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Full text of "Neues archiv für sächsische geschichte und altertumskunde .."

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Neues Archiv 

fur 

S^chsische Geschichte 

und 

Alterthumskunde. 

Bucherei 

der Krets- u. Amtsh. Dra^n. 

Herausgegeben 

Dr. Hubert Erinisch, 

K. Archivrath. 



Achter Band. 




Dresden 1887. 
Wilhelm Baensch Verlagshandlung. 

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EXCH. 
SACHSISCHE LANDE::BI9LI0THEK 

DEC 16 1936 



Inhalt 



S«ite 

L Die Anfenge des sachsischen Schulwesens. Von Ober- 
lehrer Dr. Johannes Mtlller in Waldenburg i. S. . . . 1 
v/ n. Von Passau bis Sieyershausen 1552 — 1553. Von Ober- 

lehrer Dr. S. Issleib in Bantzen . * 41 

III. Urkunden liber den Streit der Rechtsgelehrten mit den 
Laien im Sch5ppenstuhle zu Leipzig 1574. Eingeleitet 
und herausgegeben von Archivrath Dr. Theodor Distel in 
Dresden 104 

IV. Archivalische BeitrSge zur Reformationsgeschichte der 
Stadt Freiberg (1525—1528). Vom Heransgeber ... 129 

V. Kleiner e Mittheilnngen 138 

1. Handschriftliches zur Genealogie der Wettiner. Von 
Prof. Dr. L. Weiland in GSttingen. S. 138. — 2. Zur 
Geschichte der Freistellen bei der Landesschule zu 
Meissen. Vom Prftsidenten der Oberrechnungskammer 
B. von Schttnberg in Dresden. S. 142. — 3. Das 
Altarbild in der Sakristei der Stadtkirche zu Torgau. 
Von Curt Jacob in Torgau. S. 146. — 4. Kunst- 
geschichtliche Notizen. Von Archivrath Dr. Distel 
in Dresden. 8. 148. — 6. Die Einfuhrung der berg- 
mfi-nnischen Schiessarbeit durcb Pulver in Sachsen. 
Von Oberlehrer Dr. Heydenreich, Dozent an der 
kOnigl. Bergakademie zu Freiberg. 8. 161. 

Liiteratur 164 

*/ VI. Eine politische Denkschrift des kurfurstlich sachsischen 
Geheimen Rathes Abraham von Sebottendorf filr Johann 
Georg I. vom Jahre 1639. Eingeleitet uud herausgegeben 

von Professor Dr. J. 0. Opel in Halle 177 

Vn. Die Anfange des sftchsischen Schulwesens. Von Ober- 
lehrer Dr. Job. Mttller in Waldenburg i. S. (Schluss) . . 243 
Vin. Die Anfttnge des deutschen Schulwesens in Dresden (1539— 

1600). Von Oberlehrer Dr. Georg MuUer in Dresden . 272 
IX. Der kursachsische Hofmaler und Kupferstecher Heinrich 

GOding. Von Dr. K. Berling in Dresden 290 

Literatur 347 

Register 866 



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IV Inhalt 

Besprochene Schriften. 



Seite 

Bachmann, Briefe und Acten zur iJsterreich.-deutschen Geschichte 

(Ennisch) 154 

Distel, Der Leipziger Schoppenstuhl (Knothe) 168 

Ehses, Landgraf Philipp v. Hessen und Otto v. Pack (Kawerau) 156 
Fietz, Prinzenunterricht im 16. und 17. Jahrh. (G. Mtiller) . . 170 
Geering, Handel und Industrie der Stadt Basel (Hasse) . . .169 

Hallwich, Toplitz (Knothe) 162 

Hasse, Geschichte der Leipziger Messen (Schonherr) .... 166 
Hofmann, Die kirchl. Zustande der Stadt Pima vor der Ein- 

flihrung der Reformation (G. Mtiller) 847 

Knothe, Geschichte des Ober-Lausitzer Adels 11 (v. MtQverstedt) 849 

Lehmann, Aus alten Akten (Ermisch) 161 

Lobe, Die oberste Finanzkontrolle des KOnigreichs Sachsen 

(Hasse) 164 

Meltzer, Die Kreuzschule zu Dresden (G. Mtiller) 161 

Mitzschke, Des Paulus Jovius Chronik der Grafen von Orla- 

munde (Anemttller) 155 

Noack, Die Exception Sachsens von der Wahl Ferdinand I. 

(Kawerau) 848 

Wolfram, Chronik der Stadt Boma (Ermisch) 160 



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I. 



Die Anfange des sachsischen Schulwesens. 



Von 

Johannes MfiUer. 



Uber die altesten Schulen im Gebiete des heutigen 
Konigreichs Sachsen geben die Schriften, welche das 
friihere sachsische Schulwesen behandeln — von Fidler- 
Mencken (1701), Chr. E. Weisse (1796), Wittich (1857), 
Borott (1857), Kammel (N. Lausitzer Magazin 39. Bd. 
1862, vergl. (xesch. des deutschen Schulwesens 1882) — 
nur ganz unvoUstandige, ja nicht einmal genligend ver- 
blirgte Nachrichten. Sparlich genug ist freilich unsere 
KeDntnis iiber die altere Zeit; nur wenige Schulen 
Sachsens sind es, die mit Sicherheit ihre Geschichte bis 
in das 13. oder 14. Jahrhundert zurlickfuhren k5nnen, 
dartiber hinaus nur eine einzige. Ist ja doch ^auch vor 
dem Ende des 11. Jahrhunderts von einem regeren 
geistigen Leben, von einem Streben nach sittlichen Zielen 
innerhalb der Grenzen des jetzigen Konigreichs Sachsen, 
wo selbst das Heidenthum noch bis ins 12. Jahrhundert 
hinein seine Anhanger hatte, sehr wenig zu erkennen. 
Erst Ende des 11. Jahrhunderts, nachdem 100 Jahre seit 
der Griindung der drei Bisthlimer Meissen, Merseburg 
und Zeitz (968) vergangen waren, entstanden zur mittel- 
baren oder unmittelbaren Verbreitung des Christenthums 
und seiner Kultur Kloster, uud erst im 12. Jahrhunderte 
mehrte sich nachhaltig die Zahl der Kirchengriindungen 

Neues Archir f. 8. G. u. A. Vlll. 1. 2. ^ /^^^r^T^ 

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2 Johannes Mtiller: 

wie der festen Orte^)* So kann eine Enichtung von 
Schulen in grosserem Umfange vor dem 13. Jahrhundert 
kaum erwartet werden, und auch da wird man vorsichtig 
sein mlissen in dem Urtheil liber Zahl, Art und Bedeutung 
der Schulen. Haben sich ja selbst an den alten Bischofs- 
sitzen: Naumburg (wohin bekanntlich 1209 die Leitung 
des bisherigen Bisthums Zeitz verlegt worden ist) und 
Merseburg, die beide dem thiiringischen Kulturgebiete 
naher liegen, als das Bisthum Meissen, bis jetzt erst fur 
das Ende des 11., bez. den Anfang des 13. Jahrhunderts 
Schulen nachweisen lassen: in Naumburg flir das Jahr 1089 
ein Odelricus magister scolarum^) und in Merseburg fiir 
das Jahr 1166 ein Wicbertus scholasticus^). Im Nach- 
folgenden sei einmal versucht, auf Grund neuerer Forsch- 
ungen die ersten Jahrhunderte, die Urzeit des jetzt 
bltihenden sachsischen Schulwesens bis 1400 in 
kurzen Strichen zu beschreiben. Von einer Erwahnung 
und Widerlegung vorliegender unrichtiger Behauptungen 
sei dabei thunlichst Abstand genommen. 

Nur neun z ehn Ortschaften des jetzigen Konigreichs 
sind es nach dem gegenwartigen Stande der Forschung, 
in denen wir vom Ende des 12. bis zum Ende des 
14. Jahrhunderts Schulen antreffen. Sie liegen zerstreut 



1) Vergl. Oh. G. Lorenz, Die Stadt Grimma histor. beschrie- 
ben (Leipzig 1856—70) S. 1240 flg. 0. Posse, Die Markgrafen 
von Meissen etc. (Leipzig 1881) S. 288 flg. F. M. Tittmann, 
Geschichte Heinrichs des Erlauchten I (Dresden 1845), 810 flg. 

*) C. P. Lepsius, Gesch. d. Bischofe des Hochstifts Naum- 
burg (1846) S. 263. Femer erscheiat 1145 Heinricus magister 
scholarum in Naumburg (Lepsius S. 249), 1174 Ounradus magister 
scolarum (J. M. Schamelius, Kurze histor. Beschreibung von dem 
ehemaL Kloster zu St. Moritz vor Naumburg, ebenda 1729, S. 17), 
den 16. und 27. August 1223 Fridericus scolasticus zu N. (Chr. 
Schottgen und G. Kreysig, Diplomataria et scriptores historiae 
germanicae, Altenburgi 1755, S. 440 u. 439). ^ 

®) Chr. Schottgen, Historie Graf Wieprechts zu Groitzsch etc. 
und des Klosters zu Pegau (Regensburg 1749), Cod. probation. S. 14. — 
Den 6. August 1203 ein Scholastikus ohne Namen (Codex diplomat. 
Saxoniae regiae [citiert mit C S] 11. 1, 68), im Jahre 1217 ein Emestus 
scolast. zu Merseburg (Ed. Beyer, D. Cistercienserstift u. Kloster 
Alt-ZeUe, Dresden 1855, S. 529), desgl. 10 Juni 1224 u. 22. Dec. 
1225 (Beyer S. 533 u. 535); wohl derselbe 2. Sept. 1239 Emestus 
scolast. Merseb. (C S 11. IX, 10), 16. Juli 1242 Robertus scolast. 
(Beyer S. 544), 30. April 1246 Otto scolast. (C S IL IX, 12), 1274 
magister Fridericus doctor scolarium (E. G. Gersdorf, Die Uni- 
versitat Leipzig im ersten Jahre ihres Bestehens, im Bericht der 
deutschen Gesellschaft in Leipzig 1847, S. 22). 



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Die Anfange des sftchsischen Schulwesens. 3 

in alien Theilen des Landes, abgesehen jedoch von den 
G-egenden des Erzgebirges, die damals noch wenig kul- 
tiviert waren. Alle, mit Ausnahme des nicht in der Stadt 
selbst befindlichen Klosters Geringswalde, waren, als in 
ihnen zum ersten male Schulen erwahnt werden, Stadte; 
von einem Dorfschulwesen in Sachsen ist bis jetzt fiir 
jene Zeit keine sichere Spur gefunden. Die Griindungs- 
jahre der Anstalten konnen ausser bei der Ohorschule 
zu S. Afra in Meissen und bei der Nikolaischule zu 
Leipzig (deren Errichtung freilich in der Zeit, da die 
papstliche Erlaubnis ertheilt wurde, nichts weniger als 
sicher ist) mit Bestimmtheit nicht angegeben werden; 
man darf aber annehmen, dass ihre Entstehung liber die 
ersten Daten ihres urkundlichen Vorkommens noch um 
eiDe Reihe von Jahren zurlickreicht. Sie hangt oflfenbar, 
mit Ausnahme von ein paar Fallen, liberall zusammen 
mit der Geschichte der Kirche und den kirchlichen 
Verhaltnissen, sei es nun, dass die Schule nur gottes- 
dienstlichen oder klerikalen Zwecken diente, wie 
die Dom- und Stiftsschulen in Meissen, Bautzen, Wurzen 
und die Schule beim Frauenkloster Geringswalde, sei es 
dass sie vorwiegend die Ausbildung von Weltgeistlichen 
bezweckte, daneben aber'auch Laien offen stand, wie 
die aussere Klosterschule zu S. Thomas in Leipzig, 
Oder dass sie urspriinglich als Pfarrschule mit geringer 
Schtilerzahl ebenfalls fur gottesdienstliche Zwecke be- 
stimmt war, aber sich friiher oder spater zu einer mehr 
Oder minder selbstandigen offentlichen Stadt schule 
entwickelte, wie wahrscheinlich die Mehrzahl der sftch- 
sischen Schulen. Nur die zwei im 14, Jahrhundert vor- 
kommenden Judenschulen in Meissen und Leipzig 
haben eine andere Mutter, als die christliche Kirche; 
sie sind aber auch nur vorlibergehende, nicht weiter ent- 
wickelte Anstalten. Die unter rein stadtischem 
Patronate erscheinenden Schulen zu Dresden, Zittau, 
L5bau und Chemnitz diirften schwerlich aus sogenannten 
deutschen Schreibschulen oder Privatschulen hervor- 
gegangen sein, ihren Ursprung also nicht zunachst all- 
gemeinen btirgerlichen Bediirfnissen verdanken, sondem 
aus Pfarr- oder Kirchenchorschulen hervorgewachsen 
sein, aber schon fruh ihre Weiterbildung erfahren haben. 
Jedenfalls wird eine nahere Betrachtung der sach- 
sischen Schulen vom Ende des 12. bis 14. Jahrhunderts 
erkennen lassen, dass, wie anderwftrts in Deutschland, 



If 

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4 Johannes MMler: 

SO auch in Sachsen im Mittelalter die Schulverhaitnisse 
an den verschiedenen Orten sich nicht gleichartig 
entwickelt und gestaltet haben, sondern nach lokalen 
Bedingungen, wenn schon diirch den Zusammenhang der 
Schulen mit der Kirche und durch die im Wesentlichen 
gleichartigen Bedtirfnisse der letzteren in alien mittleren 
Stadten die unterrichtlichen und sonstigen Aufgaben der 
Schulen dem Kirchendienste gegentiber, soweit es 
nicht bios klerikale Anstalten waren, gewiss wenig Ver- 
schiedenheit gezeigt haben. Weiter wird eine nahere 
Betrachtung ergeben, dass eigentliche Volks- und Er- 
ziehungsschulen in jenen Jahrhunderten gefehlt 
haben, Schulen, die nicht bloss den Zwecken einzelner 
Stande, in Sonderheit des Klerus und der Kirche, son- 
dern allgemeinen Bildungszwecken, dem geistigen Leben 
der einzelnen sittlichen Personlichkeit als solcher und um 
ihrer selbst willen und zwar nach seiten aller seiner 
Hauptinteressen und Bethatigungen, sowie dem geistigen 
Leben der ganzen Nation dienen woUen, wie es unsere 
heutigen, aus dem Geiste des Humanismus und der Re- 
formation geborenen evangelischen und auch die von 
diesem Geiste beeinflussten katholischen Schulen thun. 
Der Pol, um den sich das Schulleben der aitesten Zeit 
bewegte, war der Kirchendienst, dieser der Kern, an 
den sich allmahlich und zwar weniger durch theologische 
und kirchliche oder klerikale, als durch biirgerliche In- 
teressen bedingt, ein weiterer Unterricht kristallisierte. 

Hohe Ziele innerhalb ihrer Sphare scheinen sich die 
alten sachsischen Schulen nicht gesteckt zu haben, es 
miissten denn etwa einzelne Kloster- oder Stiftsschulen 
ganz in der Stille die Wissenschaften gepflegt haben; 
bis jetzt TSchweigt freilich davon die Gescliichte ganzlich. 
Die landlaufige Ansicht, nach welcher in der Kegel das so- 
genannte Trivium (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) und 
Quadrivium (Arithmetik, Geometric, Musik, Astronomic) 
die Unterrichtsgegenstande der mittelalterlichen Schulen 
gebildet haben sollen, bedarf ja iiberhaupt der Berich- 
tigung und mindestens der Einschrankung auf hoher 
organisierte Dom- und Klosterschulen und auf die Uni- 
versitaten; auf die sachsischen Schulen des 12. bis 
14. Jahrhunderts kann sie jedenfaUs nicht ohne weiteres 
libertragen werden, am allerwenigsten auf die klerikalen 
Anstalten Sachsens. An dem Scheinleben und Verfalle, 
woran wahrend des 13. und 14. Jahrhunderts anderwarts 



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Die An^nge des s&chsischen Scholwesens. 5 

selbst solche Kloster und Stifte litten, die frliher wegen 
ihres wissenschaftlichen Geistes bertihint waren, an diesem 
Scheinleben nahmen die sachsischen Klerikalschulen ge- 
wiss theil^), wird ja selbst noch um 1500, wo anderwarts 
ein neuer Aufschwung des wissenschaftlichen Strebens 
und eine rege Entwickelung des Schulwesens zu bemerken 
ist, die Elbgegend und die Gegend um Leipzig eine bar- 
barische genannt*); und wenn nachweislich am 1. Juli 
1358 von 13 MitgKedern des Domkapitels in Meissen, 
dem Hauptsitze des sachsischen klerikalen Lebens, flinf, 
darunter der Grosspropst, der Kantor und der Archi- 
diakon von Nisan, nicht fahig waren, eine XJrkunde selbst 
zu unterschreiben®), ja wenn den 12. Februar 1350 unter 
15 Domherrn nur 5 eigenhandig unterschrieben'), so kann 
von einem Eifer flir die Wissenschaften, ja selbst von 
einem halbwegs ordentlichen Elementarunterrichte und 
einer Fortbildung in jenen klerikalen Kreisen des 14. Jahr- 
hunderts nicht die Rede sein. 

Besser scheint es in denjenigen sachsischen Schulen 
ausgesehen zu haben, die mit dem praktischen taglichen 
Leben in engerem Zusammenhange standen, als die kle- 
rikalen, in den Pfarr- und Stadtschulen. Uber Lehrstoffe, 
Lehrgang, Lehrformen etc. in diesen Schulen erfahren 
wir jedoch unmittelbar aus den bisher erschlossenen 
Geschichtsquellen nichts. Nui' aus einer lausitzer Schul- 
ordnung, die dem Anfange des 15. Jahrhunderts ange- 
hort, aber schon bestehende Verhaltnisse fixiert (siehe 
nachher bei Bautzen), und aus der Analogie der Schul- 
zustande in anderen deutschen Landem, besonders den 
NachbarlandernSachsens, lasst sich ein annahernd richtiges 
Bild entwerfen. Die Mehrzahl der alteren sachsischen 
Schulen hat gewiss nur zu der Gattung der sogenannten 
kleinen Schulen („scolae parvae" oder „minores") 



*) Vergl. K&mmel, Gesch. des deutschen Schulwesens im 
Ubergange vom M.-A. zur Neuzeit (1882) S. 30 mit Literaturnach- 
weis; yergl. S. 6 f. 

'^) S. m ein en Art.: Die Zwickauer Schulordnung, ein Beitrag 
z. Gesch. des dreisprachigen Unterrichts, in Fleckeisen und Masius, 
Neue Jahrbb. f. Philol. u. Padag. Bd. 120, 2. Abtheil. (Leipzig 1879) 
S. 608. — Nur die Schulen zu Zwickau fbesonders unter Val. StrSdel) 
und zu Chemnitz (unter Paul Niavis) erfreuten sich Ende des 
15. Jahrh. eines guten Kufes; beide aber waren damals Stadtschulen. 

®) S II. II, 15 (der Propst etc. lassen ausdrticklich erklaren : 
,quia scribere non potui") und II. I, XXI. Tittmann n, 79. 

') C S 11. I, 869 flg. 



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6 Johannes Mtiller: 

gehort, die sich schon im 13. Jahrhundert vielfach theils 
als selbstandige iind sehr oft aus Pfarrschulen hervor- 
gewachseneLehranstalten, theils als Vorbereitungsanstalten 
zu hoheren Kloster- oder Stiftsschulen flnden, und deren 
TJnterricht sich auf Folgendes beschr^nkte: Lesen, Schrei- 
ben, Ziffernkenntnis, elementare lateinische Formenlehre 
nach der kleineren (in Frage und Antwort abgefassten) 
Grammatik des Donatus, elementarste lateinische Satz- 
lehre nach den sogenannten „regulae pueriles", Lektiire 
und Meniorieren eines lateinischen, dlirftigen religiosen 
Lesestoffs (des „pater noster", „credo", „ave Maria") 
sowie der lateinischen kurzen Sittensprliche des soge- 
nannten Cato und ofters auch des aus kiinstlich gebauten 
lateinischen Distichen bestehenden Kirchenfestkalenders 
„Cisiojanus", und wo keine Kloster- oder Domschule 
kollidierte, auf einfachen, librigens wohl fast iiberall nur 
von einzelnen geeigneten Knaben gelibten Kirchengesang®). 
Und der Aufschwung des sachsischen Schulwesens geht, 
wie ein weiterer Blick auf seine Geschichte bis ins 
16. Jahrhundert lehren wlirde, Hand in Hand mit der 
Entwickelung der grosseren Selbstandigkeit der Stadte 
und mit der Aufnahme der humanistischen und evan- 
gelisch-reformatorischen Ideen. 

Wenn aber anderwarts einerseits das mehr oder 
weniger berechtigte Selbstherrlichkeitsverlangen der Stadt- 
regierungen und die ungeniigende Zahl oder Beschaffen- 
heit der vorhapdenen Klerikalschulen oder unter geist- 
licher Leitung stehenden Schulen und andererseits der 
sei es berechtigt oder in Anmassung geltend gemachte 
Anspruch der Scholaster und Stiftsobersten, die facultas 
docendi zu verleihen und die Oberaufsicht liber alle 
Schulen des betreffenden Orts, beziehentlich der betreffen- 
den Diocese auszuliben, im Verein mit finanziellen In- 
teressen schon im 13. und 14. Jahrhundert einen „Kultur- 
kampf" um die Schule bewirkt haben, soist in Sachsen 
davon wenig zu spiiren gewesen ; fiir die beiden genartn- 
ten Jahrhunderte lasst sich nur hinsichtlich der Bautzener 
und Leipziger Schulen etwas derartiges behaupten. 



V S. meine Quell enschriften und Gesch. des deutschsprachl. 
Unterrichts bis zur Mitte des 16. Jahrh. (Gotha 1882, auch 4. Bd. 
von K. Kehr's Gesch. der Methodik) S. 315 flg. u. 207 flg. Vergl. 
F. A. Specht, Gesch. des Unterrichtswesens in Deutschland bis 
zur Mitte des 18. Jahrh. (Stuttgart 1885) S. 249 f. 



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Die Anftnge des sftchsischen Schnlwesens. 7 

Die ftlteste Schule Sachsens ist die mit demDome 
zuMeissen verbundene. Hier in Meissen, dem Centmm 
des friiheren kirchlichen und klerikalen Lebens Sachsens, 
hat die vaterlftndische Schulgeschichte ihren Anfang , 
genommen. Die Existenz der Domschule, wenn man sie 
kurzweg so nennen darf, ei^ebt sich aber zunachst nor 
aus dem Vorkommen von Scholastici in derReiheder 
Meissner Domherren. Der erste urkundlich belegbare 
ist ein „Sigemundus scholasticus" am 9. Juni 1183®). 
Ob dieses Amt schon lange vorher begrlindet worden 
ist, wissen wir nicht. Meissen als Sitz der Wissen- 
schaften und in Sonderheit den Bischof Benno (1066—1106) 
als Pfleger derselben im 11. und 12. Jahrhundert anzu- 
sehen, liegt kein Grund vor; die Benno zugeschriebene 
Anweisung zum BriefstU (liber dictaminum) und die 
Erklarung der Sonntagsevangelien (expositiones breves 
super evangelia dominicalia) auf der Herzoglichen Bib- 
liothek zu Wolfenblittel haben hochst wahrscheinlich 
nicht Benno, und noch weniger in der Zeit seines Meissener 
Bisthums, sondem wohl den Abt des Benediktinerklosters 
Goseck bei Naumburg oder den Kardinal Benno zum 
Verfasser^^). Die Reflie der nach Sigemund bekannten 
Meissener Domscholastici nach der Zeit ihres ersten ur- 
kundlichen Vorkommens ist folgende : 1206 (13. December) 
Martinus scolasticus ^^), 1214 (23. April) Wipertus^*), 
um 1222 H. ^»), 1227 (18. Oktober) Ulricus de Kurin^*), 
1249 (8. Dezember) Erpho"), 1262 (1. Marz) Conradus^*), 



») Urk. No. 87 im H.-St.-A. Dresden; vergl. J. Chr. Hasche, 
Diplomat. Gesch. Dresdens I (Dresden 1816), 67. Gewiss derselbe 
ist der Sigemundus, der ohne den Titel Scnolasticns in Urk. vom 
6. Juni 1185 u. v. J. 1186 s. d. (H.-St.-A. Dresden Grig. No. 90 
u. 92 bj vorkommt. 

^^)E. Hachatschek, Gesch. der Bischdfe des Hochstifts 
Meissen (Dresden 1884) S. 69. 

") C S n. I, 78. Auch noch 1218: C S H. IV, 2. Er ist 
wohl identisch mit dem „magister Martinus", der in der Urk. vom 
6. Mftrz 1205 als letzter Meissener Domherr Mitzeuge ist: S IL 
IV, 105 u. 103. 

i«) C S n. I, 78. Pemer 31. Mai 1216: H. I, 80 f.; 18. Aug. 
1217: II. IX, 4. 

i») S n. IV, 444. 

1*) S n. I, 96. Auch den 19. Juni 1238: H. IV, 5; den 
28. Marz 1237: Beyer a. a. G. S. 541. 

15) S n. I, 138. Um 1266 ist er gestorben; s. ebenda S. 148. 

18} C S II. I, 154. Den 24. Juli 1266: II. I, 160. Sein 
Siegel, das al teste z. Z. bekannte Siegel eines sachs. Scholastikus, 



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8 Johannes Mliller: 

1272 (21. Januar) Theodericus^'), 1277 (16. Marz) Con- 
radus de Boruz^s), 1288 (20. August) Theodericus^®), 
1307 (15. Juni) Otto de Donyn^^), 1339 (25. Oktober) 
Arnoldus (de Rydebeck)^^), 1342 (23. Oktober) Tammo 
de Luppe^^), 1350 (12. Februar) Theodericus de Gogh 
(Goch)^»), 1353 (11. Marz) Tyczko (Theodericus) de 
CapelndorP*), 1377 (30. Januar) Theodericus de Goch^^), 
1383 Hermann 2«). 

Die genannten Scholastici waren, wie anderwarts, 
samtlich Domherren und stehen in der Reihenfolge der 
Urkundenzeugen meist immer hoch oben unter den Haupt- 
wlirdentragem des Hochstifts, nach dem Bischof, Dekan 
und Propst, vor oder auch gelegentlich gleich nach dem 
Kustos Oder Kantor^'). Wahrend anderwarts — in 
Mainzer, Wormser, Kohier Urkunden — der Titel 
scholasticus seit dem 13. Jahrhundert die allein tibliche 



hftngt an der im StiftsarcMve zu Meissen befindlichen Urk. vom 
12. Januar 1266; s. C S II. IV, 7 (leider weder beschrieben noch 
abgebildet; vergl. Note 24). 

") C S n. I, 175 f. Im J. 1273 ist er Archidiakonus in Nisan: 
C S II. L 177 (Oonradus tunc ibidem scolasticus arbitrandus). 

") ScbSttgen und Kreysig, Diplomat. II, 197; damals war 
C. zugleich custos. Am 8. Aug. 1281 (C S II. I, 193) bis 1291 
(0 S n. I, 237, vergl. 1288 C S II. XII, 33), ist C. Schatzmeister 
des Hochstifts (thesaurarius ecclesiae), den 9. Nov. 1292 (C S II. 

I, 241) custos, ebenso noch den 18. Mai 1296 (C S II. I. 247). 

i») s n. xn, 33. 

») OS n. I, 268, vergl. 271 u. 283. Noch 5. April 1312: 
C S II. IV, 19. 

21) S II. I, 851, vergl. 345 f. Den 22. Juni 1341 ist A. Propst 
in Hayn: C S H. I. 353. 860. 

22) C S II. I, 360. Den 6. Sept. 1349 ist T. Propst in Hayn: 

II. I, 868 f. 

28) C S II. I, 372. Den 31. Dec. 1362 meister Dyterich von 
Gogh techant: 11. I, 388; den 11, Marz 1353 heisst er: Theodericus 
de Gogh in medicina magister decanus: 11. I, 390. 

2*) C S II. I, 390; vergl. 412. 11. II, 5. 8 (1357). 13. 16 
(1368^. u. 6. Noch am 28. Juni 1369 Th. d. C. scolasticus: II. II, 101. 
An aer im Stiftsarchiv Meissen befindl. Urk vom 1. Juli 1358 
hangt sein Si eg el mit dem Bilde des heil. Laurentius: 11. II, 15 flg. 

2») C S II. II, 164. 

2«) C S II. n, 208; Hermann schulmeyster czu Missen doctor 
des geistlichin rechten, 

2^ So folgt den 9. Juni 1183 (s. Note 9) Sigemundus schol. auf 
Propst, Dekan und Kustos, ebenso Wipertus den 23. April 1214; 
Martinus scol. aber steht den 13. Dec. 1206 ausnahmsweise tief nach 
Propst, Dekan, Kustos und nach weiteren 8 Domherren als drittletzter 
in der Reihe der Domherren. — M achats c he k a. a. 0. S. 40 flg. 
fusst nicht auf Originalen und ist zu berichtigeu. 



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Die Anfange des sachsischen Schiilwesens. 9 

und feststehende Bezeichnung fiir den einer Stiftsschule 
vorgesetzten Kanoniker geworden ist, nachdem vorher 
im 11. und 12. Jahrhundert die Benennung magister 
scholarum die gewohnlichere gewesen war-®), so finden 
wir in Meissen, dass in der 2. Halifte des 14. Jahrhunderts 
ein und dieselbe Person sich bald des Titels scolasticus, 
bald des andem Titels schulmeistir bediente^®), wahrend 
vorher nur der erstere tiblich war. Eine Vereinigung 
des Scholasteramts mit einem andern lasst sich bis zum 
15. Jahrhundert nur einmal belegen : den 16. Marz 1277 
ist Oonradus de Boruz ecclesiae scholasfictis et custos^^). 
Die Verleihung der Scholasterei war Sache des 
Bischofs zu Meissen, und Melt derselbe auf dieses 
Recht, wenigstens im 13. Jahrhundert, ebenso wie auf 
das der Emennung des Kustos, wie aus einer die Wahl 
des Bautzener Kanoniker betreffenden und unten N. 83 
nochmals zu erwahnenden Urkunde vom 29. Januar 1226 
hervorgeht. tjber die Bepfrtindung der Meissner Scho- 
lasterei wissen wir so gut wie nichts ^^). Auch tiber die 
Obliegenheiten des Scholastikus fehlen bestimmte 
Anweisungen, wie sie anderwarts z. B. vom Domstift 
Basel aus dem Jahre 1289, Speier 1343, Augsburg 1439 
iiberliefert sind. Nur gelegentliche Auftrage, welche .dem 
Meissener Scholastikus vom Papste oder dem Markgrafen 
von Meissen ertheilt worden sind, kennzeichnen seine 
Stellung und sein Arbeitsfeld als ein einflussreiches und 
setzen eine hohere Bildung, namentlich juristischer Art, 
und praktisches Geschick voraus, stehen aber mit seiner 
eigentlichen Amtspflicht, von der er den Namen trug, 
mit den Pflichten und Rechten gegenliber der Schule, in 
keinem Zusammenhange. So hatte um 1222 der Scho- 
lasticus H. nebst dem Domherm A. namens des papst- 
lichen Legaten einen Streit zwischen einem Presbyter 
Thuringus und dem Kreuzkloster zu Meissen wegen 
8 Hufen Landes beizulegen ^^) ; so wurde den 19. Juli 1234 



28) Specht a. a. 0. S. 183. 

^) Dietr. v. Cappelndorf unterschreibt sich und wird sonst 
stets bezeichnet als scolasticus, den 14. Okt. 1365 aber heisst er: 
her Titzko von Cappilndorf schulmeistir (C S II. II, 66), den 
27. Okt 1366 wieder scolasticus (II. II, 76). In der ebenfalls 
deutsch abgefassten Urk. v. J. 1883 erscheint „er Hermann schul- 
meyster czu Missen" etc. (s. Note 26). 

^) Vier Pfund im Meissener ZoU (theolonium) gehorten 1296 
(26. Okt.) zur Scholasterei von alters her. S II. I, 251. 

3^) C S II. IV, 444. 



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10 Johannes Miiller: 

dem Bischof, Propst und Scholasticus des Meissener Hoch- 
stifts von Papst Gregor IX. befohlen, den Ungebiihr- 
nissen, welchen das Kloster zu Bfewniow bei Prag am 
Tage der unschuldigen Kindlein (28. Dezember) her- 
kOmmlich ausgesetzt war, zu steuern^^); am 1. Juli 1274 
erhielt der Scholasticus allein den Auftrag von Papst 
Gregor X., alle dem Marienkloster in Chenmitz ent- 
fremdete Gliter wieder an dasselbe zu bringen^^), und 
im Jahre 1383 ging „er- Hermann, schulmeyster (Scho- 
lasticus) czu Missen, doctor des geistlichen rechten" als 
Abgesandter der. Markgrafin von Meissen und ihrer 
S5hne nach Frankreich^*). Schweigen nun zwar die 
vorhandenen Quellen liber die eigentlichen Amtspflichten 
des Scholasticus am Hochstift zu Meissen, so miissen wir 
doch annehmen, dass diese, wenn anders die Scholasterei 
nicht eine blosse Pfriinde und Titulatur war, im Wesent- 
lichen dieselben waren, wie die anderer Domscholaster. 
Ein solcher aber hatte alles anzuordnen, was die Schule 
betraf, besonders die Anstellung und Entlassung des 
Lehrerpersonals, des rector oder magister puerorum und 
(bez. Oder) scolarium ; ihm lag die Annahme und Zurtick- 
weisung der nicht kanonischen Schiller, die Beaufsich- 
tigung und Visitation der Schule, die besondere sabbath- 
liche Vorbereitung der jungen Kanoniker auf ihre sonn- 
taglichen Schriftverlesungen, die Leitung der Priifungen 
und die Ertheilung des Eeifezeugnisses an die jungen 
Kanoniker zur Erlangung der niederen Weihen (ordmes 
minores) ob, beziehentlich auch die Oberaufsicht tiber alle 
an den Stifts- und Pfarrkirchen der Diocese bestehenden 
Schulen; ferner hatte er die Briefe und Urkunden ftir 
das Kapitel zu diktieren oder selbst zu schreiben, die 
einlaufenden Briefe etc. zu lesen und aufzubewahren*^*). 
Nur scheint der Meissener Scholastikus nicht alle diese 
Funktionen besessen oder ' gellbt zu haben ; denn wir 
hbren weder je etwas von der erwslhnten Oberaufsicht 
noch von jungen Kanonikem und deren Ausbildung. 
Die Schule am Meissener Dome war fur andere Zwecke da. 



^) C S II. I, 104. 83) c S II. YI, 273. »*) C S II. II, 208. 

^) Vergl. die oben erwahnten Statuten von Basel und Speier 
bei J. M one, Zeitscbr. f. d. Gescb. des Oberrbeins I (Karlsrahe 1850), 
266 und IT, 138 flg.; desgl. die von Frankfurt a. M. bei J. Helf en- 
stein, Die Entwickelung des Scbulwesens I (Frankfurt 1858), 127 flg. ; 
die von Augsburg in der Zeitscbr. d. hist Vereins fiir Scbwaben etc. IE 
(Augsburg 1875), 105 flg. Vergl. Specbt a. a. O. S. 486 flg. 

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Die Anf&nge des sfichsischen Schnlwesens. H 

Sie selbst und Schliler werden erst im Jahre 1256 
erwahnt, wo ein Domherr, Albert, genannt von DObeln 
zur Erhohung der Feier der taglichen Messe eine Stiftung 
machte und dabei verordnete, dass die bei der Messe 
thatigen vier „scolares" zur Verbesserung derSchule 
und der Blicher (pro emendatione scolarum pariter et li- 
brorum) einen Geldzins erhalten soUten**). Die Be- 
stimmung der Art der Schule hat einige Schwierigkeit. 
Die vier genannten „scolares" werden 1256 zum Tragen 
von brennenden Kerzen und von Rauchffissem gebraucht. 
Am 1. Februar 1269 ist von einem „scolaris" die Eede, 
welcher bei einem standigen Vikare in einer neugestifteten 
KapeUe des heiligen Andreas im Kreuzgange nicht naher 
gekennzeichnete, mit 6 Schilling zu belohnende Dienste zu 
verrichten hatte *'), am 19. Januar 1298 von armen Chor- 
schiilern (pauperibus scolaribus choro deservientibus), 
denen der Vikar eines Altars im Dome wQchentlich ein 
Drittheil der Brote von einem Scheffel Weizen austheilen 
soUte*®). Mit den Armen auf eine Linie gestellt werden 
die Scholaren auch in dem Testamente des Propstes 
Dietrich vom 18. Januar 1299 ^•). Genauer hinsichtlich 
ihrer dienstlichen Verrichtungen werden sie im 14. Jahr- 
hundert gekennzeichnet, besonders wenn am 30. April 1360 
ein wochentlich zu behandigender Antheil an den jslhr- 
lichen Zinsen von 6 Schock breiter Groschen fiir die im 
Chor der Meissener Kathedralkirche w^hrend der kano- 
nischen Stunden dienenden Chorschtiler (pro scolaribus 
choralibus choro kathedralis Mysnensis ecclesiae in horis 
canonicis deservientibus) bestimmt *^) und am 28. Mai 1381 
den vier armen Schulem, welche das seidene Kelchtuch 
bei dem Umgang in der Kirche liber dem Sakrament zu 
halten hatten (scolaribus pauperibus velum sive pannum 
super sacramentum per circuitum ecclesiae portantibus), 



8«) S n. I, 149. 

^^) Et sex solidi residni deservientis capeUae pretium sint sco- 
laris. C S II. I, 167. ^) G S II. I, 264. 

^) Reinhardus in anniversario meo qnindecim solidos dividet 
inter pauperes et scolares . . . item de secnndo talento dabit in bona 
sexta fena pauperibus et scolaribus decern solidos. C S II. I, 259. 
Vergl. die Stiftung desselben Dietrichs vom 20. Jan. 1299 bei G. 
Kohler, Cod. dipL Lusatiae super. I (GQrlitz 1856), 161: Der 
Yikar des gestifteten Altars Nicolai etc. im Meissener Dome soil 
wdchentlich austbeilen „panes de uno modio siliginis, pauperibus 
scolaribus choro deservientibus tertiam partem, alias duas partes 
communibus pauperibus et husarmen", *^) S II. 11, 28. 

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12 Johanues Mtiller: 

1 Groschen legiert wird^^). Darnach haben wir also unter 
den Scholaren zunachst Chorschiiler zu verstelien, wie 
sie auch in deutschen Urkunden analog den latelnischen 
ausdriicklich genannt werden*^). Bei der grossen Beden- 
tung des Chorgesangs fiir die gottesdienstlichen Funktionen 
der Domherren und der grossen Zahl kirchlicher Festtage 
waren derartige Schiiler, die zugleich beim Messopfer 
ministrieren, bei Prozessionen zu einfachen Hilfeleistungen 
und zur Erhohung des Eindrucks Verwendung finden 
konnten, durchaus nothwendig und in grosserer Anzahl 
erwiinscht und demgemass bei den Kathedralkirchen wohl 
stetg vorhanden*^). Es waren in der Kegel Kinder armer 
Btirgersleute oder auch auswartiger armerer Eltem, die 
dazu gewahlt und angenommen wurden; wie es scheint, 
nahm man am liebsten solche, welche ein hubsches Aussere 
besassen und den Eindruck der Gesittung machten, wo- 
moglich auch schon lesen und singen gelemt hatten**). 
Fiir ihre Gegenwart bei den Hochamtem, Vigilien, Seel- 
messen, in den kanonischen Stunden und bei anderen 
gottesdienstlichen Handlungen erhielten sie wie ander- 
warts, so in Meissen aus Stiftungen Geldspenden oder 
einfache Nahrungsmittel, wie Brot und Heringe*^). Na- 
mentlich in den in der zweiten Halfte des 14. Jahrhunderts 
tiberhand nehmenden Seelmessstiftungen (zu Gunsten ab- 
geschiedener, im Reinigungsfeuer gedachter Seelen) sind 
sie und der noch zu besprechende magister scolarium von 
den Glaubigen selten unbedacht geblieben. 

*0 C S II. II, 197. 

*2) D. 10. Aug 1386: Den chorschulem vyer grosschin y czu 
der czit czu presenczien (C S 11. II, 225). D. 18. Oktbr. 1395: 
Dem „kindenneister, orgiln vnd kirchenere vnde chorschulem" soU 
einer der Vikare am Nikolaustage eben so viel geben wie am Georgen- 
tage (C S n. II, 272). 

^3) Specht S. 176 f. Mone I, 131. G. A. v. Mttlverstedt, Bei- 
tr&ge zur Kunde des Schulwesens im M.-A. und liber den Begriff 
scolaris (Magdeburg 1876) S. 6. 11. 17 f. 

**) S. meine Vor- und frtihreformatorischen Schulordnungen u. 
Schulvertrage in deutscher u. niederland. Sprache (13. fieft der Samm- 
lung selten gewordener padag. Schriften fruherer Zeiten, herausge- 
geben von A. Israel u. J. Mil Her, Zschopau 188H) 11, 296 f. 
Vergl. C S II. II , 290 (2. Juni 1401) : singen (im Meissener Dom) 
mit schulem, so man die best gehabin mag, fie da wol singen kunnen. 

*^) S. oben sub 3R. 40. 41. Den 30. Jan. 1408 eignen die 
Meissener Markgrafen dem Dome gewisse Grundstttcke, „dauon das 
capitel czu Missin alle jar eyne thunne heringis zugen vnde kouffen 
vnde die yn der vastin vndir die korschuler teilin sollin" (C S H. 
n, 839). 

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Die Anf&nge des sachsischen Schulwesens. 13 

In derRegel werden sie dabei Knaben (pueri) ge- 
nannt, auch einmal „Kinder" und ;,parvuli", ihr Leiter 
meistens magister oder rector scolarium, auch einmal 
„Kindemieister'* und „rector parvulorum"^®). Das erste 
Mai, wo eine solche das Alter andeutende Angabe erfolgt, 
in einer Urkunde vom 20. November 1279^'), ist eine 
Verbindung der zwei Ausdrucke fiir Schiiler und Knaben : 
„scolares pueri" gewslhlt, im Jahre 1405 (den 6. Mslrz 
und 20. Mai) eine identifizierende Zusammenstellung der 
Bezeichnung Schiiler mit der Bezeichnung „die Kleinen" 
(rector scolarium sen parvulorum)*®). Im Jahre 1279 ge- 
schieht auch eine Mittheilung iiber die Gesammtzahl solcher 
Schiiler, aus der zugleich hervorgeht, dass dem Schul- 
meister vom Dome ebenso wie dem vom Chorherrenstift 
zu St. Afra in Meissen die Gewinnung der nothigen Schiiler 
nicht immer gliickte und infolge dessen die beiden Schul- 
meister sich gegenseitig die Scholaren abspenstig zu machen 
suchten. Papst Nikolaus III. musste namlich damals ver- 
ordnen, dass dem Chorherrenstift die Schule der 24 Schiiler- 
knaben unter der Bedingung gehoren solle, dass keiner 
der Lehrer an der grosseren Meissener Kirche und an 
der Afrakirche die Scholaren des anderen ohne dessen 
Zustimmung annehmen solle ^®). Es erscheint damach 
sehr fraglich ob die Zahl der Domherren des Hochstifts, 
welche gegen 14 betrug ^®), von der Zahl der Chorschiiler 
bedeutend iibertroffen wurde. 

Die Unterweisung und nachste Beaufsichtigung der 
letzteren lag dem schon genannten magister scolarium 
ob; doch fehlen dariiber jegliche Pestsetzungen, wie wir 
sie anderw^rts antreffen, und nur nach Analogie dieser 
anderweiten Satzungen konnen wir ein Bild der Stellung 
und Thatigkeit jener Meissener Schulmeister, die am zu- 
treffendsten wohl Chorschulmeister zu nennen sind, ent- 



*®) D. 9. Jan. 1362 : I grossus, si bene cantaverit, rectori sco- 
larium, de portione dominorum canoniconira (C S II. II, 50). D. 28. Mai 
1381: magistro scolarium, ut cum pueiis fideliter (einem Jahrgedacnt- 
nisse) intersit et laboret, unum grossum . . . rectori scolarium, ut bene 
cantet, un. gross. (C S II. II, 196). Vergl. 11. II, 267 f. D. 18. Okt. 
1395: dem kindermeistere , daz da kinder czu chore gehen, eynen 
grosschen (C S 11. II, 272). Vergl. Anm. 42 u. 48 u. oben S. 15. 

*') C S 11. IV, 118. 48) S II. II, 317 u. 320. 

*®) Et scolas XXIIII scolarium puerorum hac conditione et jure, 
ut nuUus magistrorum tarn majoris Misnensis ecclesiae quam vestrae 
ecclesiae [Afrael alterius scolares recipiat in ejus preiudicium sine 
bona alterius voluntate. «>) C S II. I, S. XX. 



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14 Johannes Mttller: 

werfen. Das erstemal, wo ein solcher Schulmeister ur- 
kundlich erscheint, eben in der Urkunde vom 20. No- 
vember 1279, ist die gebrauchte Bezeichnung „nullus 
magistrorum" derart, dass nicht nothwendig das Institut 
von Schulrektoren im eigentlichen Sinne, ein besonders 
angenommener Schulleiter darunter verstanden v^erden 
muss; es kann der gewahlte Ausdruck auch auf einen 
Oder mehrere etwas wissenschaftlich und gesanglich ge- 
bildete Angehorige des Domstifts gedeutet werden, dem 
Oder denen die Leitung der Scholaren und ihre Unter- 
weisung vom Bischof oder Propst oder vom Scholasticus 
iibertragen worden war. Das hatte den Vorzug der Ein- 
fachheit und Billigkeit und wlirde der z. B. in den Statuten 
der regulierten Augustiner- Chorherren zu Leipzig vom 
10. September 1445 vorgeschriebenen Praxis bei der Er- 
ziehung von Novizen (der eine Probezeit flir das Kloster 
durchmachenden jungen Leute) entsprechen. Hier be- 
stimmte namlich der Propst einen zuverlassigen und gottes- 
fiirchtigen geistlichen Klosterbruder zum magister noviti- 
orum, der die Novizen iiber die Klosterregel und das 
Officium, im Gesang und in den Zeichen und Brauchen 
des Ordens sowie iiber das aussere Benehmen im Clior- 
dienste u. s. w. zu unterrichten hatte, und unter dessen 
besonderer Aufsicht und Leitung die Novizen bis zu ihrer 
Zulassung zur Professio (dem Klostergeliibde) standen^^). 
Ebenso hatte der Propst fiir einen zuverlassigen Lehrer 
(instructor) zu sorgen, welcher die Konversen (die in 
dem Kloster aufwartenden Laienbrtider) in der Kloster- 
regel und anderen Brauchen unterweisen und wo nothig 
in der Muttersprache die betreffenden Schriften zu lesen 
und auszulegen hatte ^^). In diesem durch den Novizen- 
und Konversenmeister, beziehentlich durch den Kantor 
ertheilten Unterrichte bestand wohl meistens das, was 
man in Stiften und Klo stern Schule nannte, eine 
dem modernen Begriff von Schule freilich wenig ent- 
sprechende Einrichtung, die natiirlich je nach dem Zu- 
drang von Novizen oder Konversen (auch sogen. Oblati) 
und je nach deren Alter von kiirzerer oder laugerer Dauer 
und grosserem oder kleinerem Umfange war, und von der 
die eigentlichen und standigen Stifts- und Klosterschulen 
zu unterscheiden sind, welche durchaus nicht bei alien 
Klostern und Stiften vorhanden waren und entweder nur 



>0 C S IL IX, 208f. »2) C S 11. DC, 224. 

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Die Anflbige des sftchsischen Schulwesens. 15 

fftr gottesdienstliche Zwecke, besonders den Chorgesang, 
errichtet und in der Kegel von einer geringen Zahl armer 
einheimischer oder umherwandernder Knaben und Jiing- 
linge gebildet warden , oder einem mehr oder weniger 
wissenschaftlichen Unterriclite dienten, theils bloss fiir ein- 
heimische und fremde Kleriker, theils als oflfentliche und 
sogenannte aussere Schulen (schola publica, schola exterior) 
aucli fiir Laien. 

Wann nun die Chorschule am Meissener Dom zuerst 
einen besonderen Rektor erhalten hat, der nicht zu den 
Kanonikem oder den Vikaren des Domstifts zahlte. wissen 
wir nicht. Der erste uns namentlich bekannte Schul- 
meister am Dome ist wohl jener „magister Heinricus de 
Wystroph rector scolarium", der ohne weitere Angabe, 
auch ohne jede Bezeichnung als Domherr, Vikar, 
Priester u. s. w., in einer zu Meissen am 18. November 
1323 ausgestellten Urkunde des Burggrafen von Meissen 
erscheint und zwar an letzter Stelle unter den Zeugen, 
die in dem Propste von Wurzen, di-ei Meissener Dom- 
herren, den Pfarrem von Lossnitz und Seuslitz und eben 
jenem Heinrich bestehen**). Der zweite bekannte Schul- 
meister ist der Zeuge in einer Urkunde vom 20. Januar 
1358^*), Johannes von Schildow „der schuler meistir", zu 
dessen Zeiten der in den Jahren 1357 und 1358 wiederholt 
vorkommende Dietrich von Capellendorf (siehe S. 8 No. 24) 
Domscholastikus war. Zu den Nachfolgem jenes Hein- 
rich und Johannes ist wohl auch „dominus Franciscus 
rector parvulorum in castro Misnensi" zu rechnen, dem 
am 20. Mai 1405 vom Markgrafen Wilhelm von Meissen 
einer am 6. M£Lrz von den TestamentsvoUstreckern beur- 
kundeten Stiftung eines Dekans zufolge das dem „rector 
scolarium sen parvulorum in castro Misnensi" ubertragene 
KoUaturrecht von vier Vikarien bei der Domkirche nur 
fiir den nachsten Vakanzfall belassen ward, indem der 
Markgraf fiir die weitere Zukunft zur grosseren Sicherung 
vor ferneren Beeintrachtigungen das Patronatsrecht fiir 
sich und seine Nachfolger iibernahm^^). Die Stellung 
dieser Schulmeister, die nach dieser Stiftung an die der 
Scholastici heranzureichen scheint ^^), war in Meissen oflFen- 



w) C S II. IV, 140. <«) C S n II, 9. «*) C S II. II, 320. 

^) Dass unter dem rector Franciscus nicht ein Scholastikus zu 
verstehen ist, ergiebt sich aus der Thatsache, dass den 19. Jan. 1405 
Joh. V. Schleinitz als Scholastikus erscheint (C S II. 11, 817). — In 
einer Stiftung vom 30. Juli 1838 steht der Schulmeister tiefer; da 



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16 Johannes Mtiller: 

bar dieselbe, wie sie solche Rektoren anderwarts batten. 
Diese wurden auf Kiindigung — in der Kegel auf viertel- 
jahrige — angenommen, brauchten nicht gerade Geist- 
liche zu sein ujid standen nnter dem Scholastikus, der 
sie anzunehmen, zu beaufsichtigen und zu entlassen hatte. 
In Bezug auf den Gesang waren sie von den Anord- . 
nungen des Kan tors abhangig, der in alien Stiften einer 
der Hauptwiirdentrager war, im Chor gew5hnlich zur . 
Seite (aber unterhalb) des Propstes stand, das Chorgebet, 
die Lesungen, den Gesang der Kanoniker, Vikare, Kaplane 
wie der Scholaren zu iiberwachen, beziehentlich einzu- 
liben und sonst vorzubereiten hatte*'). Ihre Obliegen- 
heiten wurden gewohnlich in zweifache gegliedert: in 
solche beziiglich der Schule und in solche beziiglich des 
Chors. Der Unterricht in der Schule war je nach Art 
der letzteren verschieden, in den Chorschulen aber sehr 
dlirftig (Lesen, Schreiben, Singen und Memorieren des zum 
Gottesdienst Nothigen, etwas Latein); auf dem Chore 
hatten die Schulrektoren vor allem auf ordnungsgem^sses, 
sittsames Benehmen der Schiiler zu halten und das Fehlen 
wie nachlassige Singen derselben zu verhtiten*^). Dafiir 
dass der Schulmeister mit seinen Knaben, beziehentlich 
einer bestimmten Anzahl derselben den Jahrgedachtnissen, 
Vigilien und Messen beiwohnte und auf guten Gesang 
hielt, wurde ihm zu Meissen bei Stiftungen solcher Seel- 
messen u. s. w. in der Kegel ein Geldbeitrag oder auch 



wird den beim Feste der 1100 Jungfrauen anwesenden Domherren 
je 1 Pfund, den Vikaren V2 Pfond, dem magistro scolarium und dem 
Gl(5ckner je 1 Schilling zugewiesen (C S IL I, 351). 

'^'j Vergl. z. B. Helfenstein a. a. 0. — Die Keihe der nach- 
weisharen Kantoren am Dome zu Meissen bis 1400 ist folgende: 
1263, 18. Oktbr. Conradus cantor (C S IL VII, 4; ungenau Machat- 
schek 9u. 199); 1273 Arnoldus felicis memoriae archidiacon. quon- 
dam Nisaniae et cantor eccles. Misn. (II. I, 177); 1271, 8. Marz 
Heidricus (II. IV, 9); 1273Heidenricus deDewin (11.1,177; 
noch 1292, 9. Nov.: H. I, 241); 1296, 18. Mai Conradus (II. I, 250; 
noch 1305, 30. Jan : IL I, 265); 1311, 26. Mai Lutoldus (IL III, 
276; L. de Gurwitz IL III, 287; noch 1323, 18. Nov. IL IV, 139); 
1325, 15. Jan. Albertus de Lisenik (IL I, 319; 1326, Mai: IL 
I, 321); 1328, 27. Febr. Hermannus de Wolfticz (IL I, 324; noch 
1339, 25. Okt: IL I, 351); 1342, 23. Okt. Palbertus de Mul- 
husin (IL I, 360, vergl. IL IV, 27; noch 1379, 14. Okt. IL II, 174; 
1381, 28. Mai t olim: 11. II, 196f.); 1383, 16. Okt. Otto de Donyn 
(IL VI, 339); 1395, 1. Febr. Andreas Grauwe (IL IF, 266, vergl. 
294; 1405, 17. Sept Andreas Grawe sangmeister vnUe thumherre: 
IL II, 327; 1407, 13. Aug. quondam: n. II, 337). 

^^) S. meine Schulordnungen etc. I (Zschopau 1886), 45 u. (J. 



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Die Anf^ge des sftchsischen Schulwesens. 17 

eine Portion Wein ausgesetzt**). tJber seine sonstigen 
Einnahmen ist nichts bekannt. 

Ergiebt sich aus dem Bisherigen, dass die Schule am 
Meissener Dom zunfichst eine Chorschule armer Knaben 
war, so machen sich im 14. Jahrhundert und in den ersten 
Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts Umstande geltend, 
welche zwar das Wesen der Meissener Domschule als 
einer blossen Chorschule nicht alterieren, aber doch einen 
Unterschied unter den Schulernanzunehmennothigen. 
Am 14. Juni 1376 horen wir, wie dem Schukektor (rector 
scolarum) bei Stiftung eines Jahresgedachtnisses 2 Groschen 
vennacht werden, damit er mit den Knaben und Scholaren 
(cum pueris et. scolaribus) den Vigilien und der Messe 
beiwohne*^). Ahnlich werden am 12. April 1405 die Scho- 
laren (scolares), die fur ihre Dienste in den Vigilien und 
Messen an einem vom Markgrafen Wilhelm gestifteten 
Altar liber dem Grabe seiner Gemahlin Elisabeth von 
den jahrlich 42 Schock Meissener Groschen betragenden 
Stiftungsrenten jahrlich 11 Schock erhalten sollen, von 
den Chorschlilem (choralibus) unterschieden, die fiir jeden 
Termin 4 Groschen empfingen®^). Am 6. Marz 1405 wird 
endlich dem Rektor der Scholaren oder Kleinen (rectori 
scolarium seu parvulorum) im Meissener Schloss (s. ob.) 
einer Stiftung gemftss das KoUaturrecht tlber 4 bei der 
Domkirche gestiftete Vikarien derart zugesprochen, dass 
der Rektor mit Zustimmung eines alteren Kapitelherm 
und eines Domvikars fiir diese Vikarien einen von den 
Choralen (choralibus) der Domkirche prasentieren solle, 
der ein voUes Jahr vor der Vakanz der Vikarie ununter- 
brochen das Amt eines Choralis verrichtet habe (in hujus 
modi officio choralium continue serviverit per annum inte- 
grum precedentem) und zur Erlangung der Priesterwlii-de 
geeignet sei (unum ex choralibus ecclesiae Misn. idoneorem 
et ad presbyteratus ordinem promoveri magis habilem)®^). 
Aus alle dem ergiebt sich, zumal wenn wir noch die uns 
genauer bekannten Verhaltnisse an anderen Stiften in 
Betracht ziehen, dass im 14. Jahrhundert drei Gruppen 
von Schiilem, wenn wir sie so nach mittelalterUcher, 
unseren modernen Begriffen freilich nicht ganz konformer 



*•) 1373, 10. Nov.: dimidia stopa vini pro rectore scolarum, ut 
cnm pueris intersit (einer Seehnesse am 10. Nov.), de portione cano- 
nicorum et vicariorum primitus deducta et reservata (C S II. II, 161). 
Vergl. Note 42 u. 46. «>) C S n. H, 161. «0 S H. n, 818. 

") C S II. n, 817. 

Neues ArcM. f. 8. Q. «. A. VIII. 1. 2. ^J^^ ^^ GoOglC 



18 Johannes IftQler: 

Terminologie nennen wollen, iinter der Leitung des Meissener 
Chor-Schidrektors standen: 1. pueri oder parvuli, Knaben, 
2. Scholaren, scolares im engeren Sinne, 3. Chor- 
schiiler, chorales im engeren Sinne. Es sind dies 
drei Gruppen, deren Unterschiede vielfach nicht ins Auge 
gefasst werden, wodurch dann die Vorstellungen vom 
mittelalterlichen Schulwesen sich leicht unrichtig gestalten 
und man verleitet wird and verieitet worden ist, Ein- 
richtungen anzunehmen, dieunserem gegenwartigen Jugend- 
und Yolksschnlwesen zn ahneln scheinen, wahrend man es 
thatsachlich nur mit Scholaren nnd Ohoralen im engeren 
Sinne d, h. mit erwachsenen jungen Lenten oder gar schon 
mit jungen MSunem zu thun hat, die rein klerikale oder 
kirchliche Anfgaben erfollten, beziehentlich Berufsarten 
bildeten««). 

tJber die Scholaren im engeren Sinne ist spater 
noch genauer zu handeln; hier genfige yorlaufig die Be- 
merkung, dass darunter einzelne jlingere oder filtere Ge- 
hilfen, Begleiter, Schreiber und dergl. von Pfarrem und 
Kanonikem zu verstehen sind, die in Pfarreien in der Kegel 
vom Pfarrer , in Stiften von dem Schulmeister anzulemen 
waren**). tJber das Institut der Choral en geben ge- 
nugende Aufschliisse die Hausordnung fiir die 12 Chor- 
schlUer in der Spitalschule zu Niimberg v. J. 1343 •^), 
die Statuten des Scholasteramts zuXanten**), die Stiftung 
for 6 Choralen zu Cleve v. J. 1433*'), ein Vertrag zwischen 
Stift und Bath zu Emmerich vom 24. Februar 1453 *®) und 
eine Stiftung der Fran Brigitta Sonnewald zu Torgau 
V. J. 1484 ••). In der Ntimberger „korschuler regel" von 
1348 werden die Chorschtiler von den „cleinen schulem" und 
im Emmericher Vertrage von den Blirgerkindem und den 
Kindem von auswarts, „dat gheen pteine] choralen en syn", 
ausdrlicklich unterschieden ; in der Torgauer Stiftung wird 



•*) Selbst F. A. Specht Iftsst noch die rechte Klarheit ver- 
missen, bespricht tiberhaupt die letztgenannten zwei Gruppen nicht. 

®*) Vergl. meine Schulordnungen I, 46. Im Stift Beromiinster 
in Kant. Luzem soUte der Schulmeister jedem Chorherm „ein schuler 
one Ion leren". 

») Meine Schulordn. I, ITflg. 

^) F. Nettesheim, Gesch. der Schulen im alten Herzogthmn 
Geldem etc. (Dttsseldorf 1881) S. 374 f. 

«') Nettesheim, S. 133. 

««) Meine Schulordn. 11, 292flg. 

^) C. Knabe, Die Torgauer Visitationsordnung von 1529 
(Torgau 1881) S. 16 sub 18. 



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Die Anflinge des sSlchsischen Schnlwesens. 19 

bestimmt, dass die Chorales nicht Schiiler zu sein brauchen; 
nach den Xantener Statuten sollten sie Studenten sein. 
In Cleve sollten die 6 Choralen auf Bath des Bektors 
und Scholasters aus Knaben, die von diirftigen Mtem 
abstammten, aber im Singen und Lesen tlichtig w&ren, 
gewahlt werden. In Xanten wohnten sie in den Hausern 
der Kanoniker oder Beneficiaten, in Nlirnberg im Spital. 
In Nlirnberg sollte sie der Schulmeister lehren, „darumb, 
daz frum gaistlich lent gezogen werden, daz sie zu grozzerm 
gotz dinst kumen mtigen", und „wer niht priester werden 
wil, den sol man zu korschuler niht nemen, vnd wenn ein 
priester stirbt, so sol man dem paz gelersten vnd aller 
endlichstem, der vnter den zwelf korschulem ist, die selben 
pfrtint leihen". In Emmerich hatten die Choralen Feier- 
und Wochentags zu Chore zu gehen bei der Messe, Prime, 
Seelmesse, Vesper und im Sommer zur None; anderwftrts 
war es fthnlich. Und in Meissen, wo schon im Jahre 1205 
liber die Nachlassigkeit der Domherren geklagt werden 
musste und sich dieselben fur die Besorgung des Gottes- 
dienstes durch Annahme von Priestem, von stfiiidigen oder 
zeitweisen Vikaren (vicarii perpetui ac temporales), Er- 
leichterung schafften und auch die Seelsorge anderen liber- 
liessen, bildete das Institut der Choralen offenbar die 
Vorstufe zu den Vikarien und waren die jungen Leute 
vor allem dazu da, an Stelle der Domherren die Horen 
zu singen'^). Da nun am MeissenerDom die ausser den 
Scholaren und Choralen im engeren Sinne vorkommenden 
Knaben oder Kleinen (pueri, parvuli) nach Obigem offen- 
bar auch nur den kirchlichen una speziell den Chor- 
zwecken dienten, so muss abschliessend die Behauptung 
aufrecht erhalten werden, dass die Meissener Domschule 
vom 12. bis 15. Jahrhundert nur eine Chorschule war oder, 
um mit den Worten aus einer Ordnung ftir den Stifts- 
schulmeister zu Mtinster im Kant. Luzern vom Jahre 1420 
(beziehentlich 1326) zu reden, dass es der Chor war, 
„dem zuo dienst die schuol gestifft ist", und auch der dort 
gleich folgende Zusatz wird auf die Meissener Schule 
Anwendung erleiden dtirfen, dass der Chor „nit harwider 
durch daz zitt [Zeit] der ler niemer versumpt werde" '^*). 



^) An dem i. J. 1480 gegrUndeten Kollegiatstift zn onserer 
lieben Frauen in Freiberg standen die Choralen unter besonderer 
LQitnng des Dekans (nchoralibas presit eosque snscipiat ac dirigat,* 
1480, 14. Aug. S n. Xn, 640). •«>*) Vergl. Note 64,. 

2* 

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20 Johannes Mtiller: 

Neben der Domschule treffen wir in Meissen sehi* 
bald eine zweite, zugleich die zweite Schule Sachsens, 
deren Vorhandensein sich urkundlich belegen lasst. Bischof 
Dietrich n. von Meissen grtindete namlich im Jahre 1205 
(3. Marz) zur Beforderung des religiosen Lebens wegen 
der Nachlassigkeit der Kanoniker vom Dome zu Meissen 
fpro negligentiis fratrum nostrorum tarn presencium quam 
luturorum religionem de novo plantare volentes) einen Kon- 
vent von Augustiner-Chorherren an der Kircne S. Afra, 
denen er auch die Seelsorge in Meissen und Umgegend 
libertrug ; zugleich verordnete er bei S. Afra die Grttn- 
dung einer Schule von zw51f weltlichen Knaben 
behufs Hebung des Gottesdienstes in der genannten KJrche 
^t divinum officium soUempnius celebretur, scolae illic 
All puerorum secularium habeantur") '^). Aus dem Aus- 
drucke: weltliche Knaben, die den kanonischen gegen- 
uberstehen, erhellt, dass die Schule nicht fiir zukiinftige 
Domherren, zur Gewinnung eines geistlichenNachwuchses 
und seiner wissenschaftlichen Bildung bestimmt war, son- 
dem nur zu gottesdienstlichen Zwecken. Wie die Zahl 
der Schuler eine sehr beschr^nkte war, so kam es nur 
darauf an, einige Laienknaben oder Jiinglinge zu haben 
und dazu zu befahigen, dass sie, wie die Chorschtiler am 
Dome, bei Hochamtem, Vigilien, Seelmessen, Prozessionen 
u. s. w. Gesange ausfuhren und in sittsamer, verstandiger 
Weise Helferdienste verrichteu, vielleicht auch zeitweise 
bestimmte Stiicke verlesen konnten. Die „Schule" verfolgte 
also ebensowenig wie die am Dome allgemeine sittliche 
Erziehungszwecke , sondem nur kirchliche und trug 
nicht im Entfemtesten den Charakter der Offentlichkeit 
und AUgemeinheit noch der Wissenschaftlichkeit; sie war 
ebenfalls nur Chorschule'^). Die Schtilerzahl scheint 
sich laut der schon besprochenenUrkundevom 20. November 
1279 im Laufe des 13. Jahrhunderts von 12 auf 24 ver- 
doppelt zu haben. Fiir ihre Dienste erhielten die Schuler 

'I) C S n. IV, 102 u. die ktirzere Urk. v. 3. Mftrz 1206 eben- 
da 104. 

''O^Weminoch Machatschek S.141 diese Schnle der 12 welt- 
lichen Knaben zn einer «Pflanzst9,tte des Christenthums, kathoUscher 
Theologie und jeder schOnen Wissenschafb" macht, wenn er sagt, 
dass die 12 Knaben ,,darin Unterricht in der Masik, latein. Sprache, 
Schreib- und Dicbtkunst, Malerei und im Cborgesange erhalten 
BoUten, urn zu den geistlichen und kirchlichen Amtem, die man 
ihnen in der Folge anyertrauen woUte, geschickt zn sein*, so ist 
das eine vSllig unkritische Sch5nf&rberei. 

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Die Anftnge des s&chsischen Schnlwesens. 21 

wahrscheinlich ihren Lebensunterhalt oder wenigstens 
einen Lohn vom Stifte, vielleicht auch aus Almosen. Ver- 
m&chtnisse and Stiftungen zu ihrem Besten, wie sie uns 
oben bei Besprechung der Dom-Chorschule fiir deren 
Schiller begegnet sind, lassen sich nicht nachweisen. 

AufffiJligerweise erscheint erst sehr spat ein Schul- 
meister, beziehentlich auch einKantor am Afrastift: erst 
den 1. Dezember 1360 ein Johannes Dypoldswalde protunc 
rector scolarium scolae sanctae Affrae'^) und gar erst den 
28. September 1396 ein „Friczoldus de Nassow cantor" '*). 
Die Schule scheint damach in der alteren Zeit unter 
Leitung des Priors oder Propstes selbst gestanden und, 
da niemals ein Scholastikus oder magister principalis er- 
wahnt wird, eines solchen besonderen hSheren Leiters ent- 
behrt zu haben, wie er am Domstift Meissen seit dem 
12. Jahrhundert stets vorhanden war. Der letztere Um- 
stand erkiart aber zugleich das Fehlen eines Scholasti- 
kus am Chorherrenstift; die Stellung des Domscholasters 
vertrug eine Konkurrenz am Orte und in der Nachbar- 
schaft nicht. 

Eine gelehrte Schule beim Afrastift neben der Chor- 
schule anzunehmen, dazu berechtigt der Umstand, dass 
spMer bei S. Afra das noch jetzt bertihmte Gymnasium 
entstanden ist, gar nicht. Auch wenn wir in der Zeit 
von 1371—1452 von verschiedenen Abstufungen innerhalb 
des Konvents hSren, wonach dessen Mitglieder in „eman- 
cipati" und „seniores" d. h. solche, welche die Priester- 
weihe empfangen hatten und Sitz und Stimme im Konvent 
besassen, und in „non emancipati, juniores domini", ,Junge 
herren" zerfielen'*), so kann aus dieser Thatsache noch 
nicht ohne weiteres auf das Bestehen einer sogenannten 



'«) C S n. IV, 152. Den 4. Okt. 1861 giebt er sich noch die 
niihere Bestimmung: de Dresden; s. C S 11. IV, 154 Nr. 216. Den 
12. Jan. 1862 nennt er sich ^Joh. Dipolsswalde rector scolae eiusdem 
monasterii*, nnd gleich nach ihm in der Zeugenreihe steht ein 
^Andreas Fabri de Missna scolaris"; s. C S IL IV, 153 Nr. 216. 
Uber den scolaris s. sp&ter. '*) S II. IV, 169. 

'«^) C S n. IV, 155 Urk. v. 7. Julil871: canonicis regularibus 
dividere taliter, quod emancipati integras portiones percipere debeant 
et alii non emancipati percipere debeant mediam portionem de pe- 
cnnia. Vergl. C S 11. IV, 170 n. 278. — Am Dome zu Meissen 
wird schon 24. Juni 1246 verordnet, dass ein canonicus in minori pre- 
benda constitntas, postqnam Integra tns faerit, die ersten zwei Mark 
abzngeben habe (II. I, 128), u. 26. Okt 1296, dass allein den „per- 
sonis emancipatis" die Praelatoren gegeben werden soUen (II. 
I, 251), n. den 10. Nov. 1878 ist yon ncanonici emancipati et inte- 



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23 Johannes MfLUer: 

inneren, fiir die gelehrte Ausbfldung der Klostergeistlich- 
keit bestimmten Stiftsschule geschlossen werden. Anders 
scheint sich aber unser Urthea gestalten zu mlissen, wenn 
die jungen Herren „domim juvenes scolas intrantes" ge- 
nannt werden und von einem „regularis scolas intrans" oder 
auch von „sedentes in scolis" geredet wird. Und das ge- 
schieht ini letzten Viertel des 14. und zu Anfang des 
15. Jahrhunderts '*). AUein trotzdem diinkt es mich ge- 
wagt, eine wirkliche wissenschaftliche Ausbildung der 
jungen Kleriker, das Bestehen einer gelehrten, nach Obigem 
selbstverstfindlich auf die Klosterinsassen beschrfinkten 
Stiftsschule anzunehmen. Es verlautet dartiber auch 
spater nie etwas, was zu dieser Annahme irgendwie 
nSthigte; wohl aber werden in einer Ordnung fur die 
Prozession in der Frohnleichnamsoktave v. J. 1503 „sco- 
lares" und „chorales" zu S. Afra neben den Kanonikem 
unterschieden "). Damach und bei der Weite des mittel- 
alterlichen Begriffs von scola mSchte ich meinen, dass es 
sich in der Schule fiir die ,Jungen Herren" d. h. fiir 
die im Junglings- oder niederen Mannesalter stehenden 
Kleriker, die aUmahlich zur Priesterweihe gelangten und 
in die Chorherrenpfrtinde einriickten, im Wesentlichen nur 
urn Belehrungen und tJbungen fiir den Kirchendienst und 
fiir das Klosterleben handelte, &hnlich dem, was oben 
S. 14 aus den Statuten der Leipziger Augustiner-Chorherren 



nrati Yocem in capitulo habentes* die Rede im Unterschied yon den 
Vikaren u. s. w. (TL 11, 151, vergl. H. I, 297). 

"«») S n. IV, 161 den 14. April 1882: campanatori tantum, 
qnantam nni regnlari scolas intranti, ut melius pnlset; ebenso C S II. 
IV, 168 d. 11. Nov. 1392; fthnlich S II. IV, 198 d. 28. Ang. 1405: 
campanatori tantmn, quantum uni conyentuali de iuvenibus dominis 
scolas intranti; desgl. 11. IV. 207 d. 1. Mai 1417: quantum uni ex 
minoribus dominis tdhuc scolas intranti. Den 21. Dez. 1403 : de qui- 
bus fructibus mihi praeposito . . . similis portio utpote alteri con- 
yentuali, jnvenibus vero dominis scolas intrantibus media dnmtaxat 
tribuatur; C S II. IV, 192. Am 24. Jan. 1406 bestimmt Bischof 
Thimo die RangsteUung yon Mitgliedem des Dom- u. des Afrastifts 
derart, dass der Propst von Afra zur Seite d^s Domdekans, die Pres- 
byter (Priester) yon Afra ttber den Vicarii perpetui des Doms, die 
^sedentes yero in scolis supra omnes yicarios temporales" ihren Flatz 
haben (C S II. IV, 194\ — Den 28. Aug. 1408: „alle montage ynd 
mittewochen sulle wir (Propst, Prior etc) selemessen singin mit den 

{'ungen herren in der cappelle . . die messen . . . suUen die jungen 
lerren helfen singen one wedirrede"; C S IL IV, 197. 

■^ S n. IV, 258. Dazu kommen die letzten Satze sub 76 
ttber die Verpflichtungen der „ jungen Herren* in.Betracht. 



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Die AnfUnge des sftchdschen Schnlwesens. 23 

vom Jahre 1445 mitgetheilt worden ist'®). Unter wessen 
Leitung diese Schule stand, ob die Dinge so lagen, wie 
bei der Domschule oder anders, das wissen wir nicht, 
auch nicht, in welchem VerMltnisse sie sich zu der Schule 
der 12—24 weltlichen Chorknaben befand. 

Fast gleichzeitig mit den bisher besprochenen kleri- 
kalen Schulen zu Meissen zeigen sich die ersten Spuren 
zweier ganz ahnlicher: der Stiftsschulen zu Bautzen 
und Wurzen. 

Von Meissen aus war Ende des 10. Jahrhonderts die 
Herrschaft der Deutschen und mit ihr das Christenthum 
in die Oberlausitz gekommen, und der erste bekannte 
oberste Q-eistKche der letzteren, der Archidiakon (bisch5f- 
liche Vertreter) des Landes Budissin, Nikolaus zu Bautzen, 
der zuerst im Jahre 1216 erwfthnt wird, war zugleich 
Domherr zu Meissen und bekundete damit den alten Zu- 
sammenhang der Bautzener Kirche mit der Meissener 
Mutterkirche '•). In Bautzen selbst, das zum ersten 
Male im Jahre 1002 Stadt (urbs Budusin) heisst, soil im 
Jahre 1074 das erste christliche Kirchlein durch Bischof 
Benno von Meissen zur Pfarrkirche umgebaut worden 
sein, worauf diese nach nochmaligem Umbau von Bischof 
Bruno n. den 24. Juni 1221 eingeweiht wurde. Zuvor 
war noch an Stelle der blossen Stadtpfarrei ein Kollegiat- 
stift mit einem Propste und sechs anderen Kanonikem 
errichtet (und eben deshalb jedenfalls auch der Chor der 
Kirche neu gebaut) ^) worden. Unter den Kanonikem 
erscheint nun schon den 13. M^rz 1218 ein „Johannes 
scolasticus"*^), der den 5. August 1221 von Bischof 
Bruno n. „ Johannes notarius noster, scolasticus Bud- 
sinensis"®^) genannt wird, also, wie dies meist bei den 

"^^ Erne andere Anffassnns: bei Th. Flat he, Das Eloster der 
Augustiner-Chorherren zu S. Afira, in K. v.Webers Archiv f. sftchs. 
Gesch. N. Folg. II (1876), 74flg. 

'•) 8 n. I, 81. 

^) H. Knothe, Zur altest. Gesch. der Stadt Bautzen, in dieser 
Zeitschr. V (Dresden 1884), S. 80 u. 57flg. — F. P. (Erihonsky), 
Statu ten des CoUegiatstifts S. Petri zu Budissin in ihrer Entsten- 
ung und Forthildung (Budissin 1858) S. 2flg. 

«) Beyer a. a. 0. 8. 529. Urn 1220: C S 11. IV, 443; den 
25.Febr. 1222: H. I, 87; d. 27. Sept. 1222: 0. 0. Gercken, Historie 
der Stadt Stolpen (Dresden 1764) S. 542; d. 19. Jan. 1223 u. 29. Jan. 
1226: G. KOhler, Cod. dipl. Lusat. I, S. 35* u. 88; noch den 
15. Jan. 1228: Beyer S. 588. 

^) SchiJttgen u. Kreysig, Diplomat 11, 176. Vergl. sub 
9. Febr. 1223 C 8 H. IV, 108. 



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24 Johannes Mliller: 

Scholastern der Fall war, das Amt eines Kanzlers und 
Archivars des Stifts verwaltete. Am 19. Februar 1223 
wurde die Wahl des Scholastikus und des Kustos des 
Bautzener Stifts dem Meissener Bischof vorbehalten, 
wahrend die Bautzener Domherren ihren Propst und De- 
kan, wie anderwarts, selbst w^hlen durften^^). Uber 
die Schule selbst wissen wir z. Z. aus dem 13. Jahr- 
hundert gar nichts. Offenbar war dieselbe aber der 
Meissener Dom - Chorschule nachgebildet , und damit 
stimmen die aus dem 14. Jahrhundert auf uns gelangten 
Nachrichten. In den vom Bischof Konrad von Meissen 
den 31. Oktober 1372 bestatigten Statuten des Bautzener 
Domkapitels wird § 17 von dem erst jtingst errichteten 
Amte eines Kantors gehandelt und dabei dem Kantor 
aufgegeben, dass er zu bestimmten Zeiten und bei be- 
stimmten Ges^ngen mit seinen Gehilfen bei den Knaben 
auf dem Chore stehen (cantor cum provisoribus stabit 
juxta pueros in choro), beziehentlich aufstehen soUe (sur- 
gent cantor et provisores et stabunt circa pueros in choro) ; 
und von den Knaben horen wir, dass sie ebenso wie die 
im Meissener Dome zu rauchem hatten und zwar auch 
ihren Kantor und seine Gehilfen (tunc duo pueri cum 
thuribulis venient et thurificabunt ambo, cantorem primo 
et tunc quilibet illorum puerorum thurificabit unum ex 
provisoribus)^*), und dass sie an Festtagen alle mit der 
Cappa, dem mit einer Kapuze versehenen Schulterum- 
hang Oder Mantel, bekleidet sein mussten und seitens 
des Kantors durch einen Aufpasser - ein in den mittel- 
alterlichen Schulen sehr beliebtes disciplinelles Institut — 
tiberwacht werden soUten (et in choro habeat cantor 
correctorem puerorum) ^^). Das Amt des Kantors wird 
in den Statuten tibrigens nicht als dignitas (Wlirde), 
sondem als officium bezeichnet; er gehSrte also nicht zu 



88) Knothe S. 89. Am 29. Jan. 1226 wurde von Bischof 
Bruno II. von Meissen bestimmt (F. P., Statut. des CoUeg. S. 4, u. G. 
Kohler, Cod. dipl. Lusat. I, 37): Et decanum eligant [die Kanoniker] 
de consortio suo sibi ita quod scholamm et custodiae donatio nobis 
et nostris successoribus reservetur, sicut etiam in majori ecclesia 
Misnensi actenus habuit se jus nostmm. 

8*) Stat. d. CoUeg. S. 13 flg. Machatschek a. a. 0. S. 306fl^. 
— Dem obigen Satz lolgt: Et ilia thurificatione facta cantor stabit 
in medio chori ante pulpitum, et provisores stabunt juxta pueros, 
quilibet in uno choro, quousque dicetur Gloria patri; tunc etiam can- 
tor ibit et stabit juxta pueros, quousque compleatur antiphona. 

85) Stat. d. Coll. S. 16. Machatschek S. 307. 



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Die Anf&nge des sachsischen Schulwesens. 25 

den PrMaten und stand dann als Lehrer unter dem 
Scholastikns. 

Sonach war die Schule am Bautzener Stift nur eine 
von einem Kantor, in alterer Zeit nur von dem Schola- 
stikns geleitete Chorschule, neben welcher vielleicht 
noch die rein klerikale Instmktion etwaiger jlingerer 
Chorherren einhergegangen ist®*). Mit dem Untemchte 
der stftdtischen Jugend Bautzens hatten die Stiftsschule 
und die Pfrtinde des Scholastikns und das Amt des Kantors 
anfangs gewiss nichts zu thun®'). Im 14. Jahrhundert 
machte jedoch der Scholastikns, wie die . Domscholaster 
an anderen Orten, den Anspruch geltend, die im Kirchen- 
sprengel entstehenden und bestehenden Schulen zu ver- 
leihen, die Erlaubnis zum Schulehalten zu ertheilen und 
liber alle Schulen die Oberaufsicht zu fiihren. Wir kommen 
darauf weiter unten zu sprechen. 

In Wurzen war ebenfalls, wie in Bautzen, von 
Meissen aus die Organisation des kirchlichen Lebens er- 
folgt und im Jahre 1114 von Bischof Herwig von Meissen 
ein kleines Mtinster (monasteriolum) oder KoUegiatstift 
gegriindet worden^®). Aber erst liber 100 Jahre spftter 
stossen wir auf den ersten „scolasticus Wurcinensis'', 
namens Heinricus, als Zeugen in einer • Urkunde vom 
26. Marz 1227 »«), den 1. Mftrz 1262 auf einen Johannes 
scolasticus Wurcmensis ^). Die Einrichtung der Wurzener 
Stiftsschule war sicherlich derjenigen der Meissener und 
Bautzener Dom- und Stiftsschulen ganz verwandt. In 
den im Jahre 1476 fixierten, aber im Wesentlichen einer 
frtiheren Zeit, vorwiegend dem Jahre 1362 angeh5rigen 
Statuten des Stifts zu Wurzen •^) werden mehrere nfthere 

^) In den Statuten von 1872 werden „praelati, canonic! et 
vicarii sive perpetui sive temporales* unterschieden. 

8') Ebenso urtheilt Knothe a. a. 0. 118. 

^) Chr. SchOttgen, Historie der churfarstlichen Stiftsstadt 
Wurzen ^Leipzig 1717), S. 147flg. 85flg. 

^) C SIX. I, 96. Wohl ident. mit dem: „Heinricus scolasticus 
de Wrcin" v. 19. Sept. 1233: C S II. IV, 804 u. Beyer 8. 539. 

«>) C S II. I, 154. Den 24. Juli 12«6 magister Job. scol. 
Wurc: II. I, 160; vergl. 11. IV, 7. — Einen Scholast. Otto i. J. 
1840 (resigniert 1848) verzeichnet Chr. SchOttgen, Hist. 196; 
einen Otto scolast. s. auch 4. Mai 1352 in S II. 1 , 384. Im 
BxempL der Dresdner Kgl. Bibl. von SchOttgen, Hist. 196 ist 
hdschl. noch eingetragen: ,,1306 Hermannus" („in Kloster Nimbschen 
Briefe"). 

^^) Chr. SchOttgen, Hist, von Wurzen, Anhang einiger Do- 
kumente S. 68 u. 80, vergl. 8. 65 u. 96. 



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26 Johannes Miiller: 

Vorschriften ftir die Scholaren und den Schulrektor ge- 
geben, welche fiir die Geschichte des sachsischen Schul- 
wesens einige Bedeutung haben, da sie aus jener Zeit 
die einzigen bis jetzt bekannten dieser Art sind. Sie be- 
ziehen sich aber nur auf den Chordienst nnd kenn- 
zeichnen die fur diesen nothige Unterweisung. 

Darnach soUte der Schulrektor (rector scholae) bei 
alien Metten, denen er mit seinen Scholaren (scholaribus) 
beizuwohnen hatte, die zwei feierlich zu singenden Lek- 
tionen und zwei Verse zuvor angemessen vertheilen (dis- 
ponere); die 3. Lektion soUte immer ein j lingerer Chorale 
(junior choralis) lesen und das Benedicamus singen. Die 
Scholaren mussten gleichzeitig in Prozession den Chor 
betreten. Vom ersten Schlage der Vesper (4 — 5 Uhr Nach- 
mittags) an bis zum Schlusse des Kompletoriums (d. h. 
des Gebetes gleich nach Sonnenuntergang) und vom 
ersten Schlage der Mette bis zur Nona (2 — 3 TJhr Nach- 
mittags) soUte keiner ohne Mantel in die Ejrche kommen, 
keiner unter (oder nach) dem Evangelium und der Epistel 
und vom Sanctus bis zum Vaterunser und wenn zwei 
einen Vers singen oder das Graduale und Hallelujah ge- 
sungen werde, den Chor betreten oder verlassen noch 
von einem Chor zum andern gehen. Keiner soUte sitzen, 
wenn die anderen stehen, und umgekehrt. Wenn die 
Senioren (seniores) die Ejiiee beugen oder Haupter neigen, 
soUten dies die Scholaren auch thun, ebenso wenn das 
Gloria patri, Sanctus, Adoramus, Gloria tibi domine und 
die Worte im Credo: „Et homo factus est et simul ado- 
ratur" gesungen werden; andemfalls sollten sie Schlage 
mit der flachen Hand oder im Wiederholungsfalle mit 
Kuthen erhalten. Wer nicht rechtzeitig zu Chore komme 
oder nicht daselbst ausharren wolle oder sich zur IJnzeit 
setze Oder aufstehe, den sollten die Scholaren auszischen 
(debent scholares sibilare), bis er sich ordnungsgemass 
verhalte. Ahnlich soUte es dem ergehen, der zu gewissen 
Zeiten bedeckten Hauptes gesehen wiirde. Voreiliger 
Beginn der Lesungen und der Gesange war verboten. 
Beim Sprechen oder Singen des Priesters am Altare 
sollten sich alle zum Altar wenden, auch dem Propst und 
Dekan, wenn sie den Chor betreten, durch Erheben von 
den Sitzen und Verneigen allezeit Ehrfarcht bezeugen®^). 



^) Schottgen, Hist. V. "Wurzen, Anhang S. 101— 103, §55flg. 
der Statuten. 



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Die Anfeinge des s9.chsischen Schulwesens. 27 

Auch soUte der Schulmeister (magister scholae). — 
der ja nicht zu den Kanonikem geh5rte, — wenn die 
Kanoniker und Vikare ihre Kappen trugen und in der 
eberen Ordnung standen, in der unteren stehen, weil die 
Kleidung der Heim in der oberen einftnnig sein mlisse ®*), 

Dass es in Wurzen neben oder unter den Scholaren 
auch Chorales gab, erhellt ausser aus dem Vorstehenden 
aus einer Urkunde vom 12. Ma,rz 1470, wo dieselben 
gleich nach den Vikaren und Kapianen angefiihrt sind, 
was zu der obigen Charakteristik dieser Personen als 
meist erwachsener Kleriker stimmt**). Weiteres liber 
die Stiftsschule ist z. Z. nicht bekannt, in Sonderheit. 
nicht, ob ausser den Scholaren, tiber deren Alter wir 
ebenfalls jeder bestimmten Nachricht entbehren, der 
Schulrektor Schttler hatte, die nicht zunSLchst und vor- 
wiegend dem Chorgesang und kirchlichen Handlungen 
dienten. 

TJnklar ist auch die Bedeutung und Aufgabe der 
altesten und einzigen bekannten Scholastica Sachsens, 
jener Hennudis, welche in einer Urkunde vom 20. Fe- 
bruar 1247 •*) an dem auf Befehl des Papstes Lucius m. 
(1181 — 85) von Hermann von Sch5nburg gegriindeten 
und den 2. Januar 1233 testamentarisch dotierten®*) 
Benediktiner - Nonnenkloster zu Q-eringswalde er- 
scheint. In jener Urkunde von 1247 rangiert die „Scho- 
lastica" unter den Zeuginnen nach der Priorin und Sub- 
priorin aber vor der Celleraria, Sacrista, Portaria, Came- 
raria etc. In einer Urkunde vom Jahre 1265 ist Hermudis 
Priorin, und fehlt neben den noch mit Namen angefuhrten 
Wtirdentragerinnen (der Kammerin, Klisterin, Keller- 
meisterin etc.) eine Scholastica; daffir steht an 4. Stelle 
(unmittelbar vor der Custrix und der Celleraria und 



»3) SchiJttgen, Hist von Wurzen, Anh. S. 87, § 80. 

^) SchOttgen, Hist. S. 170. — Auch die wohl dem Anfang 
des Ifi. Jahrh. angehOrende Nachricht ebenda 8. 108 bestfttigt Obiges. 
Damach empfingen fftr den Gesang des Salve re^a in der Fasten 
die Domschtiler Dienstags nach Palmarum jeder Knabe 2 Bretzeln, 
»die Schuldiener aber u. Choralisten eine KoUation* (ein frngales 
Abendmahl) von den Kirchvatern. 

») Beyer a. a. 0. 546. 

^) A. Tobias, Regesten des Hauses SchOnburg bis 1826 
(Zittan 1865) S. 11. — Die pSpstliche Bestatigung duichGregor IX. 
erfolgte den 29. Okt. 1288. Gf. A. Bernhardi, Beitrag zu einer 
Geschichte von Geringswalde (Leipzig 1777) S. 54. 



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28 Johannes MuUer: 

gleich nach der Cameraria) eine Elyzabeth cantrix*'). 
Nach allem, was wir fiber das Kloster Greringswalde 
zur Zeit wissen, kann aus dem voiiibergehenden Auftreten 
einer Scholastica nicht ohne weiteres auf das Vorhanden- 
§ein einer sttodigen Klosterschule fiir junge Madchen, 
die nicht Novizinnen waren oder werden soUten, ge- 
schlossen werden, noch weniger aus dem Umstande, dass 
spater die Herren von Schonburg dieses ihr Marienstift 
zu der iibrigens nur drei Jahre (von 1566—1568) be- 
stehenden Schonburgischen Landesschule fiir Knaben 
verwendeten ®®), auf das einstmalige Vorhandensein einer 
Schule, die auch jungeren Knaben, welche Geistliche 
werden woUten, zugftnglich war®*). Es kann sich wohl 
nur um den Unterricht junger Madchen, die Nonnen 
werden wollten, oder um den der Novizinnen und der 
Nonnen selbst handeln, also um eine sogenannte inner e 
Klosterschule, in der geistlichen Jungfrauen oder 
Madchen vor allem Lesen und Schreiben und einiges 
Latein, der Psalter, Grebete und Lesungen (das Brevier), 
kanonische Vorschriften, ascetische tjbungen und Hand- 
arbeiten gelehrt wurden^®®). Vielleicht kam es auch nur 
darauf an, sogenannte „moniales literatae id est choro 
addictae et in choro legentes", wie sie anderw^rts um 
1213 genannt wurden^®^), fiir ihre Gesange und Vor- 
lesungen und Q-ebete im Chordienste zu instruieren. Da 
eine Scholastica nur einmal, in den ersten Zeiten des 
Bestehens des Klosters, nachweisbar ist, und schon 1265 
dieses Amt verschwindet, so scheint die Klosterschule 
als eigentliche Anstalt auch nur dieser ersten Zeit, wo 
das Kloster in Aufnahme kam, angehOrt zu haben. Ist 
doch auch damals, am 1. April 1280, von einer Schule 
gar nicht die Eede, als ein Ritter Heidenreich von Lichten- 
walde seine drei Tochter ins Kloster zu Geringswalde 
gab, offenbar damit sie einmal Nonnen werden mochten, 



»') Schettgen und Kreysig, Diplom. 11, 446. 

®8) Th. D ist el, Der Flacianismus und die SchOnburg'sche 
Landesschule zu Geringswalde (Leipzisr 1879) S. 6 flg. 

^) Vergl. iiber diesen schon zu Karls des Grossen Zeiten ver- 
botenen, aber doch bier nnd da gepflogenen Branch Specht a. a. 0. 
S. 282 flg. 

^^) Specht S. 258 flg. und die Rostocker Kinderlehre aus 
dem Ant. des 15. Jahrg. (Instruktion eines Franziskaners an Schwester 
Adelheid fiber den Lehrgang), verSffentl. vonK. Krause imProgr. 
der grossen Stadtschule zu Itostock 1873, S. 18 flg. 

10*) Specht S. 262. 



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Die Anf&nge des s&chsisclien Schnlwesens. 29 

und als er ihnen eine jfthrliche Rente von 6^2 Pfund 
Silber aussetzte, die nach seinem Tode dem Kloster zu- 
fallen soUten, auch wenn eine oder alle TSchter das 
Kloster wieder verlassen wtirden*^^). 

Wahrend so die bisher besprochenen aitesten Schulen 
Sachsens nur fiir kirchliche oder klerikale Zwecke er- 
richtet waren und erhalten wurden, ging man in der 
nftchsten fiir das 13. Jahrhundert nachweisbaren sach- 
sischen Schule einen Schritt weiter. Bei dem im Jahre 
1212 durch Markgraf Dietrich von Meissen gegrlindeten 
Augustiner-Chorherrenstifte zu St. Thomas in Leipzig 
ward nftmlich von den Chorherren eine Schule unterhalten, 
welche eine aussere (schola exterior) genannt wird, 
somit zwar unter klerikaler Leitung stand und zunftchst 
und vorwiegend der Ausbildung zuktinftiger Weltkleriker 
(Leutpriester) diente, aber doch auch — im Unterschiede 
von den nur mr zukiinftige Ordensgeistliche und Kanoniker 
bestimmten „inneren" (interiores) Schulen und im Unter- 
schiede von den nur fiir den Chordienst errichteten Chor- 
schulen — von den Laien, also in Leipzig von den 
Biirgerskindern zu einer nach damaligen Begriffen 
mehr oder weniger gelehrten Bildung mit benutzt 
werden konnte. Ihrer wird zum ersten Male in einer 
Urkunde vom 20. Februar 1254 gedacht; damals wies 
der Klosterpropst einen Theil (tria talenta) der Einktinfte, 
welche das Kloster aus der „ausseren Schule" bezog, 
und welche der von ihm bestellte Schulmeister viertel- 
jahrlich zu zahlen hatte (annuatim singulis quatuor tem- 
poribus XV solidi, quos eiusdem scolae magister dabit 
et praesentabit alicui dominorum), zur Verbesserung der 
Krankenpflege an^^^). Der Tenor der Urkunde erweckt 
den Einc&uck, als ob die ftussere Schule erst vor Kurzem 
angelegt sei und nun zum ersten Male tiber deren Ein- 
kunfte Verfligung getroffen wlirde. Von einer sogenannten 
inneren Schule zu St. Thomas verlautet um jene Zeit 
und im ganzen 13. Jahrhundert nichts. Doch schliesst 
der Ausdruck „schola exterior" eigentlich ihre Existenz 
ein. Auch wird in einer Urkunde vom 16. August 1342^***), 
worin der Prior und Konvent des Thomasklosters hin- 
sichtlich der Wirthschaftsverwaltung einiges festsetzen, 



^^ Urk. gedr. in den Mittheilungen der deutschen Gesellschaft 
in Leipzig I (1866), 162. 

i«») C S II. IX, 13. 10*) C S n. IX, 82. 



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30 Johannes Mtlller: 

von Herren und Knaben des Konveiit& (domini et piieri 
xjonventuales sicut et praebendarii) und von Knaben, die 
sich dem Klosterleben widmen (puer religion! nobiscum 
se reddens), gesprochen. FreiUch ein unzweideutiger 
Beleg fiir das B^stehen einer inneren Schule ist diese 
Nachricht nicht, und noch weniger ist fiir die Standigkeit 
der Schule der Beweis erbracht. Im Jahre 1339 (4. April), 
wo gewibse Gefsllle zur Bekleidung der Chorherren be- 
stimmt werden, ist von Knaben (pueri conventuales, 
canoniei) gar nicht die Rede, nur von erwachsenen Kle- 
rikern und zwar von solcheu, die den Chbrdienst ver- 
sehen, wozu ja sonst Knaben vorzugsweise verwendet 
wurden^®^). Die innere Schule am Thomaskloster war 
bffenbar nur eine zeitweilige, je nach Vorhandensein eines 
jungen Nachwuchses zur Klostergeistlichkeit. Sie stand 
dann wohl unter Leitung des Propstes oder eines von 
ihm beauftragten Chorherrn, wie spater die oben (S. 14) 
schon erwahnten Statuten des Thomasstifts vom 10. Sep- 
tember 1445 ausdrlicklich verordneten. Die aussere 
Klosterschule hatte dagegen ihren vom Propst erwahlten 
eigenen Schulmeister. Der erste mit Namen bekannte, 
der erste Leipziger Schulmeister iiberhaupt, erscheint als 
Zeuge im Jahre 1295: „Thidericus rector scolarium in 
Lypz"^®*); er ist der einzige aus der Zeit bis 1443, 
dessen Name uberliefert ist^®'). Der gebrauchten Aus- 
drucksweise („scolarium in Lypz" scMechthin) zufolge 
muss er zugleich der einzige Schulmeister in der Stadt 
gewesen sein, und da noch im 15. Jahrhundert (s. Note 107) 
dieselbe Bezeichnungsweise iiblich ist, so erscheint die 
Existenz einer zwciten oflfentlichen Schule in Leipzig 
bis zum Jahre 1511 (s. spater) ausgeschlossen. „Der 

^^) G S II. IX, 76: dominis nostxis solum praesentibus chore 
deservientibus tarn iuvenibus quam veteranis. Letztere werden als 
„viribus destituti" bezeichnet. 

100) C S II. IXj 85. Er steht dort als drittletzter unter 
7 Zeugen, die alle Laien sind. 

*<^') Im J. 1443 (28. Jan.) ist es Petrus Sehehusen, der damals 
„rector scolarium domini prepositi" (II. IX, 195 flg.) und 1451 
(12. Okt.) Petr. Zehuse rector scolarium in Lipzk OlL. IX, 264) 
genannt wird, 1443 den 8. Febr. artium magister aecretorumque 
baccalarius (ibid. 196) und 1460 (31. Marz) JNotar ist (ibid. 286). 
Im J. 1460 (31. MSrz) ist Johannes Forcheym rector parvulorum 
in Lipczk (1470, den 19. April wohl Propst zu Mtihlberg, ibid. 296). 
1495, 11. Juni heisst's vom verstorbenen Magister Gregorius Wess- 
nigk : „hat sich eyn langzeit inn vnd neben vnserm kloster enthal- 
denn, gedienet, schulregiret'* (ibid. 858). 



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Die AnfUngd des s&chsischen Schulwesens. 31 

schulmeister zw s. Thomas" hatte auch, wie aus einer 
Urkunde vom 9. Dezember 1437 ersichtlich ist^^®), an 
der Parochialkirche. St. Nikolai, welche gemass papst- 
licher Bulle vom 18. Dezember 1221 dem Thomaskloster 
gehorte, die Vigilien und Messen etc. mit „etzKclien 
schlilem" zu singen. — Inwieweit nun die Burger Leip- 
zigs die gebotene Eiiglichkeit, in der Thomasschule ihren 
Kindem eine lateinische Bildung geben zu lassen, aus- 
genutzt haben, ist aus den vorhandenen Quellen nicht 
zu erkennen. Wir horen nur von der Verwendung von 
Schulem („schuler", „scolares") bei gottesdienstlichen 
Handlungen, und zwar erst seit dem vorletzten Jahr- 
zehnte des 14. Jahrhunderts^®^). Von einem Unterschiede 
von reichen und armen Schtilern verlautet dabei nichts. 
Doch empfingen die Schliler fiir ihre Dienste eine Ent- 
scMdigung; die Auszahlung scheint sich, wenn nicht fiir 
immer, so doch fiir bestimmte Falle der Prior vorbehalten 
zu haben (s. Note 109) ; im 15. Jahrhundert ist sie auch 
einmal Sache des Kloster-Siechenmeisters ^^®). Chorschiiler 
(„korschuler", „chorales") werden urkundlich erst im 
15. Jahrhundert erwahnt; sie unterstanden der Aufsicht 
des Schuhneisters^^^). — Im Laufe der Jahre, zumal 
je mehr sich der Handel Leipzigs entwickelte (was im 
14. Jahrhundert geschah), muss die Thomasschule den 
Wunschen und Bedtirfnissen der Burger nicht mehr ge- 



io«) c S n. IX, 186. 

i<») So 1883, 16. Dez. (C S n. IX, 131}: vier schuler, die 
deme prister, der do messe singet, sullen helfen singen obir deme 
altare; 1384, 18 Juni (ib. 132): messe singen mit acht schulem; 
vergl. 1387, 16. Mftrz (ib. 135), 1390, 1. Marz (ib. 139); 1392, ll.Marz 
(ib. 148)': prior scolaribus [den 8 bei der Fronleichnamsmesse] salla- 
rium ministrabit. 

"0) 1440, 29. Nov. (C S II. IX, 190) : der Jnfirmarius" soUte 
den «locati [Gehilfen, die hier zum 1. male vorkommen] ad scolas 
et octo scolares** fiir Fruhmessen in der Adventszeit geben den 
Locaten jahrlich Va Schock Grrosch., den 8 Scholaren fiir jede M.esse 
1 Pfenn.; wenn die Locaten nachlassig wSlren, soUte ihnen allemal 
.2 Gr. abgezogen werden, und wenn sie ganz nachlassig waren, so 
kOnnten die C ho rh err en mitErlaubnis des Propstes ^dictain missam, 
prout prius consueverant, per se decantare". 

*ii) C S II. IX, 186 den 9. Dec. 1437: die messe durch etz- 
liche schtUer ader sust ymandes, sunderlichen durch die korschiiler 
. . . zw singen; . . . dem schulmeister zw sant Thomas, der solche 
viglien vnd messen mit etzlichen schulem singen sal. Vergl. 1468, 
25. Aug.: 2 chorales (ib. 290); desgl. 1473 u. (5. ib. 307, 309, 316. — 
1470, 19. April (ib. 295) treten auch „korschuler zu s. Jo r gen vor 
Lipczk in dem hospitali" auf. 



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32 Johannes MtUler: 

nugt haben. Die Stadt, welche schon bei Q-rundung des 
Thomasstiftes lebhaften Widerspruch bekundet hatte^^*), 
machte zunftchst Anspruch auf die KoUatur der Schule 
Oder suchte wenigstens Einfluss auf die Wahl UDd Be- 
stallung des Schulmeisters zu eriangen, so dass es zu 
Streitigkeiten kam, die durch einen Spruch des Mark- 
grafen Wilhelm von Meissen vom 7. November 1373 
unter Berufung auf friihere Praxis zu Gunsten des 
Klosterkonvents entschieden wurden; es wurde verordnet: 
„d6r pro bis t sal die schule czu sende Thomas lihen, als 
her von aldir getan hat^^^)". Die Burger trugen sich 
nun mit dem Gedanken, eine eigene, von dem Propste 
unabhangige Schule in der .Nikolai -Parochie fiir ihre 
Zwecke zu errichten und wendeten sich mit einem Ge- 
suche an Papst Bonifacius IX. Dieser willfahrtete dem- 
selben am II. Marz 1395 in noch zu besprechender Weise. 
Doch kann es nach dem Obigen (s. Note 108) nicht zur 
Anlage einer wirklichen StadtschuJe gekommen sein, und 
selbst im Jahre 1511, wo die Stadt die Nikolaischule 
erbaute, drang der Konvent des Thomasklosters mit Erfolg 
auf die Aufrechterhaltung der ihm im Jahre 1373 ver- 
brieften Rechte"*). 

Die nachstalteste Schule Sachsens nach den bisher 
besprochenen wiirde die zu Zwickau sein, wenn Zwickau 
als Wohnsitz jenes Schulrektors Heinrich (Heinricus rector 
scholae) angesehen werden darf, der den 2. November 1291 
in der eine Eriihmesse in der Zwickauer Marienkirche 
bestatigenden Urkunde des im Jahre 1219 von Zwickau 
nach Eisenberg verlegten Benediktinerinnen-Klosters als 
letzter Zeuge nach einigen Zwickauer Priestem und 
Rathsherm erscheint^^^). Annehmbare Griinde sprechen 
dafiir, zumal die Pfarr- oder Marienkirche zu Zwickau 
schon im Jahre 1118 gegriindet worden ist und das 
Kirchenpatronat in der Stadt Zwickau seit 1212 (bis 1505) 
dem genannten Koster zustand. Eben dieses Frauen- 
kloster besass nach Urkunden des Naumburger Bischofs 
vom 24. April 1330 auch das Schulpatronat (,jus scho- 
lasticum") zu Zwickau^^*). Naheres fiber die Schule 

112) c s n. vm, xvin ng. i") c s ii ix, iii. 

"*) S n. IX, 869. 

11*^) We Her, Altes aus aUen Theilen der Gesch. (Chemnitz 
1760 flg.) n, S. 74; vergl. E. Herzog, Gesch. des Zwickauer 
Gymnas. (1869) S. 1 flg. 

"«) Herzog S. 2 u. 154. 



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Die Anf singe des 8g.chsischen Schulwesens. 33 

selbst ist uns bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts nicht 
uberliefert worden ^^'). Sie war wohl anfangs eine Pf arr- 
schule, aus der sich im Laufe der Zeit unter nicht 
aufgeklarten Umstanden, aber wahrscheinlich bei der 
raumlichen Entfemung des klosterlichen Patrons und der 
zunehmenden Macht des Magistrats der damaligen Reichs- 
stadt ohne besondere Kampfe die unter stadtischem 
Patronate stehende Schule entwickelte, der wir im 15. Jahr- 
hundert begegnen. Damit reprasentiert die Zwickauer 
Schule des 13. und 14. Jahrhunderts einen weiter^n Fort- 
schritt in der Entwickelung des sachsischen Schulwesens 
liber die bisher genannten und gekennzeichneten Schul- 
arten hinaus. Die Stifts- (bez. Dom-) und Klosterschulen 
dienten beinahe ausschliesslich kirchlichen Zwecken und 
iibten in der Kegel, was jetzt auch eine besonnene katho- 
lische Q-eschichtsschreibungbekennt^^®), keinen bedeutenden 
direkten Einfluss auf die Bildung der Laien aus, am 
wenigsten auf die eigentliche Volksbildung. Anders die 
Pfarrschulen. Wenn schon sie urspriinglich aus gottes- 
dienstlichen Bediirfnissen entstanden sind und auch lange 
Zeit nur diesen dienten, demgemass anfangs eine minimale 
religiose oder richtiger kirchliche Unterwelsung und 
einigen ungelehrten Vulgarunterricht neben dem Gesang 
bloss als Mittel zu gottesdienstlichen Zwecken oder als 
Beigabe zur Seelsorge gewahrten, auch anfangs nur eine 
sehr geringe Schlilerzahl und ohne Beschrankung auf das 
Kindesalter umfassten, so hat sich doch aus ihnen all- 
mfthlich ein nicht unbetrachtlicher Theil der Stadtschulen 
herausgebildet, welche grosseren Volkskreisen eine sich 
nach und nach erweitemde Bildung vermittelten und spater 
den grossen Geistesbewegungen des 15. und 16. Jahrhun- 
derts einen wohlthatig umgestaltenden Einfluss gestatteten. 
Mit den Schulen zu Meissen, Bautzen, Wurzen, 
Oeringswalde, Leipzig und Zwickau, von denen, wie wir 



^^') Bs ist nur in einer Eisenberger Klostemrkunde v. J. 1372, 
welche eine Seelgerfith-Stiftung in der Zwickauer Katharinenkirche 
betrifft, von der Mitwirkung des „rector scholarium'* u. von der in 
2 Grosch. bestehenden Honorierung seines Ohordienstes die Rede. 
Herzog, Chronik von Zwickau II, 891. 

"8) Specht S. 230. Vergl. dagegen noch A. StOckl, Lehrb. 
d. Gesch. d. Pftdagoffik (Mainz 1876); F. Nettesheim a. a. 0.; 
H. Schmitz, Das Volksschulwesen des M.-A. (in P. Haffner's 
Frankfurter zeitgemassen Broschttren 2. Bd. 10. Heft, Frankfurt a. M. 
1881); H. Schonlau, Geschichtl. Notizen ttber Volksschulen vom 
9. bis 14. Jahrh. (Paderbom 1885). 

Keues Archiv f. 8. CJ. u. A. Vlll. 1. 2- ^ /^^ I 

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34 Johannes Mliller: 

gesehen haben, nur die beiden letzteren anf die 
Volksbildung unmittelbar einwirkten, ist nach dem 
gegenwartigen Stande der Forschung die Eeihe der im 
13. Jahrhundert vorkommenden Schulen des jetzigen 
KOnigreichs Sachsen erschopft. NamentKch fehlt bei den 
ubrigen zahlreichen Klosteni Sachsens, die im 12. und 
13. Jahrhundert angelegt worden sind, bis jetzt fiir die 
Zeit bis 1400 jede sichere Spur einer Schule. Weder 
bei den Benediktinern zu Chemnitz und Pegau, noch bei 
den Franziskanern zu Zwickau, Freiberg, Dresden, Meis- 
sen, Lobau, Kamenz, noch bei den Dominikanem in Leipzig, 
Freiberg und Plauen, noch bei den Cisterciensern in 
Altzella, Ilgenthal (Buch) und Grlinhain, noch bei den 
Augustinem in ZscMllen, Crimmitscliau und Q-rimma, noch 
bei den CSlestinern auf dem Oybin — K15ster, iiber die 
wir zum Theil gut unterrichtet sind — lasst sich zur Zeit 
fttr jene Jahrhunderte eine innere, geschweige denn eine 
aussere Schule nachweisen; ebenso steht es bei den 
Nonnenklostem zu Marienthal, Marienstem, Grossenhain, 
Biesa, Nimbschen, Leipzig, Remse^^®), und nur bei den 

1^^) Es sei aus der einschiagig. Literatur hervorgehoben iiber 
Altzelle: Beyer a. a. 0. S. 104 flg., Buch: SchOttgen und 
Kreysig, Diplom. II, 171 flg., Hingst, Annalen des Klosters 
Bnch in Mittheil. d. Gesch.- u. Alterthums - Vereins Leisnig V. u. 
Vn. Heft (1878 u. 1886); Chemnitz: C S 11. VI (hier S. 278 
vergl. 506 hat H. Ermisch berichtigt, was er in seiner Gesch. des 
Benediktinerklosters zu Chemnitz in v. Weber's Archiv f. sftchs Gesch. 
N. F. I V[1878] , 278 gesagt hatte : der Cunradus scolasticus vom 12. Marz 
1300 ist ein Merseburger) ; Crimmitsch au: G. GiJpfert, Gesch. 
des Pleissengrundes (Zwickau 1794) S. 208 flg. und Chr. Kastner, 
Chronik von Crimmitschau (1853) S. 163 flg.; Dresden: C S 11. V; 
Freiberff: C S II. XII; Grimma: Lorenz a. a. 0. 511 flg.; 
Grossenhain: Urkunden, das Jungfrauenkloster zu Hayn betr., 
Mscpt in Kgl. Bibl. Dresden; C. W. Hering, Gesch. der Stadt 
Grossenhain (1849), S. 20 flg.; Grlinhain: E. Herzog, Gesch. des 
Klosters Grunhain, in v. Weber's Archiv f. sichs. Gesch. VII (1869), 
64 flg.; Kamenz: CSII. VII und H. K no the. Die Franziskaner- 
klSster zu L()bau und Kamenz, in den Beitragen zur s&chs. Kirchen- 
gesch., herausgeg. von Dibelius und Lechler I (Leipzig 1882), 99 flg.; 
Leipzig: C S IL VIU u IX; LSbau: C S IL Vn und Knothe 
a. a. C; Marienthal: J. B. Schonfelder, Urkundl. Gesch. des 
Klosters Marienthal (Zittau 1834); Marienstem: G. KOhler, 
Cod. dipl. Lusatiae super. II (1854), Anhang (Urkund.); Meissen: 
C S IL IV; Nimbschen: J. Chr. Hasche, Magazin der sftchs. 
Gesch. IL VL VII. Theil (1785 flg.); Oybin: A. Moschkau, 
Oybin-Chronik (Leipa 1884) S. 129 flg.; Pegau: Chr. SchiJttgen, 
Hist. Wieprechts zu Groitsch wie auch des Klosters in Pe^u 
(Regensburg 1749); J. Ludewig, Reliquiae manuscriptorum ^Lips. 
1720 flg.) II, 176 flg.; Men eke, Scriptores rerom germanic. II 



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Die Anfange des s&chflischen Schulwesens. 35 

Benediktineriimen zum heiligen Kreuz in Meissen und 
bei den Nonnen der heiligen Maria Magdalena von der 
Basse zu Freiberg scheint am Ende des 14. Jahrhunderts 
etwas Schulartiges vorhanden gewesen zu sein; wir 
kommen darauf noch zu sprechen. AUerdings darf aus 
dem Schweigen der tJberliefemng bei den genannten 
anderen Klostern nicht ohne weiteres gefolgert werden, 
dass iiberhaupt niemals mit denselben Schulen im Sinne 
des Mittelalters verbunden gewesen seien, dass hier keine 
Fortbildung der Kleriker, keine Unterweisung der Novizen 
Oder etwaiger „liberi oblati" stattgefunden habe ; dagegen 
vei^l. das oben S. 14 Bemerkte ^^®) ; allein so liegen die 
Dinge auch sicher nicht, wie noch immer behauptet 
wird, dass jedes Kloster seine Schule im eigentlichen 
Sinne des Wortes als standiges Institut, womoglich gar 
„in der Kegel" auch eine den Laien zugangliche „aussere" 
gehabt habe^^^). Und wenn noch jungst Ed. Schmidt 

(Lips. 1728), 103 flg., F. A. Flissel, Anfang und Ende des Klosters 
St Jakob zu Pegau (Leipzig 1867); Plauen: meine Mittheilungen 
des Alt-Ver. zu Plauen I-V (1880 flg.)*, Remse: K. E ckardt, Zur 
Gesch. des Klosters R., in v. Weber's Archiv f. sSchs. Gesch. Ill (1865), 
203 flg. 844 flg.; Zschillen: Lepsius, Zur G^sch des Klosters 
Zsch., in der Variscia (Greiz 1831), 3. Lief. S. 5 flg.; 1. Bericht 
an die deutsche Gesellsch. zu Leipzig 1833, S. 75 flg.; Zwickau: 
Herzog, Ohronik von Zw. und Gesch. des Gyninas. (blosse Kon- 
jektur, ohne urk. Belege). — Auch die Durchsicht der Re&^str. 
Htifter und KlSster im H.-St.-A. Dresden flihrte zu negativ. Resultate. 

*^) Li Altzelle gab es den 27. Sept. 1431 eine „ceUa novicio- 
rum" (B e y e r S. 673 u. 56), 19. Juli 1600 einen Matheus Stelmecherus 
novitiorum magister (Urk. in Dresden, vergl. Beyer S. 709). — In 
Nimbschen 13H8, den 6. Juni: „geko^eltin vrouwen vnd nouicien". — 
In Pegau den 13. Juni 1808 doch wenigstens ein ^cantor" (Ludewig, 
Reliq. mscpt. 11, 263), 1375 den 13. Nov. „Nicolaus cantor** (SchOtt- 
gen, Wipr. zu Groitsch, cod. probat. S. 87), 1506 auch ein Jo. 
Venator institutor novitiorum (SchQttgen, Wipr. zu Groitsch 
S. 171). Vergl. auch spater ttber die Pegauer Schule von 1379. — 
Der Konvent zu Buch versichert den 14. Sept. 1486, dass er in 
Belgem gewQhnlich einen weltlichen Lehrer rtir die Untervireisung 
der jungeren Klostergeistlichkeit gehabt habe (ubi consuetum est 
habere magistrum secularem pro ejusdem monasterii juvenibus in 
primitivis scientiis instruendis\ und das Generalkapitel des Cister- 
cienserordens errichtet dort nach Urk. vom 13. JuU 1487 eine BH- 
dun^sanstalt (studium nostrum Belgern) fur die MOnche (juvenes reh- 
giosi, fratres), die zugleich von den tibrigen Klostem des Ordens ge- 
braucht werden soUe. SchOttgen und K r e y s i g , Diplomat. II, 304 flg. 

«i) So noch M. Daisenberger, Volks-Schulen der 2. Halfte 
des M.-A. in der DiOcese Augsburg (Progr. Dillingen 1885) S. 58. 
Dagegen s. Gabr. Meier, Gesch. d. Schie v. S. GaUen im M.-A. 
(Jahrbuch f. schweizerische Gesch. X [1885], 119); derselbe kennt „eine 
solche Doppelschule, wie sie nur zu haufig ohne Grand in alien 



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36 Johannes Kliller: 

in seinem Aufsatze: „Erziehung und Unterricht in Deutsch- 
land wahrend des Mittelalters^* ^^^) schreibt: „Wollten 
wir alle Pflanzstatten geistiger Kultur im deutschen 
Reiche aufzahlen, so dtirfte wohl kein Bischofssitz, kein 
Kloster unerwahnt bleiben, da alle zu gewissen Zeiten 
und in gewissen Bildungsfaclieni Hervorragendes leisteten", 
— so ist das eine schone Phrase, gegen die schon die 
Thatsache spricht, dass im Mittelalter die Emchtung 
von Schulen bei Klostern und Stiften selbst bloss zur 
Gewumung und Erziehung eines geistlichen Nachwuchses 
(von sogen. inneren Schulen) immer und inimer wieder 
empfohlen und befohlen werden musste; auch bekennen 
katholische Schriftsteller, die sich jetzt um die Geschichte 
des vorreformatorischen S(;hulwesens eifrig bemlihen, dass 
durchaus nicht immer, wo ein Stift bestand, auch eine 
Scholasterei und Schule vorhanden war^^®). 

Noch einem anderen MissversUndnisse muss vorge- 
beugt werden, welches in schulgeschichtlichen Publikationen 
wiederholt gefunden wird. Erfreut und tiberrascht konnte 
man namlich das Bestehen einer ssLchsischen Dorf schule 
vermuthen, wenn man von einem „scolaris" in einem 
Dorfe liest, so in einer Urkunde des Bischofs Heinrich 
von Meissen vom 28. Marz 1237 und des Bischofs Withego 
vom 7. Marz 1293 von einem „scolaris" in Zadel bei 
Meissen ^^*). Allein der Zusammenhang des Textes in 
den Urkunden zeigt, dass hier nicht an Schliler im Sinne 
von Chorschiilern (Chorknabeu) oder gar im Sinne von 
erziehungspflichtigeu und planmassig um ihrer selbst wiUen 
auszubildenden Eindern jeden Standes und Geschlechts 
zu denken ist. Im Jahre 1237 ist es, wie die Urkunde 
sagt, ein einzelner „scolaris minister", den das Kloster 
Altzelle dem Pfarrer in Zadel zur Aushilfe halten musste, 
und ebenso 1293 ein Pfarrgehilfe. Auch wenn uns spater 
als letzter Zeuge in einer Urkunde der Herren von 
Vogtsberg vom 3. Juni 1303 ein „Heinricus scolaris de 
Mechtildegrune" begegnet^^^), so kann, da dieser Heinrich 

Klostern angenonmien wird'', „w&hrend des ganzen M.-A*s.'' ausser 
in S. Gallen nur noch in S. Hubert in den Ardennen. 

122) Zeitschr. f. ailg. Gesch., Cultur- etc. Gesch. (Stuttgart) 
1886 2. Heft S. 93. 

128) Yergl. Ealk, Schulen am Mittelrhein vor 1520, bei J. Hein- 
rich und Ch. Moufang, Der Katholik, Zeitschr. f. kathol. Wissen- 
"schaft Jahrg. 62 (Mainz 1882), 36. 44. Specht S. 192 flg. 

12*) Beyer S. 541 u. 568, vergl. S. 251. 

125) Meine Mittheil. des Alterth.-Ver. zu Plauen 2. Jahresschr. 



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DieAnf&nge des sftchsischen Schnlwesens. 37 

von Mechelgrtin bei Plauen im Vogtland eben ein Ur- 
kundenzeuge ist, nur an eine erwachsenere Person ge- 
dacht werden. Dasselbe gilt von dem schon oben 
Note 73 angefuhrten Zeugen „Andreas Fabri de Misna 
scolaris" vom 12. Januar 1362. Am 20. September 1339 
ist auch von einem Scholareh des Bautzener Propstes 
(,,Petro scolare domini propositi" [scil. Budisnensis]) als 
Zeugen die Rede, der gleich nach den „canomci regulares" 
tind dem sich unterzeichnenden Notar einrangiert ist^^*). 
Auch der dem Altaristen frector altaris et missae per- 
petuae observator) auf Schloss Piichau beigegebene Scho- 
laris, dem nach einer Urkunde des Bischofs Nikolaus 
von Meissen vom 12. November 1380 die Schlossherrein 
von Piichau nach alter Sitte ein Almosen (eleemosinam 
de mense) zu reichen batten, wird als Ministrant (scolaris 
eidem rectori et missae obedienter serviens) gekennzeich- 
net^^'O- Solche mittelalterliche Pfarrgehilfen, auf die 
wir schon oben S. 18 zu sprechen gekommen sind, einzelne 
jungere oder aitere Begleiter, Assistenten, Lektoren, 
Schreiber, Diener von Geistlichen unter dem Namen 
scholares oder scholarii, die zum Theil durch niedere 
Weihen zu mehr selbstandiger Ausiibung des Kirchen- 
dienstes befahigt wurden, hat Miilverstedt (s. Note 43) zur 

(1882) Urk. Nr. CLV. — Mechelgrtin hat tibrigens nicht selbst eine 
Kirche, sondern ist nach Thenma eingepfarrt. Die Pr&position 
^de*" bezeichnet Mechelgrtin anch nnr als Heimath des Scholaren; 
Wohn- nnd Amtierungsort war vieUeicht Wiedersberg, von wo einer 
der anderen Zeugen stammte. 

^««) a K9hler, Cod. dipl. Lusat. I", 385. — Wenn tibrigens 
Tittmann, Heinr. d. Erlaucnt. I, 295 von einer Urk. im H.-St.-A. 
Dresden vom 2. Jnli 1326 (Nr. 2367) sagt, dass darin geradezn die 
Bestimmnnff eines Scholaris zur Untersttitznng des Pfarrers zu 
Reichenbach i. Vogtl. in seinen Amtsverrichtungen ausgesprochen 
sei, so ist das sachlich richtig; der Ort aber ist Weissenfeis. Die 
Abtissin des St Clara-Klosters daselbst, als Patronin der Pfarrei, 
ward damals von Bischof Heinrich von Naumburg veranlasst, zu 
jenem Behufe (in subsidium insuper ipsi rectori ^arochiae] etc.) einen 
Priester und einen Scholaren auf Kosten des Klosters anzunehmen; 
jenem sollte die tibliche Besoldung gegeben werden, .scolaris vero 
ad arbitrium abbatissae, ubi eidem placuerit, coUocetur" ; beide soUten 
dem Pfarrer gehorsam sein (tam presbiter quam scolaris rectori in 
hiis quae ad suum oMcium pertinent, obediant sicut decet). 

127) SchOttgen, Hist, von "Wurzen 725 flg. — Vergl. damit 
die ,8colares ministrantes ad altaria" zu Wernigerode v. J. 1406 flg., 
welche an einzelnen AMren den Kirchendienst versahen und auf 
dem Schlosse den Psalter lasen. Ed. Jacobs, Der Rektorunddie 
Stiftsschule zu Wernigerode am Bnde des M.-A., in der Zeitschr. 
des Harz-Vereins ftir Gesch. etc. Jahrg. 18 (Wemig. 1886), 302. 



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38 Johannes Miiller: 

Genlige nachgewiesen. Sie sind eine alte Einrichtung^^®), 
die man vielfach fa,lschlich mit der der spateren eigent- 
lichen Pfarrschul- und Klisterschullehrer identifiziert 
hat^^^), die aber mit Recht als deren Vorlaufer aufgefasst 
werden darf. Der Scholaris musste eben fur die kirchlichen 
Zwecke ausgebildet werden und hatte andererseits wohl 
als Lehrer des fur die Beichtpraxis erforderlichen reli- 
giosen Minimallemstoffes (Pater noster, Credo) den Geist- 
Uchen zu vertreten^*^); beides aber, namentlich auch 
diesen letzteren, gewShnlich in der Kirche ertheilten 



i«8) Vergl. Specht 8.26; Mtilverstedt 8. 25; meine QueUen- 
schriften etc. S.826flg. Als allgemeine Einrichtung von Karld. Gr. 
durch Kapitular v. Novemb. 809 anbefohlen: jeder Priester (presbyter) 
soUte so erzogene und unterrichtete Scholaren (scholarios ita 
nntritos et institutos) haben, dass sie im Behinderungsfalle des 
Ffarrers ordnungsm&ssig Gottesdienst halten kOnnten (signum 
in tempore suo pulsent et officium honeste deo persolvant. Monu- 
menta Gennaniae Leges I, 160). Yergl. n. a. das Geldbnis des 
Kaplans Job. Guldin zu Lauingen v. J. 1417 bei K Daisen- 
berger S. 26: „Ich wil vnd sol auch allwegen ainen schuler 
haben, der Itlte meines altares warte ynd die andem altaer zu 
messen ordne vnd beraite, vnd darumb sol mir volgen vnd werden 
brot, ayrlein, flachs, ops on gelt, was vff die vier altaer kompt daz 
ich den schuler dest bas gehaben mlige**. S. auch Fa Ik a. a. 0. 48. 
Vergl. Mecklenburger Urkundenbuch IX No. 6252 : Die Filialkirche 
Mistorf bei Schwan wurde bei ihrer Begrtindung 1842 verpflichtet 
zur Haltung eines Scholaren und dieser geradezu als Ktister "be- 
zeichnet (necnon scolarem sive custodem, qui praedicto sacerdoti 
capeUam officianti deserviat). Die Statuten des deutschen Ordens 
fordem, „das ein prister vnde ein schuler alle suntage sprechen von 
deme tage das ampt** (d. i. Messe lesen). E. Hennig, Die Sta- 
tuten d. deutsch. Ord. (KiJnigsberg 1806) S. 87. 

i2») So erklftrt B. Lesker, Mittelalt Yolksbildung in Mecklen- 
burg (Der Katholik, Zeitschr. etc Jahrg. 66 Mainz 1886) 8. 807 fig., 
die in DOrfem und kleinen Stadten nachweisbaren Scholaren fUr 
Schulmeister, obwohl ihn die von ihm selbst als einziger Beleg an- 
gezogene (aber nicht wOrtlich mitgetheilte) Urk. des Flirsten Albrecht 
V. Mecklenburg v. 10. Mai 1338 (Mecklenb. Urk.-B. VHI No. 6421), 
worin dieser einen von Ftlrst Wizlav v. Rtigen angesteUten Scho- 
laren, Peter von Aven, im pommer. Stftdtchen Barth als Schulrektor 
und Kiister bestatigt und ihm die Erlaubnis zur Verehelichung er- 
theilt (Petro de Aven scolari . . . dictum scole et custodie officium 
de novo conferimus, dantes eidem Petro facultatem matrimonium 
contrahendi), bei genauerem Hinsehen h&tte belehren kQnnen, dass 
Scholar und Schulmeister nicht identische Begriffe sind! 

180) Vergl. Corpus jur. canon. Decretal. 1. Ill tit 1 c. 8: Ut 
quisque presbyter, qui plebem regit, clericumhabeat, qui secum 
cantet et epistolam et lectionem legat, et qui possit scholad 
tenere et admonere suos parochianos, ut filios suos ad fidem dis- 
cendam mittant ad ecclesiam, quos ipse cum omni caritate erudiaU 
Vergl. meine Quellenschriften 826, Anm. 66. Specht 88 flg. (der 



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Die Anl^Dge des sachsischen Schulwesens. 39 

minimalen Religionsnnterricht nannte man im MittelaJter 
schon Schule (s. Note 130) und hat dann im Laitfe der Zeit 
iind je nach den finanziellen Verhaltnissen der Kirche 
Oder Gemeinde zur Erhohung der gottesdienstlichen Feier- 
lichkeiten die Zahl der Scholaren (im engeren Sinne) 
vermehrt oder, was billiger war, Kinder zum Kirchen- 
dienst herangezogen und ausgebildet. Aber die Existenz 
einer wirklichen Dorfschule ist aus dem blossen Auftreten 
eines Scholaris bei einer Kirche oder Kapelle nicht zu 
folgern. Das Vorkommen eines rector oder magister 
scholae oder scholarium wiirde dagegen zur Annahme 
einer Schule drangen, aber immernoch kein Beweis sein 
fiir eine offentliche, sondem nur ftir die Existenz einer 
kirchlichen Zwecken dienenden Chorschule, wie wir sie in 
Meissen kennen gelemt haben, oder fiir die Ausbildung 
einer Anzahl von Scholaren im Sinne von Pfarrgehilfen, 
Pfarrdienem. „Auf dem Lande die Kiister schule" 
als die schon im Mittelalter „gewohnliche Einrichtung" 
zu bezeichnen, ist mehr als gewagt^^^). In Sachsen in 
Sonderheit ist das Dorf- und eigentliche Volksschulwesen 
sicher erst die Frucht der Lutherischen Reformation. 
Unerfindlich ist es mir, wie Machatschek ^^^) dazu kommt, 
von „Diocesanschulrektoren" zu reden und einen zur Zeit 
nicht urkundlich zu erhartenden, wenn aber wirklich 
historischen, dann wohl nur auf den Meissener Schul- 
rektor zu beziehenden Erlass des Bischofs (Johann III.) 
von Meissen vom Jahre 1393 dahin zu deuten, dass durch 
denselben verordnet sei, dass „die Wahl der DiOcesan- 

tLbrigens hierbei sehr nnklar und missverstSndlich von nSchulen in 
Pfarrhofen" redet). 

18^) Zumal wenn es unter Berufung auf die Verfilgung der 
DiScesansynode von S. Omer und auf die «Sattungen des kusteren 
vnt schulmesteren " in der westfjll. Pfarrei Bigge geschieht, wie 
dies noch 0. Willmann (Frag), Didaktik als Bildungslehre nach 
iliren Beziehungen zur Sozialforschung u. z. Gesch. der Bildung I 
(Braunschweig 1882), 246 fig., Nettesheim a. a. 0. 62, Daisen- 
berger S. 63 thun. Die Sy nodus Audomarensis war nicht i. J. 1183, 
sondem 1583!! Und jene ^Sattungen" konnen nicht i. J. 1270 er- 
lassen sein, sondem etwa in der 2. Halfte des 16. Jahrh.l Vergl. 
meine QueUenschriften 327 flg., Anm. 67 flg. — Es ist, nebenbei 
bemerkt, ein ebenso unkritisches, wenn auch beliebtes Verfahren, 
auf Grund des Vorkommens von Dorfschulen seit der Mitte des 
16. Jalirh. oder gar erst seit dem 17. Jahrh. die Entstehung dieser 
Schulen in die vorreformatorische Zeit zurtick zu datieren, ohne 
verblirgte und wohl abgewogene Nachrichten daniber zu haben, als 
a priori die Existenz von Dorfschulen vor dem 3. Jahrzehnte des 
16. Jahrh. zu vemeinen. i*®) Gesch. der BischQfe von Meissen S.386. 



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40 Johannes Mtiller : Die Anfange des sachsischen Schulwesens. 

schulrektoren nicht von den betreffenden Ge- 
meinden, sondern vom Pfarrer selbst etc. geschehen 
mlisse". Schulrektor einer ganzen Di5cese war oder 
woUte wenigstens sein der betreffende Domscholastikus, 
und mit dessen Wahl batten die Gemeinden nie etwas 
zu thun. Die Wahl der Scbulmeister in den einzebien 
Gemeinden der Diocesen aber war lokal sehr verschieden 
geregelt, je nach der geschichtlichen Entwickelung des 
kirchlichen Wesens und der Schule; in den Stadten der 
Meissener Diocese war sie durchaus nicht allemal Sache 
und Vorrecht des Pfarrers, wie wir noch sehen werden ; 
jene Verordnung ware dann eine ganz unklug^ und un- 
gesetzliche Handlung der Anmassung und Herrschsucht. 
Von Landschulen aber, fur die sie noch am ersten Sinn 
und Berechtigung hatte, kann damals in Sachsen noch 
nicht geredet werden^**). 



"*) Die ganze SteUe in Qreor^. Fabricii Reram Misnicarum 
libri Vn (Lips, recens edita [Dedicat. 1569J ) p. 136 und zwar in 
den Annales urbis Misnae lib. 11, auf die sich Machatschek bernft, 
lautet w5rtlich: • „MCCCXCni Decretum a praesule est, ut rector 
ab ipso parocho, non a parochialibus eligatur, neque eligatur (ut 
diplomatis utar verbis) secundum sortem, sed secundum artem**. Man 
hat den Eindruck, als ob es sich um einen Versuch der Meissener 
Biirger handle, auf die Afraschule Einfluss zu erlangen, abnlich 
dem Versuche, der i. J. 1B73 bei der Thomasschule in Leipzig vom 
dasigen Rath gemacht wnrde (s. ob.)- 

(Schluss folgt.) 



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II. 
Von Passau bis Sievershausen 1552—1553. 

Von 

S. Issleib^). 



Uberaus muhsam waren die Passauer Verhandlungen 
durch Konig Ferdinand zum Abschluss gebracht worden ; 
schwer warden die Bundesftirsten, Kurftirst Moritz von 
Sachsen und Landgraf Wilhelm von Hessen, zur An- 
nahme des Passauer Vertrages bewogen, schwerer Karl V. 
Des Kaisers Verhalten gab zu dauemdem, verhangnis- 
vollem Misstrauen Anlass. Zunachst aber endete der 
deutsche Krieg, und die schlagfertigen Waflfen wurden 
gegen die ausw^rtigen Feinde gerichtet. Der Kaiser zog 
gegen Frankreich, der Kurflirst gegen die Ttirken. 

Nach einem mehrtglgigen Aufenthalte in Dresden 
traf Kurfiirst Moritz am 2. September 1552 in Wien ein^), 
um mit Konig Ferdinand die fur den Tiirkenkrieg noth- 
wendigen Vereinbarungen festzusetzen; das Kriegsvolk 
nahte von Donauworth. Eine Reihe von Tagen schwankte 
der K5nig, ob er selbst mit in das Feld ziehen solle. 
Mitte September aber wurde der Kurfiirst zum General- 
obristen iiber alle koniglichen Truppen in Ungam ernannt 



*) Verfasser verwerthete zu dieser Abhandlung, die sich an 
den Aufsatz in dieser Zeitschrifb VII, 1 fig. anschliesst, ansehnliches 
QueUenmaterial der Archive zu Bamberg, Dresden, Marburg, Mttn- 
chen, Weimar, Wien, Wolfenbttttel. Das Berliner Material, welches 
noch einige beachtenswerthe Aufschlusse bietet, konnte hier nicht 
mehr benutzt werden. 

*) Dresden, Loc. 8485 Acta misceUanea 15B0 flg. BL 2. 



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42 S. Issleib: 

und mit den VoUmachten eines obersten Heerfuhrers aus- 
gestattet^). 

Ein ausfiihrliches Memorial*) wies ihn an, sich mit 
dem Kriegsvolke nach Pressburg zu verfiigen mid dort 
ein Lager aufzuschlagen, wo schon 1543 das deutsche 
und bohmische Kriegsvolk gelagert hatte. Nach umsich- 
tigen Berathungen mit den Kriegsrathen*^) soUte er dann 
dahin Ziehen, wo es „am sichersten und besten" sein 
werde. Es war erlaubt, dem Eeinde bei glinstiger Ge- 
legenheit alien moglichen Abbruch zu thun; aber der 
Kurfiirst soUte nicht zu viel wagen und offenbare Ge- 
fahren vermeiden. Hauptaufgabe bildete, den Feind zu- 
riickzuhalten und sein Vordringen zu verhindem, bis der 
Konig stattlicher rtisten kOnne*). Mit Castaldo (Mark- 
grafen in Siebenbiirgen) und den anderen Befehlsleuten 
in Raab, Papa, Komorn, Tata und weiter ostlich bis 
Erlau, auch mit denen in den nSrdlichen Bergstadten 
sollte er gute Korrespondenz halten und sein grosstes 
Augenmerk auf Raab und Komorn richten. Auf Ver- 
langen gab Konig Ferdinand die schriftliche Versicherung, 
dass er dem Kurfursten keine Schuld beimessen oder 
seine Ungnade fuhlen lassen wolle, wenn das Kriegsvolk 
durch widerwartige Umstande oder Unfalle eine Nieder- 
lage erleide. Fiir den Fall, dass der Kurfiirst in Gefangen- 
schaft gerathe, sollte der Konig zu seiner Befreiung alles 
aufbieten. 

Vor seiner Abreise nach dem Kriegsschauplatze 
stellte Kurfiirst Moritz eine geforderte Gegenversicherung 
auf die vom Herzog Johann Friedrich in Augsburg be- 
willigte, doch ihm nicht gentigende Assekuration aus'). 
Misstrauen gegen den Vetter und seinen Anhang bewog 
ihn, um des Konigs Erlaubnis nachzusuchen, mit dem 



3) Dresden, Originalurkunden 11469 und 11460; Loc. 9823 Hun- 
garische Expedition 1552. 

*) Dresden, Loc. 9323 Hungarische Expedition 1552 Bl. 41, 
Wien, 16. September. 

^) Damnter Heinrich von Plauen, Burggraf von Meissen und 
Grosskanzler von BOhmen. 

®) Unbegriindet war Rankes Vermuthung V, 210*: „Es scheint, 
als habe ihm Ferdinand doch nicht ganz getraut* u. s. w. 

"0 S. Issleib, Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1652, in dieser 
Zeitschrift VII, 58. Vom Gnadenbriefe des Kaisers, den Johann 
Friedrich am 27. August in Augsburg erhalten hatte, erfohr Kur- 
fiirst Moritz erst im folgenden Jahre Bestimmtes. 



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Von Passau bis Sievershausen 1552—1553. 43 

Kriegsvoike sofort aus Ungam heimkehren zu dtirfen, 
wenn etwas gegen sein Land unteraommen werde. 

Am 16. September zog er mit ungefaiir 5000 Reitern 
und 6000 Knechten nach Pressburg und anfangs Oktober 
nach Raab ®). Uberaus misslich standen die Verhaltnisse 
in Ungam. Nach vielen Berichten batten die Tiirken 
diesmal grOsseren Schaden zugefiigt als auf den fruheren 
Zligen. Temesvar war genommen, der feste Pass an der 
Theiss Szolnok erstlirmt, nnd Erlau wurde seit fast zwei 
Monaten mit bedeutender Heeresmacht belagert. 

Da sowohl KCnig Ferdinand als auch der Kriegs- 
rath eine Schlacht zn lief em widerriethen, so begniigte 
sich der Kurfiirst mit der Befestigung Raabs. Indessen 
ermuthigte seine Anwesenheit in Ungarn die Besatzung 
von Erlau derartig, dass sie Stand hielt und die Tiirken 
nach drei verlorenen Hauptstiirmen abziehen mussten. 
Die erbeuteten Fahnen brachte man in das kui'fiirstliche 
Lager •). Auch ein von Komom aus geplanter Streifzug 
gliickte. Ungefahr 1000 Husaren zogen bis vor Gran — 
die Donauflotte unterstiitzte — , legten sich in einen 
Hinterhalt und entsandten etliche aus ihrer Mitte, um 
Vieh hinwegzutreiben. Sobald dies die Tiirken in der 
Stadt bemerkten, eilten gegen 500 Mann heraus. Kaum 
aber waren sie am Hinterhalte voriibergeeilt, so setzten 
die Husaren zu: gegen zweihundert wurden „erstochen 
und niedergesabelt," und iiber hundert gefangen ge- 
nommen. Die abgehauenen Tiii^kenkopfe und die Beute 
brachte man in das Lager. Obgleich der Feldzug ganz 
unbedeutend war, so konnte sich doch der Kurfiirst riih- 
men, dass seit seiner Ankunft der Tiirke kein einzig 
Dorf mehr der Christenheit genommen habe^®). 



®) Vortibergehend war er am 24. September in Wien. Marburg, 
O. W. S. 886 Schmalkaldischer Bund 1552/53, Brief vom 24. Sep- 
tember an den Wild- und Rheingrafen Johann Philipp; D ruff el II, 
1780 A. 1. 

^) Weiteres iiber Erlau in Dresden, Loc. 9323 Hungarische 
Expedition 1552 Bl. 110, Brief vom 18. Oktober an den Herzog 
von Preussen; Loc. 8498 Schreiben, so Churfurst Moritz ausgehen 
lassenn etc. 1547—52 B1.59, Brief vom 28. Oktober an die Rathe in 
Dresden; Loc. 9145 Hessische entledigung etc. Ill Bl. 710, Brief 
yom 31. Oktober an Landgraf Philipp von Hessen. 

*®) Abfilllig dagegen urtheilte des Kaisers Rath Granvella liber 
die Leistungen gegen die Tiirken. Wien, Zasius' Relationen 1552. 
Druffel II, 1814 (der Brief gehSrt in den Monat November). 



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44 S. Issleib: 

In Ungarn nnn erfdhr Moritz von der so lange, fast 
ehrlos verzftgerten Heimkehi- des Landgrafen Philipp von 
Hessen und erntete in hohem Grade den Dank des 
befreiten Schwiegervaters fiir alle aufgewandte Mlihe. 
AUerdings war der Landgraf nicht wenig liber des Kur- 
ftirsten persOnlichen Zug gegen die Turken bestftrzt. Mit 
dem Wunsche, Gott wolle Hilfe, Gllick, Sieg und Heil 
verleihen, bat er instandig, gute Achtung zu geben und, 
sobald er mit Ehren abkommen k5nne, wieder zu Weib 
und Kind heimzukehren, dort werde er genug zu schaflFen 
finden. Der Kurftirst hoflFte koniglichen Urlaub zu er- 
langen und bald bei Weib und Tochter, Land und Leuten 
sein und ruhig bleiben zu kOnnen. 

Noch vor dem Ttirkenzuge, in Wien, beschaftigte 
ihn Fraukreich^^). Seit der Annahme des Passauer Ver- 
trages wusste er nicht, wie er bei Heinrich II. stand, 
ob er noch etwas gelte oder ganz abgethan sei. XJm- 
gehend soUte Landgraf Wilhelm niittheilen, was er er- 
fahren habe. Ehe jedoch dessen Antwort ankam, liefen 
franzSsische Schreiben ein. Hocherfreut theilte er nun- 
mehr dem Schwager (Ende Oktober) mit: „Unsere Sachen 
stehen bei Hildebrand (Heinrich II.) sehr wohl, dann wir 
ein so gar freundlich Schreiben von ihm bekommen, dass 
wir nicht eine Summe Geld dafur nehmen woUten^^)". 
K5nig Heinrich war bereit, ein „neues weiteres und wohl- 
g^egrtindetes Biindnis" zu schliessen. Beiden Flirsten lag 
viel daran, des K5nigs Freundschaft zu erhalten, damit 
die Gegner auf ihn Sehen miissten. Weil ihre Sachen, 
wie sie meinten, noch nicht ganz aufs Trockne gebracht, 
sondem Widriges zu befiirchten sei, so soUte der K5nig 
nicht aus den Handen gelassen werden. Der Kurftirst 
schlug vor, die „sorglichen Laufe der untreuen Welt 
wahrzunehmen" und nichts zutibereilen; nachdemWinde 
soUten sich die Aeste biegen. — Nach seiner Rlickkehr aus 
Ungarn wurden in der That die neuen Bundesverhand- 
lungen eiageleitet. Im Friihjahre 1553 kam es zu einem 
dreifachen Angebote; aber der jahe Tod des Kurfiirsten 
zerriss dann (fle ausgespannten Faden. 

1') Dresden, Loc. 7281 FranzOsische Verbundnisse Bl. 206 flg. 
Originalurkunde No. 11463 b. Marburg, 0. W. S.386, Schmalkaldischer 
Bund 1552/3, 912, Sachsen, albert Linie 1552/8, 1160 Kriegssachen 
1552. Ranke V* 231 flg. Vgl. Maurenbrecher, Karl V. S. SlOflg. 

^«) Dresden, Loc. 9145 Hessische entledigung III Bl. 71R, Brief 
vom 30. Oktober an Landgraf Wilhehn. 



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Von Passau bis Sievershausen 1562—1653. 45 

Uber Markgraf Albrecht erhielt der Kurfiirst Nacb- 
richt, dass er sich erdreiste, ihn und Landgraf Wilhelm 
wegen des Passauer Vertrages und der Trennung von 
Frankreich weidlich zur Bank zu hauen und schimplliche 
Reden zu flihren^*). Wer hatte damals zu aHnen ver- 
mocht, dass dergleichen Dinge nur den geringsten Grund 
zu einem blutigen Kriege mit batten geben konnen! 
Nach der Meinung des Kurfursten erforderte die Noth- 
durft, . fleissig Acbtung zu geben. Landgraf Wilhebn 
sollte alle Zeitungen senden, welche iiber den Markgrafen, 
den Kaiser und Konig Heinrich einlaufen wiirden. Selbst 
die Politik der rheinischen Kurfursten, der Herzoge von 
Baiem, Wlirtemberg, Jtilich etc. beschaftigte den Kur- 
flirsten in Ungam. 

Norddeutschland aber nahm seine gr5sste Aufinerksam- 
keit in Anspruch. Von dort erhielt er zahlreiche Berichte 
ttber den befreiten Vetter Herzog Johann Friedrich, den 
Grafen Volrad von Mansfeld, Herzog Heinrich von Braun- 
schweig und die braunschweigischen Junker, liber das Erz- 
bisthum Magdeburg und den Markgrafen von Klistrin. 

Wenn Markgraf Hans in den Jahren 1548—1551 
vielen erhebliche Sympathien abgewinnt, so schwindet 
das Interesse flir ihn vom Tage zu Lochau an (Ende 
September 1551). Seine Haltung wahrend des Krieges 
gegen den Kaiser (1552) reizt fast zur abfalligen Beui^- 
theilung. Jetzt erfuhr Kurfiirst Moritz, dass der Mark- 
graf in kaiseiiiche Dienste getreten und selbst in das 
kaiserliche Lager gezogen set. Bald darauf wurden be- 
denkliche Vermuthungen an seine Heimkehr gekniipft, und 
die Rathe zu Dresden unterliessen nicht, den Landes- 
flirsten niehrfach darauf hinzuweisen. Fast gleichgiltig 
jedoch entgegnete dieser, dass er liber die Reise und 
Rlickkehr des Markgi-afen weder erfreut noch erschrocken 
sei^*). Und als der Herzog von Preussen von neuem 
Auss5hnung mit dem Markgrafen beflirwortete , da er- 
klarte er, niemals zu Unwillen und Unfreundschaft Ur- 
sache gegeben zu haben. Wenn der Markgraf aber sich 
zu ihm nOthigen oder mtissigen woUte, so erschrecke er 

") Dresden, Handschreiben la Bl. 150; Mlinchen, Reichs- 
archiv, Brandenburg V, Bl 113, Druffel II 1745, Brief Albrechts 
vom 4. September an Kurpfalz, Herzog Albrecht von Bayern und 
Christof von Wiirttemberg, II, 186«. 

**) Dresden, Loc. 9323 Hungarische Expedition Bl. 107, 110, 
170, Druffel n, 1792/3. 

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46 S. Issleib: 

daruber nicht und woUe dieser Sachen nicht mehr ge- 
denken, sondern Gott befehlen. — Wissenswerth ist, dass 
Markgraf Hans bald darauf einige Anstrengungen fiir 
die Nachfolge PMipp II. im Reiche machte und ganz 
gem eine Vereinigung gegen Moritz zu Stande gebracht 
hatte^^). 

Graf Volrad von Mansfeld erschien damals mit seinem 
Anhange in Niedersachsen als ein Kjiegsunwetter, welches 
sich gegen jedermann plotzlich entladen konnte. Niemand 
wnsste, ftir wen er zu schlagen bereit war; die einen 
vermutheten fur Frankreich, die andem fur Johann Frie- 
drich. Mit ihm einverstanden waren die Stadt Braun- 
schweig und die verjagten braunschweigischen Junker. 
Kursachsen, Magdeburg -Halberstadt, die Grafen von 
Mansfeld, FiirstWolf von Anhalt u. a. fiirchteten. Schutz- 
gesuche eilten nach Ungam. Da befahl der Kurfiirst 
dem Bruder Augustus, ein Aufgebot ergehen zu lassen, 
mit Kurbrandenburg, Herzog Heinrich von Braunschweig, 
mit Anhalt, Mansfeld, Magdeburg - Halberstadt gute Kor- 
respondenz zu halten und alle Mittel zur Beschlitzung 
der eigenen und der Nachbarlande aufzubieten. Fiir den 
Fall, dass emstliche Gefahr drohe, wollte er bald in der . 
Heimath sein^*). 

Als darauf Herzog Heinrich von Braunschweig mit 
der Landschaft des Erzbisthums Bremen den mansfeldi- 
schen Kriegshaufen zu trennen und zu schlagen versuchte, 
da sagte Graf Volrad die Fehde an, und der Kampf be- 
gann. Zunachst wurde das Stift Bremen heimgesucht 
und zum Vertrage genothigt, dann der Herzog. Bald 
fiel Steinbruck, Goslar wurde belagert, man nahm die 
Bergwerke im Harze und brachte den Fiirsten zu Wol- 
fenbiittel in die grosste Bedrangnis. Bis zur Trennung 
(Ende Februar 1553) blieb das mansfeldische Kriegsvolk 
fiir das Herzogthum Braunschweig eine schwere Landes- 
plage und fiir die Nachbarn eine lastige Sorge. — tJberall 
suchte der Herzog Hilfe. Anfang Dezember 1552 eilte 
er in das kaiserliche Lager vor Metz. Dann finden wir 
ihn in Speier, Wiirzburg und Niirnberg. Hier in Franken 



i») Druffel n, 1769, 1798, 1869. Weimar, Reg. K. foL 179 
LL. No. 1 fol. 192 MM. No. 3; Reg. C. fol. 69 No. 36, Briefweehsel 
zwischen dem Markgrafen und Herzog Johann Friedrich. 

^0) Dresden, Loc. 9323 Hungarische Expedition Bl. 146 flg. 
Wien, Brandenburg 1552. Druffel H, 1782, 1839. 



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Von Passau bis Sievershausen 1552—1553. 47 

arbeitete er im Januar 1553 an einem gegenseitigen 
Schutz- und Trutzbtindnisse^'). 

In jenen Tagen der allgemeinen Besorgnisse (am 
3. Oktober) starb der Erzbischof von Magdeburg-Halber- 
stadt, Markgraf Friedrich von Brandenburg, und das 
Stift wurde Tummelplatz furstlicher Praktiken^^). Bran- 
denburg, Braunschweig, Weimar^®) suchten einen Prinzen 
ihres Hauses in den erzbischoflichen Sitz zu bringen. 
Die kursachsischen Rathe liessen die Kapitel auffordem, 
einen Erzbischof zu wahlen, welcher dem Schutzherm 
nicht zuwider sei, und empfahlen als Kandidaten den 
Fursten Georg von Anhalt und Julius Pflug, Bischof von 
Naumburg. Betreffs beider aber versprach sich Kurfurst 
Moritz wenig Gliick und schlug seinerseits Herzog Ulrich 
von Mecklenburg, Bischof von Schwerin, als geeignet 
vor^^). Mit dem Befehle, die Stadt Magdeburg wohl zu 
verwahren und die Besatzung zu verstarken, beauftragte 
er seine Rathe, die Kapitel zu vermogen, bis zu seiner 
Heimkehr die Entscheidung zu verzogern. Mittlerweile 
aber beeilte das Magdeburger Kapitel die Wahl zu 
Gunsten des Kurfiirsten von Brandenburg. Am 19. Ok- 
tober wurde dessen funfzehnjahriger Sohn, Markgraf 
Sigismund, zum Erzbischof erkoren und postuliert®^). Das 
Bisthum Halberstadt schloss sich kurze Zeit dariuf an, 
und Kurfurst Moritz war mit der Wahl einverstanden. 

