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.S3I
his
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Neues Archiv
fllr
S^chsische GfescMclite
und
Alterthumskunde.
Herausgegeben
von
Dr. Hubert Ermisch,
K. Archivrath.
Bucherei
ider Kreis- u^Amtsh. Dresden.
Zweiter Band, y^;
//^
-^
Dresden 1881.
Wilhelm Baensch Verlagshandlung,
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EXCH.
s'-ftCHSI^CHE LANDEi:BIBLIOTHEK
DEC IG 1936
Inbalt
Seite
I. Stadien znr Geschichte der s&chsisch-bOhmischen Besieh-
nngen in den Jahren 1468 bis 1471. Vom Herausgeber . 1
II. Znr Geschichte der Jnden in der Oberlausitz w&hrend des
Mittelalters. Von Prof. Dr. Hermann Knothe in Dresden. 60
III. Zur Geschichte des Franenhauses in Altenburg. Yon
Ministerial-Assessor M. J. Meissner in Altenburg ... 68
lY. Ein fliegendes Blatt Uber den Antheil der s&chsischen Armee
an der Schlacht am Ealenberge bei dem Kntsatze von
Wien im Jahre 1683. Mitgetheilt yon* Archiv-Sekretftr
Dr. £. Joachim in Idstein 77
Literatnr 85
Y. Herzog Wilhelm von Sachsen and sein bolimisches Soldner-
heer KtiS dem Zuge vor Soest. Yon Professor Dr. Adolpfa
Bachmann in Prag 97
YL Heinrich Friedrich Graf von Friesen, k&niglich polnischer
nnd korftlrstlich s&chsischer Gebeimer Eabinetsminister
und General der Infanterie. Yon Generalmajor z. D.
0. von Schimpif zu Dresden ISO
Literatur 180
VII. Die Berka von der Duba auf Hohnstein, Wildenstein,
Tollenstein und ihre Beziehungen zn den meissnischen
Fttrsten. Yon Professor Dr. Hermann Knothe in Dresden. 198
YHI. Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). Yon Hermann Freiherm
von Friesen, k. Oberhofmarschall a. D. in Dresden . . . 237
IX. Aus dem Schulwesen Sachsens, besonders in Mittweida
und Freiberg, zu Ende des 17. Jahrhunderts. Yon Ch. G.
Ernst am Ende, Bibliothekar am k. Statistischen Bureau
in Dresden 251
Literatur ' 259
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IV
eoite
X. Zur Bevolkerungs- und Yerm5gensstatistik Dresdens im
16. Jahrhundert. Von Rathsarchivar Dr. Otto Richter in
Dresden 273
XI. Nachtr&ge zum Urkundenbuche der Stadt Chemnitz. Yom
Herausgeber 290
XII. Die wirthschaft lichen Einrichtungen , namentlich die Ver-
pilegungs-Verhaitnisse bei der kursachsischen Kavallerie
Yom Jabre 1680 bis zam Anfange des laufenden Jahrhun-
derts. Von Wirkl. Geheimen Rath und Oberhofmeister
Freiherrn A. von Minckwitz zu Dresden 312
Literatur 330
Register 347
Besprochene Schriften.
Bachmann, Niclas Storch (G. Miiller) 330
Burkhardt, Gescbichte der sftchsischen Kirchen- und Schulvisi-
tationen (G. Mftller) 85
Dttrr, Ad. Friedr. Oeser (Gurlitt) 269
Knabe, Die Torgauer Visitations-Ordnung von 1529 (G. Mtiller). 188
— Geschichte der Stadt Torgau bis zur Zeit der Reformation
(Ermisch) 261
Knothe, Der Antheil der Oberlausitz an den Anfangen des dreissig-
j&hrigen Krieges (G. Droysen) 91
Leipzig und seine Universitat vor hundert Jahren (Wustmann) 92
Nebe, Die Kirchenvisitationen des Bisthums Halberstadt (G. Mtiller) 266
Opel, Denkwttrdigkeiten des Halleschen Rathsmeisters Spitten-
dorf (Sebum) 180
Posse, Die Markgrafen von Meissen (Sebum) 332
Scheuffler, Hans Fabian von Poniekau (Knothe) 268
Weissenbom, Acten der Erfurter Universitat, I. Theil (StUbel) 342
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L
Studien zur Geschichte der sachsisch-bohmischen
Beziehungen in den Jahren 1468 bis 1471.
Von
Hubert Ermiseli.')
Wenig Gliick hatten bis Anfang 1468 der bohmisclie
Herrenbund und die Curie in ihrera Eampfe gegen den
B5hmenkonig Georg Podiebrad gehabt. Man brauchte
Bundesgenossen. Die deutschen Fursten in ihrer Gesammt-
heit schienen nicht geneigt, thatig einzugreifen.*) Ver-
geblich verhandelte man mit Burgund, mit Polen, audi
mit Brandenburg wegen Annahme der bohmisclien Krone.
Konig Easimir von Polen hielt es nicht fur nothig, eine
Krone zu erobern, die, wie er ganz richtig vermuthete,
liber kurz oder lang doch seinem Hause zufallen musste;
er schloss sich den deutschen Fursten an, vermittelte ohne
Aussicht auf Erfolg. Hochinteressant sind die Verhand-
lungen, welche Legat Rudolf im Februar 1468 mit dem
Kurfursten Friedrich II. von Brandenburg pflog. Die Qe-
fahr fttr die Mark, die in einer Besitznahme der bohmischen
*) Vergl. meinen Aufsatz in Bd. I S. 209 fgg. dieser Zeitschrift,
an den sich der nachstehende unmittelbar anschliesst. Ich habe daher
von einer orientierenden Einleitung absehen zu konnen geglaubt und
verweise in dieser Beziehung auf meine friihere Arbeit.
*) Ein Tag zu Regensburg im Februar 1468 hatte noch weniger
Erfolg wie die frtiheren. Vergl. das Schreiben Markgraf Albrechts
von 1468 Februar 20 bei Riedel, Cod. dipl. Brand. Ill, 1, 465.
Neaes Archir f. S. G. u. A. U. 1 1
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2 • Hubert Ermisch:
Lande durch Polen lag, war nicht zu verkennen, und obwolil
Alter und Kranklicnkeit den Kurfursten wenig Neigung
fur so weitaussehende Plane empfinden liessen, hat er sich
doch seinen Pflichten gegen Land und Dynastie nicht ent-
ziehen woUen und die Sache ernstlich erwogen. Vielleicht
war es auch die Rucksicht auf Sachsen, was den Kurfursten
beeinflusste; er warnt nicht nur vor den Polaken, sondern
auch vor den „andern Leuten, die fast sehre auch danach
stehen", und deren Aufkommen den Brandenburgern Ver-
derben bringen werde. Konnten doch sowohl Herzog Wil-
helm als Herzog Albrecht Erbrechte, wenn auch senr un-
sichere, fiir sich anfuhren; ersterer hatte es schon gethan,
und letzterer trat bekanntlich nach Georgs Tode damit
hervor. Mit Eecht weist Droysen, dem wir die ein-
gehendsten Belehrungen liber jene Verhandlungen zwischen
dem Legaten und Brandenburg verdanken^ auf sonder-
bare Vorschlage hin, welche die Wettiner im Jahre 1466
gemacht batten und die allerdings auf weitreichende Ent-
wtirfe schliessen lassen. Es handelte sich dabei um nichts
feringeres als um einen Verkauf der Mark Brandenburg an
Iriist und Albrecht, die dagegen Vogtland und Thiiringen,
dasihnenja nach dem Tode des kinderlosen Oheims zufallen
musste, zum Kaufe anboten. In der That ein Vorschlag,
dessen Verwirklichung die gesammte neuere Geschichte in
ganz andere Bahnen hatte lenken konnen. Markgraf
Albrecht Achilles, der, wie tiberall, so auch bei dieser
Gelegenheit das letzte Wort in der Politik seines Hauses
zu sprechen hatte, liess sich auf den ktihnen, wenn auch
vielleicht jugendlich ktihnen Plan nicht ein.^)
Er war es auch, der nach reiflicher Ueberlegung
jetzt den Bruder bestimmte, die bohmische Krone auszu-
schlagen. Wir konnen hier auf die Grtinde nicht naher
eingehen und heben nur hervor, dass die gesammten Ver-
handlungen das Verhaltnis der Brandenburger zu Georg
doch weit weniger eng erscheinen lassen als das der sach-
sischen Fursten. Markgraf Albrecht slussert einmal bei Er-
wahnung einer auf den 24. April 1468 angesetzten Zu-
sammenkunft mit den Wettinem und den Landgrafen von
Hessen, bei welcher die so oft besprochene und noch immer
nicht entschiedene Frage der Erbhuldigung zur Sprache
kommen soUte: -Wtirden sie den Braten schmecken von
*) Vergl. Droysen, Sitzungsber. der K. sachs. Gesellsch. d. Wissai-
schaften IX (1867), 146 fgg. u. Gesck d* preuss. Politik If, 1, 235 fgg.
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Studien zur Gesch. der sachs.-bohm. Beziehungen 1468—71. 3
Bohmen^ es wtirde nichts daraus. Unser Bnider weiss,
wie sie dem Konige gewandt sind. WoUten sie mit ihm
gekriegt haben, sie batten ihm nicbt Land und Leute
gegeben und sich zu ihm gefreundet." *)
Als die Zusammenkunft dann um die festgesetzte Zeit
zu Schleiz stattfand, wurde auf derselben die Verraahlung
des Markgrafen Johann von Brandenburg mit der Tochter
des Herzogs Wilhelm, deren Vollziehung man erst auf
Pfingsten 1468, dann auf Estomihi 1470 in Aussicht ge-
nommen hatte, bis zum Jahre 1473 verschoben; auch
dies diirfte darauf hindeuten, dass in der That die boh-
mischen Verhaltnisse die sachsisch-brandenburgischen Be-
ziehungen zu lockem anfingen. *)
Die Rolle, die der Polenkonig und der Brandenburger
nicht spielen woUten, tibernahm bekanntlich K<5nig Matthias
von Ungam. Mit dem Angriffskriege gegen Oesterreich,
den Prinz Victorin,. des BShmenkonigs Sohn, seit Ende
Januar 1468 fuhrte, erhielt der Kampf einen anderen
Charakter; er war nicht mehr bios ein Krieg des Lehns-
herrn gegen die Vasallen. Seit dem Eingreifen des
UngarnkSnigs aber, der im April mit einem trefflich ge-
riisteten Heere in Mahren erschien, wandte sich das Waffen-
gliick mehr und mehr von Georg ab. Jene 5,acht Un-
gluckswochen" von Mitte August bis Mitte October 1468
schienen den Gegnem den nanen Sieg in sichere Aussicht
zu stellen.
Die Haltung der sachsischen Fiirsten blieb auch jetzt
eine voUkommen neutrale; wenn man von Hilfstruppen
zu erzahlen wusste, die sie dem K5nig Georg gestellt, so
war dies wohl ein ungerechtfertigtes Gerticht.*) Dass
man ihnen jedoch auf der Georg feindlichen Seite miss-
traute und scharf auf die Finger sah, beweist, wohin
nach der allgemeinen Meinung ihre Sympathien neigten.
Dies Misstrauen trat besonders bei der Belagerung von
Hoyerswerda zu Tage, die bis liber die Mitte des Jahres
1468 hinaus dauerte. Schon im Januar wusste Jaroslaw
von Sternberg, der Landvogteiverweser , den Gor-
litzern zu melden, „dass etliche Bohmen zu Meissen im
*) Instruction far Albrecht Styeber von 1468 Marz 15 bei Riedel, Cod.
dipLBrand. in, 1,480. Vergl. tiberhaupt ebendaselbst 454 fgg. Palacky,
Gesch. Bdhmens IV, 2, 492 fgg. Kluckhohn, Ludwig der Reiche 281 fgg.
») Urk. von 1468 Apr. 26. Riedel II, 5, 121. Vergl. Droysen,
Gesch. d. preuss. Politik II, 1, 286.
•) Vergl. Lichnowsky, Gesch. d. Hauses Habsburg VII, 112.
1*
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4 Hnbert Ermisch:
Lande an etlichen lieimlichen Oertern lagen und raeinten
die auf Hoyerswerda zu starken." ') Bedenklicher schien
die Sache werden zu wollen, als Anfang Juli 1468 die
Markgrafen mit nicht unbetrachtlichen Truppen nach
Senftenberg kamen; eine Diversion gegen Hoyerswerda
oder auch gegen Luckau wurde befiirchtet. Man erzahlte
sich, Konig Georg und die Herren von Schonburg batten
das Schloss den sachsischen Fiirsten angeboten, und dies
klang nicht eben unwahrscheinlich; allein man wusste
auch schon, dass die Fiirsten, ihrer sonstigen Haltung
entsprechend, das Anerbieten abgelehnt hatten. Als man
dann weitere Nachrichten einzog, erfuhr man, dass die
Truppen nur in 200 Reisigen und 600 Trabanten bestan-
den, die der von Kockeritz dem Kurfiirsten von Branden-
burg zuftihren soUte. Hatte die Sache iiberhaupt eine Bedeu-
tung, dann war es gewiss nur die eines Scheinmanovers,
wofur die Hauptleute der Sechsstadte den Zug von Anfang
an gehalten hatten: „sie werden sich dahin fiigen urn Ge-
schreies willen, ob sie uns mochten abschrecken." ®)
Ein Heraustreten aus der Neutralitat lag in alledem
nicht. Ein solches hM.tte auch jetzt, nachdem Matthias
auf dem Kriegsschauplatze erschienen war, geradezu ver-
hangnisvoU fiir das Haus Wettin werden konnen. Die
Lage der Dinge in Deutschland war keineswegs derart,
dass man nur auf ein Signal wartete, um sich zu einem
Waffenbunde fiir Georg zu einigen.
Auch fallt noch ein anderes Moment schwer in die Wag-
schale. Es sind uns aus dem funfzehnten Jahrhundert meist
nur einzelne Faden feiner diplomatischer Gespinnste in
den Archiven erhalten, die wir mit Miihe zu einem Ge-
sammtbilde zu vereinigen suchen; es verfUhrt dies gar
leicht zu der Annahme, die Geschichte jener Zeit sei allein
in den Kabinetten gemacht worden. Man hiite sich jedoch
davor, diejenigen Einwirkungen zu unterschatzen, die das
gesammte geistige und materielle Volksleben auf die Welt-
ereignisse damals wie heute und zu jeder Zeit geiibt hat,
wenn auch nur diirftige Ueberlieferungen uber dasselbe auf
uns gekommen sind, Nicht umsonst hat die kluge Politik
der Curie zu alien Zeiten, seit den Tagen Gregors VII.-,
») Palacky, Urk. Beitr. 647. Vergl. diese Zeitschrift I, 265.
•) Palacky, Urk. Beitr. 550 fgg. Eine „Ausgabe den trabanten,
die man Markgraf Friedrich in die Mark sandte tercia in vigilia
Margarete" (Juli 12), ftthrt die Dresdner Stadtrechnung von 1468
(Rathsarchiv zu Dresden) an.
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Studieu zur Gesch. der s^chs.-bdhm. Bezieliuugen 1468--71. 5
einen Aufruf an die Massen gerichtet; wenn es gait, grosse
Erfolge zu erzielen. Auch diesmal setztc man den ganzen
Apparat der geistlichen WafFen in Bewegung, und, so oft
dieselben schon gebraucht und gemissbraucht waren, sie
zeigten sich doch noch als wirksam. In den meissnischen
Landen kam ihnen freilich ein selir schatzbarer Bundes-
genosse zu Hilfe: der tiefgewurzelte nationale Hass, der
die beiden Nachbarvolker von jeher, besonders aber seit
den Hussitenkampfen, trennte. So stand das Volk in der
bohmischen Frage entschieden nicht auf der Seite seiner
Herrscher. Es hatte seiner Zeit gemurrt; als es von d^i
Familienverbindungen vemommen, welche die Wettiner
mit dem Hause Podiebrad vereinen soUten*); es hatte
sp3,ter protestiert gegen jede thatige Unterstiitzung des
BohmenkOnigs. ***) Die Herrscher wussten sehr Wohl,
warum sie so grosses Gewicht darauf legten, dass die
Kreuzpredigt und sonstige aufregende Mittel in ihrem
Lande nicht zur Anwendung gebracht wiirden. Nichts
ist bezeichnender, als die oft angefuhrte Thatsache, dass
zahlreiche Studenten und Magister zu Leipzig und Erfurt
ihre Biicher und Kleider verkauften und oas Kreuz gegen
die Ketzer nahmen, wahrend gleichzeitig die Gelehrten
der Hochschulen dariiber disputierten, ob man die Gebote
des Papstes fur rechtsverbindlich halten soUe oder nicht *0
Der Umschwung in der Lage Georgs veranlasste den
Legaten, auch in Meissen jetzt energischer aufzutreten.
Schon Anfang M^rz 1468 hatte er durch den Minoriten
Jacobus jene BuUe vom 15. Mai 1467, durch welche ihm
•) Gravis illis temporibus rumor ortus est a populo undique in
Misna et Thoringia contra suos dominos de concordia cum hereticis
inita et affinitate contracta, maledicendo yituperando et ezpresse
publiceque eos maledicendo, dicentes non esse vestigium majorum
progenitorumque suorum, qui adversus hereticos Bohemos sanguinem
fuderint. Eschenloer (SS. rer. Sil. VII) 42. Vergl. das Schreiben
Wilhelms d. d. 1459 Mai 16. Ebendas. 43 fgg.
»«) Vergl. I, 227 dieser Zeitscbrift.
") Vergl. Palacky IV, 2, 421 fg. Kluckhohn 266. Ueber Ver-
handlungen zu Erfurt wegen der b5limiscben Eetzerei (1466) vergl. ein
merkwurdiges Schreiben o. D. bei Riedel, Cod. dipl. Brand, m, 1,
406. Ueber die Betheiligung von Leipziger Studenten s. I, 265
dieser Zeitschr. Legat Rudolf dankt 1468 Febr. 20 dem Hector und
den Magistem der Universitat Leipzig wegen ihres lifers, quod tot
legales persone . . . venumdatis eorum libris et vestibus refictisque
aliis rebus arma susceperunt, tbeilt mit, dass einige davon die Zit-
tauer unterstiitzen soUen, und stellt eine geeignete Verwendung der
iibrigen in Aussicht SS. rer. Sil. IX, 260 (Cod. dipl. Sax. reg. II,
11, 179).
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6 Hubert Ermisch:
die Befugnisse eines Lateranlegaten und weitgehende VoU-
machten gegen Georg und seine Anhanger tibertragen
waren^ formlich publicieren lassen; es ist wohl anzunehmen,
dass diese Sendung gerade fiir Meissen berechnet war,
wenn sich dies auch aus dem Wortlaut des betreffenden
Schreibens nicht ergiebtJ*) Gleichzeitig ersuchte Rudolf
den Meissner Domdechanten Heinrich Leubing, der damals
in Erfurt weilte, seinen Fiirsten und deren Rathen und
den Pralaten und Edien des Landes die Griinde, aus
denen der Papst gegen Geqrg so entscbiedeu vorgehe,
auseinanderzusetzen; Leubing schrieb in Folge dessen
einen erregten Brief an Bischof Dietrich und bat ihn
dringend, seine bisherige Haltung den Bohmen gegentiber
zu andem.^*) Vielleicht gab dies den Herzogen Anlass
zu einer neuenGesandtschaft nacli Eom; Heinrich von Ein-
siedel und Heinrich Truchsess trafen dort am 14. April
ein, erlangten aber keine Audienz beim Papste: „wen
seine Heiligkeit geantwort hat, es ware genugsam ge-
schrieben**. **)
Der Angriff Georgs gegen Kaiser Friedrich HI. hatte
den Zorn des Papstes aufs hochste gesteigert. Noch
scharfer lautete in diesem Jahre der am griinen Donners-
tag (14. April) ausgesprochene Bannfluch**); und wenige
Tage spater (am 20. April) ergingen zwei neue BuUen,
zu deren Publication Laurentius Rovarella, Bischof von
Ferrara, als Legat nach Deutschland gesandt wurde. Die
erste derselben verdammte alle diejenigen, die in irgend
welcher Weise, besonders aber durchZuftihrung von Lebens-
mitteln, Waffen u. dergl., die Ketzer begiinstigten, ver-
fugte die Beschlagnahme ihres Vermogens, verhangte das
Interdict liber ihre Aufenthaltsorte u. s. w.; die zweite
verlieh alien, die zu dem bevorstehenden Kriege Geld
beisteuerten oder selbst daran theilnahmen, Ablasse imd
andere kirchliche Spenden. ") An demselben Tage rich-
tete der Papst ein Schreiben an Kurfurst Ernst und Her-
»*) Wir kennen es nur aus einer im HStA. zu Dresden (WA.
Bohm. S. Kaps. IV BL 120 fgg.) vorhandenen Abschrift.
") 1468 Marz 13. Nam si in alia via non ambulaveritis, timeo
Eatriae periculum imminere, quod difficulter removebitur. Cod. dipl.
ax. reg. 11, 8, 178; vergl. die Anm. dazu.
**) Bericht des Meissner Domherrn Melchior v. Meckau, der
in papstlichen Diensten in Rom weilte, d, d. 1468 Mai 12. HStA.
WA. Italian. S. Bl. 10.
") SS. rer. Sil. IX, -264.
'•) Ebendas. 266 fgg., 267 fgg.
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Studien ziir Gesch. der s^cb8.-bdhiii. Beziehungeu 1468—71. 7
zog Albrecht; in welchem er dieselben dringend aufforderte,
die von ihm angeordneten Massregeln in ihren Landen
zuzulassen, insbesondere die Kreuzpredigt und Ablassver-
kundigung zu gestatten, den Handelsverkehr mit Bohmen
zu verbieten und der VerWendung des Zehnten von alien
kirchlichen Giitern zum Kampfe gegen die Eetzer keino
Hindernisse in den Weg zu legen. ' ')
Noch bevor diese Bullen und Scbreiben nach Meissen
gelangt sein konnen, liess die Fanatisierung der Massen
daselbst Zustande entstehen, die schlecbterdings unertrag-
lioh waren. Eine sehr merkwiirdige Episode, die sich im
Laufe des Sommers 1468 in Freiberg, zu jener Zeit einer
der bedeutendsten Stildte der sachsisclien Lande, abspielte,
erlaubt uns einen Einblick in das erregte Volksleben jener
Tage, der uns um so willkommener ist, je diirftiger und
trockener unsere Quellen gerade nach dieser Ricbtung im
iibrigen sind. Wir diirfen uns daher wohl gestatten,
den Vorgang etwas eingehender darzustellen, als es viel-
leicbt seiner Bedeutung im grossen Ganzen der politischen
Geschichte entspricht. ' *)
Etwa Anfang Mai raogen Emissare des Legaten Ru-
dolf, der inzwischen Bischof von Breslau geworden war,
die Kreuzpredigt in grSsserm Stile in den meissniscben
Landen begonnen haben. Auch in Freiberg erschienen
um diese Zeit einige Barfiissermcinche und riefen gegen
den Ketzer Girzik zu den Waffen; sie batten ausser-
ordentlich viel Erfoig. Eine gewaltige Aufregung ergriff
Stadt und Umgegend. An 400 Personen, darunter Lehns-
leute der Landesherren, angesessene Burger und Berg-
werksbesitzer, wie Lucas SchGnberg, Sigmund Eolbing,
Merten Ortwein, besonders aber viele Handwerker, liessen
sich mit dem Kreuze zeichnes. Diese ausserordentlich
Starke Betheiligung erklart sich einerseits zwar aus der
*') Abschrift HStA. Loc. 7216. Irrungen zwischen K. Georg
and dem Papste fol. 23.
