,  einen  vollständigen 
Text  aufzuspüren,  ohne  Erfolg  geblieben.  Dagegen  fand 
ich  in  dem  reichen  und  wohlgeordneten  Urkundenschatze 
des  Museo  civico  dei  Benedittini  zu  Catania  ein  Privileg, 
worin  auch  erzählt  wird,  dass  Heinrich  VL  die  genannte, 
im  Gebiete  von  Paternö  belegene  Mühle  dem  Prior  und 
der  Kirche  geschenkt  habe  -.  Dessen  Vergabung  bestätigte 
der  Aussteller,  Bartolomeo  von  Luce :  postquam  de  munifi- 
centia  nostri  domini  imperatoris  et  domine  serenissime  impera- 


a)  credatur  etc.  insigniri.        b)  Rucalpa. 

1)  Orig.  im  Staatsarchiv  zu  Palermo  :  1100  nonagesimo  quarto,  mense 

lanuario  13.   indictionis.     Stumpf  Acta    589   n.  420.           2)    Schi-ank   1, 
Lade  7. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      129 

tricis  comitatum  Pafernionis  hahuimus'^.  Nun,  im  December 
1200,  entschädigt  er  das  Kloster.  Weshalb?  Das  erfahren 
wir  aus  einer  erweiterten  Fassung  derselben  Urkunde,  die 
auch  das  städtische  Museum  aufbewahrt-.  Hier  fügt  der 
Graf  hinzu,  dass  er  die  Mühle  den  Mönchen  des  hl.  Leo 
entrissen  und  dem  von  ihm  gegründeten  Kloster  Eoccama- 
tore  geschenkt  habe :  et  a  domina  imperatrice  fecimus  con- 
firmari !  ^ 

Den  übrigen  Inhalt  konnte  ich  bei  Seite  lassen,  da 
er  nur  lokales  Interesse  hat.  Wohl  aber  meinte  ich,  Tnir 
noch  nachträglich  den  Wortlaut  einer  Urkunde  Friedrichs  II. 
für  S.  Leo  verschaffen  zu  sollen.  Ich  fand  sie  gleichfalls 
im  städtischen  Museum  —  Schrank  1,  Lade  9  — ,  begnügte 
mich  aber  damals  mit  einem  Regest.  Auf  meine  Bitte  hat  mir 
dann  später  der  gefällige  Director  Francesco  di  Bartolo 
eine  Abschrift  besorgt.  Die  Urkunde  gehört  ins  Jahr  1202, 
aus  dem  bisher  nur  drei  andere  Actenstücke  der  Kanzlei 
Friedrichs  bekannt  waren.  Auch  dieser  Umstand  mag  den 
Druck  rechtfertigen. 

Friedrich  IL  bestätigt  in  Anbetracht   der  Treue  und 
der  Dienste  des  Priors  Peter  der  Kirche  alles,  was 
sie   zu   Zeiten  Wilhelms  I.   und  IL,    Heinrichs  VI. 
und  Constanzens  besass. 
1202  Februar,  Palermo. 

Fredericus  divina  favente  dementia  rex  Sicilie,  du- 
catus  Apulie  et  principatus  Capue. 

Decet  regle  maiestatis  munificentia*^,  ecclesias  et  loca 
venerabilia  salubriter  gubernare  et  eorum  utilitatibus  miseri- 
corditer  providere.  In  de  est,  quod  nos  attendentes  fideli- 
tatem  et  servitium,  quod  frater  Petrus,  prior  sancti  Leonis 
in  Monte  Gibello  *,  exhibuit  celsitudini  nostre,  considerantes 
etiam  honestatem  ipsi*^  ecclesie,  de  solita  gratia  et  liberalitate 
nostra  confirmamus  ipsi  ecclesie  sancti  Leonis  in  perpetuum 
molendina,  domos,   terras,   vineas,  virgulta,  possessiones  et 


a)  Sic. 

1)  So  urkundet  er  auch  selbst :  Ego  Bartholomaeus  de  Lueis  dei  et 
imperialis  gratia  comes  Paternionis.  Heinrich  VI.  nennt  ihn :  B.  de  Liicis, 
com.  Paternionis,  magistrmn  iustitiarium  totius  Caluhriae.  Pirro  II,  1280,  81. 
2)  Schrank  1,   Lade  8.  3)  Item   molenditmm  de  Riibito   schenkte   der 

Graf  im  October  1197  dem  Kloster  Roccamatore.  Pirro  1282.  Von  der 
Bestätigung  durch  Constanze  habe  ich  keine  Spur  gefunden.  4)  Das 
Volk  nennt  den  Aetna  heute  noch  Mongibello  =  ital.  Monte  und  arab. 
Djebel. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  9 


ISO  Paul  Scheffer-Boichorst. 

omnia  tenimenta,  que  ecclesia  ipsa  sancti  Leonis  tempore 
regis  Guillelmi  primi  et  secundi  et  tempore  domini  impera- 
toris  et  domine  imperatricis,  parentum  nostrorum  felicis 
memorie,  teniiit  et  possedit.  Ad  liuius  autem  confirma- 
tionis  memoriam  presens  Privilegium  scribi  et  maiestatis 
nostre  sigillo  precepimus  communiri,  anno,  mense  et  indic- 
tione  subscriptis. 

Data  in  urbe  felici  Panormi  anno  dominice  incarna- 
tionis  millesimo  ducentesimo  secundo,  mense  Februarii 
quinte  indictionis,  regni  vero  domini  nostri  Friderici  magni- 
fici  regis  Sicilie,  ducatus  Apulie  et  principatus  Capue  anno 
quarto,  feliciter,  amen. 

Domeapitel  und  S.  Fiore  zu  Arezzo. 

Die  folgenden  Urkunden  zeugen  für  ein  nahes  Ver- 
hältnis des  Reichskanzlers  Christian  zu  Gewalten  Arezzos. 
Es  möchte  wohl  sein,  dass  er  für  einen  Zug  in  das  Gebiet 
von  Rom  und  in  die  Campagna,  den  er  zur  Bekämpfung 
Alexanders  III.  anfangs  1165  vorbereitete,  in  Arezzo  und 
Umgebung  eine  besondere  Unterstützung  suchte  und  fand. 
Mit  dem  Bischöfe  von  Arezzo  unterhielt  er  offenbar  gute 
Beziehungen:  er  gedenkt  seiner  in  Hochachtung  und  Zu- 
neigung ;  er  giebt  ihm  einen  Titel ,  durch  den  meines 
Wissens  bis  dahin  kein  italienischer  Bischof  ausgezeichnet 
worden  war^:  erst  in  einer  etwas  späteren  Zeit  lässt  sich 
auch  der  Bischof  von  Volterra  als  'Fürst'  nachweisen-; 
von  Aebten  des  Aretiner  Gebietes  befand  sich  der  von 
Capolona  an  Christians  Seite,  als  er  im  Juni  1165  Anagni 
belagerte^;  im  Februar  empfing  der  von  S.  Fiore  ein  Privileg; 
ein  anderes  trug  der  Dompropst  davon;  dass  dieser  mit  den 
Söhnen  Rainers  sich  verständigt  hatte,  gereichte  dem  Kanzler 
zur  grössten  Freude  ^ :  es  waren  die  Herren  von  Montauto, 
die  wahrscheinlich  doch,  wie  ein  Ritter  aus  benachbarter 
Gegend,  Rainer  Berlinghieri,  es  gethan  hat  5,  an  Christians 
Expedition  theilnehmen  sollten*'. 


1)  In  der  ersten  Urkunde  vom  22.  Februar  1165:  a  seremsslmo 
imperatore  nostro  voeaU  et  ab  eins  j^rincipe  Aretino  episcopo  sepe  com- 
mmtiti ;  dann:  jirecipinius  venerabili  Aretino  episcopo;  in  der  zweiten: 
Dilectis  suis  Aretino   episcopo  etc.  2)    Ficker,    Vom   Reichsfürsten- 

stande I,  318.  3)  S.  die  Urkunde  unter  'Borgo  San  Sepolcro'.  4)  Le- 
tantes  igitur  et  plurinium  congaudentes  de  concordia  et  conventione  facta 
inter  dilectum  nostrum  Aretinum  prep)0situm  et  filios  Ranerii  etc.  Varren- 
trapp,  Erzb.  Christian  I.  von  Mainz  127  n.  40.  Meine  Berichtigungen 
entsprechen  dem  Original,  von  dem  Ficker  eine  Abschrift  genommen  hat. 
5)    R.  Davidsohn,  Gesch.  v.  Florenz  I,  494,  Anm,  3.         6)  Montauto  de' 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      131 

Der  Urkunde  für  den  Abt,  die  am  14.  Februar  1165 
ausgestellt  wurde,  gedachte  R.  Davidsohn\  doch  nur  nach 
jüngerer  Ueberlief erung ;  auf  das  Original  im  erzbischöf- 
lichen Archiv  zu  Pisa  bin  ich  durch  P.  Kehr  aufmerksam 
geworden  ^ ;  eine  Abschrift  liess  mir  der  Erzbischof  selbst 
anfertigen.  Christian  nennt  sich  nur  Kanzler,  gerade  so 
wie  in  der  vorausgehenden  Urkunde,  die  er  am  30.  August 
1164  dem  Kloster  S.  Maria  della  Colomba  ertheilte  ■^. 
Offenbar  aber  handelte  er  in  beiden  Fällen  als  Legat.  So 
nennt  er  sich  denn  auch  am  22.  Februar,  d.  h.  in  der 
zweiten  meiner  Urkunden,  in  der  für  den  Dompropst.  Auch 
sie  hat  schon  David  söhn  benutzt,  aber  ohne  nähere  Nach- 
v^eisungen^.  Aus  dem  Original  im  Capitelarchiv  stammt 
die  Abschrift  Fickers,  die  meinem  Drucke  zu  Grunde 
liegt.  Dasselbe  gilt  von  der  dritten,  die  eine  Ergänzung 
zur  zweiten  ist. 

Reichskanzler  Christian  ermächtigt  den  Abt  Amadeo, 
den  er  mit  seiner  Mönchschaft  als  treu  erprobt 
hat,  in  Galognano  eine  Burg  und  am  Arno  irgend- 
welche Bauten  aufzuführen;  verbietet  Consuln  und 
Volk  von  Arezzo,  sowie  allen  Capitanen  und  Val- 
vassoren  der  Grafschaft  Arezzo,  namentlich  denen 
von  Talla(?),  darin  oder  in  anderem  Besitz  den 
Abt  zu  belästigen. 

1165  Februar  14,  Arezzo. 

Cristianus  dei  gratia  imperialis  aul§  cancellarius. 

Imperialis  §quitas  iustiti§  in  usum  et  consuetudinem 
duxit,  ecclesias  dei,  que  in  sua  dominatione  consistunt, 
benignissime  protegere,  in  sinu  su^  potestatis  confovere  ac 
promovere,  pr§sertim  illas,  qu§  circa  thronum  su§  maiestatis 
fideles  extiterunt  et  pro  incolumitate  imperii  et  statu  regni 


ßarbolani  oder  auch  di  Galbiuo  liegt  nördlich  von  Anghiari.  Die  Orts- 
bestimmung bei  St.  4815.  5037  ist  irrig.  1)  Davidsohn  a.  a.  0.  492 
Anm.  1.  2)  Nachrichten  der  k.  Gesellsch.  der  Wissensch.  zu  Göttingen 
1897,  S.  178  Anm.  1.  3)  Ficker,  Forschungen  zur  Reichs-  und  Rechts- 
gesch.  Italiens  IV,  179.  Ebenso  in  der  dritten  der  hier  folgenden 
Urkunden.  4)  A.  a.  O.  495.  Doch  theile  ich  die  Meinung  nicht,  die 
Davidsohn  aus  unserer  Urkunde  zu  folgern  scheint :  'Der  mächtige  Orden 
von  Kamaldoli  weigerte  dem  Kanzler  den  Gehorsam'.  Es  handelt  sich 
hier  meines  Erachtens  nur  um  das  Mutterkloster;  der  Orden  war  ebenso 
gespalten,  wie  Davidsohn  es  a.  a.  0.  von  den  Vallombrosanern  zeigt.  Da- 
her sagt  Christian  am  24.  Februar  mit  gutem  Bedacht:  fratres  de  Camal- 
dula,  qui  in  servitio  ecciesiae  dei  et  iynperii  perseverare  voliierint  etc. 
Varrentrapp  a.  a.  0.  128  n.  41. 

9* 


132  Paul  Scheffer-Boichorst. 

devotissime  omni  tempore  laborarunt.  Nos  vero  eius  pr^clara 
vestigia,  in  quantum  possumus,  imitari  volentes,  cognita 
fide  et  puritate,  qua*^  monasterinm  sancte  Flor§  et  Ami- 
deus  eius  venerabilis  abbas  apud  imperium  fideliter  semper 
habuerit''^,  notum  facimus  universis  imperii  fidelibus,  per 
Tusciam  constitutis,  presentibus  et  futuris,  quod  nos^  aucto- 
ritate  imperiali  et  nostra  damus  et  concedimus  plenam 
potestatem  abbati  sanct§  Flor§  ^dificandi  et  construendi 
castrum  in  Galognano  ad  honorem  dei  et  imperii  et  ecclesie 
sanct§  Flor§  et  qu^cumque  hedificia  vult  in  flumine  Arni. 
Quocirca  Aretinis  consulibus  et  toti  populo  per  debitum 
iuramenti,  quod  domino  imperatori  fecerunt,  et  sub  p§na 
centum  librarum  districte  precipimus,  pariter  et  Talsanen- 
sibus  et  universis  capitaneis  et  valvasoribus  per  Aretinum 
comitatum  constitutis,  ut  iamdicto  abbati  in  pr^dicto  Castro 
de  Galognano  et  in  ceteris  bonis  et  possessionibus  suis  et 
in  construendis  hedificiis  in  Arno  nullani  molestiam,  nul- 
lam  iniuriam  nuUumque  impedimentum  de  cgtero  inferant 
vel  inferri  sinant.  Si  quis  vero  contra  hoc  nostrum  man- 
datum  facere  presumpserit,  reus  erit  imperatori^  maiestatis 
et  sub  banno  domini  imperatoris  positus  p§nam  centum 
librarum  incurrat,  dimidiam  parteni  persolvendam  fisco 
imperiali,  dimidiam  pr^dicto  abbati. 

Datum  apud  Arettium*^  anno  millesimo  165,  indic- 
tione  13,  16.  kal.  Martii,  regnante  domino  F.  Romanorum 
imperatore  sereuissimo,  regni  eius*^  12^,  imperii  vero  eius  10. 

Reichskanzler  und  Legat  Christian  bekundet  die  Er- 
stattung genannter  Güter,  die  auf  richterlichen 
Spruch  erfolgt  ist,  als  sein  hochbelobter  Propst 
Adenulf  zu  Borgo  San  Genesio  über  deren  Ent- 
ziehung vor  ihm  geklagt  hat;  erlässt  einen  Befehl, 
welcher  dem  der  folgenden  Urkunde  ähnlich,  nur 
weniger  ausführlich  ist. 
1165  Februar  22,  Arezzo. 

Cristianus  dei  gratia  imperialis  aule  cancellarius  atque 
legatus. 

Imperialis  equitas  iustitie  ad  hoc  nobis  in  Italia  vicem 


a)  Sic.         b)  quod  nos  unleserlich.         c)  Ohne  anno. 

1)  Am  9.  März  1165  ging  schon  das  13.  Königsjahr  zu  Ende;  aber 
das  12.  entspricht  der  in  der  kaiserlichen  Kanzlei  üblichen  Rechnung. 
Vgl.  die  folgende  Urkunde,  wie  auch  die  beiden,  die  ich  unter  'ßorgo 
San  Sepolcro'  veröffentliche. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      133 

suam  regendam  et  ordinandam  commisit,  ut  ecclesias  dei 
et  earum  iura  tanto  propensiori  studio  muniremus  et  in 
aliquo  lesa  restituere  et  reformare  certe  curemus''^,  quanto 
per  earum  nierita  in  eterna  vita  maiorem  gloriam  nobis 
provenire  speramus  et  credimus.  Nos  ergo  misericordie 
operibus  et  iustitie  inherentes,  notum  facimus  omnibus 
imperii  fidelibus  presentibus  et  futuris,  quod  dilectus  noster 
Attinulfus  venerabilis  prepositus  Aretine  ecclesie,  aput 
sanctum  Genesium  ^  ad  nos  veniens,  plurimas  nobis  que- 
relas deposuit,  quas  intuitu  retributionis  eterne  et  eius 
preclaris  servitiis,  fide  et  puritate,  quam  circa  thronum 
imperatorie  maiestatis  fideliter  habuit,  intercedentibus  et 
ex  sententia  iudicum  curie  nostre  terminandas  esse  dignum 
et  equum  duximus.  Ex  sententia  igitur  iudicum  curie 
nostre  pro  contumacia  Camaldulensium,  qui  tertio  a  serenis- 
simo  imperatore  nostro  vocati  et  ab  eius  principe  Aretino 
episcopo  sepe  commoniti  qui*^  ad  iustitiam  faciendam  de 
Moiona  venire  contempserunt,  auctoritate  imperiali  et  nostra 
posuimus  dilectum  nostrum  Aretinum  prepositum  in  pos- 
sessionem  de  Moiona,  ut  ipse  habeat  et  de  cetero  suo  iure 
possideat.  Pro  contumacia  vero  Ugonis  de  Ugitto,  qui 
tertio  a  nobis  vocatus  pro  turri  de  Subiano  iudicio  nostro 
stare  contempsit,  posuimus  iamdictum  prepositum  in  pos- 
sessionem  de  turri  de  Subiano,  quam  violenter  occupaverat. 
Quia  vero  filii  Alberti  de  Capannolo  contumaces  perman- 
serunt,  nam  vocati  nostro  iudicio  stare  contempserunt  de 
turri  de  Vincione,  Castro  et  curte,  posuimus  prefatum  pre- 
positum in  possessionem  de  turri  de  Vincione,  Castro  et 
curte.  Pro  contumacia  vero  Walfreducii  Saxoli,  qui  vocatus 
ad  iustitiam  faciendam  de  Durnula  nostro  iudicio  stare 
contempsit,  posuimus  suprascriptum  prepositum  in  posses- 
sionem de  Durnula.  Rogerius  quoque  de  Manisco  quia 
contumax  extitit  et  vocatus  nostro  iudicio  stare  de  campo 
quodam  posito  in  Piunta  contempsit,  posuimus  suprascrip- 
tum prepositum  in  possessionem  de  campo  illo  posito  in 
Piunta.  Ut^  iamdictus  prepositus  cum  fratribus  suis  vice 
sue  ecclesie  auctoritate  imperiali  et  nostra  habeat  et  de 
cetero  suo  et  ecclesie  iure  possideat  omnia  ea,  de  quibus 
ei  possessionem  dedimus  et  restitutionem  fecimus,  sicut  in 


a)  Sic.         b)  Man  erwartet:  Mandamus  igitur,  ut. 

1)  Einen  zweiten  Tag  hielt  Christian  1165  an  demselben  Orte,  als 
Erwählter  von  Mainz  und  Erzkanzler,  d.  h.  nicht  vor  October.  Ficker, 
Forschgen,  zur  Reichs-  und  Rechtsgesch.  Italiens  IV,  182. 


134  Paul  Scheffer-Boicliorst. 

hac  pagina  continetur.  Si  quis  vero  contra  institiam  dilec- 
tum  nostrum  Aretinum  prepositum  aut  ecclesiani,  cui  modo 
deservit,  in  illis  possessionibus,  in  quibus  ei,  ^cclesie  et  fra- 
tribus  suis  restitutionem  fecimus,  de  cetero  molestare  vel 
inquietare  presumpserit,  reus  imperatorie  maiestatis  erit  et 
in  banno  domni  imperatoris  positus  centum  libras  auri 
purissimi  pro  pena  componet,  dimidium  eamere  imperiali, 
dimidium  vero  predicto  preposito  atque  eeclesie.  Hanc 
autem  restitutionem  fecimus  omni  legittimo  auxilio  absen- 
tibus  reservato  et  impensis  ab  eis  omnibus  prius  integre 
restitutis.  Ut  autem  dei  virtute  et  imperiali  auctoritate 
Aretine  eeclesie  et  personis  ad  divinum  cultum  ibidem 
morantibus  firma  et  inviolabiliter  consei'vata  permaneant* 
et  pravorum  hominum  rabies  compescatur  et  raptoribus 
occasio  mala  faciendi  et  aliena  rapiendi  certa  lege  tollatur, 
precipimus  venerabili  Aretino  episcopo,  dilectis  abbatibus 
sancte  Flore  et  Campileonis,  Aretinis  consulibus,  omnibus 
enumeratis,  tarn  presentibus  quam  futuris,  omnibus  capi- 
taneis,  valvassoribus  per  civitatem  Aretinam  et  comitatum 
Aretinum  et  episcopatum  eiusdem  constitutis  per  debitum 
fidelitatis,  quam  domno  imperatori  fecerunt,  sub  optentu 
imperialis  gratie  et  svib  pena  centum  librarum  puri  argenti, 
ut  eas  possessiones,  quas  Aretine  eeclesie  restituimus,  ab 
omni  persona  et  liominibus,  ecclesiam  Aretinam  vel  eins 
prepositum  contra  iustitiam  molestare  vel  inquietare  pre- 
sumentibus,  bona  fide  retinere  adiuvent. 

Datum  apud  Aritium  8.  kal.  Martii  in  domo  Ugonis 
medici  anno  1165,  indictione  13,  regnante  domno  Frederico 
Eomanorum  imperatore  serenissimo,  anno  regni  eins  12  ^, 
imperii  vero  10,  feliciter,  amen. 

Reichskanzler  Christian  schreibt  Genannten,  dass  ihm 
der  Kaiser  die  Kirche  von  Arezzo,  als  seine  und 
der  Kaiserin  besondere  Kammer,  auch  besonders 
empfohlen  habe;  gebietet  ihnen  daher,  das  Dom- 
capitel  in  der  Behauptung  der  ihm  erstatteten 
Güter  nachdrücklichst  zu  unterstützen. 
(1165  Februar  22,  Arezzo.) 

Crisianus''  dei  gratia  imperialis  aule  cancellarius 
dilectis  suis  Aretino  episcopo,  abbati  sancte  Flore,  abbati 
Campileonis,  consulibus  Aretinis   presentibus  et  futuris  et 

a)  Scilicet  omnia  ea  etc.        b)  Sic. 
1)  Vgl.  S.  132  Anm.  1. 


Urkunden  n.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     135 

Omnibus  capitaneis   et  valvassoribus   per  episcopatum  Are- 
tinum  constitntis  salutem  et  dilectionem. 

Ad  hoc  imperiali  auctoritate  fungimur  et  eius  legatio- 
nem  in  Italia  gerimus,  ut  ecclesiarum  iura  tueamur*^,  illa- 
rum  presertim,  que  ad  eius  cameram  spetialiter  pertinent 
et  quas  principaliter  honorare  et  promovere  intendit.  Quia 
vero  ab  imperiali  dementia  spetialius  nobis  est  iniunctum, 
ut  ecclesiam  Aretinam,  qne  spetialis  camera  est  domni 
imperatoris  et  imperatricis  et  eorum  sedes,  ab  obpressioni- 
bus  suis  studiosius  liberemus  eique  sua  iura  restituamus 
et  per  nos  et  per  fideles  imperii  conservemus,  mandamus 
Omnibus  vobis,  monentes,  intime  rogantes  et  per  debitum 
fidelitatis,  quam  domno  imperatori  iurastis,  districte  preci- 
pientes,  quatinus  omnes  possessiones,  quas  eidem  ecclesie 
ex  imperiali  auctoritate  restituimus  legaliter,  videlicet  Sub- 
ianum,  Moionam,  Wiccionam,  Dorisolam  et  campum  de 
Pionta,  dilectum  nostrum  prepositum  et  fratres  suos  de- 
fendere,  conservare  et  manntenere  ita  fideliter  adiuvetis,  quod 
nullorum  hominum  malignitas  in  his  facultatem  habeat 
nocendi  vel  impediendi,  quod  a  nobis  iuste  factum  est.  Si 
qui  vero  in  his  iam  dictum  prepositum  et  fratres  suos 
molestare  vel  perturbare  aut  iniuste  fatigare  presumpse- 
rint,  sub  banne  domni  imperatoris  se  positos  fore  cogno- 
verint  et  pro  pena  100  marcas  puri  argenti  persolvant. 

Bisthum  Aversa. 

G.  Parente,  Origini  e  vicende  ecclesiastiche  della 
cittä  di  Aversa  I,  269  —  271  veröffentlicht  ein  älteres  Re- 
gister von  Urkunden  für  die  Bischöfe.  Aus  der  staufischen 
Periode  findet  sich  darin:  je  eine  des  Grafen  Dipold  von 
Acerra  1197,  der  Kaiserin  Constanze  1198,  des  Legaten 
Liutpold  von  Worms  1215,  Friedrichs  II.  1221,  Manfreds 
1259.  Bei  Erwähnung  der  Urkunden  Dipolds  und  Luit- 
polds  bemerkt  der  Verfasser  des  Registers,  dass  sie  in 
einer  Bestätigung  Ludwigs  III.  von  1421  enthalten  seien; 
die  übrigen  kannte  er  also  aus  anderer  Quelle,  wahrschein- 
lich aus  den  Originalen. 

Das  Diplom  Friedrichs  IL  hat  Winkelmann,  Acta 
imp.  I,  189  veröffentlicht,  das  Liutpolds  von  Worms  Mi- 
nieri-Riccio,  Saggio  di  cod.  dipl.  Suppl.  I,  22;  die  der  Con- 
stanze, Dipolds  von  Acerra  und  König  Manfreds  hoffte  ich 
nun  in  Aversa  aufzufinden.  Aber  bei  dem  Mangel  an 
rechter   Uebersichtlichkeit ,    der  im   bischöflichen   Archive 

a)  tueamiir  unleserlich. 


136  Paul  Scheffer-Boichorst. 

herrschte,  war  alles  Suchen  vergebens;  nicht  einmal  das 
Original  Friedrichs  II.,  das  erwiesener  Maassen  doch  in 
unseren  Zeiten  noch  vorhanden  war,  kam  wieder  zu  Tage. 
Glücklicher  Weise  bietet  sich  anderweitig  wenigstens  eine 
Art  von  Ersatz. 

Für  die  Verleihung  der  Constanze  giebt  der  Regi- 
strator  selbst  das  Jahr  1198,  und  noch  genauer,  als  er,  hat 
Friedrich  II.  den  Inhalt  beschrieben. 

Ueber  die  Urkunden  Dipolds  und  Manfreds  hat  Lud- 
wig III.  1421  ausführlich  berichtet.  Seiner  Bestätigung 
habe  ich  freilich  in  Aversa  auch  umsonst  nachgeforscht; 
aber  Bd.  1059  der  Processi  di  regio  padronato  im  Staats- 
archiv zu  Neapel,  nämlich  Process  n.  188  S.  19  fF.  ^,  ent- 
hält eine  Abschrift  des  ganzen,  sehr  umfangreichen  Textes. 
Danach  würde  ich  die  Auszüge  aus  dem  Privileg  Dipolds, 
die  wir  dem  Schreiber  Ludwigs  III.  verdanken,  etwa  so 
wiedergeben : 

1198  Februar,  Salerno  im  Palaste  Terracena.  Dipold 
von  Gottes  und  des  Kaisers  Gnaden  Graf  von  Acerra 
schenkt  dem  Bisthum  in  Anbetracht  (der  Treue)  des  Bischofs 
Gentilis,  auf  Bitten  Genannter  insulam  siiam,  quam  ad  lacnm 
Lacrimim  hahehat,  que  vulgo  dicifur  AtticeUa,  und  verzichtet 
für  sich  und  seine  Erben  auf  alle  Rechte  daran.  —  Mit 
1197,  ind.  1,  ao.  1  Fred.  Rom.  et  Sic.  reg.  —  S.  23. 

Was  Ludwig  aus  Manfreds  Urkunde  mittheilt,  lässt 
sich  in  folgendes  Regest  fassen : 

1259  März,  Melfi.  Manfred  bestätigt  die  Privilegien 
Friedrichs  und  Constanzens :  gewährt  Schutz,  Freiheit  von 
Abgaben,  decimam  haitdationis,  tindam  sive  iura  tincture  eius- 
dem  civitatis  cum  domo  in  suhirhio  s.  Marie  et  casale  Triani. 
—  per  maniis  Gualterii  de  Ocra  regnorum  lerusalem  et  Sicilie 
canc-  —  Mit  1258,  ind.  2.  —  S.  25.2 

Edele  von  Baux. 
Unsere  Kenntnisse  von  Urkunden,  die  staufische  Herr- 
scher dem  Geschlechte  ertheilten,  haben  wesentliche  Be- 
reicherungen erfahren.  Früher  nur  in  Auszügen  oder  gar 
nicht  bekannt,  liegen  jetzt  vollständige  Texte  folgender 
Privilegien    vor:     Konrads    III.     vom     10.    August    1145, 

1)  Darauf  hat  E.  Winkelmann  im  N.  A.  III,  650.  651  aufmerksam 
gemacht,  vgl.  auch  B.  F.  "W.  12145,  aber  die  Bestätigung  rührt  nicht  von 
König  'Ladislaus'.  Genaueres  theilt  Winkelmann  über  Dipolds  Siegel 
mit.  Dagegen  sagt  er  von  der  Urkunde  Manfreds  nur:  '1259,  März,  für 
das  Bisthum  Aversa'.  B.  F.  4691.  2)  Ludwig  III.  excerpierte  überdies 
noch  zwei  ungedruckte  Urkunden  Innocenz'  II.  vom  3.  August  1142  und 


Urkunden  ii.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     137 

Friedrichs  I.  vom  31.  Juli  und  5.  August  1178  \  Fried- 
richs II.  vom  8.  Januar  1215^  und  2.  Juni  1228^.  Aber 
für  vier  andere  entbehren  wir  noch  den  unverkürzten  Wort- 
laut. Leider  haben  meine  Bemühungen,  die  Lücken  aus- 
zufüllen, nur  zur  Hälfte  Erfolg  gehalDt. 

Ein  Herr  G.  Millet  zu  Orange  verheimlicht  die  Urkunde, 
die  Friedrich  I.  im  Jahre  1160  —  man  weiss  nicht:  wann 
und  wo,  —  den  Brüdern  von  Baux  ausstellen  Hess.  Wie 
ein  Regest  zeigt  ^,  folgte  der  Kaiser  wesentlich  dem  Bei- 
spiele Konrads  III.  Noch  ein  zweites  Privileg  Friedrichs  I. 
förderte  die  Interessen  der  Baux;  es  war  am  9.  October 
1184,  Aus  einem  Codex  des  13.  Jh.,  der  sich  im  Depar- 
tementalarchiv  zu  Marseille  befindet  °,  sandte  dessen  Vor- 
stand L.  Blancard  an  Collegen  Sternfeld  eine  Ab- 
schrift; danach  ist  mein  Druck  besorgt.  Diese  Urkunde 
hat  dann  Friedrich  IL  am  8.  Januar  1215  wiederholt*'.  Das 
behaupte  ich  freilich  nur  auf  Grund  eines  Auszuges,  denn 
den  vollständigen  Wortlaut  —  auch  ihn  verbirgt  Herr 
Millet  neugierigen  Augen.  Um  so  leichter  zu  erreichen 
war  die  vierte  Urkunde,  die  Friedrich  II.  am  15.  Mai 
1228  gab;  in  einer  Abschrift  des  13.  Jh.  bewahrt  sie  das 
Municipalarchiv  von  Marseille^;  daher  entnahm  einer  meiner 
Zuhörer,  F.  Kien  er,  den  an  zweiter  Stelle  folg'enden  Text. 

Friedrich  I.  ermächtigt  die  genannten  Brüder  von  Baux 
wegen  der  treuen  Dienste  ihres  Vaters  und  ihrer 
Oheime,  in  Orange  zu  münzen ;  bestätigt  ihnen  das 
Banneramt  in  angegebenen  Grenzen,  dann  die  Schen- 
kung des  Giraud-Adhemar ;  gewährt  den  Bewohnern 
ihres  Ortes  Villeneuve  die  herkömmliche  Immunität, 
doch  unter  Wahrung  der  Eeichsrechte ;  befreit  ihre 


Alexanders  in.  vom  11.  März  1169.  Jene  ist  gegeben:  per  maniis  Ge- 
rardi  s.  R.  e.  presb.  card.  ac  bibJiotecarü,  3.  non.  Aug.,  ind.  5.,  c(0.  1142, 
ao.  pont.  13,  ohne  Ort;  diese:  Benevent l  per  manus  Grat/am'  s.  R.  e.  stib- 
diac.  et  notarn,  5.  i'd.  Marcii,  Ind.  2,  ao,  1168,  ao,  pont.  10.  1)  Stum^jf, 
Acta  ined.  471.  731.  732  n.  332.  525.  526.  2)  Winkelmann,  Acta  ined. 
I,  105.  3)   Stemfeld,    Karl   von   Anjou   als    Graf  der  Provence   262. 

4)  Bartheleray,   Inventaire   des   chartes   de   la   raaison  de  Baux  14  n.  57. 

5)  B.  1069  fol.  229.  Cf.  Barthelemy  1.  c.  22  n.  84.  6)  Barthelemy  1.  c. 
43  n.  160.  Die  Daten  sind  dieselben,  wie  in  dem  Diplom  meiner  2.  Anm., 
aber  der  Inhalt  ist  verschieden.  Winkelmanns  Anfrage,  ob  St.  3963  als 
Vorurkunde  gedient  habe,  ist  durchaus  zu  verneinen :  St.  3963  richtet 
sich  gegen  einen  Vertreter  des  Geschlechts.  B.  F.  W.  14653.  Auch  die 
Urkunden  Konrads  III.  von  1145  und  Friedrichs  I.  von  1160  sind  nicht 
benutzt,  denn  in  ihnen  ist  noch  keine  Rede  vom  Banneramt,  das  Fried- 
rich I.  1184  allerdings  auf  eine  Verleihung  Konrads  III.  zurückführt. 
7)  CC  12.    Cf.  Barthelemy  1.  c.  62  n.  224. 


138  Paul  Scheffer-Boichorst. 

Leute  von  allen  neuen  Zöllen;  sichertihnen  zu,  dass  sie 
ihre  Reichslehen  ohne  Mittelsperson  besitzen  sollen. 
1184  October  9,  Pavia. 

In  nomine  sancte  et  individue  trinitatis.  Fredericus 
divina  favente  dementia  [ßomanorum]  Imperator  augustus. 

Familiäre  habet  et  g-loriosum  putat  benig-nitas  impe- 
rialis,  ut  de  se  benemeritorum  utilitati  simul  et  honori 
prospiciat  ipsosque  dignis  liberalitatis  beneficiis  in  obsequio- 
rum  et  fidei  perseverancia  teneat  obligatos,  alios^  etiam 
exemplo  ad  obsequendum  iuvitet^.  Nichil  enim,  quod 
corda  fidelium  tanto  sibi  favore  astringat,  quam  prone 
liberalitatis  animus  concedeus  rationabiliter  postulata.  Nos 
igitur  memores  serviciorum,  que  fidelis  noster  Bertrandus  de 
Baucio  et  fratres  sui  nobis  et  imperio  studiosa  devotione 
exhibuerunt,  filiis  dicti  Bertrandi,  Guillelmo,  Bertrando  et 
Hugoni  liberaliter  concessimus,  ut  in  civitate  Aurasica 
monetam  cudi  faciant  et  omnem  exinde  proventum  ipsi 
percipiant.  Item  vexilliferatum  ab  Alpibus  usque  ad  Ro- 
danum  et  ab  Ysera  usque  ad  mare,  ab  antecessore  nostro 
commendande  memorie  rege  Corrado  avo  ipsorum  collatum  ^, 
predictis  fratribus  concedimus  et  confirmamus,  ita  sane,  ut 
hec  nostra  concessio  preiudicium  non  pariat  ei,  si  quis 
forte  in  ipso  beneficio  ius  habuerit.  Item  ratam  habemus 
et  haberi  volumus  donationem,  quam  Geraldus  Ademari 
de  terra  sua  ipsis  fratribus  fecit.  Villam  quoque  Novam 
ad  preces  eorum  donamus  ea  immunitate,  quam  habere 
consuevit,  scilicet  ut  habitantes  in  ea  vel  habitaturi  phys- 
cum  dare  non  cogantur  aut  pulmentationem,  salvo  tamen 
iure  imperiali.  Indulximus  eis  nichilominus,  ut  ab  homi- 
nibus  terre  sue  nova  pedagia  nee  in  terra  nee  in  aqua 
exigantur,  sed  ea  dumtaxat  pedagia  persolvant,  que  ex  anti- 
quo  sunt  vel  imperiali  auctoritate  concessa.  Ad  hec  ipsos 
ad*^  hoc  privilegiatos  esse  decernimus,  ut  beneficia,  que  ab 
imperio  tenent,  a  nobis  et  successoribus  nostris  ipsi  et 
eorum  successores  nulla  mediante  persona  iure  perpetuo 
debeant  obtinere.  Sancimus  itaque  et  imperiali  auctoritate 
precipimus,  quatenus  hec  nostre  concessionis  beneficia  nemo 
temere  audeat  corrumpere  vel  quolibet  fraudis  ingenio  de- 
vocare  in  irritum.  Quod  si  quis  ausu  temeritatis  attempta- 
verit,  quinquaginta  libras  auri  pro  pena  componat,  dimi- 
dium  physco  imperiali,  dimidium  iniuriam  passis.    Ut  autem 

a)  aliis.        b)  immutet.        c)  ut. 

1)  Davon  ist  in  Konrads  Urkunde  bei  Stumpf,  Acta  471  n.  332 
nicht  die  Rede. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      139 

nostre  auctoritatis  indnltum  sua  firmitate  solidetur,  presens 
inde  Privilegium  conscribi  iussimus  et  impressione  sigilli 
nostri  commiiniri. 

Hui  US  rei  testes  sunt  Eberhardus*^  Merseburgensis 
episcopus,  Henricus  Verdunensis  episcopus,  Lanfrancus  Pa- 
piensis  episcopus,  Sifridus  Hersveldensis  abbas,  Greg'orius 
abbas  Prumensis^,  Rodulphus  prepositus  et  imperialis  aule 
prothonotarius,  Lodovicus  lantgravius '^  Thuringie,  Gerhar- 
dus'^  comes  de  Lon,  Symon  comes  de  Spanhey m,  Corradus 
burgravius  de  Norimberch'^,  Henricus  burgravius  ßatisponen- 
sis,  Henricus  marescalcus  de  Lutra^,  Conradus  pincerna,  Ea- 
dulfus  camerarius,  Warnerus  de  Bonlant  et  alii  quam  plures. 

Acta  sunt  hec  anno  dominice  incarnationis  1184,  in- 
dictione  3,  regnante  domino  Frederico  imperatore  gloriosis- 
simo,  anno  regni  eins  33,  imperii  vero  31.  Datum  Papie, 
7.  idus  Octobris. 

Friedrich  II.  schreibt  an  Bertrand  Porcellet  und 
dessen  Neffen,  dass  er  auf  Klage  des  Hugo  von 
Baux  und  seiner  Frau  Barrale,  denen  Marseille 
Rechte  und  Besitzungen  in  Stadt  und  Viconitat 
vorenthalte,  den  Dragonet  von  Mont-Dragon  und 
den  Blacas  (von  Beaudinard?)  beauftragt  habe,  sie 
sollten  der  Gemeinde  befehlen,  innerhalb  eines 
Monats  dem  Hugo  und  der  Barrale  alles  Ihrige 
herauszugeben,  so  wie  Barrales  Vater  es  besessen; 
theilt  ihnen  mit,  dass  er  die  Marseiller  im  Falle 
der  Weigerung  bannen  würde,  und  verpflichtet  sie, 
dem  Hugo  und  der  Barrale,  sobald  Dragonet  und 
Blacas  sie  von  der  Verhängung  des  Bannes  be- 
nachrichtigt hätten,  die  verlangte  Hülfe  zu  leisten^. 
1228  Mai  15,  Barletta. 

Fridericus  dei  gratia  Romanorum  Imperator  semper 
augustus,  lerusalem  et  Sicilie  rex  Bertrando  Porcelleto  et 
Bertrando  Porcelleto  nepoti  eins  gratiam  suam  et  bonam 
voluntatem. 

Notum  facimus  fidelitati  vestre,  quod  cum  vir  nobilis 
Hugo  de  Baucio  fidelis  noster  ad  nostre  maiestatis  presen- 
tiam  accessisset,  conquerendo  tam   pro  se  quam  pro  parte 


a)  Ebi/ardus.        b)  Parmensis.         c)  londeganus.         d)  Guichardiis. 
e)  Quomribeeh.         f)  Luca. 

1)  Die  Porcellets  besassen  einen  Theil  der  Stadt  Arles;   Dragonet 
war  mehrmals  Podestä  von  Arles,  wahrscheinlich  auch  zur  Zeit. 


140  Paul  Scheffer-Boichorst. 

Barrale  uxoris  sue  de  universitate  Massilie,  proposnit  coram 
nobis,  quod  universitas  Massilie  iura,  que  habent  et  habere 
debent  in  civitate  Massilie,  in  eastris,  villis  et  aliis  locis 
vicecomitatus  Massiliensis  et  possessionem  dicte  civitatis 
Massiliensis,  castrorum,  villarum  et  aliorum  locorum,  que 
sunt  in  vicecomitatu  ip[sius"]  et  reddituum,  quos  inde  per- 
ceperunt,  reddere  contradicunt,  detinendo  ea  in  eorum  pre- 
iudieium  manifestum.  Nos  igitur  predicto  Hugoni  et  Bar- 
rale uxori  sue  fidelibus  nostris  non  debentes  deesse  in 
eorum  iustitia  nee  volentes,  Draconeto  Montis  Draconi  et 
Blancatio  fidelibus  nostris  dedimus  per  nostras  litteras  in 
mandatis,  quatenus  dicte  universitati  Massilie  ex  parte 
[nostra'']  iniunge[rent^]  firmiter  et  mandarent,  monentes 
eos  et  propensius  inducentes,  ut  infra  mensem  post  amoni- 
tionem  eorum,  coram  [idone]is  personis  Massiliensibus  fac- 
tam,  omni  occasione  remota  et  appellationis  ac  recusatiouis 
remedio  penitus  excluso,  [dicta  univer]sitas  Hug'oni  de 
Baucio  et  Barrale  uxori  eins  plene  restituant  omnia  iura 
sua,  que  habent  vel  habere  debent  [in  dicta  universi]tate 
Massilie,  eastris,  villis  et  aliis  locis  vicecomitatus  Massilie 
cum  redditibus  et  proventibus  inde  perce[ptis,  vicecomita- 
tu]m  civitatis  Massilie  cum  plena  iurisdictione  et  posses- 
sionem castrorum,  villarum  et  aliorum  locorum,  sicut  Bar- 
ralus  pater  [dicte]  Barrale  supradicta  olim  tenuisse  et 
habuisse  dinoscitur  tempore  vite  sue.  Quod  si  mandatum 
nostrum  iuxta  prefatam  amonitionem  infra  predictum  tem- 
pus  Massilienses  non  adimpleverint,  preter  iram  et  indigna- 
tionem  nostram  banuum  nostre  celsitudinis  eos  noveritis 
incurrisse  et  vos  eos  habeatis  postmodum  pro  bannitis  ^. 
Mandamus  ig-itur  fidelitati  vestre  et  districte  precipimus,  qua- 
tenus, postquam  per  supradictos  fideles  nostros  vobis  con- 
stiterit,  Massilienses  bannum  nostrum  ut  predictum  est  in- 
currisse, vos  abinde  contra  eosdem  Massilienses  dictum 
Hugonem  et  Barralam  uxorem  eins  ac  filios  eorumdem  in 
quibuscumque  poteritis  studeatis,  sicut  postulaverint,  ad- 
iuvare,  mandatum  nostrum  taliter  exequendo,  ut  fidem  et 
devotionem  [vestrjam  possimus  exinde  mer[it]o  commendare. 

Datum  Baroli  15.  niadii  prime  indictionis. 


a)  s/'ns  verblasst.  b)  nosfra  fehlt.  c)  Hier  und  fernerhin  sind 
die  eingeklammerten  Buchstaben  nicht  mehr  lesbar. 

1)  Nach  B.  F.  1752  war  Marseille  im  April  1229  gebannt.  Offenbar 
galt  nicht  mehr  jener  Bann,  der  1225  über  Marseille  verhängt  war.  Da- 
nach ist  Sternfeld,  Das  Verhältnis  des  Arelats  59  zu  berichtigen. 


Urkunden  ii.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      141 

Hospiz  auf  dem  grossen  Sanct-Bernhard. 

Bethmann  hat  in  seiner  Beschreibung-  des  Turiner 
Staatsarchivs  ^  auch  eines  Packetchens  von  Urkunden  für 
das  berühmte  Hospiz  gedacht.  'Alles  Copien',  sagt  er, 
'1176,  1187,  1191  April  3,  1191  April  26,  1193'.  Die  An- 
gaben lassen  zu  wünschen  übrig.  Um  mit  dem  Unwesent- 
licheren zu  beginnen,  so  ist  1191  April  16  zu  lesen,  wie 
bei  St.  4693^*.  Ferner  ist  es  irrig,  dass  in  dem  Convolnt 
—  Prevote  du  Grand  S.  Bernard.  Paquet  I.  n.  5  —  eine 
Urkunde  vom  3.  April  '1191'  sich  finde.  Das  von  Beth- 
mann gemeinte  Stück  rührt  offenbar  nicht  von  Hein- 
rich VI.,  sondern  VII. ;  es  ist  nur  mit  Ort,  Monat  und 
Tag  versehn:  Mediolani  feriio  aprüis,  und  gehört  zu  1311 -. 
Dann  haben  wir  die  Urkunde  von  1193  anderweitig  in 
einer  besseren  Fassung,  wonach  sie  am  13.  Mai  ausgestellt 
wurde,  St.  4812'''.  Viel  mehr  zu  schätzen,  als  die  bisher 
bekannte  Ueberlieferung,  ist  dagegen  der  hier  gebotene 
Text  von  1176.  Wie  die  Urkunde  in  Mon.  patr.  Taur. 
Chart.  II,  1052  vorliegt^,  konnte  St.  4182  sie  zwischen 
Juli  und  November  1176  einreihen.  In  der  Turiner  Ab- 
schrift heisst  es  nun  apiid  Taurinmn  1176  indidione  nona, 
nonis  lanuarii,  also:  Turin  1176  Januar  5.  Das  ist  zugleich 
der  erste  urkundliche  Nachweis  für  einen  Aufenthalt 
Friedrichs  I.  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1176.  Nicht 
minderen  Werth  hat  der  Text  von  1187;  wir  finden  in 
ihm  eine  bekannte  Urkunde  Heinrichs  VI.  wieder.  Nach 
dem  Drucke  der  Mon.  patr.  Taur.  Chart.  II,  1073^  lauteten 
ihre  Daten:  Mediolani  no.  dorn,  incar.  1180,  ind.  13.,  4.  cal. 
April.  Dass  nun  Heinrich  VI.,  1184  erst  zu  mannbaren 
Jahren  gelangt,  nicht  schon  April  1180  selbständig  in  Mai- 
land geurkundet  habe,  leuchtete  Allen  ein,  etwa  bis  auf  den 
Herausgeber,  und  doch  vornehmlich  wegen  des  Jahres  hat 
St.  4574  über  die  Urkunde  den  Stab  gebrochen.  Wie  eine 
günstigere  Wendung,  wenngleich  noch  längst  nicht  wie 
eine  Rettung,  erschien  später  die  Mittheilung  Grremauds  ■\ 
dass  eine  Abschrift  im  Archiv  des  Hospitals  selbst  die  Da- 
tierung trage:  Mediolani  1187,  indictione  3,  hol.  April. 
Aber  Indiction  und  Jahr  widersprachen   einander,   und  so 

1)  Arch.  f.  ältere  deutsche  Geschichtsk.  XII,  598.  2)  Es  ist 
meines  Wissens  ungedruckt,  es  sollte  unter  Gremauds  Docum.  rel.  ä  l'hist. 
du  Vallais  nicht  fehlen.  3)  Ebenso  in  den  angeführten  Docum.  du 
Vallais,  Mem.  et  docum.,  publies  par  la  societe  d'hist.  de  la  Suisse  Ro- 
mande  XXIX,  101,  wie  auch  bei  Luquet,  Etudes  hist.  sur  l'etablissement 
hospitalier  du  Grand  Saint  Bernard  72  Anm.  1.  4)  =  Mem.  et  docum. 
1.  c.  111,  Luquet  1.  c.  73  Anm.  1.        5)  Mem.  et  docum.  1.  c.  112  Anm, 


142  Paul  Scheffer-Boichorst. 

meinte  Gremaud,  die  neue  Lesart  nicht  bevorzugen  zu 
dürfen.  Alle  Zweifel  hebt  die  Turiner  Ueberlieferuug. 
Ihre  Datierung  lautet:  Mediolani  ao.  dorn,  incar.  centesimo 
oduagesimo  septimo,  indictione  quinta,  tertio  calend.  Aprilis. 
'Mailand  1187  März  30'  passt  aber  auch  recht  gut  ins 
Itinerar  Heinrichs:  er  war  am  24.  März  in  Lodi,  nun  am 
30.  in  Mailand,  er  ging  nach  Asti^,  und  befand  sich  am 
6.  April  in  Casale.  Wir  erhalten  damit  die  erste  Kunde, 
dass  Heinrich  im  März  1187  Mailand  besuchte.  Nehmen 
wir  hinzu,  dass  er  im  November,  wie  ich  an  einem  anderen 
Orte  zeigte  -,  nochmals  dahin  zurückkehrte,  so  erscheint 
die  Correctur  nicht  ganz  gleichgültig,  abgesehen  von  der 
Bedeutung,  die  sie  als  Kriterium  für  die  Echtheit  der  ver- 
dächtigten Urkunde  hat^. 

S.  Paul  zu  Bisanz. 

Der  Rechtsstreit,  den  im  Jahre  1175  die  Canoniker 
mit  dem  Propste  von  Dole  führten,  ist  nicht  ganz  un- 
bekannt gewesen^.  Aber  ein  vollständiger  Druck  der  über 
ihn  handelnden  Urkunde  wurde  meines  Wissens  bisher  ent- 
behrt. Das  Avar  besonders  auch  wegen  der  verurtheilenden 
Person  zu  bedauern,  denn  ein  burgundischer  Reichslegat, 
Burchard  von  Asuel,  der  nicht  eben  zahlreiche  Spuren 
seiner  officiellen  Thätigkeit  hinterlassen  hat,  fällte  die 
Entscheidung. 

Eine  Beglaubigung  von  1381,  deren  Text  leider  zu 
wünschen  übrig  lässt,  fand  Bresslau  im  Departemental- 
archiv  zu  Bisanz.  Nach  seiner  Abschrift  habe  ich  die  fol- 
gende Ausgabe  veranstaltet. 

Burchard  von  Asuel,  kaiserlicher  Legat  in  Burgund, 
erklärt  auf  Grund  eines  Eides,  den  Clienten  von 
Dole  zu  Gunsten  der  Kläger,  der  Canoniker  von 
S.  Paul  in  Bisanz,  gegen  den  Propst  von  Dole  ge- 


1)  Dass  er  dort  schon  im  März  gewesen  sei,  ist  eine  willkürliche 
Deutung  der  betreffenden  Quellenangabe.  Gioffredo  della  Chiesa  Mon. 
patr.  Taur.  SS.  III,  880  sagt  nur,  freilich  ganz  verkehrt,  dass  Heinrich  im 
März  1187  nach  Italien  gekommen  sei.  2)  Zur  Gesch.  des  12.  und 
13.  Jh.  216.  221.  3)  Was  sonst  noch  vorgebracht  ist,  um  die  Fälschung 
zu  erweisen,  scheint  mir  der  rechten  Bedeutung  zu  entbehren.  So  be- 
hauptet Toeche,  Heinrich  VI.  690  Anm.  3,  dass  imperimn  7iostrum  von 
Heinrich  als  König  nie  gesagt  worden  sei.  Dagegen  genügt  der  Verweis 
auf  Stumpf,  Acta  559:  Henricus  etc.  7-ex  semp.  aug.  Cum  omnibus  im- 
perii  nostri  ßdeJihus  etc.  4)  E.  Clerc,  Essai  sur  la  Franche-Comte  I,  368. 
D(uvernoy),  Mouvence  de  Bourgogne  41.    Trouillat,  Mon.  de  Bäle  I,  295. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d,  stauf.  Periode.      143 

leistet  habeu,  dass  dessen  Ansprüche  an  das  Haus 
zu  Etrepignej  unberechtigt  seien. 
1175. 

In  nomine  sancte  et  individue  trinitatis.  Ego  ßocardus 
de  Assuello,  imperialis  aule  legatus  in  ßurgundia,  presen- 
tibus  et  futuris  rei  gaste  noticiam. 

Opus  pietatis  est,  ecclesiarum  possessiones  intemeratas 

custodire  et  ad  earum  utilitatem,   que  .  .  .  .^ solvat, 

veritatem  non  occultare.  Noverit  igitur  fidelium  univer- 
sitas,  quod  canonici  Bisontine  ecclesie  sancti  Pauli  queri- 
moniam''  de  preposito  de  Dola  in  conspectu  nostro  fece- 
runt,  eo  quod  annualem  recepcionem  in  domo  de  Stirpiniaco 
contra  racionem  caperet  ac  usagium  in  omnibus  nemoribus 
de  Calce,  Aliis  et  Finagio  ^  usurparet.  Unde  factum  est, 
quod  eosdem  canonicos  et  prepositum  ad  instanciam  con- 
vocavimus,  et  auditis  utriusque  partis  allegacionibus  pla- 
cuit  utrisque,  ut  clientes  de  Dola  super  hec  veritatem  suam 
iureiurando  profiterentur.  Et  quia  hoc  satis  racionabile 
videbatur,  senioribus  quibusdam  clientibus  per  fidelitatem 
domini  imperatoris  precepimus,  ut  inde  veritatem  suam 
[iureiurando  profiterentur''].  Nunc  igitiir  in  curia '^  Hugo 
de  Hospitali,  qui  tunc  erat  prepositus,  Stephanus  de  Dompna 
Petra,  Paganus  de  Lavans,  Willelmus  de  Dola  et  alii 
clientes,  qui  sub  eadem  fidelitate  imperatoris  asseruerunt 
et  iuraverunt®,  eciam  voluerunt,  quod  ex  iure  recepcionem 
illam  dicta  domus  non  deberet,  sed  erat  libera  totaliter, 
et  usagium  in  omnibus  nemoribus  de  Calce,  Aliis  et  Fina- 
gio pure  et  libere  haberet*'.  Ex  parte  igitur  imperatoris 
precepimus,  preceptam  calumpniam  ex  toto  sepeliri  et 
nulla  gravamina  ecclesie  sancti  Pauli  deinceps  super  hac 
occasione  inferri. 

Huius  rei  testes  sunt  Odo  Campanensis,  Guido  miles 
de  Villasum,  Arnulphus  de  Dola,  Stephanus  de  Lala  milites. 

Eecoguitum  est  hoc  totum  in  presencia  Ebrardi,  tunc 
temporis  Bisontine  sedis  electi;  magistro  Atardo  et  ma- 
gistro  Ebrardo  de  curia  imperatoris  presentibus ;  anno  ab 
incarnatione  ^  domini   millesimo   100    septuagesimo    quinto. 


a)  home,  dann  Lücke.         b)  gravisstmum.         c)  Lücke.  d)  in 

iure,  doch  unsicher.         e)  Lesung  unsicher.        f)  imperate. 

1)  Mit  Aliis ^et  Finagio  ('oder  aliis  et  -finagio?)  weiss  ich  nichts  an- 
zufangen, lieber  Etrepigney  und  den  AVald  von  Chaux  vgl.  Marquiset, 
Statistique  hist.  de  l'arrond.  de  Dole  11,  59. 


144  Paul  Scheffer -Boichorst. 

S.  Stefan   zu   Bolog'ua. 

Die  Biblioteca  dello  studio  zu  Ferrara  besitzt  die 
Sammlungen  A.  Scalabrinis,  auf  deren  hohe  Bedeutung, 
von  Forschungen  Klinkenborgs  unterstützt,  jüngst  Col- 
lege Kehr  hingewiesen  hat  ^  Für  die  Kaiserurkunden  kommen 
namentlich  Monnmenta  vetera  monusterii  Pomposiani  et  Raven- 
natis  et  Ferrariensis  ecclesiaruni  in  Betracht.  Quaternio V.  f.  14 
bietet  die  Abschrift  einer  ungedruckten  Urkunde  Fried- 
richs I.,  deren  corrupte  Daten,  wie  sie  ihm  von  Klinken- 
borg mitgetheilt  waren,  Kehr  nicht  zu  bestimmen  ver- 
mochte -.  Sie  lauten  in  der  Abschrift  Scalabrinis,  der  dem 
sehr  verwahrlosten  Original  folgte  '^ :  Ferrarie  .  .  kl.  mar. 
ani  dni  MCLXXXI,  indictione  XV,  anno  regni  XIIII. 
imperii  XII.  Man  ändere  MCLXVII,  und  Alles  ist  in 
schönste  Ordnung  gebracht.  Zu  Februar  1167  passt  die 
15.  Indiction  und  das  12.  Kaiserjahr,  passt  aber  auch  das 
14.  Königsjahr,  nur  muss  man  dabei  nicht  auf  die  rech- 
nerische Richtigkeit  sehen,  sondern  auf  den  Kanzlei- 
gebrauch*. Was  ferner  den  Ort  betrifft,  so  wissen  wir 
anderweitig,  dass  Friedrich  damals  Ferrara  besuchte  ^. 

Welches  Kloster  aber  leitete  der  Abt  Landulf,  für 
den  die  Urkunde  ausgestellt  ist?  In  Ferrara  selbst  gab 
es  wohl  eine  Kirche  des  hl.  Stefan,  aber  kein  ihm  gewid- 
metes Kloster*'.  Nach  dem  übrigen  Inhalte  des  Sammel- 
bandes räth  man  auf  Pomposa  und  Eavenna;  doch  Patron 
von  Pomposa  war  die  Jungfrau,  und  auch  Eavenna  besass 
kein  Stefanskloster.  Wohl  aber  Bologna  ^  Zum  Glücke 
findet  sich  nun  noch  eine  Urkunde,  wonach  der  damalige 
Abt  von  S.  Stefan  zu  Bologna  Landulf  hiess  '^.  Offenbar 
hat  Scalabrini  die  Urkunde  abgeschrieben,  nicht  weil  der 
Empfänger  für  ihn  ein  Interesse  hatte,  sondern  wegen  des 
Ausstellungsortes. 

Scalabrini  hat  die  zahlreichen  Stellen  des  Originals, 
die  unlesbar  geworden  waren,  aufs  genaueste  bezeichnet; 
dass  ich  bei  meinen  Ergänzungen  stets  das  richtige  Wort 
getroffen  habe,  will  ich  nicht  behaupten;  aber  über  den 
Sinn  kann  man  nicht  zweifeln. 


1)  Nachrichten  der  kgl.  Gesellsch.  der  Wissensch.  zu  Göttingen  1897, 
S.  355.  2)  A.  a.  0.  358   Anm.       Die   hier  auch    erwähnte   Urkunde 

Friedrichs  II.  vom  Juni  1226  ist  gedruckt,  ß.  F.  1630.  3)  'lacero  per 
r antichita' ,  Er  sagt  nicht,  wo  er  die  Urkunde  gefunden  habe.  -Ij  St.  4079. 
80.  81.  82.  5)  Vita  Alexand.  III.  ap.  Watterich  II.  402.  6)   Scala- 

brini, Mem.  istor.  delle  chiese  di  Ferrara  64 — 67.  7)  Petracchi,  Della 
insigne  abbaziale  basilica  di  S.  Stefano  di  Bologna  1747  scheint  unsere 
Urkunde   nicht   gekannt  zu   haben.  8)    1162   December   15.     SavioU, 

Annali  Belog.  V>,  267. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      145 

Friedrich  I.    beschützt    den   Abt   Landulf    und   seine 
jetzigen,  wie  zukünftigen  Besitzungen. 
1167  Februar  14—28,  Ferrara. 

Fredericus  dei  gratia  Romanorum  imperator  et  semper 
augustus. 

[A]d  imperatoriam  pertinet  maiestatem  devotos  sibi 
et  fideles  [auctoritatis]  sue  pagina  roborare  [et  gratie]  sue 
patrocinium  [eis  libenter]  impendere.  Quocirca  notum  [sit 
imperii]  nostri  fidelibus,  presentibus  et  [futuris,  quod]  nos 
intuitu  [divine  retributionis]  fidelem  nostrum  Landulfum, 
[venejrabilem  abbatem  sancti  Stephani,  [et  omnes]  posses- 
siones  suas,  [qua]s  modo  habet  vel  auctore  deo  habiturus 
est,  sub  imperialem  protectionem  nostram  [susjcepimus, 
statuentes  et  auctoritate  nostra  firmiter  iubentes,  ut  eum 
de  c[etero]  nee  dux  vel  marchio,  nee  episcopus,  nee  comes 
vel  vicecomes,  nee  consules  vel  rec[tores],  nec*^  ulla  eccle- 
siastica  secularisve  persona,  magna  sive  parva,  in  bonis  et 
[possesjsionibus  mouasterii  sui  aut  in  persona  molestare  vel 
inquietare  presu[mat.  Siquis]  vero  hanc  nostram  auctoritatem 
violaverit  vel  ipsum  abbatem  fatigare  vel  [aggravare]  pre- 
sumpserit,  reus  erit  nostre  maiestatis  et  pro  pena  200  mar- 
cas  auri  persolvet,  dimidium  camere  nostre  et  dimidium 
predicto  abbati. 

Datum  Ferrari^  .  .  kal.^  Martii  anno  domini  1167'^, 
indictioue  15,  re[gnan]te  domno  Frederico  Romanorum 
im[peratore,  anno]  regni  eins  14,  imperii  vero  12,  [feliciter, 
amen.]^ 

Borgo  San  Sepolcro. 

G.  Mazzatinti,  Gli  archivi  della  storia  d'Italia  I,  87 
hat  neulich  einige  Notizen  über  das  Archiv  der  bischöf- 
lichen Curie  veröffentlicht;  auf  dessen  wichtigstes  Stück 
hat  er  nicht  aufmerksam  gemacht  - :  es  ist  ein  Pergament- 
heft, in  welches  Guido  Ascanins  Sfortia,  cardinalis  s.  Marias 
in  Cosniedin,  1540  eine  Fülle  nun  von  ihm  bestätigter  Ur- 
kunden eintragen  Hess.     Diesen  Schatz  erhoben  zu  haben, 


a)  nulla.        b)  Mart.  am.  dni,  1181.         c)  Das  Siegel  war  verloren. 

1)  Wenn  ich  recht  beobachtet  habe,  findet  sich  vor  kal.  eine 
Lücke.  Sie  ist  aber  auch  in  einer  mir  vorliegenden  Abschrift  Blochs 
angedeutet.  Schon  nach  Friedrichs  Itinerar  möchte  ich  die  Urkunde 
nicht  mit  N.  A.  XXIII,  778,  wo  übrigens  Jahr  und  Empfänger  richtig 
bestimmt  sind,  zum  1.  März  setzen.  2)  Auch  der  neueste  Geschichts- 
schreiber von  Borgo  San  Sepolcro,  Coleschi,  hat  es  nicht  gekannt. 
Neues  Archiv  etc.    XXIV.  10 


146  Paul  SchefEer-Boichorst. 

ist  das  Verdienst  Klinkenborgg,  dessen  Mittheilnngen 
mir  den  Weg  nach  S.  Sepolcro  zeigten  ^. 

Andere  werden  sich  mit  dem  übrigen  Inhalte  des 
Heftes  befassen.  Für  meine  nächsten  Zwecke  kommen  in 
Betracht:  zwei  Urkunden  des  Eeichslegaten  Christian,  des 
kaiserlichen  Kanzlers,  und  eine  des  Generalvicars  von 
Tuscien,  Pandulfs  von  Fasanella.  Eine  zweite  desselben 
Ausstellers  findet  sich  auf  einem  kurzen  Pergamentstreifen, 
und  zwar  in  eben  dem  Convolut,  worin  die  Transsumpte 
aufbewahrt  werden  -. 

Von  hervorragender  Bedeutung  ist  das  erste  der  beiden 
Privilegien  Christians. 

Aus  der  Zeugenreihe  lernen  wir  seine  Anhänger  ken- 
nen. Ein  stattliches  Gefolge  tuscischer,  märkischer,  römi- 
scher Grossen  hat  sich  seinem  siegreichen  Zuge  in  die 
Campagna  und  Maritima  angeschlossen^.  Die  Zeit  dieses 
Unternehmens  aber,  die  bisher  viel  umstritten  war^,  ist 
nun  durch  das  Datum  festgestellt.  Wie  wir  wissen,  hatte 
Christian  Alles  weit  und  breit  unterworfen,  nur  Anagnis 
wurde  er  nicht  Meister "",  er  musste  sich  mit  einer  Ver- 
wüstung seines  Gebietes  begnügen :  nach  unserer  Urkunde 
lag  er  am  3.  Juni  1165  im  Felde  von  Anagni. 

Beide  Urkunden  Christians  haben  dann  eine  nicht 
zu  unterschätzende  Wichtigkeit  für  ein  diplomatisches 
Gesetz. 

Der  neueste  Geschichtsschreiber  Christians  hat  mei- 
nen, mit  Hülfe  Fickers  geführten  Beweis,  dass  die  Recogni- 
tion  keineswegs  die  Anwesenheit  des  Kanzlers  bezeuge  '\ 
nicht  für  ausreichend  erachtet;  jede  Widerlegung  ver- 
schmähend, bleibt  er  einfach  bei  der  alten  Regel,  dass  der 
Kanzler,  dessen  Reeognition  die  betreffende  Urkunde  trägt, 


1)  Da  erfreute  ich  mich  des  liebenswürdigsten  Entgegenkommens, 
besonders  von  Seiten  der  Herren  Gr.  Rossi,  L.  Govanioli  und 
P.  Mäggi.  2)  Eine  Geschichte  S.  Sepolcros  von  Fr.  Bercordati, 

die  L.  Coleschi  besass,  blieb  mir  unzugänglich.  Auf  der  Communal- 
bibliothek  sah  ich  eine  andere  handschriftliche  Geschichte.  Darin  die 
Notiz :  jj/7V«7e(//«  conßrmavit  sua  afque  predecessorum  sitorum  imperatm' 
novaque  concessit  in  dicta  burc/i  ahhaiia  anno  incarnationis  1164  mense 
Septemhris.  IVlit  diesen,  besten  Falles  verwirrten  Daten  weiss  ich  nichts 
zu  machen ;  eine  sich  anschliessende  Wundergeschichte,  in  der  Friedrich  I. 
bei  dem  damaligen,  durchaus  abzuweisenden  Besuche  S.  Sepolcros  eine 
Rolle  gespielt  haben  soll,  erweckt  gegen  das  Urkundencitat  erst  recht 
Misstrauen.       3)  Vgl.  oben  S.  130  unter  'Domcapitel  und  S.  Fiore  zu  Arezzo'. 

4)  Vgl.  Varrentrapp,  Erzb.  Christian  von  Mainz  24.  25  und  Ficker,  Forschun- 
gen  zur   Reichs-   und   Rechtsgesch.   Italiens  II,    139  Anm.  27,  IV,   183. 

5)  —  2)reter  Anaqniam,  quam  devastaverunt.  Annal.  Ceccan.  MG.  SS.  XIX, 
285.        6)  Kaiser  Friedrich'  I.  letzter  Streit  mit  der  Curie  205—211. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  cl.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      147 

am  angegebenen  Orte  zugegen  war.  Und  so  führt  Varren- 
trapp  ^  seinen  Helden  in  der  ersten  Hälfte  des  Jnni  1165 
nach  Deutschland  zurück;  er  hält  ihn  dort  bis  zum  October 
1166  fest  und  lässt  ihn  dann  nochmals  die  Alpen  über- 
steigen ^. 

Zwei  Momente  hätten  schon  Bedenken  erregen  müssen. 
In  der  ganzen  Zeit,  die  Christian  am  Hofe  in  Deutschland 
verbracht  haben  soll,  erscheint  er  nicht  ein  einziges  Mal 
als  Zeuge,  stets  nur  als  ßecognoscent -'.  Ganz  anders, 
wenn  er  wirklich  beim  Kaiser  weilt:  nicht  selten  verbinden 
sich  dann  Recognition  und  Zeugenschaft  ^.  Ferner  wissen 
wir,  dass  Christian  mit  dem  Erzbisthum  Mainz  erst  um 
Weihnachten  1166  belehnt  wurde,  obwohl  seine  Wahl  schon 
im  September  1165  erfolgt  war.  Weshalb  hat  der  Kaiser 
IY4  Jahr  gezögert?  Doch  wohl  nur,  weil  Christian  nicht 
zur  Stelle  war,  weil  er  mit  ihm  erst  in  Italien  wieder  zu- 
sammentraf. Da  wurde  denn  zu  Bagnolo,  einem  Orte  bei 
Brescia,  die  Investitur  vollzogen  ^ 

So  ist  es  von  vorneherein  nicht  wahrscheinlich,  dass 
Christian  1165  und  1166  an  der  Seite  des  in  Deutschland 
weilenden  Kaisers  stand.  Volle  Sicherheit  über  sein  dauern- 
des Verbleiben  in  Italien  geben  folgende  Gründe. 

Die  erste  meiner  Urkunden  zeigt,  dass  Christian  am 
3.  Juni  1165  vor  den  Mauern  Anagnis  lag.  Unmöglich 
konnte  er  da  schon  am  14.,  wie  Varrentrapp  aus  einer 
Recognition  folgert,  beim  Kaiser  in  Würzburg  sein.  Eine 
zweite  Urkunde  führe  nicht  ich  zuerst  in  die  Untersuchung 


1)  S.  25.  26.  2)  'Der  Nachricht  eines  nicht  gleichzeitigen  Chro- 
nisten zufolge  eilte  er  dann  dem  Kaiser  voran  über  die  Alpen' :  Varren- 
trapp 26  bezieht  sich  dabei  auf  Chron.  Ursperg.  MG.  SS.  XXI,  355 : 
Imperator  —  in  Alamania  lyacem  reformavit.  Eo  namque  tempwe  impe- 
rator  jjremiserat  ad  pugnandum  contra  Romanos  Reinaldum 
Coloniensem  et  Christ/'anum  archiepiscojmni  Magimtinuin.  Quos  et  ipse  cum 
exercitu  consecutus  est.  Da  liegt  aber  offenbar  eine  Verwechselung  mit 
Späterem  vor.  Ich  will  nur  folgende  Stellen  hierher  setzen :  Imperatoi' 
Anchonam  obsidet,  capit.  Intereaque  Romam  premittit  Reinoldum.  Colo- 
niensem et  Christianum  Mogontinum  — .  Subsecptitur  eos  imperator.  Rahe- 
wini  Gestor.  Frid.  imp.  appendix  ed.  Waitz.  279.  Dann :  Änconam  civi- 
tatem  imp.  —  ad  deditionem-  compellit,  praemissisque  archiepiscopis 
Maguntino  et  Coloniensi  —  Romanorum  terras  vastat.  Annal.  Laub. 
MG.  SS.  IV,  24.  3)  Die  einzige  Ausnahme  haben  sowohl  Varrentrapp 
S.  129  n.  53,  wie  auch  St.  4065  als  Fälschung  gebrandmarkt.  4)  Varren- 
trapp S.  126.  127  n.  25.  32.  33.  34,  vgl.  27.  28.  5)  Vicent.  Prägens. 
MG.  SS.  XVII,  683.  Allerdings  war  Christian  schon  einen  Monat  früher, 
zu  Lodi,  mit  dem  Kaiser  zusammengekommen.  Da  man  aber  mit  der 
Investitur  solange  gewartet  hatte,  eilte  die  Sache  nicht.  Auch  waren 
wichtigere  Dinge  zu  erledigen,  und  für  das  Gepränge  einer  Belehnung 
eignete  sich  besser  die  nahe  Festzeit. 

10* 


148  Paul  Scheffer-Boichorst. 

ein,  aber  auch  sie  hat  Varrentrapp  noch  nicht  vorgelegen. 
Danach  war  Christian  im  letzten  Viertel  des  Jahres  1165 
zu  Borgo  San  Genesio  ^  Wer  der  'alten  Regel'  folgt,  muss 
also  annehmen,  dass  er  'neuerdings'  nach  Italien  gereist 
sei  ^.  Aber  schon  im  December  wäre  er  wieder  in  Deutsch- 
land gewesen:  man  werfe  nur  einen  Blick  auf  seine  Ee- 
cognitionen!  Wenn  diese  den  Ausschlag  geben,  dann 
würde  er  nun  im  Januar,  März,  April  und  Mai  1166  auf 
deutschem  Boden  geweilt  haben,  und  doch  —  nach  einer 
dritten  Urkunde,  nämlich  nach  der  zweiten,  die  mir  das 
Archiv  der  bischöflichen  Curie  von  San  Sepolcro  gab  ^, 
war  er  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1166  abermals  in 
Italien:  zu  Monte  Acuto  bewies  er  die  Dankbarkeit  seines 
Gemüthes.  Freilich  lange  hätte  Italien  ihn  auch  jetzt  nicht 
zu  fesseln  vermocht :  zeugt  die  Recognition  für  die  Anwesen- 
heit des  Kanzlers,  so  war  er  im  August  wieder  in  Deutsch- 
land. An  derartige  Hin-  und  Herreisen  wird  aber  wohl 
Niemand  glauben^,  ganz  abgesehen  davon,  dass  nicht  ein- 
mal immer  die  Zeit  vorhanden  ist,  von  dem  deutschen  zu 
dem  italienischen  Orte  zu  gelangen  oder  von  diesem  zu 
jenem. 

Reichskanzler  und  Legat  Christian  beschützt  wegen 
ausgezeichneten  Dienstes  den  Abt  Fransian,  seine 
Nachfolger  u.  s.  w.,  besonders  aber  alles,  was  Erz- 
kanzler Reinald  (1163  September  7)  verliehen  und 
Kaiser  Friedrich  (1163  November  6)  bestätigt  hat; 
will    die    Habe    der    Bürger    und    der    Leute    des 


1)  Ficker,   Forschgen.  IV,    182.  2)   Nach  Will,   Reg.   archiep. 

Mogunt.  II,  18  wäre  Christian  am  30.  November  1165  in  Pisa  gewesen, 
dabei  hat  er  jedoch  übersehen,  dass  sein  Gewährsmann  sich  des  calculus 
Pisanus  bedient.  3)  Ihrer  gedenkt  auch  Mazzatinti  a.  a.  O.  88,  aber 
nicht  nach  dem  Hefte  der  Transsumpte.  Wenn  er  seiner  Erwähnung 
hinzufügt:  senza  s/'g/lh,  so  könnte  man  glauben,  er  habe  ein  Original 
gesehen.  Ich  meinestheils  fand  nur  noch  eine  schlechte  Abschrift  des 
vorigen   Jahrhunderts.  4)   Varrentrapp   hat   St.  4038   nicht  gekannt; 

und  wenn  er  St.  4035  für  unecht  erklärte,  weil  darin  schon  am  1.  No- 
vember 1164  ein  gleichnamiger  Sohn  Friedrichs  genannt  werde,  so  ist 
dieser  Grund  durch  meine  Ausführungen  in  den  Mittheil.  d.  österr.  Inst. 
IX,  634 — 642  wohl  zur  Genüge  entkräftet  worden.  Das  aber  bemerke 
ich,  denn  nun  ergäbe  sich  nach  der  alten  Regel  folgendes  Itinerar 
Christians : 

1164  November  1  Ulm,  recognosciert.     St.  4035. 

November  30  Pisa,   führt  den  Papst  hierher.     Annal.  Pisani  MG. 

[SS.  XIX,  251. 
December  30  Strassburg,  recognosciert.     St.  4038. 

1165  Februar  14  Arezzo,  urkundet.     S.  oben  S.  181. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      149 

Klosters,  namentlich  derer  in  Casaprato,  von  allen 
Missbränchen  befreit  wissen;  ermächtigt  die  Mönche, 
Wasserleitungen  anzulegen,  Schenkungen  zu  em- 
pfangen, Tausche  einzugehen;  entkräftet  dagegen- 
lautende  Urkunden. 

1165  Juni  3,  im  Felde  von  Anagni. 

In  nomine  sancte  et  individue  trinitatis.  Christianus 
dei  gratia  imperialis  aule  cancellarius  et  legatus. 

Benignitas  imperialis  ad  hoc  vicem  suam  in  Italia 
gerendam  nostre  ordinationi  specialiter  commendavit,  ut 
ecclesias  dei  et  ipsarum  iura  ac  possessiones  conservemus 
et  tueamur,  et  illas  pre  ceteris  promoveamus  ac  honoribus 
decoremus  ecclesias,  que  specialius  ac  devotius  pre  ceteris 
ecclesiis  imperio  deservire  consueverunt  et  preclara  semper 
obsequia  impenderunt.  Proinde  notum  fieri  volumus  uni- 
versis  imperii  fidelibus  presentibus  atque  futuris,  quod  nos 
auctoritate  imperial!  et  nostra  venerabilem  abbatem  Fran- 
sianum  Burgi  sancti  Sepulchri  pro  eins  fideli  servitio  ac 
preclaro  obsequio  eiusque  successores  et  ipsius  monasterium 
iuraque  omnia  ac  possessiones,  quas  nunc  possidet  et 
annuente  deo  ipsi  monasterio  in  posterum  conferentur^  et  spe- 
cialiter omnia  illa  iura,  dominium  quoque  Burgi  et  liber- 
tates  illas,  quas  illustris  sancte  Coloniensis  ecclesie  electus 
et  Italie  archicancellarius  Reinaldus  eidem  monasterio 
privilegio  suo  contulit  ^  et  maiestas  imperatoria  suo  scripto 
confirmavit  ^,  in  protection em  domini  imperatoris  et  nostram 
suscipimus,  confirmantes  et  firmissime  precipientes  auctori- 
tate, qua  fungimur,  quatenus  hec  omnia  memorato  mo- 
nasterio rata  et  illibata  omni  tempore  permaneant.  Posses- 
siones et  res  burgensium  eiusdem  monasteril,  quas  nunc  luste  habent 
vel  inantea  cum  voluntate  monasterii  sancti  Sei^ulchri  legaliter  acquisi- 
verint,  homines  quoque  omnes  ipsius  monasterii  et  Specialiter  illos 
de  Casaprato  et  eorum  bona  ac  possessiones  ab  omni  mala  usuria 
liberas  et  absolutas  esse  decrevimus^.  Concedimus  quoque  fratribus 
sepedicti  monasterii,  ut  eis  liceat  aqueductus  pro  utilitate 
et  commodo  ducere  [sine]  alicuius  reclamatione  vel  contra- 
dictione.  Si  quis  et  liber  homo  res  ac  possessiones  suas 
eidem  monasterio  pro  salute  anime  sue  seu  aliquo  contu- 
lerit  concambio,  liceat  eiusdem  monasterii  fratribus  libere 
suscipere  ac  quiete  possidere.     Adiicientes  quoque  firmiter 


1)  deo  annuente  conferentur  Friedrich  I.  und  Reinald.  2)  Zuletzt 
gedruckt  bei  Prutz,  Kaiser  Friedrich  I.  I,  446.  3)  St.  3989,  zuletzt  ge- 
druckt bei  Prutz  a.  a.  0.  448.  4)  Hiernach  kann  der  in  allen  Drucken 
verderbte  Satz  der  Urkunde  Friedrichs  I.  berichtigt  werden. 


150  Paul  Scheffer-Boichorst. 

statuimus,  ut  nullum  alicums  ingenii  instrumentum  vel 
scriptum,  qnocumque  modo  acquisitum  seu  acquirendum, 
contra  haue  Serenissimi  imperatoris  et  nostram  protectionem 
ac  confirmationem  quicquid  unquam  valeat  vel  quisque 
dominum,  magnus  vel  parvus,  contra  hoc  temptare  pre- 
sumat.  Et  si  aliquomodo,  quod  absit,  contra  hoc  attemptare 
presumpserit  sive  aliquod  Ingenium  vel  scriptum  induxerit, 
omnino  COntradicimus*^  et  in'  irritum  revocamus.  Si'^  quis  autem, 
quod  absit,  contra  statuti  decretum  memorati  Coloniensis  electi  et 
Italie  cancellarii^  ac  contra  hanc  invictissimi  imperatoris  et 
nostram  confirmationem  seu  constitutionem  venire  presumpserit 
vel  aliquomodo  infirmare  tentaverit,  pene  1000  librarum  subia- 
ceat  earumque  medietatem  camere  imperiali,  alteram  medietatem  abbatie 
l^renotate  et  abbati  persolvat.  Quodsi  eandem  pecuniam  persol- 
vere  non  poterit,  personam  ipsius  publicamus  et  omnes 
possessiones  eins  in  modum  memorate  pecunie  fisco  impe- 
riali et  prenotate  abbatie  eiusque  abbati  asscribimus. 

Testes  hü  fuerunt:  Pistoriensis  episcopus  Gratianus, 
Camerinus  episcopus  Tuduinus,  abbas  sancti  Antimi  Wido, 
abbas  de  Campuleone,  abbas  sancti  Eutitii,  abbas  de  Zam- 
bona,  abbas  sancti  Salvatoris  de  Pete^;  laici:  prefectus 
urbis  ßome  Petrus,  comes  Wido  Verra,  comes  Albertus  de 
Prato,  marchio  Wernerus,  Jonatas  comes  Tusculanus  et 
alii  quam  plures. 

Data  fuerunt  hec  anno  dominice  incarnationis  mille- 
simo  centesimo  sexagesimo  quinto,  indictione  decima  tertia, 
regnante  Federico  Romanorum  imperatore  gloriosissimo, 
anno  regni  eius  13^,  imperii  vero  10,  in  campo  Anangie 
tertio  non.  lunii,  feliciter,  amen. 

Reichskanzler  Christian,  Erwählter  von  Mainz  und 
Legat  in  Italien,  schenkt  dem  Abte  Fransian  für 
herrlichen  Dienst,  den  er  dem  Reiche  und  ihm  im 
Gebiete  von  Rom  und  der  Campagna  geleistet  hat, 
neun  genannte  Massarien  in  Casaprato  mit  allem 
Zubehör,  wie  sie  der  verstorbene  Markgraf  Wido  (von 
Tuscien)  als  Reichslehen  besass. 
1166,  Kloster  Monte -Acuto^. 


a)  contradixerit.         b)  Sic.         c)  Beate? 

1)  in  irritum  revocamus  Friedrich  I.  2)  Was  fortan  in  kleinem 

Drucke  erscheint,  entspricht  der  Urkunde  Reinaids.  3)  Das  13.  Königs- 
jahr war  am  9.  März  1165  abgelaufen;  die  falsche  Berechnung  entspricht 
dem  Gebrauche  der  kaiserlichen  Kanzlei.  Vgl.  S,  132  Anm.  1.  4)  Nörd- 
lich von  Perugia. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      151 

Christianus  dei  gratia  imperialis  anle  cancellarius, 
Maguntine  sedis  electus  et  sacre  maiestatis  in  Italia  le- 
gatus. 

Benig-nitas  imperialis  ex  innata  sibi  pietate  consuevit 
semper  ecclesias  dei  congruis  honoribus  ac  beneficiis  subli- 
mare  et  facultatibus  suis  copiose  honorare.  Proinde  nos 
vicem  eius  in  Italia  gerentes  et  ipsius  liberalitatis  bouam 
voluntatem  cognoscentes ,  concedimus  venerabili  abbati 
Burgi  sancti  Sepulchri  Fransiano  pro  ipsius  magnifico  ser- 
vitio,  quod  imperio  et  nobis  in  Komania  et  in  Campania 
multis  expensis  exhibuit,  et  eius  ecclesie  ad  usus  fratrum 
inibi  deo  famulantium  novem  massarias  in  villa  Casaprato, 
videlicet  domum  filii  Adelasie,  domum  Lambertutii  et  lo- 
hannis,  domum  Ranutii  Marci,  domum  Betti,  domum  Si- 
guli,  domum  Giraldi  Guidunzii,  domum  Dominici  de  Jan- 
dazo,  domum  lohannis  et  Tusi,  domum  Ubertelli  de  Al- 
beo  cum  omnibus  pertinentiis  illis,  que  Wido  marchio 
defunctus  ab  imperatore  in  eadem  villa  Casaprato  in  bene- 
ficium  habuit,  sub  districto  sacramenti''^  et  sub  pena  .  .  .  J^ 
marcharum  puri  argenti  firmissime  precipientes,  ut  nullus 
dux  vel  marcliio,  comes  vel  capitaneus  sive  aliqua  persona, 
magna  vel  parva,  in  hac  uostra  concessione  predictum 
abbaten!  vel  eius  ecclesiam  deinceps  audeat  inquietare  vel 
molestare.  Si  quis  vero  ausu  temerario  hanc  nostram  con- 
cessionem  in  aliquo  infringere  attemptaverit,  perpetuam 
indignationem  domni  imperatoris  incurrat  et  penam  memo- 
ratam  componat,  dimidium  camere  imperiali  et  dimidium 
prefato  abbati  vel  eius  successori. 

Data  apud  abbatiam  sancti  Salvatoris  de  Montaguto 
anno  dominice  incarnationis  millesimo  centesimo  sexagesimo 
sexto,  indictione  quarta  decima,  imperante  domno  nostro 
serenissimo  imperatore  Federico  semper  augusto,  anno  regni 
eius  tertio  decimo  \  imperii  vero  11-.  In  presentia  cardi- 
nalis  Berardi,  abbatis  Radicofani,  prepositi  de  Difendale, 
Biselmari  capellani  et  in  presentia  multorum  imperii 
fidelium. 


a)  Ob  wirklicli  so  zu  leseu  ist?        b)  Die  Zahl  unleserlich. 

1)  Abermals  ist  das  Königsjahr  um  einen  Einer  zu  niedrig  be- 
rechnet. Das  aber  entspricht,  wie  schon  gesagt,  dem  Gebrauche  der 
kaiserlichen  Kanzlei.  Auch  sie  hat  bis  zum  9.  März  das  13.  gerechnet; 
indem  sie  es  noch  zum  April  und  Mai  setzt,  verstösst  sie  gegen  ihre 
eigene  Regel.  Ist  diese  in  unserem  Diplom  streng  befolgt,  so  gehört  es 
vor  den  9.  März.         2)  Das  11.  Kaiserjahr  lief  mit  dem  18.  Juni  ab. 


152  Paul  Scheffer-Boichorst. 

Pandulf  von  Fasanella,  kaiserlicher  Capitän  in  Tuscien, 
tadelt  die  Gemeinde,  dass  sie  trotz  seiner  Befehle 
Abt  und  Kloster  mit  Abgaben  belästige;  verlangt, 
dass  sie  innerhalb  vier  Tagen  einen  Sjndicus  mit 
sechs  angeseheneren  Männern  zu  ihm  schicke. 
(1244)  October  5,  Bibbiena. 

Pandulfus  de  Easanella,  imperialis  in  Tuscia  capita- 
neus  generalis  nobili  viro  domino  Donusdeo  potestati  et 
consilio  et  communi  Burgi  sancti  Sepulcri  salutem  et  amo- 
rem  sincerum. 

Miramur  multum  et  movemur,  quod  cum  vobis  semel 
et  pluries  mandaverimus  per  litteras  nostras,  ut  abbatem 
et  monasterium  sancti  Sepulcri  non  molestaretis  in  datiis 
seu  coUectis  vel  aliquibus  exactionibus,  —  quod  contempto 
mandato  nostro  aliquid  inde  facere  non  curastis.  Unde 
ne*^  penitus  videamini  mandatorum  nostrorum  contempto- 
res,  mandamus  vobis  auctoritate  imperiali,  qua  fungimur, 
quatenus  idoneum  sindicum  cum  sex  hominibus  melioribus 
vestre  terre  coram  nobis  de  hinc  ad  quatuor  dies  mittatis, 
mandatis  nostris  omnimodo  parituri,  sub  pena  100  marca- 
rum  argenti.     Et  sie  de  gratia  imperatoris  confidatis. 

Datum  Biblene^   5.  Octubris  tertie  indictionis. 

Pandulf  von  Fasanella,  kaiserlicher  Capitän  in  Tus- 
cien, gebietet  der  Gemeinde,  keine  Statuten  gegen 
die  Immunitäten  des  Klosters  zu  erlassen  und  die 
schon  erlassenen  nicht  auszuführen,  wie  auch  dem 
Kloster  und  dessen  Leuten  etwaigen  ßaub  zu  er- 
statten. 

(1244)  October  6,  Bibbiena. 

Pandulfus  de  Fasanella,  imperialis  in  Tuscia  capita- 
neus  generalis,  nobili  viro  domino  Donusdeo  potestati  et 
consilio  et  communi  Burgi  sancti  Sepulchri  salutem  et 
amorem  sincerum. 

Cum  abbas  pro  mouasterio  sancti  Sepulchri  Privi- 
legium immunitatis  habeat,  sibi  indultum  ab  imperiali  cul- 
mine,  et  intellexerimus  vos  certa  statuta  facere  in  preiudi- 
cium  iurium  dicti  monasterii  contra  tenorem  sui  privilegii, 
mandamus  vobis  auctoritate  imperiali,  qua  fungimur,  qua- 
tenus nulla  statuta  faciatis  nee  facta  observetis,  que  per 
vos  facta  sunt  contra  tenorem  privilegii  prefati;  et  si  ab 
eo  vel  suis  hominibus  seu  ab  ecclesiis  boves  vel  aliquid 
aliud  afferri  fecistis  contra  formam  vel  modum  dicti  privi- 

a)  cum.        b)  Biblone. 


I 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     153 

legii,  sibi  reddi  faciatis  snb  pena  a  vobis  ....  inferenda. 
Dum  Privilegium  immunitatis  a  domino  nostro  imperatore 
concessum  volumus  illesum  servari. 

Datum  Biblene  sexto  Octubris  tertie  indictionis. 

Erzbisthum  Capua. 

Wohl  für  keine  Kirche  von  ähnlicher  Bedeutung 
kannte  man  bis  vor  Kurzem  so  wenige  Königs-  oder  Kaiser- 
urkunden. In  einem  dreibändigen  ßepertorium  begegnete 
Bethmann^  der  Erwähnung  einer  einzigen-,  aber  sie 
selbst  kam  nicht  wieder  zum  Vorschein.  Nun  hat  Lang- 
lois  im  Register  Nicolaus'  IV.  nicht  blos  diese  eine  ge- 
funden, sondern  zugleich  vier  andere,  die  mit  ihr  in  Ver- 
bindung stehen  ^. 

Damit  wird  eine  nächstliegende  Vermuthung  bestä- 
tigt, nämlich  die,  dass  ein  Mann,  um  das  staufische  Haus 
so  hochverdient,  wie  Erzbischof  Matthaeus,  nicht  leer  aus- 
gegangen sei.  Matthaeus  war  einer  der  ersten  Sicilianer, 
die  Heinrich  VI.  entgegenkamen;  von  diesem  Augenblicke 
an  stand  er  treu  zum  Staufer,  ob  auch  seine  Stadt  eine 
Belagerung  aushalten  musste;  wohl  keinen  Kirchenfürsten 
finden  wir  so  oft  am  kaiserlichen  Hofe  ^ ;  nicht  mit  Unrecht 
lässt  Petras  von  Ebulo  den  Kaiser  zu  ihm  sagen:  mentis 
pars  mcLTima  nostre^ :  ihn  berief  dann  die  Kaiserin  in  den 
Regentschaftsrath,  der  nach  ihrem  Tode  die  Vormundschaft 
über  Friedrich  II.  führen  sollte.  Ein  so  treuer  Anhänger 
muss  seinen  Lohn  erhalten  haben.  Drei  Urkunden  liefern 
jetzt  den  Beweis.  Zwei  der  Schenkungen  bestätigte  Fried- 
rich II.  dem  folgenden  Erzbischof  Rainald. 

Von  je  zwei  Urkunden  Heinrichs  VI.  und  Friedrichs  II. 
hat  Langlois  kurze  Auszüge  mitgetheilt;  eine  der  Kaiserin 
Constanze  hat  er  vollständig  veröffentlicht.  Der  Güte 
des  Directors  unseres  historischen  Instituts  in  Rom,  Herrn 
Prof.  Friedensburg,  verdanke  ich  nun  auch  den  un- 
gekürzten Wortlaut  der  Vergünstigungen  Heinrichs  VI. 
und  Friedrichs  II.     Mit  ihnen  verbinde   ich   natürlich  das 


1)  Archiv  f.  ältere  deutsche  Geschichtskunde  XII,  494.  2)  Sonst 
kannte  man  meines  "Wissens  nur  noch  die  Urkunde  B.  F.  3783,  die  nach 
Winkelmann  dieselbe  ist  wie  B.  F.  W.  14758.  Ob  Venturas  Repertorium 
des  erzbischöflichen  Archivs  zu  Capua,  welches  hier  nach  Capasso  e  la- 
nelli  Pietro  della  A^igiia  51  angeführt  wird,  das  von  Bethmann  benutzte  ist, 
kann  ich  nicht  sagen,  da  unsere  Bibliothek  das  Buch  nicht  besitzt.  3)  Les 
registres  de  Nicolas  IV.  S.  716.  717  n.  5162  —  5165.  4)   St.  4698.  99. 

4701.  02.  04.  4890.  95.  96.  4902.  03.  05.  10  a.  22.  5065.  70.  80.         5)  Liber 
ad  honor.  aug.  v.  412  ed.  Winkelmann  p.  32. 


154  Paul  SchefEer-Boichorst. 

eng  dazu  gehörende  Privileg  der  Constanze,  den  Text  Lang- 
lois'  zu  Grunde  legend. 

Heinrich  VI.  verleiht  zugleich  mit  seiner  Gattin  dem 
Erzbischof  Matthaeus,    der   ihm    aufrichtige   Treue 
und  Ergebenheit  bewiesen  hat,  Castell'  a  Mare  del 
Volturno  mit  Zubehör. 
1195  April  8,  Trani. 

In  nomine  sancte  et  individue  trinitatis.  Henricus 
sextus  divina  favente  dementia  Uomanorum  Imperator  sem- 
per  augustus  et  rex  Sicilie. 

Imperialis  mansuetudinis  excellentiam  et  christiani 
decet  principis  maiestatem,  ecclesias  dei  diligere  et  earum 
possessiones  religiöse  devotionis  munificentia  dilatare,  sacer- 
dotibus  quoque  domini  ac  ministris  eins  tanto  largius  dona 
sue  liberalitatis  impendere,  quanto  id,  quod^  eis  impen- 
ditur,  deo,  cuius  ministri  sunt,  comprobatur  impendi.  Ad 
laudem  igitur  dei  patris  et  gloriosi  prothomartiris  Ste- 
23hani,  cuius  patrocinatum  elegimus  et  optamus  habere,  in- 
specta  sinceritate  fidei  et  devotionis,  quam  Matheus  vene- 
rabilis  Capuanus  archiepiscopus,  dilectus  familiaris  et  fidelis 
noster,  serenitati  nostre  dinoscitur  observasse,  uua  cum 
Constantia  illustri  Romanorum  imperatrice  et  regina  Sicilie 
semper  augusta  dilecta  consorte  nostra,  damus  et  concedi- 
mus  ei  et  successoribus  eins  ac  per  eos  ecclesie  beati  Ste- 
phan! Capuane  in  perpetuum  Castellum  Maris  de  Vulturno 
cum  Omnibus  iustis  tenimentis  et  pertinentiis  eins,  qua  in 
hominibus,  terris,  aquis  vel  quibuslibet  proventibus  videtur 
habere,  ünde  ad  perj^etuam  eins  et  successorum  suorum 
sec^^ritatem  et  pro  inconcusse  robore  firmitatis  presentem 
inde  scribi  paginam  et  nostre  auctoritatis  buUa  aurea  ius- 
simus  communiri,  statvientes,  ut  nulla  omnino  persona  in 
alto  gradu  vel  humili  constituta  contra  iamdictam  largi- 
tionis  nostre  donationem  aliquid  proponere  vel  attemptare 
presumat,  et  qui  modo  quolibet  in  preiudicium  ipsius  nostre 
donationis  egisse  aliquid  fuerit  interceptus,  quinquaginta 
librarum  auri  pena  mulctetur,  quarum  medietas  fisco  nostro 
solvatur,  reliqua  vero  parti  eiusdem  ecclesie,  quam  ledere 
temptavit,  accedat. 

Huius  rei  testes  sunt  Guillermus  archiepiscopus  Ra- 
vennas,  Henricus  Wormaciensis  episcopus,  Galterius  Troia- 
nus  episcopus  et  regni  Sicilie  et  Apulie  cancellarius,  Con- 
radus  imperialis  aule  cancellarius,  Philippus  frater  noster, 

a)  ad  quod. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode,      155 

Corradus  dux  Spoleti,  Marcualdns  imperialis  dapifer,  Hen- 
ricus  de  Calendin  marescalcus  et  alii  quam  plures. 

Ego  Conradus  imperialis  aule  cancellarius  una  cum 
domino  Gualterio  regni  Sicilie  et  Apulie  cancellario  re- 
cognovi. 

Signum  domini  Henrici  sexti  Eomanorum  imperatoris 
invictissimi  et  regis  Sicilie  semper  augusti. 

Acta  sunt  hec  anno  dominice  incarnationis  1100  nona- 
gesimo  quinto  indictionis  tertie  decinie,  regnante  domino 
nostro  Henrico  sexto  Romanorum  imperatore  invictissimo 
et  rege  Sicilie  semper  augusto,  anno  regni  eins  24,  imperii 
vero  quinto,  regni  Sicilie  primo.  Datum  apud  Tranum 
octavo  die  mensis  Aprilis  per  nianus  Alberti  imperialis  aule 
protonotarii. 

Heinricli  VI.  verleiht  zugleich  mit  seiner  Gattin  dem 
Erzbischof  Mattliaeus,  der  ihnen  aufrichtige  Treue 
und  Ergebenheit  bewiesen,  dessen  Kirche  auch  in 
ihrem  Dienste  Schaden  erlitten  hat,  Pino,  Pemonte 
und  alles  Land  des  weiland  Landulph  Compalatio, 
als  abgabefreien  Besitz,  jedoch  'salvo  mandato'. 
1197  September  24,  Messina. 

In  nomine  sancte  et  individue  trinitatis.  Henricus 
sextus  divina  favente  dementia  Romanorum  imperator  sem- 
per augustus  et  rex  Sicilie. 

Si  iuste  postulatio  voluutatis  in  personis  quorumlibet, 
et  hiis,  quos  nulla  precessit  observantia,  meritorum  effectu 
debet  aliquando  prosequente  compleri,  multo  magis  impe- 
rialis sublimitas  sacrosanctis  tenetur  adesse  ecclesiis  et 
illis  presertim  dei  cultoribus  suum  reserare  humanitatis 
auditum,  qui  propter  integritatem  fidei  augustali  munifi- 
centie  totaliter  observatam  rerum  iacturas  et  corporum 
supplicia  evidentius  sustinuisse  noscuntur.  Unde  inspecta 
sinceritate  fidei  pariter  et  devotionis,  quam  Matheus  vene- 
rabilis  Capuanus  archiepiscopus,  dilectus  fidelis  et  fami- 
liaris  noster,  excellentie  nostre  et  carissime  consorti  nostre 
Constantie,  illustri  Romanorum  imperatrici  semper  auguste 
et  regine  Sicilie,  dinoscitur  observasse,  considerata  etiam 
ipsius  ecclesie  Capuane  iactura,  quam  sub  nostri  occasione 
servitii  eam  novimus  pertulisse,  ipsi  venerabili  archiepiscopo 
et  ecclesie  Capuane  libere  et  sine  aliqua  conditione  vel 
servitio  in  perpetuum  damus  et  concedimus,  una  cum  dilecta 
consorte  nostra  Constantia  illustri  Roraanorum  imperatrice 
semper   augusta   et   regina  Sicilie,  Pinum  et  Pemontem  et 


156  Paul  SchefEer-Boicliorst. 

terram,  que  olim  fuit  Landulphi  Compalatii  tarn  infra  quam 
extra  civitatem  Capne,  cum  omnibus  rationibus  et  iustitiis 
ipsis  pertinentibus,  salvo  maiidato  et  ordinatione  nostra  et 
nostrorum  heredum.  Statuimus  igitur  et  imperiali  saucci- 
mus  edicto,  ut  nulla  omniuo  persona,  parva  vel  magna,  se- 
cularis  vel  ecclesiastica,  contra  hanc  maiestatis  nostre  con- 
cessionem  et  presentem  auctoritatis  nostre,  quam  inde  faci- 
mus,  confirmationem  audeat  venire  vel  eam  aliquo  modo 
presumat  perturbare.  Quod  si  quis  facere  attemptaverit, 
centum  libras  auri  puri  pro  pena  componat,  dimidium  ca- 
mere  nostre  et  reliquum  passis  iniuriam. 

Huius  rei  testes  sunt  Carus  Montis  Regalis  archiepi- 
scopus,  Guillermus  Eeginus  archiepiscopus,  Berardus  Messa- 
nensis  archiepiscopus,  Hertwicus  Eistedensis  episcopus,  Theo- 
dericus  Traiectensis  prepositus,  Albertus  imperialis  aule 
prothonotarius,  Berardus  imperialis  aule  medicus  familiaris, 
Conradus  dux  Spoleti,  Marquardus  senescalcus  marchio 
Ancone  et  dux  Ravenne,  comes'"^  Albertus  de  Spanheim, 
comes  Bertoldus  de  Leschemunde,  comes  Gentilis,  comes 
loffredus  de  Marturano,  Guillermus  Crassus  comes  Malte 
totius  regni  ammiratus  et  alii  quam  plures. 

Signum  domini  Henrici  sexti  Romanorum  imperatoris 
invictissimi  et  regis  Sicilie. 

Ego  Conradus  Hildeneshemensis  episcopus  imperialis 
aule  cancellarius  una  cum  domino  Waltero  Troiano  episcopo 
et  regni  Sicilie  cancellario  recognovi. 

Acta  sunt  hec  anno  dominice  incarnationis  1100  nona- 
gesimo  septimo,  indictione  prima,  regnante  domino  Hen- 
rico  sexto  Romanorum  imperatore  gloriosissimo  et  poten- 
tissimo  rege  Sicilie,  anno  regni  eius  vicesimo  octavo,  im- 
perii  vero  septimo  et  regni  Sicilie  tertio.  Datum  Messane 
per  manum  Alberti  imperialis  aule  prothonotarii  vicesimo 
quarto  die  mensis  Septembris. 

Constanze  I.  schenkt  dem  Erzbischof  Matthaeus  in 
Anbetracht  seiner  reinen  Treue  und  seiner  geneh- 
men Dienste  die  Judenschaft  seiner  Stadt  zu  ab- 
gabefreiem Besitze;  will,  dass  das  Land  des  Lan- 
dulf Compalatio,  das  Heinrich  VI.  ihm  verliehen, 
das  er  aber  der  Tochter  des  Landulf  als  Baronie 
gegeben,  wenn  deren  Geschlecht  erlösche,  seiner 
Kirche  heimfalle. 

1198  September  9,  Palermo. 


a)  Albertus  comes  Albertus. 


Urkunden  n.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      157 

Constantia  dei  gratia  Eomanorum^  imperatrix  semper 
aug'usta  et  regln a  Sicilie  una  cum  carissimo  filio  suo  Fre- 
derico  eadem  gratia  rege  Sicilie,  ducatus  Apulie  et  princi- 
patus  Capue. 

Notum  facimus  universis  regni  nostri  fidelibus  tarn 
presentibus  quam  futuris  presentem  paginam  intuentibus, 
quod  nos  de  solita  gratia  et  liberalitate  nostra,  pro  reme- 
dio  quoque  anime  domini  regis  Rogerii  bone  memorie  nec- 
non  et  domini  imperatoris  inclite  recordationis,  attendentes 
quoque  puram  fidem  et  grata  servitia,  que  Matheus  vene- 
rabilis  Capuanus  archiepiscopus,  dilectus  fidelis  et  fami- 
liaris  noster,  ipsi  domino  imperatori  et  nobis  diligenter  ex- 
hibuit  et  cotidie  exhibet,  concedimus  ei  et  ecclesie  Capuane 
ac  successoribus  suis  in  perpetuum  iudaicam  civitatis  Capue 
libere  et  sine  alicuius  exactione  servitii.  Volumus  etiam, 
ut  terram,  que  fuerat  Landulphi''  Compalatii,  quam  pre- 
nominatus  dominus  Imperator  bone  memorie  ipsi  archiepi- 
scopo  et  ecclesie  Capuane  concessit  et  ad  presens  idem 
archiepiscopus  permissione  nostra  Ricie  filie  ipsius  Landul- 
phi^  in  baroniam  tribuit,  quocumque  tempore  ipsa  filia 
Landulphi''  vel  heredes  eius  sine  berede  decesserint,  ad  de- 
manium  ipsius  ecclesie  Capuane  deveniat.  Ad  huius  autem 
nostre  donationis  et  concessionis  memoriam  et  perpetuam 
firmitatem  presentem  scribi  paginam  et  maiestatis  nostre 
sigillo  iussimus  communiri. 

Datum  Panormi  9.  die  mensis  Septembris  secunde 
indictionis. 

Friedrich  II.  verleiht  dem  Erzbischof  Rainald  in  An- 
betracht der  Reinheit  seiner  Ergebenheit  und 
Treue,  dann  der  genehmen  Dienste,  die  er  stets 
geleistet  hat  und  unaufhörlich  zu  leisten  bemüht 
ist,  Casteir  a  Mare  del  Volturno  mit  Zubehör,  wie 
seine  Eltern  es  (1195  April  8)  dem  Erzbischof  Mat- 
thaeus  geschenkt  haben. 
1206  März,  Palermo. 

In  nomine  dei  eterni  et  salvatoris  nostri  lesu  Christi, 
amen.  Fredericus  divina  favente  dementia  rex  Sicilie,  du- 
catus Apulie  et  principatus  Capue. 

Cum  ins  perpetue  firmitatis  donis  debeatur  regalibus, 
servari  nostro  tempore  convenit  illibatum,  quicquid  a  pre- 
decessoribus  regibus  et  maxime  a  progenitoribus  nostris  ob 


a)  Romana.        b)  Pandulphl. 


158  Paul  SchefEer-Boichorst. 

fidei  meritum  invenimus  fidelibus  fuisse  collatum.  lila 
tarnen  favorabilia  sunt  dona  principum,  que  sacrosanctis 
conferuntur  ecclesiis,  ut  hereditas  domini  inter  homines 
dilatetur.  Hinc  est  igitur,  quod  nos  attendentes  devotionis 
ac  fidei  puritatem  necnon  et  grata  servitia,  que  tu  Ray- 
nalde  venerabilis  Capuaue  electe,  fidelis  noster,  maiestati 
nostre  semper  exhibuisti  et  incessanter  satagis  exhibere, 
de  consueta  nostre  benignitatis  ac  munificentie  gratia  pro 
remedio  quoque  animarum  domini  quondam  imperatoris 
patris  nostri  et  domine  imperatricis  bone  memorie  matris 
nostre,  concedimus,  donamus  et  confirmamus  tibi  tuisque 
SUCCessoribus  et  Capuane  ecclesie  in  perpetuum  Castellum  Maris 
de  Vultiirno  cum  omnibus  iustis  tenimentis  ac  pertinentiis  eins,  que  in 
hominibus  terris  aquis  et  quibuslibet  alüs  proventibus  COnsuevit  habere, 
quemadmodum  olim  a  domino  quondam  imperatore  patre 
nostro  et  domina  imperatrice  matre  nostra  predecessori 
tuo  Matheo  venerabili  Capuano  arcliiepiscopo  eiusque  suc- 
cessoribus  et  ecclesie  Capuane  per  eorum  Privilegium  nos- 
citur  fuisse  concessum.  Ad  huius  autem  nostre  conces- 
sionis,  donationis  et  confirmationis  memoriam  et  inviolabile 
firmamentum  presens  Privilegium  fieri  iussimus  et  sigillo 
nostre  celsitudinis  insigniri  anno,  mense  et  indictione  sub- 
scriptis. 

Datum  in  urbe  felici  Panormi  anno  dominice  incar- 
nationis  1200  sexto,  mense  Martii,  indictione  nona,  per 
manus  Gualterii  regni  Sicilie  cancellarii,  regni  vero  domini 
nostri  Frederici  dei  gratia  illustrissimi  regis  Sicilie,  ducatus 
Apulie  et  principatus  Capue  anno  octavo,    feliciter,    amen. 

Friedrich  II.  bestätigt  dem  Erzbischof  Rainald  in  An- 
betracht seiner  reinen  Treue  und  genehmen  Dienste 
die  Schenkungen,  die  gemäss  den  seiner  Curie  vor- 
gelegten Privilegien  Heinrich  VI.  und  Constanze  I. 
(1195  April  8  und  1197  September  24)  dem  Erz- 
bischof Matthaeus  gemacht  haben. 
1207  Mai,  Palermo. 

In  nomine  dei  eterni  et  salvatoris  nostri  lesu  Christi, 
amen.  Fredericus  divina  favente  dementia  rex  Sicilie,  du- 
catus Apulie  et  principatus  Capue. 

Licet  imperialia  et  regalia  queque  munera  perpetuo 
robore  fulciantur,  ea  tamen  ins  digne  perpetuat,  illis 
favor  assurgit  inviolabilis  firmitatis,  que  personis  venera- 
bilibus  et  sacrosanctis  ecclesiis  pia  consideratio  principum 
elargitur.     Non   enim   decet   esse  temporale  premium,   per 


Urkunden  n.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      159 

quod  liereditas  obtinetur  eterna,  cum  reponatnr  illis  in 
celis  meritum,  qui  denm  in  suis  honorant  ecclesiis  larg'itate 
donorum.  Nuper  siquidem  ex  ostensis  in  curia  nostra  quo- 
rundam  privilegiorum  exemplariis,  que  dudum  illustrissinius 
pater  noster  imperator  augustus  una  cum  serenissima  matre 
nostra  imperatrice  bone  memorie  fecerat,  nostre  claruit 
maiestati,  qualiter  ipsi  parentes  nostri  ad  laudem  dei  patris  et 
gloriosi  prothomartiris  Stei^hani,  cuius  sibi  patrocinium  elegerunt,  in- 
specta  quoque  sinceritate  devotionis  ac  fidei  Mathei  quondam  vene- 
rabilis  Capuani  archiepiscopi  fidelis  et  familiaris  eorum  ac  nostri, 
necnon  et  considerata  iactura,  quam  Capuanam  ecclesiam  sub 
eorum  noverant  ocasione  servitii  pertulisse,  concesserunt  et  do- 
naverunt  in  perpetuum  prenominato  Matheo  archiepiscopo 
eiusque  successoribus  et  ecclesie  Capuane  Castellum  Maris  de 
Vulturno  cum  oinnibus  tenimentis  et  pertinentiis  eius,  que  in  hominibus, 
terris  aquis  vel  quibuslibet  proventibus  videtur  habere.  Simili  modo 
concesserunt  ac  donaverunt  perpetuo  eidem  Matheo  quondam 
archiepiscopo  suisque  successoribus  et  Capuane  ecclesie 
Pinum  et  Pigmontem  cum  omni  honore  et  tenimentis  eisdem 
pertinentibus  necnon  et  terram,  que  fuit  olim  Landulfi  Compalatü 
tarn  intus  quam  extra  civitatem  Capue  cum  universis  rationibus  ac 
iustitiis  suis  ^.  Nos  igitur  volentes,  quod  tam  pia  consideratio 
parentum  nostrorum,  sicut  nostris  redolet  seculis,  sie  cele- 
bris  habeatur  in  evum,  attendentes  quoque  sinceram  fidem 
et  grata  servitia,  que  tu  Raynalde  venerabilis  Capuane 
electe,  fidelis  noster,  celsitudini  nostre  semper  exhibuisti 
et  que  deinceps  exhibere  poteris  gratiora,  de  innata  nobis 
dementia  et  liberalitate  immensa,  pro  remedio  quoque 
animarum  supradictorum  parentum  nostrorum  recordationis 
inclite  concedimus,  donamus  et  confirmamus  tibi  tuisque 
successoribus  et  Capuane  ecclesie  in  perpetuum  omnia 
supradicta,  videlicet  Castrum  Maris  de  Vulturno  cum  Om- 
nibus tenimentis  et  pertinentiis  eius,  que  in  hominibus, 
terris,  aquis  et  quibuslibet  proventibus  videtur  habere,  simi- 
liter  Pinum  et  Pigmontem  et  terram,  que  fuit  olim  Lan- 
dulfi Compalatü  cum  honore,  tenimentis  et  pertinentiis 
eorum,  sicut  dudum  hec  omnia  ab  illustrissimis  quondam 
imperatore  et  imperatrice,  parentibus  nostris,  Matheo  quondam 
archiepiscopo  Capuano  eiusque  successoribus  et  Capuane  ec- 
clesie fuerunt  concessa.  Ad  huius  autem  concessionis, 
donationis  et  confirmationis  nostre  memoriam  et  inviolabile 
firmamentum    presens    Privilegium    per    manus    lacobi    de 


1)  Das  petit  Gedruckte  ist  einer  der  beiden  Vorurkunden  entlehnt; 
man  hat  sie  abwechselnd  herangezogen. 


160  Paiü  Scheffer -Boichorst. 

Capua  notarii  ac  fidelis  nostri  scribi  et  sigillo  nostre  celsi- 
tudinis  iussimus  insig'iiiri  anno,  mense  et  indictione  sub- 
scriptis. 

Datum  in  urbe  felici  Panormi  per  manus  Gualteri  de 
Paleria,  regni  Sicilie  cancellarii,  anno  dominice  incarna- 
tionis  1200  septimo,  mense  Maii,  indictione  decima,  reg-ni 
vero  domini  nostri  Frederici  dei  gracia  illustrissimi  regis 
Sicilie,  dncatus  Apulie  et  principatus  Capue  anno  decimo. 

Grafen  von  Castello. 

Stumpf  kannte  von  den  Urkunden,  die  Friedrich  I. 
1152  und  Heinrich  VI.  1191  den  Grafen  ausstellten,  bloss 
dürftige  Auszüge,  St.  3639  und  5097a.  Die  erstere  ist 
jetzt  bei  Biauchetti,  L'Ossola  inferiore  II,  73  vollständig 
gedruckt.  Der  Herausgeber  folgte  einer  Hs.  der  Ambro- 
siana zu  Mailand  D.  S.  IV.  8.  Sie  wiederholt  nur  den 
Text  aus  einer  Sammlung  Sormanis,  welche  ebendort  unter 
E.  S.  IV.  3  aufbewahrt  wird.  Dieser  Codex  enthält  auch 
die  Urkunde  Heinrichs  VI.,  für  die  Stumpf  nicht  einmal 
ein  bestimmtes  Jahr  anzugeben  vermochte.  Danach  lasse 
ich  sie  später  folgen. 

Zunächst  muss  ich  eine  diplomatische  Merkwürdig- 
keit hervorheben.  Die  Urkunde  ist  meines  Wissens  die 
erste,  in  der  die  Kanzlei  nach  fortlaufenden  Monatstagen 
zählt.  Häufiger  hat  man  die  römische  Rechnung  erst  wäh- 
rend Heinrichs  VI.  zweitem  Römerzuge  verlassen,  d.  h.  erst 
dann,  als  die  Datierungsformen  der  sicilischen  Kanzlei  sich 
recht  geltend  machen  konnten  ^.  Aber  schon  zu  Anfang 
des  Decembers  1191  hat  ein  Kanzlist  versucht,  den  lästi- 
gen Kalender  der  Römer  zum  alten  Plunder  zu  werfen. 
Spuren  seines  verständigen  Bestrebens  zeigten  Urkunden 
vom  7.  und  8.  December-;  als  erste  kommt  nun  die  vom 
2.  hinzu.  Nach  dem  8.  kehrte  man  zum  frühern  Gebrauche 
für  längere  Zeit  zurück. 

Die  Singularität  beweist  in  diesem  Zusammenhang 
die  Echtheit.  Das  ist  um  so  wichtiger,  als  vielleicht 
Jemand  wegen  des  Itinerars  Zweifel  hegen  könnte.  Am 
27.  November  war  Heinrich  zu  Pavia,  am  29.  und  30.  in 
Mailand  ^.     Nach   unserer   Urkunde    ist   er   nun   rückwärts 

1)  JFicker,  Beiträge  zur  Urkimdenlehre  II,  365.  2)  St.  4727.  29. 
Dort  fügt  Stumpf  hinzu :  7  mensis  decembris,  hier  ergänze  man :  8.  die 
men^is  decembris.  St.  4726,  28,  die  auch  nach  fortlaufenden  Monatstagen 
datiert  sind,  können  als  Notariatsacte  hier  nicht  in  Betracht  kommen. 
3)  St.  4722.  24. 


UrkiiBclen  u.  Forschungen  z.  cl.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      161 

gezogen,  zu  Lodi  hat  er  am  2.  December  den  Grafen  von 
Castello  sich  gnädig  erwiesen.  Schon  in  den  nächsten 
Tagen  erscheint  er  wieder  in  Mailand  ^  Das  ist  kein  ge- 
wöhnlicher Reiseweg  '^ ;  aber  die  ungewöhnliche  Rechnung 
nach  fortlaufenden  Monatstagen,  die  für  den  Anfang  des 
December  und  eben  nur  da  kanzleigemäss  ist,  zerstreut 
die  Bedenken. 

Heinrich  VI.    bestätigt    den    derzeitigen    Grafen    das 
Privileg  seines  Vaters  vom  1.  August  1152. 
1191  December  2,  Lodi. 

In  nomine  sanct§  et  individue  trinitatis.  Henricus  dei  gratia 
Romanorum  Imperator  et  semper  augustus. 

Imperialis -^  munificentie  dignitas  exigit,  ut  omnes  ad  sinum  nostre 
misericordi§  confugientes  consuete  benignitatis  manu  suscipiamus  et  dignis 
eorum  petitionibus  efficaciter  adquiescamus.  Eapropter  Omnibus  Christi 
fidelibus  tarn  futuris  quam  prgsentibus  volumus  esse  cognitum,  quod  nos 
fideles  nostros  Mainfredum  Cavalcasellam  et  fratres  et  Ardi- 
cionem,  filios  Wilielmi  de  Castello  et  Guidonis,  comites  de  Ca- 
stello, fratres  et  nepotes,  cum  omni  beneficio  suo  atque  cum  universis  rebus 
iuste  conquisitis  et  iuste  conquirendis  tam  mobibbus  quam  immobilibus  ubi- 
cumque  constitutis  sub  nostri  mundibm-dii  protectionem  suscipimus,  sicut  a 
predecessoribus  nostris  retro  divis  principibus,  id  est  Carolo  sancte  memorie, 
Ottone,  Henrico  et  abis  imperatoribus,  actenus  eorum  maiores,  fideles  regni, 
suscepti  sunt,  possessiones  (jucque  et  eorum  iura,  videlicet  castrum  Sancti 
Angeli  cum  curte  et  omni  honore  ad  ipsam  curtem  pertinente  et  ripam 
Palantie  cum  mercato  et  theloneo  et  castrum  de  Cerro  cum  theloneo  et 
aliis  honoribus,  cum  Toxa  et  fluminibus,  qui  de  Valle  Oxola  descendunt, 
cum  Flumine  et  Strona,  et  cum  omni  honore  ad  ipsam  curtem  de  Cerro 
pertinente.  Advocatiam  quoque  hominum  quorumdam  monasteriorum  et 
districtum  in  predicta  valle,  quod  hactenus  possederunt,  imperiali  auctori- 
tate  prcdictis  fidelibus  nostris  concedimus  et  confirmamus,  preterea  omnia 
loca  eorum,  videlicet  castrum  de  Cavallo  et  castrum  de  Agamio  et  Gra- 
ticum  et  Caron^  et  castrum  Mayranum  cum  suis  pertinentiis  et  quidquid 
eis  pertinet  in  Pumbia  cum  omni  honore,  districto  et  fodro  ibidem  per- 
tinentibus  et  theloneis,  etiam  et  mercatum  de  Scozula  ex  utraque  parte 
fluminis,   portum   etiam  de  Sexto    eisdem  fidelibus  nostris  concedimus,   et 

a)   Dadurch  ist   die   Lücke   in   Friedrichs  I.    Urkunde   auszufüllen. 

1)  Wenn  das  Datum  der  notariellen  Ausfertigung  auch  für  die  darin 
enthaltene  Urkunde  Heinrichs  gilt,  so  wäre  der  Hof  schon  am  4.  December 
wieder  in  Mailand  eingetroffen,  St.  4726.  2)  Man  denkt  an  die  Zusammen- 
kunft Heinrichs  VI.  mit  Philipp  von  Frankreich,  die  eben  in  diesen  Tagen 
stattfand.  3)  In  der  Urkunde  Friedrichs  I.  vom  August  1152  heisst  es: 
Imperator  et  semper  augustus.  Imperialis  munificentie  etc.,  in  der  Heinrichs 
vom  December  1191 :  rex  augustus.  Regalis  munificentie,  etc.  Dann  aber  hier : 
Signum  dorn.  Henrici  sexti  Rom.  imperatoris,  regnante  dom.  Henrico  impera- 
tore,  anno  imperü prlmo,  und  dort:  Signum  dorn.  Friderici Romanorum  regis, 
regnante  Friderico  rege,  natürlich  folgt  auch  nur  das  Königsjahr.  Die 
Schlimmbesserungen  des  Copisten  liegen  also  zu  Tage,  und  meine  Her- 
stellung des  ursprünglichen  Wortlautes  wird  keinem  Widerspruch  begegnen. 

Neues  Archiv  etc.     XXIV.  W 


162  Paul  SchefEer-Boichorst. 

ut  in  Omnibus  prediis  suis  habeant  potestatem  legem  faciendi,  Utes  difi- 
niendi  sive  per  duella  sive  per  alia  legis  instrumenta,  veluti  si  ipsa  legalis 
actio  coram  nostra  pr§sentia  ventilaretur.  Statuentes  itaque  iirecipimus, 
ut  nuUus  archiepiscopus ,  dux »,  marchio ,  comes ,  vicecomes  nee  aliqua 
magna  vel  parva  persona  j)redictos  fideles  nostros  de  jDredictis  eoruiu 
possessiouibus  molestare  presumat.  Similiter  et  alodia  domne  Berte,  uxoris 
Mainfredi  de  Castello,  in  nostram  protectionem  sicut  omnia  supradicta 
suscipimus.  Si  quis  igitur  liuic  nostr§  SCriptur^''  temere  contraire  temp- 
taverit,  centum  libras  auri  optimi,  medietatem  nostre  camer§,  medietatem  pre- 
dictis  fidelibus  nostris  solvat.  Et  ut  hec  omnia  firma  et  illibata  permaneant, 
presentem  paginam  sigilli  nostri  impressione  signari  pr^cepimus. 

Huic  autem  nostre  inaiestatis  indulto  interfuerunt 
Albertus  Vercelleusis  episcopus,  Bonefacius  Novariensis 
episcopus,  Lanfrancus  Bergamensis  episcopus,  dux  Austri§  ^, 
Anricus  piucerna  et  alii  plures. 

Signum  domni  Henrici  sexti  Romanorum  imperatoris  invic- 
tissimi. 

Acta  sunt  hec  anno  ab  incarnatione  domini  1191,  in- 
dictione  decima,  regnante  domno  Henrico  imperatore  glo- 
riosissimo,  anno  regni  eins  vigesimo  tertio,  imperii  vero 
primo.     Datum  Laude,  secundo  die  mensis  Decembris. 

S.  Maria  del  Monte  zu  Cesena. 

Der  Mönch  Romuald  Serra  verfasste  in  der  ersten  Hälfte 
des  vorigen  Jahrhunderts  einen  Catalogus  scripturarum  ar- 
chivii  abbatiae  s.  Mariae  in  monte  prope  Cesenam;  die  Samm- 
lung wird  heute  im  Communalarchive  von  Cesena  aufbewahrt. 
Daraus  hat  mir  mein  verehrter  Freund  Dr.  Güterbock  die 
Abschrift  einer  Urkunde  Friedrichs  I.-  vom  8.  Juli  1177  be- 
sorgt =  1 .  Später  übersandte  mir  Dr.  K 1  i  n  k  e  n  b  o  r  g  noch 
eine  Collation  nach  dem  Summarium  quod  vocatur  catalogus 
iurium  monasterii  s.  Mariae  in  monte,  einem  Codex  vom 
Jahre  1527,  den  dasselbe  Archiv  besitzt  =  2. 

Die  Echtheit  der  Urkunde  unterliegt  keinem  Beden- 
ken; wie  wir  sehen  werden,  reiht  sie  sich  vortrefflich  ins 
Itinerar  Friedrichs  I.  ein ;  die  Formeln  sind  tadellos,  und 
wenn  die  Verkündigung  an  alle  Getreuen  des  römischen 
Reiches  nicht  eben  gewöhnlich  ist  ^,  so  finden  sich  doch 
gerade  aus  der  nächsten  Zeit  noch  zwei  Urkunden  mit  der 
Adresse  omnihus  Romani  imperii  fidelihtis^. 


a)  dux,  comes,  marchio,  comes.         b)  nostro  scripta  Friedrich  I. 

1)  Gemeint  ist  Heinrich,  der  Bruder  Herzog  Leopolds.  Als  Herzog 
erscheint  er  auch  am  1.  März  1191  zu  Pisa;  zumeist  heisst  er  allerdings: 
Bruder  des  Herzogs.  2)  Eine  dürftige  Erwähnung  der  Urkunde,  mit 
falscher  Datierung,  bei  Zazzeri  Storia  di  Cesena  135.  3)  S.  mein  Buch, 
Zur  Gesch.  d.  12.  und  13.  Jh.  139  Anm.  1.  4)  St.  4239.  Dazu  die  Ur- 
kunde unter  'S.  Johann  zu  Havanna'. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      163 

Die  Daten  der  Urkunde  '1177  Juli  8  Cesena'  haben 
eine  gewisse  Bedeutung  für  das  Itinerar  des  Kaisers.  Er 
stand  im  Begriffe,  sich  nach  Chioggia  zu  begeben,  also  in 
das  Gebiet  des  Dogen  von  Venedig.  Dessen  Sohn,  heisst 
es,  sei  ihm  im  Juli  entgegengeeilt  und  habe  ihn  von  Ra- 
venna  nach  Chioggia  geleitete  Dies  bestreitet  Simons- 
feld ^.  Mit  Recht  lässt  er  den  Kaiser  von  Ravenna,  wo 
Avir  ihn  am  11.,  17.  und  24.  Mai  finden^,  nach  Pomposa 
reisen.  Dort  urkundet  Friedrich  am  2.  Juni^^.  Dann  sei 
er  nach  Chioggia  gegangen ;  Ravenna  hätte  er  also  im  Juli 
längst  verlassen.  Dass  aber  der  Kaiser  von  Pomposa  sich 
nach  Chioggia  begeben  habe,  ist  eine  Construction  Simons- 
felds. Kann  Friedrich  nicht  von  Pomposa  wieder  süd- 
wärts, nach  Ravenna,  dann  wieder  nordwärts,  nach  Chiog- 
gia gezogen  sein?  In  der  That  und  noch  mehr:  zunächst  ist 
er  sogar  nach  dem  südlich  über  Ravenna  hinaus  liegenden 
Cesena  zurückgekehrt.  Romuald  von  Salerno  erzählt  von 
dem  Aufenthalte  Friedrichs  in  Pomposa  ^ ;  eine  Seite  weiter 
berichtet  er,  dass  der  Erzbischof  von  Köln  zum  Kaiser 
nach  Cesena  gekommen  sei  und  ihn  dann  nach  Chioggia 
geführt  habe.  Auf  dem  Wege  dahin  berührte  man  Ra- 
venna, wo  der  Sohn  des  Dogen  den  Kaiser  empfing.  So 
greift  Alles  aufs  beste  ineinander*',  und  nun  erhält  die 
Angabe  Romualds  sogar  ihre  Bestätigung  und  eine  chrono- 
logische Bestimmung.  Der  Reiseweg  hat  aber  deshalb 
einen  Werth  für  uns,  weil  der  Kaiser  zur  Zeit  mit  dem 
Papste,  der  in  Venedig  sich  aufhielt,  über  die  Herstellung 
des  Kirchenfriedens  unterhandelte.  In  Pomposa  war  er 
seinem  bisherigen  Gegner  schon  sehr  nahe  gekommen. 
Dass  er  sich  wieder  zum  Süden  entfernte,  bis  nach  Cesena, 
schien  kein  günstiges  Zeichen  zu  sein. 

Friedrich  I.  beschützt  auf  Bitten  seines  geliebten 
Abtes  Stefan  das  Kloster;  bestätigt  ihm  seine 
jetzigen  und  zukünftigen  Besitzungen;  verbietet 
ungerechte  Auflagen;  wahrt  dem  Vogte  seinen 
Sold,  dem  Reiche  und  dem  Bischöfe  sein  Recht; 
ermächtigt  unter  angegebenen  Bedingungen  den 
Abt  zur  Einziehung  der  Pachtgüter. 
1177  Juli  8,  Cesena. 


1)  Hist.    duc.  Venet.    MG.  SS.  XIV,  83.  2)  MG.  1.  c.  Anm.  2. 

3)  St.  4192.  93.  94.  4)  St.  4196.  5)  MG.  SS.  XIX,  448.  6)  Dass 
Prutz,  Friedrich  I.  II,  336  irrt,  wenn  er  den  Kaiser  schon  längere  Zeit 
vor  dem  6.  Juli  nach  Chioggia  kommen  lässt,  zeigt  Giesebrecht,  Kaiser- 
zeit VI,  541.  In  diesem  Zusammenhange  entbehre  ich  nur  einen  Verweis 
auf  Romuald  und  eine  Widerlegung  Simonsfelds.    Vgl.  übrigens  V,  830.  31. 

11* 


164  Paul  Scheffer-Boichorst. 

Fredericus  dei  gratia  Romanorum  Imperator  augustus. 

Ad  promerendam  a  rege  regum  eterne  beatitudinis 
coronam  ac^  temporalis  imperii  gubernationem  tranquillam 
nobis  suffragari  speramus,  si  religiosarum  petitiones  perso- 
narum  circa  ecclesiarum  necessitates  clementer  attendamus. 
Noverit  igitur  imperii  Romani  fidelium  presens  etas  et 
futura,  quod  nos  intuitu  divine  retributionis  et  simul  ob 
petitionem  dilecti  nostri  Stephani,  venerabilis  abbatis  sancte 
Marie  Montis  Mauri  apud  Cesenam,  monasterium  idem,  sci- 
licet  sancte  Marie,  cum  omnibus  pertinentiis  suis^,  ubi- 
cunque  site  sunt,  in  nostre  tuitionis  speciale  patrocinium 
et  mundiburdium  suscipimus^  et  omnes  possessiones,  quas 
eadem  ecclesia  iusto  hactenus  acquisitionis  titulo  possedit 
et  tenuit  vel  inantea  rationabiliter  acquirere  poterit,  impe- 
riali  nostra  auctoritate  ei  confirmamus.  Precipimus  ergo, 
quatenus  nee  in  ipso  Monte  Mauri  nee  in  ceteris  usquam*^ 
locis  ullus  unquam  marchio,  comes,  consul,  capitaneus  aut 
ulla  prorsus®  persona,  magna  vel  parva,  secularis  aut  eccle- 
siastica,  presumat  pertinentias  eiusdem  monasterii,  villas, 
castella,  agros,  vineas,  pascua,  terras  cultas  et  incultas  et 
quaslibet  possessiones  illius  ecclesie  aliqua  perturbare  vio- 
lentia  aut  aliqua  exactione  seu  indebito  servitio  gravare 
aut  occasione  commendationis  guardie  vel  advocatie  in- 
festare,  salva  tamen  pensione,  que  cuilibet  inde  iure  legali 
debetur,  et  salva  in  omnibus  imperiali  iustitia  et  episco- 
pali  iure.  Statuimus  preterea,  ut  liceat  abbati  predicte 
ecclesie  possessiones  iure  emphiteotico  concessas  post  lapsum 
personarum  nostra  auctoritate  intrare  et  in  eiusdem  eccle- 
sie libera  iurisdictione  teuere  et  gubernare,  nisi  in  emphi- 
teotico instrumento  contineatur,  quod  debeat  renovari.  Sta- 
tuimus etiam^,  ut,  si  quis  tenens  ecclesie  illius  possessiones 
canonem  inde  constitutum  usque  ad  biennium  expletum 
contra  abbatis  voluntatem  detinuerit  et  non  solverit,  abbas 
item  nostra^  auctoritate  possessiones  illas^  libere  ingrediatur 
et  in  sua  iurisdictione  ad  usum  ecclesie  sue  teneat  et  dis- 
ponat ;  et  hie  ^ ,  qui  debitum  canonem  solvere  neglexerit, 
ins  possessionis  illius  omnino  amittat.  Mandamus"^  autem 
omnibus  imperii  nostri  fidelibus,  ut  eandem  ecclesiam  sub 
nostra  protectione  constitutam  et  imperio  specialiter  atti- 
nentem  ubique  studeant  manutenere  et  ab  omni  iniuria  et 
molestia   occursu   defensare.     Si  quis  vero   ausu   temerario 


a)  et  2.  b)  eius  1.  c)  suscepimus  2.  d)  fehlt  2.  e)  presens  1. 
f)  preterea  2.  g)  fehlt  1.  h)  possessionem  illam  2.  i)  is  2.  k)  co- 
mendamus  1 ;  commendamus  2. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      165 

contra  hanc  nostre  benignitatis  preceptionem  et  tuitionem 
presumpserit  venire  et  predicti  monasterii  personas  aut 
possessiones  aliqno  g-ravaminis  et  iniurie  malefacto  ledere, 
pene  50  librarum  auri  puri  snbiaceat,  quarum  medietas 
fisco  regali  exibeatur,  residua  medietas  abbati  ipsius  ecclesie 
persolvatur. 

Datum  apnd  Cesenam  anno  dominice  incarnationis 
millesimo  centesimo  septuagesimo  septimo,  indictione  10, 
octavo^  idus  lulii  meusis''. 


Domcapitel  von  Cittä  di  Castello. 

(Muzi),  Memorie  ecclesiastiche  di  Cittä  di  Castello 
II,  82  bat  aus  der  folgenden  Urkunde  das  Güterverzeichnis 
mitgetheilt;  in  seinen  Memorie  civili  I,  14  hat  er  ihrer 
nochmals  gedacht,  St.  3988  a.  Das  Original  findet  sich  im 
Capitelarchiv,  aber  es  soll  so  verfallen  sein,  dass  sich  darnach 
kein  Text  herstellen  lasse.  Zum  Glücke  wurde  in  einer 
Zeit,  als  der  Zustand  des  Diploms  noch  nicht  ganz  so 
trostlos  war,  ein  Copialbuch  angefertigt.  Freilich  hat  auch 
die  hierin  enthaltene  Abschrift  manche  Lücken  und  Fehler; 
sie  zu  verbessern  oder  auszufüllen,  kommt  uns  eine  Wieder- 
holung durch  Philipp  von  Tuscien  zu  Hülfe.  (Muzi),  Me- 
morie civili  I,  18  hat  sie  veröffentlicht  und  damit  das  aus- 
reichendste Mittel  zur  Reconstruction  gegeben,  B.  F.  9. 

Natürlich  beziehe  ich  mich  auf  die  Urkunde  Philipps 
nur  dann,  wenn  ich  ihr  durchaus  folgen  muss.  Alle  ver- 
schiedenen Lesarten  zu  verzeichnen,  namentlich  auch  in 
den  Ortsnamen,  wäre  nutzlose  Arbeit.  So  bleibt  die  eigent- 
liche Grundlage  meines  Textes  das  erwähnte  Copialbuch, 
aus  dem  der  gefällige  Domherr  Ricci  mir  eine  Abschrift 
besorgte,  während  ich  zuschauen  durfte. 

Friedrich  I.  nimmt  auf  Verwenden  seines  treuen  und 
glorreichen  Fürsten  Eeinald,  des  Erwählten  von 
Köln  und  Erzkanzlers  von  Italien,  den  Propst  Rei- 
ner, dessen  Nachfolger  und  Brüder  in  seinen  be- 
sonderen Schutz ;  will  sie  von  jeder  ungerechten 
Abgabe  und  Bedrückung  frei  wissen ;  befiehlt  die 
Zurückgabe  der  ihnen  entfremdeten  oder  ohne  ihre 
Zustimmung  verpfändeten  Güter  und  Rechte;  er- 
lässt  Verbote  gegen  Beraubung  und  Bedrückung; 
bestätigt  die  zahlreich  genannten  Besitzungen,  die 


a)  VIII.  1.       b)  fehlt  1. 


166  Paul  Scheffer-Boichorst. 

keinen   Abgaben   und    Leistungen   an   fremde  Per- 
sonen unterliegen  sollen,  aber  unter  Wahrung  der 
Gerechtsame  des  Reiches. 
1163  November  6,   Lodi. 

C.  In  nomine  sancte  et  individue  trinitatis  amen. 
Fredericus  divina  favente  dementia  ßomanorum  Imperator 
semper  augustus. 

Inter  imperialium  [sollicitndinum^]  salutiferos  fructus, 
quos  pro  generalitatis  commodo  mente^  gratuita  sustine- 
mus,  nihil  dignius  aut  salubrius^  estimamus,  quam  sancta- 
riim  dei  ecclesiarum  pacem  redintegrare,  commoda  multi- 
plicare  et  in  antique  sue  libertatis  statum  deo  cooperante, 
quo  auctore  omnia  prosperantur,  feliciter  eas  reformare. 
Ideoque  omnium  Christi  imperiique  [nostri'"^]  fidelium  pre- 
sentium  ac  futurorum  cognoscat  solertia,  quod  nos  divini 
timoris  reverentia  et  interventu  fidelis  ac  gloriosi  principis 
nostri  Rainaldi,  illustris  Coloniensis  electi  et  Italie  archi- 
cancellarii,  atque  aliorum  nostrorum  fidelium  Rainerium, 
priorem  canonice  Castellane  Civitatis,  eiusque  successores 
ac  fratres  nniversos  presentes  atque  futuros  et  cunctas 
eorum  res  ac  possessiones  adquisitas  et  adquirendas  sub 
imperiali  nostra  protectione  specialiter  recipimus  atque  ab 
omnium  hominum'^  illicita  exactione  et  indebito  gravamine 
penitus  immunes  perpetuo  esse  censemus,  augustali  nostro 
edicto  statuentes  ac  [precipi]entes®,  ut  omnes  ipsius  cano- 
nice possessiones  ac  iura,  que  hactenus  ab  ea  iniuste  alie- 
nata  sunt  vel  sine  canonicorum  licentia  et  consensu  pignori 
obligata,  a  marchionibus  vel  comitibus,  proceribus  seu  va- 
vasoribus  [aut  consulibus  sive  civibus]  seu  aliquibus  aliis 
personis  dicte  canonice  integraliter  restituantur ;  de  cetero 
neque  iure  villicationis  aut  yconomie  vel  nomine  feudi  aut 
occasione  custodie  vel  usus  [parentum  ab  aliquo  diripiantur 
seu  iniuste  occupentur,  nee  licitum  sit  consulibus  vel  recto- 
ribus  Castellane  Civitatis  aut  civibus  predictam]  ecclesiam 
et  hospitale*  [eins  et  omnes  eins  ecclesias]  aliquibus  exac- 
tionibus  inquietare,  [neque  predia  eorum  vel]  vineas  rusti- 
cas  [vel  reditus]  sive  alia  [bona  presentia  vel  futura]  in- 
vadere^  vel  detinere,  sed*^  predicte  ecclesie^  speciali  nostre 


a)  Keine  Lücke  in  der  Abschrift ;  die  Ergänzung  nach  der  Urkunde 
Philipps.  b)  aure.  c)  digne  aut  salubre.  d)  eorum.  e)  Von  , 

hier  an  sind  die  Lücken  in  der  Abschrift  durch  Punkte  angedeutet ;   die 
in  Klammern   gesetzten   Ergänzungen   sind  —   bis    auf   die   Datierung  —  j 
überall  nach  der  Urkunde  Philipps  vorgenommen.         f)  fratres.         g)  in- 
vadiare    in    der    Urkunde    Philipps.  h)    sciUcet.  i)   Die   Abschrift  I 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  cl.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      167 

tuitioni  ac  patrocinio  subiecte  sua  omnia  perpetuo  invio- 
lata  et  illesa  conserventur.  Ad  evidentiorem  autem  ac 
validiorem  imperialis  liuius  uostri  edicti  observantiam  que- 
dam  ecclesie  prenotate  bona  seu  iura  presenti  pagina  nomi- 
natim  connumerantes,  videlicet  quidquid  iuris  liabet  pre- 
dicta  ecclesia  in  Castellana  Civitate  et  in  eius  curia,  in 
castello  Upai  et  in  eius  curia,  in  curte  Piteni,  in  plebe 
sancti  Savini,  in  curte  Falerni,  in  plebe  ßubiani,  in  sancto 
Putito,  in  love,  in  Cerbaria,  in  Silice,  in  Pitillano,  in  Cella 
alba,  in  Pistrino,  in  Scafagia,  in  plebe  Canani,  in  plebe 
sancti  Cipriani,  in  Agello  Frigido,  in  Ba[run]telle,  in  curte 
Anglari,  in  Conclo,  in  Terenzalla,  in  Arsitio,  in  Roti,  in 
plebe  Bucuniani,  et  quidquid  iuris  habet  in  hospitali  Uber- 
tatis,  in  Celle  filiorum  Berardi,  in  Casa  Nova,  in  Bagnaria, 
in  plebe  Saddi,  in  plebe  Suffie,  in  CoUe  Medio,  in  plebe 
Agiliouis,  in  Oolle  Matthei,  in  plebe  Gratizole,  in  eo  quod 
fuit  de  Torto  de  Sasso,  in  Monte  Vicino  et  in  eius  curia, 
in  plebe  Apicule,  in  Nuovole,  in  Cugnano,  in  Viano,  in 
Castilione,  in  Sessa,  in  Covacro,  in  Monte  Viano  et  in  tota 
eius  curia,  in  Polenzauo  et  in  foro  Castellane  Civitatis,  et 
si  que  in  aliis  aliquibus  locis  de  rebus  aut  possessio nibus 
prefate  ecclesie  inventa  fuerint,  perpetuo  ei  concedimus  et 
corroborainus  atque  ab  indebitis  dationibus  et  servitiis 
omnium  aliarum  personarum  auctoritate  nostra  penitus  ab- 
soluta semper  esse  iubemus,  salva  in  omnibus  imperiali 
nostra  iustitia.  Si  quis  vero,  quod  absit,  contra  hec  impe- 
riali [a]  nostra  statuta  aliquo  in  tempore  venire  temptaverit, 
quinquaginta  librarum  auri  penam  incidat  earumque  medie- 
tatem  imperiali  nostre  camere  inferre  et  reliquam  medie- 
tatem  priori  et  supradicte  ecclesie  cogatur  persolvere.  üt- 
que  hoc  sacre  nostre  iussionis  edictum  verius^  ab  universis 
credatur  et  diligenter  semper  observetur,  presentem  pagi- 
nam  manu  propria  roborantes  maiestatis  nostre  sigillo  pre- 
cepimus  communiri^. 

Signum  domni  Frederici  Romanorum  imperatoris  in- 
victissimi. 

Ego  Rainaldus  sancte  Coloniensis  ecclesie  electus  et 
Italic  archicancellarius  recognovi. 

Data  Laude,  8.  idus  Novembris,  anno  dominice  incar- 
nationis  1163,  indic[tione  12],  imperante  domno  Frederico 
Romanorum  imperatore  semper  invictissimo,  anno  regni 
eius  [12,  imperii  vero]  8.    In  nomine  domini  feliciter,  amen. 


hat  hier  fünf  Punkte,   während  doch  nach  dem  Zusammenhange  und  der 
Urkunde  Philipps  nichts  zu  fehlen  scheint.         a)  acrius.         b)  cerUori. 


168  Paul  Scheffer-Boichorst. 

Crespino,  Montescalari  und  Vallombrosa. 

I.  In  der  Diplomatik  spricht  Ein  Wort  zuweilen  mehr, 
denn  ganze  Sätze.  Das  zeigt  z.  B.  St.  3899,  eine  Urkunde 
für  die  Vallombrosaner  von  S.  Maria  zu  Crespino  ^  Sie 
ist  längst,  aus  Inhalt  und  Form,  als  wüste  Fälschung  er- 
kannt worden-.  Der  grösste  Theil  des  Machwerkes  ent- 
stand ohne  ein  Vorbild,  das  vor  manchen  Missgriffen  be- 
wahrt hätte.  Wenn  dann  aber  die  Datierung  anhebt: 
Achim  q^noque  est.  so  sieht  der  Kenner,  dass  hier  doch 
eine  Urkunde  benutzt  ist,  und  zwar  von  1164,  denn  nur 
in  diesem  Jahre  hat  ein  Schreiber  der  kaiserlichen  Kanzlei 
quoque  zu  actum  hinzugefügt'^.  Das  geschah  schon  im 
Januar,  da  der  Kaiser  zu  Castro  Caro  die  Kamaldolenser 
beschützte,  St.  4004  ^.  Zu  Castro  Caro,  wo  sich  Friedrich  I. 
kein  zweites  Mal  nachweisen  lässt,  soll  auch  St.  3899  aus- 
gestellt sein,  nur  nicht  1164,  sondern  1160.  Offenbar  hat  ein 
Privileg  d.  d.  Castro  Caro  1164  Januar  als  Muster  gedient. 
Den  Ort  Castro  Caro  und  den  Zusatz  quoque  behielt  der 
Fälscher  bei,  das  Jahr  1164  änderte  er  in  1160,  den  Ja- 
nuar in  den  October.  Seine  Quelle  konnte  indess  nicht 
der  Schutzbrief  für  die  Kamaldolenser  selbst  sein;  denn 
ihm  fehlen  Signum  und  Recognition,  die  in  St.  3899  sich 
richtig  finden^;  dann  beachte  man  Königs-  und  Kaiserjahre: 
dort  11  und  9,  hier  7  und  4,  durch  einfache  Subtraction 
von  Vier,  der  Differenz  zwischen  1164  und  1160,  hätte  sich 
7  und  5  ergeben.  Aber  am  10.  Februar  schrieb  der  Kanz- 
list,   ausser  seinem  quoque,    das  11.  Königs-  und  8.  Kaiser- 


1)  Aus  einer  Beglaubigung  von  1321,  die  das  Florentiner  Staats- 
archiv aufbewakrt,  besitzen  die  MG.  Abschriften  Böhmers  und  Pabsts. 
Ihren  Daten  entsprechen  die  der  Drucke  bei  Ughelh,  Ital.  sac.  11,  498 
ed.  IIa.  und  Soldanus,  Hist.  mon.  Pass.  I,  194.  Dagegen  heisst  es  bei 
Lami,  Del.  erud.  IV,  190 :  1159  ind.  7,  statt  1160  ind.  8.  Vgl.  aber  S.  318. 
2)  Ich  will  nur  bemerken,  dass  nach  Böhmer  die  Notare  auch  das  Siegel 
beschrieben  haben.  Ex  alio  vero  latere  ipsiiis  sigilU  scidta  erat  ymago 
cumsdam  aquile  cum  aUs  cxtensis  et  corona  in  capite.  'Da  nun  erst  Ludwig 
der  Baier  ein  Rücksiegel  hatte',  folgerte  Böhmer,  'so  muss  die  Fälschung 
1321  sehr  jung  gewesen  sein'.  So  schrieb  er  1837 ;  nach  dem  heutigen 
Stande  der  "Wissenschaft  würde  er  Heinrich  VII.  an  Stelle  Ludwigs  gesetzt 
haben.  3)  St.  4004.  07.  12^.  12'^  25.  28'\  4)  Mittarelli,  Annal.  Ca- 
mald.  IV,  21  hat  die  Urkunde  veröffentlicht,  doch  ohne  Orts-  und  Tages- 
daten. Aus  einer  Abschrift  des  im  Florentiner  Staatsarchive  beruhenden 
Originals,  die  ich  der  Güte  R.  Davidsohns  verdanke,  mögen  sie  hier 
ergänzt  werden:  Actum  quoque  est  anno  dominice  incarnationis  1164,  in- 
dictione  12,  regnante  domno  Frederico  Ro»ianm'um  imperatore  serenissimo, 
anno  regni  eius  11,  imperii  vero  9.  Datum  in  Castro  Caro  10.  tcal.  Fe- 
bruarii.  5)  Nur  Hess  der  Fälscher  den  Kanzler  bei  Seite,  mit  dem 
Brzkanzler  sich  begnügend. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      169 

jähr  \  die  beide  um  Eins  zu  niedrig  berechnet  sind,  St.  4007  -; 
es  war  zu  S.  Arcangelo :  nach  dem  Gesagten  bedarf  es  je- 
doch eines  Musters  aus  Castro  Caro.  Also  gab  es  eine  uns 
heute  verlorene  Urkunde,  die  im  Januar  1164  zu  Castro 
Caro  ausgestellt  war,  wie  St.  4004,  das  11.  Königs-,  das  8. 
Kaiser] ahr  trug,  wie  St.  4007,  und  mit  Signum  und  Recog- 
nition  versehn  war. 

Nun  erheben  sich  zwei  Fragen:  aus  welchem  Archiv 
entnahm  der  Fälscher  seine  Vorlage  und  warum  hat  er 
deren  Daten  geändert? 

1)  Wahrscheinlich  verdankte  der  Vallombrosaner  von 
Crespino  doch  einem  Kloster  der  eigenen  Congregation  sein 
Muster.  Aber  ein  Privileg  Friedrichs  I.  für  Vallombrosaner, 
das  uns  nur  aus  Erwähnungen  eines  seiner  Nachfolger  be- 
kannt wäre,  lässt  sich  meines  Wissens  nicht  nachweisen  ^. 
Freilich  bezieht  sich  Heinrich  VI.,  da  er  dem  Kloster 
Montescalari  gewisse  Rechte  verleiht,  auf  den  Vorgang 
seines  Vaters,  St.  4612.  Aber  wie  wir  sehen  werden,  kann 
man  gegen  dieses  Diplom  gewichtige  Bedenken  geltend 
machen,  somit  auch  gegen  das  uns  nicht  erhaltene  Vor- 
bild, dem  Heinrich  gefolgt  sein  soll.  Dafür  mag  man 
immerhin  erwägen,  dass  die  Benedictinerinnen  von  S.  Ellero 
in  der  Mitte  des  13.  Jh.  dem  Kloster  Vallombrosa  selbst 
unterstellt  wurden,  dass  sie  bald  nach  Florenz  übersiedeln 
mussten,  dass  der  Besitz  von  S.  Ellero  an  Vallombrosa^ 
gelangte,  damit  doch  auch  gewiss  das  Archiv.  Nun  nr- 
kundete  Heinrich  VI.  für  S.  Ellero  ad  imitationem  inditae 
memoriae  praedecessoris  nostriFriderici  divi  imperatoris,  St.  4685. 
Das  Privileg  fehlt  uns.  Sollte  es  die  verlangten  Daten  ge- 
tragen haben?  sollte  der  Fälscher  es  in  seinem  Mutter- 
kloster gesehen  haben? 

2)  Stumpf  glaubte,  Fälscher  hätten  die  formelhaften 
Theile  ihrer  Vorlagen  hier  und  da  geändert,  nur  aus  der 
Absicht,  den  Verdacht  abzulenken.  Das  hat  Ficker  be- 
stritten; er  verlaugt  zur  Erklärung  —  wofern  nicht  blosse 
Willkür  anzunehmen  sei,  —  einen  mit  dem  Inhalt  der 
Fälschung  zusammenhängenden  Zweck,  den  zu  erkennen 
dann  freilich  im  Einzelfalle  nicht  immer  leicht  sein  möchte  ^. 


1)  Ich  folge  einer  Collation  Betbmanns,  der  das  Original  vor  Augeu 
hatte.  Danach  ist  die  Angabe  St.  4007  zu  berichtigen.  Auch  streiche  man : 
'Mit  Zeugen'.  2)  Richtig  sollte  es  St.  3899  heissen:  a.  reg.  9.  imi).  6. 

3)  St.  4722  verweist  Heinrich  VI.  auf  ein  Privileg  Friedrichs  1.  für  Passignano, 
das  man  in  Stumpfs  Verzeichnis  nicht  findet.  Es  wurde  erst  später  bekannt, 
vgl.   Mitth.    d.    Inst.  f.  österr.  Gesch.  X,  297.  4)    Die   Urkunden   bei 

Soldanus  1.  c.  I,  133 — 144.  5)  Beiträge  zur  Urkundenlehre  I,  22. 


170  Paul  Scheffer-Boichorst. 

So  wird  man  begreifen,  dass  ich  meine  Lösung  nur  als 
Versuch  betrachte.  Daneben  wahre  ich  mir  die  Annahme 
der  Willkür. 

Im  September  1164  bestätigte  Friedrich  I.  den  Grafen 
Gnidi  von  Modigliano  ihre  Besitzungen,  darunter  auch  das 
Kloster  S.  Reparata  zu  Maradi,  St.  4028 '' .  Da  der  Kaiser  einer- 
seits sagt,  er  schenke  omnia  cum  omnihus  cnrtihus,  distric- 
tibus  et  pertinentiis^;  da  S.  Maria  zu  Crespino  andererseits  der 
hl.  ßeparata  gehörte  ^,  so  konnten  die  Guidi  Ansprüche 
auch  auf  das  abhängige  Kloster  erheben.  Gerade  dagegen 
richtete  sich  die  Fälschung:  sie  sollte  alle  weltliche  Herr- 
schaft fernhalten,  namentlich  die  der  Guidi  ^.  Deren  Pri- 
vileg trug  das  Datum  1164,  und  die  Vorlage  des  Mönches 
von  Crespino  war  ebenfalls  1164  ausgestellt.  Nun  konnte 
man  freilich  für  sein  Machwerk  immerhin  die  Priorität  be- 
haupten, wenn  er  auch  den  Januar  1164  beibehalten  hätte, 
denn  das  Beweismittel  der  Gegner  schien  ja  um  sieben 
Monate  jünger  zu  sein.  Aber  muss  er  Tag  und  Monat 
gekannt  haben?  Wahrscheinlich  hatte  er  doch  nur  gehört, 
dass  das  älteste  Document,  worauf  die  Guidi  sich  stützten, 
dem  Jahre  1164  angehörte.  So  setzte  er  1160,  anno  regni 
7,  imperii  4  anstatt  1164,  anno  regni  11,  imperii  8.  Aller- 
dings, für  die  Aenderung  des  Januars  in  den  October  sehe 
ich  keinen  logischen  Grund;  da  bleibt  mir  nur  die  An- 
nahme blosser  Willkür. 

II.  In  einer  datenlosen  Urkunde,  die  König  Hein- 
rich VI.  den  Vallombrosanern  von  S.  Cassiano  in  Monte- 
scalari  ertheilt,  St.  4612,  deckt  sich  zunächst  die  Arenga, 
auch  noch  ein  Satz,  wonach  für  den  Aussteller  das  Bei- 
spiel seines  Vaters  massgebend  war,  mit  einem  Schirnibrief, 
den  er  am  1.  September  1186  allen  Klöstern  der  Vallom- 
brosaner  ausstellen  Hess,  St.  4585.  Das  Weitere,  also  der 
eigentliche  Gehalt  des  Diploms,  ist  von  St.  4611  um  Nichts 
verschieden,  bis  auf  eine  einzige,  noch  zu  besprechende 
Bestimmung.  Auch  die  Zeugen  dieses  Privilegs,  das  am 
29.  April  1187  die  Vallombrosaner  von  S.  Salvi  in  Parati- 
nola  sich  erwirkten,  kehren  geradeso  in  St.  4612  wieder, 
und  eben  darum  hat  man  Gleichzeitigkeit  angenommen. 

St.  4612,  einem  Gliede  der  Congregation  von  Vallora- 
brosa    ausgestellt,     stimmt    also    mit    zwei    Urkunden    für 


1)  Die  Urkunde  wurde  bestätigt  1191  von  Heinrich  VI.,    1220  von 
Friedrich  II,  St.  4700.    B.  F.  1241.  2)   Urkunde  Alexanders  III.  von 

1168,  J.-L.  11421.  3)  —  faclentes  eos  exemptos  a  consortio  et  dominio 

Florentinormn  et  Faventinorum,  a  comitibus  Guidis  etc. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      171 

Klöster  desselben  Ordens  überein;  Montescalari  und  Para- 
tinola  liegen  aber  im  Gebiete  von  Florenz,  nicht  weit  von 
ihnen  Vallombrosa,  in  dessen  Archiv  die  allgemeine  Be- 
schirmung aufbewahrt  wurde.  So  drängt  sich  die  Annahme 
auf,  dass  St.  4612  aus  St.  4585  und  4611  zusammengesetzt 
sei.  Den  gegen  die  Echtheit  erwachten  Verdacht  bestärken 
dann  zwei  Momente.  Erstens  ist  die  Invocation :  In  nomine 
patris  et  filii  et  Spiritus  sancti  durchaus  kanzlei widrig ;  man 
schrieb,  wie  auch  in  St.  4585  geschah :  In  nomine  sancte  et 
indiviciue  trinitafis.  Zweitens  und  besonders  lautet  die  Be- 
stimmung, um  die  St.  4611  reicher  ist  als  St.  4612:  Pro  Jiac 
auteni  maiestatis  nostre  concessione  prenominati  monasterii  ahhas 
et  fratres  unum  Bysantinum  aureum  annuatim  camere  nostre 
persolvant.  Es  ist  die  einzige  Verpflichtung,  die  den  Vallom- 
brosanern  von  Paratinola  auferlegt  wird ;  ihre  Ordensbrüder 
von  Montescalari,  denen  doch  die  gleichen  Rechte  ver- 
günstigt werden,  haben  nicht  auch  die  gleiche  Abgabe  zu 
entrichten,  sind  vielmehr  ganz  frei. 

Leider  ist  mir  unbekannt,  wie  St.  4612  überliefert  ist. 
Trotz  der  nicht  geringen  Verdachtsgründe  möchte  ich  daher 
mit  einer  Entscheidung  zurückhalten. 

III.  Zum  18.  Februar  1191  wird  für  Vallombrosa  nur 
eine  Urkunde  Heinrichs  VI.  angeführt,  St.  4682.  Offenbar 
sind  es  aber  zwei  verschiedene  Privilegien,  die  Ughelli 
Italia  Sacra  III,  222  ed.  11^  und  Lami  Del.  erud.  III,  198 
veröffentlicht  haben.  Lami  hat  auch  ausdrücklich  bemerkt, 
dass  das  von  ihm  herausgegebene  Diplom  ein  anderes  sei, 
als  das  Ughellische  ^.  Der  Wortlaut  zeigt  nur  geringe 
Uebereinstimmungen ;  selbst  die  formelhaften  Theile  sind 
keineswegs  dieselben;  und  schon  daraus  sieht  man,  dass 
auch  Toeche  irrte,  wenn  er  die  Fassung,  die  bei  Lami  vor- 
liegt, für  eine  Verkürzung  hielt  -.  Allerdings  verleiht  der 
Text  üghellis  ausführlichere  ßechte,  aber  in  Einem  Punkte 
findet  sich  doch  bei  Lami  mehr.  Gerade  daran  erkennt 
man  aber  den  Zweck  der  zweiten  Urkunde.  Ughelli  ver- 
öffentlichte eine  Beschirmung  der  Vallombrosaner  Klöster, 
eine  Bestätigung  und  Erweiterung  ihrer  Rechte.  Ein  Be- 
sitzthum  wird  mit  Namen  genannt:  Heinrich  beschützt 
nominatim  castrum  Magnalis.  Auch  bei  Lami  heisst  es: 
nominatim  castrum  Magnalis.  Nur  hier  aber  verbietet  Hein- 
rich VI.,  dass  Jemand  beunruhige  oder  besteuere,  wie  die 
anderen  Besitzungen,  so  nominatim  predictum  castrum.    Hin- 

1)  Vgl.  319  zum  Jahre  1191  mit  103  zum  .Jahre  1191.  2)  Hein- 
rich VI.  S.  649  n.  105. 


172  Paul  Scheffer-Boichorst. 

gegen  ist  von  den  verliehenen  Beckten  keine  Rede.  Da- 
nach ist  doch  das  Verhältnis  so:  die  Fassung  bei  Ughelli 
sollte  auch  dem  Schutze  von  Magnali  dienen,  verfolgte 
dann  aber  weitere  Interessen;  die  von  Lami  gedruckte 
Urkunde  gilt  recht  eigentlich  der  Sicherung  Magnalis. 
Die  Bedeutung  der  Burg  tritt  hier  und  dort  hervor,  aber 
das  andere  Mal  sollte  sie  noch  schärfer  betont  werden;  es 
geschah  durch  die  Wiederholung,  es  geschah  auch  dadurch, 
dass  mit  ihrer  Sicherung  nichts  Fremdartiges  verbunden 
wurde,  also  nicht  die  Bestätigung  und  Erweiterung  von 
Rechten.  Dazu  mag  noch  bemerkt  werden,  dass  die  Aebte 
von  Vallombrosa  sich  nach  der  Burg  Grafen  von  Magnali 
nannten  ^. 

Dulgano  Bürger  von  Ferrara. 

Klinkenborg  fand  in  den  Monumenta  Ferrariensia 
medii  aevi,  d.  h.  einer  Sammlung  von  Originalurkunden, 
welche  die  Biblioteca  dello  studio  zu  Ferrara  unter  n.  334 
aufbewahrt,  eine  der  in  staufischer  Zeit  noch  nicht  eben 
häufigen  Bestallungen  von  Notaren '-.  Ich  lasse  sie  nach  meiner 
Abschrift  folgen  'K  Als  Analogon  mag  man  die  Urkunde 
Friedrichs  II.  vom  20.  September  1220  vergleichen*,  nament- 
lich insofern,  als  auch  hier  neben  dem  Treueid  ein  Amtseid 
erwähnt  ist. 

Friedrich  II.  ernennt    den  Dulgano,    Bürger  von  Fer- 
rara, nachdem  er  Treit-  und  Amtseid  von  ihm  em- 
pfangen hat,  zum  öffentlichen  Reichstabellio. 
1238  Juli,  im  Lager  bei  Brescia. 

Fridericus  dei  gratia  Romanorum  imperator  semper 
augustus,  lerusalem  et  Sicilie  rex. 

Per  presens  scriptum  notum  facimus  universis  imperii 
fidelibus  tarn  presentibus  quam  futuris,  quod  nos  confidentes 
de  prudentia  et  fidelitate  Dulgani,  filii  Panisgrani,  civis 
Ferrariensis  fidelis  nostri,  rece^to  ab  eo  fidelitatis  et  officii 
iuxta  consuetudinem  iuramento,  constituimus  eum  publicum 
tabellionem  imperii,  ut  amodo  ubique  per  Imperium  pre- 
dictum  tabellionatus  officium  possit  et  debeat  ad  honorem 
et   fidelitatem   nostram    legaliter    exercere.      Quocirca   uni- 


1)  Repetti,  Dizionario  geogr.  fis.  stör,  della  Toscana  III,  20. 
2)  Nachrichten  der  k.  Gresellsch.  d.  Wisseusch.  zu  Göttingen  1897,  >S.  355 
Aum.  1.  Vgl.  auch  oben  S.  144.  3)  Später  erhielt  ich  auch  noch  eine 
Copie  von  H.  Bloch,  der  mich  zugleich  belehrte,  dass  nicht  mit  Klinken- 
borg Bulganus  zu  lesen  sei.        4)  B.  F.  1162. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      173 

versitati  vestre  precipiendo  mandamus,  quatinus  eidem 
Dulgano  super  hiis,  que  ad  dictum  tabellionatus  offi- 
cium spectare  [noscujntur,  de  cetero  intendatis  tamquam 
tabellioni  publice,  a  maiestate  nostra  statuto  ad  honorem 
et  fidelitatem  nostram.  Et  nullus  sit,  qui  dictum  Dul- 
g-anum  super  dicto  tabellionatus  officio  temere  imp[edire, 
mo]le[stare]  vel  perturbare  presumat.  Quod  qui  presump- 
serit,  Indignationen!  nostram  se  noverit  incursurum.  Ad 
cuius  rei  memoriam  presens  scriptum  fieri  iussimus,  ma- 
iestatis  nostre  sigillo  munitum. 

Datum  in  castris  circa  Brixiam  anno  dominice  incar- 
nationis  millesimo  ducentesimo  tricesimo  octavo ,  mense 
Julii  undecime  indictionis. 

S.  Benignus  zu  Fruttuaria. 

Bios  Eine  der  10  Urkunden  des  Klosters,  die  Stumpf  ver- 
zeichnet, ist  im  Originale  erhalten,  von  allen  anderen  be- 
sitzen wir  nur  ungenügende  Abschriften;  sehr  mit  Recht 
beklagte  jüngst  Sackur^  die  schlechten  Texte,  welche  die 
Geschichte  des  klösterlichen  Besitzes  so  sehr  erschweren. 
Nicht  viel  besser,  als  die  von  Stumpf  aufgeführten,  ist 
eine  Urkunde  Friedrichs  II.  überliefert,  damit  zugleich 
auch  eine  bisher  ungedruckte  Friedrichs  I.,  die  dessen 
Enkel  in  die  seinige  'einrückte'. 

Bei  der  Beschreibung  des  Turiner  Staatsarchivs  hatte 
Bethmann-  für  Fruttuaria  kurz  angemerkt:  1159.  1238. 
Winkelmann  ■'^  hat  dann  neulich  die  Bestätigung  Fried- 
richs II.  herausgegeben ;  'die  völlige  Gedankenlosigkeit' 
des  Copisten  wird  ihn  bestimmt  haben,  von  einer  Veröffent- 
lichung des  eingerückten  Privilegs  abzusehn.  Wir  können 
den  Wortlaut  aber  nicht  entbehren,  und  so  habe  ich  in 
Turin  eine  Abschrift  genommen.  Da  erkannte  ich  denn, 
dass  'völlige  Gedankenlosigkeit'  noch  kein  zu  harter  Tadel 
sei^.  Und  zu  den  sinnlosen  Verlesungen  kommen  zahl- 
reiche Lücken,  =  1. 

Die  Vorlage  war  ein  Transsumpt  von  1338,  und  aus 
gleicher  Quelle  floss  auch  eine  andere  Abschrift,  die  das 
Archivio  dell'  economato  zu  Turin  aufbewahrt '.    Sie  zeich- 


1)  Die  Cluniacenser  II,  3  Anm.  1.  2)  Archiv  XII,  598.  Ebendort 
findet  sich  auch  die  Erwähnung  einer  Königsurkunde  von  1202 ;  gemeint 
ist  aber  St.  1430 :  im  Turiner  Text  ist  1202  aus  1006  geworden.  3)  Acta 
imp.  I,  304.  4)  Abbazia  S.  Benigne,  Mazzo  1  enthält  drei  gleichlautende, 
daher  gleichschlechte  Abschriften.  5)  Abbazia  S.  Benigne,   Cartella  1^ 

mazzo  5,  n.  12. 


174  Paul  Scheffer-Boichorst. 

net  sich  nur  durch  Einen  Vorzug  aus :  von  anderer  Hand 
sind  einige  Lücken  ergänzt,  offenbar  mit  Hülfe  einer  bes- 
seren Ueberlieferung.  Sonst  kann  die  Copie,  welche  Calli- 
garis  nachgewiesen  und  Cipollo  für  mich  verglichen  hat, 
uns  wenig  nutzen  =  2. 

Um  so  erfreulicher  ist,  dass  Calligaris  in  seiner 
trefflichen  Studie  über  das  Kloster  Fruttuaria  ^  noch  auf 
einen  dritten  Text  aufmerksam  gemacht  hat,  nämlich  auf 
eine,  im  Turiner  Staatsarchiv  ruhende  Beglaubigung  von 
1298,  die  ebenfalls  die  Urkunde  Friedrichs  II.  und  damit 
denn  auch  Friedrichs  I.  enthält-.  Sie  leidet  weniger  an 
Fehlern ;  aber  manche  Stellen  sind  unlesbar  geworden.  Da 
kann  die  sonst  schlechtere  Ueberlieferung  uns  Hülfe  leisten : 
nur  deshalb  habe  ich  sie  erwähnt ;  ihre  zahllosen  Verkehrt- 
heiten und  Lücken  will  ich  nicht  auf  die  Nachwelt  brin- 
gen ^.  Meine  Ausgabe  folgt  also  im  Wesentlichen  der  Ab- 
schrift von  1298,  deren  Collation  ich  wiederum  der  Gefäl- 
ligkeit Cipollas  verdanke  =  3 ;  auf  die  Abschriften  des 
Transsumpts  von  1338  werde  ich  nur  selten  Bezug  neh- 
men ^. 

Natürlich  habe  ich  auch  die  benutzten,  unter  sich  gleich- 
lautenden Vorurkunden  herangezogen,  eine  Heinrichs  IV.^ 
von  1069  und  eine  Heinrichs  V.  von  1112.'^  Was  mit  ihnen 
übereinstimmt,  gebe  ich  durch  kleinere  Lettern  wieder. 

Von  einigem  Interesse  ist  das  Tages-  und  Ortsdatum : 
es  erläutert  nämlich  in  erwünschter  Weise  eine  Angabe 
Eahewius.  Friedrich  hat  das  Osterfest  1159,  d.  h.  den 
12.  April,  zu  Modena  begangen:  festoque  terminato  in  terri- 
torium  Bononiense,  uhi  tunc  manehat  exercitus,  demigrans  ad- 
ventu  suo  tmiversos  laetificavit''.  Wir  wissen  nun,  dass  das 
Heer  bei  Castiglone  de'  Gatti  lagerte^  und  dass  Friedrich 
am  17.  April  in  Mitten  seiner  Soldaten  verweilte^. 

1)  Un'antica   cronaca    Piemontese    102.  2)  Abbazia  S.  Benigne, 

Mazzo  18.  3)  Nicht  besser  möchte  eine  andere,  mir  mizugängliche  Ab- 
schrift sein ;  sie  floss  da  una  copia  antica  e  niolfo  corrosa.  Cipolla  in  den 
Atti  della  r.  accademia  di  Torino  XXVI,  895.  4)  Noch  weniger  habe 
ich  mich  um  Schreibereigenthümlichkeiten  gekümmert,  und  zwar  auch 
nicht  in  Hinsicht  auf  die  bessere  Ueberlieferung :  ich  habe  geschrieben, 
wie  man  in  der  Kanzlei  Friedrichs  I.  zu  schreiben  pflegte.  5)  Stumpf, 
Acta  316  S.  447.  6)  Guichenon,  Hist.  de  Savoye  IV,  664.  7)  Ed.  Waitz 
IV,  32  p.  218.  8)  Castiglione  de'  Gatti  im  Districte  Vergano  gehörte  den 
Grafen  Alberti  di  Mangone  —  vgl.  z.  B.  Savioli,  AnnaH  Bolog.  II 'J,  169  — 
und  kam  1340  in  den  Besitz  der  Pepoli  von  Bologna,  daher  hiess  es  später 
auch  Castiglione  de'  Pepoli.  Gozzadini,  Delle  torri  gentilizie  di  Bo- 
logna 412.  9)  Nach  Giesebrecht,  Kaiserzeit  V,  192  hätte  Friedrich  die 
Mailänder  schon  am  16.  zu  Bologna  geächtet;  nach  Jordan,  Rahewins 
Gesta  Frid.  80  Anm.  1  geschah  es  erst  am  19. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      175 

Friedrich  I.  beschützt  auf  Verwenden  des  Kanzlers  Rei- 
nald  und  auf  Bitten  des  Abtes  Rufin  das  Kloster 
als  ein  reichsunmittelbares;  gestattet  freie  Wahl 
des  Abtes,  dessen  Weihe  keinem  bestimmten  Bischof  e 
zukommt ;  bestätigt  die  zum  Theil  genannten  Be- 
sitzungen des  Klosters;  schützt  es  gegen  Verjährung 
und  Abgaben,  wahrt  aber  die  kaiserlichen  Rechte. 
1159  April  17,  Castiglione  de    Gatti. 

In  nomine  sancte  et  individue  trinitatis.  Fredericus  dirina 
favente  dementia  Romanorum  imj)erator  et  semper  augustus. 

Imperialis  dignitatis "  sagacitati  congruere  videtur, 
domino  deo  nostro  devote  famulantium  curam  propensius 
gerere^  et,  ut  in  futurum  omnipotenti  creatori  quiete  de- 
servire  valeant,  speciali  protectione  eos  confovendo  iuvare. 
Quapropter  noverit  eiusdem  domini  dei  ac  sacratissimi  imperii^ 
nostri  fidelium  tarn  futurorum  quam  presentium  solers  industria,  qualiter 
nos  pro  divino  araore^  atque  anime  nostre  remedio,  interventu  quoque 
Raynaldi,  dilecti  cancellarii  nostri,  ac  petitione  Rufini,  vene- 
rabilis  Fructuariensis  abbatis,  ipsum  monasterium,  in  honorem 
beatlSSime  dei  genitricis  ^  Marie  sanctorumque  martirum  Benigni  et 
Tiburtii  edificatum  cum  omnibus  personis  inibi  presentialiter 
deo  famulantibus  aut  futuro  tempore  servituris  et  cum  uni- 
versis  possessionibus  suis  cunctisque  rebus  mobilibus  seu 
iumobilibus,  quecumque,  recte  dum,  iuste  et  legaliter  posse- 
dit,  liberalitate  regum  aut  imperatorum®,  largitate  ponti- 
ficum,  donatione  principum  vel  oblatione  quorumlibet  fide- 
lium aut  aliis  iustis  modis  obtinet  seu  deinceps  adijjisci 
poterit,  in  imperialis  tuitionis  protectionem*  jDerpetuo  rece- 
pimus,  ea  videlicet  ratione,  ut  idem  cenobium  omnium  hominum  remota  con- 
tradictione  sit  liberum  nulliusque  mortaliuni^  potestati  subiectum,  sed 
imperialis  mundiburdii  ac  specialis ^^  nostre  defensionis  sit* 
munimine  constitutum ;  liceatque  monacis  pretaxati  monasterii, 
cum  venerabilis  abbas  Rufin  US,  qui  nunc  preesse  \'idetur,  ab  hac  vita 
decesserit,  quemcunque  voluerint^  inter  se  rationabiliter  eligere 
et  eundem   a  quocumque    catholico^    episcopo    ipsis   placeat   ordina- 

a)  diligentie  3;  diligentia  1.  2.  b)  genere  1.  2.  3.  c)  säe  .  .  . 
.  .  .  nostri  3;  sanctissinn  imperatoris  1.  2.  d)  genitricis mar- 
tirum 3.          e)  imperator pontifciim  3;  imperator donata 

1.  2.  f)  poterit    imperiali  tidtione  pi-otectionis  3;  x>^terit   imp.    tuitione 

protectione    1.  2.  g)    nulliusque  mortal subitum  3;    nullusque 

potestati  subiectum  mortal ium  1.2.         h)  spirittmlis  1.  2.  3.         i)  sit  fehlt  3. 

k)  quecumque  voluerint  1.  2.  3.  1)  catol nacionem  recipere  3; 

cafholico  episcopo  ipsis  presentari  aut  ordinari  occupari  1.  2. 

1)  Dauach  berichtige  man  den  Unsinn  im  Drucke  Stumpfs:  ex 
divino  munere  animaeque  nostrae  remedio. 


176  Paul  Schefeer-Boichorst. 

tionem  recipere.  Instiper*^  hac  decretali  pagina  prenominato 
cenobio  confirmamus,  donamus  et  stabilimus''  omnia,  que 
ipsi  ab  antecessoribus  nostris,  imperatoribus  seu  regibns, 
aliisque  quibuslibet  fidelibns  rationabiliter  collata  aiit  quo- 
libet  modo  inste  acquisita  aut  permutata  sunt,  que  sita  sunt 
in  episcopatibus  seu  comitatibus<^,  Eporeiensi  videlicet  et  Taurinensi  J,  Ver- 
cellensi,  Novariensi,  Mediolanensi,  Ticinensie,  Terdonensi,  Astensi,  Al- 
bensi,  Aquensi,  Savonensi,  Albigaunensi  *",  Ferrariensi ,  Bononiensi, 
Augustanensi,  Landen si  ac  Cumano  atque  Adriensi  ac  nomi- 
natim,  quod  idem  monasterium  possedit  in  Montanario  et 
in  Curte  regia  s'  ac  in  Verano  et  in  Cauda^'  et  in  villa  Vul- 
piani  et  castellum  Lumbardori  et  villam  que  dicitur  Arusea  et  Faloua 
et  Calpis  et  Serralonga  et  Villanova  et  Mayeranum,  universaque 
predia,  que  possidet  intra  fines  Morocium  et  in  Clusa  et  in  Ca- 
valla  et  in  villa  Quadraginta'  et  in  Dusicino  et  generaliter 
quidquid  ubique  locorum  in  toto  imperio  nostro  de  iure 
possidet  idem^  monasterium  in'  cellis,  ecclesiis,  capellis  aut 
in  civitatibus"',  castellis,  burgis,  villis  cum  omnibus  suis 
appenditiis  videlicet  areis",  edificiis,  pratis,  pascuis,  alpibus, 
silvis,  venationibus,  viis  et  inviis,  ripis,  riponis,  aquis  aqua- 
rumque  decursibus,  portubus,  piscationibus,  exitibus  atque 
reditibus,  mercatis,  teloneis,  molis,  molendinis,  utriusque 
sexus  mancipiis,  quesitis  et  acquirendis  et  cum  omni  utili- 
tate,  que  nunc  aut  deinceps  inde  pervenire  poterit".  Pre- 
terea  constituimus  i' ,  ut  quecunque  predictum  monasterium 
Fructuarie  de  possessionibus  suis  iniuste  perdidit  sive 
propter  imperatorum  aut  regum  absentiam  sive  propter 
rectorum  negligentiam  aut  raptorum  violentiam,  non  obsit 
ei  ulla  longi  temporis  prescriptio,  quominus^i  veraci  instru- 
mento  seu  legitimo  testimonio  possessionem  suam  iniuste 
alienatam  reclamare ''  poterit,  ut  ei  restituatur.  Precipimus 
quoque,  ut  que  possidet  idem  monasterium  Fructuarie  in 
Paterniano  in  castello,  villa  et  curtibus^,  absque  omni 
vexatione  et  quiete  possideat^.  Statuimus  nihilominus,  ut 
nullus  archiepiscopus,  episcopus,  dux,  marchio,  comes,  vicecomes,  nulla 
ecclesiastica    laycalisve    persona,    parva   seu  magna,   presumat   pre- 


a)  fehlt  1.  2.  3.       b)  fehlt  3;  donandi,  confirinandi  et  stabüiendi  1.  2, 

c)   in   episco Eporiensi  videlicet  3;    in   convallibus  seu   comitatibus 

Ipporegiensi  diocesis  videlicet  1.  2.        d)  Novariensi  3.        e)  Taurinensi  S; 

Trivenensi  1.  2.       f)  lanuensi  1.  2.  3.       g)  reffio  3.       h)  et  Cand 

castellum  8.  i)    in   villa  et   in  Quadraginta  3;    in   villa  Äquantati  1.  2. 

k)  in  mon.  1.  2.  3.  1)  fehlt  1.  2.  3.  m)  civitate  1.  2.  3.  n)  arris  3; 
aris  1.  2.  o)  pervenerit  3.  p)  censemiis  3;  consens.  1.  2.  q)  quoniam 
in  1.  2.  8.  r)  proclamare  pottierit   ei  8;   proclamare  poterit  ei   1.  2. 

s)  partibus  1.  2.  8.        t)  possident  3. 


Urkunden  ii.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf .  Periode.      177 

dictum  monasterium  inquietare  aut  divestire,  aut  abbati  et  suis  successo- 
ribus  molestiam  vel  iniuriam  inferre  nec  ab  eiusdem  monasterii  abbate 
aut  famulis  seu  villanis  ad  ipsum  locum  pertinentibus  bannum  vel  ali- 
quam  exactioneni '"^  requirerei^  aut  decimas  exigere  aut  in  terris  domini- 
catis,  agris,  pratis,  vineis  vel  rebus  aliquibus  aut  animalibus,  Salvo  in 
Omnibus  nostre  imperialis  dig-nitatis  bonore.  Si  quis  autem 
nostre  confirmationis  preceptum*^  iufriiioere  aut  violare  presumpserit, 
mille  libras  auri  optimi  componat,  medietatem  nostre  caniere  et  medie- 
tatem  sepedicti  monasterii  abbati  persolvens  "^ .  Quod  ut  verius 
credatur  et  diligentius  ab  omnibus  observetur,  hanc  nostre  iussionis 
paginam  manu  nostra  propria  roborantes  sigillo  nostro  iussimus 
insigniri. 

Signum  domni  Frederici  Eomanorum  imperatoris  in- 
victissimi. 

Ego  Eaynaldus  caucellarius  recognovi. 

Datum  15.  kal.  Maii  anno  dominice  incarnationis  1159**, 
indictione  7,  anno  domni  Frederici  Serenissimi  imperatoris 
regni^  eius  octavo,  imperii  tertio.  Actum  in  loco  Castel- 
lione  in  episcopatu  Bonouie.    In  Cbristo  feliciter,  amen. 

Lanciano  und  Ortona  a  mare. 

I.  Fella  scbrieb  in  den  Jabren  1607—1625  eine  Cbro- 
nologia  urbis  Anxani  \  wofür  ibm  jetzt  verscbollene  Urkun- 
den von  Lanciano  zur  Verfügung  standen.  Leider  ist  Fellas 
Werk,  das  ungedruckt  blieb,  beute  aucb  nicbt  mebr  vor- 
handen. Doch  wurde  es  noch  zu  Anfang  dieses  Jahrhun- 
derts benutzt,  so  namentlich  von  D.  Romanelli,  Scoverte 
patrie  etc.  nella  regione  Frentana  I.  IL  1805  —  9.  Wahr- 
scheinlich bediente  sich  der  Fella'schen  Chronologie  avich 
U.  Bocache,  dessen  Hss."-  dann  der  neueste  Geschicht- 
schreiber von  Lanciano,  L.  Renzetti,  seinen  Notizie  isto- 
riche  della  cittä  di  Lanciano   1878  zu  Grunde   gelegt  hat. 

Mit  diesen  Hülfsmitteln  lässt  sich  über  Urkunden 
Lancianos,  die  für  unsere  Regesten  in  Betracht  kommen, 
wenigstens  einige  Auskunft  geben. 

Bei  Romanelli  1.  c.  II,  155  findet  sich  folgender 
ürkundenauszug  und  zwar  nach  Fella,  der  als  Gewährs- 
mann ausdrücklich  genannt  wird :  L'  imperatore  Federico  per 
servigi  a  Im  resi  e  per  Ja  fedeltä  dimonstrafagli  da'  Lancia- 

a)  conditionem  3;  ponderem  1.  2.  b)  recipere  3.  c)  precep- 

tionetn  3.         d)  persolvantur  3.         e)  MCL.  3.         f)  regis  3. 

1)  lieber  seine  Schriften  vgl.  Romanelli,  Scoverte  patrie  II,  225 
2)  Nach  C.  I.  L.  IX,  27  werden  sie  in  14  Bänden  auf  der  Bibliothek  zu 
Lanciano  aufbewahrt. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  12 


178  Paiil  Scheffer -Boichorst. 

nesi  nelle  xmssate  rivolusioni  del  regno  rolle  rimeritarli  con 
qualche  grasia.  Confermö  Jovo  per  tal  ßne  tutti  gli  nsi  e  le 
consuetudini  e  li  (qjpeUd  col  titolo  di  hiioni,  che  averano  fin 
da'  tempi  de'  sitoi  predecessori  otteniito,  come  anclie  tutf  i  pri- 
vilegi  e  le  concessioni  da  quelli  fatte,  ed  agginnse,  che  avessero 
franchigia  da  ogni  dazio,  colleffa,  pagamento,  plateatico  e  pas- 
sagio  e  che  fmalmente  resfassero  sempre  nel  reale  demonio.  Fn 
il  diploma  spedito  da  Roma  nel  mese  di  aprile  delV  anno  1212 
della  15.  indinone  per  mano  di  Giuseppe  di  Solmona  suo  can- 
celliere.  Derselben  Urkunde  gedenkt  Renzetti  1.  c,  nur  viel 
kürzer,  aber  ausser  dem  Tagesdatum  'Ajjril  12'  theilt  er 
den  wichtigsten  Satz  in  originaler  Fassung  mit:  Volenies 
etiam  et  huins  presentis  privilegii  auctoritate  ßrmifcr  sfafuenfes, 
ut  semper  in  nostro  deheat  demanio  permanere. 

Wir  erhalten  eine  in  den  Regesten  fehlende  Urkunde 
Friedrichs  II.  d.d.  1212  April  12,  Rom  ^  Die  Daten  passen 
vortrefflich  ins  Itinerar,  und  der  Notar  Joseph  von  Solmona 
begegnet  uns  auch  im  März  1212'-;  dass  Romanelli  ihn 
Kanzler  nennt,  scheint  mir  ebenso  wenig  gegen  die  Echt- 
heit zu  sprechen,  wie  dass  er  Friedrich  II.  schon  als  Kaiser 
einführt  ^. 

Die  Zusicherung  der  Unmittelbarkeit  gab  den  Lancia- 
nesen  auch  Papst  Alexander  IV.  Nach  Renzetti  1.  c.  146 
geschah  es  am  9.  October  1255  zu  Anagni.  Die  Daten 
entsprechen  dem  damaligen  Aufenthalte  des  Papstes,  und 
der  Inhalt  deckt  sich  völlig  mit  Privilegien,  die  in  dersel- 
ben Zeit  andere  Städte  erhielten:  in  demanium  Romane 
ecclesie  speciale  nahm  Alexander  auf:  am  30.  September 
Gallipoli,  am  19.  October  1255  Frosinone  und  am  18.  No- 
vember Penne  ^. 

Die  Urkunden  beweisen  den  Fortschritt  der  päpst- 
lichen Sache.  Aber  das  Blatt  wendete  sich.  Lanciano 
ging  zu  Manfred  über,  und  nichts  wäre  ja  nun  natürlicher 
gewesen,  als  dass  der  König  dem  Beispiel  seines  Vaters 
von  1212  und  des  Papstes  von  1254  gefolgt  wäre.  Das 
soll   denn   auch  geschehen  sein,   ja  Manfred  soll  den  Lan- 

1)  Eine  andere,  in  den  Regesteu  fehlende  Urkunde  —  d.  d.  1212 
April,  Rom  —  ist  für  Almanno  de  Pancaldo  ausgestellt.  Doc.  Sicil. 
Serie  I  tom.  VIII,  152  und  vollständig  bei  Paolucci,  II  parlamento  di 
Foggia  32.  Ich  will  daraus  doch  folgende  Worte  hervorheben :  conside- 
rantes  expensas  2}lurimas  etiam  et  labores,  quos  in  itinere  Alamanico  pro 
honore  nostri  cuhninis  es  pterpessus.  2)  Winkelmann,  Acta  imp.  I,  95. 

S)  Die  gefälschte  Inschrift  C.  I.  L.  IX  n.  297  M-ill  Polidoro  der  Hs.  Fellas 
entnommen  haben ,  natürlich  braucht  sie  darum  noch  nicht  Fellas  Werk 
zu  sein.  4)  Bourel  de  la  Ronciere  etc.,  Les  registres  d' Alexandre  IV, 
n.  855  p.  257,  u.  881  p.  262,  n.  869  p.  260. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  cl.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      179 

■ciauesen  noch  eine  weitere  Gnnst  erwiesen  haben.  Nach 
Homauelli  I.e.  11,52  cf.  156  schrieb  Fella:  Beoc  Manfredus 
demaniale  fecit  oppidum  Anxanum  eique  concessit  dindam  urhem 
.antiquissimam  Bucam,  quam  alii  —  Septetn  dixere,  et  castrnm 
jjariter  solo  aeqnatum,  quod  Plasianum  appellatur,  privilegio 
dato  Partlienope  l-al.  apv.  ind.  2.  ao.  dorn.  1259,  regno  eins 
primo'^.  Damit  stimmt  Renzetti  I.e.  146  überein,  nur  dass 
bei  ihm  der  Ausstellungsort  fehlt  und  dass  er  S.  177  ausser 
Sette  und  Piazzano  noch  Belvedere,  das  nach  Romanelli 
1.  c.  II,  52  erst  im  März  1303  Karl  II.  hinzugefügt  hat, 
als  Geschenk  Manfreds  nennt.  Ans  Eomanellis  Anführung 
kannte  die  Urkunde  Capasso,  Hist.  dipl.  reg.  Sic.  326 '-,  und 
daraus  floss  B.  F.  4697.  Capasso  hat  sie  als  unecht  ver- 
worfen, ihm  hat  sich  Ficker  angeschlossen.  Zur  Zeit  seien 
privilegia  demanii  ungebräuchlich  gewesen.  Dass  ich 
hier  nicht  zustimmen  kann,  ersieht  man  aus  meinen 
obigen  Anführungen  derartiger  Freibriefe,  die  sich  in  den 
Eegesten  Alexanders  IV.  finden.  Aber  es  bleibt  der  von 
Capasso  hervorgehobene  Widerspruch  zwischen  den  Daten 
der  Urkunde  und  dem  Itinerar  Manfreds.  Dieser  befand 
sich  am  22.  März  in  Melfi,  am  5.  April  zu  Foggia^,  konnte 
also  am  1.  unmöglich  in  Neapel  sein.  Will  man  nicht 
annehmen,  in  Fellas  Vorlage  sei  der  Ort  verwischt,  abge- 
schabt, überhaupt  schwer  zu  entziffern  gewesen,  Fella  habe 
daher  Neapoli  etwa  statt  3Ielß  gelesen  und  dann  das 
archaistische  Parthenope  eingesetzt,  so  wird  man  die  Ur- 
kunde preisgeben  müssen.  Und  noch  eine  weitere  Aende- 
Tung  Fellas  wäre  anzunehmen.  Er  würde  in  seinem  Be- 
dürfnis, classisches  Latein  zu  bieten,  die  Rechnung  nach 
fortlaufenden  Monatstagen,  welche  allein  von  den  Kanz- 
listen Manfreds  angewandt  wvirde^,  in  die  des  römischen 
Kalenders  übertragen  haben. 

Dasselbe  müsste  bei  einer  zweiten,  in  den  Regesten 
nicht  aufgeführten  Urkunde  Manfreds  für  Lanciano  ge- 
schehen sein,  wenn  sie  echt  sein  soll.  Ihrer  hat  P.  Poli- 
doro  gedacht,  ohne  Angabe  des  Fundortes;  da  er  aber  das 
Werk  Fellas  benutzt  hat,  so  könnte  dieses  immerhin  auch 
für  das  fragliche  Diplom  seine  Quelle  sein.  Dann  wäre  es 
Fella,  der  hier  und  dort   die  Umrechnung  nach  römischer 


1)  Denselben  "Wortlaut  veröffentlichte  aus  Fellas  Chronologie  schon 
1744  Tria,  Memorie  di  Lariuo  23.  Bei  Romanelli  1.  c.  II,  52  fehlt  nur  regno 
eins  primo;  vgl.  aber  Romanelli  1.  c.  II,  156.  2)  Jedoch  bloss  nach  der 
knapperen,  des  Tages  entbehrenden  Erwälmung  II,  156.  3)  B.  F.  4692 — 94. 
4)  In  den  Datierungszeilen  finde  ich  keine  Ausnahme,  nur  im  Texte  begegnen 
zweimal  einfach  Kaienden,  unten  S.  187  und  Capasso  1.  c.  254  n.  i\\. 

12^ 


180  Paul  Scheffer-Boichorst. 

Art  vorgenommen  hätte.  Polidoro  nun  schreibt  in  einer 
der  Abhandlungen,  aus  denen  seine  Antiquitates  Frenta- 
norum  bestehen,  Manfred  habe  der  öffentlichen  Schule  von 
Lanciano  die  50  Aug-ustalen  jährlicher  Rente,  welche  die 
Gemeinde  ihr  ausgeworfen  hatte,  durch  ein  besonderes 
Privileg  bestätigt,  quarto  Nonas  Maias,  ao.  1255,  ind.  13. 
Als  Ganzes  ist  Polidoros  Werk  nie  gedruckt  worden.  Doch 
hat  V.  Bindi,  Monumenti  storici  ed  artistici  degli  Abruzzi 
1889  einzelne  Abschnitte  daraus  veröffentlicht;  S.  695  findet 
man  das  Regest  der  Urkunde  Manfreds. 

Polidoro,  geb.  1687,  gest.  1748,  war  nach  Mommsen 
ein  Bösewicht,  der  Inschriften  fälschte  ^.  Auch  kennen 
wir  nur  aus  seinem  literarischen  Nachlass  das  Chronicon 
S.  Stephani  protomartyris  ad  Rivum- Maris,  das  man  heute 
als  unecht  preisgegeben  hat "-.  Urkundenfälschungen  Poli- 
doros sind  bisher  nicht  nachgewiesen,  wohl  wegen  der 
Dürftigkeit  des  vorliegenden  Materials :  mir  sind  ausser 
kürzeren  Excerpten  ^  eben  nur  die  von  Bindi  veröffentlich- 
ten Bruchstücke  bekannt  geworden"*.  Jedenfalls  ist  Vor- 
sicht geboten,  wenn  kein  Anderer,  als  Polidoro,  für  eine 
urkundliche   Angabe    Bürgschaft   leistet^.     Freilich    meine 


1)  C.  I.  L.  IX,  278.     Eine  Lanze  für  Polidoro  hat  Bindi  1.  c.  911 
— 913  gebrochen.  2)   Schipa   im   Archivio  p.  1.   prov.   Napoletane  X^ 

534 — 568.  3)  Wie  Polidoros  "Werk   in    unseren  Tagen   für  Bindi  eine 

sehr  reiche,  aber  auch  sehr  trübe  Quelle  war,  so  im  Anfang  des  Jahr- 
hunderts für  Romanelli.  In  seinen  Scoverte  patrie  I,  341  veröffentlichte 
er  Berardi  monachi  S.  Stefani  lamentatio  de  desolatione  sui  monasterii, 
facta  per  exercitum  domini  Henrichi  regis  (1197)  et  cruce  signatorum.. 
Unmittelbar  vorher  beruft  sich  Romanelli  auf  eine  Hs.  Polidoros:  wahr- 
scheinlich ist  es  gut  gewesen,  dass  deutsche  Forscher  das  Gedicht  bisher 
nicht  gekannt  haben.  4)  Mommsen  benutzte  ein  Exemplar  des  Herrn 

M.  Tafuri  in  Neapel.  Nach  Minieri  -  Riccio,  Bibl.  stör,  topogr.  degli 
Abruzzi  540  besassen  es  1862  dessen  Erben.  Ich  habe  mich  vergebens 
danach  erkundigt.  Ein  anderes  Exemplar  befindet  sich  in  der  Bibliothek 
des  Herrn  G.  Bonanni  zu  Ortona  a  mare,  die  leider  verschlossen  war,  als 
ich  Ortona  besuchte.  Bindi  druckte  Bruchstücke,  die  P.  Saraceni  in 
Chieti,  der  erste  Herausgeber  der  Chronik  von  S.  Stefano,  ihm  zur  Ver- 
fügung stellte.  Vgl.  seine  Mem.  degli  Abruzzi  351  Anm.  1.  5)  Alex- 
ander III.  soll  1177  dem  Kloster  S.  Giovanni  in  Venere  seine  Güter  be- 
stätigt haben.  J.-L.  12790.  Die  darüber  allein  vorliegende  Notiz  ver- 
danlvcn  wir  Bindi,  der  sich  auch  für  seine  Geschichte  von  S.  Giovanni 
vornehmlich  auf  die  Hss.  Polidoros  stützt.  Nur  aus  diesen,  wie  erwähnt, 
kennen  war  auch  die  Chronik  von  S.  Stefano,  der  kein  Anwalt  mehr  das 
AVort  redet.  Hier  und  in  unserer  Urkunde  begeg-net  aber  derselbe 
böse  Fehler.  Nach  der  Chronik  wäre  der  Papst  1177  durch  widrige 
Winde  in  Vasto  festgehalten  worden;  zur  Begrüssung  hätten  sich  in 
V  a  s  t  o  eingefunden  :  mit  seinem  Abte  der  Verfasser  selbst,  dann  der  Abt 
von  S.  Giovanni.  Eben  für  dessen  Kloster  ist,  wie  schon  gesagt,  J.-L. 
12790    ausgestellt,    und    zwar    der    Chronik    entsprechend:    in  Vasto. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      181 

ich  darum  noch  nicht,  dass  man  eine  Urkunde  schon  als 
unecht  verwerfen  dürfe,  weil  nur  er  sie  überliefert  hat : 
auch  Inschriften,  deren  Kenntnis  wir  Polidoro  verdanken, 
haben  vor  der  Kritik  standgehalten. 

lieber  Handel  und  Wandel  einiger  Ortschaften  der 
Abruzzen  soll  Heinrich  VI.  ein  Gesetz  erlassen  und  Fried- 
rich II.  bestätigt  haben.  Offenbar  hat  Polidoro  die  Ver- 
leihung des  Vaters  nur  aus  der  Wiederholung  des  Sohnes 
gekannt.  Denn  A.  L.  Antinori,  Raccolta  di  mem.  istor. 
delle  tre  provincie  degli  Abbruzzi  1782  II,  84  fügt  zu  sei- 
nem Auszuge  hinzu:  Capitnl.  Henrici  VI.  imp.  in  diplom. 
Friderici  IL  cit.  a.  1223.  ap.  Polidor.  Änfiq.  Frent.  P.  I. 
Dissert.  10.^     Danach  ergeben  sich  folgende  Regesten: 

'1196.  Heinrich  VI.  bestimmt,  nach  welcher  Norm 
der  königliche  Richter  die  Waaren-  und  Handelsrichter  ^ 
für  Ortona  ernennen  soll  und  welche  Abgaben  an  den 
Fiscus  zu  entrichten  sind;  unterstellt  dem  Hafen  von  Or- 
tona die  Häfen  S.  Venere  al  Sangro  und  S.  Vito,  die  in 
Hinsicht  ihres  Handels  und  ihrer  Abgaben  von  dessen 
Beamten  abhängen  sollen;  wahrt  aber  die  Rechte  feu- 
daler Gewalten;  dehnt  die  Verfügungen  auch  über  den 
Hafen  von  Termoli  aus;  befreit  die  Waaren,  die  zu  den 
Mai-  und  September-Märkten,  woher  immer,  nach  Lanciano 
geführt  werden,  von  allen  üblichen  Abgaben^. 

1223.  Friedrich  II.  bestätigt  die  Verordnung  seines 
Vaters'  ^. 

Man  hat  1196  in  1195  geändert,  denn  damals  befand 
Heinrich   sich   in   den  Gegenden,  welchen  seine  Massregel 


Alexander  III.  hat  aber  1177  Vasto  gar  nicht  besucht:  inViesti,  also 
weit  von  Vasto  entfernt,  hat  er  1177  einen  ganzen  Monat  verbracht.  Das 
bezeugen  ausser  den  Urkunden  bei  J.-L.  12778—89.  91.  der  Biograph 
Alexanders  und  Romuald  von  Salemo.  Aus  Vesta  =  Viesti  hatten  aber 
schon  Schriftsteller,  deren  Werke  Polidoro  kannte,  Vastum,  =  Vasto  ge- 
macht. Vgl.  Schipa  im  Archivio  p.  1.  prov.  Napoletane  X,  568.  576. 
Nebenbei  bemerkt,  ist  in  J.-L.  12790  das  umgekehrte  Verfahren  beliebt 
worden :  Vasto  wurde  in  Viesti  verwandelt,  und  die  Urkunde  konnte  als 
echt  gelten.  Der  oben  dargelegte  Zusammenhang  wird  eines  Anderen 
belehren ;  die  Angabe  des  Chronisten,  der  Abt  von  S.  Giovanni  sei  zum 
Papste  gekommen,  kann  dem  Privileg,  das  er  heimgebracht  haben  soll, 
nicht  zur  Stütze  dienen ;  umso  deutlicher  zeigt  sich,  dass  ein  Autor  beide 
Fälschungen  vollführte.  1)  Romanelli  II,  274  scheint  mir  trotz  grösserer 
Breite  und  trotz  ausdrücklicher  Erwähnung  Polidoros  nur  dem  Auszuge 
Antinoris   zu    folgen.  2)    /  giudici   de'   mercimoni  e  de'   commerci  per 

terra  e  per  mare.  3)  Diese  Vergünstigung  für  Lanciano  hat  man  auf 

eine  eigene  Urkunde  zurückgeführt,  wie  mir  scheint,  mit  Unrecht.  4)  Ro- 
manelli II,  275  Anm.  1  setzt  die  Urkunde  zu  1225 ;  aber  1225  ertheilte 
Friedrich  II.  den  Ortonesen,   wenn   ich   nicht  irre,   ein   anderes  Privileg. 


182  Paul  Scheffer-Boichorst. 

gilt.  Am  27.  April  1195  war  er  in  Ortona  selbst \  und 
wenn  sein  nächstes  Diplom  vom  29.  April  1196  datiert^ 
obwohl  es  offenbar  zu  1195  gehört,  so  kann  dasselbe  Ver- 
sehen auch  bei  unserem  Gesetze  begegnet  sein. 

Die  Bestätigung  Friedrichs  II.  reiht  sich  passend  in 
den  April  1223  ein.  Am  24.  und  25.  begegnet  er  zu  Pes- 
cara'-;  auf  dem  Wege  von  dort  nach  Foggia  berührte  er 
das  Gebiet  von  Ortona  und  Termoli  oder  war  doch  von 
deren  Bewohnern  leicht  zu  erreichen. 

Der  königliche  Eichter  ist  der  haiidus,  dem  geschulte 
Eechtskundige  zur  Seite  standen.  Diese  wurden  in  Mes- 
sina von  Heinrich  VI.  selbst  ernannt  -^ ;  auch  findet  sich 
da  keine  Trennung  der  Competenzen,  so  dass  sich  Richter 
nur  für  Waaren  und  Handel  nachweisen  Hessen.  Darüber 
mögen  jedoch  in  verschiedenen  Städten  verschiedene  Be- 
stimmungen gegolten  haben*,  zum  wenigsten  bis  1230,  in 
welchem  Jahre  die  Constitutionen  von  Melfi  eine  einheit- 
lichere  Ordnung  durchführten.  Seitdem  sollten  in  allen 
Verkehrs-  und  Gewerksangelegenheiten  zwei,  vom  Bajulo 
ermächtigte  Männer  nach  dem  Rechten  sehen,  ohne  doch 
als  Richter  zu  fungieren. 

Wenn  nicht  Polidoro  unser  Gewährsmann  wäre,  würde 
ich  das  Stigma  zu  St.  4928  ohne  Weiteres  tilgen  und  mich 
dem  Vertrauen  von  B.-F.  1487  anschliessen. 

Wie   es    scheint,    ist   es    eine    andere  Urkunde  Fried- 
richs II.,    deren    zuerst   Romanelli    1.   c.    II,   276    gedacht 
hat '"   und    von    der   nun   bei   Bindi  1.  c.  706    ein   grösserer 
Auszug  vorliegt  und  zwar  in  einer  der  von  ihm  mitgetheil- 
ten   Dissertationen    Polidoros.     Danach   befreite    Friedrich 
1225  die  Ortonesen  ab  omnihus  vectigalibus  regiae  curiae  de- 
hitis  ratione  lignorum,   ferri,  picis,  cannahis  et  Uni,  quae  pro 
arte  navicidaria  utüiter  et  sine  gravamine  exercenda  necessaria 
forent,  exhihito  tarnen  priiis  ab  ipsis  pro  fraude  toUenda  fideli 
festimonio  consnlum  artaliimi  officialibus  ßsci  sive  colledoribus  i 
regiis.    Praeterea  omnihus  et  singulis  aliis  pi'ivilegiis  et  immu-  j 
nitatibiis  potiri  ptacifice  et  quiete  volnit,  quibus  potiri  et  gaudere  j 
consueverunt   artifices    navicidarii    Tremitenses    ex    concessione  ' 
sua  vel  antecessorum  regum  Siciliae  recolendae  memorie.     So 
Polidoro,  wie  er  sagt,  nach  der  königlichen  Urkunde,  deren 
Original  Ortona  bewahre. 

1)  St.  4925.  2)  B.  F.  1484.  85.  86.  3)  S.  mein  Buch,  Zur 

Gesch.   d.  12.  und  13.  Jh.    229.  4)  In    einer   Urkunde   der   Kaiserin 

Konstanze  begegnen  baiuU  Calabrie,  qui  super  maritiarios  sunt.  Pirro, 
Sic.  sac.  116.  5)  Mit  der  nicht  zutreffenden  Quellenangabe:  Antinori, 

JMem.  degli  Abruzzi  ao.  1225. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  staixf.  Periode.      183 

Im  Jahre  1225  befand.  Friedrich  II.  sich  mehrmals 
in  Gegenden,  wo  die  Ortonesen  ihn  ohne  Schwierigkeit 
aufsuchen  konnten:  im  Mai  und  Juni  zu  Foggia,  im  Juni 
und  Jiili  zu  Troia,  ebendort  wieder  im  August,  im  Novem- 
ber und  December  nochmals  in  Foggia,  Ende  des  Jahres 
das  dritte  Mal  in  Troia  ^  Noch  besser  Hesse  die  Urkunde 
sich  einreihen,  wenn  man  annehmen  dürfte,  dass  die  Kanz- 
listen Friedrichs,  wie  öfter,  so  auch  hier,  das  Jahr  bis  zum 
folgenden  25.  März  weitergerechnet  hätten.  Denn  am 
().  März  1226  weilte  der  Kaiser  in  Pescara,  also  sehr  nahe 
bei  Ortona  -. 

Aber  es  bleibt  mir  doch  ein  Bedenken.  Organisierte 
Zünfte  mit  Consuln  -^  kann  ich  für  Unteritalien  weder  zur 
Zeit  der  normannischen  noch  der  staufischen  Könige  nach- 
weisen. Zunächst  erscheinen  sie  meines  Wissens  bei  der 
Innung  der  Seehändler,  als  consoJi  in  arte  del  mare.  aber 
nicht  Tor  dem  14.  Jh.;  frühestens  in  dessen  zweiter  Hälfte 
entstand  das  Seerecht  von  Trani,  das  Consuln  der  Seehan- 
del sinnungen  kennt ^.  1395  redet  König  Ladislaus  von  den 
Consuln  der  Zünfte  in  Aquila,  freilich  als  von  einer  Ein- 
richtung, die  auch  bisher  schon  bestanden  habe  •^.  Zu  Pa- 
lermo finden  sich  Innungsconsuln  erst  1403''.  Und  wenn 
auch  die  Entwicklung  des  unteritalischen  Festlandes  der- 
jenigen Siciliens  vorausgegangen  ist,  so  doch  nicht  um  eine 
so  grosse  Spanne  Zeit,  wie  von   1225  bis  1403  '. 

Die  Urkunde  von  1225  ist  den  deutschen  Forschern 
entgangen,  wohl  aber  haben  sie  auf  eine  Amnestie  von 
1230  geachtet.  Friedrich  IL,  sagt  Antinori  1.  c.  II,  97, 
habe  am  19.  November  den  Lancianesen  und  Ortonesen, 
sowie  deren  Anhängern  und  Unterthanen.  die  Parteinahme 
für  den  Papst  nachgesehen^;  Eomanelli  1.  c.  II,  280  setzt 
dieselbe  Urkunde  zum  13.  November.  Die  Verzeihung 
würde  dem  im  September  geschlossenen  Vertrage  von  Anagni 
nur  entsprechen,  und  in  einer  ziemlich  gleichzeitigen 
Acte,  wodurch  Friedrich  IL  Anwohner  des  Fucinersees  zu 


1)  B.  F.  1559—66.  1567.  68.  1578.  1586c.  88.  1588a.         2)  B.  F. 
1594  c.  95.  3)  festiniottio  consulum  artalium.  4)  Goldschmidt,  Uni- 

versalgesch.  des  Handelsrechtes  I,  178  setzt  das  Weisthum  von  Trani  zu 
1363,  Schaube  in  Quiddes  Ztschr.  f.  Geschichtswissenschaft  IX,  231  zu 
1453.  Goldschmidt  vermuthet  dann  freilich  auch  schon  in  dem  Consul 
des  älteren,  vielleicht  noch  dem  13.  Jh.  angehörenden  Theiles  der  sog. 
Tavola  Amalfitana  den  Vorsteher  einer  Seehandelsinnung.  5)  Gothein, 
Die  Culturentwicklung  Süd -Italiens  216.  6)  G.  Beccaria  im  Archivio 

stör.  Sicil.  N.  S.  XXII,  270.  7)   Xicht  vorhanden  sind  hier:  Orlando, 

Delle  fratellanze  artigiane  in  Italia,  Firenze  1884.  und  Scherma,  Delle 
maestranze  m  Sicilia,  Palermo  1896.         8)  Danach  B.-F.  1840. 


184  Paul  Scheffer-Boichorst. 

Gnaden  aufnimmt,  besässen  v^iv  ein  treffliches  Seitenstück  ^. 
Leider  ist  auch  hier  eine  Dissertation  Polidoros  die  Quelle. 

Es  bleibt  eine  letzte  Urkunde  Friedi-ichs  II.,  die  dann 
wieder,  wie  es  scheint,  von  deutschen  Forschern  nicht  be- 
achtet wurde.  Sie  gilt  aber  keiner  der  beiden  Städte,  son- 
dern dem  Erzpriester  und  dem  Capitel  von  Ortona;  und 
diesmal  werden  wir  nicht  auf  die  zweifelhafte  Autorität 
Polidoros  verwiesen.  Nach  Romanelli  1.  c.  II,  280  nahm 
Friedrich  II.  den  Erzpriester  und  die  Canoniker  von  Ortona 
in  Schutz  und  schenkte  ihnen  aus  den  Einkünften  seiner 
Domänen  eine  jährliche  Rente  von  2Y.,  Pfund  reinen  Gol- 
des, von  dem  jener  und  diese  je  die  Hälfte  erhalten  sollten. 
Das  hätten  Ferdinand  I.  und  Pins  IL  im  Jahre  1462  be- 
stätigt. Romanelli  macht  die  Mittheilung,  nachdem  er  vor- 
her des  Privilegs  für  Lanciano  d.  d.  '1212  April  12,  Eom' 
gedacht  hat.  So  will  er  die  Verdienste  des  Staufers  um 
beide  Städte  dem  Leser  vor  Augen  führen;  Gleichzeitig- 
keit braucht  man  darum  nicht  vorauszusetzen;  vielleicht 
gar  sah  Romanelli  sich  auf  datenlose  Erwähnungen  in  den 
Urkunden  Ferdinands  I.  und  Pins'  IL  angewiesen. 

Die  gewonnenen  Ergebnisse  lassen  an  Sicherheit  viel 
zu  wünschen  übrig;  aber  bei  der  Natur  des  Materials,  das 
nur  aus  dürftigen,  zumeist  der  charakteristischen  Merk- 
male entbehrenden  Pegesten  besteht,  konnte  es  gar  nicht 
meine  Absicht  sein,  die  Untersuchung  abzuschliessen.  Ein- 
mal wollte  ich  nur  zeigen,  dass  Ortona  imd  Lanciano  rei- 
cher an  Urkunden  staufischer  Herrscher  waren  oder  doch 
gewesen  sein  sollen,  als  man  in  Deutschland  wusste,  dann 
hoffte  ich,  gelehrte  Ortonesen  und  Lancianesen  zu  weiteren 
Forschungen  und  Mittheilungen  anzuregen. 

S.  Donnino  zu  Marola. 

P.  Kehr  bemerkt  in  seinen  schätzenswerthen  Reise- 
berichten -,  dass  das  Archiv  der  Familie  Venturi  zu  Reggio,  in 
Beglaubigung  des  13.  Jh.,  eine  Urkunde  Friedrichs  IL  für  das 
Kloster  aufbewahre.  F.  Güter  bock  hat  mir  gütigst  den  Text 
verschafft,  —  soweit  er  lesbar  oder  überhaupt  noch  vorhanden 
ist.  Denn  ein  grosses  Loch  hat  fünf  Zeilen  fast  ganz  ver- 
schlungen; überdies  sind  die  Worte  an  mehr  als  Einer 
Stelle  völlig  verwischt.  Besonders  ist  der  eigentliche  In- 
halt der  Urkunde  den  Unbilden  der  Zeit  zum  Opfer  ge- 
fallen^:   nur   soviel   lässt   sich   noch  erkennen,  dass  Fried- 

1)  B.-F.  1836.  2)  Gott.  Nachrichten  1897,  S.  225.  3)  Da  aber 
der  Abt   die  Urkunde    erbittet,    so   scheint    der  Schiedsspruch   die  Nutz- 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d,  stauf.  Periode.      185 

rieh  II.  eine  gerichtliche  Entscheidung  bestätigt.  Dafür 
sind  uns  die  Namen  derer,  die  das  Urtheil  fällten  und 
ausfertigten,  um  so  besser  erhalten.  Das  aber  ist  nicht 
unwichtig,  weil  sich  damit  für  die  Competenz  des  sicili- 
schen  Grosshofgerichtes  auch  in  Eeichsitalien,  die  man 
seit  1238  nachweisen  kann^,  ein  neuer  Beleg  ergiebt -. 

Friedrich  II.  bestätigt  auf  Bitten  des  Abtes  Egidius 
das  Urtheil  über  einen  Streit  zwischen  ihm  und 
seinen  Mönchen,  das  die  Grosshofrichter  Petrus 
von  Vinea  und  Thaddaeus  Ton  Suessa  gefällt  und 
der  Grosshof richter  Roffrid  von  S.  Germano  und 
der  Grosshofnotar  Angelus  von  Capua  beurkundet 
haben. 

1239  August,  Cremona. 

C.  Fridericus  dei  gratia  ßomanorum  Imperator  sem- 
per  augustus,  Iherusalem  et  Sicilie  rex. 

Per  presens  scrijjtum  notum  facimus  universis  imperii 
fidelibus  tarn  presentibus  quam  futuris,  quod  frater  Egidius 
venerabilis  abbas  monasterii  Marolensis,  fidelis  noster,  maie- 
stati  nostre  humiliter  supplicavit,  ut  instrumentum  publi- 
cum, confectum  per  magistrum  Roffridum  de  Sancto  Ger- 
mano, magne  curie  nostre  iudicem,  fidelem  nostrum,  et  An- 
gelum  de  Capua,  notarium  actorum  eiusdem  curie  nostre, 
de  arbitrio  et  provisione  facta  de  mandato  nostro  per  magi- 
strum Petrum  de  Vinea  et  magistrum  Tadeum  de  Suessa, 
magne  curie  nostre  iudices,  fideles  nostros,  super  questio- 
nibus  habitis  inter  ipsum  et  monacos  eiusdem  monasterii 
confirma[remus,  rata  habentes  omnia  inj  ip[so  contenta]. 
Nos   igitur    [predicti]    abbatis   supplicationibus   inclinati  ^  a 

io  —  — ■  — — —  —  — -  —  —  —  —  — 

tor^  regalia,  que  nos  et  imperium  in  eodem  habent  [mona- 
sterio],   —   —  —  —  —  —   —  —  —  —  —  —  —  —  — 

monasterii^   —  - —  —  —  —   nie    a   —  —  —  —  —  —  — 

de ''  plenitudine  [potestatis  nostre  confirmamus.  Ad  huius 
autem  memojriam  et  stabilem  firmitatem  presens  scriptum 
fieri  et  sigil[lo  maiestatis  nostrje  iussimus  confirmari. 

Datum  Cremone,    anno    dominice   incarnationis  mille- 


niessuag  der  Regalien  nur  ihm  zugebilligt  zu  haben,  nicht  auch  seinen 
Mönchen,  die  einen  Theil  beanspruchten.  1)  Ficker,  Forschungen  zur 
Reichs-  und   Rechtsgesch.  I,  359    und  III,   418.  2)  Marola   Hegt   im 

Kreise  Carpineti,   in   der  Provinz  Reggio  dell'  Emilia.  3)  Mit  ti  be- 

ginnt  eine   neue   Zeile.  4)   Ebenso   mit   tor.  5)    Mit   monasterii. 

6)  Mit  de  plenitudine. 


186  Paul  Scheffer-Boichorst. 

simo  ducentesimo  trigesimo  nono,  mense  Augusto,  duo- 
decima  indictione,  imperante  quoque  domino  nostro  Tride- 
rico  secundo,  dei  gratia  Romanorum  imperatore  semper 
augusto,  Iherusalem  et  Sicilie  rege,  imperii  eins  anno 
nonodecimo,  regni  Iherusalem  quartodecimo,  regni  vero 
Sicilie  quadragesimo  secundo,  feliciter,  amen. 

Erzbisthum  Messina. 

Ans  einer  Urkunde  vom  4.  September  1262  wussten 
■wir,  dass  König  Manfred  am  9.  August  den  Roger  Boni- 
facio und  den  Richter  Jakob  von  Bufalo  beauftragt  hatte, 
vom  1.  September  bis  auf  Weiteres  die  Güter  der  erledig- 
ten Kirche  von  Messina  zu  verwalten  und  ein  Inventar 
derselben  aufzustellen^.  Das  Mandat  selbst  fehlte  bisher. 
Ich  fand  eine  Abschrift  in  dem  Codex  Qq.  H.  12.  S.  117 
der  Commnnalbibliothek  von  Palermo  -.  Der  Text  wird  um 
so  willkommener  sein,  als  er  z.  B.  genaue  Bestimmungen 
enthält,  wie  die  Einkünfte  verwandt  werden  sollten. 

Daran  schliesst  sich  S.  118  ein  anderer  bisher  unbe- 
kannter Auftrag  Manfreds  an  den  Secreten  von  Sicilien, 
den  Roger  und  den  Jakob  in  den  Besitz  der  Kirchengüter 
einzuweisen  und  für  deren  Inventarisierung  zu  sorgen-^. 

Manfred  bestellt  den  Roger  Bonifacio  und  den  Richter 
Jakob  von  Bufalo  zu  Verwaltern  der  erledigten 
Kirche,  in  deren  Güter  sie  der  Secrete  von  Sici- 
lien Matthaeus  Rufulo  einweisen  soll;  verordnet 
die  Aufstellung  eines  Inventars  in  drei  Exempla- 
ren: für  die  Verwalter,  den  Secreten  und  die  Curie; 
trifft  Bestimmungen  über  die  Verwendung  der  Ein- 
künfte, aus  denen  auch  die  Verwalter  und  ihr 
Notar  zu  besolden  seien;  befiehlt,  das?  von  3  zu 
3  Monaten  Rechnungsablage  vor  dem  Secreten  statt- 
finde und  dass  von  jeder  Ausgabe  Quittung  ver- 
langt werde. 

1262  August  9,  Messina. 


1)  Amico,  Diplomi  della  cattedrale  di  Messina  ed.  Starraba  =  Doc.  p 
servire  alla  stör,  di  Sicilia.  Serie  I.  I,  92.  Hier  werden  beide  Beauf-  I 
tragte  iudices  genannt ;  in  den  folgenden  Mandaten  heisst  allein  Jakob 
'Richter'.  2)  In  der  Urkunde  vom  4.  September  sind  aus  dem  Inventar 
nur  Auszüge  mitgetheilt ;  vollständig  ist  es,  wenn  ich  nicht  irre,  in  Qq. 
H.  12  enthalten.  3)  Ein  anderer  Codex  der  Communalbibliothek  von 

Palermo,  Qq.  F.  71  ohne  Seitenzählung,  enthält  eine  unbekannte  Urkunde 
Friedrichs  II.  für  S.  Maria  de  Milo  d.  d.  aptid  Cataniam  1220,  3.  tnetisis 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      187 

Manfridus  dei  gratia  rex  Sicilie  Rogerio  Bonifacio  et 
iudici  lacobo  de  Bufalo  fidelibus  snis^  gratiam  et  bonam 
voluntatem. 

De  fide  et  diligentia  vestra  curia  nostra  plenarie  con- 
.fidente'*  vos  super  procuratione  Messanensis  ecclesie  nunc 
vacantis,  quam  ratione  vacationis  ipsius  per  nostram  curiam 
procuramus  "^ ,  duximus  a  mense  Septembris  proxime  futuri 
sexte  indictionis  in  antea  pro  parte  curie  statuendos'^. 
Fidelitati  vestre  precipiendo  mandamus,  quatenus  bona 
omnia  ipsius  ecclesie,  mobilia  et  immobilia,  sub  procura- 
tione vestra  recipientes  a  Mattheo  Rufulo  de  Ravello 
secreto  Sicilie  pro  eodem  anno  sexte  indictionis,  fideli 
iiostro,  cui  de  assignandis  vobis  bonis  ipsis  mandatum  ex- 
cellentie  nostre  dirigimus,  et  factis  de  receptione  ipsorum 
tribus  similibus  scriptis  publicis,  distincte  et  seriatim  omnia 
bona  ipsa  continentibus,  quoruni  uno  penes  vos  retento, 
alio  eidem  secreto  dimisso  et  tertio  ad  curiam  nostram 
transmisso,  ecclesiam  ipsam  in  bonis  suis  a  Kalendis^  pre- 
dicti  mensis  Septembris  in  antea  diligenter  et  fideliter  pro- 
curetis,  tribuentes  de  bonorum  ipsorum  proventibus  lumi- 
naria  et  alia  necessaria®,  que  pro  divino  cultu  concernunt 
celebrando,  ut  lionor  debitus  ibidem  reddatur  altissimo, 
per  quem  vincimus  et  regnamus,  et  divina  ibidem*  assidue 
celebrentur ;  canonicis  autem  et  aliis  clericis  ipsius  eccle- 
sie, qui  vidan4as^  et  alia  iura  consueverunt  recipere,  et 
aliis  personis  ad  servitia  deputatis  vidandas  ipsas  et  alia 
consueta  tempore  vestri  officii  ministretis;  domos  etiam, 
vineas,  molendina  et  possessiones  ipsius  ecclesie  de  eiusdem 
proventibus  reparari  et  excoli  diligenter  faciatis,  ne  sub 
procuratione  vestra  deperdantur,  sed  de  bono  in  melius 
augeantur;  totum  id,  quod  extractione  omnium  predictorum 
de  proventibus  ipsis  supererit,  Maiuotto  Palmentario  et 
Thomasio  de  Bilici  statutis  super  reparatione  eiusdem 
ecclesie  pro  reparatione  ipsa,  prout  per  vos  percipi  con- 
tigerit,  assignetis.  Et  ut  liqueat,  si  in  procuratione  ipsa 
diligenter  et  fideliter  duxeritis  procedendum,  volumus 
et  mandamus,  ut  quolibet  trimestri  tempore  ponatis  coram 
secretis  Sicilie,  qui  erunt  pro  tempore,  debitam  ratio- 
nem.      Insuper    cum    nolimus    vos    in    servitiis    ipsis    ex- 


a)   eins.  b)    confidens.  c)   procurationem.  d)    sfatuendis. 

e)  necessa.         f)  ibique.         g)  vidanda,  wie  im  Italienischen,  eine  andere 
Form  für  vivanda. 

Octobris,  Ind.  12.,  imp.  4.,  reg.  26.    Also  offenbar  122-4 ;  da  ist  die  Urkunde 
nach  B.  F.  1541  einzureihen.         1)  Vgl.  S.  179  Anm.  4. 


188  Paul  Scheffer-Boichorst. 

pensis  propriis  laborare,  placet  excellentie  uostre,  nt  de 
predictis  proventibus,  dum  in  officio  ipso  eritis,  qnilibet 
vestriim  expensas  pro  se  et  uno  equo  debeat  inxta  avvisam 
cnrie  retinere.  Uni  etiam  notario,  quem  vobiscum  in  eodem 
officio  habeatis,  uncias  auri  quatnor  pro  expensis  eins  per 
annnm,  dum  in  officio  i23SO  erit,  de  eisdem'^  proventibus 
tribuatis,  recepturi  de  Omnibus  que  solveritis  ad  vestram 
cautelam  idoneas  apodixas  et  sie  in  exercendo  officio  ipso 
diligenter  et  fideliter  procedatis,  quod  nulla  nota  vobis  ne- 
gligentie  vel  redargutionis  possit  adscribi,  sed  ex  fideli 
executione  procurationis  ipsius  possitis  merito  comniendari. 
Datum  per  Goffredum  de  Cosentia*^  apud  Messanam 
nono  Augusti  quinte  indictionis. 

Manfred  befiehlt  dem  Secreten  von  Sicilien,  Mattbaeus 
Euf ulo,  den  Roger  Bonifacio  und  den  Eichter  Jakob 
Bufalo,  die  er  zu  Verwaltern  der  erledigten  Kirche 
ernannt  habe,  in  deren  Güter  einzuführen,  und 
wiederholt  die  Verordnung  über  Inventarisierung 
und  Rechnungsablage. 

1262  August  9,  Messina. 
Manfridus  dei  gratia  [rex  Sicilie]'*  Mattheo  Rufulo  se- 
creto  Sicilie  [fideli  suo  gratiam  et  bonam  voluntatem]. 

Quia  procvTrationem  Messanensis  ecclesie  nunc  vacantis 
Eogerio  Bonifacio  et  iudici  lacobo  Bufalo  fidelibus  nostris 
a  mense  Septembris  proxime  futuri  sexte  indictionis  in 
antea  duximus  committendam,  fidelitati  tue  [precipiendo 
mandamus],  quatenus  bona  omnia  ipsius  ecclesie,  mobilia 
et  im  mobilia,  eis  facias  assignari,  f  actis  de  assignatione 
ipsorum'*  tribus  scriptis  publicis  distincte  et  seriatim  bona 
ipsa  omnia  continentibus,  quorum  uno  penes>  te  retento, 
alio  eisdem  procuratoribus  assignato,  tertium  ad  cameram 
nostram  transmittas ;  et  ut  liqueat,  ut  in  procuratione  ipsa 
diligenter  et  fideliter  duxerint  procedendum,  volumus  et 
mandamus,  ut  quolibet  trimestri  tempore  de  officio  ipso  ab 
eis  recipias  debitam  rationem. 

Datum  per  GofPredum  de  Cosentia''  apud  Messanam 
nono  Augusti  quinte  indictionis. 

Moncalieri. 

Als  Friedrich  II.  zu  Anfang  des  Jahres  1238  in  Pie- 
mont   erschien,   änderte    sich    schnell    die  Lage  der  Dinge. 


a)  ehisdem.        b)  Constantia.        c)  Statt  der  eingeklammerten  "Worte 
steht  in  der  Vorlage  überall  etc.         d)  ipsius.         e)  Constantia. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d,  stauf.  Periode.      189 

Das  Land  wurde  unterworfen ;  an  die  Stelle  der  städti- 
schen Podestä  traten  kaiserliche  Capitäne,  die  dem  neu- 
g-eschaffenen  'Generalvicar  von  Pavia  aufwärts'  gehorch- 
ten ^  Dafür  wurde  den  Gemeinden  ihre  guten  Gewohn- 
heiten bestätigt  und  etliche  Rechtsvortheile  gesichert.  Wir 
haben  dahin  lautende  Privilegien  aus  dem  März  1238,  die 
Friedrich  den  Leuten  von  Chieri,  Cuneo,  Savigliano  -  und 
Mondovi  ^  verlieh.  Mit  besonderer  Gunst  behandelte  er 
die  von  Moncalieri :  ihnen  schenkte  er,  damit  sie  ihre  Schul- 
den bezahlen  könnten,  die  Hälfte  aller  Einkünfte  des  Ortes. 

Schon  der  erste  Capitän,  der  über  Chieri  und  zugleich 
auch  Turin  gebot,  Philipp  von  Citro^,  Connetable  von  Ca- 
pua,  wird  die  Weisung  erhalten  haben,  die  Gelder  auszu- 
zahlen. Jedenfalls  ist  der  zweite,  Jonathan  von  Luco,  der 
wohl  seit  dem  1.  Januar  1239  die  Leitung  beider  Städte 
übernahm,  dazu  angehalten  worden.  Es  war  am  26.  Jan., 
dass  ihm  sein  Vorgesetzter,  der  Generalvicar  Manfred  Lan- 
cia, den  Befehl  ertheilte,  denen  von  Moncalieri  die  Hälfte 
aller  städtischen  Einkünfte  zu  überlassen.  Am  17.  Februar 
empfing  Jonathan  das  Schreiben,  nach  dem  er  sich  zu 
richten  versprach. 

Lidess  hatten  sich  die  Bürger  schon  früher  beim 
Kaiser  beschwert,  dass  ihnen  die  Gelder  aus  den  Einkünf- 
ten des  Jahres  1238  vorenthalten  würden.  Da  schrieb 
Friedrich  dem  Generalvicar  am  12.  Februar  1239,  er  solle 
die  Kläger  durch  einen  Vergleich  zufrieden  stellen,  für 
das  laufende  Jahr  aber  die  Zahlung  der  vollen  Summe  be- 
wirken. Dieses  Mandat  liess  Manfred  am  15.  März  beglau- 
bigen; den  notariellen  Act  sandte  er  an  Moncalieri. 

Die  erwähnten  Vorgänge,  die  für  die  Verwaltung 
Italiens,  wie  Friedrich  IL  sie  seit  1238  durchzuführen  be- 
gann, nicht  ohne  Bedeutung  sind,  kennen  wir  aus  Urkun- 
den des  Stadtarchivs  von  Moncalieri,  deren  F.  Gabotto 
in  seiner  interessanten  Studie  ün  comune  Piemontese  nel 
secolo  XIII.    S.  14  ^    gedacht    hat.     Den    vollen    Wortlaut 


1)  Ficker,  Forschungeu  zur  Reichs-  u.  Rechtsgesch.  Italiens  II,  497. 
2)  B.  F.  2321.  22.  B.  F.  W.  14730  bis.  3)  Mein  Buch,  Zur  Gesch.  des 
12.  u.  13.  Jh.  396.  4)  F.  Gabotto,    Un   comune  Piemontese  nel  secolo 

Xlll.,  S.  13  hat  ihn  aus  einer  ungedruckten  Urkunde  als  Capitän  von 
Moncalieri  nachgewiesen.  Gabottos  Vermuthung ,  dass  zugleich  auch 
Turin  ihm  unterstellt  war,  bestätigt  die  Urkunde  bei  San  Quiutino  Osser- 
vazioni  critiche  sopra  alcuni  particulari  delle  storie  del  Piemonte  e  della 
Liguria  II,  221.  5)  Durch  ein  merkwürdiges  Missgeschick  sind  hier 
viele  Daten  falsch  angegeben :  statt  14  liiglio  lies  murzo  ohne  Tag,  statt 
12  fcbhraio  lies  22,  statt  18  marzo  lies  15,  statt  16  marzo  lies  17  feb- 
braio. 


190  Paiü  Scheffer-Boichorst. 

verdanke   ich    Herrn  Dr.  E.  Scliaus;    die   erste    entnahm 
er  dem  Original,  die  zweite  Abschriften  des  13.  Jh, 

Generalvicar  Manfred  Lancia  befiehlt  dem  Jonathan 
von  Luco,  kaiserlichem  Capitän  von  Turin  und  Mon- 
calieri,  den  Leuten  von  Moncalieri,  wie  der  Kaiser 
es  angeordnet  habe,  die  Hälfte  aller  städtischen 
Einkünfte  zu  überlassen,  damit  sie  ihre  Schulden 
tilgen  könnten. 

1239  Januar  26,  Turin. 

Zwei  Richter   übergeben   obigen   Brief    dem   Capitän 
Jonathan,    der  danach   sich    zu   richten  verspricht. 
1239  Februar  17,  Moncalieri. 

Anno  domini  millesimo  239,  indictione  12  in  Monca- 
lieri die  lovis,  13.  Kai.  Marcii,  dominus  Castagna  et  domi- 
nus Mainfredus  iudices  de  Moncalieri  presentaverunt  literas 
quasdam  sigillatas  sigillo  domini  Mainfredi  Lancee  mar- 
chionis,  domini  imperatoris  vicharii  generalis  a  Papia  supe- 
rius,  ex  parte  ipsius  marchionis  domino  lonathe  de  Luco, 
imperiali  capitaneo  Taurini  et  Montiscalerii.  Quarum  tenor 
talis  est: 

Viro  nobili  et  discreto,  domino  lonathe  de  Luco,  im- 
periali capitaneo  Taurini  et  Montiscalerii  fideli  suo,  Main- 
fredus marchio  Lancea,  sacri  imperii  a  Papia  superius 
vicharius  generalis,  salutem  et  amorem  sinceram*^.  Cum  de 
mandato  domini  imperatoris  procedat,  ut  comune  et  homi- 
nes  Montiscalerii  habeant  et  percipiant  medietatem  proven- 
tuum  et  redituum  eiusdem  loci,  tam  molandinorum  quam 
aliarum  rerum,  auctoritate  qua  fungimur  vobis  precipiendo 
mandamus,  quatenus  eisdem  dimitatis*^  libere  et  quiete  me- 
dietatem proventuum  et  redituum  molandinorum  et  alia- 
rum rerum  predicti  loci  Montiscalerii  [pro^]  persolvendis 
et  sanandis  eorum  debitis.  Datum  Taurini  26.  lan.  12.  in- 
dictionis.  Quas  literas  dictus  capitaneus  recepit  dicendo 
et  protestando  [se^  vjelle  parere  et  obedire  mandatis  domini 
imperatoris  et  ipsius  marchi[onis'']. 

Testes  ibi  fuerunt  rogati  Gucius  de  Romano,  Bergun- 
dius  Sacus,  Grebaudus  notarius  et  plures  alii. 

Et  ego  Palmerius  Gatus  palatinus  notarius  rogatus 
interfui  et  hanc  cartam  scripsi. 


a)  Sic.         b)  Loch  im  Pergament. 


Urkunden  xi,  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      191 

Friedrich  II.  befiehlt  seinem  Geueralvicar  Manfred 
Lancia,  den  Leuten  von  Moncalieri,  die  wegen 
Hinterziehung'  geklagt  haben,  fortan  die  ihnen  ge- 
schenkte Hälfte  der  städtischen  Einkünfte  voll 
zahlen  zu  lassen  und  sie  wegen  der  aus  dem  Jahre 
1238  rückständigen  Hälfte  durch  Vergleich  zufrie- 
den zu  stellen. 

1239  Februar  12,  Padua. 

Manfred  Lancia  lässt  obigen  Brief  notariell  beglau- 
bigen. 

1239  März  15,  Albenga. 

Anno  domini  millesimo  239,  indictione  12,  die  Martis, 
15.  intrante  Martio  dominus  Mainfredus  marchio  Lancea, 
domini  imperatoris  a  Papia  superius  vicarius  generalis*^, 
precepit  mihi  infrascripto  notario,  ut  autenticarem  quas- 
dam  litteras  imperiales  et  in  publicam  formam  tenorem 
earum  redigerem,  ut  j)erpetuam  de  cetero  obtineant  firmi- 
tatem.     Tenor  quarum  talis  est: 

Fr[idericusJ  dei  gratia  Eomanorum  imperator  semper 
augustus,  lerusalem  et  Sicilie  rex,  Mainfredo  marchioni 
Lancee,  sacri  imperii  a  Papia  superius  vicario  dilecto  fideli 
suo,  gratiam  suam  et  bonam  voluntatem.  Ex  querela  homi- 
num  Montiscalerii  nostrorum  fidelium  nostra  serenitas  in- 
tellexit,  quod,  cum  mandaverimus  eisdeni  dari  medietatem 
proventuum  Montiscalerii  pro  eorum  debitis  persolvendis, 
medietatem  proventuum  anni  preteriti  habere  minime  potue- 
runt.  Quare  fidelitati  tue  precipimus  et  mandamus,  qua- 
tenus  predictam  medietatem  proventuum  iuxta  mandatum 
nostrum  predictis  hominibus  de  cetero  facias  cum  integri- 
tate  persolvi;  de  reliqua  medietate  anni  preteriti,  quam 
non  habuerunt  ut  asserunt,  cum  eisdem  taliter  componere 
debeas,  ut  sibi  satisfactionem  sentiant  et  ulterius  conqueri 
non  cogantur.    Datum  Padue  12.  Februarii,   12.  indictione. 

Que  littere  sigillate  erant  et  munite  sigillo  dicti  impe- 
ratoris, ut  vidi  et  legi  ego  infrascriptus  notarius. 

Actum  est  hoc  in  civitate  Albenchensi,  videlicet  in 
curia  domini  episcopi.  Testes  ibi  rogati  fuerunt  dominus 
Vital  de  Versa,  dominus  Gotefredus  iudex,  dominus  Con- 
radus  Beccutus,  dominus  Robaudus  Bassus.  Ego  Bergun- 
dius  de  Romano  notarius  precepto  dicti  domini  M[ainfredi] 
rogatus  hoc  scripsi. 


a)  Fehlt  1.  hnperiaUs  2.  3,  der  officielle  Titel  ist  generalis. 


192  Paul  Scheffer-Boichorst. 

S.  Maria  zu  Picciano. 

E.  Winkelmann  hat  für  seine  Acta  imperii  inedita 
eine  reiche  Quelle  entdeckt,  die  Processi  di  regio  padro- 
nato,  die  in  47  starken  Bänden  das  Staatsarchiv  zu  Neapel 
aufbewahrt.  Doch  konnte  er  die  Sammlung  bloss  bis  zum 
327.  Process  ausbeuten^;  ich  habe  noch  einige  spätere 
durchgenommen,  freilich  ohne  grossen  Gewinn.  Nur  in 
1069  Process  419  Seite  17  fand  ich  die  Abschrift  einer 
ungedruckten  Urkunde  Friedrichs  II.  für  S.  Maria  zu  Pic- 
ciano ^.  Er  ertheilte  sie  als  König  im  October  1219'^;  als 
Kaiser  hat  er  sie,  wie  man  allerdings  nur  aus  einem  dürf- 
tigen Citate  vermuthen  kann,  im  Mai  1221  wiederholt^. 

Friedrich  II.  beschützt  den  Abt  Hector,  seine  Nach- 
folger, das  Kloster,  die  Mönche  und  alle  Güter; 
bestätigt  ihnen  ihren  ganzen  Besitzstand ;  gestattet 
ihnen  Annahme  von  Schenkungen,  nur  nicht  aus 
lehensrühriger  und  dienstpflichtiger  Habe. 
1219  October,  Hagenau. 

Fridericus  secundus  divin a  favente  dementia  Roma- 
norum rex  semper  augustus  et  rex  Sicilie. 

Que^  salutis  eterne  sint  premia  regum  et  principum 
apud  deum^,  cogitandum  est  regibus,  et  liberaliter  iuvan- 
dum°,  divine  retributionis  intuitu  et  pro  eterne  vite  reme- 
dio,  ad  ditandas  ecclesias  et  dotandas,  ut  per'^'  temporalia 
et  caduca  lucrentur  celestia  et  adipiscantur  eterna.  Qua 
sane  consideratione  inducti  presentes  et®  futuros  Christi 
fideles  scire  volumus  per  presentes,  quod  nos  considerantes 
religionem  et  honestatem  fidelium  nostrorum,  Hectoris 
abbatis  monasterii  sancte  Marie  de  Piczano  et  fratrum  ibi- 
dem existentium,  deo  militantium,  ob  remedium  animarum 
felicium  regum  et  divorum  augustorum  parentum  nostro- 
rum recolende  memorie  et  pro  salute  nostra,  dictum  abba- 
tem,  successores  suos,  monasterium  et  fratres  et  omnia 
bona  sua  sub  speciali  maiestatis   nostre   protectione  et  de- 


a)  quid  —  sunt.  b)  deiim  et.  c)  mercedem.  d)  pro.  q)  pre- 
sentes et  fehlt. 

1)  Neues  Archiv  III,  650.  2)  Der  Ort  liegt  östlich  von  Penne, 
am  rechten  Ufer  des  V^erdario.  Ueber  die  Gründung  vgl.  Bindi,  Mon. 
degli  Abruzzi  586  Anm.  1.  3)  Herr  Generaldirector  B.  Capasso  hatte 
die  Güte,  mir  eine  Abschrift  besorgen  zu  lassen.  4)  Antinori,  Mem. 
degli  Abbruzzi  II,  92  =  B.  F.  1335.  Soweit  ich  mich  erinnere,  war  diese 
Urkunde  in  419  nicht  enthalten. 


Urkuuden  u.  Forschimgen  z.  d,  Regesteu  d.  stani.  Periode.      193 

feusione  recepimus.  conürmantes  eorum  omnes  possessiones 
et  bona,  que  ex  concessione  regum,  largitate  comitum  seu 
baronum  et  ex  dono  quorumlibet  Christi  fidelium  inste  et 
rationabiliter  sunt  adepti  seu  iusto  titulo  dante  doniino  in- 
antea  poterunt  adipisci.  Concedimus  insuper,  ut  libere 
possint  accipere  quaseumque  possessiones  et  bona,  que 
Christi  fideles  ipsi  monasterio  devote  obtulerunt,  ita  tarnen 
quod  non  sint  de  feudis  seu  ad^  Servitutes  obligata,  exi- 
mentes  monasterium  nominatum  ab  omni  inquietatione  ex- 
actionis  et^  indebita  molestatione  comitum  et  baronum  et 
aliorum^\  qui  ipsum,  fratres  et  bona  sua  perturbare  aut 
inquietare  iniuste  presumpserint.  Statuimus  et  presentis 
privilegii  auctoritate  mandamus,  ut  quecumqne  persona 
alta  vel  humilis,  ecelesiastica  vel  secnlaris  contra  hanc 
nostram  protectionem  et  confirmationem  ausu  temerario 
venire  presumpserit.  viginti  libras  auri  componat.  quarum 
medietas  camere  nostre,  altera  vero  passis  iniuriam  per- 
solvatur.  Ad  huius  autem  rei  memoriam  et  inviolabile 
firmamentum  presens  Privilegium  regale*^  fieri  fecimus  si- 
gillo  nostre  celsitudinis  roboratum  anno,  mense  et  indic- 
tione  subscriptis'^ 

Data  apud  Hagenove  anno  dominice  incarnationis 
millesimo  ducentesimo  nono.  mense  Octobris  octave  indie- 
tionis.  regnante  domino  nostro  Friderico  secundo,  dei  gratia 
illustrissimo  Eomanorum  rege  semper  augusto  et  rege  Si- 
cilie.  anno  Romani  regni  eius  in  Germania  septimo  et  in 
Sicilia  vigesimo  secundo,  feliciter,  amen. 


Capitel   S.  Zeno  zu  Pistoia. 

Das  Original  befindet  sich  im  Florentiner  Staatsarchiv. 
Hiernach  hat  Ficker  die  Urkunde  herausgegeben^.  Eine 
mir  vorliegende  Abschrift,  die  H.  Pabst  für  die  Monu- 
menta  Germaniae  besorgte,  zeigt  nur  geringfügige  Abwei- 
chungen. Fast  überall  grleiche  Lücken!  Die  Schlussworte 
nämlich  aller  Zeilen  sind  unlesbar  geworden.  Ficker  hat 
zahlreiche  Ergänzungen  vorgenommen,  aber  noch  immer 
zu  wenige :  mehr  als  einmal  bleibt  der  Text  unverständ- 
lich. Also  habe  ich  einen  neuen  Versuch  zur  Wieder- 
herstellung gemacht:  die  jedesmaligen  Angaben  Pabsts, 
dass   uno-efähr   so-   und    soviele   Buchstaben   verschwunden 


a)  Fehlt.         b)  illornm.         c)  reale.         d)  subscripia. 

1)  Forschungen  zur  Reichs-  und  Rechtsgesch.  Italiens  IV,  182. 

Xeues  Archiv  etc.    XXIV.  13 


194  Paul  Scheffer-Boichorst. 

seien,  haben  mir  dabei  zur  Norm  gedient ;  doch  wer  ver- 
mag zu  sagen,  wie  viele  Abkürzungen  der  Schreiber  be- 
liebt habe?  Schon  deshalb  kann  ich  mich  nicht  für  jedes 
einzelne  Wort  verbürgen.  Nur  über  den  Sinn  wird  man 
hoffentlich  nicht  mehr  zweifeln. 

Reichslegat  Christian,  Erwählter  von  Mainz  und  Erz- 
kanzler von  Deutschland,  nimmt  auf  Bitten  seines 
lieben  Freundes,  des  in  Treue  erprobten  Erzpriesters 
Homodei,  das  Capitel  und  dessen  Besitzungen  in 
des  Kaisers  und  seinen  Schutz. 

1165  nach  Mitte  September^,  S.  Genesio. 

Cristianus  dei  gratia  imperialis  aule  [legatus,  Mogun- 
tine  sedis  eljectus,  totius  regni  Teutonici  archieancellarius, 
[in  perpetuum,  amen.] 

Inter  cetera  imperialium  virtutum  preclara  insig[nia'*, 
velut  sidus  aureum  et  gemma]**  clarissima,  fulget  in  prin- 
cipe digna  mer[itorum  retributio  et  sanctarum]  ecclesiarum 
dei  protectio'^.  Nos  vero,  qui  nunc  imperatorie  [maiestatis 
vice  fungimur],  notum  facimus  universis  imperii  fidelibus 
per  Tusciam  consti[tutis,  presentibus  et  futuris],  quod  nos 
canonicam  sancti  Zenonis  in  Pistorio*^  [et  omnia  bona  et 
possessio]nes  suas,  quas  modo  rationabiliter  habet  ant  hab[i- 
tura  est  in  posterum],  petitione  dilecti  amici  nostri  Homi- 
nisdei,  eiusdem  ecclesie  [sancti  Zenonis  veuerabilis]  archi- 
presbiteri,  cuius  preclara  fides  circa  ecclesiam  dei  et  [Impe- 
rium comprobata  est,  in]  imperialem  protectionem  et 
nostram  omni  tempore  pro[tegenda*'  suscepimus,  auc]tori- 
tate  imperiali  et  nostra,  per  debitum  fidelitatis  et  [sub  pena 
100  marcarum^  ar]genti  omnibus,  ad  quoscunque  presens 
pagina  legen[da  pervenerit,  precipijentes,  quatenus  de  cetero 
nulla  persona  magna  vel  par[va  predictam  ecclesiam  in 
bojnis    et    possessionibus    suis    molestare    vel    inquietare^ 


a)  insig  Pabst.  b)  Parallelstellen  anzuführen  wäre  zu  umständ- 

lich ;    meist    standen    mir    deren    zur  Verfügung.  c)    protect   Ficker. 

d)  Pistorie  P.  e)  pro  P. ;    dass  ein  Wort,   wie  das  eingesetzte,  zu  er- 

gänzen ist,  versteht  sich  von  selbst ;  sonst  heisst  es  wohl  omni  tempore 
defendenda.  f)  Ich  habe  die  Summe  hier  eingesetzt,  obwohl  sie  nun 
in  der  Strafformel  nochmals  erscheint ;  mein  Verfahren  rechtfertigt  eine 
Urkunde  vom  14.  Februar  1165,  oben  S.  132.         g)  inquieta  P. 

1)  lieber  die  Zeit  vgl.  Ficker  a.  a.  O.,  danach  kann  Christian  seine 
Wahl  zum  Erzbischof  nicht  vor  October  erfahren  haben,  also  auch  erst 
in  der  14.  Indiction,  die  mit  dem  1.  September  1165  anhub. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      195 

[audeat.  Per  idem  fidelitatis]  debitum  et  sub  eadem  pena*^, 
ut  quicunque'^  de  [rebus  ecclesie  aliquid  dejtinet  aut  mo- 
lestiam  ei  intulerit,  infra*^  [40  dies  tertio  vocatus]  restituat 
et  emeiidet.  Si  quis  vero  contra  hanc  nostram  institutio- 
nem*^  [fecerit,  sub  banjno  domini  imperatoris  positus  penam 
centum  marcaruni  [argenti  persolvat],  dimidium  fisco  impe- 
riali  et  dimidium  predicte  c[anonice*^  eiusque  archipres- 
bitero]. 

Datum    apud    sanctum   Genesium    anno    domini  1165, 
indic[tione  XIIII.] 


S.  Maria   zu    Pog-liola. 

Stumpf  und  Böhmer-Ficker  haben  die  folgenden  Ur- 
kunden nicht  verzeichnet.  Das  Werk,  in  dem  sie  gedruckt 
sind,  muss  sehr  selten  sein ;  auf  verschiedenen  Bibliotheken 
Italiens  hat  Sc  haus  es  vergebens  gesucht;  namentlich 
fehlt  es  auch  in  der  reichsten  Sammlung  italienischer  Orts- 
geschichten, in  der  des  Freiherrn  von  Platner,  die  mit  dem 
deutschen  archäologischen  Institut  in  Rom  verbunden  ist  ^. 
Es  findet  sich  im  britischen  Museum,  und  aus  dessen 
Exemplar  hat  Karl  Hampe  mir  beide  Stücke  abge- 
schrieben.    Danach   wird    ein  Neudruck   willkommen   sein. 

P.  Nallino  di  Mondovi  heisst  der  Autor,  der  1788  in 
seinem  Buche  II  corso  del  fiume  Pesio  II,  218.  225  unsere 
Urkunden  nach  den  —  wie  es  scheint  —  jetzt  verlorenen 
Originalen  veröffentlichte.  Die  erste  ist  in  der  zweiten 
wiederholt;  Nallino  hat  sie  in  beiden  Fassungen  mit- 
getheilt;  an  einzelnen  Stellen  verdienen  die  Lesarten  im 
Drucke  des  Insertums  offenbar  den  Vorzug.  Leider  hat 
Nallino  nur  die  Zeugen  der  ersten,  nicht  auch  der  zweiten 
bekannt  gemacht.  In  Hinsicht  auf  diese  begnügte  er  sich 
mit  einer  allgemeineren  Angabe,  die  er  dem  Texte  hin- 
zufügte. 

Noch  sei  bemerkt,  dass  das  Kloster  1176  gegründet, 
1180  eingeweiht  und  1592  nach  Carassone  verlegt  wurde. 
Pogliola,  wie  Carassone,  sind  Ortschaften  des  Kreises 
Mondovi. 


a)  sc. x>recipintus.         b)  quicquid  F.;  quicq;  P.        c)  inP.         d)  in- 
stitu  P.         e)  c  F. 

1)  Katalog  der  Bibliotheca  Platneriana,    Rom  1886.     Supplemente 
al  catalogo  della  Bibl.  Platn.,  Roma  1894. 

13* 


196  Paiü  Scheffer-Boichorst. 

JFriedrich  I.  beschützt   das  Kloster  mit  Personen  iind 
Sachen. 

1186  Mai  17,  Mailand. 

Federicus  dei  g-ratia  Romanorum  Imperator  et  semper 
augustus.  Pietas  imperialis  clementie  ab  officio  maiestatis 
nostre  reqnirit,  ut  ecclesias^  dei  et  religiosas  personas  in 
suo  iure  conservemus  et  sub  protectione  virtutis  et  nostre 
clementie  eas  foveamus.  Quapropter  notum  facimus  uni- 
versis  imperii  fidelibus  presentibus  et  futuris,  quod  nos 
monasterium  de  Poliola  et  personas  inibi  divinis  obsequiis 
mancipatas  et  mancipandas  servare  et  eins  bona,  que  nunc^ 
habent  vel  imposterum  inste  poterunt  adipisci,  sub  pro- 
tectione nostra  et  defensione  suscepimus,  statuentes  et  im- 
periali  auctoritate  sancientes°,  ut  nulla  persona  parva  vel 
magna,  secularis  vel  ecclesiastica,  j)redictuni  monasterium 
aggravare  audeat  vel  in  rebus  suis  aliquatenus '^  perturbare. 
Quod  qui  fecerit,  20  libras  auri  puri  pro  pena  componat, 
dimidium  imperiali  camere  et  reliquum  iniuriam  passis. 

Huius  rei  testes  sunt  Gulielmus  Astensis  episcopus\ 
Bonifacius  Novariensis  episcopus,  Godefredus®  imperialis 
aule  cancellarius,  frater  Theodoricus  -,  Rodulf iis  camerarius. 

Datum  Mediolani  anno  dominice  incarnationis  1186, 
16.  kal.  lunii. 

Friedrich  II.  bestätigt  dem  Kloster  auf  Bitten  der 
Priorin  Bonacosa  das  eingerückte  Privileg  Friedrichs  I. 
vom  17.  Mai  1186  und  gewährt  überdies  Holzungs- 
und Weiderecht  in  öffentlichen  Wäldern,  bezüglich 
auf  öffentlichen  Weiden. 
1238  April  Turin. 

Federicus  dei  gratia  Romanorum  Imperator  semper 
augustus,  lerusalem  et  Sicilie  rex. 

Per  presens  scriptum  notum  facimus  universis  imperii 
fidelibus,  tarn  presentibus  quam  futuris,  quod  Bonacosa  vene- 
rabilis  priorissa  monasterii  sancte  Marie  de  Poliola  fidelis 
nostra    pro    parte    sua    et    conventus    eiusdem    monasterii 


a)    ecclesiam  1.  b)   vel  1.  c)    stat.    imp.    aiict.    sanctionem  1. 

d)  aliquem  1.         e)  Gofrediis  1. 

1)  Nach  E.  Morozzo  della  Rocca,  Le  storie  dell'  antica  cittä  dei 
Monteregale  ora  Mondovi  I,  233  wäre  die  Urkunde  auch  erlassen ;  a 
richiesta  dl  GiigUelmo  vescovo  di  Ästi.  Das  entspricht  aber  nicht  den 
beiden  Drucken  Nallinos,  auf  die  allein  Morozzo  sich  doch  beruft.  2)  de 
Silva  benedicta. 


Urkunden  n.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      197 

nostre  celsitudini  humiliter  supplicavit,  quatenus  quoddam 
protectionis  scriptum  indultum  eidem  monasterio  a  dive 
recordationis  augusto  imperatore  Federico,  avo  nostro,  de 
verbo  ad  verbum  trauscribi  et  de  nostra  confirmare  gratia 
dignaremur.  Cuius  teiior  per  omuia  talis  est:  Es  folgt  die 
Vrhtnde  Friedrichs  I.  Nos  igitur  eiusdem  priorisse  suppli- 
cationibus  favorabiliter  annuentes  considerata  feminei  sexus 
impotencia  et  religioue,  que  in  eodem  monasterio  conser- 
vatur,  predictum  scriptum  de  verbo  ad  verbum  transcribi 
et  innovari  mandavimus,  tam  ipsum  quam  ea  que  conti- 
nentur  in  eo  de  innata  dementia  confirmantes.  De  uberiori 
quoque  gratia  intuitu  divine  retributionis  inducti  conce- 
dimus,  quod  liceat  sibi  et  successuris*^  eidem  pro  eiusdem 
monasterii  oportunitatibus  incidi  facere  ligna  in  nemoribus, 
que  sunt  ubique  comuni  usui  deputata,  et  uti  comunibus 
pascuis  pro  animalibus  monasterii,  quod  nulli  preiudicium 
vel  incomodum  generet.  Ad  lauius  autem  rei  memoriam 
presens  scriptum  sibi  fieri  et  sigillo  maiestatis  nostre  iussimus 
communiri. 

Datum  apud  Taurinum,  anno  dominice^  incaruationis 
millesimo  ducentesimo  trigesimo  octavo,  mense*^  Aprilis  un- 
decime  indictionis  ^. 

S.  lohann  Evangelista    zu   Ravenna. 

Der  Sammlungen  Scalabrinis  wurde  schon  gedacht; 
einem  von  ihm  geschriebenen  Codex  entnahm  ich,  den  Mit- 
theihmgen  Klinkenborgs  folgend,  die  oben  gedruckte  Ur- 
kunde Friedrichs  1.  für  S.  Stefan  zu  Bologna.  Eine  andere 
Frucht  von  Scalabrinis  Fleiss  ist  n.  232  der  ßiblioteca  dello 
studio  publico  zu  Ferrara.  Auf  diesen  Band  hat  ebenfalls 
Klinkenborg  unsere  Aufmerksamkeit  gelenkt,  aber  das 
Diplom  Friedrichs  I.,  das  ich  daraus  veröffentliche,  ver- 
misst  man  in  seiner  Inhaltsangabe  -.  H.Bloch  fand  es 
auf  S.  35  des  12.  Quaternio;  er  besorgte  mir  in  gewohnter 
Grüte  auch  eine  Abschrift. 


I  a)  successoris.         b)  divine.         c)  mensis. 

!  1)  Nallino  fährt  fort :   La  pergamena  di  questo  diploma  imperiale  e 

j  sottoscritta  da  prencipi  di  casa  Savoja,  da  Manfredo  marchese  di  Laniito, 
r  ricario  generale  in  lialia,  daW  imperatore  e  da  altri.  Mit  der  Unterschrift 
I  des  Kaisers  ist  wohl  das  Monogramm  gemeint ;  di  Lanuto  muss  in  di 
'  Lancia  geändert  werden :  Manfred  Lancia  würde  hier  zuerst  in  kaiser- 
licher Urkunde  vicwiiis  generalis  a  Papia  super  ins  genannt  sein.  2)  Nach- 
richten der  k.  Gresellsch.  der  AVissensch.  zu  Göttingen,  1897,  S.  356  Anm.  1. 


198  Paul  Scheffer-Boichorst. 

Die  Vorlage  Hess  zu  wünschen  übrig ;  vor  Allem  fehlte 
das  Datnm.  Indess  ist  die  Urkunde  unzweifelhaft  um  die  Zeit 
des  Friedens  von  Venedig  ausgestellt :  nur  damals  fanden 
sich  die  Zeugen  insgesamt  am  Hofe  Friedrichs  I.,  auch 
der  Propst  Otto  von  Aachen;  denn  wer  sonst  sollte  der 
in  der  Historia  ducura  Veneticorum  genannte  Otto  Ächer- 
gensis  prepositus  sein?^  Er  war  mit  160  Mann  gekommen, 
er  war  offenbar  ein  mächtiger  Herr,  ein  Reichspropst.  Die 
Frage  des  Herausgebers :  Achherg  in  Württemberg  ?  wird  man 
ruhig  verneinen  können ;  aber  seine  andere  Vermuthung :  an 
legendum  Aquensis  ?  trifft  das  Richtige  ^.  Doch  gehört  das 
Diplom  nicht  in  die  Tage  von  Venedig  selbst,  ebensowenig 
in  die  ihnen  folgenden :  einige  Wochen  vor  Beginn  des  Con- 
gresses  war  der  Zeuge  Hermann  von  Bamberg  aus  dem 
Leben  gegangen,  am   12.  Juni  ^. 

Kaiserurkunden  für  S.  Johann  Evangelista  haben 
bisher  im  Druck  nicht  vorgelegen.  Sicherlich  werden  zu 
der  Friedrichs  I.  andere  hinzukommen.  Schon  wissen  wir, 
dass  der  Unterbibliothekar  der  Ciassense  zu  Ravenna, 
S.  Bernicoli,  in  Abschriften  des  15.  Jh.  gefunden  hat:  'ein 
Diplom  Konrads  II.  von  1037  April  16  Ravenna  und  ein 
Placitum  Heinrichs  III.  von  1047  April  7  Ravenna'  *.  Dazu 
möchte  ich  die  folgende,  wenigstens  uns  Deutschen  ent- 
gangene Notiz  über  ein  Privileg  Ottos  I.^  die  sich  in  dem 
Werke  eines  älteren  Ravennater  Forschers  findet,  allge- 
meinerer Beachtung  empfehlen :  'La  hadia  fii  onorata  di 
nohili  privilegi  da  Ottone  re  di  Germania,  menire  portatosi 
in  Italia,  per  ricevere  la  corona  imperiale,  fu  in  Ravenna : 
Vanno  962'«.  | 

Friedrich  I.  erneuert  dem  Kloster  seinen  früheren 
Schirmbrief;  bestätigt  ihm  die  jetzigen  und  zu-, 
künftigen  Besitzungen;  gewährt  ihm  die  Gerichts-: 
barkeit  in  den  genannten  Orten;  verbietet  alle  Er-I 
hebungen,  aber  unter  Wahrung  der  kaiserlicheni 
Gerechtsame. 

(1177  vor  Juni   12.) 


1)  MG.  SS.  XIV,  87.  2)  Zu  1177  stimmt  auch:  imperii Romam] 
fidelibtis,  vgl.  oben  unter  'S.  Maria  del  Monte  zu  Cesena'  S.  162  Anm.  4J 
stimmt  ferner:  festes  quoque  placuit  apponi,  vgl.  z.  B.  St.  -4192.  97.; 
211.  28.  3)  Freilich  wäre  er  nach  Hist.  duc.  Venet.  1.  c.  85  noch  Theil-| 
nehmer  am  Friedensschluss  gewiesen.        4)  Nachrichten  a.  a.  0.  190  Anm.  3i 

5)  Uebrigens   ist  keine  der   erwähnten  Urkunden   in   den  Mem.  d'istromj 
di    S.  Giov.    evang.    bei   Fantuzzi,   Mem.   Raven.  V,   486—88   aufgeführt 

6)  G.  Fabri,  Le  sacre  memorie  di  Ravenna  1664,  S.  208.  ' 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      199 

In  nomine  sancte  et  individue  trinitatis.  Fredericus 
divina  favente   dementia  Eomanorum   imperator   augustus. 

Notum  facimus  omnibus  Christi  et*^  imperii  Romani 
fidelibns  presentibns  et  fiituris,  quod  nos  eterne  retribu- 
tionis  intuitu  atque  petitione  venerabilis  abbatis  Placiti 
dilecti^  nostri  ecclesiam  sancti  lohannis  evangeliste,  in  civi- 
tate  Ravenne  sitam,  speeialiter '^  in  nostram  suseepimus 
protectionem,  sicut  et  scriptum  eidem  ecclesie  a  nobis  ante 
collatum  poterit  protestari.  Nunc  vero  eadem  dementia 
nostra  erga  eandem  ecclesiam'^  et  fratres  inibi  deo  famu- 
lantes  adaucta®  prefatam  susceptionem  reeentiori  privilegio 
renovamus  et,  quicquid  eadem  ecclesia  largitione  ecclesia- 
sticorum  vel  secularium^  principum  vel  aliorum  quorum- 
libet  hominum  traditione  nunc  suscepisse  tenereque  et 
possidere  videtur  vel  in  posterum  favente  deo  legitime  et 
rationabiliter  adipisci  poterit,  concedimus  firmitatis  robure« 
in  omni  quiete  de  cetero  possidendum.  Confirmamus  autem 
et'^  ex  nostre  benignitatis  munificentia  damus  et  concedimus 
eidem  ecclesie  et  iam  dicto  eius  abbati  suisque  in  perpe- 
tuum  successoribus  omne  placitum  ac  omne  districtum  de 
universis  possessionibus,  quas  ipsa  ecclesia  nunc  habet  vel 
postmodum  habebit  tam  in  terris,  quam  in  earum  habita- 
toribus.  De  quibus  hie  suis  nominatim  exprimenda  voca- 
bulis  dignum  duximus,  scilicet  districtum  et  placitum  de 
tota  villa  Barisani,  de  tota  Calbella  et  de  Roura  tota,  de 
toto  loco  sancti  Gervasii  ab  utraque  parte  fluminis  ^  et  de 
tota  villa,  que  dicitur  Publicum,  ac  de  toto  loco,  qui  di- 
citur  sanctus  Blasius  de  Buccadari,  et  de  omnibus  posses- 
sionibus, quas  eadem  ecclesia  habet  per  diversa  loca  in  plebe 
sancte  Marie  in  Portu,  et  de  tota  villa,  que  dicitur  Nisigali  ^ , 
et  de  reliquis  eidem  nunc  ecclesie  vel  in  posterum  perti- 
nentibus.  Preterea  sancimus  statuentes,  ut  nulla  potestas 
ecclesiastica  vel  secularis  vel  alicuius  civitatis  consulatus 
nee  aliqua  persona  magna  sive  parva  nomine  fodri  seu  ali- 
cuius collecte  aut  publicarie  aut  angarie  vel  perangarie  a 
predicta  ecclesia  eiusque  possessionibus  et  hominibus  re- 
quirat  vel  accipiat  exactiones,  salva  per  omnia  imperiali 
iustitia,    quam    nobis    ipsis,    certis   nuntiis    ad    eandem  exi- 


a)  Fehlt.  b)  di  Sacti.  c)  dudit.  d)  frem.  e)  adauctam. 
f)  eccl.  secul.  vel  princ.  g)  conceder  firmitati  rohur.  h)  cii  ei.  i)  N 
unsicher. 

1)  Savio.  Auch  in  der  Urkunde  Eugens  III.  J.-L.  8809,  an  deren 
Wortlaut  der  Satz  De  quihus  —  parte  fluminis  anklingt,  ist  der  Fluss 
nicht  g-enannt. 


200  Paul  SchefEer-ßoichorst. 

gendam  specialiter  delegatis,  exhiberi  volumus.  Si  quis 
autem  ausu  temerario  contra  huius  nostre  institutionis  pre- 
ceptum  coiitravenire  presumpserit,  penam  50  librarum 
auri  coiiponat''^,  quarum  media  pars  fisco  nostro,  residua 
prefate  ecclesie  et  eins  abbati  persolvatnr.  üt  vero  huius 
nostre  clementie  confirmatio  seu  donatio  predicte  ecclesie 
rata'^,  stabilis  et  inconvulsa  semper  permaneat,  presentis 
privilegii  paginani  fecimns  conscribi  et  nostre  maiestatis 
sigillo  insigniri. 

Testes  quoque  placuit  apponi,  qui  sunt:  üolricus'^ 
Aquileiensis  patriarcha,  Arnoldus  Trevirensis  archiepi- 
scopus,  Herimannus  Babenbergensis'^  episcopus,  Garsidonius 
Mantuanus  episcopus,  Otto  prepositus  Aquensis,  Liupoldus 
dux  Austrie,  Henricus  marscalcus,  Cunradus*^  pincerna  et 
quamplures  alii. 

Ego  Gotefredus  imperialis  aule  curieque  cancellarius 
vice  Philipi  Coloniensis  archiepiscopi  et  Italici  regni  arclii- 
cancellarii  recognovi. 

Signum  domni  Frederici  Romanorum  imperatoris  in- 
victissimi. 

Erzbisthum  Eegg'io  di  Calabria. 

lieber  ein  Privileg,  das  Heinrich  VI.  dem  Erzbischof 
ertheilte,  handelt  Spanö  -  Bolani,  Storia  di  Reggio  II,  238 
ed.  I*^,  II,  379  ed.  II''':  Ä  Guglielmo  arcivescovo  di  Reggio 
V Imperator e  Arrigo  VI.,  con  iwivüegio  dato  da  Messina  nel 
Fehhraio  del  1195,  concesse  la  contea  di  Bova,  la  terra  d'Africo, 
la  haronia  di  Castellace  ed  altri  heni  nella  pianura  di  S.  Mar- 
tina presso  Terranova,  concessione,  che  fu  poi  confermata  da 
Federico  II.  Assicura  il  canonico  Nava,  d'aver  vedtito  e  letto 
coi  suoi  occhi  questo  pi'ivilegio  in  carta  pergamena,  che  nel 
17.  secolo  fu  esihito  alla  regia  camera  della  sommaria  nella 
circostansa,  che  i  Bovesi  volevano  negare  il  mero  e  misto  im- 
perio  — ■  come  suol  dirsi  —  all'  arcivescovo  Reggino.  Acten 
der  Camera  della  sommaria  befinden  sich  in  Neapel;  aber 
die  Urkunde  für  Erzbischof  Wilhelm  wurde  nicht  gefun- 
den. Hoffnungen  auf  Reggio  zu  setzen,  würde  nach  den 
Worten  Bolanis  nur  zu  Täuschungen  geführt  haben.  Aber 
immerhin  wollte  ich  mir  Sicherheit  verschaffen.  Die  Nach- 
forschungen an  Ort  und  Stelle,  bei  denen  mich  der  kun- 
dige Archivar  des  Erzbischofs,  Dr.  P.  Dattola,  aufs  Ge- 
fälligste unterstützte,  blieben  denn  auch  ohne  Erfolg, 
wenigstens  insofern  es  sich  um  den   ganzen  Wortlaut  der 


a)  condenar.       h)  orta.      c)  Ldovkus.      d)  Baburgensis.      e)  Girandus. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     201 

Urkunde  handelte.  Wohl  aber  fand  ich  einen  Auszug-,  der 
uns  die  Zeugen  kennen  lehrt.  Im  Museo  civico  zu  Reggio 
wird  eine  ältere  handschriftliche  Geschichte  der  Stadt  auf- 
bewahrt; Spagnolio,  De  rebus  Rheginis.  Da  heisst  es 
lib.  X,  cap.  III,  pag.  128:  diplomate,  a  quo  aureum  imperiale 
sigillum  pendehat,  Messanae  dato  3.  holend.  Februarii  1195, 
civitatis  JBovae  comitatum  cum  arce,  Africi  pagum,  Castellacium 
oppidum  aliaque  bona  pleno  iure  largitus  est  (sc.  Henricus 
imperator  Guillelmo  archiepiscopo) .  Paternam  donationem 
ratam  hahiiit  Fridericus  secundus  imperator  privilegio  dato 
anno  1212.  Von  dieser  Bestätigung  ist  weiter  keine  Rede; 
mit  Bezug  auf  Heinrichs  Verleihung  fährt  Spagnolio  fort: 
Gm  suhscripsere  quatiior  archiepiscopi  Matthaeus  Capiiae,  Ric- 
cardus  Messanae,  Angelus  Tarenti^,  Bonhomus  Cosentiae; 
Sanctius  Syracusariim  episcopus ;  Bonifacius  ^  Montisferrati 
marchio;  Conradus  dux  Spoleti;  Pliilippus  eiusdem  imperatoris 
frater  et  cdii  quam  plures'^. 

S.  Peter  und  Andreas  zu  Rivaita. 

Von  den  königlichen  Privilegien  für  das  Kloster  hatten 
wir  bisher  recht  dürftige  Kunde.  Aus  Angaben  della 
Chiesas  wussten  wir,  dass  Heinrich  VI.  sich  1196  den 
Mönchen  gnädig  erwiesen  hat,  dass  Otto  IV.  1210  seinem 
Beispiel  gefolgt  ist  ^.  Weiter  Nichts !  Da  freue  ich  mich 
nun,  die  Lücken  ausfüllen  zu  können.  In  einem  Copial- 
buch  der  Abtei,  welches  das  Turiner  Staatsarchiv  besitzt, 
—  Abbadia  Rivaita  Categoria  I.  Mazzo  I.  —  fand  ich  nicht 
blos  die  erwähnten  Urkunden  von  1196  und  1210,  sondern 
noch  eine  weitere  von  1219.     Ich   lasse    die  Texte  folo-en. 


1)  Handschrift :  Riccardus  Angelus  Messanae.  2)  Palaeologiis  hat 
Spagnolio  hinzugefügt.  3)  1590  schrieb  0.  Pasqua  Vitae  episcop.  eccl. 
Hieraciensis,  im  Anhang  zu  C.  Rossi,  Const.  et  acta  synodi  Hieraciensis, 
Napoli  1755  p.  278 :  vor  395  Jahren  habe  Heinrich  VI.  Bova  und  Städte 
in  der  Ebene  von  Terranova  ob  praeclara  merita  Gulielmi  huius  nomm/'s  I. 
archiepiscopi  augitstali  diplomate,  cui  sigillum  aureum  pendehat,  der  Kirche 
von  Reggio  geschenkt.  Das  habe  Alfons  I.  bestätigt,  und  als  Erzbischof 
Paulus  1448  nach  Gerace  gekommen  sei,  Alfonsi  Privilegium  in  tabulas 
publicas  redigi  curavit.  Leider  ist  mir  die  Notiz  zu  spät  bekannt  ge- 
worden, als  dass  ich  ihr  hätte  nachgehen  können.  Nebenbei  bemerkt, 
trügt  Pasquas  Buch  die  Ervi^artungen,  die  Winkelmann  im  N.  A.  III,  630 
daran  geknüpft  hat.  4)  ab  Ecclesia  S.  R.  e.  card.,  archiep.,  ep.  et  abbat. 

Pedemontanis  regionis  chrou.  bist.  253.  Die  Urkunde  Ottos  IV.  erwähnt 
auch  Ughelli,  Ital.  sac.  IV,  1052.  Vgl.  St.  5033.  B.-F.  415.  Wenn  hier 
aber  vermuthet  wird,  dass  ein  Privileg  Friedrichs  II.  vom  6.  April  1217 
eine  Wiederholung  des  Ottonischen  sei,  so  ist  das  Kloster  S.  Maria  zu  Ri- 
vaita di  Scrivia  mit  unserem  Kloster  verwechselt  worden.  Cf.  AVinkel- 
mann.  Acta  imp.  I,  120. 


202  Paul  Scheffer-Boichorst. 

Heinrich  VI.    beschützt   auf   Bitten    des  Propstes  Bo- 
nald   von  Rivaita    ihn    und   seine   Kirche   und    er- 
mächtig-t  ihn  und  seine  Geistlichkeit,  durch   einen 
Stellvertreter  den  Gefährdeid  zu  leisten. 
1196  Juli  29,  Chivassoi(?). 

Henricus  dei  gracia  Romanorum  Imperator  semper 
augustus  et  rex  Sicilie.  Ad  presentis  vite  statum  prosperum 
atque  beatitudinis  eterne  requiem  adipiscendam  nobis  plu- 
rimum  speramus  proficere,  si  hiis  operam  dedimus,  que  saluti 
ecclesiarum  dei  expedire  noverimus  et  quieti.  Qua  sane 
consideracione  inducti  notum  facimus  universis  presentem 
paginara  intueutibus.  quod  nos  ad  supplicacionem  fidelis 
nostri  Bonaldi  Ripaltensis  ecclesie  prepositi  ipsum  eandem- 
que  ecclesiam,  que  in  honorem  beatorum  apostolorum  Petri 
et  Andree  constructa  est  et  dedicata,  cum  universis  per- 
sonis  inibi  deo  servientibus  et  cum  omnibus  pertinenciis 
suis,  quas  nunc  habet  aut  imposterum  prestante  deo  iusto 
adempcionis  titulo  poterit**^  adipisci,  sub  imperialem  rece- 
pimus  protectionem.  Ad  augmentum  quoque  favoris  nostri 
et  gracie  nostre  eidem  ecclesie  demonstrandum  tarn  pre- 
nominato  preposito  quam  eius  canonicis  inibi  divino  officio 
ministrantibus  sacramentum  calumpnie  remittimus,  ita  qui- 
dem  quod  illud  in  propriis  personis  facere  aut  exercere 
nullatenus  cogantur,  sed  sindicum  seu  procuratorem  pos- 
sint  substituere,  qui  vice  ipsorum  in  suam,  ipsius  sindici, 
iuret  animara.  Quod  ut  verius  credatur,  presentem  inde 
cartam  conscribi  et  nostre  magestatis  bulla  iussimus  in- 
signiri,  statuentes  et  imperiali  auctoritate  precipientes,  ut 
nulla  omnino  persona  humilis  vel  alta,  secularis  vel  eccle- 
siastica,  sepedictam  ecclesiam  in  personis  aut  rebus  presu- 
mat  molestare  aut  aliquibus  iniuriis  afficere.  Quod  qui 
facere  attemptaverit,  in  ulcionem  temeritatis  sue  quinqua- 
ginta  libras  auri  componat.  medietatem  camere  nostre,  par- 
tem  residuam  sepius  dicte  ecclesie. 

Datum  apud  Claves  ^  anno  domini  millesimo  196,  in- 
dictione  13,  4.  kalendas  Augusti. 

Otto  IV.   wiederholt   auf   Bitten   des  Propstes  Jakob 
die    Urkunde    Heinrichs   VI.,     grestattet     überdies 


a)  pottterit. 

1)  Statt  Claves  möchte  ich  Clavaslum  ändern,  allenfalls  Clavesimn 
=  Chivasso ;  Claves  weiss  ich  nicht  zu  deuten,  denn  Clavese,  das  auch 
Civesio  heisst,  im  Kreise  Mailand  und  im  Bezirk  Melegnano,  scheint  mir 
nicht  ins  Itinerar  zu  passen. 


Urkunden  n.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     203 

Schenkungen  und  Verkäufe  ans  Kloster,  zu  denen 
aber  bei  Lehensgut  der  Herr  zugestimmt  haben 
muss,  und  verzichtet  auf  die  angegebenen,  dem 
Reiche  zustehenden  Rechte. 

1210  Juni,  Turin. 

In  nomine  sancte  et  individue  trinitatis.  Otto  quar- 
tus  divina  favente  clemencia  Romanorum  imperator  et 
semper  augustus. 

Ad  presentis  vite  statum  prosperum  atque  beatitudinis  eteme  re- 
quiem  adipiscendam  nobis  plurimum  speramus  proficere,  si  hiis  operam 
dedimus,  que  saluti  ecclesiarum  dei  expedire  noverimus  et  quieti.  Qua 
sane  consideracione  inducti  notum  facimus  universis  presentem  paginam 
intuentibus,  quod  nos  ad  supplicationem  fidelis  nostri  lacobi  Ripalteusis 
ecclesie  prepositi  ipsum  eandemque  ecclesiam,  que  in  honorem  beatorum 
aijostolorum  Petri  et  Andree  constructa  est  et  dedicata,  cum  universis 
personis  inibi  deo  servientibus  et  omnes  res  tam  mobiles  quam 
immobiles  ad  eandem  ecclesiam  pertinentes  et  omnia  ani- 
malia  et  universa  ad  supradictam  ecclesiam  pertinentia, 
ubicunque  sunt  vel  acquirere  iuste  poterint,  in  nostre 
magestatis  protectionem  ac  deffensionem  sascipimus.  Ad 
augmentum  quoque  favoris  nostri  et  gracie  nostre  eidem  ecclesie  demon- 
strandum tam  prenominato  preposito  quam  eins  canonicis  supradicte 
ecclesie  professionem  facientibus  calumpnie  remittimus  sacramen- 
tum,  ita  quidem  quod  illud  in  propriis  personis  facere  aut  exercere  nuUa- 
tenus  cogantur,  sed  sindicum  seu  procuratorem  possint  substituere,  qui 
vice  ipsorum  in  suam,  ipsius  sindici,  iuret  animam.  Preterea  si  quis 
homo  divina  compunctus  inspiratione  de  alodio  suo  vel 
feudo,  domino  concedente,  vel  de  rebus  propriis  aliquid 
eidem  ecclesie  conferre  voluerit  aut  contulit  aut  vendere 
intendit,  salvo  iure  nostro  liberam  in  hoc  habeat  facul- 
tatem.  Insuper  donamus  et  concedimus  quidquid  ad  nostrum 
imperium  iure  pertinere  dignoscitur,  liberaliter  remittentes 
areas  vel  decursus  aquarnm,  piscationes,  transitus  viarum, 
Silvas  cultas  et  incultas  comunes  et  pascua  comunia  eis 
damus  et  concedimus  ad  pascuandum.  Quod  ut  verius  credatur, 
presentem  inde  cartam  conscribi  et  nostre  magestatis  buUa  iussimus  in- 
signiri,  statuentes  et  imperiali  auctoritate  precij^ientes,  ut  nulla  omnino 
persona  humilis  vel  alta,  secularis  vel  ecclesiastica,  sepedictam  ecclesiam 
in  personis  aut  rebus  presumat  molestare  aut  aliquibus  iniuriis  afficere. 
Quod  qui  facere  attemptaverit,  in  ulcionem  temeritatis  sue  quinquaginta 
libras  auri  componat,  medietatem  camere  nostre,  partem  residuam  dicte 
ecclesie. 

Huius  rei  testes  sunt  Ariprandus  Vercellensis  episco- 
pus,  lacobus  Taurinensis  episcopus.  Guido  Astensis  episco- 
pus,  Wilielmus  marchio  Montisferrati,  Manfredus  marchio 
de  Saluciis,  Galfredus  iudex  de  Trivicella,  Petrus  de  Ran- 
fredo  et  alii  quamplures. 


204  Paul  Scheffer-Boichorst. 

Signum^  domini  Ottonis  quarti  Romanorum '^  impera- 
toris  invictissimi  '^ . 

Eg-o  Conradus  Spirensis  ecclesie  episcopus,  imperialis 
aule  cancellarius  vice  domini  Theodorici*^  Coloniensis  archi- 
episcopi,  Ytalie  archicancellarii  recognovi. 

Acta  sunt  hec  anno  dominice  incarnationis  millesimo 
200  decimo,  indictione  13,  regnante  domino  Ottone  quarto 
Romanorum  imperatore  g-lorioso,  anno  regni  eius  13,  imperii 
vero  primo.  Datum  apud  Thaurinum  per  manum  Walterii 
protonotarii,  6.  nonas''    lunii,  indictione  12. 

Friedrich    II.    )3eschützt    Kirche,    Propst    und    Geist- 
lichkeit. 

1219  Hagenau. 

Fredericus  dei  gracia  Romanorum  rex  semper  augustus 
et  rex  Sicilie  universis  imperii  fidelibus,  ad  quos  presens 
scriptum    pervenerit,    graciam   suam  et  bonam  voluntatem. 

Universitati  vestre  facimus  manifestum,  quod  nos  Ri- 
paltensem  ecclesiam,  prepositum,  clericos  et  conversos  cum 
Omnibus  personis  et  possessionibus  seu  rebus  suis  sub 
nostram  et  imperii  protectionem  suscepimus,  regia  preci- 
pientes  auctoritate,  ut  nulla  persona  magna  vel  parva 
ipsam  ecclesiam,  prepositum,  clericos  vel  conversos  ipsius 
seu  res  vel  possessiones  suas  tarn  in  capite  quam  in  mem- 
bris  presumat  aliquatenus  molestare.  Si  quis  igitur  huic 
iussioni  nostre  presumj)serit  contravenire,  bannum  mille 
marcharum  argenti  persolvat  pro  medietate  parti  lese,  pro 
alia  medietate  nostre  camere  applicandum.  Si  vero  fuerit 
creditor,  cadat  a  iure  crediti  eo  ipso. 

Datum  apud  Agliene  [anno  dominice  incarnationis*^] 
millesimo  219^,  indictione  septima. 


Roccacontrada,  heute  Arcevia. 

Die  kleine  Stadt  hat  ein  ziemlich  reiches  Archiv. 
Ein  Katalog  verweist  auf  folgende  Urkunden  der  staufi- 
schen Periode : 


a)  Sanctissimi.  b)   Romani.           c)   mitissimt.           d)   Theodontt. 

e)  Vielleicht  ist  gfemeint  6  Mus.    Die  Aenderung  4  non.  ist  durch  B.-F.  411 
ausgeschlossen.    Derselbe  Fehler  iu  der  gleichzeitigen  Urkunde  B.-F.  412. 

f)  Keine  Lücke. 

1)  1219  lässt  sich  Friedrich  in  Hagenau  nachweisen  vom  11.  Januar 
bis  zum  13.  April  und  wieder  vom  29.  August  bis  25.  September. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  cl.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     205 

1237  Affosfo  7.  Qtiietanza  fatta  dal  cluca  di  Spoleto^ 
alla  communitä  di  Roccaconfrada  per  le  violenze  usate  verso 
kt  cittä  di  Nocera  sotto  Federico  imperatore. 

1243  Maggio  15.  Pagamento  fatto  ai  soldati  per  Veser- 
cito  imperiale,  comandato  da  Guido  di  SasseUaro  '^. 

1248  Aprüe  30.  Promessa  della  communitä  di  pagare 
le  spese  per  Vassedio  di  Romagna  ^. 

1262  Novemhre  1.  Assoluzione  data  a  Ptoccacontrada 
dal  rettore  della  marca  Anconetana^  per  la  sommissione  pre- 
stata  a  Manfredi  re  di  Sicilia. 

1264  Settembre  16.  Copie  di  privilegio,  commesso  al  po- 
destä  di  Roccacofitrada  dal  cardinale  Palhoverio^  legato  della 
marca,  stdla  cognizione  delle  cause  senza  appellazione,  e  cid 
in  compenso  di  avere  scosso  il  giogo  di  Manfredo  re  di  Sicilia. 

Meines  Wissens  ist  keine  der  Urkunden  bisher  ge- 
druckt oder  benutzt  worden ''.  Ihre  Bedeutung  für  eine 
Geschichte  des  Kampfes,  den  die  Staufer  und  die  Päpste 
um  die  Mark  Ancona  führten,  wird  dem  Kundigen  ohne 
Weiteres  einleuchten.  Darum  ist  es  recht  zu  bedauern, 
dass  F.  Gut  er  bock,  dem  ich  die  mitgetheilten  Eegesten 
verdanke,  nicht  vollständige  Abschriften  nehmen  konnte. 
Zeit  und  Umstände  nöthigten  ihn,  sich  auf  die  Copierung 
nur  Einer  Urkunde  zu  beschränken.  Oben  habe  ich  die- 
selbe nicht  aufgeführt,  wenngleich  auch  sie  im  Katalog 
verzeichnet  ist.  Hier  muss  ich  nun  ihre  Voraussetzungen 
mit  raschen  Strichen  andeuten. 

Nach  dem  Tode  Friedrichs  II.  haben  die  Staufer  zu- 
nächst keinen  Anspruch  auf  die  Mark  erhoben.  Aber  zu 
Ende  der  50  er  Jahre  knüpften  die  Ghibellinen  mit  Manfred 
Verhandlungen  an.  Fermo  eröffnete  den  Reigen  \  und  als 
Manfred  den  Percival  Doria  in  die  Mark  entsandte,  trat 
ein  Ort   nach    dem    anderen  zu  ihm  über.     Seit  December 


1)  Einen  Herzog  von  Spoleto  hat  es  1237  nicht  gegeben.  Es  ist 
gewiss  der  päpstliche  Rector  des  Herzogthums  gemeint,  und  die  Gewalt- 
thätigkeiten,  die  Roccacontrada  gegen  Nocera  unter  Friedrich  II.  verübt 
hat,  werden  in  die  Zeit  der  ersten  Zurücknahme  seiner  Länderschenkungen 
gehören,  1228 — 1230.  Dass  der  Rector  des  Herzogthums  Spoleto  die  Ur- 
kunde ausstellt,  während  Roccacontrada  doch  zur  Mark  Ancona  gehört, 
kann  nicht  Wunder  nehmen :  Nocera,  dem  Roccacontrada  eine  Sühne  ge- 
zahlt haben  wird,  war  eine  Stadt  des  Herzogthums.  2)  Ihm  bin  ich 
anderweitig  nicht  begegnet.  8)  —  per  Vassedio  di  Bomagna  ?  4)  Man- 
fred, Bischof  von  Verona.  5)  Simon  Paltinieri,  Cardinalpriester  von 
S.  Martin.  6)  Leider  habe  ich  mir  nicht  verschaffen  können :  E.  Bruna- 
monti,  Dimonstrazione  istorica  del  nobile  si  antico  che  moderno  stato  di 
Roccacontrada,  con  note  da  A.  Anselmi,  Castelpiano  1897.  7)  F.  Tenck- 
hoff.  Der  Kampf  der  Hohenstaufen  um  die  Mark  Ancona  und  das  Herzog- 
thum  Spoleto  76. 


206  Paiü  Scheffer-Boichorst. 

1258  machte  er  die  schnellsten  Fortschritte;  Privilegien 
vollendeten  ^,  was  Waffen  begonnen  hatten.  Namentlich 
in  den  ersten  Tagen  des  März  schüttete  Percival  ein  ganzes 
Füllhorn  von  Gmistbezeugungen  über  Städte  der  Mark  aus. 
Unter  ihnen  befand  sich  auch  Roccacontrada,  das  ein 
werth volles  Pergamen  am   5.  März  1259  empfing  -. 

Percival  d'Oria,  Generalvicar  der  Mark  Ancona,  des 
Herzogthums  Spoleto  und  der  Romagna,  will  die  neu- 
lich zur  Treue  des  Königs  zurückgekehrte  Gemeinde 
von  Roccacontrada  in  Gewohnheiten  und  Freiheiten 
erhalten ;  bestätigt  ihr  Alles,  was  sie  zur  Zeit  seiner 
Ankunft  besass;  sichert  den  Geistlichen  freien 
Aufenthalt  im  Gebiete  von  Roccacontrada,  Immu- 
nität von  Leistungen  und  dass  sie  von  den  Beam- 
ten nicht  zur  Abhaltung  des  Gottesdienstes  ge- 
zwungen werden ;  verspricht  Beachtung  der  Ge- 
meindestatuten seitens  der  Curie,  falls  sie  nicht 
deren  Rechte  schmälern ;  trifft  zu  Gunsten  der  Stadt 
Bestimmungen  über  die  Heeresfolge,  deren  Leistung 
durch  Söldner,  die  Stellung  von  Geiseln,  die  von 
der  Curie  verlangten  Gesandtschaften,  endlich  die 
Gerichtsbarkeit. 

1259  März  5,  Jesi. 

Percival  de  Auria,  marchie  Ancone,  ducatus  Spoleti 
et  Romaniole  regius  vicarius  generalis,  populo  et  comuni 
Rocce  de  Contrata,  domini  regis  fidelibus,  salutem  et  omne 
bonuni. 

Honorem  regle  magestatis  exequimur  et  sibi  cedit  ad 
gloriam,  si  redeuntes  ad  fidei  sue  cultum  favore  digno  re- 
spicimus  et  iustas  petitiones  eoruni  ad  exauditionis  gratiam 
promovemus.  Considerantes  itaque  fidei  puritatem,  quam 
redeuntes  nuper  ad  fidem  domini  nostri  regis  laudabiliter 
ostendistis,  terram  ipsam  in  consuetudinibus,  libertatibus 
et  inmunitatibus  suis  conservare  promittimus  et  eam  reci- 
pimus  sub  alis  regle  gratie  gubernandam.  Item  pro  regia 
parte,  auctoritate  qua  fungimur,  vobis  et  eidem  communi 
perpetuo  concedimus  infrascripta,  videlicet  quod  comune 
IJocce  in   suis   possessionibus   et   tenutis   vel    quasi*,   quas 


a)  Nämlich:  quasipossessionibiis. 

1)  B.  F.  W.  14071.  73.  78.  80.  81.  82.  83.  84.  85.  2)  ßethmann  hat 
in  Pertz'  Archiv  XII,  553  nach  einem  Verzeichnis  der  Arcevieser  Urkunden, 
das  er  in  Gubbio  sah,  die  Urkunde  erwähnt. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     207 

nunc  habet  et  habere  poterit  in  futurum  et  quas  habuit 
a  tempore  nostri  adventus  in  Marchia  manuteneri  debeat 
et  servetur  illesum,  ita  tamen  quod  ex  presenti  privilegio 
nostro  nulli  alii  preiudicium  in  suis  iuribus  g-eneretur. 
Item  quod  clerici  omnes  reguläres  et  seculares  cuiuscum- 
que  religionis,  in  Rocca  et  eins  districtu  morantes,  libere 
possint  in  eadem  terra  et  suo  districtu  morari  et  ab  Omni- 
bus obsequiis  sint  immunes  et  ad  celebrandum  divina  per 
officiales  curie  nullatenus  conpellantur.  Item  quod  statuta 
omnia  et  ordinamenta  comunis  eiusdem  facta  et  inantea 
facienda  inviolabiliter  observentur  per  curiam  nullatenus 
infirmanda,  dummodo  non  sint  ad  depressionem  iurium 
curie  vel  aliter  contra  honorem  regle  magestatis.  Item 
quod  comune  Rocce  in  exercitum  extra  Marchiam  exire 
non  debeat  ac  morari,  nisi  per  viginti  miliaria  proxima 
terre  predicte.  Quando  vero  mandaretur  eidem,  quod  cer- 
tam  mitterent  militum  seu  peditum  quantitatem  in  exer- 
citum supradictum,  liceat  tunc  eidem  comuni  mittere  forenses 
solderios  vel  de  terra,  quos  voluerint  destinare.  Item  quod 
obsides  aliqui  de  Rocca  per  curiam  de  cetero  nullatenus  extra- 
hantur.  Item  quod  ad  mandatum  curie  ambassatores  vel  aliqui 
nuntii  de  Rocca  trahi  non  debeant,  nisi  quos  comune  eius- 
dem terre  duxerit  eligendos.  Item  quod  prime  cause,  tarn 
civiles  quam  etiam  criminales,  in  curia  Rocce  cognosci  pos- 
sint de  cetero  et  decidi.  Item  per  presens  privilegium 
notum  facimus,  quod  alicui  comuni  seu  speciali  persone 
contra  predictum  comune  per  aliqua  privilegia  nostra  nichil 
duximus  concedendum,  salvis  in  omnibus  supradictis  man- 
dato  et  ordinatione  Serenissimi  domini  nostri  regis.  Unde 
ad  futuram  memoriam  et  ut  predicta  omnia  vobis  sint  per- 
petuo  valitura,  presens  privilegii  nostri  scriptum  vobis  inde 
fieri  fecimus  sigilli  nostri  robore  communitum. 

Datum  Esii  anno  domini  millesimo  259,  5.  Martii 
2.  indictionis,  regnante  serenissimo  domino  rege  Manfrido 
dei  gratia  inclito  rege  Sicilie,  regni  eiusdem  anno  primo, 
feliciter  amen. 

S.  Paolo  fuori  le  mura  bei  Rom. 
Der  folgende  Befehl  Lothars  III.  an  die  Gemeine 
Fiano,  sie  solle  unter  ihre  rechtmässige  Herrschaft  zurück- 
kehren, diente  offenbar  den  Interessen  des  römischen 
Klosters  S.  Paolo  fuori  le  mura.  fl.  Bloch,  der  den 
Brief  in  einem  Codex  des  Capitelarchivs  zu  Novara  fand  ^, 

1)  Abschrift  des  12.  Jh.  auf  den  vorgebundenen  Blättern  des  Co- 
dex 34  im  Capitelarchiv  zu  Novara,  fol.  3. 