Die Heimkehr des Herzogs Johann Friedrich aus der 
Gefangenschaft erregte in Kursachsen grosse Besorgnis, 
denn er sollte mit hohen Gnaden vom Kaiser entlassen 
sein. „Herzog Johann Friedrich ist wieder zu Lande 
kommen," meldete Franz Kram nach Ungarn, „und seiner 
Befreiung, auch etlicher kaiserlicher Vertrostung halben 
feillen allerlei Reden, darauf sonderliche Acht zu geben, 
auch bei den Kaiserischen zu erforschen, wie und welcher 

") Weimar, Reg. K. fol. 195 No. 5. Wolfenbtittel , acta 
pnblica 355 a. 

") Uber Magdeburg -Halberstadt: Dresden, Loc. 9323, Hun- 
garische Expedition Bi. 188, 209 flg. 275, vergl. 9153 Magdeburgische 
Handel etc. 1560/7 Bl. 191 flg. 8485 acta miscell. 1550 flg. 

^») Feimar, Reg. K. fol. 216 No. 6 u. 9. 

^) Uber das Verhiiltnis Mecklenburgs zum Erzstifte Magde- 
burg und Kurfiirsten Moritz siehe Fr. Wilh. Schirrmacher, 
Johann Albrecht I. von Mecklenburg (1885) I, 200 flg. II No. 73 flg. 

*^) Wien, Brandenburg 1552, Kurfdrst Joacbims Briefe an 
K6nig Maximilian vom 80. Oktober, 24. November 1552 und vom 
24. Januar 1553. 



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48 S. Issleib: 

Gestalt er vom kaiserlichen Hofe abgescliieden. Etliche 
der Seinen haben sich einer Restitution geruhmt. Ich 
hoffe aber, sie soUe ihm langsam widerfahren, wurden 
zuvor einander wtiste Kappen setzen und konnte er wohl 
um das tjbrige auch kommen" etc. Es fiel auf, dass der 
Herzog seit der Riickkehr den Titel eines „gebomen 
Kurfiirsten" flihrte und Gotha befestigen liess. Miinzen 
mit dem Kurwappen und der Aufschrift verus elector 
kamen in Umlauf ; auch verlautete, dass fiir ihn in Strass- 
burg Geschiitze gegossen wurden. Uberaus verdachtig 
erschien das lebhafte Kriegsgewerbe in Niedersachsen, 
seitdem man erfuhr, ein Sohn des Herzogs sei beim 
Kriegshaufen und Volrad von Mansfeld in Weimar ge- 
wesen ^^). Johann Friedrich beabsichtige nicht bios — es 
war anfangs Oktober — seinen Sohn Johann Wilhelm 
in die Stifter Magdeburg -Halberstadt einzudrangen, son- 
dern er verfolge weitere Plane. „Das Nesselblatt soil 
verdoiTen," schiieb ein Anhanger des Herzogs, „und das 
Rautenkranzlein, das ist mein gnadiger Herr, soil nach 
seinem Unfalle wieder grlinen und grlin bleiben." Es 
wurde hinterbracht, der Herzog rliste und habe auf den 
Kurfiirsten in Ungam solche Kundschaft^ dass er fast 
taglich erfahre, wie es um ihn und sein Kriegsvolk stehe; 
der Kurfiirst sei mit Verratherei wohl umgeben. Kein 
Wunder, wenn daher die kurfiirstlichen Rathe liber den 
herzoglichen Landtag in Saalfeld die genauesten Erkun- 
digungen einzuziehen suchten, und wenn sie, wie gele- 
gentlich die Landgrafen von Hessen, ihren Herrn fort und 
fort besturmten, zuriickzukehr^ und die schwebenden 
Irrungen mit dem emestinischen Vetter beizulegen. Der 
Kurfiirst aber erwiderte, seine Sache sei es nicht, die 
Gegner hoch zu feiern oder demiithig um Vertrag zu 
bitten. Seine Noth erfordere noch nicht, Vergleichung 
anzubieten. Auch fiirchte er sich nicht so sehr. Habe 
Johann Friedrich Mangel oder Gebrechen, so werde er 
sie wohl bei ihm suchen etc. Die Miinzen werde gewiss 
ein Goldschmied als Fuchsschwanzerei gemacht haben. 
Elector natus konne er nicht sein, weil zur Zeit seiner 
Geburt Herzog Friedrich Kurfiirst gewesen, und thate 
er daher seiner Mutter selbst ungtitlich. Wenn es aber 



^) Johann Friedrich hatte voriibergehend mit dem Grafen Volrad 
zu Gunsten des Erzstiftes Magdeburg yerhandelt, um dadurch das 
Kapitel zu gewinnen. Weimar, Reg. K. fol. 216 No. 6 (9). 



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Von Passau bis Sievershausen 1562—1553. 49 

nicht eingestellt werde, so sei Qun soviel nicht daran 
gelegen^ dann wolle er sich dagegen wohl auch natus, 
donatits, coronattis et verus elector schreiben, wenn es 
an einem nicht genug®^). 

Indessen wie er sich schon vorher an Konig Ferdi- 
nand wegen der Assekuration, die des Friedens halben 
geandert werden miisse, gewendet hatte, so beschwerte 
er sieh jetzt, weil Johann Friedrich Gotha befestige, sich 
gebomen Kurfursten nenne, das knrfiirstliche Wappen 
tuhre und Geschtitze giessen lasse. An die Wittenberger 
Kapitulation habe derselbe in seiner Asseknration einen 
Anhang gebracht, welcher Thiir und Thor 5flfhe. Ent- 
weder erhalte er eine getoderte Versicherung, schrieb 
er, Oder er wolle gar keine annehmen und die Sache auf 
die Faust setzen. 

Bereits am 17. Oktober und spater ersuchte Konig 
Ferdinand den Kaiser urn Abstellung der kurfiirstlichen 
Beschwerden; denn Johann Friedrich flihre den Titel 
eines geborenen Kurfiirsten mit Unrecht, und gegen alle 
alten Rechtsgewohnheiten lasse er Munzen mit dem Kur- 
wappen pragen; die Befestigung von Gotha widerspreche 
der Wittenberger Kapitulation und berge Gefahren fiir 
die Ruhe im deutschen Reiche. Auf die alte und 1546 
wieder emeute Erbeinigung z^wischen der Krone Bohmen 
und Kursachsen verweisend, erklarte er oflFen, im FaUe 
der Noth miisse und werde er dem Kurfursten gegen den 
Herzog Hilfe leisten**). 

Eben im Oktober suchte Kurfiirst Moritz gegen 
jedermann einen Rtickhalt und hielt flir das Beste, 
K5nig Ferdinand ein Schutzblindnis anzutragen. Am 
26. d. M. libergab er Heinrich von Plauen eine Werbung, 
welche dieser am koniglichen Hofe gelegentlich anbringen 
und dann beantworten sollte®*). 

In der Absicht des Kurf&rsten hatte es gelegen, um 
Martini in der Heimath zu sein. Krankheit aber Melt ihn 



*') Dresden, Loc. 9828 Hungarische Expedition Bl. 185, 180. 
Druffel II, 1780 flg. 

«*) Lanz III, 505. Wien, Saxonica 1548/52 faso. 2. Graz, 
11. Dezember 1552. Wien, Kriegssachen 1553. Aus Eosenbergs Zei- 
tung: der Kaiser soil Herzog Hans zum Krieg reizen nnd Ferdinand 



Herzog Moritz nicht verlassen wollen (vom 10. Januar). 

«*) Wien, Saxonica 1548/52 fasc. 2. Zu gleicher Zeit 
" . - • ' . , , , "Ichutze i 

245. £ 

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trug sich 
Komerstadt in Dresden mit Bundesgedanken zum Schutze Sa(£sens : 
Dresden, Loc. 9823 Hungarische Expedition Bl. 245. Brief vom 
27. Oktober. 

Neues Archiv f. 8. Q. n. A. VIII. 1. «. 



50 S. Issleib: 

znrtick. Elend und schwach verliess er am 1. November 
Raab^*) und zog liber Wien nach Neustadt in Oesterreich. 
Er sei hart krank gewesen, schrieb er der Gattin am 
20. November^'), und habe besorgt, sie nicht wiederzu- 
sehen. Vor Kopfreissen und Hitze habe er oft nicht 
gewusst, ob er lebendig oder tot sei. Zwolf Tage habe 
er weder stehen noch gehen noch essen k5nnen, das 
Trinken allein habe ihn ernfthrt. „Aber Gott hat wieder 
geholfen," schloss er seinen Krankheitsbericht und stellte 
seine Heimkehr auf den 4. Dezember in Aussicht. Die 
Hofleute sollten Wein, Bier und andere Dinge von Dres- 
den nach Eadeberg mitnehmen; er wollte sich gern er- 
quicken, „weil der dicke Hoffart von Weimar" so frohlich 
liber sein Ungllick sein solle und sich h5ren lasse, er sei 
geschossen worden^®). Sobald als moglich trat der Kur- 
furst die Heimreise an. Am 6. Dezember traf er in 
Eadeberg ein, wo er einige Zeit jagte und des Leibes 
pflegte. 

Was ihn hier viel beschaftigte, war des Markgrafen 
Albrecht Bruch mit Frankreich und seine Aussohnung 
mit dem Kaiser. Schon auf der Heimreise hatte er da- 
von gehSrt; bei seiuer Ankunft in Eadeberg fand er aus- 
flihrliche Meldungen vom Pfalzgrafen Ottheinrich vor®*). 
Jener Vorgang musste nothwendiger Weise Aufsehen er- 
regen und Grund genug zur Verwunderung und scharfen 
Beurtheilung bieten. 

Ende Dezember berlihrte Heinrich von Plauen die 
Angelegenheit und hob hervor, was der Markgraf friiher 
an etliche Kurflirsten geschrieben habe. Dazu sei nicht 
zu schweigen; er solle jetzt seine eigne Handlung an- 
sehen und wie er des Eeiches Libertat bedacht, der er 



^) Dresden, Originalarkunde No. 11466 enth&lt des K5ni^s 
bewijligten Abschied, den er dem Kurflirsten am 13. Dezember m 
Graz aussteUte; Druffel 11, 1820. 

'^) Dresden, Loc. 8498 KurfUrst Moritz* meist eigenhSndige 
Schreibeii. 1547-53 Bl. 30. 

^®) Uber seine ELrankheit wurden aUerlei schlimme Reden ge- 
fllhrt Daher schrieb er (am 7. Januar 1653) an Landgraf Fhilipp : 
er achte, yieUeicht dazu geboren zu sein» dass man ihm aUewege mehr 
und arger nachrede, denn man Grund und Ursache habe. "Weil er 
aber einem jeden nicht das Maul stopfen kOnne, so woUe er biJser 
Leute Geschw^tz so hoch nicht achten. Marburg, Sachsen, alberti- 
nische Linie 1652/8, 0. W. S. 912. Druffel n, 1816. 

^) Dresden, Loc. 9157 Kjiegszug wider Markgrafen Albrecht 
yon Brandenburg 1553 Bl. 10, 14, 68. 

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Von Passau bis Sievershausen 1552—1568. 51 

sich SO heftig habe annehmen, auch seinen Herren, deiii 
er so treu habe dienen wollen*^). 

Der Markgraf hatte sich, wie bekannt, mit K5n^ 
Heinrich II. tiberworfen und war mit seinen Truppen in 
die Dienste des Kaisers, welcher Metz belagerte, ge- 
treten*^). Auf Verlangen wollte er auch das in seinem 
Flirstenthume befindliche und alles andere mit ihm im 
Zusammenhang stehende Kriegsvolk zur Verfiigung stellen 
Oder beurlauben. Daflir bestatigte der Kaiser die Ver- 
trage, welche der Markgraf am 19. und 21. Mai von den 
Bischofen von Bamberg und Wtirzburg erzwungen hatte, 
und . versprach den Graf en Volrad und Albrecht von 
Mansfeld seine Gnade, wenn sie sich innerhalb zweier 
Monate gehorsam erzeigen wurden. Welch ein Schritt! 
Um Erankreichs Kriegsmacht zu schwachen, erschlitterte 
der Kaiser sein Ansehen in Deutschland. 

Die erwslhnten Vertrage nglmlich hatte er Ende Au- 
gust fiir null und nichtig erklart, weil der Markgraf den 
Passauer Vertrag verwarf. Infolge kaiserlicher Mandate 
hatten sich (um Mitte Oktober) eine Anzahl frftnkischer 
Stande, vor allem Bamberg, Wurzburg und Ntimberg, 
zusammengethan und einen Bund gegen den Markgrafen 
gestiftet*^). Die vier rheinischen Kurfursten waren auf 
einer Versammlung in Worms (am 2. November) zur 
Handhabung des Landfriedens bereit. Nun erfolgte die 
Zurticknahme der Kassation der bischoflichen Vertrftge. 
Der Markgraf verlangte Vollziehung derselben, und die 
Bischofe bemlihten sich, den neuen kaiserlichen Vertrag 
widerruflich zu machen. Karl V. sah sich zu einer aus- 
fiihrlichen Auseinandersetzung veranlasst, dass die Noth 
ihn zu dem Vertrage gezwungen habe. Er ersuchte die 
Bischofe, ihre Vertrage zu halten und vertrostete, den 
Schaden spater gut machen zu wollen. Welcher Konflikt 
musste nun entstehen, wenn die Bischofe auf der kaiser- 
lichen Kassation und der Markgraf auf der Ratifikation 
der Vertrage verharrten. Der kaiserliche Eatii Dr. Seld 



«>) Druffel n, 1866/7. 

*^) Darttber handelte ausflihrlich Johannes Voigt, Markgraf 
Albrecht Alcibiades (Berlin 1852) I, 342 flg. Fttr die folgende Zeit 
ist diesea verdienstvoUe Werk immer zu Rathe gezogen worden, ob- 
gleich in Yielen Einzelheiten Abweichungen stattfinden mussten. 

««) Bamberg, Kriegssachen; 1652. No. 668, I. Vereinigung 
13. Oktober. No. 696, Wormser Abschied vom 2. November, Drnf- 
fel n, 1827. Weimar, Reg. 0. fol. 47, No. 9. 

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52 S. Issleib: 

hatte eifrig gegen die cassatio cassationis gesprochen nnd 
Schlimmes prophezeit. Granvella liberbot ihn**). 

Heinrich von Plauen gab dem Kurflirsten Moritz zu 
bedenken, was erfolgen konne, wenn der Markgraf die 
Bisch5fe mit Kriegsvolk tiberziehe, und stellte die Frage, 
ob ihm der „Vorstreich" zu lassen sei^*). 

Die Vorgange der letzten Monate liessen den Kur- 
flirsten keineswegs gleichgiltig. Wenn er bedachte, dass 
er durch seinen Kriegszug des Kaisers Gunst verscherzt 
hatte, dass dagegen Herzog Johann Priedrich hoch be- 
gnadigt, Markgraf Hans bevorzugt und Markgraf Albrecht 
kaiserlicher Verbtindeter war, so konnten sich ausserst 
gefahrliche Verhaltnisse entwickeba^*). Wie stand es 
dann auch um den vom Landgrafen Philipp zwar liberaus 
gebilligten, aber von anderen Seiten stark angefochtenen 
Passauer Vertrag ? Das war die Aufgabe des Kurflirsten : 
seine Stellung zu sichern und den Passauer Vertrag auf- 
recht zu erhalten. 

Dem Passauer Vertrage gemftss nahm er sich zunftchst 
der braunschweigischen Junker an. Da war bedacht 
worden, dass er neben dem Kurflirsten von Brandenburg, 
dem Markgrafen Hans von Klistrin und dem Herisoge 
Philipp von Pommem als kaiserlicher Kommissar (fie 
Restitution der Junker innerhalb dreier Monate vollziehen 
solle. XJngeachtet der Protestation Herzog Heinrichs 
von Braunschweig war er an die Losung der Aufgabe 
herangetreten. Schon wahrend seiner Abwesenheit in 
Ungam hatte er neben dem Kurflirsten von Brandenburg 
an den Herzog gesendet und sich durch eine verdriess- 
liche Antwort nicht abschrecken lassen^*). Eine lastige 
Schwierigkeit war dadurch eingetreten, dass die Junker, 
untereinander zerfallen, sich in Kriegs- und Vertrags- 

**) Wien, Zasius' Relationen 1658, Brief an KOnig Ferdinand 
vom 28. Marz aus Worms. 

«*) D ruff el II, 1866, Prag am 25. Dezember. 

^) Zweimal versuchte Markgraf Hans sich auf Wnnsch des 
Kaisers Herzog Johann Friedrich zu nahem: einmal auf der Rttck- 
reise vom Kaiser, das zweite Mai im Februar 1558. Was er das 
erste Mai gewoHt, ist nicht ersichtlich, das andere Mai soUte Johann 
Friedrich mit ihm zwischen Herzog Heinrich und den Junkem ver- 
handeln und sich selbst mit dem Herzoge versQhnen lassen. AUein 
Friedrich wies die Verhandlung zurttck und zeigte an, dass Ernst 
von Braunschweig sich der VersShnung schon befleissigt habe. Wei- 
mar, Reg. K. fol. 179, J^o. 1, 192, No. 3, C. fol. 69 No. 36. 

8«) Dresden, Loc. 9323 Hungarische Expedition Bl. Ill, 209; 
Loc. 9157 Mansfeldische Irmngen 1552/3 Bl. 10. Lanz III, 501. 



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Von Passan bis Sievershausen 1652— 1BB8. 53 

junker schieden. Die letzteren hielten am Passauer Ver- 
trage und an der friedlichen Restitution durch die kaiser- 
lichen •Kommissare fest, die ersteren suchten mit Hilfe 
des Grafen Volrad von Mansfeld auf dem Wege der Ge- 
walt ihre Giiter und Gerechtigkeiten wieder zu gewinnen. 
Anfangs November hatte Kurfiirst Joachim mit den sach- 
sischen Eathen einen Verhandlungstag zu Halberstadt 
angesetzt*'). Der Herzog war erschienen, ritt aber, so- 
bald die sglchsischen und brandenbui*gischen Bevollmach- 
tigten anlangten, wieder davon. Vierzehn Tage lang 
wurde dann die Junkerfrage vergeblich behandelt^®); die 
braunschweigischen Rathe verwarfen alle VorscMage und 
protestierten heftig, ja ehrenruhrig gegen den Passauer 
Vertrag. Nichtsdestoweniger setzten schliesslich die Sub- 
delegiei1;en einen Eestitutionstag auf den 12. Januar 
1553 fest. 

Mit Zustimmung des heimgekehrten Kurfiirsten 
Moritz trafen nun die s^chsischen und brandenburgischen 
Rathe zur bestimmten Zeit in Braunschweig ein und baten 
Herzog Philipp Magnus in Abwesenheit des Vaters um 
Geleit. Trotzdem derselbe ihr Gesuch rund abschlug, be- 
gannen sie am 17. Januar die Restitution. Zwei Tage 
darauf aber wurden sie in schonungsloser Weise von 
einem herzoglichen Rittmeister (umgeben yon einer Schaar 
Reiter) aufgefordert, sich ihres Werkes ganzlich zu ent- 
halten und bis zur Ankunft Herzog Heinrichs heimzu- 
ziehen. Ja Ubelthatem und Ruhestorem gleich brachte 
man sie vor Wolfenbtittel, liess sie bis Sonnenuntergang 
vor dem Thore warten, protestierte endlich gegen die Ein- 
weisung der Junker, erklarte die bisherige Restitution 
fiir nuU und nichtig und schickte sie von daunen. Uber 
Braunschweig zogen die BevoUmachtigten verletzt und 
gekrankt in die Heimath**). Erst spftter konnte der 
Kurfiirst die Sache mit grosserem Gllicke in die Hand 
nehmen. 

Gedenken wir hier kurz einer kurftirstlichen Sendung 

8') Wien, Kriegssachen 15B3; Weimar, Reg. K. fol. 179 No. 1, 
Reg. C. fol. 69 No. 86. 

**) Gliicklicher verlief die gleichzeitige Verhandlung mit den 
Grafen von Mansfeld. Zwischen ihnen bahnte Kurfiirst Joachim 
einen Vergleich erfolgreich an, den sp&ter Knrfiirst Moritz in Leipzig 
endgilltig zum Abschluss brachte. Weimar, Reg. C. 

■•) Nach der Rttckkehr des Herzogs geriethen dann die Ver- 
traffsjonker in grosse Noth, so dass sie am 8. Marz den Kaiser er- 
snchten, den Fl&sten in die Acht zu erklftren. 



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54 S, Issleib: 

an den Kaiser*®), Bereits in Passau, unmittelbar nach 
Schluss der Verhandlungen, empfahlen der Kanzler Mord- 
eisen und Christof von Carlowitz, sich des Krieges -halben 
beim Kaiser ungesaumt zu entschuldigen. In Folge des 
empSrenden kaiserlichen Verhaltens aber wurde die An- 
gelegenheit vergchoben und erst wahrend des Ttirken- 
zuges wieder in Anregung gebracht. Konig Ferdinand 
hielt flir angezeigt, einen vertrauten Rath zu senden. 
Darauf wurde Carlowitz in das Auge gefasst, weil ihn 
der Kaiser und dessen Rathe wohl leiden konnten. Carlo- 
witz straubte sich und betonte, friiher mochte er viele 
Gnade und grosses Vertrauen gehabt haben; allein da 
er vor dem Kriege stets gute Vertrostungen gegeben 
hatte, dessen Gegentheil hemach erfolgt ware, so wtirde 
die kaiserliche Gunst erschlittert und verloren sein. In- 
standig bat er, eine Person, die noch keine Ursache zum 
Misstrauen gegeben habe, zu schicken. Indessen im De- 
zember 1552 musste Carlowitz die beschwerliche Reise 
in das kaiserliche Kriegslager untemehmen, um den Kur- 
fiirsten zu entschuldigen und treuen Gehorsam zu ent- 
bieten, damit der bestehende GroU falle und das alte Ver- 
trauen wieder hergestellt werde. 

Zu Diedenhofen gewahrte der Kaiser (im Januar 1553) 
Audienz, bei der er einerseits seinen Schmerz und Kununer 
liber die erlittene Unbill zu erkennen gab, andererseits 
versicherte, durch den Passauer Vertrag habe er ganz- 
Hch verziehen und dem allmachtigen Gott alle Dinge 
anheimgesteUt. Daran knlipfte er die Hoflftiung, der Kur- 
flirst werde nicht allein die zugefiigte Beleidigung zeit- 
lebens gebtihrlich wieder abverdienen, sondem auch den 
durch den BWeg veranlassten Unrath im Reiche mit be- 
seitigen helfen. Der Verspatung wegen habe es keiner 
Entschuldigung bedurft, da der Kurfiirst gegen die Tiirken 
gezogen sei. Als Carlowitz fiir sich der zwischen dem 
Kurfiirsten und Herzog Johann Friedrich schwebenden 
Irrung gedachte, erkiarte der Kaiser, keinen Theil be- 
vorzugen, sondern gleiche Wage halten zu woUen. Schrift- 
lich liess dann Karl V. den Kurfiirsten ersuchen, Carlo- 
witz' mtindlichen Bericht zu horen und damit zufrieden 
zu sein. 

Welche Eindriicke der kurfiirstliche Rath mit von 



*^) Dresden, Loc. 9145 Hessische entledigung III Bl. 620, 629, 
536, 780 fig., 746 fig. Wien, Eeichsakten misceU. 1662. 



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Von Passan bis Sievershausen 1552—1568. 55 

dannen nahm, wissen wir nicht; allein des Kurf&rsten 
Misstrauen gegen den Kaiser hat er nicht beseitigt, und 
spater erfahren wir, dass er selbst keineswegs davon frei 
gewesen ist. 

Mittlerweile hatte sich Heinrich von Plauen des kur- 
fiirstlichen Auftrages (vom 26. Oktober) in Graz am 
9. Dezember entledigt und war auf freundliches Ent- 
gegenkommen gestossen*^). Konig Ferdinand zeigte 
Neigung zu einem Blindnisse. Der Kurfurst soUte seine 
Vorschlage liberschicken *^), dann wollte er sich umgehend 
schltissig machen und wom5glich mit ihm in Bohmen zu- 
sammen kommen. Es geschah dies, um Zeit zu gewinnen 
und mit dem Kaiser vorher berathen zu konnen. Am 
liebsten hfttte der Kurfurst gesehen, wenn der Konig die 
Bundesartikel aufgestellt. Da das nicht erfolgte, so liber- 
sandte er (Januar 1553) an Heinrich von Plauen ein Kon- 
zept **) , welches die Hauptpunkte eines zuverlassigen 
Schutz- und Trutzblindnisses enthielt und als Mitglieder 
die Kurfiirsten von Pfalz und Brandenburg, den Land- 
grafen von Hessen, die Herz5ge von Bayem und Braun- 
schweig, den Erzbischof von Magdeburg-Halberstadt, die 
Bisch5fe von Bamberg und Wtirzburg, den Flirsten von 
Plauen und die Stadt Ntimberg in Vorschlag brachte**). 

Wahrend dem hatte der K5nig dem Kaiser (am 16. De- 
zember)*^) mitgetheilt, der Kurfurst suche vor allem an 
ihm und an nachbarlichen Standen eine Stlitze zu gewinnen 
und gedenke mit ihm nicht nur fur B5hmen und inkor- 
porierte Lfader, sondem auch f&r alle osterreichischen 
Erblftnder und gegen die Ttirken ein Schutzbtindnis zu 
schliessen. Zur Empfehlung fiigte er bei, dass der neue 
Bund Kaiser und Eeich nlitzen, die franzosischen und 
die anderen Verschworungen vemichten, die besttodigen 
Truppenansammlungen in Sachsen beenden und gegen die 
Ttirken Schutz bieten werde. Ohne grosse Pflichten und 
Kosten konne der Kaiser selbst Haupt des Bundes sein. 
Der Kurfurst eile, seinen Willen zu erfahren; allein ohne 



*i) Wien, Saxonica 1648/62. 

*«) D ruff el II, 1866 (26. Dezember). 

**) Marburg:, 0. W. S. 379. Reichs- und Kreissachen Militaria 
I—IV. Egersche Btindnis 1663 Vol. IIL Die Artikel waren am 
17. Januar in den H&nden des Flirsten von Plauen. 

**) Es fehlten Herzog Johann Friedrich und die Markgrafen 
Hans nnd Albrecht 

«) Lanz ni, 625 flg. 



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56 S. Issleib: 

Wissen des Kaisers habe er sich nicht einlassen wcAlen. 
Darauf erwiederte Karl V., ehe er sich entscheiden k5nne, 
miissB er die Bedingungen iind die Mitglieder des Bundes 
kennen. In Sachsen wiirden sich wenige Stande bethei- 
ligen, da der Kurfiirst allgemein verhasst sei. AUe Lasten 
wiirden dann auf ihn und den Konig fallen, und der Bund 
wlirde am meisten gegen Herzog Johann Friedrich ge- 
richtet sein. Auf den Herzog aber sei mehr Verlass als 
auf den Kurfiirsten. Weitmehr verwies der Kaiser den 
Bruder auf den kaiserlicherseits geplauten sliddeutschen 
Bund*«). 

Aus diesem Umstande erklart sich die dem Kur- 
fiirsten ziemlich verspatet zugeschickte Antwort*') , der 
zufolge der Kaiser Haupt des Bundes sein soUte und 
Ferdinand selbst nur mit den bShmischen Kronlandem, 
den fiinf niederosterreichischen Erblandem und >der fiirst- 
lichen Grafschaft Gorz in den sogenannten s^chsischen 
Bund eintreten wollte; die ober- und vorderosterreichischen 
Lftnder dagegen soUten der oberltodischen Vereinigung 
zugefiihrt werden. Die Bestimmung uber Ort und Zeit 
ihrer Zusammenkunft llberliess der K5nig dem Kuiflirsten. 
Beide kamen dann tiberein, dass die erste Versammlung 
den 16. April in Eger stattflnden soUte*®). 

Von einigem Interesse ist zu wissen, dass Landgraf 
Philipp von Hessen Ende Dezember 1552 gleichfalls mit 
Bundesvorschlagen hervortrat**). Die wunderlichen Handel, 
welche hin und her schwebten, die bedrohte Lage der 
Bischofe zu Miinster und Paderbom von Seiten des sach- 
sischen Kriegshaufens, und die der Bischofe von Bam- 
berg und Wlirzburg von Seiten des Markgrafen Albrecht 
hatten den Gedanken reifen lassen. Und wiewohl die 
Bischofe des Glaubens willen widrig seien, meinte er, 
so sei doch gut, wenn grosse Herren wie Bayem, Wlirttem- 
berg, Pfalz, Sachsen, Brandenburg und andere, auch ge- 
nannte Bischofe ein Blindnis auf Grund des allgemeinen 



**) Am 27. Februar 1553 berief der Kaiser eine Versammlung 
der angesehensten St&nde des schw&bischen und bayrischen Kreises 
nach Memmingen auf den 6. April. Dresden, Loc. 9155 Schriften 
Herzog Johann Friedrichs, Markgrafen Albrechts etc. Bl. 193. 

*■') Graz 13. Februar 1653 siehe Note 43. Am 14. Februar schickte 
K(3nig Ferdinand die kurfurstlichen Artikel an den Kaiser. 

^) Dresden, Loc. 9167 Kriegszug wider Markgrafen Albrecht 
von Brandenburg 1663 Bl. 117. 

*») Marburg, 0. W. S. 912 Sachsen, albertinische Linie 1662/3 
(28. Dezember). 



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Von Passau bis Sieverahausen 1652—1558. 57 

Landftiedens schliessen wlirden, damit nicht jede geringe 
Person, der die Laus fiber die Leber liefe, einen Kriegs- 
haufen an sich h^ngen und dem einen heute, dem andem 
morgen Schaden zufuge. Man spure wohl, was dassach- 
sische Kriegsvolk jetzt thne, und sollte man zusehen, 
dass die Bisch5fe ganzlich dermassen gezwungen warden, 
so mOchte es vielleicht auch an andere konmien. Es 
durfe aber einer dem andem des Glaubens halben keinen 
Schaden zufiigen und weder durch Anstiftung des Konziles 
noch sonst vom Glauben abbringen, auch kein Bundes- 
genosse niemanden des Glaubens willen im Lande toten 
noch verfolgen, wenn er sonst gehorche. Wiewohl er 
keine grosse Lust zu Bundnissen habe, so woUe er doch 
zur Vermeidung gi'ossen Schadens seinen Antheil nach 
Vermogen geben, sofem es geschickt und recht ange- 
fangen werde^®). 

Der Kurfurst gab zu erkennen, dass er bereits mit 
Konig Ferdinand in Bundesverhandlungen stehe, schon 
habe er Vorschlage ubersendet und erwarte Eesolution. 
Wenn die konigliche Antwort eintreffe, wolle er sie ihm 
Fastnacht zu lesen geben. Eathsam sei, dass die geist- 
lichen Fursten allerorten nach Moglichkeit in gutem Willen 
erhalten wurden. Der Landgraf m5ge Weltliche und 
Geistliche fur einen Bund geneigt machen helfen. 

Fastnacht 1553 soUten Philipp und sein Sohn Wilhelm 
in Dresden als liebe Gftste verweilen. Der Vater lehnte 
die wiederholte Einladung wegen allerleiLeibesbeschwerden 
ab*^^), aber Landgraf Wilhelm erschien. Fur die Politik 
4es Kurffirsten Moritz ist jene Fastenzeit wichtig ge- 
wesen. Zwischen den beiden jugendlichen Fursten wurden 
in jenen Tagen alle denkbaren Verhaltnisse zur Sprache 
gebracht, erSrtert und behandelt. In Anwesenheit des 
Schwagers hat der Kurfurst Schritte gethan, welche die 
darauf folgenden denk^urdigen Verwickelungen einleiteten. 

Vom Vater beauftragt erforschte Landgraf Wilhelm 

^) In gleicher Weise schrieb Landgraf Philipp an den Kur- 
fiirsten von der Pfalz. Dieser aber widerrieth die Aufnahme von 
BischSfen. Dresden, Loc. 9157 Kriegszug wider Markgrafen 
Albrecht etc. 1553, Landgraf Philipp an Moritz, Marburg 4. Marz 
1553. 

*i) Marburg, 0. W. S. 912. Sachsen, albertinische Linie 1552/3, 
Briefe vom 30. Dezember 1552, vom 10. Januar 1553 flg. Die 
Schwester des Landgrafen, Herzogin Elisabeth von RoehUtz, kannte 
andere Grttnde, welche Philipp zurlickhielten. Weimar, Reg. K. 
fol. 194 No. 4, Brief vom 19. Januar 1,558 an Herzog Johann Friedrich. 



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58 S. Issleib: 

zunSrChst die Gesinnung des Kurfiirsten gegen Herzog 
Johann Friedrich, und da er ihn ziemlich versohnlich 
fand, ermunterte er zur Wiederaufiiahme der eingestellten 
Verhandlungen*^). Einig waren ferner die beiden Fiirsten 
dariiber: die im Januar angekntipften franzOsischen Ver- 
binduDgen fest zu halten^*), mit Kurpfalz, Bayern und 
anderen Fiirsten gutes Einvernehmen zu pflegen, sowie 
die braunschweigischen und frankischen Wirren^*) scharf 
ins Auge zu fassen. Gegen den Kaiser hegten beide 
grosses Misstrauen, nicht minder gegen seinen Verbiin- 
deten, Markgrafen Albrecht; gegen ihn vor allem trat 
hohe personliche Empfindlichkeit und Gereiztheit zu Tage. 

Was hatte der Kurfurst nicht alles mit Albrecht 
durchlebt, und was hatte er seit dem Passauer Vertrage 
von ihm zu erwarten? Dariiber wiinschte er KQarheit zu 
haben. Von verschiedenen Seiten sei er benachrichtigt 
worden, sclu-ieb er am 19. Februar 1553*^*), der Mark- 
graf habe sich nach Annahme des Passauer Vertrages 
und nach dem Abzuge von Frankfurt etlicher beschwer- 
licher, auch zum Theile ehrenriihriger Worte seiner Person 
halber vemehmen lassen, wozu er keine Ursache gegeben. 
Weil sie nach langerer Unterredung liber den Passauer 
Vertrag von Frankfurt freundlichen Abschied von einander 
genommen, so habe er die angezeigten Eeden noch nicht 
glauben wollen. Um zu erfahren, wessen er gestandig 
sei, erkundige er sich nach altem ehrlichen deutschen 
Brauche personlich bei ihm. Offen soUe er erklaren, ob 
es bei der friiheren, jahrelangen Freundschaft bleiben 
solle, Oder ob er sich eines anderen in Zukunft zu ver- 
sehen habe. So gem er mit ihm im Einverstandnis zu 
bleiben wtinsche, so trage er doch keinen grossen Kummer, 
wenn er sich unverdienter Weise gegen ihn verhetzen 
lasse. Noch hoffe er, der Markgraf werde als gebomer 
deutscher Fiirst und als kaiserlich^r Diener Friede, Kuhe 
und Wohlfahrt befordern helfen. 

Von derPlassenburgaus entgegnete Markgraf Albrecht 

^) Den ersten Anstoss dazu gaben ganz im Geheimen Herzog 
Johann Friedrich und Herzogin Elisabeth von Rochlitz. Weimar, 
Reg. K. fol. 194 No. 4. Briere im Dezember 1662, Januar 1553 flg. 

58) Siehe Note 11. 

^) Am 2. Februar 1562 hatte der Kurfiirst den BischSfen von 
Bamberg und Wtirzburg die erbetene Hilfe nicht abgeschlagen. Dres- 
den, Loc. 9155 Kriegssache wider Markgrafen Albrecht 1653 Bl. 148. 

^) Dresden, Loc. 9155 Kriegssache wider Markgraf Albrecht 
1553 Bl. 2. Albrechts Antwort vom 1. M&rz BL 4. 



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Von Passau bis Sievershausen 1552—1553. 59 

am 1. Marz*®): wohl wisse er sich dessen zu erinnern, 
was er iiber den Kurfursten und andere hohen und niederen 
Standes geredet habe. Wlirden ihm die Worte angezeigt, 
welche er geredet, und die Orte, wo er sie geredet, und 
die Personen, durch welche sie hinterbracht worden, dann 
woUe er zur Zufriedenheit antworten. Da aber mehr 
geredet werde, als wahr sei, so solle ihn der Kurfiirst 
entschuldigen. Beide Mtten stets ganz gern einander 
gedient. Wohl werde sich der Kurfurst aller vor Frank- 
furt stattgefundenen Unterredungen und des Abschiedes 
vor Ankunft Heinrichs von Plauen mit dem Vertrage 
erinnern. Wie gar gering er in demselben bedacht, das 
bringe der Buchstabe mit sich. Eines besseren Ange- 
denkens habe er sich versehen, derhalben er wohl allerlei 
vorwenden konne. Weil ihm aber der allmachtige Gott 
durch besonderes gnftdiges Gllick nach der franzosischen 
Untreue zu einem ehrlichen und aufrichtigen Vertrage 
beim Kaiser verholfen habe, so riihme er sich des Passauer 
Vertrages nicht, lasse auch denselben und alle deswegen 
erfolgten Handlungen auf sich beruhen. Das Verfahren, 
sich bei ihm selbst zu erkundigen, erkenne er an. Bisher 
habe er sich gegen ihn nicht verhetzen lassen, dagegen 
k5nne er sich bttligerweise beschweren, dass der Kurfurst 
die Werbung etlicher Eeiter gegen die siegelbrlichigen 
und treulosen Bischofe in seinem Lande nicht gestattet. 
Er habe keine Ursache zu Argwohn gegeben und er- 
warte, dass sich der Kurfurst zu keiner XJnfreundschaft 
bewegen lasse. Zur Euhe und zum Frieden sei er ge- 
neigt, nur woUe er zu seinen Vertragen kommen und 
verspreche sich dabei kurfiirstlicher Hilfe und FOrderung. 
Als die Antwort in Leipzig einlief , hatte der Kur- 
furst soeben mit einem Ausschusse seiner Landstande und 
EWhe verhandelt und Gesandte an Herzog Johann Fried- 
rich abgefertigt^'), eben den jahrelangen Streit der mans- 



^ Ende Februar war er dahin zuriickgekehrt. Dresden, Loc. 
9167 Kriegszug wider Markgrafen Albrecht etc. 1653 Bl. 70, 81. 
Wien, Zasius' Relationen 1553 (vom 15. Februar), dagegen Jo- 
hannes Voigt II, 29 (Anfang Febmar). Am 14. Febr. aber langte 
der Markgraf in Heidelberg an und blieb iSnger als funf Tage dort. 

") Weimar, Reg. K. fol. 189 No. 2 u. 4. Als Landgraf Wilhelm 
mit Moritz in Torgau tlber die Liquidationssache redete und.einen 
Brief des Vaters vorzeigte, darin die Abtretung einiger Amter 
gerathen, wurde der Kurfiirst emst und sagte: „Da wird nichts 
araus." 



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60 S. Issleib; 

feldischeti Vettem und Brilder endgiltig geschlichtet*^®) 
und den Grafen Volrad an den Konig von Frankreich abge- 
sendet^®). Wenig zufriedengestellt durch des Markgrafen 
Brief®") liess er sofort in seinem Lande und im Stifte 
Magdeburg- Halberstadt alle P^sse verlegen, damitkeine 
niedersachsischen Eeiter nach dem frftiiischen Muster- 
platze Kulmbach ziehen konnten. Gleichzeitig ersuchte 
er seinen Schwiegervater, Landgrafen Philipp, um Schlies- 
sung aller Passe in Hessen und auf dem Eichsfelde und 
Herzog Johann Eriedrich um Speming aller Strassen 
durch Thuringen*^). Da der Landgraf dem Wunsche des 
Kurflirsten entsprach, musste sich der Herzog von Wei- 
mar fligen. — Damals gerade herrschte zwischen den Hofen 
zu Dresden und Weimar arges Misstrauen®*). Beide 
Flirsten wandten ansehnliche Summen und alle pers5n- 
lichen Verbindungen auf, um einander auszukundschaften. 
Jeder furchtete. Wenn man die an beiden Orten ein- 
gelaufenen Berichte jener Tage liest, so erstaunt man, 
wie viel ihnen zugetragen wurde, darunter freilich auch 
vieles Falsche, was irreleitete, den wahren Thatbestand 
triibte und die lauernde Begierde schadlicherweise an- 
spannte. 

Sobald Landgraf Wilhelm von Leipzig aus die Riick- 
reise nach Hessen angetreten hatte, eilte der Kurflirst 
nach Halle, um am 10. Marz mit Herzog Heinrich von 
Braunschweig zusammenzutreffen. Im Februar hatten 
beide das mansfeldische Kriegsvolk, welches in der zweiten 



*8) Dresden, Loc. 9157 Mansfeldische Irrnngen 1652/3 BL 10, 
12 flg., vergl. Mtinchen, Reichsarchiv, Brandenburg VII, des 
Kaisers Brief vom 3. Marz. Alle Grafen waren erschienen; Graf 
Albrecht kam mit seinem Sohne Volrad wieder zur Herrschaft. Die 



Lehnspflicht gegen Kursachsen wurde emeuert. 

^) Siehe Note 11. 

^) In Dresden liegt Loc. 9155 Kriegssache etc BL 7 das 
Reinkonzept einer gehamischten Erwiderung vom 6. M&rz, jedoch 
mit dem Indorsat von Dr. Mordeisen: ^ist nicht ausgangen." (Konzept 
mit vielen Korrekturen Loc. 9157 Kriegszug etc. fol. 7.) Daher haben 
Langenn I, 567, Job. Voigt II, 46 u. A. den Brief vom6. MSrz 
und das ,Verzeichnis der Schmahungen" mit Unrecht so verwerthet, 
wie geschehen. Ranke V, 224* folgte ihnen mit Vorsicht 

®0 Dresden, Loc. 9157 Kriegszug wider Markgrafen Albrecht 
1553 BL 108, 117, 120. Weimar, Reg. C. fol. 51 No. 14. 

®2) Wien, Zasius' Relationen 1563, vom 16. und 20. Februar. 
Der kaiserliche Rath Dr. Hase, welcher den ganzen Winter bei den 
vier rheinischen Kurfttrsten far Philipp II. praktizierte, habe offen 
gesagt, „es werde in kurzem ein unsauber Gerauf zwischen dem alten 
und neuen Kuritlrsten in Sachseu angehen." 

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Von Passau bia Sieyershaosen 1552—1553. 61 

HfiJfte des Monats getrennt wurde, grQsstentheils an 
sich gezogen und bei dieser Gelegenheit einen wichtigen 
Bertlhnmgspunkt gefunden. Ausserdem drangte vieles zu 
einer Aussprache^*), vor alleui die bisch5fliche Frage in 
Franken. 

Wfthrend die Eathe miihsam an einem Vergleiche 
zwischen dem Herzoge und den Vertragsjunkem aibei- 
teten**), behandelten die Ftirsten unter sich in vertrauen- 
voUer Offenheit alle Privat- und Reichsverhaltnisse. Der 
Herzog ging so weit, dass er „in seinen Keden ganz 
wunderlich" erschien. Unter anderem sagte er**), man 
soUe zulugen, sobald des Kaisers Sachen an andem Or- 
ten besser wttrden, habe ganz DeutscUand grosse Gefahr 
zu erwarten. Man gehe damit um, die deutschen Fiirsten 
durcheinander zu hetzen; die Markgrafen Hans und Al- 
brecht seien die vomehmsten Eadelsfiihrer dieses Han- 
dels. Sein Sohn Dr. Spies**) sei oberster Eath des 
Kaisers und habe Kommission, ihn und Herzog Hans 
Friedrich zu versohnen und die Sache dahin zu richten, 
ob sie dem Kurfiirsten etwas anhaben konnten*'). Aber 
er habe sich in nichts einlassen woUen, sondem gesagt, 
er wftre schon zweimal um des Kaisers willen verjagt 
worden, zum dritten Male wollte er es nicht wagen; es 
wftre zum Verderben des deutschen Landes. Ausserdem 
verglich sich sein Gebltit mit dem Manne nicht, er wisse 
woU, von welchem Hause Sachsens ihm mehr Gutes 
widerfahren wftre. Weiter habe er gesagt, sein Sohn 
Dr. Spies sei zu Braunschweig, erginge sich in aller 

««) Wolfenbtittel, acta publica No. 274; Marburg, 0. W. S. 912. 
Sachsen, albertinische Linie 1552/3, ei^enhslndiger Brief des Kur- 
fiirsten vom 18. Marz an Landgraf Wilhelm; Wien, Zasius' Re- 
lationen 1653 (27. M&rz). 

**) In Braunschweig verhandelte Markgraf Hans anfangs Mfirz 
mit den Kriegsjonkem und der Stadt Braunschweig 14 Tage lang. 
Jedermann glanbte an einen glUcklichen Abschluss. Da scheiterte 
die Sache an einigen Artikehi, welche dea Junkern verd&chtig er- 
schienen. Der Markgraf soil gesagt haben, es mOchte jeder machen, 
was er woHte, und reisie ab. Dresden, Loc. 7277 Marggraffen Jo- 
hannsen hendel etc. 1548/53 Bl. 28, Weimar, Reg. C. fol. 69 No. 36. 
Wien, Zasius' Relationen 1553 (26. Mg,rz), WolfenbUttel, acta pubL 
No. 274. 

^) Man erinnere sich, dass Herzog Heinrich im Dezember 1652 
im kaiserlichen Feldlager vor Metz war. 8. oben S. 46. 

^) Markgraf Hans war Herzog Heinrichs Schwiegersohn ; in 
yertraulichen Briefen wurde er stets Dr. Spies genannt. 

*^) Vielfach trifft man auf vertrauliche Mittheilungen, der Kaiser 
woUe den Kurfiirsten veijagen. 



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62 S. Isdleib: 

Klugheit und handelte auf Befehl des Kaisers auch mit 
den Stadten Lubeck, Hamburg, Llineburg etc. wegen 
eine^ Blindnisses, beftigt, der Keligion halben grosse Ver- 
sicherimgen zu geben. In Summa, es ware alles darauf 
berechnet, Deutschland eine Kappe zu schneiden, doch 
werde Dr. Spies nicht viel ausrichten, sie trauten dem 
Lecker nicht. Obgleich Markgraf Albrecht einer der 
kaiserlichen Hetzhunde sei, so k5nne man am Hofe wohl 
leiden, es ginge ihm ein Rad iiber ein Bein, thue es 
gleich, wer da wolle. Gegen ihn und seine armen Unter- 
thanen habe derselbe so gehandelt*®), dass er zu Gott 
hoffe, sich an seinem Gute und Blute noch rachen zu 
konnen. Um Deutschlands Gefahr zu beseitigen, rieth 
Herzog Heinrich, sich von alien Seiten vertraulich zusam- 
men zu thun. Der Kurfurst sollte seiner machtig sein. 
Obgleich nicht seines Glaubens, so wollte er doch gem ein 
freier Deutscher bleiben wie er und andere und, so oft 
es Noth thue, seine alte Haut treu mit zusetzen. Vorm 
Jahre hatten sie zu sehr geeilt, sonst hatten sie wohl 
mehr Spiessgesellen bekommen. Damals habe er sich so 
verhalten, dass zu beflnden, keine Krahe hacke der andern 
die Augen aus. Die Bundesbestrebungen des Kurfursten 
von der Pfalz und des Landgrafen kannte er; Pfalz aber 
hielt er fur furchtsam. Ueber den Landgrafen redeten 
beide viel mit einander, und Moritz gewann den Eindruck, 
sei das Herz wie das Wort, dann konnten dieselben 
wieder die besten Freunde werden. Sonntag den 12. Marz 
beschlossen der Kurfurst und Herzog Heinrich, in unge- 
fahr acht Tagen in der Nahe von Magdeburg zu erscheinen. 
Dann wollte der Herzog seine Vorschlage liber ein Btind- 
nis schriftlich libergeben, damit der Kurfurst mit seinen 
weiteren Freunden davon reden und daraus entnehmen 
k5nne, was alien gut ware. 

Gemass der Leipziger Verabredung tiberschickte Kur- 
furst Moritz dem Sch wager Wilhelm einen eigenhandigen 
Bericht uber die Begegnung zu Halle und schloss mit 
den Worten: „In Summa, wo einiger Glaub und Treu 
auf der Welt sein soil, so find ich Heinz auf einem guten 
Weg''««). 

^) Durch Volrad von Mansfeld. 

»») Weimar, Reg. C. fol. 65 No. 28. Der herzogliche Sekretftr 
Antonius Pestell in Weimar theilte Herzog Johann Friedrich in 
Gotha am 18. M^rz von der Znsammenkunft in HaUe mit, dass die 
beiden Fiiisteu viele heimliche Gespr&che gehalten h&tten und in 



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Von FaBsan bis Sievershansen 1652— 1S68. 63 

Fast anunterbrochen findet man von nun an den Kur- 
fiirsten nach dieser und jener Bichtung bin thfttig. Wenige 
Tage nach der Zusammenkunft in Halle verhandelte er 
mit dem koniglichen Rath Dr. Kaspar von Niedbnick 
liber die bevorstehende Bundesversammlung zu Eger und 
gesellte ihm Anselm yon Zeschwitz bei, um gemeinsam 
den Landgrafen von Hessen, den Kurfiirsten von der 
Pfalz und andere Eeichsstande ftir die kSniglichen Bundes- 
bestrebungen zu gewinnen '^). Darauf ritt er nach Magde- 
burg und suchte sich mit dem neuen Erzbischof und dem 
Domkapitel tiber alle unerledigten Punkte aus der Zeit 
der Belagerung zu verstandigen'^). Am 22. M^rz setzte 
er mit Herzog Heinrich die in Halle begonnene Verhand- 
lung zu Neuhaldensleben fort und vereinbarte mit 
ihm am 24 einen in der That wichtigen Vertrag'^). 
Damach sollte keiner den andem befehden oder be- 
kriegen und Vergarderungen henenlosen Kriegsvolkes 
im Lande zum Schaden des andern dulden. Werde der 
eine widerrechtlich tiberzogen oder verge waltigt, dann 
sollte der andere innerhalb Monatsfrist zuziehen und 
helfen, der Kurfurst mit mindestens 600 Eeitem und 
2000 Ejiechten, Herzog Heinrich mit 400 Eeitem und 
1500 Kiiechten, im Falle der Noth mit alien Kraften etc. 
Verdacht, Unwille, Zwist sollte sofort durch personliche 
Zusammenkunft gehoben oder durch Eechtsgang undReichs- 
ordnung beseitigt werden. Der Kurfurst behielt sich 
vor, den Verbindlichkeiten des Passauer Vertrages nach- 
kommen zu diirfen, fiir den Fall der herzogliche Streit 
mit den Vertragsjunkem nicht beigelegt, oder der er- 
langte Vertrag nicht gehalten und seine Hilfe beansprucht 
werde. Dagegen wurde dem Herzog zugestanden, an 
seinen Rechten und Gerechtigkeiten, an der Protestation 
gegen den Passauer Vertrag und an anderen Beschliissen 

aUer Fr5hlichkeit nnd Freundschaft von einander geschieden seien. 
Boten seien alsbald mit vielen Briefen nach Bamberg und Wtirz- 
borg geritten. Der KnrfUrst habe den Landgrafen mit dem Herzog 
ansgesOhnt. Herzog Johann Friedrich zweifelte an diesen Mitthei- 
Inngen, foL 61 No. 14. 

^) Dresden, Loc. 9157 Kriegszug wider Harkgrafen Albrecht 
BL 117. 

'^) Wien, Kriegssachen 1553, Brief Niedbrucks vom 17. Marz 
ans Dresden an Kdnig Maximilian. Der kQnigliche Rath brachte 
die vom Kaiser korrigierte Asseknration mit nach Dresden, Weimar, 
Reg. K foL 189 No. 2. 

'«) Wolfenbtittel, actapubl. No. 274 u. 855 a, Dresden, Original- 
urkunden No. 11470/1. 



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64 S. Issleib: 

YorlS^nfig festznhalten. Jede Anfeindnng der Junker 
soUte bis auf Weiteres unterbleiben. Gegenseitig ver- 
sprachen die Fiirsten, den Vertrag unverbrftchlich zu 
halten; ihre Znsagen bekraftigten sie dnrch Handschlag 
und vereinbarten, in Monatsfrist oder znm Iftngsten am 
folgenden Verhandlungstage in der Junkerangelegenheit 
die Vertragsnrkunden auszuwechseln. Ihr Detensivblind- 
nis sollte nicht gegen den Kaiser, den Konig oder einen 
Einigungsverwandten , dessen sie zu Gleich und Recht 
machtig, gerichtet werden. Dem Kurfttrsten von Branden- 
burg und Erzbischof von Magdeburg, Herzog Erich von 
Braunschweig und anderen benachbarten Sttoden sollte der 
Eintritt in den Bund gestattet sein. Femer stellte der 
Kurfurst dem Herzog seine Wiederbefreundung mit dem 
Markgrafen Hans anheim. Fiir Philipp von Hessen wirkte 
er vdllige Sicherheit aus''*) und bemiihte sich, den Zwist 
zwischen dem Herzoge und Fiirsten Wolf von Anhalt 
durch Festsetzung einer zu zahlenden Geldsumme abzu- 
thun. Gegen Erlegung von 200U0 Thalem sollte das 
Erzstift Magdeburg vor jedem feindlichen Angriff von 
Seiten des Herzogs und des versammelten Kriegsvolkes 
sicher sein. Zur Erhaltung der Reiter und Knechte be- 
willigte der Kurfurst eine Unterstlitzung, zu der auch 
der Kurflirst von Brandenburg und nach Verhaitnis alle 
Harzgrafen (ausgenommen Graf AJbrecht von Mansfeld) 
vermocht werden soUten'*). Schliesslich verstandigte man 
sich, den frftnkischen Bischofen im Nothfalle gegen Mark- 
graf Albrecht Hilfe zu gewahren'^). 

Fasst man alles zusammen, so waren die Tage von 
Neuhaldensleben von nicht geringer Bedeutung. Kurfarst 
Moritz gewann dort den Bundesgenossen , welcher mit 
ihm den Kampf gegen Markgraf Albrecht klihn auf- 
nahm und treuen Beistand leistete. 

Noch in anderer Beziehung gelangte der Kurfurst 



'**) Dresden, Loc. 9157 Kriegszug wider Markgraf Albrecht 
1B68 Bl. 120, 125 flg. Wolfenbttttel, actapubl. No. 249 b, Brief Chri- 
stofs von Carlowitz an Herzog Heinrich vom 10. Mai u 16. Juli 1558. 

'*) Weimar, Reg. 0. fol. 51 No. 14. Vol. I u. II, fol. 55 No. 15, 
fol. 69 No. 3H. Die beiden Fiirsten soUten sich zusammen verbrfidert 
haben. Der Kurftirst vor allem wolle dem Markgrafen gem in die 
Haare und sei Willens, den Bischofen zu helfen. Beide seien ver- 
bunden um Herzog Johann Friedrich zu zermergeln, ehe er auf die 
Beine und zu Macht komme. 

'*) Wolfenbttttel, acta publ. 355 a. Moritz' Brief an Herzog 
Heinrich, Ziegenhain 8. April. 



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Von Passau bis Sievershausen 1562—1553. 65 

damals einen Schritt vorwarts'*). Die am 4. Mitrz in 
Leipzig erwahlte Gesandtschaft hatte sich nach Koburg 
zum Herzog Johann Friedrich, welcher die Hinterlassen- 
schaft seines verstorbenen Bruders Johann Erast ordnete, 
begeben und hatte am 21. Marz einen Verhandlungstag 
zur Beilegung des Liquidationsstreites und zur VoUziehung 
der Assekuration vereinbart. Die Flirsten verglichen 
dann einen Tag fiir den 7. Mai in Eisenberg. 

Wichtig ist ferner eine Reise des Kurfiirsten nach 
der Pfalz. Um deren Bedeutung zu wurdigen bedarf es 
folgender Angaben. 

Kurfurst Friedrich hatte am 23. Januar 1553 bei 
Bayem, Wiirttemberg und Jlilich eine personliche Zu- 
sammenkunft beantragt zur Berathung, auf welche Weise 
dem Zwist und Streit zwischen Markgraf Albrecht 
und den frankischen Bisch5fen, Herzog Heinrich und den 
Junkem, Kurfurst Moritz und Herzog Johann Friedrich, 
Landgraf Philipp und Wilhelm von Nassau, dem Herzog 
von Wiirttemberg und dem Deutschmeister abzuhelfen 
sein mochte"). Alle drei Fiirsten hielten gleichfalls fur 
hochst wtinschenswerth, die klaglichen Eeichsverhaltnisse 
zu bessem und waren damit einverstanden, zunachst unter 
sich einen moglichst engen und festen Anschluss zu ftrdem. 
Dann sollten die Pfalzgrafen, Landgraf Philipp und wenn 
mSglich Kurfurst Moritz nebst anderen Ftirsten zu ihrer 
Vereinigung zugezogen werden, Geistliche aber in Folge 
schlimmer Erfahrungen voriaufig ausgeschlossen bleiben'®). 
Ftir nothig hielt man, den Kaiser vom Vorhaben in Kennt- 
nis zu setzen'*) und die Parteien durch Gesandtschaften 
Oder Schriften zur Einraumung von Verhandlungen an- 
zugehen. Ungesaumt schritt man ans Werk. Da woUte 
aber Markgraf Albrecht die Vertrage stracks vollzogen 
wissen*®), und der Bischof von Bamberg verwies auf die 
kaiserliche Kassation; zuganglicher erschien der Bischof 
von Wiirzburg. Landgraf Philipp und Kurfurst Moritz 
waren gewillt, sich den Bundesfiirsten zu nahem und 
ihren Streit mit Nassau und Weimar verhandeln zu lassen ^^). 

'«) Weimar, Reg. K. fol. 189 No. 2. 

") Miinchen, Reichsarchiv, Brandenburg VI Bl. 38, 61flg. 

'8) Dresden, Loc. 9157 Kriegszug etc. 1553 Bl. 90, 92, 102. 

"^j Wien, Zasius' Relationen, kaiserUche Briefe vom 10. u. 15. 
M&rz an Eurpfalz. 

SO) Dresden, Loc. 9156 Markgraf Albrecht etc. 1568 Bl. 8, lOflg. 
9157. Kriegszug etc. 1553 Bl. 81. 

«) S. Note 78. 

Neues Archiv f. S. G. u. A. VIII. 1. 2. ^ ^^ I 

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66 S. Issleib: 

Mitte Februar hatte Kmfiirst Friedrich Gelegenheit, 
die Scharfe des frankischen Streites zu erkennen. Der 
Bischof von Wiirzburg und Markgraf Albrecht waren 
nacheinander in Heidelberg ; jener suchte Eath und neigte 
zum Vergleiche; dieser wollte sich „nicht biegen lassen" 
und war entschlossen , mit dem Schwerte in der Faust 
die Vertrage zu erzwingen. Um nun dem offenen Kriege 
in Franken noch zuvor zu kommen — Iftngst tobte (fie 
Fehde — , berief der Kurfiirst die Herzoge von Bayem, 
Wlirttemberg und Jttlich auf Sonntag Oculi (5. Marz) 
nach Wimpfen^^. Weitere Einladungen ergingen an 
die Pfalzgrafen Ottheinrich, Wolfgang, Friedrich etc., 
an den Markgrafen von Baden, an die frankischen Stande, 
an Hessen, Kursachsen etc. Wegen Unwohlseins des 
Kurfiirsten erschienen am 8. Marz die HerzSge von 
Bayem und Wlirttemberg und die jlilichschen Gesandten 
in Heidelberg ^^), ausserdem der Bischof von Wurzburg, 
Markgraf Albrecht und bambergische Eathe; verspatet 
(am 17.) traf der hessische Gl-esandte Alexander von der 
Thann ein, noch spater (am 20. nach Schluss der fran- 
kischen Verhandlungen) der Herzog von Jttlich und die 
Erzbischofe von Mainz und Trier®*). Kurfurst Moritz 
wurde eifrig umworben®^). 

Durch begutigende Vorschlage suchte man vor alien 
Dingen die frankische Frage zu losen ®*). Der Markgraf 
wurde zur Nachgiebigkeit ermahnt und die bischofliche 
Partei angegangen, den Vertragen wenigstens in der 
Hauptsache nachzukommen. Neigung zum Frieden zeigte, 
wie fruher, der Bischof von Wtii'zburg; allein die Ab- 
geordneten des Bischofs von Bamberg hatten Instruktion, 
auch nicht das Mindeste einzuraumen; nicht einmal den 
beantragten und vom Markgrafen zugestandenen vierzehn- 
tagigen Waffenstillstand wollten sie bewilligen ®'). Weil 



«2) S. Note 80. 88) Wien, Zasius' Relationen 1553 im M&rz. 

8*) Weimar, Reg. K. fol. 665 No. 12. Wilhelm von Jttlichs 
Brief vom 20. Mftrz aus Heidelberg: diesenMorgen sei er eingeritten. 

^) Marburg, O. W. S. 912, Sacbsen, albertinische Linie 1552/3, 
Briefe vom 19. 22. 26. Mftrz. 

^) Das kaiserliche Schreiben vom 10. Marz (A. 79) , welches 
die Heidelberger Versammlung.billigte, langte erst nach Schluss der 
frankischen Verhandlung an. Uber diese Verspfttunp: und iiber die 
Art der Abfassung war man httchst aufgebracht. Wien, Zasius' Re- 
Jationen 1553. (23. April). 

®') Damals war der. Bischof von Bamberg dem Markgrafen an 
Kriegsvolk Uberlegen. Uberdies hatte Herzog Heinrich am 17. Febr. 



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Von Passau bis Sievepshausen 1552—1553. 67 

niin Markgraf Albrecht seinerseits auch nicht einen Buch- 
staben der kaiseiiichen Ratifikation fallen lassen wollte 
und die Bischofe zufolge ilirer Vereinigung roit' Niim- 
berg etc. umnoglich zu trennen waren, so zerschlug sich 
die Verhandlung gftnzlich. Am 19. Marz®®) musste man 
den unerledigten Handel an den Kaiser verweisen. Trotzig 
und sturmisch ritt der Markgraf am folgenden Tage von 
dannen. 

Beachtenswerth ist®*), dass Albrecht sich von Heidel- 
berg aus (am 13. Marz) und auf der Heimreise von 
Pforzheim aus (21.) an Kurfiirst Moritz wandte, den 
Kaiser der feindlichsten Absichten beschuldigte , von 
gegnerischen Biindnissen und von Praktiken Herzog 
Johann Friedrichs berichtete und die pfaffische Art der 
brief- und siegelbrtichigen Bischofe schonungslos geisselte. 
Gutes Aufsehen zu haben, sei angezeigt; denn der Kaiser 
werde den zugefiigten vorjahrigen Schimpf nicht schenken. 
Der Passauer Vertrag solle als Nothvertrag nicht gehalten 
werden. Zu allem ziehe man Johann Friedrich in das 
Spiel. Warum nenne er sich geborenen Kurfiirsten? Die 
Heidelberger Versammlung habe sich zerschlagen, nun 
mtlsse er mit Gottes und der Freunde Hilfe das Seine 
zu erlangen suchen. Und weil die Pfaffen mit ihrem 
Anhange nichts anderes und Besseres als Kampf woUten, 
so mlisse er ihnen dazu verhelfen. 

Nur weniger Tage bedurfte es, und der Krieg loderte 
in Flammen. Die Ausschreiben der Bisch5fe und des 
Markgrafen an alle Eeichssttode vom 25. und 27. Mftrz 
bUdeten die larmenden Kampfsignale^). 

Wie weit die ubrigen fiirstlichen Irrungen und die 
Reichsverhaltnisse in Heidelberg verhandelt wurden, ist 
kaum ersichtlich. In alien Stiicken aber ging man auf 
den Passauer Vertrag zuruck, den man in alien Punkten, 



jfeschrieben : Kuffilrst Moritz sei zu bewasster Sache oder zur Ver- 
mittelung wohl geneigt, spllter solle er dariiber verstfindigt werden. 
Sein Hath gehe dahin, sich mit Albrecht weder auf den alten noch 
auf einen neuen Vertrag einzulassen. So viel wisse er, obschon er 
sich mit dem Markgrafen vergliche, so werde er doch bald anderes 
zu gew&rtigen haben. Wolfenbttttel, acta publ. 355 a. 

®®) Dresden, Loc. 9155 Schriften Herzog Johann Friedrichs etc 
Bl. 184, Loc. 9156 Markgrafen Albrechts Kriegssache etc. Bl. 113; 
Weimar, Reg. C. fol. 49 No. 11 u. 12. 

^) Dresden, Loc. 9165 Schriften etc. Bl. 170/1, Kriegssache B1.56. 

^) Johannes Voigt 11,41; Dresden, Loc. 9156, Markgrafen 
Albrechts Ejiegssache etc. 1553 Bl. 119 fig. 



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68 S. Issleib: 

selbst in Betreff der Einberufting des Reichstages, als das 
rechte Richtscheid ansah und streng gehalten wissen 
woUte^^). 

Am Abende des giiinen Donnerstages (30. Marz) 
zogen die Fiirsten von Heidelberg nach dem ncuen 
S Chios se (eine Meile von Worms), um dort mSglichst 
geheim zu verhandeln. Laut eiliger Meldung des Land- 
grafen erwartete man Kurfiirst Moritz am Charfreitag **). 
„ Auf alle Strassen schickten alle unter Augen und waren 
mit besonderem Verlangen seiner stundlich gewftrtig". Ob- 
gleich sich dann seine Ankunft verz5gerte*®), so waren 
alle entschlossen, zu bleiben und die Beschltisse der Dinge 
einstweilen einzustellen. Am heiligen Ostertage endlich, 
den 2. April Nachmittags 2 Uhr , ritt der Kurfiirst im 
neuen Schlosse ein und trat alsbald mit den versammelten 
Fursten in Berathung •*). 

Im engsten Kreise ohne Beisein der RMhe wurde 
verhandelt, um sich den Spahem und Kundschaftem zu ent- 
ziehen^'^). Der Herzog von Bayem versah das Amt eines 
Kanzlers. Wie in Heidelberg so legte man auch hier 
alien Besprechungen den Passauer Vertrag zu Grunde. 
Man verweilte bei den Freiheiten der deutschen Nation 
und beim allgemeinen Frieden und erwog, ob nicht dem 
Zwiespalt der Religion durch ein Nationalkonzil abzu- 
helfen sei. Die Fursten verlangten die Berufung eines 
Reichstages ^). Emstlich berieth man uber die Beilegung 
der hauptsacUichsten Irrungen im Reiche. Des Mark- 



"i 



Wien, Zasias* Eelationen 1558, Briefe im M^rz (am 6. bis 27.). 
, Marburg, 0. W. S. 912, Sachsen, albertmische Linie 1552/8; 
Wien, Zasius' Eelationen 1558, Ende M&rz und April. 

^V Am 27. Mftrz war er in Leipzig und sclirieb an die Ge- 
mahlin: nichts in der Welt soUe ibn abhalten, jetzt znm Landgrafen 
zu reiten wegen Anzeigen, daran viel gelegen, die sich aber der 
Feder nicht anvertrauen liessen. Sonntag nach Ostem (9. April) woUte 
er bei ihr sein. Dresden, Loc. 8498 Moritz' eigenhandige Schreiben 
1547/53. Bl. 34. Auf der Keise nach der Pfalz wurde der Kurfttrst 
vielfach gesehen und erkannt in Buttelstedt, in Erfurt, bei Georgen- 
thal, in Salzungen etc. Weimar, Reg. C. fol. 51 No. 14. VoL 11 
fol. 57 No. 17, meist Nachrichten Bemhards von Mila, vergl. fol, 68 
No. 85. 

^*) Wien, Zasius' Relationen 1558 (2. April post script). 

»**) Dresden, Loc. 8499 Ferrair 1548/68 B1.72. Brief vom 17. ^ril. 
Dort befindet sich auch das ttirkische Angebot, welches an den Kur- 
ftirsten herantrat. 

^) Am 24. Mai berief der Kaiser einen Reichstag nach Ulm 
auf den 21. August 1558. Dresden, Loc. 10189 Reichstag zu Ulm. 



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Von Passan bis Sievershausen 1652—1558. 69 

grafen Sache hfttte man vor allem gern vertragen ge- 
sehen. Obgleich die meisten ihm gtinstiger gestimmt 
waren als den Bischofen, so wurde doch ausdriickKch 
hervorgehoben: well Albrecht sich dem Passauer Ver- 
trage widersetzt und ihn in bestimmter Zeit nicht ange- 
nommen, habe der Kaiser die iinbilligen Vertrage in 
optima forma kassiert; den spateren kaiserlichen Schritt 
aber, dass er die Kassation wieder kassiert und die tyran- 
nischen Vertrage ratiflziert habe, hielt man wegen des 
Passauer Abschiedes flir ganzlich unzulassig. 

Mit der Regierungsweise Karls V. war iiberhaupt 
niemand einverstanden, auch nicht mit den kaiserlichen 
Vorschlagen betreffs des neuendeutschen Reichshofrathes ®'), 
Oder mit der AufrichtungdesoberdeutschenBundes. Unver- 
hohlen wurde laut, der kranke Kaiser sei zu schwach, um 
noch der Regierung vorzustehen, und iiber die „unlauteren 
Handlungen und wels.chen Possen" Granvellas war jeder- 
mann aufgebracht. Auch den gut kaiserlich Gesinnten 
gait der Bischof von Arras als der „schwarze welsche 
Pfaffe", als „Arrius der Ketzer". Ihn sah man als die 
Quelle jedes Verrathes und alien Unrathes im Reiche an. 
Wegen der elenden Art, wie er in alien Winkeln Spione 
und Spioninnen unterhielt, erschien er verhasster als das 
„wilde Feuer". Gem wollte man sich dieses verrufenen 
Grubemators entledigen. Riicksichtslos brach der Unwille' 
gegen alles Spanische hervor. Den Durchzug eines 
neuen Kriegsvolkes unter dem Prinzen Philipp woUten 
die Ftirsten in Deutschland gar nicht zulassen. Gegen 
ihn und seine Nachfolge im Reiche verhielten sie sich 
ganzlich ablehnend®®). AUer Augen waren auf Konig 
Ferdinand und Maximilian gerichtet, vorausgesetzt, dass 
beide sich streng an den Passauer Vertrag halten, die 
deutsche Freiheit wahren und einen dauernden Frieden 
aufrichten wtirden. Kurfiirst Moritz voran bekundete 
eine anhangliche Gesinnung fiir beide, obgleich auf dem 
neuen Schlosse sein Eifer fur die bevorstehende Bundes- 
verhandlungen zu Eger etwas erkaltete. Flir ihn bildete 
die Hauptsache, dass der Heidelberger Bund jetzt die feste 
und sicherste Sttitze des Passauer Vertrages war; daher 
gedachte er an alien Abmachungen treu festzuhalten®®). 

") Kanke V, 220. 

^) Unwillktirlich wird man an die Tage der Kurvereine erinnert. 

^) Am 8. April Terweilte der Kurfurst in Ziegenhain beim 

Schwiegervater Philipp, am 9. ritt er nach Sachsen zorilck. Wolfen- 

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70 S. Issleib: 

Gedrangt durch die Heidelberger Verhandlungen und 
ermahnt durch Konig Ferdinand, berief der Kaiser am 
9. April ^^) einen Tag nach Frankfurt am Main auf den 
16. Mai, wo neben kaiserlichen und koniglichen Kom- 
missaren die Gesandten der Heidelberger und anderer 
Ftirsten die frankischen und braunschweigischen und wenn 
nothig auch die sachsischen Streitigkeiten schlichten 
sollten, damit dann ein allgemeiner Reichstag desto ruhiger 
und ungehinderter zusammentreten und tagen konne. Bis 
dahin sollte allgemeiner Friede herrschen. 

Der Memminger Tag^^^), welcher auf Geheiss des 
Kaisers zur Errichtung eines oberdeutschen Bundes ab- 
gehalten wurde, blieb wegen der Gleichgiltigkeit Bayems 
und Wtirttembergs ohne Erfolg. 

Die koniglichen Bundesverhandlungen zu Eger be- 
gannen nach Mitte April 1553. So viel ersichtlich, waren 
nur Gesandte anwesend, kein Fiirst^^^). Weitschichtige 
Entwlirfe iiber die Ziele und Organisation, iiber die Dauer 
und Leistungen des Bundes wurden zur Diskussion ge- 
stellt. Die einen betonten allgemeinere Gesichtspunkte, 
(Jie anderen verfolgten nachstliegende Sonderinteressen. 
Ahnlich wie zu Heidelberg beriihrte man den Passauer 
Vertrag, den Reichs- und Religionsfrieden. Die konig- 
lichen Rathe zogen eine Tiirkenhilfe in die Debatte, die 
bischoflichen Abgeordneten die Nothlage ihrer Herren, 
und als man Gesandten des Markgrafen Albrecht Gehor 
ertheilte, da standen Klager und Angeklagte gegeniiber. 



bttttel, acta publ. 355 a. Moritz' Brief Tom 8. April, Dresden, Loc. 
9155 Kriegssache etc. 1553 Bl. 18. 

100) Dresden. Loc. 9155 Kriegssache etc. 1553 Bl. 166, Loc. 9157 
Kriegszug etc. Bl. 186. Kurfiirst Moritz erhielt erst den 30. April 
das kaiserUche Ausschreiben durch Markgrafen Hans; darliber be- 
schwerte er sich beim Kaiser. Die Sache war geeignet, sein Miss- 
traaen zu steigem. Loc. 7872 Kreistage und Handel etc. 1553 
Bl. Iflg., Lanz III 549 flg. 

101) Dresden, Loc. 9155 Schriften Herzog Johann Friedrichs etc. 
1553 Bl. 40, 193. Wien, Zasius' Kelationen 1553, M&rz und April, 
dann KSnig Ferdinands Listruktion yom 18. Juni fUr Heinrich von 
Plauen. 

102) Vertreten waren K5nig Ferdinand, Kursachsen, Kurbranden- 
burg, Hessen, Herzog Heinrich von Braunschweig und die franki- 
schen St&nde. Herzog Johann Friedrich war gegen den Willen des 
Kaisers nicht eingeladen worden. Kurpfalz und Bayem batten den 
Besuch des Tages abgelehnt Marburg, 0. W. S. 879 Reichs- und 
Kreissachen Militaria I -IV, Egersche Btlndnis 1553 III. Wien, 
Brandenburg 1553, Januar bis Mai, Moritz' Brief Tom 13. Mai. Dresden, 
Loc. 9156 Markgrafen Albrechts Kriegssache etc. 1553 Bl. 181, 208. 



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Von Passan bis Sievershausen 1562 — 1553. 71 

ZvL bindenden Beschliissen oder anderen Erfolgen kam 
es in Eger nicht. Indessen nannte Kuiiiirst Moritz das 
Residtat der Verhandlungen eine „gute Zubereitung fiir 
einen kiinftigen Berathungstag". Und soUte dann etwas 
ausgerichtet werden, so hielt er fiir niitzlich und gut, 
dass zuvor der Konig und er iiber etliche Artikel unter- 
einander verglichen seien^^^). 

Wahrend dem tobte in Franken der Kampf. Seit 
der Riickkehr von Heidelberg bemiihte sich Markgraf 
Albrecht, den Bischofen gewachsen zu sein. Allerorten 
in Franken und in Baden, in Slid- und Norddeutschland 
suchte er, vielfach sogar in des Kaisers Namen, Reiter 
und Knechte an sich zu bringen. Kurpfalz, Wiirttem- 
berg und Bayem sprach er um Unterstlitzung an, und 
alle Glieder der Hauser Brandenburg, Sachsen und Hessen 
rief er auf Grund der alten Erbverbriiderung gegen die 
treulosen Pfaffen und gegen die Niirnberger Erbfeinde 
um Hilfe. Nicht nur brieflich wandte er sich an Kur- 
fiirst Moritz und Philipp von Hessen, sondem er schickte 
auch seine RSlthe Graf Georg Ernst von Henneberg 
und Sigmund Luchau, um sich zu entschuldigen, zu 
rechtfertigen und Forderung seines Vorhabens zu erlangen. 
Den Kurflirsten Joachim bat er um Vermittelung^^*). Er 
konne sich nicht entsinnen, schrieb er, wodurch er dem 
Kurfiirsten Ursache zur Feindschaft gegeben habe; bose 
Leute allein wollten die Hauser Sachsen und Branden- 
burg entzweien. Fern liege ihm, Zwietracht zu saen, 
Oder den Kurfiirsten anzugreifen. Seine Sachen stiinden 
so, dass er vielmehr der Freunde als der Feinde bediirfe; 
uberdies habe der Kurfurst Moritz neben ihm in Sachen, 
die er ihm zugeschrieben, wohl aufzusehen. Von nie- 
mandem lasse er sich gegen ihn verfietzen und vertroste 
sich deshalb seiner femeren Freundschaft. 

Dann sttirmte er gegen den Bischof von Bamberg. 
Am 11. ApriU®^) gluckte ein Anschlag gegen sechs Fahn- 
lein Knechte una 400 Reiter wiirzburgischer Hilfstruppen, 
welche allzu sorglos daherzogen. Mit 1200 Reitem bog 
er vor, griff sie bei Pommersfelden von alien Seiten an 
und sprengte sie herzhaft auseinander. Betreffs der Be- 



^^) Am 24. Juli soUte zu Zeitz die n&chste Versammlung statt- 
iinden. 

10*) Dresden, Loc. 9155 Kriegssache etc. 1553 Bl. 10, 18, 27flg.; 
Loc. 9157 Kriegszi^ etc. BL 224%. 

^^) Weimar, Keg. 0. foL 68 Nr. 85, Zeitung vom 18. April. 



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72 S. Issleib: 

hendigkeit zeigten sich seine Reiter „nicht als Menschen, 
sondern als Teufel". Darauf nahm er Bamberg, die Alten- 
burg und das ganze Stift bis auf Forchheim. Glimpflich 
kain damals der Bischof von Wiirzburg davon; gegen 
Niirnberg aber loderte der alte Hass auf. Die Stadt- 
gebiete warden gebrandschatzt , gepliindert, beraubt, 
Schlosser, kleine Stadte, Dorfer und Kloster niederge- 
brannt; nicht einmal die Lehen der bohmischen Krone 
verschonte er^^®). Lauf und Altdorf gingen in Flammen 
auf, spater nahm er die Reichsstadt Schweinfurt. Im Mai 
beherrschte er die frankischen Bundesgebiete, dann nahte 
die Bedrangnis. 

Ein iiber das andere Mai baten die bedrangten Bi- 
sch5fe den Kurftirsten Moritz, Herzog Heinrich, Landgraf 
Philipp und andere um Hilfe. Dabei erinnerten sie immer 
heftiger an die gegebenen Vertrostungen und Zusagen, 
verwiesen auf kaiserliche Mandate, auf die Landfriedens- 
ordnung und boten zuletzt grossere Summen fiir Hilfs- 
truppen und Kriegsrate ^^'). 

Die Lage des Kurfursten von Sachsen war im April 
1553 keineswegs beneidenswerth. Von alien Seiten wurde 
er mit Gesuchen, Anliegen, Bitten und Mahnungen be- 
sturmt. Landgraf Philipp wtinschte, dass er sich nicht 
im Zome hinreissen und es dem Markgrafen entgelten 
lassen sollte, wenn derselbe unnutze Worte geredet habe. 
Jederman kenne ihn; der Schimpf scheine ihn zu gereuen, 
er entschuldige und demtithige sich. Kurfiirst Joachim 
von Brandenburg benutzte seine Anwesenheit in Torgau, 
um die personliche Sache beizulegen^^*). Herzog Hans 
Albrecht von Mecklenburg bot seine Vermittelung an ^®*). 
Mit den Hilfsgesuchen der Bischofe rangen die Werbungen 
des Grafen von Henneberg und Sigmunds Luchau. Ende 
April erklarte Markgraf Albrecht, den sachsischen, bran- 
denburgischen und hessischen Einigungsverwandten gtit- 
liche Verhandlung bewilligen zu woUen; in alien Dingen 
sollten sie seiner zu Gleich und Recht machtig sein, so- 



^^) Sp&ter wurde dies stets betont, auch dass er den kOniglich 
bohmischen EebeUen Kaspar Pflng: an sich ziehe. 

^^') Dresden, Loc. 9156 Markgrafen Albrechts Kriegssache Bl. 
35flg., Loc. 9157 Kjiegszug etc. (16. April); Wolfenbttttel, acta publ. 
366 a (16. April). 

^^) Siehe Note 104. 

^^ Dresden, Loc. 9166 Markgrafen Albrechts Krieg etc. 1563 
Bl. 3, 28. 



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Von Passau bis SieTershausen 1652—1668. 73 

fern sie seine Vertrage aufrecht erhalten und auf Er- 
stattung der neuen Kiiegskosten dringen wlirden. Gegen 
Garantie der Vertrage wollte er alle eroberten Gebiete 
wieder herausgeben. Mitte Mai stellte er dem Kurfursten 
Joachim seine Auss5hnung mit Moritz vollig anheim, wo- 
rauf jener instandig bat, nichts Thatliches gegen den 
Markgrafen vorzunehmen. Nicht jedem Geiste soUte 
Kurfiirst Moritz glauben, vielmehr bedenken, dass es in 
solch schweren Zeiten fiir alle weltlichen Flirsten hochst 
nSthig sei, ihre Angelegenheit in guter Achtung zu haben 
und freundlich zusammen zu halten. Den Feinden Albrechts 
solle er keine Hilfe gewahren, sondem gtitliche Ver- 
handlung einraumen. 

Allein Kurfiirst Moritz glaubte den freundschaft- 
lichen Versicherungen des Markgrafen nicht und traute 
ihm ebensowenig wie dem Kaiser. Fortwahrend zog er 
in Betracht, was ihm in Sachen des Passauer Vertrages 
begegnet war, auf welche Weise der Markgraf seinen 
Abzug von Frankfurt geschadigt, welche Reden er im 
kaiserlichen Feldlager und an anderen Orten ausgestossen, 
welche Praktiken er jiingst beim niedersachsischen Kriegs- 
haufen gegen ihn betrieben hatte^^^). Auf seine im Fe- 
bruar gestellte Anfrage war keine zufriedenstellende, 
sondem eine „ganz dunkle" Antwort gefallen. Des Mark- 
grafen sonstige Zuschriften und Klagen, seine gehassigen 
Verdachtigungen und Beschuldigungen boten keine Ga- 
rantie fiir eine gefahrlose Zukunft. tJberdies liefen be- 
stftndig beunruhigende Zeitungen vom kaiserlichen Hofe 
ein; man fliisterte von einer geheimen Verbindung der 
Herzoge von Weimar und Jiilich^^^) mit den See- und 
Hansestadten gegen Kursachsen etc. Was war da dem 
Markgrafen nicht zuzutrauen? 

Schon auf der Rtickreise vom neuen Schlosse nach 
Sachsen hatte der Kurfiirst von Ziegenhain aus (am 
8. April) an Herzog Heinrich geschrieben : wenn er etwas 
im Sinne habe, dann solle er nicht feiem, Verzug sei in 
solchen Sachen nicht vortheilhaft. Nach dem tJberfalle 
bei Pommersfelden glaubte er, der Markgraf werde sich 
nun seines Gliickes iiberheben, und ersuchte den Herzog, 
den Bischofen ungesaumt zur Hilfe zu Ziehen, damit „dem 
Manne nicht zuviel Vortheil und Raum gelassen werde"^^*), 

"«) Weimar, Reg. 0. fol. 57 No. 17. 
"^) Weimar, Reg. C. fol. 65 No. 28. 
"2) Wolfenbttttel, acta publ. 356a, Brief Tom 16. April 



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74 S. Isaleib: 

Leider war Herzog Heinrich damals in so viele Hslndel 
verwickelt, dass er nicht ohne Weiteres aufbrechen konnte. 
Fast in jeder Hinsicht zeigte er in Norddeutschland ein 
ahnliches Ungestum wie der Markgraf in Franken.,, An 
alien suchte er sich zu raclien , welche nach seiner tJber- 
zeugung ihn vor wenigenMonaten gegen den mansfeldischen 
Kriegshaufen und friiher im Stiche gelassen batten *^^). 
Arg bussten einige Junker; Paderbom, Lippe, Schaum- 
burg und Tecklenburg beschleunigten eine Verstandigung ; 
Magdeburg-Halberstadt erkauften, wie wir wissen, ihre 
Sicherheit. Ftirst Wolf von Anhalt stand in Dnterhand- 
lung. Heinrichs Sohn Philipp Magnus sttirmte in das Land 
des Vetters Erich, weil er gegen den Grafen Volrad und 
seinen Anhang keinen Beistand geleistet, und erzwang 
einen Vertrag, nach welchem er in Monatsfrist 20000Thaler 
zahlen sollte. Von da riickte der fehdelustige Fiirst in 
die Stifter Minden und Osnabrlick und ubersandte dem 
Bischofe von Miinster einen Fehdebrief , da er 1542 an 
der Vertreibung seines Vaters thatigen Antheil genommen 
babe. In Folge dieses Briefes glaubte sich auch der Land- 
graf von Hessen als Anstifter jener That gefUhrdet. So 
war der Norden voUer Erregung. 

In alle Handel wurde Kurfiirst Moritz mehr oder 
minder hineingezogen. Wie fiir die Junker, fiir Anhalt, 
fur Magdeburg-Halberstadt und die Harzgrafen, so war 
er genothigt, fiir seinen Schwager Herzog Erich und fiii 
den Landgrafen einzutreten. Wiederholt ermahnte er den 
„tollen Heinz", sich nicht zu viele Feinde zumachen, und 
warnte Herzog Philipp Magnus, den Bogen zu straff zu 
spannen, damit nicht „das andere Vorhaben fiir das all- 
gemeine Wohl" ganzlich geschadigt werde. Obgleich der 
Kurfiirst nichts versaumte, um nach Moglichkeit alien 
gerecht zu werden, so konnte er doch nicht jedermann 
geniigen. Gerade sein Schwager Herzog Erich, welcher 
den Kaiser und alle Welt um Hilfe rief, beschuldigte ihn 
voll Erbitteruug, dass er seine Interessen nicht gewahrt, 
sondern ihn voUig preisgegeben habe. Entriistet iiber 



^^^) tjber diesen Abschnitt findet sich nftheres: Dresden, Loc. 
9156 Markgrafen Albrechts Kriegssache etc. 1553 u. Loc. 9167 Kriegs- 
zugetc. 1553*, Marburg, O. W. S. 879, Keichs- und Kreissachen Mi- 
litaria I— IV, Egersche Biindnis 1553 III, 526 Akten Landgrafen 
Philipps VertxagsTerhandlungen mit Herzog Heinrich etc. 1653/4; 
Wien, Kriegssachen 1553 (April, Mai); Wolf enbilttel , acta publ 
No. 274, 866 a, 859. . 



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Von Passau bis SieTershansen 1552—1 553. 75 

den erzwungenen Vertrag trat er mit Braunschweig und 
anderen Hansestadten, mit dem Graf en von Oldenburg 
und dem Markgrafen Albrecht gegen Herzog Heinrich 
in Verbindung^^*). In diesem Thun und Handeln be- 
starkte ihn seine Mutter, Herzogin von Minden, vermMilte 
Grrafln von Henneberg. So ebnete sich in Niedersachsen 
dw Boden zum gefahrlichen Tummelplatz einer blutigen, 
verhangnisvoUen Schlacht. 

Indessen trotz aller Erregung und Bewegung wurde 
der geplante Hilfszug nac}i Franken nicht aufgegeben. 
Als der bischOfliche BevoUmachtigte Hans Fuchs zur 
Verhandlung eingetroffen war, kamen Kurfiirst Moritz 
und Herzog Heinrich am 9. Mai in Torgau zusammen^^*). 
Hier bewilligte der Herzog, sein Kriegsvolk auf seine 
Kosten bis an die wlirzburgische Grenze zu fiihren und 
dann in bischofliche Besoldung treten zu lassen. Der 
Kurfurst woUte im Falle der Noth zehn Stiick Mauer- 
brecher samt Munition leihen, wegkundige Knechte als 
Fiihrer nach Miihlhausen senden und des Herzogs Land 
wahrend seiner Abwesenheit in Schutz nehmen. Femer 
libemahm er, den Landgrafen Philipp mit dem Herzoge 
auszusohnen und wom5glich ein Btindnis zwischen ihnen 
dreien aufzurichten, sowie Herzog Erich und die jungen 
Vettem von Liineburg zur Beachtung aller bestehenden 
Vertrage anzuhalten und von feindlichen Verbindungen 
abzutrennen. Die Fehde gegen Braunschweig soUte ruhen, 
Sorgenfrei wurden die Stifter Magdeburg-Halberstadt und 
die Harzgrafen. Liineburg, Hamburg, Ltibeck, selbst 
Pommem soUten sich keiner unbilligen That versehen, 
wenn sie alle feindlichen Praktiken fallen lassen wurden. 

Wegen der Erbverbrliderung trug Kurfurst Moritz 
Bedenken, sich schon jetzt offen gegen Markgraf Albrecht 
zu erklaren, doch war er gewillt, Hans von Heideck mit 
600 Reitern und vier Fahnlein Knechten nach Franken 
Ziehen zu lassen und 700 hessische Reiter unter Wilhelm 
von Schachten und Daniel von Hotzfeld bereit zu halten. 



*^*) Wilhelm von Grumbach war eifrig thfttig in Braunschweig, 
in Hannover etc. Man hoffte, die HerzOge von Pommem, Mecklen- 
burg, Lauenburg, Holstein, die See- und Hansestftdte, Markgrafen 
'Hans und selbst Herzog Johann Friedrich zu einer Koalition zu 
bringen. 

*"*) Dresden. Loc. 9166 Markgrafen Albrechts Kriegssache etc. 
Bl. 184flg., Originalurkunde No. 11477; Wolfenbtittel , atta publ. 
No. 274, 275. 



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76 S. Lssleib: 

Unter alien Umstanden wahrte er sich die Freiheit, zum 
Schutze seines Landes die Mannschaft jederzeit zuriick- 
fordem zu dlirfen. 

Nach diesen Abmachungen eilte Hans Fuchs nach 
Wiirzburg zuriick; Kurfurst Moritz gab Befehle zum 
Anritt und zur Musterung^^®), Herzog Heinrich brach 
die verhassten Fehden ab, zog die Truppen zusammen 
und stellte die Marschroute fest. 

Hier sei erwahnt, dass des Kurfursten G-emahlin 
Agnes gegen Ende April nach Ems ins Bad gereist war 
und Moritz ihr einen Besuch in Aussicht gestellt hatte^^'). 
Die kriegerischen Verwickelungen aber Melten ihn zuriick 
und vemichteten seine dynastischen Hoffnungen. Beide. 
sahen einander nicht wieder. 

Um Mitte Mai nahm auch Herzog Augustus vom 
Bruder AbscWed und reiste nach Danemark, um beim 
Schwiegervater die Freuden des Besuches mit dem Emste 
politischer Geschafte zu verbinden^^®). Wohl ahnte er 
nicht, dass ein unabwendbares Verhangnis ihn bald zu- 
riickfordem wiirde! Aus der Verhaltungsinstruktion, welche 
er seinen R^then zurilckliess, geht hervor, wie emst er 
die damalige politische Lage auffasste. 

Bruderlichem Auftrage zufolge soUte er Konig 
Christian III. fiir ein Schutz- und Trutzblindnis oder doch 
fiir Unterstiitzung in der Noth zu gewinnen suchen. Ihm 
gegentiber soUte er die Anfechtungen, welche der Passauer 
Vertrag erlitten habe und noch erleide, samt der Gefahr, 
welche daraus entspringe, betonen. Dann soUte er ein- 
gehend erortern, wie niitzlich es sei, fiir den Fall der 
Kaiser demnachst sterben werde, in solch bedenklichen 
Zeiten fest und stark verbtindet dazustehen und den 
„Stein im Brette zu behalten". Zuletzt soUte er die Noth- 
wendigkeit gegenseitigen Beistandes hervorheben, wenn 
einer von ihnen in Folge seltsamer Praktiken unver- 
schuldet und unvermuthet angegriffen werde. 

Kaum hatte Herzog Augustus seine Reise angeti^eten, 



^*«) Hans von Heideck und die kurfttrstlichen Kriegsrfithe 
sammelten ihre Truppen um Mtlhlhausen. 

1") Marburg, 0. W. S. 912. Sachsen, albertinische Linie 1662/a. 
(Briefe Tom 18. u. 22. AprU). Agnes sollte den 26. April in Wan- 
fried an der Grenze empmngen werden. Dresden, Loc. 8498 Moritz' 
eigenhftndige Schreiben 1547/63 Bl. 36. 

"8) Dresden, Loc. 7280 Schreiben etc. 1553 Bl. 2flg., Loc. 10042 
Instruktion Herzogs Augustus etc. BL 3flg. 



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Von Fassan bis Sieyershansen 1662—1558. 77 

SO bat Kurfllrst Moritz den Herm von Plauen dringend 
umeine Zusammenkunft^**). Es habe bei ihm, schrieb 
er, schon lange das Ansehen gehabt, dass sich die frto- 
kischen Sachen nicht durch Briefe wtirden stillen lassen. 
Bei vielen errege es allerlei Nachdenken, dass von den 
hohen Hftuptern nicht ernstlicher dazu gethan werde. 
Zu welchen Weiterungen konne es fiihren, wenn dem 
Manne alles nach seinem Willen gehen soUte ! WoUe man 
das Reich vor dem aussersten Verderben erretten, die 
flbrigen Stumpfe erhalten und den Tlirken einigen Wider- 
stand leisten, so sei die h5chste Zeit, mit Ernst zur Sache 
zu thun und Frieden zu machen. Daher hielt er eine 
Unterredung fur h5chst wunschenswerth. 

Ehe es jedoch dazu kam, beschlLftigten andere An- 
gelegenheiten den Kurfiirsten. 

In Eisenberg^*^) wurde vom 7. Mai an liber die 
Liquidationssache, liber die Assekuration, liber die Be- 
festigung Gothas und liber den Kurtitel samt Wappen 
verhandelt. Kurtitel und Wappen glaubte Herzog Johann 
Friedrich als Sprosse des kurfiirstlichen Stammes und 
als gewesener Kurfiirst mit Recht fiihren zu dlirfen. 
Uberdies gestatte es die goldene Bulle, die Wittenberger 
Kapitulation verbiete es nicht und die Anwartschaft auf 
das Gesamtlehen des Hauses Sachsen lasse es zu. Dann 
sei Herkommen und Branch, dass sich Fiirsten nach Lftn- 
dem schrieben, auf die sie nicht einmal Anwartschaft be- 
sftssen. Der Bau der Festung Gotha sei vom Kaiser 
ausdrticklich bewilligt worden. Dem gegeniiber wurde 
geltend gemacht, der Festungsbau verstosse gegen die 
Wittenberger Kapitulation. Das Kursiegel Johann Frie- 
drichs habe der Kaiser vor Wittenberg zerschlagen lassen, 
womit alles andere falle. Herzog Augustus besitze nahere 
Anwartschaft auf das Gesamtlehen und fiihre ahnlich den 
Pfalzgrafen weder Kurtitel noch Wappen. Die kaiser- 
liche Kanzlei pflege dem Herzoge den Titel des gebornen 
Kurfiirsten nicht beizulegen. Wozu also solche Neuerung, 
wenn man nicht darauf ausgehe zu verletzen. Wie voraus- 
zusehen war, liess sich hier nur fruchtlos rechten und 



"*) Wien, Brandenburg 1668. Januar bis Mai, Brief Tom 13. Mai; 
Dresden, Loc. 9156 Kriegssache etc. 1553. Bl. 48. 

^^) Dresden, Loc. 9139 Des gewesenen Kurfiirsten etc. Bl. 
260flg., Loc. 9161 Eisenber^scher Tag 1553 Bl. Iflg.; Mtinchen, 
Reichsarchiv, Brandenburg VII. 382 flg.; Wien, Brandenburg 1558 
(18. Mai), Beichsakten misc. 1563. 



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78 S.l8sleib: 

streiten. Der Austrag der beiden Punkte wurde kaiser- 
licher Entscheidung anheim gegeben. Betreffs der Asse- 
kuration kam man so weit, dass die VersicherungsvertrSlge 
bis zum 18. Juli voUzogen und gleichen Tages in Torgau 
und Weimar ausgehandigt werden soUten. Die Beilegung 
des Liquidationsstreites scheiterte wieder daran, dass der 
Kurfiirst die fehlende Summe am jahrlichen Einkommen 
von 50000 Fl. nur durch einen jahrlichen Geldzuschuss 
erganzen und nicht durch Grund und Boden sichern woUte. 
Am 20. Mai wurde ein anderer Verhandlungstag, zu wel- 
chem der Landgraf von Hessen und der Kurfiirst vo^ 
der Pfalz als Vermittler zugezogen werden sollten, auf 
den 18. Juni in Eisenberg anberaumt. Fiir den Fall dann 
keine Einigung erzielt werde, sollte die Sache kaiserlicher 
Verfligung gemass nach Frankfurt oder auf den Reichs- 
tag gebracht werden. 

Mitte Mai begannen auch gleichzeitig die Verhand- 
lungeninFrankfurt^^^) undHalberstadt^^^) Hier tag- 
ten die Kurfiirsten von Sachsen und Brandenburg in Streit- 
sachen Herzog Heinrichs und der Junker, dort suchten 
zahlreiche Vertreter der Reichsstande Ruhe und Frieden 
in deutscher Nation zu stiften. An beiden Orten blieben 
die Resultate weit hinter den Erwartungen zurtick. Da 
in Eisenberg und Halberstadt die sachsischen und braun- 
schweigischen Angelegenheiten verhandelt wurden, so war 
in Frankfurt die Aufmerksamkeit hauptsachlich auf die 
frankischen Handel gerichtet. Eine klSlgliche RoUe spielten 
die kaiserlichen Kommissare. Statt einzugreifen und 
die Sitzungen zu leiten, woUten sie nur h<3ren und ent- 
scheiden lassen. Auf Verlangen der Stande war Mark- 
graf Albrecht zur Bewilligung eines monatlichen Waffen- 
stillstandes bereit; allein die Bischofe schlugen das Ge- 
such rund ab. Wie friiher hielten ihre Rathe streng an 
der kaiserlichen Kassation und Restitution und ^e mark- 
gxaflichen hartnackig an der Konflrmation und Ratifika- 
tion der Vertrage fest. AUe vergleichenden Vorschlage 
wurden von beiden Parteien verworfen. Fruchtlos und 
trostlos tagleistete man bis zum 19. Juni^^*). Dann wurde 



121) Dresden, Loc. 7235 Frankfurter Handlung 1553 Bl. Iflg., 
Loc. 7872 Kreistage und Handel etc. 1553/4 Bl. 15. 

122) Ebenda, Loc. 7235, Bl. 18; Wien, Keichsakten 1553, mis- 
cell. Herzog: Heinrich an Kaiser Karl, 14. Mai. 

128) Viele Vertreter der weltlichen Fiirsten neigten auf die 
markgrafliche Seite. Der kursachsische Gesandte Dr. Franz Kram 



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Von Passau bis Sievershjtusen 1552—1563. 79 

der Kaiser ersucht, sich endlich far die Kassation oder Ra- 
tifikation zu entscheiden. Eine Kommission wurde nach 
Franken entsendet, alles aufzubieten, was zur Beilegung 
des Streites dienlich sei. 

Nach diesen traurigenTageleistungen schrieb Dr. Franz 
Kram^^*): „Ich besorge, es sei mit diesem Reiche wie 
mit alien anderen Dingen fast am Ende, Gott gebe nur, 
dass wir recht thun und wohl fahren, Wenn es nicht 
eine sichtliche Strafe Gottes, so ware wahrlich hoch zu 
klagen und zu erbarmen, dass wir alle soUten zusehen, 
dass in einem schonen grossen wohl fundierten und er- 
bauten Hause zwei oder drei Saulen oder Balken an- 
fangen zu brennen und sogar niemand loschen und retten 
will, sondern lassen zusehend das Feuer dergestalt in das 
inwendige Gebaude kommen und also iiberhand nehmen, 
dass es nicht wohl mehr zu loschen sei". 

Indem man empflndet, wie treffend der kursachsische 
Rath den Zustand des Reiches schilderte, sieht man sich 
nicht ungem wieder nach dem Fiirsten um, welcher bei 
langererLebensdauerDeutschland wohl hatte retten konnen. 

Kurfiirst Moritz weilte Ende Mai 1553 inRadeberg 
und empfing hier fast gleichzeitig den Grafen Georg Ernst 
von Henneberg^^*^), den Gesandten des Markgrafen und 
Heinrich von Plauen. Nochmals liess der Markgraf 
um die alte Freundschaft anhalten und zufolge der 
Erbverbriiderung um Hilfe bitten. Am 26. Mai gab der 
Kurfiirst sein Bedauem zu erkennen, dass die freund- 
liche Erkiarung nicht friiher gekommen; dann hatte 
mancherlei unterbleiben konnen, was jetzt nicht mehr zu 
andem oder rtickgangig zu machen sei. Da er die lange 
Verzogerung fiir einen Abschlag seiner friiheren Forde- 
rung habe halten miissen und mittlerweile viele Wamungen 
aus Franken und Niedersachsen erfolgt und bedenkliche 
Drohungen hinterbracht worden seien^^®), so habe er 



schrieb: ^Es ^eWlt nicht alien Leuten, dass mein gnSdiger flerr den 
Bisch5fen Knegsvolk zukommen ]S.8st.** 

*2*) Dresden, Loc. 9156 Markgrafen Albrechts Handlung etc. 
1553 Bl. 114, Brief vom 1. Juli an Komerstadt. 

***) Nicht zu ermitteln war, ob Sigmund Luchau den Grrafen 
begleitete. Beide waren am 27. April in Torgau. Des Grafen Cre- 
denz ist datirt Bamberg am 19. Mai, Dresden, Loc. 9157 Elriegs- 
zug etc. 155a Bl. 230. 234. 

^^) Unter anderem: wenn man mit den Bischofen fertig, dann 
woUe man ins Land zu Meissen ziehen. Alle Kurfurstlichen woUe 
man in die Eisen schlagen und h&ngen etc. 



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80 S. Issleib: 

einiges Kriegsvolk in Verspruch genommen und sich ge- 
fasst gemacht. Den Bischofen habe er fur seine Pei'son 
trotz aller Bittgesuche und kaiserlichen Mandate keine 
Hilfe geleistet; doch habe er es zuletzt geschehen lassen, 
dass sich etliche seiner Diener und Befehlsleute in Be- 
reitschaft gesetzt hatten, um den frankischen Einigungs- 
vervvandten auf deren Kosten zuzuziehen, wie ja auch 
einige seiner Unterthanen dem Markgrafen dienten, ohne 
dass er sie zurlickgefordert habe ^^'). Uber die beantragte 
Hilfe auf Grund der Erbeinigung wolle er sich mit dem 
Kurfiirsten von Brandenburg verstandigen. Schreibe der 
Markgraf bis zum 10. Juni langstens mit eigenhandiger 
Namensunterzeichnung zu, dass er in Zukunft wirkJich 
Freund zu bleiben gedenke, also dass weder er (Moritz), 
noch sein Land, noch sein Kriegsvolk etwas Beschwerliches 
zu befurchten hatten, dann wolle auch er sich zur Zufrieden- 
heit erklaren. Trotz des augenblicklichen Vortheils moge 
der Markgraf den gesamten Streit tiber Vertrage, Sch^den 
und Unkosten in Frankfurt verhandeln lassen und nicht 
dem ungewissen Kriegsausgange vertrauend das deutsche 
Vaterland in Jammer und Verderben bringen. 

Am 31. Mai hielt der Graf von Henneberg nochmals 
um eine gnadigere und bestimmtere Erklarung an; allein 
der Kurf lirst, welcher unterdessen mit Heinrich von Plauen 
verhandelt hatte, verwies auf seine gegebene Antwort 
und begegnete der Forderung, die Passe seines Landes 
zu sperren und den Zug des braunschweigischen Herzogs 
nach Franken zu verhindem, mit einer ausfiihrlichen Dar- 
legung, dass Herzog Philipp Magnus zufolge kaiserlicher 
Mandate den Bischofen zur Hilfe ziehe, und dass er sich 
gegen Herzog Heinrich in keinerlei Weise einlassen konne, 
well derselbe nach mehrfachen Gesuchen und pers5nlichen 
Verstandigungen seine Freundschaft erworben habe. 

Die Reise Heinrichs von Plauen zum Kurfiirsten 
hatte Konig Ferdinand durchaus gebilligt^^®). Beide ver- 



^*^) Ganz ahnlich beurlaubte Herzog Johann Friedrich einzehie 
seiner Bediensteten, um in des Markgrafen Bestallung zu treten. 
Weimar, Keg. C. fol. 57 No. 17. 

128 j v^ien, Keichskanzlei, Berichte aus dem Reiche 1553/4. 
Wien 22. Mai: Heinrich von Plauen „thue recht und wohl, dass er 
mit dem Kurfiirsten zusammenkommen woUe". Uber die Radeberger 
Zusammenkunft: Wien, Brandenburg 1558, Januar bis Mai-, Dresden, 
Loc. 9155 Kriegssache etc. 1553 Bl. 43. Marburg, 0. W. S. 879. 
Reichs- und Kreiasachen Miiitaria I — IV, Egersche Btindnis 1553 
III. Brief vom 1. Juni. f. 



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Von Passau bis Sievershausen 1652—1658. 81 

einigten sich am 31. Mai zu folgender „yertraiilichen 
Abrede". Piir den Fall dass Konig Ferdinand zum Schutze 
B5hmens^**), Sachsens und des deutschen Vaterlandes 
1500 Reiter bewillige, wollte der Kurfurst gleichfalls 
1500 Reiter zur Verfugung stellen und den Landgrafen 
von Hessen zur Annahme von 1000 Reitern zu bewegen 
suchen. In Monatsfrist, also bis zum 1. Juli, sollten die 
koniglichen Reiter derartig an der bohmischen Grenze 
anlangen, dass sie nach erfolgter Kriegserklarung ohne 
weiteres in das Land des Markgrafen einfallen konnten, 
um ihn zu zwingen, entweder gutwillig vom Kiiege und 
von weiterer Verheerung abzulassen, oder mit einem und 
dem andern Haufen zu schlagen. Oberster Feldherr der 
koniglichen Reiter sollte Erzherzog Ferdinand sein, dem 
der Kurfurst auf Verlangen mit Rath und That beistehen 
woUe. In kurzem sollte bedacht werden, in wessen Namen 
und unter welchem Vorwande der Krieg erklart und die 
Verwahrungsschrift zugestellt werden konne, ob es ange- 
zeigt sei, ein offentliches Ausschreiben unter die Leute 
zu bringen, wie man dem Markgrafen alle Vortheile seines 
Landes abzustricken vermoge, ohne den anderen mitbe- 
lehnten Markgrafen gerechte Ursache zur Beschwerde 
zu geben, ob es zweckmassig, eine Achtserkl^lrung zu 
beantragen. Der koniglichen Entscheidung blieb die 
Unternehmung des Krieges vorbehalten, auch wenn der 
Landgraf nur geringe Hilfe oder gar keine stelle. In 
Summa, liber gdle Punkte und liber alles, was zu thun 
und zu lassen, sollte Heinrich von Plauen in zehn oder 
elf Tagen eine kSnigliche Antwort senden. 

Darauf ersuchte der Kurfurst den Kaiser am 2. Juni, 
alien Unruhen in Franken und Sachsen zu steuem und 
besonders Herzog Erich, samt den HerzSgen von Ltine- 
burg, Pommern, Mecklenburg, Lauenburg, Holstein, sowie 
den Grafen zu Schaumburg und den Stadten Ltibeck, 
Hamburg, Bremen, Liineburg ernstlich zu befehlen, alle 
Vergarderungen zu trennen und keine Zusammenrottung 
zu dulden. Am Schlusse des Schreibens bat er um kaiser- 
liche Antwort ^*^). 



^^) Der Markgraf hatte, wie schon mitgetheilt ist, bShmische 
Lehen angegriffen und sich beim Tninke hdren lassen. »er yerhoffe 
nicht zu sterben , er habe denn zuvor eine bOhmische kOnigliche 
Krone auf seinem Haupte gehabt". Dresden, Loc. 72B5 Frankfurter 
Handlung etc. Bl. B5. 

i«>) Dresden, Loc. 9157 Kriegszug etc. 1553 BL 840. 

Neues Archlv t S. Q. u. A. Vlll. 1. 2. ^/^^^r^T^ 

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82 S. Issleib: 

Inzwischen hatte Herzog Philipp Magnus die vom 
mansfeldischen Kriegshaufen besetzte vaterliche Feste 
Steinbrtick wieder zmiickerobert und war durch Thtiringen 
nach Franken vorgertickt^*^). Bei Meiningen vereinigte 
er sich (am 3. Juni) mit Hans von Heideck , Hans von 
Diskau und Wolf Tiefstetter und beschloss, den Feind 
vor Schweinfurt aufzusuchen. 

Markgraf Albrecht aber hatte diese Stadt bereits 
wieder verlassen und befand sich im Gebirge, wo er eben 
mit den Nlimbergern zusammengestossen und zur Riick- 
kehr genothigt worden war^^^). In Bamberg erhielt er 
(am 5. Juni) vom Anmarsche Heidecks und des Herzogs 
von Braunschweig sichere Nachricht und beschwerte sich 
sofort in einem Schreiben an Kurfiirst Moritz tiber 
diesen feindlichen Kriegszug. Dann bat er instandig, 
nicht den Pfaffen und Nurnbergern zu helfen und ihn aus 
dem Lande zu treiben, vielmehr ungehindert bei dem 
Seinen zu lassen. Der Kurfiirst soUte Hans von Heideck 
zurlickfordern, wohl erwagend, was auch ihm hernach durch 
andere Leute begegnen konne, weil er ebenfalls einen 
kaiserlichen Vertrag besitze. Von Heidelberg aus habe 
er vertraulich an ihn geschrieben ; hatte er es bose ge- 
meint, so wolle er wohl geschwiegen haben. Allzeit habe 
er sich treu erzeigt. 

Darauf iiberdachte er seine Lage, die sich in Franken 
nach alien Seiten hin bedenklich anliess. Und weil das 
Herz doch anders empfand und der Mund anders redete, 
als die Hand schrieb, so findet man seinen Entschluss 
begreiflich, sein Land preiszugeben und die Kriegsfackel 
nach Norddeutschland zu tragen^^^). Ohne Zogern liess 



***) Dresden, Loc. 9156 Markg^rafen Albrechts Kriegssache etc. 
1553 Bl. 240; Wolfenblittel, acta publ. 355 a; Marburg, O.W. S.526. 
Braunschweig- Wolfenbuttel, Marz bis Juni 1553. 

182) In Folge dessen wurde die Markgrafschaft Ansbach be- 
droht Die Eegierung zu Onolzbach rief den Kurftirsten Moritz, als 
Oheim und Vormund des jungen Markgraf en Georg Friedrich, um 
Hilfe an; aUein derselbe fertigte sie ab, weil sie ihn sonst nicht um 
Rath gefragt. Dresden, Loc. 9157 Kriegszug etc. 1553 Bl. 30oflg. 

13^) Herzog Johann Friedrich sah auf Grund eingelaufener 
Nachrichten fast genau voraus, wie sich die Verhaltnisae nun ge- 
stalteten. Hochst interessant ist sein Brief an den alten Dr. Bnick 
vom 3. Juni; Weimar, Reg. C. fol. 57 No. 19. Mitte Mai kam 
Johann Friedrich in grosse Verlegenheit dadurch, dass der Markgraf 
eine Post durch sein Land legen woUte. Des Herzogs Rathe waren 
dafttr, ihm mundlich, nicht schriftlich mittheilen zu lassen, wenn er 
die Post durchaus legen mttsse, dann mSchte er solches im Geheimen 



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Von Passau bis Sievershausen 1552—1553. 83 

er seine Reiterei (ungefahr 1500 Mann) aufbrechen, die 
wie ein Kriegswetter in das TMringerland liber Lichten- 
fels, Grafenthal und Arnstadt hineinzog^^*). Er selbst 
eilte auf die Plassenburg, gab Verhaltungsmassregeln und 
jagte seiner Mannschaft nach. Am 8. Juni ritt er in 
Arnstadt ein und zechte „gestiefelt und gespomt" bis 
11 Uhr abends auf dem Schlosse beim Graf en von Schwarz- 
burg. Andem Tages sah man ihn davon Ziehen in einem 
Panzerhemd, drei Blichsen und zwei Paustkolben am 
Rosse fiihrend und mit einem Hute voUer Hahnenfedem^^^). 

An die Herzoge von Braubschweig schickte er Fehde- 
briefe; Herzog Johann Friedrich liess er entbieten, ihm 
solle kein Huhn gescheucht werden; Kurflirst Moritz 
benachrichtigte er^^®): gezwungen babe er sein Land ver- 
lassen , ihm aber werde er auf dem Durchzuge keinen 
Schaden zufligen; er versehe sich alles freundlichen und 
briiderlichen Willens. So zog er liber Erfurt, Heldrungen, 
Eisleben^^') nach Halberstadt^'®). 

Kurflirst Moritz erhielt die erste Kunde vom Zuge 
des Markgrafen am 9. Juni in Herzberg. Nach dem 
Eintreffen genauerer Nachrichten lud er ihn (am 10.) z'u 
einer Besprechung nach Leipzig oder Torgau ein; gleich- 
zeitig bot er aber seine Ritterschaft auf, berief einen 
Landtagsausschuss nach Leipzig, bat Herzog Heinrich, 
sich mit aller Macht in Bereitschaft zu setzen, ersuchte 
den Bischof von Wtirzburg, Herzog Philipp und Heideck 
unverztiglich zu beurlauben, und befahl als Schutzherr 
Rlistung im Erzstift Magdeburg. In Leipzig angelangt 
wurde ihm am 13. Juni friih 5 IJhr des Markgrafen eigen- 
handige Antwort aus Eisleben (vom 12.) zugestellt, wo- 



und ohne Wi8sen und Bewilligung des Herzogs thun, weil die Gegner 
es ihm sonst ttbel deuten mSchten, Reg. C. fol. 50 No. 13. Auf solche 
Weise kOnne auch das ^Durchpostieren'' stattfinden. (15. u. 18. Mai). 

^^) Weimar, Reg. C. fol. 55 No. 15. Am 6. Juni war die 
Reiterei vor Lichtenfels, am 7. langte sie gegen Abend in Arnstadt 
an. Wolfenbtittel, acta publ. 355 a, Kurflirst Moritz an Herzog 
Heinrich, Herzberg den 9. Juni, nach einem Schreiben des Grafen 
Gttnther von Schwarzburg. 

13*) Dresden, Loc. 9157 Kriegszug etc. 1553 Bl. 384, vergl. 
Bl. 378flg., dann Loc. 9155 Schriften etc. Bl. 228. 

^^) Von Ohrdruff aus am 10. Juni. 

18'^) Von Eisleben schrieb er am 11. Juni nach Leipzig an den 
Ausschuss der kurfurstlichen Landstande. 

188) Vom Domkapitel forderte er 15000 Thlr., vom Erzstift 
Magdeburg 25000 FL, von Nordhausen 12000 FL, von Mtthlhausen 
8000 Fl. etc. 

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84 S. Issleib: 

nach derselbe, zu einer personlichen Begegnung gewillt, 
das kurflirstliche Geleit in Halberstadt erwarten wollte^^*). 

Ein derartiges Entgegenkommen hatte wohl Moritz 
nicht vennuthet. Das Schreiben brachte ihn in Verlegen- 
heit; stiindlich erwartete er des K5nigs Antwort auf 
die Radeberger Verabredungen. Ln Begriflfe nach Dresden 
zu reisen, befahl er seinen Rathen Mordeisen und Carlo- 
witz, zu erwagen, was zu thun sei, um nach der Rtick- 
kehr sofort handeln zu konnen. Aus dem vorliegenden 
gemeinsamen Konzept beider Rathe erkennt man, wie 
schwer die Losung der heiklen Aufgabe war. Der Ent- 
wurf blieb dann unberiicksichtigt. 

Wenn der Kurfurst wirklich in Dresden gewesen 
ist, dann verweilte er nur wenige Stunden; am 15. Juni 
empfing er die konigliche Antwort in Torgau, die ihn 
voUig befriedigte; in Monatsfrist sollten 1500 Reiter an 
der bohmischen Grenze sein. Von Leipzig aus ^*^) setzte 
er dem Konige (am 16.) die rasch vertoderten Verhalt- 
nisse auseinander und sah fur hohe Nothdurft an, die in 
Eger und Teplitz bereits versammelten Reiter bis zum 
20. Juni nach Zeitz zu bringen und die fehlenden eiligst 
zu erg^nzen oder durch Knechte zu ersetzen. Er selbst 
wollte nicht nur tiber 1500 Reiter, sondem auch Fuss- 
truppen aufbringen, sich mit dem aus Franken zurtick- 
kehrenden braunschweigischen und heideckschen Kriegs- 
volke vereinigen und weder den Markgrafen noch den 
sachsischen Haufen aufkommen lassen. Beim Kaiser sollte 
der Konig vorstellig werden, dass er dem Beginnen des 
Markgrafen Einhalt thue und die kurflirstliche und land- 
grafliche Riistung nicht missdeute und beargw5hne^*^). 

Dem in Leipzig ^^*) tagenden Ausschusse der Land- 
stande liess er nicht allein einen wirkungsvollen Uber- 
blick iiber alle seine Vermittelungs- und Friedensverhand- 
lungen hinsichtlich der braunschweigischen Junker, der 
Grafen von Mansfeld, des Herzogs von Braunschweig, 
des Landgrafen von Hessen, der Herzoge von Liine- 



^^) Dresden, Loc. 9157 Kriegszug: etc. 1553 Bl. 482flg. 

'*<*) Wien, Brandenburg 1553, Juni und Juli. 

^*^) Der Kdnig entsprach dem kurftirstlichen Wunsche am 
21. Juni. V^^ien, Brandenburg 1553, Juni und JuU und Reichsakten 
misceU. 

*^2) Dresden, Loc. 9149 Kurfliisten Moritz u. Johann Friedrich 
betreffend etc. 1553 Bl. 9flg., Loc. 9155 Mark^afen Albrecht belan- 
gend post obitum Mauritii Bl. 6 flg., Loc. 9157 Kriegszug etc. Bl. 661 flg. 



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Von Passan bis Sievershausen 1552—1653. 85 

burg etc., sondern auch einen ausfuhrlichen Bericht liber 
Markgraf Albrecht von den Passauer Verhandlungen 
an bis zu seinem Zuge nach Norddeutschland erstatten. 
Alles, was gegen denselben sprach, wurde scharf hervor- 
gehoben. 

Der Ausschuss widerrieth, sich in Krieg einzulassen, 
und machte geltend, dass des Markgrafen Zug erst diirch 
den Herzog von Braunschweig und Heideck veranlasst 
worden sei. Sache der Bisch5fe bleibe, zu hintertreiben, 
dass Albrecht wieder in ihre Stifter ziehe. Sei derselbe 
gesonnen, den Streit mit den Bischjofen seinen Erbeinigungs- 
verwandten anheimzustellen, so erscheine besser fiir die 
Bischofe, etwas zu verlieren als alles in Gefahr zu setzen 
und die Kriegskosten zu tragen. Wtirden sie die Be- 
soldung des Herzogs und Heidecks nicht bewilligen, noch 
den Vorschiagen der Vermittler folgen, warum soUte dann 
der Kurftirst ihrethalben mit dem Markgrafen samt dem 
Gardhaufen Krieg beginnen? Man m5ge eine Erklarung 
fordem, dass er den KurRirsten und seine Einigungsver- 
wandten nicht angreifen oder beschweren woUe. Bis da- 
hin soUe der Kurfiirst dem Ausschusse der Stande Ur- 
laub ertheilen ; denn die Ritterschaft sei bereit und k5nne 
jederzeit ohne Saumen anreiten. Miisse er aber nothge- 
drungen ausser Landes ziehen, dann soUe er dasselbe 
nicht entblossen und die Festungen wohl verwahren. 

Unbeachtet liess der Kurfiirst die Bedenken und 
Rathschlage seines landstandischen Ausschusses. Seitdem 
er einen unzweifelhaften Riickhalt am K5nig Ferdinand 
besass, zauderte er nicht mehr, entschieden vorzugehen. 

Kaum hatte er den Landgrafen von Hessen zur 
Hilfe angespomt und Herzog Heinrich zur Eile ange- 
trieben, so schrieb er dem Markgrafen die vorgeschlagene 
Zusammenkunft und Unterredung wegen Mangels an Zeit 
ab und tiberschickte ihm zur Beantwortung seine Erklarung 
vom 9. Juni, welche er schon in Herzberg auszuarbeiten 
befehlen hatte ^*^). Dann setzte er den Kurfursten von 
Brandenburg von alien Vorfallen der letzten Tage in 
Kenntnis, theilte mit, dass er zur Beschlitzung seiner 
Lande, Freunde und Verwandten ruste, und bat um glit- 



***) Dresden, Loc. 9156 Kriegssache etc. 1653 Bl. 113, vergl. 
Wien, Brandenburg 1553 Juni und Juli (Brief vom 26. Juni an den 
KOnig). Zum Vorwurf machte er dem Markgrafen, dass er gegen 
Branch und Herkommen ohne sein Wissen durch sein Grebiet gezogen 
sei und seine Unterthanen und Schutzverwandten gesch&digt habe. 



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86 S. Issleib : 

liche Verhandlung. In Folge dieser Zuschrift sandte 
Kurfiirst Joachim seinen Solm Markgrafen Johann Georg 
nebst einigen Rathen an den Markgrafen ab und ermalmte 
den Kurfursten von Sachsen, sich nicht zu iibereilen. 

Daran hielt von nun an Moritz fest, der Markgraf 
sollte die frtokischen Handel durch giitlichen Vergleich 
beilegen lassen und weder seine Erbeinigungs-, Schutz- 
oder Lehnsverwandten, noch Herzog Heinrich, weder 
Konig Ferdinand noch Landgraf PhUipp, Herzog Augustus, 
Herzog Johann Friedrich, die Stifter Magdeburg -Halber- 
stadt, die Grafen von Mansfeld, Erfurt etc. feindlich 
angreifen. Anderen Vorschlagen wich er aus^**). 

Eine Reihe Einzelheiten hauften sich in jenen Tagen 
zusammen. So ersuchte der Kaiser am 17. Juni^**^) die 
in Frankfurt tagenden Stande, insbesondere die Kurfursten, 
durch weitere Verhandlungen den frankischen Streit zu 
schlichten und ihm vertraulich zu rathen, wie man den 
verderblichen Praktiken und Emporungen im Reiche aufs 
beste begegnen konne. Gleichen Tages beantwortete der 
landstandische Ausschuss in Leipzig die kurftirstliche 
Proposition. Am 18. Juni fertigte Konig Ferdinand den 
Burggrafen von Meissen an den Kurfiirsten zu weiteren 
Berathungen ab, Markgraf Albrecht verliess nach einem 
viertagigen Aufenthalte Halberstadt, Herzog Heinrich 
nahm mit seinen verfiigbaren Reitem Stellung bei Ganders- 
heim, Graf Christof von Oldenburg rtickte von Verden 
aus mit fliegenden Fahnen vor und Herzog Erich be- 
lagerte im Stifte Minden die Philipp Magnus zugehorige 
Feste Petershagen. Tags darauf wurden die Frankfurter 
Verhandlungen abgebrochen und die erwahlten Friedens- 
kommissare nach Franken entsendet. Am 20. Juni be- 
auftragte der Kurfiirst von Brandenburg seinen Sohn 
Johann Georg und etliche Rathe, beim Markgrafen um 
Friedensverhandlungen nachzusuchen , Landgraf Philipp 
von Hessen stand im Begriffe, seinen Sohn Wilhelm nach 
der Pfalz zu schicken, um die Heidelberger Bundesfiirsten 
zu einer monatlichen Geldhilfe gegen den Markgrafen 



144) Vergl. Dresden, Loc. 9155 Kriegssache etc. Bl. 53flg. 

^*^) Von Frankfurt aus zu einer Erkiarung gedrangt, ob er die 
Kassation oder die Ratifikation bevorzugt wissen woUte, meinte er, 
solche Deklaration sei aus vielen Ursachen fur ihn hochbedenklich. 
Dresden, Loc. 9155 Markgrafen Albrecht bel. post obitum Mau- 
ritii etc. Bl. 1. 



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Von Passau bis Sievershausen 1652 — 1553. 87 

aufzufordern^**), Herzog Philipp Magnus und Heideck 
rtisteten zur Ruckkehr aus Franken, Markgraf Albrecht 
liielt einen stattlichen Einzug in Braunschweig, und Kur- 
tiirst Moritz zog liber Merseburg nach Querfurt, urn dann 
Sangerhausen und Nordhausen zu erreichen. 

Von Braunschweig aus^*') entgegnete der Markgraf 
(am 20. Juni) auf das kurflirstliche Schreiben aus Leipzig 
(vom 16.), welches ihm noch in Halberstadt iiberbracht 
worden war. Darnach gab er zu, dass es im Reiche 
Herkommen sei, nicht ohne Wissen des Fiirsten ein Land 
zu durchziehen; aber es sei auch Herkommen, niemanden 
unverwahrt und unabgesagt zu bekriegen. Die Bischofe 
hatten nie abgesagt, ebensowenig der Herzog von Braun- 
schweig und Hans von Heideck; sondern alle hatten ihn 
heimlich hinterziehen und ihren Vortheil suchen woUen. 
Als er von Bamberg aus geschrieben, habe er selbst noch 
nichts von seinem Zuge gewusst, hatte sich auch nimmer- 
mehr versehen, dass Heideck mit kurfiirstlichem Kriegs- 
volke gegen ihn ziehen soUte. Uber diesen Uberfall 
konne er sieh wohl mehr beschweren als der Kurfiirst 
uber den unschadlichen Durchzug etc. Er sei willens ge- 
wesen, nach Leipzig zu kommen, und habe zu seinem 
grossten Nachtheile vier Tage in Halberstadt auf Bescheid 
gewartet. Indessen da der Kurfiirst andere Geschafte 
habe, so miisse er es geschehen lassen und gelegenere 
Zeit erwarten. Seiner vorigen Erklarung wisse er nichts 
mehr zuzulugen; doch sei er gesinnt, den Kurfiirsten zum 
Freunde zu behalten. Des unfreundlichen Gemlithes aber 
sei zu viel, ihn in Frankfurt durch parteiliche Unter- 
handler von seinen Vertragen abbringen und seine Feinde, 
die ehr- und treulosen Schelmen, die Pfaffen und Niim- 
berger samt ihrem braunschweigischen Anhange, vor 
Rache schiitzen zu woUen. Solch dringendem Suchen 
wisse er nicht stattzugeben etc. Und sei er um das Gut 
gar bis auf wenige Festungen gekommen, so woUe er auch 
die Haut daran strecken, und hatten sie eins, so soUten 
sie das andere haben. 

Darauf bemiihte er sich, gleichsam im Namen des 
Kaisers, das niedersachsische Kriegsvolk vor Verden an 



^*^) Kurpfalz, Mainz, Trier, Wtirttemberg, Bay em soUten drei 
Monate lang je 12000 Fl. erlegen, die gleiche Summe woUte der 
Landgraf dem Kurfiirsten Moritz zukommen lassen. Dresden, Loc. 9157 
Kriegszog etc. 1553 Bl. 545 flg. 

1*') Dresden, Loc. 9155 Kriegssache etc. 1553 BL 168. 



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88 S. Issleib: 

sich zu bringen, und liess seine Reiterei liber Hameln 
und Minden vor Petershagen ziehen, wo er dann selbst 
eintraf. 

In Merseburg angekommen, ermunterte der Kurfiirst 
sowohl Hans von Heideck als auch Herzog Philipp 
Magnus in grosster Eile herbei zu komuien, um dem 
Feinde den Rtickzug nach Franken gemeinsam zu sperren 
und mit aller Macht^*^) sein Vorhaben zu brechen. Die 
hessische Reiterei unter Wilhelm von Schachten und Hotz- 
feld sollte sich von Salza nach Frankenhausen wenden 
und weitere Befehle erwarten. — An die Gattin Agnes, 
welche ihn aufsuchen woUte "*), schrieb er, dass sich die 
Dinge zu eitel Krieg schickten. Heftig starke sich der 
Markgraf im Lande Braunschweig und nothige ihn zu 
rlisten. K5nne er Frieden haben, so ware es ihm am 
liebsten, wo nicht, so geschehe Gottes gnadiger Wille. 
Gott werde ihn nicht verlassen, obgleich seiner Feinde 
so viel waren als Sterne am Himmel; denn er habe 
keine Ursache gegeben. Der Markgraf biete jetzt viele 
gute Worte, aber wenn er sich nach Gefallen gestarkt 
habe, werde er anders handeln. Keinen Fleiss woUe er 
sparen, um den Krieg abzuwenden und seiner Zusage zu 
gentigen, bei ihr (Agnes) zu sein. Mtisse er aber seiner 
Unterthanen und Verwandten halber etwas thun, so sei 
er dessen nicht zu verdenken; es sei billig, dass jeder 
Hirt fur seine Schaflein aufsetze, was er habe. Er ziehe 
nach Sangerhausen, um seine thiiringischen Reiter zu be- 
sichtigen. . „Gott geb uns Gnad," schloss er, „dass wir 
hinfuro lang, lang, lang mogen beisamen wohnen." In 
Sangerhausen setzte er tags darauf das Schreiben gleich- 
sam fort mit den Worten: mlisse er Krieg flihren, so 
thue es ihm leid; dann bedurfe er wohl der Leute, wel- 
che ihm kochen, sieden, braten und rathen helfen moch- 
ten, dass er es gut mache; es konne sich jede Stunde 
zutragen, dass der Feind in die Nahe riicke. Agnes 
sollte iiber Salza nach Kindelbrlick reisen, damit sie den 
23. Juni zeitlich bei ihm eintreflfe^^®). Die Reise zer- 
schlug sich. 

Noch suchte der Kurfiirst von Brandenburg verderb- 
lichen Krieg und blutigen Kampf zu verhliten. Nicht 

1*8) Wolfenbtlttel, acta publ. No. 355 a u. 358. 
1*®) Sie war von Ems aus in Kassel eingetroffen. 
i**) Dresden, Loc. 8498 Moritz' eigenhftndige Schreiben 1547 
bis 1553 Bl. 31, 32. 



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Von Fassan bis Sievershansen 1552—1553. 89 

nur sein Sohn und die Rathe erschienen in Sangerhausen, 
urn die Wege des Friedens offen zu halten; er selbst 
folgte und hoflfte sogar, durcli eine personliche Zusammen- 
kunft in Magdeburg oder Zerbst das alte Vertrauen 
zwischen Moritz und Albrecht wieder herstellen zu 
k5nnen^*^). Indessen der Kurfiirst fiihrte zu Gemiith, 
dass der Markgraf seinem letzten Briefe nach den Streit 
mit den Bischofen gar nicht zum Vertrage kommen lassen 
und sich der kurfiirstlichen Erbeinigungs- , Schutz- und 
Bundesverwandten halben nicht bindend erklaren woUe; 
das beweise seine feindliche Gesinnung deutlich. Von 
einer Zusammenkunft versprach er sich nichts mehr ; doch 
bewilligte er sie, wenn der Markgraf, Konig Ferdinand 
und Herzog Heinrich damit einverstanden seien^^^). Kur- 
fiirst Joachim liess sich zur Zusage bewegen, im Falle 
der Noth Moritz zur Hilfe zuziehen; allein der BischSfe 
wollte er sich nicht annehmen. 

In dieser Hinsicht hatte Kurfurst Moritz auch einen 
schweren Stand beim Landgrafen. Obgleich dieser im Marz 
Hilfe zugesagt hatte, fiir den Fall, dass der Schwiegersohn 
vom Markgraf en bedroht werde, so wollte er doch eine 
direkte Gefahr noch nicht zugeben und meinte, der Krieg 
sei zu vermeiden. Mehrfach hielt er dem Kurflirsten 
vor, es ware besser gewesen, wenn er sich nicht soweit 
eingelassen hatte. Ungem liess er Wilhelm von Schachten 
und Hotzfeld ziehen; schwer war er zu einer geringen 
Geldunterstiitzung zu bewegen, die nur dann erfolgen 
sollte, wenn der Markgraf sich als Feind Sflfentlich er- 
kiare. Keinesfalls sollte sein Sohn Wilhelm den Kriegs- 
handeln beiwolmen; vielmehr wurde derselbe mit dem 
oben erwahnten Auftrage nach Heidelberg geschickt. 
Dem Drftngen des Kurfursten zu grosseren Opfern be- 
gegnete Philipp zunachst mit der Bitte, einen willigen 
Esel nicht so hart zu nothigen und bis zur Noth zu 
sparen. Dann schrieb er : hatten der Markgraf und die 
BischSfe, Herzog Heinrich und Erich Krieg ftthren woUen, 
so hatten sie es ihrem Gefallen nach thun mogen. Um 
Rath gefragt, hatte er schwerlich dem Kurfursten eriaubt, 



*»*) Wolfenbttttel, acta publ. 369, des Kurfttrsten von Branden- 
burg Brief vom 29. Jtmi. Dresden, Loc. 9155 Kriegssache etc. Bl. 
166, 171, vergl. Loc. 9157 Acta I. (8. Juli). 

**2) Herzog Heinrich war vor dem Kurfttrsten von Branden- 
burg in Sangerhausen. Wien, Brandenburg 1563, Juni und Juli, 
Horitz* Brief an Ferdinand, Sangerhausen am 25. Juni. 



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90 S. Issleib: 

sich so weit einzulassen, wie geschehen. Zuletzt sprach 
er sich dahin aus: fiir seine Person habe er weder mit 
dem Markgrafen noch mit den Bisch5fen etwas zu thun, 
nur den Schaden des Kurfiirsten woUe er mit verhiiten 
helfen^^s). 

Der KurfBrst sah sich genothigt, von Querfurt, San- 
gerhausen und Nordhausen aus scharf und ausfiihrlich zu 
entgegnen^'^^). 

Aus der Antwort des Markgrafen sei klar zu er- 
kennen, schrieb er, dass er jede Verhandlung in Sachen der 
Bischofe rund abschlage und hinsichtlich Sachsens,Hessens, 
des Konigs Ferdinand, des Herzogs Heinrich, der Stifter 
Magdeburg -Halberstadt mid der anderen Erbeinigungs- 
und Schutzverwandten keine gentigende Erklarung ab- 
geben woUe. Nach erfolgter Vereinigung mit dem nieder- 
sachsischen Kriegshaufen werde er niemanden verschonen. 
Er kenne den Mann, lasse man ihm Luft, so werde er 
trotz aller Versicherungen nicht nur Sachsen, sondem 
auch Hessen, Bohmen und andere Lander heimsuchen. 
Hatte er fiir sich und sein Land ausser Gefahr und Sorge 
sein konnen, so wtirde er jede Kriegsrlistung vermieden 
haben. Doch unertraglich sei, dass der Markgraf ihn 
unverscbuldet und ungeachtet aller erzeigten Wohlthaten 
hin und her mit ehrenriihrigen Lasterschriften und Schmah- 
reden antaste, dass er statt einer geraden Erklarung 
hohnische und spitzige Briefe schreibe und ungescheut 
beschwerliche Drohungen ausstosse, seinen Hochmuth 
ube, unverwahrt durch sein Land ziehe, seine Schutzbe- 
fohlenen beraube, von Halberstadt Geld erpresse, Magde- 
burg bedrohe, von Miihlhausen und Nordhausen Brand- 
schatzung fordere, Herzog Erich gegen ihn verhetze, die 
ungehorsamen Junker und das niedersachsische Kriegs- 
volk gegen ihn aufbringe etc. SoUte er da stillsitzen 
und des ersten Backenstreiches im eigenen Lande ge- 
wartig sein? Nicht fiirwitzig, sondem wohlbedacht habe 
er zur Beschiitzung seiner Lande, seiner Verwandten und 
Bundesgenossen gertistet. Mit Hilfe seiner Freunde hoflfe 
er der markgraflichen Gewalt und Tyrannei genugsam 

1*^3) Dresden, Loc. 91R7 Kriegszug etc. 451 flg. Nicht minder 
wie der Landgraf rieth ein Theil der kurfttrstlichen Kftthe vom 
Kriege ab. 

^^) Marburg, 0. W. S.912, Sachsen, albertinische Linie 1552/3, 
Brief von Querfurt 20. Juni; Dresden, Loc. 9157 Kriegszug etc. 
Bl. 557flg. 



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Von Passau bis Sievershausen 1552—1568. 91 

zu begegnen, mochten gleich kaiserische, burgundische 
Oder spanische Praktiken dahinter stecken. 

In diesem Vorhaben bestarkte ihn in Nordhausen 
Herzog Heinrich und der eben eingetroflfene Hans von Hei- 
dek (am 25. und 27. Juni). Die Ankunft des Fiirsten von 
Plauen steigerte dann seine kiihne Entschlossenheit zur 
zuversichtlichen Kampfbegierde. 

Beide verhandelten am 29. Juni, Heinrich von Plauen 
mit unbeschrankter Vollmacht^^*^). Auf Wunsch des 
Konigs wurde der Kurfiirst an Stelle des Erzherzogs Fer- 
dinand mit dem Kriegszuge nach Niedersachsen beauf- 
tragt. Unverziiglich soUten die gerlisteten koniglichen 
Reiter liber Gera vorriicken und der fehlende Theil (von 
den 1500) durch drei Fahnlein Knechte ersetzt werden. 
AurGrund der Erbeinigung mit der bohmischen Krone 
soUte der Konig die beiden Kurftirsten von Brandenburg 
und Pfalz, sowie Markgraf Hans zur Hilfe auffordern. 
Eine Verwahrungsschrift^*''^) wurde ausgearbeitet, und 
sofem sie alle TJrsachen zur Defensive enthielt, sah man 
von einem Ausschreiben ab. Diese Schrift soUte, von 
Osterode den 1. Juli datiert, dem Markgrafen, dem Kaiser, 
dem gesamten brandenburgischen Hause, den Frankfurter 
Vermittelungsfiirsten und den sachsischen Kreisstanden 
vom Kurfursten von Sachsen und in Vertretung des 
Konigs ^^') vom Herm von Plauen zugeschickt werden. Die 
Achtung des Markgrafen zu beantragen hielt man ftir 
nothwendig. Der Landgraf von Hessen soUte znnachst 
nicht weiter in Anspruch genommen werden. Hinsicht- 
licli des Krieges wurde beschlossen , dem Markgrafen 
stracks unter Augen zu ziehen und nicht von ihm abzu- 
lassen, wohin er sich auch wenden m5ge. Da vielleicht 
des Scheines willen der Feind die rothen kaiserlichen 
Feldzeichen fiihrte, so sollte man die schon angelegten 
rothweissen Feldzeichen beibehalten ^^®). Falls aber 
der Feind die rothe mit der weissen Farbe ver- 
tauschen werde, so woUte man das rothe Feldzeichen 

iwj "Wien, Brandenburg 1553, Juni bis Juli, vergl. Reichs- 
kanzlei, Berichte aus dem Reiche 1553/4, Kredenz und Instraktion 
far Heinrich von Plauen am 18. Juni. 

^^) Man eilte, denn liesse man die Schrift erst nachWien ge- 
langen, so mOchten allerlei Bedenken fallen, 

^'^') Heinrich von Plauen machte geltend, es sei nicht kOniglicher 
Branch, sich gegen einen Fiirsten in Person zu verwahren. 

^^^) Es wareu die b(Jhmischen und Ssterreichischen Farben. 
Heinrich von Plauen schlug die rothgelben Feldzeichen vor. 



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92 S. Issleib: 

annehmen. AUe Markgrafen des Hauses Brandenburg 
soUten ersucht werden, sich des Vetters nicht anzu- 
nehmen. Dem Konige wurde freigestellt, Verhandlung 
zu gestatten oder auszuschlagen. Ungeachtet geringer 
Hoffnung auf Hilfe woUte der Kurftirst die sachsischen 
Kreisstande den 6. Juli noch Jliterbogk berufen. 

Unmittelbar nach den Verhandlungen eilte Heinrich 
von Plauen iiber Zeitz, Gera und Plauen nach Prag^*®), 
der Kanzlor Dr. Mordeisen nach Leipzig und Torgau. 
Der Kurfurst verliess Nordhausen, um den Feind zu 
suchen, hocherfreut, die konigliche Majestat als einen 
grossen Vogel endlich mit ins Netz gebracht zu haben, 
um zu erfahren, ob der Markgraf am Kaiser einen Rtick- 
halt habe oder nicht ^®®). 

Am 1. Juli 1553 rastete Moritz in Osterode und 
iibersehickte durch den Edelknaben Vitzthum dem Mark- 
grafen die Verwahrungsschrift. Dann dankte er der 
Herzogin von Rochlitz, jener rastlosen und scharfziingigen 
Vermittlerin, ftir alle Friedensbemtihungen und zeigte ihr 
an, dass er neben dem romischen Konig und dem Ftirsten 
von Plauen dem Markgrafen abgesagt habe und bald 
sehen woUe, ob dieser (wie er sich habe vemehmen 
lassen) ihm den gelben oder er jenem den rothen Bart 
ausreissen werde^®^). 

Markgraf Albrecht empfing die Verwahrungsschrift ^•*) 
im Lager vor Petershagen am 2. Juli, als er eben mit 
Herzog Erich und seinen angesehensten Befehlshabem 
im Zelte bei Tafel sass. Ohne bose Worte auszustossen 
— man meinte er sei erschrocken gewesen — liess er 
den Edelknaben abtreten und dann den Fehdebrief durch 
Wilhelm von Grumbach verlesen. Damach forderte er 
den Buben wieder vor, fragte, ob der Kurfurst seine 
Pfaflfen und Husaren zu Hauf gebracht, und befahl anzu- 



«») Weimar, Reg. C. fol. 58, No. 21. Am 1. Juli nachmittags 
5 Uhr traf Heinrich von Plauen in Gera ein, dann ritt er nach 
Plauen, am 6. nach Prag. Hier war er am 8. JuU. Wien, Hein- 
rich Burggraf zu Meissen an Kbmg Ferdinand 1552/3. (April bis 
Dezember). 

^^) Dresden, Loc. 9156 Markgrafen Albrechts Handlung und 
Abschied zu Frankfurt etc. Bl. 118. Dr. Mordeisen, von Miltitz und 
Komerstadt, Leipzig am 3. Juli 1553. 

*»^) Weimar, Reg. C. fol. 68, No. 35. 

^82) Dresden, Loc. 9157 Acta etc. 155B Vol. L, Brief vom 7. 
n. 8. Juli. Wien, Heinrich Bnrggraf von Meissen etc. 1552/3. April 
bis Dezember, Carlowitz eigenhandiger Brief vom 4. Juli. 



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Von Passau bis Sievershausen 1652—1558. 93 

zeigen: wenn der Kurfurst etwas mit ihm zu reden habe, 
so wolle er ihn vor Petershagen erwarten. Darauf schenkte 
er ihm vier Kronen mit den Worten : gem wiirde er ihm 
mehr geben; aber er bedurfe des Geldes selbst, der Fran- 
zose werde ihnen genug Kronen geben. 

Weiteren Meldungen zufolge erhielten dann die an- 
kommenden kurbrandenburgischen Friedensgesandten im 
freien Felde und im Beisein des jungen Vitzthum eine 
„schnelle, spitzige und ganz trotzige Antwort", die in 
Schmahreden gegen Kurfurst Moritz endete. Vom Land- 
grafen Philipp traf Bescheid ein, er habe keine Lust sich 
mit ihm und Herzog Erich in ein Biindnis einzulassen. 
Indem Albrecht dies der Herzogin von Rochlitz sclirieb, 
befahl er sich Gott, der zur Zeit alles wohl rachen werde. 

Kurfurst Moritz verliess am 2. JuliOsterode, vereinigte 
sich in der Nahe Northeims beim Kloster Katlenburg mit 
den Truppen des Herzogs Philipp Magnus und Hans' von 
Heideck und riickte bis Eimbeck vor^**^), wo man am fol- 
genden Tage Herzog Heinrichs Reiter aus Gandersheim 
begriisste, nothdlirftige Ordnung herstellte und Kundschaft 
einzog. Man bezweifelte des Markgrafen Verbleiben vor 
Petershagen; aber tiber sein Vorhaben waren die Mei- 
nungen getheilt. Die einen muthmassten, er werde seit- 
warts ausbrechen und entweder durch das Stift Halber- 
stadt nach Sachsen, oder durch Hessen nach Franken 
eilen, die andem, er werde tiber Osnabriick und Pader- 
born nach den Niederlanden ziehen. — Wohl fertigte er 
am 3. Juli Herzog Erich an den Kaiser ab, um ihm gegen 
Schutz undSchirmunter giinstigenBedingungen 9000 Reiter 
und 80 - 100 Fahnlein Knechte anzubieten ^®*). 

Am 4. Juli^®*) setzten sich die Verbiindeten Grohnde 
an der Weser zum Ziele, um von da direkt auf den Feind 
loszumarschieren. Sobald der Markgraf davon benach- 
richtigt war, verliess er Petershagen und zog uber das 
Gebirge nach dem Stifte Hildesheim zu. Durch einen 
Eilmarsch aber bis zum Orte Elze an der Leine kam der 
Kurflirst zuvor und verlegte den Weg nach dem Erzstift 
Magdeburg-Halberstadt. Der Ubervoriheilung inne schlug 
der Gegner die Richtung nach Hannover ein. Wahrend 



i«») Dresden, Loc. 8498 Moritz' eigeuhandige Schreiben 1547/53 
BL 85. Loc. 9157 Acta etc. und Kriegszug etc. 

***) Dresden, Loc 9157 Kriegzug etc. Bl. 700, Wien, Branden- 
burg 1553, Juni bis Juli. 

***) Dresden, Loc. 9157 Acta etc. und Kriegszug etc. 1553. 



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94 S. Issleib: 

der Rast in Elze verweilte Herzog Johann Albrecht von 
Mecklenburg (am 6. Juli) im Lager und begab sich tags- 
darauf mit geringer Hoirnung zum Markgrafen. 

Urn Mitternacht zum 7. Juli verliess der Kurfiirst 
seine Stellung bei Elze und zog nordlich nach Sarstedt. 
Jenseits der Leine hatte der Markgraf die H5hen bei 
Calenberg besetzt. Die Briicken waren zerstort, und die 
Feinde blieben getrennt; nur Schlitzen scharmlitzelten an 
der Furtli des Plusses. Aber der Weg nach Sachsen 
war wiederum verlegt; es gait zu schlagen oder zu 
weichen. Man redete von grosser Unzufriedenheit, welche 
im markgraflichen Lager herrsche; vide Knechte soUten 
heftig nach Geld geschrieen haben, zufolge der kSniglichen 
und kurfiirstlichen Abforderungsschriften erwartete man 
ansehnlichen Abfall. 

Den 8. Juli morgens gegen 9 Uhr brach der Mark- 
graf auf, rlickte bis Pattensen, hielt dort mehrere Stunden 
in Schlachtordnung, zog dann oberhalb Hannover liber 
die Leine und rastete wahrend der Nacht in der Nahe von 
Bothfeld^®®). Die Verblindeten lagen an diesem Tage still, 
um abzuwarten, wohin der Gegner eile; nothigenfalls 
woUten sie um Mitternacht nachrticken. Stiindlich er- 
wartete man die bohmischen und schlesischen Reiter. 

Im Lager vor Sarstedt langte das kaiserliche Schr6ib6n 
vom 17. Juni an, worin er sein Einverstandnis mit dem 
Markgrafen in Abrede stellte, vertraulichen Rath suchte, 
wie den Emporungen im Reiche abzuhelfen sei, und kiinf- 
tig alle Reichssachen mit den Kurftirsten behandeln und 
erledigen woUte. Daneben befand sich ein ausflihrliches 
Entschuldigungsschreiben des Lazarus von Schwendi **'). 
Uber diese Sendung schrieb Christof von Carlowitz sofort 
an Heinrich von Plauen und liess deutlich durch die 
Zeilen blicken, wie man im kurfiirstlichen Lager liber 
den Kaiser denke. 

Zweifellos ist wohl nun: die Rettung des Passauer 



^<^) Auf dem Marsche soUten drei Geschwader niederiandischer 
Reiter zu ihm gestossen seiu; man vennuthete, der Kaiser habe ihn 
damit ^ausstaffirt**. 

^^') Dresden, Loc. 9157 Acta I u. Wien, Reichsakten miscell. 
1653, eigenhSlndiger Brief Christofs von Carlowitz vom 8. Juli, vergl. 
Lanz III, 571. Vor Sarstedt erhielt wohl aucb der Kurfiirst des 
Bruders Brief vom 23. Juni aus Kopenhagen, worin er schrieb, dass 
er seine Rtickkehr zur Zeit noch nicht fur nOthip; erachte und jetzt 
in Danemark ntitzlicher als draussen im Lande sem konne. Dresden, 
Loc. 7280 Schreiben etc. Bl. 7. 



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Von Passau bis Sievershausen 1552 — 1553. 95 

Vertrages und des Friedens im Reiche, pers5nliche Ge- 
reiztheit gegen den Markgrafen und hohes Misstrauen 
gegen den Kaiser trieben den Kurflirsten gegen Albrecht 
von Brandenburg in den Kampf. 

Sobald sichere Nachricht eingelaufen war, wohin der 
Feind gezogen, glaubte der Kurfiirst, Albrecht woUe ihm 
den Vorsprung nach Sachsen abgewinnen. Deshalb brach 
er Sonntag den 9. Juli gegen 4 Uhr friih auf , um den Weg 
nach Braunschweig zu sperren und in der Landwehre 
nordwestlich Peine bei der vortheilhaften Abbenser Furth 
die Nacht zuzubringen. Voran zog die Reiterei mit den 
leichten Geschlitzen, die Fusstruppen und die schwere 
Artillerie samt dem Trosse folgten. Der Zug bewegte 
sich in nordostlicher Richtung und steuerte mittags n5rd- 
lich von Peine dem Ziele zu : — da wurde die Nahe des 
Feindes gemeldet. 

Am Morgen des Tages hatte der Markgraf Befehl 
zum Marsche iiber Burgdorf und weiter in siidostlicher 
Richtung nach der Furth von Abbensen und Peine— Braun- 
schweig gegeben und war selbst nach Hannover geritten, 
um mit Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg iiber 
die gestellten Friedensvorschiage zu verhandeln. Bald 
nahm er dieselben an sich und versprach, nach erfolgter 
Unterredung mit seinen Vertrauten abends im Lager 
hinter Burgdorf Antwort zu geben. Darauf jagte er dem 
Kriegsvolke nach und erfuhr in der Nahe von Burgdorf, 
dass die Gegner in der Landwehre von Peine vorriickten. 
Sofort sprengte er durch den Burgdorfer Wald, erblickte 
vom siidUchen Rande desselben aus die ersten feindlichen 
Truppen und beschloss den Kampf aufzunehmen. . 

So kam es Sonntag den 9. Juli 1553 zur Schlacht 
bei Sievershausen^®^). 

Zwischen Hannover (W.) und Braunschweig (O.), 
zwischen Peine (S.) und Burgdorf (N.) dehnt sich das 
Schlaohtfeld vom Dorfe Immensen (W.) in massigem 
Bogen nach Siiden iiber Arpke, Sievershausen bis Abben- 
sen (0.) aus, das flache Terrain senkt sich wenig be- 
merkbar vom Burgdorfer Walde siidostlich nach dem 
Fliisschen Fuse zu. Die Hauptstrasse von Burgdorf nach 
Braunschweig beriihrte die Abbenser Furth. Heutigen 

^®®) Zuletzt handelten liber diese Schlacht iWoldemarGlafey, 
in den Mittheilangen des kdniglich sachsischen Alterthums-Vereins 
Heft 26/27 (Dresden 1877); H. Senff, in der Zeitschrift des histo- 
rischen Vereins fiir Niedersachsen Jahrgang 1880. 