*•) Unsere Hauptqiielle ist ein bisher unbeachtet gebliebenes
Aktenstack des Gemeinschaftlichen Archivs za Weimar (Beg. A fol. 28a
No. 73) ; da ich die betreffende Correspondenz in dem unter der Presse
befindlichen ersten Bande des Urkundenbuchs der Stadt Freiberg
(Cod; dipl. Sax. reg. II, 12) vollstandig mittheilen werde, so citiere
ich nicht die einzelnen Schriftstftcka Bisher waren tiber die Kreu-
zigerunruhen nur zwei landesherrliche Schreiben bekannt, die sich
im Freiberger Bathsarchiv befinden und von Klotzsch (Sammlung
yermischter Nachrichten I, 266 fgg.) abgedruckt and, soweit dies
ohne anderes Material moglich war, erlautert worden sind.
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8 Hubert Ermisch:
grossen Macht, welche die Geistlichkeit trotz der hie und
da hervortretenden Ziige von IndifFerentismus, ja von Ver-
hohnung kirchlicher Institutionen*®) noch immer iiber die
Gemiither liatte und welche auch den Bussprediger Jo-
hannes von Capistrano 16 Jahre frliher eine so gewaltige
Wirkung in Freiberg wie in anderen meissnischen Stadten
hatte ausiiben lassen; andererseits aber doch auch daraus,
dass die Monche den Kreuzfahrern die Sache so bequem
wie moglich zu machen suchten. Die papstliehen Gebote,
die sie verktindeten, untersagten jeden Verkehr mit Boh-
men und befahlen die Wegnahme aller Gtiter, die Bohmen
gehorten, aus diesem Lande kanien oder in dasselbe ein-
gefuhrt werden soil ten.*®) Es war vorauszusehen , dass
es an Uebertretungen dieses Verkehrsverbotes nicht fehlen
wiirde; denn die Bewohner der bohmisch - sachsischen
Grenze, namentlich der Bergwerksdistricte, waren auf
Zufuhr aus Bohmen angewiesen, und die Einfuhr hatte
selbstverstandlich auch die Ausfuhr solcher Artikel, die
man jenseit der Grenze brauchte, zur Folge. Wenn nun
auch die Kreuzfahrer eigentlich das Kreuz nahmen, um
in Bohmen gegen die Ketzer zu kampfen, so war es doch
viel leichter, bequemer und — eintraglicher, den Grenz-
verkehr zu iiberwachen, als mit den Waffen in der Hand
in das Land des streitbaren BohmenkSnigs, der schon
mehrmals grosse Kreuzigerschaaren zu paaren getrieben
hatte, einzudringen; und die Kreuzprediger scheinen eine
derartige grenzpolizeiliche Thatigkeit auch begunstigt zu
haben. Zwar waren eine Anzahl Freiberger Kreuziger
nach Kiesenberg und Graupen gezogen. Wir wissen nicht,
was sie dort gethan haben; jedenfalls aber kehrten sie
bald, schon in der ersten Halfte des Juni, nach Freiberg
zurtick. Verstarkt durch jieue Schaaren, betrachteten sie
'•) Manche Belege hierfiir bietet das „Verzellbuch" des Frei-
berger Raths^rchivs , das zahlreiche Verurtneilungen wegen Gottes-
lasterung, Schmahung geistlicher Personen und Storung des Gottes-
dienstes enthalt. Vergl. Klotzsch, Das Verzellen 189, 195, 196;
noch mehr wird im dritten Bande des Urkundenbuchs der Stadt
Freiberg, der eine Ausgabe des Verzellbuchs enthalten soil, mitge-
theilt werden.
•®) Es bezieht sich dies wohl auf eine der papstlichen BuUen
vom 16. Mai 1467, in welcher dem Legaten Rudolf u. a. Vollmacht
ertheilt wurde, bona quecunque mobilia et immobilia hereticorum
quibuscunque licite occupanda concedendi et donandi ac ea que
neretici ad terras catholicorum vel econtra ex terris catholicorum
in vel extra regnum ducerent aut duel facerent in predam dandi.
SS. rer. Siles. XI, 234.
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Stndien zur Gesch. der sachs.-bohra. Beziehungen 1468—71. 9
es nun als ihre Aufgabe, den Verkelir mit Bohmen zu
hindem. AUe dorthin bestimmten Waaren wurden con-
fiscirt; ja auch die Habe derjenigen, die wider die papst-
lichen Gebote zu murren wagten, war gefahrdet. Die
ganze Umgebung von Freiberg wurde beunruhigt; Fuhr-
leute wurden auf den Landstrassen ermordet, Pferde und
Gtiter weggenommen. Handel und Wandel litten darunter
furchtbar. Selbst in der Stadt war niemand sicher. Die
„leichtfertigen Leute, die das Kreuz in solcher Weise an
sich genommen batten", drangen in die Hauser der Burger
ein, suchten in denselben nach bohmischen Gutern und
drohten, wenn Einwendungen versucht wurden, mit Mord
und Misshandlung. Ueberall beriefen sie sich auf die
papstlichen Gebote^ und dies sowie die Furcht vor ihren
Gewaltthatigkeiten hielten sowohl den landesherrlichen Amt-
mann Nickel Monhaupt als die stadtisclien Behorden von
einem thatkraftigen Einschreiten ab.
Indes auf die Dauer konnte dies Unwesen doch nicht
geduldet werden. Mussten doch auch die landesherrlichen
Einnahmen, die ja zum grossen Theile in den Ertragnissen
der Bergwerke bestanden, schwer darunter leiden. Auch
konnte man nicht wissen, ob nicht doch noch die
meissnischen Lande in den Krieg verwickelt werden
wurden **) und ob man nicht in diesem Falle die Mannen
brauchen wiirde, die sich jetzt auf Leben und Tod der
Politik der Curie verschrieben batten.
Freiberg war dam als im geraeinsamen Besitz der
beiden Linien des Hauses Wettin**); ein gemeinschaft-
licher Amtmann vertrat die landesherrlichen Rechte. Das
nachste Interesse an der Herstellung eines geordneten Zu-
standes batten jedoch Kurftirst Ernst und Herzog Albrecht;
ihre Lande wurden in erster Linie durch das Treiben der
Kreuziger betrofFen. Aber ohne Zustimmung des Herzogs
Wilhelm woUten und durften sie nichts unternehmen. Sie
sandten daher ihren Obermarschall Hugold von Schleinitz
an denselben zur Berichterstattung ab imd entwarfen bald
darauf in einem langern Schreiben vom 6. Juni 1468 in
lebhaften Farben ein Bild von dem Unfuge, den die Kreuz-
•* (Am 30. Mai befahlen Ernst und Albrecht ihren Mannen,
sich in Kriegsbereitschaft zu halten , da sie gewarnt seien , dass
etliche Abgonner ihre Lande und Leute zu schadigen beabsichtigten.
WA. Defensionssachen Bl. 51.
") Verg]. den Burgfrieden vom 11. Nov. 1448, der im ersten
Bande des Freiberger Urkundenbuches zum Abdruck kommen wird
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10 Hubert Ermisch:
schaaren anrichteten. Ungem m5chten sie, so heisst es
in dem Brief e, den Geboten des h. Vaters zuwider handeln;
aber unter den obwaltenden Verhaltnissen konne man den
Zustand nicht langer dulden, sondem musse auf Mittel
und Wege denken, die Kreuziger dahin zu schaffen, wohin
sie gehorten.
Wilhelm stand der Sache femer; er hatte sich niemals
in dem Masse fur Oeorg interessiert als seine Neffen und
scheint zudem damals schon auf gespanntem Fusse mit
ihnen gestanden zu haben. In seiner Antwort vom
11. Juni spricht sich ein gewisses Misstrauen gegen ihre
Angaben aus; er findet es auffallig, dass noch keine Mel-
dung des Amtmanns und des Freiberger Rathes vorliege.
Auch versaumte er nicht, darauf hiAzuweisen, dass ihre
Vorfahren sich stets um den Christenglauben besondere
Verdienste erworben batten, und warnte davor, ihre Fuss-
stapfen zu verlassen. Dass dem Unfuge gesteuert werden
mtisse^ leuchtete indes auch ihm ein; er verlan^te aber,
seine Neffen soUten nar gemeinschaftlich mit ihm nandehi.
Man wurde einig, ein Schreiben an Vogt, Biirger-
raeister und Eathmannen zu erlassen ; allein liber die
Fassung desselben kam es zu weiteren Streitigkeiten. Uns
liegt sowohl der Entwurf Ernsts und Albrechts, als der
Gegenentwurf ihres Oheims vor. Der erstere, der das
Datum des 15. Juni tragt und nur im Namen von Ernst
imd Albrecht, nicht zugleich in dem des Oheims, abge-
fasst ist, beruhrt ziemlich ktihl die Thatsache der Kreuz-
predigt — wegen der Gebote des Papstes wtirden die
FUrsten dieselbe ungern verhindem woUen — und ent-
halt dann einen scharfen Verweis gegen Vogt und Rath,
weil sie das Treiben der Kreuziger nicht sofort mit aller
Energie unterdrtickt hatten; sie wiissten doch, wie die
Fiirsten bisher auf Frieden in ihren Landen gehalten
hatten; wer den Frieden brache, gleichviel an wem, mtisse
unnachsichtlich bestraft werden. Die Kreuziger soUen
versammelt und ihnen mit allem Nachdruck folgendes
vorgehalten werden. Diejenigen unter ihnen, welche als
angesessene Burger oder Lehnsleute den Landesherren
eidlich verpflichtet seien, hatten ohne deren Genehmigung
das Kreuz nicht nehmen diirfen; da es indes einmal ge-
schehen, so soUte ihnen gestattet sein, gegen die Bohmen
zu Ziehen; nur soUten sie dafUr sorgen, dass nothigenfalb
auch in ihrer Abwesenheit ihre Pflicht gegen ihre Lehns-
und Landesherren erftillt, also naraentlich bewaffhete Folge
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Studien ziir Gesch. der s&chs.-bdhm. Beziehungcn 1468—71. H
geleistet wiirde. AUe Kreuziger ausnahmslos soUten bei
stronger Strafe in Freiberg und ira ganzen Lande nie-
manden, gleichviel wer er sei und woher er komme, ohne
ausdriickliche Genehmigung der Landesherren an Leib
und Gut schadigen.
Die riicksichtslose Scharfe, die sich in dem Entwurf
ausspricht, billigte Wilhelm nicht. Sein Gegenentwurf
(vom 20. Juni) ist kiirzer, allgemeiner und viel milder
gehalten. Der Lehnspflichten und ihrer Verletzung durch
die Kreuznahme geschieht keine Erw'ahnung. Der Eath
wird aufgefordert, den Kreuzigern alle Plackereien zu
verbieten und sie zum Abzuge nach Bohmen zu veran-
lassen.
Wie der Befehl lautete, der schliesslich nach Frei-
berg gesandt wurde, ist uns nicht bekannt Jedenfalls
hatte er furs erste den gewUnschten Erfolg. Die Kreu-
ziger verhielten sich mehrere Wochen lang ruhig, und ein
Theil von ihnen hat vielleicht die Stadt verlassen; eben
zu jener Zeit lagen bedeutende Kreuzschaaren unter Fried-
rich von Schonburg bei Schlackenwerda in der Gegend
von Elbogen, und Konig Georg musste die Lande ringsura
gegen sie aufbieten.**) Andere Haufen, angeblich tiber
15000 ManU; wurden bei Pilsen von einer kleinen Anzahl
B5hmen in die Fiucht getrieben. Man erzahlte sich da-
mals, die sachsischen Herzoge hatten unter schweren Be-
drohungen die Ihren aus dem Kreuzheere abberufen ; ein
Geriicht, zu dem die Freiberger Auftritte Anlass gegeben
haben mochten. **)
Inzwischen war der papstliche Legat Laurentius Ro-
varella in Deutschland erschienen, um die oben erwShnten
papstlichen BuUen vom 20. April bekannt zu machen.
Anfang Juli hielt er sich mehrere Wochen in Gratz bei
Kaiser Friedrich auf und erliess von hier aus Verord-
nungen iiber die Kreuzpredigt, die zu gunsten des Krieges
gegen die Ketzer zu veranstaltenden Sammlungen u. a.
Obwohl es seine Aufgabe war, die Leidenschaften noch
mehr zu entfesseln, was er auch nach Kraften that, ent-
**) Palacky, Urk. Beitr. 544. Erwahnt wird dieser Zug Fried-
richs V. Schonburg mit Kreuzigern noch in einem Schreiben ver-
schiedener wegen Theilnahme an demselben aus Cadan vertriebener
Personen yon 1472 Aug. 18, in welchem sie Ernst und Albrecht um
Verwendung bei ihrem Herm Jan v. Lobkowitz wegen Wiederauf-
nahme bitten. WA. Bohm. Sachen K. II Bl. 132c.
") Eschenloer (SS. rer. Siles. VH) 187.
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12 Hubert Ermisch:
ging es ihm doch nicht, dass das bisherige zuchtlose Trei-
ben der Kreuziger der Sache, der sie dienten, mehr
schadete als nutzte; trotz ihrer grossen Zahl batten diese
Truppen bisber nocb nicht einen nennenswerthen Erfolg
zu verzeicbnen gehabt. Der Legat strebte dem abzu-
helfen und bestimmte daher, dass nur solcbe mit dem
Kreuze gezeicbnet werden sollten, die zum Kampfe ge-
eignet und im Stande seien, sich wenigstens sechs Monate
lang zu unterhalten; auch sollten die Kreuziger sicb nicbt
einzeln und ungerufen auf den Weg machen, sondem die
Befeble des Legaten oder seiner Commissarien abwarten.**)
Gleichzeitig verkiindeten Beauftragte des Legaten,
unterstutzt durch kaiserlicheEmpfehlungsscbreiben*^); aller
Orten die p'apstlicben BuUen vom 20. April. Bereits An-
fang Juli waren dieselben in Breslau bekannt geworden,
una Biscbof Rudolf sorgte fUr ibre scbnelle Verbreitung.*')
Am 21. August wurden sie in Freiberg zur oflfentlichen
Kenntnis gebracbt, nacbdem sie vorher in Meissen vor
Ernst und Albrecht officiell publiciert worden waren. *^)
Wir saben bereits, dass aucb in diesen BuUen jede Zufuhr
nacb Bobmen mit den strengsten Strafen bedrobt war. Es
bedurfte bios eines solchen Anlasses, um die nocb immer in
der Stadt weilenden Kreuziger zur Wiederaufnabme ibrer
angemassten grenzpolizeilicben Tbatigkeit zu bewegen. An
demselben Tage, an dem die papstlichen Gebote verkiindigt
wurden, kamen zwei Kaufleute aus Nurnberg und Leipzig,
die nacb Bobmen Handel trieben, von dort nacb Freiberg.
Niemand woUte sie beberbergen; so allgemein wurde der
Inbalt der BuUen respectiert. Die Kreuziger aber nabmen
den Kaufleuten ibre Pferde und eine Suriime Geld ab,
fubrten sie vor den Kreuzprediger und dann vor den
Ratb, und der letztere wusste, um sie zu retten, nicbts
besseres zu tbun, als dass er sie in den st^dtischen Ge-
wabrsam setzte. Scbon war aucb der Gottesdienst
wegen ibrer Anwesenbeit eingestellt worden; darum
hielt es der JRatb ftir das Beste, die Kaufleute aus der
") SS. rer. Siles. XI, 285.
••) 1468 Juli 13. Janssen, Frankfurts Reichscorresp. II, 1,
266. Das an Kurftirst Ernst gerichtete Exemplar des kaiserUchen
Schreibens abschriftlich HStA. Cop. 12 fol. 20.
") SS rer. Siles. IX, 267 Anm.
••) Bin von Rudolf am 12. Juli 1468 aufgenommenes notarielles
Transsumpt der BuUe Regnans HStA. Loc. 10 297. Verschiedene
alte Copeyen in Religionssachen 1468, 1566 fol. 1.
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Stadien zur (lescli. der s&ch8.-b0hm. Beziehnngen 1468 — 71. 13
Stadt zu entlassen, ihre Habe aber wurde^ theils der
BuUen wegen, theils um sie vor den Kreozigem zu
sichern^ zuruckbehalten. Kurfiirst Ernst und Herzog
Albrecht; denen der Bath eilends den Vorfall meldete,
waren sehr anfgebracht und verlangten sofortige Fest-
nahme der Schuldi^en. Am folgenden Tage, bevor noch
dieser landesherrliche Befehl emgetroffen war, griffen die
Kreuziger in Gemassheit der BuUe und auf Anweisung
der Priesterschaft, wie sie spater zu ihrer Entschuldigung
sagten^ funf Wagen mit Salz auf, die theils landesnerr-
lichen Unterthanen zu Frauenstein, theils den Herren von
Babenstein zu Biesenberg und dem Abte von Ossegg ge-
horten und nach Bohmen bestimmt waren, fuhrten sie
nach Freiberg und verkauften dort die Fracht. Der Bath
entbot nunmehr zwar die Kreuziger vor sich und machte
ihnen unter Bezugnahme auf die ergangenen lahdesherr-
lichen Befehle Vorstellungen; allein.diese beriefen sich auf
den Wortlaut der papstlichen Gebote und behaupteten
dreist, die Landesherren wtirden mit ihrem Vorgehen voUig
einverstanden sein.
Amtmann und Bath^ denen inzwischen ein neuer
scharfer Befehl; die „Strassenrauber und Landesbeschftdi-
ger" festzunehmen, von Ernst. und Albrecht zugegangen
war, befanden sich in grosser Verlegenheit; sie wollten
gem als ^fromme, christliche Leute** befunden werden,
wagten anderseits aber auch nicht, den Landesherren zu
trotzen. In ihrer Noth wandten sie sich (am 24. August)
an Herzog Wilhelm. Fast gleichzeitig schrieben diesem seine
Neffen (am 25. August) und erklarten energische Mass-
regeln fiir unumganglich nothwendig. Noch bevor ihr
Brief abgegangen war, lief die Nachricht eines neuen
durch Kreuziger begangenen Strassenraubes ein; die Frei-
berger hatten aber die Heimkehrenden nicht eingelassen,
und so hatten sie sich mit ihrem Raube nach Altzelle ge-
wandt. Dort trafen Ernst und Albrechf Anstalten, sich
ihrer zu bemftchtigen.
Am 26. August erschien der Freiberffer Amtmann
und der Rath, denen die Sache immer bedenklicher wurde,
in Meissen vor den Landesherren. Sie baten ihres sau-
migen Vorgehens wegen um Entschuldigung; sie hatten
gem, so sagten sie, die befohlenen Festnehmungen voU-
zogen, aber Gott wusste, dass sie es sich nicht getraut
hatten; ,,deim der Kreuziger waren so viele und faste
eigenwillig und wftren sehr in der Stadt gefreundet und
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14 Hubert Ermiscb:
batten auch von dem gemeinen Volke grossen Anhang,
weshalb sie ihnen kein Wort zu sagen wagten"; sie
mussten befiirchten; dass sie s^mmtlich erscblagen werden
wiirden, wenn sie die landesherrlichen Befehle ausfiihrten.
Sie standen auch sonst in grosser Gefahr; die Kreuziger
liefen ihnen durch Haus und Hof, und sie wUssten nicht,
ob sie in die Stadt eingelassen wiirden, wenn sie heim-
kehrten.
Ernst und Albrecht befahlen ihnen, sich sofort nach
Freiberg zurtickzubegeben, Handwerker und Gemeine vor
sich zu entbieten und sie zu befragen, wie sie sich den Kreu-
zigem gegeniiber verhalten woUten. So soUten sie in Er-
fahrung bringen, auf wie viel Beistand sie zahlen diirften.
Nothigenfalls woUten die Landesherren schleunigst zu Hilfe
eilen; sie batten ihren Marschall mit andern Hofleuten so-
fort in die Gegend von Freiberg geschickt und den Rath
angewiesen, auf seine Aufforderung Folge gegen die Kreu-
ziger zu leisten.
Als der Rath heimkehrte, gelangte er zwar ohne
Schwierigkeit in die Stadt; aber die Kreuziger, die sich
mehr und mehr in Gefahr fUhlten, batten sich auf dem
Kirchhofe der Peterskirche, ganz in der Nahe des Rath-
hauses und des Obermarktes, gesammelt und nahmen dort
eine bedrohliche Haltung an; sie wollten Kirche und
Kirchhof besetzen und sich in ihrem Besitze behaupten.
Offeher Aufstand und Strassenkampf schien bevorzustehen.
Doch fanden sich zum Gliick Verraittler, welche die Schaa-
ren zum Abzug aus der Stadt bewogen. Wohin sie sich
begeben, wissen wir nicht; spater haben sich zu LOssnitz
in der Grafschaft Hartenstein Pferde vorgefunden, welche
fltichtige Kreuziger dorthin gebracht batten. Freibergs
There wurden auf Befehl des Kathes besetzt, damit keiner
der Entwichenen wieder in die Stadt zuruckkehren konnte.
Dann berief der Rath, wie ihm befohlen war, Hand-
werker und Gemeine zusammen. Hire Antwort war zu-
friedenstellend ; die Kreuziger waren eben schon aus der
Stadt verschwunden und der von ihnen geiibte Terroris-
mus hatte aufgehort; auch schreckte wohl der Ernst, mit
dem der Kurffirst und sein Bruder die Sache auffassten.
Diese billigten die Massregein des Rathes und befahlen
ihm zugleich, Kundschaft uber die Kreuziger ein-
zuziehen und mit ihnen zu verhandebi, ob sie sich
gutwillig ergeben wollten; sie sollten sich in diesem
Falle am 29. August unbewaffnet vor Freiberg einfin-
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Stndien zur Gesch. der sachs.-bohm. Boziehungen 1468—71. 15
den; in die Stadt dUrften $ie jedoch nicht eingelassen
werdeti.*')
Trotz der friedlichen Wendung, welche die Sache
genommen und welche die baldige Heimkehr des Mar-
scballs yeruilasst hatte, hielten es £mst und Albrecht fttr
gut> die bewaffnete Demonstration^ die sie anfangs auf
den 27. August festgesetzt batten, noch nachtragKch zur
Ausftihrung zu bringen. Hit 1000 Mann zu Fuss und
300 Pferden begaben sie sich am 29. August nach Frei-
berg. Um der Geistlichkeit, „die solches viel zugerichtet
und gemacht hat? (wie es in einem Schreiben vom 2. Sep-
tember heisst); jeden Anlass zu nehmen, das Thnn der
Landesherren zu verdammen und zu hemmen, batten die-
selben den Bischof Dietrich von Meissen, der, wie wir
wissen, sich durch eine sehr gemdrssigte Gesinnung und
durch Treue gegen seine Ftirsten auszeichnete, mit sich
fenommen. An der Spitze eines Heeres batten sie leichtes
piel. Am 30. August frtth beschieden sie Rath imd Ge-
meine vor sich und trafen mit ihnen ein Abkommen, iiber
das sie absichtlidi oder unabsichtlich in dem an ihren
Oheim gerichteten Schreiben vom 2. Sentember keine
naheren Mittheilungen machten. Was die Raubereien der
Kreuziger betrifft, so sollte die geraubte Habe, soweit
dieselbe sich noch im Gewahrsam der Stadt befand, den
rechtm^ssigen Besitzern zurtickgegeben werden; soweit sie
nicht mehr vorhanden war, soUte die Stadt Ersatz daftir
leisten und sich an den in Freiberg zuriickgelassenen
Giitem der Entflohenen schadlos halten; die fliichtigen
Kreuziger aber, die der an sie ergangenen Aufforderung,
sich freiwillig zu ergeben, nicht nachgekommen waren,
soUten verfolgt und festgenommen werden.
Herzog Wilhelm hatte inzwischen von Schleiz aus, wo
er in jenen Tagen mit den Brandenburgern wegen eines
Blindnisses verhandqlte (vergL S. 24), in einem Schreiben
vom 29. August den NeflFen vorgeschlagen, dass beiderseitige
Rathe am 6. September in Freiberg die Sachen beizulegen
sttdien sollten. Als er nunmehr aus ihrer Antwort vom
*•) Vergl. das Schreiben vom 27. Aug. 1468. Samml. verm.