208  Paul  SchefEer-Boichorst. 

fügte  seiner  gütigst  für  micli  genommenen  Abschrift  hin- 
zu :  'Dass  hier  S.  Paul  zu  Eom  gemeint  ist,  geht  aus 
anderen  Eintragungen  mit  unbedingter  Sicherheit  hervor'. 
Dies  beweist  denn  auch  der  Inhalt:  das  Stück  erweitert 
unsere  Kenntnis  über  einen  Streit,  den  das  römische 
Kloster  Jahrzehnte  hindurch  um  Fiano  geführt  hat  ^.  Unter 
Paschal  II.  gaben  Cencius  und  Stefan  Cenci  die  Feste, 
welche  ihr  Vater  an  sich  gerissen  hatte,  dem  Kloster 
zurück  2 ;  der  Prior  Anastasius  übertrug  sie  ihnen  darauf 
zu  Lehen  ^ ;  aber  der  Friede  währte  nicht  lange :  vor  dem 
Gerichte  des  römischen  Senats,  also  frühestens  1143,  ver- 
langte das  Kloster  von  Gliedern  der  Familie  Cenci  die 
Herausgabe  Fianos^;  Friedrich  I.  fällte  ein  Urtheil  zu 
Gunsten  der  Mönche  ^,  das  Heinrich  VI.  während  seiner 
königlichen  Regierung   bestätigte  '~\     In  diese  Entwicklung 


1)  Fiano  liegt  nördlich  von  Rom,  an  der  24.  IMiglie  der  Via  Fla- 
minia.  Seine  Regesten  hat  Tomassetti  im  Archivio  della  r.  societä  Ro- 
mana VII,  360 — 866  zusammengestellt.  Dazu  möge  bemerkt  sein,  dass 
J.-L.  5200,  die  vom  Verfasser  angeführte  Urkunde  Gregors  VII.,  eine  Fäl- 
schung ist,  dass  er  Privilegien  Anaklets  II.  und  Heinrichs  VI.,  J.-L.  8373 
und  St.  5081,  nicht  berücksichtigt  hat.  Auch  in'te  er,  wenn  er  S.  362 
n.  11  den  viel  besprochenen  Ort  S.  Flarianns,  wo  Lothar  III.  1133  das 
Osterfest  feierte,  für  Flaianum  =  Fiano  erklärte.  Wie  schon  Giesebrecht, 
Kaiserzeit  IV,  435  gezeigt  hat,  ist  wegen  Lothars  Reiseweg  an  Fiano  gar 
nicht  zu  denken.  Nach  einer  Bulle  Eugens  III.,  J.-L.  8991,  sei  vielmehr 
ein  Ort  bei  Viterbo  gemeint.  Das  ist  unzweifelhaft  richtig ;  doch  um  noch 
genauer  zu  sein,  würde  ich  sagen:  bei  Montefiascone,  denn  unmittelbar 
unter  des  'Flaschenberges  Höh'  liegt  die  schöne,  berühmte  Kirche  S.  Fla- 
viano,  neben  der  auch  ein  casah  et  burgus  S.  Flainani  sich  nachweisen 
lässt,  vgl.  z.  B.  die  Urkunden  bei  Campanari,  Tuscania  e  i  suoi  monumenti 
II,  103.  117.  In  dieser  Gegend  also  hatte  Lothar  sein  Lager  aufge- 
schlagen. Nachdem  die  Localität  seit  Papebroch  vergebens  gesucht  wurde, 
darf  ich  nun  vielleicht  den  Ausruf  auf  Fuggers  Grab,  eben  in  S.  Flaviano, 
mir  zu  Eigen  machen :  Est,  est,  est .'  Nur  weiss  ich  doch  aus  eigener  Er- 
fahrung, dass  man  um  Montefiascone  viel  Köstlicheres  findet,  als  die  Lö- 
sung eines  antiquarischen  Problems.  2)  Galletti,  Capena,  municipio  de' 
Romani  59.  3)  Galletti  1.  c.  62.  4)  Galletti  1.  c.  69.  Das  Stück,  in 
dem  von  Fiano  die  Rede  ist:  Nos  Nicolaus  —  monachus  S.  Pauli  kann 
nicht  unmittelbar  zu  der  vorausgehenden  Acte  von  1139  gehören.  5)  Es 
ist  mir  leider  nur  aus  der  folgenden  Urkunde  Heinrichs  XI.  bekannt; 
nach  Pflugk-Harttung,  Iter  80  und  nach  Bethmann  im  N.  A.  II,  360  scheint 
es  überhaupt  nicht  mehr  vorhanden  zu  sein.  6)  St.  5081.  Auch  die  ori- 
ginale Fassung  dieser  Urkunde  ist  uns  verloren ;  wir  kennen  sie  nur  aus  der 
datumlosen  Transsumierung  Karls  IV.  B.  H.  4730.  Cf.  Galletti  1.  c.  47. 
Was  Toeche,  Heinrich  VI,  690  Anm.  4  gegen  die  Echtheit  vorbrachte, 
hat  mich  nicht  überzeugt.  Wenn  er  den  ersten  der  Zeugen:  lohannes 
Tuscanae  ciritatis  episcopus  'unverständlich'  nennt,  so  hat  er  übersehen, 
dass  Johann,  Bischof  von  Toscanella,  der  im  .lalire  1189  zugleich  Cardinal- 
priester von  S.  demente  wurde,  in  päpstlichen  Bullen  zu  wiederholten 
Malen  beide  Titel  führt.  Auch  die  übrigen  Zeugen  sind  durchaus 
zeitgemäss. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     209 

gehört  der  Brief  Lothars,  den  er  nach  seiner  Kaiser- 
krönung und  wohl  auf  einem  seiner  Römerzüge  den  Fia- 
nesen  zugehen  Hess.  An  das  Kloster,  das  nun  schon  zum 
zweiten  Male  bei  ihm  geklagt  hatte,  wird  eine  Abschrift 
gesandt  sein :  so  ist  uns  der  Wortlaut  erhalten. 

Lothar  III.  befiehlt  nach  zweimaliger  Klage  der  Mön- 
che den  Bürgern  von  Fiano,  die  einer  anderen  Herr- 
schaft gehuldigt  haben,  dem  Kloster  sich  und  ihre 
Burg  zurückzugeben  und  Treue  zu  schwören. 

Lotharius  dei  gratia  Romanorum  Imperator  augustus 
universis  civibus  de  Flaiano  gratiam*^  suam  et  bonam  volun- 
tatem. 

Fratres  sancti  Pauli  altera  vice  nobis  conquesti  sunt, 
quia,  cum  ipsis  et  sancto  Paulo  pertineatis**,  alieno  dominio 
vos  subdidistis.  Quod  quantum  contra  vestram  salutem  et 
nostrum  honorem  sit,  ex  hoc  potestis  cognoscere,  quod  illa 
ecclesia  sub  imperiali  tuitione  tuta  et  tranquilla  solius  dei 
misericordia  pro  omnibus  orare  debet.  Precipimus  itaque 
vobis  sub  optentu  nostre  grati§,  quod  amodo  ipsis  et  sancto 
Paulo  vos  teneatis  atque  statim  post  acceptas  et  visas  lit- 
teras  vosmet  ipsos  cum  Castro  reddatis  et  fidelitatem  facia- 
tis.  Ita  enim  illius  apostoli  ac  doctoris  gentium  §cclesi^ 
alligati  sumus,  quod  illius  iustiti§  deesse  nequaquam  de- 
bemus.  Quod  nisi  feceritis  in  proximo,  imperialem  poenam 
sentietis.  Quodsi  inique  vos  gravari  calumniamini,  vos  una 
cum  nostro  nuntio  ad  nostram  audientiam  veniatis. 


S.  Pietro  in  Vincoli  und  S.  Gregorio  zu  Rom^. 

Aus  Bethmanns  Papieren  hat  Karl  Pertz  mitge- 
theilt-,  dass  S.  Pietro  in  Vincoli  einst  das  Archiv  der  late- 
ranensischen  Congregation  besass,  dass  sich  darin  fünf  Ur- 
kunden unserer  Kaiser  befanden.  Diese  sollten  jetzt  im 
römischen  Staatsarchiv  aufbewahrt  werden.  Da  aber  hat 
E.  Winkelmann  sie  vergebens  gesucht  ^ ;  sie  galten  für  ver- 
schollen. Der  Verlust  schien  um  so  beklagenswerther  zu 
sein,  als  Aussteller  und  Empfänger  ungenannt  blieben. 
Wüsste  man,  welchem  Kloster   der  Congregation   und  von 


a)  gratias  suas  et  bonas  voluntates.         b)  optineatis. 

1)  Ausnahmsweise  überschreibe  ich  den  Artikel  nicht  nach  den 
Empfängern,  sondern  nach  dem  Aufbewahrungsort.  Der  Grund  wird  den 
Lesern  klar  werden.        2)  N.  A.  II,  362.        3)  N.  A.  IH,  654. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  14 


210  Paul  Scheffer -Boichorst. 

welchem  Kaiser  die  fünf  Diplome  ertheilt  wurden,  so  Hesse 
sich  vielleicht  feststellen,  ob  sie  nicht  anderweitig  erhalten, 
ob  sie  nicht  etwa  schon  gedruckt  sind.  Hier  dienen  nun 
Bethmanns  Papiere  ^  selbst  als  Wegweiser.  Am  6.  April 
1853  schrieb  er  an  G.  H.  Pertz,  den  Hauptbestandtheil 
des  Archivs  von  S.  Pietro  in  Vincoli  bilde  das  Archiv  von 
S.  Catervio  in  Tolentino;  aber  damit  seien  auch  Urkunden 
aus  anderen  Klöstern  verbunden :  das  Ganze  stelle  den 
Rest  eines  Gesammtarchivs  der  lateranensischen  Congrega- 
tion  dar  - :  an  Kaiserurkunden  enthalte  es :  'ein  Original 
Heinrichs  III.  von  1046,  eine  Urkunde  Friedrichs  I.  für 
S.  Maria  in  Portu  und  drei  Urkunden  Friedrichs  II.' 

1047  muss  für  1046  gelesen  werden,  denn  zu  der  Ur- 
kunde, die  Heinrich  III.  am  17.  März  1047  der  Kirche 
S.  Catervio  gab  ^\  fügte  der  Herausgeber  hinzu  ^  sein  Text 
stamme    aus   dem  Original,  wovon  Bethmann   in   S.  Pietro 


1)  Es  ist  sehr  bedauerlich,  dass  Bethmanns  Briefe  nicht  für  die 
Ergänzung  seines  Reiseberichtes  verwerthet  worden  sind.  Bei  der  Ge- 
legenheit gebe  ich  genauere  Auskunft  über  St.  5054,  dem  eine  Mitthei- 
lung von  Pertz  zu  Grunde  lieg-t.  An  ihn  schrieb  Bethmann  unter  dem 
17.  August  1852,  dass  sich  in  einer  Privatbibliothek  zu  Capri  ein  Re- 
gister des  Archivs  der  dortigen  Certosa  von  1631  befinde.  Darin  seien 
verzeichnet : 

n.  487.  Donatio  Henrici  VI.  imperatoris  hospitali  S.  lohannis  Hiero- 
solymis  pro  salute  anime  sue  ac  genitoris  sui  et  felicitatis  consortis  sue 
et  illustris  filii  sui  Federici  de  castro  Guarnionis,  quod  assiguat  sacro 
hospitali  seu  fratri  Desigio  magistro  hospitalis  Baroli.     1197  Jan.  10. 

n.  488.     Donatio   facta   per   Robertum   de  Venusio   et de 

Frassineto,  iusticiarios  terrae  Bari,  pro  cousignando  castro  Guarnionis 
fratri  Desigio  seu  domo  hospitali  Baroli,  sicut  comes  Rogerius  Angriae 
illud  tempore  regis  Wilelmi  tenuei-at.     1197. 

Bethmann  schliesst :  'Noch  werden  zwei  Instrumente  von  1328  und 
1329  aufgeführt,  in  Neapel  caractere  Longohardico  geschrieben,  also  hat 
diese  Schrift  bis  ins  14.  Jh.  bestanden.  Die  Originale  sind  in  der  Certosa 
von  Neapel,  wo  auch  noch  andere  Kaiserurkunden  sind'.  Ueber  die 
Schenkung  Heinrichs  VI.  konnte  ich  dort  nichts  erfahren ;  ihrer  gedenkt 
Constanze  I.,  Winkelmann,  Acta  I,  66.  2)  Doch  sind  Urkunden  wenig- 
stens eines  Klosters  der  lateranensischen  Congregation  nicht  in  das 
Archiv  von  S.  Pietro  gekommen.  Pennotus,  General,  tot.  ord.  cleric. 
canon.  liist.,  Romae  1624,  p.  684  zeigt,  dass  1470  S.  Maria  zu  Bagnara 
—  nördlich  von  Scilla,  an  Meer  und  Bahn,  —  der  bessernden  Zucht  der 
lateranensischen  Oanoniker  sich  unterstellt  hat.  Nun  wird  das  Original 
einer  Urkunde  Friedrichs  II.  für  Bagnara,  die  Winkelmann,  Acta  I,  152 
aus  neuerer  Abschrift  druckte,  nach  gefälliger  Mittheilung  von  E.  Sackur 
im  Lateranarchiv  aufbewahrt,  und  in  ein  Bullarium  basilicae  Lateran,  ist, 
wie  Pflugk -  Harttung,  Iter  Italicum  79.  80  bemerkte,  auch  ein  päpstliches 
Diplom  für  Bagnara  eingetragen.  3)  In  der  Urkunde  heisst  die  Kirche 
s.  Salvatorls  in  vocabuh  s.  Mariae.  Vgl.  über  die  wechselnden  Namen 
von  S.  Catervio  Santini,  Saggio  di  mem.  della  cittä  di  Tolentino  93. 
4)  Stumpf,  Acta  652  n.  462. 


Urkunden  u.  Forschungen  z,  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     211 

eine  Abschrift  für  die  M.  G.  g-enommen  habe.  Ebendort- 
her  kennen  wir  eine  Urkunde  Friedrichs  I.  für  S.  Maria 
in  Portu  vom  Juni  1155  ^  Ferner  ist  zu  Drucken  zweier 
Privilegien,  durch  die  S.  Modesto  zu  Benevent,  auch  ein 
Xloster  der  lateranensischen  Congregation,  von  Friedrich  II. 
ausgezeichnet  wurde,  dieselbe  Provenienz  angegeben  -.  Es 
bleibt  das  fünfte  Diplom,  das  dritte  Friedrichs  II. 

St.  3721  lautet:  '1155  Friedrich  I.  für  die  Kirche 
S.  Catervius  zu  Tolentino.  Nach  Bethmauns  Mittheilung 
ex  arcMvio  conf/regafionis  Lateranensis  .  Also  zwei  Urkunden 
Friedrichs  I.,  während  doch  nur  von  der  einen  für  S.  Maria 
in  Portu  die  Rede  war!  Will  man  annehmen,  dass  in 
Bethmanns  Brief  'je  zwei  Urkunden  Friedrichs  I.  und  II.' 
zu  lesen  sei?  Ich  möchte  die  Frage  nicht  bejahen,  da  in 
den  Sammlungen  der  M.  G.,  welche  Bethmanns  Abschrift 
der  vier  nachgewiesenen  Urkunden  enthalten,  von  St.  3721 
keine  Spur  sich  findet.  Freilich,  auch  das  dritte  Diplom 
Friedrichs  II.  ist  darin  vergebens  gesucht  worden.  Doch 
hierfür  bietet  sich  mir  eine  Erklärung.  Eine  der  Urkun- 
den ist  am  6.  März  1223  ausgestellt.  In  einem  älteren 
Drucke  fehlt  das  Jahr,  steht  statt  März :  October,  dazu 
eine  andere  Indiction.  Und  doch  floss  auch  dieser  ganz 
fehlerhafte  Text  aus  den  Materialien  der  lateranensischen 
Congregation^.  Wahrscheinlich  sah  Bethmann  beide  Ueber- 
lieferungen.  Als  er  an  Pertz  schrieb,  hatte  er  die  Arbeit 
vielleicht  noch  nicht  beendet;  später  mag  er  die  Werth- 
losigkeit  des  einen  Stückes  erkannt  haben ;  nun  liess  er  es 
bei  Seite.  Aber  die  Nachricht  über  fünf  Kaiserurkunden 
war  einmal  an  den  Leiter  der  M.  G.  abgegangen^. 

So  streiche  ich  die  zweite  Urkunde  Friedrichs  I.,  die 
dritte  Friedrichs  II.,  ob  auch  Bedenken  bleiben;  dagegen 
zweifle  ich  keinen  Augenblick,  dass  St.  4935  einem  Irr- 
thume  seine  Existenz  verdankt.  In  Bethmanns  Reisebericht 
heisst  es,  dass  in  S.  Gregorio  das  Archiv  von  S.  Michele 
di  Murano  aufbewahrt  werde,  'darin  Kaiserurkunde  1195. 
13.  hol.  lun.' '"    'Ex  originali  archivii  S.  Michaelis  de  M^irano, 

1)  Ibid.  486  n.  341.  2)  Winkelmann,  Acta  I,  229.  288  n.  250.  817. 
3)  Ughelli,  Italia  sac.  VlII,  130  eben  aus  dem  Archiv  von  San  Modesto, 
das  1505  an  die  lateranensische  Congregation  gekommen  sei.  Hiernach 
Huillard  -  BrehoUes,  Hist.  dipl.  Frid.'sec.  VI,  913.  Da  Böhmer  die  Ur- 
kunde in  seinen  Regesten  nicht  aufgeführt  hatte,  konnte  Bethmann,  wie 
später  noch  E.  Winkelmann,  sie  für  ungedi-uckt  halten.  4)  Ueber  hand- 
schriftliche Sammlungen  von  Privilegien  der  Congregation  vgl.  Kehr  in 
den  Gott.  Nachrichten  1896  S.  301,  1897  S.  371.  5)  'Tnl'  ist  Schreib- 
lehler.  In  Bethmanns  Collation  und  in  Pabsts  Abschrift,  auf  die  ich 
zurückkomme:  'lun.' 

14* 


212  Paiü  Scheffer-Boichorst. 

iam  apiid  S.  Georgiwn  in  Urhe  servati',  schrieb  Bethmann 
unter  eine  Collation  für  die  M.  G.  Dieser  aber  legte  er 
zu  Grunde,  wie  er  selbst  angiebt :  Mittarelli,  Annal.  Camald. 
IV,  194,  d.  h.  eine  Urkunde,  die  den  Camaldulensern  von 
S.  Hippolito  und  Lorenzo  zu  Faenza  ertheilt  wurde  l  1195. 
13.  kal.  lun.  =  St.  4934.  Danach  ist  St.  4935:  'Heinrich  VI. 
bestätigt  dem  Camaldulenserkloster  S.  Michele  di  Murano 
seine  Rechte'  ein  Phantasiegebilde,  das  wohl  nie  entstan- 
den wäre,  wenn  nicht  die  Urkunde  für  S.  Hippolito  und 
Lorenzo,  d.  h.  für  ein  Glied  der  Congregation  von  S.  Mi- 
chele, in  dessen  Archiv  gelangt  wäre.  Uebrigens  ist  San 
Michele  erst  1212  gegründet  worden^;  und  natürlich  hat 
H.  Pabst,  der  nach  Bethmann  in  S.  Gregorio,  dem  dama- 
ligen Aufbewahrungsorte  des  Archivs  von  S.  Michele  ^  für 
die  M.  G.  arbeitete,  nur  St.  4934  gesehen,  nicht  auch 
4935.  Von  jener  Urkunde  besitzen  unsere  Sammlungen, 
neben  der  Collation  Bethmanns,  eine  Abschrift  Pabsts, 
von  dieser  Nichts,  weil  sie  nie  vorhanden  war  und  nie  vor- 
handen sein  konnte  ^. 


1)  Mittarelli  IV,  225.  Vgl,  dazu  die  Urkunden  Mittarelli  IV,  App. 
312.  313  n.  190.  191.  2)  Unsere  Urkunde  befindet  sich  jetzt  in  der 
Pariser  Nationalbibliothek,  Cod.  Nouv.  acquis.  lat.  2573,  vgl.  N.  A.  XXI, 
785.  Danach  wäre  sie  in  dem  alten,  von  Bethmann  auch  erwähnten  Car- 
tarium  des  Klosters  enthalten,  während  sie  in  dem  Reiseberichte,  wohl 
irrig,  unter  Anecd.  Camald.  D.  3  aufgeführt  ist.  Pabst  sagt:  'Aus  Mitta- 
rellis  Sammlungen'.  Anecd.  Camald.  D.  3  ist  freilich  nach  Bethmann 
eine  Sammlung  Mittarellis,  scheint  aber  nur  aus  Abschriften  zu  bestehen. 
3)  Wie  ich  hier  doch  bemerken  will,  ist  St.  5062  =  5064  a-,  das  erkennt 
man  aus  der  Vergleichung  der  Quellen,  deren  Inveges,  AnnaU  di  Palermo 
in,  498  für  5064a  sich  bediente;  danach  ist  auch  das  Tagesdatum  von 
5062  das  richtige.  —  B.  F.  305  =  B.  F.  W.  14630,  wo  man  Bullarimn  Vati- 
canuni  I,  154  statt  Lateranense  lese ;  die  Urkunde  selbst  habe  ich  im  N.  A. 
XX,  202  veröffentlicht.  —  B.  F.  1254  =  1274;  der  für  1254  angegebenen 
Quelle  folgend,  hat  F.  Güterbock  mir  eine  Abschrift  besorgt,  und 
die  Identität  mit  1274  trat  zu  Tage.  —  Dass  B.  F.  4744  und  4745  nur 
eine  Urkunde  ist,  davon  habe  ich  mich  in  Palermo  überzeugt.  —  Wieder 
der  Gref älligkeit  G  ü  t  e  r  b  o  c  k  s  ist  es  zu  danken,  dass  eine  angebliche 
Urkunde  Ottos  IV.  vom  30.  April  1210  als  die  schon  in  den  Regesten 
verzeichnete  vom  28.  Februar  1210  erkannt  werden  konnte.  Die  Abschrift, 
auf  welche  Kehr  in  den  Gott.  Nachrichten  1896,  S.  301  verwies,  trägt  die 
nicht  ins  Itinerar  passenden  Daten  Farenne  pr/'d.  kal.  Mali,  während  es 
in  der  Ueberlieferung,  auf  der  B.  F.  353  beruht,  richtig  heisst  prid.  kal.. 
Marcii.  Doch  hat  der  von  Kehr  gefundene  Text  andere  Vorzüge :  wir 
lernen  daraus  Recognoscent  und  Datar  kennen ;  zu  B.  F.  353  ergänze  mau 
Ego  Conradus  Spirensis  etc.  per  manus  Ghialterii  etc.  Ueberhaupt  bin 
i  c  h  Herrn  Kehr  für  seine  IVIittheilungen  immer  sehr  verbunden ;  ein 
Irrthum,  wie  der  nachgewiesene  oder  ein  anderer,  ja  ein  noch  schlimmerer,, 
kann  m.  E.  ihren  Werth  doch  nur  wenig-  mindern. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     213 

Edele  von  Sannazzaro  de'  Burgondi. 

St.  3998  giebt  ein  dürftiges  Regest.  Die  Urkunde 
war  vollständiger  gedruckt  in  der  Herren  Tettoni  e  Sala- 
dini,  Teatro  araldico  II.  s.  v.^,  und  danach  wurde  sie  jüngst 
wiederholt  von  G.  Gazzaniga,  Storia  di  Sannazzaro  de'  Bur- 
gondi  133.  Man  kann  aber  einen  besseren,  dazu  um  die 
Zeugen  vermehrten  Text  - —  wie  mich  E.  Schau s  belehrt 
hat  —  mit  Hülfe  einer  Deductionsschrift  des  Turiner  Ar- 
chivio  camerale  herstellen.  In  dessen  'Declaratorie  1780 
f.  272'  findet  sich  ein  Sommario  nella  causa  delli  signori 
conte  Gerolamo  Zoroastro,  vassallo,  Odoardo  e  conte  Fede- 
rico  Sannazaro,  convassalli  di  Giarole,  contro  la  comunitä 
di  esso  luogo.  S.  50  ist  unsere  Urkunde  gedruckt;  ihr 
Text  bringt  uns  allerdings  an  und  für  sich  keinen  Gewinn; 
aber  von  einer  Hand  des  vorigen  Jahrhunderts  sind  einige 
Fehler  verbessert  und  die  Zeugennamen  nachgetragen.  Da- 
bei hat  entweder  die  Urschrift  oder  eine  brauchbare  Copie 
ihre  Dienste  geleistet.  Auf  dieser  Grundlage  beruht  der 
Text,  den  ich  Herrn  Seh  aus  verdanke. 

In  demselben  Sommario  S.  52  fand  Sc  haus  auch 
ein  Bestätigung  Friedrichs  II.,  die  bisher  ganz  unbeachtet 
blieb.  Soweit  sie  einen  originalen  Wortlaut  hat,  lasse  ich 
sie  folgen.  Der  hier  nicht  gedruckte  Rest  ist  nur  eine 
Wiederholung  der  Urkunde  Friedrichs  I.  Wenige  Varian- 
ten, die  beide  Fassungen  von  einander  unterscheiden,  haben 
keine  Beachtung  verdient. 

Friedrich  I.  beschützt  in  Anbetracht  ihrer  Treue  und 
ihrer  grossen  Dienste  genannte  Ritter  von  Sannaz- 
zaro und  ihren  gesammten  Besitz;  bestätigt  ihnen 
alles    Eigen    und    Lehen,    dann    die    aufgeführten 


1)  In  dem  wunderlichen  Buche  II.  s.  v.  Mandelli  ist  auch  von 
einem  Privileg  Friedrichs  I.  für  Robaconte  und  Gruido  von  Mandello  die 
Rede.  Sie  waren  Söhne  des  Tazio,  des  Führers  und  Bannerträgers  der 
Mailänder,  der  1158  im  Kampf  gegen  die  Kaiserlichen  fiel.  In  einer  Hs. 
von  Rahe\vini  Gesta  Frid.  HI,  40  ed.  Waitz  171  heisst  er  Statins,  quem, 
iit  tunc  fama  fuerat,  regulum  sivper  se  creare  cogitaverant.  Da  wäre  es 
denn  nicht  unwichtig,  wenn  Friedrich  I.  bald  nachher,  noch  1158,  wie 
Tettoni  und  Saladini  behaujiten,  den  Söhnen  Tazios  ihr  väterliches  Lehen 
Maccagno  bestätigt  hätte.  Noch  sei  bemerkt,  dass  nach  Calchi,  Hist.  pa- 
triae ed.  1627  p.  206  Friedrich  I.  der  Familie  1160  ein  Privileg  verliehen 
hat  und  zwar  zu  Lodi,  wo  er  im  Aprü  des  Jahres  sich  aufhielt.  Diese 
Urkunden  hat  Stumpf  nicht  verzeichnet,  wohl  aber  einen  Schutzbrief  für 
den  Ort  Mandello  =  3847.  Auch  darüber  unterrichtet  uns  nur  Calchi 
1.  c.  190  in  dürftiger  Kürze.  Das  Buch  von  D.  Muoni,  La  famiglia  Man- 
delli, Milano  1877,  ist  hier  nicht  vorhanden. 


214  Paul  Scheffer-Boichorst. 

Hoheitsrechte,  wahrt  sich  aber  das  Fodrum;  will 
sie  wegen  der  Eegalien  nur  dem  Eeiche  verpflichtet 
und  in  Klagesachen  nur  vor  sich  oder  seinem  Boten 
belangt  wissen ;  ermächtigt  sie  zu  beliebigem  Burgen- 
bau auf  ihren  Besitzungen. 
1163  December  2,  Pavia. 

In   nomine   sancte   et   individue  trinitatis.     Federicus 
divina  favente  dementia  Romanorum  imperator. 

Cognoscant  universi  fideles  imperii  per  Italiam  con- 
stituti  presentes  et  futuri,  quod  nos  fidelium  nostrorum 
militum  de  Sancto  Nazario,  Widonis  scilicet,  Bulgondio- 
nis  ^,  Assaliti  et  Eaineri,  fidelitatem  pre  oculis  habentes  et 
magna  eorum  servitia  in  memoria  retinentes,  que  ipsi  cum 
detrimento  rerum  et  periculo  personarum  nobis  et  imperiO' 
frequenter  exhibuerunt,  tam  ipsos  quam  omnia  eis  perti- 
nentia  sub  nostram  tuitionem  et  defensionem  suscepimus 
et  omnia  eorum  allodia  ac  beneficia  ipsis  et  eorum  here- 
dibus  confirmamus.  Insuper  totum  districtum  et  regalia 
nostra,  sive  sint  theolonea  sive  pedagia  tam  in  aquis  quam 
in  terris,  et  placita  et  bannos  et  etiam  advocatias  eccle- 
siarum,  quas  in  imperio  nostro  iuste  habent,  et  plenam 
iurisdictionem,  quam  super  castra  et  curtes  et  villas  et  pos- 
sessiones  eorum  sive  in  terra  sive  in  aqua  possidemus  et 
habemus,  eis  et  eorum  heredibus  auctoritate  nostra  con- 
cessimus  et  confirmavimus  excepto  fodro  regali,  quod  ad 
manus  nostras  pro  servitio  imperii  retinuimus.  Statuentes 
quoque  firmiter  precipimus,  ut  nullus  de  cetero  predictos* 
fideles  nostros  in  suis  allodiis  vel  beneficiis  et  in  ceteris 
eorum  possessionibus  aliquo  modo  gravare  vel  molestare 
presumat,  et  ipsi  de  regalibus  nostris  nulli  de  cetero  re- 
spondeant  nisi  solummodo  nostre  maiestati,  cum  servitium 
personarum  et  rerum  nobis  de  ipsis  habere  placuerit.  Ad- 
iicimus  insuper,  ut  a  nullo  cogantur  in  causis  vel  aliquo 
placito  stare  nisi  ante  nostre  maiestatis  presentiam  vel 
nostrum  legatum,  quem  ad  hoc  direxerimus,  et  plenam 
babeant  potestatem  edificandi  castrum  ubicumque  volue- 
rint  in  possessionibus  eorum.  Quod  quidem  ut  verius  cre- 
datur  eisque  inviolatum  omni  tempore  servetur,  presentem 
paginam  scribi  et  sigilli  nostri  impressione  iniunximus  pre- 


a)  Fehlt  hier,  nicht  aber  in  der  "Wiederholung  Friedrichs  II. 

1)  In  Oberti  Annal.  lanuens.  MGr.  SS.  XIX,  58  heisst  es  Burgonzus 
de  S.  Nazario;  er  war  einer  der  Gesandten,  die  Friedrich  I.  1164  an  Ba- 
reso von  Arborea  schickte. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     215 

muüiri.  Preterea  sicnt  ea,  que  nunc  prenominati  fideles 
uostri  in  regalibus  nostris  habent,  eis  plene  donavimus,  et 
que  de  cetero  legitime  adepti  fuerint,  concessimus  et  in- 
tegre donavimus. 

Huius  rei  testes  sunt  Conradus  Magontinus  arcliiepi- 
scopus,  Hermanus  Verdensis  episcopus,  Hermanus  Erfel- 
densis  abbas,  Henricus  curie  protonotarius,  Otto  palatinus 
comes  de  Vitelinespac^,  Burcardns  prefectus  Magdebur- 
gensis,  comes  Gebard us  de  Lucemberg,  comes  Marcvardus 
de  Grombac,  Enricus  mariscalcus. 

Signum  Federici  Romanorum  imperatoris  invictissimi. 

Ego  Cristianus  cancellarius  vice  Reinaldi  Coloniensis 
archiepiscopi  et  Italie  archicancellarii  recognovi. 

Acta  sunt  hec  anno  dominice  incarnationis  1163,  in- 
dictione  undecima,  regnante  domino  Federico  Romanorum 
imperatore  gloriosissimo  anno  regni  eins  11,  imperii  vero 
octavo.     Datum  Papie  quarto  Nonas  Decembris. 

Friedrich  II.  bestätigt  genannten  Rittern  von  Sannaz- 
zaro  die   Urkunde  Friedrichs  I. 
1219  September  13,  Hagenau. 

Federicus  divina  favente  dementia  Romanorum  rex 
semper  augustus  et  rex  Sicilie. 

lustitia  exigit  et  ratio  postulat,  ut  nostra  regia  benignitas 
iustis  precibus  et  votis  fidelium  aures  suas  benigne  accomodet, 
illorum  precipue,  quorum  studio,  quorum  labore,  quorum  etiam 
fidelitate  honor  et  gloria  imperii  quotidie  augmentantur  et  ad 
pristine  dignitatis  nitorem  cum  sua  plenitudine  reformantur. 
Eapropter  cognoscant  universi  fideles  imperii  per  Italiam  constituti  presen- 
tes  et  fiituri,  quod  nos  fidelium  nostrorum  militum  de  Sancto  Xazario,  Assa- 
liti  videlicet  et  filiorum  eins ;  Guidonis  Rainerii,  Burgondi, 
Gulielmi  et  Conradi  fratrum,  filiorum  quondam  Raineri; 
Norandi,  Conradi  et  Assaliti  fratrum,  filiorum  quondam 
Guidonis ;  Bonifacii,  Henrici  et  Raineri  atque  Burgondi 
fratrum,  filiorum  quondam  Assaliti,  et  nepotum  eorum, 
fidelitatem  pre  oculis  habentes  et  magna  eorum  et  antecessorum  sive 
maiorum  eorum  defunctorum  servitia  in  memoria  retinentes,  que 
ipsi  cum  detrimento  rerum  et  periculo  personarum  nobis  et  felicis  me- 
morie  avo  et  patri  nostro  et^  imperio  exhibuerint,  tarn  ipsos  quam 
eorum  omnia  pertinentia  eis  sub  nostra  tuitione  et  defensione  suscepimus 
u.  s.  iv.,  ivie  in  der   Url'unde  Friedrichs  I. 

Datum  apud  Agenowe  etc.'' 

a)  Vitelinus  Parc.  b)  Fehlt.  c)  Das  Datum  1219  Settembre  13 
steht  an  der  Spitze  des  Textes;  wie  die  originale  Fassung  lautete,  lässt 
sich  nicht  sagen. 


216  Paul  Scheffer-Boichorst. 

Erben  des  Murico  von  Siponto. 

In  dem  Liber  plegiorum,  einem  werthvollen  Codex 
des  Staatsarchives  zu  Venedig,  findet  sich  auf  Seite  100* 
ein  Schreiben  Konrads  IV.,  das  den  Bearbeitern  der  E,e- 
gesten  entgang-en  ist.  Einen  Auszug  hatte  Predelli,  II  libro 
communis,  detto  anche  plegiorum  171  Nr.  722  mitgetheilt. 
Darauf  machte  mich  W.  Lenel  aufmerksam;  derselbe 
junge  Freund  vermittelte  mir  auch  eine  Abschrift,  die 
Herr  Predelli  besorgte. 

Konrad  IV.  ersucht  den  Rainer  Zeno,  Dogen  von 
Venedig,  dafür  Sorge  zu  tragen,  dass  dem  Lorenzo 
von  S.  Giovanni  Rotondo,  dem  Bevollmächtigten 
der  Erben,  jene  392  Unzen  Goldes,  die  Murico 
durch  lacopo  von  Florenz  bei  Marco  Corner  hinter- 
legt hat,  ohne  weiteren  Verzug  gezahlt  werden. 
1253  April  11,  Incoronata. 

Conradus  dei  gratia  Romanorum  in  regem  electus 
semper  augustus,  lerusalem  et  Sicilie  rex  Rainerio  Zeno 
duci  Venetiarum,  devoto  suo,  gratiam  suam  et  omne  bonvim. 

Cum  Paula,  uxor  quondam  Murici  de  Sjponto,  Petrus 
et  lacoba,  filii  et  heredes  eiusdem  Murici,  fideles  nostri, 
constituerint  procuratorem  suum  Laurencium  de  sancto 
lohanne  Rotundo,  fidelem  nostrum,  ad  exigendum  et  reci- 
piendum  uncias  auri  trecentas  nonaginta  duas,  depositas 
per  lacobum  de  Florentia  nomine  dicti  Murici  apud  Mar- 
cum  Cornarium  civem  Venetiarum,  sicut  per  instrumenta 
de  procuratione  ipsa  cum  iuris  soUempnitate  confecta  ple- 
narie  celsitudini  nostre  constat,  devotionem  tuam  tenore 
presentium  duximus  requirendam  ortantes  attentius,  quati- 
nus  prefato  procuratori  loco  et  nomine  dictorum  nostrorum 
fidelium  de  quantitate  predicte  pecunie  per  prefatum  Mar- 
cum  satisfieri  facias,  sciturus,  quod  gratissimum  erit  excel- 
lentie  nostre,  si  dicti  fideles  nostri  pro  recuperanda  dicta 
pecunia  non  graventur  ulterius  laboribus  et  expensis,  et 
celsitudo  nostra  proinde  litterarum  inculcatione  nullatenus 
fatigetur. 

Datum  aput  Coronatam  11.  Aprelis,  11.  indictione. 

S.  Maria  maggiore  zu  Spello. 

Auf  das  Original  im  Archiv  der  Kanoniker  hat  Maz- 
zatinti,  Gli  archivi  della  storia  d'Italia  I,  30  die  Auf- 
merksamkeit   gelenkt.     In  dem  liebenswürdigen  Entgegen- 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     217 

kommen,  das  ihn   auszeichnet,  hat   mich  dann  F.  Güter- 
bock durch  eine  Abschrift  erfreut. 

Heinrich  VI.  beschützt  das  Kanonikat,  den  Prior  und 
die  Kanoniker  mit  ihrem  Besitze;  befreit  sie,  ihre 
Kirchen  und  Leute  von  städtischen,  gräflichen  und 
weiteren  Auflagen ;  befiehlt  den  Consuln  von  Spello, 
Assisi,  Foligno  und  Bevagna,  den  Klagen  des  Priors, 
der  Kanoniker  und  der  Geistlichen,  deren  Kirchen 
zum  Kanonikat  gehören,  in  Monatsfrist  gerecht  zu 
werden;  ermächtigt  die  Kläger,  sich  in  den  Besitz 
eines  Streitobjects  zu  setzen,  wenn  der  Verklagte 
sich  nicht  stellt;  verbietet,  Kanoniker  und  Geist- 
liche ohne  Zustimmung  des  Priors  und  der  Kano- 
niker zu  ernennen. 

1187  Februar  9,  Foligno. 

Heinricus  sextus  divina  favente  dementia  ßomanorum 
rex  augustus. 

Creditum  nobis  a  deo  regle  dignitatis  officium  nostram 
ammonet  sollicitudinem,  ut  ecclesias  dei  et  ecclesiasticas 
personas  pio  benignitatis  nostre  favore  clementer  respicien- 
tes  contra  iniquas  infestantium  importunitates  tuitionis 
nostre  patrocinium  ipsis  apponere  studeamus.  Eapropter 
notum  facimus  universis  imperii  fidelibus,  tam  presentibus 
quam  futuris,  quod  nos  intuitu  eterne  retributionis  canoni- 
cam  beate  Marie  de  Spello,  priorem  et  fratres,  tam  pre- 
sentes  quam  eorum  successores,  cum  omnibus  ecclesiis  bonis 
ac  possessionibus,  quas  in  presentiarum  habent  vel  in  poste- 
rum  auctore  deo  iusto  acquisitionis  titulo  poterunt  adipisci, 
in  nostre  protectionis  defensionem  recepimus.  Ipsam  quoque 
canonicam  cum  ecclesiis  suis,  cum  canonicis,  clericis  eorumque 
familiis,  que  videlicet  in  ipsorum  domibus  cum  eis  manen- 
tes  necessaria  ipsis  amministrant,  cum  cunctis  etiam  pos- 
sessionibus suis  ab  omnibus  exactionibus,  datis  et  collectis, 
angariis  et  perangariis  consulum,  potestatum  et  commu- 
nium,  comitum,  capitaneorum,  nobilium  et  valvassoruni 
liberam  reddimus  et  penitus  absolutam.  Consulibus  itaque 
et  potestati  Spellensium,  Assisiensium,  Fulgineorum  et  Be- 
vaniensium  tam  presentibus  quam  futuris  in  perpetuum 
districte  per  gratiam  nostram  et  sub  debito  fidelitatis  pre- 
cipiendo  mandamus,  ut  de  omnibus  querimoniis,  quas  prior 
vel  canonici  Spellensis  ecclesie  prenominate  vel  clerici  eccle- 
siarum  suarum  ipsis  proponere  voluerint,  infra  unmn  mensem 
plenam  eis  faciant  iusticiam.  Quodsi  forte  adversarii  eorum 
ad  rationem  venire  contempserint,  ipsi  prior  et  canonici  et 


218  Paul  Scheffer-Boicliorst. 

ecclesiarum  suarum  clerici  nostra  auctoritate  possessionem  in- 
grediantur  de  proprietate  postmodum  responsuri.  Sub  pena 
etiam  banni  nostri  et  sub  pena,  que  infra  determinabitur, 
probibemus,  ut  nullns  hominum,  iieque  clericus  neque  lai- 
cus,  in  canonicam  beate  Marie  Spellensis  vel  in  aliquam 
eins  ecclesiam  ullam  personam  imponere  audeat  sine  con- 
sensu  et  vohintate  prioris  et  canonicorum.  Statnimus  ita- 
que  et  regia  auctoritate  precipimus,  nt  nnlla  oinnino 
bumilis  vel  alta,  secnlaris  vel  ecclesiastica  persona  predic- 
tam  canonicam,  prioreni,  fratres  vel  eorum  ecclesias,  bona 
aut  possessiones  contra  hanc  maiestatis  nostre  protectioneui 
molestare  vel  iuvadere  audeat  aut  presentem  constitutionis 
nostre  paginam  in  aliquo  violare.  Quod  qui  facere  pre- 
sumpserit,  10  librarum  auri  puri  pena  plectatur,  quarum 
medietas  camere  nostre,  reliqua  iniuriam  passis  persolvatur. 

Huius  rei  testes  sunt  Anseimus  Fulgineus  episcopus, 
Rüdolfus  imperialis  aule  protlionotarius,  ßenerius  abbas 
sancti  Petri  de  Bovario,  prefectus  urbis  Petrus,  Cünradus 
dux  Spoleti,  Henricus  Testa  marscalcus,  Ido  Terdonensis, 
Syrus  Salienbene,  Lutherius  de  Sancto  Genesio,  regalis  aule 
iudices,  et  alii  quam  plures. 

Datum  Fulginei  anno  dominice  incarnationis  1187, 
indictione  5,  5.  idus  Februarii. 

S.  Lucia  zu  Sjrakus. 
Die  Kirche  gehörte  den  Bischöfen  von  Cefalü,  wie 
gross  auch  die  Entfernung  war.  Danach  kann  man  sich 
nicht  wundern,  bei  Pirro,  Sicilia  sacra  I,  655  ed.  3*^  zu 
lesen,  Heinrich  VI.  habe  am  10.  März  1196^  auf  Bitten 
des  Bischofs  Johann  von  Cefalü  alle  Güter  und  Gebiete 
des  Klosters  S.  Lucia  umschrieben.  Sicher  ist  Heinrich 
denn  auch  bemüht  gewesen,  dem  Bischof  zu  seinem  Rechte 
über  S.  Lucia  zu  verhelfen ;  er  hat  Befehl  ertheilt,  den  Zu- 
behörungen  von  S.  Lucia  nachzuforschen  und  sie  aufzu- 
zeichnen; aber  man  würde  fehlgreifen,  wenn  man  zum 
10.  März  1196,  nach  der  Angabe  Pirros,  eine  Aufzählung 
der  Besitzungen  von  S.  Lucia  den  Regesten  Heinrichs  ein- 
reihen wollte.  Denn  gerade  am  10.  März  1196,  während 
Heinrich  in  Deutschland  weilte  -,  haben  seine  Beauftrag- 
ten zu  Syrakus  den  Wünschen  Johanns  von  Cefalü  ent- 
sprochen. 

1)  Pirro:  dat.  10  Martii  14  Ind.  1195.  Die  Indiction  und  meine 
folgenden  Ausführungen  berichtigen  die  Jahresangabe  Pirros.  2)  Darum 
heisst  es  wohl  in  der  Einleitung :  residente  feliciter  in  palatio  suo  Panormi 
domina  nostra  Constantia. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     219 

Die  betreffende  Urkunde,  welche  den  Irrthum  Pirros 
erklärt,  zugleich  aber  auch  von  der  erwähnten  Thätigkeit 
Heinrichs  VI.  Zeugnis  giebt,  findet  sich  in  dem  Codex  der 
Communalbibliothek  zu  Palermo  Qq.  F.  69  f.  337.  Da  be- 
richten, wie  gesagt:  am  10,  März  1196^,  Wilhelm  Malcou- 
verat,  Grossjustitiar  des  kaiserlichen  Hofes  -,  und  Roger 
Busello,  Justitiar  von  Val  di  Noto : 

Cum  essemus  Syracusis  pro  imperialibus  serviciis  exer- 
cendis,  dominus  lohannes  venerabilis  Chepaludensis  episco- 
pus  imperiales  litteras  nobis  presentavit,  ut  de  divisis  casa- 
lium  ecclesiae  S.  Luciae  de  Syracusis  inquireremus  de- 
signanter  (?)  et  eidem  ecclesiae  assignari  faceremus,  ut  eius- 
dem  episcopi  ecclesia  Cephaludensis  non  posset  exinde  fati- 
gari  vel  molestari,  similiter  de  domibus  ipsius  ecclesiae 
S.  Luciae,  quae  burgensibus  Syracusanis  ab  ipsis  villanis 
venditae  dicebantur. 

Den  weiteren  Wortlaut  der  Urkunde  brauche  ich  nicht 
mitzutheilen.  Für  mich  handelt  es  sich  nvir  um  die  An- 
theilnahme  Heinrichs  VI. 


Hofvicariat  Bischof  Jakobs  I.  von  Turin. 

Die  beiden  Bestallungen  fand  H.  Bloch  in  einem 
Notariatsinstrument  vom  7.  Mai  1225,  welches  das  Capitel- 
archiv  zu  Vercelli  besitzt.  Es  würde  ihnen  ein  Platz  in 
den  Constitutiones  et  acta  publica  gebührt  haben;  doch 
sind  sie  erst  nach  dem  Erscheinen  des  betreffenden  Bandes 
zu  Tag  gefördert  worden. 

In  der  ersten  unserer  Urkunden  werden  die  Befug- 
nisse des  neuen  Hofvicars  beschrieben.  Sie  sind  viel  um- 
fangreicher, als  diejenigen,  die  sich  für  die  früheren  Col- 
legen  Jakobs  nachweisen  lassen.  Sein  nächster  Vorgänger, 
Friedrich  von  Trient,  war  zugleich  Legat  gewesen  und  ver- 
fügte als  solcher  über  grössere  Macht.  Auch  Jakob  heisst 
vereinzelt  Legat,  und  in  der  That  würde  das  Amt  eines 
Legaten  'seiner  nächsten  Verwendung  besser  entsprochen 
haben' ^• 

Am  28.  August  1218  war  Jakob  ernannt  worden;  am 


1)  Zu  Anfang  nur  1196  März  ind.  14,  am  Schlüsse  aber  10.  März 
ind.  14.  2)  Er  nennt  sich  Guilelmus  Malconverat  magnae  imperialis 
curiae  magister  insUtiarius.  Das  erwähne  ich  in  Hinsicht  auf  Ficker, 
Forschungen  zur  Reichs-  und  Rechtsgesch.  Italiens  I,  351.  352.  III,  417. 
Noch  unter  Constanze  I.,  im  Mai  1198,  ist  Wilhelm  Grosshofjustitiar, 
ß.  F.  W.  12158.  Doch  heisst  er  hier  Malconvenant,  ebenso  12271.  3)  Ficker, 
Forschungen  zur  Reichs-  und  Rechtsgesch.  Italiens  I,  340. 


220  Paul  Scheffer-Boichorst. 

17.  April  1220  erhielt  Italien  in  der  Person  des  Hofkanz- 
lers  Konrad  einen  Generallegaten  ^.  Nun  trat  der  Hofviear 
immer  mehr  zurück.  Als  Zeug-e  heisst  er  zumeist  einfach 
Bischof  von  Turin '-.  Die  Verdrängung  scheint  er  aber 
empfunden  U7id  Schritte  dagegen  unternommen  zu  haben. 
Die  Folge  -würde  die  zweite  unserer  Urkunden  gewesen 
sein:  darin  bestätigte  der  Kaiser  am  24.  November  1220 
dem  Bischöfe  das  ihm  früher  verliehene  Vicariat  in  vollem 
Umfange,  mit  der  Bestimmung,  dass  Privilegien,  die  ein 
Anderer  erhalten  hätte  oder  erhalten  würde,  seinen  Befug- 
nissen keinen  Eintrag  thun  sollten.  Dennoch  heisst  er  in 
den  nächst  folgenden  Urkunden  Friedrichs  II.  immer  nur 
Bischof  von  Turin  ^.  Dann  erlässt  er  allerdings  als  Hofviear 
am  5.  Januar  1221  einen  Befehl,  von  gewissen  Urkunden 
Abschriften  anzufertigen^;  aber  mit  gutem  Grunde  hat 
man  vermuthet,  dass  er  hier  nur  den  Generallegaten  ver- 
treten habe^  Auch  am  25.  Februar  scheint  er  lediglich 
in  dessen  Auftrag  zu  handeln,  wenn  auch  unter  dem  Titel 
eines  Hofvicars'\  Schwerlich  hat  die  Bestätigung  vom 
24.  November  1220  reale  Bedeutung  gehabt ''. 

Friedrich   II.    ernennt    seinen    hochbelobten   Bischof 
Jakob  zum  Hofviear,  verleiht  ihm  die  aufgeführten, 
umfassenden  Befugnisse  und  ermahnt  alle  Getreuen, 
dem  Vicar  zu  gehorchen. 
1218  August  28,  Ulm. 

In  nomine  sancte  et  individue  trinitatis.  Fredericus 
secundus  divin a  favente  clemencia  Romanorum  rex  semper 
augustus  et  rex  Sicilie  imperpetuum. 

Quanto  efficacius  ex  habundancia  regie  benivolencie 
ad  fidelium  nostrorum  exaltacionem  necnon  imperii  promo- 


1)  B.  F.  1101.  2)  B.  F.  W.  12629.  36.  37.  Dann  in  einem  Xo- 
tariatsinstrument  allerdings  Hofviear  12638.  3)  B.  F.  1211.  28.  29.  33. 
36.  39.  40.  42.  4)  B.  F.  W.  12659.  5)  Ficker  a.  a.  0. 1, 341.  6)  B.  F.  W. 
12682.  Hier  ist  doch  gewiss  zu  lesen  in  j)resencia  lacobi  Taurinensis  epi- 
scopi  et  impeHalis  ende  vicarii  a  dorn.  Conrado  Mettensi  et  Spirensi  epi- 
scopo,  cancellar/'o  imperii  et  Italie  legato,  delegati  et  in  presencia  episcopi 
Mantoani  ab  eodein  canc^llario  et  Italie  legato  deUgati.  7)  Noch  1226 
nennt  sich  Jakob  I.  imperialis  aule  vicarius,  aber  er  handelt  da  nicht  in 
Heichsangelegenheiten.  Savio,  Gli  antichi  vescovi  di  jTorino  116.  117  be- 
zieht die  Urkunde  auf  Jakob  II.,  der  gleich  seinem  Vorgänger  im  Bisthum 
auch  mit  dem  Hofvicariat  belehnt  worden  sei.  Dafür  entbehre  ich  Be- 
lege, und  was  mehr  sagen  will :  nach  Ficker  a.  a.  0.  342  fehlte,  bei  der 
nun  völlig  geänderten  Sachlage,  auch  jedes  Bedürfnis,  Jakob  I.  'einen 
Nachfolger  zu  geben',  d.  h.  das  Amt  des  Hofvicariats  überhaupt  noch 
fortzuführen. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     221 

cionem  inclinamur,  tanto  evidencius  uostris  videmur  utili- 
tatibus  intendere  et  benemeritorum  circa  regiam  maiesta- 
tem  recoguoscere  devocionem.  Cum  autem  propter  diversi- 
tatem  agendorum  imperii  nostri  singulis  imperii  fidelibus 
necesse  [sit*^]  siugula  committere  negocia  pertractanda,  ut 
quod   nos   preseutialiter    exequi   nee  volmnus  nee  valemus, 

eorum   industria   per[tractetur]  ^ g  .  .  .  .   [vacjante 

potencia  et  auctoritate,  talibus  ex  innata  nobis  circumspec- 
tionis  affluencia  vices  nostras  volumus  ac  debemus  commit- 
tere, qui  usque  modo  in  fide[litate] ope  .  .  .  .  t 

efficaces.  Considerata  igitur  diligencius  et  recognita  hone- 
state,  peritia,  maturitate  et  sincere  circa  regiam  eminenciam 
fidei  integritate  dilecti  et  familiaris  nostri  lacobi  venera- 
bilis  Taurinensis  episcopi,  ad  notitiam  presencium  et  me- 
moriam  futurorum  volumus  pervenire,  quod  nos  de  [propria] 
voluntate  nostra,  habito  principum  et  baronum  nostrorum 
consilio,  eidem  episcopo  imperialis  curie  commisimus  vica- 
riam,  constituentes  eum  nostrum  vicarium  atque  ad  offi- 
cium necnon  dignitatem  vicarie  nostre  omnibus  civitatibus, 
oppidis,  castris,  monasteriis,  ecclesiis  ac  villis  singulisque 
imperii  fidelibus  ipsum  offerentes.  Damus  eciam  eidem 
vicario  nostro  liberam  facultatem  vice  nostra,  ut  liceat  ei 
singulos  quosque,  tam  magnos  et  parvos  quam  mediocres, 
universitates  quoque  et  communia  civitatum  aliorumque 
omnium  locorum,  ad  causas  citare,  questiones  et  causas 
nniversas  libere  examinare  et  diffinire,  sentencias  nniversa- 
liter  execucioni  mandare,  possessiones  contra  contumaces 
dare,  contumaces  bannire  et  alias  punire  iniusteque  a  quo- 
cumque  bannitos  absolvere.  Ad  hec  eidem  liberam  con- 
cedimus  facultatem,  ut  tutoribus  et  curatoribus  dandis  et 
emancipationibus  atque  adoptionibus '^  et  insinuacionibus 
inmensarum  donacionum  faciendis  vice  nostra  possit  aucto- 
ritatem  prestare.  Et  quecumque  alia,  que  ad  officium  et 
dignitatem  imperialis  vicarie  spectare  videntur,  conferimus 
eidem  ita,  ut  ea  libere  et  generaliter  vice  et  auctoritate 
nostra  ubique  exequi  valeat,  ratum  quod  in  his  fecerit  per- 
petuo  habituri.  Quare  universis  imperii  fidelibus  manda- 
nius  per  gratiam  uostram  firmiter  iniungentes,  quatenus 
eidem  episcopo  vicario  nostro  tam  de  predictis  omnibus 
quam  de  aliis,  que  ad  vicarie  dignitatem  pertinere  dino- 
scuntur,  in  integrum  respondere  curetis  omni  occasione  et 
recusacione  cessante.     Si  quis   autem    contra  ordinacionem 


a)  Keine  Lücke.         b)  Was  hier  und  im  Folgenden  eingeklammert 
ist,  war  nicht  mit  Sicherheit  zu  lesen.         c)  adocionibus. 


222  Paul  SchefEer-Boichorst. 

et  constitucionem  iiostram  in  aliquo  presumpserit  contraire, 
offensam  nostram  et  imperii  se  iioverit  incurrisse.  Ad  huius 
igitur  rei  evidenciam,  robur  atque  memoriam  perpetuam- 
que  observanciam  hoc  scriptum  sibi  indulsimus  sigillo  reg'ie 
maiestatis  communitum. 

Hü  sunt  testes :  episcopus  Lausanensis,  Hanricus  Basi- 
liensis  episcopus,  Cbüno  Fuldensis  et  Eluuacensis'*  abbas, 
comes  ßurchardus  de  Manesuelt,  comes  Hermannus  de 
Harzburch*^,  Hanricus  Constantiensis  maior  prepositus  re- 
galis  aule  prothonotarius  et  Eberhardus  de  Tanne,  frater 
eins,  comes  ülricus  de  Helfenstein,  Anshelmus  de  lustin- 
gen  imjDerialis  aule  marscalcus,  E-ichardus  privatus  domini 
regis  cainerarius  et  alii  quam  plures. 

Ego  Cbunradus  Metensis  et  Spirensis  episcopus  impe- 
rialis  aule  cancellarius  vidi  et  recognovi. 

Datum  apud  ülmam  anno  ab  incarnacione  domini 
nostri  lesu  Christi  1218  sexte  indictionis,  quinto  kalendas 
Septembris,  feliciter. 


Friedrich  II.  bestätigt  in  Anerkennung  der  geleisteten 
und  in  Erwartung  fernerer  Dienste  dem  Bischof 
Jakob  das  Vicariat,  in  dessen  Ausübung  ihn  kein 
entgegenlautendes  Privileg  hindern  soll. 

1220  November  24,  bei  Eom. 

Fredericus  secundus  divina  favente  dementia  Roma- 
norum imperator  semper  augustus  et  rex  Sicilie  universis 
imperii  fidelibus,  ad  quos  presens  scriptum  pervenerit,  gra- 
ciam  suam  et  bonam  voluntatem. 

Universitati  vestre  facimus  manifestum,  quod  nos  at- 
tendentes  sinceram  fidem  et  grata  obsequia,  que  fidelis 
noster  lacobus  venerabilis  episcopus  Taurinensis  nobis  exi- 
buit  et  que  deo  propitio  nobis  exibere  poterit  in  futurum, 
Privilegium  vicarie  condam  a  nobis  concessum  imperial! 
auctoritate  duximus  in  omnibus  confirmandum,  nullis  lit- 
teris  vel  privilegiis  alicui  a  nostra  serenitate  concessis  ob- 
stantibus  nee  etiam  concedendis,  cum  confirmationem  huius- 
modi  ex  certa  scientia  faciamus. 

Datum  in  castris  apud  Urbem  [anno  dominice  incar- 
nationis'']  millesimo  220,  8.  kalendis  Decembris,  indictione  9. 


a)  Harhbiirch,        b)  Cluuacensis.         c)  Keine  Lücke. 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     223 

S.  Sisto  zu  Viterbo. 
Die  Societä  Napoletana  di  storia  patria  besitzt,  wie 
Capasso  in  seinem  Verzeichnis  ihrer  Urkunden  angegeben 
hat  ^,  auch  das  Original  der  folgenden.  Capasso  fügt  hinzu : 
d'ignota  provenienza.  Doch  ergiebt  sich  die  Herkunft  aus 
J.  L.  13125,  d.  h.  aus  einem  ungedruckten  Privileg,  das  nach 
Mittheilung  Kehrs  die  Kirche  S.  Sisto  in  Viterbo  erhielt: 
es  gehörte  zu  der  Urkundensammlung  einer  Familie  Fusco, 
die  auch  unser  Diplom  besass-. 

Heinrich  VI.  beschützt  die  Kirche  und  sichert  sie  gegen 
ungerechte  Forderungen  und  gegen  alle  Gewohn- 
heiten, die  den  Gesetzen  und  der  Vernunft  wider- 
sprechen. 

1196  October  23,  Montefiascone. 

Henricus   sextus  dei  gratia  Eomanorum  Imperator  et 
Sicilie  rex  et  semper  augustus. 

Divinis  et  salutaribus  sacrarum  scripturarum  ammo- 
nemur  eloquiis,  ecclesiaruni  dei  tuitioni  et  securitati  cle- 
menter intendere,  ut  et  eterne  beatitudinis  premium  et 
temporalis  imperii  prosperiorem  decursum  exinde  mereamur 
feliciter  obtinere.  Noverit  igitur  omnium  presentium  im- 
perii fidelium  etas  et  successura  posteritas,  quod  nos  pro 
Salute  anime  nostre  et  parentum  nostrorum  te  Petrum  et 
personas  fratrum  tuorum  et  ecclesiam  sancti  Sixti,  cui  pre- 
esse  dignosceris,  cum  omnibus  possessionibus  suis,  quas  in 
presenti  habet  aut  inposterum  iusto  acquisitionis  titulo 
poterit  adipisci,  in  nostre  protectionis  defensionem  recepi- 
mus.  Statuimus  itaque  et  imperialis  edicti  vigore  districte 
precipimus,  ut  nullus  dux,  nullus  com  es,  nulla  civitas, 
nullus  consul,  nullum  commune,  nulla  potestas,  nulla  deni- 
que  humilis  vel  alta,  secularis  vel  ecclesiastica  persona 
prenominatam  ecclesiam,  clericos  et  eins  homines  in  per- 
sonis  aut  in  rebus  molestare  audeat  vel  quamcunque  ab 
eis  indebitam  exactionem,  datam,  collectam,  angarias  in- 
iustas  seu  perangarias  extorquere.  Volumus  etiam,  ut  ali- 
qua  consuetudo  legibus  et  rationi  contraria  iustitie  ecclesie 
prenominate  preiudicare  non  possit.  Quod  si  quis  facere 
presumpserit,  in  ultionem  temeritatis  sue  10  libras  auri 
puri  componat,  dimidium  camere  nostre,  reliquum  ecclesie 
iniuriam  passe,    et   post   penam  solutam  hec  nostra  consti- 

1)  Archivio  stör.  Napol.  XII,  436.  2)  Gegen  Pflugk  -  Harttung 

Eter  Itai.  896  bemerke  ich :  wenn  es  ein  Kloster  S.  Sisto  zu  Neapel  ge- 
geben hätte,  so  würde  es  der  Verfasser  des  Catalogo  di  tutti  gli  edifizi 
sacri  della  cittä  di  Napoli  im  Archivio  1.  c.  VIII,  730  genannt  haben. 


224        •  Paul  Scheffer-Boichorst. 

tutio  nichilominus  imperpetuum  firma  permaneat.  Ad 
horum  autem  omnium  evidentiam  presenteui  paginam  con- 
scribi  iussimus  et  sigillo  nostro  cominuniri. 

Datum  apud  Montem  Flasconem  anno  domini  1196, 
indictione  15,   10.  kal.  Novembris. 

Regesten   ungedruckter  Urkunden  der  Kaiserin 

Constanze. 

Die  Quellen  für  manche  der  folgenden  Urkunden  hat 
E. Winkelmann  nachgewiesen  ^.  Seine  kurzen  Notizen  haben 
dann  in  Behrings  Regesten  des  normannischen  Königs- 
hauses Aufnahme  gefunden-.  Von  einigen  ahderen  hatte 
dieser  aus  anderen  Erwähnungen  dürftige  Kunde  ^.  Mir 
liegen  jetzt  volle  Texte  der  von  Winkelmann  und  Behring 
angeführten  Diplome  vor^.  Aber  auch  von  Privilegien, 
die  beiden  Forschern  unbekannt  geblieben  sind,  habe  ich 
mir  den  Wortlaut  verschafft.  So  ist  ein  ziemlich  reiches 
Material  zur  Geschichte  der  Gemahlin  Heinrichs  VI.  zu- 
sammengebracht worden;  —  es  unverkürzt  vorzulegen, 
würde  zu  viel  Raum  verlangen ;  ich  begnüge  mich  mit  Re- 
gesten, die  hoffentlich  ihre  Dienste  leisten '". 

1195  Juni  25,  Palermo,  gebietet  auf  Klage  des 
Erzbischofs  Caro  von  Mon reale,  wonach  Leute  ihres 
Gerichtes  seiner  Kirche,  der  sie  sich  besonders  verpflichtet 

1)  Forschungen  zur  deutschen  Gesch.  XVIII,  480.  481.  gedenkt 
er  der  Ui'kunden,  denen  n.  3.  7.  8.  9.  14.  16  meiner  Regesten  entsprechen, 
n.  3  gehört  aber  zum  November  1195,  nicht  zum  December;  n.  7  muss  zu 
1196  angesetzt  werden,  nicht  zu  1197,  doch  ist  die  Urkunde  gefälscht; 
u.  14  entbehrt  des  von  Winkelmann  hinzugefügten  Tages,  und  die  be- 
stätigte Urkunde  Heinrichs  VI.  kann  nicht  im  Juni  1195  ausgestellt 
sein.  2)  n.  283.  86.  87.  99.  300.  Ol.     S.   meine  Regesten  n.  3.  8.  9.  14. 

7.  16.  3)  n.  281.  85.  90.  94.  97.  98.  Die  letztere  Urkunde,  irrig  zum 
December  1196  gesetzt  =  286;  n.  297  gehört  zu  1195,  nicht  1196;  zu 
n.  285  hat  Behring  willkürlich  ein  Tagesdatum  hinzugefügt ;  im  Uebrigen 
wiederholt  er,  wie  es  ja  nicht  anders  sein  konnte,  die  Versehen  Winkel- 
manns. 4)  Einige  der  Urkunden,  die  Behring  nur  aus  Anführungen 
kannte,  sind  nun  anderweitig  gedruckt,  nämlich  288  =  de  Waal,  Römische 
Quartalschrift  II,  51 ;  289  =  Delaville  le  Roux,  Cod.  dipl.  de  l'ordre  de 
S.  Jean  I,  623;  291  =  Stumpf,  Acta  imp.  ined.  595.  5)  Dass  meine     \ 

Sammlung  nicht  über  1197  hinausreicht,  hat  seinen  Grund  darin,  dass  Winkel- 
mann die  noch  ungedruckten  Urkunden,   die  Constanze  als  Vormünderin 
ihres  Sohnes  ausstellte,  in  seinen  Acta  imp.  veröffentlicht  hat.     Zu  B.  F. 
und  B.  F.  W.  kann  ich   nur   zwei  gedruckte  Dii^lome  der  Kaiserin  nach- 
tragen:   1198  September  8  für  Erzbischof  Matthaeus  von  Capua,    s.  oben     i 
S.  157,  1198  October  8  für  Eustacius,   den  Sohn  Sanctors.     Gattini,  Note     j 
storiche  sulla  cittä   di  Matera  349,   doch   bezweifle   ich  die  Echtheit   des     ' 
übrigens   nicht   vollständig    mitgetheilten  Privilegs.     Noch    sei   bemerkt, 
dass  die  Urkunde  Constanzes  für  Trani,  deren  bei  Mazzatinti,  Gli  archivi    , 
della  storia  d'Italia  I,  152  und  im  N.  A.  XXEII,  766  gedacht  wird,  gleich 
B.  F.  527  ist.  ! 


Urkunden  n.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     225 

fühlt,  das  Gebiet  Grnmo  und  andere  Besitzungen  entrissen 
hätten,  den  Justitiarien  von  Bari,  ihm  den  Raub  zu  er- 
statten; will  denen,  die  einen  Anspruch  zu  haben  meinen, 
vor  ihrer  Curie  Gerechtigkeit  widerfahren  lassen.  —  Ent- 
halten in  Urkunde  des  Johann  von  Monteforte,  kaiserlichen 
Justitiars  von  Bari,  d.  d.  1195  Juli  15  Bitonto;  Orig.  im 
erzbischöflichen  Archiv  zu  Monreale;  danach  hat  Dr.  Güter- 
bock mir  eine  Abschrift  besorgt.  —  Nur  mit  ind.  13.  — 
Regest  bei  Lello,  Hist.  della  chiesa  di  Monreale  ed.  1596 
S.  40 ;  doch  hat  Lello  Bestandtheile  der  Urkunde  vom 
December  1195  eingemengt.  1. 

1195  November  —  — ,  Palermo,  bestätigt  auf 
Bitten  des  Bischofs  Roger  von  Catania  ihm  und  der  Kirche 
S.  Maria  zu  Rovere  Grosso  die  Mühle  Torreta  im  Ge- 
biete von  Paternö  und  zwar  nach  Massgabe  eines  der  Curie 
vorgelegten  Privilegs  Wilhelms  IL  und  einer  Acte,  welche 
die  Zollmeister   dem   weiland  Propste  Albert   ausfertigten. 

—  Orig.   im  Mnseo  civico  zu  Catania,  Schrank  1,  Lade  5. 

—  Mit  ind.  14  und  verkehrtem,  aber  kanzleigemässem  ao. 
reg.  25.  —  Erwähnt  von  Pirro,  Sic.  sac.   1179.  2. 

1195  November  —  — ,  Palermo,  bestätigt  zum 
Wohle  und  zur  Erhaltung  ihres  liebsten  Herrn  und  Mannes, 
sowie  zu  ihrem  eigenen  Seelenheil,  der  Kirche  von  Lecce 
die  aufgezählten  Schenkungen  des  Grafen  Goffrid  von  Lecce 
und  Ostuni,  dann  des  Accard  Herrn  von  Lecce;  verbietet 
die  Güter  als  Präbenden  zm  verleihen.  —  Processi  del  ^e^. 
padron.  XVIII,  10  im  Staatsarchiv  zu  Neapel,  wonach  mir 
Capasso  eine  Abschrift  anfertigen  Hess.  —  Mit  ind.  13 
und  verkehrtem,  aber  kanzleigemässem  ao.  reg.  25.        3. 

1195  December  —  — ,  Palermo,  bekundet  ihre 
besondere  Werthschätzung  des  Cistercienserordens ;  schenkt 
wegen  der  Religiosität  der  Mönche  von  Casamari  und 
der  beständigen  Ergebenheit  des  Abtes  Gerald,  zum  Seelen- 
heil des  Kaisers,  ihrer  selbst  und  ihrer  Vorfahren  dem 
Kloster  die  Kirche  S.  Manso  im  Territorium  Arpino.  — 
Mon.  Germ.,  Bethmanns  Abschrift  aus  dem  Cartular 
von  Casamari,    damals   in   der  Bibliothek  Albani    zu  Rom. 

—  Ao.  1195  deutet  auf  die  Zeit  vor  dem  25.  December, 
(10.  reg.  Sic.  2  passt  erst  auf  die  Tage  nach  Weihnachten; 
ao.  reg.  25  ist  verkehrt,  aber  kanzleigemäss;  ind.  14  und 
a.  imp.  5   sind  richtig.  4. 

1195  December  —  —  Palermo,  erzählt  die  Ge- 
schichte   des    Processes,    den    der    Erzbischof    Caro    von 
Monreale  um  das  zu  seiner  Stadt  Bitetto  gehörige  Bise- 
Neues  Archiv  etc,    XXIV.  15 


226  Paul  Scheffer-Boichorst. 

glia  führte :  'Konrad  von  Montefusculo  habe,  als  kaiser- 
licher Lehensträger  von  Grnmo,  das  angeblich  zu  Grumo 
gehörige  Streitobjeet  in  Anspruch  genommen;  aber  schon 
unter  Tankred,  dem  eifrigen  Verfolger  der  Kirche  von  Mon- 
reale,  der  Grumo  seinem  Zögling  Alexander  Buccello  zu 
Lehen  gab,  habe  die  Kirche  trotz  aller  Tyrannei,  wegen 
der  Gerechtigkeit,  den  Besitz  wiedererlangt ;  Besitz  sammt 
Nutzniessung  sei  dem  Erzbisthum  danach  avich  von  ihrem 
Gerichte  zuerkannt,  die  Eigenthumsfrage  aber  den  Rich- 
tern in  Apulien  vorbehalten  worden ;  inzwischen  habe  Caro 
die  in  seinem  Archiv  gefundene,  hier  eingerückte,  1136 
gefällte  Entscheidung  des  Urso  Travaglia,  Herrn  von  Trani, 
der  Curie  vorgelegt;  aus  dem  sorgfältig  geprüften  Beweis- 
stück gehe  klar  hervor,  dass  Biseglia  gegen  den  Grafen 
Robert  von  Conversano,  den  damaligen  Herrn  von  Grumo, 
als  Zubehör  von  Bitetto  gerichtlich  erwiesen  worden  sei, 
während  Konrad  von  Montefusculo  sich  jetzt  nur  auf  münd- 
liche Aussagen  gestützt  habe' ;  will  nun  die  Kirche  von 
Monreale,  die  Wilhelm  II.  mit  soviel  Liebe  begründet  hat, 
wie  ja  die  Eigenart  des  Baues  und  die  ihr  verliehenen 
Würden  zeigen,  von  weiterer  Verfolgung  befreit  wissen; 
widerruft  ihren  Befehl  an  die  Richter  von  Apulien,  da  ja 
schon  1136  der  Streit  entschieden  worden  sei;  spricht  Bi- 
seglia mit  allen  anderen  Zubehörungen  seiner  Stadt  Bitetto 
dem  Erzbisthum  zu;  verbietet  den  Herren  von  Grumo  jede 
Belästigung  der  Erzbischöfe,  der  von  diesen  in  Bitetto  ein- 
gesetzten Prioren  und  der  Stadtbewohner.  —  per  manus 
Gosfridi  notarii.  —  Zwei  Originale  im  erzbischöflichen 
Archiv  zu  Monreale,  wonach  Dr.  Güterbock  mir  Ab- 
schriften besorgte.  —  Nach  ind.  14  und  ao.  imp.  5  gehört 
die  Urkunde  in  den  December  1195;  ao.  1196  und  a.  reg. 
Sic.  2  weisen  auf  die  Tage  nach  dem  25.  December  1195; 
ao.  reg.  26  wäre  verkehrt,  aber  kanzleigemäss  im  December 
1196  gewesen.  —  Regest  bei  Lello  1.  c.  40.  5. 

1196  Januar  —  — ,  Palermo,  wiederholt  auf 
Bitten  des  Abtes  Amatus  dem  Kloster  S.  Maria  diGiosa- 
fat,  indem  sie  ihren  Willen  dem  des  Kaisers  ganz  unter- 
ordnet, dessen  Privileg  vom  13.  December  1194,  am  Wort- 
laut nur  wenig  ändernd.  —  Orig.  im  Museo  civico  zu  Ca- 
tania,  Schrank  1,  Lade  5.  —  Mit  ind.  14,  ao.  reg.  Sic.  2, 
dann  dem  kanzleigemässen  ao.  reg.  5,  aber  falschem  ao.  imp.  6. 
—  Erwähnt  im  Archivio  storico  Siciliano  N.  S.  III,  472 
aus  einer  Beglaubigung  von  1248.  6. 

1196  Januar  13,  Palermo,  wiederholt  auf  Bitten 
des  Abtes  Amatas  dem  Kloster  S.  Maria  di  Giosafat  die 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.     227 

Urkunde  Heinrichs  VI.  vom  Januar  1195.  —  p.  m.  Con- 
radi  Brunsvicensis  notarii  scriptum,  datum  p.  m.  Mathei 
Capuani  archiepiscopi.  —  Abschrift  des  vorigen  Jahrhun- 
derts in  dem  Sammelbaude  der  Communalbibliothek  zu 
Palermo  H.  11  S.  306.  —  Mit  ind.  15.  ao.  imp.  6,  ao.  reg. 
Sic.  2.  —  Erwähnt  im  Arch.  stör.  Sicil.  a.  a.  0.,  und  zwar 
nach  dem  Original  des  Palermitaner  Staatsarchivs,  hier 
■ind.  14.  —  Wie  die  Urkunde  Heinrichs  VI.,  St.  4899a,  eine 
Fälschung  ist,  so  auch  diese  Bestätigung.  7. 

1196  Januar  —  — ,  Palermo,  sichert  der  Kirche 
von  Cefalü,  die  ihr  Vater  König  Roger  aus  eigenen  Mit- 
teln und  mit  grosser  Liebe  gegründet  hat,  in  den  genannten 
und  anderen  Besitzungen,  die  sie  auf  domanialem  Boden 
zur  Zeit  Wilhelms  II.  besass  und  jetzt  besitzt,  die  gleiche 
Freiheit  und  Euhe,  wer  auch  immer  das  Gebiet  erhalten 
möge.  —  Orig-  iin  Staatsarchiv  zu  Palermo,  wonach  mir 
Dr.  Güterbock  eine  Abschrift  besorgte.  —  Wieder  mit 
ao.  reg.  25.  —  La  Farina,  Rischiarazioni  e  documenti  sopra 
nove  studi  storici  257  und  303  hat  Bruchstücke  aus  der 
Urkunde  mitgetheilt.  8. 

1196  Januar ,  Palermo,  erstattet  auf  Klage 

des  Bischofs  Johann  der  Kirche  von  Cefalü,  die  sie 
in  besonderer  Gunst  schützt,  weil  ja  ihr  Vater  sie  aus 
eigenen  Mitteln  und  mit  grosser  Liebe  gegründet  hat,  die 
Mühle  Fundeca  bei  Scillato,  die  Schenkung  der  Adelicia, 
der  Nichte  König  Rogers,  nachdem  ein  darüber  handelndes 
Privileg  von  der  Curie  eingesehen  und  die  Rechtlichkeit  der 
Forderung  aus  angegebenem  Grunde  auch  von  den  Zoll- 
meistern anerkannt  worden  ist;  bestätigt  ihr  nun  die 
Mühle,  und  zwar  für  das  Wohl  ihres  liebsten  Mannes, 
dessen  Glück  Gott  noch  länger  bewahren  möge,  für  ihr 
eigenes  Wohl,  für  das  Seelenheil  ihres  Vaters  und  der 
Schenkerin  Adelicia.  —  Orig.  im  Staatsarchiv  zu  Palermo, 
wonach  ich  eine  Abschrift  Dr.  Güterbock  verdanke.  — 
Mit  ao.  reg.  25.  — •  Erwähnt  zuerst  bei  Pirro,  Sic.  sac.  804, 
dann  im  Arch.  stör.  Sicil.  N.  S.  V.  116  Anm. ;  hier  wird 
auch  die  Urkunde  der  Adelicia  von  1156  nachgewiesen.    9. 

1196  März ,  Palermo,  schenkt  in  Erwägung 

der  grossen  Mühen,  welche  die  Tempelherren  gegen  die 
Feinde  des  Kreuzes  ertragen,  auf  Bitten  des  Meisters  Wil- 
helm von  S.  Paul,  dem  die  Ordenshäuser  in  Sicilien  unter- 
stehen, ihm  und  seinen  Mitstreitern  Lama  Ciprandi  mit 
Zubehör,  und  zwar  nach  Massgabe  des  Privilegs,  das  sie 
darüber    vom   Kaiser    erlangt    haben    (1195   April    29).    — 

15* 


228  Paul  Scheffer-Boichorst. 

Moii.  Germ.,  Mittheilung  Kehrs  nach  Abschrift  des  13.  Jh. 
im  vatikanischen  Archiv.  —  Mit  ao.  reg.  25.  —  Erwähnt 
von  Sigonius,  Hist.  reg.  Ital.  ed.  1613  p.  354,  mit  berich- 
tigtem, doch  nicht  kanzleigemässem  Königs  jähre.         10. 

1196  April  5,  Palermo,  befiehlt  Grafen,  Justicia- 
rien,  Kämmerern  und  Bajuli,  den  Brüdern  von  S.  Johann 
zu  Caltabuturo,  die  diesen  Brief  mit  sich  führen,  beim 
Sammeln  von  Almosen  nicht  hinderlich  zu  sein,  sondern 
die  Kirche,  die  sie  sammt  deren  Hospital  und  Brüdern  in 
Schutz  genommen  hat,  auf  jede  Weise  zu  begünstigen.  — 
Abschrift  des  vorigen  Jahrhunderts  in  dem  Sammelbande 
der  Communalbibliothek  zu  Palermo  Qq.  H.  7  S.  171.  — 
Nur  mit  ind.  14.  11. 

1196  Mai  —  — ,  Palermo,  beschützt  in  Anbe- 
tracht der  Religiosität  und  Ehrbarkeit  des  Abtes  Gerald 
und  seiner  Brüder,  wegen  ewigen  Lohnes,  das  Kloster 
S.  Johann  und  S.  Paul  zu  Casamari  mit  allem  Zu- 
behör; bestätigt  ihm  seinen  ganzen  Besitz;  befreit  es  von 
genannten  Abgaben  bei  Kauf  und  Verkauf,  Kommen  und 
Gehen,  sowohl  im  Kaiser-  als  im  Königreich,  zu  Wasser 
und  zu  Lande;  ermächtigt  es  zur  Entgegennahme  jed- 
welcher  Schenkung,  nur  nicht  von  Lehngut;  gewährt  ihm 
Weide-  und  Waldrecht  im  Gebiete  von  Sora ,  wie  sich 
dessen  die  Bürger  von  Sora  erfreuen ;  untersagt  den  Ca- 
stellanen  von  Sora  oder  Eocca  d'Arce,  es  irgendwie  zu  be- 
drücken; erklärt  es  als  Freistätte  für  alle  Flüchtigen.  — 
Mon.  Genn.,  Bethmanns  Abschrift  aus  dem  Cartular 
des  Klosters,  damals  in  der  Bibliothek  Albani  zu  Rom.  — 
Nur  mit  1196  und  ind.  14.  —  Erwähnt  von  Huillard- 
Breholles,  Hist.  dipl.  Frid.  sec.  I,  685.  13. 

1196  September  —  — ,  Palermo,  bestätigt  auf 
inständige  Bitte  des  Archimandriten  Elias  dem  Kloster 
Carbone  die  Privilegien  ihres  Vaters  und  anderer  Könige^ 
die  darin  aufgeführten  Freiheiten  und  Besitzungen ,  be- 
sonders auch  die  Obedienz  S.  Angelo  zu  Battipede.  —  per 
manus  Gosfridi  notarii.  —  Mon.  Germ.,  Bethmanns  Ab- 
schrift aus  dem  Original  in  der  Bibliothek  Doria  zu  Rom.  — 
Nur  mit  1196  und  ind.  15.  —  Die  angezogenen  Urkunden 
sind  die  Rogers  von  1131,  Wilhelms  I.  von  1155,  Tankreds 
von  1191  bei  Santoro,  Storia  del  mon.  di  Carbone  1824.  31. 

13. 

1  ]  9  7  J  a  n  u  a  r ,  Palermo,  bestätigt  auf  Bitten 

des  Abtes  Palmerius,  um  Gottes  willen,  für  das  Wohl- 
ergehen   ihres    liebsten    Herrn,    des    Kaisers,    und    für    ihr 


Urkunden  u.  Forschungen  z.  d.  Regesten  d.  stauf.  Periode.      229 

eigenes,  dem  Kloster  S.  Stej^han  zu  Monopol!  das 
eingerückte  Privileg  Heinrichs  VI.  von  1195  (März)  19; 
ermächtigt  die  Aebte  überdies,  von  ihren  Leuten  eine  Bede 
zu  erheben,  so  oft  sie  zu  Kaiser  oder  Papst  reisen  müssen 
oder  mit  einer  kaiserlichen  Gesandtschaft  ausserhalb  des 
Königreichs  betraut  sind.  —  Abschrift  des  vorigen  Jh.  im 
Sammelbande  der  Communalbibliothek  zu  Palermo  Qq. 
H.  15.  —  Mit  uo.  imp.  b,  reg.  Sic.  2,  aber  1197,  incl.  15  und 
dem    kanzleigemässen,    wenn    auch   verkehrten    ao.  req.  26. 

U. 
1197  März  —  — ,  Palermo,  bestätigt  auf  Bitten 
des  Bischofs  Johann  der  Kirche  von  Cefalü  die  ge- 
nannten Besitzungen  im  Val  di  Noto,  und  zwar  so,  wie 
ihnen  schon  unter  Wilhelm  II.  der  damalige  Justitiar  des 
Val  di  Noto,  Goffrid  von  Mohac,  und  nun  auf  ihren  Befehl 
Roger  Buccello,  Justitiar  des  Val  di  Noto  und  Castellan 
von  Syrakus,  die  Grenzen  gesetzt  haben;  wiederholt  aus 
deren  Urkunden  die  Ortsbestimmungen;  verbietet  jede  Be- 
lästigung der  Kirche,  die  ihr  Vater  König  Roger  aus 
eigenen  Mitteln  und  mit  grosser  Liebe  gegründet  hat,  damit 
die  Geistlichkeit  ohne  Aufhör  für  sein  Seelenheil  bete.  — 
Sehr  lückenhafter,  mir  nicht  überall  verständlicher  Text 
des  vorigen  Jh.  im  Sammelbande  der  Communalbibliothek 
zu  Palermo  Qq.  H.  7,  S.  173;  danach  hat  mir  Dr.  Güter- 
bock  eine  Abschrift  besorgt.  —  Mit  ind.  14  und  ao.  reg. 
Sic.  2,  aber  1197,  imj).  6  und  dem  kanzleigemässen,  wenn 
auch  verkehrten  ao.  reg.  26.  15. 

1197  April  2  5,  [Palermo],  bestätigt  zu  ihrem 
und  ihrer  Erben  Wohlergehen,  zur  Erhaltung  ihrer  Herr- 
schaft die  zahlreich  aufgeführten  Zehnten,  die  Graf  Robert 
der  Kirche  von  Lecce  geschenkt  hat,  doch  sollen  sie 
niemals  als  Präbenden  verliehen  werden.  —  Processi  del 
reg.  padron.  XVIII,  9  im  Staatsarchiv  zu  Neapel,  wonach 
mir  Capasso  eine  Abschrift  anfertigen  liess.  Mit  ao. 
req.  27.  16. 


V. 


Die  Anfänge 
der  polnischen  Annalistik. 


Von 


M.  Perlbach. 


Unter  den  zahlreichen  Fragen,  welche  die  mittel- 
alterliche Geschichtschreibung'  Polens  dem  Forscher  vor- 
legt und  um  deren  Beantwortung  sich  seit  einem  Menschen- 
alter in  Polen  und  den  Nachbarländern  nicht  wenige  Ge- 
lehrte bemüht  haben,  ist  die  nach  dem  Verhältnis  der 
verschiedenen  annalistischen  Aufzeichnungen  zu  einander 
eine  der  wichtigsten.  Es  sind  längere  oder  kürzere  histo- 
rische Notizen,  nach  Jahren  geordnet,  meist  in  zum  prak- 
tischen kirchlichen  Gebrauch  bestimmten  Hss.  an  leer  ge- 
bliebenen Stellen,  auf  Vorsatzblättern,  vorn  oder  hinten, 
eingetragen,  von  denen  die  ältesten  aus  dem  12.,  die 
jüngsten  aus  dem  16.  Jh.  stammen,  die  wir  seit  der  Mitte 
dieses  Jh.  mit  ßoepell  als  Annales,  Jahrbücher  (polnisch 
ßoczniki)  bezeichnen.  Bekannt,  d.  h.  durch  den  Druck 
verbreitet  wurde  ein  Theil  dieser  Jahrbücher  schon  im 
vorigen  Jh.  durch  Sommersberg,  der  eine  Breslauer  Hs. 
1730,  und  Lengnich,  der  einen  Heilsberger  Codex  1749  nach 
dem  damaligen  Stande  der  philologischen  Akribie  heraus- 
gab, aber  beide  Ausgaben  verwirrten  mehr  als  sie  nützten. 
Auch  als  1853  der  Krakauer  Weihbischof  Lgtowski  im 
vierten  Bande  seines  Kataloges  der  Bischöfe,  Prälaten  und 
Domherren  zu  Krakau  aus  einer  Hs.  seines  Capitelsarchivs 
Annalen  und  Kalender  aus  der  Mitte  des  13.  Jh.  zum 
ersten  Male  edierte,  wurde  zwar  ein  neues  höchst  wichtio-es 
Quellenmaterial  der  Wissenschaft  erschlossen,  aber  es  fehlte 
noch  ganz  an  seiner  kritischen  Würdigung.  Dreizehn  Jahre 
später,  1866,  brachten  die  Monumenta  Germaniae  im 
19.  Bande  der  Scriptores  15  verschiedene  polnische  Jahr- 
bücher, von  denen  9  zum  ersten  Male  erschienen,  in  ge- 
reinigten und  kritisch  gewürdigten  Texten  von  Wilhelm 
Arndt  und  Eichard  Roepell;  1872  und  1878  legte  August 
Bielowski  dieselben  Annalen,  vermehrt,  vielfach  durch  er- 
neute Vergleichung  der  Hss.  berichtigt,  aber  leider  auch 
oft  unter  abweichendem  Titel,  in  seinen  Monumenta  Polo- 
niae  historica  Band  2  u.  3  dem  polnischen  Leserkreise  vor. 
Inzwischen  hatte  sich  die  historische  Quellenforschung  des 


234  M.  Perlbach. 

dankbaren  Stoffes  bemächtigt;  1873  gaben  gleichzeitig- 
Heinrich  v.  Zeissberg  in  seinem  klassischen  Werke  über 
die  polnische  Geschichtschreibung  im  Mittelalter  und  Sta- 
nislaus  Smolka  in  seiner  unter  Waitz'  Augen  in  Göttingen 
verfassten  Dissertation  einen  Abriss  der  polnischen  Anna- 
listik  \  1878  untersuchte  der  Nachfolger  Bielowski's  in  der 
Leitung  des  Ossolinskischen  Instituts  in  Lemberg  und  in 
der  Herausgabe  der  Monumenta  Poloniae,  W.  v.  Kgtrzynski, 
die  Stellung  des  in  mehreren  Texten  überlieferten  klein- 
polnischen Jahrbuches  (Annales  Polonorum  der  deutschen 
Ausgabe)-',  1880  unternahm  der  Lemberger  Professor  Tli. 
Wojciechowski  auf  breitester  Grundlage  den  leider  un- 
vollendet gebliebenen  Versuch,  alle  diese  Annalen  in  ihrem 
gegenseitigen  Verhältnis  zu  einander  zu  erklären^.  Nachdem 
inzwischen  Kgtrzynski  im  4.  und  5.  Bande  der  Monumenta 
Poloniae  (und  ebenso  1893  im  6.)  noch  einige  von  ihm  ent- 
deckten Funde  von  Annalen  veröffentlicht  und  Referent, 
einer  Aufforderung  Wattenbachs  entsprechend,  1892  im 
29.  Bande  der  Scriptores  die  polnischen  neuen  Entdeckungen 
dem  deutschen  Publikum  vorgelegt  hatten  (nur  meine  Aus- 
gabe der  Annales  capituli  Poznaniensis  daselbst  kann  als 
eigene  Leistung  in  Betracht  kommen),  unternimmt  es  jetzt 
(1896)  abermals  der  Mann,  dem  die  polnische  Quellen- 
litteratur  schon  so  viel  verdankt,  Kgtrzynski,  in  einer 
umfangreichen  Schrift  seine  Ansichten  über  die  Geschichte 
der  polnischen  Annalistik  vorzutragen^. 

Prägen  wir  zunächst  nach  der  üeberlieferung  der 
polnischen  Annalen,  so  ergiebt  sich  das  Folgende: 

Aus  dem  12.  Jh.  stammen  allein  die  Ann.  Craco- 
vienses  vetusti  (Rocznik  swietokrzyski  dawny,  d.  h.  altes 
Heiligenkreuzer  Jahrbuch  von  den  Polen  benannt,  ich  werde 
hier  die  abweichenden  polnischen  Bezeichnungen  den  deut- 
schen [lateinischen]  beifügen,  mich  aber  im  Verlaufe  der 
Arbeit  nur  der  lateinischen  bedienen),  erhalten  in  einer 
jetzt    in    der   kais.    öffentlichen   Bibliothek    zu    Petersburg 


1)  Smolka  hat  sich,  wie  aus  einer  Notiz  im  Anzeiger  der  Akademie 
der  Wissenschaften  zu  Krakau,  1895,  S.  60  hervorgeht,  auch  noch  neuer- 
dings mit  diesem  Gegenstande  beschäftigt,  aber  anscheinend  noch  nichts 
darüber  veröffentlicht.  2)  Roczniki  towarzystwa  przyjaciol  nauk  Poz- 

nanskiego Tom  X,  Poznan  1878,  S.  203  —  242  (Jahrbücher  der  Posener 
Gesellschaft  der  Freunde  der  Wissenschaften.)  3)  Pamigtnik  akademii 
umiejgtnos'ci  w  Krakovrie.  WydziaTy  filologiczny  i  historyczno-filozoficzny 
Tom  IV,  Krak.  1880,  S.  144—233  (Denkschriften  der  Krakauer  Akademie 
der  Wissenschaften,  philol.  und  histor.  -  philosoj^h.  Klasse).  4)  Rozprawy 
wydziaTu  hist.  filozof.  akad.  um.  Krak.  XXXIV,  164  —  354,  1896  (Abhand- 
lungen der  Krak.  Akad.). 


Die   Anfänge  der  polnischen  Annalistik.  235 

befindlichen  Hs.  /..  O.  x.  OTJ  In.  19  in  &'\_  die  einst  dem 
Benedictinerkloster  auf  dem  Kahlenberge  (Lysa  gora).  Hei- 
ligenkreuz (daher  die  polnische  Bezeichnung)  angehörte, 
und  "lacobi  esplicationes  in  epistolas  catholicas"  enthält, 
wie  Arndt  in  seiner  Ausgabe  angiebt;  dieser  hat  1864 
f.  3S — 39  unsere  Annalen  entdeckt,  die  eine  Hand  des 
12.  Jh.  geschrieben  hat,  den  Codex  selbst  setzt  er  ins 
11.  Jh..  sagt  aber  nichts  über  seinen  Cmfang.  Eine  Schrift- 
probe findet  sich  SS.  XIX,  S.  542  543. 

Im  13.  Jh.  wurden  vier  noch  vorhandene  Annalenhss. 
geschrieben : 

Ann.  Lubinenses,  erhalten  auf  einem  jetzt  in  der 
k.  Bibliothek  zu  Berlin  als  besondere  Hs.  iMs.  Lat.  fol.  321) 
aufbewahrten  Pergamentblatt,  das  als  Einband  eines  nicht 
weiter  bekannt  gewordenen  Buches  gedient  hatte.  Eine 
Schriftprobe  ebendaselbst. 

Ann.  Kamenzenses.  gleichfalls  als  Einband  des 
1405  angelegten  Kamenzer  Xecrologiums  in  der  Breslauer 
UniTersitätsbibliothek  erhalten.  1861  von  Wattenbach  in 
den  Monumenta  Lubensia  p.  62 — 63  zuerst  ediert.  Schrift- 
probe wie   oben. 

Ann.  capituli  Cracoviensis  und  Ann.  C r a c o - 
vienses  compilati  iRocznik  Krakowski '.  in  derselben 
Hs.  n.  71  des  Krakauer  Capitelsarchivs  überliefert,  deren 
genaueste  Beschreibung  sich  in  Polkowski's  Katalog  der 
Hss.  dieses  Archivs,  Archiwum  do  dziejöw  literatury  i  os- 
wiaty  w  Polsce  (Archiv  für  Geschichte  der  Litteratur  und 
der  Aufklärung  in  Polen i  III.  143—147  n.  209,  1884,  be- 
findet. Die  Capitelsannalen  wurden  1267.  die  compilati 
nach  1291  in  die  anfänglich  leer  gelassenen  Stellen  S.  4 — 6 
und  16.  vielleicht  erst  im  14.  Jh.  eingetragen.  Schrift- 
proben wie  oben  und  Mon.  Pol.  II  Taf.^  5  (S.  780/781). 

Dem  14.  Jh.  gehören  die  Hss.  der  folgenden  Jahr- 
bücher an : 

Ann.  Poznanienses.  auf  dem  Vorsatzblatt  einer 
einst  dem  Posener  Domcapitel  gehörigen  Hs.  der  Hist. 
scholastica  des  Petrus  Comestor,  von  Ketrzvnski  entdeckt 
und  Mon.  Pol.  V.  874—881  veröffentlicht,  von  niir  SS.  XXIX, 
469 — 470  wiederholt. 

Ann.  Miechovienses .  Bl.  136  — 168  am  Schlüsse 
einer  1359  vollendeten  Hs.  Sermonum  de  sanctis,  jetzt  in 
der  kais.  Bibliothek  in  Petersburg  /..  F.  OTJ  I  n.  51,  bis 
1388  von  einer  Hand,  dann  von  17  verschiedenen  Händen 
bis  1434  fortgesetzt. 


236  M.  Perlbach. 

Ann.  Polonorum  I  (Eocznik  Traski  d.  h.  Jahrbuch 
des  Traska,  Thratka  eciam  fuit  ibidem  schliesst  die  Auf- 
zeichnung), in  dem  bekannten  Cod.  Zamoyscianus  in  War- 
schau f.  74 — 89  überliefert;  vorangehen  (Bielowski,  Mon. 
I,  387)  eine  Vita  Alexandri  regis  (1 — 20),  der  sogenannte 
Martinus  Gallus  (20  —  54),  Vita  S.  Stanislai  (55 — 74),  es 
folgt  (90  —  96)  die  Chronica  üngarorum  cum  Polonorum 
mixta. 

Erst  aus  dem  15.  Jh.  stammen  Rocznik  wielko- 
polski  (d.  h.  das  grosspolnische  Jahrbuch,  für  das  keine 
lateinische  Bezeichnung  existiert,  weil  es  von  den  deut- 
schen Forschern  für  keine  selbständige  Quelle  gehalten 
wird,  ich  werde  es  daher  auch  unter  seinem  polnischen 
Titel  anführen),  Ann.  Cracovienses  breves,  Ann. 
caj)ituli  Poznaniensis;  diese  drei  sind  jedoch  nicht 
einzeln  überliefert,  sondern  mit  zwei  Chroniken  aus  dem 
14.  Jh.,  der  grosspolnischen  (früher  dem  Posener  Bischof 
Boguphal  und  dem  Domcustos  Basko  zugeschrieben)  und 
der  des  Johann  von  Czarnkow  in  einer  grossen,  in  9  Hss. 
überlieferten  Compilation  erhalten.  Um  die  Entwirrung 
dieser  Compilation  hat  sich  wieder  Ketrzynski  in  einer 
Specialuntersuchung  der  grosspolnischen  Chronik  ^  die  gröss- 
ten  Verdienste  erworben.  Weiter  gehören  dem  15.  Jh.  die 
Ann.  sanctae  crucis  Polonici  an,  die  in  12  Hss. 
überliefert  sind,  die  Ann.  Sandivogii,  von  denen  es 
nur  den  Codex  des  Sedziwoj  von  Czechel,  nach  dem  sie 
benannt  sind,  giebt,  in  der  Czartoryskischen  Bibliothek  zu 
Krakau,  und  die  vier  Hss.  der  Ann.  Polonorum  II, 
III,  III^,  IV  (Rocznik  malopolski,  kleinpolnisches  Jahr- 
buch), B  28  im  Königsberger  Staatsarchiv,  mit  dem  be- 
rühmten von  Conrad  Gesselen  aus  Geismar  für  Dlugoss 
angefertigten  lateinischen  Wigand  von  Marburg,  den  Dlu- 
goss 1464  im  Thorner  Minoritenkloster  zurückliess,  zwei 
Petersburger  Hss.  und  die  ehemals  Heilsberger,  lange  ver- 
schollene, welche  1893  von  dem  inzwischen  verstor- 
benen langjährigen  Director  der  Zamoyskischen  Bibliothek 
in  Warschau,  Joseph  Przjborowski  'in  einer  Privatbibliothek 
des  Königreichs'  (Eozprawy  XXXIV,  293)  wiedergefunden 
worden  ist. 


1)  Rozpra\^y  akad.  umiej.  Krak.  fil.  bist.  XXXIII,  1896,  S.  1  —  54. 
Auch  die  eben  erwähnte  Unofarisch  -  polnische  Chronik  ist  von  K.  zum 
Gegenstände  einer  eigenen  Untersuchung  gemacht  worden,  Rozprawy 
XXXIV,  1896,  S.  355  —  392.  Der  deutsche  Leser  findet  Auszüge  aller 
dieser  höchst  beachtenswerthen  Abhandlungen  in  dem  Anzeiger  der  Kra- 
kauer Akademie  1895,  284—288;  1896,  173—196.  402—407. 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik.  237 

Erst  dem  16.  Jh.  gehören  die  Hss.  der  nur  unter  pol- 
nischen Bezeichnungen  bekannt  gewordenen  Rocznik  Kra- 
siiiskich  an  (Krasinskische  Jahrbücher,  nach  dem  Auf- 
bewahrungsort, der  Krasinskischen  Bibliothek  in  Warschau, 
benannt,  jetzt  von  Ketrzyriski  als  Roczuik  Domini- 
kanskich  Krakow skich,  Jahrbuch  der  Krakauer  Do- 
minikaner bezeichnet),  in  der  Hs.  IX  der  Annalen  S.  Crucis 
am  Rande  aufgezeichnet.  Rocznik  Kujawski  am  Schlüsse 
einer  theologischen  Hs.  in  Wloclawek,  und  die  von  Pol- 
kowski  aufgefundenen  Ann.  mansionarium  Craco- 
viensium  (Mon.  Pol.  V,  890—896). 

Kgtrzynski  gliedert  seinen  Stoff  in  drei  Hauptabschnitte : 
die  capituli  Cracovienses  und  ihre  Quellen,  spätere  Compi- 
lationen,  capituli  Poznanienses.  Für  uns  ist  die  Haupt- 
frage die  nach  dem  Ursprung  und  den  Quellen  der  Kra- 
kauer Capitelsannalen.  Dass  diese  in  ihrer  jetzigen  Ge- 
stalt erst  1267  entstanden  sind,  ergiebt  sich  deutlich  aus 
der  Krakauer  Hs.,  aber  über  die  Art  ihres  Entstehens 
gehen  die  Meinungen  weit  auseinander.  Die  deutschen 
Herausgeber  und  1873  Smolka  nehmen  ein  verlorenes  Kra- 
kauer Annalen  werk  an,  aus  dem  nicht  nur  die  jetzt  er- 
haltenen Capitelsannalen.  sondern  auch  die  anderen  Annalen- 
reste  mehr  oder  weniger  geflossen  sind ;  Wojciechowski  ist 
der  Ansicht,  dass  die  vorhandenen  Capitelsannalen  das  alte 
Jahrbuch  vollständig  und  neben  ihm  noch  einige  andere 
Quellen  aufgenommen  haben.  Kgtrzjnski  dagegen  hält  die 
jetzigen  Capitelsannalen  für  eine  Compilation  aus  noch 
heute  vorhandenen  Annalen  oder  deren  Quellen :  für  directe 
Quellen  der  jetzigen  capituli  sieht  er  an:  1)  Rocznik  wiel- 
kopolski,  2)  Ann.  Cracovienses  vetusti,  3)  Ann.  breves;  ge- 
meinsame Quellen  nimmt  er  an  mit  A.  Poznanienses,  com- 
pilati,  Lubinenses,  Kamenzenses.  Da  von  der  ersten  Gruppe 
nur  die  vetusti  in  ihrer  Ueberlieferung  älter  sind  als  die 
capituli,  müssten  die  übrigen  dem  Compilator  von  1267  in 
älteren  Codices  vorgelegen  haben,  als  wir  sie  heute  be- 
sitzen.    Das  wollen  wir  nun  im  Einzelnen  untersuchen. 

Rocznik  wielkopolski  enthält  49  Jahreseintragungen 
von  730  — 1191  und  ist,  wie  schon  erwähnt,  nur  in  der 
grossen  Compilation  von  Boguphal/Janko  überliefert,  aber 
von  den  9  Hss.  derselben  enthalten  es  nur  vier,  die  Rö- 
mische (Ottobonianische).  die  Breslauer.  die  von  Sienawa 
und  die  von  Wilanow,  die  übrigen  haben  es  nicht  (vgl. 
Ketrzynski  Rozpr.  XXXIII,  8 — 11);  in  allen  vier  Hss.  folgt 
ein  weiterer  Annalenrest  von  1202 — 1279  unmittelbar,  nur 
im  römischen  Codex   ist    die  Reihenfolsre    der  ersten  sechs 


238 


M.  Perlbach. 


Notizen  durch  Einschiebung  fremder  Bestandtheile  noch 
mehr  verwirrt  (967,  1390).  Dass  diese  Annalen  von  1202 
zum  Theil  wörtlich  mit  den  Krakauer  Capitelsannalen 
übereinstimmen,  hat  schon  Bielowski  erkannt.  Von  den 
49  Jahresangaben  von  730 — 1191  fehlt  keine  einzige  in  den 
Capitelsannalen,  es  finden  sich  nur  folgende  Unterschiede: 

Ann.  capit.  Cracovienses. 


capit. 

750  Pipinus  iubente  Za- 
charia  papa  per  unc- 
tionem  sancti  Bonifacii 
episcopi  rex  appellatur. 

774  .  .  Karolus  Eomam  p  e  r - 
V  e  n  i  t. 

778  Karolus  contra  Saxones 
p  u  g  n  a  V  i  t. 

782  Karolus  Romam  venit 
ibique  baptizatus  est  fi- 
lius  eins  Karlomannus, 
quem  Adrianus  m  u  - 
t  a  t  o  nomine  Pipinum 
vocavit. 

Iterum  Karolus  Romam 
venit  et  sanguis  de  celo 
prof  luxit. 
Karolus  per  Alemaniam 
pervenit  ad  fines  ßa- 
uarie. 

840  Loduicus  imperator 
obiit. 


786 


787 


895 


906 
936 


953 


De  miseria  famis  ac 
mortalitatis  christiani 
homines  alter  alterius 
carnem  comederunt. 


Adalbertum. 
Henricus  rex  obiit. 


Maguncia     ab     Ottone 
obsessa  est. 
958  Cruces   apparuerunt   in 
vestibus. 


774 


778 


782 


786 


Rocznik  wielkopolski. 

750  Pipinus  miles  a  Zacha- 
ria  papa  per  unccionem 
sancti  Bonifacii  episcopi 
rex  appellatur. 
.  .  Karolus  Romam  ve- 
nit. 

Karolus  contra  Saxones 
p  u  g  n  a  t. 

Karolus  Romam  venit 
ibique  baptisatus  est  fi- 
lius  eins  Karolomannus, 
quem  Adrianus  nomine 
Pipinum  vocavit  (also 
mutato  ausgelassen!) 
Karolus  Romam  venit 
iterum  et  sanguis  de 
celo  fluxit. 

Item  787  Karolus  per  Ale- 
maniam venit  ad  fines 
Bavorie. 

Lodvicus   imperator 
obiit;  Lotharius  suc- 
cessit. 

De  miseria  famis  ac 
mortalitatis  christiani 
homines  alter  alterius 
carnem  comedit  et 
comederunt  (et  ad  in- 
vicem  comederunt  nur 
Hs.  5). 
Albertum. 

Henricus  rex  Polonie 
obiit  (so  1,  5,  8  Ger- 
manie 6). 

Maguncia  ab  Ottone 
abscessit. 

Cruces  apparuerunt  in 
vestibus. 


840 


895 


906 
936 


953 


954 


Die  Anfänge  der  polnischen  Analistik. 


239 


Ann.  capit.  Cracovienses. 
1002  Otto  Imperator  III.  obiit 

Henricus  snccessit. 
1191  Cracovia   devastata  est 

a  Meskone. 


Eocznik  wielkopolski. 
1002  III.  fehlt. 

(1190)  Eodem  anno  Craco- 
via devastata  est  a  Mes- 
kone. 


Die  Capitelsannalen  haben  von  730 — 1002  (wir  lassen 
die  letzte  Notiz  von  1191  ausser  Acht),  also  für  den  Zeit- 
raum der  fremdländischen  (nicht  polnischen)  Nachrichten 
81  Angaben,  Eocznik  wielkopolski  nur  42;  dennoch  weist 
Kgtrzynski  die  Möglichkeit,  dass  die  kleinere  Quelle  aus 
der  grösseren  geflossen  sei,  ab  und  meint,  dass  in  der 
kleineren  ein  nur  unvollständiges  Bruchstück  der  Quelle 
der  grösseren  vorliege ;  dann  müssen  wir  eben  dieses  Bruch- 
stück an  allen  Stellen,  wo  es  sich  von  den  capituli  unter- 
scheidet, nach  diesen  abändern,  wozu  wir  bei  der  Ueber- 
lieferung  in  vier  Hss.  methodisch  kaum  berechtigt  sind. 
Nun  glaubt  Kgtrzynski  die  Quellen  der  fremden  Nachrichten, 
welche  den  Anfang  der  Krakauer  Capitelsannalen  bilden,  zu 
kennen;  es  sind,  wie  Waitz  gezeigt  hat,  Reichenauer  und  Hers- 
felder Annalen.  An  allen  13  Stellen,  an  denen  Eocznik  wiel- 
kopolski von  den  capituli  abweicht,  haben  die  letzteren  den 
Wortlaut  der  Quellen  besser  bewahrt,  man  vergleiche: 


750  'PipinusdecretoZachariae' 

Hersfelder  Ann. 
774  'pervenit'  Augienses 
778  'pugnavit'  Hersfeld. 
782  'mutato  nomine 'Hersfeld. 

786  'profluxit'  Hersfeld. 

787  'pervenit'  Augienses 
S95  'alterius  carnem  come- 

derunt'  Augienses 


905  'Adalbertum'  Augienses 

936  'Heinricus  rex  obiit' 
Augienses 

953  'obsessa  est'  Augienses 


'iubente  Zacharia'  Capituli 

P.  'miles  a  Zach.'  E.W. 
'pervenit'Capituli'venit'  E.W. 
'pugnavit' Capit. 'pugnat'E.W. 
'mutato  nomine'  Capituli 

'mutato'  fehlt  E.W. 
'profluxit'Capituli  'fluxit'E.  W. 
'pervenit  Capituli  'venit'  E.W. 
'alter  alterius  carnem  come- 
derunt'  Capituli  'alter  alte- 
rius carnem  comedit  et  come- 
derunt'  E.W. 
'Adalbertum'  Capituli  'Alber- 
tum'  E.W. 
'Henricus  rex  obiit'  Capituli 
'Henricus   rex  Polonie  obiit' 

E.W. 
'obsessaest'Capituli'abscessit' 

E.W. 


240 


M.  Perlbach. 


958  'Signum  crucis'  Hersfeld.  958  'Cruces'  Capituli 

954  'Cruces'  E.W. 
1002  'Otto  III.  imp.' Hersfeld.    'Otto  imp.  IIL'  Capituli 

'III'  fehlt  R.W. 

Ueberall  steht  das  Capitelsjahrbuch  der  deutschen 
Quelle  näher  als  das  grosspolnische;  der  einzige  Zusatz 
desselben  840  'Lotharius  successit',  der  in  den  Eeichenauer 
Annalen  nicht  steht  und  den  Hersfeldern,  welche  die  Nach- 
folge Ludwigs  des  Deutschen  berichten,  geradezu  wider- 
spricht, berechtigt  uns  noch  nicht,  die  Ableitung  aus  den 
caj)ituli  zu  verwerfen,  auch  ein  halbwegs  verständiger  Ab- 
schreiber konnte  sich  diese  zwei  Worte  leicht  aus  dem  vier 
Zeilen  tiefer  stehenden  Lottarius  Imperator  obiit  ergänzen. 

Eine  zweite  Quelle  der  capituli  sieht  Kgtrzynski  in 
den  Ann.  Cracovienses  vetusti,  deren  Ueberlieferung  älter 
ist  als  die  der  Capitelsannalen ;  soll  eine  directe  Beziehung 
zwischen  beiden  bestehen,  so  können  nur  die  vetusti  von 
den  capituli  benutzt  sein.  Die  vetusti  haben  44  Eintra- 
gungen von  948 — 1136,  davon  stimmen  die  ersten  29  mit 
den  capituli,  bis  1091,  übereiu,  doch  sind  die  Zahlen  von 
948  — 1000  und  1082  um  eine  Einheit  höher  angegeben, 
was  Kgtrzjnski  sinnreich  aus  der  Stellung  in  einem  Linien- 
schema erklärt.  Der  eine  Copist  entschied  sich  für  die 
obere  (capituli),  der  andere  (vetusti)  für  die  untere,  höhere, 
Zahl,  denn  K.  ist  der  Ansicht,  dass  der  Annalist  von  1267 
nicht  den  Heiligenkreuzer  Codex  vor  sich  gehabt  habe, 
sondern  einen  älteren  (XXXIV,  177).  Nun  finden  sich  in 
den  bei  beiden  vorkommenden  Jahresangaben  die  folgenden 
Unterschiede : 


Ann.  Cracoviensis  capituli. 
966  Mesko  dux  Polonie  bap- 

tizatur. 
987  Strzezizlava  mater 

sancti  Adalberti  obiit. 
999  Ordinacio  Gaudencii  in 

episcopum. 
1003  heremite. 
1016  Kazimirus  dux  natus  est 

mit  Tagesdatum. 
1018  Primus    ßolezlaus   Ru- 

thenos    superat    et 

terram  vastat. 
1025  Primus  Bolezlaus  rex 

Magnus  obiit  .  .  . 


Ann.  Cracovienses  vetusti. 
967  Polonie  fehlt. 

988  mater  sancti  Adalberti 
obiit. 

1000  ordinatio  sancti  Gau- 
dencii episcopi. 

1003  heremite  quinque. 

1016  dux  und  Datum  fehlen. 

1018  Bolezlaus  superavit 
Ruziam. 

1025  Bolezlaus  Magnus  obiit. 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik. 


241 


Ann.  Cracoviensis  capituli. 

1034  Mesko  rex  Felonie 
obiit. 

1039  Stephanus  rex  H Un- 
gar orum  obiit. 

1045  Mesko  filius  Kazi- 
miri  nascitur.  Tages- 
datum. 

1077  Bolezlaus  II  Corona tur, 
qui  occidit  sanctum 
Stanizl  aum. 

1089  Mesko  regis  Bolezlai 
filius  obiit. 

1091  Wladislaus,  cognomi- 
natus  Hermannus, 
dux  vicit  Pomoranos  ad 
Rechen. 


Ann.  Cracovienses  vetusti. 
1034  Mysko    rex    Polonio 

rum  obiit. 
1039  Stephanus  rex  obiit. 

1045  Mysco  natus  est. 


1077  Bolezlaus   secundus  co- 
ronatus  est. 

1089  Mysco  obiit. 


1091  Wladizlaus  dux  vicit  Po- 
meranos  ad  Drecim  (so 
ist  nach  Arndts  Anmer- 
kung SS.  XIX,  578,  N.  a 
zu  lesen,  derselbe  Name 
heisst  bei  Gallus  II,  2 
Drzu,  Driesen). 

Dazu  kommen  noch  zwei  Stellen,    für   welche  wieder 
deutsche  Parallelen  vorliegen: 


951  Otto  primus  rex 
Ytaliam  sub- 
egit.  capituli. 

961  Otto  in  regem 
elevatur.  capi- 
tuli. 


951  Otto  primus 
Italiam  sub- 
egit.  vetusti. 

962  Otto  in  regem 
ungitur.  ve- 
tusti. 


951  Otto  rex  per- 
rexit  in  Italiam 
Hersf. 

961  Otto  puerulus 
in  regem  ele- 
vatur .  .  Ann. 
S.  Benigni  Di- 
vion. (Fortsetz. 
der  in  den  Au- 
gienses  benutz- 
ten Annalen). 

Die  übrigen  14  Notizen  zeigen  keine  Abweichungen; 
die  capituli  haben  von  947 — 1091  57,  die  vetusti  29  An- 
gaben. Von  den  folgenden  15  Nachrichten  der  vetusti 
fehlen  in  den  capituli  1092,  1103,  1109,  1115,  1116,  1118, 
1121,  1122,  1136,  also  neun,  von  den  anderen  sechs  stimmen 
mehr  oder  weniger  überein: 


Ann.  capituli. 
1101  Lambertus  episcopus 
Cracoviensis    obiit    mit 
Datum. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV. 


Ann.  vetusti. 
1101  Das  Datum  fehlt. 


16 


242 


M.  Perlbach. 


Ann.  capitnli. 

1102  Herrn annus  duxPo- 
lonie  cognominatus 
Viadislaus  obiit. 

1105  Vladizlans  secundus  na- 
tus  est. 

1111  ...  Bolezlaus  devicit 
Bohemos. 

1113  Bolezlaus  III.  Nakel  et 
alia  castra  obtinuit. 

1119  Item  Bolezlaus  Pomo- 
ranos  duces  bello  de- 
vicit et  utramque 
possedit  terra m. 


Ann.  vetusti. 
1102  Wladislaus  dux  obiit. 


1105  Wladizlaus  secundus  na- 
tus  est. 

1110  Bolezlaus   III.    in  trat 
Boemy  am, 

1113  Bolezlaus  III.  Nachel  et 
alia  castra  obtinuit. 

1119  Bolezlaus   i  d  e  m   d  u  o  s 
Pomeranorum  duces 
bello  convicit,    unum 
liaravit  et  a.  f. 


Die  Vergleichung  der  abweichenden  Stellen  erg-iebt, 
dass  in  den  vetusti  uns  kein  selbständiges  Jahrbuch,  son- 
dern nur  ein  Auszug-  vorliegt;  das  Fehlen  der  Würde- 
bezeichnungen dux,  rex,  der  ausgelassene  Name  Strzezis- 
lawa  zeigen  es  ganz  augenscheinlich.  Natürlich  ist  dieser 
Auszug  nicht  aus  den  jetzigen  Capitelsannalen  gemacht, 
sondern  aus  deren  Quelle,  wie  von  allen  deutschen  For- 
schern und  (1873)  von  Smolka  angenommen  wird,  und  zwar 
erst  nach  1138,  da  zu  1105  Wladizlaus  bereits  als  secundus 
bezeichnet  wird,  was  vor  seinem  Regierungsantritt  nicht 
möglich  war.  Der  Nachtrag  zu  1136  wird  einige  Jahre 
später  hinzugefügt  sein ;  leider  sind  die  drei  letzten  Nach- 
richten dieses  ältesten  Jahrbuches  noch  nicht  erklärt, 
Hector,  Zuetopolk  dux  Odreusis  und  Sophya  sind  uns  un- 
bekannt. In  den  vetusti  liegt  offenbar  nur  ein  Fragment 
vor,  der  Abschreiber  wollte  ursprünglich  sein  Werk  weiter 
führen,  da  die  Jahre  1123 — 1164  zwischen  Linien  gesetzt, 
aber  keine  Notizen  zu  ihnen  gestellt  sind.  An  zwei  Stellen, 
1003  quinque  und  1091  Drecim  ist  die  alte  Quelle  besser 
erhalten  als  in  den  Capitelsannalen. 

Als  dritte  Quelle  der  capituli  sieht  Kgtrzynski  die 
Ann.  breves  Cracovienses  an.  Auch  diese  sind  uns,  wie 
Rocznik  Wielkopolski,  nur  in  der  grossen  Compilation  des 
15.  Jh.,  der  Chronica  magna,  erhalten  und  zwar  in  zwei 
Theile  getrennt,  965—1135  und  1142—1283,  in  drei  Hss. 
(Ottobon.,  Breslau,  Sienawa)  vollständig,  in  zwei  (Czarto- 
ryski  und  Petersburg)  nur  Theil  I,  in  der  Königsberger  Hs. 
nur  einzelne  Notizen  von  beiden  Theilen,  in  der  Hs.  von 
Wilanow  nur  der  Schluss  von  II.  Kgtrzynski  hält  ein 
Fragment  aus  dem  13.  Jh.,  das  er  von  einer  theologischen 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik. 


243 


Hs.  zu  Wapcz  in  Westpreussen  abgelöst  hat  und  das  Bie- 
lowski  als  Notae  Cracovienses  herausgab,  für  den  Rest 
einer  Hs,  der  breves.  Dass  diese  1399  in  ihrer  jetzigen 
Gestalt  vorhanden  waren,  beweisen  die  Ann.  S.  Crucis  Po- 
lonici,  die  in  diesem  Jahre  entstanden,  die  breves  völlig  in 
sich  aufgenommen  haben.  Der  erste  Theil  der  breves, 
965—1135,  enthält  29,  der  zweite,  1142—1283,  44  Notizen. 
Mit  den  capituli  berühren  sich  im  ersten  Theile  24  Stellen 
von  29,  nämlich: 


Ann.  capit.  Cracoviensis. 

965  Dubrovka  ad  Meskonem 
venit. 

966  Mesco  dux  Polonie  bap- 
tizatur. 

990  Professio  sancti  Adal- 
berti  cum  fratre  Gau- 
dencio. 

997  Passio  sancti  Adalberti. 


1002  Ottoimperatorlll.obiit. 
Henricus  successit. 

1003  heremite  in  Polonia  mar- 
tirizati  sunt. 

1018  Primus  Boleslaus  Ru- 
thenos  super at  et  ter- 
ram  vastat. 

1025  Primus  Bolezlaus  rex 
niagnus  obiit.  Lamber- 
tus  filius  eins  succedit. 

1034  Mesko  rex  Polonie  (Po- 
loniorumA.vetusti)obiit. 

1038  Corpus  sancti  Adal- 
berti translatum  est. 

1061  Zula  in  episcopum  Cra- 
coviensem  ordinatur  et 
tunc  cognominatus 
est  Lambertus. 

1065  (MLXV)  Mesko  filius 
Kazimiri  ducis  obiit. 

1071  Sula,cognominatusLam- 
bertus,  episcopus  Craco- 
viensis obiit. 


Ann.  Cracovienses  breves. 

965  Dubrowka  venit  ad  du- 
c  e  m  Mesconem. 

966  Meszco  baptizatur  et  fi- 
des  katholica  in  Po- 
lonia recipitur. 

990  Professio  sancti  Adal- 
berti cum  fratre  Gau- 
dencio. 

997  Sanctus  Adalbertus 

martyrizatus  est  in 
Prussia. 

1002  Otto  Imperator  obiit. 

1003  heremithe  in  Polonia 
martirizati  sunt. 

1018  Primus  Boleslaus  super- 
avit  Ruthenos  et  ter- 
ram    eorum  vastavit. 

1025  Primus  Boleslaus  rex 
magnus  obiit. 

1030  Meszco   rex  Polonorum 

obiit. 
1038  Sanctus  Adalbertus 

translatus  est. 
1061  Ordinacio  Lamberti   in 

episcopum      Cracovien- 

sem,    qui   Sula    voca- 

batur. 

1070  (MLXX)  Mesco  dux 
obiit. 

1071  Lambertus  obiit,  cui 
sanctus  Stanislaus  suc- 
cessit. 

16* 


244 


M.  Perlbach. 


Ann.  capit.  Cracoviensis. 

1072  Stanyzlaus  suc cedit. 

1077  BolezlausII.coronatur 
(coronatus  est  A.  vetu- 
sti),  qui  occidit  sanctum 
Stanizlaum. 

1079  Stanizlaus  episcopus 

Cracoviensis  (lange  Er- 
zählung) .  .  .  martiri- 
zatur  .  . 


1081 


1082 


1086 


1088 


1102 


1111 


1125 
1135 


Secundus  Bolezlaus  rex 
obiit. 

item  ordinacio  Lamberti 
in  episcopum  Cracovi- 
ensem. 

Mesko  filius  Bolezlai 
secundi  de  Hungaria 
rediit  et  Bolezlaus  ter- 
cius  natus  est.  ludith 
mater  sua  obiit. 
Mesko  uxorem  duxit. 

Hermannus  dux  Polonie 
cognominatus  Vladis- 
laus  obiit. 

Bolezlaus  devicit  Bohe- 
mos  (BolezlausIII.  intrat 
Boemyam  A.  vetusti). 

Cracov  combustum  est. 
Wizlicia  cede  destruitur 
V.  Idus  Februarii. 


Ann.  Cracovienses  breves- 


1078 


1079 


BoleslausII.  coronatus 
est,  qui  occidit  sanc- 
tum Stanislaum. 


Beatus  Stanislaus  mar- 
tirizatus  est,  cui  suc- 
cessit  in  episcopa- 
tum  Lambertus,  non^ 
nisi  quarto  anno. 

1081  Rex  Boleslaus  secundu» 
obiit,  occisor  sancti 
Stanislai. 

1082  Lambertus  in  episcopum 
Cracoviensem  ordinatur. 


1086 


1088 


1102 


1111 


1125 
1135 


Mesco  dux  de  Unga- 
ria  rediit  et  Boleslaus 
tercius  natus  est  et  Ju- 
dith mater  sua  obiit. 

Mesco  dux  uxorem 
duxit. 

Wladislaus  cognomina- 
tus Hermannus  diem 
clausit  extremum. 
Boleslaus  dux  Craco- 
viensis devicit  Bohe- 
mos  et  terram  eo- 
rum  vastavit. 
Cracow  combustum  est. 
Vislicia  cede  destruitur 
V.  Idus  Februarii. 


Ziehen  wir  das  von  Kgtrzjnski  entdeckte  Fragment 
mit  in  Betracht,  so  erhalten  wir  aus  dem  ersten  Theile  der 
breves  noch  zwei  Notizen  zur  Vergleichung  mit  den  Ca- 
pitelsannalen ; 


Ann.  capit.  Cracovienses. 

1109  Balduinus  episcopus 
Cracoviensis  obiit, 
Maurus  succedit. 

1118  Maurus  episcopus 

Cracoviensis     obiit, 
Radost  successit. 


Notae  Cracovienses. 

1109  (hinter  1135)  Balduinus^ 
obiit;  cui  Maurus  suc- 
cessit. 

1118  (hinter  1109)  Ma[u]rus 
obiit,  Robert  US  suc- 
cessit. 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik.  245 

Die  Ann.  S.  Cnicis  beweisen,  dass  die  Nachricht  der 
Capitelsannalen  richtig  ist  und  in  dem  Fragment  der  Bi- 
schof swechsel  Yon  1118  mit  dem  von  1142  Eadost  obiit, 
Robertus  successit  verbunden  ist.  Mit  dem  Bischofswechsel 
von  1142  beginnt  der  2.  Theil  der  breves,  der  also,  wie 
wir  jetzt  aus  dem  Fragment  ersehen,  mit  den  an  ihrer 
richtigen  Stelle  ausgelassenen  Notizen  von  1109  und  1118 
begann.  Auch  die  Ann.  S.  Crucis  haben  in  ihrem  Exem- 
plar der  breves  die  Bischofswechsel  von  1109  und  1118 
hinter  1135  gelesen,  denn  sie  ändern,  um  die  chronologi- 
sche Reihenfolge  wiederherzustellen,  willkürlich  die  beiden 
störenden  Zahlen  1109  und  1118  in  1138  und  1153  (Mon. 
Pol.  III,  69,  vgl.  Rozprawy  XXXIV,  182). 

Innerhalb  des  ersten  Theiles  der  Ann.  breves  haben 
also  26  Notizen  die  entsprechenden  Parallelen  in  den  capi- 
tuli.  Zu  beachten  ist  dabei,  dass  an  zwei  Stellen  1034 
und  1077  der  Wortlaut  der  breves  an  den  der  vetusti  er- 
innert; mitunter  machen  die  breves  kleine  Zusätze,  so  965, 
966,  997,  1018,  1065,  1071,  1079,  1081,  1086,  1111.  Sieben 
Stellen  der  breves  sind  nicht  in  den  capituli  enthalten : 
982,  991,  992,   1001,  1059,   1088,  1133. 

Dass  die  zu  1088  erzählte  Translation  des  h.  Stanis- 
laus  wörtlich  aus  der  1260  von  dem  Dominicaner  Vincenz 
von  Kielce  verfassten  Lebensbeschreibung  herrührt,  hat 
schon  1873  Smolka  S.  19  angemerkt;  aus  derselben  Quelle 
dürfen  wir  auch  die  Nachricht  von  1059  über  den  Bischof 
Aaron  von  Krakau  herleiten,  die  nur  (Smolka  S.  38)  aus 
Versehen  unter  sein  Todesjahr  1059  statt  1046  gerathen 
ist;  dabei  ist  der  dem  Schreiber  unwahrscheinlich  klin- 
gende Ort  Köln,  wo  nach  der  Vita  die  Ordination  Aarons 
«rfolgt  sein  soll,  in  Rome  umgewandelt.  Die  noch  übrig 
bleibenden  fünf  Notizen  982,  991,  992,  1001  und  1133  haben 
ein  Gemeinsames,  sie  beziehen  sich  auf  Böhmen. 

Der  zweite  Theil  der  Ann.  breves  (1142 — 1283)  ent- 
hält 44  Eintragungen.  Es  stimmen  mit  den  capituli 
überein  1142,  1143,  1147  (et  ducibus  fehlt  brev.),  1166 
(ohne  Tagesdatum),  1170  Sanctus  Thomas  brev.,  1177 
optinendam  cap.,  obtinendus  brev.,  1182  Dux  Kazimirus 
devicit  Ruthenos  cap.,  1182  Kazimirus  dux  Cujavie  vicit 
Euthenos,  1184,  1185  Zusatz  in  den  breves  (aus  1187  ent- 
nommen) cui  Fulco  successit,  1186  optinuit  cap.,  obtinet 
—  eins  breves,  1194,  1202,  1205  (breves  viel  kürzer,  die 
capituli  sind  hier  bekanntlich  interpoliert),  1207,  1208,  1219, 
1221  de  consensu  cap.,  cum  consensu  brev.,  1222  de  civi- 
tate  fehlt  brev.,   also   lauter  unbedeutende  Abweichungen. 


246 


M.  Perlbach. 


Die  Capitelsannalen  haben  von  1142 — 1222  43  Notizen, 
die  breves  nur  23.  Zu  1195  vertheilen  die  breves  den  Be- 
richt der  capituli  auf  zwei  Jahre: 


Ann.  capit.  Cracovienses. 
1195  Inter  Mesconem  et 
Lezstkonem  filiuni 
Kazimiri  factum  est  pre- 
lium  magnum  in  Mos- 
kava  et  Mesko  v  i  c  i  t  et 
ßolezlaus  suus  filius  est 
occisus.  Tuncdux  Mesko 
Cracoviam  optinet. 


Ann.  breves. 

1195  Inter  Mesconem  et  fi- 
lium  Kazimiri  facta  est 
cedes  magna  in  Mas- 
cova,  ita  quod  Mesco 
vincitur  et  dux  Boles- 
laus  filius  suus  inter- 
ficitur. 

1196  dux  Mesco  in  Cracovia 
I  succedit. 

Das  Auslassen  des  Namens  Lestco  erweist  den  Bericht 
der  breves  an  dieser  Stelle  sicher  als  Auszug,  aber  aus 
seiner  Quelle  hat  der  Epitomator  richtiger,  als  der  Capitels- 
annalist  von  1267,  die  Niederlage  Mesko's  herausgelesen. 
Das  bestätigen  die  compilati,  die  auch  nach  Kgtrzjnski 
mit  den  capituli  eine  gemeinsame  Quelle  haben: 

1195  Bellum  in  Mozgava  inter  Lestkonem  et  Meskonem^ 
Lestko  prevaluit  et  Boleslaus  occiditur. 

Vermuthlich  stand  in  der  Quelle  .  .  et  Mesko  vincitur 
et  Bolezlaus  suus  filius  est  occisus.  Tarnen  dux  Mesko 
Cracoviam  optinet;  dafür  las  der  Annalist  von  1267  Tunc 
und  änderte  nun  vincitur  in  vicit   (vgl.  Smolka  S.  79.  80). 

Noch  deutlicher  ist  das  Verhältnis  der  breves  zu  den 
capituli  1197.  Man  muss  diese  Stelle  mit  zwei  anderen  zu 
1189  und  1223  zusammenhalten. 


Annales  capituli  Cracov. 

1189  lohannes  cardinalis  cog- 
nominatus  Malabranca 
venit  in  Poloniam. 

1197  Petrus  cardinalis  venit 
in  Poloniam  sedis  apo- 
stolice  legatus,  qui  in- 
stituitmatrimonium  con- 
trahere  in  facie  eccle- 
sie  et  habere  uxores  sa- 
cerdotibus    inter  dixit. 

1223  Gregorius  tercius  cardi- 
nalis in  Cracoviam  ve- 
nit. 


Ann.  breves. 
fehlt. 


1197  Petrus  secundus  car- 
dinalis venit  in  Polo- 
niam, qui  matrimonium 
in  facie  ecclesie  insti-l 
tuit  contra  hi  et  sacer- 
dotibus  uxores  habere 
contra  dixit. 

fehlt. 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik.  247 

Das  tercitis  wird  klar  aus  dem  secundiis  der  breves 
von  1197,  sie  bezeichnen  den  Cardinal  Peter  als  zweiten, 
obwohl  sie  den  Besuch  des  ersten  übergangen  haben,  ein 
deutliches  Zeichen,  dass  wir  es  hier  nur  mit  einem  Aus- 
zug, aber  keinem  selbständigen  Jahrbuch  zu  thun  haben. 
Von  1223  wird  dieser  Charakter  noch  offenkundiger.  Mit 
den  capituli  stimmen  überein  1227,  1247,  1253,  1265,  nur 
die  Hälfte  der  Nachricht  ist  raitgetheilt  zu  1223,  1225, 
1231,  1241,  1242.  1243,  1259,  1262,  1266,  1267,  1268.  In 
diesem  ganzen  zweiten  Theile  finden  sich  bis  1268  keine 
Stellen,  die  nicht  auch  in  den  capituli  überliefert  sind, 
dennoch  werden  wir  die  breves  mit  Rücksicht  auf  ihren 
Anfang  und  die  Berichte  zu  1195  und  1197  nicht  für  ein 
Excerpt  der  jetzigen  Capitelsannalen,  sondern,  wie  die 
vetusti,  aus  deren  Vorlage  abgeleitet  ansehen  müssen,  Rocznik 
Wielkopolski  dagegen  halte  ich  für  einen  Auszug  aus  den 
capituli  von  1267.  Die  breves  und  die  vetusti  treten  da- 
mit auf  dieselbe  Stufe,  wie  die  Lubinenses,  Kamenzenses, 
Poznanienses  und  compilati,  von  denen  auch  Ketrzynski 
annimmt,  dass  sie  mit  den  capituli  aus  gemeinsamer  Quelle 
schöpfen. 

Wie  wir  bereits  gesehen  haben,  stehen  an  der  Spitze 
der  Capitelsannalen  fremdländische  Nachrichten  von  730 
an,  deren  Spuren  sich  auch  in  den  vetusti,  Poznanienses 
und,  wenigstens  eine  Stelle,  auch  in  den  Ann.  Miecho- 
vienses  erhalten  haben :  947  inventio  sancti  Stephani  proto- 
martiris.  Waitz  und  Wojciechowski  haben  nachgewiesen, 
dass  diese  Stelle  und  die  zu  931  über  den  h.  Ambrosius 
irrthümlich  aus  dem  ersten  Ostercyclus  (399  resp.  415)  in 
den  zweiten  gerathen  sind.  Da  sich  diese  Fehler  in  allen 
polnischen  Annalen,  in  denen  sie  vorkommen,  finden,  ist 
es  klar,  dass  sie  bereits  der  gemeinsamen  Quelle  der  capi- 
tuli, vetusti  und  Poznanienses  angehört  haben.  Wie  war 
nun  diese  gemeinsame  Quelle  beschaffen? 

Fränkisch -deutsch -böhmische  Nachrichten  haben  sich 
in  folgenden,  von  Kgtrzynski  im  ersten  Abschnitt  bespro- 
chenen Annalen  erhalten: 

1)  In  den  Ann.  capituli  Cracoviensis  von  730  bis  ? 
(das  Endjahr  muss  vorläufig  offen  bleiben). 

2)  In  den  Ann.  Cracovienses  vetusti  von  948  bis  1002. 

3)  In  den  Ann.  breves  von  982  bis  1038  (nur  böhmi- 
sche Nachrichten). 

4)  In  den  Ann.  Poznanienses  von  929  bis  1038. 

5)  In  den  Ann.  Miechovienses  von  947  bis?  (auch  hier 
kann  der  Schluss  erst  später  festgestellt  werden). 


248  M.  Perlbach. 

In  der  ersten  ki'itischen  Ausgabe  der  Krakauer 
Capitelsannalen  von  ßoepell  und  Arndt  im  19.  Bande  der 
Scriptores  wurden  als  Quelle  dieser  fränkischen  Annalen 
die  Hersfelder  Annalen  angesehen  (XIX,  575).  Dagegen 
hat  Waitz  in  den  Nachrichten  von  der  K.  Gesellschaft  der 
Wissenschaften  zu  Göttingen  1873  S.  388 — 391  gezeigt, 
dass  neben  den  Hersfelder  Annalen  als  Quelle  die  Ann. 
Augienses  (bis  954)  und  stellenweise  die  Ann.  Corbeienses 
in  Betracht  kommen ;  er  denkt  an  eine  in  Mainz  erfolgte 
Vereinigung  dieser  drei  Jahrbücher,  welche  über  Prag  nach 
Krakau  gelangt  ist,  und  nennt  deshalb  die  verlorene  Quelle 
Mainzer  Annalen.  Wojciechowski  dagegen,  der  1880  in 
der  Eingangs  erwähnten  Abhandlung  gerade  dieses  frän- 
kische Jahrbuch  sehr  gründlich  untersucht,  entscheidet 
sich  für  Abfassung  der  Vorlage  in  Corvey,  hauptsächlich 
auf  Grund  der  anachronistischen  Auffindung  des  h.  Ste- 
phan, des  Corvey  er  Localheiligen.  K^trzjiiski  schliesst 
sich  in  der  Hauj^tsache  an  Waitz  an  und  hält  das  frän- 
kische Jahrbuch  für  eine  Compilation  aus  den  Hersfelder 
und  Reichenauer  Annalen;  S.  242 — 253  druckt  er  in  je  zwei 
Spalten  zuerst  die  Ann.  Augienses  und  Weissenburgenses 
(eventuell  ergänzt  durch  die  anderen  Vertreter  der  verlor- 
nen Hersfelder,  Quedlinburger,  Hildesheimer,  Lampert, 
Altaicher,  Ottoburani)  nebeneinander,  dann  theilt  er  auf 
der  gegenüberliegenden  Seite  ^  die  Nachrichten  des  frän- 
kischen Jahrbuches  der  capituli  (730 — 973)  in  zwei  Colum- 
nen,  je  nachdem  sie  mit  der  Reichenauer  oder  der  Hers- 
felder Ueberlieferung  Verwandtschaft  zeigen.  Bei  der  Ver- 
gleichung  ergiebt  sich  nun  die  auch  Ketrzynski  keinenfalls 
entgangene  Thatsache,  dass  alle  localen  Beziehungen  auf 
Eeichenau  und  Hersfeld  in  dem  fränkisch-polnischen  Jahr- 
buch fehlen,  dafür  finden  sich  Localnachrichten  Ton  Fulda 
und  Mainz,  nämlich : 

744  inicium  Fuldensis  ecclesie. 

807  in  cenobio  Fuldensi  fratrum  mortalitas  magna  fuit. 
813  pons  apud  Mogunciam   arsit,     Radulf us  archiepisco- 
pus  obiit,  Ottagarius  successit. 

890  Liubertus  archiepiscopus  obiit,  Sinderoldus  succedit. 

891  Sinderoldus    archiepiscopus    a   Normannis    occiditur 
et  Hatto  ei  succedit. 

937  monasteria  s.  Galli  et  s.  Bonifacii  comburuntur. 


1)  Im  Separatabzugf  stehen  sich  diese  beiden  Seiten  leider  nicht 
gegenüber,  sondern  folgen  auf  einem  Blatte  aufeinander,  daher  empfiehlt 
es  sich  für  diese  Vergleichung  die  Rozprawj'  selbst  zur  Hand  zu  nehmen. 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik.  249 

953  Maguncia   ab    Ottone   obsessa   est.     Fridricus  arch.i- 
episcopus  obiit,   Willihalmus  successit. 

969  Willihalmus  archiepiscopus  obiit,  Hatto  successit. 

970  Hatto   archiepiscopus   obiit,    cui  Robertus   successit. 

Offenbar  ist  ein  Mainzer  Bischofsverzeichnis  Quelle 
gewesen,  denn  nur  bei  Benutzung  eines  solchen  ist  der 
irrthum  zu  813,  das  Ueberspringen  des  Erzbischofs  Aistulf, 
zu  erklären,  es  muss  dagestanden  haben: 

813  Richulfus  (st.  Radulf us)  archiepiscopus  obiit,  Aistul- 

fus  successit. 
826  Aistulfus   archiepiscopus   obiit,  Ottagarius  successit. 

Der  Abschreiber  irrte  aus  der  ersten  in  die  zweite 
Zeile.  Dieses  Versehen  fällt  sicher  nicht  dem  Annalisten 
von  1267  zur  Last,  auch  nicht  mehr  seiner  Vorlage,  un- 
zweifelhaft kann  es  nur  bei  Benutzung  einer  Bischofsliste, 
in  der  beide  Namen  aufeinanderfolgten,  entstanden  sein, 
in  den  Annalen  stehen  ja  vor  826  schon  zwei  Notizen  von 
816  und  821.  Von  den  erhaltenen  Mainzer  Bischofskata- 
logen, die  Holder-Egger  im  13.  Bande  der  SS.  S.  308—33  6 
herausgegeben  hat,  zeigt  keiner  diesen  Fehler.  Nach  Kg- 
trzynski's  Theorie  vertheilen  sich  von  diesen  9  Localnach- 
richten  6  (744,  807  Fulda,  813,  890,  969,  970  Mainz)  auf 
Hersfeld,  3  (891,  953  Mainz,  937  Fulda)  auf  Reichenau. 
Ist  das  wahrscheinlich? 

Bereits  Wojciechowski  hat  1880  in  der  öfters  citierten 
Abhandlung  S.  205  ganz  klar  ausgesprochen,  dass  nicht  die 
Hersfelder  Annalen,  sondern  ein  verlorenes  Jahrbuch  von 
Fulda  die  Quelle  des  fränkisch -polnischen  Jahrbuches  ge- 
wesen ist.  Damit  stimmt  auf  das  Beste  die  Untersuchung 
von  H.  Lorenz,  Die  Annalen  von  Hersfeld,  Leipziger  Disser- 
tation von  1885,  deren  wesentlichstes  Ergebnis  für  unsere 
Frage  ist,  dass  nach  Hersfeld  in  der  Mitte  des  10.  Jh.  in 
Fulda  verfasste  Annalen  gelangt  sind,  deren  Spuren  sich 
auch  in  den  Werken  des  Mainzer  Chronisten  aus  dem  11.  Jh., 
des  Schotten  Marianus,  wiederfinden.  Auf  denselben  Mainzer 
Chronisten  hat  kürzlich  (aber  erst  nach  dem  Erscheinen 
von  Ketrzynski's  Abhandlung,  die  er  freilich  nicht  kennt) 
J.  R.  Dieterich  in  seinem  Buche:  Die  Geschichtsquellen 
des  Klosters  Reichenau  bis  zur  Mitte  des  11.  Jh.,  Giessen 
1897  ^,  als  mit  den  Krakauer  (und  Prager)  Annalen  in  Ver- 

1)  Dieterich  behandelt  die  Krakauer  -  Prager  Annalen  S.  173 — 198 
u.  S.  260 — 285,  aber  zutreffend  nur  an  der  ersten  Stelle.  Der  Anhang  II, 
Die  Anfänge  der  böhmischen  und  polnischen  Annalistik  S.  260  £f.  wird 
durch  die  Nichtbeachtung  aller  polnischen  Vorarbeiten  beeinträchtigt. 


250  M.  Perlbach. 

bindung  stehend  hingewiesen  (S.  174).  Zu  Mainz  stehen 
aber,  wie  schon  1873  Waitz  hervorgehoben  hatte,  die  Ann. 
Augienses  in  enger  Beziehung,  da  die  einzige  Hs.  derselben 
der  Codex  4860  (Colbertinus  240,  ßegius  3730  a)  der  Pariser 
Natioualbibliothek  ist,  in  welchem  sich  noch  eine  andere 
Mainzer  Quelle  befindet,  die  Albaner  Annalen,  die  im 
zweiten  Bande  der  SS.  (239 — 247)  als  Ann.  Wirziburgenses 
herausgegeben  sind.  Sie  sowohl  wie  die  Ann.  Augienses 
sind  mit  den  Annalen  von  Weingarten  und  St.  Gallen  Aus- 
züge aus  grösseren,  wohl  schwäbischen,  Reichsannalen.  Von 
beiden  Seiten,  von  Hersfeld  und  Reichenau,  werden  wir 
somit  nach  Mainz  geführt.  Der  Kreis  der  in  Betracht 
kommenden  Annalen  wird  allerdings  erheblich  weiter  ge- 
zogen werden  müssen,  als  es  Kgtrzjnski  gethan  hat ;  nicht 
nur  mit  den  Augienses  und  Weissenburgenses,  sondern  mit 
einer  ganzen  Reihe  anderer  Jahrbücher  sind  die  fränkischen 
Nachrichten  der  Ann.  capituli  Cracovienses  zu  vergleichen. 
Die  Hs.  der  Krakauer  Capitelsannalen  wird  nach 
einem  nicht  mehr  völlig  lesbaren  Prologe  eröffnet  durch 
eine  Abschrift  der  kleineren  Chronik  des  Isidor  von  Sevilla 
(Etjmol.  lib.  5  c.  89  de  descriptione  temporum),  welche  von 
Lgtowski  und  Bielowski  abgedruckt,  von  den  deutschen 
Herausgebern  fortgelassen  ist,  auch  K^trzyiiski  geht  nicht 
weiter  auf  sie  ein.  Nur  an  wenigen  Stellen  weicht  sie  von 
dem  recipierten  Text  (jetzt  am  besten  in  Mommsens  Aus- 
gabe (A.  antiquiss.  XI,  426  ss.)  ab,  so  nach  4542  (Moi:. 
Pol.  II,  786):  'Numa  Pompilius  lanuarium  Februarium 
menses  adiecit'  nach  der  grösseren  Chronik  Isidors  c.  37, 
5474  (M.  P.  II,  787)  zu  Kaiser  Tacitus  ebendaher,  4833 
'Artaxerxes  isto  altero  nomine  Assuer  vocatur',  nach  dem 
Buche  Esther.  Ein  bemerkenswertherer  Zusatz  findet  sich 
S.  788  zu  lulianus  apostata:  'qui  postea  a  Persys  vivus  ex- 
coriatur,  stramine  repletur  et  in  insultibus  moritur'.  Die- 
selbe Fabel  erzählt  Gotfried  von  Viterbo  im  Pantheon 
XXII,  7  (SS.  XXII,  181)  'sicut  legitur  in  vita  s.  Fabiani 
(in  passione  s.  Floriani  B)'.  Waitz  bemerkt  dazu  S.  179, 
dass  eine  derartige  Legende  noch  nicht  (1872)  bekannt  sei, 
ähnliches  aber  im  Chron.  S.  Benedicti,  SS.  III,  696,  also 
zur  Zeit  Otto  I.,  berichtet  werde.  Der  heilige  Florian 
wurde  1184  nach  Krakau  gebracht  (Ann.  cap.  Crac),  Hss. 
seiner  Legende  sind  daher  in  Polen  mehrfach  verbreitet 
(Krakauer  Capitelsbibliothek  n.  157  Archivum  doziejow 
III,  110,  Kurnik,  Dzialynskische  Bibliothek  I,  D  52,  Mon. 
Pol.  lY,  45,  Krakau  Czartoryskische  Bibliothek  n.  3064, 
M.  P.  IV,  243),  ob  aber  die  Stelle  über  Julians  Ende  darin 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik, 


251 


steht,  ist  nicht  bekannt.  Den  Schluss  des  Isidor,  der  bis 
zum  Jahre  5856  o.  e.  reicht,  bildet  die  subscriptio  Re- 
ceswinthiana  aus  dem  10.  Eegierungs jähre  dieses  Fürsten 
(=  658)  bis  S.  4,  Columne  2,  dann  folgen  die  Ann.  compi- 
lati  965—1247  S.  4—6  und  S.  7  beginnt  730  das  fränkische 
Jahrbuch.  Die  Anfügung  desselben  an  Isidor  (die  compi- 
lati  wurden  erst  nach  1291  auf  die  leer  gelassenen  Blätter 
eingetragen)  wurde  wohl  erst  1267  vorgenommen,  Isidors 
Etymologien  befanden  sich  schon  1110  in  der  Bibliothek 
des  Domcapitels  nach  dem  alten  Katalog  der  Dombibliothek 
Mon.  Pol.  I,  377,  vermuthlich  der  jetzt  im  Besitze  der 
Jagiellonischen(Universitäts-)Bibliothek  zuKrakau  befindliche 
Codex  n.  484  des  Handschriftenkataloges  von  Wislocki  (S.  154). 
Jetzt  wollen  wir  die  einzelnen  Jahresangaben  der 
Krakauer  Capitelsannalen  von  730  an  mit  den  entsprechenden 
deutscheu  Annalen  zusammenstellen. 

Ann.  capituli  Cracoviensis. 
730  Beda  presbiter  obiit.  Ebenso  Ann.  Fuld.  breves 

SS.  II,  237,  aber  zum  richti- 
gen Jahre  735. 

Ebenso  Ann.  Sangallen- 
ses\  Weingartenses,  Augienses 
(aber  Frisiam  oder  Fresiam). 
SS.  I,  64.  67. 

Ebenso  nur  Aug.  (A.),  die 
anderen  'invadit'. 

Ebenso  A. ,  Sangallenses 
(SG.),  Weingart.  (W.). 

Urquelle  ist  die  Notiz  der 
Ann.  Fuldenses  antiqui  (ed. 
Kurze  S.  137):  '744  initium 
monasterii  Fulde'.  Als  'Ini- 
cium  Fuldensis  monasterii'  aus 
den  Hersfelder  Annalen  bei 
Lampert,  den  Weissenburger 
(ed.  Holder -Egger  14,  15), 
Quedlinburger  (SS.  III,  35), 
Wirziburgenses  (S.  Albani, 
aber  zu  745,  SS.  II,  239). 

W.  ebenso,  SG.  etwas  ver- 
stümmelte Namen,  A.  SG. 
zu  745. 


734  Karolus  Friofiam   vastat. 


735  Karolus  Wasconiam    in- 

vasit. 
741  Karolus  moritur. 

744  Inicium  Fuldensis  ecclesie. 


746  Karolomannus    Aleman- 
niam  ingreditur. 


1)    Nach    der    Ausgabe    von    Henking    in    den    Mittheilungen    zur 
vaterländischen  Geschichte,  N.  F.  IX,  St.  Gallen  1884,  S.  220  ff. 


252 


M.  Perlbach. 


Ann.  capituli  Cracoviensis. 
746  Karolomannus    Romam 
pergit  tonsoratus. 


750  Pipinus  iubente  Zacharia 
papa  perunctionem  sancti 
Bonifacii  episcopi  rex  ap- 
pellatur. 


754  Bonifacius     martirizatur 
et  Pipinus  Italiam  intrat. 

755  Organum    primum   in 
Franciani  yenit. 


756  Pipiniis  rex  Saxoniam  in- 
greditur. 


757  Pipinus   rex  Wasconiam 
intrat. 


766  Sclavi  victi  sunt  aFrancis. 


Urquelle  sind  Ann.  Lauris- 
senses  minores  SS.  I,  115: 
'Karlmannus  .  .  Romam  per- 
venit  ibique  tonsoratus'.  In 
den  Quedlinburger  Annalen, 
die  hier  als  einziger  Vertreter 
der  Hersfelder  gelten  müssen, 
steht :  'Karolomannus  Romam 
pergens  tonsoratur'  (SS.  III, 
35),  ebenso  bei  Marianus  Sco- 
tus  (SS.  V,  547). 

Urquelle  wieder  Ann.  Lau- 
riss.  min.  SS.  1, 116 :  'Pippinus 
.  .  ad  Zachariam  .  .  per  unc- 
tionem  sancti  Bonifacii  .  . 
appellatur  rex'.  Darauf  be- 
ruhen die  Hersfelder,  die  statt 
'iubente'  —  'decreto'  haben 
und  Marianus,  der  fälschlich 
'unguitur  in  imperatorem' 
schreibt. 

A.  SG.  W.  (aber  alle  'in- 
travit'). 

Am  nächsten  steht  die  Fas- 
sung Marians  zu  757:  'Orga- 
num primitus  venit  in  Fran- 
ciani'. Die  Hersfelder  (Weiss., 
Quedl.,  Altaicher)  haben  'pri- 
mum' nicht. 

A.  W.  (in  Saxoniam)  und 
758,  ebenso  Marianus  (nach 
A.),  der  'rex'  in  'imperator' 
abändert,  SG.  756. 
758  Pipinus  rex  in  Wasco- 
niam W. 

758  Pipinus    rex    in   Wasco- 
nia  SG. 

759  Pipinus  in  Wasconia  A. 

760  Pipinus   in  Vascones   in- 
greditur  Marian. 

760  Pippinus   in  Wasconiam 
venit  Quedlinb. 
Ebenso  ('Victi   sunt  Sclavi 
a  Francis')  nur  die  Weissen- 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik. 


253 


Ann.  capituli  Cracoviensis. 


768  Pipinus  rex  obiit. 


771  Karolomannus  rex  frater 
Karoli  obiit. 


burger.  Die  anderen  Ablei- 
tungen der  Hersfelder :  Lam- 
pert,  dieAltaieher,  Ottenbeur. 
setzen  noch  den  Namen  des 
Schlachtortes  Weidahaburg 
(Lamp.  Ott.),  Weitahaburg 
(Alt.)  hinzu.  Die  Stelle  wird 
auch  von  Holder -Egger  für 
eine  eigene  Nachricht  der 
Hersfelder  Annalen  gehalten. 
Den  Ort  sucht  Grössler  in 
der  Zeitschrift  des  Harzvereins 
VIII,  124  in  Wettaburg  an 
der  Wethau  im  Kreise  Naum- 
burg s.-ö.  von  Naumburg.  Es 
ist  die  erste  Nachricht  von 
den  Slaven  und  der  erste 
deutsche  Ortsname,  der  in 
den  Hersfelder  Annalen  vor- 
kommt, darum  wird  er  näher 
an  Hersfeld  zu  suchen  sein. 
Weitaha,  das  heutige  weima- 
rische Amt  Weida  bei  Kalten- 
nordheim ,  nordöstlich  von 
Fulda,  ist  824  Besitz  von 
Fulda  (Oesterley,  Hist.-geogr. 
Wörterbuch742,nachDronke, 
Traditiones  Fuldenses  39,  41). 
Ist  meine  Deutung  richtig,  so 
ist  die  Fuldaer  Vermittelung 
auch  für   diese  Notiz  sicher. 

Ebenso  die  Ann.  Fuld.  an- 
tiq.  ed.  Kurze  137,  A.  (SG. 
W  moritur).  Mit  Datum  auch 
die  Ann.  S.  Benigni  Divio- 
nensis  (SS.  V,  38).  Die  Hers- 
felder Annalen  und  Marian 
sind  ausführlicher. 

Aehnlich  A.  SG.  W.  ('frater 
Karoli'  fehlt),  mit  Datum  Ann. 
Benigni,  wo  wie  in  den  Quedl. 
rex  ausgelassen  ist.  Der  Tod 
Karlmanns  war  auch  in  Fulda 
aufgezeichnet,  Kurze  137. 


254 


M.  Perlbach. 


Ann.  capituli  Cracoviensis. 
772  Karolus  in  Saxonia  Has- 
burg  expugnat. 


773  Karolus  in  Ytaliam  venit. 


774  Ytalia  capta  est  a  Francis 
et  Karolus  Romam  per- 
veuit. 


778  Karolus   contra  Saxones 
pugnavit. 


779  Iterum  Karolus  in  Saxo- 
niani  venit. 


'781  Saxonia  capta  est. 


782  Karolus  Eomam  venit  ibi- 
que  baptizatus  est  filius 
eins  Karlomannus,  quem 
Adrianus  niutato  nomine 
Pipinum  vocavit. 


Nur  die  Quedl.  haben  den- 
selben Wortlaut,  die  anderen 
Ableitungen  der  Hersfelder 
expugnavit  und  Heresburg. 
Urquelle  sind  Ann.  Lauriss. 
minor.   SS.  I,  117. 

A.  SG.  W.  lassen  das  Ver- 
bum  fort,  die  Hersfelder  sind 
ausführlicher  nach  den  Laur. 
min. 

Ebenso  ('capta  est  Italia') 
A.  SG.  (773)  W.,  deren  Quelle 
die  Ann.  Alamannici  conti- 
nuati  (SS.  I,  40),  der  Schluss- 
satz stimmt  wörtlich. 

Den  Fehler  'Saxones'  statt 
'Sarracenos'  hat  Kgtrzynski 
S.  243  angemerkt.  Die  Hers- 
felder Annalen  haben  den 
Satz :  'Karolus  pugnavit  con- 
tra Sarracenos'  aus  den  Ann. 
Lauriss.  min.  zu  779,  dann 
folgt  sofort  'et  Saxones  Lo- 
ganihi  vastant',  daher  der 
Irrthum. 

Ebenso  (nur  ohne  Verbum) 
A.  SG.  W.  Ann.  Colonienses 
(Col.  SS.  I,  97),  Benigni,  Ha- 
rlan. 'Iterum'  fehlt  Col.  u.Ben. 

A.  SG.  W.  Col.  Ben.  ebenso 
zu  780,  Marian  781:  'Karolus 
Saxoniam  capit'. 

Urquelle  der  Hersfelder, 
welche  den  Satz  fast  gleich- 
lautend haben  (nur  'perrexit' 
statt  'venit')  sind  die  Ann. 
Mosellani  (Holder  -  Egger  zu 
Lamp.  17)  auch  Marianus  hat 
ihn  ebenso  mit  'perrexit',  und 
Albani  (Wirzib.)  SS.  II,  240. 
A.  SG.  W.  Col.  Ben.  haben 
ihn  stark  verkürzt,  aber  A. 
'venit',  die  anderen  'vadit', 
zu  781. 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik. 


255 


Ann.  capituli  Cracoviensis. 
786  Iterum  Karolus  Eomam 
venit  et  sanguis  de  celo 
profluxit. 


787  Karolus  jjer  Alemanniam 
pervenit  ad  fines  Bavarie. 


788  Tasilo  venit  in  Franciam 
et  Bavaria  capta  est. 


789  Karolus  pervenit  in  Scla- 
vos  et  qui  dicuntur  Vuil- 
cici  subegit. 


Die  Hersfelder  sind  aus- 
führlicher. Der  erste  Theil 
fast  wörtlich  Col.,  etwas  ver- 
ändert Cperrexit')  Ben.  A.  SG. 
(785)  W.,  auch  Marian  (mit 
'tertio'  statt  'iterum').  Der 
zweite  Theil  bei  Marian,  den 
Albani,  und  den  Ann.  S.  Bo- 
nifacii  (Fulda)  SS.  III,  117 
'et  sang-uis  e  celo  ('et  de  terra' 
Mar.  Alb.)  fluxit'  ('profluxit' 
Mar.  Alb.). 

Wörtlich  in  den  Quedlinb. 
788  (den  andern  Hersfelder 
Ableitungen  fehlt  der  Satz), 
A. ;  SG.  W.  Col.  Ben.  mit  've- 
nit' zu  788,  Marianus  zu  787 
lässt  'fines'  aus. 

788  A.  SG.  (790)  W.  (A.  W. 
dux)  Col.  Ben.  790  dux. 

Marianus  hat  nur  den  zwei- 
ten Theil  unverändert  ge- 
lassen. 

789  A.  (SS.  II,  238)  Karolus 
perrexit  in  Sclavos  qui 
dicuntur  Vulzi. 

789  W.  792  SG.  Karolus  rex 
pergit  in  Sclavos  qui  di- 
cuntur Wilzi. 
791  Col.  Ben.  Karolus  pergit 
in  Sclavos   qui  dicuntur 
Wilti. 
789  Hersfelder:  Karolus  sub- 
egit gentem  Wilzorum. 
789  Marianus  :  Karolus  Scla- 
vos   qui    dicuntur  Vulzi 
subegit. 
Die    Urquelle    der    Hersf. 
sind  hier  nach  Holder-Egger 
Ann.  Lauriss.  min.  SS.  I,  119: 
'Karins     Sclavorum     gentem 
qui  dicuntur  Wilzi  trans  flu- 
vium  Helbia  dicioni  sue  sub- 
egit'.   Die  Fassung  des  fr  an- 


256 


M.  Perlbach. 


Ann.  capituli  Cracoviensis. 


790  Karolus 
venit. 


in    Pannoniam 


791  Karolus  regnum  Hunno- 
rum  vastat. 


kisch- polnischen  Jahrbuches 
lässt  deutlich  erkennen,  dass 
es  einem  reicheren  Texte 
folgte;  'pervenit'  haben  A. 
SG.  W.  Col.  Ben.  daraus  (d.  h. 
aus  der  auf  Ann.  Lauriss. 
min.  beruhenden  compilatio 
Fuldensis) ,  'subegit'  Hersf . 
und  Marian  aufgenommen. 
Den  ursprünglichen  Wortlaut 
der  Nachricht  finden  wir  in 
den  Ann.  Laureshamenses 
(SS.  I,  34),  aus  denen  sich 
'pervenit'  bis  in  den  Text  der 
Capitelsannalen  gerettet  hat 
(vgl.  die  Zusammenstellung 
bei  Dieterich ,  JReichenauer 
Geschichtsquellen  172). 

Lamp.  Weiss.  790  'Karolus 
perrexit  in  Pannoniam',  aus 
unbekannter  Quelle ,  aber 
ebenso  zu  791  bei  Marianus 
(ohne  'in').  Die  Nachricht 
wird  im  folgenden  wieder- 
holt. 
791  Hersfeld.  Karolus  subegit 

gentem  Avarorum. 
791  A.  SG.  W.    Karolus  rex 
Hunorum       ('Ungrorum' 
Col.    'Hungrorum'    Ben.) 
regnum    vastat,     ebenso 
Marian  ('Hunorum'). 
Die   Fassung    stammt    aus 
den  Murbacher  Annalen  (SS. 
I,  47),    der  vorgehende   Satz 
('Karolus  in  Pannoniam  venit'} 
erinnert  an  Ann.  Lauresham. 
zu   791    (SS.  1,  34):    'et   ipse 
introivit  in  Illyricum  et  inde 
in  Pannonia'.  Die  Compilatio 
Fuldensis  verband   hier  zwei 
verschiedene  Annalen  und  er- 
zählte daher  dasselbe  Ereignis 
zweimal,  ihr  folgen  die  Hers- 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik. 


257 


Ann.  capituli  Cracoviensis. 


794:  Friistrada  resrina  obiit. 


801  Karolus    a  Romanis  Au- 
gustus  appellatus  est. 


807  In  cenobio  Fiüdensi  fra- 
trum  mortalitas  magna 
fuit. 


813  Pons  apud  Mogunciam 
arsit.  Eadulfus  archi- 
episcopus  obiit,  Ottaga- 
rius  successit. 


814  Karolus  imperator  obiit. 
Ludvicus  successit. 


Neues  Archiv  etc.    XXIV. 


f eider,   Marian  und  die  Kra- 
kauer Annalen. 
794  Quedlinb.  Lamp.  Marian. 
S.  Albani  (Wirz.). 

Die  Königin  wurde  zu  St. 
Alban  in  Mainz  begraben,  die 
Nachricht  kann  also  Mainzer 
Ursprungs  sein,  aber  auch  die 
Ann.  Fuld.  antiqui  (Kurze 
S.  138)  haben:  '794  IUI.  Idus 
Aug.  obit  Fastrata  regina'. 
Quelle  ist  daher  wohl  auch 
hier  die  compilatio  Fuldensis. 

Ann.  Fuld.  ant.  138:  'Ka- 
rolus rex  a  Eomanis  est  ap- 
pellatus Augustus'.  Aus  dieser 
Quelle  Marian  (801),  S.  Albani, 
Ben.,  Col.,  Herst". 

Die  drei  Ableitungen  der 
Hersf.  haben  übereinstim- 
mend :  'mortalitas  maxima 
facta  est  in  Fulda'.  Dass  sie 
unter  den  Mönchen  herrschte, 
berichtet  Marian  zu  806 : 
'Mortalitas  maxima  orta  est 
in  monasterio  Fuldensi,  ita 
ut  plurimi  ipsorum  monacho- 
rum  morerentur'.  Also  wieder 
gemeinsame  Quelle,  nämlich 
compilatio  Fuldensis. 

'Pons  apud  Mogontiacum 
incendio  conflagravit'  (nach 
Ann.  Fuldens.  Einhardi  S.  19) 
Quedl.  ('flagravit'),  Weiss. 
Lamp.  ('incendio  periit'),  Ma- 
rian ('conflagr.'),  Albani  ('com- 
bustus  est),  alle  haben  auch 
den  Mainzer  Bischofswechsel, 
aber  mit  den  richtigen  Namen 
Richolfus  und  Haistulfus. 

Uebereinstimmend    in  den 
vier   Ableitungen    der   Hers- 
felder, nach  der  Contin.  Ful- 
dens. der  Ann.  Lauriss.  minor. 
17 


258 


M.  Perlbach. 


Ann.  capituli  Cracoviensis. 


116  Statutum  est,  ut  omnes 
monachi  cursum  beati 
Benedict!  cantarent. 


840  Lodvicus  Imperator  obiit. 


842  Divisio  regni. 


843  ludit  regina  obiit. 


855  Lottarius  imperator  obiit. 


860  Meginradus    heremita 
martirizatus  est. 


869  Lotarius  rex  obiit. 


872  Vuormacium  ictu  fulmi- 
nis  comburitur. 


(SS.  I,  122),  Marianns  folgt 
Einhard  und  Thegan,  ähnlich 
W.  und  Ben. 

Das  'Praeceptum'  der  Ur- 
quelle, Cont.  Fuld.  der  Ann. 
Laur.  min.  (SS.  1,  122)  findet 
sich  noch  in  den  QuedL, 
Lamp.,  Altah.,  die  Weiss,  ha- 
ben 'decretum',  Marian  'ius- 
sura',  alle  aber  zu  815. 

Ebenso  W.,  etwas  kürzer 
A.,  Col.,  mit  Datum  Ben.  Die 
Hersfelder  sind  ausführlicher. 
Ebenso  A.,  Col.,  'inchoata' 
W.,  aus  den  Ann.  Alamannici 
(SS.  I,  50,  ebenso  Ann.  He- 
remi SS.  III,  139).  Die  Hers- 
felder abweichend. 

Ebenso  Ann.  Alam.  (Heremi, 
SS.  I,  50.  III,  139),  ohne  're- 
gina'  A.  W.  Nicht  in  den 
Hersf. 

Ebenso  Alam.  u.  W.  zu 
856,  in  den  Ben.  mit  'rex' 
und  Datum  855 ;  auch  in  den 
Ann.  Corbeienses  (ed.  Jaff  e  Mo- 
numenta  Corbeiensia  S.  33). 
In  den  Hersfeldern  abwei- 
chend. 

860  Ann.  Alamann.  ('martiri- 
zatur'),  A.  (-tus),  Marian. 
863  Heremi  und  von  der  Hers- 
felder Gruppe  die  Altah. 
und  Quedl.  (Maginradus 
860). 
869  Ann.   Alam.    (SS.   I,  51) 
W.  ausführlicher,  gleich- 
lautend  Ann.  Corb.    die 
Hersfelder  abweichend. 
872  'Ictu  fulminis  Wormatia 
comburitur'.     A.  u.  Ma- 
rian,  ebenso  die  Quedl., 
die  anderen  Ableitungen 
der  Hersfelder  haben  den 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik. 


259 


Ann.  capituli  Cracoviensis. 


875  Lodvicus  cesar  in  Italia 
obiit  et  Karolus  rex  Gal- 
lie  Romam  pervenit. 

87  7  Lodvicus  filius  Lodvici 
obiit  et  bellum  in  Ei- 
puaria  inter  Lodvicum 
et  Karolum  committitur. 


679  Karolus  filius  Lodvici  re- 
gis  Francorum  et  frater 
Karlomanni  et  Lodvici 
in  Italiam  intravit. 


'881  Karolomannus  rex  Bava- 
rorum  obiit. 


882  Karolus  Eome  cesar  effi- 
citur. 


687  Karolus  imperator  regno 
privatur  et  Arnulphus 
filius  Karlomanni  in  re- 
gem elevatur. 

889  Karolus  imperator  obiit. 


Satz  nicht.  In  den  Al- 
bani:  'Wormacium  ful- 
minis  ictu  crematur'. 

874  Marian  ('cesar  Italie  .  . 
perrexit'),  A.  875  ('perve- 
nit'). Nicht  in  den  Hersf. 

876  Gleichlautend  A.,  bis  auf 
den  Schlachtort  Ripuaria, 
auf  den  Waitz,  Gott. Nach- 
richten 1873,  S.  390  hin- 
gew^iesen.  Derselbe  findet 
sich  auch  bei  Marian  und 
Hermann  von  Reichenau 
(SS.  V,  107)  in  einem 
sonst  aus  Regino  stam- 
menden Auszug. 

879  Ebenso  A.  u.  Marian,  die 
'primum'  hinzusetzen:  W. 
nur  'Karolus  Italiam  in- 
travit', ebenso  Col.  Ben. 
mit  einem  weiteren  Zu- 
satz über  Karlmann. 

881  A.  ('Bavarie'),  880  Ann. 
Alamann.  ('Baioariorum'), 
880  W.  (nur  'rex');  Ma- 
rian ausführlicher  nach 
Regino. 

882  A.  ebenso,  W.  881  etwas 
erweitert;  Ben.  885  'Ka- 
rolus imperator  efficitur 
Francorum'.  Mariannach 
Regino,  in  den  Hersf. 
fehlen  alle  diese  Nach- 
richten. 

887  A.  W.  (888  'in  regnum 
elevatur'),  Alam.  ('eleva- 
tus').  Marian  nach  Re- 
gino, die  Hersfelder  ab- 
weichend. 

888  Alamann.  A.  Albani  ('iu- 
nior'),  Col.,  Ben.  Marian 
ausführlicher  nach  Re- 
gino. Hersf.  ohne  'impe- 
rator'. 

17* 


260 


M.  Perlbach. 


Ann.  capitnli  Cracoviensis. 
890  Liubertus  archiepiscopus 
obiit,  Sinderoldus  succe- 
dit. 


891  Sinderoldus  arcliiepisco- 
pus  a  Normannis  occidi- 
tur  et  Hatto  ei  succedit. 


891  Arnulplius   in  Italiam 
venit. 


895  De  miseria  famis  ae  mor- 
talitatis  cliristiani  homi- 
nes  alter  alterius  carnem 
comederunt. 


890  Diese  Nachricht  findet 
sich  wieder  in  den  Hers- 
felder Ableitungen  (Hil- 
desheim., Weiss.,  Lamp.), 
aber  auch  und  zwar  voll- 
ständiger bei  Mariau,  mit 
Datum.  DenTodLiuberts 
haben  auch  die  Ann.  Ala- 
mannici  (SS.  I,  52). 

891  A.  (ohne  Hatto),  Albani 
(mit  Todesort  Worms), 
Marian  mit  Ort  und  Da- 
tum. 

Die  Hersfelder  Ableitungen 
erwähnen  die  Normannen 
nicht,  kommen  daher  hier 
nicht  in  Frage. 

894  'Arnolfus  in  Italiam  cum 
exercitu'  Ann.  Alamann. 
(cod.  Veron.)  SS.  1,  53, 
Ann.  Heremi  SS.  III,  140. 
'Arnulfus  rex  in  Italiam 
cum  magno  exercitu' Ann.. 
Alam.  Laubac.  SS.  I,  53. 
'Arnolfus  rex  Italiam  ce- 
pit  et  Burgundiam'  Ann. 
Alam.  Tur.  SS.  I,  53,  W. 

Bei  Ketrzynski   S.  249    ist 
dieser  Satz  in  die  Hersfelder 
Spalte  wohl  aus  Versehen  ge- 
rathen,    da   er  in  keiner  Ab- 
leitung   der    Hersfelder   An- 
nalen    steht.      Marian    folgt 
wieder  Regino. 
896  A.:  'Et  in  Augia  mise- 
ria famis  et  mortalitatis 
christiani   homines   alte- 
rius carnem  comedervmt'. 

895  Ben,:  'Audita  miseria 
famis  ac  mortalitatis  et 
christiani  hominis  alte- 
rius carnem  comedentis(!)' 

896  Col. :  'Et  audita  miseria 
famis,  mortalitatis  et  chri- 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik. 


261 


Ann.  capituli  Cracoviensis. 


897  Arnulphus    Eome    cesar 
efficitur. 


899  Ungari  in  Italiam  ingressi 
sunt. 


Arnolphus  obiit. 


Lodvicus    filius    eins    in 
regem  elevatur. 


901  Arnulphus  imperator 
obiit. 

906  Bellum  inter  Conradum 
et  Adalbertum  etFrancos, 
in  quo  Conradus  cecidit. 


907  Ungari  in  Saxoniam  ve- 
nerunt. 


stiani  hominis  alterius 
carnem  comedentis  (!)' 
Die  Krakauer  Fassung  steht 
zwischen  den  verderbten  Tex- 
ten der  Col.  Ben.  und  der 
ursprünglichen  Lesart  der 
Aug.  Das  Jahr  895  stimmt 
mit  Ben. 

Dieser  Satz  steht  vor  dem 
vorigen  in  A.,  Col.  (896),  Ben. 
(895),  zu  897  etwas  abweichend 
in  den  Albani:  'Arnolfus  rex 
Romam  veniens  imperator  ef- 
ficitur' und  ebenso  zu  896 
W.  u.  Alam. 

899  Alam. 'Ungari  Italiam  in- 
gressi'. A.,  Col.,  Ben. 
'Ungari  Italiam  ingressi 
multa  mala  fecerunt'. 
Alam.  Ben.  Col.  'Arnol- 
phus imperator  obiit'.  W. 
900.  A. :  'moritur'.  Ma- 
rian  mit  Datum  aus  Re- 
gino. 

Ebenso    A.,    'filius    eins' 
fehlt  Col.  Ben. 
Auch   die  Hersfelder  aber 
abweichend  ('cui  L.  f.  e.  suc- 
cessit'). 

Zu    901    nur    die    Annales 
Pragenses  (mit  'Alnolfus' !). 
905  A.     ('et'     vor     'Francos' 

fehlt),  ebenso  zu 
904  Col.  Ben.,    etwas   abwei- 
chend Albani  ('Pugna — 
committitur — occiditur'), 
Marian  folgt  Eegino,  die 
Hersfelder    kürzer    und 
abweichend. 
Denselben  Wortlaut,  aber  zu 
906,  die  Ann.  Corb.; 
908  Alamann.  'Ungari  in  Sa- 

xones'. 
908  A.  Col.  Ben.  (909):  'Un- 


262 


M.  Perlbach. 


Ann.  capituli  Cracoviensis. 


931  Sanctus  Ambrosius    epi- 
scopus    Mediolanensis 
obiit. 


933  Hungarorum  exercitus  ab 
Henrico   interfectus  est. 


gari  Saxoniam  et  Thu- 
ringiam  vastant'. 
906  Die  Hersfelder  Ableitun- 
gen (Hild.,  Weiss.,  Lamp., 
Ott.,  Altah.)  'Ungarii  va- 
staverunt  Saxoniam'. 

Wie  Waitz,  Gott.  Nachrich- 
ten 1873,  S.  390  gezeigt  hat, 
durch  Versehen  aus  dem 
1.  Ostercyclus  in  den  2.  ge- 
rathen  (931  —  532  =  399); 
dasselbe  Versehen  begehen 
auch  die  Annales  Barenses, 
(SS.  V,  53  N.  a):  '931  hoc 
anno  obiit  Ambrosius  Medio- 
lanensis antistes'.  Natürlich 
ist  diese  Uebereinstimmung 
nur  rein  zufällig;  in  den  ver- 
wandten Quellengruppen  fin- 
det sich  nichts  entsprechen- 
des. (In  der  Kölner  Hs.  CHI. 
Jaffe  et  Wattenbach,  'Eccle- 
siae  metropolitanae  Codices: 
manuscripti'  S.  132  stehen  der 
Tod  des  hl.  Ambrosius  und 
die  Auffindung  des  hl.  Stephan 
ebenfalls  zu  929  u.  947). 

933  Ann.  Corb.  'Ungariorum 
exercitus  ab  Heinrico 
rege  interfectus  est'. 
Ebenso  933  Ann.  Pra- 
genses  (SS.  III,  119)  ohne 
'rege' ;  933  Ann.  Quedl. 
(aber  nur  diese,  nicht  die 
anderen  Ableitungen  der 
Hersf.,  die  Quedl.  haben 
die  Corveyer  benutzt) : 
'Ungarorum  exercitus  a 
rege  Heinrico  devictus 
est'.  Die  Mainzer  Quellen, 
A.  und  Marian,  lauten 
anders :  'Ungari  ab  exer- 
citu  res'is  Heinrici  occisi 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik. 


263 


Ann.  capituli  Cracoviensis. 


934  Hinricns  Danos  subegit. 


I 


936  Hinricus  rex  obiit,  Otto 
filius  eins  successit. 


937  Monasteria    S.    Galli    et 
S.  Bonif  acii  comburuntur. 


940  Hyemps  valida. 


Comete  vise  sunt. 


sunt  et  multi  .  .  .  coni- 

prehensi  sunt'. 
934  Ann.  Corb.  'Heinricus  rex 

Danos  subeit'. 
934  Ann.  Prag.  'Henricus  rex 

Danos  subiecit'. 
Kein  anderes  deutsches 
Jahrbuch  berichtet  über  den 
Dänenfeldzug  König  Hein- 
richs, nur  die  grösseren  Chro- 
niken, Widukind  von  Corvey 
(ed.  3.  von  Waitz  I  c.  40),  Thiet- 
marl,  17  (ed.  Kurze)  und  Adam 
von  Bremen  erwähnen  ihn. 

936  A.  (und  Marian) :  'Hein- 
ricus rex  obiit  et  Otto 
filius  eius  in  regnum  con- 
stituitur'. 

Aehnlicher,  aber  zu  935, 
Col.  Ben.  'Heinricus  magnus 
rex  obiit  et  Otto  successit'. 
Nicht  ganz  denselben  Wort- 
laut Corb.  und  ganz  kurz 
Prag.  'Henricus  rex  obiit  935'. 
Die  Hersf'elder  Ableitungen 
lauten  fast  gleich :  'Heinricus 
rex  obiit,  cui  filius  eius  Otto 
successit'. 

937  A.  (und  Marian)  '.  .  igne 
consumuntur'.  Albani: 
'.  .  cremantur'  (zu  938). 
Corbeienses :  'Monasteria 
Fuldense  et  S.  Galli  exar- 
serunt'.  Die  Hersfelder 
Ableitungen  berichten 
nur  den  Brand  von  Fulda. 

939  Ann.  Col.  (nicht  Ben.) 
'Hyemps  valida',  ähnlich 
Hermann  von  ßeichenau 
('h.  seva'). 

941  Ann.  Corb.  'Cometae  ap- 
paruit'. 

941  Ann.  Prag.  'Comete  ap- 
paruerunt'. 


264 


M.  Perlbach. 


Ann.  cai^ituli  Cracoviensis. 


940  Mortalitas  iumentornm. 


947  Invencio  sancti  Stephan! 
protomartiris. 


951  Otto  primus  rex  Ytaliam 
subes'it. 


953  Maguncia  ab  Ottone  ob- 
sessa  est.  Fridricus  ar- 
chiepiscopns  obiit.  Willi- 
balmns  (!)  successit. 


955  Luiclolplius  filins  Ottonis 
obiit. 


943  Ann.  S.  ßonifacii  (SS.  III, 
118):  'Stella  cometes  ap- 
paruit'. 
939  '.  .  et  mortalitas  anima- 
lium'  Col.  ('et  pestis  ani- 
malinm   subsecuta'). 
Quelle  ist: 
941  Ann.    S.    Gall.    majores 
(SS.  I,  78)  'et  mortalitas 
boum  fuit'. 
Dass  diese  Stelle  ebenso  zu 
erklären   ist  wie  die  zu  931, 
hat  Wojciechowski  1.  c.  207 
gezeigt  '(947  —  532  =  415). 
In  den  verwandten  Quellen- 
gruppen kommt  sie  nicht  vor. 
951  Ann.    S.    Gall.    majores 
(SS.  I,  78) :  'Otto  rex  Ita- 
liam  cepit'. 
951  Col.:    'Otto   Italiam    in- 
gressus  eam  sibi  subiun- 
xit'  (Ben. '. .  rex'  und  'sub- 
iugavit'). 
951  Albani:    'Ottho  rex  Ita- 
liam   petit    eamque    sibi 
subiecit'. 
Die    Hersfelder    Ableitun- 
gen  reden   von   der  Königin 
Adelheid. 

953  Ebenso  A.  (und  Marian), 
nur  '0.  rege'.    Dann  die 
eigenhändige     Aufzeich- 
nung Wilhelms  über  den 
Mainzer  Bischofswechsel, 
mit  der  A.  endet. 
953  Albani :  'obiit  Fridericus 
Mogontiacensis  archiepi- 
scopus,  pro  quo  Willehel- 
mus     constituitur     filius 
imperatoris  Otthonis'. 
Die  Hersfelder  Ableitungen 
zu  954  (mit  'successit'). 

Zu    diesem    falschen    Jahr 
(Ludolph   starb    am    6.  Sept. 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik. 


265 


Ann.  capituli  Cracoviensis. 


958  Cruces    apparuernnt    in 
vestibus. 


961  Otto   in  regem  elevatur. 
Ecljpsis  solis. 


963  Otto   imperator  appella- 
tur. 


965  Dnbrovka  ad  Meskonem 
venit.  966  Mesco  dux 
Polonie  baptizatur. 


957,  s.  Waitz  zu  Widukind 
ed.  3  S.  78)  nur  bei  Marian: 
'Ludolfus  filius  Oettonis  im- 
peratoris  obiit',  er  wurde  zu 
St.  Alban  begraben. 

960  Albani:  'Cruces  in  vesti- 
bus apparuerunt'. 

957  Ben.  (vorher Ludolfs Tod): 
'Cruces  apparuerunt  in 
vestibus'. 

958  Ann.  Heremi  (SS.  III, 
142):  'Cruces  in  vestibus 
apparuerunt'. 

Die  Hersfelder  Fassung 
('Signum  crucis  .  .')  lautet  ab- 
v^eichend,  der  Tod  Ludolfs 
wird  hier  zu  957  verzeichnet. 

961  Ann.  Ben.:  'Otto  pueru- 
lus  in  regem  elevatur  in 
Aquisgrani  palatii.  Eclip- 
sis  solis  fit'. 

961  Ann.  Col. :    'Otto   minor 

rex  effectus  est'. 
961  Ann.  Heremi.:    'Otto    fi- 
lius regis  eligitur  in  re- 
gem puer  vivente  patre'. 
Von  den  Hersfelder  Quellen 
haben  nur  Lampert  und  Al- 
tah.    das    Factum,    aber   mit 
anderen  Worten. 
963  Albani:    'Ottho  rex   Eo- 
mam   veniens   imperator 
efficitur'. 
961  Marian:  'Otto  rex  ungui- 
tur    in    imperatorem    ab 
lohanne  papa'. 
Von  den  Hersfelder  Quellen 
berichten  die  Altah.,    Ottob. 
und  Lamp.  die  Kaiserkrönung 
Otto's  I.,  aber  wesentlich  ab- 
weichend. 

Für  diese  beiden  dem  frän- 
kischen Jahrbuch  natürlich 
erst    im    Osten    eingefügten 


266 


M.  Perlbach. 


Ann.  capituli  Cracoviensis. 


968  Iiinior  Otto  per  Leonem 
papam  cum  patre  suo 
c  o  r  o  n  a  t  ti  r. 


969  Willibalmns  archiepisco- 
pus  obiit,  Hatto  snccessit. 

970  Hatto    arcbiepiscopus 
obiit,    cui  üobertus  suc- 

cessit. 


981  Zlavnyk     pater     sancti 

Adalberti  obiit, 
987  Strezizlava  mater  sancti 

Adalberti  obiit. 
990  Professio  sancti  Adalberti 

cum  fratre  Gaudencio. 
997  Passio   sancti  Adalberti. 


Nachrichten  finden  sich  keine 
deutschen  Aequivalente. 
968  Marianus:  'Otto  filius  Ot- 
tonis    imperatoris    a   Jo- 
hanne  papa    ante  altare 
S.  Petri  c  u  m  patre  suo 
coronatus  est'. 
Die     übereinstimmenden 
Schlussworte   sprechen  deut- 
lich für  gemeinsame  Quelle. 
Der  falsche  Papst  Leo   statt 
Johann    ist   wohl   auf   Rech- 
nung des  Copisten  von  1267 
zu  setzen. 

968  Marianus,  mit  Daten. 
968  Albani('..cuisuccessit..'). 
970  Marianus  (mit  Daten). 
Albani  ('Puobbertus'). 
Beide    Bischofswechsel    zu 
968  und  969  stehen  auch  in 
den  Hersfelder  Ableitungen, 
aber  der  letzte  Name   lautet 
'Euotbertus'. 

981  Ann.  Prag.:  'Slaunic  pa- 
ter sancti  Adalberti  obiit'. 
987  Ann.Prag.:  'Strezslaua ma- 
ter sancti  Adalberti  obiit'. 
Ann.  Prag. :  'Professio  s. 
Adalberti'. 

Ann.  Prag.  'S.  Adalbertus 
martirizatus  est'. 
Nur  den  Märtyrertod  Adal- 
berts  berichten  auch  deutsche 
Quellen,  die  Albani  995:  'S. 
Adelbertus  episcopus  de  Praga 
civitate  aPrucis  martyrio  coro- 
natur',  gleichlautend  (aber 
ohne  'Sanctus'  und  mit  Tages- 
datum) die  Quedl.,  ähnlich  die 
Ann.  Ottobur.  (SS.V,  5) :  'Sanc- 
tus Adalbertus  episcopus  mar- 
tyrio coronatur  in  Sclavia', 
Ann.Altah.u.Lamp. 997: 'Adal- 
bertus episcopus  martyrizatur". 


990 


997 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik. 


267 


Ann.  capituli  Cracoviensis. 
999  ordiuacio    Gaudencii    in 
episcopum. 


1002  Ottoimperatorlll.obiit, 
Henricus  successit. 


1003  Heremite     in     Polonia 
martirizati  sunt. 

1009  Bruno  episcopns  marti- 
rizatus  est. 


1012  Hermanmis  dnx  obiit. 


Auch  diese  Nachricht  findet 
sich  in  der  Hersfelder  Quellen- 
gruppe,  ausführlich  in  den 
Hildesheimer  Annalen,  kür- 
zer bei  Lamp.  und  den  Alt., 
überall  zu  1000.  Die  Mainzer 
Gruppe  hat  sie  nicht. 

Diese  fast  in  allen  deutschen 
Annalen  enthaltene  Nachricht 
am  ähnlichsten  in  den  Weiss.; 
auch  Ben. :    ^Obiit  Otto  III'. 

Ohne  deutsche  Parallel- 
stelle. 

1009  Marianus:     'ßrun    epi- 

scopus  martirizatus'. 
1009  Albani:  'Brun  episcopus 
et    monachus    a   Prucis 
multis   suppliciis   affec- 
tus  et  manibus  pedibus- 
que    abscisis    postremo 
capite  plexus  coelos  pe- 
tiit'. 
Dieselbe  Stelle  mit  Datum, 
aber   ohne  'multis'  bis  'post- 
remo' auch  in  den  Quedl. 

Das  kann  doch  nur  Herzog* 
Hermann  III.  von  Schwaben 
sein,  Ann.  Quedl.  1012,  Ann. 
Alt.  1012.  Zu  1017  wird  die- 
selbe Nachricht  noch  einmal 
in  den  Krakauer  Capitels- 
annalen  berichtet,  ist  aber, 
wie  Arndt  SS.  XIX,  586  N.  b 
angiebt,  von  der  Hand  des 
Schreibers  gestrichen ,  der 
Vorwurf  Bielowski's,  Mon.Pol. 
II,  793,  die  deutschen  Heraus- 
geber hätten  diese  zweite  No- 
tiz 'Hermannus  dux  obiit'  aus- 
gelassen, trifft  daher  nur  die 
Schulausgabe  der  Annales  Po- 
loniae,  in  der  alle  Varianten 


268 


M.  Perlbach. 


Ann.  capitnli  Cracoviensis. 


Ohne  deutsche  Parallel- 
stellen. 


absichtlich  fehlen.  In  den 
Ann.  S.  Gall.  maj  ores  (SS.  1, 82) 
ist  der  Tod  Hermanns  von 
Schwaben  in  verschiedenen 
Hss.  zu  1012  und  1018  mit- 
getheilt :  das  Jahr  scheint  in 
der  Quelle  derselben  also  un- 
bestimmt angeg-eben  gewesen 
zu  sein. 

1015  Wladimir  dux  Euthe- 
norum  obiit. 

1016  Kazimirus  dux  natus  est 
8.  Kai.  Augusti  luua  16. 

1018  primus  BoleslausRuthe- 
nos  superat  et  terram 
vastat. 

1025  primus  Bolezlaus  rex 
Magnus  obiit.  Lamber- 
tus  filius  eins  succedit. 

1026  Kazimirus  traditur  ad 
discendum. 

1027  Ypolitus  archiepiscopus 
obiit,  Bossuta  succedit. 

1028  Stephanus  archiepisco- 
pus obiit. 

1030  Romanus  et  Lambertus 
episcopi  obierunt. 

Die  drei  Erzbischöfe  werden  für  Gnesener  gehalten, 
andere  ältere  Nachrichten  über  dieselben  fehlen,  die  beiden 
Bischöfe  dagegen  wollen  sich  in  keine  Reihe  der  polnischen 
Bischöfe  einfügen  lassen.  Weder  Arndt-Roepell  noch  die 
neueren  polnischen  Kritiker  vermögen  anzugeben,  zu  welcher 
polnischen  Diöcese  sie  gehören,  Bielowski  bringt  ihren  Tod 
in  Verbindung  mit  den  von  Gallus  und  Nestor  berichteten 
Unruhen  nach  dem  Tode  Boleslaws  Chrobry ;  damit  liesse 
sich  auch  die  Nachricht  des  Cosmas  zum  Jahre  1022  (die 
vielleicht  um  10  Jahre  später  anzusetzen  ist)  vereinigen; 
'A.  d.  i.  1022  in  Polonia  facta  est  j)ersecutio  christianorum' 
(SS.  IX,  63).  An  Bischof  Lambert  I.  von  Krakau  ist  bei 
Lambertus  episcopus  nicht  zu  denken,  denselben  kennen 
die  beiden  ältesten  Krakauer  Bischofskataloge  aus  dem  13. 
und  14.  Jh.  überhaupt  noch  nicht,  er  ist,  wie  der  Heraus- 
geber  Kgtrzynski  Mon.  Pol.  III,  332    mit   Recht   bemerkt, 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik.  269 

aus  der  fabelreichen  Ungarisch -polnischen  Chronik  in  die 
polnische  Tradition  gerathen  und  taucht  zuerst  zu  995  in 
den  Kamenzer  Annalen  auf:  nach  Thietmar  IV,  45  (ed. 
Kurze)  war  1000  Poppo  Cracuaensis  episcopus.  Dass  1027 
und  1028  drei  Erzbischöfe  in  Gnesen  auf  einander  gefolgt 
sind,  erregt  auch  Bedenken.  Ketrzynski  sucht  sich  hier 
mit  einer  weitgehenden  Conjectur  zu  helfen,  er  will  (S.  235) 
zn  1028  lesen:  '[Bossuta  archiepiscopus]  obiit,  Stephanus 
successit'.  Bekanntlich  haben  die  in  die  Krakauer  Annalen 
übergegangenen  Nachrichten  über  die  Mainzer  Erzbischöfe 
Wilhelm,  Hatto  und  Ruotbert  bis  in  dieses  Jahrhundert 
hinein  bewirkt,  dass  diese  drei  Namen  für  die  von  Gnesener 
Erzbischöfen  gehalten  wurden,  erst  die  kritische  Ausgabe 
der  Gnesener  Bischofskataloge  durch  Liske  im  3.  Bande 
der  Mon.  Poloniae  (wo  übrigens  S.  382  Wojciechowski  das 
Verdienst  dieser  Entdeckung  zugeschrieben  wird)  hat  den 
Sachverhalt  endgültig  aufgeklärt.  In  den  Capitelsannalen 
wird  bis  zum  Jahre  1059,  mit  alleiniger  Ausnahme  des  hl. 
Ambrosius  von  Mailand,  kein  einziger  Bischofssitz  genannt, 
die  sämmtlichen  zu  750,  813,  890,  891,  953,  969,  970,  999, 
1009,  1027,  1028,  1030  erwähnten  Bischöfe  und  Erzbischöfe 
erhalten  keine  Ortsbezeichnung.  Es  ist  nun  von  Interesse 
zu  sehen,  wie  die  späteren  annalistischen  Compilationen, 
denen  die  Capitelsannalen  von  1267  vorgelegen  haben,  sich 
zu  diesen  Namen  verhalten.  Als  directe  Benutzer  der 
Capitelsannalen  kommen  nach  Kgtrzynski's  Untersuchungen 
im  2.  Theile  seiner  Abhandlung  (S.  271 — 329)  nur  die 
Annales  Sandivogii  in  Betracht,  auf  denen  die  Ann.  Polo- 
norum in  zwei  Redactionen  (einer  kürzeren  in  den  Hss.  II, 
III,  III ^,  einer  längeren  I,  IV)  beruhen;  alle  diese  berück- 
sichtigen nur  den  Bischofs  Wechsel  von  1027.  Eigenthüm- 
lich  ist  dabei  die  Auffassung  von  Ann.  Pol.  I,  wo  Ypolitus 
und  Bossuta  für  Krakauer  Erzbischöfe  gehalten  werden, 
wie  aus  den  Ordnungszahlen  des  Compilators  hervorgeht 
(SS  XIX,  620:  '1027  Ypolitus  .  .  primus,  Bossutha  .  .  se- 
cundus,  1046  Aaron  .  .  .  Cracoviensis  tercius'.  Die  Ein- 
tragungen der  Capitelsannalen  zu  1028  und  1030  werden 
von  den  Ann.  Sandivogii  (und  A.  Polonorum)  nicht  auf- 
genommen, sie  haben  nur  in  den  Rocznik  Krasinskich,  Zu- 
sätzen in  einer  Hs.  der  Annales  Sauctae  Crucis  aus  dem 
16.  Jh.,  die  Kgtrzynski  einem  Krakauer  Dominikaner  zu- 
schreibt, Eingang  gefunden ;  auch  K.  hält  (S.  209)  die  hier 
in  Frage  kommenden  Stellen  entlehnt  aus  den  capituli. 
Der  Krakauer  Dominikaner  hat  aber  auch  —  und  er  ist 
der    einzige   von    allen    polnischen   Annalisten  —    die    drei 


270  M.  Perlbach. 

Mainzer  Erzbischöfe  Wilhelm,  Hatto  und  Eobert  auf  ge- 
genommen, während  Sedziwoj  von  Czechel  diese  ebenso  wie 
Stephanus,  Romanus  und  Lambertus  ausliess.  Ich  ziehe 
daraus  den  Schluss,  dass  der  Augustinerprobst  von  Klo- 
dawa,  dem  wir  die  Ann.  Sandivogii  verdanken,  alle  diese 
Namen  als  fremde  angesehen  hat.  Auch  sein  Zeitgenosse 
Johannes  Dlugoss  hat  mit  Romanus  und  Lambertus  nichts 
anzufangen  gewusst,  er  hat  sie  nirgends  in  seine  polnische 
Geschichte  noch  in  seine  Bischofsverzeichnisse  eingereiht, 
nur  den  Tod  des  Stephanus  archiepiscopus  setzt  er  zu  1058 
(Hist.  Pol.  I,  316,  vitae  arch.  Gnesn.  346),  ohne  erweisbare 
Quelle. 

Wir  haben  oben  bei  der  Vergleichung  der  fremden 
Nachrichten  in  den  Krakauer  Capitelsannalen  gesehen, 
dass  sich  dieselben  an  zahlreichen  (27)  Stellen,  nämlich  zu 
768,  771,  779,  781,  782,  786,  787,  788,  789,  791,  801,  814, 
840,  855,  879,  882,  888,  895,  897,  899,  906,  907,  936,  951, 
958,  961,  1002  mit  den  Jahrbüchern  des  St.  Benignus- 
klosters  zu  Dijon  in  der  Diöcese  Langres  berühren, 
die  in  ihrer  jetzigen  Fassung  ein  Werk  des  12.  Jh.,  nahe 
mit  den  Kölner  Annalen  bis  961  verwandt,  ebenfalls  Aus- 
züge aus  schwäbischen  Reichsannalen  enthalten.  In  diesen 
burgundischen  Annalen  wird  zum  Jahre  1030  ein  doppelter 
Bischofswechsel  verzeichnet  (SS.  V,  41): 

'Lambertus  episcopus  Lingonensis  obiit,  cui  suc- 
cessit  Ricardus,  qui  eiectus  est  ab  episcopatu  a  Gi- 
rardo  archidiacono,  pergens  in  Flandriam  obiit  illic 
et  successit  Hugo  in  pontificatu'. 

Die  Krakauer  Capitelsannalen  haben  zu  813  den  Namen 
des  Mainzer  Erzbischofs  Richolfus  in  Radulfus  umgewan- 
delt, es  könnte  also  auch  hier  in  Romanus  ein  Verschreiben 
für  Ricardus  vorliegen.  Doch  giebt  es  noch  andere  Er- 
klärungen des  Namens  Romanus  an  dieser  Stelle :  Romanus 
ist  einmal  der  weltliche  Name  des  1033  verstorbenen  Papstes 
Johann  XIX.,  sodann  aber  starb  Bischof  Lambert  von 
Langres  am  24.  August  (1031,  Garns,  Series  episc.  eccl.  cathol. 
558),  das  ist  am  Tage  des  heiligen  Romanus,  Bischofs  von 
Nepi.  Ich  möchte  dieser  letzten  Erklärung  den  Vorzug 
geben,  zumal  in  der  Hs.  der  Capitelsannalen,  wie  die  Va- 
riante a  S.  587  SS.  XIX  zeigt,  nur  ein  einfaches  0  steht. 
Die  Vorlage  mag  enthalten  haben: 

MXXX  [in  die  S.]  Romani  [episcopi]  et  [martyris]  Lam- 
bertus episcopus  0,  woraus  der  Abschreiber  machte 
Romanus  et  Lambertus  episcopi  0. 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik.  271 

Ist  diese  Vermuthiing  zutreffend,  dass  in  Lambertus 
episcopus  von  1030  der  Bischof  Lambert  von  Langres  zu 
erkennen  ist,  so  eröffnet  sich  ein  ganz  neuer  Ausblick. 
Denn  das  Benig-nuskloster  in  Dijon,  mit  dessen  Jahrbüchern 
sich  die  Krakauer  Capitelsannalen  von  768 — 1002  27 mal 
berühren,  steht  in  dieser  Zeit,  bis  1031,  unter  der  Leitung 
des  heiligen  Wilhelm  von  Volpiano  und  ist  eine  Hochburg 
der  cluniacensischen  Richtung. 

Bei  dem  Namen  Cluny  fällt  Jedem,  der  nur  ober- 
flächlich mit  der  ältesten  polnischen  Geschichte  bekannt 
ist,  die  Sage  von  Kasimir  I.  ein,  der  als  Mönch  im  Kloster 
Cluny  gelebt  haben  und  von  dort  mit  päpstlichem  Dispens 
auf  den  polnischen  Thron  zurückgekehrt  sein  soll.  Diese 
Sage,  welche  von  Naruszewicz  und  Roepell  als  gänzlich 
unhistorisch  verworfen  wurde,  ist  überliefert  in  den  Lebens- 
beschreibungen des  heiligen  Stanislaus,  in  dem  Chronicon 
Polono-Silesiacum,  die  beide  dem  13.  Jh.  angehören  (Mon. 
Pol.  III  und  SS.  XIX,  559),  und  der  erst  aus  dem  14.  Jh. 
stammenden  grosspolnischen  Chronik  (dem  sog.  Boguphal- 
Basko).  Die  neueren  polnischen  Forscher  Lewicki  ^, 
Wojciechowski  -  und  Balzer  ^  wollen  dagegen  dieser  Sage 
einen  historischen  Kern  nicht  absprechen.  Wojciechowski 
sieht  als  Quelle  ein  lateinisches  Gedicht  aus  dem  12.  Jh. 
an,  das  freilich  nicht  bis  auf  uns  gelangt  ist;  den  Beweis 
für  den  historischen  Kern  findet  er  einmal  in  der  Stelle 
der  capituli  (und  vetusti)  zu  1026:  'Kazimirus  traditur  ad 
discendum',  sodann  in  den  Worten  des  Gallus  (I,  21):  'qui 
monasterio  parvulus  a  parentibus  est  oblatus,  ibi  sacris 
litteris  liberaliter  eruditus',  endlich  in  dem  Briefe  der 
Herzogin  Mathilde  von  Lothringen  an  Miesko  II.  von  Polen 
von  c.  1027 :  'felici  inceptu,  ut  audivi,  ipsi  divinitati  regni 
tui  primitias  devoto  pectore  consecrasti'  (Dethier,  Epistola 
Mathildis  1842,  S.  4  Zeile  4/5).  Das  Kloster,  dem  Kasimir 
von  den  Eltern  übergeben  wurde,  halten  Wojciechowski 
und  Balzer  für  ein  polnisches,  darin  kann  ich  ihnen  nicht 
beistimmen,  denn  das  Klosterwesen  war  1026  doch  in  Polen 
noch  sehr  wenig  entwickelt.  Von  den  Benedictiner-  und 
Augustinerklöstern,  die  allein  in  Frage  kommen  können, 
sind  aus  der  Zeit  Boleslaws  Chrobry  in  gleichzeitigen 
Quellen  nur  die  Benedictinerklöster  Meseritz  in  der  Posener 


1)  Mieszko  II,  Rozprawy  wyd.  bist,  filoz.  ak.  um.  Krak.  V,  1876, 
S.  87  £F.,  bes.  199.  2)  O.  Kazmierzu  Mnichu  (lieber  Kasimir  den  Mönch) 
Pamiftnik  ak.  umiej.  Krak.  V,  1885,  S.  1—29.  3)  Genealogia  Piastöw 
Krak.  1895,  4' ». 


272  M.  Perlbach. 

und  Tyniec  in  der  Krakauer  Diöcese  sicher  überliefert 
(Thietmar  ed.  Kurze  VI,  27.  VIII,  20.  21.  IX,  33);  die  spätere 
Tradition  setzt  auch  Heiligenkrenz ,  Siecechow  und 
Trzemeszno  in  diese  Zeit.  Dass  eines  dieser  Klöster  der 
passende  Ort  war,  einen  Fürstensohn  'in  den  heiligen 
Wissenschaften  ausgiebig  zu  unterrichten',  möchte  ich  be- 
zweifeln. Viel  wahrscheinlicher  ist  es,  dass  die  Eltern, 
besonders  die  Mutter  Richenza,  die  Tochter  des  lothrin- 
gischen Pfalzgrafen  Ezzo,  den  Sohn  einem  Kloster  im 
Westen  anvertraut  haben.  Sie  war  die  einzige  von  sieben 
Schwestern,  die  nicht  ins  Kloster  ging ;  ihre  Familie,  Vater 
und  Brüder,  steht  mit  Abt  Poppo  von  Stablo  ('apud  quem 
tunc  temporis  religio  maxime  monachica  cum  regulari 
discretione  vigebat',  Hist.  Bninwil.  SS.  XIV,  133)  in  Ver- 
bindung und  lässt  sich  von  ihm  bei  der  Einrichtung  des 
Familienklosters  Brauweiler  berathen.  Einen  Anklang  an 
dieses  Familienkloster  finden  wir  noch  im  14.  Jh.  in  der 
verwirrten  Nachricht  der  grosspolnischen  Chronik  c.  12 
(Mon.  Pol.  II,  484) :  'mater  (ßichenza)  recepto  filio  suo 
Casimiro  parvulo  Saxoniam  versus  Brunswik  ad  solum  pa- 
ternum  remeavit  ibique  puero  literis  imbuendum  apposito 
monasterium  quoddam  sanctimonialium  dicitur  intravisse'; 
an  die  Stelle  des  unbekannten  Brauweiler  ist  das  bekann- 
tere Braunschweig  getreten.  Dem  erst  1024  gestifteten 
Brauweiler  wird  ßichenza  ihren  Sohn  Kasimir  aber  nicht 
zwei  Jahre  später  übergeben  haben,  sondern  einem  der 
Mittelpunkte  der  nach  Cluny  benannten  Reformbewegung, 
die  sich  um  Odilo  von  Cluny,  Richard  von  St.  Vannes  in 
Verdun,  Poppo  von  Stablo  und  St.  Maximin  und  Wilhelm 
von  Volpiano,  Abt  von  St.  Benignus  in  Dijon,  gebildet 
hatten  (Sackur,  Cluniacenser  Th.  2).  Auf  Grund  der  Be- 
ziehungen der  Krakauer  Capitelsannalen  zu  den  Annales 
S.  Benigni,  die  wir  oben  bis  1030  verfolgen  konnten,  halte 
ich  das  Benignuskloster  zu  Dijon  für  den  Erziehungsort 
Kasimirs.  In  Dijon  hatte  schon  früher  ein  Slave  studiert, 
ein  abbas  Anastasius  monasterii  S.  Mariae  Selavanense  in 
provincia,  das  Sackur,  Cluniacenser  II.  348  nicht  ermitteln 
kann;  es  dürfte  wohl  Selavanense  zu  lesen  sein. 

In  den  Krakauer  Capitelsannalen  des  11.  Jh.  tritt 
nun  kein  Name  so  stark  hervor  als  der  Kasimirs;  von  1015 
bis  1058  haben  wir  16  Nachrichten,  in  denen  viermal  Kasimir 
ausdrücklich  genannt  wird  (1016,  1026,  1045,  1058),  zwei- 
mal 1016  und  1045  mit  Tagesdatum  bei  Geburtstagen,  was 
ganz  vereinzelt  dasteht;  drei  andere  Notizen  1015,  1025 
und    1034    nennen    zwar   Kasimir  nicht,    stehen   aber    mit 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik.  273 

seiner  Person  in  Verbindung,  da  sie  den  Tod  seines 
Schwiegervaters  (Wladimir  dux  Ruthenorum)  iind  Thron- 
besteigung- und  Tod  seines  Vaters,  Mesko,  melden.  Das 
Interesse  an  Kasimir  bleibt  sogar  über  seinen  Tod  rege, 
zu  1065  wird  'Mesko  filius  Kazimiri  ducis  obiit',  zu  1087 
'Dobronega  uxor  Kazimiri  obiit'  angemerkt.  Von  den  neun 
weiteren  Notizen  1015 — 1058  betreffen  drei  die  bereits  be- 
sprochenen Bischofswechsel  1027,  1028  und  1030,  die  Jahre 
1018,  1037  bis  1039  handeln  von  dem  Russenkriege  Boleslaws 
Chrobrj,  der  Priesterweihe  Sula's  (des  späteren  Bischofs 
Lambert  von  Krakau),  der  Translation  des  heil.  Adalbert 
(nach  Prag)  und  dem  Tode  König  Stephans  von  Ungarn. 
Es  bleiben  noch  die  beiden  gleichlautenden  Stellen  1033 
und  1048  'Otto  dux  obiit'.  Beide  werden  von  den  polnischen 
Forschern  (zuletzt  von  Balzer)  für  polnische  Fürsten  gehalten, 
der  erste  für  den  jüngsten  Sohn  Boleslaws  I.  ('quem  dilecti 
senioris  sui',  d.  i.  Otto  III.,  'nomine  pater  vocavit'  Thietmar 
ed.  Kurze  IV,  58),  der  zweite  für  den  jüngsten  Sohn  Kasimirs 
(GallusI,  19).  Von  diesem  letzten  wissen  wir  nichts,  als  den  Na- 
men, ermüsste,  da  die  Eltern  nicht  vor  1038  geheirathet  haben 
und  er  der  vierte  Sohn  war,  im  Alter  von  höchstens  sieben 
Jahren  gestorben  sein.  Achtet  man  nun  auf  den  Sprach- 
gebrauch in  diesem  Theile  der  capituli  (die  beiden  Otto 
stehen  in  keinem  anderen  polnischen  Jahrbuch),  so  bemerkt 
man,  dass  die  nicht  zur  Regierung  gelangenden  Prinzen 
ohne  Titel  aufgeführt  werden,  so  1045,  1065  Mesko  filius 
Kazimiri,  1086,  1088,  1089  Mesko  filius  Bolezlai.  Deshalb 
meine  ich,  die  beiden  Otto,  sicher  aber  der  jüngere,  werden 
ebenso  wie  der  dux  Hermannus  1012  für  ausländische 
Fürsten  zu  halten  sein.  Für  den  von  1048  bietet  sich  als 
trefflich  passend  Herzog  Otto  von  Schwaben,  der  am 
7.  September  1047  verstorbene  Bruder  der  Königin  Richenza, 
Kasimirs  Oheim  (Hist.  Brunwil.  SS.  XIV,  138).  Nicht  so 
sicher  ist  anzugeben,  wer  in  dem  Otto  dux  von  1033  sich 
verbirgt.  Zu  1026  melden  die  Ann.  S.  Benigni  den  Tod 
Otto  (Wilhelms)  von  Burgund,  zu  1037  wird  von  zahlreichen 
deutschen  Quellen  (Hildesheimer  Annalen,  Lampert,  Her- 
mann V.  Reichenau)  der  des  Grafen  Odo  von  Champagne 
gesetzt,  einer  von  diesen  beiden  könnte  in  Krakau  an  die 
unrechte  Stelle  gerathen  sein. 

Mit  1048  endet  in  den  Krakauer  Capitelsannalen  die 
Verbindung  mit  dem  Westen,  mit  1059  beginnt  die  Be- 
ziehung zu  Krakau,  erst  von  jetzt  an  werden  die  Krakauer 
Bischöfe  in  unserem  Jahrbuch  genannt,  zuerst  1059  der 
Tod  des  'Erzbischofs'  Aaron,  dann  zu  1061  und  1071  Thron- 
Neues  Archiv  etc.    XXIV.  Jg 


274 


M.  Perlbach. 


besteigung  und  Tod  Sula- Lamberts.  Mit  Recht  hat  schon 
1873  Smolka,  poln.  Annalen  S.  57,  daraus  den  Schluss  ge- 
zogen, dass  erst  in  dieser  Zeit  'die  Zusammensetzung  des 
ersten  Kerns  der  polnischen  Annalistik  erfolgt  ist'. 

Zu  demselben  Ergebnis  gelangen  wir  bei  der  Be- 
trachtung der  bisher  bei  Seite  gelassenen  böhmischen 
Tradition  in  den  Capitelsannalen,  die  anscheinend  981  be- 
ginnt und  sich,  wie  seit  1866  bekannt,  auf  das  Engste  mit 
den  Prager  Annalen  berührt.  Diese  sind  in  einer  Bam- 
berger Hs.  des  13.  Jh.  erhalten  und  reichen  von  894  bis 
1220.  Von  1054  — 1125  sind  sie  nach  der  Ansicht  der 
meisten  Kritiker:  Köpke  (SS.  IX,  10  n.  12),  Emier  (Fontes 
rerum  Bohemicarum  II,  375),  Regel  (Ueber  die  Chronik 
des  Cosmas  von  Prag,  Dorpater  Inaug.-Diss.  1892  S.  35), 
Dieterich  (Reichenauer  Geschichtsquellen  261)  ein  magerer 
Auszug  aus  der  böhmischen  Chronik  des  Cosmas,  mit  der 
sie  sich  auch  schon  vorher  nahe  berührt  haben,  ebenso 
1017  — 1042,  nur  zu  1000  und  1044  haben  sie  mehr  als 
Cosmas.  Für  das  10.  Jh.,  in  welchem  die  Verwandtschaft 
mit  den  Krakauer  Capitelsannalen  iinverkennbar  ist,  bleibt 
gleichfalls  Cosmas  Quelle,  wie  aus  dem  Missverständnis  zu 
984  hervorgeht: 


Cosm.  I,  28  :  'A.  d.  i.  984  obiit 
Rome  cesar  Otto 
secundus'. 

„      1,27:  'A.  d.i.  981  obiit 
Slavnic     pater 
sancti  Adalberti' . 

„  1,28:  'A.  d.i.  987  obiit 
Strezizlava  sancti 
Adalberti  mater'. 

„  1,28:  'A.d.i.990Sanc- 
tus  Adalbertus 
Rome  ad  sanc- 
tum  Alexium,  in- 
scio  abbate  quis 
esset,  factus  est 
monachus.  Item 
eodem  anno 
Nemci  perdita 
est'.  (Zusatz  des 
Mönchs  von  Sa- 
zawa  im  cod. 
Dresdens.) 


Ann.  Prag.  984  'Otto  primus 
cesar  Rome  ex- 
titit'. 

,,  ,,  981  'Slaunic  pater 
sancti  Adal- 
berti obiit'. 

,,         ,,      987  'Strezslava 

mater  sancti  A- 
dalberti  obiit'. 
„      990  'Professio 

sancti  Adal- 
berti. Nemcis 
perdita  est'. 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik. 


275 


Cosm.  I,  29 :  'Interfecti  sunt 
autem  in  urbe 
Lubic  quinque 
fratres  sancti 
Adalberti  a.  d.  i. 
995'. 

„  I,  31:'A.  d.  i.  996  .  . 
presul  Adalber- 
tus  feliciter  ter- 
minavit  martirio'. 

,,  I,  31:  '.  .  998  consecra- 
tus  est  Teadagus ' . 


Ann.  Prag.  995  'Lubic  perdita 
est'. 


997  'Sanctus  Adal- 

bertus    marti- 
rizatus  est'. 

998  'Tyadagus  ter- 
tius  episcopus 
successit'. 


Die  Nachrichten  über  den  heiligen  Adalbert  bei  Cos- 
mas  beruhen  auf  der  Lebensbeschreibung  des  Canaparius 
(die  von  Ketrzynski  S.  264 — 267,  wie  einst  von  Johannes 
Yoigt,  dem  Gaudentius  zugeschrieben  wird);  die  unrichtige 
Angabe  des  Cosmas  990,  Adalbert  sei  unerkannt  in  das 
Alexiuskloster  aufgenommen  worden,  ist,  wie  Kolberg  in 
der  Zeitschrift  des  Vereins  für  die  Geschichte  Ermlands 
VII,  90  zeigt,  eine  Verwechslung  mit  einer  anderen  Stelle 
des  Canaparius,  die  sich  auf  Adalberts  Besuch  in  Monte 
Casino  bezieht  ('Hie  tum  licet  agnitus  non  fuisset,  tamen 
.  .  honorifice  hospitio  susceptus  est',  c.  14). 

Auch  noch  die  Jahre  966  bis  973  der  Ann.  Prag, 
stimmen  mit  Cosmas: 


Cosmas  I,  c.  22.  23  .  .  967  .  . 
'fiat  sedes  episcopalis  .  . 
in  episcopum  Dethmarus 
eligitur  .  .' 

Cosmas  I,  c.  26  (969)  '.  .  con- 
secrat  eum  in  episcopum 
nomine   Adalbertum    .  .' 

Cosmas  I,  c.  27  (Zusatz  des 
Mönchs  V.  Sazawa,  Cod. 
Dresd.)  'Otto  imperator 
primus  Teutonicorum  .  . 
obiit'  (aus  den  Quedlin- 
burger Annalen ,  aus 
denen  der  Dresdener  Co- 
dex des  Cosmas  an  zahl- 
reichen Stellen  interpo- 
liert ist. 


Ann.  Prag.  966 :  'Hoc  anno  con- 
stitutus  est  Pragensis  epi- 
scopatus.  Dethmarus  pri- 
mus Pragensis  episcopus'. 

Ann.  Prag.  968:  'SanctusAdal- 
bertus  secundus  Pragen- 
sis episcopus'. 

Ann.  Prag.  973:  'Otto  primus 
imperator  obiit'. 


IS'' 


276 


M.  Perlbacli. 


Vor  966  ändert  sich  das  Verhältnis  der  Ann.  Prag, 
zu  Cosmas,  nur  noch  an  drei  Stellen  berühren  sich  beide, 
894,  929,  931.  Cosmas  hat  für  die  Jahre  933  bis  950  den 
Fortsetzer  des  E-egino  ausgeschrieben,  dem  er  zu  951  eine 
Stelle  der  Quedlinburger  (oder  Hersfelder  Annalen,  denn 
sie  kommt  auch  in  den  Hildesheim.,  Weissenburg.  und 
Lamp.  vor)  anfügt:  'Otto  rex  in  Italiam  perrexit'.  Für  933 
bis  950  haben  dagegen  die  Prager  Annalen  folgende  Ver- 
wandtschaft : 


Ann.  Pragenses. 
933  Ungarorum    exercitus    a 
Henrico   interfectus  est. 


934  Henricus  rex  Danos  sub- 
iecit. 

935  Henricus  rex  obiit. 

939  Sol  visus  est  minutus. 


941  Comete  apparuerunt. 

945  Legati  Grecorum  ad  re- 
gem Ottonem  cum  mu- 
neribus  veuiunt. 


950  Bellum  magnum  factum 
est  inter  Bavaros  et  Un- 
garos. 


933  Ann.  Corbejenses:  'Un- 
gariorum  exercitus  ab 
Heinrico  rege  interfectus 
est'. 

934  Ann.  Corb. :  'Heinricus 
rex  Danos  subeit'. 

936  Ann.  Corb. :  'Heinricus 
rex  obiit'. 

939  Ann.  Corb. :  'Sol  visus 
est  inminutus  tertia  diei 
hora  4.  Id.  lul.' 

941  Ann.  Corb. :  'Cometae  ap- 
paruit'. 

945  Ann.  Hildesheim. :  'Le- 
gati Grecorum  venerunt 
ad  regem  Ottonem  cum 
muneribus'  (ed.  Waitz 
S.  20).  Lampert  abwei- 
chend mit  Tagesdatum, 
Weiss,  u.  Quedl.  haben 
den  Satz  nicht. 

950  'Bellum  magnum  factum 
est  inter  Bawarios  et  Un- 
garios'  Hild.  Quedl.Lamp. 
Lamp.  hat  'prelium'. 


Dieselben  Quellen  (Cosmas,  Ann.  Corb.  und  die  Hers- 
felder Gruppe)  haben  die  Prager  Annalen  auch  in  ihrem 
ersten  Theile  894  bis  932  benutzt: 

Ann.  Pragenses.  . 

894  Hoc  anno  baptizatus  est  !  Cosmas  I,  14:    894    'Borivoy 
Borivoi   primus  christia-  j  baptizatus  est  primus  dux 

nus  in  Boemia  cum  uxore  I  sancte    fidei     catholicus 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik. 


277 


Ann.  Pragenses. 
sua  Ludmila,  ex  qua  na- 
tus  est  Wratizslaus  pater 
sancti  Wenceslai. 
901  Alnolfus(!)    Imperator 
obiit. 

910  Ludowicus  pugnavit  con- 
tra Ung-aros. 


911  Ludowicus  rex  obiit,  cui 
Conradus  successit. 


912  Ungari   Franciam  vasta- 
verunt. 


915  Bellum     fuit     in     Hers- 
burch. 


919  Conradus  rex   obiit,    cui 
Henricus  successit. 


929  Sanctus  Wenceslaus  mar- 
tirizatus  est  (Consecratio 
ecclesie  sancti  Viti  a  Tu- 
tone  episcopo  Ratispo- 
nensi)  per  Boleslaum  fra- 
tricidam. 


.  .  genuit  Wratizlaum  ex 
.  .  Ludmila  .  .'  etc. 

899  'Arnoldus  Imperator  obiit 
.  .'  Lamp.  Hild.  Weiss, 
('rex'). 

910  'Ludowicus  rex  pugnavit 
contra  Ungarios'  Hild. 
Die  anderen  (Lamp., 
Weiss.)  haben  'cum  Un- 
gariis', den  Quedl.  fehlt 
die  Notiz. 

912  'Ludowicus  rex  obiit,  cui 
Cuonradus  successit' 
Lamp.  Weiss.,  die  Quedl. 
zu  911,  in  den  Hild.  von 
späterer  Hand  und  etwas 
erweitert  (S.  19). 

911  'üngarii    vastaverunt 
Franciam'  Lamp.  Weiss.; 
die  Hild.  u.  Quedl.  setzen 
noch      'et      Thuringiam' 
hinzu. 

915  Ann.  Corb. :  'Devastacio 
Hungariorum  in  Valun 
et  bellum  in  Heresburg'. 
In  den  Hersfelder  Ab- 
leitungen lautet  der  Satz : 
'Ungarii  vastando  vene- 
runt  usque  in  Fuldam' 
Lamp.  Weiss.,  etwas  er- 
weitert  Quedl.   u.   Hild. 

919  Ebenso  Weiss.;  Lamp. 
setzt  'Saxo'  hinzu,  die 
Hild.  'Saxonicus',  die 
Quedl.  haben  einen  län- 
geren Bericht. 

929  Cosmas  I,  17:  '.  .  sanc- 
tus Wencezlaus  fraterna 
fraude  martirizatus  .  . 
Nam  Boleslaus  germa- 
nus  .  .' 
Die  Worte  der  Ann.  Prag. 

'per    Boleslaum    fratricidam' 


278 


M.  Perlbach. 


Ann.  Pragenses. 


931  TranslatiosanctiWences- 
lai  de  Boleszau  in  Pra- 
gana. 


sind    natürlich   mit    'martiri- 

zatus  est'    zu  verbinden,    die 

Weihe  der  St.  Veitskirche  ist 

eine   in    den  Text  gerathene 

Randglosse ;     Dieterich     will 

nach    einer   Bemerkung  Rei- 

chenauer     Geschichtsquellen 

über  sie  handeln,  S.  261  N.  9, 

für  unsere  Zwecke  kommt  sie 

nicht  weiter  in  Frage. 

932  Cosmas   I,   19:    Transla- 

latum  est  corpus  S.  Wen- 

cezlai  martiris  de  Bolez- 

lav     oppido     in     urbem 

Praffam'. 


Von  den  26  Nachrichten  der  Prager  Annalen  von  894 
bis  998  gehen  also  13  auf  Cosmas  zurück  (894,  929,  931, 
966,  968,  973,  981,  984,  987,  990,  995,  997,  998),  auf  den 
Hild.  Weiss.  Lamp.,  also  den  Hersfelder  Annalen  beruhen  7 
(901,  910,  911,  912,  919,  945,  950),  endlich  auf  den  Corveyer 
Annalen  6  (915,  933,  934,  935,  939,  941). 

Diese  Quellen  au  alyse  zeigt  meines  Erachtens  ganz 
klar,  dass  wir  nicht  berechtigt  sind,  mit  den  Prager  und 
Krakauer  Annalen  als  einer  Einheit  zu  operieren,  wie  es 
bisher  von  deutscher  und  polnischer  Seite  unbedenklich 
geschehen  ist.  Waitz  hat  zwar  Gott.  Nachr.  1873,  S.  390 
darauf  hingewiesen,  dass  in  dem  erst  894  beginnenden 
Fragment  der  Prager  sich  keine  Spuren  der  Augienses 
mehr  nachweisen  lassen  —  aber  Dieterich  S.  173  spricht 
von  den  Zwillings]  ahrbüchern  von  Krakau  und  Prag  und 
Kgtrzjiiski  ergänzt  sogar  alles,  was  in  den  Krakauer  Ca- 
piteisannalen  zwischen  907  und  951  fehlt,  aus  den  Prager. 
Ich   halte   dieses  Verfahren   für   methodisch  nicht  richtig. 

Von  den  26  Nachrichten  der  Prager  Annalen  von 
894 — 998  stehen  in  den  Krakauer  Capitelsannalen,  welche 
für  den  gleichen  Zeitraum  894 — 999  dreissig  Notizen,  also 
ungefähr  denselben  Umfang  haben,  nur  neun,  nämlich : 

901,  933,  934,  936,  940,  981,  987,  990,  997. 
Davon  gehen  bei  den  Prager  Annalen  901  auf  die  Hers- 
felder, 933  —  940  auf  die  Corveyer,  981—997  auf  Cosmas 
zurück,  Quellen,  die,  wie  wir  eben  gesehen  haben,  in  den 
Prager  Annalen  auch  sonst  noch  an  zahlreichen  Stellen 
benutzt   sind,    die   aber   den  Krakauer  Capitelsannalen  für 


\ 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik.  279 

das  10.  Jh.  an  anderen  Punkten  als  da,  wo  sie  mit  den 
Prager  Annalen  zusammenfallen,  fremd  sind.  Für  die  Er- 
klärung dieser  Beziehungen  zwischen  den  Prager  und  Kra- 
kauer Capitelsannalen  (natürlich  nicht  der  heute  vorhan- 
denen Hss.  von  1220  und  1267,  sondern  ihrer  Vorlagen) 
ergeben  sich  drei  Möglichkeiten :  directe  Benutzung  a)  der 
Prager  durch  die  Krakauer,  b)  der  Krakauer  durch  die 
Prager  oder  c)  gemeinsame  Quelle.  Der  Ansicht  a  sind 
Waitz,  Arndt,  Poepell  und  (1873)  Smolka,  b)  wird  gleich- 
massig  von  Wojciechowski  und  Kgtrzyiiski  vertreten,  welche 
die  polnischen  Annalen  des  Gaiidentius  1038  bei  der  Plün- 
derung Gnesens  durch  Brzetislaw  I.  nach  Böhmen  gelangen 
lassen,  wo  sie  später  auch  von  Cosmas  benutzt  wurden; 
für  die  gemeinsame  Quelle  erklärt  sich  jetzt  Dieterich, 
Reichenauer  Geschichtsquellen  S.  268. 

Ein  sicheres  Zeichen  für  die  Benutzung  zweier  Quellen 
wird  stets  darin  gefunden,  wenn  eine  und  dieselbe  Nach- 
richt zweimal  berichtet  wird.  Diesen  Fall  haben  wir  in 
den  Krakauer  Capitelsannalen  bei  dem  Tode  Arnulfs  von 
Kärnthen,  er  wird  inmitten  einer  aus  Mainzer  (Augienses) 
Fassung  stammenden  Satzgruppe  richtig  zu  899,  sodann 
noch  einmal  901  berichtet,  dieselbe  falsche  Jahreszahl 
haben  (nach  Hersfelder  Vorlage)  die  Prager  Annalen  (Al- 
nolfus  ist  Fehler  des  Copisten  von  1220).  Ktrzy  ski's  Er- 
klärung S.  258,  dass  diese  doppelte  Eintragung  durch  ein 
Versehen  des  Abschreibers  entstanden  sei,  der  eine  bereits 
copierte  Stelle  wiederholte  und  sie  auszustreichen  vergass, 
halte  ich  nicht  für  zutreffend,  weil  der  Wortlaut  nicht 
genau  derselbe  ist  (s.  oben  die  Vergleichung).  Vielmehr 
spricht  diese  Stelle  mit  ihrer  falschen  Jahreszahl  für  die 
Benutzung  der  Prager  Annalen  durch  die  Krakauer  (Fall  a). 
Und  durch  diese  Prager  Annalen  sind  auch  die  aus  den 
Corveyer  stammenden  Eintragungen  933,  934,  9i0  in  die 
capituli  gelangt.  Wenn  dieser  Satz  richtig  ist,  so  dürften 
die  Corveyer  Annalen  an  keiner  Stelle  in  den  Krakauer 
benutzt  sein,  die  nicht  durch  die  Prager  vermittelt  wird. 
Beziehungen  zu  den  Ann.  Corbejenses  haben  wir  oben  acht 
Mal  gefunden : 

855  'Lottarius  imperator  obiit',  aber  auch  Alam.  W.  Ben. 

869  'Lotarius  rex  obiit',  aber  auch  Alam. 

907   'Ungari    in    Saxoniam    venerunt',    aber   auch   Alam. 

Col.  Ben. 
936  'Henricus  rex  obiit,    Otto  filius  eins  successit',    aber 

auch  Aug.  Col.  Ben.,  auch  Prag. 


280  M.  Perlbach. 

937  'Moiiasteria    s.   Galli    et   s.   Bonifacii    comburuntur', 

aber  auch  Aug.,  Albani. 
940  'Comete    vise    sunt',     aber    auch    S.    Bonifacii    und 

Prag-. 

Nur  die  beiden  Stellen  zu  933  und  934  (besonders 
die  letzte  ist  ausschliesslich  Eigenthum  der  Corveyer  An- 
nalen)  finden  sich  allein  in  den  Corveyer-,  Präger-,  Kra- 
kauer Annalen.  Somit  steht  der  Annahme,  dass  die  Cor- 
veyer Notizen  über  Prag  nach  Krakau  gelangt  sind,  nichts 
entgegen,  und  wir  werden  die  vier  Stellen  über  den  hei- 
ligen Adalbert  981 — 997  in  den  capituli  ebenfalls  auf  die 
böhmische  Quelle  zurückführen.  Dass  die  Corveyer  Annalen 
in  Prag  benutzt  wurden,  erklärt  sich  sehr  einfach  dadurch, 
dass  der  dritte  Bischof  von  Prag  Thiaddag  998 — 1017  ein 
Mönch  aus  Corvey  war  (Jaffe,  Mon.  Corb.  69).  Damit  ist 
zugleich  ein  Anhaltspunkt  für  die  Zeit,  in  der  die  Corveyer 
Annalen  nach  Prag  kamen,  gegeben. 

Gestützt  auf  die  bisher  gewonnenen  Ergebnisse  wollen 
wir  uns  jetzt  denjenigen  Annalenresten  zuwenden,  die 
ausser  den  capituli  noch  Spuren  der  fremdländischen  Com- 
pilation  erhalten  haben.  Nichts  Neues  bringen  die  vetusti, 
sie  haben  nur  die  Jahre  948(47)  aus  dem  ersten  Cyclus, 
952(51),  959(58),  962(61),  964(63),  1002  alles  Mainzer  (St. 
Benignus)  üeberlieferung,  dann  982—998(981—997)  die  vier 
Stellen  über  Adalbert.  Nvir  die  Invencio  s.  Stephani  (947) 
und  Adalberts  Tod  haben  die  Miechovienses.  Dagegen  tritt 
die  böhmische  Tradition  verstärkt  auf  in  den  Ann.  breves 
und  den  Ann.  Poznanienses. 

Die  Ann.  breves  haben,  wie  schon  oben  S.  245  hervor- 
gehoben wurde,  fünf  böhmische  Nachrichten,  die  nicht  in 
den  Capitelsannalen  stehen,  982,  991,  992,  1001,  1133,  und 
von  denen  sich  die  beiden  ersten  auch  mit  Cosmas  und 
den  Ann.  Pragenses  berühren: 


982  sanctus  Adalbertus  in 
episcopum  Pragensem 
consecratur. 


991  sanctus  Adalbertus  f ac- 
tus est  monachus  Rome 
apud  sanctum  Alexium. 

1001  .  .  et    eodem   anno  Po- 


Cosmas  I,  c.  26  und  Ann. 
Prag,  zu  968.  Das  Jahr  982 
ist  das  richtige.  Dieselbe 
Nachricht  haben  auch  die 
Ann.  compilati  zu  982. 

Cosmas  I,  c.  28  zu  990 
(s.  oben  S.  274).  Die  Ann. 
Prag,  kürzen  stark  'Professio 
s.  Adalberti'. 

Cosmas  I,  c.  34   Blendung 


loni    ceperunt    Pragam  !  Boleslaws,    I,  35    Eroberung 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik. 


281 


et  ducem  Boleslaum  in 
eadem  cecaverunt. 


Prags,  wobei  auch  die  Jahres- 
zahl 1001   angeführt  wird. 


Jüngeren    Ursprungs    sind    dagegen    die   Nachrichten 
von  992  und  1001,  erster  Theil  : 


992  Sanctus  Adalbertus 
Gneznam  veniens  fidem 
catholicani  in  Polonia 
roboravit. 
1001  Otto  imperator  Eoma 
rediens  visitat  sepul- 
chrum  sancti  Adalberti 
in  Polonia. 


Martinus  Polonus  SS.  XXII, 
465 :  '(Adalbertus)  .  .  demuni 
per  Poloniam  transiens  et 
eosdem  in  fide  confirmans  .  .' 

Martinus  Polonus  SS.  XXII, 
466 :  'Imperator  (aus  Rom) 
reversus.  Et  visitans  locum 
in  Polonia,  ubi  s.  Adalbertus 
quiescebat  martir'. 

An    zwei   anderen  Stellen  geben  die  Ann.  breves  der 
böhmischen  Fassung  vor  derjenigen  der  capituli  den  Vorzug: 


A.  capituli: 
997  Passio  s.Adal- 
berti. 

1038  Corpus  s. 
Adalberti 
translatum 

est. 


Ann.  breves : 

997  S.  Adalbertus 

martyrizatus 

est  in  Prussia. 

1038  S.  Adalbertus 

translatus  est. 


Ann.  Pragenses : 
997  S.  Adalbertus 
martirizatus 
est. 
1038  S.  Adalbertus 
translatus  est 
de  Polonia  in 
Loemiam  per 
Brecizlaum 
ducem. 

Aus  den  Ann.  breves  haben  wir  somit  noch  vier 
Nachrichten  gewonnen,  die  aus  der  böhmischen  Quelle 
stammen  (982,  991,  1001,  1038). 

Noch  stärker  ist  die  böhmische  Tradition  in  den  Ann. 
Poznanienses  erhalten.  Diese  von  Ketrzjnski  entdeckten 
und  von  ihm  1888  im  5.  Bande  der  Mon.  Pol.  herausge- 
gebenen (auch  von  mir  1892  abgedruckten)  Annalen  reichen 
in  der  einzigen  Hs.  des  14.  Jh.  von  929 — 1079  und  ent- 
halten 20  Nachrichten,  von  denen  14  mit  den  capituli 
übereinstimmen: 

931,  947,  965(960!),  966(965!),  987(985!),  990,  997,  999, 
1003,  1025,  1038,  1072,  1077,  1079;  6  befinden  sich  nicht 
darin,  nämlich: 

929  beatus  Wenceslaus  martirizatur. 
932  translacio  sancti  Wenceslav. 

967  natus  est  pius  Boleslaus. 

968  lordanus  primus  episcopus  Poznaniensis  ordinatus  est. 


282  M.  Perlbach. 

973  sanctus  Adalbertus  venit  Poloniam  vocatus  per  pium 

Boleslaum. 
977  Dambrovca  mater  pii  Boleslai  obiit. 

929,  932,  987,  990,  997  sind  böhmischen  Ursprungs,  es 
finden  sich  aber  auch  bei  Cosmas  977  der  Tod  der  Dam- 
browka,  der  bisher  nur  aus  diesem  bekannt  war  (I,  27), 
999  die  Ordination  des  Gaudentius  (I,  34),  1003  der  Tod 
der  fünf  Einsiedler  in  Polen  (I,  38,  auch  die  Ann.  Bohemici, 
Font.  rer.  Bohem.  II,  381  berichten  dieses  Ereignis).  Grosses 
Gewicht  legt  Ketrzyriski  auf  die  Notiz  zu  973,  d^e  er  auf 
den  Erzbischof  Adalbert  von  Magdeburg  bezieht,  indem 
er  sanctus,  sowie  vocatus  per  pium  Boleslaum  für  spätere 
Zusätze  hält.  Nun  haben  die  Ann.  Poznan,  mehrfach  falsche 
Jahreszahlen  960  statt  965,  965  statt  966,  985  statt  987, 
ich  möchte  daher  auch  in  der  Jahreszahl  973  einen  Fehler 
für  991  (DCCCCLXXIII  statt  DCCCCLXXXXI)  annehmen 
und  die  Nachricht  mit  der  der  Ann.  breves  zu  992  ('S. 
Adalbertus  Gneznam  veniens  fidem  catholicam  in  Polonia 
roboravit')  zusammen  stellen.  Pius,  wie  Boleslaw  Chrobry 
in  diesen  Annalen  zu  967,  973  und  977  genannt  wird,  ist 
sein  stehendes  Beiwort  in  den  Lebensbeschreibungen  des 
heiligen  Stanislaus,  in  den  Annalen  heisst  er  sonst  Magnus. 
Zu  den  böhmischen  Nachrichten  rechne  ich  auch  die  von 
999  und  1003.  Der  Tod  der  5  Anachoreten  steht  auch  in 
den  Ann.  capituli,  vetusti,  breves,  Kamenzenses,  Miecho- 
vienses.  Bekanntlich  ist  erst  kürzlich  (1883)  in  der  von 
dem  heiligen  Bruno  von  Querfurt  verfassten  Passio  quin- 
que  fratrum  (SS.  XV,  2  und  Mon.  Pol.  VI  gedruckt)  eine 
neue  Quelle  über  diese  5  Märtyrer,  zwei  Italiener  und 
drei  Polen,  gefunden  worden;  sie  erlitten  den  Tod,  wie 
Petrus  Damiani,  Cosmas  und  Bruno  übereinstimmend  be- 
richten, weil  eine  ihnen  von  Boleslaw  geschenkte  grössere 
Geldsumme  die  Habgier  des  umwohnenden  Landvolks  reizte. 
Als  1038  nach  dem  Tode  Miesko's  IL  Herzog  Brzetislaw 
von  Böhmen  den  Leichnam  des  heiligen  Adalbert  nach 
Prag  überführte,  liess  er  nach  dem  Berichte  des  Cosmas 
auch  die  5  Einsiedler,  die  ebenfalls  in  Gnesen  begraben 
waren,  nach  Böhmen  mitnehmen  (Cosmas  II,  c.  4.  5),  des- 
gleichen den  Erzbischof  Gaudentius,  den  Bruder  des  heiligen 
Adalbert,  einen  geborenen  Böhmen.  Von  da  an  waren  die 
Grabstätten  dieser  Heiligen  nicht  mehr  in  Polen,  sondern 
in    Böhmen^.      Dazu    passt,    dass    die    einzigen    Lebensbe- 

1)  Darauf  weist  auch  Dieterich,  Reichen.  Geschichtsqu.  S.  279  hin, 
mit  dessen  Stammbaum  S.  277  ich  freilich  durchaus  nicht  einverstanden  bin. 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik.  283 

Schreibungen  der  5  Einsiedler,  die  ausser  der  in  einem 
anscheinend  aus  Magdeburg  stammenden  Codex  überlieferten 
Passio  Bruns  von  Querfurt  sich  vorgefunden  haben,  in 
böhmischen  Bibliotheken,  in  Prag  und  Raygern,  erhalten 
sind  (Kade  zu  Bruno  SS.  XV,  2.  712  n.  9).  Deshalb  glaube 
ich,  dass  auch  die  annalistischen  Notizen  von  999  ('ordinatio 
Gaudencii')  und  1003  (nach  Bruno  1004)  zuerst  in  Böhmen 
aufgezeichnet  wurden :  in  der  ältesten  Fassung  (Vet.,  cap., 
brev.,  Miech.,  Ann.  hohem.)  ist  nur  'in  Polonia'  als  Todes- 
ort der  5  Märtyrer  angegeben,  die  jüngeren  polnischen 
Quellen,  Ann.  Kamenz.  und  Poznan,  setzen  dazu  den  Ort 
Kazmir.  In  die  böhmische  Annalistik  fand  die  Nachricht 
natürlich  erst  nach  der  Translation  von   1038  Eingang. 

Den  Schluss  der  Ann.  Poznan,  bilden  vier  polnische 
Notizen:  1025  Tod  Boleslaws  Magnus,  sein  Sohn  Lambertus 
folgt  (so  heisst  Miesko  II.  auch  in  den  Capitelsannalen), 
1072  Ordination  des  heiligen  Stanislaus,  1077  Krönung 
Boleslaws  II.,  1079  Märtyrertod  Stanislaws.  Den  Tod 
Boleslaws  I.  berichtet  auch  Cosmas  (I,  41),  Ordination  und 
Tod  des  heiligen  Stanislaus  haben  auch  die  Annales  bohe- 
mici.  Von  den  20  Nachrichten  der  Annales  Poznanienses 
(929  —  1079)  stammen  also  10  aus  Böhmen  (929,  932,  973, 
977,  985,  990,  997,  999,  1003,  1038),  drei  (1025,  1072,  1079) 
kommen  auch  in  böhmischen  Quellen  vor,  zwei  (931,  947) 
sind  aus  dem  ersten  Cyclus  übernommen,  nur  fünf  sind 
rein  j)olnisch  (960,  965,  967,  968,  1077),  aber  die  ersten  vier 
(960  —  968)  stehen  auch  mit  Böhmen  in  Berührung,  da  ja 
die  Bekehruug  Polens  durch  die  Heirath  der  böhmischen 
Herzogstochter  veranlasst  war.  Jedenfalls  ist  in  keinem 
Ueberrest  der  polnischen  Annalistik  die  böhmische  Tradition 
so  stark  vertreten,  wie  in  den  Ann.  Poznanienses. 

üeberblicken  wir  nun  den  Anfang  der  Krakauer 
Capitelsannalen  noch  einmal,  so  erhalten  wir  folgendes 
Ergebnis.  Von  730  bis  816  (34  Jahresangaben)  ist  für  22 
eine  Fuldaer'  Aufzeichnung  (die  Compilatio  Fuldensis  be- 
nannte Quelle  der  Hersfelder  Annalen),  12  Mal  ein  am 
besten  durch  die  Annales  Augienses  vertretenes  Mainzer 
Jahrbuch  benutzt,  von  840,  also  nach  einer  Lücke  von  24 
Jahren  (auf  die  Lücken  in  dem  fränkisch -polnischen  Jahr- 
buch hat  meines  Wissens  Wojciechowski  S.  206  zuerst  hin- 
gewiesen) bis  899  ist  das  Mainzer  Jahrbuch  ausschliessliche 
Quelle.     Das  Jahr  901    wurde    böhmischen   Annalen^    ent- 


1)    Natürlich    nicht    den    Prager    Annalen     der     Bamberger    Hp. 
von  1220. 


284  M.  Perlbach. 

nommen,  906  wieder  der  Mainzer  Quelle.  Nun  folgt  die 
zweite  grosse  Lücke,  die  ich  nicht  mit  Ketrzynsky  aus 
den  Prager  Annalen  ergänze,  bis  930;  931,  947  gehören 
dem  ersten  Cjclus,  933,  934  den  böhmischen  Annalen, 
936,  937,  940  a'  den  Mainzer,  940  b  den  böhmischen,  940  c 
bis  963  den  Mainzer  Annalen  an;  mit  965,  966  beginnen 
die  polnischen  Nachrichten:  968  —  970  sind  wieder  Mainzer, 
981  —  999  böhmischen,  1002  Mainzer,  1003  böhmischen, 
1009  —  1012  Mainzer  Ursprungs;  1016  bis  1025  polnisch, 
1030  und  1033  zeigen,  wie  die  Fulda -Mainzische  Ueber- 
lieferung  nach  Krakau  gekommen  ist,  aus  dem  Benignus- 
kloster  zu  Dijon;  1034,  1037  sind  polnisch,  1038  böhmisch, 
von  1039  an  sind  keine  fremdländischen  Wurzeln  mehr 
wahrzunehmen,  denn  die  Nachricht  zu  1048  vom  Tode 
Ottos  von  Schwaben,  des  Bruders  der  Königinmutter 
Richenza,  kann  sehr  gut  am  Hofe  Kasimirs  aufgezeichnet 
sein.  Mit  Wladimir  dux  Ruthenorum  beginnt  zu  1015  die 
zusammenhängende  Reihe  der  polnischen  Aufzeichnungen. 
Dieser  Fürst  war  der  Schwiegervater  Kasimirs,  der  Vater 
seiner  Gemahlin  Dobronega,  die  er  nicht  vor  1038  heim- 
geführt haben  kann  (Balzer,  Genealogia  Piastöw  S.  89); 
erst  um  diese  Zeit  wird  der  Tod  Wladimirs  angemerkt  sein. 
Yon  1038  datiert  die  letzte  böhmische  Nachricht,  von  1037 
(fälschlich  zu  1033  gestellt)  die  letzte  burgundische  Auf- 
zeichnung (1033  Otto  dux  obiit,  s.  oben  S.  273).  So  treffen 
kurz  vor  1040  die  drei  Wurzeln,  aus  denen  sich  der 
Stamm  der  Krakauer  Capitelsannalen^  entwickelt  hat. 
zusammen:  die  Fulda -Maiuzischen  Annalen  aus  dem  Benig- 
nuskloster  zu  Dijon  (730  —  1012,  1030,  1033(37).  die  Corvey- 
Prager  Annalen  901  — 1003,  1038  und  die  polnischen  Nach- 
richten 965,  966,  1015  — 1037.  Die  Verschmelzung  ver- 
danken wir  vermuthlich  dem  Manne,  der  seine  eigene 
Priesterweihe  vor  der  letzten  böhmischen  Nachricht  eintrug, 
dem  Priester  Sula-Lambertus,  dem  späteren  Bischof  von 
Krakau,  dem  Nachfolger  des  Bischofs  Aaron  von  Krakau, 
dessen  Tod  in  den  Capitelsannalen  zu  1059  die  erste  An- 
knüpfung an  Krakau  darbietet.  Leider  wissen  wir  über 
diesen  Bischof  Aaron,  dessen  Namen  sonst  in  Polen  nicht  vor- 
kommt, aus  gleichzeitigen  Quellen  nichts.  In  der  Bibliothek 
des  Krakauer  Domcapitels  befindet  sich  eine  von  Polkowski, 
der  den  Handschriftenkatalog  derselben  verfasst  hat,  ins 
8.  oder  9.  Jh.  gesetzte  Homilienhs.  (Predicationes,  Archivuni 


1)  Xatürlich  ist  dabei  nicht  an  die  Hs.  von  1267,  sondern  an  deren 
Vorlage  zu  denken. 


Die  Anfänge  der  polnischen  Annalistik.  285 

do  dziejöw  lit.  i  osw.  III  96  —  98  n.  140),  auf  deren  5. 
ursprünglich  leer  gelassener  Seite  eine  Hand  des  11.  Jh. 
Aron  eps  .  .  .  verzeichnet  hat,  das  übrige  ist  leider  durch 
unvorsichtige  Anwendung  von  Reagentien  zerstört.  Ver- 
muthlich  war  Bischof  Aaron  Besitzer  dieser  lange  vor 
Einführung  des  Christenthums  in  Polen  im  Abendlande 
geschriebenen  Predigtsammlung,  der  ältesten  Hs.,  die  sich 
jetzt  in  der  Krakauer  Capitelsbibliothek  befindet,  und  die 
doch  wohl  durch  ihn  in  dieselbe  gekommen  ist.  Ueber 
Aarons  Herkunft  sind  wir  nicht  unterrichtet,  dass  ihn 
Dlugoss  'natione  Gallicum'  nennt,  beweist  nichts,  da  dieser 
die  Bischöfe  des  10.  und  11.  Jh.  systematisch  aus  Italien 
und  Frankreich  nach  Polen  kommen  lässt.  Dennoch  könnte 
er  in  diesem  Falle  das  Richtige  getrofPen  haben.  Der  Be- 
sitz der  uralten  Hs.  und  der  im  ganzen  polnischen  Mittel- 
alter nicht  wieder  vorkommende  Name  Aaron  scheinen  auf 
einen  Fremden  hinzuweisen :  in  ihm,  dem  Zeitgenossen 
Kasimirs,  könnten  wir  dann  den  Mann  sehen,  der  die 
fränkischen  Annalen  nach  Polen  gebracht  hat. 


VL 


I 


Zur  Afralegende 

und  zum 

Martyrologiuin  Hieronymianum. 


Eine  Entgegnung 


Bruno  Kriisch. 


1.   Conversio  et  passio  Afrae. 

Die  beiden  Theile  der  Acten  der  hl.  Afra  und  ihrer 
Genossinnen,  welche  denselben  Anfang  haben  und  in  den 
Hss.  zusammen  überliefert  sind,  wurden  dennoch  bisher 
von  der  Kritik  verschieden  beurtheilt,  während  sie  meiner 
Ansicht  nach  als  Ganzes  betrachtet  werden  müssen,  und 
es  nicht  gestattet  ist,  den  einen  zu  verwerfen  und  den 
anderen  anzuerkennen.  Ein  grosser  Theil  der  Bekehrungs- 
geschichte wird  ausgefüllt  durch  das  Auftreten  eines 
schwarzen  Teufels  und  einen  sehr  ergötzlichen  Streit  zwischen 
ihm  und  dem  Bischof  Narcissus  um  die  Seelen;  der  Bischof 
giebt  endlich  nach,  betrügt  aber  den  Teufel  und  liefert 
ihm  einen  auf  den  Julischen  Alpen  hausenden  Drachen 
aus.  Von  dieser  höchst  spasshaften  üebertölpelung  des 
dummen  Teufels  durch  den  schlauen  Vertreter  des  Christen- 
thums  haben  zu  meinem  lebhaftesten  Erstaunen  die  weise- 
sten und  frömmsten  Anhänger  der  Legende  nichts  wissen 
wollen,  und  der  Unglaube  muss  schon  in  diese  Kreise  ge- 
drungen sein,  denn  die  Conversio  Afrae  ist  heute  allgemein 
aufgegeben.  Ihren  Beschluss  bildet  die  Taufe  der  Afra, 
ihrer  Mutter  Hilaria  und  der  Mägde  Digna,  Eumenia, 
Euprepia.  Die  Leidensgeschichte  dieser  Personen  behan- 
delt der  zweite  Theil,  ausführlich  nur  die  der  Afra  (c.  1.  2), 
kürzer  die  der  anderen  Personen  (c.  3),  die  überhaupt  gegen 
die  erstere  in  den  Hintergrund  treten.  Die  Passio  ist  vor 
meiner  Kritik  für  eine  echte  Schrift  angesehen  worden, 
während  ich  sie  auf  ganz  dieselbe  Stufe  gestellt  habe,  wie 
die  vorhergehende  Conversio.  Der  Ansicht  ist  Duchesne  ^ 
nicht,  und  er  muss  für  seine  Zwecke  zu  der  Annahme 
greifen,  dass  beide  Theile  von  verschiedenen  Händen  ver- 
fasst  seien.  Nun  gleichen  sich  aber  beide  Theile,  die,  wie 
gesagt,  mit  ganz  denselben  Worten  beginnen,  ungefähr  wie 
ein  Ei  dem  andern,  und  der  zweite  setzt  geradezu  den 
ersten  voraus.  Es  ist  interessant  zu  beobachten,  wie  sich 
Duchesne  diese  Schwierigkeiten  aus  dem  Wege  zu  räumen 
weiss.  In  beiden  Theilen  treten  dieselben  Personen  auf, 
und    er    bemerkt    ganz    richtig,     dass    das    Martjrologium 

1)  Bulletin  critique  1897,  n.  16. 

Neues  Archiv  etc.     XXIV.  19 


290  Bruno  Krusch. 

Hieronym.  (M.  H.)  nur  die  eine  Märtyrerin  Afra  kennt. 
Nach  den  Regeln  der  Kritik  steht  dieses  auf  einem  älteren 
Standpunkte,  und  die  Vielheit  in  den  Acten  ist  als  Symptom 
des  späteren  Ausbaues  der  Legende  aufzufassen.  Ist  der 
Endzweck  der  Conversio  die  Taufe  der  Frauen  durch  den 
Bischof  Narcissus,  so  wird  in  der  Leidensgeschichte  (c.  3) 
auf  dieses  Ereignis  geradezu  Bezug  genommen.  Hier  setzt 
nun  eine  ebenso  gelehrte  als  tiefsinnige  Betrachtung  Du- 
chesne's  ein.  Er  beweist  kunstgerecht  aus  seiner  Theologie 
und  unter  Berufung  auf  seine  Origines  du  culte  chretien, 
dass  Afra  —  man  staune !  —  überhaupt  nicht  getauft  und 
gar  keine  Christin  war:  also  eine  Heidin?  und  die  Ver- 
folgung war  eine  Heidenverfolgung?  Bei  den  Einzelheiten 
dieses  wunderlichen  Beweises  brauchen  wir  uns  weiter 
nicht  aufzuhalten,  denn  Passio  c.  3  erklärt  der  Verfasser 
ausdrücklich:  'Digna,  Eumenia  et  Euprepia,  quae  fuerunt 
ancillae  eins  et  simul  quae  fuerunt  in  peccato  et  simul  a 
sancto  Narcisso  episcopo  baptizatae'.  Es  muss  schlecht 
um  eine  Theologie  bestellt  sein,  in  welcher  sich  solche 
Vorgänge  abspielen  können.  Auf  diesem  Wege  erreicht 
Duchesne  seinen  Zweck,  die  Entdeckung  eines  Innern 
Widerspruches  zwischen  der  Conversio  und  der  Passio,  oder 
vielmehr  nur  c.  1  und  2  der  letztern,  denn  c.  3  widersprach 
ja  seiner  Ansicht.  Und  unbarmherzig  zieht  er  sofort  seine 
Consequenzen  und  giebt  nicht  allein  die  Conversio,  sondern 
auch  den  Schluss  der  Passio  (c.  3)  preis.  Er  steht  also, 
wie  man  sieht,  schon  nicht  mehr  ganz  auf  dem  Stand- 
punkte seiner  weisen  und  frommen  Vorgänger,  sondern  nähert 
sich  bedenklich  meiner  ebenso  strengen  als  wenig  be- 
gründeten Kritik. 

Indessen  hat  seine  Untersuchung  doch  immer  noch 
ein,  wenn  auch  noch  so  bescheidenes,  positives  Ergebnis 
zu  Tage  gefördert  und  nach  den  grausamen  Abstrichen 
können  wir  nun  den  Rest  getrost  als  ein  echtes  Document 
zu  unserer  Erbauung  verwertheu.  Er  nennt  ihn  une  piece 
anterieure  et  de  meilleur  aloi;  das  klingt  freilich  etwas 
matt.  Sollte  die  Authenticität  immer  noch  nicht  genügend 
gesichert  sein?  In  der  That  hat  Duchesne  noch  etwas 
auf  dem  Herzen.  Aus  meiner  Vorrede  weiss  man,  dass  der 
heidnische  Richter  höchst  sonderbare  Ideen  entwickelt  und 
fast  wie  ein  christlicher  Priester  spricht:  'Meretrix  quae 
est,  dici  non  potest  christiana'.  Diese  Auffassung  des 
Mannes  von  dem  Christenthum  scheint  auch  Duchesne 
nicht  ganz  unbedenklich  erschienen  zu  sein,  denn  er  fürchtet 
plötzlich,  missverstanden  zu  werden.   Er  erklärt  jetzt  schlank- 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.     291 

weg,  dass  er  auch  die  zusammengestrichene  Passio  nicht 
comme  une  piece  absolument  originale  hinstellen  will, 
welches  amtliche  Aufzeichnungen  wiedergiebt,  sondern  er 
möchte  nur  die  Möglichkeit  einer  Eedigierung  am  Ende  des 
4.  oder  Anfang  des  5.  Jh.  betonen.  Mit  diesem  Ergebnis 
kann  ich  sehr  zufrieden  sein,  denn  es  ist  klar,  dass  man 
auf  weniger  durch  den  Heiligen cultus  befangener  Seite 
darin  eine  glänzende  Bestätigung  meiner  Ansicht  von  der 
Unechtheit  und  dem  ünwerth  dieser  sog.  Märtyrerarten 
erblicken  wird. 

Afra  hat  nach  ihren  Acten  .ein  ziemlich  unanständiges 
Oewerbe  im  Dienste  der  Venus  getrieben,  zu  welchem  ihre 
eigene  Mutter  sie  geweiht  hatte,  und  im  M.  H.  liest  man 
an  einer  von  den  vielen  Stellen,  wo  es  ihrer  gedenkt: 
'7.  Id.  Aug.  In  provintia  Retia^  civitate  Agusta  Afrae, 
Veneriae'. 

Auf  den  Zusammenhang  dieser  Notiz  mit  unserer 
Legende  hat  bereits  Rettberg  hingewiesen,  und  auch  Du- 
chesne  giebt  die  dependance  verbale  zu,  und  nur  in  der 
Erklärung  gehen  wir  auseinander.  Nach  meiner  Ansicht 
hat  der  Legendenschreiber  den  Vorwurf  für  seine  Dar- 
stellung der  Zusammenstellung  der  beiden  Eigennamen 
Afrae,  Veneriae  entnommen;  dagegen  hält  es  mein  Gegner 
in  gleicher  Weise  für  möglich,  dass  der  Verfasser  des  Mar- 
tyrologs  durch  die  Legende  beeinfiusst  sein  könnte,  und 
das  ist  ihm  wahrscheinlicher:  natürlich,  denn  im  anderen 
Falle  könnten  die  Acten  nicht  aus  dem  4.  oder  5.  Jh. 
stammen,  da  die  Quelle  erst  aus  dem  7.  Jh.  ist.  Bei  seiner 
Erklärung  kann  Veneria  natürlich  kein  Personenname  sein; 
er  schreibt  es  auch  klein  und  verbindet  es  mit  Afra.  Es 
bezeichnet  also  die  unsaubere  Thätigkeit  der  Heiligen  vor 
ihrer  Bekehrung,  und  der  Verf.  des  M.  H.,  der  doch  sonst 
höchstens  lobende  Attribute  austheilt,  hätte  in  diesem 
Falle  eine  Ausnahme  gemacht  und  der  Venusdienerin  Afra 
ein  Fest  angesetzt:  man  denke  sich  die  Andacht  der 
Gläubigen  bei  dem  Gedächtnis  dieser  sonderbaren  Heiligen, 
denn  das  M.  H.  verfolgt  Cultuszwecke.  Ein  weiterer  Ein- 
wurf gegen  die  wunderliche  Erklärung  Duchesne's  ist  der, 
dass  an  allen  anderen  Stellen,  und  deren  sind,  wie  gesagt, 
nicht  wenige,  Afra  den  Beisatz  veneria  im  M.  H.  nicht 
führt,    oder   vielmehr   bis   vor  Kurzem   nicht   geführt  hat. 


1)  Die  Hanpths.  E  kürzt,  wie  wir  unten  sehen  werden,  die  geo- 
graphischen Ortsbezeichnungen.  Diese  nur  durch  die  anderen  Hss.  über- 
lieferten Stellen  lasse  ich  cursiv  setzen. 

19* 


292  Bruno  Krusch, 

Denn  Duchesne's  Scharfblick  hat  natürlich  diese  Lücke 
sofort  erkannt  und  im  Handumdrehen  Abhilfe  geschaffen. 
An  der  folgenden  Stelle  des  M.  H.: 

7.  Id.  Oct.  In  provincia  Greta  civitate  Agusta  natale 
Afrae  mar  liest  E  Affreniae  für  Afrae  mar,  und  auf  diese 
Variante  baut  er  seinen  Plan.  Veneriae,  sagt  er,  verstüm- 
melt hier  E  in  'niae' ;  die  anderen  Hss.  unterdrücken  es 
und  ersetzen  es  durch  martyris.  Mit  Erstaunen  wird 
jeder  besonnene  Mensch  fragen,  weshalb  denn  jenes  'niae' 
zu  veneriae  und  nicht  vielmehr  zu  der  viel  näher  liegenden 
und  vollständig  tadellosen  Ueberlieferung  der  anderen  Hss. 
(mai")  vervollständigt  und  verbessert  werden  soll.  Und  der 
Vorgang  der  Text-Corruption  wird  mit  einer  Sicherheit  ge- 
schildert, als  wenn  ihn  Duchesne  selbst  beobachtet  hätte. 
Durch  diese  Textentstellung  wird  die  Heilige  Afra  von 
ihrem  eigenen  Verehrer  zum  zweiten  Male  mit  dem  ab- 
scheulichen Beiworte  ausgestattet.  Die  Venei'ia  ist  aber 
im  M.  H.  keine  Seltenheit,  nur  hat  das  Wort  niemals  die 
Bedeutung,  die  ihm  Duchesne  unterlegt,  sondern  es  ist 
natürlich  stets  Personenname.  Unter  demselben  7.  Id.  Aug., 
unter  welchem  sich  die  Zusammenstellung  Afrae,  Veneriae, 
findet,  erscheint  die  Veneria  am  Anfang  noch  einmal : 

Antiocia  Suffroni,  Veneriae, 
und  hier  ist  eine  Verbindung  mit  dem  vorhergehenden 
Personennamen  schon  wegen  des  verschiedenen  Genus 
unmöglich.  Am  Schlüsse  desselben  Artikels  war  die  veneria 
eine  Venuspriesterin  und  klein  zu  schreiben,  am  Anfang 
ist  sie  selbstverständlich  Personenname  und  erhält  einen 
grossen  Anfangsbuchstaben.  Da  aber  eine  Märtyrerin 
Veneria  in  Augsburg  unbekannt  ist.  hat  schon  Boschius  ^  die 
scharfsinnige  und  wohlbegründete  Vermuthung  aufgestellt, 
die  Heilige  von  Autiochia  sei  durch  eine  jener  im  M.  H. 
nicht  ungewöhnlichen  Wiederholungen  an  den  Schluss  des 
Artikels  gerathen  und  so  zur  Gefährtin  der  Afra  gemacht 
worden.  Jedenfalls  erscheint  es  als  eine  bare  Unmöglich- 
keit, dass  derselbe  Ausdruck  in  demselben  Artikel  eine 
verschiedene  Bedeutung  haben  sollte,  und  durch  die  Er- 
wähnung der  Veneria  am  Anfang  widerlegt  sich  ganz  von 
selbst  die  Erklärung,  welche  Duchesne  derselben  Veneria 
am  Schlüsse  gegeben  hat.  Auf  die  Bedeutung  dieser  kri- 
tischen Stelle  war  in  meiner  Vorrede  aufmerksam  gemacht 
worden,  und  man  wird  neugierig  sein,  wie  sich  Duchesne 
mit  ihr  abfindet.     Sehr  einfach!     Er  schweigt   davon,    wie 


1)  AA.  SS.  Aug.  II,  39. 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.     293 

er  auch  sonst  von  den  Zeugnissen  schweigt,  die  gegen  ihn 
sprechen. 

Damit  sind  aber  die  Beziehungen  der  Afralegende 
zu  dem  M.  H.  noch  nicht  erschöpft.  Conversio  und  Passio 
beginnen,    wie    schon    erwähnt,    mit    derselben  Wendung: 

Aput  provinciam  Eetiam  in  civitate  Augusta, 
und    diese   Ortsbezeichnung   stimmt   fast   wörtlich  mit  der 
des  Martyrologs  7.  Id.  Aug.  und  7.  Id.  Oct. : 

In  provincia  Retia^  (Greta  7.  Id.  Oct.)  civitate  Agusta, 

Wiederum  erhebt  sich  die  Frage  nach  der  Priorität 
und  wiederum  könnte  Duchesne  Beeinflussung  des  M.  H. 
durch  die  Legende  annehmen.  Aber  diesmal  verstummt 
sein  sonst  so  beredter  Mund.  Die  Ausdrucksweise  ist  näm- 
lich entschieden  die  des  M.  H.,  wie  ein  Blick  in  dieses 
lehrt  und  u.  a.  die  folgenden  Parallelstellen  zeigen: 

8.  kl.  lul.    In  provincia  Palestina  civitate  Sabasti. 

10.  kl.  Sept.    In  provincia  Cilicia  civitate  Egas. 

prid.  kl.  Dec.    In  provincia  Achaia  civitate  Patras. 

Der  Martyrologienschreiber  hatte  also  allerdings  die 
Oewohnheit,  die  Oertlichkeiten  in  dieser  Weise  nach  der 
Provinz  und  Civitas  zu  bestimmen,  und  der  Legenden- 
schreiber wiederholt  seine  Formel.  Selbst  Duchesne  ent- 
schlüpft unvorsichtiger  Weise  dieses  Zugeständnis:  'qui  re- 
produisent  la  formule  du  martyrologe'.  Der  Anfang  der 
Conversio  wie  der  Passio  sind  einer  Quelle  des  7.  Jh.  ent- 
nommen, und  die  Acten  sollen  ins  4/5.  Jh.  gehören  ? 

Wir  fanden  eben  noch  Duchesne  im  richtigen  Fahr- 
wasser; er  hat  aber  leider  den  Weg  nicht  weiter  verfolgt 
und  insbesondere  nicht  verrathen,  wie  er  sich  das  Vor- 
handensein der  Formel  des  M.  H.  in  der  Afralegende  er- 
klärt. Seine  Methode  der  Legendenkritik  ist  nämlich  zwei- 
theilig. Zuerst  streicht  er  aus  den  Acten  alles  hinweg, 
was  Anstoss  erregt  und  zu  dem  ungünstigen  Urtheil  über 
sie  geführt  hat,  und  findet  nun  den  Rest  leidlich  erträglich ; 
die  Schwierigkeiten  aber,  die  dann  noch  auftauchen,  und 
alle  Argumente  des  Gegners,  welche  er  nicht  widerlegen 
kann,  lässt  er  unter  den  Tisch  fallen.  Belässt  man  da- 
gegen die  Acten  in  der  Verfassung,  in  welcher  sie  hand- 
schriftlich überliefert  sind,  so  sind  sie  unhaltbar,  und  inso- 
fern erhärtet  seine  Widerlegung  eigentlich  nur  meine 
Kritik.  Indessen  bin  ich  weit  entfernt,  meinem  Gegner 
sein  Vertrauen  zu  der  Afralegende  verkümmern  zu  wollen, 
ich  protestiere  nur  gegen  die  Zerstückelung:  den  schwarzen 

1)  E  lässt  7.  Id.  Aug.  die  Worte  In  pr.  R.,  7.  Id.  Oct.  In  pr.  weg. 


294  Bruno  Krusch. 

Teufel   und   den  Drachen   muss   er   also   mit  in  den  Kauf 
nehmen. 


2.    Das  Martyrologium  Hieronymianum. 

Für  die  Beurtheilung  der  Acta  Afrae  waren  vom 
höchsten  Werthe  ihre  Beziehungen  zu  dem  Martyrologium 
Hieronymianum,  und  auch  bei  anderen  Legenden  finden  sich 
Berührungspunkte  mit  dieser  Quelle.  Die  Fragen  nach 
Zeit  und  Ort  ihrer  Entstehung  sind  also  für  die  Kritik 
der  älteren  Hagiographie  von  grosser  Bedeutung,  und  es 
ist  Zeit,  dass  wir  uns  ihnen  jetzt  zuwenden.  Ich  hatte 
hervorgehoben,  dass  Afra  im  M.  H.  an  vier  Tagen  gefeiert 
wird,  an  die  Missionsthätigkeit  des  Abtes  Eustasius  in 
Bayern  erinnert  und  die  Vermuthung  ausgesprochen,  dass 
dieser  ihren  Cultus  nach  Luxeuil  übertragen  haben  könnte. 
Allerdings  liegt  Augsburg  in  Schwaben,  aber  von  Bayern 
trennt  es  nur  der  Lech,  und  der  burgundische  Wanders- 
mann  konnte  an  dieser  Stelle  Bayern  nicht  betreten,  ohne 
die  Lechbrücke  bei  Augsburg  zu  überschreiten.  Das  Mart. 
Hieronym.  hatte  ich  nach  der  alten  Ausgabe  Fiorentini's 
durchgearbeitet  und  dabei  mehr  auf  die  gallischen  Heiligen 
als  auf  die  orientalischen,  römischen  und  afrikanischen 
geachtet.  So  erklärt  sich  meine  Behauptung,  dass  der 
Verfasser  zwar  viele  Heilige  zweimal  aufführe,  doch  vier- 
mal ausser  Afra  keinen :  ich  füge  aber  hinzu  'quod  sciam', 
und  daraus  war  zu  ersehen,  dass  ich  meine  eigene  Wissen- 
schaft für  nicht  vollkommen  hielt.  Der  Punkt  ist  auch 
ganz  nebensächlich  und  hat  auf  die  Beurtheilung  der  Acta 
Afrae  nicht  den  mindesten  Einfluss.  Frohlockend  springt 
mir  nun  Duchesne  ^  mit  acht  Heiligengruppen  entgegen, 
die  im  M.  H.  vier-  bis  achtmal  erwähnt  sein  sollen.  Als 
praktischer  Mann  hat  er  da  alles  zusammen  gelesen,  was 
seinen  Zwecken  irgendwie  dienen  könnte,  Heilige  der  ver- 
schiedensten Gegenden  mit  gleichen  oder  fast  gleichen  Namen 
als  identisch  zusammengestellt,  particuläre  Interpolationen 
einzelner  Hss.  für  Lesarten  des  M.  H.  ausgegeben  und 
endlich  sogar  noch  doppelt  gezählt  Stellen,  wo  die  einzelnen 
Hss.  im  Kalenderdatum  differieren  und  zum  folgenden 
Tage  nehmen,  was  anderswo  beim  vorhergehenden  steht. 
Zur  besseren  Erläuterung  seines  Verfahrens  sind  die  unter 
n.  7  citierten  acht  Wiederholungen  der  angeblichen  Heiligen 


1)  Bulletin  critique  1897,  n.  17. 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.     295 

Faustus,  lanuarius  und  Martialis  von  Cordova  nachge- 
schlagen und  hier  ausgeschrieben  worden: 

17.  kl.  Mai.  'In  Spanis  Caesaragusta  Luperci  —  — 
Felicis,  item  Felicis,  Fausti,  Marcialis,  Fortunati. 

16.  kl.  Mai.  In  Ponto  in  Slacelli  Marcialis,  Felicis,  item 
Felicis,  Fausti,  Furtunati. 

8.  kl.  Mai.    In  Affrica  Faustini Memmeri,  Fausti, 

lanuari,  item  Secundi. 

Non.  Oct.  In  Antiochia  Dionisi  episcopi,  lanuari, 
Faustini,  Marcialis  nur  E. 

8.  Id.  Oct.  In  Antiochia  Dionisi  episcopi,  lanuarii, 
Faustini  martyris,  Marcialis  nur  WB. 

5.  Id.  Oct.    In  Anazobon  Ciliciae  natale  Taraci, 

Fausti,  lanuari,  Marcialis. 

3.  Id.  Oct.  In  Spanis  Cordoha  civitate  Fausti,  Marcialis. 
—  —  Et  alibi  Fausti,  lanuari,  Marcelli. 

5.  Id.  Nov.     In  Spa,nis  Fausti,    lanuari    et  Marcialis. 

Als  Heilige  von  Cordova  figurieren  also  bei  Duchesne 
solche  von  Saragossa,  Pontus,  Africa,  Antiochia,  Cilicien, 
und  Niemandem  vor  ihm  ist  es  eingefallen,  diese  Personen 
zu  identificieren,  denn  während  die  Bollandisten  über  die 
Cordovaner  Oct.  VI,  187,  handeln,  sind  die  beiden  ersten 
Gruppen  April  II,  406,  die  dritte  April  III,  265,  die  4.  und 
5.,  die  eine  ehrliche  Polemik  nicht  hätte  doppelt  zählen 
dürfen,  da  das  was  in  E  bei  Non.  Oct.  steht,  WB  zu  8.  Id. 
Oct.  ziehen,  Oct.  IV,  272,  behandelt;  an  den  ersten  beiden 
Stellen  ist  von  keinem  lanuarius,  an  der  dritten  von 
keinem  Martialis  die  Eede ;  die  vierte  und  fünfte,  die,  wie 
gesagt,  nur  durch  einen  Kunstgriff  zu  zwei  Zeugnissen  ge- 
stempelt sind,  haben  statt  des  Faustus  einen  Faustinus, 
und  Cordova  wird  überhaupt  nur  an  der  vorletzten  Stelle 
genannt.  Die  Verwechselung  der  Märtyrer  von  Saragossa 
mit  denen  von  Cordova  beweist,  dass  Duchesne  nicht 
einmal  den  bekannten  Hymnus  des  Prudentius  kennt,  und 
die  zahlreichen  Irrthümer  in  den  Kalenderdaten  (5.  Id.  Aug. 
für  5.  Id.  lul.,  13.  kl.  Feb.  für  14.  kl.  Feb.,  kl.  lan.  für 
kl.  lun.)  legen  Zeugnis  ab  von  der  beispiellosen  Flüchtigkeit, 
mit  der  er  seinen  Stoff  zusammengerafft  hat.  Von  dieser 
Art  der  Quellenbenutzung  dürfte  allerdings  das  Publikum 
erbaut  sein.  ,  Derselbe  Duchesne  begeht  dann  noch  den 
groben  Schnitzer,  dass  er  seine  dritte  Heiligengruppe  Cos- 
conius,  Zeno,  Menelampus  nach  Nicaea  setzt,  während 
sie  vielmehr  nach  Nicomedia  gehört  (AA.  SS.  Sept.  I, 
360).  Seine  Beispiele  von  häufigen  Wiederholungen  sind 
sämmtlich  dem  nichtgallischen  Theile  des  M.  H.  entnommen, 


296  Bruno  Kruscli. 

während  Afra  unter  dem  g-allischen  steht ;  zwischen  beiden 
nimmt  er  aber  selbst  einen  solchen  Unterschied  an,  dass 
er  sogar  verschiedene  Verfasser  statuiert,  wenn  auch  nicht 
richtig'.  In  dem  gallischen  Heiligenreg'ister  nimmt  nun 
allerdings  Afra  eine  bevorzugte  Stelle  ein,  und  den  vier 
Zeugnissen,  die  ich  früher  zusammen  gestellt  habe,  kann 
ich  jetzt  noch  ein  fünftes,  das  auch  der  grosse  Kenner 
des  M.  H.  nicht  kennt,  hinzufügen: 

4.  Id.  Aug.  In  Aretio  (lies  'in  Retia')  Afrae,  —  nur 
in  E,  da  WB  hier  eine  grosse  Lücke  haben. 

Einige  Kenntnis  des  M.  H.  könnte  aber  Duchesne 
wohl  besitzen,  denn  er  ist  mit  de  Rossi  der  Herausgeber 
('sit  venia  verbo!')  desselben  in  den  AA.  SS.  Nov.  II,  1.  Ich 
habe  die  Aufstellungen  dieser  beiden  Männer  über  Haud- 
schrif tenverhältnis ,  Heimath  und  Alter  des  Martyrologs 
und  über  seine  Entstehung  in  dieser  Zeitschrift  XX,  437, 
auf  wenigen  Seiten  einer  Prüfung  unterzogen  und  ungefähr 
alle  ihre  Ergebnisse  über  den  Haufen  geworfen,  auch 
speciell  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  in  dieser  an- 
geblichen Schrift  aus  dem  Ende  des  6.  Jh.  sich  eine  Ein- 
tragung vom  Jahr  615  findet,  die  Duchesne  nicht  berück- 
sichtigt hat.  Ich  habe  damals  meinem  Befremden  über 
die  Uebergehung  dieser  wichtigen  Stelle  Ausdruck  gegeben, 
und  erst  dieses  hat  Duchesne  veranlasst,  sich  zur  Sache 
zu  äussern.  Er  giebt  nicht  weniger  als  vier  Erklärungs- 
versuche für  diese  Eintragung,  die  theils  die  Thatsache 
selbst  als  nicht  genügend  gesichert  hinstellen  sollen,  theils 
einem  bösen  Zufall  die  Schuld  geben,  und  der  Leser  hat 
nun  die  Wahl,  wie  er  das  Duchesne  entgegenstehende  Zeugnis 
hinwegprakticieren  will.  Im  allgemeinen  bin  ich  dem 
grossen  Gelehrten  durch  diese  Kritik  höchst  unbequem 
gefallen,  und  er  ist  entrüstet  darüber,  dass  eine  Person, 
die  in  der  Hagiographie  und  Kirchengeschichte  noch  viel 
Fortschritte  zu  machen  hat,  Capacitäten  seines  Schlages 
ein  Sic  nolo  entgegenzusetzen  wagt.  Er  nimmt  also  Hoheits- 
rechte für  sich  in  Anspruch  und  vergisst  ganz,  dass  die 
Wissenschaft  auf  republikanisclier  Grundlage  beruht  und 
es  ein  'crimen  laesae  maiestatis'  in  derselben   nicht   giebt. 

Eine  erneute  Prüfung  auf  Grund  von  umfassendem 
Matei'ial  hat  mich  zu  denselben  Resultaten,  wie  früher,  ge- 
führt, dass  die  Ausgabe  des  M.  H.  in  allen  Hauptpunkten 
verfehlt  ist.  Aber  hierin  liegt  offenbar  nicht  mehr  der  Schwer- 
punkt der  Sache.  Nachdem  Duchesne  jetzt  zugestanden 
hat,  dass  er  das  spätere  Zeugnis  gekannt  hat,  —  und  es 
hätte  ihm  schlecht  angestanden,  dies  in  dem  Augenblicke  zu 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.      297 

läugnen,  wo  er  sich  selbst  als  den  grossen  Kenner  des  M,  H. 
mir  gegenüber  aufspielt,  —  muss  jetzt  die  Frage  lauten, 
ob  es  eorrect  gehandelt  war,  die  Existenz  desselben  in  Ab- 
rede zu  stellen. 

Die  von  dem  Herausgeber  zum  Abdruck  gebrachten 
drei  Hss.  sind: 

E)  die  aus  Echter  nach  stammende  Pariser  n.  10837, 
in  angelsächsischer  Schrift  aus  dem  Anfang  des  8.  Jh.; 

W)  die  aus  Weissenbiirg  stammende  Wolfen- 
bütteler  n.  81  (nicht  23,  wie  de  Rossi  irrthümlich  angiebt), 
geschrieben  im  Jahr  772,  wie  eine  vorausgeschickte  Be- 
rechnung und  die  Ostertafel  ^  auf  fol.  4  lehren ; 

B)  die  aus  Metz  stammende  Berner  n.  289,  saec. 
VIII.  ex.,  von  welcher  leider  der  letzte  Quaternio  (XVIII) 
mit  den  Tagen  XI.  kl.  Dec.  —  Villi,  kl.  lan.  verloren  ist. 

Der  Schreiber  von  E,  Laurentius,  der  sich  selbst  in 
der  Unterschrift  genannt  hat  -,  wie  es  scheint,  der  Notar 
des  Heiligen  Willibrord^,  hat  Raum  gespart  und  jeden  Zeilen- 
rest ausgenutzt.  Oft  fehlen  die  Monatsnamen  und  an- 
dere entbehrliche  Worte,  oder  doch  solche,  welche  ihm 
entbehrlich  erschienen  sind,  und  in  seinem  Streben  nach 
knapper  Kürze  hat  er  auch  die  Ortsbezeichnungen  bis- 
weilen vereinfacht : 

Id.  Aug.    Sinnada  Frigiae]  WB ;  Frigia  E. 

Aus  Unachtsamkeit  springt  er  von  einem  Namen 
zum  nächsten  gleichlautenden  über,  und  solcher  Homoeo- 
teleuta  finden  sich  mehrere: 

8.  Id.  Mai.  Faustinae,  [lanuarii,  item  Victoris,  Zetule, 
Stialae,  Furtuni,  Rogati,  Faustini  fehlen  E]. 

12.  kl.  Nov.  Machari,  [Dicei,  Proculi.  Neapoli  Festi, 
item  Modesti  et  aliorum  numero  272.  Puteoli  Campaniae 
Proculi,  Eutici  et  Macharii  fehlen  E]. 

15.  kl.  Dec.  Auril[ianis  depositio  sancti  An  fehlen 
E]  iani  episcopi  et  confessoris. 

Aber  abgesehen  von  diesen  unbeabsichtigten  Lücken  sind 
die  Nameureihen  genau  und  vollständig  wiedergegeben,  und 
von  einer  Kürzung  kann  höchstens  in  stilistischer  Hinsicht 
und  in  der  Wiedergabe  der  Ortsbezeichnungen  die  Rede  sein. 

Dagegen  ist  W  in  der  That  gekürzt  ^,  da  der  Schreiber 

1)  Eine  Hand,  etwa  aus  der  Mitte  des  9.  .Jh.,  hat  die  SS.  I,  111 
edierten  Annalen  an  den  Rand  geschrieben.  Lies  774  'coepit'  für  'accepit', 
840  'obiit.  Eodem  anno  III.  n.  mai.'  2)  Tuorum,  Domine,  quorum 
nomina  scribsi  sanctorum,  eorum,  queso,  suffrag-is  miserum  leva  Lauren- 
tium,  tuque  idem,  lector,  ora.  S)  S.  N.  A.  XII,  234,  und  die  Beschrei- 
bung der  Hs.  von  Arndt,  ebenda  II,  292.  4)  Das  hat  schon  Fiorentini 
S.  1054  bemerkt:    'pluribus  sparsim  martyrum  nominibus  est  decurtatum'. 


298  Bruno  Krusch. 

bei  längeren  Namenreihen  sich  seine  Arbeit  einfach  da- 
durch erleichtert  hat,  dass  er  grosse  Partieen  wegliess, 
und  da  diese  Hs.  einer  zahlreichen  Familie  angehört,  konnte 
man  schwanken,  ob  sie  mit  ß-echt  als  Vertreter  gewählt 
worden  ist,  obwohl  sie  das  Alter  für  sich  hat.  In  der  That 
wollte  de  Rossi  zuerst  den  Corbeiensis  reproducieren,  der 
einer  alten  Unterabtheilung  dieser  Familie  angehört,  die 
noch  nicht  mit  gewissen  im  Kloster  St.  Vandrille  gemachten 
Zusätzen  versehen  ist;  zu  derselben  gehört  ausserdem  ein 
alter  Senonensis  (S),  der  allerdings  einen  hervorragenden 
textkritischen  Werth  besitzt.  Als  'felix  repertor'  von  W, 
den  als  Codex  Blumanus  schon  Fiorentini  gekannt  und 
benutzt  hatte,  wird  im  Texte  Duchesne  gefeiert,  während 
man  aus  einer  Note  erfährt,  dass  eigentlich  S.  Berger  die 
Hs.  in  dem  Kataloge  der  Wolfenbütteler  Bibliothek  er- 
kannt hat.  In  der  gedruckten  Literatur  wird  die  Hs.  des 
Martyrologium  ohne  nähere  Bestimmung  aufgeführt^. 

Die  Hs.  B  enthält  nicht  bloss  eigene  Zusätze  in  den 
Ortsangaben  und  Heiligennamen,  sondern  sogar  einige  aus- 
führlichere Auszüge  aus  den  Passiousgeschichten,  die  aller- 
dings auch  im  Texte  der  beiden  anderen  Hss.  nicht  vollständig 
fehlen.  Sie  ist  also  die  vollständigste  Hs.  und  mehr  solcher 
Passionsauszüge  bieten  nur  noch  die  in  der  Vaticana  be- 
findlichen Reste  einer  Lorscher  Hs.  (L)  saec.  VIII. /IX., 
welche  den  Text  von  VIII.  kal.  bis  III.  Non.  lan.  und  von 
VI.  kl.  bis  Prid.  kl.  Feb.  enthalten. 

Die  beiden  Herausgeber  bringen  nun  die  Hss.  in  der 
Reihenfolge  BL  EW  zum  Abdruck.  Sie  sind  nämlich 
der  Ansicht,  dass  das  M.  H.  ursprünglich  ausführlichere 
Passionsgeschichten  enthalten  habe,  und  die  bezüglichen 
Stellen  in  BL  den  ursprünglichen  Zustand  darstellen, 
während  die  anderen  Hss.  und  besonders  E  gekürzt  seien ; 
sie  nennen  diese  Hs.  geradezu  ein  Breviarium  und  stellen 
ihr  die  'Codices  pleniores'  gegenüber.  Allerdings  existieren 
Breviarien  des  M.  H.,  die  von  den  langen  Naraenreihen  der 
Quellen  nur  eine  Auswahl  bringen,  aber  E  selbst  gehört 
nicht  zu  ihnen,  sondern  ist  ein  vollständiger  Codex  und 
wie  die  anderen  Hss.  von  Abbreviatoren  benutzt  worden. 
Das  Bedürfnis  nach  kürzeren  Fassungen  hat  also  bestanden, 
aber  umgekehrt  auch  das  nach  einer  Erweiterung  der 
trockenen  Namenreihen  durch  Aufnahme  von  Nachrichten 


1)  Vgl.  F.  A.  Ebert,  Zur  Handschriftenkunde  (1825)  I,  S.  189; 
Schönemann,  Zweites  und  drittes  Hundert  Merkwürdigkeiten  der  Herzogl. 
Bibliothek  zu  Wolfenbüttel  (1852)  S.  2,  n.  106. 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.     299 

über  die  Art  des  Martyriums  aus  den  Legenden.  Das  M.  H. 
diente  später  dem  praktischen  Gebrauche  der  Stifter  und 
Klöster  und  auf  dem  Concil  von  Aachen  817  wurde  aus- 
drücklich bestimmt,  dass  beim  Capitel  zuerst  der  betreffende 
Abschnitt  des  Martyrolog-s,  dann  die  Regel  oder  eine 
Homilie  gelesen  werden  sollte.  Den  Zwecken  des  Vorlesens 
genügten  aber  die  blossen  Namenreiheu  nicht,  sondern 
man  brauchte  die  Leidensgeschichten,  und  in  den  Arbeiten 
der  späteren  Martyrologien- Schreiber  Florus,  Eaban,  Ado, 
CTsuard,  Notker  schwillt  durch  diese  Interpolationen  der  Stoff 
zusehends  an.  Es  entspricht  nur  der  Theorie  der  beiden 
Herausgeber,  dass  de  Rossi  sogar  die  Zusätze  Rabans  und 
Notkers  aus  einem  vollständigeren  Codex  des  M.  H.  her- 
leiten will.  Bei  Ado  würde  eine  solche  Behauptung  den 
eigenen  Worten  des  Verfassers  widersprechen,  denn  er  be- 
zeichnet selbst  in  der  Vorrede  als  einen  der  Zwecke  seiner 
Arbeit  die  Erweiterung  des  Textes  aus  den  überall  zu- 
sammengesuchten Codices  passionum. 

Wären  die  Passionsauszüge  echt,  dann  müsste  ß  der 
ausgezeichnetste  Codex  sein,  und  de  Rossi  bezeichnet  ihn 
als  solchen  und  behauptet,  dass  er  die  ursprüngliche  Les- 
art aufbewahrt  habe.  Er  hat  den  Ehrenplatz  unter  den 
Text- Abdrücken  erhalten,  während  EW  die  dritte  und 
vierte  Stelle  einnehmen;  den  Lorscher  Fragmenten  ist  die 
zweite  Columne  eingeräumt  und  es  wird  ihnen  ein  ausser- 
ordentlicher Werth  zugesprochen.  Diese  Handschriften - 
Classification  ist  grundfalsch.  Die  älteste  Hs.  E  ist  zugleich 
auch  die  beste;  WB  gehen  auf  denselben  fehlerhaften 
Archetypus  zurück  und  L  ist  nur  eine  Schwesterhs.  von 
B :  beide  legen  den  Jahresanfang  auf  Weihnachten  und 
ihnen  folgen  die  Herausgeber,  während  E  W  übereinstimmend 
mit  dem  1.  Januar  das  Jahr  beginnen.  Das  richtige  Ver- 
wandtschaftsverhältnis ist  aus  den  gemeinschaftlichen  Ver- 
derbungen von  Personen-  und  Ortsnamen  leicht  zu  er- 
kennen: 

4.  kl.  Feb.  In  Affrica  Perusio  (E;  Perosiae  WBL), 
später  folgt:  In  Tuscia  Constantini,  und  Perusio  ist  zu  dieser 
Eintragung  zu  ziehen :  In  Perusio  Tusciae  (vgl.  3.  kl.  Mai., 
8.  kl.  Dec),  während  WBL  den  falsch  gestellten  Ortsnamen 
in  einen  Personennamen  ändern. 

prid.  Id.  Feb.  Carpofori]  E ;    Carpori  WB  und  ähnlich 

7.  kl.  Mart.    Carpofori]  E;    Garpori  W;    Garphori  B. 
16.  kl.  Mart.    Anthimi]  E;  Atheni  WB. 

3.  Non.  Ap.    Agathemeri]  E ;  Agat(ha)e  Meriti  WB. 

8.  Id.  Ap.    Nicomedia  Sirmi  (E ;  Firmi  WB)  Herenei  epi- 


300  Bnino  Krusch. 

scopi.  Irenäus  war  Bischof  Ton  Sirmium,  und  Nicomedia 
ist  die  Ortsbezeichnung  zn  dem  folgenden  Namen  Cyriacae 
(vo-l.  Martyr.  Sjr.).  —  Ebenso  5.  Id.  Aug-.  Firmi  WB  für 
Sirmi. 

10.  kl.  Mai.  In  Frig  (E;  Africa  B ;  Afreca  W)  civitate 
Hirapoli  Philippi  apostoli. 

kl.  Mai.  Ausi  (E ;  Tolosa  WB)  civitate  in  Gallia  natale 
sancti  Orient!  episcopi.  Orientius  war  Bischof  von  Auch 
und  nicht  von  Toulouse;  vgl.  Scr.  rer.  Merov.  I,  816. 

3.  Non.  lun.    Exuperiae]  E ;  Exupiae  W;  Exsupiae  B. 

4  kl.  lul.    In  Spanis]  E ;   Hynus  Pannus  WB. 

9.  kl.  Aug.    Theogiuis]  E ;  Theozoni  W;  Theuzoni  B. 

5.  Id.  Aug.    Bergamo]  E;    Permoni  WB. 

Id.  Aug.    Antonini]  E  richtig  (vgl.  Martvr.  Sjr.);  Anthioci 
W;  Anthiochi  B. 

6.  Non.  Oct.    Pantaleonis]  E;    Ponti  Leonis  WB. 

5.  Id.  Oct.  In  Anazobon  Ciliciae]  E ;  In  Acervo  Sicili(a)e 
WB,  unter  welcher  Corruptel  man  schwerlich  die  Cilicische 
Stadt  Auazarbus  vermuthen  wird. 

7.  kl.  lan.    Menandri]  E;  Neandri  WBL. 

Ferner  sind  WB  an  denselben  Stellen  zu  gleichen  oder 
ähnlichen  Namen  abgeirrt  unter  Auslassung  derselben 
Stellen : 

Prid.  kl.  Nov.  Vincenti  diaconi,  [Rusticiani,  Agapitae, 
Victoriae  et  aliorum  VIII. 

In  AfErica  Dogoni  E;    fehlt  WB]. 
3.  Non.  Nov.      Theofili,    [Vitalis,    lusti    et    Hermetis, 
Gobbani,  Germani,  Teofili  E;    fehlt  WB]. 

Beide  Hss.  haben  also  gemeinsame  Lücken,  und  auch 
anderswo  lässt  sich  noch  erkennen,  dass  dieselben  durch 
ein  Homoeoteleuton  verschuldet  waren : 

6.  Id.  lan.    [Secundi,  Luci,  Felicis,  lanuari. 

Et  in  Brundisio  Leuci. 

Et  in  Sirmis  Anastasi  E;  fehlt  WB],  locundi. 
Dagegen  sieht  Duchesne  in  dieser  und  anderen  Stellen 
selbstständige  Zusätze  der  Hs.  E,  und  er  entdeckt  S.  IX 
darin  geheimnisvolle  Beziehungen  der  Angelsachsen  zu  Cam- 
panien.  Vorsichtig  hat  er  hier  nur  die  Worte  'In  Brundisio 
Leuci'  und  hernach: 

3.  Id.  Feb.    [Et  in  Armenia  Basili. 

Et  in  Vulturno  Castrensis  E ;  fehlt  WB] 

in  Campania  Basiliani 
nur  'In  Vulturno  Castrensis'  ausgehoben ;  er  übergeht  also 
die  Erwähnung  von  Sirmium  und  Armenien,  und  dass  mit 
den    angeblich    campanischen    Nachrichten    noch    manches 


Z\ir  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.      301 

andere  in  WB  ausgefallen  ist.  Sind  auch  Pannonier  und 
Armenier  von  den  Päpsten  nach  Grossbritannien  gesandt 
worden?  Und  seit  wann  liegt  Brundisium  in  Campauien? 
Ich  sagte  oben,  dass  in  E  die  topographischen  An- 
gaben zuweilen  gekürzt  seien,  aber  auch  in  WBL  finden 
sich  solche  Fälle : 

prid.  kl.  lan.  Et  [in  cymiterio  Priscillae  E ;  fehlt  WBL] 
depositio  sancti  Silvestri  episcopi. 

10.  kl.  Feb.  [Romae  via  Salaria  veteri  E,  fehlt  WB]  Belli. 
Das  Coemeterium  der  Priscilla  stand  in  der  Quelle 
des  M.  H.\  und  es  ist  klar,  dass  WBL  hier  lückenhaft  sind. 
Umgekehrt  ist  der  grösseren  Vollständigkeit  dieser  Hss.  in 
den  römischen  Ortsbezeichnuugen  nicht  immer  zu  trauen. 
Denn  wenn  4.  Non.  Aug.  zwischen  'Romae'  und  'Stefani 
episcopi'  die  Hss.  WB  'in  cimiterio'  und  allein  B  ausserdem 
noch  'Calesti  via  Appia'  einfügen,  so  ist  mit  Rücksicht  auf  den 
topographischen  Zusatz  von  B  zu  beachten,  dass  auch  in 
einigen  der  Schwesterhss.  von  W  der  Maugel  des  Namens 
bemerkt,  in  einer  Raum  gelassen,  in  einer  anderen,  dem 
wichtigen  Senonensis,  'Calisti'  von  zweiter  Hand  nachgetragen 
ist.  Solche  Ergänzungen  der  topographischen  Angaben  des 
christlichen  Roms  waren  auch  mittelalterlichen  Schreibern 
aus  den  ihnen  zu  Gebote  stehenden  literarischen  Quellen, 
wie  z.  B.  den  Itinerarien,  möglich.  Anderwärts  sind  sie 
ihnen  nicht  gelungen,  und  die  Lesart  der  Mutterhs.  von 
WB  ist  in  allen  Ableitungfen  noch  unversehrt  erhalten: 


WB 

Romae  in  cimityrio  Fa- 
biani  episcopi   et  Sebastiani. 


E 

13.  kl.  Feb.  Romae  passio 
sancti  Sebastiani,  Fabiani  epi- 
scopi. 

Die  Coemeterien  lassen  sich  aus  dem  Chronographen 
von  354  leicht  ergänzen: 

13.  kl.  Feb.    Fabiani  in  Callisti, 

et  Sebastiani  in  Catacumbas, 
und  es  ist  klar,  dass  der  Stammvater  von  WB  diese  Quelle 
nicht  gehabt  haben  kann.  Wenn  man  aber  noch  schwanken 
sollte,  ob  hier  E  oder  WB  überarbeitet  ist,  so  muss  alle 
Zweifel  die  Eintragung  der  Hss.  WB  zum  vorhergehenden 
Tage  zerstreuen: 

14.  kl.  Feb.    Romae  passio  sancti  Sebastiani  martjris. 
Das    ist    genau,    die    Lesart    von    E    beim    folgenden    und 
richtigen  Tage,  und  es  fehlt  der  Zusatz  'in  cimityrio' ;  es  scheint 

1)  Vgl.    die   depositio    episcoporum   im    Chronogr.   von  354,    Auct. 
antiq.  IX,  70. 


302  Bruno  Krusch. 

uns  also  hier  die  in  dem  Archetypus  von  WB  getilgte  ursprüng- 
liche Lesart  durch  die  Gedankenlosigkeit  eines  Copisten, 
wenn  auch  nicht  ganz  vollständig,  erhalten  geblieben  zu 
sein.  Und  das  Verhältnis  zwischen  E  und  Wß  bleibt  ganz 
dasselbe  bei  der  nächsten  Eintragung  zu   13.  kl.  Feb.: 

E  WB 

Yia    Cornelia    miliario    ab        In  cjmitirio ; 
urbe  XII. 

wiederum  wollte  der  Vorfahr  von  WB  das  Coemeterium 
einsetzen,  wiederum  hat  er  den  Namen  nicht  gefunden, 
und  diesmal  fiel  seiner  Schrulle  eine  ganz  vortreffliche 
Lesart  zum  Opfer,  denn  die  topographischen  Angaben  von 
E  werden  in  allen  ihren  Theilen  bestätigt  durch  die  Passio 
der  betreffenden  Heiligen  ^  Eine  Vorstellung  von  seinen 
antiquarischen  Kenntnissen  giebt  die  Aenderung  von  Smyrna 
in  Griechenland : 

Kl.  Eeb.     In    Zmirna   civitate]  E ;    In   Grecia  WB,  —  es 
ist  vom  heiligen  Polycarp  die  Rede. 
Das  Einschiebsel  'et'  in  der  folgenden  Stelle: 

3.  Id.  Ap.  Lugduno  Galliae  Siagri  [et  WB]  patricii, 
würde  zeigen,  dass  ihm  der  heilige  Patricius  besser  be- 
kannt war  als  der  Patricius  Syagrius  von  Lyon,  der  585/6 
auf  einer  Gesandtschaftsreise  nach  Constantinopel  im  Dienste 
König  Gunthrams  in  hinterlistiger  Weise  diese  Würde 
erschlich-,  aber  'et'  ist  aus  dem  Duchesne'schen  Abdruck 
von  B  zu  streichen,  denn  es  ist  späterer  Zusatz  und  geht 
also  nicht  auf  die  gemeinsame  Vorlage  zurück. 

Die  Abweichungen  dieses  WB -Archetypus,  —  wir 
wollen  ihn  jezt  Y  nennen,  —  von  E,  die  ich  oben  zur  Sprache 
brachte,  waren  keine  zufälligen,  durch  die  Unachtsamkeit 
und  Flüchtigkeit  des  Schreibers  verschuldeten,  sondern  es 
lässt  sich  fast  überall  die  gute  Absicht,  den  Text  zu  ver- 
vollständigen und  zu  verbessern  erkennen,  nur  entsprachen 
dem  Willen  nicht  die  Kräfte,  und  so  war  alles  verdorben 
worden.  Schon  aus  den  bisherigen  Belegen  ging  mit  voll- 
kommener Sicherheit  hervor,  dass  Y  sich  nicht  mit  dem 
blossen  Copieren  begnügt,  sondern  eine  redactionelle  Thätig- 
keit  entfaltet  hat,  und  das  ist  bei  den  stärkeren  Abweichungen 
der  beiden  Texte  sehr  zu  beachten.  Eine  Untersuchung, 
wer  an  diesen  stark  abweichenden  Stellen  den  ursprünglichen, 
wer  den  überarbeiteten  Text  hat,  ist  bisher  noch  nicht  ein- 


1)  Passio  SS.  Mariae,  Marthae  et  filiorum,  AA.  SS.  lan.  11,  219. 
2)  Fredeg.  IV,  5.  Die  Bollandisten  folgen  der  Interpolation :  De  SS.  Sia- 
grio  et  Patricio  Lugduni  in  Grallia,  AA.  SS.  Apr.  II,  13. 