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96 S. Issleib: 

Tages sind die Wege verandert, die Waldungen zurlick- 
geschoben und die damals weiten morastigen Sumpfe 
(Meer genannt) betrachtlich eingeengt. Der vielgenannte 
Teichdamm ist verschwunden. 

Gregen ein Uhr nachmittags stiessen die Spitzen der 
beiderseitigen Vorhut aufeinander^*®). Die Verbiindeten 
waren zum grossen Theile in der Nahe des Teichdammes 
stidlich von Sievershausen angelangt, des Markgrafen 
Truppen arbeiteten sich aus dem Burgdorfer Walde 
heraus. Wahrend der Kurftirst der gesamten Mann- 
schaft Befehl ertheilen liess, den Damm zu liberschreiten 
und im Felde bei Sievershausen und ostlich davon Stell- 
ung zu nehmen, um den feindlichen Vormarsch durch die 
Abbenser Furth zu verhindeni, schob der Markgraf seine 
Vorhut liber Arpke vor. Langsam entwickelte sich auf 
beiden Seiten die Schlachtordnung ; weit zuriick waren 
die Fusstruppen. 

Die Starke der Gegner la.sst sich nicht genau be- 
stimmen; doch liegen einige sichere Angaben vor. Die 
Verbiindeten zahlten 23 Geschwader Reiter und 80 Fahn- 
lein Knechte, oder nach einer Aufzahlung Herzog Hein- 
richs bis in die 7000 Reiter und in die 8000 Knechte. 
Markgraf Albrecht besass nach eigner Angabe 19 Ge- 
schwader Reiter und nach anderen Mittheilungen unge- 
fahr 50Fahnlein^'<>) Knechte oder etwa 5000 Reiter und 
gegen 12000 Knechte. AUe Berichte stimmen darin uber- 
ein, dass die Verbiindeten an Reiterei, der Markgraf an 
Fussvolk tiberlegen war. 

Nach zwei Uhr ungefahr hatten die Truppen der 
Verbiindeten den Teichdamm iiberschritten und riickten 



^^) Hier ist das kurfttrstliche Schreiben an den Bischof von 
Wtirzburg vom Schlachtfelde in der Nacht vom 9. znm 10. Juli 
durchweg zu Grande gelegt: Marburg, 0. W. S. 912, Sachsen, alber- 
tinische Linie 1552/3, Mttnchen, Reichsarchiv, Markgrafenthum Bran- 
denburg VIII. Bl. 408. Weimar, Reg. 0. fol. 68, No. 35. Wien, 
Brandenburg 1553, Juni bis Juli. Ausser diesem Schreiben lagen 
Verfasser noch ttber dreissig kttrzere und Iftngere Schlachtenberichte 
vom Herzog Heinxich, vom Markgrafen, von sfichsischen und braun- 
schweigischen Eftthen und Offizieren, von Nttrnberger Gesandten, 
von Kundschaftem etc. vor. Ein Berichterstatter ist Wendell 
FOrster (Dresden, Loc. 9167 Kriegszug etc. Bl. 738), aus dem 
Langenn I 581 und dann alle anderen (Voigt, Glafey, Senif etc.) 
einen FOrster Wen del gemacht haben. 

^^) Nach der Anzahl der Fahnen Iftsst sich die Trappenstftrke 
nicht bestimmen; oft liessen 120—150 Knechte oder 60—70 Reiter 
eine Fahne fliegen. 



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Von Passau bis Sievershausen 1662—1553. 97 

allm&hlich in das Schlachtfeld ein. Die schnellere Vor- 
hut bewegte sich in der Richtung Sievershausfen-Arpke, 
der gewaltige Reiterhaufen riickte nach, wahrend die 
30 Fahnlein KnecMe, in drei Regimenter formiert, mit 
der Nachhut langsam und mtihsam folgten und ziemlich 
spat in den Kampf eingriffen. Die Saumigkeit der Ar- 
tUlerie erregte des Kurfursten Ungeduld. — Des Mark- 
grafen Vorhut lehnte in der Nahe von Arpke an einem 
kleinen Geholze, welches Schlitzen besetzten. Sein grosses 
Reitertreflfen formierte sich nordostlich von Arpke gegen 
Sievershausen. Die nach und nach anrtickenden Fahn- 
lein Knechte gewannen Fiihlung mit der Reiterei und 
breiteten sich — hinter ihnen die Nachhut — im freien 
Felde aus. Die markgrafiiche Schlachtordnung hatte in 
Folge der Ausdehnung und tJberzahl des Fussvolkes und 
der sanften Senkung des Terrains „ein stattlich gross 
Ansehen". Die „kleine Uberhohung und der Wind" ge- 
reichten ihr zum Vortheile. Die Kurfiirstlichen kampften 
wegen der Sumpftiiederungen hie und da mit erheblichen 
Schwierigkeiten. 

Sobald die Formierung der Treifen einigermassen er- 
folgt war, „hat man nicht lang gefeiert, sondern von 
beiden Theilen mit dem Feldgeschiitz ohne sonderlichen 
Schaden gearbeitet und sind allgemach die Schlachtord- 
nungen gegeneinander geriickt". Zunachst stiess die 
beiderseitige Vorhut mit den Laufem dermassen zusam- 
men, „dass sie das Weiss in den Augen hatten sehen 
mogen". Beiderseits wurde „mannlich angegriifen und 
hart geschlagen". 

Darauf trafen fttnf markgrafiiche Reiterfahnlein in 
der Nahe des Geh51zes links der Schlachtordnung der Ver- 
biindeten auf drei ihnen entgegengescMckte Fahnlein^"). 
Unterstiitzt von den im und am WaJdchen zerstreuten 
Schlitzen sprengten die Brandenburger mit grosser Kuhn- 
heit vor und hieben ein. Scharf gerieth man an einander. 
Die Markgraflichen drangten mit solchem Ungestum, dass 
die Verbiindeten trotz vieler Zurufe, Stand zu halten, 
wichen und theilweise schimpflich flohen^'^). In diesem, 
wilden Ansturme durchritten zwei markgrafiiche Ge- 



^''^) Zwei hessische F&hnlein unter Wilhelm von Schaeliten und 
Hotzfeld and ein meissnisches. 

^'^) Znr Entschnldigung diente dann, sie hUtten vor Wind und 
Staub nichts thun kdnnen. 

Neues Archiv f. 8. G. u. A. VIII. 1. 3. ^ ^^ T 

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98 S. Issleib: 

schwader 4ie gelockerten Glieder der Gegner, suchten das 
Weite, jagten liber den TeicMamm und weiter vorwarts 
in der Richtung nach Hildesheim und Braunschweig. Selt- 
sames Schauspiel: siegreiche Fluchtlinge und iiberwaltigte 
Fliehende! Der Ausgang dieses Reitergefechtes hatte 
nachtheilige Folgen. Mittlerweile ntoilich hatte sich das 
Reitertreffen der „gewaltigen Haufen" entwickelt; acht 
markgrafliche Reiterfahnen stfirmten gegen die Verbun- 
deten vor. Die eben erfolgte Entscheidung wirkte auf 
dieses Haupttreffen; hier entflammter Muth, dort grim- 
mige Verlegenheit! Ein Theil der verbtindeten Reiterei 
wurde erschiittert, wankte und wich, als der Markgraf 
pers5nlich seine „alten Reiter" gegen die vier sachsischen 
Spiesserfahnen anrennen liess. Femer waren die eben er- 
wahnten Fluchtlinge und Fliehenden auf nachruckendes 
Fussvolk und auf den Tross gestossen und hatten ziem- 
liche Verwirrung angerichtet. Mit lautem Geschrei schlos- 
sen sich viele der Flucht an; Trossknechte durchhieben 
die Strange, warfen sich auf die Pferde, liessen die Wagen 
im Stiche und jagten davon. 

Es war jener bedenkliche Zeitpunkt, wo viele „nicht 
anders gewusst als die Schlacht sei verloren", wo fast 
alle sachsischen, braunschweigischen und frankischen Rathe 
und Gesandten sich nach Hildesheim und Wolfenbuttel 
zuriickziehen mussten, um dort den Ausgang der Dinge 
zu erwarten, wahrend die Fiirsten personlich alles auf- 
boten, um eine Niederlage zu verhiiten. In jene Augen- 
blicke gehort jedenfalls die Antwort des Kurfursten auf 
die Mahnung der nachsten Umgebung, sich nicht allzu- 
sehr der Gefahr auszusetzen: „Ich will ehrlich handeln 
und neben meinen getreuen Unterthanen, die ich ins Feld 
vermocht, hinein setzen". 

Als ein grosser Theil der Reiterei Wich und die er- 
wahnten sachsischen Spiesserfahnen in hoher Bedrangnis 
standen, da rafften die Bundesfiirsten alle noch verfligbaren 
Streitkrafte zu Ross zusammen und fiihrten ihre Hof- und 
Hauptfahnen, die Edelsten Sachsens und Braunschweigs, 
personlich in den Kampf „Allda ist erst ein sehr hart 
Treffen angegangen". Da die vier Spiesserfahnen wegen 
der Enge des Kampfplatzes und der Nahe der Feinde 
ilire Hauptwaffe nicht handhaben konnten, so gebrauchten 
sie ihre Btichsen. Mann kampfte gegen Mann! Die 
jungen braunschweigischen Herz5ge stritten muthig im 
Vordertreffen der Ehrentruppen, ebenso der Kurflirst; 

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Von Passau bis Sievershausen 1552—1653. 99 

auf schnellem Rosse setzte er jfth in die Peinde und 
schlug wacker drein. 

fiidem drang Markgraf Albrecht an der Spitze kampf- 
erprobter Recken nach den Hauptfahnen durch. Ein 
blutiges Ringen erfolgte. Im wilden Strausse sank zuerst 
Herzog Philipp Magnus entseelt zu Boden; dann traf 
die todliche Kugel den aQteren Bruder Karl Viktor^'®), 
der Bastard Theuerdank fiel, und die herzogliche Hof- 
fahne wich zurlick. Das sachsische „Hofgesinde" aber 
hielt sich „mannlich und ritterlich", obgleich es die gross- 
ten Verluste erlitt und der edle Fahnentrager Herzog 
Friedrich von Llineburg schwer verwundet wurde"*). 
Nicht genug! Als der Kurflirst so ganz bei der Sache 
ermuntemd und ermuthigend „vor dem gewaltigen Haufen 
hielt", da traf auch ihn dasBlei; der Schuss einerFaust- 
buchse durchbohrte Panzer und Rticken unter dem linken 
Schulterblatte. Es war in jenen furchtbaren Augen- 
blicken, als wegen der Hast und Hitze des Kampfes nie- 
mand mehr auf die durch Pulverdampf und Staub un- 
kenntlichen Feldbinden achtete und wegen der ungleich- 
massigen Bewegungen der vordringenden und weichen- 
den Truppen Freunde und Feinde in den Vorderglie- 
dem durcheinander geriethen und ohne Wahl nieder- 
hieben oder niederschossen. Demungeachtet feuerte der 
Kurflirst, schonungslos gegen sich selbst, nach wie vor 
die Truppen an und ertheilte Befehle, bis die Krftfte 
ermatteten. 

Bald nahte die schwere Entscheidung. Wahrend 
die Reiterei blutig mit einander rang, war es kurflirst- 
lichen Anordnungen zufolge dem sachsischen und braun- 
schweigischen Fussvolke gelungen, sich auszubreiten, 
kWm zu schwenken und dem Feinde in beide Flanken 
zu fallen. „Tiefstetters Regiment", unterstlitzt durch zwei 
Geschwader Reiter, hat „des Markgrafen Fussvolk mit 
Freuden angelaufen und angegriffen". Kaum hatten sie die 
drei ersten Griieder durchbrochen und zum Theil nieder- 
geschossen oder niedergestochen, da wandten sich die tJbri- 
gen zur leidlich geordneten Flucht. Zwar gelang es den 
Flihrem, die Weichenden nochmals zu halten; allein ein 



^'8) Als dieser getroffen war, soU Herzog Heinrich ausgemfen 
haben: „Das ist zu viel!''. 

^^^) Die Tapferkeit der s&chsischen Hoffahne wnrde allgemein 
anerkannt; aber sie verlor auch gegen vier Ftlnftel der Maimsohaft. 



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D^Coogle^ 



100 S. Issleib: 

eraeuter Sturm brachte sie in st^rkere, dann unaufhaltsame 
Flucht, „daruber etliclie Tausende gefangen, die anderen 
erstochen und bin und wieder zerstreut worden sind". 

Unterdessen tobte der Reiterkampf aus; die Griieder 
wurden durchritten, die Reihen zerschmettert. „Wer zu 
erreichen war, wurde erstocben, oder erschossen"; riick- 
warts rasten die Fliehenden, vorwarts sprengten die Sieger. 
Der Markgraf verscbwand; Ross..iind Filzmantel, Bttchse 
und Schwert wurden erbeutet. tlberall erschoU das Ge- 
riicht, er sei gefangen ^'^); aber leicbt verwundet rettete er 
sich nach Hannover. Bis gegen Burgdorf ging die Ver- 
folgung und dauerte bis tief in die Nacht hinein^'*). 

So wurde von den Verbiindeten die Schlacht ge- 
wonnen und das Feld behauptet^"). Aber welch blutiger 
Sieg war es, fiir den man Gott die Ehi-e gab! Kein 
Kriegsmann jener Zeit hatte einem emsteren Kampfe bei- 
gewohnt... Kaum konnte die Freude den Schmerz iiber- 
bieten. tJber 4000 Tote bedeckten das weite Schlacht- 
feld, darunter etwa 250 vom Adel und Manner von be- 
deutendem Kriegsrufe. Herzog Heinrich, selbst unver- 
sehrt, betrauerte seine beiden Sohne und seinen Bastard; 
der junge Herzog Friedrich von Liineburg erlag noch 
am Schlachttage seiner Wunde. Ungewiss war das Schick- 
sal des Kurfiirsten. Welcbe Zukunft, wenn er wieder 
genas! Als Eberhard von der Thann von seinem Siege 
horte, schrieb er (am 12. Juli) an Herzog Johann Friedrich: 
„Wo nun dem also, so wird es nicht allein in deutschen 



^'^^) Ein Reiterprofoss, der einst unter ihm gedient hatte, sollte 
ihn wieder freigegeben haben. 

"^) Ehi Braunschweiger Offizier endete seinen Schlachtbericht: 
„Und ist dieser Angriff geschehen den 9. Juli zwischen 3 und 4 Uhr 
nachmittags bei Sievershausen vor dem Abbenser Furth, die Nieder- 
lage geschehen bei Arpke und Immensen, und hat die Nachjagd ge- 
waiirt bis Burgdorf etc. Wolfenbuttel, acta publ. 355 a. 

"') Der Markgraf hat nie den geringsten Hehl aus seiner 
Niederlage gemacht. Auf die Anfrage des Herzo^s Johann Friedrich 
schrieb er am 20. JuU aus Bremen, dass er, Moritz und seine Ver- 
biindeten im Felde als Kriegsleute zusammengestossen seien und ihr 
Heil miteinander versucht batten etc. Er habe die Schlacht ver- 
loren und sei unge^hrlich geschossen worden etc. „So haben E. L. 
zu bedenken, wo Kriegsleut also zu beiden Theilen gegeneinander 
handeln, so muss ein Theil yerlieren, demnach beide nicht gewinnen 
kSnnen etc.". Weimar, Keg. C. fol. 68 No. 35. Vergl. Brief an die 
Herzogin Elisabeth von Rochlitz, Marburg, 0. W. S. 379, Reichs- und 
Kreissachen, Militaria I. IV, Egersche Bttndniss 1553. III. (12. u. 
14. JuU). 



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Von Passan bis Sievershaasen 1552 — 1553. 101 

Landen, sondern auch zwischen dem Kaiser und K5nig 
von Frankreich eine grosse Veranderung bringen""®). 

Mittlerweile hatte das Schicksal anders entschieden! 

Nach erlangtem Siege wurde das kurfiirstliche Zelt 
auf der blutigen Wahlstatt „am Vogelherde" aufge- 
schlagen und der Verwundete verbunden. Die Arzte"®) 
trosteten, und der Kurfiirst befahl sich der Allmacht und 
Gnade Gottes. Er fand Beruliigung im Gedanken, dass 
seine That gegen den Landesbeschadiger und seinen un- 
ruhigen Anhang aus Eifer fiir Friede, Ruhe und Einig- 
keit im heiligen Reiche geschehen sei. Noch in derselben 
Nacht unterzeichnete er das Schreiben an den Bischof 
von Wtirzburg, in welchem nach der Schilderung der 
Schlacht und des blutigen Sieges gebeten wurde, liberall, 
bei der Plassenburg, bei Hof, Salfeld, Meiningen, Schmal- 
kalden, Fulda, Eisenach etc. fleissig zu streifen fiir den 
Fall, dass der Markgraf nach Franken fliehen und sich mit 
den Seinigen durchschleifen woUe. Gleichen Auftrag er- 
hielten dann der Hauptmann und Schosser zu Salza fur 
den Thiiringer Kreis. 

Am 10. Juli Vormittags war der Patient „noch froh- 
lich und guter Dinge" und „redete ganz frisch und un- 
kranklich"; in ein, zwei Tagen gedachte man mit ihm 
iiber Land Ziehen zu konnen. Nachmittags aber schon 
standen die Arzte im Zweifel, ob er am Leben bleiben 
Oder seiner Wunde erliegen werde ; die Schmerzen wuchsen, 
die Krafte schwanden. Oft liess er sich von seinem Feld- 
bette auf einen Stuhl heben und dann wieder nieder- 
legen ; vergeblich suchte er Linderung. Dabei entwickelte 
er eine erstaunliche Fassung, eine riihrende Ergebung in 
Gottes Willen, eine kaum glaubliche Frommigkeit. 

Schon am Abende der Schlacht liess er den Hof- 
prediger Johannes Weiss (Albinus) zu sich kommen und 
begehrte Trost^^^). Tags darauf beichtete er „mit grossem 
Emste und wohlbedachtem Muthe" und liess sich Abso- 
lution ertheilen. Als in der Nacht vom 10. zum 11. Juli 
sein Zustand hoffnungslos geworden war, liess er sich in 
aller Frtihe das „hochwurdige Sakrament" unter beiderlei 
Gestalt mit „grosser Andacht und guter Vemunft" dar- 



"8) Weimar, Reg. 0. fol. 68 No. 35. 

*'®) Einer derselben war der Leibarzt Dr. Johannes Neefe 
(Neffe). 

*^) Bericht des Albinns in Abschrift zu Weimar, Reg. 0. fol. 
68 No. 35, 



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102 S. Issleib: 

reichen, dann machte er in Gegenwart von acht Zeugen 
noch vor Sonnenaufgang sein Testament und unterzeich- 
nete es mit schwaclier Hand^®^). Darauf verlangte er 
vom Hofprediger, ihn zu trosten und ihm Spruche vor- 
zusagen und nicht aufzuhoren, selbst wenn er sprachlos 
werden sollte. Das gescliah. Als die Schmerzen fiber- 
gross wurden, hub er an und sprach: ,;Ach mein Grott, 
wie lang bist du aussen, willst du es nicht schier ein 
Ende machen". Da liess ihn Weiss auf einen Stuhl 
setzen; doch weil die Schmerzen weiter uberhand nahmen, 
ersuchte er, ihn wieder niederzulegen. Schon brachen 
die Augen; aber noch sprach er „mit starken Worten" 
nach: „Vater in Deine Hande befehle ich Dir meinen 
Geist". Zuletzt bat Weiss: „Da er sterben woUte als 
ein christgljlubiger und seliger Mensch, sollte er ein 
Zeichen von sich geben". Darauf nickte er mit dem 
Kopfe, richtete ihn wieder auf und wandte sich zur Seite. 
So „ist er in Jesu Christo seliglich verschieden und ent- 
schlafen", in der Bltithe der Jugend, im Alter von 
32 Jahren. 

Wahrend am 9. und 10. Juli die Berichte fiber den 
heissen Kampf und blutigen Sieg verbreitet wurden, 
musste vom 11. Juli an der deutschen Nation die „ganz 
traurige Botschaft" verkfindet werden, dass derKurfurst 
in Polge des erhaltenen Schusses von dieser Welt ge- 
schieden sei. Alle Beileidsschreiben vom kaiserlichen 
an gerechnet rfihmten den Dahingeschiedenen als ritter- 
lichen und tapferen Helden, als mslnnlichen und sieg- 
haften Landesffirsten; nur Herzog Johann Friedrich gab 
zu erkennen, der Kurffirst wfirde noch am Leben sein, 
wenn er der Frankfurter kaiserlichen Versammlung ge- 
mass Friede gehalten hatte. Herzog Heinrich von Braun- 
schweig beklagte sei^en „vertrautesten. und liebsten 
Bruder", Heinrich von Plauen betrauerte seinen „liebsten 
und besten Freund", Konig Ferdinand „einen gar treuen 
Freund", Herzog Johann Friedrich verlor seinen unver- 
sohnten Feind^*^). 



^8*) Dresden, Origmalurkiinde No. 11481. In Abwesenheit des 
Kanzlers Mordeisen erf olgte die Niederschrifb des Testamentes durch 
Qarlowitz bis auf die SteUe, wo der treue Bath selbst bedacht wurde. 
Uber des Kurfttrsten Testament handelte ausfUhrlich The odor 
Distel in v.W^ebers Archivf. d. Sachs. Gesch. N.R VI, 108flg. (1880). 

"^) In Weimar redete man, Herzog Horitz habe „der Natnr 
Schuld bezahlt". Als der Stadtrath Braunschweigs den Tod des 



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Von Passau bis Sievershausen 1662 — 1563. 103 

Untrostlich war die Witwe Agnes, erschuttert Phi- 
lipp von Hessen; das s^chsisclie Land trauerte. 

Am 13. Juli erfolgte der Aufbnush der Saclisen von 
der Wahlstatt. Die Truppen aus Thiiringen und Meissen 
wurden bis zur Ankunft des Kurfursten Augustus beur- 
laubt. Ptinf Geschwader Reiter mit der stark gelichteten 
„Hauptfahne" begleiteten die Leiche des Kurfursten iiber 
Wolfenbiittel, Halberstadt, Aschersleben, Halle, Leipzig 
nach Freiberg. Im dortigen Dome erfolgte am 23. Juli 
1553 die feierliche Bestattung. 



Kurfilrsten anseigte , schrieb ein herzoglicher Kath auf die EUck- 
seite des Briefes: «Gottes gerechte Gerichte". Sofort schmiedete 
Johann Friedrich Pislne gegen den Kurfursten Augustus und schickte 
seinen Sohn nach Brilssel zum Kaiser mit der Bitte um Zurtickgabe 
der Kur und der verlorenen Lande. Weimar, Keg. C. fol. 68 No. 35. 



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m. 

Urkunden 

fiber den Streit der Kecht^gelehrten mit den 

Laien im Schoppenstuhle zu Leipzig 1574. 

Eingeleitet nnd herausgegeben von 

Theodor Distel. 



Der von Kurfurst August, dem sachsischeu Justinian, 
wie man den grossen Gesetzgeber mit Reclit genannt hat, 
schon vor dem Erlasse seiner Konstitutionen^) geplanten 
Umgestaltung des Schoppenstulils zu Leipzig ging ein 
Streit der Rechtsgelehrten in diesem Spmchkollegium 
mit den Btirgermeistem unmittelbar vorauf. Derselbe ist 
ebenso wie die ihm schnell folgende Neugestaltung des' 
Stuhls bisher noch nie nach den wolil vollstandig'-^) auf 
uns gekonmienen Afeten dargestellt worden^). 

Wir wissen, dass von den so vielseitig beschaftigten 
Juristen Scheibe, der Ordinarius Th5mingk und der Senior 
der Juristenfakultat, Badehom, sowie Funcke ihrer Raths- 
pflichteu, da nacli des Kurfiirsten Meinung jedes Amt auch 



^) Vergl. die verdienstvoUe Arbeit von Schletter, Die Consti- 
tutionen Kiurfurst Augusts von Sachsen u. s. w. (Leipzig 1857). 

2) Das Ratbsarchiv zu Leipzig soil, wie man mir von dort 
mitgetheilt hat, keine bezttglichen Schriftstttcke besitzen. 

8) Die folgenden Mittheilungen schliessen sich eng an meinen 
kurzlich erschienenen Aufsatz in der Zeitschrift der Savigny-Stiftung 
flir Rechtsgeschichte (Gemi. Abth. Bd. YII No. YII) an. Daselbst 
ist, wie ich zu berichtigen bier gleich Gelegenheit nehme, S. 92, 
Anm. 1. Z. 7 fiir V. „VL" zu lesen. 



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Th. Distel: Urkunden fiber den Streit d. Rechtsgel. etc. 105 

seinen Kopf haben miisse, entbunden worden waren. Auch 
erfahren wir aus dem sogen. Oelhaffeschen Buche, welches 
Christian Thomasius in seinen Annalen fleissig benutzt 
hat und dessen Originalmanuskript, wie beilaufig bemerkt 
sei, vor kiirzerer Zeit im Stadtarchive zu Leipzig*) 
aufgefunden wurde, dass die aus dem Rathsvereine ent- 
lassenen Vier auch fortan nicht die, mit der Rathspflicht 
verbundene, Abwartung des Stadtgerichts fiir geboten 
erachteten, zumal ihnen kein Entgelt dafiir mehr zu Theil 
wurde. Dass aber der Sitz im SchSppenstuhle, d. h. die 
Erledigung der von auswarts in denselben gelangten 
Rechtsfragen auch nur eine Berechtigung dazu auserkomer 
Rathsmitglieder war, diesen Umstand iibersahen die 
Burgermeister sowohl als die durch ihr^ ThMigkeit im 
StuWe so reich bezahlten Rechtsgelehrten. Die letzteren 
besuchten denselben vielmehr weiter, indem sie sich 
bemlihten, die seit langerer Zeit, weil meistens dem 
Juristenstande angehorig, im Stuhle sitzenden Burger- 
meister*^), welche die Rechtsdoktoren allerdings bei ihren 
fachmannischen Entscheidungen in keiner Weise unter- 
statzen konnten, betreffs ihres Einkommens aus dem 
Spruchvereine zu schmalem. — 

Ausser Thommgk und Badehom (Scheibe und Funcke 
waren verstorben) sassen 1574 noch die Rechtsgelehrten 
Dr. Balthasar Schelhammer — nach Thomingks (f 15. 



*) Tit. 1, 22e. Vol. I. — Das fragliche Manuskript rtihrt von 
dem Btirgermeister Bernhard Oelhaffe (f 18. April 1609), welcher mit 
Badehorns Tochter, Veronika, vermahlt war, her (vergl. Gretschel, 
Beitrftge zur Geschichte Leipzigs [Leipzig 183B] S. 56) imd tragt 
vorn den Vermerk des Bruders Jakob Thomasius , Michael Thomas, 
aus welchem wir erfahren, dass das Buch von der Witwe Isaac 
Oelhaffes, eines Enkels Leonhards des Aelteren, Magdalena (Anna 
Magdalene, geb. Hofmann), an ihn durch Schenkung gelangt war. 
Das bereits von Christian Thomasius vergeblich gesuchte sogenannte 
Priligk'sche Buch, dessen Verfasser, Johann P., im Jahre 1617. als 
Btirgermeister verstorben ist, hat sich dagegen nicht ermitteln lassen, 
doch bin ich im H.-St.-A. auf einen aus dem Ende des siebzehnten 
Jahrhunderts stammenden Originalaufsatz gekommen, zu welchem 
dieses Buch mitbenutzt worden ist. (Akten des H.-St.-A.: Loc. 10368 
Fundatio etc. Bl. 90, bzw. II). 

**) An sich war jedes Kathsraitglied in den Sch5ppenstuhl wahl- 
bar, aber schon 1527 kam es vor, dass der Rathsherr Wiedemann 
Biirgermeister und Schoppe zu gleicher Zeit wurde. Die 1574 im 
im Stuhle sitzenden Btirgermeister waren keine Juristen, Rauscher 
verstand jedoch lateinisch; im H.-St.-A. befindet sich ein lateinischees 
Schreiben von ihm an den Sekretfir Valerius Oraco (Loc. 8573, II, 
126, vergl. II, 25). 



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106 Theodcr Diatel: 

August 1576) Tode Ordinarius der Juristenfakultat*) — 
und Hartman Pistoris'), der Papinian Sachsens, ira 
Stuhle, die ebenfalls das Stadtgericht nicht besuchten, 
da sie keine Rathsmitglieder wareu. Ersterer war nur 
als Substitut fiir den verstorbenen Funcke^) in den Schop- 
penstuhl gelangt und Pistoris hatte sich erst kiirzlich, 
seiner Ausbildung wegen®), darein begeben; er vertrat 
wohl zugleich den in diesem Jahre fehlenden dritten 
Biirgermeister, wie ja auch Rauscher und Letter sich 
durch einen Adjunkten im Stuhle vertreten liessen^®) und 
1574 Mag. Johann^^) Andreae (Andreas) dafur mit ein- 
hundert Thalem jahrlich honorierten. Als der Streit 
zwischen deu Doktoren und Laien noch wahrte, erboten sich 
zwar Rauscher und Lotter, um die fruheren Rathsmitglieder 
aus dem Juristenstande zur Abwartung des Stadtgerichts 
zu bewegen, von ihren Einnahraen, auch wenn kein neuer 
Adjunkt angestellt werde, noch weitere einhundert Thaler 
jahrlich abzutreten, doch die Rechtsgelehrten meinten 
dazu, dass ihnen „unabgerichtete Leute", wie man solche 
eben fur nur einhundert Thaler jahrlich erwarten konne, 
wenig niitzen wiirden, das Stadtgericht aber — auch in 
anderen ansehnlichen Stadten sassen nur Laien darin — 
der Juristen keineswegs bediirfe. Die Verhandlungen 
der streitenden Theile dauerten, ohne dass dieselben zu 



•) Von den Bflrgermeistem (Laien) sassen Hieronymus Rauscher 
(starb, schuldlos verschuldet, erst am 7. (nicht 6.) Dezember 1676 Mh 
2 Uhr und zwar am Zipperlein, nicht an Gift, H.-St-A.: Gopial 376 d 
unter A Bl. 238 b, 242 b, 243, 247, 252) und Hieronymus Lotter, der 
tUchtige Baumeister, im Stuhle. Weitere Nachrichten tiber alle hier- 
genannten Mitglieder desselben gedenke ich sp&ter einmal in dieser 
Zeitschrift zu brin^en. Ihre Autographen wurden dem (Herm Geh. 
Hofrath Prof. Dr. jur. 0. Muller in Leipzig als Festgabe zu seinem 
filnfhndzwanzigj&hrigen Jubilaum als EhreuTorstand des Arion ge- 
widmeten) Separatabdrucke dieses Aufsatzes beigegeben. 

') Uber ihn vergl. Stintzing, Geschichte der deutschen Rechts- 
wissenschafb (Httnchen und Leipzig 1880) I, 668 und den spater 
erscheinenden Artikel in der aUgemeinen aeutschen Biographic. 

^) Er starb nach Stepner, Inscript. Lips. (Leipzig 1676) Nr.644, 
am 8. Dezember 1573. Leider ist Funcke in der aUgem. Deutsch. 
Biographie nicht berilcksichtigt worden. 

•J Nach den Akten des H.-St.-A.: Loc. 10367 Fundatio etc. 
L Buck Bl. 42. 

^^) Nach Rauschers Angabe kommt der erste Substitut im Stuhle 
1669 far den Btirgermeister volkmar (f 10. September 1661) vor. 

")Br wird faischlicher Weise auch Jakob genannt Spater 
(1688) kommt er als Advokat im Oberho^erichte Tor. Akten H.- 
St.-A.: Loc. 9820 Oberhofgericht etc. 1680—1669 Bl. 162. 



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Urkunden etc. 107 

einem wirklichen- Abschlusse gekommen waren, bis fiber 
die Mitte des Monats Juli fort^^). 

Die Juristen im Stuhle — dies sei nocli hervor- 
gehoben — ffihrten in der Zwischenzeit den Titel: ver- 
ordnete Doktoren und Rechtsversttodige (bzw. Rechts- 
gelehrte) des Schoppenstnhls^*). 

Im Monat August verschritt der Kurfiirst zur Um- 
gestaltung des Spruchkollegs. Der erste an die Rathe zu 
Torgau deshalb ergangene Befehl ist nicht aufzufinden 
gewesen, der Kurfurst durfte ihn mtindlich gegeben haben, 
war er doch an dem Tage, von welcliem das Antwort- 
schi^eiben datiert, 25., bzw. 26. August 1574^*), selbst in 
Torgau ^^). 

tJber den weiteren Verlauf der Dinge gedenke ich 
mich in nicht allzulanger Zeit einmal in der Zeitschrift 
der Savigny-Stiftung aussem zu k5nnen. 



^2) Die sammtlichen auffindbar gewesenen Wechselschriften und 
dergl. sind in den anliegenden Urkunden (1—13) wieder gegeben. 
Sie bieten des Wissenswerthen so manches, dazu kommt, dass ein 
Theil derselben, wohl schon in frtlherer Zeit, stttckweise ar^ ver- 
modert ist und in nicht aUzulanger Zeit zerfallen dtlrfte. Bis aof 
die unter 2 abgedruckte Urkunde habe ich dieselben jetzt alle zu 
einem Aktenstticke Tereinigt. 

1*) Die Rechtssprilche tragen die hergebrachte Unterzeichnun^ : 
Schoppen zu Leipzig zunachst fort. £ine Unterzeichnung, wie sie 
Stelzel,: Die Entwickelung des gelehrten Richterthums etc. I (Stutt- 
gart 1872), 231 Anm 193 gefiinden haben wiU, ist mir in der frag- 
lichen Zeit nicht vorgekommen. 

^*) Das Konzept von Laurentius Lindemans Hand befindet 
sich in den Akten H.-St.-A.: Bedenken etc. Loc. 8233, Bl. 125 
flgd., das Ori^nal im ersten Buche der Fundatio etc. Loc. 10367, 
Bl. I flgde. 

^^) H.-St.-A.: Copial 884, BL 223b. 



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108 Theodor Distel: 



Urknnden. 

I. Die Korrespondenz der Bechtsgelehrten im Leipziger 
Schoppenstuhle ndt der Begiemng. 

No. 1. 1574 April 6. 

Die JuHsten (Badehorn, Thomingk, Schelhammer, Pistoris) an 

den Kurfiirsten August. 
Abschrift (yon der Hand des unter No, 10 Anm, 24 erwdhnten 
Trueh), H.-St-A.: Loc, 10367. Des Schoppenstuhls zu Leip- 
zig etc. 1557 flq.y Bl. 85. 

Durchlauchtigster, hochgeboraer churfurst. E. churf* g. seint 
unsere underthenigste, gehorsame und gantzwillige dienste hOchstes 
vermugens zu vorn. Gnedigster churfurst und her. Ob wol E. 
chur£ g. gnedigst vor gutt angesehen, das wir mit des raths ge- 
schefften, unter andern der ursach und meynung, domit wir den 
hendeln, so in der schOppenstuebe zuvorsprechen in grosser anzahl 
teglich gelangen, desto besser und bekquemlicher obligen mochten, 
hinfort nicht belahden noch zuschaifen haben solten, und dan auch 
dadurch, das wir Tom rathstule abgesondert (dorinnen dan E. 
churf. g. gnedigsten willen und gefaJlen wir underthenigst gem 
gehorsammet) auch yon den gerichten gescheiden und abgesondert 
seint, sinthemahl solche gerichte dem rathsstande necessario an- 
hengigk, also auch, das ihe und allewege und gleich uber menschen 
gedencken nihemals erfahrn, das zu gemelten gerichten jhemants- 
anders were gezogen ader gebraucht worden, dan allein diejhenigen, 
so dem rathstuehl verwant ^ewesen, derwegen dan ich, doctor Jacobus 
Thomingk, ordinarius, das jungst verflossene jhar uber, weii ich dem 
rath nicht mehr zugethan gewesen, in die gerichtsbanck nihe ge- 
kommen, dobey mich dan auch die hem burgermeister und der rath, 
die gantze zeit uber, also geruiglich haben bleiben lassen, und dan 
auch doctor Andreas Funck, nuhmer seliger, ob ihme wol doctor 
Wolf^an^s Scheiben [auch sjeligen, als ernes gewesenen schOppen, 
stelle afiignirt, dennoch aus obgedachten ursachen, bis in seine 
grube, nicht vermocht werden k9nnen, sich den gericnten pflichtbar 
znmachen, yielweniger aber sich in die gerichtsbangk nider setzen 
zulassen, inmasen dan auch die hem burgermeister mich, doctor 
Bal£hassam Schelhanmier, ob ich gleich in gedachts hem doctor 
Andreae Funcken stelle in der schOppenstube mit ihrem selbst willen 
und zuthuen femer substituirt, dennoch eben aus derselben ursachen, 
das ich dem rathstuel nicht verwant, zu den gerichten nihemals 
erfordert, vielweniger aber begert, mich zu denselben voreiden zu- 
lasen, domit ich dan ^ar wol zufriede gewesen, auch nachmals 
domit gar wol fridlich bin, das also die hem burgermeistere selbst 
dardurch re et facto ipso mehr dan genngksam und gantz clerlich 
bezeuget und zuerkennen gegeben, das die gericht mit keynen 
andem dan allein mit rathspersohnen kOnnen noch mugen bestalt 
werden. Des aber dennoch ungeacht, gnedigster charfdrst und her, 



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Urknnden etc. 109 

nnderatehen sich Duhmer gemelte hem bnrgenneistere in xms zn- 
driogen, das wir nns zu besetzung nnd bestellung der gerichte uffs 
neu widerumb gebranchen lasen sollen. Dan naehdem sie, jungst- 
vorschiener well, sich gegen nns erbotten und vornehmen lassen, 
das sie sich mit nns, wasergestalt es in der sch5ppenstnbe nnd mit 
derselben einkommenf anch snnst, ihrer nnd nnserer persobnen halben, 
hinfort znhalten, nff billiche nnd leidliche wege znvergleichen be- 
dacht, [habenl wir nns hinwider doranff erclert, das wir ihre ange- 
botene fdrschlege gem anhdren wolten nnd nnter andern znbedencken 
gebeten, weil wir nnhmer von dem rathe, den gerichten, anch der- 
selben emolnmenten nnd einkommen gentzlich abgesundert, gleichwol 
aber nichst destoweniger nachmals, wie znvora, die gar grosse, 
nnanffhdrliche nnd stets fort und fort wehrende last, mnhe und arbeit, 
so wir auff vorlehsnng, berathschlagnng und vorsprechnng der 
schOppenhendel vor unsere persohnen allein (dan una gedachte hem 
bnrgermeistere nicht im aller geringsten helffen nabh nbertragen 
k5nnen) mit grosser beschwehran^ nnd vorsenmung anderer nntz- 
barlichen hendel, anch mit merglicher schwechung gesundts leibes 
nnd lebens, teglich nnd one unterlas vielieltiglich wenden, jha auch 
sonst nnsere gantze zeit damber zubrengen nnd vorzehren mnsen, 
das sie solchs veraunfftiglich bedencken und derwegen nff solche 
mittel und wege bedacht sein wolten, domit nns ge^en solcher nnsera 
gar ^osen beschwehmng, vielfeltigen muhe, vleis und arbeit ge- 
bnhrliche billiche vorgleiehnng nnd ergetzligkeit gemacht werden 
nnd widerfahren m5chte. Haben sie sich nnderstanden, solche unsere 
erclerang der^estalt zn asnmiren, als solten wir gemeint sein, nns 
yon ihren genchten nicht abzusondern, do wir uns doch nicht allein 
nflf diese meynnng gar nicht, sundem viel mehr des widerspiels vor- 
nehmen lasen, als nemblich, das wir von dem rathsstnel, den ge- 
richten, anch derselben einkommen und emolnmenten nnhmer albereit 
abgesondert weren, [allein], das unter anderm daneben voimeldet 
worden, das wir (weil solchs von ihnen bey uns anfenglich gesncht 
worden) vor unsere persohnen auch nicht gem nrsach geben wolten, 
das der schOppenstnel vom rathe getrennet ader gesondert werden 
m5chte. 

Als wir nns nnhn, nnserer notdorift nach, uff solche ihre in 
gefastem nnrechtem verstande und dem claren buchstaben unserer 
erclemng gerade zuwider an^emaster assumption alsbaldt hinwieder 
vomehmen lasen, das solchs m nnserer erclerungsschriffi dergestalt 
nicht znbefinden, uns auch doranff ferner und zum uberflns aus- 
drncklich dohin ercleret, naehdem wir durch beschehene absondemng 
des rathstnels (welche uns dan gar nicht zuwider) anch von den 
gerichten, als die dem rathstande necessario anhengigk, abgesondert 
weren, das es uns demenach sehr vorkehrlich, vorweislich und zu 
einer yrosen vormesenheit gerechnet und gedeutet werden wolte, 
wan wir uns, als vom rath nnd den gerichten einmahl abgesonderte 
persohnen, zn denselben wideramb gebranchen und also in frembde 
hendel, so nns amptswegen nicht mehr obliegen, ungebnhrlicher 
weis dringen und stecken lasen mochten, haben sie nns nicht 
allein keine mittel ader wege, doranff die von ihnen anfenglich uns 
augebotene vorgleichnng zurichten, furgeschlagen, sundern uns auch 
gar eyne stumpffe mundliche antwort durch ihren stadtschreyber 
anmelden lasen, nngefehrlich nff disc meynnng, das sie nicht be- 
dacht, sich mit nns in fernere disputation einzulasen, sundem wolten 
[darauff ihre] notdorfft znbedencken wol wisen, doraus da[n], gnedigster 



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110 Theodor Distel: 

churfarstund here, leichtich abzunehmen, das vielgemelte hem burger- 
meistere doran nicht begnugigk noch ersettiget zusein Yonneynen, 
das sie nnhn viel jharlangk hero des schOppenstnels einkommen 
(ungeacht, das sie uns zu unserer schwehren mohseligen arbeit gantz 
\ind gar nichts geholffen noch zu helffen vermocht, wie sie uns dan 
nachmals darzu gar nichts helffen k5nnen) nichtsdestoweniger gleich 
uns, als den allein arbeitenden jpersohnen, genosen (wie sie dan 
femer auch viel andere forteil mehr, an vorsprechung der ordinarien 
gerichtshendel und sunst, so auch nicht gering znachten und langk 
zuerzehlen sein wolten, bis anhero aus unserer arbeit genislich 
entpfnnden), auch nicht allein das einkommen der schdppenstnbe, mit 
unserer (die wir die last der arbeit gar allein tragen musen) groser 
merglicher beschwehrung, nachmals wie bevor, zuparticipiren bc^cht, 
sundem uns daruber auch die beschwehrliche last der gericht 
widerumb auffzudringen sich mit allem vleis bemuhen, ungeacht, 
das unserer aller und des schOppenstuels gelegenheit itziger zeit 
viel in einem andem stande ist, als sie etwan, do man gemelte hem 
burgermeistere zu dem einkommen des schQppenstuels mit zugelasen, 
und demenach ihe nicht unbillich, das uns hinwider, gegen unserm 
in dem rathstuel und den gerichten ervolgten abgang, und doch 
nichts destoweniger nachmals stets wehrender arbeit (welche dan 
nicht geringer, sundem teglich jhe lenger jhe schwehrer und muhe- 
seliger wirdt) gleichmessige vorgleichung gemacht werde, jaxta illud: 
Quae de novo emergunt, noyo indigent [auxilio], welchs wir doch, 
gnedigster churfurst und her, der meynung nicht melden, das wir 
des einkommens ausm rathstuele und aus den gerichten nachmals 
teilhafftigk zusein und uns also in solche empter, E. curf. g. gne- 
digst beschehener anordnung (damit wir dan underthenigst wol 
ziSride) zuentgegen, widerumb oblique einzudringen gedechten, 
sundem aus der ursache, das wir, unseres underthenigsten Terhoffens 
nach, itziger gelegenheit gahr genugk theten, wan wir entwar den 
hern burgermeistern in gemein, ader aber ider zeit dem regireoden 
hem burgermeister allein, einen teil, soviel unserer einer zub^ommen 
pflege, hetten volgen und zukommen lassen, in gnedigster betrachtunj:, 
das wir die arbeit gar allein tragen musen und sie uns darzu (wie 
droben auch underthenigst gemeldt) bis anhero gar nichts geholffen, 
auch nachmals ader hinfort nichts werden helffen kOnnen, und sie 
dan hiember auch ihre sunderliche einkommen und zugenge vom 
burgermeister ampt aus der rathstube zugewarten haben. 

So k5nnen auch, gnedigster churfurst und her, wir mit warheit 
wohl sagen, das uns auch'zu der zeit, als wir dem rathstuel noch 
verwant gewesen, nichts beschwehrlichers furgefallen, dan das wir 
in den gerichten sitzen und sunderlich offentliche ubeltbeter per- 
sOhnlich condemnim und yerteiln helffen sollten. Weil wir aber solcher 
beschwehmng damals, wegen unseres tragenden ampts des [rath- 
stanjdes, deme die gericht anhengigk, nicht geubriget [werden] mugen, 
[haben] wir dieselbe zeit uber, nach gemeinem sprichwort, aus der 
noet eme tugent machen musen, 

Nachdem wir aber numehr dardurch, das wir den rathstuel 
nicht mehr verwandt, auch den gerichten (als die dem radtstaade 
anhengigk und derwegen auch mit eitel rathspersohnen besatzt und 
bestelt werden musen, wie dan solchs auch von undencklicher zeit 
hero in stettem und unverracktem gebrauch des raths und der gericht 
alhier ist gehalten word en) in necessariam consequentiam auch nicht 
mehr zugethan, so wolte bey menniglich und sunderlich bei E. churf. 



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Urkunden etc. Ill 

g. selbst ein seltzam ansehen gewinnen, wan wir nns in solch be- 
schwehrlich ampt, desen wir einmahl gebuhrlich entlediget, uffis neue 
widerumb stecken lasen solten. Sunderlich aber wurde es von etlichen 
gewislich dafnr gebalten werden wollen, als bette man uns mit gelde 
(welchs aber gerichtspersohnen gar nicht gebuhrt nacb anstehet) darzu 
widemmb erkaufft, welchs wir, weils uns zum hiJchsten vorweisUch 
sein wurde, uns jhe nicht gem nachsagen lasen wolten, dorinnen dan 
E. churf. g. zweiffelson uns in ungnaden nicht vordencken werden. 

Und k5nnen sich die hem burgermeistere und der rath hiermit 
nicht behelffen, als kdnten sie aue doctores die gericht nicht hegen 
noch halten, weil andere stedte und auch ddrifer im lande ane do- 
ctores ihre gerichte halten und bestellen kSnnen, auch E churf. g. 
empter keine doctores darzu gebrauchen, so ist ihnen iderzeit unbe- 
nommen, das sie nichts wenigers, als andere gerichte [in burgjlichen 
und peinlichen sachen des recht sich im [fall] der noth bey uns 
ader, do ihnen solches nicht gefelligk, anderswoh erholen mugen. Und 
so dan nuhn, gnedigster churfurst und her, diesem allenthalben also, 
und sichs femer bey uns dafnr ansehen lest, das die hem burger- 
meistere, Oder auch, uff ihr schaifen, der gantze rath, diesen haAdel 
an E. churf. g. gelangen lasen und suchen mQchten, uns auffzulegen, 
das wir ihren ^erichten, nachmals, wie zuvora, in ungeHndertem 
stande, aus erheischung des damals tragenden rathstandes geschehen, 
beiwolinen solten, als haben wir aus erheischung unserer hohen not- 
dorfft nicht umbgehen k5nnen, E. churf. g. mit diesem unserm war- 
hafftigen bericht in underthenigkeit zuersuchen, undertheni^st bittende, 
dieselbe E. churf. g. wolten die hem burgermeistere ader den rath, 
uff itztgemelten fall, mit ihrem unbefugten suchen nicht hdren, nach 
gestatten, das uns die bestellung und besetzung der eericht und also 
ein frembdt ampt, dessen wir einmahl gebuhrlich entledigt und uns also 
nichts mehr angehet, wider unserm willen, jha auch mit unserergrosen 
und gleich ehren [sicf] vorletzlicher beschwehrung von ihnen unbefug- 
ter weis auffgedrangen werde, sundem vielmehr die gnedi^ste verschaff- 
ung bey ihnen thuen, damit sie uns mit solcher beschwehrlichen und vor- 
drieslichen anmutung verschonen, sich auch femer mit uns der billig- 
keit nach uff dero von uns droben in. underthenigkeit furgeschlagener 
gleichmesiger wege einen (in gnedigster ansehun^, das sie zu dero 
von ihnen selb[st angebotjener vorgleichung vor ihre persohnen uns 
einige mittel und wege, ungeacht, das sie sich anfenglich selbst auch 
darzu erbotten, nuhmer, wie wir vormercken, zuthuen nicht bedacht) 
fSrderlich vorglichen, domit wir also den schSppenhendel (so teglich 
in josser anzahl und mennige aus vielerlei landen anhero gelangen, 
una uns mit grosser muhe und arbeit, mit vorseumung anderer vieler 
hendel, derer wir sonsten gar wol geniesen k5nten, auch mit merg- 
licher beschwehrang und unwiderbrenglicher sehwechung unserer 
gesundtheit, zuverfertigen allein obliegen) desto beser abwarten und 
dieselben desto fuglicher und schleuniger vorsprechen und vorrichten 
mugen, inmasen wir dan in underthenigstem gehorsam zuthuen erbOttigk. 

Solchs seint umb E. churf. g wir, uber das, das er an ihme 
selbst, zu billicher fOrderung des rechtens und der gerechtigkeit, und 
dan hiruber auch zu E. chmf. g. selbst sondei lichen grosen ruhmb, 
so wol auch zu derselben lande, und sunderlich zu disser ihrer stadt 
Leiptzigk Tals do sich viel furaehme potentaten, auch lande, stedte 
und allerlei leute hohes und niedrigen standes, in und ansserhalb des 
heiligen rOmischen reichs, des rechten teglich in grosser anzahl er- 
holen) merglichen nutz, eheren und frommen [geljingen und gereichen 



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112 Theodor Distel: 

thnet, hochstes Termngrens] underthenigst zuverdienen ider zeit er- 
b^ttigk nnd ^antzwilligk. Datum den sechsten A.prilis, anno etc. vier 
und siebentzigk. E. churf. g. 

underthenigste gehorsamme 

Verordente doctores und 

rechtsvorstendige des schOp- 

penstuels zw Leiptzigk. 

Nr. 2. Dresden 1574 April 17. 

Antwort des Kurfilrsten auf das vorhergehende Schreiben, 
Konzept ebenda: Copial 392 Bl. 143 b, 

An die vorordente doctores und rechtsvorstendige des schoppen- 
stuls zu Leipzig. 

Hochgelerte lieben getrewen. Uns ist euer schreiben fttr- 
getragen wurdenn; do nun der rathe zu Leipzigk solcher in itzt- 
bemeltem euerm schreiben angezogenen sachen halben etwas anhero 
gelangen lassen wlirdet, wollen wir euers izigen suchens ingedenck 
sein und uns dorauff der gebure zuerzeigen wissen. Mochten wir 
euch hinwieder nicht vorhalten. Datum DreBden den 17. Aprilis 
ao. 74. 

Nr. 3. 1574 April 26. 

Die Juris ten an den Kurfilrsten. 
Orig. mit dem Schoppensiegel (Abb, in der Zeitschrift der Savigny- 
stiftung a. a. 0. S, 115 unter 2) ebenda Loc. 10367 Des Schoppen- 
stuhls etc. fig. 92. Abschrift von derselben Hand (vergl. Jso. 10 
Anm. 1) Bl. 98. 
Durchlauchtigster hochgebomer churfarst. Euern churfurst- 
lichen gnadeu seint unsere underthenigste gehorsamme und gantz- 
willige dienste hochstes vermugens zuvorn. Gnedigster churfarst 
und her. E. churf. g. gnedigsts schreiben, die irrung, so sich 
zwuschen uns und den hern burgermeistem alhier ereuget, betref- 
fend, haben wir mit gebuhrlicher ehererbietung underthenigst ent- 

Efangen und vorlesen. Wiewol nuhn an E. churf. g. von itztgemelten 
ern burgermeistem ader dem rath dieses handels. halben nach zur 
zeit nichts gelanget, so haben wir dennoch die underthenigste nach- 
richtung, das solchs nachmals geschehen werde. Weil wir uns dan 
zubefahren, es mQchte E. chuif. g. villeicht allerlei zu unserm un- 
glimpflf furgetragen werden (inmasen uns dan allerley furkSmpt), als 
erfordert unsere hohe notdonft, denselben E. churf. g. femern grund- 
lichen und underthenigsten bericht zuthuen, gantz undertheniglich 
bittend, E. churf. g. wolten darob keinen vordrus haben, sundem 
disen unsem warhafftigen bericht gnedigst von uns vormercken, do- 
mit nuhn E. churf. g. des gantzen handels kurtzen und grundlichen 
bericht gnedigst einnehmen mugen. So stehet derselbe uff diesen 
zweien puncten. 

Der erste ist, das wir des raths gerichte, nachmals wie zuvorn, 
besitzen und halten helffen soUen. 

Der ander, well wir nuhmer vom rath und dem einkommen 
Oder zugengen, dero wir vor diser zeit dohero gewertigkund teil- 
hafftigk gewesen, gentzlich abgesondert und also der handel in vo- 
rigem stande nicht mehr ist, das demenach, unsers erachtens, gantz 
unbillich sein wolte, das wir die grose uberschwengliche last, muhe 
und arbeit des schoppenstuels allein (wie wir dan thuen mussen) 



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Urknnden etc. 113 

tragen und nichts destoweniger gemelte hern burgermeister ange- 
acht, das sie nns gar nicht nbertragen, jha auch gar nichts helffen 
noch helffen [sicl] kdnnen, nichtsdestoweniger das einkommen des 
scheppenstuels participiren und einen iden soviel nehmen und volgen 
lasen solten, als unserer einer zubekommen pfleget. 

Soviel nuhn den ersten punct anlanget, haben E. churf. g. wir 
in unserer vorigen supplicationschrifb albereit in aller underthenig- 
keit zu erkennen gegeben, aus waserlei wichtigen und hochbedenck- 
lichen ursachen wir uns zu bestellung des raths gerichten widerumb 
nicht gebrauchen lasen kOnnen. Dan weil solche gericht dem ratJhi- 
stuel necessario anhengigk^ auch weit uber menschengedenckeui in 
stedter unverruckter ubung gehalten worden ist, das ihe und alle- 
wege eitel rathspersohnen darzu gebraucht worden, und kein 
exempel angezogen werden magk, das jhemals eine einige persohn, 
so dem rathstuel nicht verwant gewesen, in die gerichtsbanck kom- 
men und die gericht sitzen ader hegen helffen, so haben E. churf. g. 
aus hochbegabtem farstlichem verstande selbst gnedigst zuermesen, 
das uns keinswegs gebuhren wolte, uns zu dem ampt des gerichts- 
stuels, desen wir durch die beschehene absunderung vom rath- 
stande (welche uns dan gar nicht zuwider) in gnedigster betrach- 
tung, das die gerichte dem rathstande necessario anhengigk, eins- 
mals gebuhrlich entlediget und erlasen, widerumb vermugen lasen 
solten, sinthemal nicht allein eine gemeine und gewise rechtsregul: 
quod culpa sit immiscere se rei ad se non pertinent!, snndem auch 
sunst bey idermenniglich ein seltzam nachdencken machen wurde, 
das wir uns zu des raths gerichten, darzu wir itzo nicht mehr ge- 
hdrigk, nichts destoweniger nachmals gebrauchen liesen, nicht anders 
(dafur sichs sunder zweiffel ansehen lasen wurde), als hetten wir 
uns mit gelde uffs neu darzu erkeuffen und vermugen lasen, welche 
beschwehrliche verdacht wir auff uns jhe nicht gem lahden wolten, 
in deme dan E. churf. g. uns in ungnaden, unsers gentzlichen un- 
derttienigsten verhoffens, nicht werden verdencken, zu geschweigen, 
das uns auch vor diser zeit, do wir dem rathstuel noch verwandt 
gewesen, nichts beschwehrlichers furgefallen, dan das wir die ge- 
richtsbanck mit besetzen und sunderlich publicorum criminum reos 
persOhnlich condemnim und verurteiln helffen soUen, desen wir dan 
gute rechtmesige und bestendige ursachen gehapt, auch nachmals haben. 

So kan auch, gnedigster churfurst und her, der rath ane unsere 
hulff und zuthuen die gerichte gar wol bestellen, sintJiemahl auch 
auserhalb der hem burgermeister etliche viel andere rathspersohnen 
vorhanden, welche nicht allein zu den gerichten simpliciter ge- 
schwom, sundera auch vor diser zeit das richterampt selbst ver- 
waltet, welche dan auch ane das zu haltung der gericht pflegen 
gebraucht zuwerden, also, das offtmals nuhr ein einiger doctor auch 
vor dieser zeit bey ihnen gesesen, inmasen dan auch ich, doctor 
Jacobus Th($mingk, ordinarius, die zeit uber, nachdem von E. churf. 
g. ich des rathstandes wegen obligender und tragender leibschwach- 
heit gnedigst erlasen (desen ich mich dan nachmals underthenigst 
bedancken thue), in die gerichtsbanck niehemals kommen, auch dobei 
bisanhero geruiglichen gelasen worden. 

Femer konnen auch in gutlicher vorgleichung, so uns von den 
hem burgermeistem vor diser zeit selbst angebotten worden, aber 
itzo von ihnen, sunder zweiffel zu ihrem verhofftem vorteil, mit 
vleis aufffl;ezogen wirdt, mit uns die mittel und wege wol geti'offen 
werden, das von uns nachmals wie zuvorn in alien und iden vor 



Neues Archiv f. 8. Q. u. A. VIII. 1. 2. 8 

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114 Theodor Distel: 

gericht nnd in der schdppenstabe rechthengijg^en sachen, die nrteii 
gestalt nnd begriffen, yon den hem bnrgermeistem sampt ihren bei- 
sitzem in ihren als der ^erichte nahmen yolgents erOmiet werden, 
wie dan dergleichen wol m geringem stedten, jha anch in scMech- 
ten pauergerichten, do gar keine gelarte beysitzer vorhanden, hin 
nnd wider geschicht, inmasen die tegliche erfahmng derlich ans- 
weiset, wie wir dan noch yor wenigk tagen sehr yiel urteil in cansis 
ordinariis yerfertiget, dem rath auch etlicher gefangener halben 
nnser bedencken, idoch mit yorbehalt dero nns angebotener yor- 
gleichung, unbeschwert mitgeteilt, domit sie desto weniger nrsach 
haben mugen, nns znr nngebuhr zuyemnglimpffen. 

Also nnd gleicher gestalt kan anch mit nns die yorgleichmig 
wol gemacht werden, das anch alle andere hendel, als yoipfendnn- 
gen, anfflasnngen, belehnungen, insinuationes nltimamm yolnntatum, 
prodnctiones tarn testium qnam instramentomm , publication der nr- 
teil nnd dergleichen, nichts anssgeschlosen , in der schOppenstnbe 
gelasen werden and also dieselbe allenthalben in yoricfem stande 
bleiben muge, inmasen wir nns dan, nff yorgehende gebimrliche yor- 
gleichung, zn yorrichtnng solcher hendel aller, nachmals wie znyorn, 
niermit nnderthenigst erbieten, damit also die hem bnrgermeister 
Oder der rath jhe nicht nrsach haben mugen, Airzngeben, als solte 
dardnrch, das wir yon den gerichten abgesnndert, einige zerrattung 
des schOppenstnels eryolgen. 

Do nnhn die hem bnrgermeister oder der rath mit diesem nn- 
serm rechtmesigen , billichen nnd nberflusigem erbieten nicht ge- 
settiget sein, sundem nachmals doranff zudringen sich understehen 
wolten, das wir die gericht (domit wir doch nnhmer nichts zu- 
schaffen haben) nachmals hegen nnd halten helffen solten, so kOnten 
wirs anders nicht yorstehen, dan das sie nns in obgedachten nn- 
glimpffnnd yerdacht, dayon droben nnderthenigste meldnnff geschehen, 
mit yleis zustecken nnd nns nnsere nun sehr yiel jhar lang hero in 
der schOppenstnbe gehapte grose muhe, yleis nnd arbeit (dero dan 
die hem bnrgermeistere, als nicht arbeit ende persohnen, jha so wol 
genosen als wir) dergestalt zn belohnen bedacht sein mnsten, welchs 
aber E. churf. g. als ein rechtliebender chnrfurst, unsers underthe- 
nigsten ^entzlichen yorhoffens, ihnen keines wegs billichen werden. 
Und soyiel yon dem ersten punct. 

Was aber nnhn, gnedigster chnrfurst und her, den andem irri- 
gen punct anlanget, woUen E. churf. g. wir mit weitlenfftigkeit 
nicht yordrieslich sein, sundem nns derselben mit yleis nnderthe- 
nigst mesigen, und ist demenach einmahl an deme, das nns die hem 
bnrgermeister in vorlesung der hendel und acten, auch in stellung 
Oder fasung der urteil und rechtsbeleraungen, nicht allein nicht uber- 
tragen, sondera auch gar nichts helflfen kSnnen, solten wir sie nnhn 
alle beide, wie bisanhero, eher sich die furgelaufFene vorenderung 
zugetragen und wir aus dem rathstuel noch allerlei vorteil und zu- 
genge zugewarten gehapt, nachmals ubertragen, solchs wolte jhe, 
unsers underthenigsten erachtens, gar eine grose unbilliche ungleich- 
eit sein und lasen uns demenach nnderthenigst beduncken, do wir 
entwar dem regirenden hem bnrgermeister allein ubertragen, ader 
aber sie beide, als nicht arbeitende persohnen einen teil, gleich unserer 
arbeitenden persohnen einer, nach gelegenheit itzigen zustandes, par- 
ticipim imd nehmen liesen, es solte solchs gar genugk sein. 

Zuforderst, weil sich nicht allein die hem burgenneister nnd 
der gantze rath, sundem auch der richter und seine beysitzer, wie 

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Urkunden etc, 115 

bisanhero, nachmals, idoch nff vorgehende ^ebohrliche yorgleichung 
(wie droben anch underthenigst gemeldt) ihres gefallens raths bey 
uns znerholen haben warden, do sie doch ane das andere leute, die 
sich darzu gebranchen lasen mochten, mit auffwendimg groser und 
ansehenlicher sommen wurden yermugen und bestellen masen, das 
sie demenach anch disfais gar einen grosen ansehelichen vorteii 
haben warden. 

Welchem allem nach, gnedigster churforst und her, gelanget 
an E. churf. g. nachmals unsere underthenigste bit, E. churf. g. 
wolten unser giiedigster churfurst und her sein und bleiben und den 
hem burgermeistern oder dem rath alhier nicht gestatten, uns zu 
haltung der gericht, dero wir durch beschehne absunderung vom 
rathstande (domit wir dan, wie obgemelt, in aller underthenigkeit 
gar wol zutriede) unbillicher und schimpflflicher weis nicht zudrin- 
gen, sondem uns unsers ampts im schQppenstuel, mit vorlesung der 
hendel und acten, auch mit stellung der urteil und rechtsbelernungen 
(denen wir dan gebuhrlichs vleis beizuwohnen und obzuligen under- 
thenigst erbdttigk) warten lasen, sich auch ihrem, aus eigenem be- 
wegnus beschenen erbieten nach mit uns uff bOiche mittel und wege 
fOrderlich yorgleichen, domit also die gerichts und andere hendel in 
der schSjpenstube desto schleuniger gefSrdert und durch der hem 
burgermeister vorsetziglichen auflfzugk, dero von ihnen selbst wige- 
botenen gutlichen vorgleichung , in beschwehrliche und nachteilige 
vorschleifong nicht gerathen mugen. Solchs gereicht E. churf. g. 
zu sunderlichem grossen ruhmb und ehren, auch zu billiger befor- 
derung des rechtens und der gerechtigkeit, so seint es Mruber umb 
E. churf. g. auch wir hochstes vermugens in aller underthenigkeit 
zuvordienen iderzeit erbOttigk und gantzwilligk. Datum Montags 
nach Misericordias domini den 26. Aprilis, anno etc. yierundsiebenzigk. 

E. churf. g. underthenigste gehorsame 

Verordente doctores und rechtsyerstendige 
des schdppenstuels zw Leiptzigk. 

No. 4. 1574 April 29. 

Dieselben an die geheimen Hofrdthe. 
Original mit vier Siegeln, ebenda foL 103. 

Unsere gantzwillige dienste mit sunderm vleis zuvora. Edle, 
gestrenge, ehrnvheste und hochgelarte, insundern gunstige liebe 
hern, fbrderer, schwegere und gevatter. Euer gunsten werden sunder 
zweiffel erfahren haben, das wir mit den hern burgermeistern alhier 
zweier punct halben (nemblich, das sie in" uns zudringen sich under- 
stehen, das wir ihre gerichte nachmals wie zuvora, do wir dem 
rathstuel nach***) verwant gewesen, ungeacht, das wir von solchem 
rathstuel und also auch in necessariam consequentiam von den ge- 
richten, als die dem rathstuel necessario anhengigk, nuhmer abge- 
sundert, hegen und bestellen helffen sollen, und das sie das ein- 
kommen des schSppenstuels, ob sie wol darzu wider*') heller noch 
pfennigk vordienen ader erwerben kCnnen, nichts destoweniger neben 
uns nachmals volkomlich zu participiren gedencken) jungstvorschiner 
well in irrung gerathen. 



*^ noch. 
*') weder. 

B* 

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116 Theodor Distel: 

Weil dan dem churftirsten zu Sachsen etc. und burggraffen zu 
Magdeburgk, unserm gnedigsten herm, wir des handels in zwoen 
supplicationchrifften *^) nach aller notdorfft in iinderth[enigkeit] 
grundtlich berichtet, als thuen wir [E. ^.] cope[ien] derselben zur 
nachrichtung h[ierniit ujberschicken, vleisigk und gantz f[reundtlich 
bittenjd, dieselbe wolten propter publ[icam] utilitatem et communia 
studia unbeschwerhrt sein, diesen handel hochgedachtem churfursten 
zu Sachsen etc. und burggraffen zu Magdeburgk, unserm gnedigsten 
hem, zu erster gelegenheit mit vleis furzutragen, auch femer die 
gunstige forwendung zu thuen, damit unserm underthenigsten recht- 
mesigen und billichem suchen gnedigst stadt gegeben, dogegen aber 
den hem burgermeistem ader dem rath, uns und andere ^elerte 
(darzu sie es als laicae personae zu brengen mit sunderm vieis sich 
understehen) gar zu underdmcken nicht gestattet ader nachgehangen 
werde. Solchs seint umb E. g. wir hochstes vleises hinwider nsich 
muglichkeit zuvordienen jederzeit erbottigk und gantz willigk. 
Datum den 29. Aprilis anno etc. vierundsiebenzigk. 

E. g. 

willige 
Vorord[ente] doctores fund rTechtsge- 
larte des [schOppenJstuels zw Leipzigk. 



n. Schriften der Parteien nntereinander. 

No. 5. [15741. 

Die Juristen an die Biirgermeister. 
Orig. ebenda fol. 77. Yon Rauscher mit A si^niert, daher wohl 
alter als die folgenden mit B, C etc. stgnierten. 
Emvheste und hochweise gunstige hem. Nachdem Euer hochw. 
nechstvorschiener zeit, als sie bei mir, doctor Leonart Badehom, ge- 
wesen, gesucht und gebeten, das ich mich wegen der vorgefallenen 
vorenderung des raths von E. hochw. nicht sondern, auch die andern 
verordente hern des schSppenstuels dahin anhalten und vermahnen 
wolte, das sie gleicher gestalt auch thun mochten, als habe ich ge- 
melte hern zu mir erfordert und ihnen solches mit allem vleis vor- 
gehalten, welche sich beneben mir volgender antwort yorglichen, das 
wir uns vor unsere persohn nicht zuberichten, das wir jhemals ur- 
sachen zu einiger sonderung, zemittung oder trennung gegeben, 
seint auch daselbige zuthun nachmals nicht bedacht, sondern viel- 
mehr dahin gemeint, wie das schone cleinodt des schoppenstuels, 
soviel muglich, bei dem rath mochte bleiben und erhalten werden, 
idoch stellen wir in keinen zweiffel, weil wir nuhmer von dem rath 
und gerichten der besoldung und emolumenten halben gesondert, und 
die arbeit im schoppenstuel sehr schwehr ist, darauff nicht allein 
die frue stunden, sondem fast die gantze zeit mit lesung und refe- 
rirang der acten, urteilfasen und studiren mus angewendet werden. 
E. hochw. werden ihrem erbieten nach uff leidliche mittel und wege, 
wie es forthin in dem schoppenstuel allenthalben gehalten werden 
solle, gedencken und uns dieselben forderlich zuerkennen geben, 



^8) vergl. Nr. 1 und 3. Nr. 1 hat sich als Abschrift nicht 
vorgefunden. 



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Urkunden etc. 117 

domit man desto eher zu einer billichen vorgleichung kommen und 
allerlei unrichtigkeit in zeiten vorhutet werden mugen, welches e. 
hochw. wir in antwort nicht verhalten soUen, und seint e. hochw. zu 
dienen willigk. Leonhart Badehorn. D. 

Jacobus ThOmingk. D. und ordinarius, sscrips. 

Balthasar Schelhammer. Do. m. p. 

Hartman Pistoris zu Seusselitz m. p. 

No. 6. [1574]. 

Die Biirgermeister an die Juristen, 
Konzept (von Mauschers Hand^^j ebenda foL 76. 

Hochgelarte grosachtpare besonder gunstige liebe herren, schwe- 
ger unndtt gute freunde. Was wir fur diesem, treuer undtt guter 
wolmeinung, bei E. g. eins teils, das der radtt unndtt die herren 
scheppen, wie bisanher gescheen, inn freundlichem gutem willen, 
beisanunen pleiben unnd eins dem and em die hand reichen unnd 
ubereinander halten muchten, gesuchtt haben, dessen wissen wir unnss 
wol zu erindem. 

Welchs dann nichtt one sonderliche bedenken unnd famemlich 
derwegen gescheen, domith inn vorpleibung der freundlichen vor- 
gleichung der hohen obrigkeitt zu anderem einsehen nichtt ursach 
gegeben, der radtt auch seine gerechtigkeitt erhalten muchte. 

Und haben derwegen aus dem sehreiben^), so ir an unns gethan, 
geme vor[nJomen, das die herren semptlich der meinung seindtt/ das 
sie sich vonn dem radtt unnd den gerichten nicht sondern wollen, 
nemen solch E. g. erbieten vonn radtts wegen zu freundlichem dank 
unnd gefallen an, unnd wollen unnss solchem zu folge genzlichen 
vorsehen, E. g. werden sich kegen dem radtt unnd den gerichten, 
inmassen bisher gescheen, mith beistand unnd derselben redUchen 
bedenken gutwilli|: erzeigen. 

Darkegen wirdtt denu herren scheppen, was ihnen von radtts 
unndtt gerichtswegen hiebevom allemal gereichtt worden ist, billich 
unvormindertt gefolgett. 

Unnd demnach des adiuncti stelle nunmer auch widerumb er- 
seztt unnd der scheppenstul gott lob mith fumhemen, erfarenen 
unndtt gelerten leuten zur noturfffc vorsehen, so stellen wir in keinen 
zweiifel, do allerseits geburender fleis angewant wirdtt, es werden 
die sachen zu sonderlichem rhum des schoppenstuls und zu erhaltung 
dieses kleinots, dafar es bei dieser stadtt billich geachtt wirdtt, der- 
massen gefordertt werden, das sich mit billigkeitt nimand daruber 
zu beschweren, doran wir unsers teils, so vil freundschaflftt, einigkeit 
und guten willen zu erhalten und was sonsten zu uffnemun^ des 
scheppenstuls dinstlich und unss zu thun'geburt, nix wollen erwmden 
lassen unnd seinnd E. g. freundwillige dinste za bezeigen iderzeitt 
erbutig. 

No. 7. 1574 April 5. 

Die Juristen an die Bii/rgermeister. 

Original ebenda fol. 74. 

Emvheste und hochweise gunstige liebe hem burgermeistere, 
schwegere und gevattem. Auff der hem heutiges tags ubergebene 

*®) Alle Schriftstiicke Bauschers sind sehr fliichtig und stellen- 
weise schwer leserlich geschrieben, 
«>) Vergl. No. 5. 



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118 Theodor Distel: 

schriefft^*) forderlich und kurtzlich zu antworten, wissen wir nns 
nicht zuentsinnen , als sollten wir una in unserm vorigen schreiben, 
inmassen dasselbst von den hern assmnirt, dohin ercleret haben, das 
wir uns von den gerichten nicht sollten sondem woUen, thuen uns 
auch nachmals and znm uberflnss hirmit aussdrucklich ercleren , das 
wir berurt iinser schreyben dohin nicht gemeint noch verstanden 
haben woUen, in sunderlicher betrachtung, das wir durch beschehene 
absonderung des rathstnhls auch von den gerichten, als die demselben 
anhengigk, albereit abgesondert sein und demenach bei uns nicht 
stehet, ob wir uns von den gerichten itzo allererst absondem wollen 
Oder nicht. Und wolte uns sehr vorkehrlich, vorweisslich und zu 
einer gar grossen vormessenheit gedeutet werden, wan wir, als .nuh- 
mehr vom rath und also auch in consequent! am von den gerichten 
(als die dem rathstande anhengigk) albereit abgesonderte persohnen, 
zu denselben widerumb gebrauchen lassen solten, zugeschweigen, das 
es uns auch sunst aus vielerlei andem sehr bedencklichen und hoch- 
bewegenden ursachen keines wegs thuelich sein wil. 

Do nuhn den hem gelegen, uns auflf obgemeltes schreyben und 
uflf diesse unsere dorauflf ervolgte erclerung billiche, leidliche und 
solche wege, domit wir friedlich sein kSnnen und mugen, ihrem ge- 
thanen erbieten nach furzuschlahen , wollen wir derselben gem ge- 
wertigk sein. 

Und ob wol nicht ouj das der ruhmb des schSppenstuels nicht 
unbillich hoch zuachten, so ist dennoch doneben auch wol znbedencken, 
das solchen schOppenstuel niemandes anders, dan eben gelarte und 
der rechte erfahrne leute in auffiiehmen, ruhmb, ansehen und gleich 
in itzigen stand gebracht und erhoben, dorinnen er dan nechst gott 
dem almechtigen durch unsere tegliche grosse schwere muhe, vleiss 
und unaufhOrliche arbeit fungeacht das wir eins teils nicht laut dar- 
von schreien, gleichwol aoer alle feuste vol und viel mehr, als wo [I] 
etUche meinen, glauben oder auch erkennen mugen, mit schOppen- 
hendeln zuthuen haben mit vorseumung anderer vieler nutzbarlichen 
hendel, auch mit merglicher schwe[ch]ung gesundes leibes und lebens) 
nachmals lOblich wirdt erhalten, welchs dan die hern vemunfftiglich 
zubedencken und die sachen dahin zurichten werden wi8s[en], domit 
billiche gleicheit und ergetzung verfuget und angeordenet werden 
m(5ge. 

Sunderlich aber wolte in allewege vonnOten sein, das eigentlich 
und stuckweiss specificiret werden miJchte, uff was mittel und wege 
die hem sich mit uns zuvergleichen willens. 

Und stellen in keinen zweiflfel, ein ider werde sich seines ajnpts 
und gebuhrenden vleisses zuerinnem wissen, ader aber in mangel 
dess ihme nicht zuentgegen sein lassen, das man ihnen deselben 
erinnere. 

"Welchs wir den hem (denen wir hinwider freundtliche dienste 
zubezeigen iderzeit erblittigk und gantz willigk) zu forderlicher ant- 
wort nicht vorhalten wollen. Datum den funfften Aprilis anno etc. 
vier und siebenzigk. 

Leonhart Badehom. D. 

Jacobus ThiJmingk. D. und ordinarius, sscrips. 
Balthasar Schelhammer. Do. m. p. 
Hartman Pistoris zu Seusselitz m. p. 



«) Vergl. No. 6. 

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Urknnden etc. 119 

No. 8. 1574. April 6. 

Die Burgermeister an die Juristen^), 
Konzept (von Rauschers Hand) ebenda foL 72, 

Hochjp:elarte gros achtpare besonder gunstige herren, schwegere 
und gate freunde. 

Aus E. ^, unnss zugestelten erklerung befiiiden wir, das durch 
die wexelschnfiFten , so der gestalt wie angefangen damith solte vor- 
faren werden, die farstehende vorgleichung mer zn weitleuffigkeitt, 
dazu wir unsers teils nichtt geme ursach geben wolten, dan zu 
freundlicher voreinigung, gereichen kunte. 

Unnd weil bei unns, wie gerne wir es auch anders gesehen, 
nichtt gestanden ist, die vorenderung, welche der churfdrst zu Sachsen 
etc. unser genedigster herr, im radtt fargenomen hatt zu hinderzihen, 
unss aber unnss [sic!], ungeachtt derselben, einem erbarn radtt an 
seiner habenden gerecntikeiten , wie die herren als die hochvorsten- 
digen zu erachten, ichtes zu begeben mith nichten geburen will, 
so werden unnss die herrenn nicbt yordenkenn, das wir diese ding, 
mith gutem radtt bedachtt unnd bequemer gelegenheitt , femer zu- 
gelangen unnd unnss geburlichs bescheidtts zu erholen nichtt 
umbgehen kunnen. 

Unnd sind sonsten E. g. freuudliche unnd angenehme dinste zu 
bezeigen willig. Datum Leipzigk den 6 ten Aprilis anno 74. 

Hieronymus Letter der elter. 
Hm. Rauscher. 



No. 0. [1574]. 

Instrukiion fur eine Meldung der Biirgermeister an die Juristen, 
Konzept (von Rauschers Hand) ebenda fol, 69. 

Die beide herren borgermeister lissen den vorordenten herren 
doctoribus des scheppenstuls iren freundlichen grus sagen und dar- 
neben vormelden, das ihnen der richter eine protestation schrifft, 
welche sie Yorgangenen sonnabents neben vier urteln ubergeben, zu- 
gestelt hette, daraus sie vemomen, das die herren doctores ursach 
snchen, dem richter uflf sein begeren ir rechtlich bedenken zuwider 
vorigen branch zu eroflfenen, und sonderlich derhalben das gedachte 
boM^enneister mith der vorgleichung, dazu sie sich bisher erbotten, 
aul^ihen, ihnen aber nicht gelegen sein welt sich also die lenge 
uffhalten zu lassen in diser ungewisheit zu haften und gleichwol 
teglich mith allerlei radtts, gerichts und scheppen hendeln bemuhet 
zu werden etc., mith diser ausdruklichen erklerung, das sie sich hir- 
durch den gerichten, davon sie einmal gesondert, nicht anhengig 
machen, sondem nochmals der gutlichen vorgleichung, dazu sich die 
herm borgermeister sollen erbotten haben, zum furderlichsten ge- 
wertig sein woUen. 

"Wann sich den die herm doctores hie bevom in ezlichen 
schreiben dergleichen und sonderlichen auch dessen vomemen lassen, 
das es ihnen sher vorkerlich vorweislich und zu einer gar grossen 
vormessenheit gedeutet werden konte, wan sie sich, als nun mer vom 



^) Auf der Riickseite hat Rauscher bemerkt, dass der frag- 
liche „Bescheid'' auf der Burgermeister Befehl durch den Staat' 
schreiber an Schelhammer und Pistoris zur Meldung an die beiden 
anderen Voktoren gegeben worden sei. 



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120 Theodor Distel: 

radt und auch also in consequentiam von den gerichten als die den 
radtstand anhengig albreid abgesonnderte personen weren, zu den 
gerichten solten gebrauchen lassen und aus iztgemelter protestatio 
und weiteren schreibcn so viel zu beiinden, das sie gerne die herm 
borgermeister ires gefallens zwingen wollen, sich mith ihnen in ver- 
gleichung einzulassen. 

Das sicb gleichwol die herrn borgermeister als die so wol als 
die herrn doctores zum scheppenstul geschworen seindt und ires teils 
zu einigem misvorstand oder nachteiligen vorenderung nicht gerne 
ursach geben wolten, gar nicht vorsehen, wissen sich auch keiner 
vorgleichung, dazu sie sich erbotten solten haben, zu erindem, 
ausserhalb dessen das sie sich jungst in irer schrifftlichen antwort 
dohin erklert, wofern die herrn doctores in massen bisher gescheen 
sich kegen rad und den gerichten mith beistand und derselben 
redlichem bedenken gutwillig erzeigen wurden, das darkegen, was 
ihnen von radtts und gerichts wegen hiebevor allemal gereicht 
worden ist, auch nochmals unvermindert solte gefolget werden. 
Des erbietens mann dan auch noch ist und weil das scheppenampt 
dem borgermeisterampt nicht allein uber verwerte zeit, sondem 
weit uber 100 jare einverleibt und incorporirt gewesen, also wer 
zu einem borgermeister erwhelett, das derselbe das ampt eines 
scheppen mitii bekompt, wie dan die herrn scheppen solchs fur 20 
jaren dem churfursten zu Sachsen unsem gnedigsten herm nach ab- 
sterben des herm doctor Scheffels seligen s. ch. f. g. seine stell mith 
einer andern dergleichen person zu erseczen bevholen domith end- 
schuldigen, das sie ehe dan ein ander borgermeister an seine stad 
erwhelet wurde dazu nicht komen konten, dessen concept ^s) unter des 
herm doctor Fachsen seligen hand noch vorhanden, und der herr 
doctor bei und uber das zu beforderung der scheppen hendel die 
beide herrn borgermeistern aus gutwillikeit und keinen pflichten nu 
ezliche jar einen adjunctum, der ja so vil arbeit als der herrn doctor 
einer gethan gehalten, dem sie jer lichen von irem geburenden teil 
200 taler gegeben, welchs vorhin ander borgermeister, die nicht 
doctores gewesen, ausserhalb Volkomers nie gethan, so hetten sie 
sich genzlichen vorsehen , es solten die herrn doctores solche ire 
gutwulikeit zu freundlichem gefallen angenomen haben, sonderlichen 
weil dem jezigen adiuncto nicht mer dan 100 taler jerlichen gegeben 
wirdtt und die herm borgermeister, wo fern die herm doctores 
keine neuemng einfureten, zufriden sein kunten, das entweder von 
den uberigen 100 talern noch ein adiunctus gehalten, oder dieselben 
sonsten den herm doctoribus zu gut gehen solten, und wusten nicht, 
mith was fug oder billikeit die heren doctores etwas weiter von den 
hem borgermeistern begeren solten. 

Weil man sich auch erbotten hatt den herren scheppen von 
radtts und gerichts wegen alles dasjenige, so sie bisanher gehabt 
und uber den radtt gangen ist, folgen zu lassen, will man sich auch 
nicht vorsehen das sie durch die erlassung des radstuls, dessen sie 
vom churfursten zu Sachsen etc. unsem genedigsten herm und nicht 
dem radtt endsezt sein, ursach suchen werden, dem radtt und den 
gerichten, in rechtsachen, so furlaufen muchten, ir redlich bedenken 
inmassen es vil und lange jare also von iren vorfaren und ihnen ge- 
halten ist worden, mithzuteilen , noch sich als scheppen von den 

28) Ahschrift (von Ludwig Truebs Hand ?) im H.-St-A. : Loc. 
10048 Bedenken 1674 BL 195. 



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Urknnden etc. 121 

gerichten abznsondern, domith es bei hochgedachtem churfursten 
nicht das ansehen haben muge, das es mer s. ch. f. g. dan dem radtt, 
bei welchem es nicht gestanden ist diese ding zu endern, zu truz 
geschee. 

Unnd weil ein erbam radtt in die absonderung der herrn doc- 
toren ans den gerichten nicht will geburen zu willigen, sich auch 
der confinnation der scheppen keines weges ane genedigsten vor- 
wissen hochgedachtes chu^rsten ires gnedigsten herrn zu begeben, 
bedachtf so will mann bei den herrn doctoribus nochmals freundlich 
gesncht haben, sie woUen zu vorhutung allerlei weitleufftikeit, die 
besorglich aus irer vorweigerung erfolgen muchte, mit dem radtt und 
den gerichten in eintrechtigem vorstand wie bisher geschen pleiben, 
domith in yerweigerung dessen der rad solchs an die hohe obrigkeit 
nicht durffe gelangen lassen, zuvorsichtig s. ch. f. g. werden dem 
radtt bei irer lang hergebrachten gerechtikeit genedigst zu schuezen 
wissen. 

Hierauff der herrn doctoren unvorzugliche antwort, weil es dem 
radtt ja so wenig als ihnen gelegen, lenger in der ungewisheit zu 
stehen, eine femere disputatio, dorein sich die herrn borgermeister 
mith ihnen einzulassen nicht bedacht, erwartende. 

No. 10. [1754]. 

Die Jwristen an die Biirgermeister^), 
Original ebenda foL 59. 

Die verordente hem doctores und rechtsgelarten des schOppen- 
stuels hetten lengst gem gesehen, das sie mit den hem btirger- 
meistem fiJrderlich verglichen werden mtigen, wie sie dan vor ihre 
persohnen an ihnen disfals gantz und gar nichts erwinden lassen, 
dan uber das, das sie mit ubergebung i&er schriften nicht geseu- 
met, so haben sie auch eben aus disser ursach, damit solche ver- 
gleichung desto eher ervolgen miJchte, vor gutt angesehen, die 
wOchentliche teylung biss nach ervolgter vorgleichung einzustellen. 

"Weil dan nuhn vor wenigk tagen von den beiden hem burger- 
meistem ihnen abermals eine schrift zukommen, dorauff sie sich mit 
antwort alsbalt vomehmen zulassen durch denen damals gleich mit 
eingefallenen margkt und durch mannichfaltige in demselben for- 
gefallene vorhinderungen, wider ihren wiUen, abgehalten worden, 
als thuen sie sich nuluner, so baldt sie nuhr ein wenigk zeit und 
weil bekommen, dorauflf volgendergestalt ercleren. 

Und anfenglich thuen sie auif ihrer hiebevor gethaner erclerang, 
das sie sich den gerichten, derer sie durch ervolgte sunderang des 
rathstandes, in necessariam consequentiam, einmahl erlassen, widerumb 
nicht zugethan noch pflichtbar machen lassen kOnnen, aus ursachen, 
so in solcher ihrer erclerang nach der lenge gemeldet, und dan auch 
auff ihrer jungst tibergebenen protestationschrift , gelipter kurtz 
halben, nachmals vehstiglich verharren und berahen, und dan daneben 
auch uffs neue protestim, das sie den hem burgermeistem, durch 

^) Rauscher bezeichnet das Schreiben als der Doktoren letzte 
Antwort. Dasselbe ist von des schon lange und noch viele Jahre 
skater in Bathssachen thdtig gewesenen SchdppenscJvreibers Mag. 
Ludwig Truebs Handy wie auch diefriiher mitgetheilte alfe Schoppen- 
ordnu^g und die vorstehenden Schreiben unter Jf, 5, 4, 5 und 7, 
geschrieben. 



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122 Theodor Distel: 

die jnngst angemaste teylong, gantz nnd gar nichtSf so itztgemelten 
hem bnrgermeistern za vorteil, and ihnen den hem doctom nnd 
rechtsgelarten za nachteil ader beschwehmng eingerlei weiss ge- 
reichen k5nte ader m5chte, gestattet oder eingereumpt, aach off den 
fall, do man sich hinfort dergleichen teylongen understehen worde, 
toties qnoties, in futurum dowider zierlich und offentlich hiermit 
wollen protestirt und bedinget haben. 

Es feldt aber den hem verordenten doctoribns nnd rechtsgelarten 
des schOppenstuels (welche dan vor ihre persolmen, zn eini^em miss- 
verstande oder nachteiliger yorendemng des schdppenstnels jha so 
ungem, als die hem burgermeisterf orsach geben wolten) etwas 
befrembdlich far, das die hem bargermeister sich der angebotenen 
Torgleichnng nicht zuerinnem wissen wollen; do sie doch anfenglich 
aas eigenen bewegnns, and vor sich selbst zam hem seniora^ doctor 
Leonart Badehom, in seine behaassang gekommen and nut ihme 
doraas geredt, welcher es an die hern femer gelan^en lassen. Und 
wiewol man sich ihres heraach beschehnen schriftuchen farschlags 
wol zaerinnem weiss, so werden sich dennoch die hem bargermeister 
hinwider aach zaberichten wissen, das die verordente hem doctores 
and rechtgelarte des schOppenstnels sich alsbaldt doraoff aussdruck- 
lich Yomehmen lassen, das sie sich za bestellanfif der gericht hinfort 
nicht mehr gebranchen and also off solchen der hem bargermeistern 
gethanen fai^chlag nicht einlassen kOnten (wie sie dan aach nach- 
mals aas yielen rechtmessigen hochbedencklichen and notwendigen 
ursachen nicht thnen kOnnen) mit dissem anhang, do die hem 
bargermeister sich sanst in andere wege mit ihnen dergestalt za- 
Yorgleichen bedacht, das sie in dem schQppenstael nachmals, wie 
bissanhero geschehen, beysammen bleiben mochten, weren sie doranft 
solcher vorgleichang gewertigk, dohin sie sich dan nachmals hiermit 
thnen ercleren. Aas was arsachen aber solche vorgleichang domals 
nicht yor die handt genommen worden, sandem bissanhero ersitzen 
blieben, wissen sich die hem bargermeister, one einige erinnerong, 
am besten zaberichten. 

Es halten es aber die hem doctores and rechtsgelarte gentzlich 
darfnr, das wol mittel and wege kSnten getroffen werden, domit alle 
hendel tam yolnntariae qnam contentiosae jarisdictionis , nachmals 
wie bissanhero in der schOppenstabe bleiben and dnrch die hem 
doctores and rechtsgelerte, nachmals wie znvorn, yorrichtett werden, 
and also gar keine schedliche yorendemng ader zermttnng des 
schoppenstaels eryolgen mOchte, wan man sich recht, schiedtlich, 
and ^eandtlich in den handel schicken wolte. 

Das aber das schdppenampt dem bargermeisterampt nicht 
allein uber vorwehrte zeit, sundem aach yon anfangk des schiJppen- 
stals, and weit aber handert jhar, einyorleibt oder incorporirt sein 
solte, solchs kOnnen die hem doctores and rechtsp^elerten den hem 
bar^ermeistem nicht einreamen, sinthemahl sie diesse gewisse an- 
zweiffeliche nachrichtnng haben, das alle and ide schOppen, so offt 
sich eine sch9ppenstelle yorlediget, aas den dreien rethen, gekom 
and erwehlt werden sollen and massen. 

Das aber nahn etliche jharlang die hem bargermeister darzu 
gekom and erwehlet worden, ist aas der arsach geschehen, das 
gemelte hern bargermeister, dieselbe zeit aber, mehrers teils doctores 
and rechtsgelarten, and also auch one das dem schOppenstnel yer- 
wandt, and dan aach gemeiniglich zwene doctores im bargermeister- 
ampt gewehsen. Das nahn dieselben den dritten bargermeister, 80 



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Urkunden etc. 123 

keyn rechtsgelarter gewesen, aus gutwilligkeit ubertragen, doraus 
kau Oder magk keine gerechtigkeit gemacht noch erzwungen werden, 
zogeschweigen, das auch vor zeiten eine solche grosse stets weh- 
rende mnhe nnd arbeit, wie itzo, in der schQppenstabe nicht gewesen, 
das man also za solchem ubertragen tertii consulis laici damals auch 
desto be3ser und leichter kommen kQnnen, 

So ist droben auch albereit gemeldt, das die hem doctores und 
rechtsgelarten, keine trennung oder neuerung in dem 8ch5ppenstnel 
suchen, sundem yielmehr sich dohin aussdmckiich ercleren, das sie 
nicht ungeneigt, sich mit den hem burgermeistem uff die mittei 
und wege zuyergleichen, domit sie und £e hem burgermeister nach- 
mais wie zuvom in der schOppenstube beysammen, jha auch die 
schdppenstube selbst und ihre hendel aller dinge in ihrem alten und 
vorigen stande bleiben mugen. 

Das sie sich aber den gerichten, derer sie einsmals erlassen, 
widemmb nicht yerwant machen lassen kOnnen, in deme snchen sie 
keyne trennung noch neuerung, sundem thuen disfals allein das- 
jhenige, was ihnen rechtswegen gebuhrt. 

Wiewol aber auch einem adiuncto im schcJppenstuhl allererst 
vor wenigk jharen wOchentlich vier thaler gegeben worden (do 
doch zuYora ihrer wol drey ader vier adiuncti nicht mehr dan 
jherlich mihr einhundert thaler gehapt), so wirdt dennoch hinwider 
auch nicht unbillich bedacht, das nuhn etliche jharlangkhero zwene 
laici consules gewesen, welche die hem doctores und rechtsgelarte 
(in ansehunpf das sie ihnen in fassung der urteil und rechtsbelemungen 
nichts rftthlich noch behulfflich erscheinen mugen) mit ihrer schwehren 
grossen muheseligen, auch fort und fort wehrender arbeit beide 
ubertragen mussen, das also die beide hem burgermeister hinwider . 
nicht unbillich einen adjunctum gehalden, ob sie nuhn gleich den- 
selben in disser geschwinden teueren zeit etwas mehr, dan d^n 
vorigen adjunctis, wie nicht unbillich, gegeben, so ist dennoch dar- 
durch den andem hem doctoribus und rechtsgelarten disfals keine 
neue gutwilligkeit widerfahren noch einiger vorteil geschaftt worden. 

Femer seint auch die sachen itzo nicht mehr in vorigem stande, 
sinthemahl ihnen dasjhenige, was sie hiebevor vonwegen des rath- 
standts einzukommen gehapt, sfentzlich abgangen, und dogegen muhe 
und arbeit jhe longer jhe mehr und grosser wirdt, nuhn ist aber 
eine gemeine und gewisse rechtslehre: quod ea quae de novo emer- 
gunt, novo indigeant auxilio. 

Ob auch gleich der itzige neue adiunctus nach zur zeit mit 
hundert thalem friedlich, so gibt dennoch solchs den hem burger- 
meistem auch nichts zuschaffen, sinthemahl es die hem doctores 
und rechtsgeJerten mit gemeltem neuen adjunct© uif disse wege ge- 
handelt, und dan die ubrigen hundert thaler ihnen den herm doc- 
toribus und rechtsgelarten auch aus der ursach billich zu gute gehen, 
das sie dissen, so wol auch alle andere adjuncten, so zuvor sich 
des urteilstellens nicht gebraucht, und in den hendeln ungeubt, 
etliche zeitlangk mit vleiss abrichten, auch sunst desto mehr muhe 
und arbeit seinethalben haben, und ertragen mussen, darzu abermals 
die hem burgermeister nichts rathen nach helffen kt5nnen. 

Weiter folget auch gar nicht, die hem burgermeister haben 
sich erbotten, den hem doctoribus und rechtsgelarten, von raths und 
gerichtswegen , alles dasjhenige, so sie bissanhero gehapt, volgen 
zulassen, ergo kOnnen die vonwegen der beschehnen erlassung des 
rathstnels etc. sich nicht vorweigem^ dem [rath und gerichten ihr 



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124 Theodor Distel: 

rechtlich bedencken mitzuteiln, nach sich von den gerichten absnn- 
dem etc. Dan erstlich seint die hem doctores dadurch, das sie yom 
rathstande darch den chnrfursten zu Sachssen etc. and borggraffen 
zu Magdeburgk , unssern gnedigsten hern (der es dan als der lands- 
farst und hohe obrigkeit, auch one einige des raths, als der nnder- 
thanen, einwilligung, gar wol zuthuen gehapt), abgesundert (welchs 
ihnen dan gar nicht znwider), auch der gericht so dem rathstande 
anhengigk, in necessariam consequentiam, einmahl gentzlich erlassen, 
sinthemahl eine gemeine nnd gar gewisse lahr ist, quod sublato 
principali necessario corruat accessorium, quippe quod per se solum 
consistere nullo modo possit. Wie dan ferner auch unmuglich, das 
dasjhenige, so einmahl erloschen, durch das angezogene blosse erbiten, 
widerumb solte erweckt werden mugen, juxta illud: jus extinctum 
non reviviscit; item: a privatione ad habitum non datur regressus. 
Da aber die hern burgermeister oder ein erbar rath sich mit ihnen 
off billiche leidtliche wege vorgleichen wurden, weren sie uff den 
fall (wie hiebevor auch gemelt) einem erbarn rath und den gerichten 
ihr rathlich und rechtlich bedencken gutwilligk mitzuteiln, nachmals 
nicht ungeneigt. 

"Weil aber auch kurtz zuvom gesagt, und an ihme selbst nicht 
anders ist, dan das den hem doctom und rechtsgelarten die beschehne 
absonderang vom rathstande gantz und gar nicht zuentgegen, so 
kan und magk es auch diss ansehen nicht haben, als wolten sie 
hochgedachten chnrfursten zu Sachssen etc. und burggraffen zu 
Magdeburgk etc. unserm giiedigsten hern, oder auch dem rath zu 
trotz von den gerichten sich absundera, zufcirderst well sie, wie 
obgemeldt, solcher gericht hiebevor albereit erlassen. 

Jha, wan sich die hern doctores und rechtsgelarten, wideramb 
zu bestellung und vorsehung der gericht, dero sie einmahl erlassen, 
widerumb vermugen und gebrauchen liessen, uff den fall kdnte und 
mochte es bey hochgemeltem chnrfursten zu Sachssen etc. und burg- 
grafen zu Magdeburgk, unserm gnedigsten hem, diss ansehen nidit 
unbillich gewinnen, als gedechten sie sich, seiner churf. g. einmahl 
beschehener anordnung zuentgegen, dardurch in den rathstandt, als 
deme solche gerichte anhengigk, oblique saltem widerumb einzu- 
dringen. Weil sie aber solcher seiner churf. g. gnedigster anordnung 
underthenigst zugeleben und zugehorsamen willens und erbdthigk, 
so kan auch solcher angezogener verdacht wider sie nicht geschOpfPt 
werden. 

Weil aber auch die hern burgermeister und ein erbar rath viel 
hochgedachtes churfarsten zu Sachssen etc. unsers gnedigsten hem, 
nichts weniger, als die verordente hem doctores und rechtsgelarte 
des sch5ppenstuels, underthanen seint, so ist vernunffbiglich zu 
erachten, das obgemelte seine churf. g. als der hohen obrigkeit 
disfals beschehne gnedi^ste anordnung, auch one einige des raths 
bewilligung (als die disfals gar nicht vonnoten), crefftigk und 
bestendigk, juxta illud: Inferior non tollit legem superioris, item: 
Par in parem non habet imperium: nedum inferior vel subditus in 
superiorem. Derwegen dan auch die angezogene confirmation des 
raths also crefftigk nicht sein kann, das sie unserer gnedigsten hohen 
ordentlichen obrigkeit des chnrfursten zu Sachssen etc., unsers gne- 
digsten hern, angeschaffte ordnnng solte hintertreiben oder auffheben 
kdnnen. 

Das aber auch etwan die hem doctores und rechtsgelarte 
hiebevom eine lange zeit beim rath gestanden, solches hat seine 



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Urkunden etc. 125 

nrsach , sinthemahl sie zur selben zeit dem rath auch verwant ge- 
wesen und ihnen demnach aus erheischung ihres tragenden rathampts 
nicht anders gebuhren wollen. Disse meynung hats aber itziger zeit, 
do sie Toin rathstande, nnd also auch von den gerichten abgesundert, 
gantz und gar nicht, uhd heist derwegen nuhmer also: Diversa 
ratio reformat actum; item: Ciilpa est immiscere se rei vel officio 
ad se non pertinent!. 

Und wollen sich demnach verordente hern doctores und rechts- 
gelarten des schOppenstuels , gentzlich vorsehen, die hern burger- 
meister werden vielgemelte vorgleichung zu nachteil des schOppen- 
stuels und demselben anhengiger hendel lenger nicht aufifhalten 
nach vorschleiffen, und dan auch die verordente hem doctom und 
rechtsgelarte berurtes schCppenstuels, aus oberzalten und andern 
hiebevor deducirten bestendigen rechtmessigen hochbedencklichen 
ursachen, freundlich entschuldiget nehmen, das sie sich zu den 
gerichten, dero sie einsmals erlassen, zu ihrem selbst schimpff und 
unglimpfif, wider nmb vermugen und gebrauchen lassen solten, welch s 
dan (in ansehung, das sie mit solchen gerichten itziger zeit nicht 
mehr zuschaflfen haben) vor keine vorweigerung gehalten werden 
kan noch magk, derwegen sich dan auch keine weitleufftigkeit doraus 
zu befahren, sunderlich angesehen, weil die hem doctores und rechts- 
gelarte erbQttigk, sich mit den hern burgermeistem in gebuhrliche 
vorgleichung einzulassen, damit die schSppenstub und derselben 
hendel allenthalben in vorigem stande und wehsen vorbleiben mugen, 
und dan, got lob, im rathstuel viel geschickter und luglicher leute 
verhanden, mit denen, auch one hulff und zuthuen der hem doctom 
und rechtsgelarten, die gericht (wie dan dergleichen in vielen andem 
ansehelichen stedten durch gantz Deutschlandt geschicht) gar wol 
besatzt und bestalt werden mugen, 

Do aber die hern burgermeister oder auch ein erbar rath mit 
dissem der verordenten hem doctom und rechtsgelarten des schbjpen- 
stuels nicht allein billichen, sundern auch fast ubermessigen erbieten 
(des sen man sich zu ihnen keine swegs vorsehen kan noch wil) nicht 
ersettiget sein, sundern dessen ungeacht dissen handel an die hohe 
obrigkeit (dorinnen man ihnen dan nicht ziel noch mass zusetzen 
hat) gelangen lassen m&chten, so stehet man in der underthenigsten 
zuvorsicht, ihre churfurstliche gnaden, als ein hochl5blicher recht- 
liebender chur- und landsfurst, wurden uff denselben fall die recht- 
messige billigkeit darauff zuvorfiigen nicht underlassen. Do aber 
einige weitleuffigkeit doraus ervolgen wurde, so kOnten die hern 
doctom und rechtsgelarte mit guten reynen gewissen sagen und 
bezeugen, das sie darzu keine ursach gegeben. 

Welchs sie den hem burgermeistem zu gesuchter unvorzug- 
licher antwort, so baldt es ihnen unvorsehentlich furgefallener vor- 
hindemng halben muglich gewesen, freundlicher meynung nicht 
verhalten wollen. 

No. 11. 1574 Mai 22. 

Hartmann Pistoris an Rauscher. 

Original (eigenhdndig) ebenda fol. 84. 

Ehrenvhester hochweiser heiT burgermeister, besonder glinstiger 

lieber herr schwager undt gevatter. Es hatt es heutte die gelegen- 

heit nicht geben wollen, das ich der herren enttliche meinung auff 

E. hw. erclerang hette vernehmen mogen. Weil es aber nachmals 



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126 Theodor Distel: 

allein hierumb zu thun, ob die herren doctorn die furgeschlagene 
bestallung des sindicats halben annehmen oder aber lieber bei dem- 
jheningen wie es hiebevor gehalten worden bleiben woltten, so haltte 
ich es darfar, es werde dieser pnnet der anderen getroffenen ver- 
gleichung gar nicht abtreglich sein, sondem bey derselben, es ge- 
reiche gleich auflf einem oder den andern weg, nichtsdestoweniger 
bleiben. 1st allein an e. hochw. mein dienstliche bitt, sie wolle des 
verzugs keinen misfallen tragen und diese sachen mittlerweile zum 
besten wenden helfPen. Das umb E. hochw. zu verdienen bin ich 
iederzeit wiUig und gevlissen, wuntzsche derselben hiermit eine gutte 
nacht und zu der furstehenden reysen gllick, heil undt alle wohlfart. 
Den 22. Mai im 74. ^ , 

Hartman Pistoris 
zu Seusselitz. 

No. 12. [1574JuU12»). 

Bericht iiber die zivischen Rauscher und Pistoris gepflogenen Ver- 

handlungen, 

Konzept (von Rauschers Rand) ebenda fol. 56. 

"Wofern die herren doctores mith der session in den gerichten, 
darinnen ihnen irem anzeigen nach als von dem radtt abgesonderten 
personen zu siezen nichtt geburen will, vorschonett werden, welchs 
dann ein erbar radtt, wofern es bei dem churfursten zu Sachsen etc. 
unserem gnedigsten herren zu erhalten (darbei dan von radttswegen 
aller fleis angewant werden soil), auch kann gescheen lassen, so seind 
sie zu erhaltung freundlichs willens rhue und einikeitt, auch zu bei- 
legung alles eingerissenen misvorstandtts erbutig, dem radtt und 
den gerichten, aller massen wie bisher gescheen, in sachen, darinnen 
man ires rechtlichen bedenkens und erkendnis bedurffen wirdt, gut- 
willig zu raten und ir rechtlich bedenken zu erSflfenen. 

Unnd weil sie gleichwol in sachen den radtt unnd die gerichtt 
belangende vil muhe unnd zeitt uifwenden, unnd andere hendel hind- 
annen seczen musten, so geschehe ihnen auch darkegen nichtt un- 
billich eine ergeczung und achteten es dafur, weil sie nun mer 
sonsten vom radtt keinen zugang hetten, das idem der 'dreier herren 
doctoren jerlichen 40 f. und also alien zusammen 120 f. yon radtts- 
wegen gegeben werden solte. 

Dem nach auch der radtt jezigem zustande nach einen sindi- 
cum zu halten schwerlich umbgehen kunte, so weren sie erbutig, 
wofern ihnen der radtt zu obbemelten 120 f. eine zulage thun wurde, 
dem radtt an stadtteines sindici in alien hendeln, so dem radtt fur- 
fallen wurden, zu raten unnd zu dienen, und so dem radtt sachen 
farstissen, es were uff landtegen oder in andern handlungen, das 
mann einen rechtsgelerten vorschicken und brauchen muste, so solte 
der herren doctor einer schuldig sein, vonn radttswegen, neben an- 
dern radttspersonen , oder wie es die gelegenheitt geben muchte, 
sich uff solche tage oder handlungen prauchen zu lassen und dem 
radtt treulich beizustehen. 

Doch woUen sie ihnen furbehalten haben, wider den churfursten 
zu Sachsen und die universitet alhie nichtt zu dienen. 



^) Der Streit ruhte nach No. 11 fast zwei Monate, wenigstens 
finden sich keinerlei Schriftstucke aus der Folgezeit vor. 



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Urkondeu etc. 127 

Unnd ob ihnen wol hartt endkegen, dass der lehen, welche nun 
mer nber menschen gedenken beim scheppenstnl gewesen, do dannen 
iind fwr den radtt soltenn gezogen werden, mith farwendung das 
nicht alleine der scheppen antoritet, sondem auch das einkommeu 
geschwecht mid dardorch den scheppen nichtt geringer eingrifi' 
geschee, well ihnen aber darkegen allerlei zu gemnt gefnrt, waromb der 
radtt nnn mer, bei dieser voranderung, die lehen bei den scheppen zu 
lassen nichtt gestatten knnte, so haben sie endlich uff vielfaltige nnder- 
handlang dergestaltt darein gewilligett, das es ihnen nicht endkegen 
imd kunten gescheen lassen, das der radtt die lehen inn der radttstube 
reicheten, £eselben contract auch beim radtt eingeschriben warden. 

Der vorsichemng halben, welche nff henser oder andere guter 
gemachtt nnd vorschriben wirdtt, seind allerlei disputationes mrge- 
lanfen nnd daranif gangen, das dieselben auch beim radtt hetten 
gescheen mugen. 

Weil sie aber straks darauff beharrett, das solches actus judi- 
ciales weren, die fur richter und scheppen, wofern sie im rechten 
krefftig sein und nichtt disputirt oder darwider erkant werden solte, 
gescheen mnssen, so ist dieser artikel auch nff erklerung eines err 
bam radtts gesteltt worden. 

Und do mann dessen alien einig, solte aller unwill und mis- 
vorstandtt genzlichen uffj^ehoben und sonsten alle sachen im scheppen- 
stnl in Yorigen stand pleiben. 

Denn 19. Julii hat uff der rechtsgelerten im scheppenstnl begern 
mich berichtett, do sie das sindicat uff sich nehmen solten, das sie vierlei 
ausnehmen welten: erstlich wider m. gst. herm nicht zu dienen, 2. 
wider die universptjeten, 8. in hoffgerichtssachen, 4. uff landtegen etc. 

No. 13. [1574 JuUl. 

Endliche des radtts erklerung *<*). 
Konzept (von Rauschers Hand) ebenda foL 52. 

Ein erbar radtt will die scheppenstube mith holz, papier unnd 
dinten, inn massen bisher gescheen, yersehen. 

So ist auch der radtt erbutig, ann stadtt der 40 f., welche der 
herren doctor, einer jerlichen vonn wegen des radttstuls gehatt, nun 
mer dem rechttsgelerten im scheppenstul 50 f. zu geben. 

Dem oberscheppenschreiber sollen, wie hiebevom, jerlichen 47 f. 
3 g., desgleichen dem underscheppenschreiber de criminalibus 20 f. 
gefolgett werden. 

Darkegen sollen die herren doctores inn den gerichteu zu 
siezen gefreiett, aber doch schuldig seinn, wie es hiebevom gehalten, 
denn rtStt unnd den gerichtenn iderzeitt inn sachen, dorinnen mann 
derer bedenken bedarfP, iren radtt unweigerlichen mithzuteilen. Die 
lehen sollen vom radtt gegeben werden, desgleichen die vorpfend- 
ungen unndt vorsicherungen furm radtt gescheen. 

Denn 20.*') Julii hat sich her Hartmann Pistoris von wegen 
der rechtsgelerten im scheppenstul erklertt, ob es ihnen wol bedenk- 

^^) Diese Erklarung wurde nach Rauschers Vermerk (BL 
63 b cit) den Doktoren am 17, Juli durch den obersten Schreiber 
(Mag, ijudwig Trueb) zugestellt 

*■') Der Flatz, welchen dieser weitere Passus — bis „vorglichen 
sein'* — einnimmtf Idsst darauf schliessen, dass Rauscher das an 
der betr, Stelle noch unbeschrieben gewesene Papier benutzf hat 



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128 Theodor Distel: Urkunden etc. 

lich, dasjenige, was lange zeit beim scheppenstul gewesen, davon 
komen za lassen, well sie aber dem radtt hierinnen keine masse 
geben woUen, so stellen sie es ufs radtts vorantwnrtung, wollen sich 
aber vorsehen, was etwan die gemeinen accidentalia als der radtts 
vorehrungen anlangett, welche maun bisher ihnen gegeben, die wirde 
mann ihn nochmals folgen lassen, desgleichen das kabelhau'^), und 
demi scheppenschreiber die 10 f. hauszins, sonsten solte es laut ob- 
bemelter artikel gebalten werden. 

Dorauff ich gesagtt, das die accidentalia ihnen wie hiebeYorH 
solten geben werden, das heu aber knnte ihnen nicht gefolgtt werden, 
weil es unter die 12 radttspersonen muste geteilt werden; die 10 f. 
hanszins solte der scheppenschreiber auch haben; nnd hierdnrch dieser 
handel genzlich vorglichen sein. 

Do die rechts^elerten im scheppenstul sich vorpfiichten werden, 
das sindicat uif sich zn nehmen unud dem radtt inn rechtt nnnd 
andern furfallenden sachen, darinnen mann irer bedurffen wnrde, inn 
Oder ansserhalb der stadtt, desgleichen off landtegen zu dienen nnnd 
beistand zn leisten, so soUenn ihnen wegen des sindicats jerlichen 
150 f. unnd do der herr senior doctor Badehorn, den gott gnediglich 
lang erhalten wolle, mith tode abgehen wurde, die 50 f., welche ime 
bisanher und noch vonn dem sindicat gereichtt, auch gegeben werden. 

Signatum 16. Julii ao. 74. 

Hierauff haben sich die herren durch hem Hartman Pistoris 
erklertt, das sie das sindicat obangezeigter massen uff sich nehmen 
woUten, doch mith dem beding und vorbehaltt, das sie erstlich wider 
unsern genedigsten herm, zum andern wider die universitet, zum 
dritten in sachen, so furs hoffgericht gehorn, zum virten uff land- 
tegen dem radtt nicht dienen kunten. 

Weil aber der radtt merenteils umb der lezten dreier artikel 
willen eines sindici ben5tigett, so ist hem Hartman Pistoris diese 
antwortt geben, das der radtt, so vil das sindicat anlangett, die 
herren scheppen domith vorschonen und noch ein zeitlang zusehen 
und mittler weil bedenken wolten, wie dasselb zu bestellen sein muchte. 

Domith dan die herrn doctores auch wol zufriden gewesen. 



28) Gabelheu. 



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Archivalische Beitrage zur Eeformations- 
geschichte der Stadt Freiberg (1525—1528). 

Von 

Habert Ermisch. 



Den friiher an dieser Stelle veroffentlichten Mit- 
theilungen aus der Reformationsgeschichte der Stadt 
Freiberg^) fiige ich Uer einige bisher unbekannt ge- 
bliebene Schriftstiicke bei, auf welche meine Arbeiten 
flir das TJrkundenbucli der Stadt micli aufmerksam ge- 
macht haben. Sie sind grosstentheils dem Freiberger 
Rathsarchive entnommen und stammen aus einer Zeit, 
in welcher Herzog Heinrich, veranlasst tlieils durch seine 
Stellung zu seinem Bruder Herzog Georg, theils durcli 
die Bauernkriege, der neuen Lehre niit mehr Eifer ent- 
gegentrat, als es seiner Uberzeugung und seinem Cha- 
rakter entsprach^). 

Zur Geschichte des Bauernkrieges selbst, der Freiberg 
nicht unmittelbar beriihrt hat, war eine Ausbeute ini 
Rathsarchiv daselbst nicht zu erwarten. Ein Aufgebot 
gegen die Bauern vom 26. April 1525 wud von MoUer^) 
erwahnt. Ausserdem fand ich nur noch den als No. 1 
mitgetheilten Befehl des Herzogs Heinrich vom 9. Mai 1525, 
der gleichlautend wohl auch an andere gerichtet worden ist. 



^) Vergl. meine Aufsfttze: „Herzogin Ursula von MUnsterberg;" 
und ,Die Briefe Valentin Elners**, in dieser Zeitschr. Ill, 290 flg. 
V, 321 fig. 

2) Vergl. diese Zeitschrift V, 327. 

8) Poller, Theatr. Freiberg, chron. II, 182. 



Neues Archiv f. S. G. u. A. VIII. 1. 2. 9 

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130 Hubert Ermisch: 

Wie unruMg die dem Bauernkriege folgenden Monate 
waren, davon legt das Verbot des Waffentragens, welches 
der Herzog am 5. Juli 1525 erliess (No. 2), einberedtesZeug- 
nis ab. Vor allem wandte sich die aufgeregte Volksstimm- 
ung gegen die Vertreter der alten Lehre. Bekanntist, dass 
am 28. Juni 1525 ein Befehl des Herzogs an den Kath 
erging, in welchem die Beschimpfung und Belastigung 
der Prediger zu S. Peter und S. Nikolaus sowie anderer 
Priester emstlich untersagt wurde^). Dass dieser Befehl 
nicht besonders wirksam war, ergiebt sich schon aus 
einem zweiten ahnlichen Inhalts vom 12. Mai 1526, dessen 
Wortlaut librigens klar andeutet, dass ein Druck von 
aussen her die Hauptursache von Heinrichs Verhalten 
war (No. 3). Eine um dieselbe Zeit einlaufende Be- 
schwerde (No. 4) des Domherrn und Pfarrers zu S. Niko- 
laus, Keinfried Gross ^), hatte einen weiteren Befehl an 
den Rath vom 31. Mai 1526 zur Folge (No. 5), der 
in allgemeinerer Form am 8. November 1526 wiederholt 
wurde®). 

In der Peterskirche, wo bereits 1524 das Auftreten 
Sebastian Ktichenmeisters zu argerlichen Auftritten ge- 
fuhrt hatte'), erregte im Anfange des folgenden Jahres 
der Magister Joh. Mliller^) durch eine Predigt liber die 
Jugenderziehung, in welcher er sehr personlich geworden 
zu sein scheint, allgemeinen Unwillen; gegen die ihm 
drohenden Angriffe rief er den Beistand des Herzogs an, 
was diesen veranlasste, dem Rathe in einem Schreiben 
vom 18. Januar 1527 emstlich den Schutz des gefahrdeten 
Priesters ans Herz zu legen, allerdings in einer Form, 
die erkennen IsLsst, dass er das Verhalten desselben nicht 
durchweg billigte (No. 6). 

Einen drastischen Beweis, wie feindselig die Ein- 
wohnerschaft der Stadt der alten Lehre gegeniiberstand, 
gab das Fronleichnamsfest des Jahres 1527. Die 
Innungen weigerten sich, mit ihren Fahnen und Lichtem 
mit umzuziehen; statt dessen fanden in den Bier- und 

*) Vergl. diese Zeitschrift V, 327. 

^) Vergl. Tiber ihn M oiler a. a. 0. 1, 211. Gross starb librigens 
nicht 1533, wie hier angegeben wird, sondern lebte noch 1535, vergl. 
Cod. dipl. II, 12, 626 Z 27 (H.-St.-A. Cop. 96 fol. 56). 

®) Moller a. a. 0. I, 215. Das Original babe icb nicht auf- 
znfinden vermocht. 

') Vergl. diese Zeitschrift V, 325. 

®) Vergl. uber seine AnsteUung 1626 Cod. dipl. Sax. reg. II, 
12, 618; dazu MSller a. a. 0. I, 210. 



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Archivalische Beitrage zur Reformationsgeschichte etc. 131 

Weinhausern Gelage statt, bei denen gotteslasterliche 
Spottlieder erschoUen. Damals scheint nicht dagegen 
eingeschritten worden zu sein. Efst im folgenden Jahre 
sah sich Herzog Heinricli zu mehreren Erlassen bewogen, 
die dem Verfalle des kirchlichen Lebens steuern sollten. 
So wandte er sich in einer Verordnung vom 16. Januar 1528 
gegen die Entheiligung der Festtage, die Verletzung der 
kirchlichen Fastengebote, den geringen Besuch der Messe 
und die frevelhaften Reden, die man auf der Gasse und 
in den Schenken vernehmen konnte (No. 7). Ein weiterer 
Erlass vom 7. Juni 1528 bezweckte die Vermeidung von 
Auftritten, wie sie im vorhergehenden Jahre bei der 
Fronleichnamsprozession stattgefunden (No. 8) ; am selben 
Tage erfolgte eine Verordnung, die sich hauptsachlich 
gegen die saumige Entrichtung der den GeistUchen ge- 
biihrenden Opfer wandte (No. 9). Wie wenig die letztere 
gewirkt hat, geht daraus hervor, dass wenige Monate 
spater, am 30. Oktober 1528, eine neue Verordnung 
ahnlichen Inhalts erging (No. 10). 

Wenn wir diese theilweise doch recht scharfen 
Befehle durchlesen, so mtissen wir unwillktirlich einer 
Ausserung gedenken, die Freydiger dem Herzog Hein- 
rich in den Mund legt: er wolle lieber alles thun als 
schreiben^). Aus den meisten von ihnen spricht nicht 
sein Geist, sondern der seiner Rathe, die der Reforma- 
tion feindselig gegen liberstanden^^). Sie mogen eben 
deswegen bei Weitem nicht so streng gehandhabt worden 
sein, als sie lauteten; trotz ihrer machte die evangelische 
Lehre taglich Fortschritte in Freiberg, und als der 
Herzog 1537 offen zu derselben tibertrat, mochte die 
alte Kirche ausserhalb der Kloster nur noch wenig 
Anhanger zahlen. 



No. 1. (1525 Mai 9.) 

Nach dem Original im Bathsarchiv zii Freiberg. 

Von gots genaden Hainrich hertzoge zu Sachssenn 2C. 

Lieben getrawen. Euch ist unvorporgen, wie sich manch- 
felti^e entporunge und uffrur erheben. Wan wir dan nit wissen, 
wohin sich dieselbigen lenden (sic) und richten wollen, wil uns 
gebueren, unser thun in gutter achtung, wie ir zum teyl wisset, zu 
halttenn. Derwegen begeren wir an euch, ir woUet enere leutte, 



^) Vergl. G^laf ey , Kern der Geschichte des Hauses Sachsen 121. 
^•>) VergL diese Zeitschrift V, 323 fig. 



9* 

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132 Hubert Ermisch: 

so viel ir derselbigen von uns zu lehen innehabt, n£fs forderlichste 
mOsternn lassenn und gntte nffmergkunge furwenden^ das sie mit 
harnasch und were, wie ir und sie uns in der volge dinste zu dienen 
vorpflichtet genist und geschigkt sein, zu tage und nacht in solcher 
bereytschafft sitzenn uns uff unser erfordem gepurlichen gehorsam 
zu geleisten. Doran beschiedt zusampt der pilligkeyt unnger gentz- 
liche maynunge. Geben zu Freybergk dinstags noch jubilate anno 
domini jc. XXV». 

No. 2. (1525 Jnll 5.) 

Nach dem Original ebenda. 

Von gots gnaden Heinrich hertzoge zw Sachssenn :c. 

Liebenn getmwen. Nachdeme inn diesenn leufPten bin und 
wider fast uflfrurigk sich ertzeiget und vill sich mit den buchssen 
und armbrosten ane hindemiB getragen, so hat der hochgepome 
furste her George hertzog zw Sachssen 2C. unser freuntlicher lieber 
bruder und gefatter in rath fruchtparlich befundenn dieselbigenn 
weren in seiner lieb furstenthumb zu vorbitten. Weyll wir dan 
seiner lieb meynunge vor nutzlich und guth ansehen, will uns 
getzymen, das wir uns inn deme auch mit seiner lieb vorgleichen. 
1st demnach unser bdgern, das ir ewern underthanen von unsernt- 
wegen ansaget und gebiettet sich der buchssen und armbrost ge- 
brauchunge, auBgeschlossen was sich zum zcyel zu schiessen aber uff 
offentliche schieBhofe ader das unser diustliche volge erfordert unnd 
zuchet, gentzlich zu enthalten. Ap aber ymandts daruber mit solcher 
vorbothner were befunden, die woUet inen zu nhemen und sie nach 
gelegenheit der ubertrettung zu straffen vorfugenn. Euch also und 
nicht anders haltet. Darum beschiedt unser gentzliche gefellige 
meynung. Geben zw Freybergk mithwochs nach visitacionis Marie 
anno jc. XXV^. 

No. 3. (1526 Mai 12.) 

Nach dem Original ebenda. 

Von gots genaden Hainrich hertzoge zu Sachssen — . 

Lieben getrawen. Vorlauffener zeyt haben wir euch zu meher- 
malen befolen gutte nffmergkunge zu haben, das wider ordenunge 
der heylligen cristlichen kirchen alhier in unser stadt Freybergk 
kein newkeyt, sonderlichen gottes unnd seiner auBerweltten lieben 
heiUigen ehererbiettunge, auch christliche und thugentliche anwey- 
sunge und erhalttunge armer einfeltiger leutte betreffende eingefhuret 
werde, auch insonderheit derselbigen ^eistlichen und weltlichen 
dienern, pfarhem, capplanen und andern ire gewonliche opffergebure 
und schuldige zinse unwegerlichen zu vorrichten. Wir kommen aber 
in glaubwirdige erfharunge, das solch unser befhelich zu vil uber- 
gangen. Weyl wir uns dan der ordentlichen Oberkeyt gehorsam zu 
geleisten schuldigk erkennen, gelanget ahn euch zum ubei-fluB unser 
emstlichs begeren, ir wollet unser stadt einwoner alhier in vor- 
samlunge voriger und itziger unser befhelich offentlich erinnem und 
inen gebietten eynicherley newkeyt wider ordenunge christlicher 
kirchen nicht vortzunhemen bey vormeydunge schwerer straff leibs 
und gutts. Und ap wir zu viel gedult biB anheir getragen, wyl uns 
forder ane merglichenn nachteyl solchs nicht getzymen. Darumb 
sich darauff gar nit haben zu vorlassen mit vorwarunge, wan wir 
nit straffen wurden, mochten inen kurtzlichen dennoch gepurliche 



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Arcliivalische Beitrage zur Reformationsgeschichte etc. 133 

abwendunge irer vorhandelungen begegnen. Das wolten wir gnediger 
wolinaynunge anch woenach zu richten nicht pergen. Geben zu 
Freybergk sonnabents noch der hymelfart Christi anno domini 2C. 
XVc sechs und tzwantzigsten jare. 

Aufschrift an den Math zu Freiberg. 

No. 4. (1526 Tor Mai 31.) 

Nach dem Original ebenda. 

Durchlauchter hochgeborner furst. gnediger herr. 

— — — Siuttmols ich von e. f. g. auB gestrackttem und 
ernstem befelhe gegeben (wie wohl mir gantz schwerlichen und 
meynes alters auch leiplicher sterck) liinfurt unmoglichen dy pfarre 
zcu s. Niclaus zcn regiren widder ein zceit anzcunehmen, wellichs 
ich mich gnediges gehorsam biB anher gehaldenn und vill auch 
mancherley derhalben erduldet und erlyden, wie den offentlich am 
tage und unnothen alle stuck zcw erczelen, adder inn besunderheit 
geb ich e. f. g. clagen will zu vonnelden undirthenig etzlicher ge- 
brechen, so sich ereygen inn der kirchen zcu s. Xiclaus. an wellichenn 
sich das volck wochlichen groB ergeit, als der geczeitten unBir lieben 
frawen, ouch der messen gottlichen ampts, dann die eylendt und 
schnell auch vorsewmlichen gehalden werden, und kommen doher, 
das die vorstehir des altars sich nicht halden lauts der confirmation, 
das man das ministerinm beute virginis keynem leyhen sail, er sey 
denn priester adder uffs wenigste inn eyn jar priester werden sail. 
Solchs iczt ubergangen und ungehalden wirt, besundem mitt myttling 
bestellet, ouch personen coralen und priestern auffnemen an meynen 
bewuhst, das sie ouch andern befell haben von e. f. g. rethe, dodurch 
die personen wenig und gar nichtes uff eynen pfarrer geben und 
aUes noch yrem gefallen machen. Sie stehen auch inn den gestulenn 
priester und chorales ane chorrocke und zcirheitt, wie sich denne 
geburt zcu haben. Auch seint die zcinBe des predigstuls lautt der 
confirmation biBher noch nicht angezcei^ noch die brieff uberanttwert 
inn gewieBe vorwahrung zcu legen, wie woll mir von ynen viell- 
mals zcugesaget aber nicht gescheen. Dieweill es dann eyn nawe 
stifftung des predigstuls ist zcu der ere gottes und seligkeit der 
menschen auffgericht und nicht widder fallen mocht adder abenehmen, 
dodurch togentliche prediger nicht erhalten werden mochten und das 
wort gottis nicht geprediget,^ hat e. f. g. woll zcu bedencken, was 
guttis hirauB erwachBen wurdet. Ist derwegen an e. f. g. meyne 
gantz unttirtenig bitt, e. f. g. als ein cristlicher furst woUen gne- 
digliche eynsehung solche beschwerung wie angeczeiget behertzen 
und vorschaffen gewandelt zcu werden, domitt die ere und dinste 
gottis loblichen mogen erhalden werden. Das will ich umb e. f. g. 
langes lebenn und gluckselige regirung gegen got zcu vorbittenn 
und willigen gehorsam diensten allezceit geflissen sein zu vordynen. 

E. f. g. undirteniger capplan 

Reffridus GroB magister 
pfarrer zcu s. Nicolaus. 

No. 5, (1526 Mai 31.) 

Nach dem Original ebenda. 
Von gots genaden Hainrich hertzoge zu Sachssenn 2C. 
Lieben getrawen. Was befheliche wir euch hievor die christen- 
liche ordenunge belangende gegeben und sonderliche gutte uffmerg- 



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134 Hubert Ermisch: 

kunge zu haben, das die fjotlichen ampter und dinste in uuser stadt 
alhier getreulich nnd vleissigk gehaltten werden gottes zoni und 
auch andere fharligkeyt, so ane das uiis unnd unseni underthanen 
thut drawen, zu vorhutten, seindt ir untzweyffelich wol eingedengk, 
gentzlicher vorlossunge, ir werdet euch darynnen schuldiges gehor- 
samen vleisses entzeigen und haltten. Deme also nocb gelanget 
unser begem an euch, ir wollet uff hierin vorwartte supplicacion 
mit den vorstehem und kirchenvettem zu sant Nigklas, so diB be- 
lauget, vorfagen und geburlichs einsehen furwenden, uff das die 
gSttlichen dinst unnd ampter nicht mit mytlingenn, sonder in aller 
massen und gestalt, wie die erstift'tet und bestettiget, mit ordenlicher 
herligkeyt und ehererbiettunge gottes und seiner ausserweltten 
unverpruehlich gehaltten und sonderlich dem prediger gewisse zinse 
angetzeiget, auch die priester und chorales also auffgenhomen werden, 
das sie sich kegen dem pfarheni, so wir dohin bestellet, zimlichs 
gehorsams beweysen, uff das wir ferner einsehens sie auch gebur- 
licher vorwirgkter straffe mogen vorschonet bleiben. Doran geschiet 
unser gefellge maynuuge. Geben zu Frevberg am tage corporis 
Christi an XXVP. 

Aiifschrift an den Bath zu Freiberg, 

No. 6. (1527 Jannar 18.) 

Nach dem Original ebenda. 

Von gots genaden Hainrich hertzoge zu Sachssen. 

Lieben getrawen. Es hat der wirdige unser lieber andechtiger 
und vorordentter pfarrher alhier zu sant Peter etzliche beschwerunge, 
die ime seins achtens unvorschuldet und wider die billigkeyt be- 
gegnet, ahn uns clagende pracht. wie ir inhalts zu vornenien. Die- 
weylle demie gemeltter pfarher die wort, der sich etzliche junge 
leutte angenhomen, niemande zu vonmrechtunge , sondern alleine 
die eltem zu togenthafftiger zucht irer kinder und die jogent zu 
abschawen von bOsen handeln und untogent zu bewegen uff' der 
cancell geredt, auch dartzu erbottig, ap inen imandt daruber an- 
sprechen wolte, mit demselbigen vortzukomenn und unser Aveysunge 
darinnen zu gewartteu, ist unser begereu, das ir obbenantten unsern 
vorordentten pfarhem kegen menniglichen vor gewalt und unrecht 
getrewlich und vleissigk (wie ir aufi vorwantter pflicht schuldigk) 
hanthabet und schutzet, auch der gemein solchen unsern befhelich 
antzeigt mit vermeldunge, das wir inen alien und einem iden be- 
sondern zu iren zuspruchen. so sie wider den pfarhern mit guttem 
grunde gehaben mogen, uff' ir ansuchen vorbeschiedt unnd notturftige 
vorhore gestatten und alle rechtliche billigkeyt darinnen pflegen 
woUen. Wirt aber imandes daruber seinen ubennut uben, des sal 
er rechtlicher straffe bey uns nicht mangeln. Darnach sich zu richten 
habenn. Geben zu Freyberg freytags noch Anthonii an XXVII. 

No. 7. (1528 Jannar 16.) 

Nach dem Original ebenda. 

Von gots genaden Hainrich hertzoge zu Sachssenn ic. 

Lieben getrawen. Wir haben euch unsere haymlichen rethe 
lieben getrawen und andechtigenn hem Rudolffen von Bunaw ritter 
hoffmeister und Georgen von Rotschitz, oantzlern antzeigen lossen, 



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Archivalische Beitrage zur Reformationsgeschichte etc. 135 

das ims vorkommen, wie etzliche unsere underthaue alhier zu Frey- 
bergk sich untterfangen die fest und feyerlichen tage gottes und 
seiner lieben heilligenn, die von der cristenlichen kirclien Torordent 
nnd auBgesatzt, mit handtarbeyt nnnd allerley hanttironge mutwilUgk 
und ane noth zu vorbrechen, desgleichen an vorbottenen tagen fleisch 
zu essenn ic, mit befhehel, solchs bey vermeydunge unser ungenade 
abtzuschaffen und die vorbrecher zu straffen. Darauff una heutte 
dato euer antwort diB vormogens einkommen, das ir dovon nit wissen 
tniget und euers vormuttens mochte sich das bey etzlichen vielleicht 
darans georaacht haben, das die prediger die heiliigen und fasttage 
uif den cantzien nicht vorkundigen und das gemeine volgk, weB sichs 
hierinne zu haltten, nit underweisen. Lassen wir dieselb euer ant- 
wert ahn iren wirden k. Wann unns denne daruber och vorge- 
tragenn, das viel unser underthanen alhier die amptter des gotlichen 
worts und heiliigen messen, daiinnen der weg der seligkeyt gelemet, 
das ley den Chnsti und unser erlSesunge betrachtet, auch andere 
heylbare unnd heillige sacrament vorachten, got und seine ausser- 
weltten lieben heilligenn mit gar vielen untzimlichen scheltwortten 
fluchen und schweren offentlich uff der gassen in bier- und wein- 
heusem schmehelichen lestern imd viel andere untugent und boBheit 
ubenn, also das es christenlichen hertzen wer schmertzlich zu erfaren, 
dan auB solchen suntlichen und schentlichen begynnen unns und 
auch unsern underthanen von dem almechtigen gote und auch von 
unser ordentlichen pbrigkeyt mergkliche grosse unvorwintliche be- 
schwerunge und nochteyl befarlich erwachssen und zufallen mochtenn, 
des wir euch auB gnediger wolmaynunge vorwamet, und ist der- 
halben nochmaln unnser begem, das ir mittelst euer pflicht, domit 
ir uns vorwandt, gutten vleis und sorgfeldigkeyt furwendet, uff das 
alhier wider gestaltte ordenunge gantzer cristenlicher kirchen und 
samlunge keine nawykeyt fuergenhomen, eingefhuret nach vorstattet 
und wider diejhenigenn, so sich einicherley newerunge widder ge- 
meltte christenliche ordenunge understehen, mit geburlicher straffe 
vorfaren werde, wie wir uns zu euch gentzlich verlossen. Woe ir 
aber darinne seumig befundeu, werden wir georsacht, uff geburliche 
wege darkegen dermossen zu trachten, darauB zu vormergken, das 
una solch begynnen als einem cristenlichen fursten nit leidlich und 
doran keinen gefallen tragen. Wolten wir euch in gnaden darnach 
zu richten nit pergen. Gebeu zu Freyberg dornstags Marcelli 
anno k. XXVIIF. 

Aufschrift an den Rath zu Freiberg. 

]No. 8. (1528 Jnni 7.) 

Nach dem Original ebenda. Das Konzept im Hauptstaatsarchiv 
zu Dresden (Cop, 95 fol. 16 b.) 

Von gots gnaden Hainrich hertzogk zu Sachssemi 2C. 

Lieben getrawen. Wir seindt in glawbwirdigk erfaininge 
kommen, das ytzo vor einem jare etzliche zwnffte und handtwerge 
uff den hailigen fronleichnams tage unsers schSppfers und erlosers 
Jhesu Christi nach althergebrachtter ordenlichn christlicher und 
lablicher ubuiige und gewonheit mit iren lichtten und kertzen vor- 
echtlich nit umbgangen, ouch etzliche in bier- unnd weinhewsern 
sich uber die massen gefilllet, unzuchtige gesenge, geschrey und 
schimpffliche geberde gebraucht habeii, alles za schmeelicher vor- 



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i;-56 Hubert Ermisch: 

aclittunge gots des almechtigenn, dodurch sein g5tlir.her zoni sorg- 
lichen erregett. Welchs unB al6 einem christenlichen fiirsten zw- 
zwsehen und zu vorstatten gar nit gezimpt, tragen dorap ouch nicht 
unbillich sonderlichs vordriBliclis misfallenn. Derhalben wir erust- 
lich begerenn, ir woldett mit allenn zunfften und .handtwergem vor- 
schaffenn, wan die procession mit dem hayligen fronleichnam unsers 
herren Jhesu Christi gehaltten, das sie sich mit iren kertzen, lichtten 
und^fanen in christlicher ubunge in stillem fridsamen wandell mit 
schuldiger erherbiettunge gote danckbar erzaigen, domeben vor 
alles, das in der gantzen christnhait und im hailigen Romisclien 
reiche von notten und sonderlich umb gnedigenn friden und einickait 
von dem almechtigen getrewlich bitten helifen^ und darneben zu 
vorftlgen, das binnen zeit der gotlichn amptter und untter der ge- 
meltten procession in bir- und weinschenokenhewsern keine zeche 
gehalttenn werde. Ap aber imands wider solchs unser gebott mit 
schimpfflicbn ader spotlichen geberden in wortten ader wercken sich 
einzwlossen understwnde, das der ader die sich unzimlichen mwt- 
wiilens untterfingen zw gefencknis bracht und ane gebtirliche straffe 
der ordenlichen rechte naeh gelegenhait eins itzlichen vorbreehunge 
dorauB nit gelossen ader uns zwgestalt werdenn. Das alfio und 
nicht anders bey vorhuttunge unser ungnade halttett. Dorahn ge- 
schidt unser gentzliche meinunge. Geben zw Freibergk sontags der 
hailigenn dreyfalttickait anno domini ic. XXVIII. 



No. 9. (1528 Juni 7.) 

Nach demKonzept im Hauptstaatsarchiv zu Dresden (Cop. 95 fol.l7). 

Biirgermeister und rathe zw Freybergk. 

Lieben getrawen. UnB ist manchfeltig vorbracht, das unBer 
underthane alhier zw Freybergk arm und reich denn pfarhern und 
seelwarttern ir schuldig opffer vormessenlich vorhalten, daraus er- 
volget, daB wir die pfarlehen, so uns von dem wolwirdigen capittel 
Unser Lieben Frawen stiiftkirchen unsern lieben andechtigen auff- 
gelossen, mit tiiglichen seelwertern nicht mochten vorsorgen^ und 
also alle gancze ader halbe jare nawe pfarrer suchen musten, 
welchs dem armen einfeltigen volke zw abbruch christenlicher under- 
weisung und nicht kleiner beschwemng irer selen gereichen wurde 2c. 
Dieweil danne sulch opffer von gotlijchen und menschlichen rechten 
den pfarhern und seelwarttern gebui'et, haben wir euch zw mehr- 
malen befolen entrichtunge desselbigen inen zu verschaffen, wie wir 
uns darauff und das ir euch darinne schuldigs gehorsams vorhalten 
soltet genczlich vorlossen. Weil wir aber, das es von euch unacht- 
sam iibergangen, befunden, habt ir zw bedencken, was gutts gefallens 
wir darop tragen mogen. Derhalben wir begeren, das ir in einer 
iden pfarren von eins itzlichen wirttes und hauBgesindes personen, 
die in czehen jaren und daruber seindt, ein eigentlich vorzceichnus 
machen losset und sulchs in unser canczlei forderlich liberreichet. 
AlBdanne wollen wir mit czeittigem rathe darauff trachten, das die 
schuldigen opfferpfennige einkommen und die pfarher und seelwertter, 
der wir zw forderunge unser und der unsern selikeit nicht entperen 
konnen, mogen erhaltten werden. Und ist sulchs unser entliche 
meynung. Datum ut supra HFreybergk sontags der heyligen drey- 
faltikeit anno domini K. XXTIIP]. 



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Archiyalische Beitrage zm* Eeformationsgescliichte etc. 137 

>o. 10. (1528 Oktober 30.) 

Nach dem Konzept ebenda (fol. oSh.) 

Burgenneister und rathe zw Freibergk. 

Lieben getrawen. Die Roinische keyserliche majestet uiiser 
allergenedigister her re hat in vorgeheiiden jaren alien und itzlidien 
geistlichen und werntlicben fursteu und stenden des heiligen reichs 
durch offentliche orer keyserlichen majestet edict und gebotsbriefle 
bey verhtittunBf orer majt. ungnade, entsetzung aller eren, wirden, 
stands, regalien und privilegien, so sie und ein itzlicher in sonderheit 
vom heiligen reich entpfangon und zu erkennen schuldiif, auch vor- 
meidung anderer straffen in den heiligen rechten und itzogedachter 
keyserlicher majt. brifflicher ankundigung begriffen und auBgedruckt 
seindt, emstlichen geboten, in iren fiirstenthumhen, landen, obirkeiten 
und herschafften keine newikeyth, die von gemeiner christenlichen 
kirchen nicht approbirt, zwzwlassen, ahnzunehmon adder zu vorstaten, 
sondern sich der gemeinen christeuheit bestetigten und bewereten 
ordenung in underthenigeni gehorsam zu vorhalten, bis so lange 
durch ein gemeins christlich concilium, des wir uns kurczlich vor- 
trosten und teglich des ausschroibcns gewartten, zimliche anderunge 
der misbreuche halben gemachet. Weil dan sulches gebot uns als 
einen fursten und glydt des heiligen reichs mitte belanget, haben 
wir euch und andeni unsern underthanen dieselbigen keyserlichen 
mandat durch unserer rethe an sage und auch vilfeltige schriffte 
publiciren und anzeigen lassen. wie ir euch defi wohl werdet erinnern 
und der unwissenschaft mit nichte entschuldigen mogen k. So nue 
zw meher maheln uns clagen vorkommen, das sich etzliche in vor- 
achtung irer pflicht und auB mutwilligem ungehorsam viler newikeit 
alhier vleissigen und den sehehvartten ire schuldige gerechtikeit und 
besondem uff die hochsten festa und feyertage die oppfferpfennige 
nicht reichen ic, ouch solche vorenthaltung den gotlichen geboten 
und weltlichen rechien entkegen, darop von gote und weltlicher 
obirkeit beschwerliche straffe und nachteyl zw befliaren, ist unser 
genczlichs begeren, das ir arm und reich alhier in gemeine uff 
morgen sonnabend vorsamlet, inen alien semptli^h und sonderlich 
von unsertwegen ernstlich gebietet keyserlicher majt und unsera 
geboten vorpflichten gehorsam zw geleisten, kein newkeit zw suchen 
noch einzufliren und ein itzlicher hauBwirt vor sich, seine kinder 
und hauBgesinde, die binnen czehen jaren alt und inen der heiligen 
sacrament als christen menschen zw gebrauchen geburet, den pfarhern 
uff zwkunfftigen allerheiligenfest und oppfertag vor ide person einen 
gutten nawen czinspfennig Sechsischer gangkhafftiger alhier vor- 
ord enter furstenmiintze uff dye altaria adder den pfarhern in ore 
behausung reichen und entrichten, sulchs nit anders halten, und das 
diB also geschee euer voyth und diener nach gestaltem vorczeichnusse 
uftmerkunge haben lossendt, wie wir ahne das och zw bestellen 
bedacht, und welcher darahn seumig, der sail hernach das oppfer 
seinem pfarheni tzweifach zalen und unser zimliche straffe nicht 
entgehen. Sich darnach wissen zu richten. Datum freytags nach 
Simonis Jude ao. XXVIII. 



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V. 

Kleinere Mittheilungen. 

1. Handschriftliches znr Genealogie der Wettiner. 

Von L. Weilaiid. 

Die nachfolgenden Notizen habe ich vor Jahren 
aus der Handschrift der Dresdener Bibliothek J 53 ab- 
geschrieben, welche frtiher Liher hibliothecae Oscha- 
ciensis war, also woM dem Barftisserkonvent in Oschatz 
gehorte^). Diejenigen unter I. stehen auf der Kiickseite 
des Vorsetzblattes, die unter 11. fiillen den freien Raum 
liinter der Vorrede des Martin von Troppau aiif fol. 1. 
Die Einzeichnungen waren sehr verblasst und schwer zu 
entziffern, wenn ich mich recht entsinne, nur durch An- 
wendung von Chemikalien, und nicht alles wurde heraus- 
gebracht. Ob die beiden Theile von verschiedenen Schrei- 
bem herruhren, habe ich nicht angemerkt; nach dem 
Inhalte scheint es aber fast so. Ob bei dem ersten 
Theile die Schreiberverse das Jahr der Eintragung der 
ersten Halfte, 1357, bezeichnen, ist zweifelhaft. Heisst 
in der zweiten Hsllfte der Markgraf Friedrich der Emst- 
hafte noch dominus noster, so ist man hierdurch wohl 
nicht genothigt Einzeichnung vor seinem Tode 1349 an- 
zunehmen; gegen Ende erscheint ja noch die Jahres- 
zahl 1350. Der zweite Theil mag wohl in derselben 
Zeit geschrieben sein. Unter demselben steht zwar 
Anno domini 1398 in vigilia sancti Francisci confessoris, 
die Jahreszahl in arabischen Ziffern, doch deutet nichts 



^) Vergl. tiber diese Handschrift Falkenstein, Beschreibung 
der k(5nigl. offentl. Bibliothek zu Dresden (1839) S. 336, Herschel 
im Serapeum XV (1854), 234 flg., Schnorr v. Carolsfeld, Katalog 
der Handschriften der kOnigl. offentl. Bibl. zu Dresden II (1883), 31. 



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Kleinere Mittheilungeii. 139 

auf so spate Abfassung. Wahrsclieinlicli ist, dass die 
Einzeichnungen im Kloster Oscliatz selbst gemacht war- 
den; schwerlicli ist wegen des ScMusses von I. an den 
benachbarten Nonnenkonvent Seusslitz, der gleichen 
Ordens war, zu denken. Sehr viel Neues ist ja diesen 
Notizen wohl nicht zu entnehmen, doch mSgen sie viel- 
leicM einige Daten bestfttigen oder korrigieren, die man 
seitlier nur aus spateren Autoren kannte. Ich mochte 
vor allem aufmerksam machen auf die Geburtstage und 
Geburtsorte der Kinder Friedriclis des Emsthaften. 
Erstere weichen von den rezipierten mehrfacli ab*. In 
den Anmerkungen liabe icli nur das AUemotliigste aus 
Cohn's Stammtafeln zur Erlstuterung beigefugt und an- 
gemerkt, wo diese abweichende Angaben haben. 



Aimo domini MCCLXXII domiue intraverunt claustrum Suselicz. 
Anno (loniini MCCCIj fuerunt LXXVIII anni. 

Spalte a. 

Hen[iicua] marchio Missnensis obiit anno domini MCCLXXVIII. 
Albertus-) obiit aiiuo domini MCCLXVIII. 

Theodericus^) obiit anno domini MCCLXXXV. Helena uxor ejus. 
Fridericus Clemme anno domini MCCCVIII*). 
Domna Agnes uxor Hen[rici] obiit anno domini MCCLXVIII. 
Domna Mechthildis •"') anno domini MCCCXLVI. 
Fridericus marchio Missnensis obiit anno domini MCCCXLIX^). 
Et genuerunt IX pueros, quinque filios et IIII filias. 
Filie: Elisabet, Beatrix, Anna, (lara. 

Filios : primum Fridericum, II. Fridericum, III. Balthasar, Illl. Lu- 
dewicum, V. dictum Wilhelmum. 

Spalte b. 

Fridericus') anno domini MCCCXVI. Et Elisabet mater predicti 
Clemmonis^) MCCCXXXIII. 



-) Abertus Hs, Albrecht der Unartige Htarh iibrigens 1314. 

3) chod' Hs. 

*) Friedrich der Kleine f 1316; unten wird sein Todesjahr 
richtiq angegeben. 

^) Gemahlin Fnedrichs des Emsthaften. 

*) Dahinter ist ausgestrichen : et domna Mechthildis anno 
domini MCCCXLVI. 

■') Clem Oder der Kle'me. Durch einen Qnerstrich (irrthiim- 
Hch) mit Theodericus und Helena verbunden. 

«) clemois Hs. Et — MCCCXXXIII ist ein Zusatz von 
andercr Hand. 



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140 Kleinere Mittlieiluiigen. 

Thiceinan anno domiui MCCCVII"). 

Hen[ricns] anno domini^^). 

Fridericus claudus anno domini^^). 

Marchio Tute anno domini MCCCXGIX^^^. 

Helena mater ejus uxor Theoderici ^2) anno domini MCCCIII. 

Zcu lone siillit ir micli nuwe cleidin, das uch got behute for 
allim leide, anno domini MCOCLVIP. Quod fiat sine dubio^*). 

Fridericus 1^) dominus noster duxit filiam Ludewici imperatoris 
et genuit V filios: Fridericum primum in Rochelicz, sepultum in 
Misna in sumrao ^^) anno domini . . .^*^) ; Fridericum II'" Dresden in die 
S. Burkardi a. d. MCCCXXXII ^ ") : Baltliasar Ilium in Wisinfelcz in 
die sancti Thome ^'^) anno domini MCCCXXXVI ; Ludewicum Illlum in 
Wartberg Mathie^^) anno domini MCCCXL; Wilhelmum Dresden 
in octava Christi^^^) domini nostri anno domini MCCCXLIII. Item IIII 
filias: prima Elisabet in Wartberch in die sancte Cecilie^i) anno 
domini MCCGXLIX ; Beatrieem secundam in Wartberg in die sancti 
Egidii22) anno domini MCCCXXXIX; Anna et Clara III* et IIII* 
in Dresden Donati^^) anno domini MCCCXL V. 

Domna Beatrix vestita est in Suselicz anno domini MCCCL 
anno infra octavam nativitatis sancte Marie 2^), domna Anna anno 
domini MCCCXL V in divisione apostolorum*^) et venit cum sua 
nutrice ad claustrum. 

Provincia Saxonie habet loca fratmm XC, custodias XII, loca 
dominamm VII. Bohemie loca fratrum XLII, custodias VII, loca 
dominanim XL Austrie custodias VI, loca fratrum XX, loca domi- 
namm XIIII. Ungarie custodias VIII, loca fratrum XLIIII, 
dominarum IIII. 

II. 

Incipit genealogia*®) principum Misnensium per aunos sancte 
Hedewigis. 

Cunradus Misenensis et Orientalis marchio cum fratre suo 



^) Durch einen Querstrich mit domna Agnes n. s. w. verhunden. 

^^0 T)as Jahr fehlt 

") Das Jahr fehlt. Durch einen Querstrich mit Theodericus 
und Helena verhunden. 

^-) Yielmehr 1291. Marchio his hierher: Zusatz von anderer 
Hand. 

^3) Thd Hs. Die letzte Zeile ein Zusatz von anderer Hand. 

^'*) Diese (von anderer Hand nachgetragenen) Verse bedeuten 
nach Her sc he I a. a. O., dass fur 1357 eine neue Bekleidung des 
Seusslitzer Altarhildes beschlossen war. 

i'^) der Ernsthafte f 1349. ^«) sc. choro. 

^^) 14. OJctoher; nach Cohn: 6. Oktoher 1331. 

^^) 21. Dezemher. ^^) 25. Fehruar. 

'^) 1. Januar; Cohn: 19. Dezemher. 

-0 ^^' November. Die Jahreszahl ist sicher falsch; Cohn 
glebt 1332, was aber, ivenn Friedrich der Strenqe wirklich am 
20. August 1332 geboren sein sollte, auch nicht richtig sein konnte. 

22) 1. September. 28) 7. August. 2*) 15, September. ^) 15, Juli. 



20) gen^olia Hs. 



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Kleinere Mittheilnngen. 141 

Theoderico -') fundaverunt claustrum canonicorum regulaiium in Moute 
SerenOj et habuit uxorem nomine Lutart, de qua genuit VI filios et 
tot filias. Primns Theodericus fundavit monasterium Dobirlug. 