Nachr. 1, 266. Der Herausgeber glaubt (276), dass in der Wendung :
„ob sie sich ane not unde gutwilliglichen yn unser strasse gebm
wolten, so wolten wir die in unser strasse ufl&emen" das Anerbieten,
die Kreuziger in landesherrliche Erieffsdienstie aufeunehmen. ent-
halten sei. Doch ist mir ein Gebrauch des Wortes „stras3e" in diesom
Sinne ganz unbekannt.
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16 Hubert Ennisch:
2. September ihr einseitiges energisches Vorgehen erfdhr,
nahm er dies sehr libel auf. Er sandte sofort seine Rathe
Hermann Lugel und Lorenz von Kochberg nach Freiberg;
sie soUten erkunden, was fiir ein Vertrag zwischen Eath
und Gemeinde geschlossen worden sei, und sowohl den
Eathen seiner Neffen als dem Freiberger Rathe unumwunden
Wilhelms Missbilligung zu erkennen geben. Insbesondere
versagte der Herzog seine Einwilligung zu der Abraachung,
dass die Stadt Ersatz ftir die von den Kreuzigern geraubte
Habe leisten und sich dafur an ihre Giiter haiten sollte.
Die Verhandlungen der Rathe ftihrten indes bald zu
einer Verstandigung; Wilhelm erklarte sich schliesslich
im grossen und ganzen mit den getroffenen Massregeln
einverstanden; nur die Art, wie das confiscierte Gut er-
stattet werden sollte, scheint er noch bemtogelt zu haben.*®)
Inzwischen hatten mehrere der Kreuziger um freies
Geleit gebeten, um sich wegen der ihnen zur Last* ge-
legten Verbrechen zu entschuldigen. Wilhelm verwandte
sich ftir sie; aber Ernst und Albrecht nahmen Anstand,
ihr Gesuch zu gewahren. Es gebe viele Kreuziger zu
Freiberg und an anderen Orten, heisst es in ihrem Schrei-
ben vom 18. September, die an jenen Thaten unschuldig
seien, und diese wiirden in keiner Weise behelligt; aber
denen, welche die Raubereien verubt und den Petrikirch-
hof besetzt hatten, konnten sie kein Geleit geben.
Die Vertriebenen, deren Lage immer bedrohter wurde,
wandten sich nochmals an den Vogt und den Rath zu
Freiberg mit der Bitte, dass ihnen wenigstens ftir einige
Tage Geleit gegeben wtirde, damit sie sich sammeln
konnten; sie woUten sich dann ganz in der Landesherren
Gehorsam begeben. Auch erboten sie sich, das geraubte
Gut zurtickzuerstatten, soweit es noch in ihrem Besitze sei.
Vogt und Rath, die selbst in grosser Verlegenheit waren —
Ernst und Albrecht drangten sie, den Frauensteinern
schleunigst Ersatz zu leisten, Wilhelm hatte es verboten —
theilten ihr Gesuch am 21. September diesem wie jenen mit.
Einige Kreuziger hatten sich inzwischen nach Weimar
zu Herzog Wilhelm begeben und tiberreichten diesem
am 26^ September ein langes Schreiben, in dem sie .die
ganzen Vorgange von ihrem Standpunkte aus schilderten.
Sie beriefen sich dabei auf die papstlichen Gebote: nicht
»®) Das uns vorliegende fliichtige Concept eines Schreibens dea
Herzogs an seine Neffen vom 12. September ist nicht ganz ver-
^tandlich.
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Studien zur Gesch. der sftchs.-bdhm. Beziebnngen 1468—71. 17
um Gutes, sondem um Gottes Willen batten sie die Nahme
veriibt; batten sie gewusst, dass ibr Verfabren ibren Herren
unangenebm sei; so wiirden sie es ganz unterlassen baben.
Auf den an den Ratb ergangenen Befebl^ sie in Haft zu
nebmen, bs.tten sie sicb zu allem bereit erkl&rt; was man
von ibnen verlangen wiirde; da aber seien die Herzoge
mit vielem Voike — vielleicbt ^dureb iinbestandiges Vor-
bringen etlicber ibrer Abgonner" veranlasst — gegen sie
gezogen, nnd sie bMten in Sorge ftir ibr Leben flieben
miissen. Ibre neuerdings an den Katb gericbtete Bitte^ sie
wieder aufzunebmen, sei von den Landesberren al3ge-
scblagen worden. So seien sie vertrieben und mlissten
mit Weib und Kind zu Bettlern werden. Und docb seien
sie ibre Lebtage niemals R^uber gewesen^ sondem sie
batten sicb meist redlicb mit ibren Handwerken ernabrt;
Lucas Scbonberg aber mit seinem Bergbau — ^ich babe
euem Gnaden mebr Silbers geantwortet und erbauet als
irgend ein anderer in langer Zeit getban bat^, so sagt
derselbe von sicb. Sie baten den Herzog instandigst^ sie
wieder in Gnaden aufzunebmen und sicb aucb bei seinen
Neffen fUr sie zu verwenden.
Der Leser dieser beweglicben Bittscbrift fublt in der
Tbat Mitleid mit den Irregeleiteten. Bei vielen derselben
war es sicber nur eine absonderlicbe Art der Fromraig-
keit, die bei dem roben Cbarakter der Zeit diese gewalt-
tbatigen Formen annabm.
Wilbelm antwortete dem Freiberger Ratbe auf sein
Scbreiben vom 21. September ziemlicb kurz: er werde
bei einem auf den 10. October angesetzten Tage zu Erfurt
die Sacbe mit seinen Neffen des weiteren besprecben. Was
die Ruckgabe der Gtiter anlange, so werde ibnen ja wobl
seine Ant wort nocb in Erinnerung sein; was davon nocb
vorbanden, soUten sie den Besitzern iiberantworten, auf Ent-
scbadigung fiir das ubrige sicb jedocb gar nicbt einlassen.
Gern willigten Ernst und Albrecbt in die Abbaltung
eines Tages zu Erfurt. Zugleicb aber liessen aucb sie
Verbandlungen mit den Kreuzigem ankniipfen, und diese
verpflicbteten sicb scbliesslicb, nacb Leipzig zu kommen
und sicb in den Geborsam der Briider zu begeben. Was
dort abgemacbt worden ist, wissen wir nicbt; ebenso ist
uns nicbt bekannt, welcbe Bescblusse wegen der flttcb-
tigen Kreuziger auf dem nocb zu erwabnenden Tage in
Erfurt gefasst wurden, da das iiber denselben vorbandene
Instrument sie gar nicbt erwabnt. Jedenfalls wurde nocb
News Archiv f. 8. G. u. A. II. 1. 2
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18 Hubert Ermisch:
mehrmals, so im Anfange December zu Meissen, mit ihnen
verhandelt, schliesslich jedoch ein Ausgleich erreicht. Den
Beraubten zu ihi'er Habe zu verhelfen, liielt freilich schwer;
noch am 13. December erging ein Befehl an den Rath
zu Freiberg, derselbe soUe die Kreuziger zur Auszahlung
der 146 Schock 10 Gr., die sie den Frauensteinern als
Ersatz fiir das Geraubte zu geben sich verpflichtet batten,
nOthigen. ") Die Behauptung, dass sie in landesherr-
liche Kriegsdienste eingetreten seien, ist nicht beweisbar.^^)
Auch noch spater finden wir Spuren ihrer Thatigkeit.
So klagt Konig Georg in einem Schreiben an die herzog-
lichen Briider vom 20. Februar 1469, dass Paul Meissner
von Freiberg und sein Hausknecht Philipp Juncker der
Regina, der Frau eines gewissen Kaufmanns Valentin aus
Prag, seidene und andere Waaren in der Nahe von Frei-
berg abgenommen haben, und bittet, derselben zu ihren
Gutern wieder zu verhelfen.^*) Konnen wir hier nur
vermuthen, dass kein gewohnlicher Strassenraub, sondern
ein Werk der Kreuziger vorliegt, so ist dies in einem
anderen Falle, der noch mehrfache Reclamationen be-
wirkte, ganz klar. Unter den geraubten Salzwagen be-
fanden sich auch solche, die den Unterthanen der Agnes
von Landstein, zu Graupen in Bohmen gesessen, geh5rten;
den letztern waren einige der Rauber bekannt geworden,
und sie nannten die theilweise anderweit als Kreuziger be-
zeichneten Georg Wagner, Merten Ortwein, die Schuster
Grunbach und Zipser, die Biittner Feielrose und Gelhar,
Lorenz Strol, den Fleischer Georg von Dippoldiswalde.
Ihre Herrin hatte nun bereits zu wiederholten Malen so-
wohl die Stadt Freiberg als die beiden Herzoge um E^*-
satz fur den angerichteten Schaden, der auf 80 Schock
geschatzt wurde, gebeten; die FUrsten hatten ihr auch
mitgetheilt, dass einige Kreuziger sich mit ihnen ausge-
sohnt h3,tten, aber mit dem Zusatze, dass diese nicht im
Stande seien, den geforderten Ersatz zu leisten. Obwohl
nun Agnes von Landstein in einem Schreiben vom 21. Febr.
14G9 mit Recht darauf hinwies, dass ja die Thater sammt-
lich in Freiberg mit Haus und Hof angesessen seien und
dass die Landesherren sich also taglich an sie halten und
sie zwingen konnten. Ersatz zu leisten, blieb ihr Gesuch
*») Sammlung vermischter Nachrichten 1, 268.
V. ]Uangenn, Albrecht der Beherzte 410. Vergl. oben Anm. 29,
Original im WA. B6hm. Sachen K. I Bl. 203.
:?
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Studien zur Gesch. der s&chs.-bohm. Beziehungen 1468—71. 19
doch, wie es sclieint, erfolglos; noch im September 1469
schrieb sie dringend in dieser Angelegenheit und berief
sich dabei darai^, dass anderen der geforderte Ersatz ge*
leistet worden sei.**)
Noch 1470 waren die Kreiiziger nicht alien Ver-
pflichtongen zum Ersatz des Geraubten nachgekommen
und warden deshalb von Ernst und Albrecht mit einer
Geldbuflse von 100 Schock bedroht; dies veranlasste wieder
Beschwerden von seiten des Herzogs Wilhelm, liber welche
am 29. Januar 1470 auf einem Mtinzprobationstage zu
Leipzig verhandelt wurde,**)
Die Freiberger Kreuzigerunruhen sind nur eine ein-
zelne Episode aus jener aufgeregten Zeit ; an andern Orten
mag annliches vorgekommen sein. AUenthalben waren
die Bemuhungen der deutschen Piirsten darauf gerichtet,
dem Unwesen ein Ende zu machen.
Hauptsachlich diesem Zwecke dienten auch die Ver-
handlungen, die um die Mitte October zwischen den sachsi-
schen Fursten und dem Markgrafen Albrecht zu Erfurt
stattfanden. Sie betrafen insbesondere die Kreuzpredigt,
die Sammlung von Ablassgeldem, das Verbot des Verke&s
mit B5hmen und den zehnten Pfennig von der Geistlichkeit,
mit welchem der Papst dem Konige Matthias die stets
ausgehenden Kriegsmittel zu erganzen suchte.^*) Es wurde
vereinbart, dass der Furst, welchen der papstliche Legat
zuerst in dieser Sache angehen wtirde, nicnt sofort Ant-
wort geben, sondem die anderen benachrichtigen und
ihnen einen Tag zur Berathung anberaumen soUte; was
auf diesem Tage beschlossen werde^ soUte fiir alle bindend
sein. Zugleich wurde bestimmt^ dass man sich auch liber
das Verhalten der anderen deutschen Fursten unterrichtet
halten solle; Ernst und Albrecht soUten deshalb bei den
Erzbisch5fen von Salzburg und Koln, dem Pfalzgrafen
und den bayerischen Flirsten, Herzog Wilhelm bei den
Erzbischofen von Mainz und Magdeburg und bei den
»*) Original im WA. Bohm. Sachen Kapsel I Bl. 204. 294.
**) Gemeinschaftl. Archiv zu Weimar Reg. U fol. 24 No. 6.
»•) Vergl. Eschenloer (SS. rer. Sil. VII) 190 und das Schreiben
des Legaten Laurentius Rovarella an Bischof Rudolf von Breslau
d. d. 1468 Oct. 6 SS. rer. Sil. IX, 297. Eine Aufforderung des Erz-
bischofs Johann von Magdeburg an Bischof Dietrich von Meissen zu
einer Berathung wegen des Zehnten d. d. 1468 Oct. 29, die den
letztern zu sorglicher Wahrung seiner exempten Stellung dem Erz-
bischofe gegenuber veranlasste, s. Cod. dipl. Sax. reg. 11. 3, 180 fg.
2*
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20 Habert Ermisch:
Iiessischen Fursten, Markgraf Albrecht bei dem Erzbischof
von Trier, dem Bischof von MetZ; dem Markgrafen von
Baden, den von Wttrttemberg und anderen weltlichen
Fiirsten, Grafen, Herren und Edelleuten, sowie bei den
ihm nahe gelegenen Reichsstadten fleissige Forschimg
halten und das Ergebnis derselben den anderen mit-
theilen, ")
Ftir den November wurde ein Furstentag nach Miin-
chen ausgeschrieben, der jedoch nicht hier, sondern in
Landshut abgehalten wurde'®) und auf dem dieselben
Gegenstande zur Sprache kamen. Die sachsischen Her-
zoge sandten Burggraf Georg von Leisnig und Herrn
Kaspar von Schonberg ak ihre Vertreter dorthin und
wiesen dieselben an, vorher mit den Herzogen Ludwig
und Sigismund von Bayern allein zu verhandeln, um deren
Meinung in Erfahrung zu bringen. Ihre uns vorliegenden
Instructionen sind, wie dies leider gebrauchlich geworden
war, so gelialten, dass sie in der Hauptsache jeden Be-
schluss vereiteln mussten. Sie kniipfen an kiirzlich ein-
gelaufene papstliche und kaiserliche Schreiben an, welche
Sjreuzpredigt, Ablasshandel, Zehntenforderung und den
geplanten allgemeinen Krieg gegen Georg betrafen. Wur-
den sie um die Ansicht ihrer Fiirsten iiber diese Schreiben
befragt, so soliten sie erklaren, dass dieselben erst un-
mittelbar vor ihrer Abreise eingelaufen und ihnen die
EntflchlUsse ihrer Herren daher nicht bekannt seien;
sie soliten darum auch die Meinung der anderen Fiirsten
lediglich ad referendum nehmen. „ Von sich aus und nicht
auB unserm Befehle" soUten sie sodann die Anschauurigen
ihrer Herren liber die Kreuzpredigt, den Ablasshandel
und den Verkehr mit Bohmen vortragen. Die Kreuz-
predigt hatten dieselben schon vor einem Jahre gestattet
und woUten ihr, „wiewohl das zu der Zeit wenig Friicht
gebracht hatte", auch jetzt kein Hindernis in den Weg legen,
^doch so das flirder sollte verkundigt werden, dass das
mit Ordnung geschehe, als dass nicht das gemeine Volk
und unendlich Pofel alleine dazu bewegt und mit dem
Kreuze gezeichnet wlirde, dadurch ihren Gnaden als
Fiirsten der Lande mehr Widerwartigkeit dann den 13 n-
glaubigen davon entstehen mochte". Nur die besonders
»») HStA. Orig. 7989, ohne Datum. Angesetzt war der Tag auf
den 10. October, s. oben S. 17.
**) „Die fursten, so zum tag gen Miinchen beschieden sein, der
2U Landshut gehalten worden" HStA. Cop. 12. fol. 70 b.
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Studien zur Gesch. der s&chs.-bdhm. Beziebungen 1468 — 71. 21
BevollmEchtigten soUten das Kreaz ertheilen diirfen und
auch diese nur an solche, die gehdrig ffertistet und ihrem
Vermogen nach im Stande wftren, me festgesetzte Zeit
im Feme zu bleiben, nicht aber an leichtfertige Leute^
die nnr zum Scheine das Kreuz nehmen und dadurch
„eine Freiheit haben" woUten, einen Tag wider die Un-
gl^ubigen zu ziehen^ den andem Tag das Kreuz abzu-
reissen und davonzulaufen. Entschiedener noch soUten
die Gesandten sich gegen den Ablasshandel und die Er-
hebung des Zehnten aussprechen, weil durch ersteren
schon frtiher das niedere Volk, das zur ^Innigkeit^ ge-
neigt sei, furchtbar ausgesogen und viel Geld ausser
Landes gebracht worden sei> die Erhebung des Zehnten
von der Geistlichkeit aber in ihren Landen nie stattge-
funden babe; auch sei zu vermuthen, dass daS; was ein*
komme, zu anderen als den angegebenen Zwecken ver-
wendet werden mochte. Wenn von der deutschen Nation
etwas in der Sache geschehen solle^ so miisse ein „ge-
meiner Tag" angesetzt werden. Werde dann ein Reichs-
krieg beschlosseu; so wtirden die Herzoge es an sich nicht
fehlen lassen; aber allein den Krieg anzufangen und ihn
anderen abzunehmeu; das wurde ihnen und dem Beiche
nur schaden konnen.*®)
So hatte der Landshuter Tag nicht mehr Erfolg aU
seine Vorganger. Wenn hier und auf einem Speierer Tage,
der wohl kurz nachher stattfand, Anschlage Uber die zu
leistende Elriegshilfe aufgestellt wurden, so hatten dieselben
so gut wie gar nichts zu bedeuten. ^ )
Auch die Frage des Handelsverkehrs mit Bohmen
hatten die nach Landshut bestimmten Gesandten zu be-
rUhren gehabt: derselbe sei schon lange in Sachsen ver-
boten. £)as war wohl richtig, aber die Lage der Lande
und ganz besonders auch der Umstand, dass im Herbst
1468 eine Theuerung entstand, machten eine strenge Durch-
fuhrung des Verbots, wenn eine solche uberhaupt beab-
sichtigt war, unmoglich.*^) Der Legat zu Breslau, dessen
»•) HStA. Loc. 9300. Acta den Zug wider Gersiken betr.
1468. Der Credenzbrief filr die Gesandten d. d. 1468 Not. 9 s. eben-
daselbgt Loc. 7385 Acta die Cburfurstentage zu Frankfurt 1461,
Miincben 1468 u. s. w. fol. 2. Yergl. auch Jordan 296 Anm. und
Eluckhobn 283 Anm.
*•) HStA. Cop. 12 fol. 70.
*') Tempore autumni ist das jare in Mejssner lande und sust
an vil andern enden das nasse Jare gewest, hirumbe ein kleine zceit
theurung im lande worden. HStA. Cop. 1301 fol. 48.
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22 Hubert Ermisch:
riicksichtsvoUe Haltung wir schon mehrfach hervorzuheben
fehabt haben, tru^ dem Rechnung und bevoUmachtigte
en Dominicaner Dr. Joh. Breslauer fur gewisse Falle
mit der Ertheilung von Ablass wegen Verletzung der
papstlichen BuUe. Insbesondere soUte es den Bohmen ge-
stattet sein, Getreide, Korn und Hafer einzufuhren und
dafdr Salz, Haringe, gesalzene Fische u. a., aber nicht
Wehr und WafFen einzuhandeln und liber die Grenze zu
schafFen; doch soUten sie nicht linger beherbergt werden
als durchaus nothig und namentlich keine Kirche betreten.
Dies wurde in den Grenzorten Bohmens und im Lande selbst
bekannt gemacht.**) Die wiederholten Verbote und Dro-
hungen der Landesherren und des Legaten beweisen, dass die
Ausnahmen bald zur Kegel wurden; wir werden auf diesen
Punkt, der immer von neuem den Landesherren Un-
annehmlichkeiten bereitete, noch zurttckzukommen haben.
11.
Die Erfurter Abmachungen blieben wenigstens wah-
rend der nachsten Monate massgebend ftir die Politik von
Ernst und Albrecht. Als im December der Bischof von
Wiirzburg ein Ausschreiben wegen des durch die papst-
liche Bulle vom 20. April 1468 vorgeschriebenen Setzens
von Opferstocken in alien St'adten und Diocesen erliess
und gleichzeitig der papstliche Legat dem Markgrafen
Albrecht seinen Besuch auf Anfang Januar in Aussicht
*•) Vergl. ein Rundschreiben yon Ernst und Albrecht an die
Amtleute d. d. 1468 Nov. 16 (WA. Bohmische Sachen K. lY Bl.
124) und ein Schreiben des Bischofs Rudolf von Breslau an Bischof
Dietrich von Meissen d. d. 1468 Dec. 12 (Cod. dipl. Sax. reg. II.
3, 180). Bereits am 21. October hatte Joh. Breslauer den Leuten
der Frau von Waldenburg den Handelsverkehr mit den christlichen
pohmen gestattet. HStA. Orig. 8035. Vergl. auch den Dialog
des Johannes Rabensteineusis (Anfang 1469): Omnes oras confinium
penes Bohemiam frumento adipe pinguetudine in Bohemia coUectis
vivere oportet, quibus rebus commutacionis titulo sal, quo solum ad
victum necessario egent, et cetera Bohemi facile acquiruntj et
facient certe, quoniam absque frumento *ille vulgaris Bohemie vicmus
populus enervatur. Archiv f. osterreich. Gesch. LIV, 383. Vides
enkn, quot pene corporales et pecuniarie Theutonis, ne commeatum
salis ^ermittant, infiiguntur, quibus omnibus postpositis sal in com-
mutacionem frumenti dant, ne frumenta ceteraque careant annona,
cujus ob carenciam jam plerique fame compulsi suos dulcissimos
penates fere relinquere compelluntur ... In marchie Missnensis
confinibus magna tocius annone extat caristia et tanta, quod clamore
pauperum nimio Missnensibus ad aliquod tempus salis cum frumento
commutacionem legatus concessit pontificis summi. Ebendas. 398.
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Studien zur Gesch. der Bachs.-bohm. Beziehuugen 1468—71. 23
stellte, um, wie dieser glaubte^ die Landshuter Proposi-
tionen*^) noch einmal vorzubringen, machteu der Mark-
graf und Herzog Wilhelm sofort davon die nothige Mit-
theilung an Ernst und Albrecht und setzten auf den
15. Marz einen Tag zu Naumburg zu weiteren Verhand-
lungen an, zu dem auch Kurfurst Friedrich von Branden-
burg und der Landgraf von Hesscn geladen werden soUten. **)
Wenige Wochen nach dieser Korrespondenz, am l.Fe-
bruar 1469, wurden Ernst und Albrecht durch Schreiben
des Bischofs Laurentius von Ferrara, des Grafen Hugo
von Montfort namens des Kaisers und des Propstes Georg
von Pressburg namens des Konigs Matthias zu einem auf
den 19. Februar angesetzten Reichstage nach Regensburg
eingeladen. Ein dem kaiserlichen Schreiben beiliegender
Zettel besagte, dass auf diesem Tage verhandelt werden
soUe „von Hauptleuten und wie viel Volks zu Ross und
zu Fuss man aus deutschen Landen anschlagen soUe^,
ferner „um Verstandnis zu machen zwischen den Haupt-
leuten in deutschen Landen und demKonige von Ungarn".
Die Lage Georgs schien so bedenklich, dass man sich
nicht mehr hinter den Tiirkenkrieg verstecken zu brauchen
glaubte; andrerseits war aber doch Matthias nicht im
standc; allein mit dem Ketzer fertig zu werden. Die
sachsischen Fursten erfiillte die Botschaft mit nicht ge-
ringem Unwillen; sie verhehlten nicht, „dass es sie ver-
wundere, solche Sachen zu schreiben und vorzunehmen,
davon vorher mit uns alien unsres Wissens kein Handel
gewest ist." Aber es befremdete sie auch, dass ihr Oheim,
dem sie darliber berichteten und der, wie ihnen mitgetheilt
wurde, bereits vor ihnen ahnliche Schreiben erhalten hatte,
sie nicht davon unterrichtet habe.**) Wilhelm entschul-
digte sich: er habe gewusst, dass die Botschaft auch an
seine NeiFen kommen werde, und habe daher von einer
besonderen Benachrichtigung abgesehen; ubrigens werde
er, obwohl auch ihm tiber das Programm des Tages vor-
her nichts mitgetheilt worden sei, seine Boten doch nach
Regensburg schicken, jedoch nur zur Berichterstattung.**)
*•) Ueber dieselben sind wir Ubrigens nur mittelbar durch die
oben erwahnte Instruction der sachsischen Gesandten unterrichtet.