Zur  Afralegende  und  zum  Martjrologixim  Hieronjinianuin.      303 

mal   versucht   worden.      Die   folgenden   Stellen    bestätigen 
vollständig  unsere  bisher  gewonnenen  Ergebnisse : 


E 
4.  Non.  Feb.  In  Affriea  Vic- 


WB 

In  Affrica  Victoris,  Maurini, 


toris,   Marini,  Perpetuae,  lu- '  Honorati,     Orbani,    Hi- 


1  a  r  i ,      Perpetuae ,      luliane, 
Privatule  et  aliorum  74. 


liae  et  aliorum  74, 

Et  Hierosolimis  sancti  Sy- 
meonis. 

In  Affrica  Houorati,  Or- 
bani, Hilari.  Privatulae 
et  aliorum  34. 

In  E  stehen  also  zwei  Gruppen  afrikanischer  Märtyrer 
und  in  jeder  neben  namentlich  genannten  eine  Anzahl  un- 
genannter, zuerst  74,  dann  34;  in  WB  sind  beide  in  eine 
Gruppe  zusammengezogen,  die  Namen  sind  ineinander- 
geschachtelt, und  nun  blieb  das  zweite  'et  aliorum  34' 
überschüssig :  es  ist  gestrichen.  Aber  auch  der  dazwischen 
befindliche  Prophet  Svmeon  von  Jerusalem,  dessen  die 
griechischen  Fasten  ungefähr  im  Einklang  mit  E  unter  dem 
3.  Februar  gedenken,  wurde  bei  dem  Processe  mit  auf- 
gearbeitet oder  vielmehr  versetzt,  denn  er  findet  sich  in 
WB  zu  Non.  lan.  vor  Symeon  dem  Styliten  eingeschaltet. 

Im  zweiten  Falle : 

E  I  WB 

2.    Id.    Mart.      In    Affrica        In  Africa  Alexandri,  Dione, 
Alaxandri,  Dionae.  i  [Nicomedia  B]  Petri,  Mam- 

In   Affrica   Petri,   Mam-|meri  et  Naboris  martyris, 
meri,     Naboris,    Comis,  I  Comes,  Frontonis, 
Frontonis, 

steht  wiederum  den  zwei  Reihen  Afrikanern  von  E  eine 
einzige  in  Y  gegenüber,  und  B  hat  durch  einen  frechen 
Betrug  die  zweite  Nicomedia  zugewiesen.  Die  Spuren  der 
Redigierung  zeigt  endlich  sehr  deutlich  die  Stelle: 

14.  kl.  lun.  Donatoris,  item  Donatoris]  E ;  duorum  Dona- 
toris WB. 

Es  ist  undenkbar,  dass  E  zweimal  die  in  sich  abge- 
schlossenen Afrikaner-Gruppen  in  zwei  zerlegt,  dass  es  die 
zweite  sogar  im  Parallelismus  mit  der  ersten  mit  dem  Bei- 
satz 'et  aliorum  34'  versehen  hätte.  Vielmehr  zeigen  WB 
überall  die  ordnende  und  zusammenfassende  Thätig-keit  des 
späteren  Redactors,  während  E  auf  einem  früheren  Stand- 
punkte der  Ueberlieferung  steht  und  den  Rohstoff  noch  un- 
berührt enthält. 


304  Bruno  Krusch. 

Die  Hss.  WB  gehen  also  auf  dasselbe  verdorbene  und 
lückenhafte  Exemplar  zurück  und  stellen  E  gegenüber  eme 
jüngere  Recension  des  M.  H.  dar.  Unsere  handschriftliche 
Ueberlieferung  wird  damit  auf  zwei  Quellen  E  und  die 
Mutterhs.  der  beiden  Zwillingsbrüder  Y  zurückgeführt,  und 
es  ist  klar,  dass  diese  E  gegenüber  nur  als  ein  Zeugnis  zu 
gelten  haben.  Wenn  die  Quelle,  aus  welcher  E  stammt 
— •  ich  will  sie  X  nennen  — ,  in  dieser  Hs.  fehlerlos  wieder- 
gegeben wäre,  so  würde  Y  für  die  Textkritik  schwerlich  in 
Betracht  kommen;  aber  E  hat  Lücken,  Flüchtigkeitsfehler 
und  andere  Textverderbnisse,  leidet  also  an  allen  den  Ge- 
brechen, durch  welche  mittelalterliche  Hss.  entstellt  zu 
sein  pflegen,  und  da  Y,  wenn  auch  viel  häufiger,  doch 
an  anderen  Stellen  sündigte,  muss  es  zur  Textverbesserung 
herangezogen  werden.  Wenn  aber  schon  die  gemeinsamen 
Lesarten  von  WB,  also  die  der  Stammhs.  Y,  in  vielen  Fällen 
E  gegenüber  als  minderwerthig  zu  verwerfen  waren,  weil 
sie  entweder  durch  zufällige  Verderbnisse  oder  durch  be- 
wusste  Aenderungen  veranlasst  waren,  so  leuchtet  ein,  dass 
die  particulären  Lesarten  der  einen  oder  anderen  von 
beiden  Hss.  für  die  Textkritik  des  M.  H.  nimmermehr  in 
Betracht  kommen  können,  und  mit  der  Uebereinstimmung 
EB  oder  EW  die  Quelle  von  XY  erreicht  ist,  über  welche 
Niemand  hinauskommen  kann. 

Das  Verhältnis  von  WB  zu  E  ergiebt  sich  sofort,  wenn 
man  auch  nur  wenige  Seiten  der  drei  Texte  zusammen- 
arbeitet, und  auch  Duchesne  ist  es  nicht  verborgen  ge- 
blieben. Er  schreibt  S.  XLV seiner  Vorrede:  'Horum  (nämlich 
der  Familie  Y)  textus  ex  interpolato  vel,  si  malueris,  locu- 
pletato  multis  additamentis  exemplari  defluxit;  Epterna- 
censis  ex  puriore  et  antiquiore',  und  erkennt  S.  XL 
nur  den  gemeinsamen  Text  der  Hss.  als  authentisch  an. 
Trotzdem  giebt  er  die  Ansicht  de  Rossi's  nicht  preis,  hat 
diese  vielmehr  als  Dogma  seiner  Untersuchung  über  den 
Gegenstand  vorangestellt  (S.  XLIII):  'Familias  codicum  quas 
iamdudum  constituit  Eossius  omnino  esse  servandas  et  ego 
censeo,  et,  ut  arbitror,  censebit,  quisquis  paulo  attentius 
textus  inter  se  conferet  quos  in  tribus  columnis  distri- 
buimus',  und  überlässt  es  nun  dem  Leser,  wie  er  sich  die 
Gegensätze  zusammenreimen  will.  Denn  de  Rossi  hielt 
eben  nicht  E,  sondern  B  für  die  beste  Hs.  und  hat  ihr 
wegen  ihrer  Vortrefflichkeit  S.  IV  den  Vorrang  vor  allen 
anderen  eingeräumt:  'Bernense  primam  columnam  obtinet 
ad  fidem  codicis  diligenter  expressum  .  .  .  Quae  diligentia 
.  .  .  debebatur  tum  dignitati  codicis  insignissimi,  tum  eins 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.     305 

genuinae  lectioni  tradendae'.  Dagegen  behauptete  er  von 
E,  dass  hier  die  Corruptel  auf  dem  Höhepunkte  stände, 
und  er  hatte  dieser  Hs.  früher  die  dritte  Stelle  ^  hinter 
BW  gegeben,  jetzt  ist  sie  zwischen  die  beiden  Zwillingshss. 
gestellt,  woraus  hervorgeht,  dass  sich  die  beiden  Heraus- 
geber zur  Zeit  des  Abdrucks  des  Textes  —  dieser  hat  be- 
sondere Paginierung  —  über  das  Hss. -Verhältnis  vollständig 
im  Unklaren  befunden  haben. 

Als  besonderer  Vorzug  von  B  werden  die  vollständige- 
ren geographischen  und  topographischen  Angaben  gerühmt. 
Diese  von  B  zu  EW  gemachten  Zusätze  müssten  nach  un- 
seren Ergebnissen  Interpolationen  sein,  und  wir  beob- 
achteten bereits  den  Schreiber  dieser  Hs.,  wie  er  2.  Id. 
Mart.  in  ziemlich  dreister  Weise  ein  'Nicomedia'  einge- 
schwärzt hat.  Ein  andermal  (5.  Id.  Aug.)  hat  er  Nicomedia  her- 
gestellt aus  einem  Eigennamen  'Nimidiaci'  E,  'Nimidiani'  W, 
welchen  weiter  oben  alle  Hss.  'Nome(i)diani'  schreiben.  Und 
unser  Misstrauen  gegen  den  Mann  wird  befestigt  durch 
den  folgenden  Zusatz:  '16.  kl.  lun.  Romae  [via  Salaria  ve- 
tere  B]  Parteni  et  Caloceri',  denn  die  Grabstätte  dieser  Mär- 
tyrer ist  S.  Callisto  an  der  Via  Appia,  also  ungefähr  die 
entgegengesetzte  Richtung,  und  B  selbst  zusammen  mit  W 
giebt  den  Ort  richtig  14.  kl.  lun.  an:  'In  cimiterio  Calesti 
via  Appia'.  Die  nur  in  dieser  Hs.  stehenden  Römischen 
Feste  bezeichnet  auch  Duchesne  (S.  X)  als  'serius,  ut  vide- 
tur,  adiecta',  also  als  Interpolationen,  denn  der  Schrift- 
charakter ist  derselbe.  Zum  Theil  dieselben  Zusätze,  wie 
in  B,  trifft  man  auch  in  den  Lorscher  Fragmenten,  die 
de  Rossi  so  hoch  stellte,  während  sich  Duchesne  vorsich- 
tiger Weise  über  ihren  Werth  ausschweigt: 
4.  kl.  lan.  [Primiani  BL],  Bouifati  episcopi. 

3.  kl.  lan.  Donati,   [Romae  Felicis  episcopi  BL]. 

4.  Non.  lan.  [Tubiae  BL],  Maccari. 

Diese  Nachträge  sind  bei  der  Vergleichung  mit  anderen 
Martyrologien  oder  Calendarien  von  einem  höchst  unacht- 
samen Schreiber  gemacht  worden,  denn  er  hat  nicht  be- 
merkt, dass  sowohl  Primianus  als  Tobias  bei  den  betreffenden 
Tagen  bereits  vermerkt  waren,  und  an  diesen  Stellen  haben 
alle  Hss.  die  Namen;  er  hat  auch  übersehen,  dass  Papst 
Felix  schon  beim  vorhergehenden  Tage  (4.  kl.  lan.)  ein- 
getragen war,  allerdings,  wie  es  scheint,  irrig,  denn  im 
Chronographen    von    354    ist    3.  kl.  lan.    angegeben.      Die 


1)  Roma  sotterranea  U,  p.  x  ff. 

Neues  Archiv  etc.     XXIV.  20 


306  Bruno  Krusch. 

beiden  Hss.  haben  auch  gemeinsame  Lücken  ^  und  eine 
Menge  gemeinsamer  Verderbnisse;  ich  denke  aber,  schon 
die  beigebrachten  Beispiele  werden  genügen,  um  zu  be- 
weisen, was  ich  oben  behauptet  habe,  dass  L  nur  eine 
Schwesterhs.  von  B  ist.  Dadurch  wird  diese  Entdeckung 
auf  ein  sehr  bescheidenes  Maass  zurückgeführt.  Was  von 
den  eigenen  Zusätzen  von  L  zu  halten  ist,  zeigt  die  Bei- 
fügung der  Worte:  'in  cimiterio  Priscillae  7.  kl.  lan.  beim 
Papste  Dionjsius'.  Der  ist  vielmehr  in  S.  Callisto  beigesetzt-, 
und  de  Rossi  hat  selbst  den  Irrthum  bemerkt,  lässt  sich 
aber  keineswegs  dadurch  in  seiner  vorgefassten  Meinung 
irre  machen.  Er  behauptet  kühn,  dass  zuerst  das  Richtige 
dagestanden,  und  ein  böser  Mensch  die  Notiz  gestrichen 
und  Priscillae  für  Callisti  eingeschwärzt  habe  ^.  Dadurch 
ist  die  Ehre  von  L  gerettet. 

Historische  Zusätze  aus  den  Leidensgeschichten  der 
Märtyrer  sind  in  allen  Hss.,  auch  in  E  erhalten,  am  reich- 
haltigsten aber  ist  L  und  dann  folgt  B,  und  zuweilen 
bieten  WB  gemeinschaftlich  diese  Notizen;  nach  diesem 
Gesichtspunkte  classificiert,  würden  also  die  Hss.  ungefähr 
in  umgekehrter  Reihenfolge  und  so  zu  ordnen  sein,  wie  es 
de  Rossi  gethan  hat.  Zum  Beweise  für  die  Echtheit,  und 
dass  diese  Zusätze  von  L  auf  den  Archetypus  aller  unserer 
Hss.  zurückzuführen  seien,  führt  er^  die  ausführliche  Er- 
zählung des  Martyriums  eines  Bischofssohnes  aus  der  Zeit 
des  Licinius  an  (3.  Non.  lan.),  weist  darauf  hin,  dass  W 
noch  den  Anfang  bietet:  'feli  episcopi,  qui  sub  Licinio', 
und  behauptet,  dass  alle  anderen  Hss.  diese  Worte  weg- 
gelassen hätten,  weil  sie  zusammenhangslos  seien,  bemerkt 
indessen  nicht,  dass  auch  in  B  wenigstens  die  Worte :  'fili 
episcopi'  vorhanden  sind,  und  also  nur  E  gar  nichts  zusetzt. 
Da  den  Text  von  L  in  seinem  ganzen  Umfange  weder 
W  noch  die  ihm  sehr  nahe  verwandte  Hs.  B,  die  doch 
wahrhaftig  mehr  zugesetzt  als  weggelassen  hat,  enthält, 
so  kann  er  nicht  einmal  auf  die  Mutterhs.  BL,  geschweige 
denn  auf  Y  oder  gar  den  Archetypus  zurückgeführt  werden ; 
wie  hoch  aber  diese  Stelle  von  den  späteren  Martyrologien- 
schreibern  geschätzt  wurde,  sieht  man  daraus,  dass  sie 
wörtlich  bei  Raban,  kürzer  bei  Notker  zu  finden  ist. 
Ein  Hauptkriterium  für  die  Benrtheilung  dieser  Zusätze 
bietet  ihre  Stellung.  Wer  war  der  Bischofssohn?  Nach 
WBL  ein  Märtyrer  in  Tomi  'Marcellinus  puer  christianus', 

1)  Z.  B.  8.  kl.  lan.  Basilei]  EW;  fehlt  BL.  2)  Chronogr.  v.  354, 
Auct.  antiq.  IX,  70.  3)  de  Rossi  S.  xi :  Id  primitus  ibi  scriptum  esse  de- 
buit,  sed  hac  annotatione  deleta,  nescio  quo  errore,  irrepsit  'Priscillae'  loco 
Callisti'  in  textum  hieronymianum  fragmenti  Laureshamensis.        4)  S.  xi. 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.     307 

denn  hinter  diesem  stehen  die  Zusätze  in  den  3  Hss.  Gehen 
wir  nun  der  Geschichte  des  Mannes  näher  nach,  so  stellt 
sich  heraus,  dass  er  vielmehr  Theogenes  hiess  und  nicht 
in  Tomi,  sondern  in  Parium  am  Hellespont  gelitten  hat  ^. 
Die  Zusätze  gehören  also  weiter  oben  zu  der  Notiz :  'In 
Helisponto  civitate  Parethia  Cirici,  Primi,  Theoginis' ;  sie 
sind  in  allen  3  Hss.  an  unrichtiger  Stelle  eingefügt,  sie 
sind  Interpolationen ;  an  der  richtigen  sind  in  keiner  Hs. 
Zusätze  erhalten,  und  E  ist  nicht  gekürzt;  es  ist  vielmehr 
das  beste  und  reinste  Exemplar,  als  welches  es  auch  der 
Gegner  hat  anerkennen  müssen. 

Dass  L  interpoliert  ist,  lehrt  auch  die  folgende  Stelle : 

3.  kl.  lan.  'Et  beati  Perpetui,  qui  sancti  Martini  ba- 
silicam  aedificavit',  oder  glaubt  man,  dass  sogar  solche 
chronikalische  Nachrichten  im  Archetypus  des  M.  H.  ge- 
standen haben?  Die  Zusätze  von  B  sind  nicht  einmal  in 
die  Construction  des  Martyrologiums  eingerenkt: 

7.  kl.  Ap.  'In  Sirmi  Montani  presbyteri  [De  Lingi- 
donis  cum  Sirmium  fugisset,  conprehensus  et  missus  est  in 
fluvium,  nono  lapide  inventum  est  corpus  eins  B]  et  Maxi- 
mae  uxoris  eins',  und  wer  auch  nur  einen  Funken  von 
Sprachgefühl  hat,  muss  sich  sagen,  dass  zwischen  diesen 
Genetiven  die  Interpolation  ganz  von  selbst  herausfällt.  Sie 
Hess  sich  den  genetivischen  Heiligennamen  nur  als  Relativ- 
satz oder  als  Partizip  anfügen,  aber  auch  bei  diesen  Versuchen 
fällt  der  Interpolator  gar  bald  aus  der  Construction: 

4.  Non.  Mai.  'In  Nicomedia  natale  Antoninae  [ni- 
mium  tortae  et  variis  tormentis  afflicte,  ab  uno  brachio 
tribus  diebus  suspensae  et  in  carcere  biennio  reclusae  a 
Priscilliano  preside,  flammis  exusta  obiit'  B]. 

Denselben  Charakter  tragen  die  Zusätze  von  WB,  die 
also  auf  Y  zurückgehen,  z.  B.:  Id.  lul.  'lacobi  episcopi 
Nicivis,  [qui  in  corpore  multa  signa  fecit  et  arcam  Noe 
solus  vidit  in  monte.  Nullus  alius  de  his  qui  cum  eo  per- 
rexerant  videre  est  permissum'  WB].  Mit  dem  selbstän- 
digen Satze  über  die  Begleiter  hat  der  Verf.  vollständig 
den  Eaden  verloren,  und  schon  Fiorentini  hat  die  Stelle  als 
späteres  Einschiebsel  erkannt.  Aeussere  Kennzeichen  der 
Interpolation  sind  auch  die  Beziehungen  auf  den  voran- 
stehenden Monatstag:  'in  ipso  die'  (18.  kl.  Dec),  'hac  die 
(14,  kl.  Dec).  Wenn  endlich  sehr  häufig  nur  hinzugefügt 
ist,  dass  die  Acten  vorhanden  sind:  'quorum  (cuius)  gesta 
habentur',  so  scheint  ja  Y  seine  hagiographischen  Studien  zur 
Vervollständigung  des  M.  H.  beinahe  selbst  einzugestehen. 

1)  AA.  SS.  lan.  I,  133  ;  Anal.  Boll.  II,  206. 

20* 


308  Bruno  Krusch. 

Ganz  frei  hat  sicli  auch  E  von  diesen  Interpolationen 
nicht  halten  können,  doch  zeigt  schon 

prid.  kl.  Mai.     Et  alibi  Romodiani  [ig-nei  E]   diaconi  [rn- 

metina  remisurini  E ;  igne  nstorum  et  mare  mersorum 

B]  cum  alis  XXIIII, 
die  Vertheilung  auf  zwei  Stellen  und  die  Zerreissung  der 
Worte  und  Verdrehung  der  Buchstaben,  dass  der  Zusatz 
in  der  Vorlage  zwischen  den  Zeilen  oder  am  Rande  ein- 
geflickt war.  Sogar  die  gleiche  Nachricht  wie  in  L  findet 
sich  am  1.  Januar  auch  in  E,  aber  an  ganz  verschiedenen 
Stellen,  so  dass  das  spätere  Einschiebsel  sofort  erkannt 
wird.  Und  6.  kl.  lan.  haben  sogar  alle  Hss.  EWBL  den^ 
selben  Zusatz: 

sancti   lacobi   fratris   Domini,    [qui   ab    apostolis    primus 

ex  ludaeis  Hierosolimis  est  aepiscopus  ordinatus  et  in 

medio  paschae  martyrio  coronatus  EWBL], 
aber  in  E  sind  die  eingeklammerten  Worte  von  anderer 
Hand  am  unteren  Rande  ergänzt,  und  im  Texte  stand  viel- 
mehr: 'Hierosolymis,  cuius  passio  VIII.  kl.  Ap.'  (lies  'Ag.'), 
welche  Worte  jetzt  getilgt  sind  ^.  Schrieb  nun  ein  Ab- 
schreiber diesen  E-Text  ab,  so  schob  er  natürlich  die  nach- 
getragene Stelle  ein  und  liess  die  getilgten  Worte  fort; 
so  erhielt  man  die  Lesart  der  Hss.  WBL.  Wenn  sich  E 
bisher  durchgehends  als  die  besser  beglaubigte  üeber- 
lieferung  erwiesen  hat,  so  fällt  dieser  Nachtrag  hier  doppelt 
in  die  Wagschale,  und  man  kann  jetzt  an  einem  Beispiele 
erkennen ,  wie  die  Interpolationen  in  den  Text  ge- 
kommen sind. 

Eine  Stütze  für  die  Echtheit  der  Passionsauszüge  fand 
man  bei  Cassiodor,  De  institutione  divinarum  litterarum 
c.  32,  in  der  Ermahnung  an  seine  Mönche,  die  Lebens- 
beschreibungen der  Väter  und  Leidensgeschichten  (Passiones) 
der  Märtyrer  beständig  zu  lesen,  welche  sie  u.  a.  in  dem 
Briefe  des  Hieronymus  an  Chromatius  und  Heliodorus 
zweifellos  finden  würden.  Er  empfahl  ihnen  also  die  Lee- 
türe von  Märtyreracten,  ohne  diese  doch  speciell  zu  be- 
zeichnen, verwies  sie  vielmehr  für  genaviere  Angaben 
sowohl  auf  andere  Quellen,  als  auf  jenen  Brief  des  Hiero- 
nymus. Nun  steht  vor  dem  M.  H.  ein  fingierter  Brief  von 
Chromatius  und  Heliodor  an  Hieronymus  und  dessen  Ant- 

1)  Duchesne  hat  in  der  Ausgabe  die  Tilgung  der  Stelle  nicht 
notiert  und  den  späteren  Nachtrag  friedlich  mit  der  ursprünglichen  Lesart 
verbunden ;  von  ihm  behauptet  er,  er  sei  'manu  antiqua,  quae  fortasse 
a  prima  diversa  non  est',  hinzugefügt,  wie  er  überhaupt  die  verschiedenen 
Hände  zu  unterscheiden  unfähig  war. 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.      309 

wort  au  die  beiden  Bischöfe,  welche  über  die  Entstehung 
der  Schrift  Auskunft  geben  sollen.  Nach  der  Auffindung 
von  L  glaubte  de  ßossi  die  richtige  Deutung  der  Cassiodor- 
stelle  gefunden  zu  haben;  es  ist  klar,  meinte  er,  dass  sie 
sich  auf  ein  M.  H.  bezieht:  'auctum  compendiis  ex  Actis 
niartyrum  sinceris  et  antiquioribus'.  Er  dachte  sich  also 
im  Archetypus  zwischen  die  zum  Theil  ellenlangen  geneti- 
vischen Namenreihen  immer  die  Leidensgeschichten  ein- 
gelegt, die  dann  böse  Menschen  wieder  herausgestrichen 
hätten.  Seinem  Genossen  war  die  Sache  weniger  klar,  aber 
das  steht  ihm  allerdings  auch  fest,  dass  der  von  Cassiodor 
erwähnte  Hieronymus-Brief  von  dem  vor  dem  M.  H.  nicht 
verschieden  sein  kann.  Er  findet  nur  eine  Schwierigkeit: 
ihr  Inhalt  deckt  sich  nicht,  denn  die  Passiones  sind  in 
dem  falschen  Briefe  nicht  zu  finden.  Was  nun?  'Quae 
cum  ita  sint,  suspicio  confusionis  oritur'.  Aha!  Cassiodor 
hatte  einen  Band  Passiones  martyrum  und  davor  stand  als 
Vorrede  entweder  das  M.  H.  mit  den  Briefen  oder  die 
Briefe  allein;  er  glaubte  aber,  der  Titel  des  Hieronymus- 
Briefes  beziehe  sich  auf  den  ganzen  Codex,  und  so  empfahl 
er  die  in  dem  Briefe  erwähnten  Passionen  zur  Leetüre. 
Cassiodor  hat  also  geirrt  und  seine  Hs.  nur  ganz  ober- 
flächlich und  flüchtig  angesehen ;  Duchesne  kennt  sie  viel 
besser  und  weiss  genau,  was  darin  gestanden  hat:  Cassiodor 
musste  irren,  denn  sonst  hätten  die  Herausgeber  des  M.  H. 
nicht  Recht  behalten  können. 

Es  scheint  mir  jetzt  die  höchste  Zeit  zu  sein,  über 
die  Einrichtung  des  M.  H.  den  Verfasser  selbst  zu  Worte 
kommen  zu  lassen,  denn  obwohl  es  Duchesne  gut  und  viel 
besser  als  andere  Leute  zu  kennen  glaubt,  dürfte  man  doch 
—  unbeschadet  der  Autorität  des  Herausgebers  —  an- 
nehmen, dass  es  der  Autor  selbst  noch  besser  gekannt 
hat.  In  dem  Briefe  bitten  die  beiden  Bischöfe  den  Hiero- 
nymus,  dass  er  das  berühmte  Feriale  des  Eusebius  von 
Caesarea  aufsuche  und  ihnen  die  Märtyrerfeste  sende  ('ut 
martyrum  ad  nos  dirigas  festa'),  denn  nach  dem  Beispiel 
des  Bischofs  Gregor  von  Cordova  wollten  sie  täglich  nach 
der  Messe  der  Namen  der  Märtyrer  ('martyrum  nomina') 
gedenken,  deren  'natalicia'  gerade  gefeiert  würden.  Darauf 
antwortet  Hieronymus,  er  habe  nach  ihrem  Befehle  von 
jedem  Tage  die  Feste  aufgeschrieben,  so  dass  tagtäglich 
die  Namen  der  Heiligen  festlich  gefeiert  werden  könnten, 
und  indem  er  über  die  Menge  der  Namen  klagt,  dass  kein 
Tag  sei,  an  welchem  unter  500  gefunden  würden,  erklärt 
er  sich   für  eine  Beschränkung:    'breviter   eorum   qui  sunt 


310  Bruno  Krusch. 

in  amplissima  festivitate  in  suis  locis  tantum  pro  omnibus 
memoratus  snm'.  Der  Verfasser  hat  also  die  Feste  von 
jedem  Tage  aufgeschrieben  und  die  Namen  der  Märtyrer 
und  ihre  Orte  genannt,  aber  mit  keinem  Worte  historischer 
Notizen  gedacht,  auch  nicht  der  kürzesten:  'De  nomi- 
nibus  tantum  in  utraque  epistula  sermo  est,  minime  vero 
de  historiis,  etiam  brevissimis',  schreibt  Duchesne  S.  XL. 
Wer  nun  gegen  sein  ausdrückliches  Zeugnis  ihm  diese  unter- 
schiebt, weist  sich  selbst  seinen  Platz  in  der  Wissen- 
schaft an. 

Nach  Abzug  der  eigenen  Zusätze  von  E  und  Y  wird 
das  M.  H.  auf  denjenigen  Umfang  zurückgeführt,  den  ihm 
der  Verfasser  gegeben  hat.  Da  sowohl  E  als  Y  Lücken 
haben,  ist  dieser  Process  mit  einiger  Vorsicht  auszuführen, 
damit  man  nicht  Zusätze  der  einen  Quelle  annimmt,  wo 
thatsächlich  Lücken  in  der  andern  vorliegen,  und  die 
Theorie  Duchesne's  von  den  campanischen  Literpolationen 
in  E  lehrt,  dass  selbst  Herausgeber  diese  Scheidung  zu 
treffen  ausser  Stande  waren.  Das  M.  H.  enthält  orienta- 
lische, afrikanische,  italienische  u.  a.  Feste,  besonders 
aber  gallische,  und  diese  stehen  häufig,  aber  nicht  immer  ^ 
am  Schlüsse  der  Artikel  und  reichen  bis  in  die  Zeit  des 
Verfassers.  Es  ist  also  ein  antiquarischer  und  ein  currenter 
Theil  zu  unterscheiden.  Zur  Ermittelung  der  Heimath  des 
Verfassers  hat  Duchesne  eine  Statistik  der  erwähnten 
gallischen  Kirchen  angestellt.  Seine  Tabelle  ist  aber  höchst 
ungenau  und  mangelhaft:  Arles  wird  nicht  fünfmal  sondern 
achtmal,  Orleans  nicht  achtmal  sondern  zehnmal  erwähnt. 
Duchesne  fand  nun  die  höchsten  Zahlen  bei  Auxerre  (30), 
Autun  (25)  und  Lyon  (26),  und  er  behauptet,  nur  die  ge- 
meinsamen Notizen  berücksichtigt  und  nicht  auch  die 
Interpolationen  einzelner  Hss.  mitgezählt  zu  haben:  'Hie 
intellege  textum  omnibus  plenioribus  et  Epternacensi  com- 
munem,  minime  vero  textum  alicuius  codicis  singularis'. 
Trotzdem  hat  er  es  bei  Auxerre  und  Autun  gethan  und 
hier  nicht  allein  die  Zusätze  von  WB,  sondern  sogar  die 
von  W  mitgezählt,  sonst  hätte  er  statt  30  nur  28  und  statt 
25  nur  20  Stellen  erhalten  können.  Während  er  also  in 
anderen  Fällen  die  Zahlen  zu  niedrig  angegeben  hat,  hat 
er  sie  bei  diesen  beiden  Kirchen  erhöht  und  den  erhöhten 
Zahlen  durch  eine  unrichtige  Versicherung  mehr  Gewicht 
beigelegt.    Das  Calendarium  der  drei  Kirchen  hat  Duchesne 


1)  Z.  B.    steht    11.  kl.  Tun.    das   Fest   von   Auxerre   vor   dem   von 
Caesarea  Cappadociae  und  kl.  lul.  das  von  Autun  vor  Persien. 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymiamim.     311 

selbst  aus  dem  M.  H.  zusammengestellt,  so  dass  sich  jeder 
leicht  von  der  Unrichtigkeit  seiner  Zählung  überzeugen 
kann.  Höchst  bezeichnend  für  die  Forschungsmethode  des 
Herausgebers  ist  in  dem  von  Antun  die  zweite  Notiz : 
'2.  Non.  lau.  Gai  Aedui  episcopi'  mit  der  gelehrten  Note : 
'Aed.  ep.'  om.  omnes  praeter  E.  Dieser  Bischof  Gaius  von 
Antun  war  bisher  unbekannt,  und  der  Entdeckerruhm  ge- 
bührt allein  Duchesne.  Dass  Augustodunum  die  Haupt- 
stadt der  Aeduer  war  und  Aeduus  episcopus  u.  a.  auch 
Bischof  von  Autun  heissen  kann,  weiss  jeder  Tertianer; 
aber  der  Herausgeber  des  M.  H.  hätte  ausserdem  wissen 
müssen,  dass  diese  Deutung  nach  dem  Sprachgebrauch  der 
Quelle  unmöglich  ist,  dass  hier  regulär  der  Ort  vor  dem 
Heiligen  steht  und  also  die  Fassung  hätte  lauten  müssen: 
'Augustoduno  Gai  episcopi'.  In  Wirklichkeit  gehört  Gaius 
zu  der  vorhergehenden  Heiligengruppe :  'Bononia  civitate 
Hermetis,  Aggei  et  Gai',  über  welche  die  Bollandisten, 
AA.  SS.  lau.  I,  165,  handeln,  und  Aeduus  episcopus  ist 
längst  als  ein  Irischer  Abt-Bischof  erkannt;  es  könnte  der 
Aidus  episcopus  sein,  welcher  dem  Cölumban  in  Luxeuil 
den  Altar  geweiht  hatte  ^,  wenn  der  Name  nicht  bei  den 
Iren  häufiger  vorkäme.  Die  Worte  'Aedui  episcopi'  fehlen 
in  allen  Hss.  ausser  in  E ;  sie  gehören  also  zu  den  Britan- 
nischen Zusätzen  dieser  Hs.  Die  Verbindung  des  Bologneser 
Märtyrers  Gaius  mit  dem  Irischen  Bischof  ist  ein  ganz 
schülerhafter  Schnitzer,  den  Duchesne  sich  hat  zu  Schulden 
kommen  lassen.  Derselbe  Duchesne  ist  auch  Herausgeber 
von  Bischofsfasten  des  alten  Galliens,  und  wir  wollen 
hofPen,  wenn  dieses  Buch  über  den  1.  Band  hinauskommen 
sollte,  dass  der  Bischof  Gaius  von  Autun  dann  seinen  Ehren- 
platz darin  erhält. 

Die  Vergleichung  der  drei  Kaiendare  entlockt  Duchesne 
den  Ausruf:  'Igitur  primo,  ut  ita  dicam,  conspectu,  recensio 
nostra  Autissiodorensem  sese  prodit',  und  er  fährt  fort: 
'Sed  malus  est,  quod  in  principio  cuiusvis  mensis  appicta 
sit  rubrica  Laetanias  indicendas'.  Diese  Argumentation 
wirkt  verblüffend ;  den  ersten  Anblick  übertrumpft  er  durch 
die  monatlichen  Litaneienüberschriften,  und  diese  müssten 
doch  nun  wenigstens  in  beiden  Recensionen  stehen.  Aber 
das  ist  nicht  der  Fall;  sie  fehlen  in  der  Haupths.  E.  Das 
erfährt  der  Leser  indessen  erst  4  Seiten  später,  und  hier 
muss  Duchesne  sogar  mit  der  Möglichkeit  rechnen,  dass 
sie  im  Archetypus   nicht   vorhanden  gewesen  sind.     Er  ist 


1)  MG.  Ep.  III,  167. 


312  Bruno  Krusch. 

aber  keinen  Augenblick  verlegen:  in  diesem  Falle,  meint 
er,  haben  wir  ein  neues  Zeichen  für  das  Alter:  'Si  poste- 
rius, vestigium  novum  tenemus  antiquitatis',  und,  füge  ich 
hinzu,  ein  Argument  weniger  für  Auxerre.  Die  Monats- 
Litaneien  hat  nach  den  Gesta  ep.  Autissiod.  I,  19  Bischof 
Aunachar  in  der  Diöcese  Auxerre  eingeführt,  und  Duchesne 
behauptet,  dass  keine  Zeugnisse  sonst  für  sie  vorhanden 
seien.  Wiederum  hat  er  sich  geirrt,  wie  er  sich  geirrt 
hatte  mit  dem  Aeduus  episcopus.  Die  Abhaltung  von 
Litaneien  in  allen  12  Monaten  des  Jahres  wurde  694  auf 
dem  17.  Concil  von  Toledo  'per  universas  Hispaniae  et 
Galliarum  provincias'  mit  Rücksicht  auf  die  Zunahme  der 
Sünde  und  des  Meineides  vorgeschrieben,  und  man  glaubte 
damals  eine  Einrichtung  aufzufrischen,  welche  schon  die 
alten  Väter  getroffen  hätten  ^  Noch  Ado-  hat  in  seinem 
Martyrolog  den  einzelnen  Monaten  die  Worte  'Litaniae  in- 
dicendae'  vorgesetzt,  ein  bestimmtes  Zeichen,  dass  sie  für 
die  Vienner  Diöcese  noch  im  9.  Jh.  von  praktischer  Be- 
deutung waren.  Die  Monats  -  Litaneien  haben  also  nicht 
bloss  lokalen  Auxerrer  Charakter,  sondern  sind  in  späterer 
Zeit  allgemeiner  verbreitet  gewesen.  Da  sie  in  E  fehlen, 
können  sie  auch  nicht  im  Archetypus  des  M.  H.  gestanden 
haben,  und  nicht  einmal  in  Y.  Beim  Februar  und  März 
sieht  man  noch  ganz  deutlich,  wie  sie  in  den  beiden  Hss. 
BW  an  verschiedenen  Stellen  eingeflickt  worden  sind: 

[Laetanias  indicendas  B] 

Mensis  Febroarius  Jiahef  dies  XXVIII. 

Kl.  Febr.  [letaniae  indicende  sunt  W] 

[Kl.  Marcias  letanias  indicendas  W]. 

[Mensis  B]  Martius  habet  dies  XXXI. 

Kl.  Mar.  [laetanias  indicendas  B]. 
Der  Zusatz  ist  also  theils  vor  der  Monatsüberschrift,  theils 
beim  ersten  des  Monats  eingefügt  worden,  und  einmal 
giebt  ihm  B  die  erste  Stelle,  das  andere  Mal  W.  Er  ist 
für  Januar  nur  in  BL,  für  September  nur  in  B  vorhanden. 
Hier  hat  sich  also  W  von  der  Interpolation  freigehalten 
und  im  Mai  sogar  WB.  In  diesem  Monat  wird  also  die 
Lesart  von  E  vollkommen  bestätigt  durch  beide  Vertreter 
der  jüngeren  Eecension  Y.     Darnach   scheint  dieses  Argu- 


1)  Der  c.  6  des  Conc.  Tolet.  XVII  beginnt :  'Quamquam  priscorum 
patrum  institutio  per  totum  annum  per  singulorum  mensium  cursum  lita- 
niarum  vota  decreverit  persolvendum'  u.  s.  w.  2)  Vgl.  Martyrologium 
Romanum  ed.  Rosweyde  (1645)  S.  200;  Fiorentini  S.  41,  der  auch  die  Be- 
stimmung des  17.  Concils  von  Toledo  kennt. 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.     313 

ment  für  die  Auxerrer  Herkunft  nicht  ganz  die  Stärke  zu 
haben,  die  ihm  Duchesne  beimisst. 

Von  den  Bischöfen  Aunachar  von  Auxerre  und  Sya- 
grius  von  Autun  behauptet  Duchesne  sei  nur  das  natale 
und  nicht  auch  die  depositio  in  das  M.  H.  eingetragen, 
und  er  schliesst  daraus,  dass  die  Schrift  ihre  heutige  Ge- 
stalt zu  Lebzeiten  dieser  beiden  Männer  in  Auxerre  er- 
halten habe.  Das  Fest  des  Aunachar  ist  im  M.  H.  auf 
2.  kl.  Aug.  angesetzt  und  nach  den  Gesta  ep.  Autissiod. 
I,  19  ist  dies  in  der  That  der  Ordinationstag,  während 
7.  kl.  Oct.  nach  derselben  Quelle  der  Todestag  v^^ar.  Anders 
liegt  die  Sache  bei  Sjagrius,  wie  der  nachstehende  Hand- 
schriftenbefund lehrt  (6.  kl.  Sept.) : 

E.  Agustuduno  depositio  Suacri  episcopi 

W.  [Augustiduno   natalis   fehlt  W.    haben    die   ver- 
wandten Hss.]  Siagri  episcopi. 

B.  Agustiduno  natal.  domni  Siagri  episcopi. 
Die  älteste  und  beste  Hs.  E  enthält  also  in  der  That  die 
Depositio  des  Bischofs  Syagrius  von  Autun,  und  wenn 
Duchesne  mit  grösster  Sicherheit  das  Gegentheil  behauptet : 
'Atque  ideni  dicendum  est  de  Syagrio,  Augustodunensi 
episcopo  ("I"  599  vel  600),  cuius  natale  tantum,  non  vero 
depositio,  in  antiquioribus  codicibus  relatum  est', 
so  weiss  man  überhaupt  nicht,  was  man  dazu  sagen  soll. 
Es  handelt  sich  aber  nun  darum,  ob  natalis,  welches 
die  W- Klasse  und  B  für  die  depositio  einsetzen,  von  dem 
Herausgeber  des  M.  H.  richtig  als  natale  suscepti  episco- 
patus  gedeutet  und  richtig  auf  die  Ordination  bezogen 
worden  ist.  Zur  Erläuterung  des  Sprachgebrauchs  der 
Stammhs.  Y  ziehe  ich  die  folgenden  Parallelstellen  heran : 
Non.  Feb.  nat.  [E,  passio  WB]  Agathe. 
17.  kl.  lun.  nat.  [E,  depositio  WB]  Fiduli  presbyteri. 
11.  kl.  lun.  nat.  [E,  passio  WB]  luliae. 
4,  kl.  Sept.  passio  [E,  natale  WB]  s.  lohannis. 
Nach  diesen  Zeugnissen  ist  es  zweifellos,  dass  Y  unter 
natale  die  passio  und  depositio,  also  das  Ende  verstanden 
hat,  und  dass  die  Lesarten  von  E  und  WB  beim  Feste  des 
Syagrius  auf  ganz  dasselbe  hinauskommen.  Im  M.  H.  ist  in  der 
That  der  Tod  des  Bischofs  Syagrius  in  allen  Hss.  vermerkt, 
und  es  verschlägt  dagegen  nichts,  dass  die  W- Familie  die  de- 
positio desselben  noch  einmal  4.  Non.  Sept.  wiederholt,  denn 
solche  Wiederholungen  sind  den  Interpolatoren  des  M.  H. 
häufiger  untergelaufen,  und  ich  habe  selbst  schon  auf  einige 
aufmerksam  gemacht.  Unser  Ergebnis  stimmt  vollständig  mit 
dem  Gebrauch  der  Kirche  von  Autun.  In  der  von  den  Bollan- 


314  Bruno  Krusch. 

disten  ex  breviario  Aeduensi  herausgegebenen  sonst  werth- 
losen  Vita  des  Syagrius  liest  man  ^:  'Tandem  Aeduae  VI.  kal. 
Sept.  talenta  sibi  a  Domino  credita  cum  foenore  —  —  tra- 
didit',  und  dieser  Tag  ist  in  der  Literatur  vor  Duchesne 
überall  angegeben.  Das  Todesjahr  des  Syagrins  lässt  sich 
ziemlich  genau  bestimmen.  Noch  599  ertheilte  ihm  Papst 
Gregor  gewisse  Instructionen  wegen  des  BisthumsMaurienne  -, 
dagegen  nennt  er  ihn  iiicht  mehr  in  einem  Schreiben  von 
601  an  fränkische  Bischöfe  ^  obwohl  er  sich  sonst  mit  Vor- 
liebe seiner  als  Werkzeug  zur  Ausführung  seiner  Pläne 
bedient  hatte,  und  602  giebt  er  ihm  schon  den  Beisatz: 
'reverendae  memoriae'  ^.  Nach  diesen  scharfsinnigen  Er- 
wägungen der  Bollandisten  ist  also  Syagrius  wahrscheinlich 
im  Jahre  600  gestorben,  und  vorher  kann  das  M.  H. 
nimmermehr  geschrieben  sein.  Dagegen  kann  Duchesne 
die  Entstehung  noch  in  das  6.  Jh.  rücken,  nachdem  er  die 
Eintragung  der  depositio  des  Syagrius  geläugnet  hat,  und 
er  findet  nun  als  jüngsten  Heiligen  den  Bischof  Avitus  von 
Clermont.  Der  soll,  wie  er  aus  dem  Stillschweigen  Gregors 
von  Tours  folgert,  nicht  vor  592  gestorben  sein,  und  nicht 
lange  nachher  wäre  der  Archetypus  unserer  Hss.  geschrieben 
worden. 

Der  von  Duchesne  mit  grosser  Bestimmtheit  aufge- 
stellte Satz,  dass  die  Hss.  nur  bis  Bischof  Avitus  von  Cler- 
mont zusammengehen,  hat  sich  bei  Prüfung  des  Festes  des 
Syagrius  als  falsch  erwiesen.  In  dieser  Zeitschrift  aber 
habe  ich  bereits  nachgewiesen,  dass  die  Uebereinstimmung 
viel  weiter  reicht,  und  noch  der  Tod  Columbans  615  mit 
denselben  Worten  und  an  derselben  Stelle  in  den  Hss. 
erwähnt  wird : 

9.  kl.  Dec.  In  Italia  monasterio  Bobio  depositio  sancti 
Columbani  (Colummani  E)  abbatis. 
1^9,  in  B  der  letzte  Quaternio  fehlt,  sind  wir  für  diesen 
Theil  des  M.  H.  auf  E  und  die  W- Klasse  beschränkt.  Die 
Stilisierung  der  Stelle  entspricht  durchaus  der  Gewohnheit 
des  Verfassers  des  M.  H. : 

5.   kl.   Dec.      In    Italia     civitate    Bononia    Agricolae    et 
Vitalis, 
und   gerade   wie   oben  E  die  Worte  'depositio   sancti'  weg- 
lässt   und  W    sie   zusetzt,    so   findet   sich    das   gleiche  Ver- 
hältnis zwischen  E  und  WB  noch  häufiger;  vgl.  14.  kl.  Ap., 


1)  AA.  SS.  Aug.  VI,  89.         2)  Scr.  rer.  Merov.  III,  531.         3)  Jaffe 
n.  1831 -.         4)  Greg.  Reg.  XIII,  11  (MG.  Ep.  II,  S.  377);  Jaffe  n.  1875'. 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.      315 

kl.  Mai.,  6.  Id.  lun.  Hören  wir  nun  die  Vertheidigiing" 
Duchesne's.  Es  sei,  entgegnet  er,  keineswegs  sicher,  dass 
in  B  das  fragliche  Fest  gestanden  habe,  und  in  EW  könnte 
es  getrennt  eingeführt  worden  sein;  die  Fassung  sei  auch 
nur  ähnlich  und  nicht  identisch ;  denn  die  eine  Hs.  lese 
Columbani,  die  andere  Colummani,  und  es  wäre  überhaupt 
schwierig  gewesen,  auf  einen  anderen  Ausdruck  zu  ver- 
fallen ;  endlich  könnten  beide  Texte  getrennt  aus  demselben 
Kalender  oder  einer  anderen  Quelle  geschöpft  sein.  Den 
Thatbestand  der  Aehnlichkeit  giebt  er  also  zu,  und  er 
liess  sich  nicht  gut  läugnen,  da  sich  jeder  aus  seiner  Aus- 
gabe davon  überzeugen  kann.  Im  Uebrigen  zeigen  die 
Ausflüchte  des  erfindungsreichen  Mannes,  dass  er  hier  mit 
seiner  Weisheit  zu  Ende  ist.  Wer  sich  schon  zu  der  An- 
nahme versteigt,  dass  dieselbe  Stelle  in  derselben  Schrift 
durch  zwei  getrennte  Handlungen  aus  derselben  Quelle 
abgeschrieben  sein  soll,  dem  muss  die  natürliche  Erklärung 
des  Sachverhalts  sehr  zuwider  sein,  und  wer  sich  hinter 
der  Variante  Colummani  für  Columbani  verschanzt,  ergreift 
den  Strohhalm  des  Ertrinkenden  und  will  nicht  wissen, 
dass  die  Differenzen  zwischen  den  beiden  Hss.  sonst  leider 
im  Allgemeinen  weit  erheblicher  sind.  Die  Hs.  B  ist  nun 
freilich  für  diesen  Theil  verloren  und  nicht  mehr  zu  be- 
schaffen. Nachdem  ich  nachgewiesen  habe,  dass  WB  auf 
dieselbe  schon  arg  verdorbene  Quelle  Y  zurückgehen  und 
also  E  gegenüber  nur  als  eine  Hs.  anzusehen  sind,  und  da 
die  Sache  so  klar  ist,  dass  sie  auch  Duchesne  zugiebt,  wie 
sich  jeder  aus  seinem  Stammbaum  auf  S.  XLIV  überzeugen 
kann,  ist  mit  der  Uebereinstimmung  von  EW  der  Arche- 
typus unserer  handschriftlichen  Ueberlieferung  erreicht 
und  das  Zeugnis  von  B  belanglos.  Mit  den  vollständigen 
Hss.  sind  aber  unsere  Quellen  für  die  Textkritik  des  M.  H. 
nicht  erschöpft.  Wie  ich  schon  erwähnte,  sind  eine  Menge 
Auszüge  aus  der  Schrift  vorhanden,  die  sog.  Breviarien, 
und  de  Rossi  hat  einige  Varianten  aus  ihnen  bei  dem  Ab- 
drucke von  E  mitgetheilt,  obgleich  sie  wenig  oder  gar  nichts 
mit  diesem  vollständigen  Texte  zu  thun  haben.  Eine  gründ- 
liche Untersuchung  dieser  Auszüge  und  ihre  strenge  Sich- 
tung und  Ordnung  steht  noch  aus.  In  dem  Reichen auer 
Breviar,  in  welchem  verschiedene  Exemplare,  auch  eine 
E-Hs.  benutzt  sind,  steht  nun  ebenfalls  die  Columban- 
stelle  und  zwar  buchstäblich  genau  in  der  Fassung  von  W. 
Obwohl  in  der  Ausgabe  bei  dem  Tage  nur  dieses  eine 
Breviar  angeführt  ist,  wird  doch  Columban  noch  in  andern 
genannt,    und   wie    die    Sache    jetzt    liegt,    würde    es    von 


316  Bruno  Krusch. 

einiger  Bedeutung  sein,  die  Lesart  eines  aus  B  geschöpften 
an  der  kritischen  Stelle  kennen  zu  lernen.  In  seiner  Vor- 
rede erwähnt  de  Eossi  ein  von  Sollerius  (AA.  SS.  lun. 
VII,  2,  S.  22  ff.)  nach  einer  Abschrift  Labbe's  veröffent- 
lichtes Breviar  und  vermuthet  ganz  richtig,  dass  sich  die 
Hs.  einst  im  Collegium  Claromontanum  in  Paris  befunden 
habe  ;  er  hat  sie  jedoch  auch  in  der  Bibliothek  des  Sir  Thomas 
Phillipps  nicht  auffinden  können,  ohne  indessen  ihren  Ver- 
lust sehr  zu  bedauern:  'Huius  libri  iacturam  facile  tole- 
ramus'.  Diese  Hs.  befindet  sich  jetzt  in  der  Kgl.  Bibliothek 
in  Berlin,  Phillipp.  1667  (P),  stammt  aus  dem  Ende  des 
8.  Jh.  und  enthält  fol.  185' — 200  den  Auszug  aus  dem 
M.  H.  mit  dem  vollständigen  Texte  der  Briefe  an  der  Spitze. 
Dieser  Umstand  ist  deshalb  von  grosser  Bedeutung,  weil 
er  uns  die  exacte  Bestimmung  der  Hs.  ermöglicht,  welche 
diesem  Breviar  zu  Grunde  liegt.  Die  folgenden  Varianten 
von  P  auf  S.  LXXXII  der  Ausgabe  Duchesne's : 

Z.  3  invitasset]  E ;  invitaret  W;  invitare  fecit  B ;  invitare 
iussit  P. 

Z.  21  sublata]   W;  sublatam  E;  sublata  notitia  BP. 

Z.  25  suo  triumpho]   EW;  sui  triumphos  BP. 

Z.  30  numerum]  EW;  numero  BP. 

Z.  34  de]  EW;  pro  BP, 
und  besonders  die  Interpolation  'notitia'  in  Z.  21  beweisen 
mit  voller  Sicherheit,  dass  dem  Compilator  P  eine  Hs.  der 
Eecension  B  vorlag.  Bei  seinen  Auszügen  beschränkte  er 
sich  auf  knappe  Ortsangaben  und  eine  Auswahl  der  Heiligen- 
namen, die  nicht  immer  in  der  richtigen  Reihenfolge  auf 
einander  folgen.  Er  hat  nämlich,  wenn  ihm  die  bei  der 
ersten  Durchsicht  der  Artikel  herausgehobenen  Namen 
nicht  genügten,  noch  ein-  oder  sogar  mehrere  Male  das 
Ganze  überflogen  und  eine  Nachlese  gehalten,  und  so  ist 
die  Ordnung  häufig  gestört  worden;  er  hat  gewiss  auch 
noch  andere  Quellen  für  sein  Festverzeichnis  benutzt.  Aber 
der  Grundstock  desselben  ist  doch  wieder  ein  B-Text,  wie 
die  folgenden  Zusätze  beweisen,  welche  von  den  vollstän- 
digen Hss.  nur  B,  und  wo  L  erhalten  ist,  ausserdem  dieses 
noch  enthält: 

7.  Id.  lan.     Isidori  episcopi.    Eductio  lesu  de  Egypto. 

3.  Id.  lan.     Gregorii  episcopi. 

Prid.  Id.  lau.     Bonitti. 

7.  kl.  Feb.  sanctae  Paulae. 

3.  Id.  Feb.     Bing.  Desiderii  episcopi. 

Prid.  Id.  Mart.     Innocenti  und  Rome  Leonis  episcopi  et 
martjris. 


Zur  Afralegencle  und  zum  ]Mar1r\*rologium  Hieronvmianuin.      317 

16.  kl.  Ap.     Hierusolima  Quiriaci  episcopi  und  In  Scotia 

Patrici  confessoris. 
15.  kl.  Ap.    Eome  Pinienii  presbvteri. 
•3.  Xon.  Nov.    Et  depositio    domni  Permini  episcopi  bone 

memorie. 
3.  kl.  lan.    Romae  Pelicis  episcopi  BLP. 
Die  Yerwandtscliaft   von  P  mit  B   zeigt   sich    auch   in   der 
gemeinschaftliclien  Yerderbnng  der  Eigennamen: 

8.  Id.  Ap.    Herenei]  EW;  Berenei  B;  Berennei  P. 

Prid.  kl.  lun.    Proti]  EW;  Procati  BP. 
Die  Hs.  P  liest  nun  an  der  kritischen  Stelle: 

9  kl.  Dec.  Rome  Clementis.  Felicitatis  mr..  Maximi,  Vero- 
ciani.  Euticis.  Marci,  Fateri.  B  o  b  i  o  C  o  1  u  m  b  a  n  e 
ab  batis, 
und  denselben  Wortlaut  enthält  das  ihr  nahe  verwandte 
Breviarium  Gellonense.  Der  Text  ist  nur  ein  Auszug  und 
die  Namensform  des  Heiligen  zeigt  die  Variante  Columbane 
für  Columbani.  Hierauf  kann  Duchesne  wiederum  seine 
Yertheidigung  bauen:  'cette  ressemblance  n'est  pas  l'identite'. 
Für  den  Fall,  dass  man  auf  den  ersten  Blick  der 
von  mir  hervorgehobenen  Thatsache  von  dem  Vorhanden- 
sein des  Columbanfestes  in  dem  M.  H.  einige  Bedeutung 
beimessen  sollte,  weiss  Duchesne  ein  neues  Gegenmittel 
und  verspricht  sich  von  ihm  eine  noch  weit  stärkere  Wir- 
kung, in  entgegengesetzter  Eichtung  natürlich,  als  von 
meinem  Gifte;  er  ist  thatsächlich  in  Sorge,  dass  dieses 
einige  Wirkung  ausgeübt  haben  könnte.  Er  meint  die  Ver- 
schiedenheit der  Hss.  hinsichtlich  der  Eintragungen  von 
Syagrius.  König  Gunthram.  Gregor  I.  und  Bischof  Deside- 
rius  Yon  Vienne.  Dass  die  Verschiedenheit  bei  Svagrius  von 
Antun  erst  durch  falsche  Deutungen  Duchesne's  in  den 
Text  der  Hss.  hineingeschwärzt  worden  ist.  wurde  oben 
nachgewiesen.  Aber  König  Gunthram s  gedenkt  nur  die 
Eecension  Y,  und  über  Gregor  I.  und  Desiderius  berichten 
E  und  Y  verschieden.  Es  ist  klar,  dass  die  Scheidung  von 
E  und  Y  vor  der  Eintragung  dieser  Namen  erfolgt  sein 
muss,  aber  die  Zeit  der  Scheidung  wird  dadurch  nicht  be- 
stimmt, denn  es  ist  nicht  minder  klar,  dass  die  Zusätze 
nicht  mit  den  Ereignissen  nachgetragen  zu  sein  brauchen, 
sondern  dies  später  geschehen  sein  kann.  In  dem  Archetypus 
von  EY  haben  diese  Namen  gefehlt ;  ist  das  ein  Kriterium  für 
die  Abfassungszeit  im  6.  Jh.?  Gunthram  ist  in  demselben 
Jahre  592  gestorben,  mit  welchem  Duchesne  den  Tod  des 
Avitus  in  Verbindung  bringt,  und  da  doch  auch  nach  seiner 


818  Bruno  Krusch. 

Ansicht  der  Verf.  später  geschrieben  haben  müsste,  so 
hätte  dieses  Ereignis  doch  noch  in  unserem  Archetypus 
Aufnahme  finden  können.  Mit  Gregor  I.  ist  es  eine  eigene 
Sache,  denn  wer  das  M.  H.  kennt,  weiss,  dass  der  Bear- 
beiter desselben  für  die  späteren  Päpste  wenig  Interesse 
zeigt  und  nach  Bonifaz  ("j"  422)  überhaupt  nur  Leo  I.  er- 
wähnt, und  das  bezeugt  Duchesne  selbst :  'De  sequentibus 
pontificibus  nulla  amplius  mentio  fit,  nisi  Leonis  Magni'. 
Endlich  erzählt  die  Kirchengeschichte,  und  das  könnte 
auch  Duchesne  wissen,  dass  der  heil.  Desiderius  keineswegs 
ein  Engel  gewesen,  sondern  wegen  eines  gemeinen  Ver- 
brechens kirchenrechtlich  bestraft  worden  ist,  und  dass 
eine  starke  Partei  unter  den  zeitgenössischen  Bischöfen  ihn 
für  alles  eher  als  für  einen  Heiligen  angesehen  hat.  Von 
den  vier  Personen,  welche  Duchesne  für  seine  Ansicht  ins 
Treffen  geführt  hat,  fällt  die  eine  von  vornherein  weg,  die 
zweite  hätte  auch  bei  seiner  Zeitbestimmung  Aufnahme 
finden  können,  und  bei  den  beiden  anderen  beweist  das 
Fehlen  so  wenig  für  die  Zeit  des  Verfassers,  dass  vielmehr 
die  Aufnahme  auffällig  gewesen  wäre.  Ueberhaupt  beruht 
der  ganze  Gegenbeweis  Duchesne 's  nur  auf  ex-silentio- 
Argumenten,  und  ich  bin  fortgesetzt  der  Ansicht,  dass 
man  die  Quellen  besser  nach  dem  beurtheilt,  was  darin 
steht,  als  was  nicht  darin  steht.  Und  der  Todestag  Co- 
lumbans  steht  immer  noch  im  M.  H.  und  ist  durch  die 
spitzfindige  Argumentation  meines  Gegners  nicht  ver- 
schwunden. 

Dass  er  aber  darin  steht,  hat  die  gelehrte  Welt  erst 
durch  meinen  Artikel  in  dieser  Zeitschrift  erfahren  ^.  Nach 
Duchesne's  Darstellung  in  der  Ausgabe  lag  der  Sachverhalt 
für  seine  Aufstellungen  viel  günstiger:  'nullum  ibi  (in  E) 
festum  post  Aviti  episcopi  Arverni  depositionem  eodem 
modo  quo  in  ceteris  annuntiatur;  praeter  Columbanenses 
abbates  duo,  Attalam  et  Eustasium,  unus  Gallicanus  oc- 
currit  sanctus  saeculi  VII.,  Desiderius  Viennensis'.  Er  ver- 
gleicht also  E  mit  den  übrigen  Hss.,  und  das  sind  von 
10.  kl.  Dec.  an  W  mit  seinen  Verwandten  C.  L.  V;  er  findet 
nach  Avitus   in    diesen   kein  Fest   in   derselben  Weise   an- 


1)  Die  Beobachtung,  dass  das  Fest  Columbans  von  erster  Hand  in 
E  eingetragen  ist,  hat  allerdings  schon  de  Rossi  in  der  Roma  sott,  gemacht, 
er  setzte  aber  den  Tod  des  Abtes  von  Bobbio  in  das  Jahr  715,  also  ge- 
rade um  ein  .Tahrh.  zu  spät,  und  bestimmte  mittelst  dieses  falschen  An- 
satzes das  Alter  der  Hs.  Duchesne  hat  weder  Veranlassung  genommen, 
den  bösen  Schnitzer  seines  Collegen  zu  verbessern,  noch  auch  den  rich- 
tigen Gebrauch  von  der  Stelle  zu  machen,  —  sondern  gesch\viegen. 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.      319 

gekündigt ;  er  erwähnt  die  Nachfolger  Columbans  in  Bobbio 
und  Luxeuil  und  sagt  dabei  von  Columban  selbst  auch 
nicht  ein  Sterbenswörtchen.  Für  die  Forschungsmethode 
des  grossen  Theologen  ist  dieser  Fall  vernichtend.  Er 
fährt  fort  zu  behaupten,  dass  nach  Attala  und  Eustasius 
nur  ein  einziger  Gallischer  Heiliger  des  7.  Jh.  begegnet, 
Desiderius  von  Vienne.  Diese  Behauptung  setzt  mich  in 
Verlegenheit.  Beim  Durchblättern  seiner  eigenen  Ausgabe 
finde  ich  15.  kl.  Sept.  in  E  den  selbständigen  Zusatz:  'et 
beati  Arnuulfi'  ^.  Der  heil.  Arnulf  von  Metz  ist  15,  kl.  Aug., 
nachdem  er  sich  von  der  Welt  zurückgezogen  hatte,  anf 
seinem  Eremitensitze  in  den  Vogesen  gestorben,  und  sein 
Freund  ßomarich  hat  seinen  Leib  in  Habendum  bestattet ; 
aber  nach  8  Jahren  hat  ihn  sein  Nachfolger  Goerich  nach 
Metz  übergeführt,  nnd  hier  ist  er  also  nun  zum  zweiten  Mal 
beigesetzt  worden.  Diese  Metzer  depositio  ist  in  E  gemeint, 
und  durch  S  und  einen  späteren  Zusatz  in  B  zu  demselben 
15.  kl.  Sept.  wird  dies  noch  klarer:  'Mettis  depositio  Ar- 
nulfi  episcopi'.  Als  Todesjahr  Arnulfs  giebt  Sigebert  640 
an,  und  wenigstens  kann  die  Translatio  kaum  vor  diesem 
Jahre  erfolgt  sein,  denn  erst  629/30  hat  er  sich  in  die 
Einöde  begeben.  Ausser  den  beiden  Nachfolgern  Colum- 
bans erscheint  also  in  E  nicht  bloss  ein  einziger  Gallischer 
Heiliger  des  7.  Jh.  Desiderius,  sondern  auch  noch  der  viel 
spätere  Arnulf.  Duchesne  kennt  also  wahrhaftig  das  M.  H. 
nicht,  das  er  selbst  herausgegeben  hat,  und  dieser  Mann 
masst  sich  an,  Anderen  Unkenntnis  vorzuwerfen  und  sich 
als  den  grossen  Kenner  hinzustellen.  Aus  der  Arnulf -Stelle 
scheint  gefolgert  werden  zu  müssen,  dass  sich  der  Vorfahr 
der  Hs.  E  noch  bis  gegen  die  Mitte  des  7.  Jh.  in  Gallien 
befunden  hat,  ehe  er  nach  Brittannien  kam  und  dort  mit 
lokalen  Zusätzen  versehen  wurde,  und  die  Spärlichkeit  der 
Eintragungen  zeigt  schon,  dass  man  im  7.  Jh.  das  M.  H. 
noch  nicht  zur  regelmässigen  Aufnahme  von  Nachträgen 
fortwährend  zur  Hand  hatte. 

Nach  Columbans  Tode  615  haben  sich  die  beiden  Re- 
censionen  von  einander  getrennt.  Nur  in  E  sind  dann,  wie 
gesagt,  die  Todestage  seiner  Nachfolger  noch  eingetragen: 

6.  Id.  Mar.  sancti  Atalae  abbatis, 

4.  Non.  Ap.  depositio  Austasi  abbatis. 

1)  Schon  der  alte  Fiorentini  S.  35  hat  auf  Arnulf  geachtet  und  be- 
dauert, dass  er  selbst  weg-en  UnvoUständigkeit  seines  Abdrucks  von  E 
nicht  nachprüfen  könnte,  ob  er  in  dieser  Hs.  stünde.  Wie  ganz  anders 
■würde  er  den  Stoff  ausgenutzt  haben,  welcher  seinem  jüngsten  Nach- 
folger zu  Gebote  stand! 


320  Bruno  Krusch. 

Die  Scheidung  ist  also  unter  der  Eegierung  des  Abtes 
Eustasius  von  Luxenil  erfolgt,  der  629  gestorben  ist.  Und 
nun  gewinnt  auch  die  Eintragung  Arnulfs,  des  spätesten 
gallischen  Heiligen  in  E,  ihre  Bedeutung.  Sein  Freund 
ßomarich  hatte  sich  in  Luxeuil  bei  Eustasius  für  die 
mönchische  Laufbahn  vorbilden  lassen,  und  er  selbst  ist 
bei  seiner  Weltentsagung  dessen  Spuren  gefolgt.  Er  war 
also  ein  Anhänger  des  Columbanischen  Mönchthums  und 
stand  unter  dem  Einflüsse  Luxeuils,  was  ja  auch  längst 
bekannt  ist^:  er  selbst  hat  wieder  seinen  Verwandten  Ber- 
tulf vorgebildet,  den  Nachfolger  Atalas  in  der  Abtei  Bobbio, 
ehe  dieser  sich  zu  Eustasius  nach  Luxeuil  begab.  Schon 
früher  habe  ich  das  zuerst  von  Martene  und  Durand,  dann 
von  mir  aus  der  Pariser  Hs.  1408('),  saec.  VIIL,  in  dieser 
Zeitschrift  X,  92  herausgegebene  Calendar  von  Corbie  zur 
Vergleichung  herangezogen.  Hier  sind  ebenfalls  die  Gedenk- 
tage des  Atala  und  Eustasius  eingetragen,  und  ausserdem 
noch  der  des  nächsten  Abtes  von  Luxeuil  Waldebert  (f  670); 
wie  man  hier  geschlossen  hat,  dass  das  Original  in  Luxeuil 
verfasst  gewesen  sei,  so,  meinte  ich,  müsste  dasselbe  auch  für 
das  M.  H.  gelten.  Mir  war  damals  entgangen,  dass  bereits 
de  E,ossi  in  der  Vorrede  zu  der  Ausgabe  mit  folgenden 
Worten  auf  dieses  Calendar  Bezug  genommen  hatte :  'Alia 
tamen  sunt  kalendaria,  quae  ab  Hieronymianis  vere  pendent, 
quamquam  sint  ab  eins  classis  breviariis  toto  caelo  dissi- 
milia.  Antiquissimum  fortasse  huius  classis  exemplum 
praebet  kalendarium  nondum,  opinor,  editum,  uncia- 
libus  litteris  exaratum  exeunte  saec.  VII.  vel  in.  VIIL  in 
cod.  Paris.  Nat.  14086,  quod  fuit  vere  feriale  coenobii 
Luxoviensis,  ad  hieronymianam  praesertim  traditionem 
accommodatum'.  Allerdings  hielt  er  es  für  noch  unediert, 
und  auch  sein  College  hat  trotz  seiner  vermeintlichen 
Kenntnis  der  fränkischen  Kirchengeschichte  nicht  bemerkt, 
dass  es  sich  um  ein  längst  veröffentlichtes  und  wiederholt 
besprochenes  Schriftstück  handelt.  Aber  interessant  ist  es, 
dass  auch  de  Rossi  dieses  Calendar  für  ein  Feriale  der 
Kirche  von  Luxeuil  erklärt,  und  fast  noch  interessanter, 
dass  er  es  direct  aus  dem  M.  H.  ableitet.  Die  Beziehungen 
zu  diesem  sind  also  viel  innigere,  als  ich  ursprünglich  an- 
nahm, denn  der  Kalender  ist  geradezu  ein  Auszug  aus 
ihm,  und  eine  Vergleichung  bestätigt  das  vollkommen. 
Das  M.  H.  nennt  als  spätesten  Heiligen  den  Stifter  von 
Luxeuil,  den  heil.  Columban ;  in  Luxeuil  hat  sich  der  Vor- 


1)  Hauck,  Kirchengescli.  I,  283". 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.      321 

fahir  unserer  Haupths.  E  zuerst  befunden ;  in  Luxeuil  end- 
lich ist  von  einem  Kalendermacher  die  erste  Benutzung 
erfolgt.  Soweit  menschliche  Berechnung-  zu  dringen  vermag, 
ist  das  M.  H.  in  Luxeuil  geschrieben. 

Und  zwar  vor  dem  Tode  des  Abtes  Eustasius  629. 
Eine  engere  Begrenzung  der  Zeit  entnahm  ich  der  Notiz 
über  den  heil.  Dionjsius  und  seine  Gefährten: 

7.  Id.  Oct.  Parisius  civitate  nataJe  sanctorum  Dionisi  epi- 
scopi,  Eleuteri  presbyteri  et  Rustici  diaconi. 
Durch  die  Untersuchungen  des  vortrefflichen  Havet,  Que- 
stions  Meroving.  V,  wissen  wir,  dass  der  Gefährten  des 
Dionysius  keine  Quelle  vor  der  Urkunde  Chlodoveus'  II. 
von  65-1  gedenkt  und  sich  seitdem  die  Tradition  über  sie 
schrittweise  regelt  und  bestimmter  gestaltet  bis  auf  Hilduin. 
Er  selbst  hat  bereits  den  späten  Charakter  der  obigen  Eintra- 
gung erkannt  und  die  Erweiterung  der  Legende  ganz  richtig 
mit  der  Stiftung  der  Abtei  St.  Denis  und  der  Auffindung 
und  Uebertragung  der  Reliquien  dorthin  626  in  Verbindung 
gebracht.  Die  drei  Heiligen  hat  nach  den  Gesta  Dagoberti 
c.  17  dieser  König  ausgegraben  und  übertragen,  und  der- 
selbe Gewährsmann  versichert  uns,  dass  sie  alle  drei  Dago- 
bert im  Schlafe  erschienen  seien  und  ihm  den  Ort  ge- 
zeigt hätten,  wo  er  ihre  Särge  mit  den  Aufschriften 
finden  würde,  wie  dann  auch  alles  nachher  richtig  eintraf. 
Der  Verf.  war  überzeugt,  dass  Eleutherius  und  Rusticus 
schon  vor  der  Auffindung  bekannt  gewesen  seien,  und  wie 
sollte  er  auch  nicht,  hatte  er  doch  ihre  noch  heute  er- 
haltene Passio  gelesen  und  ausgeschrieben;  er  ist  auch 
überzeugt,  dass  damals  wirklich  ihre  Leiber  ausgegraben 
wurden.  Es  ist  nicht  weiter  auffallend,  dass  diese  Ueber- 
zeugung  des  braven  Mönches  von  St.  Denis  aus  dem  An- 
fang des  9.  Jh.  Duchesne  zu  der  seinigen  gemacht  hat;  aber 
auf  den  objectiven  Thatbestand  kann  die  Ueberzeugug  der 
beiden  glaubensstarken  Personen  keinen  Einfluss  haben, 
und  wer  noch  nicht  ganz  sein  Urtheil  der  Legende  ge- 
opfert hat,  muss  aus  dem  Schweigen  der  Quellen  vor  626 
seine  Schlüsse  ziehen.  Dagegen  findet  Duchesne  dasselbe 
sehr  begreiflich,  denn  Dionys  ist  der  Hauptheilige,  noch 
heute  wird  er  öfter  genannt  als  seine  Gefährten.  Aber 
der  Hauptheilige  war  er  vorher  wie  nachher,  und  zwischen 
öfter  nennen  und  gar  nicht  nennen  ist  doch  noch  ein 
kleiner  Unterschied.  Er  wendet  endlich  ein,  dass  das  Fest 
der  Auffindung  der  drei  Heiligen,  der  22.  April,  im  M.  H. 
nicht  angemerkt  sei.  Dieses  trägt  auch  von  den  späteren 
Hss.  nur  eine  einzige,  S,  nach,  und  da  das  M.  H.,  wie  sich 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  21 


322  Bruno  Krusch. 

bald  zeigen  wird,  fast  ganz  aus  litterarisclien  Quellen 
zusammengeschrieben  ist,  so  würde  aus  dem  Uebergehen 
dieses  Festes  weiter  nichts  folgen,  als  dass  es  der  Verf. 
in  seinen  Vorlagen  nicht  vorgefunden  hatte. 

Giebt  man  mir  auch  in  Bezug  auf  vorstehende  Er- 
wägung Recht,  so  würde  die  Entstehung  des  M.  H.  in  die 
letzte  Zeit  des  Abtes  Eustasius,  nämlich  in  die  Jahre  627/8, 
zu  setzen  sein.  Nach  der  Scheidung  ist  das  eine  Exemplar 
X  in  Luxeuil  geblieben,  das  andere  Y  bei  den  Kirchen 
von  Auxerre  und  Autun  verbreitet  und  vervollständigt 
worden,  endlich,  wie  es  scheint,  nach  Aquitanien  gekommen 
und  hier  mit  lokalen  Zusätzen  versehen  worden.  Von 
Auxerre  verzeichnen  WB  das  Fest  der  Weihe  dös  Baptiste- 
riums  neben  der  Kirche  des  heil.  Germanus  (17.  kl.  Mai.). 
Von  Autun  kennen  sie  ebenfalls  ein  Kirchweihfest  und 
zwar  das  des  Doms  (Pr.  kl.  Aug.),  tragen  ausserdem  den 
übergangenen  Bischof  Eeticius  (Id.  Mai.)  nach  und  gedenken 
endlich  zweier  territorialer  Heiligen,  des  Eptadius  (9.  kl. 
Sept.),  der  ursprünglich  im  M.  H.,  wenn  auch  vielleicht 
irrig,  beim  folgenden  Tage  stand,  und  der  Regina  (7.  Id. 
Sept.).  Dass  das  Exemplar  Y  nach  der  Trennung  sich 
noch  länger  in  der  Burgnndischen  Heimath  des  M.  H.  be- 
funden haben  muss,  verrathen  auch  die  Feste  des  luvinus 
Burgundio  (8.  kl.  Ap.),  König  Gunthram  in  Chalon-sur-Saöne 
(5.  kl.  Ap.)  und  die  der  Kirche  von  Vienne  (10.  kl.  lun., 
7.  Id.  Oct.).  Aus  Aquitanien  begegnen  in  Y  die  Diöcesen 
von  Angouleme  (Eparchius  kl.  lul.),  Saintes  (Troianus  4.  Id. 
Febr.),  Limoges  (Martin  von  Brives-la-Gaillarde  5.  Id.  Aug.) 
und  Poitiers  (Weihe  von  S.  Amautii  18.  kl.  Febr.,  Abt 
Basinus  5.  Id.  lul.,  Radegunde  Id.  Aug.,  Weihe  von  S.  Hi- 
larii  kl.  Nov.)  mit  der  einst  Oia  genannten  Insel  He 
d'Yeu  (Vendee),  deren  Lokalheiliger  Florentius  nicht  bloss 
durch  die  Depositio  (3.  kl.  lan.),  sondern  auch  durch  die 
Translatio  (5.  kl.  lul.)  vertreten  ist.  Endlich  könnte  aus 
derselben  Quelle  das  Gedächtnis  des  Aquitaniers  Victorius 
(4.  Id.  Sept.)  stammen,  der  auf  Veranlassung  des  Papstes 
Hilarus  den  Paschalcyclus  schrieb;  die  Interpolation  ist 
aber  von  WB  unter  Aenderung  von  'episcopi'  in  'papae' 
bei  einem  Bischof  Hilarus  irrthümlich  eingereiht  worden,  der 
nicht  der  Papst  war.  Auch  Bourges  hat  Duchesne  hierher 
gerechnet  wegen   des  Todestags    des  Bischofs  Sulpicius  I. : 

6.  kl.  Febr.    Sulpici  episcopi  et  confessoris, 
aber  der  Bischofssitz  ist  hier  nicht  genannt,  und  die  Bol- 
landisten  unterscheiden    diesen  Sulpicius  von  dem  Bischof 
von  Bourges,  dessen  Fest  vielmehr  4.  kl.  Feb.  gefeiert  wird. 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.     323 

Mit   mehr   Recht   Hesse   sich    das  Fest   seines   Nachfolgers 
Austrigisilus  auf  das  Exemplar  Y  zurückführen : 

13.  kl.  lun.  (In  W)  civitate  Beturicas  (B.  c.  B)  depositio 
sancti  Austrigiseli  episcopi  (abbatis  W). 
Die  Eintragungen  stehen  in  WB  an  derselben  Stelle  und 
die  Differenzen  zwischen  den  beiden  Hss.  erscheinen  be- 
langlos, wenn  man  von  dem  Schreibfehler  abbatis  in  W 
absieht,  den  seine  Verwandtschaft  verbessert.  Speciell  die 
Umstellung  'Beturicas  civitate'  von  B  findet  sich  bei  einem 
anderen  Feste  (Non.  Oct.)  auch  in  W.  Aber  der  Annahme 
stellt  sich  eine  unüberwindliche  Schwierigkeit  entgegen  in 
den  Hss.  SC.  In  dieser  selbständigen  Unterabtheilung  der 
W- Familie,  auf  deren  textkritischen  Werth  bereits  hinge- 
wiesen ist,  fehlt  nämlich  der  Zusatz.  Das  Zusammentreffen 
von  WB  ist  also  ein  zufälliges  und  der  h.  Austrigisilus 
kann  in  der  Stammhs.  Y  nicht  gestanden  haben.  Auch 
noch  des  Todes  des  Bischofs  Sulpicius  II.  von  Bourges 
646,  17.  Jan.  gedenken  WB,  aber  die  Fassung  geht  hier 
entschieden  auseinander,  obwohl  sich  auch  SC  diesmal  zu 
ihrer  Verwandtschaft  halten.  Zu  Bourges  hatte  also  Y 
gewiss  keine  Beziehungen,  und  sonst  fällt  unter  den  aqui- 
tanischen  Orten,  deren  kirchliche  Feste  hinzugefügt  sind, 
am  meisten  auf  der  unbedeutendste  und  am  wenigsten  be- 
kannte, die  Insel  Oia.  Auf  eine  Stiftung  irischer  Obser- 
vanz und  die  nachcolumbanische  Zeit  führt  das  Gedächtnis 
des  Bischofs  Falbeus  (15.  kl.  Aug.),  denn  dieser  war  ein 
Schotte.  Andererseits  hatte  man  zu  des  Verf.  Zeiten  die 
irischen  Gebräuche  schon  theil weise  aufgegeben  und  sich 
der  gallischen  Kirche  angeschlossen.  Dies  beweist  seine 
Stellung  zu  der  Osterfrage,  da  er  nicht  allein  des  Victorius 
und  seines  Ordo  paschalis,  wie  wir  sahen,  feierlich  gedenkt, 
sondern  auch  selbst  nach  Passions  jähren  rechnet  (9.  Non.  Mai.). 
In  dem  M.  H.  sind  fremdländische  und  einheimische 
Quellen  zusammengearbeitet.  Die  erste  Gruppe  bestand 
hauptsächlich  aus  einem  orientalischen  Martyrolog,  einem 
römischen  Kalender  und  afrikanischen  Quellen.  Gleich- 
artige Documente  sind  heute  noch  in  dem  allerdings  sehr 
gekürzten  syrischen  Martyrolog  von  411/12,  in  der  römi- 
schen Chronographie  von  354  und  dem  Karthagischen  Ca- 
lendar  erhalten,  und  es  lassen  sich  aus  ihnen  Aufschlüsse 
für  die  Textkritik  gewinnen.  Die  benutzte  römische  Quelle 
reichte  zwar  weiter  als  die  Chronographie  von  354,  schloss 
aber  doch  schon  mit  Papst  Bonifaz  (f  422),  nach  welchem  nur 
noch  Leo  I.  angemerkt  ist.  Dieser  fremdländische  und  anti- 
quarische Theil  konnte  für  den  gallischen  Clerus  nicht  viel 

21* 


324  Bruuo  Kruscli. 

mehr  als  ein  historisches  Interesse  bieten;  von  praktischer 
Bedeutung  konnte  das  M.  H.  nur  werden,  und  auf  Verbreitung 
konnte  der  Verf.  nur  rechnen,  wenn  er  die  Feste  der  gallischen 
Kirchen  eintrug  und  ihm  den  lokalen  Anstrich  gab,  den 
es  jetzt  hat.  Diese  Feste  konnte  er  nur  in  den  Calendarien 
der  betreffenden  Kirchen  finden,  und  das  massenhafte  Vor- 
kommen von  Festen  der  Kirchen  von  Antun,  Auxerre  und 
Lyon  beweist  nichts  für  die  Zugehörigkeit  des  Verf.  zu 
einer  von  ihnen,  sondern  erklärt  sich  aus  den  benutzten 
schriftlichen  Quellen.  Dass  er  sich  die  Calendare  der  Kirchen 
zu  verschaffen  gewusst  hat,  lässt  sich  mit  völliger  Bestimmt- 
heit an  den  Auxerrer  Notizen  nachweisen,  die  ich  zunächst 
hier  zusammenstelle: 

12.  kl.  Mai.  In  civitate  Autisiodoro  depositio  sancti  Me- 
riani  (Martini  WBP)  presbyteri  et  confessoris. 

Kl.  Mai.  Autissiodoro  civitate  depositio  sancti  Amatoris 
episcopi. 

6.  Non.  Mai.  Autisiodoro  translatio  sanctorum  confes- 
sorum  Optati  episcopi,  Memori  presbyteri  et  Sanciani 
presbyteri. 

5.  Non.  Mai.  Civitate  Autisiodoro  depositio  et  trans- 
latio sanctorum  et  confessorum  Eusebi  presbyteri  et 
Aviti  diaconi. 

4.  Non.  Mai.  Autisiodoro  depositio  et  translatio  corporis 
sancti  Corcodomi  diaconi  et  confessoris  in  hasiUca  sancti 
Amatoris. 

3.  Non.  Mai.  Autisiodoro  passio  sancti  luviniani  lectoris 
et  martyris. 

2.  Non.  Mai.  Autisiodoro  depositio  sancti  Valeriani  (Va- 
leri  WBP)  episcopi. 

8.  Id.  Mai.     Autisiodoro  depositio  Elladi  episcopi. 

3.  Id.  Mai.  In  civitate  Autisiodoro  depositio  et  trans- 
latio corporis  sancti  Marcelliani  episcopi. 

17.  kl.  lun.  In  Autisiodoro  civitate  vico  Baiaco  passio 
sancti  Peregrini  episcopi  primi  civitatis  ipsius. 

12.  kl.  lun.  In  civitate  Autisiodoro  depositio  heati  Va- 
lentis  (Valis  WBP)  presbyteri  et  confessoris. 

11.  kl.  lun.  In  civitate  Autisiodoro  depositio  et  trans- 
latio corporis  sanctae  Helenae  virginis. 

7.  kl.  lun.  Autisiodoro  civitate  Joco  Cociaco  passio  sancti 
Prisci  cum  sociis  suis  innumera  nndtitudine. 

4.  Id.  lun.     In  Autisiodoro  depositio  Censuri  episcopi. 
16.  kl.  Aug.    Autisiodoro  Theodosi  (Theodori  E)  episcopi. 

6.  kl.  Aug.  In  Autisiodoro  civitate  depositio  sancti  He- 
theri  episcopi. 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.     325 

3.  kl.  Aug.  Autissiodoro  civitate  depositio  beafi  TJrsi  episcopi. 
2.  kl.  Aug.  Autisiodoro  depositio  sancti  Germaui  episcopi  et 

confessoris  et  [natcile  Zus.  BJ  domni  Aunachari  episcopi 
[ordinntione  episcopati  Zus.  Wy. 
7.  kl.  Sept.     Autisiodoro  Eleutheri  ej^iscopi. 

2.  kl.  Sept.     Autisiodoro  sancti  Optati  episcopi. 

10.  kl.  Oct.  In  Autisiodoro  adventus  et  exceptio  corporis  sancti 
Gerraani  episcopi  et  confessoris  ah  Italia. 

4.  kl.  Oct.     Autisiodoro  Elodi  episcopi. 

3.  kl.  Oct.     Autisiodoro  depositio  Fraterni  episcopi. 

Kl.  Oct.  hl  Galleis  civitate  Autisioderinsium  sancti  Ger- 
maui  episcopi  et  confessoris. 

4.  Non.  Oct.     Autisiodoro  depositio  Marsi  presbyteri. 

3.  Non.  Oct.  In  Galleis  civitate  Autisiodoro  Firmati  dia- 
coni  et  Flavianae  virginis  Deo  sacratae. 

2.  Non.  Oct.  In  Galleis  civitate  Autisiodoro  ßomani  episcopi. 

14.  kl.  lan.  Autisiodoro  civitate  beati  Grigori  episcopi. 
Selbstverständlich  sind  nur  die  E  und  Y  gemeinsamen 
Eintragungen  aufgenommen  worden,  und  das  sind  28  und 
nicht  30,  wie  Duchesne  gerechnet  hat;  nur  sie  können  auf 
den  Archetypus  zurückgeführt  werden.  Schon  auf  den 
ersten  Blick  überrascht  die  Reichhaltigkeit  dieses  Auxerrer 
Festverzeichnisses,  und  bei  näherer  Prüfung  zeigt  sich, 
dass  die  Bischofsreihe  bis  Aunachar  vollständig  ist  mit 
Ausnahme  einer  einzigen  Lücke :  es  fehlt  der  Bischof  Droc- 
toald.  Was  mag  der  Verf.  des  M.  H.  gegen  diesen  frommen 
Mann  gehabt  haben?  Auch  Duchesne  sucht  die  Ursache 
der  Uebergehung  zu  ergründen  und  findet  sie  in  der  fol- 
genden Nachricht  der  Gesta  ep.  Autissiod.  I,  16  (Migne  138): 
'Droctoaldus  episcopus  obiit  VI.  Idus.  Novemb.  Nihil  aliud 
ex  eo  memorabile  reperire  potuimus,  quod  praesenti  operi 
inserere  quivissemus'.  Also  weil  der  Auxerrer  Historiograph 
aus  dem  Ende  des  9.  Jh.  keine  andere  Denkwürdigkeit  von 
dem  Manne  finden  konnte  als  seinen  Todestag,  soll  ihn  der 
Martyrologienschreiber  im  Anfang  des  7.  Jh.  weggelassen 
haben;  und  was  brauchte  denn  dieser?  Just  weiter  nichts 
als  den  Todestag,  den  auch  die  Gesta  kennen.  Die  von 
Duchesne  angerufene  Quelle  zeugt  also  gegen  ihn,  und  das 
Räthsel  ist  durch  seine  angebliche  Begründung  keineswegs 
gelöst;  im  Gegentheil  bei  seiner  Annahme,  dass  das  M.  H. 
in  Auxerre  geschrieben  sei,  wird  die  Uebergehung  dieses 
einen  von  den  18  Bischöfen  nur  um  so  auffälliger.  Und 
in  der  That  zeigt  der  Verfasser,  wie  Duchesne  ganz  richtig 
hervorhebt,  eine  ganz  _  ausserordentliche  Vorliebe  für  die 
Kirche    von   Auxerre,    und    dies   ist   um   so   merkwürdiger, 


326  Bruno  Krusch. 

weil  es  sich  doch  um  einen  ziemlich  unbedeutenden  Bischofs- 
sitz handelt;  vom  heil.  Germanus  zählt  er  nicht  weniger  als 
drei  Feste  auf;  nennt  häufig  die  Kirchen  und  heiligen  Orte 
der  Stadt,  erwähnt  sogar  die  Translationen  und  Kirch  weih- 
feste, also  Gedenktage  von  geringerer  Bedeutung,  die  nur 
in  der  eigenen  Kirche  gefeiert  zu  werden  pflegen.  Diese 
Sympathieen  des  Martjrologienschreibers  für  Auxerre  hat 
Duchesne  so  schön  geschildert, .  dass  ich  seiner  Darstellung 
nichts  hinzuzufügen  weiss,  und  nur  die  Kirchweihen  wären 
zu  streichen,  denn  diese  sind  Zusätze  von  WB  und  gehen 
nicht  auf  den  Archetypus  zurück;  aber  das  ist  Nebensache. 
Die  Hauptsache  ist,  —  und  diesen  Umstand  hat  keiner  von 
den  beiden  Herausgebern  bemerkt,  die  mir  jetzt  als  Auto- 
ritäten gegenübergestellt  werden  — ,  dass  die  Vorliebe  des 
Verf.  des  M.  H.  für  Auxerre  erst  mit  12.  kl.  Mai.  beginnt 
und  schon  mit  2.  Non.  Oct.  plötzlich  versiegt,  dass  also 
vom  1.  Januar  bis  19.  April  und  vom  7.  October  bis  31.  De- 
cember  kein  einziges  Fest  dieser  Kirche  und  nicht  einmal 
der  Name  von  Auxerre  genannt  wird.  Doch  halt,  um  nicht 
die  Unwahrheit  zu  sagen,  14.  kl.  lan.  ist  allerdings  das 
Fest  des  Bischofs  Gregor  von  Auxerre  im  M.  H.  eingetragen. 
Näheres  über  dessen  Episcopat  ist  wieder  in  den  Gesta  ep. 
Autissiod.  zu  finden,  und  hier  lese  ich  I,  13:  'Gregorius 
sedit  annos  12,  menses  6,  exactoque  suae  vicis  officio, 
14.  kl.  lun.  humana  deponens  in  ecclesia  beati  Germani 
supremum  promeruit  munus'.  Also  14.  kl.  lun.  ist  der 
Mann  gestorben,  und  der  Martyrologienschreiber  hat  das 
Fest  fälschlich  unter  14.  kl.  lan.  eingetragen,  wie  er 
solche  Monatsverwechslungen  sich  öfter  hat  zu  Schulden 
kommen  lassen.  Jetzt  erklärt  sich  auch  das  Fehlen  des  Bi- 
schofs Droctoald.  Sein  Fest  am  8.  Nov.  war  das  einzige 
von  denen  der  18  Bischöfe  von  Auxerre,  welches  in  den 
fehlenden  Abschnitt  fiel.  Das  Festverzeichnis  der  Kirche 
von  Auxerre  im  M.  H.  ist  also  am  Anfang  und  Ende  un- 
vollständig, und  der  Verf.  hat  die  Lücken  aus  seiner  Wissen- 
schaft nicht  zu  ergänzen  vermocht.  Mit  diesem  hoch- 
wichtigen Ergebnis  ist  die  Hypothese  der  beiden  Heraus- 
geber, dass  er  der  Kirche  von  Auxerre  angehört  hätte, 
ein-  für  allemal  abgethan,  und  meine  in  dieser  Zeitschrift 
geäusserte  Ansicht,  dass  diese  massenhaften  Feste  aus 
schriftlichem  Material,  den  Calendarien  der  betreffenden 
Kirchen,  geschöpft  seien,  aufs  glänzendste  bestätigt.  Der 
Verf.  des  M.  H.  hat  ein  Calendar  der  Kirche  von  Auxerre 
benutzt,  dem  vorn  und  hinten  Blätter  fehlten,  so  dass  er 
für  fast  4  Monate   am  Anfang-   und  für  fast  3  Monate  am 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronj^mianum.     327 

Schlüsse  kein  Fest  dieser  Kirche  einzutragen  vermochte.  Da- 
mit fallen  zugleich  die  aus  diesem  Festverzeichnis  gezogenen 
Schlüsse  für  die  Entstehungszeit  des  M.  H.,  denn  es  ist 
klar,  dass  diese  jetzt  höchstens  für  das  Alter  der  Quelle 
verbindlich  sein  könnten.  Von  Bischof  Aunachar  war  also 
in  dem  Calendar  nur  die  Ordination  und  nicht  auch  die 
Deposition  angemerkt,  obwohl  diese  (7.  kl.  Oct.)  in  den 
erhaltenen  Theil  gefallen  wäre.  Das  benutzte  Festverzeichnis 
der  Kirche  von  Auxerre  war  also  unter  diesem  Bischof, 
einem  Zeitgenossen  Gregors  von  Tours  ^,  aufgestellt  worden, 
und  man  weiss  auch  sonst,  dass  sich  dieser  Mann  um  die 
Ordnung  des  Kirchenwesens  der  Stadt  grosse  Verdienste 
erworben  hat. 

Streichen  wir  alle  Einzel -Varianten  der  Hss.  und 
achten  nur  auf  das,  was  allen  Hss.  gemeinsam  ist,  so  er- 
halten wir,  wenn  wir  uns  der  Führung  Duchesne's  anver- 
trauen, die  üecension  von  Auxerre.  Von  dieser  führt  er 
uns  weiter  zu  der  ursprünglichen  Gestalt  des  M.  H.,  und 
von  Gallien  gelangen  wir  seinen  Spuren  folgend  in  das 
wahre  Vaterland  der  Schrift;  denn  nicht  in  Gallien  hat  sie 
nach  ihm  das  Licht  der  Welt  erblickt,  sondern  in  Italien, 
und  die  gallischen  Feste  sollen  Zuthaten  eines  späteren 
Bearbeiters  sein.  Sie  stehen,  wie  bereits  bemerkt  wurde, 
häufig,  aber  nicht  immer  am  Schlüsse  der  Artikel,  tragen 
zum  Theil  -  auch  einen  anderen  Charakter  als  die  fremd- 
ländischen und  sind  im  Gegensatz  zu  diesen  im  Allgemeinen 
weniger  verdorben.  Hier  vermisse  ich  die  Prüfung,  in- 
wiefern die  andere  Beschaffenheit  der  benutzten  Quellen 
und  das  grössere  Interesse  des  Verf.  an  diesen  Festen  diese 
Verschiedenheiten  hervorgerufen  haben  kann.  Der  eben  ge- 
lieferte Nachweis  von  der  Benutzung  eines  Calendars  der 
Kirche  von  Auxerre  und  die  augenscheinliche  Verschieden- 
heit dieser  Quellen  von  den  benutzten  fremdländischen, 
den  orientalischen,  römischen  und  afrikanischen,  bestärkt 
mich  in  meiner  Ansicht.  Es  ist  auch  mit  Rücksicht  auf 
die  weniger  sorgfältige  Behandlung  dieser  letztern  Feste 
und  besonders  mit  Rücksicht  auf  die  häufige  Wiederholung 
derselben  Namenreihen  zu  beachten,  dass  der  Verf.  in  den 
vorangeschickten  Briefen  über  den  Umfang  des  Stoffes 
grenzenlos  gelogen  hatte,  —  er  war  ja  ein  Fälscher  — , 
indem  er  behauptete,  es  gäbe  keinen  Tag,  an  dem  weniger  als 
500  Feste  gefunden  würden,  ausser  dem  1.  Januar.    Bei  der 

1)  Vg-l.  Scr.  rer.  Merov.  I,    S.  653.  2)   Eine   Ausnahme   bildet 

z.  B.  Eptadius  von  Cervon,  der  in  den  nichtgallischen  Theil  eingereiht  und 
wie  ein  Fremder  behandelt  ist,  8.  kl.  Sept. :  'Et  alibi  Eptati  presbyteri'. 


328  Bruno  Kmsch. 

Mannigfaltigkeit  seiner  Quellen  ist  kaum  anzunehmen,  dass 
er  alle  gleichzeitig  bei  der  Hand  gehabt  und  zugleich  ver- 
arbeitet hat,  und  noch  heute  würde  man  bei  einer  derartigen 
Arbeit  vielleicht  so  verfahren,  dass  man  zuerst  einen  Grund- 
stock ausarbeitet  und  anders  geartetes  Material  in  Form 
von  Nachträgen  einfügt.  Man  kann  also  zugeben,  dass  die 
gallischen  Calendare  nachträglich  hineingearbeitet  worden 
sind,  ohne  doch  deshalb  verschiedene  Autoreu  zu  statuieren. 
Was  aber  für  diese  Ansicht  und  für  die  italienische  Her- 
kunft des  M.  H.  beigebracht  ist,  kann  Niemanden  überzeugen. 
Nach  Duchesne  hätten  Gregor  I.  und  vor  ihm  Cas- 
siodor  das  M.  H.  in  den  Händen  oder  doch  sicher  im 
Sinne  gehabt.  Wir  sahen  bereits,  dass  Cassiodor  etwas 
ganz  anderes  in  den  Händen  hatte  und  ihm  erst  Duchesne 
das  M.  H.  in  die  Hände  gedrückt  hat  durch  die  Annahme, 
er  hätte  geirrt  und  nicht  gewusst,  was  er  wirklich  in  den 
Händen  hatte.  Gregor  I.  erwähnt^  ein  Martyrolog,  in 
w^elchem  fast  alle  Märtyrer  nach  dem  Kalender  angemerkt 
waren ;  es  standen  aber  nur  Namen,  Ort  und  Tag  des 
Leidens  darin,  und  insbesondere  war  die  Art  des  Marty- 
riums nicht  angegeben.  Schliesst  man  aus  dieser  Stelle 
mit  Duchesne,  dass  Gregor  unser  M.  H.  gemeint  habe,  und 
dieses  also  598  in  Rom  bekannt  gewesen  sei,  so  würde 
dieses  Zeugnis  wiederum  gegen  denselben  Duchesne  be- 
weisen, dass  ursprünglich  keine  Passionsgeschichten  im 
M.  H.  gestanden  haben.  Aber  die  angeführten  Merkmale, ' 
Namen,  Ort  und  Tag  der  Passio,  stimmen  ungefähr  auf 
alle  Martyrologien,  und  eine  besondere  Beziehung  auf  das 
M.  H.  ist  in  der  Stelle  nicht  zu  finden.  Direct  gegen  die 
Identität  spricht  erstens  die  Beschaffenheit  des  Papst- 
kataloges  in  dem  M.  H.,  denn  wenn  die  Gedenktage  der 
Päpste  in  dem  Martyrolog  Gregors  I.  angemerkt  gewesen 
wären,  würde  die  Reihe  gewiss  nicht  bloss  bis  Bonifaz 
(f  422)  geführt  gewesen  sein ;  zweitens  die  Abwesenheit 
des  heil.  Benedict  von  Nursia,  der  in  E  von  erster  Hand, 
in  S  von  zweiter  Hand  nachgetragen  ist,  in  W  ganz  fehlt 
und  in  B  und  LMV  an  ganz  verschiedenen  Stellen  steht. 
Es  ist  ganz  undenkbar,  dass  in  einer  italienischen  Quelle 
dieser  Mann  übergangen  worden  wäre ,  während  noch 
Gregor  d.  Gr.  selbst  das  2.  Buch  seiner  Dialoge  ganz  seinen 
Wundern  gewidmet  hat;  dagegen  ist  allerdings  der  heil. 
Benedict  in  Gallien  vor  dem  7.  Jh.  so  gut  wie  unbekannt 
gewesen.  Da  aber  der  Papst  annimmt,  dass  sein  Marty- 
rolog sich  jedenfalls  auch  in  den  Händen  des  Adressaten, 

1)  Jaffe  n.  1517  ^ 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.     329 

des  Bischofs  Eulogius  von  Alexandrien ,  befinden  würde, 
so  liegt  es  näher,  an  eine  griechisch -orientalische  Quelle, 
resp.  deren  Uebersetzuug,  zu  denken,  als  an  eine  abend- 
ländische Compilation,  Das  dritte  Argument  endlich  — 
dass  die  italienische  Herkunft  schon  aus  der  italienischen 
Nationalität  der  Bischöfe  Chrom atius  und  Heliodorus  folgen 
solle,  deren  Namen  der  unter  der  Maske  des  Hieronymus 
schreibende  Verf.  in  der  vorausgeschickten  Correspondenz 
gemissbraucht  hat  —  hat  nur  eine  gewisse  Beweiskraft 
für  den  Grad  der  Anormalität  der  Duchesne'scheu  Logik. 
Er  selbst  freilich  findet  seine  Beweisführung  ganz  wunder- 
schön und  lebt  der  Zuversicht,  dass  sich  seine  Schlüsse 
ganz  von  selbst  gegen  mein  Sic  nolo  vertheidigen  werden. 
Ich  glaube  nicht,  dass  nach  den  vorstehenden  Ausführungen 
noch  Jemand  in  die  Lobsprüche  mit  einstimmen  wird, 
welche  dieser  Mann  höchst  freigebig  seiner  eigenen  Waare 
gespendet  hat. 

üeber  das  Handschriftenverhältnis,  die  ursprüngliche 
Gestalt  des  M.  H.,  Ort  und  Zeit  seiner  Entstehung,  das 
Alter  der  beiden  Recensionen  sind  die  beiden  Herausgeber 
in  ihrer  Vorrede  zu  Ergebnissen  gelangt,  die  sich  in  jeder 
Hinsicht  als  falsch  erwiesen  haben.  Speciell  Duchesne 
wurde  nicht  bloss  einmal  dabei  überrascht,  wie  er  Ein- 
tragungen späterer  Heiligen  einfach  ableugnet,  die  trotzdem 
vorhanden  waren,  und  wenn  auch  seine  Kenntnis  des  M.  H. 
nur  eine  mangelhafte  ist,  so  gab  doch  dieser  Umstand  nicht 
immer  eine  Erklärung  für  diese  auffallende  Erscheinung. 
Er  wurde  aber  auch  auf  schülerhaften  Versehen  ertappt, 
die  lebhaft  contrastieren  zu  dem  anmassenden  und  gross- 
sprecherischen  Wesen,  welches  er  zur  Schau  trägt,  und  ich 
erinnere  hier  nur  an  den  Bischof  Gaius  von  Autun.  Meine 
Ansicht,  dass  das  M.  H.  in  Luxeuil  verfasst  sei,  ist  noch 
besser  begründet  und  die  Auxerre-Theorie  ein-  für  allemal 
abgethan  worden,  nachdem  der  Nachweis  geglückt  ist,  dass 
diese  Nachrichten  aus  einem  unvollständigen  Calendar 
dieser  Kirche  stammen.  Ueberhaupt  wurden  alle  meine 
Aufstellungen  in  dieser  Zeitschrift  bei  näherer  Prüfung  als 
richtig  befunden,  und  ich  habe  nichts  zurückzunehmen 
brauchen. 

Wenn  nun  auch  die  Vorrede  der  neuen  Ausgabe  des 
M.  H.  in  allen  ihren  Theilen  verfehlt  ist  und  einfach  neu 
geschrieben  werden  müsste,  so  könnte  doch  deshalb  die 
Ausgabe  selbst  einen  hohen  Werth  haben  und  der  For- 
schung grossen  Nutzen  bringen,  wenn  alle  die  Aufgaben 
gelöst  wären,   welche  man  an  eine  solche  heute  zu  stellen 


330  Bruno  Krusch. 

pflegt:  die  genaue  Herstellung  des  Urtextes  unter  sorg- 
fältiger Benutzung  der  Hss.  und  Quellen,  die  Ausscheidung 
und  kritische  Prüfung  der  späteren  Zusätze  sowohl  von 
X  und  Y,  als  von  den  einzelnen  Hss.  und  endlich  die  Er- 
klärung schwieriger  Stellen.  Für  jeden  auch  nur  ober- 
flächlichen Kenner  des  M.  H.  ist  es  klar,  dass  eine  solche 
kritische  Ausgabe  dieser  Quelle  eine  wesentliche  Förderung 
der  kirchenhistorischen  Studien  bedeuten  würde,  und  in 
den  betheiligten  Kreisen  ist  das  Bedürfnis  schon  längst 
lebhaft  empfunden  worden.  Auch  Duchesne  erklärte  die 
Wiederherstellung  des  Textes  für  wünschenswerth,  die  Arbeit 
war  ihm  aber  zu  schwierig:  'Sed  ea  est  confusio  textus, 
ea  nominum  in  codicibus  Omnibus  perturbatio,  ut  labor 
ille  restitutionis  maximis  impediatur  difficultatibus',  und 
er  hat  sie  daher  gar  nicht  erst  versucht;  auf  seinen  Rath 
hat  sie  auch  de  ßossi  aufgegeben.  Es  ist  das  sehr  zu  be- 
dauern, denn  so  verkehrte  Ansichten  über  das  Hss. -Ver- 
hältnis hätten  von  den  beiden  Herausgebern  nicht  geäussert 
werden  können,  wenn  sie  die  einzelnen  Texte  ineinander 
gearbeitet  hätten.  Dafür  haben  sie  sich  auf  den  einfachen 
Abdruck  der  Haupt-Hss.  beschränkt,  und  das  war  allerdings 
eine  weit  bequemere  und  leichtere  Arbeit;  aber  auch  eine 
rein  mechanische  und  den  Namen  Ausgabe  verdient  sie 
nicht.  Die  einzige  Kunst  bei  dieser  rein  mechanischen 
Thätigkeit  bestand  in  der  fehlerlosen  Wiedergabe  der  be- 
treffenden Hss.,  und  die  einzige  Anforderung,  die  man  an 
eine  so  mechanische  Arbeit  stellt,  ist  die  der  unbedingten 
Zuverlässigkeit.  Prüfen  wir  nun,  wie  es  in  diesem  Punkte 
mit  der  sog.  Ausgabe  des  M.  H.  bestellt  ist. 

Die  abgedruckten  Hss.  EWB  hat  abgeschrieben  und 
verglichen  Duchesne.  Dem  Fleiss  und  der  Sorgfalt  seines 
Mitarbeiters  spendet  de  Eossi  in  der  Vorrede  das  höchste 
Lob,  und  was  über  die  befolgten  Principien  gesagt  ist, 
dass  nicht  allein  die  Zeilenschlüsse  innegehalten,  sondern 
auch  die  grossen  und  kleinen  Buchstaben  und  sogar  die 
Compendien  im  Drucke  wiedergegeben  seien,  erweckt  aller- 
dings den  Eindruck  der  peinlichsten  Gewissenhaftigkeit,  aber 
auch  das  Gefühl,  dass  in  diesen  Aeusserlichkeiten  des  Guten 
eher  zu  viel  als  zu  wenig  gethan  sei.  Durch  diese  übertrie- 
bene Reproduction  des  äusseren  Zustandes  der  Hss.  sind  die 
Worte  auseinandergerissen  und  widersinnig  verbunden 
worden  und  überhaupt  die  ungeheuerlichsten  Wortbildungen 
entstanden,  und  da  die  grossen  Buchstaben  nicht  den  Eigen- 
namenvorbehalten, sondern  nach  dem  willkürlichen  Gebrauche 
der  Hss.  angewandt  sind,  ist  der  Ueberblick  und  das  Suchen 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.     331 

sehr  erschwert;  endlich  fürchte  ich,  dass  auch  die  Bei- 
behaltung der  Abkürzungen  die  Benutzung  eher  erschwert 
als  erleichtert.  Wenn  man  nun  weiter  in  Betracht  zieht, 
dass  die  entsprechenden  Artikel  sich  nicht  einmal  immer 
gegenüberstehen,  da  sich  in  den  Hss.  häufig  der  Kalender 
verschoben  hat,  so  lässt  sich  leicht  denken,  dass  weniger 
geübte  Leser  durch  diesen  ungeordneten  Rohstoff  nicht 
durchzufiiiden  wissen  und  verzweifelt  das  verkehrte  Buch 
zuklappen  und  die  alte  Ausgabe  Fiorentini's  zur  Hand 
nehmen;  ja  schon  der  Registermacher  ist  gescheiterte 
Die  sclavische  Wiedergabe  der  Hss.  in  der  neuen  Ausgabe 
grenzt  aber  fast  an  Unverstand.  In  W  sind  häufig  die 
Worte  auseinandergerissen  und  die  Sylben  getrennt,  weil 
das  Pergament  so  dünn  war,  dass  die  Tinte  von  der  an- 
deren Seite  durchschlug,  oder  rauh  und  löcherig,  und  der 
Schreiber  war  wegen  schlechter  Beschaffenheit  des  Mate- 
rials sogar  gezwungen,  ganze  Seiten  freizulassen;  auch  in 
E  finden  sich  Zwischenräume,  welche  denselben  natürlichen 
Grund  haben.  Es  erscheint  geradezu  widersinnig,  dass 
diese  durch  rein  äusserliche  Umstände  veranlassten  Wort- 
trennungen und  Lücken  im  Textabdrucke  wiederg-eo-eben 
sind,  und  der  Leser  kann  durch  sie  leicht  zu  falschen 
Schlüssen  verleitet  werden ;  aber  unverantwortlich  ist  es, 
dass  der  Herausgeber  sogar  Worte  zerpflückt,  die  in  den 
Hss.  nicht  getrennt  sind.  Die  Wiedergabe  der  Abkürzungen 
durch  den  Setzer  war  natürlich  im  vollen  Umfange  über- 
haupt nicht  möglich;  und  dieselben  Abkürzungen  sind 
häufig  verschieden  behandelt,  einmal  aufgelöst,  ein  andermal 
nicht,  ja  es  kommt  sogar  vor,  dass  Abkürzung  und  Auf- 
lösung nebeneinander  stehen  -.  Da  der  ursprüngliche  Text 
der  Hss.  durch    spätere  Correcturen  häufig   verändert   ist, 


1)  So  stösst  man  in  dem  Personenregister  ('Index  alphabeticus 
nominum  sanctorum,  sicuti  leguntur  in  codicibus'),  welches  sich  Duchesne 
durch  fremde  Arbeit  hat  herstellen  lassen,  auf  Heilige,  welche  nur  der 
Zerreissung  und  dem  Missverständnis  von  Ortsnamen  ihre  Existenz  ver- 
danken, und  anderen  haarsträubenden  Blödsinn,  und  dabei  ist  dieses 
Sammelsurium  ('silva'  nennt  es  Duchesne  selbst)  noch  nicht  einmal  voll- 
ständig. Der  Bearbeiter  hat  6.  Non.  Oct.  aus  der  Corruptel  von  WB 
Ponti  Leonis  die  Namen  Pontus  und  Leo  gewissenhaft  in  das  Register 
aufgenommen,  aber  die  richtige  Lesart  Pantaleonis  E  sucht  man  bei  ihm 
vergeblich;  pr.  Id.  lun.  fehlen  die  Namen  Distri,  Polimaci,  4.  kl.  Dec. 
Theodori  =  Theodoli,  Pegassi  =  Picasi,  luli,  also  drei  und  mit  den  Va- 
rianten fünf  an  einem  Tage !  2)  Duchesne  druckt  9.  kl.  Mai.  Saturnini, 
8.  kl.  Mai.  saturnini,  5.  Non.  Mai.  satnini,  während  die  Hs.  B  an  den  drei 
verschieden  wiedergegebenen  Stellen  gleichmässig  die  letzte  Lesart  hat. 
An  anderen  Stellen  ist  die  Auflösung  hinter  der  Abkürzung  in  Klammern 
beigefügt;  z.  B.  P  (ro). 


332  Bruno   Krusch. 

wäre  eine  Hauptpflicht  des  Herausgebers  die  Entzifferung 
der  getilgten  Lesarten,  soweit  dies  möglich  ist,  und  die  Be- 
stimmung des  Werthes  der  Correcturen  gewesen.  Das  erste 
ist  nur  höchst  unvollkommen  geschehen,  und  besonders 
zu  bedauern  ist  es,  dass  an  den  Stellen,  wo  ganze  Zeilen 
ausradiert  sind,  die  Lesung  nicht  einmal  versucht  ist;  die 
zweite  Aufgabe  kennt  Duchesne  überhaupt  nicht.  Er  hat 
sich  nicht  einmal  klar  gemacht,  welchen  Text  er  eigentlich 
wiedergeben  will,  den  ursprünglichen  oder  den  sjDäter  cor- 
rigierten;  daher  findet  man  bei  ihm  die  spätere  Correctur 
bald  im  Text,  bald  in  den  Fussnoten,  und  es  herrscht  hier 
die  wildeste  Regellosigkeit.  Die  Quelle  des  Correctors  von 
B  war  aber  ein  anderes  Exemplar  und  nicht  die  Vorlage 
des  ersten  Schreibers,  wie  besonders  der  Zusatz  auf  S.  61 
N.  6  und  die  Verschiedenheit  der  Lesarten  S.  75  N.  1  zur 
Evidenz  zeigen  ^.  Die  Aufnahme  solcher  Zusätze  in  den 
Urtext  charakterisiert  recht  das  unkritische  Verfahren  des 
Herauso-ebers.  Die  Correcturen  sind  gewöhnlich  mit  'm.  2' 
bezeichnet  ohne  Scheidung  der  verschiedenen  Hände, 
welche  den  Text  verändert  und  ergänzt  haben,  und  ohne 
Bestimmung  ihres  Alters.  Dieser  Mangel  macht  sich  u.  a. 
bei  den  historischen  Zusätzen  fühlbar,  deren  Werth  doch 
wesentlich  von  dem  Alter  der  Eintragung  abhängt.  Bis- 
weilen hat  Duchesne  weder  die  Rasur  noch  auch  die 
spätere  Hand  erkannt,  und  also  ohne  Anstand  als  Urtext 
gedruckt,  was  erst  der  spätere  Corrector  getilgt  oder  zu- 
gesetzt hatte: 

3.  Non.  Ap.  nach  'aresti'  ist  in  B  ein  Name  radiert;  Sin- 
nidiae  EW. 

8.  kl.  Mai.  am  Schlüsse  sind  in  W  die  Worte  'et  com- 
memoratio  (vigil)ie  georgii  et  sei  pulionis'  ausradiert, 
die  aiich  in  den  verwandten  Hss.  stehen. 

4.  Id.  Febr.  signü  dni]  W,  zu  streichen  als  Zusatz  saec.  IX., 
prid.  Id.  Feb.  et]  B,  zu  streichen  als  späterer  Zusatz. 

Die  Zuverlässigkeit  des  Duchesne'schen  Abdrucks  wird 
schon  durch  diese  allgemeinen  Ausstellungen  erheblich  in 
Frage  gestellt,  und  nun  kommen  wir  erst  zu  der  Prüfung 
im  Einzelnen.  In  den  vorangeschickten  gefälschten  Briefen 
zeigen  die  Hss.  keine  stärkeren  Abweichungen  als  bei 
mittelalterlichen  Texten  überhaupt,    und   es    wäre  unnütze 


1)  An  der  zweiten  Stelle  Prid.  Non.  lun.  las  der  Schreiber  Aricii 
diaconi,  der  Corrector  richtig  Aricii,  Daciani  und  trug  nun  Daciani  vor 
Aricii  nach;  Duchesne  druckt  Daciani,  Aricii  diaconi  mit  der  gelehrten 
Note  zu  D.  'add.  m.  forte  2'. 


Zur  Afralegende   und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.      333 

Rauniverscliwenduiig  gewesen,  wenn  man  jede  der  drei 
Haupthss.  wörtlich  abgedruckt  hätte.  Auch  Duchesne  ist 
hier  von  seinem  Principe  abgewichen  und  hat  eine  Aus- 
gabe versucht  und  uns  so  den  Massstab  zur  Beurtheilung- 
geliefert,  was  er  als  Herausgeber  zu  leisten  versteht.  Ueber 
seine  Grundsätze  unterrichtet  er  den  Benutzer  in  zwei  vor- 
gedruckten Zeilen:  'Quas  recensui  ad  fidem  trium  prima- 
riorum  codicum,  maiori,  ut  oportuit,  habita  ratione  libri 
Epternacensis,  qui  etiam  in  hoc  ceteris  magis  commendatur'. 
Er  hat  also  bei  seiner  Text-Recension  E  mehr  als  die  an- 
deren Hss.  berücksichtigt,  und  man  wird  dies  Princip 
billigen,  wenn  es  nicht  so  ausgelegt  wird,  dass  man  E  ab- 
druckt und  die  Lesarten  der  anderen  Hss.  in  die  Fuss- 
noteii  setzt.  Denn  es  ist  stets  zu  bedenken,  dass  der 
Schreiber  von  E  ein  Liebhaber  der  Kürze  war  und  auch 
durch  Unachtsamkeit  Worte  übersprungen  hat.  Jedenfalls 
wird  mir  jeder  zugeben,  dass  zur  Durchführung  des  Du- 
chesne'schen  Princips  eine  ganz  genaue  Vergleichung  von 
E  die  Vorbedingung  w^ar.  Sehen  wir  nun,  wie  ihm  die 
Herstellung  des  Textes  in  der  neuen  Ausgabe  gelungen  ist. 

S.  LXXXII. 

Z.  4  devenire]  ohne  Variante  Duch. ;  de(i)venisse  EWP 
und  so  ist  zu  schreiben. 

Z.  14  Constantius]  ohne  Variante  Duch. ;  die  richtige 
Lesart  Constantinus  steht  aber  in  EW,  welchen  sich 
jetzt  die  von  mir  gefundene  Hs.  P,  die  Verwandte 
von  B,  anschliesst. 

Z.  27  perennem  nostrae  parvitatis  [nomen  Zus.  WBP]  me- 
moriam  [habiturum  Zus.  WBP]  fore  credentes.  Der 
Ausdruck  nostrae  p.  nomen  ist  echt  und  die  einge- 
klammerten Worte  hätte  Duchesne  aus  den  anderen 
Hss.  in  den  Text  setzen  müssen. 

Z.  29  plus  quam  octingentorum  [et  nougentorum  milia 
fehlen  in  E,  gehören  aber  in  den  Text]  raartyrum 
nomina. 

Z.  34  unus  pro  omnibus]  ohne  Variante  Duch. ;  u.  de  o.  EW 
und  so  ist  zu  verbessern. 

Die  Collation  der  Haupt -Hs.  E  war  also  so  mangelhaft, 
dass  sich  bei  der  Nachlese  auf  der  einen  Seite,  die  noch 
nicht  einmal  ausgefüllt  ist,  noch  an  3  Stellen  aus  der  Hs. 
der  Text  verbessern  Hess ;  die  nicht  wenigen  Irrthümer  in 
den  Varianten  der  anderen  Hss.  lasse  ich  hier  ganz  bei 
Seite.  Er  ist  aber  auch  seiner  Haupths.  in  ganz  mecha- 
nischer Weise   ohne   Sinn   und  Verstand   gefolgt,    und   ich 


334  Bruno  Krusch. 

habe  im  Vorhergehenden  nur  einige  Lücken  angegeben, 
durch  die  er  den  Text  entstellt  hat,  denn  bei  einer  neuen 
Ausgabe  müsste  E  noch  weit  öfter  in  die  Note  verwiesen 
werden.  Durch  die  Auslassung  der  Worte  'et  nongen- 
torum  milia'  in  Z.  29  wird  geradezu  der  logische  Gedanken- 
gang gestört  und  dem  Verf.  Unsinn  in  den  Mund  gelegt. 
Er  sagt,  er  habe  von  'singulorum  mensium  singulorumque 
dierum'  die  Feste  aufgeschrieben,  und  hofft  sich  dadurch 
ein  gutes  Andenken  bei  der  Nachwelt  zu  sichern,  wenn 
'diebus  omnibus'  die  Eeste  gefeiert  würden;  nun  fahrt  er  fort, 
'per  singulos  dies  diversarum  provinciarum  diversarumque 
urbium'  seien  mehr  als  800  und  900  000  Namen  zu  nennen 
gewesen,  so  dass  kein  Tag  sei,  der  unter  500  hätte,  ausser 
dem  1.  Januar.  Es  ist  klar,  dass  die  Wendung  'per  sin- 
gulos dies',  wie  auch  oben  'singulorum  mensium  singulo- 
rumque dierum',  die  einzelnen  Tage  des  Kirchenjahres  in 
ihrer  fortwährenden  Aufeinanderfolge,  also  eine  fortgesetzte 
Zeit  bezeichnet,  und  Synonym  zu  'diebus  omnibus'  ist, 
womit  es  auch  parallel  steht.  Nur  so  erklärt  sich  der 
Folgesatz,  so  dass  kein  Tag  sei,  der  unter  500  Namen 
hätte.  Nun  zeigt  ein  einfaches  Rechenexempel,  dass  schon 
bei  dem  Mindestsatze  unter  Ausschluss  des  1.  Januars 
364  X  500  =  182  000  Feste  herauskommen  würden,  also  die 
Duchesne'sche  Lesart  'octingentorum'  sinnlos  ist  und  eine 
Zahl  verlangt  wird,  die  in  die  Hunderttausende  geht.  Die 
Worte  'et  nongentorum  milia'  sind  also  zum  Verständnis 
des  Textes  unbedingt  nothwendig,  und  schlägt  man  die 
Hs.  E  nach,  so  findet  man,  dass  sie  der  Schreiber  am 
Zeilenanfang,  bei  Uebergang  von  einer  Zeile  zur  andern, 
übersprungen  hat.  Fragt  man  nun,  welchen  Fortschritt 
die  neue  Ausgabe  gegenüber  der  alten  Fiorentini's  be- 
deutet, und  sieht  man,  dass  diese  richtig  'Constantinus', 
richtig  'nomen  —  habiturum',  richtig  'et  nongentorum  milia', 
richtig  'de  omnibus'  liest,  —  und  das  alles  auf  einer  knappen 
Textseite  — ,  und  an  der  ersten  Stelle  wenigstens  die  Va- 
riante 'devenisse'  vermerkt,  so  scheint  es  fast,  als  ob  man 
die  Frage  umdrehen  müsste,  und  jedenfalls  ist  das  erwiesen, 
dass  die  neue  Ausgabe  nicht  immer  den  Standpunkt  der 
alten  erreicht. 

Ich  wende  mich  jetzt  zu  dem  kalendarisch  geordneten 
Festverzeichnis  und  stelle,  um  den  Grad  der  Zuverlässig- 
keit desselben  zu  ermitteln,  einige  Stellen  des  Duchesne- 
schen  Abdrucks    der   handschriftlichen  Lesung  gegenüber: 

Kl.  lan.  Augustoduno]  E,  lies  Agustoduno. 

3.  Non.  lan.  pennice]   W,  lies  pennice. 


Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.      335 

PEI.  ONIANUA]  W,   lies  PRID  NON  lANÜA. 
Non.  lan.  caitq.]  W,  lies  eauti;  die  anderen  Hss.  haben 
Acuti. 

7.  Id.  lan.  palati]  W,  lies  pallati. 

3.  Id.  lan.  stepban§]  W,  lies  stefan§. 
19.  kl.  Feb.  cleridiäe]  W,  lies  cleri  diac. 
17.  kl.  Feb.  tenentur]  B,  lies  tenuntur. 

13.  kl.  Feb.  Lug-duno]  W,  lies  lugdono. 

12.  kl.  Feb.  et  metis]  W,  lies  ermetis,  die  anderen  Hss. 
haben  Hermetis. 

mammar]   E,  lies  mammas. 

6.  kl.  Feb.  theoctis^j  W,  lies  theocus^,  und  diese  Lesart 
müsste  in  den  Text  gesetzt  werden ;  Tecussae  E ;  Then- 
cus(a)e  BL.  _ 

14.  kl.  Mart.  V]  W,  lies  V  =  .5000  mit  den  anderen  Hss. 

10.  kl.  Mart.  potiamiene]  W,  lies  potami  mit  E ;  e  ist 
radiert  und  ne  gehört  zum  folgenden  Worte. 

4.  kl.  Mart.  XXXII]  E,  lies  XXXV. 

VI.  NONAS  MAß.]  W,  lies  VI  NONUS  MAE. 

5.  Non.  Mart.  helbiani]  W,  lies  belbiani. 

2.  Non.  Mart.  ei]  B,  lies  ei*^  =  eins. 

plamfagoni]   E,  lies  plumfagoni. 
neochopoli]  W,  lies  neochepoli. 
Non.  Mart.  f  erri]  W,  lies  sauri,  das  s  ist  aber  verloschen ; 
Satiri  E,  Saturi  B. 

8.  Id.  Mart.  acrem  ////  feli  ////  orbani  cyrilli  epT  ////  et 
manili]  W,  lies  aeren(ie)  feli(c)itatis  orbani  cyrilli  epi 
(si)luani;  die  eingeklammerten  Buchstaben  sind  ver- 
loschen. 

4.  Id.  Mart.  IUI]  W,  lies  VII  mit  EB. 
12.  kl.  Ap.  honis]   W,  lies  bonis  (Bionis  E). 

7.  kl.  Ap.  alior]  B,  lies  alio^i-  =:=  aliorum. 

eiusd§]  W,  lies  eiusde. 

6.  Id.  Ap.  ordo  sol  HIHI I]  W,  lies  orto  sole  tre  m(otus) 
fuit  in  huuizunb.  Es  handelt  sich  in  dieser  gleich- 
zeitigen Weissenburger  Eintragung  um  ein  Erdbeben 
im  J.  799. 

3.  Id.  Ap.  Die  erste  VIII  fehlt  in  W  und  allen  anderen 
Hss.;  ist  sinnstörender  Zusatz  Duchesne's. 

12.  kl.  Mai.  iuxta  uia]  B,  lies  iuxta  uiä. 

11.  kl.  Mai.  zwischen  et  alibi  und  dep  fehlen  im  Ab- 
druck von  W  die  Worte  Victoris,  Papiae,  Felicis  et 
alibi,  obwohl  in  den  nächsten  Verwandten  der  Hs.  keine 
Lücke  ist.  Aber  auch  W  enthält  die  Stelle,  und  Duchesne 
hat   nicht  weniger   als  eine  ganze  Zeile  übersprungen. 


336  Bruno  Krusch. 

5.  kl.  Mai.  aluine]  W,  lies  aiuvi§  (Aioviae  EB). 
kl.  Mai.  INITIU]  B,  lies  INITIU. 

8.  Id.  Mai.    matronae,    gallae,    sereuae,    rogatae]    E,    lies 
gallae,  sereuae,  rogatae,  matronae,  wie  auch  die  anderen 
Hss.    die  Worte    ordnen ;    die    Stelle   saturninae  —  ro- 
gatae ist  zwischen  rogati  imd  matronae  ergänzt, 
authys]  W,  lies  anthys. 

7.  Id.  Mai.  psida]  W,  lies  psyda. 

6.  Id.  Mai.  masomosi]  W,  lies  nasomosi  mit  EB. 

3.  Id.  Mai.  daveti]  E,  lies  daucti  (nämlich  Adaucti). 

17.  kl.  lun.  gaionio]  W,  lies  gaiono. 

vinanti]  W,  lies  uinceuti,  also  a  für  ce  gelesen. 

15.  kl.  lun.  bastasi]  E,  lies  bustasi  (=  WB). 

5.  kl.  lun.  fyloraini]  W,  lies  sylomini  mit  den  ver- 
wandten Hss. 

kl.  lun.  Maxime.  It.]  B,  zwischen  diesen  Worten  schieben 
die  anderen  Hss.  ein  item  Urbanae,  Obtatae,  und  B 
liest  item  ürbani,  Ortat§;  Duchesne  hat  nämlich  wieder 
eine  Zeile  ausgelassen. 

Hier  kann  ich  abbrechen.  Einige  Fehler  sind  dadurch  ver- 
anlasst, dass  das  Abkürzungszeichen  der  Hs.  beim  Satz  über- 
sehen worden  ist.  Anderes  sind  Lesefehler.  W  ist  von 
einer  sehr  deutlichen  und  kräftigen  Hand  des  8.  Jh.  ge- 
schrieben und  sehr  leicht  zu  lesen,  wenn  man  mit  den 
wenigen  Ligaturen  und  Abkürzungen  Bescheid  weiss. 
Trotzdem  liest  Duchesne  den  Unsinn  caitq.  statt  cauti, 
indem  er  nach  Anfängerart  die  Ligatur  ti  für  q  ansieht, 
und  verwechselt  ce  mit  a  in  uincenti.  An  zahlreichen 
Stellen  hat  derselbe  Duchesne  in  E  n  für  r  gelesen: 

4.  Id.  Mai.  afnoti  für  afroti, 

3.  Non.  lun.  gnati  für  grati, 

18.  kl.  Oct.  epanti  für  eparti, 

17.  kl.  Oct.  cundiani  für  curdiani. 

Id.  Oct.  minei  für  mirei, 

17.  kl.  Dec.  demigni  für  demigri, 

4.  Non.  Dec.  pemeni  für  pemeri. 

In  der  angelsächsischen  Schrift,  in  welcher  diese  Hs.  ge- 
schrieben ist,  ist,  wie  jeder  weiss,  der  Haken  vom  r  tief 
auf  die  Zeile  heruntergezogen,  dass  es  einem  n  nicht  un- 
ähnlich sieht,  und  wer  in  der  Lesung  solcher  Hss.  nicht  er- 
fahren ist,  kann  auch  s  und  r,  a  und  u,  e  und  c  verwechseln, 
wie  die  Fehler  Duchesne's  beweisen  (mammar  für  mammas ; 
bastasi  für  bustasi ;  daveti  für  daucti  und  pr.  Non.  Aug. 
isaci  für  isaei).    Seine  Kenntnisse  in  der  Paläographie  sind 


Zur  AfralegencTe  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum.     337 

nämlich  äusserst  schwach  uud  er  muss  noch  grosse  Fort- 
schritte darin  machen;  jetzt  erklären  sich  auch  die  früher 
geäusserten  merkwürdigen  ürtheile  über  das  Alter  ge- 
wisser Hss.,  durch  die  er  sich  in  Gegensatz  gesetzt  hat  zu 
allen,  die  vor  ihm  dieselben  gesehen  hatten.  Die  meisten 
Fehler  sind  lediglich  auf  seine  Flüchtigkeit  zurückzuführen, 
und  man  erhält  eine  Vorstellung  von  der  Sorgfalt,  mit 
welcher  diese  Publication  veranstaltet  ist,  durch  die  be- 
schämende Thatsache,  dass  der  Abdruck  sowohl  von  W 
als  von  B  je  eine  Zeile  der  Hs.  überspringt.  Hinsichtlich 
der  Hss.  E  und  B  hat  er  unter  den  allergünstigsten  Ver- 
hältnissen gearbeitet.  Die  Pariser  E  konnte  er  Monate 
lang  in  seiner  Wohnung  benutzen,  und  auch  die  Berner 
ist  für  seine  Zwecke  nach  Paris  geschickt  worden,  und  er 
hat  die  Druckbogen  nach  ihr  corrigieren  können;  er  be- 
dankt sich  selbst  in  der  Vorrede  bei  dem  Bibliothekar, 
'qui  tot  menses  insignem  librum  a  suo  domicilio  abesse 
passus  est'.  Wenn  trotzdem  die  Nachprüfung  ein  so 
schlechtes  Ergebnis  geliefert  hat,  so  wird  man  annehmen 
dürfen,  dass  er  eben  nichts  Besseres  leisten  konnte.  Bei 
B  kommt  ausserdem  als  erschwerender  Umstand  hinzu, 
dass  von  dieser  Hs.  bereits  ein  Textabdruck  nach  einer 
Abschrift  Arndts  in  AA.  SS.  Oct.  XIII  existiert,  und 
schlägt  man  diesen  nach,  so  findet  man  dort  17.  kl.  Feb. 
richtig  tenuntur,  wo  der  neueste  Herausgeber  tenentur 
druckt,  und  kl.  lun.  die  von  diesem  übersprungenen  Worte. 
Man  wird  also  gut  thun,  bei  dem  Gebrauch  der  sog.  neuen 
Ausgrabe  des  M.  H.  immer  die  älteren  Abdrücke  und  Aus- 
gaben  mit  zu  Rathe  zu  ziehen. 

Somit  wird  der  wissenschaftliche  Werth  dieser  Lei- 
stung auf  ein  sehr  geringes  Maass  heruntergedrückt,  und 
es  verlohnt  sich  gar  nicht  mehr,  diese  verpfuschte  Arbeit 
weiter  nachzuprüfen  oder  zu  ergänzen.  Bei  diesem  Euphe- 
mismus kann  man  sich  also  in  dem  Falle  Duchesne  nicht 
beruhigen.  Seine  Arbeit  muss  neu  gemacht  werden,  oder 
vielmehr,  es  muss  die  kritische  Ausgabe  des  M.  H.  über- 
haupt erst  gemacht  werden,  die  er  nicht  gemacht  hat, 
weil  sie  ihm  zu  schwer  war.     Sic  volo ! 


Neues  Archiv  etc,    XXIV. 


VII. 


Miscellen. 


22* 


Der  Novellenauszug  De  ordine  ecclesiastico, 
eine  Quelle  des  Benedikt  Levita. 

Von  Max  Conrat  (Cohn). 

Cod.  Phillips  1735,  niinmelir  Cod.  Berol.  Phillips  160, 
enthält  den  als  Epitome  Monachi  bezeichneten  Auszug  der 
Lex  Romana  Visigothorum,  nebst  Anhang,  sowie  fragmen- 
tarisch einen  Auszug  der  als  Epitome  luliani  bekannten 
Sammlung  der  Novellen  lustinians,  mit  welchem  die  Hs. 
abschliesst.  Auf  den  letzteren,  der  bisher  eine  eingehendere 
Untersuchung  nicht  erfahren  hat  ^,  glaube  ich  hiermit  auch 
die  Aufmerksamkeit  der  Leser  dieser  Zeitschrift  lenken 
zu  dürfen,  da  derselbe  sich  als  die  Quelle  der  der  Epitome 
luliani  entlehnten  Texte  in  der  Capitulariensammlung  des 
Benedikt  Levita  und  seines  dritten  Anhangs  darstellt. 

Der  Auszug  der  Epitome  luliani  (fol.  158 '' — 164'^) 
schliesst  sich  ohne  jeden  Zwischenraum  dem  Anhange  der 
Epitome  Monachi,  Fragmenten  zweier  Novellen  Valenti- 
nians  IL,  an  und  ist  mit  diesen  von  der  gleichen  offenbar 
nicht  den  Archetyp  darstellenden  Hand,  welche,  wie  der 
von  verschiedenen  Händen  geschriebene  Codex  überhaupt, 
der  Wende  des  8.  Jh.  oder  dem  früheren  9.  Jh.  angehört '-. 
Derselbe  beginnt  mit  der  TJeberschrift  'Incp.  innovationes 
legum  novellarum  divi  memoriae  iustiniani  ä.  sub  quo 
quintus  sinodus  constantinopoli  congregä  (congregata)  est. 
De  ordine  ecclesiastico'  und  bezeichnet  sich  somit  als  Samm- 
lung der  auf  den  Ordo  ecclesiasticus  bezüglichen  Neuerungen 
der  Novellen  Justinians,  des  Veranstalters  des  fünften  all- 
gemeinen Concils.  Hierauf  folgt  ein  Rubrikenverzeichnis 
von  52  Capiteln,  auf  welches  ich  des  Weiteren  zurückkomme, 


1)  Die  Veröffentlichung  einer  solchen  von  meiner  Seite  steht  bevor. 
Als  ein  freier  Auszug  der  Epitome  luliani  ist  die  Schrift  erkannt  von 
V.  Rose,  Die  handschriftl.  Verzeichnisse  d.  Königl.  Bibl.  zu  Berlin  S.  352. 
2)  V.  Rose,  a.  a.  0.,  charakterisiert  den  Codex  als  saec.  IX.^  (VIII/IX.), 
während  Haenel,  Lex  Romana  Visigothorum  p.  Lxxxi,  denselben  im  9.  Jh. 
und  zwar  in  Gallien  geschrieben  sein  lässt. 


342  Max  Conrat. 

und  sodann,  unter  Wiederholung  der  Rubriken  vor  den  ein- 
zelnen Capiteln,  die  Schrift  selbst.  Dieselbe  ist  jedoch  nur 
bis  in  den  Beginn  des  31.  Capitels  erhalten  ('Abbatis  ordi- 
natio  non  secundum  ordinem  vel') :  offenbar  sind  die  Blätter 
der  Hs.,  welche  den  Rest  des  Auszugs  enthielten,  verloren 
gegangen. 

Zur  näheren  Charakterisierung  des  Auszugs  sei  be- 
merkt, dass  in  demselben  der  Text  aus  Julians  Novellen- 
sammlung einem  Verfahren  unterworfen  worden  ist,  das 
sich  am  füglichsten  als  Epitomierung  in  dem  Sinne  be- 
zeichnen lässt,  in  welchem  dieser  Ausdruck  für  die  unter 
dem  Namen  Epitome  bekannten  Bearbeitungen  der  Lex 
Romana  Visigothorum  gebraucht  wird.  Im  Wesentlichen 
tritt  dem  gemäss  auch  nichts  zu  Tage,  was  die  Novellen- 
sammlung nicht  enthält;  bekommt  dann  freilich  durch  das 
Verfahren  der  Verkürzung  bezw.  Zusammenstreichung  der 
Text  weithin  ein  von  der  Vorlage  abweichendes  Aeussere, 
so  schimmert  andererseits  doch  auch  wieder  überall  die 
Fassung  derselben  hindurch  in  dem  Masse,  dass  die  hier 
angenommene  Benutzung  der  Epitome  luliani  für  zweifellos 
gelten  muss.  Auch  sprachlich  tritt  nur  selten  Eigenthüm- 
liches  zur  Erscheinung.  Zum  Unterschied  von  jenen  ver- 
kürzenden Bearbeitungen  der  Lex  Romana  Visigothorum 
will  aber  unser  Auszug,  wie  schon  die  üeberschrift  ver- 
kündet, nicht  ein  Abbild  der  ganzen  Novellenvorlage 
liefern,  sondern  lediglich  die  auf  den  Ordo  ecclesiasticus 
bezüglichen  Novellen  Justinians,  bezw.  den  den  Ordo  eccle- 
siasticus betreffenden  Theil  der  Epitome  luliani,  wieder- 
geben bezw.  verkürzen.  In  Wahrheit  sind  aber  durchaus 
nicht  alle  auf  den  Ordo  ecclesiasticus  bezüglichen  Capitel 
der  Epitome  luliani  bearbeitet  worden:  es  fehlen  die  auf 
den  Osten  bezüglichen  Texte,  ferner  die  zahlreichen  Be- 
stimmungen, welche  dem  geistlichen  Stande  —  abgesehen 
von  den  Personen  weiblichen  Geschlechts  —  mit  Bezug 
auf  Geschlechts-  und  eheliche  Verhältnisse  Beschränkungen 
auferlegen,  auch  zahlreiche  sonstige  Capitel  der  Novellen- 
sammlung» Das  Mass  des  vom  Verfasser  bearbeiteten  Ma- 
terials, die  Reihenfolge,  in  welcher  es  vorgetragen  wird, 
auch  das  gelegentliche  Zusammenarbeiten  verschiedener 
Stücke  der  Vorlage  zu  einem,  ergiebt  die  folgende  üeber- 
sicht,  welche  zu  den  einzelnen  Capiteln  des  Auszugs,  die 
ich    dem   Rubrikenregister    gemäss    aufführe  ^,    die   Quelle 

1)  Dasselbe  ist  weithin  in  vulgärlateinischer  Fassung,  aber  auch  sehr 
corrumpiert  überliefert.  Aus  diesem  Grunde  gebe  ich  auch  zuweilen  die 
Üeberschrift  in  der  Form,  wie  sie  in  der  Sammlung  selbst  lautet. 


Der  Novellenauszug  De  ordine  ecclesiastico.  343 

verzeichnet.  Da  die  Capitelrubriken  des  Auszugs  von  den 
Ueberschriften,  welche  die  vom  Verfasser  benutzten  Stücke 
in  der  Epitome  luliani  besitzen,  durchaus  abweichen,  zu- 
gleich aber  zum  Theil  unzureichend  sind,  würde  es  bezüg- 
lich einer  Anzahl  von  Capiteln  aus  der  Zahl  derjenigen, 
deren  Text  in  der  Hs.  nicht  erhalten  ist,  unmöglich  sein, 
mit  Sicherheit  die  Quelle  anzugeben,  wenn  uns  nicht  die- 
selben, worauf  ich  zurückkomme,  bei  Benedikt  Levita  er- 
halten wären.  Dank  dieses  Hilfsmittels  lässt  sich  der 
vom  Verfasser  benutzte  Text  der  Novellensammlung  nur  in 
sehr  wenigen  Fällen  nicht  sicher  feststellen. 

1  De  ordinando  episcopo  (Const.)  6,  (cap.)  1, 

2  De  consecracione  episcopi  115,  2. 

3  Ut  episcopus  sit  liber  omnibus  nexibus  115,  6. 

4  De  accusatore  contra  ordinacionem  episcopi     115,  3; 

6,  1;   115,  3  u.  4. 

5  Ut  episcopus  per  semetipsum  non  litiget  6,  2. 

6  De  non  cogendo  episcopo  ad  iuditium  venire  115,  9u.  10. 

7  De  accusacione  contra  episcopum 

8  De  iniuria  episcopi  et  letanea  sub versa 

9  Ut  episcopus  neminem  cedat 

10  De  rebus  episcopi 

11  De  intestato  episcopo 

12  De  episcopo  expulso  de  civitate 

13  De  non  excumunicando  sine  causa 

14  De  ordinibus  sacris 

15  De  multitudine  clericorum 

16  De  clericus  qualis  fiant  (Quales  sint  clerici 
in  der  Sammlung) 

17  De  clericis  qui  de  eclesia  desistunt 

18  Ut  clerici  non  habeant  acciones  seculares 

19  De  clericis  falsariis 

20  De  clerico  ad  tutelam  vocato 

21  De  clericis  ad  tabulas  ludentes 

22  De  sanctis  eclesiis 

23  De  rebus  eclesie  inlicitae  contractis 

24  De  Sacra  vasa 

25  De  mutuato  sancto  loco 

26  De  emphiteoseos  contractus 

27  De  commutacione  inter  eclesias 

28  De  eclesiastica  munera 

29  De  possessionibus  ad  religiosa  loca  pertinentibus  119,  5. 

30  De  redemptione  captivorum  119,  12 

31  De  abbate  creando  et  de  sanctis  monialibus    115,  54. 


115, 

39. 

115, 

52. 

115, 

16. 

119, 

17. 

119, 

18. 

115, 

17. 

115, 

15. 

6 

,  7. 

6 

,  8. 

6 

,  4. 

51 

,  1- 

115 

,8, 

115, 

33. 

115 

7. 

115, 

13. 

7 

1. 

111 

9. 

7,  8  u 

7. 

7, 

6. 

7, 

3. 

48, 

2. 

119, 

8. 

344  Max  Conrat. 

32  De  monacho  creando  et  non  statim  ordinando    (?)  4,  2. 

33  De  monacho  vel  monacha  70,  1. 

34  De  monachis  coste  munialibus 

(lies  'sanctimonialibus'  oder  dergleichen)         73,  1 — 3. 

35  De  monaclio  qui  monasterio  suo  demiserit    4,  5.  7.  8. 

36  De  servo  in  monasterio  positum  115,  55. 

37  De  bis  qui  in  monasterio  ingrediuntur  ?     ^. 

38  De  monachis  laicis  115,  66. 

39  De  sponso  vel  sj)onsa  in  monasterio  ingresos  115,  60. 

40  De  eclesia  aedificanda  61,  1. 

41  De  his  qui  in  domum  suam  oraturium  habuerit  52,  1. 

42  De  electione  abbastissae  115,  54. 

43  De  diaconissa  6,  6. 

44  De  relegiosa  muliere  decepta  115,  67. 

45  De  restituendum  monastario  7,  11. 

46  De  litigatoribus  69,  7. 

47  De  scenicis  115,  68. 

48  De  blasfemia  in  Deo  71,  1. 

49  De  berede  qui  piam  dispositionem  non  implet  119,  13. 

50  De  Falcidia  .  .  loca  minuenda-  (?)  119,  14. 

51  De  rebus  que  paganis  non  conceduntur  119,  19. 

52  De  prescriptione  XL  annorum  119,  6. 

Ich  habe  mich  soeben  bei  der  Eeconstruction  der  in 
dem  Cod.  Phillips  nur  fragmentarisch  überlieferten  Schrift 
De  ordine  ecclesiastico  der  Capitulariensammlung  des 
Benedikt  Levita  bedient.  Es  besteht  nämlich  zwischen 
jener  und  dieser  (B.),  den  dritten  Anhang  (Add.  III)  ein- 
geschlossen, das  folgende  Verhältnis.  Von  den  31  Capiteln, 
deren  Text  die  Hs.  liefert,  kehren  12  völlig,  und  zwar  auch 
mit  Bezug  auf  die  Eubrik,  übereinstimmend  in  B.  und 
Add.  III  wieder.  Wenn  dann  aber  aus  der  Zahl  der  21 
Capitel  der  Sammlung,  von  welchen  der  Cod.  Phillips 
nur  die  üeberschrift  erhalten  hat,  B.  und  Add.  III  18 
übereinstimmende  Capitelrubriken  mit  zugehörigem  den 
Text  der  Epitome  luliani  epitomierenden  und  auf  kirchliche 
Angelegenheiten  bezüglichen  Inhalt  überliefern,   so  ist  an- 


1)  Benedikt  Levita  hat  das  Capitel  nicht  aufgenommen.  Es  lässt 
sich  nach  der  Rubrik  nicht  sagen,  von  welchem  Text  aus  Const.  4  oder  115 
der  Epitome  luliani  die  Rede  war.  2)  Der  Text  ist  corrumpiert:  statt 
der  Punkte  liest  die  Hs.  |)  p»".  a.  Dass  das  Capitel  Const.  119  c.  14  ent- 
halten hat,  begründe  ich  mit  dem  Umstand,  dass  c.  13  derselben  Consti- 
tution vorausgeht,  und  die  überlieferten  "Worte  eine  solche  Auffassung 
nahe  legen  (man  lese  dann  etwa  'De  Falcidia  episcopi  cura  loca  [statt 
'locorum']  minuenda'). 


Der  Novellenauszug  De  ordine  ecclesiastico. 


345 


zunehmen,  dass  diese  18  Capitel  von  B.  und  Add.  III  18 
von  den  21  Capiteln  unserer  Schrift  gleichkommen,  so  dass 
uns  demnach  die  Sammlung  bis  auf  3  Capitel  bekannt  ist. 
Um  so  mehr,  vrenn  sie  in  der  Art  der  Epitomierung  völlig 
den  in  der  Hs.  überlieferten  Capiteln  gleichen.  Dabei 
kommt  jedoch  in  Betracht,  dass  die  Capitulariensammlung 
einzelne  der  18  Capitel  in  einer  den  klerikalen  Zwecken 
derselben  entsprechend  bearbeiteten  Fassung  bietet,  während 
daneben  jedoch  regelmässig,  meistens  in  Add.  III,  die  reine 
und  offenbar  dem  Auszug  De  ordine  ecclesiastico  eigenthüm- 
liche  Form  erhalten  ist  ^.  Ich  gebe  hiermit  das  Register 
der  bezüglichen  Texte,  wobei  die  bearbeiteten  durch  Cursiv 
kenntlich  gemacht  sind. 


8  = 

B. 

2, 

129; 

Add. 

III, 

28. 

11  = 

Add. 

III, 

31. 

14  = 

B. 

2, 

128; 

Add. 

III, 

34. 

15  = 

B. 

2, 

127; 

Add. 

III, 

37. 

16  = 

B. 

2, 

126; 

Add. 

III, 

40. 

17  = 

B. 

2, 

125; 

Add. 

III, 

43. 

18  = 

B. 

2, 

124; 

Add. 

III, 

46  u.  47 

19  = 

B. 

2, 

123. 

20  = 

Add. 

III, 

50. 

21  = 

Add. 

III, 

53. 

22  = 

Add. 

III, 

56. 

29  = 

B. 

2, 

109. 

33  = 

B. 

2, 

110. 

34  = 

B. 

1, 

378; 

Add. 

III, 

59. 

35  = 

B. 

1, 

379  u. 

2, 

108; 

Add. 

III, 

62. 

36  = 

B. 

1, 

380. 

38  = 

B. 

1, 

381; 

Add. 

III, 

66. 

39  = 

Add. 

III, 

69. 

40  = 

B. 

1, 

382; 

Add. 

III, 

72. 

41  = 

B. 

1, 

383  u. 

2, 

102; 

Add. 

III, 

75. 

42  = 

B. 

1, 

384. 

43  = 

Add. 

III, 

78. 

44  = 

B. 

1, 

385  u. 

2, 

100; 

Add. 

III, 

81. 

45  = 

B. 

1, 

386. 

46  = 

B. 

1, 

387. 

47  = 

B. 

1, 

388. 

48  = 

B. 

2, 

101\ 

Add. 

III, 

84. 

1)  Capp.  45  u.  46,  welche  B.  1,  386  u.  384  liefert,  sind  lediglich  in 
überarbeiteter  Form  erhalten. 


346  Max  Conrat. 

49  =  Add.  III,  87. 

51  =  Add.  III,  90. 

52  =  B.  1,  389. 

Die  Bedeutung  dieses  Thatbestandes  liegt  nicht  ledig- 
lich darin,  dass  sich  in  Folge  desselben  die  fragmentarische 
IJeberlieferung  unseres  Auszugs,  welche  Cod.  Phillips  liefert, 
in  sehr  erheblichem  Maasse  ergänzen  lässt.  Vielmehr  er- 
giebt  derselbe  auch  einen  Beitrag  zu  den  Quellenverhält- 
nissen des  Benedikt  Levita.  Abweichend  von  Pseudo-Isidor 
und  den  Capitula  Angilramni  findet  sich  in  der  Capitularien- 
sammlung  des  Benedikt  Levita  nebst  Anhang  von  den 
Quellen  römischen  Rechts  auch  die  Novellensammlung  des 
Julian  in  Contribution  gesetzt  ^.  Und  zwar  in  der  Gestalt, 
welcher  wir  in  unserer  Schrift  De  ordine  ecclesiastico  be- 
gegnen und  lediglich  in  dieser:  denn  andere  Texte,  welche 
auf  die  Epitome  luliani  zurückgehen,  als  die  angeführten, 
werden  nicht  benutzt  ^.  Man  darf  sich  das  Verhältnis 
beider  Schriften  dann  offenbar  nicht  in  der  Weise  zurecht- 
legen, dass  Benedikt  und  Anhang  für  die  Quelle  der 
Sammlung  De  ordine  ecclesiastico  zu  gelten  hat.  Denn 
ganz  abgesehen  voii  dem  Altersverhältnis,  welches  eine 
solche  Annahme  ausschliesst,  hat  letztere  ja  neben  den  mit 
ersteren  gemeinschaftlichen  Texten  auch  solche,  welche  ihr 
eigenthümlich  sind  (Cap.  1—7,  9,  10,  12,  13,  23—28,  30— 
32,  37,  50),  aufgenommen.  Auch  liess  sich  ja  eine  Schrift, 
welche,  wie  unser  Auszug,  ausschliesslich  eine  Zusammen- 
stellung Justinianischen  Novellenrechts  ist  und  in  der  Ueber- 
schrift  als  solche  bezeichnet  wird,  aus  Benedikt  und  Anhang 
gar  nicht  herstellen:  denn  an  letzterer  Stelle  wird  die 
Justinianische  Gesetzgebung  nirgends  als  Quelle  namhaft 
gemacht  und  ist  das  Material  Justinianischen  Ursprungs 
in  die  grosse  Masse  von  Normen  anderer  Herkunft  hinein- 
geschichtet der  Art,  dass  es  einer  wissenschaftlichen  Unter- 
suchung bedarf,  zu  welcher  das  Zeitalter  durchaus  nicht 
befähigt  war,  um  dasselbe  herauszulösen.  Diese  Gründe 
sind  so  schlagend,  dass  man  sich  nicht  auf  den  Umstand 
zu  berufen  braucht,  eine  Schrift,  welche,  wie  der  Auszug 
De  ordine  ecclesiastico,  ausschliesslich  Material  einer  einzigen 


1)  Vgl.  dazu  meine  Gesch.  d.  Quellen  I,  302.  306.  2)  Irrthüm- 
lich  wird,  a.  d.  in  d.  vor.  Note  a.  0.  (S.  302),  entsprechend  der  Annahme 
Savigny's,  Gesch.  d.  röm.  R.  i.  Mittelalt.  II,  478,  auch  für  B.  I,  390  die 
Epitome  luliani  als  Quelle  angegeben  (Const.  115  c.  10):  es  ist  vielmehr 
Br.  C.  Th.  16,  1.  2  Int.  benutzt.  Ebenso  liegt  bei  B.  II,  108  keine  Be- 
nutzung der  Novellensammlung  zu  Grunde. 


Der  Novellenauszug  De  ordine  ecclesiastico.  347 

Quelle  verarbeitet,  müsse  dieser  im  Zweifel  näher  stehen 
als  eine  Arbeit,  die,  wie  Benedikt,  ihr  Material  von  allen 
Seiten  herschafft:  von  dem  Umstände  ganz  abgesehen,  dass 
die  Afterver  wen  düng,  deren  sich  Benedikt  Levita  durch 
klerikale  Bearbeitung  seiner  Texte  schuldig  macht,  den 
relativ  späteren  Ursprung  verräth.  Sonach  bleibt  dann 
nichts  anders  übrig  als  die  Annahme,  dass  entweder  Benedikt 
Levita  nebst  Anhang  den  Auszug  De  ordine  ecclesiastico 
als  Quelle  benutzt  hat,  oder  beide  Producte  auf  eine  ge- 
meinschaftliche Quelle  zurückgehen.  Letztere  ist  dann 
freilich  eine  unbekannte  Grösse,  wird  sich  aber  füglich 
kaum  anders  vorstellen  lassen  als  etwa  in  der  Weise,  dass 
man  eine  Epitomierung  der  ganzen  Novellensammlung 
Julians  supponiert,  aus  welcher  Benedikt  Levita  und  unser 
Auszug  geschöpft  haben.  Aber  wie  auffallend,  dass  Benedikts 
Schrift  dann  gerade  keine  anderen  Texte  aufgenommen  hat, 
als  solche,  welche  sich  auch  im  Auszuge  finden !  Empfiehlt 
sich  aus  diesem  Grunde  die  Annahme,  dass  beide  Schriften 
ihr  Material  einer  gemeinsamen  Quelle  entlehnt  haben,  mit 
nichten,  so  steht  dagegen  der  Auffassung  nichts  im  Wege, 
dass  Benedikt  Levita  und  Anhang  aus  unserm  Auszuge 
geschöpft  hat.  Schon  das  Alter  der  Handschrift,  ganz  ab- 
gesehen davon,  dass  ihr  ein  älterer  Archetyp  vorausgeht, 
nöthigt  zu  der  Annahme,  dass  unsere  Schrift  zur  Zeit  der 
Abfassung  der  Capitulariensammlung  nebst  Anhang  bereits 
vorhanden  war,  so  dass  die  Möglichkeit  einer  Benutzung 
derselben  durch  Benedikt  Levita  besteht.  Der  Umstand, 
dass  die  Hs.^  und  dann  aller  Vermuthung  nach  auch  die 
Vorlage  derselben  gallischen  Ursprungs  ist,  auch  eine 
Spur  auf  sonstiges  Vorkommen  unserer  Sammlung  im  frän- 
kischen Reiche  hinweist-,  gestattet  die  Annahme  einer 
gewissen  Verbreitung  derselben  und  giebt  damit  einigen 
Anhalt  für  die  Vermuthung,  dass  sie  Benedikt  Levita  nicht 
entgangen  ist.  Dass  dieser  nach  unserer  Annahme  sein  auf 
die  Novellen  Justinians  zurückgehendes  Material  nicht  der 
Quelle,  sondern  einer  klerikalen  Zwischenquelle  entlehnt  hat, 
ist  durchaus  nichts  auffallendes.  Es  fehlt  aber  auch  nicht  an 
einem  positiven  Anhalt  dafür,  dass  es  sich  wirklich  so  ver- 
halten hat.    Die  Reihenfolge  der  Capitel  im  Auszug,  welche 

1)  Vgl.  S.  341  N.  2.  Hierfür  spricht  aber  insbesondere  auch,  dass 
der  Codex  die  Epitome  Monachi  der  Lex  Romana  Visigothorum  enthält. 
2)  Im  Kataloge  von  Cluni  saec.  XU.  bei  Delisle,  Gab.  d.  Manuscr.  II,  6  sub 
n.  449,  findet  sich  ein  'volumen  in  quo  continentur  innovationes  legum 
nonnullarum'  (lies  'novellarum').  Dies  könnte  unser  Auszug  sein.  Irrig 
meine  Gesch.  d.  Quellen  I,  39  N.  1. 


348  Max  Conrat. 

von  derjenigen  der  Epitome  Iiiliani  unabhängig  ist  und 
ein  selbständiges  System  befolgt,  das  der  auf  Samm- 
lung des  Materials  De  ordine  ecclesiastico  gerichteten 
Tendenz  entspricht  (Bischof  1  —  13,  clerus  14  —  21,  ecclesia 
und  Kirchengut  22  —  30,  Mönchthum  31  —  46,  Beziehungen 
zu  Weltlichem  47  —  52),  hat  bei  Benedikt  Levita  und  seinem 
Anhang  Spuren  zurückgelassen.  In  dem  letzteren  werden 
die  Capitel  des  Auszugs  sämmtlich,  wenn  auch  nicht  hinter- 
einander, so  doch  in  der  Reihenfolge  des  Auszugs  aufge- 
führt, während  bei  Benedikt  Levita  in  den  beiden  Capitel- 
reihen,  in  welchen  vorzugsweise  die  Texte  des  Auszugs 
wiederkehren  (1,  378—1,  389;  2,  123—129),  die  Systematik 
desselben  zum  Vorschein  kommt. 


Ueber   eine  Quelle  der  römischrechtlichen  Texte 
bei  Hinkmar  von  Rheims. 

Von  Max  Coiirat  (Colin). 

Kein  Autor  des  früheren  Mittelalters  bedient  sich, 
der  Texte  des  römischen  Eechts  in  dem  Masse,  wie 
Hinkmar  von  Rheims^.  Diese  Erscheinung  hat  längst  die 
Aufmerksamkeit  der  Forscher  auf  sich  gelenkt-,  ohne  dass 
sie  jedoch  eine  abschliessende  Darstellung  und  Beurtheilung 
erfahren  hätte  ^  Die  Vorbedingung  hierzu  ist  die  Fest- 
stellung der  Quellen  bezw.  etwaiger  Zwischenquellen,  aus 
welchen  Hinkmar  sein  römisches  Eecht  geschöpft  hat.  In 
ersterer  Hinsicht  ist  es  bekannt,  dass  die  Erwähnungen 
römischen  Rechts  bei  Hinkmar  auf  den  fränkischen  Quellen- 
kreis zurückgehen:  es  bildet  denselben  das  westgothisch- 
römische  Gesetzbuch,  das  sogenannte  Breviar,  welches  ins- 
besondere einen  Auszug  aus  dem  Codex  Theodosiauus, 
dazu  noch  einen  solchen  aus  Novellen,  dem  Gajus  und 
den  Sentenzen  des  Paulus  überliefert,  sowie  das  vollständige 
oder  wenigstens  —  im  Verhältnis  zum  Breviar  —  vervoll- 
ständigte 16.  Buch  des  Codex  Theodosianus.  Hierzu  tritt 
dann  noch  von  der  Justinianischen  Codification  der  unter 
dem    Namen    Epitome    luliani    bekannte    Novellenauszug  ^. 


1)  Seine  Werke  benutze  ich  in  der  Ausgabe  von  Sirmond  (Opp.  I, 
II;  Paris  1645).  Aus  der  Zahl  der  von  Hinkmar  herrührenden  Schriften, 
die  bei  Sirmond  fehlen,  bieten  Texte  römischen  Rechts  die  sog.  Rotula 
und  die  Admonitio,  sowie  ein  damit  in  Verbindung  stehendes  Schreiben 
an  Karl  (vgl.  Schrörs,  Hinkmar,  Erzbisch,  v.  Rheims  S.  301  u.  302), 
welche  ich  in  der  Concilienausgabe  von  Harduin  (V,  1347  ff.  1353  ff.  1357  ff.) 
benutze.  2)  Vgl.  insbesondere  von  Savigny,  Gesch.  d.  röm.  Rechts  im 
Mittelalter  II  -,  280  —  283.  484.  485 ;  Schrörs  a.  d.  N.  1  a.  0.  S.  409  ff. ; 
meine  Gesch.  d.  Quellen  I,  22—25.  88.  629  (zu  S.  88  N.  1).  3)  Auch 
ein  vollständiges  Register  liegt  nicht  vor,  da,  wie  sich  mir  nunmehr  er- 
giebt,  auch  das  zuletzt  veröffentlichte  (Gesch.  d.  Quellen  I,  23 — 25  in  den 
Noten)  nicht  ohne  Lücken  ist.  4)  Es  sei  noch  erwähnt,  dass  eine  An- 
zahl Texte  der  Justinianischen  Codification  durch  das  Commonitorium 
Gregors  I.  (Reg.  XIII,  50  nach  der  Monumentenausgabe)  vermittelt  ist. 
Die  von   Hinkmar   erwähnten   Texte   der  Lex  Dei  sind  ihm   durch   den 


350  Max  Conrat. 

Die  folgenden  Zeilen  stellen  sich  dann  die  Aufgabe,  die 
Erage  zu  untersuchen,  welcher  Zwischenquelle,  im  Falle 
eine  solche  vorliegt,  der  Verfasser  sich  bei  Benutzung  von 
Texten  aus  dem  16.  Buche  des  Codex  Theodosianus  bedient 
hat.  Wenn  dieses  Unternehmen  an  und  für  sich  nicht  be- 
deutend ist,  so  kommt  doch  in  Betracht,  dass  die  folgende 
Inangriffnahme  desselben  zugleich  die  Lösung  der  Aufgabe 
enthält  und  somit  eine  Basis  bietet  für  Quellenunter- 
suchungen mit  Bezug  auf  Rechtsdenkmäler  des  9.  Jh.,  deren 
Entstehungsverhältnisse  denjenigen  von  Hinkmars  Schriften 
verwandt  sind  ^. 

Der  Schriftsteller  benutzt  die  folgenden  Constitutionen 
aus  dem  16.  Buche  des  Codex  Theodosianus  (C.  Th.): 
(Tit.)   1:    (const.)  2  (I,  336  und  337)2, 

2:    8  (II,  318  und  319).    12  (II,  325;  Hard.^  V,  1347; 
Hard.  V,  1356). 

16(11,319;  Hard.  V,  1357).  23(11,325).  26(11,319). 

29  (II,  319).  30  (II,  319).  31  (II,  319).  34  (II,  320). 

35  (II,  710).      38  (II,  328).     41  (II,  326  und  785). 

44  (I,  718  und  719;  II,  786).  47  (II,  327;  Hard.  V, 
1357). 

2  (I,  337). 

1  (1,337).  6  (1,337).  60  (1,337  und  338).  62  (1,337). 

1  (I,  1  und  2). 

Es  sind  dieses  Texte,  welche  zu  einem  kleinen  Theil 
auch  dem  westgothisch- römischen  Gesetzbuch,  dem  Breviar 
(Br.),  angehören  (16,  2,  12  =  Br.  C.  Th.  16,  1,  2;  16,  2,  23  = 
Br.  C.  Th.  16,  1,  3;  16,  2,  35  =  Br.  C.  Th.  16,  1,  4;  16,  2,  44  = 
16,  1,  6),  und  der  Schriftsteller  bedient  sich  mit  Bezug  auf 
dieselben  mehrfach  der  im  Breviar  den  Legaltext  beglei- 
tenden Interpretation  (Br.  C.  Th.  16,  1,  2  [II,  325;  Hard.  V, 
1347  und  1356];  Br.  C.  Th.  16,  1,  3  [II,  325];  Br.  C.  Th.  16, 
1,  6  [I,  718  und  719;  II,  786]). 

Für  eine  kleine  Zahl  der  bezeichneten  Texte  ergiebt 
sich   eine  Zwischenquelle   aus    der   folgenden  Betrachtung. 

Appendix  der  Epitome  luliani  bekannt  geworden  (vgl.  Mommsen,  Coli. 
libr.  iuris  antei.   111,  112   u.  120).  1)    Die   Frage   ist   bereits   gestellt 

und  in  dem  Sinne  der  folgenden  Erörterung  beanwortet  in  Gesch.  d. 
Quellen  I,  256  u.  insbes.  N.  2.  Die  Behandlung  ist  hier  aber  eine  durchaus 
summarische  und  nicht  ganz  erschöpfend.  Auch  habe  ich  inzwischen  die 
Sammlung,  welche  die  Quelle  des  Hinkmar  enthält,  in  dem  Cod.  Phillips  (jetzt 
Cod.  Berol.)  einzusehen  Gelegenheit  gehabt,  mit  Ausnahme  der  Blätter, 
welche  im  Cod.  Reg.  Suec.  1283  erhalten  sind,  die  ich  aber  —  nach  der 
Beschreibung  bei  Haenel,  Lex  Romana  Visigothorum  —  hier  als  integrie- 
renden Bestandtheil  des  Cod.  Phillips  behandle.  2)  Opp.  ed.  Sirmond. 
3)  Acta  Coneiliorum. 


4 

5 

11 


Heber  e.  Quelle  der  römisclirechtliclien  Texte  Hinkmars.     351 

In  der  Schrift  Hinkroars  De  praedestinatione  werden  an 
einer  Stelle  und  hinter  einander  4  aus  der  Zahl  der  oben 
verzeichneten  Constitutionen  ausgeschrieben  (16,  1,  2;  16, 
4,  2;  16,  5,  6  und  62  [I,  336  und  337).  Es  begegnet  hier  die- 
selbe aus  verschiedenen  Titeln  mit  zahlreichen  Constitutionen 
getroffene  Auswahl  von  Texten,  die  im  Breviar  fehlen,  so- 
dann dieselbe  Citierweise,  Angabe  des  16.  Buchs,  der  Titel- 
rubrik und  Inscription  der  Constitution,  schliesslich  dieselbe 
Reihenfolge,  —  sogar  im  Wesentlichen  die  gleiche  Art  der 
Verknüpfung  der  Texte,  —  welcher  wir  im  54.  Capitel  der 
sogenannten  Quesnelschen  Sammlung  begegnen  ^.  Zieht 
man  dazu  in  Betracht,  dass  Hinkmar  nirgends  sonst  die 
Rubrik  namhaft  macht,  wie  sich  auch  den  erwähnten  Texten 
unmittelbar  eine  in  anderer  Weise  citierte  Constitution 
anschliesst  2,  so  wird  man  an  der  Vermittlung  der  4  Gesetze 
durch  die  Quesnel'sche  Sammlung,  welche  aus  dem  voll- 
ständigen Codex  Theodosianus  schöpfen  konnte,  nicht 
zweifeln  dürfen  ^. 

Bezüglich  der  übrigen  Texte  wird  sich  schwerlich  be- 
streiten lassen,  dass  Hinkmar  dieselben,  wenn  auch  nicht 
nothwendig  dem  Gesetzbuch,  so  doch  immerhin  einer  den 
Decimus  sextus  liber  Theodosianae  legis  darstellenden 
Ueberlieferung  entlehnt  hat.  Denn  der  Schriftsteller  be- 
zeichnet mehrfach  das  16.  Buch  als  Quelle  seiner  Texte  ^, 
wie  dieses  von  ihm  auch,  obschon  in  verschiedenen  Be- 
zeichnungen (II,  672  Liber  XVI.  legis  Romanae;  II,  218 
Sextus  decimus  liber  legum),  als  der  Sitz  der  kaiserlichen 
Gesetze  über  kirchliche  Angelegenheiten  namhaft  gemacht 
wird  ^.  Tritt  man  aber  der  Frage  näher,  ob  das  Gesetzbuch 
oder  eine  Zwischenquelle  der  bezeichneten  Art  benutzt  ist, 
so  bietet  der  Umstand,  dass  die  von  Hinkmar  verwendeten 
Texte  bald  ausschliesslich  dem  echten  Codex  Theodosianus, 


1)  Ed.  (Venet.  1757 ;  Appendix  ad  S.  Leonis  M.  Opera  [III])  p.  393. 

2)  In  libro  decüno  sexto  Theodosianae  legis  capite  quarto  (I,  837  u.  338). 

3)  Direct  oder  indirect,  insofern  unmittelbar  aus  einer  von  der  Quesnel- 
schen  abhängigen  Sammlung  geschöpft  sein  könnte  (vgl.  Gresch.  d.  Quellen 
I,  145).  4)  Es  heisst  (II,  320)  nach  Aufzählung  einer  Reihe  von  Texten 
(16,  2,  8.  16.  26.  29.  30.  31.  34):  'sed  scio  sapientiam  vestram  ex  iis,  quae 
de  decimo  sexto  libro  Theodosianae  legis  sunt  posita  debere  comprehen- 
dere  plura'.  Vgl.  femer  die  N.  2  angeführte  Stelle.  5)  II,  672  'Lege 
librum  XVI.  legis  Homanae,  lege  decreta  Damasi,  percurre  Leonis  episto- 
las,  et  ceterorum  pontificum  de  diversis  conciliis  ad  imperatores  trans- 
missas :  revolve  Augustorum  edicta  de  haereticis  ad  petitionem  pontificum 
promulgata,  scrutare  Caesarum  nostrorum  capitula,  et  invenies  quantum 
profuerit  atque  prosit  legum  severitas,  non  solum  ecclesiasticae  lenitati, 
verum  totius  Christianitatis  optandae  paci  et  coiendae  tranquillitati'. 


352  Max  Conrat. 

bald  auch  dem  Breviar  angehören,  und  in  diesem  Falle 
zum  Theil  mit  der  dem  letzteren  eigenen  Interpretation  auf- 
geführt werden,  keinen  weiteren  Anhalt  für  die  Annahme 
eines  eigenthümlich  gestalteten  Mittelgliedes:  Hinkmar 
könnte  aus  dem  Breviar  und  einem  selbstständig  überlieferten 
Liber  decimus  sextus  Theodosianae  legis  geschöpft  haben 
oder  —  was  noch  einleuchtender  erscheint  —  aus  einem 
um  Constitutionen  des  16.  Buchs  vermehrten  Breviar,  wie 
uns  dergleichen  die  Ueberlieferung  des  westgothisch - 
römischen  Gesetzbuchs  erhalten  hat  ^  Dagegen  fehlt  es 
in  der  That  nicht  an  einem  Umstand,  welcher  auf  die  Be- 
nutzung einer  solchen  durchaus  eigenartigen  Zwischenquelle 
hinweist. 

Es  finden  sich  bei  Hinkmar  unter  der  Zahl  der  mit 
Inscription  citierten  Constitutionen  mehrere,  welche  eine 
falsche  Inscription  haben,  und  zwar  gilt  das  sowohl  von 
solchen,  welche  ausschliesslich  dem  Codex  Theodosianus 
angehören,  wie  von  Constitutionen  des  Breviars.  Sämmtlich 
gehören  sie  dem  zweiten  Titel  an,  welcher  im  Breviar  den 
ersten  bildet.  Ich  habe  dabei  nicht  Abweichungen  von 
der  Ueberlieferung  im  Auge,  welche  sich  am  füglichsten 
mit  der  Annahme  fehlerhafter  Auflösung  eines  in  Abkürzung 
geschriebenen  Kaisernamens,  sei  es  schon  in  der  von  Hink- 
mar benutzten  Quelle,  sei  es  erst  durch  Hinkmar,  erklären 
lassen  2.  Es  handelt  sich  vielmehr  darum,  dass  Hinkmar 
unter  den  dem  16.  Buche  des  Codex  Theodosianus  ange- 
hörigen  Constitutionen  eine  Anzahl  mit  Inscriptionen  auf- 
führt, die  zu  den  authentischen  durchaus  keinen  Bezug 
haben,  während  sie  wohl  zu  andern  Constitutionen  passen : 
man  könnte  darum  auch  die  fehlerhafte  Setzung  der  In- 
scriptionen bei  Hinkmar  ^   von  welcher   hier  die  Rede  ist, 


1)  Vgl.  Gesch.  d.  Quellen  I,  lU.  2)  16,  2,  8  wird  statt  dem  Con- 
stantius  dem  Constantinus  magnus  zugeschrieben  (II,  318  u.  .319).  Ebenso 
demselben  Kaiser  16,  2,  12  (Br.  C.  Th.  16,  1,  2),  statt  Constantius  und 
Constans  (II,  325,  nach  der  Hard.  V,  1335  ergänzten  Lesung)  (vgl.  je- 
doch S.  353  N.  2).  Ein  Fehler  anderer  Art  hegt  vor,  wenn  16,  2,  41  mit 
den  "Worten  'Item  idem'  auf  den  unmittelbar  zuvor  genannten  Theodosius 
christianissimus  imperator,  Theodosius  den  Grossen,  hinweist,  während 
die  Constitution  von  Theodosius  II.  und  Honorius  herrührt.  Letzterer 
wird  auch  an  einer  anderen  Stelle  mit  genannt  (II,  326  und  785). 
3)  Gewiss  ist  die  Versetzung  dem  Hinkmar  selbst  eigenthiimlich.  Die 
Erklärung  des  Sachverhalts  aus  einem  Druckerversehen  oder  mit  der  An- 
nahme einer  Interpolation  von  Seiten  des  Herausgebers  ist  völlig  unzu- 
lässig. Aber  auch,  dass  nicht  Hinkmar  selbst,  sondern  erst  die  vom 
Herausgeber  benutzte  Hs.  in  Folge  eines  Versehens  des  Abschreibers  die 
Versetzungen  hatte,  darf  für  ausgeschlossen  gelten,  und  ist  geradezu  un- 
möglich,  wenn  —  wie   dies   mehrfach  der  Fall  ist  —  die  fehlerhafte  In- 


Ueber  e.  Quelle  der  römischreclitlichen  Texte  Hinkmars.      353 

als  eine  Versetzung  von  Inscriptionen  charakterisieren.  Es 
handelt  sich  um  die  folgenden  Inscriptionen,  denen  ich 
zur  Eechten  die  authentische  Inscription  gegenüberstelle. 
Ich  halte  hierbei  Constitutionen,  die  ausschliesslich  im 
echten  Codex  Theodosianus  stehen,  und  solche,  die  auch 
im  Breviar  vorkommen,  auseinander. 

Codex  Theodosianus: 

16,  2,  16. 
Constantius   (quoque,    licet        lidem     AA.      (Constantius 
Arrianus  fuerit  ^)  et  Constans    et  lulianus :    cf .  const.   14  u. 
(II,  819).  10). 

16,  2,  26. 
Valentinianus  et  Valens  (II,        lidem  AAA.  (Gratianus  Va- 
319).  lentinianus     et     Theodosius : 

cf.  const.  25), 
16,  2,  47. 
Honorius  et  Theodosius  (in        Idem  A.  et  C.  (Theodosius 
lege    data  ecclesiae  scribunt)    A.    et  Valentinianus    C. :    cf. 
(Hard.   V,    1357)    (in    edicto    const.  46). 
Honorii    et  Theodosii    mani- 
festatur  ...  in  eodem  edicto 
demonstrant  dicentes  [11,327]). 

Breviar : 

16,   1,  2  (=  C.  Th.  16,  2,   12  2). 
Gratianus  Valentinianus  et        Constantius  et  Constans. 
Theodosius        (constituerunt) 
(Hard.    V,     1347)    (sanctione 
legis  Gratiani  Valentiniani  et 
Theodosii  [Hard.  V,  1356]). 

16,   1,  4  (=  C.  Th.  16,  2,  35). 
Valens  Gratianus  et  Valen-        Arcadius  et  Honorius. 
tinianus  (II,  710). 

16,   1,  6  (=  C.  Th.   16,  2,  44). 
Valens  Gratianus  et  Valen-        Honorius  et  Theodosius. 
tinianus  (II,  786). 

scribierung  an  mehreren  und  völlig  getrennten  Stellen  der  Hinkmarschen 
Schriften   wiederkehrt.  1)    Um   dieses  Zusatzes   willen    darf  man    an- 

nehmen, dass  Hinkmar,  wenn  er  an  einer  anderen  Stelle  die  gleiche  Con- 
stitution namhaft  macht,  in  der  Inscription  statt  Constantinus  et  Constans, 
wie  Hard.  V,  1357  liest,  vielmehr  Constantius  et  Constans  geschrieben 
haben  wird.  2)  Derselbe  Text  wird  an  einer  dritten  Stelle  dem  Con- 
stantinus zugeschrieben  (vgl.  S.  352  N.  2).  Sollte  hier  etwa  eine  Inter- 
polation vorliegen?  Die  Ausgabe  von  Sirmond  (II,  325)  ergiebt  keine 
Inscription. 

Neues  Archiv  etc.     XXIV.  28 


354  Max  Conrat. 

Betrachtet  man  dann  zunächst  die  Versetzungen  in 
den  drei  Constitutionen  des  echten  Codex  Theodosianus,  so 
ergiebt  sich  in  dem  Punkte  Uebereinstimmung,  dass  bei 
Hinkmar  statt  des  die  authentische  Inscription  bildenden 
Pronomens  lidem  (Idem),  welches  den  Hinweis  auf  eine 
voranstehende  Inscription  enthält,  gerade  nicht  die  letztere, 
sondern  die  für  eine  andere  Constitution  passende,  aber 
nicht  in  Bezug  genommene  verwendet  ist.  Es  liegt  dann 
auf  der  Hand,  dass  diese  Erscheinung  sich  sehr  einfach 
erklären  würde,  wenn  in  der  vom  Verfasser  benutzten 
das  16.  Buch  des  Codex  Theodosianus  darstellenden  Ueber- 
lieferung  die  von  Hinkmar  verwendeten  Texte  mit  der 
authentischen  Inscription  lidem  (idem)  im  Anschluss  an 
Constitutionen  aufgenommen  waren,  welche  die  von  Hink- 
mar verzeichneten  Inscriptionen  besassen.  Bezüglich  der 
Versetzungen  in  den  drei  Texten  des  Breviars  ist  der  Sach- 
verhalt nicht  der  gleiche :  denn  dieselben  führen  im  Breviar, 
wie  oben  gezeigt  ist,  nicht  das  Pronomen  lidem,  sondern 
vielmehr  die  Namen  der  constituierenden  Kaiser.  Nimmt 
man  daher  an,  dass  Hinkmar  die  drei  Constitutionen  dem 
Breviar  entlehnt  hat,  so  fehlt  die  Möglichkeit,  die  beregte 
Versetzung  der  Inscriptionen  aus  der  Annahme  eines  That- 
bestandes  herzuleiten,  welcher  die  entsprechende  Erscheinung 
mit  Bezug  auf  die  dem  Codex  Theodosianus  entlehnten 
Texte  so  einfach  zu  erklären  geeignet  ist.  Hingegen  kommt 
in  Betracht,  dass  die  drei  Constitutionen,  welche  im  Bre- 
viar die  Namen  der  constituierenden  Kaiser  tragen,  im 
echten  Codex  Theodosianus  mit  lidem  (Idem)  überschrieben 
sind.  Wenn  daher  Hinkmar  auch  diese  Texte  aus  einer 
das  16.  Buch  in  der  Gestalt  des  echten  Codex  Theodosianus 
darstellenden  Ueberlieferung  geschöpft  hätte,  wäre  eine 
Erklärung  der  beregten  Versetzung  aus  der  Supposition  einer 
eigenartigen  Reihenfolge  bezw.  Auswahl  möglich. 

Giebt  es  eine,  sämmtliche  von  Hinkmar  benutzte  Con- 
stitutionen, soweit  sie  hier  in  Frage  stehen,  umfassende,  das 
16.  Buch  des  Codex  Theodosianus  darstellende  Ueber- 
lieferung? Giebt  es  eine  Ueberlieferung  dieser  Art,  aus 
deren  Benutzung  die  Inscriptionenversetzung  mit  Bezug  auf 
die  drei  dem  echten  Codex  Theodosianus  eigenthümlichen 
Texte  in  der  obigen  Weise  sich  erklären  lässt?  Ist  dann 
endlich  eine  Ueberlieferung,  welche  den  bezeichneten  An- 
sprüchen genügt,  zugleich  auch  im  Stande,  durch  ihre  eigen- 
thümliche  Gestaltung  die  beregte  Versetzung  der  Inscriptionen 
in  den  drei  Constitutionen,  welche  im  Breviar  vorkommen, 
zu  erklären  ?     In  der  That  bildet   eine   solche  einen  Theil 


Ueber  e.  Quelle  der  römiscilrechtlichen  Texte  Hinkmars.     355 

der  Sammlung  des  Cod.  S.  German.  366  und  Phillips  1741. 
Dann  aber  darf  man  gewiss  in  ihr  die  Zwischenquelle 
erblicken,  auf  welche  die  in  Frage  stehenden  Erwähnungen 
von  Texten  des  Decimus  sextus  liber  Theodosianae  legis 
zurückgehen. 

Es  enthält  die  genannte  Sammlung  ^,  welche  in  den 
beiden  verzeichneten  Handschriften,  dem  Cod.  S.  German. 
366,  jetzigen  Cod.  Paris.  Lat.  12445,  und  dem  Cod.  Phillips 
1741,  jetzigen  Cod.  Berol.  82  2,  vorliegt,  unter  der  üeber- 
schrift  Incipit  Liber  XVI.  einen  Auszug  aus  dem  16.  Buche 
des  echten  Codex  Theodosianus,  mit  einem  Anhang,  in 
14  durch  fortlaufende  ZifPern  kenntlich  gemachten  Ab- 
schnitten. Die  einzelnen  Abschnitte  werden  in  der  Reihen- 
folge des  Gesetzbuchs  von  Constitutionen  aus  je  einem 
Titel  gebildet,  wobei  jedoch  in  Betracht  kommt,  dass  der 
dritte  Titel  nicht  ausgezogen  ist.  Der  Mehrzahl  nach  sind 
die  ausgezogenen  Constitutionen,  welche  im  Wesentlichen 
die  Reihenfolge  der  Vorlage  innehalten,  nur  im  echten 
Codex  Theodosianus  vertreten.  Sehr  bemerkenswerth  ist 
dann  aber,  dass  der  zweite  Titel  zweimal  in  verschiedenen 
Reihen  aufgenommen  ist.  Beide  Reihen  sind  dann  zwar 
dem  echten  Codex  Theodosianus  entlehnt,  da  in  beiden  die 
demselben  eigenthümlichen  Inscriptionen,  nicht  diejenigen 
des  Breviars,  wo  diese  abweichen,  auftreten;  jedoch  ent- 
hält die  erste,  den  zweiten  Abschnitt  bildende  Reihe  lediglich 
Constitutionen,  welche  zugleich  im  Breviar  stehen,  und 
neben  dem  Legaltext  auch  die  Interpretation,  während  die 
zweite,  den  dritten  Abschnitt  darstellende  längere  Reihe 
ausschliesslich  Texte  bietet,  die  dem  Breviar  fremd  sind, 
und  zum  Schluss  die  eine  aus  dem  vierten  Titel  aufge- 
nommene Constitution  (2).  Auf  die  sich  danach  ergebenden 
10  Abschnitte  folgen  dann  in  den  weiteren  4  Abschnitten 
die  ersten  7  Sirmondischen  Constitutionen,  an  deren  letzte, 
im  letzten  14.  Abschnitt,  sich  noch  eine  Reihe  von  Texten 
aus  dem  Breviar  mit  der  Interpretation  desselben  anschliesst. 

Aus  einer  Vergleichung  des  Inhalts   der  Sammlung^, 


1)  Vgl.  Haenel,  a.  a.  0.  p.  lxxxv  u.  lxxxvi  ;  Gesch.  d.  Quellen  I, 
255  u.  256.  2)    Nach   letzterem   wird   die   Sammlung    im    Texte    be- 

schrieben.        3)  Ich  gebe  hiermit  eine  Inhaltsangabe  der  Sammlung: 
I     Ruhr.  1.  16,  1,  2.  3. 
n     Ruhr.  2.  16,  2,  2.  12.  23.  35.  39.  44   cum    interprett.   Brev.  (es 

fehlt  jedoch  'Haec  lex  interpr.  non  indig.'  zu  const.  39). 
ni     16,   2,    1—4.  8.  10.  14.  16.     Ruhr.  2.  19    ('Impp.  Valentinianus 
et  Valens').  20.  26.  29.  30.  31.  34.  36.  38.  40.  11.  47.  —  Ruhr.  4. 
16,  4,  2  ('Imppp.  Valentinianus  Theodosius  et  Archadius'). 

23* 


356  Max  Conrat. 

welche  in  der  That  eine  Ueberlieferung  des  Liber  XVI 
darbietet,  wie  angekündigt,  ergiebt  sich  dann,  dass  die  von 
Hinkmar  erwähnten  Texte  des  16.  Buchs,  soweit  sie  hier 
in  Frage  kommen  ^,  sämmtlich  in  der  Sammlung  wieder- 
kehren. Es  zeigt  sich  ferner,  dass  die  Constitutionen,  so- 
weit sie  ausschliesslich  dem  echten  Codex  Theodosianus 
angehören,  mit  ihrem  lidem  (Idem)  auf  vorangehende,  wenn 
auch  nicht  unmittelbar  voranstehende  Constitutionen  — 
denn  auch  letztere  haben  zum  Teil  ein  lidem  (Idem)  —  hin- 
weisen, welche  die  von  Hinkmar  verwendeten  Inscriptionen 
führen  (16,  2,  16  auf  16,  2,  10;  16,  2,  26  auf  16,  2,  20;  16 
2,  47  auf  16,  2,  40).  Es  erklärt  sich  aber  auch  aus  einer 
Benutzung  unserer  üeberlieferung  die  auffallende  Er- 
scheinung bezüglich  der  drei  im  Breviar  überlieferten  Con- 
stitutionen, und  zwar  in  der  That  auf  die  oben  supponierte 
Weise:  denn  diese  Texte  führen  entsprechend  der  Inscri- 
bierung  im  Codex  Theodosianus,  aus  welchem  sie  in  die 
Sammlung  aufgenommen  sind,  die  Inscription  lidem  (Idem) 
und  weisen  dann  nach  der  Reihenfolge  des  Auszugs  auf 
vorstehende  Inscriptionen  hin,  welche  die  von  Hinkmar 
gebrauchten  sind  (16,  2,  12  [Br.  16,  1,  2]  auf  16,  1,  2;  16, 
2,  35  [16,  1,  4]  auf  16,  2,  23;  16,  2,  44  [16,  1,  6]  auf  16,  2,  23). 
Ich  glaube  nicht,  dass  es  weiterer  Momente  bedarf, 
um  die  Annahme  der  Abhängigkeit  Hinkmars  von  einer 
Üeberlieferung  des  16.  Buchs,  wie  sie  in  der  Sammlung 
des  Cod.  S.  German.  366  und  Cod.  Phillips.  1741  vorliegt, 
zu  stützen.  Immerhin  gebricht  es  an  solchen  Momenten 
doch  nicht  völlig.    Denn  wenn  eine  Constitution  des  fünften 


ini     16,  5,  1.  4.  51.  52.  53.  60.  59.  63. 

V     16,  6,  4  ('Valentinianus  et  Valens  AA.'). 
VI     16,  7,  3  ('Imppp.  Gratianus  Valentinianus  et  Theodosius  AAA.')  1. 
VII     16,  8,  1.  5  {in  fine  'cong.  expt.  non  eget').  7  {in  fine:  'cons.  expt. 
non  eget').  6.  16  {in  fine:  'cons.  expt.  non  eget').  27.  28. 
Vin     16,  9,  1  cum  interpret.  Brev.  2.  5. 
VIUI     16,  10,  10  {'Constantinus'). 

X     16,  11,  1  (ohne  interpr.),  2  u.  3  cum  interprett.  Brev. 
XI     Ruhr.  De  episcopaU  iudicio.     Const.  Sirm.  1,  2,  3. 
XII     Const.  Sirm.  4,  5. 
Xni     Const.  Sirm.  6. 

Xini  Const.  Sirm.  7.  —  Br.  C.  Th.  9,  1,  1.  3.  4.  5  cum  interprett.  —  ex 
interpretatione  legis  Martiani  Br.  Nov.  Mart.  1  interpret.  —  Br. 
C.  Th.  9,  1,  6 — il  cum  interprett.  —  ex  lege  Theodosiani  libri. 
Brev.  C.  Th.  1,  1,  1  u.  2  cum  interprett.  -  Br.  Nov.  Val.  12 
interpret.  (nicht  diejenige  des  Brev.)  zu  pr.  —  §7  und  eben- 
soviel vom  Legaltext. 
1)  Nämlich  mit  Abrechnung  derer,  welche  Hinkmar  aus  der  Quesnelschen 
Sammlung  schöpft.     Von  diesen  vier  fehlen  allerdings  16,  5,  6  u.  62. 


Ueber  e.  Quelle  der  römischrechtlichen  Texte  Hinkmars.     357 

Titels  (1)  mit  den  Worten  'in  libro  decimo  sexto  Theodosianae 
legis  capite  quarto'  (verg-1.  S.  351  N.  2)  ins  vierte  Capitel 
versetzt  wird,  so  trifft  diese  Zuschreibung  gerade  für  den 
Auszug  unserer  Sammlung  zu,  in  welcher  der  vierte  Ab- 
schnitt Constitutionen  des  fünften  Titels,  wozu  auch  die 
citierte  gehört,  enthält.  Und  wenn  Hinkmar  einmal  eine 
Anzahl  Constitutionen  in  einer  Reihenfolge  aufführt,  der 
wir  in  jener  Ueberlieferung  begegnen  ^,  so  geht  dies  offenbar 
gleichfalls  auf  die  Benutzung  derselben  zurück-. 

1)  Die  Reihe  C.  Th.  16,  2,  26.  29.  30.  31.  34  findet  sich  Opp.  II, 
319  u.  320  und  im  dritten  Abschnitt  der  Sammlung.  2)  Auch  zahl- 
reiche sonstige  Erwähnungen  von  Constitutionen  des  Codex  Theodosianus  und 
aus  Paulus  Sentenzen,  sämmtlich  Texten,  welche  im  Breviar  vorkommen 
und  vielfach  mit  den  Worten  der  Interpretatio  aufgeführt  werden,  begegnen 
im  14.  Abschnitt  der  Sammlung  (vgl.  S.  355  N.  3  [S.  356])  oder,  wenn 
nicht  dort,  so  doch  in  den  Anhängen  der  Sammlung  nach  Cod.  S.  German; 
(vgl.  Haenel  a.  a.  0.  p.  lxxxvi  N.  391).  Nur  eine  kleine  Zahl  (etwa  Br. 
C.  Th.  1,  1,  3;  3,  10,  1;  9,  19,  1.  —  Br.  Paul.  5,  4,  12;  5,  5,  2.  3.  9 . 
5,  17,  6;  5,  18,  11;  5,  27,  1)  kehrt  dort  nicht  wieder. 


Drei  rheinische  Papsturkunden.     1147 — 1152. 

Mitgetheilt  von  Julius  T.  Pflugk-Harttungr. 

Nichtveröffentlichte  päpstliche  Originalurkunden  aus 
der  Zeit  vor  Hadrian  IV.  sind  in  Deutschland  sehr  selten 
geworden,  nachdem  die  weitaus  grösste  Zahl  derselben  in 
meinen  Acta  Pontificum  Romanorum  mitgetheilt  ist.  In 
diesen  finden  sich  auch  mehrere  Stücke  aus  dem  Staats- 
archive in  Coblenz,  doch  fehlen  darin  die  drei  hier  ge- 
gebenen, und  zwar  aus  folgenden  Gründen.  Während  ich 
für  die  Acta  sammelte,  waren  diese  Urkunden  neben  an- 
deren werthvollen  Diplomen  im  Besitze  des  Gastwirthes 
Tier  in  Zell  an  der  Mosel.  Ich  sprach  ihm  die  Bitte  aus, 
mir  seine  Papsturkunden  zu  schicken,  erhielt  jedoch  zur 
Antwort,  dass  er  sie  nicht  senden  könne,  dass  sie  mir  aber 
in  seinem  Hause  zur  Verfügung  stünden.  Da  die  Reise 
von  Tübingen  nach  Zell  für  mich  zu  weit  war,  verzichtete 
ich  auf  dieselbe.  Inzwischen  hat  im  Jahre  1891  der  da- 
malige Director  der  preussischen  Staatsarchive,  Herr  von 
Sybel,  auf  Betreiben  des  Herrn  Staatsarchivars  Dr.  Becker 
die  Urkunden  des  Herrn  Tier  für  das  Archiv  der  mittel- 
rheinischen Länder  in  Coblenz  angekauft,  unter  dessen  Be- 
ständen sie  sich  jetzt  wohlgeborgen  befinden.  Herr  Dr. 
Becker  hatte  die  Güte,  mir  die  Schriftstücke  nach  Berlin 
zu  senden  und  mir  durch  Mittheilungen  nützlich  zu  sein, 
wofür  ich  ihm  hiemit  meinen  Dank  ausspreche. 

Es  handelt  sich  um  ein  Original  des  Augustiner - 
Chorherrenstiftes  Springiersbach  bei  Alf  a.  d.  Mosel  vom 
18.  Mai  1147,  und  um  zwei  des  Benedictiner -Nonnenklosters 
ad  Horreum,  Oeren  (St.  Irminen)  in  Trier,  vom  20.  April 
1148  und  vom  27.  Mai  1152.  Von  diesen  Urkunden 
ist  namentlich  die  des  18.  Mai  durch  ihren  reichen 
Inhalt  interessant,  der  sich  die  vom  27.  Mai  würdig  an- 
reiht, während  die  vom  20.  April  mehr  dem  üblichen 
Wortlaute  der  päpstlichen  Privilegien  entspricht.  Die  drei 
Bullen  sind  aus  Goerz,  Mittelrheinische  Regesten  II,  S.  704, 
705  in  den  Nachtrag  der  zweiten  Auflage  von  Jaffe's  Reg. 


Drei  rheinische  Papsturkunden.      1147 — 1152.  359 

Pont.  Eom.  als  n.  9053  a.  9248  a.  9583  a  übergegangen.  Be- 
achtenswerth  erscheint  bei  der  vom  18.  Mai  die  Menge 
Schreibfehler,  welche  darauf  deutet,  dass  der  Schreiber 
mit  dem  Lateinischen  nicht  auf  bestem  Fusse  stand.  Dies 
fällt  nicht  zum  wenigsten  deswegen  auf,  weil  es  sich  um 
eine  gute  Kanzleihand  handelt,  die  auch  andere  Bullen 
geschrieben  hat.  Eine  Urkunde  Innocenz'  II.  für  Springiers- 
bach  ist  Jaffe  Reg.  8346  falsch  zum  22.  Februar  1143  an- 
gesetzt, während  sie  zum  24.  April  gehört.  Das  Datum 
lautet  auf  dem  Originale :  'Datum  Laterani,  per  manum 
Gerardi,  sanct§  Roman^  ecclesi§  presbiteri  cardinalis  ac 
bibliothecarii.  VIII.  kal.  Madii.  Incarnationis  dominic§ 
anno  MCXLIII.  Indictione  VI.  Pontificatus  vero  domni 
Innocentii  pape  anno  XIII'. 

Bei  dieser  Gelegenheit  mag  auf  drei  Breven  aus 
Aosta  verwiesen  werden,  welche  in  Jaffe -Löwenfeld  fehlen, 
obwohl  sie  bereits  in  I.  A.  Duc,  Esquisses  Historiques  des 
eveques  d' Aosta  (Aoste  1885)  I,  p.  247.  254.  256  gedruckt 
sind,  freilich  fehlerhaft,  wie  ich  bei  meinem  Aufenthalte 
in  Aosta  vor  9  Jahren  feststellen  konnte. 

1 152  Januar  15.  Eugen  III.  verbietet,  dass  kein  Bischof 
von  Aosta  Besitzthümer  der  Domkirche  von  Aosta  ohne 
Zustimmung  des  Capitels  entfremden  dürfe.  —  'Quoniam 
universalis  ecclesie.  —  Datum  Signie,  XVIII.  kl.  Febr.' 
Im  Datum  stand  ursprünglich  XVII,  eine  dritte  I  mit 
anderer  Tinte  nachgemacht;  die  beiden  letzten  I  gehen 
geschwänzt  unter  die  Linie.  —  Original  im  Capitelarchive 
zu  Aosta.  Pergament  italienisch,  breit  0,14,  lang  0,13, 
unten  ca.  0,017  umgeschlagen,  durch  zwei  Löcher  ging  die 
Schnur,  welche  mit  dem  Bleisiegel  verloren  ist.  Von  dieser 
und  der  folgenden  Urkunde  besitze  ich  eine  Abschrift,  die 
ich  zur  Verfügung  stelle.    Vergl.  auch  J.-L.  9532.  9533. 

1176  März  21.  Alexander  III.  bestätigt  die  Beilegung 
des  Streites  zwischen  dem  Domcapitel  und  dem  Bischöfe 
von  Aosta  durch  den  Erzbischof  von  Tarentaise.  —  'Cum 
inter  vos.  —  Datum  Anagnie,  XII.  kl.  Aprilis'.  Wegen  des 
Datums  vergl.  J.-L.  12689.  Or.  im  Capitelarchive  zu  Aosta.  — 
Pergament  italienisch,  breit  0,23,  lang  0,21,  unten  ca.  0,02 
umgeschlagen,  durch  zwei  Löcher  geht  die  rosa  und 
grünlichgelbe  Seidenschnur,  an  der  das  Blei  hängt.  Bis 
'super  hoc'  helle  Tinte,  'rationabili'  dunkelbraune,  'Provi- 
dentia statutum  est  et'  wieder  die  helle,  der  Rest  mit  der 
braunen  Tinte  geschrieben.  —  Es  handelte  sich  in  dem 
Streite  'super  quibusdam  ecclesiis'  um  die  Pfarreien  Cha- 
tillon  und  Jovensan,  vergl.  Duc,  Eveques  I.  p.  104. 


360  Julius  V.  Pflugk-Harttung. 

(1171  — )  1179  Januar  13.  Alexander  III.  bestätigt  dem 
Domcapitel  von  Aosta  den  Erlass  Bischof  Arnulfs  von 
Aosta,  demzufolge  der  Propst  ohne  Zustimmung  des  Capitels 
weder  Güter  vergaben  noch  Bedienstete  anstellen  darf.  — 
'Pervenit  ad  nos.  —  Dat  Tusculani,  Id.  lan.'  Nach  der 
allgemeinen  Sachlage  ziemlich  sicher  1179  Januar  13.  — 
Abschrift  des   18.  Jh.  im  Capitelarchive  zu  Aosta. 

Papst   Eugen  III.    bestätigt    dem    Abte   Richard    von 
Springirsbach   und   den   übrigen  Aebten   derselben 
Gesellschaft  ihre  Einrichtungen  und  verleiht  deren 
Genossenschaft  Regeln. 
1147  Mai  18. 

Eugenius  episcopus,  servus  servorum  dei,  dilectis  filiis 
Richardo,  abbati  de  Sprinchiresbach,  ceterisque  abbatibus 
eiusdem  ordinis  et  societatis  canonice  substituendis,  in  per- 
petuum.  Religiosis  desideriis  dignum  est,  facilem  prebere 
consensum,  ut  fidelis  devotio  celerem  sortiatur  effectum. 
Eapropter  quoniam  per  Operationen!  sancti  Spiritus  in  eccle- 
siis  vestris  fervor  canonici  ordinis  acceptabiliter  custoditur, 
j)lacnit  nobis,  consuetudines  bonas,  quas  deo  inspirante  iam 
rationabili  Providentia  inter  vos  ordinastis  sive  in  posterum 
ordinabitis,  privilegii  nostri  auctoritate  firmare,  ut  eas  nulli 
liceat  temere  perturbare  aut  infringere,  et  nt  omnes  eccle- 
sie,  que  a  vobis  institute  sunt,  aut  in  posterum  secundum 
ordinem  et  consuetudinem  vestram  instituende,  sive  que 
earundem  consuetudinum  servandarum  vobiscum  societatem 
inierint,  unanimiter  secundum  vestrum  tenorem*'  et  con- 
suetudinem vivant,  et  ut  his,  que  a  vobis  communiter  ob- 
servantur,  nulli  liceat,  aut  demere  quicquam,  aut  addere, 
aut  immutare,  nisi  communi  consensu  et  diffinitione.  Ut 
autem  inviolabiliter  hec  a  vobis  conservari  queant,  statui- 
mus,  ut  omnium  ecclesiarum,  que  sunt  vestre  societatis  pre- 
lati,  ubi  vobis  oportunum  visum  fuerit,  semeP  in  anno  in 
unum  ad  capitulum  conveniant,  quatinus  ibi  pari  consensu, 
que  corrigenda  de  ordine  emerserint",  corrigantur  et  qug 
supplenda  vel  adicienda  addantur  et  cetera  ad  utilitatem 
et  honestatem  communem  pertinentia.  Si  quis  vero  abba- 
tum  vestrorum  illic  vel  de  persona  sua  vel  de  ordinis  sui 
transgressione  "^  notatus  vel  ac(c)usatus  fuerit,  humiliter  rea- 
tum  suum  confiteatur  et  postulata  venia  secundum  iudicium 

a)  Es  steht  'tenerem'.  b)  Es  stand  'sesemel',  das  erste  *se'  'weg- 
radiert, c)  Es  steht  'emerserint  de  ordine',  durch  zwei  Striche  vor  dem 
ersten  'e'  und  über  'de'  die  Wortversetzung  angedeutet.         d)  trangresione. 


Drei  rheinische  Papsturkunden.      1147 — 1152.  361 

fratrum  suorum  dignam  satisfactionem^  exsolvat.  Si  autem 
aliquis  contumax  extiterit  et,  a  fratribus  suis  monitus,  cul- 
pam  suam  nullatenus  emendare  voluerit,  per  duos  vel  tres 
abbates  de  vestro  ordine  episcopo,  in  cuius  parrochia  est, 
culpa  illius  exponatur,  et  per  illum  iterum  cum  predictis 
abbatibus  de  correctione  sua  admoneatur.  Quod  si  nee  sie 
correctus  fuerit,  ne  et  sibi  et  gregi  commisso  pernitiosus 
existat,  secundum  consilium  eorundem  abbatum,  per  quos 
culpa  eins  innotuit,  ab  episcopo  suo  deponatur,  et  alium 
in  locum  illius  secundum  liberam  fratrum  eiusdem  eccle- 
sie^  electionem,  qui  eisdem  digne  preesse  valeat,  subrogetur. 
Depositus  autem  ad  ecclesiam,  unde  assumptus*^  est,  rever- 
tatur.  Prohibemus  etiam,  ut  nuUi  umquam  fratrum  vestro- 
rum  post  factam  professionem  absque  libera  abbatis  sui  et 
fratrum  licentia  liceat,  ecclesiam,  in  qua  professionem*^ 
fecit,  relinquere  et  ad  aliam  pertransire.  Nee  aliquis  epi- 
scoporum,  abbatum,  priorum  vel  aliqua  persona®  eum  reti- 
nere  presumat,  sed  tamquam  sue  prof essionis  ^  prevaricator 
redire  ad  locum  proprium  compellatur.  Porro  ordo  canonicus, 
qui  per  dei  gratiam  secundum  regulam  beati  Augustini ^  in 
ecclesia  vestra  noscitur  institutus,  perpetuis  ibi  temporibus 
inviolabiliter  conservetur.  Id  ipsum  autem  et  de  bis,  que 
per  vos  in  posterum,  divina  cooperante  dementia,  in  regu- 
lari  ordine  fuerint  institute,  firmiter  observari  decernimus. 
Preterea  quieti  et  hutilitati  vestre  in  posterum  providen- 
tes  apostolica  auctoritate  prohibemus,  ut  abbates  de 
vestro  conventu  nullum  militem  vel  aliquem  alium  in 
hominium  suscipiant,  vel  bona  ecclesiarum  in  beneficium'* 
cuiquam  tribuant.  Hec  igitur  et  alia,  que  secundum  deum 
communi  assensu  tenenda  ammodo  decreveritis,  ad  honorem 
sanct§  ecclesi§  et  religionis  augmentum  auctoritate  beati 
Petri,  apostolorum  principis  ^ ,  et  nostra  confirmamus  et  rata 
esse  precipimus.  Si  quis  autem  huic  nostre  constitutioni*^ 
temerario  ausu  contraire  temptaverit,  nisi  reatum  suum 
secundo  tertiove  commonitus  congrue  emendaverit,  domi- 
nici  corporis  et  sanguinis  participatione  privetur.  Conser- 
vantes   autem   intercedentibus  beatorum  apostolorum  Petri 


a)  Das  zweite  's'  ist  übergeschrieben.  b)  'ecclesie  eiusdem',  durch 
zwei  Striche  je  über  den  ersten  'e'  die  Umsetzung  angedeutet.  c)  Es 
stand  'assumptur',  das  'r'  wegradiert,  über  das  'u'  ein  's'  gesetzt.  d)  'prof- 
fessionem.  e)  'persana',  aus  dem  ersten  'a'  durch  Correctur  ein  'o'  ge- 
macht, f)  'proffessionis',  im  ersten  'o'  radiert.  g)  'August'  auf  Rasur, 
es  stand  'Benedicti'.  h)  Ursprünglich  'beneficiunt'  das  't'  radiert.  i)  'prin- 
cipi' ;  es  stand  am  Ende  ein  'm'  zum  'i'  radiert.  k)  Es  stand  'consti- 
tutionis',  das  's'  am  Ende  wegradiert. 


362  Julius  V.  Pflugk-Harttung. 

et   Pauli   meritis    omnipotentis    dei    gratiain    consequantur. 
Amen.    Amen.    Amen. 

(E)  Ego  Eugenius  catholic^  §cclesi§  episcopus  ss.  (M). 
t  Ego  Albericus  Ostiensis  episcopus  ss. 
f  Ego  Imarus  Tusculanus  episcopus  ss. 

—  f  Ego  Guido  presbiter  cardinalis  tit.  sancti  Grisogoni  ss. 
f  Ego   Hubaldus    presbiter   cardinalis   tit.  sanctorum   lo- 

hannis  et  Pauli  ss. 
t  Ego  Guilbertus   indignus  sacerdos  tit.  sancti  Marci  ss. 
t  Ego  lulius   presbiter   cardinalis   tit.  sancti  Marcelli  ss. 

—  t  Ego  Otto  diaconus  cardinalis  sancti  Georgii  ad  Velum 

aureum  ss. 
f  Ego  Octavianus  diaconus    cardinalis  sancti  Nicholai  in 

carcere  Tulliano  ss. 
t  Ego  Johannes  Paparo  diaconus  cardinalis  sancti  Adrianiss. 

Datum  per  manum  Hugonis ,  presbiteri  cardinalis, 
agentis  vicem  domni  Guidonis,  sancte  Romane  ecclesi§  dia- 
coni  cardinalis  et  cancellarii.  Parisius,  XV.  kal.  lunii.  In- 
dictione  X.  Incarnationis  dominice  anno  MCXLVII.  Pon- 
tificatus  vero  domni '^  Eugenii^   pape  III.  anno  III. 

Pergament  nicht  italienisch,  doch  auf  italienische  Art 
verarbeitet,  breit  0,48  —  0,485,  lang  0,52  —  0,525,  unten  0,03 
umgeschlagen,  durch  2  Löcher  geht  die  dunkelgelbe  Seiden- 
schnur, an  der  das  Bleisiegel  n.  4  (Specimina  Tab.  136  n.  7) 
hängt. 

Papst  Eugen  III.  nimmt  das  Kloster  S.  Maria  zu  Trier 
(Oeren)   in   seinen  Schutz,    genehmigt   ihm    die   er- 
neuerte Regel  des  heiligen  Augustin  und  bestätigt 
seine  Besitzthümer. 
1148  April  20. 

Eugenius  episcopus,  servus  servorum  dei,  dilectis  in 
Christo  filiabus  Lucardi'',  monasterii  sancte  Marie  Treveren- 
sis,  eiusque  sororibus  tam  presentibus  quam  futuris,  regulärem 
vitam  professis,  in  perpetuum.  Religiosam  vitam  eligen- 
tibus  sollicita  nos  oportet  consideratione  prospicere,  ne  ali- 
cuius  necessitatis  occasio  aut  desides  faciat,  aut,  quod  absit, 
robur  conversationis  infringat.  Quocirca,  dilecte  in  domino 
filie,  vobis  et  ecclesie  vestre  utilitati  clementer  providere 
volentes,    eandem  ecclesiam  sub  beati  Petri   et  nostra  pro- 


a)  'donni'.  b)   Hinter  'Eugenii'  Punkt,    der  weggewischt   ist. 

c)  Hier  fehlt  die  Bezeichnung,  wahrscheinlich  'magistre'  (vgl.  die  folgende 
Urkunde),  wohl  übersehen,  weil  sie  auch  mit  'm'  wie  'monasterii'  beginnt. 


Drei  rheinische  Papsturkunden.      1147 — 1152.  363 

tectione  suscipimus  et  presentis  scripti  privilegio  coinmu- 
nimus.  Statuentes,  ut  iuxta  providentiam  et  dispositionem 
Riccardi,  Sprenkirbacensis  abbatis,  eiusque  successoris,  douec 
apud  eos  canonicus  ordo  viguerit,  religio  secundum  beati 
Augustini  regulam  in  vestra  ecclesia  reformetur  et  auctore 
domino  conservetur.  Quascumque  preterea  possessiones, 
quecumque  bona  ex  dono  Dagoberti  regis  et  filie  eins  vel 
aliorum  dei  fidelium  seu  alio  modo  eadem  ecclesia  iuste 
et  canonice  possidet  aut  in  futurum  iustis  modis  deo  pro- 
pitio  poterit  adipisci,  firma  vobis  et  his,  que  post  vos  succes- 
serint,  et  illibata  permaneant.  Decernimus  ergo,  ut  nulli 
omnino  hominum  liceat,  prefatum  monasterium  temere  per- 
turbare  aut  eius  possessiones  auferre  vel  ablatas  retinere, 
minuere  seu  quibuslibet  molestiis  fatigare,  sed  omnia  integra 
conserventur,  earum  pro  quarum  gubernatione  et  susten- 
tatione  concessa  sunt,  usibus  omnimodis  profutura,  salva 
sedis  apostolice  auctoritate  et  Treverensis  archiepiscopi 
canonica  iustitia.  Si  qua  igitur  in  futurum  ecclesiastica 
secularisve  persona  banc  nostre  constitutionis  paginam  sciens 
contra  eam  temere  venire  temptaverit,  secundo  tertiove 
commonita,  si  non  satisfactione  congrua  emendaverit,  pote- 
statis  honorisque  sui  dignitate  careat,  reamque  se  divino 
iudicio  existere  de  perpetrata  iniquitate  cognoscat,  et  sacra- 
tissimo  corpore  ac  sanguine  dei  et  domini  nostri  lesu 
Christi  aliena  fiat,  atque  in  extremo  examine  districte  ulti- 
oni  subiaceat.  Cunctis  autem  eidem  loco  iusta  servantibus 
sit  pax  domini  nostri  lesu  Christi,  quatinus  hie  fructum 
bone  actionis  percipiant  et  apud  districtum  iudicem  premia 
eterne  pacis  inveniant.     Amen.    Amen.    Amen. 

(E)  Ego  Eugenius  catholice  ^cclesie  episcopus  ss.  (M). 
t  Ego  Imarus  Tusculanus  episcopus  ss. 

—  t  Ego  Hubaldus   presbiter    cardinalis   tit.  sancte   Pra- 

xedis  SS. 
t  Ego   Hubaldus    presbiter   cardinalis   tit.  sanctorum    lo- 

hannis  et  Pauli  ss. 
t  Ego  lulius   presbiter   cardinalis   tit.  sancti  Marcelli  ss. 
f  Ego  Wido  presbiter  cardinalis  tit.  Pastoris  ss. 
f  Ego  Bernardus  cardinalis    et   presbiter   tit.  sancti   Cle- 

mentis  ss. 

—  t  Ego    Oddo    diaconus    cardinalis    sancti   Georgii    ad 

Velum  aureum  ss. 
t  Ego  Octavianus  diaconus   cardinalis  sancti  Nicholai  in 

Carcere  Tulliano  ss. 
t  Ego  Gregorius  diaconus  cardinalis  sancti  Angeli  ss. 


364  Julius  V.  Pflugk  ■  Harttung. 

t  Ego  lacintus  diaconus  cardinalis   sancte  Marie  in  Cos- 
mydjn  ss. 

Datum  Catalauni,  per  manum  Guidonis,  sancte  Romane 
ecclesie  diaconi  cardinalis  et  cancellarii.  XII.  kal.  Madii. 
Indictione  XI.  Incarnationis  dominice  anno  MCXLVIII. 
Pontificatus  vero  domni  Eugenii  III.  pape  anno  IUI. 

Pergament  nicht  italienisch,  aber  auf  italienische  Art 
bearbeitet,  breit  0,44,  lang  0,50  —  0,505,  unten  0,022  um- 
geschlagen, durch  drei  Löcher  geht  eine  jetzt  weissliche, 
ursprünglich  wohl  goldgelbe  Seidenschnur,  an  der  das  Blei- 
siegel n.  4  (Specim.  Tab.  136,  n.  7)  hängt. 

Papst  Eugen  III.  nimmt  die  Kirche  S.  Maria  zu  Oeren 
(in  Trier)  in  seinen  Schutz,  bestimmt  ihr  Verhältnis 
zur  Mutterkirche  Springiersbach,  trifft  sonstige  Be- 
stimmungen und  bestätigt  ihre  Besitzthümer. 
1152  Mai  27. 

Eugenius  episcopus,  servus  servorum  dei,  dilectis  in 
Christo  filiabus  Offiti§,  magistr^  ecclesi^  beate  Marig  ad 
Horreum,  eiusque  sororibus  tam  presentibus  quam  futuris, 
canonicam  vitam  professis,  in  perpetuum.  Quoniam  sine 
vere  cultu  religionis  nee  ecclesia  potest  salva  subsistere 
nee  gratus  deo  famulatus  impendi,  beneplacentem  deo  reli- 
gionem  statuere  et  stabilitam  exacta  nos  convenit  diligentia 
conservare.  Eapropter,  dilect§  in  domino  filig,  conservationi 
ac  profectui  religionis  vestr§  pro  nostri  offitii  debito  pro- 
videre  volentes,  ad  petitionem  dilecti  filii  nostri  Ricardi, 
Sprenkirbacensis  abbatis,  ecclesiam  beat§  Mari§  ad  Horreum, 
in  qua  divino  estis  famulatui  mancipat^,  sub  beati  Petri 
et  nostra  protectione  suscipimus  et  presentis  scripti  patro- 
cinio  communimus.  In  primis  siquidem  statuentes,  ut  ordo 
canonicus,  qui  secundum  dei  timorem  et  beati  Augustini 
regulara  ibi  auctore  domino  institutus  esse  dinoscitur,  per- 
petuis  ibidem  temporibus  inviolabiliter  couservetur.  Pre- 
terea  quascunque  possessiones,  qugcunque  bona  eadem 
ecclesia  in  presentiarum  iuste  et  canonice  possidet  aut  in 
futurum  concessione  pontificum,  largitione  regum  vel  prin- 
cipum,  oblatione  fidelium  seu  aliis  iustis  modis,  prestante 
domino,  poterit  adipisci,  firmavobisvestrisque  succedentibus*^ 
et  illibata  permanea(n)t.  IJt  autem  et  statuta  in  ecclesia 
vestra  religio  et  res  ad  sustentationem  vestram  et  earum, 
qu^  post  vos  successerint,   futuris   temporibus   illibata   ser- 

a)  'denti'  auf  Rasur. 


Drei  rheinische  Papsturkunden.      1147 — 1152.  365 

ventur,  presenti  capitulo  decrevimus  adiungendum,  ut  semper 
ad  Spenkirbacensein  ecclesiam  tanquam  ad  matrem  eccle- 
siam  ipsa  respitiat,  et  ab  ea  disciplinam  et  correctionem 
accipiat,  a  qua  studio  et  Providentia  nostra  precipue  ante- 
dict§  regule  sunisit  exordium.  Sprenkirbacensis  autem  eccle- 
sia  omnimodam  de  vobis  in  domino  sollicitudinem  gerat 
et  fratres,  ad  custodiam  vestram  inde  transmissi,  res  eccle- 
si§  cum  consilio  magistrg  vestr§,  qu§  pro  tempore  fuerit, 
salubriter  conservent  atque  disponant.  Sorores  vero,  famu- 
latibus  divinis  intent§,  infra  claustri  ambitum  se  contineant, 
unde  nulla  detur  eis  egrediendi  facultas,  nisi  magistra  eas 
ad  alia  regularia  claustra  previderit  transmittendas,  ut  ibi, 
qu§  salubria  fuerint,  doceantur  aut  doceant,  vel  sacrum 
velamen  et  confirmationis  donum  suscipiant.  Preterea  uti- 
litati  vestr§  promtum  cupientes  impertiri  consultum  apo- 
stolica  auctoritate  statuimus,  ut  parrochiales  ecclesi§  vestr§, 
cum  eas  vacare  contigerit,  idoneis  presbiteris  aut  etiam 
dyaconibus,  qui  ad  presbiteratus  offitium  sint  in  proximo 
promovendi,  solum  modo  concedantur,  et  servata  eis  illa 
parte  decimarum,  quam  vetus  consuetudo  provinti§  vestr§ 
ipsorum  usibus  deputavit,  reliquum  earundem  decimarum 
ad  usus  congregationis  vestr§  libere  revertatur.  Hoc  quoque 
capitulo  presenti  subiungimus,  ut  ex  hoc  nunc  ab  ecclesia 
vestra  nuUum  benefitium  alicui  tribuatur,  et  si  aliquod 
eorum,  qu§  hactenus  sunt  concessa,  eo^,  qui  exinde  im- 
benefitiatus  est,  absque  successore  legitimo  decedente  va- 
cuum  remanere  contigerit,  ad  usus  vestri  collegii  absque 
contradictione  aliqua  revocetur''.  Decernimus  ergo,  ut 
nulli  omnino  hominum  liceat,  prefatam  ecclesiam  temere 
perturbare,  aut  eins  possessiones  auferre,  vel  ablatas  reti- 
nere,  minuere,  seu  aliquibus  vexationibus  fatigare,  sed  in- 
concussa  omnia  et  integra  conserventur  eorum,  pro  quorum 
gubernatione  ac  sustentatione  concessa  sunt,  usibus  omni- 
modis  profutura,  salva  dyocesani  episcopi  canonica  iustitia. 
Si  qua  igitur  in  futurum  ecclesiastica  secularisve  persona 
hanc  nostr^  constitutionis  paginam  sciens  contra  eam  te- 
mere venire  temtaverit,  secundo  tertiove  commonita,  nisi 
presumtionem  suam  congrua  satisf actione  correxerit,  po- 
testatis  honorisque  sui  dignitate  careat,  reamque  se  divino 
iuditio  existere  de  perpetrata  iniquitate  cognoscat,  et  a 
sacratissimo  corpore  ac  sanguine  dei  et  domini  redemtoris 
nostri  lesu  Christi  aliena  fiat  atque  in  extremo  examine 
district^  ultioni  subiaceat.     Cunctis  autem  eidem  loco  sua 


a)  Auf  Rasur.        b)  'vocet'  auf  Rasur. 


366  Julius  V.  Pflugk-Harttung. 

iura  servantibus  sit  pax  domini  nostri  lesu  Christi,  qua- 
tenus  et  hie  fructum  actionis  bonf  percipiant  et  apud 
supremum  iudicem  premia  §tern^  pacis  inveuiant.  Amen. 
Amen.     Amen, 

(R)  Ego  Eugenius  catholic§  ecclesie  episcopus  ss.  (M). 
t  Ego  Ymarus  Tusculanus  episcopus  ss. 
t  Ego  Hugo  Hostiensis  episcopus  ss. 

—  t  Ego  Gregorius  presbiter  cardinalis  tit.  Calixti  ss. 
t  Ego  Hubaldus  presbiter  cardinalis  tit.  sanct§  Praxedis  ss. 
f  Ego  Manfredus  presbiter  cardinalis  tit.  sancte  Savin§  ss. 
t  Ego  Octavianus  presbiter  cardinalis  tit.  sanct^  Cecili§  ss. 
t  Ego  Cencius  presbiter  cardinalis  tit.  in  Lucina  ss. 

f  Ego  Henricus  presbiter  cardinalis  tit.  sanctorum  Nerei  et 

Achillei  ss. 
f  Ego  lohannes  presbiter  cardinalis  tit.  Equitii  ss. 

—  t  Ego  Otto  diaconus  cardinalis  sancti  Georgii  ad  Velum 

aureum  ss. 
f  Ego  Radolfus  diaconus  cardinalis  sancte  Luci§  in  Septa 

solis  SS. 
t  Ego  lacintus  diaconus  cardinalis    sancte  Marie  in  Cos- 

mydyn  ss. 
t  Ego  lohannes    diaconus   cardinalis  sanctorum  Sergii  et 

Bachi  SS. 

Datum  Signie,  per  manum  Bosonis,  sanct§  Eoman§ 
ecclesi^  scriptoris.  VI.  kal.  lunii.  Indictione  XV.  Incar- 
nationis  dominic§  anno  MCLII.  Pontificatus  vero  domni 
Eugenii  pape  III.  anno  octavo. 

Pergament  italienisch,  breit  0,44  —  0,445,  lang  0,695, 
unten  0,018  —  0,032  (rechts  breiter)  umgeschlagen,  durch 
zwei  Löcher  geht  eine  ursprünglich  rosa,  jetzt  bräunliche 
Seidenschnur,  an  der  das  Bleisiegel  n.  10  (Specim.  Tab.  137 
n.  1)  hängt. 


Nachrichten. 


1.  In  den  Abhandlungen  der  Berliner  Akademie  ist 
die  Gedächtnisrede  gedruckt,  die  E.  Dümmler  in  der 
Sitzung  der  Akademie  vom  30.  Juni  1898  auf  Watten- 
bach gehalten  hat.  Auch  auf  den  Necrolog  von  P.  Kehr 
in  den  Geschäftlichen  Mittheilungen  der  Göttin ger  Gesell- 
schaft der  Wissenschaften  1898  S.  67  ff.  und  auf  den  von 
C.  Eodenberg  in  der  Allg.  deutsch.  Biogr.  XLIV,  439  ff. 
entworfenen  Lebensabriss  sei  hier  hingewiesen. 

2.  Aus  dem  Kreise  unserer  Mitarbeiter  ist  am  17.  Juni 
d.  J.  der  Geh.  Regierungsrath  und  Gymnasial director  a.  D. 
Dr.  Wilhelm  Schmitz  in  Köln  dahingeschieden.  Geboren 
zu  Calcar  am  2.  Aug.  1828  wirkte  er  seit  1855  an  verschie- 
denen höheren  Lehranstalten  der  Rheinprovinz  und  stand 
von  1868  bis  1895  erst  als  Rector,  dann  als  Director  an 
der  Spitze  des  K.  Wilhelmsgymnasiums  zu  Köln.  Seine 
wissenschaftliche  Thätigkeit  war  seit  langen  Jahren  vor- 
zugsweise der  Erforschung  der  römischen  Tachygraphie  ge- 
widmet, um  die  er  sich  die  grössten  Verdienste  erworben 
hat,  wie  er  denn  auch  in  der  Entzifferung  der  tironischen 
Notenschrift  zu  einer  bis  dahin  kaum  erreichten  Meister- 
schaft gelangte.  Um  die  Mon.  Germ,  hat  er  sich  nament- 
lich durch  die  Ausgabe  der  Monum.  tachygraphica  cod. 
Paris,  lat.  2718  (Hannover  1882)  verdient  gemacht,  und  auf 
seinen  Lesungen  beruht  zum  grossen  Theil  K.  Zeumers  Aus- 
gabe der  Formulae  imperiales.  Zu  unserer  Zeitschrift  hat 
er  seit  dem  11.  Bande  eine  Reihe  werthvoller  Mittheilungen 
beigesteuert,  und  die  im  3.  Heft  des  23.  Bandes  abgedruckte 
Miscelle  dürfte  zu  den  letzten  Arbeiten  gehören,  die  der 
verewigte  Gelehrte  veröffentlicht  hat. 

3.  Am  1.  Juni  ist  Hr.  Dr.  Otto  Cartellieri  aus 
Cassel  bei  der  Abtheilung  Scriptores  der  MG.  als  Mit- 
arbeiter eingetreten.  E.  D. 


368  Nachrichten. 

4.  Erschienen  ist:  In  der  Abtheilung  Auetores  anti- 
quissimi:  T.  XIII.  pars  IV.  (Berlin,  Weidmann  1898),  ent- 
haltend die  von  J.  Lucas  bearbeiteten  Indices  zu  den 
drei  Bänden  der  Chronica  minora  saec.  IV. — VII. 

Von  den  Scriptores  rer.  Germanicarum  in  usum 
scholarum  ex  Mon.  Germ,  recusi :  die  neue  Ausgabe  der 
Vita  S.  Severini  des  Eugippius,  herausgegeben  von 
Th.  Mommsen  (Berlin,  Weidmann  1898). 

5.  Von  der  zweiten  Gesammtausgabe  der  'Geschicht- 
schreiber der  deutschen  Vorzeit'  ist  der  2.  Band  der  Jahr- 
bücher von  Genua  erschienen.  Holder-Egger  hat 
der  Uebersetzung  Grandaurs  ein  Register  und  zahlreiche 
Berichtigungen  und  Ergänzungen,  die  nicht  übersehen 
werden  dürfen,  hinzugefügt. 

6.  Von  den  Jahresberichten  der  Geschichtswissenschaft 
ist  der  19.,  die  Litteratur  des  Jahres  1896  umfassende  Band 
erschienen. 

7.  Das  'Handbuch  der  Quellenkunde  zur  Deutschen 
Gesch.  bis  zum  Ausgange  der  Staufer'  von  Prof.  Vild- 
haut  in  Hagenau  (Arnsberg  1898)  verfolgt  keine  eigentlich 
wissenschaftlichen  Zwecke,  da  es  aller  literarischen  Nach- 
weise ermangelt,  sondern  will  nur  unter  Zurückgreifen  auf 
die  römisch -germanische  Zeit,  besonders  für  die  Benutzer 
der  Geschichtschreiber  der  Deutschen  Vorzeit  einen  orien- 
tierenden Ueberblick  über  unsere  geschichtliche  Literatur 
geben.  E.  D. 

8.  Im  46.  Band  der  Denkschriften  der  Wiener  Akademie 
bespricht  M.  Büdinger  die  wichtigsten  mittelalterlichen 
Universalhistoriker  von  Africanus  bis  auf  Otto  von 
Freising,  indem  er  ihre  Auffassung  und  Arbeitsweise,  ihre 
Art  der  Quellenbenutzung,  ihre  Fähigkeit  zur  historischen 
Kritik  und  ihre  Darstellungskunst  kurz  zu  charakterisieren 
versucht.  Nicht  immer  sind  die  neuesten  Arbeiten  voll- 
ständig benutzt  worden;  so  vermisse  ich  bei  Beda  die  Be- 
rücksichtigung der  Ausgabe  Mommsens  (Chron.  minora  III, 
225  ff.),  die  doch  schon  1895  erschienen  ist,  und  bedauere, 
dass  B.  von  meinen  Untersuchungen  über  die  früher  dem 
Ekkehard  von  Aura  zugeschriebene  Chronik  keine  Notiz 
genommen  hat.  Auf  Büdingers  Beurtheilung  der  be- 
sprochenen Schriftsteller  kann  hier  natürlich  im  einzelnen 
nicht  eingegangen  werden. 

9.  B.  Czapla,  Gennadius  als  Litterarhistoriker 
(Kirchengeschichtl.  Studien  IV,  1;  Münster,  Schoeningh  1898) 


Nachrichten.  369 

wiederholt  den  über  de  viris  illustribus  nach  dem 
von  Riehardson  in  'Texte  und  Untersuchungen'  XIV  ge- 
botenen Texte  und  unterzieht  jedes  Capitel  einer  um- 
fassenden kritischen  Analyse,  deren  Ergebnisse  im  2.  Ab- 
schnitt zu  einer  Beurtheilung  der  Persönlichkeit  des  Gen- 
nadius  und  des  Werthes  seines  für  den  Semipelagianismus 
parteiisch  gefärbten,  491  —  494  vollendeten  Kataloges  zu- 
sammengefasst  werden.  —  In  Heft  IV,  2  derselben  Sammlung 
behandelt  G.  von  Dziatowsky  in  analoger  Weise  Isidor 
und  Ildefons  als  Litterarhistoriker,  von  denen  jener  durch 
Unselbständigkeit  und  Flüchtigkeit,  dieser  durch  seine  offen- 
kundige Tendenz,  dem  Ruhm  Toledo's  zu  dienen  die  Be- 
deutung ihrer  hier  nach  Arevalo  abgedruckten  Kataloge 
wesentlich  gemindert  haben.  D.  spricht  sich  entschieden 
für  die  Echtheit  der  noch  von  Ebert  als  späterer  Zusatz 
bezeichneten  12  Capitel  des  Isidor  aus.  S.  87  ff.  enthält 
ein  Verzeichnis  der  Hss.  des  zwischen  604  und  615  ent- 
standenen Isidorkataloges.  H.  Bl. 

10.  In  einer  neuen  Zeitschr.  'Le  bibliographe  moderne' 
forscht  A.  Ingold  den  Schicksalen  von  Hss.  elsässischer 
Klöster  und  Ordensniederlassungen  nach  und  behandelt 
in  den  beiden  ersten  Bänden  Mss.  der  Abteien  Maurs- 
münster, Murbach,  Münster,  S.  Eides,  Lützel,  Neuburg, 
Pairis ,  Marbach ,  sowie  solche  der  Augustiner  und  der 
Antoniten  von  Isenheim.  —  Ebenda  I,  295  ff.,  druckt 
U.  Berliere  einen  von  Pierre  le  Court  im  18.  Jh.  auf- 
gestellten Katalog  der  jetzt  verstreuten  Bibliothek  von 
S.  Vannes  zu  Verdun.  H.  Bl. 

11.  L.  Frati  hat  einen  Katalog  über  die  Codici 
Morbio  der  k.  Bibliothek  zu  Mailand,  156  Hss.,  die  sich 
grösstentheils  auf  die  Geschichte  der  Lombardei  beziehen, 
in  der  Sammlung  Mazzatinti's  herausgegeben  (Forli,  Bor- 
dandini 1897). 

12.  Der  Schluss  des  von  F.  Filipin  ni  herausgegebenen 
Inventars  des  EB.  PetrocinusJ  von  ßavenna  (Studi 
storici  VI,  473  ff.;  vergl.  N.  Archiv  XXIII,  264  n.  9)  ent- 
hält nur  wenige  nicht  belangreiche  Bücher.  H.  Bl. 

13.  Steinmeyers  Ahd.  Glossen  —  ein  Werk  staunens- 
werthen  Fleisses  —  haben  soeben  mit  dem  4.  Bande  ihren 
Abschluss  erreicht.  Auf  die  darin  enthaltene  Beschreibung 
der  Hss.,  welche  über  300  Seiten  füllt,  sei  hier  besonders 
hingewiesen,  weil  dieselbe,  durchweg  auf  eigener  Unter- 
suchung beruhend,  über  den  gesammten  Inhalt  der  benutzten 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  24 


370  Nachrichten. 

genaue  Auskunft  giebt  und  sogar  manche  kleinere  Stücke 
gelegentlich  zum  Abdruck  bringt,  durch  ein  Register  über 
alles  sorgfältig  orientierend.  Ich  erwähne  u.  a.  die  Bibli- 
othekskataloge von  Baum  garte  nberg  und  B  e  u  r  - 
berg,  lateinische  Sprüche  an  mehreren  Orten,  den  historisch 
mehrfach  interessanten  vor  1139  abgefassten  Mahnbrief 
eines  Bamberger  Geistlichen,  der  nach  S.  Georgenberg  ge- 
richtet wurde,  eine  bisher  unbekannte  Hs.  des  Conflictus 
lini  et  ovis  u.  s.  w.  Der  Verfasser  hat  sich  nicht  bloss  be- 
gnügt, auf  diese  Stücke  hinzuweisen,  sondern  öfter  auch 
Vergleichungen  des  Textes  hinzugefügt.  Räthselhaft  bleibt 
der  jüdische,  aber  zum  Christenthum  bekehrte  Astronom 
Heremann  einer  Bamberger  Hs.  So  bieten  diese  Mit- 
theilungen eine  wahre  Fundgrube  für  die  Culturgeschichte. 

E.  D. 

14.  Dem  17.  Jahresbericht  der  Gesellschaft  für  Rhei- 
nische Geschichtskunde  ist  eine  weitere  Fortsetzung  der 
von  A.  Tille  bearbeiteten  Uebersicht  über  den  Inhalt  der 
kleineren  Archive  der  Rheinprovinz  beigegeben,  vgl. 
N.  A.  XXIII,  267  n.  17.  Sie  betrifft  die  Kreise  Bonn, 
Rheinbach  und  Euskirchen.  Das  Archivinventar  des  Bonner 
St.  Cassiusstifts  bietet  Regesten  von  1110  an,  ein  Archiv- 
register des  Stiftes  Vilich  solche  von  c.  1156  an;  auf  der 
Burg  Vilich  befindet  sich  im  Besitz  des  Herrn  E.  v.  Ciaer 
eine  reiche  Sammlung  rheinischer  Archivalien  des  13.  bis 
16.  Jh.,  deren  Regesten  mitgetheilt  werden.  Bis  ins  12.  Jh. 
gehen  die  Archivbestände  des  kathol.  Pfarramtes  Buschhofen, 
bis  ins  13.  u.  a.  diejenigen  der  Grafen  Wolff-Metternich 
auf  Schloss  Gracht  bei  Liblar  und  des  kathol.  Pfarramts 
Zülpich  zurück. 

15.  Aus  der  für  die  Geistesgeschichte  des  Mittel- 
alters nicht  unwichtigen  Untersuchung  von  K.  Rück  über 
mal.  Excerpte  aus  Plinius  (SB.  der  Münch.  Akad.  Phil.- 
hist.  Klasse  1898)  seien  S.  254  f.  die  Bemerkungen  hervor- 
gehoben, die  auf  Beziehungen  zwischen  Reichenau  und  der 
Schule  von  Tours  hinweisen.  H.  Bl. 

16.  In  den  Studi  storici  VII,  3  ff.  berichtet  F.  G. 
Manacorda  über  ein  Bruchstück  einer  Hs.  der  Varien 
Cassiodors  (saec.  XII./XIII.),  früher  im  Besitz  des 
Canonicus  Gatti,  jetzt  des  Vf.,  dessen  Lesungen  nach  seinen 
Angaben  eine  weitgehende  Uebereinstimmung  mit  denen 
der  Ausgabe  des  Accursius  zeigen. 

17.  In  Ecole  pratique  des  Hautes  Etudes  Section  des 
Sciences  historiques  et  philologiques  Annuaire  1898  S.  5  bis 


Nachrichten.  371 

23  handelt  A.  Carriere  über  Gregor,  Hist.  Franc.  IV,  40. 
Die  Charakteristik  Justins  II.  stimme  mit  orientalischen  Be- 
richten überein.  Sigiberts  sonst  nicht  überlieferte  Gesandt- 
schaft nach  Constantinopel  lasse  sich  nur  durch  die  Thronbe- 
steigung Justins  und  Sigiberts  Tod  zeitlich  bestimmen. 
Heber  den  Kriegszug  der  Perser  nach  Syrien  sei  Gregor 
gut,  obschon  nicht  genau  unterrichtet;  er  erwähne  die  Be- 
gebenheit wegen  des  hl.  Julianus,  Histor.  III,  12.  Auch 
die  Erzählung  über  die  Persi  Armeni  werde  durch  eine 
orientalische  Quelle  bestätigt.  Diese  Mittheilungen,  welche 
Gregor  früher  als  die  übrigen  Berichterstatter  giebt,  habe 
er  wohl  von  einem  Mitgliede  jener  Gesandtschaft  nach 
Byzanz,  am  ehesten  von  seinem  Landsmann  Firminus,  er- 
halten. Die  Nachrichten  V,  19.  30  verdanke  er  wohl  der 
VI,  2  erwähnten  Gesandschaft.  W.  Sickel. 

18.  Wilhelm  Levison,  Zur  Geschichte  des  Franken- 
königs Chlodowech  (Jahrb.  des  Vereins  von  Alterthumsfr. 
im  Rheinl.  103,  S.  42-T-86)  bestreitet,  wie  ich,  den  Zu- 
sammenhang der  Taufe  mit  der  Alamannenschlacht,  be- 
zieht aber  mit  Kurth  die  Stellen  in  dem  Briefe  des 
Nicetius  auf  ein  blosses  Versprechen  des  Königs,  sich  in 
der  Martinskirche  in  Tours  taufen  zu  lassen,  und  setzt  nun 
die  Taufe  selbst  wieder  nach  Reims.  Die  örtliche  Scheidung 
des  Gelübdes  von  der  Taufhaadlung  stützt  sich  auf  die 
handschriftliche  Lesart  (Ep.  III,  p.  122,  5):  'baptizare  se 
sine  mora  promisit',  wo  schon  die  altern  Herausgeber 
'permisit'  ändern  und  der  jüngste  bemerkt,  dass  'pro'  für 
'per'  in  der  Hs.  noch  öfter  verschrieben  ist.  Die  chrono- 
logische Schwierigkeit,  welche  die  Martinskirche  schafft, 
sucht  L.  sehr  glücklich  zu  heben  durch  den  Hinweis  auf 
einen  altern  Gothenkrieg  496/8  in  der  Contin.  Prosp.  Havn. 
Im  Anhange  hat  L.  die  von  mir  nicht  aufgenommene  Vita 
des  Bischofs  Solle mnis  von  Chartres  neu  herausgegeben, 
die  er  gewiss  richtig  in  die  erste  Hälfte  des  9.  Jh.  setzt. 
Ihrem  Inhalte  nach  dürftig  enthält  sie  von  Thatsächlichem 
fast  nur  die  Bischofswahl  des  Heiligen  und  seine  Bekehrung 
des  Frankenkönigs,  welche  sie  merkwürdiger  Weise  bereits 
mit  einem  Gothenkriege  in  Verbindung  bringt.  Ihre 
Tendenz,  die  Christianisierung  Chlodowechs  und  des  Franken- 
volkes als  das  Werk  des  Bischofs  von  Chartres  hinzustellen, 
ist  zu  plump,  als  dass  sie  ernst  genommen  werden  könnte. 
Gleichwohl  verdiente  die  Vita  durch  ihre  Originalität  die 
Neubearbeitung,  die  ihr  jetzt  zu  Theil  geworden  ist. 

B.  Kr. 

24* 


372  Nachrichten. 

19.  Von  besonderer  Bedeutung:  sind  die  Mittheilungen, 
die  I.  Giorgi  im  Archivio  della  R.  societä  Eomana  XX, 
247  ff.  über  einige  Hss.  des  Liber  pontificalis  macht. 
Die  Biblioteca  Laurenziana  hat  ein  Pergamentdoppelblatt 
erworben,  das  in  karolingischer  oder,  wie  G.  vorschlägt, 
'römischer'  Minuskel  des  9.  Jh.  ein  Bruchstück  der  Vita 
Leonis  IV.  enthält  und  einem  Codex  der  von  Duchesne 
mit  E  bezeichneten  Gruppe  angehört;  dem  Abdruck  des 
Fragmentes  ist  das  schöne  Facsimile  einer  Seite  beigegeben.  — 
Nach  Farfa  führt  der  zweite  umfassendere  Theil  des  Auf- 
satzes. Von  dorther  stammen,  wie  G.  nachweist,  der 
wichtige,  eingehend  beschriebene  cod.  Casanatens.  2010,  der 
cod.  Vat.  3764  und  sehr  wahrscheinlich  auch  der  cod.  Vat. 
3761  ebenso  wie  jene  Hs.,  von  der  uns  in  den  codd.  Vat. 
296.  766  und  im  cod.  Vat.  Pal.  1811  nur  Bruchstücke  er- 
halten sind.  In  dem  cod.  2010  findet  G.  die  Quelle  des 
Papstkataloges  des  cod.  3764  und  des  Chron.  Farfense; 
und  auf  dieses  von  G.  veröffentlichte  Farfense r  Päpste- 
verzeichnis gehen  mehr  oder  weniger  direkt  die  fünf 
andern  italienischen  Kataloge  des  lO./ll.  Jh.  zurück,  die 
Duchesne,    Liber   pontificalis  II,  p.  XVII   besprochen   hat. 

H.  Bl. 

20.  H.  G.  Voigt,  Adalbert  von  Prag  (Westend - 
Berlin,  Akadem.  Buchhandl.  1898)  hat,  was  uns  hier  allein 
angeht,  S.  219  ff.  zusammengestellt,  was  über  die  Schriften 
Adalberts  und  seine  Biographieen  bekannt  ist,  und  da- 
bei auch  manche  eigene  Ansicht,  z.  B.  über  die  Abfassungs- 
zeit der  Vita  des  Bruno  und  die  Passio  s.  Adalberti, 
geäussert.  Im  Anhang  S.  345  ff.  druckt  er  die  neuerdings 
von  Kolberg  (vgl.  N.  Archiv  XXIII,  273  n.  48)  untersuchte 
Praefatio,  Prologus  und  Epilogus  der  Passio  s.  Gorgonii 
nach  einer  Photographie  der  Königinwarter  Hs.  und  schliesst 
sich  vorsichtig  der  Meinung  Kolbergs  an,  dass  Adalbert 
der  Verfasser  dieser  Theile  sei ;  allerdings  geht  er  insofern 
weiter,  als  er  ihrem  Schreiber  selbst  auch  die  vorliegende 
Bearbeitung  der  Passion  zuweisen  will  (die  er,  zu  seinem 
eigenen  Bedauern,  nicht  aus  der  Hs.,  sondern  nur  nach 
den  Acta  Sanctorum  neu  herausgiebt).  H.  Bl. 

21.  In  den  'Festgaben  zu  Ehren  Max  Büdingers' 
S.  179 — 190  handelt  G.  Meyer  von  Knonau  nochmals 
über  den  Verfasser  des  Liber  de  unitate  eccl.  con- 
serv.,  um  mit  vollem  Rechte  die  von  Mirbt  neuerdings  zu 
Gunsten  des  Bischofs  Walram  von  Naumburg  geltend  ge- 
machten Gründe  zurück  zu  weisen  und  bei  einem  namen- 
losen Hersfelder  Mönch  stehen  zu  bleiben.  E.  D. 


Nachrichten.  373 

22.  B.  Gigalski,  Bruno  Bischof  von  Segni,  Abt 
von  Montecassino  (Kirchengeschichtl.  Studien  III,  4 ;  Münster, 
Schoeningh  1898)  behandelt  im  2.  Theile  der  eingehenden 
Biographie  die  schriftstellerische  Thätigkeit  des  durch  seine 
Opposition  gegen  Paschais  II.  Investiturprivileg  bekannten 
Geistlichen  und  würdigt  sie  im  Vergleich  mit  den  Exegeten 
des  6. — 12.  Jh.  S.  175  ff.  wird  der  jüngst  in  der  Frage, 
ob  Hildebrand  Mönch  gewesen  sei,  viel  erörterte  Abschnitt 
der  Vita  Leonis  IX.  besprochen;  S.  184  ff.  handeln  von 
der  Schrift  'Desjmoniacis'.  H.  Bl. 

23.  In  den  Schriften  der  Akademie  zu  Krakau 
Bd.  XXXVIl  (Krakau  1898)  hat  S.  Kgtrzynski  eine  neue 
Untersuchung  über  den  Autor  der  Chron.  Polonorum 
in  polnischer  Sprache  veröffentlicht,  deren  Inhalt  wir  aus 
dem  Anzeiger  der  Akademie,  April  1898,  kennen.  K.  hält 
den  Chronisten  für  einen  Mönch  aus  St.  Gilles,  der  auf 
Veranlassung  des  aus  demselben  Kloster  stammenden  Bi- 
schofs Franco  von  Posen  wahrscheinlich  1109  nach  Polen 
gekommen,  nach  dem  Tode  seines  Gönners,  um  sich  die 
Gnade  polnischer  Bischöfe  und  des  Herzogs  Boleslav  III. 
zu  erwirken,  seine  Chronik  geschrieben,  diesen  Zweck  aber 
nicht  erreicht  habe.  Von  den  Hss.  der  Chronik  ist  nach 
K.  der  Zamojskische  Cod.  saec.  XIV.  die  mittelbare  Quelle 
der  beiden  anderea  erhaltenen ;  Diugosz  aber  und  Paprockj 
haben  Hss.  einer  anderen  Classe  benutzt. 

24.  Der  22.  Band  der  Fonti  per  la  storia  d'Italia 
enthält  Hugonis  Falcandi  liber  de  regno  Sicilie,  nach 
den  Hss.  der  Pariser  Nationalbibliothek  herausgegeben  von 
B.  Sirägusa,  und  den  gegen  die  bisherige  Annahme  als 
unabhängig  davon  betrachteten  Brief  Hugos  ad  Petrum 
Panormitane  ecclesie  thesaurarium,  der  im  Frühjahr  1190 
geschrieben   sein   soll.     Drei  Lichtdrucke  sind  beigegeben. 

H.  Bl. 

25.  A.  Botteghi  bringt  in  den  Studi  storici  VII, 
157  ff.  nicht  unwichtige  Gründe  dafür,  dass  B.  Maragone 
nicht  der  Verfasser  der  Ann.  Pisani  sei,  und  dass 
die  unter  seinem  Namen  von  Roncioni  und  Tronci  ge- 
brachten Nachrichten  einem  Werk  des  XIV.  oder  XV.  Jh. 
angehören,  das  aufs  nächste  mit  der  von  Tartini  veröffent- 
lichten Chronik  verwandt  sei.  Langers  letztes  Programm 
(vgl.  N.  A.  XXIII,  585  n.  140)  war  B.  noch  unbekannt. 

H.  Bl. 
25.    In  der  Collection    des  documents   inedits   hat  G. 
Paris  den  vollständigen  Text  der  Estoire  de  la  guerre 


374  Nachrichten. 

sainte  des  Ambrosius  (Carmen  de  Ricardi  regis  itinere 
in  terram  sanctam)  herausgegeben,  von  der  ein  Theil  schon 
im  27.  Bande  unserer  Scriptores  mitgetheilt  war. 

27.  In  sorgfältiger,  auf  hsl.  Materialien  beruhender 
Arbeit  hat  P.  Richter  (Westd.  Zeitschr.  XVII,  41  jff.)  die 
Schriftsteller  der  ßenediktinerabtei  Maria-Laach  be- 
handelt. Die  ersten  litterarischen  Erzeugnisse  stammen  aus 
der  Mitte  des  12.  Jh. ;  es  sind  einige  von  R.  gedruckte,  z.  Th. 
schon  durch  Wattenbach  bekannt  gewordene  Epitaphien. 
Dem  MA.  gehören  Henricus  Monogallus  (saec.  XIII.  in.) 
und  der  Mönch  Wolfram  (saec.  XIV.  in.)  an;  in  den  Bei- 
lagen werden  Heinrichs  Relatio  de  inventione  reliquiarum 
sowie  sein  Liber  de  ortu  charitatis  und  Wolframs  für  wirth- 
schaftsgeschichtliche  Fragen  nicht  uninteressante  Gesta 
Theoderici  abbatis  erstmals  gedruckt.  Von  mal.  Annales 
Lacenses  sind  nur  dürftige  Citate  auf  uns  gekommen. 
Die  5.  Beilage  bringt  ein  'Verzeichnis  der  aus  der  alten 
Laacher  Bibliothek  stammenden  Hss.  ohne  eigenen  litte- 
rarischen Werth'.  H.  Bl. 

28.  Speculum  perf  ectionis  seu  S.  Erancisci  Assi- 
siensis  legenda  antiquissima  auctore  fratre  Leone  nuiic 
primum  edidit  P.  Sabatier  (Paris,  Fischbacher  1898). 
Ueberzeugend  wird  in  der  Einleitung  diese  werthvolle,  im 
Speculum  vitae  (ed.  princeps,  Parisiis)  unbeachtet  einge- 
schlossene Gabe  aus  ihrem  Inhalt,  ihren  Beziehungen  zu  den 
übrigen  Biographieen  des  Heiligen  und  ihrer  handschrift- 
lichen Ueber lieferung  als  die  älteste  von  Bruder  Leo 
1228  verfasste  Lebensbeschreibung  des  hl.  Franz  erwiesen, 
die  u.  a.  auf  die  Gründung  des  Ordens  und  das  Eingreifen 
der  Päpste  neues  Licht  wirft.  H.  Bl. 

29.  In  der  neuen  Sammlung  der  Monumenta  ordinis 
fratrum  Praedicatorum  historica  sind  bisher  erschienen: 
I.  Fratris  Gerardi  de  Fracheto  vitae  fratrum  1203  — 
1254  (Rom,  Stuttgart  1897);  II,  1.  Fratris  Galvagni  de 
la  Flamma  cronica  1170 — 1333  (1897);  III.  Acta  capi- 
tulorum  generalium  1220  —  1303  (1898).  Sämmtliche 
Bände  hat  B.  M.  Reichert  mit  dankenswerthen  Ein- 
leitungen  und  Registern   (zu  I.  und  II,   1)   herausgegeben. 

H.  Bl. 

30.  Als  ein  Zeichen  der  in  den  geistlichen  Körper- 
schaften neu  erwachten  Liebe  für  die  historische  Forschung 
begrüssen  wir  die  von  den  PP.  Morini  und  So  alier 
herausgegebenen     'Monumenta      ordinis      Servorum 


Nachrichten.  375 

sanetae  Mariae',  I,  Brüssel  1897.  Es  sollen  darin  die 
Denkmäler  für  den  Orden  der  Serviten  (Marienknechte 
oder  Blancs  Manteanx)  vereinigt  werden,  der  auch  auf 
deutschem  Boden  eine  nicht  unwichtige  Eolle  gespielt  hat. 
Ich  erwähne  von  dem  Inhalte  die  von  dem  h.  Philipp 
Benizi  (f  1285)  um  1280  verfassten  Constitutionen  des 
Ordens,  die  im  Jahr  1317  verfasste  Legende  über  den  Ur- 
sprung desselben,  dessen  Verfasser  (vielleicht  Petrus  de 
Tuderto)  zweifelhaft  bleibt,  ferner  die  Mittheilungen  über 
die  Niederlassungen  'in  provintia  Allamanie',  zumal  ein 
Register  von  1486,  welches  die  Namen  der  Mitglieder  und 
das  Eigenthum  der  einzelnen  Stifter  (in  Nordhausen,  Halle, 
Erfurt  u.  s.  w.)  verzeichnet,  eine  eingehende  Abhandlung 
über  das  Pariser  Collegium  mit  einem  Anhange  von  Ur- 
kunden, die  von  1245 — 1687  reichen,  endlich  Leo's  XIII. 
Canonisationsbulle  für  die  7  Stifter  von  1888.  E.   D. 

31.  Aus  einem  Berliner  Programm  des  Grauen  Klosters 
von  J.  Heidemann  (Berlin  1898,  n,  51)  über  die  Deutsche 
Kaiseridee  und  Kaisersage  im  MA.  dürfte  die  Gegenüber- 
stellung der  Karls-  und  der  Friedrichs  sage  interessieren. 

H.  Bl. 

32.  W.  Sievert,  Vorleben  des  Papstes  Urban  IV., 
imtersucht  in  einer  Beilage  (Römische  Quartalschrift  XII, 
152  ff.)  die  Biographieen  des  Papstes,  die  Gregor 
Segni  vor  1274  (vielleicht  1269/70)  und  Thierricus 
Vallicolor  vor  1279  geschrieben  haben.  H.  BL 

33.  Mit  Bezug  auf  die  Notiz  im  N.  A.  XXIII,  586 
über  'Heinrich  von  Heimburg  als  Verfasser  der  Cro- 
nica  domus  Sarensis'  theilt  uns  H.  v.  Krone s  mit,  dass 
er  bei  der  Abfassung  seines  Aufsatzes  noch  keine  Kenntnis 
von  dem  Erscheinen  des  30.  Bandes  der  Scriptores  hatte, 
da  dieser  erst  im  Frühjahr  1898  in  die  Grazer  Universitäts- 
bibliothek gekommen  ist.  Während  darin  Dieterich  bei 
der  Ausgabe  der  Chronik  an  Emiers  Nachweis,  dass  Hein- 
rich V.  H.  ihr  Verfasser  sei,  festgehalten  hat,  war  diese 
Annahme  von  Wattenbach  (GQ.  II  '\  323)  nicht  berück- 
sichtigt und  von  Lorenz  (GQ.  I^,  292)  zurückgewiesen 
worden.  Unter  diesen  Umständen  hält  K.  es  für  gerecht- 
fertigt, 'diese  bisher  nicht  überzeugend  gestützte,  von  ihm 
schon  früher  gehegte  Ueberzeugung  zu  vertreten  und  über 
jeden  Zweifel  zu  erheben';  die  Uebereinstimmung  mit  Die- 
terich, so  erfreulich  sie  ihm  sei,  könne  ihn  nicht  der  Auf- 
gabe einer  Erweiterung  und  Vertiefung  der  Argumentation 
entheben. 


376  Nachrichten. 

34.  Gegenüber  der  Annahme  von  Loserth  (vgl.  N.  A. 
XX,  672  n.  252),  dass  Sigmar  der  Verfasser  der  meisten 
im  1.  Viertel  des  14.  Jh.  in  Kremsmünster  entstandenen 
Geschichtsquellen  sei,  tritt  A.  Altin ger  in  den  Mitth.  des 
Inst.  f.  österr.  Geschichtsf.  XIX,  233  ff.  wieder  für  die  von 
Waitz  vermuthete  Autorschaft  des  Bernardus  Noricus 
ein;  er  hält  nämlich  dafür,  dass  der  Kremsmünsterer  Keller- 
meister Sigmar  mit  dem  gleichnamigen  Abt  von  Lambach 
identisch  ist,  der,  wie  wir  wissen,  1302  aus  Kremsmünster 
berufen  worden  ist.  H.  Bl. 

35.  Im  Trierischen  Archiv  1,  59  ff.  (s.  unten  n.  130) 
hat  Feiten  aus  einer  Trierer  Hs.  saec.  XIV.  Ms.  844  (1310), 
vgl.  Archiv  VIII,  598,  welche  auch  Lupoid  v.  Bebenburgs 
Werk  De  iuribus  regni  et  imperii  enthält,  die  zuerst  von 
Freher  veröffentlichte  Informatio  super  nuUitate  proces- 
suum  papae  lohannis  XXII.  contra  Ludovicum  Bavarum, 
über  die  zuletzt  Theobald  gehandelt  hat  (vgl.  N.  A.  XXIII, 
772  n.  243),  neu  herausgegeben.  Sie  wird  in  dieser  Hs.  als 
ein  Werk  des  Minoriten  Bonagratia  von  Bergamo  be- 
zeichnet ;  ihre  Abfassungszeit  setzt  der  Herausgeber  zwischen 
Ende  April  und  Mitte  Juni  1340,  indem  er  für  den  Tod 
des  Bonagratia  das  von  einer  Helmstedter  Hs.  überlieferte 
Datum  des   19.  Juni  1340  acceptiert. 

36.  E.  Stapper,  Das  lumen  confessorum  des  An- 
dreas Didaci  von  Randuf  (Römische  Quartalschrift  XI, 
271  ff.)  stellt  u.  a.  die  Beziehungen  dieser  Schrift  zum 
Tractat  De  modis  uniendi  zusammen,  für  dessen  Ver- 
fasser Andreas  von  Schwab  und  Anderen  gehalten  wurde, 
ohne  dass  jene  Beziehungen  eine  solche  Annahme  erforder- 
lich machen.  H.  Bl. 

37.  Auf  einen  mit  Unrecht  nahezu  verschollenen  Ge- 
lehrten des  15.  Jh.  hat  A.  Franz,  Der  Magister  Nico- 
laus Magni  de  lawor  (Freiburg,  Herder  1898)  die  Augen 
gelenkt.  Als  Vertreter  der  Universität  Heidelberg  nahm 
er  seit  1416  am  Konstanzer  Concil  Theil;  seine  dort 
gehaltene  Rede  ist  unter  den  Anlagen,  die  im  übrigen 
theologischen  Inhalts  sind,  abgedruckt.  H.  Bl. 

38.  Eine  einschneidende  Kritik  der  Win  deck- Aus- 
gabe Altmanns  mit  einer  Fülle  einleuchtender  Berichti- 
gungen zum  Text  giebt  A.  Reifferscheid  in  den  Göt- 
tinger Gel.  Anzeigen  1898,  S.  379  ff.  In  allen  wesentlichen 
Punkten  stimmt  er  im  übrigen  den  Ausführungen  von 
A.  Wyss  (vgl.  N.  A.  XX,  491  n.  146)  zu. 


Nachrichten.  377 

39.  In  den  Festgaben  für  Büdinger  giebt  K.  Uhlirz 
Nachrichten  über  einzelne  zerstreute  Notizen  und  Bruch- 
stücke österreichischer  Geschichtsquellen:  I.  Des 
Lesemeisters  Leopold  Epistel  zum  Lobe  Herzogs  Al- 
brechts III. ;  IL  Der  Appendix  zur  sogenannten  Chronik 
des  Gregor  Hagen  (mit  Abdruck  der  von  Pez  in  seiner 
Ausgabe  übergangenen  Stellen);  III.  Wiener  Aufzeichnungen 
von  li04,  1406,  1437  aus  dem  von  Krones  früher  kurz  be- 
schriebenen Cgm.  317.  H.  Bl. 

40.  In  den  Bulletins  de  la  comm.  roy.  d'hist.  de 
Belgique,  5.  ser.  VIII,  199  ff.  erweist  H.  Pirenne  im  Ge- 
gensatz zu  H.  Moranville,  welcher  die  Chronogra- 
phia  regum  Francorum  (Paris  1891  — 1897)  neu  her- 
ausgegeben hat,  deren  Abhängigkeit  von  der  Compilation 
der  Chronique  de  Flandre  (vgl.  N.  Archiv  XXII,  588 
n.  145).  H.  Bl. 

41.  Aus  der  Dresdener  Hs.  R.  94  veröffentlicht 
L.  Schmidt  (Zeitschr.  f.  Thüring.  Gesch.  und  Alterthums- 
kunde  XVIII,  462  ff.)  zum  grössten  Theil  eine  bis  1493 
reichende  Fortsetzung  der  als  Ann.  Vetero-Cellenses 
bekannten  Geschichte  der  Wettiner  (vgl.  N.  Archiv  XXII, 
319  n.  34).  H.  Bl. 

42.  G.  Gaebel  hat  die  beiden  hochdeutschen  Be- 
arbeitungen der  Chronik  von  Pommern  des  Thomas 
Kantzow  (Stettin,  Niekammer  1898)  in  getreuer  Wieder- 
gabe der  Hss.  veröffentlicht  und  in  der  Einleitung  die  Ent- 
stehung und  Ueberlieferung  seiner  Schriften  dargelegt.  Mir 
scheint  —  wenn  man  gegenüber  solchen  entsagungs-  und 
mühevollen  Arbeiten  Wünsche  überhaupt  aussprechen  darf  — , 
dass  der  Werth  der  Ausgaben  derartiger  später  Chroniken 
durch  eine  ins  Einzelne  gehende  Quellenanalyse  wesentlich 
gehoben  würde.  H.  Bl. 

43.  G.  Seeliger  beginnt  mit  einem  Aufsatz  'Volks- 
recht und  Königsrecht?'  (Histor.  Viertel] ahrsschrift  I,  1  ff.) 
den  positiven  Theil  der  Untersuchungen,  auf  denen  seine 
Schrift  über  die  Capitularien  beruhte.  Scharfsinnig  ent- 
wickelt er  aus  den  sog.  Volksrechten  und  der  übrigen 
Gesetzgebung  der  Merovingerzeit  seine  Anschauungen,  die 
den  seit  Sohm  und  Boretius  herrschend  gewordenen  Gegen- 
satz von  Volks-  und  Amtsrecht  auflösen;  besonderes  Interesse 
haben  für  uns  hier  seine  Ausführungen  über  die  Entstehung 
der  Lex  Salica  und  über  die  Prologe  der  anderen  Volks- 
rechte (S.  16  ff).    Der  Widerspruch  der  beiden  Prologe  des 


378  Nachrichten. 

alamannisclien  Volksrechts  mag'  allerdings  ebenso  wie  der 
Gegensatz  der  Lex  zum  Pactus  mit  seinen  stärkeren 
fränkischen  Einflüssen  vielleicht  auch  in  einem  Gegensatze 
der  Alamannen  im  Herzogthum  zu  den  dem  Frankenreich 
unmittelbar  unterworfeneu  Stammesbrüdern  im  Elsass  seine 
Erklärung  finden;  ich  hoffe,  darauf  zurückkommen  zu 
können.  H.  Bl. 

44.  C.  Cipolla  giebt  in  den  Rendiconti  dell'  accad. 
dei  Lincei,  5.  Ser.,  YI,  339  ff.,  eine  Collation  des  Weiland- 
schen  Druckes  des  Konstanzer  Friedens  mit  einer 
Ueberlieferung  des  Archives  Gonzaga  zu  Mantua ;  p.  343  ff. 
erweist  er  die  Inschrift  über  die  federatio  Longobar- 
dorum  zu  Pontida  als  moderne  Fälschung.  H.  Bl. 

45.  J.  Schwalms  für  die  Geschichte  der  Reichs- 
s feuern  überaus  wichtiges,  im  N.  Archiv  XXIII,  517  ff. 
veröffentlichtes  Verzeichnis  hat  sehr  beachtenswerthe 
Ausführungen  von  K.  Zeumer  in  der  Hist.  Zeitschr.  LXXXI, 
24  ff.  und  von  A.  Schulte  in  der  Zeitschr.  f.  d.  Gesch. 
d.  Oberrheins  N.  F.  XIII,  425  ff.  hervorgerufen.        H.  BL 

46.  W.  Levec,  Die  krainischen  Landhand- 
festen (Mitth.  des  Inst.  f.  österr.  Geschichtsf.  XIX,  244  ff.) 
bietet  im  2.  Abschnitt  eine  üebersicht  über  die  in  die 
Landhandfesten  aufgenommenen  und  andere,  den  Charakter 
von  Landesfreiheiten  tragende  Urkunden  von  1338  an, 
unter  denen  eine  Anzahl  noch  ungedruckter  Stücke  sich 
befindet,  so  Maximilian  I.  1494  Januar  13  und  Januar  16; 
auch  in  dem  urkundlichen  Anhang  sind  zwei  bisher  nicht 
bekannte  Herzogsurkunden  von  1365  und  1374  veröffentlicht. 

H.  Bl. 

47.  Im  Anschluss  an  Eberstadt,  Magisterium  und 
Fraternitas  (Schmollers  Staats-  und  socialwissenschaftl. 
Forschungen  XV)  bespricht  K.  Koehne  in  der  Zeitschr. 
f.  d.  Gesch.  d.  Oberrheins  XIII,  381  ff.  eine  früher  nicht 
richtig  gewürdigte  Wormser  Fisch marktsordnung 
von  1106  oder  1107,  die  für  die  Frage  nach  der  Entstehung 
der  Stadtverfassung   und    des  Zunftwesens  von  Belang  ist. 

H.  Bl. 

48.  Von  der  schönen  Ausgabe  der  Oberrheinischen 
Stadtrechte,  welche  die  Badische  Hist.  Commission 
unter  R.  Schröders  Leitung  herausgiebt,  sind  seit  unserer 
Notiz  N.  A.  XXI,  582  n.  129  zwei  weitere  Hefte  erschienen 
(Heidelberg,  Winter  1897  —  98).  Heft  3  enthält  Nachträge 
für    Mergentheim,    sowie    die    Rechtsquellen    von    Lauda, 


Nachrichten.  379 

Ballenberg  und  Krantheim,  Amorbach,  Walldürn,  Buchen, 
Külsheim  und  Tauberbischofsheim.  Von  den  beiden  mit- 
getheilten  Urkunden  Ludwigs  d.  B.  für  Lauda  d.  d.  1344 
Nov.  22  war  die  zweite  schon  bekannt,  Böhmer -Ficker 
Reg.  Lud.  Addit.  III  n.  3503;  anscheinend  bisher  ungedruckt 
ist  das  D.  Adolfs  für  Külsheim,  Colmar  1292  Dec.  23.  — 
Am  4.  Heft  hat  bereits  C.  Köhne  mitgearbeitet,  der  die 
Publication  fortsetzen  wird;  es  betrifft  Miltenberg,  Obern- 
burg, Hirschhorn,  Neckarsteinach,  Weinheim,  Sinsheim  und 
Hilsbach.  Von  den  hier  mitgetheilten  Kaiserurkunden 
(darunter  DO.  III.  372  und  Stumpf  Eeg.  2982.  4738)  waren 
vier:  Wenzel  1391  Sept.  10,  Euprecht  1404  Mai  25  für 
Hirschhorn,  Euprecht  1404  Juni  30  für  Weinheim  (Chmel 
n.  1793),  Ludwig  d.  B.  1330  März  28  für  Sinsheim  bisher 
unediert. 

49.  Die  Konstanzer  Eathslisten  des  Mittel- 
alters hat  K.  Beyerle  im  Auftrage  der  Badischen  Hist. 
Commission  in  sorgfältiger  Bearbeitung  herausgegeben 
(Heidelberg,  Winter  1898). 

50.  Auf  den  reichen  und  längst  noch  nicht  erschöpften 
Schätzen  des  Kölner  Stadtarchivs  beruht  die  treffliche 
erste  Preisschrift  der  Mevissen  -  Stiftung :  F.  Lau,  Ent- 
wickelung  der  communalen  V  erf  ass  ung  und  Verwaltung 
der  Stadt  Köln  bis  zum  J.  1396  (Bonn,  Behrendt  1898). 
Von  den  22  Beilagen,  welche  die  verschiedenen  Seiten  der 
städtischen  Verwaltung  bis  1396  beleuchten,  verdient  be- 
sondere Erwähnung  die  erste,  ein  neues  Bruchstück  aus 
dem  ersten  Fascikel  des  Kölner  Schöffenschreius  (1169  bis 
c.  1175).  H.  Bl. 

51.  Eine  Publication  von  hohem  Werthe  für  städtische 
Verfassungs-,  Eechts-  und  Wirthschaftsgeschichte  sind  die 
'Urkunden  und  Akten  zur  Gesch.  der  Verfassung  und  Ver- 
waltung der  Stadt  Koblenz'  (Bonn,  Behrendt  1898)  die 
M.  Bär  mit  eingehenden  Erläuterungen  herausgegeben  hat. 
Die  mitgetheilten  Urkunden  (darunter  Böhmer  Albr.  I.  376; 
Heinrich  VIL  156;  Karl  IV.  Huber  2542;  Friedrich  III. 
Chmel  1069)  beginnen  mit  dem  J.  1298,  die  ältesten  stadt- 
rechtlichen Aufzeichnungen  gehören  dem  J.  1363  an. 

52.  P.  Schweizer,  Habsburgiscbe  Stadtrechte  und 
Städtepolitik  bespricht  in  den  Festgaben  für  Büdinger  in 
lehrreichen  Darlegungen  Entstehung  und  Beziehung  der 
Eechte  von  Flu m et,  Bern,  Freiburg  i.  U.,  Diessen- 
hofen,    Bremgarten    sowie    ihre    Ableitung    aus    dem 


380  Nachrichten. 

Stadtrechte  von  Freiburg  i.  B.,  zu  dessen  neuerdings 
wieder  behandelter  Entstehungsgeschichte  beachtenswerthe 
Bemerkungen  gemacht  werden.  H.  Bl. 

53.  Der  erste  Theil  der  Rechtsquellen  des  Kantons 
Argau  bringt  im  1.  Bande  'Das  Stadtrecht  von  Arau', 
herausgegeben  von  W.  Merz  (Arau,  Sauerländer  1898).  Die 
Zeit  von  1283  —  1500  betreffen  67  Nummern,  unter  ihnen 
Wenzel  1379  October  16;  Sigmund  1417  März  20,  1418 
Januar  29,    1434   Februar  2;    Friedrich  III.  1442   Juli  30. 

H.  Bl. 

54.  In  scharfsinnigen  Untersuchungen  über  den  heili- 
gen Forst  und  seine  ältesten  Besitzer  bespricht  H.  Witte 
(Zeitschr.  f.  d.  Gesch.  d.  Oberrheins  XIII,  381  ff.)  die  An- 
fänge der  Burg  und  der  Stadt  Hagenau;  er  geht  dabei 
—  unter  Verwerfung  der  bei  Schilter  Observationes  zu 
Königshof en  1067  erwähnten  Datierungszeile  (vgl.  schon 
Bresslau,  Jahrb.  Konrads  II.  I,  201  N.  1)  —  von  Stumpf  Reg. 
3458  aus,  das  er  ganz  räthselhafter  Weise  als  ungedruckt 
bezeichnet  und  deshalb  hier  veröffentlicht  ('sicque'  Reg.  Ba- 
densia  135  richtig  statt  'sie  quod').  Ausserdem  giebt  er  eine 
dem  14.  Jh.  angehörende  Uebersetzung  des  Hagenauer 
Stadtrechts  (Stumpf  Reg.  4019)  und  die  in  dem  städti- 
schen   Statutenbuche    enthaltene    älteste    Stadtgeschichte. 

H.  Bl. 

55.  Als  Beilage  zu  einem  Aufsatze  über  Wetter- 
auer  Städtebünde  im  13.  und  14.  Jh.  veröffentlicht 
H.  Werner  in  den  Mittheilungen  des  Oberhessischen  Ge- 
schichtsvereins N.  F.  VII,  73  einen  Bundesvertrag  zwischen 
Frankfurt,  Friedberg  und  Wetzlar  vom  28.  April  1334. 

56.  Die  ältesten  Zunftrollen  der  Stadt  Greifs- 
wald (von  1347  an)  hat  0.  Krause  im  Programm  des 
Gymnasiums  zu  Greifswald  1898  n.  145  herausgegeben  und 
commentiert. 

57.  In  den  Werken  der  'Vereeniging  tot  uitgave  der 
bronnen  van  het  oude  vaderlandsche  recht'  n.  19  haben 
J.  C.  Overvoorde  und  J.  G.  Ch.  Joosting  eine  wichtige 
und  umfangreiche  Sammlung  von  Aktenstücken  zur  Ge- 
schichte der  Gilden  in  Utrecht  bis  ins  16.  Jh.  mit  einer 
ausführlichen  Einleitung  herausgegeben  (Haag,  Nijhoff 
1896/97,  2  Bde.). 

58.  Die  zwanzigste  Publication  der  'Vereeniging  tot 
uitgave    der   bronnen  van    het   oude   vaderlandsche   recht' 


Nachrichten.  381 

(Haag,  Nijhoff  1897)  enthält  die  Rechtsquellen  von  Steen- 
bergen,  beginnend  mit  der  Antiqua  kora  von  1272. 

59.  In  den  Magdeburger  Geschichtsblättern  XXXII, 
371  ff.  hat  R.  Setzepfandt  das  Stadtbuch  von  Oschers- 
leben  (1428  —  1562)  herausgegeben. 

60.  Im  Neuen  Lausitzischen  Magazin  Bd.  74,  S-  1  ff. 
giebt  H.  Knothe  Mittheilungen  aus  einem  Görlitzer 
Hofgerichtsbuch  1406  — 1423,  von  dem  uns  Auszüge 
des  18.  Jh.  in  einer  Hs.  in  der  Bibliothek  der  Oberlausitzer 
Gesellschaft  der  Wissenschaften  erhalten  sind. 

61.  Im  Trierischen  Archiv  I,  77  ff.  (s.  unten  n.  130) 
handelt  H.  Isay  über  die  Geschichte  des  Schöffen- 
gerichts in  Trier  nach  einer  Trierer  Eechtshs.  des  15.  Jh., 
aus    der  er  u.  a.  die  Eidesformeln    der  Schöffen   mittheilt. 

62.  A.  Valentini  behandelt  im  Nuovo  archivio 
Veneto  XV,  5  ff.  ausführlich  die  Brescianer  Statuten 
des  12.— 15.  Jh.  H.  ßl. 

63.  Eine  Uebersicht  über  die  umfangreiche  Literatur, 
die  sich  mit  den  Ordinamenti  von  Trani  beschäftigt, 
bildet  die  Einleitung  zu  F.  Gabotto,  II  commercio  e  la 
dominazione  dei  Veneziani  a  Trani  (Archivio  storico  per  le 
provincie  Napoletane  XXIII,  111  ff.);  er  selbst  hält  sie  für 
eine  Fälschung  des  beginnenden  16.  Jh.,  ohne  indess  diesen 
Einfall  hinreichend  zu  begTÜnden.  H.  Bl. 

64.  In  dem  29.  Bericht  der  wissenschaftl.  Gesellschaft 
Philomathie  zu  Neisse  bringt  der  bekannte  Bonifatius- 
f orscher  Nürnberger  einen  nach  römischen  und  Münchner 
Hss.  kritisch  gereinigten  Text  der  römischen  Synode  des 
Papstes  Zacharias  aus  dem  J.  743.  E.  D. 

65.  G.  Lurz,  Ueber  die  Heimath  Pseudo-Isidors 
(München,  Lüneburg  1898)  hält,  nach  ausführlicher  Wider- 
legung der  Hypothesen  von  Wasserschieben,  Langen  und 
Simson,  an  der  Ansicht  fest,  dass  die  falschen  Decretalen 
in  der  Kirchenprovinz  von  Reims  (und  zwar  unter  mass- 
gebendem Antheil  des  Diacons  Wulfhad)  entstanden  seien. 

66.  P.  Fournier  setzt  seine  eindringenden  Studien 
über  die  canonistischen  Quellen  des  MA.  in  drei 
neuen  Untersuchungen  fort.  In  den  Annales  de  l'universite 
de  Grenoble  (1897,  2.  trim.)  berichtet  er  über  die  Hs.  H. 
137  der  Ecole  de  med^cine  de  Montpellier,  in  der  zwei 
verschiedene  Mss.,  Auszüge  aus  Kirchenvätern  saec.  IX./X. 
und  eine   canonistische  Sammlung   saec.  XL  (die  auch  für 


382  Nachrichten. 

unsere  Capitularienausgabe  benutzt  ist,  vgl.  Capp.  II,  p.  XX) 
vereinigt  sind;  sie  enthält  auch  Briefe  Fulberts  von  Char- 
tres.  —  In  denselben  Annales  1898  (t.  X  n.  2)  bringt  F. 
Ywei  neue  Zeugnisse  des  12.  Jh.  für  die  mehrfach  in  Zweifel 
gezogene  Authenticität  der  Summa  sententiarum  des  Hugo 
von  S.  Victor  bei.  —  In  der  Revue  d'hist.  et  de  litter. 
religieuses  III,  n.  2.  3  entscheidet  er  die  oft  erörterte 
Frage,  ob  das  Decretum  Gratians  Ableitung  oder  Quelle 
der  Sentenzen  des  Petrus  Lombard us  sei,  im  letzteren 
Sinne  und  setzt,  im  wesentlichen  mit  Thaner  überein- 
stimmend, die  Abfassungszeit  des  Decretum  um  1140,  jeden- 
falls näher  zu   1140,  als  Zu   1150  an. 

67.  In  n.  20  der  Mittheilungen  der  Badischen  hist. 
Commission  (Beilage  zur  Zeitschr.  f.  Gesch.  des  Oberrheins 
XIII)  theilt  K.  Brunn  er  Statuten  des  Constanzer 
Domcapitels  von  1294,  Wahlcapitulationen  der 
Bischöfe  von  1326  an  und  zwei  Verträge  zwischen  Bischof 
und  Domcapitel  von  1483  und  1488  mit. 

68.  Aus  den  Beiträgen  zur  Geschichte  der  Benedictiner, 
die  ü.  Berliere  in  der  Eevue  benedictine  XIV,  870  ff.  bietet, 
erwähnen  wir  das  Erfurter  Provincialcapitel  von  1259 
und  die  Statuten,  die  Nicolaus  von  Cues  1451  für  S. 
Trond  gegeben  hat.  H.  Bl. 

69.  In  der  ßömischen  Quartal schrift  XI,  287  ff.  ver- 
öffentlicht B.  M.  Reichert  Akten  der  Provincial- 
capitel der  Dominikanerprovinz  Teutonia  1398  bis 
1402,  aus  denen  uns  besonders  die  Abschnitte  de  studiis 
et  studentibus  und  de  studiis  arcium  et  naturarum  an- 
gehen. H.  Bl. 

70.  Als  Adressaten  des  Widmungsbriefes  eines 
Erzbischofs  von  Besan^on  bei  üebersendung  der  Acta 
s.  Stephani  weiss  H.  V.  Sauerland,  Die  Reliquien  des  hl. 
Stephanus  im  Metzer  Dom  (Jahrb.  d.  Gesellsch.  f.  lothring. 
Gesch.  IX,  87  ff.)  einen  Metzer  Bischof  sehr  wahrscheinlich 
zu  machen;  als  Absender  vermuthet  er  den  EB.  Ansericus 
(1117  —  1134).  H.  Bl. 

71.  In  der  Revue  benedictine  XV,  131  ff.  veröffentlicht 
U.  Berliere  zwei  Briefe  über  die  Wahl  des  Abts  Christian 
von  S.  Trond  aus  dem  J.  1193.  H.  Bl. 

72.  In  den  Festgaben  für  Büdinger  vertheidigt 
O.  Redlich  in  einem  interessanten  Aufsatze  über  die  ersten 
Beziehungen  Habsburgs,  Ungarns   und  Siciliens   seine  An- 


Nachrichten.  383 

Setzung  der  jetzt  Reg.  imp.  VI  n.  322  verzeichneten  Briefe 
gegen  Scbeffer-Boieborst,  Zur  Gesch.  des  12.  und  13.  Jh., 
331  fP.,  wo  sie  schon  in  die  Anfänge  des  J.  1274  gewiesen 
werden.  H.  Bl. 

73.  In  der  Römischen  Quartalschrift  XI,  449  ff.  ver- 
öffentlicht H.  V.  S  au  er  1  and  einen  Brief  über  das  Pisaner 
Concil,  der  an  einen  Mann  aus  der  Umgebung  des  Mainzer 
Erzbischofs  Werner  gerichtet  zu  sein  scheint.  H.  Bl. 

74.  Der  sehr  gründlichen  Untersuchung  V.  Bayers 
über  die  Jugendzeit  des  Markgrafen  Albrecht  Achilles 
(1414—1440)  in  den  Forsch,  zur  brandenburg.  und  preuss. 
Geschichte  XI,  33  ff.  sind  als  Beilagen  zwei  Briefe  des 
Markgrafen  von  1438  Nov.  19  und  1439  März  17  an  seine 
Schwester  Elisabeth  von  Liegnitz  und  Brieg  und  zwei 
Urkunden  König  Albrechts  II.  von  1439  März  3./4. 
über  die  Ernennung  des  Markgrafen  zum  obersten  Haupt- 
mann in  Schlesien  beigefügt. 

75.  Die  neuesten  Berichte  P.  Kehrs  über  Papst- 
urkunden in  Italien  (Nachr.  der  Gott.  Gesellsch.  der 
Wissensch.  1898  n.  1,  S.  6  ff.,  45  ff.)  behandeln  die  von 
Xlinkenborg  und  Schiaparelli  durchforschten  Archive  und 
Bibliotheken  der  Romagna,  der  Marken,  der  Capitanata 
und  von  Benevent.  Die  Ausbeute  war  eine  sehr  reiche; 
48  bisher  unbekannte  Stücke  sind  theils  vollständig,  theils 
in  Auszügen  mitgetheilt,  von  denen  eine  für  die  Geschichte 
der  päpstlichen  Recuperationen  nach  Heinrichs  VI.  Tode 
lehrreiche  Urkunde  Coelestins  III.  von  1197  und  ein  in- 
haltlich wie  diplomatisch  gleich  interessantes  Placitum 
Paschais  II.  von  1113  besonders  hervorgehoben  zu  werden 
verdienen.  —  Auch  diesmal  sind  wieder,  neben  neuen 
Ueberlieferungsformen  bekannter,  manche  bisher  unbekannte 
Kaiserurkunden  verzeichnet,  allerdings  nichts  vor  dem 
12.  Jh.  Ich  notiere  ein  nicht  näher  bestimmtes  ineditum 
Friedrichs  I.  cop.  im  Arch.  stör,  comunale  zu  Cesena;  ein 
Citat  einer  Urk.  Friedrichs  II.  von  1239  für  Bischof  Johann 
von  S.  Agata  dei  Goti  in  Ms.  von  1721  im  bischöflichen 
Archiv  daselbst;  ein  Original  und  eine  Copie  von  Tancred  im 
Stadtarchiv  zu  Benevent;  Abschrift  einer  Urk.  Friedrichs  II. 
mit  6.  Oct.,  ind.  X.,  apud  Ferentinum  in  der  Bibl.  com. 
arcivescovile  ebenda;  endlich  im  Capitulararchiv  zu  Troja: 
Roger  1095.  1105.  1129.  Friedrich  II.  1200  Mai  Palermo, 
1210  November  Messina,  1220  August  in  castris  apud  Isin- 
brugge,  sämmtlich  Originale. 


384  Nachrichten. 

76.  In  den  'Festgaben  für  Büdinger'  erörtert  ß.  von 
Nostitz-Eieneck  scharfsinnig  und  lehrreich  die  Merk- 
male der  Original-  und  der  Registerüberlieferung  bei  den 
Papstbriefen  und  -Urkunden  der  ältesten  Zeit.  Besondere 
Beachtung  verdient,  neben  den  Ausführungen  über  die 
Papstbriefe  bei  Beda  (vgl.  dazu  Jahresberichte  der  Ge- 
schichtswissenschaft XIX,  4,  134),  die  Annahme,  dass  in 
einzelnen  Fällen  auch  in  Originalen  älterer  Papstbriefe 
der  Papstname  in  der  Inscriptio  demjenigen  des  Adressaten 
vorangestellt  gewesen  sei,  so  dass  also  die  Voranstellung 
dieses  Namens  kein  sicheres  Merkmal  der  Registerüber- 
lieferung wäre.  —  Ebenda  behandelt  M.  Tan  gl  die  päpst- 
lichen Registerbücher  von  Benedict  XII.  bis  Gre- 
gor XI.  Für  die  Communregister  dieser  Zeit  betrachtet  er 
mit  Denifle  Registrierung  nach  den  Originalen  als  Regel, 
solche  nach  den  Concepten  als  Ausnahme;  besonders  dankens- 
werth  sind  die  Darlegungen  über  die  Secretregister  und 
die  Geschichte  des  päpstlichen  Secretariats,  dessen  Organi- 
sation T.  in  die  Zeit  Benedicts  XII.  setzt. 

77.  Im  Histor.  Jahrbuch  XIX,  350f.  giebt  R.  v.  Nostitz- 
Rieneck  einen  aus  den  Hss.  gebesserten  Abdruck  des 
Schreibens  Bonifaz'  I.  Jaffe-K.  348.  H.  Bl. 

78.  Im  Archiv  f.  slavische  Philologie,  wo  R.  Nachti- 
gall XX,  124  ff.  das  N.  A.  XXII,  582  n.  125  besprochene 
Werk  des  Lic.  Götz  ausführlich  und  zumeist  ablehnend  kriti- 
siert, behandelt  W.  Vondräk  S.  141  ff.  den  in  der  Vita 
Methodii  überlieferten  Brief  Hadrians  IL  Jaffe-E.  2924. 
Auch  er  ist  geneigt  den  Brief  für  unecht  zu  halten,  möchte 
aber  keine  absichtliche  Fälschung  annehmen;  wie  er  sich 
danach  die  Entstehung  des  Briefes  denkt,  ist  mir  nicht 
völlig  klar  geworden. 

79.  In  den  Annales  de  la  soc.  d'emulation  de  Flandre 
Jahrg.  1898  befindet  sich  eine  umfangreiche  Abhandlung 
von  J.  Ferrant  über  den  Cultus  und  die  Reliquien  des  hl. 
Bertulfus  in  der  Kirche  zu  Harlebeke,  in  der  zahlreiche 
Urkunden  seit  dem  11.  Jh.  theils  aus  dem  Chartular  von 
Harlebeke,  theils  aus  Originalen  des  dortigen  Pfarrarchivs 
mitgetheilt  sind.  Aus  letzteren  stammen  u.  a.  das  Pri- 
vileg Alexanders  II.  Jaffe-L.  4671  (p.  73)  und  spätere 
Papsturkunden  von  Alexander  IV.,  Bonifaz  VIIL,  Jo- 
hann XXII.,  Johann  XXIII.  (p.  188  ff.)  S.  161  ist  das  Offi- 
cium  de   s.  Bertulfo   aus   einer  Brüsseler   Hs.    abgedruckt. 

80.  In  den  Melanges  d'archeologie  et  d'histoire  XVIII, 
17  ff.  theilt  G.  de  Manteyer  aus  Cod.  Vatic.  Reg.  lat.  117 


Nachrichten.  385 

sechs  aus  dem  Lateran  erlassene  Briefe  CalixtslI.  mit,  betr. 
die  Legation  des  Bischofs  Girard  von  Angouleme  in  Frank- 
reich. Er  setzt  sie  zum  21.  Nov.  1123  an,  indem  er  gegen 
JafPe- Löwenfeld,  aber  mit  unzweifelhaftem  Recht,  Jaffe-L. 

7083  in  das  Jahr  1121  zu  Jaffe-L.  6935  verweist,  bei  Jaffe-L. 

7084  aber  die  überlieferte  Ortsangabe  'Laterani',  die  Jaffe 
emendieren  wollte,  beibehält.  Der  Aufenthalt  in  San  Valen- 
tino,  der  vor  die  Rückkehr  des  Papstes  nach  Rom  fällt, 
gehört,  wie  schon  früher  Fahre  bemerkt  hat,  nicht  zum 
IL,  sondern  zum  18.  November  1123;  den  Ortsnamen  möchte 
M.  auf  die  Basilica  des  hl.  Valentin  bei  Rom  beziehen. 

81.  Im  Bullettino  Senese  di  storia  patria  1898  fasc.  1 
hat  R.  Davidsohn  eine  Urkunde  Alexanders  III. 
Benevent  [1168/69]  Jan.  23.  herausgegeben  und  erläutert, 
in  welcher  der  Papst  Bann  und  Interdict  bestätigt,  die 
Bischof  Rainer  von  Siena  über  die  Consuln  imd  die  Stadt 
verhängt  hatte,  weil  sie  einige  angesehene  Priester  der 
Stadt,  die  dem  Papst  besonders  theiier  waren,  eingekerkert 
hatten.  Ausserdem  wird  dem  Bischof  befohlen,  dem  Abt 
von  Vallombrosa  einen  päpstlichen  Brief  zu  übermitteln, 
in  welchem  die  Absetzung  des  schismatischen  Abtes  Roland 
von  S.  Mustiola  zu  Torri  angeordnet  wird. 

82.  K.  Eubel  erwirbt  sich  von  neuem  Anspruch  auf 
besonderen  Dank  durch  die  Fortsetzung  des  einst  von 
Sbaralea  begonnenen  Bullarium  Franciscanum;  der 
von  ihm  musterhaft  herausgegebene  5.  Band  (Rom  1898), 
der  sein  Meistes  und  Bestes  den  päpstl.  Registerbüchern 
verdankt,  umfasst  die  für  die  äussere  und  innere  Geschichte 
des  Ordens  so  wichtige  Zeit  von  1303 — 1334  und  enthält 
damit  auch  das  einschlägige  Material  zur  Geschichte  Lud- 
wigs d.  Baiern.  Anhang  1  giebt  das  älteste  Provinciale  des 
Franziskanerordens.  H.  Bl. 

83.  Ueber  die  Verth eilung  der  Servitia  minuta 
und  die  Obligation  der  Praelaten  im  13.  und  14.  Jh.  druckt 
J.  Hall  er  in  den  Quellen  u.  Forsch,  aus  italien.  Archiven  I, 
281  ff.  interessante  Aufzeichnungen,  deren  älteste  der  Zeit 
Clemens'  V.  angehört.  H.  Bl. 

84.  G.  Guerrieri  hat  im  Arch.  stör.  Ital.,  5.  ser., 
XXI,  297  ff.  aus  den  Registerbüchern  Clemens'  VI.  und 
Innocenz' VI.  einige  Papstbriefe  (1343  — 1354)  ver- 
öffentlicht, die  für  die  Geschichte  Walthers  VI.  von  Brienne, 
Herzogs  von  Athen,  von  Interesse  sind.  H.  Bl. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  25 


386  Nachrichten. 

85.  Im  6.  Band  der  Quellen  und  Forschungen  der 
Görres  -  Gesellschaft  (Paderborn,  Schöningh  1898)  hat  J.  P. 
Kirsch  durch  die  Mittheilung  der  auf  die  Rückkehr  der 
Päpste  Urban  V.  und  Gregor  VI.  bezüglichen  Abschnitte 
aus  den  päpstlichen  Cameralregistern  mit  einer 
umfassenden  Einleitung  einen  neuen,  sehr  werthvollen  Beitrag 
zur  Geschichte  des  päpstlichen  Finanzwesens  und  zur  Cultur- 
und  Wirthschaftsgeschichte  des  14.  Jh.  überhaupt  gegeben. 

86.  Aus  den  Registerbüchern  Eugens  IV.  ver- 
öfEentlicht  R.  Arnold  in  den  Quellen  u.  Forsch,  aus  ital. 
Archiven  I,  296  ff.  24  Urkunden  und  Regesten  von  1433 
— 1447,  die  für  die  Geschichte  der  ersten  Hohenzollernschen 
Kurfürsten  und  zum  Theil  auch  für  das  Basler  Concil  von 
Werth  sind.  H.  Bl. 

87.  In  der  Zeitschrift  des  hist.  Vereins  f.  Schvraben 
und  Neuburg  XXIV,  45  fP.  theilt  J.  Schlecht  Excerpte 
aus  den  päpstlichen  Register büchern,  betr.  die  Diöcese 
Augsburg  und  die  Jahre  1471 — 1488,  mit. 

88.  Bei  Gelegenheit  einer  Anzeige  von  Weiss'  Buch 
über  Enea  Silvio  (N.  A.  XXIII,  275  n.  21)  macht  K.  Bur- 
dach im  Litterar.  Centralblatt  1898  Sp.  653  f.  genauere 
Mittheilungen  über  die  schon  von  Lulves,  Die  Summa  can- 
cellaria  des  Johann  von  Neumarkt  S.  33  f.  und  Tadra,  Summa 
cancell.  p.  XVIII  kurz  beschriebene  Hs.  II  f.  23  der  Breslauer 
Universitätsbibliothek,  insbesondere  über  das  darin  enthaltene 
Formularbuch  der  bischöflichen  Kanzlei  zu  Breslau  aus 
den  Jahren  1441  — 1444,  das  in  merkwürdiger  Weise  von 
der  Beeinflussung  des  Brief-  und  Urkundenstils  durch  huma- 
nistische Bestrebungen  Zeugnis  ablegt. 

89.  In  den  Melanges  d'archeologie  et  d'histoire  XVIII, 
37  ff.  bespricht  P.  Lecacheux  ein  dem  Archiv  des 
spanischen  Collegs  zu  Bologna  angehörendes  Formular- 
buch der  päpstlichen  Poenitentiaria  aus  der  Zeit  des 
Cardinais  Albornoz  (1357/58),  aus  dem  er  die  wichtigsten 
Stücke  mittheilt. 

90.  Im  Jahrbuch  der  Gesellsch.  f.  lothring.  Gesch.  u. 
Alterthumsk.  IX,  308  ff.  berichtet  G.  Wolfram  über  den 
Fortgang  des  von  dem  französischen  Staate  gegen  den 
Ehrennotar  Dufresne  eingeleiteten  Processes.  Nachdem  in 
erster  Instanz  auf  Herausgabe  der  Duf resne'schen  Ur- 
kundensammlung an  den  Staat  erkannt  worden  ist, 
haben  im  Auftrage  des  Appelhofs,  vor  dem  die  Sache  jetzt 
schwebt,  Ch.  Pfister,    A.  Girj   und  Et.  Charavay   ein  Gut- 


Nachrichten.  387 

achten  erstattet,  durch  welches  der  Nachweis  Wolframs 
(vgl.  N.  A.  XXI,  784  n.  246),  dass  der  Vater  des  jetzigen 
Besitzers  den  weitaus  grössten  Theil  des  Bestandes  seiner 
Sammlung  aus  dem  Metzer  Archiv  gestohlen  habe,  vollauf 
bestätigt  wird. 

91.  In  der  Revue  catholique  XVII, 401  ff.  hat  A.  Gasser 
Einwendungen  gegen  H.  Blochs  Untersuchungen  über 
die  Urkundenfälschungen  Grandidiers  (vgl.  N.  A. 
XXIII,  279  n.  67)  geltend  zu  machen  versucht,  die  schon 
deswegen  keinerlei  Beachtung  beanspruchen  können,  weil 
es  evident  ist,  dass  G.  die  Urkunden,  von  denen  er  handelt, 
nicht  gelesen  hat,  und  weil  die  Urkundenlehre  ihm  offenbar 
eine  terra  incognita  ist.  Vgl.  die  Entgegnung  Blochs  ebenda 
S.  561  ff.,  zu  der  in  Vertretung  Gassers  A.  I(ngold?)  einige 
dessen  Standpunkt  aufrechthaltende  Anmerkungen  hinzu- 
gefügt hat. 

92.  In  den  Comptes  rendus  de  l'Academie  des  in- 
scriptions  et  helles  lettres  XXVI,  190  ff.  sind  von  A.  Giry 
die  DD.  Ludwigs  des  Frommen  (Mühlb.  536),  Karls 
des  Kahlen  (BRK.  1548)  und  Rudolfs  (Lippert  n.  14) 
für  Marmoutier  neu  herausgegeben,  deren  zweites,  wie  Giry 
erweist,  um  die  Wende  des  10.  und  11.  Jh.  an  mehreren 
Stellen,  hauptsächlich  durch  eine  Bestimmung,  welche  ge- 
stattete, die  Knechte  des  Klosters  zu  Geistlichen  zu  macheu, 
interpoliert  worden  ist. 

93.  In  wesentlich  erweitertem  Umfange  hat  F.  Gabotto 
seine  Arbeit  über  die  Vercelleser  Kaiser  Urkunden 
(vgl.  N.  A.  XXII,  325  n.  57)  aufgenommen  und  im  Arch. 
stör.  ital.  5.  ser.  XXI,  1  ff.  255  ff.,  nachdem  er  mit  fast 
zu  minutiöser  Sorgfalt,  unter  dankenswerther  Heranziehung 
des  erzbischöfl.  Archivs,  ihre  Ueberlieferungsformen  zu- 
sammengestellt hat,  über  ihre  Echtheit  zu  entscheiden  ver- 
sucht, ohne  doch  zum  Kern  der  schwierigen  Probleme  vor- 
zudringen. Im  Mittelpunkte  des  ersten  Theils  steht  die 
Prüfung  von  Stumpf  Reg.  1634  und  des  von  mir  behandelten 
Urkundenentwurfs;  aber  G.  verschiebt  die  Sachlage,  indem 
er  die,  ich  wiederhole  es,  sichere  Identität  der  Schrift 
des  Conceptes  mit  derjenigen  der  Briefe  Leo 's  von  1016 
(und  der  Excommunicatio  Uberti)  leugnet,  und  indem  er 
nicht  zugeben  will  —  was  bei  dem  einzig  früher  bekannten 
Brief  schon  für  Dümmler  unzweifelhaft  war  — ,  dass  die 
Niederschrift  dieser  Briefe  (nicht  in  einem,  sondern  in  2  codd.) 
nicht  von  einem  späteren  Copisten,  sondern  nur  von  ihrem 
Verfasser  herrühren   kann.     Er    nimmt   an   der   Datierung 

25* 


388  Nachrichten. 

von  Stumpf  Reg".  1634  Anstoss,  offenbar  weil  ihm  die 
Eigenart  von  'Neuausfertigungen'  nicht  vertraut  ist.  Er 
beharrt  bei  der  Unechtheit  von  Stumpf  Beg.  1445,  indem 
er  u.  a.  daran  festhält,  dass  in  keinem  echten  DH.  II. 
Otto  III.  'senior  noster'  genannt  werde;  die  DD.  Stumpf 
Eeg.  1319.  1325.  1326.  1344.  1345.  1348.  1370.  1449.  1478. 
1488.  1515  mögen  ihn  über  den  ständigen  Brauch  der 
Kanzlei  unterrichten.  Von  der  Unzulänglichkeit  der  diplo- 
matischen Kenntnisse  G.'s,  die  auch  aus  seiner  überwiegen- 
den Werthung  der  DD.  nach  ihrer  Ueberlieferung  hervor- 
geht, zeugt  es  ferner,  dass  er  ein  D.  'Heinrici  quarti  in- 
victissimi  regis'  mit  ausdrücklicher  Begründung  für 
Heinrich  V.  beansprucht.  So  wird  man  begreifen,  dass  auch 
im  zweiten  Theile  bei  der  Behandlung  von  Mühlbacher 
Reg.  1592  und  seines  Verhältnisses  zur  Notitia  sowie  für 
die  Urkunden  Konrads  II.  und  Heinrichs  III.  noch  nicht 
die  endgiltige  befriedigende  Entscheidung  gefunden  ist. 
Doch  verdient  der  grosse  Fleiss  Anerkennung,  der  aus  der 
umfangreichen  Arbeit  spricht  und  der  insbesondere  durch 
die  eingehende  Vergleichung  der  DD.  späteren  Forschern 
die  Wege  geebnet  hat.  H.  Bl. 