Secundus Thedo, avus sancte Hedewigis, fundavit Zcillen 

Tercius^^) monasterium sanctimonialium. Quartus Otto Missnensis 
et Orien talis marchio fundavit Cellam sancte Marie; habuit uxorem 
Hedewigis filiaiia Alberti ducis Saxonie^) et habuit duos filios. 
Primus Albertus, secundus Theodericus qui duxit filiam lantgravii 
Hermanni et genuit ex ea Hen[ricum] den mildin^), qui fuit Miss- 
nensis et Orientalis marchio etc. Et iste Hen[ricus] habuit in uxores 
primo Constanciam filiam ducis Austrie, de qua nati sunt duo filii: 
primus Albertus lantgravius Thuringie, secundus Theodericus marchio 
de Landesberg. Henfricus] secundo Agnem de claustro Prage^^), 
que mortua est sine herede; tercio Elisabet matrem Clementis^^) 
domini in Dresden, Albertus primus filius Hen[rici] duxit uxorem 
Margaretam Friderici secundi imperatoris, de qua habuit III filios. 
Primus Hen[ricus], secundus Fridericus, tercius Thitemannus. Primus 
Hen|^ricus] duxit uxorem Hedewigis filiam ducis Slesie, ex qua 
habuit Anelant^'^). Secundus Fridericus marchio duxit Agnem filiam 
ducis Karintie, et habuit ea Fridericum et obiit sine herede^). 
Tercius Thitemannus lantgravius ThufringieJ duxit uxorem Mariam^^'') 
filiam Bertoldi de Henneberg. Theodericus de Landesberg secundus 

filius ^*^] duxit Elenam filiam marchionis 3"^), de qua genuit 

Fridencum nomine Tute, qui duxit filiam ducis Bavarie et obiit sine 
herede. Alberti secundus filius Fridericus aliam duxit ^^) uxorem 

filiam comitis de 3'^), de qua habuit II filios F Miss- 

nensem et Orientalem^^), qui ultra habuit II filios Fridericum clau- 
dum et Fridericum . . . .^^). 



^') Vielmehr Dedo, 

2^) Heinrich, Die richtige Altersfolge ist aher: OttOy Diet- 
richy DedOy Heinrich. 

2«) Vielmehr Albrechts des Bdrcn. 

^) Gewohnlich der Erlauchte genannt. 

8*) Agnes war die Tochter Kbnig Wcnzels L von B ohm en; 
fiihrt sie den Beinamen vielleicht desshalb, well sie in dent Klarissen- 
konvent zu Prag erzogen wary den ihre gleichnamige Tante ge- 
stiftet hatte? 

3^) Friedrich genannt Clem oder der Kleine. 

3^) Heinrich bekommt selbst gewohnlich den Beinamen y,ohne 
Land^' ; sein Sohn Mess Friedrich. 

^) Friedrich der Lahme f 1315. 

^) Gewohnlich wird sie Jutta genannt 

^) Heinrichs des Erlauchten, 

^^) Brandenburgensis. 

^^) Hs. wiederholt hier aliam. 

3^) Hs. scheint hier Marasav zu haben; die zweite Gemahlin 
Friedrichs des Freidigen war Elisabeth, Tochter Ottos vonArnshaug. 

^^) Aus der zweiten Ehe Friedrichs des Freidigen ist nur 
ein Sohn bekamit, Friedrich der Ernsthafte geb. 1310 f 1349. 

^^) Friedrich der Ernsthafte hatte zwei Sohne seines Namens, 
eineny geb. und f 1330, dann Friedrich den Strengen, geb. 1331, 
f 138L In der Hs, folgt noch cine unleserliche Zeile; an deren 
Schhiss steht etc. R9 afi. a. 



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142 Kleinere Mittheilungen. 

2. Zur Geschichte der Freistellen bei der Landes- 
schnle zu Meissen. 

Yon Bernhard von Schonberg. 

Auf mehrfach geausserten Wunsch folgt hier als Nacli- 
trag zu meinem Aufsatze „Zur Entstehungsgeschichte 
der stadtischen und adeligen Patronatsstellen in den 
sachsischen Landesschulen" (in dieser Zeitschrift Bd.VII 
S. 60 flg.) noch eine gedrangte Darstellung der bei den 
Freistellen in der Landesschule zu Meissen stattgefun- 
denen Wandlungen. 

Das dort S. 84 erwahnte Reskript vom 31. Juli 1557 
bestimmt : 

Erstlich woUen Wir vor Uns in solcher Schulen 4 Knaben zu 
benennen haben. 

Die vom Adel soUen aus ihren Geschlechtem zu benennen 
haben 24 Knaben, namUch 6 die von Schonberg zu Reinsberg, 2 die 
von Schonberg zur Neuensorge, 3 die von Schleinitz, 2 die von Miltitz, 
2 die von Honsberg, je 1 die Karas zu Reinhartsgrimma, die Ziegeler, 
die Spiegel, die von Karlowitz, die von Starschedel, die Pfluge, die 
von Liittichau, die von Btinau, die von Breitenbach [zusammen 91 

Unsere Stadte sollen zu benennen haben 42 Knaben, namlich 
5 Neuen- Dresden, 1 Alten- Dresden, 7 Freiberg, 1 die Knappschaft 
daselbst, 3 Pirna, 5 Sanct Annaberg, 4 Meissen, je 1 Altenberg, Glas- 
htitte, Gottleuba, Lommatzsch, Ortrand, Zahna, Bruck, Nimegk, Giess- 
hiibel, Grtinhain, Schlettau, Zwonitz, Rosswein, Siebenlehn, Nossen, 
Penig [zusammen 16]. . . . 

Weil auch viele arme Priester um Einnehmung ihrer Kinder 
ansuchen, so woUen Wir derselben 10 Knaben in solche Schulen zu 
benennen haben. . . . 

Summa der vorgesetzten Knaben: 80. 

Solche sollen in dieser Unserer Schule mit Kost, Lager, Trank, 
Herberge und Lehre, auch der Kleidung, wie vor dieser Zeit, bis 
auf Unser Wiederabschaffen derer, so die Benennung nicht haben, 
unterhalten, wenn sich aber die sechs Jahre enden, Uns solches zu- 
geschrieben werden. ... 

Darttber sollen 20 Kostknaben in dieser Schule gehalten, und 
von jedem jahrlich 15 ^., als jedes Quartal 3 ^. 15 gr. 9 A, ge- 
nommen, und sie dagegen den andern Knaben gleich unterhalten 
werden. Als etc. [Es folgen 24 Namen.] Thut 24 Knaben. 

Unter solchen sollen 4 Knaben, welche die unverm6gci\dsten 
Eltern haben, als Famuli bis zur Endung der 6 Jahre, die anderen 
20 aber, wofem sie zum Studio geschickt, um das Kostgeld bis auf 
Unser Abschaffen in der Schule gelitten werden. Und ob hieriiber 
einige Knaben uberlei, denen soil forderlich aufgelegt werden, die 
Schule zu raumen. 

Darttber sollen 20 Blnaben nach Unserem Gefallen und mit 
Unserem Wissen die Lehre in der Schule haben, sich aber auf ihre 
Kosten mit Herberge, Kost, Trank, Kleidung und anderer Nothdurft 
in der Stadt versehen und den Professoren jeder alle Quartale fttr 
ihre Muhe einen Gulden entrichten. 



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Kleinere Mittheilungen. 143 

Und soil solcher Unserer Ordnung bis zu endlicher Vollziehung 
der Fundation nnd Unserem feraereii Schaffen mit Fleiss iiach- 
gegangen werden, und der gehorsame und willige Folge geschehen. 

Ein Ver:*eichnis vom 7. September 1574^) stimmt 
mit dem vorstehenden zwar in der Hauptsache iiberein, 
doch erscheinen darin die Stellen der Edelleute von 24 
auf 28 erhSht, indem zwar die Stelle der Spiegel ohne 
Bezeichnung eines Grundes unerwahnt bleibt, dagegen 
die Schleinitz'schen Stellen von 3 auf 6 erhOht werden, 
imd je eine neue Stelle fiir die von Bernstein (Barenstein) 
und den kurfurstlichen Kanzler Dr. BQeronymus Kiese- 
wetter (spater* die „Kiesewetter zu Dittersbach") ange- 
fugt ist. 

Ueber die Begriindung dieser beiden letzten Stellen 
vergl. Flathe, St. Afra S. 90. — Die Yermehrung der 
Schleinitz'schen Stellen beweist, dass der Standpunkt der 
Antwort auf das Fristverlangerungs - Gesuch der Schon- 
berge vom 30. Juni 1543 (vergl. Bd.VIIS.80) sich doch 
nicht allenthalben hatte aufrecht erhalten lassen. 

Die „vacirenden", d. h. von den KoUaturberechtigten 
nicht vergebenen, Stellen blieben nicht unbesetzt, sondern 
wurden vom Kurfiirsten, jedoch nur auf die Dauer der 
Vakanz, vergeben. „Es hat aber mit diesen Knaben 
solche Gelegenheit: wenn die vom Adel ihre Stellen er- 
setzen, mtissen diese weichen" (vergl. Bd.YII S.89 dieser 
Zeitschrift, und Flathe, St. Afra S. 91 Anm. 2). 

AUerdings kommt auch der ganzliche Verlust des 
KoUaturrechtes durch dauemden Nichtgebrauch vor. So 
wird in den Verzeichnissen vom S.Mai 1578^) und vom 
30. Januar 1579^) bemerkt, dass die Biinau, Starschedel 
und Breitenbach von ihrem KoUaturrechte niemals Ge- 
brauch gemacht hatten, und sind dann im Verzeichnisse 
vom 18. September 1582*) diese 3 Stellen ohne weitere 
Begriindung ausgelassen, so dass von da an die Zahl der 
adeligen Freistellen sich wieder iauf 25 vermindert. 

Ueber die Yerwandlung der beiden Stellen des 
Sachsenburger Hauptzweiges der Sch5nberge sowie der 



1) H.-St.-A. Loc. 10405 Akten: Kurflirstl. Schulen etc. Ver- 
zeichniss der Knaben Ao. 1674, Bl. 25. 

2) H.-St.-A. Loc. 10407, Akten: Bestellung der Prazeptoren 
etc. Bl. 12. 

8) H.-St.-A. Loc. 10405, Akten: Schriften, betr. die kurfiirstl. 
Schulen etc. Bl. 22. 

^) Ebendaselbst Bl. 60. 



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144 Kleinere Mittheilungen. 

Karas'schen Stelle in kurftirstliche Gnadenstellen, deren 
Zahl dadurch von 4 auf 7 stieg, ist schon Bd. VII S. 89 
berichtet worden. 

Eingezogen wurden noch die Ziegler'sche Stelle, 
welche im Jahre 1610 auf die vom Loss iibergegangen 
war, im Jahre 1852 infolge des Erloschens dieses letz- 
teren Geschlechtes im Mannesstamme^), und die Ltitti- 
chau'sche, spater auf die Besitzer des Eittergutes Gross- 
kmehlen tibertragene Stelle im Jahre 1796®). 

Von den beiden Stellen der Honsberge ist die eine 
im Jahre 1633 an die von Friesen auf Rotha, die andere 
im Jahre 1660 an die von Pflugk auf Kottewitz abge- 
treten worden'). 

Die Barenstein'sche Stelle ward zwar nach dem 
Erloschen der Oberpolenzer Linie dieses Geschlechtes 
durch Entscheidung des Oberkonsistoriums vom Jahre 
1720 als dem Geschlechte und nicht dem jeweiligen Be- 
sitzer des Rittergutes Oberpolenz zustehend anerkannt, 
gleichwohl aber seit dem Jahre 1795 als die Oberpolenzer 
Stelle bezeichnet^). 

Die Kiesewetter'sche Stelle endlich verblieb auf 
Grund einer Entscheidung des Oberkonsistoriums vom 
Jahre 1751 bei den Besitzern des Rittergutes Ditters- 
bach, auch nachdem dasselbe aus der Familie gekommen 
war, weil sie mit Rticksicht auf die besonderen Vorgange 
bei der Stiftung ausnahmsweise als ein Realrecht anzu- 
sehen sei®). 

Der gegenwartige Stand ist bei Zugrundelegung 
einer Bekanntmachung der Schulinspektion vom April 
1885 folgender: 

A. Unter KoUatur des Kultusministeriums: 

a) 39 Freistellen, namlich: 7 Gnadenstellen, 5 Frei- 
stellen^^), 10 Priesterstellen , 1 wendische Priesterstelle, 
4 Famulaturstellen, 6 Trtitzschler'sche Stellen, 6 Bose'sche 
Stellen. 

b) 15 ordentliche und 10 ausserordentliche Kost* 
stellen. 



•') Flathe, St. Afra S. 89. 
«) Ebendaselbst S. 90. 
'^) Ebendaselbst S. 89. 
^) Ebeudaselbst S. 90. 
») Ebendaselbst S. 90. 

^^^) Voraussetzlich aus den eing-ezogenen Stellen der BUnau, 
Starscliedel, Breiteubach, Ziegler und Ltittichau entstandeu. 



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Kleinere Mittheilongen. 145 

B. 20 adelige Freistellen, namlich 6 die von Schon- 
berg des Reinsberger Hauptzweiges, 6 die von Schleinitz, 
2 die von Miltitz, 1 die von Friesen auf E5tha, 1 die 
von Pflugk auf Kottewitz, 1 die von Carlowitz'sche Ge- 
schlechtsgenossenschaft, 1 die vonPflugk'scheGeschlechts- 
genossenschaft, 1 der Besitzer des Bittergutes Ober- 
polenz, 1 der Besitzer des Bittergutes Dittersbach (zur 
Zeit vom Kultusministerium vertreten). 

C. 45 stadtische Freistellen, namlich: 6 Dresden, 
7 Freiberg. 1 die Knappschaft daselbst, 3 Pima, 3 An- 
naberg, 4 Meissen, je 1 Altenberg, Glashiitte, Gottleuba, 
Lommatzsch, Berggiesshlibel, Grtinhain, Schlettau, Zw5- 
nitz, Rosswein, Siebenlehn, Nossen, Penig (zusammen 12), 
2 Grossenhain, je 1 Hohenstein, Konigstein, Neustadt 
bei Stolpen, Schandau, Sebnitz, Stolpen, Stadt Wehlen 
(zusammen 7). 

3. Das Altarbild in der Sakristei der Stadtkirche zu 

Torgau. 

Von Curt Jacob. 
In der Marien- (Haupt-) Kirche zu Torgau ist in der 
Sakristei ein Hochaltar aufgestellt, der eine ungemein be- 
lebte Bjeuzigung auf dem Hauptbilde und die Martem 
Chriisti in acht Darstellungen auf den Fliigeln zeigt. Der 
Altar befand sich ursprungUch in der „Kapelle zum heiligen 
Kreuz", zu welcher Kurfiirst Friedrich der Weise vor seiner 
Wallfahrt nach dem heiligen Lande 1493 den Grundstein 
gelegt und die er mit vielen Reliquien ausgestattet hatte. 
Man nannte die Kapelle „die schone" und „das Volk lief 
zu daselbst Ablass zu holen; darwider Dr. Luther eifrig 
gepredigt, sagend: sie sollten ihr Verdienst und Trost nicht 
auf Menschenwerk setzen." Die auf der Eiickseite des 
Altars liber einem sehr schonen „Schweisstudi der heiligen 
Veronika" angebrachte Jahreszahl 1509 mit demBuchstaben 
L (?) R Oder K, der Inschrift „erat (?) Kepfe (Kophe?)« 
und dem Wappen einer Pflugschar lasst die Aufstellung 
wohl mit Recht in dieses Jahr verlegen und als Stifter ein 
Glied der um jene Zeit in Torgau bliihenden Patrizier- 
familie Koppe (Koeppe) — vielleicht Erasmus oder 
Ehrhardt Koeppe — vermuthen '). Bald nach Einfiihrung 



^) In den Torgauer Rathsrechnungren kommt neben fiinf andem 
Gliedem dieser Familie ein Erasmus K. vor, geb. 1471, gest 1653. 

Neues Archiv f. 8. G. u. A. VIII. 1. 2. 10 ^^ j 

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146 £leinere Mittheilungen. 

der Eeformation im diitten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts 
hat die Kapelle aufgeh5rt zu existieren, und das Altar- 
bild wanderte in die Franziskaner-Klosterkirclie. Als 1811 
Torgau Festung und diese Kirche zu Montierungskammern 
ausgebaut wurde, kam der Hochaltar nach seinem jetzigen 
Aufbewahrungsorte. Wahrend das Bild der Kiickseite, 
wenn auch mannigfach beschadigt, noch in den alten 
Farben erhalten blieb, ist leider das Hauptbild mit den 
Flligeln in spaterer Zeit tibermalt worden. Soviel lasst 
sich aber mit Bestimmtheit behaujpteu, dass dies Bild 
keines Falls eine Cranachsche Arbeit ist; man kann viel- 
mehr aus mancherlei Umstanden schliessen, dass man es 
hier mit einem Werke der Diirerschen Schule in Niim- 
berg zu thun hat. Wenn nun trotzdem „das Altarbild 
der Kapelle zum heiligen Kreuz" durch alle Cranach- 
Biographien als ein Werk dieses Meisters hindurchgeht, 
so dlirfte die RichtigsteUung dieser Thatsache vorliegende 
Zeilen wohl rechtfertigen. Es ist tibrigens nicht ohne In- 
teresse zu verfolgen, wie die Notiz, welche Lindau in 
seinem Werke (Lucas Oranach, 1883) fiber das Altarbild 
bringt, entstanden ist. Die erste Erwahnung des Bildes 
findet sich in Koehler's Beitragen zur Erganzung der 
deutschen Literatur- und Kunstgeschichte 1792 Bd. n. 
S. 219. Hier heisst es: „Ein mit vieler Kunst gemalter 
Altar in der Klosterkirche zu Torgau. Churfurst Friedrich 
liess ihn 1509 fur die Kapelle zum heiligen Kreuz in Torgau 
fertigen, nach 10 Jahren aber in der Klosterkirche zu 
Torgau aufstellen. An dem oberen Theile der hinteren 
Seite findet man ganz oben das Monogramm des Ktinst- 
lers (?) mit der Jahreszahl: L. K. 1509. Dartiber stehen 
die Worte von einer spateren Hand; Dieser Altar ist 1519 
von der Kapelle zum heiligen Kreuz hierher. gebracht 
worden." Seite 223 erw^hnt Koehler ein anderes Bild, 
welches seit langer Zeit spurlos verschwunden 
ist, „ein Gemalde von vielem Werth auf einer holzemen 
Tafel, der Vermuthung nach ein ehemaliges Altarblatt in 
der Sakristei der Stadtkirche zu Torgau. Es stelltvier 
Heilige der romischen Kirche dar: Franz und Benedict, 
die Vater zweier M5nchsorden mit der Tonsur, Moritz 
mit einer Fahne und den Jagdpatron Hubert mit einem 
Hirschgeweih, in dessen Mitte ein Kreuz abgebildet ist." 
Der nachste Cranach-Biograph Heller (Lukas Oranach 
des Alteren Leben und Werke 1851 Bd. I S. 98) schreibt : 
„Torgau in der Klosterkirche: Ein Altarblatt mit vier 



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Kleinere Mittheilungen. 147 

Heiligen, Franz, Benedict, Moritz und Hubert, mit den 
Zeichen L. K. 1509. Churfiirst Friedrich der Weise liess 
es (!) 1509 for die Kapelle zum heiligen Kreuz fertigen, 
es wurde aber 1519 hierher gesetzt (Koehler n, 209, 223)." 
Also Heller hat beide Angaben von Koehler zu einer 
vereinigt, und Lindau wiederholt diese Notiz S. 79 mit 
den Worten: „ . . Vornehmlich das Altarbild in der Kloster- 
kirche zu Torgau, die Heiligen Franziskus, Benedict, Moritz 
und Hubert darstellend mit dem Zeichen der Schlange (!) 
und der Jahreszahl 1509. Kurfiirst Friedrich schmtickte 
mit diesem Gemalde die Torgauer Kapelle zum heiligen 
Kreuz, die er 1493 zu bauen begonnen und wozu er zwei 
Tage vor seinem Aufbruch zum heiligen Grabe (17. Marz) 
den Grundstein gelegt hatte. Da aber diese Kapelle gleich 
nach der Reformation wieder einging, so kam dieses Bild 
(1519) in die sogenannte Klosterkirche (Koehler 11, 209, 
233)." Dass Lindau diese Notiz kritiklos aus Heller 
entnommen hat, geht auch daraus hervor, dass er den 
Druckfehler Hellers: Koehler p. 209 statt 219 wiederholt, 
dem er noch einen weiteren Druckfehler hinzufiigt: 233 
statt 223. 

Die beiden Bilder von Lukas Cranach dem Alteren, 
die Torgau in der That besitzt, werden in keiner Biographie 
erwahnt. Es siud dies ein Altarblatt „die vierzehn Noth- 
helfer" in der Sakristei der Stadtkirche, welches zu einem 
Altar gehSrte, den Kurfiirst Friedrich III. und dessen 
Bruder Herzog Johann, beim Ableben der Gemahlin des 
letzteren, Sophia von Mecklenburg, 1505 zu Ehren der 
heiligen Anna und der vierzehn Nothhelfer stifteten, und 
eine „Himmelfahrt Christi," ein Devotionsbild aus einer 
der friiher zahlreichen Kirchen und Kapellen Torgaus 
stammend, neuerdings als Geschenk des Malers A. Conrad 
zu Berlin in die „stadtische Sammlung sachsischer Alter- 
thtimer" tibergegangen. 

Wenn Lindau ferner S. 365 in der Anmerkung be- 
richtet, dass Katharina von Bora 1552 in Halle gestorben 
sei, so ist dies dahin zu berichtigen, dass der Tod von 
Luthers Gattin in Torgau, wo sie auch begi^aben liegt, 
erfolgt ist. 

Es ist schliesslich noch nachzutragen, dass sich das 
bei Lindau S. 326 erwahnte Jagdbild von Lukas Cranach 
im Schlosse Moritzburg bei Dresden auch in der kgl. 
Gemaldegallerie zu Madrid befindet und zwar nebst einem 
Pendant von gleicher Grosse. Jedes der beiden Bilder 

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148 Kleinere Mitfcheiltmgen. 

in Madrid, von denen das eine eine Hirschjagd, das an- 
dere eine Saujagd darstellt, zeigt etwa vierzig sorgffiltig 
in Miniatur gemalte Portratfiguren und als Hintergrund 
Schloss Hartenfels mit Torgau, doch jedesmal von auderer 
Seite. Es sind dies ubrigeus, — die Bilder in Madrid 
sind mit der Jahreszahl 1540 versehen, — die altesten 
bekannten Ansichten von Torgau. 

4. Knnstgeschichtliche Notizen. 

Mitgetheilt von The odor Distel. 

Alabaster aus den Niederlanden ftir 
Sachsen 1554. 

Kurfiirst August reskribierte unterm 14. Juni 1554 
(K5nigl. Sachs. Hauptstaatsarchiv: Cop. 260 Bl. 234b) 
an den Amtshauptmann und Obernistmeister Hans von 
Dehn-Rothfelser^) also: 

wLieber getreuer. Inliegend schickenn wir dir ungefehrlich 
vertzaichnus oder anschlag was die bilder oder contrafacturen unser 
vorfarn loblicher gedechtnus, so wir ann die altartafeln^) von ala- 
baster machen zu lassen entschlossen seinn, inn Niederland zuver- 
ferttigen gestehen wurden, gnedig begerend, du woUest unser vori^en 
derhalben mit dir gehaltener unterrehdung nach ein ungefehrlich 
muster stellen lassenn, wie die tafel gemacht und die contrafacturen 
darneben einbracht werden mochten, auch einen ungeferlichen anschlag 
nach dem itzigen machen, was das gantze werck zuverferttigen und 
gegen Dresden zu bringen kosten und gestehenn werde unnd uns 
alsdan denselben neben deinem guthbedunken zuschicken." 

Den kursachsischen Bildhauer Zacharias 
Hegewald betreffend. 

In Nr. 5 des Jahrg. 1885 der Zeitschrift fiir Museolo- 
gie etc. habe ich einiges iiber den kursachsischen Bildhauer 
Zacharias Hegewald mitgetheilt. Damals unterliess ich 
zu bemerken, dass er nebst Sebastian Walther*) Schtiler 



1) Vergl. liber ihn Lindau, Dresden (2. Aufl. 1886) S. 252, 
Steche, Hans von Dehn-Rothfelser (Dresden 1877), v. Webers 
Archiv f. d. Sachs. Gesch. XI, 92, Anm. 12. 

2) August haute die von seinem Bruder Moritz begonnene 
Schlosskapelle 1555 aus (Lindau a. a. 0. S. 339). 

*) Vergl. ttber ihn: J. und A. Erbstein, Katalog des Kgl. 
grttnen GewOlbes S. 172 Nr. 37 und S. 132 Anm. 1 a. E. Den 
ebenda S. 112 Nr. 140 erwShnten Hans Schlottheim nennt Stockbauer, 
wie nebenher bemerkt sei, in den „Kunstbestrebungen am bayerischen 
Hofe etc." (Wien 1874) S. 103 irrthttmlicher Weise Schlotthammer. 



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Kleinere MittheilangeB. 149 

des beruhmten Nosseni gewesen, dem beide auf Bestellung 
seiner Wittwe in der Sophienkirche zu Dresden ein 
Denkmal (Ecce homo) erriclitet haben, welches seit 1834 
in einer Nische der westlichen Vorhalle neben der Treppe 
aufgestellt worden ist. Ueber dasselbe vergl. man die 
Mittheilungen des Konigl. Sachs. Alterthumsvereins 11, 
63 flg. und III, 45, sowie Lindau, Dresden (2. Aufl.) 
SS. 335, 394, 450. 

Aus der Drehstube des Kurfiirsten August. 

Unter den am Hofe des Kurfiirsten August, welcher 
selbst ein tiichtiger Drechsler war, thatig gewesenen 
Meistem ist vomehmlich Georg Wecker zu nennen. Der- 
selbe war ein Sohn des baierischen Hofdrechslers Hans 
Wecker und der Barbara, welche 1578 als Witwe in der 
Schwabinger Gasse zu Mlinchen wohnte. Damals war 
Georg bereits kursachsischer Hofdrechsler zu Dresden, 
wohnte auf der Scheffelgasse daselbst und vermahlte sich 
am 30. September genannten Jahres mit Marie, der Tochter 
des kurfiirstlichen Kammerschreibws MichaelSpringkleh*). 
Ausser den von ihm im kSnigKchen griinen Gewolbe vor- 
handenen Arbeiten finde ich in den Akten*) noch folgende 
Stiicke seiner Kunst genannt: 

Drei Kunststiicke mit Kugeln und versetzter Arbeit, 
sowie ein solches „in einem griinen Futter, sonst ein Misch- 
masch genannt". 1602 erhielt Wecker 57 fl. 3 gr. flir 
vier aus Elfenbein gedrehte Kunststiicke, 1610 schuldete 
ihm der Kurfiirst 648 fl. 6 gr. flir gelieferte Elfenbein- 
arbeiten. Htibner erwahnt Wecker ebenfalls in v. Webers 
Archiv 11, 189. Unterm 26. November 1599 erlaubte ihm 
der Kurfiirst August, dass er nach Prag reise, um dem 
Kaiser eiue Drehbank „anzurichten"®). 

Unterm 12. Oktober 1586 wurden David Usslaub fur 
die Kunstkammer folgende 165 Stiicke'), welche der am 



^) K. S. Hauptstaatsarchiv: Loc. 9836 Karf. Kunstkammer 
1691-1694 Bl. 8b ilg. 

») Ebenda BL 2b, femer Wochenzettel 1609—11 Loc. 8741 
Bl. 263b, Posten etc. Loc. 10377 Bl. lb, Wochenzettel 1601—1603 
Loc. 7839 Bl. 278. 

«) K. S. Hauptstaatsarchiv: Cop. 699 Bl. 272b. 

"0 Akten Aum. 1. Daselbst sind auch Bl. 2 b die Arbeiten 
Egidius Lebenichs verzeichnet. Derselbe stammte aus K5ln a. Rh. 



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150 Kleinere Mittheilungen. 

11. Februar zuvor verstorbene Kurfiirst selbst gedreht 
hatte, iibergeben: 

„Sieben buckgallen gross und klein, von helfenbein, der vor- 
nehmste darunder ist unden am fass und oben umb den ranth mit 
reiffen von guttem goldt belegt. Ein grosser credentz becher oben 
uf dem deckel ein springbrun. Achtzenn credentz becher klein und 
gross. Ein schalen mit einer runden kuegel. Ein runde kuegel mit 
einem fuss. Ein kunstuck mit funif schalen uber einander. Drey 
schalen mit deckeln. Ein schal ohne deckel. Zwei andiquitetische 
kruglein so holl gedrehet. Sechs leuchter mit silbem dillen. Zwei 
schellichen mit deckel. Ein kunstuck mit zehen buxen ubereinan- 
der. Ein kunstuck mit drey buxen ubereinander. Ein kunstuck 
mit zwo buxen ubereinander. Ein kunstuck mit zwey buxlein uber- 
einander und oben mit einem versetzten stucklein. Zwei doppelte 
buxlein oben mit kleinen becherlein. Zwo buxen darinnen das 
sexische und dennemerckische wappen.' Ein conterfectbuxlein da- 
rinnen aber nichts. Ein klein buxlein mit einem deckel. Acht 
kunstucklein von becher und buxlein. Ein kunstuck so versetz 
mit drey buxlein uf ein ander, oben ein klein kunstuck darauf. Ein 
buxen darinnen ein kegelspiel. Ein klein dojjpelt buxlein. Zwei 
einfache buxlein. Sechsundsechczigk andiquitetische becherlein und 
kleine kunstucklein. Zweiunddreyssig stein zu einem schachtspiel 
gehOrig* ^). 

tJber sonstige Arbeiten Weckers, Lebeniclis und des 
Kurftirsten vergl. auch den Erbstein'schen Katalog zum 
KSniglichen giiinen Gewolbe SS. 11 — 35; es sei jedoch zu 
S. 12 Anm. 2 bemerkt, dass Wecker sich selbst 'Wecker 
Oder Wekher schrieb und zu S. 12 (vergl. IX) hinzuge- 
fiigt, dass die sammtlichen Elfenbeinarbeiten (23 Stiick), 
welche urn 2800 Gulden gekauft wurden, von Jacob Zeller 
herruhren®). 



und scheint bis 1584 bei dem berUhmten Leonhard Banner in Niirn- 
berg beschaftigt gewesen zu sein. Donner nennt ihn (abgektirzt) 
Gilg, er starb wohl 1595. Einmal wird er Jtilich genannt, auf einer 
seiner Arbeiten (Erbstein'scher Katalog des grunen GewSlbes S. 28 
Nr. 28ft) heisst er Gilius Lebenich. (K. S. Hauptstaatsarchiv : Loc. 
8524 Band VI, 201, Loc. 7302 Kammersachen Band II, 121). 

8) Vergl. die Anm. I cit. Akten Bl. 1. Daselbst befindet sich 
BL 4 flg. ein Verzeichnis der in Weckers Drehstube den 13. April 1691 
aufgefundenen sechzig Gegenstan de, mit Abbildungen der Dreh- 
e i s e n, desgleichen Bl. 13 flg. der damals in Lebenichs Drehstube be- 
findlichen Sachen u. Bl. 16 flg. ein solches tiber die Polzendrehbanke 
nebst dem dazugehSrigen Zeuge (Bl. 2). Daselbst stehen auch Elfen- 
beinsachen verzeichnet, welche dem Kurfiirsten August vom Herzog 
von Baiem und dem Erzherzog Karl geschickt worden waren. 

») Ebenda Bl. 48, 49, (78). Daselbst sind die Stttcke einzeln 
genannt. 



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Kleinere Mittheilungen. 151 

5. Die Einf&hrniig der bergmflniiiseheii Sehiessarbeit 
durch Pnlyer in Sachsen. 

Von Eduard Heydenreich. 

Die altesten bestimmten Nachrichten liber das Boh- 
ren und Schiessen in Sacbsen treten fiir das Jahr 1613 
auf und zwar auf einem Freiberger Ausbeutebogen vom 
Quartale Trinitatis Anno 1715, woselbst bei Gelegenheit 
eines auf Altvater Fundgrube durch einen erhaltenen 
Schuss getoteten Untersteigers die folgende Bemerkung 
gemacht ist: 

„Das Bohren und Schiessen ist Anno 1613 von 
Martin Weigeln, Oberbergmeister zu Freiberg, erfun- 
den worden, und wurden anfangs Pfl5cke dazu gebraucht 
und in die Bohrlocher gethan; seit etlichen 30 Jahren 
[also circa 1680] ist solches viel sicherer und leichter mit 
Letten verrichtet worden. Auch hat man nunmehro hie- 
sigen Ortes gewisse kleine Handbohrer introduzieret, 
durch welche die Hauer dem festen Gestein mit sonder- 
lichem Vortheil grossen Abbruch thun konnen." 

Diese Nachricht ist allerdings sehr jung, und deshalb 
bezweifeln sie Baader, Beytrag zur Geschichte der 
Sprengarbeit, in Koehler's Bergmglnnischem Journal 1790, 
S. 539 flg., und Hoppe, Beitrage zur Geschichte der 
Erflndungen I (1880), 24. Allein ein durchschlagender 
Grund ist gegen dieselbe nicht beigebracht worden. 

Mit der Jahreszahl 1613 fiir die erste Vomahme des 
Bohrens und Schiessens ist zu vergleichen eine von 
Gatzschmann, Lehre von den bergmglnnischen Gewin- 
nungsarbeiten (Freiberg 1846), S. 329 flg. veroffentlichte, 
vom Berghauptmann Freiesleben angegebene Notiz 
eines Scholiasten zu E5sslers „Hellpoliertem Bergbau- 
spiegel" : 

„Dass vermoge eines im Konzepte vorhandenen Be- 
richtes an Churfiirstl. Durchlaucht zu Sachsen unterm 
30. October 1613 von Martin Weigeln, Oberbergmeister, 
erstattet, derselbe Inventor vor denen Bohrem sein wolle, 
u. daher chrfstl. Durchlaucht umb Ertheilung eines Pri- 
vilegii dieserhalben ersuchet habe." 

Ob dies freilich als eine wirkliche Bestatigung an- 
zusehen ist, bleibt nach Hoppe a. a. 0. S. 12 flg. zwei- 
felhaft. Denn „Bohrer" brauchen sich nicht, wie Fr. 
Rziha, Lehrbuch der gesamten Tunnelbaukunst I (1867), 
49 flg. will, nothgedrungen auf das Schiessen mit Pulver 



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152 Kleinere Mittheilungen. 

zu beziehen: Bohrer sind beim Bergbau schon angewandt 
worden, ehe man an die Schiessarbeit dachte (Gaetzsch- 
mann a. a. 0. S. 347). 

Dieser ;,Weigel" (nicht „"Weigold", wie er irrthiim- 
lich genannt wird bei Aug. Beyer, Das gesegnete Marck- 
grafenthum Meissen 1732) war 1565 zu Schwarzenberg 
in Sachsen geboren, wurde damaliger Ausbildungsweise 
gemass mit dem zwolften Jahr nach den Harzer Berg- 
werken geschickt, urn daselbst zu arbeiten, kehrte nach 
Sachsen zuriick, wurde Steiger, dann Markscheider, 
schliesslich 1601 Oberbergmeister. Als solcher starb er 
1618. 

Aber es dauerte noch ziemlich lange Zeit, bis die 
neue Erfindung im Freiberger Revier praktisch eingefuhrt 
wurde. Erst 1643 wurde auf der Grube Hohe Birke 
das Schiessen eingefuhrt. Aber auch nachher war die 
Entwickelung dieser Gewinnungsarbeit eine hochst lang- 
same: 1644 wurden auf der Grube Hohe Birke nur 57 
Schtisse gethan und dabei 117 Pfund Pulver verbraucht. 
1675, also 31 Jahre spater, waren daselbst nur erst 3 
Centner verwandt worden, wahrend in ebendemselben 
Jahre (1675) im gesamten Freiberger Revier derPulver- 
verbrauch bereits auf 100 Centner gestiegen war. Im 
Jahre 1843 dagegen betrug dieser Bedarf daselbst 2439^4 
Centner. 

Wie wichtig das Freiberger Revier durch die neue 
Erfindung fiir die gesamte deutsche Bergarbeit wurde, 
giebt Rziha a. a. 0. S. 57 mit folgenden Worten an: 
„In den Marken der Bergstadt Freiberg entstand das 
neue Gewinnungs- Problem, wurden fast alle neuen Vor- 
schlage ausgedehnt gepruft, erscholl zum ersten Male im 
unterirdischen Baue der Stoss der Bohrmaschinen durch 
Vermittelung komprimierter Luft und wurde die beste 
Schrift, welche die Bergbaulitteratur liber Sprengarbeit 
aufzuweisen hat (von Gatzschmann) geschrieben." 

Wenn..nun auch kein genugender Grund vorhanden 
ist, die Uberlieferung zu verwerfen, wonach Weigel 
schon 1613 die bergmannische Schiessarbeit erfand, so 
muss doch der Freiberger Bergbau den Ruhm der ersten 
praktischen Einfiihrung dem Harzer tiberlassen. 
Denn, wie Hoppe a. a. 0. nachweist, ist derselbe that- 
sachlich im Jahre 1632 beim deutschen Bergbau und 
zwar zu allererst beim Harzer Bergbau eingeflihrt 
worden, also mehr als ein Jahrzehnt Mher als in Frei- 

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Kleinere Mittheilungen. 153 

berg. Vom Harz aus wurde, wie auf den westfalischen 
und rheinlsLndischen Bergbau, so auch auf den sachsischen 
die neue Gewinnungsart libertragen. 

Caspar Morgenstern tiberbrachte die Kunde da- 
von vom Harz nach Freiberg. Dies erhellt aus der Arbeit 
von Job. Fr. Lempe, Anfang des Versuches iiber die 
Hereinschiissung des Gesteines (Magazin fur die Berg- 
baukunde 1792, S. 345 flg.). Hier heisst es: „Im Jahre 
1644 und zwar im Quart. Remin. wurde eine Probe mit 
Hereinschiissung des Gesteins bey Hohe-Birke Ob. 9 bis 
10 Maas gemacht Diese Grube war zu dieser Zeit eine 
der ergiebigsten und vertheilte 40 fl. Ausbeute auf ein 
32. Theil. Auf dieser Grube machte ein Bergmann, 
Namens Caspar Morgenstern, mit dieser Arbeit den An- 
fang. Dieser Mann soil, wie ich von H. Oberbergmeister 
Schmidt benachrichtigt worden bin, die Arbeit mit dem 
Hereinsprengen des Gesteins mittelst Pulvers auf dem 
Harz, wo solche damals schon gangbar war, getrieben 
und dieselbe alsdann nun auch hier angewendet haben." 



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Literatur. 



Brief e und Acten znr osterrelcMscli-deutsclien OescMekte im 

Zeitalter Kaiser Friedrioh III. Gesammelt und herausgegeben von 

Adolf Baclmiann, ord. Prof, der dsterr. Gesch. an der Frager 

deutschen Universitat. Wien, in Comm. bei Karl Gerolds Sohn. 

1885. XXXVI. 712 SS. (A. u. d. T. : Fontes rerum Austriacamm. 

OesterreicMsche Geschichtsquellen. Herausgegeben von der histo- 

rischen Commission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften 

in Wien. Zweite Abtheilung. Diplomataria et Acta. XLIV. Band.) 

Wir haben an dieser Stelle bereits auf verschiedene Arbeiten 

von Bachmann hingewiesen, weil dieselben auch fUr die s&chsische 

Geschichte des 15. Jahrhunderts, in der noch so viel zu thun ttbrig ist, 

von entschiedener Wichtigkeit sind. Ebenso wie von den „Urkunden 

und Aktenstucken zur osterreichischen Geschichte* (vgl. Bd. I 8. 203) 

und vom ersten Bande der ^Deutschen Reichsgeschichte im Zeitalter 

Friedrich III und Max I." (vergl. Bd. V S. 165} gilt dies von der 

vorliegenden Sammlung, die sich erganzend an die erstgenannte an- 

schliesst und zur ^Reichsgeschichte* einen grossen Theil der fftr 

dieselbe benutzten, jedoch auch manche erst nachtraglich gefundene 

Archivalien beibringt. 

Die mi^etheilten Urkunden stammen aus den Jahren ca. 1460 
bis 1471; der weitaus grosste Theil von ihnen (442 von 648 Num- 
mem) aber gehOrt der Zeit von 1460 bis 1464 an. Die reichste 
Ausbeute hat dem Verfasser diesmal das Kreisarchiv zu Bamberg 
gew&hrt, welches bekanntlich das alte Flassenburger Archiv und damit 
eine Ftllle der wichtigsten Materialien zur Geschichte des Mark- 
grafen Albrecht von Brandenburg enthS,lt. Dieser aber und Lud- 
wi^ von Bayem stehen neben K<5nig Georg von Bdhmen und dem 
Kaiser wShrend jener Jahre im Vordergrunde; die s&chsischen 
Fursten treten hinter ihnen zurttck, obwohl namentlich Herzog Wil- 
helm einen keineswegs unerheblichen politischen Einfloss aus^eUbt 
hat. Dies zeigt sich schon darin, dass auch dem Gesamtarchiv zu 
Weimar, das bisher noch nicht gentt^end fftr diese Zeit benutzt 
worden ist, eine grosse Anzahl theilweise hochwichti^er Dokumente 
entnommen werden konnte, unter denen in erster Linie die Berichte 
der Efithe des Markgrafen aus dem Jahre 1461 (wfthrend seiner Reise 
ins heilige Land) genannt zu werden verdienen. Auch aus dem 
Hauptstaatsarchiv zu Dresden ist vieles mitgetheilt worden; Nach- 
trfige zu den bOhmisch-sachsischen Grenzstreitigkeiten bis zu den 
Egerer VertrSgen (1459) und mancherlei spfttere Verhandlungen. 
Wie sorgsam auch in Dresden die politischen VorgSnge beoba(£tet 
wnrden, beweist ein besonders stark benutztes Aktenstiick (Log. 91B2 
Schriften bel. vomehmlich die Imingen und £riegshandlung zwischen 
Pfalzgraf Ludwigen ... an einem und Marggraf Albrecht zu Bran- 



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Literatur. 155 

denburg auderntheils 1459—62 ilg), welches gr($sstentheils aus Ab- 
schriften diplomatischer Korrespoudenzen und Yerhandlungen, die 
oft in keiner nnmittelbaren Beziehung zu Sachsen stehen, zusammen- 
gesetzt ist. Weniger Ausbeute gew&hrten die Archive zu Frank- 
furt a. M., Eger, Mttnchen u. a. 

Eine Vollstandigkeit der Sammlung konnte bei der erdrticken- 
den Heichhaltigkeit der archivalischen Quellen far das spfttere Mittel- 
alter nicht im Plane des Herausgebers liegen; immernin glaubt er 
versichem zu k5nnen, dass ftir die Geschichte des Kampfes zwischen 
Kaiserthum und Territorialitat (1459—1463) an den bekannten Stellen 
sich kaum neues Material finden dtirfte. 

In formeller Beziehung verdient auch diese Bachmann'sche 
Publikation/ deren reicher Inhalt durch ein sorgftLltiges Register 
zng&nglich gemacht wird, alle Anerkennung^ besonders wenn man 
berticksichtigt , dass der Verfasser bei seinen archivalischen Reisen 
in erster Linie nicht die Abfassung eines Urkundenwerkes , sondern 
eine darstellende Bearbeitnng des Gegenstandes im Auge hatte und 
dass man daher auf kleine Ungleichmassigkeiten kein Gewicht legen 
darf Um den massenhaften StofT in einem massigen Bande unter- 
znbringen, musste der Herausgeber vielfach Auszttge statt voUstiln- 
diger Abdriicke geben ; dieselben erwiesen sich tiberall, wo wir nach- 
geprlift haben, als zuverlassig. Femer wurde alles bereits Gedruckte 
ausgelassen; doch hat der Verfasser hier und da einen 'Druck tiber- 
sehen: so sind No. 6 in des Referenten Freiberger Urkundenbuch I 
(Cod. dipl. Sax. reg. 11, 12), 201, No. 19 in J. J. Miillers Reichstags- 
theatr. Frid. V. 2. Vorst. cap. 9 p. 536, No. 32 (von welcher sich 
ebenso wie von No. 39 nicht bios eine Kopie, sondern auch das Ori- 
ginal im Hauptstaatsarchiv zu Dresden befindet) mehrmals, z. B. 
bei Liinig Corp. jur. feud. II, 551, ein mit No. 183 gleichlautendes 
Schreiben an Kurf. Friedrich bei Hasselhold-Stockheim Albrecht IV. 
I, 1 Urkk. 441 , No. 605 in meinen Studien zur Geschichte der boh- 
misch-sachsischen Beziehungen S. 107, die Gegenurkunde zu No. 545 
bei Kremer Kurfttrst Friedrich von der Pfalz 11, 398 abgedruckt. 
Das Datum von No. 21 lautet am dornstag vigilia Jacobi (also 
24. Juli 1455); No. 11 ist vom 28., nicht 29. Januar, No. 110 vom 7., 
nicht 8. August. 

Hoffen wir, dass auch der zweite Band der ,Reichsgeschichte", 
dessen Erscheinen wir mit Spannung entg[egensehen , dem Verfasser 
zu gleich dankenswerthen Quellenpublikationen den Anlass giebt. 

Dresden. H. Ermisch. 

Des Panlus Jovlus Chronik der Grafen von Orlamunde. Heraus- 
gegeben von Paul Mitzschke. Leipzig, Robolsky. 1886. 80 SS. 8^. 
Als der fleissige Jovius seine grosse Chronik der Grafen von 
Schwarzburg schrieb, sammelte und ordnete er zugleich die Nach- 
richten, welche ihm bei jener Arbeit Tiber andere thtiringische Gra- 
fen- und Herrengeschlechter aufstiessen. Eine dieser kleinen auf 
solche Weise entstandenen Chroniken ist die der Grafen von Orla- 
mttnde, welche Mitzschke jetzt zum ersten Male herausgiebt. Der 
Herausgeber hat den Text der Chronik auf Grund der von ihm ver- 
glichenen sieben Handschriften, deren Verhftltnis zu einander er 
genau erortert, ausserst sorgfaltig festgestellt. In der Einleitung 
weist er, nachdem er ttber die Entstehungsart der Schrift gesprochen, 
auf die durch dieselbe bedingte Ungleichmftssigkeit der Behandlnng 
hin. „Die orlamttndische Chronik von Paulus Jovius ist sonach als 



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156 Literatur. 

ein rechtes Kind ihrer Zeit weder vollstandig noch kritiscli, auch 
lange nieht in alien Stucken zuverlassig" (S. 12). Mit voUem Rechte 
aber meint Mitzscbke, dass trotzdem ihre Herausgabe nicht unnOthig 
sei. Unter den Grtinden dafttr sei besonders der hervorgehoben, dass 
Jovius manche uns andenveitig nicht • bezeugte Nachnchten ttber- 
liefert, also aus jetzt unbekannten oder verlorenen Quellen schopfte — 
ein Umstand, der librigens auch seiner schwarzburgischen Cfhronik 
eigen ist. Inwieweit freilich solche Nachnchten glaubwurdig sind, 
muss natiiriich in jedem einzelnen Falle besonders untersucht werden» 

Dem Texte der Ohronik hat der Herausgeber in sehr dankens- 
werther Weise inPussnotenBerichtigungen, erklarende und ergfinzende 
Zuseltze und Literatumachweise hinzugefngt. Eine „berichtigte 
Verwandtschaftstafel" der in Jovius' Chronik erwalmten Mitglieder 
des Hauses Orlamtinde beschliesst die Schrift. 

Detmold. Ernst Anemttller. 

Landgraf PMlipp von Hessen und Otto von Pack. Eine Ent- 
gegnung von Stephan Ehses. Freiburg im Breisgau, Herder. 
1886. XI, 164 SS. 80. 

Man durfte erwarten, dass Ehses die scharf einschneidende 
Kritik, welche seine ,Geschichte der Packschen Handel" (Freiburg 
1881) durch Hilar. Schwarz* „Landgraf Philipp von Hessen und die 
Packschen HUndel" (Leipzig 1884) — vergl. diese Zeitschrift IV, 
160 flg. und VI, 319 fig. — erfahren hatte, zu beantworten ver- 
suchen werde. Seine Entgegnung ist zu einem Buche von 164 Sei- 
ten angewachsen. Er ist des Grlaubens, dass sein Gegner aus der 
Beweiskette, mit welcher er Landgraf Philipp zu dem intellektuellen 
Urheber des Packschen Betruges hatte machen woUen, auch nicht 
den kleinsten Ring herausgebrochen babe, und er giebt, stolz darauf, 
ein „ultramontaner Geschichtschreiber" gescholten zu werden, seiner 
Uberzeugung Ausdruck in Redewendungen , die zu dem starksten 
und herausfordemdsten gehiJren, was diese Spezies von Geschicht- 
schreibem in neuester Zeit geleistet hat. Seinen Gegner, dessen 
Arbeit sein Lehrer Prof. Maurenbrecher mit einem kurzen Vorwort 
eingeleitet hatte, hShnt er ob des „vortrefflichen Vorspanns, den ihm 
Maurenbrecher geleistet" (S. VI), und kanzelt ihn mit den spcJttischen 
Worten ab: «so hatte doch wohl auch Schwarz mit Mauren- 
brecher s Hilfe einsehen kSnnen u. s. w." (S. 47). Dass Schwarz 
den von Schomburgk gesammelten archivalischen Apparat benutzen 
konnte, verleitet Ehses zu der Bemerkung: er sei „wie ein lahmer 
Hase in den ttppigsten Kleesamen gesetzt worden** (S. 92). Schwarz 
^ironisiert mit selbstgefalligster Albemheit gegen mich" (S.79) u. dergl. 
Dass Schwarz auf die von Philipp gegen Kuriftirst Joachim erhobenen 
Anschuldigungen auf eheliche Untreue naher eingeht und die Rich- 
tigkeit dieser Anklagen erweist, nachdem Ehses in seiner frttheren 
Schrift B. 135 diese selbige Materie besprochen imd als „vulgS»re Ver- 
leumdungen" gekennzeichnet, die eben bewiesen, dass der Landgraf 
kein gutes Gewissen gehabt babe, das wird jetzt von demselben 
Ehses folgendermassen abgeschUttelt : „Es ist meinem Gegner auch 
mSglich gewesen, in getreuer Nachachmung des Landgrafen, den er 
zugleich aber noch um viele Kahnlftngen uberholt, eine Skandal- 
geschichte in die Sache hineinzuziehen und mit behaglicher 
Breite auszumalen, fiir die ein Zusammenhang mit unserer Frage 
auch durch das empfindlichste Mikroskop nicht zu entdecken ist" 
(S. VII). Das sind doch wohl Fechterstreiche, ebenso wie die vor- 



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Literatur. 157 

nehm reservierte Aussage, es habe ihm feme gelegen, die Ricbtig- 
keit des von Schwarz vorgefiihrten Anklagematerials gegen Joacbim 
jetzt zu untersucben. Er hat ja tLbri^eos scbon in seiner frflheren 
Scbrift das Feigenblatt gefonden, mit welcbem er die Scandsda 
Joachims zndeckt: es sind das „Mangel, die in der Scbwftche der 
menschlicben Natur begrtindet lagen" (a. a. 0. S. 135). Dabei erlaubt 
er sich Luther fiir „moralisch inkompetent" zu erklaren, als „zttr- 
nende Geissel des Ehebruchs" zu fangieren, und erklftrt es ^seltsam", 
dass Schwarz gewagt habe, Luthers Zeugnis in dieser Beziehung 
anzurufen. Dem lehrreichen Kapitel-der Schwarzschen Arbeit ttber 
,die Lage der evangelischen Partei in Deutschland", welches die 
Besorgnisse dieser Partei vor Gewaltmassregeln der kathol. Ftirsten 
anschaulich darstellt, setzt er ein Kapitel entgegen: ^Hatten die 
Anhanger Luthers bis zum Jahre 1528 veranlassung, bei den kathol. 
Fiirsten Deutschlands aggressive Absichten gegen sie zu ftLrchten?* 
Er schiebt ^ber bei seiner Ausfuhrung charakteristischerweise sofort 
das WOrtlein „widerrechtlich* ein („war den tutheranem die Be- 
rechtigung gegeben, sich fiir widerrechtlich angegriffen und be- 
droht zu halten?") und beweist dann mit leichter Mhe, dass aUe 
Gewaltmassregeln und Plane der kathol. Fursten nur den Charakter 
berechtigter Defensive trugen: denn Aufriihrer waren ja die 
Evangelischen, sie bedrohten die Ordnung des Reiches, es handelte 
sich also nur um die „Auseinandersetzung zwischen der alten Ord- 
nung und der neuen Unordnnng". Nattirlich musste diese Ausein- 
andersetzung gewaltsam erfolgen, aber die beiden kathol. Fursten, 
„die wohl einem emsten Eingreifen geneigt waren, Herzog Georg 
von Sachsen und Kurfiirst Joachim von BrandenbuiJg, besassen fttr 
sich weitaus nicht die nOthige Macht dazu." ^Gliicklicherweise war 
Deutschland noch nicht so sehr heruntergekommen, dass es 
sich derartige Neuerungen ruhig bieten liess." Nur bedauert Ehses, 
dass sich der Widerstand dagegen nicht energisch und nicht fruh- 
zeitig genug regte (S. 12). Was war denn das ^hauptsachlichste 
Triebrad" fttr den Fortgang der Reformation ? „Bei reichen Besitzem 
lohnt sich der Raub, eine arme Kirche wftre weder in ihrem Be- 
stande geflirchtet, noch in ihrer Beraubung ergiebig gewesen; aber 
wo es reiche Kirchen, Kl5ster und Stifte zu pllindem gab, da war 
neben dem reichen Zuwachs an gouvemementaler Macht, an landes- 
herrlicher und finanzieller Bereicherung kein hoher Grad von religi(5- 
ser Uberzeugung nSthig, um Fiirsten und Stadte zahlreich der Neue- 
rung zuzufahren" (S. 14). So spiegelt sich in diesem „ultramonta- 
nen" Kopfe die Refonnationsgeschichte. Aber er wird selber nicht 
beanspruchen wollen, bei dieser Stimmung und Prftdisposition fiir die 
WerthschSltzung der evangelischen Partei in Deutschland noch ein 
unbefangenes und sachliches Abwftgen der Schuld oder Unschuld 
LandgTw Philipps vomehmen zu kSnnen. 

Was er nun an Grttnden vorbringt, um Philipps moralische 
Urheberschaft des Packschen Betruges aufs neue zu erh&rten, das 
wird ebensowenig in dieser zweiten Darlegung uberzau^en, als in 
der ersten. So, wenn er jetzt argumentiert: ging die Initiative von 
Pack aus, so hatte dieser ja schiJnste Zeit vom Mai 1527 an, sich 
seine Faischung zu uberle^^en und ihr eine wahrscheinlichere Form 
zu geben, als sie thats&chlich hernach bei der Eile, mit der dieselbe 
konzipiert worden ist, erhalten hat. Ich weiss nicht, wem Ehses 
dieses Argument eigentlich entgegenhalten will, deun wir andem 
nehmen ja keineswegs an, dass Pack seit Monaten diesen Betrug 



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158 Literatiir. 

geplant habe, sondern (laut der Aussagen Philipps), dass in Kassel, 
wo der Landgraf ihn Uber etwaige Pi^e der kathol. FUrsten aus- 
zufragen sncht, Pack sich stellt, als wisse er von besonderen An- 
scUftgen, nnd dann anf weiteres I)r&ngen erkl&rt, er wisse von einem 
Btindnis, nnd endlich anf uoch starkeres Drangen sich bereit erklS.rt,. 
die Urknnde desselben zn beschaffen, vergl. Schwarz S. 22. Hier ist 
also der Betrtlger in immer weiterer Konseqnenz seiner Flunkereien 
gen5th]gt worden, nm sich selbst nicht LUgen zn strafen, pl5tzlich 
zur Fabrikation einer Biindnisurkunde zn schreiten. Dass er mit 
diesem Falsifikat schon seit ^4 Jahren sich getragen habe, hat kein 
Mensch behanptet. Was sind das also ftir Lnftstreiche? Ehses scheint 
seinen Gegner gar nicht verstanden zn haben, wenn er ihm die 
Meinnng nnterschiebt, Pack habe sich an Landgraf Philip]) insinnieren 
lassen, nm diesen Betmg mit dem Breslaner Bflndnis in Szene zn 
setzen — nnd darans schliesst: dann mnsste er das AktenstUck schon 
fertig haben nnd nach Kassel mitbriDgen. Schwarz hat jedoch nur 
gesagt: „die ganze Initiative der ersten Annfthernng: ist von 
Pack ansgegangen." Ehses bleibt femer dabei, dass Philipps Ver- 
sichemng, ^da habe ich an seinen blossen Worten nicht woUen ge- 
sattigt sein, sondern begehrt das Ori^al zn sehen/ thats9.chlich 
nnr das Yerlangen nach einer Kopie, nicht nach dem Original selbst 
ansdrtlcke. £r bleibt dabei, Pack habe in Kassel nnr eine Kopie 
versprochen, obgleich wir doch hSren, dass Philipp ihm eben in Kassel 
seinen Schntz znsagte, wenn er das Original hnn^e. 

Ans den weiteren mit derselben Weitschweingkeit, wie in der 
ersten Schrift, vorgetragenen Ar^umentationen hebe ich einen Pnnkt 
hervor, in welchem Ehses thatsachUch seinen Gregnerkorrigiert, S. 80flg., 
wo er mit Recht in dem Rothenbnrg, nach welchem sich Pack von Bres- 
lan ans begiebt, nicht wie Schwarz Rothenbnrg in Hessen, sondern 
Rothenbnrg in Schlesien (genaner Oberlansitz) erkennt. Dadnrch 
kommt in die Fahrten des Abentenrers in den Tagen vom 4.— 16. Mai 
erst Ordnnng hinein. Anf die Schuldfra^e ist diese Korrektnr jedoch 
ohne Einflnss. Anf Seite 114 lesen wir die Anschnldignng gegen 
Schwarz, dieser behanpte zwar immer wieder, Lnther nnd Me- 
lauchthon batten an dieExistenz des Breslaner BUndnisses geglanbt, 
habe aber keinen Be we is dafiir geliefert Ich weiss nicht, wie 
Ehses solche Anschnldignng anfrecht erhalten will. In dem Grut- 
achten bei de Wette III, 319 flg. soil Lnther nach ihm sich „ttber 
Wahrheit oder Falschheit der Sache gar nicht aussem" — er hat 
wohl anf 8. 320 die Worte „weil sie selbs [namlich die feindlichen 
Fttrsten] bezengen, dass sie n. s. w.*" gar nicht beachtet. Anf dem- 
selben indifferenten Standpnnkt soil das Gntachten bei de Wette III, 
316 flg. stehen. Aber wenn es dort heisst, dass jene BnndesfUrsten 
[des vermeintlichen Breslaner Vertrages] schnldig seien, die Kosten 
der Rustling zn erstatten, im Fall, dass ein gtitlicher Ansgleich zn 
stande komme, gleichwohl m5ge man anf diesen Kostenersatz ver- 
zichten im Interesse des Friedens, so verstehe ich nicht, wie man 
das interpretieren will, ohne den Glauben an die Existenz dieses 
BUndnisses voransznsetzen. Anch die Worte: „wo sie aber wlirden 
solch Verblindnis lengnen oder mit nmschweifenden Worten nicht 
richtig zn antworten" gehen doch von dem Glanben an die That- 
sachlichkeit des Btindnisses ans. Wenn Lnther darauf besteht, ehe 
man znm Angrilf schreitet, erst jene Flirsten zn „verh6ren", so rath 
er das nicht, well er in jenes Btindnis Zweifel setzt, sondern well 
das ihm der christlich rechtliche modus procedendi zu scin scheint 



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Literatur. 159 

und well er anf diesem Wege hofft Blutyergiessen noch verhindem 
und zn .Frieden nnd Yertrag** gelangen zu kOnnen. Wenn Ehses 
dann an den sp&teren Gutachten konstatiert, dass in ihnen beide 
Beformatoren dem Eifer des Landgrafen ZUgel anznlegen sich be- 
mtthen, gtltliche Mittel Tersncht haben woUen anstatt eines nnver- 
mittelten Beginnens des Krieges — so meint er damit bewiesen zu 
haben, dass sie Yon der Wahrheit des Breslauer Btindnisses nicht 
Uberzengt gewesen seien (S. 123). Diese Lo&nik vermag ich nicht zu 
Terstehen. Ich wttrde nur in Bezug auf Melanchthons Brief vom 
15. Juli 1628 (Corp. Ref. L 984) den Satz einschranken, dass dieser 
noch an die Wahrheit des Btindnisses glanbe (vergl. Schwarz S. 148). 
Zwar zeigt er dentlich , dass ursprttnglich in Wittenberg das BtUid- 
nis aUgemein als echt angenommen worden ist. Man meinte Grand 
zu haben, dieser .co^juratio'' gegentLber „iracundiam nostram" walten 
zu lassen nnd anzugreifen: gleichwohl taucht jetzt die Frage auf: 
«qmd si false credita est conjuratio?'* Ein Dunkel erkennt er an, 
welches die Zukunft anfheJlen werde, gleichwohl steht ihm auch ietzt 
noch fest: ,non enim prorsus conficta esf FUr yQllige Yerblendnng 
muss ich es aber halten, wenn Ehses Seit 125 aus Corp. Ref. I, 997 
herausliest: „Melanchthon hUlt es fiir mdglich, dass Fhilipp selbst 
mit dem BetrUger Pack gemeinsame Sache gemacht habe*". bas soil 
in den Worten liegen: ,Ni»v\ 5k fiiaopuvei ti^c fitYjY^^sw? to iTzoXoyia. 
etc." Nicht an des Landgrafen bona 'fides ist er irre geworden, son- 
dem an der des Pack, der doch anfangs yersichert hatte, das 
Original des Vertra^es gesehen zu haben. Wenn also jetzt ein 
bOser Verdacht in Melanchthons Herzen aufsteigt, so kann es nur 
der sein, dass Philipp einem Betriiger zum Opfer gefallen ist, aber 
nicht, dass er mit diesem gemeinsame Sache gemacht habe. Die 
Basis, auf der sie bisher gestanden, dass es sich um eine conjuratio 
handle, ist ihm jetzt erschtlttert, und darum dankt er Gott, dass 
sie yon Anfang an dem Kriege widerrathen haben. Selbst wenn 
man das ^yidebatur incensus ab illo tragico" dahin pressen woUte, 
als gebe Melanchthon zu yerstehen, dass Philipps Erregung tlber 
das Breslauer Bttndnis nur triigerischer Schein gewesen wS,re, so 
widerspr&che dem entschieden das Nachfolgende, wo Philipp uus- 
drtlcklich als ^iciareucjac iUi" [Pack] bezeichnet wird und nur liber 
die nfacilitas yel incogitantia vel etiam timor" geklagt wird, die ihn 
yerleitet h&tten, Pack Glauben zu schenken. Somit bleibt es dabei, 
dass Ehses hier die QueUen durchaus parteiisch interpretiert — 
Wiederholt nimmt Ehses dayon Akt, dass ich in meiner Anzeige in 
diesen Bl&ttem IV, 162 seiner frttheren Arbeit den Vorwurf gemacht, 
er habe die yerschiedenen in Betracht kommenden Archiye nicht aus- 
giebig genug benutzt. Er referiert dartiber 8. 92 folgendermassen: 
„Der Glarmannsche Kodex war also nach Kawerau ganz entbehrlich. 
. . . Wie soil ich es nun in Zukunft dem gut en Manue recht machen?*" 
Er yerschweigt, dass ich diese Heranziehung des WQrzburger 
Kodex seinerseits ausdrtlcklich heryorgehobeu, aber zueleich 
bemerkt habe, das hier neu erschlossene Material beziehe sich ^im 
wesentlichen nur auf die weiteren politischen und kriegerischen Ver- 
wickelungen . . . ttber die Schuld frage gewahrt es, soweit wir er- 
kennen kOnnen, gar keine neuen Anhaltspunkte.*" ich muss dieses 
Urtheil auch jetzt noch aufrecht erhalten, mit der Einschrftnkung, 
dass die wenigen fiir die Schuldfra^e etwa zu yerwerthenden 
Dokumente dieses Aktensttlckes, so die den geriebenen Falsarius 
offenbarenden Briefe Packs an Valentin KrOll (vergl. Ehses' frtthere 



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160 Literatur. 

Schrift S. 162 flg.)i doch hOchstens gegen die von Ehses versuchte. 
Konstruktion der Yerhaltnisse sprechen. Den Ruhm eines ^ultra- 
montanen" Historikers woUen wir Ehses nach . dieser neuen Probe 
seiner Forschungen nicht absprechen; ob seine Parteigenossen von 
Form und Inhalt seiner „Entgegnung" sehr erbaut sein werden, 
bleibt za bezweii'eln. 

Kiel G. Kawerau. 

Chronik der Stadt Boma mit Beriicksichtigung der umliegenden 
Ortschaften. Neu bearbeitet von Robert Wolfram, Seminar- 
oberlehrer em. Borna, im Selbstverlage des Verfassers. 1886. 
2 BU. 452, XVI SS. S^ 

Um sich die etwas wunderliche Form zu erklaren, in welcher 
das vorliegende Buck in die Offentlichkeit tritt, muss man einen Blick 
auf seine Entstehungsgeschichte werfen. Bereits im Jahre 1869 
hat Wolfram eine Chronik von Borna herausgegeben ; sie erschien 
im Selbstverlage des Verfassers und das gestattet bei lokalgeschicht- 
lichen Werken fast immer den Blickschluss, dass die Heransgabe 
dem Autor nicht unbedeutende Opfer auferlegt und wohl auch manche 
EnttHuscbung bereitet hat. Zu den letzteren gehOrte, dass die 
ersten sechs Bogen, die der Verfasser als Probeheft versandt hatte, 
theils gar nicht, theils in unbrauchbarem Zustande wieder in seine 
HlUide gelangtenv so kam es, dass allm&hlich etwa hundert inkom- 
plete Exemplare des Werks ubrig blieben. Um dieselben verwenden 
zu k(5nnen, entschloss sich der Verfasser zu einer neuen Bearbeitung 
der ersten sechs Bogen; da er jedoch wahrend des Vierteljahrhunderts, 
das seit der ersten Ausgabe verstrichen war, eifrig weiter gesammelt 
hatte, auch dem Werke eine Fortsetzung bis zur Gegenwart geben 
wollte, so wurden aus den sechs Bogen ihrer zwolf und die Zahl 
wtlrde eine noch grSssere geworden sein, wenn nicht ein tiberaus 
iJkonomischer und von dem alteren Theile abweichender Satz an- 
gewandt worden w&re; ferner mussten, damit der Anschluss an 
Bogen 7 flg. erreicht werden konnte, die Seiten 80 » bis 80 xx ein- 
geschaltet werden. Am Schlusse trat dann noch ein Nachtrag von 
66 Seiten hinzu. Letzterer sowie die ersten Bogen in ihrer erwei- 
terten Gestalt sind fiir den Besitzer der Ausgabe von 1859 als 
wErganzun^sband" veroffentlicht worden, w&hrend das Ganze als 
,Neubearbeitung" der Chronik erscheint. So sieht das Werk seltsam 
bunt aus, und auch sein Inhalt macht einen etwas buntscheckigen 
Eindruck. Der Verfasser geh5rt zu jenen auch heute nicht ganz 
seltenen Chronisten, die mit warmer Liebe fiir ihre Heimaths- 
stadt und emsigem Fleisse alle Mussestunden daran setzen zu sammeln 
und dann das aus Akten und Bilchem Zusammengesuchte ihren 
Mitbtlrgem schlicht erzahlen wollen ; der Leserkreis, den sie im Auge 
haben — und der freilich ihre Erwartungen nicht seiten enttfiuscht — , 
hat dieselben Bedtirfnisse wie sie selbst, er will aus der S,lteren 
Geschichte der Stadt allerhand Interessantes im weitesten Sinne 
erfahren, ergftnzt bei dieser Gelegenheit gern manche Lticken seines 
Wissens in der Landesgeschichte und lasst sich daher auch aus 
dieser manches erz&hlen, wenn es auch nur in sehr losem Zusammen- 
hange mit der Stadtgeschichte steht und sich in jedem beliebigen 
anderen Geschichtswerke findet, legt dagegen weniger G«wicht auf 
kritische Sichtung des Stoffes und wissenschaftliche Vertiefung der 
Aufgabe. So sind vielfach unsere Stadtchroniken des 17. und 18. Jahr- 
hunderts entstanden, und unter ihnen giebt es manche wackere, 



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Literatur. 161 

ehrenwerthe Arbeit, die wir heutzutage zwar nicht als Vorbild auf- 
stellen m5chten, die aber so manche in unserer Zeit entstandene Stadt- 
geschichte an Brauchbarkeit weit tiberragt. Dem Verfasser schwebte 
etwas Ahnliches vor, und so erinnert sein Buch vielfach an jene aiteren 
Chroniken. Wie viele von diesen, hat auch er an den Schluss ^Annalen" 
gesetzt; die sich freilich theilweise mit dem Anfangsabschnitt «Ge- 
schichtliches" decken, wie denn iiberhaupt ein Blick auf das Register 
zeigt, dass scharfe Grliederung des Stoffes nicht die Starke des 
Verfassers ist. So manche andere Bedenken, die uns beim Lesen 
des Buches aufstiessen nnd die theilweise ihren Grund darin haben, 
dass das Dresdner Hauptstaatsarchiv, diese reichste Fundgnibe sach- 
sischer Stadtgeschichte, gar nicht und die neuere Literatur sehr 
ungentigend benutzt worden ist, wollen wir mit Riicksicht darauf, 
dass wir es mit (}er gut gemeinten Lebensarbeit eines fiir die Geschichte 
seiner Vaterstadt begeisterten Mannes zu thun haben und dass der- 
selbe weniger an weitere, als an die engsten Leserkreise gedacht 
hat, gem unterdrticken. Wer sich fflr die Geschichte des sachsischen 
Stadtewesens interessiert, wird gut thun, das nur in geringer Auflage 
gedruckte Werk nicht zu libersehen; immerhin bringt es aus dem 
ziemlich reichhaltigen Bomaer Stadtarchive manches Interessante. 
Es sei gestattet, in dieser Hinsicht nur auf das viel benutzte Stadt- 
buch von 1434 aufmerksam zu machen; bekanntlich haben sich nur 
sehr wenige mittelalterliche Stadtbttcher sachsischer St&dte erhalten. 
Dresden. H. Ermisch. 

Aus alien Akten. Bilder aus der Entstehungsgeschichte der Israe- 
litischen Religionsgemeinde zu Dresden, von Emil Lehmann. 
Dresden, Tittmaim. 1886. XVI, 77 88. 8^. 

Im Anschlusse an seine friiher an dieser Stelle (VII, 165 flg.) 
besprochene Schrift uber den polnischen Residenten Berend Lehmann 
und die Begrttndung einer israelitischen Religionsgemeinde zu Dres- 
den verOifentlicht der Verfasser eine Reihe yon Mittheilungen aus 
der Geschichte der letzteren von der Mitte des vorigen bis zur Mitte 
dieses Jahrhunderts. Sind diese Mittheilungen auch zunSchst nur 
fttr die Mitglieder der Gemeinde von Interesse, so mag doch ein 
kurzer Hinweis auf dieselbe auch hier Raum finden. Die Arbeit 
beruht durchweg auf den Akten des Dresdner Rathsarchiv ; so reich- 
haltig dieselben auch sind, so ist doch zu bedauem, dass von einer 
Benutzung des Hauptstaatsarchivs sowie der betreffenden Ministerial- 
akten abgesehen worden ist. Gewidmet ist das Schriftchen dem 
Andenken an den klirzlich yerstorbenen verdienten Oberrabbiner 
Dr. Landau, dessen Bildnis ihr beigefugt ist. 

Dresden. H. Ermisch. 

Die Kreuzscliule zu Dresden bis zur Einfilhrung der Reformation 
(1539). Von Prof. Dr. Otto Meltzer, Rektor des Wettiner Gym- 
nasiums zu Dresden. (A. u. d. T. : Mittheilungen des Vereins fur 
Geschichte und Topographie Dresdens und seiner Umgebung. 
7. Heft). Dresden, Tittmann (Komm.). 1886. IV, 60 SS. &>. 
Seitdem Christian Sch(Jttgen die alteste Geschichte der Kreuz- 
schule behandelte, ist wohl manches werthvolle, einschlagende Ma- 
terial verOflfentlicht worden, so der 5. Band des Codex diplomaticus 
Saxoniae regiae und 0. Richters Verfassungsgeschichte von Dresden. 
Trotzdem wtlrde dasseibe nicht hingereicht haben, SchSttgens wenige 
Seiten zu dem vorliegenden, umfangreichen Hefte auszugestalten, 



Neues Archiy f. S. G. u. A. VIII. 1. 2. 11 

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162 Literatmr/ 

wenn es Verfasser nicht verstanden hatte, unbenutzte Quelleii heran- 
zuziehen. Mit unendlich entsagungsvoUer Sorgfalt sind vor allem 
die Raths- und Brtickenamtsrechnungen des 15. Jahrhunderts ver- 
werthet, deren reiche Ausbeute der Darstellnng nicht nur lebendige 
Anschaulichkeit und fesselnde Lokalfarbe verleiht, sondem aucb 
belles Licht auf bisber dunkle Parthien wirft. Dies zeigt sich be- 
Bonders im 3. Abschnitte iiber Lehre und Kirchendienst (S. 15 — 27), 
sowie tlber die Lehrer (S. 28 fig.), deren farblose Namen theilweise 
bier zum ersten Male in deutlicber Charakteristik erscheinen. Flir 
weitere Kreise ist hieraus von Interesse (vergl. aucb Anbang I 
S. 54—69) Peter von Dresden, sowie der erste Vertreter des Hu- 
manismus an der Scbule, M. Ludwig Gotz de Werdis, der zu 
Herzog Georg dem Bartigen in naherer Beziebung stebt. Durcb 
sorg^ltige Nacbforscbungen in der Kircbenbibliotbek zu Annaberg 
ist es unter anderem dem Verfasser gelungen, nicht nur die aus 
zablreicben Inknnabeln bestehende Bibliotbek jenes Dresdner Huma- 
nisten festznstelien, sondem aucb ibre Erwerbung in Siena, zum 
Theil selbst den Ankaufspreis der einzeluen Bande, nacbzuweisen. 
Je dunkler die An^nge des Humanismus in Sacbsen noch sind, um 
so wertbvoUer erscbeint dieser Beitrag. Ftir den Kulturbistoriker 
bietet die Scbrift aucb sonst werthvoUen Stoff, z. B. finden sich in 
dem Abschnitte iiber Scbulzucht kostbare Beispiele von Jugend- 
tibermuth und strenger Abndung. 

Dresden. Georg Mtiller. 

T5plitz. Eine deutscbbobmiscbe Stadtgescbichte von Dr. Hermann 
Uallwicli. Mit 24 Illustrationen. Leipzig, Duncker & Humblot. 
1886. XIII, 471 SS. 80. 

Wenn wir diese mit bekannter Grandlicbkeit, Ubersichtlicbkeit 
und Anschaulichkeit geschriebene Gescbichte einer Stadt Bobmens 
kurz hier erwahnen, so geschiebt dies, weil sich darin aucb fur die 
sSchsische Geschichte ein reichhaltiges, bereits wohlgeordnetes Ma- 
terial vorfindet; wir meinen vorzugsweise das Kapitel „Ausbreitung 
der meissnischen Herrscbaft" im nordwestlichen Bohmen (S. 44 flg.). 
Im Jabre 1398 namlich hatte Borso von Riesenburg seine gleich- 
namige Stammburg nebst dem Kloster Ossegg, der Stadt Brttx und 
sonstigem zablreicben Zubebor (um 40000 Mk. Silber) an Landgraf 
Wilhelm von Thiiringen, Markgrafen von Meissen, verkauft. Bald 
darauf erwarb letzterer aucb die damals noch zu Bohmen gehOrige 
Burggrafschaft Dohna, das Schloss K5nigstein, die Stadt Pirna, das 
Scbloss Wehlen, sowie die im Meissnischen gelegenen, aber boh- 
mischen Herren gehOrigen Grafschaften Leisnig und Kolditz. Nicht 
minder waren dem Markgrafen von bohmischen Herrscbern die Ein- 
ktinfte aus den Stadten Briix und Laun verpfandet, von Benesch v. 
Duba dessen Schloss Kostenblatt und von Wenzel v. Wartenberg 
dessen Burg Blankenstein „ge5ffnet* und darauf aus den Handen 
des Markgrafen zu Lehn genommen worden. So gebot denn letz- 
terer jetzt ttber eine sebr grosse Anzahl ritterlicher Vasallen in 
Nordbohmen und trug hierdurch nicht wenig zur voUigen Germani- 
sierung desselben bei. Freilich wurde durch diese bOhmiscben Be- 
sitzungen nun Markgraf Friedrich der Streitbare von Meissen, wel- 
chem Kaiser Siegmund auch noch Aussig pfandweise tiberlassen 
hatte, alsbald auch in die traurigen Hussitenkriege verwickelt, welche 
unter anderem die Niederlage des sachsischen Heeres bei Aussig 
(1426), die Verwiistung selbst der meissnischen Lande und endlich 



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Literatur. 163 

den Veiiust aller stidlich vom Erzgebirge gelegenen Besitzungen (1461) 
ztir Folge batten. FUr das nOrdliche Bdhmen aber bedeutete der 
Sie^ des Hnssitismns zugleich die vdllige Czechisiernnff des bis 
dahm deutsch gewesenen Landes, wie besonders in dem Abschnitte 
„Um Sprache und Freiheit" (S. 85 fig.) nachgewiesen wird. 
Dresden. Knothe. 

Der Leipziger SclidppenstuliL I. Abschnitt. Yon Theodor Distel. 

Weimar. 1886. 27 SB. 8®. (Separatabdruck aus der Zeitschrift 
der Savigny-Stiftung fftr Rechtsgeschichte Germ. Abth. Bd. VII 
S.89 — ll5:Beitr&ge zur alteren Verfassungsgeschichte 
des Sch(5ppenstuhls zn Leipzig. Hit nrknndiichen Beilagen 
and Siegelabbildungen). 

Unter diesem Titel giebt der Verfasser eine quellenmassige 
Darstellung der znmal filr die aLtere Zeit noch niemals im Zu- 
sammenhange bearbeiteten Gescbichte des Leipziger Sch5ppenstahls 
nnd zwar zun&chst bis zn dessen Umgestaltung im Jahre 1574. 
In gedrangter, aber auch das Interesse des Nichtjnristen in An- 
spmch nehmender Form weist derselbe nach, wie in dem durch 
seineu Handel rasch aufbltlhenden Leipzig auch das st&dtische Ge- 
richt sich alsbald nah und fern allgemeinen Ansehens nnd Yertrauens 
zn erfrenen hatte. Schon 1326 wies KOnig Johann von BOhmen 
die damals noch zu seinen Landen gehOrige Stadt Pima im Falle 
von Rechtsnoth an „die Biirger von Leipzig**., und aus dem Mit- 
weidaer Stadtbuch von 1412 ergiebt sich, dass man auch da Eecht 
zu holen ijflegte „zu Leipzig und zu Dresden". Yon einer jjStiftung" 
des Leipziger Schdppenstuhls kann nicht die Eede sein, da sich der- 
selbe nur «nach und nach seine Wirksamkeit selbst geschaffen hat**. 
Genauere Kunde tiber die Besetzung desselben erhalt man erst aus 
dem altesten Leipziger Stadtbuche vom Jahre 1420. Aus diesem 
geht hervor, dass damals unter einem zum Rathe gehSrigen Richter 
(seit 1423 hatte der Rath die Obergerichtsbarkeit erlangt) meist 
sechs auf Lebenszeit gewahlte Schoppen, unter denen stets die drei 
Biirgermeister der Stadt, „das Gericht sassen" und nicht bios die 
Stadtsachen, sondem auch ^die fremden Sachen**, letztere nattlrlich 
gegen Entgelt, versprachen. Bis 1432 sind es lediglich Laien, welche 
dies SchSppengericht bildeten. Seit dieser Zeit erlangte das rechts- 
gelehrte Element, vertreten durch Doktoren der Juristenfakult£lt zu 
Leipzig, mannichf achen Eiufluss auf den Rath, so wie auf den Sch5ppen- 
stuM. Manche Sprtiche, zumal die verwickelteren Rechtssachen, sind 
unterzeichnet sowohl von Doktoren als von den Schoppen. Seit etwa 
1514 aber sassen im Schdppenstuhl immer mindestens zwei rechts- 
gelehrte Doktoren. Hatte schon Herzog Georg der B&rtige die 
Sprtiche des SchOppenstuhls gelegentlich wegen allzugrosser Milde 
in peinlichen Sachen getadelt, so wurden zumal unter Kurfiirst 
August die Klagen liber sftumige Ausfertigung der Urthel, ttber 
gar zu lange Autlialtung der Boten und daher tiber allzutheure 
Rechtsprechung immer haufiger. Der Grund davon lag vor allem 
darin, dass jene rechtsgelehrten Mitglieder des SchOppenstuhls in 
erster Linie Professoren an der UniversitSt, oft aber zi^leich auch 
Mitglieder des Raths, Proknratoren, Konsistorialr&the, Hpfgerichts- 
beisitzer etc. waren und daher bei solcher Hftufung der Amter und 
der Geh&lter nur spUt erst zur Ausfertigung der ihnen zugetheilten 
Schoppensprtiche kommen konnten. Aber auch andere Klagen wurden 
zumal von den Laudst&nden erhoben, dass n&mlich die Urthel des 



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164 Tiiteratur. 

Schoppenstuhls zu Leipzig, des zu Wittenberg, des Hofgerichts 
und des Oberhofgerichts einanler h&ufig widersprachen. Infolge alles 
dessen ordnete Kurflirst Augast nicht nur an, dass sich diese ver- 
schiedenenen GericbtsbehSrden seines Landes tlber die leitenden 
Rechtsgrundsatze vereinigen sollten, sondern wusste in seiner ener- 
gischen Weise zumal den jm Schoppenstuhl und an der Universitat 
zu Leipzig eingerissenen Ubelstanden dadurch zu steuern, dass er 
ersteren 1574 vOUig refomiierte. Diese Reform selbst und die fer- 
nere Geschichte des Leipziger Sch5ppenstuhls behalt sich der Ver- 
fasser vor, in einem zweiten Abschnitt eingehend zu behandeln. 
Dresden. Knothe. 

Die oberste Finanzkontrolle des Kdiiigreiclis Sachsen in ihrer 
orgaiiischen Entwickelun^ von den aitesten Zeiten bis auf die 
Gegenwart, Von Dr. E. Lobe, Geheimem Oberrechnungsrath in 
Dresden. 127 SS. 8^. (Separatabdruck aus: Finauzarchiv, heraus- 
gegeben von Georg Schanz. Jahrg. 1885. Bd. 11). 

Diese grundliche und libersichtliche Arbeit bietet ein Uberaus 
schatzenswerthes Hilfsmittel fur die Wirthschaftsgeachichte Sachsens 
im Allgemeinen und die Finanzgeschichte und die Geschichte der 
Behdrdenorganisation im besonderen. Das Ergebnis der Arbeit lasst 
erkennen, dass auch auf diesem Gebiete der inneren Staatsverwaltung 
das Kurfiirstenthum Sachsen schon fruhzeitig eine hohe Stellung 
eingenommen hat und den meisten deutschen Staaten vorausgeeilt 
ist. Freilich haben auch in dieser Beziehung die erleuchteten und 
sorgsamen Bestrebungen der Landesherren und der sie berathenden 
obersten Staatsmftnner immer nur eine theilweise Verwirklichung 
gefunden und der offene Kampf der Verwaltung gegen die Kontrolle, 
welcher fast im ganzen XV HI. Jahrhundert gerahrt worden ist, 
mehr aber noch der passive Widerstand, welcher naturgemass jeder 
Kontrolle zu alien Zeiten und in alien Verhaltnissen geleistet wird, 
haben die Thatigkeit der fur die Kontrolle getroffenen Einrichtungen 
zum Theil und in manchen Perioden geradezu unwirksam gemacht. 
Die Absicht, dies durch Beispiele zu erharten, fuhrte den Verfasser, 
wir dlirfen sagen leider nur in zu bescheidenem Umfange, dazu, auch 
einige Einblicke in die Geschichte der sachsischen Finanzen selbst 
zu gestatten. Man gewinnt dabei emeut den Eindruck, dass Sachsen 
eine gewissermassen unverwustliche wirthschaftliche Lebensfahigkeit 
besessen haben muss, wenn es gelang, die zahUosen Missstande und 
ungeheuren Schuldenlasten glucklich zu tiberwinden. 

Die ersten Anfange einer geregelten Kontrolle des landesherr- 
lichen Finanzwesens lassen sich in Sachsen urkundlich bis zum Jahre 
1349 zuriick verfolgen. Die Rechnungsablegung, welche sich vor- 
wiegend auf die Ertragnisse der landBsherrlichen Regalien in den 
Aemtem, Munzen, Zehntereien und Htitten erstreckte und welche 
zum Theil durch Vermittelung der Hofamter vor sich ging, war ein 
vorwiegend mundliches Verfahren („Rechnung hSren") mit schrift- 
licher Schlussregistratur. Bei derselben waren die Landesherren 
vielfach auch personlich thatig. Um die Mitte des XV. Jahrhunderts 
erfolgte aber bereits die Anstellung eines besonderen obersten Rech- 
nungs- und KontroUebeamten, des Landrentmeisters. Ein wesentlicher 
Theil der Kontrolle der Staatsfinanzen lag aber auch den seit dem 
XIV. Jahrhundert in Sachsen bestehenden Landstanden insofern ob, 
als dieselben von jeher sich nicht nur die Kontrolle, sondern auch 
die Verwaltung selbst der von ihnen bewilligten Landessteuern vor- 



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Liter atUr. 165 

behalten haben. Nicht einmal die Easse dieser Steuern fand sich 
in der kurfiirstlichen Residenz, sondern meist war es der Rath der 
Stadt Leipzig:, bei welchem diese Gelder deponiert wurden, wie es 
auch die Leipziger Messen waren, bei denen die stS-ndischen Aus- 
schiisse zur Prufung der Steuerrechnungen zusammen traten. Hier- 
aus hat sich spater die landstandische Kontrolle der Staatsschuldeu 
entwickelt. 

Mit dem XVI. Jahrhundert trat an die Stelle der mlindlichen 
RechnungsabhSr aasschliesslich das System der Ablegung schriffc- 
licher Rechnungen und begann die Kodifikation der erlassenen In- 
strnktionen nnd Ordnungen: Bergordnung des Herzogs Georg des 
Bartigen von 1509, Mtinzordnung des Kurfursten Augnst von 1558, 
Holzordnung von 1560, Instruktion fttr das Amtsrechnungswesen von 
1563, Errichtung des Geheimen Rathes von 1575, des Kammer- 
koUegiums 1589. Unter Christian II. wurde die FinanzkontroUe mit 
der Aufsicht tlber das Kammerschuldenwesen verbunden, eine schwere 
Attfgabe, da bei dem Regierungsantritte Johann Georgs II. allein 
die Rentkanimer mit der ungeheuren Summe von 11867720 Gulden 
verschuldet war. 

■ Im XVII. Jahrhundert blieben die zahllosen Einscharfungen 
bestehender Vorschriften und die AbJlnderungen und Ausdehnungen 
(auf die Rechnungen der Stadte) der KontroUeeinrichtungen recht 
haufig wirkungslos. Auch im Anfange des XVIII. Jahrhunderts, 
als die damals nebeneinander bestehenden 6 zentralen Landeskassen, 
namlich die Rentkammer, die Generalkriegskasse , die Generalaccis- 
kasse, die Kasse der Oberkammerei und die Obersteuereinnahme, 
die Errichtung einer einheitlichen Kontrolle des Rechnungswesens 
erforderten und, als erste ihrer Art in Deutschland, eine oberste 
Rechnungsrevisionsbehorde unter dem Namen Ober-Rechen-Kammer 
im Jahre 1707 geschaffen und gleich den tibrigen Landeskollegien 
dem Landesherm unmittelbar untergeordnet wurde, war der Kampf 
dieses Kontrolle - Kollegiums gegen die eigentliche Verwaltung zum 
grossen Theil erfolglos. Auch die Umgestaltung dieses selbstandigen 
Kollegiums in eine aus Delegierten der betheiligten obersten Landes- 
behSrden zusammengesetzte Deputation im Jahre 1734 war ziemlich 
vergeblich, besonders als der bekannte Gttnstling von Briihl „aus 
besonderem gnfidigsten Vertrauen" zum Direktor der neuen Behorde 
gemacht und damit der Bock zum Gartner gesetzt wurde. Eine 
Besserung trat erst 1763 durch Bruhls Nachfolger, den Kabinets- 
minister Grafen von Stubenberg, ein. 

Unter K(Jnig Anton erhielt die Oberrechnungsdeputation 1828 
eine neue Instruktion. Aber schon 1831 wurde die Kompetenz der- 
selben durch den Erlass der Verfassungsurkunde wesentlich gean- 
dert und 1842 wurde die Deputation unter Beseitigung der Depu- 
tierten wiederum zu einer Oberrechnungskammer umgestaltet. Der 
jetzige Wirkungskreis und die Geschaftsordnung dieser BehSrde ist 
durch Verordnung vom 4. April 1877 geregelt, nachdem die Versuche, 
ein bezugliches Gesetz zu stande zu bringen , mehrfach gescheitert 
sind. Lobe wunscht eine Umgestaltung der Mitwirkung der Ober- 
rechnungskammer bei der Priifung des gesamten Staatshaushaltes 
durch die Landstande, um die Standeversammlung in die Lage zu 
bringen, in bewusster Ueberzeugung nicht nur eine wirthschaftliche, 
sondern auch eine etatrechtliche sowie sonst legale Priifung der ge- 
samten Finanzgebarung vorzunehmen. 

Leipzig. E. Hasse. 



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166 Literatur. 

Geschiclite der Leipziger Messen von Urnst Hasse. Gekrdnte 
Preisschrift. Leipzig, S. Hirzel. 1885. Vn, 516 SS. 8«. 

LFnter vorstehendem Titel hat der Letter des statistischen Amtes 
der Stadt Leipzig, Herr Dr. phil. Ernst Hasse, eine von der fiirst- 
lich Jablonowski'schen Gesellschaft der Wissenschaften gekrcJnte 
Preisschrift verOffentlicht, die auf dem verhftltnismassig sparlich 
bebanten Gebiete der Handelsgeschichte unseres engeren Vaterlandes 
eine geradezu epochemachende Erscheinung genannt zu werden 
verdient. Zwar aussert der Verfasser selbst im Eingang seines 
Werkes die wohlbegrttndete Ansicht, dass in Ermangelung wichtiger, 
auf seinen Gegenstand Bezug habender Vorarbeiten der Zeitpunkt 
ftir die Abfassung einer Geschichte der Leipziger Messen, welche die 
Bedeutung dieser letzteren nach alien Seiten in's Licht zu kehren 
vermSchte, noch nicht gekommen sei. Um so hOher hat man aber 
den Werth einer Arbeit anzuschlagen, die nicht begonnen werden 
konnte, ehe der Verfasser auf Grand einer langen Reihe eingehender 
Spezialvoruntersuchungen durch eigene Mtihe den Boden geebnet 
hatte, um dann in erstaunlichem Sammelfleiss und, wie hervorgehoben 
sei, unter recht geschickter und vorsichtiger Benutzung des oft fast 
tiberreich gebotenen Quellenmaterials ein tibersichtlich und sauber 
ausgearbeitetes Erzeugnis zu liefern, das fur spatere Arbeiten auf 
demselben Gebiet immerhin von grundlegender Bedeutung bleiben 
wird. Denn trotz des mehr als ein halbes Jahrtausend umfassenden 
Zeitraums, auf den die Forschungen des Verfassers sich zu erstrecken 
batten, zeichnet sich sein Werk doch durch eine so eingehende und 
grttndliche Behandlung des Stolfes aus, durch so viele neue, werth- 
volle Ergebnisse seiner vielseitigen statistischen Studien und durch 
eine so reiche Ftllle interessanter Denkwiirdigkeiten nicht nur liber 
jene grossen intemationalen Markte, sondeni iiber die weitverzweigten 
Handel sbeziehungen Leipzigs ttberhaupt, dass dasselbe liber den 
Rahmen einer blossen ^archivalischen Studie", wie er es nennen 
mochte, weit hinausgeht und seinen Titel mit voUem Rechte fttlirt. 

Li Ansehung des tlberaus reichhaltigen Stoffes, der in Hasse 's 
^Geschichte der Leipziger Messen" ohne sonderliche Rticksicht auf 
Raumerspamis bewaltigt wird, verbietet es sich von selbst, an dieser 
Stelle ausfiihrlicher auf den Inhalt des Werkes einzugehen oder gar 
etwa Kritik an einzelnen subjektiven Aufstellungen zu tiben, die 
ohnehin vor der Masse wohl beglaubigter Thatsachen, die uns be- 
richtet werden und die an sich schon eine hinreichend deutliche 
Sprache reden, zuriicktreten. Um aber wenigstens die Umrisse an- 
zudeuten, in denen sich die Darstellung bewegt, so genlige es zu 
sagen, dass der Verfasser zuvQrderst liber den Ursprung der Leip- 
ziger Messen in einem Abschnitt handelt, der unter Anderem auch 
die Ansicht widerlegt, als sei die Entstehung derselben auf die 
Ertheilung irgend welcher kaiserlicher, landesherrlicher oder sonstiger 
Privilegien zuruckzufiihren. Geschriebenen Erlassen verdanken 
wenigstens die Oster- und Michaelismesse ihren Ursprung nicht. 
Ein Ergebnis des schon im 13. Jahrhundert regen Handelsverkehrs 
auf den Markten Leipzigs, haben sie sich vielmehr allmahlich selb- 
standig aus den letzteren heraus entwickelt, wenn andrerseits auch 
vom Verfasser nachgewiesen wird, dass sie durch kaiserliche, kCnig- 
liche, kurfftrstliche und ftirstliche, ja selbst durch pftpstliche Ver- 

sch 



nstigungen in ihrem Gedeihen schon frtth sehr gefbrdert wurden. 
milderte u. A. Martin V., um aus den sehr zahlreichen Privi- 



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Literatur. 167 

legien Ulteren Datums ein Beispiel papstlicher Huldbezeugungen 
herauszugreifen, die Strenge der grossen Kirchenstrafen herab fttr 
den Fall, dass damit Bele^te nach Leipzig kommen iind sich daselbst 
aufhalten wiirden. Ungleich bedeutsamer als diese und eine Menge 
anderer, wiohtigerer Bestimmungen, die vor allem flir eine rasche 
Entwickelung des Messverkehrs nach aussen bin von Vortheil waren ; 
bedentungsvoUer auch als alle nachtrSglich noch bewilligten Vorrechte 
und Freiheiten sind nun aber die kaiserlichen Privilegien von 1497 
nnd 1507, die, indem sie alle frtiher ertheilten landesherrlichen Ver- 
gtlnstigungen betreffs der Messen, des Stapels und der Niederlagen 
Leipzigs auf s neue bestfttigten und zum Theile wiederum erwei- 
terten, die Messen zur selben Zeit mit Offentlich rechtlichen 
Form en umgaben, um sie auf diese Weise ^gleichsam miindig'* zu 
sprechen. Dabei war es von Belang, dass diese umsichtigen handels- 
politischen Massnahmen auch gerade in eine Zeit fielen, in der im 
Gebiete Leipzigs und in den benachbarten Landstrichen Frieden 
und Ruhe herrschten. 

Bedeuten sonach die Wende des fiinfzehnten und der Anfang 
des sechzehnten Jahrhunderts einen sehr wichtigen Fortschritt in 
der Konsolidierung der Leipziger Messen, die man, voriibergehende 
St5rangen abgerechnet, von da an bis zur Mitte des 30i&hrigen 
Krieges regelmassig abgehalten zu haben scheint, so weraen nun 
aber andrerseits schon in der zweiten H§.lfte des fiinfzehnten Jahr- 
hunderts doch auch Bestrebungen wahmehmbar, die, zumeist von 
benachbarten Marktorten ausgehend, dem Aufbltihen dieser Messen 
entgegenarbeiteten. Neben sehr vielen kleineren und kleinen Orten, 
die den Leipziger Rath auf diese Weise in Streitigkeiten und Kampfe 
verwickelten, sind es besonders Halle, Magdeburg, Erfurt, Naumburg, 
Braunschweig und Frankfurt am Main, deren langjahrige Zwistig- 
keiten mit Leipzig in Basse's Werk eingehender behandelt werden, 
wobei es der Verfasser an kulturhistorisch interessanten Streiflichtem 
auf die Politik der betheiligten Orte, der Landesherren und des 
kaiserlichen Hofs nicht fehlen lasst. 

Die feindseligen Bestrebungen der mit Leipzig rivalisierenden 
Stadte, die zum Theil auf altere verbriefte Gerechtsame pochen 
konnten als dieses; die kluge und thatkr^ftige Politik des grossen 
Kurfiirsten, der Johann Georg I. und dessen unmittelbarer Nach- 
folg:er durchaus nicht immer gewachsen waren; eine „zwanzigj&hrige 
Zeit ununterbrochener Drangsal", die Leipzig von der Mitte des 
dreissigjahrigen Krieges an (1631) zu erdulden hatte, dazu die un- 
geheure Schuldenlast, die dieser !Krieg auf die Stadt walzte; end- 
lich — um der grossen Pest von 1680 gar nicht erst weiter zu 
gedenken — eine langandauernde, ^unbeschreibliche" Rechtsunsicher- 
heit, die einen allgemeinen Niedergang in Industrie, Verkehr und 
Handel nach sich zog — alle diese und andere Missstande mehr 
vermochten indessen nicht, eine Einrichtung zu sttirzen, deren Zweck- 
massigkeit sich unter Schwierigkeiten mannigfachster Art bereits 
zu lange gl&nzend bew&hrt hatte, als dass sie nunmehr noch der 
Ungunst vorttbergehender ausserer Verhaitnisse zum Opfer hatte 
fallen sollen. 

Im Gegentheil, der Abschnitt, welchen der Verfasser der Ge- 
schichte der Leipziger Messen vom Ende des dreissigjahrigen Krieges 
bis zum Jahre 1711 gewidmet, lasst erkennen, dass dieselben von 
der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts an, besonders aber seit dem 
Regierungsantritt Johann Georgs III., einen langsamen, doch stetigen 



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168 Literatur. 

Aufschwung nahmen, der ihnen bereits im ersten Jahrzehnt des 
achtzehnten Jahrhunderts zum Ubergewicht tiber alle anderen Reichs- 
messen, selbst die von Frankfurt am Main mitinbegriffen, verholfen hatte. 

Es ist bekannt, dass Leipzig diesen erfreulichen Vorsprung 
bis auf den heutigen Tag zu wahren und zu vergrSsseni verstanden 
hat, wiewohl es Merbei, wenigstens wahrend des achtzehnten Jahr- 
hunderts, staatlicherseits nicht eben immer in der wtinschenswerthen 
Weise gefOrdert wurde*). 

Abgesehen von der nicht gefahrlichen, doch unbequemen E.on- 
kurrenz Braunschweig's, von dem Verbot der Waareneinfuhr ans 
Frankreich und von den im achtzehnten Jahrhundert permanent 
gewordenen ZoUstreitigkeiten aller Staaten imter einander war aber 
ein anderer Faktor, der Leipzigs Handel und Messgeschaft und 
zwar am allerschwersten Abbruch that, der siebenjahrige Krieg, in 
welchem Friedrich der Grrosse die Stadt „geradezu systematisch aus- 
saugte". Der Verfasser macht ttber die fur jene Zeit ganz unge- 
heuren Bedrlickungen, die Leipzig damals tiber sich ergehen lassen 
musste, recht interessante Mittheilungen, kommt aber doch zn dem 
Schlusse, dass „vom siebenjahrigen Krieg an bis zu den napoleo- 
nischen Kriegen die aussere Entwickelung der Leipziger Messen 
eine ruhige, von besonderen Zufallen nicht ^estorte war**. 

Dieser Stand der Dinge anderte sich m der letzten, von 1806 
bis zur Gegenwart reichenden Periode. 

Die ungliicklichen Folgen der Schlacht bei Jena, die zur. defi- 
nitiven Besetzung Leipzigs durch Davoust ftihrte; die Verhangung 
der Kontinentalsperre, die den Handel mit England lahm legte und 
zur Beschlagnahme aller in Leipzig lagemden Waaren englischen 
Ursprungs fiihrte; die Verhangnisse des Jahres 1813, in welchem die 
Stadt bald in den Handen der Franzosen, bald in denen der Russen 
war; endlich, um nur noch eine wichtige politische Umgestaltung zu 
erwahnen, die Theilung Sachsens, die die alten ZoUstreitigkeiten 
mit Preussen von neuem wachrief — alles dies musste fQr Leipzigs 
Handel und seine Messen zu neuen, Schweren Krisen fiihren, denen 
schon nach wenigen Jahrzehnten einschneidende Umwaizungen 
anderer Art folgten: der Beitritt Sachsens zu dem ZoUverein und 
die Umgestaltung der Verkehrsverhaltnisse duich die Eisenbahnen. 

Auch liber die vorstehend kurz bertlhrten Ereignisse und ihre 
wirthschaftlichen Folgen giebt der Verfasser ausftihrlichere Rechen- 
schaft, um sodann noch einen Blick auf das Leipziger. Ausstellungs- 
wesen zu werfen, wahrend Mittheilungen tiber die Messen der 
Jahre 1866 und 1870 den Schluss der fortlanfenden Geschichte jener 
grossen Markte bilden. 

So. viel tiber den Theil des Hasse'schen Werkes, welcher der 
ausseren Geschichte der Leipziger Messen gewidmet ist. Es 
folgen dann noch in neun weiteren Abschnitten ziemlich umfang- 
reiche, detailliert gehaltene Forschungen und Studien tiber die Ver- 
fassung derselben, tiber den Umfang des Waaren-, des Geld- und 
des Personenverkehrs wahrend der Messen, sowie tiber den Verlauf 
und die Bedeutung derselben seit 1729 — Untersuchungen, die 

^) Der Verfasser bringt hierftir aiif Seite 147 flg. sehr drastische 
Belege bei. Wie aus verschiedenen Petitionen, u. A. einer vom 
Jahre 1800 (Anl. No. XXXIII) erhellt, waren sich Rath und Kanf- 
manuschaft Leipzigs der Vernachiassigung ihrer Interessen seitens 
der Regierung tibrigens klar bewusst. 



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Literatur. 169 

ihrem Wesen nach wenig angethan sind, in Ktirze und an dieser 
Stelle besprochen zu werden. Dagegen bleibe nicht unerwahnt, dass 
der Verfasser seinem Werke ausser einer betrachtlichen Anzahl 
zum Theile auszug^weise abgedruckter wichtiger Urkunden (Anl. I— L, 
pag. 456—505) ein mit vieler Mtihe zusammengestelltes Jnhalts- 
yerzeichnis beigegeben hat, das insbesondere dem Kaufmann und 
Industriellen bei der Benntzung des Baches gute Dienste thun wird. 
Denn Basse's Werk hat nicht nur auf des Historikers Interesse 
Anspruch: der Handels- und Gewerbestand kann daraus die Ver- 
gangenheit kennen lemen, um die Gegenwart zn verstehen und auf 
die Zukunft zu schliessen. 

Leipzig. Georg Schonherr. ' 

Handel und Industrie der Stadt Basel. Zunftwesen und Wirth- 
schaftsgeschichte bis zum Ende des XVII. Jahrhunderts aus den 
Archiven dargestellt von Trangott Geering, Dr. phil. Basel 1886. 
XXVI. 678 SS. 8«. 

Fill die Wlirdigung dieser ausserordeutlich inhaltreichen wirth- 
schaftsgeschichtlichen Arbeit nach ihrem Hauptinhalt ist hier nicht 
der Ort. Es soUen nur einige Punkte besprochen werden, welche 
sich auf die Wirthschaftsgeschichte Sachsens beziehen und natUrlich 
dort nur gelegentliche Behandlung finden. 

Wahrend Basel in einer ersten, nicht naher bekannten Bltithe- 
periode nach den Messen in der Champagne gravitiert, ist sein wirth- 
schaftliches Leben vom XIV. Jahrhundert an auf das innigste 
mit den Messen in Frankfurt a. M. verkniipft. Die Beziehungen 
Basels zu den Leipziger Messen sind dagegen, wie es nach den 
Ausftihrungen Geerings scheint, bis zum Ende des XVII. Jahrhun- 
derts auffallig belanglos und beschranken sich auf den Buchhandel: 
^In Leipzig finden wir unsere Baseler Drucker ausnahmsweise frtih. 
Bernhard Richel hat 1473 ff. betrachtliche Exstanzen bei anderen 
Druckem. Mit dem Einzug eines Theiles (20 Fl.) zu Weihnachten 
in Lipx beauftragt er den Niclaus Kessler. Falls dieser nicht nach 
Leipzig geht, ist die Summe bis Fronleichnam an ihn selbst nach 
Basel zu entrichten ... Im Mittelpunkt aber steht durchaus Frank- 
furt." , Leipzig erhielt, 1603 zum erstenmal, das Uebergewicht iiber 
Frankfurt. Fiir Basel war diese Verschiebung aber offenbar nach- 
theilig, da sie die Entfeniung vom Hauptmarkte verdoppelte." 

Die starken Beziehungen der Basler und schweizer Industrie 
zu den Leipziger Messen, welche die Geschichte der letzteren er- 
kennen lasst, fallen erst in das von Geering nur fluchtig behandelte 
XVIII. Jahrhundert. 

Bei Besprechung der Verkehrsverhaltnisse des XVII Jahr- 
hunderts wird erwahnt, dass damals eine Art Reaktion zu gunsten 
der Wasserstrassen eingetreten sei, dass aber damals der sachsische 
Oberbergmeister Weigel begonnen habe, die Sprengarbeit dem 
Strassenbau nutzbar zu machen. 

Auch die Industrie der Schweiz ist, wie die anderer mittel- 
europaischer Lander, auf das gliicklichste durch die franzosischen 
und italienischen Glaubensverfolgten beeinflusst worden. Vielfach 
war die Schweiz fUr dieselben ein Durchgangspunkt, so dass deutsche 
industrielle Anlagen mehrfach in erster Linie auf die Schweiz, in 
letzter Instanz aber auf die Refugianten zurttckzufiihren sind. So 
begnindete Paris Appiano 1557 die Seidenfarberei und Sammtweberei 



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1 70 Literatur 

in Zurich. Einer seiner Arbeiter Jakob Duno richtete aber dem 
Kurfttrsten von Sachsen in Meissen eine Fabrik ein. 

Wabrend Frankreich im XVII. Jahruundert auf dem Gebiete 
der industriellen Produktion Italien verdrangte nnd zum ersten 
Range emporstieg, hat sich Deutschland 30 Jahre lang im blutigsten 
Kriege zerfleischt. Seit dem Friedeu aber drohte Frankreichs ma- 
terielle Uebermacht nnter der unerreichten Verwaltung Colberts den 
ostlichen Nachbar voUends zu ersticken. Es ist ein Stuck von der 
Politik Heinrichs IV., die unter Richelieu und Louis XIV. zur 
Reife gedeiht. Deutschland soil in fortdauemdem Kriegszustand er- 
halten b.leiben, es soil dazu dienen, franzSsi^che Heere zu nahren 
und . in tjbung zu erhalten und endlich soil ein Sttick guten deutschen 
Bodens nach dem andem abbrockeln. Es soUen ihm aber auch sein^ 
wirthschaftlichen Krafte unterbunden bleiben. 

Geering bezeichnet es als das Verdienst des grossen Kurfiirsten 
und des sachsisch-polnischen Konigshauses, zum Theil auch der Stadt 
Hamburg, den Gegner von dieser wirthschaftlichen Seite her klar 
erkannt und ihm, wenn auch mit uDgleichen Mitteln, doch mit 
wachsender Macht und schliesslich im Zollverein unseres Jahrhun- 
derts, tiberhaupt in der deutschen Einheit des neuen Reiches, mit 
Erfolg begegnet zu haben. Zu der politischen Ohnmacht der klei- 
neren siiddeutschen Staaten kam im XVII. Jahrhundert der ziinftige 
Starrsinn, welcher eine wirthschaftliche Entwickelung unmoglich 
machte. Nur im Norden, wo einsichtige Fiirsten tiber grSssere Ter- 
ritorien geboten und Macht und Entschiedenheit genug besassen, um 
gegen die kleinhandwerkerliche Einseitigkeit des solidarischen deut- 
schen Zunftwesens, hauptsSlchlich gegen die enggeschlossene Phalanx 
der Gesellentyrannis aufzukommen, da trat neben den Verfall des 
ZunftwQsens eine machtig aufstrebende modeme Bewegung. Diese 
wirthschaftliche Seite der Entwickelung wird in ihrer Bedeutung 
als Vorarbeit fiir die Verschiebung des Schwerpunktes im neuen 
deutschen Reiche nicht hinlanglich beachtet. Vor allem Sachsen, 
dann Brandenburg, Hamburg und der Niederrhein hielten das deutsche 
Wirthschaftsleben im XVII. und XVIII. Jahrhundert aufrecht. 

Gelegentlich wird erwahnt, dass der 30jahrige Krieg den 
Tabakgenuss auch in Sachsen verbreitet habe, wo 1631 die ersten 
Tabakpflanzungen angelegt worden seien. Dass nach dem Kriege 
die sachsische Tuchindustrie auch in der Schweiz wieder ein Absatz- 
gebiet gefunden hat, ist nicht auffallig, bemerkenswerth aber, dass 
„die Meissner" Scheinfuss aus Reichenbach und Kiirtzel aus Meissen 
in Basel den Versuch gemaclit haben, den Tuchausschnitt im ein- 
zelnen an sich zu bringen. 

Leipzig. E. Hasse. 

Prinzennnterriclit im 16. und 17. Jahrhundert nach Handschriften 
der KQnigl. 5ffentlichen Bibliothek zu Dresden. Von Dr. C. Fletz. 

Jahresbericht des Neustadter Realgymnasiums zu Dresden 

Dresden. 1887. 26 SS. 40. 
Beabsichtigt auch der Verfasser vorliegender Programmabhand- 
lung nach dem ^ewahlten Titel eine weitere Fassung des Themas, so 
beschaftigt er sich doch fast ausschliesslich mit der Erziehung der 
Prinzen aus dem Hause Wettin und bietet nach Seite der Methode wie 
der Resultate einen werthvoUen Beitrag zur sachsischen Geschichte. 
Als Quellen dienten ihm eine Reihe von handschriftlichen Heften wie 
gedruckten Lehrblichem, welche sich im Gebrauche der fftrstlichen 



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Literator. 171 

ZOglinge befanden und jetzt der hiesigen KOniglichen oflfentlichen Bib- 
liouek angehOren. Als Resultat ergiebt sich, dass die einzelnen Str5- 
mTingen, welche durch die Greschichte der FUdagogik in diesen Jabr- 
hunderten hindorchgehen, mehr oder weniger aiich die Ftirstenerzieh- 
ung beeinflusst baben. Dentlich lassen sicb die verschiedenen Perioden 
unterscheiden Hit Interesse verfolgt man die einzelnen Lebrf richer, 
fiber deren Betrieb, praktische Ansgestaltnng und Erfolge wir in ein- 
gehendster Weise nnterrichtet werden, w&hrend uns sonst in dieser 
Ricbtung oft genug die Quellen feblen. So fesselu uns beim Schreib- 
unterricht nicht nur die LeistuDgen der jugendlichen Scbreibktlnstler 
bezttglicb der Form mit ihrer grOsseren oder geringeren Gewandtbeit, 
sondem namentlicb aucb der Inbalt der Vorlagen und Uebungen, wel- 
cher mit seinen GIftckwonscbgedichten in akrosticbiscber Form, Adres- 
sen an die hoben Verwandten, moralischen Sentenzen, Gebeten wider 
den Tttrken ganz die Stimmungen und den Charakter der Zeit wider- 
spiegelt. In den klassiscben Spracben fallen uns die Reimregeln auf, 
deren Menge und Form beute wobl nicbt nur bei den gescbworenen 
Gegnem dieser BlUtbe des lateiniscbenUnterrichts ein gelindes Gruseln 
yeranlassen wtlrde. Die Ertbeilnng des Religionsunterrichts durcb 
Hofprediger (S. 6) dttrfte wobl auf altere Zeit zurtickzufabren sein. 
Man darf annebmen, dass diese Verbindung bereits seit Nikolaus Sel- 
necker geblieben ist. Unter den Fachem wird das Hebrftische nicht ge- 
nannt. In dieser Spracbe genoss Johann Georgll. drei Jahre lang den 
Unterricht des Rektors der Dresdener Kreuzschule, M. Jobann Bobe- 
mus. Er war der letzte, der diesen Bildungsgang durchmacbte. Leider 
scheint sicb darttber im hiesigen KOnigUchen Hauptstaatsarchiv nichts 
erhalten zu baben. Vergl. Meltzer, M. Johann Bobemus. . . S. 39,47,49. 
tJber die einzelnen Personlichkeiten der Lehrer fiigt Bericbterstatter 
folgende Notizen bei. In Herzog Heinrichs Hofstaat erscheint 1 534 
ein «Her Merten des J. Hem Preceptor"; von ihm wird aucb ein Biicher- 
kauf f&r den Gebrauch des Z5srlings erwfthnt. Vergl. Seidemann, Die 
Reformationszeit in Sachsen. Handexemplar des Verfassers in der hie- 
sigen KQnigl. effentl. Bibliothek (H. eccl. E 826) S. 48 Beiblatt Eben- 
dort S. 171 wird erwahnt vom Jahre 1637 ,M. Andreas Walwitz, Pra- 
ceptor far die jungen Herm and Mattes Weller sein Junge*-. Ebendort 
finden sicb Notizen ttber den Gehalt von Herzog Augusts Lehrer M 
Nontaler S. 171b; vergl. aucb S. 241b und Dresdner Hauptstaatsarchiv 
Cop. 222, fol. 107. Im Geschossbuch ftirs Jahr 1585 Bl. 88b (ebenda, 
vormal. Fiuanzarcbiv) wird genannt Heinrich von Hagen, der junofen 
Herrschaft Hofemeister. Vorstebeude Notizen sollen als 8ocjts 
oAiyTjie (pi'ki\rt dem Verfasser das Interesse bezeugen, mit deni Ref. 
die Abhandlung gelesen hat. 

Dresden. Georg Mtiller. 



tbersicht tiber neuerdings erschienene Schriften 

und Aufsatze ziir sachsisch-thuringischen Geschichte und 

Alterthumskunde. 

am Ende, E. Pastor Carl Heinrich Nicolai zu Lobmen, der erste 
Wegweiser durch die s'^chsische Schweiz: Wissenschaftliche 
Beilage der Leipziger Zeitung. 1886. No. 71. S. 428—425. 

- Die Leich'schen Stiftungen: ebenda No. 72. S. 431. 



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172 Literafcur. 

Behms, Bud. Die Miihlen der Stadt Zittau: Neues Lansitzer 

Magazin. Bd. LXII (1886). S. 217—244. 
Grafv, Beust, Frdr, Ferd. Aus drei Viertel-Jahrhunderten. Er- 

innei-nngen nnd AafzeichnuDgen. 2 Bde. Stuttgart, Gotta. 1887. 

XV, 462 imd VIII, 579 SS. 80. 
Boettcher, Frdr. Eduard Stephani. Ein Beitrag zur Zeitgeschichte, 

insbesondere zur Geschichte der nationalliberalen Partei. Leipzig, 

Brockhaus. 1887. IX, 299 SS. 8» 
V. Borries, H, Vorgeschichtliche Graber bei R5ssen (Kr. Merseburg) 

und Kuckenburg (Kr. (Juerfurt). Herd- und Brandstellen aus 

vorgeschicbtlicher Zeit in Giebichenstein bei Halle, vorgeschicht- 

licher Begrabnisplatz bei Dollingen und vorgeschichtliche Grab- 

hligel in Lobholze bei SchkOlen. Berichte iiber Ausgrabun^en, 

untemommen von H. v. B. (A. u. d. T.: Vorgeschichtliche 

Alterthiimer der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete. 

Herausgegeben von der historischen Commission der Provinz 

Sachsen. I. Abtheilung. 3. und 4. Heft.) Halle, Hendel. 1886. 

24 SS. und 7 Tafeln. gr. 4». 
Branny J, Geschichte der Buchdrucker und Buchhandler Erforts 

im 15. bis 17. Jahrhundert: Archiv fiir Geschichte des deutschen 

Buchhandels X (Leipzig 1886). 8. 59—116. 
[Briden, CaspJ Maria Josepha, KOnigin von Polen, Churfilrstin von 

Sachsen 1699—1757: St. Benno-Kalender. 1887. S. 61—71. 
Buchwald. Beitrage zur Geschichte des vogtlandischen A dels: 

Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1887. No. 17, 

19, 21. S. 98 fig., 109 flg., 121—124. 
Busson, A. Friedrich der Freidige als Pratendent der sicilischen 

Krone und Johann von Procida: Historische Aufsatze dem An- 

denken an Georg Waitz gewidmet. (Hannover, Hahn. 1886.) 

S. 324—336. 
Distel, Theodor. Der Leipziger Schoppenstuhl. I. Abschnitt. 

Weimar 1886. 27 SS. 8^. (Separat-Abdruck aus der Zeitschrift 

der Savigny-Stiftung fiir Rechtsgeschichte Germ. Abth. Bd. VII. 

S. 89-115). 
Dittrich, Max. Beim Regiment des Prinzen Friedrich August 

1870/71. Kriegs-Erinnerungen. Dresden, Fr. Tittel Nachf. 1886. 

110 S8. 80. 
E. Der Militftr-St -Heinrichsorden. Zum 7. Oktober, dem 150 jah- 

rigen Stiftungstage desselben : Wissenschaftliche Beilage der 

Leipziger Zeitung. 1886. No. 80. S. 477—480. 
Ebeling, Friedr, W. August von Sachsen (1558 — 1586). Berlin, 

J. J. Heine. 1886. IV, 108 SS. S^. 
Ermisch, H, Urkundenbuch der Stadt Freiberg in Sachsen. Im 

Auftrage der Koniglich Sfichsischen Staatsregierung herausgegeben. 

II Band: Bergbau, Bergrecht, Miinze. Mit einer Tafel. (A. u. 

d. T. : Codex diplomaticus Saxoniae regiae. Im Auftrage der 

Koniglich Sachsischen Staatsregierung herausgegeben von Otto 

Posse und Hubert Ermisch. Zweiter Haupttheil. XIII. Band). 

Leipzig 1886. LXVni, 529 SS. 4^. 
Fietz, C, Prinzenunterricht im 16. und 17. Jahrhundert nach Hand- 

schriften der kSnigl. Sffentlichen Bibliothek zu Dresden (Jahres- 

bericht des Neustadter Realgymnasiums zu Dresden). Dresden. 

1887. 25 SS. 40. 



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Literatur. 173 

Frankenstein, Kuno. Bevdlkerung und Hausindustrie im Kreise 
Schmalkalden seit Anfang dieses Jahrhunderts. Ein Beitrag ziir 
Socialstatistik und zur Wirthschaftsgeschichte Thtiringens. Mit 
mebreren in den Text gedruckten Abbildungen. (A. u. d. T. : Bei- 
trage zur Geschichte der Bevblkerung in Deutschland seit Anfang 
dieses Jahrhunderts. Herausgegeben von Fr. J. Neumann. Bd. 2.) 
Tubingen, Laupp. 1887. XI, 284 SS. 8^. 

Hey, Gustav. Slavische Ortsnamen in deutschem Gewande: Wissen- 
schaftl. Beilage zur Leipziger Zeitung. 1887. No. 20. S. 117— 119. 

Jacob, G, Die Gleichberge bei Romhiid als Kulturstatten der La 
T^nezeit Mitteldeutschlands. (A. u. d. T.: Vorgeschichtliche 
Alterthtlmer der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete. 
Herausgegeben von der historischen Commission der Provinz 
Sachsen. I. Abtheilung. 5.-8. Heft.) Halle, Hendel. 1887. 
60 SS. mit 8 Tafeln und eingedruckten Figuren. gr. 4®. 

Kirchhoff, Albr. Ein etwas rathselhaftes Document [zur alteren 
Geschichte des Leipziger Buchhandels] : Archiv fur Geschichte 
des deutschen Buchhandels X (Leipzig 1886). S. 9—26. 

— Lesefrtichte aus den Acten des stadtischen Archivs zu Leipzig II : 
ebenda S. 117— 1B8. 

— Christoph Kirchner in Leipzig und sein Concurs 1597/98 : ebenda 
S. 174—206. 

— Der Leipziger Rath als Macen: ebenda S. 231 fig. 

— Noch Einiges zu Johann Herrgotts Beziehung zu Leipzig: 
ebenda S. 232 flg. 

— Aus dem Familienleben Leipziger Buchhandler : ebenda S. 232 — 247. 

— Zum V(5gelin-Kopfschen Streit: ebenda S. 247 flg. 

— Noch einmal der Leipziger Messkatalog : ebenda S. 248—250. 

— Die Anf&nge der Insinuation von Priviiegien durch den Rath zu 
Leipzig: ebenda S. 256—265. 

— Zu den Streitigkeiten der Leipziger Buchhandler mit den Mess- 
freunden: ebenda S. 267—270. 

Kirchner, K, Biographie Adam Sibers. Chemnitz, 0. May (Komm.). 

1887. 206 SS. 80. 
Knabe, C. Das Amt Torgau; Volkszahl von Torgau 1505 und 1535. 

(A. u. d. T.: Publikationen des Alterthums-Vereins zu Torgau I.) 

Torgau, Fr. Jacob. (Komm). 1887. 37 SS. 8«. 
Knothe, H, Wie Seifhennersdorf zur Oberlausitz geschlagen wurde : 

Neues Lausitzer Magazin. Bd. LXII (1886). S. 286—288. 

— Wie die Burg Karlsfried und die Zittauer Vogtei flir die Krone 
B(Jhmen reklamiert werden soUte: ebenda S. 288—292. 

f — 1 Kriegserlebnisse eines Soldatenschulmeisters aus dem Jahre 1 866 : 
Sonntags-Extrabeilage zu den Bautzener Nachrichten. 1886. 
No. 35—38. S. 137 flg., 141—143, 145 flg., 149 flg. 

Koch, Ernst Magister Stephan Reich (Riccius). Sein Leben und 
seine ScHriften (1512—1588). 1. Theil. Mit Reicbs Bildnis in 
Lichtdruck. (Programm des Gymnasium Bernhardinum zu Mei- 
ningen.) Meiningen. 1886. 40 SS. 4^ 

— Urkandlicher Stammbaum der Familie Triller vom Geschlechte 
des KQhlers, welcher im Jahre 1455 die Befreiung des Prinzen 
Albrecht von Sachsen herbeifiihrte. Meiningen, L. v. Eye. 1887. 
20 SS. 40. 

Kohler, «7. A. E. Das K5nigreich Sachsen und seine Fiirsten. Ftir 
Schule und Haus bearbeitet. Mit 26 Bildnissen sftchsischer Fiirsten. 
Leipzig, Hirschfeld. 1886. IV, S06 SS. 8^ 



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174 Literatnr. 

Korschelt, G. Das Bombardement von Zittau am 23. Juli 1757: 
Neues Lausitzer Magazin. Bd. LXII (1886). S. 206-216. 

V. Krosigk, Konr. Urkundenbuch der Familie v. Krosigk. Eine 
Sammlnng von Regesten, Urkunden nnd sonstigen Nachrichten 
zur Geschichte der Herren v. Krosigk und ihrer Besitzungen. 
Im Auftrage der Familie v. Krosigk gesammelt und bearbeitet. 
3. Heft. 2. Abtheilung. Halle, Schmidt. ISSS. S. 123—248. 8«. 

Lehmann, Emil. Aus alten Acten. Bilder aus der Entstehungs- 
geschichte der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden. 
Dresden, Tittmann. 1886. XVI, 77 SS. 8®. 

LohCf J, und Zofee, E. Geschichte der Kirchen und Schulen des 
Herzogthums Sachsen-Altenburg, mit besonderer Berticksichtigung 
der Ortsgeschichte. Erster Band. Altenbnrg, Bonde, 1886. 
IV, 642 SS. 8« 

Frhr. v. Mansberg, E. Die Minnelieder Heinrichs des Erlauchten : 
Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1886. No. 78, 
77, 79, 81, 83, 85. 8. 437—439, 457-460, 473-475, 485—487, 
498—500, 509-512. 

Meitzen. Die Oberlausitz und Hermann Knothe: GrSttinger Ge- 
lehrte Anzeigen. 1887. No. 2. 8. 66—73. 

F, Herm. Meyer. Die Messrelationen Abraham Lambergs: Archiv 
fiir Geschichte des deutschen Buchhandels X (Leipzig 1886). 
S. 250—256. 

Miiller, Georg. Quellenstudien zur Geschichte der sachsischen Hof- 
prediger. I. Kaspar Fiiger, Hofprediger der Herzogin Katharina 
von Sachsen. II. Hieronymus Opitius, Hofprediger der Herzogin 
Katharina von Sachsen und Reformator von Bischofswerda : Zeit- 
schrift far kirchliche Wissenschaft und kirchliches Leben. Jahrg. 
1886. Heft X. S. 618—531. Heft XII. S. 624-632. 

V, Miilverstedt, G. A, Regesta archiepiscopatus Magdeburgensis. 
Sammlnng von Ausziigen aus Urkunden und Annalisten zur Ge- 
schichte des Erzstifts und Herzogthums Magdeburg. Nach einem 
hohern Orts vorgeschriebenen Plane in Gemeinschaft mit Ed. 
Jacobs, K. Janicke, F. Geisheim, C. Sattler und M. Knihne 
bearbeitet und auf Kosten der Provinzial-Vertretung der Provinz 
Sachsen herausgegeben. Dritter Theil. Von 1270 bis 1305. 
Nebst Nachtragen zu den drei Theilen und einer chronologischen 
Tabelle liber die ersteren. Magdeburg, E. Baensch. 1886. IV, 
810 SS. 80. 

Needoft, B. Zur Entstehung der ober sachsischen Familiennamen: 
Wissenschaftliche Beilage der Ijeipziger Zeitung. 1886. No. 103. 
S. 645-650. 

— Der sachsische Historiker Johann Christian SchOttgen. Zur Er- 
inneruDg an seinen zweihundertjahrigen Geburtstag : ebenda 1887. 
No. 20. S. 114 flg. 

Oertel, G, Sachsens wtiste Marken : ebenda 1886. No. 100. S. 621 
bis 623. 

— Slavische Reste in Sachsen: ebenda 1887. No. 7. S. 37—39. 
Pfotenhauer, P. Sechsstadter auf der Universitat Frankfurt a. 0. 

1506—1606: Neues Lausitzer Magazin Bd. LXII (1886). 8. 181 
bis 205. 
Pilk, Georg. Der Heidenfriedhof auf dem Falkenberge: Uber Berg 
und Thai. Jahrg. 10 (1887). No. 2. S. 111-113. 



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Literatur. 175 

Pohle, Fr. W. Chrouik von Loscliwitz. Auf Grand von amtlichen 
Quellen und mit Benutzung des k(5nigl. sSchs. Hauptstaatsarchivs, 
des Rathsarchivs der kSnigl. Haupt- und Residenzstadt Dresden 
sowie der konigl. Bibliothek zusammengestellt und bearbeitet. 
Dresden, Teich. 1886. 333 SS. 8«. 

(Rentsch, Joh. G.J Aus Kittlitz [Personalien tiber hervorragende Lau- 
sitzer aus den Geburts- und Taufregistera der Parochie K.] : Neues 
Lausitzer Magazin. Bd. LXII (1886). S. 282 fl^. 

— Abschrift eines Lehnbriefes ttber die Dorfer Kittlitz, Georgewitz 
und Krappe vom Jahre 1396: ebenda S. 284— 286. 

Schmidt, Gustav, Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt und 
seiner BiachSfe. Dritter Theil. 1304—1361. Mit 6 Siegeltafeln. 
(A. u. d. T. : Publikationen aus den K. Preussischen Staatsarchiven 
27. Bd.) Leipzig 1887. VI, 710 flg. S^. 

Schneidetvind, E. Der tugendhafte Schreiber am Hofe der Land- 
grafen von Thtiringen. Eine Festschiift des Karl-Friedricli- 
Gynmasiums zu Eisenach. Gotha, Perthes. 1886. VII, 24SS. 8^. 

Schonermarck, Gustav. Beschreibende Darstellung der alteren Bau- 
und Kunstdenkmaier der Stadt Halle und des Saalkreises (A. u. 
d. T.: Beschreibung der ftlteren Ban- und Kunstdenkmaler der 
Provinz Sachsen und an^enzenden Gebiete, herausgegeben von 
der historischen Commission der Provinz Sachsen. Neue Folge. 
Bd. 1.) Halle, Hendel. 1886. VIII. 619 SS. 80. 

V. Schubert. Charakteristik der Kriegfuhrung im 7 jahrigen Ki iege, 
mit besondeier Beziehung auf den Kriegsschauplatz in Sachsen: 
Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1886. No. 83. 
S. 493—498. 

Schuwiy W. Jahresberichte iiber Erscheinungen auf dem Gebiete der 
Geschichte von Obersachsen, Thtiringen und Hessen im Jahre 
1882 : Jahresberichte der Geschichtswissenschaft, im Auftrage der 
Historischen Gesellschaft zu Berlin herausgegeben von J. Her- 
mann, J. Jastrow, Edm. Meyer. Jahrg. V (Berlin, Mittler und 
Sohn. 1886). II. S. 174—187. HI. S. 88—105. 

Steche, E. Uber altere Bau- und Kunstwerke in der Amtshaupt- 
mannschaft Schwarzenberg : Wissenschaftliche Beilage der Leip- 
ziger Zeitung. 1886. No. 98. S. 605—607. 

— Das Palais im Koniglichen Grossen Garten zu Dresden: ebenda 
No. 103 S. 650 flg. 

Stein. Die wendischen Marken des deutschen Reiches unter der 
Regierung Kaiser Heinrich IV.: Jahresbericht des herzoglichen 
Friedrichs - Realgymnasiums zu Dessau 1886. 38 SS. 4^. 

Frhr. v. Tettau, W. J. A. Geschichtliche Darstellung der Gebiete 
der Stadt Erfurt und der Besitzungen der dortigen Stiftungen. 
Mit einer Uebersichtskarte. (A. u. d. T.: Jahrbiicher der konigl. 
Akademie gemeinniitziger Wissenschaften zu Erfurt. N. F. Heft 
14.) Erfurt, Villaret 1886. 265 SS. 8®. 

— Erfurts Unterwerfung unter die Mainzische Landeshoheit. [1648 
bis 1664.] (A. u. d. T. : Neujahrsblatter, herausgegeben von der 
historischen Commission der Provinz Sachsen. 11.) Halle, Pfeffer 
(Komm.). 1887. 56 SS. S^. 

Theile, F. Pastor Carl Heinrich Nicolai zu Lohmen: Uber Berg 
und Thai. Jahrg. 9. (1886.) No. 12. S. 93—97. 

Thumer, K. A. Geschichte des Gymnasiums zu Freiberg 1811—1842. 
(Programm des Gymnasium Albertinum zu Freiberg.) Freiberg. 
1887. 39 SS. 4". 



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176 Literatur. 

(v. Tumpling, Wolf.) Regesten zu Tiimplingschen Urkunden im 
Staats- und Ernestinischen Gresammtarchiv zu Weimai*. Weimar. 
1886. 26 SS. nebst einem Stammbaum und drei Siegeltafeln. 4^. 

Venediger, E. Das Unstrutthal und seine geachichtliche Bedeutung. 
Ein landeskundlicher Versuch: Jahresbericht des Stadt- Gymna- 
siums zu Halle 1886. S. 1—38. 

Grf, Vitzthum v. Eckstddty C. Frdr. St. Petersburg und London 
in den Jahren 1852—1864. Aus den Denkwtirdigkeiten des da- 
maligen konigl. sachs. ausserordentlichen Gesandten und bevoll- 
machtigten Ministers am k&nigl. grossbritann. Hofe C. F. Gr. V. 
v.E. 2Bde. Stuttgart, Gotta. 1886. XVI, 356 und XVIII, 390 SS. 8«. 

W.j J, Leipzig und sein Theater vor 60 Jahren. Aus dem Reise- 
tagebuche eines Parisers vom Jahre 1827 : Wissenschaftliche Bei- 
lage der Leipziger Zeitung. 1887. No. 19. S. 110 flg. 

Frhr, v, Zedtmtz, Arthur. [Die Wappeli der im K5nigreiche Sach- 
sen bltihenden Adelsfamilien. v. AuenmtiUer — v. Criegern]: Dres- 
dener Residenz - Kalender fiir 1887. (Dresden, Wamatz & Leh- 
mann.) • S. 159—170. 

Antheil der Sachsen an der EroberungOfens 1686: Wissenschaftliche 
Beilage der Leipz. Zeitung. 1886. No. 68, 69. S 405—407, 412 flg. 

Mittheilungen des Vereins fiir Anhaltische Geschichte und Alter- 
thumskunde. Bd. IV, Heft 9. Dessau. 1886. S^. 

Inhalt: Becker, Uber einige vorgeschichtUche Funde von 
der Osthalfte „der Gatersleber See". Maurer, Nachgrabungen 
bei der Schlosskirche zu Nienburg a. d. Saale. Hosaus, Elisa 
von der Recke in ihren Beziehungen zu Dessau und WSrlitz. 
Krause, Resultate der Bohrversuche auf den Feldmarken von 
Grobzig und Schortewitz 1841-— 1844. Wolfram, Heinricus de 
Saxonia de oppido Bemburg in Strassburger Urkunden. Littera- 
rische Nachweise zur Geschichte der Landeskunde Anhalts. 

Mittheilungen des Vereins fiir Geschichte der Stadt Meissen. Bd. I, 
Heft 5 (Schluss). Meissen, L. Mosche (Komm.) 1886. S^. 

Inhalt: Langer, Bischof Benno von Meissen, sein Leben und 
seine Kanonisation. Kreyssig, Meissens evangelische Stadt- 
geistlichkeit 1539—1885. Buchwald, Zu dem Briefwechsel des 
Johann Rivius. Loose, Meissner Poiizeiordnungen des fiinf- 
zehnten und sechzehnten Jahrhunderts. Ders., Zur Geschichte 
des Theaters in Meissen. Kleinere Mittheilungen. 

Mittheilungen des Vereins fiir Geschichte und Topographic Dres- 
dens und seiner Umgebung. 7. Heft. Dresden, C. Tittmann 
(Komm.). 1886. S^. 

Inhalt: O. Meltzer, Die Kreuzschule zu Dresden bis zur 
Einfiihrung der Reformation (1539). 

Mittheilungen vom Freiberger Alter thumsver ein, herausgegeben von 
Heinrich Gerlach. Heft 22. 1886. Freiberg i. S 1886. 8o. 

Inhalt: Knebel, Handwerksbrauche friiherer Jahrhunderte, 
insbesondere in Freiberg.. (1. Das Lehrlingswesen). Pfoten- 
hauer, Uber Freibergs Arzte und Heilklinstler in den altesten 
Zeiten. Gerlach, Bilder aus Freibergs Vergangenheit (No. 5. 
Die alte Freiberger Bergmannstracht). Knauth, Heinrich von 
Freiberg und seine Werke. Heydenreich, Zur Bibliographie 
liber die Geschichte der Stadt Freiberg. Gerlach, Th. Distel 
u. a., Kleinere Mittheilungen. 



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VI. 

Eine politische Denkschrift 

des kurflirstlicl) slichsischen Geheimen Rallies Abraham 
von Sebottendorf fiir Johann Georg 1, vom Jalire 1639. 

Eingeleitet und herausgegeben 

von 

J. 0. Opel. 



Der Verfasser der nachfolgenden politischen Denk- 
schrift, der kursachsische Geheime Rath und spatere 
Geheimrathsdirektor Abraham von Sebottendorf, ist von 
Geburt ein Schlesier. Er war der alteste Sohn Johanns II. 
(Hans II.) von Sebottendorf auf Gaulau im Kreise Ohlau 
und seiner Gattin Barbara von Bilitsch aus dem Hause 
Sitzmannsdorf in demselben Kreise und am 22. Juli 1585 
geboren^). Johann 11. von Sebottendorf gehorte der Lorzen- 
dorfer Linie dieses Geschlechts an und scheint noch ein 
Mann vom alten Schlage gewesen zu sein, der sich selbst 
zu seinem Rechte und zu dem, was er als solches ansah, 
zu verhelfen wusste. Mit gewappneter Hand und durch 
einen reisigen Zug setzte er sich einst in den Besitz 
einer Anzahl von Eichenstammen, welche ihm die bischof- 
liche Regierung verweigert hatte. Ein sehr begtiterter 
Herr war wohl aber der Vater unsers Geheimen Rathes 
nicht, denn er sah sich vier Jahre nach der Geburt 
seines Sltesten Sohnes Abraham genothigt, sein Gut und 
Dorf Gaulau fiir die verhaltnismassig geringe Summe 



^) Die Zeitangaben sind in diesem Aufsatze unver&ndert stehen 
geblieben und also wahrscheinlich durchweg Angaben des alten 
Xalenders. 

Neues Archiv f. 8. G. u. A. Vlll. S. 4. l** ^^ j 

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178 J. 0. Opel: 

von 3000 Thalem an Kaspar Panwitz zu Mechwitz auf 
ein Jahr zu verpfanden. Johann von Sebottendorf starb 
im Jahre 1591. 

Abraham von Sebottendorf hat wenigstens di'ei 
Geschwister gehabt, einen jiingeren Bruder, Hans III., 
der spater in Weigwitz und Krauschau im Kreise Ohlau 
angesessen war und 1632 (22. Oktober) starb, und zwei 
Schwestern, von denen die eine kein hoheres Alter er- 
reichte, wahrend die andere mit Friedrich von Hohberg 
verheirathet war. Hans III. von Sebottendorf war Landes- 
altester des Ohlauer Weichbildes und soil bei seinem Tode 
zwolf Kinder hinterlassen haben'-*). 

Abraham von Sebottendorf verlor seinen Vater, als 
er erst sechs Jahr alt war, so dass die ausschliessliche 
Leitung seiner Jugenderziehung der Mutter zufiel. Die 
ersten Grundlagen seiner gelehrten Bildung legte der 
Knabe in der Stadtschule zu Ohlau und seit 1594 in der 
Piirstenschule zu Brieg. Schon im sechzehnten Lebens- 
jahre (1601) bezog der fahige Jtingling die Universitat 
zu Frankfurt a. O., ging darauf nach Altorf und besuchte 
dann auch noch die Universitaten Leipzig, Wittenberg 
und Giessen. Erst 1609 kehrte er von der Universitat 
nach Hause zurlick. Aus seinen spateren politischen 
Denkschriften darf man wohl den Schluss ziehen, dass 
er sich schon in der Jugend sehr eifrig der Kechtswissen- 
schaft hingegeben hat. Wahrscheinlich gehorte er auch 
schon damals jener fiir einen Schlesier nattirlichen poli- 
tischen Kichtung an, welche in der Kaisergewalt die 
alleinige Grundlage der Reichsverhaltnisse erblickte. Nur 
ein Jahr nach dem Abschlusse seiner Universitatsstudien 
(1610) finden wir ihn als Hofmeister bei den jungen 
Herzogen Heinrich Wenzel und Karl Friedrich von Oels- 

2) Ausser Gr auh es Adelslexikon 1, 1079 enthalt auch das KSnigl. 
Haupt-Staats-ArcMv zu Dresden einige Mittheilungen zur Oeschichte 
des sachsischen Zweiges dieser Familie. F^rner verdankt der Ver- 
fasser der Giite des Herrn Archivars Dr. Pfotenhauer zu Breslau 
schatzenswerthe Erganzungen, welche zumeist einem im K5nigL 
St. -A. zu Breslau befindlichen Stammhaume dieses Qeschlechts ent- 
nommen sind. Einige nicht unwichtige ZWge zur Lebensgeschichte 
Abrahams von Sebottendorf linden sich in der von dem Superinten- 
denten Christophorus Bulaus am 6. Dec. 1664 zu Dresden gehaltenen 
und spater verSffentlichten Leichenpredigt (Der Oeistlichen Uber- 

winder Himlische Vergeltung Zum Brieg, druckts Christoph 

Tschom. 4). Von dem seltenen Schriftchen besitzt die K5nigl. Uni- 
versitatsbibliothek zu Breslau ein Exemplar, dessen Benutzung uns 
durch die Giite der Konigl. Bibliotheksverwaltung ermSglicht wurde. 



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Eine politische Denkschrift etc. 179 

Bernstadt, deren Vater Herzog Karl zu Miinsterberg 
damals oberster Hauptmann von Ober- und Nieder- 
schlesien war. Zugleich libertrug ihm aber der Herzog 
Karl auch die Leitung seines Miindels, des Herzogs Georg 
Rudolf zu Liegnitz. 

In dieser Stellung kann jedoch Abraham vonSebotten- 
dorf nicht lange ausgehalten habeii, da er sich 1611 mit 
einer Geschlechtsverwandten Judith von Sebottendorf, 
einer Tochter Heinrichs (Friedrichs?) von Sebottendorf 
auf Kuhnern und Schonfeld (Kreis Ohlau), verheirathete. 
Dieser Ehe entsprossen drei Sohne, welche alle in einem 
Doch jugendlichen Alter, der zweite im sechzehnten und 
der dritte im vierzehnten Jahre, verstarben. Seine Ver- 
heirathung ist vielleicht auch die Folge davon gewesen, 
dass er in diesen Jahren sein vaterliches Gut Gaulau 
(Gaul) ubemommen hat, in dessen Besitz er seit 1612 
urkundlich nachzuweisen ist. Spater wurde er Rath des 
Herzogs und obersten Hauptmanns Johann Christian zu 
Liegnitz und Brieg und hatte als solcher auch allgemeine 
Landessachen zu bearbeiten. Als Rath dieses Herzogs 
ist er spatestens seit 1621 thatig gewesen. 

Als jedoch der Herzog Georg Rudolf von Liegnitz 
in die Stellung eines obersten Hauptmanns von Ober- 
und NiederscMesien eintrat, wurde Sebottendorf von 
seinem friiheren Zoglinge zum Oberamtskanzler in Schle- 
sien emannt. Als solcher trug er auf dem allgemeinen 
Fiirsten- und Standetage zu Breslau am 12. Mai 1626 
im Namen des Oberamts das Ersucheri des Kaisers vor, 
ihm 150000 Thlr. zur Reise nach Niirnberg, ferner die 
gleiche Summe zur Unterhaltung der ungarischen Grenz- 
festungen und endlich ebenso viel zur Befriedigung der 
Zinsforderungen des Kurfiirsten von Sachsen zu be- 
willigen ^). Ferner leitete er im Juni und Juli desselben 
Jahres die Verhandlungen der Stande der Fiirstenthiimer 
Schweidnitz und Jauer, infolge deren diese Stande ihrem 
neuen Landesherrn Ferdinand III., dem altesten Sohne 
des Kaisers Ferdinand II., den Eid leisteten. Nach dem 
Einrticken der Kaiserlichen in Schlesien und nachdem der 
Herzog Georg Rudolf bereits im Jahre 1627 von der Ober- 
amtsverwaltung zuriickgetreten war, legte jedoch auch 
der Oberamtskanzler ein Jahr darauf sein Amt nieder. 



^) Krebs, Acta publica, Verhandltingen und Correspondenzen 
der schlesischen Fiirsten und Stande VI, 147, 258. 

12* 



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180 J- 0. Opel: 

In dieser seiner Stellung hatte namlich Sebotten- 
dorf auch die Aufgabe, alle Massregeln, welche von der 
aUgemeinen Landesverwaltung zur Abwehr der Mans- 
felder und der sogenannten weimarischen Truppen ge- 
troffen wurden, durchfuhren zu helfen. Als sich jedoch 
die Osterreicher dauernd im Lande niederliessen, wird auch 
ihn derselbe Widerwille wie seinen Herrn ergriffen haben, 
so dass er jeder Verantwortung i'lir die traurige Lage 
des Landes enthoben zu sein wlinschte. Vielleicht trug 
aber zu seinem Entschlusse auch der Umstand bei, dass 
sich im Jahre 1627 seine Vennogensverhaitnisse durch 
eine nicht unbedeutende Erbschal't im Kurfurstenthum 
Sachsen, wo sein Geschlecht bereits im 16. Jahrhundert 
Gi'undbesitz erworben hatte, noch erheblich verbesserten. 

Damian von Sebottendorf (Sibottendorf) stand in der 
ersten Halfte des 16. Jahrhunderts im Dienste des alber- 
tinischen Hauses und war im Jahre 1547 in einem nicht 
mehr ganz jugendlichen Alter, da er dem Herzoge Moritz 
in den Kampf gegen Johann Friedrich folgte und vom 
Lager bei Miihlberg aus an Dr. Komerstadt uber die 
Get'angennahme des Kurfursten berichtete*). Zwei Jahre 
darauf verheirathete sich Sebottendorf als kurfiirstlicher 
Kammersekretar mit Anna Komerstadt, einer Tochter 
des bekannten kurfiirstlichen Kathes^). Im Jahre 1554 
kaufte er von den Briidern Hans, Georg und Wolf von 
Rottwerndorf das Rittergut Kottwemdorf bei Pima nebst 
Krietzschwitz und Naundorf (Neundorf)*). 

Auch der Kurfurst August erhielt sich die Dienste 
Sebottendorfs : im Jahre 1555 erscheint derselbe als Rath 



*) F. A. V. Lang en n, Moritz, Herzog und Churfiirst von Sach- 
sen 11, 30(5. D. V. S. war der Sohn des Hans von Sebottendorf zu Kunern 
und soU im August 1519 geboren sein. Nach demselben Gewahrs- 
mann, dem wir diese Mittheilung entnehmen, soU er nach Bohmen 
gegangen sein und sich „aus dem Hause Peters walde geschrieben" 
haben. Sinapius, Schlesische Curiosiiaten I, 868. 

^) Die Eheberedung vom 11. September 1549 hat sich im Ori- 
ginal m der Stadtbibliothek zu Leipzig erhalten. Vergl. Naumann, 
Prodromus et specimen catalogi S. 267: Compositio Georgii Komer- 
stadt j. V. d., domini in Kalckreuth, et Damiani a SibottendorfP, Se- 
cret. Camer. Elect. Sax. Ich verdanke die Benutzung derselben der 
GtLte des Herrn Oberbibliothekars Dr. Wustmann in Leipzig. 

®) Lehnbrief des Kurfursten August vom 3. April 1554 im 
H.-St.-A. Dresden Loc. 9872 Das halbe Dorff Heynersdorff etc. fol. 59. 
Vergl. Sinapius a. a. 0., nach welchem Hans von Sebottendorf 
im Jahre 1551 auch das Haus auf der Moritzstrasse gekauft haben 
soil. Ebenda findet sich eine Bemerkung tiber seine Kinder. 



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Eine politische Denkschrift etc. 181 

und 1556 als Beisitzer am Oberhofgericht zu Leipzig. 
Damian von Sebottendorf war mit Melchior von Osse 
verschwagert und verhandelte mit diesem auf Veranlassung 
des Kurfiirsten iiber die Abfassung seines Testamentes'). 
Spater (1563) wurde er zum Einnehmer der Tranksteuer 
ernannt*); geraume Zeit hindurch war er auch Keichs- 
pfennigmeister®). Zuletzt nahm ilm der Kurfiirst unter 
die Zahl seiner Geheimen Kathe auf. Und wahrend nun 
einst Sebottendorf in einer politischen Sendung ausser- 
halb Landes verweilte, erbaute ihm nach einer land- 
laufigen Uberlieferung sein dankbarer Landesherr in 
Rottwerndorf einen herrschaftlichen Landsitz. In Wahr- 
heit dlirfte aber wohl Sebottendorf selbst der Erbauer 
seines Schlosses gewesen sein, was auch die sich noch 
heute in dem Bauwerke vorflndenden Jahreszahlen (1556, 
1561, 1579) zu bezeugen scheinen^^). Der Schlossherr 
von Rottwemdorf kann liberhaupt kein unbemittelter 
Mann gewesen sein, denn ausser den genannten Giitern 
besass er auch noch ein freies Haus in der Moritzstrasse 
zu Dresden und einen Antheil des Dorfes Heinersdorf 
(Langhennersdorf?). Im Jahre 1578 wurde er nebst 
andem Rathen zum Empfange der Reichslehen zum 
Kaiser Rudolf H.^^) nach Prag gesendet. Er starb ira 
Jahre 1585. Sein Sohn Johann Georg (f 1612) scheint 
ebensowenig wie sein von diesem abstammender Enkel 
Hans Damian von Sebottendorf eine Stellung in der 
kursachsischen Landesverwaltung bekleidet zu haben. 
Mit dem kinderlosen Tode dieses letzteren (f 1627) 
gingen die sachsischen Giiter in die Hande des mit- 
belehnten und oben genannten Geschlechtsverwandten in 
Schlesien liber. 

Diese sachsische Erbschaft hat nun nach einigen 
Jahren eine entscheidende Wendung in den Lebensver- 
haltnissen Abrahams von Sebottendorf herbeigefiihrt. 
Wahrscheinlich iibemahm derselbe schon im Jahre 1627 
die Giiter Rottwemdorf, Krietzschwitz und Naundorf, 
als deren Besitzer er uns bald begegnet. Auch wird 



') Th. Distel, Zur Entstehungsgeschichte des Testamentes 
Melchiors von Osse, in dieser Zeitschrift VII, 153. 

8) H.-St-A. Dresden Cop. 321 fol. 109b, 110. 

») Vergl. z. B. ebenda Cop. 382 Bl. 24, Cop. 448 Bl. 134 b. 

^®) Steche, Beschreibende DarsteUung der alteren Ban- und 
Knnstdenkm&ler des KOni^eichs Sachsen I, 79. 

") J. 8. Muller, Annales S. 168, 169, 174. 



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182 J. 0. Opel: 

man annehmen durfen, dass um diese Zeit der Kurfiirst 
zuerst die personliche Bekanntschaft des begabten Mannes 
gemacht haben wird. Sicher ist jedoch nur, dass Abra- 
ham von Sebottendorf im Januar des Jahres 1629 im 
geheimen Auftrage der Herzoge von Liegnitz mid Brieg 
nach Dresden gesendet wnrde, um den Schutz Johann 
Georgs gegen die wachsenden religiosen Bedrlickungen 
der schlesischen Protestanten anzurufen ^^). Sebottendorf 
muss aber bei dieser Gelegenheit oder schon frtiher einen 
sehr vortheilhaften Eindruck gemacht haben, da ihn der 
Kurfiirst kurz darauf zu seinem Hofrath emannte und 
ihm unter dem 11. Marz 1629 seine Bestallung ausfer- 
tigen liess^^). Nach Schlesien scheint derselbe auf die 
Dauer nicht wieder zuriickgekehrt zu sein, obgleich er 
noch eine Zeit lang Rath des Herzogs Johann Christian 
von Liegnitz-Brieg blieb, denn noch im Jahre 1630 (2. Mai) 
wird er von diesem als solcher bezeichnet. Neben seinen 
.sachsischen Glitem besass er bis zu seinem Tode auch 
noch sein vaterliches Gut Gaulau^*). 