**) WA. Bohm. Sachen Kaps. IV Bl. 125. Bejahende Ant-
wort d. d. 1469 Jan. 22 (Concept) ebendas. Kaps. V Bl. 264.
**) Bachmann, Urk. und Aktenstiicke 456. Concept WA. Bohm.
Sachen K. IV Bl. 126.
*•) Bachmann a. a. 0. 457. Original WA. a. a. 0. Bl. 127.
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24 Hubert Ermisch:
Ohne Zweifel entsprach die Haltung Wilhelms nicht
ganz den Erfurter Verabredungen. Das Einvemelimen
zwischen Oheim und Neffen schien liberhaupt ein immer
weniger gates zu werden, wahrend die Politik der Bran-
denburger sich mehr und mehr der Wilhelms naherte.
Bereits im Soramer 1468 hatte der letztere auf einer Zu-
sammenkunft zu Schleiz eine engere Vereinigung mit jenen
geschlossen.*') Die Freiberger Wirren batten schon Zeug-
nis von einer bedenklichen Gereiztheit zwischen den beiden
Linien des Hauses Wettin abgelegt. Dazu kamen neben
den niemals aufhorenden Mlinzdifferenzen vor allem zwei
Punkte, die viel boses Blut machten: die Erbhuldigung,
welche die jungen Herzoge bis jetzt vergeblich von den
Gebieten ihres Oheims geiordert batten, und der Schutz,
den sie dem mit Wilhelm verfeindeten Grafen Ernst von
Hohnstein angedeihen liessen. Was die Erbhuldigung an-
langt, so batten Ernst und Albrecht auf Grund der be-
stehenden Familienvertrage unmittelbar nach ihres Vaters
Tode darum ersucht; Wilhelm jedoch hatte verlangt, dass
sie zunachst die (Gesaramt-)Belehnung vom Kaiser em-
pfangen soUten, und als sie diese erlangt, sie immerfort
hingehalten. Vergeblich wurden die Neffen immer dringen-
der; weder auf dem Tage zu Naumburg am 15. Marz 1469,
noch auch bei spateren Verhandlungen, die wir im ein-
zelnen bier nicht verfolgen konnen, erlangten sie, was sie
wollten.**) Ende Juni 1469 woUte Hexzog Albrecht noch
einmal personlich mit Herzog Wilhelm dariiber sprechen;
auf einer Reise an den kaiserlichen Ho^ die wir in an-
derem Zusammenhange zu erwahnen haben werden, be-
suchte er auch Jena und bat den Oheim, dort zu einer
freundlichen Unterredung zu erscheinen. Allein als Al-
brecht nach Jena kam, war in seinem Gefolge eben jener
Graf Ernst von Hohnstein, und fur diesen Fall hatte Wil-
helm seinen Rathen Befehl gegeben, zu sagen, dass er
verhindert sei. Albrecht reiste ihm darauf nach Rudol-
stadt nach, wo Wilhelm sich beim Grafen Heinrich von
Schwarzburg aufhielt; der erztimte Oheim wich ihm auch
bier aus. Seine Antwort auf Albrechts unwilligen Brief,
in dem derselbe seine vergeblichen Bemiihungen schilderte,
sprach sich rund und entschieden gegen die Vornahme
*») Vergl die Urkk. von 1468 Aug. 28 bei Riedel, Cod. dipl. II,
6, 124. 126.
*») Die betreflfenden Schriftstticke befinden sich im WA. Hand-
schreiben bl. 83. Huldigungssachen 61. 1—7. Irrungen Bl. 6—8.
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Studien ziir Gesch, der Bachs.-bdhm. Beziehungen 1468—71. 25
der Erbhuldigung aus. Albrecht woUte nun die Sache am
kaiserliclien Hofe weiter fiihren und erbat sich Zusendung
der betreffenden Urkunden des Meissner Archivs nach
Numberg.*')
Es ware von nicht geringem Interesse, die tieferen
Ursachen dieser heftigen Verstimmung zwischen den Hofen
von Weiraar und Meissen und der au^allenden Weigerung
Wilhelms einer doch wohl unzweifelhaften Verpflichtung
gegeniiber zu kennen; aus den uns vorliegenden Akten
ergeben sie sich nicht, auch ist es nicht unsere Aufgabe,
ihnen hier weiter nachzugehen. jLagen ihnen vielleicht
Combinationen zu Grunde, die es Wilhelm geflissentlich
vermeiden liessen, seine Neffen als Erben anzuerkennen?
Die politische Hinterlassenschaft des Markgrafen Albrecht
von Brandenburg, die iiber so viel dunkles Auskunft
giebt, lasst uns hier vollstandig im Stiche. —
Doch wir sind den Ereignissen vorangeeilt und kehren
wieder in den Anfang des Jahres 1469 zurtick. Der an-
gektindigte Reichstag fand vom 22. Februar bis 11. MUrz
zu Regensburg statt, war aber sehr schwach besucht und
hatte so gut wie kein Resultat Der Reichskrieg gegen
B(ihmen,.der Hauptgegenstand der Tagesordnung, schei-
terte daraO; dass die s^chsischen und brandenburgischen
Gesandten erklarten, sie batten keine andere Vollmacht
als „zu vemehmen und zu horen, was das Vomehmen
sei, und das wieder an ihre gn. Herren zu bringen",
wahrend Herzog Ludwig von Bayern dem Plane nicht
abgeneigt war.*®) Wohl mochte der Legat zornig sein
auf die Herren von Meissen**), deren Emfluss man ge-
wiss nicht mit Unrecht die Hauptschuld an dieser aus-
weichenden Antwort gab. Ebenso wenig kam es zu der
vorgeschlagenen Einung der Ftirsten mit dem Kaiser^ in
die auch Konig Matthias aufgenommen werden sollte;**)
*•) Vergl. WA. Handschreiben Bl. 3. 84. 117. 82.
•®) Vergl. den Bericht des Joh. Hansner nach Eger von 1469
Marz 7 bei Bachmann a. a. 0. 460. Den Irrthum Palackys (IV, 2,
558), der annimmt, wegen der Abwesenheit der sftchsischen und
brandenburgischen Gesandten sei kein Beschluss zu Stande gekom-
men, hebt bereits Kluckhohn 287 Anm. hervor. Die Instruction Lud-
wigs filr Martin Mayr s. Kluckhohn 380 fgg.; die Hauptmannschafb
in dem etwaigen Reichskriege wttnschte Ludwig einem sachsischen
oder bayerischen Ftirsten tlbertragen zu sehen.
»») Item der legat ist zornig auf den herm von Meissen. Bach-
mann a. a. 0. 464.
*') Hieran glauben wir, mit Eticksicht auf die den sachsischen
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26 .Hubert Ermisch:
endlich hatte auch Ludwi^ keinen Erfolg mit dem Plane
einer Defensivallianz zwiscnen Pfalz, BayeiHy Sachsen iind
wenn nothig Brandenburg, der ihn eifrig beschaftigte. **)
Der einzige Beschluss, der aof dem Tage gefasst wuide,
war der, dass auf Georgi (23. April) eine Vorberathung
der furstlichen Rathe zu Begensburg, am 11. Mai ein
neuer Reichstag zu Ntimberg stattfinden sollte.
Noch waren die Verhandlungen in voUem Gauge, als
ein Ereignis bekannt wurde, das die gesammte Saddage mit
einem Schlage umzugestalten schien. Rouig Georg hatte
seinen Gegner bei Wilimow so eingeschlossen, dass dem-
selben nur die Wahl zwischen Untergang und Capitula-
tion blieb. Die Folge war der am 27. Februar zu
Auhrow abgeschlossene Waflfenstillstand, an den sich
Friedensverhandlungen zu Olmiitz anschliessen soUten.
Ganz unverhofft zeigte sich am politischen Horizonte noch
einmal die Moglichkeit eines friedlichen Ausgleichs, und
es ist bezeichnend, dass, so fanatisch das Volk jener Tage
auch war, doch diese Aussichten allgemein mit Jubel be-
griisst wurden.**)
Unter dem Eindrucke der Capitulation von AVilimow
schloss der Regensburger Reichstag; unter demselben Ein-
drucke fand auch die verabredete Zusammenkuolt zwisclien
den drei sachsischen Ftirsten und dem Markgrafeu Albrecht
von Brandenburg zwar nicht am 15., aber am 21. Mtlrz
zu Naumburg statt;**) sie diente unter den vertoderten
Verhaltnissen jetzt haupts^chlich zu Vorbesprechungen liir
die auf Georgi festgesetzten Regensburger Conferenzen.
Es waren dieselben Personen, die wenige Mimate friilier
sich in Erfurt zu gemeinsamem Handeln verbmiden batten;
indes mag die Hoffnung, dass der Krieg demnftchst ein
Ende nehmen werde, oder raogen die wiederholtenZwistig-
FUrsten fibermittelten Reichstagspropositionen (oben S. 23), trotz der
leisen Zweifel Eluckhohns (287 Anm.) festhalten zu niiissen.
*•) Vergl. die schon erwahnte Instruction bei Kluckhohn 380.
Sonstige Nachrichten tlber den Regensburger Tag bei Palacky IV,
2, 666 fgg. Kluckhohn 284 fgg.
**) Interea multi et varii rumores in terra Misne et aliis pro-
vinciis oriebantur de tractatibus illis; communis omnioin opinio de
firmata pace fuit; cam ad malum omnes loquentes inclinati proh dolor
sunt, scandalum sedis apostolice malentes quam honorem. Eschen*
loer (SS. rer. Sil. VII) 200. Vergl. Palacky IV, 2, 566 fg.
") Verffl. obei. S. 23. 1469 Marz 15 erklaren Herzog Wilhelm
und Markgrai Albrecht. nicht, wie beabsichtigt war, am 19^ sondem
erst am 21. Marz nacn Naumburg kommen zu konnen. WA. Hand-
schreiben Bl. 1.
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Studien zur Gesch. der sachs.-bohm. Beziehungen 1468—71. 27
keiten und das gegenseitige Misstrauen die Ursache ge-
wesen sein, der Naumburger Tag hob jene Erfurter Ver-
bindimg v5llig auf. Auf die Frage des Markgrafen, ob
sie in Kraft des Abschieds zu Erfurt gemeinecbaftlich
zu Regensburg handeln woDten, antworteten Ernst und
Albrecht: sie batten jenem Abschiede Geniige geleistet
und es sei nicht nothwendig, ferner ^in Kraft desgelben"
zu handeln; trotzdem erklarten sie sich zu einer gemein-
samen Haltung bereit. Auch bei diesen Vorbesprechungen
standen die beiden Punkte ira Vordergrunde , die jiingst
auf dem Regensburger Tage den Mittelpunkt der Ver-
handlungen gebildet batten: das Bundnis mit dera Kaiser
und der Krieg gegen Georg. La Bezug auf ersteres er-
klarte Albrecht, dass seine Rathe die Sache nach wie
vor nur ad referendum zu nehmen batten, und dera
scblossen sich die meissnischen Fursten an. Was Georg
anlangt, so ausserten Ernst und Albrecht, so lange sie den
Krieg vermeiden konnten, wtirden sie es thun; ^wo es
aber ja auf das Harteste kommt und Ehren und Gewissens
halber nicht anders sein mag, woUen sie sich von Papst,
Kaiser, Kurfursten und andern christlichen Fursten im
Reich nicht setzen." Markgraf Albrecht bezeichnete dies
auch als die Ansicht des Hauses Brandenburg; er traute
indessen seinen Schwagern gar nicht recht: ^Wir halten
es dafur, dass sich unsere Sch^ager weiter vertieft haben
um ihres eignen Nutzens willen, dann sie vielleicht uns
sagen, oder wissen vielleicht, dass der Girsick eine Rich-
tigung hat, von der wir nichts wissen, imd sie meinen
vielleicht,^ wir sollten aussher bledern, dass sie den Dank
gegen ihn allein behielten. Wir wollen Forschung nach
den Dingen alien haben; desgleichen wollen wir auch
thun, auf dass man sich von alien Theilen darnach habe
zu richten; denn die 'Sage ist hie, sie seien gerichtet." *®)
Der Kurfurst schloss sich der Meinung seines Bruders
in alien Stiicken an; den Krieg mit Bohmen wollte auch
er so lange als irgend moglich vermeiden, von dem Bund-
nisse mit dem Kaiser aber voUends g|Lr nichts wissen.*')
*•) Schreiben des Markgrafen Albrecht an KurfCirst Friedrich
d. d. 1469 Marz 23 bei Palacky, Urk. Beitr. 567 und Riedel, Cod.
dipl. Brand. Ill, 1, 499. Das Schreiben haben Minutoli (Kaiserl.
Buch 330) und Droysen (Sitzungsberichte der k. s&chs. Gesellsch. d.
Wissensch. 1857. IX. 171 fg.) irrig ins Jahr 1468 gesetzt; vergl.
Palacky IV, 2, 569 fg. Droysen, Gesch. d. preuss. Politik II, 1, 244.
*^ Schreiben von 1469 April 5 bei Riedel III, 2, 42.
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28 Hubert Ennisch:
Es war nur ein triiglicher Schimmer von Frieden
gewesen, der im Marz die Gemiither erfreut hatte. Zwar
schien es eine kurze Zeit, als beabsichtige Matthias, seinen
Ehrgeiz auf ein anderes Ziel zu lenken: auf die romische
Konigskrone; er maclite insgeheim Anstrengungen , sie
mit Hilfe seines bisherigen Gegners Georg zu erlangen,
und dieser schien auch nicht abgeneigt, ihn zu unter-
stutzen, jedoch nicht ohne Wissen und Willen der bran-
denburffischen und sachsischen Fiirsten. Span von Barn-
stein, em in Georgs Diensten viel gebrauchter Diplomat,
war in dieser Sache im Marz 1469 zu Baiersdorf bei
Markgraf Albrecht. **) Doch musste der Ungarnkonig
bald einsehen, dass die deutschen Fiirsten wenig Neigung
empfanden, einen Auslander und ganz besonders ihn sich
zum Herrn zu setzen. Sobald ihm dies klar geworden,
strebte er nur danach, die Fesseln des Wilimower Ver-
trages mSglichst bald abzustreifen. Das wurde ihm leicht;
denn sein Bundesgenosse war ja die Macht, die losen und
binden konnte. Wir gehen in das Detail der Olmiitzer
Verhandlungen nicht weiter ein: ihr Resultat war nicht
der Friede, sondern nur eine Verlangerung des Waffen-
stillstandes bis Neujahr 1470, zugleich aber auch wenige
Tage spater die Wahl des Matthias zum Konige von
Bohmen (3. Mai 1469), die jenen Waflfenstillstand noth-
wendig aufheben musste.* Von neuem sah sich Georg
vor die Entscheidung des Schwertes gestellt. „Ich sah
nie keinen grossmiithigen Mann lieber Friede haben;
doch hat er nun erlernt, dass er den Frieden erkriegen
muss und nicht mit Geduld oder Gtitigkeit erlangen mag'',
schreibt Gregor von Heimburg am 4. Juli 1469 an Mark-
graf Albrecht.
Beide Theile waren jedoch in zu hohem Grade er-
schopft, als dass der Krieg sofort hatte ausbrechen konnen.
Monate vergingen unter Vorbereitungen und insbesondere
unter diplomatischen Verhandlungen; Matthias und Georg
sahen sich nach Bundesgenossen um. Diese Bedeutung
hatte es, wenn dep bOhmische Landtag zu Prag Anfang
Juni 1469 den pomischen Prinzen Wladislaw zum Nach-
folger Georgs, der langst darauf verzichtet hatte, die
Krone in semem Hause zu vererben, designierte; gleich-
**) Seine Instruction bei Bachmann a. a. 0. 485. Yergl. auch
das eben citierte Schreiben Markgraf Albrechts von 1469 M&rz 23
und die Schreiben von 1469 M3rz 26 und April 3 in Hdflers Eais.
Buch 186 fgg.
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Studien zur Gescb. der 8&chs.-b5hm. Beziehangen 1468—71. 29
zeitig wurde ein Blindnis mit Polen eingeleitet. Auch
mit Frankreich und Burgund verhandeltc Georg.**)
Um die Gunst der deutschen Fiirsten warben beide
Konige. Auf den Frobnleichnamstag 1469 (1. Juni) batte
*Komg Mattbias nacb Breslau, wo er die Huldigung der
Schlesier und Lausitzer entgegen nebmen woUte, sowobl
den KurfUrsten Friedricb von Brandenburg*®) ais die
alk^bsiscben Herz5ge Ernst und Albrecbt eingeladen. Ueber
die Verbandlungen, die Matthias mit den Brandenburgern
pflog; sind wir aus den Korrespondenzen des KurfUrsten
mit seinem Bruder Albrecbt gut unterricbtet. Er verlanfipte
ein Biindnis imd stellte dagegen Landerwerb und Geld-
gewinn in Aussicbt. AUein RurfUrst Friedricb benahm
sicb Yorsicbtig und zuriickbaltend, besonders da Mattbias
sicb auf die brandenburgiscber Seits gewUnscbte ebelicbe
Verbindung mit der Tocbter des KurfUrsten nicbt ein-
iassen zu woUen scbien. Es kam scbliesslicb zu gar nicbts
als zu sebr allgemein gebaltenen Freundscbaftsversiobe-
rungen.**) Was Matthias mit den Ratben der sftchsiscben
Fiirsten verhandelt bat — personlicb scbeint keiner der
letzteren erscbienen zu sein, oowobl Albrecbt anfangs nacb
Breslau zu reisen beabsicbtigte **) — , wissen wir nicbt;
seine Anerbieten werden khnlicb gelautet baben, vielleicbt
stellte er ibnen Gebietserweiterungen in der Oberlausitz
in Aussicbt.
*') Yergl. das Schreiben des Markgrafen Albrecbt von 1469
JuH 1 bei Hofler, KaiserL Buch 196 fg. (Kiedel III, 1, 511).
••) 1469 Mai 16 theilt Kurfarst Friedricb die an ihn ergangene
Einladung Ernst and Albrecbt mit and bittet sie, ibm Rfttbe and
Amtsiente zur Hilfeleistang anzuweisen, wenn in der Zeit seiner
Abwesenbeit dem Lande etwas zustiesse, wozu sicb die FOrsten be«
reit erklarten. WA. Brandenbarg. S. Kaps. II Bl. 226 fg.
•') Schreiben Karftirst Friedrichs von 1469 Jani 17 bei Hdfler,
EaiserL Bach 191 fgg.; tlber die projectierte Heirat vergl. aucb
ebendas. 186 fgg. (Riedel III, 1, 501 fgg.). Palacky, Urk. Beitr. 589.
Droysen II, 1, 346 fg. Jordan 337 fgg.
•■) Die an sie ergangene Einladung ergiebt sicb aus einem
Schreiben Herzog Wilhelms von 1469 Juni 1. " WA. Handschreiben
Bl. 2. Das Yerzeichnis der yon der Stadt Breslau gespendeten
Ehrengeschenke (Eschenloer SS. rer. SiL VII, 209) nennt unter den
Empf^ngem zwar Friedricb und Johann von Brandenburg, aber
keinen sftchsiscben Ftirsten, sondem nur die „R&the aus Meissen".
Yerhandlungen zwischen Mattbias und den s^cbsischen Fiirsten batten
fibrigens scbon frtther stattgefunden , doch kennen wir ihren Inhalt
nicbt. Ein Beglaubigungsschreiben ftlr einen Gesandten an Ernst
and Albrecbt d. d. 1468 Oct. 16 s. WA. Ungariscbe Sachen Bl. 4,
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30 Hubert Ermisch: '
Indes auch Konig Georg blieb nach wie vor mit den
sachsischen und brandenburgischen Flirsten in Fuhlung.®^)
Ebenso bewarben sich beide Fursten um die Gunst
des Herzogs Ludwig von Bayern, der noch immer mit der
Realisierung seines Lieblingsplaoes, eines Defensivbundes '
gegen Georg, beschaftigt war. Diesem Zwecke sollte zu-
nachst der Gesandtencongress, der auf Georgi 1469 nach
Regensburg berufen war, dienen. Wie zwischen Mark-
graf Albrecht und den s'achsischen Fursten zu Naumburg,
so fand zu Mlinchen eine Vorberathung zwischen den
bayrischen Herzogen Ludwig und Albrecht statt, in wel-
cher diese iiber eine Einigung, in die sie nebst dem Pfalz-
grafen und den sachsischen Fursten mit dem Kaiser treten
sollten, schltissig wurden. Ernst und Albrecht batten mit
ihrer Vertretung auf dem Regensburger Tage den ge-
wandten Dr. Martin Mayr, die Seele der Politik flerzog
Ludwigs, beauftragt, una man darf daraus schliessen, dass
sie dem prpponierten Btindnis nicht so abgeneigt waren
als die brandenburgischen Fursten. ®*) AUein der Tag
verlief ganz erfolglos, ohne Frage hauptsachlich in Folge
der Haltung Brandenburgs. ®*) Es kam nur der Entwurf
eines engen Blindnisses zwischen dem Pfalzgrafen, den
bayrischen Herzogen und dem Bischofe von Wurzburg zu
stande;*®) an denselben knlipfte sich ein lebhafter diplo-
matischer Verkelir zwischen Herzog Ludwig und den
sachsischen Brtidern, deren Beitritt Ludwig sehr wiinschte.
Gleichzeitig bestiirmten Boten des Kaisers, des Konigs
Matthias und des Konigs Georg den Herzog Ludwig mit
Antrftgen auf eine engere Vereinigung; allein Herzog
Ludwig war, wie Martin Mayr an Hugold f on Schleinitz
schreibt, „nit gemeint sich zu der einem diesmal zu thun,
doch so schlagt er nichts ab, wird sich der Laufe, wie
••) Vergl. 2. B. das Schreiben Albrechts von 1469 Juli 1 bei
H6fler, Kaiserl. Buch 196 (Riedel III, 1, 509).
•*) Vergl, das Schreiben des Mayr an Ernst und Albrecht
d. d. 1469 April 22 WA. Bundnisse Bl. 28. Die Herzoge verwandten
Martin Mayr tibrigens auch sonst in ihrem Dienste. So antwortet
er z. B. 1469 Oct. 19, er habe sich noch nicht, wie Herzog Albrecht
gewiinscht, zu Kurfttrst Ernst begeben konnen, weil Herzog Ludwig
ihm keinen Urlaub ertheilt habe. WA. Bergwerkssachen Kaps. I
Bl. 31.
•*) Ver^l. Kluckhohn 288 Anm.
••) Es 1st dies vielleicht der undatierte und ohne Nennung
der Vertragschliessenden aufgesetzte Vertragsentwurf WA. Bund-
nisse Bl. 35 fgg.
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Studien znr Gesch. der 8&ch8.-bdlim. Beziehangen 1468—71. SI
sich die begeben^ bass erkunden und dann gebUhrlich
halten^. Auf aile Falle schien ihm jene FUrsteneinigung
das Eathsamste zu sein. *^) Ernst und Albrecht schrieben
dariiber an Herzog WiUielm;**) er zeigte sich indee,
wiederum in engem iVnsclilusse an die Haltung Branden-
burgSy ihren Wiinschen nicht geneigt. Das Ende der
Vernandlungen war der Abschluss eines allerdings sehr
farblosen Defensivbiindnisses zwischen Emst^ ^brecht,
Herzog Ladwig und dem Pfalzgrafen (8. Juli 1469), bei
dem iibrigens die s&chsischen Ftirsten ihre fireundsdiaft-
liche Stellung zu Georg formlich wahrten. ••) Unmitteibar
darauf naherte sich zwar die» bayerische I^olitik ausser-
ordentlich dem Ungamk5nige'®); am 2. September 1469
kam sogar das ersehnte BUndnis mit demselben zu stande.