94.  Im  Anzeiger  des  Germanischen  Nationalmuseums 
1898  n.  2  giebt  R.  Schmidt  einen  Abdruck  mehrerer 
neuerworbener  Kaiserurkunden  aus  dem  Archiv  des 
Museums:  Ludwig  IV.  906  Nov.  4  (Mühlbacher  1985)  mit 
Eacsimile;  danach  ist  zu  lesen  S.  21  letzte  Zeile  Hathonis, 
wie  im  Copialbuch,  nicht  Hatthonis,  S.  22  Z.  5  anim§), 
Otto  III.  989  April  5  DO.  III.  54,  Heinrich  II.,  1011  Juni  25 
Stumpf  Reg.  1548,  Karl  IV.  1350  Febr.  16  (nicht  bei  Huber, 
vgl.  N.  A.  XXIII,  781  n.  279)  und  1362  Febr.  14  (für  Rudolf 
von  Friedberg,  Propst  zvt  Wetzlar,  nicht  bei  Huber).  Welchem 
Zweck  die  Hinzufügung  fehlerhafter  Lesarten  eines  Copial- 
buchs  oder  einer  schlechten  älteren  Edition  zu  dem  Abdruck 
des  Originals  dienen  soll,  ist  nicht  abzusehen. 

95.  F.  Bosdari  druckt  als  Anhang  zu  einer  Unter- 
suchung über  Bologna  im  ersten  Lombardenbund  (Atti  e 
memorie  della  r.  deputazione  di  storia  patria  per  le  pro- 
vincie  di  Romagna  3.  Ser.  XV,  12  ff.;  XVI,  143  ff.)  einige 
Urkunden  von  1162—1199,  darunter  Stumpf  Reg.  3956.  4561. 

H.  Bl. 

96.  Aus  dem  Inventario  analitico  dei  Ms.  dello  storico 
abbruzese  Francesco  Brunetti,  welches  F.  Savini  im 
Archivio  storico  per  le  provincie  Napoletane  XXIII,  23  ff. 
giebt,  heben  wir  den  S.  43  erwähnten  Sammelband  hervor, 


Nachrichten.  389 

der  u.  a.  (die  älteste  Urkunde  ist  von  972)  folgende  Di- 
plome enthalten  soll:  Stumpf  Eeg.  4825.  4911.  4920.  4931. 
4932;  Böhmer-Ficker  594.  H.  Bl. 

97.  Interessante  Ergänzungen  zu  dem  Aufsatze  Frens- 
dorffs  über  die  Reichsinsignien  (Nachr.  der  Götting.  Ge- 
sellsch.  der  Wissenschaften  1897,  Heft  1)  giebt  K.  Eubel 
in  der  Eömischen  Quartalschrift  XI,  453  flE.  durch  VeröfFent- 
lichung  der  noch  unbekannten  Supplik  Sigmunds  vom 
10.  November  1424,  betreffend  die  üebertragung  der  In- 
signien  nach  Nürnberg;  er  vergleicht  sie  mit  der  Supplik 
vom  9.  Juni  1424  und  der  Bulle  Martins  V.  vom  31.  De- 
cember  des  Jahres.  H.  Bl. 

98.  Für  die  Frage  nach  der  Bedeutung  der  in  den 
deutschen  Kaiserurkunden  seit  der  Mitte  des  14.  Jh.  be- 
gegnenden Kanzleivermerke  dürfte  der  von  A.  Morel 
in  der  Bibl.  de  l'ecole  des  chartes  LIX,  73  ff.  erbrachte 
Nachweis  zu  beachten  sein,  dass  bei  der  schon  etwas  früher 
in  der  französischen  Kanzlei  begegnenden  Dorsualnotiz:  'per 

regem  ad  relacionem '  unter  'relacio'  nicht   ein    dem 

König  erstatteter  Bericht,  sondern  der  der  Kanzlei  ertheilte 
Beurkundungsbefehl  zu  verstehen  sei. 

99.  In  der  Eevue  historique  LXVII,  70  ff.  studiert  Ch. 
Y.  Langlois  an  dem  in  Zeugenlisten,  Notariatsvermerken 
u.  dgl.  zur  Zeit  Philipps  des  Schönen  des  öfteren  auf- 
tretenden königlichen  und  päpstlichen  Notar  Gottfried 
von  Plessis  die  Laufbahn  eines  Kanzleibeamten.  Philipp 
ernannte  ihn  1304  zum  Protonotar  Frankreichs,  eine 
Würde,  von  der  L.  vermuthet,  dass  sie  eben  für  Gottfried 
damals  geschaffen  worden  sei.  Zur  Ergänzung  sei  darauf 
hingewiesen,  dass  auch  Peter  Flotte  von  einer  allerdings 
trüben  Quelle  (Chron.  de  Flandre,  Eec.  des  bist.  XXII, 
374  C)  als  'prothonotaire  de  toute  France'  bezeichnet  wird. 
Sollte  bereits  dieser  vor  seiner  Erhebung  zum  Grosssiegel- 
bewahrer das  jedenfalls  aus  der  päpstlichen  Kanzlei  über- 
nommene Amt  eines  Protonotars  bekleidet  haben?     E.  H. 

100.  Als  Vorläufer  des  lange  ersehnten  und  nunmehr 
in  nahe  Aussicht  gestellten  Salzburger  Urkundenbuches 
hat  P.  Willib.  Hauthaler  Die  Arnonischen  Güter- 
verzeichnisse (Notitia  Arnonis  u.  Breves  Notitiae), 
neu  herausgegeben  und  mit  sorgfältigen,  namentlich  geo- 
graphischen Erläuterungen  versehen  (Salzburg  1898).  Z.  Th. 
durch  Heranziehung  eines  reicheren  handschriftlichen  Ma- 
teriales  hat  der  Text  auch  der  Ausgabe  von  Keinz  gegen- 


390  Nachrichten. 

über  an  nicht  wenig-en  Stellen  gewonnen.  Die  Pergamenths. 
von  St.  Peter  wird  nns  durch  2  Phototypien  veranschau- 
licht. E.  D. 

101.  J.  Strnadt  sucht  in  den  Blättern  d.  Ver.  für 
Landeskunde  von  Mederösterreich  XXXI,  461  ff.  die  Un- 
echtheit  des  Grabbriefes  des  Markgrafen  Ernst  für 
Melk  (von  1065?)  darzuthun;  seine  Ausführungen  würden 
überzeugender  sein,  wenn  er  trotz  des  'fachmännischen  Gut- 
achtens', dass  sich  aus  dem  Schriftcharakter  nichts  für  die 
Frage  gewinnen  lasse,  die  äusseren  Merkmale  der  Urkunde 
untersucht  hätte,  die,  soweit  aus  dem  Facsimile  in  den 
Mon.  graphica  V,  3  zu  erkennen  ist,  sehr  bestimmte  An- 
haltspunkte für  ein  Urtheil  gewähren.  H.  Bl. 

102.  W.  Schulte  hat  in  der  Festschrift  des  Schle- 
sischen  Geschichtsvereins  für  Grünhagen  'Silesiaca'  (Breslau, 
Morgenstern  1898)  S.  35  ff.  insofern  eine  neue  Auffassung 
der  Anfänge  der  deutschen  Colonisation  in  Schlesien  an- 
gebahnt, als  er  nicht  unerhebliche  Bedenken  gegen  die 
Echtheit  des  sog.  ältesten  Stift  ungsbriefes  für  Kloster 
Leubus  vom  J.  1175  vorbringt  und  ihn  mit  anderen 
Fälschungen  in  Verbindung  setzt;  indessen  dürfte  noch 
eine  sorgsame  Untersuchung  der  ganzen  Gruppe  besonders 
in    Hinsicht   der   äusseren    Merkmale   nothwendig   sein. 

H.  Bl. 

103.  In  den  Blättern  des  Vereins  für  Landeskunde 
von  Niederösterreich  XXXII,  85  ff.  behandelt  M.  Tangl 
in  scharfsinniger  Erörterung  das  Itinerar  Herzog  Leo- 
polds IL  von  Oesterreich  im  Jahre  1217  und  die  Daten 
der  von  ihm  ausgestellten  oder  ihn  betreffenden  Urkunden 
aus  diesem  Jahr.  Es  zeigt  sich  auch  hier,  wie  mit  den 
Mitteln  und  der  Methode  der  modernen  Urkundenlehre 
scheinbare  Schwierigkeiten  sich  sicher  beheben  lassen. 

104.  Als  Vorarbeit  für  eine  Geschichte  der  Kaisers- 
lauterer Burglehen  dient  H.  Hahn  eine  Geschichte  des 
Schlosses  und  der  Herren  von  Breidenborn  (Mittheil, 
d.  histor.  Vereins  d.  Pfalz  XXII,  110  ff.),  der  74  Urkunden 
und  Regesten  von  1219 — 1486  hinzugefügt  sind,  darunter 
zahlreiche   nicht   oder   unzureichend    bekannte    Stücke. 

H.  Bl. 

105.  Einem  interessanten  Vortrage  des  Freiherrn 
V.  Hammerstein,  der  einen  reichsgerichtl.  Process  über 
die  behauptete  Eeichsunmittelbarkeit  der  Stadt 
Saar  bürg  schildert  (Jahrb.  d.  Gesellsch.  f.  lothring.  Gesch. 


Nachrichten.  391 

IX,  237  ff.),  sind  135  Urkunden  und  Eegesten  von  1241— 
1560  beigegeben,  darunter  Clemens  (V.  ?  —  VII.?),  Avignon 
December  2,  pontif.  anno  8.  H.  Bl. 

106.  Achtzehn  Urkunden  über  das  Patronatsrecht 
des  Klosters  Ar ns bürg  an  den  Kirchen  Bretzenheim  und 
Winzenheim  von  1366  an  veröffentlicht  A.  Held  mann 
in  den  Mittheilungen  des  Oberhessischen  Geschichtsvereins 
N.  F.  VII,  116  ff. 

107.  Im  Archivio  della  r.  societa  Romana  XX,  369  ff. 
veröffentlicht  R.  Lanciani  aus  dem  Archivio  notarile 
Capitolino  46  Urkunden  von  1422 — 1428  über  den  römi- 
schen Besitz  der  Familie  C o  1  o n n a ,  die  auch  für  die 
Geschichte  Martins  V.  bedeutsam  sind.  —  Eine  Notiz  von 
1387  betrifft  das  Begräbnis  des  Cardinais  Agapito  Colonna. 

H.  Bl. 

108.  In  den  Mittheilungen  des  Oberhessischen  Ge- 
schichtsvereins N.  F.  VII,  77  ff.  setzt  K.  Ebel  seine  Ver- 
öffentlichung der  Urkunden  des  Alsfelder  Stadtarchivs 
(vgl.N.  A.XX,  677  n.  276)  für  das  15.  Jh.  fort;  ebenda  S.  100  ff. 
verzeichnet  er  61  Urkunden  des  Stadtarchivs  zu  Giessen 
von  1325  an,  unter  Mittheilung  wichtigerer  Stücke  in 
extenso. 

109.  In  den  Mittheil,  der  Bad.  hist.  Comm.  n.  20 
wird  S.  121  ff.  der  Bestand  des  freiherrl.  von  Zobel 'sehen 
Archivs  zu  Messelhausen  verzeichnet,  das  mit  einer  An- 
zahl von  Lehensbriefen  und  anderen  Urkunden  in  das 
15.  Jh.  zurückreicht.  H.  B. 

110.  Als  Archivalische  Beilage  zum  Strassburger 
Diöcesanblatt  1897  ist  u.  d.  T.  Le  cartulaire  de  l'eglise  St. 
George  de  Haguenau  ein  von  dem  Abbe  C.  A.  Hanauer 
bearbeitetes  ÜB.  der  Pfarrkirche  zu  Ha  gen  au  erschienen, 
das  in  1042  Nummern  Pegesten  und  vollständige  Urkunden- 
drucke von  968 — 1792  enthält.  Für  die  ersten  beiden 
Regesten  von  DO.  I.  368  (von  H.  fälschlich  zu  Nov.  15  ge- 
setzt) und  von  DO.  IL  109  ist  nur  der  Druck  Schöpflins 
citiert,  bei  der  ersten  vollständig  gedruckten,  dem  DO.  III. 
spur.  430  ist  auch  die  Monumentenausgabe  herangezogen, 
aber  der  Abdruck  H.'s  ist  mehrfach  ungenau,  und  in  den 
ihm  gewidmeten  kritischen  Bemerkungen  ist  auf  die  Aus- 
führungen Erbens  in  der  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins 
N.  F.  VII,  35  ff.  keine  Rücksicht  genommen.  Auch  weiterhin 
fehlt  der  Publication,  so  verdienstlich  sie  ist,  leider  manches 
von    dem,   was   wir   in  Deutschland   und   neuerdings    auch 


392  Nachrichten. 

in  Frankreich  von  einer  Urkundenedition   zu  erwarten  ge- 
dröhnt und  berechtigt  sind. 

111.  Mit  dem  1.  Hefte  des  3,  Bandes  beschliesst 
F.  Philip pi  seine  erfolgreiche  Thätigkeit  als  Herausgeber 
des  Osnabrück  er  ÜB.  (vgl.  N.  A.  XXII,  329  n.  80);  unter 
den  223  zum  grossen  Theil  unbekannten  Nummern  von 
1251  — 1259  sind  Urkunden  Alexanders  IV.  von  1255  Januar  18 
und  Februar  24,   1256  Juli  4.  H.  Bl. 

112.  Das  2.  Heft  des  2.  Bandes  führt  das  von  P. 
Woelky(t)  und  H.  Mendthal  herausgegebene  ÜB.  des 
Bisthums  Samland  (Leipzig,  Duncker  und  Humblot  1898) 
von  1313  — 1344  fort;  unter  vielem  Uugedruckten  ist  ein 
Privileg  Johanns  XXII.  von  1320  Januar  18.  H.  Bl. 

113.  Die  von  Haignere  begonnene  Ausgabe  der  Ur- 
kunden des  Klosters  St.  ßertin  nach  dem  Grossen  Char- 
tular  des  P.  De  Wit  hat  nach  des  ersteren  Tode  der  Abbe 
Bled  für  die  Soc.  des  antiquaires  de  la  Morinie  fort- 
geführt, von  dem  der  Schluss  des  3.  und  der  erste  Fas- 
cikel  des  4.  Bandes  bearbeitet  sind  (St.  Omer,  d'Homont 
1895—97). 

114.  In  der  II.  Section  der  Analectes  pour  servir  a 
l'hist.  ecclesiast.  de  la  Belgique  erscheint  ein  von  E.  d  e 
Marneffe  herausgegebenes  ÜB.  des  Klosters  Afflighem, 
das  mit  dem  vor  kurzem  ausgegebenen  dritten  Heft  in 
296  Nummern  bis  zum  Jahre  1218  gelangt  ist. 

115.  In  den  Analectes  pour  servir  a  l'hist.  ecclesiast. 
de  Belgique  2.  ser.  XI,  114  ff.  wird  die  Ausgabe  der  Ur- 
kunden des  Prämonstratenserstifts  Heylissem  (vgl.  N.  A. 
XXI,  588  n.  159)  von   1238—1242  weiter  geführt. 

116.  Von  den  in  den  Regesta  imperii  XI  durch  W. 
Alt  mann  bearbeiteten  Urkunden  Kaiser  Sigmunds  ist 
das  2.  Heft  des  II.  Bandes  erschienen,  die  Jahre  1422  bis 
1437  umfassend.  —  Zum  ersten  Heft  des  ersten  Bandes 
vgl.  die  Kritik  Seeligers  in  den  Gott.  Gel.  Anzeigen  1898 
S.  638  ff.  E.  D. 

117.  Die  Regesten  des  Geschlechts  von  Blassen- 
berg  (N.  A.  XXI,  591  n.  177)  führt  C.  von  Guttenberg 
im  Arch.  f.  Gesch.  u.  Alterthumsk.  v.  Oberfranken  XX, 
18  ff.  bis   1450  fort. 

118.  In  den  Notices  et  extraits  XXXV,  831  ff.  be- 
schreibt L.  Delisle  eine  schön  geschriebene  Hs.  der  Bi- 
bliothek der  Maristen  von  S.  Foi-les-Lyon,  auf  deren  erstem 


Nachrichten.  393 

Blatt  die  Worte  stehen:  Leidrat  licet  indignus  tarnen 
episcopus  istum  librum  tradidi  ad  ialtare  s.  Stephani.  Diese 
Notiz  ist,  wie  die  Vergleichung  mit  zwei  anderen  Einträgen 
in  ehemaligen  Hss.  Leidrats  von  Lyon  (jetzt  Cod.  Lyon 
542,  Paris  152)  lehrt,  von  Leidrat  eigenhändig  geschrieben.  — 
Bei  dieser  Gelegenheit  bespricht  Delisle  auch  die  Hs.  n.  14 
der  Bibl.  zu  Angere,  die  f.  9'  22  Verse  des  Poetae  lat.  Karol. 
I,  92  von  Dümmler  herausgegebenen  Gedichtes  mit  zahl- 
reichen Varianten  (der  erste  Vers  lautet  hier :  Aspicis  eximia 
rutilans  hoc  luce  volumen)  und  f.  9  10  andere  Verse  karo- 
lingischer  Zeit  bietet.  —  Schöne  Facsimile  zweier  Seiten  der 
Hs.  und  jener  drei  Einträge  des  Leidrat  (ein  vierter  in 
Cod.  Lyon  526  ist  getilgt  und  durch  einen  Vermerk  saec. 
IX./X.  ersetzt)  sind  der  Abhandlung  beigegeben. 

119.  Li  dem  histor.  Jahrbuch  der  Görresgesellschaft 
XIX,  249—287  theilt  H.  Grauert  unter  der  Ueberschrift 
'Rom  und  Günther  der  Eremit'  einen  bisher  nur  durch  die 
Erwähnung  in  den  Pöhlder  Annalen  und  bei  dem  Anna- 
lista  Saxo  bekannten  Rhythmus  an  Heinrich  III.  über 
die  Kirchenspaltung  von  1046  vollständig  aus  einer  im 
Jahre  1550  angefertigten  Abschrift  mit.  Er  sucht  wahr- 
scheinlich zu  machen,  dass  dies  merkwürdige  Gedicht, 
welches  einem  Einsiedler  Wipert  zugeschrieben  wird,  von 
dem  bekannten  Thüringer  Günther  verfasst  sei.  Gleich- 
zeitig wird  auch  über  die  öfter  wiederkehrenden  Verse 
'Roma  diu  titubans'  aus  dem  13.  Jh.  gehandelt,  von  welchen 
sich  eine  selbständige  Abschrift  auf  demselben  Wege  er- 
halten hat.  E.  D. 

120.  Zu  Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere 
deutsche  Geschichtskunde  XXIII,  208.  —  Die  von  Ranke 
Werke  37,  262  Anm.  1  nach  [Karl  Ludwig  v.  Klöber]  Schle- 
sien vor  und  seit  dem  Jahr  1740,  II,  370^—372  angezogene 
Passio  domini  papae  secundum  marcam  auri  et 
argenti  ist  von  Klöber  aus  [Sam.  Benj.  Klose]  Neue  Litte- 
rarische Unterhaltungen  I  (Breslau  1774),  177  — 179  ent- 
lehnt. Klose  hat  sie  aus  einer  Rehdigerschen  Hs.  der 
Breslauer  Stadtbibliothek,  jetzt  Stadtarchiv  J.  10,  fol.  55, 
vom  Jahre  1422,  enthaltend  das  Breslauer  Landrecht  von 
1356.  Genaue  Beschreibung  der  Hs.  bei  !E,  Th.  Gaupp, 
Das  Schlesische  Landrecht,  Leipzig  1828,  S.  50  ff.  —  G.  Ho- 
meyer.  Die  deutschen  Rechtsbücher  des  Mittelalters,  Berlin 
1856  n.  100.  —  G.  Bobertag,  Die  Rechtshss.  der  Stadt 
Breslau  in  Zeitschrift  für  Gesch.  u.  Alt.  Schlesiens  XIV, 
200  f.  H.  Markgraf. 


394  Nachrichten. 

121.  Zu  den  N.  A.  XXIII,  644  mitgetheilten  Kalender- 
versen aus  dem  Cod.  Paris.  15167  machen  die  Herren  Alb. 
Poncelet  in  Brüssel  und  Gabr.  Meier  in  Einsiedeln  uns 
freundlich  darauf  aufmerksam,  dass  der  von  Hampe  nicht 
verstandene  Ausdruck  'bariona'  hebräisch  ist;  bar-Iona, 
gleich  filius  lona,  wird  in  der  Vulgata  Matthaeus  16,  17 
Simon  Petrus  genannt.  Cathedratus  Bariona  ist  also  gleich 
Cathedra  s.  Petri. 

122.  G.  Manacorda  veröffentlicht  in  den  Studi 
storici  VI,  215  ff.  einen  Necrolog  von  S.  Evasio  di 
Casalmonferrato,  das  am  Ausgang  des  12.  Jh.  beginnt. 

H.  Bl. 

123.  L.Traube,  Textgeschichte  der  Regula  s.  Be- 
nedicti  (Abhandl.  d.  bayer.  Acad.  III.  Cl.  XXI,  601  ff., 
mit  4  schönen  Facsimiles)  hat  in  scharfsinniger  Beweis- 
führung, in  durchsichtiger,  spannender  Darlegung  auf  Grund 
der  wichtigsten  (eingehend  besprochenen)  Hss.  und  Commen- 
tare  die  ursprüngliche,  von  Benedict  geschaffene  Gestalt 
der  Regel  von  ihrer  'ersten  Ausgabe'  durch  Abt  Simplicius, 
seinen  zweiten  Nachfolger,  geschieden  und  vor  unseren 
Augen  ebenso  die  Geschichte  dieses  zunächst  die  Tradition 
beherrschenden  Textes  wie  die  Schicksale  jenes  ürexem- 
plars  entrollt,  das  erst  durch  eine  auf  Veranlassung  Karls 
d.  Gr.  genommene  Abschrift  seine  Bedeutung  für  die 
Ueberlieferung  gewonnen  hat.  Sind  hierdurch  für  die  zu 
erwartende  endgiltige  Ausgabe  mit  sicherer  Hand  gegen- 
über allen  bisherigen  Editoren  und  Kritikern  die  Richt- 
linien gezogen,  so  wohnt  der  mustergiltigen  Arbeit  noch 
höherer  allgemeiner  Werth  inne  sowohl  durch  ihre  metho- 
dischen Lehren  wie  durch  die  anregungsreichen  Hinweise, 
die  dem  Palaeographen  (etwa  in  der  Ausführung  über  die 
'kritischen  Zeichen'),  dem  Litterarhistoriker  (man  vergleiche 
z.  B.  den  Gewinn  für  das  Leben  des  Paulus  Diaconus 
oder  die  Anmerkung  über  Smaragdus  und  Lupus 
V.  Ferrieres),  dem  Theologen  (wie  in  der  Geschichte  der  Re- 
geln, der  Schilderung  des  Benedikt  vonAniane)  gegeben 
werden.  Und  wer  immer  der  Geistesgeschichte  der  Karo- 
lingerzeit nachforschen  und  Karls  Bedeutung  für  das  geistige 
Leben  seiner  Zeit  würdigen  will,  wird  an  Traube's  Schil- 
derung nicht  vorübergehen  dürfen.  Aus  dem  reichen 
Inhalt  der  Anmerkungen  seien  nur  einzelne  für  uns  inter- 
essante herausgehoben,  die  hier  vielleicht  nicht  gesucht 
würden:  Die  Regula  Magistri;  unbekanntes  langobardisches 
Concil;    der   älteste  Bücherkatalog   von  Montecassino   (Ab- 


Nachricliten.  395 

druck) ;  Hildemar  und  Corbie ;  Formulae  extravagantes  in 
cod.  Sang-allens.  914;  die  Verbreitung  der  älteren  Martyro- 
logien ;  das  älteste  S.  Galler  Necrologium  (gehört  vielmehr 
nach  Eeichenau).  Von  den  'Urkunden  zur  Textgeschiehte' 
seien  hervorgehoben  der  bisher  nur  unzureichend  bekannte 
Brief  des  Venerandus  an  den  Bischof  Constantius  von  Albi 
und  das  schon  gedruckte,  gelegentlich  an  Marculf  an- 
klingende Schreiben  des  Grimald  und  Tatto  an  Reginbert 
von  Reichenau.  H.  Bl. 

124.  Um  seine  Ausgabe  der  Consuetudines  Far- 
fenses  vorzubereiten,  beschreibt  B.  Albers  in  den  Stu- 
dien und  Mittheil,  aus  dem  Benedictiner-  und  Cistercienser- 
orden  XVIII,  547  ff.  und  XIX,  9  ff.  den  cod.  lat.  Vat.  6808 
und  druckt  18  bisher  unbekannte  Capitel  daraus  ab. 

H.  BL 

125.  In  den  Studien  u.  Mittheil,  aus  d.  Benedictiner- 
und  Cistercienserorden  XVIII,  563  ff.  und  XIX,  30  ff.  stellt 
W.  Mayer  die  Gebetsverbrüderungen  von  Kladrau 
saec.  XIII. — XV.  zusammen;  die  erste  unbekannte  rührt 
von  1342  her.  H.  Bl. 

126.  Der  von  Dümmler  in   Haupts  Z.  f.  d.  A.  XIV, 

1 — 73  gegebenen  Anregung  folgend  hat  Joh.  Egli  in  St. 
Gallen  es  unternommen,  Ekkeharts  IV.  Liber  benedic- 
tionum  und  die  dazu  gehörigen  Glossen  mit  den  nöthigen 
Anmerkungen  vollständig  herauszugeben  und  so  eine  alte 
Ehrenpflicht  St.  Gallens  zu  erfüllen.  Der  endgiltigen  Aus- 
gabe geht  ein  sorgfältig  bearbeitetes  Probeheft  voraus : 
'Neue  Dichtungen  aus  dem  Liber  Benedictionum  Ekke- 
harts IV',  St.  Gallen  1898,  55  S.  4°. 

Paul  V.  Winterfeld. 

127.  In  den  Analectes  pour  servir  ä  l'hist.  ecclesiast. 
de  Belgique  2.  ser.  XI,  85  ff.  veröffentlicht  der  Abbe  Laenen 
aus  der  im  Archiv  VIII,  50  N.  1  erwähnten  Hs.  des  erz- 
bischöfl.  Archivs  zu  Mecheln  Notizen  über  die  Weihe  der 
Altäre   des  Klosters  Villers-en-Brabant   von  1217    an. 

128.  B.  Ponschab,  Das  Pon tif icalbuch  Gun- 
dekars  II.  (Studien  u.  Mittheil,  aus  d.  Benedictiner-  u. 
Cistercienserorden  XVIII,  23  ff.  227  ff.)  erläutert  die  darin 
enthaltenen  Bilder  der  Schutzheiligen,  in  deren  einem  er 
den  Abt  Utto  von  Metten  erkennen  will.  H.  Bl. 

129.  In  der  Zeitschrift  des  bist.  Vereins  f.  Schwaben 
und   Neuburg  XXIV,    113  ff.   veröffentlicht  A.  Schröder 


396  Nachrichten. 

auf  den   Augsburger   Dombau   bezügliche   Inschriften,    die 
mit  dem  14.  Jh.  einsetzen. 

130.  Im  1.  Heft  des  Trierischen  Archivs,  einer  von 
dem  verdienten  Vorsteher  der  städtischen  Bibliothek  und 
des  städtischen  Archivs  Dr.  M.  Keuffer  neu  begründeten 
und  geleiteten  Schrift,  die  in  zwanglosen  Heften  oder 
Bänden  erscheinen  soll  (Trier,  Lintz  1898),  veröffentlicht  der 
Herausgeber  S.  1  ff.  eine  Beschreibung  des  im  Besitz  des 
Lords  Crawford  zu  Haigh  Hall  befindlichen,  aus  der  Zeit 
des  Abtes  Ruotbert  zu  Prüm  (1056  — 1063)  stammenden 
Lectionars,  welches  für  das  von  Abt  Urold  unter  Hein- 
rich II.  gegründete  Collegiatstift  der  hl.  Maria  geschrieben 
wurde;  zwei  Lichtdrucke  nach  von  dem  Besitzer  angefertigten 
Photographien  veranschaulichen  die  Ausstattung  der  inter- 
essanten Hs.  —  Ebenda  S.  41  ff.  giebt  Lager  aus  einer 
Hs.  des  15.  Jh.  den  deutschen  Text  einer  Ordnung  für 
die  Beamten  und  Diener  des  Domcapitels  zu  Trier 
heraus,  die  in  das  Ende  des  13.  Jh.  gehören  soll,  und 
S.  56  ff.  beschreibt  Keuffer  eine  im  Germanischen  Mu- 
seum zu  Nürnberg  befindliche  Hs.  des  15. — 18.  Jh.  aus 
Kloster  S.  Simeon  zu  Trier,  welche  ausser  den  Namen  der 
Canoniker  von  1629  an  Abschriften  von  Urkunden  und 
andere  Aufzeichnungen  des  14.  und  15.  Jh.  enthält. 

131.  In  der  Zeitschrift  des  Bergischen  Geschichts- 
vereins XXXIII,  59  ff.  hat  W.  Sauer  die  auf  die  Be- 
sitzungen des  Klosters  Werden  in  Elvitheri  (Elfter  oder 
Monninkhof  im  Kirchspiel  Oldenzaal)  bezüglichen,  bisher 
nur  z.  Th.  bekannten  Aufzeichnungen  in  den  Heberegistern 
und  Rechnungen  des  Klosters  herausgegeben  und  eingehend 
erläutert.  Zur  Erläuterung  ist  u.  a.  eine  bisher  unbekannte 
Urkunde  des  Bischofs  Heinrich  v.  Utrecht  d.  d.  11.  Juli  1255 
abgedruckt. 

132.  Ein  interessantes  Verzeichnis  des  Silberschatzes 
der  Magdeburger  Erzbischöfe,  enthalten  in  einer  Urkunde 
des  Erzbischofs  Ernst  von  1476,  theilt  G.  Hertel  in  den 
Magdeburger  Geschichtsblättern  XXXII,  454  ff.  mit. 

133.  Von  Cesare  Paoli's  Programma  scolastico  di 
Palaeografia  latina  e  di  diplomatica  ist  die  erste  Lieferung 
des  3.  Theiles,  welcher  die  Diplomatik  behandelt,  erschienen 
(Florenz,  Sansoni  1898).  Auch  dieser  Schrift  eignen  die 
Vorzüge  der  Sorgfalt,  Klarheit  und  Präcision,  die  Paoli's 
Lehrbücher  auszeichnen. 


Nachrichten.  397 

134.  J.  A.  Bruun,  An  enquiry  into  the  art  of  the 
illuminated  manuscripts  of  the  middle  ages  behandelt  im 
1.  Theile  (Stockholm  1897)  keltische  Hss.  und  giebt 
charakteristische  Proben  ihrer  Miniaturen.  H.  Bl. 

135.  F.  Malaguzzi-Valeri  verzeichnet  in  den  Atti 
e  memorie  della  r.  deputazione  di  storia  patria  per  le  pro- 
vincie  di  Romagna  3.  ser.,  XVI,  52  ff.  die  mit  Miniaturen 
ausgestatteten  Hss.  und  Urkunden  des  Staatsarchivs  von 
Bologna.  H.  Bl. 


YIII. 


Die  wiederaufgefundene  Vorlage 

der 

Annales  Mettenses. 


Von 


B.  V.  Simsou. 


Neues  Archiv  etc.    XXIV.  26 


K.  Hampe  entdeckte  in  einer  Hs.  der  Kathedral- 
T^ibliotliek  zu  Dnrham  (C.  IV,  15  membr.)  einen  Text  der 
Annales  Mettenses,  anf  dessen  Wichtigkeit  er  im  Nenen 
Archiv  XXII,  694  ff.  aufmerksam  machte.  Er  hatte  den 
Eindruck  gewonnen,  dass  dieser  Text  nicht  eine  Abschrift 
desjenigen,  welchen  die  früher  in  Cheltenham,  jetzt  in 
Berlin  befindliche  Hs.  (Cod.  Phill.  lat.  1853)  enthält,  sondern 
eine  ältere  Vorlage  desselben  sei.  Als  Probe  gab  er  einst- 
weilen den  Bericht  über  das  Jahr  830,  mit  dem  der  Text 
der  Durhamer  Hs.  endigt. 

Nachdem  mir  durch  die  dankenswerthe  Güte  des  Herrn 
Oeheimrath  Dümmler  und  des  Herrn  Professor  Holder - 
Egger  die  für  die  Monumenta  Germaniae  genommene 
Collation  bezw.  Abschrift  dieses  Textes  bekannt  geworden 
ist,  kann  auch  ich  mich  Hampe's  Ansicht  nur  anschliessen 
und  seine  Entdeckung  als  eine  erfreuliche  und  wissen- 
schaftlich belangreiche  begrüssen. 

Die  Handschrift  setzt  Holder -Egger  in  den  Anfang 
des  12.  Jh.,  und  zwar  sind  die  'Annales  Mettenses'  (ausser 
diesen  enthält  sie  auch  den  ßegino)  ganz  von  einer  Hand 
geschrieben.  Eine  jüngere  Hand  des  12.  Jh.  hat  zu  Anfang 
öfters  werthlose  Inhaltsangaben  hinzugefügt. 

Die  Jahreszahlen  sind  fast  immer  fortgelassen  ^.  Nur 
am  Anfange  steht  'Anno  ab  incarnatione  Domini  nostri 
lesu  Christi  684'  (statt  687  in  dem  bisher  bekannten  Texte), 
hernach  nur  noch  Jahreszahlen  bei  710  —  713  und  731  und 
mehrfach  'Hoc  anno'  ohne  Zahl  -.  Die  Anfänge  der  Jahres- 
berichte oder  auch  einzelne  Stellen  in  ihnen,  namentlich 
solche,  die  mit  'Eodem  anno'  oder  ähnlich  beginnen,  sind 
mit  rothen  oder  grünen  Initialen  bezeichnet. 

Besonderes  Interesse,  um  dies  an  die  Spitze  zu  stellen, 
gewährt  der  materielle  Zuwachs,  welchen  unsere Ueber- 
lieferung  durch  den  Durhamer  Codex  gewinnt.  Ist  derselbe 
auch  nicht  gross,  so  fehlt  es  doch  —  wie  dies  auch  schon 


1)  Vergl.  hierzu  Puckert  in  der  unten  angeführten  Abhandhmg 
S.  148  ff.  Auch  in  den  bisher  bekannten  Ann.  Mettenses  sind  manchmal 
mehrere  Jahre  übersprimgen.         2)  745  —  753.  755  —  759. 

26* 


402  B.   V.   Simson. 

die  Fragmente  zeigten  —  nicht  ganz  an  einzelnen  nnbe- 
kannten  Zügen,  bemerkenswerthen  Abweichungen  oder  Be- 
stätigungen bisher  isoliert  stehender  Angaben  ^. 

Ich  stelle  zunächst  die  Punkte,  in  denen  dies  der  Fall 
ist,  zusammen,  übergehe  dabei  jedoch  minder  Wichtiges 
oder  anscheinend  bloss  Schablonenhaftes. 

Bischof  Arnulf  von  Metz  wird  in  unserem  Texte  nicht 
als  Grossvater,  sondern  nur  als  Verwandter  Pippins  des 
Mittleren  bezeichnet.  Man  liest  nicht,  wie  in  den  bisher 
bekannten  Annales  Mettenses:  'Ad  solidandum  quoque  ip- 
sius  imperii  fundamentum  erat  ei  agnatione  avus  quidam 
vir  plenus  virtutibus  Arnulfus  nomine,  Metensis  urbis  epi- 
scopus',  sondern  statt  'avus'  steht  'propinquus'.  Dass 
dies  in  der  That  die  ursprüngliche  Lesart  ist,  erscheint 
nicht  zweifelhaft-. 

Der  Baiernherzog  Odilo  wird  als  avunculus  des  Grifo 
bezeichnet.  Nach  Ann.  Einh.  741  war  er  der  Oheim  von 
Grifo's  Mutter^. 

778  heisst  es  von  derjenigen  Heeresabtheilung,  welche 
über  den  östlichen  Theil  der  Pyrenäen  ging,  sie  sei  durch 
Septimanien  gezogen  und  zunächst  nach  Barcelona  gelangt: 
Pars  autem  non  modica  exercitus  de  Austria,  Burgundia, 
Bavaria  seu  Provinciä  et  Longobardia  per  Sej^timaniani 
prof iciscentes  ad  Barcinonam  civitatem  perve- 
nerunt'.  Die  Nachricht  ist  für  uns  völlig  neu,  aber  nicht 
unwahrscheinlich,  zumal  da  der  Emir  von  Barcelona  und 
Gerona  Ibn  al  Arabi  den  Zug  Karls  d.  Gr.  nach  Spanien 
veranlasst  hatte  und,  wie  auch  schon  ein  früherer  Emir 
Pi]5pin  gegenüber,  die  Unterwerfung  dieser  Städte  unter 
das  Frankenreich  erklärte. 

789  wird  von  dem  Wilzenfürsten  Dragowit  berichtet,^ 
er  habe  erklärt,  dass  er  seine  Herrschaft  dereinst  von  Karl 
erhalten  habe :  'Venit  autem  eorundem  Sclavorum  rex  ad 
eum  qui  vocabatur  Drogoviz  et  reddidit  regnum  illi  partibus 
Francorum,  asser ens  se  olim  ab  invicto  principe 
Carolo  eandem  potestatem  vel  dominationem 
consecutum    fuisse'.      Es    scheint   unzweifelhaft,    dass 


1)  Vergl.  V.  Ranke,  Weltgeschichte  V,  2,  S.  293 :  'Dennoch  ist  mir 
vorgekommen,  als  ob  sich  unter  all  der  »Spreu  und  dem  Wust  doch  auch 
einiges  Bemerkenswerthe,  selbst  einige  Abschnitte  darin  finden,  welche 
zur  Erkenntnis  der  historischen  Wahrheit  unentbehrlich  sind'.  2)  Aehnlich 
die  Historia  s.  Gertrudis,  welche  zu  den  Ann.  Mett.  in  Beziehung  steht  r 
'Fuerunt  ei  agnatione  propinquae  virgines'.  Vergl.  Bonneil,  An- 
fänge des  karoling.  Hauses  S.  153,  X.  1.  3)  Vergl.  Breysig,  Karl 
3Iartell  S.  54. 


Die  wiederaufgefimclene  Vorlage  der  Annales  Mettenses.     403 

unter  dem  'iuvictns  princeps  Carolus'  nicht  Karl  d.  Gr., 
sondern  Karl  Martell  zn  verstehen  ist;  denn  jener  wird 
in  unserer  Compilation  nie  so  bezeichnet,  wohl  aber  wieder- 
holt der  letztere  ^.  Indessen  auch  so  erscheint  die  Nachricht 
weniger  unglaublich,  wenn  man  erwägt,  dass  Dragowit 
uach  den  Ann.  Einhardi  vor  den  übrigen  Wilzenfürsten 
auch  durch  sein  hohes  Alter  hervorragte  ('nam  is  ceteris 
Wiltzorum  regulis  et  nobilitate  generis  et  auctoritate  se- 
nectutis  longe  praeminebat').  Dürfen  wir  der  Nachricht 
und  der  Behauptung  des  Dragowit  Glauben  schenken,  so 
wirft  sie  ein  neues  Licht  auf  die  Machtsphäre  Karl  Martells. 

801  wird  berichtet,  dass  Karl  d.  Gr.  im  Herbst  nach 
Aachen  zurückkehrte  und  dann  dort  einen  Reichstag  hielt : 
'Autumnalique  tempore  pervenit  Aquis  palacium  et  ibi  more 
solito  Francorum  conventum  habuit' '-. 

Bekanntlich  enthalten  die  Ann.  Mettenses  zum  Jahr 
803  eingehendere  Nachrichten  über  das  Itinerar  des  Kaisers 
als  die  Reichsannalen.  Wie  sich  zeigt,  geben  sie  jedoch 
auch  hier  ihre  Vorlage  etwas  lückenhaft  wieder.  Es  fehlen 
in  ihnen  diejenigen  Worte  des  Durhamer  Textes,  die  hier 
gesperrt  gedruckt  sind : 

'Absolutis  itaque  cum  honore  imperiali 
missis  (die  byzantinischen  Gesandten)  dispositisque  in 
eodem  placito  (zu  Salz)  qu§  tunc  oportuna  esse 
videbantur^,  imperator  partibus  Bawari^  tendit,  cum 
electis  iter  per  Hircanum  saltum  agens,  venationem  bu- 
balorum  ceterarumque  ferarum  exercens,  ceterum  exer- 
citum  per  apertiores  vias  ire  permisit^.  Inde  ad 
Reginisburg  veniens  dispositisque  his  que  utilia  esse  vide- 
bantur,  venationem  per  Bawariam  agens  adveutum 
exercitus  de  Pannonia  redeuntis  prestolabatur.  Quibus  re- 
versis,  obviam  illis  ad  Reginisburg  pervenit'  ^. 


1)  Vergl.  735.  737  (auch  Aun.  Mett.  Scr.  I,  325.  326) :  'invictus 
princeps  Carolus  —  invicto  Carolo  priucipi'.  2)  Vergl.  Ann.  Guelfer- 
bytaui  und  unten;  Jahrbücher  Karls  d.  Gr.  II,  271  N.  4,  274  N.  3; 
Waitz,  Deutsche  Verfassungsgeschichte  III'-,  331  —  333  (lieber  die  Reichs- 
versammlungen unmittelbar  nach  der  Kaiserkrönung).  3)  Dies  ist  aller- 
dings eine  der  mehr  schablonenhaften,  in  diesem  Werke  gewissermassen 
gewohnheitsmässig  wiederkehrenden  Wendungen,  so  dass  ihre  Auslassung 
den  Ann.  Mett.  nicht  zum  Vorwurf  zu  machen  ist.  Die  anderen  Quellen 
sagen  aber  auch  nichts  von  einem  placitum,  das  damals  in  Salz  statt- 
gefunden habe  —  abgesehen  von  den  falschen  Nachrichten  über  den  dort 
abgeschlossenen  Frieden  mit  den  Sachsen  und  der  UeberschrJft  einiger 
Codices  zu  den  Capitula  ecclesiastica  ad  Salz  data  (Capp.  I,  119),  nach 
denen  diese  jedoch  im  Jahr  804  erlassen  sein  wüi'den.  4)  'ceterum  — 
permisit'  auch  in  den  Zusätzen  des  cod.  B  3  des  Regino  (Kurze  S.  64). 
5)  Hiernach  erscheint  auch  die  zwiefache  Erwähnung  des  Eintreffens  des 


404  B.  V.   Simson. 

804  wird  erzählt,  dass  Karl  d.  Gr.  auf  dem  damaligen 
Zuge  nach  Sachsen  den  Rhein  bei  Köln  überschritten 
habe  ('Trausitoque  Reno  apud  Colonoam  urbeni';  Ann. 
Mett.  nur:  'Transitoque  Eeno').  Wir  wussten  bisher  nur, 
dass  Karl  auf  dem  Rückwege  über  Köln  kam  ^. 

Abweichend  von  den  Ann.  Laurissenses  wird  übrigens 
auch  die  Schlacht  am  Süntel  (782)  behandelt: 

'Sed  ipso  reverso,  suadente  perfido  Witingindo,  Saxones 
solito  more  mentiti  sunt.  Et  ignorante  rege,  missos  suos 
Adalgisum  et  Gailonem  et  Wogratum,  quos  cum  parte 
exercitus  Francorum  direxit  in  Saxoniam,  ut  acceptis  ex 
his  bellatoribus,  perrexissent  pariter  super  Sclavos,  qui  in 
illis  partibus  rebelles  erant,  hoc  perfidi  Saxones  cernentes 
irruerunt  super  Francos,  crudelique  prelio  commisso  ex 
utraque  parte  multi  vulnerati  ceciderunt.  Inter  quos  etiam 
Adalgisus  et  Gallo  -  in  monte  qui  dicitur  Sundal  occubuerunt'. 

Hier  wird  also  kein  Sieg  der  Franken  behauptet,  wie 
in  den  Laurissenses :  sondern  es  heisst,  es  seien  auf  beiden 
Seiten  viele  gefallen.  Ausserdem  wird  die  Darstellung  der 
Laur.  umgekehrt,  indem  sich  hier  nicht  die  fränkischen 
Königsboten  auf  die  Sachsen,  sondern  die  letzteren  auf  die 
Franken  stürzen.  Indessen  ist  das  letztere  jedenfalls  un- 
genau. 

Zu  begrüssen  ist  die  neue  Entdeckung  auch  deshalb, 
weil  sie  das  Verfahren  und  die  Ergebnisse  der  Quellenkritik 
in  ähnlicher  Weise  bestätigt,  wie  einst  die  Auffindung  des 
Textes  der  Annales  Altahenses.  Der  Fall  liegt  sogar  in- 
sofern noch  günstiger,  als  hier  nicht  nur  eine  späte  Ab- 
schrift, sondern  noch  ein  mittelalterlicher  Codex  des  ver- 
loren geglaubten  Textes  zum  Vorschein  kommt. 

Zuerst  schloss  Robert  Dorr,  ein  Schüler  Giese- 
brechts,  vor  30  bis  40  Jahren  in  seiner  Doctordissertation 
De  bellis  Francorum  cum  Arabibus  gestis'  (Königsberg  1861) 
aus  den  mit  den  Annales  Mettenses  eng  verwandten  Stellen 
der  Gesta    abbatum    Fontanellensium    und   des   Chronicon 


Kaisers  in  Regensburg  nicht  mehr  als  eine  gedankenlose  Wiederholung 
und  Verdoppelung,  wofür  man  sie  bisher  halten  musste,  vergl.  Forschungen 
zur  Deutschen  Geschichte  XX,  404;  Jahrbücher  Karls  d.  Gr.  II,  297  N.  2^ 
298  N.  2.  Daher  möchte  ich  meine  frühere  Vermuthung,  dass  das  erste 
Mal  statt  Regensburg  eigentlich  Salzburg  (Salzburch)  stehen  müsste,  jetzt 
zurückziehen,  obwohl  sie  dem  sonst  bekannten  Itinerar  Karls  entspricht 
(vergl.  Zeitschrift  für  die  Geschichte  des  Oberrheins  N.  F.  IX,  218). 
1)  Jahrb.  II,  315.  2)  Die  Titel  des  Adalgis,  Gallo  und  "Worad  ('came- 
rarius  —  comes  stabuli  —  comes  palatii',  vergl.  Ann.  Einh.)  sind  hier  eben- 
so wie  in  den  Ann.  Laur.  fortgelassen.  786  nennt  der  Durhamer  Cod.  den 
Senischalk  Audulf  nur  'virum  illustrem'  (so  auch  die  jüngeren  Ann.  Mettens.). 


Die  wiederaufgefundeue  Vorlaffe  der  Annales  Mettenses.     405 


Moissiacense  (cod.  Anianensis),  dass  eine  solche,  aus  den 
Fortsetzungen  des  Fredegar  und  den  Annales  Laurissenses 
combinierte  Vorlage  der  Mettenses  vorhanden  gewesen  sein 
müsse.  Dann  wies  man  auf  die  Verwandtschaft  einiger 
Jahresberichte  der  Annales  Guelferbytani  mit  den  Ann. 
Mett.  hin.  Darauf  kamen  einige  Fragmente  ans  Licht, 
deren  enge  Beziehungen  zu  jener  Vorlage  von  Waitz,  Giese- 
brecht,  Ebrard,  Puckert  u.  a.  klargelegt  wurden.  Ferner 
bemerkte  man  auch,  dass  im  Chronicon  Vedastinum  und 
in  den  Annales  Lobienses  jene  Vorlage  benutzt  sei  u.  s.  w.'. 
Vergleicht  man  den  Durhamer  Codex  (den  ich  von 
jetzt  an  mit  D  bezeichnen  will)  mit  den  Fragmenten,  so 
ergiebt  sich  im  wesentlichen  wörtliche  Uebereinstimmung. 
Zum  Beweise  genügt  die  Anführung  einzelner  Stellen.  Von 
den  Abweichungen  der  bisher  bekannten  Fassung  der 
Annales  Mettenses  in  dem  jetzt  in  Berlin  befindlichen  Codex 
(B)  kann  man  sich  aus  der  Zusammenstellung  in  SS.  XX 
und  XIII  überzeugen. 

Fragm.  Dusseldorp. 
Anno  incarnationis  Do- 
mini 760.  Pippinus  rex  cer- 
nens  Wagfarium  ducem  Aqui- 
taniorum  minime  iustitias 
ecclesiarum  quae  in  partibus 
Francorum  erant  facere  volu- 
isse,  ex  consilio  optimatum 
principumque  suorum  in 
Aquitaniam  iter  direxit,  et 
pervenit  in  locum  qui  dicitur 
Tedoad.  Cum  liaec  vidisset 
Wagpharius,  direxit  nuntios 
suos  Witbertum  scilicet  et 
Dadinum,  et  dedit  obsides 
Adelgarium  et  Iterium,  spo- 
pondens  sub  iure  iurando,  ut 
quod  quondam  malo  ordine 
commiserat    contra    domina- 


D. 

Pippinus  rex  cernensWai- 
farium  ducem  Aquitaniorum 
minime  iusticias  §cclesiarum 
quae  in  partibus  Francorum 
erant  facere  voluisse,  ex  con- 
silio optimatum  suorum  iter 
in  Aquitaniam  direxit,  et  per- 
venit usque  ad  locum  qui 
dicitur  Tedoad.  Cum  haec 
vidisset  Waifarius,  direxit  nun- 
tios Aubertum  et  Dadinum 
et  dedit  obsides  Adalgarium 
et  Iterium,  spopondens  se  sub 
iureiurando  ut  quod  quondam 
malo  ordine  commiserat  con- 
tra dominationem  regis  Pij)- 
pini,  secundum  iudicium  et 
legem  emendare  deberet. 


1)  Vergl.  die  Zusammenstellung  der  Fragmente  und  eines  Theils 
der  Excerpte  SS.  XX,  1  ff.,  XIII,  26  ff.;  dazu  Fr.  Ebrard  in  Forschungen 
zur  Deutschen  Geschichte  XIII,  463  —  472;  Griesebrecht  ebend.  S.  627  — 
633;  Waitz  ebend.  VIII,  681  ff.,  XX,  385  ff.;  Simsou  ebend.  395  ff.,  so- 
wie die  vielleicht  durch  allzu  grosse  Subtilität  ermüdenden,  aber  durch 
Cielehrsamkeit  und  Scharfsinn  ausgezeichneten  Untersuchungen  Pückerts 
in  den  Berichten  der  königl.  sächs.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  (phil.- 
hist.  Cl.)  1884  S.  106  ff. 


406 


B.   V.   Simson. 


Fragin.  Dussel  clor  p. 
tionem  regis  Pippini,  secun- 
dum  iudicium  et  legem  emen- 
daret.  Hac  firmitate  suscepta, 
plus  princeps  Pippinus  ad 
propria  revertitur,  et  cele- 
bravit  natalem  Domini  Cari- 
siaco,  et  pascha  similiter. 

Fragm.  Basiliense. 
770. 

Eodem  anno  perrexit  iam 
dicta    regina    per   Bawariam 
partibus  Italiae. 
772. 

Inde  ad  Ermensul  usque 
pervenit,  et  ipsum  fanum  de- 
struxit,  aurumque  et  argen- 
tum,  quod  superstitiosum  ibi 
adunatum  fuerat,  suis  fideli- 
bus  distrifbuit]. 

F  r  a  g  m.  V  i  n  d  o  b  o  n  e  n  s  e. 
785. 
Et  cum  pervenisset  in  Bar- 
tengowe,  ibi  ad  eum  Widi- 
kindus  et  Abbi,  gener  eins, 
venit,  et  firmaverunt  sub 
sacramentis,  illum  se  secu- 
turos  esse  in  Franciam. 


D. 

Hac  firmitate  suscepta,  prin- 
ceps Pippinus  ad  j)ropria  re- 
vertitur,  et  celebravit  natalem 
Domini  Carisiaco  et  pasca 
similiter. 


D. 


Eodem  anno  perrexit  iam 
dicta  d  o  m  n  a  B  e  r  c  t  a  regina 
per  Bavariam  partibus  Itali§. 

lüde  ad  Ermensul  usque 
pervenit,  et  ipsum  fanum  de- 
struxit,  aurumque  aut  argen- 
tum,  quod  superstitiosum  ibi 
adunatum  fuerat,  suis  fideli- 
bus  distribuit. 

D. 

Et  cum  pervenisset  in  Bar- 
tengawe,  ibi  ad  eum  Witi- 
gindus  et  Abbion,  gener  eins, 
venit,  et  firmaverunt  sub  sa- 
cramento,  illum  se  secuturos 
esse  in  Franciam. 
Besonders  interessant  ist  die  Vergleichung  mit  dem 
Clironicon  Moissiacense  (cod.  Anianensis).  Sie 
widerlegt  endgültig  die  einst  von  Bouquet  und  Pertz  ge- 
hegte Meinung,  dass  die  Annales  Mettenses  (B)  die  mit 
dieser  Chronik  übereinstimmenden  Stellen  aus  der  letzteren 
entlehnt  hätten  ^.  Sie  bestätigt  vielmehr  die  mit  Unrecht 
in  Zvreifel  gezogene  -  Ansicht,  dass  beide  aus  gemeinsamer 
Quelle  geschöpft  haben.  Zweifelhaft  könnte  auf  den  ersten 
Blick  höchstens  erscheinen,  ob  auch  das  Chronicon  Ania- 
nense  gleich  B  den  Text  D  (nur  in  einer  theilweise  correc- 

1)  So  auch  noch  Bonnell,  Die  Anfänge  des  karolingischen  Hauses 
S.  159.  2)  Auch  von  Giesebrecht,  Forschungen  z.  D.  Geschichte  XIII, 
631  N.  1.  Siehe  dagegen  Waitz  ebend.  XX,  391;  Simson  ebend.  395. 
400  und  namentlich  Puckert  a.  a.  O.  S.  113 — 116.  Nachträglich  war 
sogar  auch  Waitz  geneigt,  den  Zweifel  Giescbrechts  für  begründet  zu 
halten.     (S.  B.  der  Berliner  Akad.  1882  S.  406.) 


Die  wiecleraufgefundene  Vorlao;e  der  Annales  Mettenses.     407 


teren  Handschrift  als  die  Durhamer)  benutzt  hat,  oder  noch 
weiter  auf  eine  in  D  verarbeitete  Vorlage  zurückgeht  ^. 

Es  zeigt  sich  nämlich,  dass  die  betreffenden  Stellen 
des  Chronicon  Anianense  sämnitlich,  und  zwar  in  derselben 
Fassung,  auch  in  D  enthalten  sind.  Selbstverständlich 
sind  sie  also  ebenfalls  aus  D  und  nicht  aus  dem  Chronicon 
in  B  übergegangen. 

Zum  Beweise  reicht  folgende  Zusammenstellung  hin: 
Chron.  Moiss 

D. 


cod.  Anian. 

SS.  I,  293. 
Pippinus  vero  rex 
non  poterat  ea  quae 
Romano  praesuli 
promiserat,  nisitoto 
affectu  cum  Dei 
auxilio  adimpleret. 

His  minis  Hai- 
stulf US  t  y  r  a  n  n  u  s 
territus,  per  ma- 
nus  Pentapolim, 
Narnias  et  Cecanum 


Pippinus  vero  non 
poterat  ea  que  Ro- 
mano presuli  pro- 
miserat ,  nisi  toto 
effectu  cum  dei 
auxilio  adimpleret. 

His  minis  Hei- 
sulf u  s  p  e  r  t  e  r  r  i  - 
tu s,  per  manus Pen- 
tapolim, Narnias  et 
Cecanum  et  reliqua 
debita  quae  sancto 


B  (Ann.  Mett.). 
754. 

Pippinus  vero  re- 
spondit,  se  non  aliud 
posse  facere,  nisi  ea 
quae  Romano  prae- 
suli promiserat. 

Pentapolim  ita- 
que,  Narnias  et  Ce- 
canum et  reliqua 
debita,  quae  sancto 
Petro  abstulerat.  .  . 


et    reliqua     debita 

quae   sancto   Petro   Petro  debuerat. 

debuerat.  .  . 

Chron.  Anianense  hat  aus  D  auch  Stellen  entlehnt, 
welche  in  B  nicht  benutzt  sind,  nämlich  in  den  Berichten 
über  die  Jahre  799  —  801.  Diese  Stellen,  deren  Verwandt- 
schaft mit  den  Ann.  Laurissenses  Pertz  -  erkannte,  gehen 
doch  nicht  unmittelbar  auf  Laur.,  sondern  auf  die  über- 
arbeitete Fassung  derselben,  die  D  bietet,  zurück. 


Chron.  Anian. 
799. 
Inde   per  fugam 
nocte  lapsus.  .  . 

800. 
Cum  autem  Ro- 
mae  propinquaret, 
occurrit  ei  Leo  papa 
et  Romani  principes 
cum  eo. 


D. 

Inde  per  noctem 
fuga  lapsus.  .  . 

Cum  autem  Ro- 
mam  proficiscere- 
tur,  occurrit  ei  pri- 
d  i  e  Leo  papa  et  Ro- 
mani principes  cum 
eo. 


Lau  r. 

noctu    j)er    murum 
evasit. 

Romam  vero  cum 
venisset,  occurrit  ei 
pridie  Leo  papa 
et  Romani  cum  eo. 


1)  Hierülier  s.  unten. 
(SS.  I,  303  n.  39). 


2)  Er   nennt  ungenau  die  Ann.  Einhardi 


408 


B.  V.   Simson. 


Chroii.  Anian. 
800. 
post  octo  vero  dies 
concione  cum  Eo- 
manis  habita,  cau- 
sam adventus  sui 
Omnibus  patef  ecit. 

801. 
cum  apud  Romam 
moraretur  rex  Ca- 
rolus ,  Zacharias 
presbyter  .  .  .  (cum) 
duobus  monachis 
de  Hierosolyma  a 
patriarcha  directis 
ad  regem  Eomam 
venerunt;  qui  bene- 
dictionis  causa  cla- 
ves  sepulcri  domi- 
uici  ac  loci  Calvaria, 
claves  etiam  civi- 
tatis et  montis  S  i  o  n 
cum  vexillo  c  r  u  c  i  s  ^ 
detulerunt. 

cum   ...    ab   orati- 
one  consurgeret.  .  . 

Post  laudes  vero 
a  plebe  decantatas 


D. 

Post  octo  vero  dies 
rex  contione  cum 
Romanis  habita, 
causas  sui  adventus 
patefecit. 

(800). 


De  lerosolimis 
enim  a  patriarcha 
directi  venerunt. 
Qui  benedictionis 
causa  claves  sepul- 
cri dominici  ac  loci 
Calvari^,  claves  eti- 
am civitatis  et  mon- 
tis Sion  cum  ve- 
xillo detulerunt. 

(801). 
cum   ...    ab    orati- 
one  consurgeret.  .  . 

Post  laudes  vero 
a  plebe  decantatas 


L  a  u  r. 

Post  VII  vero 
dies  rex  contione 
vocata,  cur  Romain 
venisset,  omnibus 
patefecit. 

800. 


Hier  fehlt  Sion, 
vergl.  Ausgabe  von 
Kurze  S.  112  N.  5. 

801. 
cum    ...    ab    orati- 
one  surgeret.  .  . 

Et  post  laudes . . . 


Im  Ganzen  stimmen  —  abgesehen  von  einzelnen  Vari- 
anten, Auslassungen  und  Interpolationen  ^  —  folgende 
Stellen  des  Chron.  Anian.  mit  D  überein: 

SS.  I.  291,  42  'ac  suo  subiugavit  imperio'.  46  —  292,  11 
'His  diebus  —  scriptum  remandavit'.  292,  33  —  35  'ad  limina 
—  pervenit'.  35  —  39  'capitisque  coma  —  professionem  spo- 
pondit'.  41  —  293,  47  'molestiam  Langobardorum  —  expulit'. 
47 — 49  'Eodem    anno  —  martyrio   coronatur'.     294,1  —  18 


1)  Ueber  diesen  Zusatz  vergl.  Puckert  S.  115  N.  13,  15G  N.  47. 
2)  Solche  sind  293,  54  'annum  unum  et  menses  tres'.  295,  24  und  36  'et 
Oggerio'.  33  —  34  'Karolus  vero  —  a  Francis'  (vergl.  Ann.  Lauresham.). 
S.  291,  46  —  292,11  ist  auch  die  Chronica  universalis  ( — 741)  Scr.  XIII, 
19  benutzt,  vergl.  Forschungen  z.  D.  Gesch.  XX,  395  —  399. 


Die  wiederaufgef  uudene  Vorlage  der  Annales  Mettenses.     409 


'Haistulfus  —  adductis'.  295,  8  —  27  'Eratqiie  tunc  —  circiiin- 
dedit'.  27—28  'Celebravit  —  Romae'.  29—32  'ßevertente  — 
ad  Constantinopolim  perrexit'.  34  —  37  'Porro  —  reversus 
est'.  304,  4  — 10  'Inde  per  fugam  —  dednctus  est'.  29  —  30 
'Cum  autem  —  patefecit'.  42  —  49  'Qiii  —  se  purgavit'. 
305,  18 — 23  'duobus  monachis  —  detulernnt'.  26 — 38  'Ipse 
vero  —  adoratus  est'  ^. 

Aach  die  verwandten  Stellen  der  Annales  Guelfer- 
bytani  stehen  dem  neu  entdeckten,  älteren  Texte  (D) 
näher  als  dem  bisher  bekannten,  späteren  (ß),  wie  folgende 
Vergleichung  ergiebt : 


Guelf. 
803.     Imperator 
autem       e  s  t  a  t  i  s 
tempore   venit  ad 
Magontiam. 

805.  Caroli  autem 
et  principum  eins 
misit  in  Sclavos  in 
regione  Peehaim, 
ipsam  regionem  va- 
dit. 


D. 

Imperator  esta- 
t  i  s  tempore  ab, 
Aquis  profectus  ad 
Mogontiam  perve- 
nit. 

Caroli  autem  re- 
gis  et  principum 
eins  qui  cum  eo 
erant  imperio  usus 
totus  ille  exercitus 
ipsam  regionem  in- 
vadit. 


B. 

Imperator  vero 
post  pascha-  ab 
Aquis  profectus  ad 
Magonciam  venit. 

Wie  D,  jedoch 
ist  'eins'  wegge- 
lassen  —   'invasit'. 


Es  begegnen  uns  in  Guelf.  sogar  ein  paar  Angaben, 
die  wir  in  B  überhaupt  nicht  finden,  wohl  aber  in  D. 

Wie  Guelf.  804  schreiben:  'inde'  (von  Nimwegen) 
'regressus  Kai.  Sept.  ad  Aquis  palacium',  so  D :  'Inde'  (von 
Köln)  'autem  cum  l^tania'  (1.  leticia)  'magna  regressus 
Kai.  Septembr.  Aquis  palacium  venit'.  Wie  sich  zeigt,  nahm 
Mühlbacher^  mit  ßecht  an,  dass  die  Notiz  der  Guelf.  erst 
auf  die  Heimkehr  Karls  d.  Gr.  von  dem  sächsischen  Feld- 
zuge zu  beziehen  sei.  Die  Guelf.  haben  hier  ihre  Vor- 
lage mehrfach  bis  zur  Sinnlosigkeit  verkürzt  ^.  Monod  ^  sagt 
treffend,  um  ihren  Text  zu  verstehen,  müsse  man  die  Ann. 


1)  Hier  ist  'a  d  i  u  n  c  t  o  etiam  Romano  populo  acclamante'  eigentlich 
corrumpiert  aus  'et  a  cuncto  Romanorum  populo  acclamatum  est'.  2)  Dies 
ist  ungenau,  vergl.  Jahrbücher  Karls  d.  Gr.  II,  287.  3)  Regest.  Imp. 
S.  164.  4j  Heigel  in  Forschungen  z.  D.  Gesch.  V,  400.  5)  In  seinem 
Aufsatze  über  die  Annales  Laurissenses  minores  (Etudes  Romanes  ded.  ä 
G.  Paris  p.  34):  'Les  annees  801  ä  805  dans  ces  dernieres  (den  Ann. 
Guelferljytani)  ne  sont  qu'un  extrait  mutile  et  inlbrme  du  texte  que  nous 
retrouvons  dans  les  Annales  Mettenses  et  celui-ci  est  indispensable  ä  leur 
intelligence'. 


410 


B.   V.   Simson. 


Mettenses  daneben  halten.  So  wird  ihre  Angabe  in  diesem 
Falle  erst  aus  derjenigen  in  D  verständlich.  Indessen 
scheint  auch  die  letztere  unrichtig  zu  sein  ^.  —  Ferner  er- 
wähnen Guelf.  wie  D  zum  Jahr  801  einen  Reichstag  in 
Aachen-. 

Desgleichen  bestätigt  sich  die  Ansicht,  dass  die  An- 
nales Lobienses^  nicht  auf  die  Annales  Mettenses  (B), 
sondern  auf  deren  Vorlage  zurückgehen: 


Lob. 
790.        vitilitates 
regni  sui  disponens 


799.  Geroldus 
prefectus  Alaman- 
n i a e '^  et  Bawariae 

803.  Veneruntle- 
gati  Nicophori  im- 
peratoris,  qui  eodem 
anno  factus  fuerat 
Imperator,  deposita 
Hiren§. 

804.  eos  qui  in 
Wigmoti  commone- 
bant  *'  (1.  commane- 
bant) .  .  . 

.  .  .  cui  Impera- 
tor Rhenus  cum 
laetitia  occnrrit. 


D. 

disponensque  uti- 
litates  interiores 
resfni  sui.  .  . 


Geraldus  comes 
quam  (sie)  rex  Ala- 
mannis  et  Bawa- 
riis  pref  ecerat .  .  . 

Quo  in  loco  vene- 
runt  ad  eum  legati 
Nitifori  imperato- 
ris,  qui  eodem  anno 
factus  est  Imperator 
Grecorum,  deposita 
imperatrice  Herene. 

illos  qui  in  Wig- 
moti commanebant 


Ipse  quoque  ad 
Remorum  civitatem 
in  basilica  beati  Re- 
migii  episcopi  et 
confessoris  ei  o  c  - 
c  u  r  r  i  t  et  c  u  m 
magno  g  audio 
et  veneratione 
eum  suscepit. 


B. 

disposuitque  ea 
quae  utilia  videban- 
tur  esse  in  regno 
suo. 

Giraldus  comes 
Baioariae  praefec- 
tus.  .  . 

...  et  venerunt 
cum  eis  legati  Ni- 
chofori  imperatoris, 
qui  tunc  rem  publi- 
cam  regebat  ^. 


illos  qui  in  Wig- 
moti  manebant.  . . 


Ij)se  vero  obviam 
illi  apud  Remorum 
civitatem  in  basilica 
beati  Remigii  epi- 
scopi et  confessoris 
prof  ectus  est,  ibique 
susceptum .  .  . 


1)  Vergl.  Jahrbücher  Karls  d.  Gr.  II,  300  N.  .S,  315  N.  3  und  unten. 
2)  Vergl.  o.  S.  403.  3)  SS.  XIII,  224  ff.;  vergl.  Forschungen  z.  D.  Gesch. 
XX,  401— 404.  4)  Vergl.  Puckert  a.  a.  0.  S.  145.  5)  Nach  Regmo; 
Ann.  Laur. :  'et  venerunt  cum  eis  legati  Nicifori  imperatoris,  qui  tuuc 
rem  publicam  regebat  —  nam  Herenam  post  adventum  legationis  Franciae 
deposuerunt'.  6)  So  die  Hs.  Waitz  (SS.  XIII,  230)  setzte  dafür  'com- 
morabant'. 


Die  wiederauf ffef undene  Vorläse  der  Anuales  Mettenses.     411 


Es  ist  vielleicht  auch  kein  blosser  Zufall,  dass  sich 
sowohl  in  Lob.^  wie  in  D  807  eine  durch  Ueberspringen 
von  dem  Worte  'fenestras'  auf  das  gleiche  Wort  veranlasste 
Lücke  findet. 

Daneben  lässt  sich  freilich  auch  beobachten,  dass  die 
Ann.  Lobiens.  sich  sowohl  mit  den  Lauriss.  als  mit  D  be- 
rühren. 

Lob.  Laur.  D. 


776.  Nam  rebel- 
laverant  et  Eresbur- 
gum  castrum  de- 
struxerant,  et  cum 
Sigiburgum  s  i  m  i  - 
liter  facere  vel- 
lent ,  a  p  p  a  r  u  i  t 
manifesta  glo- 
ria  Dei  .  .  .  Ad 
ultimum  apparue- 
runt  supra  ipsam 
basilicam  duo  scuta 
ingentia  ignei  co- 
loris  in  aere,  ipsam 
ecclesiam  defensan- 
tes. 


JBLerisburgum  ca- 
strum conquisieru  nt 
et  usque  solum  mu- 
rum  eins  destruxe- 
runt  .  .  .  Inde  ad 
Herisburgum  (!)  pro- 
ficiscentes  Saxones 
simili  modo  ipsum 
castrum  multis  ma- 
chinis  preparatis  de- 
struere  decreverunt 
...  In  quo  cer- 
tamine  magnum  mi- 
raculum  deus  ma- 
nifestare  dignatus 
est.  Nam  pugnan- 
tibus  Saxonibus  ap- 
paruerunt  supra  ip- 
sam basilicam  .  .  . 
fugentia  (!)  ignis  (!) 
coloris  suspensa 
aere  ipsam  §ccle- 
siam  defendentes. 
Man  muss  annehmen,  dass  Lob.  neben  D  auch  die 
Laur.  benutzten '-. 

Auch  die  hier  in  Betracht  kommenden  Stellen  der 
Gesta  abbatum  Fontanellensium  folgen  im  Wort- 
laut bisweilen  noch  genauer  dem  Texte  D  als  dem  Texte  B. 


sie  Eresburgum  a 
Francis  derelictum, 
muros  et  opera  de- 
struxerunt.  Inde 
pergentes  voluerunt 
de  Sigiburgi  simi- 
liter  facere  .  .  . 
apparuit  mani- 
feste gloria  Dei 
supra  domum  eccle- 
siae  ...  et  dicunt 
vidisse  instar  duo- 
rum  scutorum  co- 
lore  rubeo  flam- 
mantes  et  agitantes 
supra  ipsam  eccle- 
siam. 


G.  abb.  Font. 

c.  8.  Haec  igitur 
.  .  .  animum  pueri 
f  e  r  t  u  r     cotidianis 

ammonitionibus 
corroborasse. 


D. 
Haec  igitur  .  .  . 
animum  pueri  f  er- 
t  u  r  cotidianis  ad- 
monitionibus  cor- 
roborasse. 


B. 

693.  Haec  igitur 
.  .  .  animum  pueri 
cotidianis  ammoni- 
tionibus corrobo- 
rabat. 


1)  Vergl.  SS.  XIII,  231  e.        2)  Vergl.  Waitz  SS.  XIU,  225. 


412 


ß.  V.  Simson. 


G.  abb.  Font. 

c.  9.  cernens  se 
superatum  et  ad  de- 
fendendam  j)atriam 
suam  contra  Karo- 
lum  se  viribus  esse 
destitutum  —  Ga- 
ronnam  fluvium 
transennt,  Burdiga- 
lem  urbem  pervene- 
runt  —  pluribus- 
que  christianis  in- 
terfeetis  —  basili- 
camque  sancti  Hi- 
larii  i  g  n  e  con  cre- 
mata. 

c.  10.  regem  pre- 
fatum  Sarraceno- 
rum  — 

spoliis  innumera- 
bilibus  ditatus 

c.  12.  partibus 
Provintiae 


filio  vero  iuniori 
suo  Pippino 

annis  26  et  men- 
sibus  6 

sepultnsque  est 


D. 

cernens  se  supe- 
ratum et  ad  defen- 
deudam  patriam  su- 
am contra  Carolum 
se  viribus  esse  de- 
stitutum —  Garan- 
num  fluvium  trans- 
eunt,  Burdigalem 
urbem  pervenerunt 
—  pluribusque 
christianis  interfec- 
tis  —  Basilicaque 
sancti  Hjlarii  i  g  n  e 
concremata. 


Regem  prefatum 
Sarracenorum 


—    Spoliis    innu- 
merabilibus  ditatus 

partibus    Provin- 
ciae 


B. 

732,  cernens  se 
esse  superatum  et 
ad  defendendam  pa- 
triam suam  contra 
Carolum  se  viribus 
destitutum  —  Ga- 
ronnam  fluvium 
transeunt,  et  Bur- 
digalam  urbem  per- 
venerunt —  p  1  u  r  i  - 
misque  christianis 
interfectis  —  Basi- 
licaque sancti  Hi- 
larii  concremata. 

737.  Regem  vero 
praefatum  Sarrace- 
norum — 

spoliis que  innu- 
merabilibus  ditatus 

739.  in  partibus 
Provinciae 


741.     Filio    vero 
iuniori  Pippino 

annis  26  mensibus 
6 


filio  vero  iuniori 
suo  Pippino 

annis  26  et  men- 
sibus sex 

sepultnsque  est         sepultusque. 

Daneben  kommt  allerdings  auch  der  umgekehrte  Fall 
vor: 
G.  abb.  Font.  D.  B. 

in  loco  qui  voca- 
batur  Birra  — 
pugna  acerrima  — 
depopulata  Gotia 
derutisque  civi- 
tatibus 


c.  10.  in  loco  qui 
vocatur  Byrra  — 
pugna  acerrima 
commissa  —  cunc- 
ta  depopulata  Gotia 
d  i  r  u  p  t  i  s  q  u  e  ci- 
vitatibus 


c.  12.  usque  ad 
litus  maris  —  To- 
ringiam  que 


737.  in  loco  qui 
vocatur  Birra  — 
pugna  acerrima 
commissa  ■ — 
cuncta  depopula- 
ta Gothia  dirup- 
tisque   civitatibn.s 

usque    litus    ma- 1      739.  usque  ad  li- 
ris  —  Toringiam       !  tus   maris   —    741. 
[  Toringiam  que 


Die  wiederaufgefundene  Vorlage  der  Aunales  Mettenses.     413 


G.  abb.  Font. 

c.  14.  exconsultu 
beati  Zachariaepa- 
pae  urbis  Romae 


P- 

ex    consulto    Za- 
chariae  papae  urbis 


B. 

750.    ex  consultu 
beati       Zacliariae 


Romae  j  papae  urbis  Eomae. 


Dies  beruht  jedoch  offenbar  nur  darauf,  dass  die  Hss., 
die  den  Gest.  und  B  vorlagen,  an  diesen  Stellen  besser 
Avaren  als  der  Durhamer  Codex. 

Endlich  steht  auch  das  Chronicon  Vedastinum, 
wie  man  wenigstens  aus  771  erkennen  kann  ^,  D  näher  als 
B.  Jedoch  verlohnt  es  sich  nicht,  auf  alle  Benutzungen 
der  in  Rede  stehenden  Conipilation  einzugehen,  wo  die 
Vergleichung  wenig  ausgiebig  ist. 

Keine  Bestätigung  —  dies  ist  noch  hervorzuheben  — 
erhält  durch  D  die  von  Waitz  -  aufgestellte,  von  Puckert 
weiter  erörterte  Ansicht,  dass  die  kleine  Lorscher  Franken- 
chronik (Annales  Laurissenses  minores)  zum  Theil 
auf  derselben  Grundlage  beruhe  wie  die  Annales  Mettenses  •'. 
Die  Rückschlüsse,  welche  Waitz  aus  jener  kurzen  Chronik 
auf  den  Inhalt  der  verlorenen  Quelle  zog,  treffen  auf  D 
grösstentheils  nicht  zu. 

D  ist  von  einzelnen  Fehlern  frei,  die  sich  in  B  finden. 
Ein  bekannter  Verstoss  des  letzteren  Textes  ist  es,  dass  er 
(745)  Pippin  den  Theudebald  nach  Alemannien  zurückrufen 
und  ihm  das  Herzogthum  zurückgeben  lässt  ('revocatoque 
illo,  eiusdem  loci  ducatum  dedit  et  ad  propria  remeavit')^. 
In  Cont.  Fredegar.  27  (113)  liest  man  dagegen:  'revocatoque 
sibi  eiusdem  loci  ducatu,  victor  ad  propria  remeavit'  und 
auch  in  D :  'revocatoque  eiusdem  loci  ducatu,  ad  propria 
remeavit'.  Kurz  vorher  findet  man  statt  Fredegar.  cont. 
26  (112):  'per  loca  deserta  et  palustria'  in  B:  'per  loca 
per  quae  plaustra  ducebantur'.  Wir  erkennen  deutlich, 
dass  diese  Entstellung  nicht  unmittelbar  durch  die  Fort- 
setzung des  Fredegar,  sondern  durch  D  veranlasst  ist,  da 
wir  in  diesem  finden:  'per  loca  iniqua  perque  palustria'^. 
—  805  confundiert  B  den  avarischen  Kapkhan  mit  dem 
Khakhan  (Capcanus  princeps  Hunorum  — •  alter  Caga- 
nus)  '•  —  auch  dies  ist  in  D  nicht  der  Fall. 


1)  Vergl.  Scr.  XIK,  703  N.  4.  2)  S.  B.  der  Berliner  Akademie 
1882,  S.  399  ff.  3)  Auch  Monod  liess  diese  Annahme  in  seinem  er- 
wähnten Aufsatze  über  die  Annales  Laurissenses  minores  (S.  39)  dahin- 
gestellt. 4)  Vergl.  Forschungen    zur   Deutschen  Geschichte  XX,  402. 

5)  In  der  Berliner  Hs.  der  Ann.  Mett.  ist  'qug'  über  'perplaustra'  nacli- 
getragen.    Vergl.  die  Mittheilung  Wattenbachs  N.  Archiv  XV.  560  N.  6. 

6)  Vergl.  Jahrbücher  Karls  d.  Gr.  11,  320  N.  5,  321  N.  8. 


•114  B.  V.   Simson. 

Aber  auch  D  enthält  schon  Fehler,  die  sich  in  B 
ähnlich  wiederholen.  So  hat  D  (693)  'Pippiui  vero  sing'ularis 
principatus  in  Theodericiim',  während  ich  mit  Hülfe  der 
Genealogia  Dagoberti  im  Cod.  Paris,  latin.  n.  9422  nach- 
gewiesen zu  haben  glaube  ^,  dass  die  Worte  ursprünglich 
gelautet  haben  müssen:  'Anno  deinde  incarnationis  domi- 
nice  DC™°  XC^"  III ",  Pippini  vero  singularis  principatus 
111°  Theodericus  .  .  .  moritur' 2.  Man  sieht,  aus  III  ent- 
stand in  D,  durch  eine  sehr  leicht  erklärliche  falsche  Lesung, 
'in';  B  suchte  dies  wieder  durch  'super'  zu  verbessern.  ■ — 
Ebenso  ist  es  nach  Geneal.  Dagoberti  wenigstens  wahr- 
scheinlich, dass  es  in  einem  anderen  Satze  desselben  Jahr- 
berichts heissen  sollte :  'Ulis  quidem  nomina  regum  impo- 
nens,  ipse  totius  regni  habenas  cum  summa  gloria  et 
honore  tractabat'  (wie  714:  'tanti  regni  habenas  tractare 
praesumebat').  Allein  nicht  nur  B  schreibt  statt  dessen: 
'totius  regni  habens  Privilegium',  sondern  auch  D  be- 
reits: 't.  r.  habens  privilegia'.  —  Weiterhin  stehen  die 
Worte  'Eemorum  scilicet  (B.  Remorum  vero  scilicet)  et 
Senonum  ceterarumque  urbium  ad  ipsum  ducatum  perti- 
nentium'  auch  schon  in  D,  wie  man  behaupten  darf,  ausser- 
halb   eines   vernünftigen   Zusammenhangs  ^.      Sie   gehören, 


1)  Vergl.   N.    Archiv  XV,   557  ff.     Zeitschrift   für   die   Gresch.    des 
Oberrheins  N.  F.  IX,  216  ff.  2)    Die   Stelle   nimmt   sich    in   D   noch 

wunderlicher  aus  als  in  B,    weil  jener   auch    das  Incarnationsjahr  fortge- 
lassen hat : 


D. 

Pippino  vero  singularis  princi- 
patus in  Theodericum,  qui  antequam 
vinceretur  a  Pippino  annis  XIIII,  vic- 
tus  vero  sub  eodem  regnabat  III 
annis,  moritur. 


3)  Nur  das  falsche  'vero'  fehlt  in  D. 


B. 
Anno  dominicae  (1.  deinde)  in- 
carnationis domini  nostri  lesu  Christi 
693,  Pippini  vero  singularis  prin- 
cipatus super  Theodericum,  qui  ante- 
quam vinceretur  a  Pippino  annis  14, 
victus  vero  sub  eodem  regnavit  3 
annis,  moritur  (Pertz  bemerkt  dazu 
Scr.  I,  321  a)  seil.  Theodericus). 
Sonst  schreibt  auch  er  fast  wörtlich 
wie  B :  'Remorum  scilicet  et  Senonum  ceterarumque  urbium  ad  ipsum 
ducatum  pertinentium  iuniorem  filium  eins  nomine  Grimualdum  maiorem 
domus  cum  Hildiberto  rege  constituit'.  Das  'scilicet'  schwebt  hier  aber 
in  der  Luft.  Ferner  kann  von  einem  Majordomus  verschiedener  Städte 
überhaupt  nicht  die  Rede  sein.  Ueberdies  machte  Pippin  der  Mittlere 
seinen  Sohn  Grimoald  zum  Majordomus  Childeberts  in  Neustrien  und 
Reims  und  Sens  gehörten  nicht  zu  Neustrien,  wohl  aber  zur  Champagne.  — 
Bonneils  Erklärungsversuche  (a.  a.  0.  S.  128.  173  ff.),  wonach  die  Ann. 
Mett.  hier  einen  Vorgang  aus  der  zweiten  Hälfte  des  10.  Jh.  herein- 
gezogen hätten,  scheitern  endgültig  daran,  dass  D  bereits  das  Nämliche 
enthält.  So  ergeht  es  einem  grossen  Theil  seiner  Kritik  der  Ann.  Mettenses 
überhaupt.  Auch  in  dieser  Beziehung  ist  die  Entdeckung  des  Durhamer 
Textes  wichtig. 


Die  wiecleraiifgefiMideue  Vorlage  der  Annales  Mettenses.     -115 

wie  ich  schon  früher  bemerkt  habe,  allem  Anschein  nach 
zu  den  vorhergehenden  Worten :  'Igitur  Drogonem  primo- 
genitum  suum  ducem  posuit  Burgundion  um'  (sollte  eigent- 
lich heissen  'Campaniae'),  von  denen  sie  jetzt  durch  mehrere 
Sätze  getrennt  sind. 

Desgleichen  lässt  eben  schon  D  Pippin  den  Mittleren 
seinen  Sohn  Drogo  zum  Herzog  der  Burgunder  (statt  der 
Champagne)  einsetzen,  wie  es  auch  das  Chronicou  Vedasti- 
num  thut  ^.  - —  Der  verderbten  Stelle  in  Ann.  Mett.  (B)  804 
über  die  Nordalbinger :  'illos,  quos  ultra  Albiam  t r ans- 
ier at',  welche  Pertz  durch  Einschaltung  von  'ad'  vor  'quos', 
Waitz  durch  die  Conjektur  'transmiserat'  zu  heilen  suchte, 
ist,  wie  sich  jetzt  zeigt,  durch  Einfügung  von  zwei  Buch- 
staben zu  helfen.  D  schreibt:  'quos  ultra  Albiam  trans- 
iecerat'.  Die  Vermuthung  von  Waitz,  die  er  übrigens  mit 
einem  Fragezeichen  begleitete  und  die  mir  früher  nicht  ein- 
leuchtend schien "-,  traf  also  dem  Sinne  nach  ungefähr  das 
Richtige.  Aber  der  Compilator  zeigt  sich  hier  schlecht  unter- 
richtet ;  denn  die  Vorstellung,  welche  dabei  zu  Grunde  zu  liegen 
scheint,  dass  die  transalbingischen  Sachsen  erst  durch  Karl 
d.  Gr.  über  die  Elbe  geworfen  worden  seien,  ist  eine  irrige  •^. 

Dazu  kommt,  dass  der  Durhamer  Codex  nichts  weniger 
als  correct  ist.  Manche  einzelne  Fehler  lassen  sich  aus 
den  Fragmenten,  dem  Chron.  Aniauense,  den  Ann.  Lobiens., 
den  Gest.  abb.  Fontanell.,  sogar  aus  B  verbessern  und  selbst 
grössere  Lücken  aus  diesem  ergänzen^. 

Gräulich  verwirrt  ist  in  D  eine  Stelle  über  den  Sieg 
Pippins  des  Mittleren  über  den  Friesenfürsten  Eatbod  bei 
Duurstede : 


1)  Vergl.  Puckert  a.  a.  0.  S.  109  N.  5  —  eine  Bemerkung,  die  ich 
früher  (N.  Archiv  XV,  561  —  562  und  Zeitschr.  f.  d.  Gesch.  cles  Ober- 
rheins  N.  F.  IX,  218)  übersehen  habe.  2)  Jahrbücher  Karls  d.  ör.  II, 
303  N.  5.  3)  Auch  andere  Stellen  in  D  lauten  so,  als  ob  es  nur  drei 
Theile  der  Sachsen  gäbe,  775:  'tertia  pars  Saxonum  qui  dicuntur  Wesfali'. 
779 :  'in  Wastfales,  que,  ut  diximus,  tertia  pars  Saxonum  est'.  Vergl.  auch 
Ann.  Lobiens.  775.  4)  So  753.  761.  774.  —  753   heisst   es   in   D    un- 

sinnigerweise 'exercitumque  in  Britanniam  subiugavit  partibus  f  rancorum', 
in  B  dagegen :  'exercitumque  in  Britanniam  duxit,  et  Venedis  castrum 
conquisivit  totamque  Britanniam  subiugavit  partibus  Francorum'.  Das 
Auge  des  Schreibers  von  D  glitt  also  von  einem  'Britanniam'  zum  andern 
hinüber.  761  sind  in  D  die  Worte  'jDeragrataque  Aquitania'  ausgefallen 
und  die  vorhergehenden  'cunctos  quos  ibi  repperit,  captos  secum  adduxit' 
an  eine  unrichtige  Stelle  versetzt;  der  Text  B  wird  hier  auch  durch  das 
Düsseldorfer  Fragment  bestätigt.  774  schreibt  B :  'revertente  cum  Dei 
auxilio.  intercedentibus  beatis  apostolis  Petro  et  Paulo,  glorioso  Karolo 
rege  a  Romana  urbe\  übereinstimmend  mit  Chron.  Anianense  (SS.  I.  295, 
lin.  29  —  30),  D  dagegen  stai'k  abgekürzt:  'Revertente  Carolo  rege  a  Ro- 
mana urbe'. 


Neues  Archiv  etc.     XXIV. 


27 


416  B.  r.  Simson.     * 

'Adunato  igitur  exercitu,  iuxta  castrum  qiiod  dicitur 
Dorestadnm  (aiirestadum  cod.)  castra  metatus  est.  Cui 
occurrit  cum  valida  manu,  et  pugna  commissa  est.  Ubi 
i^risiones  magna  clade  et  superba  manu  Eadbod  aciemque 
invicem  construentes  (construntes  cod.),  valida  pugna  com- 
missa est,  ubi  Frisiones  magna  clade  percussi  sunt'.  Die 
Verwirrung  ist  durch  Verdoppelung  der  Worte  'pugna  com- 
missa est.  Ubi  Frisiones  magna  clade',  wohl  auch  von  'manu' 
und  'et'  entstanden. 

In  B,  wo  der  dritte  Satz  (Duchesne  III,  267)  lautet: 
'Ubi  Frisiones  superba  manu  ßadbodi  in  aciemque  prope- 
rantes,  valida  pugna'  etc.,  erkennt  man  das  Bestreben,  die 
Verwirrung  zu  mildern  und  die  Ausdrucksweise  zu  feilen; 
das  erste  'magna  clade'  nebst  'et'  ist  ausgemerzt,  'Radbod' 
in  'Ratbodi'  verwandelt,  für  'aciemque  invicem  construentes' 
gesetzt  'in  aciemque  properantes'.  Vollständig  ist  die  Ver- 
wirrung damit  jedoch  nicht  beseitigt  und  die  Aenderung 
keine  glückliche.  Denn  eigentlich  hätte  es  in  der  Vorlage 
etwa  heissen  sollen:  'Cui  occurrit  cum  valida  et  superba 
manu  Eadbod,  aciemque  invicem  construentes,  valida  pugna 
commissa  est,  ubi  Frisiones  magna  clade  percussi  sunt'. 

Nicht  viel  glücklicher  als  B  in  der  Emendation  seiner 
Vorlage  war  hier  auch  Pertz  (SS.  I.  321,  32  —  33)  in  der 
Emendation  von  B.  Er  schreibt :  'Cui  occurrit  cum  valida 
manu,  et  pugna  commissa  est,  ubi  Frisiones  superba  manu 
Eadbodi  in  aciem  properantes,  magna  clade  percussi  sunt'. 
Hier  bleibt  ebenso  wie  in  B  unkenntlich,  dass  das  Subject 
zu  'occurrit'  Eadbod  ist.  Ueberhaupt  ist  der  Text  von  B 
hier  nicht  zu  ändern,  sondern,  nachdem  wir  den  Grund  seiner 
Gestaltung  aus  D  ersehen  haben,  zu  belassen  wie  er  lautet. 

Auch  D  ist  ferner  schon  eine  Compilation,  und  zwar 
eine  sehr  ungeschickte.  Nicht  nur  die  unglaubwürdigen, 
tendenziösen  Nachrichten  der  Ann.  Mettenses,  sondern  auch 
die  Verdoppelung  von  Ereignissen,  die  Wiederholungen  und 
Confusionen,  welche  sich  in  B  bemerklich  machen,  fallen 
beinahe  sämmtlich  bereits  D  zur  Last  und  sind  aus  ihm 
in  B  übergegangen  ^. 

Gross  ist  die  Verwirrung  bereits  in  D  zu  den  Jahren 
804  und  805 -: 


1)  Eine  Ausnalime  macht  die  doppelte  Erwähnung  des  Eintritts 
Karlmanns  in  das  Kloster  Montecasiuo  in  B  (747).  Sie  ist  durch  die 
Benutzung  des  Regino  veranlasst,  welche  in  D  überhaupt  nicht  stattfindet; 
vergl.  Forschungen  z.  D.  Gesch.  XX,  404.  Ebenso  liegt  der  Fall  8U5: 
'eiusque  precibus  favit'  (aus  Regino)  —  'et  precibus  eins  annuens'  (aus  D). 
2)  Ueber  803  vergl.  o.  S.  403. 


Die  wiederaufgefundene  Vorlage  der  Annales  Mettenses.     417 

804.  Ibiqiie  susceptum  (den  Papst  Leo  III.,  den  Karl 
in  St.  ßemi  bei  Eeims  empfangen  hatte)  primo  Carisi- 
acnm  villam,  ubi  natalem  Do  mini  celebravit, 
devenit.  lüde  pariter  j)roficiscentes  pervenerunt  ad  Sues- 
sionis  civitatem.  In  qua  dimisso  pontifice,  ad  colloquium 
german^  su§  Gisle,  que  in  his  diebus  egrotabat,  ad  Calam 
monasterium  pervenit.  Fretoqvie  (1.  Fruitusque  ^)  eius  con- 
loquio,  ad  Carisiacum  villam  Leonem  pontificem,  quem 
apud  Sanctum  Medardum  dereliquerat,  sibi  obviam  venire 
fecit.  Quo  in  loco  pariter  natalem  Domini  cum 
summa  exultatione  c^lebrantes,  ipsum  apostolicum 
secum  ad  Aquisgraui  palatium  duxit. 

Also  hier  empfängt  Karl  den  Papst  in  St.  Eemi  bei 
Reims.  Dann  begiebt  er  sich  zunächst  nach  Quierzj,  wo 
er  Weihnachten  feiert.  Von  hier  reisen  beide  zusammen 
nach  Soissons,  wo  Leo  in  dem  nahen  Kloster  St.  Medard 
zurückbleibt,  während  Karl  zu  seiner  Schwester  nach  Chelles 
geht.  Hiernach  kommt  Karl  mit  dem  Papste  wieder  in 
Quierzy   zusammen,    wo    sie   abermals  Weihnachten  feiern! 

Diese  Ungereimtheit  ist  dadurch  herbeigeführt,  dass 
D  die  Worte  'Ibique  susceptum  —  celebravit'  aus  den  Ann. 
Lauriss.'-,  die  sich  hier  kürzer  fassen,  in  den  ausführlicheren 
Bericht  seiner  anderen  Vorlage  eingeschoben  hat. 

B  änderte  auch  hier  ein  wenig,  zum  Theil  mit  Be- 
nutzung des  Eegino.  Die  doppelte  Erwähnung  der  Weih- 
nachtsfeier in  Quierzy  fiel  ihm  auf.  Statt  jedoch  die  aus 
den  Ann.  Laur.  interpolierte  Stelle  zu  streichen,  womit  er 
das  Eichtige  getroffen  hätte,  strich  er  die  späteren  Worte 
'Quo  in  loco  —  c§lebrantes'.  So  wurde  die  Confusion 
einigermaassen  verhüllt,  aber  nicht  aufgehoben.  An  sich 
könnte  ja  Karl  in  Quierzy  Weihnachten  gefeiert  haben 
und  dann  erst  nach  Soissons,  Chelles  und  wiederum  nach 
Quierzy  gekommen  sein.  Indessen  schwindet  nun  jeder 
Zweifel,  dass  die  Ann.  Mettenses  hier  eine  irreführende 
Wiederholung  enthalten  ^'  und  dass  die  Weihnachtsfeier  in 
Quierzy  hinter  den  Aufenthalt  in  Soissons  und  Chelles  fiel. 

Noch  stärker  ist  die  Confusion  bei  dem  Jahre  805  in 
dem  Abschnitt  'Imperator  vero  ipsius   aestatis   tempus  — 

1)  Fretusque  ß.  2)  'ibique  susceptum  primo  Carisiacum  villam, 
uhi  natalem  Domini  celebravit,  deinde  Aquasgrani  jaerduxit'.  3)  Vergl. 
Forschungen  zur  Deutschen  Geschichte  XX,  405.  Jahrbücher  Karls  d. 
Gr.  II,  318  N.  1.  Auch  H.  Kohl,  Annalen  der  Deutschen  Geschichte  im 
Mittelalter  II,  162,  war  geneigt,  mir  hierin  zuzustimmen  und  machte 
darauf  aufm.erksam,  dass  schon  Leibniz  stillschweigend  dieselbe  Kritik 
geübt  habe.  Anders  Mühlbacher,  Regest.  S.  165  und  Nachtrag  S.  778, 
wo  er  die  Sache  wenigstens  dahingestellt  sein  lässt. 

27* 


418  B.  V.  Simson. 

ad  Eiumerici  castellum  profectus  est'.  Hier  ist  der  Anfang- 
aus der  verlorenen  Quelle,  das  Folgende  aus  Ann.  Lauriss. 
entnommen.  Die  Stelle  bedarf  jedoch  keiner  nochmaligen 
Erörterung,  da  die  fast  gleichlautende  in  B  ^  bereits  wieder- 
holt kritisiert  worden  ist  -. 

Andere  Wiederholungen  in  D,  die  in  B  nicht  über- 
gegangen sind,  weil  dieser  an  den  betreffenden  Stellen  dem 
Eegino  folgt,  finden  sich  783 :  'rex  in  Franciam  reversus 
est  —  Porro  Carolus  cum  triumpho  in  Franciam  reversus' 
(so  auch  Fragm.  Bern.  SS.  XIII,  30).  800:  'In  illis  quo- 
que  diebus  Zacharias  cum  duobus  monachis  .  .  .  reversus 
Romam  venit,  qui  (1.  quos)  patriarcha  lerosolimitanus  cum 
Zacharia  ad  regem  misit.  De  lerosoliminis  enim  a  patri- 
archa directi  venerunt'  ^.  —  Ebenfalls  804  heisst  es  noch 
vor  der  oben  besprochenen  confusen  Stelle:  'medio  Septem- 
brio  Coloniam  venit.  Inde  autem  cum  letania  (1.  leticia) 
magna  regressus  Kai.  Septemb.  ad  Aquis  palacium  venit' ^. 
Die  Worte  'medio  —  Coloniam  venit'  sind  aus  Ann.  Laur. 
geschöpft,  der  folgende  Satz  aus  der  verlorenen  Quelle. 
Hier  ist  die  mechanische  Gedankenlosigkeit  des  Compilators 
auf  der  Höhe. 

Unzutreffend  ist  es,  wenn  man  die  Berichte  der  Ann. 
Mett.  803  —  805  auf  eine  selbständige  Fortsetzung  der 
Ann.  Laur.  zurückgeführt  hat  \  D  bietet,  wie  wir  uns  über- 
zeugt haben,  auch  in  diesen  Jahren  eine  Compilation,  nur 
dass  die  aus  anderer  Quelle  geschöpften  Zusätze  zu  den 
Ann.  Laur.  hier  besonders  reichlich  üiessen". 

In  den  Jahren  806  —  829  zeigt  auch  D  keine  Spuren 
dieser  anderen  Quelle  mehr.  Er  reproduciert  hier  einfach 
die  Laurissenses  bis  zu  ihrem  Schluss. 

Dann  folgt  der  Bericht  über  830^,  der  auch  in  B 
wiederholt,  in  letzterem  aber  gekürzt  und  geglättet  ist. 
Der  Stil  ist  hier  nicht  in  allen,  aber  in  vielen  Beziehungen 
ein  anderer  als  bis  805.  Er  ist  sehr  alterthümlich,  un- 
gelenk und  barbarisch.  Jede  vorkommende  Person  oder 
Sache  wird  immer  von  Neuem  mit  'antedictus,  prefatus, 
memoratus'    bezeichnet.     Bisweilen   wird   dafür   auch    'pre- 


1)  Indessen  hat  B  'dilectum  filium  suum  Karolum',  während  in 
D  'dilectum'  ausgelassen  ist.  2)  Vergl.  Waitz  in  Foi-schungen  z.  Deutschen 
Geschichte  XX,  388.  391  N.  1;  Simson  ebend.  405,  Jahrbücher  Karls 
d.  Gr.  II.  329,  N.  1;  Mühlbacher  a.  a.  O.  S.  166.  3)  Vergl.  oben  S.  408. 
4)  Vergl.  0.  S.  409.  Bei  der  Uebereinstimmung  der  Ann.  Guelf.  ist  Septemb. 
nicht  als  blosser  Schreibfehler  anzusehen.  5)  So  Giesebrecht  in  For- 
schungen z.  D.  Gesch.  XIII,  631  u.  a.  6)  Dasselbe  ist  aber  z.  B.  auch 
schon  790  der  Fall.         7)  Schon  von  Hampe  a.  a.  0.  veröffentlicht. 


Die  wiederaufgefunclene  Vorlage  der  Annales  Mettenses.     419 

fixns'  gebraucht  ('prefixam  imperatricem  —  prefixum  par- 
vnlum  eius  filiuni  —  ut  prefixum  est')  —  ein  Ausdruck, 
der  in  D  sonst  niemals,  überhaupt  in  diesem  Sinne  selten 
vorkommt^.  Dies  gilt  auch  von  dem  Gebrauch  von  'demum' 
in  der  Bedeutung  von  'postea'  ~,  In  der  Gesinnung  verräth 
dies  Stück  eine  lebhafte  Theilnahme  für  die  Kaiserin  Judith 
und  ihren  Sohn  Karl,  die  beide  gepriesen  werden^.  Es 
wird  beklagt,  dass  die  edlen  und  weisen  Häupter  der 
fränkischen  Aristokratie,  die  damals  die  Sache  der  älteren 
Söhne  Kaiser  Ludwigs  unterstützten,  die  schlechten  Be- 
weggründe und  Absichten  der  Aufrüher  zu  spät  erkannt 
hätten.  Dabei  wird  die  Kaiserin  Judith  wie  eine  Person 
eingeführt,  von  der  noch  garnicht  die  Rede  gewesen  ist^, 
obschon  D  819  ihre  Vermählung  mit  Ludwig  nach  Ann. 
Laur.  berichtet. 

Alles  deutet  hier  auf  einen  gleichzeitigen  Autor,  aber 
nicht  auf  den  Compiiator  selbst,  anscheinend  auch  nicht 
auf  die  von  ihm  bis  805  neben  den  Ann.  Laur.  benutzte 
Quelle,  sondern  auf  eine  andere. 

B  beruht  für  die  Zeit  von  Pippin  dem  Mittleren  bis 
zu  diesem  Bericht  über  830  -^  unmittelbar  auf  D.  Er  suchte 
die  Vorlage  zu  glätten  und  zeigt  insofern  mehr  Selbständig- 
keit und  eigene  Arbeit  als  man  ihm  bisher  zutraute.  Hin 
und  wieder  hat  er  auch  eine  der  Wiederholuno-en  in  D  zu 


1)  Häufig  nur  iu  den  Machwerken,  die  in  Le  Mans  im  Kreise  des 
Bischofs  Aldrich  verfasst  wurden,  wie  die  Gesta  Aldrici,  die  Actus  ponti- 
ficum  Cenomauuis  in  urbe  degentium  etc.  Vergl.  Simson,  Die  Entstehung 
der  pseudoisidorischeu  Fälschungen  in  Le  Mans  S.  65  ff.  J.  Havet  in  Bi- 
bliotheque  de  l'ecole  des  chartes  LIV,  63'2  N.  1.  2)  'Demum  enim  tenuit  pre- 
fatus  Imperator  placitum  suum  in  mense  Octobri  in  villa  Niumaga'  ( B :  'Postea 
tenuit  Imperator  placitum  suuni'  etc.).  Vergl.  Simson  a.  a.  0.  S.  71  —  72. 
3)  Vergl.  Jahrbücher  Ludwigs  d.  Fr.  I,  341  N.  1.  —  Auch  diese  Gesinnung 
entspricht  der  Aldrichs,  vergl.  u.  a.  Havet  a.  a.  O.  S.  619  —  620.  Dümmler, 
Gesch.  des  ostfränk.  Reiches,  2.  Aufl.  I,  72.  127.  170.  4)  'Ante  iani 
dictus  enim  dominus  Imperator  HIodowicus  habebat  quandam  reginam 
nomine  ludith  pulchram  nimis  et  sapienti§  floribus  instructam  sociatam 
sibi  in  coniugio,  que  etiam  inperatrix  coronata  et  augusta  ab  omnibus 
est  acclamata'.  Dazu  vergl.  81Ü:  'Quo  pacto  (1.  peracto)  imperator  in- 
spectis  i^lerisque  nobilium  filiabus  Huuelpi  comitis  filiam  nomine  ludith 
duxit  uxorem'.  5)  Xach  demselben  folgt  zunächst  ein  Theil  der  Ann. 

Bertiniani  von  830  an,  so  dass  dies  Jahr  doppelt  vertreten  ist.  —  Vergl. 
übrigens  v.  Ranke,  Weltgeschichte  V,  2.  S.  292 :  'Bei  dem  hundertsten 
Capitel  aber  verliess  der  Abschreiber  den  Fredegarius,  weil  er  auf  Pippin 
zu  reden  kam,  der  seine  Aufmerksamkeit  besonders  anzog :  Et  quia  de 
Pippino  mentionem  fecimus,  quis  quantusve  fuerit  dicere  non  pigebit.  .  . 
Man  darf  annehmen,  dass  der  Sammler  hier  zu  einer  andern  Vorlage 
griff  .  .  .' 


420  B.  V.  Sinison. 

beseitigen  gesucht,  nur  nicht  in  glücklicher  Weiset  Als 
ein  geeignetes  Hülfsmittel  für  seine  Zwecke  bot  sich  ihm 
Eegino  dar,  der  sich  bereits  bemüht  hatte,  das  Vulgärlatein 
der  Ann.  Laur.  in  ein  regelrechteres  Latein  zu  verwandeln  -. 
Diesen  hat  er  daher  etwa  vom  Ende  des  Jahres  775  an 
bis  813  seinem  Texte  zu  Grunde  gelegt^.  Dabei  nahm  er 
die  Zusätze,  welche  D  bot,  meistens,  jedoch,  wie  wir  ge- 
sehen haben,  nicht  sämmtlich  auf,  liess  auch  sonst  im  Texte 
hier  und  da,  der  Abkürzung  wegen  oder  aus  Unachtsamkeit, 
kleine  Lücken^. 

Diese  neue  Compilation  enthielt  auch  derjenige  Codex, 
aus  welchem  in  einer  aus  St.  Arnulf  in  Metz  stammenden, 
jetzt  in  Paris  befindlichen  Hs.  des  Regino''  (B3  bei  Kurze) 
Zusätze  aus  den  Ann.  Mettenses  hinzugefügt  sind.  Der 
jüngere  Text  ist  in  ihnen  sogar  gelegentlich  noch  abge- 
kürzt oder  verstümmelt''.  Indessen  enthalten  sie  einen 
Satz  aus  D,  der  in  B  ausgefallen  ist^  Die  hier  benutzte 
Hs.  des  späteren  Textes  war  mithin  an  dieser  Stelle  voll- 
ständiger, was  auffallend  erscheint,  insofern  B  den  Eindruck 
einer  Originalhs.  macht''. 

Dass  die  Fragmente  und  Excerpte  D  näher  stehen 
als  B,  sahen  wir.  Dagegen  lässt  sich  noch  die  Frage  auf- 
werfen, ob  sie  ebenfalls  auf  D  oder  weiter  zurückgehen 
—  bei  den  meisten  allerdings  nur  unter  der  Voraussetzung, 
dass  auch  in  der  Vorlasre  von  D  bereits  die  Annales  Lau- 


1)  Vergl.  o.  S.  416.  417.  2)  Regino  sagt  bekanntlich  von  den  Ann. 
Laur.,  die  er  von  741 — 813  ausschrieb :  'Haec,  quae  supra  exjiressa  sunt,  in 
quodam  libello  repperi  plebeio  et  rusticano  sermone  composita;  quae  ex 
parte  ad  hitinam  regulam  correxi,  quaedam  etiam  addidi,  quae  ex  narra- 
tione  seniorum  audivi'.  —  Die  Durhamer  Hs.  enthält  ausser  den  Mett. 
auch  den  Regino.  3)  Von  der  Art,  wie  B  bei  der  Verschmelzung  von 
D  und  Regino  verfuhr,  giebt  folgende  Stelle  in  der  Kürze  eine  Vorstellung: 


Regino. 
ßotgaudum   rebellem 
captum  decollare  iussit. 


ß.  D. 

776.  improvisumque  j  inprovisumque  Raut- 
Rothgaudum  cepit  et  j  gaudium  occupans  inter- 
decollare  praecepit.  |  emit. 

Unter  714  und  718  sind  in  B  auch  die  Annales  Fuldenses  benutzt,  nach 
813  zunächst  Einhards  Vita  Karoli.  Die  Stelle  716:  'Franci  vero  nimirum 
Danielem  quendam  (1.  quondam)  cUricum  caesarie  capitis  crescente  in 
regnum  stabiliunt  atque  Chilpericum  nuncupant'  ist  aus  dem  Liber  historiae 
Francorum  entnommen  (wie  im  Chron.  Moissiac.  S.  290,  25 — 27).  D  hat 
hier   nur:    'Cui   successit   Hilpericus'.  4)   So    fehlen   z.   B.    719    hinter 

'lUoque  traiecto'  (transvecto  D)  die  Worte  'fines  Baugariorum  occupavit. 
Subactaque  illa  gente'.  5)  Cod.  Paris,  n.  5017.  Die  Hs.  stammt  aus 
ilem  11.  Jh.,  die  Zusätze  sind  jedoch  erst  im  12.  nachgetragen.  6)  Vergl. 
Zeitschr.  f.  d.  Gesch.  des  Oberrheins  N.  F.  IX,  219  —  220.  7)  803.  'ce- 
terum  exercitum  per  apertiores  vias  ire  permisit'.  Vergl.  o.  S.  403. 
8)  Waitz  im  N.  Archiv  IV,  589. 


Die  wiecleraufgef undene  Vorlage  der  Annales  Mettenses.     421 

rissenses  benutzt  wären ;  denn  sie  theilen  mit  D  nicht  nur 
seine  Zusätze  zu  diesen,  sondern  auch  die  aus  den  Laur. 
selber  entlehnten  Elemente. 

Die  Wiener  Fragmente  g-eben  einen  besseren  Text 
als  D.  Das  ist  aber  doch  wohl  einfach  auf  Eechnung-  der 
Hs.,  aus  der  sie  herrühren,  zu  setzen.  Diese  Hs.  war  eben 
nicht  nur  älter,  sondern  auch  correcter  als  D.  —  Das 
Berner  Fragment  berührt  sich  zwar  in  einigen  wenigen 
Worten,  wo  es  von  dem  Wiener  Fragment  und  D  ab- 
weicht, mit  den  Ann.  Laur.^  Aber  dieser  Uebereinstim- 
mung  ist  vielleicht  nicht  soviel  Gewicht  beizulegen,  wie 
es  durch  Waitz^  und  Ebrard^  geschehen  ist.  Im  Allge- 
meinen ist  der  Text  dieses  Bruchstückes  sogar  weniger 
vollständig  und  getreu,  als  der  des  Wiener  Fragments.  Er 
bietet,  insoweit  er  überhaupt  abweicht,  lediglich  eine  ab- 
gekürzte Form  —  noch  abgesehen  von  einer  Lücke,  die 
durch  Ueberspringen  auf  das  gleiche  Wort  entstanden  ist. 
So  könnte  allenfalls  auch  bei  den  betreffenden  Worten  nur 
eine  Abkürzung  stattgefunden  haben,  die  blos  zufällig  eine 
Aehnlichkeit  mit  Laur.  herbeiführte.  Jedenfalls  liegt  auch 
in  Fr.  Bern,  nicht  nur  die  Compilation  der  Laur.  mit  der 
verlorenen  Quelle  vor,  sondern  diese  Compilation  verräth 
sich  auch  hier,  wie  in  D,  durch  eine  der  ungeschickten 
Wiederholungen,  die  sie  öfters  begangen  hat*.  —  Was  das 
Baseler  Fragment  betrifft,  so  erkannte  schon  Puckert  \ 
was  jetzt  auch  durch  D  bestätigt  wird,  dass  es  sogar  eine 
stilistisch  etwas  gefeilte  Fassung  der  Compilation 
bietet. 

Etwas  zweifelhafter  hönnte  man  allenfalls  hinsicht- 
lich des  Chronicon  Moissiacense  sein.  Die  Stellen,  wo 
erzählt  wird,  dass  Papst  Leo  III.  sich  unter  den  Schutz 
des  Abts  Wirund  und  des  Herzogs  Winigis  flüchtete  und 
von  ihm  nach  Spoleto  geleitet  wurde  —  sowie  über  den 
Presbyter  Zacharias,  den  Karl  d.  Gr.  mit  reichen  Geschen- 
ken nach  den  heiligen  Städten  gesandt  hatte,  entsprechen 

1)  Es  bat  785  'Interdum  tarnen  cum  ibi  resideret',  ähnlicb  wie 
Laur.:  'Et  dum  ibi  resideret',  während  D  und  das  Fragm.  Vindobonense 
haben:  'Sed  dum  in  eodem  Castro  residisset'  (resedisset).  2)  Forschungen 
zur  Deutscheu  Geschichte  VIII,  632.  XX,  390.  3)  Ebend.  XIII,  470. 

Ebrard  glaubte  vermuthen  zu  dürfen,  dass  die  annalistische  Aufzeichnung, 
'von  welcher  uns  das  Berner  Fragment  erhalten  ist,  noch  enger  an  die 
verlorenen,  auf  Grund  der  Reichsannalen  bearbeiteten  Annalen  sich  an- 
schloss,  als  die  andere,  deren  Reste  wir  in  den  Stücken  von  Werden  und 
Wien  besitzen'.  Nachdem  jene  verloren  geglaubten  Annalen  in  D  zum 
Vorschein  gekommen  sind,  ergiebt  sich  jedoch  das  Gegentheil.  4)  Vergl. 
0.  S.  418.        5)  A.  a.  0.  S.  112  N.  8,  150  N.  39. 


422 


B,   V.   Simson. 


im  Ausdruck  weder  den  Laur.  noch  D 
könnten    sie    unmittelbar    aus    der    ver 
schöpft  sein  ^  : 


Chron.  Anian. 
799.  ad  missos 
gloriosi  praefati 
principis  Caroli,  qui 
tunc  apud  basilicam 
sancti  Petri  erant, 
Hwerondum  scilicet 
abbaten!  et  Hwine- 
gisum  Spolitanum 
ducem ,  pervenit ; 
qui  ab  eis  Spoletium 
deductus  est. 


A  n  n.  Lau  r. 
et  ad  legatos  dom- 
ni  regis,  qui  tunc  a- 
pud  basilicam  san  cti 
Petri  erant,  Wirun- 
dum  scilicet  abba- 
tem  et  Winigisum 
Spolitinum  ducem, 
veniens  Spoletium 
est  deductus. 


und  klingen  so,  als 
lorenen    Quelle    ge- 

D. 

ad  nostros  lega- 
tos,  qui  tunc  apud 
basilicam  sancti  Pe- 
tri erant,Werondum 
scilicet  abbaten!  et 
Winegisum  Spolita- 
num ducem,  veniens 
Spoletium  deductus 
est. 


800.  Zacharias ; 
vorher :  Zachariam 
presbiterum  de  jja- 
latio  suo,  qui  dona- 
ria  eins  per  illa 
sancta  loca  def  erret. 


801.  Zacharias 
Presbyter,  quem  an- 
tea  rex  cum  multis 
donariis  ad  sepul- 
crum  dominicum  - 
vel  per  alia  loca 
sancta  miserat  illis 
jjartibus.  .  . 

Allein  diese  Abweichungen  sind  unbedeutend,  und 
ausserdem  steht  D  den  Laur.  näher  als  das  Chronicon. 

Dass  die  Ann.  Lobienses  theilweise  auf  D  beruhen, 
wird  kaum  einem  Zweifel  begegnen.  Aber  auch  den  Ann. 
Guelferbytani  lag  schon  der  mit  den  Ann.  Laur.  compilierte 
Text  vor.  wie  sich  namentlich  802  deutlich  zeio-t^. 


Zacharias ;  vorher : 
Zachariam  presbi- 
terum de  palacio 
suo ,  qui  donaria 
eins  per  illa  sancta 
loca  distribueret. 


Ann.  Laur, 
802.  Herena  im- 
peratrix  de  Constan- 
tinopoli  misit  lega- 
tum  nomine  Leo- 
nen! spatarium  de 
pace  confirmanda 
inter  Prancos  et 
Grecos.  .  . 


D. 

Herena  impera- 
trix  de  Constanti- 
nopoli  misit  lega- 
tum  SU  um  nomine 
Leonen!  sjDatarium 
de  pace  confirman- 
da inter  Prancos  et 
Grecos. 


Ann.  Guelf. 

Heena  imperatrix 
de  Costiuopoli  mi- 
sit legatum  suum 
Leonen!  spatarium 
de  pace  confirman- 
das  inter  Prancos 
et  Grea'os. 


1)  Vergl.  auch  Puckert  a.  a.  0.  S.  115  N.  1,3.  2)  Hier  ist  vielleicht 
auch  Einh.  V.  Karoli  (c.  16)  benutzt,  was  in  Chron.  Anian.  auch  sonst 
geschieht,  vergl.  SS.  I,  280.  292  N.  92.  294  N.  99.  295  N.  2.  6.  298  N.  4. 
.3)  Bestreiten  muss  ich  dagegen  die  von  Heigel  (Forschungen  z.  D.  Gesch. 
V,  401)  behauptete  Verwandtschaft  der  Guelf.  mit  den  Laur.  in  den  Jahren 
790  —  800;  die  unzweifelhafte  Verwandtschaft  beginnt  sogar  erst  802. 


Die  wiederaufgefundene  Vorlage  der  Annales  Mettenses.     423 

Bei  den  Gest.  abb.  Fontanell.  ist  eine  Vergieicbmig 
mit  Ann.  Laur.  ausgeschlossen,  weil  die  betreffenden  Stellen 
noch  vor  den  Anfang-  dieser  Jahrbücher  fallen  ^  —  Das 
Gleiche  gilt  von  der  Genealogia  Dagoberti,  und  der  Text, 
welcher  in  dieser  benutzt  ist,  war  von  ein  paar  Missverständ- 
nissen frei,  die  sich  schon  in  D  eingeschlichen  und  dann 
auf  B  verpflanzt  haben  -.  Derselbe  Text  hat  unfraglich 
auch  den  mit  D  und  B  übereinstimmenden  Stellen  der 
Genealogia  Pippini  ^  und  der  Vita  Dag'oberti  III. ^  zu  Grunde 
gelegen. 

Hiervon  abgesehen,  liegt  kaum  ein  Grund  vor,  für 
die  Fragmente  und  Ableitungen  eine  ältere  Quelle  als  die 
in  D  enthaltene  Compilation  anzunehmen. 

Der  Text  der  Ann.  Laurissenses,  der  in  der  Compi- 
lation benutzt  ist,  gehörte  der  Handschriftenklasse  C  (nach 
Kurze's  Eintheilung)  an,  wie  u.  a.  der  für  diese  Klasse 
charakteristische  Zusatz  a.  828  ergiebt. 

Das  hohe  Alter  der  Compilation  ergiebt  sich  jedoch 
namentlich  aus  ihrer  Benutzung  in  den  Ann.  Guelferby- 
tani,  deren  Hs.  in  die  erste  Hälfte  des  9.  Jh.  gehört  ■'. 
Auch  die  Codices,  denen  die  Wiener  und  das  Basler  Frag- 
ment angehörten,  sind  wenigstens  älter  als  der  Durhamer 
Codex,  nämlich  aus  dem  10.  Jh.,  und  das  durch  Freher 
schon  längst  veröffentlichte  Fragmentum  de  Pippino  duce, 
welches  dem  Anfange  der  Compilation  entspricht,  neuer- 
dings in  einer  Hs.  des   11.  Jh.  aufgefunden  worden. 

Puckert ''  vermuthete  in  der  Angabe  der  Annales  Met- 
tenses (B)  über  die  Grabstätte  der  Königin  Hildegard  (783): 


1)  Die  Stelle  über  817  (Gest.  c.  17  ed.  Löwenfeld  S.  50)  kaim 
eben  sowohl  direct  aus  den  Ann.  Laur.,  wie  aus  D  entlehnt  sein,  da 
beide  hier  genau  übereinstimmen  2)  Vergl.  o.  S.  414.  N.  Archiv  XV, 
557  —  561.  Zeitschrift  für  die  Gesch.  des  Oberrheins  •  N".  F.  IX,  216  ff. 
3)  Sie  findet  sich  in  derselben  Hs.  wie  die  Genealogia  Dagoberti,  Cod. 
Paris,  latin.  n.  9422  (Suppl.  lat.  n.  563).  Der  Codex  stammt  aus  dem 
Ende  des  12.  Jh.  und  gehörte  früher  dem  Marienkloster  in  Orval.  Er 
enthält  auch  die  Vita  Dagoberti  III.  4)  SS.  rer.  Meroving.  II,  509  ff. 
Die  Vita  ist  auf  Veranlassung  der  Brüderschaft  des  Klosters  Stenay  ver- 
fasst.  Die  Worte  der  Gen.  Dagoberti  "sedem  i  1 1  i  regalem  sub  sua  ditione 
concessit'  stimmen  näher  mit  B  (718)  überein  (D:  'sibi').  Wo  das  Fragm. 
de  Pippino  duce  und  die  Genealogia  Pippini  schreiben:  'inter  primeve 
potestatis  gaudia',  B  (687)  'i.  p.  aetatis  gaudia',  hat  D  nur  'inter 
primeve  gaudia'.  5)  Vergl.  SS.  I,  21  und  Tab.  I,  ,3.     Monod  a.  a.  O. 

S.  34.  Pertz  war  sogar  geneigt,  die  ziemlich  rohe  Schrift  noch  in  den 
Anfang  des  9.  Jh.  zu  setzen;  'Manus  prima'  (die  bis  805  reicht)  'rudior 
a  saeculi  noni  initio  minime  abhorret'.  (Auch  die  Gest.  abb.  Fontanell. 
sind  schon  zwischen  834  und  845  verfasst,  vergl.  Löwenfeld  im  Vorwort 
zu  seiner  Ausgabe  S.  5).         6)    A.  a.  0.  S.  109  N.  5. 


424  B.  V.  Simsou. 

'et  sepulta  est  iuxta  urbem  Mettensem  in  basilica  aposto- 
lorum  et  beati  Arnulf i'  einen  Zusatz  des  späteren 
Compilators.  Im  9.  Jh.,  bemerkt  er,  sei  jene  Kirche  nicht 
nach  den  Aposteln,  sondern  stets  nur  nach  Arnulf,  dem 
Ahn  des  Herrscherhauses,  benannt  worden.  Wie  sich  in- 
dessen zeigt,  hat  auch  D  diese  Angabe,  aber  allerdings  in 
der  Form:  'sepultaque  est  iuxta  Metensem  urbem  in  basi- 
lica beati  Arnulfi  confessoris'^. 

In  St.  Arnulf  zu  Metz  mag  denn  auch  die  ältere 
Compilation  ebenso  wie  die  jüng-ere  entstanden  sein. 
Auch  die  erstere  zeigt  schon  Uebereinstimmung  mit  jenen 
gefälschten  Urkunden  für  St.  Arnulf,  die  Pippins  des  Mitt- 
leren Sohn  Drogo  ebenfalls  zum  Herzog  der  Burgunder 
machen  -,  und  aus  St.  Arnulf  stammt  auch  die  Hs.  des 
Regino,  in  welche  Stellen  der  jüngeren  Compilation  ein- 
gefügt sind. 


1)  Ebenso  D  und  B  708  hinsichtlich  der  Bestattung  des  Drogo ;  vergl. 
dazu   die   eben    angeführte   Note   Pückerts.  '2)  Vergl.  X.  Arcliiv  XV, 

561  -  562  und  o.  S.  415. 


IX. 


:  Yon  Ke 


und  der  Portsetzer  Regino's. 


Von 


F.  Kurze. 


In  einem  kleinen  Aufsatze  'Zu  der  Fortsetzung-  des 
Eeg'ino  von  Prüm' ^  hat  W.  Erben  in  zwei  Punkten  die 
Ergebnisse  meiner  Reginostudien  angegriffen,  bezüglich  der 
Quellen  des  Fortsetzers  und  bezüglich  des  Hss.- Stamm- 
baumes. Ich  würde  diesem  Angriffe  schon  längst  entgegen- 
getreten sein,  wenn  ich  nicht  die  Absicht  gehabt  hätte, 
die  beiden  wichtigsten  Ableitungen  der  Freisinger  Hs.,  die 
Wien  -  Admonter  und  die  Wien- Gott  weiher,  selbst  zu  ver- 
gleichen, wozu  mir  bei  der  Herstellung  des  kritischen 
Apparates  leider  die  Gelegenheit  gefehlt  hatte.  Dazu  bin 
ich  aber  erst  vor  kurzer  Zeit  gekommen. 

Inzwischen  ist  jedoch  das  Buch  von  J.  R.  Dieter  ich 
über  die  Geschichtsquellen  des  Klosters  Keichenau  -  er- 
schienen, welches  die  eine  der  zwischen  Erben  und  mir 
schwebenden  Streitfragen  mit  solcher  Gründlichkeit  be- 
handelt, dass  ich  mich  nun  viel  mehr  mit  ihm  als  mit  Erben 
auseinander  zu  setzen  habe. 

1.    Die  Jahrbücher  von  Reichenau. 

Ich  hatte ^  Werra's  Annahme  eines  'vollständigeren  und 
erweiterten  Exemplars'  der  Annales  Augienses  als  wider- 
sinnig bezeichnet  und  darzuthun  gesucht,  dass  weder  die 
frühere  Existenz  einer  vollständigen  Fassung,  von  welcher 
die  erhaltenen  Annalen  des  Pariser  Codex  ein  Auszug  sein 
müssten,  noch  die  eines  durch  Zusätze  erweiterten  Exemplars 
wahrscheinlich  sei.  Erben  glaubte  nun  ein  einfaches 
Mittel  gefunden  zu  haben,  das  'geeignet'  sei,  'die  ange- 
deutete Frage  sofort  zu  entscheiden,  den  Vergleich  mit 
der  Chronik  Hermanns  von  Reichenau'.  Er  weist  nach, 
dass  die  Fortsetzung  Reginos  nach  dem  Jahre  939,  wo  sie 
doch  erst  anfängt,  reichhaltiger  zu  werden,  in  der  Chronik 
Hermanns  nicht  benutzt  ist,  und  zieht  daraus  den  Schluss, 
dass  der  Verfasser  der  letzteren  auch  vor  939  nicht  aus 
der  Fortsetzung  Regino's  geschöpft  haben  könne,    sondern 

1)  N.  A,  XVI,  614  —  622.  2)    Cliessen   1897,   C.  v.  Münchow. 

3)    X.  A.  XV,  325. 


428  F.  Kurze. 

da,  wo  dies  scheinbar  der  Fall  sei,  eine  ältere  und  reich- 
haltigere Fassung  der  Ann.  Augienses  vor  sich  gehabt 
haben  müsse. 

So  einfach  ist  die  Sache  aber  denn  doch  durchaus 
nicht.  Endet  nicht  die  Einsiedler  Eegino  -  Hs.  gerade  beim 
Jahre  939?  und  war  sie  nicht  für  einen  Eeichenauer  Ge- 
schichtsschreiber der  ersten  Hälfte  des  11.  Jh.  die  am 
nächsten  erreichbare,  da  die  ehemals  Eeichenauer  Hs.  in 
Karlsruhe  erst  später  geschrieben  ist?  Damit  ist  die  That- 
sache,  dass  die  Fortsetzung  Eegino's  von  939  an  in  der 
schwäbischen  Chronik  nicht  benutzt  ist,  hinreichend  erklärt. 

Erben  beruft  sich  auf  ßresslau^,  welcher  Eegino's 
Chronik  sammt  der  Fortsetzung  aus  der  Quellenliste 
Hermanns  streichen  wollte,  weil  keine  der  Stellen  bei 
Hermann,  an  welchen  Benutzung  Eegino's  vermuthet  werden 
könnte,  wörtlichen  Zusammenhang  mit  Eegino  zeige,  eine 
oder  die  andere  derselben  sich  sogar  bestimmt  auf  andere 
Quellen  zurückführen  lasse.  Das  gilt  aber  nicht  von  dem, 
was  Hermann  zu  887  über  die  Kaiserin  Eichgarde  berichtet: 
auch  zu  869.  876.  879.  883  und  884  ist  sicher  Eegino  die 
Quelle,  und  es  ist  auch  kein  verlorenes  Zwischenglied 
zwischen  ihm  und  Hermann  bezw.  der  schwäbischen  Welt- 
chronik anzunehmen.  Denn  wenn  man  sich  auch  wundern 
mag,  dass  Eegino  nur  so  spärlich  benutzt  ist,  so  ist  die 
Erklärung  dafür  doch  nicht  schwer:  für  die  Zusammen- 
stellung einer  verhältnismässig  knappen  Compilation  dick- 
leibige Bände  aufmerksam  durchzuarbeiten,  ist  eben  nicht 
jedermanns  Sache.  Neben  dem  reichlichen  Stoffe  der 
sogen.  Ann.  Fuldenses  und  so  mancher  anderen  Quelle 
auch  noch  die  umfangreiche  Chronik  Eegino's  Jahr  für 
Jahr  heranzuziehen,  um  dann  das  Gelesene  auf  etwa  ein 
Zwanzigstel  zusammenzudrängen,  war  dem  schwäbischen 
Chronisten  offenbar  zu  mühsam.  Aber  da  ihm  die  Ein- 
siedler Eegino -Hs.  nun  einmal  zur  Hand  war,  so  hat  er 
sie  eben  gelesen  und  einige  Mittheilungeu  daraus  in  stark 
A'erkürzter  Form  und  darum  im  allgemeinen  ohne  wörtliche 
Anklänge  in  sein  Werk  aufgenommen. 

Die  Uebereinstimmungen  zwischen  Hermann  und  Eegi- 
no's Fortsetzer  mit  Erben  auf  eine  verlorene  Eecension  der 
Ann.  Aug.  zurückzuführen,  geht  also  nicht  an.  Gründlichere 
Untersuchung  der  Eeichenauer  Quellen  hat  aber  auch 
Dieterich  zur  Annahme  einer  solchen  ausführlichen  Ee- 
cension geführt,    und  mit  ihm  ist  weniger  leicht  fertig  zu 

1)   N.  A.  II,  578. 


Die  Jahrbücher  von  Reichenau  und  der  Fortsetzer  Regino's.   429 

werden.  Dennoch  halte  ich  seine  Ergebnisse  für  keineswegs 
unanfechtbar,  und  ich  hofiEe,  die  Fehler  seiner  Schluss- 
folgerung aufdecken  zu  können. 

D.  geht  davon  aus,  dass  bei  Hermann  (H)  und  in 
der  durch  die  Epitome  Sangallensis  und  die  Würzbarger 
Chronik  ^  vertretenen  älteren  schwäbischen  Chronik  (E), 
für  deren  Verfasser  er  gleichfalls  Hermann  hält,  sich  bald 
mit  der  Quelle  der  Moseila ni  und  Lauresha- 
menses(ML),  bald  mit  den  AlamanniciSangallenses 
des  Züricher  Codex  (AS)-  grössere  Uebereinstimmung 
findet,  um  dann  sogleich  'mit  aller  Bestimmtheit'  zu  be- 
haupten (S.  168),  dass  Hermann  eine  Vorlage  besessen  haben 
müsse,  die  älter  als  AS  und  mit  ML  verwandt  war.  Es 
folgt  doch  aber  daraus  nur,  dass  in  HE,  der  mit  E  nahezu 
gleichlautenden  gemeinsamen  Quelle  von  H  und  E,  neben  AS 
auch  ML^  oder  eine  Ableitung  daraus  benutzt  worden  ist. 

Die  nahe  Verwandtschaft  von  AS  mit  (H)E  und  der 
gemeinsamen  Quelle  der  Augienses,  Weingartenses 
und  Sangallenses  breves  (AWS)  soll  ferner  (S.  168  f.) 
beweisen,  dass  AS  unmöglich  unmittelbar  aus  den  Mur- 
baceuses  abgeleitet  sein  könne :  nichts  hindert  aber,  AS 
als  die  Quelle  von  E  und  AWS  anzusehen.  Die  Existenz 
eines  älteren  Exemplars  der  Ann.  Alam.  (AA)  ist  also 
keineswegs  erwiesen,  und  der  Nachweis  seines  Eeichenauer 
Ursprungs,  der  auf  S.  169  f.  versucht  wird,  steht  demnach 
völlig  in  der  Luft.  Infolge  dessen  konnte  auch  der  Beweis, 
dass  AWS  aus  dem  älteren  Exemplare  geschöpft  habe 
(S.  171  f.),  natürlich  nicht  gelingen:  zu  746  f.  und  788  f. 
ist  E  nicht  Vertreter  von  AA,  sondern  aus  AS  und  AWS, 


1)  [Die  Unrichtigkeit  von  Dieterichs  ADiiahme,  dass  im  Chron. 
Wirzeljurgense  die  verlorene  schwäbische  AVeltchronik,  d.  h.  die  Quelle 
Hermanns  und  des  Chron.  Suev.  univ.  (Epitome  Sang.)  direkt  benutzt 
sei,  einer  Annahme,  an  die  sich  zahlreiche  andere  Folgerungen  Dieterichs 
anschliessen,  werde  ich  demnächst  an  anderem  Orte  erweisen.  H.  B.] 
2)  Bei  der  Sammlung  des  Beweismaterials  sind  einige  Irrthümer  unter- 
gelaufen, die  hier  berichtigt  sein  mögen.  Zu  S.  166  Anm.  6 :  der  Zusatz 
'iunioris'  in  AS  fehlt  nicht  in  Weing.  und  Sang,  br.;  ihre  Quelle  AWS 
ist  also  von  AS  abhängig.  Zu  Anm.  7:  zu  735  hat  AS  so  gut  wie  MIj 
'Wasconia';  gemeint  ist  760.  Im  Text  ist  in  Z.  3  v.  u.  die  Zahl  746  ver- 
druckt für  764.  S.  168  Z.  2  ist  die  Jahreszahl  wieder  unrichtig.  3)  Da 
die  Mosell.  und  Lauresh.  aus  einer  gemeinsamen  Quelle,  den  Lorseher 
Annalen,  abgeleitet  sind,  so  ist  man  keineswegs,  wie  D.  (S.  168)  anzu- 
nehmen scheint,  zu  der  Folgerung  genöthigt,  dass  in  E  beide  lienutzt  sein 
müssten.  Da  man  in  Murbach  eine  Abschrift  von  ML  besass,  welche 
bei  der  Neubearbeitung  der  dortigen  Annalen  benutzt  wurde  (vgl.  N.  A. 
XX,  18),  so  ist  es  an  sich  wahrscheinlich,  dass  dieselbe,  wie  so  manche 
anderen  Murbacher  Codices  für  Keichenau  abgreschrieben  wurde. 


430  F.  Kurze. 

zwei  ßeichenauer  Quellen,  abgeleitet;  wenn  aber  einige 
Jahresberichte  von  AWS  mehr  mit  ML  als  mit  AS  über- 
einstimmen ^,  so  folgt  daraus,  dass  in  AWS  neben  AS  auch 
ML  benutzt  ist,  wovon  man  eben  höchst  wahrscheinlich 
in  Eeichenau  eine  Abschrift  hatte,  die  auch  Vorlage  von 
E  gewesen  ist. 

Ein  zweiter  Abschnitt  von  Dieterichs  Untersuchung 
(S.  173^ — -197)  geht  aus  von  den  Hersfelder  Annalen. 
Als  weitere  Ableitungen  ihrer  auch  von  Marian  benutzten 
fuldischen  Quelle  zieht  D.  die  Ann.  Cracovienses  und 
Prägen ses  herbei,  die  bis  1012  eine  gemeinsame,  nach  Waitz 
aus  Mainz  stammende  Quelle  benutzt  haben-,  und  zieht 
daraus  (S.  174)  die  Folgerung,  dass  die  Compilatio  Fuldensis 
mit  der  verlorenen  Mainzer  Quelle  identisch  sei.  Weiter 
unten  wird  der  Satz  dahin  interpretiert,  dass  die  Mainzer 
Quelle  eine  jüngere  Eedaktion  der  Comp.  Fuld.  sei.  Vor- 
sichtiger scheint  es  mir,  einfach  zu  constatieren,  dass  diese 
Mainzer  Annalen  von  den  fuldischen  abhängig  gewesen 
sein  müssen. 

Aus  den  Ableitungen  sucht  D.  dann  die  einzelnen 
Bestandtheile  der  fuldischen  Compilation  genauer  festzu- 
stellen, wobei  die  von  mir  versuchte  Entwirrung  der  Eeichs- 
annalenfrage  nebenher  als  'keineswegs  ausreichend'  be- 
zeichnet wird.  In  der  That,  soweit  die  Ann.  Hersf.  in 
Betracht  kommen,  muss  ich  mich  einer  Versäumnis  schuldig 
bekennen:  denn  ich  habe  es  nicht  für  nöthig  erachtet, 
dieselben  in  den  Kreis  meiner  Untersuchungen  über  die 
karolingischen  Annalen  hineinzuziehen,  und  doch  ergiebt 
sich  aus  ihnen  —  ich  freue  mich,  hierin  mit  Dieterich  und 
theilweise  auch  mit  Holder  -  Egger  einer  Meinung  zu  sein  — 
die  Existenz  noch  eines  verlorenen  Annalen- 
exemplars.  Als  Quellen  der  Comp.  Fuld.  sind  allgemein 
anerkannt  die  sogenannten  Ann.  Fuld.  bis  828  (aus  Seligen- 
stadt),  die  fuldische  Recension  des  Chron.  Laurissense, 
ßeda's  Kirchengeschichte  mit  Anhang  und  die  Ann.  Fuld. 
antiqui;  ausserdem  verlangt  Holder- Egger '^  eine  den  Ann. 
Lauresh.,  Mosell.  und  Nazariani  nahe  stehende  Quelle, 
Dieterich  eine  Fassung  der  Mosellani  mit  Fortsetzung  bis 
wenigstens  799  (S.  174  f.)  und  —  AA.  Die  Benutzung 
eines  Exemplars  der  Lorscher  Annalen  (ML)  bis  wenigstens 
785  ist  wirklich  sonnenklar,  und  die  mannigfachen  Notizen 
von  unsicherer  Herkunft  in  den  Hersf.,  welche  zum  Theil 


1)  D.  nennt  735.  746.  754.  787  und  789;  ich  verweise  ausserdem 
besonders  auf  760.  774  und  779.  2)  Vgl.  auch  Perlbach  oben  S.  248  ff. 
3)  Lamperti  opera,  p.  XXXVI  sq. 


Die  Jahrbücher  von  Reichenaxi  und  der  Fortsetzer  Regino's.   43 1 

mit  Marian,  den  Cracovienses  und  Pragenses  Ueberein- 
stimmung  zeigen,  finden  ihre  allereinfachste  Erklärung* 
durch  die  Annahme  einer  verlorenen  Fortsetzung  der  alten 
Lorseber  Annalen.  Dieses  vermisste  Werk  fügt  sich  aber 
ohne  alle  Schwierigkeit  in  das  von  mir  aufgestellte  System 
der  karolingischen  Annalen  ein. 

Ganz  besonders  die  Verwandtschaft  der  Hersf.  mit 
den  sogenannten  Ann.  Einhardi,  welche  sich  auf  die  Jahre 
790  —  805  beschränkt,  aber  beim  Jahre  792  in  dem  Berichte 
über  die  durch  Fardulf  entdeckte  Verschwörung  Pippins 
ganz  augenfällig  ist,  bezeugt  die  Abhängigkeit  von  einer 
Quelle,  die  aus  dem  verlorenen  Chronicon  Fardulfi  ^  her- 
geleitet war,  das  ja  auch  in  den  Ann.  Einh.  benutzt  ist. 
Da  die  Spuren  dieser  Quelle  in  den  Hersfelder  Annalen 
gerade  da  beginnen,  wo  die  bis  dahin  in  erster  Linie  be- 
nutzten Lorscher  Annalen  enden  -,  so  ist  wohl  ein  Exemplar 
der  letzteren  anzunehmen,  welches  die  durch  Lauresh.  und 
Fragm.  Chesnii  vertretene  zweite  Pecension  mit  einigen 
Zusätzen  aus  der  ersten  und  ihrer  Fortsetzung  (dem  ver- 
muthlich  in  Mainz  befindlichen  Original  der  Mosellani), 
daran  augehängt  aber  einen  Auszug  aus  dem  Chron.  Fard. 
bis  805  enthielt.  D.  setzt  die  Entstehung  dieser  Quelle 
nach  Fulda;  eher  ist  vielleicht  an  Lorsch  selbst  zu  denken, 
wo  sich  sowohl  das  Original  der  Annalen  zweiter  Peceusion 
als  auch  höchst  wahrscheinlich  eine  Abschrift  des  Chron. 
Fard.  befand  ^,  oder  an  Mainz,  wo  man  nach  meiner  Ver- 
muthung  das  Original  der  ersten  Pecension  besass  und  die 
Lorscher  Hss.  leicht  bekommen  konnte. 

Was  nun  die  Verwandtschaft  der  fuldischen  Compi- 
lation  mit  AA  betrifft,  so  findet  D.  (S.  175)  als  Beweis  für 
die  Abhängigkeit  der  Cracov.- Prag,  von  AA  die  Thatsache 
ausreichend,  dass  dieselben  von  875 — 900  grosse  Aehnlich- 
keit  mit  den  Ann.  Aug.  und  anderen  Quellen  Peichenauer 
Ursprungs  zeigen  und  noch  zu  940  und  951  (soll  heissen 
958)  auffällige  Anklänge  an  HE  aufweisen.  Können  denn 
aber  die  Mainzer  Annalen,  aus  denen  die  Cracov.  und 
Prag,  abgeleitet  sind,  nicht  recht  gut  erst  unter  Erzbischof 
Wilhelm  verfasst  sein,  unter  Benutzung  der  Ann.  Aug., 
die  derselbe  für  sich  hatte  abschreiben  lassen?    Und  kann 


1)  Vgl.  N.  A.  XXI,  29  —  49.  2)  Die  Verwandtschaft  mit  den 
Lauresh.  und  dem  Fr.  Chesn.  reicht  bis  787,  die  mit  den  Mosell.  bis  790; 
vgl.  iSr.  A.  XX,  13—16;  XXI,  81.  3)  In  Lorsch  wurde  das  Chron.  Fard. 
bereits  807  für  das  Chron.  Laurissense  benutzt.  Möglicherweise  könnte 
man  vorher  daraus  den  Klosterannalen,  und  zwar  dem  Original  der  zweiten 
Recension  selbst,  eine  Fortsetzung  bis  805  angefügt  haben. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  28 


432  F.  Kurze. 

niclit  ein  Exemplar  dieser  Mainzer  Annalen,  das  bis 
wenigstens  958  reichte,  im  Austausch  wieder  nach  Reichenau 
gekommen  sein  und  dort  als  Vorlage  von  E  gedient  haben? 
Die  Möglichkeit  ist  zweifellos,  und  damit  verliert  D.'s  Be- 
weis alle  zwingende  Kraft. 

S.  176  — 180  will  D.  beweisen,  dass  auch  die  Hers- 
felder Annalen  (zunächst  bis  800  betrachtet)  von  AA  ab- 
hängig seien.  Aber  die  Uebereinstimmung  mit  E  und 
AWS  in  den  zwei  Worten  'ingreditur'  zu  746  und  'pergens' 
zu  747  beweist,  wenn  sie  überhaupt  etwas  beweist,  nur  die 
Abhängigkeit  der  fuldischen  Compilation  von  AWS,  nicht 
die  Existenz  einer  verlorenen  Vorlage  AA.  Die  übrigen 
Beweisstellen  aber  sprechen  nur  für  direkte  Abhängigkeit 
(der  fuldischen  Comp.)  von  den  Ann.  Nazariani,  die  ja  zu 
ihrem  Namen  bekanntlich  nur  durch  ein  Missverständnis 
Frehers  gekommen  sind,  in  Wirklichkeit  aber  aus  Hessen 
und  zwar,  wie  nun  auf  Grund  dieses  Quellenverhältnisses 
zuversichtlich  behauptet  werden  darf,  aus  Fulda  selbst 
stammen  ^. 

Demnächst  untersucht  D.  (S.  180 — 183)  das  Verhältnis 
der  Hersfelder  Annalen  von  800  an  zu  AA.  Wer  aber  von 
der  Existenz  von  AA  noch  nicht  überzeugt  ist  —  und  wir 
haben  noch  keinen  zwingenden  Beweis  dafür  gefunden  — 
vermag  in  den  angeführten  Parallelstellen  von  860  an  - 
nur  eine  enge  Verwandtschaft  der  Hersf.  einerseits  mit 
der  Quelle  der  Weingartenses  (AWS)  bis  873  und  darnach 
mit  der  zweiten  Recension  der  Ann.  Alam.  (cod.  Modoe- 
tiensis)  bis  908,  andererseits  mit  der  schwäbischen  Welt- 
chronik bis  948  zu  erblicken;  ausserdem  haben  die  Hersf. 
mit  den  Colon,  zu  939  eine  Notiz  gemein.  Aus  der  ersten 
Thatsache  wird  der  Unbefangene  nur  den  Schluss  ziehen, 
dass  in  der  fuldischen  Vorlage  der  Hersf.  AWS 
benutzt  war,  d.  h.  der  Codex  Reginberti,  welcher,  wie 
D.  weiter  unten  (S.  207  f.)  ausführt,  bis  881  Vorlage  der 
Weingartenses  war  und  dann  von  882  bis  912  'Auszüge 
aus  der  Urschrift'  (S.  233),  von  welcher  wir  im  cod.  Mod. 
'eine  so  ziemlich  lückenlose  und  wörtliche  Abschrift  dieses 
Abschnittes'  haben,  enthielt. 

1)  Sie  sind  also  die  eigentlichen  Ann.  Fuld.  antiquissimi,  nämlich 
bald  nach  790  verfasst.  Der  Zeit  nach  folgen  die  fuldische  Bearbeitung 
des  Chron.  Laur.  bis  817,  die  Ann.  Fuld.  antiqui  bis  822  und  die  Com- 
pilation, welche  die  Grundlage  der  Hersfelder  Annalen  bildet.  Die  unter 
dem  Namen  Ann.  Fuldenses  bekannten  östlichen  Reichsannalen  sind  zwar 
von  838  bis  887  wohl  von  zwei  fuldischen  Mönchen  und  zum  Theil  viel- 
leicht in  Fulda  geschrieben,  gehörten  aber  dem  Kloster  nicht.  2)  Die 
Zahl  813  ist  verdruckt  für  873. 


Die  Jahrbücher  von  Reichenau  und  der  Fortsetzer  Regino's.  433 

Ein  entscheidender  Beweis  für  die  Benutzung  von 
AWS  in  der  Comp.  Fuld.  ist  die  Uebereinstimmung  der 
Hersf.  mit  der  Weing.  zu  869  in  der  Erwähnung  Benevents; 
denn  nur  die  Weing.  haben  'de  Benevento',  die  Alam. 
Sangall.  (AS)  dagegen  'de  Campania'.  Auf  Grund  dieser 
Erkenntnis  wird  man  nun  die  beiden  oben  erwähnten 
kleinen  Anklänge  bei  746  und  747  auch  dreist  auf  die  Be- 
nutzung von  AWS  in  der  Comp.  Euld.  zurückführen  dürfen; 
und  man  wird  sich  auch  nicht  wundern,  dass  im  ersten 
Theile  sich  nicht  mehr  solcher  Anklänge  finden,  wenn  man 
beachtet,  dass  AWS  erst  herangezogen  wurde,  als  die  Comp, 
bis  wenigstens  827  schon  geschrieben  war.  Mit  Recht 
nimmt  Holder- Egger ^  an,  dass  dieselbe  schon  vor  850 
nach  Hersfeld  kam,  und  D.  selbst  hält  (S.  175)  827  für 
ihr  ursprüngliches  Endjahr,  weil  sie  nur  bis  dahin  mit  dem 
ersten  Theile  der  östlichen  Reiclisannalen  übereinstimmt. 
Die  letzteren  sind  um  832  von  Einhard  in  Seligenstadt 
geschrieben  und  zunächst  bis  zum  Jahre  der  Ankunft  der 
Heiligen  in  Seligenstadt  (828),  später  bis  838  geführt 
worden:  zwischen  832  und  838  muss  demnach  die 
Comp.  Fuld.  verfasst  sein. 

Einer  Meinung  bin  ich  also  mit  D.  darüber,  dass  der 
erste  Theil  bis  etwa  827  ohne  Benutzung  einer  Reichenauer 
Quelle  geschrieben  zu  sein  scheint.  Wenn  er  aber  dann 
zu  beweisen  sucht  —  das  Resultat  spricht  er  S.  197  aus  — , 
dass  der  zweite  Bearbeiter  der  Comp.  Fuld.  erst  nach  958 
geschrieben  und  AA  dazu  herangezogen  habe,  so  muss  ich 
dazu  von  vornherein  bemerken,  dass  dieser  Abfassungs- 
termiu  mir  zu  spät  scheint,  nur  angesetzt,  um  die  Benutzung 
eines  bis  958  reichenden  Exemplars  von  AA  möglich  er- 
scheinen zu  lassen,  während  die  deutlich  sichtbare  Ver- 
wandtschaft mit  den  (um  912  in  AWS  excerpierten)  Ann, 
Alam.  zweiter  Recension  bis  908  und  das  zahlreiche  Auf- 
treten lokaler  Nachrichten  von  etwa  892  an  in  die  Zeit 
um  912  —  918  führt.  Als  eine  andere  Quelle,  deren  Be- 
nutzung gleichfalls  bis  ungefähr  in  dieselbe  Zeit,  nämlich 
bis  wenigstens  906  hinabreicht,  sind  schon  von  Lorenz  die 
Ann.  Corbeienses  erwiesen  worden.  Um  diese  Zeit  muss 
also  die  Fortführung  der  Arbeit  aufgenommen  worden  sein; 
aber  sicher  ist  nicht  das  ganze  Stück  von  830  an  erst  912 
geschrieben,  vielmehr  scheint  man  bis  nach  880  sowohl  in 
Fulda  als  auch  in  Hersfeld  eine  ganze  Reihe  gleichzeitiger 
Eintragungen  gemacht  zu  haben,  woraus  sich  ohne  Schwierig- 


1)  Lamperti  opera  p.  XXXVl. 

28* 


434  F.  Kurze. 

keit  die  mannigfachen  Berührungen  der  Hersf.  mit  den 
Annalen  Rudolfs  und  Meginhards  von  Fulda  erklären.  Die 
wenigen  aus  AWS  und  Ann.  Corbei.  stammenden  Notizen, 
welche  sich  vor  dem  Jahre  880  finden,  können  sehr  leicht 
um  das  Jahr  912  erst  hinzugefügt  worden  sein;  ein  ähn- 
liches Verhältnis  aber  bis  zum  Jahre  958  anzunehmen, 
würde  auf  sehr  viel  grössere  Schwierigkeiten  stossen. 

Das  sind  die  Folgerungen,  die  sich  aus  der  Verwandt- 
schaft der  Hersf.  mit  den  Weing.  und  Alam.  zweiter  Eec. 
ergeben.  Die  andererseits  bemerkte  Verwandtschaft  mit 
der  schwäbischen  Weltchronik  (E)  und  Hermann  (H),  sowie 
mit  den  Ann.  Colon,  zwingt  uns  aber  auch  keineswegs  zu 
der  Annahme  einer  verlorenen  Quelle  AA,  da,  wie  schon 
oben  angedeutet,  noch  der  andere  Ausweg  offen  steht,  dass 
die  Comp.  Fuld.  zur  Zeit  des  Erzbischofs  Wilhelm  Mainzer 
Annalen  als  Vorlage  gedient  haben  kann,  welche  dann  in 
einer  bis  958  reichenden  Fassung  sowohl  nach  Köln  als 
auch  nach  Reichenau  gelangt  wäre.  Auf  diese  Weise  fände 
die  auffällige  Uebereinstimmung  der  Ann.  Hersf.  mit  H, 
welche  Bresslau  ^  sogar  veranlasst  hat,  direkte  Benutzung' 
der  ersteren  durch  den  letzteren  anzunehmen,  jedenfalls 
eine  viel  einfachere  und  befriedigendere  Erklärung  als 
durch  die  Annahme  einer  Urquelle  AA. 

Wir  haben  also  D.  bis  S.  183  seines  Buches  begleitet 
und  noch  keinen  Beweis  für  AA  gefunden.  Nun  führt  er 
als  schwereres  Greschütz  vier  Stellen  vor,  an  denen  sich 
die  Hersf.  in  der  That  sehr  merkwürdig  mit  den  Jahr- 
büchern des  entlegenen  Einsiedeln,  den  sogenannten 
Ann.  Heremi  -,  berühren.  Da  er  aber  hier  nur  das  Resultat 
einer  späteren  Erörterung  vorausnimmt,  so  kann  auch  ich 
mich  hier  auf  den  Hinweis  beschränken,  dass  natürlich 
nichts  hindert,  auch  für  die  um  966  geschriebenen  Ann. 
Heremi  Benutzung  des  meiner  Meinung  nach  in  Reichenau 
befindlichen  Exemplars  der  bis  958  reichenden  Mainzer 
Annalen  anzunehmen. 

Noch  weniger  beweist  für  AA  die  nun  auf  S.  184  — 
195  folgende  Darlegung  des  Verhältnisses  der  Hersf.  zum 
Cont.  Reginonis.  Zunächst  geht  D.  entschieden  zu  weit 
mit  seiner  Behauptung,  dass  die  Hersf.  mit  der  eigentlichen 
Chronik  Regino's  nicht  das  Geringste  gemein  hätten :  denn 
die  Nachricht  der  Hersf.  zu  887  stammt  ganz  sicher  aus 
Regino.  Dass  aber  in  ihnen  sich  nicht  mehr  Entlehnungen 
aus  dieser  Quelle  finden  können,  hat  seinen  sehr  einfachen 


1)  N.  A.  II,  579  ff.        2)   SS.  in,  137  ff. 


Die  Jahrbücher  von  Reichenau  und  der  Fortsetzer  Regino's.  435 

Grund.  Wenn  ein  Hersfelder  Annalist  die  Chronik  Regino's 
mit  Fortsetzung  benutzt  hat,  so  hat  er  das  erst  nach  dem 
Jahre  967  gethan.  Der  Grundstock  der  Hersf.  Annalen 
ist  aber  nach  Holder -Egger,  dem  ich  hierin  vollständig 
beitrete,  schon  vor  850  aus  der  Comp.  Fuld.  entlehnt  worden. 
Auch  nachher  sind  diese  Annalen  doch  gewiss  nicht  dauernd 
ohne  Fortsetzung  geblieben;  ich  kann  mir  wenigstens  nicht 
denken,  dass  die  zahlreichen  Hersfelder  Lokalnotizen,  be- 
sonders auch  die  Erwähnung  des  königlichen  Besuches  von 
918,  erst  sehr  viel  später  aus  den  Annalen  des  Nachbar- 
klosters nachgetragen  sein  sollten.  Man  wird,  denke  ich, 
bald  in  Fulda,  bald  in  Hersfeld  den  Annalen  ein  Stück 
nach  dem  anderen  angefügt  haben,  so  dass  streckenweise 
auch  die  Hersfelder  Vorlage  der  fuldischen  gewesen  sein 
könnnen.  Jedenfalls  fand  der  Bearbeiter  von  c.  970  —  973 
schon  reichhaltige  Annalen  vor,  die  wohl  bis  953  oder 
weiter  gereicht  haben  mögen,  und  da  er  kein  neues  Exemplar 
angelegt  zu  haben  scheint,  so  war  er  mit  seinen  Nach- 
trägen an  den  im  alten  zur  Verfügung  stehenden  Raum 
gebunden  ^. 

Wer  wie  D.  Benutzung  der  Fortsetzung  Regino's  in  den 
Hersfelder  Annalen  leugnet,  sieht  sich  zu  eigenthümlichen 
Folgerungen  genöthigt.  Er  muss  dann  auf  die  gemeinsame 
Grundlage  auch  solche  Nachrichten  zurückführen,  die  gerade 
für  den  Fortsetzer  Regino's  charakteristisch  sind,  insbe- 
sondere die  auf  die  persönlichen  Erlebnisse  des  Verfassers 
Adalbert  bezüglichen,  und  kommt  folgerichtig  zu  dem 
Ergebnis,  dass  der  Verfasser  der  Fortsetzung  unmittelbar 
vor  dem  Beginn  dieser  Arbeit,  jedenfalls  erst  nach  966, 
auch  schnell  noch  eine  Neubearbeitung  der  Comp.  Fuld. 
verfasst  habe,  eine  Annahme,  die  nicht  gerade  den  Vorzug 
grosser  innerer  Wahrscheinlichkeit  hat. 

Am  Schlüsse  dieses  Abschnittes  sucht  D.  (S.  195  — 
197)  nach  Beweisen  für  seine  Behauptung,  dass  das  (in  der 
zweiten  Bearbeitung  der  Comp.  Fuld.  benutzte)  Mainzer 
Exemplar  der  Ann.  Alam.  bis  958  gereicht  habe.  Was  er 
aber  vorbringt,  lässt  sich  genau  eben  so  gut  für  die  um- 
gekehrte Auffassung  verwerthen,  dass  958  das  Endjahr  des 
Reichenauer  Exemplars  der  (aus  den  fuldischen  abgeleiteten) 
Mainzer  Am^^len  gewesen  ist. 

R^ 

^  ^;^  ■ 

1)  Dieser  Beai  C  ^er  war  kein  gewöhnlicher  Annalenfortsetzer,  da  er 
die  Hersfelder  Annalen  zur  "Weltchronik  umgestaltet  hat;  von  ihm  rührt 
gewiss  auch  die  überaus  wichtige  Fortsetzung  bis  983  her.  Vielleicht 
war  es  der  Abt  Gozpert,  der  gerade  von  970  bis  984  dem  Kloster  vorstand. 


436  F.  Kurze. 

Ebenso  fügt  sicli  das,  was  D.  (S.  198  —  206)  über 
die  Kölner  Annale ngruppe,  Ann.  Colonienses  und 
S.  Benign!  Divionensis,  sagt,  ohne  Schwierigkeit  der  An- 
nahme, dass  ihre  gemeinsame  Vorlage  aus  den  bis  958 
reichenden  Mainzer  Annalen  abgeleitet  war.  Nur  zu  S.  201 
habe  ich  noch  zu  bemerken,  dass  in  den  Divionenses  neben- 
her auch  die  dürftigen  Annalen  benutzt  sind,  die  man  als 
Quelle  der  Ann.  reg.  Sangallenses  ^  kennt  und  in  Anlehnung 
an  diesen  Namen  am  besten  wohl  als  'kleine  Königsannalen' 
bezeichnet  '^. 

Sehr  dankenswerth  sind  D.'s  Untersuchungen  im  letzten 
der  für  uns  in  Betracht  kommenden  Abschnitte  (S.  207  — 
239)  über  'die  süddeutschen  Tochterquellen  der 
Ann.  AI  am.  Aug.',  wenn  arich  die  Ergebnisse,  welche 
er  S.  230  ff.  zusammenstellt,  mir  noch  der  Vereinfachung 
fähig  und  bedürftig  erscheinen. 

Mit  D.  (S.  211)  stimme  ich  jetzt  der  Annahme 
W.  Giesebrechts  zu,  dass  um  990  eine  Abschrift  von  Reichen- 
auer  Annalen  nach  Altaich  gekommen  sei,  und  mit  D. 
(S.  213)  halte  ich  es  für  möglich,  dass  dieses  Altaicher 
Exemplar  etwa  mit  958,  dem  Schlussjahre  der  Mainzer 
und  Kölner  Annalen,  endete.  Aber  einen  Beweis  für  die 
Existenz  einer  Urquelle  AA  finde  ich  auch  darin  wieder 
nicht,  sehe  mich  vielmehr  in  der  oben  nur  vermuthungs- 
weise  ausgesprochenen  Ansicht  bestärkt,  dass  man  in 
Reichenau  eine  Abschrift  des  letzten  Theiles  der  bis  958 
reichenden  Mainzer  Annalen  besass,  welche  vielleicht  einem 
älteren  Reichenauer  Annalenexemplar  angehängt  war. 

Dieses  Ergebnis  wird  mir  endlich  zur  Gewissheit  durch 
die  Betrachtung  der  Ann.  Heremi.  Nach  Pertz,  an  dessen 
Angaben  zu  zweifeln  ich  keinen  Anlass  sehe,  sind  die 
beiden  Hss.  derselben  (cod.  29  und  356)  ^  bis  zum  Jahre 
997  noch  im  10.  Jh.  geschrieben,  und  zwar  jeder  bis  966 
von  einer  ersten  ungefähr  gleichzeitigen  Hand.  Die  beiden 
Recensionen  der  Einsiedler  Annalen  sind  auf  das  engste 
mit  einander  verwandt,  und  da  kein  Grund  vorliegt,  eine 
gemeinsame  Vorlage  anzunehmen,  so  bleibt  nur  das  von  D. 
angenommene  Verhältnis  übrig,    dass  nämlich  cod.  356  um 


1)  Ebenso  der  Ann.  Aug.  breves,  S.  Dionysii,  S.  Bonifatii,  Auscienses, 
Masciacenses  u.  a. ;  vgl.  Simson,  Forschungen  XXA^r  l^'S  ff-  ^^^  N-  -^• 
XXI,  47.  2)    Mit    einer    besonderen    Untersuchuiig    dieser    kleinen 

Annalen   bin   ich   beschäftigt.  3)    Leider   werden    sie   nicht   versandt 

und  waren  daher  mir  ebenso  unzugänglich  wie  D. ;  doch  hatte  der 
Eibliothekar  Herr  P.  Grabriel  Meier  die  Freundlichkeit,  mir  einige  Fragen 
zu  beantworten. 


Die  Jahrbücher  von  Reichenau  und  der  Fortsetzer  Regino's.  437 

966  geschrieben  und  bald  darnach  von  dem  ersten  Schreiber 
des  cod.  29  benutzt  worden  ist,  und  dass  ebenso  die  Ein- 
tragungen von  972 — -997  im  cod.  356  original,  im  cod.  29 
aber  unter  Benutzung  des  anderen  nachgetragen  worden  sind. 

Die  Hauptquelle  des  cod.  356  (Her.  I)  sind  Eegino 
und  die  Ann.  Alam.  Bei  der  Beantwortung  der  Frage,  welche 
Recension  der  letzteren  vorgelegen  hat,  entscheidet  sich 
D.  wieder  für  AA,  jedoch  mit  Unrecht:  denn  bei  genauer 
Vergleichung  zeigen  die  Ann.  Her.  die  engste  Verwandt- 
schaft mit  den  Ann.  Alam.  des  cod.  Modoetiensis,  also 
einer  Fassung,  die  nach  D.  selbst  erst  durch  ein  Mittel- 
glied hindurch  aus  AA  abgeleitet  ist.  So  deckt  sich  die 
Notiz  zu  708  'fructus  deficiens,  Gotefridus  obiit'  ganz  mit 
der  Lesart  des  cod.  Mod.,  während  die  Ann.  Alam.  des 
Züricher  Codex  (AS),  von  denen  jener  abhängig  ist,  gleich 
den  anderen  Ableitungen  der  Murbacher  Annalen  'deficiens 
fructus,  Gotefr.  moritur'  haben.  Ebenso  haben  die  Ann. 
Her.  I  741  gleich  dem  Modoet.  'Thietpaldus'  für  'Theodal- 
dus';  und  da  sie  von  882  an,  wo  die  beiden  Recensionen 
der  Alam.  auseinandergehen,  der  zweiten  folgen,  so  kann 
es  doch  wohl  nicht  länger  zweifelhaft  sein,  dass  in  ihnen 
nicht  die  angebliche  Urquelle  aller  Ann.  Alam.,  sondern 
eine  Hs.  der  zweiten  Recension  benutzt  ist. 

Nun  zeigen  sie  freilich  an  vier  Stellen  (785.  806.  851 
und  870)  auffällige  Verwandtschaft  mit  den  Hersfelder  An- 
nalen. Aber  ich  habe  schon  darauf  hingewiesen,  dass  die- 
selbe au  sich  eben  so  gut  durch  die  mehrfach  erwähnten 
Mainzer  Annalen  wie  durch  AA  vermittelt  sein  kann,  und 
beim  Jahre  806  ergiebt  sich  eine  wesentlich  grössere  Wahr- 
scheinlichkeit für  die  erstere  Lösung.  Denn  die  in  Her.  I 
und  Hersf.  gleichlautende  Notiz  'Karolus  divisit  regnum 
cum  testamento  inter  filios  Ludowicum,  Pippinum  et  Karo- 
lum'  findet  sich  in  keinen  Reichenauer  oder  St. -Galler 
Annalen,  wohl  aber  grösstentheils  wörtlich  ebenso  im  ful- 
dischen  Codex  des  Chron.  Lauriss.^.  Dieses  hat  mit 
Reichenau  nichts  zu  thun,  gehört  aber  zu  den  Quellen  der 
Comp.  Fuld.;  da  eine  andere  Quelle  der  letzteren,  Einhards 
Seligenstadter  Annalen,  auch  vom  Testament  spricht,  so 
ist  anzunehmen,  dass  der  übereinstimmende  Wortlaut  der 
Hersf.  und  Her.  I  vom  fuldischen  Compilator  zusammen- 
gestellt ist,  also  nur  durch  Vermittelung  der  Mainzer  An- 
nalen nach  Reichenau  und  von  da  nach  Einsiedeln  gelangt 
sein  kann. 

1)  'Imperator  Karlus  inter  filios  suos,  id  est  Karlum,  Pippinum, 
Hluduwihum  dividit'. 


438  F.   Kurze. 

Ausserdem  sind  in  Her.  I  noch  die  Auo-.  benutzt,  aber 
nur  zu  936.  938  und  939;  cod.  29  (Her.  II)  dagegen  ist 
compiliert  aus  Her.  I,  Eegino  und  den  Augienses,  d.  h. 
denjenigen  Eeichenauer  Annalen,  von  welchen  wir  im 
Pariser  Codex  eine  Abschrift  besitzen. 

Was  nun  weiter  die  um  1097  geschriebenen  Annalen 
des  Klosters  Vormezeele  bei  Yperen^  betrifft,  so  ist  die 
von  L.  Bethmann  angenommene  Benutzung  der  Her.  I 
ganz  unzweifelhaft,  so  unwahrscheinlich  sie  D.  wegen  der 
grossen  Entfernung  der  beiden  Klöster  findet.  Denn  die 
Ann.  Formos.  geben  zu  den  Jahren  1.  6  —  das  folgende 
Stück  bis  769  ist  leider  nicht  gedruckt  —  777  und  806/7 
Notizen,  deren  Inhalt  aus  Regino  stammt,  und  deren  Wort- 
laut mit  Her.  I  übereinstimmt.  Dass  die  letzteren  aber 
unmittelbar  aus  Eegino,  und  zwar  aus  der  Einsiedler  Hs., 
geschöpft  haben,  steht  fest,  während  für  Vormezeele 
natürlich  an  Benutzung  Regino's  nicht  zu  denken  ist.  Wie 
die  Ann.  Her.  dahin  gekommen  sein  mögen,  entzieht  sich 
unserer  Kenntnis.  Die  Benutzung  der  Ann.  Bland,  verräth, 
dass  das  Kloster  seine  geistige  Nahrung  —  wenigstens 
theilweise  —  aus  Gent  bezog:  könnte  nicht  einmal  ein 
Mönch  von  St.  Gallen  nach  Gent  gekommen  sein ?  Denn  über 
St.  Gallen  und  nicht  über  Eeichenau  scheinen  mir  die 
Einsiedler  Annalen  ihren  Weg  nach  Vormezeele  gefunden 
zu  haben.  Neben  ihnen  erscheinen  nämlich  als  Quelle  der 
Formos.  die  Alam.  von  771 — 888,  und  zwar  in  der  Fassung 
des  Züricher  Codex  -,  welcher  einst  dem  Kloster  St.  Gallen 
gehört  hat.  Beim  Jahre  881  findet  sich  in  den  Worten 
'cesar  efficitur'  zwar  ein  sehr  bemerkenswerther  Anklang 
an  die  Aug.,  aber  eben  so  sehr  auch  an  die  Weing.,  die 
gleichfalls  aus  St.  Gallen  stammen.  Ebendahin  weist  endlich 
die  Notiz  über  die  üebertragung  des  heiligen  Othmar  (770), 
welche  sich  in  ähnlicher  Form  auch  in  den  Ann.  Saugall. 
mai.  findet  und  ganz  gewiss  auch  nicht  die  Annahme  einer 
verlorenen  Quelle  AA  nöthig  macht.  Zwischen  966  und 
1097  also,  den  Entstehungsjahren  der  Ann.  Her.  I  und 
Formos.,  muss  in  St,  Gallen  einmal  jemand  eine  dürftige 
Compilation  aus  Her.  I  und  den  Alam.  des  Züricher  Codex 
(AS)  unter  Hinzufügung  ganz  vereinzelter  Notizen  aus 
anderen  St.  Galler  Hss.  angefertigt  haben,  welche  nicht 
über  das  Jahr  888  hinausgekommen  zu  sein  scheint  und 
später  —  vielleicht  über  Gent  —  nach  Vormezeele  gelangt  ist. 


1)  Ann.  Forraoselenses,  SS.  V,  34  ff.       2)  Vgl.  besonders  792.  795 
und  796. 


Die  Jahrbücher  von  Reichenau  und  der  Fortsetzer  Regino's.  439 

So  bleiben  uns  schliesslich  die  verschiedenen  Re- 
censionen  der  Reichenau  er  und  St.  Galler  Annale  n 
zur  Betrachtung  übrig,  und  wir  haben  zu  prüfen,  ob  sich 
etwa  daraus,  wenn  nicht  die  Noth wendigkeit,  so  doch 
wenigstens  einige  Wahrscheinlichkeit  für  die  Annahme 
einer  verlorenen  Urquelle  ergiebt. 

Nach  D.  sind  vier  verschiedene  ßecensionen  der  Ann. 
Alam.  aus  Reichenau  und  vier  aus  St.  Gallen  zu  unter- 
scheiden.    Die  Reichenauer  sind  folgende: 

1)  AA,  das  verlorene  Original,  bis  799  Abschrift  der 
Murbacher  Jahrbücher  zweiter  Recension,  dann  allmählich 
fortgesetzt  bis  wenigstens  912,  wahrscheinlich  aber  bis  966. 
Bis  881  war  es  Vorlage  von  AS,  und  zwar  in  drei  Absätzen 
(—799,  —876  und  —881),  —912  von  AWS,  gleichfalls  in 
drei  Absätzen  (—815,  —881  und  —912),  von  882  —  912 
der  Alam.  des  cod.  Modoetiensis,  von  Anfang  bis  zu  Ende 
Quelle  der  Ann.  Her.  und  Formos.  und  der  Schriften  Her- 
manns, in  einer  Mainzer  Abschrift  bis  958  auch  der  Comp. 
Fuld.  zweiter  Recension,  der  Kölner  Vorlage  der  Colon, 
und  Ben.  Div.  und  der  Mainzer  Annalen,  die  den  Cracov. 
und  Prag,  zu  Grunde  liegen. 

2)  AWS,  die  verlorene  Vorlage  der  Aug.,  Weing.  und 
Sangall.  breves,  also  der  bekannte  cod.  Reginberti.  Um 
820  angelegt  und  entweder  bis  966  aus  AA  abgeleitet  oder 
nur  bis  912  und  von  da  an  selbständig  fortgesetzt,  war 
diese  Recension  Quelle  der  Sang.  br.  bis  815,  der  Weing. 
bis  881,  der  Aug.  bis  881  oder  bis  939  und  im  letzteren 
Falle  von  912  an  Quelle  der  Comp.  Fuld.,  Colon. -Divion., 
Cracov.- Prag.,   Heremi  und  der  schwäbischen  Weltchronik. 

3)  A II,  die  Urschrift  der  Alam.  zweiter  Recension, 
aus  welcher  die  Hs.  von  Monza  hergeleitet  ist.  A  II  nenne 
ich  sie,  während  D.  sie  ohne  Bezeichnung  gelassen  hat. 
Er  führt  sie  aber  (S.  232  f.)  als  eine  Abschrift  des  Züricher 
Codex  (AS)  bis  881  auf,  'die  bis  zum  Jahre  912  wieder 
aus  der  Urschrift  der  Annalen  ergänzt  ward'. 

4)  A,  die  Aug.  des  Pariser  Codex,  der  für  Erzbischof 
Wilhelm  von  Mainz  geschrieben  wurde,  bis  912  aus  AWS, 
von  da  an  entweder  aus  AA  oder  AWS  abgeleitet. 

Dazu  kommen  folgende  aus  St. -Gallen: 
1)  AS,  der  Züricher  Codex,  der  nach  D.  von  den  drei 
ersten  Schreibern  ( — 799,  — 876  und  — 881)  in  Reichenau 
aus  AA  abgeschrieben,  von  einem  vierten  zu  St.  Gallen  bis 
921  fortgesetzt  und  von  einem  fünften  um  die  Notiz  zu 
926  bereichert  worden  ist.  Er  war  Quelle  von  A II  bis 
881,  von  W  und  Sang.  mai.  von  882   an. 


440  F.  Kurze. 

/ 

2)  S,  die  Sangallenses  breves  des  cod.  732,  ganz  aus 
AWS  (—815)  abgeleitet. 

3)  W,  die  Ann.  Weingart,  des  Stuttgarter  Codex, 
welchen  D.  selbst  eingesehen  hat.  Sie  sind  bis  881  aus 
AWS  mit  einigen  selbständigen  Notizen,  bis  911  aus  AS 
abgeleitet,  bis  936  selbständig;  in  St.-Gallen  geschrieben 
und  Quelle  der  Sang.  mai. 

4)  Die  Sangall.  mai.  des  cod.  915,  in  St.-Gallen  aus  AS 
und  W  compiliert  und  bis  955  fortgesetzt. 

So  nach  Dieterich.  Er  selbst  lässt  es  also  zweifelhaft, 
ob  die  Fortsetzung  von  913  an  in  AA  oder  AWS 
enthalten  war,  d.  h.  er  räumt  ein,  dass  die  Existenz  von 
AA  über  912  hinaus  sich  nicht  erweisen  lässt.  Das  Stück 
913—966  ist  damit  abgethan;  auch  dem  Reste  muss  ich 
aber  noch  weiter  zu  Leibe  gehen. 

Von  882  bis  912  war  nach  D.  (S.  233)  All  'eine 
so  ziemlich  lückenlose  und  wörtliche  Abschrift'  von  AA: 
kann  es  also  nicht  eben  so  gut  das  Original  selbst  gewesen 
sein?  Es  giebt  nichts,  was  dem  entgegenstände;  nichts 
hindert  uns  aber  auch,  AWS  auf  dieser  Strecke  als  Ori- 
ginal anzusehen. 

Den  stärksten  Grund  für  die  Existenz  von  AA  meint 
D.  (S.  237)  darin  zu  finden,  dass  AS  von  802  bis  881 
grösstenteils  nur  Abschrift,  nicht  Urschrift  ist.  Urschrift 
braucht  ja  aber  AS  auch  dann  gar  nicht  zu  sein,  wenn 
AA  nur  bis  799  reichte;  wozu  haben  wir  denn  noch  AWS? 
Mag  bis  799  AA  oder  AS  die  Quelle  von  AWS  gewesen 
sein:  als  dieses  um  815  oder  820  geschrieben  wurde,  reichte 
AA  wahrscheinlich  eben  so  wenig  wie  AS  über  799  hinaus. 
Dann  muss  die  Fortsetzung  von  802  bis  815  Eigenthum 
von  AWS  sein.  Warum  soll  sie  das  nicht?  und  warum 
nicht  auch  die  weitere  Fortsetzung  bis  881? 

Eine  Thatsache  kommt  hinzu,  welche  D.  gar  nicht 
erklärt,  dass  nämlich  'die  Aug.'  (A)  mit  AS  nur  bis  858 
zusammengehen,  während  sie  doch  ganz  aus  AWS  abge- 
leitet sind,  das  wie  AS  bis  881  aus  AA  abgeschrieben  sein 
soll.  Die  Erklärung  ist  diese:  AWS,  das  die  Führung 
übernommen  hatte,  während  AS  seit  799  ruhte,  wurde  in 
Eeichenau  fortgesetzt;  als  es  bis  858  reichte,  wurde  in 
AS  eine  Fortsetzung  angehängt,  die  bis  858  aus  AWS 
abgeschrieben  ist,  und  diese  wurde  von  derselben  Hand 
bis   876    selbständig  weitergeführte     Mit  Eecht   hat  Pertz 


1)    iSTach   der  Ausgabe  von  Henking  hat  der  zweite  Schreiber  von 
AS   das  Stück  802  —  876  in    einem  Zuge  geschrieben;    wenn   das   richtig 


Die  Jahrbücher  von  Reicheuau  und  der  Fortsetzer  Regino's.   441 

dieses  Stück  Cont.  Sang-all.  prima  genannt:  es  muss  in 
St.  Gallen  geschrieben  sein,  da  es  mit  den  aus  AWS  ab- 
geleiteten Augienses  gar  nicht  übereinstimmt.  In  ßeichenau 
wurde  AWS  (von  AS  unabhängig)  fortgesetzt  bis  881, 
während  die  Fortsetzung  von  AS  beim  Jahre  876  stecken 
blieb.  Darauf  wurde  in  St.  Gallen  an  AS  von  einer 
dritten  Hand  eine  aus  AWS  entnommene  weitere  Fort- 
setzung bis  881  angefügt,  zugleich  aber  der  neue  Codex 
W  geschrieben,  der  hauptsächlich  Abschrift  von  AWS 
war,  aber  auch  die  selbständige  Fortsetzung  in  AS  (860 
bis  876)  benutzte  und  mit  einer  eigenen  Notiz  zu  882  vor- 
läufig schloss. 

Aber  auch  die  Reichenauer  rafften  sich,  gewiss  durch 
das  Vorbild  der  sanctgallischen  Nachbarn  angespornt,  zu 
neuer  Thätigkeit  auf:  hatten  sie  den  St.  Gallern  ihren 
Codex  AWS  zur  Abschrift  geliehen,  so  nahmen  sie  nun 
ihrerseits  von  dem  St.  Galler  Codex  AS  Abschrift.  Damit 
entstand  All,  und  erklärlicher  Weise  wurde  nun  die 
weitere  Fortsetzung  bis  912  dem  neuen  Codex  angehängt, 
während  AWS  beim  Jahre  881  liegen  blieb.  Später  er- 
hielt dann  auch  AWS  seine  Fortsetzung,  die  bis  912  ein 
Auszug  aus  All,  von  da  an  selbständig  war.  Es  kann  aber 
auch  für  die  Strecke  von  882 — 912  AWS  Original  und 
All  daraus  abgeleitet  gewesen  sein. 

In  St.  Gallen  erhielt  AS  um  921  wieder  eine  Fort- 
setzung von  dem  vierten  Schreiber,  der  auch  die  späteren 
Zusätze  zu  den  früheren  Theilen  geschrieben  zu  haben 
scheint^.  Die  Hauptquelle  dieser  Fortsetzung  war  All; 
für  die  Zusätze  (vgl.  816.  830.  846  und  858),  aber  auch 
für  einige  Nachrichten  der  Fortsetzung-,  wurde  AWS 
benutzt. 


ist,  so  hat  AWS  eben  noch  im  Jahre  876  nur  bis  858  gereicht.  Dann 
wäre  die  Fortsetzung  von  AAVS  gerade  im  Todesjahre  des  Abtes  Folch- 
win  ins  Stocken  gerathen,  vielleicht  eben  aus  Anlass  dieses  Todesfalles. 
1)  Auf  diese  Thatsache  wurde  ich  von  Herrn  Dr.  Dieterich  j^rivatim  auf- 
merksam gemacht.  2)  Hierfür  vorläufig  nur  einen  Beleg:  896  haben 
die  Hersf.,  welche  durch  die  Comp.  Fuld.  aus  AWS  gespeist  werden: 
'Arnulfus  rex  Romam  veniens  Imperator  factus  est';  ganz  ebenso  hat  die 
schwäbische  Weltchronik (E),  die  entweder  aus  AWS  oder  aus  den  von 
der  Comp.  Fuld.  abhängigen  Mainzer  Annalen  geschöpft  haben  kann.  Es 
ist  also  anzunehmen,  dass  Hersf.  und  E  den  Text  von  AWS  darstellen, 
wenngleich  die  Aug.  nur  haben:  'Arnolfua  Roraae  cesar  efficitur';  denn 
dieselben  wiederholen  hier  einfach  eine  unter  881  gebrauchte  Wendung. 
Da  nun  AS  hat:  'Arnolfus  Romam  veniens  efficitur  Imperator',  so  scheint 
doch  AWS  die  Quelle  dafür  gewesen  zu  sein,  und  nicht  All,  wo  es 
heisst:  'Arnolfus  Romam  vi  caepit  et  a  Formoso  papa  Imperator  conse- 
cratur'. 


442  F.  Kurze. 

So  bleibt  von  AA  nur  noch  der  Anfang  bis  799 
übrig.  Dieses  Stück  soll  nach  D.  (S.  230)  bis  798  eine 
Abschrift  der  Murbacher  Anualen  zweiter  Recension  ^  sein ; 
S.  218  aber  will  er  ihm  zu  760,  S.  215  zu  770.  777  und 
785,  S.  171  auch  zu  788  einen  Wortlaut  geben,  der  sich 
von  den  Ann.  Murbac.  weit  entfernt.  Das  geht  einfach 
nicht :  denn  da  AA  gleich  den  Nazar.  und  Guelferbyt.  aus 
den  Murb.,  AS  aber  aus  AA  abgeleitet  sein  soll,  so  haben 
wir  überall,  wo  AS  mit  Naz.  und  Guelf.  übereinstimmt, 
auch  den  Wortlaut  von  AA.  Das  ist  aber  fast  überall 
der  Fall,  und  wir  haben  demnach  in  AS  bis  799  eine 
ziemlich  wortgetreue  Abschrift  von  AA. 

In  so  bescheidenem  umfange  muss  man  allerdings 
AA  gelten  lassen,  wenn  man  annimmt,  dass  AS  von  An- 
fang an  in  St.  Gallen  geschrieben  sei.  Denn  bei  den 
engen  Beziehungen  zwischen  Murbach  und  Reichenau,  wie 
sie  D.  (S.  170)  darlegt,  ist  seine  Ansicht,  dass  die  Mur- 
bacher Annalen  erst  über  ßeichenau  nach  St.  Gallen  ge- 
kommen seien,  entschieden  zutreffend.  Das  Original  der 
Murbacher  Annalen  zweiter  ßecension,  wie  D.  will,  könnte 
AA  freilich  nicht  gewesen  sein,  da  seine  unmittelbaren 
Ableitungen  AWS  und  AS  einige  Mal  in  Lesarten  über- 
einstimmen, welche  im  Original,  wie  die  Vergleichung  der 
Nazar.  ergiebt.  nicht  gestanden  haben  können'-.  Höchstens 
könnte  AA  die  Murbacher  Fortsetzung  790 — 798  im  Ori- 
ginal enthalten  haben;  die  beiden  letzten  Notizen  zu  798 
und  799,  welche  Immas  und  Gerolds  Tod  melden,  scheinen 
erst  in  Reichenau  hinzugefügt  worden  zu  sein. 

Wenn  man  aber,  wie  D.  selbst  thut,  die  Entstehung 
des  Codex  AS  nach  Reichenau  verlegt,  so  ist  die  Annahme 
eines  Zwischengliedes  zwischen  AS  und  den  Murbac.  ganz 
überflüssig,  und  der  letzte  Rest  von  AA  zerrinnt 
in  nichts.  Dann  müsste  AS  zwischen  den  Jahren  860 
und  876,  mit  welchen  die  erste  sanctgallische  Fortsetzung 
beginnt  und  endet,  nach  St.  Gallen  gekommen  sein;  und 
da  zu  der  Zeit  AWS  der  Hauptcodex  von  Reichenau  war, 
an  dessen  Fortführung  man  noch  arbeitete,  für  die  ältere 
Zeit  aber  noch  andere  historische  Hss.  da  waren,  so  ist 
die  Annahme,  dass  man  AS  als  entbehrlich  dem  Nachbar- 
kloster überlassen  habe,  keineswegs  unwahrscheinlich. 
Wenn  AA  existiert  hat,  so  scheint  es  doch  Fortsetzungen 
über    799    hinaus   nicht    erhalten   zu    haben;    als    man   im 


1)   N.  A.  XX,  19.         2)  So  714  'maior  domus',  715  'iunioris',  758 
•inffreditur'. 


Die  Jahrbücher  von  Reichenau  und  der  Fortsetzer  Regino's.   443 

Jahre  881  AS  für  Reichenau  copierte,  war  AA  entweder 
abhanden  gekommen,  oder  man  hielt  die  sanctgallische 
Abschrift  für  werthvoller  als  das  Original. 

Schliesslich  möge  hier  eine  chronologische  Uebersicht 
der  Annalen-Hss.  von  Reichenan  folgen,  soweit  sie 
dem  8.  bis   10.  Jahrhundert  angehören. 

W.  Giesebrecht^  vermuthete,  dass  die  alamannische 
Quelle  der  Gorze- Lorscher  und  der  Murbacher  Jahrbücher, 
deren  Entstehung  ich  in  dieZeit  zwischen  746  und  756  setzte-, 
in  Reichenau  ihren  Ursprung  habe.  Jetzt  bin  ich  aber  der 
Meinung,  dass  dieselbe  anderswo  entstanden  ist^.  Dagegen 
hatte  man,  wie  oben  (S.  430)  festgestellt  wurde,  später  in 
Reichenau  ein  Exemplar  der  Lorscher  Jahrbücher 
selbst,  d,  h.  der  Quelle  der  Ann.  Mosellani  und  Laures- 
hamenses,  ein  Exemplar,  das  wenigstens  bis  789  reichte 
und  sowohl  in  AWS  als  auch  in  E  und  H  benutzt  wurde. 
Ein  Exemplar  derselben  Quelle  wurde  bald  nach  790  in 
Murbach  bei  der  Neubearbeitung  der  dortigen  Annalen  be- 
nutzt. Dasselbe  wird  wohl  die  Vorlage  des  in  Reichenau 
befindlichen  gewesen  sein. 

Eine  andere  verlorene  Quelle  aus  Reichenau  ist  zu 
erschliessen  aus  den  sogenannten  Ann.  Sangall.  Baluzii 
des  cod.  124.  Derselbe  stammt  aus  dem  Anfange  des 
9.  Jh.  und  schliesst  mit  gleichzeitigen  Notizen  zu  801. 
805.  813  und  814,  scheint  aber  mit  Ausnahme  dieser  vier 
ganz  und  gar  Abschrift  einer  älteren  Vorlage  zu  sein,  die 
bis  783  reichte  und  fast  ganz  aus  den  Annalen  von  St. 
Am  and,  Gorze  und  Murbach  compiliert  war.  Als  Mittel- 
glied zwischen  diesen  sämnitlich  in  Murbach  vorhandenen 
Quellen  und  der  Abschrift  in  St.  Gallen  ist  nur  ein 
Reichenauer  Codex  zu  denken. 

Demnächst  entstand  in  Reichenau  AS,  der  erste  Theil 
des  erhaltenen  Züricher  Codex,  als  eine  Abschrift  der 
Murbacher  Annalen  mit  zwei  originalen  Notizen  zu  798 
und  799.  Zwischen  860  und  876  kam  dieser  Codex  nach 
St.  Gallen. 

Es  folgt  die  wichtigste  aller  älteren  Reichenauer 
Annalenschriften,  der  codex  Reginberti  (AWS).  Bald 
nach  814  angelegt  als  ein  Auszug  aus  AS  bis  799,  unter 
Benutzung  der  Lorscher  Annalen,  dann  selbständig  fort- 
gesetzt bis  881,  war  dieser  Codex  Quelle  der  Sangall. 
breves    bis  814,    der  Alam.  Sangall.  (AS)  bis  858    und  der 

1)  Münchener  historisches  Jahrbuch  1865,  S.  223.  2)  N.  A.  XX, 
S.  27.  3)  Nähere  Angaben  wird  mein  Aufsatz  über  die  kleinen  karo- 
lingischen  Annalen  enthalten. 


444  F.  Kurze, 

Weing'art.  bis  881,  aber  gegen  Ende  wohl  etwas  reicli- 
lialtiger  als  diese.  Die  Fortsetzung  von  882 — 912  wurde 
vielleicht  erst  nach  912  aus  der  Urschrift  der  Alam.  zweiter 
Rec.  (All)  nachgetragen,  vielleicht  ist  auch  sie  original ; 
um  912 — 918  diente  der  Codex  einem  Bearbeiter  der  ful- 
dischen  Compilation  als  Quelle  ^  Von  913  bis  939  ist  er 
wieder  Original  und  Vorlage  sowohl  der  Augienses  des 
Pariser  Codex  als  auch  —  was  für  die  Controle  des  Textes 
sehr  wichtig  ist  —   der  Ann.  Heremi. 

Wenig  später  als  der  erste  Theil  von  AWS  müssen 
die  Ann.  Augienses  brevissimi  des  cod.  167  von 
Karlsruhe-  geschrieben  sein,  die  zu  der  oben  erwähnten 
Gruppe  der  kleinen  Königsannalen  gehören  und  am 
engsten  mit  den  Ann.  S.  Dionjsii'^  verwandt  sind;  sie 
reichen  bis  817.  Die  nahe  verwandten  Ann.  regum  Sangal- 
lenses  scheinen  mir  aber  die  Annahme  noch  eines  verlorenen 
Reichenauer  Exemplars  nöthig  zu  machen,  das  ihnen  und 
den  Aug.  breviss.  als  Vorlage  diente. 

Um  881  wurde  der  damals  in  St.  Gallen  befindliche 
Züricher  Codex  der  Alam.  (AS)  für  Reichenau  abgeschrieben 
und  dann  entweder  bis  912  selbständig  weitergeführt  oder 
um  912  bis  dahin  aus  AWS  ergänzt.  Eine  Abschrift  dieser 
zweiten  Recension  der  Ann.  Alam.  (All)  besitzen 
wir  im  Cod.  Modoetiensis,  welcher  für  Laubach  geschrieben 
zu  sein  scheint,  da  er  die  Ann.  Laubacenses  im  Original 
enthält'^;  er  befand  sich  im  Jahre  1185  in  Basel,  kam  von 
dort  nach  Verona,  wurde  1797  nach  Paris  verschleppt  und 
1816  durch  eine  Verwechselung  mit  einem  ehemaligem 
Monzeser  Bedacodex.  der  nach  Verona  kam,  nach  Monza  aus- 
geliefert-''. Der  selbständige  oder  aus  AWS  abgeschriebene 
Theil  dieser  Recension  diente  dem  vierten  Schreiber  von 
AS  als  Hauptquelle;  ausserdem  ist  sie  in  den  Ann.  Heremi 
des  Cod.  356  (Her.  I)  benutzt  worden. 

Das  lezte  Glied  dieser  Reihe  bildet  die  mehrfach  ge- 
nannte Reichenauer  Abschrift  der  Mainzer  Annalen. 
Es  bedarf   aber   noch    der  Untersuchung,    ob   man   in  Rei- 

1)  Es  scheint,  dass  die  Wahl  des  Frankenherzogs  zum  König, 
spätestens  aber  sein  Besuch  in  Hersfeld  918  den  Mönchen  von  Fulda 
und  Hersfeld  Anlass  gab,  ihre  aunalistische  Thätigkeit  wieder  aufzunehmen. 
2)  SS.  III,  136  f.         3)    SS.  XIII,  718  ff.  4)    Da  der  letzte  Theil  der 

Laub,  im  ganzen  eine  Abschrift  der  Alam.  ist,  welche  in  demselben 
Codex  vorangehen,  so  muss  eben  dieser  Codex  wohl  das  Autograph  der 
Laub,  sein,  was  sich  mit  den  Angaben  im  Archiv  V,  474  und  SS.  I,  4 
wohl  verträgt.  5)    lieber   seine  Schicksale  vgl.  die  N.  A.  XXII,  315 

n.  17  und  XXIII,  582  n.  129  erwähnten  Abhandlungen  von  Spagnolo  und 
Varisco. 


Die  Jahrbücher  von  Reichenau  und  der  Fortsetzer  Regino's.   445 

chenau  überhaupt  eine  ganze  Abschrift  hatte  oder  nur 
einen  Auszug,  und  ob  derselbe  nicht  etwa  mit  einer  anderen 
Annalenrecension  verbunden  war.  Die  Ann.  Her.  I,  in 
welchen  wir  Spuren  dieser  Quelle  bei  den  Jahren  785.  806. 
851  und  870  fanden  und  weitere  in  dem  scheinbar  selb- 
ständigen Theile  von  940  bis  966  vermuthen  dürfen,  benutzen 
ausser  ihr  von  Reichenauer  Quellen  noch  All  bis  909  und 
die  Urschrift  der  Augienses,  also  den  Cod.  Reginberti 
(AWS)  zu  936.  938  und  939.  All  deckt  sich  bis  881  mit 
AS  und  bietet  namentlich  zu  785  einen  Text,  der  es  sehr 
unwahrscheinlich  erscheinen  lässt,  dass  dazu  später  ein 
Zusatz  aus  den  Mainzer  Annalen  eingetragen  worden  sein 
sollte.^  AWS  dagegen,  der  Cod.  Eeginberti,  hat  in  der 
Form,  wie  er  dem  Schreiber  der  Weingartenses  (W)  um 
881  und  auch  noch  dem  der  Augienses  (A)  um  954  vorlag, 
gerade  an  den  vier  angeführten  Stellen  viel  freien  Raum, 
der  zu  Nachträgen  einlud :  denn  in  W  und  A  sind  die 
Jahre  784.  785.  807—809  (zu  806  in  W  nur:  'Haito  Wal- 
doni  successit'),  850  —  855  und  in  A  auch  870,  während 
W  hier  AS  ausschreibt,  ganz  ohne  Eintragungen.  Man 
darf  also  die  Vermuthung  wagen,  dass  eine  besondere 
Abschrift  der  Mainzer  Annalen  in  Reichenau  nicht  existiert 
hat,  sondern  dass  der  Cod.  Reginb.  um  958  aus  dieser 
Quelle  ergänzt  und  über  939  hinaus  fortgesetzt  worden  ist. 


2.  Die  Quellen  des  Continuator  Reginonis. 

Wenn  ich  mich  nicht  täusche,  so  hat  die  bisherige 
Untersuchung  ergeben,  dass  einerseits  von  grösseren  Rei- 
chenauer  Annalen  im  Sinne  Erbens  und  Dieterichs  nicht 
die  Rede  sein  kann,  dass  aber  andererseits  auch  ich  sehr 
im  Irrthum  war,  wenn  ich  die  Ann.  Augienses  cod.  Paris, 
für  den  einzigen  Vertreter  der  Reichenauer  Annalistik  im 
10.  Jahrhundert  hielt. 

Diese  Bereicherung  unseres  Wissens  ist,  wie  ich  rück- 
haltlos anerkenne,  Dieterichs  Verdienst,  und  das  End- 
ergebnis stimmt  mit  dem  seinigen  in  recht  wesentlichen 
Punkten  überein.  Ja,  man  kann  sagen,  dass  alle  einzelnen 
Theile  seiner  Quelle  AA  in  Reichenau  wirklich  vorhanden 
waren,    nur  dass  sie  nicht  die  Stücke  eines   und  desselben 


1)  All  =  AS  (das  Eingeklam- 
merte fehlt  in  All:  '(rex)  Karolus 
in  Erespurg  resedit  et  Saxones  in 
l^ace  conquisivit'. 


Her.  1  =  Altah.  (d.  Eingekl.  fehlt 
in  Alt.):  'Widuhind(us  ad  eum) 
venit  (ad)  Attiniacum  villam  (et)  ibi- 
(dem)  baptizatus  (est  et)  omnis  Sa- 
xonia  Francis  subiecta  est'. 


446  F.  Kurze, 

Werkes  bildeten,  welches  die  Grundlage  aller  anderen  war, 
sondern  verschiedenen  Quellen  angehörten,  zumeist  aber 
dem  cod.  Eeginberti. 

Die  Mainzer  Annalen  treten  in  die  Eolle  von 
D.'s  Comp.  Fuld.  II  und  sind  in  der  That  eine  Neubear- 
beitung der  Comp.  Fuld.  I  unter  Benutzung  einer  Reiche- 
nauer  Quelle,  nur  dass  diese  letztere  einfach  der  cod. 
Paris,  der  Aug.  war,  von  940  an  aber  bis  958,  so  zusagen, 
nicht  Mainz  von  Eeichenau,  sondern  Eeichenau  von  Mainz 
abhängig  zu  denken  ist.  Sie  sind  auch  nicht  die  Quelle 
der  Hersfelder  Jahrbücher,  welche  vielmehr  auf  der  Comp. 
Fuld.  (I)  beruhen  und  im  letzten  Theile  die  Fortsetzung- 
Regino's  benutzen.  Dadurch  fällt  die  Nöthigung  zu  der 
unnatürlichen  Annahme  fort,  dass  die  Mainzer  Annalen  so 
vieles  enthalten  hätten,  was  gerade  der  Fortsetzung  Regino's 
eigenthümlich  ist,  und  erst  in  den  letzten  Monaten  des 
Jahres  966  in  einem  Zuge  geschrieben  wären.  Der  An- 
fangstermin rückt  nun  hinauf  bis  954,  zum  Jahre  der 
Ernennung  Wilhelms  zum  Erzbischof  von  Mainz. 

Es  versteht  sich  nun  von  selbst,  dass  diese  Mainzer 
Annalen  eine  Haupt  quelle  des  Cont.  Reg.  gewesen 
sein  müssen.  Sie  treten  in  dieser  Beziehung  an  die  Stelle 
der  von  mir  ^  vermutheten  f uldischen  Quelle  und  enthielten 
jedenfalls  auch  die  rheinisch-lothringischen  Nachrichten 
des  Cont.,  für  welche  ich  damals  keine  Erklärung  wusste"-. 

Unter  so  veränderter  Voraussetzung  —  wenn  die 
Annalen  nicht  erst  in  den  letzten  Monaten  des  Jahres  966 
geschrieben  zu  sein  und  nicht  persönliche  Erinnerungen 
des  Verfassers  enthalten  zu  haben  brauchen,  die  wohl  in 
die  Chronik  des  Abtes  von  Weissenburg,  aber  nicht  in  die 
Annalen  des  Mainzer  Erzstifts  hineinpassen  —  trage  ich 
aber  kein  Bedenken,  D.'s  Vermuthung,  dass  Ad  albert, 
der  Cont.  Reg.,  auch  der  Verfasser  der  mainzischen  Annalen 
sei,  als  eine  sehr  ansprechende  zu  begTÜssen.  Dann 
müsste  er  die  letzteren  ( — 958)  in  der  Zeit  von  954  —  960 
geschrieben  haben.  Von  961  —  962  war  er  bei  den  Russen, 
von  da  bis  966  wieder  in  Mainz.  Damals  schrieb  er  sich 
vielleicht  schon  die  Chronik  Regino's  ab,  deren  Original 
sich  wahrscheinlich  in  seinem  Heimathskloster  St.  Maximin 
zu  Trier  befand,  in  welchem  Regino  begraben  lag. 

Von  966  —  968  war  Adalbert  Abt  von  Weissenburg: 
in  diese  Zeit  fällt  demnach  die  Abfassung  der  Fortsetzung 

1)  N.  A.  XV,  330.  2)  Damit  ist  aber  nicht  ausgesclilossen,  dass 
eine  uns  unbekannte  lothringische  Quelle  in  den  Mainzer  Annalen  benutzt 
worden  sein  könnte. 


Die  Jahrbücher  von  Reichenavi  und  der  Fortsetzer  Regino's.   447 

Regino's.  Wie  die  erste  Arbeit  für  das  Erzbisthum  Mainz, 
so  war  die  zweite  zunächst  für  das  Kloster  Weissenbnrg- 
geschrieben,  und  daraus  erklärt  sich  zur  Genüge  die  freie 
Sprache,  die  der  Verfasser  führt,  wo  er  von  seinem  Erz- 
bischof redet. 

Ist  aber  hiermit  die  Entstehungsgeschichte  der  Fort- 
setzung Regino's  richtig  dargestellt,  so  versteht  sich  ferner 
auch  das  von  selbst,  dass  Adalbert  für  diese  Arbeit  die 
jetzt  in  Paris  befindliche  Mainzer  Abschrift  der  Au- 
gienses  benutzt  hat,  wie  ich  schon  a.  a.  O.  326  annahm. 
Ganz  ohne  Noth  hat  Erben  das  bestritten;  denn  für  sein 
Thema  ist  dieser  Umstand  unwesentlich. 

Erben  will  nachweisen,  dass  dem  Cont.  Reg.  mit 
seiner  Notiz  über  die  Verbannung  des  angeblichen  bai- 
rischen  Eberhard  im  Jahre  938  ein  Versehen  beffCffnet  ist, 
und  dass  der  Herzog  Arnolf  gar  keinen  Sohn  dieses  Na- 
mens gehabt  hat.  Diesen  Nachweis,  dessen  Wichtigkeit 
ich  nicht  unterschätze,  halte  ich  auch  für  gelungen.  Dazu 
hatte  er  es  aber  gar  nicht  nöthig,  meine  Quellenanalyse 
zu  bekämpfen;  denn  er  macht  von  seiner  Annahme  voll- 
ständigerer Ann.  Augienses  einen,  wie  mir  scheint,  un- 
richtigen Gebrauch. 

'Durch  die  Verschmelzung  von  zwei  nicht  zusammen- 
gehörigen Sätzen  seiner  Vorlage',  sagt  er  (S.  619),  — 
"Eberhardum  in  exilium  misit  "  und  "nisi  tantum  unum 
(Arnolf um)  Arnolfi  filium"  —  ist  also,  wie  ich  glaube,  die 
Fassung  der  Continuatio  entstanden'.  Warum  aber  soll 
diese  Vorlage  denn  nicht  der  Pariser  Codex  der  Ann.  Aug. 
gewesen  sein,  der  diese  Worte  —  natürlich  ohne  das 
eingeklammerte  —  genau  so,  wie  Erben  sie  citiert,  enthält? 
Gerade  der  Text  dieser  Aug.  ist  vorzugsweise  geeignet, 
ein  solches  Missverständnis  zu  veranlassen.  Vollständig 
lautet  er  so :  'Otto  rex  in  Bawarios  ibat  illisque  resistentibus 
rediit.  Frater  eius  Heiuricus  comprehensus  est  ab  Eber- 
hardo.  Illo  vero  liberato  Eberhardum  in  exilium  misit  ac 
iterum  Bawarios  invasit  cum  exercitu  omnesque  sibi  subdidit 
nisi  tantum  unum  Arnolfi  filium'.  Es  ist  also  von  zwei 
Zügen  nach  Baiern  die  Rede,  zwischendurch  wird  ein 
Eberhard  genannt  ohne  nähere  Bezeichnung  seiner  Stellung, 
und  schliesslich  wird  ein  Sohn  des  bekannten  Baiernherzogs 
Arnolf  erwähnt  ohne  Nennung  seines  Namens :  was  liegt 
näher,  als  den  Eberhard  mit  dem  Sohne  Arnolfs  zu  identi- 
ficieren?  Aber  da  der  Contin.  sich  vorher  über  die  Ge- 
fangennahme Heinrichs  durch  den  Frankenherzog  Eberhard 
und   über   die  Verbannung   des   letzteren   gut  unterrichtet 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  29 


448  F.   Kurze. 

erweist,  so  bleibt  sein  Irrthum  immerhin  verwunderlich 
genug:  er  wäre  gar  nicht  zu  erklären,  wenn  der  Cont. 
nicht  zwei  Quellen  neben  einander  benutzt  hätte,  und  ein 
Missverständnis  würde  ganz  unmöglich  gewesen  sein,  wenn 
sein  Exemplar  der  Aug.,  wie  Erben  will,  den  Namen 
'Arnolfum'  enthalten  hätte. 

Die  Urschrift  der  Aug.  in  Reichenau,  der  cod.  Re- 
ginberti,  bot,  wie  die  Vergleichung  der  Heremi  II  lehrt, 
einen  nur  ein  klein  wenig  abweichenden  Text,  nämlich 
'omnesque  sibi  subdidit  nisi  tantum  Arnolfum  filium'. 
Freilich  für  das  Verständnis  eines  ferner  stehenden  Lesers 
ist  die  kleine  Abweichung  von  entscheidender  Wichtigkeit: 
für  Hermann  war  der  Name  des  Sohnes  gegeben,  er  hatte 
nur  den  viel  bekannteren  des  Vaters  zu  ergänzen,  und  so 
schrieb  er  ganz  richtig:  'omnesque  praeter  Arnolfi  ducis 
filium  Arnolfum  subiugavit'. 

Endlich  fragt  es  sich,  ob  neben  den  bisher  ermittelten 
noch  andere  Quellen  des  Cont.  Reg.  angenommen  werden 
müssen.  Wenn  hinsichtlich  der  Ann.  Laubacenses 
Erben  (S.  617)  jede  Aehnlichkeit  ihres  Berichtes  von  910 
mit  der  Fortsetzuug  Regiuos  leugnet,  so  liegt  das  daran, 
dass  er  nach  seiner  eigenen  Angabe  (Anm.  2)  nicht  ver- 
standen hat,  'was  mit  dem  gesperrten  Druck  in  den  beiden 
Columnen  (N.  A.  XV.  327  f.)  gesagt  werden  soll'.  Die 
Ann.  Laub,  berichten  zu  910,  dass  die  Ungarn  zunächst 
die  Alamannen  schlugen  und  einen  grossen  Theil  des 
Volkes  sammt  dem  Grafen  Gozpert  niedermachten  und 
dann  auf  dem  Weitermarsche  ein  fränkisch-bairisches  Heer 
vernichteten,  wobei  der  Herzog  Gebhard,  ein  gewisser 
Liutfrid  und  viele  andere  umkamen.  Der  Cont.  Bjeg.  aber 
erwähnt  nur  den  zweiten  Kampf  und  nennt  unter  den 
Gefallenen  nur  den  Konradiner  Gebhard;  denn  um  seinet- 
willen allein  scheint  er  an  der  Sache  Antheil  zu  nehmen. 
Er  giebt  aber  auch  eine  Ortsbestimmung:  'in  confinio 
Bawariae  et  Franciae'.  Woher  hat  er  die?  Nun,  ich  meine 
eben :  er  hat  sie  erschlossen  aus  der  Angabe  seiner  Quelle, 
dass  die  Ungarn  auf  dem  Weitermarsche  von  Schwaben 
mit  einem  fränkisch-bairischen  Heere  zusammengestossen 
seien.  Darum  schien  und  scheint  mir  die  Benutzung  gerade 
dieses  Berichtes  unzweifelhaft.  Damit  ist  allerdings,  wie 
ich  gleich  bemerken  will,  nicht  erwiesen,  dass  der  Cont. 
ihn  gerade  den  Laub,  entnommen  haben  müsste,  da  auch 
sie  ihn  erst  anderwärts  entlehnt  haben. 

Noch  mehr  hat  Erben  bezüglich  der  anderen  Stelle, 
an   welcher    ich    Aehnlichkeit   zwischen   Laub,   und    Cont. 


Die  Jahrbücher  von  Reichenau  und  der  Fortsetzer  Regino's.  449 

Heg',  zu  finden  glaubte,  mich  missverstanden.  Zu  926  haben 
die  Laub,  die  in  fast  gleichem  Wortlaut  schon  zu  911 
verzeichnete  Notiz :  'Iterum  Ungari  Alamanniam  Franci- 
amque  invaserunt  atque  ultra  Rhenum  et  Magi  campum 
usque  in  Arhaugiam  devastabant  ac  sine  damno  reversi 
sunt'.  Pertz  deutet  durch  die  hinter  926  eingeklammerte 
Zahl  912  an,  dass  er  diesen  Ungarneinfall  in  das  Jahr  912 
setzen  möchte^;  jedenfalls  beweist  die  Wiederholung  des 
Satzes  an  zwei  verschiedenen  Stellen,  dass  seine  Einordnung 
zweifelhaft  ist.  Daraufhin  sagte  ich  (a.  a.  O.  328) :  'Den 
Kern  hiervon  giebt  der  Cont.  Reg.  zu  912  mit  den  Worten 
wieder:  Ungarii  iterum  nullo  resistente  Franciam  et  Tu- 
ringam  vastaverunt'.  Die  Worte  'et  Turingam'  hätte  ich 
an  dieser  Stelle  allerdings  durch  Punkte  ersetzen  können 
{'Franciam  .  .  .  vast.');  denn  es  ist  klar,  dass  sie  nicht  zu 
dem  'Kern'  gehören.  Ich  konnte  aber  auch  nicht  ahnen, 
dass  Erben  mir  die  Meinung  unterschieben  würde,  dass 
ich  sie  dazu  rechnete,  da  ich  doch  in  der  Ausgabe  die 
beiden  Worte  nicht  wie  die  übrigen  habe  in  Petitdruck 
setzen  lassen.  Schon  damals  war  ich,  wie  Erben,  der 
Meinung,  dass  sie  aus  der  fuldischen  Quelle  herrühren 
dürften. 

Da  die  Laubacenses  zu  707  eine  auf  Laubach  bezüg- 
liche Notiz  enthalten,  —  mag  dieselbe  immerhin  den 
Lobienses  entlehnt  sein-,  —  und  zu  911  und  926  über 
einen  üngarneinfall  im  Meienfeld  und  Archgau  berichten, 
so  scheinen  sie  in  der  That  in  Laubach  geschrieben  zu 
sein.  Hatte  aber  Laubach  solche  Beziehungen  zu  Reichenau, 
dass  man  Abschriften  dortiger  Bücher  erhalten  konnte,  so 
könnte  ein  Bücherleihverkehr  nach  Mainz  nicht  überraschen, 
und  Benutzung  der  Laub.,  wenn  nicht  in  der  Fortsetzung 
Regino's,  so  doch  in  den  Mainzer  Annalen,  kann  nicht  als 
unmöglich  bezeichnet  werden. 

Aber  freilich  an  Wahrscheinlichkeit  steht  diese  Mög- 
lichkeit jetzt  weit  hinter  einer  anderen  zurück.  Der 
Bericht  der  Laub,  zu  910  stammt  aus  den  Alam.  des  cod. 
Modoet.,  also  einer  Reichenauer  Quelle,  deren  letzter 
Theil  (882 — 912)  im  cod.  Reginberti  excerpiert  oder  aus 
demselben  abgeschrieben  war;  dieser  aber  war  Quelle  der 
Comp.    Fuld.,    die    den   Mainzer   Annalen    zu    Grunde   lag. 


1)  Irrthüralich  hat  Dümmler  (Ostfränkisches  Reich  III',  591  Anm.  2) 
das  umgekehrt  so  vei'standen,  als  ol>  der  Einbruch  unter  dem  Jahre  912 
überliefert  wäre  und  von  Pertz  in  das  Jahr  926  gesetzt  würde.  2)  Laub. 
707:  'Hildulfus  dux  obiit;  requiescit  in  Laubaco  monasterio'.  Lob.: 
'H.  d.  o.  anno  Domini  DCCVII;   requ.  in  Lobia  mon.' 

29* 


450  F.  Kurze. 

Und  wenn  beim  Jahre  912  die  fuldische  Quelle  berichtete, 
dass  die  Ungarn  nach  Thüringen  kamen,  so  wird  sie  wohl 
auch  der  Verwüstung  Fraukens  Erwähnung  gethan  haben. 
Also  fand  der  Cont.  Keg.  wohl  die  beiden  Nachrichten, 
welche  den  Laub,  entlehnt  sein  könnten,  in  den  Mainzer 
Annalen  vor,  die  sie  ihrerseits  wieder  der  fuldischen  Quelle 
entnommen  hatten. 

Ganz  ebenso  ist  es  mit  den  Ann.  S angallen ses 
maiores.  Der  von  Erben  erhobene  Einwand,  dass  die 
von  mir  auf  die  Sang,  zurückgeführten  Nachrichten  bei 
Hermann  wiederkehren,  ist  völlig  belanglos ;  dagegen  sehe 
ich  mich  bei  dem  jetzigen  Stande  unseres  Wissens,  welchen 
wir  Dieterichs  Untersuchungen  verdanken,  selbst  veranlasst, 
meine  frühere  Behauptung  zurückzuziehen.  Dieselbe  be- 
ruhte nur  auf  der  Voraussetzung,  dass  die  Sang.  mai.  bis 
918,  wo  die  Benutzung  bekannter  Quellen  aufhört,  schon 
um  918  verfasst  seien.  Sie  sind  jedoch  bis  955  in  einem 
Zuge  geschrieben  und  benutzen  auch  keine  beim  Jahre  918 
endende  Vorlage,  die  an  ihrer  statt  als  Quelle  des  Cont. 
ßeg.  angesehen  werden  könnte.  Dass  sie  aber  nicht  in. 
ihrer  ganzen  Ausdehnung  dem  Cont.  vorgelegen  haben 
können,  habe  ich  von  vornherein  (a.  a.  O.  328)  anerkannt. 

Indessen  ist  die  Uebereinstimmung  der  Fortsetzung- 
mit  den  Sang.  mai.  an  den  wenigen  Stellen,  wo  sie  sich, 
berühren,  eine  solche,  dass  sie  durchaus  der  Erklärung 
bedarf.  Es  sind  nur  vier:  zwei  davon  ^  finden  sich  auch 
in  den  Ann.  Alam.  Sangall.  des  Züricher  Codex  (AS) '-,  die 
beiden  anderen,  welche  beim  Cont.  auf  die  Jahre  912  und 
913  vertheilt  sind,  in  den  Sang.  mai.  dagegen  mitten  in 
dem  ziemlich  ausgedehnten  Jahresberichte  zu  913  stehen ^ 
sind  der  Art,  dass  sie  eher  in  Mainz  als  in  St.  Gallen 
entstanden  zu  sein  scheinen.  AS  ist  in  den  Sang,  mai- 
benutzt; für  die  VerAvandtschaft  mit  dem  Cont.  Reg.  aber 
müssen  wir  als  gemeinsamen  Stammvater  den  cod.  Regin- 
berti  (AWS)  annehmen,  aus  welchem  einerseits  eine  Menge 
Nachrichten  über  Fulda  nach  Mainz  gelangten,  andererseits, 
wie  wir  oben  (S.  441)  gesehen  haben,  einige  Notizen  auch 
von    dem   vierten  Schreiber   des    Züricher  Codex  (AS)   ent- 


1)  911  Sang,  m.:  'Hludowicus  rex  filius  Arnolfi  regis  obiit;  et  dom- 
nus  Chuonradus  regnum  accepit'.  Cont.:  'Lud.  r.  f.  A.  imperatoris  o.;  cui 
Cuonr.  in  regno  successit'.  914  »S.  m.  und  Cont.:  'Salomon  episcopus 
captus  est'.  2)  911:  'Hl.  f.  A.  r.  moritur;  Chunr.  r.  acc.';  914:  'Er- 
cbanger  hostili  manu  super  episcopum  Salomoneni  venit  et  eum  compre- 
hendit'.  S)    S.  m.  913:  'Hatho   archiepiscopus    obiit.    Et  Otpertus  epi- 

scopus  occiditur'.    Cont.  912:  'Hatho  a.  o.';  913:  '0.  Strazburgensis  e.  occ.V 


Die  Jahrbücher  von  Reichenau  und  der  Fortsetzer  Reginos.    45 1 

lehnt  wurden.  Diese  beiden  zu  911  und  914  müssen  denn 
wohl  auch  dazu  gehört  haben,  wodurch  übrigens  der  Zeit- 
punkt der  Benutzung  des  cod.  Reginb.  in  Fulda  (s.  o.  S.  444) 
unter  914  herabgerückt  wird.  Die  wörtliche  Ueberein- 
stimmung  zwischen  dem  Cont.  Reg.  und  den  Sang.  m. 
aber  erklärt  sich  nur  durch  die  Annahme,  dass  die  letzteren 
die  beiden  Notizen  nicht  avis  AS,  sondern  unmittelbar  aus 
dem  Reichenauer  cod.  Eeginb.  entnommen  haben.  Zu 
demselben  Ergebnis  führt  die  Betrachtung  der  beiden 
anderen  Nachrichten :  waren  sie  Mainzer  Ursprungs,  so  ist 
ihr  Auftreten  in  der  Forts.  E-eg.  ohne  weiteres  verständlich, 
in  den  Sang.  m.  aber  nur  dadurch  zu  erklären,  dass  deren 
Verfasser  bereits  den  aus  den  Mainzer  Annalen  ergänzten 
cod.  Reginb.  benutzte. 

Als  Quellen  der  Fortsetzung  Eegino's  behalten  wir 
demnach  nur  die  Mainzer  Annalen  und  das  jetzt  in  Paris 
befindliche  Mainzer  Exemplar  der  Ann.  Augienses ,  als 
Quellen  der  vermuthlich  von  demselben  Verfasser  herrüh- 
renden Mainzer  Annalen  aber  die  fuldische  G-rundlage  der 
Hersfelder  Jahrbücher  und  dieselben  Augienses. 

3.   Zur  liandscliriftUchen 
Ueberlieferiiiig  der  Fortsetzung  Regino's. 

Noch  an  einer  anderen  Stelle  hat  Erben,  um  seinen 
Beweis  zu  stützen,  ohne  Noth  meine  Resultate  niederzu- 
reissen  gesucht.  Aus  der  Erkenntnis,  dass  Herzog  Arnolf 
von  Baiern  keinen  Sohn  Namens  Eberhard  gehabt  hat, 
ergiebt  sich  freilich  die  noth  wendige  Forderung,  dass  das 
gefälschte  Schreiben  Leos  VII.  zu  Gunsten  von  Lorch- 
Passau  ^,  in  welchem  ein  Baiernherzog  Eberhard  vorkommt, 
mit  Benutzung  der  Fortsetzung  Regino's  hergestellt  sein 
muss,  d.  h.  dass  die  Fälscher  in  Pas  sau  eine  Regino- 
Hs.  mit  Fortsetzung  besessen  haben  müssen,  welche 
seither  verloren  gegangen  ist.  Indem  ich  dies  unumwunden 
einräume,  kann  ich  doch  nicht  zugeben,  dass  dadurch  der 
von  mir  aufgestellte  Hss.- Stammbaum  umgestossen  würde; 
jedoch  muss  ich  in  diesem  Falle  allerdings  anerkennen,  dass 
Erben  sich  durch  das  in  meiner  Ausgabe  gebotene  Material 
zu  dieser  Schlussfolgerung  berechtigt  glauben  konnte. 

Erben  hat  einen  Theil  der  Admonter  Hs.  (A  la) 
verglichen  und  daraus  (S.  622  Anm.  1)  eine  ziemlich  lange 
Liste  von  Lesarten  zusammengestellt,  aus  denen  er  be- 
weisen will,    dass   sie  nicht  aus  der  Freisinger  (AI)  ab- 

1)  Jaffe  I-,  3614. 


452  F.  Kurze. 

geleitet  sein  könne.  Ich  gebe  hier  den  Text  der  betreffenden 
Stellen  meiner  Ausgabe  mit  den  Varianten  von  A 1  und 
Ala  ein  klein  wenig  vollständiger  wieder: 

S.  149,  Z.  6  V.  o.  'Adalardo'  ('Adalhardo'  A  1), 
S.    149,    Z.    14    V.    u.    'Anno    dorn.    ine.    DCCCCIII'. 
('DCCCCir  AI), 

S.  150,  Z.  1  V.  o.  'ipse  cupiditate  ('cipidate'  AI)  ductus', 
S.  150,  Z.  11  V.  o.  'pro  tarn  inaudito  seelere'  ('celere' AI), 
S.  150,    Z.  2 — 1    V.    u.    'cum    armatorum    non    modica 
manu,  ut  ('manuunt'  Al)  irruerent  .   .   .', 

S.  151,  Z.  14  V.  o.  'in  Wedereiva'  ('uuedereia'  AI, 
'Uuetreiba'  A  la), 

S.  151,  Z.  18  V.  u.  'se  contra  Gebehardum  ('Gebeardum 
dum'  AI,  'Gebeardum'  Ala)  copias  transferre  velle', 

S.  151,  Z.  6  V.  u.  'cum  sociis  fugientes  ('fugiente'  AI) 
insecutus  est', 

S.  152,  Z.  10 — 9  V.  u.  'Facultates  eius  et  possessiones 
eins  in  fiscum  redactae  sunt  et  dono  regis  inter  nobiliores 
quosque  distributae'  ('distribuit'  AI), 

S.  152,  Z.  8  V.  u.  'Francia'  {'francea'  A  1), 
S.  159,  Z.  5 — 4  V.  u.  'Hildibertus  archiepiscopus  obiit, 
cui  Fridericus  successit.     ünni    archiepiscopus  obiit  ('obiit' 
fehlt  A  1),  cui  Adaidagus  successit', 

S.  164,  Z.  9  V.  u.  'Strazburgensis'  ('stratburgensis' Al; 
neben  A  1  kommt  hier  nur  noch  A  3,  der  Annalista  Saxo, 
in  Betracht,  der  'strasb.'  hat;  'strazb.'  habe  ich  in  den 
Text  gesetzt,  weil  es  zwischen  den  Lesarten  von  A 1  und 
A3  die  Mitte  hält,  und  weil  an  fünf  vorhergehenden  Stellen 
auch  A 1  'strazb.'  hat), 

S.  173,  Z.  6  V.  u.  'Spolitanum'  ('spolatinum'  A  1), 
S.  175,  Z.  3  V.  u.  'Langobardis'  ('longob.'  Al), 
S.  177,  Z.  4  V.  o.  'Erchanbertus'  ('Ercanbertus'  AI; 
'Erkanbertus'  A3;  ich  habe  'Erchanb.'  darum  im  Text  stehen 
lassen,  weil  S.  155,  Z.  2  v.  u.  AI.  2*  übereinstimmend  'Er- 
changer'  haben  und  S.  175,  Z.  10  v.  o.  A  1  'Erchanbertus'  auf- 
weist). 

Da  zeigt  sich  doch  nun  klar,  dass  derartige  Text- 
verbesserungen, wie  sie  Ala  im  Vergleich  zu  A 1  bietet, 
jeder  halbwegs  aufmerksame  Abschreiber  vornehmen  konnte, 
und  dass  mit  solchen  Abweichungen  —  deren  ich  übrigens, 
nachdem  ich  Ala  und  b  selbst  eingesehen,  noch  eine  ganze 
Anzahl  angeben  könnte,  wenn  eine  solche  Zusammenstellung 
irgend  welchen  Nutzen  hätte  —  die  Unabhängigkeit  der 
Admonter  Hs.  nicht  zu  erweisen  ist.  Nun  kommen  freilich 
noch  zwei  bisher  von  mir  absichtlich  übergangene  Stellen 


Die  Jahrbücher  von  Reichenau  und  der  Fortsetzer  Reginos.    453 

hinzu,  welche  dem  Beweismaterial  in  der  That  ein  be- 
drohliches Aussehen  geben : 

S.  151,  Z.  14  V.  u.  hat  A  la  richtig  'ei  incunctanter 
occurrit',  AI   'eum  cunctanter  occurrit',  und 

S.  174,  Z.  4  V.  o.  hat  Ala  'statim',  das  nach  Anm.  a 
meiner  Ausgabe  in  A  1  fehlt. 

Aber  aus  meiner  Collation  entnehme  ich,  dass  an  der 
ersten  Stelle  in  A 1  'eum  cunctanter'  so  aus  'ei  incunc- 
tanter' corrigiert  ist,  dass  man  die  frühere  Lesart  noch 
gut  erkennen  kann,  und  dass  ich  an  der  zweiten  Stelle 
mir  ein  Versehen  habe  zu  Schulden  kommen  lassen:  'statim' 
fehlt  nicht  in  AI,  sondern  in  A3. 

Die  Freisinger  Hs.  AI  muss,  wie  schon  Waitz 
erkannt  hat,  der  codex  archetypus  der  Hss.  Ala  —  e 
sein,  weil  die  letzteren  genau  an  derselben  Stelle  abbrechen, 
an  welcher  AI  verstümmelt  endet.  Dieser  eine  Grund  ge- 
nügt zum  Beweise ;  es  ist  mir  aber  gelungen,  auch  noch 
einige  andere  Beweismomeute  zusammenzutragen: 

S.  57,  Z.  5  V.  u.  hat  A 1  'parte'  für  'ripa'  und  über- 
geschrieben 'vel  ripa',  Ala  'parte  vel  ripa',  Alb  'ripa'; 

S.  58,  Z.  6  V.  o.  hat  A  1  'Et  eodem'  für  'Eodem',  A  la.  b 
haben  ebenso ; 

S.  58,  Z.  7  V.  o.  fehlt  in  A  la.  b  wie  in  A  1  das  Wort 
'pons'; 

S.  58,  Z.  20  V.  o.  hat  AI  'Italarum'  für  'Italorum'; 
A  la.  b  machen  daraus  'Italiarum'; 

S.  68,  Z.  8  V.  u.  hat  A 1  'quod  eum  p  esset  iratus' 
für  'quod  ei  Imperator  esset  iratus';  Ala  hat  hier  eine 
grössere  Lücke,  Alb  aber  hat  daraus  gemacht  'quod  rex 
contra  eum  piret  iratus'; 

S.  96,  Z.  17 — 18  V.  o.  haben  Ala.  b  wie  AI  'oculisque 
erutis'  für  'oculosque  eius  effodit  et'; 

S.  101,  Z.  16  —  17  V.  o.  hat  AI  die  Worte  'Nempe 
Carolus  levitate  iuvenili  ductus'  offenbar  unabsichtlich  aus- 
gelassen; denn  eine  Ausfüllung  der  sinnstörenden  Lücke, 
die  sich  in  A2  und  A3  nicht  findet,  ist  nicht  versucht. 
Dieselbe  Lücke  haben  auch  A  la.  b,  fügen  aber  zur  Heilung 
des  Satzes  ein  'unus'  ein.  Zwei  andere  Stellen  (S.  85,  Z.  6  'per 
vos'  und  S.  132,  Z.  21  'Thanai  tenus'  fehlen  in  A 1  wie  in 
Ala — e)    habe   ich   schon  früher  (a.  a.  0.  298)   angeführt. 

Die  Abhängigkeit  der  Admonter  (Ala)  und  der  Gött- 
weiher Hs.  (Alb)  von  der  Freisinger  (A  1)  ist  also  nicht 
zu  bezweifeln.  Natürlich  aber  ist  es  nicht  ausgeschlossen, 
dass  zwischen  ihnen  noch  ein  Mittelglied  existiert  hat, 
das  sich  immerhin  in  Pas  sau  befunden  haben  mag:;  selbst 


454  F.  Kurze. 

für  die  von  Pertz  vermntliete  Salzburg-er  Hs.  als  Vorlage 
der  Admonter  bleibt  noch  Raum.  Auch  fehlt  es  bei  ge- 
nauerem Zusehen  keineswegs  an  Spuren,  die  auf  die  frühere 
Existenz  wenigstens  eines  Mittelgliedes  hinweisen.  So  ist 
an  der  oben  angeführten  Stelle  S.  101,  Z.  16 — 17  doch 
kaum  anzunehmen,  dass  die  Schreiber  von  A  la  und  b  un- 
abhängig von  einander  auf  den  gleichen  Gedanken  ge- 
kommen sein  sollten,  die  ausgefallenen  Worte  durch  'unus' 
zu  ersetzen,  auch  die  gleichmässige  Veränderung  des  ver- 
derbten 'Italarum'  in  'Italiarum'  (S.  58)  weist  auf  Ab- 
hängigkeit von  einer  gemeinsamen  Vorlage.  Ebenso  zeigen 
A  la.  b  an  folgenden  Stellen  gemeinsame  Abweichungen 
von  A 1 : 

S.  3,  Z.  1  'Dominus  lesus  Hierosolimam  conscendit 
ibique  anno  ine.  suae  XII.'  A  1 ;  'Anno  dominicae  ine.  XII. 
Dominus  I.  Hier,  consc.  ibique  .  .  .'  Ala.  b; 

S.  47,  Z.  24  'rex  supradicta  villa'  AI;  'rex  in  s.  v.' 
Ala.  b; 

S.  49,  Z.  18  V.  u.  'simul'  AI;  'similiter'  Ala.  b; 

S.  49,  Z.  8  V.  u.  'ibi  venientes'  AI;  ibique  v.'  Ala.  b; 

S.  57,  Z.  14  'domino'  AI;  'dominio'  Ala.  b; 

S.  105,  Z.  4  V.  u.  'Per  tempus  idem'  AI;  'Per  id.  t.' 
Ala.  b; 

S.  106,  Z.  8  V.  u.  'metu'  AI;  'meatu'  (richtig)  Ala.  b: 

S.  157,  Z.  12  'mittensem'  AI;  'metensem'  Ala.  b; 

S.  166,  Z.  11   'omnibusque'  AI;   'omnibus'  Ala.  b. 

War  auch  an  den  meisten  der  angeführten  Stellen 
sowie  an  manchen  anderen,  die  ich  eben  so  gut  anführen 
könnte,  die  Verbesserung  des  Textes  von  A  1  für  einen  Ab- 
schreiber nicht  gerade  schwierig,  so  wäre  es  doch  immer- 
hin verwunderlich,  wenn  zwei  Schreibern  so  oft  die  gleiche 
Verbesserung  gelungen  oder  auch  wie  an  der  letzten  Stelle 
das  gleiche  Versehen  begegnet  wäre. 

Einen  werthvollen  Beitrag  zur  Hss. -Kunde  der  Fort- 
setzung hat  Dieterich  (S.  223)  geliefert,  durch  den  Hin- 
weis darauf,  dass  die  Einsiedler  Hs.,  welche  jetzt  beim 
Jahre  939  endet,  wahrscheinlich  niemals  vollständig  gewesen 
ist,  da  sie  schon  dem  Verfasser  des  bis  966  reichenden  und 
jedenfalls  um  dieselbe  Zeit  geschriebenen  ersten  Theiles 
der  Ann.  Heremi  I  unvollständig  vorgelegen  haben  muss, 
weil  er  sie  nur  bis  938  oder  942  benutzt  hat.  Der  Jahres- 
bericht der  Her.  zu  942  deckt  sich  nämlich  mit  dem  letzten 
Satze  des  Cont.  Keg.  zu  dem  gleichen  Jahre,  und  da  die 
Einsiedler  Regino-Hs.  gerade  mit  der  vollbeschriebenen 
letzten  Seite  einer  Lage  mitten   in    einem  Satze  endet,    so 


Die  Jahrbücher  von  Reichenau  und  der  Fortsetzer  Regino's.  455 

ist  es  höchst  wahrscheinlich,  dass  noch  ein  einzelnes  Blatt 
angeheftet  war,  welches  später  verloren  gegangen  ist  ^.  Das 
könnte  dann  den  Text  wohl  bis  942  enthalten  haben.  Es 
kann  aber  auch  sein,  dass  für  den  einen  Satz  zu  942  die 
Mainzer  Annalen  die  gemeinsame  Quelle  des  Cont.  Reg. 
und  (durch  Vermittelung  des  cod.  E-eginb.  in  Reichenau) 
der  Her.  I  gewesen  sind.  Dann  wäre  anzunehmen,  dass 
der  Schreiber,  welcher  für  Einsiedeln  die  Fortsetzung  ße- 
gino's  —  die  eigentliche  Chronik  besass  man  schon  in  einer 
Hs.  der  Klasse  B  (Bl)  —  copierte,  nach  Abschluss  der 
letzten  ganzen  Lage  die  Feder  niedergelegt  hätte,  um  für 
die  Fortsetzung  seiner  Arbeit  zunächst  die  Vollendung  seiner 
Vorlage  abzuwarten.  Zugleich  ergiebt  sich  eine  sehr  genaue 
Zeitbestimmung  für  die  Einsiedler  Hs.  der  Fortsetzung  (A2*): 
denn  da  der  Fortsetzer  in  den  Jahren  966  und  907  schrieb 
und  die  Abschrift  zu  einer  Zeit  gefertigt  wurde,  als  die  Vor- 
lage nicht  wesentlich  über  das  Jahr  939  hinausreichte,  die 
Ann.  Her.  I  aber,  in  welchen  sie  benutzt  ist,  auch  schon 
966  oder  bald  nachher  geschrieben  zu  sein  scheinen,  so  muss 
A2'''  selbst  wohl  gerade  im  Jahre  966  entstanden  sein. 

Schliesslich  nehme  ich  die  Gelegenheit  wahr,  zwei 
Irrthümer  meiner  Ausgabe  zu  berichtigen,  die  Holder- 
Egger  hervorgehoben  hat-.  Beim  Jahre  962  habe  ich 
nämlich  zwei  Sätze  in  den  Text  aufgenommen,  die  —  wie 
in  den  zugehörigen  Anmerkungen  (d  und  f)  auch  angegeben 
ist  —  in  der  Hs.  AI  fehlen  und  sich  nur  beim  Annalista 
Saxo  (A  3)  finden.  Der  erste :  'iste  construxit  abbatiam 
sancti  Blasii  in  Suevia',  ist  ein  erläuternder  Zusatz  zu  'Ee- 
ginbertus  Dei  servus  obiit';  da  Schwaben  beim  Cont.  Reg. 
immer  nur  'Alamannia'  heisst,  so  rührt  dieser  Zusatz  in 
der  That  schwerlich  von  ihm  her.  Der  zweite  Satz:  'pro 
quo  (seil.  'Adalberone  Metensi  episcopo')  Theodericus  con- 
sobrinus  inperatoris  episcopus  subrogatur',  deckt  sich  in- 
haltlich • — -  wie  in  Anm.  2  bemerkt  ist  —  mit  einer  unter 
965  (S.  176)  stehenden  Notiz:  ('Heinrico  archiepiscopo  Tre- 
verensi  Thiedericus  ...  et)  Adalberoni  Metensi  episcopo 
Thiedericus  consobrinus  imperatoris  successores  instituun- 
tur'.  Die  Nachricht  könnte  ja  vom  Verfasser  selbst  schon 
zu  962  vorangenommen  und  unter  965  wiederholt  sein  — 
dann  wäre  aber  auch  hier  statt  'Theodericus'  besser  'Thie- 
dericus' zu  lesen  — ;  wahrscheinlicher  aber  ist  es  allerdings, 
dass  der  Annalista  Saxo  unter  Benutzung  der  weiter  unten 
folgenden  Stelle  auch  diesen  Satz  interpoliert  hat. 

1)  So  ist  es  mit  dem  letzten  Blatte  der  Freisinger  Hs.  geschehen. 
2)  Deutsche  Litteraturzeitung  1896,  Sp.  561  f. 


456  F.   Kurze. 

Anhang. 
Codex  Dunelmensis  C  IV  15. 
Während  ich  an  dieser  Abhandlung-  arbeitete,  wurde 
ich  von  Herrn  Geheimrath  Dümmler  benachrichtigt,  dass 
die  im  N.  A.  XV  S.  310  f.  unter  den  Eegino-Hss.  aufge- 
führte Hs.  aus  Durham  C  IV  15  (B3c)  in  Berlin  sei,  und 
erhielt  von  ihm  die  Erlaubnis,  dieselbe  einzusehen.  Der 
Codex  besteht  aus  zwei  gesonderten  Theilen  von  gleichem 
Format,  aber  verschiedener  Schrift:  mit  den  Annales  Mettenses 
hat  nur  der  erste  Theil  etwas  zu  thun;  der  zweite,  etwas 
jüngere,  aber  enthält,  was  nach  der  Notiz  des  Katalogs 
nicht  zu  erwarten  war,  eine  vollständige  Regiuo-Hs.  ohne 
Fortsetzung.  Wenn  dieselbe  scheinbar  mit  dem  Jahre  1005 
endet,  so  kommt  das  ganz  einfach  daher,  dass  der  Schreiber 
nach  dem  Jahre  899  mit  100(»  fortgefahren  hat  zu  zählen, 
und  dass  es  für  906  wie  in  allen  von  B2  abhängigen  Hss. 
heisst:  'Anno  ut  supra'.  Die  Hs.  gehört  nämlich  augen- 
scheinlich nicht  unter  B  3,  wohin  ich  sie  a.  a.  O.  wegen  ihrer 
scheinbaren  Verwandtschaft  mit  den  Ann.  Mett.  gestellt  habe, 
sondern  unter  B2  und  zwar  in  die  grosse  Gefolgschaft  der 
Arundel-Hs.  B  2a,  deren  Merkmale,  die  ich  ebenda  S.  306  f. 
aufgezählt  habe,  —  sie  sind  sehr  zahlreich  und  höchst 
charakteristisch    —    sich    vollzählig    auch   in  ihr  vorfinden. 


X. 


Verzeichnis 

der 

Akten  fränkischer  Synoden 

von  742—843. 


Von 


Albert  Werminghoff. 


Unsere  Zusammenstellung  des  handschriftlichen  und 
gedruckten  Materials  für  die  Ausgabe  der  fränkischen 
Synodal akten  bis  zum  Vertrage  von  Verdun  erhebt  nicht 
den  Anspruch,  eine  Zusammenstellung  der  üeberlieferung 
für  alle  überhaupt  abgehaltenen  Synoden  zu  sein.  Unsere 
Edition  will  —  im  Gegensatz  zu  den  älteren  Concilien- 
sammlungen  —  nicht  alle  Zeugnisse  über  alle  Synoden 
bringen,  ebensowenig  wie  die  der  Capitularien  eine  üeber- 
sicht  über  alle  fränkischen  Eeichstage  bietet.  Zusammen- 
fassung ausschliesslich  der  die  Synoden  einleitenden  und 
an  sie  gerichteten  Documente,  der  aus  ihnen  hervorgegan- 
genen Satzungen  und  Schriftstücke,  soweit  sie  sich  selbst 
als  solche  zu  erkennen  geben,  ist  das  Ziel.  Ist  die  Thätigkeit 
einzelner  Kirchenversammlungen  beeinflusst  von  derjenigen 
früherer,  von  denen  keine  Akten  mehr  vorliegen,  so  wird 
in  der  Ausgabe  einleitungsweise  darauf  hinzudeuten  sein. 
Die  zeitliche  Begrenzung  war  geboten  in  Rücksicht 
einmal  auf  das  Schlussjahr  des  ersten  Bandes  der  Concilia 
(ed.  Maassen  1893),  sodann  auf  die  Theilung  des  fränkischen 
Reichs  durch  den  Vertrag  zu  Verdun,  die  auch  für  die 
weitere  Ausbildung  des  synodalen  Lebens  von  Bedeutung 
war  ^. 

Die  räumliche  Begrenzung  ergab  sich  aus  der  Natur 
des  gestellten  Themas.  Im  Vordergrund  stehen  die  Synodal- 
akten des  fränkischen  Reichs.  Infolgedessen  wurden  die 
auf  italienischem  Boden  gefassten  Beschlüsse  kirchlicher 
Versammlungen  erst  von  dem  Zeitpunkte  an  aufgenommen, 
in  welchem  das  Langobardenreich  dem  fränkischen  ange- 
gliedert wurde;  die  in  Rom  selbst  verkündeten  Satzungen 
aber  bereits  vom  Jahre  743  an,  als  dem  Jahre,  in  welchem 
zum  ersten  Male  ein  römischer  Syuodalbeschluss  aus- 
drücklich die  fränkischen  Verhältnisse  berücksichtigte. 

Die  sachliche  Begrenzung  endlich  war  nicht  un- 
erheblichen Schwierigkeiten  ausgesetzt.  Zu  den  Diöcesan- 
und  Provincialsynoden  treten  die  Versammlungen  der  Geist- 

1)  Vgl.  auch  Weyl  in  Gierke's  Untersuclmngen  XL,  2. 


460  Albert  Werminghoff. 

lieben  auf  den  Eeichstagen.  Hier  abei'  'geht  die  Synode 
formell  im  Reichstag  auf.  Wird  sie  unabhängig  von  einem 
Reichstage  berufen,  so  erscheint  sie  vom  Standpunkte  des 
fränkischen  Staatsrechts,  falls  sie  in  Gegenwart  oder  am 
Hofe  des  Königs  tagt,  als  ein  mit  geistlichen  Grossen  ab- 
gehaltener Hof  tag.  Andererseits  wird  der  Reichstag  zur 
Synode,  sofern  er  sich  mit  kirchlichen  Angelegenheiten 
befasst'^.  Dies  Ineinandergreifen  der  Versammlungen  von 
rein  weltlichem  und  rein  kirchlichem  Charakter  kommt  in 
der  historischen  Ueberlieferung  deutlich  zum  Ausdruck. 
Auch  der  Reichstag  wird  synodus,  concilium  genannt,  allein 
schon  Waitz  -  hat  auf  die  eigenthümliche  Erscheinung  hin- 
gewiesen, dass  die  wichtigsten  Annalen,  die  sog.  Ann. 
Laurissenses  maiores  und  Einhardi,  zu  den  gleichen  Jahren 
die  Bezeichnung  für  die  abgehaltenen  Versammlungen 
wechseln.  Erstere  sprechen  z.  B.  761.  767.  770.  779.  782. 
785.  787.  788  und  794  von  einer  synodus,  letztere  indessen 
wiederholen  diese  Benennung  oder  ersetzen  sie  durch  die 
synonyme  (concilium)  nur  dann,  wenn  der  Inhalt  der  Be- 
rathungen  einen  rein  oder  doch  vorwiegend  kirchlichen 
Charakter  trägt,  also  bei  den  Jahren  767  und  794^.  Aber 
selbst  der  Charakter  der  überlieferten  Satzungen  kann 
über  ihren  Ursprung  täuschen :  die  Synode  zu  Frankfurt 
im  Jahre  794  z.  B.  befasst  sich  auch  mit  weltlichen  Dingen*; 
manche  Capitularien  beschäftigen  sich  mit  Stoffen  des 
weltlichen  und  des  geistlichen  Rechts;  'der  König  ist  be- 
fugt, ohne  Reichstag  und  Synode  kirchliche  Normen  zu 
setzen'  ^  Schon  aus  diesem  Grunde  ist  die  Gefahr  gerade- 
zu unvermeidbar,  die  durch  Synoden  gefassten  oder  vor- 
geschlagenen und  vom  Herrscher  in  Capitularien  ver- 
öffentlichten Beschlüsse  auszulassen,  sobald  ihnen  die  aus- 
drückliche Angabe  ihrer  Entstehungsweise  fehlt.  Auch 
der  Stand  der  Theilnehmer  an  einer  Versammlung  ist  kein 
untrügliches  Zeichen  ihres  Charakters:  die  Berathungen 
fanden  wohl  meist  in  abgesonderten  Zusammenkünften  der 
geistlichen  Mitglieder  des  Reichstags  statt,  aber  neben 
ihnen  kam  auch  den  weltlichen  Grossen  ein  Antheil  an  der 
Beschlussfassung  zu'^'.  Soweit  ich  sehe,  giebt  es  nur  ein 
Kriterium,  das  die  Abhaltung  einer  Synode  mit  Sicherheit 


1)  Brunner,  RG.  II,  317.  2)  Waitz,  VG.  III  -,  563  Anm.  2.  3)  Die 
Ausführungen  von  Ketterer,  Karl  d.  Gr.  und  die  Kirche  139  bedürfen 
der  Einschränkung.  4)  Vgl.   MG.  Cap.  I,  74  cc.  4.  5.         5)    Brunner, 

RG.  II,  377,  vgl.  318.  —  Ich  verweise  auf  die  Admonitio  generalis  von 
789,  MG.  Cap.  I,  52;  dazu  vgl.  Simson,  Karl  d.  Gr.  II,  2  Anm.  8  gegen 
Hefele  III-,  664.       ßj  Vgl.  Brunner,  a.  a.  O.  II,  317;  dazu  MG.  Cap.  I,  47. 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    461 

<:^rschliessen  lässt:  es  ist  der  Name,  den  sie  in  den  Akten- 
stücken selbst  erhielt  oder  sich  beilegte.  Hier  allein  ist 
die  Anwendung-  von  Ausdrücken  v^^ie  concilium,  synodus, 
sacer  conventus  u.  a.  m.  von  ausschlaggebender  Bedeutung. 
Hefele's  Conciliengeschichte  begeht  den  Fehler,  dass  sie 
zu  oft  mit  dem  Begriffe  des  concilium  mixtum  oder  der 
Eeichstagssynode  operiert  \  dass  sie  in  enger  Anlehnung 
an  den  Wortlaut  der  Annalen  und  Chroniken  von  Synoden 
spricht,  die  nach  Lage  der  Dinge  gar  nicht  stattgefunden 
haben  können "-. 

Es  erhebt  sich  die  weitere  Frage,  ob  solche  Urkunden 
aufzunehmen  sind,  die  auf  Synoden  von  einzelnen  ihrer 
Mitglieder,  nicht  aber  von  Synoden  als  kirchlichen  Organen 
ausgestellt  wurden.  Ich  glaube  diese  Frage  verneinen  zu 
sollen.  Ein  derartiges  Document  ergänzt  zuweilen  unsere 
aus  anderen  Aktenstücken  geschöpfte  Kenntnis,  indem  es 
ein  Verzeichnis  der  Mitglieder  der  Versammlung  bietet: 
hier  wird  ein  einfacher  Hinweis  genügen,  um  durch  ihn 
den  Kreis  des  herangezogenen  Materials  zu  schliessen.  Oft 
jedoch  ist  nur  eine  einzige  derartige  Urkunde  erhalten: 
nur  wenn  sie  des  Zweckes  und  der  Thätigkeit  der  Ver- 
sammlung gedenkt,  verdient  sie  Aufnahme,  die  ihr  versagt 
bleiben  muss,  sobald  sie  keine  weitere  Kunde  bringt.  Aus 
diesen  Erwägungen  sind  z.  B.  die  zahlreichen  in  Meichel- 
becks  Historia  Frisingensis  gedruckten  Urkunden  über  Be- 
sitzübertragungen u.  s.  w.  nicht  verzeichnet  worden,  auch 
wenn  sie  als  ausgestellt  sich  ausweisen  'quia  synodalis  ae- 
cesserat  dies'  (a.  a.  0.  I,  2,  45  n.  29),  'cuucto  clero  in  puplico 
synodo  congregato'  (ibid.  100  n.  119),  'in  puplico  synodo' 
(ibid.  114  n.  170)  oder  'in  publico  conventu  episcoporum' 
(ibid.  144  n.  256)  u.  a.  m.  Des  Zweckes  und  der  Thätigkeit 
dieser  Zusammenkünfte  wird  in  jenen  Documenten  nicht 
gedacht^,  und  überdies  will  mir  scheinen,  als  verdiente  die 
häufig  erwähnte  'synodus'  (vgl.  ibid.  32  n.  13.  122  n.  192. 
192  n.  365.  193  n.  367.  207  n.  390  u.  s.  w.)  nicht  überall 
den  Namen  einer  Diöcesansynode  im  technischen  Sinne, 
eine  Bezeichnung,  die  ihr  noch  vor  kurzem  durch  Hauck^ 
beigelegt  worden  ist. 


1)  Vgl.  dagegen   auch   Hinschius,   KR.  Ul,  329.  2)  Vgl.  z.  B. 

He  feie  III-,  620.  3)  Ganz  vereinzelt  steht,  soweit  ich  sehe,  die  Ur- 
kunde bei  Meichelbeck,  a.  a.  0.  I,  2,  265  n.  503  (auch  bei  Hartzheim  II, 
39),  aber  die  hier  erwähnte  Versammlung  wird  sowohl  synodus  als  auch 
placitum  genannt.  4)  Hauck,  KG.  II,  412  Anm.  5;  vgl.  auch  Häberhn, 
Systematische  Bearbeitung  I,  3.  Dagegen  Binterim  I,  102.  Ich  möchte 
mir  eine  eingehendere  Untersuchung  über  diese  Frage  vorbehalten. 


462  Albert  WerminghofE. 

Aber  kehren  wir  zur  gestellten  Aufgabe  zurück. 

Die  Anordnung  des  verzeichneten  Stoffs  ist  chrono- 
logisch; Synodalakten  aus  unbekannter  Zeit  sind  zu  dem 
vermuthlichen  Schlussjahre  des  Zeitraumes  gesetzt,  dem  sie 
angehören.  Die  Trennung  in  lokale  Gruppen  erschien 
nicht  angängig,  wie  auch  davon  abgesehen  wurde,  die  auf 
Eeichs-,  Provincial-  und  Diöcesansynoden  gef assten  Beschlüsse 
in  gesonderten  Unterabtheilungen  zu  vereinigen.  Echtheit 
und  Unechtheit  der  Akten  allein  bedingen  die  Zweitheilung 
der  nachstehenden  Uebersicht:  an  die  acta  genuina  sollen 
sich  die  acta  spuria  —  mit  Ausnahme  der  bei  Benedictus 
Levita  überlieferten  —  anfügen.  Späteren  Entschliessungen 
bleibt  vorbehalten,  ob  auch  sonstige  kirchliche  Satzungen, 
wie  etwa  die  sog.  Statuta  Bonifatii  oder  die  Capitularien 
Theodulfs  von  Orleans  und  andere  Diöcesanstatuten  ^,  in 
einen  Anhang  der  Ausgabe  aufzunehmen  sind. 

Die  Akten  einer  jeden  Synode  sind  gleichförmig  be- 
handelt. Auf  die  Angabe  des  Jahres  und  des  Ortes  der 
Versammlung  folgen  die  Anfangsworte  der  häufig  vor- 
kommenden Vorrede,  durch  die  Abkürzung  'pr.' (=  praefatio) 
eingeleitet,  sodann  die  ersten  Worte  des  ersten  Canon  und 
dahinter  in  Klammern  die  Zahl  der  Canones  (cc).  Hieran 
schliesst  sich  die  Aufzählung  der  Handschriften,  für  welche 
der  Name  des  heutigen  Aufbewahrungsortes,  nicht  das 
Alter  des  Codex  massgebend  war;  auf  ein  Werthurtheil 
über  die  handschriftliche  üeberlieferung  musste  bei  dem 
Stande  der  Vorarbeiten  verzichtet  werden '-.  Ebensowenig 
war  es  möglich,  die  Quellen  dieser  Aufzählung  im  Einzelnen 
namhaft  zu  machen;  selbst  die  gedrängteste  Form  hätte 
zu  viel  Eaum  beansprucht,  und  es  war  zu  beachten,  dass 
der  Werth  einer  Uebersicht  nicht  zum  wenigsten  in  ihrer 
Uebersichtlichkeit  liegt.  Wenn  bei  der  Aachener  Synode 
des  Jahres  816  von  diesem  Grundsatz  abgewichen  wurde, 
so  geschah  es  nur  deshalb,  weil  gerade  hier  die  Hand- 
schriftenkataloge und  andere  Beschreibungen  oft  eine 
scharfe  Sonderung  der  Beschlüsse  dieses  Jahres  von  denen 
des  folgenden  vermissen  Hessen.  Auch  die  Aufzählung  der 
Drucke  ist  chronologisch;  sie  erstrebt  Vollständigkeit,  ob- 
wohl das  Fehlen  einiger  älterer  Conciliensammlungen  auf 
der  Berliner  Könisrlichen  Bibliothek  recht  schmerzlich  em- 


1)  Vgl.  die  Zusammenstellung  beiHauckll,  612  Anm.  2.  2)  Liegen 
kritische  Ausgaben  vor,  wie  z.  B.  in  den  MG.  Capitularia  oder  MG. 
Epistolae,  so  werden  diese  stets  bei  Benutzung  unserer  Uebersicht  heran- 
zuziehen sein. 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    463 

pfunden  wurde  ^.  Sind  die  Beschlüsse  der  Synoden  histo- 
rischen Werken,  wie  z.  B.  den  Gesta  Aldrici  oder  der  Hist. 
ecclesiae  Remensis  des  Flodoard,  oder  Streitschriften,  wie 
z.  B.  dem  Buche  Hinkmars  De  praedestinatione,  oder  Samm- 
lungen kanonischen  Eechts,  wie  den  Libri  duo  de  synoda- 
libus  causis  et  disciplinis  ecclesiasticis  des  Eegino  von  Prüm, 
entnommen,  so  genügte  ein  Verweis  auf  die  massgebende 
Ausgabe ;  sind  sie  in  Briefsammlungen  erhalten,  wie  etwa 
der  des  Bonifatius,  so  wurden  nur  die  Druckstellen  inner- 
halb der  Conciliensammlungen  und  neueren  Editionen  ver- 
zeichnet. 

Gehören  zu  einer  Synode  mehrere  Aktenstücke,  so 
sind  sie  durch  römische  Ziffern  von  einander  geschieden. 
Hier  ergaben  sich  wohl  bei  der  Aufzählung  der  Hss.  und 
Drucke  Wiederholungen,  die  aber  mit  Rücksicht  auf  die 
Uebersichtlichkeit  nicht  vermieden  werden  konnten.  Nur 
bei  der  Frankfurter  Synode  von  794  war  eine  scharfe 
Sonderung  der  Hss.  nach  ihrem  Inhalt  noch  nicht  durch- 
führbar: auch  hier  war,  abweichend  von  dem  oben  auf- 
gestellten Princip,  auf  die  Beschreibungen  der  Codices  zu 
verweisen. 

An  Hss.  und  Drucke  schliessen  sich  Citate  aus  der 
neueren  Litteratur  zur  Geschichte  der  Epoche.  In  den 
weitaus  meisten  Fällen  erwies  sich  eine  Erwähnung  der 
Jahrbücher  der  deutschen  Geschichte  oder  des  ersten 
Bandes  der  Regesta  imperii  als  ausreichend :  Mühlbachers 
Arbeit  gegenüber  wird  meine  Zusammenstellung  kaum  Neues 
bringen ;  überall  ist  sie  die  Führerin  durch  eine  fast  unüber- 
sehbare Litteratur  gewesen,  die  nur  das  Geschäft  der  Nach- 
lese übrig  liess. 

Im  Einzelnen  werden  sich  manche  Lücken  und  noth- 
wendige  Berichtigungen  ergeben.  An  die  Kenner  des 
Materials  aber  darf  ich  die  höfliche  Bitte  richten,  ihre 
Nachträge  und  Verbesserungen  an  meine  Adresse  (Berlin, 
Bayreutherstrasse  19)  einsenden  zu  wollen:  dankbar  werde 
ich  jede  Belehrung  entgegennehmen  und  sie  für  die  Aus- 
gabe auszunutzen  mich  mühen. 

I.   Acta  genuina. 

742   April   21. 
Capitulare  Karlmanns.    'Ego   Karlmannus'.     C.  1    'Et 
per   consilium   sacerdotum'  (7  cc).  —  Hss.  Karlsruhe,    Ra- 

1)  Ueber  die  Conciliensammlungen  vgl.  Salmon,  Traite  de  l'etude 
des  conciles  et  de  leurs  collections  197  sqq.,  Hefele  I-,  74  sqq.  und  die 
Zusammenstellung  bei  Friedberg,  Kirchenrecht  *  128. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  30 


464  Albert  Werminghoff. 

statt  22  s.  X.  XI.  Montpellier  137  s.  XII.  München  6285 
s.  X.  S112  s.  IX.  27  246  s.  X.  Paris  18  219  s.  XII.  Poni- 
mersfeld  2875  s.  XVI.  Rom,  Vallicell.  G.  94  s.  XVI.  Eom, 
Vat.  1340  s.  XIV.  Vat.  Pal.  577  s.  VIII.  IX.  583  s.  X. 
Salzburg  a.  IX  32  s.  XI.  XII.  Venedig,  S.  Marco  Zauetti  169 
s.  XV.  Wien  751  s.  IX.  X.;  vgl.  Nürnberger,  Neues  Archiv 
VIII,  307.  —  Bened.  Lev.  I,  c.  2,  MG.  LL.  II,  2,  45i.  Oth- 
lonis  vita  S.  ßonifatii  I,  c.  34,  Mabillon,  Acta  SS.  ord. 
S.  ßened.  III,  2,  48.  —  Crabbe  II  (1538),  fol.  CXI.  Crabbe  II 
(1551),  456.  Sagittarius  350.  loverius  II,  fol.  93.  Surius 
III,  39.  Bollanus  -  Nicolini  III,  437.  Baronius  742  n.  21. 
Binius  III,  1,  210.  Goldast,  Const.  III,  117;  ib.  I,  15 
(Ausz.  =  Lünig,  EA.  XV,  8).  Sirmond  I,  537.  Coli.  reg.  conc. 
XVII,  414.  Vorburg,  Hist.  IX,  394.  Labbe-Cossart  VI,  1533; 
ed.  Coleti  VIII,  269.  Baluze  I,  145.  Harduin  III,  1919. 
Lünig,  RA.  XV,  558.  Meichelbeck,  Hist.  Fris.  I,  2,  24. 
Georgisch  485.  Resch,  Ann.  eccl.  Sabion.  I,  618.  Calles, 
Ann.  eccl.  II,  249.  Hartzheim  I,  48.  Mansi  XII,  365.  XII, 
app.  103.  Walter  II,  18.  MG.  LL.  I,  16.  Migne  LXXXIX, 
S07.  LXXXXVI,  1501.  Himmelstein,  Sjnod.  Herbipol.  9. 
Walter,  Fontes  iuris  eccles.  18.  JafPe,  Bibl.  III,  127.  Bar- 
tolini,  Zaccaria  papa  doc.  10.  MG.  Cap.  I,  24.  MG.  Epp.  III, 
309  (=  BM.  I  n.  44,  wo  weitere  Drucke  verzeichnet  sind). 
—  Vgl.  Hahn  34.  Oelsner  479.  Hefele  III 2,  498.  Ribbeck, 
Die  sog.  Divisio  des  fränkischen  Kirchenguts  96.  Hauck 
12,  502. 

743  März  1.  Estin nes. 
Capitulare  Karlmanns.  C.  1  'Modo  autem  in  hoc  sy- 
nodali'  (4  cc).  —  Hss.  Karlsruhe,  Rastatt  22  s.  X.  XI. 
Montpellier  137  s.  XII.  München  8112  s.  IX.  Rom,  Vat. 
Pal.  577  s.  VIII.  IX.  Salzburg  a.  IX  32  s.  XL  XII.  (c.  3). 
Venedig,  S.  Marco  Zanetti  169  s.  XV.  Wien  751  s.  IX.  X.  — 
Bened.  Lev.  I,  c.  3,  MG.  LL.  II,  2,  46.  Othlonis  vita  S.  Boni- 
fatii  I,  c.  34,  Mabillon,  Acta  SS.  ord.  S.  Bened.  III,  2,  49.  — 
Baronius  743  n.  1.  Binius  III,  1,  212.  Sirmond  I,  540.  Coli, 
reg.  conc.  XVII,  419.  Vorburg,  Hist.  IX,  411.  Labbe- 
Cossart  VI,  1537;  ed.  Coleti  VIII,  273.  Baluze  I,  149. 
Harduin  III,  1921.  Georgisch  489.  Mansi  XII,  369.  XII, 
app.  105.  Walter  II,  21.  MG.  LL.  I,  18.  Migne  LXXXIX, 
809.    LXXXXVI,   1503.     JafiEe,    Bibl.  III,   129.     Bartolini, 


1)  Ich  verweise  im  Folgenden  nur  dann  auf  die  Sammlungen  des 
Benedictus  Levita  und  Pseudoisidor,  wenn  diese  die  Synodalbeschlüsse  im 
Ganzen  oder  zum  Theil  aufgenommen  haben ;  im  Uebrigen  vgl.  die  An- 
gaben von  Knust,  MGr.  LL.  II,  2,  19,  und  Hinschius,  Decretales  Pseudo- 
Isidoz'iauae  CXI. 


Verzeiclmis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    465 

Zaccaria  doc  12.  MG.  Cap.  I,  26.  MG.  Epp.  III,  312  (=  BM.  I 
n.  45,  wo  weitere  Drucke  verzeichnet  sind).  —  Ueber  2  der 
Synode  fälschlich  zug-eschriebene,  nach  Hampe,  Neues  Archiv 
XXIII,  627  in  der  Hs.  Paris  2373  s.  XI.  überlieferte  Canones 
vgl.  MG.  Cap.  I,  27.  —  Zweifelhaft  bleibt  die  Zugehörigkeit 
zweier  (oder  dreier)  Allocutioues  de  coniugiis  inlicitis,  die 
im  Cod.  Pal.  577  s.  VIII.  IX.  überliefert  und  seit  Dela- 
lande 75  oft  gedruckt  sind,  z.  B.  Mansi  XII,  376.  Giles, 
Bonifacii  opp.  II,  IS.  Bartolini,  Zaccaria  doc.  17;  vgl.  gegen 
Binterim  II,  131  Hefele  III  ^  512.  —  Ueber  den  Indiculus 
superstitionum,  MG.  Cap.  I,  222,  vgl.  Hauck  I-,  516  Anm.  1. — 
Zur  Synode  vgl.  Hahn  73.  192.  Forsch,  z.  Deutsch.  Gesch. 
XV,  69.    Oelsner  471.    Hefele  III 2,  501.   Hauck  I'^  514. 

74  3  (7  4  4?).  Rom^. 
Flacius  Illyricus,  Ecclesiastica  historia  cent.  VIII,  548 
veröffentlichte  zuerst  14  cc.  dieser  Synode,  pr.  'Zacharias 
sanctissimus'.  C.  1  'Ut  episcopi'.  Baronius  743  n.  18  und 
die  von  ihm  abgeleiteten  Drucke  (Binius  III,  1,  213.  Coli. 
reg.  conc.  XVII,  427.  Vorburg,  Hist.  IX,  406.  Labbe- 
CossartVI.  1545;  ed.  Coleti  VIII,  283.  Harduin  III,  1927) 
fügten  als  c.  15  die  Rede  des  Papstes  hinzu  mit  dem  An- 
fang 'Scripsimus  de  gradibus',  dann  die  Liste  der  Theil- 
nehmer,  ine.  'Praesedente  sanctissimo'  und  endlich  die  Rede 
des  Papstes,  ine.  'Sanctorum  probabilium'.  Mansi,  Suppl.  I, 
559  trug  die  Unterschriften  nach  und  seine  Ausgabe  in 
der  Conc.  ampl.  coli.  XII,  381  wurde  von  Bartolini,  Zaccaria 
doc.  23  wiederholt.  Nürnberger,  Die  römische  Synode  vom 
Jahre  743  sucht  S.  3^ — 21  die  'muthmasslich  ursprüngliche 
Gestalt  der  Synodalakten  wiederherzustellen';  unter  Vor- 
anstellung des  von  ihm  ergänzten  Datums  ordnet  er  die 
überlieferten  Stücke  folgendermassen:  A,  Liste  der  Theil- 
nehmer  und  Rede  des  Papstes,  ine.  'Sanctorum  probabilium'; 
B,  die  14  Canones;  C,  die  Rede  des  Papstes,  ine.  'Scri- 
psimus  de  gradibus';  D,  die  Unterschriften.  In  den  Noten 
werden  die  Canones  in  der  abgekürzt  überlieferten  Form 
mitgetheilt.  —  Hss.  der  vollständigen  Form :  Florenz,  Bibl. 
aedil.  82  s.  IX.  Lucca  125  s.  X.  XL  München  3860 '^  s.  X. 
(unter  Weglassung  der  Formalien,  vgl.  Nürnberger,  a.  a.  O.  2). 
München  14008  s.  IX.  X.  14780  s.  IX.  Rom,  Barb.  XIV.  52 
s.  IX.  X.  S.  Crucis  (Sessoriana)  LXIII  s.  IX.  X  (ob  noch 
erhalten?    vgl.  Neues    Archiv   XVII,  482).     Vallicell.   A.  5 


1)  Die   Abweichung:   in    der  Anordnung  dieses    Abschnittes  findet 
in  seinem  Inhalte  ihre  BegründuuL!,'. 

30* 


466  Albert  WerminghofE. 

s.  IX.  C.  19,  C.  23,  C.  27,  alle  s.  XVI.  Vat.  1342  s.  IX.  X. 
1343  s.  X.  1353  s.  XV.  (1453  bei  Nürnberger,  a.  a.  O.  3 
Anm.  1  ist  Druckfehler,  vgl.  Neues  Archiv  VIII,  311;  da- 
zu Archiv  XII,  226).  Eom,  Vat.  5845  s.  IX.  Vercelli  LXXVI 
s.  X.  —  Hss.  der  abgekürzten  Form :  Mailand,  Ambros. 
S.  33  sup.  s.  IX.  München  3860  s.  X.  3860 »  s.  X.  Oxford, 
Bodl.  893  s.  X.  Paris,  St.  Germ.  Harl.  386  s.  X.  ?  Eom, 
Vat.  1339  s.  XI.  in.;  vgl.  Theiner,  Disquisit.  criticae  278. 
Vercelli  CXI  s.  X.  Verdun  46  (21)  s.  X.  XI.  Verona  LXIII 
s.  X.  —  Nur  die  Rede  des  Papstes  'Scripsimus  de  gradibus' 
enthalten  die  Hss.  Bamberg  P.  I  9  s.  X. -XII.  München 
6241  s.  XI.  6242  s.  IX.  6245  s.  X.  Wien  2198  s.  X.;  über  die 
Hs.  Köln  115  s.  IX.  vgl.  Jaffe -Wattenbach,  Codd.  Colon.  46. 
Archiv  VIII,  619;  über  die  Hss.  St.  Gallen  671  s.  IX.  ?672 
s.  IX.  vgl.  Scherrer,  Verzeichnis  218.  Nürnberger,  a.  a.  O.  16 
Anm.  a.  —  üeber  die  Hss.  vgl.  Maasseu,  Gesch.  I,  307 ► 
Nürnberger,  Neues  Archiv  VIII,  310.  —  Ueber  einen  in 
den  Hss.  fehlenden  c.  vgl.  Ughelli,  Italia  saci-a  I-,  1343; 
zu  c.  9  vgl.  Neues  Archiv  VIII,  312.  Zu  den  Beschlüssen 
vgl.  die  römische  Synode  von  721  bei  Mansi  XII,  261. 
Richter,  Beitr.  zur  Kenntnis  des  kanonischen  Rechts  49.  — 
Zu  der  von  JafPe-E.  I-,  265  ins  J.  744  gestellten  Synode 
vgl.  Hefele  III  ■^,  515.  Nürnberger,  Tübinger  Theol.  Quartal- 
schrift 1879,  432. 

744  März  3.  Soissons. 
Capitulare  Pippins.  pr.  'In  Dei  nomine  trinitatis  a.  744.^ 
C.  1  'In  primitus  constituimus'  (10  cc).  —  Hss.  Paris  9654 
s.  X.  XI.  Rom,  Vat.  3827  s.  X.  XI.  Vat.  Christ.  1041  s.  XVII. 
Vat.  Pal.  582  s.  IX.;  vgl.  Nürnberger,  Neues  Archiv  VIII, 
812.  — SuriusIII,  40.  Bollanus-Nicolini  III,  438.  Binius  III, 
1,  214.  Goldast,  Const.  III,  649.  Sirmond  I,  543.  Coli.  reg. 
conc.  XVII,  436.  Labbe-Cossart  VI,  1552;  ed.  Coleti  VIII, 
289.  Baluze  I,  155.  Harduin  III,  1931.  Georgisch  499. 
Hartzheim  I,  57.  Mansi  XII,  app.  109.  Walter  11,  28.  MG. 
LL.  I,  20.  Migne  LXXXIX,  824.  XCVI,  1504.  Bartolini, 
Zaccaria  doc.  36.  MG.  Cap.  I,  28  (=  BM.  I  n.  53).  —  Vgl. 
Hahn  57.    Oelsner  482.    Hefele  III 2,  518.    Hauck  I^,  528. 

745  October  (25-27).  Rom. 
Protokolle  über  drei  Actiones.  —  Hss.  Karlsruhe,  Ra- 
statt 22  s.  X.  XI.  München  8112  s.  IX.  Schlettstadt  29 
s.  XII.  —  Othlonis  vita  S.  Bonifatii  II,  c.  4,  Mabillon, 
Acta  SS.  ord.  S.  Bened.  III,  2,  60.  —  Baronius  745  n.  22. 
Binius  III,  1,  216.  Sirmond  I.  551.  Coli.  reg.  conc.  XVII, 
443.    Vorburg,  Hist.  IX,  441.    Labbe-Cossart  VI,  1556;  ed. 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    467 

Coleti  VIII,  299.  Harduin  III,  1935.  Hartzheim  I,  60. 
Mansi  XII,  373.  Mi^ne  LXXXIX,  831.  Jaffe,  Bibl.  III, 
136.  Bartolini,  Zaccaria  doc.  47,  dazu  46  der  eingeschaltete 
Brief  des  ßonifatius.  MG.  Epp.  III,  316;  dazu  in  den  Aus- 
gaben der  Bonit'atiusbriefe.  —  Zum  Tagesdatum  der  Akten 
vgl.  Jafee-E.  12,  265.  MG.  Epp.  III,  721.  Hauck  I^,  548 
Anm.  2 ;  zur  actio  III.  vgl.  Neues  Archiv  XV,  602.  XXII, 
644.  —  Vgl.  MG.  Epp.  III,  327.  323.    Hefele  III-,  533. 

740  —  750.  Regensburg?  Salzburg? 
Beschlüsse,  pr.  'Quia  igitur  dilectissimi'.  C.  1  'Ut  am- 
moneamur  plebs  sancta'  (15  cc).  —  Hs.  München  14410 
s.  IX.  Salzburg  (deperd.).  —  Mansi  XIII,  1025.  MG.  LL.  III, 
455.  —  Ort  und  Zeit  unbestimmt:  Merkel,  MG.  LL.  III,  238 
bald  nach  dem  Erlass  Gregors  IL  d.  d.  716  Mai  15  (Jaffe-E. 
I-  n.  2153);  Riezler,  Gesch.  Baierns  I,  108  nach  dem  Erlass 
Gregors  III.  d.  d.  739  October  29  (Jaffe-E.  I'^  n.  2251); 
Hefele  III 2,  736,  und  Hinschius,  KR.  III,  585  Anm.  2,  nach 
der  (zweiten)  Synode  zu  Riesbach  799?  800?;  Nagel,  Forsch. 
z.  Deutsch.  Gesch.  XVIII,  439  zu  743  oder  744;  vgl.  dazu 
Hauck  I-',  492  Anm.  1.  II,  397  Anm.  3. 

755  Juli  11.    Verneuil. 

Capitulare  Pippins.  pr.  'Sufficerant  quidem  priscorum'. 
C  1  'Ut  episcopi  debeant'  (25  cc).  —  Hss.  Bern  89  s.  VIIL 
IX.  (c.  9).  München  6243  s.  VIIL  Paris  3838  s.  X  (cc.  8.  9). 
Paris  9654  s.  X.  XL  Rom,  Bibl.  Chis.  C.  VIIL  239  s.  XVI. 
Rom,  Vat.  3827  s.  X.  XL  Vat.  Christ.  1041  s.  XVII.  Vat. 
Pal.  577  s.  VIIL  IX.  (cc.  1-12).  Vat.  Pal.  582  s.  IX.  X. 
Wolfenbüttel,  Blank.  130  s.  X.  (cc.  7.  9).  —  Surius  III,  41. 
Bollanus-Nicolini  III,  439.  Binius  III,  1,  236.  Goldast, 
Const.  III,  650.  Sirmond  II,  27.  Coli.  reg.  conc.  XVII,  594. 
Labbe-Cossart  VI,  1664;  ed.  Coleti  VIII,  415.  Baluze  I,  167. 
Harduin  III,  1993.  Georgisch  511.  Bouquet  V,  638.  Mansi 
XII.  577.  Walter  II,  36.  MG.  LL.  I,  24.  578.  Migne 
XCVI,  1508.  MG.  Cap.  I,  32  (=  BM.  I  n.  75).  —  Oelsner  468 
bezeichnet  nur  cc.  1-12  als  zum  Capitulare  Vernense  ge- 
hörig, das  sog.  Capitulare  incerti  anni,  früher  einer  Synode 
zu  Metz  zugeschrieben,  MG.  Cap.  I,  31  (=  BM.  I  n.  77) 
als  eine  die  Verneuiler  Beschlüsse  modificierende  Vorlage 
Pippins  für  eine  Synode  im  October  755,  aus  der  die  sog. 
Petitio  episcoporum  (=  cc.  13-25  des  Verneuiler  Capitulars) 
hervorgegangen  sei;  ihm  hat  sich  BM.  I  n.  75.  77  ange- 
schlossen; dagegen  vgl.  MG.  Cap.  I,  33.  —  Zur  Synode 
vgl.  Hefele  III-',  587.    Hauck  II,  32. 


468  Albert  Werminghoff. 

756.    Verberie. 

Capitulare  Pippins.  C.  1  'In  tertio  genucliim'  (21  cc.)  — 
Hss.  Chartres  424  s.  XIV.  (c.  17).  Heiligeiikrenz  217  s.  X. 
(cc.  1-13.  17-21).  München  3858  s.  X.  (desgl.).  Paris  3878 
s.  X.  (desgl.).  Paris  9654  s.  X.  XL  Eom,  Vat.  Pal.  582  s.  IX.  X. 
Wien  2198  s.  X.  (c.  13).  —  Sirmond  II,  1.  Coli.  reg.  conc. 
XVII,  583.  Bouchet,  La  veritable  origine  97.  Labbe-Cossart 
VI,  1656;  ed.  Coleti  VIII,  405.  Baluze  I,  161.  Harduin  III, 
1989.  Georgisch  503.  Bouquet  V,  G37.  Mansi  XII,  app.  113. 
V^alter  II,  31.  MG.  LL.  L  22.  Migne  XCVI,  1506.  MG.  Cap. 
I,  39  (=  BM.  I  n.  81).  —  Ueber  Zusätze,  die  bei  Balnze 
I,  165,  dazu  MG.  LL.  I,  23  Anin.  1,  zusammengestellt  sind, 
vgl.  Oelsner  460.  —  Zur  Synode  vgl.  Oelsner  270.  455.  Hefele 
III2,  593. 

Um  7  5  6.    Aschheim. 

Beschlüsse,  pr.  'Sufficit  enim  christianis'.  C.  1  'Pr§ci- 
pimus  enim,  ut  omnes'  (15  cc).  —  Hs.  München  6243 
s.  VIII.  IX.  —  Abhandl.  der  churf.-baierischen  Akad.  d. 
Wiss.  I,  47.  Mansi  XII,  663.  Forster,  Concilium  Aschai- 
mense  11.  Canciani  II,  391.  Dalham,  Conc.  Salisb.  9.  MG. 
LL.  III,  457.  —  Zeit  unbestimmt:  Merkel,  MG.  LL.  III, 
239  (wo  die  ältere  Litteratur  verzeichnet  ist)  zwischen  755 
und  760,  vgl.  Hefele  III-,  598.  Eiezler,  Gesch.  Baierns  I, 
158  Anm.  1;  Oelsner  297.  506  zu  756;  vgl.  Hauck  II,  399 
Anm.  4. 

7  57  Mai.  Compiegne. 
I.  Capitulare  Pippins.  C.  1  'Si  in  quarta  progenie'.  — 
Hss.  Heiligenkreuz  217  s.  X.  (cc.  1-18).  München  3853 
s.  X.  (desgl.).  Paris  3878  s.  X.  (desgl.).  Paris  9654  s.  X.  XI. 
Eom,  Vat.  Pal.  582  s.  IX.  X.  —  Sirmond  II,  41.  Labbe- 
Cossart  VI,  1694;  ed.  Coleti  VIII,  449.  Le  Cointe  V,  587. 
Harduin  III,  2003.  MG.  Cap.  I,  37 ;  in  den  älteren  Aus- 
gaben 18,  in  der  letzten  21  cc.  in  Folge  verschiedener 
Capitelzählung.  —  Baluze  I,  179.    Georgisch  527.    Bouquet 

V,  642.  Mansi  XII,  app.  127.  Walter  II,  47;  hier  überall 
21  cc,  die  identisch  sind  mit  den  24  cc.  MG.  LL.  I,  27. 
Migne  XCVI,  1573;  dazu  sind  mit  den  21  cc.  der  MG.  Cap. 
die  cc.  1-3  des  Capitulare  incerti  anni,  MG.  Cap.  I,  31, 
verbunden  (=  BM.  I  n.  83). 

IL  Urkunde  Chrodegangs  von  Metz  für  das  Kloster 
Gorze  von  757  Mai  23.  'In  Dei  nomine  Chrodegangus'.  — 
Hs.  Metz  826  s.  XII.  —  Henschen,  De  tribus  Dagobertis 
229  (Ausz.).    Chiffiet,  Opera  I,  455  (desgl.).    Labbe-Cossart 

VI,  1698  (vollst.);    ed.  Coleti  VIII,  454.    Le  Cointe  V,  562. 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    469 

Harduin  III,  2007.  Mansi  XII,  653.  rran9ois  et  Tabouillot, 
Hist.  gen.  de  Metz  III,  pr.  9.  Mig-ne  LXXXIX,  1121 
(=  BM.  I  n.  83a);  vgl.  Oelsner  315.  —  Zur  Synode  vgl. 
Oelsner  293.  306.  474.    Hefele  III^,  593.    Hauck  II,  33. 

7  6  1  Juni  2.  Rom. 
Urkunde  Pauls  I.  'Inter  diversa'.  —  Baronius  761  n.  2  ex 
autogr.  apud  moniales  S.  Silvestri  Romae.  Binius  III,  1,  232. 
Coli.  reg.  conc.  XVII,  633.  Vorburg,  Hist.  IX,  594.  Labbe- 
Cossart  VI,  1689;  ed.  Coleti  VIII,  445.  Harduin  III,  1999. 
Mansi  XII,  645.  Bull.  Rom.  E.  T.  I,  248.  Migne  LXXXIX, 
IIÖO  (=  Jaffe-E.  12  n.  2346).  —  Vgl.  Hefele  III^,  602. 

7  62(?).  Attigny. 
Totenbuud  fränkischer  Bischöfe  und  Aebte.  'Nomina 
episcoporum  seu  abbatum'.  —  Hs.  Rom,  Vat.  Pal.  577  s.  VIII. 
IX.  —  Labbe-Cossart  VI,  1702;  ed.  Coleti  VIII,  461.  Har- 
duin III,  2009.  Mansi  XII,  675.  MG.  LL.  I,  29.  Migne 
XCVI,  1516.  MG.  Cap.  I.  221.  —  Ueber  die  wahrschein- 
liche Gleichzeitigkeit  mit  der  Urk.  Pippins  vom  13.  August 
762  (BM.  I  n.  93)  vgl.  Oelsner  358.  474. 

767  (Bourges)?  768  (Saintes)? 
Capitulare  Pippins.  C.  1  'Ut  illas  ecclesias'  (12  cc).  — 
Hs.  Leyden,  Voss.  Q.  119  s.  IX.  —  MG.  LL.  II,  13.  Migne 
XCVI,  1519.  MG.  Cap.  I,  42  (=  BM.  I  n.  102).  —  Zweifel- 
haft bleibt  wie  die  zeitliche  Ansetzung  auch  die  Annahme 
einer  Synode,  obwohl  das  'sinodaliter'  der  üeberschrift  sie 
zu  fordern  scheint;  vgl.  auch  Oelsner  415. 

769  April  12  —  14.  Rom. 
Fragmente  von  vier  'actiones'.  Cenni,  Concilium 
Lateran.  1.  Mansi,  Suppl.  I,  641.  Mansi  XII,  713.  —  Zur 
actio  I.  benutzte  Cenni  die  Hs.  Verona  LVII  s.  XL,  vgl. 
Maassen,  Bibl.  I,  1,  420.  Das  von  Wasserschieben,  Beitr. 
162,  aus  der  Canonensammlung  des  Rotger  von  Trier  c.  128 
abgedruckte  Stück  der  Hs.  Wolfenbüttel,  Heimst.  454  s.  X., 
vgl.  von  Heinemann  I,  356  und  Sdralek,  Wolfenbüttler  Frag- 
mente 98,  ist  nach  Duchesne,  Liber  pontif.  I,  483  ein  falsch 
datierter  Auszug  aus  dem  Liber  pontificalis.  Zu  den  Theil- 
nehmerlisten  in  der  Vita  Stephani  ed.  Duchesne  I,  473, 
die  allein  in  der  Hs.  Leyden,  Voss.  41  s.  IX.  erhalten  sind, 
vgl.  die  Liste  der  fränkischen  Bischöfe  bei  Sirmond  II,  65 
ex  schedis  Panuvianis  und  den  Auszug  bei  Troya,  Storia 
d'Italia  IV.  5  (Cod.  dipl.  Longob.)  488  n.  900.  —  Zur  actio  IL 
vgl.  Vita  Stephani,  a.  a.  0.  475;  dazu  c.  4  D.  LXXIX  und 


470  Albert  Werminghoff. 

Hinschius,  KR.  1,  228.  —  Actio  III.  und  IV.,  auch  bei 
Deusdedit  II,  c.  131,  zuerst  veröffentlicht  von  Holsten,  Coli. 
Rom.  I,  259  nach  Anselms  von  Lucca  Coli.  can.  VI,  c.  24 
sqq.,  wiederholt  von  Labbe  -  Cossart  VI,  1722;  ed.  Coleti 
VIII,  484.  Harduin  III,  2013.  Cenni  10.  Mansi,  Suppl.  I,  647. 
Mansi  XII,  719.  —  Zur  actio  III.  vgl.  das  Fragment  im 
Briefe  des  Ratherius,  d'Achery,  Spie.  II,  244.  I-,  372,  und 
c.  3  D.  LXXIX.  —  Ueber  Ergänzungen  aus  dem  Briefe 
Hadrians  I.  (Jaffe-E.  I-  n.  2483)  vgl.  Hampe,  Neues  Archiv 
XXI,  89  Anm.  3.  103.  111.  —  Zur  Synode  vgl.  Hefele  IIP, 
434.    Jaffe-E.  1\  285  und  n.  2377.     Abel-Simson  I,  63. 

Um   770.     Dingolfing. 

I.  Decret  Tassilos.  C.  1  'De  die  dominico'  (12  cc).  — 
Hss.  München  3519  s.  XII.  4639  s.  XII.  5260  s.  XII. 
19415  s.  XI.  Schedae  Bosianae  (vgl.  MG.  LL.  III,  186). 
Wolfenbüttel,  Heimst.  532  s.  X.  (c.  10).  —  Canisius,  Chron. 
Victoris  131.  Baronius  772  n.  23.  Welser,  Rer.  boic.  libii  V 
p.  311;  ed.  Lippert  344.  Binius  III,  1,  282.  Lindenbrog  439. 
Coli.  reg.  conc.  XVIII,  104.  Bail,  Summa  conc.  II,  388.  Vor- 
burg, Hist.  X,  33.  Labbe -Cossart  VI,  1794;  ed.  Coleti  VIII, 
557.  Welser,  Opp.  hist.  162.  Harduin  III,  2029.  Georgisch 
326.  Resch,  Ann.  eccl.  Sabion.  I,  689.  Hartzheim  I,  129. 
Mansi  XII,  851.  Canciani  II,  393.  Dalham,  Conc.  Salisb.  12. 
Westenrieder,  Beiträge  I,  14.  Walter  I,  293.  MG.  LL.  III, 
459. 

IL  Totenbund  der  Bischöfe  und  Aebte.  'In  Christi 
noraine  notitia,  qualem  convenientiam'.  —  Hss.  München 
3519  s.  XII.  5260  s.  XIL  6243  s.  VIII.  19415  s.  XL  — 
Canisius  133.  Baronius  772  n.  24.  Welser  313;  ed.  Lip- 
pert 347.  Binius  III,  1,  283.  Coli.  reg.  conc.  XVIII,  106. 
Vorburg,  Hist.  X.  33.  Labbe -Cossart  VI,  1795;  ed.  Coleti 
VIII,  858.  Welser,  Opp.  hist.  163.  Harduin  III,  2031. 
Resch  I,  691.  Hartzheim  I,  130.  Mansi  XII,  852.  Canci- 
ani II,  394.  Dalham  12.  Walter  I,  294.  MG.  LL.  III, 
461.  —  Ueber  die  Zeit  vgl.  Hefele  III -\  609.  Hauck  II,  401 
Anm.  1 ;  über  die  wahrscheinliche  Zugehörigkeit  des  Decrets 
und  des  Totenbunds  zu  einer  Synode  vgl.  Abel-Simson  I, 
55  Anm.  2. 

771  October  14.    Neuching. 

I.  Notitia  de  synodo.  'Regnante  in  perpetuum'.  —  Hss. 

München  3519   s.  XII.  5260   s.  XII.   19415  s.  XL    Schedae 

Bosianae  (vgl.  MG.  LL.  III,  186);    über   die    Ortsangabe   in 

den   Hss.    vgl.    Abel-Simson   I,   108.    —    Canisius,    Chron. 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    471 

Yictoris  134.  Baronius  772  n.  25.  Welser,  Eer.  boic.  libri  V 
p.  310;  ed.  Lippert  343.  Binius  III,  1,  283.  Lindenbrog  439. 
Coli.  reg-,  conc.  XVIII,  107.  Vorburg-,  Hist.  X,  34.  Labbe- 
Cossart  VI,  1796;  ed.  Coleti  VIII,  559.  Welser,  Opp.  hist. 
161.  Harduin  III,  2031.  Georgisch  325.  Eesch,  Ann.  eccl. 
Sabion.  I,  686.    Hartzheim  I,  128.    Mansi  XII,  853.    Canciani 

II,  394.    Dalham,  Conc.  Salisb.  11.    Walter  I,  294.    MG.  LL. 

III,  462. 

II.  Decreta  synodi.  C.  1  'Praenotatns  princeps  uni- 
verso'  (18  cc).  —  Hss.  München  3519  s.  XII.  4639  s.  XII. 
5260  s.  XII.  19415  s.  XI.  Wien  406  s.  XII.;  Auszüge  in 
den  Hss.  München  2621  s.  XIII.  11029  s.  XV.  München 
Universitätsbibliothek  132  s.  VIII.  Wien  2198  s.  X.  (cc. 
11-13).  Wolfenbüttel,  Heimst.  532  s.  X.  Schedae  Bosi- 
anae.  —  Canisius  135.  Baronius  772  n.  26.  Welser  314; 
ed.  Lippert  348.  Binius  III,  1,  283.  Lindenbrog  400.  Coli, 
reg.  conc.  XVIII,  108.  Vorburg,  Hist.  X,  34.  Labbe-Cossart 
VI,  1796;  ed.  Coleti  VIII,  559.  Welser,  Opp.  hist.  163.  Har- 
duin III,  2031.  Georgisch  328.  Eesch  I,  699.  Mansi  XII, 
853.  Canciani  II,  395.  Dalham  13.  Westenrieder,  Beiträge 
I,  18.  Walter  I,  295.  MG.  LL.  III,  464.  —  Ueber  die  Zeit 
der  Synode  vgl.  Bernardi  liber  de  origine  et  ruina  mona- 
sterii  Cremifanensis,  Eandnote  zu  I,  c.  5,  MG.  SS.  XXV,  641, 
dazu  Abel-Simson  I,  107  sq.,  wo  auch  Näheres  über  das  Ver- 
hältnis beider  Stücke  zu  einander;  für  I  passt  besser  die 
Bezeichnung  'Protokoll'  (Hauck  II,  402  Anm.  3)  a^s  'Prolog' 
(u.  a.  Hefele  III ^  612). 

779  März.    Heristal. 

Capitulare  Karls,  pr.  'Anno  feliciter  undecimo'.  C.  1 
'De  metropolitanis  ut  suffraganei'  (24  [23]  cc).  —  Hss.  Ash- 
burnham,  Barrois  214  s.  IX.  X.  Gotha  membr.  I  n.  84 
s.  X.  XL  Heiligenkreuz  217  s.  X.  (cc.  1-4.  8-10.  11.  17. 
21).  Ivrea  33  s.  IX.  X.  34  s.  IX.  La  Cava  22  s.  XL 
Leyden,  Voss.  Q.  119  s.  IX.  X.  Modena,  Ord.  I.  2  s.  X. 
München  3853  s.  X.  (cc.  1-4.  8-10.  IL  17.  21).  München 
19416  s.  IX.  X.  Nürnberg,  Stadtbibl.  Mss.  Cent.  V.  Anh. 
n.  96  s.  X.  XL  Paris  3878  s.  X.  (cc.  1-4.  8-10.  11.  17.  21). 
Paris  4613  s.  X.  4626  s.  X.  XL  4628A  s.  X.  4760  s.  X. 
XL  9654  s.  X.  XL  10758  s.  IX.  X.  Eom,  Bibl.  Chis.  F.  IV 
75  s.  X.  Eom,  Vat.  Christ.  263  s.  X.-XIV.  520  s.  X.-XV. 
846  s.  IX.  X.  1036  s.  XV.  XVI.  Eom,  Vat.  Pal.  582  s.  IX. 
X.  St.  Gallen  733  s.  IX.  St.  Paul  XXV  Vi  s.  IX.  Wolfen- 
büttel, Blank.  130  s.  X.  —  Goldast  III,  120.  Sirmond  II,  84. 
Coli.  reg.  conc.  XVIII,  161.     Le   Cointe  VI,  158.     Labbe- 


472  Albert  Werminghoff. 

Cossart  VI,  1284;  ed.  Coleti  VIII,  589.  Baluze  I,  195.  Har- 
duin  III,  2055.  Georgisch  541.  Bouquet  V,  646.  Hartz- 
heim  1,239.  Mansi  XII,  89-3.  XU,  app.  141.  Walter  11,57. 
MG.  LL.  I,  36.  Migne  XCVII,  125.  MG.  Cap.  I,  46  (=  BM.  I 
n.  213)  —  lieber  Hss.  und  Drucke  der  sog.  Langobardischen 
Eecension  vgl.  MG.  Cap.  I,  47.  BM.  I  u.  213;  über  ihren 
Charakter  vgl.  Boretius,  Capitularien  im  Langobardenreich 
25.  57.  Abel-Sinison  I,  330.  —  lieber  die  Synode  vgl. 
Abel-Simson  I,  324. 

779?  780? 
Fastenordnung,  erlassen  'in  episcoporum  conseusu  (con- 
ventu)".  'üt  unusquisqiie  episcopus'.  —  Hss.  Ivrea  33  s.  IX. 
X.  Ivrea  34  s.  IX.  Nürnberg,  Stadtbibl.  Mss.  Cent.  V.  Anh. 
n.  96  s.  X.  XI.  Paris  9654  s.  X.  XI.  Eom,  Vat.  Pal.  582  s.  IX. 
X.  —  Benedict.  Lev.  I,  c.  207,  add.  IV,  c.  143,  MG.  LL.  II, 
2,  56.  155.  —  Sirmond  II,  159.  Coli.  reg.  conc.  XVIII,  95. 
Le  Cointe  VI,  161.  Labbe  -  Cossart  VI,  1788;  ed.  Coleti  VIII, 
550.  Baluze  I,  199.  Harduin  III,  2025.  Bouquet  V,  648. 
Hartzheim  I,  241.  Mansi  XII,  app.  145.  Walter  II,  61. 
MG.  LL.  I,  39.  Migne  XCVII,  133.  MG.  Cap.  I,  51.  —  Ueber 
die  Zeit  vgl.  Abel-Simson  I,  338.  Hefele  III 2,  625  stellt  sie 
zur  Synode  von  Heristal  im  März  779. 

794  Juni.    Frankfurt. 

I.  Brief  Hadrians  I.  'Si  tarnen  licet'.  —  Hss.  München 
14468  a.  821;  vgl.  Catal.  IV,  2,  177.  Paris  1568  s.  X.-XIV. 
(Fragm.);  vgl.  Catal.  III,  153.  Paris  4631  s.  XV.;  vgl.  ibid. 
III,  616.  —  Surius  IH,  227.  Bollanus  -  Nicolini  III,  635. 
Binius  III,  1,  411.  Sirmond  II,  161.  Coli.  reg.  conc.  XX,  82. 
Labbe  -  Cossart  VII,  1014;  ed.  Coleti  IX,  57.  Harduin  IV, 
865.  Aguirre,  Conc.  Hisp.  IV,  93.  Hartzheim  I,  288.  Mansi 
XIII,  865.  Villanuho,  Summa  conc.  Hisp.  II,  173.  I'-.  344. 
Migne  XCVIII,  374  (=  Jaflee-E.  I'^  n.  2482).  —Vgl.  Simson  II, 
73  Anm.  4.    Grössler,  Eislebeuer  Progr.  1879,  47. 

IL  Libellus  sacrosy  Ilabus  Paulins  von  Aquileja. 
'Sancto  incitante  spiritu'.  —  Hss.  Hamburg  XXXII  cod. 
Chart.;  vgl.  Archiv  VI,  230.  München  14408  a.  821.  Paris 
1568  s.  X.  (Fragm.).  Paris  4628A  s.  X.;  vgl.  MG.  Cap.  1,73. 
Paris  4631  s.  XV.;  vgl.  ibid.  Paris  10758  s.  IX.  X.;  vgl. 
ibid.  —  Paulini  Aquileiensis  episcopi  adversus  Felicem 
Urgelitanum  et  Eliphandum  Toletanum  episcopos  libellus, 
ed.  ine.  loci  a.  1549  (hinter  der  l.Ausg.  der  Libri  Carolini, 
vgl.  deren  Ausgabe  durch  Heumann,  Einl.  31).  J.  Herold, 
Orthodoxographa  1122  (vgl.  Madrisi  8).  Surius  III,  232. 
Bollanus-Nicolini    III,  640.      Binius    III,    1,  414.     Alcuini 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    473 

opp.  ed.  Duchesne  1873.  Sirmond  II,  167.  Coli.  reg-,  conc. 
XX,  94.  Labbe  -  Cossart  VII,  1022;  ed.  Coleti  IX,  66. 
Harduin  IV,  878.  Paulini  opp.  ed.  Madrisi  1.  Ao-nirre 
IV,  97.  Hartzheim  I,  295.  Mansi  XIII,  873.  Migne  XCIX, 
151.  —  Ueber  verschiedene  Recensionen  vgl.  Giannoni,  Pau- 
linus  II.  65. 

III.  Schreiben  der  deutschen  Bischöfe.  'In  nomine 
Domini'.  —  Hs.  München  14468  a.  821.  —  Surius  III,  238. 
Bollanus-Nicolini  III,  646.  Binius  III,  1,  418.  Sirmond 
II,  175.  Coli.  reg.  conc.  XX,  109.  Labbe -Cossart  VII.  1032; 
ed.  Coleti  IX,  76.  Harduin  IV,  882.  Lünig,  RA.  XV,  571. 
Aguirre  IV,  103.  Hartzheim  I,  304.  Mansi  XIII,  883.  Al- 
cuini  opp.  ed.  Proben  II,  573.    Migne  CI,  1331. 

IV.  Schreiben  Karls  d.  Gr.  'Gaudet  pietas  christiana'.  — 
Hss.  Einsiedeln  191  s.  VIII.  IX.  (Schluss);  vgl.  Maassen, 
Gesch.  I,  487.  München  14468  a.  821.  —  Placius  lUyricus, 
Ecclesiastica  historia  cent.  VIII,  631.  Surius  III,  247.  Bol- 
lanus-Nicolini III,  655.  Baronius  794  n.  15.  Binius  III, 
1,  424.  Goldast,  Const.  I,  19.  II,  1  (das  Glaubensbekenntnis 
=  Vorburg,  Hist.  X,  195.  Lünig,  RA.  XV,  28).  Sirmond  II, 
186.  Coli.  reg.  conc.  XX,  131.  Vorburg,  Hist.  X,  200.  Labbe- 
CossartVII,  1047;  ed.  Coleti  IX,  91.  Harduin  IV,  896. 
Lünig,  RA.  XV,  32.  Aguirre  IV,  111.  Hartzheim  I,  316. 
Mansi  XIII,  899.  Alcuini  opp.  ed.  Proben  II,  582.  Ideler, 
Karl  d.  Gr.  II,  326.    Migne  XCVIII,  899  (=  BM.  I  n.  317). 