Als kursachsischer Hofrath soUte Sebottendorf immer 
am Regierungssitze anwesend sein, aber erforderlichen 
Falls auch Reisen libemehmen. Er war verpflichtet, die 
Parteien zu horen und ihre Streitigkeiten nach Recht 
und Billigkeit zu entscheiden. Die Abfassung von Gut- 
achten gehorte gleichfalls zu seinen Obliegenheiten, welche 
nicht rein juristischer Natur gewesen sein konnen. Sein 
Raths- und Dienstgehalt betrug jfthrlich 600 Gulden. 
Spater erhielt er auch Sitz und Stimme im Appellations- 
gerichte und fiihrte den Titel Hof- und Appellations- 
rath. 

Zu irgend einer erheblicheren politischen Thatigkeit 
scheint man ihn bis zum Jahre 1634 nicht herangezogen 
zu haben ^*). Denn schon damals erblickte der ehemalige 
Kanzler des Oberhauptmanns in Schlesien in den Schwe- 
den wohl viel eher Auslander, als Glaubens- und Bundes- 
genossen und war wohl ein Gegner der wahrend dieser 



") Vergl. Palm in der Zeitschrift f. schles. Geschichte III, 
282 flg. 

18) H.-St.-A. Dresden Loc. 7169 Acta Derer Churfttrstl. S. Ge- 
heimen Rathe Bestallungen 1664—1697 betr. 

1*) Gtitige Mittheilung des Herm Archivars Dr. Pfotenhauer in 
Breslau. 

**) Nach der Leichenpredigt ersuchte ihn der Kurfiirst schon 
im Jahre 1631 in den Geheimen ftath einzutreten. 



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Eine politische Denkschrift etc. 183 

Jahre in Dresden vorheiTSchenden politischen StrOmung. 
Aus diesem Gnmde mag man Sebottendorf auch fiir 
einen geeigneten Vertreter Kursachsens auf dem Kom- 
positionstage in Frankfurt a. M. (1631) erachtet und drei 
Jahre daraiif abermals nach Frankfurt gesendet haben, 
um auf dem sogenannten Konvente mit den oberen Standen 
der Missbilligung des Kurflirsten Ausdruck zu geben, 
dass sich die oberen Kreise einer fremden Ftihrung unter- 
geordnet batten, und einen Frieden vorzubereiten ^®). 

ADein im Januar des Jahres 1635 fiihrten un- 
sern Hof- und Appellationsrath sehr emste politische 
Auftrage des Kurflirsten nach Berlin "). Mit Hans 
Zeidler zusammen machte er hier Mittheilungen iiber 
den Stand der pimaischen Friedensverhandlungen. Bei 
dieser Gelegenheit trat die driickende Geldverlegenheit, 
in welcher man sich in Dresden befand, recht deutlich 
hervor; man war eine Zeit lang ausser Stande, das 
Reisegeld flir die kurfiirstlichen Gesandten herbeizu- 
schaffen, bis Dr. Doring endlich noch 100 meissnische 
Gulden aufbrachte. Nach seiner Riickkehr aus Berlin 
trug Sebottendorf aber sein Landesherr eine neue Gesandt- 
schaftsreise nach Prag auf, welche er mit dem Kammer- 
rathe Dr. Doring und dessen Schwiegersohne, dem Hofrathe 
Dr. Oppel f Opel), untemehmen sollte. Nur nach grossem 
und allem Anschein nach aufrichtigem Widerstreben — er 
machte geltend, dass ihm die Ausflihrung dieses Auftrages 
„wegen seiner hinfallenden Memorie und aus wichtigen 
Motiven hochbedenklich sei" — fligte sich Sebottendorf 
dem Willen des Kurflirsten. In Prag unterzeichnete er 
dann mit seinen Gefahrten den Frieden Kursachsens mit 
Osterreich und brachte auf diese Weise seinen Namen mit 
einer so bedeutenden Wendung des grossen deutschen 
Krieges in Verbindung. Der einst zum Schutze seines 
Glaubens nach Sachsen entsendete schlesische Protestant 
unterschrieb einen Friedensvertrag, welcher die wohl- 
erworbenen Rechte des schlesischen Protestantismus 
preisgab. Da ist es denn nicht gerade zu verwundern, 
dass auch sein guter Name bei der gehassigen Spannung 
der politisch-religiosen Gegensatze, welche dieser Friede 
hervorrief, von seinen politischen Gegnem verdachtigt 



^^) H el big, Der Pragei* Friede, in Fr. v. Raumers historischem 
Taschenbuche, Jahrg. 1858 S. 578, 582. 
") Helbig a. a. 0. S. 573. 



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184 J. 0. Opel: 

wurde. Man betrachtete Sebottendorf sowie Doring und 
Oppel als Werkzeuge der osterreichisch-spanischen Politik 
und warf ihnen vor, dass aie sich von Osterreich batten 
bestechen lassen. Infolgedessen wird sich Sebottendorfs 
Widerwille gegen politisclie Geschafte wohl nicht gerade 
geschwacht, sondern eher gesteigert haben, besonders da 
auch der Hof selbst in zwei einander ziemlich schroff 
gegeniiber stehende Parteien getheilt war. 

Auf der andem Seite sah sich jetzt Johann Georg 
um so mehr genothigt zu Kathen wie Sebottendorf seine 
Zuflucht zu nehmen, als sie den grossen Umschwung 
batten herbeifuhren helfen. Als daher der Kurfurst im 
August des Jahres 1635 liber Halle gegen Magdeburg 
zog, mussten ihn von seinen Kathen auch Sebottendorf 
und Timaus begleiten. Beide scheinen ununterbrochen 
bis zum Jahresschlusse in der Umgebung ihres Herm, 
welcher damals die Schweden aus dem Erzstift Magde- 
burg drangte, ausgehalten zu haben. Doch wirkte sicli 
der erstere um diese Zeit Urlaub aus und begab sich 
wieder zuruck nach Dresden. An seine Stelle trat, und 
zwar auf seinen besonderen Vorschlag, Georg von Wer- 
thern, der sich seiner Kranklichkeit wegen auch gem 
von der Unruhe des Hauptquaitiers fern gehalten hatte. 
Die nachsten Monate verlebte Sebottendorf wider in 
Dresden und auf seinen Giitern bei Pima. Damals iibte 
er auf die besondere Weisung des Kurfiirsten auch poli- 
tischen Einfluss auf den Kurprinzen aus und suchte ihn in 
dem politischen Ideenkreise seines Vaters festzuhalten^®). 

Bei der Wiedereroffnung des Feldzuges im Jahre 1636 
wurde jedoch Sebottendorf abermals in das Hauptquartier 
berufen, obwohl er dem Kurfiirsten schon im vorigen 
Jahre sehr ungern gefolgt war und ihm sogar Vorstell- 
ungen gemacht hatte. Und auch diesmal crhob er Ein- 
wendungen gegen den kurfurstlichen Befehl und machte 
geltend, dass ihm als Justiz- und Appellationsrathe eine 
Verwendung in politisch-militarischen Angelegenheiten 
nicht zugemuthet werden soUte. Als ihm indessen der 
Kurfurst seine Verwunderung iiber eine solche Weigerung 
wenn auch unter Anerkennung des Grandes ausdrtickte 
und seinen Befehl wiederholte, fiigte sich Sebottendorf 
und loste Timaus ab, der nun fast ein ganzes Jahr 
das Hoflager des Kurfursten begleitet hatte. Ausser 



i«) K. A. M tiller, Kurfurst Johann Georg der Erste S. 82. 

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Eine politische Denkpchrift etc. 185 

Sebottendorf wurde zu derselben Zeit auch Dr. Johaim 
Georg Oppel in das Hauptquartier gezogen, welches 
nach der Ubergabe der Stadt iiach Magdeburg ver- 
legt wurde. Sebottendorf verweilte darauf wochenlang 
in Magdeburg ^^); suchte sich aber gerade damals den 
wiederholten Antragen Johann Georgs, nach welchen er 
als Geheimer Kath den ganz verslnderten politischen 
Verhaltnissen des Kurftirstenthums auch nach aussen 
hin ihr besonderes Geprage geben sollte, mit aller 
Macht zu entziehen. Bald drangte er den Kurfiirsten 
wieder, ihn nach Hause zu entlassen; ja er trug sich 
sogar damals mit der Absicht, seine Giiter zu ver- 
aussern und ganz aus dem kurfi^rstlichen Dienste aus- 
zuscheiden. Die Ausfiihrung dieses Entschlusses hatte 
jedoch den Kurfiirsten in eine um so empfindlichere 
Verlegenheit gesetzt, als derselbe gerade damals mehrere 
seiner politischen Rathgeber durch den Tod verloren hatte. 
Der Nachfolger Kaspars von Schonberg als Direktor 
im Geheimen Rath war Georg von Werthern. Er iiber- 
reichte dem Kurfiirsten am 30. September 1629 eine 
Denkschrift liber die Einrichtung dieser damals besonders 
wichtigen Behorde; auf seinen Antrag wurden ferner in 
demselben Jahre Nikolaus Gebhard von Miltitz auf Sieben- 
eichen und Burkersdorf berufen, nachdem kurz zuvor der 
ehemalige Kanzler der erzstiftisch-magdeburgischen Re- 
gierung Dr. Johann Timaus gleichfalls zum Geheimen 
Rathe ernannt worden war. Mit diesen Mannem wirkte 
in den folgenden fiir Kursachsen so verhangnisvoUen Jahren 
bis zu seinem Tode auch Joachim von Loss als Geheimer 
Rath und Reichspfennigmeister zusammen, starb aber 
bereits am 14. Oktober 1633. Und als auch Miltitz sein 
Lebensziel am 9. April 1635 erreichte, waren in der mit 
Arbeiten iiberhauften Behorde zwei Stellen erledigt, und 
dem Kurfiirsten musste die Wiederbesetzung derselben um 
so mehr am Herzen liegen, als sich die politischen Ge- 
schafte nach dem Prager Frieden bedeutend vermehrten. 

^®) Am 9. Mai befanden sich Timaus und Sebottendorf im 
Hauptquartier zu Grosssalza (Krause, Aktenstticke III, 597). Eine 
Einladung an Sebottendorf und Oppel, zu ihm ins Hauptquartier zu 
kommen , erliess der Kurfiirst schon am 20. Juni 1636. Sie wurde 
unter dem 111 Juli, wo sich Johann Georg bei dem Domdechanten 
in Magdeburg einquartiert hatte, wiederholt; aber erst nach mehreren 
Wochen kamen beide Eathe in Magdeburg an (Krause a. a. 0. 
S. 654). Noch am 12. September a. St befand sich Sebottendorf in 
Magdeburg. H.-St.-A. Dresden. 



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186 J. 0. Opel: 

Demungeachtet ist es auff&llig, dass gerade den bei- 
den Hofrathen Sebottendorf und Dr. Oppel der Auftrag, 
die Friedensverhandlungen mit dem Kaiser zum Abschlusse 
zu bringen, ertheilt wurde und nicht einem der Geheimen 
Rathe. Der Grrimd kann nur darin liegen, dass die beiden 
Hofrathe fiir geeigneter gehalten wurden, den bedeuten- 
den Umschwung der kursachsischen PoKtik in das Werk 
zu setzen. Trotzdem entliess der Kurflirst aber auch 
keinen von den Mannern, deren Rathschlagen er bis zu 
diesem Augenblicke Gehor geschenkt hatte. 

Doch richtete er im Friihjahr 1636 wiederholt das 
Ersuchen an Georg von Werthem, den Geheimen Rath 
durch einige Personlichkeiten vom Adel und Doktoren 
wieder zu ergglnzen. Werthem beschaftigte sich mit der 
offenbar sehr schwierigen Frage angelegentlichst und be- 
zeichnete endlich dem Kurfiirsten den Hofmeister seines 
alteren Sohnes Kurt von EinsiedeP®) und den Dr. Ga- 
briel Tiintzel als geeignete Pers5nlichkeiten. Allein ohne 
eine personliche Riicksprache mit dem Kurfiirsten woUte 
er die Angelegenheit doch nicht zu Ende fiihren. Johann 
Georg billigte darauf die ihm gemachten Vorschlage aus- 
drilcklich und ertheilte Georg von Werthern von neuem 
Befehl, die Angelegenheit zum Abschlusse zu bringen. 
Dieser aber konnte den Weisungen seines Herm nicht 
mehr nachkommen, da der Tod ihn alien diesen politischen 
Sorgen enthob. Er starb am 10. Juni 1636. 

Nach einiger Zeit iibertrug der Kurfiirst die Ord- 
nung der Angelegenheit dem Dr. Timaus und dem Kanz- 
ler Wolf von Liittichau^^) und bezeichnete selbst beide 
als Mitglieder der neu zu bildenden Behorde. Zugleich 
brachte er aber auch eine Anzahl anderer Personlich- 
keiten in Vorschlag und erschwerte dadurch die Sache 
nicht wenig, wie aus einem Schreiben Sebottendorfs klar 
hervorgeht. Dieser selbst wird tibrigens unter den von 
dem Kurfiirsten damals vorgeschlagenen nicht ausdriick- 
lich genannt. 

Mitten im Drange militarischer Geschafte erliess 



^) Der Name scheint in dem Schreiben irrthiimlich angegeben 
zu sein (Heinrich Hildebrand von Einsiedel), vergl. S. 287. 

**) Der weiter unten erwahnte Geheime Rath Wolf Siegfried 
vou Liittichau war ein Geschlechtsverwandter des Kanzlers. 

22) H.-St.-A. Dresden Loc. 7169. Acta Derer Churfurstl. S. 
Geheimen Rathe Bestallangen 1664—1697. 



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Eine politische Denksclirift etc. 187 

dann der Kurflirst aus Perleberg am 9. September 1636^^) 
einen neuen ausfiihrlichen BefeM an Timaus, Sebbtten- 
dorf und Dr. Oppel, welcher deutlich beweist, wie sehr 
er sich die Neugestaltung seiner hochsten Staats- und 
Verwaltungsbehorde angelegen sein liess, aber auch, wie 
unbestimmt seine eignen Anschauungen tiber die zu be- 
rufenden Personlichkeiten immer noch waren. 

,Wegen Bestallung der Geheimen Rathstube", so lasst sicli 
Tohann Georg vernehmen, ,ist unsere nochmalige Meinung, dais Ihr, 
Herr Dr. Timaee, nebenst dem Kanzler dasjenige zu Werke stellet, 
was wir dem von Werthem sel. gnadigst committiret. Und well 
wir Herrn Dr. Tiintzels, welcher auf solche Mais, wie mit Dr Aich- 
mannen geschehen, bestellet werden soil, allbereits versicbert, so haftet 
es noch an dem von Einsiedel zum Scbarffenstein, mit dem inbalts 
unserer vom 25. Maji aus Salza an den von Werthern ergangenen 
Resolution zu schlieisen und ihm die Bestallung auszufertigen ist. 
Zu diesen zahlen wir auch Euch, den von Sebottendorf, und halten 
uns Euer nicht weniger vorgewissert, inmafsen wir Euch auch hier- 
bei absonderlich beantwortet. Und weilen wir hochnStig halten, dais 
tiber Euch, Herrn Dr. Timaum und Herrn Dr. Tiintzeln, die Ihr 
beide allbereits zu ziemlichem Alter gediehen, zum wenigsten noch 
vier in den Geheimen Rat bestellet werden, so haben wir Euch ferner 
unsers geliebten altern Sohns Hofmeister Kurten v. Einsiedel wie 
auch den v. Feilitsch, markgraflichen Kanzler, den von Schleiniz, 
Kammergerichtsassessoren zu Speier, Johann Friedrichen v. Brandt, 
flirstlichen altenburgischen Rat, und Philipp Adolfen v. Munchhausen 
benennet, auch dameben auf etliche Doctores, als Dr. Engelbrechten, 
Dr. Ziegenmeyem, Dr. Carpzovium, Dr. Fabem gedacht, so als reichs- 
verstandige gertihmet werden, um aus selbigen die bediirftige Anzahl 
zu erfttllen." 

Mit Kurt von Einsiedel sollten sofort Verhandlungen 
angekntipft werden, denn dem Kurfursten lag vor allem 
daran, durch ihn seinen altesten Sohn genauer mit den 
Reichsverhaltnissen bekannt zu machen. Deswegen wollte 
er Einsiedel auch seinen dauemden Aufenthalt in Dres- 
den anweisen. AUe diese von dem Kurftirsten genannten 
Personlichkeiten sollten der erforderlichen Rticksprache 
wegen nach Dresden entboten werden, und wenn sich 
die zuerst Einberufenen etwa entschuldigen wlirden, 
soUte man die nachsten auffordem, bis man die nothige 
Anzahl von Rathen zusammengebracht haben wiirde. Man 
erkennt also aus diesen Weisungen, wie schwierig es dem 
Kurfursten selbst erschien, die fur den Dienst erforder- 
lichen Beamten wirklich zu gewinnen. Schon aus diesem 
Grunde scheint er daher auch empfohlen zu haben, bei 
der Besetzung erledigter Stellen im Justizrathe vor alien 
solche Personlichkeiten zu berlicksichtigen, die man im 
Nothfalle auch zu politischen Geschaften und zur Bear- 



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188 J. Opel: 

beitung der Heichsangelegenheiten mit Nutzen heran- 
ziehen konnte. 

Sebottendorf aber liess der Kurfiirst noch ein be- 
sonderes Sclireiben^^) zugehen, in welchem er die Ab- 
sicht, seinen damaligen Hof- und Appellationsrath enger 
an sich zu fesseln, wiederholte. Er versagte ihm zwar 
die Genehmigung. zu der erbetenen Rlickkehr auf seine 
Giiter nicht, trat aber seiner Absicht, die sachsischen 
Besitzungen wieder zu veraussern, mit einer offenen Ab- 
mahnung entgegen. Er rief ihm in die Erinnerung zu- 
rlick, „welcher Gestalt wir euch zu unserm Geheimen 
Rat begehret mit dieser Erkiarung, dafs ihr nicht ver- 
bundig sein solltet, uns bei Kriegsreisen, sondem allein 
zu Dresden und andem solchen Orten aufzuwarten, da 
es nicht so beschwerlich und euere Gegenwart notwendig 
erfordert wurde. Demnach halten wir uns fur allerdings 
vergewissert und befinden nicht ratsam, dafs ihr die Guter 
itzo geliefset. da sie ohne das wenig gelten und vielleicht 
ins kiinftig besser auszubringen sein werden. Wollten 
euch lieber unsem Lehenmann wissen und nicht zweifeln, 
es werden sich Mittel geben, dafs ihr bei den Giitem 
bleibet und euch derselben zu eurer Haushaltung, auch 
bisweiligen Recreation bedienen kSnnet'^ 

Indessen stellten sich der Ausfuhrung dieser Vor- 
schlage abermals Hindernisse entgegen; jedenfalls machten 
auch die Folgen der ungliicklichen Schlacht von Witt- 
stock die schleunige Erledigung dieser fiir das Kurfiirsten- 
thum so wichtigen Frage unmoglich. Mehrere der ins 
Auge gefassten PersSnlichkeiten, wenn nicht die meisten, 
hatten iiberdies den Antrag abgelehnt, wie der Kurfiirst 
noch am 7. Februar 1637 dem Kanzler von Liittichau 
und dem Dr. Tiintzel klagte. Da nun aber kurz vorher 
(am 2. Februar 1637) auch Dr. Timaus gestorben war, 
ersuchte Johann Georg die eben Genannten von neuem, 
die Entschuldigungen der Vorgeschlagenen nochmals in 
Berathung zu ziehen und ihm neue Vorschlage zu machen. 
Und darauf ist man dem Ziele allmahlich naher gekom- 
men, obgleich uns von den emeuten Vorschlagen, die dem 



28) Perleberg 9. September, pr. Magdeburg 12. September 1686: 
H.-St.-A. Dresden Loc. 7169, Acta Derer Churfurstl. S. Geheimen 
Rathe BestaUungen 1564—1697. Im Eingange bezieht sich der Kur- 
fiirst auf das, „was Sebottendorf fast vor einem Jahre zu Grilningen 
f Groningen), Sandau und Jericho vorgebracht**, also jedenfaUs auf ab- 
lehnende Antworten desselben. 



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Eine politische Denkschrift etc. 189 

Kurflirsten gemacht sein mSgen, nichts bekannt ist. 
Als der Kurfiirst im M^rz 1637 abermals das An- 
sinnen an Sebottendorf richtete, an der oberen. Leitung 
der kursachsischen Politik als Geheimer Rath theil zu 
nehmen, gab dieser dem Wunsche seines Landesherrn 
endlich nach. 

Dass die Griinde seiner friiheren Ablehnung politi- 
scher Natur waren, daraus hatte Sebottendorf dem Kur- 
flirsten gegenliber schon damals kein Geheimnis gemacht^*). 
Er glaubte Johann Georg nicht mit Nutzen dienen zu 
konnen, weil er sich keines gedeihlichen Zusammenwirkens 
mit den Personlichkeiten versehen konnte, welchen der Kur- 
fiirst die im Frieden von Prag iibemommene Beschutzung 
des ober- und niedersachsischen Reiches und die mit ihr 
zusammenhangende Vertreibung der Feinde vom Reichs- 
boden abermals aufgetragen hatte. Er bediente sich dabei 
des Gleichnisses von einem Wagen, den vier bis sechs 
richtig gespannte Pferde seinem Ziele entgegenzufilhren 
bestrebt sind, wahrend hinten zehn, ja zwauzig, dreissig 
und mehr Pferde das Gefahrt nach der entgegengesetzten 
Richtung weiter zu bringen suchen^*). Sebottendorf ver- 
zweifelte oifenbar eine Zeit lang daran, den Kurflirsten 
wirklich in dem durch den Prager Frieden vorgezeich- 
neten Geleise zu erhalten, da sich in seiner naheren Um- 
gebung noch sehr viele einflussreiche Personen befanden, 
welche ihn wieder zur schwedisch-franzosischen Partei 
hiniiberfiihren woUten. In der Darstellung dieser Ver- 
haitnisse dem Kurflirsten gegenliber wird sich Sebotten- 
dorf gewiss keiner Uebertreibung schuldig gemacht haben. 
War doch selbst die Kurfiirstin Magdalena Sibylla eine 
leidenschaftliche Gegnerin dieses Friedens und arbeitete 
direkt und durch sehr drastische Mittel auf seinen Bruch 
hin. Ja sie liess endlich sogar den politischen Bauem- 
propheten Werner (Warner) zu sich konunen, der auf 
Befehl Jesu Christi dem Hause Sachsen ftinf Blutsiinden 
„vorschreiben musste", durch welche es Gott sehr er- 
ziimt hatte. Werner hatte im Geiste den Untergang 
des Kurfurstenthums Sachsen und sogar den Einsturz der 
Schlosser in Dresden gesehen und flosste durch seine 
wahnwitzigen Schilderungen der Kurfiirstin einen tot- 



«*) Vergl. Sebottendorfs Denkschrift, unteu S. 316 fig. 
2^») Vergl. S. 315 der Denkschrift. 



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190 J. 0. Opel: 

lichen Schrecken ein. In ihrer Aufregung schrieb sie an 
den Kurfiirsten^®): 

„ Werner hat mir und meinem Sohn, Herzog Johann Georg, aUes 
gesaget, von alien Gesichtem, die er gesehen in Entzttckung, drohet 
viel BOses auf Befehl des Herren Christi E. L. und Ihrem Land und 
uns alien und dem ganzen kurfiirstUchen Stamme Sachsen, wo E. L. 
Ihr Intent femer wollten fortsetzen und wider die Kirche Gottes 
streiten. Bitte E. L. durch Gott und um des jlingsten Gerichtes 
willen, E. L. setzen es nicht weiter auf die Spitzen, sie conjungiren 
sich mit den Schweden, folgen meinem Rath und gehn auf vertrftg- 
liche Mittel. Und weil E. L. doch sehen, dafs E. L. betrogen sein 
von dem Kaiser und den Katholischen, bitte ich nochmals : E. L. ver- 
gleichen sich mit den Schweden . . Gott wird es den Leuten in 
Ewigkeit nicht vergeben, die E. L. zu solchem bQsen Frieden, der 
gemacht ist, gebracht haben, werden gewifs in der HSlle schwitzen 
mtissen. Schick E. L hierbei, was mir Hans Werner mit seiner 
eigenen Hand geschrieben hat Wo E. L. nicht Frieden mit den 
Schweden machten, wiirde dieses alles fiber E. L. ergehen." 

Allen solclien und andern Einwirkungeii setzte jedoch 
der Kurftirst einen im ganzen erfolgreichen , wenn auch 
nicht inuner gleich starken Widerstand entgegen. 

Nach der Versicherung Sebottendorfs war es ganz 
ausschliesslich seine lebendige Theilnahme an dem Zu- 
stande der oifentlichen Angelegenheiten, den er durch den 
Prager Frieden hatte herstellen helfen, welche ihn bewog, 
den Gesuchen seines Landesherm Gehor zu schenken und 
in den Geheimen Rath einzutreten, und nicht etwa irgend 
ein eigensiichtiger Trieb. ""Ja er erhob bis gegen den 
Schluss des Jahres 1639 fiir seine Mtihewaltung als Ge- 
heimer Rath nicht den geringsten Anspruch auf eine Ent- 
schadigung und hatte sogar durchgesetzt, dass in seine 
uns leider unbekannte Bestallung nicht ein Pfennig als 
Gehalt oder Entschadigung eingesetzt worden war^'). In- 
folge dessen scheint er auch als Geheimer Rath bis gegen 
Ende des Jahres 1639 keine Besoldung oder Vergiitigung 
irgend welcher Art, ausser etwa fiir Reisen und ausser 
dem Unterhalte, wahrend er am Hofe anwesend war 



20) Der Brief ist vom 22. Januar 1636. Vergl. K. A. M filler, 
Kurftirst Johann Georg der Erste S. 64 flg. Dieser Johann Werner 
Oder Warner aus Bockendorf wurde im Jahre 1638 zur Verantwor- 
tung vor das kurfttrstliche Konsistorium geladen, wo man ihm mit 
Auslieferung an den General Hatzfeld drohte. SpSier hegleitete er 
eine Zeit lang die schwedische Armee, vergl. Arnolds Kirchen- 
und Ketzergeschichte III (1715), 223 flg. Einige Mittheilungen 
finden sich noch hei Hitzigrath, Die Publicistik des Prager Frie- 
dens. Auch fur die kaiserliche Partei wirkten slhnliehe politisch- 
religiOse Schwarmer, vergl. Opel, Valentin Wei^el S. 321 flg. 

2') Vergl. weiter unten S. 341 der Denkschrift. 



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Eine politische Denkschrift etc. 191 

Oder den Kurfursten auf seinen Feldztigen begleiten 
musste, erhalten zu haben. Denn die Berufung auf das 
Zeugnis des Kurfiirsten selbst schliesst mit denWorten: 
„[Ich] habe meine Armut and Diirftigkeit in lauterer 
Geduld und Stiile mit Anrufung gottlicher Hiilfe willig 
ertragen, nicht dais ich einiger Geldbesoldung nicht ware 
bedlirftig gewesen, sondern dais E, K. D., so ohne das 
in dergleichen gnungsame Beschwer haben, ich nicht 
dorfte molest sein, zugleich aber im Werke erweislich 
machte, dais, wie ich von dreissig Jahren her, da ich das 
erste Mai zu Herren Diensten ert'ordert worden, also auch 
noch nicht [nachj meinen eignen Nutz, Geschenke, Gaben 
und dergleichen Eitelkeiten, sondern blofs meiner Herren 
Ehre, Frommen und Aufnehmen zu trachten gesonnen 
ware". Diese Versicherung gewinnt dadurch an Wahr- 
haftigkeit, dass sich Sebottendorf liberhaupt nur bereit 
linden liess, die ihm angebotene Stelle im Geheimen Rathe 
auf ein halbes Jahr, etwa bis Michaelis 1637, zu iiber- 
nehmen. Da sich jedoch um diese Zeit der Kurftirst 
gerade auf seiner Huldigungsreise in der Lausitz befand, 
fiihrte er sein Amt bis Weihnachten 1638 fort, kam aber 
dann wirklich um seine Entlassung ein, die ihm indessen 
versagt wurde. 

In einem Verzeichnisse der Geheimen Rathe vom 
14. Juli 1637 finden wir Heinrich von Friesen auf Rotha 
bei Leipzig, Abraham von Sebottendorf, Dr. Gabriel 
Ttintzel und Dr. Johann Georg Oppel als solche auf- 
gefiihrt. Der Superintendent Bulaus aber hat in seiner 
Leichenrede auf den erstgenannten den 8. Mai 1637 als 
den Tag bezeichnet, an welchem der Kurftirst Heinrich 
von Friesen die Stelle eiues Geheimen Rathes antrug. 

Heinrich von Friesen ^^) gehorte wie Sebottendorf 
dem landsassigen Adel an und war bei seinem Ein- 
tritt in den Geheimen Rath schon ein Mann von gereif- 
teren Jahren. Er war im Jahre 1578 auf dem alten- 
burgischen Familienstammgute Kauem geboren, hatte 
langere Zeit in Jena studiert und nach dem Tode seines 
Vaters,des altenburgischen Geheimen Raths,Hofmarschalls 
und Hauptmanns der Kreise Altenburg, Ronneburg und 
Eisenberg, Karls von Friesen, der vom Kurfursten 
Christian I. 1588 zum Oberkiichenmeister emannt worden 



^) Herrmann, Der Kampf um Erfart S. 86, 87, nennt ihn 
ftlschlich ,H. V. Fries." 



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192 J. O. Opel: 

war, die Verwaltung seiner Pamiliengtiter iibernommen. 
Zu diesen gehorte auch Rotha bei Leipzig, welches 
sein Vater im Jahre 1589 erworben hatte. In die Be- 
amtenlaufbahn tratHeinrich von Friesen erst im Jahre 1613 
ein, wo er zum Rathe am Appellationsgericht zu Dresden 
emannt wurde; 1626 erhielt er die Hauptmannschaft 
der Amter Colditz, Rochlitz, Leisnig and Borna, und 
drei Jahre darauf erfolgte seine BefSrderung zum Direktor 
des hochsten Landesgerichtshofs, des Appellationsgerichts 
zu Dresden. In demselben Jahre (1629) Ubertrug man 
ihm auch noch die StcUe eines Obereinnehmers der Land- 
und Tranksteuer im Kurfiirstenthum Sachsen und einige 
Jahre darauf die eines Vorsitzenden des Steueramts zu 
Leipzig. Nach dem Zeugnisse eines Zeitgenossen rich- 
tete der Kurfurst bei seinen Bemlihungen um die Neu- 
gestaltung des Geheimen Raths sein Augenmerk haupt- 
sachlich auch auf Friesen^®). Allein, wi6 Sebottendorf, 
wies auch er die Antrage seines Landesherm wieder- 
holt zurtick: zum ersten Male war er dem Kurfiirsten 
schon 1629 von dem Kanzler von Liittichau, der das 
Amt seines Alters wegen abgelehnt hatte, zum Direktor 
dieser hochsten Landesbehorde empfohlen worden. Und 
doch zeigte er sich acht Jahre spater auch erst nach 
einer personlichen Zusprache und Mahnung Johann 
Georgs gefiigiger. Er libernahm endlich (1637) die 
ihm zugedachte Stelle auf zwei Jahre und zwar von 
Anfang an als Direktor oder President und wurde am 
14. Juli 1637 wahrscheinlich mit den iibrigen neu er- 
nannten Rathen^®) vor dem Kurfiirsten verpflichtet. Seine 
Amtshauptmannschaft legte er bei dem Antritte dieses 
Amtes nieder, doch riickte er im Jahre 1638 noch in 
die Wtirde eines Dompropsts zu Merseburg ein. Da 
Friesen ein Politiker war, der sich durch seine Person- 
lichkeit leiclit Geltung zu verschaffen wusste, ubertrug 



-^) Sanctius consilium Principis, quod ipsomet praeside statum 
reipublicae universae et salutem dispensat alque ordinat, exhaustum 
fuerat penitus. Quo tempore qui rebus fessis succurreret, qui la- 
bantia sustineret, qui restauraret collapsa, qui ministerium commo- 
daret laboriosissimo quantumvis Principi . . . repertus est Friesen. 
Et ille quid em refugiebat onus .... Aus der Gedachtnisrede des 
Professors Franckenstein in Leipzig (1659), der auch die Angaben 
liber Friesens Leben meist entnommen sind. Andere stammen aus 
der Leichenrede des Superintendenten Bulaus (1660). 

^) Sebottendorf ubemahm sein Amt nach der Leichenpredigt 
des Bulaus am 13. Juli 1637. 



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Eine politische Denkschrift etc. 193 

man ihm wichtige politische Gesandtschaftsreisen ; aber 
er gab auch der Prinzessin Magdalena Sibylle das 
Greleit nach Kopenhagen zu ihrer Vermahlung mit dem 
danischen Thronfolger und wurde im Jahre 1638 als 
Brautwerber an den Markgrafen Christian von Branden- 
burg-Culmbach entsendet, um das Ehebiindnis zwischen 
dessen Tochter Magdalena Sibylle und dem Kurprinzen 
durch eine feierliche Veiiobung vorzubereiten. Er er- 
reichte ein Alter von 82 Jahren. Von seinen Kindern 
war die alteste Tochter Eahel zuerst an Hans von Berbis- 
dorff auf Niederforchheim und in zweiter Ehe an den 
bekannten Obersten Joachim von Mitzlaff verheirathet, 
aber schon vor dem Vater gestorben (1641). Seine 
beiden Sohne Heinrich und Karl waren bei dem Tode 
ihres Vaters (1659) gleichfalls kurfiirstliche Geheime 
Rathe. In seinem Amte als Direktor des Geheimen 
Rathes hat Friesen einen sehr bedeutungsvoUen, wenn 
auch vieUeicht nicht den massgebenden Einfluss ausgelibt. 
Auch Dr. Johann Georg Oppel (Opel) stand bei 
seiner Berufung in den Geheimen Rath schon langere 
Zeit in kurfiirstlichen Diensten und zwar als Hof- und 
Justizrath. Er war der Sohn David Oppels auf Silber- 
strasse und Culm im Reussischen^^) und von der Mutter 
her ein Enkel des Valerius Cracau, der einst Rath und 
Geheimer Kammersekretar des Kurfiirsten August ge- 
wesen war. Er hatte sieben Jahre auf den sachsischen 
Universitaten Jena (1613), Leipzig und Wittenberg zu- 
gebracht, darauf eine Studienreise durch Holland nach 
England^ Frankreich und die Schweiz gemacht und sich 
endlich m Basel sein Doktordiplom erworben (Juli 1621). 
Seine Ruckreise aus der Schweiz benutzte er dazu, die 
siiddeutschen Reichsstadte kennen zu lemeA. Noch in 
ziemlich jugendlichem Alter wurde er darauf von dem 
Grafen Heinrich Reuss Posthumus zum Regierungsrathe 
nach Gera berufen, von wo aus er auch seinem in Culm 
angesessenen Vater ohne grosse Beschwerden zur Hand 
gehen konnte. Schon hier begannen seine diplomatischen 
Wanderfahrten. Als die Einquartierungen der Kaiser- 
lichen auch die reussischen Gebiete erreicht hatten, wurde 
er an den kaiserlichen Hof und auch mehrmals nach 
Dresden entsendet. Dieser geschftftliche Verkehr des 
kenntnisreichen und ebenso gewandten wie energischen 



'^) Er war am 20. Jnni 1594 zn Dresden geboren. 

Neues Archiv f. 8. G. u. A. VUI. 8. 4. 18 

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194 .T. 0. Opel: 

Mannes mit den hoheren kursaclisischen Beamten und 
dem Kurfiirsten selbst gab wohl die erste Veranlassung 
zu seiner Berufung in den kursachsischen Dienst. Der 
Kurfiirst berief Oppel zu seinem Hof- und Justizrathe. 
Am 26. Oktober 1629, ungefahr sieben Monate nach der 
Ubersiedelung Sebottendorfs, iibernahm derselbe sein Amt 
in einem Alter von noch nicht 36 Jahren und verhei- 
rathete sich schon am 16. November desselben Jahres 
mit Marie Sophie Doring, einer Tochter des Kammer- 
raths David Doring auf Bohlen. Im Juli 1631 verhan- 
delte er zu Plauen^^) mit Vertretem der schwabischen 
und Mnkischen evangelischen Stande und wurde bald 
nach seiner Zurtickkunft auf den sogenannten Kompo- 
sitionstag nach Frankfurt a. M. entsendet. Drei Jahre 
darauf leitete er mit Nicol Gebhard von Miltitz die ver- 
traulichen Verhandlungen zwischen dem Kaiser und dem 
Kurfiirsten in Leitmeritz ein, musste sich aber unter 
Lebensgefahr bei Baiiers Annaherung nach Pirna fliichten. 
Als durch die Schlacht von NordlSigen diese Friedens- 
bestrebungen eine jahe Unterbrechung erlitten, kehrte 
er nach Dresden zuriick, musste aber schon im Januar 1635 
die Obersten von der Pforte und Dietrich von Taube 
nach Aussig und von da nach Laun begleiten, wo ein 
Waffenstillstand zwischen den Kaiserllchen und den 
Sachsen abgeschlossen wurde. Und kaum war er wieder 
nach Hause zurlickgekehrt, so erhielt er den Auftrag, 
die Friedensverhandlungen in Prag fortfiihren zu helfen. 
In Prag blieb Oppel auch, als Doring und Sebottendorf 
auf einige Zeit nach Dresden zurlickberufen wurden. 
Im folgenden Jahre (1636) begleitete er den Kurfiirsten 
auf dem ungliicklichen Feldzuge nach Norddeutschland. 
Schon damals hatte ihm Johann Georg eine Stelle in 
seinem Geheimen Rathe zugedacht, die er am 20. Mai 
1637 auch iibernahm. Ein sehr anstrengendes Jahr muss 
fiir Oppel das Jahr 1638 gewesen sein, wo er den Kur- 
fiirsten auf dem erzstiftischen Landtage zu Kalbe vertrat, 
die Huldigung der Amter Querfurt, Jiiterbock, Dahme 
und Burg entgegennahm, dann mit Friedrich von Metzsch 



^2) Helbig, Gustav Adolf und die Karftirsten von Sachsen tmd 
Brandenburg S.49. Vergl. hierzu die Angaben in Job. JuLEugenGttn- 
thers Schrift, Die Politik der Kurfiirsten von Sacbsen und Branden- 
burg nacb dem Tode Gustav Adolfs (Dresden 1877) 8. 100. Wir 
balten die in Zimmermanns Leicbenrede befindlicbe Angabe, der wir 
folgen, fiir vereinbar mit dem, was Gunther aus den A^en berichtet. 



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Eine politische Denkschrift etc. 195 

nach Prag zum Empfang der Lehen ging iind hier langere 
Zeit verweilte, um eine personliche Zusammenkunft des 
Kurfiirsten mit dem Kaiser Ferdinand III. zu Leitmeritz 
zu vermitteln*^'^), an der er auch selbst Theil nahm. 
Und in demselben Jahre fiihrte er auch noch den Herzog 
August in seine erzbischofliche Residenz Halle ein. Von 
seinen spateren diplomatischen Vei^endungen erwahnen 
wir nur noch die langwierigen Verhandlungen niit Torsten- 
son in Leipzig (1646), welche endlich zum WaffenstiU- 
stande mit den Schweden fuhrten. Nach dem Fried en 
woUte ihm der Kurfiirst die Ordnung seines sehr zer- 
rlitteten Finanzwesens tibertragen, allein er lehnte diesen 
Antrag ab, tibernahm aber noch im Jahre 1649 die Stelle 
eines Obersteuereinnehmers. 

Oppel mag von Haus aus nicht unbegtitert gewesen 
sein und auch durch seine Verheiratung sein Vermogen 
verbessert haben. Spater besass er Giiter in Lomnitz, 
Gosda, Ober- und Mederlichtenau, Lamperts- und Wellers- 
walde und war offenbar ein sehr reicher Mann. Auch 
zum kaiserlichen Pfalzgrafen, sowie zum Gefreiten des 
heiligen romischen Reichs (Exemtus) war er erhoben 
worden. Er war Vater von zehn S5hnen und zwei Tochtem, 
von denen ihn die noch unverheiratheten Tochter und fiinf 
Sohne iiberlebten.. Am 11. November 1655 rlihrte den 
starken und aussem Einfliissen gegeniiber sehr wider- 
standsfahigen Mann bei dem Begrabnis seines KoUegen 
Friedrich v. Metzsch der Schlag, so dass er mitten aus 
dem Trauerzuge nach Hause gebracht werden musste. 
Er erholte sich zwar damals wieder, starb aber doch in- 
folge zunehmender Schwache am 19. Juni 1661, noch 
nicht 65 Jahre alt. 

Auch Oppel war einst seiner Betheiligung an dem 
Prager Frieden wegen unter denjenigen sachsischen Po- 
litikern genannt worden, welche sich angeblich durch 
unlautere Mittel fiir die kaiserliche Sache hatten gewinnen 
lassen. Bei seinem Tode scheinen jedoch diese Anschul- 
digungen ganzlich verstummt gewesen zu sein: keiner 
seiner Lob- und Leichenredner denkt nur daran, ihn 
gegen solche Anklagen in Schutz zu nehmen. Dagegen 
rlihmte man ihm als ein allbekanntes Verdienst nach, dass 

^) Am 6. September 1638 riethen auch die Geheimen Rathe 
H. V. Friesen, Fr. Metzach und Gabriel Tttntzel dem Kurfiirsten zu 
dieser von Oppel in Anregung gebrachten persOnlichen Zusammen- 
kunft. H.-St.-A. Dresden. 

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196 J. O. Opel: 

er ein aufrichtiger Diener seines Herrn and in den aller- 
gefahrlichsten Zeiten ein treuer Patriot des Kurfiirsten- 
thmns gewesen sei. Sein Ortspfarrer pries besonders 
seine politische Vorsicht und Behutsamkeit, infolge deren 
er „den Kurftirsten und sein Land nicht in den Koth 
hineinfiihrte und nicht auf dem fahlen Pferde ertappt 
wurde". Auch seine Gerechtigkeitsliebe wurde aner- 
kannt. „Er spielte nicht mit der Jurisprudenz, noch 
machte er arme Leute, hangte auch sein Gewissen nicht, 
wie viele Juristen, an den Nagel." Zu den hervorragendsten 
Eigenschaften des Diplomaten gehorte eine sehr eindrucks- 
volle Beredsamkeit: „seine beruhmte und annehmliche 
Suada, die nicht einem umschweifenden Geplarr glich, 
das nur die Ohren fiillete, sondem penetrierte, haftete 
und bewegte". Dass diese in ihren Mitteln nicht allzu 
wahlerische Beredsamkeit ihre Starke bisweilen auch an 
dem Kurfiirsten selbst erprobte, ist bekannt^^). 

Der Doktor Tiintzel, Erbherr auf Tunzenhausen, war 
bei seiner Erhebung zum Geheimen Bath ebensowenig 
ein Neuling in politisch-diplomatischen Geschaften wie 
Oppel; auch sein Name tritt in den zahlreichen Verhand- 
lungen wahrend der Jahre 1630 bis 1635 5fters hervor. 
Von den vier bisher genannten Geheimen Eathen starb 
er zuerst (21. Dezember 1645) und zwar nach einer mehr 
als dreissigjahrigen Dienstzeit und im 72. Lebensjahre. 
Um so eigenthlimlicher erscheint bei diesem Dienstalter 
eine von Tiintzel im Hinblick auf seinen Tod schon im 
Jahre 1642 aufgesetzte Bittschrift, welche seine Kinder 
und Erben dem Kurfiirsten zugleich mit der Nachricht 
von seinem Ableben unverweilt einsendeten. Tiintzel 
hatte den Kurfiirsten in derselben gebeten, seinen Hinter- 
bliebenen aus seiner riickstandigen und auf einige 1000 
Gulden angegebenen Besoldung, die er zum Theil noch 
von seiner Hofrathszeit her zu fordem hatte, wo nicht 



^) Die Darstellung folgt zum Theil den Leichenpredigten des 
M. Christian Zimmermann (Christliche Leich-Predigt . . . . Wit- 
tenbergj Gedruckt bey Job Wilhelm Finzelio 1662. 4) und des Pre- 
digers in Lomnitz Gottfried Gebauer (Summa beate morientiom 
Felicitas . . . Wittenberg, Gedruckt bey Job Wilhelm Fincelio 1662. 4). 
In der Universitfit Wittenberg hielt der Professor Georg Kaspar 
Kirchmaier im Ajpril 1662 eine werthlose Ged&chtnisrede, die mit 
einer Anzahl lateinischer Verse und deutscher Reimereien derselbe 
Buchhftndler verSffentlichte. Der Bibliothekar David Schirmer pries 
den Yerstorbenen auch deswegen, dass er sogar bei der Steuer «noch 
manches Herz erg&tzt habe". 



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Eine politische Denkschrift etc. 197 

„begnadigungs - doch abschlagsweise" einen Beitrag zu 
seinem Leichenbegangnisse zu gewahren! Er begrtindete 
seine Bitte damit, dass er in seinem beschwerlichen Amte 
„in langer Zeit nichts bekommen und alles darliber habe 
zusetzen und einbussen mtissen, wovon er seinen Kindem 
und Kindeskindern etwas ersparen und also auch zu Be- 
grabniskosten beilegen konnen". 

Auffallig ist, dass sich unter diesen vier Geheimen 
Rathen keine der einst vom Kurfiirsten selbst vorge- 
schlagenen Personlichkeiten beflndet, weder Kurt von 
Einsiedel noch der kulmbachische Kanzler von Feilitsch, 
und dass auch der Vorschlag des Kurfiirsten, den Ge- 
heimen Rath wenigstens mit sechs Mitgliedern zu besetzen, 
keine Beriickrichtigung gefunden hat: moglicher Weise ist 
bei der Wahl zuletzt die Riicksicht auf die Landesange- 
horigkeit des zu Wahlenden ausschlaggebend gewesen. 
Auch wurde derselbe allerdings schon im folgenden Jahre 
durch ein neues Mitglied verstarkt, indem der Kurfurst noch 
Friedrich von Metzsch**) berief. Dieser schon im Jahre 
1619 zum Hof- und Justizrath und bald darauf zum 
Appellationsrathe emannte und seitdem in mancherlei 
Geschaften verwendete Beamte, welcher 1628 nach dem 
Tode des Prasidenten Sebastian Friedrich von Kotteritz 
den Vorsitz im Konsistorium erhielt, muss gleichfalls ein 
sehr begiiterter Mann gewesen sein, denn er besass nicht 
nur die Giiter Reichenbach, Friesen und Mylau, sondern 
hatte auch Besitzungen in und um Zschopau, welche nach 
dem Tode des kurflirstlichen Kammerraths und Haupt- 
manns zu Augustusburg, Rudolfs von Vitzthum, sein 
Eigenthum geworden waren. Ja vielleicht hat gerade 
diese glinstige aussere Lage bei seiner Berufung eine 
entscheidende Rolle gespielt. Denn der Kurfurst war 
auch mit der Entrichtung des Gehaltes an Metzsch sehr 
im Rlickstande geblieben: noch am 22. August 1638, also 
nach seiner Berufung zum Geheimen Rath, ersuchte der- 
selbe seinen Landesherm, ihm von der sich auf 3000 Gulden 
belaufenden Forderung einen Vierteljahresb6trag seines 
Hofrathsgehaltes, namlich 225 Gulden, zahlen zu lassen. 



**) Er war am 8. Dezember 1579 geboren, studierte von 1596 
his 1605 in Wittenberg und Jena und trat darauf sofort eine langere 
Reise nach Frankreich an, die er auch beschrieb. Nach seiner Rlick- 
kehr (1607) machte er sich im Jahre 1609 nach Italien auf, wo er 
langer als ein Jahr verweilte. Er verheirathete sich 1612 mit Anna 
Ehsabeth von Sch5nberg aus dem Hause Maxen. 



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198 J. 0. Opel: 

Metzsch hat seinen Herrn oft auf Land- und Kreistagen 
vertreten und nahm auch Kursachsens Rechte auf dem 
Kollegialtage zu Ntirnberg 1639/40 wahr. Von da wurde 
er auf den Reichstag nach Regensburg entsendet und 
begab sich nach dem Schlusse desselben mit.dem kaiser- 
lichen Hofe nach Wien. Auf dieser ganzen Gesandt- 
schaftsreise brachte er etwa zwei Jahre und neun Monate 
zu. In Wien libertrug ihm der Kaiser noch das Amt 
eines Reichspfennigmeisters fiir Ober- und Niedersachsen. 
Metzsch hatte als Oberkonsistorialprasident auch fiir 
Kirchen, Schulen und TJniversitaten Sorge zu tragen und 
wurde bei seinem Tode als Gonner und Schiitzer der 
Lehrer und Prediger sehr gepriesen. Wie Heinrich von 
Friesen war er ferner ein Freund der Wissenschaften ; 
der Professor Buchner in Wittenberg wendete sich in 
seinen N5then ofter an ihn; von Buchner erbat sich 
Metzsch schon zehn Jahre vor seinem Tode eine akade- 
mische Gedachtnisrede , welche dieser auch spater ge- 
halten hat^*). 

Metzsch erhielt als Geheimer Rath anfangs 1000 Gulden 
Gehalt und auf vier Kutschpferde Dienstgeld, wenn er 
sie wirklich hielt, und zwar 288 Gulden^'). Wenn er 
den Kurfiirsten auf Reisen zu begleiten hatte, wurde ihm 
samt seinem Gefolge vollstandig freie Verpflegung und 
fiir andere Dienstreisen voile Entschadigung gewiihrt. 
Seiner Bestallung zufolge war er zu einer halbjahrigen 
Klindigungsfrist verpflichtet. 

In dem Entwurfe einer Ai*t von Geschaftsordnung 
fiir den Geheimen Rath (vom 14. Juli 1637) erklart der 
Kurflirst, dass er das KoUegium nach vielfaltigen Be- 
rathschlagungen aus eignem Entschlusse wieder vervoll- 
standigt und bestellt habe. Die Geheimen Rathe soUten 
schon friih von 8 bis 10 Uhr und an vier Wochentagen 

^) Panegyricus illustri viro Friderico Metschio in Reichenbach 
et Friesen ... in academia Wittebergensi dictus publice ab Auanisto 
Buchnero. Typis Johannis Rohneri, Acad. Typogr. Anno 1656. VergL 
hierzu D. Jakob Wellers Leichenpredigt (Drejfeden, In Verlegang 
Christian, Druckts Melchior Bergen, Gebriider. 1655). 

3') Im Jahre 1661 bezogen die Greheimen Rathe schon hohere 
Gehalte, namlich Abraham von Sebottendorf 1142 Gulden 18 Gro- 
schen, Johann Georg von Oppel 1288, Heinrich Frh. von Friesen 
2200 Gulden, Dr. Benedict Carpzov 1288, Karl Frh. von Friesen 
2200 Gulden, Reinhard Dietrich Frh. von Taube 1574 Gulden 
18 Groschen, Wolf Siegfried von LUttichau, Kanzler. Sa. 11 893 Gulden 
15 Groschen. KonigL St.- A. in Dresden, Finanzarchiv. 



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Eine politisohe Denkschrift etc. 199 

auch Nachmittags von 2 bis 5 TJhr in dem ihnen liber- 
wiesenen Amtszimmer anwesend sein, wahrend ihnen der 
Nachmittag am Mittwoch und SoDnabend zur Besorgung 
ihrer eignen Geschslfte frei gelassen wurde. Der Kur- 
ftirst sicherte seinen Rathen freien Zutritt ohne Anmel- 
dung zu und versprach, sie taglicli friih zwischen neun 
und zelin Ulir und Naclimittags zwisclien vier und fiinf 
Uhr zu empfangen. Auf der Reise sollten sie Gehor 
fiuden, so oii die Gescliafte es erforderten. 

Vier Tage darauf libersendeten die Geheimen Rathe 
dem Kurfiirsten eine Denkschrift^®), in welcher sie 
um die Genehmigung einer Instruktion fiir den Ge- 
heimen Rath, wahrscheinlich der eben erwahnten, nach- 
suchten und noch eine ziemliche Anzahl anderer Fragen, 
welche sich fast alle auf die Neubesetzung erledigter 
Amter bezogen, seiner Entscheidung anheim gaben. Bei 
der Haufung der Geschafte fanden sie eine Vennehrung 
der Anzahl der Geheimen Rathe auf sechs nothwendig ; 
sie suchten um die Besetzung von vier erledigten Stellen 
im Justizrathe (Justizministerium) nach und machten auch 
auf die Erledigung mehrerer untergeordneter Stellen in 
der Reichs- und Kammerkanzlei aufmerksam. Als Ge- 
heimen Sekretar in der Reichskanzlei brachten sie Da- 
niel Kirchner in Vorschlag, der bereits langere Zeit in 
den Reichs- und Lausitzischen Sachen gearbeitet hatte 
und auch Sekretar im Archiv war. . 

. Ferner aber legten sie dem Kurfiirsten dringend an 
das Herz, die erforderlichen Mittel fiir die Weiterfiihrung 
der Landesverwaltung und die Erhaltung des Hofes in 
Bereitschaft zu halten. Wie schlimm es damals mit den 
kurfiirstlichen Finanzen bestellt gewesen sein mag, geht 
aus dem Wortlaut ihres Gesuclis hervor: „Vor alien 
Dingen [will es] die hochste Noth erfordern, solche Mittel 
an die Hand zu bringen, dadurch man sich nicht allein 
solcher nothwendiger Spesen erholen, sondern auch nachst 
Erhaltung der Hofstatt die Rathskollegia, Kanzleien und 
andere arme Diener ihrer Besoldungen versichern, die- 
selben nicht sogar ohne alien Trost lassen und sie sich 
wie bisher etzliche Jalu- ferner zu beklagen Ursach haben, 
dass sie bei ihrer schweren Aufwartung nicht allein alle 
das Ihrige ein- und zubiissen, sondern sich auch hieriiber 



^8) Sie ist vom 18. Juli 1636 und nicht namentlich unterzeichnet 
H.-St.-A. Dresden Log. 7169. 



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200 J. 0. Opel: 

in schwere Schulden vertiefen, ja ihrer viel bei solchem 
langwierigem Mangel mit Weib und Kind in Hunger und 
Kummer verderben, ihre Aemter mit Seufzen und Wehe- 
klagen verrichten mlissen, und manigmal so viel nicht 
haben, dass sie einen Toten davon zur Erde bestatten 
konnen". Die Rathe stellten dem Kurflirsten femer vor, 
dass die Beamten unmoglich unter solchen VerMltnissen 
weiter dienen kSnnten, und dass sich neue schwerlich zum 
Eintritt in Raths- und Kanzleidienste bereit flnden lassen 
wiirden, und erinnerten ihn daran, „wie schwer sichs bei 
denjenigen, die man etwan zu Dienst begehrt, gestofien^*)". 
Diese Denkschrift liegt uns anscheinend nur im Entwurfe 
vor, der wohl auch deshalb nicht namentlich gezeichnet 
ist. Doch kann iiber die Personlichkeiten der Verfasser 
kein Zweifel obwalten. 

Am 18. August 1637 wohnte der Kurfurst einer 
Sitzung des Geheimen Rathes bei, in welcher liber eine 
verbesserte Instruktion fiir die Mitglieder berathen und Be- 
schluss gefasst wurde. Dieser zufolge sollte auch der Erb- 
prinz mit seinem Hofmeister K. von Einsiedel an der Be- 
rathung wichtiger Reichs- und Landessachen theilnehmen; 
ebenso ward Herzog August die Verpflichtung auferlegt, 
mit seinem Hofmeister diejenigen Sitzungen zu besuchen, 
in welchen erzstiftisch-magdeburgische Fragen zur Ver- 
handlung kamen. Femer bescUoss man aber auch den 
kurprinzlichen Hofmeister, der sein Amt wegen des Aus- 
bleibens seines Gehalts aufgegeben hatte, an seine Pflicht 
zu erinnem, „dass er nicht den Anfang machen sollte, 
aus diesem Grunde vom Kurflirsten abzusetzen"; denn 
der Kurfiirst ware auf Mittel bedacht, wie die Besoldung 
„auf ein Gewisses" gebracht werden kSnnte, und Einsiedel 
sollte auch seinen Rath hierzu ertheilen. Femer wurden 
noch Berathungen liber die Wiederbesetzung der erledigten 
Stellen in der Hofrathsstube in dieser Sitzung gepflogen. 
Als am dritten Tage darauf im Geheimen Rathe Perso- 
nalfragen, welche die Geheime Kanzlei betrafen, erledigt. 
wurden, war der Kurfiirst wiederum anwesend*®). 



^^) Eine ahnliche Klage erhebt der Kurfiirst selbst noch im 
Jahre 1640. Vergl. Joh. Palke , Die Steuerverhandlungen des Kur- 
fiirsten Johann Georgs I. mit den Landstanden w&hrend des dreissig- 
iShrigen Krieges, in K. v. Webers Archiv fur die sftchs. Geschichte, 
N. P. I, 318. 

^) H.-St-A. Dresden Loc. 7169, Acta Derer Chnrfttrstl. S. Ge- 
heimen Rathe BestaUungen 1694—1697. 



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Eine politische Denkschrift etc. 201 

Sebottendorf hat in den ersten Jahren keinen Gehalt 
als Geheimer Rath, sondern wohl nur seine friihere Besol- 
dung als Hofrath bezogen. Dagegen mag er infolge seiner 
Denkschrift vom 18. Dez. 1639, an deren Schluss er die 
Erwartung einer Besoldung als Geheimer Rath durch- 
blicken lasst, Metzsch and den librigen Rftthen gleichge- 
stellt worden sein. Erst nach beinahe zwanzig Jahren 
(am 4. Januar 1659) wnrde sein Gehalt von 1000 Reichs- 
thalem durch eine Zulage von 600 Gulden aus dem 
Fleischpfennige erhoht. Der Kurfiirst woUte dadurch 
nicht allein seine bisherigen treuen Dienste belohnen, 
sondern dem nun schon bejahrten Manne auch seine 
warmste Anerkennung dafur an den Tag legen, dass er 
sich entschlossen hatte, ihm und seinem Hause, so lange 
ihm Gott Krafte und Gesundheit verleihen werde, seine 
Dienste zu widmen. M5glicher Weise ist aber Sebotten- 
dorf diese Zulage nicht sofort gezahlt worden. 

Sebottendorfs Einfluss auf die kursachsische Politik 
ist mehrere Jahrzente hindurch ein sehr bedeutender ge- 
wesen, ja er scheint sogar nicht erst nach dem Tode 
des Geheimenrathsdirektors Heinrich von Priesen der in 
den meisten Fallen entscheidende geworden zu sein. 
Seinem Wunsche, nicht zu auswartigen Sendungen ver- 
wendet zu werden, trug der Kurfiirst Rechnung. So 
liess sich Johann Georg selbst auf dem obersachsischen 
Kreistage im November 1638 durch Friedrich von Metzsch 
und den Professor der Rechte in Leipzig Doktor Finckel- 
thauss vertreten. Und auf dem Kurfiirstentage zu Ntim- 
berg 1640 erschien von Seiten Kursachsens wiederum 
der eben genannte Geheime Rath nebst dem Hof- und 
Justizrathe Heinrich von Friesen dem Jlingem. Trotz 
seiner Abneigung gegen Reisen begleitete Sebottendorf 
dagegen den Kurfiirsten zu der bereits erwahnten Zu- 
sammenkunft mit dem Kaiser in Leitmeritz im Jahre 1638 
und folgte ihm auch auf seinen Befehl auf einer Reise 
nach Prag im Jahre 1652, welche denselben Zweck hatte. 
Sehr viele Angelegenheiten bearbeitete er auf seinem 
Gute Rottwemdorf ganz selbsttodig; doch wurde er 
auch ofter von da fiir den nSchsten Tag nach Dresden 
entboten. 

Das fiir Kursachsen so verhangnisvoUe Testament 
Johann Georgs I. tragt auch die Unterschrift Sebotten- 
dorfs. Seiner politischen Gesinnung ist derselbe im all- 
gemeinen treu geblieben. Er soil zwar im Anfange ein 



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202 J. 0. Opel: 

Gegner des zu Kotzschenbroda und Eilenburg verhandelten 
Waffenstillstandes gewesen sein, empfalil aber endlicli 
doch in Gemeinschaft mit den iibrigen Rathen den Ab- 
schluss des Vertrages^^). 

Nach dem Tode des alteren Heinrich von Friesen 
stieg der Verfasser unsrer Denkschrift zum Direktor des 
Geheimen Raths auf. 

Von seinen weiteren personlichen Schicksalen ist 
jedocli nicht viel mitzutheilen. Seine Giiter waren, wie 
er selbst klagt, im Kriege ganzlicli verwiistet worden. 
Im Jahre 1647 verlor der Kinderlose audi seine Gattin. 
Unter dem Eindrucke der furchtbaren Kriegsleiden zog 
er sicli allmahlich immer mehr in die Einsamkeit zuriick 
und lebte besonders in den spateren Jahren, so viel es 
seine Geschafte gestatteten, frommen Betrachtungen. 
Sein Eifer in der Erfiillung seiner Amtspflichten wurde 
bei seinem Tode ausserordentlich geriihrnt; im Haupt- 
Staatsarchive zu Dresden und in der arcliivalischen Samm- 
lung des Hemi Freihen-n von Friesen auf Rotha finden 
sich heute noch zahlreiche von seiner Hand geschriebene 
Briefe und Denkscliriften als Beweise derselben. Sein 
Leichenredner Bulaus riihmte ihm nach, dass er nicht 
allein zu Hause „seine Hauskirche zum Lobe Gottes mit 
Beten, Lesen und Singen stetig und ohne Unterlass an- 
geftillt", sondern auch auf seine Untergebenen in gleichem 
Sinne eingewirkt habe. Er war vorsichtig und ntichteni 
in seiner Lebensftihrung, wozu ihn auch die Rticksicht auf 
seine schwankende Gesundheit nothigte. Im Jahre 1661 
that er auf seinem Gute Rottwerndorf einen schweren aber 
unschadlichen Fall, von dem der Superintendent Bulaus 
in Dresden als von einem augenscheinlichen Beweise 
der gottlichen Hilfe auf seine eigne Veranlassung, wenn 
auch ohne Namensnennung, im Gottesdienste berichtete. 
In diesen spateren Jahren bekannte er von sich, dass er 
„lebenssatt, allezeit in steter Gelassenheit stehe und in 
christlicher Bereitschaft gefunden werde, wenn Gott 
Feierabend mit ihm machen werde", und liess schon einige 
Jahre vor seinem Tode seinen Sarg und die Iibrigen Be- 
diirfnisse zur Bestattung seines Leichnams in Bereitschaft 
stellen. Nachdem er noch am 10. November 1664 Abends 



^^) Vergl. H el big, Die sachsisch-schwedischen Verhandlnngen 
zu Kotzschenbroda und Eilenburg, in K. v. Webers Archiv fur die 
sSchs. Geschiclite V, 267 und 280. 



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Eine politische Denkschrift etc. 203 

seiner Gewohnheit nach mit Singeu, Beten und Lesen 
seine Andacht verrichtet hatte, legate er sich zur Ruhe 
und erwachte nicht wieder*^). i)er Jahrzehnte lang 
krankelnde Mann, welcher schon im Jahre 1639 sein Ende 
nalie glaubte, erreichte ein Alter von 80 Jahren. Von 
der kurfiirstlichen Familie wurde er besonders in seinen 
letzten Lebensjahren wie ein Freund hoch geehrt. Na- 
mentlich Johann Georg I. fuhlte sich dem Manne, der ihn 
durch die letzten Stiimie der furchtbaren Kriege, weun 
auch ofter sehr wider seinen Willen geleitet hatte, tief 
verpflichtet. Als der ehemalige Geheimerathsdirektor am 
6. Dezember in der alten Frauenkirche zu Dresden be- 
stattet wurde, folgte seinem Sarge auch Johann Georg II. 
nebst seinem Sohne. 

Ausser dem Superintendenten Bulaus widmete ihm 
hier noch der Hof- und Justizrath Johann Georg von 
Dolau tief empfundene Abschiedsworte. Noch einmal 
hob er „seinen tiefsinnigen Verstand, sein unbeflecktes 
Leben, die Treue gegen seine Obrigkeit und seine grosse 
Erfahrung in den Reichsgeschaften" hervor. Wenn dieser 
kurfiirstliche Rath in Gegenwart seines Landesherni aus- 
sprach, was man damals am Hofe iiber die Leitung der 
politischen Geschafte durch den Verstorbenen urtheilte, 
so wird man annehmen miissen, dass jeder Tadel derselben 
schon langst verstummt war. Er bekannte: „seine hochst 
verniinftigen und von Gott gesegneten Rathschlage haben 
soviel gewirket, dass uns oftmals in vorigen Zeiten mitten 
in Finsternis der Triibsal das Licht der Freuden auf- 
gehen ..miissen". In seiner bewundernden, aber verzeih- 
lichentJberschatzungdesVerblichenen beklagte derRedner, 
dass „ihnen ein grosser, herrlicher Mann entfallen und 
eine theui-e Seele entrtickt" worden sei. — 

Und doch hatte man einst den eifrigen Vertreter der 
kaiserlichen Autoritat, ebenso wie Metzsch und Oppel, 
bei seinen Lebzeiten unter die osterreichischen Pensionare 
gerechnet. Es ist sogar moglich, dass Sebottendorf 
dieser Vorwurf zu Ohren gekommen ist, obgleich er in 
seinen Denkschriften, so weit wir sie kennen, keine da- 
rauf beziigliche Bemerkung gemacht hat. Doch konnte 
der Umstand, dass in seiner Bestallung zum Geheimen 
Rathe jede Bezeichnung des Gehalts oder einer Ent- 



^2) Im Titel der Leichenpredigt des Bulaus wird der 11. No- 
vember als Todestag angegeben. 



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204 J. O. Opel: 

schMigung gerade auf seine eigene Veranlassung unter- 
blieb, allerdings so gedeutet werden, als habe er damit 
dem Vorwurfe der Habsucht entgegen treten wollen. Im 
iibrigen hat sich die Verdachtigung, als habe er geradezu 
im osterreichischen Solde gestanden, bis jetztnicht erweisen 
lassen und findet auch in dem Eindrucke seiner weiter 
unten abgedruckten Denkschrift keine Unterstutzung. 
Wie es heisst, soil Ferdinand 11. im Jahre 1635 nicht 
nur Sebottendorf personlich, sondern auch seinen Stamm 
in den Preihermstand erhoben haben ; allein der sachsische 
Geheime Rath machte angeblich von dieser Standeser- 
hohung keinen Gebrauch. — 

Die von uns zum Abdruck..gebrachte Denkschrift 
Sebottendorfs, welche nicht fiir die Offentlichkeit bestimmt 
war, erhellt das Dunkel, welches iiber den inneren Ver- 
haltnissen des s^chsischen Hofes in dieser Zeit ruht, in 
sehr erwtinschter Weise. Und gerade die Pers5nlichkeit 
des Kurfiirsten selbst erscheint nach diesem unverdach- 
tigen Zeugnisse in einem neuen Lichte. Wahrend man 
bisher ziemlich allgemein annahm, dass die Selbstandig- 
keit des Geistes und Charakters, welche dieser Kurfiirst 
zu entwickeln vermochte, eine sehr geringe gewesen sei, 
erkennen wir jetzt in ihm eine Beharrlichkeit des Sinnes, 
welche man fast als Hartnackigkeit bezeichnen kSnnte. 
wahrend man von Johann Georg damals glaubte, dass er 
der willenlose Diener seiner Diener sei, befand er sich 
in einem jahrelangen Kampfe mit ihnen, in welchem er 
sogar Siege zu verzeichnen hatte. Nur mit grossem 
Widerstreben folgte er nach dem Friedensschlusse den 
Mahnungen seiner kaiserlich gesinnten RUthe und ging 
in sehr wichtigen Pragen noch immer seine eignen Wege. 
So konnte er sich nicht tiberwinden trotz der wiederholten 
Erinnerungen der Rathe seine Truppen dem Kaiser ver- 
eidigen zu lassen*^) und war noch weniger dahin zu 
bringen, sie im Mgtrz 1639 unter den Oberbefehl Picco- 
lomini's zu stellen, sondern betrachtete dieses Ansinnen 
geradezu als einen Versuch, ihn des Oberbefehls in seinen 
eignen Landen zu entsetzen. Damals ausserte er sich da- 
hin, „ehe er sich das Kommando in seinen Landen neh- 
men lasse, woUte er lieber das ganze Werk umwerfen"^*). 

Eine ganz ahnliche Meinungsverschiedenheit zwischen 



48) Sebottendorfs Denkscbrift, unten 8. 332—334. 

^) Vergl. Brockhaus, Der Kurflirstentag zu Ntirnberg S. 48. 



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Eine politiache Benkschrift etc. 205 

dem Kurfiirsten und seinen Eathen war schon im Jahre 
1638 zu Tage getreten*^). Johann Georg erachtete sich 
nicht fiir verbunden, den Gesuchen des Kaisers zu will- 
fahren und seine Regimenter zur Befreiung der Ktiste 
nach Pommem zu entsenden. Er berief sich darauf, dass 
sein nach dem Prager Frieden mit Ferdinand U. abge- 
schlossenes Blindnis mit dessen Tode hinfallig geworden 
sei, und dass der Kaiser auch seine Verpflichtungen gegen 
ihn nicht erftillt habe. Trotz 5fterer Mahnungen zur 
Zahlung der Kosten fiir die von ihm unterhaltenen Re- 
gimenter hatte der Kurfurst nicht das Geringste erhaiten 
konnen. Ferner hatte der Graf Gallas auch die Entrichtung 
der Johann Georg von Ferdinand 11. und seinem Nach- 
folger tiberwiesenen Romerzugsgelder des niedersslchsi- 
schen Kreises durch seine Einquartierung unmoglich 
gemacht. Endlich theilte Johann Georg die allgemeinen 
Besorgnisse fiir seine und seiner Stammesvettem Lande, 
wenn die im Norden siegi'eichen katholischen Heere ihren 
Riickmarsch antreten wlirden, und fiirchtete besonders 
auch fiir Erfurt. Er hegte die Besorgnis, dass die Kaiser- 
lichen sich unterstehen mochten, „an der erfurtischen 
Bemachtigung , und was derselben anhangig, Theil zu 
haben". Im Bewusstsein ihrer patriotischen Pliicht, aber 
nicht gerade sehr zuversichtlich, da ihre Rathschlage dem 
Kurfiirsten mehr als einmal sehr missfallig gewesen waren, 
traten die Rathe auch dies Mai den Bedenken ihres 
Herm entgegen; sie erinnerten ihn daran, dass die Be- 
dingungen des Prager Friedens eine solche Hilfsleistung 
unweigerlich forderten, und machten ihn ausserdem darauf 
aufmerksam, dass er sich dem Kaiser noch durch ein 
besonderes Schreiben an Eidesstatt verpflichtet habe. 
Diese Verbindung hatte aber ihrer Auffassung zufolge 
nicht Johann Georg mit Ferdinand 11., sondern der Kur- 
ilirst von Sachsen mit dem Kaiser und dem Reiche ge- 
schlossen, welches letztere „Gott lob, noch vorhanden war". 
Uberdies hatte der Kurfurst ja selbst Ferdinand III. um 
Hilfe wider die Schweden ersucht und sie auch erhaiten. 
Und dann gait doch diese vom Kaiser geforderte Unter- 
stlitzung der Erhaltung des Erzstifts Magdeburg und 
Pommems; fiir das letztere aber einzutreten war der Kur- 
fiirst schon durch die Erbvereinigung mit Brandenburg 



^) BL-St-A. Dresden Loc. 10066, 237. Derer Herren Geheimen 
Rathe Bedenken Ao. 1637—1640. 



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206 J. O. Opel: 

und als Kreisoberster verpflichtet. „Die hohe an Eides- 
statt bei kurfiirstlichen Ehren, Wtirden, Treu und Redlich- 
keit gethane Versprechnis, mit gesamter Macht unweiger- 
lich gegen dem Feinde zu gehen, ist vorhanden. Und 
wenn es gleich nicht ware, so seind E. K. D. ein fiirneh- 
mer, weltlicher Kurltirst des Reichs und daher nach An- 
weisung derReichsgesetze wider alleReichsfeinde zu gelien, 
nicht aber mit dem Volke stilie zu sitzen, verpflichtet. 
Sie sind in specie Kreisoberster, also nach Erheischung 
der Kreisverfassung die Feinde aus dem Kreise . . . bringen 
zu helfen, theuer verbunden". Daran aber, dass der 
Kaiser sein Wort im betreff der Bezahlung des Kriegs- 
volks nicht gehaiten hat, tragt nicht sein Wille, sondern 
die traurigen Verhaltnisse, welche es ihm unm5glich 
machten, die Schuld. Auch die Romermonate aus dem 
ober- und niedersachsischen Kreise wurden dem Kurfiirsten 
wohl zu gute gekommen sein, wenn er die ihm kraft des 
Friedensschlusses zugefaliene Aufgabe der Befreiung der 
Kreise hatte erfiillen konnen und nicht vielmelir zwei 
Jahre nach einander die Kaiserlichen hatte zur Unter- 
stutzung heranziehen miissen. Ueber den Entschluss des 
Kurfiirsten, die sachsischen Truppen zur Vertheidigung 
der eigenen Lande und erforderiichen Falies sogar gegen 
die Kaiserlichen selbst zu verwenden, driicken die Rathe 
sich mit einer gewissen Vorsicht aus. „Dass E. K. D. ihr 
Volk dieser Ursach wegen zuriickhalten woUen, dieweil 
sie muthmassen, es seie unter den Katholischen eine neue 
Machination und Betrug wider die Evangelischen, sonder- 
lich wider E. K. D. im Werke, so sich in kurzem ent- 
decken, und also nicht thunlich oder im Gewissen ver- 
antwortlich sein wiirde, das Volk von sich zu lassen, 
ruhet in E. K. D. Wolgefallen". Die Rathe haben von 
einem solchen Betruge noch nichts gemerkt, sondern nur 
die Wahrnehmung gemacht, dass der Kaiser die eignen 
Lande, z. B. im Eisass oder andere Gebiete katholischer 
Fiirsten preis gegeben hat, um nur den Kurfiirsten nicht 
hilflos zu lassen*^). 

So ganz und gar unselbstandig zeigte sich also dieser 
viel geschmahte Kmfui'st von Sachsen damals doch nicht*'). 

^) Denkschrift der namentlicli unterzeichneten fiinf Geheimen 
Kathe vom 25. Jiini 1638. H.-8t.-A. Dresden Loc. 10055, Derer 
Geheimen Kathe Bedenken A^- 1637—1640. 

*') Das Urtheil, welches Brockhaus in seinem sehr inhalt- 
reichen Buche (Der Kurfiirstentag zu Nurnbeirg S. 75, 76) Tiber die pro- 



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Eine politische Denkschrift etc. 207 

Ja es gab eine iYage, in welcher er so empfindlich wai , 
dass er sich den Vorschlagen seiner Eathe niemals fugte, 
sondern fest und beharrlich seinen eignen Gefuhlen und 
Gnindsatzen folgte. So. nachgiebig er sich im Prager 
Frieden auch gegen die Osterreicher im betreff der Krieg- 
fuhrung gezeigt hatte, so kraftig trat er seinen Rathen 
entgegen, wenn diese ihm die voUe Verschmelzung seiner 
Armee mit den Truppen des Kaisers empfahlen und ihm 
sogar riethen, von der Aufstellung eines grosseren beson- 
deren Heeres ganz und gar Abstand zu nehmen. Das 
thaten die vier oft genannten Rathe z. B. in einem Gut- 
achten vom 10. Januar 1638*®), in welchem die Stelle 
vorkommt: „Unn5tig erachten wir so vieler Regimenter 
Bestallung, denn da ist durch gottliche Hilfe der Feind 
aus E. K. D. Landen allenthalben abgetrieben, und wann 
E. K. D. noch femer Kriegsvolk unterhalten und jener 
Orte abschicken wollte, beschiehet einig und allein Kur- 
brandenburg zum Besten". Obgleich der Kurfiirst selbst 
dem Kaiser bereits mitgetheilt hatte, dass er ein eignes 
Kriegsheer werben und anfiihren wolle, erklaren die Rathe 
ihm dennoch, dass er an den kaiserlichen Truppen einen ge- 
niigenden Beistand habe, und dass er daher ausser zu den 
Besatzungen seines Landes, und „da& er als ein kai- 
serlicher General etwas unterhielte, vieles 
Kriegsvolks itziger Zeit nicht bediirftig sei". 
Auch die von den Gegnern der Kaiserlichen geausserte 
Verdachtigung, dass die Osterreicher nach der Vertrei- 
bung der Schweden aus dem Reiche sich auf Kursachsen 
sttirzen wlirden, stellen sie als grundlos hin und ver- 
weisen Johann Georg auf die.Kurfursten Moritz und Au- 
gust, die es doch beide mit Osterreich gehalten hatten. 
Sie geben ihm endlich zu bedenken, dass er bei solchen 
Anschauungen tiber die Plane der Kaiserlichen genothigt 
sein wtirde , ein den kaiserlichen Truppen tiberlegenes 
Heer zu unterhalten, wozu doch die Mittel des Kur- 
staates ganz unzureichend waren. Diese fiir den Kur- 
fiirsten sehr delikate Frage beriihrten die Rathe auch in 
dem bereits oben angefiihrten Gutachten vom 25. Juni 
1638. Man stellte ihm hier vor, dass er die Mittel nicht 



testantischen Kurfursten und ihre personliche Betheiligung an den 
Regieningsgeschaften ausspriclit, diirfte daher im betreflf der Thatig- 
keit Johann Georgs I. in dieser Zeit doch wohl zu weit gehen. 

*8) H.-St.-A. Dresden Loc. 10055. Derer Herren Geheimen 
Rathe Bedenken Ao. 1«37— 1640. 



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J. 0. Opel: 

fiaden werde, auch nur fiinf Regimenter z. R. und vier 
z. F. zum Schutze seines Landes wahrend des Krieges 
des Kaisers gegen die Schweden und Franzosen zu be- 
solden. „Also bediinckt uns eine wahre Unmoglichkeit 
[zu] sein, so viel Regimenter, Stabe, Befehlshaber u. s. f. 
die ganze Zeit liber in E. K. D. Landen allein zu er- 
tragen, bis der Kaiser mit alien seinen Feinden fertig 
und alsdann auf E. K. D. zu gehen resolviert werde." 

Man erkennt also hieraus, dass die Geheimen Rathe 
auffallender Weise einer ganzlichen und bis zur Beendi- 
gung des Krieges wahrenden Vereinigung der kurfiirst- 
lichen Truppen mit den kaiserlichen das Wort redeten und 
dem Kurfiirsten nur die Stellung eines kaiserlichen Ge- 
nerals wahrten. Wenn sich diese Plane verwirklicht 
hatten, wtirde natiirlich von der Militarhoheit des Kur- 
fiirsten nicht viel tibrig geblieben sein, ja ihr militarisches 
Ubergewicht hatte die kaiserliche Gewalt mit Nothwen- 
digkeit auch zu Eingriffen in die Landesverwaltung, wie 
z. B. zu direkten Verhandlungen mit den Standen tiihren 
miissen. 

Johann Georg liess sich indessen niemals dazu be- 
wegen, diesen Anschauungen Gehor zu schenken, sondem 
hielt seine Militarhoheit trotz der aussersten Noth auf- 
recht. Er war also weit weniger kaiserlich und oster- 
reichisch, als seine Rathe. 

Dass dieser Kampf der Geheimen Rathe mit ihrem 
Herm selbst nach der personlichen Zusammenkunft Jo- 
hann Georgs mit Ferdinand III. zu Leitmeritz auch im 
Jahre 1639 noch zu keiner Entscheidung gefiihrt hatte, 
ja dass wenigstens Sebottendorf uberhaupt daran ver- 
zweifelte, den Kurfiirsten ganz und gar fiir seine An- 
schauung von der Wiirde und Hoheit der kaiserlichen 
Majestat zu gewinnen, davon legt auch seine Denkschrift 
vom 18. Dezember 1639 Zeugnis ab. Sie beweist klar und 
deutlich, dass Johann Georg den Mahnungen seines Ka- 
binets nur sehr widerwillig sein Ohr Ueh, und dass er 
sogar noch immer die Moglichkeit erwog in die gerade 
entgegengesetzten Bahnen einzulenken. Denn wozu hatte 
Sebottendorf sonst dem Kurfiirsten so ausfuhrlich und 
nachdriicklich die Folgen geschildert, welche der Sieg 
der Reichsfeinde fiir das ganze Reich und auch fiir Kur- 
sachsen seiner Anschauung nach haben musste? Und 
noch nach Jahren gab es in der Umgebung des Kur- 
-fiirsten eine einflussreiche Partei, welche den Geheimen 

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Eine polidsche Denkschrift etc 209 

Rathen entgegenarbeitete und sicherlich aus den edelsten 
Absichten einen Umschwung der Dinge herbeizufiUiren 
suchte. 

Zu dieser Partei gehorten auch noch immer die Kur- 
flirstin und ihre Sohne, besonders der Administrator An- 
gust^®). Noch im Jahre 1643 nannte dieser Sebotten- 
dorf einen verderblichen Eathgeber, „der wie Wolf Mans- 
feld, Christian Osterhausen und Dr. Wolf heimlicher 
Katholik gewesen'*. Ja, Herzog August machte sogar 
den Verfasser unserer Denkschrift fiir die ungltickse- 
lige Lage, in welche der Kurfiirst durch den Verlauf 
der Kriegsereignisse versetzt worden war, verantwortlich, 
zog sich aber daflir eine emste Rtige seines Vaters zu. 
Dieser trat der auf den heimlichen KathoUzismus seines 
Eaths beziiglichen Anschuldigung mit den Worten ent- 
gegen^®): „Solches habe ich gleich sehr nicht sptiren 
konnen; gesetzet dais er es ware, so doch dahin stehet, 
schmerzet mich nicht wenig, dais man judiciren woUte, 
als ware ich so ein Herr, der sich von einem oder dem 
andem seiner Rate verfiihren lielse, sich stracks an einen 
hangte, demselben sich allein vertraute". Und nachdem 
er seinem guten Gewissen uber alles, was bei seiner Re- 
gierung vorgegangen, noch einmal Luft gemacht hat, 
schliesst er die merkwiirdige Strafepistel mit den charak- 
teristischen Worten : „Dals ich nun den Namen soUte 
haben, ich liels mich Leute verfiihren, die des ganzen 
Hauses Sachsen Untergang verursachten, dermir 
das saget, der greift mich nicht im Herzen, sondem an 
meiner Seele an. E. L. wollen hinfliro solche Einbildung, 
als wenn ich so ein junger Lappe, der keine Erfahrung 
Oder Experienz hatte, von sich lassen, mein treuer Au- 
gustus bleiben. Ich bleibe Euer treuer Vater". Auch 
seinem Sohne gegeniiber verwahrte sich also Johann Georg 
sehr energisch gegen eine Verdachtigung, welche ihm die 
Selbstandigkeit des Wollens und Entschliessens abzu- 
sprechen wagte. 

In Wahrheit hat er unter noch ungunstigeren Ver- 
haltnissen, als spater der Grosse Kurfiirst es durchsetzte, 
sich und seinem Lande eine selbstandige Stellung zu 



**) Doch verwahrte auch er sich gegen den Vorwurf , schwe- 
disch gesinnt zu sein, vergl. Helhig, Die s&chsisch-schwedischen 
Yerhandlungen za Kotzschenbroda und Eilenburg, in K. y. Weber s 
Archiv fttr die sachs. Geschichte V, 268 fig. 

«>) K. A MuUer, Kurfttrst Joh. Georg I. S. 84. 

Neuea Archiv f. 8. Q. u. A. VUI. 8. 4. 14 ^ . 

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210 J. 0, Opel:| 

sichem versucht, wfthrend er seinen Rathen in seinen 
Verpflichtungen gegen den Kaiser nicht genug thuen 
konnte. Dass dieser Zwiespalt der politischen Anschau- 
ungen am kurfiirstlichen Hofe auf die Fiilirung des Krieges 
ausserordentlich nachtheilig einwirkte, entwickelt Sebot- 
tendorfs Denkschrift sehr ausfuhrlich*^). Zum ersten 
Male erhalten wir liberhaupt in derselben einen zuverl&s- 
sigen und eingehenderen Bericht liber die Zusttode und 
politischen Bestrebungen dieses Hofes in jenen kritischen 
Zeiten, flir deren Beurtheilung noch immer so ganz ver- 
schiedene Massstabe verwendet werden. Wir vernehmen 
aus diesem Berichte, dass seit dem Jahre 1637 die Siche- 
rung der kaiserlichen Autorit&t und des ganzen auf sie 
gegrtindeten Reichsverbandes der politische Grundsatz 
war, von welchem sich diese sachsischen Politiker leiten 
liessen. Und je deutlicher in den Pianen der schwedisch- 
franzosischen Partei der Sturz des Kaisers, dessen Wahl 
sie als eine nicht zu recht bestehende betrachteten, als 
letztes Ziel hervortrat, um so lauter und eindringlicher 
scheinen auch die Mahn- und Wamungsrufe der sach- 
sischen Geheimen Rathe an ihren Herm geworden zu sein. 
Da ist es denn ein eigenthtimliches Zusammentreflfen, 
dass diese sachsische Denkschrift gerade zu einer Zeit 
niedergeschrieben wurde, wo ein auf der Gegenpartei 
stehender Politiker seine leidenschaftliche Schmah- und 
Drohschrift gegen das Haus Habsburg abschloss, in wel- 
cher er die Deutschen geradezu aufforderte, mit dieser 
Reichsverfassung und diesem Kaiser ein Ende zu machen. 
Denn gegen das Ende des Jahres 1639 wird auch der 
Verfasser der „Dissertatio de ratione status in imperio 
nostro" sein Werk dem Abschluss entgegengefiihrt haben*^). 
Wahrend man bisher besonders auf juristischer Seite m 



") Vergl. unten S. 326—328. 

^) Die Wahrscheinlichkeit , dass Hippolithus a Lapide seinen 
Traktat gerade um diese Zeit abgefasst hat, wird der Verfasser dieses 
Aufsatzes an einer anderen Steile darzuthon versnchen. Selbstver- 
st&ndlich spricht auch der Inhalt der Denkschrift Sebottendorfs da- 
fUr. Stintzing scheint in der Geschichte der deutschen Bechts- 
wissenschafb yon einer &hnlichen Annahme auszugehen, indem er 
Abtheil. 11, S. 47 sagt: „Ein seit 1613 zum ersten Male wieder (1640) 
einberufener Reichst^ stellte VersOhnung des Kaisers mit den Reichs- 
st&nden und ihre Yereinigung zur Yertreibung der Eremden in Aus- 
sicht Unter dem Eindrucke dieser ftir die schwedische 
Partei so gefahrvoilen Wendung ist das Werk des Hip- 
polithus entstanden**. 



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Eine politlsche Denkschrifk etc. 211 

dieser nach Inhalt und Fonn gleich ausgezeiclmeten Par- 
teischrift mehr das Ergebnis des akademisch geschulten 
politischen Forschens und der dogmatischen Divination*^) 
sah, wird man sich nun davon uberzeugen miissen, dass 
sich deutsche Politiker schon vor der Veroflfentlichung 
dieser Schrift mit ihren Grundgedanken als den gefurch- 
teten Planen der franzSsisch-schwedisclien Partei beschaf- 
tigten und ihre Massnahmen darnach trafen. In diesem 
Zusammenhange gewinnt aber Sebottendorfs Denkschrift 
eine neue und erhohte Bedeutung. Sie ist gewisser- 
massen eine Beantwortung des Programms der Gegen- 
partei, bevor dasselbe noch in der Dissertatio de ratione 
status den Politikem und wissenschaftlicli gebildeten 
Deutschen in so fesselnder und die politische Leidenschaft 
herausfordemder Weise empfohlen wurde. .. 

Durch den Frieden von Prag hatte Osten^eich der 
alten kaiserlichen Milit^rlioheit eine ganz neue Grund- 
lage gegeben, namlich die eines Vertrags mit den ein- 
zelnen deutschen StSiiden, kraft dessen dem Kaiser eine 
weit hohere Autoritat, als er sie fruher besass, zuge- 
sprochen wurde. Dem JKaiser ward das Recht einger^umt, 
ohne Berlicksichtigung der frliheren militarischen Stellung 
der Kreisobersten den Oberbefehl liber das ganze Reichs- 
heer oder seine einzelnen Bestandtheile nach freiem Er- 
messen zu tibertragen. Und von diesem Rechte gedachte 
Ferdinand III. Gebrauch zu machen**). Vier Armeen 
soUten im Jahre 1638 aufgestellt werden, die auch die 
bairischen, kursachsischen und kurbrandenburgischen Trup- 

'^3) 8 tint zing bezeichnet die Schrift als die „ theoretische 
Rechtfertigung desjenigen Rechtszustandes, welchen der westftllische 
Friede unter dem fiLhibaren Druck der fremden Machte 
in Deutschland feststellte". Ueber die friihere Verbreitung 
einiger Hauptgedanken der Schrift, besonders der liber das Verhalt- 
nis des Kaisers zum Reiche, ist Ritters Aufsatz, Hortleder als 
Lehrer der HerzOge Johann Ernst und Friedrich, in dieser Zeitschr. 
I, 194 fig. zu vergleichen. 

^) Vergl. Krause, Urkunden, Aktenstttcke und Brief e IV, 1, 
345 und 357. Der Erzherzog Leopold Wilhelm schrieb aus Kirch- 
heim am 3. November 1640 an den Kaiser, dass kein besser Mittel 
gefonden werden konnte, „zur Stabilirung eines bestandigen Frie- 
dens, als das Stabiliment dieser kaiseriichen und romischen Reichs 
Waffen*'. Und am 6. November 1640 erklSrte er dem Kaiser, zur 
Verstarkung und Erhaltung: des Heeres mtisste jeder aufrichtige, 
getreue deutsche Patriot, «aas Unterste ergreifen*, damit man einmal 
zur Ruhe kommen mOchte und nicht der ganzen Welt zum Hohn 
und Spott noch linger also unter fremdem Dominat, Angst und Be- 
schwemissen stecken mtisste. K&nigL G.-St-A. in Berlui. 

14* 

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212 J. 0. Opel: 

pentheile in sich fassten. Aber keinem der weltlichen 
Kurfiirsten war der Oberbefehl auch nur liber eine Armee 
zugedacht, iind die kurfiirstlichen Tnippentheile blieben 
ihrer Starke nach in jeder Armee hinter den kaiserlicheii 
zuriick. Alle vi^ Oberbefehlshaber soUten osterreichische 
Offiziere und alle KathoUken sein. 

Auf die franzosisch-schwedische Partei wirkte diese 
in Aussicht stehende, ja zum Theil zur Thatsache ge- 
wordene Veranderung der militarischen Verhaltnisse des 
Reichs in sehr aufregender Weise ein. Denn wenn 
Osterreich die grosse Mehrheit der Reichsstande unter 
seiner militarischen Ftihrung um sich schaarte, wurde es 
den Fremden sehr schwer, wenn nicht unmoglich, ihre 
Heere auf deutschem Boden aufzustellen und zu erhalten. 
Daher musste man vor allem den Kaiser seiner Autoritat 
iiber die Stande zu berauben suchen, und der drohenden 
osterreichisch-deutschen Militarmonarchie durch die Er- 
richtung eines stehenden Heeres, welches die deutschen 
Staaten im Verein mit den Franzosen und Schweden 
aufzustellen, aber wo m5glich allein zu unterhalten hatten, 
entgegentreten. Dann musste man mit Macht darauf 
hinarbeiten, den Kaiser und sein Haus zu stiirzen und 
an seine Stelle einen andern Vorsteher der deutschen 
Nation von hervorragenden kriegerischen Fahigkeiten 
zu erwahlen^^). 

Solche und ahnliche Gedanken hat man auch Johann 
Georg I. in das Ohr geraunt, und sie sind nicht ohne 
Eindruck auf sein Selbstgefiihl geblieben, wie uns diese 
Denkschrift Sebottendorfs bezeugt. Was aber wtirde 
wolil geschehen sein, wenn ein Kurfiirst, wie Johann 
Georg einer war, den Prager Frieden fiir nicht mehr 
verbindlich erklart und sich den Schweden und Franzosen 
von neuem angeschlossen hatte? Wurde menschlichem 
Ermessen nach der Protestantismus in einem solchen 
Kampfe gefordert worden sein? Oder lasst sich anneh- 
men, dass das Reich mit geringerer Gebietseinbusse aus 
einem Kriege hervorgegangen sein wlirde, in dem Oster- 
reich vollstandig vernichtet worden ware? 



'^) Administratio vero, sed limitata et restricta, seu administra- 
tionis potius directorium uni alicui, Imperatoris nomine, committa- 
tur . . . Inque ea electione non tarn familiae aut divitiarum et po- 
tentiae, quam virtutum ac prudentiae tarn civilis quam militaris ratio 
habetor. Hippolithus a Lapide, De ratione status cap. UI, 
sect 1, S. 24 (J. 1640). 



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Eine politische Denkschrift etc. 213 

Wer sich diesen raid ahnlichen Erwgtgungen hingibt, 
wird zugleich einen Massstab far die eigenthumliche 
Bedeutmig dieser politischen Rathgeber gerade in jenen 
kritischen Jahren gewinnen, denen sich Joharai Georg 
trotz alles Stralubens fiigte. 

Aber die politische Richtung, welche nach dem Prager 
Frieden in Kursachsen zur Herrschaft gelangte, gewann 
auch einen sehr starken Einfluss ganz anderer Art auf 
die spatere Stellung Kursachsens im Reiche. Johann 
Georgs I. von 1611—1656, also liber fiinfundfimfzig Jahre 
wahrende Regierung ist schon an und fur sich eine fiir 
die politische Bedeutung Kursachsens in Deutschland 
sehr erhebliche Thatsache. Und dass diesem Kurftirsten 
gerade Hauptvertreter jener politischen Richtung bis zu 
seinem Tode unablassig zur Seite blieben, verstarkte das 
eigenthumliche Geprage seiner Regierung noch mehr. 
Kursachsen verzichtete allmahlich darauf, sein besonderes 
Gewicht Osterreich gegeniiber geltend zu machen, und 
zwar gerade zu einer Zeit, wo der andere Kurfiirst des 
obersachsischen Kreises, Priedrich Wilhelm von Branden- 
burg, mit grosster Thatkraft und einer Freiheit des 
Handelns, welche bald durch ihre Vorsicht und Klugheit, 
bald durch ihre Kiihnheit der Welt Staunen und Bewun- 
derung abnothigte, den Grund zu einem neuen Staats- 
wesen legte. 

Das Ministerium, dessen einzelne Hauptmitglieder 
wir oben aufgefuhrt haben, ist der Trager dieser kur- 
sachsischen Politik gewesen, welche Sebottendorf vermoge 
seines hohen Alters auch auf Johann Georgs II. Regierung 
als die allein fiir Sachsen zweckmassige und patriotische 
iibertrug. 



Des Chur-Purstlich-Sachisischen Geheimbten Raths 
Herrn Abraham von Sebottendorfs 
Gntachten und anfeftihrlicher Beweis, dafs Chur-Purstliche Durch- 
lancbt zu Sachfsen, vermSge der Glildnen BuR, auch ihrer Eyd und 
Pflicht bey Keyserlicher Majestat und den Standen des heyligen 
ROmischen Keichs unbeweglich zu halten verbunden und nicht zu 
den Feinden des Reichs treten oder sich mit ihnen conjungiren soUe ^), 



^) Der Abdruck folgt einer Abschrift der KOnigl. Bibliothek 
zu Dresden (K HI), welche aus 24 Folioblattern besteht und aus 
dem 17. Jahrhundert stammt (vergL Schnorr von Carolsfeld, Katalog 
der Handschriften der Konigl. Gffentl. Bibliothek zu Dresden 11, 223). 



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214 J- O. Opel: 

Dnrchlanchtigster, Hochgebohrner Chur-Fttrst, 

Ew. ChoT-Ftirstlichen Dnrchlancht sind meine nnterthenigste Dienste 

bestes VermOgens jederzeit zuvor, 

Gn&digster Herr. 
Ich YerspUhre, dais der liebe Gott, in deisen Handen aller 
Menschen Wandel, Zeit nnd Leben beruhet, mit mir in knrtzen eine 
Aenderung fllrhabe, nnd meines Bleibens allhier vielleicht in die 
L&nge nicbt seyn mOchte. Wenn ich mich denn deisen erinnere, 
was Ew. Ohnr-Ftirstliche Dnrchlancht nenlicher Zeit den 10. Octobris 
nach des KQniglich Danemarckischen Gesandten Abreise^^ den 
Geheimen Rftthen in der Geheimbden Raths-Stnben beweglich fnr- 
gehalten, die i^egenwartige Gefahr zn Gemlithe gezogen nnd sie 
Qirer trenen Pmcht eifrigst angemahnet, so bedtincket mich meiner 
nnterth&nigsten Gebtthr zn seyn, vorher bey Ew. Ohnr-Flirstlichen 
Dnrchlancht zn wiederholen, was filr einen Zweck nebst der Ehre 
Gottes nnd seines heyligen Wortts, dais nns in nnsers elenden Lebens 
Pilgramschafft nicht nnr znr Seeligkeit nnterweisen, sondem anch 
seeug machen kao, ich in meinen bifsherigen trengemeinten Rath- 
schllQ:en gefUhret, nnd was fiir starke nnhintertreibliche oppositiones 
entzwischen getreten, die alle meine nnterthenigste BemUhnngen 

Dieselbe ist wahrscheinlich nach der Urschrift, d. h. nach der eige- 
nen Handschrift Sebottendorts, angefertigt worden. Wir schliessen 
dies letztere besonders ans den ziemlich zahlreichen Lesefehlem, 
zn welchen die nicht ganz mtihelos zu entziffemde Handschrift 
Sebottendorfs einem aiterer Schriftzttge nnknndigen Schreiber Ver- 
anlassnngen genng geboten haben mag. Yiele Ton diesen Yer- 
sehen, ja wohl die meisten liessen sich berichtigen; anch einige 
Lttcken hat der Herausgeber ansznfttllen yersucht. Andere, wenn 
anch nnr wenige Stellen boten jedoch alien Verbessemngsver- 
snchen Trotz. Anch die Eechtschreibnng ist etwas einheitlicher 
gestaltet worden. Das Original, d. h. die von Sebottendorf mit 
eigner Hand angefertigte Denkschrift oder den Entwnrf dei^el- 
ben, habe ich weder im Hanptstaatsarchive zn Dresden noch in 
der archivalischen Sammlnng des Herm Freiherm yon Friesen 
zn R5tha aufgefnnden; vielleicht ist es von dem Abschreiber gar 
nicht znrttckgegeben worden. Die Abschrift der KOnigl. Bibliothek 
zu Dresden dtirfte die einzige sein, wenigstens habe ich keine Spnr 
von dem Dasein einer anderen entdeckt. Fiir die Benntznng der 
Handschrift bin ich Hm. Oberbibliothekar Geh. Hofrath Dr. FcJrstemann 
in Dresden, fttr die Nachforschungen im Archiv zn Rotha Herm 
Freiherm von Friesen daselbst nnd fttr die ans andem Denkschriften 
mitgetheilten Stellen dem Hanptstaatsarchiv zu Dresden nnd insonder- 
heit anch dem Herrn Herausgeber dieser Zeitschrift zn verbindlich- 
stem Danke verpflichtet. 

'^') Dieser Gesandte war Bernd v. Hagen gen. Geist. Sein 
Recreditiv ist vom Knrftlrsten am 10. Oktober 1639 ansgefertigt. Er 
soUte etwaige Besorgnisse Johann Georgs fiber die Einmischung 
Christians IV. in die Angelegenheiten des niedersachsischen Kreises 
znrttckdr^ngen nnd hervorheben, dass die Bestrebungen des K5nigs 
nnr der Schonung des Kreises nnd der Befdrderang des Friedens 
dienen soUten. Vergl. Fridericia, Danmarks ydre politiske Histo- 
rie i Tiden fra Freden i Prag til Freden i BrSmsebro, S. 131, 132. 
(Gtttige Mittheilnng des Herm Dr. Fridericia in Kopenhagen). 



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Eine politische Denkschrift etc 215 

eyacniret und den yon mir gewuntschten Effect gro&en Theils ge^ 
hindert und abgenOthiget Aus welcher Erzehlung Ew. Ohur-Fttrst- 
liche Durchlaucht im Wercke gnftdigst sich werden zu versichern 
haben, wie solcher nnterthenigst ertheilter Consilien we^en mich 
mein Gewifsen gar nicht krSjicket oder beschuldiget, dais ich keine 
Scheu trage, solche auff erforderten Fall nebst Ew. Ohur-Ptlrstlichen 
Durchlaucht fttr dem RlJmischen Keyser, ftlr denen getreuen Chur- 
Fursten und St&nden des RiSmischen Reichs standthafft zu yerandt- 
wortten, auch dais das yerhandene groise Ungluck yon denselben^) 
keines Weges herrtthre, darzuthun. Ghestalt ich denn hlerUber nicht 
allein rait unerschrockenem Hertzen mein letztes StUndlein auff 
dieser Welt nach dem gnadigen Willen Gottes frOhlich zu beschliefsen 
yerhoffe, sondem auch dermahl einst an jenem groisen Gerichts-Tage 
fiir dem Richter aQes Pleisches in Beyseyn der himmlischen Heer- 
schaaren und aller Menschen, die yon Anfang biis ans Ende der Welt 
gelebet haben, mit grofeer Preudigkeit und unyerzagtem Gewifsen 
diesertwegen zu erscheinen getraue und als ein treuer Knecht in 
meines Herm erworbene Freude einzuirehen ungezweiffelt lebe. 

Anfangs bitte ich unterthanijg^st, Ew. Ohur-Piirstliche Durch- 
laucht wolte sich desjenigen gnadigst erinnem, was Deroselben ich, 
als Sie meiner wesentlichen Auffwajtung bey der geheimen Rath- 
Stuben allhier gnadigst begehret, zu meiner wohlgegrttndeten Ent- 
schuldignng gehorsambst zu Gemtlthe geftOiret, und dais alle mein 
unterthanigstes, treuhertziges Einrathen bey dergleichen Sinn derer- 
jenigen sonderlich, die Ew. Chur-Fiirstliche Durchlaucht zu tiber- 
nommener Beschtitzung des Ober- und Nieder-Sfichisischen Oreyises 
und Wegbringung der Feinde yon dem Reichs-Boden zu gebrauchen 
yermeinet gehabt, Ew. Chur-Ftirstlichen Durchlaucht einigen Nutz 
nicht schaffen, mir aber zu sondem Schimpff, ja Betriibnifs und 
kummerlichet Be^ngstigung liber dem^) daraui^ besorgten Ungllick 
des Vaterlandes gereichen und ausschlagenc) wttrde, aufsfiihrlich 
erinnert und das imgefilhrliche Gleichnifs yon einem Wagen ge- 
brauchef^®), da yier in sechfs Pferde zwar richtig gespannet und 
d^ ordentlichen Weg zu Fortbringung des Wagens innen zu halten 
bemtthet wSren, aber hinten an den Wagen in zehen, zwantzig, 
dreyisig und mehr Pferde sich legeten, denselben mit Gewalt und 
allerhand Vortheil zurucke und auff einen andem Weg zu ziehen 
sich bearbeiteten, da dann entweder die fBrdern Pferde in Beharrung 
ihrer Stralsen in Stticke zersprenget oder sonsten untiichtig gemacht, 
oder der Wagen gSnzlich zerrifsen werden mtlise. Denn da habe 
ich mir alsobald fiir Augen gestellet, durch Antrettung solcher Be- 
stallung wttrde ich nicht einem schlechten Fttrsten oder Stande des 
Reichs, sondem einem Chur- und Wahl-Fttrsten , dafs ist einem 
solchen Reichs-Fttrsten, dienen, der neben andem sechisen Macht 
habe, einen ROmischen Keyser zum Ober-Haupt der Christenheit zu 
erwehlen, welchen Kaiser nicht nur alle andere Fttrsten, Graffen, 
Herren, Stande und Stadte des Reichs, ob sie gleich bey der Wahl 
nichts gethan, auch nicht einmal**) dabey sein dttrffen, fttr einen 
Keyser, Her'rn und Oberhaupt zu erkennen schuldig, sondem den 



») demselben. *>) den. «) auffschlagen. *) einer. 

*^) Eine Denkschrift, in welcher dieses Gleichnis yorkommt, ist 
mir nicht bekannt; doch kQnnte sich Seb. auch auf einen mttndlichen 
Yortrag beziehen. 



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216 J. O, Opel: 

anch alle Fotentaten in der Ohristenheit darfiir ehren, ja anch anlser- 
halb der Ohristenheit die heydnischen Monarchen, Tiirken, Persianer, 
Tartern yeneriren nnd ^o^achten; je h3her denn die Ehre und 
Wttrde der Reicha Ohur-Fttrsten von etlich hnndert Jahren her ge- 
sch&tzet worden, bey diesen Zeiten aber lauter Hai^, Neid and 
WiederwSrtigkeit nach sich ziJgen, je gchwehrer und gef&hriicher hat 
mich zn seyn bedttncket, eines Chnr-Ftirsten geheimen Rathschl&gen ») 
nicht nnr znr Conservation seiner eigenen Hoheit, sondem anch znr 
Beschntznng defeen, den er anflf vorhero gehenden theueren Eyd- 
schwur zu einem R5niischen Keyser und weMichen Oberhaupt der 
Ohristenheit erwehlen helffen, ja zu fester Handhabung des gantzen 
Romischen Reichs und deisen lOblicher bey aller^) Welt berUhmten 
Yerfassnng nutzbarlich beyzuwohnen. 

Denn dafe die Herren Ohur-Fttrsten nicht" nur der Praecellenz 
ROmischer Keyserlicher Wahl sich zu erfreuen, sondem auch diese 
Schuldigfkeit auff sich haben, ihre theure beschwohme Wahl gegen 
m&nniglich zu vertreten und bey dem von ihnen erwehlten Keyser 
Leib und Blut, Haab und Gutb, Land und Leuthe, alls welche sie 
einig und allein von ihme zu Lehen tragen, treulich zuzusetzen und 
sich weder vom Keyser noch unter einander selbst zu trennen, son- 
dem neben einander ohne einige Forderung standhafft mit Rath und 
That zu beharren und aufszutauem, darzu werden sie neben ihren 
absonderlichen Pflichten durch die gttldene Bull, fiimehmlich aber 
durch die Ohur-Fttrstliche Vereinigung fest^) verbunden und durch 
ihrer Yorfahren lObliche Exempel kr&ffti^ich angemahnet, gestalt 
denn die Wortte der Ohur-Fttrstlichen vereinigung des clahren 
Inhaltsw*): 

,W&re es Sache, dai^ iemandf wer der w&re, niemands 
aulsgenommen, einigen unter den Ohur-Fttrsten mit Ghewalt 
ttberziehen, bekriegen, beunruhigen<*), oder da einige Unrahe, 
wiederwartige Emp5rung oder Versamblung wieder die Rdmische 
Keyserliche MajestS,t entstunde, oder ob jmand, wer der wSre, 
nach dem Heyllgen Reich stehen wttrde, oder ob sich sonsten 
unterwunden*) werden wolte, dafselbe von Teutscher Nation, 
durch was Mittel das w&re, zu transferiren oder zu ver&ndem, 
darinnen sollen die Ohur-Fttrsten einander beyrSthig, behttlfflich 
und beyst&ndig sein, keiner den andem verlflfsen, sondem alis- 
dann einander sammtlich mit gantzen Treuen, Landen, Leuthen, 
Schlolsem und aller Macht behelffen und berathen seyn, von 
einander nicht setzen noch scheiden, in keinem Wege ohn alle 
Gefihrde etc." 

Da nun zur Zeit der mir im Martio A. 1637 angetragener 
Bestallung etliche Fursten des Reichs sich nicht wenigO beschwert 
gemacht, dais sie auflf den vor selbiger Zeit ausgeschrieben Ohur- 
Ftlrstlichen Collegial-Tag nicht wSren erfordert und ihr Gutachten 



») Raths Schlagen. »>) alter, c) Es steht: „Verein festigung*. 
*) beunruhete. «) unterwinden. weniger. 

**) Die Texte der kurfttrstlichen Vereinigun^en zu Gelnhausen 
(v?" J. 1502) und zu Worms (1521) finden sich bei Lunig, Reichs- 
archiv Y, 288—240 und 244. Die obigen Bestimmungen sind aber 
in keinem dieser Texte wOrtlich enthalten, sondem sind gekttrzt und 
zosammengezogen. 



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Eine politische Denkschrift etc. 217 

fiber den yorgrehenden conciliis yemominen worden**), welches doch 
der Gtlldnen Bnll nnd dem Herkomraen nicht gemSfs, habe ich rair 
nicht unzeitig eingebildet, es woUte durch dieses Angeben und an- 
dere fiirgebrochene Bezeignngen dasjenige nicht unscheinbar herflir 
zn lenchten beginnen, was yor zwantzig, yierzig, fanffzig Jahren 
etlichen Fttrsten des Reichs yon unruhigen Leuthen eingebildet seyn 
mag: sie wftren eben des GeblUths, hoher Ankunfft, Macbt und Ver- 
mSgens, defeen die weltlichen Chnr-Fttrsten sich rflhmen kSnten, sey 
demnach wieder die Billigkeit, dais sie die Fttrsten yon der Wahl 
eines Keysers gantz anfsgeschlofsen und solche nnr den geist- nnd 
weltlichen Chur-Fiirsten gelalsen wttrde, da doch die geistlichen Chnr- 
Piirpten gemeiniglich blofs yon adelicher Ankunft entsprofsen, den 
Ftirsten, Graffen und Herrn des Reichs gar nicht zu gleichen, weniger 
ihnen bey der Wahl des Oberhanpts ftlrzuziehen wftren Mann solte 
ea vielmehr in den alten Stand richten, flafs wo nicht die gesarabten 
Stand e des Reichs, doch zum wenigsten die Fttrsten defselben Recht 
und Fug haben mOchten, einen Keyser zu wehlen, und der Herrn 
Cbur- Ftirsten Collegium gantz anffheben, oder k9nte das Reich 
auch wohl ohne einen Keyser bleiben, und ein jeder Furst oder 
Stand seine vertraute Land und Leuthe selbst beherrschen und gu- 
bemiren. Wie nun die Praeeminenz aller Chur-Fttrsten ingesambt 
durch dergleichen Einstrenungen nicht wenig zu periclitiren ich an 
meinem Orth erachtet. also batt sich solche besorgte Gefahr dahero 
st&rcker vermehret, indem zur selben Zeit aufsgebrochen, dafs Franck- 
reich neben seinen Adhaerenten dem erwehlten RSmischen Keyser 
den Titul des Kaysers zu geben und fttr einen RSmischen KOnig zu 
erkennen yerweigert, wodurch doch die Herren Chur-Fttrsten, so 
ihna) gewehlft, bey denen ohne dafs foyirten Reichs-Troublen in 
aufserste Verkleinerung und grofee Difficultaet einsincken wurden, 
d^nn was unter "Wegerung des Keyserlichen Tituls yerborgen liege, 
lafae Ew. Chur-Furstlichen Durchlaucht ich geme hochyemunftig er- 
mefsen. An meinem »>) ringen Orth will sich nicht ohne Ursach fol- 
gender Schlufs heryorzuthun yermuthen (!). Die beyde in Teutsch- 
land streitende Cronen tadeln den itzigen Keyser entweder darumb, 
dafs er die Qualitaeten eines Keysers nit^) an sich habe, oder darum 
dafs die Chur-Fttrsten nicht Macht gehabt, einen Keyser zu erwehlen. 
Dafs erate, gleichsam der Keyser die Qualitaeten eines R5m. Key- 
sers nicht habe, kan yon keinem unpassionirten**) mit gutem Grunde 
gesaget werden, es sind dieselben mg.nniglich kund, nicht nOthig, 
sie in specie anzuftthren, es wttrden«) durch solch Vorgeben die 
Herren Chur-Fttrsten eines Falsches und Mein-Eydes angeschul- 
diget, als die bey der Wahl einen corperlichen Eyd geschworen, sie 
wolten bey denen Treuen, damit sie Qott und dem Heyligen Reich 
yerbunden wftren, nach aller ihrer yerstS-ndigen Erkantnifs und Ver- 
nunfft mit Gottes Hulffe erwehlen ein weltlich Haupt dem Christ- 
lichen Yolck, das ist einen ROmischen Keyser, der darzu tttglich 
sey^*). Dem aber wftren sie nicht nachkommen, sondem hfttten einen 



») ihme. ^) einen. c) mit. ^) impassionirten. e) wttrde. 

^) Sebottendorf hat hierbei oifenbar nicht allein an das (Jfter 
gedruckt^ Protestschreiben des Pfalzgrafen Karl Ludwig yom 17. Ja- 
nuar 1637 gedacht 

«*) Der Eid der Kurftirsten yor der Wahl bei Goldast, Defs 
Heyligen R&m. Reichs Constitution, Ordnungen ynnd Aulsschreibeu 



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218 J. O. Opel: 

dermafsen tmtanglichen Eeyser erwehlet, den Franckreich nnd Schwe- 
den durch Kriegs-Macht absetzen, mit dem Rdmischen Keyserthnmb 
aber eine andere Grestalt und Anordnnng treffen milisen. Weil nun 
aber den Herrn Chur-Fursten dergleichen Unbedacht und Falschheit 
niemand mit Billigkeit beymefsen kan, so foleret nothwendig das an- 
dere, nehmlich es batten die Herren Chur-Fttrsten nicht Macht ge- 
habt einen RSmischen Keyser zu erwehlen, oder ob sie ihn schon 
erwehlet, mochte doch defsen unerachtet er sich nicht zum Keyser 
auffwerffen, der die errSste Gewalt habe. Dersrleichen Beschimpff- 
und Auffhebung der Flirstlichen Praeeminenz, Macht und Hoheit ist 
den Herren Chur-Fursten weder von Franckreich noch Schweden 
Oder einigen Christlichen Potentaten begegnet und wiederfahren, 
sondem sie haben vor dieser Zeit den von dem mehrem Theil der 
Herrn Chur - Flirsten erwehlten Keyser fiir den rechten erwehlten 
ordentlicheu Romischen Kayser unstreitig erkennet, ohne Wieder- 
rede geehret und gebtihrlich respectiret Dais aber beydes dem 
ietzigen Keyser seine Kayserliche ») Majestat und Hoheit a]k auch 
den Herrn Chur-Flirsten ibr Wahlrecht durch die frembden Kriegs- 
Waffen angezapift»>) und abgenQthiget werden woUen, davon hatt 
man gleichwohl so lange stille geschwiegen und zuriicke gehalten, 
bils mann gesehen, dais Franckreich im Elsals, der Schwedische Feld- 
Marschall Baner aber dieses Orths glUcklichenc) Progress <^2) genom- 
men: da, da kommet es an das belle TageLicht und wird in offenen 
Druck geschrieben®*), theils der ietzige Keyser sey nicht rechtmftfsig 
erwehlet, weil 1., Pfaltz-Graff Carl Ludewig als ein Chur-Fiirst am 
Rhein zur Wahl nicht beschrieben, 2., Chur-Trier gefUnglich gehalten, 
3. die anderen Chur-Fiirsten mit Geschencke liberkaufft. Defewejren 
sey das Reich ietzo in einer Vacantz und wiirde bemeldter Pfaltz- 
Graff seiner Chur - Flirstlichen Hoheit und Vicariat sich nunmehro 
gebrauchen, einen aufswartigen tiichtigen Kayser wehJen, die 



a) Seiner Kayserlichen. »>) ^angezopft". «) „glticklicher". 

(1607) S. 124. Der Erzbischof von Mainz legte im Jahre 1636 den 
Schwur mit folgenden Worten ab : juro, quod ego per fidem, qua ego 
Deo et Sacro Romano Imperio sum astrictus, secundum omnem discre- 
tionem et intellectum meum cum Dei adjutorio eligere volo tempo- 
rale caput populo Christiano, id est Regem Romanorum in Caesarem 
promovendum, qui ad hoc existat idoneus, in quantum discretio 
et sensus mei me dirigunt. Examen comitiorum Ratisbonensium 
(1637) S. 57. 

«2) Der Verfasser denkt offenbar an das Jahr 1637. Ueber 
Bafiers Einbruch in Sachsen berichtet die Schrift: Griindliche RE- 
LATION Was sich seithero der Banier mit der Schwedischen Armee 
ins Land von Meissen gangen, von 1. Januarij Anno 1637 bis auff 
den 21. Tag Junij begeben hat. Im Jahr, MDCXXXVn. C 4. 

®^) Eine der hervorragendsten dieser Schriften ist franzosischen 
Ursprungs : Examen Comitiorum Ratisbonensium sive Disquisitio Po- 
litica de nupera Electione novissimi Regis Romanorum. In qua per- 
spicue ostenditur, neque Conventum Blectoralem Ratisbonae rite in- 
stitutum, neque designationem Regis Romanorum legitime celebratam 
esse. Avthore Justo Asterio, ICto. Der Verfasser ist bekanntlich 
der aus Zweibriicken gebiirtige Stella. In dieser Schrift S. 29 findet 
sich auch eine Stelle, in welcher die Kurfiirsten der Bestechung be- 
schuldigt werden. 



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Eine politische Denkschrift etc. 219 

Chnr-Wlirde, derer sich die andern mit Geschenck Uberkanfften Clrnr- 
Ftirsten mehrentheils verlustij^ gemacht, auff andere christliche Fur- 
sten bringen, so der Oesterreich - Spanischen Maclit Fefseln anlegen, 
inner und aulser Reichs mehr bendigen solten. Theils wird in 
solchen Tractaten geschrieben, die Ohur-Fttrsten hMten ihr Wahl-Recbt 
von niemand andern, als den Fttrsten des Reichs empfangen. Weil 
denn die Chur-Fiirsten einen unttlcbtigen Keyser erwehlet und sich 
ihres Wahlrechts selbst verlustig gemacht, so wlirden die andern 
Fursten, die an Macht und Hoheit (als der Konig in Dennemarck 
wegen HoUstein) den andern liberlegen waren, neben den tibrigen 
Reichs- Standen das Churfarstliche CoUeginm fiir Gerichte fordem, 
die Sache erwegen, das Wahlrecht groSen Mifsbrauchs halber von 
ihnen an sich nehmen nnd solches tuchtigen Fiirsten anvertranen. 

Ob nun gleich auff solche Schrifften so genauer Fufe nicht zu 
setzen®*), weil aber die Verweigeruns: des Keyserlichen Tituls^), die 
Vergewaltigung der Herren Chur-Ftirsten und andere ungewohnliche 
Proceduren mit Hauifen herflirbrechen, so hat mann desto wach- 
samer auff sich Acht zu geben. Dann solten zu dieser Beschimpff- 
und Vergewaltigung die Herren Chur-Ftirsten gantz stille sitzen, 
Oder ein jeder nur auff sich sehen, seine Krieges-Macht an und vor 
sich behalten, durch allerhand Einbildung schadlicher Leuthe zu- 
wieder ihres obengezogenen Eydschwures sich von einander trennen 
und die aufewartigen Waffen im Reich von Tage zu Tage machtiger 
werden lafsen, so ffienge das herrliche Kleinod des Romischen Key- 
serthurabs von den Teutschen weg, die Chur-Ftirsten wurden herunter 
gesetzet und zum wenigsten den andern Standen gleich gemacht, 
wer») auch gewils anders nichts, denneine Umbsturtzung des gantzen 
Reichs zu befttrchten. 

Denn mann wtlrde zwar Anfangs an Seiten der aurswS.rtigen 
Trohnen die Wahl eines Keysers den Teutschen zu entziehen nicht 
angesehen seyn wollen, sondem dieselbe, nur zum blossen Schein, 
wo nicht auff alle Reichs - Stftude doch auff den gantzen Fursten- 
[Standjb), umb seinen«) als ietziger Zeit des stftrcksten Favor zu ge- 
winnen und auff seine Seite zu bringen, erweitem. Hemach und 
da mann versichert ist, dafs die gesammbten Fttrsten fiber die Wahl 
sich nimmer vergleichen konten, sondem (wie in Ungam, ehe die 
Sieben Chur-Ftirsten auffkommen, mehrmals geschehen) einander in 
die Haare fallen, sich selbst ermieden, schwachen und auffziehen 
wtirden; alfsdenn hatte man Gelegenheit wahr zu nehmen, sich mit 



«) war. b) fehlt. «) und seiner. 

**) Der Verfasser schatzt diese Schriften nicht sehr hoch, weil 
sie offenbar auslandischen Ursprungg sind. 

66) In Frankreich wurde Ferdinand III. damals gewohnlich als 
Konig von Ungarn bezeicbnet, in dem franzosisch-schwedischen Bun- 
desvertrage vom 6. Marz 1638 als Sohn Ferdinands II. (Koch, Ge- 
schichte d. d. Reiches unter d. Regierung Ferdinands III. I, 93). 
Jener Johann von Heppe aber, welcher im Sommer 1639 von Riche- 
lieu an die Kurfttrsten in offiziellem Auftrage, aber nicht geradezu 
als Gesandter abgeschickt wurde, erhielt die Ermachtigung in seinen 
Verhandlungen den Konig von Ungam auch Kaiser zu nennen, weil 
er eben den Charakter eines franzSsischen Gesandten nicht haben 
soUte. Vergl. Koch I, 189 flg., Avenel, Lettres VI, 458 flg. Le 
pr^tendu empereur d'Allemagne, Avenel, a. a. 0. 385. 



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220 J. O. Opel: 

Gewalt anzndrin^en , alle Wahl im Reich auffzuheben und sich in 
defselben Provincien eines und andern Orts einzutheilen , dadurch 
gienge die gantze Verfafsung des RSmischen Reichs bey den Tent- 
schen ubern Hauffen; rm«na)l wiiste nicbt, wer Herr oder Knecht, Ober- 
oder Untefthaner ira Reich verbliebe, diirifte aber auch al&denn 
Franckreich und Schweden selbst streitig werden, weil Franckreich 
die Romisch-Catholische Stande im Reich erhalten, Schweden die- 
selben weg gebracht wifsen will. Auff was Maa£se dergleichen 
schirapffiiche, vorhin unerh9rte Absttirtz- und Degradirung der^) Heirn 
Chur-Fiifsten sowohl als defsen von ihnen einhellig erwehlten Rfi- 
mischen Keysers (den gleichwohl Hispanien, Engelland, Poblen, 
Dannemarck, ja der Turckische Kayser selbst flir den ordentlichen 
Romischen Keyser erkennen. ehren, nennen und respectiren) bey so 
starck andringenden Waffen Franckreichs und Schweden abzuwenden, 
das will in allewege einem reiflich zu bedenken stehen, der von 
einem Chur-Ftirsten des Reichs znm geheimen Rath erfordert wird. 

Vor Jahren hatte^) man mit Beandtwortung dieser Frage ohne 
sonders hinter sich Dencken wohl dnrchkommen kQnnen, w<»nn man 
gesaeret, der Keyser soil neben die Chur-Flirsten und Stande des 
Reichs, und diese hinwieder neben den Keyser treten und mit zu- 
sammengesetzter Macht die aufswartige Feinde von des Reichs Bo- 
den abtreiben, dadurch die in aller Welt bertlhmte Teutsche Nation 
bey der Majestat des BOmischeii Keyserthums einmiithig handhaben 
und difs edle Kleinodt von den Teutschen so liederlich ie nirht weff- 
kommen lafseu, denn darzu sey ein Romischer Keyser durch fden]'') 
den Herm Ohur-Fiirsten abgelegten Eyd, die Chur-Fttrsten hingegen 
sambt andern Reichs-Standen dnrch die dem Romischen Keyser ge- 
schworene teuere Pflicht in alle Wege obligiret und verbunden. 
Defsen haben Ew. Ohur-Furstlichen Durchlaucht geehrte Vorfahren, 
Vater und Grofs-Herren-Vater loblichen Gedenckens sich auff eine 
und andere Begebenheit erinnert, ihre geleistete Pflicht treulich und 
sorgfaltig in Acht genommeu, ohne alles Verwes:em und Scrupuliren 
im Werck erstattPt, wieder ihre Glaubens-Genofsen, wieder ihre An- 
verwandte die Waffen zu fuhren, sie zur Billigkeit gegen die Ca- 
tholische und andere Reichs - Stande wie auch zur Observanz der 
Reichs-Ordnungen zu bringen kein Bedencken gehabt. 

Da ich nun zur Zeit der mir angretragenen Bestallung fur 
Augen gesehen, da£s unter grlantzendem Schein entweder einer Uni- 
versal- Amnistie (!) Oder der Religion oder anderer Dinge nichts e) so 
sehr, als die spfittliche Abstofsung des Keysers, Auffliebung des Chur- 
furstlichen CoUegii, Zerruttung des gantzen Reichs und aller Stande 
durch die frembde Waffen gesucht wttrde und hingegen mich be- 
kllmmert, was Ew. Chur-Fttrstliche Durchlaucht fOr Mittel batten, 
sich selbst und Dero Nachkommen bey dem werthen Chur- und 
WahlO-Recht sehutzen zu helffen, auch den von ihr gewehlten Ro- 
mischen Keyser mit aller Macht (wie die Wortte der Chur-Ftirstlichen 
Vereinbahrung oben angezogen) zu retten und beyzustehen, und aber 
wahrgenommen, dafs weit mehr Leute in Ew. Chur-Ftirstlichen Durch- 
laucht Diensten und Bestallungen waren, die des Feindes Waffen 
vertheidigten und recht sprachen, den R6mischen Keyser aber und 
alles), die auff seiner Part stehen, anfeindeten, verflucheten und ver- 
dammeten, babe ich mir also balde Anfangs keine andere Rechnung, 



»0 fehlt. b) den. ^) hatte. d) fehlt. e) nicht. Wohl, s) aller. 

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Eine politische Denkschrift etc. 221 

deim eines dem gantzen K,5mischen Reich und sonderlich Bw. Chui- 
FUrstlichen Durchlancht selbst hochstgefahiiichen , schadlichen and 
kummerhaflten Auisganges, der nunmehro vor aller Welt Augeii 
stehet, inachen wi& anlegen konnen. Denn da will heutiges Tages 
weder ») die Vorschiitzung dels ^) dem Koinischen Keyser geleisteten 
Eides und Pflicht noch die bey [den] «) Teutschen von so vielen hundert 
Jahren erhaltene Dignitaet, einen Koinischen Keyser auls ihrem 
Mitteld) zu erwehlen, oder das gute Erinnern, die teutsche Freyheit 
und in aller Welt beruhmbte Heirlichkeit den trembden sclavisch 
und dienstbahr nichte; zu unterwerft'en, bey vielen (ieistlichen und 
Weltlichen etwas gelten oder geschatzet werden. Viel unter denen 
Greistlichen haben keine Scheu getragen und noch, von sich zu 
schreiben, theils von 51fentlicher Cantzel zu lehren, man kdnne mit 
gutem, unversehrtem Gewilseu neben den Papisten nicht Krieg liihren 
oder von ihnen zu Kettuug Land und Leuthe Htilffe begehren "*^). 
Wer dieses thue, wer schriSt't- oder mundlich darzu rathe, der habe 
feemeinschaffit mit Belial, er handele wider die Vermahnung des 
Apostels Pauli, der die EUrsten warnet und spricht : Ziehet nicht an 
frembdem Joch mit den Unglaubigen"^). Er befordere des Antichrists 
Reich, da man doch solte aulsgehen von Babel, damit mann nicht 
theilhafttig werde ihrer Siinde. Dergestalt und durch diese Lehre 
werden alle Keichs-Abschiede, Ordnungen »), Religions- und Land- 
Eriede, welche mit den Romisch - Catholischen auffgerichtet, mit 
schwerem Eyde betheuert, ubern Hauffen geworffen, und konnen Ew. 
Chur-Eiirstlichen Durchlaucht Vort'ahreii, wel(;he zu Rettung Catbo- 
lischer so wohl als der andern Stande Krieg gefiihret, auch zum 

Theil ihr Leben daruber eingebiU'set, s) wehren mit bosem 

Grewifeen von dieser Welt abgeschieden und also neben der Seelig- 
keit hingangen. Auft solche Weise werden alle Lutherischen Theo- 
logen von Lutheri Zeiten her verdammet, weil sie die Verfafsung 
des Reichs dem Wortte und Befehl Glottes in alle Wege gemafs ge- 
lehret und jedermann zu derer unverbitichlichen Observanz wieder 
die auifruhiische Muntzerische Rotte eitt'rig angewiesen. Solclieui 
Vorgeben nach kftnte kein geheimer Rath uie Reichs - Pflicht mehr 
ablegen oder mit gutem Oewifsen derselben nachsetzen und dahin 
EleiS haben, dafs nechst giittlicher Htilffe die Reichs-Stande beyder- 
seits Religion neben einander ruhig und friedlich wohnen und 
menschlicher Gesellschafft unter einander pflegen mochten. An Ew. 
Ghm'-Furstlichen Durchlaucht eigener Uottstadt mogen sich Leuthe 
und derer nicht \^enig oder geringe funden haben, und noch, bey 
• denen der Romische Keyser in dermafsen Hals und Beschimpffang, 



») wieder. ^) dass. c; fehlt. ^) ihren Mitteln, e) statt ^nicht" 
steht ,sich**. Ordnungs. g) Hier scheint etwas zu fehlen. 

^) Der Kurfurst musste ein Verbot gegen die Angriffe auf 
den Frieden zu Prag und auf diejenigen, welche ihn abgeschlossen 
hatten, erlassen. In Stettin bezeichneten zwei Prediger in den 
Passionspredigten den Frieden als ein Werk des Teufels und seine 
Anhanger als Teufelskinder. Vergl. (Opel), Eine Probe politischer 
Puhlicistik aus den Zeiten des dreissigjahrigen Krieges, Aeussische 
Jahrbucher IX, 330 ; dazu noch Hitz'igrath, Die Puhlicistik des 
Prager Friedens, S. 27 flg. 

«^) IL Corinth. 6, 14. 15. 17. 



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222 J. 0. Opelf 

dais sie ihn unwurdig ...»), seiner in guten zu gedencken, will ge- 
schweigen, ihme zu Handhabung seines Trohns, darauff ihn doch 
Ew. Ohnr-Fiirstliche Durchlaucht selbst zu Erhaltung ihres hohen 
Wahlrechts habent>) erhShen helffen, auff einerley Weise befOrder- 
lich zu seyn. 

Die Erfahrung hat es bifshero gnungsahm dargethan, wenn der 
Feind Ew. Chur-Fttrstlichen Durchlaucht Lande bedranget, und der 
Keyser wegen Ferne des Weges und Entlegenheit des Orths, da 
sich die Keyserliche Keichs-Armade befunden, nicht bald Htllffe thun 
konnen, wie solche Leuthe dem Keyser schimpfflich nachgeredet, ihn 
gelastert, geschandet, verflucht, auch wohl angeschuldiget, es ware 
keine Treue, kein Glaube bey ihm, er hielte nichts, was er zugesaget, 
liefse Ew. Chur-Fttrstliche Durchlaucht im Ungltick baden und stecken. 
Ist denn aber Succurs kommen, und vom Volcke Schaden gesehehen, 
so hat der Keyser bey solchen Leuthen abermahls leiden, tibele Nach- 
rede dulden, und es wieder nicht recht gethan seyn mUisen, indem 
man blois auff den Schaden des Ejiegs-Volcks, nicht auff dife, das 
der Feind auism Lande bracht\ sein Absehen gestellet, den Keyser 
iibermalsen hefftig aufegerichtet und ohne Scheu fiirgegeben, der 
Succurs ware von ihm zu nichts anders, als Ew. Chur - Fiirstliche 
Durchlaucht endlich und gfintzlich zu vertreiben und die Religion 
auiszutilgen, gemeinet; unbetracht, dafe hiesiges Volck es wo nicht 
weit arger, doch nicht viel befser gemacht, und selbst die Keyser- 
lichen zu allerhand Excessen verleitet, auch wohl manchmahl aufe 
Mangel guter Ordnung ein und ander Unfug bey der Soldatesca 
fiirgegangen seyn mag, doch hat alles Ubel dem Keyser zugerechnet 
werden mtifsen. 

Hatt er Succurs gehabt, so ists ihm unrecht gewest, und die 
Aufstilgung der Religion dardurch angezielet; hat er ihn nicht ge- 
schickt, so ists abermahl unrecht, und der Keyser, als hielte er keine 
Zusage und Glauben, gescholten worden. Nun kan und wird nie- 
mand vemunfftig wiederreden, dafs nicht geringer Schade in diesem 
Lande vom Keyserlichen Volcke gesehehen, dafe aber die Schuld dem 
Keyser beyzumelsen oder daraufs etwas ungleiches und zu einer Ab- 
sonderung gnungsahmes zu vermuthen sey, will gleichwohl nicht 
folgen, so wenig Ew. Chur-Ftirstlichen Durchlaucht der Schaden 
zuzttschreiben, der von Ihrem Volck auch wohl zu der Zeit 
den Standen hin und her zugefliget worden, da Sie in Chur- 
FiirsUicher Persohn unter vorgegangenem Feldzug dabey ge- 
wesen. Mann kan nicht darthun, dafs der Keyser seinem Volck 
dergMichen befohlen; so hat es an scharfi'er Bestraffiing nicht 
gemangelt; auch will zu bedencken seyn, ob bey ietzigen bSsen 
Zeiten ein einiger Succurs ohne Schaden abgehen moge; ob denn 
auch der Schade vom Keyserlichen Volck weit grofser sey, als den 
der Feind damahls verubet, oder wenn das Keyserliche Volck damals 
nicht ankommen, und der Feind linger unabgetrieben im Lande 
blieben ware, femer hatte thun, sich des gantzen Landes voUends 
bemachtigen, [mit] c) Ew. Chur-Furstlichen Durchlaucht seines guten 
Gefallens, Wifsens und Beliebens handeln, Sie von Land und Leuthen 

d) bey der Chur-Ftirstlichen Wurde und Hoheit entweder 

lafsen oder auff eine andere Weise gegen Ihr verfahren kdnnen und 
wollen. Denn gewifs ist es, dafs Ew. Chur-Fttrstlichen Durchlaucht 

») Hier fehlt ein Wort »>) halben. «) fehlt *) Hier fehlt 
wenigstens ein Wort. 



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Eine politische Denkschrift etc. 223 

Yolck den Feind znr selben Zeit nicht allein anis dem Lande Mtte 
bringen kSimen, sondern auch nicht abwehren m5gen, dais er nicht 
biis in hiesige Vestiing gestreifft, die nahe gelegene^) DOrffer in die 
Asche geieget, und wie er immer gewoJlt, hin und her gehauset®*). 
Ob nnn alie diese feindliche Proceduren za vergelsen, gegen den 
Schaden vom Keyserlichen Yolck geringer za achten nnd gleichsam 
fOr recht anlszosprechen, wird billich an seinen Orth gesteliet 

Wie aber dergleichen obangefilhrte, seltzame, wiedersinnische, 
mtgereimte Urthel der gewehligen, wollttstigen Leuthe, die bald 
dieses bald jenes ^) woUen nnd doch hemach alles unrecht heiisen, 
dem AUerhttchsten zu gefallen und seinen gerechten Zom auch so 
feme za erwerben pflegen, dais er eines gantzen Landes Inwohnere 
ttber solchem unzeitigen Aberwitz and gewehliger Klugheit endlich 
in die H&nde der Feinde gerathen, and ob sie gleich hemach za ihm 
schreyen, sie doch ohue ErhQrang and alles, was sie za Abtreibang 
der Feinde aniangen, den Krebs-&ang wandem and zu nichte werden 
l&iset, das weisen an dem Yolcke Gottes des alten Testaments die 
billlgen Historien von dermalsen Leuthen auch; denen«) kein von 
Gott geschicket Hittel tang, sondern sie alles zu tadeln wifsen, 
^Uet anser Heyland ein solch Urtheil and spricht: „Wem soil ich 
dils Geschlecht vergleichenV £s ist gleich den Kindem, die am 
Marckte sitzen, raffen ihren Gesellen und sprechen: Wir haben euch 
gepfiffen and ihr woUet nicht tantzen; wir haben each geklaget, und 
jhr woUet nicht weinen®*^)**. Uberdiels mSgen in Ew. Chur-Furst- 
lichen Dnrchlaucht Diensten sich Leuthe get'unden haben und noch 
heutiges Tages linden, die da fiirgeben, wolte der Keyser Keyser 
bleiben, so mochte er sich selber schtttzen, Ew. Chur-Ftirstliche 
Dnrchlaucht oder ein ander Stand des Reichs sey nicht eben schuldig, 
des Keysers Sachen ertragen za helffen, sein YermSgen beym Keyser 
einzubUisen, Land und Leuthe in Gefahr zu stellen, sondern es 
mOchte ein Ohur-Fiirst entweder seines guten Gefallens gar stille 
sitzen und dem 8piele des Krieges zusehen, oder wolte er in etwas 
Kriegs- Yolck haben, mdchte er es nur in seinem Lande und zu deisen 
bloisem Schutz behalten, der Keyser mtiise ihm noch wohl hierbey 
den<i) Kriegs- Yerlag herschaffen, and gleich wohl ohne Zuthat einiges 
Reichs-Standes die Waffen allein auislilhren. 

An meinem wenigen Theil kan ich mir nicht wohl einbilden, 
dafs dergleichen Leatie so gar weit auissehendere) Censur sich unter- 
ziehen wlirden, wenn sie nach Anleitung der Reichs-Ordnungen, 
Abschiede und Gesetze bedftchten, dafs ein Chur-Fttrst so wenig ohne 
Keyser, alls der Keyser ohne die Chur-Fttrsten seyn und bestehen 
kCnne, auch die Herren Chur-Ftlfsten, gleich wie sie ftlr alien andern 
Fttrsten und St&nden einen ROmischen Keyser zu erwehlen bemSch- 
tiget, also und hingegen sie schuldig und verbunden sind, neben und 
fttr demselben liber deme, was die vor ihm ftirgeschriebene Capitu- 
lation erfordert, alles zuzusetzen und beyzutragen, was sie haben 
und Yerm5gen. 



») noch angelegene. ^) jenen. c) denn. <i) dem. «) auls- 
stehender. 

*8) Der Yerfasser scheint den Einbrach Bafiers und die Ein- 
nahme von Pima am 23. April/ 3. Mai 1639 im Auge zu haben. 
«») Ev. Matthai, Kap. 11, Yers 16 flg. 



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224 J. 0. Opel: 

' Denn'sobald die Herren Chur-Pttrsten einen Keyser erwehlen, 
so wilsen Ew. Chor-Furstliche Dorchlancht, dais er ihnen an statt 
des gantzen Reichs aoff die Capitulation schwehren muls, hemach 
emptahet ein jeder Ohur-Furst und Stand seine Land nnd Lenthe 
vom ROinischen Keyser zu Lehen und leget darauff demselbena) 
durch corperlichen Eydschwur die Pflicht ab. Wie nun ein jeder 
Lehenmann seinem Uhur-Fiirsten uud Standei>), von deme er die 
Lehen-Citither traget und die Pflicht leistet, mit Leib und Blut, 
Haab und Gruth verbunden ist, also auch die Chur-FUrsteu, Fttrsteu 
und Stande dem RCmischen Keyser. Wtirde nun einem Chur-Fiirsten, 
Fursten oder Stande nicht getallen, dais seiu Lehnmann blofs die 
Ablegung der Pflicht erstatten, wenn aber eine Noth auff den Lehen- 
Herrn stiefse, ihnc) sitzen laisen und fdrwenden wolte, der Lehn- 
Herr mOchte sein selbst wahmehmen, es sey genuug, dafs der Lehn- 
mann, wie er immer konte, sich verwahrete; so ist ohnschwer**) zu 
erachten, dafs in solchem Fall, da der Keyser wieder die beschworne 
Capitulation von den Reichs-Fiirsten gedrungen werden will, keinem 
Fursten oder Stand, viel weniger aber einem Chur- und Wahi- 
Fiirsten, dem Spiel zuzusehen und sich allein in Acht zu nehmen, 
gebiihren wolte, sonderlich da sich die in dem®) hochbeschwomen 
Chur-Fiirstlichen Verein wohlbedachte Falle ietzund in voUem 
Schwange ereignen, indem 1., nicht nur Ew. Chur-Fiirstliche und 
Chur-Brandenburgische Durchlauchc nicht mit Glewalt uberzogen, 
bekrieget, sonderu auch 2., die Keyserlichen (!) uns angefalleu, 3., nach 
dem heyligen Reich gestanden, das defselben freye Kayserliche Wahl 
von ihn weggerifsen werden will. Da treten die eydlicU obeugedachte 
Worthe der Chur-Fiirstlichen Verein dergestalt ms Mittel und er- 
fordem, die Herren Chur -Fursten sollen beyrathig, behiilfllich und 
beystandig seyn, keiner den andern verlafsen, sondern ein jeder 
sambtl. (!) mit gantzen Treuen, Landen, Leuthen, Schlol'sem und 
aller Macht beholifen und berathen seyn etc. 

Und difs um so viel mehr in gegenwertigem Fall. Denn da die 
Feinde das Ertz-Stifft^ Magdeburg behaupten wollen, welches der 
Keyserlichen Capitulation zuwieder, hat der Romische Keyser kraftt 
seines Eydes auff Ew. Chur-Ftirstlichen Durchlaucht Begehren solch 
Stiift mit aller Macht aufs des Feindes Hand retten helffen^). Da 
der Feind Ew. Chur-Ftirstlichen Durchlaucht Lande grofsen Theils 
in anno 1637 occupiret gehabt, hatt der Keyser krafft seiner Pflicht 
gleiche Rettung gethan, ob er gleich seine eigene Lande hemach 
daruber eingebusset. Dringet denn dens) Keyser seine *») Pflicht zu 
solcher Assistenz , vielmehr die Chur-Fursten, Fursten und Stande, 
die vom Keyser ihr Land und Leni^he zur Lehn tragen und nehmen 
mtifsen. Es ware zu wuntschen, dafs die oben bedeutete gute Leuthe, 
ehe sie mit solchen den Chur-Fursten selbst hcJchst gefilhrlichen prin- 
cipiis heraufs brechen, sich zuvor der Reichs-Fundamental-Gresetze 
erkundigten und nicht eher urtheileten oder judicirten, sie hatten 
denn vorhero erlernet, was fur unaufflosliche, mit hohen Eyd- und 
Pflichten verknupffte Bande zwischen dem Keyser und Chur-Ftirsten ») 



a) dennselben. *>) Stande. ^) ihm. d) ohnschwert. «) der. 
f) des Ertz Stiffts. s) dem. »») zu seiner, i) Chur Furst. 

■^) Sebottendorf denkt wohl besonders an die Belagerung Mag- 
deburgs durch die Kaiserlichen im Jahre 1636; am 3. Juli musste 
sich die Stadt ergeben. 



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Eine politische Denkschriffc etc. 225 

sich enthalten, iind dais insonderheit Ew. Ohur-Eiirstliche Durch- 
laucht 1., wegen der Chur, 2., wegen der Hertzogthlimer Jtilich, Cleve 
und Berg, 3., wegen ThuriDgen und Meiisen, 4., wegen Ober- und , 
Nieder-Lausitz, 5., wegen Voigt-Land und anderer ttnterschiedlicher 
Reichs und BOhmischer Particular-Lehen mit mehr den sechsfachen 
Eyden dem Romischen Keyser verbunden waren, auch dafs, wie ob- 
gemeldet, Ew. Chnr-Flirstlichen Durchlaucht Vorfahren nicht blofs 
ihr Land und Leuthe, sondern ihr Chur - Fiirstliches Blut fiir des 
Reichs Wohl und Ruhestand zuzusetzen und sich selbst dadurch bey 
der Chur-Ftirst lichen Wiirde und Hoheit zu manuteniren nicht ge- 
scheuet haben, darum denn jener Chur-Ftirst zu Sachfsen mit gutem 
(irunde von seinem Chur- und Furstlichen Haufse schreiben und 
zeugen, es auch biis auff heutigen Tag in offenem Druck gelesen 
werden kan: „Es ist von den a) Ftirsten des Hauses Sachfsen zu 
vemehmen nicht seltsam noch neu biJfeher gewest, dais sie Ro- 
mischen Kaysem und Konigen in ihren und des Reichs Obliegen*') 
mit ihrem eigenen mercklichen Darstrecken gedienet und nicht auis 
Mangel Liefferung und Bezahlung oder andern Practiquen in NOthen 
verlafsen*. 

Gestalt auch defselben Kriegs-Officirer gar nicht mit unzeitigen 
Disputaten, ungleichen Einbildungen und andern zu ihren Vortheilen 
aufslaufenden Verzogerungen des Krieges vorgebrochen, sondern mit 
lauterer Freudigkeit fur die Hoheit, Ehre und Freyheit des Vater- 
landes und ihrer Herren ohne alles Bedencken auffgezo^en, den 
Feind, wer und wie starck er gewesen, ritterlich angegrift'en und 
ihr Blut zu vergiefsen fur die grOiseste Ehre geschatzet, auch darzu 
Tag und Nacht bereit erschienen. 

Was entgegen seither dem Pragischen Friedens-Schluis hie- 
innen sich ereignet, davon ist unn5tig viel Wortte zu machen. Ew. 
Chur^Furstliche Durchlaucht geruhe nur zurttck gnadigst sich zu 
errinnem, was bei Deroselben ihre damahlig Geheimen Rathe, der 
von Werther und Herr D. Timaeus nunmehro Seelige bald nach 
geschlofsenem Friede und furgenommenem Feldtzuge theils unter- 
tbanigst erinnern laisen theils selbst erinnert und mehrfaltig ge- 
bethen, weil Ew. Chur-Furstliche Durchlaucht krafft defs auff* ihrer 
Seiten beschehenen Reservatsc) und Bedingung, den Ober- und 
Nieder-Sachisischen Creyfs zu defendiren, auch in Entstehung der 
Gute mit ihrem Volck ohne einige Zuthat der Keyserlichen die 
Schweden heraufszubringen ubernommen und sich dei'sen gegen die 
Keyserliche Majestat durch den Marggraffen von Caretto'*) aner- 
bothenen Succurs von 8000 Mann auff Rath bewuister Kriegs-Offi- 



a) dem. b) Oblieben. c) reservatis. 

■'^) Der Marchese Caretto di Grana wurde spater (Jsterreichischer 
Gesandter zu Madrid. — Diese Armee soil in der ersten Haifte des 
Jahres 1635, auf welche die Stelle zu beziehen ist, sogar 10000 M. 
stark gewesen sein. ^Sie spielten mit dem Land den Garaus . . . 
Denn, was die Yorigen hinterlassen batten, das nahmen diese mit, 
und machte das Landvolk den Unterschied, dass sie den Herzog 
von Friedland den grossen Feind, den General Lamboy den kleinen 
Feind und den Marchese di Grana den Kehraus nannten, und war 
grosse Theuerung und Hungersnoth". K arc he, Jahrbucher der H. S. 
Residenzstadt Coburg I, 211. Dass der Kurfurst die Truppen des 
Markgrafen zurtiekgewiesen hat, ist bisher nicht bekannt gewesen. 

Neues Archiv f. S. G. u. A. VIII. 8. 4. 15 ^ j 

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226 J. 0. Opel: 

ciers unter ihr Volck zu nehmen verweigert, vielmehr aus dem Oo- 
burgischen weg und gegen den Eeihnstrom zurtick commandiret. 
Ew. Chur-Fiirstliche iJurchlaucht wolte dock ihren furnehmen Gre- 
neralen und Kiiegs-Officiereu sich vorhero fiii' alien Dingen dieser 
Ursach halben wohl versichem, dais dieselben zum Theil angeben 
und verlautet, sie ki)nten mit gutem Gewiisen wieder die Schweden 
als Glaubens - Genoisen und die biis dahin neben ihnen gestanden, 
keine Waffen fiihren, gedachten wieder sie ihren Degen nicht zu 
zlicken noch eine Pistol zu losen, zum Theil in Irantzosich- und 
schwedischen Pensionen, Diensten und Bestalluugen, wie vom Key- 
serlichen Hoffe dermahln geschrieben worden, sich befindeten, zum 
Theil aber fur Gut achteten, Bw. Chur-Fiirstliche Durchl. solten 
ihr Volck wieder die Schweden ja nicht wagen oder hazardireu, 
sondern zu dem Ende lieber gantz bey einander behalten, damit, 
wenn die Catholi&chen dermahleinst obsiegeten, und Ew. Chur-Furst- 
liche Durchlaucht anfallen wolten, Sie ihnen alsdenn mit dem Volcke 
die Stirne biethen und ihrem vermutheten Fflmehmen gewaltsam 
begegnen k5nten. 

Welche der Officirer ungescheut verlauteten Reden und Inten- 
tionen solche principia in sich gefafst zu haben bey Ew. Chur-Ftirst- 
lichen Durchlaucht Kathen angesehen werden, [dafsja) sie schnur- 
stracks wieder Ew. Chur-Furstlichen Durchlaucht Pflicht und damahls 
gantz neu gethane Versprechnifs, wieder Ew. Chur-Filrstlichen Durch- 
laucht als eines ^) furnehmen Chur-Fursten des Keichs Ampt, Wlirde 
und Hoheit, auch dahin aufslauffen durfften, dafs iu derer Fortstel- 
lung der Feind wohl nimmermehr aus den^) zum Schutz von Ew. 
Chur-Furstlichen Durchlaucht ubemommenen Ober- und Nieder-Sachfs- 
ischen Creyfsen gebracht,. vielmehr das gantze ROmische Reich 
durch immerwahrende feindseelige Kriege der AuTswartigen an eiuem 
Theil und folgenden kostbahren Unterhalt so vieler tausend Volcker 
zu Rofs und Fufs am andern Theil in unaufssprechlichen Verderb 
einrennen, daraufs es sich in vielen Zeiten und Jahren nicht wtlrde 
aufswinden kSnnen, .sondern wohl grolsem Theils zu einer wusten 
Einode und der Aufewartigen lang gewuntschten Dominat unter- 
wiirffig, dem Ej-iegs-Volck selbst unter der Praetension vieler rtick- 
standiger Besoldung endlich zu einem Lander -Raub und freyen 
Beuthe offen, Ew. Chur-Furstlichen Durchlaucht aber, auff deren 
Versprechen wegen der Schweden Wegbringung Keyserliche Maje- 
stat und das gantze Reich sich verlalsen, aller Schaden zugemefeen 
werden, sie dadurch in schimpffliche Nachrede und allerhand Unge- 
mach beym Reich gerathen mogten, inmafsen bey verspiiretem der 
gutlichen Handlung stetem Vorzug die vorige Keyserliche Majestat 
lobseligster Gedachtnifs sowohl ietziger Romischer Keyser, ingieichen 
Herrn Langraffen Georgens zu Hefsen Fiirstliche Gnaden mit viel- 
feltigen treuhertzigen Verwarnungen nach Anweisung der Acten 
ebenfalls einkommen sind. 

Auch haben erwehnte Geheimen Rethe fur ein gar wieder- 
sahmische, ungereumte und weit aufssehended) Prudenz gehalten, dem 
Feindee), welcher in Gegenwart Ew. Chur - Ftirstlichen Durchlaucht 
nach der Wurde, Hoheit und Dignitaet, nach Land und Leuthe Ver- 
tarb (!), nach des gantzen Vaterlandes Zerruttung mit Gewalt 
trachtete, sich nicht entgegen zu stellen, sondern ihme seines Gefal- 



») fehlt *>) einen. c) dehme. d) aufsstehende. e) Friede. 