Allein auch dies war so yorsichtig abgefasst, dass es ihnen
nicht viel nutzte. '''*)
Der auf den 11. Mai festgesetzte Reichstag zu Niim-
berg wurde erst auf Johannis '*); dann auf Michaelis *"),
endlich auf das nachste Jahr verschoben.
So blieb der UngarnkOnig auch in dem zweiten Ab-
schnitte des Erieges um die Krone Bohmens ohne Unter-
stlitzung durch das Reich. Auch der Kaiser konnte ihm
nicht helfen; wiederholte Aufstd,nde seiner Va^allen in
Steiermark, vor allem aber ein neuer Tiirkenzug, der
erste, der die osterreichischen Erblande empfindlidi traf,
banden ihm die Hftnde. Die sachsischen Fiirsten dachten
sogar an einen neuen ViersShnungsversuch; gegen Ende
Juni sehen wir Herzog Albrecht zu diesem Zwecke
in Wien weilen, ohne dass er jedoch bemerkbaren Erfolg
erzielt hatte. '*) Im Gegentheil liest man aus einem an
ihn gerichteten kaiserlichen Schreiben vom 28. Juli 1469
•*) Schreiben von 1469 Mai 4, 6, 15, 16. WA. Bandnisse Bl.
29—32.
*") Schreiben yon 1469 Mai 27 ebendas. Bl. S3 fg.
••) Kremer, Kurfarst Friedrich von der Pfalz Urkk. 398. Vergl
Palacky IV, 2, 699.
'•) Vergl. die Instruction der an Kftnig Matthias abgefertigten
Bathe des Herzogs Ludwig (1469 Juli 21 fgg.) bei Palacky, Urk.
Beitr. 600 fg.
*^) Kremer a. a. 0. 401.
") Ernst und Albrecht an Wilhelm d. d. 1469 Mai 27 WA.
Bandnisse BL 33.
") Kaiser Friedrich an Herzog Albrecht d. d. 1469 Mai 29
WA. B5hm. Sachen Kapsel IV Bl. 128, 129.
") HOfler, Kais. Buch 196 fg. (Riedel HI, 1, 610).
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32 Hubert Ermisch:
eher eine gewisse Gereiztheit heraus; der Kaiser beabsich-
tigte auf den Rath des Papstes, Ajifang September eine
flanzende Ftirstenbotschaft nach Rom zur Berathung von
'lanen gegen die Feinde der Christenheit zu senden, und
hatte auch Albrecht »ur Theilnahme an derselben aufge-
fordert; dieser aber hatte die Ladung unbeantwortet ge-
lassen, was ihm einen verblumten Verweis einbrachte.''*)
Der Krieg zwischen Georg und Matthias war seit
Anfaag Juli auf den verschiedenen Schauplatzen, in Boh-
men, Mahren und Schlesien, wieder zum Ausbruch ge-
kommen; indes jetzt wandte sich das Kriegsgluck im
ganzen zu den bohmischen.Waffen zuriick, und der grosse
Sieg, den Georgs Sohn Heinrich am 2. November iiber
Matthias bei Hradisch erfocht, war ein glanzender Ab-
schluss der Waffenthaten des Jahres 1469. Dass trotz
des papstlichen Segens die Waffen des Ungamkonigs nicht
glticklicher waren, machte doch irre; dazu kam die all-
peitige Sehnsucht nach dem Frieden. Sie unterdrtickte
allmahlich die noch vor kurzem so jah auflodemde Volks-
leidenschaft, liess die nationalen und religiosen Antipathien
verstummen. Das Kreuzigerunwesen horte auf; es hatte
keinerlei Erfolg gehabt, nur Greuel, Unruhen und Wirren
ohne Ende hervorgerufen. '*) Einzehie Fursten untersagten
die Kreuzpredigt und die Sammlungen fiir den heiligen
Krieg geradezU; so insbesondere Markgraf Albrecht von
Brandenburg; der keinen Anstand nahm, in dieser Sache
Gregors von Heimburg, des alten Pfaffenfeindes, Rath-
schlage zu hSren und zu befolgen. ")
Meissen, wo wir von der Kreuzpredigt schon seit den
Freiberger Wirren nichts mehr horen'®), wurde durch
die Kriegsereignisse ringsum wenig bertihrt. Verschiedene
Fehden mogen in naherer oder entfernterer Beziehung
dazu gestanden haben. '®) Wir heben darunter nur die
") Kaiser Friedrich an Albrecht d. d. Gratz 14«9 Juli 28.
WA. Religionssachen Bl. 138.
'•) Vergl. Palacky IV, 2, 616 fgg.
") Hofler, Frank. Studien I, 49. Dess. Kaiserl. Buch 199.
201 fg. 204. 209. Minutoli, Kaiserl. Buch 352. Vergl. Droysen 11,
1, 247 fg. Ueber die Haltung des Pfalzgrafeu und der bayerischen
Herzoge Kluckhohn 291 fg.
*•) Melchior v. Meckaw schreibt schon 1468 Oct. 18 aus Rom:
„Man red gar faste daruff, daz yn awern landen daz crewce nicht
tar (= darf) geprediget werden wyder dy Behemen, und etliche
Bchriffi^t) da von komen sint." WA. Italien. Sachen Bl. 13.
'•) So eine im Spatherbst 1468 beginnende Fehde mit mehreren
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Stiidien znr Gescb. der 8achs.-bdhin, Beziehongen 1468—71. 33
mit Hans von der Oelsnitz hervor, dessen Schloss Rathen
1468 von den Leuten der Herzoge eingenommen und
lange beeetzt gebalten wurde; es gab dies dem Legaten
Rudolf Anlass zu der Beschuldigung; die Herzoge l^tten
jenen nur deshalb befebdet, weil er und seine Briider sich
dem Papste geborsam erwiesen und Feinde des abgesetzten
Ketzers seien. *®) Die Sache, die scbon 1467 ibren An-
fan^ genommen, zog sicb dann bis ins Jahr 1471 hinein/')
Welcben Inhalt die Wamungen vor Gefabren aus Boh-
men batten, die Ronrad Metzscb iin Mai den Herzogen zu-
kommen liess, wissen wir nicbt; nur so viei ist sicber,
dass diese Gefabren nicbt von Georg ausgingen. '*) Im
September scbien es nocb einmal, s3s drobe ein Brucb
der Neutralitat Meissens durcb die koniglicben Trupnen,
die bei Zittau lagerten; Kurflirst Ernst wies den Vogt
zu Hobnstein an^ sobald er etwas Beunrubigendes erfabre,
Bofort mit dem obersten Hauptmann der Bobmen ^au£9
Freundlicbste und Gutlicbste und nicbt berrliob** zu ver-
handeln und zu verlangen, dass meissniscbes und biscb5f-
licbes Gebiet unverletzt blieben. **) Die Gefabr zog voruber.
Im Herbste fand eine Furstenversammlung am Hofe
des Kaisers statt, der in seiner Bedr£lngnis nacb alien
Seiten ^.ngstlicb nacb Hilfe ausscbaute; Ernst und Albrecbt
wobnten derselben personlicb bei **), aucb wobl Markgraf
Albrecbt. Man vereinbarte, dass aie FUrsteU; die in der
nacbsten Nacbbarscbaft Bobmens sassen^ wie Markgraf
Albrecbt, Kurfurst Ernst und Herzog Albrecbt, gegen die
Tiirken, die entfernteren, wie Kurfurst Friedricb und Her-
zog Wilbelm, gegen Kdnig Georg Hilfe leisten soUten.
Docb batte aucb dieser Bescbluss keine Folgen. Zugleicb
Yasallen der Ftirstenthiimer Schweidnitz and Jauer, vergl. Eschen-
loer (SS. rer. Sil. VII) 196.
•'>) Vergl. das angeblich vom Bischof Dietrich, wahrscheinlich
aber vom Legaten ausgehende Schreiben von 1469 M&rz 27 in Grimd-
manns Bipl. episcop. Misn. VIU, 4051 (Handschr. des HStA.).
") Vergl. ebendas. 6018, 4064 und WA. Oerter Rathen Bl.
1 fgg. Mon. Pirnensis bei Mencke 2, 1697. Naheres bei K. Gautsch,
Aelteste Gesch. d. Sftchs. Schweiz 64 fgg.
") Vergl. ein Schreiben des Dr. Martin Mayr von 1469 Mai 6
und die Antwort darauf von 1469 Mai 16. WA. Bttndnisse Bl. 30, 31.
•») Grundmann, Collectanea 11, 91 (Handschr. des HStA).
Hasche, Magazin IH, 300.
• •*) Rechnungen des Paulus Hartmann und des Dr. Heinrich
Mellerstadt tiber eine Reise nach Oesterreich mit ihren Herren von
1469 Nov. 3 und 10 im HStA. Loc 4336 Rechenunge der Ampt-
lewte 1468/69. foL 88 fg.
' scenes Arcbir f. S. Q. u. A. n. 1. 3
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34 Hubert Ermiscli:
wurde ein neuer Tag am kaiserlichen Hofe verabredet,
den die sllchsischen und brandenburgischen Ftirsten zu
besuchen verspracbeii; falls auch andere Ftirsten dorthin
kamen. **)
Der Zustand des Reiches, wie er sich in alle dem
zeigte; war in der That ein uberaus klaglicher. Die all-
gemeine Neutralitfit der bohmischen Frage gegentiber
schien den Krieg ins Endlose verlangern zu soUen; vor
aUem aber war es Georg, der einen Abschluss herbei-
sehnte; schon um seinem Hause eine nicht ganz ungewisse
Zukunft zu sichern. Es kann nicht wunder nehmen^ dass
er sich mit weit ausschauenden Pl&nen beschaftigte, diC;
waren sie durchgefiihrt wordeU; der Reichsverfassung viel-
leicht den Gnadenstosa gegeben hatten. Schon ein Send-
schreiben des Ednigs vom 1. Januar 1470 wies auf die
Gefahr einer Lostrennung Bohmens vom Reiche hin, falls
ihm nicht endlich ein wirksamer Schutz gewahrt werde.*®)
Wenig spater, noch im Januar 1470, erschien der in Georgs
Dienst stehende Georg vom Stein im Auftrage des Konigs
bei Albrecht Achilles und trug demselben Jrlane vor, die
auf eine Erhebung des jungen und ehrgeizigen Herzogs
Karl von Burgund zur Wurde eines romischlBn Konigs
hinausliefen. Als er bei beiden brandenburgischen Ftirsten
eine durchaus ablehnende Haltung bemerkte, wies er
darauf hin, dass andere Ftirsten, besonders Pfalzgraf
Friedrich, weniger sprode sein wiirden, und bot zugleich
die Niederlausitz oder das Egerland oder eine Summe von
60000 Gulden den Brandenburgem an; die Sechsstadte,
heisst es bei dieser Gelegenheit, wtirden gern den jungen
Herren von Sachsen huldigen und diese wlirden sie gem
aufnehmen, wenn der Konig darein willigen wollte, —
warum woUten sie, die Brandenburffer, denn nicht auf die
Anerbietungen eingehen? Man darf nieraus wohl schliessen,
dass auch mit Ernst und Albrecht tiber jene wichtigen
Fragen verhandelt worden ist. Der Markgraf wies jedoch
alle jene blendenden Erbietungen zuriick und lehnte auch
unter verschiedenen Ausfltichten weitere Verhandlungeu
•») Vergl. die Instruction Markgraf Albrechts fiir einen Ge-
sandten an Herzog Wilhelm d. d. 1469 Oct. 25 bei Eluckhohn
289 Anm.
••) Palacky, Urk. Beitr. 610 fgg.; vergl. dessen Gesch. von B5h-'
men lY, 2, 621 fg. Das fUr Ernst und Albrecht bestimmte Exemplar
dieses Sendschreibens WA. Bdhm. Sachen K. lY Bl. 133; vergl
Jordan, Das Ednigthum Georgs von Podebrad.345 fgg.
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Studien zur Gesch. der s&chs.-bohm. Beziehungen 146&— 71. 35
mit Papst and Kaiser ab^''); wahrend Herzog Albrecht
beabsichtigte^ mit Herzog Otto von Bayern den Papst zu
besuchen, um eine Ausgleichung zwiscnen ihm und dem
B5hmenk5nige anzubahnen. *^) Zu dieser fleise kam es
nachmals &edich nicht; doch hatte Dr. Weissenbach; der
Anfang 1470 nach Rom gesandt wurde, vielleicht ent-
sprechende Auftrftge. *•)
Ueber die Betbeiligung der sdchsischen Herren an
dem Tage, der im Februar und Marz 1470 zu Wien statt-
fand und dessen Folge war, dass die kaiserliche Politik
und die des Ungarnkonigs plQtzlich verschiedene Wege
einschlugen, ist uns nichts bekannt. *^) Der Kampf brach
trotz der allgemeinen Friedenssehnsucht und trotz der
Vermittlungsversuche, die namentlich Markgraf Albrecht
von Brandenburg machtO; noch einmal aus und dauerte
bis in den August 1470 hineiu; ohne dass er Matthias
oder Georg einen entscheidenden Vortheil gebracht hatte.
Die s&chsischen Herzoge behielten auch in dieser
letzten Periode des Krieges ihre neutrale Haltung bei.
So forderten sie im Februar oder Marz 1470 auf die
Bitte des Bischofs von Meissen die Herren Jan von Tho-
waczaw, Sigmund und Christoph von Wartenberg und
Tetschen und den Hauptmann im. Pilsener Kreise, Wotyk
von Rzisatic; Anhanger Georgs, die in sein^m Auftrage
den Krieff in der Lausitz ftihrten, emstlich auf, dem
Bischofe die zugefiigten Schaden zu vergtiten; an ihrer
Stelle antwortete Konig Georg: nicht an Unterthanen des
Bischofs von Meissen sei Nahme und Brand geschehen,
sondem an abtrUnnigen und ungehorsamen Untergebenen
»*) Instruction fttr Georg vom Stein bei Palacky, Urk. Beitr.
616 fgg. Vergl. dessen Gesch. von B6hmen IV, 2, 624 fg. Droysen,
n, 1, 254 fg.
••) Schreiben Gregor Heimburgs von 1470 Febr. 6 bei H5fler,
Kaiserl. Buch 219. VergL Palacky IV, 2, 660. Droysen 11, 1, 265.
*") Seine Rechnnng Uber eine Keise nach Rom d. d. 1470
Marz 31 im HStA. Loc. 4335 Rechnnng der Amtlewte Sachsen,
Meyssen and Vogtland 1470.
•<») Vergl. tiber den Tag Palacky IV, 2, 625 fg. Auch was
zwischea den s&chsischen und brandenburgischen Ftlrsten auf dem
Tage, der zu Schleiz am 6. Mai 1470 stattfinden sollte, verhandelt
worden ist (vergl. Riedel HI, 1, 529. WA. Brandenburg. S. K. 11
Bl. 362. Handschr. Bl. 143), wissen wir nicht; vielleicht betraf es
nur die unbedeutenden Irrungen, fiber die schon am 2. April 1470
von brandenburgischen und sachsischen Rathen zu Jtiterbogk ver-
handelt worden war (WA. Brandenb. Sachen BL 201—204).
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36 Hubert Ermisch:
von bShmischen Beamten die verdiente Strafe vollzogen
worden.**) Auf die wiederholten Klagen des Vogtes der
Sechsstadte, Jaroslaw von Sternberg, dass seine Dnter-
thanen von bohmischen Widersachem geschadigt wiirden,
diQ ihren Aufenthalt in Meissen — zu Ottendorf an der
Heide (bei Radeberg), zu „der Hoenkruls" (?), zu „Nieder-
rudigsdorf" (Rohrsdorf bei Konigsbrtick?), Miickenberg
(bei Ortrand), Knapsdorf (bei Moritzburg), Eschdorf und
Dittersbach „im Kretschmar" — nahmen, erliessen die
HerzOge am 9. Marz 1470 einen strengen Befehl an ihre
Amtleute, dergleichen Raubereien nicht zu dulden, sondern
die Schuldigen festzunehmen. **)
Trotz dieser entschiedenen Abneigung gegen eine
offene Unterstutzung des Bohmenkonigs wurde das Ver-
haltnis der sachsischen Herzoge zur Curie eher schlechter
als besser. Vor allem gab der Grenzverkehr immer von
neuem Anlass zu Differenzen®^); das Handelsverbot liess
sich nun einmal nicht aufrecht erhalten, der Papst selbst
erklarte, dass, wenn singularis necessibas vorliege, ein Ver-
kehr mit den Ketzem behufs Einkaufs nothwendiger Nah-
rungsmittel zu gestatten sei. Auf Grund hiervon erlaubte
der Legat Bischof Rudolf von Breslau am 27. August
1469 den Biirgem von Chemnitz wegen der drohenden
Hungersnoth den Ankauf von Lebensmittehi in Bohmen,
verbot ihnen jedoch, den Ketzern dafur Salz, Spezereien
Oder Waffen zuzufuhren. **) Eine ahnliche Erlaubnis
erhielten auf ihre dringenden Bitten einige Wochen spHter
die Stadte Freiberg, Dresden und Pirna.'*)
•») 1470 Marz 7. WA. Bohm. S. Kapsel IV Bl. 137.
••) WA. Oberlausitz. Sachen Bl. 16. Hierher gehort auch wohl
ein Angriff gegen Wenzel von Polenz auf Schirgiswalde (vergl. Pa-
lacky, Urk. Beitr. 620. 622), aber den uns naheres nicht bekannt ist.
•*) Nur wenige Falle von Beschlagnahme bOhmischer Gtiter
sind aus dem Jah5e 1469 bekannt; so liess Balthasar von Redem
bei der Neujahrsmesse 1469 einige bohmische Kaufleute in Leipzig
aufhalten, vergl. Cod. dipl. Sax. reg. 11, 11, 184. Ueber Confiscation
von bohmischen Gtitern im Bisthum Naumburg s. Schreiben des
Bischofa Rudolf und des Burggrafen Georg von Leisnig d. d. 1469
Juli 21. 30. WA. Bohm. S. K. IV Bl 130.
•*) Cod. dipL Sax. reg. II. 6, 164. 1469 Aug. 28 beauftragt
Rudolf den Pleban Balthasar zu Chemnitz mit der Absolution der
wegen ihres Verkehrs mit den Ketzem excommunicierten Chemnitzer
bei aufrichtiger Reue, ebendas. 165.
•») Schreiben des Bischofs Rudolf an Bischof Dietrich von
Meissen d. d. 1469 Sept. 23 bei Grundmann, Cod. dipl. Misn. VIII,
5006 (Handschr. des HStA.). Von den Bemuhungen der Dresdner
Vim diese ^Erlaubunge** legen mehrere Posten der Dresdner Stadt-
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Studien zur Gesch. der sachs.-behm. Beziehungen 1468—71. 37
Diese Nachsicht, welcbe die beziiglichen Bestimmungen
der papstlichen Bulle vom 20. April 1468 allmfthlich ganz
ausser Kraft zu setzen drohte*^), fand keineswe^s allge-
meineu Beifall. Der am kaiserlichen Hofe weilende p^pst-
liche Legat, Laurentius von Ferrara, sah sich veranlasst,
am 12. November 1469 ein Schreiben an Biscbof Dietrich
von Meissen zu richten, in welchem er mit Rlicksicht
darauf^ dass dem Vemebmen nach seit zehn Jahren reicb-
liche Ernten im Lande stattgefunden b&tten, von einem
Notbstand also nicht wohl die Rede sein konne, eine
strengere Befolgung der Vorscbriften uber die Absolution
derjenigen einscharfte, welcbe Handel mit den Ketzem
getrieben batten.*') Aebnlicbe Mabnungen mogen diesen
gefolgt seiu; so dass aucb Biscbof Rudolf von Breslau
sicb zu einem ernsten Scbreiben an Biscbof Dietricb (vom
1. April 1470) veranlasst sab, in dem er, damit nicbt aucb
ibm Scbuld an diesen Missbrftucben beigemessen werde,
die strengste Befolgung seiner Indulte verlangt und die
Unterdrlickimg jedes das Mass des durcbaus Notbwen-
digen uberscbreitenden Verkehrs mit Bobmen anbefieblt,
insbesondere ibn aucb ersucht, das Verfabren des mit der
Absolution beauftragten Dr. Jobannes Breslauer zu iiber-
wacbeu; da das Gerilcbt denselben einer allzu grossen
Duldsamkeit bescbuldigte. **) Allerdings wurde nun der
Geistlicbkeit eine strengere Haltung zur Pflicbt gemacbt
und mit Bann und Interdict den Uebertretungen entgegen-
gearbeitet; aber dies veranlasste aucb die Herzoge wieder
zu Vorstellungen beim Biscbof Rudolf, und dieser, der wobl
rechnung dieses Jahres (Rathsarchiv) Zeugnis ab. Auf die Bitte
des Bathes zu Dresden, die Entschliessang des Legaten fdrmlich
pablicieren zu lassen, ging der Biscbof nicht ein, weil er nicht mehr
thun dOrfe, als in der commissio des Legaten stehe. Schreiben von
1469 Oct. 14 im Rathsarchiv zu Dresden.
**) Ex Misna liber aditus fuit in Bohemiam cum omnibus
mercibus et rebus, ex qua allata sunt allecia sal plumbum omnium
generum pisces boves etc. Nolebant illi principes seduci ad destruc-
cionem subditorura. Eschenloer (SS. rer. Sil. VII) 220.
•») Cod. dipl. Sax. reg. II. 3, 188.
••) Ebendaselbst 193. Da zwischen diesem und dem vorhin
erwahnten Schreiben fast ein halbes Jahr liegt, so darf wohl kaum
mit Gersdorf angenommen werden, dass das Schreiben des Lau-
rentius Yom 11. November 1469 den unmittelbaren Anlass dazu ge-
geben hat. Ebenso ist der Zusammenhang der in der Anm. zu ersterem
erwahnten weiteren Schritte des Bischofs und der sich daran knfipfen-
den Korrespondenz mit dem Schreiben Rudolfs schwerlich so eng,
als man nach den Ausfuhrungen Gersdorfs a. a. 0. annehmen mOchte.
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38 Hubert Ermisch:
einsah^ dass eine solche Strenge y,zum grossen: Schaden
guter Christen in christlichen Landen, die des christlichen
Stuhls Gehorsam halten^, sei; and tlberhaupt zur Milde
neigte, gestattete in einem Schreiben an den Bischof vom
19. Mai 1470 nicht bloss den Einwohnern der Stadte Pirna,
Dresden, Freiberg und der Grenzdistricte bis nach Geier
bin, die an anderen Orten nicht ohne die grossten Kosten
und Beschwerden Getreide und andere Nothdurft kaufen
konnten, den Handel mit den Ketzem, unter der Voraus-
setzung, dass sie denselben den Aufenthalt in den StUdten,
den Verkehr mit den Glaubigen und die Ausfuhr von
Salz, Wtirze, Hamisch u. a. nicht gestatteten, sondem er
befahl auch, die rechtglaubigen Bewohner Bohmens, die
vom Handel mit den Nachbarlanden lebten, nicht als
Ketzer zu behandeln, sondem sie zu beherbergen und
wegen ihrer Anwesenheit kein Interdict zu vel-hftngen.
Endlich sollte auch in dem Falle, dass zu&Uig ein Ketzer
in eine Stadt kommt, aber sofort, nachdem man dies be-
merkt hat, wieder hinausgetrieben wird, das seiner An-
wesenheit halber verhangte Interdict aufgehoben werden.