V.  Capitulare.  C.  1  'Coniungentibus  Deo  favente' 
(56  cc).  —  Hss.  Paris  4628  A  s.  IX.  Paris  4631  s.  XV. 
Paris  10758  s.  IX.  X.  Wolfenbüttel,  Blank.  130  s.  X. 
(cc.  12-14).  —  Alcuini  opp.  ed.  Duchesne  1889.  Goldast, 
Const.  I,  18  (cc.  1.  2).  Sirmond  II,  192.  Coli.  reg.  conc. 
XX,  143.  Bail  II,  291.  Labbe -Cossart  VII.  1056;  ed.  Coleti 
IX,  99.  Baluze  I,  261  (cc.  3-56).  Harduin  IV,  903.  Geor- 
gisch 585  (cc.  3-56).  Bouquet  V,  650  (cc.  3-5.  55.  56). 
Hartzheim  I,  323.  Mansi  XIII,  907  (cc.  1.  2).  XIII,  app. 
187  (cc.  3-56).  Walter  II,  113  (cc.  3-56).  MG,  LL.  I,  71. 
Migne  XCVII,  190.  MG.  Cap.  I,  73  (=  BM.  I  n.  316).  — 
Der  Inhalt  der  Hss.  Hannover  218  s.  XVIII. ,  vgl.  Bode- 
mann  38,  und  Rheims  E.  249.  326  s.  IX.,  vgl.  Archiv  VIII, 
393  (ist  diese  oder  die  Hs.  Paris  10758  die  von  Harduin 
IV,  865  erwähnte?),  ist  noch  zu  prüfen.  —  Zur  Synode 
vgl.  die  Urk.  Karls  vom  20.  Juli  794  (BM.  I  n.  318)  und 
Simson  II,  63.  Nicht  zu  den  Akten  gehört  das  oft  über- 
lieferte und  oft,  zuletzt  MG.  Epp.  IV,  520  gedruckte  Mahn- 
schreiben Paulins  von  Aquileja  an  Aistulph;  vgl.  dazu 
Waitz,  Neues  Archiv  I,  422.    Jaffe-E.  I-  n.  2324.^ 


474  Albert  Werminghoff, 

796.    Im  Lag-er  Pippins  jenseits  der  Donau. 
Dictatus  Paulini  patriarcbae.   'In  Dei  omnipotentis'.  — 
Hs.  Wien  458  s.  X.  —  Mansi   XIII,  921.    Jaffe,    Bibl.  VI, 
311.  —  Vgl.  BM.  I  n.  324f.     Simson  II,   128.  298  Anm.  7. 
Giannoni,  Paulinus  II.  43. 

796.  Cividale. 
Akten  der  Synode,  pr.  'Peg-nante  domino  nostro'; 
Eede  Paulins  von  Aqviileja:  'Nulli  prorsus  dubium'.  Sym- 
bolum  fidei:  'Credo  in  unum'.  Capitula.  C.  1  'Primum  igi- 
tur  ut  iuxta'  (14  cc).  —  Hss.  Müncben  14468  a.  821 
(Symbolum  fidei).  Eom,  Vat.  3827  s.  X.  XL  Vat.  reg.  Cbrist. 
1041  s.  XVII.  —  Surius  III,  257.  Bollanus-Nicolini  III, 
665.  Binius  III,  1,  404.  Coli.  reg.  conc.  XX,  47.  Labbe- 
Cossart  VII,  991;  ed.  Coleti  IX,  31.  Harduin  IV,  847. 
Paulini  opp.  ed.  Madrisi  63.  Mansi  XIII,  833.  Migne  XCIX, 
283.  —  Vgl.  den  Brief  Paulins  an  Karl  d.  Gr.,  MG.  Epp.  IV, 
516  (bier  zu  791  gestellt).  —  Ueber  das  Datum  der  Synode 
und  ibre  Bescblüsse  vgl.  Giannoni,  Paulinus  IL  88;  zum 
symbolum  fidei  vgl.  Paulins  regula  fidei,  MG.  Poet.  lat.  I, 
124,  dazu  Giannoni   76;    zu  c.  9  vgl.  MG.  Cap.  I,  232. 

798  (?)   Herbst.    Eiesbaeb. 

I.  Einladungsscbreiben  Arnos  von  Salzburg  zum 
20.  August.  'Solito  enim  more'.  -  Hs.  Müncben  19410  s.  IX. 
—  Pez,  Tbes.  anecd.  VI,  1,  74.  Pescb,  Ann.  eccl.  Sabion. 
III,  7.  Mansi,  Suppl.  I,  745.  Hartzbeim  II,  692.  Mansi  XIII, 
1029.  Dalbam,  Conc.  Salisb.  32.  Kleimayrn,  luvavia  Dipl. 
Anb.  60.    Binterim  I,  116  Anm.***.    MG.  LL.  III,  47  7. 

IL  Rundscbreiben  Arnos  an  den  Klerus.  'Diligeiiter 
investigavimus'.  —  Hs.  Müncben  4639  s.  XII.  —  Westen- 
rieder,  Beiträge  I,  22. 

III.  Zwei  Canones.  'Ut  nullus  clericus'.  'Festos  dies 
celebrare'.  Regino  de  syuod.  causis  I,  cc.  346.  378  ed. 
Wasserscbleben.  —  Datierung  und  Ordnung  des  Materials 
nacb  Hauck  II,  407  sq.,  im  Gegensatz  zu  Pettberg,  KG. 
II,  227,  Zeissberg,  Wiener  SB.  XLIII,  344  und  Hefele  III^, 
617.  626  Anm.  1. 

799  Anfang.  Rom. 
Fragmente  der  Ansprachen  Leos  III.  betr.  Felix  von 
Urgel  in  drei  Sitzungen  (actiones)  der  Synode.  Sirmond  II, 
244  ex  scbedis  Pitboeanis.  Coli.  reg.  conc.  XX,  262.  Labbe- 
Cossart  VII,  1149;  ed.  Coleti  IX,  213.  Harduin  IV,  927. 
Aguirre,  Conc.  Hisp.  IV,  115.  Mansi  XIII,  1031.  Villanuno, 
Summa  conc.  Hisp.  II,  198.  I-,  356.  —  Ueber  die  Zeit  vgl. 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    475 

Simson  II,  157  Anm.  2,  der  die  Synode  mit  Ja£Ee-E.  I-,  308 
und  Grössler,  Eislebener  ProgT.  1879,  23.  50  in  den  An- 
fang von  799  setzt,  während  Hefele  III-,  721  sie  dem 
September  798  zuweist. 

799    (Mai.  Juni).    Aachen. 

Erklärung  des  Felix  von  Urgel.  'De  caetero  ad  agni- 
tionem'.  —  Alcuini  opp.  ed.  Duchesne  998  ex  cod.  Remensi. 
Delalande  89.  Labbe-Cossart  VII,  1858;  ed.  Coleti  IX,  217. 
Harduin  lY,  929.  Paulini  opp.  ed.  Madrisi  246.  Aguirre 
IV,  41(3.  Mansi  XIII,  1035.  Alcuini  opp.  ed.  Froben  I,  917. 
Villanufio  II,  201.  I^,  357.  Migne  XCVI,  882.  Jaffe,  Bibl. 
VI,  535  (Ausz.).  MG.  Epp.  IV,  329  (desgl.).  —  Ueber  die 
Zeit  der  Synode  vgl.  Simson  II,  159.  Giannoni,  Paulinus  II. 
68;  Hefele  III 2,  722  verlegt  sie  in  den  October  798;  BM. 
I  n.  349  a  und  Dümmler,  MG.  Epp.  IV,  344  Anm.  8  (vgl.  aber 
Neues  Archiv  XVIII,  68)  in  den  Juni  800.  Grössler  29  setzt 
das  Glaubensbekenntiiis  des  Felix  in  die  zweite  Hälfte  des 
Jahres  800. 

7  9  9  (?)    8  0  0  (?). 
.   Riesbach  (Januar  2  0).    Freising.    Salzburg. 

Beschlüsse  der  drei  Synoden.  C.  1  'Ideoque  convenit 
supradictam  congregationem'  (32  cc,  erlassen  zu  Riesbach 
und  Freising;  über  die  vermuthliche  Zugehörigkeit  von 
cc.  1-5  zu  Riesbach,  von  cc.  6-32  zu  Freising  vgl.  He- 
fele III^,  729  Anm.  1);  C.  33  'Ut  infra  quadragesimam' 
(15  cc,  erlassen  zu  Salzburg).  —  Hs.  Wolfenbüttel,  Blank. 
130  s.  X.  Auszüge  in  den  Hss.  Gotha  membr.  I  n.  84  s.  X. 
XI.  Ivrea  33  s.  IX.  X.  Ivrea  34  s.  IX.  Modena,  Ord.  I  2 
s.  IX.  München  19416  s.  IX.  X.  —  MG.  LL.  I,  77.  Migne 
XCVII,  203.  MG.  LL.  III,  468.  Mittheil.  f.  Salzburger 
Landeskunde  XII,  348  (cc.  1.  4.  5.  11.  13.  14.  24.  25.  30). 
MG.  Gap.  I,  226. 

Zur  Riesbacher  Synode  gehören: 

L  Erlass  Karls  an  Arno  von  Salzburg.  C.  1  'Episcopi 
praedicare  debent'  (8  cc).  —  Hs.  Salzburg,  Erzbisch.  Arch. 
Fase  Synodalakten  796  s.  XVI.  —  Gärtner,  Gelehrte 
Unterhaltungen  I,  36.  MG.  LL.  III,  495.  Mittheil.  f.  Salzb. 
Landesk.  XII,  346  (=  BM.  I  n.  342  z.  J.  800). 

IL  Aufzeichnung  über  die  Synode,  pr.  'Arno  haec 
recitavit'.  C.  1  'Pro  remedio  animarum'  (9  cc).  —  Hs. 
Salzburg,  Erzbisch.  Arch.  Fase  Synodalakten  796  s.  XVI.  — 
Dalham,  Conc.  Salisb.  37  (unvollst.).  Gärtner,  a.  a.  0.  I,  37 
(Ausz.).  MG.  LL.  III,  474  (unvollst.).  496  (vollst.).  Mittheil, 
f.  Salzb.  Landesk.  XII,  346. 


476  Albert  Werminghoff, 

III.  Jordans  Auszug  aus  den  Cauones.  C.  1  'In  aede 
Sacra'  (12  cc).  —  Hansiz,  Germania  sacra  II,  110.  Mansi, 
Suppl.  I,  7-14.  ßesch,  Ann.  eccl.  Sabion.  I,  756.  Hartz- 
beim  II,  692.  Dalbam  83.  MG.  LL.  III,  475  mit  der  Ueber- 
setzung  von   Dückher,  Saltzburgiscbe  Chronica  37. 

IV.  Frag-ment  der  deutschen  Uebersetznng.  pr.  'Anno 
Domini  799.'  C.  1  'Nemblich  man  soll  in  der  Kirchen' 
(12  cc).  —  Dalham  36  ex  cod.  tabularii  Passaviensis.  Bin- 
terim  II,  110.  MG.  LL.  III,  476.  —  Vgl.  die  Urkunde  des 
Abts  Cundhar,  Meichelbeck,  Hist.  Frising.  I,  1,  94.  Litteratur- 
nachweise  s.  o.  bei  Riesbach  798  (?)  Herbst. 

800  December  (— 801  :-*).  Eom. 
Eeinigungseid  Leos  III.  'Auditum  (est)  fratres  caris- 
simi'.  —  Hss.  München  6241  s.  X.  XL  27246  s.  X.  Rom, 
Vat.  1348  s.  XII.  Würzburg,  üniv.-ßibl.  Mp.  th.  f.  46 
s.  IX.  —  Burchard  I,  c.  198.  Ivo,  Pan.  V,  c.  4.  Ivo,  Decr.  V, 
c.  313.  Gratian  c.  18  C.  II  qu.  5  (mut.);  vgl.  auch  BM.  I 
n.  361a.  —  Eckhart,  Comment.  II,  2.  MG.  LL.  II,  15.  Jaffe, 
Bibl.  IV,  378.  Pflugk-Harttung,  Acta  II,  26.  MG.  Epp.V,  63. 
—  Zur  Synode  vgl.  Hinschius  I,  300.  Hefele  III-',  737.  Jaffe- 
E.  I-,  310.     BM.  I  n.  360  f.     Simson  II,  224. 

Um  8  00.    Nantes. 

Beschlüsse.  C.  1  'Ut  dominicis'  (20  cc).  —  Hss.  Paris, 
Ste.  Genevieve  166  s.  XII.  (c.  3).  Wien  2198  s.  X.  (cc  12. 
19).  —  Surius  III,  569.  Bollanus-Nicolini  III,  42.  Binius 
III,  2,  1045.  Sirmond  III,  601.  Coli.  reg.  conc.  XXIV,  676. 
Labbe-Cossart  IX,  468;  ed.  Coleti  XI,  657.  Harduin  VI, 
1,  457  mit  Varianten  eines  cod.  Puteanus.  Mansi  XVTII, 
165.  —  4  vereitere  Canones  bei  Ivo,  Decr.  II,  c  118.  VI, 
c.  152.  257.  258.  —  Die  Zeit  der  Synode,  die  Hefele  III 2,  104 
vermuthungsweise  in  das  Jahr  658  setzt,  ergiebt  sich  daraus, 
dass  c.  3  =  Benedict.  Lev.  III,  c  376,  c  10  =  Benedict. 
Lev.  III,  c  375  und  c  12  =  Cap.  Theodulfi  alterum  (bei 
Migne  CV,  213)  sind.  Hauck  II,  659  Anm.  1  setzt  sie  mit 
Recht  in  den  Anfang  des  9.  Jh.;  vgl.  noch  Cabassutius, 
Notitia  ecclesiastica  (1690),  364. 

801  November.  Aachen. 
I.  Gesetzvorschlag  oder  Beschlüsse  (vgl.  BM.  I  n.  369). 
C.  1  'Ut  cuncti  sacerdotes'  (22  cc).  —  Hss.  Ashburnham, 
Barrois  43  s.  XL  XII.  München  14508  s.  X.-XIV.  Paris 
9654  s.  X.  XI.  Rom,  Vat.  Pal.  582  s.  IX.  X.  —  Sirmond 
11,249.  Le  Cointe  VI,  778.  Labbe-Cossart  VII,  1178;  ed. 
Coleti  IX,  250.    Baluze  I,  357.    Harduin  IV,  957.    Martene 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    477 

et  Durand,  Coli.  VII,  26.  Georgisch  621.  Mansi  XIV, 
app.  255.  Walter  II,  154.  MG.  LL.  I,  87.  Migne  XCVII, 
217.  MG.  Cap.  I,  105  (hier  zur  Aachener  Synode  vom 
October  802  gestellt).  —  Ueber  die  Capitelzähluug  vgl.  BM. 
I  n.  369;  über  die  Capitel  der  Hs.  Ashburnham,  Barrois  43 
vgl.  MG.  Cap.  I,  106. 

II.  Unterweisung  über  die  bei  der  Prüfung  der  Geist- 
lichen zu  beachtenden  Punkte.  C.  1  'Primo  omnium  ad- 
monendi'  (9  cc).  —  Opp.  Hincmari  ed.  Cordesius  683.  Le 
Cointe  VII,  228.  Baluze  I,  351  ex  schedis  Sirmondi.  Ge- 
orgisch 805.  Mansi  XIV,  app.  361.  Walter  II,  280.  MG. 
LL.  I,  160.  Migne  XCVII,  323.  MG.  Cap.  I,  237  ('de  ipsis 
[sc.  capitulis]  iudicium  nostrum  incertum  manere  debet').  — 
Vgl.  MG.  Cap.  I,  107.  109,  dazu  BM.  I  n.  370  gegenüber 
den  Ansetzuügen  von  Boretius.  —  Ueber  die  Synode  und 
ihre  Beschlüsse  vgl.  gegen  Waitz  III-,  331  die  Ausführungen 
von  Müllenhoff  und  Scherer,  Denkmäler  II,  239  ed.  Stein- 
meyer, denen  sich  im  wesentlichen  BM.  I  n.  368  a.  369. 
570  anschliesst. 

80  2  März.    Aachen. 

Es  bleibt  ungewiss,  ob  und  wie  weit  das  Capitulare 
Karls,  MG.  Cap.  I,  91,  zurückgeht  auf  Beschlüsse  der  Synode, 
an  der  mit  BM.  I  n.  368a.  372 e  gegen  Simson  II,  271.  274 
festzuhalten  sein  wird;  Hefele  III-,  742  spricht  nur  von 
einer  Versammlung,  ohne  sie  näher  zu  charakterisieren. 
BM.  I  n.  373,  vgl.  n.  384,  bezeichnet  es  als  fraglich,  ob  das 
ganze  Capitulare  dem  Frühjahr  802  angehört.  Geistliche 
Angelegenheiten  werden  von  c.  10  an  (bis  c.  24)  behandelt, 
dem  nämlichen  Capitel,  mit  welchem  Mühlbacher  das 
eigentliche  Capitulare,  'eine  wie  es  scheint  nur  für  diese 
eine  Mission  bestimmte  Instruktion  der  Königsboten',  an- 
fangen lässt.  Der  Kaiser  spricht  (c.  10  sqq.)  durchgängig 
in  der  ersten  Person;  nur  in  c.  16  ist  von  ihm  auch  ein- 
mal in  der  dritten  Person  die  Hede.  —  Vgl.  auch  MG. 
Cap.  I,  99  (=  BM.  I  n.  374.  375)  und  102  (=  BM.  I  n.  384, 
liier  zur  Aachener  Synode  vom  October  802  gestellt). 

802    October.      Aachen   (Reichstag    und    Synode). 

Welche  Capitularien  Karls  auf  die  Berathungen  der 
Synode  zurückgehen,  ist  strittig.  Hefele  III 2,  745  stellt 
hierher  MG.  Cap.  I,  109.  234.  235.  107;  Boretius  dagegen 
MG.  Cap.  I,  105.  107.  109;  BM.  I  n.  384  nur  MG.  Cap.  I,  102, 
während  MG.  Cap.  I,  105  zum  Jahre  801  gesetzt  (vgl.  BM.  I 
n.  369)  und  MG.  Cap.  I,  107  als  'Weisungen  eines  mit  der 


478  Albert  WerminghofE. 

Ausführung  der  'iussa  Karoli'  betrauten  Missus'  bezeichnet 
werden,  die  gleich  MG.  Cap.  I,  109  noch  zur  Aachener 
Synode  vom  November  801  gestellt  sind  (vgl.  BM.  I  n.  370). 
Simson  II,  276  Anm.  2  verzeichnet  nur  die  Vermuthung  von 
Boretius.  —  Zur  Synode  vgl.  Ann.  Laureshamenses,  MG. 
SS.  I,  38;  dazu  Maassen,  Geschichte  der  Quellen  und 
Literatur  des  kanonischen  Rechts  I,  469.  —  Ueber  die 
früher  mit  dieser  Synode  in  Verbindung  gebrachten  Statuta 
Murbacensia  s.  unten  zu  817   Juli  10. 

804.  St.  Emmeram  bei  Regensburg. 
Tegernsee  (Juni  16). 
Beschluss  betr.  das  Kloster  Tegernsee.  'Brevem  com- 
memoratorium  de  causa  S.  Mariae  ...  et  b.  Corbiniani  .  .  . 
domo  episcopali,  qui  dicitur  Frigisinga'.  —  Hs.  Cozrohs  Cod. 
trad.  eccl.  Frising.,  München  Reichsarchiv  Freising  3^  (alt 
187).  —  Meichelbeck,  Hist.  Frising.  I,  2,  92.  Mansi,  Suppl. 
I,  747.     Hartzheim   I,  384.     Mausi   XIV,   19.    Mon.    Boica 

VI,  151  (=  Hühner,  Gerichtsurkk.  I  n.  170).  —  Hefele  III 2, 
746  irrig  zu  803  Juni   14. 

805  Mai.    Freising? 
Beschluss.   pr.  'Anno  natale  Domini  805.'    'üt  in  una- 
quaque  sede'  (1  c).  —  Hs.  München  6244  s.  IX.  —  Archiv 

VII,  806.    MG.  LL.  III,  479. 

807  Januar  16.  Salzburg. 
Beschluss  über  den  Zehnten.  'Dum  se  congregasset'.  — 
Hss.  München  6244  s.  IX.  Cozrohs  Codex  trad.  eccl.  Frising., 
München  Reichsarchiv  Freising  3*  (alt  187).  —  Brunner, 
Ann.  Boiorum  II,  51.  II-,  21.  Meichelbeck,  Hist.  Frising. 
I,  2,  154.  Labbe-Cossart  ed.  Coleti  IX,  274.  Hartzheim 
I,  389.  Mansi  XIV,  15.  Dalham,  Concil.  Salisb.  43.  MG. 
LL.  III,  479;  vgl.  252.  Pagi  zu  Baronius  807  n.  11  (Ausg. 
der  Annales  ecclesiastici  durch  Theiner  XIII,  413). 

810  Anfang.  Rom. 
Leos  III.  'collatio  cum  missis'  Karls  über  das  Glaubens- 
bekenntnis. 'Lectis  a  praedictis  missis'.  —  Hss.  Escorial, 
San  Lorenzo  c  II,  21  s.  XVIL  Paris  3160A  s.  XV.  Rom, 
Vat.  3790  s.  XVI.  —  Baronius  809  n.  53  ex  cod.  Antonii 
Augustini.  Binius  III,  1,  449.  Sirmond  II,  256.  Coli.  reg. 
conc.  XX,  319.  Vorburg,  Hist.  X,  336.  Labbe  -  Cossart  VII, 
1194;  ed.  Coleti  IX,  278.  Harduin  IV,  969.  Hartzheim  I, 
394.  Mansi  XIV,  18  coli,  cum  cod.  univ.  Taurinensis. 
Migne  CII,  971.  —   Zur  Ueberschrift  vgl.  Traube,  Textge- 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    479 

schichte  der  Regula  S.  Benedict!  118;  zum  Datum  vgl. 
Simson  II,  408  Anm.  3  gegen  Jaffe-E.  I^,  313;  über  den 
Charakter  der  Verhandlungen  vgl.  Hinschius,  KR.  III,  715 
Anm.  3.  Hauck  II,  304.  —  Ueber  die  Verhandlungen  der 
Aachener  Synode  vom  November  809  vgl.  BM.  I  n.  433c. 
Simson  II,  403. 

813   Mai  10.    Arles. 

Beschlüsse,  pr.  'Dum  anno  XLVI.'.  C.  1  'Secundum 
divin as  enim  scripturas'  (26  cc).  —  Hss.  Köln  (deperd.). 
München  3853  s.  X.  (c.  22).  6245  s.  X.  (c.  18).  27246  s.  X. 
Novara  LXXI  (134)  s.  X.  —  Crabbe  II  (1551),  616.  Sagit- 
tarius  365.  Joverius  II,  fol.  93'.  Surius  III,  270.  Bollanus- 
Nicolini  III,  679.  Binius  III,  1,  451.  Sirmond  II,  266. 
Bail  II,  295  (nur  die  Canones).  Coli.  reg.  conc.  XX,  328. 
Labbe-Cossart  VII,  1231;  ed.  Coleti  IX,  319.  Harduin  IV, 
1001.    Mansi  XIV,  55. 

813  Mai.    Rheims. 

Beschlüsse,  pr.  'Hie  est  ordo'.  C.  1  'Capitulum  pri- 
mum  est'  (44  cc).  —  Hss.  Köln  (deperd.).  München  27246 
s.  X.  Novara  LXXI  (134)  s.  X.  —  Crabbe  II  (1538), 
fol.  CXXm.  Crabbe  II  (1551),  638.  Sagittarius  392.  Jo- 
verius II,  fol.  101'.  Flacius  lUyricus,  Ecclesiastica  historia 
cent.  IX,  374.  Surius  III,  291.  Bollanus-Nicolini  III,  700. 
Binius  III,  1,  468.  Sirmond  II,  287.  Coli.  reg.  conc.  XX, 
361.  Bail  II,  309.  Labbe-Cossart  VII,  1253;  ed.  Coleti 
IX,  339.     Harduin  IV,  1017.     Mansi  XIV,  75. 

8  1  3  Juni.    Mainz. 

Beschlüsse,  pr.  'In  nomine  patris  .  .  .,  Almificae  reve- 
rentiae  vestrae'.  C.  1  Initium  enim  actionis'  (56  cc).  —  Hss. 
Köln  (deperd.).  München  3853  s.  X.  (c.  40).  5541  pars  s.  XI. 
(c.  27.  29.  31.  33.  34-37.  40.  41.  44).  19414  s.  XL  XII. 
(34  oder  35  cc).  27246  s.  X.  Novara  LXXI  (134)  s.  X. 
Venedig,  San  Marco  ins  can.  11  s.  XV.  Wien  751  s.  X. 
(pr.,  c  1-15  med.).  Wien  2198  s.  X.  (c  27).  —  Crabbe  II 
(1538),  fol.  CXni.  Crabbe  II  (1551),  630.  Sagittarius  383. 
Joverius  II,  fol.  99.  Flacius  Illyricus,  Eccl.  hist.  cent.  IX, 
363.  Surius  III,  285.  Bollanus-Nicolini  III,  693.  Binius 
III,  1,  462.  Sirmond  II,  273.  Coli.  reg.  conc.  XX,  329. 
Bail  II,  304.  Labbe - Cossart  VII,  1239;  ed.  Coleti  IX,  327. 
Harduin  IV,  1007.  Lünig,  RA.  XV,  581.  Hartzheim  I,  404. 
Mansi  XIV,  63.  —  Zum  Datum  vgl.  Simson  II,  502  Anm.  4. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  31 


480  Albert  Wermiiighoff. 

813.    Chalon  an  der  Saone. 

Beschlüsse,  pr.  'Auxiliante  doniiuo  nostro'.  C.  1  'De- 
crevim^^s  mxta  sanctorum'  (66  cc).  —  Hss.  Chartres  172 
s.  XL  (c.  29).  Köln  (deperd.).  München  27246  s.  X.  29084 
s.  IX.  X.  (cc.  19.  26.  30).  Novara  LXXI  (134)  s.  X.  Wien 
751  s.  X.  (cc.  20-66).  Wien  2198  s.  X.  (c.  31).  —  Crabbe  II 
(1551),  623.  Sagittarius  374.  loverius  II,  fol.  96.  Flacius 
Illyricus,  Eccl.  bist.  cent.  IX,  387.  Snrius  III,  278.  Bol- 
lanus-Nicolini  III,  686.  Binius  III,  1,  457.  Sirmond  II, 
306.  Coli.  reg.  conc.  XX,  388.  Bau  II,  299.  Labbe-Cossart 
VII,  1270;  ed.  Coleti  IX,  357.  Hardnin  IV,  1029.  Mansi 
XIV,  91. 

8  13.    Tours. 

Beschlüsse,  pr.  'Quantum  piissimi  imperatoris'.  C.  1 
'Primo  ominum  admonuimus'  (51  cc).  —  Hss.  Köln  (deperd.). 
München  3853  s.  X.  (c.  39).  27246  s.  X.  Novara  LXXI  (134) 
s.  X.  Paris  3859  s.  IX.  ex.  (Auszüge);  vgl.  Theiner,  Dis- 
quis.  criticae  149.  Wien  751  s.  X.  (c.  1-12  med.).  — 
Crabbe  II  (1551),  619.  Sagittarius  369.  loverius  II,  fol.  94'. 
Placius  Illyricus,  Eccl.  bist.  cent.  IX,  378.  Surius  III,  274. 
Bollanus  -  Nicoliui  IIL  682.  Binius  III,  1,  455.  Sirmond  II, 
294.  Coli.  reg.  conc.  XX,  371.  Bau  II,  296.  Labbe-Cossart 
VII,  1259;  ed.  Coleti  IX,  349.  Harduin  IV,  1021.  Mansi 
XIV,  81.  —  Zu  sämmtlichen  Synoden  des  Jahres  813  vgl. 
Simson  II,  500  sqq.  Jacobs,  Cottbuser  Progr.  1863,  7.  10.  — 
Auf  ihre  Beschlüsse  gehen  zurück:  1.  Concordantia  (epi- 
scoporum).  C.  1  'De  scrutinio  faciendo'  (33  cc).  —  Hss. 
München  27246  s.  X.  Novara  LXXI  (134)  s.  X.  —  MG. 
LL.  II,  552.  —  2.  Brevis  annotatio  capitulorum. 
'De  fide  catholica'  (121  cc).  —  Hss.  München  27240  s.  X. 
Novara  LXXI  (134)  s.  X.  Wien  751  s.  X.  —  Archiv  VII, 
791.  —  Ueber  die  Capitula  e  canonibus  excerpta,  MG. 
Cap.  I,  173,  vgl.  Hefele  III-,  766.  BM.  I  n.  468.  Simson 
II,  519  Anm.  6.  Ketterer,  Karl  d.  Gr.  und  die  Kirche  138 
Anm.  7. 

816  August  ( —  September).    Aachen. 

I.  Liber  de  institutione  canonicorum.  pr.  'Cum  in 
nomine  sanctae'.  C.  1  'Tonsurae  ecclesiasticae  usus'  (145  cc). — 
Hss.i  Albi  36  s.  IX.;  vgl.  Catal.  I,  488.  Albi  37  s.  IX.- 
XII.;  vgl.  ibid.  I,  489.  Angers  383  s.  IX.;  vgl.  Wiener  SB. 
LIX,  449.    Arras  685  s.  XII.;  vgl.  Catal.  IV,  272.    Bamberg 


1)  Die  Herren  Dr.  Bloch,  Müller,  Roessler  und  von  Winterfeld 
haben  mich  durch  Notizen  über  Florentiner,  Metzer,  Römische  und 
Müuchener  Hss.  zu  verbindlichstem  Danke  verpflichtet. 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    481 

P.  I  13  s.  IX.  (unvollst,  und  schlecht);  vgl.  Jaeck  I,  59.  Berlin, 
Hamilton  31  s.  IX.;  vgi.  Neues  Archiv  VIII,  330.  Bordeaux 
11  s.  XII.  (pr.,  cc.  1-36.  93-145);  vgl.  Catal.  XXIII,  10. 
Charleville  23  s.  XV.  (unvollst.);  vgl.  ibid.  V,  554.  Chartres 
61  (99)  s.  IX.;  vgl.  ibid.  XI,  29.  Chaumont  38  s.  XII.  XIII. 
(un vollst.);  vgl.  ibid.  XXI,  16.  Cheltenham  389  s.  X.;  vgl. 
Wiener  SB.  CXXVI,  VI,  13.  Neues  Archiv  XXII,  674.  Chel- 
tenham 3508  s.  XII.;  vgl.  ibid.  XXII,  678.  Cheltenham  6546 
s.  IX.;  vgl.  Maassen,  Bibl.  I,  3,  180.  Wiener  SB.  CXXVII, 
IX,4.  Neues  Archiv  IV,  595.  [Cheltenham  (Thorpe),  vgl.  Archiv 
VII,  101,  nicht  näher  bestimmbar].  Darmstadt  s.  IX.,  im 
Jahre  1820  Besitz  Dahls;  vgl.  Archiv  II,  243.  Escorial, 
Bibl.  S.  Laur.  d.  I  1  s.  X.;  vgl.  Neues  Archiv  VI,  238.  Escorial, 
Bibl.  S.  Laur.  Q.  II  22  (=  Rö  Q.  II  22)  s.  XII.;  vgl.  ibid. 

VI,  272.  Archiv  VIII,  817.  Escorial,  Bibl.  S.  Laur.  E.  III 
10  s.  XI.  XII.;  vgl.  Neues  Archiv  VI,  281.  Florenz  (vorher  Ash- 
burnham,  Libri06)  23  (20?)  s.XL;  vgl.  ibid.  IV,  610.  XIV,  200. 
Florenz,  S.  Crucis  XXI  dextr.  12  s.  X.  Florenz,  Laur. 
XVI.  17  s.  XII.  XIII.  Florenz,  Bibl.  Magliab.  J.  VIII  2 
s.  XL  ex.  (pr.,  cc.  1-3.  144.  145);  vgl.  Neues  Archiv  III,  422. 
Florenz,  Eiccard.  256  (K.  3.  27)  s.XL  (pr.,  cc.  1-27  mut., 
c.  36  mut. -113  mut.,  c.  120  mut.- 145  mut.);  vgl.  Archiv 
XII,  729.  ?Hamburg  XXII  cod.  chart.;  vgl.  Archiv  VI, 
230.  Laon  336  s.  IX.;  vgl.  Catal.  I,  185.  Le  Maus  267 
s.  XVIII. ;  vgl.  ibid.  XX,  193.  Lille  161  s.  XV.;  vgl.  ibid. 
XXVI,  119.  London,  Mus.Britt.  Add.  14801  s.XL;  vgl.  Neues 
Archiv  IV,  350.    Maihingen  (Wallerstein)  38  s.  X. ;  vgl.  ibid. 

VII,  179.    Merseburg  42  s.  IX.  (in  Unordnung);  vgl.  Archiv 

VIII,  664.  Merseburg  63  s.  XIV.  (140  cc);  vgl.  ibid.  VIII, 
666.  Metz  44  s.  XIV.;  vgl.  Catal.  V,  20.  Montpellier  85 
s.  XII.;  vgl.  Catal.  I,  318.  Montpellier  238  s.  IX.  X.;  vgl. 
ibid.  I,  376.  München  767  s.  XV.;  vgl.  Catal.  III,  1,  147. 
München  6255  s.  X.;  vgl.  ibid.  III,  3,  80.  München  14413 
s.  XL  (und  XIV.  XV.);  vgl.  ibid.  IV,  2,  168.  München 
17165  s.  XII.;  vgl.  ibid.  IV,  3,  84.  Paris  1534  s.  IX.;  vgl. 
Maassen,  Bibl.  I,  2,  199.  Paris  1535  s.  X.;  vgl.  ibid.  Paris 
1536  s.  X.  (c.  14  sqq.);  vgl.  ibid.  I,  2,  200.  Paris  1537  s.  XL; 
vgl.  ibid.  Paris  1538  s.  XL  (unvollst.);  vgl.  ibid.  Paris  1539 
s.XL;  vgl.  ibid.  Paris  1540  s.  XII.;  vgl.  ibid.  Paris  1568 
s.  X.-XIV.  (unvollst.);  vgl.  Catal.  III,  153.  Paris  1587 
s.  X.;  vgl.  Maassen,  Bibl.  I,  2,  209.  Paris  5244  s.  XIII. 
(unvollst.);  vgl.  Catal.  IV,  59.  Paris  16569  s.  XL  XII.; 
vgl.  Delisle,  Inventaire  fasc.  IV,  67.  Paris  17649  s.  XL; 
vgl.  ibid.  fasc.  V,  60.  Paris,  Nouv.  acq.  1600  (früher  Orleans 
123,  dann  Ashburnh.-Libri  39)  s.  IX.  (unvollst.);  vgl.  Archiv 

31* 


482  Albert  WerminghofE. 

VIII,  391.  Delisle,  Fonds  Libri  et  ßarrois  42.  Neues  Archiv 
IV,  609.  Paris,  Mazar.  676  s.  XIV.  (pr.,  cc.  1.  2);  vgl.  Catal.  I, 
306.  Pistoja,  Domkapitel;  vgl.  Archiv  XII,  755.  ?Rbeims 
G.  599.  595  s.  IX.;   vgl.  ibid.  VIII,  394.     Eom,  Bibl.  Chis. 

C.  VIII.  238  s.  XV.;    vgl.  ibid.  XII,  390.    Eom,  Bibl.  Chis. 

D.  VI.  82  s.  IX.,  vgl.  ibid.  XII,  390,  ist  jetzt  verloren.  Eom, 
Bibl.  Vallicell.  B.  32  s.  XI.;  vgl.  ibid.  XII,  422.  Eom,  Vat. 
1339  s.  XI.  in.  (c.  145,  abgedr.  bei  Theiner,  Disquis.  cri- 
ticae  291).  Eom,  Vat.  1351  s.  XI.;  vgl.  ibid.  XII,  226. 
Eom,  Vat.  4885  s.  XI.;  vgl.  Mansi  XIV,  283.  Archiv  XII, 
244.  Eom,  Vat.  4896  s.  XVI.,  kein  Druck,  wie  Archiv  XII, 
244  angegeben.  Eom,  Vat.  Christ.  1575  s.  XIII.;  vgl.  ibid. 
XII,  322.  Eom,  Vat.  Ottobon.  38  s.  X.;  vgl.  ibid.  XII,  357. 
Eom,  Bibl.  Vitt.  Emman.  2096  Mss.  Sessoriani  52  (vordem 
S.  Crucis  52)  s.  XI.;  vgl.  Mansi  XIV,  247.  Archiv  XII,  397. 
Sanct  Gallen  286  s.  IX.  (c.  145);  vgl.  Steinmeyer  und  Sievers 
IV,  447.  Sauet  Gallen  1398''^  (11)  s.  IX.  (Auszüge);  vgl. 
Scherrer  468.  Schlettstadt  94  s.  XI.;  vgl.  Catal.  III,  587. 
Sens  45  s.  XIIL  (c.  27  sqq.);  vgl.  ibid.  VI,  158.  Trier  1280 
(61)  s.  XIIL;  vgl.  Archiv  VII,  140.  Verdun  6  s.  XIII.;  vgl. 
Catal.  V,  431.  Vieh,  Cath.41  s.  XL;  vgl.Neues  Archiv  VI,  340. 
Viterbo,  Dom  s.  XIIL;  vgl.  Archiv  XII,  475.  Wien  501 
s.  X.;  vgl.  Tabulae  I,  83.  Wien  2090  s.  XL  XII.;  vgl.  ibid. 
II,  10.  Wolfenbiittel,  August.  (Auszüge?);  vgl.  Archiv  VII, 
224.  Wolfenbüttel,  Extravag.  227;  vgl.  ibid.  VII,  225.  — 
Crabbe  II  (1551),  638.  loverius  II,  fol.  103  (nur  cc.  114-145, 
bei  den  übrigen  cc.  Quellennachweise).  Surius  III,  293. 
Bollanus-Nicolini  III,  703.  Binius  III,  1,  473.  Goldast, 
Const.  imp.  III,  164.  Sirmond  II,  329.  Coli.  reg.  conc. 
XX,  430.  Labbe -  Cossart  VII,  1307;  ed.  Coleti  IX,  399. 
Harduin  IV,  1055.  Lünig,  EA.  XV,  41.  Hartzheim  I,  430. 
Mansi  XIV,  147;  vgl.  XIV,  283  das  Stück  aus  Hs.  Eom, 
Vat.  4885.  Kleimajrn,  luvavia  Anh.  69  (pr.  und  Index 
capitulorum).     Migne  CV,  815. 

IL  Liber  de  institutione  sanctimonialium.  pr.  *Hanc 
Constitutionen!'.  C.  1  'Audi,  filia,  et  vide'  (28  cc).  —  Hss. 
?  Brüssel  3380  s.  XII. ;  vgl.  Inventaire  68.  Cheltenham  6546 
s.  IX;  s.  oben.  Montpellier  85  s.  XIL;  s.  oben.  München 
14431  s.  IX.;  vgl.  Catal.  IV,  2,  171.  Paris  1534  s.  IX. 
(unvollst.);  s.  oben.  Paris  1568  s.  X.-XIV.;  s.  oben.  Eom, 
Bibl.  Vitt.  Emman.  2096  Mss.  Sessoriani  52  s.  XL;  s.  oben. 
Würzburg,  Univ. -Bibl.  mp.  th.  q.  25  s.  IX.;  vgl.  Archiv  VII, 
109.  Verzeichnis  9.  —  Sirmond  II,  405  e  cod.  Nicolai  Fabri 
in  bibl.  Thuana  (nach  Harduin  IV,  1147  in  bibl.  Colbertina, 
ob   heute    Cod.  Paris.  1568?);    vgl.  p.  684,  wo  Verweis   auf 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    483 

einen  Codex  Antisiodorensis.  Coli.  reg.  conc.  XX,  576. 
Labbe-Cossart  VIT,  1406;  ed.  Coleti  IX,  495.  Harduin  IV, 
1147.  Hartzheim  I,  514.  Mansi  XIV,  249.  Migne  CV, 
935.  —  lieber  die  Quellen  der  Beschlüsse  vgl.  Scbenkl, 
V^iener  SB.  CXXVII,  IX,  4;  über  ihr  Verhältnis  zur  Eegel 
Chrodegangs  vgl.  Oelsner,  Pippin  206.  Hefele  IV'',  17;  über 
ihre  Benutzung  durch  Pseudoisidor  vgl.  Hinschius,  Drecre- 
tales  Ps.-Isidorianae  CXXIV.  Zum  Datum  der  Synode  vgl. 
Zeumer,  GGA.  1882,  1423,  der  die  Ansetzung  Simsons  I,  90 
Anm.  5  widerlegt.  Zur  Synode  vgl.  Hefele  IV-,  9.  Schneider, 
Entwickelung  der  bischöflichen  Domkapitel  33.  Hauck  II, 
533.  BM.  I  n.  602a;  dazu  die  Schreiben  Ludwigs  an  Arno 
von  Salzburg,  Sicharius  von  Bordeaux  und  Magnus  von 
Sens,  MG.  Cap.  I,  338  (=  BM.  I  n.  635-637);  dazu  das 
Wahres  und  Falsches  vermischende  Fragmentum  historicum 
de  concilio  Aquisgranensi,  Mabillon,  Vetera  Analecta  I,  52, 
auch  bei  Bouquet  VI,  445. 

817  Juli  10.  Aachen. 
Capitulare  monasticum.  pr.  'Anno  ine.  dom.  n.  J.  Chr. 
817.'.  C.  1  'üt  abbates'  (80  cc).  —  Hss.  Admont  712  s.  XI.- 
XIII.  Bamberg  A.  II  53  s.  X.  (XI.  XII.  ?).  Berlin  theol. 
fol.  355  s.  IX.  Brüssel  10274-10280  s.  XII.  Cheltenham 
24275  s.  XII.  Dresden  A.  128  s.  XII.  Gent  506  s.  X.  XI. 
(Fragm.).  London,  Cotton.  Tiber.  A.  III.  s.  XL  Mailand, 
Ambr.  S.  17  sup.  s.  XL  Merseburg  58  s.  IX.  X.  Monte 
Cassino  175  s.  XL  353  s.  X.  München  18583  s.  XL  Paris 
1535  s.  X.  2826  s.  IX.  X.  4761  s.  X.  (im  jetzt  verlorenen 
Theil).  Eom,  ?Barb.  XL  64  s.  IX.  X.  Barb.  XIV.  19  s.  IX. 
Ronen  1385  s.  X.  XL  (28  cc).  Turin  G.V.  4  s.  X.  G.V.  38  s.  X. 
Wolfenbüttel,  Heimst.  532  s.  IX.  X.;  über  Anordnung  und 
Inhalt  der  von  Boretius  benutzten  Hss.  vgl.  MG.  Cap.  I, 
343.  —  Bened.  Levit.,  add.  IL  (nicht  gedruckt  bei  Baluze 
und  MG.  LL.  II,  2).  —  Binius  III,  1,  521.  Goldast,  Coiist. 
III,  220.  Sirmond  II,  435.  Coli.  reg.  conc.  XXI,  23.  Labbe- 
Cossart  VII,  1505;  ed.  Coleti  IX,  597.  Baluze  1,579.  Har- 
duin IV,  1228.  Lünig,  RA.  XV,  107.  Herrgott,  Vetus  disc. 
monast.  23.  Georgisch  821.  Hartzheim  II,  13.  Muratori, 
SS.  IV,  607.  Mansi  XIV,  app.  393.  Walter  II,  313.  MG. 
LL.  I,  201.  Migne  XCVII,  381.  MG.  Cap.  I,  343  (=  BM. 
I  n.  631).  —  Verloren  ist  die  'Constitutio  de  abbatibus  regu- 
laribus  eligendis',  vgl.  MG.  Cap.  I,  349,  sowie  die  'Consti- 
tutio de  servitio  monasteriorum',  auf  welch'  letztere  die 
'Notitia  de  servitio  monasteriorum',  MG.  Cap.  I,  849,  zurück- 
geht, vgl.  aber  Puckert,  Berichte  der  sächs.  Ges.  der  Wiss. 


484  Albert  Werminghoff. 

1890,  46  ff.  —  Vgl.  Simson  I,  85  Anm.  .3.  Hefele  IV-',  24; 
über  das  Verhältnis  des  Capitulars  zu  den  Statuta  Murba- 
censia  (Pez,  Thes.  nov.  anecd.  II,  3,  370)  vgl.  Seebass,  Zeitschr. 
f.  Kircheng-eschichte  XII,  322. 

819  Januar.     Aachen  (Reichstag   und[?]   Synode). 
Auf   Beschlüsse   der   vielleicht   versammelten    Synode 
gehen  zurück : 

I.  Erlass  Ludwigs.  'Quia  iuxta  apostolum'.  —  Hs. 
Paris  2718  s.  XI.  XII.  —  Baluze  I,  561.  Georgisch  807. 
Bouquet  VI,  415.  Hartzheim  I,  542.  Mansi  XIV,  app.  379. 
Carpeutier,  Alph.  tir.  3.  Walter  II,  298.  MG-.  LL.  I,  204. 
Migne  XCVII,  393.     Schmitz,  Mon.  tach.  I.  45.    MG.  Gap. 

1,  273  (=  BM.  I  n.  629,  vgl.  n.  659a.  S.  781). 

II.  Capitula  proprie  ad  episcopos  .  .  .  pertinentia. 
C.  1  'Quia  iuxta  sanctorutn  patrum'  (29  cc).  —  Hss.  Berlin 
162,  Phill.  1737  s.  X.  Gent  83  s.  X.  (cc.  1-6).  Gotha 
membr,  I  n.  84  s.  X.  XI.  Ivrea  34  s.  IX.  Kopenhagen, 
Alte  Königl.  Sammlung  1943  s.  IX.  Montpellier  136  s.  IX. 
Paris  4280  A  s.  X.  4626  s.  X.  XL  4788  s.  IX.  X.  18238 
s.  IX.  X.  Wolfenbüttel,  Blank.  130  s.  X.  —  Sirmond  II,  148. 
Coli.  reg.  conc.  XX,  627.  Labbe-Cossart  VII,  1478;  ed. 
Coleti  IX,  569.  Baluze  I,  563.  Harduin  IV,  1213.  Georgisch 
811.  Mansi  XIV,  app.  381.  Carpentier  5.  Walter  II,  300. 
MG.  LL.  I,  206.  Migne  XCVII,  395.  MG.  Cap.  I,  275 
(=  BM.  I  n.  630,  vgl.  S.  781). 

8  22  August.  Attigny. 
Erklärung  der  Bischöfe  auf  der  mit  dem  Reichstag 
verbundenen  Synode.  C.  1  'Dei  igitur  omnipotentis'  (6  cc).  — 
Hss.  Einsiedeln  191  s.  VIII.  IX.  Valenciennes  154  s.  IX. 
Wolfenbüttel,  Blank.  130  s.  X.  —  MG.  LL.  I,  231.  Migne 
XCVII,  445.  MG.  Cap.  I,  357.  —  Vgl.  den  Brief  Agobards 
von  Lyon,  MG.  Epp.  V,  166.  Simson  I,  178  Anm.  7.  180 
Anm.  5.     BM.  I  n.  733  a. 

82  5  Mai.     Corte    Olona   (Reichstag   und    Synode). 

Auf  Synodalbeschlüsse  gehen  zurück: 

T.  Capitulare  Lothars.  C.  1  'Placuit  nobis,  ut  si  pro 
quibuslibet'  (10  cc).  —  Hss.  Gotha  membr.  I  n.  84  s.  X. 
XI.  Heiligenkreuz  217  s.  X.  (cc  1.  4.  5.  8.  10).  Ivrea  34 
s.  IX.  La  Cava  22  s.  XL  (cc.  1-4.  7-10).  Modena,  Cath. 
Ord.  L  2  s.  X.  München  3853  s.  X.  (cc.  1.  4.  5.  8.  10). 
Paris  3878  s.  X.  (desgl.).  Rom,  Bibl.  Chis.  F.  IV.  75  s.  X.  (cc  1  -  4. 
7-10).    Wolfenbüttel,  Blank.   130  s.  X.  —  Muratori,  SS.  I, 

2,  151.    Mansi  XIV,  483.    Canciani  I,  210.    MG.  LL.  I,  248. 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    485 

Migne  XCVII,  473.  Cod.  dipl.  Cavensis  IV,  2,  53.  MG.  Cap. 
I,  326  (=  BM.  I  n.  991,  wo  Näheres  über  die  Aufnahme 
einzelner  cc.  in  den  Liber  Papiensis);  über  diejenige  des 
c.  10  in  die  Lex  ßomana  canonice  compta  vgl.  Maassen, 
Gesch.  I.  891,    und  in  einzelne  Hss.  vgl.  MG.  Cap.  I,  326. 

II.  Capitulare  Lothars.  C.  1  'lubemus,  ut  baptisma- 
lium'  (7  cc,  deren  letztes  vermuthlich  späterer  Zusatz).  — 
Hss.  Ivrea  34  s.  IX.  La  Cava  22  s.  XL  Rom,  Bibl.  Chis.  F.  IV 
75  s.  X.  Vercelli  174  s.  IX.  X.  Wolfenbüttel,  Blank.  130 
s.  X.  —  MG.  LL.  I,  250.  Migne  XCVII,  477.  Cod.  dipl. 
Cav.  IV,  2,  54.  MG.  Cap.  I,  328  (=  BM.  I  n.  992).  —  Vgl. 
Simson  I,  237. 

825  November.     Paris. 

I.  Schreiben  des  Kaisers  Michael  und  des  Caesar 
Theophilus  von  824  April  10.  'Notum  esse  non  ambigi- 
mus'.  —  Hs.  Paris  1597  A  s.  IX.  —  Sjnodus  Parisiensis 
(Ausg.  von  1596,  hier  nicht  paginiert).  Baronius  824  n.  17. 
Goldast,  Decr.  de  cultu  imaginum  611.  Goldast,  Const.  I, 
151.  Vorburg,  Hist.  XL  127.  Delalande  106.  Bouquet  VI, 
386  (Fragm.).  Mansi  XIV,  417.  Migne  CIV,  1314  (Fragm.); 
vgl.  Simson  I,  218. 

IL  Schreiben  der  Synode  an  Ludwig  und  Lothar 
nebst  Belegen  über  die  Bilderverehrung.  'Nos  servi  ac 
fidelissimi  oratores'.  C.  1  'Congruum  necessariumque  iudi- 
cavimus'  (unvollst,  in  16  cc,  darin  Entwürfe  von  Schreiben 
an  Eugen  IL  sowie  an  Michael  und  Theophilus).  —  Hs. 
Paris  1597A  s.  IX.  —  Synod.  Paris.  1.  Flacius,  Catal. 
test.  verit.  ed.  4^.  II,  199.  ed.  5^*.  1123  (Auszüge).  Baronius  825 
n.  7  (nur  das  Schreiben);  n.  15.  24  (die  Entwürfe);  n.  37 
(der  Schluss).  Goldast.  Decreta  626.  Goldast,  Const.  I,  154. 
Vorburg,  Hist.  XI,  137  (Auszüge).  Delalande  109.  Bouquet 
VI,  338  (nur  das  Schreiben).  Mansi  XIV,  421.  Migne 
XCVIII,  1299  (nur  das  Schreiben). 

III.  Schreiben  Ludwigs  und  Lothars  an  Hieremias 
von  Seus  und  Jonas  von  Orleans.  'Venerunt  ad  praesen- 
tiam'.  —  Hs.  Paris  1597  A  s.  IX.  —  Synod.  Paris.  125. 
Flacius,  Catal.  test.  verit.  ed.  4^.  H,  231.  ed.  5^.  1155. 
Baronius  825  n.  50.  Goldast,  Decreta  749.  Goldast,  Const. 
I.  187.  Sirmond  II,  460.  Coli.  reg.  conc.  XXI,  92.  Vor- 
burg, Hist.  XI,  151.  Labbe - Cossart  VII,  1649;  ed.  Coleti 
IX,  648.  Baluze  I,  643.  Le  Cointe  VII,  771.  Harduin  IV, 
1260.  Bouquet  VI,  341.  Mansi  XV,  app.  435.  Walter  II, 
365.  Migne  XCVIII.  1348.  CIV,  1316.  Quantin,  Cartul. 
de  l'Yonne  I,  36  {=  BM.  I  n.  794). 

IV.  Schreiben    derselben    an    Eugen  IL     'Quia   vera 
citer'.  —  Hss.  Paris  1597A  s.  IX.     Rom,  Ottobon.  38  s.  X- 


486  Albert  Werminghoff. 

abweichend  vom  Druck;  vgl.  Archiv  XII,  357.  —  Sjnod. 
Paris.  123.  Flacius,  Catal.  test.  verit.  ed.  4*.  II,  230.  ed. 
5*.  1155.  Baronius  825  n.  47.  Goldast,  Decreta  747.  Goldast, 
Const.  I,  186.  Sirmond  II,  459.  Coli.  reg.  conc.  XXI,  90. 
Baluze  I,  645.  Vorburg-,  Hist.  XI,  150.  Le  Cointe  VII,  771. 
Labbe -  Cossart  VII,  1648;  ed.  Coleti  IX,  647.  Harduin  IV, 
1259.  Bonquet  VI,  342.  Mansi  XV,  app.  437.  Walter  II, 
366.  Migne  XCVIII,  1347.  CIV,  1317  (=  BM.  I  n.  795).  — 
Zur  Synode  vgl.  Simson  I,  247,  Die  Vermuthungen  Eichners, 
Zeitschr.  f.  -wissenschaftl.  Theologie  XLI,  559,  sind  unan- 
nehmbar. 

82  6  Juni.  Ingelheim  (Reichstag  und  Synode). 
Vorschläge  der  Bischöfe  sind  nach  BM.  I  n.  804c  die 
von  Pertz,  MG.  LL.  I,  253  dieser  Versammlung  zuge- 
schriebenen Capitula  excerpta  aus  Ansegis  II,  cc.  29-46; 
hievon  sind  cc.  1  und  2  =  lustiniani  epitome  novellarum 
luliani  const.  VII,  cc.  1.  2  (32.  33)  =  MG.  Cap.  I,  310  [420]; 
cc.  3-18  Auszüge  aus  den  Beschlüssen  der  Synoden  von 
Mainz,  Chalon,  Tours  und  Arles  v.  J.  813,  auch  in  der  Hs. 
München  29085  s.  IX.  X.  =  MG.  Cap.  I,  311  [421].  — 
Vgl.  Simson  I,  254  Anm.  9.     Hefele  IV '^  47. 

826  November  12.     Eom. 

I.  Capitula  admonitionis  Eugenii  papae.  Tratres  et 
coepiscopi'.  —  Hs.  Wolfenbüttel,  Blank.  130  s.  X.  —  MG. 
LL.  II,  2,  12.     Migne  :^CVII,  688. 

IL  Beschlüsse,  pr.  'In  nomine  Domini'.  C.  1  'Bea- 
tissimi  Pauli  discretione'  (38  cc).  —  Hss.  Florenz,  Bibl. 
aedil.  82  s.  X.  Rom,  Vallicell.  C.  19,  C.  23,  C.  27,  alle  s.  XVI.; 
ob  sie  auch  I  enthalten,  bleibt  zu  prüfen.  Wolfenbüttel, 
Blank.  130  s.  X.  —  Hss.  mit  Auszügen  (vgl.  Maassen,  Gesch. 

I,  308,  dazu  Neues  Archiv  XIX,  675.  XXII,  668.  Rose, 
Verzeichnis  der  Meermanhss.  164.  Theiner,  Disquisit.  cri- 
ticae  278):  Berlin  82,  Phill.  1741  s.  X.  (cc.  13-15.  18-22). 
Cambridge,  Coli.  corp.  Christi  19  s.  XII.  Mailand,  Ambros. 
S.  33  sup.  s.  IX.  München  3860  s.  X.  3860 '^  s.  X.  29084 
s.  IX.  X.  (cc.  23.  27-29.  32).  Oxford,  Bodl.  Land.  893  s.  X. 
Paris,  St.  Germain  Harl.  386  s.  X.  ?Rom,  Vat.  1339  s.  XL 
in.  ?Rom,  Vat.  1342  s.  X.  Vercelli  CXI  s.  X.  Verdun  46 
(21)  s.  X.  XL    Verona  LXIII  s.  X.  —  Holsten,  Coli.  Rom. 

II,  7  ex  cod.  Barber.  Labbe  -  Cossart  VIII,  103;  ed.  Coleti 
IX,  1117.  Harduin  V,  61.  Mansi  XIV,  999  coli,  cum  cod. 
Lucano  124  s.  XL;  vgl.  Archiv  XII,  704.  MG.  LL.  II,  2,  14. 
Migne  XCVII,  691.  MG.  Cap.  I,  370.  —  Ueber  Canones  bei 
Deusdedit,    Coli.  can.  I,    cc.  122.  124.   III,    cc.  19.  49  vgl. 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742  —  843.    487 

JafPe-E.  1\  321.  —  Zur  Synode  vgl.  Ae.  L.  Eichter,  Beitr. 
z.  Kenntnis  des  kanonischen  Rechts  49.  Hefele  IV '^  48. 
Sinison  I,  280;  dazu  die  Akten  der  römischen  Synode  vom 
8.  December  853,  Mansi  XIV,  1009. 

8  27  Juni  6.     Mautua. 

Urtheil  über  das  Verhältnis  Grados  zu  Aquileja. 
'Reg-nante  domino  uostro'.  —  Rubels,  De  scism.  eccl.  Aqui- 
lejensis  224  ex  cod.  bibl.  Vallicell.  Labbe-Cossart  ed. 
Coleti  IX,  657.  Rubels,  Mon.  eccl.  Aquil.  414.  Mansi  XIV, 
493.  —  Vg-1.  Simson  I,  281.  Hefele  IV-,  50.  BM.  I  n.  814. 
1164.  W.  Meyer,  Die  Spaltung  des  Patriarchats  Aquileja  16. 
MG.  Epp.V,  313-315. 

8  2  9.     Mainz,    Lyon,    Toulouse,    Paris. 

I.  Erlass  Ludwigs  von  828  Dec.  'Anno  sexto  decimo'. 
—  Hss.  Bamberg  P.  I  1  s.  IX.  X.  Barcelona  40  s.  XL 
Berlin  163,  Phill.  1762  s.  X.  Bonn  402  s.  XII.  Paris  4417 
s.  IX.  X.  4628A  s.  X.  4638  s.  X.  XL  4761  s.  X.  9654 
s.  X.  XL  10758  s.  IX.  X.  Rom,  Vat.  Christ.  417  s.  IX. 
X.  Vat.  Pal.  582  s.  IX.  X.  Schaffhausen,  St.  Johann  74 
s.  XL  XII.  —  Sirmond  II,  464.  Coli.  reg.  conc.  XXI,  134. 
Labbe-Cossart  VII,  1580;  ed.  Coleti  IX,  692.  Baluze  I,  653. 
Harduin  IV,  1279.  Georgisch  889.  Bouquet  VI,  438. 
Hartzheim  II,  43.  Mansi  XV,  app.  441.  Walter  II,  371. 
MG.  LL.  I,  327.  Binterim  I,  115.  Migne  XCVII,  592.  MG. 
Cap.  II,  2  (=  BM.  I  n.  827,  erste  Hälfte). 

IL  Rundschreiben  Ludwigs  und  Lothars  (an  die 
Geistlichkeit,  vgl.  BM.  I  n.  828)  von  828  Dec.  'Recordari  vos 
credimus'.  —  Hss.  Barcelona  40  s.  XL  Rom,  Vat.  3827 
s.  X.  XL  Vat.  Christ.  1041  s.  XVII.  —  Surius  III,  358. 
Baronius  828  n.  29.  Bollanus-Nicolini  III,  769.  Binius 
III,  1,  1540.  Goldast,  Const.  II,  15.  Sirmond  II,  475. 
Coli.  reg.  conc.  XXI,  149.  Pithou,  Preuves  des  libertez 
II-,  1254.  Vorburg,  Hist.XI,  186.  Labbe-Cossart  VII,  1590; 
ed.  Coleti  IX,  701.  Baluze  I,  657.  Lünig,  RA.  IV,  11.  Har- 
duin IV,  1289.  Bouquet  VI,  344.  Heumann,  Comment.  I,  452. 
Hartzheim  II,  52.  Le  Cointe  VIII,  4.  Mansi  XIV,  529. 
XV,  app.  443.  Walter  II,  375.  MG.  LL.  I,  329.  Migne 
XCVII,  598.   CIV,  1322.   MG.  Cap.  II,  3  (B)  {=  BM.  I  n.  828). 

III.  Rundschreiben  derselben  (an  die  Laien,  vgl.  Hefele 
IV-,  55)  von  828  Dec.  'Recordari  vos  credimus'.  —  Sirmond 
II,  404.  Coli.  reg.  conc.  XXI,  135.  Labbe-Cossart  VII,  1581; 
ed.  Coleti  IX,  693.  Baluze  I,  653.  Harduin  IV,  1280. 
Bouquet  VI,  343.    Hartzheim  II,  44.    Georgisch  891.    Mansi 


488  Albert  WerminghofE. 

XY,  app.  441.  Walter  II,  372.  MG.  LL.  I,  329.  Migne 
XCVII,  597.  CIV,  1319.  MG.  Cap.  II,  3  (A)  (=  BM. 
I  11.  829).  —  Von  den  Beschlüssen  der  vier  angeordneten 
Synoden  sind  die  der  Lyon  er  (über  ihre  Verhandlungen 
vgl.  Simsoii  I,  393)  und  Toulouser  verloren;  über  die 
Mainzer  im  Juni  829  vgl.  die  Fragmente  der  Fuldaer 
Briefsammlung,  Forsch,  z.  Deutschen  Gesch.  V,  387.  MG. 
Poet.  lat.  III,  708.     Simson  I,  312   Anm.  4. 

IV.  Synode  zu  Paris. 

Beschlüsse  von  829  Juni  6  in  3  Büchern.  Lib.  I.  pr. 
'Sicut  humanae  infirniitati'.  C.  1  'Causae  ad  religionem' 
(54  cc).  Lib.  IL  pr.  'Hactenus  de  causis'.  C.  1  'Hex  a 
recte'  (13  cc).  Lib.  III.  pr.  'Nos  famuli  vestri'  (auch  bei 
Bouquet  VI,  345.  Migne  CIV,  1524).  C.  1  'Igitur  quia 
constat'  (27  cc).  —  Hss.  Paris  5516.  Eoin,  Vat.  3827  s.  X. 
Vat.  Christ.  1041  s.  XVII.  —  Surius  III,  359.  Bollanus- 
Nicolini  III,  771.  Binius  III,  1,  542.  Sirmond  II,  477. 
Coli.  reg.  conc.  XXI,  152.  Labbe -  Cossart  VII,  1592;  ed. 
Coleti  IX,  704.  Harduin  IV,  1291.  Mansi  XIV,  532.  — 
Vgl.  die  Urkunde  des  Bischofs  Inchad  von  Paris,  de 
Lasteyrie,  Cartul.  gen.  de  Paris  I,  42.  —  Ueber  die  ver- 
lorenen 'capitula  ad  laicorum  fidelium  observationem'  vgl. 
MG.  Cap.  II,  45  Anm.  59,  wo  Litteratur  über  das  Ver- 
hältnis der  Schrift  des  Jonas  von  Orleans  'de  institutione 
laicali'  zu  diesen  capitula  und  seiner  Schrift  'de  institutione 
regia'  zu  den  erhaltenen  Beschlüssen.  —  Ueber  die  Synode 
vgl.  Simsoii  I,  315.  Hefele  IV-,  57.  Dümmler  I-,  48  und 
unten  832  Jan.  22.  St.  Denis. 

V.  Rescriptum  consultationis  sive  exortationis  ad 
domnum  Hludowicum  imperatorem.  pr.  'Xos  famuli  vestri'. 
C.  1  'Primum  fundamentum  christianae'  (62  cc).  —  Hss. 
Gotha  membr.  I  n.  84  s.  X.  XL  Heiligenkreuz  217  s.  X. 
(pr.  und  c  1-45).  Modena,  Ord.  12  s.  X.  ex.  München 
3853  s.  X.  (pr.  und  c  1-45).  29084  s.  IX.  X.  (Fragm. 
der  pr.).  Paris  3878  s.  X.  (pr.  und  c  1-45).  Wien  502 
s.  XL  —  Bened.  Levit.,  add.  II  (=  cc.  35-62),  MG.  LL. 
II,  2,  117.  —  MG.  LL.  I,  332.  Migne  XCVII,  601.  MG. 
Cap.  II,  26  mit  Angabe  der  Quellen,  hauptsächlich  der 
Pariser  Beschlüsse;  über  das  wahrscheinlich  im  August  829 
auf  dem  Reichstage  zu  Worms  vorgelegte  Aktenstück  vgl. 
Simson  I,  323.  Hefele  TV-,  73  und  die  Einleitung  der 
Ausgabe  von  Boretius. 

830  November  2  0.     Langres. 
Urkunde   Alberichs   von  Langres.     'Notum   sit   Omni- 
bus'.   —    Chron.    Besuense,    Hs.    Paris    4997    s.    XII.    — 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    489 

d'Achery,  Spicil.  I,  509.  II '-,  406.  Analecta  Divionensia 
I,  257.  —  Vgl.  BM.  I  n.  849. 

(829?).   832  Januar  22.     St.  Denis. 

I,  Synodale  praeceptum.  '.  .  .  .  tia  prudentium 
virorum'.  —  Paris,  Arch.  nat.  K.  9  n.  7.  —  Mabillon,  De 
re    dipl.    518,    facs.    450.    ed.    2^    518,    facs.    450.    ed.    3=^ 

I,  538,  facs.  466.  Mansi,  Suppl.  I,  858.  Mansi  XIV,  633. 
— ■  Wohl  veranlasst  durch  die  Pariser  Synode  von  829,  aber 
deshalb  nicht  nothwendig  mit  ihr  gleichzeitig,  vgl.  BM. 
I  n.  876. 

II.  Partitio  bonorum  der  Abtei  St.  Denis  von  832 
Jan.  22.  '.  .  .  .  dinis  oculum'.  —  Mabillon  519,  facs.  450. 
ed.  2=^  519,  facs.  450.  ed.  3^  I,  538,  facs.  466.  Pelibien, 
Hist.  de  St.  Denys  pr.  49.  Mansi,  Suppl.  I,  860.  Mansi 
XIV,  636.  —  Vgl.  BM.  I  n.  876.  877.     Hefele  IV-,  77. 

833  October.     Compiegne. 
Auf    die    Beschlüsse    der    auf    dem   Reichstage    (vgl. 
Simson  II,  6.    BM.  I  n.  897  a)  gesondert  berathenden  Geist- 
lichen gehen  zurück: 

I.  Exauctoratio  Hludowici.  pr.  'Omnibus  in  christiana 
religione'.  C.  1  'Videlicet  sicut  in  eadem'  (8  cc).  — 
Pithoeus,  SS.  coaetanei  322.  Baronius  833  n.  9.  Binius 
III,  1,  573.  Goldast,  Const.  II,  16.  Sirmond  II,  560. 
Duchesne,  SS.  II,  331.  Coli.  reg.  conc.  XXI,  278.  Vorburg, 
Hist.  XI,  251.  Labbe-Cossart  VII,  16S6;  ed.  Coleti  IX,  801. 
Hardnin  IV,  1377.  Lünig,  RA.  XV.  111.  Bouquet  VI,  243. 
Mansi  XIV,  647.  MG.  LL.  I,  366.  Migne  XCVII,  659. 
MG.  Cap.  II,  51. 

II.  Urkunde  Agobards  von  Lyon.  'I.  n.  D.  .  .  .  anno 
ine.  eius  833.  ego  Agobardus'.  —  Hs.  Paris  2853  s.  IX.  — 
Masson,  Agobardi  opp.  378.     Baronius  833  n.  20.     Sirmond 

II,  564.  Duchesne,  SS.  II,  329.  Coli.  reg.  conc.  XXI,  285. 
Baluze,  Agobardi  opp.  II,  73.  Vorburg,  Hist.  XI,  255. 
Labbe-Cossart  VI,  1691;  ed.  Coleti  IX,  806.  Bibi.  patr. 
Lugd.  XIV,  319.  Harduin  IV,  1382.  Bouquet  VI,  24(;. 
Mansi  XIV,  652.  MG.  LL.  I,  369.  Migne  XCVII,  664. 
CIV,  319.     MG.  Cap.  II,  56. 

835  Februar-März.     Diedenhofen. 

I.     Resignation    Ebos    von    Rheims    von    835   März  4. 

'Ego  Ebo  indignus'.    —   Hss.  Berlin  89,    Phill.   1765    s.  X. 

XL    Brüssel  5413-5422  s.  X.    Rom,Vat.  Pal.  576  s.  IX.  ex. 

—  Hinkmar  De  praed.  c  36,  Hincmari  opp.  ed.  Sirmond  I,  324. 


490  Albert  Werrainghoff. 

Apolog-eticiim  Ebonis,  d'Acherj,  Spie.  VII,  180.  III 2,  336. 
Narratio  clericorum  Remensium,  Duchesne,  SS.  II,  341. 
Flodoard  Hist.  eccl.  Rem.  II,  c.  20,  MG.  SS.  XIII,  473. 
MG.  LL.  I,  370.  MG.  Gap.  II,  57;  vgl.  die  Stelle  aus 
Cod.  Pal.  576  (auch  im  Cod.  Bruxell.  5413—22)  bei  Labbe- 
Cossart  VII,  1698. 

II.  Protokoll  über  die  Resignation  Ebos,  bestehend 
aus  der  obigen  Verzichtsurkunde  und  dem  bei  Hinkmar, 
1.  1.  überlieferten  Stück  'Acta  est  haec  Ebonis  professio' 
u.  s.  w.  —  Hs.  Laon  407  s.  IX.  X..  als  Bestandteil  der 
von  der  Synode  zu  Troyes  867  an  Nicolaus  I.  gesandten 
Akten. 

III.  Brief  des  Plorus  von  Lyon  an  die  Synode. 
'Audite,  patres'.  —  Martene  et  Durand,  Coli.  IX,  666 
ex  mss.  Pelteriano  et  Harlaeano.  Mansi,  Suppl.  I,  867. 
Hartzheim  II,  66.  Mansi  XIV,  663.  Migne  CXIX,  94; 
vgl.  Simson  II,  185.  Hefele  IV-,  87.  —  lieber  die  mit 
dem  Reichstag  verbundene  Synode  vgl.  Simson  II,  126. 
BM.  I  n.  909a-c.  — Vgl.  unten  838  Sept.  Quierzy. 

8  36  Februar.     Aachen. 

I.  Reformvorschläge  in  3  Büchern.  Lib.  I.  De  vita 
episcoporum.  pr.  'I.  n.  s.  T.  cum  convenissemus  episcopi'. 
C.  1  'Initium  enim  episcopalis'  (12  cc).  Lib.  II:  a)  De 
doctrina  episcoporum.  pr.  'Cousultum  enim  est'.  C.  1  'Primo 
visum  est'  (12  cc);  b)  De  vita  et  doctrina  inferiorum 
ordinum.  pr.  'Quia  vero  de  vita'.  C  1  'Ut  abbates  canonici' 
(16  cc).  Lib.  III.  De  persona  regis  filiorumque  eins  et  mini- 
strorum.  pr.  'Tertium  quoque  capitulum'.  C  1  'Ut  quid 
rex'  (25  cc).  —  Hs.  Wolfenbüttel,  Heimst.  365  s.  X.  —  Surius 
III,  409.  Bollanus-Nicolini  III,  821.  Binius  III,  1,  575. 
Sirmond  II,  574.  Coli.  reg.  conc.  XXI,  295.  Labbe-Cossart 
VII,  1700;  ed.  Coleti  IX,  815.  Harduin  IV,  1387.  Hartz- 
heim II,  73.  Mansi  XIV,  671.  —  üeber  die  Quellen  vgl. 
die  Anm.  zu  MG.  Cap.  II,  26  n.  196;  über  die  Beziehungen 
zu  Pseudoisidor  vgl.  Knust,  De  f ontibus  .  .  .  Ps.  -  Isidorianae 
collectionis  11  und  Hinschius,  Decretales  Pseudoisidorianae 
CXXVI. 

IL  Denkschrift  an  Pippin  von  Aquitanien  in  3  Büchern. 
Lib.  I.  pr.  'Nos  igitur  fidelissimi'.  C.  1  'Sunt  enim  non- 
nulli'  (38  cc).  Lib.  IL  pr.  'Praesens  opusculum'.  C.  1  'Dixit 
autem  losue'  (31  cc).  Lib.  III.  pr.  'In  fine  praecedentis'. 
C.  1  'Ait  enim  inter  cetera'  (27  cc).  —  Hss.  Berlin  87, 
Phill.  1763  s.  IX.  X.  Bern  303  s.  IX.  X.  Köln  125  s.  IX. 
London,   Add.  10459    s.  IX.     Metz  226    s.  XL   —   Crabbe 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    491 

II  (1551),  703.  Sagittarius  402.  loverius  II,  fol.  111. 
Surius    III,    428.       Bollanus  -  Nicolini    III,    840.       Binius 

III,  1,  583.  Sirmond  II,  596.  Coli.  reg.  conc.  XXI,  336. 
Labbe-Cossart  VII,    1727;    ed.    Coleti   IX,   842.      Harduiu 

IV,  1408.  Hartzheim  II,  91.  Mansi  XIV,  696.  —  Ver- 
loren ist  ein  kürzeres  Schreiben  an  Pippin,  vgl.  Einleitung- 
zu  II.  —  üeber  die  Synode  vgl.  Simson  II,  148.  BM. 
I  n.  923  a.     Dümmler  I-,  114. 

838  September.    Quierzy  (Reichstag  und  Synode). 

I.  Brief  des  Florus  von  Lyon  an  die  Synode.  'Obsecro, 
mansuetissimi'.  —  Hs.  Paris  13371  s.  X.  —  Martene  et  Du- 
rand, Coli.  IX,  641.  Mansi  Suppl.  I,  869.  Hartzheim  II,  67. 
Mansi  XIV,  663.    Migne  CXIX,  71.    MG.  Epp.  V,  267. 

II.  Desselben  'opusculum  de  causa  fidei'.  'Ees  nu- 
perrime  apud  Carisiacum'.  —  Hs.  Paris  13371  s.  X.  — 
Martene  et  Durand.  Coli.  IX,  649.  Mansi,  Suppl.  I,  875. 
Mansi  XIV,  741.  Migne  CXIX,  80.  —  Vgl.  Simson  II,  183. 
Hefele  IV-,  97.  Mönchemeier,  Amalar  von  Metz  44  ver- 
sucht den  Nachweis,  dass  der  Brief  des  Florus  an  die 
Synode  zu  Diedenhofen  (vgl.  oben  z.  J.  835)  und  der  zweite 
Theil  des  opusculum  zusammen  eine  Rede  des  Florus  auf  der 
Synode  zu  Quierzy  bildeten,  während  der  erste  Theil  des 
opusculum  den  eigentlichen  Bericht  über  diese  Synode  ent- 
halte. 

838  Oktober  15.     Toul. 

Urkunde  Frothars  von  Toul.    'Perspicue  cognoscimus'. 

—  Calmet,  Hist.  de  Lorraine  I,  pr.  484.  II  ^  pr.  CXXVl. 
Hartzheim  II,  136.  Gallia  christ.  XIII,  instr.  450  ex 
archivo  S.  Apri;  vgl.  447  (=  Mabillon,  De  re  dipl.  524). 

840   Mai  12.     Le  Mans. 
Urkunde  Aldrichs  von  Le  Mans.    'Cum  in  Dei  nomine'. 

—  Gesta  Aldrici  c.  5S,  Baluze  Mise.  III,  146;  ed.  Mansi 
I,    112. 

840   Mai   12.     Chieti. 
Urkunde    Theoderichs    von    Chieti.      'Cum     synodali 
more'.    —   Ughelli,    Italia   sacra  VI-,  679.      Mansi   Suppl. 
I,  897.     Mansi  XIV,  779. 

840  August.     Ingelheim. 
Urkunde  Lothars  I.  von  840  luni  24  (über  das  Datum 
vgl.   Mühlbacher,  Wiener   SB.    LXXXV,  511).     'Quia   con- 
fessio  delictorum'.  —  Hss.  Laon  407  s.  IX.  X.    Paris,  Nouv. 


492  Albert  Werminghoff. 

acq.  469  (Copie  Sirmonds  aus  Hs.  der  Abtei  Herivaux).  — 
Flodoard  Hist.  Eem.  II,  c.  20,  MG.  SS.  XIII,  473.  MG. 
Cap.  II,  111.  Codex  üdalrici,  Gretser,  Divi  Bambergenses 
523.  —  Goldast,  Const.  I,  189.  Sirmoiid  II,  631.  Coli, 
reg.  conc.  XXI,  399.  Labbe-Cossart  VII,  1771;  ed.  Coleti 
IX,  905.  Baluze  II,  341.  Hardiüu  IV,  1447.  Gallia  ehrist. 
IX,  instr.  6.  Hartzheim  II,  139.  Maiisi  XIV,  773.  XVII, 
app.  II,  233.  Walter  III,  262.  MG.  LL.  I,  374  (=  BM. 
I  11.  1038,  wo  weitere  Drucke  verzeichnet  sind).  —  Vgl. 
Apologeticum  Ebonis,  d'Achery,  Spie.  VII,  175.  III '^,  335 
(ob  dessen  2.  Theil  als  Beschluss  einer  Rheimser  Synode  von 
840  Dez.  6  anzusehen  ist,  bleibt  ungewiss;  vgl.  Hampe, 
Neues  Archiv  XXIII,  186,  der  darauf  hinweist,  dass  die 
Synode  von  Soissons  i.  J.  853  das  Schriftstück  als  gefälscht 
hinstellte);  Narratio  clericorum  Remensiuni,  Duchesne,  SS. 
II,  341.  342;  Schreiben  der  Synode  von  Troyes  867  und 
Karls  an  Nikolaus  I.,  Mansi  XV,  791.  796.  —  Zur  Synode 
vgl.  Hefele  IV-',  100.     Dünimler  I^,  142. 

842.     Mailand? 

Urkunde  Angilberts  von  Mailand.  "Notuin  esse  cupi- 
mus'.  —  Muratori,  Ant.  Ital.  V,  985.  Sassi,  Ser.  arch. 
Med.  II,  290.  Gradonicus,  Brix.  sacra  121.  Mansi,  Suppl. 
I,  903.  Mansi  XIV,  791.  Cod.  dipl.  Langob.  257;  vgl. 
ibid.  245.  

Anhang. 

Zeitlich  unbestimmbar  und  noch  zu  untersuchen 
bleiben: 

1.  8  Canones  einer  Pariser  Synode,  die  Mansi 
IX,  749  als  Anhang  der  Synode  zu  Paris  von  556  —  573 
(MG.  Conc.  I,  141)  zusammenstellt  und  als  der  'disciplina 
sub  Ludovico  Pio  vel  saltem  saeculo  IX.'  entsprechend 
bezeichnet,  worin  ihm  Hefele  III-,  14  zustimmt. 

2.  7  oder  8  Canones  einer  Synode  zu  Ronen,  die 
Bessin,  Conc.  Eotomag.  14  und  Mansi  XIV,  107  der  Zeit 
Ludwigs  des  Pr.  zuweisen. 

3.  16  Canones  einer  Synode  zu  Ronen,  die  u.  a. 
Bessin,  a.  a.  o.  8  und  Bruiis,  Canones  II,  268  ins  Jahr  658 
setzen,  während  sie  Harduin  VI,  1,  206  mit  dem  ersten 
Herausgeber  Pommeraye  in  die  Zeit  Ludwigs  des  Stammlers 
{t  879)  verlegt.  Hefele  III-,  96  glaubt  sie  in  karolingischer 
Zeit  entstanden,  Hauck  II,  660  Amn.  2  in  der  Zeit 
Ludwigs  des  Frommen. 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    493 

II.    Acta  spuria. 

7  10  April  29.     Lüttich. 
Canones.     C.  1    'Forma  verborum'  (10  cc).   —  Eobert, 
Vita  S.  Huberti   166.     Hartzheim  I,  32.   —  Vgl.  Binterim, 
Prag-m.  Gesch.  II,  13.     Hefele  III'-',  361. 

747. 

Entsetzung  des  Mainzer  Bischofs  Cervilio.  C.  1  'Ger- 
vilionem  Moguntinum'  (2  cc).  —  Goldast,  Const.  I,  15. 
Lünig,  RA.  XVI,  1  (=  BM.  I  n.  50). 

7  53  Januar.  Rom. 
Schreiben  Stephans  II.  'ßesidentibus  nobiscum'.  — 
Mabillon.  Acta  SS.  ord.  S.  Ben.  IV,  1,  5.  Ughelli,  Italia 
Sacra  II-,  84.  Muratori,  SS.  I,  2,  189.  Mansi,  Suppl. 
I,  601.  Mansi  XII,  567.  Bull.  Rom.  E.  T.  I,  241.  Migne 
LXXXIX,  1019.  MG.  SS.  rer.  Lang.  567  (hier  Hadrian 
zugewiesen)  (=  JafPe-E.  I^  n.  2309).  —Vgl.  Hefele  III 2,  577  K 

7  74  Juni.  Rom. 
Decret  Hadrians  I.  'Adrianus  papa  Romanus'.  — 
Hss.  Douay  7U0  s.  XII.  Paris  4282  s.  XII.  Rom,  Vat.  1984 
s.  XI.  XII.  —  Ivo,  Pan.  VIII,  c.  135.  Gratian  c.  22 
D.  LXIII.  —  lieber  die  Quelle  der  Fälschung  und  ihre  Ver- 
werthung  vgl.  Bernheim,  Forsch,  z.  Deutsch.  Gesch.  XV,  633. 
Weitere  Nachweise  bei  Hinschius,  KR.  I,  229.  Jaffe-E. 
l\  292.     BM.  I  n.  159b.     Abel-Simson  I,  175. 

788  (?)  Juni  27.  Narbonne. 
Spruch  über  die  Grenzen  der  parochia  Narbouensis. 
'Anno  ine.  dorn.  788.'.  —  De  Catel,  Memoires  de  l'histoire 
du  Languedoc  743  ex  arch.  Narbon.  Delalande  85.  Labbe- 
Cossart  VII,  964;  ed.  Coleti  IX,  1.  De  Marca,  De  concor- 
dantia  sacerdotii  et  imperii  II,  163.  11%  923.  III  •\  174. 
III^  174.  Le  Cointe  VI,  464.  Harduin  IV,  821.  Devic  et 
Vaissete,  Histoire  gen.  de  Languedoc  I,  pr.  26.  ed.  2^  II, 
pr.  54.  Gallia  christ.  VI,  instr.  2.  Mansi  XIII,  821.  — 
Vgl.  Proben  bei  Migne  CI,  307,  dagegen  Hefele  III-,  662. 
Grössler,  Eislebener  Progr.  1879,  45. 


1)  Fälschungen  im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  möchte  ich  nicht 
die  drei  von  Petrus  a  Thymo,  Historia  Brabantiae  diplom.  ed.  Reiffenberg 
I,  196  zu  einer  angeblichen  Synode  von  Worms  770  gestellten  Canones 
nennen;  vgl.  BM.  I  n.  135b. 


494  Albert  Werminghoff. 

821  October.     Diedenhofen. 

I.  Vorschlag-  der  Bischöfe,  pr.  'In  concilio  apud  Theo- 
donisvillaui'.  C.  1  'Si  quis  subdiacoiuim'  (4  cc).  —  Hss. 
Gotha  inembr.  I  n.  84  s.  X.  XI.  Köln  124  s.  XI.  (pr.). 
München  3853  s.  X.  (pr.  mut.).  Prag,  Böhm.  Mus.  277  s.  XI. 
(pr.,  cc.  1-3)  (ob  gleich  Böhm.  Mus.  I.  G.  13  s.  X.'?).  Prag, 
Univ.  VIII  H.  7  s.  XII.  Eom,  Vat.  Pal.  584  s.  XII.  ?Eom, 
Vat.  1350  s.  XII.  —  Crabbe  II  (1538),  fol.  CXXV'.  II  (1551), 
704.  Sagittarius  396.  loverius  II,  fol.  102.  Goldast,  Const. 
11,13.  Surius  III,  269.  Bollanus-Nicolini  III,  677.  Binius 
III,  1,  470.  Sirmond  II,  445.  Coli.  reg.  couc.  XXI,  46. 
Le  Cointe  VII,  573.  Labbe-Cossart  VII,  1519;  ed.  Coleti 
IX,  611.  Baluze  I,  625.  Harduin  IV,  1237.  Georgisch  865. 
Hartzheim  II,  23.  Mansi  XIV,  389.  XV,  app.  425;  vgl. 
Mansi  Suppl.  I,  823.  Walter  II,  351.  Theiner,  Disquis. 
criticae  320.  MG.  LL.  II,  2,  5.  Migne  XCVII,  677.  MG. 
Cap.  I,  359. 

II.  Capitulare  Karls  und  Ludwigs,  pr.  'Placuit  nobis 
et  fidelibus'.  C.  1  'Constituimus,  ut  si  quis  subdiaconum' 
(6  cc).  —  Hss.  Florenz,  Laur.  Gadd.  LXXXVIIII  sup.  31 
s.  XII.  (abgedr.  Nevies  Archiv  XX,  315).  Gotha  menibr.  I 
n.  84  s.  X.  XI.  München  3909  s.  XII.  (abgedr.  Schmitz, 
Bussbücher  738).  ?Eom,  Vat.  1350  s.  XII.  Salzburg,  S.Peter 
a.  VIII  7  s.  XII.  —  Crabbe  II  (1538),  fol.  CXXVI.  Crabbe  II 
(1551),  704.  Sagittarius  397.  loverius  II,  fol.  102'.  Surius 
111,270.  Bollanus-Nicolini  III,  678.  Binius  III,  1,  471. 
Goldast  II,  14.  Sirmond  II,  447.  Coli.  reg.  conc.  XXI,  48. 
Labbe-Cossart  VII,  1519;  ed.  Coleti  IX,  611.  Baluze  I,  627. 
Harduin  IV,  1239.  Georgisch  867.  Hartzheim  II,  24. 
Mansi  XIV,  390.  XV,  app.  425.  Walter  II,  353.  MG.  LL. 
II,  2,  6.  Migne  XCVII,  678.  MG.  Cap.  I,  361  (=  BM. 
I  n.  475).  —  Vgl.  Gretser,  Opera  VI,  196.  388.  Phillipps, 
Wiener  SB.  XLIX,  655.  Mayer,  Zur  Entstehung  der  Lex 
Ribuariorum  177.  MG.  Cap.  I,  359.  —  Beide  Stücke  auch 
bei  Burchard  VI,   cc.  5.  6  und  Ivo,  Decr.  X,   cc.  134.   135. 

833?  Worms?  Sens? 
Urkunde  Aldrichs  von  Sens  für  das  Kloster  St.  Eemi. 
'Optime  venerabilis'.  —  Copie  im  Archiv  des  Depart.  de 
l'Yonne  s.  XVL  —  d'Achery,  Spicil.  II,  579;  vgl.  21.  I^,  593. 
Le  Cointe  VIII,  279.  Mabillon,  Acta  SS.  ord.  s.  Ben.  IV, 
1,  576.  Labbe-Cossart  VII,  1678;  ed.  Coleti  IX,  793.  Har- 
duin IV,  1369.  Gallia  christ.  XII,  instr.  3.  Mansi  XIV, 
639.  Quantin,  Cartulaire  de  l'Yonne  I,  39.  —  Wohl  in- 
terpoliert;   vgl.    die   gleichlautende    Urkunde  Weuilos    von 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    495 

Sens,  Quautin  I,  63.  Simson  II,  291,  wo  Näheres  über 
das  Datum  und  den  Ausstellungsort,  der  nach  BM.  In.  918 
bei  Bouquet  VI,  605  Worms,  nach  dem  Drucke  der  gleichen 
Urkunde  bei  d'Acherj  I^,  594  Sens  ist.  Hefele  1Y\  81 
spricht  (wohl  kaum  richtig)   von  einer  Synode    zu  Worms. 

8  38  September  6.  Quierzy. 
Urtheil  im  Streit  Aldrichs  von  Le  Maus  mit  dem 
Kloster  St.  Calais.  'Cum  in  nomine  Domini'.  —  Gesta 
Aldrici  c.  50,  Baluze  Mise.  III,  132;  ed.  Mansi  I,  109 
(=  Hübner,  Gerichtsurkk.  I  n.  293).  — Vgl.  Baluze,  1.  1.  III, 
114.  137;  ed.  Mansi  1,  105.  110.  Eoth,  Beneficialwesen  451. 
Hefele  IV  2,  96.    BM.  I  n.  945.  949-951. 

839  Juni  20.  St.  Omer. 
Urkunde  Folkuins  von  Terouanne  (Morinie).  'Quic- 
quid  ob  amorem'.  —  Mabillon,  Acta  SS.  ord.  S.  Ben.  III, 
1,  122.  Guerard,  Cartulaire  de  l'abbaye  de  S.  Bertin  (Coli, 
des  cart.  de  France  III)  85.  —  Auszüge  bei  Malbrancq, 
De  Morinis  II,  235.  Mabillon,  Ann.  ord.  S.  Ben.  II,  611. 
II-,  570  (hier  zu  Febr.  20).  Miraeus,  Opera  dipl.  IV,  345. 
Mansi  XIV,  771.  —  Ueber  den  Bischofssitz  Folkuins  vgl. 
Gallia  christ.  X,  1572.  Laianne,  Dictionnaire  bist,  de  la 
France  1702.  —  Ueber  die  Fälschung  vgl.  Holder  -  Egger, 
Neues  Archiv  VI,  421  Anm.  4,  der  als  Quelle  die  'keineswegs 
unverdächtige'  Urkunde  vom  29.  Juni  839  bei  Guerard, 
a.  a.  0.  87  nachweist. 


Litteraturverzeichnis. 

S.  Abel,  Jahrbücher  des  fränkischen  Reiches  unter  Karl  d.  Gr.  I 
(768—788).    2.  Aufl.  bearb.  von  B.  Simson.     Leipzig  1888. 

Abhandlungen  der  churfürstlich  -  baierischen  Akademie  der  "Wissen- 
schaften I.     München  1763. 

L.  d'Achery,  Veterum  aliquot  scriptorum  .  .  .  spicilegium  11  (Parisiis 
1657).  VII  (1666);  ed.  2^.  per  F.  J.  de  la  BaiTe  I  (Parisiis  1723).  II 
(1723).     lU  (1723). 

.J.  Saenz  de  Aguirre,  CoUectio  maxima  conciliorum  omnium  Hi- 
spaniae  et  novi  orbis.     Ed.  2^.  IV  (Romae  1754). 

Analecta  Divionensia.  Documents  inedits  pour  servir  ä  l'histoire 
de  France  et  particulierement  ä  celle  de  Bourgogne  I.  Dijon  1864. 

Anselm  von  Lucca,  Collectio  canonica;  die  Capitelüberschriften  bei 
Migne,  Patrologia  latina  CXLIX  (Paris  1858),  485  sqq. 

Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  11 
(Frankfurt  a.  M.  1820).  VI  (Hannover  1838).  VII  (1839).  VIII  (1848). 
Xn  (1874). 

M.  L.  Bail,  Summa  conciliorum  omnium  ...  I  (Parisiis  1659). 
II  (1659). 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  32 


496  Albert  Wermiiighoff. 

St.  Baluze,  S.  Agobardi  archiepiscopi  Lugdunensis  opera  I  (Parisiis 
1666).     II  (1666). 

St.  Baluze,  Capitularia  regum  Francorum  I.  Parisiis  1677. 

St.  Baluze,  Miscellanea  lÜ  f Parisiis  1680).  Ed.  2*.  opera  ac  studio 
J.  D.  Mansi  I  (Lucae  1761). 

C.  Baronius,  Annales  ecclesiastici  716 — 812  (Ausgabe  in  fol.  tom. 
IX.  Moguntiae  1601). 

D.  Bartolini,  Di  S.  Zaccaria  papa  et  degli  anni  del  suo  pontificato. 
Ratisbona  1879. 

Benedicti  Capitularia  ed.  Knust,  Mon.  Germ.  LL.  II,  2,  17  sqq. 

Berichte  über  die  Verhandlungen  der  königlich  sächsischen  (jresell- 
schaft  der  Wissenschaften  zu  Leipzig.   Phil. -bist.  Klasse  XLII.  Leipzig  1890. 

Gr.  Bessin,  Concilia  Rotomagensis  provinciae.     Rotomagi  1717. 

Bibliotheca  niaxima  veterum  patrum  et  autiquorum  scriptorum  .  .  . 
XIV.  Lugduni  1677. 

S.  Binius,  Concilia  generalia  et  provincialia  .  .  .  III  1  (Coloniae 
Agrippinae  1606).     III  2  (1606). 

A.  .7.  Binterim,  Pragmatische  Geschichte  der  deutschen  National-, 
Provinzial-  und  vorzüglichsten  Diöcesanconcilien  I  (Mainz  1835).  II  (1836). 

E.  Bodemann,  Die  Hss.  der  Königlichen  öffentlichen  Bibliothek  zu 
Hannover.     Hannover  1867. 

.].  F.  Böhmer,  Regesta  imperii  I:  Die  Regesten  des  Kaiserreichs 
unter  den  Karolingern  I,  bearb.  von  E.  Mühlbacher.     Innsbruck  1889. 

(Bollauus  et  D.  Nicolini),  Conciliorum  omnium  tam  generalium  quam 
provincialium  .  .  .  vol.  III.    Venetiis  1585. 

A.  Boretius,  Die  Capitularien  im  Langobardenreich.  Halle  a.  S.  1864. 

J.  du  Bouchet,  La  veritable  origine  de  la  seconde  et  troisieme  ligne 
de  la  maison  royale  de  France.     Paris  1646. 

M.  Bouquet,  Recueil  des  historiens  des  Gaules  et  de  la  France. 
V  (Paris  1744).  VI  (1749). 

A.  Brunner,  Annales  virtutis  et  fortunae  Boiorum  II.  Monachii 
1629;    ed.  2».  11.  Francofurti  ad  Moenum  1710. 

H.  Brunner,  Deutsche  Rechtsgeschichte  II.     Leipzig  1892. 

H.  Th.  Bruns,  Canones  apostolorum  et  conciliorum  ...  IL  Berolini 
1839. 

Bullarium  diplomatum  et  privilegiorum  sanctorum  Romanorum 
pontificum  (Taurinensis  editio)  I.  Augustae  Taurinorum  1857. 

Burchard  von  Worms,  Decretorum  libri  XX  bei  Migne,  Patrologia 
latina  CXL  (Paris  1853),  537  sqq. 

J.  Cabassutius,  Xotitia  ecclesiastica  historiarum,  conciliorum  et 
canonum  .  .  .  Ed.  3*.  Lugduni  1690. 

S.  Calles,  Annales  ecclesiastici  Germaniae  ...  11.  Viennae  Austriae 
1756. 

A.  Calmet,  Histoire  de  Lorraine  I.  Nancy  1728;  nouv.  ed.  Jl. 
Nancy  1745. 

F.  P.  Canciani,  Barbarorum  leges  antiquae  I  (Venetiis  1781).  TL 
(1783). 

H.  Canisius,  Chronicon  Victoris  .  .  .  Synodus  Bauarica  sub  Tassilone 
Bavariae  duce  .  .  .  Ingolstadii  1600. 

Caroli  M.  imperatoris  et  synodi  Parisiensis  sub  Ludovico  Pio 
Caroh  M.  filio  scripta  de  imaginibus  edita  ad  fidem  vetustissimorum  ex- 
emplarium  loannis  Tilii  episcopi  Meldensis  et  P.  Pithoei  iuriscons. 
Parisiensis,  s.  1.  et  a.;  daran  angeheftet:  1)  Paulini  Aquilejensis  episcopi 
adversus  Felicem  Urgelitanum  et  Eliphantum  Toletanum  episcopos  libellus, 
s.  1.  1549 ;  2)  Synodus  Parisiensis  de  imaginibus  habita  a.  Chr.  DCCCXXIV 
ex  vetustissimo  codice  descripta  et  nunc  primum  in  lucem  edita.  Franco- 


Verzeichnis  der  Akten  fränkischer  Synoden  von  742 — 843.    497 

furti  1596;  vgl.  Ch.  A.  Heumann,  Augusta  concilii  Nicaeni  II.  censura,  hoc  est 
Caroli  M.  de  impio  imaginum  cultu  libri  IV,  Hannoverae  1731,  praef.  15.  31. 

D.  P.  Carpentier,  Ali^habetum  Tironianum.  Lutetiae  Parisiorum  1747. 
Catalogue    general    des    manuscrits  des  bibliotheques  publiques  des 

departements;  darin:  Albi  I  (Paris  1S49).  481  sqq.  Arras  IV  (1872), 
9  sqq.  Charleville  V  (1879),  545  sqq.  Laon  l'  (1849),  57  sqq.  Metz  V  (1879), 
1  sqq.  Montpellier  (Ecole  de  medecine)  I  (1849),  281  sqq.  Schlettstadt 
ni  (1861),  547  sqq.    Verdun  V  (1879),  423  sqq. 

Catalogue  general  des  manuscrits  des  bibliotheques  jDubliques  de 
France;  darin:  Bordeaux  XXIII  (Paris  1894).  Chartres  XI  (1889).  Chau- 
mont  XXI  (1893),  1  sqq.  Le  Mans  XX  (1893),  1  sqq.  Lille  XXVI 
(1897),  1  sqq.     Paris,  Mazarine  I  (1885).     Sens  VI  (1887),  147  sqq. 

Catalogus  codicum  manuscriptorum  bibliothecae  regiae  (Parisiensis) 
III.  IV.    Parisiis  1741. 

Catalogus  codicum  manuscriptorum  bibliothecae  regiae  Monacensis 
in  1  (Monachii  1868).    III  3  (1873).    IV  2  (1876).    IV  3  (1878). 

Gr.  de  Catel,   Memoires   de  l'histoire  du  Languedoc.     Tolose  1633. 

C.  Cenni,  Concilium  Lateranense  Stephani  III.  a.  DCCLXIX. 
Romae  1735. 

J.  .1.  Chifflet,  Opera  politico-historica  ad  pacem  publicam  spec- 
tantia  I.    Antverpiae  1650. 

C.  Le  Cointe,  Annales  ecclesiastici  Francorum  V  (Parisiis  1673). 
VI  (1676).    VII  (1678).   Vm  (1683). 

Conciliorum  omnium  generalium  et  provincialium  coUectio  regia 
XVII.  X^TII.  XX.  XXI.  XXtV.     Parisiis  1644. 

.T.  Cordesius,  Opuscula  et  epistolae  Hincmari  Remensis  archiepi- 
scopi.     Lutetiae  Parisiorum  1615. 

P.  Crabbe,  Conciliorum  omnium  tam  generalium  quam  particularium 
.  .  .  tomus  n.    Coloniae  1538;  ed.  2*.  II.  Coloniae  Agrippinae  1551. 

F.  Dalham,  Concilia  Salisburgensia  provincialia  et  dioecesana. 
Augustae  apud  Vindelicos  1788. 

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F.  Walter,  Fontes  iuris  ecclesiastici  antiqui  et  hodierni.  Bonnae  1862. 
H.  Wasserschieben,    Beiträge   zur   Geschichte   der   vorgratianischen 

Kirchenrechtsquellen.     Leipzig  1839. 

M.  Welser,  Rerum  boicarum  libri  quinque.  Augustae  Vindelicorum 
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L.  Westenrieder,  Beiträge  zur  vaterländischen  Historie  ...  1. 
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R.  Weyl,  Die  Beziehungen  des  Papstthums  zum  fränkischen  Staats- 
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Staats-  und  Rechtsgeschichte,  herausgeg.  von  0.  Gierke  n.  XL).  Breslau  1892. 

Würzburger  Verzeichnis  =  Die  Pergamenthss.  der  Königl.  Uni- 
versitätsbibliothek Würzburg  in  alphabetischer  Reihenfolge  verzeichnet. 
Würzburg  1886. 

Zeitschrift  für  Kirchengeschichte,  herausgeg.  von  Th.  Brieger,  XII. 
Gotha  1891. 

Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Theologie,  herausgeg.  von  A.  Hilgen- 
feld,  XLI  (NF.  VI).     Leipzig  1898. 


XL 


Briefe 

zur  Geschichte  des  13.  Jahrhunderts 

aus  einer  Diirhamer  Handschrift. 


Von 


K.  Hampe. 


Der  Cod.  C  IV,  24  der  Durhamer  Kathedralbibliothek 
ist  ein  starker  Sanimelband  von  364  Blättern.  Verschiedene 
Hände  haben  im  Anfang-  des  14.  Jhs.  eine  grosse  Menge 
von  Briefen  und  Formeln  ohne  jede  Ordnung  in  ihn  ein- 
getragen. Wie  ich  schon  in  dieser  Zeitschrift  Bd.  XXII,  609 
bemerkt  habe,  konnte  ich  die  Hs.,  die  ich  in  Durham  selbst 
geprüft  hatte,  durch  die  ausserordentliche  Freundlichkeit 
des  Bibliothekars  Eev.  W.  Greenwell  und  mit  Erlaubnis 
des  Capitels  später  auf  der  K.  Bibliothek  in  Berlin  mit 
mehr  Müsse  benutzen.  Mein  Interesse  nahmen  in  erster 
Linie  die  Dictamina  des  Ricardus  de  Pofis  in  Anspruch, 
auf  die  ich  hier  nicht  näher  eingehen  will,  ehe  ich  nicht 
andere  Hss.  zum  Vergleich  herangezogen  habe ;  doch  enthält 
der  Cod.  auch  sonst  manche  mittheilenswerthe  Briefe,  und 
mit  ihnen  werde  ich  mich  im  Folgenden  beschäftigen.  Da 
sie  zwar  alle  dem  13.  Jh.  angehören,  aber  inhaltlich 
sehr  verschieden  sind ,  würde  sich  die  Besprechung  am 
natürlichsten  der  Beschreibung  der  Hs.  anschliessen.  Um 
jedoch  die  Geduld  des  Lesers  auf  keine  allzu  harte  Probe 
zu  stellen,  hebe  ich  zuvor  einzelne  wichtigere  Stücke  heraus 
und  lasse  erst  dann  die  Aufzählung  des  sonstigen  Inhalts 
folgen. 

1.  Abt  Hermann  von  Corvey  und  die  römische 
Curie  in  den  Jahren  1227 — 1233. 

Ohne  alle  Namen  und  Daten  findet  sich  auf  f.  73 
unserer  Hs.  ein  Brief,  der,  auch  wenn  eine  genauere  Be- 
stimmung nicht  möglich  wäre,  schon  als  Culturbild  durch 
seine  lebhafte  Schilderung  Beachtung  verdienen  würde. 
Eine  Prüfung  des  Inhalts  wird  uns  indessen  die  wichtigeren 
unter  den  ausgelassenen  Namen  errathen  lassen.  Der  Vor- 
gang, um  den  es  sich  handelt,  ist  folgender: 

Ein  Abt  hat  den  päpstlichen  Befehl  erhalten,  einem 
erwählten  Bischof  ein  jährliches  Einkommen  von  zehn  Mark 
zu  zahlen;  aber  er  weigert  sich,  und  erst  als  die  vom  Papst 


506  K.  Hampe. 

ernannten  Executoren  gegen  ihn  die  Excommunication  ver- 
künden, erbietet  er  sich,  einem  Kanoniker,  der  als  Be- 
vollmächtigter jenes  Erwählten  zu  ihm  kommen  v^ürde, 
eine  Kirche  mit  entsprechendem  Einkommen  zu  überweisen. 
Mit  einem  päpstlichen  Schreiben  und  einem  leeren 
Pergamentstück,  das  im  voraus  mit  dem  Siegel  des  Er- 
wählten versehen  ist  und  zur  urkundlichen  Aufzeichnung 
seiner  Befriedigung  durch  jene  Uebertragung  dienen  soll, 
trifft  der  Kanoniker  bei  ihm  ein ,  um  nur  zu  bald  zu 
erfahren,  dass  er  das  Opfer  eines  listigen  Anschlags  ge- 
worden ist.  Denn  wie  er  eben  bei  der  Tafel  sitzt,  dringen 
auf  Anstiften  des  Abtes  Ritter  in  den  Saal,  beschuldigen 
ihn,  er  habe  an  deutsche  Fürsten  verrätherische  Briefe 
gegen  den  Kaiser  und  seinen  Sohn  gebracht  und  schleppen 
ihn  mit  sich  fort  an  den  Hof  des  kaiserlichen  Sohnes. 
Dort  wird  er  in  Gegenwart  mehrerer  Fürsten  seiner  Habe 
beraubt,  mit  gefesselten  Händen  auf  einen  elenden  Klepper 
festgebunden,  und  in  dieser  schimpflichen  Verfassung  muss 
er  dem  höfischen  Zuge  zwei  Monate  lang  durch  Städte 
und  Dörfer  und  über  Land  voranreiten.  Fast  ein  Jahr 
lang  schmachtet  er,  mancherlei  Misshandlungen  ausgesetzt, 
im  Kerker.  Endlich  kommt  seine  Unschuld  an  den  Tag. 
Durch  einen  kaiserlichen  Befehl  wird  er  in  Freiheit  ge- 
setzt, doch  obwohl  sich  der  Papst  selbst  beim  Kaiser  für 
ihn  verwendet,  erlangt  er  das  ihm  genommene  Gut  nicht 
zurück.  Jetzt  laden  die  oben  genannten  Executoren  den 
schuldigen  Abt  vor  sich,  und  als  er  durch  Appellation  an 
die  Curie  Aufschub  zu  erlangen  sucht,  erklären  sie  diese 
Berufung  für  nichtig  und  verurtheilen  ihn  bei  Strafe  der 
Excommunication  zum  Schadenersatz  von  hundert  Mark. 
Der  aber  denkt  nicht  daran,  die  Summe  zu  zahlen,  sondern 
weiss  in  Gemeinschaft  mit  mehreren  Fürsten  durch 
Drohungen  den  Kanoniker  derart  einzuschüchtern,  dass  er 
sich  wider  Willen  der  Gnade  des  Abtes  unterwerfen  muss. 
Trotzdem  scheint  der  Geschädigte  bald  an  die  Curie  ge- 
flüchtet zu  sein  und  dort  das  vorliegende  päpstliche 
Schreiben  erwirkt  zu  haben,  das  eine  erneute  Untersuchung 
anordnet,  uns  am  Schlüsse  aber  nicht  ganz  vollständig 
überliefert  ist. 

Dass  es  sich  hier  in  der  That  um  ein  päpstliches 
Schreiben  handelt,  geht  aus  der  Bezeichnung  des  Kaisers 
als  'des  theuersten  Sohnes  in  Christo'  klar  hervor;  die  ganze 
Fassung  spricht  ferner  durchaus  dafür,  dass  wir  es  mit 
einem  echten  Briefe,  nicht  etwa  nur  mit  einer  Stilübung 
zu  thun  haben.   Nach  dem  sonstigen  Bestände  der  Sammlung 


Briefe  zur  Geschichte  des  13.  Jhs.  aus  einer  Durhaiuer  Hs.     507 

kann  als  Kaiser  nur  Friedrich  II.  ernstlich  in  Betracht 
kommen,  und  das  Schreiben  fällt  dann  jedenfalls  in  eine 
Zeit,  in  der  jener  nicht  excommuniciert  war,  d.  h.  zwischen 
den  22.  Nov.  1220  und  29.  Sept.  1227  oder  zwischen  den 
28.  Aug.  1230  und  20.  März  1239.  Das  gilt  natürlich 
nur  für  die  Absendung  des  Schreibens;  die  darin  ge- 
schilderten Ereignisse,  die  sich  ja  über  eine  längere  Zeit 
erstrecken,  können  auch  in  den  Jahren  1227 — 1230  ge- 
schehen sein.  An  Fürsten  Deutschlands  sollen  die  ver- 
rätherischen  Briefe  überbracht  sein,  gemeinschaftlich  mit 
andern  Fürsten  hält  der  Sohn  des  Kaisers  Hof:  also  ist 
Deutschland  der  Schauplatz.  An  Konrad  IV. ,  der  am 
20.  März  1239  noch  nicht  das  11.  Jahr  erreicht  hatte,  ist 
kaum  zu  denken;  vielmehr  wird  Heinrich  (VII.)  jener 
Sohn  des  Kaisers  sein,  und  die  schimpfliche  Behandlung, 
die  er  einem  vom  Papste  begünstigten  Kleriker  angedeihen 
lässt,  deutet  auf  eine  Zeit  des  Kampfes  mit  der  Curie. 
Blättern  wir  nach  diesen  Erwägungen  die  päjjstlichen 
ßegesten  der  Jahre  1227 — 1230  durch,  so  führt  uns  gleich 
ein  Schreiben  aus  den  letzten  Tagen  Honorius'  III.  auf  die 
richtige  Spur. 

Der  Erwählte  Engelbert  von  Osnabrück,  ein  Bruder 
Friedrichs  von  Isenburg,  war  der  Mitschuld  an  der 
Ermordung  Engelberts  von  Köln  bezichtigt  worden  und 
hatte  darüber  sein  Bisthum  verloren  ^  Später  aber  gewann 
er  die  Gunst  des  Papstes  wieder.  Am  11.  Jan.  1227  befahl 
Honorius  III.  dem  Domprobst,  dem  Domdecan  und  dem 
Decan  von  S.  Stephan  in  Mainz,  dafür  zu  sorgen,  dass  dem 
Erwählten  Engelbert  in  den  Bisthümern  Osnabrück,  Utrecht 
und  Münster,  sowie  in  den  Abteien  Hersfeld,  Werden  und 
Corvey  Pfründen  von  bestimmtem  Werthe  überlesen 
würden '-.  Ist  es  schon  an  sich  ein  seltener  Fall ,  dass 
Aebte  durch  päpstlichen  Befehl  gezwungen  werden,  einem 
erwählten  Bischof  ein  jährliches  Einkommen  zu  zahlen, 
so  schliesst  die  Uebereinstimmung  der  angegebenen  Geld- 
summe mit  der  unseres  Briefes  jeden  Zweifel  an  der 
Richtigkeit  der  Beziehung  aus ;  denn  auf  dreissig  Mark 
werden  die  drei  Aebte  verpflichtet,  'ita  quod  quilibet  eorum 
in  decem  provideant  annuatim  —  ab  eis  ac  eorum  suc- 
cessoribus  ei  vel  procuratori  eins,  quoad  vixerit,  exhibenda', 
während  es  in  unserm  Briefe  heisst:  'ut  —  decem  marcarum 
redditus  solveret  annuatim'. 


1)  Vgl.  Winkelmann,  Jahrb.  d.  d,  R.  unter  Fried.  II  Bd.  I,  473  N.  1. 
2)  M.  G.  Ep.  pont.  I,  254. 


508  K.  Hampe. 

Wir  kennen  damit  den  Erwählten  und  die  Executoren ; 
betreffs  des  Abtes  haben  wir  noch  die  Wahl  zwischen 
denen  von  Hersfeld ,  Werden  und  Corvey.  In  dem  ge- 
nannten Schreiben  Honorius'  III.  werden  indes  der  Abtei 
Werden  noch  besondere  Verpflichtungen  auferlegt;  sie  soll 
ausser  jener  Zahlung  den  Erwählten  Engelbert  als  Kanoniker 
aufnehmen  und  ihm  Praebenden  anweisen.  Da  in  unserm 
Briefe  davon  keine  ßede  ist,  so  kommt  Werden  für  uns 
nicht  in  Betracht.  Abt  Ludwig  I.  von  Hersfeld  (1217 — 
1240)  hatte  um  das  Jahr  1222  eine  vom  Papste  angeordnete 
Visitation  über  sein  Kloster  ergehen  lassen  müssen  ^ ;  an 
der  stauferfreundlichen  Haltung  seiner  Vorgänger  wird 
auch  er  festgehalten  haben,  aber  politisch  tritt  er  wenig 
hervor.  Dagegen  stimmen  die  Berichte  unserer  Quellen 
über  den  Abt  Hermann  von  Corvey  (1223 — 1255)  so  vor- 
trefflich zu  den  Angaben  unseres  Briefes,  dass  ich  im 
Folgenden  den  Versuch  mache,  beide  mit  einander  zu  ver- 
flechten, und  hoffe,  dass  die  Thatsachen  für  sich  selber 
sprechen  werden. 

Hermann  stammte  aus  dem  Geschlechte  derer  von 
Holte  und  war  ein  Bruder  des  Bischofs  Ludolf  von  Münster, 
der  an  die  Stelle  des  abgesetzten  Isenburgers  Dietrich  ge- 
treten war-.  Der  Mörder  Friedrich  von  Isenburg  hatte 
Lehen  von  ihm  besessen;  nach  ihrem  Heimfall  zog  der 
Abt  selbst  Gewinn  daraus ,  doch  bestand  immerhin  die 
Möglichkeit,  dass  die  Söhne  Friedrichs  ihre  Ansprüche 
darauf  rechtlich  durchsetzten  ^.  Sein  eigenes  Interesse 
brachte  ihn  also  in  einen  gewissen  Gegensatz  zu  den  Isen- 
burgern.  —  Hermann  tritt  in  der  Reihe  der  Aebte  von 
Corvey  als  eine  bedeutende  Persönlichkeit  hervor.  Ein 
späterer  Chronist*  rühmt  ihn  als  gelehrten  Schriftsteller, 
der  der  griechischen  Sprache  kundig  war,  aber  auch  als 
weltklugen  und  betriebsamen  Mann,  auf  dessen  Rath  der 
Mainzer  Erzbischof  in  bedeutsamen  und  schwierigen  An- 
gelegenheiten etwas  gab.  Unter  den  deutschen  Geistlichen, 
welche  bald  in  scharfen  Gegensatz  zur  Curie  traten  und 
nicht  zum  wenigsten  gegen  die   selbstherrliche  Verleihung 


1)  Vgl.  den  Befehl  Honorius'  III.  vom  18.  Febr.  1222,  Wenck, 
Hessische  Landesgeschichte  III,  Urkb.  S.  99.  2)  Vgl.  Westfäl.  Urkb.  IH 
n.  242.  3)  Vgl.  ebd.  IV  n.  166 :  Im  J.  1228  überträgt  Hermann  seinem 
Capitel  gegen  Zahlung  von  15  Mark  2  Fuder  Wein,  die  früher  Graf 
Friedrich  von  Isenburg  zu  Lehen  getragen.  Sollten  dessen  Söhne  das 
Lehen  rechtlich  wieder  erstreiten,  so  würde  er  dem  Capitel  jene  Summe 
zurückzahlen.  4)  Vgl.  Ann.  Corbeienses  bei  Leibniz  SS.  rer.  Brunsvic. 
II,  310. 


Briefe  zur  Geschichte  des  13.  Jhs.  aus  einer  Durhamer  Hs.     509 

von  Pfründen  durcli  den  Papst  oder  seine  Legaten  Wider- 
spruch erhoben,  stand  Hermann  in  der  ersten  Reihe  ^.  Was 
Wtinder,  dass  er  die  Belastung  seines  Klosters  mit  einer 
jährlichen  Zahlung  an  den  Erwählten  von  Osnabrück,  den 
Isenburger  und  Günstling  des  Papstes,  mit  Entschiedenheit 
verweigerte.  Das  Verfahren  der  Executoren  gegen  ihn  wird 
sich  das  Jahr  1227  durch  hingezogen  haben.  Etwa  zu 
Beginn  des  neuen  Jahres  mag  der  Kanoniker,  dessen 
Namen  wir  nicht  ermitteln  können,  als  Bevollmächtigter 
des  Erwählten  Engelbert  nach  Corvej  gekommen  sein. 
Eben  damals  war  Deutschland  in  Aufregung  über  die 
Excommvmication  Friedrichs  II.  Unsichere  Gerüchte  durch- 
schwirrten die  Luft.  Es  hiess,  dass  Herzog  Ludwig  von 
Baiern  und  andere  Fürsten  in  ihrer  Treue  gegen  den 
Kaiser  wankend  geworden  seien'-.  An  Versuchen  des 
Papstes,  sie  auf  seine  Seite  zu  ziehen,  hat  es  in  der  Folge- 
zeit nicht  gefehlt.  Unser  Kanoniker  kam  nun  geradeswegs 
von  Pom,  mit  einem  päpstlichen  Schreiben  in  seiner  Tasche. 
Ein  boshafter  Anschlag  des  Abtes  war  da  kaum  erforderlich, 
um  den  Verdacht  verrätherischer  Zettelungen  auf  ihn  zu 
lenken.  Am  Hofe  Heinrichs  (VII.),  wo  er  verurtheilt 
wurde,  ist  auch  Abt  Hermann  wahrscheinlich  zugegen  ge- 
wesen; er  wird  dort  seinen  Einiiuss  aufgeboten  haben, 
um  seinen  Gegner  unschädlich  zu  machen.  Etwa  im 
Febr.  1228  hat  nun  Heinrich  (VII.)  in  Ulm  für  ihn  eine 
Urkunde  ausgestellt  ^.  Wenn  Hermann  persönlich  anwesend 
war,  so  hat  er  vielleicht  damals  den  gefangenen  Kanoniker 
an  den  königlichen  Hof  begleitet,  und  es  würde  dazu 
stimmen,  dass  Heinrich  sich  in  den  folgenden  beiden 
Monaten  nicht  längere  Zeit  an  einem  Platze  aufgehalten 
hat^,  sondern  durch  Städte  und  Dörfer  zog,  wie  es  in 
unserem  Briefe  heisst. 

Das  Jahr  der  Gefangenschaft  des  Kanonikers,  das 
nun  folgte,  führt  uns  schon  etwa  in  den  Sommer  1229, 
und  früher  kann  seine  Befreiung  auch  keinesfalls  ange- 
setzt werden;  denn  wenn  er  sie  der  Gnade  des  Kaisers 
verdankte,  so  kann  sie  erst  nach  dessen  Rückkehr  aus  dem 
heiligen  Lande  erfolgt  sein.  Darauf  wird  die  Angelegenheit 
eine  Zeit  lang  geruht  haben;  der  Kanoniker  bemühte  sich 
vergeblich,  wieder  in  den  Besitz  der  ihm  unrechtmässig 
genommenen  Habe  zu  gelangen.  Erst  nach  dem  Frieden 
von  S.  Germano   konnte  sich  Gregor  IX.  beim  Kaiser  für 


1)  Vgl.  Winkelmann,  Jahrb.  Fried.  11  Bd.  11,  236.  237.        2)  Vgl. 
Reg.  imp.  V,  B  -F.  4084a.        3)  B  -  F.  4097.       4)  Vgl.  B  -  F.  4099  ff. 


510  K.  Hampe. 

ihn  verwenden ,  und  der  Wortlaut  unserer  Briefstelle : 
'quamquam  universalis  ecclesiarum  prelatus  apud  iam  dictum 
inperatorem  pro  ipso  institerit',  macht  es  wahrscheinlich, 
dass  das  mündlich  bei  ihrer  Zusammenkunft  in  Anagui 
im  Sept.  1230  geschehen  ist. 

Inzwischen  hatten  die  obengenannten  Executoren  ihr 
Verfahren  gegen  den  Abt  von  Corvey  wieder  aufgenommen; 
es  ist  schon  erzählt,  wie  er  auch  jetzt  in  seinem  Wider- 
stände verharrte,  die  Auszahlung  des  Schadenersatzes  ver- 
weigerte und  endlich  den  Kanoniker  so  einzuschüchtern 
wusste,  dass  er  von  seiner  Forderung  Abstand  nahm.  Dann 
aber  brachte  jener  die  Sache  noch  einmal  vor  die  Curie, 
und  nun  befahl  Gregor  IX.  eine  neue  gerichtliche  Unter- 
suchung. Man  wird  vielleicht  nicht  allzu  sehr  irre  gehen, 
wenn  man  das  vorliegende  Schreiben  etwa  in  das  Früh- 
jahr 1231  setzt. 

Leider  erfahren  wir  nichts  weiter  über  den  Verlauf 
des  Verfahrens.  Ich  vermuthe,  dass  es  überhaupt  nicht 
zur  Ausführung  gekommen  ist,  u.  zw.  deshalb,  weil  der 
Abt  durch  neue,  noch  ernstere  Widersetzlichkeit  gegen  die 
Curie  sein  Amt  verwirkte,  wodurch  jede  Untersuchung  über 
seine  sonstigen  Vergehen  überflüssig  gemacht  wurde.  Denn 
als  sich  im  Febr.  1231  ^  auf  dem  Concil  zu  Würzburg 
gegen  den  päpstlichen  Legaten  Otto  von  S.  Nicolaus  in 
carcere  TuUiano  von  Seiten  der  deutschen  Geistlichkeit 
die  schärfste  Opposition  erhob,  hat  sich  Hermann  mit  be- 
sonderem Eifer  daran  betheiligt,  wie  wir  nach  allem,  was 
geschehen  war,  wohl  begreifen.  Der  Legat  aber  antwortete 
jetzt  mit  der  Suspension  des  Abtes  von  seinem  Amte  -. 
In  den  Zeiten  des  Kampfes  und  der  Unruhen  hatte  sich 
Hermann  von  Corvey  Jahre  hindurch  der  Curie  gegenüber 
behaupten  können,  ohne  nur  einen  einzigen  Schritt  zurück- 
zuthun.  Während  des  Friedens,  der  nun  folgte,  konnte 
ein  fortgesetzter  Widerstand  gegen  den  Papst  zu  nichts 
führen.  Im  Frühjahr  1233  hat  er  sich  persönlich  nach 
Rom  begeben  und  die  Aufhebung  der  Suspension  von 
Gregor  IX.  erlangt,  der  am  2.  Mai  den  Convent  des 
Klosters  Corvey  davon  in  Kenntnis  setzte  ^.  Welche  Be- 
dingungen ihm  dabei  auferlegt  wurden,  wissen  wir  nicht; 
vielleicht  hat  er  sie  mit  Geschick   zu   mildern  verstanden, 


1)  Ich  folge  der  von  Winkelmann  angenommenen  Datierung,  vgl. 
B-F-W.  10181a,  Jahrb.  Fried.  II,  Bd.  11,  236.  237,  wo  man  eine  Dar- 
stellung der  Vorgänge  auf  diesem  bedeutsamen  Concil  findet.  2)  B- 
F-W.  6926.  6959.        3)  Westf.  Urkb.  V,  182. 


Briefe  zur  Geschichte  des  13.  Jhs.  aus  einer  Durhamer  Hs.     511 

aber    seine    Unterwerfung    würde     darum     nicht    wenig-er 
zweifellos  bleiben. 

Ich  habe  versucht,  die  Angaben  des  vorliegenden 
Briefes  mit  dem,  was  wir  aus  anderen  Quellen  über  den  Abt 
Hermann  von  Corvey  wissen,  zu  vereinigen,  und  denke,  dass 
sich  alles  aufs  Beste  ineinander  fügt.  Man  wird  daher  mit 
annähernder  Sicherheit  behaupten  dürfen,  dass  sich  gegen 
ihn  das  päpstliche  Schreiben  richtet,  welches  uns  so  als 
ein  nicht  unwichtiger  Beitrag  zur  Kenntnis  jener  kämpf - 
erfüllten  Jahre  deutscher  Geschichte  erscheint.  Ich  lasse 
nunmehr  einen  Abdruck  desselben  folgen  und  füge  die 
nöthigen  Ergänzungen  in  Klammern  hinzu. 

Papst  (Gregor  IX.)  trägt  ungenannten  Rich- 
tern die  Wiederaufnahme  des  Verfahrens  gegen 
den  Abt  (Hermann  von  Corvey)  auf,  dessen  Wider- 
setzlichkeit gegen  einen  Befehl  (Honori  us' III.) 
und  dessen  frevelhaftes  Vorgehen  gegen  einen 
bevollmächtigten  Kanoniker  des  Erwählten 
(Engelbert  von  Osnabrück)  des  Näheren  dar- 
gestellt werden.  (Etwa  Frühjahr  1231?) 

ludicibus. 

Si  ad  acciones  [Hermanni]  abbatis  [Corbeiensis]  respec- 
tum  debitum  haberemus,  ut  iuxta  quantitatem  suorum  exces- 
suum  reciperet  stipendiameritorum,  non  solum  ei  adimeremus 
nocendi  licenciam,  verum  eciam  sie  eum  graviter  puniremus, 
ut  alii  eins  exemplo  territi  fu gereut  ab  ira  Ventura  et  ab 
accione  perversa  cohiberent  penitus  manus  suas. 

Sicut  enim'  .  .  [canonicus]  in  nostra  proposuit  pre- 
sencia  constitutus,  sie  in  ipsius  corde  crevit  malicia,  quod, 
cum  olim  a  sede  apostolica  reciperet  in  mandatis,  ut  [Engelberto 
electo  Osnaburgensi]  decem  marcarum  redditus  solveret 
annuatim.  [  .  .  preposito  maioris  ecclesie  et  .  .  eiusdem 
ecclesie  et  .  .  S.  Stephani  decanis  Maguntinis]  sibi  super  hoc 
executoribus  dej)utatis,  et  iidem  executores  in  ipsum,  dictum 
redditum  solvere  renuentem,  excommunicationis  sentenciam 
exigente  iusticia  protulissent  et  fecissent  eam  solempniter 
publicari,  eodemabbate,  ut  iniquitatem  pareretpreconceptam, 
proditorie,  prout  ex  facto  patuit,  ex  ipsis  executoribus  pos- 
tulante,  ut  prefatum  canonicum  ipsius  ^,  equivalentem  eius- 
dem redditui  electi  nomine  recepturiim  [ecclesiam,  ad  se 
mitterent]  2,  idem  tandem  ^,  multa  victus  executorum  instancia, 

1)  Hier  wohl  'Engelberti'  zu  ergänzen.  2)  So  oder  ähnUch  wird 
zu  ergänzen  sein;  in  der  Hs.  fehlen  die  "Worte.      3)  Corr.  aus  'tarnen'  Hs. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  33 


512  K.  Hampe. 

post  eosdem  nuncios^  cum  litteris  apostolicis  et  quadam 
membrana  vacua  predicti  electi  sigillo  munita,  ut  -  optenta 
premissa  ecclesia  de  renunciacione  redditus  prelibata  littera 
vel  instrumentum  fieret,  ad  abbatem  memoratum  accessit. 
Quem  iu  abathie  mensa  sedentem  —  procurante  abbate 
predicto  ipso,  ut  dicitur  —  protinus  .  .  milites  tanquam 
malefactorem  et  proditorem  inperii,  asserentes,  quod  ad 
principes  Alemannie  tarn  contra  carissimum  in  Christo  filium 
nostrum  [Fridericum]  ^,  quam  contra  suum  filium  quasdam 
litteras  detulisset,  iniectis  in  eum  manibus  violentis  ausu 
temerario  ceperunt  et  tractum  iu  pluribus  inhoneste  filii 
eiusdem  inperatoris  conspectui  presentarunt  ^.  Denique 
coram  eo  et  nonnullis  aliis  principibus  coustitutus  et  spoliatus 
primo  rebus  omnibus,  ligatis  manibus  et  pedibus  sub  vilis- 
simo  equo  constrictis  °,  per  civitates,  vicos  et  plateas  ipsis 
presentibus  et  sequentibus  per  duos  menses  in  contumeliam 
creatoris  et  ignominiam  clericalis  ordinis*"  est  deductus  ac 
fere  per  annum  ferreis  constrictus  conpedibus,  non  absque 
multis  ^  circumdantibus  eum  "^  tormentis,  que  non  solum 
longum,  sed  eciam  flebile  per  singula  reserare,  carcerali 
fuit  custodie  mancipatus. 

Sed  eo  misericorditer  faciente,  qui  salvat  sperantes 
in  se,  post  multa  ludibria,  post  cruciatus  borribiles,  post 
tormenta  crudelia,  eins  tandem  conperta  innocencia,  inperiali 
fuit  gracia  restitutus.  Sed  quamquam  universalis  ecclesia- 
rum  prelatus  apud  iamdictum  inperatorem  pro  ipso  in- 
stiterit,  nulla  tamen   facta  est  restitucio  de  ablatis. 

Cum  autemprefati  executores  supradictum  [Hermannum] 
excessus  tarn  detestabilis^  perpenderent  non  inmuuem  ^*', 
cuius  manus  in  premissis  omnibus  fuisse  publice  fatebatur, 
presertim  cum  potuerit  et  noluerit  tanto  facinori  obviare, 
ipsum  ad  suam  presenciam  citaverunt.  Sed  ipse  ad  ini- 
quitatis  sue  presidium  se  convertens^^  et  contempnens  adire 
presenciam  eorundem  ^-,  directis  ad  eos  quibusdam  Sathane 
filiis,  per  ipsos  ^•"  frustratorie  ad  nos  vocem  appellacionis 
emisit.  Quam  execvitores  predicti  de  prudencium  virorum 
consilio  frivolam  reputantes,  sepedictum  [Hermannum] 
abbatem  in  C  marcis  argenti  pro  dampnis,  que  occasione 
ipsius  subierat  idem  canonicus'"^,  condempnarunt,  in  ipsum, 


1)  Nämlich  die  Executoren.  2  Corr.  aus  'et'  Hs.  3)  Die  Hs. 
hat  '.  .  nostrum'.  4)  'presentarent'  Hs.  5)  Corr.  aus  'constructis'  Hs. 
6)  Am  Rande  von  ders.  Hand  ergänzt.  7)  'multum'  Hs.  8)  Corr. 
aus 'est' Hs.  9) 'detestabiles' Hs.  10)  mnnie'Hs.  11) 'con-uentens' corr. 
in  'converentens'  Hs.  12)  'earundem'  Hs.  13)  So  wohl  statt  'quos'  zu 
lesen,  da  der  Satz  sonst  Anakoluth  wäre.       14)  'eidem  canonico'  Hs. 


Briefe  zur  Geschichte  des  13.  Jhs.  aus  einer  Durhamer  Hs.     513 

nisi  infra  certum  terminum  dictam  summam  exsolveret, 
excommunicacionis  sentenciam  proferendo.  At  nominatus 
abbas,  peccata  peccatis  accumulans,  non  solum  huiusmodi 
peciiniam  solvere  non  curavit,  verum  eciam  et  cet.^  Cumque 
quamplures  principes  canonico  ipsi  comminati  fuerint  ^  viva 
voce,  qnod,  nisi  abbatis  gracie  se  submitteret,  eum  lederent 
in  persona,  ille,  metuens  insolenciam  consuetam,  cum  timor 
de  veteri  faciat  ^  Ventura  timeri,  tali  metu  coactus,  qui  cadere 
poterat  in  constantem,  protestatus,  quod  hoc  faciebat  invitus, 
ipsius  gracie  se  submisit. 

Nolentes  igitur  tante  temeritatis  excessum  rigorem 
fugere  canonice  ulcionis,  cum  latum  delinquentibus  sinum 
intendat*,  qui  non  condempnat  errata,  mandamus,  quatinus 
inquisita  etc.'' 

2.  Zur  Datierung  des  Rundschreibens  Gregors  IX. 
gegen  Friedrich  II.  'Ascendit  de  mari  bestia'  vom 

Jahre  1239. 

Das  grosse  Rundschreiben,  durch  welches  Gregor  IX. 
im  Sommer  1239  die  Beschwerden,  die  Friedrich  II.  am 
20.  April  desselben  Jahres  gegen  ihn  erhoben,  vor  aller 
Welt  zu  widerlegen  suchte,  war  bisher  in  fünf  Ausfertigungen 
bekannt.  Die  Datierung  der  frühesten,  welche  an  den 
Erzbischof  von  Canterburj  gerichtet  ist,  mit  dem  21.  Mai 
hat  mannigfache  Bedenken  erregt.  Obwohl  Ficker*"  auf 
die  Bemerkung  Rodenbergs  in  den  Ep.  pont.  I,  654  die 
zeitliche  Möglichkeit  zugab,  wollte  er  doch  das  'XII.  kal. 
lun.'  in  'XII.  kal.  lul.'  ändern,  da  er  eine  so  frühe  Aus- 
fertigung gerade  für  England  für  unwahrscheinlich  hielt. 
Als  dann  eine  weitere  Ausfertigung  an  die  Bischöfe  der 
Mainzer  Provinz  mit'kalendis  lunii'  hinzukam,  hätte  Winkel- 
mann doch  mit  Finke  '  stutzig  werden  sollen ;  trotzdem 
nahm  er  auch  hier  denselben  Schreibfehler  an. 

Der  Durhamer  Codex  bringt  nun  auf  f.  106  eine  bisher 
unbekannte  Ausfertigung  an  den  Kardinaldiakon  Otto  von 
S.  Nicolaus  in  carcere  Tulliano,  der  damals  Legat  in  England 
war,  zur  Veröffentlichung  im  Bereiche  seiner  Legation  be- 
stimmt, ähnlich  wie  ihm  am  11.  April  1239  ein  früheres  Rund- 
schreiben übersandt  worden  war.'^  Die  Adresse  lautet: 
'Gregorius  episcopus  servus  servorum  Dei  dilecto  filio  O. 
sancti  Nicholai  in  carcere  Tulliano  diacono  cardinali  apostolice 
sedis    legato    salutem    et    apostolicam    benedictionem'.     Es 

1)  So  Hs. ;  es  sind  "Worte  zu  ergänzen,  die  einen  Einschüchterungs- 
versuch des  Abtes  bedeuten.  2)  'fuerunt'  Hs.  3)  'faciet'  Hs.  4)  'inpen- 
dat'  Hs.  5)  So  bricht  die  Hs.  ab.  6)  B-F-W.  7241.  7)  Westfäl. 
Urkb.  V,  402.       8)  B  -  F  -W.  7229. 

'  33* 


514  K.  Hampe. 

folgt  das  Schreiben,  wie  es  später  in  das  päpstliche  Register 
eingetragen  ist  ^,  in  guter  Ueberlieferung.  Am  Schluss  der 
Befehl :  'Clero  et  populo  tue  legacioni  commissis  plene  ac 
diligenter  exponi  facias  supradicta.  Dat.  Laterani  VI.  kal. 
lunii  pontificatus  nostri  anno  XIII.'  Also  eine  Ausfertigung 
vom  27.  Mai,  schon  die  dritte,  die  der  an  den  Bischof  von 
Bologna  vom  7.  Juni  voraufgeht.  Mit  der  Annahme  von 
Schreibfehlern  kommt  man  am  Ende  nicht  mehr  aus. 

3.  Ein  Brief  Innocenz'  IV.  an  Ludwig  den  Heiligen 
von  Ende  1246. 

Es  war  für  die  römische  Curie  ein  Augenblick  der 
ernstesten  Gefahr,  als  im  November  1246  —  also  zit  einer 
Zeit,  in  welcher  der  Kampf  mit  dem  Imperium  seinen  Höhe- 
punkt erreicht  hatte  —  auch  in  den  Reihen  des  französi- 
schen Adels  eine  scharfe  Opposition  gegen  den  Klerus,  ins- 
besondere gegen  die  von  ihm  angemasste  richterliche  Gewalt 
erwachte,  als  sich  ein  Bund  zur  Abwehr  seiner  Uebergriffe 
zusammenthat,  mit  den  mächtigsten  Grossen  an  der  Sj)itze, 
mit  straffer  Organisation  und  einer  jährlich  zu  zahlenden 
Umlage  zur  Durchführung  der  Beschlüsse.  Der  Papst,  der, 
wie  Matthaeus  Paris  schreibt,  auf  die  Nachricht  davon  in 
Verwirrung  gerieth  und  aufseufzte,  hat  damals  selbst  gearg- 
wöhnt, dass  Friedrich  II.  seine  Hand  im  Spiele  habe,  und 
der  Einfluss  wenigstens,  den  seine  Manifeste  geübt  hatten, 
war  unverkennbar-.  Alles  kam  darauf  an,  welche  Haltung 
König  Ludwig  einnehmen  würde.  Von  einem  Zeitgenossen 
ist  behauptet  worden,  er  habe  den  Baronen  durchaus  zu- 
gestimmt und  selbst  sein  Siegel  an  die  Bundesurkunde  ge- 
hängt; dies  Gerücht  ist  indes  von  ßerger  und  andern  mit 
Recht  als  haltlos  verworfen.  Für  Ludwig  war  in  der  That 
der  Weg  klar  vorgezeichnet,  den  er  zu  gehen  hatte ;  es  galt, 
der  Opposition  ihre  Spitze  zu  nehmen,  die  sie  gegebenen 
Falls  auch  gegen  die  Krone  richten  konnte,  ihre  Beschwer- 
den aber  wohlwollend  zu  prüfen  und,  soweit  sie  berechtigt 
waren,  selbst  bei  Innocenz  IV.  zu  vertreten.  Immerhin  er- 
führen wir  aus  unsern  Quellen  gern  etwas  Näheres  über  das 
damalige  Verhältnis  von  Papst  und  König. 

Da  ist  denn  ein  Brief  Innocenz'  IV.  an  Ludwig,  den 
uns  unser  Cod.  auf  f.  74  erhalten   hat,    von  Werth.     Dass 


1)  B-F-W.  7245,   M.  G-.  Ep.  pont.  I,  646.  2)    Ich    gehe    auf 

Einzelheiten  nicht  näher  ein,  denn  ich  müsste  nur  wiederholen,  was 
E.  Berger  in  seiner  verdienstvollen  Abhandlung  Saint  Louis  et  Innocent  IV. 
(Les  registres  d'Innocent  IV.  Bd.  II  S.  CLXXV  ff.)  ausgeführt  hat.  Dort 
sind  auch  die  Belegstellen  aqgegeben. 


Briefe  zur  Geschichte  des  13.  Jhs.  aus  einer  Durhamer  Hs.     515 

er  an  den  französischen  König  gerichtet  ist,  lässt  sich  nicht 
nur  aus  dem  Inhalt  folgern,  sondern  auch  daraus,  dass  die 
Arenga  derjenigen  gleicht,  mit  welcher  ein  Schreiben 
Innocenz'  IV.  an  Ludwig  vom  5.  Nov.  1246  ^  eingeleitet 
wird.  Die  bedeutsamen  Weisungen,  die  der  Papst  am 
4.  Jan.  1247  seinem  Legaten,  dem  Cardinalbischof  Otto 
von  Tusculum  betreffs  der  französischen  Barone  ertheilt 
hat-,  zeigen  überdies  in  den  Ausdrücken  so  viele  Ueber- 
einstimmungen  mit  unserem  Briefe,  dass  an  seiner  Beziehung 
auf  dieselben  Vorgänge  kein  Zweifel  möglich  ist.  Vermuth- 
lich  ist  er  schon  einige  Tage  eher,  im  December  1246,  ge- 
schrieben worden,  auf  die  ersten,  noch  unvollständigen 
Nachrichten  hin,  die  der  Papst  über  die  Verschwörung 
erhalten  hatte.  Denn  von  ihrer  Ausdehnung  über  ganz 
Frankreich  ^  scheint  er  noch  nichts  zu  wissen ;  nur  von 
den  Baronen  eines  einzigen  Vasallen  König  Ludwigs  hat 
er  vernommen^. 

Leider  ist  der  Name  dieses  Vasallen  in  unserem  Briefe 
durch  ein  'A'  ersetzt  worden,  und  es  ist  nicht  ohne  weiteres 
ersichtlich,  ob  das  der  Anfangsbuchstabe  ist  oder  nur  eine 
indifferente  Bezeichnung,  wie  in  älteren  Formeln  'N'  und 
'ille'  ^.  Eine  sichere  Entscheidung  wird  hier  kaum  möglich 
sein,  und  nur  als  Vermuthung  möchte  ich  es  aussprechen, 
dass  es  sich  um  Alfons  von  Poitou  handelt,  der  ja  seine 
Lande  von  seinem  Bruder  König  Ludwig  zu  Lehen  trug. 
Dass  in  Poitou  der  Widerstand  gegen  den  Klerus  damals 
besonders  heftig  war,  bemerkt  auch  Boutaric  '\  und  nach 
den  von  ihm  angeführten  Verfügungen  scheint  Alfons  keines- 
wegs ein  Gegner  der  von  den  Baronen  beschlossenen  Be- 
stimmungen über  die  richterliche  Gewalt  der  Geistlichen 
gewesen  zu  sein.  Einer  der  vier  Obmänner  des  Bundes 
war  der  Graf  von  Angouleme,  ein  Sohn  desselben  Hugo 
von  Lusignan,  der  sich  noch  unlängst  gegen  die  französische 
Herrschaft  empört  hatte  '.    Wenn  nun  Innocenz  in  seinem 


1)  Potth.  12341;  M.  G.  Ep.  pont.  H  n.  257.  2)  Potth.  12385; 
Huillard-Breholles,  Hist.  dipl.  Frid.  II  Bd.  VI,  483  &.  3)  Dafür  sprechen 
die  Namen  der  Obmänner  des  Bundes.  4)  So  ist  es  offenbar  zu  ver- 
stehen, dass  von  'barones  tui'  (also  Ludwigs)  die  Rede  ist,  und  dann  doch 
ein  gewisser  A  als  deren  'capud  et  dominus'  bezeichnet  wird.  A  war 
jedenfalls  Lehensträger  Ludwigs.  5)  So  erscheint  das  A  in  unserem 
Cod.  öfter  als  Ersatz  eines  Namens,  vgl.  z.  B.  f.  54':  'A  de  B'  etc. 
Andererseits  findet  sich  gelegentlich  auch  der  erste  Buchstabe  an  Stelle 
des  vollen  Namens.  6)  Saint  Louis  et  Alfonse  de  Poitiers,  Paris  1870 
S.  423:  'les  seigneurs  de  Poitou  se  distüiguerent  par  la  fermete  de  leur 
resistance'.  7)  Vgl.  auch  Walion,  Saint  Louis  et  son  temps,  Paris  1875. 
I,  231. 


516  K.  Hampe. 

Briefe  schreibt:  'non  tarn  cleri  dispendium  agitur,  quam 
aliud,  quod  in  hoc  facto  tanquam  anguis  in  herba  latitat, 
intentatur',  so  könnte  man  diese  Worte  zwar  auf  die  angeb- 
lichen Zettelungen  Friedrichs  II.  beziehen.  Wahrschein- 
licher aber  ist  mir  doch,  dass  der  Papst  den  König  an  die 
früheren  Kämpfe  erinnern  und  ihn  darauf  hinweisen  wollte, 
wie  leicht  sich  eine  solche  Liga  von  Baronen,  deren  Treue 
nicht  über  allen  Zweifel  erhaben  war,  gegen  die  Krone 
selbst  wenden  konnte.  Die  Lage  von  Poitou  endlich  lässt 
es  wohl  als  möglich  erscheinen,  dass  von  dort  her  die 
ersten  Nachrichten  nach  Lyon,  dem  Aufenthaltsort  der 
Curie,  gekommen  sind. 

Wer  aber  auch  jener  A.  gewesen  ist,  wichtig  bleibt 
für  uns,  dass  der  Papst  sich  auf  die  Kunde  von  dem  Vor- 
gehen der  französischen  Adligen  sofort  an  Ludwig  gewandt 
und  sein  Einschreiten  gefordert  hat.  Vielleicht  hoffte  er 
damals  noch,  mit  Hülfe  des  Königs  die  Gefahr  im  Keime 
zu  ersticken.  Erst  als  er  die  wahre  Ausdehnung  der  Ver- 
schwörung erfuhr,  hat  er  dem  Legaten,  dem  er  von  einer 
lokalen  Begrenzung  jener  Opposition  nichts  mehr  schrieb, 
befohlen,  im  Verein  mit  dem  französischen  Klerus  die  ge- 
sammten  Machtmittel  der  Kirche  gegen  die  widerspänstigen 
Barone  in  Anwendung  zu  bringen. 

(Innocenz  IV.)  fordert  König  (Ludwig  IX.  von 
Frankreich)  auf,  seinen  Ei nfluss  beiA(lfons  von 
Poitou?)  dahin  geltend  zu  machen,  dass  die  von 
dessen  Baronen  gegen  den  Klerus  beschlossenen 
Satzungen  aufgehoben  würden.    (Lyon ,  Dec.  1246). 

Illius  devocionis  ardore  progenitores  tui  erga  ecclesiam 
fervisse  noscuntur,  quod  inter  ceteros  orbis  principes 
ipsius  ecclesie  precipui  ^  def  ensores  libertatem  eins  non 
solum  conservare,  sed  augere  multipliciter  studuerunt. 
Super  eo  igitur,  quod  tu,  progenitoribus  propagine  san- 
guinis et  devocionis  imitacione  succedens,  prefate  honorem 
ecclesie  ferventer  appetere  illumque  solicite  procurare  operis 
exhibicione  probaris,  nobilitatem  tuam  dignis  in  Domino 
laudibus  efferentes,  graciarum  tibi,  quas  possumus,  referi- 
mus  acciones'^. 

Sane,  sicut  accepimus,  quidam  de  baronibus  tuis,  A., 
qui  eorum  capud  est  et   dominus,    minime   inherentes,    sed 


1)  CoiT.  aus  'precipue'  Hs.         2)    Bis   hierhin   reicht  mit  einigen 
unwesentlichen  Abweichungen  die  Uebereinstimmung  mit  Potth.  12341. 


Briefe  zur  Geschiclite  des  13.  Jhs.  aus  einer  Durhamer  Hs.     517 

conantes  deviando  a  capite  ecclesiam  nove  ac  prorsus  inso- 
lite  adinvencionis  genere  miserabiliter  anciliare,  communi 
coniuracione  ac  conspiracione  contra  ^  libertatem  ipsins 
duxerunt  plura  gravia  et  enormia  statuenda,  que  ins  et 
consuetudinem  predicte  libertatis  absorbent,  ecclesie  honorem 
elidunf^,  scandalum  pariunt  et  periculum  generant  ani- 
marum.  Quia  vero  in  huiusmodi  obligacionibus  non  tarn 
cleri  dispendium  agitur,  quam  aliud,  quod  in  hoc  facto 
tanquam  anguis  in  herba  latitat,  intentatur,  nobilitateni 
tuam  rogandam  duximus  et  monendam,  quatinus  considerato 
prudenter,  quod  cum  idem  regnum  hactenus  fuerit  aliis 
terris  pro  fide,  que  ibi  viget,  speculum  et  ecclesie  refugium 
speciale,  quantum  ^  ex  hoc  preter  ora  obloquencium  fidei  ac 
toti  generali  ecclesie  et  ipsius  regni,  si  dici  liceat,  fame, 
nisi  conpescatur  temeritas  taliuni,  derogetur,  apud  eundem 
.  .  interponas  pro  favore  divini  nominis  efficaciter  partes 
tuas,  ut  constituciones  hniusmodi,  que,  ut  minus  dicatur 
et  plus  intelligatur,  non  bene  sapiunt,  dissolvi  faciat,  tradita 
sibi  celitus  potestate,  cum  statvita  ipsa  sint  prorsus  irri- 
tanda  et  iuramenta  prestita  omnino  illicita  et  ideo  non 
servanda,  eam  in  hoc  diligenciam  habiturus,  ut  exinde  tibi 
apud  Deum  meritorum  accrescat  cumulus  et  laus  in  populis 
nacionum. 

4.    Ein  Rundschreiben   der   römischen   Cardinäle 
wegen  der  Tartarennoth,  vom  27.  Juli  1261. 

Papst  Alexander  IV.  hatte  am  17.  Nov.  1260  an  die 
Fürsten  und  Prälaten  Europas  die  Aufforderung  gerichtet, 
zum  6.  Juli  des  kommenden  Jahres  Machtboten  an  die 
Curie  zu  senden,  die  zur  Abwehr  der  drohenden  Tartaren- 
gefahr  gemeinsame  Beschlüsse  fassen  sollten'^.  Er  selbst 
starb  indes  am  25.  Mai  1261,  und  die  Sedisvacanz  dauerte 
mehr  als  drei  Monate.  Dass  während  dieser  Zeit  die  Car- 
dinäle keine  grosse  Unternehmung  einleiten  wollten,  ist 
begreiflich.  Die  Verhandlungen  verliefen  daher  ohne  Er- 
gebnis. Ein  späterer  Brief  Urbans  IV.  bot  uns  bisher 
die  einzigen  Angaben  darüber^.  Jetzt  erfahren  wir  Aus- 
führlicheres aus  einem  Rundschreiben  der  Cardinäle  vom 
27.  Juli  1261,    das  in  unserem  Codex   auf  f.  116  zu  finden 


1)  'qua'  Hs. ;  vgl.  Potth.  12385,  wie  überhaupt  für  diese  ganze  Stelle. 
2)  So  ist  wohl  mit  Potth.  12385  zu  verbessern  statt :  'eludunt'  Hs.  3)  Das 
vorhergehende  'quod'  scheint  vergessen.  4)  B.-F.-W.  9246.  Ueber  die 
Provinzialconcilien  zu  Mainz,  Köln  und  Magdeburg  in  derselben  Angelegen- 
heit im  Mai  1261  vgl.  B.-F.-W.  11887  und  Finke,  Concilienstudien  zur  Gesch. 
des  13.  Jh.  S.  18  ff.  und  93  ff.         5)  Potth.  18356  vom  9.  Jun.  1262. 


518  K.  Hampe. 

ist.  Es  ist  dort  an  den  Erzbiscliof  von  York  gerichtet, 
aber  die  ganze  Fassung-  zeigt  deutlich,  dass  ähnliche  Aus- 
fertigungen auch  an  die  übrigen  Fürsten  und  Prälaten 
gesandt  worden  sind,  welche  bis  dahin  Bevollmächtigte  an 
die  Curie  geschickt  hatten.  Das  Datum  lautet:  'Viterbii  VI. 
kal,  Augusti'.  Da  mir  zu  einer  vollständigen  Abschrift 
die  Zeit  fehlte,  so  begnüge  ich  mich  mit  einer  kurzen 
Wiedergabe  des  Inhalts. 

Das  Schreiben  geht  von  dem  Aufruf  Alexanders  IV. 
aus,  mit  dem  er  sich  begnügt  habe,  weil  einem  allgemeinen 
Concil  zu  grosse  Hindernisse  im  Wege  gestanden  hätten. 
Dann  wird  etwa  fortgefahren :  Dieser  Aufforderung  ist 
man  nur  zögernd  und  mangelhaft  nachgekommen.  Die 
einen  schützten  vor,  man  sage,  die  Tartaren  seien  in  Ver- 
wirrung aus  Syrien  zurückgewichen;  doch  auf  dies  Gerücht 
ist  nichts  zu  geben.  Andere  waren  der  Ansicht,  jedes  Land 
müsse  für  sich  selbst  den  Angriff  bestehen,  man  könne 
sich  nicht  um  die  anderen  bekümmern;  das  bedeutet  nur 
die  Zersplitterung  der  Christenheit.  Weiter  wurde  be- 
hauptet, die  Kirche  wolle  doch  nur  die  geforderten  Mittel 
gegen  ihre  Verfolger  ^  gebrauchen  oder  sonst  zu  eigenem 
Nutzen  verwenden;  solche  Absichten  liegen  ihr  fern. 
Wieder  andere  gaben  zwar  die  Gefahr  zu,  wollten  aber 
für  sich  selbst  von  jedem  Kostenbeitrag  ausgeschlossen 
sein.  Noch  andere  Gründe,  wie  die  Kürze  der  Zeit  und 
dgl.  sollten  entweder  das  gänzliche  Ausbleiben  oder  die 
ungenügende  Vollmacht  der  Gesandten  entschuldigen. 

Inzwischen  ist  Alexander  IV.  gestorben.  Wir,  die  Car- 
dinäle,  sind  zusammengetreten,  um  einen  neuen  Papst  zu 
wählen,  wie  ihn  die  schwierigen  Zeitläufte  erfordern. 
Damit  das  begonnene  Werk  nicht  im  Sande  verliefe,  haben 
wir  selbst  uns  seiner  angenommen  und  haben  die  Ge- 
sandten angehört.  Doch  bei  ihren  ungenügenden  Voll- 
machten und  bei  dem  Mangel  eines  geistlichen  Oberhauptes 
war  nichts  Erspriessliches  zu  erzielen.  Damit  aber,  wenn 
in  Kürze  die  Neuwahl  vollzogen  ist,  die  Sache  einen  glück- 
lichen Fortgang  nimmt,  schicken  wir  unsere  theuren  Söhne 
'magistros  W.  de  W.'  et  Alex,  de  B.  clericos,  procuratores 
et  nuntios  nostros'  zu  Euch,  damit  Ihr  alle  'circa  predictum 
negocium  contra  Tartaros  prosequendum,  super  quo  venera- 
bilis  frater  noster  Tyrensis  archiepiscopus  et  nobilis  vir 
J.  Cayphe,  celebres  regni  lerosolymitani  nuncii  nuperrime 
de   partibus   illis   missi,    corda   nostra   novis   rumoribus  — 


1)  Damit  ist  natürlich  in  erster  Linie  Manfred  gemeint. 


Briefe  zur  Geschichte  des  13.  Jhs.  aus  einer  Durhamer  Hs.     519 

perculeruut    —    sollicite    cog-itetis',    auf    dass    der    zu    er- 
wählende Papst  Euren  Eifer  loben  möge. 

Der  hier  genannte  Erzbischof  Aegidius  von  Tyrus  und 
Johann  von  Valenciennes,  Herr  von  Caipha  (südl.  von  Ptole- 
mais)  waren  noch  in  den  Jahren  1264  und  1265  als  päpst- 
liche Collectoren  des  Zehnten  für  das  heil.  Land  in  Europa 
thätig  ^. 

5.    Beschlüsse    des    Londoner    Provinzialconcils 
vom    13.  Febr.   1292   über    die  Kreuzzugsfrage. 

Nach  dem  Fall  von  Ptolemais  (18.  Mai  1291)  sind 
bekanntlich  in  ganz  Europa  zahlreiche  Provinzialsvnoden 
abgehalten  worden,  welche  auf  Antrieb  Papst  Nikolaus'  IV. 
über  die  Mittel  zur  Wiedereroberung  des  heil.  Landes  und 
über  die  Vorzüge  einer  Vereinigung  des  Templer-  und 
Johanniterordens  Berathungen  führen  und  Gutachten  ab- 
geben sollten.  Die  Antworten  auf  die  zweite  Frage  scheinen 
fast  durchgängig  bejahend  gelautet  zu  haben.  Auch  sonst 
zeigen  die  Beschlüsse,  soweit  sie  uns  noch  bekannt  sind, 
eine  seltene  Einmüthigkeit,  Avenigstens  nach  der  negativen 
Seite:  man  lehnt  jede  weitere  Belastung  des  eigenen  Lan- 
des mit  Entschiedenheit  ab,  weist  auf  die  Nachbarvölker, 
die  noch  weniger  in  Mitleidenschaft  gezogen  oder  stärker 
an  der  Sache  interessiert  seien,  erinnert  sich  plötzlich  in 
Frankreich  und  England,  dass  derartige  allgemeine  Ange- 
legenheiten der  Christenheit  dem  römischen  Kaiser  zukämen 
und  fordert  die  Neuwahl  eines  solchen,  will  etwa  die  Güter 
der  Templer  und  Johanniter  für  den  Kreuzzug  verwandt 
wissen,  giebt  aber  sonst  nur  allgemeine  Rathschläge,  zu 
deren  Ertheilung  eben  kein  besonderer  Opfermuth  gehörte ; 
es  fehlt  sogar  nicht  an  recht  bitteren  Wahrheiten,  die  dem 
Papste  bei  der  Gelegenheit  gesagt  werden. 

Zu  den  dürftigen  Angaben  im  sechsten  Bande  von 
Hefeies  Conciliengeschichte  hat  Finke  -  werth volle  Er- 
gänzungen gebracht.  Erschöpft  ist  das  gedruckte  und  un- 
gedruckte Material  auch  damit  natürlich  noch  nicht;  un- 
beachtet ist  z.  B.  von  ihm  die  Historia  Anglicana  des 
Bartholomaeus  de  Cotton^  gelassen,  in  der  sich  ausser 
anderen  Concilsbeschlüssen  über  dieselbe  Angelegenheit 
auch  ein  Gutachten  findet,  das  der  Bischof  von  Norwich 
mit  den  Prälaten  seiner  Diöcese  aufgesetzt  hat,  um  es  der 


1)  Vgl.  Potth.  18788.  89  und  Röhricht,  Regesta  regni  Hierosolymi- 
tani  S.  350.  351.  2)  Concilienstudien  S.  103  £f.  3)  Ed.  Luard,  London 
1859;  Auszüge  SS.  XXVIII,  604  ff. 


520  K.  Hampe. 

zum  13.  Febr.  1292  nach  London  berufenen  Synode  der 
Provinz  Canterbury  einzureichen  ^ ;  denn  so  war  es  be- 
stimmt worden,  dass  jeder  Biscbof  zunächst  mit  der  ihm 
unterstehenden  Geistlichkeit  Berathungen  pflöge.  Natürlich 
zeigt  dies  Norwicher  Gutachten  in  einigen  Punkten  üeber- 
einstimmung  mit  den  Beschlüssen  der  Londoner  Provinzial- 
synode,  die,  bisher  noch  ungedruckt,  auf  f.  91  unseres 
Codex  einem  Schreiben  des  Erzbischofs  von  Canterbury 
John  Peckham  an  Papst  Nikolaus  IV.  inseriert  sind.  Bei 
dem  allgemeineren  Interesse,  das  sie  beanspruchen  dürfen, 
habe  ich  mir  wenigstens  ihren  Inhalt  kurz  aufgezeichnet. 
Jenen  gesunden  Egoismus,  der  auch  auf  den  anderen  Pro- 
vinzialsynoden  zu  Tage  trat,  zeigen  sie  besonders  scharf 
ausgeprägt,  wie  es  sich  aus  dem  englischen  Charakter  und 
der  ausserordentlichen  finanziellen  Ausbeutung  gerade  dieses 
Landes  leicht  erklärt. 

'Littere  sanctitatis  vestre'  -',  so  beginnt  das  undatierte 
Schreiben  des  Bischofs  von  Canterbury  ohne  Adresse,  'mihi 
archiepiscopo  et  nobis  suffraganeis  ac  prelatis  predictis 
destinate^,  XII.  kal.  lan.  ad  me  archiepiscopum  primitus 
pervenerunt'.  Bei  der  Kürze  der  Zeit  war  es  indes  un- 
möglich, ein  Provinzialconcil  zu  berufen  und  schon  bis 
zum  kommenden  2.  Febr.  darüber  Bericht  zu  erstatten. 
Inzwischen  lief  eine  neue  päpstliche  Mahnung  ein.  Daraufhin 
ist  das  Concil  abgehalten  worden,  und  seine  Beschlüsse 
werden  nun  dem  Papste  übermittelt.  Unter  der  Ueber- 
schrift:  'Incipit  deliberacio'  folgen  die  einzelnen  Punkte, 
über  die  man  sich  geeinigt  hat : 

1)  Zunächst  ist  der  Zorn  Gottes  zu  besänftigen  und 
das  Leben  der  Menschen  zu  bessern.  Daher  soll  der  Papst 
für  die  ganze  Kirche  Gebete ,  Pasten ,  Processionen  und 
andere  Bussübungen  anordnen. 

2)  Bevor  das  Schwert  eingreift,  sollen  geeignete  geist- 
liche Kämpfer  (spirituales  ydonei  bellatores),  welche  die 
Sprache  jener  Gegend  reden,  nach  Syrien  gesandt  werden, 
um  die  Heiden  zum  Christenthum  zu  bekehren,  und  wenn 
das  nicht  gelingt,    und  sie  dort  den  Märtyrertod   erleiden, 


1)  Vgl.  Barth.  S.  206.  Dessen  Angaben  sind  bereits  von  Röhricht, 
Der  Untergang  des  Königreichs  Jerusalem,  Mittheil.  d.  Inst.  f.  öst.  Gesch. 
XV,  39  verwerthet;  ü-rthümlich  wird  aber  von  ihm  dies  Provinzialconcil 
beim  Londoner  Tempel  1292  mit  dem  Concil  von  "Westminster  1291 
(Mansi  Conc.  XXIV,  1079  —  80)  zusammengeworfen.  Im  übrigen  ist  auf 
seine  sorgfältige  Zusammenstellung  der  damals  in  Sachen  des  heil.  Landes 
abgehaltenen  .S^oioden  zu  verweisen.  2)  Dieser  päpstliche  Brief  vom 
18.  Aug.  1291  (Potth.  23786)  geht  im  Cod.  vorauf.       8)  'distincte'  Hs. 


Briefe  zur  Geschichte  des  13.  Jhs.  aus  einer  Durhamer  Hs.     52 1 

so  ist  um  so  eher  zu  hoffen,  dass  Christus  dadurch  gerührt 
wird  und  jene  durch  ein  Wunder  bekehrt. 

3)  Da  Christus  bestimmt  hat,  dass  der  Kaiser  in 
geistlichen  Dingen  vom  Papste,  der  Papst  aber  in  welt- 
lichen vom  Kaiser  unterstützt  wird,  so  möge  ein  Kaiser 
gewählt  werden,  der  die  Führung  im  Kreuzzuge  zu  über- 
nehmen hat.  Unter  ihm  sollen  die  tüchtigen  deutschen 
Krieger  ('strenui  bellatores  Alemanii'),  vereint  mit  denen 
von  Venedig,  Genua  und  Pisa  und  den  anderen  Seestädten 
zur  Rettung  des  heil.  Landes  sich  aufmachen. 

4)  Der  Papst  soll  unter  den  übrigen  vielfach 
hadernden  Fürsten  Frieden  oder  wenigstens  Waffenstill- 
stand stiften,  bis  die  Sache  des  heil.  Landes  zum  glück- 
lichen Ende  geführt  ist. 

5)  Auch  die  uneinigen  Städte ,  die  leicht  zur  Ver- 
hinderung der  Unternehmung  beitragen  können,  sind  durch 
den  Papst  zu  versöhnen. 

6)  Der  Papst  soll  dafür  sorgen,  'ut  universalis  ecclesia 
gaudeat  antiqua  solita  et  debita  libertate,  ut  sie  liberius 
ad  placandum  Deum  vacare  possit  et  subditos  ad  terre 
sancte  subsidium  animosius  excitare'. 

7)  Besonders  ist  darauf  zu  achten,  dass  diejenigen, 
welche  das  Kreuz  nehmen,  frei  sind  von  Verbrechen  und 
von  Excommunication,  und  dass  sie  sich  bei  der  Abfahrt 
demüthig  benehmen  und  massvoll  leben. 

8)  Auch  Könige  und  Fürsten,  nicht  nur  Prälaten, 
sind  um  Rath  zu  fragen,  damit  sie  nicht  etwa,  durch  Ver- 
nachlässigung beleidigt,  ihre  Hülfe  versagen. 

9)  Die  geistliche  und  die  weltliche  Macht  sollen  in 
dieser  Sache  ganz  Hand  in  Hand  gehen. 

10)  Der  Papst  soll  die  Fürsten  ermahnen,  dass  sie 
sich  dem  erwählten  Hauptheerführer  durchaus  unterordnen 
und  auch  ihren  Unterthanen  Grehorsam  anempfehlen;  für 
den  Fall,  dass  dieser  Führer  stirbt  oder  unfähig  wird,  ehe 
das  Ziel  erreicht  ist,  soll  die  Curie  von  vornherein  für 
einen  Stellvertreter  sorgen. 

11)  Ein  päpstlicher  Legat  soll  mitgehen  und  den 
Muth  der  Kreuzfahrer  durch  häufige  Predigten  entflammen. 

12)  Es  ist  bekannt  zu  machen,  dass  Leute,  die  im 
heil.  Lande  sich  niederlassen  wollen,  dort  gemäss  ihren 
Leistungen  Versorgung  finden  werden. 

13)  Ein  Ort  diesseits  des  mittelländischen  Meeres  ist 
zu  bestimmen,  an  dem  sich  die  Kreuzfahrer  zu  versammeln 
haben. 


522  K.  Hampe. 

14)  Was  die  Kosten  betrifft,  so  geht  die  allgemeine 
Ueberzeugung  dahin,  dass  die  ßesitzthümer  der  Templer 
und  Johanniter,  die  ihnen  ursprünglich  durch  die  Frei- 
gebigkeit der  Könige  und  Fürsten  und  den  frommen  Eifer 
anderer  nur  zur  Vertheidigung  des  heil.  Landes  übertragen 
sind,  wovon  dort  viele  Tausende  von  Kriegern  unterhalten 
werden  könnten,  dazu  die  Einkünfte  des  Imperiums,  die 
in  ähnlicher  Weise  zum  Schutz  des  gemeinen  Wesens  be- 
stimmt sind  ^  ferner  der  von  den  Beneficien  der  ganzen 
Kirche  bereits  gesammelte  sechsjährige  Zehnte,  weiter  die 
Spenden  und  Güter  der  Kreuzfahrer  und  endlich  die  zu 
erobernden  Gebiete  mit  ihren  Schätzen  durchaus  genügen, 
um  das  heil.  Land  zurückzugewinnen  und  zu  halten.  Von 
einer  neuen  Umlage  ist  jedenfalls  abzusehen ,  nur  der 
England  schon  auferlegte  sechsjährige  Zehnte  mag  auf 
andere  Länder  ausgedehnt  werden.  Ganz  unerträglich  aber 
würde  eine  weitere  Belastung  Englands  sein. 

15)  Die  für  den  Kreuzzug  von  der  Curie  und  ihren 
Collectoren  gesammelten  Gelder  sind  ausschliesslich  für 
diesen  Zweck  zu  verwenden. 

16)  Alle  Könige  und  Fürsten  sollen  die  Laien,  welche 
nicht  das  Kreuz  nehmen  wollen,  ermahnen,  dass  sie  zu 
den  Kosten  etwas  beisteuern.  Dasselbe  gilt  von  den 
Prälaten  hinsichtlich  ihrer  Untergebenen. 

17)  Um  schädliche  Zwistigkeiten  zu  vermeiden,  sollen 
die  Templer,  Johanniter  und  andere  Orden  vom  Papste  in 
einen  einzigen  zusammengefügt  werden.  Ihre  Güter  sind 
gebührend  nach  ihrem  Werthe  abzuschätzen,  und  demgemäss 
sollen  sie  verpflichtet  sein,  so  viele  Krieger  für  das  heil. 
Land  zu  stellen,  als  diese  Mittel  erlauben.  Auch  sie  haben 
dem  Hauptheerführer  unbedingten  Gehorsam  zu  leisten. 

f.  92  endet  das  Stück  mit:  'Explicit  Concors  deliberatio 
archiepiscopi  Cantuariensis  etc.  in  concilio  habita  provin- 
ciali  Londoniensi  anno  Domini  1291  (so  im  Annunciations- 
stil  =  1292). 

6.  Eine  Satire  auf  die  Geldforderungen  an  der 
römischen    Curie. 

Schon  in  der  Auswahl  der  in  unserem  Cod.  enthaltenen 
Stücke  glaubt  man  gelegentlich  ein  gewisses  Interesse  an 
den  Conflicten  zwischen  Staat  und  Kirche  wahrzunehmen. 

Auch  sonst  spürt  man  hier  und  da  etwas  von  oppo- 
sitionellem Geiste  gegen  die  Curie   und  ihr  Finanzsystem. 

1)  'ac  etiam  proventus  imperii,  qui  similiter  ad  defensionem  rei 
publice  sunt  astricti'. 


Briefe  zur  Geschichte  des  13.  Jhs.  aus  einer  Durhamer  Hs.     523 

Auf  dem  unteren  Eande  sind  mehrfach  Verse  eingetragen, 
darunter  (f.  67)  das  oft  variierte^: 

ßoma  manus  rodit  et  que  sunt  turpia  prodit, 

Dantem  custodit  et  eum,  qui  nil  tulit,  odit. 
Auf  Honorius  IV.  scheinen  sich  die  Verse  (f.  69')  zu 
beziehen,    die  ich   schon   in   der  Hist.  Ztschr.    LXXX,  492 
angeführt  habe: 

0  pater  Honori  -,  pati'ie  non  vivis  honori ; 

Desine,  vade  mori,  dabimus  cathedram  meliori. 
Dabei  ist  nicht  ersichtlich,  ob  die  auch  sonst  verhöhnte 
Krüppelgestalt  des  Papstes,  die  von  ihm  mit  Eifer  wieder 
aufgenommene  Eintreibung  des  Kreuzzugszehnten  oder 
etwa  die  Verstimmung  gegen  ihn  im  Minoriteuorden  den 
Anlass  zu  diesen  Spottversen  gab.  Daneben  finden  sich 
auch  mancherlei  Verschen  harmlosen  Inhalts,  die  darum 
weniger  mittheilenswerth  sind,  z.  B.  das  auch  sonst  vor- 
kommende '^ : 

Inter  res  multas,  cum  sit  mihi  nulla  facultas, 

Parisius  dego,  Tantalus  alter  ego. 
Eine  sehr  scharfe  Satire  auf  die  Art,  wie  man  den 
Fremden  an  der  römischen  Curie  das  Geld  abnahm  —  sei 
es  durch  die  vielfachen  Gebühren,  sei  es  durch  Zugänglich- 
keit für  Bestechungen  — ,  bietet  ein  Schreiben  auf  f.  308, 
das  noch  kaum  bekannt  sein  dürfte.  Es  handelt  sich  wohl 
weniger  um  einen  wirklichen  Brief,  als  vielmehr  um  eine 
Stilübung,  die  aber  aus  Kenntnis  der  dortigen  Verhältnisse 
heraus  geschrieben  sein  mag.  In  der  Form  hat  dazu 
vielleicht  ein  Stück  aus  der  Sammlung  des  Eicardus  de 
Pofis^  Anregung  gegeben,  das  hier  auf  f.  308  mit  einigen 
Veränderungen  noch  einmal  eingetragen  ist.  Das  Schreiben 
lautet : 

Successus  ad  vota  prosperos  cum  salute. 
In  Eomana  miseria  constitutus,  in  admiranda  et 
miseranda  curia,  in  castris  invidie,  in  scolis  fraudulencie, 
in  foro  cupiditatis ,  in  silva  solicitudinis ,  in  venacione 
mortis,  in  massallo  -^  virtutum  veram  non  habencium  cari- 
tatem  et  in  turbine  tempestatis,  discrecioni  vestre  significo, 
quod  negocium  nondum  est  inceptum.  Credebam  quidem, 
cum  de  partibus  vestris  recessi,  in  paucorum  dierum  spacio 
revenisse,  sed  heu  me,  quia  incolatus  mens  prolongatur  ^, 
nee  ex  aliquo  mihi  solamen   inducitur,    nisi   ex   hoc,    quod 

1)  Vgl.  Neues  Archiv  XXIH,  205.  2)  'Honorii'  Hs.  3)  Z.  B.  im 
Cod.  Paris,  lat.  5129  unter  den  Gedichten  Hildeberts  von  Le  Mans. 
4)  n.  14:  'In  tribulatione  mea'.  5)  "Wie   es   scheint    =    masellus,   vgl. 

Du  Gange  =  habitatio,  domus.         6)  'prolongatus'  Hs. 


524  K.  Hampe. 

infinitos  video  in  curia  morbo  simili  laborantes.  Illud 
quidem  mihi  aliquali  modo  angustiam  relevat,  quod^  quam- 
plures  habeo  participes  passionum ;  nam  iuxta  philosophum : 
Solamen  est  miserum  socios  habere  penarum  '^.  Ut  autem 
de  condicionibus  curie  aliqua  innotescant  ^,  sciatis,  quod 
hie  sunt  omnes  inprobissimi  emunctores^,  inportuni,  donec 
accipiant,  et  postquam  acceperunt,  sunt  ingrati,  et  nisi 
dator  dare  eontinet,  inimici^  Non  abutitur  Roma  suo 
vocabulo,  nam  rationabiliter "  exercet  in  peregrinos  advenas 
manuum  rasionem ,  et  si  quid  forte  superest ,  portat 
rastrum,  quia  illud  feneratorum  improbitas  apprehendit, 
quod,  qui  non  habet  ^  pecuniam,  habere  compellitur,  et  qui 
habet,  cogitur  non  habere.  Beati  omnes,  quibus  datum 
est  abesse;  ab  ista  miseria  miseranda  sunt  excepti.  In 
quorum  numero  vos  esse  letemini  *^,  quos  in  loco  pacis  et 
pascue  Dominus  collocavit  ^.  Ego  autem,  tanquam  cervus  ^'^ 
siciens  aquarum  fluenta  desiderat  ^^,  ab  isto  laqueo  evelli 
cupio  pedes  meos  ^-,  et  si  semel  Scillam  evasero,  non  incidam 
de  cetero  in  Caribdim  ^^. 

7.     Beschreibung  der  Handschrift. 

Ueber  den  Inhalt  des  Cod.  Cathedr.  Dunelmensis  C 
IV,  24  war  bisher  nur  nach  dem  Kataloge  von  Rud  im 
Archiv  VII,  963  eine  kurze  Notiz  gegeben.  Es  ist  ein 
Pergamentband  in  Kleinfolio.  Auf  dem  letzten  Blatte 
f.  364'  findet  sich  der  Vermerk  s.  XIV. :  'Iste  liber  donatur 

communi  armariolo  Dunelmensis  monasterii 

.  .  .  ^^  de  Gilburne  quondam  electum  in  priorem  Dunel- 
mensem ;  quem  qui  alienaverit'  etc.  In  Durham  ist  wohl 
auch  ursprünglich  die  übrigens  durchaus  nicht  planvoll 
angelegte  Sammlung  entstanden,  und  viele  Stücke  sind 
nur  von  lokalem  oder  doch  rein  englischem  Interesse. 
Daneben  ist  aber  auch  ein  reiches  Material  herangezogen, 
das  für  italienische,  französische  und  deutsche  Geschichte 
werthvoll  ist,  u.  zw.  vorwiegend  Papstbriefe,  neben  ganzen 
Eormelsammlungen  und  Briefstellern.  Auf  welchem  Wege 
es  nach  Durham  gekommen  ist,  wird  sich  nicht  mehr 
nachweisen  lassen. 


1)  'per'  Hs.  2)  So  viel  ich  weiss,  ist  dies  Sprichwort  vor  dem 
13.  Jh.  nicht  nachzuweisen.  3)  'innotescat'  Hs.  4)  Von  'emungere'  = 
prellen  gebildet.  5)  In  der  Hs.  ein  m- Strich  zu  viel.  6)  Das  Wort- 
spiel kommt  paläographisch  bei  der  Abkürzung  'rönabiliter'  besser  heraus. 
7)  'habeat'  Hs.  8)  'letimini'  Hs.  9)  Vgl.  Psalm  22,  2.  10)  'servus'  Hs. 
11)  'desiderio'  Hs.,  vgl.  Psalm  41,  2.  12)  Vgl.  Psalm  24,  15.  13)  Vgl. 
Verg.  Aen.  III,  420.         14)  Lücke  im  Pergament. 


Briefe  zur  Geschichte  des  13.  Jhs.  aus  einer  Durhamer  Hs.     525 

f.  1  —  52'.  Ein  Theil  der  Formelsammlung  des 
Ricardus  de  Pofis,  nämlich  von  den  469  Stücken 
n.  1 — 188  und  von  den  folgenden  noch  94  ausgewählte 
Briefe.  Nur  diese  Stücke  finden  sich  auch  vorn  in  dem 
Index  verzeichnet.  Das  Ganze  ist  ohne  Ueberschrift  und 
Vorwort,  so  dass  die  Sammlung  nicht  ohne  Weiteres  zu 
erkennen  war. 

Dahinter  noch  die  Urkunde  eines  Priors :  'Pateat 
universis'  und  ein  anderes  Stück  'Quia  inventus  est',  beide 
ohne  Interesse,  ebenso  die  folgende  Schriftauslegung 
f.  53 — 53'.  Dann  von  anderer  Hand  ^  ein  französischer 
Brief:  'Com  moult'  etc.  und  ein  lateinischer:  'Pirmam 
habentes  fiduciam'. 

f.  54  mit  blasser  Tinte  von  anderer  Hand:  18  Briefe, 
einige  davon  der  Summa  dictaminis  des  Thomas  von 
Capua  (=  T.)  entnommen,  von  der  ich  eine  Abschrift 
aus  dem  Apparat  der  Monumenta  Germaniae  benutzen 
konnte,  da  das  Werk  ja  erst  zum  kleinen  Theile  gedruckt 
ist.  l)  T.  IV,  27.  2)  'Sub  expectacione  sollicita'  etc. ;  ich 
finde  es  nicht  bei  T.,  obwohl  es  sich  um  die  Genesung 
'cari  Thome'  darin  handelt.  3)  T.  IV,  21.  4)  T.  IV,  28. 
5)  T.  V,  12.    6)  T.  V,  13.    7)  'Per  dilectum  amicum  vestrum'. 

8)  ßicardus  —  magistro.     'Cum  in  negocio',  unbedeutend. 

9)  'Attendentes  tue  indolis',  Privileg,  um  dem  Empfänger 
das  uneingeschränkte  Studium  der  scholastischen  Disciplinen 
zu  ermöglichen.  10)  'Quia  intendimus'.  11)  'Desideriis 
vestris'.    12)  'Illas  a  vobis  preces'.    13)  französisch:  'Saluz  et'. 

f.  55' — 59'  sind  leer  geblieben,  f.  60  beginnen  ohne 
Titel  und  mitten  im  Text  Briefe  und  Urkunden  aus  dem 
Anfang  des  14.  Jhs.,  auf  Durhamer  und  andere  englische 
Angelegenheiten  bezüglich. 

f.  64  wechselt  indes  der  Inhalt  wieder;  es  folgt  eine 
Anzahl  von  Formeln,  die  durchgängig  echten  Papstbriefen 
entnommen  zu  sein  scheinen,  u.  zw.  soweit  sie  bestimmbar 
sind,  solchen  von  Gregor  IX.  und  Innocenz  IV.  Um  die 
übrigen  zu  finden,  habe  ich  einen  grossen  Theil  der 
Potthast'schen  Eegesten  und  der  päpstlichen  Register  ver- 
geblich durchgesehen;  möglich  immerhin,  dass  einzelne 
von  ihnen  gedruckt  sind.  Mehr  Zeit  darauf  zu  verwenden, 
lohnte  sich  indessen  nicht,  und  vielfach  sind  auch  die 
Formeln  zu  häufig  angewandt,  um  eine  Bestimmung  zu- 
zulassen.     Ich    notiere    hier    die    Anfänge    und   deute    ge- 


1)  Wo  nichts  anderes  bemerkt  ist,  gehören  die  Hände  dem  Anfang 
des  14.  Jh.  an. 


526  K,  Hampe. 

legentlich  den  Inhalt  an,  wo  er  überhaupt  greifbar  und 
bemerkenswerth  ist. 

f.  64.  'Cum  olim  vobis'  (==  Gregor  IX.  v.  27.  März 
1234,  M.  G.  Ep.  pont.  I  n.  472?).  'Accedens  ad  nostram'. 
'Exibita  nobis',  der  Papst  befiehlt  einem  Bischof,  den 
Grundstein  zu  einer  Capelle  der  heil.  Katharina  auf  einer 
neuerbauten  Brücke  des  castrum  .  .  seiner  Diöcese  zu 
legen. 

Dann:  ludici.  'Quia  proni  sensus  hominis',  ein  päpst- 
licher Befehl,  den  Scholaren  in  Neapel,  die  'pro 
violenta  manuum  iniectione'  der  Excommunication  ver- 
fallen, gegen  Ersatz  an  die  Geschädigten  und  Auferlegung 
einer  Busse  die  Absolution  zu  ertheilen,  damit  ihr  Studium 
nicht  unterbrochen  werde.  Dieselbe  Arenga  hat  ein 
Schreiben  Alexanders  IV.  vom  18.  Mai  1255,  vgl.  ßeg. 
Alex.  IV.  ed.  Bourel  de  la  ßonciere  n.  522. 

Ferner  ein  Papstbrief,  der  bald  nach  1250  geschrieben 
zu  sein  scheint  und  für  uns  mehr  Interesse  bieten  würde, 
wenn  sich  der  Name  des  Empfängers-  ermitteln  Hesse.  Er 
lautet : 

'(S)piritum  consilii  sanioris.  Benigne  ac  diligenter 
audivimus  omnia,  sed  principaliter,  que  nomine  tuo  fuerunt 
proposita  coram  nobis  primum,  quod,  licet  Deo  et  ecclesie 
corde  devotus  extiteris,  tamen  quondam  Frederico  et 
ipsius  fautoribus  astitisti,  ut  rerum  et  personarum  pericula, 
que  pluribus  aliis  minebant,  una  cum  tuis  evadens,  eccle- 
siam  tuam  a  discrimine  conservares.  Quare  petebatur  ^  a 
nobis,  ut,  si  quam  pretextu  favoris  huiusmodi  sentenciam 
aut  irregularitatem  etiam  -  incurristi,  providere  tibi  super 
hoc  de  absolucionis  et  dispensacionis  beneficio  dignaremur. 
Nos  itaque  tibi  duximus  consulendum,  quod  affectum 
devocionis  tue  circa  sedem  apostolicam ,  cum  iam  tibi 
Dominus  cougruam  ad  hoc  facultatem  dederit,  ostendere 
studeas  per  efEectum,  et  firmam  fiduciam  habeas,  quod 
predicta  sedes,  que  operibus  pietatis  semper  invigilat,  pro- 
picia  et  affabilis  tibi  habebitur,  si  ad  hoc  te  perceperit 
condignis  ^  meritis  adiuvari. 

Dann:  'Geminum  bonum  agit'.  f.  64'.  'De  pia  et 
sancta'.  'De  vestra  concepimus'.  'Non  decet'.  'Etsi  per- 
versi'.     'Si  fideles  nostri'.     f.  65.    'Cum  nihil  valeat'. 

Darauf:  'Non  sine  causa  miramur,  quod,  sicut  dilectus 
■.  .  potestas  Reatinus  exposuit   coram  nobis,   ipsum  indebite 


1)  So  wohl  statt  'petebant'  zu  lesen.         2)    So  Hs.         3)  Es  folgt 
noch  einmal  'te'. 


Briefe  zur  Geschichte  des  13.  Jhs.  aus  einer  Durhamer  Hs.     527 

persequentes,  ut  graviter  ledatis  eundem,  quosdam  contra 
ipsum  malivolos  concitatis  et  concitatos  potenter  et  patenter 
iuvantes,  graves  eidem  irrog-atis  incurias  et  iacturas,  quin 
etiam,  sicut  dicitur,  coniuratis,  ut,  si  quis  iniuriator  ipsius 
exinde  aliquod  dampnum  incurreret,  vos  illud  resarciretis 
eidem,  ut  sie  quilibet  ^  insurgeret  audacius  contra  eum'. 
Der  schon  ertheilte  Befehl,  von  diesen  Belästigungen  ab- 
zulassen ,  wird  daher  noch  einmal  in  schärferer  Form 
wiederholt.  Weiter:  'Quia  perversi'.  f.  65'.  'Si  subditorum'. 
'Mundo  posito'.     'Si  diligenter'.     f.  66.    'Quia  nimis'. 

Es  folgt  der  Brief  Innocenz'  IV.  'Pura  fides'  vom 
18.  Nov.  1254  an  Walter  de  magistro  Nigro,  Bürger  von 
Messina,  dem  der  Papst  für  die  durch  Friedrich  II.  ihm 
zugefügten  Schäden  ein  Lehen  in  der  Diöcese  Sjracus 
('ad  demanium  curiae  pertinens')  ertheilt,  hier  ohne  alle 
Namen,  vgl.  Reg.  Inn.  IV.  ed.  Berger  n.  8255.  Beachtens- 
werth  scheint  mir  doch  der  Schluss,  der  dort  nicht  be- 
rücksichtigt ist:  'Volumus  autem,  ut,  quocienscumque  pre- 
fata  ecclesia  generalem  excercitum  pro  defensione  regni 
Sicilie  congregaverit  vel  induxerit ,  tu  dictique  heredes 
teneamini  pro  predicto  casali  unum  militem  armis  et  equis 
bene  munitum  ad  serviendum  eidem  ecclesie  in  nostris 
sumptibus  per  duos  dies  infra  dicti  regni  confinia  exhibere. 
Nulli'  etc. 

Darauf  die  Formel  'Matris  ecclesie'  ohne  Namen, 
wie  sie  M.  G.  Ep.  pont.  III  n.  322  und  sehr  oft  sonst  in 
Briefen  Innocenz'  IV.  und  Alexanders  IV.  vorkommt. 

f.  66'.  'Pro  quibuscumque'.  'Cum  fides'.  'Fratribus 
ordinis'  (etwa  Clemens  IV.,  Sbaralea  Bull.  Franc.  III,  38?). 
f.  67'.  'Eisdem  solet'  (wohl  eher:  Eisdem.  'Solet').  'Cum 
nulla  virtus'.  f.  68.  'Probata  fides'.  'Attenta  sedis  apo- 
stolicae'  (sehr  häufige  Arenga  im  Jahre  1254,  aber  auch 
sonst).  'Non  dubitamus'  =  Gregor  IX.  an  Friedrich  II. 
vom  15.  Oct.  1230,  P.  8626,  Ep.  pont.  I  n.  421.  'Pia 
desideria'.  'Quia  salutem'.  f.  68'.  'Decoris  debitum'. 
'Sicut  in  nostra'.     'Quanto  studiosius'. 

Dann  beginnen  wieder  vollständige  Briefe ,  u.  zw. 
f.  68'.  Gregor  IX,  an  Heinrich  III.  von  England  vom 
7.  Juni  1232,  P.  8945.  f.  69'.  Derselbe  an  den  Erzbischof 
von  York  'Angustias  et  labores'.  Dat.  Spoleti.  f.  70,  Erz- 
bischof G(ottfried)  von  York  theilt  dem  Bischof  E(obert) 
von  Durham  das  Schreiben  Alexanders  IV.  vom  17.  Nov. 
1260  (P.  17964)  mit;  und  weitere  englische  Stücke. 


1)  'quelibet'  Hs. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  34 


528  K.  Hampe. 

f.  71  wieder  Formeln  wie  f.  64  ff.  'Nimis  iiiique'. 
f.  71'.  'Cum  fides'.  'Quo  prestanciorem'  und  andere  hier 
meist  ganz  kurze  und  unvollständige  Stücke.  'In  con- 
temptum  veniens',  Enthebung  eines  Bischofs,  der  auf  Seiten 
der  Feinde  der  Kirche  gestanden  hat,  von  der  'administracio 
temporalium  et  spiritualium'. 

f.  73,  ludicibus.  'Ex  parte  dilecti  filii  .  .  prioris 
et  conventus  monasterii  de  .  .  ord.  S.  ßenedicti  diocesis 
.  .  fuit  propositum'  etc.;  richtet  sich  gegen  einen,  der 
sich  als  Abt  gebärdet,  aber  die  Klostergüter  verschleudert 
und  unsittlich  gelebt  hat,  auch  bereits  'per  R.  hospita- 
larium'  ermahnt  ist,  davon  abzulassen;  es  soll  jetzt  Abhülfe 
geschaffen  werden. 

Darauf  folgt  das  oben  in  Abschnitt  1  mitgetheilte 
Stück  'Si  ad  acciones'. 

f.  73'.  'Et  verbera  patris' ;  ein  Bischof  hat  die  Kirche 
'tempore  turbacionis  regnorum  .  .'  schwer  beleidigt;  da 
er  sich  an  der  Curie  aber  doch  von  dem  Verdacht  ge- 
reinigt hat.  dass  er  nach  Verkündigung  des  Interdicts  noch 
die  Messe  gefeiert  habe,  wird  er  wiederum  als  Bischof 
anerkannt. 

'Si  secundum  principis  apostolorum',  Aufforderung  an 
einen  Geistlichen,  sich  zu  bessern. 

Das  folgende  Stück  ist  offenbar  an  Ludwig-  IX. 
von  Frankreich  gerichtet,  vermuthlich  von  Papst  Inno- 
cenz  IV.,  wie  auch  der  nächste  Brief.  Da  es  nicht  ge- 
druckt zu  sein  scheint,  theile  ich  es  mit,  obwohl  nicht  zu 
ersehen  ist,  um  wen  es  sich  darin  handelt. 

'Est  de  te  generalis  opinio,  quod  tu  in  etate  con- 
stitutus  tenera  mentem  ad  celestia  erigens  et  tui  dirigens 
ad  Dominum  inicium  principatus,  dedisti  in  sacrificium 
illud  sibi  ac  studuisti  postmodum  tanquam  princeps  catho- 
licus  ei  per  continuata  obsequia  conplacere  et  in  hoc  per- 
severare  semper  desideras  animo  indefesso.  Propter  quod 
tibi  perseveranti  Corona  ^  glorie  pollicetur  et  eo  potissime, 
quod  .  .  pro  libertate  ecclesiastica  exulanti  conpaciens, 
non  solum  ipsum  in  terra  tua  protegis  et  defendis,  verum 
etiam  propter  suam  suorumque  tutelam  municiones  tuas 
liberali  munificencia  contulisti,  sicut  ipso  accepimus  inti- 
mante.  Super  quo  tibi  graciarum  acciones  referimus  et 
ad  continuacionem  precibus  et  monitis  tuam  celsitudinem 
confortamus,  ut  preter  divinum  j)remium,  quod  ex  hoc 
tibi  augebitur  in  eternum,  nos,  qui  tante  humanitatis  gra- 
ciam  in  hoc  precipue  necessitatis  articulo  eidem  .  .  factam 


1)  'Corona  perseveranti'  Hs. 


Briefe  zur  Geschichte  des  13.  Jhs.  ans  einer  Durhamer  Hs.     529 

memoriter  retinemus,    obligemur   specialiter  ad  regle  celsi- 
tudinis  increm  entum'. 

Darauf  'Illius  devocionis'.  siehe  oben  Abschnitt  3. 

f.  75.  'Sanctam  Eomanam  ecclesiara',  betreffs  der 
ecclesia  Gallicana.  f.  75'.  ,Etsi  de  statu  regni'.  f.  76. 
'Ab  olim  ante  promocionis',  König  Philipp  von  Frankreich 
genannt,     f.  77'.    'Decens  et  dignum'. 

f.  78  ff.  Wieder  nur  Anfänge  und  ganz  kurze  Stücke, 
f.  80.  T.  quondam  episcopo.  'Quoniam  delinquentes  filios'. 
Dann :  'Sortitur  genitrix';  wegen  der  ungeheuren  Ausgaben, 
welche  die  Kirche  besonders  für  Sicilien  machen  musste, 
und  wegen  ihrer  Verpflichtungen  gegen  römische  Kauf- 
leute bedarf  sie  dringend  der  Geldspenden,  die  dem  '  .  . 
capelle  nostre  clerico  in  Suetia  ('Suetio'  Hs.)  nuncio  nostro' 
anzuvertrauen  sind.  Im  Anfang  TJebereinstimmung  mit 
P.  16557  (Alexander  IV.  vom  27.  Sept.  1256);  vgl.  unten  f.  96. 

Darauf:  'Olim  venerabilis  frater  Bononiensis  episcopus 
propter  debilitatem  corporis'  etc.  Ihm  ist  die  'licentia 
cedendi'  ertheilt.  Vermuthlich  handelt  es  sich  um  Henricus 
de  Fratta,  der  1240  resigniert  hat.  f.  80'.  'Item  cum  G. 
quondam  Pictaviensis  episcopus  in  nostra  et  fratrum  no- 
strorum  presencia  cesserit'  etc.,  vermuthlich  Guillelmus 
(c.  1214 — 25).  f.  82.  'Inducti  sinceritatis  tue  meritis',  Er- 
laubnis, bei  der  Durchreise  durch  England  trotz  des  Inter- 
dicts  mit  Begleitung  bei  geschlossenen  Thüren  die  Messe  zu 
celebrieren  oder  zu  hören,  f.  83.  Längeres  Stück:  'Lignum 
in  medio  paradisi',  auf  England  bezüglich.  f.  84  sind 
später  Urkunden  in  Urkundenschrift  s.  XV.  eingetragen, 
ohne  besonderes  Interesse,     f.  84' — f.  85'  leer. 

f.  86  beginnt  von  anderen  wechselnden  Händen  eine 
neue  Folge  von  Briefen  ohne  Ueberschrift.  'In  omnibus 
semetipsum'  etc.,  sännntlich  auf  englische  Geschichte  be- 
züglich, darunter  f.  87'.  'Audistis,  fratres  conscripti'  etc., 
über  die  Constitutionen  des  Ottobonus,  f.  89'  das  Schrei- 
ben König  Johanns  vom  15.  Mai  1213  (E.jmer  Foed.  I, 
p.  IS.  111).  Ebenda  Gregor  X.  an  die  englischen  Bischöfe 
über  den  Peterspfennig,  vom  22.  April  1273,  fehlt  bei  Pott- 
hast, von  Wilkins,  Concilia  Angiiae  II,  469  gedruckt  als 
von  Gregor  V.,  von  Spittler  (Von  der  ehemaligen  Zinsbar- 
keit der  nordischen  Reiche  etc.,  Schriften  II,  159  Anm.) 
Gregor  IX.  zugewiesen,  endlich  von  P.  Fabre  (Eecherches 
sur  le  denier  de  S.  Pierre  en  Aiigleterre  in  Melanges 
d'arch.  et  d'hist.,  Suppl.  zu  t.  XII:  Melanges  G.  B.  de  Rossi 
S.  179)  Gregor  X.  Der  letzte  giebt  S.  178  N.  2  die  Liste 
der  Abgaben  nach  Cencius ;  darin  ist  (wohl  nur  von  Fabre) 

34* 


530  K.  Hampe. 

der  zweite  Betrag:  'de  London,  dyoc.  XVI  lib.  et  X  sol.' 
ausgelassen.  Sonst  enthält  der  Brief  Gregors  X.  in  der 
Durhamer  Ueberlieferung  Abweichnngen  von  Cencius  nur 
bei  Eochester:  'XII  sol.'  statt  'X  sol.'  und  beiBatli:  'XII 
libr.'  statt  'XI  libr.',  beides  vermuthlicli  nur  Schreibfehler. 

f.  91.  Nikolaus  IV.  an  Erzbischof  Johann  von  Canter- 
bury  vom  18.  Aug.  1291  'Dura  nimis'  ==  Bartholoniaeus 
de  Cotton.  Hist.  Anglicana  ed.  Luard  S.  203,  vgl.  P.  23786 
und  im  Anschluss  daran  die  Berathungen  des  Londoner 
Concils,  über  welche  oben  Abschnitt  5  handelt.  Dann 
Bonifaz  VIII.  'Traxit  hactenus'.  ßomae  IV.  kal.  April, 
pont.  a.  IL  (29.  März  1296),  nicht  bei  Potthast  oder  im  Re- 
gister.  f.  93.  Philipp  d.  Schöne  'Inter  alia,  que',  Paris  23. 
Oct.  1294  und  anderes.  Martin  IV.  an  Karl  I.  von  Sicilien 
von  c.  Nov.  Dec.  1282,  P.  21955.  f.  96.  'Sortitur  genitrix', 
wie  oben  f.  80;  hier  heisst  es,  dass  'Petrus  de  Piperno 
capellanus  et  nuncius  noster'  nach  England  geschickt  ist; 
ihm  sind  die  Summen  des  zu  spendenden  Geldes  mit- 
zutheilen;  vgl.  dazu  M.  G.  Ep.  pont.  II,  528  N.  5:  Innocenz 
IV.  verleiht  am  31.  Aug.  1248  Petro  de  Sublaco  ostiario 
suo  Lehen  in  Pipernum. 

f.  97  beginnt  ein  neuer  Theil,  bis  f.  122  von  einer 
Hand  s.  XIV.  in.  geschrieben.  Zunächst  Briefe  von 
Innocenz  II I.  f.  97.  P.  3111  (hier  fälschlich  mit  VIL 
id.  lun.).  f.  97'.  P.  3126  (richtig  mit  VIIL  kal.  lul.). 
P.  3167  (fälschlich  mit  V.  kal.  Sept.  p.  a.  I.)  f.  98.  Innocenz 
den  Bischöfen  von  London,  Ely  und  Winchester  'Inter 
cetera,  que  super  negocio  Cantuariensis  ecclesie'  etc.  mit 
'Laterani  VII.  id.  Mai.  p.  a.  X.',  also  am  9.  Mai  1207,  nicht 
bei  Potth.  Dann:  P.  3419.  f.  99.  Principibus  Alemannie. 
'Quanta  debet'  vom  3.  Mai  1199  =  P.  686.  Dann  P.  3600 
und  f.  99'.  P.  3622.  f.  100.  Stephan,  Erzbischof  von  Canter- 
bury  (1207 — 28),  an  seine  Suffragane:  'In  specule  pastoralis'. 
f.  100'.  Idem.  'Ineffabilis  sapiencia'.  f.  101.  Il(ubert),  Erz- 
bischof von  Canterbury  (1193 — 1205).  an  G(ottfried),  Bischof 
von  Coventry  (1198 — 1208):  'Dominus  ac  redemptor'. 

Darauf  eine  Reihe  von  Briefen  Honorius'  III.,  die 
sämmtlich  nach  England  gerichtet  sind.  f.  102.  P.  6265 
(ohne  bestimmtes  Dat.),  hier  mit  'Viterbii  IV.  non.  lun. 
p.  a.  IV.',  also  vom  2.  Juni  1220.  Den  folgenden  undatierten 
Stücken  habe  ich  nicht  weiter  nachgesucht,  vielleicht  sind 
sie  bekannt.  Zunächst :  Denselben.  'Venerabilis  frater  noster 
Dunelmensis  episcopus'.  Denselben.  'Licet  inquisitionis'. 
Dunelmensi  episcopo.  'Licet  inquisitionis'.  Dann  f.  103 
ohne  Adressat :  'Indiscreta  precancium'  und  'Cum  inquisici- 


Briefe  zur  Geschichte  des  13.  Jhs.  aus  einer  Durhamer  Hs.     531 

onis  Processus',  f.  103'.  Bathoniensi,  Eoffensi  etc.  episcopis. 
'Indiscreta  precancium'.  Priori  et  commuiii  Dunelmensibus. 
'Multis  tarn  domesticis'  und  weitere  ähnliche  Stücke,  f.  105. 
Notariatsurkunde  von  1281.  f.  106.  Gregor  IX.  'Ascendit', 
siehe  oben  Abschnitt  2. 

Es  folgen  wieder  auf  England  bezügliche  Urkunden, 
besonders  für  Coventry  und  Lichfield  bis  112'.  Aus  den 
weiteren  Stücken  hebe  ich  nur  noch  diese  hervor:  f.  114. 
Nikolaus  IV.  vom  18. März  1291,  P.  23608  und  23609  betreffs 
des  Kreuzzugs.  f.  116  der  in  Abschnitt  4  behandelte  Brief 
des  Cardinalcollegiums  vom  27.  Juli  1261.  f.  118.  Bonifaz 
YIII.  vom  19.  Febr.  1195,  P.  24027.  Das  Folgende  bezieht 
sich  wieder  meist  auf  Durham.  f.  122'  ein  Register  zu  den 
vorigen  Abtheilungen  der  Hs. 

f.  124  beginnt  ein  ganz  neuer  Theil  des  Codex.  Incipit 
prologus  in  libro  questionum  magistri  Bartholomaei 
Brixiensis.  'Ad  honorem  omnipotentis  Dei  et  Eomane 
ecclesie,  cui  presidet  Gregorius  nonus,  et  ad  utilitatem 
Bononie  et  alibi  studencium  ego  Bartholomeus  Brixensis(!) 
inter  scolares  brevem  summulam  questionum  dubitabilium 
et  breviorem  venerabilium  in  iure  canonico  composui,  paucas 
allegaciones  ex  utraque  proponens  parte,  quas  prudens 
lector,  secundum  quod  ei  videbitur,  adaptabit,  lectori  humi- 
liter  supplicando,  ut  insufficienciam  tolleraret'.  Formeln 
sind  hier  nicht  aufgenommen. 

f.  199.  Expliciunt  questiones  Bartholomaei.  Nachdem 
noch  von  anderen  Händen  einige  unwichtige  Briefe  einge- 
tragen sind,  folgt  f.  200  die  Summa  des  Petrus  de  Vinea 
in  6  Büchern. 

f.  307'.  Nobilibus  civibus  urbis  egregie  Messanensis 
sub  Pharaone  principe  - —  ancillatis  Panormitani  salutem 
et  servitutis  iugum  abicere  et  bravium  accipere  libertatis. 
'Consurge,  consurge,  Sion  filia'  etc.,  Brief  oder  wohl  eher 
Stilübung  aus  der  Zeit  der  sicilischen  Vesper ;  im  Apparat 
der  Monumenta  Germaniae  findet  sich  eine  Abschrift  des- 
selben Stückes  von  Färber   aus   dem  Cod.  Paris,  lat.  4042. 

f.  308.  'In  tribulatione  raea'  und  'Successus  ad  vota', 
vgl.  oben  Abschnitt  6. 

Darauf  folgt  eine  theoretische  Anleitung  zum  Brief- 
schreiben von  anderer  Hand.  Der  Anfang:  'Ad  inven-'  ist 
verstümmelt.  Der  zweite  Satz  beginnt:  'Hoc  est  facillitas (!), 
que    tocius    sermonis'    etc.     Endet:     'presentem    paginam'. 

f.  313'.  Wieder  vollständige  Briefe,  u.  a.  Bonifaz  VIII. 
vom  25.  Febr.  1296  'Clericis  laicos'  P.  24291,  und  derselbe 
vom  28.  Febr.  1297   'Coram  illo',  P.  24475. 


532  K.  Hampe. 

f.  315.  Incipit  summa  artis  dictaminis,  composita  a 
Matlieo  de  Libris  notario  de  Bononia.  'Qvioniam  ars  dicta- 
toria  prelatis,  principibus  et  qnibuslibet  aliis,  cuiuscumque 
condicionis  existant,  oportuna  dinoscitur,  ego  Matheus  quon- 
dam  Alberti  de  Libris  notarins  Bononiensis  civis  —  ultra 
trecenta  quinquaginta  principia  ex  ingeuii  mei  laboriosa 
subtilitate  multaque  cogitacione  composui'.  Hier  sind  als 
Beispiele  nur  kurze  Sätze  eingefügt,  die  auch  wohl  nur 
selten  aus  wirklichen  Briefen  genommen  sind.  Unter  den 
Adressen  findet  sich  auch  'R.  ßomanorum  Imperator  et 
semper  augustus'. 

f.  348  und  348'  sind  leer.  Im  Folgenden  häufiger 
Wechsel  der  Hände.  Zunächst  f.  349 — 352'  eine  Anzahl 
von  Formeln,  die  sich  auf  italienische  Verhältnisse  beziehen, 
meist  mit  Antwort  verbunden,  wohl  alle  erdichtet.  Sie  be- 
ginnen: Ad  consanguineum  invectiva,  quia  non  significat 
statum  suum.  'Si  iuxta  canonis'  etc. ;  dem  Tone  nach 
könnte  es  Thomas  von  Capua  sein,  bei  dem  ich  das  Stück 
indes  nicht  finde. 

Dann  wieder  vollständige  Briefe,  f.  353.  Suplicacio 
G.  de  Monteforti  ad  dominum  papam  =  Würdtwein,  Nova 
Subsidia  I,  76.  f.  353'.  Dissuacio,  ne  prelati  veniant  ad 
concilium,  vgl.  Eeg.  Imp.  V.  B.-F.-W.  11308  zu  1241. 

f.  355.  Stücke  aus  Thomas  von  Capua  (=  T.):  1)T.  1,1  = 
P.  7581.  2)  T.  VI,  10.  3)  T.  VI,  15.  4)  T.  VI,  20.  5)  T.  VII,  2. 
6)  T.  VII,  4  =  P.  7205  und  andere  kurze  Anfänge. 

Zum  Schluss  f.  359  —  364  wieder  vollständige  Briefe, 
auf  Durham,  York  etc.  bezüglich,  aus  den  achtziger  und 
neunziger  Jahren  des  13.  Jahrh. 


XII. 


Zur 

Florians-  und  Lupus -Legende. 

Eine  Entgegnmig 

(Fortsetzung) 


Brano  Krusch. 


3.   Passio  FlorianP. 

Das  älteste  Zeugnis  für  den  Cult  des  Lorcher 
Märtyrers  Florian  findet  sich  im  Martjrologium  Hieronj- 
mianum  (M.  H.),  und  so  führt  uns  die  Untersuchung-  über 
seine  Passio  wieder  mitten  in  die  textkritischen  Fragen 
desselben  hinein.  Der  Heilige  hat  in  den  massgebenden 
Hss.  eine  sehr  verschiedene  Behandlung  gefunden.  Während 
die  Recension  E  sich  über  ihn  vollständig  ausschweigt,  ent- 
hält W  nur  die  topographischen  Angaben,  und  zwar  in 
einer  Form,  die  sie  sofort  als  Interpolation  erkennen  lässt, 
und  nur  B  kennt  die  Geschichte  seines  Martyriums.  Diese 
kann  also  nicht  auf  den  Archetypus  zurückgeführt  werden 
und  nicht  einmal  auf  den  Stammvater  der  zweiten  Eecen- 
sion  Y.  Ihr  Alter  bestimmte  ich  daher  lediglich  durch 
das  der  Hss.  WB  als  die  zweite  Hälfte  des  8.  Jahrhunderts, 
und  setzte  die  Abfassung  der  Passio ,  in  der  Annahme, 
dass  die  Erzählung  von  B  ein  Auszug  aus  ihr  sei,  in 
die  Mitte  desselben  Jahrhunderts.  Bei  dem  von  mir 
angenommenen  Zusammenhange  der  beiden  Texte  hatte 
die  Legendenschule  ein  lebhaftes  Interesse  daran ,  die 
B- Eintragung  auf  eine  möglichst  hohe  Ueberlieferung,  und 
wenn  nicht  auf  den  Archetypus  des  M.  H.,  was  aussichts- 
los war,  so  doch  auf  die  zweite  Recension  Y  zurückzuführen, 
denn  der  Auszug  schob  die  Passio  immer  vor  sich  her. 
Duchesne-  bestreitet  das  Fehlen  des  JSTamens  Florian  in 
E  und  findet  den  einzigen  Unterschied  zwischen  dieser 
Hs.  und  den  anderen  darin,  dass  letztere  ausserdem  noch 
eine  mehr  oder  weniger  lange,  augenscheinlich  von  der 
Passio  abhängige  Geschichte  enthalten,  vollständig  B, 
während  sie  in  W  nach  den  ersten  Worten  abbreche,  unter 
Verweis  auf  ein  'anderes  Buch'.  Er  stellt  die  drei  Texte 
in  der  Reihenfolge  EBW,  also  nicht  wie  er  sie  in  der  Aus- 
gabe abgedruckt  hatte  (BEW),  einander  gegenüber,  und  findet 
nun  unter  dem  vorhergehenden  Tage  den  Namen  Florian 
auch  in  E  an  seinem  richtigen  Platze;  er  hat  offenbar  die 

1)  Siehe  oben  S.  287  —  337.        2)  Bulletin  critique  1897,  n.  20. 


536  Bruno  Krusch. 

Streitfrage  nicht  erfasst,  denn  nicht  die  Existenz  des 
Namens  Florian,  sondern  die  des  Lorcher  Märtyrers  dieses 
Namens  war  nachzuweisen.  Noch  trüber  ist  seine  Dar- 
stellung- des  Sachverhalts  hinsichtlich  der  Hs.  W.  Er  muss 
zugeben,  dass  die  mehr  oder  weniger  lange  Geschichte  sich 
in  dieser  Hs.  auf  die  ersten  Worte,  d.  h.  die  Ortsangaben, 
beschränkt  und  folglich,  wie  jeder  sieht,  die  Geschichte 
eigentlich  ganz  fehlt;  durch  ein  äusserst  geschicktes  Kunst- 
stückchen  gelingt  es  ihm  aber,  die  Lücke  rasch  auszu- 
füllen. Die  Lesart  loquorq;  von  W,  eine  Corruptel  des 
Namens  Lorch,  deutet  er  als  loco  require,  und  so  erhält 
er  den  kostbaren  Verweis  auf  das  'andere  Buch'.  Mit 
diesem  Verweise  ist  nun  freilich  immer  noch  nicht  die 
ausführliche  Florians  -  Geschichte  in  dem  W-Text  gerettet, 
aber  doch  wenigstens  das  'Buch'  entdeckt,  aus  welchem 
sie  W  hätte  abschreiben  können,  und  diese  schwankende 
Brücke  leitet  meinen  phantasiereichen  Gegner  zu  den 
folgenden  Schlüssen.  Der  W-Text  stammt  aus  demselben 
Exemplar,  welches  auch  den  Text  von  B  geliefert  hat, 
nämlich  Y,  und  dieses  scheint  in  der  That  aus  der  Zeit 
Chlothars  IL  (614  —  628)  zu  sein.  Man  müsste  noch  weiter 
hinaufgehen,  meint  er,  wenn  es  bewiesen  wäre,  dass  die 
Passionsgeschichte  auch  in  E  bei  Florians  Namen  ge- 
standen hätte:  Mais  l'etat  de  l'Epternacensis  ne  permet 
ni  de  l'af firmer,  ni  de  le  nier.  So  sind  wir  fast  bis  an  den 
Archetypus  des  M.  H.  gelangt  und  erst  kurz  vor  dem 
Anschlüsse  verlässt  uns  unser  talentvoller  Führer;  indem 
er  aber  das  af firmer  vor  das  nier  setzte,  kann  sich  jeder 
seinen  Gedankengang  leicht  weiterspinnen.  Wozu  nur  diese 
geheimnisvolle  Bedächtigkeit  just  an  der  entscheidenden 
Stelle  ?  Rücken  wir  doch  offen  und  ehrlich  mit  der  Sprache 
heraus:  'Die  Floriansgeschichte  steht  zwar  nicht  in  E,  sie 
stand  aber  darin'. 

Ich  gebe  zunächst  den  Text  des  M.  H.  an  der  kriti- 
schen Stelle,  wie  er  sich  in  WB  unter  4.  Non.  Mai.,  in  E 
unter  dem  vorhergehenden  Tage  findet: 

In  Affrica  natale  Caelestini,  Felicis,  Urbani,  Romani, 
Bellici,  Marciani  (Marciali  B ;  Marcialis  W),  Mittuni,  Petri 
(prbi.  W),  [Zus. :  Et  in  Nurico  ripense  loco  Lauriaco  natale  B] 
Floriani,  [Zus. :  Petri  et  in  Nurico  repense  loquorq ;  W ; 
ex  principe  (et  principi  B)  officii  presidis,  ex  cuius  iussu, 
ligato  saxo  collo  eins,  de  ponte  (ponente  B)  in  fluvio  Aniso 
missus  est,  oculis  crepantibus  praecipitatum,  videntibus 
Omnibus  circumstantibus  B]. 

Et  in  Cessarea  u.  s.  w. 


Zur  Florians-  xmcl  Lupus -Legende.  537 

Die  auf  den  Lorcher  Märtyrer  Florian  bezüg-lichen 
topographischen  Angaben  stehen  also  in  W,  wie  ein  Blick 
auf  den  Text  lehrt,  nicht  an  der  richtigen  Stelle,  sondern 
sind  mit  dem  Namen  Petri  verbunden  und  folgen  in  dieser 
Verbindung  dem  Namen  des  Heiligen,  statt  ihm  voran- 
zugehen. Vor  Floriani  aber  steht  statt  Petri  in  derselben  Hs. 
prbi.  (=  presbyteri)  und  nach  der  Beobachtung  Duchesne's  ist 
das  einfach  ein  Verderbnis  dieses  Namens,  wie  anderwärts 
(Non.  Apr.)  E  Probiinprb.  verdorben  hat.  Darnach  war  die  ur- 
sprüngliche Lesart  der  Hs.  W  nicht  Petri,  Floriani,  sondern 
prbi.  Floriani,  und  der  folgende  Zusatz  dieser  Hs.  Petri  et 
in  Nurico  repense  loquorque  muss  folglich  ein  Nachtrag 
sein,  und  zwar,  wie  die  Wiederholung  des  Namens  in  der 
richtigen  Schreibung  Petri  beweist,  aus  einer  anderen  Hs. 
Die  Interpolation  steht  aber  in  allen  Hss.  der  Familie,  als 
deren  Vertreter  W  abgedruckt  ist,  und  der  Erklärer  des 
geheimnisvollen  loquorq;  hätte  sich  nicht  auf  die  eine  Hs. 
beschränken  dürfen,  sondern  mindestens  noch  den  wichtigen 
Codex  S  zu  Rathe  ziehen  müssen,  der  manche  Vorzüge 
vor  der  anderen  Hs.  hat.  Dieser  liest  nun  locarci  für 
loquorq ;  und  das  ist  offenbar  ein  Ortsname.  Da  nun  auch 
B  an  anderer  Stelle  die  Provinz  Noricum  ripense  nicht  mit 
einem  loco  require,  sondern  mit  dem  Ortsnamen  loco  Lau- 
riaco  verbindet,  so  ist  loquorq;  oder  vielmehr  locarci  in 
Laureaci  oder  nach  der  französischen  Aussprache  Loreaci  zu 
verbessern.  Die  Deutung,  welche  Duchesne  dem  Worte  ge- 
geben hat,  ist  also  falsch,  und  der  Versuch  durch  diese  falsche 
Deutung  die  ausführliche  Passionsgeschichte  auf  Y  zurück- 
zuführen, muss  als  vollständig  gescheitert  angesehen  werden. 
Die  Hss.  WB  gleichen  sich  nur  in  den  Ortsangaben,  differieren 
aber  durch  verschiedene  Stellung  derselben,  und  dieser  Um- 
stand allein  verbietet  schon,  den  Zusatz  aus  der  gemein- 
samen Quelle  herzuleiten.  Wie  die  Fassung  desselben  in 
W  an  sich  den  Charakter  der  Interpolation  trägt,  so  muss 
hier  der  Fall  in  Betracht  gezogen  werden,  dass  in  der 
Mutterhs.  von  W  die  Worte  nachträglich  eingeflickt  waren. 
In  der  Ueberlieferung  des  M.  H.  ist  dieses  Verfahren 
häufiger  zur  Anwendung  gekommen.  Die  historischen  Zu- 
sätze zu  den  trockenen  Namenreihen  des  M.  H.  wurden, 
wie  ich  schon  oben  bemerkte,  sehr  geschätzt  und  eifrig 
weiter  verbreitet;  da  aber  der  ßaum  in  den  Hss.  beschränkt 
war,  wie  ein  Blick  in  die  noch  erhaltenen  lehrt,  Hessen 
sich  bisweilen  nur  die  Anfangsworte  der  Extravaganten 
nachtragen.  In  einem  Falle  (3.  Non.  lan.)  fanden  wir 
den   Anfang   in  WB,   während   L    den   vollständigen   Text 


538  Bruno  Krusch. 

bot  ^  Sogar  die  ganze  ausführliche  Martyriumsgeschichte  war 
ein  ander  Mal  gleichlautend  in  E  und  L  erhalten,  also  in  zwei 
Hss.,  welche  in  durchaus  keinem  näheren  Verwandtschafts- 
verhältnisse zu  einander  stehen,  und  nur  die  gänzlich  ver- 
schiedene Stellung  lieferte  den  Beweis,  dass  der  Zusatz 
nicht  aus  dem  Archetypus  stammen  konnte.  Die  betreffende 
Stelle  (1.  Jan.)  beginnt  in  E  'Coronae  qui',  während  der  Mär- 
tyrer in  Wahrheit  Telemach  hiess  ^  und  auch  in  L  ähnlich 
(Alamachi)  genannt  wird;  von  der  Corona  aber  ist  in  der  vor- 
hergehenden Notiz  die  Rede,  welche  jetzt  in  E  ausradiert 
ist.  Der  Interpolator  von  E  hat  also  den  Zusatz  mit 
einem  fremden  Namen  in  Verbindung  gebracht,  zu  welchem 
er  keine  andere  Beziehungen  hatte,  als  lokale,  nämlich  die 
der  Nachbarschaft.  Der  Vergleich  mit  der  Florians -Inter- 
polation in  W  liegt  auf  der  Hand.  Auch  in  diesem  Falle 
hat  der  Interpolator  bei  Aushebung  der  topographischen 
Angaben  den  fremden  Namen  Petri  mitgegriffen,  und  'Petri. 
Et  in  Nurico  ripense  loco  Lauriaco'  findet  man  richtig  vor 
Floriani  gestellt  in  ß.  Wenn  diese  Hs.  ausserdem  noch 
Angaben  über  die  Amtsstellung  des  Heiligen  und  sein 
Martyrium  hinter  dem  Namen  hinzufügt,  so  ist  bei  dem 
Fehlen  derselben  sowohl  in  E  als  in  W  der  Fall  ganz  aus- 
geschlossen, dass  sie  aus  dem  Archetypus  oder  der  schon 
interpolierten  Vorlage  Y  herstammen  könnten.  Sie  sind 
vielmehr  partikulare  Zusätze  der  B-Ueberlieferung,  von 
der  wir  leider  nur  ein  Glied  in  der  Kette  besitzen.  An 
diesen  Thatsachen  können  alle  Künste  Duchesne's  nichts 
ändern,  und  wenn  er  sonst  nur  den  gemeinsamen  Text  der 
Hss.  für  den  Urtext  gelten  lässt  und  die  Zusätze  einzelner 
Hss.  als  Interpolationen  ansieht,  kann  er  unmöglich  ver- 
langen, dass  man  ihm  in  diesem  Falle  das  Gegentheil 
glauben  soll. 

Wenn  W  wenigstens  noch  die  auf  das  Lorcher  Mar- 
tyrium bezüglichen  topographischen  Angaben  enthält,  so 
hat  auch  diese  nicht  einmal  die  Haupt -Hs.  E.  Gegenüber 
dieser  Thatsache  hat  Duchesne  einen  schweren  Stand,  und 
er  kann  eigentlich  keine  andere  Erklärung  für  diese  be- 
fremdliche Lücke  finden  als  den  Zustand  der  Hs.  Er  hat 
jetzt  ein  lebhaftes  Interesse  daran,  diesen  möglichst  her- 
unterzusetzen. E  stellt  nach  ihm  einen  Auszug  dar,  und 
wenn  in  Auszügen  manches  fehlt,  hat  dies  natürlich  keine 
tiefere  Bedeutung.  Diese  Auszugstheorie  ist,  wie  wir  sahen, 
Erbschaft  de  Rossi's,  und  Duchesne  macht   eigentlich  nur 


1)  Oben  S.  306.        2)  AA.  SS.  lan.  I,  31. 


Zur  Florians-  und  Lupus -Legende.  539 

von  ihr  Gebrauch,  wenn  es  liebe  Interpolationen  zu  ver- 
theidigen  gilt.  Ein  Auszug  steht  allerdings  in  E  unter 
4.  Non.  Mai. : 

'Nicia  civitate  natale  Antoninae. 

In  Affrica  Caelestini  et  aliorum  XL',  aber  der  voll- 
ständige Text  findet  sich  in  derselben  Hs.  unter  dem  vor- 
hergehenden Tage.  Es  sind  nämlich  unter  5.  Non.  Mai. 
die  Eintragungen  beider  Tage  vereinigt.  Aeusserlich  ist 
dies  leicht  an  den  doppelten  Auxerre-Festen  wahrzunehmen. 
In  diesem  Theile  des  M.  H.  vom  6.  —  2.  Non.  Mai.  schliesst 
jeder  Tag  mit  einem  Feste  der  Kirche  von  Auxerre,  und 
wenn  5.  JSTon.  Mai.  nicht  allein  am  Ende,  sondern  auch 
noch  in  der  Mitte  ein  solches  Fest  begegnet,  muss  der  Artikel 
zwei  Tage  umfassen,  und  es  ist  hinter  dem  ersten  Auxerre- 
Fest  der  neue  Tag  abzutrennen,  dessen  Beschluss  das 
zweite  bildet.  Theilt  man  nach  diesem  Gesichtspunkte 
den  Artikel,  so  erhält  4.  Non.  Mai.  seinen  vollständigen 
Text.  Ein  Vorfahr  von  E  hatte  also  den  Beginn  des  neuen 
Tages  nicht  beachtet  und  nun  den  Text  desselben  ohne 
abzusetzen  angereiht.  Die  so  entstandene  Lücke  ist  dann 
schon  in  der  älteren  Hs.  durch  den  kurzen  Auszug  aus- 
gefüllt worden.  Wie  auch  Duchesne  beobachtet  hat,  ist 
dasselbe  Versehen  in  derselben  Hs.  noch  öfter  begangen 
und  in  ganz  derselben  oberflächlichen  Weise  ausgeglichen 
worden.  Ausser  der  obigen  Ergänzung  habe  ich  noch  die 
folgenden  gefunden: 

13.  kl.  Oct.    In  Alexandria  Demetri,  Castoris  et  Aniceti. 
Et  in  Campania  Neapoli  lanuari. 

6.  kl.  Oct.     Eomae  Eusebi  episcopi. 
8.  Id.  Oct.     Antiocia  Pelagiae. 

Et  alibi  luliani,  Martialis,  Privati,  Faustini. 
Romae  Eusebi,  Eracli,  Dionisi,  Candidi,  Tituli  sui. 

7.  Id.  Oct.     Frigia  Diodori  et  Dionisi. 

6.  Id.  Oct.     In   Affrica   natale   Eusebi,    Eracli,    Dionisi, 
Secundae,  Salsae. 

17.  kl.  Nov.     In  Asia  Cereae  et  aliorum  CCLXX. 

In  allen  diesen  Fällen  waren  in  der  Vorlage  von  E 
durch  Vereinigung  mehrerer  Artikel  unter  einem  Tage 
Lücken  entstanden,  die  durch  Vergleichung  mit  einer 
anderen  Hs.  ergänzt  worden  sind.  Es  findet  sich  aber 
der  ursprüngliche  Text  vom  13.  kl.  Oct.  unter  14.  kl., 
von  6.  kl.  Oct.  unter  7.  kl.,  von  8.  Id.  Oct.  unter  JSTon.  Oct., 
von  7.  Id.  Oct.  unter  8.  Id.,  von  6.  Id.  Oct.  unter  7.  Id.,  von 
17.  kl.  Nov.  unter  Id.  Oct.  In  den  meisten  Fällen  hatte 
der   Schreiber   den    auf    den   combinierten  Text   folgenden 


540  Bruno  Kruscli. 

Monatstag  übersprungen  und  mit  dem  übernächsten  weiter- 
gezahlt; nur  nach  Non.  Oct.  hat  er  weiterdatiert,  als 
wenn  keine  Lücke  vorhanden  wäre,  und  erst  6.  Id.  über- 
sprungen, so  dass  die  beiden  vorhergehenden  Artikel  (8.  und 
7.  Id.  Oct.)  um  einen  Tag  vordatiert  sind.  Bei  der  Colla- 
tionierung  mit  der  anderen  Martyrologienhs.  hat  man  zu- 
nächst die  fehlenden  Tage  ergänzt  und  dann  den  beiden 
vordatierten  Tagen  die  Köpfe  vorgesetzt,  die  sie  in  dieser 
Hs.  hatten.  Es  war  dies  aber,  wie  die  kurze  Fassung  der 
Artikel  lehrt,  eine  Breviarienhs.  und  zwar  glich  sie  am 
meisten  dem  Breviarium  von  Eeichenau.  We]in  dieses 
4.  Non.  Mai.  folgendermassen  liest:  'In  Nicea  civitate  An- 
tonini. In  Africa  Caelestini  et  aliorum  XII  (oder  XV)',  so  lehrt 
ein  Vergleich  mit  E,  dass  eigentlich  nur  die  Zahl  differiert. 
Darnach  ist  der  Ursprung  der  Breviarien  ebenfalls  sehr 
alt  und  sicherlich  noch  in  das  7.  Jh.  zu  setzen.  Wenn 
man  aber  E  wegen  dieser  Auszüge  unter  die  Breviarien 
setzen  wollte,  so  kann  es  durch  eine  sehr  einfache  Procedur 
den  vollständigen  Hss.  zurückgegeben  werden.  Streicht 
man  nämlich  den  Lückenbüsser  und  theilt  den  vorher- 
gehenden Tag  in  der  angegebenen  Weise,  so  erhält  man 
nicht  allein  den  vollständigen,  sondern  überhaupt  den 
besten  und  reinsten  Text.  Es  fehlt  ihm,  wie  jeder  sieht, 
nicht  allein  der  topographische  Zusatz,  welchen  W  und  ß 
an  verschiedenen  Stellen  und  durch  augenscheinliche  Inter- 
polation einflickten,  sondern  ausserdem  auch  die  ausführ- 
liche Geschichtserzählung  B's  von  dem  Martyrium,  und  in 
diesem  Punkte  zeugt  E  mit  W  gegen  B.  Der  Name  Florians 
ist  allerdings  auch  in  E  unter  dem  vorhergehenden  Tage 
enthalten,  darin  ist  Duchesne  Recht  zu  geben,  und  er  steht 
auch  an  derselben  Stelle,  wie  in  den  beiden  anderen  Hss.; 
er  trägt  aber  keins  von  den  den  Lorcher  Heiligen 
charakterisierenden  Attributen,  und  dieses  Putzes  entkleidet, 
verwandelt  er  sich  im  Handumdrehen  in  einen  —  afrika- 
nischen Märtyrer,  und  die  beiden  Namen  Petri,  Floriani 
bilden  den  Schluss  in  dieser  Märtyrerreihe,  die  uns  weiter 
nichts  angeht.  Meine  Bemerkung  von  dem  Fehlen  Florians 
in  E  bezog  sich  natürlich  nur  auf  den  Lorcher  Märtyrer, 
dessen  Passio  ich  herausgab,  und  insofern  hatte  ich  Eecht. 
Schöner  wäre  es  ja  nun  freilich,  wenn  hinter  dem  Namen 
Florians,  wie  in  B,  auch  in  der  ersten  Recension  E  die 
ausführliche  Leidensgeschichte  stände;  aber  gegenüber 
der  exacten  Fassung  dieser  Hs.  müssen  alle  Versuche  die 
Lorcher  Legende  hineinzuprakticieren  aussichtslos  er- 
scheinen.    Wer   die   Frage,    ob    diese  Geschichte   in  E  ge- 


Zur  Florians-  und  Lupus  -  Legende.  541 

standen  hat,  weder  bejahen  noch  verneinen  will,  sucht  ab- 
sichtlich Unklarheit  zu  verbreiten  über  eine  Sache,  die 
durch  den  Zustand  der  Hs.  entschieden  ist.  Zum  Lorcher 
Heiligen  ist  der  Afrikaner  erst  durch  die  Interpolationen 
der  Hss.  WB  gestempelt  worden,  und  wie  diese  durch  die 
Aufstellung-  eines  gemeinsamen  Textes  ganz  von  selbst 
wegfallen,  so  erhält  der  reine  E-Text  auch  auf  diesem 
Wege  seine  glänzende  Bestätigung.  Hiermit  vergleiche 
man  das  Zeugnis,  welches  bei  einer  anderen  Gelegenheit 
derselbe  Duchesne  höchst  unvorsichtiger  Weise  derselben 
Hs.  E  ausgestellt  hat,  dass  sie  'ex  exemplari  puriore  et 
antiquiore'  stamme  ^. 

Die  Sache  verhält  sich  also  gerade  so,  wie  ich  sie 
in  meiner  Vorrede  dargestellt  hatte:  von  dem  Lorcher 
Heiligen  findet  sich  in  der  ersten  Recension  X  keine  Spur, 
während  die  Hss.  der  zweiten  Y  in  ihren  Zuthaten  nicht 
übereinstimmen.  Der  gemeinsame  Theil  der  Hss.  WB  geht 
allerdings  auf  die  Mutterhs.  Y  zurück;  daneben  hat  aber 
jede  von  beiden  ihre  eigenen  Zusätze  und  Aenderungen,  die 
natürlich  mit  Y  in  keiner  Verbindung  stehen. 

Mit  der  Behauptung,  Y  scheine  in  der  That  aus  der  Zeit 
Chlothars  II.  (614 — 628)  zu  stammen,  ist  also  für  das  Alter 
der  Florians-Interpolationen  nichts  bewiesen,  wenn  nicht  auch 
ihre  Zugehörigkeit  zum  gemeinsamen  Theile  bewiesen  wird, 
wozu  doch  das  famose  loco  require'  nimmermehr  ausreicht. 
Die  obige  Behauptung  ist  aber  auch  an  sich  falsch.  Wir 
trennten  nns^  von  Y  mit  dem  Hinweis  auf  seine  aqui- 
tanischen  Beziehungen,  besonders  zu  der  Insel  Oia,  welche 
letzteren  iim  so  mehr  in  die  Augen  fallen,  je  unbedeu- 
tender und  unbekannter  der  Ort  ist.  Gleichzeitig  führte 
ich  das  Gedächtnis  des  Bischofs  Falbeus(l5.  kl.  Aug.)  zum  Be- 
weise an,  dass  es  sich  um  eine  Stiftung  irischer  Observanz 
und  die  nachcolumbanische  Zeit  handle.  Das  Kloster 
auf  der  einsamen  Insel  Oia  ist  fast  allein  bekannt  aus 
der  Lebensbeschreibung  des  h.  Amandns,  der  in  Aquitanien 
geboren,  hier  seine  ersten  Studien  machte,  bevor  er  sich 
nach  Tours  begab,  um  Cleriker  zu  werden,  und  hernach 
nach  Bourges  zum  h.  Austrigisel.  Amandns  aber  ist  eben- 
so wegen  seiner  Thätigkeit  als  Missionar  der  heidnischen 
Franken  als  wegen  seines  vertrauten  Umganges  mit  ^  dem 
Biographen  Columbans  als  ein  Anhänger  der  schottischen 
Schule  anzusehen.  Von  Bischof  Falbeus  hatte  ich  be- 
hauptet,   dass    er  Schotte    war.      Der   Abt  Failbeus,    Vor- 


1)  Vgl.  oben  S.  304.        2)  Oben  S.  323. 


542  Bruno  Krusch. 

ganger  des  bekannten  Adamnan  in  der  Leitung  des  Klosters 
lona^,  kann  nicht  gemeint  sein,  sondern  es  handelt  sich 
offenbar  um  einen  irischen  Bischof  dieses  Namens,  der 
sich  im  7.  Jh.  auf  der  Durchreise  in  Gallien  aufgehalten 
hat  und  zu  Aquitanien  in  Beziehung  getreten  ist.  Der 
h.  Sigiramnus,  dessen  Vita  ursprünglich  in  einer  höchst 
fehlerhaften  und  barbarischen  Sprache  abgefasst  war,  aber 
nur  in  einer  stilistischen,  wenn  auch  noch  ziemlich  fehler- 
haften TJeberarbeitung  -  erhalten  ist,  war  im  Berry  geboren, 
hatte  in  Tours  die  Schule  besucht,  dann  unter  Flaochads 
Leitung  am  Hofe  den  Cursus  bonorum  begonnen  und  war 
noch  als  Knabe  zum  Schenken  des  Königs  befördert 
worden.  Ebendamals  hatte  sein  Vater  Singelaicus  den 
Bischofsstuhl  von  Tours  bestiegen  (617  —  620?)  und  ge- 
dachte nun  den  Sohn  mit  der  Tochter  eines  seiner  Freunde 
zu  verheirathen.  Aber  dieser  zog  den  geistlichen  Stand 
vor  und  begab  sich  nach  Tours  an  das  Grab  des  h.  Martin, 
um  sich  hier  zum  Geistlichen  zu  scheeren.  Der  damalige 
Bischof  der  Stadt,  also  einer  der  Nachfolger  seines  Vaters, 
war  damit  einverstanden  und  reihte  ihn  seinem  Clerus  ein; 
er  wurde  sogar  Archidiacon  und  allen  Kirchen  der  Diöcese 
vom  Bischof  vorgesetzt.  Die  Bethätigung  seiner  Wohl- 
thätigkeit  brachte  ihn  in  den  Verdacht  geistig  gestört  zu  sein, 
und  der  Graf  der  Stadt  Hess  ihn  sogar  einkerkern,  musste  aber 
die  Frevelthat  mit  seinem  Leben  büssen.  Damals,  heisst  es 
in  der  Vita  weiter,  begab  es  sich,  dass  ein  Bischof  aus 
Irland  in  diese  Gegenden  kam  namens  Falvius^,  der  sich 
durch  ganz  besondere  Frömmigkeit  auszeichnete,  und  von 
dessen  gottgefälligem  Lebenswandel  weit  und  breit  die 
ßede  ging.  Auch  Sigiramnus  hörte  von  ihm  und  schloss 
sich  ihm  an.  Falvius  war  aber  damals  in  einer  ßeise 
nach  Rom  begriffen,  und  so  ist  Sigiramnus  mit  ihm  dort- 
hin gepilgert.  Inzwischen  genoss  im  fränkischen  Königs- 
palast das  allergrösste  Ansehen  Flaochad  und  auch  Sigi- 
ramnus musste  auf  der  ßückreise  von  Rom  in  Civilstreit- 
sachen  seine  Hülfe  in  Anspruch  nehmen.  Dadurch  wurden 
die  freundschaftlichen  Beziehungen  zwischen  beiden  wieder 
aufgefrischt.  Unter  dem  Einflüsse  des  frommen  Mannes  Hess 
sich  Flaochad  für  Klostergründungen  begeistern,  und  so 
entstanden  in  der  Diöcese  Bourges  die  Klöster  Meobecque 

1)  Tanner,  Bibliotheca  Britannico-Hibernica  S.  273.  2)  Anal.  Bolland. 
III,  379  ff.:  'Erat  enim  per  omnia,  prout  se  habet  auctoritas  litterarum,  tarn 
verbis  quam  sillabis  omnis  eins  constructio  ad  intelligendum  confusa'.  8)  V. 
Sigiramni  (a.  a.  0.  S.  386) :  'Accidit  autem  illo  in  tempore,  ut  quidam  episco- 
pus  ex  partibus  Hiberniae  adiret  istis  in  partibus,  Falvius  scilicet  nomine'. 


Zur  Florians-  ubcI  Lupiis  -  Legende.  543 

(Indre)  und  auf  einem  Landgute  des  Gönners  Longoretus. 
Flaochad  gelang  es  noch,  seinen  Gegner,  den  Patricius 
Willibad  zu  tödten,  als  er  11  Tage  darnach  starb.  Nach 
Fredegar^  fällt  dieses  Ereignis  in  dasselbe  J.  642,  in  welchem 
er  Majordomus  von  Burgund  geworden  war.  Der  Aufent- 
halt des  irischen  Bischofs  Falvius  in  jenen  Gegenden  und 
seine  Reise  mit  dem  Aquitanier  Sigiramnus  nach  Rom  sind 
unmittelbar  vor  der  neuen  Anknüpfung  der  Beziehungen 
zu  Flaochad  dargestellt  und  folglich  nicht  lange  vor  642 
zu  setzen.  Wenn  sich  also  unter  den  Nachträgen  der  aqui- 
tanischen  Recension  Y  auch  der  folgende  15.  kl.  Aug. 
befindet : 

et  Falbei  (so  WP;  Fabei  B;  Falvei  C)  episcopi, 
so  wird  jetzt  durch  die  V.  Sigiramni  der  Sachverhalt  auf- 
geklärt, wie  der  irische  Bischof  in  den  aquitanischen 
Heiligenkalender  gekommen  ist.  Duchesne's  Altersbestim- 
mung der  Recension  Y  erweist  sich  durch  diesen  Nachweis 
als  ebenso  irrig,  wie  seine  anderen  Berechnungen  und  die 
aus  denselben  gezogenen  Schlüsse.  Seine  Behauptung 
hinsichtlich  der  Hss.  WB :  'Simul  quidem  procedunt  usque 
ad  finem  saeculi  VI.,  eumque  simul  procedentes,  excedunt, 
iisdem  verbis  commemorantes  depositiouem  S.  Gregorii 
papae  (604)  et  passionem  S.  Desiderii  Viennensis  (611);  sed 
ultra  alius  alia  via  pergit',  zeigt  von  Neuem,  wie  wenig 
der  jüngste  Herausgeber  des  M.  H.  seiner  Aufgabe  ge- 
wachsen war,  und  alle  an  sie  geknüpften  Schlüsse  sind 
hinfällig.  Die  Recension  Y  erwähnt  das  Fest  eines  Heiligen, 
der  in  den  Jahren  630/40  noch  frisch  und  munter  nach 
Rom  gepilgert  ist,  und  wenn  man  nicht  gerade  den  un- 
günstigsten Fall  annehmen  will,  dass  ihn  auf  dieser  Reise 
der  Tod  ereilt  hat,  • —  was  dann  wohl  auch  der  Hagio- 
graph  nicht  unerwähnt  gelassen  hätte,  —  können  wir  als 
Zeitgreuze  für  Y,  gerade  wie  für  den  gallischen  Bestand- 
theil  der  Hs.  E,  etwa  die  Mitte  des  7.  Jh.  setzen. 

Die  zahlreichen  Angehörigen  der  Familie  Y  gehen 
durch  zwei  Mittelglieder,  die  Stammhs.  der  W- Klasse  (Z) 
und  den  Vorfahren  von  B,  auf  ihren  Ahn  zurück.  Von 
dem  Exemplare  Z  sind  zwei  Linien  erhalten,  SC  und  die 
Fontaneller  Gruppe  mit  W,  und  aus  der  Vergleichung 
dieser  beiden  müssen  sich  die  gemeinsamen  Zusätze  der 
Quelle  ergeben.  Da  diese  Untersuchung  bisher  noch  nicht 
einmal  versucht  worden  ist,  stelle  ich  im  Folgenden  meine 
Ergebnisse  zusammen: 


1)  IV,  89.  90. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  35 


544  Bruno  Krusch. 

16.  kl.  Febr.    In  Gall.  civitate  Beturicas  depositio  sancti 


om.  W)  Sulpicii  episcopi  et  confessoris. 


4.  Id.  Feh.  et  Baldegundis  abbatissae. 

17.  kl.  Mai.    In  eadeni  die  dedicatione   altaris  sancti  lu- 

liani  martyris,  qui  Brivate  partibus  est. 
14.  kl.  Mai.    Autisiodero  in  Gall.  dedicatio  altaris  senioris 

aecclesiae. 
8.  kl    lun.  et  depositio  sancti  Marcelli  confessoris. 
6.  Non.  lul.    Turonns  sanctae  Monegundae. 

3.  Id.  Aug.    et   in   Cameraco   natale   sancti   Gaurici    con- 
fessoris. 

13.  kl.  Sept.    et    in    Toronico    Kainone    Castro    depositio 
sancti  Maximi  confessoris. 

4.  Non.  Sept.    Agusteduno  depositio  beati  Siagri  episcopi. 
8.  kl.  Nov.  et  Sanctouis  translatio  sancti  Vibiani  episcopi 

et  confessoris. 
Prid.  Non.  Nov.    Rotenus  Gall.  depositio   sancti  Amantii 

episcopi.     In  Gall.   civitate  Beturicas   depositio   sancti 

Lusoris  pueri  et  confessoris. 
3.  kl.  lan.  Turonus  Perpetui  episcopi  et  confessoris. 
Von  den  wenigen  Nachträgen  des  Z- Exemplars  sind 
noch  zu  streichen  die  Feste  des  Amantius  und  Lusor  (Prid. 
Non.  Nov.),  die  in  den  anderen  Hss.  unter  Kl.  Nov.  stehen 
und  also  einfach  versetzt  sind.  Ferner  ist  die  Depositio 
des  Bischofs  Syagrius  von  Autun  (4.  Non.  Sept.),  von  der 
weitläufig  oben  S.  313  gehandelt  wurde,  nur  eine  Wieder- 
holung der  Eintragung  von  6.  kl.  Sept.,  wo  alle  Hss.  dieses 
Heiligen  gedenken,  und  S  verzeichnet  dieselbe  Depositio 
sogar  noch  ein  drittes  Mal  zu  Kl.  Sept.  Von  den  10  übrigen 
Festen  gehören  drei  der  Kirche  von  Tours  an  (Monegunde, 
Maximus,  Perpetuus),  und  ausserdem  sind  die  aquitanischen 
Kirchen  von  Bourges  (Sulpicius),  Poitiers  (Baldegunde), 
Clermont  (Altarweihe  in  Brioude)  und  Saintes  (Vibian)  ver- 
treten. Die  spätesten  Eintragungen  sind  die  Altarweihe  in 
der  Kathedrale  von  Auxerre,  welche  von  Bischof  Desiderius 
vollzogen  zu  sein  scheint^,  der  614  dem  Concile  von  Paris 
beiwohnte,  das  Fest  des  Bischofs  Gaugerich  von  Cambrai 
(t  623/6)  und  die  Depositio  des  Bischofs  Sulpicius  von 
Bourges,  welcher  im  J.  646  gestorben  ist '-.  Die  Heimath 
dieser  Tochterhs.  von  Y  scheint  also,  wenn  nicht  Aquitanien, 
so  doch  das  benachbarte  Tours  zu  sein.     Ihre  Entstehung 


1)  In  den  Gesta  ep.  Autissiod.  c.  20.  ist  jedoch  13  (nicht  14)  Kl. 
Mai.  als  Festtag  angegeben.  2)  Vgl.  Mittheil.  d.  Instituts  für  Österreich. 
Geschichtsforsch.  XVni,  p.  365. 


Zur  Florians-  und  Lupus -Legende.  545 

kann  man  nocli  in  das  7.  Jh.  rücken,  da  sich  unter  den 
Zusätzen  kein  einzig-er  ans  dem  achten  findet.  Es  ist  aber 
zu  beachten,  dass  ihre  Zahl  sehr  gering-  und  ausserdem  die 
Epoche  der  Aebtissin  Baldegunde  von  Poitiers  (4.  Id.  Feb.) 
meines  Wissens  gänzlich  unbekannt  ist. 

Alle  anderen  Zusätze  der  verschiedenen  Hss.  der 
Z- Familie  sind  erst  nach  ihrer  Abzweigung  in  den  Text 
gekommen,  und  indem  ich  jetzt  SC  bei  Seite  lasse,  wende 
ich  mich  der  Fontaneller  Gruppe  zu.  Die  jüngste  Notiz 
über  die  Beisetzungen  der  Heiligen  dieses  Klosters  wollte 
de  Rossi  in  der  Eintragung  des  Abtes  Wando  15.  Kai.  Mai. 
(t  756)  gefunden  haben,  durch  einen  offenbaren  Irrthum, 
denn  gerade  in  W  fehlt  dieses  Fest.  Er  brachte  damit  die 
Nachricht  der  Gesta  abb.  Fontanell.  c.  13  in  Verbindung, 
dass  unter  diesem  Abte  die  Kloster -Bibliothek  namhaften 
Zuwachs,  u.  a.  auch  durch  den  Codex  'Regula  sancti  Bene- 
dicti  et  sancti  Columbani  et  Martirologium'  erfahren  habe. 
Duchesne  dagegen  fand  als  jüngsten  Abt  dieses  Klosters 
Lando  (f  734)  in  W  angeführt  (17.  kl.  Feb.).  Aber  auf  die 
gemeinsame  Mutterhs.  von  W  und  LMV  kann  auch  diese 
Eintragung  nicht  zurückgeführt  werden,  denn  die  Stellung 
ist  verschieden,  und  überhaupt  differieren  bei  den  meisten 
dieser  Fontaneller  Notizen,  etwa  mit  Ausnahme  von  Wulf- 
ramm und  Abt  Benignus  (13.  Kl.  Ap.),  Ermbert  (pr.  Kl.  Mai.), 
Wandregisel  (11.  Kl.  Aug.),  die  Hss.  in  diesem  Punkte,  so 
dass  sie  für  die  Altersbestimmung  der  Quelle  nicht  ver- 
werthet  werden  können.  Das  späteste  gemeinsame  Fest 
scheint  dann  das  des  H.  Lambert  in  Lüttich  (15,  Kl.  Oct.) 
aus  dem  Anfang  des  8.  Jh.  zu  sein.  Unter  den  eigenen 
Zuthaten  von  W  sind  schon  Fiorentini  die  Feste  der  Kirche 
von  Maastricht,  das  des  Servatius  (3.  Id.  Mai.)  und  der 
Einweihung  der  Michaeliskirche  (11.  Kl.  lun.)  aufgefallen, 
und  er  behauptete,  dass  sich  ein  Vorfahr  der  Hs.  dort  be- 
funden habe.  Die  späteste  Nachricht  ist  die  vom  Märtyrer- 
tode des  h.  Bonifaz  ^  (754/5),  und  772  ist,  wie  bemerkt, 
die  Hs.  geschrieben. 

Während  sich  also  bei  der  Z- Klasse  durch  Ver- 
gleichung  der  zahlreichen  Hss.  untereinander  nach  Mass- 
gabe ihrer  Verwandtschaft  die  Zusätze  gruppieren  Hessen, 
und  so,  wenn  auch  nicht  immer  das  Alter,  so  doch  die 
Reihenfolge  bestimmt  wurde,  in  welcher  die  einzelnen 
Gruppen  in  den  Text  gelangt  sind,  sind  wir  gegenüber  der 

1)  7.  Id.  lun.:  'et  passio  Bonifacii  episcopi,  qui  passus  est  in 
Westrachia' ;    cf.  Scr.  rer.  Merov.  II,  p.  176,  n.  5. 

35* 


546  Bruno  Krusch. 

anderen  Linie  B  dieses  Hülfsmittels  zur  Sichtung  ihrer 
eigenen  Beiträge  vollständig  beraubt.  Sieht  man  sich  aber 
diese  B- Zusätze  näher  an,  so  wird  man  bald  einen  tief- 
greifenden geographischen  Unterschied  bemerken,  die 
Scheidung  in  einen  älteren  aquitanischen  und  einen  jüngeren 
austrasischen  Theil.  Ich  stelle  hier  die  betreffenden  Nach- 
träge nach  diesem  Gesichtspunkte  zusammen. 

1.  Aquitanische  Feste. 

16.  kl.  Feb.    Beturicas  Sulpici  episcopi. 

3.  Id.  Feb.  et  Baldegundis  virginis  et   abbatissae  civitate 

Pectavis. 
3.  Id.  Mai.    In  Sanctonico  monasterio  Salimonno  depositio 

sancti  Martini  presbiteri  et  confessoris. 
13.  kl.  lun.    Beturicas  civitate  depositio  sancti  Austrigiseli 

episcopi. 

7.  kl.  Sept.    Beturico  translatio  corporis  sancti  Sulpicii. 

6.  kl.  Sept.    et  dedicatio  ipsius  basilicae. 

10.  kl.  Oct.  Beturico  vico  noncupante  Libroso  sancti  Sil- 
vani  et  Silvestri. 

8.  kl.  Oct.  Beturicas  dedicatio  basilicae  sancti  Desiderii 
episcopi  et  martyris. 

kl.  Oct.  In  Gall.  civitate  Beturicas  dedicatio  ecclesie 
sancti  Stephani  protomartjris. 

17.  kl.  Nov.  Beturicas  civitate  depositio  sancti  Ambrosii 
episcopi  et  confessoris. 

7.  kl.  Nov.  In  territurio  Beturico  monasterio  Longoreto 
translatio  Siggeramni  et  dedi(ca)tio  basilice  ipsius. 

kl.  Nov.  In  Beturio  Gortonis  Castro  depositio  Rumoli 
presbiteri. 

2.  Austrasische  Feste. 

9.  kl.  lun.    Basilla  civitate  sancti  Albani  martyris. 

3.  Non.  lul.  In  Hilariaco  monasteri(o)  adventus  corporis 
sancti  Naboris  et  Nazari. 

17.  kl.  Oct.  In  Tullo  civitate  depositio  sancti  Apri  con- 
fessoris et  episcopi. 

16.  kl.  Oct.  In  Hilariaco  monasterio  translatio  corporis 
sancti  Naboris  et  dedicatio  ecclesie  ipsius. 

3.  Non.  Nov.  et  depositio  domni  Perminii  episcopi  bone 
memorie. 

Die  erste  Gruppe  besteht  fast  ausschliesslich  aus 
Festen  der  Diöcese  Bourges,  und  es  sind  überhaupt  nur 
zwei  Ausnahmen  vorhanden,  die  Aebtissin  Baldegunde  von 
Poitiers  (3.  Id.  Feb.),  der  wir  zu  dem  vorhergehenden  Tage 


Zur  Florians-  und  Lupus -Legende.  547 

auch  in  Z  begegneten,  und  Martin  von  Saujon  ^  in  der 
Diöcese  Saintes  (3.  Id.  Mai).  Alle  übrigen  aquitanischen 
Nachträge  betreffen  den  ßerry,  und  zwar  drei  Bischofs -Depo- 
sitionen mit  einer  Translatio  und  drei  Kirchweihen  Bourges 
selbst,  die  übrigen  Feste  das  Territorium,  darunter  die 
Translatio  unseres  alten  Freundes  Sigiramnus  von  Longo- 
retus  und  die  dortige  Kirchweih  (7.  Kl.  Nov.),  während  sein 
Tod  vielleicht  wegen  Unvollständigkeit  hier  fehlt,  wohl 
aber  in  W  angemerkt  ist  (Prid.  Non.  Dec).  Unter  den 
Bischöfen  von  Bourges  bemerkt  man,  wie  in  Z,  Sulpicius  II 
(f  646)  mit  seinem  Vorgänger  Austrigiselus,  und  zwar 
ausser  dem  Todestage  auch  die  Translatio  (7.  Kl.  Sept.), 
welche  Bemerkung  unter  dem  folgenden  Tage  mit  der  Weihe 
seiner  Basilica  fortgesetzt  wird.  Ueber  den  Neubau  der 
Sulpicius-Kirche  sind  erst  .kürzlich  Nachrichten  bekannt 
geworden,  nach  welchen  derselbe  672  vom  Bischof  Chado 
und  Abt  Barcelaicus  begonnen  wurde  -.  Wie  viel  Jahre 
er  gedauert  hat,  wissen  wir  nun  leider  nicht;  nur  sei  bemerkt, 
dass  674  der  27.  August  ein  Sonntag  war.  In  noch  viel  spätere 
Zeit  würde  uns  die  Beisetzung  des  Bischofs  Ambrosius  in 
Bourges  (17.  Kl.  Nov.)  führen,  wenn  die  gangbare  Lebens- 
geschichte dieses  Mannes  erwiesen  wäre,  dass  er  ein  Bischof 
von  Cahors  und  um  770  auf  der  Durchreise  im  Berry  ge- 
storben sei.  Jedenfalls  ist  die  starke  Berücksichtigung  der 
örtlichen  Kirchweihfeste  der  Kirche  von  Bourges  zusammen 
mit  den  anderen  Bourger  Notizen  der  sicherste  Beweis, 
dass  sich  ein  Vorfahr  der  Hs.  B  in  Bourges  befunden  hat, 
wenn  sich  auch  nicht  entscheiden  lässt,  ob  er  dem  7.  oder 
8.  Jh.  angehörte,  und  in  diesem  Sinne  sind  diese  Notizen 
schon  von  Duchesne  verwerthet  worden.  Somit  ist  die  aqui- 
tanische  Herkunft  auch  des  zweiten  Nachkommen  des  aqui- 
tanischen Y-Exemplars  gesichert. 

Dagegen  weist  die  austrasische  Gruppe  der  Nachträge 
von  B  entschieden  auf  die  Metzer  Diöcese.  Die  Beisetzung 
Pirmins  in  Hornbach  (3.  Non.  Nov.)  muss  vor  754  stattge- 
funden haben,  in  welchem  Jahre  sich  sein  Nachfolger  nach- 
weisen lässt.  ^  Vom  Kloster  Hilariacus,  heute  S.  Avold,  sind 
zwei  Haujjtmerkwürdigkeiten  eingetragen,  die  Ankunft  der 
h.  Nabor  und  Nazarius  und  die  Translatio  des  ersteren  allein 
und  seine  Kirchweih.  In  den  Besitz  des  Leibes  des  h. 
Nabor  ist  das  Kloster,  eine  Stiftung  des  Bischofs  Sigebald 

1)  Den  Ort  nennt  B  Salimonno,  während  er  in  den  späteren  Mirac. 
Martini  Vertav.  Salionum  (Scr.  rar.  Merov.  III,  571)  lieisst.  2)  Auct. 
antiq.  XI,  493 ;  vgl.  Mitth.  d.  Inst.  f.  Österreich.  Geschichtsforsch.  XVIII, 
S.  365.        3)  SS.  XV,  p.  31. 


548  Bruno  Krusch. 

von  Metz  ^,  durch  dessen  berühmten  Nachfolger  Chrode- 
gang  gelangt.  Dieser  Hess  765  die  drei  Leiber  des  Gor- 
gonius,  Nabor  und  Nazarius  von  Rom  in  das  Frankenreich 
übertragen,  schenkte  aber  im  folgenden  Jahre  Gorgonius 
und  Nazarius  den  von  ihm  gegründeten  Klöstern  Gorze  und 
Lorsch  -.  Die  Hs.  B  feiert  zwar  Anfangs  die  Ankunft 
der  h.  Nabor  und  Nazarius  in  S.  Avold,  verfolgt  aber 
nach  der  Abführung  des  letztern  nach  Lorsch  nur  den 
erstem  und  hält  sogar  seinen  Kirch  weihtag  für  denkwürdig 
genug,  um  ihn  auf  die  Nachwelt  zu  bringen.  Unzweifel- 
haft ist  entweder  sie  oder  ihr  nächster  Vorfahr  in  S.  Avold 
geschrieben  und  zwar  in  der  zweiten  Hälfte  des  8.  Jhs. 
Der  ebenfalls  in  B  angemerkte  'traiisitus  Winiramni'  (Non. 
Nov.)  könnte  sich  auf  den  Tod  des  Kanzleibeamteu  Pippins 
Wineramnus,  der  noch  753  begegnet,  beziehen^,  doch  war 
dieser  Laie^. 

Die  Verwandlung  des  afrikanischen  Märtyrers  Florian 
in  den  Lorcher  ist  nach  der  Trennung  der  Tochterhss. 
Z  B  von  der  gemeinsamen  Mutter  Y,  also  nicht  vor  der 
Mitte  des  7.  Jhs.,  erfolgt  und  kann  bis  in  das  7.  Jh.  vor- 
gerückt werden,  während  der  späteste  Termin  durch  das 
Alter  der  Hss.  gegeben  ist.  Wenn  es  sich  auch  bei  den 
Interpolationen  der  bezüglichen  Hss.  um  eine  Textverfäl- 
schung des  M.  H.  zum  Zwecke  der  Einführung  eines  neuen 
Märtyrers  handelt,  so  brauchte  doch  deshalb  die  Angabe 
über  sein  Martyrium  in  B  nicht  auf  Erdichtung  zu  beruhen, 
sondern  könnte  von  dem  Interpolator  aus  einer  guten  alten 
Quelle  geschöpft  sein.  Noricum  ripense  mit  Lorch  gehörte 
zu  lUyricum  occidentale  und  stand  unmittelbar  unter  dem 
Praefectus  praetorio  Italiae  ^.  Die  Civilverwaltung.  lag  in 
den  Händen  eines  Praeses;  in  militärischer  Hinsicht  aber 
war  es,  nachdem  Diocletian  dieDucate  eingerichtet  hatte,  mit 
Pannonia  I.  vereinigt  und  einem  Dux  als  Militärbefehlshaber 
unterstellt,  unter  welchem  u.  a.  die  Präfecten  der  2.  Legion 
in  Lorch  und  der  Lorcher  Flotte  standen.  Sowohl  der 
Civilbeamte  als  der  Militärbefehlshaber  hatten  ihr  eigenes 
Bureau  (officium),  und  bei  beiden  stand  ein  Princeps  de 
(oder  ex)  eodem  officio  an  der  Spitze,  also  ein  Büreauchef, 


1)    Paulus.    Gesta  ep.  INEett.,  SS.  II,  267.  2)  Ann.  Fuld.  a.  765. 

766  (SS.  1,347  sq.);   Paulus  a.  a.  0.  S.  268.    Vgl.  das   Bruchstück   eines 

Passauschen   Kalenders    saec.    IX.    (bei    Dümmler,  Piligrim    von    Passau 

S.   101):    'Adventus  sancti  Xazarii  in  Lauresham'.  3)   Ueber  ihn  siehe 
Sickel,  Acta  Karol.  I,  76.       4)  Bresslau,  Handb.  der  Urkundenlehre  I,  274 

N.  1;    Mühlbacher,    Regesten    S.  LXXXV.           5)  Julius    Jung,    Römer 
und  Romanen  in  den  Donauländern  (1887j  S.  48  '. 


Zur  Florians  -  und  Lupus  -  Legende.  549 

wie  Mommsen  erklärt  ^  Nach  den  Ang-aben  von  B  war 
Florian  ein  solcher  Büreauchef  ausser  Dienst  (ex  principe 
officii)  und  hatte  im  Dienste  des  Praeses  von  Noricum 
ripense  gestanden,  auf  dessen  Befehl  er  ertränkt  wurde. 
Bei  der  Beurtheilung  dieser  Stelle  ist  zu  beachten,  dass 
wir  uns  in  einer  Gegend  befinden ,  in  welcher  man  die 
Einrichtungen  des  römischen  Reichs  das  ganze  Mittel- 
alter hindurch  eifrig  studiert  hat,  behufs  Anfertigung 
der  umfangreichen  apocryphen  Literatur,  deren  Ehren- 
rettung Duchesne  noch  vorbehalten  bleibt.  Die  Theilprovinz 
Noricum  ripense  war  aus  der  V.  Severini  bekannt,  in  welcher 
sie  öfter  genannt  wird ;  auch  das  Officium  ist  in  den  Le- 
genden keine  Seltenheit,  aber  der  Princeps  officii  ist  den 
Legendenschreibern  sonst  wenig  geläufig.  Es  ist  daher 
sehr  wahrscheinlich,  und  ich  darf  mich  hier  auf  die  An- 
sicht des  Herrn  Prof.  Mommsen  stützen,  dass  der  Inter- 
polator  B  seine  Notizen  über  das  Martyrium  Florians  einer 
echten  Quelle  entnommen  hat.  Er  hat  auch  gerade  wie 
sein  Vorfahr  Y  selbständige  hagiographische  Studien  ge- 
trieben, und  es  sind  nicht  wenige  Heilige  ^,  bei  welchen 
er  das  Vorhandensein  von  Acten  durch  den  Zusatz :  quorum 
(oder  cuius)  gesta  habentur,  bezeugt  hat.  Sieht  man  von 
dem  einem  Falle  ab ,  in  welchem  er  durch  die  Gleichheit 
der  Namen  getäuscht  die  Bemerkung  versehentlich  zu  afri- 
kanischen Märtyrern  gesetzt  hat,  die  vielmehr  zu  zwei 
Tage  später  (4.  Id.  lul.)  erwähnten  Mailändern  gehört^, 
deren  Acten  allerdings  noch  vorhanden  sind,  so  sind  leider 
die  von  B  erwähnten  Märtyreracten  sämmtlich  unterge- 
gangen. Wenn  sich  bei  Florian  der  Interpolator  nicht 
ausdrücklich  auf  vorhandene  Gesta  beruft,  kann  es  fraglich 
erscheinen,  ob  ihm  überhaupt  über  die  Märtyrer  mehr  be- 
kannt gewesen  ist  als  die  kurze  Notiz,  welche  er  mittheilt. 
Eine  ähnliche  Geschichte  weiss  er  von  dem  Priester  Mon- 
tanus  zu  erzählen,  der  von  Singidunum  nach  Sirmium 
geflohen  war,  wie  Florian  ergriffen  und  in  den  Fluss  ge- 
worfen wurde,  und    dessen  Leib    dann   am    9.  Meilensteine 


1)    N.  Arch.  XIV,  474.  2)    Donatus,  Heraclius,  Vincentius,  Su- 

sanna,  Urbana,  Donata,  Eulalia  in  Italien  (pr.  Id.  Feb.),  Pomodianus, 
Secundianus,  Alexander,  Bubatus,  Saturus,  Diodrus,  Ropodianus,  Nomensis 
(pr.  Kl.  Mai.),  Silvanus  in  Caesarea  (4.  Non.  Mai.),  Aquilinus  und  Victori- 
anus  in  Isaurien  (17.  Kl.  lun.),  Nabor,  Felix  in  Africa  (6.  Id.  lul.) 
Euphemia  in  Calcedon  (16.  Kl.  Sept.).  3)  Es  handelt  sich  um  Nabor  und 
Felix  und  der  Zusatz  von  B  (6.  Id.  lul.)  lautet:  'decollatorum,  quorum 
gesta  habentur;  corpora  vero  eorum  mulier  quedam  relegiosa  postea 
transtulit  Mediolano'.  Der  Vorgang  steht  in  der  Passio  der  Mailänder 
Märtyrer,  AA.  SS.  lul.  111,292:  'quaedam  religiosa  femina  materfamilias 
eiusdem  urbis  furtim  sublatos  et  vehiculo  superpositos  Mediolanum  deduxit. 


550  Bruno  Krusch. 

zum  Vorscliein  kam  ^  Wie  sich  die  beiden  Märtyrer  durch 
dieselbe  Todesart  gleichen,  so  die  beiden  Interpolationen 
durch  ähnliche  Eedigierung-,  und  speciell  die  Worte  missus 
est  in  fluvium  hat  B  in  beiden  Fällen  verwandt.  Wenn 
auch  der  Märtyrertod  des  Priesters  Montanus  von  Singi- 
dunum  anderweitig  bestätigt  wird  -\  so  sind  doch  die  näheren 
Umstände  nur  durch  B  bekannt,  und  dieses  repräsentiert 
also  in  dem  vorliegenden  Falle  eine  verlorene  Quelle.  Eine 
zweite  Interpolation  von  B,  auf  welche  ich  bereits  oben 
S.  307  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  habe,  handelt  von  der 
Märtyrerin  Antonina  in  Nicomedia  (4.  Non.  Mai.),  die  unter 
dem  Präses  Priscillianus  den  Flammentod  erlitt,  nachdem 
sie  viele  und  schwere  Qualen  gelitten  und  u.  a.  drei  Tage 
lang  an  einem  Arme  aufgehängt  und  zwei  Jahre  im  Kerker 
eingeschlossen  war.  Auch  in  diesem  Falle  besitzen  wir 
keine  Acten  mehr,  wohl  aber  sind  kurze  Aufzeichnungen 
über  diese  Märtyrerin  in  griechischen  Quellen,  Synaxarien 
und  Menologien,  enthalten  und  diese  bestätigen  vollständig 
die  von  B  gemachten  Angaben,  den  Präses  Priscillianus, 
das  Aufhängen,  den  2jährigen  Kerker  und  die  Feuerqualen  ^. 
Das  Einschiebsel  von  B  über  die  Antonina  steht  in  einem 
gewissen  äusseren  Zusammenhange  mit  dem  über  Florian, 
indem  beide  zu  demselben  Tage  gemacht  sind  und  ersteres 
diesem  fast  unmittelbar  vorangeht. 

Während  wir  also  sonst  im  Allgemeinen  nur  den  Ver- 
lust der  von  B  benutzten  hagiographischen  Literatur  zu 
beklagen  hatten,  ist  vom  h.  Florian  eine  Passio  auf  uns 
gekommen,  und  nach  meinem  Vorgange  gilt  heute  die  In- 
terpolation in  der  Hs.  des  M.  H.  als  Auszug  aus  ihr.  Auch 
Duchesne  hat  sich  gegen  seine  sonstige  Gewohnheit  dies- 
mal meiner  Ansicht  angeschlossen  und  tritt  sogar  sehr  ent- 
schieden für  die  Abhängigkeit  der  Hss.  WB  von  ihr  ein :  'ils 
nous  donnent,  plus  ou  moins  au  long,  une  histoire  qui 
depend  evideinment  de  la  Passion'.  Da  er  den  Zusatz 
irrig  auf  das  Exemplar  Y  zurückführte  und  dieses  wiederum 
irrig  unter  Chlothar  II  (614 — 628)  setzte,  erreichte  er  schon 
auf  diesem  Wege  den  Anfang  des  7.  Jh.  Es  ist  aber  wenig 
wahrscheinlich,  fährt  er  fort,  dass  das  Lorcher  Heiligthum 
damals  vorhanden  war  und  sich  überhaupt  damals  Christen 
in  jenen  Gegenden  vorgefunden  haben:  also,  ist  sein  Schluss, 
muss    die   Passio    in   die   Zeit   vor   die  Stürme   der  Völker- 


1)  7.  Kl.  Apr. ;  siehe  oben  S.  307.  In  der  Hs.  steht  irrig  Lingidonis 
für  Singiduno.  2)  Vgl.  die  Passio  S.  Pollionis  in  der  Einleitung.  3)  Vgl. 
die  in  den  AA.  SS.,  Mai  I,  460,  angeführte  Literatur. 


Zur  Florians-  und  Lupus  -  Legende.  551 

Wanderung-  zurückreichen,  nämlich  in  das  4.  oder  5.  Jh. 
Das  nennt  Duchesne  einen  wissenschaftlichen  Beweis,  und 
ein  so  luftiges  Gebäude  will  er  an  die  Stelle  meiner  Aus- 
führungen setzen.  Der  Ausgangspunkt  seiner  theils  falsch, 
theils  überhaupt  nicht  begründeten  Schlussfolgerung  war, 
wie  man  sieht,  meine  Ansicht,  dass  der  Zusatz  in  B  ein 
Auszug  aus  der  Passio  sei.  Es  thut  mir  leid,  dass  ich  diese 
Ansicht  widerrufen  muss :  sie  ist  falsch. 

Bei  genauerer  Vergleichung  der '  B  -  Notiz  mit  der 
Passio  findet  man,  dass  dort  richtig  Lauriacus  steht,  während 
sich  in  dieser  eine  mittelalterliche  Form  findet,  dass  dort 
das  echte  ex  principe  officii  presidis  nur  ganz  leicht  in  et 
principi  o.  pr.  verdorben  ist,  während  man  in  dieser  et 
jjrinceps  officiae  nostrae  liest,  dass  dort  das  Bersten  der 
Augen  (oculis  crepantibus)  sicher  richtig  auf  den  herab- 
stürzenden Märtyrer  bezogen  ist,  während  der  Legenden- 
schreiber nach  der  allgemeinen  Erklärung  den  Mörder  mit 
den  Worten:  'et  statim  oculi  eins  crepuerunt'  gemeint  hat, 
dass  endlich  dort  der  Vorgang  durch  Augenzeugen  bestätigt 
wird:  'videntibus  omnibus  circumstantibus',  während  in 
der  Legende  von  diesem  Umstände  überhauj)t  nichts  zu 
finden  ist.  Dieser  Zusatz  in  Verbindung  mit  der  entschieden 
älteren.  Fassung  zwingt  zu  der  Annahme,  dass  die  Inter- 
polation in  der  Hs.  B  über  den  h.  Florian  nicht  aus  der 
vorhandenen  Passio  geflossen  ist,  sondern  ebenso  wie  die 
meisten  Zusätze  dieser  Hs.  ans  einer  verlorenen  Quelle 
stammt,  und  zwar  hat  das  richtige  Verhältnis  zuerst  er- 
kannt Prof.  Mommsen,  dessen  kundiger  ßath  mir  in  der 
schwierigen  Frage  den  richtigen  Weg  gewiesen  hat. 

Da  die  direkte  Abhängigkeit  der  beiden  Texte  auf 
der  Hand  liegt,  muss  nach  der  eben  gemachten  Beobach- 
tung vielmehr  das  umgekehrte  Verhältnis  angenommen 
werden,  dass  der  Legendenschreiber  den  Zusatz  der  Marty- 
rologienhs.  seiner  Arbeit  zu  Grunde  gelegt  hat.  Auf  eine 
andere  Quelle  der  P.  Floriani  hatte  ich  in  meiner  Ausgabe 
aufmerksam  gemacht.  Die  Legende  ist  bekanntlich  in 
zwei  Fassungen,  einer  längeren  und  einer  kürzeren,  auf  uns 
gekommen,  und  man  erblickte  bisher  allgemein  in  der 
letzteren  die  älteste  und  ursprüngliche  Form,  während  die 
erstere,  wie  sich  Glück  ^  ausdrückt,  für  eine  später  durch 
Zusätze  verfälschte  Quelle  galt.  Hier  hatte  ich  die  Freude, 
eine  kleine  Entdeckuno-  machen    zu  können.    Es  fand  sich 


1)  Die  Bisthümer  Xoricums  in  SB.  der  AViener  Akad.  pliilos.  bist. 
Kl.  1855,  S.  62. 


552  Bruno  Krusch. 

nämlich,  dass  die  kürzere  Passio  zwar  schon  in  Hss.  des  9.  Jh. 
überliefert  ist,  diese  aber  eine  Heiligenlebensammlung" 
enthalten,  die  nur  aus  gekürzten  Texten  besteht.  Es  ist 
eine  in  Capitel  eingetheilte  Legenda  sanctorum,  und  vom 
h.  Florian  handelt  das  9.  Capitel.  Die  Form,  welche  hier 
die  Acten  haben,  stammt  im  allgemeinen  von  dem  Be- 
arbeiter des  Handbuchs  her,  und  wenn  noch  ein  Zweifel 
über  den  Charakter  dieses  Textes  herrschen  könnte,  so 
würde  er  zerstreut  durch  die  zuerst  von  mir  zur  Ver- 
gleichung  herangezogene  Passio  des  Bischofs  Trenaeus  von 
Sirmium.  Diese  Quelle  stimmt  in  der  allgemeinen  Vor- 
rede über  die  Diocletianische  Verfolgung  mit  geringen  Ab- 
weichungen wörtlich  überein  mit  der  Legende  Florians 
und  zwar  mit  der  längeren,  und  nur  in  dieser  finden  sich 
auch  die  beiden  gemeinsamen  Worte  a  tyrannis  illata  sup- 
plicia.  Für  die  Kritik  der  Florianslegende  war  dieses 
Ergebnis  augenscheinlich  von  der  grössten  Bedeutung,  denn 
die  Grundlage  derselben  wurde  verrückt,  und  während  man 
früher  von  der  kürzeren  Fassung  ausging,  muss  jetzt  die 
längere  den  Ausgangspunkt  jeder  Untersuchung  bilden. 
Nur  diese  habe  ich  herausgegeben  und  die  kürzere  ßecen- 
sion  nur  soweit  benutzt,  als  sie  zur  Textverbesserung  der 
längeren  beitrug,  und  wegen  des  Alters  ihrer  Hss.  hat  ihre 
Stimme,  wo  der  Ausdruck  nicht  geändert  ist,  allerdings 
einiges  Gewicht.  Die  üebereinstimmung  mit  der  P.  Irenaei 
erstreckt  sich  aber  über  die  Vorrede  hinaus  auch  auf  den 
Kern  der  Legende.  In  beiden  Fällen  wird  der  Märtyrer 
ergriffen  (conprehensus)  und  zum  Präses  geführt.  Der  sagt 
zu  ihm :  Opfere  den  Göttern  (sacrifica  diis).  In  beiden 
Fällen  antwortet  der  Märtyrer:  Thue,  was  dir  befohlen 
ist  (quod  tibi  praeceptum  est).  Darauf  lässt  ergrimmt  der 
Präses  beide  mit  Knütteln  züchtigen  (fustibus  caedi).  Er 
fällt  gegen  beide  das  Urtheil  (dare  in  aliquem  sententiam) 
und  befiehlt,  sie  in  den  Fluss  zu  stürzen  (in  oder  ad  fluvium 
praecipitare).  Beide  beten  auf  der  Brücke  mit  zum  Himmel 
erhobenen  Armen  (extendens  manus  in  oder  ad  caelum): 
'Herr  Jesus  Christus  nimm  mich  auf,  und  werden  hernach 
in  den  Fluss  gestürzt,  Irenaeus  in  die  Sau,  Florian  in 
die  Enns.  Also  auch  in  der  Handlung  selbst  zeigen  die 
beiden  Passionen  Verwandtschaft,  und  wie  die  Vorrede  in 
beiden  die  gleiche  war,  so  stimmen  auch  die  von  mir  in 
Klammern  beigefügten  lateinischen  Ausdrücke  in  beiden 
wörtlich  überein.  In  den  äusseren  Verhältnissen  der  beiden 
Märtyrer  aber  weichen  sie  von  einander  ab.  Irenaeus  ist 
Bischof,    verheirathet    und   Vater    von    Kindern,    während 


Zur  Florians-  und  Lupus -Legende.  5ö3 

Florian  als  alter  Soldat  ohne  Anbang  g-eschildert  wird. 
Nun  ist  von  vornherein  klar,  dass  die  Abhäng-igkeit  der 
beiden  Passionen  eine  viel  engere  bätte  sein  können,  wenn 
Florian  ebenfalls  zum  verbeiratbeten  Biscbof  und  Familien- 
vater gemacht  worden  wäre,  und  es  bätte  dann  einfach 
nur  die  P.  Irenaei  unter  Aenderung  der  Namen  abge- 
schrieben zu  werden  brauchen.  In  der  Hagiographie  wäre 
auch  dieser  Fall  nicht  gerade  unerhört,  und  ähnlich  ist 
sogar  die  Florianslegende  für  eine  V.  Florentii  ausgebeutet 
worden,  indem  man  dem  b.  Florian  stets  jenen  Florentius 
als  Genossen  beigab.  Im  vorliegenden  Falle  war  zunächst 
auf  den  militärischen  Charakter  von  Lorch  Rücksicht  zu 
nehmen,  zu  welchem  am  besten  ein  alter  Soldat  passte. 
Es  war  ja  Festung  und  Hauptquartier  der  Legio  II  und 
einer  Abtheilung  der  Donauflotte,  auch  befand  sieh  da- 
selbst eine  staatliche  Schildfabrik  '•.  Ferner  hatte  der 
Legendenschreiber  die  tbatsäcblichen  Angaben  seiner  an- 
deren Quelle  der  B-Hs.  des  M.  H.  zu  verwerthen.  Er  fand 
darin  nicht  allein  Noricum  ripense,  sondern  auch  die 
technische  Bezeichnung  eines  princeps  officii  praesidis,  und 
indem  er  nun  überall  den  militärischen  Stand  des  Märtyrers 
betonte,  konnte  sich  bei  Tillemont-  der  Büreauchef  leicht 
in  einen  Capitaine  des  gardes  du  gouverneur  verwandeln. 
Durch  dieselbe  Quelle  war  auch  der  Sturz  des  Märtyrers 
von  der  Brücke  in  den  Fluss  gegeben,  und  dieser  Umstand 
hat  den  Legendenschreiber  offenbar  auf  den  h.  Irenaeus 
geführt,  welcher  mit  seinem  Genossen,  dem  Priester  Mon- 
tanus,  von  dem  oben  die  Rede  war,  in  derselben  Weise 
gelitten  hatte.  Jedenfalls  konnte  aus  der  P.  Irenaei  unter 
Zuhilfenahme  der  B-Notiz  die  Florianslegende  mit  Leich- 
tigkeit zusammengeschrieben  werden,  und  was  Duchesne 
für  ihre  Echtheit  beigebracht  hat,  die  Ausdrücke  Noricum 
ripense  und  Princeps  officii  praesidis,  stammt  alles  aus  der 
zweiten  Quelle  B  und  kann  zur  Rettung  der  Legende  nicht 
verwerthet  werden.  Für  das  Martyrium  christlicher  Sol- 
daten war  das  berühmteste  Muster  die  Thebaische  Legion. 
Wenn  in  dem  Zwiespalte  zwischen  seinen  Pflichten,  als 
Soldat  gegen  die  Obrigkeit  und  als  Christ  gegen  Gott, 
Florian  das  Gebot  des  Praeses  verschmäht,  um  nicht  wider 
die  göttlichen  Gebote  zu  Verstössen ,  so  finden  wir  den 
gleichen  tragischen  Conflict  bei    den  Acaunensischen  Mär- 


1)  Vgl.  J.  Jung,  Die  romanischen  Landschaften  des  Römischen 
Reichs  (1881)  S.  318.  431;  Römer  und  Romanen  in  den  Donauländern 
(1887)  S.  59.  158.         2)  Mem.  pour  servir  ä  l'hist.  eccles.  V,  68. 


554  Bruno  Krusch. 

tyrern.     Auf   die   Aehnlichkeit    der   Reclitfertig-ung   beider 
ist  bereits  von  anderer  Seite  ^  hingewiesen  worden. 

Die  Kritik  der  Florianslegende  war  aber  längst  vor 
mir  geschrieben.  Wenn  der  jnuge  Mann,  welcher  den  Hei- 
ligen wüthend  von  der  Brücke  stösst,  sofort  erblindet-, 
wenn  der  Fluss  den  Körper  trotz  des  angebundenen  Steins 
emporhebt  und  an  einem  hochgelegenen  Orte  aussetzt, 
wenn  gerade  zur  rechten  Zeit  ein  Adler  (aquila)  erscheint, 
um  über  den  vom  Präses  Aquilinus  gemarterten  Märtyrer 
seine  Schwingen  nach  Art  eines  Kreuzes  schützend  auszu- 
breiten, wenn  sich  dann  der  Heilige  einer  Frau  in  einer 
Vision  offenbart  und  ihr  seine  zukünftige  Begräbnisstelle 
bezeichnet,  wenn  die  Zugthierchen  (animaliola)  auf  der 
Fahrt  dahin  unter  dem  starken  Sonnenbrande  ermatten  und 
den  in  Reisig  und  Laub  gepackten  Leichnam  nicht  weiter 
ziehen  können,  und  wenn  nach  dem  Gebet  des  Weibes  all- 
sogleich  ein  lustig  sprudelnder  Quell  an  der  Stelle  entspringt, 
der  noch  zur  Zeit  des  Legeudenschreibers  die  Wahrheit 
dieser  Begebenheit  bestätigte,  wie  er  es  wahrscheinlich 
noch  heute  thut,  so  sind  das  sämmtlich  Dinge,  die  der 
natürlichen  Weltordnung  widersprechen,  und  es  gehört  in 
der  That  ein  starker  Köhlerglaube  zur  Verdauung  dieser 
sechs  groben  Wunder  vom  Martyrium  bis  zum  Grabe,  für 
die  als  einziges  Zeugnis  —  ein  Wasserquell  angerufen  ist. 
Sogar  an  der  heimischen  Stätte,  welche,  wie  der  Legenden- 
schreiber versichert,  der  Schauplatz  grosser  Wunderkuren 
war,  und  wo  überhaupt  alle  glaubensstarken  Personen  die 
göttliche  Barmherzigkeit  erfuhren,  hat  sich  der  Zweifel 
geregt  und  aus  seinen  eigenen  Jüngern  sind  dem  h.  Florian 
Widersacher  erstanden.  Der  regulierte  Chorherr  und  Coope- 
rator  zu  St.  Florian  Franz  Kurz^  hat  im  J.  1808  alle  die 
oben  aufgeführten  wunderbaren  Vorgänge  beim  Tode  und 
Begräbnisse  des  Heiligen  verworfen,  weil  sie  gewöhnlichen 
Legenden  nur  gar  zu  sehr  gleichen.  Dieses  freimüthige 
Urtheil  stammt  von  einem  Manne,  der  in  dem  mittelalter- 
lichen Wunderglauben  der  alten  Kirche  gross  geworden 
war,  und  dem  braven  Vorkämjjfer  für  die  Wahrheit  ist  um 


1)  E.  M(ühlbaclier),  Zur  ältesten  Kirchengeschichte  des  Landes 
ob  der  Enns  (Theologisch -praktische  Quartal -Schrift,  Linz  1868)  S.  440. 
2j  Passio  c.  8:  'et  statim  oculi  eius  crepuerunt'.  Die  Augen  bersten  ihm; 
Ducange  s.  v.  crepare  führt  das  frz.  crever  l'oeuil  an.  Ueber  die  Ab- 
weichung der  Hs.  B  des  M.  H.  ist  oben  gehandelt.  3)  Kurz,  Merk- 
würdigere Schicksale  der  Stadt  Lorch,  der  Gränzfestung  Ennsburg  und 
des  alten  Klosters  St.  Florian  in  Beyträge  zur  Gesch.  des  Landes  Oester- 
reich  ob  der  Enns  III,  S.  44. 


Ziir  Florians  -  und  Lupus  -  Legende.  555 

so  grössere  Anerkennung  zu  zollen,  je  schwerer  es  ihm  ge- 
worden sein  mag,  selbst  Hand  anzulegen  an  die  Zerstörung 
der  Legende  seines  Patrons.  Grössere  Gelehrte  haben  in 
der  gleichen  Lage  nicht  immer  dieselbe  Unbefangenheit 
bewiesen.  Indessen  war  doch  auch  Kurz  schon  vorgear- 
beitet. Der  gelehrte  Tillemont  hatte  1698  die  Florians- 
acten  als  nicht  sehr  alt  bezeichnet  und  möchte  die 
Wunder  für  einen  späteren  Zusatz  halten,  obwohl  dies,  wie 
er  selbst  hinzufügt,  nicht  leicht  zu  glauben  sei^.  Er  erklärte 
sich  also  gegen  eine  Zerstückelung  dieser  Acten,  wie  ich 
mich  gegen  eine  Zerstückelung  der  Afraacten  erklärt  habe. 
Und  diese  Ansicht  theilt  auch  ein  zeitgenössischer  Chor- 
herr von  St.  Florian,  auf  dessen  Urtheil  die  Wissenschaft 
etwas  zu  geben  gewohnt  ist,  Herr  Mühlbacher.  'In  der 
Gestalt',  schreibt  er,  'wie  die  Acten  uns  jetzt  vorliegen, 
sind  sie  offenbar  ein  Ganzes.  Es  ist  schon  an  und  für  sich 
unwahrscheinlich,  dass  sie  mit  der  Aussprechung  des  Todes- 
urtheils  abbrechen  sollten ;  der  heldenmüthige  Tod  des 
Blutzeugen  ist  ja  der  eigentliche  Zweck  ihrer  Erzählung. 
Dieser  aber  ist  von  jenen  beanstandeten  Abschnitten  wohl 
nicht  zu  trennen.  Sind  die  Acten  ein  Ganzes,  dann  ge- 
hören sie  einer  späteren  Zeit  an,  in  der  die  Legende  schon 
ihre  sagenbildenden  Ranken  um  die  Gestalt  des  verehrten 
Märtyrers  geschlungen  hatte'  ^.  Er  hat  es  auch  direct  aus- 
gesprochen, dass  die  Acten  aufhören  müssten,  für  das  älteste 
Denkmal  der  östreichischen  Kirchengeschichte  zu  gelten, 
und  dass  sie  mit  der  V.  Severini  nicht  coucurrieren  könnten. 
Den  Auszug  setzte  er  in  das  früheste  Mittelalter,  das  6, 
spätestens  7.  Jh.,  die  ausführlicheren  Acten  ins  9.  Jh.  Er 
steht  also  unter  dem  Einflüsse  der  damals  gangbaren  An- 
sicht über  das  Verhältnis  der  beiden  Texte,  und  ich  habe 
bereits  darauf  hingewiesen,  dass  durch  meine  Untersuchung 
die  Grundlage  für  seine  Annahme  sich  verändert  hat. 

Das  nach  Form  und  Syntax  höchst  mangelhafte  Latein 
mit  wirklichen  Schülerböcken,  wie  dem  Gen.  sing,  officiae 
nostrae  (S.  69,  5),  wird  erst  aus  der  von  mir  aufgefundenen 
ältesten  Hs.  des  Passionarium  majus  Sangall.  saec.  X.  ex. 
besser  zu  erkennen  sein,  und  ich  will  aus  dieser  Quelle 
vorläufig  nur  den  schönen  Acc.  pl.  illas  fantasmas  (S.  69, 25) 
nachtragen.  Diese  Sprache  kann  unmöglich  in  die  römi- 
sche Zeit  hinaufgerückt  werden,  und  obwohl  für  sprach- 
liche   Gründe    zur    Zeit   wenig   Verständnis   herrscht,    wird 


1)  A.  a.  0.  S.  67:  'quoique  cela  ne  soit  pas  aise  ä  croire'.       2)  Mühl- 
bacher a.  a.  0.  S.  437. 


556  Bruno  Krusch. 

man  mir  yielleicht  doch  Eecht  geben,  wenn  ich  die  Ab- 
fassung in  die  Mitte  des  8.  Jh.  setzte.  Anch  Mommsen 
erklärt,  dass  die  Fassung  der  Acten  natürlich  modern  ist. 
Die  Formen  Lavoriacum,  castrum  Lavoriacense  waren  als 
mittelalterlich  bereits  von  Glück  erkannt  worden,  und 
Mühlbacher  schränkt  diesen  Gebrauch  ganz  richtig  auf 
das  frühe  Mittelalter  ein,  während  im  späteren  wieder  die 
römischen  Formen  Lauriacum  und  Laureacum  zum  Vorschein 
kommen,  ein  Vorgang,  der  bei  den  geographischen  Namen 
öfter  zu  beobachten  ist.  Jetzt  tritt  nun  Duchesne  auf  und 
erklärt  keck,  die  angeblich  mittelalterlichen  Formen  seien 
erst  durch  mich  in  den  Text  eingeführt  worden  unter 
Fälschung  des  Zeugnisses  derHss.  (en  f  aussant  le  temoignage 
des  manuscrits),  beschuldigt  mich  also  mit  dürren  Worten 
der  Textfälschung.  Meine  literarische  Vergangenheit  würde 
mich  der  Nothwendigkeit  überheben,  mich  gegen  diese 
Verleumdung^  Duchesne's  zu  vertheidigen.  Wenn  ich 
nichtsdestoweniger  den  Sachverhalt  aufkläre,  so  geschieht 
es,  um  zu  zeigen,  welcher  Mittel  mein  Gegner  sich  bedienen 
muss,  um  die  betrügerische  Legendenfabrikation  gegenüber 
der  scharfen,  aber  gerechten  Kritik  eines  deutschen  Pro- 
testanten in  Schutz  zu  nehmen. 

Sehen    wir    uns    also    die    angebliche    Textfälschung 
näher  an.     Der  Handschriftenbefund  ist  folgender: 

S.  68,  18.  in  castrum  Lavoriacensem]  allein  B,  während  die 
anderen  Hss.  die  neutrale  Endung  haben  und 
den  Ortsnamen  so  schreiben :  La :  oriacense  1  m., 
Laureacense  m.  al.  AI,  Lauriacense  A2. 

Z.  22.  Lavoriacum]  La:  :riacum  J  m.,  Laureacum  m.  al.  AI 
Lavoriaco  B;    Lauriacum  A2. 

Ebd.  Lavoriaco]  B;  La::riaco  Im.,  Laureacum  m.  al.  AI 
Lauriaco  A2. 

Z.  25.  Lavoriaco]    La::riaco    Im.,     Laureaco    m.   al.  AI 
Laboriaco  Henschen;    Lauriaco  A2. 


1)  Derselbe  Duchesne  bezeichnete  eine  gewisse  Schule,  mit  der  er 
ehemals  in  Unfrieden  lebte,  als  'personnes  faciles  ä  indigner,  promptes  ä 
injurier  leurs  contradicteurs  et  meme  ä  les  calomnier'  (Annales  du  midi 
1892,  S.  290).  An  diese  Aeusserung  möchte  ich  ihn  jetzt  erinnern  und 
zugleich  an  die  Antwort,  die  er  einst  dem  P.  Benoit  ertheilte,  als  dieser 
sich  über  die  Beschuldigung  entrüstete,  dass  die  Mönche  Fälscher  seien, 
und  vielmehr  ihre  peinliche  Wahrheitsliebe  als  bewunderungswürdiges 
Beispiel  hinstellte :  'Sürement,  mon  bon  Pere,  si  Ton  n'y  trouve  que  des 
gens  qui  vous  ressemblent,  et  je  crois  qu  'il  en  est  ainsi,  en  general,  au 
temps  DU  nous  vivons.  Mais  au  temps  de  jadis!'  (Bulletin  critique  1892, 
S.  246). 


Zur  Florians-  und  Lupus -Legende.  557 

Ich  bemerke  dazu,  dass  AI  (saec.  X./XI.)  erheblich  älter 
ist  als  A2  (saec.  XII.)  und  Henschen  eine  dritte,  wenn 
auch  interpolierte  Hs.,  benutzt  hat.  Nun  sieht  jeder,  dass 
in  A 1  consequent  eine  ungewöhnliche  Namensform  aus- 
gemerzt ist,  um  dafür  das  schulgemässe  Laureacum  her- 
zustellen. Die  Textkritik  hat  in  solchen  Fällen  ihr  Haupt- 
augenmerk darauf  zu  richten,  die  vom  Corrector  bean- 
standete Form  zu  ermitteln.  An  der  ersten  Stelle  ist  von 
den  beiden  getilgten  Buchstaben  der  zweite  noch  zu  er- 
kennen; es  war  ein  o.  Zweifel  können  also  nur  über  den 
ersten  Buchstaben  herrschen,  aber  nach  den  Lesarten  von 
B  Lavoriacensem  und  zweimal  Lavoriaco  und  von  Henschen 
Laboriaco  ist  es  klar,  dass  an  dieser  Stelle  nur  ein  v  oder 
b  gestanden  haben  kann.  Man  könnte  also  nur  schwanken, 
ob  Lavor.  oder  Labor,  zuerst  in  A 1  gestanden  hat.  Aus 
der  Kecension  B  habe  ich  dann  unter  Berücksichtigung 
der  Easuren  in  A 1  überall  Lavor.  in  den  Text  gesetzt. 
Die  Recension  B  aber  ist  durch  Hss.  vertreten,  die  bis  in 
das  9.  Jh.  hinaufreichen,  und  zeigt  auch  schon  durch  die 
masculinische  Behandlung  von  castrum,  dass  es  aus  einem 
besseren  Exemplare  stammt,  als  A  L  2.  Das  ist  meine  Text- 
fälschung. Inzwischen  ist  mir  die  Hs.  A 1  noch  einmal 
in  die  Hände  gekommen,  so  dass  ich  die  Stellen  nach- 
prüfen konnte.  Das  ausradierte  o  ist  nicht  bloss  an  der 
ersten,  sondern  auch  an  den  beiden  nächsten  Stellen  noch 
zu  erkennen,  und  an  allen  dreien  sieht  man,  dass  der  vor- 
hergehende ausradierte  Buchstabe  einen  Schenkel  über  der 
Zeile  hatte.  In  der  Hs.  stand  also  Labor.,  und  dieses  hat 
ein  Corrector  saec.  XIII./XIV.  mit  neuerer  schwarzer  Tinte 
in  Laureac.  geändert,  indem  er  auf  das  radierte  b  ein  u 
setzte  und  über  das  radierte  o  einen  Verbindungsstrich 
nach  dem  r  zog.  Das  Ergebnis  wird  bestätigt  durch  die 
von  mir  aufgefundene  älteste  A-Hs.  aus  dem  Ende  des 
10.  Jh.  Man  liest  nämlich  in  derselben  an  den  kritischen 
Stellen : 

Lauricense    m.  al.  corr.  Lauriacense    und    dann    dreimal 

Laboriaco. 
Darnach  ist  allerdings  Lavoriaco  oder  Laboriaco  die  ur- 
sprüngliche Lesart  der  P.  Floriani.  Wenn  dagegen  mein 
Gegner  Laur.  für  die  gut  beglaubigte  Lesart  erklärt,  so 
folgt  er  der  schlechten  und  späten  Hs.  A2  und  dem  späten 
Corrector  von  AI,  wie  er  auch  in  seiner  Ausgabe  des  M.  H. 
eine  besondere  Vorliebe  für  die  späteren  Correcturen  bewiesen 
hat,  sehr  zum  Schaden  des  Urtextes.  Kritischen  Sinn  ver- 
räth  aber  dieses  Verfahren  nicht,  und  auf  die  Herausgabe 


558  Bruno  Krusch. 

merovingischer  Texte  angewandt,  würde  es  zu  wunderlichen 
Ergebnissen  führen.  Die  Formen  Lauriaeum  und  Laurea- 
cum  in  A2  und  in  den  Correcturen  von  Al  sind  aber  nach 
der  Beobachtung'  Mühlbachers  nicht  bloss  die  antiken, 
sondern  auch  die  im  späteren  Mittelalter  allgemein  ge- 
bräuchlichen Schreibungen. 

Die  Sache  hat  jedoch  noch  ein  Nachspiel.  lieber  das 
Verhältnis  der  beiden  Texte  urtheilt  Duchesne  mit  Rück- 
sicht auf  die  ßecension  B :  'qui  n'a  pas  d'autorite  contre 
la  redaction  complete  et  originale'.  Er  erklärt  also  den 
längern  A  für  den  vollständigen  und  ursprünglichen  und 
achtet  ihm  gegenüber  den  kürzeren  B  für  belanglos.  Bis 
zu  meiner  Ausgabe  hat  aber  die  umgekehrte  Ansicht  ge- 
golten, dass  vielmehr  der  letztere  Text  die  originale 
Fassung  darstelle.  Woher  weiss  Duchesne,  dass  A  die 
vollständige  und  ursprüngliche  Redaction  ist?  Er  giebt 
das  ürtheil  ohne  Quellenangabe  und  scheinbar  aus  sich  selbst 
heraus.  Interessant  ist  es,  das  Verhalten  der  andern  Kritiker 
in  diesem  Punkte  mir  gegenüber  zu  beobachten.  Der  Recen- 
sent  in  den  Analecta  Bollandiana  XVI,  S.  84  erklärt,  die 
Feststellung  der  Abhängigkeit  der  P.  Floriani  von  den  Acten 
des  Irenaeus  habe  zu  einem  unerwarteten  Resultate  ge- 
führt: ä  un  resultat  inattendu,  savoir  que  la  longue  Passion 
de  S.  Florian  est  plus  ancienne  que  la  courte,  regardee 
universellement  jusqu'ici  comme  anterieure  ä  l'autre  et 
plus  digne  de  foi,  und  A.  Ehrhard  in  dem  österreichischen 
Litteraturblatt  1897,  S.  451  ff.  nennt  die  Feststellung  des 
richtigen  Textverhältnisses  eine  Entdeckung  und  weist  zu- 
gleich auf  die  systematische  Bedeutung  meines  Ergebnisses 
hin,  welches  den  'vielgepriesenen  Canon'  von  dem  grösseren 
Alter  und  Werthe  der  kurzen  Texte  umstösst  und  seine 
eigenen  Beobachtungen  auf  dem  Gebiete  der  griechischen 
Hagiographie  bestätigt.  Die  Tragnveite  meines  Ergebnisses 
ist  also  von  anderer  Seite  anerkannt  und  gewürdigt  worden 
und  Duchesne  hätte  hier  Gelegenheit  gehabt,  meinen  Unter- 
suchungen auch  einmal  ein  lobendes  Wort  zu  spenden. 
Statt  dessen  hat  er  sich  meine  Entdeckung  angeeignet 
und  sie  für  seine  Zwecke  verwerthet,  ohne  des  Urhebers 
auch  nur  mit  einem  Worte  zu  gedenken :  alles  in  demselben 
Augenblicke,  wo  er  mich  der  Textfälschung  beschuldigte. 
Jeder  Commentar  zu  diesem  Verfahren  erscheint  über- 
flüssig ! 