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Eine politische Denkschrift etc. 227 

lens blofs dieser Ursache wegen hausen zu lafsen, damit man das 
Krieges-Volck auff kiinfftige, ungewifse Falle, die durch Gottes 
Gnade verhiitet werden nnd wohl nimmermehr geschehen dlirfften, 
verspahren konte. Uberdifs wird Ew. Chur - FiirstlicLe JDurchlaucht 
zweiffelsohne unentfallen seyn, was in wahrendem Feldtzuge hin nnd 
her fiirgegangen , mid wie anif etlicher Kriegs - Officirer instandig 
Begebreu die Zeit mehr mit vergeblichen Tractaten, als mit einigem 
gehorigen Ernst der Waffen gegen dem Feinde zugebracht, da bald 
der schwedische Reicbs-Cantzler^) zu gutlicher Handlung sich er- 
klahret nnd doch endlicli stillschweigend von Magdeburg abgereiset, 
bald der Feldt-Marschall Bauer derselben sich zu uutemehmen an- 
gegeben nnd doch wieder abgelaJfeen, bald die teutschen Kriegs- 
Officirer unter den Schweden das gantze Friedens- Werck zu erheben 
getrauet, an Ew. Chur-Ftirstliche Durchlaucht untej schiedene ibres 
Mittels abgeschicket, von Ew. Chur-Fujstlichen Durchlaucht der- 
gleichen Officirer mit ihnen zu tractiren begehret, welches Ew. Chur- 
Ftirstliche Durchlaucht gewilliget; und als Derselben Kriegs- Officirer 
nach SchiJnbeck'*) erschienen, jene sich zwar auch eingestellet, 
aber einer nach dem andern mit Vertrostung schleuniger Wiederkunfft 
allmahlig davon gezogen, bifs Ew. Chur-Fiirstlichen Durchlaucht 
Officirer selbigen Ordis gantz alleine sitzen bliebeu, und [die]*) 
scheinbar furgewandte Tractaten zu lauter WaTser worden sind. Doch 
ist sich hierinnen, weil es bereit vor etlichen Jahren geschehen, wie- 
wohl defselben ungliickseelige Operation biis gegenwartige Stunde 
sich ereignet, langer nicht auffzuhalten. Wanu Ew. Chur-Ftirstliche 
Durchlaucht Weile und Gelegenheit batten, Ihr auifsuchen zu lafsen, 
was Sie vor Ordre im vorigen 1638. Jahre einem und andem Christen 
zum Aufn)ruch nach der Keyserlichen Reichs-Aimade zugeschickt, 
so wiirde es sich finden, ob einer oder der ander die in der Ordre 
gesetzte Zeit in Acht genommen babe und nicht vielmehr seines Ge- 
fallens mit Einwendung nichtiger Ursachen fortgegangen sey und so 
lange, als es ilim belie bet, unter wegens zugebracht. 



a) fehlt. 

'2) Diese Verhandlungen mit Oxenstiema ziehen sich vom Juli 
1635 bis in den September hinein. Eine Ubersicht fiber den Verlauf 
derselben gewahren die in L on dorps Sammlung lY, 487 — 516 ge- 
druckten Aktenstficke. Bailers Bemtihungen waren gegen das Zu- 
standekommen des Friedens uberhaupt gerichtet. Vergl. sein Schrei- 
ben vom 14./24. Mai 1635 an Johann Georg, und die Briefe des 
Kurfttrsten vom 18./28. Mai und vom 4./14. Juni, Londorp IV, 
458 nnd 486. 

'*) In Schonebeck bei Magdeburg lungten am 18. Septbr. 1635 
von Seiten der schwedischen Armee und ohne Vorwissen des Reichs- 
kanzlers die Generalmajore von Lohausen und von Wedel nebst dem 
Obersten Crakau an, wahrend den Kurfttrsten der Generalmajor 
Vitzthum und Oberst Mitzlaff vertrateu. Spater sendeten die Schwe- 
den den Grafeii von Brandon stein. Damals erhohte der Kurf first 
die von den protestantischen Standen an die Schweden zu zahlende 
Abfindungssumme von 15 auf 20 Tonnen Gold, wahrend die Schweden 
80 Tonnen gefordert haben sollen. In seinem Abberufungsmandat 
vom 1. Februar 1636 versichert Johann Georjg, 25 Tonnen geboten 
zu haben. Chemnitz, KSniglichen Schwedischen In Teutschland 
gefuhrten Kriegs Ander TheU, S. 774, 777, 815 flg. 

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228 J. 0, Opel: 

Was fiir gate Occasionen, dem Feinde Abbnich zu thiin, aulser 
Handen geronnen, wie der Krieg ie langer ie weiter verzOgert, die 
Stande des Reichs in den Quartieren ttbermaisig and also bedr^nget, 
dafs sie Kiage fiihren mfifsen, sie kdnten ihren Stand nicht mehr 
durchbrin^en, Ew. Ghur-Fttrstlichen Durchlancht bey vielen Standen 
nicht wenig Hals and bils noch wehrender Unvnllen zagezogen, wie 
das Armath hochst bedriicket, dem Feinde aber zam gegenwartigen 
Vorthel») nicht weniger Anlals gegeben worden, solches bedarff nicht 
vieler Aaisftthrang. Wolten denn Ew. Ohar-Flirstliche Dorchlaacht 
aach Zeit nehmen, sich aafe denen Acten zu infonniren, wie der 
Eomische Keyser, wie der Char-Fttrst za Brandenbarg and der Key- 
serliche General-Lieutenant^'^) urn den schleanigen Auffbrach and 
Zuschickung des Yolcks vorm Jahre mstandig gebethen, geschrieben, 
geschickt und zugleich erinnert, man solte durch ungesaambte Ma- 
turirangb) der hochstn5thigen Gonjanctnr den zar selben Zeit hinter 
Stetin and Pommem rasenden Feind jener Orte an den Seekanten 
beschlieisenc), ehe er gr5lsere Kacht zosammen br&chte and hemach 
der Kayserlichen Armada ttberlegen wftre^), sie zaruck triebe, sedem 
belli in Ew. Char-Fiirstlichen Darchlaacht oder des Feindes (!) Lande, 
wie delsen Erfolg leyder fiir Augen, einflechtete, — so wurde sich 
handtgreiftlich linden, ob an dem g^enwartigen oder — Gott wende 
es gnadiglich! — an dem noch ktinfEtigen Ungliick entweder Ew. 
Chur-Fiirstlichen Darchlaacht Geheime Kathe oder vielmehr diejeuigen 
eine Ursache sind, welche darfiir geachtet, Ew. Char-Ftirstlichen 
Darchlaacht Volck hatte selbige Zeit die drey Monathe aber die 
Qaartirung nicht gnnngsahm genofsen, da doch die Keyserlichen 
grSisern Theils entweder niemals in die Quartier kommen oder nur 
einen einigeu Monath in gar schlechtem Tractament darinnen gedaldet 
worden, den Aulsgang (!) aber in Pommem unweigerlich leisten 
miifsen. Es wiirde sich augenscheinlich finden, ob nicht die ienigen«) 
des vorhandenen Jammers Beforderer za achten, welche eben zar 
selben Zeit, da Gott Mittel gewiesen, den^) Feind an der See anza- 
sperren and von diesen Landen gantz abzohalten, ein Disputat aaff- 
jagen and wohl in Zweiffel ziehen durfFen, ob Ew. Char-Ftirstliche 
Darchlaacht dem ietzigen Keyser, well der Pragische Friedens- 
Schlais nicht mit ihm, sondem mit dem vorigen Keyser aaffgerichtet, 
zu assistiren and Htilffe za schicken verbunden ware, da doch die be- 
gehrte Htilffe in Pommem nicht dem Keyser, als der nicht einen 
Bauer darinnen zu verliehren hat, sondem dem Char-Fiirsten zu 
Brandenbarg zu Gate gemeinet, dem Ew. Char-Ftirstliche Darch- 
laacht ohne difs nicht nur als ein naher Blats.-Freand, nicht nur als 
ein Krieges-Obrister, nicht nur als ein Nachbahr, sondem wegen der 
mit cOrperlichem Eyde beschworaen absonderlichen Erbeinigung ""*) 
darzu so hoch verpflichtet gewesen. 

Da Uber dieses solche Leuthe gewust oder ie ans den Reichs- 
Gesetzen, ja der natttrlichen Vemunfft selbsten wifsen soUen, mit 

») Urthel. b) mutirong. c) beschieisen. d) wSren. «) ihrigen. 
f) dem. 

'*) Der in Ponunem and 8pS.ter in Meklenburg stehende Gallas 
ist gemeint. 

"*) Der Verfasser erinnert an den Erbsuccessionsvergleich zwi- 
schen den H&usem Brandenbarg, Sachsen und Hessen, welcher zu 
Naumbarg am 30. Marz 1614 abgeschlossen wurde, vergL v. MOrner, 
Kurbrandenburgische Staatsvertr&ge S. 62flg. 



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Eine politische Denkschiift etc. 229 

was schweren Pflichten die Herren Chur-Ptlrsten einem jeden Keyser 
obgehQrter mafsen verbunden und verknupfPfc seyn, und da solche 
Leuthe fiir Augen gesehen, dais niemand anders, als eben der ietzige 
Keyaer alle seine Macht unter Graffen Hazfeldt, Graffen G(5tzen'«), 
Freyherrn von Geleen']^*) blofs zu Ew. Chur-Fttrstlichen Durchlaucht 
Besten und zu Wegrbringung: des Feindes aufe hiesigen Landen im 
1637. Jahre geschickt, dadurch seine selbst eigene Elsafsische Lande 
und dariiber die fiirnebxne Vestung Breusach sambt deme darinne 
gewesenen ansehnlichen Vorrath in die Schantze gesetzt und nun- 
mehro in des Feindes Hand geratiien lafeen mtlisen ''^). 

Was hierbey zu selbiger Zeit Ew. Chur-Fttrstlichen Durchlaucht 
Geheimen Rathe ihres Orths mund- und schriftlich gerathen, erinnert, 
gebethen, auch auls dringender Pflicht, Schuldigkeit und Treue das 
grofse Ungltick umbstftudlich bedeutet, welches sich, wenn die so 
eiflfrig begehrte Conjunctur mit der Haupt-Armade gegen Pommern 
langer verzogen werden solte, ereignen dOrflfte, solches kSnnen die 
Acta bezeugen und zugleich darthun, dafs die Bathe ihr damahliges 
unterthanigstes wohlgemeintes Gutachten mit folgenden Worten be- 
schlofsen : 

^InSummawir bekennen, dafs wir des Jammerns, 
ubeln Nachredens, Schimpff und Schadens, so aus 
Hinterhaltung des Volcks diesen und andernLanden 
des Romischen Reichs entstehen konte, einig Maafs 
Oder Ende nicht ersehen, nicht erdencken mOgen." 

Freylich ist nunmehro leyder aufs Gottes gerechter Straffe neben 
der hohen Gefahr des gantzen Reichs das vermuthete Ubel, Elend, 
Schaden, Noth und Trttbsahl dieses Landes fur Augen, und erzeiget 
sich alien defselben Standen vom hochsten bifs zum niedrigsten. Es 
gehet fast keine Woche hin, da Ew. Chur-Furstliche Durchlaucht 
uber dem in ihrer Hoffstatt wachsenden Mangel, Abgang und Un- 
seegen nicht Klage fiihreten und dais Sie denselben zu ersetzen kein 
Mittel absehen konten, vermeldeten. 

Es ist dahin kommen, dais die inner und aufser dem Romischen 
Reich bekandte Julichische Succession- Sache blois aufs Mangel ge- 
horigen Verlags dem gantzen Haufse Sachfsen zu hochstem Schimpff 
und Schaden aufslauifen dOrflte. Wenn andere niedrige Stande die 
auff des Keyserlichen Cammer-Gerichtes ^) zu Speyer [Unterhaltung] c) 
nothwendige Kosten herzuschiefsen und fiscalische rrocesse zu ver- 
meiden bemuhet seyn, will es dieses Orths wieder ermangeln, unge- 
achtet ein Keyserliches Monitorial nach dem andem einlanget. 

Wie es mit der mehrern Rathe und Diener Besoldung eine 
geraume Zeit in Stecken gerathen"^), auch daher allerhand Unord- 
nung bey denen Expeditionen und Policey hauffig eingerifsen, ist 
Ew. Chur-Furstlichen Durchlaucht ohne difs wohl bewust, und mehrere 
Inconvenienten taglich zu befahren. Dafs Ew. Ohur-Furstlichen Durch- 



a) Golaren. »>) Gerichte. «) fehlt. 

'^) Vergl. 8. V. Puf endorfs Schwedisch und Deutsche Kriegs- 
Geschichte, Buch IX, S. 375 flg. 

'^) Der Freiherr Gottfried v. Geleen ruckte nach Thuringen 
vor, vergl. Herrmann, Der Kampf um Erfurt S. 31, 37 flg. 

'®) Die Festung ergab sich am 7./17. Dezember 1638, der Aus- 
zug der Besatzung fand am 9./19. Dezember statt. 

™) Vergl. die fruheren Ausfuhrungen S. 296, 299 f. 



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230 J. 0. Opel: 

laucht geliebter Sohn, der Herr Ertz - Bischoff, wegen des mit so 
schwerer Mlihe und Sorgfalt erhandelten Ertz-Stifftega)^) in angen- 
scheinlichen Periciil und Verlust zu des gantzen Chur- nnd Furst- 
lichen Hauses unaufsloschlichem Spott begriffen, davon begehre ich 
nicht viel Wortte zu machen und meinen aufs unterthanigster Treue 
gefafsten Hertzens-Kummer zu vermehren. 

Im Kirch wesen findet sicbs nicht viel befser. Beyde Universi- 
taeten®*), die edelste Kleinod dieses Landes^.durch welche der Nahme 
des Chur- und Furstlichen Hauses Sachfsen in der Christenheit noch 
mehr bekannt und beruhmet worden, haben bifshero durch vielfeltige 
Schreiben, Abschickungen und andere bewegliche Contestationen ihre 
bevorstehende Ruin, Dissipation und Untergang liberfliifsig angegeben 
und um derselben Verursachung wehmuthige Klage gefuhret. 

Die herrlichen Fiirsten- oder Landt-Schulen soUen nunmehro 
auch dahin gehen und wegen Abgang des Unterhalts darnieder liegen. 
Viel hundert Kirchen im Lande mangeln des ordentlichen Gottes- 
Diensts®^), well entweder kein Mensch mehr in DQrffem zu finden, 



a) Stiffter. 

^) Der zweite Sohn des Kurfursten, Herzog August, war unter 
dem 25. Januar 1628 zum Erzbischof von Magdeburg postuliert worden. 

^*) Der Professor Buchner riihmt in seiner Gedachtnisrede die 
rastlosen Bemiihungen des Konsistorialprasidenten Fr. von Metzsch 
um die Erhaltung der Universitat Wittenberg mit folgenden Worten : 
„vos memorare poteritis . . . , quos sustinuerit labores dies noctesque, 
non raro certamina etiam, ut salva ac Integra Academiae jura, ut 
privilegia docentinm publice sarta tectaque manerent; tum ut aerarii 
instaurarentur ruinae. qua possent, stipendiaque nobis procederent 
rursus, quae effera hactenus bellorum rabies absorpserat. 
Quam inardescere solebat, quoties increparet saevitiam tem- 
porum, quam miserari ac dolere, cum efficacia satis 
remedia expedire malis nostris atque in tempore quidem 
hand posset. Panegyricus illustri viro Friderico Metschio . . 
dictus ab A. Buchner 1656. Im Jahre 1639 schrieb Buchner an 
Heinrich von Friesen: „Wir hungem wacker; von Tag zu Tag geht 
es uns schlechter". 

82) In einer gleichfalls in den obersachsischen Landen erschie- 
nenen Schrift heisst es: „So waren auch Anno 163?>, so der Pragische 
Friede geschlossen, wo nicht alle, doch die allermeisten Evangelischen 
noch in viel ertraglicherm Zustande, als sie jetzo seyn. Aber diese 
vier Jahr vber, do uns unsere Glaubensgenossen angefeindet, ist wol 
der zeheude, ja auch wol der funifte Theil von den Evangelischen 
vor Kummer vnd Jammer leider dahin gefallen vnd gestorben. Den 
vorigen Krieg hatte man auch fast nicht einmal in diesen Evan- 
gelischen Landen gefiihlet, und batten diese vier Jahr iiber viel 
tausend Christen von dem Verderben errettet werden konnen. Vnd 
well in einem eintzigen Evangelischen Lande in die 400 Lutherische 
Kirchen solche Zeit uber verwustet seyn soUen, So dorffte man bald 
gedencken, Als mochten in dem gantzen Evangelischen Bezircke 
wol zum wenigsten 2000 Kirchen ietzt ode stehen*. Nothwendige 
I INFORMATION, | Ob den Itzigen Reichs Feinden, | So lange sie 
sich wider das Haupt, oder | die Glieder des Heil. Rom. Reichs 
feindselig erweisen, | Mit worten oder wercken beyzupflichten? Ge- 
druckt im Jahr M. DC. XXXIX. 4. D 4. 



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Eine politische Denkschrift etc. 231 

Oder doch dieselben in dennafsen Armuth und Abnehmen gerathen, 
dafe sie den Kirchen-Dienerna") ihr Gebtihrnils oder nur nothdurfftigen 
Unterhalt zu reichen durchaufs nicht vennogen, ja anch selbst das 
Bettel-Brod efsen oder auch wohl mit nnnaturlichen Dingen ihr 
Leben elendiglich durchbringen miifsen. Keine Stadt im Lande soil 
sich befinden, derer Rath-Hanfs nnd aerarium nicht in dermafsen 
Schulden stecke, dafs sie daraufs zu kommen' keine Hof&iung haben 
mogen^*). 

Viel hundert DOrffer liegen in der Asche oder sonst wlisste 
und oede, die sich aber noch ie ^) etwas bauen, die leben fiir Freunden 
sowohl als Feinden in lauter Furcht, Angst und Quaal, sindemahl 
ihnen bereits anietzo, da die Zeit der Ernte kaum oder noch nicht 
wohl ein Viertel- Jahr verflofsen, dennoch der heurige Zuwachs meistens 
abgenommen worden, das tibrige mehr in des Soldaten freveler Ge- 
walt, als in ihrer Verwahrung stehet, und ihnen kein menschlich 
Mittel gelafsen ist, dadurch sie sich sambt den Ihrigen blofs mit 
trockenem Brodt bifs kiinfftige Erndte erhalten konten, wie wohl 
der allerweinigste Theil des Landes ietzo tiber Winter angebauet 
worden und ihme dahero der geringste Hauffe der armen aufsge- 
brefsten Inwohner auff kunfftige Erndte, aller Kriegs-Gefahr zu ge- 
schweigen, einige Hoffiaung der Befserung machen kann. 

Wie es um Handel und Wandel stehet, dafs fast kein Mensch 
ohne starcke Confoy liber die Grantze sicher kommen moge, auch 
die Scbiifarthen von Pirn bifs anhero nicht frey seyn, sondem von 
denen Reuthern in Strohm, so weit sie nur griinden k?5nnen, geritten, 
in die Schiffe geschofsen und sie dadurch zu Hergebung vermeinter 
Beuthe oder Rantion angehaltenwerden woUen, wird taglich beklaget. 
Was es fiir einen sorglichen Zustandt mit der in gantz Europa 
beriihmtc) gewesenen Handels-Stadt Leipzig^) erlanget, das hat der 



a) Diener. ^) in. c) beriihmten. 

^*) \,Ach! wo seynd die Vorstadte von Leipzig, Freyberg, 
Zwickau, Wittenberg, Naumburg, Pirn, Dolitzsch, Hertzberg und 
viel andere? Wo seynd die Gottes-Raths-Biirger- oder gemeiner 
Stadt Hausser zu Adorif, Belgem, Bautzen, Bischoifswertha, Colditz, 
Chemnitz, Dennstadt, Dippoldifswalda , Dahlen, Dieben, Dahma, 
Dommitzsch, Elterlein, Freyburg, Franckenberg, Frauen-Priefsnitz, 
Gommern, Grafenhainichen, Giiinhain, Groitzsch, Hoyerswert, KSnig- 
stein, Kirchhain. Kindelbrlick, Kemberg, Laucha, Lommitzsch, Llitzen, 
Lauchstedt, Leissnig, Lieben, Liebenwert, Lochau, Mticheln, Mit- 
weida, Meissen, Mutzschen, Nieraeck, Newstatt, Nebra, Oederan, 
Ordrant, Oelfsnitz, Pretzsch, Plauen, Rosen, Rissa, Rotburg, Rofs- 
wein, Radeburg, Ranstadt, Rochlitz, Schkolen, Schlieben, Schweinitz, 
Senfftenberg, Sebenitz, Schilda, Schneeberg, Schkeuditz, Stolberg, 
Strelen, Stolpen, Schmideberg, Taucha, Thomasbriick, Weyda, Wur- 
tzen, Zschopa, und an vielen andem Orten, Euden und Platzen mehr, 
Insonderheit auch an SchlSssern, Rittergiitern, Freyhausem, For- 
stereyen, Forwercken und dergleichen?" KlagvndSeufftzen jDes 
I betriibten, betrangten vnd verderb- | ten lieben | Vaterlandes, I zc. 
Anno M.DO. XLII. 4. Vergl. ausserdem eine urkundliche Mitthei- 
lung H el bigs iiber den Zustand der Rittergliter im Amte Torgau 
im Jahre.t646 in K. von Webers Archiv f d. Sachs. Gesch. V, 282. 

^) tiber die StiJrungen, welche die MesFe erlitt, berichtet aus- 
filhrlich Hasse, Geschichte der Leipziger Messe, S. 108—132. 



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232 J. 0. Opel: 

Rath selbigen Orths durch Schicknng and schriftliche Ansfohrong 
mehrmals bezeuget; und ist nicht wohl zu verneinen, da& frembde 
Handels-Leuthe, wenn sie tiber Gebuhr beschwehret und sonsten 
verunsichert werden, an einen gewifsen Orth der Handlung sich nicht 
so genau binden lafsen. Es hat solches die Erfahrung an der fur- 
nehmen Stadt Lubeck gnungsam erwiesen, ungeachtet sie eine freye 
Keichs-Stadt und das Haupt der andem Seestadte, yon Romischen 
Keysern herrlich und wohl privilegiret , ungeachtet auch einige 
Accisen-Unsicherheit dazu nicht Aniafs gegeben, hat») sie es doch 
dahin nicht bringen konnen, dais die vollige Handlung wSre bey ihr 
blieben und von frembden Handels-Leuthen griJ&eren Theils nicht 
nach Hamburg, wie am Tage, transportirt worden. 

So bleibet unvorgefsen, wie sehr man sich noch fur wenig 
Jahren bemuhet, dem Leipziger Marckt Eintrag: zu thun, ware auch 
unzweiffelich erfolget, wenn Ew. Chur-Fiirstliche Durchlaucht den 
Keyserlichen Favor so starck auff ihrer Seiten nicht gehabt batten. 
Die Noth und Beschwehr des Landes will sich auch dannenhero nicht 
wenig vermehren, indeme dieses Ew. Chur - Fiirstlichen Durchlaucht 
Land hinter dem Pragerischen Fijedens-SchluTs viel Tonnen Goldes 
an baarem Gelde, Getreyde und anderes hergegeben und auffgewendet 
haben mag, uber welches aber bifs gegenwartige Stunde eine richtige 
und bestandige Liquidation nicht soil zur Hand gebracht worden 
seyn, da doch solche sehr nothig und ntitzlich dannenhero erachtet 
wird. Dann weil aus Ew. Chur -Fiirstlichen Durchlaucht Landen 
Innhaltes der Pragerischen, Regenspurgischen und Leipzigischen 
Verwilligimg®'*) uber zehenmal hundert-tausend Gulden Rheinisch 
batten gefallen sollen, so mufs ie, woran und wie es erfolget und 
eingebracht, an gehorigen Orthen liquidiret und dargethan werden. 
Sonsten bleibt das Land der Kriegs - Cassen jedesmahl auff ein 
unterschiedliches verbunden, darauls es sich nicht endlich wird 
flechten konnen, bey Keyserlicher Majestat aber so wie**) denen andern 
Chur-Ftirsten und Standen in dem ungleichen Verdacht, als hatte 
es gar nichts von den Verwilligungen beygetragen. Nutzlich, gut 
und sehr zutraglich wolte diese Liquidation seyn: Denn da errin- 
nem Ew. Chur-Furstliche Durchlaucht sich g^nadigst, wie treulich 
die Geheimen Rathe nach dem Pragerischen Friedens-Schluls gerathen 
und mehrmals unterthanigst gebethen, Ew. Chur-Furstliche Durch- 
laucht wolten nach Erheischung des unter Hand und Siegel gethanen 
Versprechniik ihr unterhabendes Kriegs -Volck die zu Praag ver- 
glichene und abgefaste Notul der Pflicht zu dem Ende ablegen 
lafsen, damit das Volck ihren Sold und Unterhalt auis der Reichs- 
Cassen empfangen und nicht etwan dermahleinst Ew. Chur-Fiirstliche 
Durchlaucht oder Dero Land in proprio anfallen und eine lautere 
Unmoglichkeit aufszuprefsen sich uuterstehen m5chte. Wiewohl nun 
weder damahls noch bifs ietzige Stunde beyzubringen seyn wird, 
dafs die Rathe fiir sich einigen Nutz darunter gesuchet, sondem 
blofs Ew. Chur-Fiirstlichen Durchlaucht Zusage und daran hafftende 



a) hab. i>) will. 

^) Im Prager Frieden wurden 120 RSmermonate bewilligt, 
Londorp IV (1668), 467. Derselbe Beschluss wurde auch in Regens- 
burg angenonmien. Die Majoritat der obersachsischen Kreisstande 
einigte sich am 12./22. November 1638 zu Leipzig in dem BescUusse 
ebensoviel Monate aufzubringen, Krause, IV, 1, 368. 



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Eine politische Denkschrift etc. 233 

ChuT'-Furatliche Reputation, ingleichen Abwendung Dero und des 
Landes besorglichen Schadens, wie aiich die Billigkeit, dafs die, so 
dann dem Reich dienen wtirden, eben bey des Reichs Cassa die 
Zahlung suchen solten, fiir Augen gehabt: so sind doch zur selben 
Zeit wiederum Leuthe gewesen, die den gnten Rath verhindert und 
zu ihrem selbst eigenen Besten durchgetrungen und die Ablegung 
solcher Pflicht bifs gegenw^rtige Stunde verwehret haben^). 

Und eben dieses wiisen [sich]*) dennoch nicht nur die im 
Lande gebliebene, sondem auch und fumehmlich die auis B6hmen 
zuriickgegangene Regimenter wqhl [zu] »>) Nutze zu machen, indeme 
sie alle mit einander Quartier, Zahlung und Accommodation bey 
niemanden andern, dann bey Ew. Chur-Ftirstlichen Durchlaucht und 
in Dero Landen zu suchen begehren, also gar die, wie Ew. Chur- 
Fiirstliche Durchlaucht ohn Zweiffel gnadigst indenck seyn, in 
BShmen gewesene, nicht allein den^) zu Prag abgehandelten, von 
Ew. Chur-Ftirstlichen Durchlaucht versprochenen Eyd abzulegen, 
einen Monath Soldt zu nehmen und in BOhmen zu bleiben verweigert, 
sondem auch den eigenmachtigen Rtickzug, welcher nach des Obristen 
Hanau®') in seinen unterschiedenen Schreiben gefallten Urthel Ehren- 
und Lebens- Verlust .nach sich zeucht, untemommen. Hatten sie die 
Reichs - Pflicht abgeleget, so wslre ein solches wohl nachblieben*^) 
Oder, ob es ie erfolget, so wiirden doch Ew. Chur-Fiirstliche Durch- 
laucht mit mehrern Befugnifs, als ietzo, da kein einiger Mann bey 
der Reichs-Armade blieben, an Ihre Kayserliche MajestUt haben be- 
gehren kennen, dais Sie Ihr an die andem Stande des Ober-Sachfs- 
ischen Creyises zu Einnehmung defs der Kayserlichen Majestat und 
dem Reich e) verpflichteten Volckes Dero promotoriales ertheilen. und 
dais die Last auif Ew. Chur-Ftirstlichen Durchlaucht Landen alleine 
nicht bleiben durflfte, allergnadigst vermitteln wollen; unbegrufeet 



*) fehlt. b) fehlt. e) deme. d) Belieben. «) Reichs. 

^) Nach den Bestimmungen des Prager Priedens blieb der 
Kaiser armiert. Mit seinem Heere soUten sich aber auch Regimenter 
Kursachsens und aller andern Kurftirsten und Stande zu einer Haupt- 
armee verbinden, welche „Der R. K. M. und des h. Reichs Kriegs- 
heer" heissen sollte. Alle Armeen soUten dem Kaiser und dem 
Reicbe „uber die}enige Pflicht, welche sie bereits geleistet hatten", 
vereidigt werden. Nur dem K5nige von Ungarn und den Kurflirsten, 
wenn sie im Namen des Kaisers und des Reichs .einen Generalat" 
fuhrten, wurde der persSnliche Eid in Gnaden erlassen. Sebotten- 
dorfs Ausfuhrungen nach ist also dieser sehr wichtige Punkt des 
Pracer Friedens langere Zeit hindurch in Kursachsen nicht aus- 
gefuhrt worden. Dagegen wird in der Geachichte der sachsischen 
Armee von Schuster und Francke S. 69 versichert, dass gerade 
die Klagen uber die Verpflegung der Truppen in Prag den Kur- 
ftirsten veranlasst hatten, die Genehmigung dazu zu ertheilen, die 
sachsischen Truppen in Reichspflicht zu nehmen. Wenn dies richtig 
ist, so kOnnte es nur nach dem 18. Dezember 16^9 geschehen sein. 
Brandenburgische Regimenter, welche freilich auf Kosten des Kaisers 
geworben waren, hatten im Jahre 1637 diesen Doppeleid geleistet. 
Die Regimenter der Liga waren im danischen Kiiege dem Kaiser 
nicht vereidigt. 

*') Oberst August von Hanau (Hanow) fiihrte ein kursachsisches 
Reiterregiment 



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234 J. 0. Opel: 

Her Stande ihnen die Regimenter ins Land zu schicken, zweiffele 
ich, oh es dahero rathsam, dafs die StSnde alfs denn zur Desperation, 
Unwillen und einer ^antzlichen Reparation gebracbt, nnd wenn die 
Einquartirun? ohne Keyserliche Vermitteluns: geschehen; woran (!) 
Ew. Chur-Fiirstlichen Durchlaucht das a) darans erwachsende Unheil »>) 
vollends beygemefsen werden mochte, sonderlich weil man nicbt 
wifsen kan, wefsen sich zu den Reg^iementern zu versehen. Denn 
blieben sie in dem Ftirsatz, defsen sicb die gesambten Officierer 
durch den verstorbenen Obristen - Lieutenant Liscbwitz zu dreyen 
mahlen nach einander beharrlich angegeben und in eingeschickten 
unterschieden Schreiben wiederbohlet, attch durch den eigenthatigen 
Rttckzug im Wercke erweifslich gemacbt, durch ietziges Erbieten 
aber Wofs die Quartiere zu geniefsen meinen m5eren, — so wird sich 
der Kf^yser 'ihres Diensts wenig zu erfreuen, auch vielleicht nicht 
grofse Beliebung haben, mit solchem Volck die Stande des Reichs 
zu belegen und ihrn*") damit wiedrig: oder abfsillig zu machen, Ew. 
Churfiirstliche Durchlaucht aber, ob aie ihnen gleich ihr gantzes 
Land vollends dahin geben, endlich innen werden, dafs Sie mit 
solchen (ohne Keyserliches Volck) des Feindes Macht zu begegnen 
nicht vermogen: dergestalt alle bifsher auff sie verwendete Kosten 
gantz vergebens angeleget bleiben. 

Dem aber sey, wie es woUe, wenn dennoch E. Chur-Furstliche 
Durchlaucht gnadigst beliebig wSre, die liquidationem defsen, was 
an Gelde, G^etreyde und andem von Zeit, da nach den Pragerischen 
Friedens-Schlufs Ew. Chur-Furstliche Durchlaucht zu Felde gezogen, 
hergegen aus den Aembtern bin und her einbringen zu lafsen, in- 
mafsen die Stadt Leipzig auif etliche viertzig tausend Gulden, die 
Stadt Naumburg auch auff ein hohes nur in eintziger Einquartierung 
kommend), wtirde sichs alsdann zeigen, was doch dieses Land ein 
und andem Orts beygetragen, was ihme abgenommen, was deme) 
Soldaten zu gute gangen, und er ihme in seiner Forderung kttrtzen 
zu lafsen schuldig und verbunden sey. In langerer Aufsenbleibung 
bemeldeter Liquidationen und Tontinuirung der ungescheueten ge- 
waltsabmen Insolentien des Soldaten, der alles im Lande Raub und 
Preifs zu seyn ihme einbildet, ist zu wlintschen, dafs die noch wenigen 
Einwohner, wie in andem Landen mehr geschehen, nicht getrungen 
werden aus lauter Desperation, Hunger und Kummer ihre Hiitten 
zu verlafsen und derer Orthe sich zu begeben, da sie unter andem 
Reichs- Standen oder auch dem Feinde weit befsere Ertrftglichkeit 
und mehrere Erbarmnifs, denn bey hiesigem Volck zu erlangen ver- 
hoifen. Was fiir Jammer und Elend daraufs zu besorgen, weiset 
das Land der Chur und Marck Brandenburg. Ew. Chur-Ftirstliche 
Durchlaucht werden vielleicht allbereit sich haben berichten lafsen, 
wie unterschiedliche stattliche, Ihr selbst zubehorige nutzbare For- 
wergeO und Wirthschafffcen blofs dieser Ursach halber ungebauet 
und ohne alien Nutz zu der ordentlichen Einktinifte 'mercklichen 
Verringerung liegen bleiben mttfsen, dafs die Unterthanen nicht mehr 
vorhanden, auch keine Leuthe sind, die man zu nothwendiger Pe- 
stellung des Ackerbaues und anderer vor diesem gewohnlicher Er- 
trHglichkeiten gebrauchen konnen. 

Auch bleiben Ew. Chur-Flirstliche Durchlaucht noch wohl in- 
gedenck, was Sie vorm Jahre bey den vorgehabten Jagten ftir einen 
Mangel der Leuthe bereits verspiihret haben, welcher Abgang sich 

a) des. b) Urtheil. c) ihn. d) einkommen. e) den. 9 Forwege. 

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Eine politische Denkschrift etc. 235 

seither machti^ vermehret und bey wachsendera) Soldaten Licenz 
von Tage zu Tage wftchset und zunimmet, da heute diesem, morgen 
einem andern sein letzter Bifsen von Soldaten aufsgerifsen, er in den 
bittern Hunger und daraufs folgenden Todt gesetzet, auch wohl kein 
Tag vorbey gehet, darinnen dieses nicbt gegen vielen armen Leuthen 
ohne Erbarmnils veriibet wird. 

Der Feind streitet anietzo auff zweyerley Weise: ein mahl in 
Offentlicher Gewalt, welcher zu wiederstehen Ew. Cbur-Fiirstlichen 
Durchlauoht Volck, ob sich gleich die Regimenter, welches doch bey 
notorischem des Landes UnvermSgen und so vielen darin befindlichen 
Guamisonen eine pur lautere Unmuglichkeit scheinet^), viJllig er- 
gjtntzeten, nicht vermag. 

Gehet die Conjunctur der Konigsmarckischen mit denen Volckern, 
so in der alten Marck, Stifft Halberstadt und Quedlinburg gelegen, 
fur »ich^®\ Oder schicket der Bafier^^) etliche Regimenter entgegen, 
so durffen sie mit Zuziehung der Reuterey aufe Erfurth^) und 
Chemnitz °^) Ew. Chur - Ftirstlichen Durchlaucht Volck von alien 
Seiten einfafeen, bedrangen und tiberwaltigen. Ob denn gleich Ew. 
Chur-Fiirstliche Durchlaucht Keyserliches Volck zum Succurs fodem 
wolte, so wird es nicht allein zu spath seyn, sondem es hat furs 
andere der Feind in Bohmen bereits den Vorthel ergriffen und kan 
es dieser Orth auch thun, dafs er wo nicht durch Brand, doch durch 
gewaltsahme Abnehmung und unerschwingliche c) exactiones des Ge- 
treydes alien Vorrath entweder verderbet oder an sich zeucht, da- 
mit dem Keyserlichen Volck die Mittel des Unterhalts entgehen und 
aufs derer Mansrel sich solcher Orthe wieder ihn zu tentiren nicht 
vermogen, gestalt auch Nachricht einlanget, dafs des Feindes bin 
und her fiir Einhohlung der Contribution liegende Officirer nunmehr 
nicht so sehr auff Geld als Getreydes Einbringung zielen und dringen 
solten. Wann nun Ew. Chur-Ftirstliehen Durchlaucht Volck der 
unordentlichen Abnahm und Verosung^) der wenigen Frtichte und 
Viehes sich femer unterwinden wolte, so wird der Land-Man mit 
dem hinterstelligen Bifsen Brod und wenigen Vieh voUends bald 
fertig gemacht. 1st alsdenn nicht allein kein Proviant fur Ew. 
Chur-Fiirstlichen Durchlaucht Volck mehr vorhanden, sondem weil 
dafselbe gegen dem Feinde nicht bastant, bleibet auch kein ander 
Mittel ttbrig, ander Volck, ob es gleich zum Succurs erfordert werden 



a) wachsenden. *>) scheiint. c) unerschwindliche. d) Vern5sung. 

^®) Sebottendorfs Befiirchtungen erfullten sich zum Theil, wenn 
auch in anderer, als der hier angedeuteten Weise, vergl. Pufendorf 
a. a. 0. Buch XII, S. 535 und Bart ho Id, Geschichte des grossen 
deutsehen Krieges II, 245 f. 

^) Bafier stand damals in Bohmen, vergl. Gretschel a. a. 0. 
II, 317. 

^) In Erfurt befand sich eine kleine schwedische Besatzung 
unter Heinrich von der Golz. 

"^) Bafter hatte im April 1639 bei seinem Abzuge von Chemnitz 
nach iS-eiberg polnisches Fussvolk und ein Regiment Reiter unter 
dem Obersten Prinz in der Stadt hinterlassen. Im April 1640 rtickte 
eine Abtheilung der Kaiserlichen unter dem Herzoge von Braganza 
heran, und am 25. April musste sich der schwedische Kommandant 
ergeben. Vergl. Kretschmar, Chemnitz, wie es war und wie es 
ist (1822), S. 112 flg. 



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236 J. 0. Opel: 

solte, mit srehoriger Nothdurfft zu versehen und Ew. Chur-Fiirstlichen 
Durchlaucht Land von des Feindes Uberlast auff einigerley Weise zu 
liberiren. Die Verwtistunff dieses Landes grewinnet von Tage zu 
Ta^e mehr KraflPfc, und Ew. Chur - Ftirstlichen Durchlaucht Ein- 
ktinfften (andern libeln Befahrnifs zu geschweigen) fallen gantz dahin 
und bleiben aufsen. 

Ob dem RSmischen Keyser, ob dem Reich, ob J3w. Ohur-Furst- 
lichen Durchlaucht selbst zu derer allerseits Intention, die Verfalsung 
des Reichs sonderlich zwischen dem Keyser und Chur-Ftirsten zu 
erhalten und den Feind dermableinst daraus wegzutreiben, hierdurch 
etwas zu gute gehe, haben Ew. Chur-Fiirstliche [Durchlaucht] ») 
gnadigst zu ermefsen. 

Alles dieses, GnSdigster Chur-Fiirst und Herr, babe bey Ew. 
Chur-Ftirstlichen Durchlaucht ich fttmehmlich aufe zweyerley Ur- 
sachen etwas umstandlicher anfuhren woUen: Einmahl dafs Ew. 
Chur-Fiirstliche Durchlaucht gnadigst zu vemehmen hetten b), wie um 
derer bifsher von mir geforderten Rathschlage willen, gleichsam 
hatte ich meine Pflicht dabey so genau nicht in Acht genommen, 
mich mein Gewifsen gar nicht krSncke oder beschuldige, ich vielmehr 
eine zuversichtige Freudigkeit fiir Gott und der erbahren Welt da- 
rinnen empfinde. Mein Zweck nechst der Ehre Gottes und Erhal- 
tung seines seeligmachenden Wortts ist gewesen, weil von Ew. 
Chur-Fiirstlichen Durchlaucht als einem Wahl- und Chur-Fiirsten im 
HSmischen Reich ich zu Dienste (von deme mich kein unterthanigstes 
Bitten entledigen m9gen) erfordert worden, dafs ich ie zu nichts 
riethe, dadurch Ew. Chur-Fiirstliche Durchlancht an Dero hohen 
Wtirde und Praeeminenz solcher freyen Chur und Wahl fiir sich 
oder Dero Nachkommen gefahret*"), sondern bey derselben Ew. Chur- 
Fiirstlichen Durchlaucht geehrte Vorfahren s>imbt Land und Leuthen, 
.ia dem gantzen ROmischen Reich nahe in hundert Jahr sich recht 
fwohl] d) befunden, neben freyer und ungehinderter Ubung des Gottes- 
dienstes an Macht, Ehre und Vermogen glucklich zugenommen; dns 
zeigen die unlaugbahren Historien. Eben den Zweck haben Ew. 
Chur-Fiirstlichen Durchlaucht gewesene fiimehme Geheimde Rathe 
die gantz e Zeit Ew. Chur-Fiirstlichen Durchlaucht lang und nihm- 
lich gefiihrter Regierung (bifs auff erfolgten Zwiespalt) fiir sich ge- 
habt, ich also, wiewohl denselbene) herrlichen Leuthen gar nicht zu 
vergleichen, kein Drsach gesehen, meine consilia auff etwas anders 
zu ricbten. 

Wohin aber derer Leuthe SuspicionenO. Bezeig- und Einbil- 
dnngen in kurtzem aufsschlagen diirfften, die den Reichs-Feinden das 
Wortt reden, ja wohl um der gegenwartigen Progress willen ver- 
Jauten wollen, es sey belser wo nicht gar auff Seiten der Reichs- 
Feinde zu treten, doch zum wenigsten gegen ihnen still zu sitzen, 
die alle ihre Unthaten, Pressuren und Violentien mit Demolirung 
fester Orther, Niederbrennung Stadte und Dorffer etc. Ew. Chur- 
Fiirstliehen Durchlaucht lauter zum Besten gemeinet und gut heiisen, 
den [Kayser]g) Ew. Chur-Fiirstlichen Durchlaucht von Tage zu 
Tage verdachtiger machen, ihme hiilifliche Hand zu biethen miis- 
rathen oder ftlr seine hohe Maiestat, ungeachtet eben und allein zu 
dem Ende sie viel Tonnen Goldes von den StSnden des Reichs und 
sonsten eingehoben, zu fechten Bedencken tragen und dadurch denen- 

a) fehlt. b) hatten. «) gefiihtet. d) fehlt. e) demselben. 
f) Successionen. g) Es steht: „den, von Ew". 



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Eine politische Denk^chriffc etc. 237 

jenigen guten Vorschub thun, die das Reich mit Abstofeung des 
Keysers und der Herm Chur-Fiirsten in eine neue Form za richten 
bemuhet stehen, dais wird Gott und der Tag of&ien. Verstandige, 
auffrichtige, gewissenhaffte Rathe miilsen nicht nur auffs blinde ver- 
gangiiche Gltick sehen, sondem auch die vorgegangene und kiinfftige 
Faile fiir Augen stellen, fiirnehmiich auft' Groites Ordnung und Ge- 
both ihr Absehen fafsen und demselben nach ihre consiiia grtinden 
und befestigen. 

Solten gleich auis Gottes gerechtem Verhangnifs zur Straff der 
Stinden die Schwedischen Success nochmahls also fortgehen, so haben 
Ew. Chur-Ftirstliche Durchlaucht zu unterschiedenen mahlen das 
Exempel mit dem Hauise Braunschweig und Ltineburg, was sich 
dafselbe auff solchen Fall zu versehen, erwehnet; es konnen auch 
hiervon die intercipirte Schwedische Schreiben nicht undeutlich Zeug- 
niis furbilden. Wendete sich das Blatt auff die andere Seiten, so 
haben Ew. Chur-Ftirstliche Durchlaucht gleicher Gestalt hochver- 
nunffitig erwogen, wie die Hinterhaltung des Kriegs-Volcks, da£s 
man biols zu Beschutzung seines Landes bedurfftig zu seyn ange- 
geben und dem Spiel stiUschweigend zuzusehen vermeinet, angesehen 
werden mochte. Dafs der Keyser und das RSmische Reich Gottes 
Ordnung und die letzte dem Propheten Daniel langer denn tur zwey 
tausend Jahren gezeigte Monarchic^) mit gottlichem Wortt und 
Schutz als einer starcken und festen Mauer, wie Lutherus redet, 
umschrenckt sey und bifs an grosten Tag der herrlichen Erscheinung 
unsers Heylandes, obgleich auff schwachen Fufsen, [mit]*) vielen 
Anst5is- und Wiederwartigkeiten stehen bleiben soil, haben die 
Lutherischen Theologen aus Gottes Wortt reichlich bewiesen und 
dargethan. 

Der Allerh3chste hat den zugesagten Schutz seiner gottlichen 
Ordnung (alterer Geschicht und Exempel zu geschweigen) bey Lebe- 
zeiten des vorigen Romischen Keysers augenscheinlich erwiesen, mit 
deme es, wie Reichs kundig, so weit kommen, dafs die Konig-Reiche 
Ungam, BOhmen und fast alle seine Erblande bifs auft' die Stadt 
Wien, darinnen er doch auch belagert worden, ins Feindes Hande 
gerathen, da auls- und innlandische Potentaten wieder ihn gekrieget 
und doch theils zurticke gehn, durch gutlichen Vergleich abkommen, 
die mehrem ihr Leben daruber einbtissen, ihn aber Jieyser und Ober- 
haupt bleiben lalsen mussen. So ist unvergefsen, dafs des Keysers 
8ache in Anno 1634. fast noch gef&hrlicher als ietzo gestanden, in- 
dem beynahe der gantze Rheinstrohm, Schwaben, Franken, Beyerlandt, 
der gantze Donau-Strohm vom Schweitzerischen Geburge bil's an 
Faisau in des Feindes Handen, auch die Bohmischen Creyfse wie 
ietzo Schlesien aber fast gantz an Jagerndorff' (!) dem Keyser abge- 
nommen etc., pl5tzlich und gleichsam uber aller Menschen Verhoffen 
durch die eintzige NOrdlinger Schlacht sich der»») ganze Staatc) ge- 
andert, der Keyser aber Keyser und Oberhaupt blieben. 

Von dem neugebildeten Reich finde ich meines wenigen Orths 
weder einig Wortt Gottes noch gelehrter Leuthe bewehrte Meynung; 
k(5nte sich leicht geben (wie auch oben etwas erwehnet), ob darinnen 
Franckreich und Schweden lange einig blieben, und was denn wohl 
vor eine Consonnanz und Einhelligkeit zwischen den Reichs- Standen, 



») fehlt. b) die. c) Stadt 

^) Vergl. Kap. 7 des Propheten DanieL 



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238 .J. 0. Opel: 

wenn sie alle an eines Keysers Wahl Theil haben oder gar ohne 
Haupt and Keyser seyn oder auch durch Gewalt von einem fremb- 
den Auislandischen beherrschet werden solten, sich ereignen wiirden. 
Es hats bereits die zwischen etlicben evangelischen Chur-Ftirsten») 
nnd Standen fiir nahe 30 Jahren auftgerichtete, nach aller mensch- 
lichen Witz, Klugheit und Verstand aufsgearbeitete, ab^espitzte und 
wohl verfafsete, aber wenig Jahre hernach zergangene Union im Werck 
erweifslich gemacht, darum ich mich in solche frembde, uugewifee, 
sehr gefahrliche Intentionen einflechten zu lafsen, meines selbst eigenen 
Vaterlandes heilsahme Verfafsung niederreifsen zu helffen oder aber 
blofs um des wanckenden, unbest&ndigen Giucks willen, das heute 
bltihet, in einen Augenblicke verwelcket, von der Richtschnur g6tt- 
liches Wortts, von Ew. Chur-Furstlichen Durchlaucht lOblichen Vor- 
fahren Exempel, von den theuern, beschworenen Reichs-Ordnunsren 
and geleisteten schweren Eydes - Pflichten abzuweichen oder dabin 
einigen Rath zn ertheilen niemals Beliebung getragen, es auch 
weder gegen Gott noch Ew. Chur-Furstliche Durchlaucht zu ver- 
antworten getrauet. 

So kan ich mich gleichwohl an meinen Orth, nach Gewifsen zu 
sagen, nicht bescheiden, dais der R(5mische Keyser seiter des Prage- 
rischen Friedens etwas gewiedert *>) und abgeschlagen, was Ew. Chur- 
Furstliche Durchlaucht zu ihrem und ihrer Lande Bestenc) iemahls 
begehret. 

Ew. Chur-Ftirstliche Durchlaucht haben tibemommen, die Schwe- 
den aufs Ober- und Nieder-Sachfsen zu bringen, defswegen, wie oben 
erwehuet, dafs untern Commando des Marg-Graffen vun Caretto an- 
erbothene Volck zurlick mandiret; Ihre Keyserliche Majestac (ohn- 
geachtet Sie vielleicht ein anders lieber gesehen) sind damit zu- 
trieden gewesen. 

Bald darnach haben Ew. Chur - Ftirstliche Durchlaucht den 
Graff Marazind)08) mit den Keyserlichen Volckern aufs Schlesien zu 
einer Diversion begehret, die sind unweigerlich abgeschicket. Sie 
haben gemutliet, von denen in Prage geschlofsenen ROmerzugse)- 
Geldern, den 1 10. (!) Monath, aufsn Ober- und Nieder-Sachfeischen Creyis 
Zahlung fur ihr Volck zu erlangen; Kayserliche Majestat habens ge- 
williget und defswegen an die Stande beyder Creyse, und zwar jedem 
absonderlich vielfaltige Befehl ergehen lafsen, worauff auch etwas 
eingebracht; dafs aber Nieder-Sachfsen fast gantz und gar aufsen ge- 
blieben und von ihnen bife diese Stunde die Abrichtung verweigert 
wird, auch kein Mittel sich ereignet, sie dahin zu bringen, dalselbe, 
ob es mit Billigkeit Kaiserlicher Majestat wohl zugemefeen werden 
m5g, stelle ich an seinen Orth. 

Und ob zwar die Schweden aus^) den beyden Sachfsischen 
Creyfsen nicht gebracht, sondern Ihre Keyserliche Majestslt von 
Ew. Chur-Fiirstlichen Durchlaucht ersucht sind so wohJ im Jahr 
Anno 1636. als 1637., Succurs zu schicken, welcher auch in starker 
und solcher Anzahl erschienen, dafs er Ew. Chur-Fiirstlichen Durch- 
laucht Volck drey- und mehrfach iiberstiegen, haben doch Kayser- 



a) Fiirst. M gewiedmet. c) bestens. ^) Marim, Marien ■(?). 
e) RQmerzuge. ^ aiich. 

^*) Der Verfasser scheint an den Marsch der Kaiserlichen unter 
dem genannten General im Dezember 163S zu denken. VergL 
Gretschel, Gesch. des Sachs. Volkes und Staates 11, 309. 



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Eine politische Denkschrift etc. i 239 

liche Majestat dem Reichs -Pfennig -Meister befohlen, den dritten 
Theil aus den rlicknehmenden (!) ftdmer-Zugs-Greldern Ew. Chur- 
Fiirstlichen Durchlaucht zu lieffern. Dais ts aber wiedenim bifs 
gegenwartige Stunde von den Standen nicht eingebracht wird, delsen 
Yfird meines wenigen Erachtens Key ser liche Majestat einst wohl zu 
entgelten haben. 

Wie Ew. Chur-Furstliche Durchlaucht auf Ihr Anhalten mit 
den hiXspanischen Geldem in Anno 1636. gewillfahret worden^); wie 
sie derer fiir die Sachlsischen Regimenter anher gebrachten Gelder 
sich nutzbar bedienet, wie Kayserliche Majestat, dafs Sie noch An- 
weisung der Reichs - Gesetze fur sich allein zu thun nicht schuldig, 
nicht nur die sechs tausend Reichsthaler nach Magdeburg gewilliget, 
sondern auch den fiinff Regimentern in Bohmen einen Monath Sold 
antragen laistn, das ist nunmehro bekanndt. So offt Ew. Chur-Furst- 
liche Durchlaucht um promotoriales ») [an] ^) die Stande zu Derlangung 
der Quartier fiir ihr Volck angesucht, sind sie vom Keyser Ihr zu- 
geschicket worden. In Summa wer die ergangene acta durch und 
durch ersehen und gegen den Reichs-kundigen Verlauffen (!) wohl 
erwegen wird, der hat sich daraufe zu informiren, dais der Romische 
Keyser eher seine Elsassische c) Lande veriiehren, als Ew. Chur- 
Fiirstlichen Durchlaucht Lande ungerettet lafsen wollen. 

Die That und das Werck ist am Tage, lafset sich ohne Abbruch 
der Wahrheit nicht vemeinen, dannenhero zweifele ich fast sehr, ob 
ein einiger gewi&enhaffter, redlicher, unpassionirter Mann, auls bifs- 
herigen Bezeigungcn dem Romischen Keyser einige Ungebuhrnifs, 
Falschheit Oder Untreu gegen Ew. Chui-Furstliche Durchlaucht bey- 
zubringen habe, oder auch einiger vernunffdger Rath delswegen zu 
einem Abtritt und Separation sich vernehmen lafsen m9ge. 

Auff weme die Verzogerung des Krieges in Ober- und Nieder- 
Sachfsen beruhe, das ist Reichs-kundig. So wenig nun Ew. Chur- 
Fiirstliche Durchlaucht Ihr die Schuld hierinnen wird beimefsen 
lafsen wollen, so wenig lafset es sich muthmafsen, dais an den ietzigen 
Verzug des Krieges der Romische Keyser Gefallen haben mag, als 
deisen Elsafsische Lande noch in des Feindes Handen, wie auch der 
groiseste und beste Theil des Kdnig- Reichs Bohmen und ein ziem- 
licher District im Lande Schlesien von den Schwedischen Volckern 
occupiret ist, die andern Erb- Lander alle unter aufserster^i) Er- 
sch5pffung und Bedrangnifs taglich seuffzen und wehklagen. Dafs 
nun noch bifs die Stunde sich Leuthe finden, welche gleichwohl 
meines Wifsens die schwehre Pflicht der Geheimen Rathe niemalds 
abgeleget und doch Ew. Chur-Fiirstlichen Durchlaucht ungleiche Ein- 
bildungen beyzubringen in voller Arbeit sind, auch wohl dem RO- 
mischen Keyser mit allerhand harten Bedrohungen entgegeu zu 
gehen rathsam achten, das la&e ich dahin gestellet seyn. Ich ver- 
wahre und vertheidige meine geleistete Pflicht und christliches Ge- 
wifsen, well auch sonderlich die Historien berichten, daik aller dreyer 
weltlicher Chur-Fiirsten Linien einig imd allein von der Romischen 
Keyserlichen Gnade zur Chur-Wurde kommen sind, und es gar leicht 



a) promotorialesen. b) fehlt. c) Elsasche. ^) aufeerste. 

^) Diese bedeutungsvoUe Stelle beweist, in wie grosser Ab- 
hangigteit von Spanien sich auch Ferdinand III. befand. Vergl 
ubrigens Koch, Geschichte des deutschen Reichs unter Ferdinand in. 
I, 85 flg., 90 flg., 207. 



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240 J. O. Opel: 

ist, die Chur-WttrAe zu verliehren, aber sehr schwehr wieder darzn 
zu gelangen, inmaiseu denn mehr denn ein Exempel innerhalb hun- 
dert Jahren solches wabr gemacht und aller Welt zu erkennen geben 
haben. Ich gerathe auch in nicht wenigen Zweiflfel, solte einige Se- 
paration, da (iott vor sey ! , erfolgen und Ew. Chur-Fiirstliche Durch- 
laucht») sich selbst vom Chur-Fiirstlichen Collegio trennen, es durffte 
der Favor der Schwedischen gegen Ew. Ohur-Mrstliche iiurchlaucht 
so grofs nicht seyn, dafs sie nicht lieber die Ohurwlirde auff andere, 
denn auff Ew. Chur-Fttrstliche Durchlaucht zu bringen, ihre Waffen 
ftthren wiirden. Wafs sich aber solchen Falls Ew. Ohur-Fiirstliche 
Durchlaucht auff andere Stande zu verlafsen, diirfffce alsdenn eher 
beklaget, als ietzo mit gutem Gmnde einige Hoffhung darauff ge- 
stellet werden mOgen. 

Fiirs andere habe ich auch dieaer Ursachen willen etwas um- 
standlichere Aufsfiihrung thun woUen, damit bey Ew. Chur-Ftlrst- 
lichen Durchlaucht ich abermahls (wie zur Zeit tibemommener Be- 
stallung geschehen) an Tage gebe, offentlich bekennete und auisagete, 
mein 8inn, Verstand und Nachdencken sey mir von Gott so hoch 
nicht gegeben, dafs mir fur meine Fersohn mtiglich ware, bey so 
vielen beharrlichen, taglich wachsenden, starken und durchdringenden 
Oppositionen derer Geist- und Weltlichen, Ley en und Gelehrten, 
Krieges- und andem Leuten etwas nutzbahr- und dienstliches m6hr 
einzurathen. Weil sie doch Tag und Nacht sich bearbeiten »>), dem 
Keyser, er thue auch, was er immer woUe, bey Ew. Chur-Furstlichen 
Durchlaucht verhast, wiedrig und verdachtig zu machen, ihm gebtih- 
rende Assistenz zu hindern, alle wohlgemeinte consilia niederzu- 
drttcken und hierauff Ew. Chur-Fiirstliche Durchlaucht und denen 
andern Herren Chur-Fttrsten Ihre Herr[lichkeit], Praecellenz der 
Ohur und Wahl (wie der leidige Effect nunmehro an Tag giebet) 
wifsend und unwifsend allmahlich supprimiren zu helffen, ist zu be- 
sorgen, der AllerhOchste mOchte bey seltzsamen Proceduren und Mo- 
litionen sonderlich bey noch immerwahrenden ruchlosem, unbuMer- 
tigem Weltwesen in die LSnge stillschweigende nicht zusehen. Wie 
auch ietzermelteter Jjeuthe wiedrige Erzeug- und Bemuhungen, wenn 
Ihro Kayserliche Majestat davon Bericht erlangen, (well doch hie- 
siger Orth ein solch Gltick hatt, dafs leichtlich nichts pfleget ver- 
schwiegen zu bleiben) in Dero Hertz steigen, sie krancken und jam- 
mem mSgen, als die Ew. Chur-Fttrstlichen Durchlaucht Lande zu 
retten ihre eigene Erb-Lande hindan gesetzet, die Haupt-Stadt und 
Schliifsel der Elsafsischen Provincien dartiber verlohren, hingegen 
nunmehro erfahren mussen, dais von Ew. Chur-Fttrstlichen Durch- 
laucht nicht ein Mann zu Rettung Ihro Keyserlichen Majestat Lande 
zu erscheinen und neben der Keyserlichen Armade zu verbleiben ge- 
dencket, sondern wohl unbegrlist zuwieder Ew. Chur-Fttrstlichen 
Durchlaucht Verwilligung davon zu ziehen, Ihre Kayserliche Ma- 
jestat noch mehr zu schimpffen und zu betruben keine Scheu tragen, 
wie auch was hierinnen endlich wohl fttr ein Aufsgang zu erwartten 
seyn mOchte, wird billig zu Ew. Chur-Fttrstlichen Durchlaucht hoch- 
erieuchteten Nachsinnen gestelltet. 

Ich solte zwar diese andere Ursach verschweigen und meinen 
Unverstand in den Rathschlagen lieber gedeckt, als geOffnet haben, 
allein ich will eher bekennen, was ich nicht vermag, als tlbemehmen, 
was ich nicht getraue auiszurichten. Nur bloiser Ehr Nutz und 

») hier findet sich noch „durch**. *>) bearbeiteten. 

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Eine politische Denkschrift etc. 241 

Privat-Geniefs, ein so hohes Ampt zu bedienen, mag \ielieiclit bey 
Welt-Leuthen grofs Ansehen bringen, bey mir aber wttrde ich mich 
vor einem scbwehren Gewifsen zu flirchten haben, da ich doch wie 
sonsten also auch iu gegenwartiger Bestallung mein privatum durch- 
anfs bei Seite gesetzet und meine wenige Rath-Schlage nur zu Be- 
hauptung der loblichen heilsahmen Reichs-Harmonie zwischen Key- 
ser, Chur-Ftirsten und Standen des Reichs, zu unverbruchlicher Ob- 
servanz derer von E w. Chur Furstlichen Durchlaucht abgelegter eyd- 
lichen Pflicht, auch darin enthaltener Chur-Fiirstlicher Ehren, Wtir- 
den und hoch aestimirlichen Reputation angeziehlet, um welches willen 
(wie Ew. Chur-Fiirstliche Durchlaucht wifsend) ich bey Eintretung 
meines Dienstes einig Geld oder Geldes Werth zum Geheimen Raths 
Sold nicht gefodert, auch deJfewegen nicht einen Groschen, nicht einen 
Pfennig nach Aufsweisung des Buchstabens in meine Bestallung ein- 
rucken zu laisen begehret. 

Ich will nicht hoffen, dafs Ew. Chur-Furstliche Durchlaucht 
von mir in wahrender Geheimer-Raths-Bestallung angelauffen worden, 
mir einige Expectanz, Anwartung oder anders zu versprechen, auf 
dieses oder jenes Ampt, Stadt oder Orth Anweisung zu geben, dieses 
oder ein andres zu verehren, Gnade zu thun; sondem habe meine 
Armuth und Durfftigkeit in lauterer Gedult und Stille mit Anruffung 
gottlicher Htilffe willig ertragen, nicht dafs ich einiger Geld-Besol- 
dung nicht ware bedurflftig gewesen, sondem dafs Ew. Chur-Fiirst- 
liche Durchlaucht. so ohne das in dergleichen gnungsahmen Be- 
schwehr haben, ich nicht diirffte molest seyn, zugleich aber in Wercke 
erweifslich machte, dafs, wie ich vor dreifeig Jahren her, da ich 
[das]») erstemahl zu Herren-Diensten erfordert worden, also auch 
noch nicht [nach] »>) meiuem eigenen Nutz, Geschencke, Gaben, Ruhm 
und dergleichen Eitelkeiten, sondem blofs [nachjc) meines Herren 
Ehre, Frommen und Auffnehmen zu trachten gesonnen ware. 

Bey Ew. Chur-Fflrstlichen Durchlaucht ist hoffentlich gnadigst 
unvergessen, dafs ich die Auffwarttung in der Geheimen-Raths-Stube 
Anfangs nur biis an Michael 1637. tibemommen, dieselbe aber her- 
nach, weil damals Ew. Chur-Fiirstliche Durchlaucht auff der Laufsnitz 
ihre Huldigung sich abwesende befunden, und ich in wahrender 
Reise mit meiner Lofsktindigung beschwerlich zu seyn d) nicht un- 
billig Bedencken gehabt, biis an Weynachten vorigen Jahres iiber 
mir behalten, daselbst aber um gnadigsten Abschied oder Resolution 
so schrifftlich so mundlich mit schuldigster Ehrerbietung angesuchet. 
Wenn Ew. Chur-Fiirstliche Durchlaucht mir eine solche Dimission gna- 
digst hatteu wiederfahren lafsen, und ich hiesige meine Giitter meines 
Bmders Sohnen als Mitbelehenten meinem langst gefafsten Vorhaben 
nach damahls ubergeben; so ware ich dem verderblichen Schaden, 
der mir Zeit her zwar mehr von Freunden, als Feinden begegnet, 
zeitlich entgangen, manchen Kummers, Sorge und Betrtibnils frey 
geblieben; nun mir aber ietzt ermeldtes Ungltick bey Ew. Chur- 
Filrstlichen Durchlaucht wahrenden Diensten begegnet, wiirden Die- 
selben verhoffentlich mir zu Ungnaden nicht gedeutet haben, wenn 
bey Derselben ich mich unterthanigst angemeldett und zum wenig- 
sten an statt des Soldes um Ertheilung ein- oder andrer Gnade 
soUicitiret hatte. Ich habe auch solches eher unterlafsen nnd ledig- 
lich Ew. Chur-Fiirstlichen Durchlaucht Gut-Befinden unterthanigst 



a)fehlt. »>)fehlt c)fehlt d) Hier findet sich noch einmaljch". 

Neues AtcMt f. 8. G. u. A. VIII. 8. 4- ^^ r^ 1 

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242 J- 0. Opel: Eine politische Denkschrift etc. 

anheim gegeben, als einigen Privat-Gresuch (!) Nutz (!) bestricken 
lafeen woUena). 

Vergnuge mich, dais Gott und mein Gewiisen ietzo und ins 
ktinfftige meine RedJichkeit, Treue und Auffrichti^keit bezeugen und 
an Tag bringen wird, dais kein andere, den obig mehrmals ange- 
fiihrte Intention bey meinen consiliis ich fiir Augen und nicht mehr 
gewiintscbet gehabt, denn dais ihr von eigennutzigen, vorthelhafften 
Leuthen durch wiedrige ungegrundete Impressionen nicht so viel 
Hinderniis in Weg gestreuet und Ew. Chur-Fiirstliche Durchlaucht 
hoch - preiisliche Chur-Wiirde, Reputation und Hoheit sambt Dero 
Lande und Leuthen in gegenwartiges Pericul nicht gesetzet worden 
waren. An deme wie ich einige Schuld zu tragen mir nicht be- 
wust bin, also da bey ietzigem sorglichen Zustande des Vaterlandes 
und taglich zunehmenden, weit anfssehenden Molitionen, das verur- 
sachte Unheil zu wenden und die von einem Geheimen Rathe ge- 
forderte Ersprieislichkeit zu verstatten in meinem Verstande und 
VermSgen nicht bestehet, weil sonderlich durch den unauffhorlichen 
beschwerlichen Haupt-Flufs und andere Zufalle die Leibes- und 
Gemuths-Kraifte ie mehr und mehr dahingehen, haben Ew. Chur- 
fiirstliche Durchlaucht zu erwegen, ob es ihr selbst reputirlich sey 
dermafsen mit ungleichen Diener^) in kostbahrer Besoldung, ohne 
welche bey dem verderbten Zustand meiner Giither ^^) hiesiges Orths 
Tag fiir Tag ferner auffzuwartten mir nicht mtiglich, solche aber 
auch, wenn ich sie nicht verdienen kiJnte, zu fordern mir bedencklich 
fallen, mich auch wohl in meiner letzten Stunde krSncken wurde, 
zu unterhalten, oder Ew. Chur-Furstlichen Durchlaucht vielmehr 
beliebig seyn wolte, mir nach Innhalt und buchstablichem Laut 
meiner Bestallung einen gnadigsten Abschied zu ertheilen und mein 
gnadigster Herr jedesmahl zu verbleiben. Hierliber Ew. Ohur- 
Fiirstlichen Durchlaucht gnadigste Erklahrung mit gehOrigerReverenz 
unterthanigst zu erwarten und alsdenn meine Schuldigkeit darbey 
in Acht zu nehmen, wird [mirjc) in alle Wege gebiihren, gehorsambst 
bittende, Ew. Chur-Fiirstliche Durchlaucht wolle dieses zu Eroffiiung 
meiner geschwornen Pflichten nach bifsher gefiihreter Intention ge- 
meintes, etwas umstandliches unterthaniges Angeben zu Chur-Flirst- 
lichen Gnaden vermerken und sich versichem, dafs Deroselben unter- 
thanigster Treue Dienste zu erweisen ich stets befliefsen seyn werde. 

Drefsden Ew. Chur-Ftirstlichen Durchlaucht 

am 18. Decembris 1639. gehorsambster Diener 

und Unterthan. 

») wolte. b) So steht (!). c) fehlt. 

^) Sebottendorfs Giiter batten jedesfalls in den Kampfen um 
Pirna wahrend dieses Jahres sehr gelitten. Vergl. Christian H e c k e 1 , 
Historische Nachrichten von dem was . . vor hundert Jahren nehmlich 
Anno 1639 in dem sogenannten 30jahrigen Kriege der Stadt Pima 
wiederfahren (1739). 



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vn. 
Die Anfange des sachsischen Schulwesens. 

Von 

Johannes Miiller. 

(Schluss.) 



Keicher, als im 13. Jahrh., fliessen die Quellen zur 
sachsischen Schuigeschichte im 14. Jahrh. Die Eeihe der 
Orte, flir welche sich in dieser Zeit Schulen nachweisen 
lassen, eroffnet Dresden und zwar in gewissermassen 
epochemachender Weise. Wir treffen namlich hier die 
erste eigentliche Stadtschule Sachsens. Den 
6. April 1300 erscheint in einer zu Dohna ausgestellten Ur- 
kunde des Burggrafen Otto von Dohna als letzter Zeuge 
ein Rektor der Knaben in Dresden, namens Konrad, der 
zugleich Kaplan des Burggrafen ist ^^^), und in einem zu 
Kloster Cella ausgefertigten Briefe des Pfarrers Heinrich 
von Leubnitz vom 10. Marz 1334 tritt unter den Zeugen 
ein Meister Hermann, Eektor der Kleinen in Dresden 
und Pfarrer zu Altranstadt, auf ^^^). Lassen auch diese 

^^) Cunradus rector p[uero]ruin in Dresden noster capeUanus. 
Urk. Nr. 1633 im H.-St.-A. Dresden. J. Ohr. Hasche, Diplom. 
Gesch. Dresdens (Dresd. 1816 flg.), Urk.-Buch S. 59 (vergl. Beyer 
Alt-Zelle S. 572 u. 271) erganzt die wohl schon zu s. Z. beschadigte 
Stelle des Pergaments im 3. Worte zn parvulorum, 0. Meltzer, 
Die Kreuzschule z. Dresden bis z. Einfiihrung d. Reform. (Dresd. 
1886) S. 5 dagegen zu puerorum, 

^^) Mag. Hermannus rector parvulorum in Dresden et plebanus 
in Ranstete. Urk. Nr. 2650 im H.-St.-A. Dresden. Vergl Meltzer 
S. 6. Ungenau bei Beyer S. 590 u. 234. Herm. stebt nach zwei 

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244 Johannes Mtiller: 

altesten Nachrichten liber das Bestehen einer Sclmle zu 
Dresden im Vereine mit den nachsten aus dem 14. Jahrh. 
dariiber keinen Zweifel, dass Chor- and sonstiger Kirchen- 
dienst zu den Obliegenheiten der Dresdner Rektoren, wie 
fast aller mittelalterlichen Schulmeister, abgesehen von den 
Leitern der sogen. deutschen Schreibschulen und der Bei- 
und Winkelschulen, gehorte, und zahlen auch die beiden 
altesten Dresdner Schulmeister zum geistlichen Stande, 
so lassen doch schon ihre Bezeichnungen : „Eektor der 
Knaben" und „Rektor der Kleinen in Dresden" die An- 
nahme zu, dass die betr. Schule eine offentliche war, 
naturlich nur, wie alle Schulanstalten vor der Reforma- 
tion, eine fakultative und eine von den oben (S. 5 flg.) 
gekennzeichneten sog. kleinen Schulen (vergl. nachher). 
Auf den Gedanken, dass wir es mit einer Stadtschule 
d. h. mit einer unter rein stadtischem Patronate und 
stadtisclier Leitung stehenden zu thun haben, bringt uns 
einmal der Umstand, dass im 14. Jahrh. und spater alle 
Beziehung zu dem (zuerst den 7. Juni 1272 vorkommen- 
den) Franziskanerkloster in Dresden fehlt; ferner aber 
ware die Annahme von Mannern, welche zugleich aus- 
warts geistliche Amter (die doch nicht blosse Pfriinde 
gewesen sein konnen) bekleideten, zu Schulrektoren sei- 
tens des Ortsgeistlichen, hier also seitens des Pfarrers 
an der noch ausserhalb der Stadtmauer liegenden Lieb- 
frauenkirche, oder gar nur seitens eines Altaristen an 
der Kreuzkapelle, bei der die Schule lag, und die Unter- 
ordnung solcher Manner unter diese Geistliche als Pa- 
trone etc. sehr unwahrscheinlich oder wenigstens etwas 
ganz aussergewohnliches, so dass also der Gedanke, jene 
zwei Rektoren seien Kloster- oder blosse Chorschulmeister 
gewesen, ausgeschlossen erscheint. Ja bei den eigen- 
thiimlichen in Dresden obwaltenden kirchlichen Verhalt- 
nissen, wornach eben die im alten Dorftheile ausserhalb 
der Stadtmauern gelegene Frauenkirche damals die Pfarr- 
kirche der Stadt und Festung Dresden war, kann auch 
eine Pfarrschule im gewohnlichen Sinne des Wortes fiir 
Dresden nicht angenommen werden. Zur vollen Gewiss- 
heit aber, dass wir es hier mit einer Stadtschule zu thun 
haben, wird unsere Vermuthung durch eine Urkunde vom 

Priestern (daninter der Kaplan Jakob bei den siechen Franen bei 
Dresden) und vor zwei Dresdner Biirgem (daninter Nicolaus Mone- 
tarins, der am 6. Jan. 1329 als magister consulum erscheint C S II. 
V, 33). 



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Die Anfdiige des s&chsischen Schulwesens. 245 

8. Oktober 1380. Da ordnen die Btirger und Schoffen 
der Stadt an, dass von alien Schulmeistem, dem damaligen 
und den znklinftigen, in der Zeit von Sonnenuntergang 
bis Mitternacht immer 6 „schuler" bereit gehalten werden 
sollen, welche vorkonunenden Falls den Priestern, die mit 
dem Leib des Herrn zu kranken und siechen Leuten 
gehen, auf dem Hin- und Herwege mit Gesang voran- 
schreiten; und dabei nennen sie die Schulmeister noch 
ausdrticklich „vnsere schulemeyster" und die Schule „vnsir 
schule" ^*®). Nicht minder ist den 11. Juli 1394 dem 
Dresdner Rathe „der erber prister meister Francz" „vnser 
schulemeister von Dypuldiswalde" ^^'). Dazu kommt, dass 
nach den noch aus der Zeit urn 1370 erhaltenen Eech- 
nungen des Briickenamts die gesamte aussere Verwaltung 
der Schule vom Briickenamte, welchem das eine Einheit 
bildende Vermogen der Kreuzkapelle (Kreuzkiiche) und 
der Elbbrticke unterstellt war, gefuhrt wurde, dieses Amt 
aber schon zu Anfang des 14. Jahrh. als dem Rathe 
unmittelbar zustandig nachgewiesen werden kann^*®). Die 
Dresdner Schule war damach zweifellos eine Stadtschule : 
der Rath besass die KoUatur. Ob und wie weit der 
Bischof, bez. der Domscholastikus zu Meissen ein Be- 
statigungsrecht den vom Rathe erwahlten Schulmeistem 
gegeniiber hatte, lasst sich bei dem Mangel unzweideutiger 
Nachrichten nicht bestimmen ^^®) ; ebenso wenig giebt es 
voUgiltige Belege dafur, dass dem Bischofe als geistlicher 
Behorde das Oberaufsichtsrecht liber die Dresdner Schule 
zugestanden und er ein solches ausgeubt habe^*^). Nur 

i3«) C S IL V, 67 f. Vergl. meine Vor- und frtihreformator. 
Schulordnungen etc. II (1886), 266 f. 

13') C S 11. V, 94. Er heisst in einer Urk. vom 21. Dez. 1418 
„der erbar prister meyster Francze von Dippoldiswalde eyn lerer der 
heiligen schrifft, wonhaiftig zcu Dresden**. S II. V, 137. 

138) Meltzer a. a. 0. 7. 

i3») Meltzer 3 f. 34 f. deutet einen Eintrag in der Kammerei- 
rechnung [K R] 1418 („2 gr. eynem botin keyn Missen umbe den 
nuwen schulmeistir") daiin, dass es sich urn Einholung der bischofl. 
Bestatigung gehandelt babe. 

^^^) Meltzer S. 3, 38 u. 52 glaubt, seiche Belege zu haben in 
2 Vermerken in K E 1471/72: „32 gr. hat vorczert der schulmeister 
mit eynem statknecht zcum bischof keyn Wurczen, als yn der official 
von eyns schulers wegen geladen hatte, sabbato post Lucie** (14. Dez.) 
. . . . „6 gr. 6 pf. nuncio keyn Wurczen zcum bischoff, als man fur 
den schulmeister, do yn der official geladen hatte von eyns schulers 
wegen, den er gehauwen hat mit rutten, tertia Lucie** (17. Dez.), 
desgl. in K R 1453/4: ^1 schock 40 gr. gegeben Hannse Goran, die 
der bischoif do vorczert, also sich die schuler geslagen batten.** 



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246 Johannes Miiller: 

SO viel diirfte sich auf Grrund vereinzelter und unvoU- 
standiger Mittheilungen, fiir welche die archivalischen 
Unterlagen auch erst aus dem 15. Jahrhundert und nicht 
aus friiherer Zeit vorhanden sind, annehmen lassen, dass 
der Bischof eine Jurisdiktion besass oder wenigstens in 
Anspruch nahm einmal tiber den Schulmeister, wenn der- 
selbe dem geistlichen Stande angehorte, das andere Mai 
tiber die Schtiler, wenn diese Scholaren im engeren Sinne 
(s. oben S. 18 u. 37) waren,'also auch zu diesem Stande 
gerechnet wurden, und dass er Schulangelegenheiten vor 
sein Forum zog, wenn in ihnen ein Moment der Siinde 
obwaltete und dagegen die Hilfe des geistlichen Richters 
durch Denunziation gesucht wurde. In andem Fallen 
finden wir gleichzeitig eine Jurisdiktion des Landesherm 
und eine Rechtserholung bei der Leipziger Universitat^*^). 
Wenn femer die beiden ersten Schulmeister Dresdens 
neben ihrem Schulamte geistliche Stellen bekleideten, 
zumal in so entfernten Orten, wie Altranstadt, so hat 
diese Thatsache ihr Analogon in dem Auftreten von 
Pfarrem als fiirstliche Schreiber etc.^*^), legt aber zu- 
gleich den Schluss nahe, dass das Dresdner Schulrektorat 
ein einflussreicheres und gewinnbringenderes Amt war, 
als jene Stellen, die wohl von standigen Vikaren ver- 
waltet wurden. Doch erfahren wir von den Einnahmen 
des Dresdner Schulmeisters nicht viel. Um 1370 erhielt 
er am Johannistage fiir seine Betheiligung an dem zu 
Ehren des heil. Kreuzes gefeierten Feste vom Briicken- 
amte ^/^ Pfund Heller; ferner empfing er daftir, dass er 
mit seinen Genossen allsabbathlich einer den 1. Marz 
1371 von dem Meissener Markgrafen gestifteten Messe 
am Marien- und Maternialtare in der Kreuzkirche bei- 
wohnen musste (rectori scolarium, ut cum sociis intersit), 

AUein einestheils kann es sich hier kanm um Knaben, ihre Ztich- 
tigung Oder gegenseitige Kraftyrobe handeln, sondem um erwachsene 
Schiller, anderntheils ergiebt sich aus der Citation des Schulmeisters 
durch den geistlichen Richter die juristische Natur der betr. FaUe. 
Dasselbe gilt, wenn endlich noch die K R 1471/2 von einem „ Schrei- 
ber", d. i. einem erwachsenen Schtiler und Lehr- u. Pfarrgehilfen er- 
zahlen, der bei einem Vergehen wider das 6. Gebot ertappt worden 
war und, wie Meltzer 52 angiebt, „nach Stolpen (zum Bischof) ge- 
bracht" wurde. — Vergl. unten S. 265. 

^*i) K R 1475/6: „Hanns stadtknecht vorczert zcu meynen 
gnedigen hem von wegen der ungehorfsamen schulem . . . . 8 gr. 6 pf. 
eym botten keyn Leipczk an dy doctores belangende die ungehorisam 
schuUer mit czwehen fragen." Meltzer 52. 

1*2) Tittmann, Heinr. d. Erlauchte I, 294. 



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Die Anfilnge des sachsischen Schulwesens. 247 

voiii Altaristen jahrlich ein Schock Groschen, seine Ge- 
nossen (sociis scolae) fiir jedes Bad am Sabbath 2 Gro- 
schen; nach einer Stiftung eines Lor. Busman fiir die 
Kreuzkirche vom 28. Mai 1398 sollte gegeben werden 
„dem schulmeister czu Dresden vnde sinen gesellin vier 
schog grosschin, ein schog eyger ynde vier hunre" 
(1 Schock Groschen zu jedem Quatember, Eier und Htih- 
ner zu Michaelis), „darvmbe sie daz Salve regina mit den 
schulern in der cappellin czum heiligin crucze alle tage 
so bie der sunnen vndirgange singen sollin vnde darczu 
die antiphona von dem heiligin crucze crux." ^^^). In 
sehr guten Verhaltnissen muss sich der oben genannte 
Schulmeister Franz befunden haben ; er besass in Dippol- 
diswalde ein Haus als Erbe, das er nach Urkunde vom 
29. Sept. 1419 den Dresdner Franziskanern zur Wohnung 
eines Terminirers „vmb gotis willen gegebin had"; er 
war (11. JuU 1394) ein „erbhere" der Badestube in der 
Schreibergasse zu Dresden ^*^); er stiftete oder renovierte 
wenigstens in der Kreuzkirche 2 Altare: einen zu Ehren 
des Laurentius, Donatus, Hieronymus und der Elisabeth, 
den andem zu Ehren des heil. Kreuzes, und stattete sie 
reichlich aus^*^), und er erkaufte (21.1)ez. 1418) Zinsen 
und Gefalle zum Besten einer alle Dienstag abzuhalten- 
den Kreuzmesse (in der Kreuzkirche)^*®). Eigenthiimlicher 
Weise richtete sich sein so wohlthatiger Sinn nicht auf 
die ihm am nachsten liegende Schule — eine Erfahrung, 
die wir im Mittelalter mehrfach machen (s. u.). 

Die Dresdner Schule war wohl schon in der altesten 
Zeit da errichtet, wo sie im 14. Jahrh. erscheint^*'), bei 
der Kreuzkirche. Fiir ihre Fenster ist zuerst 1388 eine 
Ausgabe verzeichnet, desgl. um 1396 „den estrich vf der 
schule czu sclohen 24 gr." ^*^). Ausserhalb der Stadt- 
mauer besass die Schule auch einen eigenen Spiel- und 



1*8) S II. V, 57. 58. 101. 

1^) C S 11. V, 291. 94. 

^^) C S n. V, 91 (Urk. V. 25. Nov. 1391). 142 (26. Sept 1425) ; 
vergl 134. 

i*«) S II. V, 137 

1*') C S 11. V, 92 (Urk. v. 24. Mai 1393). Sie mit Meltzer 
S. 7 anfangUch auf die Schreibergasse zu verlegen, dazu erbUcke 
ich in dem blossen Namen dieser Gasse nicht geniigenden Grund. 
Denn lener Name riihrt schwerlich nur von Schlilem her, wie M. 
vermuthet, sondem wohl von wirklichen Lohnschreibern , Stuhl- 
schreibem oder privaten deutschen Schreiblehrem. 

1*8) C S IL V, 77. Meltzer 8, Anm. 14. 



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248 Johannes Mtiller: 

Tummelplatz far die Schtiler und zwar sogar ein Gebaude, 
dessen zuerst in der Baurechnung vom Jahre 1410 wie- 
derholt gedacht wird: „der schuler schimpfhaus vor 
der Stat", an das offenbar „der schuler g art en" vor 
dem Frauenthore, den die Zinsamtsreclmungen von 1413 
an auffuhren, unmittelbar angrenzte ^^®). Dass in Dresden 
nicht, wie anderwarts^*^^), nur der Kirchhof unter strenger 
Aufsicht zu Spiel und Kurzweil der Schuler benutzt 
wurde, das hangt offenbar mit der Lage des Schulhauses 
(nicht bei dem Kirchhofe der Frauenkirche, sondem an 
der Kreuzkirche), mit der wohl schon in alter Zeit vor- 
handenen Beschranktheit der Platze in der Umgebung 
der Kreuzkirche und mit der freieren, weniger klerikalen 
Artung der Schule zusammen, wie sie die stftdtische Lei- 
tung und Verwaltung mit sich brachten. 

tJber die Zahl der Schuler wissen wir nichts ge- 
wisses, Gering kann sie nicht gewesen sein, da sich 
unter ihnen schon eine betrachtliche Schaar erwachsener 
hervorhebt; sie fuhren im 15. Jahrh. meist den Namen 
„Schreiber". Und wenn in der Jahresrechnung des 
Brtickenmeisters von 1388^^^) unterm Johannistag der 
„rector scholarium cum 18 sociis" figuriert, so konnen 
letztere bei ihrer grossen Zahl nicht die spftter „Ba'Cca- 
larien" genannten und von den „anderen Gesellen" unter- 
schiedenen^^^), vom Schulmeister angenommenen, eigent- 
lichen Lehrer sein, sondem eben nur solche altere, auch 
„Schreiber" genannte Schuler, welche tiber. einzelne 
Schiilerabtheilungen (Locatien) als Aufseher, Uberhorer 
des Lemstoffs u. dergl. gesetzt wurden, daher auch „Ge- 
sellen" des Schuhneisters hiessen und gelegentlich niedere 
Kirchendienste verrichteten und als Scholaren im engeren 
Sinne (s. oben S. 37) fungierten ^^*). 

**^) Meltzer 53. 0. Richter, Verfassungs- u. Verwaltungs- 
gesch. d. St. Dresden I (Dresd. 1885), 11 f. 32. 

1"^) So nach den Schulordnungen von Wien 1446, von Bayreuth 
1464, Crailsheim 1480, Landshut 1492 n. 5.; nach dem ^Latinum 
ideoma" v. Paul Niavis um 1500 auch in Chemnitz. Vergl. meine 
Vor- und fruhreformator. Schulordnungen und meinen Artikel : „Die 
Memminger Schulordnung v. 1513 — 1514'* in K. Kehrs Pftdagog. 
Blattem f. Lehrerbildungsanstalten XIV (Gotha 1885), 470 f. 

'^^) C S 11. V, 76. 

*^2) K R 1451/2: „24 gr. gegeben den baccularien unde den 
andern gesellen, die den Salter loisen [Psalter lesen] vor unsers her- 
gots [Christi] grabe". Meltzer 27. 

^^^) Den 28. Mai 1898 werden unterschieden der ^schulmeister", 
„sine gesellin" und die „schuler'* (C S U. V, 101). Nach der K R 



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Die Anf&nge des sS^hsischen Schnlwesens. 249 

Auf den Unterrichtsbetrieb in der Dresdner 
Schule des 14. Jahrh. erlauben einen Etickschluss die 
Aufzeichnungen in der Vormundschaftsreclmung fiir einen 
Burgerssohn, den Jungen Schonerst", aus den Jahren 
1425—32^^*). Im Jahre 1425 ward fiir diesen angeschafft 
ein „Benedicite", d. h. die meist vom Schnlmeister 
Oder seinen Gehilfen geschriebenen, aus Luthers kleinem 
Katechismus als Benedicite und Grratias bekannten und 
schon im 9. Jahrhundert nachweisbaren Tischgebete, fiir 
2 Groschen; femer im Jahre 1426 ein Don at, d. i. die 
in Frage und Antwort abgefasste lateinische Pormenlehre 
des Grammatikers Aelius Donatus in Eom (um 350 n. Chr.) : 
Donati de partibus orationis ars minor, fiir 20 Groschen. 
Es folgten 1427 „eyne regele", d. i. die elementare 
lateinische Formen- und Konstruktionslehre eines wohl 
aus Elorenz stammenden Benediktiners Remigius (f 1312), 
gewohnlich betitelt „regulae pueriles Remigii", fiir 1 Gr. 
und „eyn buch genant prima pars^, d. i. der 1. Theil des 
„Doctrinale puerorum" des aus Villa dei (j. Ville-Dieu 
des Poeles) gebiirtigen, spater die Wiirde eines Stifts- 
herm von S. Andr6 zu Avranches in der Normandie be- 
kleidenden Klerikers Alexander (um 1200), einer in 2660 
leoninischen Hexametern abgefassten und in 12 Kapitel 
getheilten lateinischen Grammatik, deren 1. Theil (Kap. 
1 — 7) in 1082 Versen die Declination, Heteroclita, Com- 
paration. Genera (der Nomina), sowie die Perfecta und 
Supina, Defectiva und Anomala und die 4 Formen der 
Zeitworter behandelt. Auch ein „Katho" wurde noch 
1427 nothig (mit der „prima pars" zusammen fiir 7 Gr.); 
es ist das wegen seiner einfachen kurzen Lebensregeln 
(56 breves sententiae) in aUen mittelalterlichen Schulen 
beliebte, in Prosa geschriebene kleine Schulbuch, das 
falschlich den Namen des durch seine Sittenstrenge be- 
kannten Homers Oato Censorinus tr^gt und vielfach einer 
im 3. — 4. Jahrh. n. Ohr. in 4 Blichem zusammengestellten 
Sammlung von Sittenspriichen (Disticha Oatonis de mori- 



von 1407 lasen Andreas (Schulmeister) und „syne geseUen" (fiir 18 gr.) 
den Psalter in der Marter(Kar-)woche und erhielten 24 gr. „von dem 
Salter czu lesen von dem grabe vnfses heren"; desgl. 1412 zu Ostem 
die ,schriber" 24 gr. „von dem Salter zcu lefein", desgl. 1429 die 
„locaten, dy do haben den Salter gelesen obir dem grabe" 24 gr. 
Meltzer 27; vergl. 51 (die „Schreiber" erhalten 1494 Geld fiir das 
Lauten, erbitten 1451 Geld zur Osterkerze u. s. w.). 52. 23. 

^^) Rathsarchiv Dresden A XV b 40 Bl. 16b flg. Meltzer 16 f. 



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250 Johannes MttUer: 

bus ad filium) voraufgesetzt, meist aber fiir sich allein 
verbreitet und verwerthet wurde. In den Jahren 1431 
bis 1432 brauchte der jrnige Schonerst noch 2 Biicher (fiir 
10^/2 und 6^2 Grr.), welche leider nicht naher bezeichhet 
sind, aber vielleicht der 2. und 3. Theil des Doctrinale 
Alexandri waren, d. h. jene Theile, von welchen der 
eine das 8. und 9. Kapitel (Vers 1083 — 1558) des Doctri- 
nale und darin die Rektions- und Konstruktionslehre, der 
andere das 10. Kapitel (Vers 1559—2294) mit der Quan- 
titatslehre umfasste. Samtliche Schulbticher waren in 
lateinischer Sprache geschrieben und sind die in den ge- 
wohnlichen lateinischen Schulen des 13. — 15. Jahrh. tib- 
lichen^*^), die schon oben S. 7 tlieilweise beriihrt worden 
sind und denen wir in Bautzen (i. J. 1418) wieder be- 
gegnen werden. 

Aus der Zeit der fiir diese Schulbiicher gemachten 
Ausgaben und ihrer Aufzeichnung fallt auch zum ersten- 
male einiges Licht auf die Dauer des Schulbesuchs in 
Sachsen. Der junge Schonerst ging darnach und well 
fiir ihn zu Michaelis 1434 zum letztenmale das Schul- 
geld bezahlt worden ist, vom Jahre 1425 bis 1435 un- 
unterbrochen zur Schule, also 10 Jahre lang. Da schon 
im 14. Jahrh. gewohnlich mit dem voUendeten 7. Lebens- 
jahre der Eintritt in die Schule erfolgte, so dtirfte der 
Abgang des gen. Schtilers in sein 17. Lebensjahr gefallen 
sein. Und diese schonen Jugendjahre wurden im Schul- 
unterricht vorwiegend mit der Erlernung — oder richtiger 
dem Einpauken — trockener lateinischer Formen, Regeln 
und Distinctionen und entsetzlich langweiliger, schwtils- 
tiger Verse grammatischen und metrischen Inhalts hin- 
gebracht! Die Humanisten und Reformatoren haben 



155 j Vergl. meine QueUenschriften und Geschichte des deutsch- 
sprachl. Unterrichts bis zur Mitte des 16. Jahrh. (Gotha 1882) S. 208 f. 
218 flg. 259. 214 flg., sowie den oben sub 160 citiert. Art. in Kehrs 
pad. Bl. S. 382; ferner K. J. Neudecker, Das Doctrinale des 
Alexander de Villa -Dei (Leipzig. Inaugur.- Dissert, Pima 1885) 
S. 5 flg. — In einer fiir den jungen Fabian Eomchin in Dresden vom 
J. 1434—38 gefuhrten Eechnung (Meltzer 16 f.) sind abgesehen von 
den beiden ersten, dem „Benedicite" u. „Donat", dieselben Schul- 
bticher verzeichnet, nur dass da der 1 . Theil des Doctrinale Alexandri, 
wie auch anderwarts regelmassig, nicht schon, wie oben, gleichzeitig 
mit dem Cato, sondern erst spater erscheint. Im J. 1434 wurden 
namlich ausgegeben fiir „eine regel vnd Kathonem* 15 Grosch., 
1436 fiir ,eyn buch genant prima pars'* 8 Grosch., 1437 fiir „eynen 
Alexandrum'' (wohl 2. u. 3. Theil des Doctrinale) 16 Gt. und fiir 
noch „eyn buch" 3 Groschen. 



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Die Anfftnge des sachsischen Schulwesens. 251 

wenigstens fiir das 14. Jahrh. und die 1. Halfte des 15. 
Recht, wenn sie die lateinischen Schulen Marteranstalten 
und „carnificinae" nannten. 

Gehen wir in der chronologischen Polge der sach- 
sischen Schulen weiter, so kommt im Jahre 1304 iji 
Lossnitz am Eusse des Erzgebirges ein „0h. vice- 
plebanus in Lesnitz sacerdos rector scholarum ibidem" 
vor und zwar als 1. Zeuge in einer Urkunde des Burg- 
grafen Meinhard von Meissen ^*^). Er war, da er sich 
vor allem stellvertretender Pfarrer und Priester nennt, 
iibrigens auch die Ansiedelung von M5nchen in Lossnitz 
durch ein Privilegium des Burggrafen Meinhard von 
Meissen vom 19. Febr. 1284 geradezu verboten war, offen- 
bar der Leiter einer Pfarrschule, vielleicht einer, die 
sich schon zu einer Stadtschule erweitert hatte. 

Als Stadtschule sicher nachweisbar, die zweitWteste 
Sachsens neben der Dresdner, ist die Schule zu Zittau. 
Zum erstenmale wird ihrer den 24. Mai 131(J in einem 
Vertrage des Rathes mit den Kreuzherren gedacht ; die- 
selben traten damals der Stadt einen ihnen gehorigen 
Platz neben der Schule (area sita circa scholas) ab^^'). 
Dass letztere unter stadtischem Patronate stand, lasst 
schon der Umstand vermuthen, dass der erste bekannte 
Schulmeister Zittaus „Chunradus magister scole" den 
21. August 1312 als Zeuge unter den 12 Geschworenen 
(juratis) der Stadt (und zwar als 6.) auftritt^^^); es erhellt 
aber zweifellos aus einem Vertrage vom Jahre 1352, worin 
sie der Rath ausdrlicklich als „vnsere stadtschule" 
bezeichnet und sie unter Wahrung aller seiner Rechte 
der Leitung des Johanniter-Komthurs unterstellte, weil 
dieser „sich besser verstehet, welch meister zu der schul 
ttichtig sey". Der Komthur soUte die Schule dem Schul- 
meister „reichen, um dafs er [der Schulmeister] auch 
furcht vor ihm [dem Komthur] haben m5ge, dafs er den 
chor und auch die schule halte nach ehren und nach 
weifsheit und auch nach rechte" ^^^). Der erste bekannte 



^^) G, F. Oesfeld, Hist. Beschreibung einiger merkwtirdiger 
Stadte im Erzgebirge, insonderheit . . . LSssnitz I (Halle 1776), 184. 

!»') G. KOhler, Cod. diplom. Lusat. I^ (GOrlitz 1856), 196. 
Th. Gartner, Die Zittauer Schule bis z. Grtindung des Gymnas. 
(in d. Festschr. d. Gymn. 1886) S. 2. 

1S8) G. Kohler, Cod. diplom. Lusat. II (GSrIitz 1854), 98 
(v. G&rtner iibersehen). 

I'^o) Meine Vor- u. fruhref. Schalordn. I, 23 f. 



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252 Johannes Mtiller: 

Schulmeister Zittaus, jener Chunradus, hat moglicher- 
weise sein Amt ziemlich lange innegehabt ; denn auch im 
Jahre 1327 war ein Conradus „magister scholarum". Im 
Jahre 1363 erscheint Petrus Zwicker von Wormditt (bei 
S^onigsberg in Preussen) als Leiter der Schule, der dann 
1381 in das Coelestinerkloster auf dem Oybin als Prior 
eintrat^®^). Die Schule muss damals eine betrachtliche 
Schulerzahl gehabt haben; denn noch gleichzeitig mit 
Zwicker war Conrad Weissenbach aus Eschwege in 
Hessen drei Jahre lang Locat (Unterlehrer) und Suc- 
centor^®^). Beide Lehrer stammten also, wie das bei 
dem Wanderleben von Lehrern und Schulern in jener 
Zeit nichts Seltenes war, aus weiter Perne, ebenso der 
Nachfolger Zwickers, Mag. Johann de Luberosa (Liebe- 
rose nordlich von Kottbus), der 1403 Kaplan in Zittau 
wurde^®^). — Dass es an armen Schulern in Zittau nicht 
fehlte, belegt ein Vermachtnis einer Katharina Hoffmann 
vom Jahre 1397; dieselbe legierte 6 Schock Prager Miinze, 
„davon fiinf Stuck Tuch zu kaufen imd die mit einander 
auf einmal armen Schulern in der Schule nach bestem 
Gewissen und Verstande auszutheilen" ^®^). 

Ahnlich wie mit der Lossnitzer Schule verhalt es 
sich auch mit den beiden auf die Zittauer zeitlich fol- 
geiiden Schulen zu Reichenbach und Plauen im Vogtlande. 
Unterm 28. Pebruar 1315 wird als Zeuge in einer das 
Deutschordenshaus zu Reichenbach betreffenden Ur- 
kunde und an letzter Stelle nach den Deutschordens- 
briidem, aber ohne die Bezeichnung „frater" ein H. [d. i. 
wohl Heinrich] Priester und Rektor der Kleinen („sacer- 
dos rector parvulorum ibidem") genannt^®*). Vier Jahre 
spater erscheint der alteste bekannte Schulmeister von 
Plauen: „Mag. H. rector parvulorum de Plawe" in einer 
Urkunde vom 24Pebr. 1319, gemass deren er dem deut- 
schen Orden 25 Mark Silbers schenkte — ein Zeichen 
eines gewissen Wohlstandes — , damit fiir ihn in der 



180) Gartner S. 3. Vergl. dazu uber Zwicker C S II, VU, 243 
u. Moschkau, Oybin-Chronik S. 139. 

i<*0 Gartner S. 5 lasst ihn v. 1370—81 in Zittau amtieren; das 
stimmt nicht zu den „tribus annis" in der Aufzeichnung v. J. 1395 
im S II, VII, 243. Im J. 1395 wurde Wiszinbach Stadtschreiber 
in Zittau, zuvor war er 11 Jahre Rektor u. Stadtschreiber in L6bau, 
3 Jahre vorher Succentor [2. Kantor neben dem zugleich das Kantorat 
verwaltenden Schulmeister] in Zittau. 

i«2) Gartner S. 3. — i«3) Gartner S. 7. 

^^) Meine Mittheil. d. Alt.-Ver. z. Plauen IV 0884), Urk. Nr. 64. 



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DieAnfange des sachsischen Schulwesens* 253 

Kirche zu Adorf Seelmessen gehalten wtirden^®^). In 
Plauen, dessen erste Kirche (S. Johannis) im Jahre 1122 
gegriindet worden ist, hatte der deutsche Orden im Jahre 
1224 die Kirche mit allem Zubehor von Vogt Heinrich 
von Weida geschenkt erhalten, ebenso den 28. Febr. 1265 
Kirche und Patronatsrecht in Reichenbach vom Vogte 
zu Plauen. Da nun noch in den Deutschordens - Gtilte- 
registern vom Jahre 1448 (im St.-Arch. Konigsberg) aus- 
drucklich'je „1 schulemeistir" in Reichenbach und Plauen, 
fiir Plauen auch ,,1 schulerbruder" (Scholar im engeren 
Sinne), als zu den dasigen Deutschhausern gehorig auf- 
gefiihrt wird, schwerlich aber an diesen Orten mehrere 
Schulmeister zugleich amtiert haben, so diirften die 
Schulen beider StSldte Stiftungen des deutschen Ordens 
sein^®®), der ja ohnehin im Vogtlande wie nirgends sonst 
in Sachsen sesshaft und einflussreich war. Sie waren 
offenbar zunachst Pfarrschulen. Doch muss nach ander- 
weiten Nachrichten ein Conpatronat des Stadtraths, 
wenigstens ftir Plauen, angeriommen werden und der 
Schulmeister ebenso im Dienste der Stadt wie des 
deutschen Hauses gestanden haben.- Am 24. Juli 
1382 war der „Rector scolarum" Friedr. Eybanger aus 
Niirnberg, der sich 1388 „magister artium liberal." etc. 
nennt, zugleich Stadtschreiber (prothonotarius) und legte 
auf blirgermeisterlichen Befehl ein Privilegien- und Zins- 
buch an, ebenso den 23. Marz 1388 ^«'). Diese Ver- 
einigung des Stadtschreiber- und Schulmeisteramts 
ist bei Rektoren, die des Lateinischen kundig waren, also 
die im 14. Jahrh. noch vielfach lateinisch ausgestellten 
Urkunden lesen oder anfertigen konnten, nicht selten, in 
Sachsen aber fiir das 14. Jahrh. ausser bei Plauen nur 
noch bei L5bau belegbar. Auf den Unterricht der 
Schiller war diese Vereinigung sicher nicht ohne Ein- 
fluss; er wurde mehr auf das praktische Bediirfnis des 
Lebens gewiesen und gestattete der sogen. „ars dicta- 
minis" Oder dem Formularschreiben, d. h. der Anleitung 
zur Anfertigung von allerhand Geschafts- und sonstigen 
Brief en und Schriftstiicken und jedenfalls auch in deut- 
scher Sprache, der sogen. deutschen Rhetorik, mehr 
Raum^®^). Im iibrigen mogen die Ziele der beiden vogt- 

^«») Mitth. d. A.-Ver. Planen H (1882), Urk. Nr. CO. 
*««) Ebenda I (1880), S. 33 f. Vogtl. Anzeiger 1884 Nr. 248, S. 2. 
!«') Mitth. d. A.-Ver. Plauen V (1885), Urk Nr. DXXVni. 
"») Meine Quellenschriften etc. S. 358 fig. 



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254 Johannes Mtiller: 

landischen Schulen, ebenso wie die der Dresdner und 
Zittauer Schule, die der oben beschriebenen „kleineii 
Schulen" gewesen sein. Beachtlich ist auch der Umstand, 
dass der Plauensche Rektor Eybanger ein an einer Uni- 
versitat rite promovierter Magister war, der erste sach- 
sische Schulrektor dieser Art, und dass er aus Numberg, 
dieser fiir alles Eeale wie Ideale damals gleichmassig 
empfanglichen Stadt stammte, nicht minder, dass er sein 
Amt so lange Jahre hinter einander verwaltet hat: die 
Zeit des steten Rektorenwechsels und die Praxis der 
Bestallung der Schuhneister auf nur ein Jahr scheint in 
Sachsen im 14. Jahrh. noch nicht angefangen zu haben. 
Vergl. nachher Lobau. 

Gleichen Alters, wie die alteste Nachricht ttber die 
zwei vogtlandischen Schulen, ist die. liber die Schule zu 
Pirn a. Die erste Kunde von ihrem Vorhandensein giebt 
der Vertrag, in welchem ein zwischen dem Dominikaner- 
kloster zu Pima und dem dortigen Stadtpfarrer Albert 
ausgebrochener Streit den 30. Marz 1317 beigelegt worden 
ist. Da ward u. a. den Monchen das Recht zugestanden, 
bei sich jeden zu beerdigen, der es wlinsche; aber zu- 
gleich ward dem Pfarrer das Recht gewahrt, den Leichen- 
zug bis zur Klosterpforte zu veranstalten unter Beglei- 
tung von Schtilern („cum processione scolarium"). Ebenso 
ist am 8. Sept. 1335 von „den schulern" die Rede, mit 
welchen arme elende Leute „czu der kirche vnd czu 
deme grabe" gebracht werden; „deme schulemeistir" soil- 
ten dafiir von einem Stiftungskapital jahrlich 10 Groschen 
gezahlt werden; 2 Groschen wurden demselben noch zu- 
gewiesen fiir seine Anwesenheit bei dem damals gestif- 
teten Jahrgedachtnis fiir einen Pimaischen Biirger und 
sein Eheweib^®®). Das sind die einzigen Mittheilmigen 
iiber die Schule zu Pima aus dem 14. Jahrh. Zu dem 
Dominikanerkloster hat dieselbe gemass der Urkunde vom 
30. Marz 1317 offenbar in keinem Abhangigkeitsverhalt- 
nisse gestanden, sondern war wohl eine Pfarr- oder 
Stadtschule. Lag sie doch auch nach einer Urkunde 
vom 20. Marz 1436 gleich bei der Pfarrkirche und zwar 
wohl seit alter Zeit^'^). Ob das Oistercienserkloster 



i«») C S n. V, 472 u. 350. Vergl. R. Hofmann, Die kirchl. 
Zustande d. St. Pirna vor d. Einftlhrung d. Reformation i. J. 1539 
(Pima 1887, Realschulprogr.) S. 87. 

I'O) S n. V, 417. 



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DieAnfenge des sachsischen Schulwesens. 255 

Ossegg in B5hmeii, welches i. J. 1331 Patron der Pfarrei 
Pirna wurde^'^), auf die Schule Einfluss hatte, ist unbe- 
kannt. 

Am 19. Nov. 1320 begegneu wir der ersten Juden- 
schule und zwar an demselben Orte, von wo die Ge- 
schichte des sachsischen Schulwesens ihren Anfang ge- 
nommen hat: in Meissen ^'^). Hier horen wir im Jahre 
1286 (den 6. Juli) von einem Judenberge; aber schon 
fruher hatten sich die Juden in der Markgrafschaft 
Meissen des Handels angenommen und trieben solchen 
auch verbotener Weise, so dass in der Fiirstenversamm- 
lung im Jahre 1009 dem Markgrafen Gunzelin von 
Meissen vorgeworfen wurde, er habe Leibeigne an Juden 
verkauft^'^). Im Laufe der Zeit mehrte sich ihre Zahl, 
so dass Markgraf Heinrich im Jahre 1265 eine allgemeine 
Judenordnung erliess, zu einer Zeit, wo man sonst sehr 
wenig an allgemeine Gesetze dachte^'*). Die Stadt Meissen 
wurde die Metropole der Juden in den Marken Meissen 
und Osterland. Seit der 2. Halfte des 14. Jahrh. fiihrten die 
Markgrafen sogar den sogen. Judenkopf als Helmschmuck, 
wozu wohl die ihnen von den Kaisem bestatigte Berech- 
tigung zur Austibung des Judenschutzes und die Beleh- 
nung mit den damit verbundenen Einkiinften, dem Juden- 
schatze, aus der 1. Halfte des 14. Jahrh. Anlass gegeben 
hatten ^'^). Unter diesen Umstanden und bei dem noch 
heute beachtlichen Bildungsstreben der Juden ist es nur 
natlirlich, wenn wir im Jahre 1320 jene Judenschule an- 
treffen. Naheres liber ihre Griindung und Einrichtung 
wissen wir nicht. Wenn W. Schafer Recht hat, so war 
es eine der bedeutendsten jiidischen Lehranstalten, „in 
welcher jtidische Gelehrte und Rabbiner gebildet wurden" ; 
dann ware es ein „studium generale" ^'®), wie es im 15. 



"1) C 8 n. V, 342 f. 345 f. 855. 376 f. Hofmann S. 14 f. 

*'2) C S n. I, 311: scola Judaeorum contra Albim. 

"8) C S 11. IV, 124. — Posse, D. Markgraf. v. Meissen S. 299. 

*'*) Gedruckt bei K. Sidori, Gesch. der Juden in Sachsen 
(Leipzig 1840), S. 140 flg. 0. Stobbe, Die Juden in Deutschland 
wfihrend des M.-A's. (Braunschweig 1866) S. 305 f. Vergl. Titt- 
mann I, 393 f. 

^'^^) Urk. Ludwigs IV. f. sein. Schwiegersohn, Markgr. Friedr. 
den Emsten v.. 13. Apr. 1330. Vergl. G. Klemm etc., Sachsengrtin 
1. Bd. (Dresden 1861) S. 24 u. 42. Mitth. des V. f. Gesch. d. Stadt 
Meissen I, 3, 20 flg. 

"«) Bei Klemm, Sachsengrtin S. 42. 



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256 Johannes Muller: 

Jahrh. Regensburg besass^"), ein sogen. grosses Lehr- 
haus gewesen, welches nach einer alten jfidischeh Schul- 
ordnimg aus dem 12. — 13. Jahrh.^'^ am Sitze der Landes- 
regierung bestehen und durch Steuern der jtidischen 
Einwohnerschaft erhalten werden sollte; in solchen An- 
stalten sollten vom 13., bez. 16. Lebensjahre an abgeson- 
dert im Alumnate lebende Jiinglinge 7 Jahre lang eine 
theologisch-juristische Bildung erhalten und die sogen. 
grossen Traktate (Talmud) lemen; sie dienten sowohl als 
Bildungsanstalten fur Lehrer als auch sollte die Rechts- 
pflege fur die israelitische Gemeinschaft von ihnen aus- 
gehen. Wahrscheinlicher war die Meissener Judenschule 
nur ein sogen. kleines Lehrhaus, welches nach jener Schul- 
ordnung liberall in anderen Stadten in Verbindung mit 
dem Bethause erbaut werden sollte. Darin erlangten 
Knaben vom 5. (bis 8.) Lebensjahre an 7 Jahre lang den 
im Mittelalter ausschJiesslich religios gearteten oflfent- 
lichen Ilnterricht, bestehend in der Kenntnis des Leseus 
(und Schreibens?), der Lekture, Ubersetzung und Einpra- 
gung der leichteren religiosen Schriften (2 Jahre Thorah 
[5 Biicher Mose], 2 Jahre Propheten und Hagiographen, 
3 Jahre die kleinen Traktate [Mischna]). Je 10 Knaben 
Stan den allemal unter einem Lehrer, der tftglich die- 
selben 4 — 5mal zu unterrichten und wochentlich, monat- 
lich und semesterweise Generalrepetitionen und Priifungen 
anzustellen hatte, alle Lehrer unter einem Rektor, der 
bis 100 Schiller annehmen, diese aber nicht selbst unter- 
richten, sondern nur die Lehrer (Repetenten) zu beauf- 
sichtigen und ihnen taglich zweimal instruierende Voi*- 



*'') Gem einer, Reichstadt Regensburgische Chronik (Regensb. 
1800—24) III, 617. Urk. v. 1478: stud, generale . .. hincque factum 
est, ut ipsi reliquoram in natione Germanica Judaeorum veluti doc- 
tores et patres evaserint. — Stobbe S. 80. — Nach Bavaria, 
Landes- u. Yolkskunde d. Kgr. Bayem II (Mttnchen 1863), a82 zahlte 
die Regensburger Judenschule i. J. 1519 bei der Judenvertreibung 
tiber 80 Schttler. 

"8) ^Das Buch der alten Gesetze der Lehre" bei M. GUde- 
mann, Gesch. des Erziehungswesens u. der Kultur der Juden in 
Frankreich u. Deutschland v. 10.— 14. Jahrh. (Wien 1880) S. 93 flg. 
(deutsch); S. 267 flg. (hebra.). Vergl. die Verbesserungen in Text, Uber- 
setzung, Zeitbestimmung durch Virt bei Z. Frankel-H. Graetz, 
Monatsschrift f. Gesch. u. Wissensch. des Judenthums, XXIX (1880), 
428 flg. u. durch D. Kaufmann i. GOttinger gelehrt Anzeig. 1881, 
Stuck 52, S. 1648 flg. 



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Die Anfange des sachsischen Schulwesens. 257 

trage zu halten hatte^'^). — Den 16. Okt. 1349 wird die 
Judenschule zu Meissen nochmals urkundlich erwahnt^^^), 
und den 25. Nov. 1377 wurde „dy iudenschule, dy do 



179^ Yergl. ausser den „Gesetzen der Lehre" bei Gtidemann 
noch S. 117 flg. — Eine Synagoge im engeren Sinne, wie man 
nach Grimm's Deutsch. WSrterb. iV, 2. Abth Sp. 2356 meinen kSnnte, 
ein blosses Bethaus kann die Meissener „ Judenschule" nicht gewesen 
sein, da die Juden auf die Lehre das Hauptgewicht legten u. es fiir 
ein frommeres Unteraehmen gait, Geld fur Unterrichtszwecke, als far 
die Erbauung von Gotteshausern zu spenden, und demgemass offent- 
liche Schulen von den Juden des M.-A's. tiberall unterhalten wurden 
(Gudemann 117; vergl. bei B. Strassburger, Gesch. d. Erzieh. 
u. d. Unterr. bei den Israeliten bis auf d. Gegenwart [Stuttgart 18851, 
S. 114 f. das jtidiseh-kastilian. Gemeindestatut v. J. 1432, womacn 
jede Gemeinde von 15 Familien einen Jugendlehrer, jede Gemeinde 
von 40 Familien einen Talmudlehrer anstellen sollte; ausserdem 
ebenda S. 100 f. u. 135). Und wenn Luther das griech.-biblische 
Wort Synagoge mit Judenschule verdeutscht, so muss zu seiner Zeit 
und im M.-A. unbedingt etwas Schulartiges dagewesen sein, und die 
Synagoge, die schon in altjudischer Zeit nicht bloss zum Gottesdienste, 
sondern als ^Gemeindehaus* . diente (E. Riehm, HandwQrterb. d. 
bibl. Alterthums, Leipzig 1884, 11, 1594 u. fitrassburger S. 16), 
ausser den Zwecken des Gottesdienstes und der Rechtspflege auch 
denen des Unterrichts gedient haben, falls nicht unmittelbar mit ihr 
ein besonderes Lehrhaus verbunden war (vergl. u. a. die zwei Juden- 
schulen und Synagogen zu Erfurt und Halle in d. Urk. Kaiser 
Eriedr. IIL v. 18. Marz 1467 bei J. C. v. Dreyhaupt, Beschr. des 
Saalkreises, Halle 1755, II, 501 u. M. Wiener, Regesten z. Gesch. 
d. Juden in Deutschl. im M.- A., 'Hannover 18B2, S. 158, 163 u. o.). 
In armeren Gemeinden musste dann ein und derselbe Beamte die Ge- 
schafte des Rabbi, Lehrers und Vorbeters versehen (Gudemann 
J 15). — Was Grimm, Weigand, Lexer etc. in ihren deutsch. u. mhd. 
Worterbiichern im Artikel Judenschule sa^en, ist sehr unzureichend. 
Aus den angezogenen Belegstellen, soweit sie nicht Luthers Bibel- 
iibersetzung entnommen sind (bei Grimm die alteste v. 28. Eebr. 
1436, bei Lexer, bez. Weigand v. 15. Nov. 1387 u. Apr. 147«), 
ergiebt sich schon, dass die ^Judenschule" als Gerichtsstatte diente, 
wie es der 8. Artikel der (latein) Meissener Judenordnung v. 1265 
ebenfalls voraiissetzt. Fur die Bedeiitung des Wortes „ Judenschule** 
im Sinne einer offentl. Lehranstalt spricht ganz klar ein Numberger 
Rathserlass v. 31. Aug 1406, worin befohlen wurde, dass „fiirbasz 
ze Ntimberg dhein judenschule nit sein sul**, , der Rabbi entlassen 
werden und die jiidischen Burger ihre Kinder privatim in ihren 
HSusein unterrichten lassen sollen (s. ,meine „Schulordnungen etc.** 
If, 270 f.; iibrigens wird damals die Judenschule auch als das 
„gemein haws'* bezeichnet). Erinnert sei auch. noch an den „Ysaack 
Jude kindelerer** im Bedebuch v. Frankfurt a. M. v. 1462 (G. Kri^gk, 
Deutsch. Biirgerthum im M.-A., N. Folge, Frankf. 1871, S. 359, 62) 
und an den Priester „jQhannes Jodinschuler** in Pima (d. 23. Febr. 
1418 im C S II. V, 394 f.) oder den Rathmann „Niclaus Juden- 
schuler" ebenda (15. Febr. 1415, ebenda 390, vergl. 510). 

180) C S II. I, 368. 

Neues Archir f. S. Q. a. A. VIII. 3. 4. 17 

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258 Johannes Mllller: 

gelegin ist in der pharre czu sente Niclaus, dye dy 
burgere mit allem rechte gehabt haben", vod Mark- 
graf Balthasar von Meissen mit Zustimmung der Burger 
dem Pfarrer zu S. Nikolaus in Meissen verliehen und 
gegeben, wfthrend der Pfarrer auf seine Ansprliche an 
die HofsMltten der Judenhauser zu Gunsten der Biirger 
verzichtete ^*^). Man mochte meinen, dass es sich bei 
letzterem Vergleiche um ein leer stehendes oder wenig- 
stens von den Juden nicht mehr gebrauchtes Schul- 
gebaude handelte, nicht bloss um den Niessbrauch der 
von der Schule zu entrichtenden Abgaben. Man mtisste 
dann annehmen, dass im Jahre 1348 oder 1349, wo Mark- 
graf Friedrich eine Judenverfolgung vomehmen liess^®^), 
die Meissener Judenschule aufgehoben und mit den an- 
deren jtidischen Gebauden offenes Lehen geworden sei. 
Die Meissener Burger konnten aber auch dadurch Rechte 
auf die Judenschule erlangt haben, dass zu einer Zeit, 
wo den Juden der Erwerb von Grundbesitz untersagt 
war, diese den Grund und Boden gegen einen Erbzins 
von den Btirgem erhalten hatten^®^). 

Am 24. Juni 1331 tritt in Bautzen, von dessen 
Stifts-Ohorschule schon oben S. 23 flg. die Rede war, als 
Zeuge in einer Schenkungsurkunde fiir das Domstift, der 
erste mit Namen bekannte Schulmeister auf: Petrus rec- 
tor scolarum in Budissin ^®^). Es ist nicht ersichtlich, 
was fur einer Schule dieser Rektor vorstand. Die Be- 
titelung lasst die Annahme einer Stadtschule zu, und 
dazu wiirde die Thatsache passen, die mit der Existenz 
einer vom Stift vollsttodig abhangigen ausseren Stifts- 
schule nicht wohl vereinbar ist, dass in den oben er- 
wahnten Konradinischen Stiftsstatuten vom Jahre 1372 
zwar mehrfach von Schulem die Rede ist, nie aber von 
einem Schulrektor, und die Schuler dem Stiftskantor, 



"*) OB n. IV, 85. Hasche, Dipl. Gesch. Dresdens, Urk.- 
Buch S. 285. 

i*«) VergL 0. Eichter, Verfassnngsgesch. der Stadt Dresden 
(Dread. 1885) S. 227. 

i8») Btobbe 169. So geschah es d. 27. Aug. 1500 zu Schwein- 
furt: das Eigenthum an der Judenschule und dem Judenldrchhof 
soUte der Stadt geh^ren, die Juden den Besitz haben. M. Wiener, 
Hegesten z. Gesch. der Juden in DeutschL w&hrend des M.-A*s. 1' 
(Hannover 1862), 211 Nr. 706. 

^^) Urk. im Domarchiv Bautzen. Herm. Knothe, Zur ftltest 
Gesch. der Stadt Bautzen, in dieser Zeitschr. Y (1884), 113. 



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Die AnfiLnge des sachsischen Schulwesens. 259 

der zuerst 1355 erwahnt sein solF^^), und seinen Provi- 
sores unmittelbar unterstellt erscheinen. Auch horen wir 
nie etwas von einer eigentlichen sogen. ausseren Schule 
beim Stift; wohl aber stellt sich im Anfange des 15. 
Jahrh. (1418) die Bautzener Schule als eine stadtische 
dar, so dass man annehmen muss, dass neben der Stifts- 
Chorschule sich eine offentliche Schule bei der Pfarr- 
kirche^®*) entwickelt hat. tJber die Kollatur dieser 
offentlichen Anstalt wurde im 14. Jahrhundert lange Zeit 
(dudum) zwischen dem Stiftskapitel, dessen Scholastikus 
wie anderwarts die Oberaufsicht und die Sporteln bean- 
sprucht haben muss, und dem Rathe der Stadt Streit 
geftihrt. Kaiser Karl IV. entschied denselben am 19. 
Juni 1364^®"') zu Gunsten des Kapitels; es wurde damals 
verordnet, dass die Wahl (electio) eines Schulrektors 
(rector scholae) dem Kapitel zustehe und dass dieses 
einen geeigneten Mann anzunehmen (assumere) habe, 
welcher dem Schulregiment vorzustehen vermoge und so- 
wohl der KJrche als den Knaben oder Scholaren (tam 
ecclesiae quam pueris sen scholaribus) nlitzlich sei und 
dieselben zweckmassig in Wissenschaften und Sitten un- 
terweisen (in scientia et moribus informare) konne, und 
dass die Knaben oder (sen) Scholaren gehalten seien, an 
alien Festtagen bei der Messe und der Vesper lediglich 
(duntaxat) in der Stiftskirche (also wohl nicht in der 
1293 begriindeten Marienkirche) anwesend zu sein. Es 
scheint aber, dass die Schule dem Einflusse des Stifts- 
kajpitels bald wieder weniger unterstellt war, da in den 
Stiftsstatuten vom Jahre 1372, wie schon erwahnt wor- 
den ist, eines Schulrektors, der vom Stifte abhangig 
ware, gar nicht gedacht wird, sondern nur eines Kan- 
tors. Hinsichtlich ihrer Leistungen und Ziele ist die 
Schule nur ftir eine jener „kleinen Schulen" zu halten, 
von denen schon ofters gesprochen ist und deren Lehrer 
ebensogut Laien wie Geistliche sein konnten, wenn sie 
nur den Stiftskapiteln fiir gewisse gottesdienstliche Ver- 
richtungen Schliler stellten, bez. auch selbst mit zu Ge- 
bote standen, die ausbedungenen Abgaben entrichteten 



^) 0. Wilke, Ohronik der St. Budissin (ebenda 1843) S. 20 
u. 40 f. 

*^) Dafttr, dass sich die Schule in dem angeblich v. 1216—26 
erbanten Franziskanerkloster befunden habe, wie Wilke S. 134 
(vergl. 21) angiebt, finde ich keine Belege. 

187) Nachlese Oberiausitzischer Nachrichten (Zittau 1771) S. 93. 

17* 

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260 Johannes Mtiller: 

und sonst die gebtihrende Ehre erwiesen. Auf die inter- 
essanten Bestimmungen der deutschen Bautzener Schul- 
ordnuDg vom Jahre 1418, der ersten sachsischen dieser 
Art, welche Abgaben der Schulkinder fixiert, die gewiss 
schon im 14. Jahrh. iiblich waren, kann hier nur kurz 
eingegangen werden ^^®). An der Schule wirkten damals 
ausser dem Rektor und ausser einem Kantor, der vielleicht 
der oben angeflihrte Stiftskantor war, „Locatoren" (oder 
Locati) und ein „Signator" — letzterer wohl, wiean- 
derwarts, als Metten-, Tertien- und Vespersanger, als 
Wachter ausserer Reinlichkeit und Beauftragter des 
Eektors in gewissen Lektionen ^^^). Das Schuljahr be- 



^^^) Abdruck in me in en Schulordnungen etc. I, 38 f. nach 
der „Nachlese Oberlaus. Nachr." (1771) S. 94 f. "Wilke a. a. O. 
S. 134 fig. verlegt die Schulordnung ins J. 1417, giebt aber offenbar 
einen korrumpierteren Text, als die „Nachlese ejtc". Die vorhan- 
denen sachlichen Differenzen kSnnen nur durch das Auffinden des 
Originals oder einer zuverlassigen Kopie gehoben werden. Neuer- 
dings von mir wieder angesteUte Nachforschungen sind bis jetzt ver- 
geblich gewesen. 

*8^) Dem Titel ^signator" fiir einen Lehrer nnd zwarUnter- 
lehrer bin ich nur in schlesischen und lausitzer Urkunden begegnet, 
znerst d. 29. Mai 1369 in einer die Elisabethschule zu Breslau betr. 
Urk., wo ein „Bemardus signator, clericus Misnensis diocesis" neben 
dem Rektor und Succentor (auch neben dem Campanator) erscheint, 
dann in einer Stiftung fiir einen Altar in der Magdalenenkirche zu 
Breslau v. 29. Marz 1442, wo die Lehrer der Magdalenenschule in 
folgender Abstiifung aufgezahlt sind: Magister sen rector, signator, 
locati (vom locatus senior ab warts), subsignator ; weiter in den Sta- 
tuten des Breslauer Domstifts aus dem 15. Jahrh., wo fiir den Be- 
hinderungsfall des Eector scholae zum Kirchendienste verpflichtet 
werden seine „adiutores tam in choro quam in scholis, puta signatory 
subsignator et locatus". C. Schonborn, Beitrage z. Gesch. der 
Schule u. des Oymn. zu S. Mar. Magdalena in Breslau II v. 1400 
bis 1570 (Progr. 1844), 3. 6 f. 9; vergl. Beitrage I (Progr. 1843), 
20 f. (Urk. V. 30. Juni 1375: Rector u. Signator an der Magdalenen- 
schule sollen in der Kirche mit den Schlilern singen). In einem 
Vertrage zwischen Pfarrer und Schulmeister zu Gorlitz v. 1446 wird 
letzterer verpflichtet, zwei Messen „ durch synen signatorem" und 
3 Schiller singen zu lassen. Meine vor- u. fruhreform. Schulordn. 
II, 283 (vergl. 350). Vollen Aufschluss Tiber die Pflichten eines 
Signators giebt aber das Kapitel vom ^Officium signatoris" in den 
„Leges scholae Nissensis" v. J. 1498 bei A. Kastner, Aus d. Gesch. 
des Pfarrgymnas. bei der Pfarrkirche zum h. Jacobus in Neisse 
(Progr. d. kathol. Gymn. 1865) S. 12. Der „ Signator vel auditor" 
rangiert da nach dem Rector, Baccalaureus major und B. minor und 
Cantor. Sein Amt war vor allem: zu den Metten zu wecken u. sie 
zu beginnen, die Vigilien zu singen u. die Leichen zu begleiten, die 
Tertien zu singen u. die Messe zu beginnen, die taglichen Gesange 
vom Sakristan sich angeben zu lassen u. dem Kantor mitzutheilen, 



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Die Anfange des sachsischen Schulwesens. 261 

gann am Gregoriustage (12. Marz). Die Schulblicher 
kauften die Schtiler von dem Locator, der sich offenbar 
durch ihr Anfertigen, wie sehr viele Lehrer anderwarts, 
einen Theil seines Einkommens verschaflfte und daher 
von den Kindern, die ihre Biicher nicht von ihm bezogen, 
entschadigt werden musste, von einem reichen Kinde mit 
2, von einem „mittelmassigen", d. h. halbbemittelten mit 
1 Groschen. Die S'chulbiicher bez. die fiir dieselben an 
den Locator zu entrichtenden Preise waren: das Abe, 
Pater noster. Credo, Benedicite („jegliches 1 Gr."), 
der Don at (10 Gr.), die „regel", d. h. die regulae 
pueriles Remigii und Cato moralis (8 oder 5 Gr.), 
prima pars Alexandri (15 Gr.), — also dieselben, die 
wir schon S. 7 und S. 249 kennen gelemt haben; nur 
weichen die Preise von den auf S. 249 mitgetheilten ab: 
in Bautzen waren zu Anfang des 15. Jahrh. die vom 
Schiller zuerst gebrauchten Biicher billiger als in Dres- 
den, wahrend sich fiir die spater nothigen Biicher ein 
umgekehrtes Preisverhaltnis herausstellt. Das Schul- 
geld betrug vierteljahrlich 2 Groschen fur die reichen, 
1 Groschen fiir die minderbegiiterten Kinder; die armen 
batten nichts zu zahlen. Beim ersten Eintritt in die 
Schule war das 2. Vierteljahr frei, wenn der Knabe 
„bleibet bey . der schule". Zur Heizung der Schule 
hatte jedes wohlhabende Kind den Winter liber taglich 
ein Scheit Holz mitzubringen oder ein Fuder Holz zu 
kaufen oder dem Schulmeister 2 Groschen Holzgeld zu 
geben, die „mittelmassigen" die Halfte von alledem, arme 
nichts. Wenn die Kinder liber den im Anschluss an die 
4 Tafelblicher (Abe — Benedicite) ertheilten elementaren 
Leseunterricht hinaus den lateinischen eigentlichen Sprach- 
unterricht besuchen woUten („Donat gehen woUen"), so 
musste jedes einen Pfennig zahlen ; nur die armen waren 
frei. Kinder, die man „setzt zu dem cantu", soUten in 
3 Rateh 6 Heller, 8 Heller und 1 Groschen entrichten. 



aUe Invitatorien u. Hymnen, die in den Metten, Tertien n. Vespern 
gesungen werden soUten, auf eine Tafel zu schreiben (? tabulare), ebenso 
das Evangelium u. die Epistel „pro latino", ausserdem aUe ihm vom 
Rector zugewiesenen Lektionen (ob bloss Lesungen in der Kirche?) 
zu halten (lectiones a rectore sibi injunctas summa diligentia complere) 
u. darauf zu achten, dass alle Platze (? palatia) u. das „hospitale 
scholarum" regelmassig durch „Mendicantes" (bettelnde Schuler?) 
gereinigt wtirden. Uber die sonstige Bedeutung des Wortes Signator 
vergl. Du Cange, Glossarium mediae et infimae latinitatis VI, 249 
u. E. Brinckmeier, Glossarium diplomaticum II, 548. 



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262 Johannes MUUer: 

wenn sie wohlhabend waren, die armen nichts. Jedes 
wohlhabende Kind soUte sein Brot, das es mit in die 
Schule bringe, wochentags zur Halfte seinem Locator, 
sonntags dem Signator geben oder dafiir wochentlich 
1 Heller. Zum neuen Jahre soUten reiche Kinder dem 
Schulmeister 6 Heller, dem Locator 2 (1?) Groschen, 
„mittelmassige" halb soviel bringen. Zu Johannis (24. 
Juni) waren dem Eector 4 Heller, dem Locator 6 oder ein 
halber Topf „mit geschlagenem [d. h. wohl festgedrticktem] 
Kornmehl", zu Mariae Himmelfahrt (15. Aug.) dem Eector 
und Locator je 1 Heller (zu Honigtrank: „Metlie Heller") 
und am Tage Katharinae, der Schutzpatronin der Wissen- 
schaften (den 25. Nov.), wo im 10. Jahrh. in S. Gallen der 
sogen. Schulabt von und aus der Schtilerschar gewahlt 
wurde, 1 Grr. zu entrichten. Ausserdem sollte der Kan- 
tor je 1 Pfennig zu Ostern, Pfingsten, Michaelis und 
Weihnachten als „austreibe heller" ^^^) empfangen. 
Anne Schtiler waren von alien diesen Abgaben frei. 



^^) Zuerst in einem die Schule zu Nordhausen hetr. Vertrage 
V. 1394 ist der Sitte des Austreibens gedacht; da musste dem Rector 
ein Licht u. dem Unterlehrer dfs betr. Schiilers zwei Lichter am 
20. Dez., „in vigilia s. Thomae, quum [lies: quando] expelluntur pueri," 
gegehen werden. B. G. Forstemann, Nachr. von den Schulen 
zu Nordhausen vor der Reform. (Nordh. 1830) S. 15. In Osterwieck 
hatten 1450 zu Ostern, Michaelis u. Weihnachten die reichen Kinder 
2 Pfennige „to vtslanden pennighen**, die armen einen zu entrichten ; 
in Niimberg ward 1485 zu Neujahr ^vfetreibgelt" und an den Bam- 
berger deutschen Schul'en 1491 zu Weihnachten „ein austreibe pfennig" 
durch Verordnungen festgesetzt. Meine vor- u. friihreform. Schul- 
ordn. S. 291. 103 f. 109. In Wernigerode geschah ein gleiches um 
1510 so, dass die wexpulsionales" jSlhrlich dreimal, am Thomastage 
(21. Dec), am Grundonnerstage u. am Donnerstag vor der gemeinen, 
d. i. der auf Michaeli folgenden "Woche, fallig waren. E. Jacobs, 
D. Rektor u. d. Stit'tsschule zu W^ernigerode etc. in der Zeitschr. des 
Harzvereins XVIII (1886), 323. Die Sitte des Austreibens muss 
schon sehr alt sein. Schon im 11. Jahrh. wurden in Klosterschulen 
am 20. Dez. alter Gewohnheit nach die Schiller, ohne etwas ver- 
brochen zu haben, mit schmerzvoUen Schlagen bedacht. Specht 
a. a. 0. 210 f. Andererseits wurden noch im 17. u. 18. Jahrh., ja 
zu Anfang des 19. in Sliddeutschland die Schulkinder vor den drei 
hohen Festen „ausgetriben" oder ..ausgestrichen", indem sie der 
Lehrer zwischen den Beinen durchkriechen, einen Streich in posteriora 
in Empfang nehmen u. dafiir noch ein Anstreichgeld entrichten liess. 
A. Schmeller, Bayer. WOrterbuch, 2. Aufl. II (Miinchen 1877), 
Sp. 806 f. Es bedarf noch der Untersuchung iiber den Zusammen- 
hang dieses Brauchs mit dem schon durch eine alte deutsche Predigt 
verbtirgten des Streichens oder Hauens um den Lebzelten (Kuchen) 
an dem Tage der unschuldigen Kindlein (28. Dez.) oder mit dem 
noch jetzt an diesem Tage in Stlddeutschland liblichen Pfeffern, 



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Die Anfslnge des sftchsischen Schnlwesens. 263 

Aus dem 6. Jahrzehut des 14. Jahrh. stammen unsere 
altesten Nachrichten liber drei weitere Scholen Sachsens, 
namlich in Leipzig, Grimma, Lobau. Dntenn 28. Okt. 
1352 wird eine Judenschule zu Leipzig erw&hnt, die 
zweite in Sachsen. Markgraf Priedrich von Meissen be- 
lehnte damals d. d. Altenburg seinen Marschall Tymo von 
Kolditz mit derselben ^®^). Ob es eine Belehnung war 
mit einem nicM mehr ftir jiidische Schul- und Gottes- 
dienstzwecke gebrauchten Grundstlicke oder ob es sich 
urn eine noch durch Abgaben ertragsfahige, bestehende 
Schule handelte, lasst sich nicht erkennen ; nach Analogic 
des Wortlauts von glhnlichen, anderwartsher bekannten 
Belehnungen mSchte man das letztere annehmen^®^), wenn 
nicht die oben schon angefiihrte Jndenverfolgung vom 
Jahre 1348 flg. emste Bedenken dagegen erweckte. Die 
Sache wird unentschieden bleiben miissen. Dagegen wis- 
sen wir, dass am 28. April 1368 der Leipziger Jude Ben- 
jamin einen eigenen Schulmeister, d. h. wohl einen 
Privatlehrer flir seine Kinder und vielleicht auch fiir die 
einiger befreundeten Familien hatte^®*). 

Die Existenz der Schule zu Grimma ergiebt sich 
zuerst aus einer Urkunde eines Grimmaischen Burgers 



Fitzeu (Fizeln) oder Kmdeln d. h. Schlagen mit einer griinen Rathe, 
sei es ausgelibt yon Kindem an Erwachsenen oder von Knaben und 
Burschen an Madchen und umgekehrt, um ein Geschenk an Geld 
Oder Esswaren zu erhalten (Schmeller 11, 1119. I, 422, 781. 1262), 
oder auch mit dem im Vogtlande noch yorkommenden und einer 
gleichen Absicht dienenden .frische Grttne peitsehen" oder Den^eln 
am 2. u. 3. Weihnachtsfeiertage (H. Dunger, Rundas u. Reimspiele 
aus d. VogtI., Plauen 1876, 8. 195) oder endlich mit dem „Stiepen" 
in Norddeutschland (K. Sim rock, Deutsche Mythologie, 3. Aufl. 
Bonn 1869, S. 526). Ob Altheidnisches zu Grunde liegt (Simrock 
a. a. 0.) oder christlicher Exorcismus u. Benediktion (A. Horawitz- 
Wien bei Jacobs a. a. 0. S. 303; vergl. Korrespondenzblatt des Ge- 
samtvereins der deutsch. Gesch.- u. Altert-Vereine 33. Jahrg., Berlin 
1885, S. 72) Oder beides? 

^^) C S 11. Vni, 29: Item contulit ipsi marschalco scolam 
judaeorum in Li^czk perpetue habendam et ad suos usus yendendo 
yel ut melius sibi placuent, conyertendo. 

*^ Bei ©bergabe der Judenschule zu Neustadt a. d. Haardt 
an das Spital zu Branch weiler den 8. Febr. 1394 wird die ^'aden- 
schule* ausdrtlcklich als dem Pfalzgrafen Ruprecht III. inftflge der 
Landesyerweisung der Juden ^ledig geworden" bezeichnet, was in 
der Leipz. Urk. nicht der Fall ist. F. J. Mone, Zeitschr. f. d. 
Gesch. des Oberrheins 11 (Karlsruhe 1851), 272. 

^^^) Karkgraf Friedr. befreite damals auf 2 Jahre yon der Be- 
zahlung der Judensteuer den ^Benjamin, sines wibes muter, Eliaz 
synen schulmeister ynd Jacob sinen knecht". C S II. VIII, 40. 



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264 Johannes Mtiller: 

betreflfs des Klosters Nimbschen vom 30. Sept. 1357. Da 
steht unter den Zeugen, und zwar wie es scheint als 
erster Laie, ein „Johans Mauricii der schulmeyster czu 
Grymme" ^®^). Derselbe muss, da sich bei dem dasigen 
AuffUstinerkloster nicht die geriDgste Spur einer Schule 
nacnweisen lasst, der Leiter einer Pfarr schule oder 
einer aus einer solchen hervorgegangenen Stadtschule ge- 
wesen sein. Im Jahre 1372 wird in einem stadtischen 
Verzeichnisse der Gehalte und Zinsen der „magister sco- 
larium" mit genannt^^^). Den 19. Nov. 1389 gab es neben 
dem Schulmeister noch einen „vndir meyster" ; nach einer 
damals gemachten Stiftung einer Witwe Rochlitz sollten 
beide bei einer Seelmesse mitwirken und von den Altar- 
leuten der Schulmeister 8, der Untermeister 4 Groschen 
erhalten, und 4 Schulknaben sollten, so oft das heilige 
Sakrament aus der Kirche in ein Haus in der Stadt (zu 
einem Kranken) und wieder zurtick gebracht werde, es 
sei bei Tage oder bei Nacht, 4 brennende Wachskerzen 
vortragen und dabei, wenn thunlich, singen^®*). — Auch 
eine Judenschule muss schon im 14. Jahrh. in Grimma, 
wo durch den haufigen Aufenthalt der Wettiner Fiirsten, 
durch die Abhaltung von Landdingen u. s. w. ein reges 
Leben herrschte und infolge dessen viel Juden weilten, 
bestanden haben; sie wird jedoch erst in einem Gerichts- 
buche vom Jahre 1406 gelegentlich namhaft gemacht und 
nur dies einemaP®'). 

Von einer Schule zu Lobau horen wir zuerst den 
4. Nov. 1359. In einer Urkunde des dortigen Raths er- 
scheint als Zeuge u. a. „Marcus nostrarum scolarum in- 
formando gubemator" ^®®). Die absonderliche Betitelung 
lasst immerhin klar erkennen, dass die Schule eine 
stadtische Anstalt war (nostrarum scol.). Zu dem seit 
1336 nachweislichen Franziskanerkloster bestand kein 
Abhangigkeitsverhaitnis ^^^). Im Jahre 1395 ward jener 
Konrad Weissenbach aus Eschwege, dem wir schon oben 
bei der Geschichte der Zittauer Schule begegnet sind 
(S. 252), nach Zittau als Stadtschreiber berufen, nachdem 
er zuvor 11 Jahre lang, also wohl von 1383 — 94, „rector 



i»*) Hasche, Magazin d. sachs. Gesch. VII (1790), 40. 

io») Lorenz a. a. 0. 474. 

^^) Lorenz Bll u. 355. 

^®'') Lorenz 418: eine Erbe „gelegen hinder judenschule" 

i»8) C S II. VII, 1233. 

^o») Ebeuda S. XXXIX. 



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Die Ani&Dge. des s&chsischen Schulwesens. 265 

scolae et notarius civitatis Loboviae" gewesen war^*^^). 
Sowohl die fremde Herkunft, als die lange Amtsdauer 
und die Verbindung des Schul- uiid Stadtschreiberamts 
erinnern an den fast gleichzeitigen Schulrektor Eybanger 
in Plauen i. V. und das oben S. 253 f. Bemerkte. 

Im Jahre 1367 treffen wir in Oschatz den ersten 
Schulmeister: Magister Johannes de Ossacz rector par- 
vulonim^^^). Zu dem Kloster, das zuerst den S.Nov. 
1240 vorkommt, scheint er nicht in Beziehung gestanden 
zu haben, sonach, wofur auch schon sein Titel spricht, 
Stadt- Oder Pfarrschulmeister gewesen zu sein. Leider 
fehlen liber die Oschatzer Schide alle Nacluichten aus 
der nachstfolgenden Zeit. Erst 1 1 14 ist wieder von 
einem Schulmeister, Joh. Frust, und seinen Gesellen die 
Rede; das Singen des ^Salve regina" wurde ihnen damals 
aufgetragen^*^^). 

Nur sehr Diirftiges ist uns auch iiber das alteste 
Schulwesen zu Pegau tiberliefert. Durch Wiprecht von 
Groitzsch war in Pegau das schon oben S. 34 flg. erwahnte 
Benediktinerkloster S. Jacobi gegrtindet worden, das im 
Jahre 1097 geweiht und 1106 von Papst Paschalis II. 
bestatigt wurde ^^^). Das E^loster besass im 14. Jahrh. 
die geistliche und weltliche Gerichtsbarkeit in der Stadt 
und, wenn die in einer Urkunde vom 10. Juni 1502 ^®*) 
yorausgesetzten Rechtsverhaltnisse samtlich, wie es 
scheint, alteren Datums waren, auch die geistlichen 
Lehen und das Schulpatronat. Im Jahre 1379 hatte nun 
zwischen zwei jungen Lenten, von denen der eine „ein 
schuler" war, eine uns nicht naher bekannte Streiterei 
stattgefunden, die ein Nachspiel in einem Streite zwischen 



«») C S n. VII, 243. 

^^) Gersdorf, D. Univers. Leipzig im 1. Jahre etc. in K. 
Espe's Bericht v. J. 1847 an die Mitglieder der deutschen GreseU- 
schaft in Leipzig S. 22. — Nach J. Gr. Hoffmann, Hist. Nach- 
richten von d. offentl. Stadtschule zu Oschatz (Friedrichstadt 1784), 
S. 8 soU schon 1365 ein Oschatzer Schulmeister vorkommen, „der 
zugleich bei der Kirche u. Schule das Singen besorgen musste". 

«>«) Hoffmann S. 8 u. 47. 

203) Chr. SchOttgen, Historic des beruhmt Wipr. z. Oroitzsch 
etc. wie auch des von ihm gestift. Klosters zu Pegau (Regensburg 
1749) S. 55 u. Cod. probation. S. 4 f. 

^) Damals erhielt Herzog Greorg zu Sachsen gegen Erlass 
gewisser Schulden vom Abte u. Konvent zu Pegau die ganze Oe- 
rechtigkeit des letzteren in der Stadt Pegau, nichts ausgeschlossen 
als die geistlichen Lehen, Schulen u. geistlichen Gerichte. Urk. im 
H-St.-A. Dresden; vergl. die ganz ahnl. v. 19. Dez. 1508. 



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266 Johannes Mailer: 

dem Abte Gottschalk und den Btirgern zu Pegau fand. 
Zur Beilegung des Zwistes entschied den 29. Mftrz 1379 
zu Leipzig Markgraf Wilhelm von Meissen etc. in fol- 
gender Weise: „Ouch vmme Wispachs son vnnd Apecz 
Kursener son scheiden wir. Sint mal der apt in der 
stad zcu Pygaw geistlich vnd werltlich gerichte hat vnnd 
sin voit Apecs Kurseners son darczu gedrungen hat, daz 
her Wispachs sone, der ein schuler ist, beclagen muste 
vnd sich nu der apt vmme den schuler annymt mit 
geistlichem gerichte, so sal der apt darczu fugen, daz 
dem leyen rechtcz gehulfen wurde vmme sine wunden 
vnnd sal den ban abe tun" ®^^). Das ist alles, was wir 
z. Z. von jenem Streite und iiber das Pegauer Schulwesen 
im Mittelalter wissen. Es scheint, dass der Schuler ein 
Ohorschiiler oder ein Scholar im engeren Sinne war und 
die Schule eine unter dem Patronate des Klosters stehende 
Pfarrschule. 

AuffiLllig spat erfahren wir auch etwas Zuverlassiges 
liber das Schulwesen in Freiberg. Wenngleich die 
Stadt selbst erst 1221 urkundlich genannt wird, so be- 
standen doch schon 1225 funf Pfarrkirchen daselbst ; dazu 
gab es seit 1243 Dominikaner, seit 1248 ein Nonnen- 
kloster des Ordens der h. Maria Magdalena von der Busse 
und wohl ebenfalls seit dem 13. Jahrh. Pranziskaner in der 
volkreichen Stadt und dazu eine bedeutende Industrie^®*). 
Aber erst vom April — der Tag ist nicht sicher zu be- 
stimmen — 1382 haben wir das erste urkundliche Zeug- 
nis von einer Schule und zwar bei der Pfarrkirche zu 
S. Marien ; es war eine Schule, „darynne man die kyn- 
dere leret". Die Meissener Markgraf en verordneten da- 
mals, dass keine weitere Schule in oder vor der Stadt 
errichtet werden und der Pfarrer zu S. Marien, wie vor 
alters, die Schule verleihen solle^®'). Letztere war also 
eine Pfarrschule und vielleicht doch schon im 13. Jahr- 
hundert begriindet, da die Marienkirche schon im Jahre 
1225 bestand und damals als erste unter den genannten 
5 Pfarrkirchen gait ^^^). Dass der Pfarrer auf sein altes 
Recht hielt, wird ihm niemand verlibeln ; gegen wen sich 



205^ 21. Punkt des betr. Vergleichs bei Chr. Schottgen, Hist 
Wipr. z. Groitzsch S. 95. J. P. v. Ludewig, Reliquiae manuscrip- 
torum omuis aevi diplomatum, torn. II (Lips. 1720), 325. 

«^) C S 11. XII, S. XXI. S. 327. 402 376. 

«>') C S II. XII, 97. Vergl. mpine Schiilordn. I, 27 f. 



'«) C S II. XII, 3. 



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Die An^ge des s&chsischen Schulwesens. 267 

aber die Spitze jener landesherrlichen Verfiigung kehrt, 
ob gegen Versuche der Kloster, Schulen zu errichten, 
Oder gegen Wljnsclie des Stadtraths nach eigenem Schul- 
patronate oder einer selbst^ndigen Stadtschule, dariiber 
sind wir im Dunkeln. 

Nonnenklosterschulen mochte man annehmen, wenn 
in einer kirchlichen Stiftung vom 21. Nov. 1383 beim 
Kloster der Benediktinerinnen zumh. Kreuz in Meissen 
und in einer desgleichen vom 23. Juni 1384 beim Kloster 
der Nonnen der h. Maria Magdalena von der Busse zu 
Freiberg ganz gleichlautend angeordnet wird, der 
Ktisterin so viel zu geben, wie einer Nonne, welche die 
Schule besucht (custrici tantum, quantum uni moniali sco- 
las intranti, ut melius pulset)^^®). Allein der gebrauchte 
Ausdruck ist so formelhaft ^^^) und die GescMchte der 
beiden KWster giebt sonst so wenig Anhalt flir das Be- 
stehen einer wirklichen Schule bei denselben, sei es eine 
innere oder eine aussere, dass es gewagt sein diirfte, ein 
solches zu behaupten, zumal der Ausdruck selbst noch 
die Schwierigkeit bietet, dass man verwundert fragen 
muss, wofiir denn eigentlich eine lemende Nonne etwas 
erhalten soil, oder wie es kommt, dass eine lehrende mit 
einer, welche bloss die Glocke schlagt, gleich besoldet 
werden soil. Bei den Meissener Benediktinerinnen er- 
scheinen den 4. Nov. 1395 uberdies neben einem Propste 
und Kaplan auch „schuler", offenbar Chorschiiler oder 
Scholaren, welche „zcu den vigilien vnd ouch zcu der 
messe gehen" und dafiir Gebiihren erhalten ^^^); mit deren 
Unterweisung hatten die Nonnen aber schwerlich etwas 
zu thun. Den Nonnen der h. Maria Magdalena, deren 
Kloster in Freiberg zuerst den 2. Jan. 1248 vorkommt^^-), 
war es allerdings in der von Papst Gregor IX. den 
23. Okt. 1232 gegebenen Ordensregel gestattet, ausnahms- 
weise Madchen unter 11 Jahren aufzunehmen, unter der 
Bedingung, dass diese dann flir sich getrennt erzogen 
und in guten Sitten bis zum 14. Lebensjahre unterwiesen 



«») C S n. IV, 325 (Meissen) u. II. XII, 413 (Freiberg). Das 
nQaantam*' selbst bleibt beidemal unbestimmt! 

^^^) Er erinnert an den bei Stiftungen in Monchsklostem be- 
obachteten: campanatori tantum quantum imi regulari scolas intranti, 
ut melius pulset. C S II. IV, 161 u. 168 (s. oben S. 22 Anm. 76). 

«") C S II. IV, 336, vergl. 379 (1495, 5. Nov.). 

*^2J C 8 n. XU, 402. 