Bischof Dietrich soil fur die Publication dieses Schreibens
in den Bohmen benachbarten Stadten Sorge tragen ••);
es wurde auch wirklich nach Wolkenstein, Scharfenstein,
Saida, Pima, Chemnitz, Freiberg und an den Abt zu
Griinhain gesandt. ^^^)
Die HerzOge wussten diese riicksichtsvolle Haltung
zu wtirdigen und wirkten dem Handel nach Bohmen, so-
weit er diesen Verordnungen zuwiderlief, durch Verbote
entgegen; sie wiesen sogar darauf hin, dass jetzt Lebens-
mittel im eigenen Lande gekauft werden konnten. **^ *)
Trotzdem wurden bald wieder Anschuldigungen gegen
sie laut, die emsterer Art waren als die bisherigen. Sie
gingen vom Bischof Laurentius von Ferrara und mittel-
bar wohl vom KCnige Matthias aus, dem die Haltung der
sachsischen Fiirsten allerdings ausseroxdentlich unbequem
sein mochte. An des Konigs Hofe, so schrieb Laurentius
an Bischof Rudolf nach Breslau, liefen nicht bloss Ge-
ruchte uber die Einfuhr von Lebensmitteln, Salz und
••) WA. B6hm. Sachen K. IV Bl. 138, gedruckt bei Jordan
455 and Schlesinger, Stadtbuch von Brtix 138. Ich bemerke dabei,
dass die Drucke oieser und anderer noch zu erw&hnenden Urkk. bei
Jordan sehr fehlerhaft sind.
»«•) WA. B6hm. S. K. IV Bl. 140.
»<>») Befehl von 1470 Juni 1. WA. BOhm. Sachen K. IV Bl. 141.
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Studien zur Gescb. der B&chs.-bohm. Beziebungen 1468 --71. 39
Waffen aus Meissen nach Bohmen um, sondem man er-
z^hlte sich auch, dass kiirzlich Hugold von Schleinitz,
der sHchsische Obermarschall, und Konrad Metzsch als Ge*
sandte der Fiirsten in Prag gewesen w^ren und dem KOnig
Georg den Beistand ihrer Herren in Aussicht gestellt
hatten, ferner, dass diejenigen^ die das Ereuz genommen
hatten, verfolgt und der Kreuzpredigt allerhand Hinder-
nisse in den Weg gelegt wtirden. Die Herzoge, die
Bischof Rudolf deswe^en in einem Schreiben vom 27. Juni
1470 zur Rede setzte *^*), waren liber diese gehassigen Ver-
leumdungen in hohem Grade entrustet. In ihrer Antwort
an Rudolf (vom 13. Juli) wiesen sie auf ihre erst vor
kurzem erlassenen Verkehrsverbote hin; nur den Gebirgs-
bewohnem, die selbst kein Getreide bauten und es aus
anderen Gegenden nur unter grossen Schwierigkeiten er-
halten k5nnten, sei gestattet worden, ihre Leibesnahrung
aus Bdhmen zu holen, und wenn die Bohmen dieselbe nur
gegen Salz hergeben woUten, so mtissten sie eben pitmen
selbes rathen, dass sie nicht verderben durften". Mit
ihrer Erlaubnis sei jedoch den Eetzem nichts zugefUhrt
worden. Dass Schleinitz und Metzsch in Prag gewesen,
stellten die Briider nicht in Abrede, wie denn tibcrhaupt
der Verkehr mit dem Bohmenkonige niemals ganz ab-
gebrochen worden ist;***) aber sie seien nicht als form-
hche Botschaft, sondern ohne Credenz hingegangen, ledig-
lich um im allgemeinen Besten thatig zu sein, nicht aber,
um dem K9nige Anerbietungen zu machen oder Beistand zu-
zusichem: „wir sind so unverstandig nicht, dass wir nicht
wtissten, dass uns solches zu thun nicht fuget, aber die
Meintmg, die wir vor uns hatten, mag ims ohne Zweifel
von niemand verkehrt werden, wie wir das zu bequemer
Zeit und an geblihrlichen Enden zu eroffnen nicht weigem
wollten." Ihre Rathe hatten einigen Commissarien des
Legaten die Sache vorgestellt und seien in Folge dessen
auch bereits absolviert. Was endlich die angebliche Ver-
folgung der Kreuziger anlangt, so wird dies geradezu als
eine Unwahrheit bezeichnet: ^dass es von uns in Tabem
oder anderswo im Riicken nachgesagt wird, soil e. L. nicht
l)ewegen; wie kOnnen wir jedermann sein Maul ver-
»•>) WA. B6hm. S. K. IV Bl. 142. Gedruckt bei Jordan 448 fg.
"') So war auch um Fastnacht eine Sendung von Bftthen nacn
Prag beabsichtigt gewesen, wie sich aus einem Sc&eiben des Benesch
von der Weitmtihl, Burggrafen zu Karl stein, d. d. 1470 Februar 28
(WA. B6hm. S. K IV Bl. 136) ergiebt.
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40 Hubert Ermisch:
binden!" Im Gegentheil batten sia die Kreuzpredigt, die
Sammlung von Almosen sowie die kurzlich durch den Do-
minicanerprior in Leipzig im Auftrage des Legaten er-
lassene Aufforderung an die Kreuziger, sich bereit zu
halten, in keiner Weise gehindert. **^*)
In noch viel scharferem Tone antworteten Ernst und
Albrecbt dem Legaten Laurentius von Ferrara und dem
K5nige Matthias selbst auf die Schreiben, welche sich
diese veranlasst geftihlt batten, derselben Geriichte wegen
an sie zu riohten. Dem ersteren werfen sie eine fiir sein
hohes Amt gar nicht passende Leichtglaubigkeit gegen
Verleumder vor und widerlegen seine Anschuldigungen
in ganz derselben Weise, wie in dem Briefe an den
Legaten Rudolf. *®*) Mit Matthias entspann sich eine sehr
gereizte Korrespondenz; die Herzoge machten ihm heftige
Vorwiirfe, dass er uble Nachrede gegen sie an seinem
Hofe dulde. Auf die wiederholt vorgebrachten Klagen
der Mitglieder des HerrenbimdeS; dass die meissnischen
Lehnsmannen, die in ihrem Soldo sttoden, zuriickberufen
wiirden, antworteten sie, dass sie als Fursten das voUste
Becht dazu batten, ihre Lehnsmannen „von redelicher
Sach wegen'* aus fremdem Dienst zu sich zu fordern.
Was die Klagen wegen der Zufuhr aus Meissen anlange,
so sei es nicht seine Sache, sie zur Befolgung der papst-
lichen Befehle anzuhalten; sie batten dariiber nur den
Legaten Rede zu eteben. *®®)
Die Geriichte liber die Untersttitzunff, welche die
Herzoge den Ketzern angedeihen liessen, dauerten trotsp-
dem fort, und dass Legat Rudolf ihnen Glauben schenkte
und sich durch die Versicherungen der Meissner nicht
beruhigen liess, beweist, dass sie nicht ganz grundlos
waren. Man erzahlte, dass Herzog Albrecbt 300 Pferde
dem Konig Georg zur Hilfe gegen die Schlesier gesandt
babe; und der Umstand, dass zahlreiche gefangene Meiss-
ner nach Breslau gebracht wurden, schien das Geriicht
zu bestatigen. Obgleich die gesammte Haltung der Her-
'0*) WA. Bohm. S. K. IV Bl. 148. Theilweise gedruckt bei
Jordan 449.
»<^*) Das Schreiben, dessen Adressat wol ohne Zweifel Lau-
rentius ist, d. d. 14T0 JuU 12. WA. Bohm. 8. K. IV Bl. 144.
*••) Das undatierte Schreiben, dem wir dies entnehmen, mag
etwa in den August 1470 gehoren, da demselben bereits ein Brief-
wechsel zwischen den Hdfen vorangegangen ist. WA. Bdhm S.
K. IV Bl. 263, gedruckt bei Jordan 463.
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Stadien zur Gesch. der s&chs.-bdhm. Beziehungen 1468—71. 41
zoge einer unmittelbaren Unterstiitzung des Bohmenkonigs
widersprechen dtirfte, so war doch wohl so viel richtig,
dass sie nicht ungem sahen^ wenn ifare Lehnsleute in den
Kriegsdienst Georgs traten, wahrend sie nicht duldeten,
dass dieselben in dem ihm feindliclien Heere kampften.
Bischof Rudolf verlangte mit Rucksicht auf diese That-
saclien, dass die HerzSge die, welche den kirchlichen Ge-
boten entgegen fUr Georg die Waffen triigen, ausfindig
machen und entweder selbst strafen oder sie den Com-
missarien des Legaten zur Bestrafung uberweisen soUten;
ilire Gtiter seien nach dem Laute der pftpstliclien BuUen
verwirkt. Ueberhaupt war er mit der Antwort der Her-
zoge nicht sehr zufrieden, bedauerte, dass eingestandener-
massen den Bohmen Salz verkauft worden sei, tadelte,
dass, wie er bestimmt wisse, Prager Kaufleute zu Leipzig
und an anderen Orten Handel trieben, schenkte audi
ihren Angaben iiber das Verfahren gegen die Kreuziger
und iiber die Sendung nach Prag keinen rechten Glauben.
Dr. Johannes Breslauer, dem ein .Missbrauch seiner Ab-
solutionsbefugnis zur Last gelegt wurde, ward nach Bres-
lau beschieden, um sich dort selbst zu verantworten. '®')
Mochte dies nun auch wieder einige strengere Mass-
regeln veranlassen*®*), so erliessen die Herzoge dieselben
doch gewiss widerwillig und nur der Form wegen. Sie
hatten natiirlich heftige Beschwerden zur Folge; die an
der Grenze wohnenden 1][nterthanen klagten, dass sie zu
Grunde gehen oder fortziehen miissten, wenn das kiirz-
lich erlassene vollstandige Handelsverbot aufrecht erhalten
wiirde. Die Herzoge antworteten darauf am 19. October
1470 mit einem Befehle an ihre Amtleute, den Handel
mit alien Waaren ausser mit Salz, Wiirze, Blei und Har-
nischen, also besonders mit Haringen und anderen Fischen,
Leinwand, Tuch und Victualien zu gestatten, aber darauf
zu achten^ dass kein fremder Kaufmann mit den ver-
»") 1470 Juli 28. WA. B6hm. S. K. IV Bl. 152, im Auszug
gedruckt bei Jordan 451.
«o«) 1470 Juli 30 vertheidigt sich Abt Johann von GrUnhain
gegen die Anklage, dass er dem Yerbote der p&pstlichen Bolle zuwider
Handel mit Bohmen treibe. Va. B6hm. S. K. IV Bl. 153. 1470
Juli 23 fragt Waltzk von Bernstein den Marschall Friedrich von
Schonberg, wie er es mit zwei beladencn Wagen halten soUe, die
er auf der Durchfahrt nach Bohmen in seinem Gebiete angehalten
habe> ebendas. Bl. 151. Vergl. auch das Schreil>en d«s Legaten
Laurentius von Ferrara an den Prager Dompropst Oolowrat d. d.
1470 Sept. 19 bei Bachmann 502.
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42 Hubert Ermisch:
botenen Waaren durchgelassen und dass nicht von den
herzoglichen Unterthanen Betriigerei damit getrieben
wiirde. *®*) Audi Bischof Rudolf zog wieder mildere
Saiten auf; als sicli her ausst elite ^ dass des Matthias Er^-
folge auch in diesem Jahre sehr unbedeutend waren und
die Moglichkeit eines Friedens naher rlickte. Er hatte
sich die Absolution derer, die zu Georg zogen oder mit
den Ketzem Handel trieben, kiirzlich in einer an den
Bischof von Meissen ergangenen Verordnung vorbehalten,
wahrend sie fruher diesem tiberlassen war.'***) Aber
auf eine Anfrage, welche die Herzoge durch Dr. Johannes
Breslauer (der sich iibrigens wegen der ihm zur Last ge-
legten Beschuldigungen voUstandig gerechtfertigt hatte) an
ihn richten liessen, antwortete er, dass dadurch die frtiher
erlassene Erlaubnis des Handels mit Bdhmen fiir die am
Gebirge Wohnenden nicht aufgehoben sein sollte. Er
habe nur bemerkt, dass diejenigen, die friiher mit Erthei-
lung der Absolution beauftragt worden seien, vielfach sehr
leichtfertig verfahren waren. Auch gestattete er dem Bischof
wieder die Absolution der Uebertreter, wenn diese sich
bessern, brieflich um Nachlass der Kirchenstrafen an-
suchen und alles, was sie durch den su'ndhaften Handel
erworben, in den Kasten legen woUten. *")
Die sachsischen Prohibitivmassregeln hatten ubrigens
bereits bohmischerseits Repressalien veranlasst Ein Han-
delsverbot wurde auch in Bohmen erlassen, „da sich die
Priesterschaft in e. f. G. Furstenthum so gar schwer und
hart wider das Konigreich legen und gelegt haben"; frei-
lich ist dasselbe wohl ebensowenig mit Strenge gehandhabt
worden wie das meissnische. ^**) .
Wir haben diese Irrungen, deren Spuren ubrigens
noch bis ins Jahr 1471, ja iiber den Tod Georgs hinaus
zu verfolgen sind,* ausfuhrlichor behandelt, da sie be-
merkenswerthe Schlaglichter auf die wirthschaftliche Be-
>••) WA. B6lim. S. K. IV Bl. 156.
»^®) Vergl. diese Zeitschrift I, 260 Anm.
In einem Schreiben des Bigrggrafen zu Karlstein Benesch
von der Weitmtlhl an Emst und Albrecht d. d. 1470 Nov. 18 erklart
sich dieser bereit, trotz des Handelsverbots den Unterthanen Anarks
von Waldenburg den Einkauf zu Kommotan und die Ausfuhr der
Waaren gestatten zu woUen, falls gleiches seinen Unterthanen in
Wolkenstein, der Stadt Anarks, gestattet werde, und bittet zngleich
urn diese Erlaubnis auch ftir andere StMte Sachsens. WA. Sohm.
S. K IV Bl. 168.
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Studien zur Gesch. der g&chs.-bdhra. Beziehangen 1468—71. 43
dcutung der damaligen Beziehungen zwischen Bohraen
und Meissen werfen. Gewiss waren es auch Rticksichten
dieser Art, nicht bloss politische Erwagungen, welche den
Herz5gen ihre Stellung zu Georg anwiesen iind sie bis
aufs £lusserste einen Brucli zwischen Meissen und Bob-
men vermeiden liessen, trotz dei: schweren Unannebmlich-
keiten^ die ihnen daraus erwuchsen. Drohten ibnen doch
sogar Ende 1470 die Coramissarien des Legaten so emst-
haft mit der Verhangung eines allgemeinen Interdictes
uber ihre Lande, dass sie hiergegen iormlich Appellation
beim Papste einlegten. ^**)
Wie in Meissen, so waren auch anderwftrts die Zu-
stande allm^hlich vollig unleidlich geworden. Man fluchte
allgemein in den Bohmen benachbarten L^ndern den
Breslauem, denen man nicht mit Unrecht einen grossen
Theii der Schuld an dem unseligen Kriege zuschrieb, und
schon konnten die Breslauer Kauf leute nicht mehr unge-
fahrdet Handel treiben. ***) Dazu kam die Tiirkengefahr,
die unaufhaltsam n3,her riickte.
So ffeschah es, dass der Congress, der im Juli 1470 zu
Villach beim Kaiser tagte und an dem sich die sacfasi-
schen Herz5ge auch durch Gesandte betheiligt haben
mogen, von einem sehr versOhnlichen Geiste beherrscht
war.*'*). Gesandte des Konigs von Polen wohnten dem-
selben bei, und wahrscheihlich wurden damals die Funda-
mente zu dem Btindnisse zwischen dem Kaiser und dem
K5nige Kasimir gelegt, das am 20. October 1470"*) ab-
geschlossen wurde und das dem Ungamkonige den Boden
unter den Fiissen fortzog. War Markgraf Albrecht, dem
uni diese Zeit nach der Abdankung seines Bruders der
brandenburgische Kurhut zufiel, die eigentliche Seele
dieser neuen Coalition"'), so standen ihr doch auch die
sachsischen Herzoge nahe. Ob die polnischen Gesandten
Derslaw Rytwianski, Woywode zu Sendomir, und Stani-
»»*) Das Instrumentum appellationis Yon 1470 Dec. 16 im HStA.
Orig. 8093.
"*) Omnes adpacem locuti sunt et Wratislaviensis inculpantes
vituperantes maledinenteR tanquam causam omnium harum litium.
Ididem in curiis principum Misne Thoringie Brandeburg Polonie et
in omni terra maledicebantur Wratislavienses, et jam mercatores non
publice audebant negociari. Eschenloer (SS. rer. SiL VIT) 223.
Vergl. Palacky IV, 2, 646.
"») Vergl. tiber diesen Congress Palacky IV 2, 646.
»»«) Dogiel, Cod. dipl. Polon. I, 163.
»") Vergl. Droysen II, 1, 268 fg.
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'44 Hubert Ermisch:
slaw Ostrorog, Woywode zu Kalisch, die Anfang August
an den kaiserlichen Hof gingen und ihren Weg durch
Meissen nahmen'**), mit den Herzogen bereits Verhand-
lungen angeknUpft haben, ist uns zwar nicht bekannt.
Wir wissen aber, dass gegen Ende des Jahres eine eben-
falls zum Kaiser gehende polnische Gesandtschaft die
Fursten besuchte und ihnen Plane oflfenbarte, die eine
friedliche Beilegung des bohmischen Krieges bezweckten;
i*a die Sendboten deuteten woU noch auf andere Projecte
tin, die auf eine enge Einiing zwischen Polen und Sachsen
und eine Familienverbindung zwischen beiden Hausern
hinausliefen. Der Meissner Dechant Dr. Heinrich Leu-
bing; der gegen Ende December *'•) an den polnischen
Hof ging, um dem Konige als Antwort auf die Werbung
seiner Gesandten die freundschaftlichen Gesinnungen der
s^chsischen Fursten und ihre voUkommene Billigung seiner
PlEne auszusprechen, hatte auch Instructionen fiir den
Fall von Verhandlungen liber einen Ehebund zwischen
dem Sohne Kasimirs, Wladislaw, und Ernsts Tochter
Christina und iiber ein Btindnis der sachsischen Ftirsten
mit Polen. "*^) Das merkwtirdige Project, das uns die
meissnische Politik wieder erig Hand in Hand mit der
brandenburgischen zeigt — fast gleichzeitig fanden Ver-
handlungen iiber des jungen Markgrafen Friedrich Ver-
lobung mit der polnischen Prinzessin Sophia statt — ,
fuhrte jedoch zu keinem Resultate. ***)
Kdnig Matthias hatte wenig Gefallen an diesen Ver-
handlungen mit Polen, um so weniger, als sich gleichzeitig
auch ftir seinen ungarischen Thron ein polnischer Praten-
dent fand. Zweifellos auf seiner Seite standen die Ver-
treter der Curie in Deutschland, besonders Laurentius von
Ferrara, wenn auch der Stuhl zu Rom selbst den Polen-
konig sehr behutsam behandelte, obgleich die Friedens-
"») 1470 Juli 27 bittet Kurftirst Friedrich Yon Brandenburg
um sicheres Geleit fttr sie. WA. Poln. S. Bl. 1. Vergl. auch das
Schreiben desselben von 1470 Aug. 1 bei Palacky, Urk. Beitr. 630.
**•) 1470 Dec. 18 schreibt er an Ernst una Albrecht, dass er
zu einer so grossen Reise nicht vorbereitet und durch Amtsgeschafte
verhindert sei, sich vor Weihnachten in Dresden einzufinden. WAr
Stift Meissen, Reisen Bl. 45. Wir glanben dies auf die Reise uach
Polen beziehen zu mUssen.
*'®) Entwtirfe zur Instruction far die Gesandtschaft nach Polen
WA. Pohi. Sachen Bl. 64 fgg., 88 fgg., 96 fg., 98 fg. Vergl. auch
V. Langenn. Albrecht der Beherzte 62 fg.
'*•) Aber es ging gar abe. WA. Poln. Sachen Bl. 64.
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Studien zur Gescb. der s&ch8.-bdliiii. Beziehungen 1168—71. 45
bedingungen, die Easimir dem Eonig Georg zo^estanden
wissen woUte, ihm nicht genehm sein konnten. **)
Die Stellang unserer Herz5ge zu den kirchlichen 6e-
walten wurde durch alles dies nicht besser. Sogar mit
Bischof Dietrich von Meissen, der trotz seiner peinlichen
Lage dem Legaten ^gentiber sich im Grande stets den
Wtinschen und ^der Folitik der Landesherren accommo-
diert hatte, kam es urn diese Zeit zu DiilFerenzen. Durch
seinen Official hatte er das Ausfuhrverbot an den Grenz-
orten nochmals einschttrfen lassen; das trug ihm emste
Vorwiirfe seiner Herren ein: „es ist uns eine grosse Be-
iremdung; dass sich ein Fremder die Rathe unserer Stadte
zusammen zu yerboten anmassen und denen Gebot thun und
Ordnung geben solle; es warewohl genug, das man sich
gemeiner Gebote auf dem Predigtstuhl gebrauchte.* Bischof
Dietrich entschuldigte sich mit den Drohungen, die ihm
direct von Rom oder durch den Legaten zugegangen
seien; auch habe der Official ^nicht allein die Rkthe und
Qewaltigen, sondern auch die Pfaffheit und die Priester-
schaft sammtlich versammelt **, — was freilich an der
Sache wenig Anderte. "*) Wenig spftter wurde der Fran-
ciscaner Jacob von Glogau (vergl. S. 5) nochmals durch
Bischof Rudolf von Breslau mit der Ereuz- und Ablass-
predigt in den meissnischen Landen beauftragt, da der
Papst ausdrucklich befohlen hatte , dieselbe nicht einzu-
stellen. ***) Ganz besonders heftig spricht sich der Un-
■*') Eine p&pstliche Bulla von Ende 1470 oder Anfang 1471
(pridie kal. Januarii das ist der virde adir famffte tag ym homunge!?),
die Bischof Laurentius in Uebersetzung dem Ilerzog Albrecht mit-
theilt (undat. Schreiben WA. Bdhm. S. K. IV Bl. 169), spricht sich
sehr missbilligend aber die Yerhandlongen angeblicber Sendboten des
KOnigs Easimir mit dem Eetzer Greorg aus.
'*') 1471 Jan. 13; das Schreiben der Landesherren ist daher
wohl auch in den Anfang 1471 zu setzen. Cod. dipl. Sax. reg. II. 3,
193 (Anm.). In denselben Zusammenhans gehdrt auch ein Schreiben
des Kurftlrsten Ernst (?), wahrscheinlich ebenfalls an den Bischof
zu Meissen, Yon 1471 Jan. 7, in welchem diesem befohlen wird, auch
das wegen des Handels seiner Zeit erlassene Indult zur Yerhiltniig
weiterer Irrungen in den Grenzorten nochmals verktkndigen zu lassen,
da der Official dasselbe yielfach unber&cksichtigt gelassen habe, was
„faste Aufruhr und Irrniss unter den unseren und anderen** zur
Folge gehabt. WA. Religionssachen Bl. 140.
»«*) Bischof Rudolf an Ernst und Albrecht d. d. 1471 Jan. 29.
Ebendas. 141. Ueber die Beschwerden, welche die ThMigkeit des
Bruders Jacobus veranlasste, vergl. ein Schreiben desselben d. d.
1471 April 4 ebendaselbst 142.
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46 Hubert ErmlschJ
willen der curialen Partei in einem Briefe des Bischofs
Laurentius von Ferrara an Herzog Albrecht, der etwa
in den Februar 1471 gehSren mag, aus. '**^
Auf dem Landtage, der Mitte Februar 1471 zu Prag
stattfand und auf welchem bekanntlich auch Matthias eine
Annaherung an Georg versuchte, erschienen der polnische
Kanzler Jacob von Dambno und der Abt des Benedictiner-
klosters zum h. Kreuz (bei Sendomir), Michael, um die Ver-
handlungen zwischen Georg und Kasimir zum Abschluss zu
bringen. *•) Ihren Riickweg nahmen sie durch Meissen."')