Im  Vorstehenden  wurde  der  Standpunkt  kurz  skizziert, 
auf  welchem  die  Kritik  der  Florianslegende  schon  vor  zwei 
Jahrhunderten  stand,    und   dabei   Tillemonts   gedacht   und 


Zur  Florians-  und  Lupus -Legende.  559 

seiner  ablehnenden  Haltung  zu  dieser  Quelle.  Wenn  Jetzt 
Duchesne  gegen  meine  Ansicht  keck  protestiert,  drängen 
sich  von  selbst  interessante  Vergleiche  zwischen  den  beiden 
französischen  Gelehrten  auf,  die  nicht  zu  Ungunsten  des 
älteren  ausfallen,  und  man  erkennt  den  Geist,  welcher 
diesen  Protest  inspiriert  hat.  Wie  die  P.  Floriani  die 
Glanzzeiten  des  mittelalterlichen  Legendenglaubens  wieder- 
spiegelt, so  ist  der  Versuch,  ihre  Zauberkunststückchen  zu 
echter  Geschichte  zu  stempeln  und  also  die  Wissenschaft 
auf  das  Niveau  des  Legendenschreibers  zurückzuschrauben, 
allerdings  eine  bemerkenswerthe  Erscheinung  an  der 
Schwelle  des  Jahrhunderts. 

Die  P.  Floriani  ist  das  älteste  selbständige  Denkmal 
zur  Geschichte  von  Lorch  und  der  Vorläufer  der  systema- 
tischen Fälschungen,  deren  Erkenntnis  wir  dem  Scharfsinn 
Dümmler's  ^  verdanken.  Nach  der  kirchlichen  Organisation 
Bayerns  und  der  Begründung  des  Bisthums  Passau  durch 
Bonifaz  sah  man  sich  nach  einem  Orte  um,  den  man  zum 
Träger  einer  höchst  partikularistischen  Geschichsfälschung 
machen  konnte,  und  fand  die  alte  Römerstadt  dazu  am 
geeignetsten,  und  nun  haben  die  Passauer  Geschichts- 
schreiber und  die  Passauer  Kanzlei  gewetteifert,  sich  eine 
höchst  ruhmvolle  Vergangenheit  von  dem  Lorcher  Heilig- 
thum  auszumalen  lediglich  zur  Förderung  der  Interessen 
des  eigenen  Bisthums.  In  der  kirchlichen  Schwindel- 
litteratur  haben  sich  die  Lorch  -  Passauer  Biedermänner 
dadurch  für  immer  einen  hervorragenden  Ehrenplatz  ge- 
sichert. Noch  aber  war  der  Zusammenhang  der  P.  Floriani 
mit  dieser  Litteratur  nachzuweisen,  und  diese  Brücke  ge- 
schlagen zu  haben,  ist  m.  E.  das  Verdienst  J.  Strnadts^. 

4.   Vita  Lupi. 

Dem  Ueberfall  Galliens  durch  die  Hunnen  und  ihnen 
verbündeten  Völkerschaaren  unter  Attila  451  wurde,  wie 
vielleicht  auch  die  Legendenschule  zugeben  dürfte,  durch 
die  verbündeten  Heere  der  Römer  und  Westgothen  in  der 
Schlacht  von  Mauriacus  bei  Troyes  oder  auf  den  Catalau- 
nischen  Feldern  ein  so  gewaltiger  Widerstand  entgegen- 
gesetzt, dass  den  Feinden  aller  Muth  zur  Fortsetzung  des 
Kampfes  entschwand  und  sie  kleinmüthig  den  Rückzug  in 


1)  Dümmler,  Piligrim  von  Passau  und  das  Erzbisthum  Lorch, 
Leipzig  1854;  Ueber  die  Entstehung  der  Lorcher  Fälschungen,  SB.  der 
Berliner  Akad.  Phil.-hist.  Classe  1898,  XLVH.  2)  Die  P.  Floriani 
und  die  mit  ihr  zusammenhängenden  Urkundenfälschungen  in  der  Archival. 
Zeitschr.,  Neue  Folge  VIII,  S.  1  ff. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  36 


560  Bruno  Krusch. 

ihre  Sitze  antraten.  Angeblich  war  der  Zug  gegen  die 
Westgothen  und  nicht  gegen  die  Römer  gerichtet,  aber 
die  rücksichtslose  Behandlung  vieler  gallischen  Städte,  die 
Einäscherung  von  Metz  in  der  Ostervigilie  u.  a.  überzeugten 
den  schleunigst  über  die  Alpen  herbeigeeilten  Patricius 
Aetius  von  der  Gefahr  für  das  Reich  und  veranlassten  ihn, 
die  Bundesgenossenschaft  der  wenig  sympathischen  West- 
gothen zu  suchen,  wobei  er  sich  der  Vermittelung  des 
späteren  Kaisers  Avitus  bediente. 

Die  Früchte  dieser  Politik  verspürte  zunächst  Orleans: 
belagert,  bestürmt  und  schon  genommen,  entging  es  doch 
der  Plünderung,  und  so  erfüllten  sich  nach  Sidonius  die 
Gebete  und  zugleich  die  Prophezeiung  des  dortigen  Bischofs 
Anianus.  Auf  diese  Gebete  des  Anianus  hat  die  spätere 
fränkische  Historiographie  von  Gregor  an  den  Schwerpunkt 
gelegt.  Schon  dieser  deutet  H.  Fr.  II,  7,  sehr  bestimmt 
an,  dass  eigentlich  auch  die  Niederlage  des  Hunnenheeres 
bei  Mauriacus  ihr  Erfolg  gewesen  sei:  Nam  nullus  ambigat 
Chunorum  exercitum  obtentu  memorati  antestites  fuisse 
fugatum.  Fredegar  erhöhte  den  Ruhm  des  Heiligen  durch 
Annahme  einer  gewaltigen  Schlacht  bei  Orleans  mit  colos- 
salen  Verlustzahlen,  verlegte  in  diese  auch  den  Tod  des 
Westgothenkönigs,  der  nach  den  älteren  Quellen  vielmehr 
bei  Mauriacus  erfolgt  war,  und  gab  so  der  Befreiung  der 
Stadt  durch  die  Gebete  des  Heiligen  den  nöthigen  drasti- 
schen Hintergrund.  Nach  dem  L.  H.  Fr.  c.  5  kamen  dann 
die  Hunnen  überhaupt  nur  noch  bis  Orleans,  wo  damals 
der  heilige  Bischof  Anianus  glänzte,  und  wurden  nach 
Ankunft  des  Aetius  und  des  Westgothenkönigs  unter  dem 
Beistande  Gottes  durch  seine  Gebete  vor  der  Stadt  voll- 
ständig geschlagen  und  niedergeworfen.  So  haben  zuletzt 
die  Gebete  des  Anianus  zur  Streichung  der  Schlacht  bei  Mau- 
riacus geführt,  und  es  war  ja  auch  kein  Grund  abzusehen, 
weshalb  sich  der  Hunnenkönig  noch  ein  zweites  Mal  schlagen 
lassen  sollte,  nachdem  dies  schon  einmal  mit  so  grosser  Gründ- 
lichkeit besorgt  worden  war. 

Des  dankbaren  Stoffes  hat  sich  schon  in  frühkaro- 
lingischer  Zeit  auch  die  Hagiographie  bemächtigt,  und  ich 
habe  aus  diesem  Hunnen-Sagenkreise  vier  Legenden  auf- 
genommen, die  des  Servatius,  Memorius,  Anianus  und  Lupus. 
Die  Ueberlieferung  dieser  Litteratur  reicht  bis  in  das 
8.  Jh.  hinein,  und  wie  von  der  V.  Servatii  und  Memorii 
Hss.  saec.  VIII.  ex.  und  VIII/IX.  erhalten  sind,  so  kann 
ich  durch  die  Aufmerksamkeit  des  Herrn  Dr.  Traube  jetzt 
auch   für    die   V.  Lupi  das   Fragment   einer   Petersburger 


Zur  Florians-  und  Lupus -Legende.  561 

Hs.  saec.  VIII.  nachtragen,  deren  Lesarten  mit  denen  des 
Passionarium  majus  SangalL  im  Anhange  von  Scr.  rer. 
Merov.  IV.  mitgetheilt  werden  sollen.  Meiner  Ansicht, 
dass  diese  Hunnen-Legenden  keine  echten  Quellen,  sondern 
karolingische  Fälschungen  sind,  ist  nur  hinsichtlich  der 
V.  Lupi  von  Duchesne  ^  widersprochen  worden. 

Wenn  wir  von  der  V.  Servatii  absehen,  die  in  der 
Hauptsache  Abschrift  der  entsprechenden  Stellen  von  Gre- 
gors Frankengeschichte  ist,  so  stellen  sich  die  anderen 
Legenden  als  selbständige  literarische  Producte  dar  und 
zeigen  überall  die  eigene  Erfindungsgabe  ihrer  Verfasser. 
Die  V.  Aniani  führt  uns  die  Belagerung  von  Orleans  vor.  Der 
Heilige  bittet  nach  einem  erfolglosen  Besuche  im  Lager 
der  Hunnen  Gott  um  Erlösung  von  den  Feinden,  und  nun 
erscheinen  Aetius  und  die  Westgothen,  vernichten  sie, 
aber  er  selbst  thut  dem  Gemetzel  Einhalt  und  schlägt  die 
übrigen  durch  seine  Gebete  in  die  Flucht,  ut  neque  amplius 
nomen  eorum  auditus,  forsitan  ut  nunc  memoriter  personet. 
Dieser  Biograph  steht  also  vor  der  Schlacht  bei  Mauriacus 
still  und  konnte  es  unmöglich  dazu  kommen  lassen,  weil 
er  sonst  die  Wirkungskraft  der  Gebete  des  Heiligen  abge- 
schwächt hätte.  Er  hat  diese  Schlacht  gestrichen,  wie  sie 
der  Verf.  des  L.  H.  Fr.  gestrichen  hat,  und  dass  er  auf 
dessen  Schultern  steht,  dafür  habe  ich  noch  andere  ge- 
wichtige Beweise  vorgebracht. 

Ein  gefährlicher  Concurrent  ist  dem  h.  Anianus  dann 
in  den  beiden  anderen  Legenden  durch  den  Bischof  Lupus 
von  Troyes  erwachsen.  Beide  schildern  den  Hunnenkönig 
im  Anzüge  gegen  Troyes  und  die  Gegenmassregeln  des 
Bischofs,  aber  hernach  gehen  sie  verschiedene  Wege.  Die 
V.  Memorii  setzt  Anfangs  ebenfalls  dem  herandringenden 
Hunnenkönige  die  Gebete  des  Bischofs,  in  diesem  Falle 
also  des  Lupus,  entgegen,  sie  gebrauchte  aber  Blutzeugen, 
und  so  werden  12  unschuldige  Kinder  mit  dem  Priester 
Memorius,  zwei  Diaconen  und  einem  Subdiacon  abgesandt, 
die  nun  mit  Ausnahme  des  letzteren  bei  Brolium  sämmtlich 
enthauptet  werden.  Aber  Memorius  hatte  zuvor  noch  eine 
höchst  merkwürdige  Auseinandersetzung  mit  dem  Hunnen- 
könig, die  uns  seine  Bedeutung  für  die  Weltgeschichte  im 
Allgemeinen  und  die  von  Troyes  im  Besonderen  erkennen 
lässt.  Da  Attila  die  Kreuze  störten,  welche  die  Leute  in 
den  Händen  trugen,  gab  er  Befehl,  sie  zu  verbrennen; 
dabei  sprang  ein  Funken  ab  und  dem  hunnischen  Schenken 

1)   Bulletin  critique  1897,  n.  22. 

36* 


562  Bruno  Krusch. 

ins  Auge,  so  dass  er  heulend  zu  Boden  fiel.  'Wenn  du 
an  meinen  Gott  glaubst',  warf  jetzt  Memorius  ein,  'kann 
er  den  Burschen  gesund  machen'.  Der  König  erwiderte: 
'Es  geschehe',  und  so  bekreuzigte  der  Heilige  das  kranke 
Auge  und  der  Betreffende  sah  wieder.  Auch  seinen  Namen 
wollte  ihm  Memorius  nur  unter  der  Bedingung  nennen, 
dass  er  an  seinen  Grott  glaubte,  und  Attila  sprach:  'Ich 
glaube',  und  als  der  Heilige  sich  nun  vorgestellt  hatte,  that 
der  König  das  Gleiche  und  nannte  ihm  auch  seines  Präfecten 
Namen.  Also  gegenseitige  Vorstellung  und  Bekehrung  des 
Hunnenkönigs  zum  Christenthume !  Der  böse  Präfect  aber 
hetzte  gegen  Memorius,  und  so  ist  er  dann,  wie  gesagt,  eben- 
falls enthauptet  worden,  weshalb  ?  lehrt  sein  letztes  Gebet : 
zur  Befreiung  Troyes'  von  den  Feinden,  damit  es  von  der  Ge- 
fangenschaft und  Einäscherung  verschont  bliebe.  Und  der 
Erfolg  sollte  nicht  ausbleiben.  Mitten  in  der  Nacht 
dröhnten  Himmel  und  Erde  und  die  Hunnen  erfasste  ein 
solcher  Graus,  dass  sie  ganz  bestürzt  von  der  Stadt  weg- 
gelaufen sind.  Soweit  der  Bericht  des  Biographen  des 
h.  Memorius,  der  sich,  wie  man  sieht,  durch  grosse 
'Nüchternheit'  und  'Genauigkeit'  und  —  seltene  Wahr- 
heitsliebe auszeichnet.  Wenn  er  uns  aber  nicht  anderes 
lehren  sollte,  so  wenigstens  das  eine,  dass  man  auch  in 
Troyes,  gerade  wie  in  Orleans,  die  Sehlacht  bei  Mauriacus 
nicht  gebrauchen  konnte,  und  dass  sie  dort  wie  hier  die 
lokale  Hagiographie  ihrem  Heiligen  zu  Liebe  geopfert  hat. 
Hier  ist  nun  der  Zusammenhang,  in  welchen  die 
V.  Lupi  hineingehört.  Wiederum  stehen  die  Hunnen- 
schaaren  feindselig  vor  Troyes  und  bedrohen  schwer  die 
nicht  einmal  durch  Mauern  geschützte  Stadt;  wiederum 
nimmt  Bischof  Lupus  zu  seinen  gewohnten  Mitteln,  den 
Gebeten,  seine  Zuflucht  und  erreicht  seinen  Zweck  und 
vertheidigt  die  Stadt  durch  die  Hülfe  der  himmlischen 
Gewalt ;  mit  ihrer  Befreiung  hat  er  den  ganzen  Kriegsbrand 
erstickt:  in  cuius  absolutione  totias  discriminis  conpressit 
incendium.  Den  Hunnenkrieg  haben  also  nicht  die  ver- 
bündeten Heere  der  Römer  und  Westgothen  auf  dem 
Schlachtfelde  von  Mauriacus,  sondern  die  Gebete  des 
Bischofs  Lupus  von  Troyes  beendigt,  und  hier,  wie  in  der 
V.  Memorii,  ist  von  einer  Schlacht  überhaupt  nicht  die 
Rede.  Nachdem  dem  Hunnenkönig  der  Bischof  Halt  ge- 
boten hat,  kann  er  sich  nur  noch  heimwärts  wenden,  und 
er  nimmt  seinen  Weg  nach  dem  Rheine,  nicht  ohne  den 
Heiligen  bis  dahin  mit  sich  zu  führen.  Diese  Reise  des 
Bischofs  Lupus  von  Troyes  mit  den  Hunnen  an  den  Rhein 


Zur  Florians-  und  Lupus -Legende.  563 

hält  Ducliesne  für  durchaus  nicht  unwahrscheinlich,  denn 
1870  hätten  französische  Bischöfe  und  Beamte  aus  ähn- 
lichem Anlass  dieselbe  Reise  angetreten,  allerdings  mit  der 
Locomotive.  Dem  geschmackvollen  Vergleiche  liegt  die 
Voraussetzung  zu  Grunde,  dass  Lupus  von  den  Hunnen 
als  Geisel  abgeführt  worden  sei.  Diese  Erklärung  wider- 
spricht der  Darstellung  des  Sachverhalts  in  der  Vita.  Denn 
der  Heilige  ist  vermöge  seiner  Gebete  durch  die  himmlische 
Bundesgenossenschaft  der  erfolgreiche  Vertheidiger  der 
Stadt  und  also  dem  Hunnenkönig  gegenüber  als  der  Sieger 
anzusehen,  während  Geiseln  von  den  Besiegten  genommen 
zu  werdeu  pflegen,  wie  ja  wohl  auch  der  vergleichsweise 
angezogene  Krieg  lehren  dürfte.  Wie  in  der  echten  Ge- 
schichtschreibung  die  verbündeten  Heere  der  Römer  und 
Westgothen  den  Gegner  Attilas  bilden,  so  ist  in  der  Legende 
der  Bischof  an  ihre  Stelle  getreten,  und  ebensowenig  wie 
Attila  von  jenen  hätte  Geiseln  nehmen  können,  konnte 
er  den  Bischof  in  dieser  Eigenschaft  fortführen.  Es  ist 
ja  auch  von  vornherein  klar,  dass  sich  Lupus  vermöge 
der  Gebete,  durch  die  er  die  Stadt  gerettet  hatte,  natürlich 
auch  dieser  Zumuthung  leicht  hätte  entziehen  können,  und 
in  diesem  Punkte  unterscheidet  er  sich  wiederum  von  den 
1870  an  den  Rhein  abgeführten  Bischöfen^.  Allerdings  ist 
nach  dem  Biographen  der  Beweggrund  für  die  Entschliessung 
Attila's  seine  persönliche  Sicherheit  und  die  seines  Heeres, 
aber  nicht  Erwägungen  kriegsrechtlicher  Natur  liegen  ihr 
zu  Grunde,  sondern  solche  aus  dem  Gesichtskreise  des 
Hagiographen :  er  der  todtbringende  und  unbarmherzige 
Hunnenkönig  bewundert  hehren  Sinnes  den  Christen- 
glauben des  Bischofs:  Ad  ille  feralis  Attila  et  immitis 
fidem  eins  altiori  sensu  suspiciens.  Deshalb  nimmt  er  ihn 
zu  seinem  und  seines  Heeres  Schutze  mit,  denn  er  sichert 
sich  dadurch  die  Bundesgenossenschaft  Gottes,  mit  deren 
Hülfe  ihn  der  Bischof  eben  von  Troyes  abgeschlagen  hatte. 
Der  Biograph  des  Lupus  steht  offenbar,  wie  der  des  Me- 
morius,  auf  dem  Standpunkte,  dass  sich  Attila  unter  dem 

1)  Uebrigens  sei  bemerkt,  dass  mir  die  Ermittelung  dieser  Bischöfe 
leider  nicht  gelungen  ist.  Die  Generale  v.  Blume,  v.  Ciaer,  v.  Verdy 
erinnern  sich  nicht  an  einen  solchen  Fall,  und  der  Gr.  Generalstab  erklärt 
in  einer  amtlichen  Zuschrift,  dass  von  einer  Ueberführung  verhafteter 
französischer  Bischöfe  nach  Deutschland  während  des  Krieges  1870/1 
dort  ebenfalls  nichts  bekannt  ist.  Richtig  ist,  das  sich  der  Nachfolger 
des  h.  Anianus,  Bischof  Dupanloup,  durch  Feindseligkeit  besonders  hervor- 
that  und  daher  am  5.  December  1870  auf  Befehl  des  Generals  v.  Alvens- 
leben,  Commandierenden  des  IIl.  Armee  -  Corps,  internirt  wurde,  aber  — 
'in  seinem  Palais'  in  Orleans. 


564  Bruno  Krusch. 

Banne  des  Lokalheiligen  von  Troyes  dem  Christenthume 
zugewandt  habe.  Bei  der  freundschaftlichen  Trennung  am 
Rheine  wird  dem  Bischof  nicht  allein  der  Eückweg  ge- 
zeigt, sondern  Attila  bittet  ihn  auch  noch  inständigst  für 
ihn  zu  beten,  und  da  Lupus  natürlich  kein  Hunnisch  ver- 
stand, musste  ihm  der  Hunnen  -  Dolmetsch  Hunigasius  den 
letzten  Wunsch  des  Gebieters  übersetzen.  Welchen  Erfolg 
Attila  durch  die  Gebete  der  Heiligen  gehabt  hat,  verräth 
uns  die  Quelle  leider  nicht;  wenn  man  aber  an  seinen 
neuen  Verheerungszug  nach  Italien  im  folgenden  Jahre 
denkt,  wird  man  mir  vielleicht  beistimmen,  dass  Lupus 
noch  etwas  Besseres  hätte  thun  können,  als  seine  himm- 
lischen Beziehungen  für  den  schrecklichen  Menschen  zu 
zu  verwerthen. 

Den  beiden  Legenden  von  Troyes  liegt  ein  und  die- 
selbe Geschichtsauffassung  zu  Grunde,  dass  der  Hunnen- 
könig allein  durch  die  Gebete  des  dortigen  Lokalheiligen 
und  ohne  Schlacht  nicht  bloss  von  Troyes,  sondern  über- 
haupt aus  Gallien  zurückgewichen  sei  und  unter  ihrem 
Einflüsse  sogar  an  den  Christen  -  Gott  geglaubt  habe.  Von 
den  Beziehungen  des  Bischofs  Lupus  zu  Attila  ist  in  keiner 
älteren  Quelle  bis  zum  L.  H.  Fr.  herunter  etwas  zu  finden, 
und  dabei  war  Sidonius  ein  grosser  Verehrer  des  Heiligen 
und  Gregor  von  Tours  hat  ihm  sogar  ein  eigenes  Capitel  (66) 
in  seinem  Buche  Gloria  conf.  gewidmet.  Diese  Lücke  hat 
bereits  Boschius  erkannt  und  beklagt :  Dolendum  vero,  quod 
hunc  S.  Lupi  cum  Attila  congressum  neque  Idacius  neque 
Prosper  neque  lornandes  neque  alius  illis  temporibus  ut- 
cumque  vicinus  praeter  unum  Vitae  nostrae  veteris  auctorem 
attigerint^.  Die  Anfänge  der  Thätigkeit  Anians  zur  Be- 
freiung von  Orleans  waren  dagegen  bereits  bei  Sidonius 
zu  finden,  und  nur  die  Wirkung  der  Gebete  des  Heiligen 
auf  den  Hunnenkönig  verstärkte  sich  lawinenartig  bei 
den  späteren  Historiographen,  je  entfernter  ihnen  die  Er- 
eignisse lagen.  Die  Verwandtschaft  der  Anians  -  Legende 
in  Orleans  mit  der  Lupus  -  Legende  in  Troyes  liegt  auf  der 
Hand.  Hier  wie  dort  bringen  die  Gebete  des  Heiligen 
der  Stadt  die  Rettung,  hier  wie  dort  schlugen  diese  Ge- 
bete die  Hunnen  so  in  die  Flucht,  dass  gar  keine  Schlacht 
erst  nöthig  wurde.  Das  ist  die  Geschichtsdarstellung  des 
L.  H.  Fr.,  und  da  die  Anians  -  Legende  an  diese  anknüpft 
und  die  Lupus  -  Legende  wieder  der  Anians  -  Legende  folgt, 
so  reiht  sie  sich  ganz  von  selbst  hinter  dieser  ein.    Ueber 


l)  AA.  SS.  Jul,  Vn,  64. 


ZwT  Florians-  und  Lupus -Legende.  565 

ihre  Auffassung  Attilas  und  seine  Stellung  zum  Christen- 
thume  ist  wohl  ernstlich  kaum  zu  disputieren.  Anian  trifft 
in  seiner  Legende  ebenfalls  mit  dem  Hunnenkönig  zu- 
sammen, aber  wie  ganz  anders  empfängt  ihn  dieser.  'Wenn 
ich  deinen  Graukopf  betrachte,  könntest  du  noch  bei  mir 
zu  Lande  ein  Schafhirt  sein',  ist  seine  Anrede;  er  hat  also 
nur  Spott  und  Hohn  für  den  frommen  Bischof.  In  der 
frommen  Bewunderung,  welche  Attila  für  den  h.  Lupus 
nach  dessen  Biographen  hegt,  zeigt  sich  sofort  der  spätere 
Charakter  dieser  ganzen  Legende.  Die  Nachrichten  der 
Quellen  zur  Geschichte  der  Hunnenschlacht  sind  übrigens 
in  neuerer  Zeit  einer  sachkundigen  Prüfung^  unterzogen 
und  hinsichtlich  ihrer  Glaubwürdigkeit  gegen  einander  ab- 
gewogen worden,  aber  von  der  V.  Lupi  ist  in  dem  ganzen 
Aufsatz  nicht  die  Rede.  Sie  kann  in  der  That  für  eine 
historische  Darstellung  der  Begebenheiten  überhaupt  nicht 
in  Betracht  kommen,  und  in  ihrer  Uebergehung  sehe  ich 
die  beste  Kritik.  Die  V.  Lupi  ist  nach  dem  L.  H.  Fr.  und 
nach  der  V.  Aniani  geschrieben;  sie  ist,  wie  diese,  eine 
frühkarolingische  Fälschung  und  zeichnet  sich  durch  die- 
selbe 'Nüchternheit'  und  'Genauigkeit'  und  seltene  Wahr- 
heitsliebe aus,  welche  die  Legende  ihres  Landsmannes  Me- 
morius  kennzeichnet. 

Eine  zweite  Episode  der  V.  Lupi  behandelt  die  Ex- 
pedition des  Heiligen  in  Gesellschaft  des  Germanus  von 
Auxerre  nach  Britannien  zur  Bekämpfung  des  Pelagianismus. 
Die  Gefahren  der  Reise,  der  Empfang  im  sicheren  Hafen, 
die  Wunder  und  der  Eindruck  auf  das  Volk,  die  Erfolge, 
nämlich  die  fast  gänzliche  Bekehrung  des  Landes  zum 
Katholicismus,  sind  in  der  Legende  nur  kurz  angedeutet. 
Alles  das  und  ausserdem  die  näheren  Umstände,  welche 
zu  der  Reise  geführt  haben,  sind  ausführlich  bei  Beda, 
H.  eccl.  I,  17.  zu  finden,  und  wenn  der  Legendenschreiber 
am  Schlüsse  unter  den  Schülern  des  Lupus  den  Bischof 
Severus  nennt,  der  in  Trier  ordiniert,  den  Völkern  der 
Germania  I.  predigte,  so  kehrt  diese  Stelle  ebenfalls  und 
zwar  wörtlich  bei  Beda  I,  21.  wieder,  und  zwar  ist  dieser 
Severus  hier  nicht  bloss  der  Schüler  des  Lupus,  sondern 
auch  der  Begleiter  des  Germanus  auf  einem  zweiten  Zuge 
nach  Britannien.  Beda  hielt  ich  auch  für  die  Quelle  dieser 
Partieen  in  der  V.  Lupi.  Selbst  wenn,  wie  Duchesne  be- 
merkt und  schon  vor   ihm   die  Stelle    erklärt  war,    in    der 


1)    Georg  Kaufmann,  Ueber  die  Hunnenschlacht   des  Jahres  451, 
Forschungen  zur  Deutsch.  Gesch.  VIII,  S.  117  ff. 


566  Bruno  Krusch. 

Ordination  des  Severns  in  Trier  und  seiner  Predigt  in  der 
Germania  I.  kein  geographischer  Widerspruch  zu  liegen 
braucht,  da  der  Bischof  der  Belgica  I.  sich  der  Heiden - 
Bekehrung  in  der  Nachbarprovinz  gewidmet  haben  konnte, 
so  ist  doch  der  gemeinsame  Hinweis  auf  diese  beiden  Um- 
stände in  denselben  Ausdrücken  ein  ganz  bestimmtes 
Zeugnis  für  die  innere  Abhängigkeit  der  beiden  Schriften. 
Duchesne  wendet  nun  ein,  dass  die  übereinstimmenden 
Stellen  sich  auch  in  der  Vita  des  Germanus  von  Auxerre 
zusammen  finden.  Wenn  er  damit  den  in  den  AA.  SS. 
lul.  VII,  S.  200  ff.  und  sonst  veröffentlichten  Text  des  an- 
geblichen Constantius  versteht,  so  hat  er  Recht,  aber  dies 
aus  den  verschiedensten  und  zum  Theil  noch  erhaltenen 
Quellen  zusammengeschriebene  weitschweifige  Legenden- 
werk aus  karolingischer  Zeit  kann  nur  noch  die  grösste 
Unerfahrenheit  in  der  Legendenkritik  für  das  halten,  was 
es  sein  will,  für  ein  Erzeugnis  aus  der  Zeit  des  Sidonius. 
In  dem  veröffentlichten,  von  Interpolationen  freien,  kürzeren 
Texte  finden  sich  aber  die  betreffenden  Stellen  nicht,  und 
in  dem  längeren  Texte  fehlt  doch  auch  die  Bemerkung, 
dass  Severus  der  Schüler  des  Lupus  gewesen  sei.  In  diesem 
Punkte  stimmt  also  die  V.  Lupi  allein  mit  Beda  zusammen, 
und  diese  Wissenschaft  hätte  der  Legendenschreiber  selbst 
der  längeren  V.  Germani  nicht  entnehmen  können.  Aber 
auch  wenn  man  die  Lupus  -  Legende  mit  der  V.  Germani 
in  directe  Verbindung  setzen  wollte,  charakterisiert  sie  sich 
doch  dieser  gegenüber  immer  nur  als  ein  Auszug,  und  die 
umgekehrte  Annahme,  dass  sie  vielmehr  der  Biograph  des 
Germanus  benutzt  haben  soll,  ist  einfach  eine  bare  Un- 
möglichkeit. Den  weiteren  Ausführungen  Duchesne's: 
Maintenant  il  parait  bien  que  le  biographe  d'Auxerre  a 
connu  celui  de  Troyes.  En  tout  cas  on  n'a  nulle  raison 
d'admettre  comme  certaine  la  relation  contraire,  liegt  auch 
nur  sein  subjectives  Empfinden  zu  Grunde,  und  man  muss 
ein  so  hervorragender  Gelehrter,  wie  er,  sein,  wenn  man 
verlangt,  dass  die  Welt  diesen  'Schein'  als  einen  begrün- 
deten Gegenbeweis  hinnehmen  soll. 

Drittens  treffen  wir  den  Bischof  Lupus  von  Troyes 
im  Verkehr  mit  den  Barbaren-Königen,  wie  sie  ihm  sämmtlich 
die  schuldige  Hochachtung  erweisen,  und  sich  besonders  der 
Alamannenkönig  Gebavult  durch  ehrerbietigen  Gehorsam 
hervorthut.  Die  Alamanneu  hatten  nach  der  Legende  einen 
Völkerstamm  der  Diöcese  Troyes,  die  Brigonenses  (heute  le 
Brenois),  in  unmenschlicher  Grausamkeit  zu  Gefangenen 
gemacht,  und  der  Bischof  sandte  deshalb  ein  Schreiben  an 


Zur  Florians  -  und   Lupus  -  Legende.  567 

den  König,  worin  er  nm  ihre  Freilassung  bat.  Gebavult 
konnte  der  Bitte  nicht  widerstehen  und  befreite  in  seltener 
Uneigennützigkeit  die  Leute  ohne  jeden  Entgelt  von  dem 
grausamen  Joche  der  Knechtschaft.  Auch  für  diesen  Ab- 
schnitt besitzen  wir  den  analogen  Bericht  einer  älteren 
Quelle,  deren  Glaubwürdigkeit  über  jeden  Zweifel  erhaben 
ist.  Der  h.  Severin  befand  sich  in  der  That  in  Noricum 
in  der  Umgebung  von  Barbarenkönigen,  die  ihm  die  schul- 
dige Hochachtung  erwiesen,  und  besonders  war  ihm  der 
Alamannenkönig  Gibuld  in  Ehrfurcht  zugethan  (summa 
eum  reverentia  diligebat,  V.  Severini  c.  19).  Die  Alamannen 
belästigten  aber  durch  fortwährende  Einfälle  die  Bürger 
von  Batavis  (Passau),  wo  der  Heilige  eine  Celle  hatte,  und 
auf  ihre  Bitten  kam  er  oft  dahin.  Er  erlangte  vom  Könige 
das  Versprechen  der  unentgeltlichen  Freigabe  der  Gefan- 
genen und  zur  Einlösung  desselben  sandte  er  einen  Diakon 
mit  Briefen  an  ihn,  der  auch  einen  Theil  der  Gefangenen 
mit  zurückbrachte.  Setzen  wir  in  dem  Bericht  des  Eugip- 
pius  für  Severin  Lupus  und  für  die  Bataver  die  Brigo- 
nenses  ein,  so  haben  wir  im  Grossen  und  Ganzen  die 
Darstellung  der  V.  Lupi,  und  ich  habe  mein  Erstaunen 
nicht  verhehlen  können,  dass  wir  den  Alamannenkönig  an 
der  Seine  just  in  derselben  Thätigkeit  wieder  finden,  die 
er  thatsächlich  an  der  Donau  ausgeübt  hat.  Die  Gelehr- 
samkeit meines  Gegners  findet  auch  dieses  Zusammentreffen 
höchst  natürlich :  Cependant  le  roi  des  Alamans  etait  un 
voisin  de  la  cite  des  Tricasses,  und  für  diese  Weisheit 
führt  er  die  erste  Karte  des  Spruner-Menke'schen  Atlas 
an.  Vielleicht  hätte  es  sich  empfohlen,  ausserdem  wenigstens 
noch  die  Menke'sche  Vorrede  nachzulesen.  Hier  spricht 
sich  der  Herausgeber  über  die  Unsicherheit  der  Grenzen 
und  seine  Quellen,  wie  folgt,  aus:  'Die  Ausdehnung  des 
Reiches  des  Syagrius,  die  der  Franken  und  der  Alamannen 
um  dieselbe  Zeit  lässt  sich  nur  im  Allgemeinen  angeben. 
Für  die  Letztgenannten  sind  die  werthvollen  Angaben 
des  Athanarid  benutzt,  ebenso  die  V.  Lupi'.  Somit  wären 
wir  im  Cirkel  wieder  bei  unserer  V.  Lupi  angelangt,  deren 
Angaben  zusammen  mit  denen  des  schwindelhaften  gothi- 
schen  Philosophen  Menke  bewogen  haben,  die  Alamannen 
zu  Nachbarn  der  Stadt  Troyes  zu  machen.  Die  Frage,  ob 
die  in  der  V.  Lupi  geschilderte  Situation  an  sich  möglich 
war,  tritt  aber  im  vorliegenden  Falle  zurück  gegenüber 
der  andern,  ob  der  Biograph  den  Vorwurf  für  die  Ge- 
schichte der  V.  Severini  entnehmen  konnte,  und  diese  muss 
jeder  Unparteiische  mit  mir  bejahen. 


568  Bruno  Krusch. 

Hiermit   sind   wir   mit   den  historischen  Partieen  der 
V.  Lupi  am  Ende.     Was  sonst  noch  darin  steht,  sind  un- 
controlierbare   Nachrichten  über  Heimath,   Familie,   Lehr- 
zeit  u.    a.    Lebensumstände    des   Heiligen,    seine  frommen 
Werke,  Kasteiungen,  Wunderkuren,  Spenden  für  die  Armen 
und  zur  Loskaufung  von  Gefangenen,  endlich  Angaben  über 
die  Schüler  und  den  nächsten  Nachfolger.    Nach  der  Zeit- 
rechnung des  Biographen  war  Lupus  2  Jahre  vor  der  Reise 
nach    Britannien   Bischof  von    Troyes    geworden,    und   da 
diese   nach  Prosper   429  fällt,    müsste   sein   Episcopat   von 
427  an  gerechnet  werden.    Das  Jahr  vorher,  also  426,  aber 
soll  er   nach   demselben    Biographen   in   Lerinum   bei  Ho- 
norat  zugebracht  haben,  während   wir  wissen,    dass   dieser 
in  demselben  Jahre   Bischof   von  Arles   geworden    ist  und 
die  Leitung  des  Klosters  an  Maximus  abgetreten  hat.   Der 
Heilige   hätte  sich  also  sehr  sputen   müssen,   um  Honorat 
noch  in  Lerinum  zu  erreichen,  und  nur  schwer  lassen  sich 
die   Zeitangaben    des    Biographen    mit    denen    der    echten 
Quellen   vereinigen.     Bei   Maximus   fiel   mir   die   bekannte 
Sidonius-Stelle  ein  (Ep.  VIII,  14.  Luporum  concellita  Maxi- 
morumque)  und  ich  fügte  hinzu :  huius  autem  Lupum  fuisse 
concellitam  Sidonius  ipse  testatus  est.    Sidonius  gebraucht 
die  Wendung  mit  Rücksicht  auf   einen   dritten,  Antiolius, 
und  dieser  könnte   zuerst  des  Lupus   und   dann  des  Maxi- 
mus Kamerad  gewesen   sein,    und   ebenso   brauchte  Lupus 
nicht   erst   nach   der  Abtswahl    des   Maximus   mit  ihm   in 
Lerinum  zusammengelebt   zu  haben.     Ich   habe  aber  auch 
die  chronologische  Schwierigkeit  in  erster  Linie  durch  die 
bekannten    Lebensumstände    des    Abts     und    nachherigen 
Bischofs  Honorat   begründet   und    das  obige  Sätzchen  nur 
ergänzend  beigefügt.    Die  Rechnung  des  Biographen  schien 
mir  der  Wirklichkeit  um  3  bis  4  Jahre  vorauszueilen.     In 
der  Mommsen'schen  Zusammenstellung  der  Zeitangaben  in 
den   Sidoniusbriefen  1   treten    gerade   die   aus   der  V.  Lupi 
gefundenen  Datierungen   von  VI,    1    und  IX,    11    aus   der 
zeitliehen  Reihenfolge  heraus.    Der  Recensent  in  den  Anal. 
Bolland.  XVI,  85,  hat  ganz  richtig  den  Einwand  erhoben, 
dass  Mommsen  die  zeitliche  Reihenfolge  in  der  Anordnung 
der  Sidoniusbriefe  nur  mit  der  Einschränkung  'aliquatenus' 
gelten   lässt   und   selbst   einige   Möglichkeiten    bezeichnet, 
durch   die   sie    unterbrochen    sein   kann.      Ich  habe  seiner 
Behauptung  eine  bestimmtere  Fassung  gegeben,   und  zwar 
eben  in  Hinblick  auf   die  Werthlosigkeit  der  Datierungen 

1)  Auct.  antiq.  VIII,  p.  LH  ff. 


Zur  Florians-  und  Lupus  -  Legende.  569 

der  V.  Lupi,  doch  just  das  Gegentheil  von  dem,  was  er 
sagt,  kann  in  meinen  Worten:  Cum  epistulae  Sidonianae 
ordine  temporum  sese  subsequantur,  nur  derjenige  finden, 
der  wie  Duchesne  gewöhnt  ist  in  Hyperbeln  zu  reden. 

Für  die  Entscheidung  der  Hauptfrage  sind  natürlich 
die  von  mir  bemerkten  Schwierigkeiten  in  der  Chronologie 
ohne  Bedeutung  und  erst  am  Schlüsse  dieser  Ausführungen 
hatte  ich  das  Thema  probandum  aufgestellt,  dass  die  Vita 
eine  Fälschung  sei  und  den  Beweis  mit  der  Hunnen-Epi- 
sode begonnen.  Von  dieser  durchaus  sicheren  Grundlage 
muss  die  Untersuchung  ihren  Ausgang  nehmen ;  ich  konnte 
mich  aber  in  der  Vorrede  zur  V.  Lupi  über  diesen  Gegen- 
stand kürzer  fassen,  nachdem  ich  die  Entwicklung  der 
Hunnensage  bereits  in  den  Vorreden  der  V.  Memorii  und 
besonders  der  V.  Aniani  im  Einzelnen  dargelegt  hatte. 
Nach  Duchesne  dagegen  hätte  ich  die  V.  Lupi  wegen 
eines  einzigen  chronologischen  Irrthums  für  unecht  erklärt, 
und  als  zweites  Argument  schiebt  er  mir  die  Sidonius- 
Stelle  über  den  concellita  unter.  Darin  besteht  nämlich 
die  Kunst  seiner  Angriffs-Methode,  dass  er  einige  neben- 
sächliche Dinge  herausgreift,  behauptet,  dass  sie  die  Grund- 
lage des  gegnerischen  Beweises  bildeten,  und  diesen  nun 
mit  leichter  Mühe  widerlegt;  bei  den  übrigen  Einwänden 
lohnt  es  sich  dann  nicht  erst  stehen  zu  bleiben.  Dieses 
System  wird  niemals  seine  Wirkung  verfehlen,  so  lange 
man  nicht  durch  Nachschlagen  feststellt,  dass  die  Polemik 
gegen  Phantome  kämpft ;  es  muss  aber  eine  schlechte  Sache 
sein,  wenn  man  schon  zu  solchen  Mittelchen  greift. 

Für  die  Echtheit  hat  Duchesne  nur  ein  einziges  posi- 
tives Argument  beizubringen  gewusst,  die  Ausdrücke  specta- 
bilis  und  clarissimus  in  den  Wendungen :  filium  expectabilis 
Germaniani  und  clarissima  matrisfamilias.  Er  behauptet, 
dass  man  auf  dieselben  im  8.  oder  9.  Jh.  sicher  nicht  ge- 
kommen wäre,  nimmt  also  an,  dass  die  Titulatur  der  römi- 
schen Kaiserzeit  im  karolingischen  Zeitalter  vergessen  ge- 
wesen sei.  Aber  gerade  das  Gegentheil  ist  richtig.  Ist 
es  nöthig,  an  den  vir  inluster  der  Merovinger-Urkunden 
zu  erinnern,  und  dass  Karl  d.  Gr.  noch  bis  775.  eben  diesen 
Titel  geführt  hat?  Ohne  lange  zu  suchen,  finde  ich  den 
vir  clarissimus  in  den  St.  Gallener  Formeln  ^  aus  dem  Ende 
des  9.  Jh.,  und  in  der  berüchtigten  V.  Mauri  des  trefflichen 
Odo,  die  selbst  ein  Duchesne  für  gefälscht  hält,  liest  man : 

supradictus  clarissimus  vir  Florus, 

Tunc  clarissimus  vir  Florus, 

clarissimo  senatorum  genere. 

1)  Ed.  Zeumer  n.  12,  S.  385. 


570  Bruno  Krusch. 

Sogar  die  alte  Abkürzung  für  das  Prädicat  vc  begegnet 
noch  einmal  in  dem  von  Hinkmar  gefälschten  Testament 
des  Eemigius,  nur  ist  sie  constant  vor  die  Namen  gesetzt  ^, 
gerade  wie  auch  in  der  V.  Lupi  die  Titel  vor  den  Namen 
stehen.  In  sprachlicher  Hinsicht  ist  bei  dem  Biographen 
des  Lupus  eine  Vorliebe  für  Partizipialsätze  bemerkbar,  und  er 
hat  sich  stilistische  Blüthen  geleistet  von  dieser  Art:  Cuique  de- 
genti  in  praedio  Matiscone  oblatam  sibi  puellam  hora  circiter 
sexta  inpulsu  demonis  mutam.  Ein  Literat  dieses  Schlages 
kann  meines  Erachtens  nicht  mit  gutem  Gewissen  ins  5.  Jh. 
gesetzt  werden,  während  im  karolingischen  Zeitalter  der- 
gleichen allerdings  möglich  war,  wie  an  der  V.  Aridii  nach- 
gewiesen wurde  ^.  Als  äusseres  Anzeichen  der  späteren  Ent- 
stehung kann  die  Schreibung  Huni  mit  anlautendem  H  gelten, 
während  im  gallischen  Latein  von  Sidonius  herunter  bis 
zum  L.  H.  Fr.  der  Name  Chuni  lautet. 

Wenn  man  freilich  die  Afraacten  und  die  Florians- 
legende für  echt  hält,  liegt  kein  Grund  vor,  von  der  Lupus- 
legende Schlechtes  zu  denken,  und  die  Legendenschule  will 
ja  von  unechten  Legenden  überhaupt  nichts  wissen.  Wie 
aber  die  Lupuslegende  nur  eine  Stufe  in  der  Entwicklung 
der  Hunnenlegenden  bildet,  und  zwar  eine  der  letzten,  so 
kann  diese  eine  auch  in  der  Kritik  nicht  aus  ihrem  Zu- 
sammenhange herausgelöst  und  für  sich  betrachtet  werden. 
Ist  sie  echt,  dann  sind  auch  die  Legenden  Anians  und  des 
Memorius  echt;  sind  diese  aber  unecht,  dann  ist  mit  ihnen 
auch  die  analoge  Geschichtsauffassung  der  V.  Lupi  ver- 
urtheilt.  Duchesne  hätte  also  die  beiden  anderen  Hunnen- 
legenden in  seine  Entgegnung  mit  einbeziehen  müssen, 
und  ohne  diese  hat  er  nichts  bewiesen. 

1)  Scr.  rer.  Merov.  III,  340.         2)  Scr.  rer.  Merov.  III,  S.  579. 


XIII. 


Geschichte 

der 

westgothischen  Gesetzgebung. 

ni. 


Von 


Karl  Zeumer. 


IL   Besonderer  TheiL 

(Fortsetzung.) 

Das  dritte  Buch. 

Bei  der  Untersuchung  dieses  Buches,  welches  'De  ordine 
coniugali'  überschrieben  ist  und  von  dem  Eherecht  und  damit 
in  Zusammenhang  stehenden  oder  doch  in  einen  solchen 
gebrachten  Materien  handelt,  habe  ich  häufiger  auf  die 
Abhandlung  von  Paul  London,  Quaestiones  de  historia 
juris  familiae  quod  in  lege  Visigothorum  inest,  eine  Königs- 
berger juristische  Doktordissertation  vom  Jahre  1875,  Eück- 
sicht  zu  nehmen.  Der  vorzeitig  verstorbene  Verfasser  der 
fleissigen  Arbeit  nimmt  in  manchen  Fällen  Benutzung 
römischer  Quellen,  namentlich  auch  der  justinianischen 
Eechtsbücher  durch  die  Westgothen  an,  wo  ein  genügender 
Grund  dafür  nicht  vorliegt  oder,  was  freilich  nach  dem 
damaligen  Stande  der  Forschung  nicht  bekannt  war,  eine 
solche  Benutzung  gänzlich  durch  das  Alter  des  westgothi- 
schen  Gesetzes  ausgeschlossen  ist. 

Der  erste  Titel:  'De  dispositionibus  nuptiarum',  handelt 
von  Verlöbnis  und  Eheschliessung: 

III,  1,  1.  —  Dieses  Gesetz  ist  nach  der  handschrift- 
lichen Ueberlieferung  unzweifelhaft  eine  Antiqua,  nicht, 
wie  früher  nach  der  irreführenden  Inscriptio  der  Madrider 
Ausgabe  meist  angenommen  wurde,  ein  Gesetz  Reccessvinds. 
Der  Gesetzgebung  Eurichs  aber  kann  diese  Antiqua  noch 
nicht  angehört  haben,  da  sie  das  Verbot  der  Ehen  zwischen 
Gothen  und  Römern  aufhebt,  welches  noch  im  Jahre  506 
in  Kraft  war.  Das  zeigt  das  damals  publizierte  römische 
ßechtsbuch,  in  welches  nicht  nur  der  Text  des  Gesetzes, 
durch  welches  Valentinian  und  Valens,  C.  Th.  III,  14,  1, 
die  Ehe  zwischen  Provinzialen  und  Barbaren  (gentiles)  bei 
Todesstrafe  verboten  hatten,  aufgenommen  ist,  sondern  auch 
eine  Interpretatio  dazu,  welche  das  Verbot  und  die  An- 
drohung der  Todesstrafe  ausdrücklich  wiederholt  und  dabei 


574  Karl  Zeumer. 

dem  veränderten  Sprachgebrauch  gemäss  die  Bezeichnung  pro- 
vincialis  durch  die  entsprechende  Romanus  ersetzt ;  Interpr. : 
'Nullus  Romanorum  barbaram  cuiuslibet  gentis  uxorem 
habere  praesumat  neque  barbarorum  coniugiis  mulieres  Ro- 
manae  in  matrimonio  coniungantur.  Quod  si  fecerint,  no- 
verint  se  capitali  sententiae  subiacere'.  Ich  habe  früher, 
N.  A.  XXIII,  S.  88  f.,  auf  die  Wahrscheinlichkeit  hinge- 
deutet, dass  auch  das  Gesetzbuch  Eurichs  ein  entsprechendes 
Verbot  enthalten  habe  und  dass  der  Gesetzgeber  unserer 
Antiqua  dieses  Gesetz,  nicht  das  der  Lex  Romana  im  Auge 
hatte,  als  er  die  prisce  legis  sententia,  welche  jenes  Ehe- 
verbot enthielt,  aufhob.  Doch  wie  dem  auch  sei:  unsere 
Antiqua  kann  auf  keinen  Fall  der  ursprünglichen  Fassung 
des  Codex  Euricianus  angehört  haben.  Sie  ist  also  der 
Gesetzgebung  Leovigilds  zuzuweisen.  Hat  dieser  demnach 
erst  das  connubium  zwischen  Gothen  und  Römern  gesetz- 
lich gestattet,  so  dürfte  doch  das  alte  Verbot  der  Misch- 
ehen schon  vor  der  gesetzlichen  Aufhebung  mehrfach 
durchbrochen  und  ausser  Acht  gelassen  sein  ^ 

Freilich  müssen  wir  darauf  verzichten,  die  erste  Ehe 
Leovigilds  selbst  als  Beispiel  solcher  römisch  7  gothischen 
Verbindungen  anzusehen  ^.  Nach  einer  sich  erst  bei  Lucas 
Tudensis  findenden  interpolierten  Stelle  der  Gothengeschichte 
Isidors  soll  Leovigild  in  erster  Ehe  mit  Theodosia,  einer 
Tochter  des  Severianus,  der  Mutter  Herminigilds  und  Rec- 
careds,  vermählt  gewesen  sein.  Wäre  die  Nachricht  glaub- 
haft, so  würde  man  doch  die  Theodosia  nicht  als  Römerin 
ansehen  dürfen,  da  ihr  Vater  in  derselben  Quelle  als  Sohn 
des  Königs  Theodericus,  mit  dem  wohl  Theoderich  der 
Grosse  gemeint  ist,  bezeichnet  wird  -^  Die  ganze  Nachricht 
ist  aber  in  keiner  Weise  begi'ündet  und  als  ganz  unglaub- 
haft bereits  von  Florez,  Espana  sagrada  IX,  S.  210  fB.,  und  von 
Arevalo  in  den  Prolegomena  zur  Ausgabe   der  Werke  Isi- 


1)  Die  Worte  des  Gesetzes:  'exultare  debet  libertas  ingenita,  cum 
fractas  vires  habuerit  prisce  legis  abolita  sententia'  darf  man  wohl  kaum  so 
verstehen:  die  Freiheit  (d.  h.  der  Stand  der  Freien)  muss  frohlocken, 
wenn  die  (Gesetzes)  -  Kraft  eines  (thatsächlich  bereits)  in  Abgang  ge- 
kommenen Gesetzes  beseitigt  wird.  Gemeint  ist  wohl,  dass  die  sententia 
legis  erst  jetzt  durch  die  formelle  Aufhebung  abolita  werde.  2)  Wie 
auch  ich  leider  noch  N.  Arch.  XXIII ,  S.  478 ,  A. ,  im  Anschluss  an 
Dahn,  Könige  V,  S.  135  und  VI-,  S.  81,  gethan  habe.  3)  Chron,  min. 
ed.  Mommsen  11,  p.  287:  Leuuigildus  regnum  obtinuit,  qui  cum  primo 
Christianus  haberetur,  Theodosiam  filiam  Severiani  ducis  Carthaginensis, 
filii  regis  Theuderici  duxit  uxorem,  ex  qua  Hermegildum  et  Reccaredum 
filios  suscepit.  Severianus  war  der  Vater  Isidors  und  Leanders,  deren 
Schwager  demnach  Leovigild  gewesen  sein  müsste. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  in,  1,1.       575 

dors,  Opera  S.  Isidori  I,  p.  117  sq.,  uaclige wiesen.  Auch 
andere,  die  Dahn.  Könige  V,  S.  237  anführt,  leugnen  die  Ehe 
mit  Theodosia  und  es  ist  nicht  ersichtlich,  aus  welchem  Grunde 
Dahn  gerade  diese  'genealogische  Fabel',  die  nicht  besser 
begründet  ist  als  die  übrigen,  welche  er  mit  Recht  verwirft, 
aufrecht  erhalten  will. 

Ein  anderes  Beispiel  aber,  welches  Dahn,  Könige 
VI-,  S.  82  für  gothisch-römische  Ehen  aus  der  Zeit  von  506 
bis  auf  Leovigild  anführt,  kann  wohl  als  gesichert  gelten. 
Eine  Inschrift  hebt  hervor,  dass  ein  gewisser  Sindicius, 
der  im  Jahre  562  geboren  ist,  von  väterlicher  Seite 
gothischer  Abkunft  war  (domum  paterno  traens  linea  Ge- 
tarum).  Mit  Recht  wohl  schliesst  Dahn,  dass  die  Mutter 
nicht  ebenfalls  gothischer  sondern  römisch-provinzialischer 
Abkunft  war.  Dieses  eine  uns  zufällig  bezeugte  Beispiel 
wird  natürlich  nicht  das  einzige  gewesen  sein. 

Die  früher  herrschende  Meinung,  dass  durch  unser 
Gesetz  Ehen  zwischen  Gothen  und  Römern,  wenn  nicht 
alle  Ehen  überhaupt,  an  eine  obrigkeitliche  Genehmigung 
gebunden  gewesen  wären,  ist  durch  die  Publikation  des 
echten  Textes  der  Reccessvindiana  endgültig  beseitigt. 
'Prosapie  sollemniter  consensu  comite',  d.  h.  wenn  die  Ein- 
willigung der  Familie  vorhanden  ist  (consensu  comite  nach 
der  Analogie  von  vita  comite  zu  verstehen)  darf  die  Ehe 
geschlossen  werden.  Das  besagt  der  echte  Text.  Frühzeitig 
aber  ist  die  Stelle  nicht  mehr  richtig  verstanden  und  jenes 
Misverständnis  entstanden,  welches  erst  jetzt  beseitigt  ist. 
Die  besten  Hss.  des  Vulgattextes,  wie  Codd.  Skoklosteranus, 
Gorlitianus,  Toletanus  43,  7,  Cardonensis  (=  Escurial.  z  — 
y  —  2)  und  auch  schon  die  zweite  Hs.  der  Ervigiana  (E  2) 
fügen  zu  'comite'  noch  'permittente'  hinzu,  so  dass  man 
verstehen  muss:  mit  Zustimmung  der  Familie  (prosapie 
consensu)  und  mit  Erlaubnis  des  Grafen  (comite  permittente). 
Andere  Vulgat-Hss.  dagegen  wie  Codd.  Toletani  43,  5  und 
6,  Emilianensis  I  und  nach  der  Madrider  Ausgabe  zu 
schliessen  auch  der  Legionensis  haben  den  echten  oder 
einen  diesem  näher  stehenden  Text  erhalten. 

Gegenüber  der  starken  und  frühen  Verbreitung  der 
Lesart  mit  'permittente'  könnte  man  geneigt  sein,  die  Aen- 
derung  etwa  auf  die  Revisionsthätigkeit  Egicas  oder  viel- 
leicht schon  Ervigs  zurückzuführen ;  doch  ist  es  zu  unwahr- 
scheinlich, dass  lediglich  in  Folge  einer  misverstandenen 
Textstelle  ein  solches  Consensrecht  des  comes  wirklich  gesetz- 
lich anerkannt  sein  sollte.  Wir  werden  das  'permittente' 
vielmehr   als  Besserungsversuch   nicht   eines    Gesetzgebers, 

Neues  Archiv  etc.     XXIV.  37 


576  Karl  Zeumer. 

sondern  eines  Abschreibers  ansehen  müssen,  vielleicht  des 
Schreibers  einer  Hs.,  die  als  authentisch  galt.  Oder  sollte 
etwa  'permittente'  ursprünglich  nicht  neben,  sondern  für 
'comite'  eingesetzt  werden? 

III,  1,  2.  6  —  8.  —  Diese  Gesetze,  sämmtlich  Antiquae, 
welche  von  dem  Eecht  der  Verlobung  handeln,  stehen  in 
engerem  Zusammenhange  mit  einander. 

III,  1,  2  spricht  das  unbedingte  und  ausschliessliche 
Eecht  des  Vaters,  die  Tochter  zu  verloben,  aus.  Bricht 
die  Tochter  das  vom  Vater  geschlossene  Verlöbnis,  indem 
sie  einen  anderen  Mann  heirathet,  so  wird  sie  nebst  diesem, 
und  zwar  beide  sammt  ihrem  ganzen  Vermögen,  dem  früheren 
Verlobten  verknechtet.  Brüder,  die  Mutter  oder  Verwandte, 
welche  zu  dem  Verlöbnisbruch  behülflich  gewesen  sind, 
zahlen  ein  Pfund  Gold  'cui  rex  iusserit'.  Ein  Schluss- 
satz 'Eandem  legem'  u.  s.  w.,  welcher  die  Ausführung 
des  vom  Vater  abgeschlossenen  Verlobungsvertrages  auch 
nach  dessen  Tode  anordnet,  hat  in  der  Lex  Romana,  C. 
Th.  III,  5,  7,  ein  fast  genau  entsprechendes  Seitenstück, 
dem  er  nachgebildet  zu  sein  scheint. 

Nach  III,  1,  6  gilt  schon  die  Braut  selbst  als  die 
Empfängerin  der  dos ;  doch  wie  der  Vater  den  Verlöbnis- 
vertrag abschliesst,  so  erscheint  er  auch  insofern  noch  als  Ver- 
trags -  Partei ,  als  ihm  das  Recht  zugesprochen  wird, 
den  Betrag  der  dos  einzutreiben  (exigeudi)  und  bis  zur 
Trauung,  wo  er  ihn  der  Braut  ausliefern  muss,  in  seinem 
Gewahrsam  zu  haben. 

Nach  des  Vaters  Tode  tritt  nach  III,  1,  7  die  etwa 
überlebende  Mutter  an  seine  Stelle  hinsichtlich  des  Rechtes, 
die  Kinder  zu  verloben,  welches  sich,  wie  wir  hier  erfahren, 
auch  über  die  Söhne  erstreckte.  Sind  beide  Eltern  ver- 
storben, so  geht  das  Recht  in  Bezug  auf  die  Verlobung 
der  Töchter  auf  deren  grossjährige  Brüder,  in  deren  Er- 
mangelung auf  den  Vaterbruder  über,  während  erwachsene 
Söhne  sich  nach  dem  Tode  beider  Eltern  ganz  selbständig 
verloben  und  vermählen  können.  Vaterbruder  oder  Brüder 
sollen  aber  nicht  allein  über  die  Verlobung  der  Nichte 
oder  Schwester  verfügen,  sondern  unter  Beirath  und  Zu- 
stimmung der  nächsten  Verwandten.  Als  hauptsächlichstes 
Erfordernis  für  die  Zulassung  eines  Bewerbers  wird  dabei 
seine  völlige  Ebenbürtigkeit  hingestellt;  er  muss  natalibus 
aequalis  sein. 

III  ,1,8  behandelt  den  Fall ,  dass  die  Brüder  in 
böswilliger  Absicht    nicht   zeitig    für    eine   standesgemässe 


Oesch,  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  III,  1,  2.  6—8.      577 

Heirath  der  Schwester  sorgen.  Haben  sie  zwei  oder  drei 
standesgleiche  Freier  abgewiesen,  so  hat  die  Schwester  das 
üecht,  einen  ebenbürtigen  Gatten  selbständig  zu  wählen, 
ohne  Schmälerung  ihres  elterlichen  Erbtheiles.  Wenn  die 
JBrüder  aber  nur  zögern,  um  für  einen  wirklich  würdigen 
Freier  zu  sorgen  (ut  provideant  digniorem),  und  die  Schwester 
sich  dann  unter  ihrem  Stande  vermählt  (ad  inferiorem 
forte  maritum  devenerit),  so  verliert  sie  ihr  Erbrecht  an 
elterlichem  Gut.  Gegen  die  Brüder  aber  und  andere  Ver- 
wandten behält  sie  ihr  Erbrecht. 

Das  Gesetz  ist  schlecht  redigiert.  Was  soll  geschehen, 
wenn  die  Schwester  im  zweiten  Falle  einen  ebenbürtigen 
Gatten  wählt?  Darauf  giebt  das  Gesetz  unmittelbar  keine 
Antwort.  Es  berücksichtigt  nur  den  als  tyj)isch  gesetzten 
Fall.  Kaum  zweifelhaft  aber  scheint  es,  dass  gesagt  sein 
soll:  die  Tochter  darf  sich  nach  der  Eltern  Tode  auch 
ohne  Zustimmung  ihrer  Brüder  vermählen,  wenn  diese 
mehrfach  standesgemässe  Freier  abgewiesen  haben;  sie  ver- 
liert aber  ihr  Erbrecht  am  elterlichen  Gut,  wenn  sie  einen 
unebenbürtigen  Mann  nimmt. 

Das  römische  ßecht  setzte  für  das  Verlöbnis  und  die 
Eheschliessung  einer  filiafamilias  die  Zustimmung  des  pater- 
familias  voraus.  Nur  die  gross  jährige  Wittwe  war  davon 
befreit  nach  Cod.  Th.  III,  7,  1;  die  Interpretatio  zu  dieser 
Stelle  bindet  auch  die  vaterlose  Wittwe  unter  25  Jahren 
an  die  Zustimmung  der  Verwandten  (pro  honestate  conjunc- 
tionis  iudicium  sequendum  est  propinquorum),  lässt  also 
nur  die  grossjährige  und  vaterlose  Wittwe  frei  wählen. 
Justinian  hat  dann  in  Nov.  115,  c.  3,  §  11  auch  der  ledigen 
Haustochter  über  25  Jahren  gestattet,  sich  auch  ohne 
Einwilligung  des  Vaters  zu  verehelichen;  wenigstens  soll 
dies,  wenn  sie  es  thut,  keinen  Grund  bilden,  sie  zu  ent- 
erben. 

London  hat  angenommen,  dass  in  den  Capiteln  7  und  8 
<iie  angeführte  Stelle  der  Lex  Homana  benutzt  sei.  Das  ist 
aber  mindestens  zweifelhaft,  wenngleich  auch  auf  diesem 
Gebiete  im  Einzelnen  römischer  Einfluss  auf  die  For- 
mulierung der  Antiquae  eingewirkt  haben  mag.  Wenn 
das  römische  Recht  jener  Zeit  die  Tendenz  zeigt,  die 
älteren  Mädchen  und  Wittwen  in  Bezug  auf  Verlobung 
und  Verheirathung  unabhängiger  zu  stellen,  so  mag  auch 
das  die  westgothische  Gesetzgebung  hie  und  da  beein- 
flusst  haben.  Im  ganzen  dürfen  wir  aber  wohl  alt- 
nationale Grundlagen  für  diese  Antiquae  annehmen.  Es 
ist  gewiss   kein    Zufall,  dass    im  nordischen  Recht,    in   der 

37* 


578  Karl  Zeumer, 

isländischen  Graugans  ein  paar  wichtige  Bestimmungen 
dieser  Gesetze  wiederkehren.  Zunächst  findet  sich  auch 
dort  das  Eecht  der  Wittwe,  ihre  Tochter  zu  verloben,  frei- 
lich nur,  wenn  Söhne  nicht  vorhanden  sind ;  s.  E.ive,  Vor- 
mundschaft I,  S.  96,  wo  Anm.  43  die  Stelle  aus  Grägäs,, 
Fest.  f).  1  (I,  S.  305  f.)  citiert  ist.  Dann  aber,  und  hier  ist- 
die  üebereinstimmung  besonders  auffällig,  gestattet  die 
Graugans  dem  Mädchen,  sich  imter  derselben  Vorbedingung 
selbst  zu  verloben,  wie  unsere  Antiqaa  III,  1,  8.  Grägas, 
Fest.  |).  2  (I,  S.  307)  heisst  es  nach  Rives  Uebersetzung,  a.  a.  0. 
I,  S.  99:  Wenn  die  Verlober  die  Heirath  verhindern  wollen 
und  zwei  untadelhafte  Freier  abweisen,  kann  sie  (das 
Mädchen)  bei  der  dritten  ihr  gebotenen  anständigen  Partie 
(jafn  raeiJi  =  gleiche  Heirath)  sich  selbst  berathen  mit 
dem  Beirath  irgend  eines  Blutfreundes  ^. 

Die  Uebereinstimmung  jnit  III,  1,  8  ist  eine  so  voll- 
kommene ,  dass  an  einem  ursächlichen  Zusammenhange 
beider  Satzungen  nicht  zu  zweifeln  ist.  Auch  die  Motive 
sind  in  beiden  Gesetzen  dieselben.  Die  Verlober  sollen 
nicht  aus  selbstsüchtigen  Beweggründen  die  standesmässige 
Verheirathung  des  Mädchens  hintertreiben.  Nicht  nur,  wenn 
die  Schwester  unvermählt  blieb,  fiel  nach  dem  Westgothen- 
recht  ihr  Erbtheil  den  Brüdern  zu,  sondern  auch,  wenn 
sie  sich  ohne  ihre  Zustimmung  unter  ihrem  Stande  ver- 
mählte. Sie  sollen  daher  nicht  ihres  Erbes  wegen  durch 
fortgesetzte  Abweisung  von  Freiern  die  Schwester  in  die 
Arme  eines  unebenbürtigen  Mannes  treiben :  das  ist  das 
ausgesprochene  Motiv  des  Gesetzes '-. 


Diesem  ursprünglichen  Bestände  des  Titels  sind  von 
Chindasvind  und   Reccessvind  neue  Gesetze  hinzugefügt. 

III,  1,  3.  —  Dieses  Gesetz  Chindasvinds  trägt  die 
üeberschrift  'De  non  revocandis  datis  arris',  deren  eigentliche 
Bedeutung  nachher  deutlich  werden  wird.  Es  handelt  von 
der  bindenden  Kraft  des  bei  der  Verlobung  als  'arrae'  ge- 
gebenen Ringes.  Sobald  dieser  gegeben  und  genommen 
ist,  soll  die  Verlobung  auch  ohne  schriftlichen  Vertrag  für 
beide  Theile  bindend  sein,  so  dass  keiner  gegen  den  Willen 
der  Gegenpartei  von  der  Verpflichtung  zurücktreten  kann; 


1)  Vgl.  auch  Rive  a.  a.  0.  I,  S.  153.  2)  Dass  das  gleiche  Motiv 
auch  den  von  Brunner,  SB.  d.  Berl.  Ak.  LIII,  S.  1292,  zusammengestellten 
Bestimmungen  nicht  nur  germanischer  Rechte,  sondern  auch  des  spät- 
römischen Rechtes  gegen  den  Misbrauch  des  Verlobungsrechtes  über  die 
Wittwe  zu  Grrunde  liegt,  wird  man  nicht  gegen  den  oben  behaupteten  Zu- 
sammenhanaf  geltend  machen  können. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  HI,  1,  3.       579 

Tielmehr  soll  nach  Zahlung-  der  dos  die  Hochzeit  statt- 
finden: 'decernimus,  ut,  cum  inter  eos,  qui  disponsandi  sunt, 
sive  inter  eorum  parentes  aut  fortasse  propinquos  pro 
filiorum  nuptiis  coram  testibus  precesserit  definitio  et 
anulus  arrarum  nomine  datus  fuerit  vel  acceptus,  quamvis 
scripture  non  intercurrant ,  nuUatenus  promissio  violetur. 
Nee  liceat  uni  parti  suam  inmutare  aliquatenus  volumtatem, 
si  pars  altera  prebere  consensum  noluerit,  sed  secundum 
legem  alteram  constitiitione  dotis  impleta,  nuptiarum  inter 
eos  peragatur  festa  celebritas'. 

Welche  Neuerungen  enthielt  dieses  Gesetz  gegenüber 
dem  älteren  Rechte? 

Nach  diesem  verpflichtete  sich  der  Bräutigam  bei  der 
Verlobung  regelmässig  wohl  nur  zur  Zahlung  des  Kauf- 
preises (pretium,  dos)  nebst  etwa  hinzutretender  Morgen- 
gabe und  ausserdem  zur  Zahlung  einer  Conventionalstrafe 
(poena)  für  den  Fall  der  Weigerung.  Diese  Verpflichtung 
beurkundete  er  durch  eine  Schrifturkunde,  die  als  Pro- 
missio dotis  oder  ähnlich  bezeichnet  wurde.  Weitergehende 
Verpflichtungen  des  Bräutigams  kennen  die  erhaltenen  For- 
meln für  solche  Urkunden,  n.  14 — 20  der  westgothischen 
Sammlung,  Formulae  S.  581  ff.,  nicht  und  auch  die  über- 
lieferten Gesetze  lassen  solche  nicht  erkennen.  Ja,  wir 
dürfen  schliessen,  dass  eine  Antiqua,  welche  Reccessvind 
beseitigt  und  durch  III,  1,  4  ersetzt  hat,  ebenso  wie  das 
entsprechende  Capitel  in  Rotharis  Edictus  (c.  178),  für 
welches  jene  verlorene  Antiqua  das  Vorbild  gewesen  sein 
dürfte,  und  wie  das  römische  Recht,  welches  die  Quelle 
dieser  Antiqua  war,  als  Rechtsfolgen  für  den  Bräutigam, 
der  seinen  durch  die  Verlobung  eingegangenen  Verpflich- 
tungen nicht  nachkam,  nur  gewisse  vermögensrechtliche 
Nachtheile  und  den  Verlust  des  Anrechtes  auf  die  Braut 
anerkannte.  Von  einem  weiteren  Zwange  zum  Halten  und 
Erfüllen  des  Verlöbnisses,  von  einer  Strafe  für  den  Bruch 
des  Verlöbnisses  durch  adulterium  oder  durch  Schliessung 
einer  anderen  Ehe  findet  sich  keine  Spur. 

Ganz  anders  verhält  es  sich  mit  der  Braut.  Sie  ist 
schon  nach  dem  älteren  Rechte  zum  Halten  des  von  ihr 
oder  ihrem  Mundwalt  geschlossenen  Verlöbnisses  verpflichtet. 
Stand  vielleicht  dem  Vater  als  Mundwalt  seiner  Tochter 
nach  III,  1,  2  ein  Recht  die  Verlobung  rückgängig  zu 
machen  zu,  so  scheint  ein  solches  der  Braut  selbst  nicht 
zugebilligt  zu  sein.  Brach  sie  das  Verlöbnis,  so  trafen  sie 
die   schweren  Strafen   des   Ehebruchs;    doch    scheint   nach 


580  Karl  Zeumer. 

III,  4,  2  diese  strenge  Verpflichtung  der  Braut  erst  durch 
Zahlung  des  pretium  eingetreten  zu  sein^ 

Wurde  also  bisher  der  Bräutigam  durch  die  schrift- 
liche Dotalbestellung,  die  Braut  vollständig  erst  durch 
Zahlung  verpflichtet,  so  sollte  nach  Chindasvinds  Gesetz 
die  Verpflichtung  für  beide  Theile  gleichmässig  bereits 
durch  Begebung  des  Ringes  begründet  werden,  und  zwar 
sollte  von  diesem  Akte  an  keine  Partei  ohne  Einwilligung^ 
der  andern  zurücktreten  dürfen.  Die  Verschiedenheit  der 
Verpflichtungen  des  Bräutigams  und  der  Braut  aus  dem 
Vertrage  blieb  dabei  bestehen.  Von  einer  Strafe  für  den 
Bruch  des  Verlöbnisses  durch  den  Bräutigam  enthält  das 
Gesetz  nichts.  Erst  Reccessviud  hat  durch  III,  6,  3  die 
Ehebruchsstrafe  auf  den  Bräutigam,  welcher  das  Verlöbnis 
bricht,  ausgedehnt  und  somit  beide  Parteien  ganz  gleich 
gestellt. 

Eine  weitere  wesentliche  Neuerung  in  Chindasvinds 
Gesetz  ist,  dass  die  Verlobung  durch  den  als  Arra  gege- 
benen Ring  der  Verlobung  durch  schriftlichen  Vertrag 
gleichgestellt,  die  Schriftform  neben  der  Arra  für  entbehr- 
lich erklärt  wird.  Dem  entspricht  es,  wenn  Reccessviud  in 
seinen  Gesetzen  die  Verlobung  durch  Begebung  der  'arrae' 
als  gleichberechtigt  neben  der  durch  'scriptura'  geschlossenen 
erwähnt;  III,  1,  4:  'Aliter  quandoque  aut  arrarum  aut 
scripture  celebrata  confectio  non  valebit' ;  III,  6,  3 :  'post 
arrarum  traditionem  aut  facta  secundum  leges  definitionis 
sponsione'. 

Die  Bezeichnung  der  Arra  und  vielleicht  auch  ihre 
Anwendung  auf  den  Verlobuugsvertrag  oder  doch  die  Auf- 
fassung des  Ringes  als  Arra  haben  die  Gothen  wohl  von 
den  Römern  entlehnt,  Function  und  Bedeutung  der  Arra 
aber  erheblich  verändert.  Sie  haben  anscheinend  in  Folge 
einer  mehr  äusserlichen  Aehnlichkeit  die  römische  Be- 
zeichnung auf  ein  nationales  Institut,  das  Handgeld,  über- 
tragen. 

Freilich  sind  wir  über  die  Arra  des  älteren  römischen 
Rechtes  nur  mangelhaft  unterrichtet.  Doch  ist  wohl  un- 
zweifelhaft, dass  ebenso  wie  nach  griechischem  und  nach 
justinianischem  Recht  die  zum  Zweck  eines  künftigen  Kaufes 
vom  Käiifer  gegebene  Arra  nicht  nur  vom  Verkäufer,  wenn 
dieser  zurücktrat,  etwa  neben  weiteren  Zahlungen  zurückge- 
geben werden  musste,  sondern  auch  vom  zurücktretenden. 
Käufer    an    den  Verkäufer    verloren    wurde  ^.      Die    west- 

1)  Vgl.  auch  L.  Burg.  52.  2)  Vgl.  Schulin,  Rom.  RG.  S.  372  ff. ; 
Demburg,  Pandekten  II  ^  S.  33. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  HI,  1,3.      581 

gothische  Arra  aber  unterscheidet  sich  von  allen  bekannten 
Formen  der  griechisch-römischen  Arra  dadurch,  dass  sie 
nur  den  Verkäufer  bindet.  Sie  dient  als  Verzichtpfennig. 
Durch  Annahme  der  Arra  verzichtet  der  Empfänger  auf 
die  Ausübung  von  Rechten,  der  Verkäufer  einer  Sache  auf 
die  anderweitige  Veräusserung  derselben  bis  zu  dem  für 
Zahlung  des  Kaufpreises  bestimmten  Termin.  Der  Käufer 
hat  das  Eecht.  nicht  nur  die  Zahlung  des  bedungenen 
Preises  zu  unterlassen  und  dadurch  den  Kaufvertrag  zu 
lösen,  sondern  er  kann  in  diesem  Falle  sogar  die  gegebene 
Arra  zurückverlangen.  Diese  ursprüngliche  Bedeutung 
der  westgothischen  Arra  hat  Heusler,  Institutionen  des 
deutschen  Privatrechts  I,  S.  84  ff.  II,  S.  253  ff.  an  der  Hand 
von  L.  Vis.  V,  4,  4  überzeugend  nachgewiesen,  und  die  seit- 
dem bekannt  gewordenen  älteren  Formen  dieses  auf  Eurich 
zurückgehenden  Gesetzes  lassen  die  Richtigkeit  seiner  Aus- 
führungen nur  noch  deutlicher  erkennen.  Dass  auch  die 
Verlöbnis- Arra  bei  den  Westgothen  dieselbe  Bedeutung 
hatte,  zeigt  die  üeberschrift  zu  Chindasvinds  Gesetze.  Sie 
lautet:  'De  non  revocandis  datis  arris',  d.  h.  von  Arrae, 
welche  nicht  zurückgefordert  werden  dürfen.  Wenn  sich 
der  Sinn  dieser  Üeberschrift  in  der  Hauptsache  mit  dem 
Texte  des  Gesetzes,  welcher  besagt,  dass  nach  Begebung 
der  Arra  keine  Partei  einseitig  von  der  Verlobung  zurück- 
treten kann,  deckt  —  und  es  liegt  kein  Grund  vor,  daran  zu 
zweifeln  —  so  ergiebt  sich,  dass  vor  diesem  Gesetze  der  Geber 
der  Arra  dieselbe  zurückfordern  und  dadurch  den  Vertrag 
lösen  oder  vereiteln  konnte.  Also  der  Bräutigam  ver- 
pflichtete sich  durch  Hingabe  der  Arra  bisher  ebensowenig, 
wie  der  Käufer  nach  Eurichs  Gesetze;  wie  dieser  den  Ver- 
käufer bis  zum  Zahlungstermin,  so  band  der  Bräutigam 
die  Braut  durch  die  Arra  bis  zum  Termin,  auf  welchen 
die  Zahlung  des  'pretium'  festgesetzt  war.  Er  selbst  da- 
gegen konnte  nach  Belieben  zahlen  und  die  Braut  heim- 
führen oder  die  Arra  zurückfordern  und  das  Verlöbnis 
lösen.  Aus  der  Vergleichung  von  Text  und  üeberschrift 
unseres  Gesetzes  ergiebt  sich  also  eine  neue  Bestätigung 
der  Auffassung  Heuslers  von  der  Bedeutung  der  west- 
gothischen Arra. 

Während  der  Rubrikator  nur  an  die  Veränderung 
dachte,  welche  das  Gesetz  gegenüber  dem  bisherigen  west- 
gothischen Rechte  einführte,  dürfte  der  Gesetzgeber  selbst 
zugleich  auch  die  Beseitigung  der  besonderen  Rechts- 
wirkungen, welche  die  bisher  bei  den  Römern  üblichen  Ver- 


582  Karl  Zeumer. 

lobungen  mit  arra  sponsalicia  hatten,  im  Auge  gehabt 
haben. 

Das  Verlöbnis  war  bei  den  Eömern  jedenfalls  seit  der 
Kaiserzeit  einseitig  lösbar,  und  zwar  stand  die  Lösung 
gleichmässig  beiden  Parteien  zu  ^.  Nur  durch  Begebung  der 
Arra  wurde  es  gegen  leichtfertige  Lösung  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  gesichert.  Die  arra  sponsalicia  hatte  wohl 
dieselben  Wirkungen  wie  die  Arra  beim  Kauf.  Unter  Ver- 
lust der  Arra  konnte  der  Bräutigam  zurücktreten,  durch 
die  Erstattung  eines  mehrfachen,  nach  dem  Codex  Theo- 
dosianus  des  Vierfachen  der  empfangenen  Arra,  die  poena 
quadrupli '-,  die  Braut  ihre  Verpflichtung  lösen.  Diese 
römischen  Verlöbnisse  durch  Arra  mit  ihren  besonderen 
Wirkungen  wurden  durch  die  Publication  des  Chinda- 
svindischen  Gesetzes  in  der  Eeccessvindiana  beseitigt. 

Am  Schluss  wird  ein  anderes  Gesetz  citiert:  'secun- 
dum  legem  alteram  ^  Constitutionen!  dotis  impleta,  nuptiarum 
inter  eos  peragatur  festa  celebritas'.  Die  'lex  altera'  kann 
nur  Chindaswinds  Gesetz  über  den  Maximal -Betrag  der 
dos,  III,  1,  5  sein.  Die  Bezeichnung  als  'lex  altera'  deutet 
darauf  hin,  dass  beide  Gesetze  ursprünglich  unmittelbar 
neben  einander  standen,  so  dass  also  in  der  Aufzeichnung 
seiner  Gesetze,  welche  Chindasvind  für  die  neue  Codification 
herstellen  Hess  III,  1,  5  auf  unser  Gesetz  unmittelbar  folgte. 
Erst  Reccessvind  schob  sein  Gesetz  III,  1,  4  dazwischen. 

III,  1,  -i.  —  ßeccessvind  knüpft  in  diesem  Gesetze 
zunächst  an  das  vorige  an.  Hatte  jenes  die  Regel  aus- 
gesprochen, dass  Verlöbnisse  nicht  einseitig  auflösbar  seien, 
so  fügt  dieses  die  Ausnahme  hinzu:  es  sei  denn,  dass 
jüngere  Männer  mit  älteren  Weibern  verlobt  seien.  In 
diesem  Fall  soll  jede  Partei  befugt  sein,  das  Verlöbnis  zu 
lösen.  Am  Schluss  des  Gesetzes  wird  dann  dieser  Be- 
stimmung entsprechend  als  Bedingung  für  die  Wittwenehe 
hingestellt,  dass  der  Mann  mindestens  gleichen  Alters  mit 
der  Wittwe  sei^. 


1)  Kariowa,  Rom.  RG.  Jl,  S.  176  ff.  2)  Cod.  Theod.  III,  5,  11 ; 
6,  1;  10,  1.  3)  In  der  Handausgabe  habe  ich  altei-am  zu  constitutionem 
dotis  bezogen,  so  dass  der  Sinn  sein  würde:  'wenn  nach  dem  Gesetz  der 
andere  Dotalvertrag ,  d.  h.  der  Rest  des  Vertrages,  erfüllt  ist'.  Ich  bin 
jedoch  davon  zurückgekommen,  da  es  wohl  nicht  möglich  ist,  die  Zahlung 
der  Arra  oder  die  conscriptio  dotis  als  prima  constitutio  dotis  aufzufassen. 
Es  ist  also  alteram  zu  legem  zu  ziehen  und  zu  erklären:  wenn  nach  dem 
anderen  Gesetze    der  Dotalvertrag  erfüllt  ist.  4)    'alii  viro  ab  adule- 

scentiae  eins  annis'  d.  h.  einen  Mann  an  Alter  von  ihren  Jahren  aufwärts. 
Die  Hauptbestimmung  des  Gesetzes:  'ut  femine  minoris  semper  etate  viris 
maioribus  in  matrimonium  disponsentur',  scheint  dem  Wortlaute  nach  auch 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  — L.  Vis.  III,  1,  3.  4.      583 

Ferner  enthält  das  Gesetz  die  Bestimmung,  dass  nach 
Abschluss  der  Verlobung-  die  Hochzeit  innerhalb  zwei 
Jahren  stattfinden  soll,  ausser  wenn  beide  Parteien  eine 
Verlängeruug  beschliessen.  Diese  Verlängerung  und  ebenso 
weitere  Verlängerungen  sollen  immer  nur  auf  zwei  Jahre 
vereinbart  werden  können.  Wer  diese  Fristen  ohne  echte 
Noth  oder  ohne  solche  Prolongation  verstreichen  lässt,  hat 
die  festgesetzte  Straf  summe  zu  erlegen,  ohne  von  der  Er- 
füllung des  Verlöbnisses  befreit  zu  sein :  'et  penam,  qvie 
in  placito  continetur,  adimpleat,  et  quod  definitum  est  in- 
mutare  non  liceat'.  Das  kann  in  dem  Zusammenhange 
nur  heissen:  ihm,  dem  Säumigen,  soll  trotz  der  Buss- 
zahlung nicht  erlaubt  sein,  von  dem  Vertrage  abzugehen. 
Also:  lassen  beide  Parteien  ohne  Widerspruch  die  zwei- 
jährige Frist  oder  deren  vertragsmässige  Widerholung  ver- 
streichen, so  ist  das  Verlöbnis  ungültig;  keine  Partei  kann 
auf  Erfüllung  bestehen.  Erklärt  sich  eine  Partei  zur  Hoch- 
zeit bereit,  während  die  andere  sich  über  die  Frist  hinaus 
weigert,  so  wird  die  schuldige  Partei  straffällig  und  bleibt 
zum  Abschluss  der  Ehe  verpflichtet,  während  natürlich 
die  andere  Partei  jetzt  unter  Berufung  auf  die  Versäumung 
des  Gegners  den  Abschluss  verweigern  kann. 

Diese  einfache  und  nothwendige  Auffassung  ist  R. 
Löning  entgangen.  Er  sieht,  Vertragsbruch  S.  151,  in  der 
Fristbestimmung  nur  ein  'leeres  Drohmittel',  findet,  dass 
keine  'rechtliche  Idee'  darin  zum  Ausdruck  gelangt,  weil 
er  den  vorhin  im  Wortlaut  angeführten  Passus  dahin  ver- 
steht, dass,  wenn  eine  Partei  den  Abschluss  der  Ehe  binnen 
jener  Frist  rechtswidrig  verweigert,  sie  nur  die  Conven- 
tionalstrafe  verwirkt  haben  soll,  der  Vertrag  selbst  dadurch 
aber  nicht  verletzt  oder  gar  aufgelöst  sei.  Die  Pflicht  zur 
Eingehung  der  Ehe  bleibe  trotzdem  bestehen,  d.  h.,  wie 
L.  meint,  für  beide  Parteien.  Der  Text  aber  kann  nur  so 
verstanden  werden,  dass  diese  Pflicht  für  den  Schuldigen 
bestehen  bleiben,  nicht  durch  Versäum ung  und  Bussezahlung 
absorbiert  sein  soll.  Diese  Erklärung  wird  noch  unter- 
stützt durch  die  römische  Quelle  unseres  Gesetzes. 

Verlöbnisse  von  Altersgleichen  zu  beanstanden.  Doch  l)eruht  das  vielleicht 
nur  auf  mano-elhafter  Fassung.  Jene  Bestimmung  wegen  der  Wittwen 
und  die  Fassung  der  Ueberschrift  sprechen  dagegen.  —  Wenn  es  in 
Richters  Lehrbuch  des  Kirchenrechts  8.  Aufl.  (von  Dove  und  Kahl)  S.  1081 
Anm.  11  heisst:  'Verbote  (der  Ehe)  wegen  ungleichen  Alters,  namentlich 
der  Braut  (es  soll  natürlich  heissen:  namentlich  wegen  höheren  Alters 
der  Braut)  finden  sich  übrigens  schon  früh  bei  den  germanischen  Völkern', 
und  wenn  dazu  in  erster  Linie  unsere  Stelle  angeführt  wird,  so  ist  da- 
gegen zu  bemerken,   dass   es  sich  hier  nicht  um  ein  Eheverbot  handelt. 


584  Karl  Zeumer. 

Die  zweijährige  Frist  ist  dem  römischen  Rechte  ent- 
lehnt; sie  findet  sich  Cod.  Theod.  111,  5,  4  und  5.  In 
ersterer  Constitution  wird  allgemein  bestimmt,  dass  der 
Verlobte  seine  Ansprüche  aus  der  Verlobung-  verliert,  wenn 
er  die  Braut  nicht  innerhalb  zwei  Jahren  heimführt.  Diese 
ist  dann  nicht  mehr  an  die  Verlobung  gebunden.  Die  fol- 
gende Constitution  nimmt  in  einem  besonderen  Falle  auf 
diese  Regel  Rücksicht. 

Die  entsprechende  Bestimmung  Reccessvinds  ist  nun 
offenbar  nicht  der  Lex  Romana  Alarichs  II.,  in  welcher 
sich  die  erste  der  beiden  Constitutionen  nicht  findet,  ent- 
nommen, sondern  einer  Antiqua.  Wohl  nur  diese  verlorene 
Antiqua  kann  die  Quelle  gewesen  sein  für  die  gleiche  Be- 
stimmung im  Edictus  Rothari  c.  178.  Dass  Rothari 
nicht  aus  dem  Codex  Theodosianus  schöpfte,  ist  von  vorn 
herein  anzunehmen.  Auch  weist  die  langobardische  Fassung 
Uebereinstimmungen  mit  Reccessvinds  Gesetz  auf,  die  auf 
eine  gemeinsame  Quelle  deuten,  welche  nicht  die  Stelle 
des  Codex  gewesen  sein  kann.  Beide  Quellen  heben  die 
echte  Noth  als  Ausnahme  begründend  hervor  und  bezeichnen 
die  Zahlung  mit  dem  Worte  'adimpleat' ;  weder  das  eine 
noch   das  andere  findet  sich  im  Codex  Theodosianus. 

Dürfen  wir  so  auf  eine  verlorene  Antiqua  als  gemein- 
same Quelle  für  Rothari  und  Reccessvind  schliessen,  so 
lässt  eine  andere  Stelle  in  Rotharis  Fassung  Ueberein- 
stimmung  mit  der  Constitution  des  Codex  Theodosianus 
erkennen,  welche  darauf  deutet,  dass  bei  der  Abfassung 
jener  verlorenen  Antiqua  Cod.  Theod.  III,  5,  4  vorlag. 
Dort  wird  die  Vollziehung  der  Ehe  mit  'nuptias  exequi' 
ausgedrückt  und  dasselbe  geschieht  an  der  entsprechenden 
Stelle  bei  Rothari  ^.  Ist  aber  in  der  verlorenen  Antiqua  eine 
nicht  in  Alarichs  II.  Lex  Romana  aufgenommene  Constitution 
des  Cod.  Theod.  benutzt,  so  folgt,  dass  nicht  ein  Zusatz  Leo- 
vigilds,  sondern  ein  schon  dem  alten  Codex  Euricianus  ange- 
höriofes  Gesetz  vorlag. 


1 


111,  1,  5.  —  In  diesem  oft  besprochenen  Gesetze 
Chindasvinds  liegt  eins  der  wenigen  genau  datierten  Stücke 
des  Gesetzbuches  vor;  es  ist  vom  12.  Januar  644.  Die 
Ueberschrift  lautet  entsprechend  dem  Inhalt:  'De  quanti- 
tate  rerum  conscribende  dotis'.     In  seiner  ursprünglichen, 


1)  Cod.  Theod.:  'si  .  .  .  intra  biennium  exequi  nuptias  super- 
sederit';  Rothari:  'si  .  .  .  dilataverit  nuptias  exequi,  post  transactum 
biennium'  .  .  . 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  III.  1,4.  5.      585 

in  der  ß,eccessvindiana  überlieferten  Gestalt  setzt  das  Ge- 
setz als  Maximalbetrag  der  dos,  d.  h.  der  dos  im  germa- 
nischen Sinne,  welche  von  Seiten  des  Bräutigams  der  Braut 
dargebracht  wird ,  für  den  höchsten  Stand,  den  der  pri- 
mates  und  seniores  des  Gothenvolks,  den  Betrag  von 
1000  solidi  fest  und  gestattet  daneben  nur  noch  die 
Schenkung  von  10  Knechten,  10  Mägden  und  20  Pferden, 
die  herkömmliche  Morgengabe,  wie  uns  n.  20  der  west- 
gothischen  Formelsammlung  aus  König  Sisebuts  Zeit  lehrt. 
Mehr  soll  der  Braut  nur  dann  gegeben  werden  dürfen, 
wenn  sie  dem  Bräutigam  ebensoviel  zubringt;  wie  unter 
Berufung  auf  Bestimmungen  römischer  Gesetze  angeordnet 
wird  ^.  Männer ,  welche  Schenkungen  über  dieses  Maass 
hinaus  der  Frau  eidlich  oder  schriftlich  bei  der  Verhei- 
rathung  gelobt  haben,  sollen  daran  nicht  gebunden  sein. 
Vollzogene  Schenkungen  der  Art  sollen,  soweit  sie  das 
erlaubte  Maass  überschreiten,  von  den  Eltern  oder  Ver- 
wandten des  Mannes  zurückgefordert  werden  können. 
Weitergehende  Schenkungen  unter  Ehegatten  sind  im  all- 
gemeinen erst  nach  Ablauf  des  ersten  Jahres  der  Ehe 
statthaft ;  früher  nur  in  Todesgefahr. 

Diese  letzten  Bestimmungen  beziehen  sich  wohl  auf 
alle  Stände,  nicht  nur  auf  den  Adel,  trotzdem  bisher  von 
diesem  allein  gehandelt  ist.  Für  die  übrigen  Stände  wird 
nunmehr  die  Maximal -dos  einheitlich  bemessen.  Wer 
10  000  sol.  Vermögen  hat,  darf  Alles  in  Allem  bis  1000  sol. 
Werth  als  dos  geben,  wer  1000  sol.  hat,  bis  zu  100  sol.: 
'Et  sie  ista  constitutio  dotalis  tituli  ad  ultimam  usque  ad 
summam  omni  controversia  sopita  perveniet'.  Obwohl 
unklar  ausgedrückt,  kann  das  nur  bedeuten,  dass  die  dos 
immer  im  gleichen  Verhältnis  zum  Vermögen  stehen,  also 
nicht  über  den  zehnten  Theil  desselben  betragen  soll. 

R.  Schroeder  -  meint,  es  könne  darüber  kein  Zweifel 
herrschen,  dass  Chindasvind  zu  dieser  Aufstellung  durch 
die  Bestimmung  der  Lex  lulia  et  Poppaea,  dass  kinderlose 
Ehegatten  in  Testamenten  einander  nur  bis  zum  zehnten 
Theil  ihres  Vermögens  bedenken  dürfen,  bewogen  sei.  Zu 
dieser  Annahme  sehe  ich  um  so  weniger  Grund,  als  jene 
Bestimmung  schon  im  Jahre  410  durch  Honorius  und 
Theodosius   ausdrücklich    aufgehoben   und  das  aufhebende 

1)  Vgl.  hierzu  die  Handausgabe  p.  90,  n.  1 — 3.  Die  dort  angeführte 
Novelle  Justinians  kommt  wohl  am  ehesten  in  der  Bearbeitung  Julians, 
Const.  90,  c.  1  in  Betracht.  Zur  Litteratur  ist  vor  allem  noch  die  wichtige 
Abhandlung  Brunners  hinzugekommen:  Die  fränkisch -romanische  dos,  SB. 
der  Berl.  Ak.  1894,  S.  549  ff.       2)   Gesch.  d.  ehelichen  Güterrechts  I,  S.  74. 


586  Karl  Zeumer. 

Gesetz  in  den  Codex  Theodosianus  (VIII,  17,  2)  und  ebenso 
in  den  Codex  lustinianus  (YlII,  57,  2)  anf genommen  ist. 
Völlig  neu  sind  Cbindasvinds  Bestimmungen  nicht. 
Das  zeigt  die  schon  erwähnte  aus  dem  vierten  Eegierungs- 
jahre  Sisebuts  datierte  Formel,  in  welcher  die  Bestand- 
theile  der  Morgengabe  angegeben  werden: 

Ecce  decem  inprimis  pueros  totidemque  puellas 
Tradimus  atque  decem  virorum  corpora  equorum 
Pari  mulos  numero;  damus  inter  caetera  et  arma, 
Ordinis  ut  Getici  est  et  morgingeba  vetusta. 
Zum  Tb  eil  wörtlich  in  TJebereinstimmung  mit  diesen  Versen 
schreibt  Chindasvind  vor:  'X  pueros,  X  puellas  et  caballos 
XX  sit  .  .  .  dandi    conscribendique   libertas'.     Die    gleich- 
massige  Bezeichnung   der  Knechte   und  Mägde   an    beiden 
Stellen  deutet  darauf  hin,  dass  die  TJebereinstimmung  nicht 
bloss  darauf  beruht,  dass  an  beiden  Stellen  aus  dem  gleichen 
Gewohnheitsrechte    geschöpft   ist.     Es   ist   vielmehr   wahr- 
scheinlich,   dass   schon    eine  beseitigte  Antiqua  einen   ent- 
sprechenden Satz  enthielt,  aus  dem  der  Verfasser  der  Formel 
schöpfte. 

Bemerkenswerthe  Veränderungen  hat  an  Cbindasvinds 
Gesetze  König  Ervig  681  vorgenommen.  Er  hat  die  Ma- 
ximal-dos  von  1000  sol.  für  den  Adel  beseitigt  und  das 
für  die  übrigen  Stände  geltende  Zehntel  auch  auf  den  , 
ersten  Stand  ausgedehnt.  Die  Morgengabe  aber  hat  er  dem 
Adel  als  Vorrecht  belassen  und  noch  weiter  ausgestaltet. 
Er  verstattet  zunächst  wie  Chindasvind:  'decem  pueros 
decemque  puellas  et  caballos  XX',  fügt  aber  hinzu:  'seu 
in  ornamentis,  quantum  mille  solidorum  esse  constiterit'. 
Das  soll  nicht  heissen :  'entweder  20  unfreie  und  20  Pferde 
oder  für  1000  sol.  Schmucksachen',  noch  auch:  '20  Un- 
freie etc.  und  für  1000  sol.  Schmucksachen'  sondern: 
'20  Unfreie  und  20  Pferde,  auch  etwa  Schmucksachen, 
zusammen  bis  zu  1000  sol.  Werth' ^.  Das  war  formell 
eine  Erweiterung  der  Chindasvindschen  Morgeugabe,  mate- 
riell bedeutete  es  eine  solche  nicht  nothwendig,  da  die 
Mancipien  und  Thiere  bei  guter  Qualität  allein  bereits  den 
Werth  von  1000  sol.  darstellen  konnten.  Eeccessvind 
hat  III,  3,  9  als  höchsten  Werth  eines  Knechtes  100  sol. 
angenommen,  die  Lex  Burguudionum  tit.  10.  kennt  für 
qualifizierte  Knechte  Todschlagsbussen  von  30  bis  150  sol., 
Summen,    welche    die    eigentlichen    Werthe    der    Knechte 


1)  So  scheint  auch  der  Verfasser  einer  Dotalurkunde  aus  dem  Ende 
des  9.  Jhs.  bei  Helfferich  S.  255,  u.  64  den  Text  vei-standen  zu  haben. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  III,  1,  5.  9.     587 

jedenfalls  nicht  erheblich  überstiegen,  da  der  Werth  von 
gewöhnlichen  Mancipien  in  4,  1  anf  25  sol.  angegeben  wird. 
Ein  Knecht  von  mittlerer  Qualification  konnte  leicht  50  sol. 
werth  sein,  so  dass  10  Knechte  schon  die  Hälfte  des 
Maximalbetrages  ausmachten.  Auf  die  anderen  500  sol. 
konnte  sich  dann  leicht  der  Werth  der  10  Mägde  und 
20  Pferde  belaufen.  Indem  Ervig  ausser  den  von  Chin- 
dasvind  allein  zugelassenen  Mancipien  und  Pferden  auch 
noch  ornamenta  als  Morgengabe  zuliess,  näherte  er  deren 
Bestandtheile  wieder  mehr  dem  älteren  Rechte,  wie  es 
uns  in  der  nach  Sisebut  datierten  Formel  entgegentritt, 
welches  neben  den  20  Unfreien  und  20  Thieren  noch  andere 
Gegenstände  gestattete:   'inter  cetera  et  arma'. 


III,  1,  9.  —  Reccessvind  hat  dieses  Gesetz  als  Zusatz 
zu  Chindasvinds  III,  1,  5  erlassen.  Es  gestattet  ausdrück- 
lich die  dort  festgesetzte  dos  nicht  nur  von  Erbgut  (res 
propriae),  sondern  auch  von  Königsschenkungen  oder  sonst 
rechtmässig  erworbenem  Gute  zu  bestellen,  'iuxta  moduni 
legis  date  conscribendi  dotem',  d.  h.  nach  den  in  III,  1,  5 
aufgestellten  Normen.  Es  soll  also  das  Zehntel  von  den 
verschiedenen  Kategorien  des  Gutes,  nicht  nur  von  den 
res  propriae,  als  dos  gegeben  werden  können. 

Diesem  Gesetze  ist  dann  von  Ervig  eine  Einleitung 
vorausgeschickt,  welche  in  der  Madrider  Ausgabe^  fälschlich 
als  besonderes  1.  Capitel  dem  Titel  vorangestellt  ist.  In 
dieser  Einleitung  wird  die  Hingabe  oder  schriftliche  Be- 
stellung einer  dos  für  nothwendig  zum  Abschluss  einer 
rechtsgültigen  Ehe  hingestellt;  dieselbe  Ansicht  drückt 
Ervig  auch  in  seinem  Judengesetz  XII,  3,  8  aus,  wenn  er 
den  Juden  gebietet  zu  heirathen:  'non  aliter  quam  cum 
praemisso  dotis  titulo,  quod  in  Christianis  salubri  institu- 
tione  praeceptum  est'.  Ein  ausdrückliches  Gebot  der  Be- 
stellung einer  dos,  auf  welches  wir  diese  Stelle  beziehen 
könnten ,  findet  sich  weder  in  den  canonischen  Quellen 
noch  vor  Ervig  in  dem  weltlichen  Gesetzbuche.  Dass  Ervig 
mit  jenen  Worten  auf  seine  eigene  Einleitung  zu  III,  1,  9 
hätte  hinweisen  wollen,  ist  durch  die  Priorität  der  Juden- 
gesetze ausgeschlossen-.  Es  wird  sich  demnach  bei  den 
Worten:  'quod  in  Christianis  .  .  .  praeceptum  est',  nicht 
um  den  Hinweis  auf  eine  ausdrückliche  Gesetzesvorschrift 
handeln,  sondern  nur  um  einen  nicht  ganz  correcten  Aus- 


1)  Nach  S.  33,  n.  7  folgt  die  Ausgabe   darin  dem  Codex  Vigilanus. 
2)  S.  N.  A.  XXIII,  S.  494  ff. 


588  Karl  Zeumer. 

druck  für  die  herrschende  Rechtsanschauung-  von  der  Be- 
deutung der  dos. 

Der  zweite  Titel  des  III.  Buches:  'De  nuptiis  inlicitis', 
enthält  acht  Gesetze,  welche  mit  einer  Ausnahme  Antiquae 
sind.     Nur  n.   7  ist  ein  Gesetz  Chindasvinds. 

III,  2,  1.  —  Dieses  Gesetz  stellt  Wiederverheirathung 
und  adulterium  der  Wittwe  innerhalb  eines  Jahres  nach 
des  Mannes  Tode  unter  Strafe.  Die  Frist  ist  dem  römi- 
schen Rechte  entlehnt,  12  Monate,  das  Trauerjahr,  welches 
durch  eine  Constitution  von  Gratian,  Valentinian  und  Theo- 
dosius  vom  Jahre  381,  Cod.  lust.  V,  9,  2  =  Cod.  Theod. 
III,  8,  1,  statt  der  früheren  Frist  von  10  Monaten  einge- 
führt war.  Auch  die  Strafe,  Verlust  des  halben  Vermögens  an 
die  Kinder  erster  Ehe  —  oder,  fehlen  diese,  an  die  sonstigen 
Erben  —  führt  London  auf  das  römische  Recht  zurück, 
wie  aus  der  Wahl  der  Stellen  hervorgeht,  die  er  als  Quelle 
für  dieses  Gesetz  in  seiner  Uebersichtstafel  anführt.  Ent- 
weder soll  Cod.  lust.  VI,  56,  4,  ebenfalls  eine  Constitution 
von  Gratian  u.  s.  w.  von  380,  oder  Nov.  22,  c.  22.  die 
Quelle  sein.  Die  ältere  Constitution  bestimmt,  und  die 
Novelle  wiederholt  diese  Bestimmung,  dass  die  innerhalb 
der  Trauerzeit  heirathende  Wittwe  infam  sein  soll.  Die 
Gnade  des  Kaisers  kann  diese  Infamie  beseitigen ;  wenn 
aus  der  früheren  Ehe  Kinder  vorhanden  sind  aber  nur 
unter  der  Vorbedingung,  dass  sie  diesen  die  Hälfte  ihres 
Vermögens  ohne  Vorbehalt  schenkt.  Es  ist  möglich,  dass 
in  der  That  diese  Bestimmung  das  dann  freilich  sehr  frei 
nachgeahmte  Vorbild  für  die  Vermögensstrafe  der  Antiqua 
war.  Jedenfalls  dürfte  als  mittelbare  oder  unmittelbare 
Quelle  nur  die  ältere  Constitution,  nicht  die  Novelle  in 
Betracht  kommen^. 

Unser  Gesetz  unterscheidet  sich  in  seinen  Bestim- 
mungen vom  römischen  Recht  auch  dadurch,  dass  es 
Wiederverheirathung  und  aussereheliches  Beilager  (adulte- 
rium =  röm.   stuprum)    der  Wittwe   während   des   Trauer- 

1)  Man  könnte  daran  denken,  dass  die  Strafe  des  Verlustes  der 
Hälfte  des  Vermögens  der  Ehebruchs-  oder  Unzuchtsstrafe  des  römischen 
Rechtes  nachgebildet  sei,  wie  sie  Rein,  Criminalrecht  der  Römer,  S.  862 
annimmt.  Dieser  irrt  jedoch,  wenn  er  angiebt:  'Die  gewöhnliche  Strafe 
für  Stuprator  und  Stuprirte  war  Confiscation  des  halben  Vermögens'. 
Nur  eine  der  von  ihm  hierfür  angeführten  Stellen  erwähnt  diese  Strafe 
Paul.  Sent.  II,  26,  13,  und  zwar  nur  für  den  Mann,  welcher  sich  mis- 
brauchen  lässt,  während  die  folgende  Bestimmung  die  überführte  Ehe- 
brecherin mit  dem  Verlust  der  halben  dos  und  des  Drittels  ihres  Ver- 
mögens bedroht. 


\ 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  111. 


L.  Vis.  111,2,  1.  2. 


589 


Jahres  ganz  gleich  behandelt;  wogegen  das  römische  Eecht 
bis  auf  Justinian  besondere  Strafen  nur  für  die  Wieder- 
Terheirathung  kannte,  ein  von  der  Wittwe  in  dieser  Zeit 
begangenes  stuprum  dagegen  nur  mit  den  überhaupt  für 
dieses  Vergehen  festgesetzten  Strafen  bedrohte.  Erst  Justi- 
nian verfügte  durch  Nov.  39,  c.  2,  dass  die  Wittwe  im 
Falle  des  stuprum  ausser  den  hierfür  bestimmten  Strafen 
auch  noch  die  für  die  vorzeitige  Wiederverheirathung  au- 
gedrohten erleiden  solle,  beschränkte  diese  Straf  häuf  ung 
aber  auf  den  Fall,  dass  die  Wittwe  in  Folge  ihres  Ver- 
gehens innerhalb  des  Trauerjahres  ein  Kind  gebar.  Sowohl 
diese  Beschränkung,  als  der  Umstand,  dass  hier  eine  straf- 
rechtlich gleiche  Behandlung  des  stuprum  mit  der  Wieder- 
verheirathung, wie  wir  sie  in  der  Antiqua  fanden,  auch  durch 
die  Novelle  nicht  herbeigeführt  ist,  lassen  eine  schon  an 
sich  unwahrscheinliche  Benutzung  der  Novelle  von  Seiten 
des  Gesetzgebers  der  Antiqua  wohl  ausgeschlossen  erscheinen. 
Rein  aus  westgothischen  Zuständen  und  Anschauungen 
hervorgegangen  ist  ein  Zusatz,  den  Ervig  diesem  Gesetze 
gegeben  hat,  wonach  ausdrücklich  diejenigen  Wittwen  von 
der  Strafe  ausgeschlossen  werden,  welche  sich  auf  Befehl 
des  Königs  vorzeitig  wieder  verheirathen. 


III,  2,  2.  —  Diese  Antiqua  zeigt  starke  wörtliche 
Uebereinstimmung  mit  einer  römischen  Quelle,  der  Interpreta- 
tio  zu  L.  Rom.  Vis.  C.Th.IX,  6, 1,  einem  Gesetze  Constantins. 


Interpretatio. 
S i  qua  ingenua  mulier 
servo  proprio  se  occulte 
miscuerit,  capitaliter  pu- 
niatur.  Servus  etiam,  qui  in 
adulterio  dominae  con- 
victus  fuerit,  ignibus  exu- 
ratur. 


Antiqua. 
Si  ingenua  mulier  servo 
suo  vel  proprio  liberto  se  in 
adulterio  miscuerit  aut 
forsitan  eum  maritum  habere 
voluerit  et  ex  hoc  manifesta 
probatione  convincitur,  oc- 
cidatur,  ita  ut  adulter  et 
adultera  ante  iudicem  publice 
fustigentur  et  ignibus  con- 
crementur. 

Dass  die  Redaktoren  der  Antiqua  sich  hier  an  eine 
römische  Quelle,  sei  es  diese  Interpretatio  selbst,  sei  es 
eine  andere  uns  nicht  bekannte  ähnliche  Stelle,  angeschlossen 
haben,  ist  unzweifelhaft.  Die  Antiqua  unterscheidet  sich 
aber  von  der  römischen  Quelle  einmal  dadurch,  dass  sie 
nicht  nur  über  den  Knecht,  sondern  auch  über  die  Frau 
•die  Strafe  des  Feuertodes  verhängt,   ferner   dadurch,    dass 


590  Karl  Zeumer. 

sie  die  Verbindung  mit  dem  eigenen  Freigelassenen  der 
mit  dem  Knechte  gleichstellt.  Letztere  Abweichung  aber 
beruht  auf  römischer  Grundlage  und  zwar  auf  einem 
Gesetz  des  Kaisers  Anthemius  vom  Jahre  468,  Haenel, 
Novellae  constit.  c.  343  sq.,  worin  er  die  Ehe  der  freien 
Frau  mit  ihrem  Freigelassenen  in  gleicher  Weise  verbietet, 
wie  Constantin  den  Umgang  der  Herrin  mit  ihrem  Knechte, 
nur  dass  er  an  Stelle  der  Todesstrafe  Deportation  treten 
lässt.  Auf  dem  Inhalt  dieser  Novelle  beruhen  wohl  auch 
die  Worte  der  Antiqua  'aut  foristan  eum  maritum  habere 
voluerit',  denn  erst  Anthemius  hat  auch  die  Ehe  zwischen 
Herrin  und  Freigelassenen  verboten,  während  Constantin 
und  die  Interpretatio  nur  vom  heimlichen  Geschlechts- 
verkehr,  dem  adulterium,  handeln. 

Auch  im  Folgenden  zeigt  unsere  Antiqua  Benutzung 
der  Novelle  des  Anthemius,  daneben  aber  auch  des  Con- 
stantinischen  Gesetzes  selbst,  und  aus  mangelhaftem  Ver- 
ständnis dieser  Vorlage  erklärt  sich  die  mangelhafte  Fassung 
der  Antiqua.  Diese  fährt  fort:  'Cum  autem  per  reatum 
tarn  turpis  admissi  quicumque  iudex  .  .  .  agnoverit  domi- 
nam  servo  suo  sive  patronam  liberto  fuisse  coniunctam,  eos 
separare  non  differat'.  Die  Frau  soll  ihr  Vermögen  ver- 
lieren, die  Kinder  aus  dieser  Verbindung  sollen  nicht  erben 
können.  'lila  vero',  heisst  es  dann  weiter  'penam  excipiat 
superius  conprehensam'. 

Wozu  wird  hier  die  Trennung  des  Paares  durch 
den  Richter  angeordnet,  da  es  doch  nach  dem  ersten 
Satze  mit  dem  Feuertode  zu  bestrafen  ist?  Constantins 
Gesetz  erklärt  diesen  Widerspruch.  Dort  war  die  Todes- 
strafe für  das  Paar  nur  ausgesprochen  für  die  nach  dem 
Erlass  des  Gesetzes  eintretenden  Fälle:  §  6.  'Post  legem 
enim  hoc  committentes  morte  punimus' ;  für  die  früheren 
Fälle  dagegen  wird  die  Trennung  der  verbotenen  Verbin- 
dung angeordnet:  §  1.  'Ante  legem  nupta  tali  consortio 
segregetur,  non  solum  domo,  verum  etiam  provinciae  com- 
munione  privata  amati  abscessum  defleat  relegati'.  Augen- 
scheinlich sind  beide  Bestimmungen  in  der  Antiqua  zu- 
sammengeworfen. 

lieber  das  Gut  der  verurtheilten  Frau  bestimmt  die 
Antiqua :  'bona  eiusdem  mulieris  aut  si  sunt  de  alio  viro 
idonei  filii  evidenter  obtineant,  aut  propinquis  eins  legali 
successione  proficiant.  Quod  si  usque  ad  tertium  gradum 
defecerit  heres,  tunc  omnia  fiscus  usurpet'.  Das  lehnt  sich 
einerseits  an  die  Worte  Constantins  an,  nach  denen  die 
Güter  den  rechtmässigen  Erben  zufallen  sollen:   §  3.  'Suc- 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  IIl.  —  L.  Vis.  III,  2,  2.        591 

cessio  autem  mulieris  ab  intestato  vel  filiis,  si  erunt  legi- 
timi,  vel  proximis  deferatur  vel  ei,  quem  iuris  ratio  ad- 
mittit',  und  ähnlich  lautet  der  letzte  Satz  der  Interpretatio ; 
andererseits  aber  scheint  auch  das  Gesetz  des  Anthemius 
auf  die  Fassung  der  Antiqua  eingewirkt  zu  haben,  welches 
die  Confiscation  der  Güter,  die  publicatio  facultatum 
verhängt.  Die  Antiqua  combiniert  beides;  ja  die  Worte 
'fiscus  usurpet'  scheinen  dem  Gesetz  des  Anthemius,  in 
welchem  diese  ebenso  wie  in  der  Antiqua  den  Satz  schliessen, 
entlehnt  zu  sein. 

Wie  Constantin  so  schliesst  auch  die  Antiqua  die  aus 
der  verbotenen  Verbindung  hervorgegangenen  Kinder  vom 
Erbe  aus.  Jener  bestimmt:  §  2  'Filii  etiam,  quos  ex  hac 
coniunctione  habuerit  (mulier),  ...  in  nuda  maneant  liber- 
tate,  neque  per  se  neque  per  interpositam  personam  quo- 
libet  titulo  voluntatis  accepturi  aliquid  ex  facultatibus 
mulieris'.  Entsprechend  bestimmt  die  Antiqua:  'ex  tali 
enim  consortio  filios  procreatos  constitui  non  oportet  he- 
redes'. 

Wir  sehen  also,  dass  die  Verfasser  der  Antiqua  sich 
zum  Theil  eng  an  römische  Vorlagen  anschlössen.  Dennoch 
war  es  nicht  rein  römisches  Recht,  welches  sie  mittheilten. 
Die  strenge  Bestrafung  des  geschlechtlichen  Umgangs  einer 
Freien  mit  ihrem  eigenen  Knechte  entsprach  wohl  auch 
dem  gothischen  Rechte.  Das  wird  dadurch  wahrscheinlich 
gemacht,  dass  wir  wenigstens  in  einem  germanischen  Recht, 
dem  fränkischen,  eine  entsprechende  Ahndung  dieses  Ver- 
gehens finden.  In  der  ältesten  Novelle  zur  Lex  Salica,  die 
sicher  noch  dem  6.  Jh.  angehört  (bei  Hesseis  p.  406; 
Behrend  C  1,  5)  heisst  es:  'Si  quis  mulier,  qui  cum  servo  suo 
in  coniugio  copulaverit,  omnes  res  suas  fiscus  adquirat  et 
illa  aspellis  faciat.  Si  quis  de  parentibus  eum  (l.  eam) 
occiderit,  nullus  mortem  illius  nee  parentes  nee  fiscus  nulla- 
tenus  requiretur.  Servus  ille  pessima  cruciatu  ponatur,  h.  e. 
in  rota  mittatur.  Et  vero  muliere  ipsius  (/.  ipsi)  de  paren- 
tibus aut  quaelibet  panem  aut  hospitalem  dederit,  sol. 
XV  culp.  iud.'.  Hier  wird,  wie  der  entstellte  Text  doch 
deutlich  erkennen  lässt,  die  Frau,  die  sich  dem  eigenen 
Knecht  verbindet ,  mit  Friedlosigkeit  bedroht.  Busslos 
kann  sie  getötet  werden.  Wer  von  ihrer  Sippe  oder  wer 
sonst  sie  beherbergt  und  speist,  hat  15  Schillinge  zu  büssen. 
Den  Knecht  aber  trifft  grausame  Todesstrafe. 

Der  Umstand,  dass  diese  Bestimmung  sich  im 
ältesten  Texte  noch  nicht  findet,  könnte  die  Vermu- 
thung   nahe    legen,    dass    sie    erst    unter    Einwirkung    des 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  38 


592  Karl  Zeumer. 

römisch-gothischen  Rechtes  aufgezeiclinet  sei.  Die  Möglich- 
keit ist  nicht  zu  läugnen ;  dass  aber  die  Bestimmung  selbst 
altfränkisches,  germanisches  Recht  enthält,  geht  wohl  deut- 
lich aus  der  hier  als  unmittelbare  Strafe  angewandten  Fried- 
losigkeit  hervor.  Die  Friedlosigkeit,  die  bei  den  Franken 
in  jener  Zeit  regelmässig  nur  als  letztes  prozessuales  Zwangs- 
mittel benutzt  wurde,  dagegen  als  unmittelbare  Strafe  für 
Vergehen  fast  ganz  ausser  Uebung  gekommen  war,  würde 
hier  sicher  nicht  als  Strafe  gewählt  sein,  wenn  erst  damals 
das  Vergehen  unter  Strafe  gestellt  wäre. 


III,  2,  3.  —  In  dieser  Antiqua  finden  wir  eine  starke 
Mischung  germanischen  und  römischen  Rechts.  Es  wird 
bestimmt,  dass  das  freie  Weib,  welches  sich  ehelich  oder 
ausserehelich  mit  einem  fremden  Knechte  verbindet,  dem 
Herrn  desselben  verknechtet  werden  soll.  Diese  Folge  soll 
aber  nicht  ohne  weiteres  stattfinden,  sondern  subsidiär 
nach  erfolglosen  andern  Maassregeln.  Zunächst  soll  der 
Richter  die  Trennung  des  Paares  befehlen  und  seinem  Be- 
fehl mit  je  100  Geisseihieben  bei  jedem  der  beiden  Nach- 
druck verleihen.  Dreimal  soll  nöthigenfalls  diese  barba- 
rische Prozedur  wiederholt  werden ;  wenn  das  Paar  dann 
noch  nicht  von  einander  lässt,  soll  die  Frau  in  die 
Gewalt  ihrer  Sippe  gegeben  werden,  und  erst  wenn  diese 
sie  wieder  freigiebt,  soll  sie  dem  Herrn  ihres  Mannes  ver- 
knechtet werden.  Die  mit  dem  Manne  erzeugten  Kinder 
folgen  dem  Stande  des  Vaters;  das  Vermögen  der  Frau 
nehmen  ihre  Verwandten. 

Ich  habe  im  allgemeinen  Theil  (N.  A.  XXIII,  S.  455  f.) 
gezeigt,  wie  diese  Bestimmungen  sich  sachlich  und  wörtlich 
zum  Theil  an  ältere  römische  Quellen  und  zwar  an  solche, 
die  nicht  in  die  westgothische  Lex  Romana  aufgenommen 
sind,  anschliessen  ^.  Die  dreimalige  Mahnung,  die  trina 
contestatio  oder  denuntiatio  der  römischen  Vorlage  ist  in 
der  folgenden  Antiqua  III,  2,  4  für  einen  analogen  Fall  rein 
aus  der  römischen  Quelle  übernommen,  hier  aber  aus  einer 
Mahnung  durch  den  Herrn  des  Mannes  zu  einem  richter- 
lichen Befehl  geworden  und  mit  der  bei  den  Westgothen 
so  überreichlich  angewandten  Prügelstrafe  ausgestattet. 
Die  Verknechtung  an  den  Herrn  des  Mannes  und  die  Be- 
stimmung über  die  Kinder  sind  ebenfalls  der  römischen 
Quelle  entnommen.  Dagegen  haben  wir  in  der  Ueber- 
lieferung  der  Frau  in  die  Gewalt  ihrer  Sippe  unzweifelhaft 

1)  Die  in  Betracht  kommenden  römischen  Quellen  sind:  Paulus 
Sent.  n,  21A;   Cod.  Theod.  IV,  11,  4.  6;  Nov.  Valent.  lU.  30,  §  6. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  IH,  2,  3.        593 

eine  altgothische,  germanische  Einrichtung  zu  erblicken. 
Durch  ihre  Hingabe  an  den  Unfreien  hatte  die  Frau  die 
Ehre  ihrer  Familie,  ihrer  Sippe  verletzt  und  war  deren 
Strafgewalt  verfallen.  Die  Sippe  hatte  das  Eecht,  die  Ehr- 
vergessene zu  strafen,  und  zwar  war  die  regelmässige  Strafe 
ursprünglich  die  Todesstrafe.  Erst  wenn  die  Sippe  die 
Strafe  nicht  vollzog,  trat  ergänzend  die  öffentliche  Strafe 
ein.  Mit  voller  Deutlichkeit  zeigt  dasselbe  Verhältnis  sich  in 
der  Lex  Burgundionum  und  im  Edict  Rotharis.  Die  be- 
züglichen Stellen  setzen  die  Bestimmung  der  Antiqua  erst 
in  das  richtige  Licht. 

Lex  Burg.  35,  2.  3 :  'Si  vero  ingenua  puella  voluntaria 
se  servo  coniuncxerit,  utrumque  iubemus  occidi.  Quod  si 
parentes  puellae  parentem  suam  punire  fortasse  noluerint, 
puella  libertate  careat   et  in  servitutem  regiam  redigatur'. 

Ed.  Roth.  c.  221:  'Si  servus  liberam  mulierem  aut 
puellam  ausus  fuerit  sibi  in  coniugium  sociare  animae  suae 
incurrat  periculum  et  illa,  qui  servum  fuerit  consentiens, 
habeant  parentes  potestatem  eam  occidendi  aut  foris  pro- 
vincia  transvindendi ;  et  de  res  ipsius  mulieris  faciende  quod 
voluerint.  Et  si  parentes  eins  hoc  facere  distulerint,  tunc 
liciat  gastaldium  regis  aut  sculdhais  ipsam  in  curte  regis 
et  in  pisele  inter  ancillas  statuere'. 

Ergänzen  und  erklären  diese  Bestimmungen  einerseits 
die  Antiqua,  so  weichen  beide  in  einem  wichtigen  Punkte 
von  ihr  ab.  Macht  die  Sippe  von  ihrer  Strafgewalt  keinen 
Gebrauch,  so  wird  nach  jenen  Rechten  die  Frau  dem  Könige 
verknechtet,  während  sie  nach  der  Antiqua  die  Sklavin 
des  Herrn  ihres  Mannes  wird.  Es  ist  zu  vermuthen,  dass 
das  westgothische  Recht  ursprünglich  mit  dem  burgundi- 
schen  ^  und  dem  langobardischen  übereinstimmte ,  dann 
aber  vielleicht  bei  der  Revision  Leovigilds  unter  dem  Ein- 
fluss  des  römischen  Rechtes  diesem  entsprechend  geändert  ist. 

Stimmt  so  die  Antiqua  in  einigen  Punkten  mit  dem 
römischen  Rechte  überein,  in  anderen  mit  dem  burgundi- 
schen  und  langobardischen,  so  weicht  sie  in  einem  Punkte 
sowohl  von  diesen  germanischeu  Rechten  als  vom  römi- 
schen ab.  Sie  ordnet  schliesslich  an,  dass  mit  dem  freien 
Manne,  der  sich  mit  einer  Unfreien  verbindet,  in  gleicher 
Weise  verfahren  werden  soll  wie  gegen  die  freie  Frau,  die 
einen  Sklaven  zum  Manne  nimmt.     In  wie  weit  dieses  Ver- 


1)  Die  "Wendung  'libertate  careat'  entspricht  dem  Sprachgebrauche 
der  Lex  Visig.  Vielleicht  ist  die  Bestimmung  dem  Codex  Euricianus  ent- 
nommen. 

38* 


594  Karl  Zeumer. 

fahren  gegen  freie  Männer  im  Einzelnen  anwendbar  war, 
mag  dahin  gestellt  bleiben:  jedenfalls  sollte  der  freie  Mann 
im  äussersten  Falle  dem  Herrn  seiner  unfreien  Frau  ver- 
knechtet werden.  In  diesem  Satze  aber  stimmt  die  Antiqua 
mit  der  Lex  Salica  überein,  welche  in  25,  5  bestimmt:  'Si 
vero  ingenuus  ancilla  aliena  publice  se  iunxerit,  cum  ea 
in  Servitute  permaneat'  ^.  Auch  hier  haben  wir  es  also 
wohl  mit  germanischem,  gothischem  Rechte  zu  thun.  Der 
Eechtssatz,  dass  der  freie  Mann  durch  die  Verheirathung 
mit  einer  unfreien  Frau  unfrei  wird,  findet  sich  ja  noch 
im  Mittelalter  mancher  Orten  in  Deutschland  und  Frank- 
reich, wenn  auch  nicht  in  der  Allgemeinheit  wie  man  nach 
dem  bekannten  Rechtssprichwort:  'Trittst  du  mein  Huhn, 
so  bist  du  mein  Hahn',  annehmen  sollte'-. 


I 


III,  2,  4.  —  Dieses  Gesetz  regelt  die  Verbindung  frei- 
gelassener Frauen  mit  Knechten  im  Anschluss  an  römische 
Quellen,  die  bereits  früher,  N.  A.  XXIIl,  S.  455,  nachge- 
vriesen  sind.  

III,  2,  5.  —  Handelt  von  der  Zugehörigkeit  der  Kin- 
der  aus  Verbindungen  zwischen  unfreien  verschiedener 
Herren.     Quellen  sind  nicht  nachweisbar. 


III,  2,  6.  —  Diese  Antiqua  verbietet,  dass  eine  Frau, 
deren  Mann  verschollen  ist,  sich  wieder  verheirathet,  bevor 
sie  sich  aus  sicheren  Anzeichen  von  seinem  Tode  über- 
zeugt hat.  Dieselbe  Sorge  liegt  auch  demjenigen  ob,  der 
sie  heirathen  will.  Heirathen  sie  sich,  ohne  sich  die  Sicher- 
heit vom  Tode  des  ersten  Mannes  verschafft  zu  haben,  und 
kehrt  dieser  zurück,  so  werden  beide  ihm  verknechtet, 
d.  h.  sie  erleiden  die  Strafe  des  Ehebruchs,  welche  nach 
Westgothenrecht  in  derüeberlieferung  des  schuldigen  Paares 
an  den  beleidigten  Gatten  besteht;  vgl.  III,  4,  1.  3.  12. 

Diese  Bestimmungen  sind  unzweifelhaft  dem  römi- 
schen Rechte  entlehnt.  Sie  stimmen  so  ziemlich  überein 
mit  denjenigen,  die  Justinian  in  Novelle  117,  c.  1 1  (=  Julian 
108,  c.  10)  für  die  Soldatenfrau  trifft.  Diese  soll,  wenn  ihr 
Mann    im  Kriegsdienste    längere    Zeit    abwesend   ist,    sich 


1)  Der  ursprüngliche  Satz  von  der  Verknechtung  der  freien  Frau 
eines  Unfreien,  wie  ihn  die  westgothische  Quelle  in  Uebereinstimmung 
mit  dem  römischen  Rechte  bietet,  findet  sich  ebenfalls  in  der  Lex  Salica 
und  zwar  einmal  im  unmittelbaren  Anschluss  an  den  oben  angeführten 
Satz  in  einer  Hs.  (Codex  1)  und  ausserdem  in  18,  8.  2)  Siehe  R.  Schrö- 
der, D.  R(j.  3.  Aufl.  S.  458;  Warnkönig,  Flandr.  Staats-  u.  RG.  III,  S.  18  f. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III,  —  L.  Vis,  III,  2,  3  —  6.      595 

nicht  anderweit  verheirathen,  bevor  sie  sich  durch  ein 
amtliches  Zeugnis  volle  Gewissheit  vom  Tode  ihres  Mannes 
verschafft  hat,  Verheirathet  sie  sich  ohne  ein  solches  Zeug- 
nis erlangt  zu  haben,  so  trifft  sie  und  den,  der  sie  heirathet, 
die  Strafe  des  Ehebruchs ;  Auth, :  'et  ipsa  et  qui  ducit 
eam  uxorem  velut  adulteri  puniantur' ;  und  fast  ebenso 
lautet   die  Stelle  bei  Julian. 

Dürfen  wir  nun  mit  London  S.  51  annehmen,  dass 
diese  Novellenstelle  in  unserer  Antiqua  benutzt  sei?  Ich 
glaube  nicht.  Vielmehr  scheint  der  westgothische  Gesetz- 
geber sich  an  schon  früher  allgemein  geltende  römische 
Normen  angeschlossen  zu  haben,  denen  Justinian  in  jener 
Novelle  nur  besondere  Anwendung  auf  die  Soldaten- 
frau gab.  Er  schreibt  ihr  genau  vor,  in  welcher  Weise 
sie  sich  amtliche  Auskunft  und  damit  Gewissheit  über  den 
Tod  ihres  ersten  Mannes  verschaffen  soll ,  bevor  sie  zu 
einer  neuen  Ehe  schreitet.  Eine  solche  Vorschrift  war 
durchaus  sachgemäss,  weil  die  Militärbehörde  in  den  meisten 
Fällen  im  Stande  gewesen  sein  dürfte,  sichere  Auskunft 
zu  ertheilen.  Dagegen  war  bei  Männern,  welche  in  eigenen 
Geschäften,  etwa  aaf  Handelsreisen  abwesend  waren,  eine 
solche  allgemeine  Vorschrift,  in  welcher  Weise  der  Tod 
des  Abwesenden  festzustellen  sei,  nicht  möglich.  Dass  aber 
jede  Frau  vor  ihrer  Wiederverheirathung  sich  Gewissheit 
über  den  Tod  ihres  ersten  Mannes  verschaffen  sollte,  stand 
wohl  lange  vor  Justinian  fest.  Eine  in  die  Digesten  auf- 
genommene Stelle  Papinians,  Dig,  XL VIII,  5,  12,  §  12, 
spricht  deutlich  dafür.  Nach  ihr  soll  die  Frau,  welche  die 
Nachricht  erhält,  dass  ihr  abwesender  Mann  gestorben  sei, 
und  sich  von  neuem  vermählt,  straflos  sein,  auch  wenn  ihr 
Mann  zurückkehrt ;  vorausgesetzt,  dass  sie  im  guten  Glauben 
gehandelt  hat  und  wirklich  getäuscht  ist.  Hat  sie  die 
Nachricht  als  Vorwand  erdichtet,  so  trifft  sie  die  verdiente 
Strafe:  'vindicari  debet  pro  admissi  criminis  qualitate'. 
Das  kann  dem  ganzen  Zusammenhange  nach  kaum  etwas 
anderes  als  die  Ehebruchsstrafe  sein  ^.     Der  westgothische 

1)  Diese  Stelle  bezieht  sich  ebenso  wie  die  Novellenstelle  und  die 
Antiqua  auf  die  Wiederverheirathung  in  Folge  begründeter  Annahme  vom 
Tode  des  Abwesenden.  Andere  handeln  von  der  Wiederverheirathung 
der  Frau  in  Folge  stillschweigender  Aufgabe  der  Ehe  von  Seiten  des 
im  Kriegsdienste  abwesenden  Mannes,  Cod.  lust.  V,  17,  7  und  Nov.  22 
c.  14.  Wieder  andere  handeln  von  der  Wiederverheirathung  der  Frau 
in  Folge  von  Kriegsgefangenschaft  des  Mannes,  ein  Fall,  der  nach  be- 
sonderen Grundsätzen  behandelt  werden  musste  wegen  der  mit  der  Kriegs- 
gefangenschaft eintretenden  capitis  deminutio.  Ueber  diese  vgl.  Puchta, 
Institutionen  §  290  p  —  u,  wo  jedoch  irrthümlich  auch  Nov.  117,  c.  11  und 
Cod.  lust.  V,  17,  7  auf  Kriegsgefangenschaft  bezogen  sind. 


596  Karl  Zeumer. 

Gesetzgeber  konnte  also  den  von  ihm  angewandten  Grund- 
satz schon  dem  älteren  römischen  Rechte  entnehmen. 
Gegen  die  Benutzung  der  Novelle  spricht  auch  noch,  dass 
die  Antiqua  nicht  wie  jene  den  Kriegsdienst  als  Grund 
der  Abwesenheit  des  Mannes  bezeichnet. 


III,  2,  7.  —  Chindasvind  hat  dieses  Gesetz  höchst 
wahrscheinlich  in  Anlehnung  an  Justinians  Novelle  22,  c.  11 
(=  Julian  36,  c.  3)  erlassen.  Dort  wird  bestimmt,  dass  ein 
Herr,  der  in  böswilliger  Absicht  zulässt,  dass  eine  freie 
Person  eine  ihm  gehörige  unfreie  Person  im  Glauben,  dass 
sie  frei  sei,  heirathet,  sein  Recht  an  der  unfreien  Person 
verwirkt  haben,  und  die  beiden  Gatten  und  ihre  Kinder 
frei  sein  sollen.  Der  westgothische  Gesetzgeber  übernimmt 
diese  Bestimmung  nicht  ganz  unverändert.  Er  beschränkt 
sie  einerseits  auf  den  Fall,  dass  der  Herr  seinen  Knecht 
oder  seine  Magd  ausdrücklich  für  frei  ausgegeben  hat,  und 
erweitert  sie  andererseits,  indem  er  sie  auch  auf  die  Ehen 
der  Unfreien  mit  Freigelassenen  anwendet. 


III,  2,  8.  —  Antiqua.  Wenn  ein  Mädchen  zu  einem 
Manne  geht  um  seine  Frau  zu  werden,  so  soll  der  Mann 
zuvor  (prius),  d.  h.  bevor  mit  ihr  die  eheliche  Gemeinschaft 
beginnt,  mit  den  Eltern  verhandeln.  Stimmen  diese  zu, 
so  soll  er  den  rechtmässigen  Preis  (pretium)  zahlen ;  willigen 
sie  nicht  ein,  so  soll  das  Mädchen  in  der  Gewalt  der  Eltern 
bleiben  (in  parentum  potestate  consistat).  Wenn  aber  die 
Ehe  ohne  Wissen  und  Willen  der  Eltern  geschlossen  wird, 
und  die  Eltern  die  Tochter  nicht  nachträglich  wieder  zu 
Gnaden  aufnehmen  wollen  (si  eam  parentes  in  gratiam 
recipere  noluerint),  dann  soll  die  Tochter  ihr  Erbrecht  am 
elterlichen  Gut  verlieren. 

Dieselbe  Folge,  Verlust  des  Erbrechtes  am  Elterngute, 
fanden  wir  in  III,  1,  8  ausgesprochen  für  das  Mädchen, 
welches  nach  der  Eltern  Tode  unter  willkürlicher  Beiseite- 
setzung der  Verlobungsgewalt  ihrer  Brüder  sich  eigen- 
mächtig verheirathet,  und  ebenso  wird  damit  auch  in  III,  4,  7 
(Antiqua)  die  freie  Frau  bedroht,  die  als  Mädchen  oder 
Wittwe  sich  einem  Manne  ausser  der  Ehe  hingegeben  hat. 
Auch  der  nachfolgende  Eheschluss  unter  nachträglicher 
Genehmigung  der  Eltern  ändert  darin  nichts. 

Diese  Bestimmungen  ruhen  auf  der  gemeinsamen 
Grundlage  einer  Rechtsanschauung,  nach  welcher  die  Preis- 
gabe der  weiblichen  Ehre  —  und  als  solche  galt  auch  die 
Eingehung  einer  Ehe  ohne  Genehmigung  der  gesetzlichen 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  HI.—  L.Vis.  HI,  2,  6—8.        597 

Verlober  —  den  Verlust  des  Erbrechtes  am  Elterngnt 
nach  sich  zog.  Woher,  fragt  es  sich,  hat  der  Gesetzgeber 
diese  ßechtsanschaunng  empfangen?  Entstammt  sie  dem 
römischen  oder  dem  gothischen  Rechte? 

London  führt  als  Quellen  an:  Br(eviarium)  C.  Th.  de 
raptu  virg.  et  vid.  IX,  29  (lies:  19),  1.  1  aut  verisimilius 
Lex  Burg.  XII,  c.  5.  Die  Zweifel,  die  London  selbst  gegen 
die  Vermuthung,  dass  jene  Stelle  des  Codex  Theodosia- 
nus,  die  Quelle  sei,  ausdrückt,  sind  vollauf  berechtigt. 
Jene  Stelle  handelt  vom  raptus.  Der  Frauenräuber  wird 
mit  der  Todesstrafe  bedroht,  ebenso  die  Entführte,  wenn 
sie  einverstanden  war.  Wenn  sie  zwar  nicht  einverstanden 
war,  aber  doch  die  Entführung  geschehen  liess,  ohne  zu 
versuchen  sie  durch  Hülfegeschrei  und  alle  anderen  mög- 
lichen Mittel  zu  verhindern,  so  sollte  sie  das  Erbrecht 
gegen  ihre  Eltern  verlieren:  'eis  parentum  negari  succes- 
sionem  praecipimus'.  Von  dieser  singulären  Bestimmung 
in  Bezug  auf  den  Frauenraub  kann  jener  allgemeine  im 
westgothischen  Rechte  an  verschiedenen  Stellen  zum  Aus- 
druck gebrachte  Grundsatz  um  so  weniger  hergeleitet  sein, 
als  dieser  hier  gerade  beim  Frauenraube  niemals  Anwen- 
dung findet. 

Ebensowenig  kann  von  der  Herleitung  aus  der  Lex 
Burgundionum  die  Rede  sein.  An  der  angegebenen  Stelle 
12,  5  wird  allerdings  derselbe  Grundsatz  angewendet.  Es 
heisst:  'Romana  vero  puella,  si  sine  parentum  suorum  volun- 
tate  aut  conscientia  se  Burgundionis  coniugio  sociaverit, 
nihil  se  de  parentum  facultate  noverit  habituram'.  Es 
könnte  den  Anschein  haben,  als  sollte  diese  Folge  nur 
das  römische  Mädchen  treffen.  Doch  dürfte  der  Sinn  der 
Stelle  vielmehr  der  sein,  dass  auch  die  Römerin  dieser  für 
burgundische  Frauen  selbstverständlichen  Folge  einer  eigen- 
mächtigen Verlobung  mit  einem  Burgunder  unterliegen 
soll.  Nehme  ich  so  freilich  an,  dass  der  Satz  dem  bur- 
gundischen  Rechte  bekannt  war,  so  macht  doch  die  frag- 
mentarische Form,  in  welcher  er  in  ihm  zum  Ausdruck 
kommt,  es  noch  unwahrscheinlicher,  dass  der  westgothische 
Gesetzgeber  aus  jener  Stelle  geschöpft  habe,  als  das  nach 
dem  Verhältnis  der  Lex  Gundobada  zur  westgothischen 
Gesetzgebung,  wie  wir  es  überhaupt  annehmen  müssen, 
ohnehin  schon  ist. 

Dass  es  sich  hier  um  einen  germanischen  Rechtssatz 
handelt,  den  der  westgothische  Gesetzgeber  dem  germani- 
schen Rechte  der  Gothen  entnahm,  zeigt  die  Ueberein- 
stimmmig  mit  andern  germanischen  Rechten,  vor  allen  dem 


598  Karl  Zeumer. 

nordischen  Rechte.  Wilda  führt  in  seinem  Strafrecht  der 
Germanen  »S.  801  auf  Grnnd  nordischer  Quellen  folgendes 
aus:  'Im  Norden  konnten  Witt  wen,  ja  selbst  Mädchen  .  .  . 
sich  selbst  berathen.  Ein  Weib,  welches  ohne  die  erfor- 
derliche Zustimmung  ihrer  Freunde  zu  einem  Manne  gieng 
um  mit  ihm  in  ehelicher  Gemeinschaft  zu  leben,  verwirkte 
dadurch  . . .  alle  auf  Familienrecht  gegründete  Erbansprüche; 
sie  wurde  ein  Gnadenweib  (miskuna  kuna  im  Uplandsgesetze) 
ihrer  Freunde,  in  deren  Willkür  es  stand,  ob  sie  ihr  ver- 
zeihen und  etwas  .  .  .  aus  dem  Gute  zukommen  lassen 
wollten';  ferner  S.  811:  'Da  schon  eine  Frau,  die  sich 
ohne  Zustimmung  ihres  Mundwaltes  einem  Manne  vermählt 
hatte,  sich  ihres  Antheiles  am  Familiengute  verlustig  ge- 
macht hatte,  so  war  dies  um  so  mehr  bei  einer,  die  ihre 
weibliche  Ehre  preisgegeben,  der  Fall'.  Auch  K.  Lehmann, 
Verlobung  und  Hochzeit  nach  den  nordgermanischen 
Rechten  S.  47,  N.  1  bemerkt,  dass  das  ältere  isländische 
Recht  'den  Verlust  des  Erbrechtes  wenigstens  an  schwere 
Unzucht  knüpfte'. 

Die  Uebereinstimmung  mit  dem  Westgothenrechte 
liegt  auf  der  Hand.  Sogar  einen  Anklang  an  die  Be- 
zeichnung 'Gnadenweib'  kann  man  in  L.  Vis.  III,  2,  8 
finden:  'si  eam  in  gratiam  recipere  noluerint'. 

Schon  Kraut,  Vormundschaft  I,  S.  320  fp.,  hat  bemerkt, 
dass  die  Bestimmung,  welche  König  Liutprand  c.  5  ge- 
troffen hat:  'Si  filiae  aut  sorores  contra  voluntatem  patris 
aut  fratris  egerint',  auf  Verheirathung  ohne  Einwilligung 
des  Vormundes  zu  beziehen  ist.  Die  Folge  ist  auch  hier: 
Verlust  ihres  Erbes.  Auf  demselben  Grundsatze  beruht  es 
wohl  auch,  wenn  Liutprand  c.  119  den  Verlust  ihres  Erb- 
theiles  auch  für  die  Braut,  welche  ihr  Verlöbnis  bricht, 
verfügt.  Deutlich  spricht  sich  die  Lex  Angliorum  et 
Werinorum  aus  c.  47 :  'Si  libera  femina  sine  volun- 
tate  patris  aut  tutoris  cuilibet  nupserit,  perdat  omnem 
substantiam,  quam  habuit  vel  habere  debuit'.  In  dieser 
besonderen  Anwendung  auf  eigenmächtige  Verheirathung 
ohne  oder  gegen  den  Willen  des  Mundwalts  findet  sich 
der  Satz  in  zahlreichen  deutschen  Rechtsquellen  des  Mittel- 
alters. Ausser  den  Stellen,  welche  Kraut  a.  a.  0.,  Laband, 
Vermögensrechtliche  Klagen  S.  378,  anführen,  sind  noch 
hervorzuheben  Frensdorff ,  Dortmunder  Statuten  und  Urtheile 
S.  76  ;  Braunschweigisches  Stadtrechtsprivileg  (saec  13),  c.  34 
(Hänselmann,  Urkundenbuch  d.  Stadt  Br.  I,  S.  6). 

Manche  dieser  Stellen  sind  so  gefasst,  dass  man 
ausser  den  Fällen,  wo  es  sich  um  Eheschliessungen  handelt, 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  IH,  2,  8.        599 

auch  einfache  Unzucht  als  ebenfalls  mit  der  Erbrechts- 
entziehung bedroht  ansehen  kann;  doch  wird  das  hier 
nirgend  mit  voller  Klarheit  ausgesprochen.  Längst  aber  hat 
man  mit  Recht  aus  der  bekannten  Stelle  des  Sachsen- 
spiegels I,  5,  2  geschlossen,  dass  wie  bei  Westgothen,  Bur- 
gundern und  Nordgermanen  auch  nach  im  Mittelalter 
irgendwo  geltendem  Rechte  Unzucht  des  Weibes  den  Ver- 
lust des  Erbrechtes  zur  Folge  hatte.  Denn  wenn  Eike 
von  Repgow  an  jener  Stelle  sagt:  'Wif  mach  mit  un- 
kuschheit  irs  lives  ire  wifliken  ere  krenken ;  ire  recht 
ne  verlüset  se  darmede  noch  ir  erve',  so  lässt  der  Nach- 
druck, mit  dem  dieser  negative  Satz  hingestellt  wird, 
darauf  schliessen,  dass  eine  entgegengesetzte  Ansicht  be- 
stritten werden  soll. 

Stillschweigenden  Widerspruch  gegen  den  Satz  Eikes 
von  Repgow  übte  der  Bearbeiter  des  Deutschenspiegel, 
indem  er  ihn  fortliess.  Der  Verfasser  des  sog.  Schwaben- 
spiegels nahm  ihn  wieder  auf  (ed.  Gengier  c.  16,  §  14),  aber 
nur  in  der  Beschränkung  auf  Mädchen  über  25  Jahre,  die 
er  aus  einer  missverstandenen  Bestimmung  in  Justinians 
Novelle  115,  c.  3,  §  11  ableitetet  Ein  ausdrückliches  Zeug- 
nis dafür,  dass  im  Gebiete  des  schwäbischen  Rechtes  früher 
entsprechend  dem  gothischen  und  nordischen  Rechte  der 
Satz  galt,  dass  der  Verlust  der  weiblichen  Ehre  den  des 
Erbrechtes  am  Elterngute  nach  sich  ziehe,  ist  bisher  über- 
sehen. Es  findet  sich  in  einem  Aktenstück  des  11.  Jhs., 
welches  Ortlieb  von  Zwiefalten  in  seiner  Chronik  mittheilt, 
Mon.  Germ.  SS.  X,  p.  74.  Es  fordert  dort  eine  Frau, 
die  ihrem  Manne  untreu  geworden  ist,  vor  Gericht  ihr 
väterliches  Erbe.  Ihre  Klage  wird  aber  abgewiesen,  weil  sie 
ihre  Keuschheit  und  damit  ihr  Erbrecht  verloren  habe : 
'predium  .  .  .  quasi  iniuste  sibi  ablatum  .  .  .  repetiit ;  set 
quia  legalia  iura  propter  turpem  abiectionem  mariti  per- 
didit,  contradicentibus  legisperitis  (die  Urtheiler  sind  ge- 
meint) minime  recepit:  quippe  quae  maritalem  castitatem 
amisit  etiam  iura  hereditaria  perdidit'.  Dieser  Satz  liefert 
die  beste  Illustration  zu  jener  Sachsenspiegelstelle.  Der 
von  den  schwäbischen  Urtheilsfindern  im  11.  Jh.  ange- 
wandte Grundsatz  ist  derselbe,  den  wir  im  alten  West- 
gothenrechte  antrafen  und  der  also  wohl  gemeingermani- 
schen Ursprungs  ist. 

1)  Aus  dem  Schwabenspiegel  ist  der  Satz  in  derselben  Beschränkung 
dann  wieder  in  andere  Quellen  übergegangen  z.  B.  in  das  Stadtrecht  von 
Brunn,  Rössler,  Rechtsdenkmäler  II,  S.  402;  vgl.  R.  Schröder,  Z.  f.  RG. 
Vn,  S.  131  ff. 


600  Karl  Zeumer. 

Titel  3  trägt  die  TJeberschrift :  'De  raptu  virginum 
vel  viduarum',  welche  dem  Codex  Theodosianus  IX,  24 
buchstäblich  entlehnt  ist.  Von  den  12  Capiteln  des  Titels, 
welche  vom  Frauenraub  und  verwandten  Verbrechen  han- 
deln, sind  die  eine  Hälfte  Antiquae,  während  die  andere 
Hälfte  sich  zu  gleichen  Theilen  auf  Chindasvind  und 
Reccessvind  vertheilt.  Eömischer  Einfluss  und  besonders 
solcher  justinianischen  Eechts  macht  sich  im  ganzen  Titel 
stark  geltend  sowohl  in  Hinsicht  der  Auffassung  des  raptus 
als  auch  der  Strafen. 

III,  3,  1.  —  Antiqua.  Wer  ein  Mädchen  oder  eine 
Wittwe  raubt,  soll,  wenn  diese  unbeschadet  ihrer  Ehre 
zurückkehrt,  die  Hälfte  seines  Vermögens  an  sie  verlieren. 
Hat  er  das  Beilager  mit  ihr  vollzogen,  so  soll  er  keines- 
falls die  Ehe  mit  der  Geraubten  unter  Zahlung  einer 
Busse  verlangen  können.  Denn  so  sind  die  Worte  zu  ver- 
stehen :  'in  coniugium  puelle  vel  vidue  mulieris,  quam 
rapuerat,  per  nullam  conpositionem  iungatur'.  Es  soll 
nicht  etwa  die  Entführung  ein  Ehehindernis  bilden.  Die 
Eltern  der  Geraubten,  oder  diese  selbst,  wenn  sie  selb- 
mündig,  können  mit  dem  Räuber  nachträglich  eine  Ehe 
vereinbaren,  wie  das  die  Antiqua  III,  3,  7  ausdrücklich 
bezeugt  ^.  Dieser  soll  nur  nicht  das  Recht  haben,  auf  Grund 
einer  Busszahlung  die  Ehe  zu  verlangen.  Mit  dieser  Be- 
stimmung verlässt  der  Gesetzgeber  ausdrücklich  den  Stand- 
punkt derjenigen  germanischen  Volksrechte,  welche  die 
ehebegründende  Kraft  des  Erauenraubes  insofern  aner- 
kennen, als  sie  dem  Räuber  das  Recht  geben,  die  Geraubte 
gegen  nachträgliche  Zahlung  des  Kaufpreises  und  einer 
Busse  zur  Ehe  zu  behalten  ^. 

Dass  auch  das  westgothische  Recht  früher  diesen 
Standpunkt  einnahm,  ist  schon  wegen  der  nachdrücklichen 
Zurückweisung  jenes  Anspruches  wahrscheinlich.  Ausser- 
dem macht  sich  eine  gewisse  üebereinstimmung  unserer 
Lex  mit  dem  vom  raptus  handelnden  Artikel  der  Lex 
Burgundionum  geltend,  welche  vermuthen  lässt,  dass  an  Stelle 
unserer  Antiqua  im  Codex  Euricianus  ein  anderes  Gesetz 
stand,  welches  die  Vorlage  der  burgundischen  Bestimmungen 
war  und  diesen  auch  im  Uebrigen  mehr  glich  als  die  uns 
erhaltene  Antiqua.  Gundobad  unterscheidet  wie  diese  den 
Fall,  dass  die  Geraubte  unversehrt  zu  ihren  Eltern  zurück- 
kehrt, und  den,  dass  dies  nicht  geschieht,  der  Räuber  also 


1)  Anders  H.  Colberg,  Das  Ehehindemis  der  Entführung   S.  21  ff. 
2)    Siehe  ßrunner,  D.  RG-.  I,  S.  72  f. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  HI.  —  L.  Vis.  III,  3,  1.         601 

die  von  ihm  beabsichtigte  Geschlechtsgemeinschaft  mit  ihr 
begonnen  hat.  Die  Lex  Burg,  kennt  nicht  nur  für  den 
ersten  Fall,  sondern  auch  für  den  zweiten  in  erster  Linie 
nur  eine  Geldbusse  des  mehrfachen  pretium,  die  nur,  wenn 
der  Schuldige  nicht  zahlen  kann,  durch  Uebergabe  seiner 
Person  in  die  Gewalt  der  Eltern  der  Geraubten  ersetzt 
wird.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  sollte  dagegen  im 
Falle  der  Zahlung  die  bereits  begonnene  Geschlechtsgemein- 
schaft als  Ehe  fortbestehen.  Eine  entsprechende  Bestim- 
mung dürfte  für  den  zweiten  Fall  auch  Eurich  getroffen 
haben.  Diese  ist  dann  vermuthlich  bei  Leovigilds  Revision 
zum  Theil  im  Anschluss  an  justinianisches  Recht  abgeändert 
worden.  Das  ältere  römische  Recht  kannte  für  den  Frauen- 
raub die  Todesstrafe ;  Justinian  fügte  für  den  Raub  freier 
Frauen  und  Mädchen  hinzu  den  Verlust  des  gesammten 
Vermögens  an  die  Geraubte;  Cod.  lust.  IX,  13,  1,  f.: 
'omnes  res  .  .  .  raptorum  ...  ad  dominium  raptarum  mu- 
lierum  .  .  .  transferantur'  ^.  Diese  Hingabe  des  ganzen 
Vermögens  an  die  Geraubte  hat  unsere  Antiqua  übernommen, 
und  dafür,  dass  gerade  Justinians  Gesetz  IX,  13,  1  die 
Quelle  ist,  spricht  noch  ein  wörtlicher  Anklang.  Da  es 
sich  um  den  Raub  von  Jungfrauen  oder  Frauen  handelt, 
so  gebraucht  Justinian  unterscheidend  von  der  weiblichen 
Ehre,  deren  Verletzung  zum  römischen  Begriff  des  raptus 
gehört,  die  Ausdrücke:  virginitas  vel  castitas.  Ebenso 
unterscheidet  die  Antiqua  und  spricht  mit  denselben  Aus- 
drücken von  Verlust  der  integritas  virginitatis  seu  casti- 
tatis.  Die  Normierung  der  Vermögensbusse  für  den  leich- 
teren Fall  auf  die  Hälfte  des  Vermögens  dürfte  dann 
gleichzeitig  an  die  Stelle  einer  anderen  älteren  gesetzt 
sein.  Wahrscheinlich  aus  dem  älteren  Gesetze  Eurichs 
übernommen  ist  die  Strafe  der  Ueberlieferung  des  Schul- 
digen an  die  Geschädigte   oder  deren  Eltern.     Doch  trifft 


1)  Vgl.  Rein,  Criminalrecht  der  Römer  S.  392.  Dass  Justinian 
diese  Vermögensbusse  erst  eingeführt  hat,  ist  anzunehmen,  weil  vorher 
in  den  Quellen  des  römischen  Rechts  von  einer  solchen  keine  Spur  vor- 
handen ist.  Weder  der  Codex  Theodosianus  noch  das  Edictum  Theoderici 
noch  die  Lex  Romana  Burgundionum  kennen  sie.  Auch  die  Institutionen 
•Justinians  kennen  IV,  18,  8  nur  die  peinliche  Strafe,  verweisen  aber  wegen 
des  Genaueren  auf  jenes  Gesetz.  Dieses  war  nur  -I  Tage  vor  Publication 
der  Institutionen  erlassen,  woher  es  sich  erklärt,  dass  zwar  auf  das  Gesetz 
verwiesen  wird,  dass  es  aber  im  Texte  selbst  nicht  berücksichtigt  ist. 
Auch  der  Umstand,  dass  der  Misbrauch,  der  mit  der  Forderung  der  Ver- 
mögensbusse getrieben  wurde,  Justinian  selbst  zu  einer  authentischen 
Interpretation  der  Bestimmung  in  Novelle  143  Anlass  gab,  spricht  dafür, 
dass  es  sich  um  eine  noch  nicht  eingewurzelte  Einrichtung  handelte. 


602  .  Karl  Zeumer. 

sie  jenen  jetzt  in  allen  Fällen,  während  sie  früher  wohl 
nur  wie  in  der  Lex  Burgundionum  eintrat,  wenn  die  Busse 
nicht  gezahlt  werden  konnte.  Die  Aimahme  eines  älteren 
abweichenden  Gesetzes  über  dieselbe  Sache  und  die  Spuren 
der  justinianischen  Gesetzgebung  nöthigen  uns,  unsere  An- 
tiqua auf  Leovigild  zurückzuführen. 


III,  3,  2.  —  Nach  dieser  Antiqua  tritt  eine  Verschär- 
fung der  Strafe  ein,  wenn  die  Eltern  dem  Räuber  die  Ge- 
raubte mit  Gewalt  abnehmen,  ('Si  parentes  mulierem  vel 
puellam  raptam  excusserint',  in  der  Ueberschrift :  'Si  a 
potestate  raptoris  puellam  parentes  eripere  potuerint'). 
Die  gewaltsame  Zurückführung  setzt  wohl  voraus,  dass 
eine  gutwillige  Auslieferung  auf  Erfordern  der  Eltern  ver- 
weigert ist.  In  diesem  Falle  soll  der  Räuber  stets  den 
Eltern  übergeben  werden  und  zwar  nicht  zur  Knechtschaft, 
sondern  zur  beliebigen  Behandlung  und  Bestrafung.  Die 
folgende  Bestimmung,  welche  besagt,  dass,  wenn  die  Ge- 
raubte sich  mit  dem  Räuber,  dem  sie  gewaltsam  abge- 
nommen ist,  wieder  verbindet,  beide  dem  Tode  verfallen 
sein  sollen  (ambo  morti  tradantur)  zeigt  deutlich,  dass  bei 
der  üebergabe  des  Räubers  die  Tötung  nicht  nur  möglich 
war,  sondern  als  das  Regelmässige  vorausgesetzt  wurde. 
Die  Quelle  dieses  Gesetzes  ist  im  Cod.  Theod.  IX,  24,  1 
zu  suchen. 


III,  3,  3  wird  im  Anschluss  an  III,  3,  5  erörtert. 


III,  3,  4.  —  Auch  diese  Antiqua  enthält  Bestimmungen, 
die  auf  römischen  Einfluss  zurückzuführen  und  vielleicht  eben- 
falls in  Anlehnung  an  Cod.  Theod.  IX,  24,  1  entstanden 
sind.  Brüder,  welche  bei  Lebzeiten  ihres  Vaters  den  Raub 
ihrer  Schwester  begünstigen  oder  nach  dem  Tode  des 
Vaters  gegen  den  Willen  der  Schwester  diese  einem  Frauen- 
räuber in  die  Hände  spielen,  werden  mit  schweren  Strafen 
bedroht,  im  ersteren  Falle  mit  den  Strafen  des  Frauen- 
räubers mit  Ausnahme  der  Todesstrafe,  die  freilich  nicht 
in  III,  3,  1,  aber  in  III,  3,  2  diesem  angedroht  war  (ex- 
cepto  mortem  damnum,  quod  de  raptoribus  est  constitutum, 
excipiant).  Die  Strafbestimmungen  knüpfen  sonst  an  die 
von  III,  3,  1  an. 

Wegen  der  Bestrafung  anderer  Beihelfer  wird  auf  ein 
anderes  Gesetz  verwiesen:  'Sicut  est  in  alia  lege  consti- 
tutum'.   Da  sich  das  nur  auf  Reccessvinds  Gesetz  III,  3,  12 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  III,  3,  1—7.        603 

beziehen   kann,    dürften   wir   es   hier   mit   einem  redaktio- 
nellen Zusätze  der  Eeccessvindiana  zn  thun  haben. 


III,  3,  5 ;  cf.  III,  3,  3.  —  Die  vom  Eaube  der  Braut 
eines  andern  handelnde  Antiqua  III,  3,  5  hatte  wohl  schon 
eine  Vorgängerin  in  einer  Bestimmung  des  Codex  Euri- 
cianus,  von  der  sich  Spuren  in  der  Lex  Baiuvariorum 
erhalten  haben  ^.  Da  aber  die  Strafbestimmungen  im  Zu- 
sammenhange mit  denen  der  jüngeren  Antiqua  III,  3,  1 
stehen,  so  dürfen  wir  die  vorliegende  Fassung  erst  Leovi- 
gild  zuweisen. 

Reccessvind  hat  zu  diesem  Gesetze  in  III,  3,  3  eine 
Ergänzung  gegeben.  Er  bestimmt,  dass  die  Eltern  der 
sponsa,  wenn  der  Raub  mit  ihrer  Zustimmung  geschehen 
ist,  dem  geschädigten  Bräutigam  den  vierfachen  Betrag 
des  mit  ihm  bedungenen  pretium  zahlen  sollen.  Hierin 
haben  wir  eine  Uebertragung  der  römischen  poena  quadrupli 
der  vom  Bräutigam  gegebenen  sponsalia,  zu  welcher  die 
Braut  oder  die  Brauteltern,  durch  deren  Schuld  das  Ver- 
löbnis gelöst  wurde,  verpflichtet  waren,  auf  das  westgothi- 
sche  pretium.  Vgl.  Cod.  Theod.  III,  5,  11 ;  6,  1 ;  Cod.  lust. 
V,  1,  5  §  5  und  dazu  N.  1  in  Krügers  Ausgabe  im  Corpus 
iuris  civ.,  II.  p.   193. 

III,  3,  6.  —  Wie  III,  3,  1  so  scheint  sich  auch  diese 
Antiqua  an  Justinians  Gesetz  vom  Jahre  533,  Cod.  lust. 
IX,  13,  1  anzulehnen.  Die  Bestimmung:  'Si  quis  de  rapto- 
ribus  fuerit  occisus,  homicidium  non  teneatur',  kann  man 
als  kurze  Paraphrase  des  §  1  jenes  Gesetzes  ansehen.  Wenn 
die  That  als  straflos  begründet  wird  mit  den  Worten : 
'quod  pro  defendenda  castitate  commissum  est',  so  erinnert 
das  an  Paulus,  Sent.  V,  23,  8 :  'Qui  .  .  .  occiderit ,  puniri 
non  placuit;  alius  enim  vitam  alius  pudorem  publico  fa- 
cinore  defenderunt'. 


III,  3,  7.  —  Diese  letzte  Antiqua  des  Titels  bestimmt, 
dass  für  Klagen  wegen  raptus  die  allgemeine  Klagenverjäh- 
rungsfrist von  30  Jahren  (s.  X,  2,  3.  4)  gelten  soll.  Das 
war  nöthig,  weil  nach  römischem  Recht  die  Klage  wegen 
raptus  schon  in  5  Jahren  verjährte.  Wir  dürfen  diese 
Antiqua  geradezu  als  in  bewusstem  Gegensatz  zu  dem  be- 


1)  Vgl.  die  Anfangsworte  unserer  Antiqua:  'Si  alienam  sponsam 
quicumque  rapuerit'  mit  denen  von  Lex  Bai.  8,  16:  'Si  quis  sponsam  ali- 
cuius  rapuerit'. 


604  Karl  Zeumer. 

züglichen  römischen  Gesetz,  Cod.  Theod.  IX,  2-1,  3  (vgl. 
Ed.  Theod.  c.  20)  erlassen  ansehen.  Ausserdem  erkennt, 
wie  schon  oben  erwähnt,  unser  Gesetz  ausdrücklich  das 
Recht  des  beleidigten  Theiles  an,  sich  mit  dem  Räuber 
wegen  einer  Ehe  mit  der  Geraubten  zu  vereinigen. 


III,  3,  8.  9.  10.  —  Das  zweite  dieser  Gesetze  ist  von 
Reccessvind  erlassen  und  von  Ervig  stark  erweitert,  die 
beiden  anderen  sind  von  Chindasvind  erlassen.  Alle  drei 
enthalten  Straf bestimmungen  für  Unfreie,  welche  raptus 
begehen.    Quellen  oder  Vorbilder  sind  nicht  nachzuweisen. 


III,  3,  11.  —  In  diesem  Gesetze  hat  Chindasvind 
zwar  verschiedene,  aber  im  Zusammenhange  stehende  Ma- 
terialien verbunden.  Zunächst  werden  Strafen  festgesetzt 
für  die  'sollicitatores  adulterii  uxorum  vel  filiarum  aliena- 
rum',  also  für  die,  welche  fremde  Frauen  und  Töchter  zu 
verführen  suchen.  Nach  dem  Vorbilde  des  römischen 
Rechtes,  wie  es  in  der  Lex  Romana  Paul.  V,  4,  5  (cf.  Dig. 
XL VII,  11,  1)  vorlag,  wo  die  sollicitatores  nuptiarum  mit 
Strafe  extra  ordinem  bedroht  werden,  behandelte  Chinda- 
svind ebenfalls  diesen  Versuch  als  selbständiges  Verbrechen, 
welches  freilich  den  germanischen  Anschauungen  ent- 
sprechend dadurch  gesühnt  wird,  dass  die  Schuldigen  und 
ihre  Zwischenträger  den  beleidigten  Gatten  oder  Eltern 
zur  Rache  überliefert  werden.  Daran  schliesst  sich  ein 
Verbot  des  Ehezwangs  ohne  königlichen  Befehl.  Wer  ein 
Mädchen  (natürlich  ohne  als  Mundwalt  dazu  berechtigt  zu 
sein)  oder  eine  Wittwe  ohne  königlichen  Befehl  einem 
Manne  gegen  ihren  Willen  zur  Ehe  giebt,  soll  der  geschä- 
digten Person  5  Pfund  Gold  zahlen  und  die  Ehe  soll  gegen 
den  Willen  der  Frau  nicht  gültig  sein.  Die  hohe  Geld- 
strafe dürfte  in  Anlehnung  an  L.  Rom.  C.  Th.  III,  11,  1, 
festgesetzt  sein,  wo  dem  Beamten,  der  seine  Amtsgewalt  zur 
Ausübung  eines  Ehezwanges  misbraucht,  neben  anderen 
Strafen  die  Zahlung  von  10  Pfund  Gold  auferlegt  wird. 
Diese  Stelle  wie  L.  Rom.  Vis.  C.  Th.  III,  6,  1  und  III,  10,  1 
zeigen  uns,  in  welcher  Weise  solche  erzwungene  Ehen  zu 
stände  kamen.  Solcher  Art  sind  auch  die  von  Chindasvind 
in  unserem  Gesetze  und  ebenso  wohl  die  von  Reccared  in 
III,  5,  2  als  gewaltsam  (violenter)  geschlossen  bezeichneten 
Ehen,  keine  Raubehen  im  eigentlichen  Sinne,  wie  Dargun, 
Mutterrecht  und  Raubehe  S.  113  für  letztere  Stelle  an- 
nimmt. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb. m.  —  L. Vis.III  ,3,7—11.  III,  4.  605 

Dass  der  König  die  auf  Befehl  des  Königs  erzwun- 
genen Eheschliessungen  von  der  Strafe  ausnimmt,  ist  ein 
Ausfluss  des  von  den  Westgothenkönigen  wie  von  den 
Merowingern  in  Anspruch  genommenen  Rechtes,  über  die 
Hand  freier  Mädchen  und  Wittwen  unter  Umständen  zu 
verfügen.  Die  Annahme,  dass  die  germanischen  Könige 
und  insbesondere  die  Westgothen  in  Ausübung  dieses  Ehe- 
zwanges einem  Missbrauch  der  römischen  Imperatoren 
gefolgt  seien  ^,  scheint  mir  aus  den  von  Loening,  Gesch. 
d.  D.  Kirchenrechts  II,  S.  604,  ausgeführten  Gründen  be- 
denklich ^.  Es  scheint  dieses  Recht  von  den  Gothenkönigen 
erst  später,  vielleicht  nach  fränkischem  Vorbilde,  geübt  zu 
sein.  Die  Antiquae  der  ßeccessvindiana  enthalten  noch 
nichts  davon.  Der  Zusatz  zu  der  Antiqua  III ,  2 ,  1 ,  in 
welchem  dieses  Recht  vorbehalten  wird,  ist  erst  von  Ervig 
hinzugefügt  (s.  oben  S.  589) ;  es  kommt  in  der  weltlichen 
Gesetzgebung  überhaupt  zuerst  bei  Chindasvind  vor  und 
zwar  ausser  unserem  Gesetze  noch  in  III,  5,  1.  Auch  das 
entsprechende  Ehescheidungsrecht  des  Königs  tritt  zuerst 
bei  Chindasvind  III,  6,  2  hervor.  Freilich  kämpft  schon 
das  III.  Concil  von  Toledo  (a.  589)  in  c.  10  in  einer  Weise 
gegen  den  Ehezwang,  dass  man  annehmen  könnte,  die 
Könige  hätten  diesen  schon  damals  in  Anspruch  genommen ; 
dem  aber  steht  entgegen,  dass  ausdrücklich  die  Zustim- 
mung Königs  Reccared  zu  diesem  Beschlüsse  hervorgehoben 
wird,  der  König  also  ein  solches  Recht  sich  nicht  vorbe- 
hielt. Man  kann  das  als  Verzicht  auf  ein  früher  geübtes 
Recht  deuten.  Doch  ist  das  bedenklich  gegenüber  der 
doppelten  Thatsache,  dass  die  älteren  westgothischen  Ge- 
setze ein  solches  Recht  des  Herrschers  nicht  kennen,  die 
Lex  Romana  aber  C.  Th.  III,  10,  1  die  Uebung  eines  solchen 
Zwanges  als  blossen  Missbrauch  kennzeichnet  und  bekämpft. 
Wir  werden  deshalb  annehmen  müssen,  dass  das  Concil 
reine  Gewaltthaten  im  Auge  hatte,  die  nicht  durch  könig- 
lichen Befehl  gedeckt  waren. 


Titel  4  trägt  die  Ueberschrift :  'De  adulteriis'.  Das 
adulterium,  wie  es  uns  hier  entgegentritt,  deckt  sich  nicht 
mit  unserem  Begriff  des  Ehebruchs.  Es  umfasst  auch  die 
übrigen  Unzuchtfälle  mit  Ausschluss  des  raptus. 

III,  4,  1.  3 — 6.  —  Diese  im  Zusammenhange  zu  be- 
sprechenden Gesetze  sind  mit  Ausnahme  von  c.  6  Antiquae. 


1)    Vgl.   Dahn,   Könige  VI^  S.  494;   Brunner,   D.  RG.  H,    S.  56. 
2)  Auch  Dahn  äussert  neuerdings  Zweifel,  Könige  VII,  3,  S.  888. 


606  Karl  Zeumer. 

III,  4,  1  handelt  vom  Ehebruch  begangen  mit  einer 
verheiratheten  Frau  gegen  deren  Willen  oder  mit  deren 
Willen.  Im  ersten  Falle  wird  der  schuldige  Mann  allein, 
im  anderen  Falle  das  ehebrecherische  Paar  dem  Gatten 
der  Frau  zur  Rache  überliefert :  'ut  in  eins  potestate  vin- 
dicta  consistat ;  marito  sit  potestas  de  eis  faciendi  quod 
placet'.  Das  schliesst  unzweifelhaft  das  Recht  sie  beide 
oder  einen  von  beiden  zu  töten  ein.  Es  ist  dabei  nicht 
an  handhafte  That  zu  denken,  sondern  an  eine  Auslie- 
ferung der  Schuldigen  durch  den  Richter,  Durch  Ervig 
ist  dem  Gesetz  ein  Zusatz  eingefügt,  wonach  entsprechend 
dem  später  von  Chindasvind  gegebenen  Gesetze  III,  4,  12, 
die  Güter  des  adulter  dem  Ehemanne  nur  dann  mit  über- 
liefert werden  sollen,  wenn  jener  keine  ehelichen  Kinder  hat. 

Geht  III,  4,  1  von  der  Schuld  des  Ehebrechers  aus,  so 
III,  4,  3  von  der  des  Weibes.  Ergreift  ihr  Mann  sie  nicht 
in  flagranti,  (si  deprehensa  non  fuerit),  so  muss  er  vor  dem 
Richter  mit  genügenden  Beweismitteln  (competentibus  sig- 
nis  vel  indiciis,  die  signa  sind  wohl  als  leibliche  Bewei- 
sung  zu  verstehen)  klagen.  Wird  die  Frau  überführt,  so 
wird  sie  mit  ihrem  Buhlen  dem  Manne  zur  beliebigen  Be- 
strafung übergeben. 

Wenn  es  nun  neben  diesen  beiden  Gesetzen,  die  eine 
vor  Gericht  durchgeführte  Ehebruchsklage  voraussetzen,  in 
III,  4,  4  heisst:  'Si  adulterum  cum  adultera  maritus  occide- 
rit,  pro  homicidio  non  teneatur',  so  kann  sich  das  nicht 
auf  die  Tötung  des  ihm  vom  Richter  zur  Bestrafung  über- 
lieferten ehebrecherischen  Paares  beziehen,  sondern  nur 
auf  die  Tötung  in  flagranti.  Das  Recht  des  Mannes,  die 
Ehebrecherin  auf  handhafter  That  zu  töten,  wird  hier 
als  selbstverständlich  vorausgesetzt.  Ausdrücklich  wird  nur 
gesagt,  dass  der  Ehemann  sich  nicht  des  strafbaren  Tot- 
schlages schuldig  macht,  wenn  er  den  Ehebrecher  mit  der 
schuldigen  Frau  zugleich  tötet. 

Dasselbe  bestimmt  Lex  Baiuv.  8,  1 :  Wird  der  Ehe- 
brecher mit  der  schuldigen  Frau  im  Bette,  also  auf  hand- 
hafter That,  erschlagen,  und  zwar,  wie  der  Zusammenhang 
ergiebt,  vom  Ehemanne,  so  soll  für  ihn  keine  Sühne  ge- 
fordert werden  können :  'in  suo  scelere  iaceat  sine  vindicta'. 
Das  ergiebt  den  unausgesprochenen  Gegensatz,  dass  der 
rächende  Ehemann  das  Wergeid  des  Getöteten  zahlen 
muss,  wenn  er  ihn  ohne  die  Frau  erschlägt.  Das  lango- 
bardische  Edikt,  Roth.  c.  212,  spricht  dem  beleidigten 
Gatten  einfach  das  Recht  zu,  beide  Schuldige  auf  hand- 
hafter That  zu  töten:    'Si   quis    cum    uxorem  alium  forni- 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  III,  4,  1.  3 — 6.     607 

cantem  invenerit  .  .  .  potestatem  habeat  eos  ambos  occi- 
dendi,  et  si  eos  occiderit,  non  reqiiirantur',  und  entspre- 
chend bestimmt  die  Lex  Burg.  68,  dass  der  Ehemann  in 
jenem  Falle  beide  busslos  töten  könne,  wenn  er  aber  nur 
einen  töte,  für  diesen  Wergeld  zahlen  müsse: 

1.  Si  adulterantes  inventi  fuerint,  et  vir  ille  occidetur 
et  femina.  2.  Nam  hoc  observandum  est,  ut  aut  utrumque 
occidat,  aut  si  unum  occiderit,  pretium  ipsius  solvat. 

Das  Recht  des  Mannes,  das  schuldige  Paar  auf  hand- 
hafter That  zu  töten,  war  wohl  gemeingermanisch.  Es 
findet  sich  bei  den  Nordgermanen  und  im  deutschen  Rechte 
des  Mittelalters^. 

III,  4,  5  scheint  in  etwas  ungeschickter  Fassung  dem 
Vater  und  nach  dessen  Tode  Brüdern  und  Vaterbrüdern 
eines  Mädchens  die  gleiche  Befugnis  zuzuerkennen,  wenn 
sie  dieses  in  ihrem  Hause  in  unzüchtigem  Verkehr  mit 
einem  Manne  ertappen.  Dass  dies  der  Sinn  sein  soll,  geht 
namentlich  aus  dem  Zusatzgesetze  ßeccessvinds  III  ,4,6 
hervor,  der  ausdrücklich  bestimmt,  dass  es  der  Dienerschaft, 
wenn  sie  das  Paar  auf  frischer  That  ergreift,  nicht  wie 
den  parentes  gestattet  sei,  dasselbe  zu  töten.  Auch  für 
dieses  Recht  des  Vaters  oder  der  nächsten  Blutsfreunde 
dürfen  wir  germanischen  Ursprung  annehmen,  da  es  auch 
bei  den  Nordgermanen  begegnet  ^. 

Ganz  anders  regelte  das  römische  Recht  die  Bestra- 
fung des  Ehebruchs  und  der  Unzucht  auf  frischer  That 
durch  den  Vater  oder  Ehemann.  Der  Vater  durfte  die 
Tochter  mit  ihrem  Buhlen  töten,  der  Ehemann  den  Ehe- 
brecher nur  unter  gewissen  Voraussetzungen,  seine  untreue 
Frau  aber  überhaupt  nicht.  Das  ist  in  der  Hauptsache 
wohl  schon  durch  die  Lex  lulia  de  adulteriis  so  geordnet 
und  auch  vom  Justinianischen  Recht  anerkannt.  Vgl.  Pau- 
lus, Sent.  II,  26  und  Dig.  XLVIII,  5,  21—25.  Im  denkbar 
schärfsten  Gegensatze  zu  dem  germanischen  Recht,  welches 
in  Bezug  auf  die  Befugnisse  des  Ehemannes  wohl  über- 
haupt, wie  jedenfalls  das  westgothische  und  bairische,  von 
dem  Rechte  die  untreue  Frau  zu  töten  ausging  und  die 
Tötung  des  Ehebrechers  nur  dann  straflos  Hess,  wenn 
die  Frau  mit   getötet  wurde,   steht    der  von  Paulus,    Sent. 


1)  S.  Wilda,  Strafrecht  der  Germanen,  S.  823  f.  Der  Ehemann  soll 
die  Leichen  der  beiden  Schuldigen  auf  einander  gebunden  vor  Gericht 
bringen.  Ebenso  nach  dem  sog.  Berliner  Schöffenrecht  des  14.  Jhs.  III, 
12,  2  (im  Berlinischen  Stadtbuche,  herausgegeben  v.  Clauswitz,  S.  146). 
2)  Vgl.  Wilda  a.  a.  0.  S.  810.  812. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  39 


608  Karl  Zeumer. 

II,  26,  5,  mitgetheilte  Satz:    'Maritum,    qui    uxorem  depre- 
hensam  cum  adultero  occidit  .  .  .  lenius  puniri  placuit'. 

Wenn  wir  nun  dem  gegenüber  in  der  Lex  Romana 
Burgundionum  c.  25  den  Satz  finden:  'Maritus  si  adul- 
terum  cum  uxore  invenerit,  ita  ut  in  unum  sint  .  .  .  libe- 
rum arbitrium  habebit  utrumque  uno  ictu  punire  secundum 
legem  novellam  Maioriani,  quae  exinde  ad  ius  vetus  cuncta 
revocavit',  so  werden  wir  trotz  der  Zurückführung  auf 
eine  Novelle  Majorians,  die  wahrscheinlich  ^,  und  der  Be- 
rufung auf  das  alte  Recht,  die  sicher  irrig  ist,  nicht  umhin 
können  anzunehmen,  dass  die  Rechtsanschauung,  welche 
hier  vertreten  wird,  aus  dem  germanischen  Rechte  einge- 
drungen ist.  Der  Verfasser  der  Lex  Romana  glaubte  der 
Bestimmung  Gundobads,  welche  dem  Ehemanne  beide 
Schuldigen  zusammen  zu  töten  erlaubte  (L.  Burg.  68), 
müsse  auch  eine  römische  entsprechen,  und  glaubte  sie  in 
einer  Quelle  zu  entdecken,  die  thatsächlich  nichts  davon 
enthielt.  Ist  hier  offenbar  durch  Einfluss  des  burgundi- 
schen  Rechtes  jener  dem  römischen  Rechte  fremde  Satz 
in  eine  römische  Quelle  gekommen,  so  ist  in  der  Lex  Ro- 
mana Visigothorum  das  germanische  Recht  des  Ehemannes 
die  schuldige  Frau  zu  töten  durch  Einfluss  gothischer 
Rechtsanschauung  zum  Ausdruck  gekommen  mittels  einer 
leichten  Aenderung  eines  Satzes  des  Paulus,  der  uns  glück- 
licher Weise  nicht  nur  in  Alarichs  IL  römischem  Rechts- 
buche, sondern  auch  im  echten,  den  römischen  Standpunkt 
zeigenden  Texte  in  der  Collatio  legum  Rom.  et  Mois. 
überliefert  ist. 


Paulus  II,  26,  7  (=  Collatio 
4,  12,  6). 
Inventa  in  adulterio  uxore 
maritus  ita  demum  adulterum 
occidere  potest,  si  eum  domi 
suae  deprehendat. 


Lex  Rom.  Vis.  Paul.  II,  27,  1. 

Inventam  in  adulterio  uxo- 
rem maritus  ita  demum  occi- 
dere potest,  si  adulterum 
domi  suae  deprehendat. 

Deutlicher  tritt  dann  der  germanische  Rechtssatz  in 
der  Bearbeitung  der  Lex  Romana  hervor,  die  als  Epitome 
Guelferbitana  bezeichnet  wird:  'Si  adulter  in  domum  de- 
prehendatur  cum  adultera,  pariter  puniantur'  ^. 


1)  Vgl.  die  Anmerkung  Barkows  in  seiner  Ausgabe  der  Lex  Rom. 
Burg.  S.  75  zu  dieser  Stelle.  2)  Die  oben  begründete  Vermuthung  steht 
im  Gegensätze  zu  der  Brunners,  welcher  D.  RG.  II,  S.  663  sagt:  'Wahr- 
scheinlich dem  römischen  Vulgarrechte  haben  Westgoten  und  Burgunder 
den  Rechtssatz  entlehnt,  dass  die  Tötung  des  Ehebrechers  nur  dann  straf- 
los  ist,   wenn   der   Ehemann   gleichzeitig   die   Ehefrau   tötet'.     Genau   in 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  III,  4,  2.     609 

III,  4,  2.  —  Diese  Antiqua  stellt  den  Verlöbnisbruch, 
durch  adulterium  der  Braut  dem  Ehebruch  gleich.  Die 
Strafe  wird  so  bestimmt:  'una  cum  adultero  puniatur,  aut 
certe  ei,  qui  isponsus  fuerat,  ambo  tradantur,  ut  de  eis 
quod  voluerit  faciendi  habeat  potestatem'.  Vergleichen 
wir  dies  mit  dem,  was  über  die  Bestrafung  des  Ehebruchs 
bestimmt  ist,  so  werden  wir  die  Worte  'una  cum  adultero 
puniatur'  auf  die  Tötung  der  treubrüchigen  Braut  und 
ihres  Verführers  auf  handhafter  That  beziehen^,  das  tra- 
dantur dagegen  als  Folge  einer  gerichtlichen  Klage  an- 
sehen dürfen.  Was  die  lex  in  Bezug  auf  die  Form  des 
Verlöbnisses  enthält,  ist  früher  (zu  III,  1,  3)  erörtert. 

Die  Antiqua  hat  durch  Ervigs  Redaktion  eine  erheb- 
liche Umgestaltung  erfahren.  Zunächst  ist  hinter  'de  futuro 
coniugio'  ein  überflüssiger  redaktioneller  Zusatz  hinzugefügt, 
ferner  aber  die  Strafbestimmung  für  adulterium  ausgedehnt 
auf  den  Fall  der  unrechtmässigen  Verlobung  oder  Ver- 
heirathung  der  Braut  mit  einem  anderen ;  was  im  ganzen 
den  Gesetzen  Chindasvinds  und  Reccessvinds  III,  6,  2.  3 
entspricht.  Auch  wird  gemäss  Chindasvinds  Gesetz  III,  4,  12 
die  Uebergabe  der  Güter  an  den  Beleidigten  für  den  Fall, 
dass  die  Schuldigen  keine  echten  Kinder  hinterliessen,  an- 
geordnet. Wichtig  als  Zeugnis  für  eine  mildere  Auffas- 
sung sind  zwei  Aenderungen  der  Ervigiana:  erstens  lässt 
sie  die  Worte  'una  sum  adultero  puniatur'  fort,  beseitigt 
also  das  Tötungsrecht  in  flagranti,  zweitens  fügt  sie  in 
der  Bestimmung  über  die  Uebergabe  der  Schuldigen  in 
die  Gewalt  des  geschädigten  Bräutigams  dem  'tradantur' 
zweimal  hinzu  'servituri'.  Das  Recht  der  Tötung  ist  also 
beseitigt  und  an  Stelle  der  Auslieferung  zur  Rache  die 
Verknechtung  getreten.  Wird  nach  'tradantur'  am  Schluss 
in  der  Ervigiana  noch  der  Passus  aus  dem  älteren  Texte 
beibehalten :  'ut  de  his  quod  voluerit  faciendi  habeat  po- 
testatem', so  ist  durch  die  Hinzufügung  von  servituri  diese 
freie  Verfügung  soweit  beschränkt,  wie  sie  dem  Knechte 
gegenüber  beschränkt  war. 

dieser  Fassung  findet  der  Satz  sich  nur  bei  Westgothen  und  Baiern,  bei 
den  Burgundern  aber  und  in  den  Quellen  des  römischen  Vulgarrechtes 
nicht.  Was  sich  davon  im  römischen  Vulgarrecht  findet,  gehört  den 
römischen  Rechtsbüchern  der  Westgothen  und  Burgunder  an,  deren  Ent- 
stehung nach  den  nationalen  Gesetzbüchern  dieser  Stämme  allein  schon 
für  die  Ableitung  aus  jenen  spricht.  Auf  die  Formulierung  des  Satzes 
in  L.  Romana  Burg.  68  (utrumque  uno  ictu  punire)  dürfte  eine  Stelle 
Ulpians,  Dig.  XLVIII,  5,  24  §  4,  vielleicht  mittelbar  eingewirkt  haben, 
wo  es  von  dem  Vater  heisst:  'debet  enim  prope  uno  ictu  et  uno  impetu 
utrumque  occidere'.     1)  L.  Rom.  Burg.  c.  25  steht  punire  in  demselben  Sinne. 

39* 


610  Karl  Zeumer. 

Trotz  dieser  Milderungen  Ervigs,  die  übrigens  zeigen, 
dass  sein  in  der  Lex  Pragma  ausgesprochenes  Programm 
nicht  ganz  leere  Redensart  war,  bleibt  die  Strafe  des  Ver- 
löbnisbruches immer  noch  schwer  genug  ^.  Wenn  aber 
R.  Löning,  Vertragsbruch  S.  150,  in  der  westgothischen  Be- 
strafung des  Verlöbnisbruchs  kein  anderes  Prinzip  findet 
als  das  despotischer  Willkür,  so  ist  dem  doch  entgegen- 
zuhalten, dass  eine  ausserodentliche  Strenge  in  dieser  Hinsicht 
sich  auch  in  anderen  ostgermanischen  Rechten  findet.  Die 
Lex  Burgundionum  enthält  in  Titel  52  ein  ürtheil  des 
Königsgerichts,  nach  welchem  gegen  eine  Verlöbnisbrecherin 
und  ihren  Mitschuldigen  principaliter  die  Todesstrafe  aus- 
gesprochen, aber  im  Gnadenwege  in  Wergeidzahlung  ver- 
wandelt wird.  Wenn  man  dieses  Urtheil  vielleicht  aus 
einer  Benutzung  unserer  Antiqua  III,  4,  2,  an  die  es  ge- 
wisse Anklänge  enthält,  erklären  könnte  ^,  so  bedrohen  doch 
auch  das  isländische  und  altnorwegische  Recht  die  Ver- 
löbnisbrecher  und  ihre  Mitschuldigen  mit  Friedlosigkeit  ^. 
Deshalb  ist  anzunehmen,  dass  auch  die  Bestimmungen 
unserer  Antiqua  im  altgothischen  Recht  wurzeln. 


Zu  III,  4,  7  s.  oben  S.  596.  —  III,  4,  8  hat  eine 
Parallelstelle  in  L.  Bai.  8,  8  und  ist  deshalb  auf  Eurich 
zurückzuführen.  

III,  4,  9.  —  Altgothisches  Recht  enthält  wohl  auch 
diese  Antiqua,  welche  bestimmt,  dass  die  Freie,  welche  mit 
einem  Ehemanne  in  Geschlechtsverbindung  tritt,  der  Ehe- 
frau des  Mannes  zur  Rache  überliefert  werden  soll :  'ut  in 
ipsius  potestate  vindicta  consistat'.  Schon  Wilda,  Strafrecht 
der  Germanen  S.  828,  hat  darauf  hingewiesen,  dass  auch 
das  altschwedische  Recht  ein  solches  Recht  der  beleidigten 
Ehefrau,  gegen  ihre  Nebenbuhlerin  Rache  zu  üben,  kennt. 
Wilda  sowohl  wie  Dahn,  Studien  S.  231,  führen  die  hierin 
liegende  Anerkennung  des  Rechtes  der  Ehefrau  auf  christ- 
liche und  kirchliche  Einflüsse  zurück ;  wie  mir  scheint,  ohne 
Grund.  Dass  christliche  Auffassung  mit  der  westgothi- 
schen Bestimmung  nichts  zu  schaffen  hat,  zeigt  sich  deut- 
lich genug  in  der  Straflosigkeit  des  Mannes  und  der  Be- 
schränkung des  Racherechts  auf  die  freie  Nebenbuhlerin. 
Ganz  unbegründet  aber  ist  es,  wenn  Dahn  nun  weiter  daraus 

1)  Vgl.  III,  1,2;  6,  3.  2)  Auf  die  Verwandtscliaft  des  burg-undischen 
Urtheils  mit  den  westgothischen  Bestimmungen  hat  schon  E,.  Löning, 
a.  a.  0.  S.  153  hingewiesen.  3)  K.  v.  Amira,  Nordgerm.  Obligationen- 
recht n,  S.  665  und  K.  Lehmann,  Verlobung  S.  50  f.  111  f.  (besonders 
die  an  letzter  Stelle  angeführte  Gulathingslög  §  1. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  III,  4,  7—13.     611 

Anlass  nimmt,  das  hohe  Alter  unserer  Antiqua  zu  be- 
zweifeln. Er  meint:  'Das  Gesetz  wird  unglaubhaft  als 
Antiqua  bezeichnet.  Wenn  schon  unter  Rekared  solcher 
Einfluss  der  christlichen  Anschauung  anzunehmen  wäre, 
müsste  man  späteren  Rückfall  voraussetzen'.  Ich  wüsste 
nicht,  welche  Thatsachen  zwängen,  einen  solchen  Rückfall 
anzunehmen.  Die  Bezeichnung  als  Antiqua  ist  durch  die 
Ueberlieferung  unbedingt  gesichert,  und  dieser  Thatsache 
gegenüber  müssten  auch  besser  begründete  Zweifel  schweigen. 
Darnach  gehört  also  das  Gesetz  jedenfalls  dem  Codex  revi- 
sus  Leovigilds  an.  Die  üebereinstimmung  mit  dem  alt- 
schwedischen Recht  aber  lässt  kaum  bezweifeln,  dass  wir 
es  hier  mit  einem  Gesetze  Eurichs  zu  thun  haben. 


III,  4,  10.  11.  —  Die  römische  Quelle  dieser  beiden 
Antiquae  lässt  schliessen,  dass  auch  sie  dem  Gesetzbuche 
Eurichs  entstammen.  Das  Nähere  ist  im  allg.  Theil,  N.  A. 
XXIII,  S.  454  ausgeführt. 


III,  4,  12.  —  Chindasvind  will  durch  dieses  Gesetz 
Zweifel  beheben,  die  bei  den  Richtern  darüber  entstehen, 
ob  mit  dem  ehebrecherischen  Paare  auch  dessen  Vermögen 
in  die  Gewalt  des  beleidigten  Gatten  gegeben  werden  soll. 
Das  soll  geschehen,  wenn  die  Schuldigen  eheliche  Kinder 
nicht  haben.  Ervig  dehnt  in  einem  Zusätze,  entsprechend 
den  Zusätzen  zu  III,  4,  2  diese  Bestimmung  in  analoger 
Weise  auf  den  Verlöbnisbruch  aus. 


III,  4,  13.  —  Chindasvind  regelt  in  diesem  Gesetze 
Pflicht  und  Recht  zur  Anklage  einer  Ehebrecherin.  In  der 
Handausgabe  ist  vermuthet,  dass  das  Gesetz  nach  dem  Vor- 
bilde von  L.  Rom.  Vis.  C.  Th.  IX,  4,  2,  einem  Gesetze  Constan- 
tins,  verfasst  sei.  Das  ist  aber  nur  so  zu  verstehen,  dass 
das  römische  Gesetz  den  Anlass  gegeben  zu  haben  scheint, 
die  Anklage  des  Ehebruchs  durch  ein  westgothisches  Ge- 
setz zu  ordnen.  Die  Tendenz  beider  Gesetze  ist  eine  grund- 
verschiedene. Constantin  schränkt  das  Recht  der  Anklage 
möglichst  ein,  auf  einen  engen  Kreis  von  Personen,  nahen 
Verwandten,  welche  verus  dolor  zur  Klage  treibe,  und 
auch  diesen  wird  gestattet  die  Anklage  zu  unterlassen. 
Chindasvind  dagegen  will  das  adulterium  auf  jeden  Fall 
bestraft  wissen.  Wenn  der  Ehemann  die  Klage  unterlässt, 
so  sollen  die  erwachsenen  Söhne,  fehlen  solche,  die  Ge- 
sippen  des  Ehemannes  die  Klage  erheben.  Zur  Belohnung 
wird    ihnen    das    Vermögen    der    bestraften    Ehebrecherin 


612  Karl  Zeumer. 

oder  wenigstens  ein  Theil  davon  versprochen.  Versagen 
alle  diese  Instanzen,  so  kann  der  König  einen  Ankläger 
für  den  einzelnen  Fall  bestellen.  Diesem  Gesetz  hat  Ervig 
einen  Zusatz  (hinter  manifeste  patuerit)  eingefügt,  nach 
welchem  das  ehebrecherische  Paar  mit  seinem  ganzen  Ver- 
mögen demjenigen  zugesprochen  werden  soll,  der  die  Klage 
durchführt.  Er  darf  die  Schuldigen  schlagen  und  ver- 
stümmeln, nur  nicht  töten.  Die  masslose  Leidenschaft- 
lichkeit, mit  welcher  die  westgothischen  Gesetzgeber  die 
Verletzung  der  Familienehre  strafen,  findet  hier  ihren  Höhe- 
punkt. Ihrem  eigenen  Sohne  soll  gegebenen  Falls  die 
Mutter  verknechtet,  seiner  beliebigen  Misshandlung  über- 
lassen werden.  Diese  Rohheit  wird  in  einer  späteren  in 
einzelnen  Handschriften  überlieferten  ^  Fassung  des  Gesetzes, 
deren  Urheber  wir  nicht  kennen,  gemildert.  Den  Söhnen 
soll  nur  Person  und  Gut  des  Mitschuldigen  und  das  Gut 
der  Mutter  überwiesen,  die  Mutter  selbst  aber  einem  anderen, 
den  der  König  bestimmt,  überwiesen  werden. 


III,  4,  14 — 17.  ■ —  Für  diese  vier  von  weiteren  Un- 
zuchtvergehen handelnden  Antiquae  bietet  römisches  und 
germanisches  Recht  nur  wenig  Anknüpfungspunkte. 

III ,  4 ,  14  bedroht  Freie  für  Nothzucht  an  freien 
Wittwen  und  Mädchen  mit  Verknechtung,  Unfreie  mit 
dem  Feuertode,  letzteres  wohl  im  Anschluss  an  römisches 
Recht.  Vgl.  III,  2,  2;  Ed.  Theod.  c.  61  und  dazu  Dahn, 
Könige  IV,  S.  72.  Ervig  fügte  weitere  Bestimmungen 
hinzu,  welche  die  nachträgliche  Ehe  der  Stuprierten  mit 
dem  ihr  verknechteten  Freien  verhindern  sollten.  Die  Frau 
soll,  wenn  sie  den  Thäter  qualibet  occasione  zur  Ehe  nimmt, 
mit  ihrem  Vermögen  in  die  Gewalt  ihrer  Erben  gegeben 
werden.  Da  III,  2,  2  die  Ehe  einer  Freien  mit  ihrem 
eigenen  Knechte  oder  Freigelassenen  mit  dem  Tode  bedroht, 
so  ist  hier  etwa  an  den  Fall  zu  denken,  dass  sie  zuvor 
den  ihr  Verknechteten  einem  Dritten  zum  Zweck  der  Frei- 
lassung veräussert  hatte. 

III,  4,  16  setzt  auf  Vergewaltigung  fremder  Skla- 
vinnen für  Freie  eine  Geldbusse  von  20  sol.  und  50  Hiebe, 
für  Unfreie  200  Hiebe.  Dieser  Antiqua  dürfte  L.  Burg.  30 
nachgebildet  sein,  wo  der  Freie  mit  Geldstrafe  (12  sol.), 
der  Unfreie  mit  150  Hieben  für  dieses  Vergehen  bedroht 
wird.  Die  Prügelstrafe  für  den  Unfreien  ist  dann  auch 
von  der  L.  Rom.  Burg.   c.   19   übernommen  worden.     Dass 


1)    Cod.  Cardon,  und  Cod.  Tolet.  43,  6. 


Gesch.  d.westgoth.Gesetzgeb.  III.  — L.  Vis.  III,  4, 13  —  5, 1.2.     613 

unsere  Antiqua  bereits  Eurich  zuzuschreiben  ist,  wird 
durch  diese  burgundischen  Parallelstellen  wahrscheinlich. 
Ob  sie  dem  römischen  Rechte  entlehnt  ist,  scheint  zweifel- 
haft, da  dieses  für  das  an  einer  fremden  Unfreien  began- 
gene stuprum,  und  zwar  mit  Beschränkung  auf  die  ancilla 
immatura  nur  Schadenersatz  nach  der  Lex  Aquilia  kannte  ^. 
II,  4,  16  ist  nach  der  Ueberlieferung  unzweifelhaft 
eine  Antiqua,  die  aber  so  sehr  den  Geist  der  späteren 
westgothischen  Gesetzgebung  athmet,  dass  sie  wohl  erst  der 
Revision  Leovigilds  zuzuschreiben  ist.  Mit  massloser  Härte 
wird  die  Prostitution  unter  Strafe  gestellt.  300  Hiebe 
werden  der  freien  Frau  für  jeden  Rückfall  angedroht,  ein 
Strafmass,  welches  sonst  nicht  erreicht  wird!  Die  Unfreie 
kommt  dagegen  glimpflicher  weg.  Von  römischen  Vor- 
bildern ist  nichts  der  Art  bekannt;  man  müsste  denn  an 
das  Senatusconsult  unter  Tiberius  denken  wollen,  welches 
Frauen  ritterlichen  Standes  die  Prostitution  verbot;  Taci- 
tus,  Ann.  II,  83;  Sueton,  Tib.  c.  35. 


III,  4,  17.  —  Dieses  Gesetz  Reccessvinds  gegen  die 
Unkeuschheit  der  Geistlichen  bildet  den  Schluss  des  Titels. 
Es  ist  im  Anschluss  an  can.  5  des  VIII.  Concils  von  Toledo 
(652)  erlassen  und  als  weltliches  Ausführungsgesetz  zu 
jenem  Canon  anzusehen,  den  es  als  patrum  sententia 
citiert  und  dem  es  sich  im  Wortlaut  vielfach  anschliesst. 
Es  ergänzt  ihn,  indem  es  einmal  ganz  im  westgothischen 
Geiste  den  mitschuldigen  Weibern  Prügelstrafe,  ferner  aber 
auch  den  in  der  Verfolgung  solcher  Vergehen  lässigen  Bi- 
schöfen hohe  Geldstrafen  androht.  Letzteres  ist  charakte- 
ristisch für  den  angeblichen  Pfaffenknecht  Reccessvind. 


Titel  5 :  'De  incestis  et  apostatis  adque  masculorum 
concubitoribus',  enthält  fünf  Gesetze,  unter  denen  sich  keine 
Antiqua  befindet. 

III,  5,  1.2.  —  Das  erste  Gesetz,  von  Chindasvind,  stellt 
als  Incest  unter  Strafe  die  eheliche  (matrimonium)  oder 
aussereheliche  (adulterium)  Verbindung  mit  Abkömmlingen 
des  Vaters  oder  der  Mutter,  der  Grosseltern,  der  Eltern 
der  Frau,  ferner  mit  der  Verlobten  oder  Wittwe  des  Vaters, 
der  Wittwe  eines  Verwandten  sowie  mit  allen  Verwandten 
bis  zum  sechsten  Grade  einschliesslich.  Ausgenommen 
von    den  Strafbestimmungen  dieses  Gesetzes  sollen    solche 


1)  Vgl.  Ulpian,  Dig.  XLVH,  10,  25.     Paulus,  Sent.  I,  13  A,  6. 


614 


Karl  Zeumer. 


Verbindungen  nur  dann  bleiben,  wenn  sie  auf  Befehl  oder 
mit  Genehmigung-  des  Königs  geschlossen  sind. 

Ich  habe  an  anderer  Stelle  (N.  A.  XXIII,  S.  104  ff.) 
nachgewiesen,  dass  dieses  Gesetz  an  Stelle  eines  älteren 
steht,  welches  in  der  Lex  ßaiuvariorum  als  7,  1 — 3  erhalten 
ist.  Nachzutragen  ist  noch  ein  Hinweis  auf  Edictus  Eot- 
hari  c.  185,  wo  jenes  Gesetz  offenbar  benutzt  ist. 


L.  Baiuv.  7,  1.  2. 
De  nuptiis  incestis  .  . 
.  .  uxorem  habere  non  li- 
ceat  .  .  .  privignam,  no- 
vercam  .  .  .  fratris  uxo- 
rem ..  .  Si  quis  contra 
hoc  fecerit  .  .  .  separentur 
et  omnes  facultates  amit- 
tant,  quas  fiscus  adquirat. 


Ed.  Eoth.  c.  185. 
De  incestas  .  .  .  nup- 
tias. Nulli  liceat  nover- 
cam  suam  .  .  .  neque  pri- 
vignam ...  neque  cogna- 
tam,  qui  fuit  uxor  fratris, 
uxorem  ducere  .  .  .  vir,  qui 
eam  ducit,  conponat  ...  in 
curte  regis  et  mox  separe- 
tur  ab  ea  .  .  .  et  ipsa  mulier 
de  omnis  res  suas  .  medieta- 
tem  amittat  et  curtes  regia 
accipiat  ...  et  ...  sepa- 
rentur. 

Die  Uebereinstimmung  erklärt  sich  aus  der  Benutzung 
des  westgothischen  Gesetzbuches  durch  Rotharis  Gesetzes- 
redaktoren und  verstärkt  so  die  Gründe  für  die  Zugehörig- 
keit jenes  Capitels  zur  Gesetzgebung  Eurichs. 

Noch  bevor  die  Antiqua  durch  Chindasvinds  Gesetz 
aufgehoben  und  ersetzt  wurde,  erliess  ßeccared  in  III,  5,  2 
ein  Gesetz,  welches  jene  in  wichtigen  Punkten  ergänzte 
und  modificierte.  Eine  der  wichtigsten  Bestimmungen, 
auf  welche  auch  Chindasvind  ausdrücklich  verweist,  be- 
trifft das  Erbe  der  des  Incests  Schuldigen.  N.  A.  XXIII, 
S.  110  f.  habe  ich  dargelegt,  dass  Eeccared  dem  älteren 
westgothischen  Rechte  gegenüber  das  Erbrecht  der  natür- 
lichen Erben  gegenüber  dem  Eiskus  wiederherstellte,  dem 
Rechte  der  Lex  Romana  gegenüber  aber  ein  Erbrecht  der 
im  Incest  erzeugten  Kinder  nach  den  Kindern  aus  früheren 
rechtmässigen  Ehen  anerkannte.  Dabei  erklärt  der  Gesetz- 
geber ausdrücklich,  dass  die  im  Incest  erzeugten  Kinder 
nicht  nur  erbberechtigt,  sondern  auch  frei  von  Infamie 
sein  sollen,  wie  ich  glaube,  im  Gegensatz  zu  der  Interpre- 
tatio  zu  Cod.  Th.  III,  12,  3,  wie  er  sie  verstand.  In  dieser 
werden  wie  in  der  Constitution  selbst  die  im  Incest  Er- 
zeugten vom  Erbrecht  ausgeschlossen  und  daran  ein  Passus 
geknüpft,    den   der   westgothische    Gesetzgeber   dahin   ver- 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  III,  5,  1.  2.      615 

stand,  dass  sie  als  infam  gelten  sollten,  während  that- 
sächlicb  nur  die  beiden  Eltern  selbst  für  infam  erklärt 
werden :  'atque  etiam  si  filios  babuerint,  non  habeantur 
legitimi  nee  beredes,  sed  infamia  sint  notatae  utrimque 
personae,  ita  nt  possidere  tantum  proprias  facultates  prin- 
cipis  beneficio  videantur'.  Dass  sich  die  infamia  blos  auf 
die  Eltern  bezieben  soll,  gebt  aus  der  folgenden  Bestim- 
mung über  das  Vermögen  im  Vergleich  mit  dem  Texte 
der  Constitution  selbst  deutlich  hervor.  Doch  lag  das 
Missverständnis  nahe.  Ebenso  wie  nach  meiner  Annahme 
E-eccared  haben  auch  die  Redaktoren  der  zweiten  Text- 
form der  Lex  Salica  und  hat  auch  der  Verfasser  der  Lex 
Romana  Raetica  Curiensis  die  Stelle  miss verstanden.  Jene 
nahmen  in  tit.  13  (Hesseis,  XIII,  11,  Codd.  5.  6;  Behrend 
13,  8  Add.  2.)  die  Stelle  der  Interpretatio  in  folgender 
Fassung  auf:  'atque  etiam  si  filios  babuerint,  non  habeantur 
legitimi  beredes,  sed  infamia  sint  notati' ;  und  in  der  Lex 
Rom.  Cur.  III,  12,  3  heisst  es  entsprechend:  'filii  eorum  non 
sint  legitimi,  sed  ipsi  debunt  esse  notati  et  de  parentum  facul- 
tatem  nihil  habeant'.  Das  Missverständnis  wurde  den  Ger- 
manen wohl  dadurch  besonders  nahe  gelegt,  dass  sie  den 
Mangel  des  Erbrechtes  als  Folge  einer  Rechtlosigkeit,  die 
sie  mit  der  Infamia  identifizierten,  ansahen. 

Was  aber  die  Interpretatio  an  dieser  Stelle  in  Wahrheit 
meinte,  dass  die  in  incestuoser  Verbindung  lebenden  Per- 
sonen infam  seien,  spricht  auch  die  Interpretatio  des  fol- 
genden Gesetzes,  C.  Tb.  III,  12,  4  aus.  Hier  wird  die  Ehe 
eines  Mannes  mit  der  Schwester  der  verstorbenen  Frau  für 
Incest  erklärt  und  hinzugefügt:  'noverint  tali  consortio  se 
esse  notabiles'.  Diese  Stelle  scheint  Reccared  vorzuschweben, 
wenn  er  neben  die  unerlaubte  Verbindung  mit  einer  Gott- 
geweihten oder  Büsserin  und  mit  der  Blutsverwandten  die 
mit  einer  solchen  stellt,  deren  Beiwohnung  infam  mache : 
'nullus  .  .  .  devotam  virginem,  nullus  sub  religionis  habitu 
consistentem  .  .  .  vel  sui  proximam  generis  aut  eam,  de 
cuius  admixtione  incestive  notam  possit  subire  Infamie, 
.  .  .  accipiat  coniugem'. 

Die  Interpretatio  müssen  wir  als  Quelle  für  die  von 
Reccared  angenommene  Infamie  in  Folge  Incestes  ansehen; 
aber  woher  hat  die  Interpretatio  zu  Cod.  Theod.  III,  12,  3 
und  4  diese  Folge  entnommen,  da  eine  solche  weder  die 
Constitutionen,  zu  denen  die  Interpretatio  gehört,  noch 
andere  echte  Quellen  des  römischen  Rechtes  kennen  ?  Der 
Interpretator  war  offenbar  der  Meinung,  dass  die  in  den 
Constitutionen  im  Einzelnen  aufgeführten  Rechtsfolgen  des 


616  Karl  Zeumer. 

Incestes  Aeusserungen  einer  zu  Grunde  liegenden  In- 
famie seien. 

Indem  ßeccared  die  Ehe  mit  einer  gottgeweihten 
Jungfrau  oder  Wittwe  unter  die  Strafe  des  Incestes  stellte, 
ergänzte  er  das  Westgothenrecht  im  Sinne  der  Kirche.  Der 
eben  erst  zum  Katholicismus  übergetretene  Westgothen- 
könig  bezeichnet  als  Motiv  hierfür  seinen  Eifer  für  den 
katholischen  Glauben  und  beruft  sich  auf  canones  eccle- 
siastici.  Concilienschlüsse  und  Decretalen  der  Päpste  ver- 
boten, eine  gottgev^eihte  Jungfrau  oder  Wittvre  zu  heirathen. 
Papst  Gelasius  bereits  bezeichnete  in  seinem  Decret  'Ne- 
cessaria  rerum'  vom  Jahre  494  (Reg.  pontif.  n.  636)  solche 
Verbindungen  als  'incesta  foedera'.  Unter  Eeccared  selbst 
hat  das  III.  Concil  von  Toledo  und  das  II.  von  Barcelona 
in  Uebereinstimmung  mit  älteren  kirchlichen  Satzungen 
solche  Verbindungen  mit  Excommunication  bedroht  (Conc. 
Toi.  III,  c.  10;  Conc.  Bare.  II,  c.  4),  und  diese  Canones 
hatte  der  König  vielleicht  hauptsächlich  im  Auge. 

Auch  das  römische  Recht  bestraft  solche  Verbindungen 
und  zwar  sehr  streng  mit  dem  Tode.  Diese  Bestimmungen 
waren  aus  dem  Codex  Theodosianus  IX,  25  in  die  Lex 
Eomana  Vis.  Cod.  Th.  IX,  20  aufgenommen.  Für  die 
Römer  des  Reichs  bedeutete  also  Reccareds  für  alle 
Nationen  des  Reiches  bestimmtes  Gesetz  ^  in  diesem  Punkte 
eine  Milderung. 

III,  5,  3.  —  Dieses  Gesetz  König  Chindasvinds  han- 
delt von  dem  Verbrechen  der  Apostasie,  welches  Reli- 
giösen, d.  h.  Mönche,  gottgeweihte  Jungfrauen  und  Wittwen 
sowie  Büssende  (poenitentes),  durch  Rückkehr  zum  welt- 
lichen Leben  begehen.  Das  Gesetz  erkennt  die  Bestim- 
mungen, welche  das  IV.  Concil  von  Toledo  (c.  49.  52. 
55.  56)  und  das  VI.  Concil  (c.  6  ff.)  über  diesen  Gegen- 
stand getroffen  hatten,  auch  für  das  weltliche  Recht  an: 
gewaltsame  Zurückführung  zum  geistlichen  Leben  durch 
Einsperrung  in  ein  Kloster  zu  lebenslänglicher  Busse.  Das 
Gesetz  erkennt  neben  dem  freiwilligen  Eintritt  in  das 
geistliche  Leben  auch  die  Darbringung  eines  Kindes  durch 
seine  Eltern  als  rechtlich  verbindliche  Form  des  Eintritts 
an,  wie  das  c.  49  des  IV.  Concils  verlangt:  'Monachum 
aut  paterna  devotio  aut  propria  professio  facit;  quidquid 
horum  fuerit,  alligatum  tenebit:  proinde  eis  ad  mundum 
reverti  intercludimus  aditum'  u.  s.  w.     Das  X.  Concil  von 


1)  S.  die  Worte:  'provinciarum  uostrarum  cuiuslibet  gentis  homines'. 


Gesch.  d,  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  III,  5,  2—4.     617 

Toledo  unter  Eeccessvind  hat  c.  4.  5.  6  diese  und  andere 
Bestimmungen  bezüglich  der  Religiösen  bestätigt  und 
erweitert.  An  den  Wortlaut  der  angeführten  Canones  der 
beiden  älteren  Concilien  finden  sich  in  Chindasvinds  Ge- 
setze zahlreiche  Anklänge.  Dieses  bestätigt  nicht  nur  die 
canonischen  Vorschriften,  sondern  modifiziert  und  ergänzt 
sie  auch.  Den  kirchlichen  Strafen  fügt  Chindasvind  Ver- 
mögensverlust hinzu  und  Infamie,  als  deren  Wirkungen 
er  am  Schluss  des  Gesetzes  hinstellt:  Unfähigkeit  zur 
Erhebung  einer  Anklage,  zum  Zeugnis  und  zur  Vertretung 
im  Gericht  (Personis  vero  talibus  accusandi  vel  testificandi 
adque  aliena  negotia  prosequendi  licentiam  penitus  ab- 
negamus).  Während  die  letzte  dieser  Folgen  der  prae- 
torischen  Infamie  des  römischen  Rechtes  entlehnt  ist^, 
scheinen  die  beiden  ersteren  mit  der  germanischen  Recht- 
losigkeit zusammenzuhängen. 

Gewisse  Kategorien  nimmmt  Chindasvind  von  der  Be- 
strafung aus,  darunter  die,  welche  das  geistliche  Leben 
in  schwerer  Krankheit  ohne  Bewusstsein  übernommen 
haben:  'Illos  etiam  ab  hac  sententia  inmunes  efficimus, 
qui  sie  invalescente  langore  ad  penitentie  vel  tonsure  per- 
venerint  ordinem,  ut  id  se  nee  accepisse  tunc  noverint  nee 
petisse  meminerint'.  Mit  deutlichem  Hinblick  auf  diese 
Bestimmung  hat  das  XII.  Concil  von  Toledo  (a.  681)  c.  2 
bestimmt,  dass  auch  in  diesem  Falle  der,  welcher  das 
geistliche  Gewand  ablege ,  der  Apostasie  schuldig  sein 
solle ".  Ervig  hat  jenes  Concil  zur  Mitarbeit  an  seiner  Ge- 
setzesrevision aufgefordert  und  dessen  Beschlüsse  bestätigt. 
Wenn  er  es  trotzdem  unterlassen  hat,  Chindasvinds  Gesetz 
diesem  Beschlüsse  entsprechend  zu  ändern,  so  bedeutet 
das  wohl,  dass  er  für  das  weltliche  Recht  auf  Chindasvinds 
Standpunkt  verharrte. 

III,  5,  4  [W.  III,  5,  4]  Nov.  'Solet'.  —  Auf  Chindas- 
vinds Gesetz  folgt  in  den  meisten  Handschriften  diese 
Novelle  Egicas,  die  sich  gegen  ein  eigenthümliches  Ver- 
fahren der  Wittwen  bei  Annahme  des  geistlichen  Gewandes 
richtet.  Diese  pflegten  in  der  Zeit  der  Trauer  das  geistliche 
Gewand  anzunehmen,  dabei  sich  aber  die  Rückkehr  in  das 
weltliche  Leben  offen  zu  halten,  indem  sie  farbige  Streifen 
der  inneren    Seite    des    Gewandes    aufnähten,    auf   Grund 

1)  Cf.  Big.  III,  1;  2,  1;  Greenidge,  Infamia  (Oxford  1894),  p.  113  £f. 
2)  Der  Vorwand:  *se  nuUis  regulis  ecclesiasticae  discipline  sub  hoc  voto 
teneri,  quia  poenitentiam  nee  ipsi  petierint  nee  sentientes  acceperint', 
wird   mit  Hinweis    auf  die  "Wirksamkeit   der  Kindertaufe  zurückgewiesen. 


618  Karl  Zeumer. 

deren  sie  dann  vorgaben,  nie  wirklich  ein  geistliches  Ge- 
wand getragen  zu  haben.  Derselben  und  ähnlichen 
Schwindeleien  trauernder  Wittwen  war  schon  unter  Rec- 
cessvind  das  X.  Concil  von  Toledo  in  c.  4  entgegengetreten, 
indem  es  bestimmte,  dass  Wittwen  nur  nach  vorgängiger 
schriftlicher  Erklärung,  immer  im  geistlichen  Stande 
bleiben  zu  wollen,  von  dem  Priester  das  geistliche  Gewand 
empfangen  und  dass  an  dem  Gewände  keine  bunten  Farben 
sein  sollten.  Dass  der  Canon  nicht  den  erwünschten  Erfolg 
hatte,  zeigt  Egicas  Gesetz. 


III,  5,  5  [R.  III,  5,  4].  —  Chindasvind  verhängt  in 
diesem  Gesetze  gegen  die  concubitores  masculorum  als 
Hauptstrafe  der  Schuldigen  die  Entmannung.  Inwiefern 
das  altgothischem  Rechte  entspricht,  wissen  wir  nicht.  Im 
altnorwegischen  Recht  findet  sich  die  gleiche  Strafe  für 
einen  anderen  Fall  unnatürlicher  Unzucht,  Wilda,  Straf- 
recht d.  Germ.  S.  859 ;  aber  auch  dem  römischen  Rechte 
war  diese  Strafe  neben  der  Todesstrafe  nicht  ganz  fremd; 
s.  Rein,  Criminalrecht  d.  Römer  S.  867 ,  N.  *.  Die  in  die 
westgothische  Lex  Romana  aufgenommenen  auf  dieses  Ver- 
gehen bezüglichen  Stellen  (Cod.  Theod.  IX,  4,  5 ;  Paulus 
V,  4,  14),  boten  für  ein  solches  Gesetz  keine  genügende 
Grundlage  und  sind  von  Chindasvind  auch  unbeachtet 
gelassen. 

III,  5,  6  [W.  III,  5,  7]  Nov.  'Orthodoxe'.  —  Egica 
führt  in  dieser  Novelle  (novella  lex)  den  Kampf  gegen  die 
Sodomie  fort,  indem  er  nicht  nur  die  von  Chindasvind 
festgesetzten  Strafen  bestätigt,  sondern  auch  eine  darauf 
bezügliche  kirchliche  Strafsatzung,  welche  im  3.  Jahre  seiner 
Regierung  erfolgt  war,  als  weltliches  Recht  anerkennt: 
'iubente  principe  vel  quolibet  iudice  insistente  non  solum 
castrationem  virilium  perferat,  sed  insuper  illam  in  se 
iacturam  excipiat  ultionis,  quam  pro  his  causis  nuper  in 
anno  videlicet  tertio  regni  nostri  sacerdotalis  decreti  pro- 
mulgata  sententia  evidenti  prescriptione  depromit'.  Dieses 
Citat  passt  vollkommen  auf  can.  3  des  XVI.  Concils  von 
Toledo,  welcher  den  Geistlichen  Verlust  ihrer  Würde,  den 
Laien  wie  ein  weltliches  Gesetz  100  Schläge  und  Decal- 
vation,  beiden  aber  lebenslängliches  Exil,  d.  h.  Einsperrung 
unter  strenger  geistlicher  Zucht,  androht.  Dieses  Concil 
ist  aber  nicht  im  3.  sondern  im  6.  Regierungs jähre  Egicas 
abgehalten.  Eine  Bleistiftnotiz  von  Bluhmes  Hand  in  unserm 
Apparat  besagt:  '690  war  ein  Concil,  dessen  Akten  verloren 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  III,  5, 4—6, 1.2.     619 

sind.  Die  Sentenz  aber  dieses  Provinzial  -  Concils  ist  be- 
stätigt im  Conc.  Toi.  XVI,  3'.  Helfferich,  Westgothenrecht 
S.  208,  A.  239  dagegen  meint,  die  Jahreszahl  im  Gesetze 
Egicas  sei  falsch;  statt  'tertio'  sei  zu  lesen  'sexto':  'Der 
Abschreiber  verwechselte  das  Zahlzeichen  VI  mit  III'. 
Erscheint  diese  Annahme  an  sich  plausibel,  so  wird  sie 
freilich  bedenklich  durch  den  Umstand,  dass  die  hand- 
schriftliche Ueberlieferung  in  der  Lesart  ^tertio'  (mit  Buch- 
staben ausgeschrieben)  völlig  übereinstimmt;  der  Fehler 
müsste  auf  den  Archetypus,  der  in  diesem  Falle  wahr- 
scheinlich mit  der  offiziellen  Aufzeichnung  zusammen  fällt, 
zurückgehen.  Gegenüber  den  Schwierigkeiten,  welche 
dieser  Annahme  entgegenstehen,  möchte  ich  die  Annahme 
Bluhmes,  dass  ein  entsprechender  Canon  bereits  in  ver- 
lorenen Concilsakten  aus  dem  3.  Jahre  Ervigs  vorlag,  nicht 
ganz  von  der  Hand  weisen. 


III,  5,  7  [E.  III,  5,  5.  W.  III,  5,  6].  —  Chindasvind 
ergänzt  durch  dieses  letzte  Gesetz  das  erste  dieses  Titels, 
indem  er  Männern  die  Geschlechtsverbindung  mit  Weibern, 
die  in  ausserehelichem  Geschlechtsverkehr  mit  dem  Vater 
oder  Bruder  jener  gestanden  haben,  zu  ihnen  also  im  Ver- 
hältnis der  sogenannten  affinitas  illegitima  stehen ,  bei 
Strafe  des  Incestes  untersagt.  Quelle  oder  Vorbild  für 
dieses  Gesetz  vermag  ich  nicht  nachzuweisen.  Kirchliche 
Anschauungen,  wie  sie  später  in  Concilienschlüssen  und 
Bussbüchern  hervortreten,    scheinen  zu  Grunde   zu   liegen. 


Titel  6 :  'De  divortiis  nuptiarum  et  discidio  ispon- 
sorum'  enthält  nur  3  Gesetze. 

III,  6,  1.  2.  —  Die  beiden  ersten  Stücke,  eine  Antiqua 
und  ein  Gesetz  Chindasvinds  sind  zuletzt  von  Dahn,  Stu- 
dien S.  120  f.,  von  London  S.  45  f.  und  von  Geffcken,  Ge- 
schichte der  Ehescheidung  S.  38  ff.,  erörtert.  Ich  vermag 
mich  keinem  meiner  Vorgänger  ganz  anzuschliessen,  glaube 
aber  darauf  verzichten  zu  sollen,  im  Einzelnen  jede  Ab- 
weichung oder  üebereinstimmung  zu  bemerken. 

Die  beiden  ersten  Gesetze  sind  nicht  —  wie  man  das 
wohl  gethan  hat  —  als  Zeugnisse  für  dieselbe  Rechtsmaterie 
auf  zwei  verschiedenen  Entwicklungsstufen  zu  betrachten, 
nicht  als  ob  die  Antiqua  das  alte  Recht,  die  Lex  Chinda- 
svinds das  reformierte  Recht  darstelle  ^.     Chindasvinds  Ge- 


1)  So  Dahn,  Studien  S.  120:  'Dieses  ältere  Scheidungsrecht  (III,  6, 1) 
hat  dann  Kindasviath  in  einem  umfassenden  Gesetz  (III,  6,  2)  reformiert'. 


620  Karl  Zeumer. 

setz  lässt  vielmehr  das  in  der  vorhergehenden  Antiqua 
enthaltene  Recht  unberührt.  Das  von  ihm  als  reform- 
bedürftig erkannte  Recht  war  in  einer  Antiqua  enthalten, 
die  durch  sein  Gesetz  verdrängt  wurde.  Denn  regelmässig 
verfuhr  man  bei  Herstellung  der  Reccessvindiana  so,  dass 
man  das  veraltete  Recht  beseitigte  und  nur  das  vom  alten 
Rechte,  nöthigenfalls  mit  geringen  Aenderungen,  unter 
der  Ueberschrift  Antiqua  aufnahm,  was  fortbestehen  sollte 
und  mit  dem  neuen  Recht  in  Einklang  war.  Das  war  die 
Regel  und  musste  es  sein,  wenn  das  Gesetzbuch  seinem 
Zwecke  entsprechen  sollte.  Dass  trotzdem  einzelne  Züge 
des  älteren  Rechtes,  welche  mit  dem  neueren  nicht  über- 
einstimmen, durch  dieses  aufgehoben  werden  und  zweck- 
mässiger hätten  ausgeschieden  werden  sollen,  in  den  Texten 
der  Antiquae  enthalten  sind,  ist  wohl  erklärlich.  Solche 
Inconsequenzen  der  Redaktion  können  für  unsere  Kennt- 
nis der  Entwickelung  des  Westgothenrechtes  sehr  werthvoll 
sein,  sind  aber  sicher  von  den  Redaktoren  nicht  beabsich- 
tigt. Diese  wollten  nur  das  geltende  Recht  in  das  neue 
Gesetzbuch  aufnehmen;  historisches  Interesse  hatten  sie 
natürlich  nicht,  und  würden  Antiquae  sicher  nicht  aufge- 
nommen haben,  deren  Inhalt  sie  als  veraltet  erkannt 
hätten. 

Für  das  Verständnis  der  beiden  Gesetze  und  ihres 
Verhältnisses  zu  einander  kommt  vor  Allem  der  Sinn  der 
Bezeichnungen  repudium  und  repudiare  einerseits  und  di- 
vortium,  divertere,  divortisse  andererseits  in  Betracht. 
Man  findet  vielfach  und  zwar  durchweg  in  den  beliebtesten 
Lehr-  und  Handbüchern  des  römischen  Rechtes  die  Angabe, 
dass  divortium  die  Ehescheidung  auf  Grund  gegenseitigen 
Uebereinkommens  der  beiden  Gatten  bezeichne,  repudium 
dagegen  die  einseitig,  d.  h.  von  einem  Ehegatten  gegen 
den  Willen  des  anderen  Theiles  vorgenommene  Lösung 
der  Ehe^.  Ein  solcher  Gegensatz  aber  ist  den  Quellen 
fremd.  Wenn  die  beiden  Bezeichnungen  in  Gegensatz  zu 
einander  gesetzt  werden,  so  geschieht  das  in  einem  ganz 
anderen  Sinne,  nämlich  um  hervorzuheben,  dass  repudium 

1)  Vgl.  Demburg,  Pandekten  III,  §  10:  'In  Rom  war  die  Ehe 
durch  privaten  Entschluss  lösbar,  und  zwar  nicht  bloss  mittels  Ueber- 
einstimmung  —  divortium  — ,  sondern  auch  einseitig  —  durch  repudium'. 
—  Sohm,  Institutionen  7.  Aufl.  §  97  S.  451:  'Hier  kann  die  Ehe  ge- 
schieden werden  durch  Vertrag  der  Ehegatten  (divortium)  oder  durch 
einseitige  Aufkündigung  seitens  eines  Ehegatten  (repudium).  —  Schulin, 
Lehrbuch  der  Geschichte  des  Rom.  Rechtes  S.  224:  'Beendigungsgrund 
für  die  Ehe  ist  die  Scheidung,  die  entweder  durch  einseitige  Aufkündigung, 
repudium,  oder  durch  beiderseitige  Uebereinkunft,  divortium,  erfolgt'. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  III,  6,  1.  2.     621 

auch  auf  die  Lösung  eines  Verlöbnisses,  divortium  nur  auf 
die  einer  Ehe  bezogen  werden  könne.  {Dig.  L,  16,  1.  101 
§1;  1.191). 

Bei  der  Ehescheidung  aber  schliessen  divortium  und 
repudium  einander  nicht  aus.  Auch  die  durch  repudium 
einseitig,  gegen  den  Willen  des  anderen  Gatten  vollzogene 
Scheidung  heisst  divortium,  wie  Paulus  Dig.  XXIV,  2,  3 
bezeugt,  wo  er  erklärt,  dass  ein  verum  divortium  nur 
durch  Bezeugung  dauernden  Willens  entstehe :  'ideoque 
per  calorem  misso  repudio,  si  brevi  reversa  uxor  est,  nee 
divortisse  videtur'.  Auch  einseitige  Scheidung  mittels  repu- 
dium wegen  eines  Verbrechens  ist  divortium  nach  Cod. 
Theod.  III,  16,  2,  einem  Gesetz  von  Honorius,  Theodosius 
und  Constantius  v.  J.  421,  wo  es  im  Eingange  heisst:  'Mu- 
lier, quae  repudii  a  se  dati  oblatione  discesserit,  si  nullas 
probaverit  divortii  sui  causas  u.  s.  w.'  ^.  Andererseits  wird 
auch  beim  divortium  ex  consensu  das  repudium  voraus- 
gesetzt, C.  lust.  V,  17,  9:  'Si  constante  matrimonio  com- 
muni  consensu  tam  mariti  quam  mulieris  repudium  sit 
missum  u.  s.  w.'  ^. 

Schon  aus  diesen  Stellen  ergiebt  sich,  dass  divortium 
die  allgemeine  Bezeichnung  für  jede  Ehescheidung  war, 
repudium  mittere,  dare  dagegen  die  Form,  in  der  sich  die 
Ehescheidung  und  zwar  auch  die  consensu  vereinbarte  voll- 
zog. Sehr  deutlich  drückten  das  auch  die  römischen  Ju- 
risten aus,  welche  gegen  das  Jahr  500  das  römische  Rechts- 
buch für  die  Burgunder  bearbeiteten.  In  Titel  21,  der 
'De  divortiis'  überschrieben  ist,  wird  zuerst  der  Satz  auf- 
gestellt: 'Consensu  partis  utriusque  repudium  dari  et  ma- 
trimonium  posse  dissolvi'.  Darauf  folgen  dann  die  Fälle, 
in  denen  der  Mann  gegen  den  Willen  der  Frau  und 
die  Frau  gegen  den  Willen  des  Mannes  das  repudium 
geben  will :  'si  pars  viri  repudium  dare  uxore  contra- 
dicente  voluerit'  und  'si  mulier  nolente  marito  repudium 
ei  dare  voluerit'.  Dieselbe  Auffassung  bezeugt  auch  die 
Auswahl  der  beiden  ersten  Fragmente  von  Dig.  XXIV,  2. 
Das  erste  giebt  mit  einer  Stelle  des  Paulus  die  Fälle  der 
Auflösung  der  Ehe  an:  'Dirimitur  matrimonium  divortio, 
morte,    captivitate   vel    alia    contingente    Servitute    utrius 


1)  Vgl.  damit  auch  Nov.  Theod.  c.  12  von  439,  die  10  Jahre  später 
durch  das  im  Anfang  völlig  gleichlautende  Gesetz  0.  Just.  V,  17,  8  ersetzt 
■wurde.  2)  Dass  auch  bei  dem  sog.  divortium  bona  gratia  ia  C.  Just. 
V,  17,  10  das  repudium  mittere  erwähnt  wird,  mache  ich  nicht  geltend, 
weil  der  dort  erörterte  Fall  thatsächlich  eine  einseitige  Auflösung  der 
Ehe  durch  die  Frau  bedeutet. 


622  Karl  Zeumer. 

eorum'.  Hier  umfasst  divortium  offenbar  alle  Fälle  der 
Scheidung.  Nach  einer  ebenfalls  für  alle  Fälle  zutreffen- 
den etymologischen  Erklärung  des  Wortes  divortium  folgt 
dann  in  fr.  2 :  'In  repudiis  autem,  id  est  renuntiatione, 
comprobata  sunt  haec  verba :  tuas  res  tibi  habeto'  u.  s.  w. 
In  dem  ganzen  Zusammenhange  kann  das  nur  bedeuten, 
dass  das  repudium  die  renunciatio,  die  feierliche  Ankün- 
kündigung  des  divortium  ist. 

Diese  feierliche  Ankündigung  des  repudium  konnte 
mündlich  geschehen,  und  zwar  persönlich  oder  durch  Boten, 
und  wohl  nicht  nur  im  letzteren  Falle  unter  Zuziehung 
von  Zeugen^.  So  fasst  auch  Isidor,  Etymol.  IX,  7,  24  die 
Sache:  'Repudium  est,  quod  sub  testimonio  testium  vel 
praesenti  vel  absenti  mittitur'  '^.  Isidor  dachte  wohl  bei 
dem  Ausdruck  repudium  mittere  nicht  nur  an  die  münd- 
liche Erklärung,  sondern  auch  an  die  schriftliche  durch 
Uebersendung  eines  Scheidebriefes.  Dieser  wird  Dig. 
XXIV,  2,  7  als  libellus  divortii,  Cod.  V,  17,  6  als  repudii 
libellus  bezeichnet,  in  den  fränkischen  Formelsammlungen 
regelmässig  als  libellum  repudii  (Marculf  II,  30.  Form. 
Tur.  19.  Form.  Sal.  Merk.  18),  und  hier  entspricht  die  Be- 
zeichnung als  repudium,  trotzdem  es  sich  in  diesen  Stücken 
durchweg  um  divortium  ex  consensu  handelt,  durchaus 
dem  aus  den  römischen  Quellen  gewonnenen  Resultat. 

Treten  wir  nunmehr  an  die  westgothischen  Gesetze 
heran  und  halten  fest,  dass  die  Ausdrücke  repudium  und 
repudiare  oder  divortium  an  sich  noch  keinen  Schluss  auf 
die  eine  oder  andere  Art  der  Scheidung  zulassen,  so  wird 
die  Erklärung  sehr  vereinfacht.  Ausserdem  haben  wir  den 
Vortheil  von  III,  6,  1  jetzt  einen  Text  mit  Sicherheit  als 
den  originalen  betrachten  zu  können,  der  einen  guten  und 
sachgemässen  Sinn  ergiebt,  während  die  früheren  Erklärer  -^ 
den  hier  verstümmelten  Vulgattext  benutzt  haben,  der  sie 
nothwendig  auf  falsche  Fährten  bringen  musste  ^. 


1)  Cf.  Dig.  XXIV,  2,  1.  2,  §  3 ;  1.  9 ;  vgl.  ausserdem  Kariowa,  Rom. 
RG.  II,  S.  189  und  Schlesinger,  Die  Form  der  Eheschliessung  bei  den 
Römern,    Z.  f.  Rechtsgesch.  V,    S.  193  ff.  2)    Die   Erklärung   welche 

Isidor  unmittelbar  darauf  von  divortium  giebt  ist  zu  eng,  widerspricht 
aber  unserer  Auffassung  nicht.  3)  Älit  Ausnahme  Geffckens,  der  den 
Text  der  Reccessvindiana  nach  der  Handausgabe  kannte,  aber  auf  diese 
Stelle  nicht  näher  eingeht.  4)  Der  im  Anfang  unverstümmelte  Text 
von  III,  6,  1  war  vor  dem  Erscheinen  der  Handausgabe  nur  durch  die 
Madrider  Ausgabe  bekannt,  die  hier  gegen  die  Regel  einmal  einen  besseren 
Text  als  die  anderen  Ausgaben  enthielt.  Vgl.  Dahn,  Studien  S.  120; 
London  S.  47.  Dahns  Vorwurf,  dass  das  Gesetz  schlecht  redigiert  sei, 
erledigt  sich  durch  den  ursprünglichen  Text  von  selbst. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  HI.  —  L.  Vis.  HI,  6,  1.  2.      623 

Der  früher  zu  Grunde  gelegte  Text  lautet:  'Mulierem 
ingenuam  a  viro  suo  repudiatam  nullus  sibi  in  coniugio 
sociare  praesumat'.  Er  führte  nothwendig  zu  der  Annahme, 
dass  das  Gesetz  die  Wiederverheirathung  der  durch  repu- 
dium  Geschiedenen  schlechtweg  verbiete.  Es  fehlte  aber 
die  im  echten  Texte  hinzugefügte  Bedingung:  'nisi  aut 
scriptis  aut  coram  testibus  divortium  inter  eos  fuisse  factam 
evidenter  agnoscat'.  Nunmehr  ist  alles  klar!  Eine  Ge- 
schiedene darf  nicht  von  einem  anderen  Manne  zur  Ehe 
genommen  werden,  wenn  sie  nicht  durch  Urkunde  (Scheide- 
brief) oder  Zeugen  nachweisen  kann,  dass  eine  Scheidung 
der  Vorehe  wirklich  erfolgt  ist.  Kann  dieser  Nachweis 
nicht  erbracht  werden,  so  gilt  die  zweite  Ehe  als  adulte- 
rium  und  das  Paar  verfällt  der  Ehebruchsstrafe,  Ueberlief- 
rung  an  den  ersten,  einzig  als  rechtmässig  anerkannten 
Mann. 

Die  feierlichen  Formen  der  Ehescheidung,  entweder 
schriftlich  oder  vor  Zeugen,  sind  offenbar  dem  römischen 
Rechte  entlehnt,  und  waren  hier  wie  dort  vorgeschrieben, 
einerseits  um  die  wirklich  Geschiedene  bei  ihrer  Wieder- 
verheirathung  gegen  eine  Ehebruchsklage  zu  sichern,  andrer- 
seits einer  Ehebrecherin  den  Einwand,  dass  sie  geschieden 
sei.  abzuschneiden. 

Wem  die  Beseitigung  jener  Bedingung  'nisi  —  agnos- 
cat' zuzuschreiben  ist,  wage  ich  nicht  mit  Bestimmtheit  zu 
behaupten.  Wahrscheinlich  aber  ist  sie  bereits  in  Ervigs 
Redaktion  vom  Jahre  681  getilgt^,  und  damit  das  unbe- 
dingte Verbot  der  Wiederverheirathung  der  geschiedenen 
Frau  ausgesprochen.  Es  ist  darin  wohl  eine  Concession 
an  die  kirchliche  Anschauung  zu  sehen,  bei  der  nicht  be- 
achtet wurde,  dass  sie  sich  mit  dem  übrigen  Texte  der 
Gesetze  nicht  vertrug. 

Auf  die  Strafbestimmung  für  die  Wiederverheirathung 
der  nicht  rechtsgültig  geschiedenen  Frau  folgt  der  Satz: 
'si  tamen  causam  inter  priorem  maritum  et  uxorem  adhuc 
inaudita  mauere  constiterit,  aut  si  isdem  maritus  alteri  se 
matrimonio  non  coniunxerit'  -. 


1)  Sie  steht  freilich  in  El,  fehlt  aber  in  E2.  El  ist  wahrschein- 
lich Abschrift  eines  Exemplars  der  Reccessvindiana ,  welches  gemäss 
Ervigs  Revision  corrigiert  war.  Dabei  konnte  leicht  die  Tilgung  dieses 
Passus  aus  Versehen  unterbleiben.  2)  In  der  Handausgabe  habe  ich 
diese  Worte  zu  dem  Eolgenden  gezogen.  Wiederholte  Beschäftigung  mit 
der  Stelle  hat  mich  zu  der  Ueberzeugung  geführt,  dass  sie  zu  dem  Vor- 
hergehenden gehören.  Vor  'si  tamen'  ist  also  statt  des  Punktes  ein  Semi- 
kolon und  nach  'coniunxerit'  ein  Punkt  zu  setzen. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  40 


624  Karl  Zeumer, 

Nach  dem  Vorhergehenden  sollte  die  Wiederver- 
heirathung  bestraft  werden,  wenn  die  Frau  nicht  die  Auf- 
lösung der  Vorehe  durch  divortium  beweisen  konnte.  Hier 
wird  als  weitere  Voraussetzung  für  die  Bestrafung  hinzu- 
gefügt, dass  der  Prozess  zwischen  der  Frau  und  dem 
ersten  Manne  noch  nicht  entschieden  sei  (causa  adhuc  in- 
audita)  und  dass  der  erste  Mann  sich  nicht  wieder  ver- 
heirathet  habe.  Drücken  wir  das  positiv  aus,  so  können  wir 
also  sagen:  Die  Frau  darf  eine  neue  Ehe  eingehen  1)  wenn 
sie  das  divortium  der  Vorehe  beweist,  oder  2)  wenn  ihr 
Prozess  mit  dem  ersten  Manne  zu  ihren  Gunsten  entschieden 
ist,  oder  3)  wenn  ihr  erster  Mann  sich  anderweit  ver- 
heirathet  hat. 

Der  Nachdruck  wird  schon  im  Vorhergehenden  auf 
die  Einvrilligung  des  ersten  Mannes  gelegt.  Die  Strafe 
soll  erleiden  'mulier,  que  se  alteri  extra  volumtatem  mariti 
prioris  in  coniugium  copulavit'.  Verheirathete  er  selbst  sich, 
so  gab  er  damit  seine  Ansprüche  an  die  erste  Frau  auf, 
auch  wenn  er  ein  förmliches  repudium  nicht  ertheilt  hatte. 
Sonst  musste  die  Frau  das  über  die  Scheidung  der  ersten 
Ehe  vom  Manne  ertheilte  repudium  nachweisen,  entweder 
durch  Vorlegung  des  libellus  repudii  oder  durch  Nachweis 
der  Ertheilung  vor  Zeugen.  Ob  das  repudium  mit  ihrer 
Einwilligung  oder  gegen  ihren  Willen  gegeben  war,  und  ob 
es  in  diesem  Falle  rechtmässig  oder  unrechtmässig  gegeben 
war,  trägt  für  die  Frage  der  Wiederverheirathung,  für  die 
es  nur  auf  den  Scheidungswillen  des  ersten  Mannes  an- 
kommt, nichts  aus. 

Sind  so  die  erste  und  die  dritte  Bedingung  klar,  so 
ergiebt  sich  auch,  was  für  ein  Prozess  mit  der  causa  adhuc 
inaudita  in  der  zweiten  Bedingung  allein  gemeint  sein 
kann.  Es  kann  hier  nur  der  einzige  Fall  ins  Auge  gefasst 
sein,  in  welchem  die  Frau  auch  gegen  den  Willen  ihres 
ersten  Mannes  sich  neu  verheirathen  darf,  das  ist  der  Fall, 
dass  sie  den  ersten  Mann  eines  Verbrechens  überführt, 
welches  sie  zur  einseitigen  Lösung  der  Ehe  und  Schliessung 
einer  neuen  berechtigt.  Als  solche  Verbrechen  sind  in 
III,  6,  2  Sodomie  und  Preisgebung  der  Frau  zur  Unzucht 
gegen  ihren  Willen  genannt:  'si  mulieris  maritus  mascu- 
lorum  concubitus  adprobatur  aut  eandem  suam  uxorem, 
ea  nolente,  adulteranda[m]  cuicumque  viro  dedisse  vel  per- 
misisse  convincitur  .  .  .  nubendi  mulieri  alteri  viro  .  .  . 
nullatenus  inlicitum  erit'.  Nicht  das  Verbrechen  selbst, 
sondern  erst  die  Ueberführung  giebt  ihr  das  Recht.  Es 
muss    also    eine    Criminalklage    wegen    eines    dieser   Ver- 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  III.  —  L.  Vis.  III,  6,  1.  2.      625 

brechen  gegen  den  Mann  erfolgreich  durchgeführt  sein. 
Heirathet  sie  vorher,  'cansa  adhuc  inaudita  manente',  so 
setzt  sie  sich  der  Ehebruchsstrafe  aus. 

So  findet  jene  Stelle  eine  einfache  und  sachgemässe 
Erklärung.  Für  eigentliche  Ehescheidungsklagen  ist  kein 
Raum  im  Westgothenrecht.  Es  kennt  nur,  wie  auch  das 
römische  Recht  Klagen  wegen  Verbrechen  des  einen  Gatten, 
die  wohl  dem  andern  Gatten  das  Recht  zur  Lösung  der 
Ehe  gaben,  welche  aber  nicht  auf  Trennung  der  Ehe, 
sondern  auf  peinliche  Bestrafung  des  andern  Gatten  ge- 
richtet waren.  Deshalb  dürfen  wir  auch  an  jener  Stelle 
nicht  an  eine  Ehescheidungsklage  denken.  Auch  eine 
Criminalklage  gegen  die  Frau  kann  nicht  gemeint  sein. 
Wäre  die  Frau  des  einzigen  Verbrechens ,  welches  nach 
III,  6,  2  ihren  Mann  zu  einseitiger  Verstossung  berechtigte, 
des  Ehebruchs  überführt,  so  hätte  ihre  Bestrafung  ihre 
Wiederverheirathung  unmöglich  gemacht;  wäre  sie  nicht 
überfühi't,  so  hätte  die  erste  Ehe  fortbestanden. 

Handelt  bis  hierher  das  Gesetz  allein  von  der  Wieder- 
verheirathung  der  geschiedenen  Frau,  so  werden  in  den 
folgenden  mit  'Gerte  si  maritus  uxorem  iniuste  reliquerit' 
beginnenden  Bestimmungen  die  Folgen  unrechtmässiger 
Verstossung  der  Frau  für  den  Mann  bestimmt:  Er  soll  ihr 
die  ihr  von  ihm  bestellte  Dos  belassen  und  ihr  ganzes 
Vermögen  herausgeben.  Erpresste  Verzichtsurkunden  sollen 
ungültig  sein. 

Auch  das  ältere  römische  Recht  kennt  für  diesen 
Fall  den  Verlust  der  Dos  an  die  Frau,  natürlich  der 
römischen  Dos,  fügte  aber  noch  das  Verbot  der  Wieder- 
verheiratung des  Mannes  hinzu.  Cod.  Theod.  III,  16,  1 : 
Si  absque  bis  criminibus  liberam  eiecerit,  omnem  dotem 
restituere  debet  et  aliam  non  ducere'.  In  demselben  Sinne 
spricht  sich  auch  die  folgende  Constitution  III,  16,  2  aus 
und  ebenso  die  Interpretatio  zu  beiden. 

Ist  wohl  kaum  zweifelhaft,  dass  der  Verlust  der  Dos 
in  der  Antiqua  dem  römischen  Recht  entlehnt  ist,  so  fragt 
es  sich,  ob  das  älteste  Westgothenrecht  nicht  auch  das 
Verbot  der  Wiederverheirathung  für  diesen  Fall  kannte. 
Unsere  Antiqua  sagt  darüber  nichts.  Ein  Schluss  aus 
diesem  Schweigen  ist  aber  nicht  zulässig.  Es  entspricht 
vielmehr  ganz  dem  sonstigen  Inhalt  des  Gesetzes,  welches 
die  Folgen  der  Scheidung  für  die  Frau  behandelt,  wenn 
hier  nur  die  vermögensrechtlichen  Nachtheile  für  den 
Mann,  insofern  als  sie  Vortheile  für  die  Frau  waren,  hervor- 
gehoben  sind.     Das  Verbot   der  Wiederverheirathung   des 

40* 


626  Karl  Zemner. 

Mannes  als  Folge  ungerechter  Verstossung  der  Frau  finden 
wir  im  folgenden  Gesetz  Chindasvinds  III,  6,  2.  Wahr- 
scheinlich stand  es  ebenfalls  schon  in  der  Antiqua,  welche 
durch  dieses  Gesetz  verdrängt  ist. 

Chindasvind  handelt  in  III,  6,  2  hauptsächlich  von 
den  Folgen  der  Ehescheidung  für  den  Mann  und  zunächst, 
wie  ich  gleich  vorweg  nehme,  von  dem  Falle,  in  welchem 
der  Mann  selbst  die  Ehe  rechtmässig  einseitig  lösen  kann. 
'Nullus  virorum',  so  lautet  die  wichtigste  Stelle,  'excepta 
manifesta  fornicationis  causa  uxorem  suam  aliquando  relin- 
quat  et  neque  per  testem  neque  per  scripturam  seu  sub 
quocumque  argumento  facere  divortium  inter  se  et  suam 
coniugem  audeat'. 

Als  einziger  Grund,  der  dem  Manne  die  Scheidung 
gestattet,  wird  hier  in  Anlehnung  an  die  Bibel  und  mit 
Benutzung  des  Wortlautes  der  Vulgata  (Matth.  5 ,  32 : 
excepta  fornicationis  causa)  Ehebruch  der  Frau  hingestellt. 
Auch  in  c.  8.  Conc.  Tolet.  XII.  wird  dieser  einzige  Grund 
angegeben.  Dagegen  kennt  das,  wie  Geffcken  mit  Recht 
betont,  westgothische  Concil  von  Agde  ^  (c.  25.  Conc.  Agath. 
a.  506)  mehrere  causae  discidii.  Vermuthlich  waren  auch 
in  der  durch  Chindasvinds  Gesetz  verdrängten  Antiqua 
mehrere  Gründe  angegeben  und  zwar  wohl  die  des  römischen 
Rechts  nach  Cod.  Theod.  III,  16,  1,  wie  sie  in  der  Inter- 
pretatio  der  westgothischen  Lex  Romana  zu  dieser  Stelle 
anerkannt,  in  das  Edict  Theoderichs  c.  52,  in  die  Lex  Rom. 
Burg.  t.  21  und  mit  einer  Entstellung  in  die  Lex  Burgun- 
dionum  t.  35  aufgenommen  sind :  die  Frau  konnte  einseitig 
Verstössen  werden,  wenn  ihr  Ehebrvich,  Giftmischerei  oder 
Kuppelei  nachgewiesen  war.  Dass  diese  Gründe  auch  im 
alten  Westgothenrecht  galten,  wird  noch  besonders  wahr- 
scheinlich durch  einen  starken  wörtlichen  Anklang  unseres 
Gesetzes  an  die  Stelle  der  Lex  Burgundionum.  Dort  wird 
§  4  das  Verbot,  auf  andere  Gründe  hin  eine  Frau  zu  Ver- 
stössen, mit  den  Worten  erlassen:  'nulli  virorum  liceat', 
von  Chindasvind  mit  den  Worten:  'nullus  virorum  .  .  . 
relinquat'.  Diese  wörtliche  Uebereinstimmung  kann  nicht 
zufällig  sein;  auch  aus  der  gemeinsamen  römischen  Quelle 
ist  sie  nicht  zu  erklären.  So  bleibt  nur  die  Annahme, 
dass  Chindasvind  sie  aus  der  durch  sein  Gesetz  ersetzten 
Antiqua  entnahm  und  diese,  die  dann  schon  in  Eurichs 
Gesetzbuch  sich  befunden  haben  muss,  die  Quelle  war 
für  Gundobads  Gesetz  Lex  Burg.  t.  35. 


1)  Geflfcken,  Ehescheidung  S.  44. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  HI.  —  L.  Vis.  HI,  6,  1.  2.      627 


Mehrfach  macht  sich  in  Ghindasvinds  Gesetze  eine 
Uebereinstimmung  mit  Justinians  Novelle  117  bemerkbar. 
So  in  der  Behandlung  des  Ehebruchs  als  Grund  für  ein- 
seitige Ehescheidung,  wo  beide  Gesetze  als  Voraussetzung 
der  Scheidung  die  ordentliche  Durchführung  der  Ehe- 
bruchsklage hinstellen.  Ich  vergleiche  mit  Ghindasvinds 
Texte  c.  8  der  Novelle  in  der  lateinischen  Form  bei  Julian 
(Const.  107,  c.  7),  welcher  der  westgothische  Text  hier 
noch  etwas  näher  steht  als  dem  Authenticum. 


Novelle  117,  c.  8. 
Si  de  adulterio  maritus 
putaverit  uxorem  suam  posse 
convinci  prius  debet  inscrip- 
tiones  deponere  .  .  .  contra 
mulierem  ...  et  si  talis 
accusatio  vera  comprobata 
fuerit  .  .  . 


Chindasvind  III,  6,  2. 
Sed  si  adulteram  (uxorem 
suam)  maritus  dixerit  fortasse 
redarguendam  iuxta  legem 
aliam  eins  publice  scelere 
comprobato  .  .  . 


Deutlicher  noch  tritt  die  Uebereinstimmung  hervor 
in  der  Bestimmung  eines  Falles,  in  welchem  der  Frau  die 
einseitige  Lösung  der  Ehe  gestattet  sein  soll. 


Nov.  117,  c.  9,  §  3  (Auth.) 
Si  maritus  uxoris  castitati 
insidiatus    aliis    eam    adulte- 
randam  temptaverit  tradere. 


Chindasvind. 
si    mulieris    maritus    .    .    . 
suam  uxorem  .  .  .  adulteran- 
dam   cuicumque  viro  dedisse 
vel  permisisse  convincitur. 

Wir  werden  die  Vermuthung  nicht  abweisen  können, 
dass  hier  Ghindasvinds  Gesetz  durch  die  Novelle  beein- 
flusst  ist.  Ist  das  aber  der  Fall,  so  könnte  man  einen 
solchen  Einfluss  auch  an  einer  anderen  Stelle  anzunehmen 
geneigt  sein,  nämlich  da,  wo  Ghindasvind  vom  Eintritt  der 
Ehegatten  in  den  geistlichen  Stand  handelt.  Justinian 
hebt  in  c.  10  der  Novelle  das  divortium  ex  communi  con- 
sensu  auf  mit  Ausnahme  des  Falles,  dass  die  Ehegatten 
sich  dem  geistlichen  Leben  widmen  wollen.  Julian,  Gonst. 
108,  c.  9,  fasst  den  Sinn  der  Stelle  kurz,  aber  richtig  zu- 
sammen :  'Nulli  liceat  consensu  matrimonium  solvere,  nisi 
forte  castitatis  amore  hoc  fecerit'. 

Hiermit  könnte  man  die  Stelle  in  Ghindasvinds  Gesetz 
in  Beziehung  setzen,  welche  beginnt:  'Gerte  si  conversio- 
nis',  und  in  dieser  Verbindung  einen  weiteren  Grund  für  die 
Behauptung  finden,  dass  auch  Ghindasvind  in  unserem 
Gesetze   die  Ehescheidung   ex  communi  consensu   gänzlich 


628  Karl  Zeumer. 

ausgeschlossen  habe.  In  diesem  Sinne  hat  nämlich  Geffcken, 
Ehescheidung,  S.  43  jene  Stelle  gedeutet,  welche  vollstän- 
dig lautet:  'Gerte  si  conversionis  ad  Deum  volumtas  exti- 
terit,  communem  adsensum  viri  scilicet  et  mulieris  sacerdos 
evidenter  agnoscat,  ut  nulla  postmodum  cuilibet  eorum  ad 
coniugalem  aliam  copulam  revertendi  excusatio  intercedat'. 
Geffcken  schliesst  hieraus :  'dass  es  nach  westgothischem 
Recht  eine  freiwillige  Scheidung  mit  der  Befugnis  für 
beide  Gatten  sich  anderweitig  wieder  zu  verheirathen  über- 
haupt nicht  gab,  denn  es  wäre  eine  seltsame  Benachthei- 
ligung des  Gatten  einer  ins  Kloster  tretenden  Person  ge- 
wesen, wenn  ihm  allein  die  Wiederverheirathung  verboten, 
Leuten,  die  sich  aus  anderen  Gründen  freiwillig  schieden, 
aber  gestattet  sein  sollte'. 

Sehen  wir  genauer  zu,  so  finden  wir  nun,  dass  hier 
von  einer  freiwilligen  Scheidung  zum  Zweck  des  Eintrittes 
in  den  geistlichen  Stand  gar  nicht  die  Rede  ist.  Es  han- 
delt sich  nur  darum,  dass  ein  Ehegatte,  der  constante 
matrimonio  in  den  geistlichen  Stand  treten  will,  nicht 
zugelassen  werden  soll  ohne  ausdrückliche  Zustimmung  des 
andern,  denn  darauf  läuft  der  verlangte  communis  adsensus 
viri  et  mulieris  thatsächlich  hinaus.  Der  Zweck  wird  an- 
gegeben :  der  im  weltlichen  Stande  bleibende  Ehegatte  soll 
nicht  von  neuem  heirathen  dürfen.  Indem  er  seine  aus- 
drückliche Zustimmung  gab,  erkannte  er  die  Fortdauer  der 
Ehe  an  und  verzichtete  damit  auf  nachträgliches  einseitiges 
divortium  bona  gratia,  wie  es  nach  römischem  Recht  in 
solchem  Falle  sonst  möglich  war^.  Das  wurde  vorge- 
schrieben um  zu  verhindern,  dass  sich  jemand  seines  Ehe- 
gatten dadurch  entledigte,  dass  er  ihn  überredete  in  den 
geistlichen  Stand  zu  treten,  wohl  regelmässig  unter  dem 
Vorgeben  seinerseits  dasselbe  thun  zu  wollen,  um  dann 
hinterher  ungehindert  eine  andere  Ehe  schliessen  zu  können. 

Dass  diese  Auffassung,  die  im  wesentlichen  schon 
London,  dessen  Ausführungen  Geffcken  entgangen  zu  sein 
scheinen,  überzeugend  vertreten  hat,  richtig  ist,  geht  aus 
dem  ganzen  Zusammenhange  mit  voller  Deutlichkeit  her- 
vor. Der  ganze  erste  Theil  hat  den  ausgesprochenen  Zweck 
zu  verhindern,  dass  Männer  sich  ihrer  Frauen  entledigen 
um  andere  zu  heirathen.  Habsucht  und  zügellose  Begierde 
treiben,  heisst  es  im  Eingange,  viele  dazu,  ihre  Frauen  zu 
verschmähen  und  mit  allerlei  List  nach  anderen  zu  streben. 
Darum    wird    bestimmt,    dass    die    Verstossung    der    Frau 

1)  Vgl.  London  p.  53. 


Gesch.  d.  westgoth.  Gesetzgeb.  HI.  —  L.  Vis.  m,  6,  1.  2.      629 

nur  nach  erfolgreich  durchgeführter  Ehebruchsklage  statt- 
finden darf,  darum  wird  bestimmt,  dass  erpresste  Urkunden 
der  Frau,  welche  dem  Manne  die  Erreichung  seiner  Ziele 
ermöglichen  sollten,  keine  Geltung  haben.  Von  der  Frau 
wird  gesprochen  als  von  der,  die  durch  des  Mannes  Bos- 
heit von  ihm  geschieden  ist  (mulier  que  per  nequitiam 
illius  a  coniugio  resoluta  est)  und  endlich  wird  bestimmt, 
dass  den  Mann,  welcher  Scheidungs-  oder  Verzichturkunden 
von  seiner  Frau  erpresst  oder  auch  ohne  dies  sie  verstösst 
und  eine  andere  nimmt,  schwere  Strafen  treffen  sollen. 
Ueberall  liegt  die  Voraussetzung  vor:  der  Mann  sucht  sich 
seiner  Frau  gegen  deren  Willen  mit  List  oder  Gewalt  zu 
entledigen.  Von  einem  Verbot  eine  Ehe  aus  beiderseitigem 
freien  Willen  zu  lösen  ist  keine  Rede  und  dafür  über- 
haupt kein  Platz  in  diesem  Zusammenhange.  Dass  in 
den  Worten :  'neque  .  .  .  sub  quocumque  argumento  facere 
divortium  inter  se  et  suam  coniugem  audeat',  nicht  ein 
solches  Verbot  liegt,  geht  aus  dem  Zusammenhange  her- 
vor; und  was  über  den  Fall  der  voluntas  conversionis 
gesagt  ist  —  es  geht  der  Nichtigkeitserklärung  erpresster 
Urkunden  der  Frau  vorauf  —  kann  in  diesem  Zusammen- 
hange nicht,  wie  Geffcken  will,  gedeutet  werden  und  ist 
ausserdem  ungezwungen  anders  zu  deuten:  eins  der  hinter- 
listigen Mittel,  welche  die  Männer  anwenden,  soll  ihnen  ent- 
zogen werden.  Das  bestätigt  die  schon  von  London  angezogene 
Parallele  des  folgenden  Gesetzes  III,  6,  3,  in  welchem  der 
Bruch  des  Verlöbnisses  mit  den  Ehebruchsstrafen  bedroht 
wird,  und  auch  die  Fälle  erwähnt  werden,  wo  die  Verlobten 
vorgeben  geistlich  werden  zu  wollen :  'sine  pari  consensu 
aut  egritudinis  fortasse  manifesto  periculo  ad  religionis 
propositum  calliditate  magis  quam  devotione  conversionis 
adspirare  presumserint'.  Auch  in  der  Bestimmung  unseres 
Gesetzes  wird  ein  solches  betrügerisches  Vorgeben  bekämpft. 
Das  Gesetz  enthält  aber  auch  positive  Zeugnisse  dafür, 
dass  ein  divortium  communi  consensu  nach  dem  geltenden 
Eechte  zulässig  war,  dass  der  Mann  mit  Einwilligung  der 
Frau  die  Ehe  lösen  und  eine  neue  eingehen  konnte,  wie 
das  nach  III,  6,  1  die  Frau  mit  Einwilligung  des  Mannes 
konnte.  Chindasvind  erklärt  die  Scheidungs-  und  Verzichts- 
urkunden, welche  der  Mann  von  der  Frau  zum  Zweck  der 
Scheidung  erpresst,  für  ungültig:  'Quod  si  aliter  quisque 
uxorem  suam  spernens  quacumque  calliditate  scripturam  ab 
ea,  sibi  suisque  volumtatibus  profuturam,  exigerit,  non  so- 
lum  tale  vinculum  quandoque  reppertum  nihil  omnino 
firmitatis  habebit',  und  entsprechend  heisst  es  weiter  unten: 


630  Karl  Zeumer. 

'Maritus  autem,  qui  vel  divortii  vel  securitatis  a  coniuge 
scripturam  quamlibet  exigerit,  seil  fortasse  non  exigens, 
contemta  tarnen  uxore,  aliam  sibi  uxorem  adsumserit'  u.  s.  w. 
(folgt  die  Strafsatzung),  Welchen  Zweck  hatte  es  für  den 
Mann,  von  der  Frau  Scheidungs-  oder  Einwilligungsurkunden 
zu  erpressen,  wenn  der  Scheidungswille  und  der  Verzicht 
der  Frau  an  sich  werthlos,  die  Scheidung  auch  mit  ihrer 
Einwilligung  unzulässig  gewesen  wäre?  Die  Ungültigkeits- 
erklärung der  erpressten  Willenserklärung  hat  die  Gültig- 
keit freiwillig  gegebener  zur  Voraussetzung. 

Nun  bietet  das  Gesetz  dem  Verständnis  keine  Schwierig- 
keiten mehr.  Der  Mann,  welcher  seine  Frau  verstösst, 
wird  durch  Vermögensverlust  und,  wenn  er  sich  wieder 
verheirathet,  mit  Exil  (d.  h.  Klosterhaft)  oder  Verknech- 
tung  bestraft.  Die  Frau,  welche  um  die  rechtlich  noch 
bestehende  erste  Ehe  weiss  und  ihn  doch  heirathet,  wird 
entsprechend  der  Antiqua  III,  4,  9  der  verstossenen  Frau 
übergeben. 

Am  Schluss  werden  die  entsprechenden  Strafen  auch 
der  Frau  angedroht,  welche  ihre  Ehe  einseitig  gegen  den 
Willen  ihres  Mannes  mit  Hülfe  der  Obrigkeit,  durch  Be- 
fehl des  Königs  oder  seines  Beamten,  zu  lösen  versucht. 
Dass  nur  zwei  bestimmte  Verbrechen  des  Mannes  ihr  das 
Eecht  geben  sollen  sich  von  ihm  zu  trennen  und  einen 
andern  zu  heirathen,  ist  bereits  oben  S.  624  erwähnt, 
ebenso  dass  das  eine  dieser  Verbrechen  auch  von  Justinian 
in  Novelle  117  als  Scheidungsgrund   aufgestellt  ist. 

Ervig  hat  bei  seiner  Revision  nur  einige  geringfügige 
Aenderungen  an  dem  Gesetze  angebracht. 


III,  6,  3.  —  In  diesem  letzten  Gesetz  des  Titels  und 
Buches  überträgt  Reccessvind  die  Strafen ,  welche  sein 
Vater  in  III,  6,  2  auf  einseitige  Scheidung  der  Ehe  gesetzt 
hat,  auf  willkürliche  einseitige  Lösung  des  Verlöbnisses, 
Die  Bestimmungen  sind  schon  mehrfach  im  Vorhergehen- 
den (s,  S,  580  und  S,  629)  berücksichtigt. 


XIV. 


i 


lieber  die  Entstehungszeit 
und  die  Einlieitlichkeit  der  lex  Saxonum. 


Von 


Walther  Schücking. 


Ueber  die  Entstehungszeit  der  lex  Saxonum. 

Nachdem  Brunner  ^  im  Anschluss  an  Ältere,  nament- 
lich Waitz  2,  sich  dafür  ausgesprochen,  dass  die  lex  Saxonum 
ihre  Entstehung  wahrscheinlich  dem  Aachener  Reichstag 
von  802  verdanke,  ist  diese  Behauptung  von  Amira^ 
wiederum  heftig  angegriffen  worden.  Letzterer  hält  gegen- 
über Brunner  an  dem  Standpunkte  Richthof ens  **  fest,  wo- 
nach das  sächsische  Volksrecht  schon  aus  den  Jahren  777 
bis  797  stammen,  vielleicht  um  785  abgefasst  sein  soll. 
Dem  Hinweis  Brunners  auf  die  Thatsache,  dass  die  lex 
Saxonum  in  cap.  50 — 53  inhaltlich  aus  dem  Capitulare  legi 
Ribuariae  additum  vom  Jahre  802  bezw.  803  ^  schöpfe,  be- 
gegnet Amira  durch  die  Behauptung,  die  Ausführungen 
Richthofens  gegen  diese  Abhängigkeit  der  lex  Saxonum 
von  besagtem  capitulare  seien  von  Brunner  nicht  widerlegt 
worden.     Aber  worin  bestehen  denn   diese  Ausführungen? 

Richthofen  hatte  gemeint,  es  lasse  sich  ebensogut 
eine  Abhängigkeit  des  cap.  leg.  Rib.  add.  von  der  lex.  Sax. 
behaupten,  wie  umgekehrt  der  lex  Sax.  vom  capitulare. 
Freilich  hat  schon  Waitz  ^  diesen  Gedanken  von  Richthofen 
mit  einem  Hinweis  auf  den  Zusammenhang  der  fraglichen 
Stellen  in  der  lex  Sax.  mit  den  vorhergehenden  cap.  zurück- 


1)  Brunner,  Deutsche  Rechtsgeschichte  Bd.  I,  S.  349  2)  Waitz, 
Deutsche  Verfassungsgeschichte  Bd.  III  2.  Aufl.,  S.  157 ;  vgl.  auch  Graupp, 
Recht  und  Verfassung  der  alten  Sachsen  1837,  S.  45.  Nach  Stobbe,  Ge- 
schichte der  Deutschen  Rechtsquellen  1860  Bd.  I,  S.  192  sind  um  das  Jahr 
802  wahrscheinlich  die  verschiedenen  Stücke,  aus  denen  sich  nach  ihm 
die  lex  zusammensetzt,  vereinigt  worden ;  nach  Boretius,  Historische  Zeit- 
schrift Bd.  XXII  1869,  S.  165  ist  wenigstens  an  eine  Entstehung  von 
cap.  21  —  66  um  802  oder  803  zu  denken.  3)  von  Amira,  Göttinger 
gelehrte  Anzeigen  1888,  S.  56.  4)  Frhr.  v.  Richthofen,  Zur  lex  Saxonum 
1868,  S.  331  —  348.  5)  Das  Cap.  leg.  Rib.  add.  ist  zwar  von  803  da- 
tiert, seine  Entstehung  aber  vorzüglich  auf  Grund  der  Annal.  Lauresh. 
ad  a.  802  (SS.  I,  p.  39)  schon  für  den  Aachener  Reichstag  vom  October 
802  anzunehmen.  6)  Waitz  a.  a.  O.  S.  214.  Waitz  folgt  dabei  Usingers 
Forschungen  zur  lex  Sax.  1867,  S.  59  ff.  Schon  dieser  wollte  aus  dem 
Zusammenhang  der  lex  mit  Gewissheit  folgern,  dass  die  fraglichen  Stellen 
aus  dem  capitulare  in  die  lex  hineingearbeitet.  LT.  E.  ist  dieser  Versuch 
gescheitert. 


634  Walther  Schücking. 

gewiesen.  Seine  Ansicht  geht  dahin,  dass  die  ganze  Art, 
wie  die  fraglichen  Stellen  in  die  lex  eingeführt  sind,  auf 
die  Benutzung  einer  besonderen  Quelle  hindeute.  Wir 
können  Waitz  hierin  nicht  ganz  zustimmen.  Namentlich 
daraus,  dass  in  cap.  50  der  lex  noch  ein  allgemeiner  Grund- 
satz aufgestellt  ist,  der  in  der  Bestimmung  von  cap.  18 
schon  auf  einen  speziellen  Fall  angewandt  ist,  dass  ferner 
im  Schlusssatz  von  cap.  52  ein  Fall  erörtert  wird,  der  mit 
dem  im  Schlusssatz  von  cap.  18  behandelten  verwandt  ist, 
wird  man  nicht  mit  annähernder  Sicherheit  schliessen 
können,  bei  der  Abfassung  der  cap.  50 — 53  sei  aus  einer 
besonderen  Quelle  geschöpft  worden. 

Richthof en  ist  jedoch  u.  E.  bezüglich  seiner  Be- 
hauptung von  Brunner  schon  damit  widerlegt  worden,  dass 
letzterer  das  Verhältnis  zwischen  fränkischem  Recht  und 
dem  Recht  der  unterworfenen  Völker  überhaupt  betont. 
Wo  wären  denn  sonst  noch,  wie  Richthofen  hier  behaupten 
möchte,  sächsische  Rechtsideen  zu  jener  Zeit  in  das  Recht 
des  fränkischen  Siegers  eingedrungen? 

Erwägen  wir  endlich,  wovon  Brunner  schweigt,  dass 
gerade  dieses  capitulare  eine  besonders  weite  Verbreitung 
gefunden  zu  haben,  ja  zum  Theil  in  das  langobardische 
Recht  aufgenommen  zu  sein  scheint  ^,  so  dürfte  wohl  seine 
Benutzung  für  die  lex  Sax.  bei  der  theilweise  wörtlichen 
Uebereinstimmung  der  fraglichen  Stellen  beider  Gesetze 
ziemlich  ausser  Frage  stehen. 

Und  es  ist,  als  ob  Richthofen  selbst  an  die  von  ihm 
behauptete  Möglichkeit,  man  möchte  bei  der  Redaction 
des  capitulare  die  lex  ausgeschrieben  haben,  nicht  recht 
geglaubt  hätte,  wenn  er  auf  die  fernere  Möglichkeit  auf- 
merksam macht,  dass  weder  das  fränkische  Gesetz  aus  dem 
sächsischen,  noch  das  sächsische  aus  dem  fränkischen  ge- 
schöpft, beiden  vielmehr  eine  ältere  Verordnung  Karls  zu 
Grunde  liege. 

Da  uns  jedoch  von  einer  solchen  Verordnung  durch- 
aus nichts  bekannt  ist,  so  erkennen  wir  zwar  diese  Möglich- 
keit an,  so  lange  es  einer  dahin  zielenden  Behauptung  aber 
an  dem  Schatten  einer  Unterlage  fehlt,  werden  wir  den- 
noch an  der  Vermuthung  festhalten  müssen,  dass  die  lex  Sax. 
unmittelbar  aus  dem  capitulare  schöpfe.  Dann  aber  kann 
die  lex  Sax.  nicht  vor  dem  Jahre  802  bezw.  803  entstanden 
sein,  während  Richthofen  sie,  wie  oben  gesagt,  jedenfalls 
für  älter  als  das  capitulare  Saxonicum  von  797  hält. 

1)  Vgl.  Boretius,  Die  Capitularien  im  Langobardenreich ,  Halle 
1864,  S.  83. 


Ueb.  d.  Entstehungszeit  u.  d.  EirLheitKclikeit  d.  lex  Saxonum.     635 

Für  die  Unrichtigkeit  dieser  Behauptuug'  bringt 
ßrunner  dazu  einen  durchaus  zwingenden  Beweis  durch 
den  Hinweis  auf  die  Bestrafung  der  Brandstiftung.  Da 
Amira  auch  diese  Beweisführung  Brunners  angegriffen  hat, 
gehen  wir  auf  dieselbe  im  Folgenden  näher  ein. 

Das  cap.  Sax.  von  797  bedroht  eigenmächtige  Brand- 
stiftung mit  60  sol.  Busse,  die  lex  Sax.  mit  der  Todes- 
strafe. Zwei  Gründe  sprechen  dafür,  dass  letztere  schärfere 
Strafe  die  jüngere  sei.  Einmal  die  allgemeine  Beobachtung, 
dass  in  den  germanischen  Rechten  überhaupt  in  Bezug 
auf  die  Brandstiftung  eine  mildere  Beurtheilung  einer 
schärferen  Platz  gemacht  hat  und  diese  That  erst  spät 
als  selbständiges  und  den  schwersten  Missethaten  zuzu- 
rechnendes Verbrechen  betrachtet  worden  ist.  Die  in  der 
Brandstiftung  liegende  Gemeingefahr  wurde  eben  von  dem 
altgermanischen  Recht  nicht  berücksichtigt,  vielmehr  sah 
dasselbe  in  dieser  That  nur  eine  widerrechtliche  Schadens- 
zufügung und  es  mussten  schon  besondere  Momente,  wie 
nächtliche  Heimlichkeit  hinzutreten,  um  die  That  be- 
sonders strafbar  zu  machen.  Bei  rechtmässiger  Fehde 
aber  war  diese  Art  der  Schadenszufügung  nicht  wider- 
rechtlich und  deshalb  muss  nach  altsächsischem  Volksrecht 
die  gewöhnliche  Brandstiftung  in  diesem  Falle  straflos  ge- 
wesen sein.  Das  capitulare  Sax.  bestimmt  aber,  dass  nur 
noch  die  Brandstiftungen  erlaubt  sein  sollen,  die  einstimmig 
von  allen  auf  einem  placitum  versammelten  Gaugenossen 
wegen  Ungehorsams  gegen  ein  gerichtliches  Urtheil  be- 
schlossen werden,  die  eigenmächtige  Brandstiftung  jedoch 
mit  der  Bannbusse  von  60  sol.  gesühnt  werden  soll  ^. 

Wenn  nun  statt  dessen  die  lex.  Sax.  die  eigenmächtige 
Brandstiftung  mit  der  Todesstrafe  bedroht,  so  müssen  wir 
darin  schon  nach  jenem  allgemeinen  Gesichtspunkt  die 
jüngere  Strafe  sehen.  Dazu  kommt  dann  aber  als  zweiter 
gewichtiger  Grund  die  Thatsache,  dass  die  Todesstrafe  die 
im  neunten  Jahrhundert  in  Sachsen  bei  der  Brandstiftung 
übliche  ist.  Folglich  ist  die  lex  Sax.  auch  das  jüngere 
Gesetz.  Diesen  Schluss  bestreitet  Amira,  indem  er  der 
Behauptung  widerspricht,  der  Tod  sei  im  neunten  Jahr- 
hundert die  Strafe  für  den  sächsischen  Brandstifter  ge- 
wesen. Aber  dieser  Widerspruch  ist  unberechtigt.  Die 
Spangenbergische  Handschrift  der  lex  enthält  einen  Zusatz, 
wonach  nicht  die  Todesstrafe,  sondern  die  lex  loci  delicti 
commissi  zur  Anwendung  kommen  soll,  wenn  der  sächsische 


1)  Capitulare  Saxonicum  cap.  8. 


636  Walther  Schücking. 

Brandstifter  die  That  ausserhalb  Sachsens  begangen  hat. 
Richthofen  vermuthet  nun,  diese  Randglosse  schöpfe  aus 
einem  königlichen  Gesetz,  das  seinem  Inhalte  nach  erst  in 
die  zweite  Hälfte  des  9.  Jhs.  fallen  könne.  Denn  erst 
seit  864,  seitdem  aber  wiederholt,  ist  eine  theilweise 
Territorialität  des  Rechtes  in  fränkischen  Reichen  anerkannt 
worden  ^.  Dagegen  wendet  Boretius  ^  ein,  es  werde  sich 
nicht  bestimmen  lassen,  wann  im  sächsischen  Recht  durch 
Reichsgesetz  zuerst  das  Territorialitätsprincip  zur  An- 
wendung gelangt  sei;  jenes  ostfränkische  capitulare  von 
864,  auf  das  Richthofen  als  erste  Anerkennung  des  neuen 
Princips  hingewiesen,  könne  nicht  herangezogen  werden, 
weil  sich  damals  die  Reichsgesetzgebung  wohl  nicht  mehr 
um  die  Gesetzgebung  im  ostfränkischen  Reiche  gekümmert 
habe. 

Unseres  Erachtens  ist  es  überhaupt  recht  zweifelhaft, 
ob  jene  Randglosse  thatsächlich  aus  einem  bestimmten 
königlichen  Gesetze  schöpft,  zumal  uns  von  einem  solchen 
nichts  überliefert  ist.  Könnte  man  nicht  in  derselben 
einfach  den  Niederschlag  einer  sich  allmählich  Bahn 
brechenden  neuen  Rechtsidee  erblicken? 

Richthofen  meint  zwar,  dass  die  theilweise  Aus- 
schliessung der  Anwendung  des  geltenden  persönlichen 
Rechts  in  Sachsen  nur  durch  besonderes  Gesetz  hätte 
erfolgen  können.  Aber  da  weder  in  der  lex  Sax.  selbst 
noch  in  den  sächsischen  Capitularien  an  irgend  einer  Stelle 
allgemein  das  Personalitätsprincip  aufgestellt  ist,  so  konnte 
vielleicht  in  Sachsen  in  denjenigen  Fällen,  wo  die  Persona- 
lität nicht  im  Besonderen  durch  Gesetz  als  massgebend 
bestimmt  war^,  eine  andersartige  Auffassung  bei  der 
Handhabung  der  sächsischen  Gesetze  zum  Durchbruch 
gelangen. 

Mag  man  nun  aber  Richthofen  darin  zustimmen,  dass 
die  Randglosse  aus  einem  königlichen  Gesetz  aus  den 
Jahren  zwischen  850  und  900  schöpfe,  mag  man  mit 
Boretius  auf  eine  Zeitbestimmung  für  dieses  Gesetz  ganz 
verzichten  —  völlige  Klarheit  wird  darüber  wohl  niemals 
zu  erlangen  sein  — ,  keinesfalls  wird  man  Amiras  Be- 
hauptung beitreten  können,  die  Glosse  könne  schon  vor 
797  entstanden  sein. 

Unterliegt  es  doch  keinem  Zweifel,  dass  im  8.  Jh. 
und  bis  in  das  9.  Jh.  hinein  das  Personalitätsprincip  ganz 


1)  Vgl.  Riclithofen  S.  16  und  das  dort  Citierte.       2)  Boretius  a.  a.  0. 
S.  154.        3)  Vgl.  Ansegisi  cap.  app.  11  c.  35  (MG.  LL.  Capp.  I,  p.  449). 


Ueb.  d.  Entstehungszeit  u.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     637 

unumstritten  geherrscht  hat.  Bei  der  reichen  gesetzgebe- 
rischen Thätigkeit  Karls  des  Grossen  begegnen  wir  nirgend- 
wo dem  Gedanken  der  Territorialität  des  Rechts,  für 
Sachsen  ist  uns  das  entgegengesetzte  Princip  speziell  durch 
eine  Gesetzesstelle  verbürgt^,  Die  Vermuthung  spricht 
deshalb  sehr  entschieden  gegen  den  Gedanken,  jene  Glosse 
sei  älter  wie  das  capitulare  von  797 ;  ein  Versuch,  diese 
Vermuthung  zu  entkräften,  ist  von  Amira  nicht  gemacht 
worden  und  hätte  nach  Lage  der  Dinge  auch  schwerlich 
gelingen  können.  Amiras  Angriff  gegen  Brunners  Beweis- 
führung ist  also  auch  hier  unberechtigt. 

Auffallend  ist  es,  dass  gerade  ßichthofen,  der  zuerst 
die  Todesstrafe  als  die  im  9.  Jh.  für  eigenmächtige  Brand- 
stiftung übliche  erwiesen  hat,  trotzdem  die  lex  Sax.  für 
älter  als  das  capitulare  von  797  erklärt,  obgleich  dieses 
doch  wie  oben  gesagt  60  sol.  Geldbusse  für  jenes  Delict 
androht.  In  dieser  letzteren  Bestimmung  des  capitulare 
sieht  Eichthof en  aber  nur  eine  Ergänzung  der  Strafandrohung 
der  lex  Sax.,  so  dass  nach  seiner  Auffassung  die  lex 
Sax.  eigenmächtige  Brandstiftung  mit  dem  Tode  be- 
drohte, während  das  capitulare  der  Strafandrohung  noch 
die  Bannbusse  hinzufügte.  Hier  ist  Richthofen  jedoch  u.  E. 
entschieden  zu  widersprechen.  Eine  solche  Verbindung  von 
Todesstrafe  und  Königsbann  ist  zunächst  ohne  jedes  Ana- 
logon  in  den  Volksrechten.  Wenn  Eichthofen  vergleichs- 
weise auf  das  cap.  43  der  lex  Thuring,  hinweist,  in  welchem 
für  Brandstiftung  neben  dem  Bann  von  60  sol.  die  drei- 
fache Entschädigung  angeordnet  ist,  so  ist  Königsbann  und 
dreifache  Privatbusse  denn  doch  etwas  ganz  anderes,  als 
Königsbann  und  Todesstrafe.  Abgesehen  davon ,  dass  in 
der  Regel  die  Todesstrafe  die  Confiskation  des  ganzen  Ver- 
mögens ohnehin  nach  sich  zog  ^,  eine  Verbindung  von 
Todesstrafe  und  Bannbusse  also  schon  deshalb  ausgeschlossen 
erscheint,  ist  es  bei  der  ganzen  Lage  der  Dinge  (da  offen- 
bar früher  die  Brandstiftung  in  der  Fehde  als  berechtigte 
Schadenszufügung  straflos  gewesen)  wahrscheinlicher,  dass 
sie  zuerst  mit  der  Bannbusse  und  erst  später  mit  der 
Todesstrafe  bedroht  wurde.  Dafür  und  damit  für  die 
Priorität  des  capitulare  spricht  dann  ferner  der  Wortlaut 
der  von  der  Brandstiftung  handelnden  Bestimmungen 
des  capitulare  und  der  lex.  Dass  auch  aus  diesem  ein 
wesentliches  Moment  für  die  Entscheidung  der  Streitfrage 
zu  entnehmen  ist,  finden  wir  nur  bei  Brunner  ^  angedeutet, 
eine  eingehendere  Erörterung  mag  hier  Platz  greifen. 

1)  Vgl.  S.  636  N.  3.  2)  Brunner  a.  a.  O.  Bd.  II,  S.  599.  3)  Brun- 
ner  a.  a.  0.  Bd.  I,  S.  347. 


638  Walther  Schücking. 

Wenn  cap.  38  der  lex  sagt:  Qui  domum  alterius  vel 
noctu  vel  interdiu  siio  tantum  consilio  volens  incenderit,  capite 
puniatur,  so  deuten  in  diesem  Rechtssatz  die  Worte  'suo  tan- 
tum consilio'  doch  auf  einen  Gegensatz  hin,  für  dessen  Ver- 
ständnis uns  die  übrige  lex  durchaus  keinen  Schlüssel  bietet. 
Ziehen  wir  nun  das  capitulare  von  797  heran,  so  heisst  es  dort 
in  cap.  8 :  De  incendio  convenit,  quod  nullus  infra  patriam 
praesumat  facere  propter  iram  aut  inimicitiam  aut  qualibet 
malivola  cupiditate,  excepto  si  talis  fuerit  rebellis,  qui 
iustitiam  facere  noluerit  et  aliter  districtus  esse  non  po- 
terit,  et  ad  nos,  ut  in  praesentia  nostra  iustitiam  reddat, 
venire  dispexerit,  condicto  commune  placito  simul 
ipsi  pagenses  veniant,  et  si  unanimiter  consenserint,  pro 
districtione  illius  causa  incendatur;  tunc  de  ipso  placito 
commune  consilio  facto  secundum  eorum  ewa  fiat 
peractum,  et  non  pro  qualibet  iracundia  aut  malivola  inten- 
tione,  nisi  pro  districtione  nostra.  Si  aliter  quis  incendium 
facere  ausus  fuerit,  sicut  superius  dictum  est,  solidos  sexa- 
ginta  componat.  Eine  unbefangene  Würdigung  dieser 
beiden  Gesetzesstellen  ergiebt  u.  E.  am  klarsten  die  Priori- 
tät des  capitulare.  Denn  in  diesem  finden  wir  eine  weit- 
läufige Behandlung  der  Brandstiftung.  Hier  wird  aus- 
führlich die  öffentliche  Brandstiftung  auf  Volksschluss  als 
Akt  der  Zwangsvollstreckung  der  eigenmächtigen  Brand- 
stiftung aus  Zorn,  Feindschaft  oder  irgend  welcher  Bosheit 
gegenüber  gestellt,  es  wird  der  Begriff  der  strafbaren 
eigenmächtigen  Brandstiftung  als  eines  selbständigen  De- 
lictes  hier  gesetzlich  festgelegt.  Die  lex  Sax.  konnte  dann 
in  jenem  cap.  38  dieses  Delict  kürzer  behandeln.  Das  'in- 
cendium suo  tantum  consilio'  der  lex  wird  aber  nur  ver- 
ständlich durch  das  'incendium  commune  consilio  facto'  des 
capitulare.  Wäre  die  lex  das  ältere  Gesetz  und  das  incen- 
cendium  suo  tantum  consilio  durch  die  lex  als  Delict  mit 
bestimmten  Merkmalen  festgelegt  worden,  und  hätte  es  sich 
bei  der  Redaction  des  capitulare  nur  um  eine  Strafverschär- 
fung gehandelt,  warum  in  aller  Welt  hätte  der  Gesetz- 
geber dabei  über  das  Delict  so  viel  Worte  machen  sollen, 
warum  zum  Eingang  dieses  cap.  des  capitulare  so  ausführ- 
lich von  seiner  Strafbarkeit  reden? 

Und  weiter,  klingt  die  Strafandrohung  des  capitulare, 
die  Worte :  'si  aliter  quis  incendium  facere  ausus  fuerit  .  .  . 
solidos  sexaginta  componat'  so,  als  habe  der  Gesetzgeber 
neben  der  Todesstrafe  noch  die  Bannbusse  verhängen  wollen? 

Erscheint  uns  schon  danach  das  höhere  Alter  des 
capitulare  als  eine  feststehende  Thatsache,  so  sprechen  für 


üeb.  d.  Entstetiimgszeit  u.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     639 

diese  Annahme  noch  andere  Momente,  namentlich  ein  Ver- 
gleich der  Bestimmungen  über  den  solidus  und  der  Taxen 
verschiedener  Naturalien  in  dem  capitulare  und  der  lex. 
Indem  Brunner  feststellt,  dass  in  beiden  Punkten  die  lex 
die  genaueren  Bestimmungen  enthält,  zieht  er  daraus  den 
Schluss,  dass  sie  das  jüngere  Gesetz  sei.  Allerdings  sind 
auch  seine  hierauf  bezüglichen  Ausführungen  von  Amira 
angegriffen.  Derselbe  gelangt  sogar  bei  dem  Vergleich 
beider  Gesetzesstellen  zu  dem  entgegengesetzten  Ergebnis, 
indessen  vermögen  u.  E.  seine  Einwendungen  die  Unrich- 
tigkeit jener  Beweisführung  Brunners  nicht  darzuthun. 

Prüfen  wir  zunächst  die  Quellen  auf  die  Schluss- 
folgerung Brunners  bezüglich  der  Bestimmungen  über  den 
solidus.  Cap.  11  des  capitulare  beginnt:  'Illud  notandum 
est,  quales  debent  solidi  esse  Saxonum'.  Es  folgen  dann  zur 
Werthbestimmung  des  sol.  eine  Reihe  von  Schätzungen  land- 
wirthschaftlicher  Naturalien,  und  das  capitulare  fährt  fort: 
'In  argento  duodecim  denarios  solidum  faciant.  Et  in  aliis 
speciebus  ad  istum  pretium  omnem  aestimationem  composi- 
tionis  sunt'.  In  Ueberein Stimmung  mit  Waitz,  Soetbeer 
und  Usinger  ^  wird  diese  Stelle  von  Brunner  dahin  gedeutet, 
dass  das  capitulare  Sax.  den  fränkischen  solidus  von  3  Ti-emis- 
sen  gleich  12  Denaren  als  denjenigen  Werthmesser  bestimmen 
will,  auf  welchen  alle  vorausgegangenen  Werthangaben 
der  Naturalien  zu  beziehen  sind,  wie  nach  ihm  alle  übrigen 
Naturalien,  die  zur  Busse  hingegeben  werden,  veranschlagt 
werden  sollen.  Damit,  dass  nach  dieser  Deutung  des 
cap.  11  Karl  hierdurch  das  fränkische  Münzwesen  auch  in  dem 
eroberten  Sachsen,  wo  man  bisher  wie  im  östlichen  Fries- 
land 2  tremisses  unter  einem  solidus  als  Rechnungsmünze 
zusammengefasst  hatte,  zu  dem  ausschliesslich  geltenden 
machen  will,  würde  es  denn  übereinstimmen,  dass  wir 
diesem  Bestreben  bei  ihm  auch  sonst  in  Deutschland  und 
Italien  begegnen  2. 

Gegen  diese  Auffassung  jener  Gesetzesstelle  hat  zuerst 
Richthofen  Front  gemacht^.  Seine  Auslegung  derselben 
ist  jedoch  u.  E.  unhaltbar.  Den  Schlusssatz  des  cap.  11: 
'Et  in  aliis  speciebus  ad  istum  pretium  omnem  aestimationem 
compositionis  sunt',  will  er  nämlich  dahin  verstanden  wissen, 
dass  bei  anderen  Naturalien   als   den    schon  vorher  aufgfe- 


1)  Waitz  a.  a.  O.  Bd.  IV,  S.  80.  Soetbeer  in  Forschungen  zur  Deut- 
schen Geschichte  Bd.  IV,  S.  292.  Usinger  a.  a.  0.  S.  24.  2)  Waitz,  Die 
Münzverhältnisse  in  den  älteren  Rechtsbüchem  des  fränk.  Reichs.  Ab- 
handlungen der  Gesellschaft  der  Wissenschaften,  Göttingen  1861,  S.  258. 
3)  Richthofen,  MG.  LL.  V,  p.  93,  Anm.  61 ;  Zur  lex  Sax.  S.  41  —  43. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  4][ 


640  "Walther  Schücking. 

zählten  alle  Schätzungen  nach  dem  Beispiel  der  im  voraus- 
gehenden abgeschätzten  Gegenstände  erfolgen  sollen.  In- 
dem Richthofen  nun  von  der  Voraussetzung  ausgeht,  dass 
jene  vorausgehenden  Schätzungen  nach  solidi  minores  (von 
zwei  tremisses)  erfolgt,  kommt  er  zu  dem  befremdenden 
Resultat,  dass  nach  jenem  cap.  11  des  capitulare  zwar  die 
Bussen  in  baar  nach  solidi  maiores  (von  drei  tremisses),  in 
Naturalien  aber  nach  solchen  von  nur  zwei  tremisses,  nach 
solidi  minores,  gezahlt  werden  sollen. 

Das  Sinnwidrige  einer  solchen  Bestimmung  liegt  auf 
der  Hand,  zumal  da  wir  uns  die  Masse  des  in  Sachsen 
vorhandenen  Baargeldes  sehr  gering  und  die  Zahlung  in 
Naturalien  als  die  Eegel,  die  Zahlung  in  baar  als  für  den 
Empfänger  vortheilhafte  Ausnahme  denken  müssen.  Wer 
eine  Busse  von  1  solidus  zu  entrichten  hätte,  würde  dann 
doch  immer  einen  Gegenstand  im  Werthe  eines  solidus 
minor  =  8  Denaren  hingeben  statt  12  Denare  in  baar. 
Davon  abgesehen  beruht  jene  Hypothese  Richthof ens  aber 
auch  auf  zwei  falschen  Voraussetzungen. 

Einmal  kann  man  Richthofen  nicht  in  der  Annahme 
beitreten,  die  jenem  Schlusssatz  des  cap.  11  vorausgeschick- 
ten Abschätzungen  von  Naturalien  seien  offenbar  in  sol. 
min.  geschehen.  Zu  dieser  Annahme  gelangt  er  durch  die 
Verbindung  der  auf  den  Werth  des  Rindes  bezüglichen 
Stellen  in  dem  capitulare  und  der  lex.  In  beiden  Ge- 
setzesstellen will  er  eine  Taxe  des  zwölf  Monate  alten 
Rindes  finden.  Daraus,  dass  die  eine  cap.  66  der  lex  Sax. 
den  'bos  anniculus  duodecim  mensium'  ausdrücklich  zu 
einem  sol.  min.  veranschlagt,  schliesst  er,  dass  auch  der 
sol.,  zu  dem  nach  ihm  die  andere  Gesetzesstelle,  cap.  i  1 
des  capitulare,  das  zwölfmonatliche  Rind  veranschlagt  ein 
sol.  min.  sein  müsse.  In  der  That  aber  handelt  letztere 
Stelle  überhaupt  nicht  von  dem  12  Monate  alten  Rind. 
Sie  lautet :  'Id  est  bovem  annoticum  utriusque  sexus  autum- 
nali  tempore  sicut  in  stabulum  mittitur  pro  uno  solido, 
similiter  et  vernura  tempus,  quando  de  stabulo  exiit,  et  de- 
inceps  quantum  aetatem  auxerit,  tantum  in  pretio  crescat'. 
Richthofen  deutet  diese  Stelle  so,  dass  nach  ihr  ein  Rind 
von  einem  Jahre  zu  einem  sol.  veranschlagt,  gleichzeitig  aber 
bestimmt  wird,  dass  das  im  Sommer  auf  der  Weide  ge- 
borene Kalb  als  einjährig  bis  zum  zweiten  Einwintern, 
das  im  Winter  im  Stalle  geborene  bis  zum  zweiten  Früh- 
jahrsaustreiben  gilt^. 

1)  Zu  dieser  Deutung  gelangt  Richthofen,  indem  er  zur  Interpre- 
tation der  Stelle  die  Bestimmung  der  lex  Sax.  heranzieht,  nach  welcher 
das  12Monatsrind  zu  1  sol.  min.  veranschlagt  wird.   Jene  Bestimmung 


Ueb.  d.  Entstehungszeit  u.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     641 

U.  E.  aber  beschäftigt  sich  der  Gesetzgeber  hier  nicht 
mit  dem  12  Monatsrind  und  stellt  ihm  ein  anderes  um 
etliche  Monate  älteres  gleich  an  Werth,  sondern  handelt 
überhaupt  nur  von  diesem  älteren,  dem  'bos  annoticus 
autumnali  tempore  sicut  in  stabulum  mittitur',  d.  h.  von 
dem  1  Jahr  alten  Rind,  welches  im  vorvergangenen  Sommer 
geboren  zur  Herbstzeit  zum  zweiten  Male  in  den  Stall  ge- 
bracht wird,  um  dort  zu  überwintern,  und  dem  'bos  anno- 
ticus et  vernum  tempus  quando  de  stabulo  exiit'  d.  h.  von 
dem  1  Jahr  alten  Rind ,  das  im  vorvergangenen  Winter 
geboren  und  zum  zweiten  Male  auf  die  Frühjahrsweide 
getrieben  werden  soll.  In  beiden  Fällen  hat  cap.  11  des 
capitulare  also  ein  Rind  im  Sinn,  das  zwar  als  einjährig 
bezeichnet  wird,  von  dem  wir  aber  durch  ergänzende  Zeit- 
bestimmungen erfahren,  dass  es  neben  seinem  einem  Jahre 
auch  etliche  Monate  alt  ist.  Darin  liegt  keineswegs  etwas 
Auffallendes,  denn  auch  nach  unserem  Sprachgebrauch 
wird  das  Alter,  wenn  in  Jahren,  dann  meistens  ohne  Hin- 
zufügung eines  hinzutretenden  Bruchtheils  angegeben.  Ist 
unsere  Deutung  jener  Stelle  aber  richtig,  so  kann  daraus, 
dass  cap.  66  der  lex  das  zwölfmonatliche  Rind  auf  einen 
sol.  minor  veranschlagt,  nicht  mit  Richthofen  darauf  ge- 
schlossen werden,  dass  auch  der  sol..  zu  dem  cap.  11  des 
capitulare  das  etliche  Monat  ältere  Rind  taxiert,  ein  sol. 
minor  sei ;  eher  wäre  der  gegentheilige  Schluss  gerecht- 
fertigt. 

Aber  lassen  wir  es  vorläufig  dahingestellt,  in  welchen 
sol.  hier  im  Anhang  des  cap.  11  des  capitulare  das  Rind 
und  die  im  Anschluss  daran  aufgezählten  Gegenstände  ver- 
anschlagt sind:  auch  jene  zweite  Voraussetzung,  von  der 
Richthofen  ausgeht,  dass  nämlich  der  Schlusssatz  des  capi- 
tulare bestimmen  wolle,  alle  übrigen  zur  Busse  hingegebenen 
Gegenstände  sollten  nach  dem  Beispiel  der  im  voraus- 
gegangenen taxierten  Naturalien  veranschlagt  werden,  ist 
offenbar  unrichtig.  Jener  Schlusssatz  folgt  nämlich  nicht 
unmittelbar  den  im  cap.  11  enthaltenen  Abschätzungen 
von  Naturalien,  sondern  es  geht  ihm  der  Satz  voraus:  'In 
argento  duodecim  denarios  solidum  faciant'.  Wenn  daran 
anknüpfend  der  Schlusssatz  lautet:  'Et  in  aliis  speciebus 
ad  istum  pretium  omnem  aestimationem  compositionis  sunt', 


der  lex  kann  aber  offenbar  bei  der  Uebersetzung  dieser  Stelle  des  capi- 
tulare zur  Auslegung  nur  verwandt  werden,  wenn  es  sich  bei  beiden  Ver- 
anschlagungen um  sol.  min.  handelt,  was  Richthofen  doch  erst  beweisen 
will. 