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268 Johannes Miiller: 

wiirden^^^); aber von einer eigentlichen and standigen 
Schule irgend welcher Art beim Preiberger Kloster ver- 
lautet im 13. und 14. Jahrh. gar nichts; wohl aber heisst 
es den 25. Juli 1480 und den 26. Juli 149321*), dass das 
Kloster unter der friiheren Leitung so abgenommen habe, 
dass nicht mehr als 4 geistliche Personen vorhanden ge- 
wesen seien, und erst jetzt unter der Priorin Barbara 
Schroter (von 14b(y) batten sich die VerhsLltnisse gtins- 
tiger gestaltet, so dass nun (1493) 30 geistliche Personen 
unterhalten und zu dem Behufe 9— 15jahrige Stadtkinder 
(Madchen) „umb gottis willen" aufgenommen werden 
konnten. Nach alledem diirften unter der Schule, welche 
im Jahre 1383 bez. 1384 von Nonnen besucht ward, nur 
eben Instruktionsstunden an erwachsene Klosterschwestern 
zu verstehen sein, Stunden, in denen dieselben fiir ihre 
Gesange, Vorlesungen und Gebete im Chordienste Beleh- 
rung und Ubung erlangten (vergl. oben S. 28, Anm. 101). 
In Bischofswerda, dessen Hauptkirche zu S. Ma- 
rien zuerst im Jahre 1229 namhaft gemacht wird^^^), 
wurde im Jahre 1392 der Bau einer Kapelle zu Unserer 
lieben Frauen, welche ein vermogender Burger gestiftet 
hatte, voUendet und am G. Januar die Stiftung und die 
Einrichtung des Gottesdienstes in der Kapelle von dem 
Pfarrer, dem Biirgermeister und zehn „ratluten und ge- 
swornen daselbies" bestatigt. Unter letzteren steht an 
letzter Stelle „Stephan sculmeistir" ^i*), ahnlich dem ersten 
bekannten Schulmeister Zittaus (s. oben S. 251). Stephan, 
mit dessen Auftreten uns die erste Nachricht iiber die 
Biscliofswerdaer Schule gegeben wird, war also ein Blir- 
ger der Stadt und seine Schule eine stadtische oder eine 
Pfarrschule. Dass er vom Bischof von Meissen direkt 
ernannt worden sei, ist daraus, dass der Stadtrath von 
Bischofswerda uuter der Oberherrlichkeit des Bischofs 
stand und letzterer vom Jahre 1406 an die Verordnungen 
des Eaths durch Anhangen des bischof lichen Siegels be- 
statigte 2^'), nicht zu folgern. Hatte doch die Biirger- 
schaft das Eecht, ihren Biirgermeister und Rath selbst 



^^^) C S II. XII, 397 (nutriantiir seorsum et diligenter bonis 
moribus usque ad annum quartum decimum informentur). 

21*) C S II. XII, 432 u. 442 f. 

21^3 C. W. Mit tag, Ohronik der kgl. sachs. St Bischofswerda 
(1861) S. 16 f. 

2i«) Mittag S.23 f. 

21'^) Mittag S. 47 f. 

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Die Anfange des sachsischen Schulwesens. 269 

zu erwahlen und nur die Erwahlten dem Bischofe, wie 
es fast allerw^rts die Unterthanen ihrem Landesherm 
gegenliber thun mussten, zu prasentieren ^^®). Wahr- 
scheinlich aber war der Schulmeister zu Bischofswerda 
der Oberaufsicht des Domscholastikus zu Meissen als 
obersten Schulmeisters uuterstellt. Uber seine Obliegen- 
heiten und Besoldungsverhaltnisse sind nur ganz unvoll- 
kommene Nachrichten aufbewahrt. Nach der Urkunde 
vom 6. Jan. 1392 hatte er „mit den kyndem" in der oben 
genannten Kapelle am Tage der Barbara (4. Dez.) eine 
Seelmesse und tags zuvor eine Vigilie mit singen zu 
helfen und ausserdem alle Montage „eynen schuler zu 
senden yn dy capelle, der da helffen zal [soil] singen die 
zelemezse"... Fiir beides sollte er jgthrlich 4 Groschen 
erhalten. Ahnliches und zum Theil noch Diirftigeres ist 
aus dem 15. Jahrh. tiberliefert^^®). 

Die vorletzte sachsische Schule, deren urkundlicli 
beglaubigte Anfange in das 14. Jahrh. zurlickreichen, ist 
die Nikolaischule zu Leipzig. Hier, wo im 13. 
Jahrh. die aussere Klosterschule zu S. Thomas und im 
14. Jahrh. eine Judenschule in die Geschichte eingetreten 
sind, und wo schon vor 1373 Kampfe zwischen Eath und 
Thomasstift iiber das Schulpatronat gefuhrt waren, er- 
hielt unterm 11. Marz 1395 der Rath der Stadt von 
Papst Bonifacius IX. das Recht, innerhalb der Parochie 
der Nikolaikirche eine Schule zum Unterrichte der Schuler 
in der Grammatik und anderen Anfangskenntnissen sowie 
in den freien Ktinsten (pro eruditione scolarium in gram- 
matica et aliis primitivis scientiis ac artibus liberalibus) 
zu errichten und fiir diese Schule, ohne erst die Zu- 
stimmung des Propstes und Konvents von S. Thomas 
einholen zu miissen, Schulmeister nach eigenem Belieben 
anzunehmen und zu entlassen; der Schulmeister sollte 
der Kirche gegeniiber nur verpflichtet sein, mit Schulem 
am Gesange bei Gottesdiensten in der Nikolaikirche sich 
zu betheiligen^^^). Es ist jedoch, wie wir oben schon 
gesehen haben, damals schwerlich zur Griindung der 
Nikolaischule gekommen, jedenfalls nicht als einer offent- 



218) Mittag S. 46. 

^M Ebenda 8. 44 n. 27 u. Mich. Pusch, EpiscopoUgraphia his- 
torica, a. i. wahrhaft. hist. Beschreib. d. St. Bischofswerda (Dresden 
1658) S. 54. 

^) C S II. VIII, 65. 



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270 Johannes MtUler: 

lichen stadtischen ulid hoher organisierten Bildungs- 
anstalt^^^). 

Anders steht es mit der Schule zu Chemnitz. Sie 
hat sicher schon vor dem 25. Marz 1399, wo wir zum 
ersten male von einem „Schulmeister" zu Chemnitz h5ren, 
langere Zeit bestanden und zwar als Stadtschule. Am 
genannten Tage wurde von einem Schiedsgerichte dem 
Pfarrer aufgegeben, „die stadt bie eren rechten ze lassen"; 
doch soUte andererseits der Schulmeister „noch aldir ge- 
wonhaid" der Kirchen ihr „recht thun", d. h. bei den 
gottesdienstlichen Handlungen die tibliche Hilfe mit Ge- 
sang u. dergl. leisten^^^). Vielleicht ist jener „Fredericus 
Macherin de Oschatz in artibus baccalaurius", der in 
einer Urkunde vom 3. Juni 1367 als Zenge zwischen dem 
Chemnitzer Biirgermeister und einem anderen Chemnitzer 
steht, der erste bekannte Leiter der Chemnitzer Schule 
gewesen ^^^). 

Hiermit ist die Reihe der im 14. Jahrh. sicher ver- 
biirgten Schulen des jetzigen K5nigreichs Sachsen er- 
sch5pft. Doch haben gewiss noch manche andere Orte 
schon im 14. Jahrh. eine Schule besessen, wenn diese 
auch urkundlich erst spater auftritt. So durfen wir es 
flir Penig annehmen, wo am 23. Febr. 1404 „er Krystan 
schulmeister" erscheint ^^*). 

Uberblicken wir zum Schluss die Reihe der vor 1400 
vorkommenden Schulen, so gehQrt 1 schon dem 12. Jahrh. 
an (Schule am Dome zu Meissen 1183), 6 dem 13. Jahrh. 
(Schule am Afrastift Meissen 1205, Stiftsschule Bautzen 
1218, Stiftsschule Wurzen 1227, Nonnenklosterschule 
Geringswalde 1247, S. Thomas zu Leipzig 1254, Zwickau 
1291), die tibrigen 16 gentigend beglaubigten erscheinen 
erst im 14. Jahrh. Die Schulen des 12. und 13. Jahrh. 
sind mit Ausnahme der letzten, der zu Zwickau, Stifts- 



2") S. oben S. 30 u. 32 (z. Gesch. d. Thomasschnle). Vergl. 
J. H. Ijipsius, Zur Einweihnng der neuen Nikolaischnle (Leipz., 
Progr. 1872) S. 5. Erst L J. 1511 ist die Schule, welche die Bttrger 
,als pedagogium vor yre stadtkinder haben* wollten, errichtet worden. 
S II. IX, 368 f. 

^) C S n. VI, 57. Vergl. meine Schulordn. I, 32. 

«28) Orig.-Urk. un H.-St-A. Dresden Nr. 3862. 

^) Schettgen u. Kreysig, Diplomat. 11, 839. Unter den 
Zeugen des Burggrafen Albr. v. Leisnig: Er Gunther von Hngwitz 
probst zn Penig, er Wenzelav von Kemnitz prediger, er K^stan 
schulmeister daselbst." — G. E. Krieg, Gtesch. d Stadt Penig (Penig 
1838) weiss v. der Schule erst v. J. 1552 an zu berichten. 



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Die AnfS-nge des sachaischen Schulwesens. 271 

und Klosterschulen, und zwar vorwiegend Chorschulen, 
nur eine (beim Thomasstift zu Leipzig) eine sogen. aussere 
Klosterschule. Von den im 14. Jahrh. auftauchenden 
Schulen standen 4 unter rein stadtischem Patronate: die 
zu Dresden (1300), Zittau (1310), Lobau (1359), Chem- 
nitz (1399); 2 standen wohl unter dem Patronate des 
Stadtraths und des Deutschordens : die zu Reichenbach 
(1315) und Plauen (1319), 1 unter dem eines Pfarrers: 
die zu Freiberg (1382), 2 unter dem eines Klosters: die 
zu Zwickau und zu Pegau (1379), 1 unter dem eines 
Stiftskapitels: die zu Bautzen; bei 5 lasst es sich nicht 
sicher bestimmen, ob es Pfarr- oder Stadtschulen waren: 
Lossnitz (1304), Pirna (1317), Grimma (1357), Oschatz 
(1367), Bischoiswerda (1392) ; 2 waren Judenschulen : zu 
Meissen (1320) und Leipzig (1352). 



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VIU. 

Die Anfange des deutschen Schulwesens 
in Dresden. (1539—1600.) 

Von 

Oeorg Muller. 



Mehrfach ist neuerdings auf die Nothwendigkeit liin- 
gewiesen worden, die Entsteliung und Entwickelung des 
sachsischen Volksschulwesens genauer zu untersuchen ^). 
Wenn noch so wenig in dieser Richtung geschehen ist, 
so hat dies iiicht ziun geringsten seinen Grund in dem 
Mangel an Quellen Dies gilt auch von Dresden. Die 
Chroniken behandeln wohl die lateinischen Schulen, be- 
riicksichtigen aber die deutschen meist erst in der spa- 
teren Zeit. Leider bieten die Archive nui' sparliche 
Nachrichten. Das Rathsarchiv entha,lt eine Reihe von 
Gesuchen und Beschwerden der deutschen Schulmeister, 
die Rechnungen geben nur nothdiirftige Anhaltepunkte, 
sind ausserdem aus den ersten Jahrzehnten nicht voU- 
standig erhalten, wahrend die RathsprotokoUe selbst die 
Anstellung der deutschen Schulmeister bis zum Jahre 
1553 gar nicht, und spater nur kurz, Streitigkeiten bis- 
weilen mit kaum verstandlicher Knappheit ei'wahnen. 



*) Theodor Vogel im Artikel ^Sachsen" in Schmid, Ency- 
klopadie des gesamten Erziehungs- und Unterrichtswesens VII*, 762. 
Lechler in den BeitrSgen zur sachsischen Kirchengeschichte (Leipzig 
1882) I, 41. 



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G.MtUler: Die Anf. des dentschen Schnlwesens etc. 273 

Diese Umstande mSgen die Liicken entschuldigen, die 
sich in der folgenden Zusammenfassung flnden. 

Die Anfange des deutschen Schiilwesens im Gegen- 
satz zu dem iiberlieferten lateinischen gehen auf die 
Zeiten zuruck, in welchen das stadtische Element er- 
starkte, Handel und Wandel aufbluhte, Rechtsprechung 
und Verwaltung sich hob. Da musste die deutsche 
Sprache und gewandte Handhabung derselben auch in 
den niederen Kreisen eine grossere RoUe spielen^). So 
finden wir die ersten Lebenszeichen in den grossen Hansa- 
und Reichsstadten, in denen Reichthnm und Handel be- 
sonders stark vertreten war. Freilich auch hier konnte 
sich die neue Richtung nur unter schweren Kftmpfen Be- 
rechtigung und Anerkennung verschaffen, und uber eine 
untergeordnete Stellung hat sie es nicht gebracht. 

Von dieser Bewegung spliren wir in Sachsen vor der 
Reformation nur sehr wenig. Das Elbgebiet war den 
Slaven erst spat unter schweren Kfimpfen abgerungen 
worden und fing im 15. Jahrhundert nur allmalig an, sich 
eine Kultur anzueignen, die andere Gegenden seit Jahr- 
hunderten besassen^). Der Reichthum, welcher durch 
den Silberbergbau und den Gewerbfleiss ins Land kam, 
gewahrte die Mittel zur Anlegung von lateinischen Schu- 
len, aber trotzdem blieb das Land in den Augen der 
Humanisten eine barbara tellus oder barbaricus Albis^). 

Erst die Reformation yeranlasste eine krfiftigere 
Entwickelung des sachsischen Schulwesens tiberhaupt, 
wie die Grtindung der deutschen Schule. Schon im 
15. Jahrhundert begegnet uns der Name ; in einem Briefe 
an Johann Agricola vom 18. April 1526**) spricht Luther 
von einer schola vernacula instituenda und damach flndet 



2) 0. Kehr, Gesch. der Methodik IV. Band. Anhang: 

QueUenschriften und Gleschichte des deutschsprachl. Unterrichts 

Von Johannes MttUer (Gotha 188IJ) S. 814 f. VergL ebenda S. 276 f. 
auch den Ausspruch des Gregor von Heimburg, der erst Nlirnberger 
Rathsschreiber, spSter Rath der sachsischen Fursten war : „das eia 
yetklich ttitsch, das vis guten zierlichen vnd wol gesatzten latin 
getzogen vnd recht vnd wol getranlsferyeret wer, ouch gut zierlich 
tiitsch vnd lobs wirdig heiJfeen vnd syn mufe". 

8) Ebenda S. 323. Koldewey, Braunschweigische Schulord- 
nungen. Bd. I : Schulordnungen der 8tadt Braunschweig (Berlin 1886) 

*) Jobs. Mil Her, QueUenschriften S. 322, Anm. 48, Z. 3. 

'^) de "Wette, Dr. Martin Luthers Briefe, Sendschreiben und 
Bedenken III, 103. Eckstein, Die Gestaltung der Volksschule 
durch den Frankeschen Pietismus (Leipzig 1867) S. 5. 

Neues Archiv f. S. G. u. A. VIII. 3. 4. 18 ^ j 

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274 Gteorg Mttller: 

sicli die Bezeichnung „deutsche Schule" fiir die Anstalten, 
die bisher unter dem Namen „Sclireib- und Rechen- 
schulen", wohl auch „Beischulen" erscheinen**), in einer 
Reihe von Kirchenordnungen, so in der Braunschweigi- 
schen von Bugenhagen, wo ein besonderer Abschnitt „Von 
den dudeschen jungen scholen" handelt'). 

Noch aber war der Begriff nicht klar. Eine dop- 
pelte Auffassung machte sich geltend. Die eine, durch 
Luthers und Melanchthons Urtheil tiber die Nothwendig- 
keit der klassischen Sprachen beeinflusst, liess nur die- 
jenige Bildnng gelten, die auf der Kenntnis des Latei- 
nischen nnd Griechischen beruhte und hielt Knabenschule 
und Lateinische Schule fiir gleichbedeutend. Sie verstand 
unter der deutschen Schule die MMchenschule, unter dem 
deutschen Schulmeister den Madchenlehrer. Den deut- 
lichsten Ausdruck hat diese Anschauung in der Lipper 
Kirchenordnung gefunden, wo es heisst : „Man muss auch 
deutsche Schulmeister halten in StMten und D5rfern fiir 
die jungen Msldchen, schi-eiben, lesen und den Katechis- 
mus neben andem guten Zuchten zu lehren" ®). Auch in 
Sachsen flnden wir diese Anschauung vertreten. So 
suchten die Visitatoren noch 1538 in Freiberg die deut- 
schen Knabenschulen zu unterdriicken ®). 

Eine zweite Auffassung macht sich in der Dresdener 
Visitation von 1539 geltend. Hier wird die Bestimmung 
getroffen: „Ein Rat sol auch vorordenen, das tzwo 
deutzsche Schuelen, eine vor die Megdtlein, die ander 
vor die Kneblein bestalt, vnd durch sie versorget wer- 
den"^®). Wenn hier, wie an einer anderen Stelle^^) der- 
selben Verordnung, die Madchenschule zuerst, vor der 
fiir die Knaben genannt wird, so darf man wohl daraus 
schliessen, dass den Visitatoren die erstere besonders am 
Herzen liegt. Immerhin wird hier, im Gegensatz zu der 
oben erwahnten, in Freiberg vertretenen Anschauung 
einem neben der lateinischen Schule besteh^den deut- 



6) Koldewey a. a. O.I, XL. Mtiller, QueUenschriften S.321. 
Die Bezeichnung ^Beischulen" findet sich auch noch im Jahre 1562 
im Dresdener Raths-Archiv (DRA) D. I, Bl. 169. 

') Koldewey a. a. 0. I, 86. 

^) Heppe, Geschichte des deutschen Volksschulwesens I, 9. 

®) Siiss, Geschichte des Gymnasiums zu Freiberg II (Freiberg 
1877), 54. 

10) DRA. A. n, 66. Bl. 37 b. 

») Ebenda Bl. 35. 



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Die Anf&nge des dentschen Schnlwesens in Dresden. 275 

schen Unterricht gesetzliche Geltung zu theil. Ob man 
damit einem Bediirfiiis entgegenkommen woUte oder der 
Erfahrung Eechnung trug, dass der Kampf friiher ver- 
geblich gewesen war^^), mag dahin gestellt bleiben. 
Jedenfalls finden wir auch in Chemnitz, das bei der- 
selben Visitation besucht wurde, eine deutsche Knaben- 
schule^^), der freilich erst auf Antrag des Rathes vom 
11. November 1542 eine Unterstiitzung durch Besoldung 
des Lehrers zu theil wurde '*). 

Was geschah nun von seiten des Raths, um den ge- 
troffenen Anordnungen nachzukommen? Zunachst gait 
es die Beschaffung eines Gebaudes. Fiir die Madchen- 
schule wurde das Seelhaus^^) verwendet, welches dem 
Rathe liberlassen worden war. Ob die Knabenschule ein 
eigenes Hans erhalten habe, ist nicht klar. Beinahe 
scheint es, als ob der Knabenschulmeister bei einem 
Burger zur Miethe gewohnt habe ^*). Femer musste das 
Gebaude fiir die Madchenschule hergerichtet werden. So 
findet sich im Jahre 1541 eine umfangreiche Ausgabe. 
Das Haus erhalt ein neues Schindeldach, wird mit Fen- 
stern vollig neu ausgestattet und erfahrt auch im Innem 
eine Erneuerung^'). In den folgenden Jahren finden sich 
von Zeit zu Zeit weitere Ausgaben fiir Erneuerung des 
Estrichs, des Ofens u. s. w.^®). Im Ganzen sind freilich 
dieselben sehr gering. Vergleicht man sie mit den Sum- 
men, die alljahrlich fiir die geistlichen H^user verwendet 
werden, so muss man staunen, wie wenig die deutsche 
Schule kostete. Auch die Ausstattung war ziemlich 
armlich. „1 Tisch, Bette vnd was sein Civentarium mit- 



12) Siiss a. a. 0. n, 54. 

*3) Lempe, Mag. Wolfgang Fues nach urkundlichen Quellen 
(Chemnitz 1877) S. 50. 

1^) Kirchner, Biographic Adam Sibers S. 41. 42. A. Uber 
die jjJungfernschule" und den „deutschen Schreiber** in Zwickau s. 
Herzog, Gesch. des Zwickauer Gymnasiums (Zwickau 1869) S. 23. 
Herzog, Ohronik von Zwickau I, 182; II, 438. 

^^) DRA. A. XV b. 56 a. Nr. 3. Bl. 16 a. VergL Cod. dipl. Sax. 
reg. II, 5, 46. 

10) Ebenda A. XV b. 56 a. Nr. 4. Bl. 23 a. Oder ist es der 
Madchenschulmeister, der zur Miethe wohnt, bis seine Dienstwohnung 
in der Schule fertig gestellt war. 

1') DRA. A. XV b. 56 a. Nr. 3. Bl. 12 b. 14 a. 

18) Ebenda Bl. 15 (1544), 24b (1549). A. XV b. 56 a. Nr. 6. 
Bl. 23 b und namentlich in den Religionamtsrechnungen unter «Ge- 
meine Ausgaben". 

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276 Georg MiiUer: 

bringet"^*) wird von dem „alteii Schulmeister" liber- 
nommen, spater wurde eine Wandtafel angeschaflPt *^) ; 
erst 1580 nach dem Neubau der Schule findet sich flir 
Banke ein Posten von 16 gr.*^). 

Ebenso bescheiden sind auch die Gehaltsverh&ltmsse. 
Zur Bestreitung der Ausgaben for Kirche und Schule 
war in Leisnig, Wittenberg und Zwickau nach Einfiih- 
rung der Reformation der „gemeine Kasten" eingerichtet 
worden, dessen Verwaltung nicht in den Handen der 
Kirche, sondem des Raths lag^^). In Dresden hiess 
diese Kasse „Religion-Amt" oder abgeklirzt „Religion", 
nur selten flndet sich der Ausdruck „gemeiner Kasten" **). 
Es flossen hierzu die Einnahmen der Kirchen, namentlich 
der Kreuzkirche; merkwiirdigerweise bestand daneben 
noch die Kasse der „vorledigten Lehen", die, urspriinglich 
zu verschiedenen Altaren und Bruderschaften gehSrig, 
dem Rathe von den Visitatoren tiberwiesen worden 
waren^*). Die Einnahmen liberstiegen in der Regel die 
Ausgaben, so dass die Uberschusse zinsbar angelegt wer- 
den konnten. Freilich war diese glinstige Finanzlage 
weniger die Folge der grossen Einnahmen, als sorgsamer 
Sparsamkeit, die sich dem Schulwesen gegenliber bedenk- 
lich geltend machte, namentlich auch die deutschen 
Schulen nur sparlich bedachte. Der deutsche Schul- 
meister bezog wfihrend des ganzen 16. Jahrhunderts 
hochstens 10 Gulden ^^) Gehalt, ebensoviel als der Infl- 
mus, der letzte Lehrer der Kreuzschule; nicht selten 
wurde die Summe sogar unter mehrere mehr oder minder 



^•) DRA. Kftmmerei - Rechnung vom Jahre 1539. Gemeine 
Ausgaben. 

20) Ebenda. A. XV b. 56 a. Nr. 4. Bl. 28 b. 

2^) Religionamts-Rechnungen vom Jahre 1680. demeine Ansg. 

^) Vergl. Kawerau, Zur Leisniger Kastenordnung, m dieser 
Zeitschr. HI, 78 flg. 

28) Religfionamts-Rechnung 1568/69: 5 fl. 15 gr. vor essen denen 
die den gemeinen kasten dienenn. Ahnlich in der Rechnung 1562/63 : 
7 fl. vor die Collation allenthalben vor die deutzschen Singer vnd 
kastenherren. 

^) DRA. A. n, 66. Bl. 35. 

«») Siehe die Rechnungen: 1541 A. XV. 31 m. Bl. 116: 14 fee 
dem deutschen schul(mei8ter) ; 1542 Bl. 167 b ebensoviel. Die spS- 
teren Rechnungen weisen fiir 4 Quartale (Trinitatis, Crucis, Lucie 
und Reminiscere) je 10 Gulden auf. In Chemnitz erhalt der deutsche 
Schulmeister, wie der Madchenschulmeister jfthrlich 10 Gulden. 
Kirchner, Biographie Adam Sibers S. 41. 42. A. 



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Die AnfSlnge des deutschen Schulwesens in Dresden. 277 

gleichmassig getheilt^*) und nach des einen Tode der 
Betrag einfach zu gunsteD der Stadtkasse eingezogen^'). 
Als spater auch in Neustadt eine Mftdchenschule ent- 
stand, erhalt der Schulmeister 20 Gulden und 6 Scheffel 
Korn**). Der Schulmeister zu St. Bartholomaei, spater 
Annae, wurde mit 12 Gulden bedacht^®), wozu spater 
1 Schragen Holz im Werthe von 5 Gulden imd ein Neu- 
jahrsgesclienk von 3 gr. kam^*^). 

Unter diesen VerMltnissen war man natlirlich stark 
auf das Schulgeld angewiesen. Leider haben wir liber 
die Schulgeldsatze der ersten Zeit keine Nachricht, da 
in den Visitationsakten die Bestimmungen fehlen*^). Im 
Jahre 1574 zahlt der Knabe wSchentlich 1 gr., das 
Madchen anfangs 3 bis 6 pf., spater 9 pf.^^). In der 
Schule zu St. Bartholomaei bezahlt dagegen der Ejiabe 
anfangs 3 pf., spater 6 pf.^^). Da beidemal bei Bestim- 
mung dieser Satze von Madchen keine Rede ist, so 
diirfen wir wohl annehmen, dass diese nach der deutschen 
Schule gewiesen waren, wenn hier liberhaupt im Anfang 
bei den beschrankten vorstadtischen VerMltnissen ein 
Bedtirfhis vorlag. Da mit dieser Stelle das Amt eines 
G15ckners und Kantors verbunden war, so kamen zu dem 
Gehalte noch die Gebiihren flir Amtshandlungen, z. B. 
Begrabnisse ^*). 

Uber diese Schulen flihrte der Rath die Aufsicht. 
Schon kurz vor der Reformation bemerken wir Bemtih- 
ungen desselben, die lateinische Schule seiner Kollatur 
zu unterstellen. Im Jahre 1537 hatte sich der Biirger- 



2®) Religionamta-Rechnung 1574 : die Peschelin und Paul Speck 
je 5 Gulden pro Quartal. 1579 Lucie: die Peschelin 5 Gulden, Paul 
Speckiu 2 fl. 10 gr. 6 pf., Valten Emerich 2 fl. 10 gr. 6 pf. 

*') Religionamts - Rechnung 1585 und die folgenden Jahre: 
Valten Emerich 7 fl. 10 gr. 6 pf. pro Quartal = 80 Gulden pro Jahr. 
10 Gulden wurden also erspart. 

««) A. n, 66. Bl. 190 a. 

^) D. I, 193. 

^) Das Holz wird erw&hnt in den Rechnungen (Allgem. Aus- 
gaben) seit 1575, das Neujahrsgeschenk seit 1579. 

3*) In Chenmitz lemen „vil Anner leuth kynder vmbsonst 
deutzsch schreiben vnd lesen". Der Lehrer bekommt von den Kin- 
dem nichts „dan was ine von einsteils knaben, doch wenigk gegeben 
wirth*. Kirchner, Biographic Adam Sibers, S. 41. 

82) A. n, 66. Bl. 87 a. A. H, 100 c. Bl. 249. 

»8) D. I, 193. 

**) z. B. fttr Leichen von den D5rfem \j gr. iij pf., fUrs 
Lauten j gr. 



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278 C^eorg Mliller: 

meister Peter Byener nnd der Stadtschreiber zum Bischof 
begeben und mit ihm nnterhandelt ^^). Das Resultat war 
ein Abkommen, in einer bischoflichen Urkunde vom 24. 
August niedergelegt, nach welchem die Anstellung des 
Schulmeisters dem Rathe liberlassen wurde ^®). Beztiglich 
der lateinischen Schule ging dieses Recht bald verloren, 
indem die fturfiirstliche B-egierung die Bestatigung fiir 
sich in Anspruch nahm und deshalb die Bestimmting traf, 
dass der Schuhneister nicht ohne Genehmigung des Super- 
intendenten gewahlt werden soUe^'). 

Beziiglich der deutschen Schule scheint eine Be- 
schrglnkung der stadtischen Verwaltung nicht eingetreten 
zu sein. Die Visitationen treffen allerdings mehrfach 
neue Bestimmungen, aber diese scheinen doch auf Antrag 
und mit Genehmigung des Baths erfolgt zu sein ^®). Der 
Stadtprediger, der zugleich Schulinspektor war, erwahnt 
die deutschen Schulen in seinem Berichte^®), aber von 
einer naheren Betheiligung an der Verwaltung ist nicht 
die Eede. An den Rath sind die Gesuche urn Verleihung 
des Amtes mit seinen Einklinften und Vorrechten ge- 
richtet; an ihn wenden sich die konzessionierten Schul- 
meister, wenn die Privatschulen ihnen den Verdienst 
schmftlern. Infolge der Visitationsverhandlungen von 1555 
wird beschlossen, jahrlich zweimal, in der Fastenzeit und 
zu Michaelis, auch die Madchenschule visitieren zu 
lassen *®). Auch beztiglich der Privatschulen wird mehr- 
fach die Nothwendigkeit einer naheren Aufsicht hervor- 
gehoben'*^). Es scheint jedoch in dieser Richtung liber 
Anregungen nicht hinausgekommen zu sein; .wir finden 
nur Massregeln gegen sie, wenn wirkliche Ubelstande 
gemeldet worden waren und es gait, die im Dienste der 
Stadt stehenden Lehrer zu schutzen. 



^) Dienstag nach Exaudi s. DRA. A. II, 64 c. Bl. 167 a. 

8«) Ebenda Bl. 167 b. 169, vergl. bes. die Worte: In quibus 
omnibus conscientiam praedictorum Consulnm ac Senatorum oneramns, 
ad quos jus ac facultas einsmodi ludi prsefectnm aisomendi, ac ex cansis 
rationabilibus nirsum deponendi spectabit 

8') DRA. A. n, 66. Bl. 109. D. I, 30 flg. Vergl. G. II, 18 b. 

88) 1555 werden zwei Madchenschulen verboten. D. I, 177. 

80) A. n, 66. Visitationsakten von 1578. 

«>) D. I, 4b. 

**) Ebenda und spfi-ter in einem Berichte Peter Glasers. In 
Chemnitz inspiziert der Superintendent Puess die deutsche Schule. 
Kirchner, Biographie Adam Sibers, S. 43. 



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Die Anfange des dentschen Scholwesens in Dresden. 279 

Uber die Pers5nlichkeiten sind wir wenigstens theil- 
weise unterrichtet. Sie sind flir nns insofern von beson- 
derem Interesse, weil wir erfahren, woher sich dieser 
neue Lehrerstand rekrutierte. Der lateinischen Schnle 
hatte die Universitfit fast ausschliesslich die Lehrkrftfte 
vorgebildet, welche die Sehulthfttigkeit sehr oft nur als 
eine Ubergangszeit behufs tJberaahme eines Amtes in der 
Kirche oder im stftdtischen Verwaltungsdienste ansahen, 
Aber woher sollte die deutsche Schule ihre Krafte neh- 
men, die neben einer untergeordneten Stellung nur ge- 
ringen Gehalt bieten konnte? Da in Dresden im Anfang 
die Madchenschule weitaus am meisten Interesse erregt, 
so Mtte man fur sie wohl auch, wie anderwSLrts, z. B. in 
Zwickau*^), eine Nonne als Lehrerin verwenden kOnnen. 
Aber von Anstellung einer Lehrfrau, oder wie sie sonst 
genannt werden m5gen, finden wir anfangs in Dresden 
keine Nachricht; nur eine Witwe flihrt Itogere Zeit 
das Amt ihres Mannes fort, nachdem dieser gestorben 
war**). 

Im Jahre 1539 wird ein Lehrer namenjs Leupolt er- 
wfthnt**). Sein Gehalt erscheint nicht unter den regel- 
massigen Ausgaben des Religionamts, sondem als Grati- 
fikation unter der „Gemeinen Ausgabe" der Kammerei- 
Rechnungen, also im Extraordinarium. Auch seine Stel- 
lung scheint noch nicht klar zu sein. Sein Titel wechselt 
bei jedem Posten. Er heisst: der Kindertzuchtmeister, 
der alte Kindertzuchtmeister, der alte Schulmeister, der 
alte deutzsche Schreiber. Da der Zusatz „alte" sonst 
im Sprachgebrauch soviel als ehemalig, frliher bedeutet, 
und seit Januar 1540 erscheint, so dliifte wohl die An- 
nahme nicht zu fern liegen, er habe erst eine Schreib- 
schule nach altem Muster geleitet und sei durch die 



^2) Georg Mtiller, Paul Lindenau, der erste evangelische Hof- 
prediger in Dresden, S. 22. VergL Herzog, Chronik von Zwickau 
I, 182 flg. 

*») Ottilia Peschelin von Crucis 1568 bis 1585 (L Tennin). 
s. die Keligionamts - Rechnungen dieser Jahre. Auch Paul Specks 
Witwe soUte das Amt ihres Mannes fortfuhren und dessen halben 
Gehalt beziehen, da sie sich aber „durch sonderliche schickubg Gottes 
des Allmecht^en" bald wieder verheirathete, so gab sie ihren Schul- 
dienst au£ Ihr Gehalt erscheint daher nur in zwei Terminen, Lucie 
und Reminiscere, des Rechnungsjahres 1579. Ihr Schreiben an den 
Rath D. I, 292. 

**) K&mmerei-Rechnung 1539. 



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280 <^eorg MtQler: 

Griindung der neuen deutschen Schule iiberfliissig ge- 
worden *^). 

Der 1540 genannte „deutsche Schulmeister" Erhart 
Auerbach wird mit einer Gratiflkation von 20 gr. be- 
dacht*«). 

Erst durch Joseph Knaus scheint indes die MMchen- 
schule ihre selbsttodige Gestaltung erhalten zu haben*'). 
Im Jahre 1542*^) trat er an, nachdem er vorher in 
Oschatz „Stulilschreiber", deutscher Schul- und Kechen- 
meister gewesen war^®). In Dresden scheint seine Tha- 
tigkeit auch ausserlich von Erfolg begleitet gewesen zu 
sein, da er sich noch einen Gehiilfen hielt. Schliesslich 
gerieth er mit dem Kath in Differenz, weil er im Wider- 
spruch zu seiner Bestallung neben den Madchen auch 
Knaben in seine Schule aufnehmen wollte^®). DerKon- 
flikt endete mit seiner Entlassung. Lorenz Pretzschen- 
dorf iiberkam auf kurze Zeit das Amt; aber noch ein 
Jahrzehnt spater ist seine Wirksamkeit in gutem An- 
denken ^^). 

Im Jahre 1554 finden wir als deutschen Schulmeister 
den Stuhlschreiber Caspar Peschel, der bis zu seinem 



*^) War dies vieUeicht der Nachfolger „de8 aid en signators**, 
dessen in einer Yerhandlung vom 12. Dezember 1498 gedacnt wird? 
Sein Nachlass besteht aus folgenden Gegenstanden, die zur Ab- 
sch^tznng gelangen: Item iij bette, ein pfal, j kussen, ij mannes- 
hemde, liij leibach vor iiij gulden mitsampt einer virtelskannen (?), 
Item aid elter fatter vor xxx gr., Ein swartze hasncke reinfach, vnd 
ein swartzen zwifachten Rock mit weisem gewande vnterzcogen, 
drey Joppen, ij bar Hosen vor ij gulden, Ein tisch vor xv gr., 
j kasten vor x gr., Item ij bucher als ein deutzsche retho- 
rica vnd ein nurnbergische rechnunge vor x gr., macht 
alles iij is xj gr., So bleibt ein clauicordium mit einem pedall vnd 
xxiij s c h u 1 b u c h e r. H -St -A. Loc. 8579. Stadtbuch der Stadt Dres- 
den. 1495—1506. Bl. 42 b. 

^) Kammerei-Rechnung 1540. 

^■^) Gesuch des deutschen Schreibers Oswald Saupe an den Rath. 
D. I, 173 b. Er nennt sich hier einen Schtiler des Joseph Knaus, 
„der erstlich die Meydtleinschul in Vorwaltung gehapt". 

*^) xl gr. Joseph dem deutschenn schulmeister von seynem ge- 
rethe herzufhurenn. DRA. A. XV b. 56 a. Nr. 4. Bl. 22 b. 

^^) Hoffmann, Beschr. von Oschatz I, 618. In Dresdener 
Akten findet sich keine Andeutung Tiber die Identitat der Person, 
aber da in Oschatz kurz darauf ein neuer deutscher Schulmeister 
genannt wird, so ist der Schluss wohl gestattet 

«>) DRA. D. I, 178b. 

'^i) Ebenda 174. 



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Die Anfilnge des deutschen Schulwesens in Dresden. 281 

Tode im Jahre 1568 die MMchenschule verwaltet **). 
Da er im AnfaDg stets mit dem Titel des Stuhlschreibers 
erscheint, so macht es den Eindnick, als ob er dieses 
Amt in einer der Dresdener Kirchen verwaltet habe^*). 
Leider findet sich dafur kein Nachweis, namentlich auch 
nicht darliber, ob er neben dem Klisteramt schon eine 
Sammelschnle gehalten babe. WS^hrend dies anderw^Lrts 
vielfach der Fall war, ergiebt sich for diese Zeit aus 
den Dresdener Akten nicht ein einziger Fall mit Aus- 
nrfime des vorstadtischen Schulmeisters zu St. Bartho- 
lomaei. Jedenfalls stand unter Caspar Peschel die Schule 
in grossem Ansehen. Nicht nur er selbst spricht von 
sich in sehr selbstbewusster Weise^*): er nennt sich den 
„Hauptschulmeister", seine Schule die „Hauptschule", 
auch von andeni wird sein Vorzug anerkannt. Als er 
nach 15jahriger Wirksamkeit starb, bestand die Aner- 
kennung seiner Thatigkeit darin, dass man seiner Witwe 
das vielumworbene Amt noch liess und ihr die Halfte des 
Einkommens gSnnte^^). 

Die andere Halfte wurde dem deutschen Schulhalter 
in Prag, Paul Speck, bewilligt^®), der sich nicht nur auf 
eine langere Wirksamkeit im Schuldienst, sondem auch 
auf eine litterarische Thatigkeit berufen konnte. Sein 
Bewerbungsschreiben ^'), in welchem er seinen Lebens- 
lauf erzahlt, gestattet uns einen Einblick in das unstate 
Wanderleben eines deutschen Schulmeisters. Selbst Zog- 
ling einer deutschen Schule, hat er zunachst in Leipzig 
eine solche liber 10 Jahre gehalten, aber da die Univer- 
sitat derselben grossen Abbruch gethan hat, sich nach 
Prag gewendet. Von dem bShmischen Statthalter Fer- 
dinand hatte er die Erlaubnis erhalten, in einer „der drei 
Stadte Prag" erne deutsche Schreib- und Kechenschule 
zu griinden. Was ihn veranlasste, gerade nach Prag zu 
gehen, war die Hoffiiung, Maximilian n. werde auch den 



^^) Ebenda A. n, lOOc. Bl. 38 b. Er scheint anfangs mit ge- 
wissen Ansprtlchen bezUglich der Konzession aufgetreten zn sein, 
von deren Zurttckweisung das RathsprotokoU a. a. 0. BL 29 b be- 
richtet 

") Spaterhin ftlllt der Titel weg; er hat also nach Ubernahme 
der Schule sein Kirchenamt aufgegeben. Uber die Pflichten des 
Stuhlschreibers siehe 0. Richter in dieser Zeitschr. IV (1883), 110. 

»*) DRA. D. I, 177 b. 

») RathsprotokoU vom 24. Juli 1568. A. n, 100 c. Bl. 249. 

^) DRA. D. I, 240b. A. H, lOOc. Bl. 324. 

^^ Ebenda Bl. 239. Sitzung am 15. April 1569. 



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282 Georg Mliller: 

Protestanten seine Gunst zuwenden. Als aber nach 
dessen frtthem Tode unter Eudolf n. die Aussichten fiir 
den Protestantismus ungiinstig wurden und infolge der 
Pest seine Schule langere Zeit geschlossen war, wendet 
sich Paul Speck an den hiesigen Rath urn Verleihung der 
Knaben- und Mftdchenschule, welche letztere von seiner 
Frau libernommen werden soil. 

Interessant ist in seinem Gesuche der Bericht liber 
seine schriftstellerischen Untemehmungen. Er hat nSm- 
lich einige Schriften verfasst, die theils dem Unterriehte 
dienen, theils eine Reform der deutschen Schule im Auge 
haben. Das erste Buch handelt von den Uebelstftnden 
im deutschen Schulwesen, die durch Eltem, Schiller und 
Schulhalter veranlasst sind, giebt eine eingehende In- 
struktion iiber die Pflichten der einzelnen Personen und 
enthalt zuletzt Vorschriften iiber die Einrichtung deut- 
scher Schreib- und Rechenschulen. Das zweite, „nit ein 
grosses Buch, sondem ein Kunststtick der Schreiberei", 
ist eine grosse Tafel mit 12 Kanzleischriften, welche die 
Entstehung der Buchstaben „auls dem Quadrat undZirckel" 
erlautern. Das dritte ist wesentlich religi5sen Inhalts. 
Es bietet eine Reihe von Mahnungen zu frommem Leben, 
Gebete fur Schliler (im Leben und Sterben) in Reim- 
versen jedenfalls nach dem beliebten Motto: 

„Lies, schreib und rechne jederzeit, 
Der jlingste Tag ist nicht mehr weit" ^®). 

Es ist sehr zu bedauem, dass uns diese Schriften nicht 
erhalten sind, sie wurden uns jedenfalls einen Einblick 
in den Zustand und die Methode des damaligen deutschen 
Schulwesens gestatten. Uber seine Thatigkeit hier in 
Dresden berichtet uns ein Visitationsprotokoll aus dem 
Jahre 1578^®). Damach unterrichtet er die Knaben, 
seine Frau die Mftdchen, und zwar, wie ausdrftcklich 
hervorgehoben wird, „ein ides die seinen in vnderschied- 
lichen Stuben," jedenfalls in einem Hause an dem Neu- 
markte®^). Die Wohnung scheint mangelhaft gewesen 



*8) Schmid, EncyklopMie des gesamten Unterrichts- und Er- 
ziehungswesens. VI ^ 808. 

»o) DRA. A. n, 66. BL 164 (Original), 161b (Abschrift). 

«>) Ebenda A. H, 100 c. Bl. 309. Vergl. fiber den Ankauf die 
Kammerei-Rechnungen vom Jahre 1571: 400Schock oder 1000 thaler 
Laux Zimmermanns erben ufs hanl^ so man gemeiner stadt zom 
besten znr maigdel- and dentzschen knabenschnle umb 2000 thaler 



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Die Anftlnge des deutschen Schulwesens in Dresden. 283 

zu sein, wenigstens werden von den Visitatoren behufs 
HersteUung derselben Anordnungen getroffen®^). Die 
Folge davon ist der Neubau der Schule, der in die fol- 
genden Jahre filllt®^). Paul Speck hat ihn nicht mehr 
erlebt. Denn am Trinitatistermin 1579 wird zmn letzten- 
male sein Gehalt aufgefiihrt, in dem folgenden Viertel- 
jahre muss er gestorben sein; denn beim Termin Crucis 
(14. September) fehlt sein Name®*). Zwar wird seiner 
Witwe Amt und Gehalt belassen, aber nur zweimal er- 
scheint letzterer in den Kechnungen; in einem Schreiben 
an den Rath bittet sie um Befreiung vom Schulmeister- 
dienst, well sie sich „durch sonderliche Schickung Gottes 
des Allmechtigen anderweit vorehelichet" habe**). Ihr 
Einkommen wird dem bisherigen Knabenlehrer Valten 
Emrich zugelegt, dem 1581 die neuerbaute deutsche 
Schule eingeraumt wird. Als die Veteranin, Ottilia 
Peschel, nach mehr als SOjahriger Thfttigkeit stirbt®*), 
ist er, bis ans Ende des Jahrhunderts, der einzige vom 
Rathe bezahlte deutsche Schuhneister^®), bekommt aber 
nicht die urspriinglich ausgesetzte Summe, sondem nur 
30 Gulden. 

Freilich werden neben ihm eine Reihe von Privat- 
lehrem erwahnt, deren Schulen zumtheil vom Rathe 
konzessioniert, aber nicht durch Geldmittel untersttitzt, 
grosse Anziehungskraft ausgeiibt zu haben scheinen. Zu 
ihnen gehSrt in den ersten Jahrzehnten auch die Knaben- 
schule des Raths. Als erster Lehrer derselben erscheint 
der „deutsche Schreiber" Oswald Saupe. Auch er hat 
seine Bildung in der deutschen Schule erhalten. Bei 
Joseph Knaus hat er seine Lehrthatigkeit um 1545 be- 
gonnen®"^). Nachdem er ungefahr 3 Jahre bei ihm ge- 



gekaufffc 11 Schock 50 gr. 11 pf. oder 33 fl. 17 gr. 11 pf. dem 

deutzschen schulmeister Paul Speck wegen pesserung dels hauses an 
Unser Lieben frawen kirchofF wiedergeben 19. Octob. 1572. Vergl. 
die Kammerei-Rechnung vom Jahre 1579. 

«^) DRA. A. II, 66. BL 236 b. Vergl. auch Bl. 183. 184. 234. 
" Ebenda. D. I, 344. 

Ebenda. Religionamts-Rechnungen vom Jahre 1579 u. 1580. 
Ebenda. D. I, 292. 

Ebenda. Religionamts-Rechnungen vom Jahre 1585. 
^) Einstimmiger Rathsbeschluss, dass klinffcig neben der latei- 
nlBchen Schule nicht mehr als eine deutsche Schule gehalten werden 
soUte. D. n, Ilia. 

«^ Ebenda. D. I, 173b. 



62\ 



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284 GceoTg Mliller: 

wesen, wird ihm die deutsche Knabenschule iibertragen*^); 
wie lange er dieselbe geleitet, ist nicht klar, da die 
Rechnungen ihn nicht ein einzigesmal erwahnen; 1562 
erscheint er in seiner Eigenschaft als Knabenlehrer bei 
Gi-elegenheit einer FeststeUung der Dresdener Privat- 
schulen®®). Sein Nachfolger war jedenfalls Valten Em- 
rich, dem nach Paul Specks Tode auch die deutsche 
Madchenschule iibertragen wird. Die moralische Unter- 
stiitzung, die dieser Kaabenlehrer von seiten des Raths 
genossen, scheint sie nicht vor mancherlei Schwierigkeiten 
bewahrt zu haben, die ihnen von seiten der neben ihnen 
bestehenden Privatschulen bereitet wurden. Abgesehen 
davon, dass letztere ihnen die Schliler entzogen und das 
Verdienst schmalerten, wurden dieselben auch beschuldigt, 
die straffe Disziplin zu untergraben. Oswald Saupe be- 
klagt sich, „wenn man der Jugend ein wenig zu scharff 
zuspricht vnnd sie vmb begangenen Muttwillen strafft, 
das sie als den aus einer Schull in die andere lauffen." 
Da habe es „vor Zeittenn, do die deutschen Schulen 
nicht so gemein gewest," ganz anders urn die Disziplin 
gestanden, da „hatt man in Latteynischen Schulen die 
Jugent in gutter Zucht vnnd forcht halten konnen, aber 
itzundt gehet es viel anders zu" '^). Freilich wurden 
diese Schulen bisweilen von Personlichkeiten geleitet, die 
keinen sehr vertrauenerweckenden Eindruck machen, wenn 
auch die Beschwerdeschriften oft zu schwarz malen mogen. 
Da greift denn der Rath ein, wie auch die Visitation 
gegen diese Winkelschulen einschreitet. 

So hatten die kurfiirstlichen Kommissarien '^) 1555 
die beiden MMchenschulen von Magister Arnold'^) und 



«8) Ebenda. D. I, 170b. Urns Jahr 1558 hat er einen Streit 
mit Caspar Peschel, wobei der Rath auf Seite Oswald Saupes tritt. 
D. I, 170 a. Daraui bezieht sich jedenfaUs das ProtokoU der Raths- 
sitzung A. II, 100 c. Bl. 29 b: Caspar dem stulschreiber ist beschiedt 
gegeben, der jugent sei viel, dartzu auch viel lewtte gehoren, so sei 
das schreiben und rechnen eyne freie kunst, derhalben sei es schwur, 
dy lewt an eynen ort ^cu zcwingen, und man konne ihn nicht hin- 
dem, do er seyne besserung wisse. 

«») Ebenda D. I, 172. 

'O) Ebenda 173 a. 

'1) Ebenda 177 a. 

'*) Er war frtiher Lehrer an der lateinischen Schule zu Altea- 
Dresden. D. I, 172. 



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Die Anf&nge des deutschen Schulwesens in Dresden. 285 

der Pretzschnerin '^) untersagt, aber nur letztere fiigte 
sich. Magister Arnold unterrichtet noch 1562 Knaben 
und Madchen'^). Ausser diesem erscheinen in diesem 
Jahre neben den Rathsschulen noch drei Winkelschul- 
meister, einer davon in der Wilsdruffer Vorstadt'^), 1581 
eine vor dem Ziegelthor, die andere auf der Pimschen 
Grasse u. a. m.'®). Wenn aber die konzessionierten Schul- 
meister von dem Rathe die Entfernung dieser Eindring- 
linge") verlangen, so willfahrtet derselbe nicht ohne 
weiteres diesem Gesuche, sondem verweist die Petenten 
darauf, dass „schreiben und rechen eyne freie kunst", 
also nicht den Schranken der Zunftgesetze unterworfen 
sei'^). Er beriicksichtigte jedenfalls auch den Umstand, 
dass zeitweilige Uberfiillung '*) der Rathsschulen, sowie 
die Entfernung®^) derselben von einzelnen Stadttheilen 
das Entstehen neuer Schulen wtinschenswerth erscheinen 
liessen. Vor allem ist fur ihn die Garantie der sittlichen 
Fiihrung massgebend. „Eyn ledige person lernet dy 
kyndere uflF der Bomgassenn; ist ime undersagt (ange- 
sagt), solle geduldet werdenn, do er sich ehrlich vor- 
halten wirdet," berichtet ein RathsprotokoU *^). Dagegen 
greift der Rath rticksichtslos ein, wenn beziiglich der 
moralischen Haltung Bedenken vorliegen®-). Solche wer- 
den z. B liber Michael Faber berichtet, der eine „vnleid- 



'3^ Steht sie in Beziehung zu Paul Pretzschner, Pfarrer zu St. 
Bartholomaei, der als Pfarrer und Superintendent nach Eger berufen 
wird? D. I, 311. 

'*) D. I, 172. 

''^) Es war dies Paul Conradt, der sich unter Bemfung auf 
seine dreij&hrige Lehrth&tigkeit 1663 um den Schuldienst zu St. 
Bartholomaei bewirbt D. ij 213. 

'«) Gesuch der Ottilia Peschelin Ostem 1581. D. I, 296. 

") So dann gemelter Faber nicht zur rechten Thiir, sondem 
zum Fenster hineingestiegenn, vnnd vnordentlicher weise mit hinder- 
listigen Practiken vnd subtilen grieffen eindringen. D. I, 177 b. 
Vergl. D. I, 170 b: es will „ nicht folgenn, das ein Jder, der Schrey- 
benn vnd Eiechen kan, Schule haltenn sol". 

'8) Siehe Anm. 68. A. n, 100c. Bl. 29b. 

'^) Bericht ttber die Madchenschule 1575 : es sei „8onderlich zu 
Sommers Zeiten die Schule von den Mftgdlein dermassen vber- 
menniget, das sie zuweilen wegen des Gedrenges wol krank durch- 
einander, vielweniger nach Notturfft vberhoret vnd vnterweyset kdnnen 
werden". D. I, 269 b. 

«>) D. I, 269b. 

") A. II, 100c. BL 76b. Montag nach Trinitatis 1555. 

^) Der Rath berief sich hierbei auf die kurfUrstliche Kirchen- 
ordnung. D. II, 114. 



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286 G^eorg MtQler: 

liche" Schule fiir Ejiaben nnd MMchen gegriindet hat®^). 
Bereits als Kreuzschiiler hat er in der Schule Nachhilfe- 
unterricht auf Empfehlung des Kektors ertheilt, spater 
aber durch sein leichtsinniges Leben mancherlei Anstoss 
gegeben, die Geistlichen beleidigt, den Rektor verhShnt 
und durch nftchtlichen Unfug sich, wie es scheint, wenig- 
stens eine Untersuchungshaft zugezogen. Diese That- 
sachen bieten dem lateinischen und deutschen Schulmeister 
Gelegenheit, gegen die Konzessionierung des neuen zwei- 
felhaften KoUegen zu protestieren. Ahnlich ist der Sturm, 
als Donat Fehrmann 1585 eine Schule grlinden woUte. 
Der Rath musste allerdings gegen ihn misstrauisch wer- 
den, wenn derselbe selbst zugestand, dass er ,,in seinem 
Studieren verwahrlost worden sei"®*) und wenn gegen 
ihn Thatsachen vorlagen, die es bedenklich erscheinen 
liessen, ihm den Madchenunterricht zu gestatten ®^). So 
wurde sein G-esuch abgelehnt ®®), trotzdem dass seine 
Mutter in einem beweglichen Schreiben darauf hinwies, 
wie ihr Sohn durch einen Schuss in die linke Achsel zum 
Krtippel geworden, kein Handwerk habe lernen k5nnen, 
und wie es sie „einen zimlichen Pfennig gestanden", dass 
sie „ihn schreiben vnnd rechnen vnd was sonsten ein 
Schulhalter kennen soil, nicht allhier, sondem dasselbe 
anderswo, habe solches lernen lassen" ^'). Auf ihr An- 
erbieten, im Fall der Gewahrung ihrer Bitte dem Gottes- 
kasten dreissig Gulden zu vermachen, wird ihr geant- 
wortet, „doran thette sie Gott emen gefallen vnd das 
mochte sie woll thun nach irer gelegenheit"®®). Der 
Streit hat fiii* uns noch besonderes Interesse durch die 
Schreiben Jakob Eehrmanns, in denen er dem Rathe das 
Programm seiner Schule vorlegt. Gefallt es sich auch 
in mancherlei Ubertreibungen, so gewfthrt es doch einen 
Einblick in den Gang des Unterrichts. 

Es ist leicht erklarlich, wenn die Methode der deut- 
schen Schule sich zunslchst noch an das Mittelalter an- 
schloss, soweit nicht die Bestimmungen der Visitationen 
und Rirchenordnungen ausdrticklich neue Anordnungen 



^) Siehe zum folgenden die Schreiben des Kektors Tobias 
Mostelius D. I, 175 f. und Caspar Peschels D. I, 177 f. 
8*) D. n, 109. 
») D. n, 111b. 

^) D. n, 112b. 



8') D. II, 113. 

^8) D. n, ■ 



114 b. 

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Die Anfange des deutschen Schulwesens in Dresden. 287 

trafen. Letztere bezogen sich fast ausschliesslich auf 
den Religionsunterricht, der den Mittelpunkt des Unter- 
richts bildete, beztiglich des Ganges nnd Stoffes ziemlich 
eingehend festgestellt und besonders erastJich eingescharft 
wurde. In den Meissener Visitationsartikeln von 1539 ^®) 
wurde vorgeschrieben, „dafs auch in allewegen der kleine 
und grofse KatecMsmus sammt der Litanei in der Schiller 
und Schulmagdlein Gegenwart mit Fleife getrieben und 
gefuhrt werden soil", wozu im Jahre 1540 die Vorschrift 
kam, dass „was man am Sonntage voi^elegt hat, man 
den Kindem in der Woche auf einen Tag oder zwei, 
nachdem der Kinder viele oder wenige sind, wieder liber- 
hdren soU." So wird auch in Dresden in dem einzigen 
ausflihrlicheren EinweisungsprotokoU der deutschen Leh- 
rerin ihr Versprechen erwahnt, „die Kinder im cathechismo 
und gottes worth etc. treulich und vleifsig zu under- 
weisenn, soviel ir verstandt mittbringet" ^). Es kOnnte 
damach den Anschein Jiaben, als ob hier, nach Luthers 
erstem Vorschlag ®^), nur religi5ser Unterricht ertheilt 
worden ware, wenn bei der Bestimmung des Schulgeldes 
nicht ausdriicklich vom Lesen und Schreiben di« Kede 
ware. Diese beiden Facher bezeichnen allgemein, bis- 
weilen mit dem Singen ®^) verbunden, die untersten Stufen 
Oder Klassen der Madchen- wie Knabenschule. Ihr Be- 
trieb wird jedenfalls der mittelalterliche^^) gewesen sein; 
beztiglich des ersteren flnden sich mit Ausnahme der 
Erwahnung von Lesetafeln ®*) keine naheren Notizen, 



^) Heppe, Geschichte des deutschen Volksschulwesens I, 16. 

«>) DRA. A. n, 100 c. Bl. 249. 

®^) An den christlichen Adel deutscher Nation . . . Bearbeitet . . . 
von Karl Benrath (HaUe 1884) S. 26 f.: Und woUte Gott, eine 
jegliche Stadt h&tte auch eine Madchenschule, darinnen des Tags die 
Magdlein eine Stunde das Evangelium h(}rten, es welre auf deutsch 
oder lateinisch. — Nur religiSser Unterricht fur die MS-dchen wird 
auch in Braunschweig erwahnt in der Schulordnung von 1528. 
Koldewey, Braunschweigische Schulordnungen ... I, B7. Z. 10 flg. 
tJber die Verschiedenheit und Entwickelung des Unterrichts in den 
Madchenschulen siehe Johannes M tiller, Luthers reformatorische 
Verdienste um Schule und Unterricht. 2. Aufl. (Berlin 1883) S. 34 f. 

^) Hans Schrotters hat erstlich Meidtlein vnd Knaben, im 

lesen und singen vnterwiesen ein junger Geselle (Paul Conrad) 

zuuor hat er sich auch mit der deutzschen schreib und singschul 

beholffen. D. I, 172. 

^) Vergl. Specht, Geschichte des Unterrichtswesens in Deutsch- 
land .... 67 %. 

»*) DRA. D. I, 239 b. 



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288 <^eorg MttUer: 

wahrend fur den Schreibunterricht 5fters mit besonderer 
Sorgfalt ausgefiihrte Zusammenstellungen der Alphabete 
auf Papier oder Pergament®*) benatzt wurden. 

Die oberste Stufe bildete der Rechenunterricht. Aus- 
drucklich wird er zum erstenmal im Jahre 1550 ei-wahnt, 
in welchem ein deutscher Schreiber*®) die Erlaubnis er- 
halt, „Rechen- und Fechtschulen" ®') zu halten ®^). Aber 
wir d&rfen wohl annehmen, dass schon Joseph Knaus 
seit dem Anfange der vierziger Jahre die in dieser Zeit 
so ausserordentlich schnell emporgekommene Wissen- 
schaft®®) in seiner Schule getrieben hat, da er bereits in 
Oschatz Rechenmeister genannt wird und ausserdem sein 
Nachfolger in der Madchenschule wie sein Schtiler in der 
Knabenschule das Rechnen treiben^^®). Auch Specks 
Fran hat bereits in Prag den MMchen Rechenunterricht 
ertheilt ^^^). Er selbst erscheint im Jahre 1574 unter 
dem Titel Rechenmeister^®^). Regelmftssig werden zwei 
Rechnungsarten: auf der Linien umd mit der Feder unter- 
schieden^®^). Jacob Fehrmann verspricht in seinem Pro- 
gramm auch noch das hohere, kauftnfinnische Rechnen zu 
treiben: „nach dem Fortheil oder Practica genand, auch 
dameben Aufsziehung der Wurzeln der Quatraten, des- 
gleichen Buchhalten durch drey Bucher, als Zonial (Jour- 
nal), Kaps (Capsula) und Schuldbuch" ^«*). 

Von sonstigen Fachem flnden wir nichts vertreten. 
Es ist dies auch v5llig fiir die Knabenschulen erklarlich, 
wenn z. B. Oswald Saupe ausdrucklich hervorhebt, dass 



»5) Ebenda 240 a. D. II, 109 a. 

^) Ist dies etwa Melchior Zceischen? Vergl. DRA. A. XV b. 
68. Tagzettel 1549. 

®') Siehe tlber die Geschichte nnd Bedeutung der Fechtschulen 
fiir die Stadte M. JS.hiis, Geschichte des Kriegswesens (Leipzig 
1880) S. 926. 

^) A. XV b. 63. Tagzettel 1550: Eym dewtzschen schreiber ist 
erlewbt rechen- und fechtscbulen zcu halten, ist inn der 
Willischen gassenn zcur miet eyngetzogen. 

^) Siehe ttber die Schatznng der Eeehenkunst in Sachsen: 
Schmid, EncyclopSdie des ges. Erziehungs- und Unterrichtswesens 
VI, 788 fig. 

i«>) A. n, 100 c 29 b. D. I, 170. 170 b. 172. 173. 173 b. 

*o^) D. I, 239 a. 

i<») A. II, 100 c. Bl. 824. 

1^8) tJber dieselben Schmid, Encyklopadie . . . . VI, 790 fig. 

^^) Vergl. dazu M. Henrici grammatici (Schreyber) Rechen- 

btichlein (Frankfurt a. M. 1572), erwahnt bei Schmid, Encyklo- 

padie .... VI, 793. 



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Die AnfUnge des deutschen Schulwesens in Dresden. 289 

er nur die „arme . . . Jugent" '^*), „diejemgen die nicht 
geschickt zum Studiren, oder sonsten Armuts halben das- 
selbige nicht erstrecken konnen"^®*), in seiner Schule 
habe. In der Madchenschule wird allerdings schon „Nehen 
vnd andere weibliche Arbeit" erwahnt^^']). 

tlber die Art und Weise des XJnterrichts geben uns 
die Quellen keine Auskunft; doch scheint das Ansagen 
und tJberhSren (Verhoren) die Hauptrolle gespielt zu 
iiaben^®^). Die Disziplin war der Sitte der Zeit ent- 
sprechend streng, die Bestrafung hart. Wenn auch oft 
davon in glimpflichen und euphemistischen Ausdrllcken, 
wie : ein wenig zureden, ein wenig scharf zusprechen etc. 
gehandelt wird, so findet sich doch auch „die gebtihrliche 
Ziichtigung" oft genug^^®). Immer starker werden die 
Klagen liber die Schadigung der Disziplin durch die 
Winkelschulen. Wie dem Emporkommen derselben der 
dreissigjalhrige Krieg sehr ftrderlich war, so hat er die 
Entwickelung des jungen deutschen Volksschulwesens in 
beklagenswerthem Masse geMndert. 



^^) DRA. D. I, 170b. 
^^) Ebenda 173 b. 
^0') Ebenda 239 a. 

*^) Itena soU die Abecedaries helffen verhorenn vnnd sie im 
schreibenn oben helffen. D. I, 265. 
i«») D. n, Ilia. D. I, 173a. 



Neues Archly f. 8. G. u. A. Till. 3. 4. 19 

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IX. 

Der kursachsische Hofmaler und Kupferstecher 
Heinrich Goding/) 

Von 

E. Berling. 



Heiiirich GSding^) der Altere ist, wie aus seiner 
Grabschrift (s. unten S. 341) hervorgeht, im Jahre 1531 
zu Braunschweig geboren. Ausser dieser kurzen Angabe 
war weiteres liber seine Geburt, Farailie, klinstlerische 
Erziehung, kurz uber die ganze Jugendzeit nicht in Er- 



*) Die nachfolgende Studie ist auf Anrathen meines Freimdes, 
des Herm Cornelius Gurlitt, entstanden, der mir zu diesem Zwecke 
nicht nur sein reichhaltiges Notizenmaterial zur VerfUgung steUte, 
sondern mich auch im Verlaufe der Arbeit mit seinem Kathe wesent- 
lich unterstiitzte. 

2) Ich habe dieser Schreibweise des Familiennamens den Vor- 
zug gegeben, weil sich dieselbe in den Kreisen der neueren Kunst- 
schrittstelier bereits eingeblirgert hat. Der Maler selbst hat sich mit 
„G5ding" meines Wissens nur einmal unterschrieben und zwar bei dem 
zum I. Bande des von ihm verfassten Kupferwerkes „Sachs. Historien* 
geh5rij?en Vorworte, wahrend er in zwei Briefen, die sich im Kgl. 
Sachs. Hauptstaatsarchiv (H.-St.-A.) befinden, und einem Gedichte, wel- 
ches das Wolfenblittler Archiv bewahrt, ^Getting'' w^hlte, eine Form, 
die sich, doch hier o statt 6, auch einst auf seiner Grabschrift vorgefiin- 
den hat. Seine Kupfertafeln hat er femer mehrfach mit «Godie", ^Goe- 
digen", ^Gode** und ^Godi.** bezeichnet, wahrend sich endlich noch 
in den ihn betreffenden Akten die Schreibarten „Goding", „G6dding", 
^Godeckh", „Godick" etc. vorfinden. — Um Verwechselungen vorzu- 
beugen, m6ge hier erwShnt sein, dass in den Akten des H.-St.-A. 
aus dieser Zeit mehrfach Notizen yorkommen, welche sich auf einen 



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K. Berling: Hofmaler u. Kupferstecher H. GrSding. 291 

fahrung zu bringen^). Doch mochte ich schon hier, und 
zwar aus stilistischen Grtinden, der von Schuchardt*) 
ausgesprochenen Ansicht, seine Werke liessen vermuthen, 
dass er in den Niederlanden die ersten malerischen Stu- 
dien gemacht habe, entschieden entgegentreten ; vielmehr 
weisen dieselben auf einen deutschen Lehrer bin. Es ist 
dies aber eine Annahme, die auch Schuchardt nicht ganz 
ausgescblossen wissen will, da er etwas spater auf der- 
selben Seite sagt: „Dass es in Godigs Jugendzeit in 
Braunschweig selbst geschickte Maler gegeben.habe, be- 
weist schon die Nachricht, dass Cranach der Altere von 
einem dortigen Kiinstler Portrats leiht, um sie zu copiren 
Oder andere damach zu malen". 

Es vermag sich somit die nachfolgende Studie nur 
mit den Arbeiten Godings zu beschaftigen, die er im 
Kurfurstenthum Sachsen, wo er die langste Zeit seines 
Lebens als Maler nnd Kupferstecher thatig war, aus- 
f&hrte. Wann er nach dieser seiner neuen Heimath ge- 
kommen ist, lasst sich wenigstens annahemd bestimmen. 
Denn in der Vorrede zu einem von Groding 1597 und 1598 
verfassten Kupferwerke, das unten ausfiihrlicher be- 
sprochen wird, sagt er, dass er „dem Hochloblichsten 
Churf. Haus zu Sachfsen in die 40 Jahr mit seiner 
Mahlerkunst unterthenigst gedienet" habe. Darf man 
nun auch wohl die Angabe „in die 40 Jahr" nicht wort- 
lich nehmen, sondern dieselbe nur als ungefahre Zeit- 
bestimmung betrachten, so berechtigt sie jedenfalls zu 
der Annahme, dass Heinrich Goding vom Ausgange der 
50er Jahre an in Sachsen thatig war. 



Btichsenmacher Heinrich Getting von Mtthlhausen beziehen. Der- 
selbe hatte gegen Ende des Jahres 1572 seine Bestallung als BUchsen- 
meister zu Dresden erhalten, welche ihm aber im Mai 1577 wieder 
entzogen wurde, weil er „ob seinem ungehorsamen Verhalten und 
Unfleiis" das hOchste MissfaQen des Kurftirsten August erregt hatte. 
3) Wie mir Archivar Dr. Zimmermann in Wolfenbtittel, dem ich an 
dieser SteUe fttr mehrere mir giltigst tiberlassene, G6ding betreffende 
Notizen meinen Dank ausspreche, mittheilt, sind in Braunschweig Kir- 
chenbiicher aus so alter Zeit nicht mehr vorhanden, auch hat sich in 
den Archiven zu Braunschweig und Wolfenbtlttel bis jetzt iiber GSding 
mit Ausnahme des bereits erwahnten Gedichtes nichts vorgefunden. 
Letzteres gedenkt Dr. Zimmermann, der sich mit mir auch in der 
Schreibweise ^G&ding" geeinigt hat, in n3.chster Zeit in d. Beitr. zur 
Gesch. der deutschen Sprache u. Literatur zu veroffentlichen. 

*) Ch. Schuchardt, Heinrich Godig, in Naumanns Archiv f. 
d. zeichnd. Kttnste. 1855. 8. 96. 



DigitizecAD^GoOgle 



292 K. Berling: 

Die erste urkundliche Notiz, welche sich im H.-St.-A. 
aufflnden liess, und welche lautet^): 

„6 fl. 18 g. Heinrich Gottingemn Mahlem vonn 3 stahelin bogenn 
Zu mahlenn vnd Zu uorgoldenn laut. einer vnderschriebenen Zeddel", 

ist indessen erst vom 2. Okt. 1563 datiert. Es liegt aber 
in der Natur der Sache, dass die urkundlichen Quellen 
liber eine so bescheidene Thatigkeit, wie sie die ersten 
Jahre seines sachsischen Aufenthaltes ausgefullt zu haben 
scheint, nur sehr sparlich fliessen. Wohl erst allmahlich 
ist es ihm gelungen, die Aufmerksamkeit des Kurfursten 
auf sich zu Ziehen und sich die Gunst der Kurfiirstin zu 
erwerben, so dass ihm die Ausfiihrung grosserer Arbeiten 
an dem Schlosse und der Schlosskapelle zu Stolpen*) 
iibertragen wurde. IJber diese schreibt August selbgt in 
einem an den dortigen Sch5sser gerichteten Briefe"^): 

„L. g. Aufe inligendem vor Zaichnus findest du, wals der 
mahler zum Stolpen Heinrich Godingen von den hirschen f(ir unser 
eisstuben unnd dem predigstuhle inn der kirchen Zu mahlen Zu uor- 
gulden und aufsZustreichen fordert. Weill wir dan bedacht bereits 
Zwei stuck noch mahlen Zu lafsen, so befehlen wir Dir, du woUest 
mit ime des lohns halben auffs genaweest dingen und Vorgleichung 
treffenn, Damit es kunftig nach vorferttigung dieser gemelde keiner 
sonderlichenn handlung mit Ime bedorffe. Das soil etc. 

Dresden d. 12. Feb. 1564.« 

Von der Ausmalung dieser „Essstube"^) ist nichts 
mehr erhalten,; der „Predigtstuhl" (Kanzel) jedoch, der 
friiher an der stidlichen Wand der Schlosskapelle auf- 



^) H.-St.-A. Loc. 8679. Tagesregst. 1563—64. 

^) Das Schloss Stolpen sowie die Stadt Bischofswerda Waren 
am 18. Jan. 1559 in den Besitz des Kurfursten August gekommen. 
Vergl. Mitthlg. d. K. S. Alterth.-Ver. XX, 53. Naheres liber den 
Stolpener Schlossbau siehe JR. Steche, Ban- u. Kunstdenkmaler d. 
Kngr. Sachsen I, 83 flg. 

') H.-St.-A. Cop. 321 (H) fol. 24. 

8) Wahrscheinlich ist hiermit der im westl. Theile gelegene, 
jetzt ganzlich verfallene ^Ftirstenbau" gemeint. Es ware jedoch 
mSglich, dass auch die Malereien in einigen daneben liegenden Ge- 
machem von Goding gemalt waren, von denen v. Zehmen, Bemer- 
kungen iiber d. Stolpener Schloss (1792) Bl. 4 b (Manuscr. in d. Kgl. 
Offtl. Biblioth. zu Dresden) wie folgt berichtet: „Hier (im 4. Schloss- 
hofe) war sonst rechter Hand gleich beim Eingange ein schOner 
Saulengang, worauf Stuben gebaut, die mit ^ la fresco gemahlt 
waren. Da sich einige eben nicht sittliche Bilder in diesen Stuben 
befanden, so liess man sie ilberweissen, aUein die Farben haben sich 
unter dem Kalk sehr gut gehalten und man kann immer noch etwas 
von dieser Mahlerey sehen. Leider sind diese Stuben und sch5nen 
Saulen- Grange auch niedergerissen". 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich GOding. 293 

gestellt war, befindet sich jetzt in der Begrabniskirche 
zu Bischofswerda ®). Indessen ist auch hier noch die 
Thatigkeit des Malers eine recht untergeordnete, sie be- 
schrankt sich lediglich auf das Ausmalen und Vergolden 
der vom Bildhauer gefertigten Figuren und Omamente. 

Erst zwei Jahre spater erscheint G5ding als mit 
selbstandigen Auftragen bedacht und zwar mit einem fur 
dieselbe Kapelle bestimmten Werke. Deun im Jahre 
1566 fiihrte er den vam Kurfttrsten erhaltenen Auftrag 
aus, die Aussenseiten der Fltigel des Hauptaltars zu liber- 
malen und die zu demselben gehorige Predella neu zu 
schaffen^®). Dieser Altar, dessen beide Flligel und Pre- 
della sich jetzt im Museum des K. S. Alterthums-Vereins 
zu Dresden (unter Nr. 69*, ^ und °) befinden^^), war von 
Johann V. (von Weissenbach), Bischof von Meissen, im 
Jahre 1486 errichtet worden. Frliher waren im Innem 
desselben die lebensgrossen aus Holz geschnitzten Figuren 
der Maria mit dem heil. Erasmus und der heil. Barbara 
aufgestellt, die inzwischen verschwunden sind, aber noch 
im Jahre 1792 vom Kammerherm von Zehmen an Ort 
und Stelle gesehen wurden^^). 

Sobald durch den Kuriursten August vom Amte 
Stolpen, das er von den Meissner Bisch5fen gegen das 
Amt Mlihlberg eingetauscht hatte, Besitz genommen war, 
hatte er auch hier, wie in seinen iibrigen Landem, die 
Lehre Luthers eingeftihrt ^^), eine Neuerung, die ausser 
einer ganzlichen Renovation der Kapelle auch viele Ver- 
anderungen in derselben nach sich zog. Unter anderem 
wurde der Altarschrein, weil die Heiligenfiguren bei dem 
veranderten kirchlichen Ritus Anstoss erregten, wahr- 
scheinlich von dieser Zeit an meistens verschlossen ge- 
halten. So wenigstens erklart sich am besten der Um- 
stand, dass Goding die Aussenseiten der Flligel liber- 
malen musste, diese sich aber bei weitem nicht so gut 



®) Vergl. K. Steche a. a. 0. 89, wo eine genane Beschreibung 
dieser Kanzel gegeben ist. 

i<>) Ftir seme ThStigkeit in Stolpen ist Goding vom Kurfilrsten 
mit 600 fl. „begnadet" worden (H.-St.-A. Cop. 321, fol. «»>). 

") Vergl. V. Eye, Ftihrer durch d. Museum d. Alt.-Ver. S. 35 f. 
und K Steche a. a. 0. 88. 

^2) Derselbe schreibt a. a. 0. S. 6 aUerdings fiUschlich, dass 
„die Mutter Gottes mit Joseph und Christo" darinnen gestanden 
h&tten. VergL dagegen Gercken, Historie der Stadt und Berg- 
festung Stolpen (1764) S. 46 f. 

*8) Gercken a. a. 0. S. 38 f. 



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294 K. Berling: 

erhalten haben, wie die fast ein Jahrhimdert alteren 
Innenbilder. 

Geding theilte, analog den letzteren, seine beiden 
Tafeln in einen oberen gr5sseren nnd einen unteren klei- 
neren Abschnitt, die er durch ein etwas steifes links ^*) 
mit dem sachsischen, rechts mit dem dgLnischen Wappen 
verziertes Kartuschenwerk trennte. 

Die Tafel links stellt in ihrem oberen Theile die 
Ausgiessung des heiligen Geistes dar. Die 12 Apostel, 
welchen in der naiv anschaulichen Weise der damaligen 
Zeit der heilige Geist in Gestalt eines Flammchens ins 
Haupt zu dringen scheint, umgeben, meist in grosser 
Verzlickung, die Gottesmntter, welche als eine wiirdige 
Matrone mit gefalteten Han den, das voile Gesicht dem 
Beschauer zugewandt, behabig dasitzt. Uber ihnen 
schwebt die Taube (von blaulicher Farbung mit grell- 
rothem Schnabel nnd Beinen), von welcher der Geist 
strahlenformig ausgeht nnd den ganzen Hintergrund mit 
einem krassen Gelb anfiillt. Rechts wird die Darstellung 
dnrch eine Renaissancesaule, links durch eine machtige 
Freitreppe und ein Rundbogenportal, welches den Durch- 
blick in eine Stadt gestattet, abgeschlossen. 

Das darunter befindliche, kulturgeschichtlich sehr 
interessante Bild stellt im Vordergrunde — mit sehr 
vielen Figuren — einen in der Stadtkirche zu Witten- 
berg nach neuem Ritus abgehaltenen Gottesdienst dar. 
Links predigt von der Kanzel herab der grosse Refor- 
mator Luther; vor ihm sitzt, eng an einander gereiht, 
die andachtige Gemeinde, von der in der Mitte der 
Edrchendiener im Klingelbeutel die Gelder einsammelt. 
Ganz rechts sitzt in einer kleinen Nische der Kurfiirst 
August, das Haupt von einem hohen schwarzen Hute mit 
rother Feder bedeckt. Im Hintergrunde des Bildes sieht 
man die Austheilung des heiligen Abendmahles in beider- 
lei Gestalt. Der untere Rand desselben zeigt neben der 
Jahreszahl 1566 des Malers Monogramm fflj^*^). 



^*) Links und rechts bezieht sich auf die jetzige AufsteUnng 
im Museum, wo die von Goding gemalten Aussenfltigel nach innen 
gekehrt sind. 

^^) Ausser diesem einfachen, aus den beiden Anfangsbuchstaben 
von Vor- u. Nachname gebildeten Monogramm findet sich hauiig ein 
anderes vor, bei welchem zu dem H u. G noch ein kleines b tritt 
und das — wohl richtig — „Heinrich GSding Brunsuicensis" ge- 
lesen wird. 



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Hofinaler und Kupferstecher Heinrich GOding. 295 

Die andere Tafel stellt in ihrem oberen Theile die 
Taufe Christi dar. Die lendenumgiirtete, sonst nackte 
Gestalt des Heilandes, der mit gekreuzten Annen im 
Jordan steht, ist ziemlich schlecht gezeichnet. Rechts 
von ihm kniet, gleichfalls etwas ungeschickt, auf einem 
Felsblock Johannes in harenem Gewande und weitem 
grellrothen Mantel. Etwas besser als das Figiirliche ist 
hier das Landschaftliche behandelt, wenn auch fiir unsere 
Augen das Griin ein wenig zu grell erscheinen mag. 

Im unteren Bilde, das gleichfalls die Jahreszahl 1566, 
doch keine Namenschiffre tragt, sieht man die Taufe 
eines Sohnes des Stolpner „Schlosswachter" Barthel von 
Tolckwitz dargestellt, bei welchem August, Anna und 
Johann von Holstein, ein Bruder der letzteren, J^athen- 
stelle vertraten^®). " 

Die zu diesem Altare gehorige Predella, welche 
ebenfalls von Godmg gemalt ist, zeigt auch das gleiche 
Monogramm und dieselbe Jahreszahl wie die erste Tafel. 
Es beruht somit die Ansicht von Zehmens, dass die 
Jahreszahl 1554 dem Monogramme, welches er liberdies 
falsch wiedergegeben hat, beigeschrieben sei, auf einem 
Irrthum^'). Bemerkenswerth bei diesem Bilde, welches 
das Abendmahl des Herrn darstellt, ist der Umstand, 
dass der Maler in der von Lucas Cranach eingefuhrten 
Sitte, die Gestalten der biblischen Geschichte durch Por- 
trate seiner Zeitgenossen auszudrucken, nicht eben ge- 
schmackvoUer Weise soweit gegangen ist, dass er sogar 
dem Heilande die Zlige seines Kurfursten verliehen hat. 

Was den ktinstlerischen Werth dieser drei auf Holz 
gemalten Temperabilder anlangt, so muss ich gestehen, 
dass ich denselben eine grosse Bedeutung nicht zu- 
sprechen kann. Es sind anscheinend Erstlingswerke des 
Malers, der, obgleich er bereits im 36. Lebensjahre stand, 
doch hier zum erstenmale selbstandig grossere Motive 
behandelt zu haben scheint. Aus diesem Grande erklart 



i«) Gercken a. a. 0. S. 48. 

*') Derselbe sa^ tiber dieses Bild a. a. 0. S. 5 f. wortlich: 
„An dem Altar ist viel Kunst und Gold verschwendet. Das untere 
Stttck, welches das Abendmahl vorstellet, ist von einem sehr be- 
rtthmten Mahler mit Oelfarben auf Holz gemahlt; seinen Namen hat 
er mit den Buchstaben CH bezeichnet und die Jahreszahl 1554 ist 
diesen beigesetzt. Ausser der SchQnheit der Gewander der dasigen 
Personen herrscht tibrigens noch sehr viel Ausdruck in den Mienen 
des ErlOsers sowohl als auch seiner Jiinger." 



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296 K. Berling: 

sich deim auch das Unsichere in der Komposition, das 
hgLuflge Verzeichnen im Figurlichen u. a. m., Fehler, 
welche in den Bildem aus spaterer Zeit mehr und mehr 
vermieden sind. Es zeigt sich jedoch schon hier ein 
charakteristisches Merkmal aller seiner biblischen Histo- 
rienbilder: jenes krasse Gelb, das vom Heiligenscheine 
ansgehend, den ganzen Hintergrund der Gemftlde erfolit, 
und die aus demselben sich ergebende Absicht, durch 
Lichteffekte, wie sie auch der jfingere Cranach anstrebte, 
zu wirken. Aber dieser naturalistische Zug der Malerei 
war nicht mit dem hinreichenden koloristischen K6nnen 
gepaart, so dass das Resultat ein ziemlich klftgliches ist. 
In der Zeichnung bffenbart sich ein gewisses Streben 
nach EleganZ; welches als Einfluss der Schule Goltzius' 
bezeichnet werden kann. Ereilich entspricht das WoUen 
auch hier zunachst nicht dem Konnen, so dass es an 
Gliederverrenkungen und unklaren Verkurzungen nicht 
fehlt. Deutsch ist dagegen das ehrliche Streben nach 
individueller Ausbildung der einzelnen Gestalten, ein Zug 
von Godings Kunst, der sich bei seiner spateren Viel- 
geschaftigkeit leider mehr und mehr verfllichtigt. 

Uber die weitere Thatigkeit G5dings bis zum Jahre 
1570 erfahi-en wir nur im allgemeinen, dass er an Bauten 
in Dresden beschaftigt war, und zwar aus einem vom 
Kurfursten an den Kammermeister zu Dresden gerich- 
teten Briefe, welcher lautet^^): 

„L. g. Wir habenn Inliegend Heinrich GOddeck MaMers ynder- 
thenigst supplication gnedigst gewiUigt Ime an den 310 fl., so Ime 
durch vnsere Befehlchhaber der Gebeude Zu Dresden an seiner da- 
selbst verferttigten arbeit abgebrochen worden, 200 fl. zu einer gne- 
digstenn nacht'olge Tnd erstattung aus gnadenreichen Zulassen be- 
willigt. . Befehlen dir derhalben, du woUest Ihme solche 200 fl. gegen 
einer geburlichen Quittantz aus vnser Renth-Oammer vberantwortten 
vnd zusteUen etc. d. 24. Aug. 1569." 

Welcher Art nun diese Arbeiten des Malers gewesen 
sind, lasst sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen. 
Wahrscheinlich ist es jedoch, dass dem G5ding ein Theil 
der inneren Ausmalung des vom Kurftirsten in den Jah- 
ren 1565—67 erbauten Kanzleihauses iibertragen wurde; 
in demselben^®) hatte sich noch bis vor kurzem eine 
Decke erhalten, welche die gleiche Technik wie mehrere 



") H.-St.-A. Oop. 356 • fol. 191. 
^^) Im Gauge des ersten Geschosses. 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich GSding. 297 

von GSding auf der Augustusburg und dem Freudenstein 
ausgefulirte Decken zeigte. 

Auf das eben erwahnte Gesuch GOdings urn Aus- 
zahlung der rtickstandigen Gelder bezieht sich wahr- 
scheinlich auch ein Vermerk, der sich in einem anderen 
Aktenstiicke des H.-St.-A., welches, ohne Angabe von 
Jahreszahlen, die Notizen eines kurfiirstlichen Referenten 
enthftlt, vorflndet. Es heisst namlich in demselben^®): 

^Heinrich Gotting Maler bittet, das Ime zu VoUbringung seiner 
angestelten Hochzeit Von seiner Verdinten arbeit an den 400 fl. 
itzo wo nicht gar, doch 3 oder 200 fl. gewiis auisgezalt werden 
mOgen." 

Diese Sache scheint an dem betreffenden Tage nicht 
zum Vortrage gekommen zu sein, denn wenige Seiten 
weiter^^) ist dieselbe Angelegenheit wieder erwahnt mit 
den Worten: „Heinrich Gottings sach wegen seines gel- 
des", und am Rande steht der Vermerk: „Cammermeister 
Zu Zustellen". Es stimmt nun freilich die von Goding 
zu fordemde Summe im Befehl an den Kammermeister 
nicht mit der im Vortrage angegebenen Summe liberein; 
es kOnnte diese Differenz aber immerhin darauf beruhen, 
dass in der letzteren Notiz die ganze Summe, welche der 
Maler ttberhaupt zu fordem hatte, genannt ist, von wel- 
cher Goding aber bereits vor dem 24. August 1569, dem 
Tage, an welchem der Kurfurst den Befehl zur Aus- 
zaflung an den Kammermeister gelangen liess, 90 fl. er- 
halten haben konnte. Auch ist nicht anzunehmen, dass 
der Maler in den nachsten Jahren, wahrend seiner Au- 
gustusburger Thatigkeit, eine derartige Forderung noch 
geltend machte, denn in dem aus dieser Zeit erhaltenen 
sehr reichhaltigen Aktenmateriale findet sich hiervon 
nichts erwahnt. Seine Verheirathung^^) muss jedenfalls 
um diese Zeit erfolgt sein. Aus dieser Ehe stammten — 
soweit nachweisbar ist — zwei SOhne, Andreas und 
Heinrich, ..welche beide dem Vater in der Malerkunst 
folgten. Uber deren ktinstlerische Thatigkeit wird weiter- 
hin ausfiihrlicher gesprochen werden. 



«>) H.-Bt.-A. Loc. 7333 AUerhandt Vortragen Vol. in fol. 15. 

«i) a. a. 0. fol. 22. 

") Goding war laut der bereits erwSlinten Grabscbrift vermahlt 
mit einer Prau Helene (der Vatersname derselben wird nicbt ge- 
nannt), die im Jahre 1641 geboren and am 1. September 1691 ge- 
storben ist 



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298 K. BerUng: 

Als der Kurfiirst August die Feste Grimmeustein 
bei Gotha zerstort und damit die Grumbach'scheu Han- 
del zu seinen Gunsten beendet hatte, beschloss er, gleich- 
sam als ein monumentales Zeichen seines Sieges ^^), auf 
dem Schellenberge im Zschopauthale an Stelle des 1547 
durch den Blitz zerstorten alten Gebaudes ein neues 
Schloss zu errichten, welches er sich zu Ehren die Au- 
gustusburg nannte. Mit der Erbauung desselben beauf- 
tragte er den alten Leipziger Biirgermeister Hieronymus 
Letter^*). 

Am 30. Marz 1568 hatte die feierliche Grundstein- 
legung stattgefunden, aber so eifrig der Baumeister auch 
die Arbeit betrieb, so ging doch der Bau auf der steilen 
Hohe nur langsam von statten. Erst am 31. Mai 1570 
konnte Lotter an August berichten ^*^), dass er hoffe zu 
Jakobi das Sommerhaus, welches er zuerst begonnen 
hatte, fertig zu steilen, „und", fahrt er in seinem Be- 
richte hiertiber fort, „mangelt mir daran, dafs Eur Churf. 
G. gnadigst mir den Maler nit zuschickenn, der mir die 
Deckenn im obersten Gebeuden Sahl und Sahlstuben 
ferttig machen kundte." 

Mit der malerischen Ausschmtickung dieses Schlosses 
hatte der Kurfiirst nun Heinrich GSding beauftragt, des- 
sen Arbeiten er, wie oben angedeutet, zu verschiedenen 
Malen kennen und sch^tzen zu lemen Gelegenheit gehabt 
hatte. Auch muss er denselben etwa um diese Zeit zu 
seinem Hofmaler emannt haben^*). 

Goding war bereits am 15. Mai 1570 vom Kurflirsten 
aufgefordert worden, sich zur Abreise nach der Augustus- 



^) Die dem Grundstein eingelegte Schrift enthalt u. a. die 
Worte: ^Da hat hochgebohmer Churfiirst, als gewesener Feldherr, 
diefs Schlofs, zu einem ewigen Gedachtniis des gemachten Friedens, 
zu erbauen verordnet." v. 8c blitz, Histor. Beschreib. v. d. Schlois 
u. Ampte Augustusburg (1710). 

^> Siehe ttber diesen sowie liber den Schlossbau G. Wust- 
mann, Hieronymus Lotter (1875); Uber letzteren Haenel, Adam 
u. Gurlitt, Sachs. Herrensitze u. SchlOsser u. K. Steche a. a. 0. 
Heft VI. 

^) H.-St-A. Loc. 4460. Akt. Augustusburger Schlossb. belg. 
fol. 152. 

^) Eine BestaUung Godings liess sich leider nieht auffinden, 
doch nennt August ihn in einem Yom 10. Juni 1570 datierten Briefs 
meines Wissens zum erstenmale seinen ^hoffinahler*". (Cop. 345 
foL 361 b f.) 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich GQding. 299 

burg bereit zu halten. Es geschah dies in nachfolgendem 
Briefe^'): 

,L. g. Wir begeren vnnd befelen dir hiemit, Du woUest 
dich mit allerlei farben vnnd deinem gesinde darnach achten vnnd 
gefast machen, wan dich vnser Bawmeister anff der Augnstusburg 
Jheronimus Lotfer Zu sich vffn Schellenberg erfordern vnd be- 
schreiben wirdet. Das du dich vnseumlich vnnd vnuorhindert dahin 
verfnegen vnnd das steinwerck an fenstern, thuren vnd Caminen, 
Auch die thuren tisch vnd bencke In denn gemachen In dem erst 
angefangenen eckhause vermoge vnsres dir zugestellten memorials 
mit den Wapen vber den thuren auffs lustigist mahlen vnnd Zu- 
richten mogest, das solch hauls fur Jakobj kunftig gewifs gentzlich 
ferttig vnnd zu bewohnen sey. Daran etc.* 

Nachdem Goding nun auf diese Weise vorbereitet 
war, erhielt er auf die Bitte Letters, ihm den Maler zu 
schicken, den BefehP®) abzureisen, wahrend August 
gleichzeitig seinem Baumeister schrieb®^): 

„L. g. — WoUen dir gnedigst nicht bergen das wir vnserm 
hoffmahler zu Dresden Heinrich &oding von dieser Zeit befohlen, 
sich auff dein erfordern vnseumlich vff den Schellenberg Zuuorfuegen 
vnnd die Gemach vnserem schrifftlichen vertzaichnus nach, Dauon 
Ime auch ein abschriift Zuogestellet, Zu mahlen. Wie er vns dan 
newlich berichten lafsen, das er sich mit farben vnd gesinde not- 
turfttig gefast gemacht vnnd nur deiner erforderung wartte. Der- 
halben wUrdest du Ime wohl zu beschreiben wissen etc. 

Heidelberg d. 10. Juni 1570." 

So begann nun Goding Ende Juni 1570 seine Thatig- 
keit auf der Augnstusburg mit dem Ausmalen des Som- 
merhauses. 

Letter hatte zwar dem Kurflirsten das Versprechen 
gegeben, bis Jakobi das erste Eckhaus des aus vier Pa- 
vilions und vier Verbindungsfliigeln bestehenden Schlosses 
fertig zu stellen, jedoch lediglich unter der Voraussetzung, 
dass die Malerarbeiten mit geniigenden Kraften in An- 
griflf genommen und thunlichst gefordert wiirden. Als 
nun aber Goding nur mit einem Gesellen und drei Jungen 
auf dem Baue eingetroffen war, erklarte Letter, dass es 
eine Dnmoglichkeit sei, unter diesen Umstanden sein Ver- 
sprechen zu halten. 

Da riss plotzlich dem Bauherm die Geduld; schon 
haufig hatte die vermeintlich zu langsame F5rderung des 
Schlosses und die vielen Mehrausgaben, die dasselbe ver- 
schlang, seinen Unwillen erregt, bis nun endlich diese 



ST) H.-St-A. Cop. 356a fol. 313. 

28) Ebenda Cop. 356* fol. 302^ v. 11. Juni 1570. 

^) Ebenda Cop. 345 fol. 361b f. 



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300 K. Berling: 

abennalige, diesmal mrschuldigerweise durch Goding her- 
beigefuhrte Verzftgerung den ersten direkten Anstoss zum 
Bruche zwischen ihm und seinem alten Baumeister gab. 
August forderte nun einen genauen Anschlag liber das, 
was def Bau noch kosten wiirde, bewilligte zur Vollen- 
dung des Sommerhauses die vollig ungeniigende Summe 
VOD 4114 Gulden, verlangte aber die Fertigstellung 
desselben bis Martini, die der tibrigen Eckhauser bis 
Michaelis ^^). 

Goding scheint sich dem in Ungnade befindlichen 
Lotter gegenliber sehr vorsichtig benommen zu haben; 
wenigsteus hat er, wie aus den Akten hervorgeht, wieder- 
holt, ohne Wissen des ihm libergeordneten Baumeisters, 
direkt an den Kurflirsten Gesuche gerichtet. So bewil- 
ligte ihm letzterer am 8. August 1570 auf seine Bitte 
hin einen w5chentlichen Lohn von 4 Gulden und ausser- 
dem fiir Fertigung eines jeden Gemaches eine besondere 
Vergiitung von 1 Gulden ^^). Ein anderes Gesuch^^) vom 
Dezember 1571 wird allerdings abschlagig beschieden, 
indessen der Maler mit einer nach VoUendung seiner Ar- 
beiten verheissenen „Begnadung" vertr5stet. 

Selbst die Unterordnung unter den Baumeister scheint 
er nicht immer anerkannt zu haben, denn in einem Be- 
richte vom 24. Sept. 1571 schreibt Lotter an den Kur- 
flirsten^^): 

„So wirdt Meister Heinrich dem Mahler'^) auch Zu befehlen 
sein, Was er weitter mahlen sol, dan sie^'*) woUenn vieleicht nit, 
das ich ihnen etwas zu befehlen habe." 

Immerhin muss aber Goding recht fleissig gearbeitet 
haben, so dass der Kammersekretar Hans Jenitz, den 
August auf den Bau geschickt hatte, um genauen Ein- 
blick tiber den Stand desselben zu erhalten, am 17. Aug. 
1570 iiber die Thatigkeit des Malers berichten *^) konnte, 
dass im Sommerhause nur noch der Saal und zwei „Ge- 
machlein" im 2. Geschoss zu malen iibrig waren. Er 



80) Wustmann a. a. 0. S. 58. 

") H.-St.-A. Cop. 356 a fol. 336 b. 

82) Ebenda Cop. 367 fol. 175 b. 

88) Ebenda Loc. 4450 fol. 256. 

8*) So wird Goding haufig in den Akten genannt. 

8») Ausser GSding war noch der Bergwerksverwalter Planer 
gemeint, der die Oberleitung ttber die Brunnenarbeiten auf der 
Augustusburg hatte. 

8«) H.-St.-A. Loc. 4450 fol. 162. 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich G5ding. 301 

glaubte zwar, dass Goding auf das Anmalen der Tische 
zuviel Mtthe verwende, weshalb er angeordnet habe, dass 
er diese Arbeit vorlftufig unterbrechen und mit dem Aus- 
malen der Zimmer fortfahren moge. 

Dem Kiirflirsten gentigten jedoch bei seiner Furcht, 
von Letter iibervortheilt zu werden, die giinstigen Be- 
richte seines Kammersekretars nicht, vielleicht mochte er 
denselben, weil er ein Schwager des Baumeisters war, 
nicht for unbeeinflusst halten, jedenfalls verlangte er auch 
von GSding eine ausflihrliche schriftliche Mittheilung liber 
den Schlossbau, besonders aber liber seine eigene Thatig- 
keit auf der Augustusburg, die ich, weil sie nach vielen 
Seiten hin recht interessant ist, hier im Wortlaut folgen 



^Heinrich Mahlers bericht den Baw vnd seine arbeitt 
vff der Angnstusbnrg belangend. 
Anf Ewer begeren fa^e ich euch gutwillig Zn wiefsenn, das 
ich mit meinem gesinde kerne Zeit vnnutzlich vorlaufen lasse, wie 
wohl mir Neulichs geseUen gewandert sein, dennoch habe ich mit 
den Vbrigenn so angehalttenn, das wir mit diesem Hanse^^) bait 
anf das Letzte kommen seinn. Dan die gemach, so gewelbet seinn, 
sein longest vorferttiget sambt denn farsahlen, auch alle thuren auf 
eingeleget holtzartt, sampt allenn tischenn vndt benckenn, habe auch 
bereit eine decke von 12 feldemn verferttiget, so vor dem tantzsahle 
vber denn treppenn ist auf geschlagenn, gar vorferttiget, auch noch 
eine decke auf dem Tanz Sahle, hat 16 felder, ist auch gar verdich 
gemacht, Welche die tische[r] Itzo auf schlagen sol[len], auch balde der 
iriese dartzu gemachtt vnd mit gedretten Puckelnn gezihret werden, 
Welche Puckelnn auch schonn ferttig seinn. Die dritte decke, so 
kegen dem walde hinanis gehet, haben wir auch angefan^en arbeitten, 
Vn mer daher. In der sahl Stubenn ist die perspectivische decke 
auch halb ferttigk, ist auch schon aufgeschlagenn vndt ausgebessert, 
die Andere helfflte mahle ich Jetzo. Diese drey deckenn vorhoife ich 
mit gottlicher Hulffe Innerhalb 14 tagenn zu uorferttigenn. Damach 
ist noch eine decke, so kegen dem Hofe aui^gehet, sol auch mit den 
andem ahngefangen werden. Zum letzten den thorm, so hat soUen 
mit brettem Vnder dem dache gewelbet werdenn. Weil Aber solch 
gewelbe von Holtz an die sparren hat mussen genagelt werden Im 
thorm vndt ein langkweiliger arbeit. So hat man auch gar nicht 
Zum dache kommen konnen, so was dran Zubrochen wehre, das 
anszubessern wehre, Welches ich dem Herm baumeister vndt meister 
erhart gezeiget habe, habe in auch meinem einfelttigen Rath be- 
richtet, das man ein gerahde decke, vor solch loch schlusse vndt 
perspectivisch gemahlt, wie man sonst hindurch Sehge, den es eine 
grose hohe hat, vndt mit brettem vorleget. Das man darauf gehen 
kondt vnd Zum dach sehenn. Solcher Vorschlagk hat dem Hem 



") H.-St.-A. Loc. 4450 fol. 176 f. 
^^) Das Sommerhaus. 



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302 K. Berling: 

Baumeister fast wohl gef alien vndt meister Erhart yndt habens be- 
schlossen nach meinem gnt dunckenn Zu machenn. An welcher 
decke ich den eine fast groise Arbeit haben werde, den sie fast 
gros ist, mo^ aach das famemste allein dran mahlen, doch mus sie 
mich auch nicht gefangen nehmen. Mit diesem wirdt das hauls gar 
ferttigk. Alle steineme genge anl^erhalbenn am hanse mit den 
Sollenn vndt simjlsen sein anch lengest fertig. Was das hauls an 
der linden anlanget ist gahr aufgebauet, auch aulswendich gar auls 
bereit Sampt dem vndern geschosse an der Erdenn geweist vndt die 
bohdem geleget, auch die gegitter alle eisen farb angestrichenn. Es 
ist auch mit Ziegel lengst behenget. Jetzo decket mans ein. Nach 
meinem beduncken sol es fast ferttigk werdenn auf Michaelils. Das 
Euchen hauls ist auch fast aufgemauert, man kondt wohl kochen 
drin erhalten, den das ynder geschols an der Erdenn ist auch gar 
aufs bereit vndt geweiset, auch die thuren gehangen vndt vorschlos- 
sen, man hat auch Schon angefangen das gesper drauff zu setzen. 
Wir habenn gott lob 14 tage gar gut wetter gehabtt. Solches babe 
ich euch gutwiUig nicht woUen vorhalten; den mir Zweifelt nicht ir 
werdet offte hierauf gedenckenn, vndt vns gut gewitter, gluck vndt 
Alles gutes wunschen Zu beforderung des ganzen gebeudes, darmit 
wir mochten kegenn vnser gnest. vndt Chur. desto besser bestehenn, 
Wie wir dan Trostlichen vorhoffenn. Ich babe vor mich nich viel 
^efeyert mit meinenn gehulfenn, wie ir dan wohl erachten konnet, 
dan wir noch nicht 12 wochen alhier sein gewesen vnndt haben 
balde 23 gemach vorferttiget mit gemelde vnndt 22 tische vonn ohl 
farben gemahlet sampt einer grolsen menge benckelein, vndt fehlet 
noch an meinem fleifsigen ahnhaltten nicht. Vorhoff es wirdt mir 
der Herr Baumeister vber solches ein guth Zeugnus gebenn, wie er 
dan selber bekandt, dan arbeitten ist aller vnser beste Kurtzweil die 
wir In dieser ein [6] den haben konnten. Es hat auch der Baumeister 
fast gentzlich beschlossenn, wir solten den wintter hier bleibenn, 
vndt Nach der vorferttigung dieses hauses, das andere an der linden 
ahngefangeun. Er wil uns verlohreun ofenn lassenn In die gemacher 
setzenn. Dartzu krieget das hauls viel deckenn die man alle den 
wintter konde mahlen, auch die tische vnndt bencke auch Zur noth 
drein gemachett; doch babe ich gentzlich nicht drein willigen konnen. 
Den es fast eilendt wurde sein, ist auch schwer alhir essenn Zu be- 
kommen, man mufste vns lichte geben des abents. Ich babe auch 
solches mit den 2 meistem geredt, So von Dresden seinn, Ob sie 
auch wolten bleibenn, haben schon gewilliget, auch meine gesellen 
wollen auch mir Zu gefallen bleiben, vndt so es mein gnedigst. Herr 
habenn wolte, mufste es geschehenn, Welches der Baumeister wirdt 
erkundenn, Ich hab mich auch halb darein ergeben. Dan ich be- 
sorge, so ich mich zu Dresden sol einrichtenn, mufste ich wieder 
herauffer, welches mir dann fast schadet an meyner Nahrung. Ich 
wunsche gar offte das es mochte ferttigk sein schonn vndt so es sein 
muste, musten wir mit gewalt dran setzen; was wir heuer machen, 
dorffen wir Zum Jar nicht machen. Dan ich geme daheim sein vndt 
bleiben mochte, Vorschlag auch viel gutter arbeit druber. Solches 
babe ich euch nicht mogen vorhalttenn, Ich vorhoffe In kurtz Zu 
Dresden sein, will Ich euch alien bericht Zahlen. 

Augustusburg d. 18. Sept. [1570].« 

Es vermochte indessen auch dieser ausfiihrliche Be- 
richt den Kurfursten nicht glinstiger gegen Lotter zii 



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Hofinaler und Kupferstecher Heinrich GKJding. 303 

stimmen, die Spaimung zwischen Bauheim und Bau- 
meister erweiterte sich im Gegentheil mehr und mehr. 
So eifrig Letter auch die Arbeiten am Baue betrieb, so 
sehr er sich einschi-ankte, Lohne verklirzte, die StftUe, 
die in Stein geplant waren, in Lehm ausfiihren liess 
u. a. m. — die ihm bewilligten Gelder wollten nicht 
reichen. Im Ganzen hatte August ihm noch 25000 Gul- 
den zugesichert, jedoch gefordert, dass hiermit — was 
Lotter nicht fftr mSglich gehalten hatte — auch die 
riickstandigen L5hne und Auslagen der Maler bezahlt 
werden sollten. Doch so sehr er auch den Kurftirsten 
bat, ihm wenigstens die 1762 Gulden, welche er aus 
seiner eigenen Tasche fiir die Maler- und Brunnenarbeiten 
ausgelegt hatte, zurlickzuerstatten, der Bauherr blieb bei 
seinem einmal gefassten Beschlusse bestehen. Selbst bei 
der Kurfurstin Anna, die Anfang Oktober 1571 den 
Schlossbau in Augenschein nahm, vermochte Lotter so 
gut wie nichts zu erreichen. Als dann Ende desselben 
Monats August selbst auf die Augustusbui^g kam, vollzog 
sich der vollstandige Bruch. Lotter wurde seines Amtes 
entsetzt und der „welsche Graf*, Rochus Quirinus von 
Linar, an seiner Stelle zum Baumeister des Schlosses 
emannt^*). 

Dass G5ding unter diesen Differenzen recht haufig 
pekuniar zu leiden hatte, ist wohl erklarlich, denn Lotter, 
der ihn zu bezahlen angewiesen war, hatte hierzu nicht 
die genligenden Mittel. Doch scheint letzterer alles, was 
in seineu Kraften stand, gethan, endli<5h .aber selbst dem 
Maler gerathen zu haben, er solle beim Kurfursten um 
einen besonderen Befehl einkommen, da er (Lotter) seine 
Baurechnungen bereits (14. Dez. 1571) geschlossen habe*®). 
Nichtsdestoweniger hatte er aber demselben noch in der 
letzten Zeit, wie aus einem an die Kurfurstin gerichteten 
Briefe*^) Lotters hervorgeht, auf sein anhaltendes Bitten 
hin etliche Farben gekauft und Geld gegen Quittungen 
verabfolgt. Als Antwort auf das von G5(fing auch wirk- 
lich eingereichte Gesuch schrieb August am 15. Januar 
1572 an Lotter *2): 



^) Ausftihrlicher behandelt diese Angelegenheit Wastmann. 
liber Linar siehe auch C. Gurlitt, Der Bau d. Freiberger Schlosses 
Freudenstein, in d. Mitth. d. Freib. Alterthumsvereins XV, 1417 flg. 

^) u. *i) H.-St-A. Loc. 4450 fol 277 b, 

") Ebenda Oop. 867 fol. 184. 



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304 K. Berling: 

„L. g. Was Heinrich Godinff Mahler seines hinderstelligen 
Wochenlohns Vnd etzlichen auisgelegten geldes halber vor farben 
vnd gold an vns imderthenigst Suppliciret vnd bittet, findest du In- 
uorschlossen Zuuornehmenn. Daranff begeren wir vnd befehlenn dir 
hiermit, du wollest Ihme dasselbe hinderstellige geldt bils vff die 
Zeitt, als wir Jongst auff der Angnstusburgk gewesen, Zustellen vnd 
entrichten vnd dasselbe gleich wie Znuom In deine Rechnung 
bringen. Daran etc." 

Gleichzeitig aber befahl der Kurfiirst dem Schosser 
auf der Augustusburg, die feraeren Geldauszahlungen an 
Goding zu ubemehmen**). 

Die erwahnte Petition Godings scheint mehr eine 
gegen Lotter gericMete Anklageschrift gewesen zu sein, 
auf welche letzterer, als er bereits seines Amtes entsetzt 
war, von Leipzig aus wie folgt sich zu rechtfertigen 
sucht**): 

,Das ich Heinrich Getting Mahler seines hinderstelligen Wochen- 
lohns vnndt etzsliches Auisgelegten geldefe, So man Ihm Zuuor vnndt 
bifs auff die Zeit, alls euer Ohurfurstlich Gnaden Jungst auflf der 
Augustusburgk gewest, schuldig gebliebenn, Bezahlenn vndt end- 
richten soUe, dels hab Euer Ohurf. G. befhel ich in vnderthenigkeit 
sambt eingeschlolBenner Klagschrifft empfangenn, darinne er anzeiget, 
Ich hette ihn ein Zeitt langk mit seinenn gehulffenn ihres ver- 
dienten Wochenlohnes vnnd auisgelegten geldes auffgehalten. Solcher 
Klage hett ich mich Zu ihme nit versehenn, Vnnd kann Euer Chur- 
furstlichen G. hinwieder Inn Vnderthenigkeitt nit verhaltenn, das 
ich bemeltenn Heinrich Getting Zu mehr alls einem mahl, alls Euer 
Ohurfurstlich G. nechst im Monatt October auff der Augustusburgk 
gewest, gebetten, das er des vierdenn Hauses halbenn Zumahlenn 
vmb einen Befhel vnderthenigst ansuchen wolte, Vnndt da ich den 
bekehme. So soUt er on p^eltt nit gelalsen werdenn. Er hatt mir 
aber keinen andem bescheidt gebrachtt. dan wer Zuuor geltt auJfe- 
gebenn hett, der soltt es noch thun, dels hab ich bedencken gehabt. 
Noch habe ich aufserhalb beuehls Im volgendenn Monatt December 
vff sein Bittlich anhaltten Noch funff vnndt Siebenzigk gulden fnnff- 
zehen groschenn auff seine quittanzen geliehen vndt fnrffestracktt, das 
ist viel mehr, alfs er wil auJsgelegt habenn, solch geltt ist er noch 
zu berechnen schuldigk. d. 19. Jan. 1572.* 

Ob Goding nun wirklich undankbar gegen Lotter 
handelte und ihn ungerechterweise anklagte, oder ob er 
vielmehr, des ewigen Bettelns urn Lohn mude, nur seine 
Geldangelegenheiten ein fttr allemal beim Kurfiirsten zum 
AbscUuss bringen woUte, lasst sich kaum mehr entschei- 
den. Das wenigstens scheint er erreicht zu haben, dass 
unter der nun folgenden Oberleitung Linars derartige 
Gesuche nicht mehr nOthig waren. 



48) Ebenda Cop. 367 fol. 184. 
«) Ebenda Loc. 4450 fol. 287. 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich GSding. 305 

GSding war nun noch bis zum November 1572 auf 
der Augustusburg thatig. Er berichtete dann dem Kur- 
fiirsten, dass er mit den Arbeiten am Schlosse fertig sei, 
worauf er von demselben folgendes Abberufungsschreiben^^) 
erhielt : 

„L. g. Wir haben dein schreiben vorlesen vnd daraus gnedigst 
vomommen, das du mit deiner arbeit auf der Augustusburgk so weit 
fertig, vnd ist vnser begeren, du wolles't dich aufs forderlichste Zw 
yns gegen Sitzenroda vorfugen, So woUen wir vns mit dir ferner 
vnderreden vnd dir befehlen, was du for arbeit diesen winter vber 
Zw Dresden machen soUest, vnd magst indes dein gesinde nach 
Dresden abschicken, du darfst dich aber mit vnnottigen gesellen oder 
Jungen nicht belegen, wolten wir dir zur antwort nicht vorhalten. 

Grimma d. 19. Novb. 1572/ 

Die TMtigkeit Godings auf der Augustusburg ist 
so gut wie ganzlich verschwunden, was Schuchardt *®) 
mit Recht besonders der wenig dauerhaften Technik*') 
zuschreibt — nur sparliche Reste sind im Hasenhause 
zu sehen. Daher kommt es wohl auch, dass mehrfach 
nur die Malereien in diesem Gebaude ihm zugeschrieben 
worden sind. Dass aber von Godings eigener Hand oder 
unter seiner Oberleitung sammtliche vier Eckhauser aus- 
gemalt sind^^), geM aus dem oben angezogenen Akten- 
materiale deutlich hervor. 

Man ist also, will man sich ein Bild machen von 
dem, was der Klinstler hier einst geschaffen, ledigUch 
auf die zufalligen Notizen in den verschiedenen Berichten 
aus dieser Zeit und auf die Angaben einiger alter Chro- 
nisten angewiesen. 

Zunachst moge hier erwahnt sein, dass Goding auch 
die mehr handwerksmassigen Arbeiten seiner Kunst aus- 
zufiihren nicht verschmahte, denn sammtliche Tische und 
Banke, eiserne Gitter u. s. w...wurden unter seiner Lei- 
tung oder von ihm selbst mit Olfarben gestrichen. Diese 
Art Arbeiten hat er sogar nicht fiir etwas Nebensach- 
liches gehalten, sondern dieselben mit grossem Eifer aus- 
gefiihrt, wie man aus dem oben*®) angeflihrten Berichte 
des Kammersekretars Jenitz ersieht, nach dessen Mei- 



«) Ebenda Cop. 367 fol. 328 b. 
^ a. a. 0. S. 97. , 

*') Die Arbeiten waren auf trocknen Kalkgrund gemalt. 
*^) In der Scblosskirche waren Lucas Cranach der Jungere und 
Hans SchrOer als Maler th&tig. 
*») S. 300. 

Neuea Archiv f. S. G. u. A. VIII. 3. 4. 20 /^^^^T^ 

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306 K. Berling: 

nung der Maler zu viel Miihe und Zeit auf das Anmalen 
der Tische verwandte. 

In dem zuerst begonnenen Sommerhause waren, ob- 
wohl der Kurfurst selbst dem Goding ein genaues Ver- 
zeichnis iiber seine Arbeiten vorgeschrieben hatte, die 
Malereien von der einfachsten Art. Thur- und Fenster- . 
einfassungen sowie die Kamine waren marmorartig an- 
gestrichen, wahrend die Thiiren selbst „auf eingeleget 
holtz artt" behandelt, liber denselben aber sftchsische und 
danische Wappen angebracht waren. Die Deckemnale- 
reien scheinen sich hier meist, wie bei den Thiiren, auf 
Holzimitationen beschrftnkt zu haben^^). Die neben dem 
Saale gelegene Saalstube erhielt jedoch eine perspek- 
tivisch gemalte Decke, liber deren Ausfuhrung Letter in 
einem vom 3. Juli 1570 datierten Briefe wie folgt an den 
Kurfursten berichtet^^): 

^Vimdt ich lasse Inn die Sahl Stnbenn Ynndt anff dem Sahl 
mit Lattenn Yierang machenn, die werdenn glatt mit Leynwadt 
vberzogenn, vnnd ahn ein ander gebessertt, das es Im ansehenn 
keine Vnterscheydt gewinnet, dann es wirdt gar ganzs. Darauff 
soUen Runden, vnndt mitten dorein nichts als Himmel Vnndt was 
himlische ding sein gemahltt werdenn, Welches gewaltig stehen 
Ynndt ein grols ansehenn gewinnet '^^ju 

Eine ahnliche Behandlung erfuhr die Decke im 
Thurme, die als Gewolbe geplant war, aber auf Vor- 
schlag des Malers, aus praktischen Grtinden, flach her- 
gestellt wurde; sie zeigte gleichfalls den Himmel in per- 
spektivischer Darstellung, eine Arbeit, der sich GOding 
mit grosser Liebe im wesentlichen allein unterzog. 

Das Lindenhaus, welches die kurfiirstlichen Wohn- 
zimmer enthielt, scheint malerisch viel reicher behandelt 
zu sein. In den im Erdgeschosse gelegenen Gemachem 
des Kurfursten und der Kurftirstin waren Heldenthaten 
des Herzogs Moritz in Verbindung mit Episoden aus dem 
Alterthume dargestellt. Im zweiten Geschosse, wo sich 
die Zimmer des Kurprinzen befanden, unter denen die 



^) Wahrscheinlich sind auch hier Decken zur Anwendung ge- 
kommen, bei denen der aus Holz hergesteUte Grnnd mit bemalten 
«papiemen flasem" belegt wurde, welche bezwecken soUten, auf diese 
Weise eine reiche Holztafelung zu imitieren. Uber diese Technik 
vergl. C. Gurlitt a. a. 0. 1408. 

w) H.-8t.-A. Loc. 4450 fol. 155. 

^^) Der Saal selbst erhielt eine aus 16 Feldem bestehende, mit 
^edrehten EnQpfen verzierte Holzdecke (siehe den S. 301 f. abge- 
druckten Bericht GSdings). 



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Hofmaler nnd Kupferstecher Heinrich GSding. 307 

Gremsen-, Affen-, Turteltauben- und Zeisigstube erwahnt 
werden, haben sich die Malereien wohl auf diese Benen- 
nungen bezogen^^). Von dem im dritten Geschosse ge- 
legenen „VogeP* oder „Kaisersaal" wird berichtet**), dass 
G5dmg hier „die Wappen des ganzen Haufses Sachfsen 
in die deckenn gemahlet vnndt gebracht" babe. 

Im „K1ichenhause" war der im dritten Geschosse 
befindliche Speisesaal mit Wand- und DeckengemSlden 
besonders reich versehen, welche in der derb - komischen 
Weise der damaligen Zeit gegen Unmassigkeit und Vol- 
lerei predigen soUten. 

Die Ausschmiickung des Hasenhauses, welches nach 
den von G5ding geschaffenen Malereien seinen Namen 
fiihrt, erfolgte auch nach einer genauen Vorschrift des 
Kurfursten, wie aus einem an den Maler gerichteten, 
vom 24. Dezember 1571 datierten Briefe hervorgeht, in 
welchem es folgendermassen heisst^"*): 

„— Wh* haben auch Zu Zierung des vierdten Hasenhauses . 
auff etzliche Inuention gedacht^ die darein zu mahlen sein mochten, 
Welche wir dir hiebej verZaichent vberschickenn vnnd begeren du 
wollest denselben ferner nachdencken vnnd die so vieU dir muglich 
verbessern vnd vffs artlichst vnd musterlichste Im gemelde zu werck 
bringen." 

Es waren in diesem ganzen Gebaude, an den Decken, 
den Wanden, liber den Thfiren, kurz tiberall, wo es nur 
m5glich war, Hasen angebracht, welche menschliche Ver- 
richtuDgen nachahmten, wobei natiirlich dem Spiele der 
Phantasie und des Witzes ein weites Feld geoflfnet war ; 
es lasst sich jedoch schwerlich noch feststellen, was wir 
davon auf Rechnung der Vorschrift, was auf die des 
Malers zu setzen haben. Die Hasen halten Reichstag, 
Ziehen gegen ihre Feinde, die Jager und Hunde, zu Felde 
und besiegen sie ; dann feiem sie Friedensfeste, Hochzeit, 
Tumiere, Tanz u. s. w., werden aber endlich wieder von 
den Jagem besiegt, getotet und — gebraten^®). 



»8) Vergl. R. Steche a. a. 0. VI, 37 flg. 

w) H.-St.-A. Loc. 4450 fol. 240. 

^) H.-St.-A. CJop. 367 fol. 175b. 

'^) Yerg\. R. Steche a. a. 0. S. 40, wo auch zwei dieser 
Bilder nach im Freiberger Alterthums - Museum befindlichen Zeich- 
nungen reproduziert sind. — Ich habe geglaubt auf eine eingehen- 
dere Beschreibung dessen, was die Malereien einst dargesteUt haben, 
verzichten zu mussen, da dies vor kurzem von dem Herm Pastor 
Freyer in ausfiihrlicher Weise in dieser Zeitschrift (VII, 297 flg.) 
geschehen ist 



20* 

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308 K. Berling: 

Die malerische Thatigkeit auf der Augustusburg er- 
fiillte jedoch nicht allein ihren Schopfer mit Stolz, son- 
dem befriedigte auch den Kurfiirsten August in hohem 
Grade, so dass die lang verheissene „Begnadung" sehr 
gunstig fiir Goding ausfiel. Die hiertiber ausgefertigte 
Verfugung lautet wortKch^'); 

„Von Gottes gnaden Wir Augustus Herzog Zu Sachfeen etc. 
Churfurst Vor uns unsere Erben vnd Nachkommen vnnd sonst gegen 
menni^lich Thun kundt vnd bekennen, Das wir ynserm Hofmahler 
vnd lieben getreuen Heinricben Godiggen von Braunschweig vnd 
seinen Erben auls sondern gnaden vnd wegen seiner treuen vleifsigen 
dinst, so er vns sonderlich Zu Zirung etzliche vnser Schlofegebeude 
und Heuser biMero geleistet auch noch kunfftig leisten sol und wil, 
yon dato an auf Zwanzig Jar lang Zwei tausent gulden gnaden gelt 
gnedigst bewilligt und dergestalt vorscbrieben haben, das Ime die- 
selben Jebrlichen mit 100 fl. munz aufs vnser Eenth-Cammer abgelegt 
Vnd diesen Izigen Leipziscben Neuen Jars marckt damit angefangen, 
vnd bernacher alzeit auf Weihnachten, biis er oder seine Erben sol- 
cher heubtsumma gentzlichen vorgnuget, mit hundert fl. Jahrlich 
nachgeuolget werden soil — . Dogegen aber hat er sich vnder- 
thenigst vorpflichtet vnd Zugesagt vns mit der arbeit, so wir Im 
kunffig vordingen werden, nicht zu vbersetzen. Beuhelen der- 
wegen etc. Torgau d. 1. Jan. 1573.** 

Wie bereits erwahnt, liess sich der Kurfurst seinen 
Hoftnaler nach Beendigung der Augustusburger Arbeiten 
nach seinem Schlosse Sitzenroda kommen, um demselben 
neue Auftrage zu ertheilen. Welcher Art nun diese 
Auftrage waren, lasst sich mit Sicherheit nicht mehr 
feststeUen, wahrscheinlich jedoch hat Goding schon von 
dieser Zeit an damit beginnen mtissen, eine grosse An- 
zahl von Thierkopfen mit den d«tzu gehorigen Schildern, 
die der Hoftischler Georg Fleischer schnitzte, anzumalen, 
wie sie der Kurfurst vielfach zur Innendekoration seiner 
Schlosser, ganz besonders aber der Augustusburg, ver- 
wandte. So berichtet der mehrfach erwahnte v. Schiitz 
in seiner Augustusburger Chronik^^): 

„Die Stuben und Kammern sind bin und wieder mit mancher- 
ley geschnitzten Thierk5pfen, so mit Geweihen versehen sind, aus- 
gezieret, davon der grQiste Theil 1632 bey dem Einfall der kayser- 
lichen Kroaten, welche das Schlois gepllindert, theils verbrannt 
worden, theils sonst verlohren gegangen.* 

Eine Anzahl derselben ist jedoch nach der Albrechts- 
burg zu Meissen und von dort nach Moritzburg liberfiihrt 



^"^ H..St.-A. Cop. 223 fol. 19. 

•^^J a. a. O. S. 21. v. Schiitz sab die Augustusburg bereits 
in ibrem VerfaUe *, vergl. auch H.-St.-A. Loc. 32445, Inventar d. Au- 
gustusburg von 1612. 

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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich GMing. 309 

worden, wo si6 sich noch beflnden und sich durch die in 
deutscher Renaissance geschnitzten Kartuschen als Werke 
aus dieser Zeit kennzeichnen*®). 

Urkundlich wird freilich erst vom 16. Marz 1575 
eine derartige Thatigkeit Godings in Dresden bezeugt, 
wo er im Verein mit Georg Fleischer zu diesem Zwecke 
einige Gemacher entweder im Kanzleihause oder im 
Schlosse inne hatte; denn als August den Besuch des 
Kaisers Maximilian n. in seiner Hauptstadt erwartete, 
sandte er seinem Kammermeister folgenden Befehl*®): 

„ — Als befehlen wir dir femer, Du woUest Heinrich Mahlem 
vnd JorgFleilaer*^) dem Hoftischer von Vnsertwegen ansagen vnnd 
anfferlegen, Das sie die Gemach, Kammem ynd S&hle^^) so sie 
Inneffehabtt gentzlich aufsreumen, vnd alls Gehorne, geschnitzte 
Kdpff vnd schilde, sie sein g^emahlt oder vngemahltt, alles in Hel- 
chior Hauffe hanls^) etwa nn einen boden znsammenschaffen/ 

Mit derartigen Arbeiten hat sich G5ding wahr- 
scheinlich bis in sein hohes Alter hinein beschftftigen 
mtissen, bezeugt wird dies noch zweimal, und zwar in 
Akten vom 3. Aug. 1583 «*) und vom 29. Okt. 1585 «*). 

Von einer anderen Art kunstgewerblicher Thatigkeit 



'^®)Haenel, Adamu. Gurlitt, Sftchs, Herrensitze u. SchlOsser 
S. 4 und W. Eossmann, D. ktinstlerigche Ausschmlicknng d. Al- 
brechtsbnrg S. 14. 



^) H.-St-A. Cop. 407 fol. 87b. 



Georg Fleischer; liber ihn siehe 0. Gurlitt, Das Schloss 
Freudeiistein a. a. 0. 1423 flg. 

*®) August stellte dem Kaiser wahrend dessen Anwesenheit in 
Dresden (12.— 18. April 1575) sein ganzes Schloss zur Verftigung, 
w&hrend er selbst in dieser Zeit das Kanzleihaus bewohnte. Week, 
Beschreibung d. Resid. Dresden (Ntimberg 1679) S. 387. 

^) Dies Gebaude, das 1760 abgebrannt ist, lag einst am 
FestungswaUe vor der Kreuzstrasse. Melchior Hauffe, ein ehe- 
. maliger Schuster, der bei der Belagerung yon Magdeburg zu hohen 
militarischen EhrensteUen gelangt und spftter Dresdner Festungs- 
kommandant geworden war, hatte es sich im Jahre 1550 von Hans 
V. Dehn - Rothfelser erbauen lassen. Schon 1670 trat er mit dem 
Kurfilrsten wegen Yerkauf dieses Hauses in Unterhandlungen (H.- 
St-A. Cop. 356* fol. 339, 452 u. 458). Am 1. Jan. 1571 verkaufte 
er es um 5000 fl., jedoch unter der Bedingung, dass er dasselbe bis 
an sein Lebensende bewohnen und imstande halten soUte (ebenda 
Cop. 223 fol. 17). Der Kurftlrst kaufte dies Gebaude also scnon zu 
Lebzeiten des Hauffe diesem ab, nicht nach dessen Tode den Erben 
desselben, wie Week (a. a. 0. S. 73 f.) angiebt, ein Irrthum, den die 
Dresdner Chroniken von Hasche u. Lindau Ubemommen haben. 
[.-St.-A. Cop. 484 fol. 142b. 
Ebenda Cop. 501 foL 122. 



«*) H.- 
») Eb 



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310 K. Berling: 

Godings zeugt ein Bericht des Kurfursten an den Kam- 
mermeister vom 5. Okt. 1573, in dem es heisst^^): 

„Du hast allhier von uns verstanden, das vnJs das Muster von 
den Messenen haken oder schranben, so vns Burgermaister Ranscher 
von Leiptzig geschickt, nicht gefalle, derwegen wir Ime dieselbigen 
widerumb zugeferttigt haben, vnd wiewohl Heinrich der Mahler vns 
beyliegende drei andere muster geriisen, so gefeUet vns doch der- 
selben auch keines, Sondern beg^em gnedigst, du woUest dich mit 
Rauschem vnterrehden, das er sich umbsehe, ob nicht von Nurem- 
berg etc." 

Wenn nun auch Goding diesmal nicht die Zufrieden- 
heit seines Herrn erlangte, so ist es doch immerhin inter- 
essant, zu erfahren, dass er nach den verschiedensten 
Bichtungen, also hier auch nach der gewerblichen hin, 
seine Kunst bethatigt hat. 

Ob G5ding seine Thatigkeit in Dresden, die wahr- 
scheinlich von Anfang 1573 bis Anfang 1575 wahrte, ein- 
mal mit einer solchen auf der Annaburg unterbrochen 
hat, lasst sich mit Sicherheit nicht feststellen, da man 
im Schloss bei seinem jetzigen Zustande^') die Arbeiten 
des Malers nicht mehr erkennen kann, eine kunstgeschicht- 
liche Bearbeitung dieses Baues aber nicht vorhanden ist, 
und endlich die betreffenden Akten, mit einer einzigen 
Ausnahme, hieriiber nichts berichten. Aus dieser einen 
Ausnahme, einem Briefe des Wolf von Kanitz an die 
Kurfurstin Anna, ersehen wir jedoch nur, dass Goding 
mit Lukas Oranach dem Jtingeren zusammen zum Malen 
des Innem der Annaburg ausersehen war, denn in diesem 
Berichte®^) spricht Kanitz die Hoflfnung aus, das Innere 
des Schlosses in vier Wochen fertig zu stellen, „es wehre 
dan Sache, dafs Lucas Mahler^®) Vnd der Hofinahler Zu 
Dresden'®) seumen mochten." 



««) H.-St.-A. Cop. 384 fol. 358. 

«') Nach einer Mittheilung C. Gurlitts beherber^ das Schloss 
Annaburg, jetzt Militarwaisenhaus, nichts mehr von seiner einstigen 
malerischen Ausschmiickung ausser den Rest einer hochst inter- 
essanten Decke im Gauge des zweiten Geschosses. Der grosste 
Theil derselben ist wie die ftbrigen Wande und Decken modemer 
Uberttinchung verfallen. Jener Rest zeigt die mehrfach (S. 306, 311) 
erwahnte Flasemmalerei, hier rosettenartige Muster mit Omamenten 
im Stile Peter FlQtners, auf einem Blatte das sachsische Wappen. 

«8) H.-St-A. Loc. 4449, Schreib. Annabg. belg. fol. 127. 

^) Lucas Cranach d. Jiingere. 

"^y Hiermit kann kein anderer als GQding gemeint sein. 



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Hofmaler und Knpferstecher Heinrich GOding. 311 

Reichlicher, wenn auch nicht ersch5pfend, fliessen 
die aktenmassigen Quellen fiber die Thfttigkeit des Ma- 
lers auf dem Preudenstein in Freiberg. Hans Jenitz, 
der Baumeister dieses Schlosses, hatte dem Kurfiirsten 
einige Muster zu Decken vorgelegt, unter denen auch 
zwei waren, die Goding entworfen hatte. Diese gefielen, 
wie es scheint, dem Bauherrn am besten, so dass der- 
selbe in einem Briefe'^) an seinen Hofmaler diesen auf- 
forderte, einen Kostenanschlag einzuschicken, „damitt", 
wie er schreibt, „wir dir die ubrige Arbeitt auch gonnen 
k5nnen". Es mag hierbei auch wohl der Umstand zu 
Gunsten Godings entschieden haben, dass August die 
Sorgfalt, mit welcher der Maler seine Arbeiten auszu- 
fiihren pflegte, sehr wohl anerkannte, umsomehr, da man 
ihm tiber einige von anderen Kiinstlem in Freiberg ge- 
malte Decken das Gegentheil berichtet hatte. Es scheint 
ausserdem noch Hans Irmisch tiber diese Decken dem 
Kurfiirsten genauen Bericht abgestattet zu haben, infolge 
dessen dem G5ding endlich die Ausfiihrung derselben 
libertragen worden ist. Dass diese Decken, welche leider 
nicht mehr erhalten sind, dieselbe einfache Technik zeig- 
ten, wie sie oben mehrfach bereits besprochen sind, geht 
aus einem vom 5. Okt. 1575 datierten, an den Baumeister 
des Schlosses gerichteten Briefe des Kurfiirsten hervor, 
welcher lautet'^): 

„L. g. Vns ist dein schreiben vnsem Schlolsban vf&n Freuden- 
stein Zu Freiberg, sonderlich aber die Decken in den Zweien vor- 
fertigten heusem belangende, sambt beigelegte verzeichnnDsen, was 
einer Jdenn art von decken nach der Emen kosten wurde, auf 
vnserer Verordenten Post hemach geschickt wordenn vnd woUen dir 
darauf Zu nachrichtigen bescheidt nicht vorhalten, Das wir nicht 
bedacht sein, auf die decken deisgleichen auch das SchloDsthor vnd 
den Predi^stuhl viel zu wenden mitt kostlichen gemelden vnd ge- 
hauenen biltwerg zieren, Sondem solchs alles nur sonst fein schlecht 
vnd Reinlich vorfertigen Zu lassen. Weil dan ^e deckenn mit den 
Papiemen Flaser vnd mit dem mahlwerg als eingelegt holtz verm(Jge 
des anschlages am negsten Zu erZeugen sein, So begeren wir vnd 
befehlen Dir hirmit gnedigst, Du woUest die vbrigen decken auf 
solche beide arthen mit Papieren Flaser vnd dem Mahlwerg nach 
eingelegter art durch M;..Hemrich Getting vnnd Hanns Willkommen 
YoUent auis machen lassen, doch Ihnen beiden Yndersagen, das sie 
solche Ihre arbeit mit der farbe des Flasers oder sonst nach gelegen- 
heit vorendem, damit vnter den decken ein Vnterscheidt sey, vnd 
nicht eine deck wie die and^re aussehe etc.** 



Ti) H..St-A. Oop. 407 foL 177b. 
») Ebenda Cop. 404 foL 254b f. 



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312 K. Berling: 

Weit bedeutender als diese Deckemn^lereien war 
jedoch in Freiberg die Thfttigkeit des Malers an dem 
grossen Altarwerke der ScUosskapelle. 

Bs ist wahrscheinlich, dass Goding, als man ihn, den 
eigentlichen Maler des Schlosses Augustusburg, bei der 
Ausfiihrung der Altartafel tiberging und dieselbe Lukas 
Oranach dem Jtingeren'^) tibertrug, sich in seinem 
Ktinstlerstolze tief verletzt gefuhlt hat. So erklart sich 
wenigstens am besten die Hast, mit welcher er die erste 
Gelegenheit, die sich ihm darbot, ergriff, um diese Scharte 
wieder auszuwetzen. Denn noch lange bevor die Schloss- 
kapelle in Freiberg fertiggestellt war, bat er durch Ver- 
mittelung von Hans Jenitz den Kurflirsten, ihn mit der 
Verfertigung des Altars zu beauftragen, ein Gesuch, 
welches August am 10. Mai 1574 insofem giinstig beant- 
wortete'*), dass er dagegen im Grunde nichts einzuwenden 
habe, jedoch zuvor zu sehen wlinsche einen „Abreifs wie 
du denselben anzuordnen und was du daran Zu mahlen 
bedacht". Dieser Forderung ist denn der Maler noch in 
demselben Jahre nachgekommen, denn am 26. Dez. 1574 
konnte ihm August folgenden Brief senden'*): 

„L. g. Vnfs ist dein Muster oder abrifs, welchergestalt du den 
Altar Inn die Schlofskirche zu Freiberg machen Zulassen vnd Zu- 
mablen gedenckest, vorgetragen worden, Vnnd lassen vnla dasselbig 
gnedigst gefdlenn. Begeren derhalben wann du mit deiner andern 
vnsern aiigedingten arbeit fertti^, du woUest an solchem altar an- 
fahen vnd denselbigen hemach mit bestem vleiis vorferttigen etc.* 

Von diesem Altarwerke, welches nach dem Entwurfe 
Godings von Georg Fleischer ftir die Summe von 110 fl. 
in Holz geschnitzt '^®), von ersterem selbst aber gemalt 
wurde, ist ausser den beiden knieenden Figuren des Kur- 
flirsten August und der Kurfiirstin Anna, Holzschnitz- 
werke, welche das Freiberger Alterthumsmuseum unter 
Nr. 48 auf bewahrt, und der wahrscheinlich dazu gehorigen 
Figur Gott Vaters nichts mehr erhalten. 



'*) Oranach wftre wohl schwerlich zur Ubersiedelung nach der 
Augustusburg zu veranlassen gewesen; er erscheint hier und auch 
sonst als der vomehmere Meister. 

'*) H.-St.-A. Cop. 384 fol. 273 b 

'^ Ebenda fol. 367. 

'^ Ebenda fol. 183 »> und (F. A.) Hauptregst. auff d. Schlofe 
Freudenstein 1577—79 (23. Okt. 1578). 



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Hofmaler und Knpferstecher Heinrich QOding. 313 

Einen ungefahren Begriff von der ganzen Anordnung 
des Altars giebt Wilisch"), der hieriiber sagt: 

,In der Kirchen (Schlosskapelle) erblicket man zuerst den Al- 
tar, allwo oben ein Crucifix stehet, und darunter Gott der Vater ab- 
gebildet, welcher dem Churfurst August die rechte und seiner Ge- 
mahlin Annen die linke Hand aufs Haupt leget, als welcbe beyde 
in Gips'^^) firebildet allda knien. Seitwarts stehet Moses und Jo- 
hannes der Tauffer und in der Mitten das Churfttrstl. S&chs. Wappen 
gantz tibergtlldet. An der Tafel des Altars, darauf das Abendmabl 
des Herm Christi mit seinen Jungem abgemahlet, sind etliche nach- 
denckliche Bilder und unten auf der rechten Seiten diese Worte in 
Gips gedrucket und ubergiUdet zu lesen: 

Deo trino & uni 
Aetemo Fatri, coaetemo Filio & Spiritni Sancto, totius uniyersitatis 
conditori & conservatori ter opt max. banc aedem & aram dicavit 
Augustus, Dux Saxoniae, Sacr. Rom. Imperii Archimarschallus & 
Elector, Landgravius Thuringiae, Marchio Missniae & Burggravius 
Ma^deburgensis, cum amore natalis soli arcem hujus oppidi Freuden- 
steinum vetustate ex fundamentis erexisset, Anno MDLXXVII.** 

Obgleich nun die Schlosskapelle, wie Wilisch a. a. 0. 
welter berichtet, schon am 18. Juli 1576 in Gegenwart 
des Kurfiirsten geweiht sein soil, so hat Goding doch 
erst mit Aasgang des nsLchsten, auch in der Inschrift 
angegebenen Jahres diesen Altar vollendet, denn einen 
Brief, der vom 14. Mftrz 1578 datiert ist, scheint er bald 
nach der Fertigstellung des letzteren an August geschrie- 
ben zu haben. Weil daraus hervorgeht, mit wie grossem 
Stolze die Vollendung des Altarwerkes den Verfertiger 
erfiillte, lasse ich denselben hier im Wortlaute folgen'®): 

„Duchlauchtip:ster etc. 
Nach dem K Churf. G. mir gnedigist bevohlen E. Churf. G. 
Einen Altar in die Schlolskirchen Zu Freibergk Zu Mahlen, Vnnd 
dem Muster so E. Churf. G. Ich vnderthenigist habe vortragen lafsen 
gemefs Zuuerfertigen, Demselben E. Churf. G. gnedigisten bevehlich 
habe ich gehorsamlich nach gelebtt, Vnnd nun solch wergk mit 
Gottlicher vorleihung aUenthalben Vorfertigt, Daran ich dann keine 
muhe, vleis, geldt noch arbeitt gesparett, Wie E. Churf. G. solches 
auch itzlicher Kunst Vorstendiger, so es auf gemacht wirdett, sehen 
werden, wiU auch E. Churf. G. dieses Stuck ohnn ruhm Vor ein 
solch Stuck hiemit angeben. Das ich vorhofP vber diesen altar In 
Kunst Oder vleis itzo Keiner in E. Churf. G. Landen sein soU. 
Weil dan gnedigister Churf. ich dis wergk E. Churf. G. zu schatzenn 



'') Wilisch, Kirchen -Historie der Stadt Freyberg (Leipzig 
1737) II, 106 f. 

'®) Es waren Holzschnitzwerke mit einem leichten tJberzug 
ans Gipsmasse. 

'») H.-St-A. Loc. 8523, Schreib. an Churf. Aug. Buchin fol. 84. 



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314 K. BerUiig: 

bedencken trage, Damit ich nicht etwo Vormerckt, als das ich denen 
Dingen nicht Znuil thun mochte, So wil ich solches £. Churf. Gt, 
als einem Kunst Vorstendigen Ohur und meinen lieben Landesfursten 
anheim gesteltt haben" etc. 

Er schlagt dann weiter vor, der Kurfurst moge ihm 
als Belohnung eine im Amte Pirna gelegene „Malil 
Muhlen vf der Mugelsbarg" sampt der dazu gehorigen 
Wiese und, zum Instandsetzen derselben, anderthalb 
hundert Thaler iibergeben lassen. Wenn auch eine Nach- 
richt fiber die Bewilligung dieses Wunsches nicht vor- 
handen ist, so lasst sich doch mit ziemlicher Grewissheit 
annehmen, dass ihm in Anbetracht seiner selbst so sehr 
hervorgehobenen Verdienste die betreffende Muhle tiber- 
lassen und G5ding somit im Pimaer Kreise ansslssig 
wurde, denn es flnden sich noch mehrfach Gesuche vor, 
die sich auf kleine, in dieser Gegend gelegene Landereien 
und Privilegien fur dieselben beziehen. So bewilligte 
ihm der Kurfurst am 14. Juli 1579^^) ein „stuck Fisch- 
wasser", „so Peter Pfeiffem Jtzo vmb einen lafe Zins 
vflf widerruffen Innen hatt", welches „in der Mugelitzbach 
vnter Dohna bifs an die Hoflfscheunen" gelegen war. 

Beiiaufig m6ge hier erwahnt sein die eigenthumliche 
und fiir das damalige Verhglltnis des Hoftnalers zum 
Pursten recht charakteristische Forderung, von der Au- 
gust die Bewilligung abhangig machte, denn er schreibt 
gleichzeitig: „Dogegen aber woUen wir dir hirmit auf- 
erlegt vnd befohlen haben, Das du einen Jungen vf der 
Meisenpfeiflfen mit allem vleifs Vnnd dermafsen abrichten, 
das er das locken so viel kan als du". 

Das dem Goding verliehene Privilegium wurde einige 
Jahre spater (4. Juni 1584) noch emmaP^) durch Christian, 
den Sohn Augusts, bestatigt®^), unter ausdrucklicher Be- 
tonung, dass er sonst solche Gewasser zu verpachten 
nicht willens sei, doch in diesem Palle mit dem Hofmaler 
seines Vaters eine Ausnahme machen und demselben 
uberdies noch den jahrlichen Pachtzins, den August ge- 
fordert hatte, ganzUch erlassen wolle. 



«>) H.-St.-A. Cop. 448 fol. 230. 

81) Ebenda Cop. 534 fol. 256 b, vergl. auch Cop. 535 fol. 160 »>. 

^) Christian, als Kurfftrst Christian L, war schon 1670 mit 
dem Yorsitze in der Landesregierong und drei Jahre daranf mit 
einem gr3sseren Antheil an den Staatsgeschaften beauftragt worden. 
Flathe, Geschichte Sachsens 11, 94. 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich GOding. 315 

Es ergiebt sich aus den Akten^) weiter, dass G6- 
ding sich in seiner im Amte Pirna gelegenen Miihle, 
wahrscheinKch derselben, urn die er 1578 gebeten hatte, 
ein „Steinschneidezeug" errichtet hatte, flir welches er 
im Jahre 1597 die Vergunstigung nachsuchte, dass inner- 
halb von 12 Jahren und auf 12 Meilen im Umkreis keine 
Srhnliche Miihle gebaut werden diirfe. Dies Gesuch wurde 
ihm freilich vom Kuradministrator Friedrich Wilhelm, der 
flir den minderjahrigen Christian n. die Regierungs- 
geschfifte verwaltete, abschiagig beschieden mit dem ffin- 
weise, dass er es nicht fiir zweckmfissig halte, derartige 
Privilegien zu ertheilen, er liberdies auch dem Bildhauer 
Johann Maria Nosseni auf dessen Bitte hin die Erlaubnis 
zur Errichtung eines fthnlichen Werkes gegeben und dem- 
selben zu diesem Zwecke das alte Pochwerk nahe dem 
Wilsdruffer Thore bewilligt habe®*). 

Dieser Besitzerwerbung im Pimaer Kreise, welche 
wohl G5dings zeitweisen Aufenthalt daselbst bedingte, 
muss auch der Umstand zugeschrieben werden, dass in 
dieser Gegend hin und wieder Kunstwerke von seiner 
Hand angetroffen werden. So befindet sich z. Z. in der 
neuen Lohmener Kirche das Mittelbild und die beiden 
FltigeP^) des fiir die alte Kirche zu Lohmen verfertigten 
Altarwerkes, welches laut Inschrift®*) Heinrich Goding 
im Jahre 1575 gemalt hat. 

Das ca. anderthalb Meter im Quadrat grosse Mittel- 
bild stellt die Kreuzigung Christi dar, wobei man ein 
nicht erfolgloses Streben zur kraftigeren und rich'tigeren 
Charakterisierung der einzelnen Personen in Gesichtem 
und Stellungen wahmimmt. Bei weitem weniger gut 
sind die beiden Fliigel behandelt, welche die Anbetung 
der Hirten und die Himmelfahrt Christi darstellen, so 
dass die Vermuthung nahe liegt, Goding habe die Aus- 
fiihrung derselben zum gr5ssten Theile seinen Schiilem 
ttberlassen. 

Es beflnden sich femer in der Hauptkirche zu Pima 
vier Werke von des Ktinstlers Hand. Es sind dies im 
Innem aufgehftngte Epitaphien, welche in mehr oder 
weniger reicher Ausfiihrung etwa folgenden Aufbau 



88) H.-St-A. Loc. 7306, Gammers. 1597 Theil H foL 545. 

8*) Ebenda foL 556. 

») Erwfthnt von R. Steche a. a. 0. I, 50.^ 

^) Das Mittelbild tragt die Bezeichnung: Uk 1575. 



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316 K. Berling: 

zeigen: In der Mitte eines machtigeii auf Konsolen 
ruhenden Sockels®') befindet sich ein auf Holz gemaltes 
Bild, das die Donatorenfamilie darstellt, welche (1. die 
manDlichen, r. die weiblichen Mitglieder derselben) hinter 
einander knieend, andachtsvoll das in der Mitte in einem 
nach Godmgscher Art gelblichen Heiligenscheine befind- 
liche Lamm Gottes anbeten. Darliber ist zwischen zwei 
reichverzierten einzelnen oder doppelten Eenaissancesaulen 
das gleichfalls auf Holz gemalte Hauptbild angebracht. 
Die Saulen werden von einem machtigen, bei der reicheren 
Anordnung mehrfach verkropften Gebalke bekr5nt, auf 
das sich der ganze Saulenbau, als Rahmen eines kleineren 
Bildes, noch einmal in verkleinertem Massstabe wieder- 
holt. Endlich wird derselbe mit einem Spitz -Giebel ge- 
schlossen. 

Die Beschreibung der einzelnen Kunstwerke moge 
bier in Kiirze folgen*^): 

Nr. 1, dem Andenken des Pimaer Btirgers Markus 
Scipien und dessen Ehefrau gewidmet, stammt laut In- 
schrift^®) aus dem Jahre 1581. Das Mittelbild hat die 
Auferstehung Christi zum Vorwurf. In der Mitte sieht 
man die blutbefleckte, schlecht gezeichnete Gestalt des 
Heilands aus dem Grabe emporschweben, oben rechts 
und links jubilierende Engel, von denen der eine ein 
Kreuz tr^gt, andere mit einer weiblichen Gestalt in die 
Wolken emporsteigen ; im Vordergrunde erblickt man die 
schlafenden und die aufgeschreckten Wachter des heiligen 
Grabes. Im Hintergrunde zeigt das Bild auf beiden 
Seiten zwei Thore, welche kleine, recht gute Durchblicke 
in die trefflich behandelte Landschaft gestatten, in denen 
rechts drei Frauengestalten, links zwei Jiinglmge, eilig 
zum schon verlassenen Grabe strebend, sichtbar werden. 
Im Oberbilde ist die Verklarung Moses zur Darstellung 
gebracht. 

Nr. 2 zeigt im Mittelbilde auf dem Halsbande eines 
links stehenden Hundes das bekannte Monogramm GSdings, 



^') Zwischen den Konsolen ist mehrfach eine oder auch zwei 
Inschrifttafeln angebracht. 

88) Vergl. R. Steche a. a. 0. I, 70, ferner G. A. Abend'- 
roth, D. Ftihrer urn nnd in d. Hauptkirche zu Pima (1865) und 
desselben Verf. Manuskript „Die Kirche zn Pirna betr.**, m welches 
der Rathsarchivar Herr Direktor Dr. Mnth dem Verfasser giitigst 
Einblick gestattete. 

8») fin Mittelb. steht unter den Ftissen des Heilands: 1581 Ifls 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich GSding. 317 

jedoch ohne Jahreszahl, letztere, und zwar MDLXXXIII, 
findet sich im Rahmen auf den Seiten des blaugemalten 
Hauptfrieses vor. Es ist hier dasselbe Motiv wie in 
Lohmen, Christus am Kreuze, verwandt, doch hat der 
Klinstler die Darstellung viel enger zusammenziehen 
mlissen, was dem Bilde nicht gerade zum Vortheil ge- 
reicht, da die Anordnung im grossen Ganzen beibehalten 
worden ist; so sind auch die drei wtirfelnden Kriegs- 
knechte im Vordergrund, der Schimmelreiter, der hier 
freilich auf die andere (linke) Seite gestellt ist, die 
Schacher mit ihren GKederverrenkungen einfach Wieder- 
holungen aus der Altardarstellung. Das gut erhaltene 
Oberbild zeigt, bei sehr sch5nem landschaftlichen Hinter- 
grunde, die Grablegung Christi. 

Nr. 3, welches mit Wi 85. bezeichnet ist®^) und im 
Hauptbilde die Geburt Christi darstellt, ist derartig be- 
schadigt, dass die einzelnen Figuren kaum noch zu er- 
kennen sind. Das obere Bild zeigt, ahnlich wie das 
Hauptbild bei Nr. 1, die Himmelfahrt Christi, doch ist 
hier als Hintergrund eine grosse mit vielen Thlirmen ver- 
sehene Stadt verwandt, w^hrend die in den Lliften jubi- 
lierenden Engel ganz fehlen. 

Nr. 4, dem Andenken des Biirgermeisters Heinrich 
Promnitz und dessen Ehefrau gewidmet, hat bei einer 
vortrefflichen Ausflihrung die reichste Anordnung erfahren. 
Das Mittelbild®^) zeigt das Gesicht des Johannes von 
dem Throne der Majestat und Herrlichkeit Gotteg (Offb. 
Joh., Kap. 4), wa,hrend sich im Oberbilde die Taufe Christi 
dargestellt nndet. 

Diese Privatthatigkeit hinderte jedoch den Klinstler 
nicht, von Zeit zu Zeit neue Auftrage des Kurftirsten 
entgegenzunehmen und auszufuhren. 

In dem herzoglichen Kunstkabinett zu Gotha beflndet 
sich ein kleines Brevier, welches 13 Miniaturgemalde, 
Scenen aus dem Leben Jesu darstellend, enthalt, auf 
dessen innerer Deckelseite unter der Darstellung der 
Dreieinigkeit das Monogramm G5dings in Goldschnft zu 



^) Diese Inschrift steht ganz unten anf dem Hanptbilde; der 
Rahmen trSgt indess auf derselben SteUe, wie der bei Nr. 2, mit 
dem er tiberhaupt grosse Ahnlichkeit besitzt, die Jahreszahl 
MDLXXXVI. 

»*) Unten r. auf einem Felsblocke steht: HGb 1586. 



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318 K. Berling: 

lesen ist®^). Eine Jahreszahl findet sich leider nichtvor, 
doch giebt der Inhalt des Bnches selbst hieriiber einen 
wenn anch irnr ann£lhemden Aufschlnss. Es hat l&ngere 
Zeit hindurch im Hause Mecklenburg als Stammbuch ge- 
dient und finden sich viele Namen fiirstlicher Personen 
darin verzeichnet®'). Allen voran stehen Kurfiirst Au- 
gust und Kurfiirstm Anna mit der Jahreszahl 1579. 
Hier liegt nun die Vermuthung nahe, dass, da ein sach- 
sischer Hofmaler dies Buch angefertigt hat, dasselbe als 
Geschenk des sachsischen Kurfiirsten in den mecklen- 
burgischen Besitz gekommen ist und dass der Schenk- 
geber selbst sich und seine Gemahlin zuerst in dasselbe 
eingeschrieben hat. Daher glaube ich mich nicht zu irren, 
wenn ich das Jahr 1579 auch als das der Entstehung 
dieser kleinen mit grosser Feinheit ausgeftthrten Malereien 
angebe. 

Noch in demselben Jahre beauftragte August seinen 
Hofmaler mit einer andem Arbeit, und zwar gait es 
diesmal einen in zwei Tafeln getheilten Stammbaum des 
sachsischen Herrscherhauses, den der Kaplan von Miihl- 
berg, Peter Guttenberg, entworfen hatte, „fein sauber 
abzumahlen" ®*), ein Werk, das moglicherweise noch in 
einem der koniglichen Schlosser aufzufinden sein wird. 

Aus dem Jahre 1582 haben sich der Nachwelt noch 
zwei kleine Bilder erhalten, liber die urkundliche Notizen 
ganzlich fehlen, es sei denn, dass dieselben zu den vielen 
„Kunststucken" gehoren, wie sie Goding hauflg seinem 
Herm, wie es scheint, aus freiem Antriebe geliefert hat. 
Dieselben befanden sich friiher im sogen. Vorrath der 
Dresdner Gemaldegallerie ®^) ; von dort sind sie an das 



^) Wie mir Hofrath Aldenhoven auf meine Anfrage gtltigst 
mittheilt, sind die beiden Deckel dorch hS.ufiges Angreifen arg mit- 
genommen. Das Monogramm ist aber, trotzdem es ziemlich verwischt 
ist, doch noch nnfehlbar als das QQdings zu erkennen. 