Als sie in Zwickau anlangten, muss ten sie erfahren, dass
trotz aller Noth, die der Krieg liber dais Land gebracht,
der Fanatismus im Volke doch noch fortglimmte und nur
eines Anlasses bedurfte, um wieder aufzulodern. In Folge
der Aufreizunffen des Pfarrers fand ein fSrmlicher Auf-
stand gegen die polnischen Gesandten statt, der ihnen
Anlass zu einem in sehr derbem Tone gehaltenen Schrei-
ben an den Landrentmeister Hans von Mergental und an
den Rath zu Zwickau gab.***) Die Herzoge, denen der
Zwischenfall hochst unangenehm war, ordneten die Fest-
nahme des Pfarrers und der Schuldigen an. **•)
Im iibrigen aber zeigten sie sich den polnischen
Herren gegenliber weniger zuvorkommend, als im Jahre
vorher der Fall gewesen sein mag, sei es, weil die da-
maligen Verhandlungen ihren Erwartungen nicht ent-
sprochen hatten, sei es, weil der Plan, die Krone Boh-
mens fur das Haus Wettin zu erwerben, schon festeren
Fuss ^efasst hatte; vielleicht auch mit Riicksicht auf die
entschieden missbilligende Haltung der Curie. K5nig Kasi-
mir beabsichtigte bereits seit Iftngerer Zeit, eine Gesandt-
schaft''*^) nach Rom zu senden, einmal, um eine Entschei-
dung der bohmischen Angelegenheiten im polnischen In-
teresse anzubahnen, dann, um endlich die noch immer nicht
ertheilte pUpstliche Bestatigung des mit dem deutschen
Orden zu Thorn am 19. October 1466 geschlossenen Friedens
»«) WA. Bbhm. S. K rV Bl. 169, theilweise gedruckt bei
Jordan 452.
"♦) Palacky IV, 2, 666 fg.
***) Vergl. ein Scnreiben von Ernst und Albrecht an Benesch
von der WeitrntiW 1471 Febr. 23. WA. Behm. S. K. 11 BL 63.
'") 1471 Marz 3. WA. Bfthm. S. K. IV BL 161c; theilweise ge-
drackt bei Jordan 466.
"•) WA. Bohm. S. K. IV BL 317. 318.
»»*) Von dieser Gesandtschaft ist schon in Leubings oben
Anm. 120 erw&hnter Instruction (WA. Foln. S. BL 98) die Bede.
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Studien zur Gesch. der 8ftcli8.-b0lim. Beziebangen 146d— 71. 47
zu erwirken. Der Eanzler Jacob von Dambno hatte den
Auftragy auf der RUckreise von Prag empfehlende Schreiben
flir diese Gesandtscfaaft yon den sftcnsischen Herzogen,
dem Herzoge Ludwig von Bayem und dem Kurftirsten
Albrecht von Brandenburg zu erwirken. Die Herzoge
hatten Hermann von Weissenbach beaoftragt, tiber die
Sache mit den Polen zu verhandebi; sein ^ericht vom
6. M&rz 1471 liegt uns vor. Der polnische Eanzler warf
den Herzogen vor, sie hfttten schon im vorigen Sommer
versprochen^ ein Schreiben an den PapQt wegen des preus-
sischen Friedens zu richten^ und ersuchte dringend um Aus-
stellun^ desselben, da der Kaiser^ Herzog Ludwig, EurfUrst
Albrecnt und andere Fiirsten ebenfalls schreiben wUrden,
Allein Weissenbach antwortete, dass Ernst und Albrecht
nur unter Vorbehalt der Einwilligung der ubrigen Eur-
fiirsten dies zugesagt hatten. Darauf bat der Eanzler, der
fortwahrend betheuerte, dass sein Wunsch nur Freundschaft
zwischen dem Eonige von Polen und den sachsischen Her-
zogen sei; einstweilen den gewunschten Brief nach einem
von ihm vorgelegten Formulare auszustellen; er wolle ihn
dann nach Landshut an Herzog Ludwig schicken und,
falls dieser ebenso zu schreiben bereit sei, dem Eonige
tiberreichen, wenn nicht, ihn zurtickgeben, dem Konige
aber die Bereitwilligkeit der HerzQge riihmen. Es sieht
dies aus wie eine zieralich plump angelegte Falle. Weissen-
bach versprach, die Sache an seine Herren gelangen zu
lassen. Dem Dr. Martin Mayr in Landshut aber theilte
er das Begehren der Polen und zugleich die Absicht seiner
Herren mit, sich bei der Curie nur f&r die Beilegung des
bohmischen Ej*ieges, nicht aber fur die Bestatigung des
Sreussisch-polnisdien Friedens zu verwenden, und bat
m, den Herzog Ludwig zu einer entsprechenden Ant-
wort zu bestimmen. ***)
Die polnischen Vermittlungsversuche haben, so viel
uns bekannt, keinen Erfolg gehabt. Auch Ernst und
Albrecht sandten nochmals eine Gesandtschaft nach Bom,
um die Versohnung zwischen Georg und der Kirche an-
zubahnen. Sie langte um den 20. Marz 1471 in der hei*
ligen Stadt an; es war ein Zeichen der Zeit, dass sie nicht
so schroflfe Abweisung fand als die fruheren."*) Viel-
»»») WA. Poln. Sachen Bl. 4—6.
1*^ Relatio de legatione Saxonica yersus Bomam in causa Bo-
hemica bei Bainald a. a. 1471 und MOUer, Beichstagstheatrtim n,
431 fgg.
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48 Hubert Ermisch:
teicht ware doch schliesslich den sachsischen Sendboten
das gelungen, woran man seit vielen Jahren vergeblich
gearbeitet, — da tibernahm es eine hohere Macht, die
bohmischen Wirren zu l5sen. Noch verhandelte man in
Rom iiber Vergleichspunkte, als die Botschaft eintraf, dass
am 22. Mslrz 1472 Bjonig Georg Podiebrad gestorben sei;
unbesiegt und ungebrochen, wenn auch freilich tief ge-
beugt. Die Vorsehung hatte es gewoUt, dass er die
Losung des Zwiespalts, der sein Verhangnis war, nicht
erleb^n; vielleicht, dass er nicht nocbmals die Unmoglich-
keit dieser Losung schwer empfinden soUte.
Das Haus Wettin hat an ihm bis zum letzten Angen-
blicke mit einer Treue festgehalten, wie kein anderes unter
den deutschen FUrstenhausem. Wenn auch Ernst und
namentlich Albrecht dem Konige ganz besonders nahe
standen, so hat doch auch Herzog Wilhelm, so viel DifFe-
renzen es sonst zwischen ihm imd den Neflfen gab, in
dieser Beziehung im wesentlichen eine gleiche Politik
verfolgt: wenige Wochen vor dem Tode des K5nigs, in
den letzten Februartagen 1471, fand die Yermahlung
seiner Tochter Katharina mit dem jiingeren Sohne Georgs,
Hinko, statt. '**), Die Fortsetzung dieser Politik liber
Georgs Tod hinaus zeigt sich in Albrechts Bewerbung um
die bohmische Krone, in dem noch lange bemerkbaren
Gegensatze der wettinischen Fiirsten gegen Konig Matthias
und die Curie, in dem Schutze, den Gregor Heimburg,
die Seele der Politik des Konigs Georg, in Meissen fand,
und in anderen Momenten, deren weitere Verfolgung wir
uns tersagen miissen.
Zu einem thatkraftigen Eintreten fiir den Bohmen-
konig ist es freilich nicht gekommen und konnte es nicht
kommen. Wenn ein neuerer Historiker '**) ein hartes Ver-
dammungsurtheil liber die „Neutralitat deutscher Ge-
sinnungsschwache" ausspricht, die abwarten musste, „was
die grosse Politik verhangen wtirde'*, und ihr die Ver-
antwortung dafiir aufbtirdet, „dass alles, was sich in
nUchster Polge begab, dem deutschen Namen zu Schande
und Gefahr gereichte", so ist dies Urtheil schwerlich ge-
recht. Eine „entschlossene Parteinahme fiir den Bohmen-
*»•) VergL das Schreiben Johanns von Krumau an Lauren tius
von Ferrara d. d. 1471 Marz 12 bei/Palacky, Urk. Beitr. 646, und
Heinrichs von Munsterberg an Markgraf Albrecht d. d. 1471 Februar
27 bei Bachmann, Urkk. und Akten. 610.
»»*) Jordan, Das K6nigthum Georgs von Podebrad 297.
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Stndien zur Gescb. der sachs.-bohm. Beziehungen 1468 — 71. 49
konig", eine '^energisclie Vermittlung rait dem Schwerte
in der Hand" hatte zu jener Zeit ohne Frage die Gefalir
eine& allgemeinen Krieges heraufbeschworen, der das Haus
Wettin in die gefahrlichste Lage gebraclit haben wiirde.
So macht denn die sachsisch-bohmischePolitik wahrend
der Jahre 1464 — 71 in der Hauptsache den Eindruck eines
behutsamen Layierens zwischen unversohnlich sich gegen-
iiber stehenden Kraften; sie kommt eben deswegen nicht
zu klaren Eesultaten, und dies giebt ihr etwas Unfertiges
und Unbefriedigendes. Aber einmal dtirfen wir nicht
vergessen, dass ein unsicheres Tasten im allgemeinen Clia-
rakter des fiinfzehnten Jahrhunderts, wie wohl jeder Ueber-
gangszeit, liegt; und femer mUssen wir zugeben, dass ein
abschliessendes Urtheil iiber die von uns behandelten
Jahre erst dann moglich sein wird, wenn die gesammte
politische Geschichte des Hauses Wettin wahrend des spa-
tem Mittelalters, die noch sehr viel Eathsel zu losen giebt,
eine grtindliche und allseitige Durchforschung erfahren
haben wird. Fiir diese Arbeit, an die wir liber kurz oder
lang herantreten zu konnen hoffen, soUen unsere Studien
nur eine bescheidene Vorbereitung bilden.
iJenes Archiv f. S. a. u. A. 11. 1. 4
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n.
Zur Gresohiohte der Juden in der Oberlausitz
wahrend des Mittelalters.
Von
Hermaim Enothe.
Den Aiischauung:en der mittelalterlichen Kirche zu-
folge war bekanntlich jedes Ausleihen von Geld um Zins
als slindhafter Wucher alien Christglftubigen verboten.
Fursten und Herren verschafften sich daher Geld durch
Verpfandunff von grosseren oder kleineren Gutern sammt
alien darauf haftenden Eechten und Einktinften^ kleinere
Grundbesitzer durch sogenannte Zinsverkaufe auf Wieder-
kauf^ d. h. durch Ueberlassung einer Anzahl von erb-
unterthanigen Bauern sammt den von diesen an den Erb-
herm zu entrichtenden Renten und Diensten^ wofiir von
den nunmehrigen Glaubigem gewohnlich der acht- bis
zehnfache Betrag der an sie abgetretenen Rente ausge-
zahlt wurde. Bei wem aber soilte der Kaufmann, der
Handwerker, der verarmte Edelmann in dringender Noth
borgen? Wesentlich flir dieee Stande wurden die Juden
ein dringendes Bedtirfhis in alien irgend grosseren Stadten.
Den Juden verbot ihr Gesetz nicht, Geld auf Wucher
auszuleihen; sie liehen auch nicht bloss auf Grundbesitz,
sondern auf jedes beliebige Pfand, ja selbst auf einfiachen
Schuldschein und die Siegel hinlanglicher Biirgen. Des-
balb erbaten sich die meisten grQsseren St&dte von dem
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Hermann Knothe : Zor Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 51
Kaiser oder von den Landesherren; wenn diese bereits
im Besitz des ^Judenschutzes" waren, die Vergttnstigung,
eine Anzahl Juden aufiiehmen oder ^halten^ zu'diirfen.
Diese hatten alsdann entweder bios an den Landesherrn
oder aosserdem auch noch an die Stadtkasse ein jtthr-
liches Schutzgeld („ Judenzins") zu zahlen, wofiir sie von
dem Rath gegen jedermann, besonders aber vor Gericht
in ihren Rechtshandeki gegen s&umige Schuldner geschtitzt
wurden. Gern kainen in solchem Falle aus irgend einer
benachbarten grosseren Stadt so viel Juden mit ihren
Familien, als man begehrte. Gem unterwarfen sie sich
der drtickenden Bestimmun^, dass sie in der Kegel nur
auf die Frist von einigen Jahren und niemals als Btirger,
sondem nur als des Kaisers oder des Landesherrn „Kammer-
knechte" aufgenommen wurden. Gem begntigten sie sich
mit unscheinbaren Wohnungen in irgend einer engen
Gasse, die nun nach ihnen, meist bis auf den heutigen
Tagy ^Jtidengasse^ hiess. Denn dafur versprach ihnen
das Monopol des Geldgesch&fts binnen kurzester Zeit
grossen Gewinn. Auch an den neuen Aufenthaltsort nah-
men sie mit den Glauben ihrer Vater, ihre religiosen Ge-
brEuche, ihre h^uslichen Sitten. Der schnell erworbene
Reichthum gestattete ihnen alsbald, eine eigene Synagoge
oder ^Judenschule^ zu begrtinden und einen besonderen
Judenkirchhof anzulegen. So bildete sich bald mitten in
der christlichen Stadt eine eigene^ strenggesonderte jtidische
Gemeinde mit eigenen Vorstehern imd eigenem Recht
wenigstens in ihren Beziehungen unter einander.
AUein eben dieser wesentlich auf Kosten der Biirger-
schaft gewonnene Reichthum erregte alsbald den Neid der-
selben Bttrger, welche sie erst herbeigewiinscht hatten. Der
hohe Zinsfuss, zu welchem sie Geld ausliehen, brachte haufig
den Schuldner, Burger wie Edelmann, sammt deren Biir-
gen um Hab imd Gut. Bis zum Verfalltag des ausge-
stellten Scheines begniigte sich zwar der jtidische Glfiu-
biger meist mit 20 Procent; aber wenn ihra da nicht
Zahlung ward, so trat nun der Wucherzins ein, namlich
gewohnlich von jeder Mark (zu 48 Groschen) wochentlich
Va Groschen, d. h. 54% Procent*), ja von dem Schock
(zu 60 Groschen) wochentlich 1 Groschen, d. h. 86*/s Pro-
cent. Der Rath musste, wenn auch mit Unlust, zu gunsten
im
*) L. Oelsner, Schlesische Urkunden zur Gesch. der Juden,
Archiv ftir Kunde dsterreich. Gesch.-Quellen XXXI, 81.
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52 Hermann Knothe:
der Juden Pfandung und Subhastation vollstrecken. Den
Handwerker und Arbeiter erbitterte das mtihelose Reich-
werden der Juden ohne ausserlich anstrengende Arbeit.
Der fremde Glaube und die zah beibehaltene Eigenart
des fremden Stammes verhinderte jede Verschmebung.
Schiirten nun irgend fanatische Geistliche den Glaubens-
hass, riefen elementare Ereignisse oder gar ein „gros8es
Sterben^ den Aberglauben wach, dann wurde sicher auch
der alte Verdacht gegen die Juden wegen Missbrauchs mit
geweihten Hostien und mit dem Blute von Christenknaben
aufs neue verbreitet. So erfolgte dann fast jedesmal eine
Judenverfolgung, welche, meist von dem niederen Volke
ausgebend, von den stadtischen Wie den landesherrlichen
Beh5rden kaum gehindert, oftmals unterstutzt ward. Denn
die hinterlassene Habe der vertriebenen oder gar erschla-
genen Juden fiel an diese Behorden und ward zwischen
beiden getheilt.
Und dennoch machte sich binnen kurzem wieder
das Bediirfnis fuhlbar, Capital auch ohne hypothekarische
Sicherheit aufnehmen zu konnen. So wurden aufs neue
Juden herbeigerufen. Sie kamen, aber nur um alsbald
selbst wieder ahnliches zu erfahren und zu erleiden.
Wir haben geglaubt, die Geschichte der Juden, wie
sie sich wslhrend des Mittelalters in fast alien Landern
und grosseren Stadten abgespielt, in ktirzesten Umrissen
vorausschicken zu soUen, ene wir versuchen, dasjenige
zusammenzustellen, was sich an zuverlassigen Nachrichten
iiber die Juden in der Oberlausitz w^hrend des Mittel-
alters noch auffinden lasst. Auch hier wiederholte sich
genau der so eben geschilderte Verlauf, nur, so viel
wir wenigstens haben ermitteln konnen, nicht auch der
Judenmord.
Unsere Nachrichten sind in Betreff der meisten ober-
lausitzischen Stadte sehr dtirftig*). In wenigen gehen
Stadtbiicher und Stadtrechnungen zuruck bis ins vier-
zehnte Jahrhundert. Und selbst dann sind die betreffen-
den Rathsbeschlusse niemals verzeichnet. Ueberall sind
es vielmehr nur gelegentliche Notizen und einige landes-
herrliche Erlasse, welche aber immerhin einmal zusammen-
*) M. Wiener, Regesten zur Gesch. der Juden in Deutschland
wfthrend des Mittelalters (Hannover 1862), bringt in dem ersten
Theile seines Werkes keine oberlausitz. Urkunden. Auch Otto Stobbe,
Die Juden in Deutschland wfthrend des Mittelalters (Braunschweig
J866), scheint dieselben nicht zu kennen.
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Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 53
gestellt zu werden verdienen. Nur von Gorlitz ist es
mSglich , em einigermassen anschauliches Bild von dem
Leben und Treiben sowie von den wechselnden Geschicken
der Juden, zumal wahrend des vierzehnten Jahrhunderts,
zu entwerfen. Wir behandeln daher absichtlich diese Stadt
zuletzt.
Es mlisste Wunder nehmen, wenn in Bautzen, der
alten Hauptstadt der Oberlausitz, um welche herum in
weitem Kreise der alteste, zahlreichste und zum guten
Theil zugleich armste Adel des Landes wohnte, sich nicht
auch einmal Juden auf langere oder kiirzere Zeit soUten
niedergelassen haben. Freilich war Bautzen keine Handels-
stadt im eigentlichen Sinne, ausgenomraen den Handel mit
Tuch, Getreide und sonstigen Feldfruchten. Dennoch be-
richteh die Lokalliistoriker nichts Thatsachliches *) von
einst dort wohnenden Juden. Auch alle diejenigen hand-
schriftlichen Chroniken von Bautzen, die wir zu diesem
Zwecke durchgegangen haben, schweigen. Und dennoch
haben auch hier in der That wahrend der ersten Halfte
des vierzehnten Jahrhunderts Juden gewohnt. Von 1356
bis 1359 wird in den Breslauer Stadtrechnungen mehrfach
ein Jude „ Jacob de Budessin" erwahnt *), der diesen Bei-
namen nicht fuhren konnte, wenn er nicht von Bautzen nach
Breslau iibergesiedelt ware. Und in der That soil die jetzige
Haringsgasse friiher „Judengasse" geheissen haben*).
In Zittau setzt die lokale Sage die Anwesenheit von
Juden schon in die Zeit vor der Aussetzunff des einstigen
Dorfes Zittau zur Stadt, wozu eine wahrscheinlich falsch
gelesene Jahreszahl (1250) an einem spater zu erwahnen-
») Wilke, Chronik der Stadt Budissin 25, sagt zwar, die An-
zahl der dasi^en Juden mtisse gross gewesen sein, denn „auf eine
Beschwerde, die von der Btirgerschaft wegen des Wuchers bei dem
Konig Wenzel gefiihrt wurde, erliess der K6nig die Verordnung,
dass alle Wucherer die Pfatfder ohne Zinsen herausgeben soUten".
AUein Wilke fftgt weder irgeud einen Nachweis, woher er diese
Nachricht genommen, noch auch das Jahr der vermeintlichen Ver-
ordnung bei. Da nun die „Oberlausitzer Urkunden-Sammlung" (Mspt.
Gorlitz) und ebenso das gedruckte „Oberlausitzer Urk.-Verzeichnis"
aus der ganzen Begierungszeit Wenzels eine solche oder ahnliche
Verordnung nicht aufftihrt, so kdnnen wir jener Angabe Wilkes
keinen Worth beimessen.
*) L. Oelsner, Schlesische Urkunden zur Gesch. der Juden im
Archiv fur Kunde 5sterreich. Gesch.-Quellen XXXI, 111. 120. 127.
*) Wilke 22. 340. 336. Andere meinen, die Vorstadt Seidau, wendisch
Zidow, habe ihren Namen von den einst dort wohnenden Juden erhalten.
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54 « Hermann Enothe:
den Hause Anlass gegeben haben mag. Zu der Zeit; wo
der Stadtschreiber Jonann von Guben seine altesten Jahr-
biicher von Zittau schrieb (1363 — 81), gab es daselbst
eine „Judenburg"*), welche nach einem nicht mehr vor-
handenen Stadtbuche von 1395 ') „in der Badergasse", einer
engen, vom Markt sudlich gegen die Mandau bin fiihren-
den Gasso; gelegen haben soil. Noch einmal wird 1399
ebendaselbst ein Haus bezeichnet *) als „ gelegen in
der Mandau ; benieden der Judenburg**. Dies sind nach
Carpzov, dem gewissenhaften Historiker und Stadtschrei-
ber; der die seitdem verbrannten Stadtbticher alle benutzt
hatte, die einzigen Spuren davon, dass es bereits im vier-
zehnten Jahrhundert zu Zittau Juden gegeben hat*).
Wann und weshalb sie fortgekommen, weiss er nicht, und
auch spatere Forschungen haben zu keinerlei Resultaten
gefiihrt. Wohl aber berichtet Carpzov ^^) genaueres iiber
einen zweiten Aufenthalt von Juden im fiinfzehnten Jahr-
hundert. Im Jahre 1424 nahm der Rath „ auf Geheiss
Kaiser Sigismundi mit Willen und Wissen der Hand-
werkmeister und ganzer Gemeinde" den Juden Smoyl
aus Lowenberg in Schlesien sammt seinem Sohne Jonas
und seinem Schwiegersohne Caiphas „mit ihren Weibern,
KinderU; Dienem, Dienerinnen, Schulmeistem und Glock-
nem" auf und vergonnte ihnen, zunSchst auf 7 Jahre,
hier zu wohnen. Dafur mussten sie jahrlich ein Schutz-
geld von 40 Mark polnischer Zahl erlegen, wogegen sie
„alle gute Gewohnheiten, die sie im Ftirstenthum zu
ochweidnitz und Jauer vormals gehabt" geniessen sollten.
Auch von Konig Wenzel und spMer von Kaiser Siegmund
ihnen speciell ertheilte Schutz- und Freibriefe brachten
•) N. Script, rer. Lusat. I. 3: Ottackerus, eyn konig zcu Berne
— sacz vz dese stat vnd hatte nicht verrer vmme gereten, wen als
di gasse wendt hindir der cruczeger hovfe cza dem webirthore vnd
von dem webirthore bis her czu der Judenborg, gerichte czu der
clobin gasse etc.
*) Carpzov, Analecta I, 26.
•) Ebendas. IV, 167.
*) Die allerdings nur chronikalische Angabe, dass der konig-
lich bOhmische Landvogt tiber das Weichbild Zittau unter anderen
Kevenuen auch „in der Stadt den Judenzoll gehabt" habe (Carpzov,
Anal. 1, 165), hat an sich viel Wahrscheinlichkeit fttr sich; nur wird
in den Urkunden liber die Verpachtung dieser Landvogtei an die
Stadt Zittau von 1366—1405, in denen alle die Einktlnfte derselben,
darunter auch andere Z511e, aufgez&hlt werden, ein solcher Juden-
zojl nirgends erwahnt. Carpzov, Anal, n, 251 fgg.
»«) Anal. IV, 168.