41* 


642  Walther  Schücking. 

so  kann  unter  jenem  Werthe,  nach  dem  auch  alle  übrigen 
Sachen  berechnet  werden  sollen,  nur  der  zuvor  erwähnte 
sol.  von  12  Denaren  verstanden  werden,  andernfalls  müsste 
es  heissen  'ad  pretium  istarum  rerum',  da  eine  ganze  Reihe 
von  Werthangaben  vorausgehen  ^ 

Gelangt  man  aber  zu  unserer  Deutung  jenes  Schluss- 
satzes, so  ist  auch  anzunehmen,  dass  die  im  vorausgehen- 
den Theile  des  cap.  11  veranschlagten  Gegenstände  in  sol. 
maior.  taxiert  sind.  Dafür  und  nicht  dagegen,  wie  Boretius 
meint,  der  sonst  der  hier  vertretenen  Ansicht  in  Bezug 
auf  den  Charakter  des  sol.  dieses  cap.  ist,  spricht  der  Ver- 
gleich mit  der  Werthtaxe  des  Rindes  in  cap.  66  der  lex 
Sax.,  welches  zwar  ein  Rind  von  nur  12  Monaten  wie  ge- 
sagt auf  einen  sol.  min.,  dagegen  aber  ein  Rind  von 
16  Monaten,  welches  an  Alter  dem  u.  E.  im  capitulare 
geschätzten  ungefähr  gleichkommen  möchte,  zu  einem  sol. 
maior  veranschlagt.  Endlich  sprechen  dafür,  dass  cap.  11 
des  cap.  nur  den  fränk.  sol.  von  12  Denaren  kennt,  auch 
folgende  von  Boretius  geltend  gemachte  Gründe.  Alle 
Reichsgesetze  gleicher  Zeit  wissen  von  keinem  andern  sol. 
wie  dem  fränkischen.  Gerade  dieser  wird  in  unserem  ca- 
pitulare ausdrücklich  erwähnt  und  kein  anderer.  Bei  der 
Richthofen'schen  Auffassung  wäre  deshalb  die  Fassung  des 
cap.  äusserst  schlecht  und  unklar. 

Mit  Recht  geht  Brunner  also  bei  seinem  Vergleiche 
der  Bestimmungen  des  capitulare  und  der  lex  über  den 
solidus  von  der  Annahme  aus,  dass  das  capitulare  überall 
nur  den  sol.  maior  von  12  Denaren  kenne.  Amira  meint 
zwar,  diese  Annahme  thürme  nur  neue  Schwierigkeiten  auf. 
Denn  wie  sei  es  zu  erklären,  dass,  nachdem  das  capitulare 
nach  dieser  Meinung  für  sämmtliche  Geldzahlungen  die 
fränkische  Rechnung  nach  grossen  sol.  eingeführt  habe, 
die  nach  Brunner  spätere  lex  wieder  auf  die  ältere  sächsi- 
sche Rechnung  nach  kleinen  sol.  zurückgrifPe.  Uns  scheint 
diese  Erklärung  nicht  allzu  fern  zu  liegen.  Ueberblicken 
wir   die   ganze  karolingische   Gesetzgebung  in  Sachsen,    so 


1)  Dieses  für  die  Deutung  jener  Stelle  so  wichtige  sprachliche 
Moment  verkennt  u.  E.  auch  Schröder,  der  sich  Richthofen  in  der  Aus- 
legung jener  Stelle  anschUesst  (vgl.  Schröder,  Rechtsgeschichte  2.  Aufl. 
S.  185  Anm.  8).  Wenn  Schröder  dabei  betont,  dass  die  althergebrachten 
Werthtarife  für  solche  Objecte,  die  als  allgemeine  Tauschmittel  an  Zahlungs- 
statt hingegeben  wurden,  überhaupt  von  Aenderungen  im  Münzwesen 
unberührt  geblieben  seien,  so  scheint  das  wenigstens  für  das  sächsische 
Recht,  wo  cap.  66  der  lex  Sax.  bei  der  Werthbestimmung  der  Naturalien 
ausdrücklich  zwischen  dem  Aequivalent  für  den  kleinen  sächs.  und  den 
grossen  fränkischen  sol.  unterscheidet,  unzutreffend. 


Ueb.  d.  Entstehungszeit  u.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     643 

erscheint  ein  solches  Zurückgehen  auf  sächsische  Institu- 
tionen keineswegs  vereinzelt.  Es  liegt  ja  in  der  Natur  der 
Sache,  dass  die  Gesetze  aus  der  allerersten  Zeit  nach  der 
Eroberung  mehr  den  Charakter  des  Stammes  der  Sieger 
tragen  wie  des  der  Besiegten.  So  sehen  wir  auch  Karl 
bei  Erlass  der  cap.  de  part.  Sax.,  unbekannt  mit  den  Ver- 
hältnissen, Gebräuchen  und  Rechten  der  Besiegten,  nur 
bestrebt,  seine  Herrschaft  in  dem  eroberten  Lande  zu  orga- 
nisieren und  die  Unterworfenen  seine  Faust  fühlen  zu 
lassen.  Anders  bei  Erlass  des  capitulare  Sax.  von  797. 
Der  Eroberungskampf  liegt  schon  weiter  zurück.  Der  Er- 
oberer ist  inzwischen  vertraut  geworden  mit  den  Zuständen 
des  eroberten  Landes,  er  schenkt  seinen  Bewohnern  ein 
gewisses  Mass  von  Vertrauen,  er  hat  vielleicht  auch  wahr- 
genommen, dass  die  heimische  Sitte  in  vielen  Dingen  mäch- 
tiger als  sein  Gesetz  ist,  und  giebt  nach,  wo  es  sich  nicht 
um  seine  Herrschaft  handelt.  Deshalb  kommt  das  cap. 
Sax.  vom  Jahre  797  unter  Theilnahme  von  Westfalen,  Ost- 
falen  und  Engern  zu  Stande  und  trägt  dem  heimischen 
Rechte  Rechnung.  Hatte  z.  B.  die  capitulatio  den  kleinen 
Bann  nach  fränkischem  Recht  auf  15  sol.  bestimmt,  so 
kehrt  das  cap.  Sax.  zu.  dem  altsächsischen  ständisch  abge- 
stuften Satz  zurück,  nach  welchem  von  jeher  bei  den 
Sachsen  wie  bei  den  Friesen  und  Thüringern  der  kleine 
Bann  12  sol.  betrug.  Derartige  Beispiele  lassen  sich  eine 
Reihe  nennen.  So  stellt  die  capitulatio  gelegentlich  im 
Anschluss  an  fränkische  Verhältnisse  ein  Rind  an  Werth 
10  sol.  gleich^,  während  wir  aus  dem  capitulare  erfahren, 
dass  in  Sachsen  das  Rind  zur  Zeit  seines  zweiten  Einwin- 
terns  bezw.  zweiten  Früh  Jahrsaustreibens  nur  einen  Werth 
von  einem  sol.  maior  hat.  Es  wäre  also  keineswegs  so 
unerklärlich,  wenn  wir  in  Bezug  auf  das  Münzwesen  eben- 
falls den  Vorgang  zu  verzeichnen  hätten,  dass  Karl  in 
seiner  späteren  Gesetzgebung  mehr  wie  bisher  den  sächsi- 
schen Verhältnissen  Rechnung  trägt.  Die  historische  Ent- 
wicklung wäre  dann  in  diesem  Punkte  folgende  gewesen. 
In  seinem  ersten  Gesetz  für  Sachsen,  der  capitulatio,  be- 
rührt Karl  das  sächsische  Münzwesen  nicht,  die  Aufgabe 
dieses  Gesetzes  ist  ja  auch  nur  eine  beschränkte.  Es  finden 
sich  zwar  wiederholt  in  dem  Gesetze  Strafen  in  sol.  ange- 
droht, die  als  Königs-  oder  Grafenbann  zu  entrichten  sind, 
aber   es    wird   dabei   der    Werth   des   sol.    nicht   bestimmt, 


1)  Darüber,  dass  diese  Stelle  aufrecht  zu  erhalten,  vgl.  Richthofen 
MG.  LL.  V,  S.  44  Anm.  60. 


644  Walther  ScMicking. 

vielmehr  offenbar  als  selbstverständlich  angenommen,  dass 
die  ihrer  Höhe  nach  fränkischen  Strafgelder  auch  in  der 
vollwerthigen  fränkischen  Münze  bezw.  nach  fränkischem 
Werthmesser ,  der  solidus  zu  12  Denaren,  zur  Einziehung 
gelangen  werden  ^. 

Das  capitulare  Sax.  trifft  dann  die  erste  Bestimmung 
über  das  Münzwesen  in  Sachsen,  wonach  künftig  nicht  nur 
der  Königs-  und  Grafenbann,  sondern  auch  alle  privaten 
Bussen  nach  fränkischen  sol.  entrichtet  werden  sollen.  Diese 
Bestimmung  hatte  etwas  Rigoroses,  wenn  wir  bedenken, 
dass  durch  dieselbe  alle  Bussen  um  die  Hälfte  der  bis- 
herigen Summe  erhöht  wurden;  so  oft  früher  8  Denare 
gezahlt  waren,  konnten  jetzt  12  gefordert  werden.  Die 
praktische  Durchführung  dieser  Massregel  mag  dazu  schwierig 
gewesen  sein,  Aenderungen  in  den  Münzen,  Massen  und 
Gewichten,  nach  denen  das  Volk  rechnet,  lassen  sich  ja  auch 
bei  unserer  fortgeschrittenen  Kultur  noch  nicht  mit  sofortiger 
Wirksamkeit  durch  einen  gesetzgeberischen  Akt  herbei- 
führen. So  wird  man  auch  in  Sachsen  vielfach  bei  der 
alten  Rechnung  beharrt  haben,  bis  diese  im  cap.  66  der 
lex  Sax.  neben  der  neuen  wieder  ihre  ausdrückliche  ge- 
setzliche  Anerkennung  in  den  Worten   fand :    'Solidus   est 

duplex,    unus   habet   duos   tremisses alter   solidus 

tres  tremisses'.  Es  wird  damit  eben  jene  Politik  des  Aus- 
gleichs von  Karl  verfolgt,  der  wir,  sobald  seine  Herrschaft 
sich  befestigt,  wiederholt  begegnen,  und  die  Regelung  erfolgt 
in  der  Weise  nach  jenem  cap.  der  lex,  dass  'niaiori  solido 
aliae  compositiones ,  minori  homicidia  componuntur'.  Bei 
den  Wergeidsätzen  soll  also  wieder  nach  alten  sol.  minor, 
gerechnet  werden,  für  die  übrigen  Bussen  hingegen  es  sein 
Bewenden  haben  bei  der  neuen  fränkischen  Rechnung.  Auch 
das  findet  Amira  ganz  unerklärlich.  Sollte  nicht  das  Motiv 
zu  der  hier  beliebten  Norm  in  folgenden  Umständen  zu 
finden  sein? 

Nach  fränkischem  Recht  betrug  das  Wergeid  (ohne 
fredus)  ISSYs,  bei  den  Alamannen,  Baiern  und  Thüringern 
160  sol.  Mit  letzterer  Summe  stimmt  die  Höhe  des  alt- 
sächsischen Freienwergeldes ,  240  sol.  min.  (=  160  sol. 
maiores),  völlig  überein.  Die  Vorschrift  des  capitulare  Sax., 
wonach  auch  diese  Summe  in  grossen  sol.  entrichtet  werden 
musste ,  bedeutete  also  eine  Verpflichtung  für  den  Tot- 
schläger, die  weit  über  das  Mass  der  übrigen  Stammes- 
rechte hinausging.     Ein  Grund  hier  zu   dem   früheren  Zu- 


1)  Richthofen  MG.  LL.  V,  S.  45  Anm.  60  und  das  dort  Citierte. 


Ueb.  d.  Entstehungszeit  u.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     645 

stand  zurückzukehren  lag  um  so  mehr  vor,  als  bei  den 
Sachsen  der  Adeling  den  Anspruch  auf  das  sechsfache 
Wergeld  des  Freien  hatte,  die  Verpflichtung  des  Schuldners, 
auch  dieses  in  grossen  sol.  zu  entrichten,  für  ihn  aber  eine 
schier  unerträgliche  Verschlechterung  seiner  Lage  bedeutete. 

Hier  war  es  also  eine  weise  socialpolitische  Massregel 
Karls,  wenn  er  die  durch  jene  Bestimmung  des  capitulare 
eingetretenen  Uebelstände  beseitigte.  Dazu  boten  sich  ihm 
zwei  Wege.  Einmal  hätte  es  in  seiner  Macht  gelegen,  die 
Wergeidsätze  unmittelbar  zu  erniedrigen  und  zu  bestimmen, 
dass  in  Sachsen  fortan  statt  240  nur  160  sol.  als  Freien- 
wergeld  zu  entrichten  sei.  Statt  dessen  wählte  er,  um 
denselben  Zweck  zu  erreichen,  eine  conservativere  Mass- 
regel, indem  er  bei  den  Wergeidsätzen  auf  die  ältere 
sächsische  Geldrechnung  zurückgriff.  Anders  bei  den 
übrigen  von  der  lex  angedrohten  Bussen.  In  kleinen  sol. 
veranschlagt  und  mit  den  Busssätzen  der  lex  Thuringorum 
als  mit  dem  der  lex  Sax.  zeitlich  zunächst  stehenden 
Volksrecht  verglichen,  bleiben  sie  hinter  denselben  zum 
Theil  erheblich  zurück.  Ein  Vergleich  der  lex  Sax.  mit 
der  lex  Rib.  führt  zu  demselben  Resultate,  auch  hier  sind 
die  sächsischen  Bussen,  der  sol.  zu  2  tremisses  gerechnet, 
fast  ausnahmslos  geringer  als  die  ripuarischen.  Hier 
konnte  es  also  der  Gesetzgeber  ruhig  bei  der  durch  das 
capitulare  Sax.  eingeführten  Rechnungsart  bewenden  lassen. 
Theils  blieben  die  Busssätze,  zu  grossen  sol.  veranschlagt, 
trotzdem  noch  geringer  als  die  der  benachbarten  Stämme  ^, 
und  wo  sie  zum  andern  Theile  dieselben  überstiegen,  da 
war  die  Differenz  zu  Ungunsten  der  Sachsen  in  der  Regel 
nicht  grösser,  als  sie  bei  Berechnung  in  kleinen  sol.  zu 
ihren  Gunsten  gewesen  wäre  -.  Erwägt  man  nun  das  be- 
sondere Interesse .  welches  Karl  daran  hatte ,  auch  in 
Sachsen  den  fränkischen  sol.  zur  Geltung  zu  bringen,  so  ist 
es  begreiflich,  dass  er  hier  überall  die  Rechnung  nach  sol. 
zu  12  Denaren  bestehen  Hess. 

Wir  sehen  also,  dass  alle  von  Amira  beigebrachten 
Gründe  nicht  geeignet  sind,  die  bisher  vorherrschende  An- 
nahme zu  widerlegen,  das  cap.  Sax.  kenne  nur  den  frän- 
kischen sol.  zu  3  tremisses  =  12  Denaren.  Steht  dieser 
Satz  aber  für  uns  ebenso  fest,  wie  die  unläugbare  That- 
sache,  dass  die  lex  Sax.  neben  dem  fränkischen  sol.  auch  noch 

1)  So  betrug  für  die  ■wlitiwa,  die  einem  Freien  zugefügt,  die  Busse 
bei  den  Sachsen  120,  bei  den  Thüringern  150  tremisses.  2)  Das  dem 
Freien  ausgeschlagene  Auge  kostete  bei  den  Sachsen  120  sol.  =  240 
bezw.  360  tremisses  Busse,  bei  den  Thüringern  300  tremisses. 


646  Walther  Schücking. 

den  sächsischen  anerkennt,  so  erhellt  daraus,  mehr  noch 
nach  dem  schon  im  vorausgehenden  über  das  Verhältnis 
der  einzelnen  sächsischen  Gesetze  zu  einander  Gesagten 
als  aus  der  grösseren  Genauigkeit  der  Angaben  der  lex,  dass 
wir  aus  beiden  Thatsachen  auf  die  Priorität  des  capitulare 
schliessen  können  und  Amiras  Angriffe  gegen  diesen  Schluss 
von  Brunner  ungerechtfertigt  sind. 

Es  ist  schon  oben  gesagt,  dass  Brunner  denselben 
Schluss  auch  aus  einem  Vergleiche  der  in  den  beiden  Ge- 
setzen erfolgten  Schätzungen   von  Naturalien   ziehen   will. 

Beide  Werthtaxen  beginnen  mit  dem  Rind ,  dem 
wichtigsten  Tausch-  und  Zahlungsmittel  bei  ausgedehnter 
Weidewirthschaft  und  mangelndem  Metallgeld.  Die  schon 
oben  erörterte  betreffende  Stelle  des  cap.  11  des  capitulare 
wird  von  Brunner  im  Anschluss  an  Richthofen  so  gedeutet, 
dass  sowohl  das  einjährige  Rind  wie  dasjenige  ältere, 
welches  noch  nicht  zum  zweiten  Male  eingewintert  bezw. 
auf  die  Frühjahrs  weide  getrieben  ist,  zu  einem  sol.  maior 
taxiert  wird.  Indem  Brunner  dem  die  Taxe  aus  cap.  66 
der  lex  Sax.  gegenüberstellt,  nach  der  ein  Rind  von 
12  Monaten  einen  sol.  minor,  ein  solches  von  16  Monaten 
einen  sol.  maior  werth  ist,  bezeichnet  er  die  Taxe  der  lex  als 
die  genauere  ^ 

Mit  Recht  wendet  Amira,  der  die  auf  das  Rind  be- 
zügliche Stelle  des  capitulare  ebenso  deutet  wie  Brunner, 
dagegen  ein,  das  capitulare  sei  ebenso  genau  wie  die  lex, 
es  erwäge  die  von  der  lex  zur  Geltung  gebrachten  Unter- 
schiede zwischen  dem  gerade  einjährigen  und  dem  etliche 
Monate  älteren  Rinde  sehr  wohl,  spreche  ihnen  nur  die 
Relevanz  ab.  Hingegen  trifft  dieser  Einwand  von  Amira 
bei  unserer  Auslegung  des  capitulare  nicht  zu.  Veran- 
schlagt dieses  nur  das  im  Sommer  auf  der  Weide  geborene 
Kalb  zur  Zeit  des  zweiten  Einwinterns,  das  im  Winter  im 
Stalle  geborene  zur  Zeit  des  zweiten  Frühjahrsaustreibens 
zu  einem  sol.  maior,  so  kann  man  wirklich  in  der  Taxe 
der  lex  eine  Fortentwicklung  der  Bestimmung  des  capitulare 
erblicken.  Die  lex  wäre  dann  nicht  nur  darin  das  genauere 
Gesetz,    dass   sie   in   dem   zwölfmonatlichen  Rind    das 


1)  Boretius,  der  ebenfalls  der  Deutung  folgt,  welche  Richthofen 
der  betreffenden  Stelle  des  capitulare  giebt,  sucht  den  danach  bestehenden 
Widerspruch  zwischen  der  Taxe  des  Hindes  in  dem  capitulare  und  der 
lex  dadurch  hinwegzuräumen,  dass  er  die  Werthtaxe  der  lex  für  eine 
spätere  Privatnotiz  erklärt  oder,  falls  das  Schlusscapitel  authentisch  sei, 
eine  Veränderung  des  Geldwerthes  in  der  Zeit  zwischen  beiden  Gesetzen 
annimmt.     Für  beide  Hypothesen  fehlt  es  aber  an  dem  nöthigen  Anhalt. 


Ueb.  d.  Entstehungszeit  u.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     647 

Aeqnivalent  für  den  sol.  minor  bestimmt,  sondern  auch  in 
dem  Punkte,  dass  sie  einfacher  und  klarer  mit  dem  Alter 
von  16  Monaten  den  Zeitpunkt  festsetzt,  zu  welchem  das 
ältere  Rind  den  Werth  von  einem  sol.  maior  erreicht  hat. 

Die  Richtigkeit  unserer  Auslegung  des  capitulare 
vorausgesetzt,  spräche  also  auch  von  diesem  Gesichtspunkte 
aus  die  Wahrscheinlichkeit  für  das  höhere  Alter  des 
capitulare. 

Amira  weist  endlich  noch  darauf  hin,  dass  das 
capitulare  viel  mehr  Gegenstände  bei  der  in  cap.  11  ge- 
gebenen Werthtaxe  berücksichtige  als  die  lex  in  cap.  66. 
Allerdings  ist  nicht  zu  bestreiten,  dass  im  Gegensatz  zum 
capitulare  die  lex  sich,  abgesehen  von  den  jüngeren  und 
deshalb  hier  nicht  in  Betracht  kommenden  Zusätzen,  ganz 
auf  die  Veranschlagung  des  12  monatlichen  Rindes  zum 
sol.  minor  und  des  16  monatlichen  zum  sol.  maior  beschränkt 
und  ersterem  nur  noch  das  'ovis  cum  agno'  gleichstellt. 
Wir  möchten  jedoch  aus  der  Thatsache,  dass  die  Werthtaxe 
des  capitulare  die  umfassendere  ist,  nicht  mit  Amira  darauf 
schliessen,  die  bezüglichen  Bestimmungen  des  capitulare 
seien  nur  die  Ergänzung  der  Taxe  der  lex  und  letztere 
deshalb  das  ältere  Gesetz. 

Das  Beispiel  der  lex  Thuringorum,  in  welchem  eine 
Werthtaxe  für  die  zur  Busse  hingegebenen  Naturalien  über- 
haupt fehlt,  lehrt  uns,  dass  zu  jener  Zeit  derartige  Ver- 
anschlagungen jedenfalls  nicht  als  ein  integrierender  Be- 
standtheil  einer  Codifikation  des  Volksrechtes  angesehen 
wurden.  Wir  finden  sie  deshalb  in  der  lex  Sax.  auch  nur 
im  engsten  Zusammenhang  mit  den  Bestimmungen  der  lex 
über  die  Münzverhältnisse.  Die  Eigenartigkeit  der  letzteren 
in  Sachsen  machte  es  nothwendig,  dass  in  der  lex  ein 
Aeqnivalent  für  beide  Arten  des  sol.  festgestellt  wurde. 
Wenn  aber  das  capitulare  eine  ganze  Reihe  solcher  Aequi- 
valente  für  den  sol.  maior  aufstellt,  so  geschieht  das  um 
den  Werth  dieser  in  Sachsen  bis  dahin  nicht  gebräuchlichen 
Münze  möglichst  genau  zu  bestimmen.  Gerade  die  Aus- 
führlichkeit des  capitulare  in  diesem  Punkte  deutet  darauf 
hin,  dass  es  sich  hier  um  eine  Neu -Einführung  handelt. 
Die  lex  konnte  sich  mit  einem  Aeqnivalent  für  den  sol. 
maior  begnügen,  weil  er  zu  ihrer  Zeit  schon  bekannter  war, 
wie  die  lex  Thuringorum  gar  kein  Aeqnivalent  für  den  sol. 
aufstellt,  weil  der  Werth  desselben  in  Folge  seiner  langen 
Geltung  ausser  Zweifel  war. 

Endlich  möchten  wir,  um  die  Priorität  des  capitulare 
darzuthun,  noch  auf  das  Verhältnis  des  cap.  36  der  lex 
zum  cap.  3  des  capitulare  hinweisen.     Indem  das   cap.  36 


648  Walther  Schücking. 

der  lex  als  Friedensgeld  beim  Diebstahl  den  altsächsischen 
Satz  von  12  sol.  von  dem  nobilis  und  einen  entsprechenden 
Bruchtheil  von  dem  Freien  und  Liten  fordert,  scheint  es 
cap.  3  des  capitulare  vorauszusetzen ,  nach  welchem  in 
Sachsen  für  den  kleinen  Bann  wieder  der  altsächsische 
Satz  von  12  sol.  für  den  nobilis  eingeführt  wurde.  Andern- 
falls hätte  das  Verhältnis  zwischen  dem  fredus  des  cap.  36 
der  lex  und  dem  minor  bannus,  wie  ihn  cap.  31  der  cap. 
de  part.  Sax.  angeordnet,  etwas  sehr  Auffallendes,  da  das 
Friedensgeld  und  der  kleine  Bann  meistens  dieselbe  Summe 
betrug. 

Aus  allen  diesen  Gründen  kann  also  gegen  die  Be- 
nutzung des  Cap.  leg.  Rib.  add.  vom  Jahre  802  bezw.  803 
bei  der  Redaction  der  lex  Sax.  nicht  geltend  gemacht 
werden,  die  Redaction  der  lex  Sax.  sei  schon  vor  797 
erfolgt.  Diese  Abhängigkeit  der  lex  Sax.  von  dem  Cap. 
leg.  Rib.  add.  ist  aber,  wie  zu  Eingang  unserer  Erörterung 
dargelegt,  auch  sonst  unanfechtbar.  Wenn  Brunner  nun 
wie  Andere  vor  ihm  eine  gleichzeitige  Entstehung  der  lex 
Sax.  mit  jenem  capitulare  auf  der  Reichsversammlung  zu 
Aachen  im  Spätherbst  802  annimmt,  so  sprechen  dafür 
gewichtige  Gründe  in  folgenden  Stellen  der  Geschichts- 
quellen jener  Zeit.  Das  Chron.  Lauresham.  berichtet  zum 
Jahre  802^:  'Et  mense  Octobrio  congregavit  (Karolus) 
universalem  synodum  in  Aquis  ....  Et  ipse  Imperator 
Interim,  quod  ipsum  synodum  factum  est,  congregavit  duces, 
comites  et  reliquum  populum  Christianum  cum  legislatoribus 
et  fecit  omnes  leges  in  regno  suo  legere  et  tradere  uni- 
cuique  homini  legem  suam  et  emendare,  ubicumque  necesse 
fuit,  et  emendatam  legem  scribere,  ut  iudices  per  scriptum 
iudicassent  et  munera  non  accepissent,  sed  omnes  homines, 
pauperes  et  divites  in  regno  suo  iustitiam  haberent'.  Dazu 
berichtet  Einhard  in  seiner  vita  Karoli  c.  29^:  'Post  su- 
sceptum  imperiale  nomen  cum  adverteret,  multa  legibus 
populi  sui  deesse  —  nam  Franci  duas  habent  leges  in 
plurimis  locis  valde  diversas  —  cogitavit,  quae  deerant 
addere  et  discrepantia  unire,  prava  quoque  ac  perperam 
prolata  corrigere.  Sed  de  his  nihil  aliud  ab  eo  factum 
est,  nisi  quod  pauca  capitula  et  ea  imperfecta  legibus 
addidit.  Omnium  tamen  nationum,  quae  sub  eins 
dominatu  erant,  iura,  quae  scripta  non  erant, 
describere    ac    litteris    mandari    fecit'.      Hier    ist 


1)  Vgl.  S.  363  Anm.  5,  dazu  Chron.  Moissiac.  ad  a.  802  MGr.  SS.  I, 
p.  307.         2)    Schulausgabe  von  Waitz,  4.  Aufl.    S.  24. 


Heb.  d.  Entstehungszeit  n.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     649 

uns  doch  in  durchaus  glaubwürdiger  Weise  berichtet,  dass 
sich  Karl  auf  jenem  Aachener  Reichstage  nicht  auf  die 
Revision  älterer  Volksrechte  und  ihre  Ergänzung  beschränkt 
hat,  sondern  dass  es  dabei  auch  zu  einer  Codifikation  von 
ungeschriebenen  Volksrechten  gekommen  ist.  Geht  man 
aber  die  sämmtlichen  aussersächsischen  Volksrechte  durch, 
so  kann  nur  die  lex  Thuringorum  und  die  lex  Chamavorum 
um  jene  Zeit  abgefasst  sein.  Letztere  ist  aber  kaum  ein 
eigentliches  Stammesrecht  zu  nennen,  da  die  chamavischen 
Franken,  ribuarischen  Stammes,  nur  in  einzelnen  Punkten 
ein  Sonderrecht  hatten.  Einhard  hat  bei  dieser  Nachricht 
aber  offenbar  mehrere  Stammesrechte  im  Auge,  und  so 
liegt  denn  der  Schluss  nahe,  dass  es  damals  auch  gleich 
zur  Aufzeichnung  des  sächsischen  Rechtes  gekommen  ist. 
Auch  klingt  es  wie  eine  Bestätigung  dieser  Vermuthung, 
wenn  der  Poeta  Saxo  zum  Jahre  803  sagt  ^ : 

Tum  sub  iudicibus,  quos  rex  inponeret  ipsis, 
Legatisque  suis  permissi  legibus  uti 
Saxones  patriis  et  libertatis  honore. 

Wohl  mit  Recht  hat  deshalb  auch  Schröder  ^  das 
Jahr  802  als  muthmassliche  Entstehungszeit  der  lex  Sax. 
bezeichnet.  Verlegt  man  aber  die  Entstehung  der  lex  Sax. 
auf  jenen  Aachener  Reichstag  von  802,  so  muss  man  im 
Hinblick  auf  diese  Quellenstellen  durchaus  daran  festhalten, 
dass  es  sich  hier  um  einen  gesetzgeberischen  Akt  Karls 
des  Grossen  handelt,  nicht  nur  um  die  kaiserliche  An- 
regung zu  einer  privaten  Compilation  von  einzelnen  Stücken, 
wie  solches  zuletzt  wiederum  von  De  Geer  behauptet  ist^. 


Die  Einheitlichkeit  der  lex  Saxonum. 

Ob  die  lex.  Sax.  ein  einheitliches  Gesetz  oder  aus 
mehreren  Satzungen  zusammengestellt  sei ,  bezeichnet 
Brunner  noch  als  eine  Streitfrage.  Sehen  wir  von  den 
älteren  Erörterungen  Spangenbergs  ^  und  Wigands  ^  ab,  so 
ist  eine  Zeit  lang  die  von  Merkel  in  der  Einleitung  seiner 
Ausgabe  der  lex  Sax.  vorgetragene  Lehre,  wonach  cap.  1 — 23 
der  lex  von  782,  cap.  24 — 60  aus  der  Zeit  zwischen  785 
und  797  und  cap.  61^ — 66  frühestens  von  798  stammen  und 


1)  MGr.  SS.  I,  p.  261.  2)  Schröder,  Deutsche  Kechtsgeschichte 
2.  Aufl.  S.  243.  3)  De  Geer,  Xieuwe  Bijdragen  voor  Rectsgeleerdheit 
en  Wetgeving  NR.  Deel  n,  1874,  S.  410  —  455.  4)  Spangenberg,  Bei- 
träge zu  den  Deutschen  Rechten  des  Mittelalters,  Halle  1822.  S.  181. 
5)  Wigand,  Archiv  für  ältere  Geschichtskunde  IV,  S.  346. 


650  Walther  Schücking. 

diese  getrennten  Stücke  um  802  vereinigt  sein  sollen, 
herrschend  gewesen.  So  haben  sie  Abel,  Stobbe,  Walter, 
Siegel,  vorübergehend  auch  Waitz  vertreten^.  Das  Ver- 
dienst, dieselbe  zuerst  in  ausführlicher  Darlegung  bekämpft 
zu  haben,  gebührt  Usinger.  Aber  während  Usinger  dabei 
von  der  gänzlich  unhaltbaren  Ansicht  ausgeht,  die  lex 
Saxonum  sei  überhaupt  nur  eine  Privatarbeit,  hat  Richt- 
hofen  in  seinem  ungefähr  gleichzeitigen  Werke  an  Merkels 
Lehre  eine  vernichtende  Kritik  geübt,  ohne  dabei  Usingers 
verfehlten  Standpunkt  hinsichtlich  des  Charakters  der  lex 
zu  theilen.  Seit  Usinger  und  Richthof  en  neigt  die 
herrschende  Lehre  dazu,  die  lex  Saxonum  als  einheitliches 
Gesetz  zu  betrachten  -.  Einhelligkeit  herrscht  jedoch  nicht 
darüber,  namentlich  haben  Boretius^  und  De  Geer*  eine 
Zusammensetzung  der  lex  aus  einzeln  Theilen  behauptet, 
ohne  dass  ihre  Ausführungen  bis  jetzt  eine  eingehendere 
Würdigung  gefunden  hätten  ''. 

Wie  vor  ihm  schon  Merkel  stützt  sich  Boretius  auf 
die  Thatsache,  dass  eine  der  uns  überlieferten  4  Hss. 
der  lex  Sax.  zu  dem  cap.  24  die  Ueberschrift  lex  Francorum 
trägt.  Er  spricht  die  Vermuthung  aus,  dass  diese  Notiz 
im  Original  der  Spangenbergischen  Hs.  am  Rande  ge- 
standen habe  und  von  dem  Abschreiber  fälschlich  vor 
cap.  24  statt  vor  cap.  21  gesetzt  worden  sei,  und  fährt 
dann  fort:  'In  unserer  Praxis  ist  uns  wenigstens  eine 
solche  Einschaltung  von  Randbemerkungen  an  einer  falschen 
Stelle  des  Textes  schon  öfters  vorgekommen  und  wie  oben 
bemerkt,  hat  dieselbe  Spangenberger  Hs.  auch  andere 
Marginalglossen  am  unrichtigen  Ort  eingefügt'.  Boretius 
begeht  hier  aber  das  auffallende  Versehen,  die  Notiz  'lex 
Francorum'  plötzlich  in  den  Spangenbergischen  codex  zu 
versetzen,  während  sie  thatsächlich  nur  in  der  Corveyer 
Hs.  enthalten  ist.  Es  lassen  sieh  also  aus  Fehlern  der 
Spangenbergischen  Hs.  keine  Schlüsse  machen  in  Bezug 
auf   jene   Notiz!      Trotzdem    könnte    die  Vermuthung   von 

1)  Abel,  Jahrbücher  des  fränkischen  Reichs  unter  Karl  dem  Grossen, 
1860,  S.  344.  Walter,  Deutsche  Rechtsgeschichte,  1857,  S.  162.  Siegel, 
Geschichte  des  Deutschen  Gerichtsvei-fahrens,  1857,  I,  S.  282.  Stobbe  a. 
a.  0.  S.  187.  Waitz,  Verfassungsgeschichte  Bd.  III,  1860,  S.  119,  130,  132 
und  144,  vgl.  aber  denselben  Autor  in  Göttinger  Gelehrte  Anzeigen  von 
1869  S.  364  wo  er  stillschweigend  seine  frühere  Ansicht  über  die  Drei- 
theilung  der  lex  zurücknimmt.  2)  Vgl.  Schröder  a.  a.  0.  S.  242.  Brunner 
a.  a.  O.  S.  347.  3)  Boretius  a.  a.  0.  S.  148.  4)  De  Geer,  Nieuwe 
Bijdragen  voor  Rectsgeleerdheid  N.  R.  Deel.  II,  1874,  S.  419  ff.  4)  Ausser 
von  den  Genannten  wird  die  Streitfrage  nur  noch  von  Amira  in  seiner 
Kritik  der  Richthofen'schen  Ausgabe  der  lex  Sax.  (Hist.  Zeitschr.  N.  F. 
Bd.  IV,  S.  306  ff.)  berührt. 


Ueb.  d.  Entstehtmgszeit  u.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     651 

Boretius  richtig  sein,  dass  schon  das  dem  Abschreiber  von 
Corvey  vorliegende  Original  die  Notiz  'lex  Franc'  enthalten 
habe.  Boretius  will  sie  dann  also  vor  cap.  21  setzen,  auf 
den  ganzen  nachfolgenden  Theil  der  lex  Ijeziehen  und  als 
Beweis  für  die  Zusammensetzung  der  lex  aus  getrennten 
Stücken  betrachten.  Unseres  Erachtens  irrt  er  jedoch  in 
allen  drei  Punkten. 

Es  lässt  sich  zwar  nicht  bestreiten,  dass  mit  cap.  21 
ein  neuer  Abschnitt  des  sächsischen  Gesetzbuches  beginnt. 
Während  die  ersten  20  cap.  ausschliesslich  die  Bussen  für 
Verletzungen  und  damit  altsächsisches  Volksrecht  behandeln, 
drohen  die  zunächst  folgenden  Strafen  für  Vergehen  an, 
die,  wie  Mord  in  der  Kirche  oder  Hochverrath  gegen  den 
fränkischen  König,  nur  zu  Zeiten  fränkischer  Herrschaft 
denkbar  sind ;  in  diesen  cap.  sind  die  nobiles,  deren  Statut 
der  erste  Theil  der  lex  auch  nach  Boretius  sein  soll,  mit 
keinem  Worte  erwähnt.  Trotzdem  ist  es  u.  E.  kein  Fehler 
des  Abschreibers,  dass  die  Ueberschrift  lex  Franc,  nicht 
vor  cap.  21  sondern  vor  cap.  24  steht.  Denn  cap.  24 — 26 
sind,  wie  Richthofen  nachgewiesen  hat,  inhaltlich  aus  dem 
ersten  Gesetz  der  fränkischen  Sieger,  der  capitulatio  de 
partibus  Saxoniae  cap.  11  — 13,  geschöpft  und  enthalten 
nur  gelegentlich  der  neuen  Redaction  in  cap.  26  eine 
Ergänzung  dahin,  dass  auch  das  Leben  des  Sohnes  wie  die 
Geschlechtsehre  der  Frau  und  Mutter  des  dominus  be- 
sonders geschützt  werden  ^  Jene  Notiz  in  der  Corvejer 
Handschrift  und  vielleicht  auch  ihrem  Original  bedeutet 
also  nur  einen  Hinweis  darauf,  dass  diese  Bestimmungen 
ans  dem  Gesetz  des  Siegers  entnommen  seien. 

Mit  dieser  Erklärung  für  die  Notiz  fällt  aber  zugleich 
die  völlig  unhaltbare  Behauptung  von  Boretius,  dass  durch 
die  Notiz  'lex  Franc'  der  fränkische  Charakter  des  zweiten 
Theils  der  lex  Sax.  gekennzeichnet  werden  solle.  Und  wie 
steht  es  denn  in  Wirklichkeit  um  diesen  aussersächsischen 
Charakter  des  zweiten  Theils  des  Gesetzes,  den  Boretius 
von  cap.  21 — 66  rechnet?  Enthält  er  nicht  ganze  Ab- 
schnitte z.  B.    über   eheliches   Güter-   und   über   Erbrecht, 


1)  Vgl.  cap.  11  — 13  der  capitulatio:  'Si  quis  domino  regi  infidelis 
apparuerit,  capitali  sententia  puuietui'.  Si  quis  filiam  domini  sui  rapuerit, 
morte  moriatur.  Si  quis  dominum  suum  vel  dominam  suam  interficerit, 
simili  modo  punietur'  mit  cap.  24 — 26  der  lex  Sax.:  'Qui  in  regnum  vel 
in  regem  Francorum  vel  filios  eins  de  morte  consiliatus  fuerit,  capite 
puniatur.  Qui  dominum  suum  occiderit,  capite  puniatur.  Qui  filium  do- 
mini sui  ocoidei'it  vel  filiam  aut  uxorem  aut  matrem  stupraverit,  iuxta 
voluntatem  domini  occidatur'. 


652  Walther  Schücking. 

die  wohl  unzweifelhaft  altsächsisches  Gewohnheitsrecht  in 
sich  bergen?  Gewiss  finden  sich  in  ihm  eine  Reihe  von 
Bestimmungen,  die  auf  den  fränkischen  Gesetzgeber  zurück- 
zuführen sind,  trotzdem  kann  man  mit  Bezug  auf  den  In- 
halt nicht  einmal  von  einem  vorwiegend  fränkischen  Cha- 
rakter jenes  angeblichen  zweiten  Theiles  sprechen  ^.  Will 
man  darunter  aber  nur  das  Zustandekommen  unter  frän- 
kischem Einfluss  bezeichnen,  so  ist  solches  auch  für  den 
ersten  Theil  der  lex  von  cap.  1 — 20  wegen  der  merkwür- 
digen Abhängigkeit  dieser  cap.  in  Bezug  auf  die  Anord- 
nung des  Stoffes  von  der  lex  Ribuariorum  nicht  zu  be- 
streiten. 

Aber  gesetzt  selbst,  Boretius  hätte  in  den  beiden 
ersten  Punkten  recht,  die  aus  der  Vorlage  des  Corveyer 
Abschreibers  genommene  Ueberschrift  lex  Franc,  gehöre 
vor  cap.  21  und  trenne  einen  rein  sächsischen  von  einem 
vorwiegend  fränkischen  Theile  der  lex,  was  wäre  damit 
denn  eigentlich  für  die  zeitlich  getrennte  Entstehung  der 
beiden  Theile  bewiesen?  Dürfen  wir  doch  nicht  vergessen, 
dass  die  Corveyer  Hs.-  unter  den  Texten  der  lex,  wie  Bo- 
retius selbst  zugeben  muss,  an  wahrscheinlicher  Treue  erst 
an  dritter  Stelle  kommt.  Fehlt  nun  in  den  besseren  und 
älteren  Hss.  jene  Ueberschrift,  so  beweist  dieser  Umstand, 
dass  sie  eine  blosse  Privatnotiz  verhältnismässig  späten 
Ursprungs  und  jedes  officiellen  Charakters  entbehrt  -.  Eine 
solche  wird  aber  die  Vermuthung,  die  doch  für  die  Ein- 
heitlichkeit der  lex  spricht,  nicht  entkräften  köunen. 

Merkel  hatte  dann  seine  Behauptung,  der  erste  Theil 
der  lex  sei  ein  Adelsstatut  aus  der  Zeit  vor  der  cap.  de 
part.  Sax.,  darauf  stützen  wollen,  in  jener  capitulatio  sei 
schon  auf  die  geschriebene  lex  Sax.  verwiesen.  Dagegen 
hatte  Richthof en  ausgeführt,  die  lex  Saxonum  setze  um- 
gekehrt die  capitulatio  voraus.  Boretius  will  ihm  darin 
uur  Recht  geben   in  Bezug   auf  cap.  21  —  66  der  lex^,    be- 


1)  Schon  Eichhorn,  Deutsche  Rechtsgeschichte,  1834,  Bd.  I,  S.  621 
und  Gaupp  a.  a.  0.  S.  57  haben  entschieden  dagegen  protestiert,  die 
Ueberschrift  lex  Franc,  auf  den  ganzen  zweiten  Theil  der  lex  zu  be- 
ziehen; beide  betrachten  sie  jedoch  oflenbar  ganz  irriger  Weise  für  die 
Ueberschrift  eines  eingeschobenen  Theils.  Waitz  a.  a.  0.  Bd.  III,  2.  Aufl. 
18&3,  S.  l-iS  u.  S.  159  neigt  dazu,  die  Ueberschrift  nur  auf  das  eine 
cap.  24  der  lex  zu  beziehen.  Die  Richthofen'sche  Auffassung  hat  jedoch 
u.    E.    die    gi'össere  Wahrscheinlichkeit    für  sich.  2)    Bereits    Gengier, 

Deutsche  Rechtsgeschichte,  1849,  S.  161  Anm.  98,  hatte  das  im  Gegensatz 
zu  den  andern  älteren  richtig  erkannt.  3)  Boretius  erkennt  zwar  nicht 
an,  dass  aus  der  lex  Sax.  bezw.  cap.  21  —  66  die  Priorität  der  cap.  de 
part.  Sax.  hervorleuchte,  hält  dieselbe  aber  für  wahrscheinlich. 


Ueb.  d.  Entstehungszeit  u.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     653 

zeichnet  es  aber  als  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  ersten 
zwanzig  cap.  noch  vor  der  fränkischen  Eroberung  abgefasst 
seien.  Abgesehen  davon,  dass  bei  Anordnung  der  ersten 
zwanzig  cap.,  wie  schon  bemerkt,  die  lex  Ribuaria  zum 
Vorbilde  genommen  ist  —  eine  Thatsache,  die  der  vor- 
fränkischen Entstehung  entschieden  widerspricht  —  scheint 
es,  als  ob  wir  in  den  ersten  cap.  selbst  den  Spuren  frän- 
kischer Herrschaft  begegnen.  Und  zwar  gerade  in  jenem 
cap.  8,  dessen  Text  noch  von  Boretius  herangezogen  wird, 
um  daraus  die  vorfränkische  Entstehung  jenes  Abschnitts 
der  lex  darzuthun.  Dasselbe  lautet:  Quicumque  gladio 
stricto  super  alterum  cucurrit  et  retentus  ab  alio  fuerit,  XII 
sol.  componat  vel  in  manu  liti  sui  vel  sua  arma  iuret. 
Hier  finden  wir  also  eine  Bestimmung  über  die  Form,  in 
der  die  Leistung  dieses  Eides  geschehen  soll,  entweder  in 
die  Hand  des  Liten  oder  auf  die  Waffen. 

Erwägen  wir  nun,  dass  die  ersten  sieben  cap.  bei 
der  Erörterung  von  schweren  Verletzungen  sämmtlich  auch 
vom  Reinigungseid  sprechen,  ohne  über  die  Form  desselben 
irgend  etwas  zu  bestimmen,  ebenso  die  cap.  9  und  16 — 18 
der  lex,  so  wird  man  zugestehen  müssen,  dass  der  in  cap. 
8  berührte  Eid,  wie  er  allein  ein  Eineid  ist,  alle  jene  an- 
dern aber  Helfereide,  auch  bezüglich  der  Form  in  einem 
Gegensatz  zu  den  andern  in  der  lex  erwähnten  Eeinigungs- 
eiden  steht.  Denn  wenn  der  Reinigungseid  immer,  auch 
als  Helfereid,  in  der  von  cap.  8  für  den  dort  verlangten 
Eineid  Torgeschriebeueu  Form  geleistet  werden  sollte,  so 
wäre  diese  Form  ganz  sicher  dort  bestimmt,  wo  zum  ersten 
oder  zum  letzten  Male  der  Reinigungseid  erwähnt  wird. 
Es  handelt  sich  also  unzweifelhaft  in  cap.  8  um  eine  be- 
sondere Form  des  hier  vom  Schwurpflichtigen  verlaugten 
Eides  und  diese  besondere  Form  steht  der  allgemeinen 
gegenüber.  Erstere  ist  nun  offenbar  die  altheidnische. 
Der  Waffeneid  reicht  in  das  höchste  Alterthum  hinauf, 
wir  begegnen  ihm  übereinstimmend  bei  den  Quaden,  den 
Nordgermanen,  den  Angelsachsen  und  Franken  ^ ,  und  der 
Eid  in  die  Hand  des  Liten  scheint  eine  nationalsächsische 
Form  zu  sein,  die  uns  von  keinem  andern  Stamme  bezeugt 
ist,  die  sich  aber  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  vor  der 
fränkischen  Eroberung  gebildet  hat.  Liegt  dann  aber  nicht 
die  Vermuthung  nahe,  dass  die  allgemeine  Form  die  neue 
christliche  ist?  Dagegen  Hesse  sich  einwenden,  die  all- 
gemeine Form   könne   auch    eine    andere   altheidnische  ge- 

1)  Brunner  a.  a.  0.  Bd.  II,  S.  428. 


654  Walther  Schücking. 

wesen  sein,  cap.  8  normiere  nur  die  Form  für  den  dort 
auferlegten  Eineid,  für  den  in  den  übrigen  Gesetzes- 
stellen erwähnten  Helfereid  habe  eine  andere  heid- 
nische Form  bestanden.  In  der  That  sind  uns  noch  eine 
ganze  Reihe  germanischer  Eidesformen  bezeugt,  so  der  Eid 
auf  den  Eidring,  der  Eid  'in  circlo  et  in  collore,  in  vesti- 
mento  vel  in  pecunia',  der  Eid  in  die  Hand  des  Sippe- 
genossen, und  andere,  alle  jedoch  nur  für  bestimmte  Volks- 
stämme und  keiner  für  Sachsen.  Welche  Form  sollte  also 
der  altsächsische  Helfereid  gehabt  haben?  Aber  auch 
wenn  wir  annehmen,  dass  in  Sachsen  für  diesen  eine  nicht 
überlieferte  Form  bestanden  hätte,  oder  eine  jener  andern 
Formen  in  Gebrauch  gewesen  sei,  weshalb  sollten  jene 
cap.  der  lex  dieselbe  unerwähnt  lassen,  während  die  Form 
für  den  Eineid  des  cap.  8  in  dasselbe  aufgenommen  ist? 
Setzen  wir  aber  voraus,  dass  zur  Zeit  der  Eedaction  jener 
cap.  durch  cap.  32  der  cap.  de  part.  Sax.  der  christliche 
Brauch,  Eide  in  der  Kirche  zu  leisten,  auch  für  das  er- 
oberte Sachsen  allgemein  vorgeschrieben  war,  so  hat  es 
nichts  Befremdendes  mehr,  wenn  die  lex  eine  Bestimmung 
darüber  vermissen  lässt,  wie  im  allgemeinen  die  Eide 
namentlich  der  bei  weitem  am  häufigsten  geleistete  Helfer- 
eid abzuschwören  ist,  und  sich  darauf  beschränkt,  in  cap.  8 
festzusetzen,  dass  für  den  dort  auferlegten  Eineid  die 
heidnisch -sächsische  Form  beibehalten  werden  soll. 

Erscheint  schon  aus  diesen  Gründen  die  Annahme, 
der  besonderen  heidnischen  Form  des  cap.  8  stehe  als  all- 
gemein in  den  übrigen  den  Reinigungseid  erwähnenden 
cap.  die  christliche  gegenüber,  nicht  unberechtigt,  so  er- 
reicht sie  u.  E.  einen  hohen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit 
durch  die  Thatsache,  dass  wir  den  heidnischen  Formen 
der  Eidesleistung  verschiedentlich  in  den  Volksrechten 
neben  den  christlichen  begegnen  und  zwar  als  Formen 
für  einen  minder  feierlichen  Eid  in  einer  minder  wichtigen 
Sache.  So  wird  nach  dem  edict.  Rothar.  c.  359  der  Zwölfer- 
eid nach  christlicher  Sitte  auf  die  Evangelien,  der  Sechser- 
eid auf  die  geweihten  Waffen  und  der  Dreiereid  ein- 
fach auf  die  Waffen  geschworen.  Aehnlich  bestimmt  die 
lex  Frisionum  tit.  XII  ^ :  Si  servus  rem  magnam  quamlibet 
furasse  dicatur  vel  noxam  grandem  perpetrasse,  dominus 
eins  in  reliquiis  sanctorum  pro  hac  re  iurare  debet,  si  vero 
de  minoribus  furtis  et  noxis  a  servo  perpetratis  fuerit  inter- 
pellatus,    in  vestimento  vel   pecunia  iurare   poterit.     Auch 


1)   MG.  LL.  III,  p.  666. 


Ueb.  d.  Entstehiingszeit  u.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     655 

hier  finden  wir  also  neben  der  christlichen  Form  der  Eides- 
leistung auf  die  Reliquien  die  offenbar  altfriesische  des 
Schwurs  'in  vestimento  vel  pecunia'  für  einen  minder 
wichtigen  Eid  erhalten.  Vergegenwärtigen  wir  uns  nun, 
dass  cap.  8  der  lex  Sax.  die  Form  für  einen  Eineid  be- 
stimmt, durch  den  man  sich  vom  Verdachte  eines  nur  ver- 
suchten Ueberfalls,  des  geringsten  aller  Delicte,  reinigen 
kann,  dass  es  sich  mithin  hier  auch  um  eine  minder  wichtige 
Sache  und  deshalb  auch  um  einen  minder  feierlichen  Eid 
handelt,  so  scheinen  jene  Analogien  doch  die  Vermuthung 
zu  bestätigen,  dass  auch  hier  die  heidnische  Form  als 
die  besondere  der  christlichen  als  der  allgemeinen  ge- 
genübergestellt wird.  So  ist  die  Bestimmung  des  cap.  8 
von  Richthof en  wie  ßrunner  gedeutet  ^  und  diese  Deutung 
scheint  uns  nach  dem  Gesagten  richtig  zu  sein.  Brunner 
übersieht  nur,  dass  sich  mit  dieser  Annahme  die  oft  wieder- 
holte Behauptung  nicht  vereinigen  lässt,  der  erste  Theil 
der  lex  Sax.  sei  von  jeglichen  Spuren  der  fränkischen 
Herrschaft  frei.  Setzt  die  lex  wirklich  für  alle  in  ihrem 
ersten  Theil  angeordneten  Reinigungseide  die  christliche 
Form  voraus,  so  begegnen  wir  dem  Frankenthum  ja  in 
der  Mehrzahl  der  cap.  jenes  ersten  Abschnitts;  und  so  lassen 
sich  mit  dem  ersten  Abschnitt  auch  cap.  21  und  22  der 
lex  vereinigen,  welche  die  Strafe  für  den  in  der  Kirche 
geleisteten  falschen  Eid  bestimmen. 

Mit  Recht  hat  ferner  Waitz  gegen  die  vorfränkische 
Entstehung  des  ersten  Abschnitts  dessen  lateinische  Sprache 
hervorgehoben  -.  Dieses  Moment,  dass  die  Sachsen  vor 
Karl  dem  Grossen  ihr  Recht  doch  nicht  in  lateinischer 
Sprache  aufgezeichnet  hätten,  ja  bei  der  Abgeschlossenheit 
und  Rückständigkeit  ihrer  Kultur  gar  nicht  hätten  auf- 
zeichnen können,  spricht  so  entschieden  gegen  die  frühere 
Abfassung  jenes  Abschnitts,  dass,  wer  doch  an  dieser  Be- 
hauptung festhalten  wollte,  in  dem  uns  heute  vorliegenden 
lateinischen  Texte  schon  eine  zu  karolingischer  Zeit  in 
Zusammenhang  mit  der  Redaction  des  angeblich  zweiten 
Theiles  erfolgte  Uebersetzung  sehen  müsste. 

Einen  ferneren  Grund  für  seine  Theilung  der  lex 
findet  Boretius  darin,  dass  dieselbe,  wäre  sie  wirklich  ein- 
heitlich, durch  die  Bestimmungen  über  die  Verletzung  von 


1)  Vgl.  Richthofen  MG.  LL.  V,  p.  50,  wo  derselbe  seine  Armahme 
mit  den  oben  erwähnten  Stellen  aus  dem  langob.  u.  fries.  Recht  be- 
gründet. Brunner  a.  a.  0.  Bd.  II,  S.  428;  Bd.  I,  S.  347  Anm.  10.  2)  Waitz 
a.  a.  0.  Bd.  in  2.  Aufl.,  S.  157  Anm.  1. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  42 


656  Walther  Schücking. 

Kirche  und  König  eingeleitet  sein  müsste.  Aber  der  Ver- 
gleich mit  der  verwandten  lex  Thuringorum  \  deren  Einheit 
nicht  bestritten  wird,  lehrt,  dass  Boretius  mit  seiner  Be- 
hauptung im  Unrecht  ist.  Auch  sie  beginnt  mit  dem 
Todtschlag  des  Adelings  und  es  fehlt  in  ihr  sogar  völlig 
an  irgend  welchen  Bestimmungen  in  Bezug  auf  König  und 
Kirche.  Diese  Wahrnehmung  rechtfertigt  den  an  sich 
wahrscheinlichen  Schluss,  dass  es  bei  der  Aufzeichnung 
der  Stammesrechte  Karl  nicht  darum  zu  thun  gewesen  ist, 
in  denselben  an  erster  Stelle  Rechtssätze  in  Bezug  auf 
seine  Herrschaft  und  die  christliche  Kirche  zur  Anerkennung 
zu  bringen;  dazu  dienten  ihm  die  Capitularien.  Ja  bei 
dem  Vergleiche  mit  der  lex  Thuriug.  erscheint  es  vielmehr 
als  etwas  Ausserordentliches,  dass  dergleichen  Bestimmungen 
überhaupt  bei  der  Redaction  der  lex  Sax.  in  dieselbe  auf- 
genommen wurden.  Letztere  Thatsache  erklärt  sich  u.  E. 
auch  nur  aus  dem  Bestreben,  die  betreffenden  Rechtssätze 
der  Capitularien  zu  ergänzen,  zu  erweitern  und  neu  zu 
fassen.  In  dieser  Absicht  benutzte  man  die  Aufzeichnung 
des  sächsischen  Volksrechts  zur  Einschaltung  der  hierauf 
bezüglichen  Bestimmungen  an  geeigneter  Stelle.  Letztere 
aber  fand  sich  dort,  wo  man  von  den  todes würdigen  Ver- 
brechen überhaupt  handelte,  nämlich  im  zweiten  Theil  der 
lex  cap.  31—38. 

Denn  Boretius  irrt,  wenn  er  behauptet,  dass  zuerst 
in  cap.  1 — 20  der  lex  von  allen  möglichen  Verwundungen 
und  Vergehen  gehandelt  wird,  dann  von  cap.  21  an  von 
todeswürdigen  Verbrechen  gegen  Kirche  und  Religion,  den 
Franken -König,  den  dominus  und  die  domina,  und  nun 
wieder  von  allerhand  geringeren  Delicten  geredet  werde 
und  dass  diese  völlige  Dispositionslosigkeit  sich  nur  aus 
einer  getrennten  Entstehung  einzelner  Theile  erklären  lasse. 
Im  Gegentheil  ist  die  Disposition  (die  ersten  zwanzig  cap.: 
Verletzungen  der  Person  und  ihre  Bussen,  die  cap.  21 — 38 
todeswürdige  Verbrechen ')  so  streng  durchgeführt ,  dass, 
abgesehen  von  einzelnen  Bestimmungen,  die  nur  des  offen- 


1)  Wie  oben  gesagt,  wahrscheinlich  um  802  verfasst.  Der  Vergleich 
mit  dieser  liegt  viel  näher  als  der  von  Boretius  herangezogene  mit  der 
lex  Alam.  (nach  Brunner  von  717 — 719)  und  der  lex  Bai.  (nach  Brunner 
von  74.4  —  748),  weil  letztere  beiden  unter  wesentlich  anderen  Bedin- 
gungen, nämlich  unter  dem  starken  Einfluss  der  herzoglichen  Gewalt  zu 
Stande   gekommen    sind.  2)   Des   weiteren:    cap.  39    Beweisregeln   als 

Anhang;  cap.  40  —  49  Familien  und  Erbrecht;  cap.  50  —  60  Haftung  für 
(eigenes  und  fremdes)  Verschulden  und  Zufall;  cap.  61 — 65  Veräusserungen ; 
cap.  66  Schätzungen  für  Busszahlungen. 


Ueb.  d.  Entstehungszeit  u.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     657 

baren  Zusammenhangs  wegen  hier  ihre  Stelle  gefunden  ^, 
nur  das  einzige  cap.  37  ein  Delict  eigener  Art  behandelt, 
das  mit  der  Todesstrafe  bedroht  ist.  'Qui  homini  in  hoste 
vel  de  hoste,  ad  palatium  vel  de  palatio  pergenti  malum 
aliquid  fecerit,  in  triplo  componat'.  Schon  cap.  26  des  cap. 
de  part.  Sax.  hatte  bestimmt:  'Ut  nulli  hominum  contra- 
dicere  viam  ad  nos  veniendo  pro  iustitia  reclamanda  aliquis 
praesumat,  et  si  aliquis  hoc  facere  conaverit,  nostrum  ban- 
num  solvat'.  Jetzt  wird  der  besondere  Schutz  des  auf  der 
Fahrt  zum  König  Begriffenen  auf  den  in  den  Feldzug  Aus- 
rückenden, sowie  die  von  der  königlichen  Pfalz  oder  dem 
Feldzug  Heimkehrenden  ausgedehnt.  Gleichzeitig  aber 
nimmt  dieser  Schutz  eine  billigere  Form  an,  der  Uebel- 
thäter  soll  hinfort  nicht  mehr  die  Bannbusse  zahlen,  sondern 
dem  bei  der  Ausübung  seiner  staatsbürgerlichen  Pflichten 
und  Rechte  Verletzten  wird  ein  Anspruch  auf  die  dreifache 
Sühne  gegeben.  Damit  war  dem  Geschädigten  mehr  ge- 
holfen als  durch  die  Zahlung  des  Bannes  seitens  des  Ver- 
letzers an  den  König  bezw.  den  Grafen,  gleichzeitig  aber 
durch  die  dreifache  Sühnepflicht  auch  die  durch  das  Delict 
kundgegebene  Missachtung  der  höchsten  Gewalt  gebührend 
bestraft.  Und  im  Hinblick  auf  diesen  staatsverletzenden 
Charakter  des  Delicts  reihte  man  jene  Bestimmung  in 
den  Abschnitt  der  lex  über  todeswürdige  Verbrechen  ein, 
weil  darin  die  andern  Delicte  gegen  König,  Staat  und 
Kirche  zur  Sprache  gekommen.  In  der  That  wird  die 
Einheitlichkeit  des  zweiten  Theils  der  lex  und  die  Disposition 
des  Ganzen  durch  die  Einschiebung  an  dieser  Stelle  am 
wenigsten  gestört. 

Wenn  Boretius  des  weiteren  gegen  die  Einheitlichkeit 
der  lex  den  äusseren  Umstand  in  das  Feld  führt,  dass  die 
ersten  zwanzig  cap.  meistens  mit  Si,  die  folgenden  durch- 
weg mit  Qui  beginnen,  so  vermag  auch  das  nichts  zu  be- 
weisen. Denn  erstens  beginnen  von  den  ersten  zwanzig 
cap.  auch  vier  relativisch,  aber  abgesehen  davon  erklärt 
sich  das  Vorherrschen  der  bedingenden  Form  in  jenem 
ersten  Abschnitt  sehr  einfach  durch  die  oben  schon  mehr- 
fach berührte,  nicht  hinweg  zu  leugnende  Thatsache,  dass 
die   lex  Eib.  in   der   Anordnung   den   ersten   zwanzig   cap. 


1)  Nämlich  cap.  18:  'capitis  damnatus  nusquam  habet  pacem,  si  in 
ecclesiam  confugerit,  reddatur'  und  cap.  36,  anhangsweise  hinzugefügt, 
weil  in  cap.  35  der  todeswürdige  Diebstahl  behandelt  ist:  Quicquid  vel  uno 
denario  minus  tribus  solidis  quislibet  furto  abstulerit,  novies  componat, 
quod  abstulit;  et  pro  fredo,  si  nobilis  fuit,  soUdos  XII,  si  über  VI,  si 
litus  IV  et  conscius  similiter. 

42* 


658  Walther  Schücking. 

der  lex  Sax.  zum  Vorbild  gedient  hat  und  erstere  ihre 
Rechtssätze  in  die  Form  der  Bedingung  kleidet.  In  dem 
cap.  21  und  folgenden  der  lex  Sax.,  wo  man  das  Vorbild  der 
lex  Rib.  hat  fallen  lassen,  bedient  man  sieh  dann  der,  wie 
das  Beispiel  der  lex  Thuring.  zeigt,  im  Gesetzesstil  jener 
Zeit  beliebten  relati vischen  Wendung. 

Wenden  wir  uns  endlich  der  Betrachtung  des  Um- 
standes  zu,  dass  inhaltlich  die  ersten  zwanzig  cap.  der  lex 
sich  vorzüglich  mit  den  nobiles  befassen,  während  die 
folgenden  nur  zwei  gelegentliche  Bezugnahmen  auf  die 
Sonderstellung  der  nobiles  enthalten^.  Trotz  dieser  auf- 
fälligen Thatsache  scheint  uns  Boretius  in  der  Annahme 
zu  irren,  die  ersten  zwanzig  cap.  bildeten  ein  Adelsstatut. 
Da  uns  die  lex  als  ein  einheitliches  Volksrecht  überliefert 
ist,  so  spricht  die  Vermuthung  offenbar  gegen  den  be- 
sonderen Charakter  jenes  Abschnitts.  Untersuchen  wir  zu- 
nächst, ob  der  Inhalt  der  ersten  zwanzig  cap.  geeignet  ist, 
einen  zwingenden  Beweis  gegen  diese  Vermuthung  zu 
liefern.  Das  scheint  auf  Grund  folgender  Erwägungen  ver- 
neint werden  zu  müssen.  Es  finden  sich  in  jenem  Abschnitt 
eine  Reihe  von  Bestimmungen  die  u.  E.  in  ein  Adelsstatut 
kaum  Aufnahme  gefunden  hätten  Cap.  16  der  lex  be- 
stimmt das  Wergeid  des  Liten  auf  130  sol.  ohne  dass  da- 
bei zum  Ausdruck  gelangte,  der  Herr  des  Liten  sei  ein 
nobilis.  Nun  wird  allerdings  von  Boretius  auf  Grund  der 
Thatsache,  dass  die  vorhergehenden  cap.  ihrem  Wortlaute 
nach  ausschliesslich  von  nobiles  handeln  2,  angenommen, 
es  sei  auch  hier  nur  an  den  Liten  eines  nobilis  gedacht. 
Gegen  diese  Annahme  scheint  der  Umstand  zu  sprechen, 
dass  der  Lite  eines  nobilis  kein  anderes  Wergeid  besass 
wie  der  eines  Freien.  Deshalb  wäre  es  u.  E.  auffällig 
dieser  Bestimmung  in  einem  Adelsstatut  zu  begegnen,  d.  h. 
einem  Gesetz,  welches  Normen  aufstellt,  die  dem  Adel 
eigenthümlich  sind.  Dasselbe  gilt  aber  von  cap.  17,  das 
ein  Wergeid  für  den  Sklaven  bestimmt,  cap.  18,  das  den 
umgekehrten  Fall  wie  cap.  16,  nämlich  die  Haftpflicht  des 
Herrn  für  einen  von  seinem  Liten  verübten  Todtschlag 
behandelt,  und  von  cap.  19,  das  normiert,  in  welcher  Weise 
die  Mordbusse  von  den  dazu  verpflichteten  Personen  auf- 
gebracht werden  soll.  Alle  diese  cap.  schweigen  darüber, 
welchem  Stande  der  Herr  des  Sklaven  oder  Liten  bezw. 
der  heimliche  Mörder  angehört,  und  wenn   man  annimmt, 


1)  Vgl.  cap.  36  und  cap.  64.        2)  Ausgenommen  cap.  15,  welches 
aber  auf  die  vorhergehenden  Bezug  nimmt. 


Ueb.  d.  Entstehungszeit  u.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     659 

es  sei  in  allen  Fällen  ein  nobilis,  so  befremdet  es  u.  E., 
die  betreffenden  Rechtssätze  in  einem  Adelsstatut  zu  finden, 
da  sie  materiell  unzweifelhaft  allen  Ständen  gemeinsam 
sind.  Man  könnte  uns  allerdings  einwenden,  wir  zögen 
den  Begriff  des  Adelsstatuts  zu  eng.  Rechtssätze  von  so 
hervorragendem  Interesse  für  den  Edeling  wie  diese  hätten 
sehr  wohl  in  einem  Adelsstatut  Aufnahme  finden  können, 
obgleich  sie  dem  gemeinen  Rechte  angehörten.  Diesem 
Einwand  glauben  wir  aber  mit  dem  Hinweis  darauf  be- 
gegnen zu  können,  dass  für  einen  so  sehr  erweiterten  Be- 
griff des  Adelsstatuts  der  Inhalt  des  ersten  Abschnitts 
wiederum  zu  dürftig  ist.  War  es  für  den  Edeling  denn 
nicht  auch  von  hohem  Interesse,  wie  hoch  er  für  den 
Totschlag  eines  Freien  haftete  ?  Und  doch  findet  sich  in 
der  lex  keine  Bestimmung  darüber.  Aus  doppeltem  Grunde 
also,  einmal  weil  es  im  Gesetz  nicht  zum  Ausdruck  gelangt 
ist,  dass  es  sich  in  cap.  16- — 19  nur  um  Angehörige  der 
nobiles  handelt,  ferner  weil  die  Bestimmungen  dieser  cap. 
dem  Inhalte  nach  gemeines  Recht  darstellen,  scheint 
uns  der  Gedanke  näher  zu  liegen,  ihre  Geltung  sei  auch 
formell  nicht  auf  den  Kreis  der  Edelinge  beschränkt. 
Dann  aber  müsste  man,  um  in  dem  ersten  Theile  der  lex 
Sax.  allenfalls  ein  Adelsstatut  sehen  zu  können,  diesen 
ersten  Abschnitt  weder  mit  Merkel  bis  zum  28  (incl.)  noch 
mit  Boretius  bis  zum  20  (incl.),  sondern  nur  bis  zum  cap.  15 
(incl.)  rechnen.  Aber  auch  diese  Hypothese  würde  sich 
nicht  aufrecht  erhalten  lassen.  Widerspricht  ihr  doch  die 
schon  so  häufig  erwähnte  Thatsache,  dass  die  ersten  zwanzig 
cap.  der  Anordnung  der  lex  Rib.  folgen  und  deshalb 
wenigstens  unter  sich  offenbar  zusammen  hängen.  Wer 
also  die  oben  dargelegte  Auffassung  der  cap.  16 — 19  theilt, 
dem  wird  es  zweifelhaft  erscheinen,  ob  überhaupt  ein 
Adelsstatut  vorliegt  und  er  wird  den  Gedanken  an  ein 
solches  fallen  lassen,  sobald  sich  eine  andere  annehmbare 
Erklärung  für  die  Thatsache  findet,  dass  die  ersten  15  cap. 
der  lex  ihrem  Wortlaute  nach  ausschliesslich  Rechtssätze 
für  die  nobiles  enthalten.  Eine  solche  Erklärung  wäre 
gegeben,  wenn  wir  annehmen  dürften,  es  sei  eine  redactio- 
nelle  Eigenthümlichkeit  der  lex,  dass  sie  auch  dort  Rechts- 
normen für  alle  Stände  schaffen  will,  wo  sie  wörtlich  nur 
Rechtssätze  für  die  zur  nobilitas  gehörigen  ausspricht.  Ist 
es  der  Wille  des  Gesetzes,  dass  aus  dem,  was  für  den  nobilis 
gilt,  auf  das  Recht  des  Freien  geschlossen  werden  solle, 
so  wären  alle  Zweifel  darüber,  ob  die  ersten  zwanzig  cap. 
der  lex  auch  in  eine  Codification  des  gemeinen  sächsischen 
Stammesrechtes  hineinpassen,  hinweg  geräumt. 


660  Walther  Schücking. 

Dafür,  dass  wir  zu  dieser  Annahme  berechtigt  sind, 
sprechen  u.  E.  folgende  Erwägungen. 

Wenn  es  in  cap.  1  der  lex  heisst:  'De  ictu  nobilis 
30  sol.  vel  si  negat  tertia  manu  iuret',  so  ist  ausdrücklich 
der  Geschlagene  als  ein  nobilis  hingestellt.  Es  ist  aber 
offenbar  auch  der  Schläger  als  ein  nobilis  gedacht  worden. 
Denn  in  cap.  17  wird  bei  einer  Geldbusse  von  36  sol.  als 
Reinigungseid  vom  nobilis  ein  Dreiereid,  vom  Freien  und 
Liten  hingegen  ein  Zwölfereid  gefordert.  Es  wäre  aber 
offenbar  widersinnig,  wenn  in  dem  Falle  des  cap.  17  der 
Freie  einen  Zwölfereid,  in  dem  Falle  des  cap.  1  aber  nur 
einen  Dreiereid  zu  leisten  hätte,  da  in  beiden  Fällen  die 
Streitsache  annähernd  gleich  ist,  von  dieser  aber  nach 
allen  Stammesrechten  die  Grösse  des  Eides  in  erster  Linie 
abhängt.  Der  scheinbare  Widerspruch  zwischen  cap.  1  und 
cap.  17  lässt  sich  mithin  nur  durch  die  Annahme  hinweg- 
räumen, als  Schwurpflichtiger  sei  für  den  in  cap.  1  gefor- 
derten Dreiereid  auch  ein  nobilis  gedacht,  eine  Annahme 
die  auch  bisher  immer  vertreten  worden  ist^.  Behandelt 
danach  also  wirklich  jenes  cap.  1  nur  den  Fall,  dass  ein 
nobilis  einen  andern  nobilis  verletzt  hat,  so  hat  doch  Nie- 
mand daran  gedacht,  die  ratio  legis  auf  diesen  Fall  zu 
beschränken.  Auch  diejenigen,  welche  in  dem  ersten  Theil 
der  lex  ein  Adelsstatut  sehen,  werden  zugestehen  müssen, 
dass  cap.  1  wahrscheinlich  auch  eine  Norm  schaffen  will 
für  den  Fall,  dass  der  nobilis  von  einem  Freien  geschlagen 
worden  ist.  Denn  dass  der  Schlag  gegen  den  Adeling  auch 
gerade  wieder  von  einem  Adeling  geführt  ist,  ist  doch 
sicherlich  nur  ein  Ausnahmefall.  Galt  es  in  cap.  1  aber, 
die  Rechte  des  geschlagenen  Adelings  festzulegen,  so  musste 
doch  offenbar  daran  gedacht  werden,  welche  Rechte  dieser 
gegenüber  einem  Freien  als  Schläger  hatte.  Darüber  aber 
schweigt  cap.  1  der  lex.  Es  bleibt  uns  also  nur  übrig 
anzunehmen,  dass  nach  dem  Willen  des  Gesetzes  von  dem 
Reinigungseid,  der  in  cap.  1  von  einem  nobilis  als  Schläger 
gefordert  wird,  auf  den  Reinigungseid  geschlossen  werden 
muss,  den  im  gleichen  Fall  der  Freie  zu  leisten  hätte. 
Geht  man  aber  einmal  davon  aus,  dass  die  ratio  legis  eine 
umfassendere  sei,  als  sich  nach  dem  wörtlichen  Inhalt 
zunächst  vermuthen  lässt,  so  möchten  wir  die  Frage  auf- 
werfen, ob  man  nicht  mit  demselben  Rechte,  mit  dem  man 
einerseits  aus  dem  Reinigungseid  des  adeligen  Schlä- 
gers auf  den  des  freien  Schlägers  schliessen  zu  müssen 


1)  Vgl.  ßichthofen  MG.  LL.  V,  p.  48  Anm.  55. 


Ueb.  d.  Entstehungszeit  u.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     661 

glaubt,  auch  annehmen  darf,  es  sei  andrerseits  nach  dem 
Willen  des  Gesetzes  aus  dem  Bussanspruch,  der  dem  ge- 
schlagenen nobilis  gegeben  wird,  auf  den  Bussanspruch 
des  geschlagenen  Freien  zu  schliessen.  Diese  Annahme 
erscheint  doch  so  lange  zulässig,  als  der  besondere  Charak- 
ter des  ersten  Abschnittes  der  lex  Sax.  als  eines  Adels- 
statutes nicht  erwiesen  ist.  Dasselbe  was  aber  von  cap.  1 
der  lex  Sax.  gilt,  muss  dann  für  alle  übrigen  cap.  des 
ersten  Abschnittes  zutreffen,  soweit  solche  sich  anscheinend 
auf  Bestimmungen  über  Rechte  und  Pflichten  der  nobiles 
beschränken.  Wir  wären  auch  hier  berechtigt,  implicite 
die  Bussansprüche  der  anderen  Stände  normiert  zu  sehen, 
und  diese  Berechtigung  würde  uns  der  Annahme  überheben, 
der  erste  Theil  der  lex  Sax.  habe  den  besonderen  Charakter 
eines  Adelsstatuts. 

Etwas  Befremdendes  hätte  die  Fassung  der  lex  aller- 
dings in  diesem  Falle,  aber  bei  eingehenderer  Beschäf- 
tigung mit  der  lex  Sax.  nehmen  wir  wahr,  dass  der  Inhalt 
doch  in  etwas  dem  entspricht.  Wie  nach  cap.  16  der  lex 
die  Busse  für  Verletzungen  des  Liten  überall  nach  der 
Busse  für  Verletzungen  des  nobilis  und  nicht  des  Freien 
berechnet  werden  soll,  ebenso  wird  nach  cap.  36  der  lex 
Sax.  das  normale  Friedensgeld  von  dem  nobilis  gezahlt, 
und  das  Friedensgeld  des  Freien  bildet  nur  einen  Bruchtheil 
davon;  der  nobilis  zahlt  12,  der  Freie  6,  der  Lite  4  soL,  es  steht 
also  auch  das  Friedensgeld  des  Freien  der  Höhe  nach, 
dem  des  Liten  näher  wie  dem  des  nobilis.  ßichthofen 
will  allerdings  einen  Textverderb  annehmen  und  die  Zahl 
4  durch  3  ersetzt  wissen  \  so  dass  sich  das  Verhältnis  von 
1:^/2:  V4  zwischen  den  Friedensgeldern  der  einzelnen 
Stände  ergäbe,  wie  solches  in  der  Strafandrohung  des  cap. 
■Sax.  cap.  5  enthalten:  'Si  quis  de  nobilioribus  ad  placitum 
mannitus  venire  contempserit,  solidos  quatuor  componat, 
ingenui  duos,  liti  unum' ;  desgl.  in  den  cap.  19  —  21  des 
capitulare  de  part.  Sax. 

Uns  scheint  zu  solcher  Aenderung  des  in  allen  Hand- 
schriften gleichlautenden  Textes  jedoch  kein  Grund  vorzu- 
liegen. Wo,  wie  im  sächsischen  Volksrecht,  der  nobilis  das 
sechsfache  Wergeid  des  Freien  und  der  Freie  nur  das 
doppelte  Wergeid  des  Liten  hat,  da  wäre  es  geradezu 
verwunderlich,  wenn  in  Bezug  auf  das  Friedensgeld  der 
Freie  ganz  in  der  Mitte  zwischen  nobiles  und  Liten  stände. 


1)  Richthofen  M&.  LL.  V,  p.  67. 


%, 


662  Walther  Schücking. 

Auffallend  ist  es  ja  allerdings,  dass  nach  dem  vorliegenden 
Texte  des  cap.  36  der  lex  Sax.  die  Verhältniszahlen  für 
das  Friedensgeld  der  einzelnen  Stände  andere  sind,  wie  in 
jenen  Strafandrohungen  aus  den  älteren  sächsischen  Ca- 
pitularien  ^.  Aber  da  die  lex  Sax.  ihrem  allgemeinen  Cha- 
rakter nach  unzweifelhaft  die  spezifisch  sächsischen  ßechts- 
anschauungen  am  besten  wiederspiegelt,  so  hat  es  immer 
etwas  Missliches,  den  Text  der  lex  Sax.  auf  Grund  der  Ca- 
pitularien  abzuändern. 

Der  innere  Grund  für  die  absonderliche  Fassung  der 
lex  ist  also  mit  Richthofen  in  der  'in  furchtbarer  Weise  prä- 
valierenden Stellung  der  nobiles  im  alten  Sachsen  zu  finden, 
wo  für  den  kleinen  Finger  eines  Edelings  dieselbe  Busse 
gezahlt  werden  musste,  wie  für  einen  erschlagenen  Freien' "-. 
Auffallend  bleibt  es  trotzdem,  dass,  wenn  auch  die  lex 
Sax.  das  Wergeid  des  nobilis  als  das  normale  betrachtet, 
von  dem  alle  andern  nur  Bruchtheile  bilden,  wir  wohl  in 
Bezug  auf  den  Liten  (cap.  16),  aber  nicht  in  Bezug  auf 
den  Freien  über  die  Höhe  des  Bruchtheils  unterrichtet 
werden ,  sondern  in  dieser  Frage  ganz  auf  Rückschlüsse 
angewiesen  sind.  —  Auch  der  letzte  Beweis,  den  Boretius 
dafür  zu  erbringen  sucht,  dass  der  erste  Abschnitt  der  lex 
ein  Statut  älteren  Datums,  ist  u.  E.  nicht  schlagend.  Er 
weist  nämlich  darauf  hin,  dass  der  Inhalt  von  cap.  18  in 
cap.  50  der  lex  wiederkehre  und  glaubt  darin  ein  Argu- 
ment gegen  ihre  Einheitlichkeit  gefunden  zu  haben.  Wie 
steht  es  aber  in  Wirklichkeit  um  diese  angebliche  Wieder- 
kehr? In  dem  oben  schon  erwähnten  cap.  18  ist  im  Zu- 
sammenhang mit  den  in  den  vorausgehenden  und  nach- 
folgenden cap.  behandelten  Bussen  für  andere  Verletzungen 
der  von  einem  Liten  verübte  Totschlag,  erörtert  und  es 
werden  Normen  aufgestellt ,  einerseits  über  die  Haftung 
des  Herrn  als  Anstifter  und  andererseits  über  die  Bedin- 
gungen (nämlich  Uebergabe  des  Liten  u.  s.  w.),  durch  deren 
Erfüllung  sich  der  Herr  von  dieser  Haftung  befreien  kann. 
In  cap.  50  zu  Beginn  des  vierten  Abschnitts  der  lex,  in 
dem  die  Haftung-  für  fremde  Handlungen  und  Zufall  be- 
handelt   wird,  ist   dann  ganz   allgemein  gesagt:    'Quicquid 

1)  Cap.  3  des  cap.  Sax.  'Item  placuit  omnibus  Sax.  ut  ubicumque 
Franci  secundum  legem  sol.  XV.  solvere  debent,  ibi  nobiliores  Sax.  sol. 
Xn,  ingenui  Y,  liti  TV  componant'  kommt,  weil  offenbar  verderbt,  kaum 
in  Betracht.  Richthofen  MG.  LL.  V,  p.  88  will  auch  hier  5  durch  6, 
und  4  durch  3  ersetzen.  Usinger  a.  a.  0.  S.  50  beschränkt  sich  im  Hin- 
blick auf  lex  Sax.  cap.  36  auf  die  gleiche  Verbesserung  der  5,  u.  E.  mit 
Recht.         2)  Richthofen  a.  a.  0.  (Zur  lex  Sax.)  S.  124. 


Ueb.  d.  Entstehungszeit  u.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     663 

servus  aut  litus  iubente  domino  perpetravit,  dominus  emen- 
det'.  So  enthält  cap.  50  nur  einen  allgemeinen  Grundsatz 
in  privatrechtlichem  Zusammenhang,  der  in  einem  Theile 
von  cap.  18  auch  auf  einen  einzeln  strafrechtlichen  Fall 
angewandt  ist  ^,  von  einer  eigentlichen  Wiederholung  des 
cap.  18    in  cap.  50    kann    aber   nicht  gesprochen  werden-. 

So  viel  von  der  ünhaltbarkeit  der  Behauptungen  von 
Boretius.  Ebensowenig  hat  nach  ihm  De  Geer  die  Ver- 
muthung  der  Einheitlichkeit  der  lex  durch  seine  Aus- 
führungen zu  entkräften  vermocht.  Er  will  im  ganzen 
fünf  verschiedenartige  Bestandtheile  der  lex  unterscheiden. 
Prüfen  wir  aber  die  Begründung  dieser  Hypothese,  so 
stossen  wir  überall  auf  Widersprüche. 

Als  ersten  Bestandtheil  betrachtet  De  Geer  ein  an- 
geblich in  cap.  1 — 17  der  lex  enthaltenes  Adelsstatut,  dem 
später  die  Bestimmungen  in  cap.  18—20,  die  durch  Form 
und  Ausdrucksweise  einen  anderen  Charakter  zeigten,  hin- 
zugefügt seien.  Es  ist  aber  schon  hervorgehoben  worden, 
dass  einer  Trennung  der  ersten  20  cap.  die  gemeinsame 
Abhängigkeit  derselben  von  der  lex  Eib.  widerstreitet.  Als 
zweiten  Theil  will  De  Geer  dann  cap.  21  —  27,  29  —  30, 
32 — 35  und  cap.  38  angesehen  wissen  und  darin  eine  nach 
797  abgefasste  Aufzählung  der  nach  fränkischer  Gesetz- 
gebung in  Sachsen  todeswürdigen  Verbrechen  erblicken. 
In  diesen  Abschnitt  sollen  cap.  28,  31,  36,  37  später  ein- 
geschaltet sein.  Aber  auch  hierin  wird  man  De  Geer 
schwerlich  folgen  können.  Eine  ganze  Reihe  der  Bestim- 
mungen in  diesem  von  De  Geer  als  fränkisch  bezeichneten 
Theile  der  lex  sind  ja  allerdings  fränkischen  Ursprungs, 
andere  aber  enthalten  ziemlich  zweifellos  altsächsisches 
Recht.  Das  gilt  vorzüglich  von  den  cap.  29 — 30,  32 — 35. 
Das  erste  von  diesen  bestimmt:  'Qui  caballum  furaverit, 
capite  puniatur'.  Abgesehen  davon,  dass  wir  der  Todes- 
strafe für  Pferdediebstahl  in  den  alten  Volksrechten  ver- 
schiedentlich begegnen^,  ist  uns  diese  gerade  für  das  alt- 
sächsische Recht  verbürgt.  In  der  Lebensbeschreibung 
des  h.  Ludger  wird  uns  berichtet^,  wie  selbiger  eine  Auf- 


1)  Die  Art  in  welcher  sich  die  einzelnen  Abschnitte  der  lex  ihrem 
Inhalte  nach  von  einander  abheben,  berechtigt  u.  E.  auf  diese  Abschnitte 
jene  Classifikation  anzuwenden.  Die  Flüssigkeit  der  Grenzen  zwischen 
dem  öffentlichen  und  privaten  Recht  jener  Zeit  soll  damit  nicht  verkannt 
werden.  2)  Dagegen  auch  Amira.  Hist.  Zeitschr.  Bd.  40,  S.  308.  3)  L. 
Fris.  add.  I.  3;  L.  Burg.  IV.  1;  Cart.  Senon.  App.  6,  MG.  Form.  p.  211. 
Dazu  Wilda,  Strafrecht  der  Germanen,  18-i2,  S.  892.  4)  Diekamp,  Die 
Vitae  S.  Liudgeri,  Münster  1881,  S.  69. 


664  Walther  Schücking. 

erweckung-  an  einem  Toten  vorgenommen,  der  den  Steini- 
gungstod gestorben  war,  weil  er  dem  Herzog  Widukind 
Rosse  gestohlen  hatte. 

Aber  auch  in  jenen  folgenden  cap.,  die  für  Diebstahl 
unter  erschwerenden  Umständen  Todesstrafe  androhen, 
werden  wir  altsächsisches  Eecht  sehen  müssen  ^.  Die  be- 
treffenden Bestimmungen  der  lex  Sax.  sind  härter  als  die 
der  übrigen  Volksrechte,  welche  den  grossen  Diebstahl  in 
erster  Linie  mit  Geldbusse  bedrohen.  Das  Studium  der 
aussersächsischen  Stammesrechte,  namentlich  aber  ein  Ver- 
gleich mit  den  fränkischen  und  friesischen  Rechtsquellen 
lehrt,  dass  auch  hier  dem  Anscheine  nach  ursprünglich 
für  den  schweren  Diebstahl  Todesstrafe  gegolten  hat,  die- 
selbe jedoch  dadurch  bis  auf  vereinzelte  Fälle  verdrängt 
worden  ist,  dass  man  dem  Schuldigen  zunächst  gestattete, 
sich  mit  seinem  Wergeid  zu  lösen,  bis  er  schliesslich  als 
Strafe  nur  eine  Greldbusse  zu  zahlen  brauchte.  Die  Straf- 
art, der  wir  in  der  lex  Sax.  begegnen,  ist  also  die  ältere 
und  es  ist  deshalb  von  vorn  herein  unwahrscheinlich,  dass 
sie  auf  einer  Neuerung  Karls  in  Sachsen  beruhe.  Für  eine 
derartige  Neuerung  Hesse  sich  auch  durchaus  kein  Grund 
finden.  Wir  sehen  Karl  im  Gegentheil  bemüht,  im  christ- 
lichen Sinne  die  Strafen  zu  mildern.  So  bestimmt  cap.  23 
des  capitulare  vom  Jahre  779,  dass  der  Diebstahl  erst  im 
zweiten  Rückfall  und  zwar  nur  'si  non  emendaverit'  mit 
dem  Tode  gebüsst  werden  soll  -. 

Enthalten  aber  die  cap.  21—27,  29  —  30,  32  —  35  und 
38  nicht  wie  De  Geer  will  nur  die  Aufzählung  der  nach 
der  früheren  fränkischen  Gesetzgebung  in  Sachsen  todes- 
würdigen Verbrechen,  so  fällt  damit  der  einzige  Grand  für 
ihn  hinweg,  cap.  28,  31,  36  und  37,  weil  andern  Inhalts 
aus  dem  zweiten  Abschnitt  der  lex  als  spätere  Einschiebsel 
auszuschalten.  De  Geer  selbst  müsste  also  die  Einheitlich- 
keit des  Abschnittes  von  cap.  21 — 38  einschliesslich  an- 
erkennen, er  müsste  aber  auch  darauf  verzichten,  diesen 
zweiten  Abschnitt  der  lex  von  cap.  21  —  38  in  einen  Gegen- 
satz zu  dem  ersten  zu  stellen  und  eine  getrennte  Ent- 
stehung der  beiden  zu  behaupten,  denn  sein  einziger  Grund 
dafür  ist  die  Annahme,  der  zweite  Abschnitt  enthalte 
eine  Wiedergabe  fränkischer  Gesetze  für  Sachsen.  Und 
diese  Annahme  ist  unrichtig. 

1)  Das  hat  ßichthofen,  Zur  lex  Sax.  S.  311—320,  überzeugend  nach- 
gewiesen. Wir  beschränken  uns  in  folgendem  auf  die  Wiedergabe  der 
wesentlichsten  Momente  seiner  Beweisführung  und  nehmen  auf  seine 
Nachweise  im  einzelnen  Bezug.         2)  MG.  LL.  Capit.  I,  ]).  51. 


Ueb.  d.  Entstehnngszeit  vi.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     665 

Als  dritte  Gruppe  stellt  De  Geer  dann  cap.  39  mit 
cap.  61 — 65  zusammen.  Diese  Bestimmungen  sollen  ihre 
gemeinsame  Quelle  in  einer  älteren  fränkischen  Verordnung 
haben.  Nun  zeigt  allerdings  cap.  39,  da  es  einen  Rechts- 
satz über  Beweisrecht  und  Beweisform  enthält,  eine  gewisse 
Verwandtschaft  mit  cap.  68,  das  sich  mit  denselben  Dingen 
beschäftigt.  Aber  die  Zusammenstellung  dieser  beiden 
Capitel  mit  cap.  61,  62  und  6-1  erscheint  schon  sehr  ge- 
wagt, da  diese  Capitel  sich  durchaus  nicht  mit  dem  Be- 
weisrecht beschäftigen,  sondern  von  der  Rechtsgültigkeit 
bezw.  Ungültigkeit  der  Veräusserungen  von  Liegenschaften 
in  Folge  verletzten  Beispruchs-  oder  blossen  Vorkauf srechtes 
handeln.  Ihrem  Inhalte  nach  so  verschiedenartige  Be- 
stimmungen kann  man  doch  wahrlich  nicht  wegen  innerer 
Verwandtschaft  als  aus  einer  gemeinsamen  älteren 
Quelle  hervorgegangen  bezeichnen,  vollends  nicht  in  Ge- 
meinschaft mit  cap.  65.  Denn  cap.  65  hat  folgenden 
Wortlaut:  'Lito  regis  liceat  uxorem  emere,  ubicumque 
voluerit,  sed  non  liceat  ullam  feminam  vendere'.  Kann 
man  zwischen  den  Rechtssätzen  über  Beweislast  und  Be- 
weisform und  denen  in  cap.  61,  62  und  64  über  Ver- 
äusserungen noch  immer  einen  losen  Zusammenhang  darin 
sehen,  dass  bei  allen  an  Grundstücke  gedacht  ist,  was  in 
aller  Welt  hätte  aber  die  Ehe  eines  königlichen  Liten  oder 
die  Rechtsungültigkeit  des  Verkaufs  eines  Weibes  durch 
einen  königlichen  Liten  mit  der  Beweislast  und  Beweisform 
zu  thun,  wie  sie  in  cap.  39  für  den  Fall  der  Vindikation 
des  nicht  besitzenden  Eigenthümers  normiert  ist. 

Wir  sehen,  De  Geers  Behauptungen  fehlt  es  überall 
an  den  sachlichen  Unterlagen,  er  verbindet  Unzusammen- 
hängendes und  trennt  Zusammenhängendes.  So  auch  bei 
der  Gruppe  angeblich  älterer  Bestimmungen,  die  De  Geer 
als  ferneren  vierten  Bestandtheil  der  lex  betrachtet.  In 
dieser  Gruppe  fasst  er  die  Capitel  50 — 60  zusammen,  von 
denen  die  cap.  50  —  55  und  57 — 59  aus  einer  fränkischen 
Verordnung  über  Haftpflicht  schöpfen,  die  cap.  56  und  60 
Fragmente  einer  späteren  fränkischen  Verordnung  sein 
sollen.  Dieses  Herausreissen  von  cap.  56  und  60  aus  dem 
Zusammenhang  mit  den  übrigen  Capiteln  erscheint  aber 
zunächst  durchaus  unzulässig.  Denn  einerseits  bilden  die 
cap.  50 — 60  einen  zusammenhängenden  Abschnitt  der  lex 
über  die  Haftung  für  Verschulden  und  Zufall  und  anderer- 
seits stehen  innerhalb  desselben  wieder  die  cap.  54 — 60  in 
einem  engeren  Zusammenhang.  Denn  nachdem  in  cap.  50 — 
53  die  Haftung^  des  Herrn  für  den  Liten  und  Sklaven  ab- 


666  Walther  Schücking. 

gehandelt,  wendet  sich  der  folgende  Theil  dieses  Abschnitts 
in  cap.  54 — 60  der  Haftung  für  zufällige  Umstände  zu.  Es 
sind  die  Fälle  aufgeworfen,  dass  ein  Baum,  der  gefällt 
oder  verbrannt  werden  soll  (cap.  54  und  cap.  55),  im  Nieder- 
stürzen Unheil  angerichtet,  dass  eine  zum  Thierfang  ge- 
grabene Grube  oder  gelegte  Schlinge  (cap.  56),  endlich 
irgend  ein  Hausthier  (cap.  57)  einen  Schaden  verübt  hat. 
Weshalb  soll  nun  das  cap.  56  an  dieser  Stelle  eingeschoben 
sein?  Passt  es  etwa  nicht  in  den  Zusammenhang?  De  Geer 
weiss  für  diese  Behauptung  nur  anzuführen,  dass  der  Inhalt 
von  cap.  56  auch  in  cap.  58  enthalten  sei,  und  nimmt  an,  dass 
cap.  58  einer  fränkischen  Verordnung  seinem  Inhalte  nach 
entlehnt  und  später  noch  ein  Fragment  dieser  Verordnung, 
aus  der  cap.  58  geschöpft  habe,  als  cap.  56  in  das  Gesetz 
hineingeschrieben  sei.  Nun  stimmen  allerdings  cap.  56  und 
cap.  58  inhaltlich  völlig  überein  ^,  aber  hat  De  Geer's 
Hypothese  zu  Erklärung  dieses  Umstandes  irgend  welche 
innere  Wahrscheinlichkeit?  Wenn  wirklich  schon  jene 
angebliche  fränkische  Verordnung  in  cap.  58  dem  Inhalte 
nach  wiedergegeben  war,  weshalb  sollte  dann  später  in 
cap.  56  ihr  Wortlaut  eingeschaltet  sein?  So  thöricht  ist 
doch  sonst  nicht  bei  der  angebliehen  Compilation  ver- 
fahren worden.  Uns  scheint  es  viel  wahrscheinlicher,  dass 
die  Wiederholung  von  cap.  56  in  cap.  58  einem  zufälligen 
Versehen  eines  Abschreibers  zuzuschreiben  ist.  Und  auf 
welche  Thatsachen  stützt  sich  denn  eigentlich  die  Hypothese 
De  Geer's,  dass  cap.  56  gerade  der  ursprüngliche,  später  ein- 
geschobene Text  einer  in  cap.  58  auszugsweise  wieder- 
gegebenen Verordnung  sei?  De  Geer  vermag  nur  das  eine 
anzuführen,  dass  cap.  56  mit  Qui,  cap.  58  mit  Si  beginnt, 
und  da  die  Mehrzahl  der  Capitel  dieses  Abschitts  mit  Si 
anfängt,  so  behauptet  er.  man  habe  die  relativisch  gefasste 
fränkische  Verordnung  bei  der  Aufnahme  in  diesen  Ab- 
schnitt der  Compilation  in  die  bedingende  Form  gekleidet. 
Dem  ist  entgegen  zu  halten,  dass  sogar  innerhalb  der 
ersten  17  Capitel  der  lex,  die  selbst  nach  De  Geer  nicht 
fränkischen  Verordnungen  entstammen,  sich  mitten  zwischen 
conditionell  gefassten  ßechtssätzen  solche  finden,  die  mit 
einem  Eelativsatz  anheben.  Damit  fallen  aber  die  auf 
cap.  56  und  58  bezüglichen  Ausführungen  De  Geer's  in- 
einander,   wie    ein    Kartengebäude.      Eben   so    fällt   damit 

1)  Cap.  56  lautet:  'Qui  laqueum  fossam  vel  ad  feras  caiDiendas 
fecerit  et  haec  damnum  cuilibet  fecerint,  qui  eas  fecit,  multam  solvat'. 
Cap.  58:  'Si  fossa  vel  laqueus  ad  feras  capiendas  praeparata  damuum 
cuilibet  fecerint.  a  quo  parata  sunt  componatur'. 


Ueb.  d.  Entstehungszeit  u.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     667 

die  Behauptung  De  Geer's  hin,  dass  auch  cap.  60  an  dieser 
Stelle  nicht  ursprünglich,  sondern  ein  eingeschobenes 
Fragment  einer  fränkischen  Verordnung  sei,  weil  es  eben- 
falls relativisch  beginne.  Passt  cap.  60  doch  auch  vor- 
züglich in  den  Zusammenhang  der  lex.  Denn  nachdem 
cap.  57,  wie  erwähnt,  die  Haftpflicht  des  Eigenthümers 
für  den  durch  seine  Thiere  angerichteten  Schaden  aus- 
gesprochen hat  und  cap.  59^  fortgefahren  ist:  'Si  ferrum 
manu  elapsum  hominem  percusserit,  ab  eo  cuius  manum 
fugerat  componatur  excepta  faida',  behandelt  cap.  60  den 
Fall,  dass  durch  Unterlassen  gebotener  Vorsicht  nicht  eine 
fremde  Person  selbst,  aber  deren  Vieh  getötet  ist.  Der 
Zusammenhang  zwischen  cap.  59  und  cap.  60  ist  demnach 
u.  E.  nicht  zu  bestreiten. 

Abgesehen  davon  irrt  De  Geer  überhaupt,  wenn  er 
in  allen  Bestimmungen  dieser  Gruppe  Auszüge  oder 
Fragmente  fränkischer  Verordnungen  sieht.  Die  Capitel 
50  —  54  über  die  Haftung  des  Herrn  für  Delikte  des 
Sklaven  mögen  einer  milderen  Auffassung  des  Sklaven- 
verhältnisses entstammen,  wie  sie  dem  christlichen  Eroberer 
eigenthümlich  und  wie  wir  ihr  in  seiner  Gesetzgebung 
auch  sonst  begegnen-.  Die  Bestimmungen  von  cap.  54 — 
60  hingegen  sind  wohl  nicht  fränkischen  Ursprungs,  die 
Verpflichtung  zum  Schadensersatz  hat  in  den  germanischen 
Rechten  überhaupt  eine  auffallende  Ausdehnung  '^  Das 
älteste  germanische  Recht  lässt  sich  hier  allgemein  so  sehr 
von  Billigkeitsgründen  für  den  Geschädigten  leiten,  dass 
offenbar  in  einzelnen  Fällen  Unbilligkeiten  für  den  un- 
freiwilligen Schädiger  entstehen.  Wir  finden  also  auch  in 
diesem  Abschnitt  der  lex  über  Haftpflicht  für  Verschulden 
und  Zufall  (cap.  50  —  60)  einige  Bestimmungen,  die  wahr- 
scheinlich fränkischen,  andere,  die  sicherlich  altsächsischen 
Inhalts,  vereinigt  in  zweckentsprechender  Anordnung  und 
in  gleichartiger  sprachlichen  Fassung.  Das  entspricht  aber 
ganz  jenen  Nachrichten  der  Chroniken  über  die  Art  der 
Codifikation  von  Volksrechten  aus  dem  Jahre  802  ^. 

Endlich  erblickt  De  Geer  in  den  cap.  40 — 49 ,  die 
er  als  fünfte  Gruppe  bezeichnet,  nur  einen  Auszug  aus 
einer    grösseren  Aufzeichnung    über   sächsisches  Ehe-    und 


1)  Cap.  58  übergehen  wir  aus  dem  oben  angeführten  Grunde. 
2)  Vgl.  Richthofen  MG.  LL.  V,  p.  75  Anm.  31,  p.  76  Anm.  35.  3)  Vgl. 
Wilda  a.  a.  O.  S.  544  ff.  4)  Vgl.  oben  S.  18  ff.,  namentlich  den  Bericht 
des  Chrnn.  Lanrpsh.  'et  fecit  (Karolus)  omnes  leges  in  regno  suo  legere 
et  tradere  unicuique  homini  legem  suam  et  emendare  ubicumque  ne- 
cesse  fuit  et  emendatam  legem  scribere,  ut  iudices  per  scriptum  iudicassent'. 


668  "Walther  Schücking. 

Erbrecht.  Den  Grund  dafür  will  er  darin  sehen,  dass  die 
Bestimmungen  dieses  Abschnitts  zwar  in  ihren  Sprach- 
wendungen übereinstimmten  und  deshalb  offenbar  aus  der- 
selben Quelle  schöpften,  aber  in  der  Aufeinanderfolge  völlig 
ohne  Ordnung  und  Zusammenhang  seien.  Eine  nähere 
Prüfung  ergiebt  aber,  dass  denn  doch  auch  die  einzelnen 
Capitel  dieses  Abschnitts  in  einem  gewissen  Zusammenhang 
stehen.  Cap.  40  behandelt  die  Heirath  und  belehrt  uns 
darüber,  dass  derselben  regelmässig  ein  Kauf  zu  Grunde 
liegt.  Das  folgende  cap.  41  enthält  den  Fundamentalsatz 
des  sächsischen  Erbrechts,  dass  die  Söhne  die  Töchter  bei 
der  Erbfolge  in  den  Grundbesitz  ausschliessen,  und  nach- 
dem so  der  Uebergang  des  Vermögens  beim  Todesfalle  des 
Vaters  geregelt  ist,  beschäftigen  sich  die  folgenden  vier 
cap.  42 — 4.5  mit  dem  Uebergang  der  Geschlechtsvormund- 
schaft nach  dem  Tode  des  Ehemanns  bezw.  Vaters.  Im 
Anschluss  an  die  Bestimmung  der  lex  über  die  Tutel  der 
überlebenden  Tochter  wird  der  Fall  der  Erbconcurrenz 
zwischen  der  überlebenden  Tochter  und  überlebenden  Enkeln 
zu  Gunsten  der  letzteren  entschieden  (cap.  46),  es  folgen 
in  cap.  47  und  48  zwei  Bestimmungen  über  das  eheliche 
Güterrecht,  und  der  ganze  Abschnitt  wird  mit  einem 
anhangsweise  hinzugefügten  Busssatz  für  die  Entführung 
einer  schon  Verlobten  geschlossen. 

Ueberblicken  wir  diese  Bestimmungen  in  ihrer  Ge- 
sammtheit,  so  können  wir  De  Geer  weder  darin  beistimmen, 
dass  zwischen  den  einzelnen  Capiteln  dieses  Abschnitts 
keinerlei  Zusammenhang  bestehe,  noch  darin,  dass  gerade 
dieser  Abschnitt  besonders  fragmentarische  Rechtssätze  ent- 
halte. Legen  wir  den  Massstab  einer  modernen  Codification, 
in  der  natürlich  bei  einer  ganz  anderen  Ausführlichkeit  des 
Gesetzbuches  dessen  Eechtssätze  auch  in  einem  viel  engeren 
Zusammenhang  untereinander  stehen,  beiseite  und  ver- 
gleichen diesen  Abschnitt  der  lex  mit  deren  übrigen  Theilen 
und  den  anderen  Volksrechten,  so  werden  wir  eher  Gaupp 
darin  Recht  geben,  dass  in  diesem  Abschnitt  'die  nicht 
bloss  kurze  Berührung,  sondern  zumTheil  ausführlichere 
Darstellung  der  interessantesten  Gegenstände  dem  wegen 
seiner  angeblichen  Dürftigkeit  zuweilen  fast  angeklagten 
sächsischen  Gesetze  einen  ganz  vorzüglichen  Werth  ver- 
leiht' K 

Aus  dem  Gesagten  erhellt  zur  Genüge,  wie  unhaltbar 
die  Ausführungen  De  Geer's  gegen  die  Einheitlichkeit  der 


1)  Gaupp  a.  a.  O.  S.  137. 


üeb.  d.  Entstehungszeit  u.  d.  Einheitlichkeit  d.  lex  Saxonum.     669 

lex  Sax.  sind.  Am  Schlüsse  unserer  Betrachtung  möchten 
wir  uns  noch  kurz  gegen  Brunner  wenden,  welcher  der 
alten  Lehre  von  der  Zusammensetzung  der  lex  aus  ein- 
zelnen Theilen  gewissermassen  eine  Einräumung  macht, 
wenn  er  sagt:  'Der  selbständige  Inhalt  der  ersten  20  Ca- 
pitel  mag  darauf  beruhen,  dass  das  altsächsische  Compo- 
sitionenrecht  etwa  im  Wege  des  Weistums  festgestellt 
wurde,  um  auf  Verlangen  des  sächsischen  Adels  in  die 
lex  aufgenommen  zu  werden'^.  Gewiss  bilden  die  ersten 
20  Capitel  der  lex,  sämmtlich  die  Bussen  für  Verletzungen 
enthaltend,  einen  selbständigen  Abschnitt,  aber  wir  haben 
gesehen,  dass  die  lex  noch  vier  andere  in  ähnlicher  Weise 
die  verschiedensten  Gebiete  des  Privat-  und  Strafrechts 
zusammenfassende  Abschnitte  enthält.  Es  erscheint  danach 
kaum  gerechtfertigt,  den  ersten  Abschnitt,  wie  Brunner  es 
doch  scheinbar  will,  in  einen  gewissen  Gegensatz  zu  den 
übrigen  Theilen  zu  bringen,  zumal  doch  auch  er  von 
Spuren  des  Frankenthums  nicht  völlig  frei  ist.  Dieser  in 
Wirklichkeit  wohl  nicht  existierende  Gegensatz  soll  dann 
in  der  besonderen  Entstehung  jenes  ersten  Abschnitts  durch 
Weistum  begründet  sein.  Da  uns  eine  active  Theilnahme 
des  sächsischen  Volkes  und  namentlich  seiner  Häupter, 
wenn  anders  wir  die  Abfassung  der  lex  in  das  Jahr  802 
setzen,  durch  die  Quellennachrichten  ausdrücklich  bezeugt 
ist,  so  wird  sich  manches  dafür  sagen  lassen,  dass  der 
fränkische  Gesetzgeber  zunächst  durch  ein  Weistum  das 
geltende  Recht  hat  feststellen  lassen  und  dann  seine 
Aenderungen  bezw.  seine  Einschaltungen  getroffen  hat. 
Aber  warum  diese  Entstehungsart  auf  den  ersten  Abschnitt 
beschränken?  Uns  scheint  vielmehr  eine  unbefangene  Be- 
trachtung z.  B.  jenes  Abschnitts  von  cap.  40  —  49  über 
eheliches  Güter-  und  Erbrecht  eben  sowohl  eine  vorherige 
Feststellung  der  in  ihm  enthaltenen  Rechtssätze  durch 
Weistum  wahrscheinlich  zu  machen '-. 

Und  wenn  schliesslich  Brunner  die  besondere  Ent- 
stehung durch  Weistum,  die  er  für  den  ersten  Abschnitt 
annehmen  möchte,  damit  zu  erklären  sucht,  dass  auf  Ver- 
langen   des    sächsischen  Adels   das    altsächsische   Composi- 

1)  Brunner  a.  a.  0.  Bd.  I,  S.  347.       2)  Der  Wortlaut  von  cap.  47 : 

'Dotis  ratio  duplex  est:   Ostfalai  et  Angarii  volunt apud  Westfalos 

'  deutet  allerdings  an,    dass   die  Niederschrift  der  Bestimmung  von 

einem  Dritten  ausserhalb  des  Kreises  der  Volksgenossen  stehenden  ge- 
schehen ist.  Aber  dadurch  wird  die  Feststellung  des  Inhaltes  der  Be- 
stimmung durch  ein  vorhergehendes  "Weistum  nicht  ausgeschlossen.  Auch 
der  erste  Abschnitt  des  Gesetzes  ist,  falls  durch  Weistum  entstanden,  bei 
der  Niederschrift  vielleicht  hie  oder  da  anders  gefasst  worden. 


670  Walther  Schücking. 

tionenrecht  in  die  lex  aufgenommen  worden  sei,  so  glauben 
wir  ihm  vollends  hierin  entgegentreten  zu  müssen.  Wenn 
es  galt,  und  das  kann  nach  den  Quellennachrichten  vom 
Aachener  Eeichstage  keinem  Zweifel  unterliegen,  hier  nicht 
einzelne  sächsische  Rechtssätze,  sondern  das  ganze  im 
damaligen  Sachsen  geltende  Recht  aufzuzeichnen,  so  musste 
das  Compositionenrecht  einen  hervorragenden  Platz  in 
dieser  Codification  einnehmen.  Es  entspricht  nicht  der 
Bedeutung,  die  das  System  der  Privatbussen  zur  Entschä- 
digung für  Verletzungen  in  den  Gesetzbüchern  jener  Zeit 
hat,  anzunehmen,  dass  es  hier  nur  auf  Verlangen  des 
sächsischen  Adels  seine  Stelle  gefunden  habe. 

Dass  der  Adel  auf  den  Inhalt  der  lex  Sax.,  nament- 
lich auf  die  Rechtssätze  des  ersten  Abschnitts  bei  der 
Redaction  grossen  Einfluss  gehabt  hat,  geht  unzweideutig 
aus  dem  Texte  des  Gesetzes  hervor.  Nur  das  glauben  wir 
auch  gegenüber  Brunner  verneinen  zu  müssen,  dass  ein 
besonderer  Theil  der  lex  seine  besondere  Geschichte  habe 
und  sein  Dasein  dem  Adel  verdanke. 


XV. 


Fiindationes 
monasteriorum  Bavariae. 


Von 


Georg  Leidiuger. 


Neues  Archiv  etc.    XXIV.  43 


Unter  dem  Titel  'Fundationes  monasteriorum  Bava- 
riae'  und  verschiedenen  ähnlichen  erscheint  seit  dem  Ende 
des  14.  Jh.  in  der  baierischen  Geschichtslitteratur  eine 
Quelle,  über  deren  Umfang,  Urheber,  Entstehungszeit  und 
Ursprungsort  nirgends  Klarheit  herrscht. 

Wer  bei  Forschungen  auf  sie  stösst  undsich  viel- 
leicht bei  Potthast  (Bibl.  bist.  I '^,  610)  Aufschluss  über  sie 
erholen  will,  wird  übel  berathen.  Dort  findet  man  nur, 
dass  es  eine  Historia  fundationum  monasteriorum  Bavariae 
nonnullorum  gebe,  die  handschriftlich  in  clm.  351,  saec.  XV., 
der  Hof-  und  Staatsbibliothek  zu  München  erhalten  sei 
und  von  einigen  dem  Veit  Arnpeck,  von  andern  dem  An- 
dreas von  Regensburg  zugeschrieben  werde.  Gedruckt  sei 
sie  als  Beigabe  zu  Frehers  Ausgabe  des  Chronicon  de  du- 
cibus  Bavariae  des  Andreas  von  Regensburg  (Amberg  1602, 
S.  171  —  212)  und  daraus  wiederholt  in  Kuens  Collectio 
Script,  rer.  bist.  (II,  209 — 224).  Nun  giebt  es  aber  nicht 
bloss  die  genannte  eine  Hs. ,  sondern  eine  ganze  Reihe 
ähnlichen  Titels  und  Inhalts. 

Bei  Gelegenheit  meiner  Untersuchungen  ^  über  die 
Quellen,  aus  denen  Veit  Arnpeck  schöpfte,  und  insbesondere 
ausgehend  von  der  Forschung  nach  dessen  angeblichem 
Liber  de  fundationibus  monasteriorum  in  Baioaria  habe 
ich  versucht,  auf  Grundlage  der  Hss.  in  Kürze  darzuthun, 
dass  eine  Sammlung  von  Gründungsgeschichten  baierischer 
Klöster,  als  deren  Verfasser  bald  Andreas  von  Regensburg, 
bald  Veit  Arnpeck,  bald  Sebastian  Rangk,  bald  Stephan 
Leopolder,  bald  irgend  ein  Unbekannter  galt,  bereits  in 
der  2.  Hälfte  des  14.  Jh.  angelegt  wurde.  Der  Umfang 
und  Zweck  jener  Arbeit  verbot  ein  weiteres  Eingehen  auf 
Inhalt  und  Bedeutung  der  Fvmdationes.  Es  liegt  aber  im 
Interesse  der  kritischen  Durchforschung  der  baierischen 
Geschichtsquellen  des  Mittelalters,  dass  auch  dieser  dem 
historischen  Inhalt  nach  zwar  geringwerthigen,  aber  dennoch 


1)    lieber   die  Schriften   des  baierischen  Chronisten  Veit  Arnpeck, 
München  1893. 

43* 


674  Georg  Leidinger. 

weitverbreiteten  und  vielbenutzten  Sammlung  ihre  Stellung 
in  der  Geschichte  der  baierischen  Historiographie  ange- 
wiesen werde.  Diese  Untersuchung  wird  sich  auch  aus 
einem  anderen  Grund  nicht  werthlos  erweisen,  weil  sie 
nämlich  zugleich  über  eine  'ihrer  Herkunft  nach  völlig 
unsichere'^  Geschichtsquelle,  'der  wir  für  das  13.  und  l-A.  Jh. 
manche  beachtenswerthe  Nachricht  aus  verlorenen  Schriften 
verdanken'",  neue  Aufschlüsse  bieten  wird. 

Zunächst  sei  festgestellt,  dass  zwei  Sammlungen  von 
Gründungsgeschichten  baierischer  Klöster  streng  von  ein- 
ander zu  scheiden  sind.  Die  eine  —  handschriftlich  erhalten 
in  Cod.  hist.  fol.  5  der  Ständischen  Landesbibliothek  in 
Kassel  und  in  clm.  351^  —  ist  ein  Auszug  aus  des  An- 
dreas von  Regensburg  Chronicon  generale,  wie 
ich  in  der  von  mir  vorbereiteten  Ausgabe  der  Werke  des 
Andreas  näher  darlegen  werde.  Sie  wird  in  dieser  Unter- 
suchung nicht  weiter  berücksichtigt.  Die  andere  Samm- 
lung, über  50  Jahre  früher  als  jene  angelegt,  wird  hier 
als  selbständiges  Erzeugnis  für  sich  betrachtet. 

Von  ihr  sind  mir  acht  Hss.  bekannt  geworden,  die 
eingehend  zu  untersuchen  um  so  nöthiger  ist,  als  Joetze"^, 
der  gleich  mir  bei  seinen  Studien  über  Arnpecks  angebliche 
Klostergeschichten  die  Hss.  der  Fundationes  durchforschte, 
das  Verhältnis  derselben  zu  einander  leider  gründlich  mis- 
kannte  und  so  zu  schiefen  Resultaten  kam.  Allerdings 
war  ihm  gerade  die  wichtigste  der  Hss.  ganz  entgangen : 
clm.  14  594,  das  Autograph  des  Sammlers,  von  dem  die 
übrigen  Hss.  clm.  27  164,  cgm.  227,  427,  clm.  22  117,  1470, 
1802  und  cod.  pal.  vind.  3520  abstammen. 

Clm.  14  594  ist  eine  Papierhs.  in  4  °  und  besteht  aus 
6  Lagen,  deren  1.— 3.,  5.  und  6.  die  Gründungsgeschichten 
baierischer  Klöster  und  damit  zusammenhängende  Notizen 
enthalten,  während  die  4.,  fol.  41 — 50',  von  derselben  Hand 
geschrieben,  mit  historischen  Abschnitten  anderer  Art  ge- 
füllt ist.  Als  Umschlag  ist  eine  Pergamenturkunde  ver- 
wendet, die  Innenseite  des  vorderen  Deckels  ist  mit  ge- 
nealogischen Notizen  bedeckt.  Die  ursprüngliche  Blatt- 
zählung ist  am  Schlüsse  der  Hs.  etwas  abgeändert:  auf 
fol.  74  folgt  ein  Blatt  mit  einer  alten  Bezeichnung  (fol.  79) 
und  einer  neueren  (fol.  75) ;  es  sind  an  dieser  Stelle  —  auch 
äusserlich  deutlich  erkennbar  —  vier  Blätter  (alt  fol.  75—78) 

1)    Lorenz,    Geschichtsquellen  I,  199.  2)    ßiezler,    Greschichte 

Baierns  II,  509.  3)  Vgl.  N.  Arch.  XXIII,  251.  4)  Veit  Aernpekch, 
ein  Vorläufer  Aventins,  in  Verhandl.  d.  hist.  Ver.  f.  Niederbaiern  XXIX, 
45—128. 


Fundationes  monasteriorum  Bavariae.  675 

entfernt  worden,  und  zwar  schon  von  dem  Schreiber  der 
Hs.  selbst,  da  der  Text  von  fol.  74'  auf  (alt  fol.  79,  neu)  fol.  75 
hinüber  mitten  im  Satz  weitergeführt  ist.  Wir  eitleren 
unten  nach  der  neuen  Numerierung-  (fol.  1  —  81).  Neben 
der  Foliierung  macht  sich  eine  weitere  Numerierung  be- 
merkbar, die,  wenn  auch  ungenau,  nicht  ganz  durchgeführt 
und  vielleicht  nicht  von  dem  Sammler  selbst  herrührend, 
die  einzelnen  Theile  der  Sammlung  bezeichnen  soll.  In 
den  rechten  oberen  Ecken  der  Vorderseite  einzelner  Blätter 
laufen  nämlich  die  Ziffern  1 — 44,  so  zwar,  dass  z.  B.  auf 
den  fol.  30  —  36,  welche  die  Gründungsgeschichte  von 
Ebersberg  enthalten,  überall  die  Ziffer  16  vermerkt  ist. 
Die  5.  und  6.  Lage  der  Hs.  war  theilweise  schon  mit  No- 
tizen philosophischen  Inhalts  beschrieben;  der  Sammler 
benützte  also  zu  seinen  historischen  Notizen  die  noch  freien 
Stellen  des  Papiers  und  schrieb  gerade,  quer  oder  an  den 
Rand,  wo  immer  ein  leerer  Fleck  war.  Die  Aufeinander- 
folge der  einzelnen  Theile  ist  hier  regelloser,  die  Schrift 
ungleichmässiger.  Als  Grundlage  unserer  Untersuchung 
geben  wir  den  Inhalt  der  Sammlung  an  und  bestimmen 
die  einzelnen  Bestandtheile  derselben. 

fol.  1  —  2  Ueberschrift :  Dietramescelle. 

Gründungsgeschichte  ^  von  Dietramszell. 

fol.  2  —  9'  Ueberschrift:  Tegernse. 

1.  Gründungsgeschichte  von  Te gern see,  stark  gekürzt 
aus  der  bei  Pez,  Thes.  III,  3,  475 — 496  gedruckten  Historia 
fundationis-  monasterii  Tegernseensis. 

2.  Kurze  Quirinuslegende. 


1)  Gedruckt  bei  Hund-Gewold  11,253  (ich  citiere  im  Folgenden 
mit  Hund  die  erste  Ausgabe  seiner  Metropolis  Salisburgensis,  Ingolstadt 
1582,  mit  Hund-Gewold  die  Ausgabe  mit  Gewolds  Erweiterungen,  München 
1620)  ex  libro  traditionum,  dann  in  den  MG.  SS.  XV,  2,  1070  —  1072, 
ed.  Holder-Egger  nach  clm.  27164,  1802,  c.  pal.  vind.  3520  und  dem 
nicht  zur  Fundationes- Gruppe  gehörigen  clm.  19487,  endlich  bei  Fugger, 
Kloster  Dietramszell,  S.  77  (ohne  den  Abschnitt  von  der  Einweihung).  — 
fol.  1  seitwärts  1.  am  Rand:  'Infra  Liemberg  et  Wyl  jjrope  villam  Töf- 
fingen  fuit  bellum  comitis  de  Wirtemberg  1388'.  —  fol.  1'  unten  verkehrt 
am  Rand:  Note  ad  a.  1256,  gedr.  in  der  Compilatio  chronologica  (die  ich 
im  Folgenden  mit  Comp,  citiere)  bei  Oefele,  SS.  rer.  boic.  II,  338. 
2)  B.  Sepp  lässt  neuerdings  ('Zur  Quirinuslegende'  in  Monatsschrift  d. 
hist.  Ver.  v.  Oberb.  1896,  S.  31  und  'Die  Berechnungen  des  Todesjahres 
des  h.  Rupert'  im  Oberb.  Archiv  49,  426,  Anm.  3)  diese  Fundatio  erst 
um  die  Mitte  des  15.  Jh.  entstanden  sein,  ohne  L.  v.  Heinemanns  Ab- 
handlung 'Zur  Kritik  Tegernseeer  Geschichtsquellen',  N.  Arch.  XII,  143  ff. 
zu  berücksichtigen,  nach  der  die  Abfassung  'im  13.,  vielleicht  sogar  erst 
im  14.  Jh.'  erfolgte.  Dass  vom  15.  Jh.  jedenfalls  nicht  die  Rede  sein 
kann,  beweist  unsere  dem  Ende  des  14.  Jh.  angehörige  Hs. 


676  Georg  Leidinger. 

3.  Noten  1  ad  a.  1373  und   1346. 

fol.   10  Ueberschrift :  Imperator  Ludwicus. 

Noten-  meist  über  die  Klostergründungen  des  Kaisers 
ad  a.  1301.  1309.  1323.  1330.  1341.  1347^  Vielleicht  in 
München  entstanden;    nicht  ohne  Werth.     Ebenso  die  auf 

fol.  10'  mit  ueberschrift:  Rudolphus  dux  Bavarie 
folgenden  genealogischen  Auf  Schreibungen  -  ad  a.  1300. 
1306.   1309. 

fol.  11 — 11'  Ueberschrift:  Cenobium  Pewerberg  S.  Petri 
und  Confirmacio  claustri. 

Bestätigungsurkunde  ^  des  Papstes  Calixt  II.  vom 
30.  März  1121  für  Beue'rberg. 

fol.  11'— 14'  Ueberschrift:  Bilren. 

Gründungsgeschichte ^  von  Benediktbeuern. 

f.  15'    Ueberschrift:  Fundacio  prima  Celle. 

Geschichte  ^  der  Gründung  von  Baier ischzell  (Mar- 
garethenzell),  der  Uebertragung  des  Klosters  nach  Pisch- 
bachau,  dann  nach  Eisenhofen  (Glaneck,  Petersberg),  endlich 
nach  Scheyern. 

f.  16  — 17''  Ueberschrift:  Heibach  collegium  canoni- 
corum. 

Kleine  Klostergeschichte  mit  Benutzung  der  zwei  für 
das  Kloster  Hab  ach  (Bez. -A.  Weilheim)  wichtigsten  Ur- 
kunden.    Mitte  des   14.  Jh.  geschrieben.     Unediert. 

Anno  D.  1085  indiccione  VIII.,  V.  Kai.  Marcii  Nor- 
pertus  episcopus  Curicensis  fuiidavit  collegium  canonicorum 
secularium  de  octo  cauonicis  in  propria  ecclesia  sua  Hei- 
bach —  nun  folgt  ein  Auszug  aus  dem  bei  Hund  234  ge- 
druckten Gründungsdiplom,  dann  wird  fortgefahren:  In 
quo  prenominato  monasterio  Sigemarus,  comes  de  Heibach, 
qui  eidem  ecclesie  multa  bona  fecit,  in  meridionali  latere 
videlicet  absjde  simpliciter  est  sepultus.  Post  istam 
fundacionem    longis    temporibus    nobiles    de    Sevelt    usur- 

1)  Gedr.  Comp.  2)  Gredr.  Comp,  sämmtlich  unter  den  einzelnen 
Jahren,  wie  eine  fol.  11  stehende,  wohl  zu  obigen  gehörige  Note  ad 
a.  1322.  —  fol.  10'  Ueberschrift:  De  cronica  Pelagii.  Stück  aus  der 
Legenda  aurea  des  lacobus  de  Voragine.  Ausg.  v.  Graesse  S.  827. 
3)  Gedr.  Hund-Gewold  II,  135;  Mon.  B.  VI,  403;  Rambaldi,  Geschichte 
des  Schlosses  Eurasburg,  Oberb.  Archiv  48,  11.  Original  im  Reichsarchiv 
zu  München.  4)  Gedr.  Duellius,  Miscellanea  II,  1—10;  Mon.  B.  VII, 
17  —  31;  MG.  SS.  IX,  229  ff.  ed.  Wattenbach.  Der  Anfang  auch  bei 
Hund-Gewold  II,  143.  —  fol.  14' — 15'  Ueberschrift:  De  imperatore  Hein- 
rico:  Cap.  23  und  24  aus  der  Vita  Heinrici  II.  imp.  von  der  Heilung  zu 
Montecassino    SS.    IV,  805  —  807.  5)   Wohl    Excerpt    aus    Chounradi 

Chronicon  Schirense  SS.  XVII,  615—623  (oder  seine  Quelle?).  Wörtlich 
bei  Andreas  Ratisponensis,  Chronicon  generale  (Pez,  Thes.  IV,  3,  496). 
6)  fol.  17  und  17'    Noten   ad  a.  1.371.  1372.  1344.  1375.    Gedr.  Comp. 


Fundatioues  monasteriorum  Bavariae.  677 

paverunt  sibi  advocaciam  predicti  monasterii  gravando  et 
denigrando  miiltis  exaccionibus  et  dampiiis  eandem  eccle- 
siam.  Die  nun  folgende  Erzählung  stützt  sich  auf  den 
Text  der  über  die  Restauration  des  Klosters  durch  Ludwig 
den  Baier  ausgestellten  Urkunde  d.  d.  Augsburg  1.  Mai 
1332^.  Et  sie  Ludwicus  Imperator  reformavit  predictum 
cenobium,  quod  desolatum  fuit  per  nobiles  de  Seveld,  ita 
quod  per  longum  tempus  nullus  canonicorum  vel  presby- 
terorum  potuit  ibi  residere.  Ulis  temporibus  unus  de 
Siechtorf  officiavit  ecclesiam  Heibach. 

fol.  18    Ueberschrift :  Siechtorf. 

Kurze  Gründungsnotiz  -  von  Schleh  dorf. 

fol.  18—20'    Ueberschrift:  Claustrum  Etal. 

Unedierte  deutsche  Gründungsgeschichte  von  Ettal. 
Bemerkenswerth  als  deutsche  chronikalische  Aufschreibung 
aus  der  2.  Hälfte  des  14.  Jh.  (wohl  zwischen  1355  und 
1360).  Die  Gründungslegende  erscheint  hier  in  ihrer 
ältesten  und  einfachsten  Form;  sie  wie  die  wichtigen 
Nachrichten  über  die  weiteren  Schicksale  des  Klosters 
wurden  später  nur  mehr  phantastisch  ausgeschmückt,  so 
dass  ein  Abdruck  dieser  ältesten  Form  gerechtfertigt 
erscheint. 

Als  der  keiser  Ludwig  zu  Rom  vnd  in  welschen 
landen  gewesen  waz  mit  groszen  kosten  vnd  zerungen,  do 
waz  im  ab  gegangen  vnd  gebrochen  an  der  zerunge,  daz 
er  vil  geborget  vnd  entlehent  hete  vnd  dy  synen  da  vur 
virsetzet  hete,  vnd  waz  vast  bekümmert,  wann  er  wer 
gerne  geyn  dewtschen  landen  gewest,  wan  dez  riches  ding 
stund  dye  wyl  in  dewtschen  landen  nicht  eben  vnd  auch 
in  syme  hertzogntume  zu  Beyern,  dar  vm  waz  er  vast  be- 
sorget vnd  vnmutig,  want  er  nicht  gerne  dy  synen,  dy  er 
virsetzet  hete,  an  bürge  liez.  Do  kam  eyns  tages,  als  er 
mit  groszen  sorgen  dar  vm  bevangen  waz,  eyn  grawer 
munich  zu  im  vnd  sprach :  wolt  er  im  vulgen,  er  wolt  im 
sagen,  wye  er  aus  den  sorgen  queme.  Do  antwurt  er  im : 
wo  ez  nicht  gröslich  wider  got  wer,  so  wolt  er  im  gerne 
vulgen.  Do  sagte  im  der  munich :  er  solt  gote  vnd  synre 
muter  ein  dinst  tuen.  Do  fragte  der  keiser  ^.  Der  münch 
sprach :  er  hiete  in  syme  lande  ein  stad,  dy  hies  'auf  me 
Ampherang',    da   sould   er   pawen    ein   closter   in    ere   gots 

1)  Böhmer,  Reg.  1445.  Hund  235  bringt  nur  eine  kurze  Stelle 
aus  unseren  Fundationes,  während  Gewold  11,  388  in  seine  Additiones 
die  Urkunde  Ludwigs  d.  B.  aufnahm.  Vgl.  auch  den  etwas  abweichenden 
Text   im  Diplomatarium  Ludovici    imp.  bei  Oefele  I,  766.  2)    Benutzt 

bei  Hund  295.         3)  clm.  27164  zwischen  den  Zeilen:    Was? 


678  Georg  Leiclinger. 

vnd  vnser  frawen.  Daz  giobte  im  der  keiser  vnd  sprach : 
doch  er  enwiste  nicht,  wo  daz  wer  vnd  hete  sjn  ny  ge- 
hören nennen.  Der  munch  sprach :  wiltus  tun  als  du  mirs 
gelubt  hast,  wan  du  dan  heim  kummest,  so  wirt  man  dirs 
balde  zeigen.  Also  schreib  ez  der  keiser  selbis  in  syn 
tefEelyn  etc.  Do  saide  im  der  raünch,  daz  ein  [lampartisch  ^] 
welscher  herre  zu  im  kerne  vnd  bete  in  daz  er  in  fryete 
vnd  syn  laut,  der  wurde  im  geben  geldes  als  vil  als  er 
yesche  vnd  mit  dem  gelde  keaie  er  dan  auz.  Als  der 
keyser  dy  rede  vernam,  er  giobte  dem  munche  ernstlich 
daz  closter  zu  stiften.  Do  gab  im  der  munch  ein  Marien 
bilde,  daz  waz  von  alabaster-,  vnd  schied  von  dem  keiser, 
also  daz  in  der  keiser  nummer  me  gesach.  Die  rede 
gingen  vort,  als  der  munch  vor  gesagt  hete,  im  wart  von 
dem  herreu  als  vil  geldes  als  er  eyschen  wolde,  vnd  dar 
über  schankte  der  herre  der  keiserin'^  L  tausent  gülden 
vnd  in  dy  cantzelye  II  tausent  etc.  Der  keiser  reid  auz 
geyn  dewtschen  landen.  Do  er  kam  gen  Bartenkirchen', 
er  hete  eynen  jeger,  hies  meister  Heinrich  derVende^,  der 
kam  im  dar  vnd  entphieng  in.  Den  fragte  der  keiser  nach 
der  stede,  wo  der  Ampherang  lege,  ob  er  daz  icht  weste. 
Der  jeger  sprach:  ja,  ir  syd  allir  nehest  dar  by,  ich  habe 
myne  weyde  lehen  da  selbes.  Da  muste  den  keysir  der 
jeger  da  hin  füren.  Der  keiser  besach  die  stede  vnd  hies 
inn  eyn  hultzin  hus  dar  pauwen,  daz  soult  eyn  jagirhaus 
syn.  Do  daz  haws  bereite  wart,  er  hies  fryheit  dar  ruffen 
allen  den,  dy  arbeiten  woulden,  daz  dy  friden  soulden 
haben  vur  aller  maniglich.  Da  waz  ein  dicker  wilder  walt, 
da  phlagen  sich  dy  morder  inne  zu  behaltene  vnd  taden 
dar  auz  groszen  schaden.  Den  wald  liez  er  auz  rewten 
vnd  ving  da  daz  closter  an  zu  paweu.  Da  legte  er  den 
ersten  steyn  mit  dem  bilde,  daz  im  der  munch  zu  Rome 
gegeben  hete,  auf  den  tag  Vitalis  martyris*"  anno  1330. 
Da  machte  er  ein  apty  von  sante  Benedicti  ordene  mit 
XXII  personen  vnd  den  ersten  apt  nam  er  von  Eichen- 
bach "'  vnd  saste  in  dar,  der  hies  apt  Fridrich  der  Heinrich- 
ruter  ^;  nach  dez  tode  nam  er  eynen  von  Nidern  Altha,  da 


1)  Ist  wieder  ausgestriclien.  2)  Nagler,  Das  Madonnenbild  in 
Ettal,  Oberb.  Archiv  X,  205.  3)  clm.  27164  und  folgende  (ausser  clm. 
1802)  falsch:  dem  kayser.  4)  Partenkirchen.  5)  Das  Greschlecht  der 
Fendt  war  schon  1278  zu  Ammergau  ansässig;  später  zog  die  Familie 
nach  München  und  zählte  zu  den  adligen  Bürgergeschlechtern  der  Stadt. 
Vgl.  Daisenberger,  Greschichte  von  Oberammergau,  Oberb.  Archiv  XX,  99. 
6)  28.  April.  7)  Reichenbach.  8)  Eingesetzt  1332,  f  1844.  Mon.  B. 
Vn,  237. 


Fundationes   monasterioruin  Bavariae.  679 

waz  er  XL  jar  prior  g-ewest,  der  hies  apt  Eberhard.  Auch 
hete  er  dar  gesetzet  XII  ritter  ^  mit  iren  wirtin  vnd  sechs 
witwen  vnd  gab  den  phrunde  als  den  pristern  vnd  dy 
waren  da,  dy  wyle  der  keiser  lebte,  vnd  nante  der  keiser 
daz  selbe  closter  Etal.  Nach  dez  keisers  tode  namen  syne 
kint  dy  besten  gut  dannen,  daz  di  ritter  dannen  musten 
varen  vnd  mochten  sich  da  nicht  begen,  vnd  apt  Ebirhard 
gab  auch  do  dy  apty  auf  ^  vnd  vur  widir  in  syn  closter 
heim.  Nach  dem  wart  der  dritte  apt,  der  hies  Jodocus 
von  Agenwang,  der  waz  gewaltig  in  daz  virde  jar,  py  dem 
nam  daz  closter  als  vast  ab,  daz  si  in  grosze  gulde  kam, 
wan  der  marcgrafe  ted  dem  gotshause  als  vngenedich,  daz 
er  vil  guter  dar  von  nam,  dy  der  keiser  darzu  gegeben. 
In  dez  aptes  virden  jare^  satzte  der  marcgrafe  phleger  in 
daz  closter,  der  hies  Kynen  Heinrich  der  Eschilbeck^  der 
waz  vur  dez  closters  schriber  gewest,  der  pracht  do  daz 
gotshaus  zu  groszem  schaden  vnd  in  grosze  gulte.  Dar 
nach  satzte  er  eynen  andern  phleger,  der  hies  Fridrich 
der  Glockener  ■^,  einen  purger  zu  München,  der  prachte  do 
daz  closter  me  wan  vm  tausent  phunt  phennige  vnd  ver- 
terbte  ez  gar.  Dar  nach  ted  vnser  fraw  eyn  zeichen.  Der 
marcgraf  het  dem  gotshaus  genommen  Wildenberg,  eine 
vesten,  vnd  het  si  gegeben  Eberlyn  dem  Camerer.  Dez 
vugte  sich  eyns  tags  auf  vnser  frawen  abent  annunciacio, 
daz  dez  Glokners  sun  vnd  eynre  syn  frund  erstachen  den 
Camerer.  Do  musten  dy  Glokner  rinnen  von  dem  closter 
vnd   daz  gut  wart  dem  closter  wider  ledig. 

Dass  eine  deutsche  Gründungsgeschichte ''  von  Ettal 
vorhanden  gewesen  war,  wusste  man ",  weil  Andreas  von 
Regensburg  in  seinem  Chron.  generale  "^  einen  deutschen 
Text  übersetzte,  wie  er  selbst  angiebt  (hanc  historiam  sie 
scriptam  de  vulgari  in  latiuum  transtuli).  Die  Ueber- 
setzung  hält  sich  ziemlich  an  den  vorliegenden  Wortlaiit; 
nur  eine  Stelle  in  der  Mitte  ist  im  Lateinischen  stark  ge- 
kürzt und  der  Schluss  fehlt.  'Ein  schöne  kronick  von  kay- 
ser  Ludwigen  des  vierdtn  wye  durch  jn  das  Loblich  gotz- 

1)  Vtjl.  deren  merkwürdige  Regel  Mon.  B.  VII,  235.  2)   1351. 

MoD.  B.  VII,  287.  3)  1355.  Mon.  B.  VII,  237.  Der  nächste  Abt,  der 
in  dem  vorliegenden  Stück  nicht  mehr  genannt  wird,  Konrad,  wurde 
1360  eingesetzt.  Wir  glauben  daher  vermuthen  zu  dürfen,  dass  die  Auf- 
zeichnung vor  diesem  Jahre  gemacht  ist.  4)  Mon.  B.  VII,  259.  5)  Mon. 
B.  XVIII,  685;  XIX^  20.  47.  222.  471.  477;  XX,  11.  6)  Vgl.  die  aus 
dem  17.  Jh.  stammende  poetische  Behandlung  der  Gründungsgeschichte 
in  V.  Hormayrs  Taschenbuch  1848,  S.  76 — 80.  7)  Cf.  Lorenz,  Geschichts- 
quellen 1,206.  8)  Pez,  Thes.  IV,  3,  561;  Eccard,  Corp.  hist.  1,2100; 
in   des   Andreas   Chron.  de   duc.  Bav.  ed.  Freher  p.  SO  nur   im  Auszuge. 


680  Georg  Leidinger. 

haiisz  vnser  Frawen  zu  Etal  Erpawet  vnnd  gestyfft  ist 
worden',  ein  Wessobrunner  Druck  (von  Lukas  Zeysseumair 
ca.  1502),  der  nach  1484  verfasst  ist,  hat  offenbar  unsern 
Text  zu  Grunde  gelegt,  aber  schon  sag-enhaft  ausgestaltet, 
insbesondere  die  Sage  von  dem  Fussfall  des  Pferdes^  hinzu- 
gethan ,  die  wohl  ursprünglich  an  einem  andern  Orte 
haftete.  Unabhängig  von  Andreas  benützte  Hund  211  für 
seinen  Abschnitt  über  Ettal  (von  dem  letzten  Satz  abge- 
sehen) nur  die  deutsche  Erzählung  und  giebt  ihren  Inhalt 
etwas  gekürzt  wieder,  wobei  er  bemerkt:  ut  habet  historia 
monasterii. 

fol.  19' — 20'  Eine  Anzahl  verschiedener  Notizen  2, 
die  aus  verlorenen  ^  Ettaler  Geschichtsquellen  —  darauf 
deuten  Ausdrücke  wie  'presens  templum'^  und  'huius  loci'  — 
stammen  dürften  und  für  die  Geschichte  des  Klosters 
wichtig  sind.  Sie  betreffen  die  Jahre  1330.  1332.  1347. 
13.58.   1360  ^   1363. 

fol.  21  Ueberschrift :  Miraculum  in  Stames  de  morte 
imperatoris  Ludwici. 

Erzählung  des  Wunders,  wie  Kaiser  Ludwig  der  Baier 
am  Tage  nach  seinem  Tode  einem  die  Messe  celebrierenden 
Mönch  des  Klosters  Stams  in  Tirol  erschien.  Stammt 
wahrscheinlich  auch  aus  einer  Ettaler  Chronik.  Am  Schluss 
unvollständig  und  abbrechend  mit  den  Worten:  O  pater, 
die  mihi,  quid  notasti  cum  istis  teutonicis  verbis?  .  .  . 
Ebenso  abbrechend  in  der  Comp.''  und  bei  Veit  Arnpeck^. 
Der  Schluss  des  Fragmentes  ist  uns  durch  Hormayr  *  über- 
liefert. Derselbe  theilt  aus  'einer  uralten  handschriftlichen 
Chronik^  des  Klosters  Ettal'  einen  mit  dem  der  Funda- 
tiones  übereinstimmenden  Text^*'  mit,  der  nach  obigen  Wor- 
ten schliesst:  qui  respondit  sibi  Ludovicum  imperatorem 
obiisse  et  sibi  aj)paruisse  in  missa. 

fol.  21' — 22   Ueberschrift:  Reitenpuch. 


1)  Vgfl.  Holland,  Kaiser  Ludwig  der  Baier  und  sein  Stift  zu  Ettal 
S.  6.  2)  Sämmtlich  gedr.  Comp.  3)  Ettals  Bibliothek  ging  im  Jahre 
1744  durch  einen  Brand  völlig  zu  Grunde,  vgl.  Mon.  B.  VIT,  22ö.  4)  Siehe 
unten  S.  704  N.  1.  5)  Benutzt  in  dem  obengenannten  Wessobrunner  Druck. 
6)  Oefele  bemerkt  dazu:  Hactenus  apographum  meum,  non  enim  finita 
videtur   haec   fabula.  7)    Pez,  Thes.  III,  ;^,  341.  8)    Histor.- statist. 

Archiv  f.  Süddeutschland,  Bd.  II,  S.  293  —  298:  Der  Bruder  .lohann  von 
Kempten,  Mönch  zu  Stambs  und  Kaiser  Ludwig  d.  B.  9)  Ich  vermag 
diese  Chronik  nicht  festzustellen.  10)  Von  dem  obengenannten  Wesso- 
brunner Druck  benutzt.  Den  Text  dieses  Druckes  hinwiederum  giebt 
Hormayr  darauf  aus  einer  'Chronik  des  Klosters  Stambs',  die  wohl  nur 
eine  Abschrift  des  Druckes  sein  dürfte. 


Fundationes  monasteriorum  Bavariae.  681 

Notiz  ad  a.  1101;  dann  unter  der  Uebersehrift  Ge- 
nealogia  et  acta  illius  Welfonis,  qui  ecclesiam  Eeiten- 
buchensem  fundavit  an  Stelle  einer  eigenen  Gründung-s- 
geschichte  von  Reitenbuch  das  13.  Cap.  der  Hist.  Welfo- 
rum  Weingartensis  SS.  XXI,  461. 

fol.  22'  Uebersehrift :  Steyngaden. 

Hier  sind  nur  die  Gründungsjahre  von  12  Prämonstra- 
tenserklöstern,  darunter  Steingaden,  aufgezählt,  die  sich 
auch  in  den  Ann.  Osterhovenses  SS.  XVII,  540 — 542  finden : 
ad  a.  1125.  1126.  1130.  1145.  1147.  1160.  1167.  1171.  1181. 
1183.   1208  (unsere  Hs.   1198).     1213  (unsere  Hs.   1230). 

Die  Vermuthung  ^,  es  seien  — •  weil  für  Steingadens 
Geschichte  bis  zum  15.  Jh.  nur  dürftiges  ürkundenmaterial 
vorhanden  ist  —  durch  den  Brand  des  Klosters  1525  ältere 
Aufzeichnungen  verloren  gegangen,  wird  man,  soweit  Chro- 
niken oder  Annalen  in  Betracht  kämen,  wohl  aufgeben 
dürfen,  wenn  man  sieht,  dass  auch  schon  unser  Sammler 
mit  der  einen  Jahrzahl  aus  des  Klosters  Geschichte  sich 
begnügen  musste. 

fol.  23  —  25'  Uebersehrift:  Pollingen. 

1.  Urkunde-  der  Wiederherstellung  des  Klosters  durch 
Kaiser  Heinrich  II.     1010. 

2.  Notiz  ^  über  die  Schirmvogtei  des  Bischofs  von 
Brixen  über  Fölling. 

3.  Notiz  "^  über  Beschwerungen  baierischer  Nonnen- 
klöster ca.   1300. 

4.  Eine  alte  Geschichte  der  Gründung  von  Fölling 
durch  Tassilo  ist  uns  nicht  erhalten.  Tassilo  galt  jedoch 
stets  als  der  Gründer  des  Klosters  und  sein  Andenken 
wurde  durch  eine  Aufzeichnung  festgehalten,  die  in  vielen 
Hss.  zu  finden  ist.  Sie  trägt  meist  den  Titel  Status  et 
beneficia  fundatoris  monasterii  in  Fölling  oder  (wie  in 
clm.  1470,  fol.  106')  bezeichnender  Protestatio  vei'itatis  de 
Tassilonis  vita  et  degradatione  und  ist  uns  mit  je  nach 
dem  Ortsbedürfnis  gemachten  Aenderungen  aus  den  meisten 
der  Klöster,  welche  in  Tassilo  ihren  Gründer  verehrten, 
überliefert,  so  ausser  aus  Fölling  ^  auch  aus  Wessobrunn  '\ 
Weltenburg  ',  Frauen-Chiemsee  *^.    Erst  unsere  Fundationes- 

1)  Hager,  Die  Bau-  und  Kunstdenkmale  des  Klosters  Steingaden, 
Oberb.  Archiv  48,  128.  2)  Gedr.  Hund  270  (unvollständig);  Mon.  B. 
X,  37.  3)  Gedr.  Hund  271.  4)  Benutzt  von  Hund  271;  gedr.  Comp, 
ad  a.  1300.  5)  Hund-Gewold  III,  113.  6)  Vgl.  Riezler  in  Aventins 
sämmtlichen  Werken  III,  567.  7)  Mon.  B.  XIII,  503.  8)  Rader, 
Bavaria  sancta  (Dillingen  1701)  I,  149.  Die  Schlussangabe:  'haec  tabulae 
Laurissenses'  ist  wohl  auf  die  Uebersehrift  in  clm.  14594  und  den  Ab- 
schriften: 'de  Laurissa'  zurückzuführen. 


682  Georg  Leidinger. 

Hs.  aber  zeigt  uns  —  was  bisher  uubekannt  war  —  dass 
das  Stück  einen  Pollinger  Kanoniker  zum  Verfasser  bat. 
Obwohl  der  übrige  Inhalt  nichts  Neues  bietet,  dürfte  ein 
Abdruck  hier  nicht  überflüssig  sein,  weil  die  hier  vorliegende 
Form  die  älteste  ist. 

Anno^  Domini  1281  nos  Eudolphus  canonicus  et  cus- 
tos  Pollingensis  ecclesie  relacioue  virorum  discretorum  di- 
dicimus  videlicet  sacerdotum  et  conversorum  ordinis  S.  Be- 
nedicti  in  Laurissa  necnon  in  prescriptione  tumbe  domini 
Tasselonis  hunc  primum  fuisse  ducem  Bavarie,  postea 
regem  Longobardorum  ex  parte  Liutpurgis  uxoris  sue,  que 
erat  filia  Desiderii  regis  Longobardorum,  postremoque  mo- 
nachum  in  Laurissa  ordinis  S.  Benedicti  videlicet  conversum. 

lam  vero  prelibatum  Tasselonem,  ut  diximus,  primo 
fuisse  ducem  Bavarie  ex  nobili  prosapia  oriundum  videlicet 
filium  sororis  Pippini  patris  Karoli  Magni,  que  vocabatur 
Hillerudis  nomine,  didicimus,  qui  Domino  feliciter  deser- 
viens  -  in  cenobiis  construendis,  ut  j^atet  in  Pollingen  ca- 
nonicorum  regularium  et  in  multis  aliis  cenobiis,  defenso- 
remque  viduarum  et  orphanorum,  iudicem  strenuum,  in 
elemosina  largum.  Hie  vero  victus^  a  iam  dicto  Karulo 
ad  debellandum  Longobardos  proficiscens  cunctisque  viribus 
prospere  succedentibus  genti  iam  supranominate  ab  impe- 
ratore  in  regem  preficitur.  Qui  etiam  heu!  postmodum 
consilio  incolarum  illius  terre  depravatus  avunculo  suo 
Karulo  se  opposuit,  a  quo  non  post  multum  temporis 
elapsum  in  prelio  publice  cum  suis  vinculis  mancipatur  et 
per  duarum  pelvium  ignitarum  inspeccionem  excecatur. 

Qui  penitentia  ductus  ad  peticionem  principum  absol- 
vitur  et  libere  quocunque  vellet  ire  permittitur.  Iam  vero 
bona  memoria  dictus  Tasselo  ob  spem  futurorum  prospera 
mundi  cuncta  despiciens  Laurissam  devenit  ibique  sub 
specie  pauperis  habituque  religioso  et  ab  omnibus  ignotus 
usque  ad  extremum  vite  sue  terminum  permansit.  Post 
multorum  vero  annorum  curricula  iam  dictus  Karolus 
Magnus  ad  ecclesiam  Laurissensem  pervenit  ibique  una 
noctium  solito  more  oracioni  vacans  Tasselonem  lumine 
carentem  per  manus  angeli  de  ara  ad  aram  cum  summa 
reverencia  deduci  prospexit.  Karolus  Imperator  summo  di- 
luculo  consurgens  patrem  ecclesie  advocat  diligenterque 
sciscitatur,  quisnam  sit,    cui   tanta  beneficia   ab  angelo  im- 


1)    Ueberschrift    von    späterer    Hand:     'de    Laurissa'.  2)    sie. 

3)    Kader   a.  a.  0.:   'devictus   precibus  iam  dicti  Caroli'.     Ebenso  Riezler 
a.  a.  O. 


Fiindationes  monasterioruni  Bavariae.  683 

pensa  fuissent.  Qui  se  ignorare  respondit.  Seqnentique 
nocte  abbas  cum  imperatore  beneficia  iam  prelibato  Tasse- 
loni  ab  angelo  impensa  videre  promeruit.  Cum  vero  Do- 
minus Creator,  reformator  et  remunerator  omnium  hunc 
famulum  suum  post  longam  carnis  maceraciouem,  volun- 
tariam  paupertatem  necnon  laudabilem  vitam  de  hoc  seculo 
nequam  eripere  decrevisset,  febre  corripitur  et  a  viris  reli- 
giosis  corpore  et  sanguine  Domini  nostri  lesu  Christi  pro- 
curatur  sanctoque  oleo  inunctus  contestatur  vite  sue  origi- 
nem  illis  innotescere.  Qui  graviter  suspirans  singula  per 
ordinera  eisdem  enarravit.  Hie  vero  oracionibus  suetis 
insistendo  feliciter  migravit  ad  Dominum.  Ad  cuius  tum- 
bam  Dominus  per  merita  famuli  sui  cunctis  eins  auxilium 
implorantibus  quam  plurima  beneficia  usque  in  presens 
impertiri  non  dedignatur.  Horum  beneficiorum  testimonium 
perhibent  tam  litterati  quam  laici  in  Laurissa  adhuc  super- 
yiventes  et  hoc  me  audiente. 

In  keiner  einzigen  gleichzeitigen  Geschichtsquelle  ist 
uns  überliefert,  wann  und  wo  Tassilo  gestorben  ist.  Wenige 
nennen  überhaupt  den  Ort  seiner  Verbannung,  nämlich  — 
darin  stimmen  sie  in  der  Mehrzahl  überein  —  Jumieges 
an  der  Seine.  Erst  später  taucht  die  Nachricht  auf,  Tassilo 
sei  zu  Lorsch  Mönch  gewesen  und  dort  gestorben.  Zuerst 
schreibt  Otto  von  Freising  ^:  Rex  ...  in  monasterio  Lau- 
reacensi,  quod  ipse  constrnxerat,  eum  monachicum  habitum 
assumere  ac  de  peccatis  suis  poenitentiam  agere  permisit. 
Dann  melden  die  kleinen  ganz  unbedeutenden  dem  18.  Jh. 
angehörenden  Ann.  -  ducum  Bavariae :  Karolus  Tassilonem 
in  monasterium  Lauriacum  ^  trusit. 

Dem  Alter  nach  schliesst  sich  nun  unsere  Pollinger  Auf- 
zeichnung an,  der  Form  nach  eine  Protestatio  der  Erkun- 
digungen, die  der  vielleicht  eigens  zu  diesem  Zweck  nach 
Lorsch  geschickte  Canonicus  Rudolf  von  Fölling  dort  über 
die  den  Gründer  seines  Stiftes  betreffende  Tradition  ein- 
gezogen hatte.  Wenn  Riezler^  bemerkt,  die  Sage,  wie 
der  blinde  Tassilo  in  der  Lorscher  Kirche  von  Engeln  zu 
den  Altären  geleitet  wird,  scheine  zuerst  in  einer  Auf- 
zeichnung von  Kremsmünster  sich  zu  finden,  so  ist  diese 
Vermuthung  nicht  zutreffend,  vielmehr  bringt  unsere  Pol- 


1)  Chronicon  V,  29;  SS.  XX,  226.  2)  SS.  XVII,  366.  3)  Trotz 
der  beidesmaligen  Verwechselung  von  Laureacum  (Lorcli)  und  Lauresham 
oder  Laurissa  (Lorsch)  ist  letzteres  gemeint.  Vgl.  jSTecrolog.  Lauresham. 
(Böhmer,  Fontes  III,  151):  III.  Id.  Dec.  Tessilo  dux  ex  laico  monachus. 
4)  Gesch.  Baierns  I,  171. 


684  Georg  Leidinger. 

linger  Notiz  dieselbe  zum  ersten  ^  Male.  Die  Stelle,  auf 
welche  Riezler  verweist,  findet  sicli  -  in  einem  Stück  der 
Monumenta  Weltenburgensia,  welches  nach  der  üeber- 
schrift  'Bernardi  Norici  opusculum  V.  anecdotum  de  ge- 
nealog'ia  fundatoris  coenobii  Cremit'anensis'  sein  soll,  that- 
sächlich  aber,  wie  die  Vergleichung  ergiebt,  eine  Welten- 
burger  Compilation  aus  Bruchstücken  der  Geschichtsquellen 
von  Kremsmünster  und  aus  anderen  Quellen  ist,  wobei 
sogar  —  mit  alibi  legitur  eingeleitet  —  gerade  auch  die 
Pollinger  Notiz  benutzt  ist.  Die  Geschichtsquellen  von 
Kremsmünster  kennen  die  Engelsage  nicht.  Sie  berichten^ 
von  Tassilos  Ende:  .  .  .  condemnatus  monasterium,  quod 
ipse  construxerat,  Laurishaim  ingressus  cum  Theodone  filio 
suo  .  .  .  tonsuratur.  übi  tarn  religiöse  vixit  quam  spon- 
tanee  introivit. 

Rudolf  von  Fölling  ist  auch  der  erste,  der  von  einem 
Grabmal^  Tassilos  mit  Inschrift  in  Lorsch  berichtet,  das 
er  selbst  gesehen.  Die  Kremsmünsterschen  Quellen  über- 
liefern dessen  Inschrift. 

Die  auffallenden  sagenhaften  Züge  unseres  Stückes, 
dass  Tassilo  König  der  Langobarden  gewesen  und  durch 
diese  zum  Aufstand  gegen  Karl  bewogen  worden  sei,  führt 
Eiezler"^  wohl  mit  Recht  auf  die  getrübte  Erinnerung  an 
den  mächtigen  Einfluss  der  langobardischen  Königstochter 
Liutbirg  zurück. 

Ueber  Rudolf  von  Fölling  selbst  konnte  ich  nichts 
Näheres  finden.  Jedenfalls  ist  seine  Aufzeichnung  werth, 
ihre  Stelle  in  der  baierischen  Sagengeschichte  angewiesen 
zu  erhalten. 

5,  üeberschrift :  Frivacio  Tasselonis. 

Abschnitt,  dem  die  Ann.  Lauriss.  mai.  ad  a.  787.  788, 
SS.  I,   170  ff.,  zu  Grunde  liegen. 

6.  Zwei  schätzenswerthe,  vielleicht  aus  Fölling  stam- 
mende Nachrichten''  ad  a.  1388. 

1)  In  cgm.  227  (s.  u.)  fol.  130  schrieb  eine  Hand  des  18.  Jh.  ein: 
Hie  habes  originem  fabulae  de  Thassilone  natae  in  Fölling.  Man 
wird  aber  nicht  behaupten  dürfen,  dass  die  Legende  in  Polling  fabriciert 
worden  sei,  sondern  sie  scheint  wirklich  in  Lorsch  umgegangen  zu  sein. 
2)  Mon.  B.  Xm,  503.  3)  Loserths  Ausgabe,  die  der  in  SS.  XXV  ent- 
haltenen vorzuziehen  ist,  S.  87.  4)  Den  Grabstein  mit  der  Inschrift 
sah  1615  noch  Helwich  (Antiquitates  Laureshaimenses  S.  28  und  204). 
1645  aber  berichtet  Zeiler  (Merian)  in  seiner  Topographia  Palatinatus 
Rheni  p.  36,  Tassilo's  Grabstein  sei  'zu  unsern  Zeiten  ein  Säutrog,  wie 
berichtet  wird,  worden'.  Heutzutage  (Falk,  Gesch.  des  ehem.  Klosters 
Lorsch  S.  27  und  156)  weiss  man  nicht,  was  mit  dem  Steine  weiter  ge- 
schehen ist.  5)  Aventins  Sämmtl.  Werke  III,  568.  6)  Gedr.  Comii. 
Vgl.  Riezler,  Gesch.  Baierns  III,  140. 


Fundationes  monasteriorum  Bavariae.  685 

fol.  26  Ueberschrift :  Wessesprunnen. 
Gründungsgeschichte  ^  von  Wessobrunn. 
fol.  26'— 28'  Ueberschrift:  Dieszen. 

1.  Gründungsgeschichte  von  Diessen.  Findet  sich 
fast  wörtlich  mit  diesem  Text  übereinstimmend  in  der  in  dem 
berüchtigten  clm.  3005  niedergeschriebenen  Andechser 
Gründuugsgeschichte  -.  \.  Oefele  spricht  in  seiner  Ge- 
schichte der  Grafen  von  Andechs,  S.  6,  die  Ansicht  aus, 
dass  jene  Gründungsgeschichte  von  Diessen  wie  die  Grün- 
dungsgeschichte von  Andechs  sich  erst  im  15.  Jh.  gebildet 
haben,  ßiezler^  setzt  die  Entstehung  der  Andechser  Fäl- 
schungen in  die  Zeit  der  bekannten  Reliquienauffindung 
zu  Andechs,  also  um  1388.  Es  ist  hier  nicht  unsere  Auf- 
gabe, zu  untersuchen,  wann  die  Andechser  Geschichte  ent- 
stand: die  Diessener  Grüudungserzählung  ist  jedenfalls 
nicht  erst  im  15.  Jh.  aufgekommen,  denn  clm.  14594  ist 
schon  in  den  achtziger  Jahren  des  14.  Jh.  geschrieben.  Die 
fertige  Diessener  Geschichte  wvirde  als  Ganzes  in  die  An- 
dechser Gründungsgeschichte  eingeschoben  und  trägt  auch 
innerhalb  dieser  in  der  Hs.  (fol.  50'  — 51  des  clm.  3005)  deut- 
lich den  Charakter  des  Einschiebsels. 

Jaffe  hat  SS.  XVII,  328  —  331  unter  dem  Titel  De 
fundatoribus  monasterii  Diessensis  5  verschiedene  zum  Theil 
schon  früher  edierte  Aufzeichnungen  über  die  Gründung 
und  die  Familie  der  Gründer  von  Diessen  herausgegeben^. 
Die  obige  Gründungsgeschichte  ist  darin  als  dritte  Note 
mit  dem  Titel  Alia  annotacio  fundatorum  nostrorum  leider 
nur  in  einer  viel  späteren  Bearbeitung  (nach  1478  verfasst, 
aus  clm.  5688,  fol.  180' — 184')  enthalten,  so  dass  der  ein- 
zige Druck  der  Geschichte  in  unserer  Form  bei  Duellius, 
Miscellanea  II,   124 — 127  vorzuziehen  ist. 

2.  Ueberschrift:  Nota"*:  apud  S.  Stephanum  in  Diessen 
hec  Corpora  sunt  sepulta. 


1)  Gedr.  Khamm,  Hierarchia  Augustana  III,  376;  Hund-Gewold 
m,  485;  Leuthner,  Hist.  mon.  Wessofontani  p.  9;  Mon.  B.  VII,  372, 
daraus  bei  Fugger,  Kloster  Wessobrunn  p.  113;  SS.  XV,  2,  1024.  — 
Wohl  aus  clm.  22021  fol.  1',  saec.  XL  Fol.  26  unten  eine  Notiz  über 
Gründung  von  Niederaltaich,  die  sich  in  clm.  22021  ebenfalls  an  die  Wesso- 
brunner  Geschichte  anschliesst;  mit  fast  gleichem  Wortlaut  bei  Andreas 
Ratisp.  Chron.  gen.  (Pez  IV,  3,  428).  2)  Gedr.  unter  dem  Titel:  An- 
ecdota  de  celeberrimo  monasterio  montis  Andecensis  et  inclyta  canonia 
Diessensi  bei  Finauer,  Hist.-literar.  Magazin  für  Pfalz  -  Baiern,  I,  114 — 145. 
3)    Gesch.    Baierns   III,  837.  4)  Vgl.    dazu    Oefele   1.  c.  S.  5   und   6. 

5)  Gedr.  SS.  XVII,  330,  ed.  Jaffe,  als  fünfte  Xote.  Jaffe  kannte  für  seine 
Ausgabe  keine  Hs.,  sondern  benutzte  nur  die  früheren  Ausgaben:  Oefele 
11,703;   Mon.  B.  VIII,  299;   Duellius  11,127. 


686  Georg  Leidinger. 

3.  Ueberschrift :  Nota. 

TJnediert.  Ueber  Erwerbungen  des  Propstes  Konrad 
von  Diessen  (f  1359). 

4.  Ueberschrift:  Graf  Eazzo. 
Gründungsgeschicbte  von  Werd  (Grafrath).    In  dieser 

Form  ungedruckt.  Vgl.  Kunstmann,  Zur  Lebensgeschiehte 
des  Grafen  ßasso  von  Andechs,  Oberb.  Archiv  XXVI,  372. 

fol.  29  Ueberschrift:  JFurstenveldt. 

Chronikalische  Aufzeichnung ^  aus  Fürstenfeld. 

fol.  30  —  37'  Ueberschrift:  Ebersperg,  und  (fol.  37): 
Gisenfeld. 

Gründungsgeschichte"-  von  Ebers b er g  und  Geis en- 
feld. 

fol.  37' — 39    Kleine    baierische    Annalen^    von 
1150—1297. 
Scbetti.  mai.  1150'^.    Chelheim  obsessa  est. 

1158^.  Vilsa  fluvius  in  Ensdorf  III.  Kai.  Februarii  siccum  iter 
prebuit.  Fridricus  imperator  Mediolani''  triumphavit.  Otto  maguus 
episcopus  Frisingensis  obiit. 

1159.  Mediolanum  imperatori  rebellavit. 

1160.  Crema'  civitas  deleta  est  ab  imperatore  Fridrico.  Arnoldus 
Moguntinus  episcopus  VIII.  Kai.  liüii  occiditur^. 

1162.  Mediolanenses^  sponte  se  suaque  imperatori  dederunt,  et 
absque  ulla  dementia  Mediolanum  destruitur. 

1173.  Heinricus  Brixinensis  episcopus  captus  est  a  comite  Conrado 
de  Valey  ^°  et  ipso  anno  obiit. 

1203.  Propter  gwerram  inter  episcopum  Ratisponensem 
et  ducem  pene  tota  provincia  incendio  periclitatur.  Dux 
Meranie  Berchtoldus  obiit. 

1205.  Corpus  beati  Corbiniani  gloriosa  translacione 
sublimatur. 

1212 -^  Otto  imperator  multis  Apulie  regionibus  et 
Italic  subiugatis  in  partes  Alemannie  revertitur,  validam 
coniuracionem  principum  sibi  resistentium  ibi  reperiens, 
unde  et  ab  his,  qui  adhuc  ei  adherebant,  in  brevi  eum  Deo 

1)  Gedr.  Oefele  II,  555  als  Anonymi  Fürstenfeldensis  breve  cbronicon 
Bavariae  (e  Gewoldianis  coUectaneis)  und  SS.  XXIV,  75  als  Notae  Fuersten- 
feldenses  (aus  unserem  clm.  14594).  Am  Schluss  zwei  Notizen  ad  a.  1258 
und  1262,  auch  in  der  Comp.  gedr.  2)    Der  hier  vorliegende  Text  ist 

das  SS.  XXV,  867 — 872  herausgegebene  Chron.  Eberspergense  posterius 
(bei  Oefele  II,  4 — 11  antiquius)  mit  Auslassungen,  aber  auch  kleinen  be- 
langlosen Erweiterungen,  fol.  37'  quer  am  Rand  Notiz  ad  a.  1;S86;  gedr. 
Comp.  3)  Herrn  Professor  Dr.  Holder -Egger  sei  an  dieser  Stelle  für 
freundliche  Winke  zur  Herstellung  des  folgenden  Textes  gedankt.  4)  So 
statt    1151    auch   Ann.    Scheftlar.    maior.    SS.   XVII,  386.  5)    Comp, 

fälschlich  ad  a.  1268.  6)  Hs.  Mediolanum.  7)  Hs.  Cremona.  8)  Am 
Rand:  1386  strages  facta  est  circa  Renum  per  societatem  super  duces 
Austrie,  quorum  capitaneus  erat  Engeh-amus  princeps  de  Cuciaco.  9)  Hs. 
Mediolanum.     10)  Vgl.  Riezler,  Gesch.  Baierns  I,  706,  Anm.  2.     11)  Hs.  1222. 


Fundationes  monasterioriim  Bavariae.  687 

deserente  derelictus  est  ac  miserabiliter  fiigiens  subito  regno 
destituitur,  et  rex  Apulie  Fridricus  a  cunctis  pene  episco- 
pis  et  principibus  auctoritate  apostolica  est  subrogatus. 

1217.    Dux  Austrie  cum  immenso  exercitu  crucis  signatorum  Schefti. 
pertransivit  mare.     Farnes  valida  fuit. 

1221.  Ludwicus  dux  Bavarie  in  auxilium  sancte  terre  transfre- 
tavit ;  ipso  vero  et  aliis  Christi  militibus  ab  exercitu  paganorum 
callide  circumventis  soldano  Damiata  resignatur. 

1230.  Gebhardus  Patavieiisis  episcopus  captns  est  a 
coinite  Conrado  de  Waszerburg-. 

1231.  Castruni  Valej  a  Gebhardo  Tolznawer^  obtine- 
tur,  unde  tota  provincia  devastatur.  Rapoto  com  es  palatinus 
obiit. 

1232".    Ludwicus  dux  Bavarie  occiditur  in  Cbelheim. 

1233.  Otto  dux  Bavarie  cum  Conrado  episeopo  Fri- 
singensi  tractavit  ^  de  pace  in  Lantshuta  ibique  redditur 
episeopo  castrum  in  Purckrejn  ^. 

1234.  Otto  dux  Meranie  obiit. 

1236.  Corpus  S.  Elizabeth  presente  Fridrico  imperatore  magni- 
fica  translacione  subliraatur. 

1246.  Cunradus  rex,  imperatoris  Fridrici  filius,  matrimonium 
cum   filia   ducis  Ottonis  Bavarie  in  Vohburg^   contraxit. 

1247.  Ludwicus  iunior  dux  Bavarie  Conradum  comi- 
teni  de  Waszerburg  eiciens  tarn  castrum  quam  homines 
infra  17  ebdomadas  potenter  obtinuit. 

1253.  Otto  dux  Bavarie  obiit. 

1254.  Conradus  rex  obiit  in  partibus  terre  latine. 


1)  Bruder  des  Bischofs  Konrad  von  Freising  (Conradus  Toltznaer 
bei  Arnpeck,  De  gestis  epp.  Frisingensium  in  Deutinger,  Beyträge  III, 
518).  2)  So  statt  1231  auch  die  Ann.  Scheftlar.  min.  SS.  XVII,  343. 

3)  Hs.  tractans.  4)  Burgrain,  Bezirksamt  Wasserburg.  Vgl.  die  Sühne 
zwischen  Herzog  Otto  und  Bischof  Konrad  vom  9.  Juni  1237  (Quellen 
und  Erörterungen  V,  60),  worin  wegen  Burgrain  eine  frühere  compositio 
apud  Landeshüt  facta  erwähnt  wird.  In  der  Anm.  dazu  heisst  es:  'Es 
ist  wohl  der  Vergleich  vom  17.  März  1235  (Meichelbeck,  bist.  fris.  IIa, 
14)  gemeint'.  Das  dürfte  falsch  sein.  Jener  Vergleich  stammt  vom 
1.  April  1235  und  handelt  nicht  von  Burgrain.  Die  obige  Angabe  wird 
richtiger  sein  und  schon  Meichelbeck  hat  sie  a.  a.  0.  nach  den  aus  der 
gleichen  Quelle  wie  die  unserigen  schöpfenden  Wessobrunner  Annalen 
benutzt.  5)  Die  auch  von  den  Ann.  S.  Rudp.  Salisb.  SS.  IX,  789  ge- 
brachte Ortsangabe  'Vohburg'  ist  nach  Böhmer,  Wittelsb.  Regesten  S.  21 
unrichtig.  Die  Vermählung  habe  zu  Augsburg  stattgefunden.  Doch  nimmt 
Riezler,  Gesch.  Baierns  II,  84  und  Haeutle,  Genealogie  S.  4  Vohburg  an. 
Diese  Annahme  wird  durch  die  Angabe  unserer  und  der  aus  der  gleichen 
Quelle  geschöpften  "Wessobrunner  Annalen  (in  den  Ann.  Scheftlar.  min. 
clm.  17138  ist  die  Stelle  des  Ortsnamens  leergelassen)  wahrscheinlich  ge- 
macht. Mit  den  Salzburger  Annalen  stehen  die  vorliegenden  in  keiner 
Verbindung.  Vohburg  liegt  an  der  Donau  unterhalb  Ingolstadts, 
Neues  Archiv  etc.    XXIV.  44 


688  Georg  Leidinger. 

1257.  Eichai'dus  rex  Anglie  res  Romanorum  creatur. 
Otackarus  rex  Boheinie  Bavariam  hostiliter  ingreditur  et  sine  victoria  in 
terram  suam  revertitur. 

1259.  Farnes  validissima  est  facta  et  morticinium  graude 
nimis,  et  innumerabilis  multitudo  hominum  iu  Ungariam 
est  profecta. 

1267.  Filius  Conradi  regis,  Conradinus,  ad  partes  Ita- 
lic processit. 

1268.  Rex  Conradinus  occiditur. 

1273.  Rudolfas  comes  de  Habichsperg  in  regem  Eo- 
manorum  creatur  et  Aquisgrani  statim  intronizatur. 

1276.  Rudolf  US  rex  Austriam  potenter  est  iugressus  et 
optinuit  Carniolam,  Stiriam,  Carinthiam  et  ipsam  Austriam 
infra  duos  menses.  Mures  omnimodis  destruxerunt  terram 
Bavarie.  Rex  Hispanie  duabus  vicibus  vicit  regem  Francie 
in  conüictu,  Filius  regis  Romanorum  contrahere  promisit 
cum  filia  regis  Bohemie  et  e  converso  filius  Bohemi  cum 
filia  regis  Romanorum. 

1277.  Contractus  matrimoniales  inter  j)rescriptos  reges 
dissoluti  sunt  et  gwerra  gravis  fuit  inter  eos. 

1278.  Rudolf  US  Romanorum  rex  devicit  regem  Bohe- 
mie et  occidit  eum  —  sed  per  suos  traditus  fuit  —  et  obtinuit 
Moraviam  et  cum  voluisset  occupasse  Bohemiam,  proliibitus 
fuit  per  marchionem  Brandenburgensem.  Qui  sunt  concor- 
dati,  ut  infra  invenitur. 

1279.  Puer  Polanus,  filius  ducis  Ludwici,  promisit 
ducere  filiam  regis  Romanorum  in  uxorem,  quod  papa  im- 
pediens  revocavit.  Rudolf us  rex  fuit  in  discordia  cum  duce 
Heinrico  Bavarie,  sed  sunt  concordati  restitutis  ipsi  regi 
Lintza  \  Welsa,  Styra  et  aliis  castris  et  filio  suo  duci  Ot- 
toni  assignatis  Castro  Nuwenberg  et  Frienstat  et  Ried- 
marche.  Ante  festum  lohannis  baptiste  Mouacensis  modius 
siliginis  vendebatur  pro  quatuor  solidis  d.,  qui  ducebatur 
a  Suevia  pulcherrimus. 

1280  ■-.  Dux  Ludwicus  cum  rege  Romanorum  per 
Austriam  cum  exercitu  vadens  contra  Bohemiam  adversus 
marchionem  Brandenburgensem  et  tarn  ipse  rex  Romano- 
rum quam  etiam  marchio  et  dux  Ludwicus  per  matrimonia 
omnes  sunt  concordati. 

1283.  Dux  Austrie  Albertus  a  patre  suo  Rudolffo 
consentientibus  electoribus  regni  in  ducem  creatur.  Lud- 
wicus   dux   Bavarie   castrum   in  Swaben^  edificare  incepit. 


1)  Linz,  Wels,  Steyr,  Neuburg  am  Inn,  Freistadt  und  die  Hofmark 
Ried,  sämmtlich  in  Oberösterreich.  2)  1281.  3)  Schwaben,  Bezirks- 
amt Ebersbero". 


Fundationes  monasteriorum  Bavariae.  689 

1284.  Apud  Renum  quidam  surrexit  dicens  se  esse 
Fridricum  imperatorem  et  similis  ei  dicebatur;  qui  postea 
concrematur  a  rege  Radolffo  1285. 

1286.  Muldorf  civitas  a  duce  Heinrico  restituta  est 
episcopo  Salzpurgensi ,  quam  anno  priori  expugnaverat. 
Aves  in  Austria  repentina  morte  moriebantur.  Discordia 
orta  est  inter  duces  Bavarie  ex  victoria  Paulsdorferii  contra 
Satelbogerium  et  dapiferum  de  Eckenmul  et  incendia  diversa 
inter  eos  tarn  apud  Swaben  quam  alibi;  que  concordavit 
rex  Romanorum. 

1288.  Tonitrua  in  die  S.  Stephani  circa  nativitatem 
Domini  sunt  per  multas  terras  audita.  Heinricus  Mogun- 
tinus  archiepiscopus,  qui  fuit  de  ordine  minorum  fratrum, 
subitanea  morte  obiit. 

1290.  Ludwicus  iunior  dux  Bavarie  occubuit  in  tor- 
namento.  Item  rex  Ungarie  occisus  est,  cui  tunc  successit 
conies  de  Ast.  Item  frater  regis  Ungarie  submersus  est 
et  sie  prevaluit  iste  comes  de  Ast.  Item  ßudolfus  episco- 
pus  Salzpurgensis  obiit;  cui  successit  dux  Bavarie  Steffanus. 
Sed  niissis  nunciis  Eomam  videlicet  Conrado  tunc  episcopo 
Laventensi  cum  multis  aliis  super  confirmacione  eiusdem 
Stephani  dominus  papa  ipsum  reprobavit  et  dictum  Conra- 
dum  Laventensem  episcopum  per  se  ipsum  in  archiepisco- 
pum  Salzpurgensem  ordinavit,  magistrum  Heinricum  pro- 
thonotarium  et  canonicum  tunc  Salzpurgensem  iurisperitum 
similiter  ordinans  ecclesie  Laventensi. 

1291.  Rudolf  US  rex  obiit. 

1292.  Dux  Otto  Bavarie  invasit  Stiriam  contra  ducem 
Austrie  et  Karinthiam  contra  ducem  Meinhardum  et  sine 
victoria  est  reversus. 

1293.  Laugingenses  ^  recesserunt  a  domino  suo  Lud- 
wico  duce  Bavarie  et  Adolfo  regi  Romanorum  se  dederunt. 

1294.  In  die  purificacionis  Ludwicus  dux  Bavarie  obiit. 
Item  Rudolf  US  filius  Ludwici  promisit  contrahere  cum  filia 
regis  Adolffi,  sicut  et  contraxit,  et  deinde  cum  eodem  rege 
in  expedicionem  in  terram  Mysnensem  processit. 

1296.  Fames  validissima  fuit,  ita  qnod  modius  Mona- 
censis  siliginis  vendebatur  pro  5  libris  d.,  modius  avene 
pro  3  libris.  Rudolfus  dux  Bavarie  occupavit  castrum  Mer- 
gartaw  -,  cuius  confines  exinde  per  reysauos  -^  destruebantur, 
et  tamen  idem  castrum  per  Rudolfum  ducem  destructum 
est.     Ludwicus  filius  Heinrici  ducis  Bavarie  obiit. 

1)    Lauingen    a.  D.  2)     Mergentau    südöstlich    von    Augsburg. 

.3)    "Wohl  mit  rais,    raisa  =  Kriegszug  zusammenhängend,    vgl.  Schmeller 
II,  139. 


690  Georg  Leidinger. 

1297^.  Cuonradus  de  Haldeuberg-  et  iuvenis  de  Wil- 
denrad^  apud  Lantsperg*  Winhardum  de  Rorbach -^  cum 
magna  fraude  occiderunt.  Eodem  anno  Otto  dux  Bavarie 
comitem  "^  de  Heigerloch  in  conflictu  occidit. 

Diese  kleinen  Annalen  stellen  in  ihrem  Anfange  (ad 
a.  1150.  1158.  1159.  1160.  1162.  1173)  im  Zusammenhang  mit 
dem  ersten  Theile  der  Ann.  Scheftlarienses  maiores  SS.  XVII, 
334  —  343,  bezw.  mit  den  Quellen  dieses  ersten  Theiles, 
unter  denen  insbesondere  verlorene  oder  unbekannte  Ens- 
dorfer  Annalen  zu  erkennen  sind.  Es  scheint  mit  diesen. 
Quellen  des  ersten  Theils  eine  nähere  Verbindung  als  mit 
den  grösseren  Schäftlarer  Annalen  selbst  vorhanden  zu 
sein,  was  daraus  zu  schliessen  sein  möchte,  dass  die  vor- 
liegenden Annalen  nur  die  genannten  Nachrichten  (1150 
— 1173),  nicht  aber  wichtigere,  spätere,  wirklich  in  Schaf fc- 
larn  selbst  entstandene  Notizen  mit  den  Schäftlarer  An- 
nalen gemeinsam  haben.  Aehnlich  verhalten  sie  sich  zu 
den  Ann.  Scheftlarienses  minores  SS.  XVII,  343 — 345.  Sie 
schöpfen  wohl  aus  der  nämlichen  Quelle  wie  letztere  ad 
a.  1217.  J221.  1231.  1232.  1234.  1236.  1246.  1257.  1259. 

Diese  Quelle  unserer  und  der  kleineren  Schäftlarer 
Annalen  ist  noch  einem  dritten  Annalenfragment  gemein- 
sam, nämlich  den  durch  den  Wessobrunner  Mönch  Stephan 
Leopolder  (f  1532)  als  Chronicon  imperii  überlieferten 
Wessobrunner  Annalen'  von  757  — 1298.  Mit  Unrecht 
erblickte  Lorenz  *•  in  ihnen  die  Reste  ^  der  Chronik  des 
Probstes  Konrad  von  Ranshoven,  und  sie  werden  wohl  auch 
fälschlich  dem  Wessobrunner  Klosterbruder  Konrad  Pozzo 
zugeschrieben^*^.  Sie  bringen  wenig  selbständige  Nachrichten, 
sondern  sind  aus  den  verschiedensten  Quellen  compiliert, 
worunter  allerdings  auch,  wie  Waitz  ^^  bemerkte,  verlorene 
Aufzeichnungen,  theils  aus  der  Freisinger,  theils  der  Augs- 
burger Diöcese  hervortreten.  Ein  Vergleich  mit  unseren 
kleinen  Annalen  zeigt,  dass  zu  den  Jahren  1203.  1205.  1217. 
1221.  1230.  1231.  1232.  1233.  1234.  1236.  1246.  1247.  1253. 
1254.   1257.   1259.   1267.    1268.   1273.   1276.    1277.   1279.    für 


1)  Diese  Notiz  findet  sich  auch  in  einer  Hs.  der  Ann.  SS.  Udalrici 
et    Afrae    Augustenses    SS.    XVII,  428.  2)    Haltenberg    am    Lech. 

3)  AVildenroth  an  der  Amper.       4)  Landsberg  am  Lech.       5)  Rohrbach, 
BA.    Paffenhofen.    SS.    XVII,  434    fälschlich    Kombach.  6)    Albert. 

7)   Gedr.  bei  Leuthner,  Historia  monasterii  Wessofontani  II,  16 — 35.    Vgl. 
Eiezler,  Gesch.  Baierns  II,  245.         8)    GQ.  1,  175.  9)  Ueber  das  Ver- 

hältnis der  Wessobrunner  Compilation   zur  verlorenen  Ranshover  Chronik 
urtheilt   auch   richtig   Erben  N.  Arch.  XXII,  470  Anm.  2.  10)    Es  sei 

denn,    dass    ein   unbedeutender  Theil   von  ihm  in  der  Compilation  steckt. 
Vgl.  Wattenbach,  GQ.  II,  376.         11)   SS.  XXIV,  60. 


Fundationes  monasteriorum  Bavariae.  691 

die  Wessobrunner  Reste  die  nämliche  Quelle  zu  Grunde 
lag,  aus  der  unsere  Annalen  für  jene  Jahre  geschöpft 
haben,  und  zwar  beziehen  sich  diese  Nachrichten  ofEenbar 
auf  die  Freisinger  Diöcese.  Die  kleineren  Schäftlarer  An- 
nalen haben  —  verglichen  mit  den  Wessobrunner  —  die 
gemeinsame  Quelle  für  eine  Anzahl  von  Jahren  ^  nur  noch 
viel  dürftiger  ausgeschrieben  als  dies  in  unseren  Annalen 
der  Fall  ist.  Dass  die  letzteren  nicht  unmittelbare  Vor- 
lage der  Wessobrunner  sind,  ergiebt  sich  daraus,  dass  unsere 
Annalen  einzelne  Angaben  weniger  als  jene  enthalten,  die 
deutlich  auf  dem  Wege  der  Excerpierung  der  Quelle  weg- 
gefallen sind,  während  die  Wessobrunner  sie  aus  der  Quelle 
übernommen  haben.  Andererseits  sind  unsere  Annalen 
auch  nicht  aus  den  Wessobrunner  geschöpft:  in  den  letz- 
teren finden  sich  z.  B.  zum  Jahr  1279  bruchstückhaft  die 
Worte:  'Rudolfus  rex  fuit  in  discordia'.  Stellt  man  daneben 
die  Stelle,  wie  sie  in  unsern  Annalen  lautet:  'Rudolf us  rex 
fuit  in  discordia  cum  duce  Heinrico  Bavarie,  sed  sunt 
concordati'  etc.,  so  springt  in  die  Augen,  dass  die  Wesso 
brunner  Aufzeichnungen  nur  gedankenloses  Excerpt  bieten 
während  unsere  Annalen  die  Quelle  richtig  wiedergeben 
Oder:  die  Wessobrunner  Annalen  enthalten  zum  Jahr  1278 
die  gleiche  Mittheilung  wie  die  unsrigen  mit  dem  Schluss 
'ut  infra  invenitur'.  Die  Nachricht  aber,  worauf  dieser  Hin- 
weis geht,  fehlt  ihnen,  während  sie  in  den  unsrigen  zum 
Jahr  1280  gegeben  wird. 

Dienen  die  vorliegenden  Annalen  auf  der  einen  Seite 
dazu,  über  Wessobrunner  und  Schäftlarer  Annalen  und  die 
darin  enthaltenen  Quellen  einige  Aufklärung  zu  geben,  so 
sind  sie  andererseits  schätzenswerth,  weil  sie  einzelne  selb- 
ständige Mittheilungen  zur  Territorialgeschichte  überliefern. 
Auf  solche  —  soweit  sie  in  der  Comp.,  die  ungefähr  die 
Hälfte  der  Annalen  enthält,  gedruckt  sind  —  bezieht  sich 
z.  B.    auch   Riezler   Gesch.  Baierns  II,   159.  166.  265. 

Die  Glaubwürdigkeit  solcher  Nachrichten,  die  bisher, 
als  nur  durch  die  Comp,  verbürgt,  nicht  allzuhoch  stand, 
erhöht  sich  nunmehr  durch  die  Thatsache,  dass  hier 
eigene  kleine  Annalen  vorliegen.  Denn  die  Zusammen- 
gehörigkeit der  Annalen  in  der  in  clm.  14594  vorliegenden 
Form  dürfte  kaum  zweifelhaft  sein. 

In  den  ungedruckten  Theilen  findet  sich  manche 
brauchbare   Angabe,    und   wenn    auch   die    Chronologie   — 


1)    1215.   1217.   1220.    1221.   1225.    1227.    1228.   1231.   1233.  1234. 
1285.  1236.  1241.  1246.  1247.  1251.  1257.  1258.  1259.  1263.  1267. 


692  Georg  Leidinger. 

■was  vielleicht  dein  Abschreiber  zur  Last  fällt  —  einiges 
zu  wünschen  übrig  lässt,  so  erweisen  sich  die  Nachrichten 
selbst  doch  meist  als  zuverlässig  und  lassen  den  Verlust 
der  umfangreicheren  Quellen ,  deren  ßeste  sie  zu  sein 
scheinen,  bedauern. 

Ihr  Entstehungsort  dürfte  in  der  Diöcese  Freising, 
vielleicht  in  der  Nähe  Münchens  zu  suchen  sein,  wofür 
vor  allem  die  zweimalige  Erwähnung  des  Getreidepreises 
nach  Münchener  Mass  spricht.  Ob  an  Ebersberg  als  ür- 
sprungsort  zu  denken  ist,  weil  die  Annalen  der  Ebersberger 
Gründungsgeschichte  angereiht  sind  und  weil  die  von  Ebers- 
berg nicht  weit  entfernte  Burg  Schwaben  zweimal  genannt 
ist,  bleibe  dahingestellt. 

fol.  39'.  Ueberschrift :  Pejhartingen. 

Gründuugsnotiz  ^  des  Stiftes  Beyharting. 

fol.  39'.    Ueberschrift:   Wiger. 

Gründungsnotiz-  des  Klosters  Weyarn. 

fol.  51' — 53.    Ueberschrift:  Inferior  Alta. 

Kurze  annalistische  Notizen  'Ab  Adam  usque  ad  dilu- 
vium'  .  .  .  am  Schluss  Geschichte  Nieder altaichs  von  der 
Gründung  bis  nach  dem  Tode  Herzog  Heinrichs  I.  von 
Niederbaiern  (f  1290).  Erweist  sich  als  ein  Auszug  aus  der 
Schrift  Hermanns  von  Niederaltaich:  'De  institutione  mon. 
Altahensis'  (hsg.  von  Jaffe  SS.  XVII,  369),  die  zwischen  1242 
und  1253  entstand.  Unser  Auszug  ändert  den  dort  zu 
Lebzeiten  des  Herzogs  Otto  IL  geschriebenen  Schluss  fol- 
gendermassen:  'Post  quorum  mortem  illustris  princeps 
Otto  ...  fit  huius  ecclesie  advocatus,  cuius  gloriosus  heres 
preclare  memorie  dux  Heinricus  dedit  ^  ecclesie   huic  deci- 


1)  Gedr.  Hund-Gewold  U,  134  und  bei  Wiedemann,  Gesch.  d. 
regulierten  Augustiner- Chorherren -Stiftes  Beyharting,  S.Beilage  (aus  einer 
dem  16.  Jh.  entstammenden  Beilage  des  cgm.  1765),  in  Deutingers  ßey- 
trägen  z.  Gesch.  etc.  des  Erzbisthums  München-Freysing  IV,  1-47.  2)  Gedr. 
Comp.  —  fol.  41  —  50  =  4.  Lage  der  Hss.  enthält:  1.  Cronica  de  origine 
et  processu  regum  Franciae.  2.  Papstkatalog,  zunächst  bis  Urbanus  (VI., 
1378  — 1389)  geführt,  zu  dessen  Zeiten  die  Hs.  entstand.  Eine  andere 
Hand  führte  die  Reihe  bis  Martinus  (V.,  1417 — 1431),  eine  weitere  fügte 
noch  eine  Notiz  über  Eugen  IV.  und  Felix  V.  bei.  3.  Kaiserprophezeiung 
auf  Herzog  Friedrich  von  Landshut.  Nach  Kampers,  Die  deutsche  Kaiser- 
idee in  Phrophetie  und  Sage  S.  217,  ins  Jahr  1376  zu  setzen.  Abdruck 
daselbst  aus  cgm.  227.  Die  älteste  Hs.  ist  jedoch  unser  clm.  14594,  in 
welchem  ich  sie  unabhängig  von  Joetze  seinerzeit  fand,  vgl.  meine  oben 
erwähnte  Schrift  S.  106.  Zu  Kampers  S.  123  bemerke  ich,  dass  die 
Prophezeiung  nicht  durch  Veit  Arnpeck  überliefert  ist,  wie  es  dort  heisst, 
sondern  durch  unsere  Fundationes.  Veit  Arnpeck  erwähnt  sie  nicht. 
3)  Vgl.  die  Urkunde  (d.  d.  Vilshofen  19.  April  1260)  Mon.  B.  XI,  234 
und  Quellen  und  Erörterungen  V,  171. 


Fundationes  monasteriorum  Bavariae.  693 

mam  in  Rottal  et  Marchartstein.  Hornm  anime  in  sancta 
pace  requiescant'. 

fol.  53'.   Traditiüusnotizen  ^  aus  Niederaltaich. 

fol.  54 — 55.  Annalistiscbe  Notizen  von  Christi  Geburt 
bis  1322.  Auffallend  oft  ist  der  Minoritenorden  erwähnt. 
Woher  diese  Aufzeichnungen  stammen,  wage  ich  nicht  zu 
entscheiden.  Am  nächsten  liegt  es,  den  Ursprung  in  einem 
baierischen  Minoritenkloster  zu  suchen,  vgl.  z.  B.  die  An- 
gaben : 

1275.    fratres  minores  claustrum  fecerunt  in  Ingestat. 

1280.  monasterium  fratrum  minorum  in  Lantzhuet 
fundatur. 

1315.  consecratus  est  chorus  minorum  in  Lantzhuet 
in  honore  S.  Marie,  Petri  et  Pauli. 

Sie  sind  bisher  nur  in  der  Comp,  gedruckt  ^. 

fol.  55'.    Straubinger  Annale n. 

In  einer  scharfsinnigen  Untersuchung  'Die  ältesten 
Spuren  geschichtlicher  Aufzeichnungen  in  Straubing'  ^  hat 
A.  Ebner  mit  grossem  Geschick  aus  den  Ann.Windbergenses^ 
des  clm.  1031  auf  Straubing  bezügliche  Nachrichten  mit 
Einträgen  in  einer  Niederaltaicher  Hs.  (Cod.  pal.  vind.  413 
[bist.  eccl.  29]),  die  schon  Böhmer  (Archiv  VII,  478)  'eine 
kleine  Straubinger  Chronik'  nannte,  und  schliesslich  mit 
den  Straubings  Geschichte  betreffenden  Stellen  der  Comp, 
verglichen  und  ihr  Verhältnis  zu  einander  festzustellen 
gesucht.  Er  kam  zu  dem  Ergebnis,  dass  in  den  drei  Auf- 
zeichnuugen  einheimische  Straubinger  Quellen  benutzt  sind. 
Ueber  die  Art  derselben  wurde  er  sich  nicht  ganz  klar, 
woran  ihn  hauptsächlich  wohl  die  unsichere  Herkunft  und 
Zusammengehörigkeit  der  in  der  Comp,  enthaltenen  Nach- 
richten gehindert  haben  mag.  Festeren  Boden  gewinnen 
wir,  wenn  wir  sehen,  dass  und  wie  die  einzelnen  auf  Strau- 
bing bezüglichen  Theile  der  Comp,  zusammengehören.  Nach 
den  unten  folgenden  Erörterungen  über  das  Verhältnis 
der  Comp,  zu  den  Fundationes  ist  es  unzweifelhaft,  dass 
die  in  der  Comp,  zerstreuten  Nachrichten  sich  auf  fol.  55' 

1)  Benutzt  Hund  174/5.  Gedr.  Comp,  ad  a.  1000.  1040.  1049. 
1246.  1301.  Oefele  bemerkt  dabei  am  Rand  ad  a.  1000:  'Haec  videntur 
e  chron.  Ältahensi  a  compilatore  nostro  excerpta'.  2)  Ad  a.  1109.  1129. 
1200.  1205.  1208.  1212.  1224.  1220.  1228.  1231.  1233.  1236.  1238  (d.  h. 
die  Nachricht  zu  diesem  Jahr  bringt  die  Comp,  fälschlich  ad  a.  1387!). 
1241.  1246.  1250.  1251.  1253.  1255.  1256.  1257.  1260.  1266.  1268.  1272. 
1275.  1277.  1290.  1291.  1298.  1310.  1312.  1313.  1315.  1322.  Einige 
Notizen  fehlen  in  der  Comp.  3)  In  Sammelblätter  zur  Geschichte  der 
Stadt  Straubing  N.  164  (1885).  4)  Mon.  ß.  XIV,  108;  Böhmer,  Fontes 
III.  524-,   SS.  XVn,  565. 


694  Georg  Leiclinger. 

unseres  clm.  14594  beisammen  finden  in  einer  Form,  dass 
wir  sie  unbedenklich  als  ßeste  von  Straubinger  Annalen 
bezeichnen  dürfen.  Die  drei  Texte  (der  Windberger,  Nieder- 
altaicher  und  der  unsrige)  stehen  mit  einander  selbst  in 
keiner  unmittelbaren  Berührung,  sondern  haben  jeder  für 
sich  die  gleiche  Quelle  benutzt,  deren  Eutstehungsort 
Straubing  (Karmeliterkloster)  sein  dürfte.  Ebners  Ansicht, 
dass  die  Windberger  Zusammenstellung  als  Vorlage  der 
Niederaltaicher  betrachtet  werden  muss,  theile  ich  aus 
mancherlei  Gründen  nicht.  Jede  der  drei  Quellen  hat 
Einzelheiten  der  Vorlage  mehr  oder  weniger  aufgenommen, 
aus  denen  deutlich  erkennbar  ist,  dass  kein  direkter  Zu- 
sammenhang der  drei  besteht. 

clm.   14594  giebt  folgenden  Text^: 

1288  -.  A  voragine  ignis  Strubinga  est  destructa  in  vi- 
gilia  ^  Pantaleonis. 

1313'^.    Habitus  est  conflictus  in  Gamelsdorff  ^. 

1315.  Facta  est  fames  magna,  quod  schaffa  siliginis 
solvebat*'  5  libris  et  60  denariis  ßatisponensibus. 

1332.  Ludwicus  Imperator  obsedit  Strubingam  secunda 
feria  ^  ante  festum  Udalrici  et  permansit  ibi  usque  ad  fes- 
tum  Bartholomei^  et  fecit  pontem  in  Chabers"  ultra  Da- 
nubium. 

1338.  Cremati  sunt  ludei  in  Strubinga  et  in  Tecken- 
dorff.  Eodem  anno  multitudo  ^^  locustarum  volaverat  per 
totam  terram  Bavarie. 

1342.  Diluvium  erat  tantum,  quod  transiit  ultra  pon- 
tem in  Strubinga. 

1347.  Obiit  Imperator  Ludwicus  ^^ 

1348.  Factus  est  terremotus  magnus  in  die  conversio- 
nis  S.  Pauli  ^\ 

1350  ^^.    Erat  pestilencia  magna  per  totam  Almanniam. 

1356.  Albertus  dux  Bavarie  obsedit  castrum  Natern- 
berg.  Eodem  anno  fuit  iterum  terremotus  in  die  Luce 
evangeliste  ^*  in  gallicantu. 

1)  Wo  nichts  1:)einerkt  ist,  stimmt  derselbe  mit  W  und  N  überein. 
2)  W  und  N  berichten  voraus,  dass  Straubing  1218  erbaut  wurde;  fehlt 
hier,  wohl  weil  schon  in  den  vorausgehenden  Annalen  gemeldet  wird: 
'1208  Straubinga  construitur'.  3)  27.  Juli.  4)  Fehlt  N.  5)  Später 
zwischen  die  Zeilen  geschrieben:  'in  die  quatuor  coronatorum'.  6)  Sic, 
auch  W  und  N.  7)  2.  Juli.  W:  'circa  festum  S.U'.  X.:  'Secunda  feria 
post  f.  S.U'.  8)  24.  Aug.  W  und  N:  'usque  ad  quintam  feriam  ante  f. 
S.B'.  9)  Kagers,  Dorf  an  d.  Donau  oberh.  Straubings.  W:  'Chabers', 
N:  'Chagers'.  10)  Hs.  'multae'.  11)  Am  Rand  von  derselben  Hand 
Zusatz :  'qui  fuit  intoxicatus  a  Johanna  ducissa  Austrie'.  Siehe  dazu 
unten  S.  706.  12)  25.  Jan.  13)    Fehlt  W  uud  N.         14)    18.  Oct. 


Fundationes  monasteriorum  Bavariae.  695 

1360.  Dnx  Albertus  obsedit  castrum  in  Hilgersperge  ^ 

1360'-.  Albertus  dux  ßavarie  struxit  castrum  in  Stru- 
binga. 

1867  ^.  Albertus  dux  Bavarie  fundavit  claustrum  fra- 
trum  Carmelitarum  in  Strubinga.  Post  festum  Michaelis 
dominica  die  cantabatur  prima  missa  ibidem.  Albertus 
Stejnhauf  addidit  cenobio  magnam  aream. 

1378'*.  Albertus  filius  Alberti  ducis  venit  de  Hollan- 
dia  in  Strubing  et  incepit  ibi  regere. 

fol.  56.  Annalistische  Notizen  ^,  kaum  zusammenge- 
hörig. 

fol.  56'.    Ueberschrift :  Ad  S.  Nicolaum  Patavie. 

lieber  Errichtung*^  und  Privilegien  von  St.  Nikolaus 
in  Pas  sau. 

fol.  56' — 57.    Ueberschrift  Osterhoven. 

Gründungsgeschichte  '  von  Oster hofen. 

fol.  57 — 58.  Annalen'^  von  1256 — 1308:  Auszug  aus 
den  Ann.  Osterhovenses  SS.  XVII,  537 — 558.  Zu  einzelnen 
Jahren  finden  sich  aus  den  auch  von  letzteren  benützten 
Annalen  Hermanns  von  Altaich  und  ihrer  Altaicher  Fort- 
setzung Stellen,  die  in  den  Osterhofener  Annalen  (wenig- 
stens in  der  von  Wattenbach  herausgegebenen  Form)  fehlen. 

fol.  58'.    Ueberschrift:    Metem. 

Gründungsgeschichte  von  Metten  in  der  ältesten  er- 
haltenen Form.  Zwischen  die  Nachrichten  von  der  nach 
dem  Brande  des  Klosters  erfolgten  Wiederaufrichtung  und 
von  Abt  Konrad  von  Auerbach  ist  die  Geschichte  der 
Gründung  durch  Karl  den  Grossen  eingeschoben.  Bisher 
fand  sich  diese  Geschichte  am  frühesten  bei  Andreas  '■*  von 


1)  Hilgartsberg.  2)  Links  am  Rand.  Nicht  bei  W  und  N". 
3)  Unten  am  Rand.  Nicht  bei  W  und  N.  4)  Links  am  Rand.  Nicht 
bei  W  und  N.  5)    Gedr.  Comp,   ad   a.  1310.  1349.  1379.   1242.  1337. 

Ob  aus  Osterhofen?  Aber  ohne  Zusammenhang  mit  den  Ann.  Oster- 
hovenses SS.  XVII,  537—558.  6)  Benutzt  Hund  251  (in  chronica 
scripta  monasteriorum  Bavariae  invenio  etc.).  Gedr  Comp,  ad  a.  1027. 
7)  Gedr.  Hund  259;  Mon.  B.  XII,  329;  SS.  XV,  2,  1105  ed.  Holder- 
Egger,  der  dazu  von  den  Fundationes  -  Hss.  clm.  27164  und  cod.  pal. 
vind.  3520  benutzte.  —  fol.  56''  am  Rand  Notizen  über  Burgenbauten  in 
Schärding  (1225),  Flinsberg  (1230),  Teisbach  (1251),  Dingolfing  (1251) 
aus  den  Annalen  Hermanns  von  Altaich.  —  fol.  57  Notiz:  '1375  in  die 
Gregorii  obiit  Lupoldus  ultimus  comes  de  Halse  sepultus  in  Osterhoven'. 
Das  gleiche  Datum  auch  auf  dem  Grabstein  jenes  letzten  Grafen  von 
Hals.  Vgl.  Brunner,  Die  Grafen  von  Hals,  S.  55  Anm.  1.  8)  Zum 
grösseren  Theil  auch  gedr.  Comp.  —  ad  a.  1308  hat  die  Hs.  bei  Heinrich 
dem  Natternberger  am  Schluss  als  späteren  Zusatz:  'qui  obiit  a  saltu 
solarii  in  Naternberg'  (1333).  9)  Mittermüller,  Das  Kloster  Metten 
S.  10:  'ob  sie  in  noch  altern  Schriften  aufgezeichnet  war,  aus  denen 
Andreas  schöpfte,  lässt  sich  nicht  ermitteln'. 


696  Georg  Leidinger. 

Regensburg,  der  den  mittleren  ^  Theil  unseres  Textes  im 
Chronicon  generale  -  überliefert. 

Karolus  Magnus  fundavit  claustrum  in  Metem  anno  .  .  . 

Anno  1236  combustum  est  monasterium  S.  Michaelis 
in  Metem  et  omnia  meuia  eins  diruta  atque  destructa. 
Anno  autera  1264  indiccione  VII.  IV.  Idus  lunii  recon- 
secratum  est  iam  prenominatum  cenobium  eiusque  altare 
reconsecrando  reformatum^  agente  domino  Conrado  de  Aur- 
bach plebano  cum  promocione  Ottonis  et  filiorum  eins  du- 
cum  ßavarie. 

Notandum  autem,  quod  primitiva  fundacio  prenominati 
monasterii  exordium  habuit  sub  Karolo  Magno  in  hunc 
modum.  Cum  enim  Karolus  Magnus  provinciam  Bavarie 
tunc  temporis  obtineret,  accidit  quod  transitum  faceret  in 
venacione  positus  per  locum,  in  quo  predictum  monasterium 
pronunc  est  situm,  tunc  silvaticum  existentem,  viditque  ibi- 
dem hominem  disposicione  heremitica  existentem,  qui  in 
construccione  cuiusdam  cellule  extitit  occupatus  et  bijjen- 
nem,  cum  quo  lignum  excidebat,  ad  radios  solares  suspen- 
dentem.  Quo  viso  miraculo  predictus  rex  admonuit  pre- 
fatum  heremitam  nomine  Uttonem,  ut  aliquid  peteret  ad 
profectum  suum,  quod  presto  esset  se  daturum.  Qui  petiit, 
ut  cultus  Dei  in  construccione  cuiusdam  monasterii  ampli- 
ficaretur.  Quod  rex  statim  annuit  et  monasterium  ibidem 
fieri  iussit  et  muneribus  magnificis  regaliter  sublimando  do- 
tavit.  In  quibus  sublimationibus  per  longa  tempora  per- 
duravit,  sed  gravissime  per  combustionem  ignis  est  depressum. 
In  qua  desolacione  per  longa  tempora  deguit,  quousque 
secundario  fuit  reformatum,  ut  prius  est  expressum. 

Anno  1297^  obiit  Cunradus  de  Aurbach  abbas  et 
erector  ^  claustri  in  Metem  **. 


I 


1)  'Ab  hoc  quoque  Karolo  primitiva  fundatio  monasterii  in  Metten 
exordium  habuit  in  hunc  modum'  .  .  .  bis  'muneribus  magnificis  regaliter 
sublimando  dotavit'.  2)  Pez,  Thes.  IV,  3,  440,  wohl  aus  unserem  Text. 
3)  'Anno  1236'  .  .  .  bis  'reformatum'  ist  auch  in  clm.  8201a  (Speculum 
naturale  des  Vincentius  Bellovacensis)  nach  der  Schlussnote  'Anno  D.  1332 
scriptus  est  iste  liber'  etc.  eingeschrieben  (aber  nicht  von  der  Hand  des 
Schreibers  der  ganzen  Hs.,  wie  Mittermüller  S.  36  meinte).  Die  oben 
folgenden  Worte  'agente  domino  Conrado'  etc.,  die  clm.  8201a  nicht  ent- 
hält, sind  aus  anderer  Quelle  sicher  irrthümlich  darangefügt.  Bruschius, 
Centuria  II,  27.  28  verbreitete  den  Irrthum  (Konrad  von  Auerbach  war 
erst  1287—1297  Abt  des  Klosters)  weiter.  Mittermüller  (S.  40  und  51) 
sah  sich  hier  darum  vor  kaum  entwirrbaren  Zweifeln,  die  aber  im  Sinne 
seiner  Anm.  167  zu  lösen  sein  dürften,  besonders  wenn  man  nun  noch 
annimmt,  dass  der  Irrthum  in  der  vorliegenden  Zusammenschreibung 
entstand.  4)    So    auch    der   noch   vorhandene    Grabstein.  5)    Siehe 

dazu  Mittermüller  Anm.  167.  6)  Diese  letzte  Notiz  gedr.  Comp.,  ebenso 
eine  unten  am  Rand  der  Hs.  angebrachte,  wohl  auch  aus  Metten  stam- 
mende Note  ad  a.  1347. 


Fundationes  monasteriorum  Bavariae.  697 

fol.  59.    Ueberschrift:   Windenberge. 

1.  Notiz  ^  über  die  Gründung  des  Prämonstratenser- 
klosters  Windberg  nnd  die  Familie  der  Gründer. 

2.  Note  ad  a.  1196  ans  den  Ann.  Windbergenses  2. 
fol.  59'.  Verschiedene  werthlose  Notizen^.    Beachteus- 

werth  (zur  Baugeschichte  von  St.  Emmeramm  in  Regens- 
burg)  ist  nur  folgende  vielleicht  von  dem  Schreiber  der 
Hs.  selbst  herrührende  ungedruckte  Auf  Schreibung :  '1387 
ipso  die  Blasii^  hora  horologii  tercia  dormitorium  S.  Em- 
merammi  igne  comburitur  per  Wolfhardum  dictum  Perch- 
toltshover  eiusdem  monasterii  monachum  presidente  tunc 
temporis  Frederico  abbate  domino  de  Wydenberg  •",  qui  pre- 
dictum  monasterium  eodem  et  in  uno  anno  construxit  et 
reformavit.  Capeila  vero  S.  Colomanni  sita  subter  dormi- 
torium incombusta  et  illesa  remansit,  que  tamen  sita  fuit 
quasi  in  medio  ignis'. 

fol.  60—60'.    Ueberschrift:  Obernalta. 

Geschichte  ^  der  angeblichen  Restauration  des  Klosters 
Oberaltaich  und  seiner  weiteren  Schicksale,  gefertigt 
nach  der  ältesten  datierten  Urkunde  des  Klosters  v.  J.  1104 
und  der  ßestätigungsbulle  Honorius'  II.  von  1126,  Mon. 
B.  XII,   15  u.  98.     Dazu  Note  ad  a.  1220. 

fol.  61.  Ueberschrift:  Unser  Frawen  Celle  (von  anderer 
Hand  Zusatz:  'apud  Prennberg'). 

Gründungsgeschichte'  des  Klosters  Frauenzell.  Ist 
Auszug  aus  der  bei  Hund-Gewold  II,  468  gedr.  Confirma- 
tionsurkunde  des  Bischofs  Nikolaus  von  Regensburg  von 
1320  (nicht  1324,  vgl.  Janner,  Gesch.  d.  Bischöfe  von  Re- 
gensburg III,   159)  mit  Zusatz  am  Schluss. 

fol.  61.    Ueberschrift:   Ratispona. 

Unter  dieser  Ueberschrift  folgen  auf  den  nächsten 
Blättern  eine  Anzahl  Notizen  verschiedenster  Art,  von  denen 
manche  aus  verlorenen  Regen sburger  Quellen  stammen, 
einzelne  in  den  Resten  der  Regensburger  Quellen  zu  finden 
und  die  meisten  in  die  späteren  Regensburger  Geschichts- 
erzeugnisse übergegangen  sind. 

1.   Note^  ad  a.  1337,  zu  welcher  höchstwahrscheinlich 

1)  Benutzt  Hund-Gewold  III,  488;  gedr.  Comp,  ad  a.  1143. 
2)  SS.  XVII,  565.  3)  Am  Rand  links  oben  steht:  'Hasebecke  predi- 
cator  in  Ratispona'.  Was  dieser  Name  hier  zu  bedeuten  hat,  ist  unklar. 
4)  3.  Febr.  5)  Abt  Friedrich  von  Weidenberg  1:385  —  1395.  6)  Gedr. 
Comp,  ad  a.  1104.  1125.  1220.  Vgl.  Mayer,  Ueber  die  Gütererwerbungen 
des  Klosters  Oberaltaich  S.  19.  7)  Gedr.  Comp,  ad  a.  1324.  8)  Gedr. 
Comp.  Mitgetheilt  auch  von  Andreas  von  Regensburg  (Pez,  Thes.  IV,  3, 
562)  und  in  der  Farrago  historica  bei  Oefele  II,  507  (wonach  Riezler, 
Gesch.  Baierns  11,458  Anm.  1  zu  berichtigen  ist).  Ueber  den  Denkstein 
vgl.  Graf  Walderdorff,  Regensburg^  S.  373. 


698  Georg  Leidinger. 

die  g'leiclizeitige  Inschrift  eines  noch  vorhandenen  Denk- 
steines zu  Eegensburg  benützt  wurde. 

2.  Kurze  Geschichte  der  h.  Aurelia  ^. 

3.  f.  61'.   Ueberschrif t :  'S.  Emmerammi  Eatispone'. 
697.    Appollonius  primus  abbas  ecclesie  S.  Emmerammi 

preficitur.  Cui  successit  Sandradus.  Item  abbas  Sigis- 
mundus  a  Karulo  Magno  preficitur.  793  .  .  .  damit  ist  ab- 
gebrochen und  die  ganze  Seite  leergelassen.  Vielleicht 
liegt  hier  der  fehlende  Anfang  der  Annales  S.  Emmerammi 
brevissimi  (ed.  Jaffe  SS.  XVII,  571)  vor. 

4.  fol.  62  — 63.  Eegensburger  Annalen  874—1026. 
Sie  erweisen  sich  als  Reste  jenes  zu  Regensburg  entstan- 
denen und  als  Ganzes  leider  nicht  mehr  vorhandenen  An- 
nalenwerkes,  aus  dem  sich  in  zwei  in  manchen  Theilen  von 
einander  abweichenden  Hss.  Excerpte  erhalten  haben.  Der 
Text  der  letzteren  wurde  von  Wattenbach  in  den  SS.  XVII, 
577 — 590  als  Annales  Ratisponenses  -  herausgegeben.  Die 
in  clm.  14594  enthaltenen  Reste  bringen  — ■  verglichen  mit 
W^atteubachs  Annales  Ratisponenses  —  gleiche  oder  ähn- 
liche Nachrichten  ad  a.  874.  886.  888.  889.  892.  894  (Hs. 
893).  895  (Hs.  894  u.  895).  900.  912.  916.  917.  918.  929. 
930.  931.  934.  936.  949.  955  (Hs.  956).  995.  998.  1002.  1026. 
Mehr  als  die  Ann.  Ratisp.  berichten  sie  ad  a.  880  und  1024 
und  ausserdem  bringen  sie  Angaben  zu  den  von  den  Ann. 
Ratisp.  überhaupt  nicht  berührten  a.  896.  898.  921.  1001. 
1014.  Alle  diese  Reste  sind  aber  dürftig  und  unbedeutend. 
Immerhin  darf  eine  etwaige  Neuuntersuchung  der  Regens- 
burger Geschichtsquellen  sie  nicht  ganz  ausser  Acht  lassen. 

Zwischen  die  Jahre  900  und  912,  bei  deren  ersterem 
der  Tod  Kaiser  Arnulfs  verzeichnet  steht  (SS.  XVII,  583), 
ist  ein  den  Annalen  ursprünglich  fremdes  Stück  ^  über 
Arnulfs  Zug  gegen  die  Normannen  ('Arnulfus  regum  Europe 
olim  famosissimus'  etc.)  eingeschoben.  Dasselbe  dürfte  aus 
einer  späteren  Regensburger  Quelle  stammen. 


1)  Vgl.  Rader,  Bavaria  sancta  II,  166.  2)  Vorher  bei  Böhmer, 
Fontes  III,  488—495  als  Hugonis  (de  Lerchenfeld)  Ratisponensis  Cronica 
ohne  Kenntnis  der  zweiten  von  Wattenbach  benutzten  Hs.  3)  Andreas 
von  Regensburg  hat  es  in  sein  Chron.  gen.  (Pez,  Thes.  IV,  3,  458)  und 
Chron.  de  duc.  Bav.  (Freher  S.  32)  aufgenommen.  Vgl.  auch  den  Traktat 
De  ducibus  Bavariae  in  cod.  pal.  vind.  3402,  fol.  175.  —  fol.  63  Note  über 
die  Einführung  des  Allerseelentages.  Vgl.  Ringholz  in  Studien  und  Mitth. 
a.  d.  Benediktinerorden  2,  II,  236  und  Sackur,  Die  Cluniacenser  II,  230 
und  475.  —  fol.  63.  Ueberschrift:  Divisio  ecclesiarum  S.  Petri  et  B.  Marie 
in  Monaco.  Aufzeichnung  ad  a.  1271  über  die  Theilung  Münchens  in 
zwei  Pfarrsprengel.  Gedr.  Comp.  Vgl.  Ann.  Undersdorfenses  SS.  XVII, 
332. 


Fundatioiies  monasteriorum  Bavariae.  699 

5.  Aufschreibungen,  die  in  der  Absicht  gemacht  zu 
sein  scheinen,  die  hervorragendsten  Grrabstätten  zu  St.  Em- 
meramm  aufzuzählen.  Von  Werth,  wie  sich  gelegentlich 
der  neuerdings  erfolgten  Entdeckung  der  Confessio  des  h. 
Emmeramm  zeigte. 

a)  Anno  994.  pridie  Kai.  Novembris  S.  Wulfgangus 
Eatisponensis  episcopus  XII.  migravit  ad  Dominum,  qui 
ibidem  rexerat  annis  XXII.  Anno  1052  Non.  ^  Octobris  a 
B.  Leone  papa  IX.  est  canonizatus  et  in  criptam  Occi- 
dental em  translatus^  presente  et  procurante  Heinrico  im- 
peratore  III.  in  Pabenberg  (sie)  sepulto. 

b)  Notandum  ^  et  unicuique  devoto  sciendum  est,  quod 
locus,  in  quo  constructum  est  monasterium  S.  Emmerammi, 
Mons  Martyrum^  antiquitus  vocabatur  pro  eo,  quod  tunc 
fide  catholica  pullulante  in  eodem  loco  infiniti  pro  fide 
catholica  martyrium  subierunt,  et  omnes  isti  martjres  in 
cripta  Orientali,  que  appellatur  vulgariter  cripta 
S.  Eamuoldi,  patruelis  S.  Wulfgangi,  corporaliter  sunt 
sepulti,  et  altare  S.  lohannis  versus  orientem,  quod  propter 
eosdem  Sanctos  'a  pede  Sanctorum'  vocatur,  ob  eorun- 
dem  martyrum  reverenciam  est  constructum. 

c)  Anno  995.  Kai.  Novembris  obiit  Heinricus  primus 
dux  Bavarie  ad  S.  Emmerammum  sepultus^  ßatispone  in 
latere  aquilonari.  Heinrici'^  regis  pater  et  defensio 
legis  —  Bavarie  cultus  pius  est  hie  dux  H.  sepultus. 

d)  S.  Emmerammus  Pictaviensis  episcopus  predicando 
verbum  Dei  venit  in  Bavariam  et  ibidem  in  Helffendorf 
pro  Christo  passus'  est  scilicet  membratim  incisus  a  baro- 
nibus  de  Peierbrunnen,  qui  tunc  rexerunt  Bavarie  ducatum. 
Mortuus  autem  est  in  loco  gramineo,  qui  proprie  dicitur 
vf  dem  gevilde,  ubi  nunc  est  capella  in  honorem  nominis 
ipsius,  sepultus  vero  primo  in  villa  Ascheym  in  ecclesia 
principis  apostolorum   ibique   per   40  dies  quiescens  divina 

1)  Vgl.  zu  diesem  richtigen  Datum  SS.  XVII,  572  Anm.  29.  2)  Vgl. 
Walderdorft',  Regensburg*  S.  317.  3)  Gedr.  aus  dem  ehem.  Emmer- 
ammer  Clm.  14002  (geschrieben  1347),  fol.  194,  bei  Endres,  Die  neuent- 
deckte Confessio  des  h.  Emmeramm  zu  Regensburg,  Rom.  Quartalsschrift 
IX,  30.  Vgl.  auch  Ebner,  Die  ältesten  Denkmale  des  Christenthums  in 
Regensburg,  in  Verhandlungen  d.  hist.  Vereins  v.  Oberpf.  u.  Regensb.  45, 
174.  4)  Vgl.  dazu  Dürrwaechter,  Die  Gesta  Caroli  Magni  der  Regens- 
burger Schottenlegende  S.  31  u.  186.  5)  Zu  dieser  Nachricht  vgl. 
Hirsch,  Jahrbücher  I,  175  Anm.  4.  Ueber  die  Tumba  im  nördlichen 
Seitenschiff  zu  St.  Emmeramm,  vgl.  "Walderdorff  a.  a.  0.  345.  6)  Am 
Rand  der  Hs.;  Inschrift  auf  dem  Rande  der  Platte  der  Tumba.  7)  So 
beginnt  die  (auch  schon  von  Andreas  von  Regensburg  mitgetheilte)  Grab- 
schrift und  fährt  fort:  'passus  est  anno  D.  652  et  hie  primo  tumulatus  est' 
(Walderdorff  a.  a.  0.  338). 


700  Georg  Leidinger. 

revelacione  mirabiliter  deductus  est  ad  urbem  prenobilem 
Ratisponam  anno  652. 

e)  Anno  900.  (sie)  obiit  Arnulfus  Imperator  et  est  se- 
pnltns  in  cboro  S.  Emmerammi  Ratispone  cor  am  sum- 
mum  altare,  cui  loco  multa  bona  fecit,  ut  patet  in  chro- 
nicis.  Cui  successit  filius  eins  Lndwicus ,  qui  rexit  XII 
annis  Romanorum  rex  et  obiit  anno  912  (sie)  et  est  sepul- 
tus  in  medio  orientalis  cliori  S.  Emmerammi  Ratis- 
pone ante  summ  um  altare^. 

f)  Anno  1001.  erastino  die  S.  Viti  sanetus  pater 
Ramuoldus  migravit  ad  (Dominum)  et  sepeliebatur  in  orien- 
tali  cripta-  S.  Emmerammi.  qui  plura  et  nobilia  signa  fecit. 

6.  Noten  wohl  aus  St.  Emmeramm  stammend. 

fol.  64.  ad  a.  1052.   1254  3.   i258.   1299^.   1308  ^   1197  «^^ 

fol.  64'.    ad  a.   1202  '. 

fol.  65.  Noten  (vielleicht  unter  Zugrundelegung  einer 
Prüveninger  Bearbeitung  der  Ann.  Ratisponenses  SS.  XYII, 
585—589)  ad  a.  1109.  1117  (Comp.  1114).  1130.  1163  (Ann. 
Rat.  1153).  1166.  1161.  1166  (Ann.  Rat.  1167).  1152.  1176. 
1253  (nicht  in  den   Ann.  Rat.)«.   1228  •'. 

fol.  65' — 66.  Bruchstück  einer  St.  Emmerammer  Auf- 
zeichnung von  881  —  919,  einer  Quelle,  aus  welcher  auch 
Andreas  von  Regensburg  ^'^  geschöpft  haben  muss. 

fol.  66  —  67.  Annalenii  ad  a.  1203.  1204.  1205.  Iden- 
tisch mit  den  Nachrichten  der  Continuatio  der  Admunter 
Annalen  SS.  IX,  590  f.^^. 

fol.  67.  Note  über  die  Schenkungen  Kaiser  Arnulfs 
nach  St.  Emmeramm.  Aus  der  nämlichen  Quelle  schöpfte 
auch  Andreas  von  Regensburg  (Pez,  a.  a.  O.) 

7.  Noten  aus  Obennünster  in  Regensburg. 

886.  indiccione  IV.  IV.  Kai.  Maii  regnante  Karulo 
imperatore   Ludwici   et   Hemme  regine   filio    et   presidente 

1)  Walderdorff  a.  a.  0.  336/7.         2)    Das.  306.  8)    Andreas  von 

Regeusburg  bringt  (Chron.  gen.  bei  Pez,  Thes.  IV,  3,  531)  dieselbe  Nach- 
richt mit  den  gleichen  Worten  und  der  Angabe  'ut  legitur  in  cronica  ad 
sanctum  Emmerammum  ßatisijonae'  zum  Jahr  1251.  4)    Comp,  ad  a. 

1249!  5)  Diese  fünf  Noten  gedr.  Comp.         6)  Identisch  mit  dem  Ab- 

schnitt z.  d.  .T.  der  Notae  S.  Emmerammi  SS.  XVII,  573  f.  7)  Die- 
selbe Nachricht  in  der  Continuatio  der  Admunter  Annalen  (in  einer  von 
den  übrigen  abweichenden  Hs.)  SS.  IX,  590.  Gedr.  Comp.  8)  Sämmtl. 
gedr.  Comp.  9)  Identisch  mit  dem  sich  an  die  oben  erwähnten  Nach- 
richten ad  a.  1197  anschliessenden  Theil  der  Notae  S.  Emmerammi  SS. 
XVII,  574.  Gedr.  Comp,  ad  a.  1228.  1229  und  folgende.  10)  Vgl. 
Chron.  gen.  bei  Pez,    Thes.  IV,  3,  459.  11)    Gedr.    Comp,    zu    diesen 

.lahren.  12)  Vgl.  oben  fol.  64'  ad  a.  1202.  Die  Admunter  Fortsetzung 
resp.  jene  abweichende  Hs.  derselben  dürfte  in  einem  engen  Verhältnis 
zu  Regensburg  stehen. 


Fundationes  monasteriorum  Bavariae.  701 

Emericho  (sie)  Eatisponeiisis  ecclesie  episcopo  datum  est 
Privilegium  ^  superiori  monasterio  in  villa  Eotvvil  etc. 

1020.   1052  2. 

fol.  67'.    Ueberschrif t :   Keisersheim. 

Grüudungsnotiz ^  des  Klosters  Kaisheim  (Kaisers- 
heim). 

fol.  68.    1.  Uebersclirif t :   'Malhersdorff'. 

Notiz  ^  über  Gründung  des  Benedictinerklosters  und 
den  späteren  Kirchenbau  in  Mallersdorf. 

2.  Ueberschrift :  Vallis  Felix. 

Note''  über  das  Begräbnis  der  Gründerin  des  Cister- 
cienser- Nonnenklosters  Selige nthal  bei  Landsbut. 

3.  CFeberschrif t :  Landeshut  predicatores. 

Note  ^  über  die  Gründung  des  Dominikanerklosters  in 
Lands  hut. 

fol.  68'.  Ueberschrift:  Petenbach  alio  nomine  Scheftlern. 

Kurze  Aufzeichnung  ^  über  Gründung,  Verfall  und 
Wiederaufrichtung  des  Klosters  Schäftlarn. 

fol.  72.  3  Stücke '^  aus  Hermanns  von  Niederaltaich 
Schrift  De  institutione  monasterii  Altahensis  SS.  XVII, 
370—372. 

fol.  74.  Ueberschrift :  Cenobium  Montis  S.  Viti  in  No- 
voforo. 

Gründungsgeschichte  ■*  des  Benediktinerklosters  S  t. 
Veit  bei  Neumarkt  a.  d.  Rott. 

fol.  71'.    1.  Ueberschrift:   Genghoven. 

Notizen^''  über  Gründung  und  Geschichte  der  Deutsch- 
ordenskommende  in  Gangkofen  bei  Landshut. 

1)  In  chronikalischen  Aufzeichnungen  bisher  zuerst  erwähnt  bei 
Aventin,  Annales  (Sämmtl.  Werke  II,  428).  Vgl.  Mühlbacher  Reg.  1698. 
Ueber  die  gefälschte  angebliche  Original -Urkunde,  deren  Protokoll  jedoch 
aus  echter  Vorlage  genommen  ist,  vgl.  Mühlbacher,  Die  Urkunden  Karls  III. 
in  SB.  der  AViener  Akademie  92,  493.  2)  Beide  gedr.  Comp.  3)  Der 
Schluss  stammt  aus  der  bei  Hund-Grewold  II,  216,  Lünig,  Spicil.  eccl. 
III,  326  und  bei  Schaidler,  Chronik  des  ehem.  Reichsstiftes  Kaisersheim 
S.  Vn,  gedr.  gefälschten  (vgl.  Steichele,  Das  Bisthum  Augsburg  II,  612) 
Bestätigungsurkunde.  Gedr.  Comp,  ad  a.  1130  und  1135.  —  Unten  am 
Rand  von  späterer  Hand  eine  Notiz  ad  a.  1415.  4)  Gedr.  Comp,  ad 
a.  1139  und  1265.  5)  Gedr.  Comp,  ad  a.  1240.  6)  Gedr.  Comp,  ad 
a.  1287.  7)  Gedr.  Hund  289;  Comp,  ad  a.  1140.  Ist  nicht  identisch 
mit  dem  SS.  XVII,  345  gedr.  Stück  De  fundatione  Scheftlariensi.  — 
fol.  69  ist  leer.  fol.  69' — 71'  Notizen  aller  Art,  darunter  fol.  71  eine 
baierische  Herzogsreihe  aus  Niederaltaich,  vgl.  Series  ducum  Bavariae  bei 
Böhmer,  Fontes  III,  480.  8)  Die  beiden  letzten  gedr.  Comp,  ad  a.  1001 
und  1218.  —  fol.  72'— 73'.  Nichthistorische  Notizen;  nur  fol.  73'  zwei 
annalistische  Noten  aus  Niederaltaich  ad  a.  1218  (gedr.  Comp.)  und  1342. 
9)  Gedr.  Comp,  ad  a.  1171.  Oefele  bemerkt  dazu:  'Haec  compilator 
chronici  huius  ex  tabulis  fundationis  videtur  excerpsisse,  quae  tarnen 
Hundii  et  Gewoldi  sagacitatem  effugerunt'.  10)  Gedr.  Comp,  ad  a.  1152. 
1278.  1283. 


702  Georg  Leidinger. 

2.  Ueberschrift :  Semanshausen. 

Notiz  ^  über  die  Gründung  des  Wilhelmiten-  (später 
Augustiner-)  Klosters  zu  Seemannsbausen  südlich  von 
Dingolfing.  Einzige  Quelle,  vgl.  Riezler,  Gesch.  Baierns  II, 
218  und  Janner,  Gesch.  d.  Bischöfe  von  Regensburg  II,  451. 

3.  Ueberschrift:  Wiechpach. 

Nachricht  ^  über  Gründung  und  Vergrösserung  des 
Augustiner -Eremitinnen- Klosters  Niederviehbach  bei 
Dingolfing. 

fol.  76  —  78'.  (fol.  77  gehört  vor  fol.  76  und  scheint 
später  falsch  eingeklebt  worden  zu  sein,  da  der  Text  von 
dem  abbrechenden  Schluss  des  fol.  77'  auf  den  Anfang  von 
fol.  76  hinüberleitet).  Schlechte  Abschrift  (mit  Auslassun- 
gen) eines  Theils'^  der  Annalen  Hermanns  von  Niederalt- 
aich  SS.  XVII,  381  — 407  und  deren  Fortsetzung,  daselbst 
408—416. 

Dazwischen  fol.  76  ein  Stück  ^  ad  a.  1277  aus  Eber- 
hardi  archidiac.  Ratisponensis  annales  SS.  XVII,  598;  fol.  78 
ein  weiteres^  ad  a.  1286  ('Visio  mirabilis  in  claustro  grisei 
ordinis  Tripolis')  ebendaher  (a.  a.  O.  605)  und  schliesslich 
fol.  80'  (die  fol.  79 — 81  enthalten  nicht  hiehergehörige  No- 
tizen) eine  Note  ad  a.   1304  ebendaher  (a.  a.  O.  600). 

Auf  die  Innenseiten  des  Umschlags  der  Hs.,  zu  wel- 
chem, wie  oben  erwähnt,  eine  Pergamenturkunde,  und  zwar 
des  Papstes  Urban  VI.  vom  Juni  1382,  verwendet  wurde, 
hat  der  Sammler  eine  Reihe  von  genealogischen  Bemer- 
kungen —  die  jüngste  nennt  das  Jahr  1382  —  über  An- 
gehörige des  wittelsbachischen  Fürstenhauses  eingetragen. 
Sie  finden  sich  grösstentheils  in  der  Comp,  wieder.  Es 
sind  darunter  einzelne  wohl  brauchbare  Angaben,  die  auch 
Haeutle  in  seiner  'Genealogie  des  erlauchten  Stammhauses 
Witteisbach'  verwerthet  hat. 

Aus  der  ganzen  vorausgehenden  Untersuchung  des 
clm.  14594  ergeben  sich  folgende  Gesichtspunkte:  die  Merk- 
male einer  Sammlung  trägt  unsere  Hs.  in  allen  Theilen 
offenbar  an  sich,  wenn  dies  auch  durch  keinen  Titel,  kein 
Vorwort  oder  auf  irgend  eine  andere  Weise  ausgesprochen 


1)  Gedr.  Comp,  ad  a,  1255.  2)  Benutzt  und  theilweise  gedr. 
Hund  313  (gegenüber  Aventins  Angaben  eingeleitet  mit:  Alibi  autem 
habetur  .  .  .);  ganz  gedr.  Comp,  ad  a.  1296.  —  fol.  75  und  75'  leer. 
3)   Alles   gedr.    Comp.  4)    Nebst   den   beiden  folgenden   gedr.  Comp. 

5)  Auch  in  der  Continuatio  Weichardi  de  Polhaim  SS.  IX,  811  zu  finden. 
Clm.  22117,  fol.  84'  giebt  eine  eigene  Fortsetzung  dazu. 


Fundationes  monasteriorum  BaA^ariae.  703 

ist.  Des  Sammlers  Absicht  ging  wohl  von  vornherein  da- 
hin, zunächst  die  ihm  zugänglichen  Gründungsgeschichten 
baierischer  Klöster  in  einem  Buche  zu  vereinigen  und  dabei 
in  zweiter  Reihe  von  anderen  historischen  Notizen  aufzu- 
nehmen, was  ihm  bekannt  wurde  und  abschreibenswerth 
dünkte.  Ob  er  den  Gedanken,  Klostergründungsgeschichten 
zu  sammeln,  selbständig  entwickelte,  oder  ob  ihm  vielleicht 
schon  eine  ähnliche  kleinere  Sammlung  vorlag,  lässt  sich 
nicht  entscheiden.  Der  Gedanke  lag  nicht  fern;  denn  es 
gab  genug  Fundationes  als  eigene  abgeschlossene  Erzeug- 
nisse der  erzählenden  Litteratur,  während  allerdings  andere 
aus  anderen  historischen  Quellen,  Chroniken,  Annalen,  Ur- 
kunden u.  s.  w.,  herauszunehmen  waren.  Jedenfalls  möchten 
wir  vorschlagen,  das  Ganze  mit  dem  Titel  'Historiae  fun- 
dationum'  oder  kürzer  'Fundationes  monasteriorum  Bavariae' 
zu  bezeichnen.  Aus  dem  Kunterbunt  des  Buches  heben 
sich  fast  40  Gründungsgeschichten  baierischer  Klöster  (nur 
Kaisheim  ist  schwäbisch)  hervor.  Nur  wenig  wichtige  Klö- 
ster des  Landes  fehlen  in  der  Zahl.  Die  vierte  Papierlage 
trennt  nicht  nur  zufällig:  auf  den  ersten  drei  Lagen  sind 
nur  oberbaierische  Klöster  behandelt,  die  beiden  letzten 
Lagen  sind  (abgesehen  von  Schäftlarn  und  Kaisheim)  den 
Klöstern  Niederbaierns  und  der  Oberpfalz  gewidmet. 

Bei  der  Frage,  woher  der  Sammler  seinen  Stolf  holte, 
könnte  man  daran  denken,  dass  er  in  einer  grösseren 
Klosterbibliothek,  etwa  zu  St.  Emmeramm  in  Regensburg 
oder  in  Niederaltaich,  aus  den  dort  vorhandenen  Quellen 
sich  seine  Auszüge  gefertigt  hätte.  Doch  möchten  wir  im 
Hinblick  auf  die  grosse  Mannigfaltigkeit  der  Quellen,  aus 
denen  er  schöpfte  und  die  in  solcher  Menge  sich  kaum  in 
einer  Bibliothek  der  damaligen  Zeit  vereinigt  vorfanden, 
lieber  annehmen,  dass  er,  wie  später  ein  Aventin,  im  Lande 
von  Kloster  zu  Kloster  umhergezogen  ist  und  mit  Bienen- 
fleiss  in  sein  Büchlein  eingetragen  hat,  was  ihm  für  seine 
Zwecke  gut  schien,  hier  mehr,  dort  weniger,  wie  er  es 
fand  und  wie  er  es  nehmen  wollte.  Es  macht  den  Ein- 
druck, als  habe  unser  Sammler  zuerst  in  Oberbaiern,  dann 
erst  in  Niederbaiern  und  der  Oberpfalz  sich  aufgehalten, 
wo  insbesondere  Niederaltaich  und  Regensburg  den  Reich- 
thum  ihrer  historischen  Aufzeichnungen  darboten.  Be- 
achtet man  die  Reihenfolge  der  Gründungsgeschichten  und 
fasst  die  Lage  der  hauptsächlich  behandelten  Klöster  ins 
Auge,  dann  ist  man  fast  versucht,  den  Weg  zu  zeichnen, 
den  der  Sammler  vom  Alpenfuss  bis  zu  den  Hängen  des 
Donauthals  gemacht  haben  könnte. 


Neues  Archiv  etc.     XXIV, 


45 


704  Georg  Leidinger. 

Wer  und  woher  er  war,  können  wir  nur  vermuthen. 
Am  wahrscheinlichsten  ^  dünkt  mich,  dass  er  ein  Mönch  von 
St.  Emmeramm  zu  Eegensburg  gewesen  ist,  dem  Kloster, 
in  dessen  Bibliothek  seine  Sammlungshandschrift  der  Nach- 
welt überliefert  wurde.  Die  jüngsten  Nachrichten  von 
seiner  Hand  betreffen  Ereignisse  des  Jahres  1388 -:  man 
wird  kaum  fehlgehen,  wenn  man  annimmt,  dass  die  ganze 
Sammlung  um  dieses  Jahr  angefertigt  wurde. 

Der  Werth  der  Sammlung  liegt  heute  nicht  sowohl 
in  den  grösseren  Gründungsgeschichten,  die  ja  fast  alle 
auch  sonst  erhalten  sind,  als  vielmehr  in  den  vielen  kleinen 
Notizen  aus  den  verschiedensten  Quellen,  darunter  manchen 
verlorenen,  was  man  nach  den  oben  je  im  Einzelnen  ge- 
gebenen Andeutungen  ermessen  kann. 

Von  clm.  14594  wenden  wir  uns  zur  Beschreibung  der 
übrigen  Hss.  und  Untersuchung  ihres  Verhältnisses  zu 
clm.  14594,  wobei  wir  insbesondere  genöthigt  sind,  die  Auf- 
stellungen Joetzes  im  Einzelnen  zu  verbessern.  Sein  Haupt- 
fehler, der  ihn  auch  verleitet  hat,  in  Sebastian  Rangk  den 
Verfasser  der  Fundationes  zu  erblicken,  ist  der,  dass  er  in 
clm.  221 17  die  Vorlage  des  clm.  27164  erkennen  will,  während 
es  sich  gerade  umgekehrt  verhält,  und  clm.  27164  hin- 
wiederum Abschrift  des  Joetze  unbekannt  gebliebenen  Ori- 
ginals clm.  14594  ist. 

Clm.  27164  (in  4^;  aus  Tegernsee,  später  im  k.  Reichs- 
archiv; auf  dem  vordem  Deckel  der  Titel:  'Fundationes 
aliquorum  monasteriorum  Bavariae  ordinis  S.  Benedicti  et 
S.  Augustini  aliarumque  ecclesiarum  in  Bavaria  existentium' ; 
5  unbezeichnete  und  117  numerierte  Blätter)  zerfällt  in 
zwei  von  zwei  verschiedenen  Händen  geschriebene  Theile, 
deren  erster,  fol.  1  —  93,  vollständige  Abschrift  des 
clm.  14  5  94  ist,  während  der  zweite,  fol.  94  — 112,  eine 
Sammlung  anderer,  hauptsächlich  Salzburger,  Gurker  und 
Chiemseer  historischer  Stücke  enthält.  Auf  dem  1.  unbe- 
zeichneten  Blatt  befindet  sich  ein  Inhaltsverzeichnis  (clm. 
14594  hat  keines),  welches,  wie  die  Hs.  selbst,  in  zwei, 
von  verschiedenen  Händen  geschriebene  Theile  zerfällt. 
Für  den  ersten  Theil  ist  es  überschrieben:  'In  hoc  libello 
continentur  cronicae  fundationum  plurium  monasteriorum' ; 
vorangestellt  ist  dann  Tegernsee  '^  wohl  weil  die  Abschrift 

1)  An  Ettal  (vgl.  Oefele  II,  343)  wegen  der  Ausdrücke  'presens 
templum'  oder  'hiiius  loci'  zu  denken,  ist  unzulässig,  da  ähnliche  Stelleu 
in  den  verschiedenartigen  Theilen  der  Sammlung  auch  sonst  vorkommen. 
2)  Der  Papstkatalog  ist  bis  Urban  VI.  (1378—1389)  geführt.  3)  Nur 
im  Inhaltsverzeichnis;  der  Text  beginnt  wie  14594  mit  Dietramszell. 
Darnach  ist  Joetze  S.  112  zu  berichtigen. 


Fundationes  monasteriorum  Bavariae.  705 

dahin  gehörte ;  die  Reihenfolge  der  übrigen  Stücke  ist  bei- 
behalten. Wichtig  ist  darin  die  Angabe  —  die  Joetze 
entgangen  ist  und  seine  Behauptung  ^,  die  Hs.  müsse  nach 
dem  Papstkatalog  unter  Innocenz  VIII.  (1484; — 1492)  ange- 
fertigt worden  sein,  widerlegt  — :  'Catalogus  summorum 
pontificum  usque  ad  Felicem  V.,  qui  nostro  aevo  electus 
contra  Eugenium  in  concilio  Basiliensi  postea  libere  papatui 
cessit,  quem  sequitur  modernus  summus  pontifex  Nico- 
laus V.  Demnach  wurde  das  Inhaltsverzeichnis  während 
des  Pontificats  Nikolaus'  V.  angelegt.  Die  Abschrift  des 
Textes  selbst,  die  von  anderer  Hand  als  das  Inhaltsver- 
zeichnis herrührt,  fällt  wohl  noch  etwas  früher,  nämlich 
in  die  Zeit  Felix'  V.  Denn  der  Papstkatalog  reichte  wie 
in  clm.  3  4  594  zunächst-,  wie  obige  Notiz  des  Inhaltsver- 
zeichnisses bezeugt,  bis  Felix  V.  Das  wurde  schon  früher 
erkannt:  eine  dem  18.  Jh.  angehörende  Hand  schrieb  an 
den  untern  Rand  des  ersten  Blattes:  'Scriptus  est  hie  liber 
circa  annum  ]440  sub  Eugenio  papa  et  Feiice  suo  anti- 
papa'^.  Der  zweite  Theil  der  Hs.  ist  gegen  Ende  des  15.  Jh. 
geschrieben. 

Die  Abschrift  der  Fundationes  des  clm.  27164  ist 
genau  und  folgt  ängstlich  der  Vorlage  clm.  14  594.  Joetzes 
gekünstelte  Erklärung  für  die  Abstammung  des  clm.  27  164 
von  clm.  22117:  der  Abschreiber  habe  die  in  clm.  22117 
verwirrten  Theile  in  clm.  27  164  geordnet,  indem  er  die 
verschiedenen  Einschiebsel  stets  an  der  rechten  Stelle 
unterbrachte,  fällt  sofort  haltlos  in  sich  zusammen.  Wo- 
her hätte  der  Schreiber  auch  wissen  sollen,  welches  'die 
rechte  Stelle'  ist? 

Randnotizen  des  clm.  14  594  werden  in  clm.  27164 
theils  an  der  entsprechenden  Stelle  auch  an  den  Rand  ge- 
schrieben, theils  in  den  fortlaufenden  Text  aufgenommen. 
Die  unvollständigen,  oft  mitten  im  Satz  abbrechenden 
Stücke  der  Vorlage  sind  in  gleicher  Verstümmelung  abge- 
schrieben. Die  genealogischen  Notizen,  welche  auf  die 
Innenseite  des  Vorderdeckels  von  clm.  14  594  gekritzelt 
sind,  fügt  clm.  27  164  an  den  Schluss  der  ganzen  Abschrift. 
Völlig  klar  wird  das  Verhältnis  der  Hss.  durch  einen  Irr- 
thum,  der  dem  Schreiber  des  clm.  27  164  unterlief  und  sich 
dann  auch  in   die  von  diesem    Codex    abstammenden   Hss. 


1)  S.  112.  2)  Die  späteren  Päpste  wurden  in  clm.  27164  von 
späteren  Händen,  und  zwar  drei  verschiedenen,  eingeschrieben,  zunächst: 
Nikolaus  V.  1447,  Calistus  III.  1455,  Pius  II.  1458,  Paulus  II.  1464, 
Sixtus  rV.  1471;  dann:  Innocentius  VIII. ;  dann:  Alexander  VI.  3)  Da- 
mit modificiert  sich  meine  frühei'e  Ansicht;  Veit  Arnpeck  S.  106. 

45* 


706  Georg  Leidinger. 

fortpflanztet  Auf  fol.  55'  findet  sich  in  den  Straubinger 
Annalen  die  Notiz:  'Anno  1347.  Obiit  imperator  Ludwicus', 
dann  folgt  ein  Zeichen,  welches  auf  einen  an  den  linken 
Rand  quergeschriebenen  Zusatz:  'qui  fuit  intoxicatus  a  lo- 
hanna  ducissa  Austrie'  hindeutet.  Bevor  dieser  Zusatz  an 
den  Rand  geschrieben  wurde,  befanden  sich  dort  schon 
zwei  Notizen:  'Anno  1360.  Albertus  dux  Bavarie  struxit 
castrum  in  Straubinga',  dann  folgte  eine  leere  Zeile,  in 
welche  später  jener  Zusatz  von  der  angeblichen  Vergiftung 
Kaiser  Ludwigs  eingeschrieben  wurde,  und  darunter  standen 
die  Worte:  'Anno  1378.  Albertus  filius  Alberti  ducis  venit 
de  Hollandia  in  Strubing  et  incepit  ibi  regere'.  So  clm. 
14  594.  Nun  ist  in  clm.  27  164,  der  einzelne  Randnotizen, 
wie  erwähnt,  bei  der  Abschrift  in  den  Text  aufnahm,  in- 
folge der  Nichtbeachtung  des  Zeichens  nach  Ludwicus 
folgender   Unsinn    zusammengeschrieben   worden   (fol.  68) : 

'Anno  1360.  Albertus  dux  Bavarie  struxit  castrum  in 
Strawbing,  qui  (!)  fuit  intoxicatus  a  Johanna  ducissa  Austrie. 

Anno   1378.   Albertus  etc.  venit  de  Hollandia  etc. 

Anno  1347.   Obiit  imperator  Ludwicus'. 

Ein  ähnliches  Verhängnis  hat  die  in  clm.  14594  fol.  11 
oben  stehende  Ueberschrift  'Cenobium  Pewerberg  S.  Petri'  in 
clm.  27  164  fol.  12  mitten  in  den  Text  des  Stückes  de  cro- 
nica  Pelagii  hineinverschlagen,  und  so  Hessen  sich  noch 
eine  ganze  Reihe  von  Kleinigkeiten  anführen,  die  clm.  14  594 
sicher  als  die  Vorlage  von  clm.  27  164  kennzeichnen. 

'Author  est  Vitus  Arenbek'  hat  eine  Hand  des  17.  Jh. 
auf  dem  fünften  Blatt  des  clm.  27  164  bemerkt  und  spätere 
Gelehrte,  Pez,  Leibniz  u.  a.  haben  dies  geglaubt:  dass  der 
Chronist  des  ausgehenden  15.  Jh.  hier  nicht  als  Verfasser 
in  Betracht  kommen  kann,  zeigt  die  ganze  bisherige  Dar- 
legung. 

Cgm.  427  (in  4  *',  253  ßl.)  enthält  unter  mannigfachen 
andern  Stücken  fol.  76 — 250^  eine  deutsche  üebersetzung 
der  Fundationes,  und  zwar  aus  clm.  27  164^.  Am  Ende 
der  üebersetzung  bezeichnet  der  Schreiber  den  Tag  der 
Vollendung:  'Amen  in  gottes  namen  1479  an  Sand  Chlaren 
tag  der  junckfrawen'.  Der  Papstkatalog  schliesst  dement- 
sprechend mit  'Sixtus  der  IUI.'  (1471  — 1484),  bis  zu  welchem 
Papst    damals    auch    das  Verzeichnis    in    clm.  27  164   fort- 


1)    Auch    in    die    Comp.  2)    Ursprünglich    selbständig    foliiert. 

3)  Nicht  aus  cgm.  227,  auf  welchen  der  Catalogus  codd.  mss.  bibl.  reg. 
monac.  V,  69  verweist.  Das  ergiebt  sich  bei  Vergleichung  aus  vielen 
Einzelheiten. 


Fundatioiies  monasteriorum  Bavariae.  707 

geführt  war.  Die  üebersetzung;  ist  vollständig  ^  und  genau. 
Die  Reihenfolge  der  Stücke  ist  unverändert;  die  von  clm. 
27  164  an  den  Schluss  versetzten  genealogischen  Noten  des 
Vorderdeckels  von  clm.  14  594,  wie  die  von  clm.  27  164  in 
den  Text  aufgenommenen  Randnoten,  die  abgebrochenen 
Stellen-,  die  Irrthümer^  sind  getreulich  übersetzt. 

Cgm.  227(in2  0;  aus  Ebersberg.  224  BL,  fol.  106—222 
auch  mit  alter  eigener  Blattzähluug)  enthält  fol.  106 — 176 
eine  Abschrift  der  Fundationes,  sicher  aus  clm.  27  164. 
Die  Papstreihe  schliesst  mit  'Sixtus  4.  1471'  und  ist  ganz 
von  einer  einzigen  Hand  geschrieben.  Da  in  clm.  27 164 
später  noch  Innocenz  VIII.  (1484 — 1492)  eingetragen  wurde, 
dürfte  die  Abschrift  zwischen  1471  und  1484  gefertigt  sein. 
Sie  hält  sich  im  Ganzen  streng  an  die  Vorlage;  Zusätze 
fehlen ;  man  bemerkt  nur  verschiedene  aus  äusseren  Grün- 
den sich  erklärende  Umstellungen  einzelner  Stücke. 

Eine  lückenhaftere  und  schlechtere  Abschrift  aus 
clm.  27  164^  enthält  cod.  pal.  vind.  3520  (Lunael.  in  q.  59), 
fol.  151a — 209  a.  Er  stammt  aus  dem  Ende  des  15.  Jh. 
Oefele  gab  in  seinen  Rer.  boic.  SS.  I,  10  seiner  Zeit  an, 
dass  die  Klostergründungsgeschichten  des  Andreas  von  Re- 
gensburg, deren  Betrachtung  in  dieser  Abhandlung  bei  Seite 
gelassen  ist,  in  zwei  Hss.  erhalten  seien.  Nach  seiner  Be- 
schreibung erweist  sich  die  eine  als  clm.  351 ,  den  wir 
oben  angeführt  haben ;  bezüglich  der  andern  aber,  die 
Oefele  aus  dem  Katalog  der  Mondseeer  Hss.  im  zweiten 
Theil  der  Mantissa  chronici  Lunaelacensis  bipartita  (1769) 
kennen  lernte,  ist  festzustellen,  dass  sie  nicht  die  Funda- 
tiones des  Andreas  enthält,  sondern  zur  Hss.-Gruppe  unserer 


1)  "Wenn  Joetze  S.  110  sagt,  clm.  427  sei  inhaltlich  nicht  so  voll- 
ständig wie  die  drei  von  ihm  vorher  genannten  lateinischen  Chroniken 
(er  hat  übrigens  vier  genannt),  so  ist  das  undeutlich.  Cgm.  227  fügt 
allerdings  die  beiden  Stücke  von  den  Schottenklöstern  zu  Regensburg  und 
Memmingen  hinzu,  in  clm.  27164  ist  ein  zweiter,  doch  erst  viel  später 
eingeschriebener  Theil  enthalten,  clm.  22117  ist  eine  spätere  eigene  Be- 
arbeitung, cod.  pal.  vind.  3520  giebt  die  Fundationes  fast  ganz  in  der 
Form  des  clm.  27164,  jedenfalls  aber  ist  der  Kern,  der  in  allen  vier  Hss. 
steckt,  nämlich  die  Fundationessammlung  des  clm.  14594,  in  cgm.  427 
vollständig  aus  clm.  27164  übersetzt.  2)  Bei  der  abgebrochenen 
Erzählung  von  dem  "Wunder  in  Stams  ist  bemerkt:  'Es  was  nicht  mer 
da   geschriben'.  3)    Z.  B.  der  oben   erwähnte  IiTthum  mit  der  Notiz 

über  die  angebliche  Vergiftung  Kaiser  Ludwigs:  'Item  anno  domini  1360 
iar  hat  hertzog  Albrecht  zw  Payren  das  geschlos  zw  Straubing  gepawt,  der 
ist  vergifft  worden  von  frawen  Johanna  hertzogin  zw  Osterreich'.  4)  Vgl. 
Holder- Egger  in  SS.  XV,  1105.  Nach  Mayrs  Ansicht  (N.  Arch.  V,  132) 
sind  die  Fundationes  in  cod.  pal.  vind.  3520  aus  clm.  14594  abgeschrieben, 
was  jedoch  nicht  zutreffen  dürfte. 


708  Georg  Leidinger. 

Fundationes  gehört.  Es  ist  cod.  pal.  vind.  3520  (aus  Mond- 
see), wie  sich  aus  Vergleichung  der  Inhaltsangabe  in  jenem 
Mondseeer  Hss.-Katalog  S.  393  mit  der  von  Wattenbach  \ 
Archiv  X,  497  ergiebt. 

Die  in  clm.  1470  (in  2  °,  saec.  XVI.,  aus  Wessobrunn, 
217  fol.),  fol.  103 — 171  enthaltene  Cronica  fundationum  ist 
ebenfalls  Abschrift  aus  clm.  27  164  und  zwar  enthält  sie 
auch  fast  dessen  ganzen  zweiten  Theil.  Die  einzelnen 
Stücke  sind  nur  anders  geordnet,  manche  sind  weggelassen, 
andere,  so  z.  B.  fol.  114  eine  ausführlichere  Fundatio  mo- 
nasterii  S.  Rassonis  comitis  in  Werde,  an  die  Stelle  der 
ursprünglich  vorhandenen  gesetzt.  Diese  Umgestaltung 
dürfte  von  dem  Wessobrunner  Mönch  Stephan  Leopolder, 
mit  dessen  Namen  andere ,  von  der  gleichen  Hand  her- 
rührende Theile  des  Bandes  versehen  sind,  gemacht  worden 
sein  (nach  1516'-).  Mit  dem  im  Folgenden  behandelten 
clm.  22  117  steht  clm.  1470  nicht  in  direktem  Zusammen- 
hang ^. 

Wenn  man  die  Fundationes  des  clm.  1470  als  'Stephan 
Leopolders  über  fundationum'  bezeichnet^,  darf  man  Leo- 
polders eigene  Arbeit  dabei  möglichst  gering  ^  schätzen. 

Von  clm.  27  164  stammt  ferner  clm.  22  117,  den  Joetze 
für  den  wichtigsten  der  Gruppe,  für  die  älteste  lateinische 
Fassung  ansah,  der  es  aber  mit  nichten  ist. 

Clm.  22117  (in  4",  aus  Wessobrunn;  154'^^  Bl.)  enthält 
fol.  3 — 88  eine  lückenhafte  Abschrift  des  clm.  27  164,  fol. 
88' — 92'  und  fol.  148 — 153  spätere  Ergänzungen  dieser 
Lücken  aus  dem  nämlichen  Codex,  fol.  99 — 147  eine  Samm- 
lung von  Steingadener  Urkunden  '.  Auf  dem  Holzdeckel 
liest  man:  'Collectura  monasteriorum  Sebastian!  ßangk'  und 
auf  fol.  1  oben:  'Liber  Sebastiani  Rangk',  beide  Notizen  von 
der  Hand  des  Schreibers  und  Eigenthümers  der  Hs.  ge- 
schrieben. 

Sebastian  Rangk,  dem  Leuthner  in  seiner  Hist.  mon. 
Wessofontani  I,  362  einen  längeren  Abschnitt  widmet,  war 
der  Bruder  des  Abtes  Paul  IL  von  Wessobrunn  (1460 — 1486) 


I 


1)  Wattenbach  bemerkte  damals  über  die  Fundationes :  Allerlei 
Notizen  und  Excerpte,  worunter  vielleicht  Brauchbares  sein  kann.  2)  Cf. 
fol.  77'.  3)  Damach  ist  Leuthner  I,  362  zu  berichtigen.  4)  Fugger, 
Kloster  Wessobrunn,  S.  IV.  5)  Joetze  S.  109  geht  zu  weit.  6)  Alte 
Blattbezeichnung:  zwei  leere  Blätter,  dann  Quaternionen  A.  1,  2,  3,  4  etc. 
bis  neu  fol.  98,  dann  alte  fol.  1—54  (=  neu  fol.  99  —  153).  7)  Ausser- 
dem fol.  93  —  94  die  'Protestatio  veritatis  de  Tassilonis  vita'  Rudolfs  von 
Fölling  in  der  späteren  Pollinger  Form  (Hund-Gewold  III,  113)  und 
fol.  95  —  98  Stücke  aus  dem  mittleren  Theil  der  Wessobrunner  Annalen 
(Leuthner  II,  26). 


Fandatioues  monasterioriim  Bavariae.  709 

und  Pfarrer  zu  Beuern  in  der  Nähe  des  Ammersees.  Nach 
einer  unten  zu  beleuchtenden  Notiz  hat  er  1514  noch  ge- 
lebt. Mit  Unrecht  hat  Leuthner  ihn  auf  Grund  der  Col- 
leetura  monasteriorum  zum  Schriftsteller  gestempelt  und 
sind  Spätere  ^  seinem  Vorgang  gefolgt.  Sebastia,n  Rangk 
hat  nichts  verfasst  noch  excerpiert,  sondern  nur  abge- 
schrieben. 

Seine  Vorlage  für  die  Fundationes  war  clm.  27 164. 
Beim  Abschreiben  der  Tegernseeer  Hs.  waren  von  ihm  ein- 
zelne Stücke  zunächst  weggelassen  worden ;  später  hat  er 
dann  die  flüchtige  und  unvollständige  Abschrift  einer  Ver 
gleichung  mit  der  Vorlage  unterzogen,  nach  ihr  verbessert 
erweitert  und  die  grösseren  ausgelassenen  Theile  auf  fol 
88'--92'  und  fol.  148—153  nachgetragen.  An  den  Stellen 
an  welchen  letztere  nach  der  Vorlage  stehen  müssten,  ver 
wies  er  dann  mit  kurzen  Worten  auf  die  späteren  Eintrags 
platze  und  umgekehrt  von  den  späteren  auf  die  früheren 
so  correspondieren  diese  Notizen  auf  fol.  33  mit  fol.  90 
fol.  54'  mit  fol.  91,  fol.  56  mit  fol.  150,  fol.  69'  mit  fol 
91'  und  fol.  92',  fol.  70'  mit  fol.  90'.  Auf  diese  Weise  wurde 
endlich  doch  fast  der  ganze  Inhalt  der  Fundationes  in 
ßangks  Abschrift  wieder  vereinigt,  und  es  fehlen  schliess- 
lich nur  (fol.  56)  der  ganze  Abschnitt  'Sunt  quidam  ..."  der 
Frankenchronik,  der  Papstkatalog  und  die  Kaiserprophe- 
zeiung. Und  an  dieser  Stelle  verräth  Rangk  auch  seine 
Vorlage;  am  Rand  heisst  es:  'Nota  deficiunt  quasi  7  folia', 
eine  Bemerkung,  deren  Sinn  uns  unter  Beachtung  einer 
weiteren  zwischen  den  Zeilen  stehenden  Notiz:  'Sunt  qui- 
dam fol.  56  in  libro  Tegernseensi'  klar  wird,  sobald  wir 
den  Tegernseeer  clm.  27  164  aufschlagen.  Hier  sind  näm- 
lich auf  den  sieben  Blättern  56—62  die  in  clm.  22117 
fehlenden  Stücke,  beginnend  mit  'Sunt  quidam  .  .  .'  enthal- 
ten-: zweifellos  ist  also  clm.  27  164  jener  liber  Tegernseen- 
sis.  Hat  doch  in  diesem  Rangk  selbst  schriftliche  Spuren 
hinterlassen. 

In  Clm.  27  164  fol.  77'  hat  am  Schlüsse  der  Nachricht 
von  dem  Aufenthalt  des  Papstes  Leo  IX.  zu  Regensburg 
1052  Rangk  beigeschrieben:  'De  illo  vide  bullam  in  pen- 
ultimo  folio  huius  libri'.  Damit  ist  auf  die  folio  111  ent- 
haltene, zu  dem,  wie  oben  erwähnt,  gegen  Ende  des  15.  Jh. 
geschriebenen  zweiten  Theil  der  Hs.  gehörige  Bulla  ex 
parte  S.  Dionysii  Ratisponam  translati  von  1052  verwiesen. 

1)  Kobolt ,  Gelehrtenlexikon  S.  543 ,  Fugger ,  Kloster  Wessobrunn 
S.  11  und  65,  .Toetze.  2)  Aber  nicht  als  selbständiger  Zusatz,  wie  Joetze 
S.  110  meint,  sondern,  wie  alles,  in  Abschrift  aus  clm.  14594. 


710  Georg  Leidinger. 

In  clm.  22117  fol.  70'  war  die  erstgenannte  Notiz  ad 
a.  1052  zunächst  weggelassen  worden ,  wurde  dann  aber 
unter  oben  geschilderter  gegenseitiger  Verweisung  fol.  90' 
nachgetragen,  und  dort  merkte  Rangk  anscheinend  zu  der 
nämlichen  Zeit,  in  der  er  die  gleiche  Notiz  in  clm.  27  164 
fol.  77'  machte,  an:  'Vide  infra  de  illo  bullam  papae'  und 
schrieb  die  Bulle  ^  fol.   151'  ein. 

In  clm.  27  164  wurden  auf  einer  leeren  Seite  fol.  50' 
von  einer  späteren  Hand,  sicher  nach  1493,  genealogische 
Aufzeichnungen  über  das  baierische  Herzogshaus  einge- 
tragen. Dort  hat  Rangk  zu  der  Angabe:  'Anno  D.  1451 
(Albertus)  genuit  ducem  Wolfgangum  Omnium  Sanctorum' 
an  den  untern  Rand  des  fol.  51  bemerkt:  'Anno  D.  1514 
in  die  S.  ürbani  papae,  quae  erat  dies  ascensionis  Domini, 
mane  hora  secunda  ante  ortum  lucis  obiit  -  Wolfgangus  dux 
Bavariae,  cuius  anima  requiescat  in  pace.  Sebastianus 
sacellanus  secundus  scripsit'.  Rangks  Handschrift  ist  un- 
verkennbar und  man  braucht  an  keinen  andern  Sebastian 
zu  denken.  Kleinere  Bemerkungen  von  seiner  Hand  finden 
sich  noch  fol.  23',   31'  und  50. 

Aus  alledem  geht  hervor :  Rangk  hat  clm.  27  164 
zweimal  in  Händen  gehabt ;  das  eine  Mal  zur  Anfertigung 
seiner  ersten  lückenhaften  Abschrift,  die  er  vielleicht  nahm, 
bevor  der  zweite  Theil  in  clm.  27  164  hinzugefügt  war: 
finden  sich  doch  am  Ende  dieser  ersten  Abschrift  (clm. 
22  117  fol.  88)  die  Worte  'Huius  operis  finis'  — ,  das  zweite 
Mal  zur  Ergänzung  und  Verbesserung:  damals  scheint  er 
jene  Notiz  ad  a.  1514  eingetragen  zu  haben,  wohl  gleich- 
zeitig mit  der  berichteten  Thatsache.  Auf  jene  Zeit  deutet 
auch  noch  folgender  Umstand :  in  clm.  27164  machte  eine 
spätere  Hand  die  Bemerkung :  'Treveris  S.  Maternus  anno 
1512  cum  aliis  reliquiis  inventus' ;  Rangk  fügte  diese  Worte, 
die  bei  seiner  ersten  Abschrift  noch  nicht  vorhanden  waren, 
bei  der  Revision  am  untern  Rand  von  fol.  47  des  clm. 
22117  an. 

Man  sieht,  wie  Unrecht  Joetze  hatte,  wenn  er  in 
Rangks  Collectura  die  älteste  Fassung  der  Fundationes 
erblicken  wollte,  einer  Abschrift,  die  weit  über  100  Jahre 
von  dem  Original  sich   entfernt. 


1)  Nebst  dem  in  clm.  27164  fol.  110'  derselben  vorhergehenden 
Stück  'Privilegium  monachorum  de  Scotia  Ratisponae'.  Den  zweiten  Theil 
des  clm.  27164  hat  Rangk  ausserdem  nicht  benutzt.  2)  In  Landsberg 
und  wurde  in  Andechs  begraben,  beides  Orte,  die  nicht  weit  von  Beuem 
und  Wessobrunn  entfernt  liegen,  so  dass  Rangks  genaue  Angabe  be- 
greiflich und  zugleich  zuverlässig  erscheint. 


Fundationes  monasteriorum  Bavariae.  711 

Clm.  1802  (iu  40;  saec.  XV;  aus  Polling;  144  fol.) 
enthält  fol.  119  —  143  die  ersten  Stücke  der  Fvindationes 
bis  zur  Geschichte  von  Ebersberg-  in  einer  sehr  schlechten 
Abschrift,  deren  Lesarten  mit  clm.  14  594  übereinstimmen; 
dabei  sind  viele  Schreibfehler  vorhanden  und  Stellen  und 
Worte,  die  in  der  Vorlag-e  schlecht  leserlich  waren,  in  der 
Abschrift  öfter  einfach  weggelassen.  Mit  clm.  27  164  und 
den  von  diesem  abstammenden  Hss.  häng-t  clm.  1802  nicht 
direkt  zusammen. 

Ein  kurzer  Auszug-  aus  den  Fundationes  findet  sich 
schliesslich  noch  in  clm.  4423,  fol.  99 — 101,  dem  Notizenbuch 
des  Fraters  Simon  Weinhart  aus  dem  St.  Ulrichskloster 
in  Füssen,  welches  dieser  während  eines  Aufenthaltes  im 
Kloster  Mondsee  1481  —  82  anlegte.  Vorlage  für  die  Ex- 
cerpte  war  hier  wohl  cod.  pal.  vind.  3520. 

Wir  haben  den  Inhalt  der  Fundationes  so  eingehend 
bestimmt,  weil  sie  einer  Reihe  späterer  Geschichtschreiber 
als  Quelle  gedient  haben.  Der  Zeit  nach  am  nächsten 
steht  Andreas  von  Regensburg.  In  seinem  Chron.  generale 
räumte  er  den  baierischen  Klostergründungsgeschichten 
besonders  viel  Raum  ein,  so  dass  daraus  später  sogar  ein 
eigener  Auszug,  der  jene  wieder  vereinigte,  gefertigt  wer- 
den konnte :  die  von  Freher  seiner  Ausgabe  der  baierischen 
Chronik  des  Andreas  angehängten  Historiae  nonnullorum 
insignium  monasteriorum  per  partes  Baioariae,  deren  Be- 
deutung als  Excerpt  der  Chronik  natürlich  eine  ganz  ge- 
ringe ist  gegenüber  unserer  Sammlung,  die  immer  die  ur- 
sprünglichen Quellen  ziemlich  unverändert  wiedergiebt. 
Die  Benutzung  unserer  Fundationes  durch  Andreas  ist  un- 
verkennbar: seine  Nachrichten  über  Dietramszell  (Pez, 
Thes.  IV,  3,  498),  Beuerberg  (509),  Baierischzell-Scheyern 
(496),  Habach  (497),  Ettal  (561),  Niederaltaich  (428),  Wesso- 
brunn  (441),  Diessen  (454),  Ebersberg  und  Geisenfeld  (476), 
St.  Nikolaus  zu  Passau  (486),  Metten  (446),  Windberg  (514), 
Frauenzeil  (554),  Kaisheim  (511)  und  andere  einzelne  Noti- 
zen dürften  —  der  Textgestaltung  nach  zu  schliessen  — 
unserer  Sammlung  entnommen  sein.  Ob  Andreas  die  Pol- 
linger  Geschichte  von  dem  blinden  Tassilo  (441),  sowie 
einzelne  Nachrichten  aus  den  kleinen  baierischen  Annalen 
—  so  zu  1158  (517),  1203  (523),  1286  (546),  1288  (546), 
1290  (547)  —  gerade  aus  den  Fundationes  oder  anders- 
woher schöpfte,  bleibe  dahingestellt. 

Von  der  Benutzung  der  Fundationes  durch  das  Kloster 
Beyharting,  dem  anscheinend  die  eigene  Gründungsgeschichte 
verloren    gegangen    war,     dürfte    folgendes    dorther    stam- 


712  Georg  Leidinger. 

mende  Schriftstück^  zeugen:  'Cum  omnis  actio  mundauoruni 
quamvis  solenniter  celebrata  temporum  curriculo  elabante 
cadere  soleat  nisi  quodam  quasi  fulcimento  scripturarum 
adminiculo  perennetur,  universis  huius  paginae  inspectoribus 
tain  modernis  quam  successoribus  volumus  publicari  de 
originali  fundatione  nostri  praesentis  moiiasterii,  quam  ye- 
nerabilis  dominus  Udalricus  tunc  temporis  praepositus  - 
repperit  Eatisponae  in  monasterio  S.  Emerani  literaliter  in 
quodam  libro  per  revelationem  abbatis  eiusdem  monasterii 
tarnen  sine  annali  numero  incarnationis  Domini  nostri  lesu 
Christi  in  tali  tenore,  qui  hie  sequitur' :  nun  folgt  aufs 
Wort  die  in  unseren  Fundationes  enthaltene  Gründungs- 
geschichte und  den  Schluss  bildet  das  Datum :  'Scripta  sunt 
haec  in  nostro  monasterio  anno  incarnationis  Domini  1444'. 
Es  dürfte  als  sehr  wahrscheinlich  betrachtet  werden  können, 
dass  gerade  clm.  14  594  die  Hs.  war,  aus  der  Propst  Ulrich 
von  Beyharting  die  Gründungsgeschichte  seines  Stiftes 
heimholte. 

Stiftete  die  Sammlung  so  im  Einzelnen  Nutzen,  so 
machte  von  ihr  später  den  ausgiebigsten  Gebrauch  Veit 
Arnpeck,  dessen  Stellung  zu  ihr  ich  in  meiner  oben  ange- 
führten Schrift  S.  97  — 110  untersucht  habe;  unabhängig 
davon  kam  auch  Joetze  S.  69  in  der  Hauptsache  zu  dem 
gleichen  Ergebnis.  Es  finden  sich  ferner  Spuren  der  Benutzung 
der  Fundationes  durch  Aventin  und  durch  Laurentius 
Hochwart.     Auch  Bruschius  mag  sie  gekannt  haben. 

Fast  200  Jahre  später  als  unser  ungenannter  Mönch 
das  Bedürfnis  empfunden  hatte,  eine  Sammlung  von  Grün- 
dungsgeschichten baierischer  Klöster  anzulegen,  führte  Wi- 
guleus  Hund  denselben  Gedanken  auf  breiterer  Grundlage 
in  seiner  heute  noch  schätzenswerthen  und  unentbehrlichen 
Metropolis  Salisburgensis  (Ingolstadii  1582)  aus  und  zwar 
in  deren  zweitem  Theil,  in  welchem  er  Fundationes  et 
erectiones  monasteriorum  et  ecclesiarum  collegiatarum  per 
Baioariam  behandelte.  Hiezu  leistete  ihm  die  ältere 
Sammlung  des  Ungenannten  viele  Dienste.  Er  entnahm 
ihr  zahlreiche  Stücke,  die  wir  im  Einzelnen  oben  bezeich- 
net haben,  und  nennt  sie  als  seine  Quelle  ausdrücklich  an 
verschiedenen  Stellen:  S.  189  (liber  manuscriptus  de  fun- 
dationibus  aliquorum  monasteriorum  Bavariae),  205  (liber 
Dietramzellensis),  206  (haec  ex  libro  Diethramzellensi),  235 
(ex  libro  fundationum  monasteriorum  aliquot  Bavariae  ete. 


1)  Hund-Gewold  11,1:54;   vol.  AViedemann  a.  a.  O.         2)    1410  — 
1449. 


Fundationes  monasteriorum  Bavariae.      ■  713 

scripto  in  Dithrami  Zella),  251  (in  chronica  scripta  mo- 
nasteriorum Bavariae),  271  (ex  libro  monasteriorum  in  DietU- 
ramszell),  302  (in  libro  quodam  scripto  monasteriorum  Ba- 
variae). Der  Inhalt  jener  Stellen  lässt  keinen  Zweifel, 
dass  unter  jener  Hs.  unsere  Fundationes  zu  verstehen  sind. 
Hunds  Annahme,  die  Hs.  stamme  aus  Dietramszell,  bezw. 
sie  sei  dort  geschrieben,  erklärt  sich  wohl  aus  dem  Um- 
stände, dass  in  der  ß,eihe  der  Gründungs^eschichten  jene 
von  Dietramszell  voransteht  —  wenn  man  nicht  der  Ansicht 
sein  will,  dass  auch  Dietramszell  eine  Abschrift  der  Fun- 
dationes besessen  habe. 

Als  Marcus  Welser  seine  Res  boicae  schrieb,  benutzte 
er  auch  nach  einem  von  ihm  unterzeichneten  'Verzaichnusz 
etlicher  Buecher  so  Ich  den  18.  Juni  Anno  1595  ausz  der 
Fürstlichen  bayrischen  Bibliothec  zwe  München  empfing-' i 
eine  Hs. :  'Boiariae  regionis  historia  sive  fundationes  in- 
signium  monasteriorum'.  Da  dieser  Titel  aber  demjenigen 
der  von  Freher  herausgegebenen  Sammlung  ähnlicher  ist 
als  dem,  unter  welchem  wir  bisher  unsere  Sammlung  citiert 
fanden,  erscheint  eher  die  Benutzung  jener  glaubhaft. 

Die  Metropolis  Salisburgensis  gab  bekanntlich  Christoph 
Gewold,  vermehrt  durch  seine  Notae,  München  1620  neu 
heraus,  wobei  der  ursprünglich  153  Seiten  umfassende 
zweite  Theil  auf  2  Bände  (tom.  2  und  3  des  Ganzen)  von 
zusammen  über  1100  Seiten  anwuchs.  Auch  zu  dieser  Neu- 
bearbeitung wurde,  wie  aus  einzelnen  Angaben  ersichtlich 
ist.  unsere  alte  Fundationes-Sammlung  wieder  benutzt-. 

Damals  nun  traf  sie  ein  besonderes  Schicksal,  unter 
dem  sie  bis  heute  zu  leiden  hatte:  die  vorliegende  Unter- 
suchung soll  die  restitutio  in  integrum  bewirken. 

Wir  besitzen  eine  nach  Herkunft  und  Verfasser  ganz 
unsichere  Geschichtsquelle ^\  welche  Oefe]e  unter  dem  Titel: 
'Anonymi  monachi  bavari  compilatio  chronologica  rerum 
boicarum  ab  anno  Chr.  M  ad  annum  MCCCLXXXVIII  ^'  in 
seinen  Rer.  boicar.  SS.  II,  331  —  344  veröffentlicht  hat. 
Oefele  fand  diese  Aufzeichnungen  in  den  hinterlassenen 
Papieren  Christoph  Gewolds  und  zwar,  wie  er  in  der  Ein- 
leitung zu  seiner  Ausgabe  angab,  in  dessen  Apparat  zur 
Neubearbeitung    von    Hunds   Metrop.    Salisburgensis    nach 


1)  Baierische  Blätter  für  Geschichte,  Statistik,  Literatur  und  Kunst 
18:32,    S,  192.  2)    Siehe   auch   oben   S.  686,   Anm,  1.  ;!)    Ebner 

(Sammelblätter  z.  Gesch.  d.  Stadt  Straubing,  N.  164,  1885)  bezeichnet 
sie  als:  eine  mit  grossem  Fleisse  gefertigte  Sammlung  von  historischen 
Notizen.  4)  Janner,  Gesch.  der  Bischöfe  v.  Regensburg  III,  205  nennt 
fälschlich  1:350  als  Schlussjahr. 


714 


Georg  Leidinger. 


den  Acta  Dietramcellensia.  Gewold  hatte  keinerlei  Bemer- 
kung- beigefügt,  woher  die  'ab  amanuensi  parum  perito'  ge- 
fertigte Abschrift  genommen  war.  Oefele  reinigte  den 
Text,  brachte  ihn  in  chronologische  Ordnung  und  legte  ihm 
den  Titel  'Compilatio  chronologica'  bei,  unter  dem  das  Stück 
seither  stets  citiert  wird.  Er  erklärte,  dass  es  sich  nicht 
nm  ein  einheitliches  Werk  handle,  sondern  um  eine  Menge 
von  Notizen,  die  ein  unbekannter  baierischer  Mönch  ohne 
Ordnung  und  Auswahl  zusammengeschrieben  haben  müsse. 
Den  Sammler  glaubte  er  in  Ettal  suchen  zu  müssen  — 
und  Riezler,  der  in  seiner  Gesch.  Baierns  II,  569  einen 
Mönch  von  unbekannter  Herkunft  als  den  Compilator  an- 
sah, schloss  sich  III,  884  dieser  Meinung  an  — ,  da  bei 
der  Notiz  von  der  Einweihung  der  Kirche  in  Ettal  ad  a. 
1363 1  von  'praesens  templum'  die  Rede  ist.  Als  Quellen 
machte  er  namhaft:  eine  Altaicher  Chronik  (ad  a.  1000), 
eine  Ettaler  Chronik  (ad  a.  1363),  Fürstenfelder  Aufzeich- 
nungen (ad  a.  1258.  1262.  1304)  und  die  Gründungs-Ür- 
kunden  und  -Geschichten  von  Mallersdorf,  St.  Veit,  Weyarn 
und  Tegernsee. 

Schon  Martin  Mayr  hatte-  den  clm.  14  594  als  wahr- 
scheinliche Vorlage  Gewolds  für  seine  von  Oefele  ver- 
öffentlichte Copie  der  Compilatio  chronologica  bezeichnet, 
ohne  dieser  Vermuthung  weiter  nachgehen  zu  können. 

Und  in  der  That:  die  Compilatio  ist  nichts  anderes 
als  eine  Reihe  von  Bruchstücken  aus  der  Fundationes- 
Sammlung  unseres  clm.  14  594,  wie  wir  in  folgender  Zu- 
sammenstellung nachweisen.  Es  finden  sich  nämlich  die 
einzelnen  Abschnitte  der  Compilatio  an  folgenden  Stellen 
des  clm.  14  594: 


1000. 

fol.  53'. 

1001. 

.    72. 

1020. 

„  67'. 

1027. 

„  56'. 

1040. 

„  53'. 

1049. 

„  53'. 

1052. 

.,  64,  67'. 

1104. 

.  60. 

1109. 

„  55',  65. 

1114. 

„  65. 

1123. 

.  38  ^ 

1125. 

„  60. 

1129. 

.  54. 

1130. 

„  65,  67'. 

1185. 

fol.  67'. 

1139. 

«  68. 

1140. 

„  68'. 

1143. 

«  59. 

1150. 

„  37'. 

1152. 

„  65,  74 

1154. 

.  76'. 

1159. 

.,  37'. 

1160. 

r,     37'. 

1161. 

.  65. 

1162. 

„  38. 

1163. 

„  65. 

1166. 

„  65. 

1171. 

„  74. 

1)  Oefele  II,  343.  2)  Wiener  Hss.  zur  baierischen  Geschichte, 
N.  Arch.  V,  133.  Aehnlich  früher  Sanftl,  vgl.  Catalogus  codd,  mss.  bibl. 
reg.  monac.  IV,  2,  199.         3)  Hs,  ad  a.  1173. 


Fundationes  monasteriorum  Bavariae. 


715 


1176. 

fol 

.65. 

1283. 

fol.  38',  74'. 

1191. 

„ 

76  ^ 

1284. 

„  38'. 

1200. 

„ 

54',  56'-. 

1285. 

„  57',  38'. 

1202. 

„ 

64'. 

1286. 

„  39,  68,  78. 

1203. 

„ 

38,  66. 

1288. 

„  55'. 

1204. 

!? 

66'. 

1290. 

„  39,  55,  57'. 

1205. 

54,  66'. 

1291. 

„  55. 

1208. 

^ 

54. 

1293. 

„  39,  55». 

1211. 

n 

78'. 

1294. 

„  39. 

1212. 

54'. 

1296. 

„  39.  74'. 

1217. 

^ 

38. 

1297. 

.  58'. 

1218. 

» 

72,  73'. 

1299. 

„  54'«. 

1220. 

60',  77. 

1300. 

„  10,  10',  23',  57'. 

1224. 

^ 

77. 

1301. 

„  10,  53'. 

1225. 

„ 

56',  77. 

1304. 

„  80'. 

1226. 

„ 

77'. 

1306. 

„  10',  58. 

1227. 

n 

77'. 

1308. 

„  58,  64. 

1228. 

54',  65,  65'. 

1309. 

„  10,  10'. 

1229. 

„ 

77,  65'. 

1310. 

„  55,  56,  59,  Umscb 

1230. 

„ 

56'  (auch  78'),  65'. 

1312. 

n     55. 

1231. 

n 

54',  78'. 

131,3, 

„  55,  55'. 

1233. 

n 

55,  78'. 

1315. 

.  55'. 

1236. 

38,  54'. 

1322. 

„  11,  55. 

1239. 

^ 

78'. 

1323. 

.  10. 

1240. 

^ 

68,  Umschlag. 

1324. 

.  61. 

1241. 

„ 

54',  76. 

1330. 

„  10,  19'. 

1242. 

^ 

56. 

1332. 

.,  20,  55'. 

1246. 

,, 

38,  53',  54'. 

1337. 

„  56,  61. 

1247. 

r> 

38, 

1338. 

.  55'. 

1249. 

641 

1340. 

.  55  ^ 

1250. 

,, 

55. 

1341. 

„  10. 

1251. 

^ 

54',  78'. 

1342. 

„  55'. 

1253. 

)1 

54',  65. 

1344. 

„  17'. 

12,54. 

64. 

1346. 

„  9'. 

1255. 

^ 

54',  74'. 

1347. 

„  19',  21,  58'. 

1256. 

^ 

54',  1'. 

1348. 

„  10,  55'. 

1257. 

^ 

54'. 

1349. 

„  56,  Umschlag. 

1258. 

^ 

30,  37'*,  64. 

1350. 

.    55'. 

1259. 

n 

38'. 

1356. 

„  55'. 

1260. 

54'. 

1358. 

«  19'. 

1262. 

,, 

30. 

1360. 

„  20,  20',  55'. 

1265. 

„ 

68. 

1361. 

Umscblasf. 

1266. 

,, 

54',  57. 

1863. 

„  19',  20.  ' 

1268. 

„ 

54',  57'. 

1367. 

„  55'. 

1271. 

63. 

1371. 

„  17,  17',  .55  ^ 

1272. 

,, 

39',  54'. 

1372. 

„  17'. 

1273. 

^ 

54. 

1373. 

«  9- 

1275. 

^ 

54'. 

1375. 

.  17',  57. 

1277. 

38',  55',  57',  76. 

1376. 

.  37'. 

1278. 

^ 

38',  74'. 

1377. 

Umschlag. 

1280. 

38',  54,  57'. 

1378. 

.  55'. 

1281. 

^ 

76. 

1379. 

„  56,  Umschlag. 

1282. 

" 

57'. 

1380. 

Umschlag. 

1)   Hs.  ad  a.  1199.   2)  Hs.  ad  a.  1251.   3)  Hs.  1299.   4)  Hs. 
1158.    5)  Hs.  1294.    6)  Hs.  1298.    7)  Hs.  1315.    8)  Hs.  1271. 


1381. 

Umschlag. 

1382. 

V 

1385. 

fol.  56. 

716  Georg  Leidinger. 

1386.  fol.  56. 

1387.  „    55'. 

1388.  „    25'. 

Man  sieht :  die  ganze  Compilatio  steckt  in  den  Fun- 
dationes.  Aus  clm.  27  164  oder  einer  davon  abstammenden 
Hs.  —  darauf  deuten  die  Lesarten  —  war  Wichtiges  und 
Unwichtiges  excerpiert  worden.  Als  Oefele  die  Hs.  aus 
Gewolds  Nachlass  mit  den  g-leichmässig  geschriebenen  Ex- 
cerpten  vor  sich  hatte,  war  kaum  zu  erkennen,  dass  und 
wie  einzelne  Theile  zusammengehörten.  Darum  wird  man 
ihm  keinen  Vorwurf  machen  dürfen,  dass  er  nun  sich  unter- 
fing, die  ganze  Menge  von  Nachrichten  in  zeitliche  Reihen- 
folge zu  bringen.  Mit  dieser  gutgemeinten  Ordnung  wurde 
aber  für  die  kritische  Verwerthung  der  Nachrichten  von 
der  verschiedenartigsten  Herkunft  ein  schlechter  Dienst 
gethan  und  das  Zusammengehörige  auseinandergerissen. 

Die  obige  Zusammenstellung  lässt  erkennen,  an  wel- 
chen Orten  der  Originalhs.  der  Fundationes  die  Angaben 
zu  den  einzelnen  Jahren  der  Compilatio  zu  finden  sind,  und 
die  von  uns  vorgenommene  Scheidung  und  Bestimmung 
des  reichen  Inhalts  der  Fundationes  lässt  sodann  Herkunft - 
und  Werth  der  verschiedenen  Nachrichten  ersehen. 


1)    Hs.  1238.  2)   Welche   verhäugnisvolle  Wirkuuoen  die  Zer- 

stückelung in  der  Comp,  mit  sich  gebracht  hat,  möge  an  einem  Beispiele 
zu  erweisen  erlaubt  sein.  .Tanner  berichtet  in  seiner  Gesch.  der  Bischöfe 
von  Eegensburg  II,  107,  dass  'am  19.  Febr.  1152  Bischof  Heinrich  die 
Einweihung  der  St.  Aegidienkirche,  der  späteren  Deutschherrnkirche  (in 
Regensburg)  vorgenommen'  habe,  und  citiert  für  diese  Nachricht  die  Comp. 
(Oefele  II.  333),  aus  der  er  die  betr.  Stelle  ganz  abdruckt.  Bei  Oefele  ist 
in  dieser  Notiz  kein  Ortsname  genannt;  aber  sowohl  aus  dem  übrigen 
Inhalt  als  insbesondere  nunmehr  nach  dem  Nachweis  der  Zugehörigkeit 
der  Stelle  in  unseren  Fundationes  ergiebt  sich,  dass  nicht  von  der  Deutsch- 
ordenskirche in  Regensburg  die  Rede  ist,  sondern  von  jener  in  Gangkofen 
<s.  oben  S.  701).  In  Band  III,  30  seiner  Geschichte  sah  sich  Janner,  der 
unsere  Fundationes  natürlich  nicht  kennt  und  wahrscheinlich  durch  andere 
Nachrichten  (insbesondere  die  der  Comp,  ad  a.  1278  und  1283,  auf  welche 
Oefele  bei  jener  ad  a.  1152  verweist)  aufmerksam  wurde,  genöthigt  zu 
erklären,  dass  durch  Versehen  II,  107  angegeben  wurde:  St.  Aegidien- 
kirche, statt  der  Pfarrkirche  zu  Gangkofen.  In  unseren  Fundationes  lässt 
die  —  in  Gewolds  Abschrift  verhängnisvoller  Weise  wie  alle  übrigen  weg- 
gelassene —  Ueberschrift  'Genghoven'  von  vornherein  keinen  Zweifel  auf- 
kommen. Leider  wirkte  Janners  anfänglicher  Irrthum  weiter;  denn  in 
seinem  sonst  vortrefflichen  Werke  'Regensburg  in  seiner  Vergangenheit  und 
Gegenw-art'  berichtet  Graf  Walderdorff,  ohne  anscheinend  die  Berichtigung- 
Jänners  bemerkt  zu  haben,  S.  372:  Die  Kirche  zum  hl.  Aegidius  (in 
Regensburg)  wurde  schon  1152  erbaut  und  am  19.  Febr.  d.  J.  von  Bischof 
Heinrich  geweiht. 


Fundationes  monasteriorum  Bavariae.  717 

Damit  ist  für  die  kritische  Prüfung  im  Einzelnen  ein 
sichererer  Boden,  als  er  bis  jetzt  vorhanden  war,  gewonnen, 
und  der  nunmehr  gelieferte  Nachweis,  dass  die  ganze  Com- 
pilatio  ein  Excerpt  aus  den  Fundationes  ist,  dürfte  zu- 
sammen mit  der  oben  gegebenen  Inhaltsbestimmung  der 
Fundationes  für  manche  Untersuchung  brauchbare  Winke 
geben.  Jedenfalls  übertrage  man  nun  die  Schätzung,  die 
man  bisher  der  Compilatio  schon  entgegengebracht  hat, 
in  erhöhtem  Maasse  auf  die  Fundationes. 


XVI. 


Miscellen. 


Keues  Archiv  etc.    XXIV.  46 


i 


Zu  Nennius. 

Von  Ludwig  Traube. 

Die  zuerst  von  Mommsen  ^  herangezogene  Hs.  der 
Donibibliothek  zu  Chartres  hat  einen  ganz  unerwarteten 
Einblick  in  die  Quellen,  die  Urgestalt  und  die  allmähliche 
Erweiterung  der  Historia  Brittonura  eröffnet.  Wie  zunächst 
die  glücklichen  Resultate  R.  Thurnejsen's  -'  aus  eindring- 
licher Betrachtung  der  in  dieser  Hs.  erhaltenen  Fassung  (Z) 
gewonnen  sind,  so  wird  die  Forschung  noch  manches  Mal 
von  ihr  auszugehen  haben,  wenn  auch  ein  grösserer  Er- 
folg im  allgemeinen  nicht  mehr  in  Aussieht  steht.  Um 
so  dankbarer  wird  man  daher  E.  W.  B.  Nicholson,  dem 
hochverdienten  Leiter  der  Bodleiana,  sein  müssen,  der  durch 
einen  urkundlichen  Beitrag  uns  gleich  einen  ganzen  Schritt 
weiter  und  aus  dem  Gebiet  der  Hypothese  auf  festes  Land 
geführt  hat. 

Wie  bekannt,  ist  schon  die  Ueberschrift  von  Z  con- 
trovers.  Duchesne  ^  las :  INCIPIUNT  •  EXBERTA  •  FII- 
URBAOEN  DE  LIBRO  SCI  GERMANI  INÜENTA  ET 
ORIGINE  •  ET  GENELOGIA  BRITONU;  Girard,  dessen 
Abschrift  von  Mommsen  ^  benutzt  wurde,  las  statt  der  ersten 
Worte  EXBERTA  FU  (oder  FII)  URBACEN.  Nicholson 
hat  (nach  brieflicher  Mittheilung  an  Mommsen)  nun  die 
Hs.  selbst  eingesehen  und  gefunden,  dass  mit  deutlichen 
Buchstaben  FILI  URBAGEN  da  steht,  also  das,  was  Thurn- 

1)  Xeues  Archiv  19,  283;  Chronica  minora  3,  111.  2)  Zeitschrift 
f.  deutsche  Philologie  28,  80;  Zeitschrift  f.  celtische  Philologie  1,  157. 
Einen  nicht  unwichtigen  Beitrag  zur  Textgeschichte  von  Z  hat  A.  Anscorabe 
gegeben  (Zeitschrift  f.  celtische  Philologie  1,  274).  Er  liest  in  dem  Füllsel 
in  Z  (Chron.  min.  172  adn.  1)  die  ersten  Worte  Slibine  (libine  Z)  abas 
lae  in  Ripuni  ciritate  invenit  und  bezieht  sie  auf  einen  Fund,  den  Slebhine, 
Abt  von  lona  (a.  7.52  —  767),  in  Ripon  in  Nordhumbrien  gemacht  habe. 
Ist  diese  Erklärung  richtig  —  und  eine  Stütze  erwächst  ihr  daher,  dass 
unabhängig  auch  Nicholson  auf  sie  gekommen  ist  — ,  so  ist  es  Anscombe 
doch  noch  nicht  gelungen,  den  sonstigen  Wortlaut  des  arg  zerrütteten 
Flickstückes  herzustellen  (z.  B.  int/s  CCC  annis  ist  gewiss  nichts  anderes 
als  in  CCC'>^  annis);  auch  ist  natürlich  nicht  richtig,  dass  Marcus  den 
Zusatz  gemacht  habe.       3)  Revue  celtique  15,  175.       4)  Chron.  min.  113. 

46* 


722  Ludwig  Traube. 

eyseu  ^  vermuthet  hatte ;  F  und  I  sind  in  ziemlich  ge- 
wöhnlicher Weise  lig-iert,  G  ist  etwas  beschädigt,  die  Lesung 
aber  ist  durchaus  sicher. 

Nicholson  vermuthet  weiter  —  ohne  zu  wissen,  dass 
Thurneysen  hierin  vorausgegangen  ist  — ,  der  in  dieser 
Ueberschrift  genannte  Sohn  des  Urbagen  sei  der  in  §  63 
der  Historia  genannte  Bnm  map  Urhgen  (wie  die  Fassung 
der  Hss.  HK  hat,  Chron.  min.  206,  37)  oder  Run  mep  Ur- 
heghen  (wie  die  gekürzte  Fassung  der  Hss.  CDGL  hat,  Chron. 
min.  207,  11).  Ferner  meint  er,  was  Mommsen  von  vorn- 
herein abgelehnt,  Thurneysen  dennoch  angenommen  hatte, 
EXBERTA  sei  eine  Corruptel  für  EXCERPTA. 

Diese  beiden  Vermuthungen,  besonders  die  wichtige 
erste,  sind  erst  noch  zu  prüfen.  Run  Map  Urbgen  drängt 
sich  zwar,  wie  Thurneysen  sagt,  in  §  63  der  Historia  ziemlich 
unmotiviert  in  den  Vordergrund;  ich  glaube  aber  zeigen 
zu  können,  dass  gerade  für  diese  Episode  eine  andere  Qvielle 
vorgelegen  hat  als  die  Aufzeichnungen  eines  fiUus  Urhagen^ 
und  damit  verliert  freilich  die  so  nahe  liegende  Identifi- 
cierung  alle  Wahrscheinlichkeit.  Es  gehen  nämlich  an  der 
erwähnten  Stelle  die  Fassungen  auseinander.  Z  fehlt,  es 
haben  aber 

HK:  I  CDGL: 

Si  quis  scire  voluerit,  qiiis  eos  \  Si  quis  scire  voluerit,  qnis  hap- 


haptizavit, 


tizavit  eos,  sie  mihi  Menchidus 
episcoims  et  Elhobdus  episco- 
ponim  sanctissimus  tradiderunt. 
Run  mep  Urheghen,  i.  Paulimis 
Ehoracensis  nrchiepiscopus , 
eos  haptizavit. 


Rum  map  Urhgen 

haptisavit  eos. 

Wie  man  nun  auch  über  das  Verhältnis  der  beiden 
Fassungen  sonst  denken  mag,  es  ist  klar,  dass  der  ur- 
sprüngliche unverkürzte  Wortlaut  hier  in  der  verkürzenden 
Fassung  bewahrt  ist.  Denn  nur  sie  giebt  den  Stil  des 
Nennius  wieder,  wie  wir  ihn  aus  zwei  Stellen  kennen,  die 
in  beiden  Fassungen  gleich  und  im  allgemeinen  richtig- 
lauten:  §  10  (Chron.  min.  149,  l)  Si  quis  scire  voluerit,  quo 
tempore  x^ost  diluvium  hahifafa  est  haec  insula,  hoc  experimen- 
tum  hifarie  inveni  und  §  15  (Chron.  min.  156,  13)  Si  quis 
autem  scire  voluerit,  quando  vel  quo  tempore  fuit  inhahitabilis 
et  deserta  Hihernia,  sie  mihi  peritissimi  Scottorum  nuntiaverunt. 
Also  muss  auch  in  §  63  eine  Quellenangabe  gestanden 
haben,   und   dann   kann  es  nur  die  in  CDGL  überlieferte. 


1)  Zs.  f.  d.  Phil.  83. 