08) Siehe A. Bnbe, D. Herzogl. Kunstkab. zu Gotha (1846), 
S. 56 Nr. 1. Das Btichlein wurde von der Grossherzogin Louise von 
Mecklenburg-Schwerin (f 1808) an die Herzogin Lottise von Sachsen- 
Coburg geschenkt und kam von hier nach Gotha. Bemerkenswerth 
ist auch noch der Umstand, dass Benvenuto OeUini als Verfertiger 
des kostbaren zu diesem Buche geh5renden Deckels genannt wor- 
den ist. 

^) H.-St.-A. Cop. 448 fol. 310, datiert v. 2. Nov. 1B79. 

05) J. Hubner in v. Webers Archiv f. d. sftchs. Gesch. II 
(1864), 184. 



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Hofinaler und Kupferstecher Heinrich G^ding. 319 

historische Museum abgegeben worden, in dessen „Entree- 
saal" sie noch heute zu sehen sind. 

Auf jeder der beiden Tafeln^), welche mit HG 1582 
bezeichnet sind, ist eine eigenthlimlich verschrankte Gruppe 
von drei pausbackigen Knaben dargestellt, von denen der 
eine seinen Kopf nach oben, die beiden andem den ihren 
nach unten gerichtet haben, und deren Leiber durch ein 
breites farbiges Band zusammengehalten werden, welches 
mit ktihnem Schwunge die Llicken des Bildes ausfiillt 
und unten in zwei goldene Quasten auslauft. In dem 
einen Bildchen, das eine etwas reichere Anordnung zeigt, 
halt der mittlere Junge liberdies noch in seinen H^nden 
zwei machtige rothe Kurschwerter, auch sind in dem- 
selben in den beiden unteren Ecken das s^chsische und 
das Kurwappen angebracht. Da bei beiden als Hinter- 
grund eine Holztafelung gemalt ist, so liegt die Ver- 
muthung nahe, dass Goding dieselben dem Kurfiirsten 
als Deckenmuster eingesandt habe, denn, wie oben mehr- 
fach erwahnt, hat der Ktinstler in den kurfurstlichen 
Schl5ssern zu verschiedenen Malen die in einzelne Felder 
getheilten Holzdeckeui mit Malereien versehen; diese An- 
sicht gewinnt um so mehr an Wahrscheinlichkeit, wenn 
man bedenkt, dass das verwandte Motiv, weil es der 
Richtung nach voUig neutral ist, sich gerade hierzu vor- 
trefflich eignen wlirde, und dass ahnliches als mehrfach 
zu derartigem Zwecke verwandt kunstgeschichtlich nach- 
gewiesen werden kann. 

Von einem andem Auftrage, den Goding von August 
erhielt, zeugt ein an ihn gerichtetes kurfiirstliches Hand- 
schreiben vom 15. Aug. 1584, in dem es heisst*'): 

„L. g. Vnser Secretari Hans Jenitz hat vns vff dein bitt und 
bescheidt gefraget, welchergestalt Du die altten Renn- vnd Stechbucher 
abmahlen und nachmachen sollest Darauff begeren wir dn wollest 
dieselben alle auf Pergament, auch in der grofse und arth, wie du 
angefangen, dieselbigen voUent nachmalen unnd vorferttigen," 

Dieses Werk, das aus 55 auf Pergament gemalten 
Aquarellen besteht, ist noch vorhanden und beflndet sich 
in der kgl. offentlichen Bibliothek zu Dresden (J. 14)®®). 
Der Titel zu demselben lautet wortlich wie folgt: 



^) Auf Leinw. gemalte Olbilder, 31 : 62 cm gross. 

»') H.-St.-A. Cop. 492 fol. 92. 

»8) Vergl. Schnorrv. Carols fe Id, Katalog d. Handschriffcen 
der KgL Sffentl. Bibl. zu Dresden 11, 6. Das letzte (55.) Blatt ist 
mit IOb 1584 bezeichnet. Der Einband zeigt die Jahreszahl 1585. 



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320 K. Berling: 

flVorzeichnus vnd warhaflPtiffe eigentliche Contrafactam aller 
Scharff rennen vnd Treffen, so der Durchlauchtigiste hochgebome 
Fttrst vnd Herr Herr Augustus Hertzog zu Sachfeen etc. vor vnnd 
inn S. Churf. G. Ohurflirstlichenn Regierung mitt sonderlicher ge- 
schicklichkeit aach groiser Lust vnnd verwunderung aller Zuseher 
gantz Bitterlich vnd rUhmlich gethan vnd verbracht hat auch Zu 
wes Zeitt an welchem ortt vnnd mitt was Personen ein Jedes Rennen 
geschehen, Zu Ewi^em Loblichem gedechtnus S. Churf. G. gevbtem 
mannlichen Ritterspielen deroselben Posteritet also fttrgestellet." 

Die Blatter (63 : 23,5 cm gross) sind mit grossem 
Fleiss gemalt, nur der bei alien in Sepia getuschte Erd- 
boden und die aus Rollwerk gebildeten Eahmen, in denen 
die Inschriften stehen, sind ein wenig fllichtig behandelt. 
Goldverzierungen sind reichlich angebracht, im iibrigen 
aber starke Parbenkontraste sehr beliebt. Die Eitter 
sowohl als auch die Pferde sind mit grosser Lebendigkeit 
geschildert, wenn sie auch hin und wieder in etwas un- 
natiirlichen Stellungen erscheinen. Eine grosse Abwechs- 
lung ist aber in den Etistungen angestrebt worden, und 
der Beschauer weiss nicht, soil er deswegen die Phan- 
tasie des Ktinstlers oder die der Kampfenden selbst be- 
wundern; denn, wie aus dem oben angezogenen Akten- 
stiicke hervorgeht, konnte sich G5ding, da von einem 
„abmahlen und nachmachen" die Eede ist, nach alteren 
Tumieraufzeichnungen richten, die m5glicherweise das 
Aussehen der Eitter- und Pferderiistungen genau wieder- 
gaben. Auch sind wohl eine grosse Anzahl derselben 
nach der Natur gezeichnet und gemalt worden. 

Die Phantasie hat hier aber wunderbare Friichte 
getrieben. So sind z. B. die Schabracken nicht nur mit 
Wappen oder mit vortrefflich gezeichneten Omamenten 
(wobei Gold und Silber bevorzugt wurden) bedeckt, son- 
dern es finden sich auch die sonderbarsten Dinge auf 
denselben zur Darstellung gebracht. Die eine Decke 
(Bl. 19) zeigt eine Menge spielender Hasen und den Vers: 

„Niemandt weiis mein Sinn 

Ob Ich ein Fuchs oder Hase bin", 

eine andre (Bl. 20) ist mit schwarzen Mausen auf grauem 
Grunde ganz bedeckt, auf einer dritten endlich (BL 26) 
ist eine ganze Jagd mit Jagem, Hunden, Hirschen una 
Hasen dargestellt und ahnliches mehr, das ganz dem 
Kunstsinne des Kurfiirsten und seiner derben, witzlosen 
Komik entsprach. 

Dies Werk Godings gewinnt aber fiir den Beschauer 
dadurch noch mehr an Interesse, dass es ihn zu der 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich GRJding. 321 

nfichsten Arbeit des Meisters und zwar zu der grossten, 
die er je untemommen hat, hinuberleitet. Denn wenn 
sich auch nicht behaupten lasst, die Beauftragung mit 
diesen Aquarellen sei seiner Zeit in der Voraussicht ge- 
schehen, dass sie Vorstudien zu einigen von Goding in 
dem neuerbauten Stallhofe zu Dresden ausgefuhrten Ge- 
mSlden sein sollten, in Wirklichkeit sind sie es doch ge- 
wesen. 

Kurfiirst Christian I., der nach dem im Januar des 
Jahres 1586 erfolgten Tode seines Vaters diesem in der 
Eegierung gefolgt war, hatte bereits am 6. Juni desselben 
Jahres den Grundstein zu dem machtigen Stallhofe ge- 
legt, einem Baue, den er unter Leitung des Stallmeisters 
Nicol von Miltitz von dem Baumeister Paul Buchner mit 
solchem Eifer fordem liess, dass derselbe schon innerhalb 
Jahr und Tag unter Dach gebracht werden konnte®*). 

Der grossartige Anblick dieses prachtigen Gebaudes, 
von dem Week u. a. sagt, dass es mehr einem Schlosse 
als einem Stalle geglichen habe, erfullte alle alten Dres- 
dener Chronisten^^^) mit grossem Stolze. Es hatte im 
Aussern sowohl als auch im Irmem seinen Hauptschmuck 
durch die Hand des Malers erhalten. Denn wie bei dem 
nahegelegenen Kanzleihause waren die giebelgeschmlick- 
ten, sonst glatten Wande der langen Fassaden einst liber 
und iiber mit Malereien geschmiickt. Leider hat die Un- 
gunst unseres nordischen Klimas dieselben v5llig ver- 
schwinden lassen. Eine ungefahre Vorstellung von deren 
einstiger Pracht geben indessen zwei Abbildungen aus 
Weeks Chronik^^^), auf denen ganz besonders die nach 
der Augustusstrasse zu gelegene lange „Stallgallerie", 
der Theil des Gebaudekomplexes, der sich noch heute 
fast ganz in seiner urspriinglichen Gestalt erhalten hat, 
veranschaulicht worden ist. 

Die Hofseite dieser letzteren zeigte, den erw^hnten 
Abbildungen gemass, eine machtige auf 20 dorischen 
Saulen nSiende Arkadenhalle ^®*), in deren Innem 19 edle 
Rosse, wahrscheinlich die Bilder beriihmter Pferde des 
kurflirstlichen Stalles, in ruhigen Stellungen, auf einem 



^) Week a. a. 0. S. 68 xl 61. 

*^) Ausser Week erwahne ich hier noeh: Tzsehimmer, 
DnrehlanchtigsteZusanmienkimft; Klemm, Sammler S. 192; Tobias 
Beutel, Cedem-Wald (1683) u. a. m. 

i«0 Tafel 14 u. 16. 

^^) Diese Arkaden sind jetzt zugesetzt. 



Neuea Archiv f. S. G. u. A. VIII. 3. 4. 21 

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322 K. Berling: 

breiten, mit Blumenguirlanden geschmttckten Sockel 
stehend, gemalt waren. Uber diesen Arkaden zog sich 
onter den gekuppelten, mit Spitzverdachung geschlossenen 
Fenstem durch die ganze Lange des Gebfiudes ein 
schmaler Fries bin, der mit Blattornamenten, aus denen 
einzelne EngelskOpfe herausschauten, geziert war. Zwi- 
schen den Fenstern waren in reichen aus RoUwerk be- 
stehenden Rahmen die Thaten des Herakles zur Darstel- 
lung gebracht ^^*). Die an den Ecken und in der Mitte 
emporragenden kraftig profilierten Giebel, welche mit 
einer Figur bekront waren, zeigten eine dem Fries ahn- 
liche ornamentale Behandlung, nur waren die Formen 
bier, wohl weil sie dem Auge des Beschauers entfernter 
waren, krftftiger ausgebildet. An der nach der Augustns- 
strasse zu gelegenen anderen Seite dieses Banes waren 
^ ein langer fortlanfender Reiterzug und darliber und dar- 
unter einzebie antike Heldengestalten zur Anscbauung 
gebracbt^®^). 

Die erwftbnten Abbildungen, besonders die Tafel 15, 
lassen aber erkennen, dass aucb sammtlicbe andere zum 
Stallbofe geb5rigen Gebaudetbeile einst gleicbfalls in 
ahnlicher Weise aufs reichste durch Malereien gescbmlickt 
waren. 

Es batte aber, wie icb oben bereits andeutete, nicht 
nur bei den Fassaden, sondem aucb im Innem ^^) dieses 
machtigen Baues die maleriscbe Thatigkeit eine derartige 
Ausdehnung genommen, wie sie in der verhaitnismftssig 
kurzen Zeit^^*) von einem Maler allein kaum entfaltet 
werden konnte, so dass die Annabme nabe liegt, eine 
ganze Reibe von Kiinstlem sei bierbei bescbftftigt ge- 



*^) Hier befand sich anch, etwa in der Mitte der Fronte, eine 
grosse Sonnenuhr gemalt, deren Umrisse noch hente dentlich zu er- 
kennen sind. 

^^) Diese Fassade, die gegen Ende des vorigen Jahrhunderts 
durch Feuer arg gelitten hatte, hat bekanntlich vor einigen Jahren 
nach einem Entwurfe des Malers Walther einen neuen malerischen 
Schmuck erhalten. 

^^) Es erzShlt u. a. Week a. a. 0. S. 56, dass sich im zweiten, 
nach dem JMenhof zu gelegenen Geschosse vier ^Fttrstenzimmer* 
befanden, in denen die Decken „yon allerhand Romanischen Historien 
aufs sch5nste gemahlet*^ waren und auch die Decken in zwei daneben 
befindlichen Kammem ,mit stattlichen Figuren und RQmischen Histo- 
riBU ausgebutzet" waren. 

106) Week a. a. O. S. 55 berichtet, dass der ganze Bau inner- 
halb SOSWochen fertiggesteUt worden sei. 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich GOding. 323 

wesen. Leider ist das mir zugangliche Aktenmaterial so 
luckenhaft, dass die Thatigkeit der einzelnen Maler und 
— worauf es bei dieser Studie besonders ankonunt — die 
Heinrich GSdings nicht fest begrenzt werden kann. Dass 
aber der letztere, auf den auch Christian I. die Giinst, 
die sein Vater ihm die vielen Jahre hindurch gewahrt 
hatte, in voUem Masse tibertirug, hierbei in ganz hervor- 
ragender Weise thatig war, daran kann nicht gezweifelt 
werden. 

Dasjenige Aitensttick, welches tiber die Malerarbeiten 
an und in dem Stallhofe am meisten Aufschluss giebt, 
einen an den „Stal vnd Zeugmeister zu DreMen" ge- 
richteten Brief Christians, lasse ich hier im Wortlaute 

nL. g. Vns ist eaer bericht belangendt das Hahlwerg an 
vnsenn; Neuen StaU Vndertiienigst furbracht worden. Weil wir dan 
darans yernehmen, das Ir mit den mahlern der gemelt halben, so in 
Tnd aulswendig des Stalfs gemacht werden soUen, weniger nicht, den 
ein Tausent drey hundert ynd adit ynnd achtzigk gulden nehmen 
wollen, So seindt ¥dr damit auch gnst Znfrieden, haben der wegen 
vnserm Gammermeister hirbey beuohlen solch geldt Mertza yolgen 
Za lassen, werden derhalben bey den Mahlern mitznhelfen wissen, 
das sie solch Mahlwerck bestes vleifses yorrichten Ynd mit dem 
ehisten alls Ihnen moglich yorferttigen etc. 

Nossen d. 22. Jul. 1587." 

tJber eine besondere Thatigkeit Godings sind freilich 
die archivalischen Quellen ein wenig ergiebiger. Diesen 
zufolge erhielt er den Auftrag, eine Anzahl von „Inven- 
tiones", d. h. von festlichen Aufzugen, auf Leinwand zu 
malen, Bilder, welche, wie es in der einen Notiz^^^) 
heisst, „vndenn neuen langen Gauge neben der Renn- 
bahne" angebracht werden soUten. Zur Ausfiihrung 
k5nnen allerdings nur eine kleine Anzahl von diesen ge- 
kommen sein, da der Kuradministrator Friedrich Wilhelm, 
der wfthrend der Minderjahrigkeit des jungen Kurfursten 
Christian EL von 1591 bis 1601 die Eegierungsgeschafte 
besorgte, wohl aus Sparsamkeitsrlicksichten die weitere 
Fertigstellung dieser Tafehi einzustellen befahl in einem 
vom 11. Juli 1593 datierten, an den Kammermeister ge- 
richteten Briefe^^®): 



lOT) H.-St-A. Cop. 543 foL 182 b. 

*^) Ebenda Loc. 4451 Act. Kurtz. Sumrsch. Extract liber die 
cfanrf. Gebeude 1590 foL 64; vergl. anch Gopial in Cammersachen 
1592 fol. 562b. 

^^) Ebenda Gopial in Cammersachen 1598 fol. 862 b. 



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324 K. Berling: 

„L. g. Dir ist sonder Zweifel bewust, das mit Heinrich Alalem 
von wegen der 19 taffeln, darauf die Inuentiones, dor Innen Chnr- 
fdrst Christian Za Sachisen etc. Ohristmilder seliger gedechtnus in 
Kitterspilen anfgetzogen gemalet werden soil, eines benenten gedinges 
yerglichen vnd Ime von Jder taffel 105 Taler anheischick worden 
seindt, wie dan anch gedachter Alaler 364 fl. 6 gr. albereit vf Rech- 
nung ans der Cammer empfangen haben soil. Weil wir aber nun- 
mekr dabin geschlossen, Das es Zu disem mal, biis yf weitere ver- 
ordnung, allein bey den ersten 6 taffein, so fast denn mehrerteil 
fertick sein, bewenden soil, Als ist yor yns ynd der hocbgebomen 
fnrsten etc. ynser begeren, Du wollest Ime, wan du nachrichtung, das 
die bemalten 6 taffein allentbalben yorsatzt Ynnd ausbereittet, die 
630 taler, nach abziehong des albereit entpfangenen geldes, yoU- 
stendick yolgen lassen Vnd Zu den Stall Baw aufsgaben in Aecb- 
nung yerschreiben. Daran etc."" 

Der Kurflirst Christian I. hatte bei der Bestellung 
dieser 19 Tafeln die Absicht gehabt, dieselben in den 
Sockeln, welche unter die 19 in den Arkaden befindlichen 
Pferdebildnisse gemalt waren, anbringen zu lassen. So 
wenigstens muss man gemass der Weckschen Abbildung 
Nr. 14 urtheilen. Es befinden sich bier an dieser Stelle ^^®) 
drei solche Tafeln, auf denen festliche Airfztige angedeutet 
sind, angebracht. Die Frage jedoch, ob G5ding nur diese 
drei an Ort und Stelle versetzte, oder ob Week sich hier 
in seiner Zeichnung, da der angefiihrte Brief von sechs 
solchen Tafeln spricht, eine Ungenauigkeit hat zu Schul- 
den kommen lassen, kann nicht entschieden werden; es 
ist dies auch nur von geringem Belang, da sich wohl 
kaum hoflfen l^sst, dass sich auch nur eine derselben bis 
auf unsere Zeit erhalten haben wird. Von weit grosserem 
Interesse als diese Thatigkeit Godings ist eine andere 
und zwar die hervorragendste am Stallgebaude, wenn 
nicht seine bedeutendste Arbeit uberhaupt: die voUstan- 
dige malerische Ausschmtickung des zweiten Geschosses 
der Stallgallerie ^^^), die sich bis auf unsere Zeit voU- 
kommen unversehrt erhalten hat. Selbst die Decke, 
welche man im Jahre 1861 aus praktischen Grtinden er- 
hohen musste, ist getreu nach dem Vorbilde der alten 
emeuert worden. Sie ist in 84 kleine quadratische 
Felder getheilt, auf denen eine reiche Omamentik ange- 
bracht ist. 

Der Kunstler hat diesen langen schmalen Raum zu 
einer Ahnengallerie des sachsischen Regentenhauses um- 



"<^) Unter dem 5., 6. u. 14. Pferde yon links gerecbnet. 
*") Hier befindet sich bereits seit 1733 die Q^wehr-Gallerie. 
YergL auch C. Glaus, Katalog zu derselben 1873. 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich GOding. 325 

geschaffen. Zwischen den Fenstern hangen in machtigen, 
aus KoUwerk bestehenden, reich vergoldeten Holzrahmen 
die einstigen Herrscher des kriegerischen Sachsenstam- 
mes^^^). In ruhiger, wiirdiger Haltung blicken sie, die 
der Maler in LebensgrSsse gebildet hat, auf den Be- 
schauer herab. 

Die Idee einer derartigen Saaldekoration, bei der 
von den Wanden herab die Geschichte eines ganzen 
Volkes durch die Bildnisse seiner Herrscher gepredigt 
wird, ist dem Ktinstler wohl durch L. Cranach dem Jlin- 
geren geworden, der glhnliches bereits im „Furstensaale" 
auf der Augustusburg versucht hatte^^*). Es scheint mir 
sogar die Vermuthung nicht zu gewagt, dass hier wie 
einst beim Freiberger Altarwerke^^*) der Ehrgeiz, der 
es Goding als personliche Zurticksetzung empfinden liess, 
wenn L. Oranach ihm gegenliber als der vomehmere 
Ktinstler behandelt und mit den werthvolleren Arbeiten 
beaiiftragt wurde, die treibende Kraft geworden ist. 
Diese hat dann aber nicht allein bewirkt, dass Goding 
die nachste Gelegenheit, die sich ihm darbot, ergriff, um 
ein ah^iches Werk zu schaffen, sondem man muss ihr 
auch den Umstand zuschreiben, dass der Maler bei der 
Ausfiihrung desselben sein ganzes ktinstlerisches K5nnen 
eingesetzt .hat. So sind denn diese 46^^^) auf Leinwand 
gemalten Olbilder mit dem ftussersten Fleiss und nicht 
geringem Geschick in sehr kurzer Zeit gefertigt worden. 
Sie zeugen von einem frischen, etwas derben Farbensinne 
und einer brillanten Technik, die sich ganz besonders 
auch in den mit grosser Liebe ausgefiihrten Beiwerken 
und den hin und wieder vorkommenden Architekturen 
zeigt. 

Etwas fluchtig sind freilich die vollig sagenhaften 
Herrscher behandelt, denn die ersten 22 konnen sicher 



1^®) Auf Jedem Rahmen ist oben und unten das betreffende 
Wappen des DargesteUten auf Holz gemalt. Einige dieser Bilder 
(3j 4-5, 12, 37 u. 38-39) sind mit Hfc F. 1588, andere (29-30 u. 44-45) 
mit demselben Zeichen und der Jahreszabl 1489 bezelchnet. Dann 
und wann sieht man zwei Portrate unter einem Rahmen (4-5, 12-13, 
29-30, 38-39 u. 44-45). 

**8) Siehe die erwahnte Abbandlung in dieser Zeitschrift VII, 
305 flg. 

"*) Siebe S. 312. 

ii**) Nur die 46 altesten (bis mit Christian I.) sind von GOding 
gemalt, die tibrigen 6 haben Bottschild, J. H. Meyer u. a. spfiter 
gefertigt. 



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326 K. Berling: 

auf geschichtlichen Werth keinen Anspruch maclieii. Erst 
mit Widukind, der im Jahre 783 als der erste Sachse 
die heilige Taufe empfangen hatte, befindet man sich 
einigennassen auf geschichtlichem Boden, der freilich noch 
vielfach verlassen wird, um den Anschluss der Ahnenlinie 
an die ftltesten gescMchtKchen Wettiner zu erlangen. 
Ganz besonders gut sind dem Klinstler die Bildnisse von 
Friedrich dem Gtttigen (41) und Moritz (44), auch von 
August (45) und Christian I. (4Sj gelungen, doch ist der 
Kopf bei August minder fein, bei Christian wohl charak- 
teristisch, aber doch gar zu wenig schmeichelhaft^^*). 

Unter einem jeden dieser Bildnisse befindet sich eine 
langere deutsche Inschrift und ein lateinisches Distichon, 
in denen in Kurze die Lebensschicksale des Dargestellten 
erzahlt werden*^'). Darunter sind wieder kleine mit 
grosser Feinheit auf Holz gemalte Bilder angebracht, 
welche mit einer reichen Erfindungskraft, wenn auch 
manchmal in etwas naiver Auffassung denkwurdige Epi- 
soden aus dem Leben der einzelnen Herrscher zur An- 
schauung bringen^^^). SchUesslich befinden sich noch 

^1^) In der Kgl. offentl. Bibliothek zu Dresden befindet sich 
(J, 1) ein Band (gr. fol.) Miniaturmalereien auf Pergament, welcher 
eine Xopie dieser Ftlrstenbilder enthftlt. Er ist laut Beischrift am 
2. Nov. 1645 begonnen worden. Gdtze (D. Merkwiirdigkeiten d. 
Kgl. Bibl. zu Dresden 1744. I, lOB flg.) schreibt hieriiber: „Nach 
solchen Gemlkhlden (die in der Stallgallerie sind gemeint) sind auf 
hohen Befehl des Glorwiirdigsten Churfiirstens Johannis Georgii I 
diese Miniaturen verfertiget und in ein Buch zusanunen gebracht 
worden." Weiter berichtet Gotze, dass er die auf dem StaUe be- 
findlichen Inschriften habe dazu schreiben lassen. Es beruhen mit- 
bin wohl die Ansichten von Ebert (Gesch. d. Dresd. Biblioth. 1822, 
S. 160) undFalkenstein (Beschr. d. Kgl. Offentl. Biblioth. 1837, 
S. 329 fj, die meinen, dass das betreffende Buch sich bereits 1574 
beziehentl. 1599 in der kurfurstlichen Bibliothek befunden habe, auf 
Irrthum. 

^") Man findet diese Unterschriften wOrtlich wiedergegeben in 
dem bereits erwahnten Kataloge zur Gewehr-Gallerie S. 26 flg. 

1^8) Diese kleinen Gemalde sind von D. v. Biedermann in 
der Zeitschr. f. Museologie etc. 1880, Heft 6 u. 7 ausffthrlich be- 
sprochen. Hier ist nun die Vermuthung ausgesprochen worden, dass 
die Inschriften und die kleinen Bilder m&glicherweise erst von Bott- 
schild (1640 — 1707) hinzugefiigt seien, „da sie", wie es dort heisst, 
„nach den Erzahlungen des Newen Stammbuchs von Petrus Albinus 
und des von Birkenschen s&chsischen Heldensaals entworfen zu sein 
scheinen; diese Werke erschienen aber erst 1602 u. 1617." G«gen 
Bottschilds Urheberschaft spricht aber der Umstand, dass die in der 
Kgl. Off. Bibl. befindlichen ^opien der Hauptbilder sowohl als auch 
die der kleinen Bilder (denn diese zeitlich zu trennen ist nicht m($g- 
lich) schon 1645 begonnen worden sind. 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich GOding. 327 

unter den Fenstern gleichfalls auf Holz gemalte Turnier- 
bilder, von denen oben bereits gesagt wurde, dass die 
Aquarellen, die ihnen als Vorstudien dienten, bereits im 
Jalire 1584 von Goding auf Bestellung des Kurfursten 
August gemalt worden seien. Die Darstellungen gleichen 
sich bei beiden Arbeiten vOllig, nur zeigen die Gemsllde 
in der Stallgallerie, welche von 55 auf 29 reduziert sind, 
ausser den beiden kampfenden Keiteni noch den ganzen 
mit vielen Zuschauern besetzten Kampfplatz, wodurch 
der Beschauer ein recht anschauliches, interessantes Bild 
von der Art und Weise der damaligen Tumierspiele ge- 
winnt. 

Noch wahrend GSding mit diesen vielfachen ehren- 
vollen Arbeiten am Stallhofe beschaftigt war, betheiligte 
er sich an einer kleinen Konkurrenz, bei der Zacharias 
Wehme, ein bedeutend jiingerer Kunstler, sein Gegner 
war. Es gait diesmal eine Farbenskizze anzufertigen, 
nach welcher das vom Kurflirsten August im Jahre 1552 
an der Dresdner „grossen Bastei" errichtete Moritzmonu- 
ment emeuert werden sollte. Die Restauration ist laut 
einer noch heute am Denkmal beflndlichen Inschrift im 
Jahre 1591 auch wirklich erfolgt. Die mit den Skizzen 
zusammen eingelieferten genau spezifizierten Kostenan- 
schiage beider Maler werden noch heute im H.-St.-A.^^®) 
bewahrt. Wenn Goding auch diesmal seinem jtingeren 
Kollegen unterliegen musste, denn seine Arbeit wurde 
zur Ausfiihrung nicht angenommen, so bleibt doch immer- 
hin wissenswerth, wie hoch er hierbei jede einzelne kleine 
Arbeit berechnet haben woUte, ganz besonders aber des- 
halb, weil die dem ausflihrenden Maler, Z. Wehme, wirk- 
lich bewilligte Summe nach diesem von GSding aufge- 
stellten, hin und wieder — wie sich vermuthen Iftsst — 
von Paul Buchner reduzierten Kostenanschlage festge- 
stellt zu sein scheint^^^). Ich lasse daher diesen im 
Wortlaute folgen^®^): 



^^^) Loc. 4451 f Den Festungsbau zu Dresden belangend. foL 
89 n. 90. 

^^) Der Kostenanschla^ Wehmes sowie Naheres fiber diese 
Eestauration sind von Th. Distel in d. Z. f. Mnseologie etc. 1883, 
S. 123 mitgetheilt, wo auch die noch erhaltene Aquarellskizze dieses 
Malers abgebildet ist. 

^^) Das cursiy Gedrackte ist yon einer anderen, nach der An- 
sicht Distels Paul Buchners Hand. 



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328 K. Berling: 

Den 4. July an. 91. 
Heinrich Kahler. , 

6 fl. von einen schilde der seint fnnffe thnt 25 fl. %8t mit 
5 talern zu frieden. Von den ober gesims 25 fl. 25 tcUer, Von 
einen wapen 3 fl. davon seint 22, thut 66 f. 5Va taler. Von den 
zwn schwartzen taffeln mit den schrifften 40 fl. 40 tcUer, Von den 
zwn kleinen tafleln mit den schrifften 20 fl. bldbt. Von den beiden 
ensersten senlen 12 fl. bleibt Von den andem beiden seulen 8 fl. 
bleibt Von den feldem hinder den conderfect 8 fl. 10 fl. Von 
beiden Churf. 26 taler. Von Chnrf. Moritz gemahl 4 fl. 5 fl. Von 
Churf. Augusty gemahl 7 fl. 7 taler. Von den vier krack steinen 
vnd den Pollen 20 fl. 21 taler. Von den feldem neben den Ohnr- 
ftirsten 50 fl. 50 taler, Tuht 285 fl. Ist mit 305 talern Zufrieden. 

Den 4 July an 91, hatt mein gnedigster Herr bewilliget, datz 
man dem McUer meister Zacharias 305 taler geben Magic, 

Christian I. hatte, wie aus einigen archivalischen 
Notizen hervorgeht, noch wenige Monate vor seinem Tode, 
also in der ersten Halfte des Jahres 1591, den beiden 
Malern Goding und Cyriacus Roder^^^) eine grossere 
kiinstlerische Arbeit tibertragen. Man muss indessen bier 
die Quellen mit etwas Vorsicht gebrauchen, da sie — 
wie ich aus eigener Erfahrung bezeuge — leicht auf eine 
falsche Fahrte zu fiihren im Stande sind. Denn die ge- 
fertigte Arbeit selbst lasst sich nicht mehr nachweisen, 
die Akten driicken sich aber theilweise so unbestimmt 
aus, dass nach ihnen eine doppelte Lesart moglich ist. 

Es kommt hier zuerst ein an den Kammermeister 
gerichteter Befehl des Kuradministrators in Betracht, 
welcher lautet^^^): 

„L. g. Den beiden Mahlerrn Heinrich Goding Vnd Oiriax 
Rodem haben wier von Churfurst Augustj & Christseliger gedecht- 
nus Vnd des Churfarsten Zu Brandenburgs & beiden Oonterfecten, Als 
Jederm Achtzigk gulden, Vor Ire arbeit genedigest bewiUigt Ist 
derowegen Vor Vns Vnd S. des Churfiirsten Zu Brandenburgs Bilde 
In gesambter Vormundschafft etc. Vnnser genedigsts begeren, Du 
woUest obgedachten beiden Mahlem Ihr Jderm Vor sein gefertigt 
Oonterfect 80 fl. kegen Ihren bekentnuls aus der Cammer vorgnugen 
lassen. Dessen etc. den 19. Dezb. 92." 

Ein Auszug aus den Renntn.- und Kammerbefehlen 
bezeugt femer, dass diese Auszahlung am 29. Dez. 1592 
wirklich erfolgte, denn es heisst in dem betreffenden 
Aktenstlicke^^^): 

^*®) Bin von 0. RQder gemaltes, recht charakteristisch auf- 
gefasstes Bild des Kurfttrsten August befindet sich im Entreesaale 
des historischen Museums. 

128) H.-St-A. Cop. in Gammers. 1592 fol. 766. 

la*) H.-St.-A. Loc. 7295, Act. Extract d. Renntn.- u. Oammbf. 
fol. 244. 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich GOding. 329 

„Den b«iden Mahlem Heinrich GRJding vnd Ciriacus R5dem 
Jeden 80 fl. vor Churfarst Augustj vnd des Ohurfarst zu Branden- 
burgks beiden contrafecten." 

Wahrscheinlich hat sich nun die Arbeit doch als 
grosser herausgestellt oder — was so ziemlich auf das- 
selbe herauskommt — mehr Zeit beansprucht, als man 
bei der Bestellung angenonunen hatte, jedenfalls ist den 
beiden Malem eine Mehrforderung bewUligt worden, wie 
aus einer dritten Notiz, die ich hier gleichfalls im Wort- 
laut folgen lasse, hervorgeht^^^): 

„Vf beuehl Hertzogk Friederich Wilhelms Zu Sachlsen der 
Chur Sachlsen Atministratorn, Vnsers gnst. Herrn, soU der Churf. 
S. in Vormundtschofft verordtneter Oammermeister Gregor Vnwierdt, 
Heinrich Godigem Vndt Oyriax R(Jdem, Mahlem, Wegen der Zweyen 
Contrafect, so sie Vff Churf. Christian lobl. vnd sehliger ged. be- 
uehlich Zuuorfertigen Vndterhanden, Vber das Jenige, so sie Zuuom 
empfangen, noch 50 fl. vff Rechnung gegen ihre Quittung volgen 
lassen. Drelsden d. 3 Juni 1592." 

Es sind nun — meiner Meinung nach — diesem an- 
gezogenen Aktenmateriale gemftss zwei verschiedene Falle 
denkbar. Es kann namlich erstens jeder Maler ein Bild, 
auf dem nur der eine dieser beiden Elirsten dargestellt 
war, angefertigt haben, es kann aber auch zweitens jeder 
von ihnen ein Doppelbild, auf denen man beide zusammen 
erblickte, gemalt haben. Zu dieser letzteren Ansicht ist 
man leicht geneigt, wenn man den Umstand in Betracht 
zieht, dass sich in der Dresdner Gemaldegallerie ein sol- 
ches Doppelbild ^^*) mit denPortraten dieser beiden Kur- 
forsten beflndet, dessen Verfertiger in den Katalogen als 
„Unbekannt" aufgefiihrt wird, dessen Entstehung aber 
der Malweise nach ungefahr in diese Zeit Godingscher 
Kunst fallen muss ^^'). Ware dies in der Gallerie be- 
findliche das eine der oben erwahnten Bilder, so musste 
das andere sich aller Wahrscheinlichkeit nach noch in 
dem ehemaligen kurbrandenburgischen Besitze nachweisen 
lassen. Eine nach dieser Richtung hin angestellte Unter- 
suchung blieb indes ohne Erfolg^^*), konnte von mir aber 



12*) H.-St.-A. Cop. in Oammers. 1592 fol. 846^. 

*2«) Im Katalog zur GemftldegaUerie 1884. Nr. 1954. 

I*') W.Schafer(D.Kgl.Gemaldegall. zuDresdenHI, Nr. 1697) 
Bchreibt dies BUd ohne weitere Begrtlndung dem Zacharias Wehme 
zu. Ob er aber Merin Recht hat, ist zum mindesten fraglich. 

1*8) In den Museen Berlins und — wie mir auf meine Anfrage 
das Kgl. preuss. HofmarschaUamt giiti^st mittheilt — in den Kgl. 
preuss. Sciil3ssem findet sich ein derartiges Doppelportrftt nicht yor. 



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330 K. Berling. 

auch deshaU) unbeendigt abgebrochen werden, weil ich 
zu dieser Zeit in einem weiteren Aktenstftcke eine neue 
auf diese Angelegenheit bezligliche Notiz fand, die von 
den beiden oben als m5glich aufgestellten Fallen den zu- 
erst angenommenen zur Wahrscheinlichkeit erhob. Es 
heisst nftmlich darin^^*): 

„Nachdem Ciriax ROder dem Maler von des Ghurf . Zn Branden- 
burgks etc. Vnsers gnst. Herm Conterfect 80 fl. versprochen worden, 
Daranf ehr den albereit 50 taler ans der Gammer entpfan^en haben 
soUf Als soil Ime der nachstandt Yollents hemach entncht, Dem 
Cammermeister auch darauf befelich vberschickt werden. 

Dresden d. 21. Decb. 92.« 

Somit Mtte also Roder das Bild des Knrfnrsten 
Johann .Georg von Brandenburg, G5ding das des Kur- 
fiii'sten August gemalt. Diese Ansicht wird zur G^wiss- 
heit durch einen zweiten archivalisQhen Beleg, der sich 
in einem vom Kuradministrator an den Kammermeister 
gerichteten Briefe vorfindet, demzufolge G5ding um diese 
Zeit wirklich ein Portrat Augusts an die Kunstkammer 
abgeliefert hat. Dieser Brief lautet^^^): 

„L. g. Heinrich Goding Mahler alhier hatt vnns vnnderthenigst 
berichtett, das ehr Ohurfurst Christiano loblicher gedechtnuls drey 
Conterfect alfs KQnigs Ohristiani in Dennemargkt^**) vnnd desselben 
gemahlls So wohl Churfarst August! neben zweyen groisen Kupfer- 
blechen^^^) darauf die belagerung Gotha vnd Grimmenstein gestochen 
in die Kunstkammer vnderthenigst vorehrett vnnd derowegen zuvom 
wie auch jetzo abermals Vnderfienigst Ihme Zur ergetzlichkeit des- 
selben mit vier Centner geschlagen Kupferblech gnedigst zu be- 
dencken, Welches wir ihm also zu gnaden bewilliget Begehren 
derowegen etc. DreMen d. 21 Novb. 1694." 

Dass GSding ausser diesen vielen vom Kurfiirsten 
geforderten Auftrftgen auch bin und wieder solche fur 



^2») H.-St.-A. Cop. in Cammers, 1592 fol. 766. 
i«>) H.-St.-A. Cop. in Cammers. 1594 fol. 481b-, vgl. auch ebenda 
Loc. 7295, Act. Renntn.-Cammbfl. fol. 161. 

^**) Das hier erwfthnte PortrSt von Christian III., dem Schwie- 
gervater des Kurfiirsten August, scheint mit dem im Parterresaale 
des Schlosses zu Grosssedlitz befindlichen identisch zu sein. Dies 
Bild, dessen Fl&che in spaterer Zeit einmal um etwa eine Handbreite 
auf jeder Seite vergrOssert worden ist, hat durch die Ungunst der 
Zeit entsetzlich gelitten. Es tragt folgende Inschrift: 
nVon Gottes Gnaden Christian 
Der 3 Kdnig zu Denemarck 
War geboren 1508 
Starb 1559. Im 55 Jahr 
Seines Alters." 
"*) Auf diese Kupferplatten werde ich spater zurtlckkonmien. 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich GrSding. 331 

Privatleute ausfiihrte, bezeugt eine zufaUig aufbewahrte, 
aus dem Jahre 1594 stanunende Rechnung, worin, ganz 
handwerksmassig, wie beim Kostenansddag zur Erneue- 
ning des Moritzmonuments, jede einzelne kleine Arbeit 
beim Ausmalen eines phantasievoU gestalteten Schlittens 
aufs genaueste berechnet wird. Diese Rechnung lautet^*^): 

„Dein Edelnn gestrengenn Heinrich Vonn Hagenn Fttrstlch. 
Sechfeischer Hofmeister gemacht. Wie folgt 

ErstUch einen grofeen Schwann, Mit feinem Silber Vherlegt 
Ynd etzliche fedemn daran gebapbet, Ynnd die Krone, sambt dem 
Halsbanndt, mit guttem Vngrischenn golde verguldt: butt dauonn 
14 thaler. 

Mehr ein bar Kuffen mit OUfarbenn Rott ahngestrichenn vnnd 
mit feinem silber Vorsilbert, Sambt einer grofeenn Mehr Muschelnn, 
welche auch gar Versilbert, Vnnd gem^et mit OUfarbenn wie 
Wasser Wellen, ihn welcher Muschel der Schwann sitzet: Dutt 
dauor 6 thaler. 

Item ein Ronnte Kugel, anf welche Von OUfarbenn, mit fleis 
des himmels lauff gemahlet Vnd mit guttem Vngrischenn golde, Vnnd 
Silber gezieret: Cut dauor 3 thaler. 

Item auch einenn adeler, dorauf der Jupiter sitzet, auch mit 
Vngrischen golde gezieret, Vnnd mit OUfarbenn aulsgefalset, gehOrt 
auf die Kugell : Dutt dauor 2 thaler. 

Item auch zwo Kummet mit FltLgelnn von OUfarbenn Rott 
ahngestrichenn, Vnnd mit feinem sUber Vorsilbert, Sambt Zwenenn 
Schwenenn, so gar VorsUbert, Vnnd die Kronen mit guttenn Vng- 
rischenn golde Vorguldt: Dutt dauor 8 thaler. 

Mehr 2 bar stangenn, Vonn OUfarbenn Rott ahngestrichenn, 
Vnnd mit sUber geziert: Dutt dauor 2 thaler. 
Summa Vber aUes 85 thaler. 

Ist bezahlt. Heinrich Getting i^*) 

Mahler." 

Es ist wahrscheinlich, dass, obgleich in der Rechnung 
selbst hiervon nichts erwShnt wird, nicht nur die Maler- 
arbeiten, sondem auch der ganze Entwurf selbst von 
Goding herrtthrte. Zu dieser Ansicht wenigstens gelangt 
man, wenn man bedenkt, dass er sich schon frliher einmal 
mit der Erfindung eines fthnlich phantastisch geformten 
Schlittens befasst hatte, wie eine von ihm ftusserst sauber 
wenn auch ein wenig kleinlich ausgefiihrte getuschte 
Federzeichnung bezeugt. Dies Blatt, das die Dresdner 
Kupferstichsammlung bewahrt, ist mit HG 1583 bezeich- 
net, so dass an Godings Urheberschaft kaum gezweifelt 



"«^ H.-St.-A. Loc. 7301, Gammers. 1594 TheU ni foL 149. 
1**) Hier ist der eine der beiden beim Beginn dieser Studie er- 
wllhnten F&Ue, dass sich der Maler mit .Getting'* unterschrieben hat. 



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332 K. Berling: 

werden kann. Dargestellt flDdet sich ein Schlitten, des- 
sen Vordertheil aus einem schwarz geschuppten, mit weit 
aufgesperrtem Rachen wuthend urn sich schlagenden 
Drachen mit einem machtigen weissen Federbusche auf 
dem Kopfe besteht. In diesem letzteren sitzt ein 
mit voUer Riistung angethaner Ritter, der mit seiner 
Lanze zum verderbenbringenden Stosse auf den Drachen 
ausholt. Hierbei wirken nun freilich die so ungemein 
verschiedenen Massverhaltnisse ein wenig komisch; bei 
der verhaltnismassig grossen Ausdehnung des Ungeheuers 
ist dessen endlicher Besieger in gar zu winzigen Dimen- 
sionen dargestellt. Ausserdem sind noch auf der Decke 
und dem Sattelzeuge des Pferdes ein grSsserer schwarzer 
und zwei kleinere weisse, sich gegenseitig bekampfende 
Drachen angebracht. Im ScUitten selbst sitzt eine Dame 
und auf der Pritsche, die Zligel des Pferdes fiihrend, 
deren Begleiter. Beide haben blonde Haare und von der 
Kalte gerothete Gesichter und Ohren und sind in schwarze 
Anzuge mit weissen Armeln, Halskrausen und Hand- 
schuhen gekleidet, wobei vielfach, wie an den Htiten, am 
Kleiderbesatz, den Halsketten, in Godings beliebter Weise 
Gold verwandt ist. Auf die Pferdedecke und auf den 
Schild, den der Ritter in der Linken halt, ist das sftch- 
sische Wappen gemalt, ein Umstand, der schliessen lasst, 
dass auch diese Arbeit fiir den Kurfiirsten angefertigt 
worden ist^^*). 

Zwei Aktenstlicke i8«), die vom 4. und 23. Dez. 1601 
datiert sind, berichten lemer, dass Goding dem Kur- 
administrator „Sechs sch5ne gemahlte Kunststuck ver- 
ehret" habe. Dieselben nachzuweisen oder auch nur 
naher zu bezeichnen, war mir indessen nicht mSglich. 
„Kunststttcke" k5nnten, wie aus einer anderen Notiz^^'^) 
hervorgeht, dem damaligen Sprachgebrauche gemftss aller- 
dings Kupferstiche bedeuten soUen. Ware dies der 
Fall, so Uesse sich eine zusammenhangende Folge von 



^^) Ich mftclite hier nicht unerwalint lassen, dass ein gleich- 
faUs in der Dresdner Kupferst.-Samml. befindliches AquareU, wahr- 
scheinlich das Bildnis eines sftchsischen Ftirsten, dem GSding zi^e- 
schrieben wird und zwar — wie mir scheint — mit Unrecht Uas 
Blatt, welches keine Inschrift trS^, zeigt eine Ausftthnmg, die mit 
der Godings dui'chaas nicht tlbereinstimmt. 

^^) H.-St-A. Loc. 7818, Gammers. 1601 fol. 235 u. Loc. 7389, 
Wochztt. 1601—3 fol. 109b. 

137) Ebenda Loc. 7296, Extr. d. Renntn.- u. Cammbf. fol. 161. 



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Hofmaler nnd Kupferstecher Heinrich Goding. 333 

6 Blattern, die ungefahr um diese Zeit abgegeben sein 
konnteft^*®), schon nachweisen. Da aber in den beiden 
angezogenen Quellen von gemalten Kunststiicken die 
Kede ist, muss wohl auf diese L5sung der Frage ver- 
zichtet werden. 

Aus den Jahren 1601 und 1602 stammen zwei kleine 
auf Kupfer gemalte Olbilder, die Goding fur den Kur- 
fftrsten Christian II., der im Jahre 1601 die Eegie- 
rung selbst ubemommen, verfertigt hatte^^^). Diese 
Bilder wurden mit vielen anderen Segenstanden zusam- 
men am 19. Jan. 1612 an die Kunstkammer abgegeben 
und iiber diesen Akt ein ausfiihrliches Protokoll aufge- 
nommen, in welchem ihrer folgendermassen Erwahnung 
geschieht^*^): 

„Vff Kupffer gemalte, vnd in rahmen eingefafste Biblische 
Historien, davon einea von 5 Klngen Tndt DQrichten Jun^frawen, 
Das ander das K5nigliche Pancket Belsazers Zue Assyrien, hat 
Heinrich GSttingk der elter 1601 vnnd 1602 gemahlet" 

In dem „Verzeiclmiss der im Vorrath befindlichen 
Gemalde" der Dresdner Gallerie findet man diese beiden 
Werke Godings unter Nr. 493 u. 494 mit dem Vermerk 
„zum Verkaufe ausgesetzt d. 23. Jan. 1841" erwglhnt, und 
femer im „Auszug aus dem Verzeichniss der Vorraths- 
bilder der Konigl. Gemftldegallerie C" ^*^) die sich auf 
das letztere der beiden beziehende Notiz: 

„258) Unbek. bez. HG 1602, Frauen mit brennenden Lampen, 
Schlafende, Ritter, erleuchtete Hfiuser. 9" hoch 13" br. anf Kupfer, 
neuer schw. Rahmen, leidlich erhalten. d. 16 Apri. 1860 verk. fttr 
12 rthb. 1 gr." 

tJber den weiteren Verbleib dieser beiden Bilder 
konnte ich nichts in Erfahrung bringen, doch ist der 
Fall, dass dieselben einst wieder ans Tageslicht gelangen, 
immerhin denkbar. Viel empfindlicher als von diesem 
wird man indessen von einem anderen Verluste betroffen: 
das ist die sichere Vemichtung einer grossen Reihe von 
Malereien, die Gliding einst fiir die alte Frauenkirche 
schuf. Es waren dies Gemalde, in welchen die Geburt 
und Leidensgeschichte des Heilands zur Anschauung ge- 



188) Sie sind 1595 u. 98 datiert. 
^^) H.-St-A. Loc 7889, Wochztt. 1603—5 fol. 634. 
*^) Ebenda Loc. 7207, Absch. aufs d. Einnahm. d. Kunstk. fol. 9. 
**^ Beide Aktenstticke wurden mir vom GaUeriedirektor Herm 
Prof. Woermann gutigst zur Durchsicht tLberlassen. 



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334 K. Berling: 

bracht war. Michaelis ^*®) berichtet hieiiiber nach Auf- 
zahlung dessen, was in ihnen dargestellt war, dass alles 
gemalt sei „zwar schlecht jedoch mit etlichen Worten, 
so darbey stehen, erleutert, aber auch Glaubens- und 
Liebes-voll, mafsen sich die Urheber dieser GemftUde 
nicht geschamt, theils ihre Nahmen und Wappen, theils 
auch nur das Wappen allein denen Nachkonunen zu uber- 
lassen." Unter Urheber durfen hier aber nicht die Ver- 
fertiger, sondem mussen die Stifter dieser Bilder verstan- 
den werden, denn einerseits findet sich unter diesen, 
deren Namen (gegen 30) Michaelis alle einzehi aufzfthlt, 
meines Wissens nui' ein einziger Maler, Andreas Brett- 
schneider, andrerseits spricht aber Michaelis femer vom 
Verfertiger nur in der Einzahl. Er jfahrt nftmlich fort: 
„Hieruber ist nicht zu vergessen, dais an der Decke oben 
gegen das sogenannte Mlintzer-Thor zu, der Mahler sich 
selbst auf einem Gerliste sitzend, nebenst seinen bey ihm 
stehenden Farben-Topfgen und Pinseln gemahlt, auch 
gleich an der Tauflfe Christi am Jordan noch arbeitende." 

Flihrt nun schon der eigenartige Gedanke, der sich 
in diesem eben erwahnten Bilde ausgesprochen flndet, 
unwillklirlich auf Godings Thfttigkeit, da dieser, wie 
zweifellos feststeht^*^), ganz etwas ahnliches bereits in 
dem im dritten Geschosse des Hasenhauses gelegenen 
sogenannten Venussaale auf der Augustusburg ausgefuhrt 
hatte, so wird seine Urheberschaft dieser Gemaide tiber- 
dies noch von Hohlfeldt in einem Aufsatze ^**), der die 
Sophienkirche in Dresden behandelt, als sicher bezeugt. 
Hier finden sich nftmlich gelegentlich der Besprechung 
der Verftnderungen, welche die im Jahre 1738 erfolgte 
Verlegung des Hofgottesdienstes in diese Kirche mit sich 
brachte, folgende Worte: „An den Brustlehnen der ersten 
Emporkirche wurden die noch vorhandenen 18 Gemaide 
aus der Lebensgeschichte Jesu, welche vorher in der 
alten Frauenkirche ***) gewesen und von Heinrich Gotting, 
der 1606 starb, gemalt worden waren, angebracht." 

Leider flndet sich an Ort und Stelle heute nichts 



^*^) Dreisdnische Inscriptiones n. Epltaphia d. Frauen Kirche 
Alt-DreM. 1714, Vorrede. 

^*8) Freyer in dieser Zeitachr.VII, 321. 

1^ Der Sammler f. Gesch. u. Alterth. Dresd. I (1837), 198. 

^^) In der alten Frauenkirche ist zuletzt am 9. Febr. 1727 
Gottesdienst gehalten nnd dann dieselbe eingerissen worden (Nachr. 
tiber d. Erbannng d. Frauenkirche. Dresden 1834.). 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich GOding. 335 

mehr hiervon vor. Auch die Entstehungszeit dieser Ar- 
beiten l^sst sich mit Sicherheit nicht mehr feststellen, 
wahrscheinlich ist jedoch, dass dieselben gegen Ausgang 
des 16. Jahrhunderts entstauden sind, da die jtingste der 
wenigen Jahreszahlen, die nach Michaelis bin und wieder 
den Namen der Stifter beigeschrieben waren, 1596 ist. 

Es wird endlich noch mehrfach erwglhnt^*®), dass Hein- 
rich Goding zusammen mit den beiden Malern Zacharias 
Wehme und Michael Treutting bei der 1602 begonnenen 
Renovierung des Dresdner Schlosses thatig war. Ich 
glaube aber, dass hiermit nicht der 1531 geborene Hein- 
rich Goding, sondem vielmehr sein gleichnamiger Sohn 
gemeint sein wird, denn es widerstrebt mir, zu denken, 
dass der nunmehr 70jahrige Meister noch den Muth be- 
sessen haben sollte, eine derartige anstrengende Arbeit, 
bei der ein Herumsteigen auf den Gerusten unvermeicUich 
war, zu untemehmen. 

Hiermit wftre die Aufzahlung der Arbeiten, die der 
Maler Heinrich GOding der Altere geschaflfen hat, be- 
endet, und es erlibrigt nur noch, seine Verdienste als 
Kupferstecher hervorzuheben. Ich werde mich aber hier- 
bei so kurz wie mSglich fassen, da diese Seite seiner 
klinstlerischen Thatigkeit bereits mehrfach verdiente Wlir- 
digung gefunden hat, ganz besonders von A. Andresen^*'). 
Ich beschranke mich mithin darauf, der VollstsLndigkeit 
und des Zusammenhanges wegen die einzelnen, Goding 
zugeschriebenen Blatter zu erwahnen und das wenige 
ErgSuzende hitizuzufiigen. 

Es ist eine eigenthlimliche, vielleicht nur zufallige 
Erscheinung, dass die uns erhaltenen Kupferstiche G5dings 
samtlich aus dem letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts 
stammen. Nur ein einziges Blatt^^®), (1.) Die Anbetung der 
Konige, macht hiervon eine Ausnahme, da dasselbe nach 
Heinecken *^^) im Jahre 1569 entstanden sein soil und 
somit der fruhesten Zeit seiner klinstlerischen Thatigkeit 
angehoren wiirde. Wenn Gpding bei seiner vielgeschaf- 
tigen Thatigkeit auch erst in seinem Alter Zeit und 



1^) H.-St-A. Loc. 7314, Gammers. 1602 Theil HI foL I80i>; 
Loc. 7839, Wochztt. 1601—3 fol. 811b; Wochztt 1603-5 fol 183. 

^^'^) A. Andre sen, Der deutsche Peintre - Graveur I (Leipzig 
1864), 71 flg. 

1*8) Andresen a. a. 0. 98 Nr. 7. 

^*®) Es soil mit „Heinrich Goedigen B. fecit 1669** bezeichnet sein. 



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336 K. Berling: 

Musse gewinnen konnte, gr5ssere Arbeiten im Kupfer- 
stich zu vollenden, die Kunst selbst muss ihin schon 
viel friiher gelaufig gewesen sein, da ein im Jahre 1574 
angefertigter Bibliothekskatalog^^), welcher die auf der 
Annaburg befindlichen Bticher aufzahlt, auch ein von ihm 
verfasstes Buch iiber die Theorie des Kupferstechens etc. 
enthalt. Das letztere, das sich leider nicht mehr auf- 
finden liess, fiihrte dem erwahnten Kataloge zufolge fol- 
genden Titel: „Nr. 1532. Kunstbuclilein vonn etzen auff 
allerley Metall, auch Vonn Vorgtilden Vnnd wie man auff 
Glafs mahlen soil. Heinrich Gotingers Malers Zu DreMen." 
Dass Goding sich auch sonst viel mit Shnlichen tech- 
nischen Untersuchungen abgegeben habe, bezeugt die 
einem oben bereits erwahnten Briefe^*^) beigegebene 
Nachschrift, in der es heisst: 

^Nachdem B. Churf. G. mir gnedigist bevohlen, mich Zu be- 
fleilsen die Etze anf Helffenbein Zu befinden, welches ich bis anhero 
Vnmoglich geachtt, Weil ich aber diesem mit vleis nach setze, befinde 
das es mogfich ist, wie wol ich es vor nicht, auch von Keinem ge- 
hortt, das es gemachtt wehre, Wiel mich derowe^en Zum Vleiisig- 
sten Vnnd Vnderthenigisten bemuhen E. Ohurf. G. innerhalb 3 tagen 
Ein Muster Zuuorferttigen, auch anderem Vngewohnlichem Ettzen 
nach dencken, Vnd solches E. Ghurf. G. Vnderthanigist vnd willigk 
Lernnen." 

Von den Godingschen Kupferstichen zahlt Andresen 
noch folgende Blatter auf ^^2): 
(2,) Kurfurst Christian I. im Sarge, vom Jahre 1691. 
(3.) u. (4.) Belagerung von Gotha u. d. Grimmenstein^^®). 
(5—10.) Landschaften mit Staffage aus der biblischen 

Geschichte, 1595 u. 98 ^^^j. 
(11—14.) Grotesken, Jager, Vogelsteller, Fischer und 
Musiker; die beiden ersten mit 1596 bezeichnet. 



^'^) Dies Manuskript, das folgenden Titel ffthrt: „Registratur 
der bucher in der Churfursten zu Saxen liberey zur Annaburg 1674", 
wird im Archiv der Kgl. Off. Biblioth., Vol. 20, aufbewahrt. 

^^^) H.-St-A. Loc. 8523, Schreib. an d. Ohurf. August Buch HI 
fol. 35. vom 14. Mftrz 1578. 

^*2) Ich habe die Stiche nicht wie Andresen, sondem nach ihrer 
Entstehungszeit geordnet. 

^^) Eine Jahreszahl findet sich hier nicht vor. Da aber, wie 
oben (S. 333) erwahnt, die Kupfertafeln zu diesen Stichen im Jahre 
1594 an die Kunstkammer abgegeben worden sind, so wird man wohl 
nicht sehr irren, weun man dies Jahr auch als das der Entstehungs- 
zeit derselben annimmt. 

i*^) Auf diese Blatter, welche Schuchardt a. a. 0. S. 100 die 
Vorztigfichsten von alien seinen Radierungen nennt, ist oben (S. 382 f.) 
bereits hingewiesen. 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich GSding. 337 

(15.) Geschichte des Volkes der Sachsen, 1597 u. 98^^^). 

(16.) Das sftchsische Wappen, 1598. 

(17.) Martin Luther auf Pathmos, 1598 ^^«). 

(18.) Landschaft mit den Brenn- und Schmelzofen, 1599. 

Das grosse zweibandige Geschichtswerk, Nr. 15 der 
obigen Airfzahlung, das den Titel: „AuIszug der Eltisten 
vnd fumembsten Historien des vralten streitbam vnd be- 
ruflfenen Volks der Sachfsen etc." fiihrt, hat Goding dem 
Kuradministrator und den sachsischen Prinzen gewidmet 
und von diesen fiir den ersten Band desselben ein „hono- 
rarum" von 100 Thalem, fiir den zweiten ein solches von 
100 f 1. erhalten, Summen, die ihm am 12. Juni 1597, bez. 
am 2. Sept. 1598 ausbezahlt worden sind^^'). 

In dem bereits mehrfach erwahnten zu diesem Werke 
gehorigen Vorworte berichtet der Verfasser ausfuhrlich, 
wie er zur Abfassung desselben gekommen sei. Er wollte 
sich, so erzahlt er, nachdem er dem kurfiirstlichen Hause 
so viele Jahre hindurch mit seiner Kunst gedient habe, 
ein Gedachtnis aufrichten „zuf5rderst Gott zu lob, nach- 
mals auch diesem Lande, darinnen mir Gott bifshero 
meinen auflfenthalt bescheret, vnd derselben Hochloblichen 
Herrschafft zu Vnterthenigen Ehren." Da habe ihm nun 
der kurflirstliche Sekretar Petrus Albinus gerathen, zu 
diesem Zwecke das nachfolgende Werk anzufertigen und 
ihm auch einen Auszug aus seiner Neuen Sachs. Fiirsten- 
Chronik zur Verfiigung gestellt ^^^). Dass er aber auch 
ausserdem keine Miihe und Arbeit gespart habe, um ein 
fiir die damalige Zeit moglichst vollkommenes Bild von 
den alten Zeiten geben zu kSnnen, beweist das verhalt- 
nismassig grosse Quellenstudium, dem er sich zu diesem 
Zwecke unterzogen hatte, denn er berichtet weiter: „in 
welchen (in den Kupfem) ich dann die gebeude vnd 
sonsten, zum teil aus der perspectiua vnd architectur ge- 



1^) 1st in einem Exemplar in'd. Kgl Off. BibUoth. vorhanden. 

^^) Hiervon befindet sich ein Exemplar in der im Besitz Sr. 
Kgl. Hoheit des Prinzen Georg befindlichen Kupferstichsammlung. 

1") H.-St-A. Loc. 7306 Gammers. 1597. Theiiii, fol. 180 u. Loc. 
7307 Gammers. 1598. TheDii, fol. 536. 

^^^) 1589 war Petrus Albinus' Meirsnische Land vnd Berg 
Ghronica zu Dresden erschienen. Da der letztere ihm hier als ge- 
schichtlicher Beirath gedient hat, so lasst sich vermuthen, dass der- 
selbe ihm auch bei den Portraten und den kleinen Bildern in der 
GewehrgaUerie geholfen habe, wenn auch die letzteren von den hier 
dargesteUten Episoden dann und wann abweichen. 

Neues Archiv f. 8. G. u. A. VIII. 8. 4. '^^ /^ T 

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338 K. Berling: 

nommen, Auch weil ich in meiner jiigendt mancherley 
Art von Habit, Trachten vnd B^leidnng der Sachsen vff 
gemalden vnd ausgehauenen bildwerck gesehen vnd auff- 
gemercket, habe ich dieselben an etlichen orten, wo sichs 
schicken w5llen, hierzu gebrauchet. Dieweil dann anch 
desgleichen kunstbucher, Als ans den Ovidischen vnd 
andern Poetischen fabeln, so wol ans den Romischen ge- 
schichten vnd fiirnemlich Livij btichern vnd sonsten, ge- 
nommen, so von alten kunstvorstendigen Malem, vor 
dieser Zeit, jedermenniglich zn gntem Exempel vnd Leh- 
ren in Knpfferstichen vnd Holtzschniedt vorfertiget vnd 
ausgangen sein." 

Haben es nun auch die sagenhaften und* haufig 
recht phantastischen Darstellungen, die der Beschauer 
in diesen Blattern erblickt, zwar nicht vermocht, der 
fortschreitenden Wissenschaft standzuhalten, so sind sie 
doch immerhin insofem auch heute noch von grossem 
Interesse, weil sie ein wohlgelungenes und wahres Bild 
von dem geschiehtlichen Wissen der damaligen Zeit zu 
geben imstande sind. 

Als 19. erwahne ich endlich noch ein kleines Kupfer- 
werk, welches folgenden Titel ftihrt: „Kunstliche Wohl- 
geriefsene Figuren der Sieben Planeten, auch Sieben 
Wunderwercke der Welt, sampt andern Wolproportio- 
nirten Figuren etc." Es wurde im Jahre 1610 zu Dres- 
den von dem Buchdrucker Gimel Berger herausgegeben. 
Laut den beiden hierzu gehorigen Vorreden, die von 
1599 und 1600 datiert sind, war Heinrich G-oding im 
Verein mit dem Maler Friedrich Berg der Verfertiger 
desselben^^®). 

In alien seinen Stichen und Radierungen zeigt sich 
G5ding als tiichtiger, fertiger Klinstler, der bei einer 
kraftigen, breiten Vortragsweise die Technik voUkommen 
beherrscht und mit fester, energischer Hand den Griffel 
zu ftihren versteht. Es fehlt ihm nicht, obgleich sich 
manchmal grobe perspektivische Verzeichnungen vorfinden, 
an dem durch fleissiges Studium der Natur erworbenen 
Verstandnis fur richtige Formen. Die landschaftlichen 
Hintergriinde sind auch hier, wie in seinen Malereien, 
mit besonderer Vorliebe behandelt und theilweise vor- 
trefflich gelungen. Und doch lassen sammtliche Werke 



^^) Ein Exemplar dieses Werkes bewahrt das Dresdner Kupfer- 
stichkabinet 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich GSding. 33^ 

Heinrich Godings, Gemalde sowohl als auch Kupferstiche, 
den Beschauer heutigentages kalt. Man muss bei ihnen 
die Technik loben, den Fleiss bewundern, auch bin und 
wieder die zu Grunde liegenden Ideen gutheissen, er- 
warmen kann man sich fiir sie nicht. 

Dieser scheinbare Widerspruch findet aber in dem 
Umstande seine Erklarung, dass die Schonheitsideale zu 
Godings Zeiten von den unsrigen weit entfernt sind. 
Will man also dem Maler- gerecht werden, das heisst 
seine Verdienste, die er sich um die Kunst erworben hat, 
und den Einfluss, den er auf seine Umgebung ausgetibt 
hat, in voUem Masse anerkennen, so ist man genothigt, 
die Beurtheilung des Malers durch seine Zeitgenossen 
mit in Eechnung zu ziehen. 

Nach den tiberlieferten Akten war aber Goding zu 
seiner Zeit nicht nur der angesehenste Maler zu Dresden, 
sondem hat es auch verstanden, sich wahrend der Eegie- 
rungszeit dreier Kurfiirsten in hohem Masse die Gunst 
derselben zu erwerben und zu erhalten. Zum Beweise 
hierfiir erwahne ich zuerst seine 1570 erfolgte Emennung 
zum Hofmaler. Will man aber auf diese Titelverleihung 
nicht allzuviel Gewicht legen, der Umstand, dass der ein 
wenig sparsam angelegte Kurfiirst August ihm zu ver- 
schiedenen Malen fur die damalige Zeit nicht unbetracht- 
liche Geldsummen als „Verehrungen" zukommen liess, 
muss jedenfalls als ein Zeichen von dessen hochster Zu- 
friedenheit angesehen werden. Auch ausserdem ist er 
dann und wann mit Grundstiicken, Fischereigerechtig- 
keiten und ahnlichen Diugen belohnt worden. Er erhielt 
sogar einmal, am 22. Sept. 1575^®^), von August ein von 
Tizian gemaltes Portrat des Kurfiirsten Moritz verehrt, 
eine Schenkung, die freilich auf das Kunstverstandnis des 
Schenkgebers ein etwas sonderbares Licht zu werfen be- 
rechtigt. 

Und wie der Kurfiirst August, so haben auch seine 
beiden Nachfolger immerwahrend durch Ertheilung neuer 
Auftrage und dafiir verliehene Belohnungen die kiinst- 
lerische Thatigkeit Godings als eine im hochsten Grade 
befriedigende anerkannt. 

Wenn femer August, wie es mehrfach geschehen ist, 
in die Verlegenheit kam, jungen Leuten auf seine Kosten 
eine malerische Erziehung zu geben, Goding war stets 



i«>) H.-St-A. Cop. 304 fol. 248b 

22* 

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340 K. Berling: 

der erste, den er sich zum Lehrer derselben erwahlte. 
So befahl er dem letzteren am 29, Mai 1576, einen Sohn 
des verstorbenen Georg Stubers als Lehrling bei sich 
aufznnehmen, eine Anordnung, die er allerdmgs bereits 
am 5. Juni desselben Jahres zui'uckzog, weil der Junge 
schon bei einem andern Meister, Friedrich Brecht, vorher 
Unterkommen gefunden hatte mid bei demselben gelassen 
werden soUte^®^). Einen andern Schtiler, den der Kur- 
fiirst zu ihm scmckte, Adam Dnring mit Namen, scheint 
er wirklich zum Maler ausgebildet zu haben^®^). 

Auch der mehrfach erwahnte Zacharias Wehme, der 
sogar spater mit Groding erfolgreich in Konkurrenz trat, 
hatte den Kurfursten einst gebeten, ihn zu G5ding in die 
Lehre zu geben; derselbe musste aber, weil er bei letz- 
terem nicht unterkommen konnte, zu Cranach d. J. nach 
Wittenberg gehen^^^). 

Uber die Ausfiihrung von Malerarbeiten, die andere 
Meister unter Handen batten, scheint Goding dann und 
wann eine Art von Oberaufsicht gefiihrt zu haben. Einen 
derartigen Fall bezeugen wenigstens folgende Worte, die 
in einem an den Kurftirsten gesandten Berichte vorkom- 
men^®*): 

„Was das Sommergewelbe (zu Zabeltitz) Zu mahlen anlangett, 
hat Hejnnrich Mahler Den Malemn^<**) auff E. C. F. Gr. ^edigsten 
hefehlich ordnung gebenn. d. 29 Juli 91." 

Zuletzt fuhre ich noch einen Ausspruch des Kammer- 
sekretars H. Jenitz an, der die oben behauptete Beruhmt- 
heit Godings recht deutlich beweist. Dieser findet sich 
in einem an August gerichteten Briefe vor und lautet^**): 

„So hatt es mir an visirlichen mahlem die auch ein wenig ge- 
hirn Im kopff gehabt gemangelt ^<^''), Dann Benedicts der WelBche**^) 



i«i) H.-St.-A. Cop. 413 fol. 148 bez. fol. 158. 

i«2) Ebenda Cop. 439 fol. 57b f. 

^«3) Ebenda Loc. 8747, Act. RSder u. Wehme fol. 3 b. 

^^) Ebenda Loc. 4456, Act. Bau z. Moritzburg. 1591. fol. 31. 

^^) Die Maler Hans Fasold und Christoph Grohman haben dies 
Gewolbe mit „ Jagerei Historien und Weidwerck" geziert. (Loc. 4469, 
Act. Bau z. Zabelt. 1691. fol. 14.) 

^^) Ebenda Loc. 9126, Artolorey vnd Bausachen. 1653—81. 
Buch I fol. 141. 

^*') Es handelte sich um Muster zu den beruhmten Flacianer 
Geschtitzen. 

^««) Benedict de Thola, vergl. uber ihn: Gurlitt, Das Konigl. 
Schloss zu Dresden, in den Mittheil. d. K. Sachs. Alterthumsvereins 
XXVni, 51 f. 



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Hofmaler und Kupferstecher Heinrich Grading. 341 

Ist bej Ewer Churf. G. zu Torgan, so 1st Meister Heinrich vffm 
Schellenberg. d. 3 Okt 1570." 

Es ist wahrscheinlich, diass die beiden angefuhrten 
Olbilder, die in den Jahren 1601 und 1602 entstanden 
waren, des Meisters letzte Arbeiten gewesen sind. Be- 
richtet wird wenigstens von spater geschaffenen Werken 
nichts mehr. Ob nun Krankheit den greisen Kiinstler 
die letzten Jahre seines Lebens arbeitsunfahig machte, 
Oder ob dies Schweigen der Akten tiber eine etwaige 
Thatigkeit nur ein zufaUiges ist, das sind Fragen, die 
. nicht mehr zu entscheiden..sind. 

Heinrich Goding der Altere starb am 28. April 1606. 
Seine Leiche wurde an der Seite seiner Gattin, die ihm 
schon 15 Jahre frtiher in den Tod vorangegangen war, 
in einem Schwibbogen des alten bei der Prauenkirche 
gelegenen Friedhofes, dem Erbbegrabnisse des kurftirsti. 
sachs. Sekretars und Kunstkammerers Tobias Beutel, bei- 
gesetzt. Ihr gemeinsames Grab, an dessen beiden Seiten 
sich „zwei Statuen nebst andem Laubwerck" befanden, 
deckte ein Leichenstein mit folgender Inschrift^®*): 

„OONDITVR HIC HEINRIOVS GOTTING, SENIOR, D. D. 
AVGVSTI D. D. CHRISTIANI PRIMI, ET D. D. CHRISTIANI 
SECVNDI,SERENISSIMORVM PRINOIPVM ELECTORVMQVE 
SAXONL^ PICTOR CBLEBERRIMVS, QVI IN CHRISTO 
OBIIT 28. APRILIS ANNO 1606. ^TATIS SV^ 75. CVM 
SVA OONJVGE HELENA qVM ETIAM IN CHRISTO OBHT 
1. SEPT. ANNO 1591. JBTATIS SVJS 60." 



Zum Schlusse fiige ich noch das aufgefundene Akten- 
material an, welches iiber die Thatigkeit der beiden 
Sohne Godings, Heinrich und Andreas, einigen Aufschluss 
zu geben vermag. Wie oben bereits erw^hnt, folgten 
beide ihrem Vater in der Malerkunst. Werke von ihrer 
Hand liessen sich indessen mit Sicherheit nicht nach- 
weisen; wo aber in den Akten solche naher bezeichnet 
sind, habe ich diese mitgetheilt, in der Hoflhung, dass es 
mit der Zeit moglich sein wird, an der Hand dieser No- 
tizen das eine oder das andere Werk seinem Urheber 
zuzuweisen. 

Aus einem noch erhaltenen Gesuch^'^), das beide 



i<») J. G. Michaelis, Epitaphia d. Frauenkirche (1714) S. 97. 
*'®) Dresdner Raths - Archiv. Confirmt. ttber Handwk. Innnng. 
1612—21. CLXXVn, fol. 235 f. 

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342 K. Berling: 

mit andern Malern zusammen unterschrieben haben, geht 
hervor, dass sie sich noch ganz auf dem Standpimkte 
eines Handwerkers befanden, den auch ihr Vater, der 
lange Zeit hindurch der „geschworene Elteste" der 
Dresdener Maler-Innung gewesen war, sein Leben lang 
eingenommen hatte. Ich erwahne hier diesen Umstand, 
well gerade zu ihrer Zeit sich in Dresden eine Gegen- 
stromung bemerkbar machte, ausgehend von Mtonem 
wie Z. Wehme und C. Roder, die der Malerei mehr die 
ihr gebtihrende Stellung einer freien Knnst verschaffen 
woUten^'O. 

Von Heinrich Goding d. J. wird ausser seiner — 
wenn meine oben ausgesprochene Vermuthung richtig ist 
— Thatigkeit an der Schlossrenovation berichtet, dass er 
am 19. April 1610 „vor etzliche wilden Thieren vf ein 
Tuch Zu mahlen vnnd in ein griihn angestrichenen Zum 
theil verglilden rahmen Zu fafsen" 30 fl. und am 24. Dez. 
desselben Jahres fur Vergolden und Ausmalen zweier 
kurfiirstlicher Schlitten 154 fl. 6 g. erhalten habe^'®). 

Es wird femer bezeugt, dass er im Jahre 1620 an 
Stelle eines andern Malers ^'^) die alte handwerksmassige 
Kunst, die sein Vater so viele Jahre hindurch getrieben 
hatte, das Bemalen und Vergolden von Hirschkopfen^'*), 
unternommen habe^'*^). 

Heinrich Goding d. J. muss im Anfang des Jahres 
1621 gestorben sein, da in einem von Georg Dhtime an 
den Kurfiirsten gerichteten Briefe vom 15. Mai 1621 ^'®) 
sich folgende Worte finden : „ Wan dan gedachter Gotting 



"0 H..St.-A. Loc. 8747, Act. K(Jder u. Wehme fol. 3»>. 

"«) Ebenda Loc. 7341, Wochz. 1609—11. fol.267b bez. fol. 539. 

*''8) Georg Dhtime, der wegen auswartiger Arbeiten eine Zeit 
lang von Dresden fern war. 

^''^) Der Bildschnitzer, der hierin der Nachfolger Georg Fleischers 
wurde, hiess Donat Zimmermann (H.-St. -A. Loc. 7341, Wochz. 
Crucis 1623 fol. 140 b und 143 b). 

"5) H.-St-A. Loc. 7341, Wochz. 1620 fol. 142, 143 und 218 b. 

"«) Ich mochte hier nicht unerwahnt lassen, dass W.S chafer 
a. a. O. S. 1068 diesem Maler ein Bild zuschreibt, das friiher in der 
Dresdner Gemaide-GuUerie war, sich jetzt aber im Grtinen GewcJlbe 
befindet. Es ist dies ein Brustbild des Kurfiirsten Christian 11. 
S chafer sagt uber dasselbe: „Da8 Bild ist auf Kupfer gemalt, wie 
aUe Portrats von des jiingeren GSttings Hand und ist von geringem 
Kunstwerthe, obgleich der Spitzenkragen mit gewandter Technik 
fleissigst ausgefuhrt worden ist.** Da ich keine sicher als Werke 
H. Goding des Jtingeren bezeichnete Portrate kenne, vermag ich 
hierin Schafer nicht zu foJgen. 



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Hofmaler und Kupferstecher Heiorich GOding. 343 

nunmehi', nach dem gnedigen Willen Gottes, todes Vor- 
blichen." 

Etwas reichhaltiger sind die Nachrichten von An- 
dreas Godings Thatigkeit. Von ihm kaufte am 5. Okt. 
1607 die Kurfiirstin ^'') „2 von Oehlfarbenn vf Kupffer 
gemahlte bilder" fiir 40 fl., eine Geldsumme, die ihm am 
28. Nov. 1609 ausgezahlt wurde^'»). 

Ferner hat er ansehnliche Summen fiir mehrere an- 
dere Werke erhalten, deren folgendermassen Erwahnung 
geschieht"®): 

n Auff die Inuentionen. 133 fl. 7 g. Ann 140 fl. za 20 g. Andreas 
Gottingenn Mahlem, Za gentzlicher bezahlnng der 940 fl. welcher 
die Inuention so ann des Ohwrf. eltestenn Freuleins Frewleins So- 
phien Eleonoren Kindtanffe, den 20. Decembris anno 1609 gehaltenn 
wordenn*^), so wohl vf ein grofses Tuch Historiam wie Wittiktindus 
der letzte KOnig der Sachfeenn zum Christlichen Glanbenn bekehrett 
ynndt getauft wordenn, gemahlet, so wohl inn leistenn gefasst, vndt 
mit guten goldte verguldet vf Ohurf. vnterschrifb zahlt den 28 Junij 
1623.'* 

,Yff die Innentionen. 190 fl. 10 g. Ann 200 fl. za 20 g. Andreas 
Getting Mahlern, zn gentzlicher erfUllonfi; der 1300 fl. vor ein grofs 
gemahlt stiick, drey ein hoch vnnd 7 ein Tang, Als Nemlich das grols 
haubt Feuerwergk oder Bergk, beneben etzlicher vnterschiedener 
Feuerwercken, welche den 23 Septembris Anno 1604 ann Vnsers 
gnedigstenn Churftirstenn vnndt Herrn etc. erstenn Beylager vf der 
Vestung hinter dem Schlofee zn Drefeden gehalten worden, so wohl 
vor eine Vhr alte Sachfs. Historia, wie sich ein S. gefangener Kdnig 
auis vnmuth beneben seine Feinde, so ihn gefangenn, inn einen 
Pancket verbrennet, welches beydes Von Ohuarbenn gemahlet, iun 
Rahmen gefast, vnndt mit feinen Golde vergllldet vf Ohurf. Vnter- 
schrift Zahlt den 11 Septembris Anno 1623.** 

Von zwei weiteren Arbeiten berichtet ein Akten- 
stiick, bei dem leider das Datum fehlt; da es aber an 
den Kurftirsten Johann Georg I. gerichtet ist, so muss 
es nach dem 23. Juni 1611, an welchem Tage der letz- 
tere seine Eegierung antrat, geschrieben worden sein. 
Es lautet^^^): 

„Dem Durchl. etc. Herm Johann Georgio Hertzg. za Sachs, etc. 
Meinem gnedigsten Ohurfursten vnd Herm. 

Auff femers anordnen Herm Ladwig Wilh. Mosem Ohnrfl. 



^") Hiermit ist wohl Hedwig, Tochter Friedrich II. von Dane- 
mark, gemeint, die seit 1602 mit Christian n. vermahlt war. 

"8) H.-St.-A. Loc. 7341, Wochz. 1609—11 fol. 80. 

"») Ebenda Loc. 7341, Wochen-Auszttge d. Renth-Kammer 1623 
Quart Trin. fol. 84 und fol. 196 »>. 

^^) Es ist ein Bingrennen gemeint 

»«) H.-St.-A. Loc. 8687, Hof-Mahlerey belg. fol. 1. 

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344 K. Berling: 

Sach. woll uorordneten geheymeten Oammer Secretarien etc. Vntter- 
thenigst gemachtt, wie folget. Zwey Ounterfect, als Ohurfarst Au- 
gusti, Vnd Seiner Chiirfl. Gn. Vielgeliebtes gemahl, Christmilder Vnd 
seligster gedechtnus, mitt gantzen fleis im gantzen Stande Von 
Mineatur farben auf Bergamendt gemahlet, Vnd mitt feinem gemah- 
lem golde Vnd Silber allenthalben VorhOhet, wie Zu ersehen, thut 
Vor alle beyde 10 fl. Item Vntter solche Zwey Ounterfect Zwey 
wapen als das Churflirstlicbe Sachsische, Vnd kSnigliche DennemSr- 
kische mit fleis gemahlet Vnd mit gemahlen golde vnnd silber Vor- 
hohett, thut Vor beyde 3 fl. Summa 13 fl. Andreas Getting 

Maler Mp.» 

Es ist feraer in einem an den Rath zu Dresden ge- 
richteten Schreiben ^*^) davon die Rede, dass der Kur- 
fiirst „etlich tafeln Ime Gr5tting Vf Vnser Stallbau ge- 
horig' Zu malen Vnd Zu verfertigen vfgetragen" habe, 
dabei aber gleichzeitig erwahnt, dags der Maler dieselben 
bis zum 21. Mai 1521 noch nicht abgeliefert habe. Was 
dies fiir Arbeiten gewesen sein mogen, ist nicht ersicht- 
lich, wahrscheinlich aber waren es Fortsetzungen der 
unvoUendet gelassenen Werke seines Vaters. Dass er 
noch ein anderesmal und zwar auf einem ganz anderen 
Gebiete die Absicht hatte, eine Arbeit seines Vaters, das 
grosse Kupferwerk sachsischer Geschichte, fortzufuhren, 
ergiebt sich aus einer Notiz^®^), in der es heisst: 

^Andres Gotting, Maler, Will seines Vatem Kupferstich von 
den Sachisischen Historien continuim, Wann man Ime vf 60 Kupfer 
bletter Verlag thun will." 

Hierbei ist an den Rand der Vermerk geschrieben: 
„Soll Zuuor etwas delinijrn." 

Es scheint aber wohl bei diesem Wunsche geblieben 
zu sein, denn zur Ausfuhrung ist ein dritter Band schwer- 
Uch gekommeu; da sich derselbe jedenfalls in einem Exem- 
plare bis heute erhalten haben wiirde. 

In der Dresdner Kupferstich-Sammlung befindet sich 
eine getuschte Zeichnung, welche in sehr manirierter 
Weise das verhangnisvolle Gastmahl Belsazer's darstellt. 
Dies Blatt wird dort Heinrich GOding d. A. zugeschrieben, 
weicht jedoch von dessen Malweise derartig ab, dass man 
an seiner Urheberschaft bereits mehrfach gezweifelt hat^^*), 
und dies mit um so grOsserem Rechte, weil dasselbe mit 
„Aj} Pictor fecit" bezeichnet ist, ein Monogramm, das der 



"2) H.-St.-A. Loc. 7327, Gammers. 1621. fol. 67. 
188) Ebenda Loc. 7338, AUerh. Vortrag IH foL 417, 
!»*) Vgl. u, a- Schuchardt a. a. 0. S. 98. 



82) H.-St.-A. ] 
^) Ebenda Lc 
8*) Vgl. u, a- 

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Hofinaler nnd Kupferstecher HeiDrich G5diiig. 345 

ftltere GOding sicherlich nie gef&hrt hat. Doch die Ver- 
mutung, dass dasselbe auf Andreas Goding gehe, liegt 
hier nahe. Er konnte wohl in der Werkstatt seines 
Vaters^®^) das von dessen Hand auf Kupfer gefeiiigte 
Olbild, welches, wie oben^®®) erwahnt, den gleichen Vor- 
wurf hatte, kopiert haben. Hiergegen spricht nun keines- 
wegs der Umstand, dass er ein anderes Mai eine von 
dieser abweichende Bildung seiner gleichfalls aus den 
Anfangsbuchstaben von Vor- und Zunahme zusammenge- 
setzten Namenschiffre angewandt haben soil, denn der- 
artige Veranderungen lassen sich vielfach nachweisen. 
Ich meine hier das auf der das Grab Christian 11 im 
Preiberger Dome bedeckenden Messingplatte im Schatten 
des zur Seite stehenden Helmes angebraichte Monogramm 
fiG, demzufolge H. Gerlach^^') dem Andreas Goding die 
Urheberschaft dieser Platte zuschreibt. 

In dem bereits mehrfach erwahnten Aktenstucke, 
dessen kurzen Notizen Jahreszahlen leider nicht beige- 
schrieben worden sind, finden sich einige Gesuche A. 
Goding's vor. In ihnen bittet er um „2 schrag hart 
Vnd ein schrag Weich holtz" oder 25 Thlr. ^^^), oder auch 
allgemein um eine „Verehrung" '®®) wegen „verfertigter 
Inuention Vnd gemeld;" nur einmal wird die Arbeit et- 
was naher bezeichnet mit den Worten: „Inuention vom 
Bitter S. Georgen^®") ; ein andi-es mal aber das Gesuch 
mit dem Umstande begrtindet, dass der Maler jetzt krank 
damieder liege ^®^). 

Andere Notizen beziehen sich auf Beschwerden des 
Malers. So beklagt er sich, dass man ihm an der Be- 
zahlung fur das obenerwahnte Eingrennen 100 fl. habe 
abkiirtzen woUen^®^), ein anderes mal bittet er um Aus- 
zahlung der ihm noch schuldigen 110 fl.^®^). 

Zum Schlusse fiige ich noch folgende auf ihn beziig- 
liche Notiz an^®^): 

„Andres Gottings Malers erben, und derselben Vonnunder bit- 
ten, Weil er Getting an dem geding am lustbaus 300 fl. scbuldige, 



^^) Sicherlich waren beide Sohne Schttler des aiteren GOding. 
i8«) S. 128. 

1") Mitth. d. Freib. Alterth.-Vereins IV (1866), 387. 
^88) Fol. 401b. 180) Fol. 403b iw) FqL 412. "*) Fol. 237b, 
iw) Fol. 347. i»8) Fol. 462. ^^) Fol. 381. 

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346 K. Berling: Hofinaler n. Kupferstecher H. GK^ding. 

Er aber Wegen etlicher Innentions anch souil zu fordem, das eins 
gegen den andem vfgehoben Werden mochte." 

Da hier von seinen Erben die Eede ist, muss er zu 
der Zeit, als dies Gesuch dem Kurfiirsten vorgetragen 
wurde, bereits gestorben sein. Wann aber sein Tod er- 
folgt ist, lasst sich mit Sicherheit nicht angeben. Ich 
deuke aber, dass man hierin — da die spatesten Nach- 
richten uber ihn vom 11. Septbr. 1623 datiert sind — 
mit dem Jahre 1624 nicht allzusehr irren wird. 



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Literatur. 



Die kirchlichen Znstftnde der Stadt Pima Tor der Einfliliraiig 
der Reformation im Jahre 1539. Nach urkundlichen Quellen be- 
arbeitet von Beinhold Hofinann, Eealsclmloberlehrer. (Beigabe 
zu denj Programm der Ee«Jschule mit Progymnasium zu Pima*) 
1887. 113 SS. 80. 

Verfasser hat mit der vorliegenden Erstlingsarbeit einen gliick- 
lichen Griff gethan, da eine Reihe wichtiger Akten und Chroniken 
des Pirnaer fiathsarchivs ihm zur Erg&nznng der Urkunden des Codex 
diplomaticus SaxoDiae regiae reichen Stoff boten. Er hat denselben 
mit treuem Fleisse ausgebeutet und zu einem interessanten kultur- 
geschichtlichen Bilde verarbeitet. Erwagt man, dass am Ausgange 
des Mittelalters die Stadt Pirna eine grosse Be^utung ftb- das 
obere Elbthal bis nach Bdhmen hinein hatte, so erkllLrt sich, dass 
die vorliegende Schrift einen werthvollen Beitrag nicht nur zur Ge- 
schichte der Stadt, sondem der ganzen Umgegend bildet Nament- 
lich das in umfangreichen Anmerkungen aufgespeicherte Detail ist 
in hohem Grade anziehend. Hervorgehoben zu werden verdienen 
die Angaben zur Baugeschichte S. 27 flg. Fabrikation der verschie- 
denen Ziegelsorten, ArbeitslShne , Bauhtitten, Glockenanschaffongen 
werden in zahlreichen Beispielen vorgeftthrt Das kirchliche Leben 
gelangt in den Abschnitten tlber das Hospital (S. 45 — 53), das Do- 
minikanerkloster(S. 53 — 76), die geistlichen Brttderschaften (8. 76—82) 
sowie die aUgemeinen kirchlichen ZustSnde (S. 96 — 109) zur Dax- 
stellung. FUr die Schule hat sich verhaltnismassig wenig Material 
gefunden. Referent fiigt die Notiz hinzu, dass nach Bartholomaus 
Walthers Bericht AVolfgang Meurer hier im Jahre 1524 bei Johann 
Schadius neben dem Lateinischen das Griechische lemte. (Meltzer, 
Geschichte der Kreuzschule zu Dresden 8. 17). Der Pirnaische 
MSnch und sein Werk werden eingehend besprochen S. 63 flg. S. 64 
Z. 7 dtirfte wohl statt condemnitet zu lesen sein condemniret Re- 
ferent fii^ als bescheidenen Beitrag zur Geschichte des Klosters 
eine im hiesigen Haupt-Staats- Archive befindliche Urkunde (Loc. 
8579, 8tadtbuch der Stadt Dresden 1495—1505 Bl. 28b) bei, welche 
insofem von einigem Interesse ist, als sie die Namen mehrerer bisher 
unbekannter Klosterbrtlder bietet: 

Die wirdigen andechtigen brudere predigerordens zu Pime eins 
vnd Hans Audiar anders teils seindt komen, gebeten nochuolgenden 
briff lauts ins statbuch zu setzen. 

Wir nochgeschribene mit nomen Dominions Rwdel der heiligen 
schrifft lesemeister prior, Martinus Libental subprior, Johannes 
Lindener lesemeister, Andres G^rtener, Vincencius Radeburgk vnd 
Johannes von Wtirzburgk die eldisten, mitsampt alien andeni brudem 
des Gonuents zu Pime predigerordens, bekennen in diesem vnserm 



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348 Literatur. 

briue vor meniglichen die in besichtigen, das vns von wegen vnsers 
bruders Vrban Kymers Hans Audiar desselbigen stiflfaater mitburger 
zu Dresden funff gute schogk vff fnmtliche gutliche beredunge vor 
dem Ersamen Rath doselbist gescheen vberantwurt vnd heczsit hat 
die wir an vnsers closters nutz vnd gebende gewanth haben; Ge- 
reden vnd geloben wir vor vns vnd vnser nochuolgende vnsers con- 
nents, wenne vnd sooffte bemelter Hans Andiar solchs geldis rechtlich 
ader an anderer clageweise angezogen wnrde, angezceigten Hans 
Andiar one seines entgeltnis vff vnsere eigene kost vor meniglich 
znnortreten vnd in der fanff schogken schadelos halten. Des znnr- 
knnde haben wir vnsers connents Insigill wissentlich vff diesen 
brieff zn ende gedmgkt. Gescheen im iare noch Ohristi geburt 
Vftccecxcvu Sontag noch Lucie (17. Dezember 1497). 

Dresden. Georg Mtiller. 

Die Exception Saeiisens von der Wahl Ferdinand I. nnd ihre 
reichsrechtliche Begriindnng. Von Dr. Friedr. Noaek. (Jahres- 
bericht der Realschule zn Crefeld.) 1886. 31 SS. 40. 

Der Verfasser setzt hier fort, was er 1882 in seinem Anfsatz 
,die Wahl Ferdinand I. nnd die sachsische Kurstimme" in »Forsch- 
nngen zur dentschen Geschichte* Bd. XXII begonnen hatte. Gait 
es in seiner ersten Abhandlung besonders der Darlegnng der ver- 
eitelten Absichten des Kaisers, die sRchsische Kurstimme bei dem 
Wahlakt in K6Ui ansznschliessen, so jetzt der Darlegnng der reichs- 
rechtlichen, der goldenen Bnlle entnommenen Griinde, mit welchen 
Knrsachsen es ablehnte, an der Erhebnng Ferdinands znm romischen 
K5nig mitzuwirken. Und wie der Verfasser dort schon etliche Stiicke 
ans einem Aktenfascikel der Giessener Universitatsbibliothek ver- 
dffentlichte (vor allem Kaiser Karls Instmktion an Loaysa, der ihm 
vom Papste zwei Breven beschaffen sollte, mittels deren er so oder 
so Ferdinands Wahl hoffte dnrchsetzen zn kdnnen), so hier ans der- 
selben Quelle den nGegenbericht" der Kurftlrsten gegen die Sachs. 
^Exception" vom 29. Dez. 1530 und sodann die „Ableinung Ko. M. 
nnd der Knrfiirsten wider die Exception". Man merkt dem Verfasser 
die Genugthuung an, die es ihm gewahrt, in dieser Sache, in welcher 
sich der protestantische Kurfurst dem Willen des Kaisers entschlossen 
entgegenstellte, den Nachweis fiihren zn k5nnen, dass jener nicht 
allein das verbriefte Recht der Reichsverfassung dabei anf seiner 
Seite gehabt habe, sondem auch, dass er in voller Uberzeugung ffir 
die Bewahrung der standischen Rechte ge^eniiber kaiserlicher Will- 
ktir eingetreten sei. Ich vermag ihm in diesen Ausfuhmngen nicht 
durchweg zu folgen. Zwar das ist unzweifelhaft, dass die goldene 
Bulle nur des Falles gedenkt, da die Knrfiirsten nach Ableben 
des Kaisers zur Wahl schreiten, und nur ftir diesen Fall das zu be- 
obachtende Verfahren naher bestimmt. Aber dass damit jede Konigs- 
waM vivente imperatore verfassnngsmassig ausgeschlossen war, ist 
doch nicht ohne weiteres zuzugestehen. Ich verweise anf die Be- 
merkungen, die Ulmann iiber diesen Punkt in seinem Anfsatz ,die 
Wahl Maximilians I.** in ^Forschnngen" XXn S. 150, 161 gemacht 
hat. Jedenfalls war bei diesem Prazedenzfall die Meinung vertreten 
worden, dass bei einer Wahl bei Lebzeiten des Kaisers ,die Bulle 
der Wahl halber nicht in Ubung sei". Dazu kommt, was der Ver- 
fasser unbeachtet gelassen, dass Kurffirst Johann, nachdem er die 
Vorladnng zur Wahlhandlung erhalten, mit Luther und Melanchthon 
fiber das von ihm zu beobachtende Verhalten durch Bruck hat ver- 



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Literatur. 349 

handeln lassen. Luther gegenUber scheint von den Eechtsbedenken 
wegen der Reichsverfassung gar nicht die Rede gewesen zu sein, 
denn seine Antwort (12. i)ez. 1530, de Wette IV 201 flg.) nimmt 
Merauf auch nicht mit einer Silbe Bbzvls. Da ist offenbar nnr der 
Gesichtspunkt betont worden, dass dnrcn die Wahl Ferdinands die 
katholische Partei eine Verstarkung erfahre; nach dieser Seite hat 
Johann sich als im Gewissen beschwert bezeigt nnd Luthers Ge- 
wissensrath begehrt; und dieser lautet, die Wahl getrost „anf Gott 
zn wagen", denn Gott allein sei Meister und Regierer zukllnftiger 
Falle. Auf ganz anderem Gebiete bewegt sich dagegen die vor- 
verhandlung mit Melanchthon, vergl. Corp. Ref. II, 447 flg. Bei dem 
geschichtskundigen Gelehrten zieht der Kurfttrst Erkundigung ein, 
ob schon friiher in deutscher Geschichte der Fall vorgekommen sei, 
dass vivo imperatore KOnigswahlen vollzogen seien. Und dieser 
wartet seinem Herm mit einem langen Register derartiger Falle 
auf. Dabei ist besonders interessant, dass Melanchthon die goldene 
Bulle nicht etwa als Begrttndung einer neuen Reichsverfassung be- 
trachtet, sondem nur als Bestatigung alter Rechte. Karl IV., so 
sagt er, hat die Bulla ^renoviret**. Daher verweist er denn auch 
den Kurfiirsten auf die zahlreichen aiteren Vorkommnisse in der 
deutschen Geschichte, da ein Kaiser noch bei Lebzeiten seinen Sohn 
zum rQmisehen KSnig hat kronen lassen. Er verschweigt femer 
nicht, dass es Zeugnisse gebe, die Konig Wenzels Wahl missbilligen, 
aber nicht etwa, weil es gegen die Reichsverfassung verstosse, son- 
dem nvielleicht sonderlich derhalben, dass er soil etliche des Reichs 
Regalia und anderes derhalben ver^eben haben." Daraus schliesse 
ich, 1) dass die Rechtsfrage doch bei weitem nicht so klar lieet, als 
der Verfasser annimmt, 2) dass dem Kurfiirsten selbst die rechflichen 
Bedenken doch nur willkommene Handhabe bei seinem Protest waren, 
aber durchaus nicht das treibende Motiv. Ob er weislich daran ge- 
than, Luthers und Melanchthons inhaltlich so verschiedene, aber in 
der praktischen Tendenz v5llig harmonirende Urtheile unbeachtet zu 
lassen, mSge hier nicht weiter untersucht werden. — Aus Spalatins 
Bericht uber die KOlner Wahlverhandlungen entnimmt Noack, dass 
die erste Unterredung Johann Friedrichs mit dem Kaiser am 20. Dez. 
„gnadiger, als man erwartete", gewesen sei (S. 11. 12). Aber das 
ist in das Quellenzeugnis eingetragen. Denn Spalatin berichtet Uber 
den Verlauf dieser Audienz gar nicht, sondem sagt nur (Strove, 
Neu - Er5flhetes Historisch und Politisches Archiv I, 69), Johann 
Friedrich babe „um gnedigs VerhOr bitten lassen, welchs S. 
Gn. auch desselbigen Tags gnediglich wiederfahren". 

Kiel. Kawerau. 

Geschichte deg Ober-Li^usitzer Adels and seiner GUter, von Dr. 

Hermann Knothe, Professor. 11. Von Mitte des 16. Jahrhunderts 

bis zum Jahre 1620. Dresden, Warnatz und Lehmann. 1887. 

174 SS. 80. (Aus Neues Lausitz. Mag. Bd. LXin Heft 1.) 

Die gegenwartige Schrift bildet die Fortsetzung des grSsseren 

fiber 700 Seiten starken Werkes, welches aus der Feder desselben 

Verfassers vor acht Jahren erschienen und in dieser Zeitschrift I, 

107 flg. besprochen worden ist. Es bedarf daher jetzt keiner neuen 

Einflihrung der Leser in den Plan der vorliegenden Arbeit, nicht 

einer Darlegung der Zwecke, welche der Autor verfolgt, nicht der 

Hervorhebung des hohen Werthes eines solchen durch Knothes 

nimmerrastende Thatigkeit und seine grosse historische Begabung 



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350 Literattur. 

gescbaffenen Werkes, wie es in dieser Art tind auf solchen Gnmd- 
lagen kein anderes dentsches Land besitzt Denn mOchte man ihm 
auch etwa Sinajjius altbertihmtes Adelsbucb von Scblesien (die 
„Scblesischen Ourxositaten") an die Seite stellen, so fehlt diesem 
trotz seines nnglanblicb reicben Inbaltes und trotz des bienenbaften 
Fleisses, mit welcbem bier genealogiscbes Material aus zabllosen 
Scbriften und Scbriftchen znsammengetragen ist, docb der Werth 
der anf Verarbeitnng eines solcben Stoffes bembenden gescbicbtlicben 
Darstellung, besonders aber der Wertb des sicberen Fundamentes 
urkundlicber arcbivaliscber Porscbung. Dieses beides ist es, welcbes 
der bier in Eede stebenden Scbrifb Knotbes gleicbwie ibrem ersten 
Tbeile so grosse Vorztige giebt. Keineswegd etwa Unvollstandiges 
war es, was der Verfasser im ersten Bande seines Werkes gescbaffen 
batte, der mlt der Mitte, bier und dort aucb mit dem Ende des 
secbzebnten Jabrbunderts abscbloss, als fttr den Oberlausitziscben 
Adel ein Wecbsel in seinen Verbaltnissen eingetreten war, die durcb 
die politiscbe Gescbicbte seiner Heimatb bekannt sind. Das Leben 
und Weben dieses wicbtigen Gliedes der Landesregierung weiter zu 
erforscben und darzustellen war der lebbafte Wunscb des Verfassers. 
Er setzte sicb als Zeitpunkt fur seine Arbeit das bedeutungsvolle 
Jabr 1620 oder im Allgemeinen den Beginn des grossen deutscben 
Krieges, der, wie ttberall in Deutscbland, docb namentlicb im nOrd- 
licben und mittleren dem Adel so tiefe Wunden scblug, zu grossem 
Tbeile zar Verarmung fttbrte und alte, namentlicb an Mitgliedem 
nicbt zablreicbe Familien verdorren liess. Bis dabin aber und be- 
sonders aucb nocb wabrend der Scblussjabre des 16. Jahrbunderts 
waren die Zeiten ftir den Adel der Oberlausitz keine trtiben, sondem 
solcbe, die ibn moistens in Ki-aft und Macbt, selten beengt durcb die 
Fesseln der Notb erscbeinen und in der Heimatb wie in der Fremde 
baufig ein Woblleben fubren liessen, das nicbt selten in Prunksucbt 
und Verscbwendung ausartete. Dies fttbrte notbwendig zu Ent- 
ausserungen von Grundbesitz und zu dem Zwange, in fremder Herren 
Dienste den Unterbalt zu sucben. 

Nicbt sowobl die Erfolge, welcbe Professor Knotbe durcb den 
ersten Tbeil seines Werkes errang und die Anerkennung die ibm 
dafttr ward, fubrte ibn zu dem Entscblusse einer Fortsetzung des- 
selben, sondem, wie man siebt, die Liebe zur Sacbe selbst, vielleicbt 
obne dass die nocb blubenden Familien des Ober-Lausitziscben Adels, 
deren Gescbicbte er langjabrige Arbeit und viele Mube gewidmet, 
Oder die, deren Abnen sicb auf viele dort bebandelte, bereits er- 
loscbene Gescblecbter zuruckfttbren lassen, ibm Ermunterung und 
Untersttttzung gewabrten, auf welcbe docb der Verfasser durcb das 
von ibm zum Besten und zur Ehre so vieler edler Gescblecbter Ge- 
leistete ein Anrecbt baben durfte. 

Gleicbwie im ersten Tbeile, gliedert sicb der Inbalt des ge- 
genwartigen in zwei Hauptabschnitte, einen allgemeinen und einen 
speziellen. Den ersteren 42 Seiten ftillenden bildet eine 7 Kapitel 
umfassende Ubersicbt liber die allgemeinen Verb&ltnisse des Ober- 
Lausitziscben Adels, namlicb : 1) uber seinen Bestand, 2) seine Ver- 
armung, 3) ttber das Privilegium der gesamten Hand, 4) uber die 
Lehnskommission, 5) ttber das Lehns-Pactum, 6) ttber das Vorscblags- 
recbt fiir die Landesbauptmannscbaft und die Landvogtei und 1) ttber 
die Kulturverbaltnisse des Ober-Lausitziscben Adels. Die scbwierige 
Untersucbung und klare Darstellung der erw&bnten Gegenstande bat 
der Verfasser mit gewobntem sicberem Blicke und bewabrter Feder 



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Literatnr. 351 

ausgefuhrt und nicht unterlassen, den Resultaten seiner Forscliung 
ttberall die zu Grande liegenden Quellen beizufiigen. Es will uns 
bedunken, als wenn der Verarmung des Ober-Lausitzischen Adels 
eine zu allgemeine Beziehung auf ihn gegeben ware -, sie trifft sicher 
bei einer langeren Reihe Meiner auf geringen Giitern sitzender, 
an Mitgliedern zahlreicher Adelsfamilien zu, nicht aber bei hervor- 
ragenden, von alten Zeiten her reichbegiiterten, schlossgesessenen, 
die wenigstens in der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts sich nicht 
als nothleidende , von ausreichenden Mitteln zu standesmassigem 
Leben entblOsste darstellen. 

In derselben "Weise und Form, wie im ersten Theile, behandelt 
im gegenwartigen der zweite Hauptabschnitt im Speziellen 103 
Adelsgeschlechter der Ober-Lausitz, von denen das an Mitgliedern 
tiberaus zahlreiche Geschlecht von Nostitz den grSssten Raum ein- 
nimmt, da die v. Gersdorff diesmal ausgefallen sind, well der Ver- 
fasser beim Mangel an zuverlassigen Vorarbeiten nicht im Stande 
war, in das genealogische Gewirr gerade dieser Familie befriedigende 
Ordnung zu bringen. Meist im Lapidarstyle geschriebene Nachrichten 
ttber die einzelnen, in jenem Zeitraume lebenden Mitglieder der be- 
treffenden Geschlechter bilden den Inhalt jedes einzelnen Artikels 
und ein vortreffliches Itlckenloses, wohl durchweg noch ungekanntes 
Material fiir ihre Genealogie, sowie fiir die Kenntnis ihres Grund- 
besitzes und seiner Schicksale. So muss nicht nur jede der noch 
heute bltihenden Familien, deren Geschichte in gedrangter Ktirze 
gegeben ist, ihre Freude an dem Buche haben, sondera auch jfider 
Genealoge und Freund der Adelsgeschichte iiberhaupt, sei es um 
Stammregister zu entwerfen und zu vervoUstandigen, oder nach Ge- 
schlechtsverbindungen aus alter Zeit zu forschen, sei es, um die 
Lebenswege ritterlicher Geschlechter wfthrend einer merkwiirdigen 
Geschichtsperiode kennen zu lernen. 

Mit derselben Wtirdigung und mit denselben Wlinschen, mit 
denen wir das Erscheinen des ersten Theiles der Geschichte des 
Adels in der Ober - Lausitz begriissten, schliessen wir auch diese 
kurze Anzeige in der Hoffnung, dass das neue Verdienst, welches 
der hochgeehrte Herr Verfasser sich um die Geschichte jenes Ge- 
bietes aufs Neue erworben, ihm die dankbare Anerkennung der be- 
theiligten Kreise einbringen und in ihm den Yorsatz reifen lasse, 
uns mit einer weiteren Fortsetzung seines — derartig in der Li- 
teratur einzig dastehenden — Werkes auch fiir den tibrigen Theil 
des 17. Jahrhunderts zu beschenken. 

Magdeburg. G. A. v. Mtilverstedt. 



tJbersicht iiber neuerdings erschienene Schriften 

und Aufsatze zur sachsisch-thuringischen Geschichte und 

Alterthumskunde. 



am Ende, E, Der KSnigliche Grosse Garten bei Dresden in Ver- 

gangenheit und Gegenwart. Dresden, v. Zahn und Jaensch. 1887. 

36 8S. 80. 
Bechy Fedor. Lexikalische Beitrage aus Pegauer Handschriften des 

14. und 15. Jahrhunderts: Programm des K. Stifts-Gymnasiums 

in Zeitz. 1887. 8. 1—22. 40. 



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352 Literatar. 

Beyer, Carl. Zur Geschichte der Erfurter Volksschulen bis zur 
Einyerleibnng der Stadt in den prenssischen Staat im Jahre 1802 : 
Wissenschaffcliche Beilage znm Jahresbericht der stiidtischen 
hOheren Biirgerschule zu Erfart. Erfurt 1887. 23 SS. 40. 

Biedermann, Karl. Mein Leben nnd ein Sttick Zeitgeschichte. Eine 
Erganzung zu desVerfassers „Dreissig Jahre Deutscher Greschichte." 
Bd. I. n. Breslau, Schottlaender. 1886. 893 n. 425 SS. S^. 

Bohne, Wold. Die Erziehung der Kinder Ernsts des Frommen von 
Gotha: Programm des Kealgyranasiums zu Chemnitz. 1887. 
S. 1—41. 40. 

Buchwald. Aus dem ungedruckten Briefwechsel eines Correctors 
mit einer Leipziger Druckerei wahrend der Keformationszeit : 
Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1887. No. 60. 
S. 362—864. 

— Beitrage zur Geschichte des vo^landischen Adels. (IV. Die Fa- 
milie v. ROmer. V. Die Familie y. Biinau): ebenda No, 39. 
8. 233 flg. No. 64. S. 381—385. 

V. Eh er stein y Louis Ferd. Frhr. Urkundliche Nachtrage zu den 
Geschichtlichen Nachrichten von dem reichsritterlichen Geschlechte 
Eberstein von Eberstein auf der R5hn. Sechste Folge. Berlin. 
1887. 342 SS. 80. 

— Entwurf einer zusammenhangenden Stammreihe des freifrfinkischen 
Geschlechts Eberstein von den in den altesten Urkunden erschei- 
nenden Vorvatern an bis zur Gegenwart. Zugleich enthaltend: 
Fehde Mangold's von Eberstein zum Brandenstein gegen die 
Reichsdtadt Ntimberg. 1616 bis 1522. 3. Aufl. Berlin. 1887. 
136 u. 79 SS. 80. 

Ermisch, H. Das sSchsische Bergrecht des Mittelalters. Mit einer 
Tafel. Leipzig, Giesecke & Devrient 1887. CLXIV, 249 SS. S^. 

— Eine verschoUene Quelle der sSchsischen Stadtegeschichte : Wissen- 
schaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1887. No. 43. S. 257 flg. 

Fischer, O. Die goldene Pforte zu Freiberg : Repertorium filr Kunst- 

wissenschaft Bd. IX (1886). S. 293—306. 
Flemming, Max. Das Lehrlingswesen der Dresdner Innungen vom 

16. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts : Programm der Annen- 

schule zu Dresden-Altstadt. 1887. S. 1—35. 
Freyiag, Rich. Entstehungsgeschichte der KSniglich Sachsischen 

Lehrerbildungsanstalten : Psldagogische Blatter. Jahrgang 1886. 

S. 454-468. 

— Die Mitarbeiterschaft an der Griindung sslchsischer Lehrerbil- 
dungsanstalten seitens evangelischer Geistlicher: Sachs. Kirchen- 
und Schulblatt. 1887. No. 11— 13. Sp. 89— 93, 97—100, 105—110. 

— K(3nig Johann von Sachsen und die sachsischen Lehrerbildungs- 
anstalten: Erziehungsschule (Zeitschrift f. Reform der Jugend- 
erziehung). Jahrg. VII (1887]. No. 4. S. 37—40.^ 

Friedberg, E. Otto Stobbe. Reae, gehalten bei der akademischen 
Gedachtnisfeier der Leipziger Juristenfakultat am 28. Juni 1887. 
Mit einer Portrait-Radinmg. Berlin, Hertz. 1887. 40 SS. S^. 

— Hundert Jahre aus dem Doctorbuche der Leipziger Juristenfacultat 
1600—1700. (Programm.) Leipzig, 1887. 27 SS. 4®. 

Gerlach, H. Kleiner Fuhrer durch die Bergstadt Freiberg in Sachsen. 
Freiberg i. S., Gerlach'sche Buchdruckerei. 1887. 44 SS. 12 ^ 

Griinhagen, C. Schlesisches aus London. Gesandtschaftsberichte, den 
Anfang des SOjahrigen Krieges betreffend, ausztiglich mitgetheilt: 
Zeitschrift des Vereins fUr Geschichte und Alterthum Schlesiens. 



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Literatur. 353 

Bd. XXI (1887). S. 297 — 817 [u. a. iiber den Lausitzer Feldzug 

des Kurfttrsten Johann Georg L 16201. 
[HdrtwigJ Abschied, das geistliche Eintommen der Stadt Oschatz 

betreffend, de Ao. 1565: Oschatzer Q-emeinntltzige Blfttter v. 

7. Mai 1887. 
— Die erste Visitation zu Oschatz 1539: ebenda v. 21. Mai 1887. 
Scfmann, Reinh. Die kirchlichen Zustande der Stadt Pirna vor 

der Erafiihrung der Eeformation im Jahre 1539. Nach nrkund- 

lichen Quellen bearbeitet. (Beigabe zum Programm der Realschule 

zu Pirna.) 1887. 113 SS. 80. 
Hosaus, Wilh, Elisa von der Recke in ihren Beziehungen zur Her- 

zogin Luise von Anhalt- Dessau: Wissenschaftliche Beilage der 

Leipziger Zeitung. 1887. No. 29. S. 169—172. 
Jaekel, H, Zur Geschichte Hedwigs von Breslau und der Landgrafen 

Heinrich von Altenburg und Friedrich ohne Land: Zeitschrift 

des Vereins fur Geschichte und Alterthum Schlesiens. Bd. XXI 

(1887). S. 219—238. 
Kade, R. Der sachsiscbe Historiker Andreas Moller: Wissensch. 

Beilage der Leipziger Zeitung. 1887. No. 48. S. 290 flg. 
Knothe, Herm. Fortsetzung der Geschichte des Oberlausitzer A dels 

und seiner Gtiter von Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1620: Neues 

Lausitz. Magazin. Bd. LXIII (1887). Heft 1. S. 1—174. 
Kruschmitz, Paul. Johann Mentzer, ein sachsischer Liederdichter : 

Wissensch. Beilage der Leipz. Zeitung. 1887. No. 39. S. 284 flg. 
Lehmann, 0. Das C5lestinerkloster auf dem Konigstein: Jahres- 

bericht der Section Dresden des Gebirgsvereins fiir die sachsisch- 

bohmische Schweiz fiber die Jahre 1885 und 1886. 8. 3—20. 
Lemcke, Paul. Elisa von der Recke in Leipzig : Wissenschaftliche 

Beilage der Leipziger Zeitung. 1887. No. 64. S. 385 flg. 
Mailer, Georg. Quellenstudien zur Geschichte der sachsischen Hof- 

prediger. III. Daniel Greser, Superintendent in Dresden: Zeit- 
schrift fiir kirchliche Wissenschaft und kirchliches Leben. Jahrg. 

1887. Heft IV. S. 180-197. 
Obst, Emil. Bitterfeld und Umgebung wahrend des dreissigjahrigen 

Krieges; insonderheit die Schwedenpltinderung zu Bitterfeld im 

Jahre 1687. Gedachtnisschrift. 2 vermehrte Auflage. Bitterfeld. 

(Halle, Reichardt). 1887. 38 SS. S^. 
Oertel, G. Das Wappen des Konigreichs Sachsen und die sachsischen 

Landesfarben: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 

1887. No. 45. S. 269 flg. 
Posse, 0. Die Lehre von den Privaturkunden. Mit vierzig Tafeln 

nach den photographischen Aufnabmen des Verfassers in Licht- 

druck ausgefiihrt. Leipzig, Veit & Oomp. 1887. Vin, 242 SS. 4^. 
Rosch, Hugo. Sang und Klang im Sachsenland. Eine Blumenlese 

heimathlicher Volkslieder. Mit Bildern von Krause, Lewin und 

Will. Leipzig, Rengner. 1887. XVI, 208 SS. 8^. 
(W. Rossmann.) Kiinstlerbriefe aus den Jahren 1760—1830 (I— VI) : 

Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1887. No. 52, 

54, 56, 58, 64, 66. S. 312—314, 325—328, 337—339, 349-361, 

387 flg., 398—400. 
Schonwdlder. Das Quellgebiet der Gorlitzer Neisse oder der Za- 

gost und seine Bevolkerung : Neues Lausitz. Magazin. Bd. LXIII 

(1887). Heft 1. S. 175—196. 
Steche, R. Beschreibende Darstellung der alteren Bau- und Kunst- 

denkmaler des KOnigreichs Sachsen. Auf Kosten der KSniglichen 



Neues Ajchiv f. 8. G. u. A. VIII. 3 4. 



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354 Literatur. 

Staatsregiernsg herausgegeben vom E&nigl. S&chs. Alterthams- 
verein. Achtes Heft: Amtshauptmannschaft Schwarzenberg. 
Dresden, C. C. Meinhold und SOhne. 1887. 68 SS. 8o. 

Theile, Das ehemalige bertihmte grosse Fass anf dem KOnigstein: 
tlber Berg und Thai. Jahrg. 10. No. 4. S. 127—129. 

Trauer, Ed, An welchem Orte Sachsens wurde Bischof Amo von 
Wlirzburg erschlagen? Wissenschaftliche Beilage der Leipziger 
Zeitung. 1887. No. 54. S. 321—326. 

van Werveke, K, Briefwechsel zwischen dem Grafen "Vimenburg 
und den sachsischen Gesandten in Luxemburg 1443, 6. August 
bis 28. Oktober : Beitr&ge zur Geschichte des Luxemburger Landes 
von N. van W. Heft II (Luxemburg 1886). S. 89—118. 

Zirkel, Zur Geschichte des Sachsischen Bergbaus (Festrede): Wis- 
sensch. Beil. der Leipz.- Zeitung. 1887. No. 34. S. 197—202. 

Zollner, W. Aus der Slampfzeit der sachsischen BaumwoUindustrie 
im 18. Jahrhundert: ebenda No. 58, 59. S. 845—349, 853—355. 

Zumpe, Jul. Geschichte tiber das Rittergut mit dem Messingwerk 
und der Sachsischen Messinghandlung zu Niederauerbach i. Vgtl. 
Zusammengestellt und bearbeitet auf Grund vorgefundener Ori- 
ginal- Urkunden und Akten. Reichenbach, Druck von Haun und 
Sohn. (1887.) 31 SS. 80. 

Die Stadtverordneten zu Dresden 1837—1887. Festschrift zur filnfzig- 
jfthrigen Jubelfeier des Kollegiums am 11. Mai 1887. Dresden, 
W. Baensch. 1887. 107 SS. 80. 



56. und 57, Jahresbericht des Vogtlandischen Alterthumsforsch. 
Vereins zu Hohenleuben und 8., 9. und JO. Jahresbericht des 
Geschichis- und alter thums for schenden Vereins zu Schleiz. Im 
AuftragedesDirektoriums herausgegeben von M.Dietrich. (1887.) 8^. 
Inhalt: Schack, Nachrichten liber die in der Kirche zu Hohen- 
leuben befindliche Familiengruft des vormals graflichen, jetzt 
f iir stlichen Hauses Reuss-Kftstritz. B. Schmidt, Berichtigungen 
und ZusS,tze zur Genealogie des Eeussischen Hauses. Wehrde, 
Einiges uber die Pflege Reichenfels in den Schlesischen Kriegen. 

Mittheilungen des Alter thumsvereins fur Zwickau und Umgegend. 
Heft L Zwickau. 1887. 80. 

Inhalt: E. Fabian, Die Stadt Zwickau unter den Einwir- 
kungen des schmalkaldischen Kriegs. Mit urkundlichen Beitr&gen 
aus dem Zwickauer Rathsarchiv und einer Ansicht von Zwickau 
aus dem Jahre 1630. 

Mittheilungen des Vereins fiir Anhaltische Geschichte und Alter- 
thumskunde. Band V, Heft 1. Dessau. 1887. 8®. 

Inhalt: Stenzel, Die Mtinzen und Medaillen des Piirsten 
Joachim Ernst von Anhalt. Aue, Herzog Ferdinand von An- 
halt-Kothen und sein Austritt aus der ^reuss. Armee im Jahre 
1806. Franke, Zur Biographie des Dichters Wilhelm Mliller. 
Gedichte, welche dem Andenken Wilhelm Mtiller's gewidmet und 
kurz nach dem Tode desselben verojffentlicht worden sind. Ho- 
sHus, Briefwechsel des Herzogs Leopold Friedrich Franz von 
Anhalt-Dessau mit Friedrich Gottlieb Klopstock im Jahre 1779. 
Frank el, Av6 Lallemant. Blume, Literar. Nachweise zur 
Geschichte und Landeskunde Anhalts. 



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Literatnr. 355 

Mittheilungen des Vereins fur Chemnitzer Geschichte. V. Jahr- 
buch fttr 1884—1886. Chemnitz. 1887. 80. 

Inhalt: K. Kirchner, Adam Siber imd das Chemnitzer Ly- 
ceum in der ersten Hftlfte des 16. Jahrhunderts. A. Ma ting - 
Sammler, Die Beziehungen der Stadt Chemnitz zu B5hmen im 
Mittelalter. 

Mittheilungen des Vereins fur Geschichte und Alterthumskunde 
von Erfurt. Heft 13. Mit einer Karte und 8 Tafeln. Erfurt 
1887. 8<>. 

Inhalt: W. v. Tettau, Geschichtliche Darstellung des Ge- 
bietes der Stadt Erfart und der Besitzungen der dortigen Stif- 
tungen. Zschiesche, Beitrag zur Vorgeschichte Thtiringens. 
I. Die Besiedelung des .unteren Gerathales. II. Grabstatte aus 
der Bronzezeit bei Waltersleben. 

Mittheilungen des Vereins fur Geschichte und Alterthumskunde 
zu Kahla und Boda. III. Bd. 2. Heft. Kahla. 1886. 8^ 

Inhalt: Lommer, Flumamen im Amtsbezirke Kahla. 
Mitzschke, Die orlamiindische Grafenchronik des Paulus Jovius. 

Mittheilungen vom Freiberger Alterthumsverein, herausgegeben von 
Heinrich Gerlach. Heft 23. 1886. Freiberg i. S. 1887. 8o. 

Inhalt: Kade, Studien zum Freiberger Chronisten Dr. Andr 
M911er (mit Bildnis). Kade, Eine neuentdeckte Freiberger Fa- 
milien-Chronik. Knebel, Handwerksbrauche friiherer Jahrhun- 
derte in Freiberg (2. Der Gesellenstand). Knothe, Freiberger 
Urkundenbuch. Knauth, Heinrich von Freiberg. Heyden- 
reich, Literarische Umschau. 



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Kegister. 



Adorf 253. 

Agnes, Grem. Heinr. d. Erlaucht 
139. 141. 

— Gem. Friedr. d. Freid. 141. 

— Gem. d. Kurf. Moritz 50. 76. 88. 
Aichinann,Dr., kursachs. Rath 187. 
Albinus, Petr. 337. 

Albrecht (d. Stolze), Mkgr. von 
Meissen 141. 

— (d. Entartete), Landgraf von 
Thliringen 139. 141. 

— Mkgr. V. Brandenburg -Culm- 
bach 45. 50 ff. 58 f. 61 ff. 

Altenberg: Freistelle in Meissen 

142. 145. 
Altranstadt s. Hennannus. 
Altzelle, Kloster 34 ff. 141. 
Andreae, Job., Mag. 106. 
Anhalt s. Georg, Wolf. 
Anna, T. Friedrich des Ernsth., 

Nonne in Seuslitz 139 f. 

— Gem. des Kurf. August 292. 
295.* 303. 310. 312 f. 318. 

Annaberg: Freistellen in Meissen 

142. 145. 
Annaburg, die 310. 336. 
Arnold, Mag., Lehrer in Dresden 

284 f. 
Amoldus cantor Misn. 16. 
Arpke bei Burgdorf 95 ff. 
Auerbach, Erh., Lehrer in Dresden 

280. 
August, Kurf. V. Sachsen 46. 76. 

94. 103 ff 148 ff. 280 f. 291 ff 

— Hrz. zu Sachsen, Administr. 
zu Magdeburg 195. 200. 209. 
230. 

Augustusburg 297 ff. 312. 325. 

Badehom, Dr. jur., Ordin. der Ju- 

ristenfakult. in Leipzig 104ff. 
Balthasar, Landgr. v. Thliringen 

139 f. 258. 
Bamberg, Bischof von 51 f. 55 ff. 

65 ff. 
Bafier, schwed. General 194. 218. 

223. 227. 235. 



Bautzen, Schulen 3. 6. 23 ff. 258 ff'. 
Beatrix, T. Friedr. des Ernsth., 

Nonne in Seuslitz 139 f. 
Belgern 35. 
Benno, Bischof v. Meissen 7. 

— Cardinal 7. 

— Abt zu Goseck 7. 

V. Berbisdorf, Hans, auf Nieder- 
forchheim 193. 

— Rahel, geb. v. Friesen, seine 
Gem. 193. 

Berg, Friedr., Maler 338. 

Berggiesshiibel: Freistelle in 
Meissen 142. 145. 

V. Bernstein : Freistelle in Meissen 
143 f. 

Bischofswerda 292 f., Schule 268. 

Bonifacius IX., Papst 32. 

Bohmen s. Ferdinand. 

V. Bora, Katharina 147. 

V. Boruz, Conr., scolast. Misn. 8 f . 

V. Bose: Freistellen in Meissen 
144. 

Bottschild, Maler 325 f. 

Brandenburg s. Albrecht,Christian, 
Friedrich, Georg Wilhelm, Jo- 
achim, Johann, Job. Georg, 
Sigismund. 

V. Brandenstein, Graf 227. 

V. Brandt, Job. Friedr., altenburg. 
Rath 187. 

Braunschweig 45 f. 52 f. 61. 75. 
290 f. s. a. Erich, Ernst, Hein- 
rich, Karl Victor, Thilipp 
Magiius. 

Brecht, Friedr., Maler 340. 

Breisach 229. 

V. Breitenbach: Freistelle in 
Meissen 142 ff. 

Bremen, Erzbisth. 46. 

Bfewniow, Kloster bei Prag 10. 

Bruck: Freistelle in Meissen 142. 

Bruno IL, Bischof v. Meissen 23 f. 

Buch, Kloster 34 f. 

Buchner, Aug., Professor in Wit- 
tenberg 198. 

— Paul, Baumeister 321. 327. 



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Register. 



857 



Buiaus, Superintendent 202 f. 
V. Biinau: Freistelle in Meissen 
142 ff. 

— Rudolf, Hofmeister des Herz. 
Heinrich 134. 

Burgdorf bei Wolfenbttttel 95. 100. 
Byener, Peter, Biirgermeister zu 
Dresden 278. 

de Capelndorf, Tyzko, scolast. 

Misn. 8f. 15 
v.Carlowitz: Freistelle i. Meissen 

142. 145. 

— Christoph 54. 84. 94. 102. 
Carpzov, Bened., Geh. Rat 187. 

198. 
Castaldo, Mrkgr. in Siebenblirgen 

42. 
Chemnitz, Kloster 10. Schtilen 3. 

5. 270. 275 f. 
Christian I., Kurf. v. Sachen 191. 

314. 321 ff. 
~ II., Kurf. V. Sachsen 315. 323. 

345. 

— Markgr. v. Brandenb.-Kulm- 
bach 193. 

— III.,Konigv.Danemark76.330. 

— IV., Kdnig V. Danemark 214. 
Christoph, Grraf v. Oldenburg 86. 
Clara, T. Friedr. d. Ernsth. 139 f. 
Cleve 19. 

V. Colditz, Thimo, Marschall 263. 
Conr^dus marchio Misn. 140. 

— Bischof V. Meissen 24. 

— cantor Misn. 16. 

— mag. scholar. Numburg. 2. 

— scolast. Merseburg, 34. 
Misn. 7. 

— rector puerorum i. Dresden 243. 

— Schulmeister in Zittau 251 f. 
Conradt, Paul, Lehrer in Dresden 

285. 
Constantia, Gem. Heinrichs des 

Erl. 141. 
Crakau, schwed. Oberst 227. 
Cranach, Lucas d. A. 146 f. 291. 

295. 
d. J. 296. 305. 310. 312. 

325. 340. 

Danemark s. Christian. 

Dedo, Mrkgr. v. Meissen, Sohn 

Konrads d. Gr. 141. 
V. Dehn-Rothfelser, Hans, Amts- 

hauptmann u. Oberrtlstmeister 

148. 309. 



de Dewin, Heidenr., cantor Misn. 

16. 
Dhiime, Georg, Maler 342. 
Dietrich s. Theodoricus. 

— n., Bischof V. Meissen 20. 

— Propst zu Meissen 11. 
Dippoldiswalde, Meister Franz v., 

Schulmeister zu Dresden 245. 
247. 

— Job., Schulmeister in Meissen 
21. 

V. Diskau, Hans 82. 
Dittersbach, Rittergut: Freistelle 

in Meissen 144 f. 
V. DSbeln, Albert, Domher in 

Meissen 11. 
Dobrilug, Kloster 141. 
V. IKJlau, Job. Georg, Hof- und 

Justizrath 203. 
de Donyn, Otto, scolast. Misn. 8. 

cantor Misn. 16. 

D9ring, Dr., kursSchs. Kammer- 

rath 183 f. 194. 
Dresden 148 f. Frauenkirche 333. 

Freistellen in Meissen 142. 

145. Kanzleihaus 296. 308 ff. 

Moritzmonument 327 f. Schloss 

335. Schulen 3. 243 ff 272 ff. 

Stallhof 321 ff 344. 

Eger, Tag zu (1553) 70 ff. 
Y. Einsiedel, Kurt 186 f. 197. 200. 
Eisenberg 32 f. 77 f. 
Elisabeth, Gem. Heinrichs des 
Erl. 139. 141. 

— T. Friedr. d. Ernsth. 139 f. 

— Gem. Mrkgr. Wilhelm I. 17. 

— (v. Rochlitz), Gem. d. Herz. 
Johann 57 f. 92 f. 

Elyzabeth cantrix in Gerings- 
walde 28. 

Elze an der Leine 93 f. 

Emmerich 18 f. 

Emrich, Valten, Lehrer in Dres- 
den 283 f. 

Engelbrecht, Dr. 187. 

Erich, Herzog v. Braunschweig 
64. 74 f. 81. 86. 89 f. 92 f. 

Eriau 43. 

Emestus scolast. Merseburg. 2. 

Ernst, Herz. v. Braunschweig 62. 

Erpho scolast. Misn. 7. 

Eybanger, Friedr., v. Nttmberg, 
rector scolar. u. Stadtschreiber 
in Plauen 253 f. 



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358 



Register. 



Faber, MicL, Lehrer in Dresden 
285. 

— Dr. 187. 

Fasoldt, Hans, Maler 340. 

Fehrmann, Donat, Lehrer i. Dres- 
den 286. 288. 

V. Feilitsch, brandenb.-knlmbach. 
Kanzler 187. 197. 

Ferdinand I., K(5nig von B5hmen 
41 ff. 

— n., Kaiser 179. 204 ff. 

— in., Kaiser 179. 195. 206 ff. 
Finckelthauss, Professor i. Leipzig 

201. 
Fleischer, Georg, Hoftischler308f. 

312. 
Forcheym, Job., Schulmeister in 

Leipzig 30. 
F(5rster, Wendel 96. 
Franciscaner, Ordensprovinzen 

140. 
Franciscus rector parvul. in castro 

Misn. 15. 
Frankfurt a. M. 78. 80. 86. 183. 

194. 
Frankreicb 44 ff. s. a. Heinrich. 
Freiberg 129 ff. 151 ff. Dom 19. 

345. Freistellen in Meissen 

142. 145. ScWoss Freudenstein 

297. 311 ff. Schnlen 266 ff. 274. 
Fridericus scolast. Naumb. 2. 

— doctor scolarinm Merseb 2. 
Friedrich d. Kleine (Clemme) v. 

Dresden 139. 

— (Tuto)^Mrkgr. V.Meissen 140 f. 

— d. Freidige, Mrkgr. v. Meissen 
141. 

— (Anelant), Mrkgr. v. Meissen 
141. 

— d. Lahme, Mrkgr. v. Meissen 
140 f. 

— d. Emstb., Mrkgr. v. Meissen 

138 ff. 258. 

— d. Strenge, Mrkgr. v. Meissen 

139 ff. 263. 

— des vorigen Bruder 139 f. 

— d. Weise, Kurf. von Sachsen 
145 ff 

«- Mrkgr. v. Brandenburg, Erzb. 
V. Magdeburg- HaJberstadt 47. 

— Herzog v. Liineburg 99 f. 

— Kurf. V. d. Pfalz 65. 67. 78. 

— Wilbelm, Administrator, Her- 
zog zu Sachsen 315. 328. 328 f. 
337. 



Friesen bei Reichenbach 197. 
V. Friesen : Freistelle in Meissen 

144 f. 
v.Friesen,Heinr. , Frhr., auf R5tha, 

Geh. Ratbs-Direktor 191 ff. 

195. 201. 

— d. J., kursachs. Gkh. Rath 193. 
198. 201. 

— Karl, altenb. Geh. Rath und 
Hoftnarschall 191. 

— Karl, Frhr., kurs. Geh. Rath 
193. 198. 

Fuchs, Hans, wttrzb. Rath 75 f. 
Funcke, Andr., Dr.jur. 104 ff. 108. 

Gallas, kais. Generallieutenant 

228. 
Gaulau, Kr. Ohlau 177 ff. 182. 
V. d. Geist, Bernd Hagen, dftn. 

Gesandter 214. 
V. Geleen, Gottfr. Frhr., kaiserL 

General 229. 
Georg, Herzog zu Sachsen 129ff. 

— Ftlrst V. Anhalt 47. 

Georg Rudolf, Herz. v. Liegnitz- 
Brieg 179. 

Georg Wilbelm, Kurf. v. Branden- 
burg 228. 

Geringswalde, Schulen 3. 27 f. 

Glashtitte: Freistelle in Meissen 
142. 145. 

GOding, Andr., .Maler 297. 343 ff. 

— Heinrich d. A., Hofmaler290ff. 

— Heinrich d. J., Maler 297. 335. 
341 f. 

de Gogh (Goch), Theod., scolast. 

Misn. 8. 
Goltzius, Maler 296. 
V. d. Golz, Heinrich 235. 
Gosda 195. 
Goseck s. Benno. 
Gotha 48 f. 77. 317. 830. 
Getting, Heinr., Bttchsenmeister 

zu Dresden 291. 
Gottleuba: Freistelle in Meissen 

142. 145. 
Gottschalk, Abt zu Pegau 266. 
G5tz, Graf, kais. General 229. 
di Grana, Oaretto, Marchese 225. 

238. 
Granvella 52. 69. 
Grauwe, Andr., cantor Misn. 16. 
Gregor IX, Papst 10. 

— X., Papst 10. 
Grimma, Schule 263 f. 



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Register. 



359 



Grimmenstein b. Gotha 298. 330. 
Grahmann, Ohrph., Maler 340. 
Gross, Reinfr., Doinherr u.Pfarrer 

zu Freiberg 130. 133. 
Grossenhain : Freistelle i. Meissen 

145. 
Grosssedlitz 330. 
V. Grumbach, Wilhelm 76. 92. 298. 
Griinhain: Freistelle in Meissen 

142. 145. 
Gunzelin, Mrkgr. v. Meissen 255. 
de Gurwitz, Lutoldus, cantor Misn. 

16. 
Guttenberg, Peter, Kaplan von 

Muhlberg 318. 

H. scolasticus Misn. 7. 9. 

V. Hagen, Heinrich, Hofmeister 

331. 
Halberstadt 78. 84. 
V. Hanau, August, kurs. Oberst 

233. 
Hauffe, Melcb., Festungskomm. 

V. Dresden 309. 
Hazfeldt, Graf, kais. General 229. 
Hedwig, Gem. Mrkgr. Otto des 

Reicben 141. 
— . Gem. Albrechts d. Entarteten 

141. 

— Gem. Kurf. Christians II. 343. 
Hegewald, Zachar., kurs. Bild- 

hauer 148 f. 
V. Heideck, Hans 75 f. 82. 85. 

87 f. 91. 93. 
Heidelberg 66 ff. 
Heidricus cantor Misn. 16. 
Heinersdorf (Langbennersdorf?) 

181. 
Heinrich d. Brl., Mrkgr. v. Meissen 

139. 141. 255. 

— Sohn Albrechts d. Entarteten 
141. 

— d. Fromme, Herz. v. Sachsen 
129 ff. 

— Herzog v. Braunschweig 46 f. 
52f. 60ff. 72ff. 78. 80. 83ff. 
89 jff. 93. 96. 100 102. 

— II., K6nig von Frankreich 
44ff. 51. 

— Bischof V. Naumburg 37. 
Heinricus mag. scolar. (Naumb.) 2. 

— scolast. Wurcin. 25. 

— rector scholae (Zwickau) 32. 
Heinrich Wenzel, Herzog v. Oels- 

Bemstadt 179. 



Helena, Gem. Dietrichs (d.Feisten) 

139 ff. 
Henneberg, Georg Ernst 6raf v. 

71 f. 79 f. 
Hermannus rector parvulorum in 

Dresden u. Pfarrer z. Altran- 

stadt 243. 

— scolast. Misn. 8ff. 
Wurcin. 25. 

Hermudis scolastica in Gerings- 

walde 27. 
Hessen s. Philipp, Wilhelm. 
V. Hohberg, Friedr. 178. 
Hohenstein: Freistelle i. Meissen 

145. 
Holstein s. Johann. 
V. Honsberg: Freistelle i. Meissen 

142. 144. 
V. Hotzfeld, Daniel 75. 88 f. 97. 

Jenitz, Hans , Kammersekretar 
300 f. 305. 311 f. 319. 340. 

Joachim 11., Kurf. von Branden- 
burg 53. 71 ff. 85 f. 88 f. 

Johann d. Bestandige, Herzog v. 
Sachsen 147. 

— Herzog v. Holstein 295. 

— Markgr. v. Brandenburg-Kus- 
trin 45 f. 52. 61 f 64. 91. 

— III., Bischof V. Meissen 39. 

— v., Bischof V. Meissen 293. 
Johannes scolast Budissin. 23. 
Wurcin. 25. 

— de Ossacz, Schulmeister da- 
selbst 265. 

Johann Albrecht, Herz. v. Meck- 
lenburg 72. 94 f. 

Johann Christian, Herz. v. Lieg- 
nitz-Brieg 179. 182. 

Johann Ernst, Herz. z. Sachsen 
65. 

Johann Friedrich, Herz. z. Sachsen 
42. 45 ff. 

Johann Georg I., Kurf. v. Sachsen 
177ff. 343. 

n., Kurf. V. Sachsen 184. 

200. 209. 

Johann Georg, Mrkgr. v. Branden- 
burg 86. 

Johann Wilhelm, Herz. z. Sachsen 
48. 

Irmisch, Hans, Baumeister 311. 

Jtilich'sche Succession 229. 

Jutta (Maria), Gem. des Markgr. 
Diezmann 141. 



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360 



Register. 



V. Karas: FreisteUe in Meissen 

142. 144. 
V. Kanitz, Wolf 310. 
Karl IV., Kaiser 259. 

— v., Kaiser 41 ff 

— Herzog v. Mlinsterberg 179. 
Karl Friedrich, Herzog v. Oels- 

Bemstadt 179. 

Karl Victor, Herzog v. Braun- 
schweig 99. 

Kiesewetter: FreisteUe i. Meissen 
143 f. 

— Hieron., Dr., kursachs. Kanz- 
ler 143. 

Kirchner,Dan.,Geh. Sekretar 199. 

Knaus, Jos., Schulmeisterin Dres- 
den 280. 283. 288. 

Komerstadt, Dr., kurs. Rath 180. 

Komom 42 f. 

K(5nigstein: FreisteUe in Meissen 
145. 

Koppe (Koeppe), Erasmus 145. 

V. Ketteritz, Seb. Friedr., Kon- 
sistorialprasident 197. 

Ketzschenbroda, Waffenstill- 
standsverhandlungen 202. 

Kram, Franz, Dr. 79. 

Krietzschwitz bei Pima 180 f. 

Krystan, Schulm. zu Penig 270. 

Kiichenmeister, Seb., Domherr zu 
Freiberg 130. 

de Kurin, scolast. Misn. 7. 

Lampertswalde bei Oschatz 195, 

a Lapide, Hippolithus 210 f. 

Lebenich, Egid., Drechsler 149 f. 

Leipzig 59 f. 83 if. 231 f. 234. 
Schdffenstuhl 104 ff. Schulen 
3. 6. 14. 22. 29 ff. 263. 269. 281. 

Leisnig 276. 

— Albertus de Lisenik, cantor 
Misn. 16. 

Leupolt, Lehrer in Dresden 279. 

Lichtenau, Ober- und Nieder-, bei 
Pulsnitz 195. 

V. Lichtenwalde, Heidenreich 28. 

Lieberose : Mag. Johannes de Lu- 
berosa, Lehrer in Zittau 252. 

Liegnitz u. Brieg s. Georg Ru- 
dolf, Johann Christian. 

V. Linar, Rochus Quirinus, Bau- 
meister 303 f. 

Lischwitz, kursachs. Oberstlieut. 
234. 

LObau, Schulen 3. 252. 264. 



V. Lohausen, schwed. General- 
major 227. 

Lohmen 315. 

Lommatzsch : FreisteUe in Meissen 
142. 14.5. 

Lomnitz bei Pulsnitz 195. 

vom Loss : FreisteUe i. Meissen 144. 

— Joachim, kursachs. Geheimer 
Rath 185. 

Lossnitz i. Erzgeb., Schule 251. 
Letter, Hieron., Burgermstr. von 

Leipzig 106 ff. 298 ff. 
Luchau, Sgm., brandenb.-kulmb. 

Rath 71 f. 
Lucius III., Papst 27. 
Ludwig, Sohn Friedr. d. Emsth. 

189 f. 
Llineburg s. Friedrich. 
de Luppe.Thammo, scolast Misn. 8. 
Lutart, Gem Mkgr. Konrads 141. 
v.Lttttichau: FreisteUe i. Meissen 

142. 144. 

— Wolf Siegfr., Kanzler 186. 
188. 192. 198. 

Macherin, Freder., de Oschatz, 

Schulm. in Chemnitz (?) 270. 
Madrid, Gemaidegallerie 147 f. 
Magdalena Sibylla, Gem. Joh. 

Georgs I. 189 f. 209. 

Tochter Joh. Georgs I. 193. 

Gem. Joh. Georgs II. 193. 

Magdeburg 45 ff. 64. 90. 184 f. 

s. a. August, Sigismund. 
Mansfeld, Albrecht Graf v. 51. 

60. 64. 

— Volrad, Graf v.. 45 f. 48. 53. 
60. 74. 

Marazin, kais. General 238. 

Marcus, Lehrer in Lobau 264. 

Margareta, Gem. Albrecht d. Ent- 
arteten 141. 

Martinus scolast. Misn. 7f. 

Mauricii, Joh., Schulmeister zu 
Grimma 264. 

MaximiUan 11., Kaiser 69. 281. 309. 

Mechelgriin bei Plauen i. V. 36 f. 

Mechthildis, Gem. Friedr. des 
Emsth. 139. 

Mecklenburg 318. s. a. Joh. Al- 
brecht, IJlrich. 

Meinhard, Burggr. v. Meissen 251. 

Meissen, Schulen 3. 5. 7ff. 13. 
20 ff. 255 ff. 267 f. Landes- 
schule 142 ff. 



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Register. 



361 



Meissen, Markgrafen s. Agnes, 
Albrecht, Anna, Beatrix, Cla- 
ra, Conradus, Constantia, Dedo, 
Elisabeth, Friedrich, Gunzelin, 
Hedwig, Heinrich, Helena, 
Jutta, Ludwig, Lutart, Mar- 
gareta , Mechthildis , Otto, 
Theodericus, Thiceman, Wil- 
helm. S. a. Saclisen,Thtiringen. 

— Burggrafen s.Meinhard, Plauen. 

— Bischofe s. Benno, Bruno, Con- 
radus, Dietrich, Johannes, Ni- 
colaus, Thimo. 

Memminger Tag 70. 

Merseburg, Schulen 2. 

Metz 51. 

V. Metzsch, Friedr., Konsistorial- 

prasident 194 f. 197 f. 201. 230. 
Meyer, J. H., Maler 326. 
V. Miltitz : Freistellen in Meissen 

142. 145. 

— Nicol., Stallmeister 321. 

— Nic. Gebh., kurf. Geh. Rath 
185. 194. 

V. Mitzlaff, Joachim, Oberst 193. 

227. 
Mons Serenus, claustrum 141. 
Mordeisen, Kanzler 54. 84. 92. 
Morgenstem,Kasp.,Bergmannl53. 
Moritz, Kurf. v. Sachsen 41 ff. 180. 
Moritzburg 147. 308. 
de Mulhusin, Palbertus, cantor 

Misn. 16. 
Miiller, Joh., Mag., Pfarrer zu 

Freiberg 130. 
V. Munchhausen, Phil. Adolf 187. 
Miinster, Bischof von 74. 
Mlinsterberg s. Karl. 
Mylau 397. 

Nassau s. Wilhelm. 

de Nassow, Friczoldus, cantor 

Misn. 21. 
Naumburg 334. Schulen 2. Bisch. 

s. Heinrich, Pflug. 
Naundorf(Neundorf)b.Pima 180f. 
Neues Schloss bei Worms 68. 
Neuhaldensleben 63. 
Neustadt b. Stolpen : Freistelle in 

Meissen 145. 
Niavis, Paul 5. 

V. Niedbruck, Kasp., kgl. Rath 63. 
Nimegk : Freistelle i. Meissen 142. 
NicolausIIJ., Papst 13. 
— Bischof V. Meissen 37. 



Nimbschen, Kloster 84 f. 
Nossen: Freistelle in Meissen 142. 

145. 
Nosseni, Joh. Maria 149. 315. 
jNlirnberg 18 f. 51. 56. 71 f. 82. 

198. 201. 

Oberpolenz, Rittergut: Freistelle 

in Meissen 144 f. 
Odelricus mag. scolar. (Naum- 

burff) 2. 
Oelhaffe, Bernh., Bflrgermeister 

zu Leipzig 105. 
Oels-Bernstadt s. Heinrich Wen- 

zel, Karl Friedrich. 
Oldenburg, Graf en 75. s. a. 

Ohristoph. 
Oppel, David 193. 

— Joh. Georg, kursachs. Geh. 
Rath 183 If. 

Ortrand : Freistelle in Meissen 142. 
Oschatz, Kloster 138 f. Schule 

265. 280. 288. 
V. Osse, Melchior 181. 
Ottheinrich, Pfalzgraf 50. 
Otto d. Reiche, Mkgr. v. Meissen 

141. 

— scolast. Merseb. 2. 

— scolast. Wurcin. 25. 
Oxenstiema, schwed. Kanzler 227. 

V. Pack, Otto 156 ff. 

Panwitz, Kasp.,aufMechwitz 178. 

Passauer Vertrag 41. 44. 51 fL 

58 f 67 fe. 
Pegau, Kloster 34 f. Schule 265 f. 

s. a. "Gottschalk. 
Peine 95. 
Penig: Freistelle in Meissen 142. 

145. Schule 270. 
Peschel, Casp., Lehrer in Dresden 

280 f. 284. 
Peschelin, Ottilie, Lehrerin 277. 

279. 283. 285. 
Petershagen b. Minden 86. 88. 92 f. 
Petrus rector scol. in Budissin 258. 
Pfalz s. Friedrich, Ottheinrich. 
Pflug: Freistelle in Meissen 142. 

144 f. 

— Casp. 72. 

— Julius, Bisch. v. Naumburg 47. 
V. d. Pforte, Oberst 194. 
Philipp, Landgr. z. Hessen 44. 

52. 66 f.- 60. 63 ff. 71 ff. 78. 
83 ff. 89 ff. 

— IL, Konig V. Spanien 46. 60. 69. 



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362 



Register. 



Philipp Magnus, Herz. v. Braun- 
schweig 53. 74. 80. 82 f. 86 tL 
93. 99. 

Pima, Amt 254. 

— Freistelle in Meissen 142. 145. 
Schule 254. Kirche 315 ff. 

Pistoris, Hartmann 106. 

Planer, Bergwerksverwalter 300. 

Planen i. V. Schule 252 ff. 

V. Planen, Heinr., Burggraf v. 
Meissen, b(Jhm. Grosskanzler 
42. 49 f. 52. 55. 59. 77. 79 ff. 
91 f. 94. 102. 

Prag, Schule 281. 288. 

PragerFriede(1635) 183.22l.232f. 

Pressburg 42. 

Pretzschendorf, Lor., Lehrer in 
Dresden 280. 

Pretzschnerin, Lehrerin in Dres- 
den 285. 

Promnitz, Heinr., Bttrgerm. zn 
Pima 317. 

Plichau 37. 

Raab 42 f. 50. 

Radeberg 50. 79. 

Rauscher, Hieron., Btirgermeister 

zu Leipzig 105 ff. 310. 
Regensburg, Reichstag 198. 
Reichenbach 197. Schule 252 f. 
Robertus scol. Merseb. 2. 
R6der, Cjriacus, Maler 328 ff. 342. 
Rosswein: Freistelle in Meissen 

142. 145. 
V. Rothschitz, Georg, Kanzler d. 

Herzogs Heinrich 134. 
Rottwerndorf bei Pima 180 f. 201. 
V. Rottwemdorf, Georg, Hans u. 

Wolf 180. 
Rudolf n., Kaiser 181. 282. 
V. Rydebeck, Arnold., scolast. 

Misn. 8. 

Sachsen s. Agnes, Anna, August, 
Christian, Elisabeth, Fried- 
rich, Georg, Hedwig, Hein- 
rich, Johann, Job. Ernst, Joh. 
Friedrich, Job. Georg, Joh. 
Wilhelm, Magdal. Sibylla, Mo- 
ritz, Sophia, Sophie Elenore. 

Sarstedt bei Hildesheim 94. 

Sanpe, Oswald, Lehrer in Dresd. 
280. 283 f. 288. 

V. Schachten, Wilh. 75. 88 f. 97. 

Schandan : Freistelle i.Mei3senl45. 



Scheffel, Dr. 120. 
Scheibe, Wolfg., Dr. jur. 104. 108. 
Schelhammer,Balth.,I)r.jur. 106 ffl 
Schellenberg s. Angustusburg. 
Y. Schildow, Job., Bchulmeister in 

Meissen 15. 
V. Schleinitz: Freistelle in Meissen 

142 f. 146. 

— Kammergerichtsassessor 187. 

— Joh. scholast. Misn. 15. 
Schlettan: Freistelle in Meissen 

142. 145. 
V. SchSnberg : Freistellen i. Meissen 
1421. 145. 

— Kasp., Geh. Raths-Direkt. 185. 
V. SchiJnburg, Herren 28. 

— Herm. 27. 

SchrOer, Hans, Maler 305. 

Schroter, Barb., Priorin in Frei- 
berg 2«8. 

Schweden 182 ff. 

V. Schwendi, Lazarus 94. 

Schwerin s. Ulrich. 

Scipio, Marcus, Burger z.Pima 316. 

Sebnitz : Freistelle in Meissen 143. 

V. Sebottendorf, Abr., kursSchs. 
Geh. Rath 177 ff. 

— Anna (geb. Konierstadt) 180. 

— Barbara (geb. v. Bilitsch) 177. 

— Damian 180 f. 

— Hans (n) 177. 

— Hans (III) 178. 

— Hans Damian 181. 

— Heinrich (Friedrich?) 179. 

— Johann Georg 187. 
Sehehusen, Petr., Lehrer in Leip- 
zig 30. 

Seld, kaiserl. Rath 51. 

Seusslitz, Kloster 139 f, 

Siebenbiirgen s. Castaldo. 

Siebenlehn : Freistelle i. Meissen 
142. 145. 

Sievershausen, Schlacht bei 95. 

Sigemundus scholast. Misn. 7 f. 

Sigismund, Markgr. v. Brandenb., 
post. Erzbisch.v. Magdeb. 47.64. 

Sophia, Gem. Johanns d. Bestand. 
147. . 

Sophie Elenore, Tochter Christi- 
ans II. 343. 

Spanien 239. s. a. Philipp. 

Speck, Paul, Lehrer i. Leipz., Prag, 
Dresden 277. 279. 281 ff. 288. 

V Spiegel: Freistelle in Meissen 
142 f. 



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