Zu  Nennhis.  723 

in  HK  unterdrückte  gewesen  sein.  Demnach  hatte  über 
den  Täufer  Run  map  ürbg-en  nicht  ein  map  Urbgen  be- 
richtet, sondern  Elbod,  der  Lehrer  des  Nennius,  mit  Be- 
rufung auf  einen  uns  nicht  bekannten  Bischof  Renchidus. 
Aber  auch  EXCERPTA,  so  ansprechend  und  nahe 
liegend  die  Vermuthung  ist,  kann  nicht  richtig  sein. 
Thurneysen  vergleicht  die  ersten  Worte  im  Prolog  des 
Nennius  (Chron.  min.  143,  6):  ego  Nennius,  Elvodugi  disci- 
jyidus.  ah'qua  excerpfa  scrihere  curavi :  es  habe  dem  Nennius 
wohl  ein  Werk  mit  ähnlichem  Titel  vorgelegen  wie  uns  in  Z 
vorliegt.  Auch  ich  glaube  das,  halte  aber  gerade  excerpta 
bei  Nennius  für  eine  Unmöglichkeit.  Denn  auf  das  an  und 
für  sich  mögliche  aliqua  excerpta  scribere  curavi  folgt  un- 
mittelbar quae  hehitudo  gentis  Britanniae  deiecerat,  quia 
nidlam  perifiam  habnerunf  neque  uUam  commemorationem  in 
lihris  posneriint  docfores  dlins  instdae  Britanniae.  Offenbar 
hat  nun  selbst  ein  Nennius  nicht  sagen  können  hebitudo 
gentis  Britanniae  deiecerat  excerpta,  ex  quibus  hie  aliqua 
scribere  cnrari,  wie  man  die  Worte  doch  müsste  wenden 
können.  Vielmehr  muss  bei  ihm  etwas  gestanden  haben 
wie  'historische  Kunde',  'Nachrichten',  'urkundliche  Be- 
richte', von  denen  er  behaupten  konnte,  die  Britten  in 
ihrer  Nachlässigkeit  und  Unbildung  hätten  sie  verkommen 
lassen.  Es  wird  also  ein  Begriff  gefordert,  wie  ihn  die 
gleich  folgenden  Wörter  peritia  und  commemoratio  enthalten. 
Von  diesen  ist  auch  peritia  höchst  ungewöhnlich  gesetzt, 
kehrt  aber  im  Prolog  wieder  (Ohron.  min.  144,  13:  cedo 
Uli.  qiii  plus  noverit  in  ista  peritia  satis  quam  ego)  und  §  17 
(Chron.  min.  161,  17:  hanc  peritiam  inveni  ex  traditione 
feter  um).  Mit  den  letzten  Worten  ist  inhaltlich  ganz 
sicher  die  uns  durch  Z  vermittelte  Vorlage  des  Nennius 
bezeichnet;  aber  auch  das  sonderbare  peritia  selbst  findet 
sich  in  Z  als  die  Ueberschrift  des  von  Nennius  citierten 
Abschnittes:  de  quadam  peritia  a  britania  insule  (Chron. 
min.  147  im  Apparat).  Neben  peritia  fällt  in  Nennius' 
Sprachgebrauch  experimentum  auf,  das  gleichfalls  für  den 
hier  geforderten  Begriff  steht  und  gleichfalls  von  ihm  ver- 
wendet wird,  wenn  er  dieselbe  Vorlage  citieren  will:  §  7 
(Chron.  min.  146,  3  CDGL)  Brittanie  insule  experimentum 
iuxta  traditionem  veterum  explicare  curabo;  §  10  (Chron.  min. 
149,  10)  si  quis  scire  voluerit,  quo  tempore  post  diluvium  habi- 
tata  est  haec  insula,  hoc  experimentum  bifarie  inveni;  §  17 
(Chron.  min.  159,  13)  aliud  experimentum  inveni  de  isto  Bruto 
ex  veteribus  libris  veterum  nostrorum.  Erinnert  man  sich  jetzt 
der  räthselhaften   exberfa  in   der  Ueberschrift   von  Z   und 


724  Ludwig  Traube. 

des  unmöglichen  excerpta  im  Prolog  des  Neunius,  so  wird 
man  nicht  mehr  das  erste  nach  dem  zweiten  corrigiereu 
"Rollen,  sondern  eher  annehmen,  dass  beides  avis  experta 
entstanden  ist:  durch  einen  äusseren  Schaden  wurde  daraus 
in  Z  exherta,  durch  Emendation  in  der  Handschrift,  aus 
der  die  üeberlieferung  des  Prologs  stammt,  excerpta. 
Nennius  hatte  erst  das  im  Titel  und  wohl  auch  vor  einigen 
Capiteln  seiner  Vorlage  als  Ueberschrift  gebrauchte  experta 
gesetzt,  später,  wo  es  sich  um  einzelne  urkundliche  Belege 
handelte,  mit  experimentum  variiert.  Der  Titel  aber  der 
Vorlage,  der  in  Z  nicht  nur  mit  dem  einen  Fehler  be- 
haftet, sondern  auch  in  kleine  Theilchen  zersprengt  und 
aufgelöst,  auf  iins  gekommen  ist,  mag  ursprünglich  der 
folgende  gewesen  sein :  experta  fili  Urhagen  de  origine  et 
genealogia  Britonimi  in  lihro  sancfi  Germani  inventa.  Er 
wirft  noch  manche  Frage  auf;  doch  sollte  hier  nur  vor- 
läufig auf  Nicholsons  neue  Lesung  gewiesen  werden. 


Eine  Urkunde   des  Bischofs  Adaiger   von  Worms 
vom  Jahre  1044. 

Mitgetheilt  von  H.  Bresslau. 

In  nomine  sancte  et  individue  trinitatis.  Adalgerus 
divina  ordiuante  dementia  Wormatiensis  ecclesie  pastor. 
Notum  sit  Omnibus  sancte  dei  ecclesig  fidelibus  tam  futuris 
quam  presentibus,  quoniam  Ebbo  custos  Wormatiensis  eccle- 
sie de  thesauro  *  ecclesie  XX  libras  puri  auri  et  CC  marcas  argenti 
mihi  prestitit.  Quas  cum  domno  meo  regi  Heinrico  pre- 
stitissem,  ab  ipso  quoddam  predium  Rodonesleba  dictum  in  proprium 
accepi  situm  in  pago  Nordturingun  et  in  comitatu  Berenhardi  marchionis 
cum  Omnibus  suis  appenditiis  *,  eo  videlicet  *  tenore  ut  egO  meique 
successores  idem  ^  predium  libere  et  potestative  in  proprietatem  habe- 
a  m  u  s ,  nee  aliquis  ex  eo  quicquam  presumat  *  sue  potestati  aut  iuri 
vendicare,  nisi  rex  ipse  predictus  vel  post  mortem  suam  uxor  eins 
aut  filii  sui,  si  filios  habue r i t ,  si  non  habuerit,  quicumque  heres  eius 
pari  numero  voluerit  eidem  ecclesie  et  mihi  vel  successori  meo 
XX  libras  boni  auri  et  CC  marcas  argenti  persolvere.  Item  pre- 
stitit mihi  prenominatus  custos  LVII  marcas  argenti  de 
thesauro  prescripte  ecclesie,  quas  expendi  in  servitium 
domni  mei  regis  predicti,  pro  quibus  restituendis  decima- 
tionem  ecclesie,  que  est  Diermundestein,  cum  omni  utilitate 
sua  concessi  eidem  custodi.  Si  quid  vero  in  his  defuerit, 
de  Camera  mea  restituatur  *. 

Die  im  Vorstehenden  abgedruckte  Urkunde  des  Bichofs 
Adaiger  von  Worms,  die  jedenfalls  in  das  Jahr  1044  ge- 
hört, ist,  soviel  ich  sehen  kann,  bisher  unediert,  während 
die  Sache,  von  der  sie  in  ihrem  ersten  Theil  handelt, 
längst  bekannt  ist.  lieber  das  Darlehensgeschäft,  das  Hein- 
rich III.  vor  Beginn  seines  ungarischen  Feldzuges  von  1044 
mit  seinem  Kanzler  Adaiger  abschloss,  der  im  Anfang  des 


1)  Corr.  aus  'id  est'.  2)  Aus  dem  Chartular.  eccl.  "Wormatiensis 
(saec.  XII.)  f.  38'  in  der  öffentlichen  Bibliothek  zu  Hannover.  —  Ueber- 
schrift:  De  pecunia  quam  Adalgerus  Heinrico  regi  mutuatus  est  pro  pre- 
dio  Rodonesleba.  —  Der  Petitdruck  bezeichnet  die  Uebereiustimmung  mit 
St.  2262. 


726  H.  Bresslau. 

Jahres  zum  Bischof  von  Worms  ernannt  war,  haben  wir 
ein  Diplom  des  Königs  selbst  vom  16.  Juni  dieses  Jah- 
res ^.  Das  Geschäft,  bei  dem  der  König  als  Pfand  für  eine 
Anleihe  von  20  Pfund  Goldes  und  200  Mark  Silbers  dem 
Bischof  das  Gut  Rodensieben-  mit  dem  Verbehalt  der 
Wiedereinlösung  um  die  gleiche  Summe  für  sich  und  seine 
Erben  überliess  ^  vdrd  in  unserer  Urkunde  und  in  jenem 
Diplom  sachlich  ganz  übereinstimmend  und  fast  mit  den- 
selben Worten  erzählt;  das  Diplom  ist  in  der  Bischofs- 
urkunde selbst  benutzt  worden.  Neu  erfahren  wir  aus  der 
letzteren  in  Bezug  auf  dies  Geschäft  nur  das  eine,  dass 
der  Bischof  seinerseits  den  dem  König  vorzustreckenden 
Betrag  sich  durch  ein  Darlehen  bei  dem  Capitel,  beziehungs- 
weise dessen  Vertreter,  dem  Domcustos  Ebbo  \  beschafft  hat. 

Von  grösserem  Interesse  als  der  erste  ist  der  zweite 
Theil  unserer  Urkunde,  in  der  über  ein  zweites  von  dem 
Bischof  aus  dem  Kirchenschatz  bei  dem  Domcustos  aufge- 
nommenes Darlehen  berichtet  wird:  für  beide  zusammen 
ward  demselben  der  Zehnte  der  Kirche  von  Dirmstein 
übertragen.  Dies  zweite  Darlehen  betrug  57  Mark  Silbers, 
die  der  Bischof  'in  servitium  regis'  verausgabt  hat. 

Unter  dem  'servitium  regis'  kann  entweder  eine  Auf- 
wendung Adalgers  für  Hof-  oder  Heerfahrt  (man  denkt  an 
den  bevorstehenden  Ungarnfeldzug)  oder  aber  die  für  die  Ver- 

1)  St.  2262,  vgl.  Steindorfr,  Jahrb.  Heinrichs  III.,  Bd.  1,  205  N.  2. 

2)  Gross -ßodensleben  im  Kr.  Wollmii-städt,  vgl.  Böttger,  Diöcesan-  und 
Gaugrenzen  III,  187.  —  Dasselbe  Gut  (Rodenesleua  in  pago  Nortturiggia) 
hatte  Heinrich  II.  1006  seinem  Capellan  Dietrich  mit  der  Bedingung  des 
Heimfalls  an  die  Krone  nach  seinem  Tode  oder  nach  seiner  Ernennung 
zum  Bischof  geschenkt  (St.  1420).     Der  Heimfall   muss   also  erfolgt  sein. 

3)  In  seinem  Wesen  entspricht  das  Darlehensgeschäft  genau  denen,  welche 
sonst  im  11.  Jh.  so  häufig  zwischen  weltlichen  und  geistlichen  Herren 
abgeschlossen  werden.  Ein  Gut  wird  verpfändet,  der  Ertrag  des  Gutes 
fällt  dem  Darleiher  zu  und  ersetzt  ihm  die  Zinsen ;  Wiedereinlösung  wird 
vorbehalten.  Vgl.  die  Beispiele,  die  ich  Jahrb.  Konrads  II.,  Bd.  11,  391  N.  1 
beigebracht  habe.  Obwohl  in  unserem  Fall  eine  Frist  für  die  Einlösung 
nicht  gesetzt  war,  ist  es  dazu  doch  nicht  gekommen ;  durch  Urkunde  vom 
4.  März  1051  (St.  2399)  hat  Heinrich  III.  das  Gut  dem  Bischof  Arnold 
und    dessen    Xachfolgern    für    immer    zu    vollem    Eigenthum    abgetreten. 

4)  Ebbo  erscheint  als  custos  schon  in  der  Urkunde  Bischof  Azecho's  (Boos, 
ÜB.  der  Stadt  Worms  I,  46  n.  51)  und  in  der  Tradition  Hunbraths  aus 
der  Zeit  Azecho's  (das.  I,  45  n.  49) ;  Schannat,  Hist.  Worm.  I,  85  kennt 
ihn  noch  in  einer  Urkunde  von  1044  für  Kloster  Neuhausen,  gedruckt  ohne 
die  Zeugen  bei  Schannat  I,  109.  Wahrscheinlich  ist  er  identisch  mit  dem 
seit  1016  (Boos  I,  35  n.  45)  mehrfach  genannten  gleichnamigen  magister 
scholarum,  der  in  der  von  Boos  herausgegebenen  Wormser  Biiefsammlung 
aus  dieser  Zeit  eine  grosse  Rolle  spielt,  zu  unterscheiden  aber  von  dem 
1044  — 1068  (oder  gar  schon  1030)  begegnenden  gleichnamigen  Decan 
(vgl.  Schannat  Hist.  Worm.  I,  78). 


I 


Eine  Urkunde  des  Bischof  Adaiger  von  Worms.         727 

pflegung  des  Hofes  bei  einem  Aufenthalt  in  Worms  dem 
Bischof  obliegende  Leistung  ^  verstanden  werden.  Ein  Auf- 
enthalt Heinrichs  in  Worms  ist  uns  zwar  für  das  Jahr  1044, 
in  welches  unsere  Urkunde  gesetzt  werden  muss,  anderweit 
nicht  bezeugt,  aber  es  spricht  an  sich  nichts  dagegen,  dass 
wir  ihn  eben  aus  dieser  Urkunde  erschliessen.  Der  König 
war  im  Februar  in  Sachsen  und  urkundet  noch  am  22.  in 
Goslar;  Ostern  feiert  er  dann  am  22.  April  in  Nimwegen -. 
Auf  dieser  Reise  an  den  Niederrhein  Hesse  sich  ein  Auf- 
enthalt in  Worms  in  das  Itinerar  einfügen:  Heinrich  hätte 
eine  unmittelbare  Veranlassung  dazu  in  der  Erledigung  des 
Wormser  Stuhles  durch  den  am  17.  Januar  erfolgten  Tod 
des  Bischofs  Azecho  gehabt;  indem  er  seinen  Kanzler 
Adaiger  zum  Nachfolger  ernannte,  liegt  die  Annahme,  dass 
er  dessen  Weihe  beiwohnte,  nahe.  Andererseits  ist  aber 
auch  auf  der  Eeise  von  Nimwegen  nach  Bonndorf,  wo  das 
oben  angeführte  Diplom  vom  16.  Juni  ausgestellt  ist,  wie 
immer  man  diesen  Ortsnamen  auch  deuten  mag^  ein 
Aufenthalt  in  Worms  möglich  und  vielleicht  noch  wahr- 
scheinlicher. 

Trifft  eine  der  letzten  Annahmen  zu,  so  würde  unsere 
Urkunde  das  sehr  dürftige  Itinerar  Heinrichs  in  der  ersten 
Hälfte  des  Jahres  1044  ergänzen.  Ihr  Hauptwerth  aber 
liegt  in  der  bestimmten  Angabe  über  den  Betrag,  auf 
welchen  sich  das  'servitium  regis'  des  Bischofs  von  Worms 
zum  mindesten'*  belief;  es  ist  meines  Wissens  die  einzige 
zahlenmässige  Angabe  dieser  Art,  die  wir  aus  dem  11.  Jh. 
überhaupt  besitzen. 


1)  Vgl.  Waitz  VG.  VIII,  227  ff.  2)  Vgl.  Steindorff  I,  199  f.  Da- 
zwischen setzt  Steindorff  I,  200  N.  5  (wo  6.  April  statt  8.  Druckfehler 
ist),  vgl.  I,  398  f.,  einen  Aufenthalt  zu  Nienburg  oder  Naumburg  an  der 
Saale  am  8.  April  auf  Grund  von  St.  2259,  einer  offenbar  gefälschten 
Urkunde,  deren  Daten  er  aber  einem  echten  D.  von  1044  entnommen  sein 
lässt.  Indessen  haben  wir  für  die  letztere  Annahme  keinerlei  Gewähr; 
selbst  wenn  für  die  Daten  der  Fälschung  eine  echte  Urkunde  aus  der 
Königszeit  benutzt  wäre,  ist  eine  Aenderung  grade  der  Tages-  und  der  Orts- 
angabe in  der  Fälschung  sehr  wohl  möglich;  und  bei  der  grossen  Ent- 
femmig  zwischen  Nienburg  oder  Naumburg  und  Nimwegen  ist  es  an  sich 
nicht  sehr  wahrscheinhch,  dass  der  König  am  8.  April  an  der  Saale  ge- 
wesen sei,  wenn  er  am  22.  in  Nimwegen  Ostern  feierte.  3)  Vgl. 
Steindorff  I,  205  N.  2.  4)  Zum  mindesten:  denn  es  ist  natürlich  nicht 
ausgeschlossen,  dass  der  Bischof  einen  grösseren  Betrag  als  den  von  Ebbo 
erhaltenen  dafür  verausgabt  hat. 


Ein  Schreiben  Odilo's  von  Cluni  an  Heinrich  III. 
vom  October  1046. 

Mitgetheilt  von  Ernst  Sackur. 

H.  Grauert  veröffentlichte  kürzlich  im  Historischeu 
Jahrbuch  XIX,  S.  254  f.  Verse,  in  denen  Heinrich  III.  auf- 
gefordert wird,  die  drei  Päpste,  die  den  Stuhl  Petri  be- 
setzt halten,  abzusetzen  und  einen  neuen  zu  erheben.  Für 
den  Verfasser  hält  er  den  im  Böhmerwalde  als  Eremiten 
lebenden  ehemaligen  Edlen  Günther,  der  Heinrich  III.  nahe 
gestanden  habe  und  als  Bussprediger  namentlich  in  Böh- 
men und  Baiern  wirkte.  Der  Beweis  wird  besonders  mit 
Rücksicht  auf  eine  Stelle  der  Ann.  Palid.  geführt,  in  der 
drei  Verse  des  von  Grauert  zum  ersten  Mal  veröffentlich- 
ten Gedichtes  citiert  werden  mit  der  Bemerkung,  dass  der 
Eremit  Wipert,  der  'in  confinio  Bohemie'  lebte,  auf  die 
Kunde  von  dem  dreifachen  Schisma  in  Rom  sie  an  Hein- 
rich III.  richtete.  Da  sie,  und  deutlicher  noch  das  ganze 
Gedicht,  die  Aufforderung  enthalten,  alle  drei  Päpste  abzu- 
setzen, was  in  der  That  später  geschah,  nimmt  Grauert 
an,  dass  Heinrich  eben  dieser  Aufforderung  gefolgt  sei,  und 
schreibt  den  Versen  somit  eine  welthistorische  Bedeutung  zu. 

Ich  sehe  von  der  Namensverschiedenheit,  die  zwischen 
Günther  und  Wipert  besteht,  ab  und  will  zugeben,  dass  der 
Pöhlder  Annalist  eben  jenen  Günther  im  Auge  gehabt 
haben  kann.  Viel  schwerwiegender  ist  für  mich  eine  andere 
Schwierigkeit,  die  auch  Grauert  andeutet  mit  den  Worten^: 
'Ob  der  in  Deutschland  zu  suchende  Verfasser  der  Verse 
eine  völlig  genaue  Kenntnis  der  Verhältnisse  des  päpst- 
lichen Stuhles  im  Jahre  1045/46  haben  konnte,  ist  freilich 
eine  andere  Frage'.  Günther  stirbt  nämlich  bereits  am 
9.  October  1045 ,  und  da  es  in  dem  Gedichte  ausdrücklich 
heisst:  'Propter  aurum  et  argentum  hoc  malum  est  inventum', 
müsste  er  ausserge wohnlich  früh  von  dem  simonistischen 
Erwerb  der  Tiara   von  Seiten  Gregors  VI.  am  1.  Mai  des- 

1)  Vgl.  S.  259  N.  1  am  Ende. 


Ein  Schreiben  Odilo's  von  Climi  an  Heinrich  111.       729 

selben  Jahres  Kenntnis  erhalten  haben,  während  wir  doch 
wissen,  dass  die  Wahl  Greg-ors  VI.  zunächst  für  durchaus 
canonisch  galt.  Petrus  Damiani  wusste  anfangs  jedenfalls 
nichts  davon,  und  in  französischen  Klöstern  hatte  man 
g-anz  gewiss  längere  Zeit  keine  Ahnung  von  den  Vorgängen. 
Damit  wird  es  aber  auch  höchst  unwahrscheinlich,  dass 
der  Einsiedler  des  böhmisch-bairischen  Waldgebirges  eine 
derartige  Kenntnis  besitzen  konnte,  die  ihn  bis  zum  Octo- 
ber  1045  in  den  Stand  setzte,  Verse,  wie  die  veröffent- 
lichten, an  Heinrich  zu  schreiben.  Ich  kann  mich  also 
der  Ansicht  nicht  verschliessen :  entweder  ist  der  Eremit, 
dem  die  Verse  zugeschrieben  werden,  nicht  Günther  ge- 
wesen, oder  die  Nachricht  der  Ann.  Palid.  ist  überhaupt 
eine  Fabel. 

So  wenig  wahrscheinlich  es  an  sich  ist,  dass  ein  im 
Böhmerwalde  lebender  Eremit  durch  einige  Verse  einen 
entscheidenden  Einfluss  auf  die  That  Heinrichs  III.  ausge- 
übt haben  soll,  so  gänzlich  muss  eine  derartige  Vermuthung- 
in  den  Hintergrund  treten,  wenn  wir  nachweisen  können, 
dass  kein  anderer  als  der  Abt  Odilo  von  Cluni  unmittelbar 
vor  den  entscheidenden  Schritten  in  Sutri  und  ßom  für 
die  Absetzung  Gregors  VI.  eingetreten  ist,  und  wenn  wir 
die  Verantwortlichkeit  für  diesen  Schritt  damit  wieder  der- 
selben Seite  beimessen  dürfen,  die  wir  schon  früher  in 
vollstem  Einverständnis  mit  den  kaiserlichen  Massregeln  in 
Rom  nachweisen  konnten. 

Im  Cod.  Vat.  1.  8563  saec.  X.  (enthaltend  Predigten 
und  Lectionen)  findet  sich  nämlich  auf  fol.  138'  von  einer 
Hand  des  11.  Jh.  auf  leeren  Blättern  eingetragen  eine 
'Epistola  Odilonis  abbatis  Cluniacensis  ad  Heinricum  impe- 
ratorem  Augustum'.  Dass  wir  es  mit  einem  echten  Schreiben 
Odilo's  zu  thun  haben,  zeigt  der  Stil:  die  Odilo  eigene 
Vorliebe  für  Reimprosa  und  gewisse  rhetorische  Figuren, 
eine  bis  zu  Versen  gesteigerte  Spielerei  mit  Worten^,   der 

1)   In  dem  Briefe  sind  folgende  Verse  aufgenommen: 
Dicat  omnis  Gallia:  'Quis  audivit  talia'? 
Dicat  Italicus  populus  levatis  sursum  manibus: 
'[Per  quel  den]  hie  est  cesaris  unicus  Octonis  magni  fiUus', 
Dicant  paui^erum  miba:  'Per  ista  mea  anima, 
Hunc  mater  nostra  et  domina  genuit  Adalleyda'. 
Hier  ist,   worauf  mich   mein  College  Dr.  H.  Bloch  im  Hinbbck  auf  die 
von   ihm   N.   Arch.  XXII,   119  ff.    veröftentlichten  Versus    de    Ottone    et 
Heinrico,    die  in   demselben  Versmass  gedichtet  sind,  aufmerksam  macht, 
vielleicht   ein   Rythmus    auf   Otto  II.    benutzt.      Nur   hat   es    in   dem  ur- 
sprünglichen   Gedicht   wohl:    'Dicit',   resp.    'dicunt'    geheissen.     Die    fran- 
zösischen Worte:    'Per  quel  deu'  sind  natürlich  Zusatz  Odilo's,    zumal  sie 
das  Versmass  stören. 


730  Ernst  Sackur. 

lebhafte  und  emphatische  Ton  und  endlich  der  Inhalt. 
Dass  der  Brief  an  Heinrich  III.  gerichtet  ist  und  nicht  an 
Heinrich  II.,  worauf  zunächst  einige  weniger  wesentliche 
Momente  hindeuten  könnten  ^ :  dafür  giebt  es  durchaus  ent- 
scheidende Stellen.  Der  Brief  fällt  in  die  Zeit  des  Eömer- 
zuges  Heinrichs  III.  von  1046  und  ist  ein  kirchen politi- 
sches Document  ersten  Ranges,  insofern  als  Odilo  sich  be- 
müht, im  Sinne  seiner  Kirchenpolitik  auf  Heinrich  III.  zu 
wirken.  Aber  die  Zeit  der  Abfassung  und  die  Tendenz 
lässt  sich  noch  genauer  bestimmen. 

Wir  stehen  unmittelbar  vor  den  entscheidenden  Schrit- 
ten bezüglich  der  Lösung  der  römischen  Frage.  Nicht  nur 
ruft  Odilo  dem  Könige  zu :  'caute  tractate  rempublicam  et 
diligenter  supra  modum  sedem  apostolicam',  sondern  er 
sagt  auch  weiter:  'Unum  dicam  apertius,  quod,  si  celatum 
fuerit,  ut  multum  timeo,  diiudicabitur  acrius:  Quod  ille 
perdit,  qui  totum  dedit,  non  debet  ille  possidere,  qui  totum 
tulit.  Totum  tulit,  quantum  in  illo  fuit.  Si  posset  suum 
velle,  nil  valeret  divinum  posse.  Res  enim,  qu§  in  prae- 
sentia  tractatur,  pro  anima  est  et,  ut  magis  dicam,  Dei 
causa  est'.  Wer  der  ille  ist,  qui  totum  tulit,  ist  deutlich 
genug.  Der  Priester  Gratian  von  St.  Johann  ante  portam 
Latinam,  der  die  Papstwürde  Benedict  IX.  abkaufte.  Odilo 
verlangt  also,  dass  Gregor  VI.  abgesetzt  werde ,  natürlich 
ebenso  Benedict,  wie  aus  den  Worten  'quod  ille  perdit  qui 
totum  dedit'  hervorzugehen  scheint.  Eine  Beziehung  dieser 
Stelle  etwa  auf  die  Doppelwahl  von  1012,  wo  Gregor  von 
der  Crescentischen,  Benedict  VIII.  von  der  Tusculanischen 
Partei  erhoben  wurde,  verbietet  sich  deshalb,  weil  damals 
ein  Handel  zwischen  beiden  Päpsten  nicht  stattgefunden 
hat  und  nach  allem,  was  wir  wissen,  auch  nicht  stattge- 
funden  haben  kann,    der    aber    gerade    für  1045   bewiesen 

1)  Das  Hauptmoment  wäre  wohl  das,  dass  in  dem  Briefe  von  einem 
früheren  Aufenthalt  Heinrichs  in  Pavia  die  Rede  ist  und  von  einer  Schädigung 
der  Kirche  S.  Syrus.  Das  würde  auf  den  Aufenthalt  Heinrichs  II.  von 
1004  passen,  wo  ein  Theil  der  Stadt  in  Flammen  aufging.  Ferner  be- 
schäftigt sich  Odilo  bei  seinen  allgemeinen  Rathschlägen  mit  den  Juden: 
wenn  sie  die  Taufe  empfingen,  sollten  sie  sich  des  kaiserlichen  Schutzes 
erfreuen.  Das  könnte  in  Verbindung  gebracht  werden  mit  der  von  den 
Ann.  Quedlinburg,  zu  1012  gemeldeten  Vertreibung  der  Juden  aus  Mainz 
von  Seiten  des  Königs  (vgl.  J.  Aronius,  Regesten  zur  Geschichte  der  Juden 
S.  61).  Aber  wir  wissen,  dass  es  sich  in  diesem  Falle  um  eine  ganz 
locale  und  vorübergehende  Ausweisung  handelte  ohne  weitere  Bedeutung. 
Odilo's  Rathschläge  tragen  einen  viel  allgemeineren  Charakter  und  sind 
eher  aus  französischen  Verhältnissen  zu  abstrahieren  als  aus  deutschen. 
Die  Hauptsache  ist,  dass  der  Brief  einige  Momente  enthält,  die  gar  nicht 
anders  als  auf  das  Schisma  von  1046  gedeutet  werden  können. 


1 


Ein   Schreiben   Odilo's  von  Cluni  an  Heinrich  III.        731 

ist^  Der  Brief  ist  also  vor  den  Synoden  von  Sutri  und 
Rom  g'eschrieben.  Für  diesen  und  keinen  früheren  Termin 
spricht  auch  die  Aufforderung,  die  Simonie  zu  bekämpfen, 
die  ganz  in  diese  Zeit  passt,  weit  weniger  aber  in  die  Zeit 
des  Römerzuges  Heinrichs  II. 

Der  Brief  ist  aber  weiter  dem  Könige  in  Pavia,  wo 
er  spätestens  am  24.  October  1046  eintraf-,  überreicht 
worden.  Denn  Odilo  schreibt  ihm :  'Videte,  ne  fraudetur 
vestra  dignissima  promissione  ille  pater  patrie,  beatus  vi- 
delicet  Syrus,  et  gubernator  Papie.  Et,  ut  vestris  ipsis  veri- 
dicis  verbis  vos  conveniam,  dixistis,  si  dignamini  recordari : 
"Si  Deus  concesserit  nobis  reditum  ad  istas  partes  cum 
prosperitate,  honorabo  gcclesiam  sancti  Syri  secundum  suum 
decere,  ne  irascatur  mihi  pro  iniecto  sibi  tanto  discrimine'. 
Dann  fährt  er  erst  fort:  'De  cetero,  domine  mi  rex  .  .  . 
caute  tractate  rempublicam'  etc.  Odih:)  erinnert  Heinrich 
an  ein  früheres  Versprechen:  wenn  er  wieder  ad  istas  par- 
tes, nämlich  nach  Pavia  komme,  ein  dem  hl.  Syrus  zuge- 
gefügtes  Unrecht  gut  zu  machen.  Dieser  frühere  Aufent- 
halt Heinrichs  in  Pavia  kann  nur  im  Sommer  1037  statt- 
gefunden haben,  als  der  junge  König  mit  starkem  Heere 
nach  Italien  zog,  um  seinen  Vater  im  Kampfe  gegen  Ari- 
bert  von  Mailand  zu  unterstützen -^  Dass  Heinrich  damals 
in  Pavia  war,  wissen  wir  zwar  ebenso  wenig  aus  anderen 
Berichten,  als  dass  er  der  Kirche  des  hl.  Syrus  schweren 
Schaden  zufügte :  aber  wenn  wir  aus  der  Mittheilung  Odi- 
lo's den  Schluss  ziehen  dürfen,  dass  Heinrich  damals  den 
Auftrag  erhielt,  Pavia  zu  züchtigen,  dessen  Bürgerschaft 
dem  in  Pavia  geächteten  Erzbischof  Aribert  ebenso  an- 
hängen mochte,  als  die  Mailands,  so  würden  wir  nicht  nur 
eine  vollkommene  Erklärung  für  Odilo's  Worte,  sondern 
auch  für  die  Berufung  Heinrichs  aus  Deutschland  gefunden 
haben,  die  der  Bannung  und  Flucht  Ariberts  unmittelbar 
folgte,  und  gleichzeitig  einen  interessanten  Beitrag  für  die 
Geschichte  des  zweiten  Römerzuges  Konrads  II.  Ist  aber 
Odilo  im  Stande  ein  Versprechen  Heinrichs  aus  jener  Zeit 
wörtlich  anzuführen,  so  liegt  der  Schluss  nicht  weit,  dass  er 
selbst  damals  in  Pavia  zugegen  war.  Davon  wusste  man  bis- 
her auch  nichts:    aber  wie  Odilo  im  Jahre  1004  zu  Gunsten 


1)  Die  entscheidende  Stelle  enthält  die  Worte:  'Quod  ille  perdit, 
qui  totum  dedit  etc.';  gerade  der  Ausdruck  'dedit'  wird  in  dem  Lib. 
Pont.  (Duchesne  11,  270)  gebraucht  von  Benedict  IX.,  der  Gregor  VI.  die 
päpstliche  Würde  abtritt.  2)    Steindorff,  Jahrb.  Heinrichs  HI.,  I,  307. 

8)  Vgl.  Bresslau,   Jahrb.   Konrads  II.,  II,  240;   Steindorff,   Jahrl».   Hein- 
richs ni.,  I,  39. 


732  Ernst  Sacknr. 

der  Pavesen  bei  Heinrich  II,  eintrat,  so  mochte  er  sich  eben 
auch  für  sie  im  Sommer  1037  verwendet  haben:  genug  ein 
Bild  von  so  ineinander  passenden  Zügen,  dass  wir  an  der 
Tbatsache,  dass  Heinrich  III.  eben  damals  die  Pavesen  be- 
strafte und  Odilo  für  sie  intervenierte,  nicht  mehr  werden 
zweifeln  können. 

In  Pavia  überreicht  also  Odilo  das  Programm,  nach 
dem  er  wünscht,  dass  der  König  bei  der  Reform  des  römi- 
schen Stuhles  verfahre.  Er  fordert  darin  vor  allem  die 
Absetzung  des  bis  zuletzt  anerkannten  Gregor;  der  Termin 
war  gut  gewählt,  denn  unmittelbar  nach  der  Synode  von 
Pavia ,  die  bereits  die  Eechtmässigkeit  seines  Pontificats 
discutiert  zu  haben  scheint  \  hatten  Heinrich  und  der  Papst 
eine  Zusammenkunft  in  Piacenza-.  Für  das  Verhalten  bei 
der  Reform  giebt  aber  Odilo  noch  speciellere  Rathschläge : 
'Res  enim,  que  in  presentia  tractatur,  pro  anima  est  et,  ut 
magis  dicam,  Dei  causa  est.  Causa  vero  Dei  a  dilecto- 
ribus  Dei  oportet  tractari.  Causam  anim§  vestre  eis  debe- 
tis  committere,  qui  suas  diligere  student  potius  quam  audire. 
Qui  diligit  iniquitatem  odit  animam  suam.  De  toto  mundo 
debetis  eligere,  quorum  arbitrio  Romanum  Imperium  decer- 
nitis  ordinäre.  Sicut  cum  militibus  ordinäre  militiam,  ita 
cum  spiritualibus  ecclesiasticum  tractare  negotium,  cum 
misericordibus  miseriam  inopum  etgemitum  pauperum'.  Dann 
warnt  er  vor  schlechten  Räthen,  wie  es  scheint,  specieller  vor 
einigen  Fürsten. 

Der  Sinn  der  Rathschläge  ist  ganz  klar:  Für  die  Neu- 
ordnung der  römischen  Verhältnisse  soll  der  König  seine  Be- 
rather aus  der  ganzen  Welt  wählen,  die  kirchlichen  Fragen 
mit  Hilfe  der  Geistlichkeit  entscheiden.  Dass  Odilo  sich  und 
seine  Partei  damit  dem  Könige  anbietet,  ist  deutlich  genug. 
Wir  sehen  aber  weiter  daraus,  dass  Odilo  nicht  die  ge- 
ringsten canonischen  Bedenken  gegen  Heinrichs  Eingriffe 
hat,  er  räth  selbst  zur  Absetzung  Gregors  VI.  Der  König 
soll  sich  nur  nicht  auf  deutsche  oder  italienische  Räthe 
allein  stützen,  sondern  diese  frei  aus  der  ganzen  Welt 
wählen :  d.  h.  Odilo  selbst  will  gehört  werden  und  ein 
Wort  mitsprechen.  Für  solche  Forderungen  war  1046  ganz 
anders  Raum  als  zweiunddreissig  Jahre  früher:  wissen 
wir  doch,  dass  von  Seiten  des  französischen  Episcopats 
die    Absetzung    Gregors    und    die    Erhebung    Clemens  II. 


1)  Vgl.  Steindorff"  I,  311.  Bestimmte  Beweise  sind  dafür  nicht  da, 
aber  Steindorffs  Vermuthung  wird  durch  unsern  Brief  gestützt.  2)  Stein- 
dorff  a.  a.  O. 


Ein  Schreiben  Odilo's  von  Cluni  an  Heinrich  III.        733 

nicht  anerkannt  wurde,  weil  die  französischen  Bischöfe 
nicht  zugezogen  worden  waren  ^  Sehr  ähnliche  Forderungen 
erhebt  Odilo. 

Glücklicherweise  sind  wir  in  der  Lage,  die  Wirkung 
des  Schreibens  an  den  König  zu  ermessen.  Denn  abgesehen 
davon,  dass  die  beiden  Päpste,  vor  allem  Gregor  VI.,  dessen 
Absetzung  allein  zweifelhaft  sein  konnte,  von  Heinrich  III. 
thatsächlich  beseitigt  wurden,  wissen  wir  jetzt  auch  aus 
dem  in  dieser  Zeitschrift  XV,  S.  119  ff.  veröffentlichten 
Capitel  der  V.  Odilonis,  dass  Odilo  zur  Berathung  über 
die  Wahl  Clemens  II.  in  der  That  zugezogen  wurde,  für 
dessen  Erhebung  er  stimmte,  und  dürfen  somit  auch 
schliessen,  dass  das  Verfahren  gegen  die  beiden  Päpste  mit 
seiner  Zustimmung  und  in  seiner  Anwesenheit  erfolgte.  Da 
Odilo  dem  Könige  bereits  in  Pavia  begegnete,  hat  er  jeden- 
falls schon  an  der  Synode  von  Pavia  theilgeuommen,  und 
ebenso  an  den  folgenden  von  Sutri  und  Rom.  Wahrschein- 
lich war  Odilo's  Stellung  zur  römischen  Frage  schon  aus- 
schlaggebend für  die  Begegnung  Heinrichs  III.  mit  Gre- 
gor VI.  in  Piacenza. 

Bemerkenswerth  ist  die  ausserordentlich  discrete  und 
vorsichtige  Art,  mit  der  Odilo  die  Absetzung  Gregors  em- 
pfiehlt: war  Gregor  bis  dahin  doch  der  anerkannte  Papst, 
auch  Petrus  Damiani  betrachtet  ihn  bis  zuletzt  als  solchen, 
wenn  er  auch  bei  der  Besetzung  gewisser  Bischofsstühle 
in  Italien  wünscht,  dass  der  Papst  nicht  vor  der  Ankunft 
des  Königs  entscheide '-.  Er  mochte  bereits  etwas  ahnen. 
Aber  um  so  unwahrscheinlicher  wird  es,  dass  bereits  über 
ein  Jahr  früher,  im  Sommer  1045,  Günther  der  Eremit 
von  der  bairisch-böhmischen  Grenze  durch  jenes  etwas  täp- 
pische Gedicht  in  dem  behandelten  Sinne  auf  Heinrich  III. 
hätte  wirken  können. 

Der  bestimmende  Einfluss  Odilo's  und  der  Cluniacenser 
auf  Heinrichs  Kirchenreform  wird  damit  offenbar.  Der  Grund 
dafür,  dass  von  cluniacensischer  Seite  eingeschritten  wurde, 
muss  darin  gelegen  haben,  dass  Gregors  simonistische  Er- 
hebung und  der  Vertrag  mit  Benedict  IX.  ruchbar  gewor- 
den war.  Es  ist  ein  seltsamer  Moment,  Odilo  den  Papst 
mit  absetzen  zu  sehen,  durch  dessen  Verbannung  nach 
Deutschland  Hildebrand  heimathlos  wurde. 


1)    De   ordinando   pontifice   auctor  Gallicus,   Lili.  de  Ute  I,  p.  11 ; 
vgl.  Cluniacenser  II,  307.         2)  Vgl.  Cluniacenser  II,  286. 


734  Ernst  Sackur. 

Epistola,  Odilonis  abbatis  Cluniaceiisis  ad 
Heinricum  imperatorem  Augustnm. 

Hfeinrico]  Augusto  maximo  divo,  omni  favore  dignis- 
simo,  omnis  catholicus  homo,  omnis  §cclesiasticus  ordo,  om- 
nium  miserorum  et  pauperum  multitudo  solium  regni,  arcem 
imperii,  gratiam  Dei  et  gaudia  c^li. 

Quoniam  prelia  domini  Dei  vestri  contenditis  preliari 
in  prima  tyrocinii  vestri  congressione,  munite  vos  armis 
iusticie,  induite  vos  vestimentis  letieie,  non  corrumpat  vos 
amor  pecuni§,  non  deviet  a  vero  aeceptio  person§.  Videat 
vos  superbus  terribilem,  sentiat  humilis  mitem,  vobis  veni- 
ente  siiperbia  resupinata  iniquorum  languescat,  cnpiditas 
superborum  incurvata  torpescat,  innocentia  pauperum  af- 
flicta  convalescat.  Gaudeat  vos  sibi  advenisse  Italicum 
regnum,  trijDudiet  in  adventu  vestro  Eomanum  imperium. 
*f.  139.  L^teutur  episcopi,  divites  et  pauperes,  clerici,  abbates* 
et  monachi  omnesque  ecclesie  filii.  Non  liceat  maioribus 
minores  opprimere,  discant  minores  maioribus  obedire. 
Vestro  regimine  vitia  deleantur,  vestro  imperio  virtutes 
oriantur,  heresis  symoniaca  sit  in  porcorum  stercora.  Absit 
illicitus  questus  velut  idolatri§  cultus,  omnis  hereticus  ut 
fumus  evanescat.  ludeus  infidelis  confusus  erubescat,  sed 
in  fide  renatus  vestri  gratiam  babeat.  Signati  sacro  baptis- 
mate  ita  debent  sub  vestra  defensione  gaudere,  ne  habeant 
occasionem  exorbitandi  in  fide.  Si  iterum  sue  olive  cupiunt 
inseri,  sua  heriditate  desiderant  frui,  non  debent  evelli,  non 
debent  exheredari.  Nutriantur  materna  et  catbolica  karitate, 
ut  perseverent  in  fidei  firmitate.  Subdita  vobis  regna  vestro 
tutamine  polleant,  vestra  prudentia  floreaut.  Vicine  [natio- 
nes*"^]  aut  se  subdere  vobis  festinent  aut  preconiis  vestre  vir- 
tutis  auditis  tremefacte  tabescant.  Sclauus  grunniat,  Ungarns 
strideat,  Grecus  miretur  et  stupeat.  Sarraeenus  turbetur  et 
fugiat^' .  Punicus  persolvat  tributum,  Hispanus  requirat  auxi- 
lium,  Burgundio  veneretur  et  diligat,  Aquitanus  letabundus 
accurrat.  Dicat  omnis  Gallia:  'Quis  audivit  talia'?  Dicat 
Italiens  populus  levatis  sursum  manibus:  'Per  quel  deu, 
hie  est  cesaris  unicus  Octonis  magni  filius'.  Dicant  pau- 
perum milia:  Ter  ista  mea  anima  hunc  mater  nostra  et 
domina  genuit  Adalleyda'.  Videte,  ne  fraudetur  vestra  dig- 
nissima  promissione  ille  pater  patrie,  beatus  videlicet  Syrus, 
et  gubernator  Papi§.  Et,  ut  vestris  ipsis  veridicis  verbis 
vos  conveniam,  dixistis,  si  dignamini  recordari:  'Si  Deus 
concesserit  nobis  reditum  ad  istas  partes  cum  prosperitate, 

a)  Von  mir  ergänzt.         b)  fugeat  f;   über  dem  e  ist  i  corrif/iert. 


Ein  Sclireiben  Odilo's  von  Cluui  an  Heinrich  III.       735 

honorabo  fcclesiam  Sancti  Syri  secundum  suum  decere,  ne 
irascatnr  mihi  pro  iniecto  sibi  tanto  discrimine'.  De  cetero, 
domiiie  mi  rex,  prudentissime  regum  et  clarissiine  cesa- 
rum,  caute  tractate  rempnblicam,  et  diligenter  supra  mo- 
dum  sedem  apostolicam.  Gaudete  vos  potius  prodesse 
seculo,  quam  praeesse  populo.  Nos  vero,  servi  vestri,  op- 
tamus  vos  feliciter  praeesse  et  omnibus  prodesse  et  cum 
ilio  regnare  qui  semper  habet  esse.  Satis  vero  cousequens 
est  et  nimis  laudabile,  ut  ipsi  inimici  de  vestra  gratia 
possint  g-audere.  Sic  enim  precepit  veritas:  Diligite  ini-  Mattii.  5,41. 
micos  vestros,  henefacite  his  qui  oderunt  vos.  Et  procul 
dubio  latum  Dei  mandatum,  quando  dilectio  extenditur 
usque  ad  inimicum.  Econtra  valde  contrarium  est  et  nimis 
inhonestum,  ut  hi  qui  fideles  fuerint,  seutiant  detrimentum. 
Audiant  a  nobis  laborantem  pro  vobis:  Venite  ad  me,  qui  Matth.11,28. 
lahoratis  et  onerati  estis,  et  ego  vos  refitiam.  Tarn  leve  et 
suave  eis  iugum  inpouite,  ut  possiut  ^quanimiter  et  fideliter 
ferre.  Unum  dicam  apertius,  quod,  si  celatum  fuerit,  ut 
multum  timeo,  diiudicabitur  acrius:  Quod  ille  perdit  qui 
totum  dedit,  non  debet  ille  possidere  qui  totum  tulit.  To- 
tum  tulit,  quantum  in  illo  fuit.  Si  posset  suum  velle,  nil 
valeret  divinum*'^  posse.  Res  enim,  qu§  in  preseutia  trac- 
tatur,  pro  anima  est  et,  ut  magis  dicam,  Dei  causa  est. 
Causa  vero  Dei  a  dilectoribus  Dei  oportet  tractari.  Causam 
anim^  vestr^  eis  debetis  committere,  qui  suas''  diligere 
Student  potius  qviam  audire.  Qui  diligit  iniquitatem  odit 
animani  suam.  De  toto  mundo  debetis  eligere,  quorum 
arbitrio  ßomanum  Imperium  decernitis  ordinäre.  Sicut  cum 
militibus  ordinäre  militiam,  ita  cum  spiritualibus  ecclesiasti- 
cum  tractare  negotium,  cum  misericordibus  miseriam  iuo- 
pum  et  gemitum  pauperum.  Si  plures  vobis  consiliarii 
fuerint  sive  Salomone  dicente :  Unns  eJectus  de  niiUe,  of.cant.5,10. 
sint  tales  quales  David  se  habere  gaudebat,  cum  dicebat: 
Ocidi  mei  ad  fideles  ferre,  nt  sedeant  mecum,  et  amlmlans  in  Ps.  ioo,g. 
via  inmacidafa  hie  mihi  ministrabat.  Videte,  ne  tales  sint  de 
quibus  Isaias  vobis  repraehendendo  dicat:  Principes  tui  in-  1^.1,2^- 
fideles,  sota  fnrum.  Omnis  diligit  munera,  sequitur  retrihutiones. 
PupUlo  non  iudicant,  et  causa  vidue  non  ingreditur  ad  eos. 
Talibus  etiam  sibi  male  suggerentibus  dedignabatur  aures  . 
David  accomodare,  sed  dicebat:  Declinate  a  me  indigni,  e^  ps.  118,115. 
scridahor  mandata  Dei  mei.  Tales  omuipotens  Dens  a  con- 
spectibus  vestris  pestes  longe  faciat,  mittendo  vobis  de  celis 
auxiliuni  et  consilium,  qui  per  cuncta  secula  seculorum  vi- 
vit  et  regnat.     Amen. 

a)  So  wohl  zu  emendieren;  suurum  undeutlich  c.        b)  seil,  animas. 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  47 


Forliveser  Annalen  des  Pietro  Ravennate. 

Von  F.  Güterbock. 

G.  Mazzatinti,  Inventari  dei  mss.  delle  biblioteche 
d'Italia  V,  40  (n.  807)  erwähnt  unter  den  Hss.  der  Biblioteca 
Ciassense  in  Ravenna  das  Fragment  einer  Bologneser  Chronik, 
das  aus  dem  15.  Jh.  stammt  und  die  Jahre  1106 — 1276 
umfasst.  Ich  habe  den  Codex  '5  M'  eingesehen  i.  Es 
handelt  sich  um  Annalen  von  Forli,  denen  Bologneser  und 
andere  Nachrichten  beigemischt  sind. 

Die  Annalen  des  lacobns  Moratinus  -,  die  im  Anfang 
ein  Auszug  aus  Cantinelli's  Chronik  ^  sind,  beginnen  erst 
1275.  Aeltere  Forliveser  Ereignisse  trifft  man  in  der  Chronik 
Cobelli's*  und  vereinzelt  auch  in  einem  Chronicon  des 
Azzurini^.  Die  Chronik  Cobelli's  (aus  dem  Ende  des  15.  Jh.) 
zeigt  von  1176  — 1236  eine  Lücke  und  bringt  überdies  die 
meisten  Notizen  in  italienischer  Uebersetzung,  manche  nicht 
mehr  in  der  schmucklosen  ursprünglichen  Form,  sondern 
in  sagenumsponnener  später  Bearbeitung*^.  Zu  vergleichen 
sind  daneben  die  Annalen  Cesena's,  welche  von  Chiara- 
monti,  Hist.  Caesenae  (1641)  benutzt  und  dann  von  Muratori ' 
veröffentlicht  wurden:  sie  enthalten  Nachrichten,  die,  wie 
schon  Chiaramonti  ^  bemerkt,  auf  Forliveser  Annalen  zurück- 
gehen. Aus  einer  verwandten  Quelle  haben  schliesslich 
Eossi  (ßubeus),  Hist.  Ravennat.  (1571)"  und  Bonoli,  Ist.  di 
Forli  (1661)^*^  geschöpft.  Ueberall  besteht  eine  auffallende 
Uebereinstimmung  in  der  Fassung  des  Textes. 

Bei  Bonoli  erscheinen  die  Forliveser  Nachrichten  aus 
dem  12.  und  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jh.  am  vollständigsten : 


1)  In  der  Bibl.  Ciassense  fand  ich  bei  dem  Vicebibliothekar  S.  Ber- 
nicoli  die  freundlichste  Unterstützung.  2)  Muratori  SS.  XXII,  135  ff. 
3)  Mittarelli,  Ad  SS.  Muratorii  accessiones  hist.  Fav.  231  ff.  Vgl.  Simons- 
feld in  den  SB.  der  Münchener  Akademie  1893,  p.  369  ff.  4)  Dei 
monumenti  istorici  pert.  alle  prov.  della  Romagna  Serie  III,  Tomo  I 
(Bologna  1874).  5)  Mittarelli,  Accessiones  320  ff.  (zu  1239  und  1241). 
6)  Vgl.  die  Jahre  1160  und  1241.  7)  SS.  XIV,  1089  ff.  8)  A.  a.  o. 
p.  251.  9)  Vgl.  auch  die  Ausgabe  von  1589.  10)  Eine  zweite  Aus- 
gabe erschien  1826.     Ich  eitlere  nach  der  ersten  von  1661. 


Forliveser  Aunaleu  des  Pietro  Ravennate.  737 

er  bezeichnet  als  seinen  Gewährsmann  den  Pietro  Ravennate, 
den  er  oft  im  Wortlant  citiert.  Auf  die  Chronik  des  Pietro 
di  Ravenna  bezieht  sich  gleichzeitig-  in  anderem  Zusammen- 
hang Fabri,  EfEemeride  sacra  et  istorica  di  Ravenna  antica 
(1675).  Nach  Fabri  ^  erstreckten  sich  die  Annalen  von  1 100 — 
1377,  nach  Bonoli-  bis  1372.  Fabri  sagt  von  Pietro  'racconta 
molti  avvenimenti  del  mondo'  und  führt  ihn  bei  Raven- 
uater  Begebenheiten  an^.  Bonoli  spricht  von  den  Antichi 
Annali  des  Pietro  als  Forliveser  Quelle.  Das  Manuscript 
Bonoli's  befand  sich  zusammen  mit  mehreren  anderen  An- 
nalen 'in  Casa  de'gli  Albertiiii'  und  war  'in  alcuni  luochi 
corosa'  K  Schon  im  vorigen  Jahrhundert  erklärte  Giuanni '' 
die  Annalen  für  verschollen. 

In  dem  Fragment  der  Bibl.  Ciassense  ist  das  dem 
Pietro  zugeschriebene  Werk  wenigstens  theilweise  erhalten. 
Hier  findet  man  wörtlich  die  Stellen,  die  Bonoli  aus  seiner 
Vorlage  wiedergegeben  hat:  so  1169  die  Befreiung  Faenza's 
durch  die  Forlivesen  und  deren  leitende  Stellung  daselbst'', 
1170  die  zweite  Belagerung  Faenza's  durch  Bologna  und 
die  Auslieferung  der  Gefangenen'',  1175  die  Belagerung 
S.  Cassiano's  und  die  sich  anschliessenden  Kämpfe  Christians 
von  Mainz,  der  Forlivesen  unter  Guido  Guerra,  der  Faen- 
tiner,  Ariminesen  und  Caesenaten  gegen  Bologna  und  den 
Lombardenbund  ^  1178  Bau  des  Kirchthurms  von  S.  Mer- 
curiale^  1195  (Bonoli  1198)  anticuriale  Bewegung  in  Forli, 
bei  der  ein  Neffe  des  Papstes  Innocenz  gehenkt  Avurde", 
1198  (Bonoli  1199)  Kriegszug  der  Forlivesen  und  Bolog- 
nesen  zum  Schutze  Cesena's  gegen  Markward  von  Anweiler  ^^, 
1205  (Bonoli  1203)  Kanalanlage  in  Forli  i\  1213  und  1228 
Eroberung  von  Burgen  ^^  1233  (Bonoli  1235)  Sieg  Forli's 
über    Bologna   und   Demüthigung  Faenza's,    das    Rectoren 


1)  P.  152.  2)  P.  56.  3)  P.  232  und  875.  4)  So  nach  der 
ersten  Ausgabe  p.  56.  Nach  der  zweiten  Ausgabe  I,  152  wäre  dagegen 
die  Chronik  an  mehreren  Orten  aufbewahrt :  diese  Verdrehung  des  Sinnes, 
die  der  Herausgeber  durch  Umstellung  der  Worte  erreicht,  kennzeichnet 
so  recht  die  unwissenschaftliche  Art,  mit  der  in  der  ersten  Hälfte  des 
19.  Jh.  alte  italienische  Stadtgeschichten  neu  herausgegeben  wurden. 
5)    Memorie  degli  scrittori  Ravennati  (1769)  11,  156—157.  6)    Bonoli 

p.  56,  Ann.  Caesen.  bei  Muratori  XIV,  1090—91,  Cobelli  p.  31.  7)  Bonoli 
p.  57.  Unsere  Hs.  enthält  auch  die  letzten  Ereignisse  des  Jahres,  die 
))ei  Bonoli  fehlen,  einen  Sieg  Christians  am  Idice  und  die  Eroberung 
zweier  Burgen  seitens  Bologna's.  8)  Bonoli  p.  58,  Ann.  Caesen.  p.  1091. 
S.  Mercuriale  an  der  Piazza  Vittorio  Emanuele  in  Forli.  9)  Bonoli 
p.  60.  Für  das  J.  1198  spricht,  dass  Innocenz  erst  damals  Papst  wurde. 
10)    BonoU  p.  60.  11)    Bonoli  p.  64;    Ann.  Caesen,  p.  1093  haben  wie 

unsere  Hs.  1205.  12)  Bonoli  p.  65  und  68.  Die  zweite  Notiz  in  den 
Ann,  Caesen.  p.  1095  fälschlich  zum  J.  1238. 

47* 


738  F.   Güterbock. 

von  Forli  nehmen  muss  \  1239  (Bonoli  1237)  vergebliche 
Belagerung  Faenza's  und  Niederlage  Forli's  durch  Faenza 
und  Bologna'-^,  1243  (Bonoli  1241)  Privileg  Friedrichs  II., 
durch  das  Forli  das  Münzrecht  mit  dem  Adlerwappen 
['numismatis    cuneum    et    nigre    vexillum    aquile']    erhält  ■% 

1242  und  1257  Unruhen  in  Forli  ^  u.  s.  w.  Die  Ab- 
weichungen in  den  Jahreszahlen  erklären  sich  theils  durch 
Flüchtigkeit  Bonoli's,  der  die  Jahre  in  der  Regel  am  Eand 
ohne  direkte  Beziehung  auf  die  Citate  giebt^,  theils  aber 
auch  durch  Fehler  der  uns  vorliegenden  Abschrift  *\ 
die  jedenfalls  nicht  mit  dem  Manuscript  Bonoli's  iden- 
tisch ist '. 

Bei  einem  Vergleich  zeigen  sich  weitere  Beziehungen 
unserer  Handschrift  zu  Bonoli  auch  da,  wo  dieser  den 
Pietro    nicht    citiert.      Z.    B.    erzählt    Bonoli  '^    zum    Jahre 

1243  die  Besetzung  Cervia's  seitens  der  Venetianer  unter 
Berufung  auf  Chiaramonti;  Chiaramonti^  übernahm  die 
Nachricht  von  Vincenzo  Carrari,  Storia  dißomagna^^,  und 
Carrari  hat  sie  allem  Anschein  nach  aus  unseren  Annalen : 
'1243  .  .  .  Veneti  obsident  Cerviam  et  habent  contra  For- 
livienses,  qui  illam  tenebant^^'.  Ebenso  kommen  Ereignisse 
der  Jahre  1252  und  1268 1^,  die  Bonoli  nach  Chiaramonti 
und  Rossi  berichtet,  in  der  Hs.  vor  und  sind  so  in  letzter 
Linie  wohl  auch  von  den  Annalen  des  Pietro  Ravennate 
abzuleiten. 

Nach  Fabri  hätte  Pietro  allgemeine  weltgeschichtliche 
und  spezielle  Ravennater  Begebenheiten  dargestellt.  Von 
drei  Citaten  Fabri's  lassen  sich  zwei  ^^  in  unserem  Fragment 
nachprüfen:  die  Sonnenfinsternis  vom  3.  Juni  1239  und  der 


1)  Bonoli  p.  72.  Auch  hier  wird  Bonoli  recht  haben,  da  eine  in 
der  Hs.  vorausgehende  Notiz  über  einen  harten  Winter  (s.  u  )  zu  1234 
statt  1233  gehört.  2)  Bonoli  p.  75,  Cobelli  p.  32.  3)  Bonoli  p.  76. 
Cobelli  p.  35  hat  wie  unsere  Hs.  1243.  Eine  andere  Chronik  (Forli  Bibl. 
Comunale  Ms.  300)  nennt  das  J.  1242.  Hier  wie  in  der  Chronik  Coljelli's 
endet  die  Notiz  mit  den  offenbar  verderbten  "Worten  '.  .  impartit  sui  anni 
XXV.  Vielleicht  ist  das  Document  zusammen  mit  einem  Privileg  für 
Imola  (B.  F.  W.  V,  n.  3408)  in  den  Anfang  von  1244  zu  verlegen:  die 
damaligen  Urkunden  haben  meist  '1243'  mit  anno  imperii  XXIV. 
4)  Bonoli  p.  77  und  81,  CobelU  p.  35  und  36.  5)  So  erzählt  Bonoli 
p.  75  die  Niederlage  Forli's  zu  1237.  nachdem  er  p.  72  das  Ereignis 
schon  mit  dem  richtigen  J.  1239  erwähnt  hat.  6)  Manchmal  kommt 
bei  Bonoli  die  Jahreszahl  auch  im  Citat  selbst  vor:  so  'MCCXXXV 
(Sieff  Forli's),  wo  unsere  Hs.  '1233'  setzt.  7)  Vielleicht  gelingt  es  noch 
das'"Ms.  Bonob's  aufzufinden.  8)  P.  78.  9)  P.  315.  10)  Das  Werk 
ist  nicht  gedruckt.  Hss.  in  Ravenna  Bibl.  Ciassense  und  Forli  Bibl. 
Comunale.  11)  Italienisch  auch  bei  Cobelli  p.  35.  12)  Vgl.  Cobelli 
p.  35  und  36.         13)   Fabri  p.  152  und  375. 


Forliveser  Anualen  des  Pietro  Ravennate.  739 

durch  die  Winterkälte  von  1234  hervorgerufene  Wein- 
mang-el.  Da  Fabri  nicht  im  Wortlaut  citiert,  bringe  ich 
die  Stellen  aus  der  Hs.  zum  Abdruck:  (1239)  'Tertia  die 
iunii  solis  facta  est  defectio  et  celum  stellatum'  und  (1234)  ^ 
'Hyems  asperrima  nimis  pinetum  ßavenne  arruit  totum 
et  vites  et  ficus.  Plurimi  anno  sequenti  aquam  potant  vini 
defectu'.  Beide  Sätze  sind  aus  Ricobaldus  von  Ferrara  - 
entlehnt.  Sieht  man  näher  zu,  so  hat  nämlich  der  Compi- 
lator  unserer  Annalen  die  verschiedensten  Quellen  ausge- 
schrieben: vor  allem  eine  Bologneser  Chronik  und  die 
Kaiser-  und  Papst-Chronik  des  Ricobaldus. 

Die  Bologneser  Quelle  war  die  lateinische  Vorlage 
der  italienischen  Hist.  miscell.  Bonon.,  die  meist  nach 
Bartholomeo  della  Pugliola,  einem  Compilator  vom  Ende 
des  14.  Jh.,  benannt  werden -l  Bonoli  hat  die  schon  er- 
wähnten Berichte  von  der  Belagerung  Faenza's  1170  und  den 
Kämpfen  Christians  1175^  abgedruckt.  Andere  Stellen  des 
lateinischen  Textes^  sind  aus  den  Ann.  Caesenates  bekannt. 
Unsere  Handschrift  bietet  noch  zahlreiche  weitere  Belege**. 

Die  Chronik  des  Ricobaldus  ist  öfters  in  den  Hist. 
miscell.  Bonon.  ^,  weit  mehr  jedoch  noch  in  unserer  Hs. 
benutzt.  Eine  zweite  Hs.,  die  fast  wörtlich  mit  der  der 
Bibl.  Ciassense  übereinstimmt,  aber  unter  Fortlassung  der 
Forliveser  und  Bologneser  Nachrichten,  fand  ich  in  der 
Communalbibliothek*^  Ferrara's:  sie  ist  im  letzten  Theil  ein 
Auszug  aus  Ricobaldus  mit  einer  Fortsetzung  bis  1324, 
Dort  liest  man  nicht  nur  die  beiden  Sätze  aus  Pietro  zu 
1234  und  1239,  sondern  auch  Fabri's  drittes  Citat,  das  in 
dem  nicht  soweit  reichenden  Fragment  der  Bibl.  Ciassense 
fehlt:    den   Bericht   vom  Tode    des  Erzbischofs  'Rainaldus 


1)    Hs.   fälschlich   '1233'.  2)    Muratori   SS.    IX,  129    und    128. 

lieber  die  Sonnenfinsternis  vgl.  auch  MG.  SS.  XXIV,  219;  Muratori  SS. 
XVIII,  260;  Calogerä,  Nuova  raccolta  d'opuscoli  IV,  127;  Muratori  SS. 
I,  II,  578  (hier  zum  4.  Juni  1238,  der  wie  der  3.  Juni  1239  ein  Freitag 
war).  3)  Muratori  SS.  XVIII,  241  fF.  gab  den  Text  aus  zwei  Hss.  der 
Bibl.  Estense.  Die  Originale  liegen  auf  der  Bologneser  Universitäts- 
bibliothek (Mss.  432  und  431).  Die  Quelle  ist  auch  für  die  Reichs- 
geschichte des  12.  und  13.  Jh.  von  hoher  Wichtigkeit.  4)  Muratori 
SS.  XVIII,  244  hat  zum  J.  1175  den  unverständlichen  Satz  'e  il  di  di 
Carnovale  vennero  a  Bologna  dal  Cancelliere  e  arsero  molte  case  nella 
Villa  delle  Caselle  .  .  .'  Nach  der  einen  Bologneser  Hs.,  die  ich  nach- 
schlug, muss  die  Stelle  lauten:  'el  di  de  charnevale  veneno  a  Bologna. 
1175.  I  cavallieri  del  Canciliero  veneno  alle  Cavelle  el  di  de 
charnevale  e  arseno  molte  case  .  .  .'  Mit  'I  cavallieri'  beginnt  ein  neuer 
Abschnitt,  dem  die  Jahreszahl  1175  nochmals  vorangestellt  ist.  5)  Der 
lateinische  Text  ist  meist  weniger  genau;  die  Jahreszahlen  sind  etwas 
verschoben.  6)  Z.  B.  Bau  des  Thurras  Asinelli  1108  (Cobelli  1109,  Pugliola 
1119),  der  Brand  von  1131  etc.  7)  Z.  B.  die  Sonnenfinsternis  von  1239. 
8)  'Mss.  Esteri'  266. 


740  F.   Güterbock. 

de  Concoregio'  (18.  August  1321 -).  Wie  die  ersten  beiden 
Notizen  mit  Ricobaldus,  steht  die  dritte  in  Zusammenhang 
mit  einer  anonymen  Eavennater  Chronik  ',  mit  der  die  Fer- 
rareser  Hs.  und  das  Fragment  der  Bibl.  Ciassense  auch 
vorher  Berührungspunkte  zeigen  ^. 

Das  Fragment  der  Bibl.  Ciassense,  das  kurz  vor  llOß 
beginnt,  bricht  unter  dem  Jahre  1276  ab.  Mit  1273  setzt 
eine  ausführlichere  Darstellung  ein :  diese  bringt  wörtlich 
wie  Moratinus  Abschnitte  der  Chronik  Cantinelli's  ^.  Mit 
den  Annalen  des  Moratinus  stimmen  aber  auch  die  letzten 
Citate  Bonoli's  aus  Fietro  Ravennate  (zu  den  Jahren  1275. 
1276.  1278  und  1369,  resp.  1372  5)  überein.  Es  ist  somit 
anzunehmen,  dass  unsere  Hs.,  von  der  ja  nur  ein  Bruch- 
stück existiert,  ursprünglich  dieselbe  Ausdehnung  wie  die 
Chronik  des  Fietro  (d.  h.  1100—1372  oder  1377)  hatte  und 
wie  jene  einen  Theil  der  Annalen  des  Moratinus  enthielt, 
zumal  bei  Moratinus  hinter  1372,  wo  nach  Bonoli  das  Werk 
Fietro's  endete,  sich  ein  Einschnitt  bemerkbar  macht.  Dass 
Fabri's  Citat  vom  18,  August  1321  nicht  bei  Moratinus 
steht,  kann  nicht  ins  Gewicht  fallen,  weil  der  überlieferte 
Text  des  Moratinus  gerade  von  1317  — 1324  eine  Lücke 
aufweist ". 

Die  Annalen  des  Fietro  Ravennate  stellen  demnach 
die  erste  Hälfte  der  Chronik  des  Moratinus  dar  und  sind 
in  der  Hauptsache  eine  Forliveser  Quelle  aus  dem  Ende 
des  14.  Jh.  Etwas  früher  muss  die  vorausgehende  Com- 
pilation  '  von  Forliveser,  Bologneser  und  Ravennater  Notizen 
des  12.  und  13.  Jh.  entstanden  sein,  da  diese  Compilation 
den  um  die  Mitte  des  14.  Jh.  verfassten  Ann.  Caesenates 
bereits  stellenweise  zu  Grunde  liegt '^.  Die  Forliveser  No- 
tizen mögen  hierbei  auf  eine  noch  ältere  Quelle  zurück- 
reichen. Obschon  sie  in  der  vorliegenden  Fassung  keines- 
falls zeitgenössische  Aufzeichnungen  sind,  enthalten  sie 
doch  eine  Reihe  eigenartiger,  sonst  unbekannter  Nachrich- 


1 


1)  Fabri  p.  232.  2)  Muratori  SS.  I,  II,  574  £f.  3)  Z.  B.  die 
Notiz  zu  1240  (statt  1241),  dass  der  Kaiser  zwei  Säulen  aus  der  Kirche 
S.  Vitale   in    sein   Königreich    schaifen    Hess.  4)   Nur   ist    der  Text   in 

dem  Fragment  weit  weniger  genau  als  bei  Moratinus  überliefert.  5)  Bo- 
noli p.  91.  92.  94  und  168.  Besonders  wichtig  für  den  Identitätsbeweis 
ist  das  letzte  Citat  Bonoli's  (mit  1369  am  Rande) :  dieselben  Worte  stehen 
bei  Moratinus  (Muratori  XXII,  188)   unter  dem  .1.  1372.  6)  Muratori 

SS.  XXII,  183.  7)    Die    der  Chronik    des   Moratinus   vorausgehenden 

Nachrichten  zu  1058.  1126  und  1188  (vgl.  Borsieri  in  den  Documenti  di 
storia  ital.  VI,  765  und  786)  haben  mit  unserer  Compilation  nichts  zu 
thun.  8)  Vgl.  Ann.  Caesen.  die  Jahre  1163.  1169.  1170.  1173.  1170. 
1178.  1180.  1191  etc. 


Forliveser  Annalen  des  Pietro  Ravennate.  741 

teil,  wie  z.  B.  den  Hinweis  anf  das  Münzprivileg'  Fried- 
richs II.  u.  a.  m. 

Neben  der  zeitgenössischen  Faentiner  Geschichts- 
schreibung-, den  Chroniken  des  Tolosanus  nnd  Cantinelli, 
können  die  dürftigen  Forliveser  Notizen  allerdings  nur 
selten  als  Ergänzung  in  Betracht  kommen:  so  etwa  1235^ 
die  Demüthigung  Faenza's,  die  von  dem  Fortsetzer  des  To- 
losanus aus  Lokalpatriotismus  übergangen  sein  mag, 
1239  die  Niederlage  Forli's,  1241  die  Ueberweisung  Faenza's 
an  die  Forliveser  durch  Friedrich  II  '^.  Andererseits  fehlt 
es  aber  auch  nicht  an  Abweichungen  und  Widersprüchen. 
Die  Zerstörung  von  Castrum  Leonis  ist  nach  Tolosanus  ^ 
in  das  Jahr  1201  statt  1200^  zu  verlegen.  Der  Feldzusf 
Bologiia's  von  1198  wurde  gegen  Markward  und  Cesena, 
also  nicht  zum  Schutze  Cesena's,  unternommen  ■'.  Die  Kämpfe 
Faenza's    mit    Bologna,    die   unsere  Annalen    zu  1169   und 

1170  berichten,    werden    bei   Tolosanus''   unter    dem  Jahre 

1171  ganz  anders  erzählt:  Faenza  war  nicht  von  Forli, 
sondern  nur  von  Guido  Guerra  und  Ferrara  '  unterstützt, 
während  Forli  gerade  als  Todfeind  Faenza's  auftrat.  Tolo- 
sanus verdient  hier  für  die  Begebenheiten  in  der  Eomagna 
unbedingt  Glaubend  Die  Zuverlässigkeit  der  Forliveser 
Annalen  ist  daher  stark  in  Zweifel  zu  ziehen. 

Trotz  ihres  geringen  geschichtlichen  Werths  ist  die 
Chronik  des  Pietro  Ravennate  oder  richtiger  die  ihr  vor- 
angestellte Compilation  vielfach  in  späteren  Werken  direkt 
oder  indirekt  benutzt  worden''.  Eine  Klarstellung  des  In- 
halts dürfte  schon  aus  diesem  Grunde  erwünscht  erscheinen. 

Nachtrag. 
Die  Annahme,    dass  der  Tod    des  Erzbischofs  Rainal- 
dus  ursprünglich  in  den  Annalen  des  Moratinus  gestanden 

1)   Hs.  '1233'  s.  0.  2)    'et    commendavit   populo    Forlivii'  (vgl. 

Chron.  Azzurinii,  Mittarelli  Accessiones  p.  320):  dies  entspricht  der  An- 
gabe Cantinelli's  (Mittarelli  p.  233),  dass  1242  zwei  Forlivesen  in  Faenza 
das    Podestariat    bekleideten.  3)    ßorsieri    p.  681,    Mittarelli    p.  121. 

4)   So  in  unserer  Hs.  5)  Tolosanus  (Borsieri  p.  679,  Mittarelli  p.  119) 

und  die  Hist.  miscell.  Bonon.  (Muratori  SS.  XVllI,  247)  zu  1198,  die 
Ann.  Caesen.  p.  1091  —  92  ähnlich  zu  1197.  In  unseren  Annalen  könnte 
freilich  ein  späterer  Feldzug  aus  der  Zeit  nach  dem  Uebertritt  Cesena's 
gemeint  sein ;  doch  ist  dies  unwahrscheinlich.  6)  Borsieri  p.  649  —  652, 
Mittarelli  p.  81 — 85.  Vgl.  auch  ßorsieri  p.  772  Anm.  67  und  Tonduzzi, 
Hist.  di  Faenza  (1675)  p.  204.  7)  Der  Ferrarese  Guillielmus  de  Marchc- 
sella  spielte  hei  den  Friedensverhandlungen  eine  hervorragende  Rolle.  — 
Sollten  in  unseren  Annalen  die  F  o  r  1  i  v  i  e  n  s  e  s  mit  den  F  e  r  r  a  r  i  e  n  s  e  s 
verwechselt  sein?  8)  Das  Urtheil  Simonsfelds  über  Tolosanus  ist  m.  E. 
allzu  skeptisch.  9)  So  bei  Cobelli,  Azzurini,  Rossi,  Carrari,  Chiara- 
monti,  Bonoli,  Alberti,  Sigonio  u.  a.  m. 


742  F.   Güterbock. 

habe  und  nur  infolge  einer  Lücke  ausgefallen  sei,  bestätigt 
sich  bei  einer  genaueren  Durchsicht  des  Ferrareser  Ma- 
nuscripts. 

Die  Chronik  des  Ferrareser  Codex  ^,  die  mit  Erschaffung- 
der  Welt  beginnt  und  am  Schluss  eine  Fortsetzung  des 
Ricobaldus  enthält,  ist  nämlich  anscheinend  eine  der  von 
Pietro  Ravennate  und  dann  von  Moratinus  ausgeschriebenen 
Quellen.  Sie  hat  schon  zu  den  Jahren  1298.  1300.  1302. 
1306  und  1307  ganze  Sätze  mit  Moratinus  gemein  und 
zeigt  mit  diesem  von  1308  — 1324  eine  fast  vollständige 
Uebereinstimmung.  Sie  endet  mit  den  Worten  '  .  .  .  pro 
Romana  ecclesia',  die  bei  Moratinus-  dem  Jahre  1325  vor- 
ausgehen. 

Der  Ferrareser  Text  ist  mehrfach  ausführlicher  und 
besser  als  der  des  Moratinus.  Z.  B.  wird  hier  der  Regie- 
rungsantritt Albrechts  von  Oestreich  richtig  zu  1298  ^  er- 
wähnt. Für  den  Ferrareser  Aufruhr  von  1310^  erhält  man 
die  Mouatsangabe  'meuse  iulio'.  Und  so  lässt  sich  schliess 
lieh  auch  die  Lücke  von  1317-' — 1324  durch  einen  längeren 
Abschnitt  ergänzen  -'. 

Besondere  Beachtung  verdient,  dass  in  der  Ferrareser 
Hs.  die  Auszüge  aus  Cantinelli  und  eine  bei  Moratinus  ' 
sich  findende  Forliveser  Lokalnachricht  des  Jahres  1313 
fehlen*,  wie  ja  schon  vorher  alle  Forliveser  Notizen,  die 
mau  in  der  Chronik  des  Pietro  trifft,  ausgelassen  sind. 
Hieraus  ergiebt  sich,  dass  der  Chronist,  der  bis  1324  schrieb, 
kein  Forlivese  war^.  Erst  von  1325  ab  wurden  die  An- 
nalen  in  Forli,  unter  Beifügung  von  älteren  Forliveser,  Bo- 
logneser und  Faentiner  ^'^  Nachrichten,  weiter  fortgesetzt  ^^ 
und  zwar  zunächst  bis  1372  oder  1377  von  einem  Chro- 
nisten, der  nach  Bonoli's  und  Fabri's  Zeugnis  Pietro  Ra- 
vennate  hiess. 


1)  Bibl.  Com.  'Mss.  Esteri'  266,  im  Katalog  als  Chronik  des  Mar- 
tinas Polonus  bezeichnet;  Martinus  bildet  aber  nur  den  zweiten  Theil  der  Hs., 
die  aus  dem  Ende  des  15.  oder  Anfang-  des  16.  Jh.  stammt.  2)  Muratori 
SS.  XXII,  183.  3)  Anders  Muratori  SS.  XXII,  175.  4)  Muratoi'i 
SS.  XXII,  180.  5)  Hs.  '1316'.  6)  In  diesem  Abschnitt  die  Stelle 
vom  Erzbischof  Rainaldus.  7)  Muratori  SS.  XXII,  182.  8)  Ferner 
wird  130G  (vgl.  Muratori  SS.  XXU,  177)  der  Modeneser  Befehlshaber  in 
der    Hs.    ohne    den    Zusatz    'Foroliviensi'    genannt.  9)  Vielleicht    ein 

Ferrarese  oder  ßavennate.  10)  Benutzung  Cantinelli's.  11)  Auch  die 
Form  der  Darstellung  lässt  nach  1325  einen  neuen  Chronisten  erkennen. 
Die  Forliveser  Lokalnotizen  mehren  sich. 


Nachrichten. 


136.  Am  20.  September  1898  starb  in  Bern  der  Pro- 
fessor der  classischen  Philolog-ie  Hermann  Hagen,  geb. 
am  31.  Mai  1844,  ein  Sohn  des  bekannten  Heidelberger 
Historikers  Karl  Hagen,  der  in  seinen  Arbeiten  vielfach 
auch  das  Gebiet  des  mittelalterlichen  Lateins  berührt  und 
gefördert  hat.  Ich  erwähne  vor  Allem  seinen  sehr  verdienst- 
lichen 'Catalogus  codicum  Bernensium',  Bern  1874,  an  den 
sich  einige  weitere  Ausführungen  über  Bongarsius  u.  s.  w. 
anschlössen,  ferner  die  vornehmlich  aus  Berner  Hss.  ge- 
schöpften 'Carmina  medii  aevi  maximam  j^artem  inedita', 
Bern  1877,  die  neben  vielen  schon  bekannten  Gedichten 
doch  auch  wichtige  Bereicherungen  unserer  Kenntnis  brach- 
ten. Eben  dahin  g'ehören  die  als  Suj)plementum  zu  Keils 
lateinischen  Grammatikern  herausgegebenen  'Anecdota  hel- 
vetica  quae  ad  grammaticam  latin.  spectant',  Lips.  1870, 
umfangreiche  Proben  bisher  ungedruckter  mittelalterlicher 
Grammatiken  aus  denselben  Quellen.  Von  dem  so  über- 
aus wichtigen  Gedichte  Theodulfs  von  Orleans  an  die 
ßichter  veranstaltete  H.  in  einem  Berner  Universitätspro- 
gramm  von  1882  eine  neue  Sonderausgabe  nach  den  MG., 
worin  er  den  Text  an  einigen  Stellen  verbesserte  und  die 
Nachweise  der  antiken  Entlehnungen  vervollständigte  (s.  N. 
A.  VIII,  422).  In  unser  Gebiet  fällt  auch  'Antike  und 
mittelalterl.  Räthselpoesie',  eine  poj)uläre  Skizze,  Biel  1869. 
Vor  allem  aber  möchte  ich  noch  dankbar  erwähnen,  dass 
H.  mit  nie  ermüdender  Gefälligkeit  und  Sorgfalt  Fragen 
beantwortete,  die  sich  auf  Berner  Hss.  bezogen,  und  uns 
öfter  mit  Vergleichungen  unterstützte.  E.  D. 

137.  Am  9.  October  starb  in  Breslau  an  einem  Ge- 
hirnleiden der  Oberlehrer  am  Magdalenengymnasium,  Pro- 
fessor Rudolf  Peiper,  ein  sehr  gelehrter  Kenner  sowohl 
der  classischen  wie  der  mittelalterlichen  Latinität.  Unsere 
Auct.  ant.  verdanken  seinem  unermüdlichen  Fleiss  die  Aus- 


744  Nachrichten. 

gäbe  des  Avitus  von  Vienne,  die  Wiener  Kirchenväter  die 
des  sog.  Cyprianus  Gallns,  die  Teubner'sche  Sammlung  den 
Boetius  de  consolat.  philos.,  die  Tragödien  des  Seneca, 
Ausonius,  Querolus ;  neben  vielen  kleineren  verdienstlichen 
Untersuchungen  gab  er  auch  den  Waltharius  heraus.  Durch 
eine  Erblindung  im  September  1896  wurde  er  in  manchen 
weiteren  schon  vorbereiteten  Arbeiten  unterbrochen ,  von 
denen  namentlich  die  NichtvoUendung  einer  schon  weit 
geförderten  kritischen  Ausgabe  der  Carmina  Burana  schmerz- 
liches Bedauern  hervorrufen  muss.  E,  D. 

138.  Am  30.  October  starb  zu  Baden  au  einem  Lungen - 
leiden  der  Director  im  Reichsamt  des  Inneren  O.  Schröder, 
der  einst  als  vortragender  Rath  um  die  Erhöhung  unseres 
Fonds  sich  ein  wesentliches  und  dankbar  anzuerkennendes 
Verdienst  erworben  hat.  E.  D. 

189.  Am  23.  November  starb  in  Wien  plötzlich  der 
Generalsecretär  der  Akademie,  Prof.  Alfons  Huber,  ge- 
boren zu  Fügen  in  Tirol  im  J.  1834,  einer  der  ausgezeich- 
netsten Forscher  in  dem  Gebiete  der  oesterreichischen  Ge- 
schichte. Als  Vertreter  der  Wiener  Akademie  gehörte  er 
unserer  Centraldirection  in  den  Jahren  1887  — 1890  an. 

E.  D. 

140.  Am  14.  Dec.  starb  in  Bamberg  der  dortige  Ober- 
bibliothekar Fr.  Leit  schuh ,  Verfasser  eines  noch  unvoll- 
endeten Katalogs  der  Hss.  der  Bamberger  Bibliothek,  mit 
deren  Schätzen  er  unsere  Arbeiten  oft  in  gefälliger  Weise 
unterstützt  hat.  E.  D. 

141.  Der  Vorsitzende  unserer  Centraldirection,  Herr 
Geheimrath  E.  Dümmler,  ist  durch  kaiserliche  Bestallung 
vom  15.  November  1898  zum  Geheimen  Oberregierungs- 
rath  ernannt  worden. 

142.  Herr  Prof.  Mommsen  hat  im  Auftrage  der 
Berliner  Akademie  eine  neue  Ausgabe  des  Codex  Theo- 
dosianus  übernommen,  wie  sie  einst  von  Paul  Krüger 
geplant  worden  war.  E.  D. 

143.  Unser  früherer  Mitarbeiter  Herr  Dr.  K.  Hampe 
hat  sich  in  Bonn  für  das  Fach  der  Geschichte  und  ihrer 
Hilfswissenschaften  habilitiert.  E.  D. 

144.  Bei  der  Abtheilung  Scriptores  ist  zur  Unter- 
stützung des  Dr.  Krusch  für  die  Herausgabe  der  Merowin- 
gischen  Quellen  seit  Neujahr  Herr  Dr.  Wilh.  Levison 
aus  Bonn  als  Mitarbeiter  eino-etreten.  E.  D. 


Nachrichten.  745 

145.  Für  die  von  Prof.  Kehr  übernoinmene  Fortfüh- 
rung der  Gesta  pontific.  Roman or.  ist  Herr  Dr.  Alb.  Brack- 
mann aus  Hannover  seit  dem  1.  October  als  Mitarbeiter 
eingetreten.  E.  D. 

146.  Herr  Dr.  Cartellieri  hat  im  Januar  1899,  vor- 
nehmlich für  die  italienischen  Chroniken  des  13.  Jh.,  eine 
Reise  nach  Italien,  namentlich  nach  Rom  und  Neapel  an- 
getreten. E.  D. 

147.  Herr  Dr.  Werminghoff  ist  im  Februar  zu  Vor- 
arbeiten für  die  karolingischen  Synoden  nach  Paris  gereist. 

E.  D. 

148.  Erschienen  sind: 

Von  der  neuen  Reihe  der  Gesta  pontificum  Roma- 
norum: Vol.  I,  Libri  pontificalis  pars  prior  ed.  Th.  Momm- 
sen(bis  Constantinus  einschliesslich,  mit  vier  Schrifttafeln). 

Von  der  Abtheilung  Epistolae :  T.  V.  pars  prior, 
Epist.  Karolini  aevi  T.  III.  (Inhalt:  Epp.  selectae  pont.  Ro- 
manorum Carolo  Magno  et  Ludowico  Pio  regnant.  scriptae 
ed.  Hampe;  Leonis  III.  papae  epp.  X  ed.  Hampe;  Ein- 
harti  epp.  ed.  Hampe;  Agobardi  Lugdun.  epp.  ed.  Dümm- 
1er;  Amalarii  epp.  ed.  Dümmler;  Frotharii  Tullensis  epp. 
ed.  Hampe;  Ejjp.  variorum  (814  —  c.  850)  ed.  Dümmler. 

149.  Von  den  Geschichtschreibern  der  deutschen  Vor- 
zeit ist  Bd.  78  der  2.  Gesammtausgabe  erschienen  (Leipzig, 
Dyk  1898),  der  die  Werke  Hermanns  von  A  Itaich  nebst 
den  Fortsetzungen  seiner  Jahrbücher  und  anderen  Alt- 
aicher  Aufzeichnungen  enthält.  Die  üebersetzung  Weilands 
ist  von  0.  Holder-Egger,  der  in  der  Einleitung  die  Un- 
tersuchungen Wicherts  und  Kehrs  berücksichtigt,  revidiert 
worden ;  dieser  hat  auch  die  Vorrede  und  die  Zusätze  Eber- 
hards von  Regensburg  aus  der  Redaction  von  1305  unter 
dem.  ursprünglichen  Text  der  beiden  älteren  Fortsetzungen 
mitgetheilt  und  die  üebersetzung  der  Fortsetzung  Eber- 
hards von  1300 — 1305  hinzugefügt.  Auch  die  Anmerkungen 
haben  manche  Bereicherung  erfahren;  besonders  zu  beach- 
ten sind  die  hier  mitgetheilten  Emendationen  zu  der  Aus- 
gabe Jaffe's. 

150.  Auf  Veranlassung  des  P.  Ehrle  ist  am  30.  Septem- 
ber 1898  eine  internationale  Conferenz  zur  Erhaltung  und 
Ausbesserung  alter  Hss.  in  St.  Gallen  zusammengetreten,  an 
deren  Berathungen  auch  das  Mitglied  unserer  Centraldirection 
Prof.  Th.  Mommsen  als  Ehrenpräsident  Theil  genommen 
hat.     Die   Conferenz,    der  P.  Ehrle   einige   berühmte    Hss. 


746  Nachrichten. 

der  vaticanischen  Bibliothek  vorlegen  konnte,  hat  sich  über 
eine  Reihe  von  Vorschläg-en  geeinigt,  über  welche  das  von 
ihr  veröffentlichte  Protokoll  ihrer  Berathungen  nähere  Aus- 
kunft giebt. 

151.  Unter  dem  Titel  'Catalogue  of  the  librarj  of 
Syon  monastery  Isleworth'  (Cambridge  1898)  hat  Frl.  Mary 
Bateson  aus  einer  Hs.  des  Corpus  Christi  College  in 
Cambridge  einen  zuerst  1504  abgefassten,  dann  bis  1526 
vervollständigten  Katalog  des  Mönchsklosters  Syon  sorg- 
fältig abdrucken  lassen  und  mit  vielen  schätzbaren  Nach- 
weisungen versehen.  Der  Katalog,  dem  ein  alter  Index 
beigegeben  ist,  umfasst  mit  geringen  Ausnahmen  nur  latei- 
nische Schriften,  aber  —  und  darin  liegt  ein  besonderer 
Werth  —  zugleich  Hss.  und  Drucke.  Wenn  auch  sehr 
einseitig  scholastisch  und  englisch,  enthält  er  doch  für 
die  Literaturgeschichte  manche  Avichtige  Notizen.  Von 
dieser  reichen  Bibliothek  des  im  J.  1539  aufgehobenen 
Klosters  haben  sich  bisher  nur  6  Hss.  als  noch  in  englischen 
Bibliotheken  vorhanden  nachweisen  lassen.  E.  D. 

152.  Eben  erscheint  der  1.  Theil  von  P.  Gabr.  Meiers 
Catalogus  codd.  mss.  qui  in  bibl.  monast.  Einsid- 
lensis  O.  S.  B.  servantur  (Einsiedeln  und  Leipzig  1899;  codd. 
1 — 500),  ein  würdiges  Gegenstück  zu  Scherrers  ausgezeich- 
netem Verzeichnis  der  St.  Gallischen  Stiftsbibliothek.  Schon 
jetzt  wird  die  Benutzung  durch  mehrere  Register  erleichtert, 
obwohl  diese  an  Vollständigkeit  etwas  hinter  Scherrer  zu- 
rückbleiben ;  namentlich  würde  ein  Initienverzeichnis  der 
geistlichen  Gedichte  auch  nach  den  dankenswerthen  Nach- 
weisungen Morels  der  Forschung  unschätzbare  Dienste 
leisten.  P.  v.  W. 

153.  Catalogue  of  manuscripts  of  Sir  Thomas  Phil- 
lip ps  sold  by  Sotheby,  Wilkinson  &  Hodge,  London,  June 
1898  verzeichnet  u.  a.: 

5.  Vita  s.  Albani  cum  prologo  Boswini  ad  Sigifridum 
archiep.  [lies  Gozwin  zu  Mainz] ;  Vita  s.  Othonis  ejj.  [von 
Bamberg]  ex  Suevia;  s.  13/1-1. 

6.  Alberti  Magni  ep.  Ratisj)onensis  Polytica;  s.   14. 
10.  Alexandri   M.    vita    per    Gualtherum    Insulanum, 

s.  16.;  angebunden  Drucke:  Petri  Lindenberg  Chron.  Ros- 
toch.  (Rost.  1596);  Catal.  abb.  Bergensium  ap.  Veterem 
Magdeburgam  (Wolfenb.  1564). 

53.  Astronomia:  Canoues  regis  Alphonsi  cum  canonibus 
lohannis  de  Saxonia;  s.  15. 


Nachrichteu.  747 

55.  S.  Aug'ustiui  epist.  et  serrn.  um  900,  niicial,  mit 
griech.  Buchstaben,  einst  'Benedictinorum  S.  Michaelis  in 
Lotaringia'. 

105.  Index  nominum  biblicornm ;  De  vitiis  et  vivtn- 
tibus;  Formularium  iuris;  Versus  super  libros  decretalium; 
Scripta  in  Keitlinga  per  Fr.  loan.  Gintram  lectorem  ibi- 
dem 1415.  Holzband  mit  Eisenkette.  Schmutzblätter  XI.  Jh.: 
Lectionarium  mit  altdeutschen  Glossen. 

126.  Vita  s.  Bridgette;  Henr.  de  Hassia  sermones; 
Decretalia  Th.  Zoltaii  ep.  Werdensis  [d.  i.  Conrad  von  Sol- 
tau?] Deutsche  Hände   15.  Jh. 

153.  Burchardi  Worm.  can.  libri   12,  Hd.  11/12,  Jh. 

162.  Vita  s.  Cassiani  ep. ;  Gesta  Henrici  imper. ;  Vita 
s.  Eljzabethe  reg".;  Deutsche  Hd.  14.  Jh. ;  einst  Christ,  von 
Wolckenstein  1594. 

165.  Lectura  Nicolai  de  Cecilia  mo.  super  V.  Decret. ; 
'a.  1458.  comparavit  Theod.  de  Buckinstorff,  univ.  Lipsiensis'.. 

219.  Concilia  Toletana  a.  400—732;   12.  Jh. 

320.  Taxatio  ecclesiarum  orbis;  Provinciale;  Chron.  Pa- 
pale;  Italienisch  15.  Jh. 

321.  Original  letter  of  Guy  of  Flanders,  acceding  to 
truce  between  England  and  France  1297. 

327,  Vertrag  zwischen  England,  Flandern,  Brabant 
über  Handelsstreit,   1333,   16.  März. 

328.  Bündnis  Edwards  III.  mit  Ludwig  von  Flandern 
gegen  Frankreich  um  1362  (das  engl.  Or.). 

332.  Brief  Edwards  IV.  betr.  Arrest  von  Engländern 
durch  Grafen  von  Nassau  10.  Febr.  1479. 

333.  Brief  Londons  an  Ludwig-  von  Flandern  betr. 
Arrest  englischer  Schiffe  28.  Sept.  1367. 

334.  Contemporary  certified  copies:  Oestr.-eugl.  Bund 
gegen  Frankreich  1480;    Engl,- burgund.  Bund  1466.  1475. 

387.  Frederici  imper.  constitutiones ;  Liber  scintillarum, 
Carmen.    13.  Jh. 

632.  Engl.  Geleitsbriefe  für  Thierry  Gherbode,  bur- 
gund. Gesandten  1411.   1417. 

768.  Legenda  s.  Kunegundis  imper.;  Vita  s.  Hainrici 
imp. ;  Vita  s.  Bonifacii  Mogunt.  1456  geschr.,  'Liber  coli. 
Mogunt.  soc.  lesu'. 

824.  Hist.  scholast.  Tholomei  de  Luca.  'A.  D.  1464 
scripsi  Ant.  Ludovici  de  Antwerpia'.  Einst  S.  Marco  zu 
Mailand. 

828.  Ludovici  Pii  ad  Hilduinum  de  Dionysio;  Hilduini 
ad  Chludouuicum  responsio ;  Hilduini  Areopagitica  9.  10.  Jh. 
Orio-inalband. 


748  Nachrichten. 

843.  Martjrolog'ium  sanctorum  ecclesiae,  Uiiciale  10.  Jb., 
Palimpsest  über  früherem  Martyrolog-. 

883.  Novum  testamentnm,  .  .  .  Versus  Damasi  ep.  bnr- 
bis  Eomae;  Commemoratio  dedic.  basil.  s.  Michaelis.  Ka- 
roliiig.  Unciaie  mit  irischer  Bandverschlingung.  9.  Jb. 
Einst  Clermont,  von  Montfaueon  erwähnt. 

979.  Vita  et  mir.  s.  Rosae  de  Viterbio,  scr.  per  Bar- 
tholomeum  Serfredi  de  Viterbio  Notar  der  Canonisations- 
Commission,  1457,  autograph.  Die  Mirakel  reichen  von 
1419—57. 

1068.  Sermones  de  tempore  et  sanctis  'A.  1439,  f'ui 
rector  scholarum  in  Audelffingen'  Deutsche  Hd.   15.  Jb. 

1087.  Fulger  Carnot.  Via  Hierosolimitana  mit  'schöner 
Karte  Jerusalems'.  —  Epistola  Arnulfi  ep.  Roffensis  [?]  ad 
Milonem  Tarvan.  ep.  s.  12.     Aus  Parc  bei  Löwen. 

1134.  Vitae  sanctorum:  u.  a.  Sigismundi  regis,  Gan- 
golfi,   Gallicani,  Goaris,  Panteleontis,  Perminii;   12.  Jh. 

F.  Lieb  er  mann. 

154.  M.  R.  James,  A  descriptive  catalogue  of  fiftj 
manuscripts  from  the  collection  of  Henry  Yates  Thomp- 
son (Cambridge  1898)  giebt  eine  eingehende  Beschreibujig 
von  50  Hss.  des  13. — 15.  Jh.,  die  durch  ihre  werthvollen 
Miniaturen  ausgezeichnet  sind. 

155.  Einen  neuen  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Dieb- 
stähle Libri's  in  den  französischen  Provincialbibliotheken 
bringt  E.  Chätelain,  der  im  Journal  des  savants  1898 
Juni,  S.  377  ff.  fünf  bisher  nicht  bestimmte  Bruchstücke 
von  alten  Hss.  —  jetzt  in  der  Pariser  Nationalbibliothek 
—  als  zugehörig  zu  von  Libri  verstümmelten  Codices  der 
Bibliothek  des  Grossen  Seminars  zu  Autun  bezeichnet. 
Vgl.  auch  Delisle  in  Bibl.  de  l'ecole  des  chartes  59,  379  ff. 

156.  In  den  Annalen  des  bist.  Vereins  f.  d.  Nieder- 
rhein 66,  182  ff.  berichtet  der  Archivar  G.  A.  ßenz  über 
das  reiche  Archiv  des  niederrheinischen  Grafen  geschlechtes 
von  Schaesberg,  das  sich  jetzt  in  Thannheim  in  Würt- 
temberg befindet.  Es  enthält  nicht  weniger  als  1493 
durchweg  ungedruckte  Originalurkunden  von  1275  an;  die 
älteste  Kaiserurkunde  ist  Rudolf,  1284  Febr.  11.,  Redlich 
1817,  Copie. 

157.  F.  Savio,  Gli  antichi  vescovi  d'Italia  dalle  ori- 
gini  al  1300.  II  Piemonte  (Turin,  Bocca  1898),  giebt  nicht 
nur  eine  neue  Bearbeitung  der  Bischofslisten  für  die  Diö- 
cesen  von  Piemont,    sondern   stützt  diese  auch  durch  viel- 


Nachrichten.  749 

fache  Mitth  ei  hingen  aus  hsl.  Quellen.  Wir  heben  aus 
diesen  hervor  S.  10  einen  Bischofs-Katalog-  von  Acqui 
bis  auf  Guido,  v^ohl  saec.  XI.,  S.  240  fE.  den  Abdruck  der 
berühmten  Diptycha  von  Novara  (mit  Facs.),  S.  166 
Briefe  Honorius'  II.  (1125/26  oder  1128/29)  und  Inno- 
cenz'  II.  (1130),  S.  214  Privileg  Honorius'  III.  (1224), 
S.  331  Abdruck  von  DO.  III.  302  (nach  Guichenon,  ohne 
Berücksichtigung  der  Monumentenausgabe),  S.  31  ff.  An- 
gaben über  die  Hss.  der  Vita  Guidonis  Aquensis, 
S.  480  Notiz  über  die  Weihe  von  S.  Maria  Maggiore  in 
Vercelli  durch  Eugen  III.  17.  Jun.  1148;  S.  469  ff.  Zeugen- 
aussagen über  die  kaiserlichen  Bischöfe  von  Vercelli  während 
des  Investiturstreites  (Wenrich  ist  nicht  darunter).  In  den 
Excursen  handelt  Savio  S.  555  ff.  über  die  Synode  von 
Turin  (N.  A.  XVII.,  187  f.),  die  er  zu  398  setzt,  S.  576  ff. 
über  die  Schriften  des  Claudius  von  Turin  (nach  Dümmler), 
S.  580  ff.  über  die  Diöcesangrenzen  (mit  Karte).  Leider 
ist  bei  den  im  übrigen  recht  verdienstlichen  Untersuchungen 
Savio's  die  neuere  deutsche  Litteratur,  obwohl  einzelnes 
aus  ihr  herangezogen  ist,  doch  bei  weitem  nicht  ausreichend 
berücksichtigt  worden. 

158.  Von  der  'Bibliotheca  hagiographica  La- 
tin a  antiquae  et  mediae  aetatis  ediderunt  socii  Bollandiani' 
ist  (Bruxellis  1898)  das  erste  Heft,  enthaltend  die  Heiligen 
Abbanus  bis  Caecilia,  ausgegeben.  Unter  jedem  der  in 
alphabetischer  Eeihenfolge  verzeichneten  Namen  sind  alle 
auf  diesen  bezüglichen  Schriften  (Vitae,  Passiones,  Miracula, 
Translation  es,  Inventiones  etc.)  mit  allen  ihren  Druckorten 
und,  was  besonders  dankenswerth  ist,  auch  die  Auszüge 
solcher  Schriften,  welche  in  Sammelwerken  wie  Vincentii 
Bellovac.  Speculum  historiale  erscheinen,  mit  staunens- 
■\verther  Genauigkeit  und  Umsicht  verzeichnet.  Eine  solche 
Arbeit  haben  nur  die  Herren  Bollandisten  liefern  können. 
Wenn  das  Werk  vollständig  vorliegen  vnrd,  wird  der  bio- 
graphische Theil  von  Potthasts  Bibliotheca  historica  mit 
seinen  zahllosen  Fehlern  und  Lücken  zum  grössten  Theil 
völlig  veraltet  sein.  0.  H.-E. 

159.  Anknüpfend  an  Czapla's  Ausgabe  von  Genna- 
dius'  über  de  viris  illustribus  (vgl.  oben  S.  368  n.  9)  unter- 
sucht F.  Diekamp  (Rom.  Quartalschr.  XII,  411  ff.)  die 
Entstehungszeit  des  Schriftstellerkataloges,  in  dem  er  einen 
ältesten  Theil  (c.  1—82)  von  467—469,  Zusätze  (c.  83—91) 
von  475 — 485  (477/8?)  und  mehrere  Ueberarbeitungen  unter- 
scheidet, H.  Bl. 


750  Nachrichten. 

160.  In  den  Analecta  Bollandiana,  über  welche 
durch  Zufall  längere  Zeit  nicht  berichtet  ist,  sind  in- 
zwischen ganz  besonders  wichtige  Publikationen  erschienen. 
In  Bd.  XVI,  Heft  4  folgten  auf  den  N.  A.  XXIII,  586 
n.  147  angekündigten  Aufsatz  über  die  Vitae  S.  Petri 
de  Murrone  (Papst  Caelestins  V.)  die  von  zweien  seiner 
Schüler  verfasste  älteste  Vita  desselben  mit  den  Miracula, 
zum  ersten  mal  vollständig  und  kritisch  hergestellt,  die 
von  dem  Cardinal  Cajetan  Stefaneschi  für  sein  Gedicht 
über  das  Leben  Peters  benutzt  wurde. 

In  Band  XVII,  Heft  1.  2  gab  Herr  P.  Albert  Pon- 
celet  die  genaue  Inhaltsübersicht  des  Martyrologiums 
Wolfhards  von  Herrieden,  des  grossen  Oesterreichi- 
schen  und  des  grossen  Windberg  er  Legendars.  Aus 
diesen  gab  er  viele  noch  unbekannte  Stücke  heraus,  dar- 
unter Miracula  S.  Pantaleonis  aus  der  Mitte  des 
11.  Jh.,  von  einer  Nonne  zu  Passau  geschrieben,  und  die 
Vita  Aurelii  (des  Patrons  von  Hirschau),  welche  der 
berühmte  Abt  Williram  von  Ebersberg  auf  Bitten  des 
ebenso  berühmten  Abtes  Wilhelm  von  Hirschau  mit  einem 
an  diesen  gerichteten  Prolog  schrieb.  In  den  Vorbemer- 
kungen dieser  vortrefflichen  und  namentlich  für  uns  so 
dankenswerthen  Arbeit  zeigte  Herr  G.  Poncelet,  dass 
aus  Wolfhards  Martjrolog  allerdings  manches  in  das  grosse 
oesterreichische  Legendär  übergegangen  ist,  dass  jenes 
aber  nicht  in  dem  Masse,  wie  man  angenommen  hatte,  die 
Grundlage  des  letzteren  gewesen  ist. 

Aus  dem  dritten  Heft  des  XVII.  Bandes  ist  ein  Auf- 
satz von  Herrn  Abbe  A.  Legris  über  die  Vitae  der  Hei- 
ligen von  St. -Wandrille  (Fontenelle),  nämlich  Ansbert, 
Lantbert,  Condedus,  Wulfram,  Erembert,  Wandregisil,  zu 
notieren.  Dieser  ist  aber  sehr  unbedeutend.  In  demselben 
Heft  wendet  sich  der  Bollandist  P.  Karl  de  Smedt  gegen 
den  von  Ch.  F.  Bellet  gemachten  Versuch,  junge  und  werth- 
lose  Heiligenleben  für  -alt  und  spätestens  im  6.  Jh.  ent- 
standen zu  erklären,  weil  er  in  ihnen  den  Cursus  (Rhythmik 
der  Satzenden)  findet.  Er  zeigt,  dass  man  nach  der  Me- 
thode des  Herrn  Bellet  jedes  beliebige  Stück  des  neunten 
oder  zehnten  Jahrhunderts  dem  sechsten  zuweisen  müsste. 

Im  vierten  Heft  des  XVII.  Bandes  antwortet  Herr  L. 
D  u  c  h  e  s  n  e  auf  den  Aufsatz  von  B.  Krusch  im  vorigen  Heft 
dieser  Zeitschrift  über  die  Passio  Afrae  und  das  Mar- 
tyrologium  Hiero  nymianum.  Er  giebt  eine  Anzahl 
Mängel  der  von  Giov.-B.  de  Rossi  und  ihm  besorgten  Aus- 
gabe   des   Martyrologiums    zu,    hält    aber    an    seinen    Auf- 


Nachrichten.  751 

Stellungen  über  dessen  Abfassungs-Zeit  und  -Ort  fest  und 
stützt  diese  mit  neuen  Gründen.  Da  ich  höre,  dass  Herr 
Dr.  Krusch  diese  Frage  in  dem  vorliegenden  Heft  von 
neuem  behandelt  hat,  enthalte  ich  mich  eines  ürtheils 
darüber.  Auch  seine  Meinung  über  das  Alter  und  den 
Werth  der  Passio  Afrae  vertheidigt  Herr  Duchesne.  Hier 
bin  ich  nicht  geneigt  ihm  zuzustimmen.  O.  H.-E. 

161.  In  einer  Münsterschen  Dissertation  De  Fausti 
Reiensis  epistula  tertia  (Münster  1898)  behandelt  B.  Eeh- 
ling  den  von  Krusch  A.  A.  VIII,  292  n.  20  edierten  Brief 
des  Faustus  vonRiez  besonders  mit  Rücksicht  auf  seine 
üeberlieferung  und  Entstehungsgeschichte.  Als  Adressaten 
verniuthet  er  einen  in  dem  Brief  an  Paulinus  erwähnten 
Eremiten  Marinus. 

162.  In  der  zweiten  ganz  umgearbeiteten  Auflage 
des  N.  A.  XXI,  779  n.  226  erwähnten  Buches  von  Bellet 
(Paris,  Picard  1898),  über  welches  auch  die  eingehende 
Kritik  von  Maere  im  Museon  (Löwen  1897)  S.  372  ff.  zu 
vergleichen  ist,  ist  die  Untersuchung  über  die  ältesten 
Bischofschroniken  und  die  falschen  Papstbriefe  für  Vienne, 
die  das  6.  Capitel  der  ersten  Auflage  bildete,  fortgelassen ; 
doch  kündigt  B.  eine  eigene  Schrift  über  das  Martyro- 
logium  Adonis  und  die  Heiligen  von  Vienne  an,  aus 
der  er  einige  Ergebnisse  bereits  mittheilt.  Neu  hinzu- 
gekommen ist  namentlich  ein  Abschnitt  über  die  älteste 
Vita  S.  Martialis  Lemovicensis,  die  B.,  einer  der  eif- 
rigsten Apologeten  der  kirchlichen  Tradition,  ebenso  wie 
manche  andere  Heiligenleben  auf  Grund  von  Untersuchun- 
gen über  den  cursus  in  denselben  ins  6.  Jh.  setzen  will. 
Wie  oben  n.  160  bemerkt,  ist  dieser  kritiklose  Versuch 
schon  von  de  Smedt  zurückgewiesen  worden. 

163.  In  der  Römischen  Quartalschrift  XII,  299  ff. 
veröffentlicht  A.  Postina  die  Vita  S.  Arbogasti  aus 
einer  bisher  nicht  benutzten  Vaticanischen  Hs.       H.  Bl. 

164.  K.  Horst  setzt  in  den  Englischen  Studien  XXV, 
195  ff.  seine  'Beiträge  zur  Kenntnis  der  altenglischen 
Annale  n'  in  einer  eingehenden  Untersuchung  verschiede- 
ner Hss.  fort  (vgl-  N.  A.  XXIII,  768  n.  233).  R.  H. 

165.  G.  Monod,  Etudes  critiques  sur  les  sources  de 
l'histoire  carolingienne  (Bibliotheque  de  l'ecole  des  hautes 
etudes  CXIX)  giebt  in  dem  vorliegenden  ersten  Buche  eine 
dankens  werth  e  Uebersicht  über  die  karolingischen 
Annalen    bis  829,    der   eine   kurze  Zusammenfassung  der 

Neues  Archiv  etc.    XXIV,  48 


752  Nachrichten. 

inerovingischen  Historiogi'aphie  und  eine  Würdigung  der 
karolingisclien  Renaissance  vorangeschickt  ist.  Da  die  Arbeit 
schon  früher  entworfen  war,  sind  die  eindringenden  Unter- 
suchungen Kurze's  vielfach  nur  in  Anhängen  und  An- 
merkungen berücksichtigt;  sich  in  Bezug  auf  die  Ent- 
stehungs-  und  Ableitungsverhältnisse  der  kleineren  Annalen 
mit  ihnen  auseinanderzusetzen,  lehnt  M.  ab :  'nous  trouverions 
egalement  imprudent  de  contredire  ou  d'adopter  ces  con- 
clusions'.  Scharf  spricht  er  sich  gegen  ihre  Zurückführung 
auf  verlorene  Hof  annalen  (Arnold -Bernays)  aus.  Dagegen 
tritt  er  für  den  officiellen  Ursprung  der  sog.  Ann.  Laurissens. 
mai.  ein:  der  erste  zwischen  788  und  792  verfasste  Ab- 
schnitt soll  unter  Angilram  (weder  von  Arn,  noch  von  Riculf), 
der  folgende  bis  801  unter  Angilbert  in  der  kgl.  Kapelle 
niedergeschrieben  sein;  der  Theil  von  801 — 818,  der  während 
Hildebalds  Kanzleileitung  entstanden  wäre,  könnte  hinter 
den  J.  808  und  813  Einschnitte  aufweisen;  den  Schluss  von 
819 — 829  nimmt  er,  wie  Kurze,  bestimmt  für  Abt  Hilduin 
von  S.  Denis  in  Anspruch,  der  vielleicht  auch  die  J.  809  — 
813  schon  eingetragen  habe.  Nirgend  sei,  weder  bei  der 
Abfassung  der  Annalen  selbst  noch  bei  der  Bearbeitung 
bis  801,  eine  Betheiligung  Einhards  anzunehmen,  üeber 
ihre  Beziehung  zur  Vita  Karoli  vgl.  n.  166.  Endlich  sei 
noch  erwähnt,  dass  Monod  für  die  sächs.  Herkunft  des  Ver- 
fassers der  Gesta  Karoli  eintritt  und  sie  nach  801  in 
Verbindung  mit  den  Ann.  Laureshamenses  bringen  will, 
sowie  dass  er  aus  der  Ueberlieferung  der  kleinen  Lorscher 
Frankenchronik  als  Fortsetzung  der  Chronik  Beda's  und 
aus  einzelnen  ihrer  Angaben  auf  einen  angelsächsischen 
Mönch  als  Verfasser  schliesst.  H.  Bl. 

166.  Durch  den  Vergleich  einer  Anzahl  von  Stellen 
aus  Einhards  Vita  Karoli  und  den  sog.  Ann.  Ein- 
hardi  glaubt  E.  Bern  heim  in  der  Hist.  Vierteljahrschrift 
1898,  S.  161  ff.  endgiltig  erwiesen  zu  haben,  dass  die  letz- 
teren in  der  ersteren  benutzt  seien,  gegenüber  Kurze, 
der  das  gegentheilige  Verhältnis  annimmt.  Ich  bedauere, 
mich  Bernheims  principieller  Ansicht,  dass  es  möglich  sein 
müsse,  auf  diesem  Wege  ein  völlig  sicheres  Resultat  zu 
gewinnen,  nicht  anschliessen  zu  können,  und  ich  bin  auch 
nicht  der  Meinung,  dass  ich,  indem  ich  dies  bestreite, 
irgendwie  'die  Grundlage  der  ganzen  neueren  Geschichts- 
forschung' in  Zweifel  ziehe  (Deutsche  Zeitschr.  f.  Geschichts- 
wissensch.  N.  F.  I,  Monatsblätter  129  f.).  Mir  scheint  im 
Gegentheil,  dass,  wenn  (wie  Kurze  glaubt)  wirklich  beweis- 


Nachrichten.  753 

bar  wäre,  die  Originalhs.  der  Annalen  könne  erst  nach  829 
geschrieben  sein,  damit  die  Frage  nach  ihrem  Verhältnis 
zu  der  vor  829  entstandenen  Vita  objectiver  und  deshalb 
sicherer,  wenn  auch  auf  indirectem  Wege,  entschieden  wäre, 
als  durch  die  Vergleichung  der  in  beiden  Quellen  über- 
lieferten Nachrichten.  Für  diesen  Beweis,  den  ich  ein- 
gehend nachgeprüft  habe,  hat  Kurze  sehr  erhebliche  Gründe 
geltend  gemacht;  aber  es  lassen  sich  auch  nicht  unbedeu- 
tende Argumente  dagegen  anführen;  und  die  ganze  Frage 
wird  noch  einer  neuen  gründlichen  Untersuchung  be- 
dürfen. Ich  will  nur  noch  darauf  aufmerksam  machen, 
dass  auch  Monod  in  der  oben  n,  165  erwähnten  Schrift 
S.  146,  wenn  er  auch  zu  Bernheims  Ansicht  neigt,  doch 
eine  ganz  sichere  Entscheidung  der  Frage  überhaupt  nicht 
für  möglich  hält. 

167.  G.  Hüff er,  Korveier  Studien  (Münster,  Aschen- 
dorff  1898)  geht  von  der  Persönlichkeit  und  dem  Wirken 
Gerolds,  des  Kaplans  Ludwigs  d.  Fr.,  aus,  dem  er  nach 
dem  Vorgang  M.  Mejers  die  bis  801  reichende  Bearbeitung 
der  Ann.  Lauriss.  mai.  zuweist.  Er  sei  der  Lehrer  des 
Mönches  Agius  gewesen,  in  dem  H.  nicht  nur  den  Ver- 
fasser der  Vita  Hathumodae,  sondern  auch  der  Vita 
S.  Liborii  und  vor  allem  der  von  einem  poeta  Saxo 
verfassten  Gesta  Karoli  erblickt.  Wird  das  'missliche  Eathen 
auf  bestimmte  Verfasser',  vor  dem  Sybel  einst  warnte,  immer 
von  subjectiven  Anschauungen  beeinflusst  sein,  so  tritt  der 
hypothetische  Charakter  von  Hüffers  Darlegungen  in  den- 
jenigen Abschnitten  noch  stärker  hervor,  die  sich  mit  dem, 
von  H.  in  den  Mittelpunkt  der  sächsischen  Politik  Karls 
gerückten  Salzer  Frieden  von  803  und  den  ältesten  Ur- 
kunden Karls  d.  Gr.  für  die  sächsischen  Bisthümer  be- 
schäftigen. So  wenig  ich  Hüffers  von  der  bisher  geltenden 
und  durch  Simson  begründeten  durchaus  abweichende  Auf- 
fassung für  bewiesen  erachte  und  so  unzureichend  viel- 
fach ihre  Begründung  ist,  scheinen  doch  einzelne  Hin- 
weise beachtenswerth;  auch  dürfte  eine  zusammenfassende 
Untersuchung  jener  unechten  Diplome,  aus  denen  Hüff  er, 
m.  E.  vergeblich,  zahlreiche  echte  herauszuschälen  sucht, 
ihren  Zusammenhang  befriedigend  zu  erklären  haben. 

H.  BI. 

168.  In  den  Studi  storici  VII,  399  ff.  beginnt  D.  Giani 
eine  Untersuchung   über   die    Chronologie    des  Agnellus. 

H.  Bl. 

48* 


754  Nachrichten. 

169.  Ausführliche  Erläuterung-en  zu  der  unter  dem 
Namen  des  GeograjDhus  Bawarus  g-ehenden  Aufzeich- 
nung über  die  Slavengaue  (vgl.  Wattenbach  GQ.  1*^,  289) 
giebt  A.  Kralicek  in  der  Zeitschr.  f.  d.  Gesch.  Mährens 
u.  Schlesiens  II,  216  fP.  340  ff. 

170.  Eine  Breslauer  Dissertation  von  W.  Seydel, 
Studien  zur  Kritik  Wipo's  (Breslau,  Trewendt  1898),  wider- 
legt, was  nach  den  Darlegungen  Stein dorffs  in  den  GGA. 
1891,  S.  848  ff.  kaum  noch  in  dieser  Ausführlichkeit  erfor- 
derlich war,  V.  Pflugk - Harttungs  Ansichten  über  die  Be- 
richte des  Ademar  und  des  ßodulf  Glaber  betreffend  die 
Wahl  Konrads  II.  und  nimmt  dann  Wipo  überhaupt  gegen 
die  Kritik  Pflugk  -  Harttungs  in  Schutz.  Ein  erster  Excurs 
richtet  sich  gegen  Lindners  Ansicht,  dass  Wipo  bei  der 
Wahl  Konrads  nicht  zugegen  gewesen  sei,  der  zweite  be- 
handelt die  Chronologie  des  Cap.  33  der  Vita.  Im  ein- 
zelnen erscheinen  mir  die  Ansichten  des  Verf.  vielfach 
vei'fehlt. 

171.  Zum  Chronicon  Andegavense  (oder  Vin- 
dociuense),  das  bisher  nur  unvollständig  nach  dem  bis 
1251  reichenden  Labbeschen  Druck  bekannt  war,  veröffent- 
licht Rosa  Graham  in  der  Euglish  historical  review 
XIII,  695  ff.  unter  dem  Titel  'The  annals  of  the  monastery 
of  the  holy  trinity  at  Vendöme'  verschiedene  Zusätze  und 
den  bis  1347  reichenden  Schluss.  Der  Werth  der  Quelle 
beginnt  mit  den  selbständigen  und  gleichzeitigen  Ein- 
tragungen seit  dem  J.  1075.  Die  Hs.,  welche  sich  jetzt 
in  der  Bodleiana  befindet,  enthält  nach  G.  u.  a.  noch 
drei  unbekannte,  das  Kloster  Vendöme  betreffende  Bullen 
Honorius'  II.  von   1128  für  französische  Bischöfe. 

E.  H. 

172.  In  den  Annalen  des  bist.  Vereins  f.  d.  Nieder- 
rhein 65,  237  ff.  erörtert  H.  Höf  er  einige  Daten  aus  der 
Lebensgeschichte  des  Caesariusv.  Heister bach,  indem 
er  namentlich  dessen  Geburt  10  Jahre  höher  hinauf  rücken 
will,  als  bisher  angenommen  wurde.  Prior  von  Heister- 
bach ist  Caesarius,  wie  H.  zeigt,  erst  nach  1227  geworden. 

173.  In  der  Bibliotheque  de  l'ecole  des  chartes  LIX, 
533  ff.  beschreibt  L.  Delisle  eine  Hs.  von  S.  Land  zu 
Angers,  welche  die  Gesta  consulum  Andegavensium 
und  ein  Cartular  des  Klosters  enthält.  H.  Bl. 

174.  Der  Eevue  historique  LXVII,  420  entnehmen 
wir    die    Notiz,  dass  F.  C  h  a  m  b  o  n   im  Bulletin  historique 


Nachrichten.  755 

et  scieutifique  de  rAuvergne  1897  n.  9 — 10  über  die  Chro- 
nik des  ßobert  de  Clarj  handelt.  R.  H. 

175.  Im  YII.  Abschnitt  seiner  g-rnndlegenden  Studien 
zu  den  Ungarischen  Geschichtsquellen  (vgl.  N.  A.  XXIII, 
770  n.  239)  kommt  E.  F.  Kaindl  (Archiv  für  Österreich. 
Gesch.  LXXXV,  431  ff.)  zu  dem  mit  den  Untersuchungen 
Heinemanns  (N.  A.  XIII,  63  ff.)  übereinstimmenden  Er- 
gebnis, dass  dem  Alberich  vonTrois-Fontaines 
eine  bis  Ausgang  des  11.  Jh.  reichende  Ungarngeschichte 
vorlag,  die  K.  als  Gesta  Hungarorum  veter a  bezeich- 
net und  die  bei  Keza  mit  der  Hunnengeschichte  vereinigt 
ist.  Beide  sind  benutzt  in  der  um  1300  entstandenen 
Ofener  Minoriten-  oder  nationalen  Grundchronik. 
—  Ausserdem  deckt  K.  eine  um  1175  entstandene  verlorene 
ungarische  Geschichtsquelle  auf,  die  in  Muglens  Chronik 
und  ins  Chronicon  Pictum  übergegangen  ist.  H.  Bl. 

176.  Ueber  das  Speeulum  perf ectionis,  das  P. 
Sabatier  dem  Bruder  Leo  und  dem  J.  1228  zuweisen 
wollte  (vgl.  oben  S.  374  n.  28),  ist  eine  lebhafte  Erörterung 
entstanden;  wir  verzeichnen  die  Mittheilungen  von  Faloci- 
Pulignani  in  Miscellanee  Francescane  VII  und  die  Be- 
sprechungen in  der  römischen  Quartalschrift  XII,  324  ff.; 
Archivio  stör.  ital.  Ser.  5,  XXII,  134  ff. ;  Giornale  storico 
della  letteratura  italiana  XXXII,  63  ff.  H.  Bl. 

177.  Im  Archivio  della  r.  Societä  Romana  XXI,  7  ff. 
beginnt  F.  Pagnotti  die  Neuausgabe  von  Papstleben  des 
13.  Jh.  mit  der  Vita  Innocentii  IV.,  die  aus  dem  ein- 
zigen schon  von  Baluze  benutzten  Cod.  lat.  Paris.  5150  mit 
zahlreichen,  namentlich  Matthaeus  Paris  berücksichtigenden 
Anmerkungen  gedruckt  wird.  Im  Anhang  zu  der  mehr- 
fach auf  die  Hss.  zurückgreifenden  Einleitung,  welche  die 
Papstbiographieen  und  die  einschlägigen  Chroniken  des 
13.  und  14.  Jh.  behandelt,  werden  die  urkundl.  Nachweise 
über  den  Verfasser  Nicolaus  de  Carbio  (Calvi  bei  Narni; 
Curbio  war  Lesefehler  des  Baluze)  zusammengestellt  (S.  58 
eine  Uebersicht  über  die  im  vaticanischen  Archiv  befind- 
lichen Urkunden  von  Nonantola  1058—1198).  Die  von 
Pagnotti  besprochene  Benutzung  von  Dokumenten  der 
päpstl.  Kanzlei  in  der  Vita  erstreckt  sich  noch  weiter,  als 
er  angenommen  hat.  H.  Bl. 

178.  Wegen  ihrer  Nachrichten  über  König  Alfons 
machen  wir  auf  die  Ausgabe  der  Chronik  der  Könige 
von  Castilien  (1248—1305)  durch  A.  Morel -Fatio  (Bibl. 


756  Nachrichten. 

de  l'ecole  des  chartes  LIX,  325  ff.)  aufmerksam,  deren  Ver- 
fasser Gaufridus  de  Loaisa  die  Chronik  des  Erzbischofs 
Roderich  von  Toledo  fortsetzte.  H.  Bl. 

179.  In  dem  Bulletino  delF  istituto  storico  ital.  XX 
giebt  F.  Novati  aus  dem  Cod.  X,  165  der  Nationalbiblio- 
thek zu  Madrid  die  um  die  Mitte  des  13.  Jh.  geschriebene 
werthvolle  Stadtbeschreibung  'De  magnalibus  urbis  Medio- 
lani'  des  Frä  Bonvicino  della  Riva  heraus.        H.  Bl. 

180.  In  beachtenswerthen  Darlegungen  behandelt 
F.  Wilhelm  (Mitth.  des  Inst.  f.  Österreich.  Geschichtsf. 
XIX,  615  ff.)  Entstehung  und  Tendenz  der  Schriften  des 
Jordan  US  von  Osnabrück.  Den  von  Waitz  heraus- 
gegebenen Tractatus  de  praerogativa  Romani  imperii  sucht 
er  durch  die  Zuweisung  zu  den  J.  1279/80  in  neues  Licht 
zu  rücken;  die  von  ihm  gedruckte  Notitia  seculi  von 
1288  findet  zum  ersten  Male  angemessene  Würdigung. 

H.  Bl. 

181.  Die  schon  angekündigte  ausführliche  Unter- 
suchung von  F.  V.  Krön  es  über  das  Cistercienserkloster 
Saar  in  Mähren  und  seine  Geschichtschreibung  (vgl.  N. 
A.  XXIII,  586  n.  145  und  XXIV,  375  n.  33)  ist  im  Archiv 
für  Österreich.  Geschichte  LXXXV,  1  ff.  erschienen.  Sie 
beschäftigt  sich  mit  dem  Leben  Heinrichs  von  Heim- 
burg, begründet  eingehend  die  von  Emier  und  Dieterich 
aufgestellte  These,  dass  er  auch  der  Verfasser  der  Chronica 
domus  Sarensis  sei,  behandelt  ihre  Beziehungen  und 
spätere  Benutzung  und  untersucht  endlich  die  der  Chronica 
angehängte  Genealogia  fundatorum  sovile  das  Chron.  Zdia- 
rense  im  v^esentlichen  mit  dem  gleichen  Ergebnis,  das 
Dieterich  SS.  XXX,  680  formuliert  hat.  H.  Bl. 

182.  In  der  Collection  de  textes  pour  servir  ä  l'etude 
et  ä  l'enseignement  de  l'histoire  (Paris,  Alph.  Picard  et 
fils  1899)  gab  Fr.  Punck-Brentano  unter  dem  Namen 
Chronique  Artesienne  (1295 — 1304)  die  in  Arras  in 
französischer  Sprache  verfasste,  für  den  flandrisch  -  franzö- 
sischen Krieg  überaus  wichtige  Chronik  heraus,  welche  früher 
allein  von  De  Smet  im  Recueil  de  Chroniques  de  Flandre 
sehr  fehlerhaft  unter  dem  Titel  'Chronique  anonyme  de 
la  guerre  entre  Philippe  le  Bei  et  Gui  de  Dampierre' 
publiciert  war.  Unter  dem  Texte  gab  Funck- Brentano 
Stücke  einer  unedierten  Chronik  von  Tournai  aus  dem 
15.  Jh.,  in  welcher  für  diese  Zeit  unbekanntes,  gleichzeitiges 
Quellenmaterial  benutzt   sein  muss.     Die  erklärenden  Bei- 


Nachrichten.  757 

gaben    der   Anmerkungen    und    im   ausführliehen   Register 
sind  reich  und  werthvoll.  O.  H.-E. 

183.  In  scharfsinnigen  Erörterungen  handelt  K.  Kopp- 
mann (Hansische  Geschichtsblätter  1897,  149  ff.)  über  die 
verlorene,  in  den  verschiedenen  Chroniken  Detraars  und 
von  Korner  benutzte  Lübische  Stadeschronik;  er 
vermuthet  ihre  Abfassung  im  J.  1347  durch  den  Lübecker 
Rathsnotar  Johann  Ruffus;  ihm  schreibt  er  auch  eine 
gleichfalls  nicht  erhaltene,  früher  entstandene  Chronik  bis 
1276  zu,  die  mit  der  gefälschten  Rathswahlordnung  in  Zu- 
sammenhang steht.  S.  197  ff.  und  S.  283  ff.  wird  das  Ver- 
hältnis Detmars  zu  Korn  er  noch  eingehender  als  in  der 
trefflichen  Ausgabe  Schwalms  geprüft.  H.  Bl. 

184.  Dom  Ursmer  Berliere  berichtete  in  den  Bulle- 
tins de  la  Commission  royale  d'histoire  de  Belgique  5.  serie, 
t.  Vlll,  n.  1  über  die  modernen  Abschriften,  welche  dem 
bekannten  Prämonstratenserabt  Hugo  von  Etival  aus  bel- 
gischen Prämonstratenserklöstern  für  seine  Annales  ordinis 
Praemonstratensis  zugesandt  waren  und  die  sich  jetzt  in 
Nancy  befinden.  Es  fand  sich  wenig  Unbekanntes  darunter. 
B.  publiciert  daraus  Excerpte  aus  Nekrologien  von 
Cuissy  und  Floreffe,  eine  Tafel  über  Gründung  und 
Weihe  dieses  Klosters.  Das  wichtigste  darunter  war  der  von 
dem  bekannten  Chronisten  Peter  von  Herentals  in  der 
zweiten  Hälfte  des  XIV.  Jh.  verfasste  C atalog us  abba- 
tum  Floref  f  iensium ,  den  B.  ebenda  n.  5  aus  einer 
Abschrift  des  vorigen  Jahrhunderts  herausgab. 

O.  H.-E. 

185.  Der  erste  Band  der  von  J.  H.  AI  bau  es  ge- 
sammelten, nach  dessen  Tod  von  U.  Chevalier  manchmal 
ohne  eine  letzte  Ueberarbeitung,  wie  sie  nöthig  gewesen  wäre, 
herausgegebenen  'Actes  anciens  et  documents  concernant 
le  bienheureux  Urbain  V.  pape'  (Paris,  Picard,  und  Mar- 
seille, Ruat,  1897)  enthält  die  14,  bisher  zum  Theil  unge- 
druckten Viten  Urbans,  welche  vor  dem  16.  Jh.  ent- 
standen sind,  ferner  das  sehr  langathmige  Protokoll  über 
die  1376 — 79  in  Marseille  betreffs  der  Wunder  Urbans  er- 
hobenen Zeugenaussagen,  welche  gelegentlich  der  auf  eine 
Canonisation  dieses  Papstes  abzielenden  Verhandlungen 
abgegeben  wurden,  sowie  den  'Liber  de  vita  et  miraculis 
beati  Urbani  pape  quinti',  eine  1390  in  derselben  Angelegen- 
heit auf  Geheiss  Clemens'  (VII.)  aufgestellte  luformatio ; 
auch  die  beiden  letztgenannten  Stücke  waren  bisher  zwar 
bekannt,  aber  ungedruckt.  R-  H. 


758  Nachrichten. 

186.  Die  glückliclie  Auffindung  einer  von  dem  Berner 
Chronisten  Konrad  Jnstinger  eigenhändig  geschriebenen 
Quittung  vom  J.  1423  hat  A.  Flur  j  in  den  Stand  gesetzt, 
im  Berner  Staatsarchiv  zahlreiche  andere  Schriftstücke 
von  seiner  Hand  nachzuweisen  und  in  eingehender  pa- 
hieographischer  Untersuchung  (Anzeiger  f.  schweizer.  Gesch. 
1899  S.  128  ff.)  darzuthun,  dass,  wie  schon  G.  Tobler  ver- 
muthet  hatte,  drei  in  der  Stadtbibliothek  zu  Bern  erhaltene 
Pergamentblätter  Ueberreste  der  von  Justinger  eigenhändig 
geschriebenen  Originalhs.  der  Chronik  sind,  womit  alle 
Zweifel  daraii,  dass  Justinger  die  unter  seinem  Namen 
gehende  Chronik  verfasst  habe,  behoben  werden.  Zugleich 
ergiebt  sich  nun,  dass  die  Copieen  der  beiden  Stettier 
(Vater  und  Sohn)  von  160.5  und  1648  unmittelbar  auf  die 
verlorene  Originalhs.  zurückgehen  und  also  den  Abschriften 
des  15.  Jh.  vorzuziehen  sind.  Dem  für  die  Kritik  der  Chronik 
sehr  wichtigen  Aufsatz  ist  eine  Schrifttafel  beigegeben. 

187.  In  der  Zeitschrift  für  Social-  und  Wirthschafts- 
geschichte  VI,  369  ff.  setzt  C.  Koehne  seine  Studien  zur 
sogenannten  Reformation  Kaiser  Sigmunds  fort  (vgl. 
N.  A.  XXIII,  689  ff.),  indem  er  dieselbe  inhaltlich  analy- 
siert, auf  ihre  Quellen  untersucht  und  ihre  Benutzung  im 
15.  und  16.  Jh.  klarlegt.  Die  genannte  Schrift  kann  weder 
mit  dem  Hussitenthum  noch  mit  anderen  gleichzeitigen 
Bewegungen,  als  deren  Ausfluss  Neuere  sie  hinstellen  wollten, 
in  Zusammenhang  gebracht  werden,  sondern  ihr  Verfasser 
hat  die  Ideen  seiner  Zeit  in  ziemlich  selbständiger  und 
eigenartiger  Weise  verarbeitet.  Ausser  Wolfgang  Aytinger 
(vgl.  N.  A.  XXIII,  717)  ist  im  15.  Jh.  kein  Benutzer  nach- 
weisbar. R.  H. 

188.  Als  Hauptquelle  für  die  Darstellung  Vadians 
von  den  Burgunder  Kriegen  erweist  J.  Haue  im  Anzeiger 
für  Schweizerische  Gesch.  1898  n.  4  die  verlorene  Chro- 
nik eines  St.  Gallers  Meinrad  vom  J.  1482,  von  der  sich 
mehrfach  Auszüge,  namentlich  ein  grösseres  Bruchstück 
über  die  Jahre  1475/76  in  Bd.  6  der  Hallerschen  Documenten- 
Sammlung  auf  der  Stadtbibliothek  in  Bern,  erhalten  haben. 
Ebenda  n.  3,  S.  66  ff.  theilt  Th.  v.  Li  eben  au  einen  be- 
achtenswerthen  Bericht  von  Jörg  Hochmuth  an  die  Stadt 
Donauwörth  über  dieSchlacht  vonNancy  d.d.  11.  Jan. 
1477  mit;  vgl.  auch  zur  Geschichte  der  Murtener  Schlacht 
den  von  G.  Tobler  das.  n.  4,  S.  95  ff.  gedruckten  Brief 
des  Berner  Raths. 


Nachrichten.  759 

189.  In  einer  Untersuchung-  über  Paul  Volz  von 
Offenburg  und  die  Annalen  von  Schuttern  hat  J.  Maj 
(Leipzig-,  Fock  1898)  das  Verhältnis  der  verschiedenen  Re- 
censionen  zu  einander  zu  bestimmen  gesucht.         H.  Bl. 

190.  A.  V.  Halb  an,  Das  römische  Eecht  in  den 
germanischen  Volksstaaten  (Untersuchungen  zur  deutschen 
Staats-  u.  Rechtsgesch.  56,  Breslau,  Marcus  1899)  verfolgt 
in  eingehender  Erörterung  die  Beeinflussung  des  germani- 
schen durch  das  römische  Recht  in  den  Staaten  der  Van- 
dalen,  Odovakars,  der  Ostgothen,  Westgothen  und  Bur- 
gunder. 

191.  Im  Archivio  giuridico  Filippo  Serafini  n.  s.  II 
erörtert  A.  Solmi  die  Beziehungen  zwischen  den  lango- 
bardischen  und  nordischen  Rechtsquellen  und  tritt  für  die 
Zugehörigkeit  d*es  langobardischen  Rechts  zu  der  Gruppe 
der  vrestgermanischen  Rechte  ein.  Von  Fickers  Arbeiten 
sind  dabei  nur  ein  Aufsatz  in  den  Mittheil,  des  oesterr.  Inst. 
Erg.  II  und  die  Forsch,  zur  Reichs-  und  Rechtsgesch.  Italiens, 
aber  nicht  das  grosse  Werk  der  Untersuchungen  zur  Rechts- 
geschichte (1891  ff'.)  berücksichtigt. 

192.  Der  2.  Auflage  von  Behrends  Lex  Salica  ist 
schnell  noch  eine  neue  Ausgabe  derselben  Quelle  gefolgt: 
Lex  Salica  zum  akademischen  Gebrauche  herausgegeben 
von  Heinrich  Geffcken  (Leipzig,  Veit  &  C,  1898).  G. 
giebt  hinter  dem  Texte  einen  reichen  fortlaufenden  Com- 
mentar,  der  sich  schon  äusserlich  durch  seineu  Umfang 
als  wesentlichsten  Theil  des  Buches  kennzeichnet  und 
keineswegs  nur  für  Anfänger  brauchbar  ist,  sondern  auch 
die  volle  Beachtung  der  Forscher  verdient.  K.  Z. 

193.  In  der  Zeitschr.  der  Savignystiftung  für  Rechts- 
gesch. germ.  Abtheil.  XIX,  174  — 178  berichtet  Lieber- 
mann über  die  erste  Lieferung  seiner  umfassenden  und 
kritischen  Ausgabe  der  Gesetze  der  Angelsachsen 
(Halle  1898),  für  welche  durchweg  eine  neue  Vergleichung 
der  Hss.  stattg-efunden  hat.  Die  lateinische  Uebersetzung 
des  12.  Jh.  (Quadripartitus)  und  eine  neue  deutsche  Ueber- 
tragung  ist  dem  Texte  beigefügt.  E.  D. 

194.  In  der '  Archaeologia  Cantiana'  (1898)  geben  Arnold 
und  Lieb  er  mann  eine  sehr  genaue  Beschreibung  und 
Inhaltsangabe  des  sog.  Textus  Roffensis,  einer  unter 
dem  Bischof  Ernulf  von  Rochester  (f  1125)  angelegten 
Sammlung  angelsächsischer  Gesetze,  welche  noch  jetzt  der 


760  Nachrichten. 

Cathedrale  von  Eochester  gehört.    Ein  sehr  schöner  Licht- 
druck einer  Seite  ist  beigefügt.  E.  D. 

195.  Der  zweite  Theil  von  G.  Seeligers  scharf- 
sinnigen Untersuchungen  über  Volksrecht  und  Königsrecht 
(Histor.  Vierteljahrschrift  1898,  313  ff.;  vgl.  oben  S.  377 
n,  43)  behandelt  die  Gesetzgebung  im  Frankenreich.  S.  be- 
gründet zunächst  nochmals  seinen  Widerspruch  gegen  die 
bekannte  Dreitheilung  der  Capitularien  (vgl.  N.  A.  XIX 
255  n.  33)  und  stellt  sodann  die  Zeugnisse  für  die  Theil- 
nahme  der  Unterthanen  an  der  Rechtsbildung  zusammen, 
mit  denen  die  Annahme  unbeschränkter  Gesetzgebung  allein 
durch  den  König  unvereinbar  sei.  So  wenig  daher  das  Recht 
nach  den  gesetzgebenden  Kräften  zu  scheiden  sei,  so  wenig 
hält  S.  eine  dem  Inhalt  entnommene  Theilung  der  Rechts- 
bestimmungen in  solche  des  Volksrechtes .  und  andere  des 
Königsrechtes  für  zulässig.  Nicht  in  solchem  starren  Rechts- 
dualismus, sondern  in  den  Wechselströmuugen  von  Gewohn- 
heit und  Gesetz,  Volkseinwirknngen  und  Königseinwir- 
kungen, Stammes-  und  Reichsrecht  sei  die  Rechtsent- 
wickelung vor  sich  gegangen.  H.  Bl. 

196.  Von  dem  Abdruck  der  beiden  Urkunden  des 
Wormser  Concordats,  welchen  H.  O(mont)  in  der 
Bibliotheque  de  l'ecole  des  chartes  LIX,  655  ff.  nach  einer 
bisher  unbekannten  Abschrift  in  der  Züricher  Cantonal- 
Bibliothek  veröffentlicht,  kann  nur  derjenige  des  päpstlichen 
Privilegs  Interesse  beanspruchen,  da  das  kaiserliche  im 
Original  erhalten  ist.  Die  Züricher  Ueberlieferung  der 
Urkunde  Calixts  erweist  sich  als  zu  der  von  Weiland  (Consti- 
tutionen I,  160)  mit  B  bezeichneten  Handschriftenklasse 
gehörig  und  enthält  verschiedene  neue,  aber  für  die  Her- 
stellung des  Originaltextes  belanglose  Varianten.     R.  H. 

197.  In  der  Zeitschrift  der  Savignj- Stiftung  XIX, 
Germ.  Abth.  berichtet  S.  143  f.  Edward  Schröder  über 
Fragmente  einer  Hs.  des  Lehnrechts  des  Sachsenspie- 
gels s.  XIV.  (im  Privatbesitz)  und  S.  145  ff.  Hermann  Isay 
über  eine  Hs.  des  kleinen  Kaiserrechts  im  Stadt- 
archiv zu  Trier  (bisher  in  der  Stadtbibliothek  unter  n.  851^). 

K.  Z. 

198.  Ueber  die  Wiesbaden  betreffende  Stelle  des 
von  Schwalm  publicierten  Eingangsverzeichnisses  städtischer 
Steuern  (N.  A.  XXIII,  517  ff.)  spricht  F.  Otto  in  den  An- 
nalen  des  Vereins  f.  Nassauische  Alterthumsk.  n.  Geschichtsf. 
XXIX,  222  ff.  R.  H. 


Nachrichten.  761 

199.  In  der  Zeitschr.  für  Gesch.  des  Oberrbeins  N.  F. 
XIII,  664  ff.  bereitet  C.  Koehne  die  ihm  übertragene 
Herausgabe  der  badischeu  und  elsässischen  Stadt- 
rechte durch  eine  üebersicht  über  das  gedruckte  und  hand- 
schriftliche Material  vor,  die  zunächst  das  mittlere  und 
südliche  Baden  betrifft.  H.  Bl. 

200.  Die  von  G.  Caro  in  der  Histor.  Vierteljahr- 
schrift Bd.  II,  S.  72  ff.  veröffentlichten,  gegen  die  Authenti- 
cität  des  lateinischen  Textes  des  l.Strassburger  Stadt- 
rechts, bezw.  die  Angaben  Grandidiers  gerichteten  Aus- 
führungen sind  in  der  Hauptsache  durchaus  missglückt. 
Denn  weder  ist,  was  Schilter  allerdings  irrig  behauptet 
hatte,  dessen  lateinischer  Text  eine  Uebersetzung  des  deut- 
schen, noch  ist  zu  zweifeln,  dass  Grandidier,  dessen  Aus- 
gabe zahlreiche  bessere  Lesarten  bietet,  einer  guten,  alten 
und  selbständigen  Ueb erlief erung  folgte.  Die  Frage,  wie 
Grandidier  zu  den  von  ihm  allein  überlieferten,  angeblich 
demselben  Cod.  saec.  XIII.  entnommenen  Texten  des  2. 
und  3.  Stadtrechts  kam,  die  er  doch  nicht  erfunden  haben 
kann,  ist  gar  nicht  aufgeworfen  worden.  Auch  ist  gar 
kein  Zweifel,  dass  einige  bei  ihm  fehlende,  bei  Schilter 
überlieferte  Stellen  Zusätze  zu  dem  ursprünglichen  Texte 
sind,  wobei  man  höchstens  zweifeln  kann,  ob  Grandidier 
sie  als  solche  erkannt  und  demnach  fortgelassen  habe, 
oder  ob  sie  seiner  Vorlage  fehlten.  Ohne  einer  eindringen- 
den Untersuchung  vorgreifen  und  mich  auf  Einzelheiten 
einlassen  zu  wollen,  möchte  ich  meine  Meinung  nach  reif- 
licher Ueberlegung  zu  Gunsten  der  Grandidierschen  An- 
gaben abgeben.  Eine  andere  Frage  ist  die,  ob  neben  dem 
Texte  Grandidiers,  der  auch  in  Zukunft  als  Grundlage  zu 
dienen  haben  wird,  nicht  die  eine  oder  andere  Lesart 
Schilters  Berücksichtigung  verdiente.  E.  Sackur. 

201.  Ueber  eine  werthvolle  Hs.  saec.  XV.  in.  des 
Eechtsbuchs  von  Prag  in  der  Bibliothek  des  Dom- 
capitels  zu  Olmütz  berichtet  B.  Bretholz  in  der  Zeitschr. 
f.  d.  Gesch.  Mährens  und  Schlesiens  II,  380  ff. 

202.  Bemerkenswerthe  Ausführungen  von  F.  Frens- 
dorff  über  die  Zollordnung  des  Lübischen  Eechts 
(Hansische  Geschichtsblätter  1897,  107  ff.)  kommen  über 
Ueberlieferung,  Form  und  Inhalt  der  Ordnung  zu  Ergeb- 
nissen, die  von  anderen  neueren  Arbeiten  wesentlich  ab- 
weichen (vgl.  N.  A.  XX,  507  n.  226)  und  seine  früheren  Dar- 
legungen werthvoll  ergänzen.  H.  Bl. 


762  Nachrichten. 

203.  In  den  auf  archivaliscben  Studien  beruhenden 
^Beiträgen  zur  Geschichte  des  Märkerwesens  zu  Nieder- 
lahnstein' von  F.  Michel  (Annalen  des  Vereins  f. 
Nassauische  Alterthumsk.  u.  Geschichtsf.  XXIX,  202  ff.) 
wird  ein  Vertrag  zwischen  den  Märkern  und  der  Gemeinde 
Yom  20  Nov.  1455  abgedruckt.  E.  H. 

204.  Ein  bisher  unbekanntes  Capitel  der  Tabula 
von  Amalfi  veröffentlicht  und  bespricht  F.  Ciccaglione 
im  Arch.  stör,  per   le  provincie  Naj)oletane  XXIIl,  365  ff. 

H.  Bl. 

205.  Im  Nuovo  archivio  Veneto  XV,  288  ff.  veröffent- 
licht C.  Cipolla  eine  Anzahl  politischer  und  commercieller 
Verträge  Veronas  und  anderer  oberitalienischer  Städte 
aus  dem  12.  Jh.,  darunter  den  ältesten  erhaltenen  Handels- 
vertrag zwischen  Verona  und  Venedig  von  1107,  auf  den 
ich,  was  dem  Verf.  entgangen  ist,  zuerst  hingewiesen  habe. 

W.  L. 

206.  In  der  Revue  des  Bibliotheques  n.  10/11  des 
Jahres  1898  giebt  (S.  361  —  370)  Am.  Salmon  Nachricht 
von  sechzehn  Hss.  (und  einigen  alten  Drucken),  welche 
sich  in  die  Bibliothek  des  Gerichtshofes  (tribunal  civil)  von 
Beauvais  verirrt  haben.  Während  die  übrigen  dem  späteren 
Mittelalter  oder  der  neueren  Zeit  angehören  und  namentlich 
für  die  Rechtsgeschichte  Frankreichs  ergiebig  sind  (darunter 
die  Coutumes  de  Beauvoisis  von  Phil,  de  Beaumanoir),  ist 
für  uns  besonders  wichtig  eine  Hs.  des  9.  bis  10.  Jh., 
welche  die  von  der  Aachener  Synode  des  Jahres  836  in 
drei  Büchern  an  Pippin  von  Aquitanien  gerichtete  Denk- 
schrift enthält,  und  zwar  wird  dieselbe,  was  bisher  nicht 
bekannt  war,  hier  ausdrücklich  als  ein  Werk  des  bekannten 
Bischofs  Jonas  von  Orleans  bezeichnet  (vgl.  oben  S.  490). 

E.  D. 

207.  In  der  Einleitung  zu  meiner  Ausgabe  der  Briefe 
Alcvins,  EE.  IV,  p.  2 — 3  n.  6,  habe  ich  nach  3  Hss.  einige 
Räthselfragen  herausgegeben,  von  denen  ich  vermuthete, 
dass  sie  von  Alcvin  selbst  herrühren  könnten.  Hierbei 
war  mir  entgangen,  dass  eben  dieselben  schon  längst  aus 
der  dem  7.  Jh.  angehörigen  Pariser  Hs.  10318,  dem  ehe- 
maligen Salmasianus,  von  Ed.  Wölfflin  in  dem  Erlanger 
Prorectoratsprogramm  von  1878  S.  17  mit  der  Ueberschrift 
'Aenigmata  quae  Aristoteles  philosophus  posuit'  heraus- 
gegeben worden  waren.  Durch  die  Einleitung  Wölfflins 
aber  wird  noch  auf  eine  ältere  Quelle  dieser  Sprüche  hin- 


Nachrichten.  763 

g-ewiesen,  nämlich  auf  des  hl.  Hieronymiis  lib.  contra  Rufi- 
num  III.  c.  39  (Opp.  ed  Vallarsius  II,  566),  wo  sie  mit  den 
Worten  eingeleitet  werden:  'Illaque  aenig-mata  quae  dili- 
gentissime  Aristoteles  in  suis  libris  prosequitnr'.  Vorauf 
gehen  auch  dort  wie  in  den  Hss.  n.  144  und  145  Stücke  aus 
Seneca  de  moribus,  die  hier  auf  Pjthagoras  zurückgeführt 
werden.  Die  Beliebtheit  dieser  somit  dem  classichen  Alter- 
thum  angehörigen  Eäthsel  geht  aus  ihrer  grossen  Ver- 
breitung hervor,  so  finden  sie  sich  z.  B.  auch  in  der  Hs. 
des  Trinit}^  College  in  Cambridge  B.  L.  30  aus  dem  12.  Jh., 
Pembroke  College  A.  2.  21  aus  dem  13.  Jh.  (Schenkl, 
Bibl.  patr.  lat.  Britann.  VIII,  6;  IX,  8.)  E.  D. 

208.  Auf  die  Schrift  von  C.  Lux  über  Tapst  Sil- 
vesters II.  Einfluss  auf  die  Politik  K.  Otto 's  III.'  (Breslau, 
Müller  &  Seiffert  1898)  sei  hier  namentlich  deswegen  hin- 
gewiesen, v^eil  in  ihr  die  den  meisten  deutschen  Forschern 
durch  ihre  Sprache  unzugänglichen  Untersuchungen  Bubnovs 
über  die  Briefe  Gerberts  eingehende  Berücksichtigung 
gefunden  haben.  Die  Datierung  der  Epp.  181  — 187  wird 
in  einem  Anhang  S.  72  ff.  besonders  erwogen,  hinsichtlich 
deren  L.  den  Ansetzungen  Bubnovs  vor  denen  von  Havet 
und  Sickel  schwerlich  mit  Recht  den  Vorzug  giebt.  Leider 
ist  Lux  die  Abhandlung  Blochs  über  Leo  von  Vercelli  in 
dieser  Zeitschrift  Bd.  XXII  unbekannt  geblieben. 

209.  Eine  Vorbereitung  zu  den  Regesten  Lothars  IIL 
stellen  Untersuchungen  über  einige  Briefe  des  Codex 
Udalrici  von  E.  Sc  haus  dar  (Historische  Viertel  jahr- 
schrift  I,  222  ff.).  Er  reiht  die  Briefe  über  die  Excommuni- 
cation  Gebhards  von  Würzburg  zum  J.  1126  ein;  scharf- 
sinnig wird  aus  den  Schreiben  Jaffe  Bibl.  V,  n.  250  —  253 
eine  Reichsversammlung  zu  Nürnberg  erschlossen,  die  vor 
dem  October  1130  sich  mit  dem  Schisma  beschäftigte,  und 
auf  die  entgegengesetzte  Politik  Lothars  und  Adalberts 
von  Mainz  hingewiesen.  H.  Bl. 

210.  Hugo  III.  von  Amiens,  Erzbischof  von  Ronen 
1130 — 1164,  hat  in  P.  Hebert  (Revue  des  questions  histo- 
riques  LXIV,  325  ff.)  einen  Biographen  gefunden,  der  sich 
hauptsächlich  mit  seinen  Briefen  beschäftigt.  Die  Schrif- 
ten Hugos  sind  nicht  alle  erwähnt,  z.  B.  findet  sich  über 
seine  Vita  s.  Adiutoris  nichts.  R.  H. 

211.  A.  Dieudonne,  Hildebert  de  Lavardin 
(Paris,  Picard  1898)  behandelt  nach  einer  Schilderung  des 
Lebens    dieses   im  Mittelalter   vielgenannten  Dichters    und 


764  Nachrichten. 

Philosophen  aiisführlich  seine  Briefe;  für  den  Verfasser 
des  an  Hildebert  gerichteten  Schreibens  über  Paschais  II. 
Gefano-ennahme  (Libelli  de  lite  II,  667  ff.)  hält  er,  wie  auch 
Mirbt,  einen  italienischen  Geistlichen.  H.  Bl. 

212.  Als  Beilage  zu  einer  Abhandlung  P.  AI  dingers 
über  die  Erhebung  Arnolds  von  Isenburg  zum  Erzbischof 
von  Trier  im  Programm  des  evang.  theol.  Seminars  zu 
Schönthal  1898  n.  610  ist  ein  Brief  der  Wähler  Ar- 
nolds an  die  Gräfin  Ermesinde  von  Luxemburg  von  1242 
(Goerz  Mittelrh.  Eeg.  III,  n.  290)  abgedruckt. 

213.  Der  erste  Band  von  G.  St  ein  hausen,  Deut- 
sche Privatbriefe  des  Mittelalters  (herausg.  mit  Untei"- 
stützung  der  preuss.  Akademie,  Berlin,  Gaertner  1899)  ent- 
hält in  590  Nummern  Briefe  von  Fürsten,  Magnaten,  Edlen 
und  Rittern,  bezw.  diesen  Ständen  angehörigen  Frauen  aus 
der  Zeit  vom  Anfang  des  14.  bis  zum  Ende  des  15.  Jh. 
Da  sie  zum  weitaus  grössten  Theile  bisher  ungedruckt 
waren,  wird  hier  durch  den  rühmenswerthen  Fleiss  des 
Herausgebers  eine  reichlich  fliessende  Quelle  für  die  Kultur- 
geschichte des  ausgehenden  Mittelalters  neu  erschlossen. 
War  es  aber  wirklich  erforderlich  oder  wünschenswerth, 
dabei  den  Begriff  'Privatbriefe'  so  peinlich  eng  zu  fassen, 
dass  aus  den  mitgetheilten  Briefen  alles  amtliche  oder 
politische  ausgemerzt  werden  musste  ?  Eine  grosse  Zahl  philo- 
logischer Berichtigungen  zu  der  Ausgabe  hat  A.  Schön- 
bach, Deutsche  Litteraturzeitung  1899  n.  5  gegeben; 
Steinhausens  Erwiderung  auf  diese  Anzeige  wird  gar  mancher, 
bei  aller  Dankbarkeit  für  eine  reiche  Gabe,  weder  dem 
Inhalt  noch  der  Form  nach  für  glücklich  halten. 

214.  In  den  Mittheil.  d.  Inst,  für  oesterreich.  Ge- 
schichtsf.  XIX,  697  ff.  veröffentlicht  K.  Uhlirz  einen 
Brief  des  Wiener  Stadtschreibers  Hans  Menestorfer  vom 
9.  Juli  1488.  H.  Bl. 

215.  Ueber  eine  interessante,  wahrscheinlich  im  An- 
fang des  13.  Jh.  in  Tours  entstandene,  um  die  Mitte  dieses 
Jahrhunderts  in  Deutschland  überarbeitete  Formular - 
Sammlung,  die  in  clm.  6911  mit  der  Ars  dictandi  Au- 
relianensis  (vgl.  Quellen  und  Erörterungen  IX,  97  ff.)  ver- 
bunden ist,  und  über  die  verwandte  Formularsammlung 
in  cod.  Paris,  lat.  14069,  giebt  H.  Simonsfeld  in  den 
SB.  der  Münchener  Akademie  1898  Heft  3,  S.  402  ff.  ein- 
gehende und  dankenswerthe  Mittheilungen.  Dass  die  in  die 
Münchener  Sammlung   aufgenommenen   deutschen  Königs- 


Nachrichten .  765 

Urkunden  fingiert  sind,  wie  auch  S.  schon  erkannt  hat, 
kann  keinem  Zweifel  unterliegen ;  ich  mache  nur  noch 
darauf  aufmerksam,  dass  die  S.  417  N.  1  besprochene  Con- 
junction  in  den  Formularsammlungen  angewandt  wird, 
wenn  dem  Benutzer  zwischen  mehreren  gleichbedeutenden 
Sätzen  oder  Satztheilen  oder  mehreren  Namen  die  Wahl 
gelassen  werden  soll,  und  dass  die  Wendung  'astantibus 
in  nostro  palatio'  etc.  (S.  422)  dem  Formular  der  capetin- 
gischen  Königsurkunden  angehört  (Giry  S.  747). 

216.  In  Folge  der  von  mir  N.  A.  XXI,  783  n.  242 
ausgesprochenen  Bedenken  hat  0.  Redlich  das  von  ihm 
herausgegebene  Oberrheinische  Formularbuch  des 
Einsiedler  Cod.  329  einer  erneuten  Untersuchung  unter- 
zogen, über  die  er  in  der  Zeitschr.  f.  Gesch.  des  Oberrheins 
N.  F.  XIII,  689  ff.  berichtet;  er  stimmt  jetzt  mit  mir  darin 
überein,  dass  die  der  ersten  und  letzten  Gruppe  des  For- 
mularbuchs angehörigen  Briefe,  d.  h.  diejenigen,  welche 
K.  Rudolf  und  seine  Zeit  betreffen,  als  fingiert,  als  Stil- 
übungen anzusehen  sind ;  sie  sind  daher,  wiewohl  ihr 
Verfasser  gewisse  Kenntnisse  von  den  Zeitereignissen  ge- 
habt hat,  nur  mit  grosser  Vorsicht  als  Quelle  zu  ver- 
werthen. 

217.  Die  Fortsetzung  der  Berichte  Kehrs  (Nachr. 
der  Gott.  Gesellsch.  der  Wissensch.  1898  S.  237  ff.)  imd 
Klinkenborgs  (das.  S.  335  ff.)  über  Papsturkunden 
in  Italien  behandelt  Apulien,  die  Abruzzen,  die  Gegend  um 
den  Monte  Gargano,  den  Principato,  die  Basilicata,  Cala- 
brien.  Von  bisher  unbekannten  Papsturkunden  werden 
54  theils  im  Auszug,  theils  vollständig  abgedruckt;  dazu 
kommen,  Nachrichten  S.  505  ff.,  7  Nummern  aus  den 
Sammlungen  des  A.  Massarelli  in  San  Severino.  Weniger 
bedeutend  war  hier  natürlich  die  Ausbeute  für  die  Diplo- 
mata :  ich  notiere,  die  normannischen  KU.  übergehend : 
DO.  I.  357,  Or.  in  Penne  Arch.  cap.  (von  Sickel  nach  üghelli 
ediert);  Heinrich  VI.,  1195,  Cesena,  Abschriften  in  Putig- 
nano  arch.  com.  und  in  Conversano  cancell.  vescov.;  Con- 
stanze, 1197  Apr.,  Abschrift  in  Penne  arch.  com.;  1197,  Ab- 
schrift in  Putignano  arch.  com.;  1199  Sept.,  Or.  in  Trani 
arch.  cap.;  Friedrich  II.,  1205  Juli,  Palermo,  früher  im 
Capitelsarchiv  zu  Barletta,  jetzt  vergeblich  gesucht;  1212 
März,  für  Villio  di  Farazzano  cameriero  del  card.  S.  Angelo, 
Regest  in  Boiano;  1212  Apr.,  Abschrift  in  Lanciano  bibl. 
com.;  1214,  erwähnt  in  einem  Inventar  zu  Putignano  1221 
Febr.,  Salerno,  Abschrift  in  S.  Giovanni  Rotondo  arch.  com.; 


766  Nachrichten. 

1221  Apr.,  Tarent,  Or.  in  Monopoli  arch.  cap. ;  1222  Aug.  5., 
Melfi,  Original  in  Bari  arcb.  cap.  di  S.  Savino;  1223  Jan., 
Foggia,  für  S.  Maria  d'Arbona  im  Besitz  des  H.  Üb.  Pasqui 
in  Arezzo;  1231,  Foggia,  Abscbrift  in  S.  Giovanni  Rotondo 
arcb.  com.;  Manfred,  1259  Apr.  1,  Citat  in  Lanciano  bibl. 
com. 

218.  Im  Zusammenbang  mit  der  von  Kebr  vorberei- 
teten Sammlung  der  Papsturkunden  ist  die  Arbeit  von 
E.  B.  Graf  v.  Hacke,  die  Palliumsverleibungen  bis  1143 
(Marburg,  Elwert  1898)  entstanden.  Der  Uebersicht  der 
Palliumsurkunden  sind  kritische  Untersuchungen  eingefügt, 
in  denen  allerdings  nur  die  formalen  Merkmale  berück- 
sichtigt werden,  da  es  für  den  Zweck  der  Arbeit  nicht 
sowohl  auf  die  Feststellung  der  Echtheit  der  Urkunden 
an  sich  als  auf  die  Entwicklung  der  Palliumform  ein  an- 
kam. Den  Schluss  bilden  ein  Verzeichnis  der  bekannten, 
aber  nicht  mehr  vollständig  erhaltenen  Urkunden  und  drei 
ungedruckte  Stücke:  Leo  IV.,  852  April  1,  und  Benedict  III., 
858  März  30,  für  Grado,  Paschalis  II.,  1105  December  31, 
für  Besan9on.  H.  Bl. 

219.  Im  Scbriftwart,  Zeitschrift  für  Stenographie  und 
Schriftkunde,  1898,  S.  74  &.  bespricht  C.  Dewischeit 
die  Silbentachjgraphie  in  den  Privilegien  Silvesters  II., 
ohne  neues  darüber  zu  sagen.  Doch  giebt  er  eine  Ab- 
bildung von  den  Noten  in  dem  Privileg  für  Terracina 
(N.  A.  XXI,  785  n.  248),  die  mit  derjenigen  Giorgi's  nicht 
ganz  übereinstimmt,  und,  wie  es  nach  S.  77  N.  *  den  An- 
schein hat,  auf  einer  neuen  Photographie  beruht,  obwohl 
das  nicht  deutlich  gesagt  ist. 

220.  Sehr  lehrreich  ist  eine  Mittheilung  von  P.  Kehr 
über  das  Verhältnis  der  Urkunde  Benedicts  IX.  (Jaffe-L. 
4109)  für  das  Capitel  zu  Florenz  zu  derjenigen  Leo 's  IX. 
(Jaffe-L.  4230)  in  den  Nachr.  der  Göttinger  Gesellsch.  der 
Wissensch.  1898,  S.  496  ff.  Nachdem  bereits  Davidsohn 
erkannt  hatte,  dass  eine  ziemlich  gleichzeitige  Copie  der 
ersteren,  die  noch  erhalten  ist,  durch  mancherlei  Correc- 
turen  zum  Concept  für  das  Privileg  Leo's  IX.  umgestaltet 
wurde,  weist  Kehr,  unter  Beigabe  eines  Abdrucks  beider 
Urkunden  und  eines  Facsimile  -  Fragments  nach,  dass  jene 
Correcturen  von  der  Hand  des  Bibliothekars  und  Kanzlers 
Petrus  herrühren,  von  dem  wir  bisher  schon  wussten,  dass 
er  bei  der  Mundierung  päpstlicher  Urkunden  betheiligt 
war.    Sehr  merkwürdig  ist  dann,  dass  bei  der  Herstellung 


Nachrichten.  767 

des  von  Lietbuin  gescliriebeuen  Orginals  der  Urkunde  Leos 
neben  diesem  Concept  noch  eine  andere  Urkunde  als  Vor- 
lage benutzt  ist.  Weiter  theilt  Kehr  S.  504  einen  Spott- 
vers mit,  den  der  Kanzler  Peter  auf  die  Eückseite  von 
Jaffe-L.  4231  geschrieben  hat;  wie  Kehr  ansprechend  ver- 
muthet,  bezieht  sich  dieser  auf  des  Petrus  Nachfolger  im 
Kanzleramt.  Udo  von  TotiL 

221.  L.  Zdekauer  handelt  in  der  Rivista  italiana 
per  le  scienze  giuridiche  XXV,  242  ff.  von  dem  dm-ch 
Schiaparelli  aufgefundenen  Privileg  Houorius'  II.  für 
Troia  vom  5.  December  1127,  das  er  nach  der  Ausgabe 
Kehrs  in  den  Nachrichten  der  Gott.  gel.  Gesellsch.  1898 
S.  76  ff.  abgedruckt  hat.  H.  Bl. 

222.  Ueber  das  Itinerar  Clemens'  V.  vom  18.  Sept. 
1311  bis  zum  22.  Mai  1312,  d.  h.  über  die  Reise  des  Papstes 
zum  und  vom  Vienner  Concil,  handelt  U.  Chevalier  im 
Bulletin  d'hist.  eccl.  des  dioceses  de  Valence,  Gap,  Grenoble 
et  Viviers,  1898  Juli -Sept.;  vgl.  Revue  historique  LXVIII, 
191.  R.  H. 

223.  Im  58.  Bericht  des  bist.  Vereins  für  Bamberg 
S.  1  ff.  theilen  B.  M.  Reichert  und  H.  Weber  Urkunden 
Johanns  XXII.  von  1324 — -1328  an  und  über  Heinrich  II., 
den  vom  Papst  ernannten  und  von  Ludwig  d.  B.  bekämpften 
Bischof  von  Bamberg,  mit. 

224.  Im  Hist.  Jahrbuch  XIX.  567  ff.  druckt  K.  Eubel 
aus  den  Verhandlungen  der  päpstlichen  Consistorien,  deren 
Protokolle  sich  abschriftlich  in  den  Armaria  genannten 
Beständen  des  vatic.  Archivs  befinden,  den  Treueid,  welchen 
Graf  Wilhelm  von  Jülich  am  30.  Jan.  1332  dem  Papst 
Johann  XXII.  leistete,  und  verzeichnet  die  anderen  ebenda 
enthaltenen  und  sich  gleichfalls  auf  die  kirchenpolitischen 
Kämpfe  dieser  Zeit  beziehenden  Urkunden.  R.  H. 

225.  In  seinen  'Ciarenthaler  Studien'  (Annalen 
des  Vereins  f.  Nassauische  Alterthumsk.  und  Geschichtsf. 
XXIX,  173  ff.)  untersucht  F.  Otto  auf  Grund  der  Urkunden 
und  Epitaphien  sowie  des  Necrologiums  des  Klosters  die 
bisher  unklare  Geschichte  der  Aebtissinnen  und  Priorinnen 
Ciarenthals  und  bespricht  eingehend  die  beiden  fälschlich 
Clemens  (VII.)  und  Urban  VI.  zugewiesenen  Bullen  für 
Ciarenthal,  die  er  für  Clemens  VI.  und  Urban  V.  in 
Anspruch  nimmt,  demgemäss  auf  den  3.  November  1344 
und  den  13.  Juni  1366  datiert  und  nach  den  Originalen 
neu  druckt.  R-  H- 

Neues  Archiv  etc.    XXIV.  49 


768  Nachrichten. 

226.  Die  beacbtenswerthe  Abhandlung  von  L.  Mirot 
über  die  Rückkehr  des  päpstlichen  Hofes  nach  Rom  im 
J.  1376  (Le  Moyen  äg-e  n.  s.  II,  85  ff.  193  ff.  354  ff.  413  ff.) 
beruht  fast  ganz  auf  bisher  unbekannten  Actenstücken  des 
vaticanischen  Archivs,  aus  denen  in  den  Anmerkungen 
umfangreiche  Mittheilungen,  auch  vollständiger  Papst- 
urkunden, gemacht  sind. 

227.  In  den  Mittheil,  des  Inst.  f.  oesterreich.  Geschichts- 
forschung XIX,  417  ff.  erstattet  H.  J.  Tomaseth  ein- 
gehenden Bericht  über  die  Registerbücher  Urbans  V. 
und  Gregors  XI.  und  verbindet  damit  Untersuchungen 
über  die  Anfänge  des  päpstlichen  Secretariats ;  dass  aber, 
wie  er  S.  445  ff.  vermuthet,  dieses  sich  aus  dem  alten  Notariat 
entwickelt  habe,  erscheint  mir  durchaus  unwahrscheinlich 
und  ist  auch  von  Tangl,  den  Tomaseth  dabei  anführt, 
nicht  angenommen  worden.  Ebenso  ist  es  irrig,  wenn 
letzterer  S.  426  N.  7  anzunehmen  scheint,  die  von  Dona- 
baum in  den  Mittheil.  XI,  105  ff.  besprochene  Sigle  R  in  dorso 
der  päpstlichen  Concepte  sei  auf  'remittere'  zu  beziehen. 
Donabaum  hat  die  Sigle  zu  'rescribe'  aufgelöst,  wie  vor  ihm 
Werunskj;  in  Wirklichkeit  bedeutet  sie,  Avie  ich  schon 
wiederholt  bemerkt  habe  (vgl.  N.  A.  XV,  620),  'recipe'. 

228.  In  den  Quellen  und  Forschungen  aus  ital.  Archiven 
und  Bibliotheken  II,  1  ff.  veröffentlicht  J.  H  aller  Auf- 
zeichnungen aus  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jh.  über  das 
Verfahren  bei  der  Ausfertigung  von  Papsturkunden 
(namentlich  Provisionen)  und  den  Auszug  einer  Constitution 
Alexanders  VI.  über  die  Referendare  von  1497/98.  Zu  den 
in  der  Einleitung  gegebenen  Ausführungen  wäre  mancher 
Vorbehalt  zu  machen. 

229.  Neue  Nachweisungen  über  Grandidiers  Ur- 
kundenfälschungen bieten  H.  Bloch  in  der  Zeitschr. 
f.  Gesch.  des  Oberrheins  N.  F.  XIII,  543  ff.  durch  die  Ana- 
lyse der  Zusammensetzung  von  Mühlbacher  Reg.  150.  195. 
196  und  H.  Bresslau,  ebenda  XIV,  9  ff.  durch  die  Dar- 
legung seiner  dreisten  und  völlig  willkürlichen  Aenderungen 
an  dem  Text  von  Stumpf  Reg.  1676. 

230.  P.  C.  V.  Planta's  Versuch,  in  einer  kleinen 
Broschüre  'Schulte  und  Tschudi'  (Chur  1898)  die  Aus- 
führungen Schulte's  über  die  Urkundenfälschungen  Gilg 
Tschudi's  zu  entkräften,  ist  völlig  misslungen. 

23 1 .  In  zusammenfassender  Betrachtung  legt  A.  D  o  p  s  c  h 
in  den  Mittheil,  des  Inst.  f.  oesterreich.  Geschichtsforschung 


Nachrichten.  760 

XIX,  577  ff.  Inhalt  und  Tendenz  der  nunmehr  sämmtlich 
als  Fälschungen  anzusehenden  Ebersheim  er  Kaiser- 
ur künden  dar;  unter  ihnen  nimmt  das  D.  Arnulfs  Mühl- 
bacher Reg.  1768  insofern  eine  besondere  Stellung-  ein,  als 
es  eine  vom  Strassburger  Bischof  ausgehende  Fälschung 
zu  sein  scheint.  Mühlbacher  Reg.  122  wird  als  eine  von 
Grandidier  in  der  bekannten  Weise  angefertigte  Fälschung 
nachgewiesen.  Auf  das  in  Mühlbacher  Reg.  767.  768  ent- 
haltene Ebersheimer  Dienstrecht,  das  Dopsch  wieder- 
hergestellt hat,  ist  auch  von  A.  Gasser  in  der  Revue  d'Al- 
sace  (1893)  322  ff.  506  ff.  hingewiesen  worden.        H.  Bl. 

232.  In  völlig  überzeugender  Untersuchung  widerlegt 
E.  Dümmler  in  den  SB.  der  Berliner  Akademie  1898 
n.  47  siegreich  die  missglückten  Versuche ,  die  zuletzt 
Widemann  und  Ratzinger  gemacht  haben,  den  Bischof 
Piligrim  von  dem  Verdacht  der  Urheberschaft  an  den  be- 
kannten L  o  r  c  h  -  P  a  s  s  a  u  e  r  Urkundenfälschungen  zu 
entlasten.  Vgl.  N.  A.  XXII,  596  n.  185  und  XXIII,  591 
n.  165.  Nur  hinsichtlich  der  Echtheit  des  oft  besprochenen 
Briefes  Hatto's  von  Mainz  an  den  Papst,  die  Dümmler 
S.  11  N.  4  jetzt  Lindner  zuzugeben  geneigt  ist,  möchte  ich 
einen  Vorbehalt  machen;  ich  hoffe  gelegentlich  auf  die 
Frage  zurückkommen  zu  können. 

233.  Aus  dem  ehemaligen  Archivbestand  des  Priorats 
Cunauld  veröffentlicht  L.  Maitre  (Bibl.  de  l'ecole  des 
chartes  LIX,  233  ff.)  sehr  alte  Urkunden  für  die  Abtei  von 
Noir montier  (Hermoutier) :  Mühlbacher  Reg.  846  (mit 
IUI.  non.  aug.)  und  eine  Schenkung  des  Geilo,  des  späteren 
Bischofs  von  Langres,  vom  25.  August  868,  beide  aus  dem 
Original.  Von  ganz  besonderem  Werth  ist  die  uns  in  einer 
Abschrift  des  11.  Jh.  überlieferte  Stiftungsurkunde  des 
Klosters  von  Bischof  Ansoald  von  Poitiers  aus  dem  2.  Jahre 
Dagoberts  II.  (mit  Facsimile),  in  der  über  die  Eintragung 
in  die  gesta  municipalia  und  die  Verhandlung  vor  dem 
defensor  und  der  curia  Pictaviensis  civitatis  berichtet  wird. 

H.  Bl. 

234.  In  der  Bibliotheque  de  l'ecole  des  chartes  LIX, 
616  führt  M.  P(rou)  einen  uns  nicht  zugänglichen  Aufsatz 
an  aus  den  Mem.  de  la  societe  histor.  du  Cher  1898  von 
J.  Soyer,  Un  faux  diplome  carolingien  attribue  tantöt  ä 
Louis'  le  Debonnaire  et  tantöt  ä  Louis  le  Begue,  concer- 
nant  l'abbaje  de  Devre.  H-  Rl- 

235.  Im  4.  Anhang  des  auf  umfassenden  und  gründ- 
lichen Studien   beruhenden  Werkes   von  R.  Parisot,    Le 

49* 


770  Nachrichten . 

royaume  de  Lorraine  sons  les  Carolingiens  (Paris,  Picard 
1899),  in  welchem  die  Geschichte  des  lotharingischen  ßeichs 
von  843 — 923  ebenso  sorgfältig  wie  eingehend  von  einem 
weder  deutschen,  noch  französischen,  sondern  specifiscli 
lothringischen  Standpunkt  aus  (über  dessen  Berechtigung 
an  dieser  Stelle  nicht  discutiert  werden  kann)  dargestellt 
ist,  wird  das  D.  Lothars  IL  für  Belmont  (Mühlbacher 
1252)  aus  inneren  Gründen  für  eine  Fälschung  Yigniers 
erklärt.  Sehr  viel  bedenklicher  erscheint  mir  der  Versuch 
im  1.  Anhang,  die  beiden  in  der  Collectio  Britannica  über- 
lieferten Briefe  Leo's  IV.  Jaffe-E.  2618.  2619  für  ge- 
fälscht oder  stark  interpoliert  zu  erklären  und  damit  die 
Authenticität  jener  Sammlung  in  Zweifel  zu  ziehen.  —  In 
den  Beilagen  druckt  P.  das  D.  Lothars  IL  für  St.  Pierre 
zu  Vienne  (Mühlbacher  1264)  und  eine  Schenkungsurkunde 
für  St.  Vanne  von  882.  Mancherlei  beachtenswerthe  Be- 
merkungen zur  Kritik  der  lothringischen  DD.  enthalten 
übrigens  auch  die  Anmerkungen  des  umfangreichen  Buches. 

236.  In  den  Annales  de  Bretagne  1898  n.  4  druckt 
A.  Girv,  wie  wir  aus  der  Eevue  historique  LXVIII,  191 
sehen,  zwei  Urkunden  Karls  des  Kahlen  und  Herzog 
Erispoi's  für  Nantes  und  datiert  sie  auf  denselben  Tag, 
welchen  er  für  das  856  zwischen  Karl  und  Erispoi  ge- 
schlossene Bündnis  (Dümmler,  Ostfränk.  Reich  I^  412)  in 
Anspruch  nimmt,  den  10.  Februar.  R.  H. 

237.  Im  Nuovo  Arch.  Veneto  XVI,  89  ff.  druckt 
C.  Cipolla  einige  Königs  Urkunden  für  die  Grafen 
von  Verona:  Berengar  I.  (916  Pavia?),  Adalbert  L,  ferner 
ein  D.  Karls  IV.  vom  28.  December  1354,  in  dem  eine 
Urkunde  Berengars   aus  Pavia,    10.  Juli  916,   inseriert   ist, 

H.  Bl. 

238.  In  einer  uns  nicht  zugänglichen  Festschrift  zum 
Priesterjubilaeum  des  Bischofs  von  Reggio  -  Emilia  Mons. 
V.  Manicardi  hat  G.  Mercati,  wie  wir  dem  Arch.  stör, 
ital.  Ser.  5,  XXII,  172  f.  entnehmen,  in  einer  Unter- 
suchung über  die  Diöcese  Reggio  das  DO.  I,  242  neu 
gedruckt.  H.  Bl. 

239.  In  dem  Mitte  December  1898  ausgegebeneu  Kata- 
log 100  von  Ludwig  Rosenthal  in  München,  der  sich  ebenso 
durch  seine  Kostbarkeiten  wie  durch  die  Höhe  seiner  Preise 
auszeichnet,  werden  die  bisher  unbekannten  Originale  von 
drei  Kaiserurkunden  angeboten,  nämlich  n.  1242.  976  Nov. 
15,   Otto  II   für  Worms    DO.  IL    n.  143    (aus   Cartular    in 


Nachrichten.  771 

Hannover);  n.  760a.  1225  Apr.  25,  Heinrich  (VII.)  für  Otter- 
burg =  Böhmer -Ficker  n.  3698;  n.  1472a.  1275  Juni  28, 
ßudolf  für  das  Cistercienserkloster  Baindt  (Bu wende)  = 
üedlich  n.  393.    Die  Preise  betragen  Mk.  1000,  300  u.  300. 

M.  Perlbach. 

[In  demselben  Katalog  ist  unter  n.  1672  eine  Hs.  des 
Jacob  Twinger  von  Königshofen  verzeichnet,  die  bisher 
in  den  Städtechroniken  nicht  benutzt  ist.    Preis  350  Mark.] 

O.  H.-E. 

240.  Aus  den  in  den  Mittheilungen  der  Badischen 
Historischen  Commisson  n.  20,  88  ff.  (Zeitsch.  f.  Gesch.  des 
Oberrheins  N.  P.  XIII)  gegebenen  Verzeichnissen  ba- 
discher Archivalien  erwähnen  wir  noch  (vgl.  oben 
S.  391  n.  109)  die  Copie  einer  Urkunde  Ottos  II.  in 
Menzenschwand,  angeblich  vom  J.  963  für  die  Brüder 
an  der  Alb  (sicher  =  DO.  II.  297  für  S.  Blasien  vom 
J.  983;  vgl.  MG.  DD.  II,  350  N.  d),  eine  Abschrift  des 
D.  Heinrichs  V.,  Stumpf  n.  3205,  sowie  eine  Urkunde 
der  Herzöge  Albrecht  und  Lujjold  zu  Oesterreich  für  Frei- 
burg vom  23.  Juni  1368  in  Schluchsee,  und  die  Copie 
einer  Urkunde  Innocenz'  VIII.  vom  10.  März  1489  in 
Stettfeld.  R.  H. 

241.  Im  Anschluss  an  umfangreiche  Untersuchungen 
über  das  sicilische  Münzwesen  veröffentlicht  A.  Garufi 
(Arch.  stör,  siciliano  XXIII,  149  ff.  elf  Urkunden  von  1172 
bis  1240,  darunter  Kg.  Wilhelm  von  1172,  Heinrich  VI. 
1195  December  13  und  Constanze  1196  Januar  13  für 
S.  Maria  di  Giosafat,  vgl.  unten  n.  246.  H.  Bl. 

242.  Im  Anschluss  an  seine  Ausführungen  in  den 
MG.  Deutsche  Chroniken  III,  2,  687  ff.  handelt  J.  Lampe  1 
in  den  Blättern  des  Vereins  f.  Landeskunde  von  Nieder- 
österreich N.  F.  XXXII,  103  ff.  mit  grosser  Sorgfalt  über 
die  Entstehungsverhältnisse  des  Peilsteiner  Lehens- 
katalogs. Unter  den  urkundlichen  Beilagen  zu  dieser 
Abhandlung  ist  u.  a.  das  D.  Konrads  IV.  BF.  4512  neu 
gedruckt. 

243.  Wie  wir  aus  der  Historischen  Zeitschrift  82,  171 
ersehen,  hat  G.  Romano  zehn  Urkunden  Karls  IV. 
betreffs  des  Vicariats  der  Visconti,  von  denen  er  schon 
früher  Regesten  mittheilte  (vgl.  auch  N.  A.  XXIII,  283 
n.  79),  nunmehr  in  einer  Nozzepublication  (Nozze  Romano- 
Vocca)  vollständig  oder  in  Hauptstücken  und  mit  werth- 
vollen   Einleitungen    veröffentlicht,    zugleich    mit    vier   die 


772  Nachrichten . 

Verheirathuri g  Giovangaleazzos  mit  Isabella  von  Frankreich 
berührenden  Urkunden  König-  Johanns  II.  und  anderen 
die  Visconti  betreffenden  Acten.  R.  H. 

244.  Die  Schrift  von  M.  Stern,  König  Ruprecht 
V.  d.  Pfalz  in  seinen  Beziehungen  zu  den  Juden  (Kiel, 
Fiencke  1898)  enthält  eine  Sammlung  von  grösstentheils 
bisher  unbekannten  Aktenstücken,  darunter  zahlreichen 
Urkunden  K.  Euprechts,  zur  Geschichte  der  Juden 
in  Deutschland  aus  den  Jahren  1400  — 1410.  Voran  geht 
eine  ausführliche  Einleitung,  in  der  Ruprechts  Verhalten 
gegen  die  Juden  eingehend  dargestellt,  aber  sehr  einseitig 
beurtheilt  wird.  Eine  seltsame  Unkenntnis  des  mittel- 
alterlichen Münzwesens  verräth  S.  XXI  Anm.  1,  der  zufolge 
der  Verf.  zu  glauben  scheint,  die  rheinischen  Gulden  seien 
im  Anfang  des  15.  Jh.  keine  Goldgulden  gewesen.  S.  XLIX 
wäre  auf  Zeitschr.  zur  Gesch.  der  Juden  in  Deutschland  III, 
.323  f.  zu  verweisen  gewesen,  wo  die  Ansicht,  die  der  Verf. 
als  die  seinige  vorzutragen  scheint,  zuerst  ausgesprochen  ist. 

245.  In  der  Zeitschr.  des  Harzvereins  XXXI,  309  ff. 
theilt  J.  Graf  v.  Bocholtz -Asseburg  aus  seinem  und 
dem  ßraunschweiger  Archiv  eine  Reihe  interessanter  Schrift- 
stücke mit,  die  den  in  Städtechroniken  VI,  222  und  Anm.  10 
berührten  Handel  zwischen  Braunschweig  und  Goslar  auf- 
klären, darunter  ein  Schreiben  Sigmunds  d.  d.  Constanz 
1417  Febr.  20. 

246.  In  einem  Tübinger  Programm  zum  25.  Febr. 
1899  hat  L.  v.  Heinemann  eine  interessante  Sammlung  bis- 
her unedierter  normannischer  Herzogs-  und  Königs- 
ur  künden,  26  Nummern  von  1079  — 1188,  aus  den 
Archiven  von  La  Cava  und  Palermo  sorgfältig  heraus- 
gegeben. In  der  Einleitung  behandelt  er  namentlich  die 
Gruppe  der  DD.  für  S.  Maria  di  Giosafat,  von  denen  die 
meisten  gefälscht  sind.  Für  eine  Fälschung  halte  ich  aber 
auch  n.  4,  Roger  I.  für  La  Cava  von  1087  Mai.  Zu  den 
schon  von  v.  Heinemann  gegen  die  Echtheit  dieser  Urkunde 
geltend  gemachten  inhaltlichen  Bedenken,  die  ihn  aber  doch 
nicht  zu  ihrer  Verwerfung  bestimmen,  kommt  eine  solche 
Fülle  von  formalen  hinzu,  dass  mir  die  Entstehung  des 
Stückes  im  11.  Jh.  schlechterdings  ausgeschlossen  erscheint. 

247.  In  den  Annalen  des  bist.  Vereins  f.  d.  Nieder- 
rhein 65,  202  ff.  veröffentlicht  R.  Knipping  dreissig  bis- 
her unbekannte  Urkunden  Kölnischer  Erzbischöfe 
aus  den  Jahren  1117  — 1205.    Eine  Urkunde  des  Erzbischofs 


Nachrichten.  773 

Engelbert  d.  d.  1224  November  befindet  sich  auch  unter 
den  drei  Documenten  aus  dem  Pfarrarcbiv  zu  Herkenratb. 
die  A.  Tille  in  den  (Düsseldorfer)  Beiträgen  zur  Gescb. 
des  Niederrbeins  XIII,  281  &.  mittbeilt.  Endlicb  bat  Tille 
zwei  Urkunden  der  EB.  Konrad  von  1260  und  Siegfried 
von  1285  für  Kloster  Steinfeld  in  den  Annalen  G6,  190  fE. 
herausgegeben. 

248.  In  den  SB.  der  Münchener  Akademie  1898 
S.  391  ff.  veröffentlicht  H.  Simonsfeld  (mit  Facsimile) 
eine  aus  dem  Ranshofener  Codex  clm.  12633  abgelöste 
Urk.  zur  Geschichte  der  Stadt  Wels  von  1138,  die  in  merk- 
würdigen, von  dem  Herausgeber  näher  erläuterten  Be- 
ziehungen zu  einer  schon  längst  bekannten,  aber  verun- 
echteten  Urkunde  des  Bischofs  Embricho  von  Würzburg 
von    1128  steht. 

249.  J.  V.  Pf  lugk  -  Harttung  behandelt  in  den 
Forsch,  zur  Brandenb.  und  Preuss.  Gesch.  XI,  301  ff.  einige 
Urkunden  des  J  o bann it er- Ordens  aus  dem  12.  und 
13.  Jh.,  die  er  für  unecht  erklärt.  Es  handelt  sich  um 
die  Urkunden  des  Fürsten  Grimislaus,  Pommerellisches  ÜB. 
n.  9.  10,  von  1198,  Ratibors  von  Schlawe  ibid.  n.  23  von 
1223,  Barnims  I.  ibid.  n.  42  von  1229  und  der  Branden- 
burger Markgrafen  Johann  und  Otto,  Mecklenburgisches  ÜB. 
n.  342,  von    1227.  R.  H. 

250.  A.  G.  Little  giebt  in  der  English  historical 
review  XIII,  703  ff.  zu  einigen  der  seiner  Zeit  von  Ehrle 
zusammengestellten  Verhandlungen  der  General- 
capitel  derFranciscaner  im  13.  Jh.  (vgl.  N.  A.  XVII, 
241  n.  77)  Ergänzungen  aus  einem  Ms.  des  Sir  Thomas 
Phillipps,  das  jetzt  in  seinem  Besitz  ist,  nämlich  zu  den  Ca- 
pitelsitzungen  von  Narbonne  (1260),  Pisa  (1263),  Paris  (1266), 
Assisi  (1269),  Lyon  (1274),  Padua  (1277),  Assisi  (1279)  und 
Strassburg  (1282).  R-  H. 

251.  In  den  Festgaben  zu  Ehren  Max  Büdingers 
(Innsbruck,  Wagner  1898),  209  ff.  erörtert  A.  Dopsch  eine 
im  Wiener  Staatsarchiv  aufgefundene  Urkunde  vom  26.  Juli 
1286,  enthaltend  eine  Vereinbarung  des  Grafen  Ulrich  v. 
Heunburg  mit  Herzog  Albrecht  von  Oesterreich ;  trifft 
sie  Verfügungen  für  den  Fall,  dass  der  Herzog  'per  regem 

Romanoruni    ad    honores   alios   fuerit  sublimatus ', 

so  sieht  D.  wohl  mit  Recht  hierin  eine  Stütze  für  die  An- 
nahme, dass  Rudolf  seinen  ältesten  Sohn  nach  seiner  eigenen 
Kaiserkrönuag  zum  Deutschen  Könige  habe  wählen  lassen 


774  Nachrichten. 

wollen,  und  setzt  diese  Absicht  mit  der  Behauptung,  Eudolf 
habe  aus  Deutschland  ein  Erbreich  machen  wollen,  in  Ver- 
bindung. H.  Bl. 

252.  Einige  ungedruckte  Urkunden  des  14.  Jh. 
theilt  R.  Schölten  im  Anhang  zu  einem  Aufsatz  über 
die  Herren  v.  Mörmter  in  den  (Düsseldorfer)  Beiträgen 
für  Gesch.  des  Niederrheins  XIII,  269  ff.  mit. 

253.  Eine  erste  Abhandlung  von  C.  Douais  über  die 
Formel  'communicato  bonorum  virorum  consilio'  in  den  In- 
quisitionsurteilen (Le  Moyen  äge  n.  s.  II,  157  ff.)  bringt 
nur  theilweise  Neues  und  leidet  an  dem  Umstand,  dass  der 
Verf.  wichtige  Vorarbeiten,  so  die  Ausführungen  von  Hin- 
scbius  (Kirchenrecht  V,  463  ff.)  über  die  Consultoren,  nicht 
zu  kennen  scheint.  Als  Anhang  theilt  D.  aus  der  Bibl. 
nat.  ms.  Doat  drei  Inquisitionsprotokolle  aus  den  Jahren 
1323—1325   mit.  E.  H. 

254.  Von  den  Urkunden  der  Bonner  Kreisbiblio- 
thek, die  H.  Loersch  in  den  Annalen  d.  bist.  Ver.  f.  d. 
Niederrhein  66,  40  ff.  veröffentlicht,  gehören  die  6  ältesten 
noch  dem  14.  und   15.  Jh.  (1357  —  1490)  an.  H.  ßl. 

255.  In  den  Festgaben  für  Büdinger  (vgl.  oben  n.  251), 
275  ff.  veröffentlicht  R.  Th omni en  ein  Verzeichnis  über 
eine  biscböfliche  Steuer  in  der  Diöcese  Konstanz 
vom  J.   1379.  H.  Bl. 

250.  In  der  Rom.  Quartalscbr.  XII,  421  ff.  behandelt 
G.  Schmidt  Urkunden  des  vatican.  Archivs  zur  Ge- 
schichte von  Salzburg  und  Tirol  während  des  grossen 
Schismas  (24  Nummern  von   1410—1415).  H.  Bl. 

257.  In  der  Bibliotheque  de  l'ecole  des  cliartes  LIX, 
304  ff.  bespricht  und  veröffentlicht  Ch.  Nerlinger  Nach- 
richten zur  Gesch.  des  Schlosses  von  Thann  aus  dem  15.  Jh., 
darunter  eine  Urkunde  Peters  von  Hagenbach  von  1470. 

H.  Bl. 

258.  In  seinem  Aufsatz  'Una  monaca  del  duodecimo 
secolo'  (Arch.  stör,  italiano  Ser.  5,  XXII,  225  ff.)  bespricht 
und  druckt  R.  Davidsohn  den  bisher  unbekannten  Schluss 
des  für  die  Geschichte  der  Aebtissin  Sofia  von  Prato- 
vecchio  und  Rosano  und  mehr  noch  für  diejenige  von 
Florenz  und  Toscana  im  12.  Jh.  äusserst  interessanten 
Zeugenprotokolls,  das  L.  Passerini  im  Arch.  stör,  italiano 
Ser.  3,  XXIII,  61  ff.  205  ff.  385  ff.  (vgl.  XXIV,  3  f.)  heraus- 
gegeben hatte.    Durch  diese  ergänzende  Publication,  deren 


Nachrichten. 


/  /o 


Text  neben  vielen  Wiederholungen  recht  schätzbare  Nach- 
richten enthält,  fällt  u.  a.  neues  Licht  auf  die  kaiserliche 
Verwaltung  Toscana's  unter  Friedrich  I.  und  Heinrich  VI. 

R.  H. 

259.  Im  Arch.  stör.  ital.  Ser.  .5,  XXII,  73  £E.  weist  C.  A. 
Garufi  nach,  dass  eine  bisher  ins  14.  Jh.  gesetzte  grie- 
chische Urkunde  für  S.  Filippo  di  Fragalä  (Cusa,  Dipl. 
greci  ed  arabi  468)  in  die  Jahre  1192  — 1194  gehört,  und 
beseitigt  damit  das  einzige  Zeugnis,  das  für  die  Anwendung 
der  griechischen  Sprache  in  süditalienischen  Urkunden  (ab- 
gesehen vom  Gebiet  von  Gallipoli)  noch  für  das  14.  Jh. 
beigebracht  werden  konnte. 

260.  Im  Anhang  zum  2.  Bd.  von  G.  Caro,  Genua 
und  die  Mächte  am  Mittelmeer  1257—1311  (Halle,  Nie- 
meyer 1899)  theilt  der  Vf.  Analecten  aus  dem  Archiv  und 
den  Bibliotheken  von  Genua,  namentlich  Notizen  über  Hss. 
und  kurze  Urkundenregesten  mit.  Besonders  hingewiesen 
sei  auf  die  Ausführungen  S.  417  ff.  über  die  älteren  Re- 
gister der  Notare  von  Genua. 

261.  Grossentheils  auf  ungedruckten  Archivalien 
aus  Genua  beruht  auch  die  Schrift  von  H.  Sieveking, 
Genueser  Finanzwesen  vom  12. — 14.  Jh.  (Freiburg,  Mohr 
1898),  deren  Anhang  eine  Anzahl  interessanter  Schriftstücke 
von   1228  an  in  extenso  bringt. 

262.  Von  der  Neuatisgabe  der  Böhmerschen  Regesten 
ist  die  erste,  die  Regierung  Rudolfs  enthaltende  Abtheilung 
der  als  'Regesta  imperii  VI.'  bezeichneten  Regesten 
des  Kaiserreichs  von  1273 — 1313  in  vortrefflicher  Bearbeitung 
von  O.  Redlich  erschienen  (Innsbruck,  Wagner  1898). 
Eine  Concordanztafel  zur  Vergleichung  der  alten  Böhmer- 
schen Nummern  mit  den  neuen  sowie  ein  Verzeichnis  der 
Eingangs-  und  Schlussworte  ungenügend  datierter  Urkun- 
den und  ein  solches  der  Empfänger  und  Aussteller  sind 
beigegeben.  R.  H. 

263.  Gleichzeitig  mit  der  oben  n.  235  erwähnten 
Schrift  Parisots  ist  eine  ebenso  sorgfältig  gearbeitete 
lateinische  These  desselben  Vf.  erschienen:  'De  prima  domo, 
quae  superioris  Lotharingiae  ducatum  quasi  hereditario 
iure  tenuit'  (Paris,  Picard  1898).  Beigegeben  sind  derselben 
Regesten  der  oberlothringischen  Herzoge  bis 
1033  und  drei  oberlothringische  Urkunden:  Gerhard  von 
Toul  für  die  cella  Salona  (971),  Rodulf,  Sohn  Rodulfs,  für 
St.  Vanne  (vor  984)  und  Tyebert  für  St.  Mihiel  (1002). 


776  Nachrichten. 

264.  Durch  eine  Besprechung  im  N.  Arch.  Veneto  XVI, 
211  f.  erhalten  wir  Kenntnis  A'On  einem  Buche  von  G.  Do- 
mine z,  Eegesto  cronolog.  dei  documenti  del  principato 
vescovile  di  Trento  negli  archivi  di  Vienna  (Cividale  1897), 
das  Urkunden  von   1018  — 1778  verzeichnet.  H.  Bl. 

265.  In  der  Zeitschr.  des  hist.  Vereins  f.  Nieder- 
sachsen 1898  S.  148  ff.  publiciert  E.  Doebner  Eegesten 
des  Stadtarchivs  von  Stadthagen  von  1280  ab,  die  bis 
1450  von  ihm  schon  im  Correspondenzblatt  des  Gesammt- 
vereins  1893  n.  1^ — -3  mitgetheilt  waren. 

266.  Seiner  eingehenden,  mit  fünf  Stammtafeln  ver- 
sehenen Untersuchung  über  'Das  Haus  Landenberg  im 
Mittelalter'  (Zürich,  F.  Schulthess  1898)  giebt  E.  Diener 
Regesten  zur  Gesch.  des  älteren  Marschalls  Hermann 
von  Landenberg  (f  1306,  nachweisbar  seit  1282)  sowie  sechs 
Urkunden  (Stiftung  einer  Pfründe  zu  Turbental  1193, 
Urkunden  der  Landenberger  1350  — 1407)  bei.  E.  H. 

267.  Eegesten  zur  tirolischen  Kunstgeschichte, 
575  Nummern  bis  1364,  theilt  M.  Mayr-Adlwang  in  der 
Zeitschrift  des   Ferdinandeums,    3.  F. 'Heft  42,  117  ff.    mit. 

268.  Der  56.  Jahresbericht  des  Museum  Francisco- 
Carolinum  zu  Linz  (Linz  1898)  enthält  Eegesten  und 
Urkunden,  beginnend  1375,  aus  dem  jetzt  dem  Gewahr- 
sam des  Museums  anvertrauten  Schlossarchiv  Aurolz- 
münster,    bearbeitet  vom  Freih.  v.  Handel-Mazzetti. 

269.  0.  Cartellieri  hat  seiner  Dissertation  über 
den  'Abt  Suger  von  St.  Denis'  (Histor.  Studien  Heft  XL 
Berlin,  Ehering  1898)  ein  vollständiges  Itinerar  dieses 
grossen  Staatsmannes  angehängt  (dessen  Tod  er  auf  den 
13.  Jan.  1151  setzt)  sowie  ein  sehr  dankenswerthes  Ver- 
zeichnis des  Besitzstandes  von  St.  Denis  in  seiner  Zeit. 

E.  D. 

270.  AI.  Cartellieri  hat  seinem  Buche  'Philipp  IL 
August  König  von  Frankreich'  Bd.  1,  (Leipzig,  F.  Mejer 
1899)  vollständige  Eegesten  dieses  Herrschers  für  die  Ee- 
gierungszeit  seines  Vorgängers  Ludwig  VII.  (1165  — 1180) 
hinzugefügt,  wie  auch  eine  Untersuchung  zur  Chronologie 
des  französischen  Geschichtschreibers  Eigord.         E.  D. 

271.  Vom  Strassburger  Urkuudenbuch  ist  die 
noch  fehlende  und  lange  sehnsüchtig  erwartete  erste  Hälfte 
des  4.  Bandes  erschienen  (Strassburg,  Trübner  1898).  Sie 
enthält  Nachträge  und  Berichtigungen  zu  Bd.  1 — 3,  darunter 


Nachrichten.  777 

namentlicli  von  Wieg  and  gesammelte  wichtige  Beiträge 
aus  den  Eegisterbüchern  Honorius"  III.,  Gregors  IX.,  Inno- 
cenz'lV,  Alexanders  IV.  und  ürbans  IV.,  aus  dem  Melker  Seel- 
buch des  Strassburger  Domcapitels  und  dem  ähnlichen  Cod. 
von  Donaueschingen,  und  aus  dem  von  Finke  für  seine  Aus- 
gabe von  Dominikanerbriefen  benutzten  Cod.  Berol.  theol. 
109  oct.  Auch  Schulte  hat  noch  einiges  beigesteuert. 
Zu  n.  1  Anm.  1  sei  nachgetragen,  dass  der  hier  genannte 
EB.  Berthold  der  aus  Besan9on  vertriebene  ist  (vgl.  Jahrb. 
Konrads  II.  Bd.  II,  42  f.);  die  Weihenotiz  von  1035  ist  auch 
SS.  XIII,  46  gedruckt.  Es  folgt  ein  sehr  umfangreiches 
und  ebenso  anerkennenswerthes  Register  zu  Bd.  2 — 4,  1, 
das  wir  im  wesentlichen  der  aufopferungsvollen  und  uner- 
müdlichen Arbeitskraft  Wiegands  verdanken. 

272.  Der  1.  Band  von  Th.  Eheberg,  Verfas- 
sungs-,  Verwaltungs-  und  Wirthschaftsgeschichte  der  Stadt 
Strassburg  (Strassburg,  Heitz  1898)  enthält  Urkunden 
und  Akten  von  1344  an,  davon  gehören  289  sämmtlich 
bisher  uugedruckte  Nummern  dem   14.  und  15.  Jh.  an. 

H.  Bl. 

273.  Vom  ersten  Haupttheil  des  Codex  dipl.  Sa- 
xoniae  regiae  (vgl.  N.  A.XV,  225  n.  65)  erschien  der  dritte, 
gleichfalls  von  0.  Posse  bearbeitete  Band,  (Leipzig,  Gie- 
secke  und  Devrient  1898),  welcher  die  Urkunden  der  Mark- 
grafen von  Meissen  und  Landgrafen  von  Thüringen  von 
1196 — 1234  enthält.  Ein  vierter  Band,  der  bis  1247  reichen 
wird,  liegt  bereits  zum  Druck  vor.  R.  H. 

274.  Der  2.  Band  der  durch  A.  Jak  seh  trefflich 
bearbeiteten  Gurker  Geschichtsquellen  (Monumeuta 
historica  ducatus  Carinthiae;  Klagenfurt,  Kleinmavr  1898; 
vgl.  N.  A.  XXI,  592  n.  179)  umfasst  die  Jahre  1233  —  1269 
und  bringt  gut  gearbeitete  "Register  zu  den  beiden  bisher 
erschienenen  Bänden.  H.  Bl. 

275.  Vom  vierten  Band  des  von  J.  Es  eher  und 
P.  Schweizer  herausgegebenen  Züricher  Ur künde n - 
buchs  (vgl.  N.  A.  XXII,  789  n.  288)  ist  nunmehr  auch  die 
zweite  Hälfte  erschienen  (Zürich,  Fäsi  und  Beer  1898).  Sie 
enthält  in  161  Nummern  die  Zeit  vom  März  1272  bis  zum 
J.  1276  sowie  ein  ausführliches,  von  H.Zeller-Werdmüller 
angefertigtes  Orts-  und  Personenregister  zum  ganzen  Band. 

^  ^  R.  H. 

276.  Sehr  zahlreiche  Nachträge  und  Berichtigungen 
zu  Boczeks  Cod.  dipl.  Moraviae  giebt  K.  Lechner  iu 


778  Nachrichten. 

der  Zeitschr.  f.  d.  Gesch.  Mährens  u.  Schlesiens  II.   123  ff. 
236  ff.  361  ff.  III,  71  ff. 

277.  Der  dritte  Band  der  Quellen  zur  Geschichte  der 
Stadt  Wien,  erste  Abtheiluug  {vgl.  N.  A.  XXII,  790  n.  294) 
enthält  Regesten  des  im  Klosterneuburger  Archive  be- 
findlichen ürkundenbestandes  von  S.  Dorothea  zu  Wien 
von  1298  an,  die  Fortsetzung-  der  Regesten  des  Stiftes 
Schotten  in  Wien  und  vor  allem  Regesten  aus  dem  k.  und 
k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  in  Wien  von  1204 — 1395, 
unter  denen  zahlreiche  uiigedruckte  Urkunden,  auch  noch 
aus  dem  13.  Jh.,  verzeichnet  sind.  —  Der  von  K.  ühlirz 
herausgegebene  erste  Band  der  2.  Abtheilung  enthält  Re- 
gesten der  im  Archive  der  Stadt  Wien  vorhandenen  Original- 
urkunden von  1239  — 1411,  deren  Benutzbai'keit  durch  um- 
fangreiche Register  erleichtert  wird.  Der  gleichzeitig  aus- 
gegebene Band  I  der  3.  Abtheilung  bringt,  in  Bearbeitung 
von  F.  Staub,  die  ältesten  Wiener  Kaufbücher  1368 
bis  1388  mit  einer  interessanten  Einleitung  und  4  Schrift- 
tafeln. ^  H.  Bl. 

278.  Das  Engel  berger  Urkundenbuch  des 
P.  A.  Vogel  (vgl.  N.  A.  XXIII,  595  n.  186)  ist  im  Geschichts- 
freund Bd.  LIII,  101  ff.  von   1328  —  1372  fortgesetzt. 

279.  Die  Ausgabe  der  Urkunden  des  Stiftes  Nonn- 
berg  von  Widmann  (N.  A.  XXIII,  783  n.  295)  ist  in  den 
Mittheilungen  der  Gesellsch.  f.  Salzburger  Landeskunde 
XXXVIII,  194  ff.  bis  1490  weitergeführt.^ 

280.  Nicht  zugänglich  sind  uns  die  beiden  in  der 
Bibliotheque  de  l'ecole  des  chartes  LIX,  614  f.  besprochenen 
Urkundenbücher  von  Chälons-sur-Marne  und  Arras, 
von  denen  namentlich  das  erstere  wegen  der  zahlreichen 
darin  enthaltenen  Karolingerurkunden  für  uns  Bedeutung- 
hat.  Wir  verzeichnen  die  Titel:  Cartulaire  du  chapitre 
de  l'eglise  cathedrale  de  Chälons-sur- Marne,  par  le  chantre 
Warin,  publie  par  P.  Pelicier  (Paris,  Picard  1897,  auch 
Memoires  de  la  societe  academique  de  la  Marne).  —  Comte 
Auguste  de  Loisne,  Le  cartulaire  du  chapitre  d' Arras  (Arras 
Rohard  -  Courtin   1897;   Academie  d'Arras).  H.  Bl. 

281.  Das  von  Brutails  herausgegebene  Cartulaire 
de  l'eglise  collegiale  Saint-Seurin  de  Bordeaux  (Publ. 
de  l'academie  de  Bordeaux.  Bordeaux,  Gounouilhou  1897) 
ist  namentlich  für  das  12.  und  13.  Jh.  von  Wichtigkeit; 
es  enthält  über  400  Stücke,  worunter  auch  einige  Papst- 
und  Königsurkunden.  R.  H. 


Nachrichten.  779 

282.  Der  erste  Band  der  Monnmenta  Novali- 
ciensia  (Fonti  per  la  storia  d'Italia  XXXI),  die  C.  Cipolla 
mit  ansführlicheu  Einleitungen  und  unter  Beigabe  trefflicher 
Phototypien  herausgegeben  hat,  enthält  im  ersten  Haupt- 
theil  die  Urkunden  des  Klosters  von  726 — 1097,  denen  an- 
hangsweise einige  Stücke  des  12.  und  13.  Jh.  beigefügt 
sind.  In  den  Beilagen  werden  u.  a.  Auszüge  aus  dem 
Eeichenauer  Confraternitätsverzeichnis,  die  Necrologien  des 
Klosters  und  von  S.  Andreas  zu  Turin,  die  Vitae  s.  Eldradi 
und  die  bekannten  Königslisten  der  aus  Susa  stammenden 
codd.  Ambrosiani  abgedruckt.  Endlich  sei  ein  Verzeichnis 
der  noch  erhaltenen,  aus  dem  Kloster  Novalese  stammenden 
Hss.  erwähnt.  H.  Bl. 

283.  Der  zweite  und  Sehlussband  von  L.  Astegiano 
Cod.  dipl.  Cremonese  (Turin,  Bocca  1898,  =  Hist.  patr. 
mon.  ser.  II,  t.  22;  vgl.  N.  A.  XXI,  593  n.  186)  führt  die 
Urkunden  und  Regesten  bis  1334  und  enthält  ausserdem 
eine  Anzahl  besonders  verzeichneter  Urkundenserien,  unter 
denen  wir  die  von  Guastalla  und  Luzzara,  sowie  die  Ee- 
gesten  der  im  Stadtarchiv  von  Cremona  aufbewahrten,  aber 
Cremona  nicht  betreffenden  Urkunden  von  872  an  (S.  168  ff.) 
hervorheben.  Beigegeben  sind  Verzeichnisse  der  Bischöfe 
und  Eeetoren  von  Cremona,  ein  Verzeichnis  von  Cremo- 
nesen,  die  ausserhalb  ihrer  Vaterstadt  ein  Amt  bekleidet 
haben,  sowie  eine  Geschichte  der  Stadt  bis  1334,  die  leider 
wiederum  die  neueren  deutschen  Arbeiten  nur  sehr  wenig 
berücksichtigt. 

284.  Paul  Pipers  Publication  'Otfried  und  die  übrigen 
Weissenburger  Schreiber  des  9.  Jh.'  (Frankfurt,  Enneccerus 
1899)  bringt  auf  30  vorzüglich  ausgeführten  Tafeln,  zu 
denen  noch  zwölf  Autotypien  zwischen  dem  Text  hinzu- 
kommen, Schriftproben  aus  dem  Weissenburger  Tra- 
ditionsbuch und  den  Hss.  cod.  Vindob.  2687,  cod.  Bonn. 
(discissus)  499  (78),  cod.  (discissus)  Guelferbyt.  131.  1.  Extr., 
cod.  Palat.  lat.  52  von  Otfrieds  Evangelienbuch. 
Auf  die  sich  hauptsächlich  gegen  0.  Erdmann  richtenden, 
minutiösen  palaeographischen  Untersuchungen,  die  Piper 
auf  Grund  dieser  Facsimiles  vornimmt,  kann  hier  nicht  ein- 
gegangen werden. 

285.  In  J.  Seemüllers  feinsinnigen  'Studien  zu  den 
Ursprüngen  der  altdeutschen  Historiographie'  (Halle,  1898) 
verdienen  die  Erörterungen  über  die  poetischen  Bearbei- 
tungen des  Lebens  des  hl.  Gallus  besonders  hervor- 
gehoben  zu  werden,   ferner   die   über   das   Ludwigslied, 


780  Nachrichten. 

welches  mit  den  etwas  älteren  lateinischen  Hervorbring-ung'en 
dieser  Art,  wie  mit  dem  Gedicht  auf  Pippins  Avarensieg 
und  andern,  in  fruchtbarer  Weise  verglichen  wird.  Diese 
historischen  Lieder  erscheinen  als  die  Vorläufer  der  viel 
jüngeren  Geschichtschreibung  in   deutscher  Sprache. 

E.  D. 

286.  In  der  Zeitschr.  f.  Deutsches  Alterthum,  B.  42 
S.  197 — 217  handelt  Eug.  Joseph  noch  einmal  über  das 
vielbesprochene  Heinrichslied,  dessen  Text  sorgfältig 
geprüft  und  neu  abgedruckt  wird.  Indem  er  voraussetzt, 
dass  schon  Hrotsvitha  es  gekannt  habe,  bezieht  er  es  auf 
die  Einsetzung  Heinrichs  zum  Herzog  von  Baiern  um  948, 
lässt  es  aber  erst  auf  dem  Kölner  Hof  tage  von  956  ent- 
stehen und  auf  der  Reichsversammlung  von  965  ebenda- 
selbst um  einen  Vers  erweitert  werden.  Unabhängig  von 
Joseph  handelt  über  dasselbe  Lied  Jos.  Seemüller  in 
seinen  eben  in  n.  285  erwähnten  Studien  S.  61 — 71.  Indem 
er  an  der  alten  Deutung  festhält,  dass  darin  die  Aussöh- 
nung Ottos  I.  mit  seinem  Bruder  Heinrich  im  Jahre  941 
verherrlicht  werden  solle,  glaubt  er  doch  die  Entstehung 
erst  um  984  ansetzen  zu  dürfen,  als  die  Aussöhnung  Otto's  III. 
mit  Heinrich  IL  gleichsam  ihr  Spiegelbild  in  der  Vergangen- 
heit in   Erinnerung  rief.  E.  D. 

287.  Als  Vorarbeit  für  die  Gesammtausgabe  der  histor. 
und  polit.  deutschen  Lieder  des  Mittelalters  bringt  H.  Mejer 
in  dem  Jahrbuch  des  Vereins  für  Niederdeutsche  Sprach- 
forschung, Jahrg.  1897,  S.  70  —  93  nebst  einer  neuen  Aus- 
gabe des  Gedichtes  'De  Heinrico'  eine  abermalige  Unter- 
suchung über  Zeit  der  Entstehung  und  ursprüngliche  Mund- 
art desselben.  Als  letztere  wird  die  sächsische  festgestellt, 
doch  durch  einen  mittelrheinischen  Schreiber  bearbeitet, 
als  erstere  wahrscheinlich  die  Belehnung  Heinrichs  durch 
Otto  I.  mit  Baiern  im  Jahre  948,  mit  der  Massgabe,  dass 
auch  das  Jahr  985  als  möglich  erscheine,  oder  dass  vielleicht 
das  Ereignis  von  948  als  vorbildlich  erst  985  besungen 
worden  sei.  (Hierbei  sollte  jedoch  von  dem  erst  durch 
Aventin  aufgekommenen  Beinamen  'der  Zänker'  für  Hein- 
rich IL  von  Baiern  ein  für  allemal  abgesehen  werden.) 
Den  Ergebnissen  Meyers,  welcher  die  jüngste  Arbeit  See- 
müllers  noch  nicht  benutzen  konnte,  stimmt  Seelmann  in 
hinzugefügten  Bemerkungen  (a.  a.  O.  S.  94  — 102)  hinsicht- 
lich der  Mundart  vollständig  bei,  glaubt  dagegen  nach  wie 
vor  in  dem  Augsburger  Reichstage  von  952  die  Veranlassung 
des  Gedichtes  erblicken  zu  dürfen.  E.  D. 


Nachrichten.  781 

288.  In  dem  2.  Theile  der  'Heiligen  auf  dem  erz- 
bischoflichen  Stuhle  von  Köln'  behandelt  der  Pfarrer  Jos. 
Klein  er  manns  in  quellenmässiger  Darstellung-  den  Erz- 
bischof Heribert  von  Köln.  Ausser  einer  Abbildung 
seines  Siegels  nach  einer  Urkunde  von  1003  sind  die  dem 
Texte  angehängten  lateinischen  Gedichte  auf  Heribert 
hier  zu  erwähnen,  darunter  die  Inschriften  seines  Reliquien- 
schreiiis  und  3  bisher  ungedruckte  Hymnen  aus  einer  Lon- 
doner Hs.  E.  D. 

289.  Eine  schöne  Abhandlung  K.  Strecker' s,  'Ekke- 
hard  und  Yergil'  (Zs.  f.  d.  A.  XLII,  339—365;  vgl.  ebenda 
S.  267 — 270)  gewinnt  der  oft  behandelten  Frage  nach  der 
Abhängigkeit  des  Waltharius  von  Vergil  eine  neue  Seite 
ab ;  es  stellt  sich  heraus,  dass  Vergil  nicht  bloss,  was  längst 
bekannt  war,  für  Verse  und  Halbverse,  sondern  auch  für 
grössere  Abschnitte  als  Vorbild  gedient  und  dadurch  starkeii 
Einfluss  auf  den  Inhalt  ausgeübt  hat.  Eben  erscheinen 
auch  eine  Fortsetzung  der  Abhandlung  im  Dortmunder 
Programm  und  der  erste  Theil  einer  Ausgabe  von  H.  Alt- 
hof ,  'Waltharii  Poesis.  Das  Waltharilied  Ekkehardsl. 
von  St.  Gallen'  I  (Leipzig,  Dieterich  1899).  üeber  beide 
werde  ich  im  Anzeiger  für  deutsches  Alterthum  ausführ- 
licher berichten.  P.  v.  W. 

290.  In  der  Zeitschr.  für  Deutsches  Alterthum  XLII, 
322  —  338  sucht  Seemüller  in  einem  Sendschreiben  an 
Edw.  Schröder  durch  eindringende  stilistische  Beobach- 
tungen ,  namentlich  Untersuchung  der  Reime ,  festzu- 
stellen, dass  das  Anuolied  nicht  aus  einem  Gusse  sei, 
und  dass  wahrscheinlich  der  dem  Annoliede  und  der  Kaiser- 
chronik gemeinsame  Theil  für  beide  aus  einer  älteren  ver- 
lorenen Quelle  stammen  müsse.  E.  D. 

291.  In  meiner  Mittheilung  'Verse  u.  Satiren  auf  Rom' 
habe  ich  (N.  A.  XXIII,  208)  irrthümlich  Dumeril  als  ersten 
Herausgeber  des  Evangelium  secundum  marcas  ar- 
genti  bezeichnet.  Wie  ich  aus  Ferd.  Wolf,  üeber  die 
Lais,  Sequenzen  und  Leiche  S.  209,  ersehen  habe,  hat  schon 
im  J.  1803  Freih.  v.  Aretin  in  seinen  Beyträgen  I,  Hft.  5, 
S.  78 — 79  dasselbe  Stück  aus  der  Benedictbeuerer  Hs.,  die 
er  in  das  14.  Jh.  setzt,  zum  ersten  Male  abdrucken  lassen. 

E.  D. 

292.  In  der  Zeitschr.  für  Deutsches  Alterthum  XLII, 
367  ff.  druckt  E.  Schroeder  ein  in  der  Mainzer  Stifts- 
fehde entstandenes  Lied  auf  den  Heiligstädter  Putsch 
von  1462.  H.  Bl. 


782  Nachrichten. 

293.  Auf  Grund  des  Nachlasses  O.  Schmids  hat 
F.  S.  Gutjahr  eine  eingehende  Untersuchung  über  das 
Leben  und  die,  verschiedene  Abhandlungen  aus  dem  Gebiet 
der  Theologie  und  Moral  enthaltenden  Schriften  des  fran- 
zösischen Geistlichen  Petrus  Cantor  Parisiensis  (auch  Re- 
mensis  genannt,  f  1197)  veröffentlicht  (Graz,  Styria  1899). 
Peters  Werke  sind  bis  jetzt  fast  alle  unediert.        E.  H. 

294.  K.  Wotke  giebt  in  der  Zeitschr.  f.  d.  Gesch. 
Mährens  u.  Schlesiens  I,  4,  41  ff.  aus  cod.  Vindob.  556  saec. 
XIV.  und  zwei  jüngeren  Raygerer  Hss.  den  ersten  vollstän- 
digen Abdruck  der  sog.  Moralitates  Karoli  quartiim- 
peratoris,  die,  wie  er  ausführt,  aus  dem  Nachlass  des 
Kaisers  zusammengestellt  sind ;  beachtenswerth  ist  sein 
Hinweis  auf  die  Verwandtschaft  einiger  Stücke  daraus  mit 
der  Einleitung  zu  Karls  Autobiographie.  Vgl.  auch  ebenda 
II,  161;  III,   100  ff. 

295.  In  der  gehaltvollen  Sammlung  sibyllinisch-escha- 
tologischer  Denkmäler,  die  E.  Sackur,  Sibyllinische  Texte 
und  Forschungen  (Halle,  Niemeyer  1898)  vereinigt  hat, 
wird  Adso's  epistola  ad  Gerbergam  reginam  de  ortu  et 
origine  Antichristi,  deren  Beurtheilung  besonders  durch 
das  von  dem  Mönch  Albwin  v.  Gorze  daran  verübte 
Plagiat  erschwert  gewesen  war,  erstmals  in  gereinigter  Ge- 
stalt herausgegeben.  Für  die  Zeitbestimmung  wäre  wohl 
noch  die  Erwähnung  des  Bischofs  Rorico  zu  verwerthen. 
Wesentlich  bedeutungsvoller  sind  die  beiden  anderen  Ab- 
schnitte, die  sich  mit  Pseudo-Methodius  und  der  Ti- 
burtinischen  Sibylle  beschäftigen.  Die  dem  Methodius 
V.  Patara  zugewiesene  Schrift  stammt  aus  dem  Ende  des 
7.  Jh.  imd  ist  in  Syrien,  wahrscheinlich  griechisch,  verfasst 
worden;  ihr  aus  der  Bibel,  syrischen  und  äthiopischen 
Quellen  geschöpfter  Inhalt  ist  durch  die  zur  Merovinger- 
zeit  in  Gallien  entstandene  lateinische  Uebersetzung  Ge- 
meinbesitz des  Abendlandes  geworden;  ihren  Text  hat  S. 
nach  den  vier  ältesten  Hss.  und  der  editio  princeps  sorg- 
fältigst hergestellt.  Aehnlich  eigenartige  orientalische  Be- 
ziehungen deckt  die  Geschichte  der  Tiburtinischen 
Sibylle  auf;  ihre  Zurückführung  auf  ein  antikes  Muster 
ist  von  grundlegender  Wichtigkeit:  ein  im  4.  Jh.  unmittel- 
bar nach  des  Constantius'  Tode  entstandenes  Vaticinium, 
das  den  der  römisch -griechischen  Gedankenwelt  entstammen- 
den Traum  von  den  neun  Sonnen  mit  eschatologischen 
Vorstellungen  chaldaeisch  -  syrischen  Ursprungs  verband, 
ist  unter  Konrad  II.  in  der  Lombardei  bearbeitet  und  auf 


Nachrichten.  783 

die  deutsch -italienischen  Kaiser  bezogen  worden;  vor- 
sichtig- scheidet  die  Ausgabe  die  antiken  Reste  und  die 
späteren  Zuthaten.  Für  die  Befruchtung,  die  das  Geistes- 
leben des  Mittelalters  aus  der  Berührung  mit  der  Antike 
und  dem  Orient  gewonnen  hat,  legen  die  Beziehungen,  die 
der  Verfasser  durch  seine  feinsinnige  Arbeit  auf  z.  Th. 
höchst  entlegenem  Gebiet  aufzudecken  vermocht  hat,  ein 
äusserst  werthvolles  Zeugnis  ab.  H.  Bl. 

296.  Als  Materialien  für  die  Gesch.  der  Kaiser- 
prophetie  im  MA.  veröffentlicht  F.  Lauchert,  zumeist 
aus  dem  Cod.  Dresd.  M  63,  im  Hist.  Jahrb.  XIX,  844  ff. 
die  dem  Johann  Wünschelburg  zugeschriebene  Prophe- 
zeiung, ferner  die  bald  für  Heinrich  v.  Langenstein,  bald 
für  die  hl.  Hildegard  oder  den  Kaiser  Sigmund  bean- 
spruchte Vision,  und  zwei  kleinere  Stücke,  die  ganz  ähnlich 
schon  Lazius  gedruckt  hat.  H.  Bl. 

297.  Im  Hist.  Jahrbuch  XIX,  547  ff.  beendet  J.  Eohr 
seine  Untersuchungen  über  'Die  Prophetie  im  letzten 
Jahrhundert  vor  der  Reformation  als  Geschichtsquelle  und 
Geschichtsfaktor'  (vgl.  N.  A.  XXTII,  773  n.  240);  er  be- 
spricht u.  a.  die  Stellung  Vinc.  Ferrers  und  Edm.  Dynters 
in  der  gleichartigen  Litteratur  sowie  die  sog,  Reforma- 
tionen Sigmunds  und  Maximilians.  R.  H. 

298.'  In  der  Zeitschr.  des  Aachener  Geschichtsvereins 
XX,  90  ff.  hat  F.  X.  Bosbach  das  älteste  Necrologium 
des  Cistercienserinnenklosters  Burtscheid  mit  Erläute- 
rungen und  einem  Register  herausgegeben.  Angelegt  wahr- 
scheinlich 1302,  abgeschlossen  um  1424.  hat  es  den  Inhalt 
eines  älteren  Totenbuches  des  Benedictinerklosters  wenig- 
stens theilweise  übernommen.  In  der  Hs.,  die  aus  Quix' 
Nachlass  in  die  Berliner  Bibliothek  gekommen  ist,  fehlen 
die  Abschnitte  vom  IG.  Sept.  bis  12.  Nov.  und  vom  9.  bis 
31.  Dec. 

299.  Hugo  Riemanns  Geschichte  der  Musik- 
theorie im  9.  bis  19.  Jh.  (1898)  macht  in  den  ersten 
2  Büchern  zum  ersten  Mal  den  besonders  für  die  älteste 
Zeit  freilich  von  mancherlei  Willkürlichkeiten  nicht  freien 
Versuch,  die  Geschichte  der  Theorie  und  Schuldoctrin  der 
mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter  auf  Grund  des  nament- 
lich in  Coussemakers  Scriptores  de  musica  medii  aevi  ver- 
öffentlichten und  bisher  nur  wenig  verwertheten  Materials 
darzustellen.  Für  den  Historiker  von  Interesse  ist  beson- 
ders cap.  3:  Odo  yon  Cluny,  Berno  von  Reichenau, 
Hermannus  Contractus.  Friedrich  Ludwig. 

Xcues  Archiv  etc.     XXIV.  5Ü 


784  Nachrichten. 

300.  Das  neuerdigs  angezweifelte  Ergebnis  früherer 
Forscher,  dass  die  Homilien  des  hl.  Eligins  apocrjph 
seien,  wird  von  E.  Vacandard  in  der  Revue  des  questions 
historiques  LXIV,  471  ff.  bestätigt;  sie  sind  nach  ihm  eine 
frühestens  um  900  entstandene  Compilation.  R.  H. 

301.  In  der  Zeitschr.  des  Vereins  f.  thüring.  Gesch. 
N.  F.  XI,  125  veröffentlicht  K.  Meyer  eine  Notiz  über  die 
Weihe  der  Kirche  zu  Woffsleben  durch  Eß.  ßuthard  von 
Mainz  vom  J.   1103. 

302.  C.  Wessely's  Schrifttafeln  zur  älteren  lateini- 
schen Palaeographie  (Leipzig,  Comm.  von  Avenarius,  1898) 
erfüllen  wenigsten  z.  Th.  den  oft  ausgesprochenen  Wunsch, 
die  Papjrusschätze  des  Museums  des  Erzherzogs  Rainer  in 
Wien  für  das  Studium  der  Geschichte  der  lateinischen 
Schrift  nutzbar  gemacht  zu  sehen.  Die  Sammlung  Wessely's, 
die  im  übrigen  zumeist  schon  bekannte  Facsimiles  wieder- 
holt, bietet  aus  dem  Museum  Rainer  eine  Anzahl  sehr  in- 
teressanter Stücke,  von  denen  hier  besonders  die  Quittungen 
von  398  (n.  17.  18)  und  die  Rescript-Fragmente  des  5.  Jh. 
(n.  25)  erwähnt  werden  mögen.  Leider  ist  für  die  Repro- 
duction  die  wenig  empfehlenswerthe  Methode  der  Auto- 
graphie  gewählt,  die  mir  auch  durch  das,  was  in  der  Vor- 
bemerkung N.  3  gesagt  ist,    nicht  gerechtfertigt  erscheint. 

303.  Auch  von  dem  zweiten  Heft  von  Arndts  Schrift- 
tafeln ist  nunmehr  die  dritte  von  M.  Tangl  bearbeitete 
Auflage  erschienen  (Berlin,  Grote  1898).  Von  den  Tafeln 
der  2.  Auflage  sind  zwei,  die  entbehrlich  waren,  fortgefallen 
und  dafür  vier  neue,  recht  gut  ausgeführte  hinzugekommen, 
von  denen  T.  61  ein  Blatt  aus  dem  Necrolog  des  Klosters 
Möllenbeck,  T.  67  den  in  der  Reichskanzlei  hergestellten 
Entwurf  zu  einer  Supplik  Friedrichs  III.  an  Papst  Pins  IL 
vom  10.  April  1459  bietet.  Der  Text  ist  gründlich  und 
sorgfältig  revidiert  und  hat  durch  die  vollständige  Trans- 
scription aller  schwierigeren  Schrifttafeln  eine  sehr  will- 
kommene Bereicherung  erhalten. 

304.  Die  16.  und  17.  Lieferung  des  Archivio 
paleografico  italiano  bringen  in  vortrefflichen  Repro- 
ductionen  u.  a.  Bruchstücke  aus  dem  jü)igst  von  Giorgi 
(vgl.  oben  S.  372  n.  19)  besprochenen  cod.  Laurentianus 
des  Liber  pontificalis,  einer  Placentiner  Weltchronik  saec. 
XII.,  und  der  Summula  des  Guido  Faba;  ferner  den  unter 
Abt  Rudolf  verfassten  Bücherkatalog  von  Nonantola  (vgl. 
N.  A.  XXI,  777  n.  218);  Veroneser  Urkunden  von  845—1 139; 


Nachrichten.  785 

begonnen  wird  die  Wiederjgabe  der  werthvollen  Blätter  der 
sogenannten  Bibel  Karls  d.  Kahlen  aus  S.  Paolo.     H.   Bl. 

305.  Von  den  illements  de  Paleographie  des  H.  Cano- 
nicus  ßeusens  (vgl.  N.  A.  XXIII,  289  n.  108)  ist  die 
Schlussabtheilung  erschienen  (Löwen  1899),  die  in  Cap.  6 
die  Schriften  des  11.  — 17.  Jh.,  in  Cap.  7  die  Schreibstoffe 
und  Schreibwerkzeuge  sowie  die  Form  der  Hss.  behandelt. 
Die  zahlreichen,  gut  ausgeführten  Facsimiles  sind  diesmal 
zum  Aveitaus  überwiegenden  Theil  neu  und  namentlich  für 
die  Geschichte  der  Urkundenschrift  in  den  Niederlanden 
sehr  werthvoll.  Sonst  sei  noch  besonders  aufmerksam  ge- 
macht auf  T.  24  eine  Seite  aus  dem  autographen  Brüsseler 
Codex  des  Sigebert,  T.  25  eine  Seite  aus  Guido,  De  variis 
historiis  (vgl.  Archiv  VII,  537  ff.),  T.  27  eine  Seite  aus  der 
Löwener  Hs.  des  Rainer  von  Lüttich  (SS.  XX,  499  f.), 
S.  236.  238  Schriftproben  aus  einer  aus  Kloster  Parc 
stammenden  Löwener  Hs.  saec.  XIII. ,  wo  dem  Tractat  De 
usu  astrolabii  (Pez,  Thesaurus  III '',  94  ff.)  die  Bemerkung 
vorangeht:  'Hermannus  iste  astrologus  fuit  natus  de  Ka- 
rinthia,  non  contractus  de  Suevia,  et  transtulit  almagestum', 
T.  40  eine  Columne  aus  einer  Löwener  Hs.  vom  J.  1346 
der  Aurora  des  Petrus  von  Riga,  T.  49  ein  schönes  Fac- 
simile  aus  der  Brüsseler  Hs.  9242  des  Jacques  de  Guise, 
T.  51  eine  Seite  aus  einer  autographen  Hs.  Papst  Hadrians  VI. 
vom  J.  1496  in   der  Bibliothek   des  Seminars   zu  Mecheln. 

306.  Auch  den  oben  S.  396  n.  133  erwähnten  neuen 
Band  von  Paoli's  Grundriss  hat,  wie  die  früheren, 
K.  Lohmeyer  ins  Deutsche  übersetzt  (Innsbruck,  Wagner 

1899). 

307.  In  der  Sammlung  der  Manuali  Hoepli  ist  ein 
von  A.  Cappelli  bearbeiteter  Dizionario  di  abbrevia- 
ture  latine  ed  italiane  erschienen  (Mailand  1899).  Vgl. 
darüber  die  eingehende  Besprechung  von  Tangl  in  der 
Deutschen  Litteraturzeitung  1899  n.  9.  —  Die  bei  Loescher 
in  Rom  erschienene  'Raccolta  delle  principali  abbreviazoni 
e  frasi  abbreviate,  che  si  riscontrano  negli  atti  notarili  del 
sec.  XIII.  in  poi'  von  G.  Vianini  kenne  ich  noch  nicht; 
in  den  Quellen  u.  Forschungen  aus  ital.  Archiven  II,  158  f. 
wird  sie  empfohlen. 

308.  Im  Archivio  della  societä  Romana  XXI,  121  ff. 
beschreibt  V.  Fe derici  das  stark  zerstörte,  im  Archiv  von 
S.  Maria  in  Via  lata  aufbewahrte  Evangeliar  von  S.  Ciriaco 
e  Niccolö,  das  im  Anfang  des  11.  Jh.  in  römischer  Minuskel 

50* 


786  Nachrichten. 

auf  Veranlassung  der  Nonne  Bertha  hergestellt  worden  ist. 
Zwei  Lichtdrucke  geben  den  schön  geschnitzten  Einband 
und  Proben  der  nur  noch  schwer  lesbaren  Schrift  wieder. 

H.  Bl. 


Berichtigungen. 


S.  130  Z.  23  lies  'tuscischer'  statt  'italienischer'. 

S.  189  Z.  22  statt  'Blacas  (von  Beaudinard?)'  lies  'Blacatz  (von 
Aups)'.  Vgl.  O.  Soltau  Das  Leben  und  die  erhaltenen  Werke  des  Tro- 
badors  und  Dichterfreundes  Blacatz  29. 

S.  178  Z.  17.  Der  Notar  heisst  nicht  Joseph,  sondern  Johann. 
Danach  -wird  Z.9  Giovanni  zu  ändern  sein.    Vgl.  auch  B.  F.  680. 

S.  193  Z.  23  statt  'nono'  lies  'nono  decimo'. 

S.  224  Z.  11  statt  'ahderen'  lies  'anderen'. 

S.  224  Z.  3  der  vierten  Anmerkung  lies  'Roulx  Cartul.  gener.'  statt 
'Roux  Cod.  dipl.' 

S.  226  Z.  41  statt  'ao.  reg.  5'  lies  'ao.  reg.  25'. 

S.  226  ergänze  beim  Uebergang  zu  S.  227:  'obige  Bestätigung, 
doch  mit  Ausdehnung  der  Abgabenfreiheit  auf  alle  Häten  Siciliens  und 
Calabriens  und  in  mehrfachem  Anschluss  an  die'.      Schefi'er  -  Boichorst. 

S.  358  Z.  10  und  18  lies  Tier'  statt  'Tier'. 

S.  361  Z.  24  'Institute'  steht  im  Or.,  ist  aber  verschrieben  für  'in- 
stituta'.  V.  Pflugk  -  Harttung. 

S.  386  Z.  4  statt  'Gregor  VI.'  lies  'Gregor  XI.' 

S.  536  Z.  14  statt  'dem'  lies  'den'. 

S.  542  Z.  13  statt  'Singelaicus'  lies  'Sigelaicus'.  Krusch. 


Register. 


A. 

Acqui,  Bischofskatalog'  749. 

Acta  s.  Constitutiones,  Synodi,  Vitae. 

Actus  pontificum  Cenomannis  in  urbe 

degentium  419. 
Adalbert  von  Prag  372. 
Adalbert  von  Weissenburg  446  f. 
Ademar  von  Chabannes  754. 
Ado  299.  .312. 
Adso  782. 
Aeneas  Sylvius  386. 
Aenisfmata  762  f. 
Afflighem,  ÜB.  392. 
Africanus,  Sextus  lulius  368. 
Agius  monachus  Corbeiensis  753. 
Agnellus  753. 

Alberich  von  Troisfontaines  755. 
Albertus  Magnus  746. 
Albrecht  Achilles  383. 
Albwin  von  Gorze  782. 
Alcimus  Avitus  9. 
Alcvin  762. 

Alphonsi  regis  canones  746. 
Alsfeld,  Urkunden  391. 
Altaich,    Geschichtsquellen    745;    s. 

Nieder-  und  Oberaltaich. 
Althochdeutsche    Sprache    und  Hss. 

369  f. 
Amalfi,  Tabula  762. 
Amljrosius    s.    Carmen    de    Ricardi 

regis  itinere. 
Amorbach,  Rechtsquellen  379. 
Andechs,   Gründungsgeschichte  685. 
Andreas  Didaci  von  Randuf  376. 
Andreas  von  Regensburg  673  f.  676. 

695  ff.  707.  711. 
Angers,    Cartular  von  S.  Laud  754. 
Annales   Admuntens.   s.  Continuatio 

ann.    Adm. ;     Alamannici    429  ff. ; 

Alamannici    Augiens.    436.    439 ; 


Alamannici  Sangaliens.  429  f.  433. 
437  ff.    450  f.;     s.    Amandi    443; 
Anglosaxonici  751 ;  Augiens.  239  f. 
248.    425  ff. ;    Augiens.    brevissimi 
436.  444 ;  Ausciens.  436 ;  Bavariae 
686  ff. ;  s.  Benigni  Divionens.  241. 
436.  439;  Blandiniens.  438;  s.  ßo- 
nifatii  436 ;  Caesenat.  736.  739  f. ; 
cap.  Cracoviens.  235.  237  ff.  247  ff. 
430  f.  439 ;  cap.  Poznaniens.  236 
Coloniens.    432.    434.    436.    439 
Corbeiens.  248.  433  f. ;  Cracoviens 
brev.    236  f.    242  fl. ;     Cracoviens 
compilati  235. 237. 246 ;  Cracoviens 
vetusti   234.   237.   240  ff.    247;    s 
Crucis  Polonici  236.  243  f. ;  s.  Dio- 
nysü  436.  444;  Einharti  431.  460 
752;  s.  Emmerammi  breviss.  698 
rerranens.741 ;  Formoselens.  438f.: 
Foroliviens.  736 ff.;   Fuldens.  420 
428.  430.  432  ff. ;  Fuldens.  antiqui 
430.  432;  Genuens.  368;  Gorziens 
443;     Guelferbytani     405.     409  f. 
422  f.    442;    Heremi    434.    436  ff. 
444 f.    448.    454  f.;     Hersfeldens 
239  ff.  248  f.  430  ff.  437.  441.  446 . 
Kamenzens.  235.  237  ;  Karolingici 
751  f. ;    Lacens.    374 ;    Laubacens 
444.  448  f.;  Laureshamens.  429  ff. 
443.  752 ;  Laurissens.  maiores  405 
407  f.  411.  417  f.  420 ff.  460.  752f.; 
Laurissens.   minores    s.  Chronicon 
Laurissense ;    Lobiens.   405.  410  f. 
422.    449;     Lubinens.    235.    237; 
mansionarium  Cracoviensium  237; 
Masciacens.  436;  Mettens.  4.  399  ff. 
456;  Miechoviens.  235.  247;   Mo- 
guntini  248  ff.    430  ff.;    Mosellani 
429  ff.  443;  Murbacens.  429.  437. 
442  f. ;    Nazarianl   430.   432.  442  ; 


788 


Register. 


Osterhovens.  681.  695;  Palidens. 
728  f. ;  Pisani  373;  Poloniae  231  ff. ; 
iPolonorum  234.  236;  Poznaniens. 
285.  237.  247;  Prägens.  430  f. 
439 ;  Ratisponens.  698  ff. ;  Sandi- 
vogü  236 ;  Sangaliens.  Baluzii  443 ; 
Sangaliens,  breves  s.  Weingartens.; 
Sangaliens,  maiores  438  ff.  450; 
Sangaliens,  regum  436. 444;  Scheft- 
lariens.  maiores  686.  690;  Scheft- 
lariens.  minores  687.  690  f. ;  Schut- 
terani  759  ;  Strubingens.  693  ff. 
706;  Vetero  -  Oellens.  377;  Vin- 
docinens.  s.  Chron.  Andegavense; 
Weingartens,  und  Sangaliens,  bre- 
ves mit  Urschrift  (Codex  Regin- 
berti)  429  f.  432  ff.  439  ff.  448^ff. ; 
Wessofontäni  s.  Leopolder;  Wind- 
bergens.  693.  697.  —  S.  Fragmenta, 
Notae,  Rocznik. 

Annalista  Saxo  455. 

Annolied  781. 

Anonymus  Bavarus  s.  Compilatio 
chronologica. 

Antiquitates  7. 

Arau,  Stadtrecht  380. 

Archive  s.  die  Eigennamen. 

Arn  752. 

Arnold  von  Isenburg,  Erhebung  zum 
EB.  von  Trier  764. 

Arnonische    Güterverzeichnisse   .389. 

Arnpeck,  Veit  673  f.  680.  692.  706. 
712. 

Arnsburg,  Urkunden  391. 

Arnulf,  Note  über  die  Schenkungen 
nach  S.  Emmeramm  700. 

Arra,  römische  und  westgothische 
580  ff. 

Arras,  Cartular  778. 

Assisi,  Generalcapitel  der  Franzis- 
kaner 773. 

Athanarid  567. 

Auetores  antiquissimi  3.  9  ff.  368. 

Augsburg,  Inschrift  über  den  Dombau 
396 ;  Papsturkunden  betr.  d.  Diö- 
cese  386. 

Aurolzmünster,  Regesten  und  Ur- 
kunden 776. 

Ausonius  9.  11. 

Autun,  Mss.  des  Seminars  748. 

Avitus  von  Vienne  s.  Alcimus  Avitus. 

Aytinger,  Wolfgang  758. 

Azzurini  736.  741. 


B. 

Baden,  Archivalien  771 ;  Stadtrechte 

378  f.  761. 
Baierischzell ,     Gründungsgeschichte 

676. 
Baiern,  Annalen (1150- 1297)  686 ff.; 
genealogischeAufzeichnungen  über 
die    Herzöge    710;      Gründungs- 
geschichten der  Klöster  671  ff.  — 
S.  Witteisbacher. 
Ballenberg,  Rechtsquellen  379. 
Bamberg,    Mahnbrief    eines    Geist- 
lichen  nach    S.  Georgenberg  370. 
Bartholomaeus  Brixiensis  531. 
Bartholoiueo  della  Pugliola  739. 
Basel,  Konzil  386. 
Basko  s.  Chronicon  Poloniae. 
Baumgartenberg,  Bibliothekskatalog 

370. 
Beauvais,    Bibliothek   des    Gerichts- 
hofs 762. 
Beda    11.  368.  384.  430.  444.  565  f. 

752. 
Benedict  XII.,  Kanzlei  384. 
Benedict  von  Aniane  394. 
Benedictus  Levita  5.  341  ff.  462. 
Benedictbeuern,  Gründungsgeschich- 
te 676. 
Benedictiner  382. 
Bergen,  Abtskatalog  746. 
Bern,  Stadtrecht  379. 
Bernardus  Marago  s.  Maragone. 
Bernardus  Noricus  376.  684. 
Berno  von  Reichenau  783. 
Beuerberg,    Bibliothekskatalog   370; 

Gründungsgeschichte  676. 
ßeyharting ,     Gründungsnotiz     692. 

711  f. 
Bibel  Karls  des  Kahlen  785. 
Bibliotheken  s.  die  Eigennamen. 
Blassenberg,    Regesten   des    Ge- 
schlechts 392. 
Boguphal  s.  Chronicon  Poloniae. 
Bologna ,     Archiv     des     spanischen 
CoUegs  386;  Staatsarchiv  397  ;  im 
ersten  Lombardenbund  388. 
Bonagratia  von  Bergamo  376. 
Bonn,  Archivinventar  des  S.  Cassius- 
stifts  370;    Urkunden   der    Kreis- 
bibliothek 774. 
Bonvicino  della  Riva  756. 
Bordeaux,  Cartular  778. 
Brabant,    Vertrag  mit  England  und 
Flandern  (1333)  747. 


Register. 


789 


Braunschweig,  Anklage  zweier  Juden 

durch   den   Rat   von  Goslar   772. 
Breidenborn,  Schloss  und  Herrn  von 

390. 
Bremgarten,  Stadtrecht  379. 
Brescia,  Stadtrecht  381. 
Breslau,  Formularbuch  der  bischöfl. 

Kanzlei  386. 
Breviarien    315  ft'.    540;    breviarium 

Alarici     s.     Lex     Romana     Visi- 

gothorum. 
Briefe    Albrechts    Achilles    383;    d. 

Berner  Raths  (1476)  758;  H.  INIene- 

storfers   764.     Deutsche   Privatbr. 

764.  —  S.  Epistolae,  Leopold. 
Brunn,  Stadtrecht  599. 
Bruno  von  Querfurt  372. 
Bruno  von  Segni  373. 
Buchen,  Rechtsquellen  379. 
Bullarium  Franciscanum  385. 
Burchai-d  von  Worms  747. 
Burgheim,  Weihe  der  Kirche  (1035) 

777. 
Burgund,    Beziehungen   zu  England 

747;  Kriege  Karls  des  Kühnen  758. 
Burtscheid,  Xecrolog  783. 
Buschhofen,  Archiv  370. 


Caesarius  von  Heisterbach  754. 

Calendarium  Corbeiense  320. 

Canones  regis  Alphonsi  cum  cano- 
nibus  lohannis  de  Saxonia  746.  — 
S.  Burchard,  Gratian,  Synodi. 

Cantinelli  736.  740  ff. 

Capitularia  regum  Francorum  3.  5. 
19.  87.  377.  460.  463  0.  633  ff. 
760;  s.  Benedictus  Levita. 

Carmina  latina  varia  747.  779  ff. ; 
de  Heinrico  780;  de  Ludovico  779; 
de  Ricardi  regis  itinere  in  terram 
sanctam  374.  —  S.  Claudius  Clau- 
dianus,  Corippus,  Ecbasis  captivi, 
Enuodius,  Hildebert,  Hrotsvitha, 
Sidonius,  Stefaueschi,  Venantius, 
Waltharius.  Walther  von  Spej^er; 
und :  Poetae  latini ,  Rhythmen, 
Sprüche,  Versus.  —  deutsche  s. 
Lieder. 

Cartularia  s.  Urkuiidenbücher. 

Casalraonferrato,  Necrolog  394. 

Cassiodor  9.  11.  120.  308  f.  370. 

Catalogus  abliatum  Bergensium  746  ; 
Floreffiensium  757.  —  Catalogus 
episcoporum  Aquensium  749 ;  Cre- 


monensium  779.  —  Catalogi  ponti- 
ficum  s.  Papstkataloge;  regum  779. 

Catalogi  librorum:  Baumgartenberg 
370;  Beuerborg  370;  Montecas- 
sino  394;  Nonantola  784 ;  Petro- 
cinus  V.  Ravenna  369  ;  Syon  746  ; 
Verdun  (S.Vanne)  369.  —  S.Phil- 
lipps,  Thompson. 

Chälons-sur- Marne,  ÜB.  778. 

Chiemsee,  historische  Stücke  704. 

Chlodowech  371. 

Chronica  minora  3.  9.  11.  368. 

Chronicon  Andegavense  754;  Ania- 
nense  s.  Moissiacense ;  Cracoviae 
s.  .Johann  von  Czarnkow;  de  Berno 
s.  Chronographia  regum  Fran- 
corum; de  civitate  Ravennae  740; 
de  origine  et  processu  regum  Fran- 
ciae  692.  709;  s.  Dionysii  in  Fran- 
cia  s.  Annales  s.  Dionysii ;  domus 
Sarensis  375.  756 ;  Eberspergense 
posterius  686;  Fardulfi  431;  im- 
perii  s.  Leopolder;  Laureshamense 
648.  667 ;  Laurissense  (Ann.  Lau- 
riss.  min.l  413.  430  ff.  437.  752; 
magn.  Poloniae  236.  242 ;  minor 
minoritae  Erphesfurtensis  4;  Mois- 
siacense 404  ff.  420  ff. ;  Papale  747 ; 
Pictum  755;  Poloniae  (Polonorum) 
236.373;  Schirense  676 ;  Schutte- 
ranum  s.  Annales  Schutterani;  s. 
Stephani  180  f. ;  Suevicum  uni- 
versale 428  ff.  439.  441.  443;  Un- 
garorum  et  Polonorum  236;  Veda- 
stinum  405.  413;  Vindocinense 
754;  Wirzeburgense429;  Zdiarense 
756. 

Chroniken,  deutsche  5.  677  ff.  771 ; 
grosspolnische  s.  Chronicon  Po- 
loniae ;  italienische  4.  745.  755 ; 
d.  Könige  von  Castilieu  755 ; 
Lübische  757  ;  d.  Ofener  Minoriten 
(ungarische  nationale  Grund- 
chronik) 755  ;  österreichische  5.  — 
S.  die  betr.  Verfasser  und  Kaiser- 
chronik. 

Chrouique  Artesieune  756 ;  de  Flan- 
dre  377 ;  de  Tournai  756. 

Chronographia  regum  Fran  corum  377. 

Claudius  Claudianus  9.  11. 

Claudius  von  Turin  749. 

Clemens  V.,  Itinerar  767. 

Cobelli,  Leone  736.  738.  741. 

Codex  Euricianus  20  f.  41.  70.  72. 
76  ff.  88.  91.  97.  101.  105  ff.  119  f. 
574  f.   581.  584.   593.   600  f.    603. 


790 


Register. 


610  f.    613  f.    626;    lustinianus    s. 

römisches    Recht;     Reginberti    s. 

Annales    Weingartens. :     Theodo- 

sianus  744,     s.    römisches    Recht; 

Udalrici  763. 
Collectio  Britannica  770. 
Collectiones  canonum  381  f.;  s.  Bm-- 

cliard,  Grratian,  Synodi. 
Colonna,   Urkunden  über  den  römi- 
schen Besitz  der  Familie  391. 
Compilatio     chronologica      anon}'mi 

monachi  Bavari  675  ff. 
Compilatio  Fuldensis  430  ff. 
Concilia  s.  Synodi. 
Confessio  s.  Emmerammi  699. 
Conflictus  lini  et  ovis  370. 
Constantius  von  Lyon  566. 
Constitutiones  imperatorum  et  regum 

5.  219.  378.  747.  760.  770. 
Constitutiones  ordinis  s.  Francisci  773. 
Consuetudines  Farfenses  395. 
Consuln  der  unterital.  Zünfte  183. 
Consultatio  veteris  cuiusdam  iuriscon- 

sulti  96  f. 
Continuatio  annalium  Admuntensium 

700;  Eberhardi  Ratispouensis  745; 

Fredegarii    405.    413;     Hermanni 

Altahensis  695. 702.  745;  Reginonis 

425  ff.  434  f.  445  fi".;  Ricobaldi742; 

Tolosani  741 ;   Weichardi  de  Pol- 

haim  702. 
Conversio    Afrae    289  ff. ;    s.    Passio 

Afrae. 
Corippus  9. 

Coutumes  de  Beauvoisis  762. 
Cremona,    ÜB.   und  Stadtgeschichte 

779. 
Cuissy,  Necrolog  757. 

ö. 

Damasi  versus  748. 

De  magnalibus  urbis  Mediolani  756. 

De  modis  uniendi  376. 

De  nullitate  processuum  s.  Informatio 
super  null,  j^i'oc. 

De  ordine  ecclesiastico  341  ff. 

De  symoniacis  373. 

Decreta  s.  Burcliard ,  Collectiones , 
Grratian,  Pap)sturkunden. 

Decretalia  Th.  Zoltaii  ep.  Werdens. 
747. 

Detmar  757. 

Deutsche  Historiographie,  Ursprün- 
ge 779  f.;  deutsches  Recht  377  f. 
759  f.  —  S.  Althochdeutsche  Sprache 


und:   Briefe,  Chroniken,  Lieder, 

Sprüche. 
Deutschenspiegel  599. 
Diessen.  Gründungsgeschichte  685  f. 
Diessenhofen,  Stadtrecht  379. 
Dietramszell ,     Gründungsgeschichte 

675. 
Dinter  s.  Dynter. 
Diplomata  s.  Kaiserurkunden. 
Diplomatisches    13  ff.  384.  396.  768. 
Diptycha  von  Novara  749. 
Döffingen,   Notiz  über  die  Schlacht 

675. 
Dominikaner  374.  382. 
Dufresnesche       Urkundeusammlung 

386  f. 
Dynter,  Edmundus  de  783. 

E. 

Eberhard  von  Regensburg  702.  745. 
Ebersberg,  Gründungsgeschichte  686. 
Ebersheim  ,      Kaiserurkunden  •   und 

Dienstrecht  769. 
Ecbasis  captivi  (Egberti  Leod.)  8. 
Edictum  Theoderici  601.  626. 
Edictus  Rothari  59  f.  72  f.  579.  584. 

593.  606.  614. 
Edmundus  de  Dynter  783. 
Eike  von  Repgow  599. 
Einhart  7.  420.  422.  4;53.  437.  648  f. 

745.  752;  s.  Annales  Eiriharti. 
Ekkehard  von  Aura  368. 
Ekkehard  I.    von    S.  Gallen  s.  Wal- 

tharius. 
Ekkehard  IV.  von  S.  Gallen  395. 
Eligius,  Homilieu  784. 
Elsass,  Hss.  der  Klöster  369 ;  Stadt- 
rechte 378  f.  761. 
Engelberg,  ÜB.  778. 
England,  Briefe  und  Verträge  (13.  bis 

15.  Jh.)  747. 
Enhard  von  Fulda  (mit  Eiuhart  iden- 

tihciert)  433.  437. 
Enikel  5. 
Enuodius  9.   119. 
Epistolae  variae  6  f.  332  f.  370.  382  f. 

473.  485.   503  ff.    524  ff.  745.  747. 

762  ff. ;    Karolini    aevi  7.  749.  — 

Adsonis    782;    Agobardi    archiep. 

Lugdunensis    745;     Alcvini    762; 

Amalarii    745 ;     Anserici    archiep. 

Vesontini    382 ;    Arnonis    archiep. 

Salzeburgensis    474 ;     Arnulfi    ep. 

Roffensis    748 ;    s.  Augustini  747 ; 

s.  Bonifatii  463 ;  Eduardi  IV.  reg. 


Register. 


791 


Angl.  7-i7;  Einharti  7.  745;  Fausti 
ep.  Reiensis  751 ;  Flori  alumni 
Lugdunensis  490  f. ;  Frotharii  7. 
745;  Fructuosi  ep.  Dumieusis  65 f.; 
Fulberti  ep.  Carnotensis  382;  Ger- 
berti 763 ;  Grrimaldi  et  Tattonis 
395 ;  Guidonis  com.  Flandrensis 
747 ;  Hattonis  archiep.  Moguntini 
769;  s.  Hiei-onymi  308  f. ;  Hilde- 
berti archiep.  Turonensis  763  f. ; 
Hilduini  747 ;  Hrabani  7 ;  Huberti 
archiep.  Cantuariensis  530 ;  Hugonis 
Falcandi  373 ;  Hugonis  archiep. 
Rothomagensis  763;  Johannis  reg. 
Angl.  5*29;  Johannis  Peckham 
archiep.  Cantuariensis  520;  Karoli 
magni  473;  LadislailV.  reg.Ungar. 
383;  Leonis  ep.  Vercellensis  387; 
Londoniae  civ.  747 ;  Ludovici  pii 
747 ;  Ludovici  pii  et  Lotharii  I. 
485.  487 ;  Michaeli  II.  imp.  et 
Theophili  caes.  485;  Nicetii  371; 
Odilonis  ab.  Cluniacensis  728  ff. ; 
Paulini  Aquileiensis  474;  Phi- 
lippi  IV.  Pulchri  reg.  Franc.  530; 
Sidonii  Apollinaris  119  f.,  s.  dens.; 
Sigismundi  389.  772;  Stephani 
archiep.  Cantuariensis  530;  Vene- 
raiuli  395.  —  S.  Briete,  Papst- 
briefe. 

Epitaphia  374. 

Epitome  Guelferbytana  608;  luliani 
s.  De  ordine  eccl.  und  Römisches 
Recht ;  Monachi  s.  Lex  Romana 
Vibigothorum;  Sangaliens,  s.  Chro- 
nicon  Suevicum  universale. 

Erfurt,  Geschichtsquellen  4 ;  Pro- 
vincialcapitel  der  ßenedictiner  382. 

Estoire  de  la  guerre  sainte  373  f. 

Ettal,  Gründungsgeschichte  und  an- 
dere historische  Notizen  677  ff. 

Eugippius  s.  Vita  s.  Severini. 

Eutropius  9. 

Evangeliar  von  S.  Ciriaco  e  Niccolö 
(Rom)  785  f. 

Evangelium  secundum  marcas  argenti 
781. 

Excommunicatio  Uberti  387. 


F. 

Fälschungen,  moderne  s.  Grandidier, 
Polidoro,  Tschudi,  Vignier. 

Fardulf  von  S.  Denis  431. 

Farfa,  Codices  und  Päpsteverzeichnis 
372 ;    Consuetudines  395. 


Farrago  historica  697. 

Fasteuordnung  (ca.  780)  472. 

Felix  von  Urgel  474  f. 

Ferrer,  Vincenz  783. 

Flandern,    Briefe  und  Verträge  (13. 

und  14.  Jh.)  747. 
Flodoard  463. 
Floreffe,  Abtskatalog,  Gründung  und 

Weihe,  Necrolog  757. 
Florenz,  Geschichte  774. 
Florus  von  Lyon  299.  490  f. 
Flumet,  Stadtrecht  379. 
Fontenelle,  Heiligenleben  750. 
Formulare  und  Formularbücher  386. 

395.    505.    523  ff.    531  f.    764  f. ; 

fränkische  97.    112  f.    622.   764  f.; 

oberrheinische  765 ;  westgothische 

15  f.  22.  25.  78.  112  f.  579.  585  ff. 

S.  Guido  Faba,  Ricardus  de  Pofis, 

Thomas  von  Capua. 
Formularium  iuris  747. 
Fragmeuta     aunalium      saec.    VIII. 

(Werthinensia)    405  f.    421.    423 ; 

Chesnii  431 ;  de  Pippino  duce  423. 
Frankfurt,  Bund  mit  Friedberg  und 

Wetzlar  (1334)  380. 
Franziskaner  385.  773  ;  annalistische 

Notizen  bairischer  Minoriten  693. 
Frauenzeil,  Gründimgsgeschichte  697. 
Fredegar  57.  560;  s.  Continuationes 

Fredegarii. 
Freiburg  i.  B.,  Stadtrecht  380. 
Freiburg  i.  U.,  Stadtrecht  379. 
Friedberg  s.  Frankfurt. 
Friedrich  III.,  Entwurf  einer  Supplik 

an  Pius  II.  784. 
Fulcher  von  Chartres  748. 
Fundationes  monasteriorum  Bavariae 

671  ff. 
Pürstenfeld ,      chronikalische      Auf- 
zeichnung 686. 

G. 

Galvagno  de  la  Fiamma  374. 

Gangkofen,  Notizen  über  Gründung 
und  Geschichte  701. 

Gaufridus  de  Loaisa  756. 

Geisenfeld,  Gründungsgeschichte  686. 

Genealogia  Bavariae  ducum  710; 
Dagoberti  414.  423 ;  fundatorura 
Sarensis  monast.  756 ;  Pippini 
423.  —  S.  Rudolf,  Witteisbacher. 

Gennadius  368  f.  749. 

Genua,  Urkunden  und  Register  der 
Notare  775. 


792 


Register. 


Geographus  Bavarus  754. 
Gerardus  de  Fracheto  374;  s.  Girard. 
Gerold,  Kanzler  Ludwigs  d.  Fr.  753. 
Gesta    abbatum    Fontanellens.    404. 

411  ff.  423.  545;  Aldrici  419.  463; 

consulum  Andegavens.  754 ;  Hen- 

rici    imp.    747 ;     Hungaror.    755 ; 

Karoli  s.  Poeta  Saxo ;   pontif.  Ro- 

manor.  4.  745. 
Giessen,  Stadtarchiv  391. 
Gilden  in  Utrecht  380 ;  s.  Zünfte. 
Girard  von  Angouleme,  Legation  in 

Frankreich  385;    s.  Gerardus. 
Glossen  747. 

Görlitz,  Hofgerichtsbuch  381. 
Goslar  s.  Bi-aunschweig. 
Gottfried  von  Plessis  389. 
Gozwin  von  Mainz  746. 
Grafrath,   Gründungsgeschichte  686. 
Grandidier,    Strassburger  Stadtrecht 

761 ;     Urkundenfälschungen    387. 

768  f. 
Gratian  382. 

Graugans  s.  Nordisches  Recht. 
Gregor  XL,    Rückkehr    nach    Rom 

386.  768.  786. 
Gregor  Segni  375. 
Gregor   von  Tours    119.    371.  560  f. 

564. 
Greifswald,  Zunftrollen  380. 
Griechische  Sprache    in  südital.  Ur- 
kunden 775. 
Gualtherus  Insulanus  746. 
Guastalla,  Urkunden  779. 
Guido  Faba  784  f. 
Gundecharus  IL  ep.  Eichstetens.  395. 
Günther  der  Eremit  393.  728  f.  733. 
Gurk,  Geschichtsquellen  704.  777. 

H. 

Habach,  Klostergeschichte  676  f. 

Habsburger,  Beziehungen  zu  Ungarn 
und  Sicilien  382  ;  Stadtrechte  379. 

Hadrian  VI.,  Autograph  785. 

Hagen,  Gregor  5.  377. 

Hagenau,  Stadtgeschichte  und  Stadt- 
recht 380;  ÜB.  von  S.  Georg  391. 

Handschriften,  Erlialtung  und  Aus- 
besserung 745. 

Harlebeke,  Urkunden  384. 

Heberegister,  Werden  396. 

HeiligstMter  Putsch(1462),  Lied  781. 

Heinrich  der  Natternberger,  Notiz 
über  den  Tod  695. 

Heinrich    von    Heimburg   375.    756. 


Heinrich  von  Langenstein  (Heinricus 

de  Hassia)  747.  783. 
Heinricus  Monogallus  374. 
Heinrichslied  780. 
Heremannus  astronomus  370. 
Hermannus   astrologus  de  Karinthia 

785. 
Hermann  von  Landenberg,  Regesten 

776. 
Hermann  von  Niederaltaich  692.  695. 

701  f.  745. 
Hermann  von  Reichenau  427  ff.  439. 

450.  783. 
Heylissem,  Urkunden  302. 
Hildebert  von  Lavardin  763  f. 
Hildcgardis  abbatissa  783. 
Hildemar  395. 

Hilduin  von  S.  Denis  321.  747.  752. 
Hilsbach,  Rechtsquellen  379. 
Hincmar  von  Rheims  349  ff.  463.  570. 
Hirschhorn,  Rechtsquellen  379. 
Historia  fundationum  monasteriorum 

Bavariae    673 ;     Welforum  AVein- 

gartensis  681. 
Hochmuth,  Jörg  758. 
Hofvicariat  unter  Friedrich  II.  219  f. 
Hohenzoilernsche  Kurfürsten  386. 
Honorius    IV.,    Spottverse    auf   ihn 

523. 
Hraban  7.  299.  306. 
Hrotsvitha  8. 
Hugo  Falcandus  373. 
Hugo  von  Rouen  763. 
Hugo  von  S.  Victor  382. 
Hussitismus  758. 
Hymni  781. 

I.  J. 

Jacob  Twinger  von  Königshofen771. 
lacobus  Moratinus  736.  740  ff. 
lacobus  de  Voragine  676. 
Jacques  de  Guise  785. 
Ildefons  von  Toledo  369. 
Indiculus  Arnonis  s.  Notitia  Arnonis. 
Informatio  super  nullitate  processuum 

376. 
Inquisition  774. 

Inventare  s.  Catalogi  librorum. 
Johann  von  Czarnkow  236. 
Johann  von  Neumarkt  386. 
Johann  Ruffus  757. 
Johann  von  Wünschelburg  783. 
lohannis  de  Saxonia  canones  746. 
Johanniter,  Urkunden  773. 
Jonas  von  Orleans  762. 


Register. 


793 


Jordanes  9. 

lordanus,  Christophorus  476. 
Jordanus  von  Osnabrück  756. 
Isenheim,   Mss.  der  Augustiner  und 

Antoniten  369. 
Isidor  von  Sevilla  35.  369.  574.  622. 
Isländisches     Recht     s.     Nordisches 

Recht, 
ludicium  inter  Martianum  et  Aven- 

tinum  121. 
Julian  von  Toledo  67. 
Justinger,  Konrad  758. 

K. 

Kaiserchronik  781. 

Kaiserrecht,  kleines  760. 

Kaisersage  375.  692. 

Kaiserslauterer  Burglehen  390. 

Kaiser-  und  Königsurkunden  6.  379. 
387  ff.  748.  765.  768  ff.  —  Karo- 
linger 6.  387  f.  424.  701.  753. 
768  ff.  778;  Berengar  I.  770; 
Otto  I.  125.  198.  391.  765.  770; 
Otto    II.    391.    770 f.:     Otto    III. 

379.  388.  391.  749;  Heinrich  II. 
6.  387  f.  681.  768;  Konrad  II.  198. 

380.  388;  Heinrich  III.  198.  210. 
388.  726  f. ;  Heinrich  IV.  174  f. 
379.  388;  Heinrich  V.  174.  760. 
771;  Lothar  III.  125  f.  207  ff. ; 
Konrad III.  136 f.  380;  Friedrichl. 
125.  127.  137  f.  141.  144  ff.  149  f. 
160  ff.  173  ff.  196  ff.  208.  210  f. 
213  f.  380.  383.  388 ;  Heinrich  VI. 

128.  Ulf.  153  ff.  160  f.  169  ff. 
181  f.  200  ff.  208.  210  ff.  217  f. 
223  f.  227  (vgl.  786).  379.  389. 
765.  781;  Constanze  129.  135  f. 
153  f.  156  f.  224  ff.  765.  771; 
Otto  IV.  201  ff.  212;  Friedrich  II. 

129.  135  ff.  144.  153.  157  f.  172  f. 
1771".  181  ff.  186  f.  189.  191  f.  196. 
200  f.  204.  210  ff.  215.  220.  222. 
383.  389.  765  f.;  Heinrich  (VII.) 
771;  KomadIV.  216.  771;  Ru- 
dolf! 748.  771;  Adolf  v.  N.  379; 
Albrecht  I.  379;  Heinrich  VII. 
141.  379;  Ludwig  IV.  379.  677; 
Karl  IV.  208.  379.  388.  770  f.; 
Wenzel  379 f.;  Ruprecht  379.  772; 
Sigmund  380.  772;  Albrecht  II. 
383;  Friedrich  IIl.  379  f.  784; 
Maximilian  I.  378.  —  S.  Epistolae, 
Regesten. 

Kaisheim,  Gründuugsnotiz  701. 


Kantzow,  Thomas  877. 

Kanzleiwesen  389. 

Karl  IV.    s.    Moralitates,    Vita  Ka- 

roli  IV. 
Karlssage  375. 

Kärnthen,  Greschichtsquellen  777. 
Keltische  Handschriften  397. 
Keza  755. 

Kirchenväter  381.  747.  763. 
Kladrau,  Gebetsverbrüderungen  395. 
Koblenz,  städt.  Akten  379. 
Köln,   städt.  Akten  379;    Urkunden 

der  Erzbischöfe  772  f. 
Königshofen,  Jacob  Twinger  von  771. 
Konrad   von  Diessen,   Erwerbungen 

686. 
Konrad  Rozzo  690. 
Konrad  von  Ranshoven  690. 
Konrad  von  Scheyern  676. 
Konrad  von  Soltau  747. 
Konstanz,     bischöfl.     Steuer    (1379) 

774;  Statuten  u.Verträge  des  Dom- 

capitels  382;   Frieden  (1183)  378; 

Konzil  376 ;  Rathslisten  379 ;  Wahl- 

capitulationen  der  Bischöfe  382. 
Korner,  Hermann  757. 
Kraiu,  Laudhandfesten  378. 
Krautheim,  Rechtsquellen  379. 
Kremsmünster,    Geschichtsquellen 

376.  683  f. 
Kreuzzüge  519  ff.  748. 
Külsheim,  Rechtsquellen  379. 

L.. 

Landenberger  Regesten  und  Ur- 
kunden 776. 

Landshut,  Gründungsnotiz  701. 

Lauda,  Rechtsquellen  378. 

Lectionaria  396.  747. 

Legenda  de  origine  ordinis  servorum 
375 ;  s.  Vitae. 

Legendare ,  Oesterreichisches  und 
Wiüdberger  750. 

Leges  3.  5.  19.  377  f.  759  ff.  — 
Alarnannorum  109.  377  f.  644. 
656;  Angliorum  et  Werinorum  = 
Thuringorum  ;  Anglo  -  Saxonicae 
759 ;  Baiuariorum  5.  59  f.  76  ff. 
109.  113.  603.  606  f.  609  f.  614. 
644.  656;  Burgundionum  19  f.  70  f. 
76.  105.  586.  593.  597.  599  ff.  607. 
610.  612.  626.  759;  Chamavorum 
649 ;  Frisionum  654 ;  Langobar- 
dorum  19.  35.  634.  759,  s.  Edictus 
Rothari ;  Ribuaria  100.  645.  652  f. 


794 


Register. 


657  ff. ;  Romana  Burgundionum 
601.  608  f.  612.  621.  626;  Romana 
Raetica  Curiensis  615;  Romana 
Visigothorum  20.  24.  38.  69  ff. 
341  f.  349.  352.  574  ff.;  Salica 
100.  377.  591.  594.  615.  759;  Sa- 
xonum  631  ff. ;  Thuringorum  (An- 
gliorum  et  Werinorum)  598.  644  f. 
647.  649.  656.  658;  Visigothorum 
5.  19  ff.  32  ff.  39  ff.  571  ff.  759.  - 
S.  Capitularia,  Constitutiones ; 
Deutsches,  Nordisches,  Römisches 
Recht. 

Leidrat  von  Lj'^on  393. 

Leo  III.  474.  476.  478. 

Leo  frater  374.  755. 

Leo  Narbonensis  119  f. 

Leo  von  Vercelli  s.  Rhythmen  auf 
Otto  II. 

Leopold  II.  von  Oesterreich,  Itinerar 
390. 

Leopold  (Lesemeister),  Epistel  auf 
Albrecht  III.  von  Oesterreich  377. 

Leopolder,  Stephan  673.  690  f.  708. 

Leubus,  Stiftungsbrief  (1175)  390. 

Libelli  de  lite  3  f. 

Liber  de  unitate  eccl.  conserv.  372 ; 
historiae  Francorum  420.  560  f. 
564;  pontificahs  372.  745.  784; 
pontificalis  Eichstetensis  395  ;  scin- 
tillarum  747. 

Libri,    Handschriftendiebstähle   748. 

Lieder,  deutsche  5.  779  ff. ;  lateini- 
sche s.  Carmina. 

Lindeul)erg,  Peter  746. 

Lombardei,  Geschichtsquellen  369. 

Lombardenbund  378.  388. 

Lorch,  Fälschungen  s.  Passau. 

Lothringen,  Regesten  und  Urkunden 
770.  775. 

Lübeck,  Chronik  (—  1276)  757; 
Stadeschronik  757;  Zollordnung 
761. 

Lucas  Tudensis  574. 

Ludwig  IV. ,  Klostergründungen 
676  ff. ;  Streit  mit  der  Curie  376. 
385.  767;  Wunder  680. 

Ludwigslied  779. 

Lupoid  von  Bebenburg  376. 

Lupoid  von  Hals,  Notiz  über  den 
Tod  695. 

Lupus  von  Ferneres  394. 

Lützel,  Mss.  369. 

Luzzara,  Urkunden  779. 

Lyon ,  Generalcapitel  der  Franzis- 
kaner 773. 


Magdeburg,    Silberschatz    der    Erz- 
bischöfe 396. 
Mailand,  Katalog  der  Codici  Morbio 

369;  Stadtbeschreibung  756. 
Mähren,    Codex   diplomaticus   777  f. 
Mallersdorf,  Gründungsnotiz  701. 
Maragoue,  Bernardo  373. 
Marbach,  Mss.  369. 
Margarethenzell  s.  Baierischzell. 
Maria -Laach,    Schriftsteller  und 

Handschriften  374. 
Marianus  Scotus  431. 
Märkerwesen  762. 
Marmoutier,  Kaiserurkunden  387. 
Martinus  Gallus  236. 
Martin  von  Troppau  742. 
Martyrologia    299.    323.    395.    748. 

750  f. ;  mart.  Hieronymianum  289  ff. 

294  ff.  328.  535  ff.  750  f.  -  S.  die 

betr.  Verfasser. 
INIatthaeus  de  Libris  532. 
Matthaeus  Paris  755. 
Maursmünster,  Mss.  369. 
Meginhard  von  Fulda  434. 
Meinrad  von  S.  Gallen  758. 
Meissen,  Urkunden  der  Markgrafen 

777. 
Melk,  Gabbrief  des  Markgrafen  Ernst 

390;  Seelbuch  777. 
Menzenschwand,  Archivalien  771. 
Mergentheim,  Rechtsquellen  378. 
Messelhausen,    freiherrl.   ZobeFsches 

Archiv  391. 
Methodius  von  Patara  782. 
Metten,  Gründungsgeschichte  695. 
Metz,    Urkunden  für  S.  Arnulf  424. 
Miltenberg,  Rechtsquellen  379. 
Miniaturen  397.  748. 
Minorita  Erphesfurtensis  4. 
Minoriten     s.    Chronik     der    Ofener 

Min.,  Franziskaner. 
Miracula  680.  748.  750.  757. 
MöUenbeck,  Necrolog  784. 
Montecassiuo,  ältester  Bücherkatalog 

394. 
Monumenta  Erphesfurtensia  4;  Wel- 

tenburgensia  684. 
Moralitates  Karoli   quarti  imp.  782. 
Moratinus  s.  lacobus  Mor. 
Mörmter,  Herren  von  774. 
Muglen  755. 
München ,    Notiz    über    Teilung    in 

zwei  Pfarrsprengel  698. 
Münster  i.  E.,  Mss.  369. 


Register. 


795 


Murbach,  Mss.  369. 
Murteu,  Schlaclit  bei  758. 
Musikalisches  783. 

Nancy,  Bericht  über  die  Schlacht 
758. 

Narbonne,  Generalcapitel  der  Fran- 
ziskaner 773. 

Keckarsteinach,    Rechtsquellen   379. 

Necrologia,  ßairische  7 ;  Burtscheid 
783 ;  Casalmonferrato  394  ;  Cuissy 
757;  Floreffe  757;  Melk  777; 
Möllenbeck  784 ;  Novalese  779 ; 
S.  Gallen -Reichenau  395;  Turin 
779;  Xanten  7. 

Nennius  721  ff. 

Neuburg,  Mss.  369. 

Nicolaus  de  Carbio  755. 

Nicolaus  de  Cecilia  747. 

Nicolaus  de  Cusa  382. 

Nicolaus  Magni  de  lawor  376. 

Niederaltaich,  Geschichte  692;  Notiz 
über  Gründung  685;  Traditions- 
notizen 693 ;  s.  Altaich. 

Niederlahnstein,    Märkerwesen    762. 

Niederviehbach,Nachricht  über  Grün- 
dung und  Vergrösserung  702. 

Noirmoutier,  Urkunden  769. 

Nonantola,  Bücherkatalog  784 ;  Ur- 
kunden 755. 

Nonnberg,  Urkunden  778. 

Nordisches  Recht  (Isländisches,  Nor- 
wegisches ,  Schwedisches  Recht) 
578.  598.  610.  618.  759. 

Notae  Cracoviens.  243  f.;  s.  Emme- 
rammi  700 ;  Fürstenfeldens.  686 ; 
Ratisponens.  (nionasterii  superioris) 
700  f.  —  8.  Franziskaner,  Wittels- 
bacher. 

Notitia  Arnonis  389 ;  notitiae  Salz- 
burgens, brev.  389. 

Notker  Balbulus  299.  -306. 

Novalese,  Geschichtsquellen  779. 

Novara,  Diptycha  749. 

O. 

Oberaltaich,  Geschichte  697;    s.  Al- 
taich. 
Obernburg,  Rechtsquellen  379. 
Obligation  der  Praelaten  385. 
Odo  von  Cluny  783. 
Odo  von  Glanfeuil  569. 
Officium  de  s.  Bertulfo  384. 


Oschersleben,  Stadtbuch  381. 

Osnabrück,  Uß.  392. 

Osterhof'en,  Annalistische  Notizen 
und  Gründungsgeschichte  695. 

Österreich,  Bund  mit  England  (1480) 
747;  Geschichtsquellen  377;  Le- 
gendär 750. 

Otfried  779. 

Otto  von  Freising  368. 

P. 

Pactus  Alamannorum  378. 

Padua,  Generalcapitel  der  Franzis- 
kaner 773. 

Pairis,  Mss.  369. 

Palaeograf)hisches  394.  396.  779. 
784  fi". 

Palliumsurkunden  766. 

Papstbriefe  und  -Urkunden  7.  383  tf. 
524  fr.  745.  765  ö:  778.  —  BonifazI. 
384;  Gelasius  I.  616;  Gregor  I. 
6.  328 ;  Stephan  II.  493  ;  Paul  I. 
469 ;  Hadrian  I.  472.  493 ;  Leo  III. 
745;  Leo  IV.,  Benedikt  III.  766. 
770 ;  Hadrian  II.  384 ;  Leo  VII. 
451 ;  Silvester  IL,  Benedict  IX., 
Leo  IX.  709  f.  766 ;  Alexander  II. 
384 ;  Paschal  II.  383.  766 ;  Calixt 
II.  385.  676.  760;  Honorius  II. 
097.  749.  754.  767;  Innocenz  IL 
126.  136  f.    359.  749;    Eugen  III. 

358  ff. ;  Alexander  III.  137.  180  f. 

359  f.  385 ;  Coelestin  III.  383 ; 
Innocenz  III.  —  Innocenz  IV.  507  f. 
511.  513  ff.  525  S.  530.  749. 
777 ;  Alexander  IV.,  Urban  IV. 
178  f.  384.  392.  517  f.  520  f.  529. 
777 ;  Gregor  X.,  Martin  IV.,  Ni- 
kolaus LV;  Bonifaz  VIII.  384.  520. 
529  ff. ;  Johann  XXII.  384.  392. 
767;  Clemens  VI.  —  Urban  VI. 
385  f.  391(?).  702.  767  f.  786;  Jo- 
hann XXlil.  384;  Martin  V.  3«9  ; 
Eugen  IV.  386;  Pius  IL  184; 
Innocenz  Vni.  771;  Alexander  VI. 
768.  —  S.  Registerbücher. 

Papstkataloge  372.  692.  704  ff.  709. 

Päpstl.  Finanzwesen  386;  Poeniten- 
tiaria  386;  Secretariat  384.  768; 
Suppliken  389. 532. 784;  Urkundeu- 
wesen  384.  766  f.  —  S.  Gesta 
pont.  Rom. 

Paris,  Generalcapitel  der  Franzis- 
kaner 773. 


796 


Register. 


Passau,  Fälschunofen  559.  769;  S. 
Nikolaus  (Errichtung  und  Privi- 
legien) 695. 

Passio  Adalberti  372 ;  Afrae  289  ff. 
750  f. ;  Floriani  535  ff. ;  Gorgonii 
372 ;  Irenaei  ep.  Sirm.  552  f.  558  ; 
dorn,  papae  393. 

Passionarium  malus  Sangall.  555.  561. 

Paulinus  von  Aquileia  472.  47-i. 

Paulus  diaconus  9.  394. 

Peilstein,  Lehenskatalog  771. 

Petrocinus  von  Ravenna,  Inventar 
seiner  Bibliothek  369. 

Petrus ,  päpstl.  Bibliothekar  und 
Kanzler  766. 

Petrus  Cantor  Parisiens.(Remens.)  782. 

Petrus  Damiani  729.  733. 

Petrus  de  Herentals  757. 

Petrus  Lombardus  382. 

Petrus  Ravennatis  s.  Pietro  Rav. 

Petrus  von  Riga  785. 

Petrus  de  Tuderto  375. 

Petrus  de  Vinea  531. 

Philipp  II.  August,  Regesten  776. 

Philippe  de  Beaumanoir  762. 

Phillipps,  Sir  Thomas,  catalogue  of 
mss.  746  ff.  773. 

Piemont,  Bischofslisten  und  Diöcesan- 
grenzen  748  f. 

Pietro  Ravennate  736  ff. 

Pisa,  Generalcapitel  der  Franziskaner 
773;    Konzil  383. 

Placita  6. 

Plinius,  mal.  Excerpte  370. 

Poetae  latini  8.  393.  395 ;  s.  Carmina. 

Poeta  Saxo  (Gesta  Karoli)  649.  752  f. 

Polen,    Geschichtschreibung    231  ff. 

Polidoro,  Fälschungen  180  ff. 

Fölling,  Gründungsgeschichte  681  ff. 

Prag,  Rechtsbuch  761. 

Prämoustratenserklöster,  Gründungs- 
jahre 681. 

Prophetiae  692.  709.  782  f. ;  s.  Sibylle. 

Prosper  11. 

Protonotar  in  Frankreich  389. 

Prüm,  Lectionar  396. 

Pseudoisidor  381. 

Pseudomethodius  782. 

R. 

Rainei  von  Lüttich  785. 

Rainer  von  Siena  385. 

Rangk,    Sebastian    673.    704.  708  ff. 

Rasso  von  Andechs  686. 

Rechnuno^en,  Werden  396. 


Reformation,  Maximilians  783 ;  Sig- 
munds 758.  783. 

Regensburg ,  geschichtl.  Aufzeich- 
nungen 697. 

Regesten:  Aurolzmünster  776; 
Blassenberg  392;  Breidenborn  390 ; 
Constanze  (Kaiserin)  224  ff. ;  Cre- 
mona  779;  Hermann  von  Landen- 
berg 776;  Lothar  III.  763;  Loth- 
ringen 775;  Philipp  IL  August 
776;  Rudolf  I.  775;  Saarburg 
390  f.;  Sigmund  392;  Stadthagen 
776  ;  Staufer  123  ff. ;  Suger  von 
S.  Denis  776;  Tirol  776;  Trient 
776;  Wien  778. 

Regino  4.  401.  417  f.  420.  424.  428. 
434  f.  437  f.  446.  451.  455  f.  463; 
s.  Continuat.  Reginonis. 

Registerbücher  der  Notare  von  Ge- 
nua 775;  der  Päpste  7.  384  ff.  768. 
777;  Gregorii  I.  6.  349. 

Regula  s.  Benedicti  394;  Magistri 
394. 

Reichenau,  Beziehungen  zur  Schule 
von  Tours  370 ;  Confraternitäts- 
verzeichnis  779 ;    Xecrolog  395. 

Reichsinsignien  389. 

Reitenbuch ,  Gründungsgeschichte 
6b0  f. 

Relationsvermerk  in  der  franz.Kanzlei 
389. 

Remigius  von  Reims,  Testament  570. 

Rheinprovinz,  Archive  370. 

Rhythmen ,  an  Heinrich  III.  393 ; 
auf  Otto  II.  729.  —  S.  Versus. 

Ricardus  de  Pofis  505.  523.  525. 

Ricobald  von  Ferrara  739  f. 

Riculf  752. 

Rigord  776. 

Robert  de  Clary  755. 

RocznikKrasinskich(Dominikanskich 
Krakowskich)  237;  Kujawski  237; 
Wielkopolski  236  ff.  247.  —  S. 
Annales. 

Roderich  von  Toledo  756. 

Rodulf  Glaber  754. 

Rom  s.  Colonna,  Evano-eliar. 

Römisches  Recht  18  ff.  30  ff.  59  f. 
71  ff.  341  ff.  349  ff  573.  579  ff. 
744.  759. 

Rudolf  I.,  Plan  eines  Erbreichs  773  f. 

Rudolf  I.,  Kurf.  v.  d.  Pfalz  und  Hzg. 
V.  Oberbayern,  genealogische  Auf- 
schreibungen 676. 

Rudolf  von  Fulda  434. 

Rudolf  von  Fölling  708. 


Register. 


797 


Saar,  Geschichtschreibung  756. 

Saarburg,  Process  über  die  Reichs- 
unmittelbarkeit  390. 

Sachsen,  Cod.  dipl.  777. 

Sachsenspiegel  599.  760. 

Salvianus  9. 

Salzer  Frieden  (803)  753. 

Salzburg,  historische  Stücke  704; 
Urkunden  774;  ÜB.  389. 

Samland,  ÜB.  392. 

S.  Bertin,  Urkunden  392. 

S.  Denis,  Besitzstandsverzeichnis  776. 

S.  Fides  s.  Schlettstadt. 

S.  Gallen,  Necrolog  395. 

S.  Trond,  Abtswahl  382. 

S.  Vanne  s.  Verdun. 

S.  Veit,  Gründungsgeschichte  701. 

S.  Wandrille,  Heiligenleben  750. 

Satire  auf  die  Geldforderungen  an  der 
römischen  Curie  522  £f.;  s.  Versus. 

Schäftlarn,    hist.   Aufzeichnung  701. 

Schäsberg.  Archiv  d.  Grafen  748. 

Schlehdorf,  Gründungsnotiz  677. 

Schlettstadt,  Mss.  von  S.  Fides  369. 

Schluchsee,  Archivalien  771. 

Schööen,  Trier  381. 

Schwabenspiegel  599. 

Schwedisches  Recht  s.  Nordisches 
Recht. 

Scriptores  latini  varii  3 f.  370  ff.  749  ff.; 
rerura  Merovingicarum  4.  744.  752. 

Seemannshausen ,  Gründungsnotiz 
702. 

Seligenthal ,  Xotiz  über  Begräbnis 
der  Gründerin  701. 

Sempach,  Notiz  über  die  Schlacht 
686. 

Series  ducum  Bavariae  701. 

Sermones  747  f. 

Serviten  374  f. 

Servitia  miuuta  385. 

Sibylle,  Tiburtinische  782. 

Sicilien,  Briefe  saec.  XIII.  7 ;  Stil- 
übung betr.  d.  sicil.  Vesper  531 : 
s.  Habsburger. 

Sidonius  Apollinaris  9.  119  f.  560. 
561-,  568  f. 

Sigebert  von  Gembloux  785. 

Sigmar  von  Kremsmünster  376. 

Sigmund,  Regesten  392.  —  S.  Re- 
formation,   Reichsinsignien,  Visio. 

Sinsheim,  Rechtsquellen  379. 

Smaragdus  394. 


Sofia  von  Pratovecchio  und  Rosano 
774. 

Speculum  perfectionis  374.  755. 

Sprüche,  deutsche  5;  lateinische  870. 
762. 

Stadtbücher,  Stadtrechte,  Stadtver- 
fassung: Baden  und  Elsass  (Ober- 
rheinische Stadtrechte-)  378  f.  761; 
Habsburgische  Städte  379.  — 
Amam  762;  Arau  380;  Brescia  .381 ; 
Freiburg  i.  B.  380;  Görlitz  381; 
Hagenau  380;  Koblenz  379;  Köln 
379;  Lübeck  761;  Oscherslebeu 
381;  Prag  761;  Steenbergen  381; 
Strassburg  761.  777;  Trani  .381; 
Worms  378. 

Städtebünde,  Wetterauer  380. 

Stadthagen,  Regesten  776. 

Statuta  "Bonifatii  462. 

Steenbergen,  Rechtsquellen  381. 

Stefaneschi,  Cajetan  750. 

Steingaden ,  Gründungsgeschichte 
681;  Urkunden  708. 

Stettfeld,  Archivalien  771. 

Steuerverzeichnis,  städtisches  aus  der 
Zeit  Friedrichs  IL  6.  378.  760. 

Strassburg,  Generalcapitel  der  Fran- 
ziskaner 773;  Stadtrecht  761;  ÜB. 
776  f. ;  städt.  Urkunden  777. 

Suger  von  S.  Denis,  Itinerar  776. 

Symmachus,  Q.  Aurelius  9. 

Synodi  Karolingicae   5.   457  ff.  745 ; 
Visigothicae  15  ff.  46  ff.  605.  613  ff. 
747.  —  Aachen  (802)  633.    6481". 
670,  (817)  299,  (836)  762,  s.  Syn. 
Karol. ;  Basel  386 ;  Konstanz  376  ; 
Langobardische  (unbek.)  394;  Pisa 
383  ;  Rom  (743)  381,  s.  Syn.  Kar. 
Toledo   (694)    312,    s.  Syn.  Visig. 
Tours    (567)  81.    87;    Turin  749 
Vienne  767. 


T. 

Tartarennot,  Ptundschreiben  der  Car- 

dinäle  (1261)  517  ff. 
Tassilo,    Gründung  von  Fölling  und 

Ende    681  ff.;    Privatio    Tassilonis 

684. 
Tauberbischofsheim ,     Rechtsquellen 

379. 
Taxatio  ecclesiarum  orbis  747. 
Tegernsee,  Gründungsgeschichte  675. 

704. 
Testamente,  westgothische  26  ff.  88. 

114  ff. ;   s.  Remigius. 


798 


Register. 


Textus  Roffensis  759.  ! 

Thann,  hist.  Nachrichten  774. 

Theodulf  von  Orleans  462. 

Thierricus  Vallicolor  375. 

Tholomeo  von  Lucca  747. 

Thomas  von  Capua  525.  532. 

Thompson,  Henry  Yates,  catalogue 
of  mss.  748. 

Thüringen,  Urkunden  der  Landgrafen 
777. 

Tirol,  Regesten  zur  Kunstgeschichte 
776;  Urkunden  774. 

Tolosanus  741. 

Toscana,  Verwaltung  unter  Friedrich 
I.  und  Heinrich  VI.  774  f. 

Tours,  Schule  von  370. 

Trani,  Stadtrecht  881. 

Trient,  Regesten  776. 

Trier,  Handschriften  von  S.  Sinieon 
und  Ordnung  für  die  Beamten 
des  Domcapitels  396;  Schöffen- 
gericht 381. 

Tschudi,    Urkundenfälschungen  768. 

r. 

Ungarn ,  Geschichtsquellen  755 ;  s. 
Habsburger. 

Universalhistoriker  368. 

Unterrichtswesen  3S2. 

Urban  V.,  Acten  757  ;  Rückkehr  nach 
Rom  386. 

Urkunden  375.  378  f.  384.  388  ft'. 
395.  466  ff.  708.  748.  755.  772  ff. 
778  f.  784;  fränkische  28.  112  f.; 
normannische  383.  765.  771  f. ; 
römische  19  f.  31;  westgothische 
13  ff.  —  saec.  VII.  Ansoald  von 
Poitiers  769 ;  Chlodoveus  II.  321.  — 
saec.  VIII.  Chrodegang  von  INIetz 
468;  Tassilo  von  Bayern  470.  — 
saec.  IX.  770;  Agobard  von  Lyon 
489 ;  Alberich  von  Laugres  488 ; 
Aldrich  von  Le  Mans491;  Aldrich 
von  Sens  494;  Angilbert  von  Mai- 
land 492;  Ebo  von  Rlieims  489; 
Erispoi  von  der  Bretagne  770; 
Folcuin  von  Terouanne  495;  Fro- 
thar  von  Toul  491;  Geilo  von 
Langres  769;  Theoderich  von 
Chie'ti  491.  —  saec.  X.  389.  391; 
Adalbertl.  von  Italien  770;  Rudolf 
von  Frankreich  387.  —  saec.  XL 
391.  676.  772;  Adaiger  von  Worms 
725  ff. ;  Ernst  von  Oesterreich  390 ; 
Roger  von    Sicilien  383.   772.  — 


saec.  XII.  210.  219.  388.  390  f. 
697.  701.  762.  771  ff.  775  ff.;  Bar- 
tolomeo  von  Luce  128  f. ;  ßurchard 
von  Asuel  142  f. ;  Christian  von 
Mainz  130  ff.  146  ff.  194;  Dipold 
von  Acerra  135  f. ;  Embricho  von 
AVürzburg  773;  Roger  von  Sicilien 
383;  Tancred  von  Sicilien  383; 
Wilhelm  IL  von  Sicilien  771.  — 
saec.  XIII.  205.  390  ff.  466  ff.  692. 
738.  771  ff.  777  f.;  Heinrich  von 
Utrecht  396 ;  Leopold  IL  von 
Osterreich  390 ;  Liutpold  von 
Worms  135 ;  Manfred  Lancia  190  f.; 
Manfred  von  Sicilien  135  f.  178  ff. 
186  ff.  212.  766 ;  Pandulf  von  Fa- 
sanella 152;  Percival  d'Oria  206.  — 
saec.  XIV.  210.  378.  380.  390  ff. 
396.  525.  697.  747.  774.  776  ff. ; 
Albrecht  und  Lupoid  von  Oester- 
reich 771;  Johann  II.  von  Frank- 
reich 772 ;  Karl  IL  von  Neapel 
179.  —  saec.  XV.  382.  390  f.  396. 
529.  747.  762.  772.  774.  776  ff. ; 
Alfons  I.  von  Neapel  201;  Ernst 
von  Magdeburg  396  ;  Ferdinand  I. 
von  Neapel  184;  Ladislaus  von 
Neapel  136 ;  Ludwig  III.  von  An- 
jou  (Hzg.  von  Calabrien)  135  f. ; 
Paulus  von  Reggio  201  ;  Peter 
von  Hagenbach  774.  —  S.  Kaiser- 
urkunden, Papsturkunden,  Placita. 

CJrkundenbücher:      Affligliem     392; 
Angers  754;  Arras  778;  Bordeaux 
778;  Chälons  s.  M.  778;  Cremoua 
779;    Engelberg  778;    Gurk  777 
li  agenau    391;      Heylissem    392 
Mähren    777  f.;     Nonnberg    778 
Novalese    779;     Osnabrück    392 
Sachsen  777  ;  Salzburg  389 ;  Sam 
land  392;    S.  ßertin  392;    Strass- 
burg   776  f.;    Wien    778;     Zürich 
777. 

Usuard  299. 

Utrecht,  Gilden  380. 

V. 

'Vadian  758. 

Venantius  Fortunatus  9. 

Venedig,  Vertrag  mit  Verona  (1107) 
762. 

Vercelli,  Kaiserurkunden  und  Notitia 
387  f. ;  Weihe  von  S.  Maria  Mag- 
giore  und  Zeugenaussagen  über  d. 
kaiserl.  Bischöfe  während  des  In- 
vestiturstreits 749. 


Register. 


799 


Verdun,    Bibliothekskatalog   von  S. 

Vanne  369. 
Verona,  Urkunden  784 ;  Verträge  762. 
Versus  393  f.  523.  586.  728  f.  747  f. 
767  ;  de  Roma  781.  —  S,  Günther 
der  Eremit. 
Victor  Vitensis  9. 

Vienne,  Greschichtsquellen  751 ;  Kon- 
zil 767. 
Vignier,  Urkundenfälschung  770. 
Vilich,  Archivalien  370. 
Villers-en-Brabant,  Weihe  der  Altäre 

395. 
Vincenz  von  Beauvais  696.  749. 
Visconti,  Urkunden  771  f. 
Visio  783. 

Vitae  paparum  755 ;  sanctorum  748  f. 
751.  —  Adiutoris  763;  Adalberti 
372;    Afrae   289  ff.;   Albani  746; 
Alexandri  regis  236.  746;  Aniani 
560  f.  564 f.  569  f.;  Annonis  781; 
Ansberti     750 ;     Arbogasti     751 ; 
Aridii  570 ;  Aureliae  698 ;  Aurelii 
750;     Bonifatii    747;     Bridgettae 
747;  Cassiani  747,  Coelestini  V.  = 
Petri  de  Murrone;   Condedi  750; 
Dagoberti  III.  423 ;  Dionysii  s.  Hil- 
duin;    Eldradi    779;    Elyzabethae 
reg.  747;   Epiphanii   s.  Ennodius ; 
Eremberti     750;     Florentii     553; 
Francisci  s.  Speculum  perfectionis ; 
Galli  779;  Gallicani  748;  Gangolfi 
748;  Germani  Autissiodorens.  566; 
Goaris     748;     Guidonis     Aquens. 
749;    Hathumodae   753;    Heinrici 
imp.    676.    747;     Heriberti    781; 
Innocentii    IV.     755;     Karoli     s. 
Einhart;   Karoli  IV.   782;   Kune- 
gundis  imper.  747  ;  Lantberti  750 ; 
Leonis  IV.  372 ;  Leonis  IX.  373 ; 
Liudgeri  663 ;  Lupi  Trecens.  559  ff. ; 
Martialis  Lemovicens.  751 ;  JMauri 
ab.  Glannafolii  569;  Memorii  560  ff. 
569  f. ;     Methodii    384 ;     Odilonis 
733;    Ottonis    Bambergens.    746; 
Pantaleonis  748;  Petri  de  Murrone 
750;    Pirminii  748;    Quirini   675; 
Rosae   de  Viterbio    748;   Servatii 
560  f. ;   Severini   4.   9.   11  f.   368. 
555.  567 ;  Sigiramni  542  f. ;  Sigis- 
mundi    reg     748;    Solemnis   371; 
Stanislai  236 ;  Stephani  382 ;  Syagrii 
314 ;   Urbani  IV.  375 ;  Urbani  V. 
757 ;  Wandregisili  750 ;  Wulframni 
750.—  S.  Genealogia,  Gesta,  Passio. 
Volz,  Paul  759. 

Neues  Archiv  etc.     XXIV. 


w. 

Walldürn,  Rechtsquellen  379. 
Walram  von  Naumburg  372. 
Waltharius  8.  781. 
Walther  VI.  von  Brienne  385. 
Walther  von  Speyer  8. 
Walther  s.  Gualtherus. 
Weichard  v.  Polheim  s.  Contin. 
Weihenotizen  895. 748f.  757. 777.784. 
Weinhart,  Simon  711. 
Weinheim,  Rechtsquellen  379. 
Weissenburg,  Handschriften  und  Tra- 
ditionsbuch 779. 
Wels,  Urkunde  773. 
Weltchronik,  schwäbische  428  ff.  439. 

441.  443. 
Werden,    Heberegister    und    Rech- 
nungen 396. 
Wessobrunn ,     Gründungsgeschichte 

685. 
Wetterau,  Städtebünde  380. 
Wetzlar  s.  Frankfurt. 
Weyarn,  Gründungsnotiz  692. 
Wien,  Geschichtsquellen  778. 
Wiesbaden  im  Steuerverzeichnis  aus 

der  Zeit  Friedrichs  II.  760. 
Wigand  von  Marburg  236. 
Wilhelm  von  Jülich,  Treueid  (1332) 

767. 
Williram  von  Ebersberg  750. 
Windberg,  Gründungsnotiz  697  ;  Le- 
gendär 750. 
Windeck,  Eberhart  376. 
Wipert,  Einsiedler  s.  Günther. 
Wipo  754. 
Witteisbacher,  genealogische  Notizen 

702. 
Woffsleben,  Weihenotiz  784. 
Wolff-Metternich,  Archiv  d.  Grafen 

370. 
Wolfgang   von   Baiern,    Notiz   über 

den  Tod  710. 
Wolfhard  von  Herrieden  750. 
Wolfram,  Mönch  874. 
Worms,  Concordat  760 ;  Fischmarkts- 
ordnung 378. 
Wulfhad  381. 

Z. 

Zobel,  Archiv  d.  Freiherrn  391. 
Zollordnung,  Lübeck  761. 
Zülpich,  Archiv  370. 
Zünfte:  Greifswald  .380;  Unteritalien 

183;  Utrecht  380;  Worms  378. 
Zürich,  ÜB.  777. 

51 


Hannover. 
Druck  von  Friedrich  Culemann. 


DD       Gesellschaft  für  lUtere 
2        Deutsche  Geschichtskunde  zur 
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Bd,24.     tausgabe  der  Quellenschriften 

Deutscher  Geschichten  des 

Mittelalters 
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