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Zur Geschichte der Juden in der Oberlaasitz. 55
sie vor, und so stellte ihnen der Bath unter dem grosseren
Stadtsiegel ein (nicht mehr yorhandenes) Dokument ans,
welches fUr beide Theile die Einzelbestimmongen des
zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrages enthielt Dies
war also thatsachlich die Einwanderun^ einer ganzen Juden-
colonie^ bestehend zwar nur aus drei Familien^ aber gewiss
aus ziemlich yielen Eopfen. Die ErwUhnon^ von f,Schul-
meistern and Glocknem^ (d. h. Synagogendienem) deutet
darauf, dass die Errichtung einer besonderen Synagoge
von Yorn herein yon ihnen beabsichtigt gewesen sei.
Nun bezeichnet die lokale Tradition mit Bestimmtheit
einen nachmaligen Bierhof (nach einander den Familien
Eandigy Htibner, Weise geharig, Eatastemummer 239)
in der ^Judengasse*' als die ehemalige Synagoge. Und
in der That soil in diesem wie in einem anderen Hause
derselben Gasse der Bau zumal der Fenster noch jetzt
auf. ehemalige jtidische Einrichtungen schliessen lassen.
Demzufolge dtirften sich jene Juden 1424 hier angebaut
und erst hierdurch die „ Jiidengasse^ ihren Namen erhalten
haben. Der Jude Smoyl kam tibrigens bald darauf der
Stadt ziemlich theuer zu stehen. Er hatte unter anderem
mit Herm Jan von Wartenberg auf Dewin (bei Warten-
berg in Bohmen) Geldgeschafte gehabt. Wahrscheinlich
zahlte letzterer weder Zins noch Capital. Da liess ihm
1426 der Jude „sein Gewand mit Rechte verhindem" "),
d. h. von ihm in Zittau erkaufte Tuche durch den Rath
mit Beschlag belegen. Jan von Wartenberg rftchte sich
daflir an der Stadt selbst. Er fiel (28. August) 400 Pferde
stark in deren Dorfer ein, raubte Schafe, KUhe und Pferde
und trieb den Raub zurlick, seiner Burg zu. Allein die
Zittauer Blirger kamen^ obgleich nur zu Fuss, den boh-
mischen Raubern zuvor^ Uberfielen sie im Spittelholz und
nahmen ihnen den gesammten Raub wieder ab. Der Ver-
trag mit Smoyl scheint nach Ablauf der 7 Jahre emeuert
worden zu sein. Noch 1434") liess Kaiser Siegmund
von ihm imd seinem Sohne Lazarus 96 fii. ungarisdi und
400 fl. rheinisch als eine Strafe, die sie „verwirkt", den
Colestinem auf dem Oybin auszahlen zu Baugeldem.
Wie lange die Juden noch in Zittau geblieben, weiss
man nicht. Der Umstand, dass nach ihrem Abzuge das
Haus mit der ehemaligen Synagoge ^in eine biirgerliche
") N. Script rer. Lus. I, 60.
") Pescheck, Gesch. der COlestiner des Oybins (1840) eo.
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56 Hermann Enothe:
Wohnung'* verwandelt und liber der Hausthiire ein Bild
mit der Kreuzigung Christi gemalt wurde '*), scheint
doch auf den ublichen Glaubenshass gegen die Juden
hinzudeuten. Die fruher ebeDfalls iiber dieser Thlir an-
gebracht gewesene Jahrzalil diirfte statt 1250 vielmehr
1450 gelautet und sich auf den Unibau des Hauses be-
zogen haben.
Hinsichtlich des Aufenthaltes von Juden in Lauban
liegen zwei sehr sicher auftretende Aufgaben vor. Der
einen zufolge**) liabe Markgraf Otto von der Lausitz und
Brandenburg im Jahre 1294 den Laubanern die Ober-
gerichtsbarkeit in ihrem Weichbild bewilligt und die Er-
laubnis gegeben, zwei Juden mit gleichen Abgaben und
Dienstlasten, wie sie selbst, zu lialten. AUein dieser Otto
der Lange konnte 1294 noch nicht Markgraf der (Nieder-)
Lausitz heissen, da dieselbe erst 1303 von den Branden-
burgern erworben ward; die Behauptung von der zugleich
verliehenen Obergericlitsbarkeit ira Weichbilde erweist sich
als unrichtig'*); eine vollige Gleichstellimg der Juden
mit den Burgern hinsichtlich der stadtischen Leistungen
erscheint im hochsten Grade unwahrscheinlich , und end-
lich die Quelle, auf welche die ganze Angabe zuriickge-
fiihrt wird, n^mlich Hosemann, gracisiert Knemiander, der
bertichtigte Laubaner „Lugenhistoriker", raubt derselben
jeden Anspruch auf Glaubwiirdigkeit. Eine zweite Nach-
richt meldet *®), am ersten Osterfeiertage 1390 sei in Lau-
ban ein Priester, der mit der Moii^jtianz zu einem Kranken
sich begeben, „bei der Judengasse" mit Steinen geworfen
worden, so dass die Hostie zur Erde gefallen. Darauf
seien die Christen auf die Juden losgestiirmt, hatten viele
davon erschlagen und deren Guter eingezogen. Obgleich
diese Erzahlung dem Ausbruche von Judenverfolgungen
in anderen Stadten auf das Haar gleicht; wurden wir ihr
vielleicht doch einigen Glauben schenken, wenn zu Lauban
»*) Carpzov, Anal. I, 25.
") Manlius bei Hoffmann, Scriptor. rer. Lus. I, 277: Anno
1294, referente Cnemiandro, Otto marchio Lusatiae et Brandepurgi
Laubanensibus JLirisdictionem superiorem in ipsorum territorio con-
cessit, et ut binos Judaeos paribus secum censibus ac oneribus
habitantes retinere ipsis liceret, indulsit. Ihm nach: Wiessner
in seinen Laubaner Stadtannalen (Mspt.). Grosser, Merkw. I, 40.
Carpzov, Ehrent. I, 40. Urk.-Verz. I, 18. Worbs im Lausitz. Mag.
1830. 486. Schelz, Gesammtgesch. 176 u. s. w.
**) Vergl. Knothe, Rechtsgesch. der Oberlausitz 42 fg.
*•) Grtinder, Chronik von Lauban 341.
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Zar Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 57
sonst irgendwo eine ^Judengasse" erwahnt und das Vor-
handensein von Juden sonst irgend urkundlich bestatigt
ware.
Wir glauben daher, dass es in Lauban ebensowenig
als in Kamenz und Lobau ") jemals Juden gegeben hat.
Wohl aber scheint in dem Stadtchen Eeichenbach
mindestens ein Jude gehalten worden zu sein. Als, wie
sp'ater zu erzahlen sein wird, die Gorlitzer 1389 ihre
Juden vertrieben batten, schickten sie haufig Boten „nach
Eeichenbach wegen der Juden". Ihr Herzog, Johann
von Gorlitz, hatte ihnen namlich zugestanden, dass fortan
im ganzen Lande Gorlitz kein Jude mehr solle wohnen
diirfen. Es gait daher wahrscheinlich, jetzt auch Hans
von Gersdorff, den daraaligen Besitzer von Eeichenbach**),
zu vermogen, dass er seinen Juden ausweise. Gleichzeitig
sendeten die Gorlitzer aber auch sehr haufig Boten an
die Herzogin Agnes von Schweidnitz, welche den Juden
gUnstig gesinut war, und aus deren St'adten die moisten
Juden nach der Oberlausitz gekommen waren. Bei solcher
Gelegenheit heisst es das eine Mai, es sei zu ihr gesendet
worden „ wegen Ydam (Adam ?), Juden in Eeichenbach*' ^^),
AusfuhSrlichere Nachrichten haben wir, wie schon er-
wahnt, liber die Juden in Gorlitz*®). Alte Privilegien
uber den Waidhandel und den Strassenzug machten das-
selbe zum Haupthandelsplatze der gesammten Oberlausitz.
Kein Wunder, dass sich aus dem benachbarten Schlesien
friihzeitig auch Juden dahin gewendet batten. Es muss dies
bereits unter den Brandenburger Herrschern aus dem
Hause Askanien geschehen sein; denn das mit dem Jahr
1805 beginnende alteste Stadtbuch**) erwahnt schon vor
1307 (Bl. 4) eine „ Judengasse", spater (1338 und ofter)
*') Das Walirzeichen von Lobau, ein Judenkopf an der Stadt-
uhr, der sich bei jedem Glockenschlage offnet und wieder schliesst,
ist ein haufig vorkommender Ausdruckinittelalterlichen Volkshumors.
*•) Knothe, Gesch. des Oberlausitzer Adels 191.
'•) Nach den Gftrlitzer Rathsrechnungen, Mspt.
*<*) Eigenthiimlicher Weise scheint die Geschichte der Juden
in Gorlitz noch niemals im Zusammenhange behandelt worden zu
sein. Der ^Gorlitzer Wegweiser" 1832. 322 fg. bringt nur wenige
diirftige Thatsachen im wesentlichen nach Grosser, Merkw. I, 97;
Naumann, Gesch. von Gorlitz 141 fg. allerdings mehr, aber der An-
lage des Buches zufolge nur bei Gelegenheit der Geschichte Herzog
Johanna von Gorlitz. Nach einer etwaigen Monographic aus <erer
Oder neuerer Zeit haben wir vergeblich geforscht.
*») Mspt., jetzt auf der Miiich'schen Bibljothek,
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58 Hermann Knothe:
erne Synagoge oder „Judenschule"; desgleichen (1335 Bl.
31) einen „ Judenkirchhof", gelegen »in der Kalowe".
Aber auch ausserhalb der Judengasse besassen die Jaden
Hauser oder Hsfe und zwar als Erbe, so z. B. (1345)
In der ^Oelschlagerffasse", desgleichen in der „Kniegasse'',
wo (vor 1327) » Katharine, Johannes des Juden Tochter'',
ein Haas aufgab Heinrich Salczhuter'n „zu einem rechten
Erbe". Sie durften also von Christen beliebig Hauser
erwerben, nur dass sie von denselben einen besonderen
Zins an die Stadtkasse zu eriegen batten. ^^Die Juden
habbent gecoyft Otten Buteners Hof und sullen da von
den burgem cinsen drizig phenninge alle jar. Shymon
jude vnd Hanna judinne hant gecoyft kegen Merkele
einen Hof, davon sullen sie geben den burgem vlinf
Schillinge cinses" (Bl. 9, circa 1309). Kaufe und Ver-
kaufe liegender Griinde wurden auch von den Juden,
ebenso wie von den Christen abgeschlossen »in gehegtem
Ding" „an rechter Dingstatt" oder ^coram judicio item
coram Judeorum bannito" und dann eingetragen in das
allgemeine Stadtbuch **). Als 1329**) Herzog Heinrich
") In der vollstandigen Abschrift des „Magdebur^er Kechts",
welches die SchOppen von Magdeburg der Stadt GOrlitz 1304 zu-
kommen liessen, handelt § 118 (nach dem Abdruck in Tzschoppe and
Stenzel, Urk.-Samml. 473): „Von des Juden Gewere. Der Jude en
muz des Gristenen mannes gewere nicht sie, her en woUe danne ant-
worten in Gristenes mannes stat. Sleit der Jude einen Gristenen
man tot oder tut her ungerichte an im, da her mite be^riffen wirt,
man richtet ubir en, als ubir einen Gristenen man. Sleit ouch ein
kristenen man einen Juden, man richtet ubir en durch des konigs
vride, den her an im gebrochen hat oder tut her ungerichte an im."
Ein „ Judeneid" und zwar der sogenannte Erfurter Eid (Otto Stobbe,
Die Juden in Deutschl. 157) auf dem Vorsetzblatte eines Gdrlitzer
Kechtsbuches (N. Script, rer. Lus. I, Vorwort XXXV) lautet und
zwar in abweichender Fassung: „Das man dich suldich, des bistu
vnsuldihc; daz dir got zo helfi, der himel vnde erdi giswf vnde
loab vnde gras, vnde als dir ginad adonay vnde seni giuedichi got-
heit, vnde als du di ee nimmir mvzis bihaldin, di got gap moizi vf
dem bergi zv sinay an der stenin tafihn. Op du nicht reht vnde
war habis, zo mvizi dich ani gen das vreisliche gisvcti, daz gezi ane
ginch, do her dv gabi von naaman vntphinc; ap dv niht rechti vnde
ware habis, zv mvzi dich dv erdi wirshndin vnde das fwr virbrennen,
daz datan vnde abiron verbranti vnd ir mani. Daz swerstu vffe dem
funf buchin moizi bi dem abraham, ysanc vnde yacop." Wir dtlrfen
wohl annehmen, dass sowohl jene Bestimmungen des Magdeburger
Bechts, als dieser Judeneid auch zu GOrlitz in Anwendung waren.
*^ KOhler, God. dipl. Lus. sup. 280. Et ne quis — presumat —
tutele Judeorum Gorlitczensium, quos civibus sepedictis gubernandos,
regendos et ab injuriis quibuslibet perpetuo defensandos nostroi
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ZuT Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 59
von Jauer das Land Gorlitz an Koni^ Johann von B5h-
men abtrat, best&tigte dieser der Staat Oorlitz ihre bis-
herigen Rechte iind Privilegien; damnter aach das, ^die
GorStzer Juden zu regieren und vor jedem Unrecht zu
beschiitzen**.
Auch Uber die Natur der von den Gorlitzer Juden
damals vorzugsweise betriebenen Geschafte erhalten wir
mancherlei Kunde. 1323**) batten mehrere Adlige die
Giiter des Klosters Marienstem auf dem Eigen beraubt
und zwar aus den Ortschaften Bemstadt, Schonau und
Kiessdorf Pferde und Vieh fortgetrieben nach Gorlitz und
bei den dortigen Juden* ^JohanneS; dem Schwiegersohne
von Jakob, Johannes^ dem Schwiegersohne von Salomon
und dem kleinen Jakob^ versetzt. Infolge dessen erliess
der Executor der ConcilbeschlUsse fiir das Bisthum Meissen
an sammtliche oberlausitzische Geistliche den Befehl^ nicht
bloss die Eauber selbst, sondem auch jene Juden den cano-
nischen Satzungen gemass zu adraonieren, dass sie den Raub
binnen vierzehn Tagen dem Kloster zuriickerstatten soil-
ten, widrigenfalls alien Christen jeder Verkehr mit jenen
Juden bei Excommunication verboten werden wiirde.
1343 **) zahlten die Brtider Jan und Otto von GersdorfF
auf Badmeritz einem Gorlitzer Juden Daniel vor Gericht
Geld ratenweise ab. Diese selben Briider hatten aber
auch noch von dem Gorlitzer Juden Jeckil 80 Schock
Groschen erborgt, welche dieser ihnen, wie er sagte, von
dem Liegnitzer Juden Hannus verschafft hatte^ und zwar
fijedes Schock um einen Groschen die Woche zu Wucher"
(d. h. zu 86*/s Procent). Spater war eine Abrechnung
erfolgt, so dass nur noch 40 Schock verblieben; aber
nach einiger Zeit waren dieselben infolge des Wucher-
zinses wieder auf 70 Schock angewachsen. Alles dies
heredum et successorum nostrorum — nomine et vice committimus,
curam sibi ausu temerario vendicare. KOhler schreibt freilich (nach
einef ganz unzaverlassigen Abschrift in der ,,Oberlaas. Urk.Samml.'*)
statt Judeorum Judiciorum^^ was gar nicht in die Construction passt;
schon Tzschoppe and Stenzel, Urk.-Samml. 631, dagegen richtig:
Judeorum. Una so bios und nicht anders kann auch die Abbreviatur
in dem allein noch erhaltenen Vidimus von 1424 im Bathsarchiv zu
Gorlitz aufgelOst werden. Das Yerbot des E6nig9 gilt den Land-
vOgten, welche keinerlei Gewalt ttber die Juden haben sollten.
^) Knothe, Gesch. des Eigenschen Ereises 66 fg.
*») Liber vocationum, proscriptionum, actitationum 1342. Mspt.
G6rL Blatt 70b.
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60 Hermann Knothe:
bezeugten 1345**) Richter und SchOppen dem Juden
Jeckil auf dessen Ansuchen „init der otadt heimlichen
Insigel" und trugen es auch in das Ladebuch ein.
Namentlich haben wir ausserdem wahrend der ersten
Halfte des vierzehnten Jahrhunderts von GOrlitzer Juden
noch erwahnt gefunden^') Simon und Hanna, welche
(um 1309) einen Hof kaufen, von Merkele, Katharine,
des Johannes Tochter, welche ein Haus verkauft (vor
1326), Friczko, der an Leo einen Hof abtritt (1338),
Isaak, welchem seine Briider Jeckil und Noah ebenso
wie Melach ihre Hofe aufgeben, und der selbst einen Hof
an Daniel, einen anderen an Zharnak auflasst (1345, 1346).
Da sehen wir diese, wie es scheint, durchaus fried-
lichen und vollig geregelten Verhaltnisse der Gorlitzer
Judenschaft plotzlich aufgel5st. Mittels Urkunde vom
25. Juli 1350*®) schenkte Kaiser Karl IV., der damalige
Landesherr, auf Bitten seines Onkels, des Herzogs Wenzel
von Liegnitz, dem Apotheker Chunrad in Gorlitz und
dessen Erben „die Synagoge der Juden zu Gorlitz sammt
allem Zubehor, welche, wie bekannt, in diesen Tagen an
seine, des Kaisers, Kammer rechtmassig zurtickgefallen
sei**, und befahl dem Landvogte, sowie dem Biirgermeister
und Bathe, den Apotheker bei dieser Schenkung zu „manu-
teniren". Und beim Jahre 1352 enthalt das Stadtbuch
die Notiz, dass Heincko von Bischofedorf (d. h. Heinrich
von Gersdorff auf Bischdorf ) den Judenkirchhof von Hans
Wicker gekauft habe. Beides deutet ohne Zweifel auf
eine (erste) Vertreibung der Juden aus Gorlitz. SoUte
die Synagoge, an welcher doch die ganze Judengemeinde
Antheil hatte, nur durch den unbeerbten Tod irgend eines
Juden, als des Kaisers und Landesherrn„Kammerknechtes",
an diesen ^zuriickgefallen" sein? Und auch der Juden-
kirchhof gelangte 1352 durch Verkauf schon in die zweite
christliche Hand. Die ganze Judengemeinde muss also
aufgelost worden sein. Weshalb und wie, — wir wissen
es nicht (die Stadtrechnungen beginnen erst mit dem Jahre
1376), konnen es aber wohl vermuthen auf Grund von
ahnlichen Vorgangen, die eben damals sich in anderen
Stadten abspielten.
Eben in jenen Jahren wuthete^ bekanntlich durch
") Ebendas. <B1. 69 b. Abgedrucktl;in Kohler, Cod. Lus. 370.
**) Vomehmlich im altesten Stadtbuch.
") Oberlausitzer Urk.-Verz. I, 67 No. 284.
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Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 61
fast ganz Europa die flirchterliche Pest, „der schwarze
Tod". Die fanatischen Geissler predigten Busse; aber zu-
gleich auch Vertilgung der Unglaubigen. Fast aller Orten
beschuldigte man die Juden der Vergiftung der Brunnen.
So begann der Hass des armen Volkes gegen die reichen
Juden deren Verfolgung. Die Obrigkeit connivierte und
theilte sich mit dem Landesherrn in deren Gtiter. So
geschah es im Jahre 1349, um von entfemteren Stadten
zu schweigen, in Breslau, Guhrau, Brieg, in Eger, in
Dresden und Meissen**). So dtirfte es auch in Gorlitz
hergegangen sein. Die Anwesenheit von Geisslern auch
in Gorlitz und in Bautzen wird wenigstens bei dem Jahre
1349 von den Chronisten berichtet ***). Ob die Juden in
Gorlitz bloss vertrieben oder auch erschlagen worden seien,
erfahren wir nicht. Wir m5chten nur das erstere annehmen.
In den Jahren 1351 bis 1359**)? also unmittelbar darauf,
werden in den Breslauer Stadtrechnungen mehrfach die
Juden Aaron und Arnold von GOrlitz, letzterer mit seiner
Schwester Buth und einem Schulmeister (Hauslehrer), er-
wahnt, welche noch dazu eine ziemlich hohe Steuer er*
legten. Wir vermutlien, dass sich dieselben nach ihrer
Vertreibung aus G5rlitz nach Breslau gewendet haben.
Darauf schweigen die einheimischen Quellen eine
lange Zeit ganzlich von Juden zu Gorlitz. Und dennoch
hatten sich alsbald deren aufs neue dahin gewendet 1389,
wo eine abermalige Verfolgung iiber sie hereinbrach, lebte
daselbst wieder eine respectable Anzahl/gab es wieder
eine Synagoge, einen Kirchhof, auch Iftngst schon (1377)
eine eigene ^Judenbadestube**.
Diese zweite Vertreibung gait gar nicht dem Glauben,
sondem bloss dem Vermogen der Juden. Sie war wohl
vorbereitet und zwar von den s£lmmtlichen betreffenden
Behorden. Konig Wenzel von B5hmen hatte schon 1385
besonders in den freien Reichsst^dten der Judenschaft
grosse Summen abgenommen **). Sein Bruder Johann,
seit 1377 Herzog von Gorlitz, war nicht minder geldbe-
diirftig als er und nicht minder unbedenklich in seinen
*•) L. Oelsner, Schles. Urkunden zur Gesch. der Juden im
Mittelalter, im Archiv fiir Kunde Ssterreich. Gesck-Quellen XXXI,
73 fgg. Pekel, K. Karl, I, 805. Klemm, Chronik von Dresden I,
73. Cod. dipl. Sax. reg. II. 4, 25 vergl. 34.
»®) Wilke, Chronik von Budissin 21. Grosser, Merkw. I, 77.
»») L. Oelsner a. ft. 0. ill. 113. 120. 127.
**) Stobbe, Die Juden in Deutschland 134.
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62 Hermann Knoth^:
Mitteln. Es unterliegt wohl keinem Zweifel; class er sich
sowohl mit der Bitterschaft des Weichbildes, als mit dem
Bathe der Stadt Gorlitz schon im voraus verstS^ndigt
hatte. Die dasigen Juden mochten ihr Schicksal ahnen
und suchten ihre Liegenschaften durch Verzichtleistung
an andere so gut als moglich zu sichem. ^Sara judinne
hat aufgegeben ihr haus^ das Smerlin gewest ist, Isag
juden und danach gemeinlich alien juden zu einer schule
erpUchen (1388). Jeckil jude hat aufgegeben Peter Stein
Grebers garten.** Ebenso giebt auch ^Smoel jude einen
garten" auf (1389).
Da brach zum Osterfeste (18. April) des Jahres 1389
zu Prag eine blutige Judenverfolgung fast, unter den
Augen Konig Wenzels aus. Er soil — gezUrnt haben.
In der Woche nach Ostem be^aben sich von Gorlitz der
Burgermeister Vincenz Eczel; der Rathsherr Jakob Sleife
und der Stadtschreiber in Begleitung von Abgeordneten
der Ritterschaft nach Prag ^propter alienationem Judeo-
rum"'*). Das Ergebnis dieser Keise war unzweifelhaft
die Urkunde Herzog Johanns vom 30. April 1389'*), in
welcher er erklart, die Ritterschaft und BUrgerschaft von
Gorlitz sei zu ihm gekommen und habe ihm nachgewiesen
grosse Schildeny die sie von seinen Juden in diesem Lande
merklich gehabt, und habe ihn gebeten, dass er sie fttrder
von alien Juden befreien moge. Demzufolge begnadigt
er die Genahnten, ^dass von jetzt kein Jude noch Judin
in seinen Landen und seiner Stadt Gorlitz ans£lssig sein
noch Wohnung haben solle in irgend einer Weise**. Zu-
fleich bestimmte er vier Personen, „um die Gtiter der
uden in Empfang zu nehmen'* **). Zwei davon, Ticze
von Sor (auf Sohra, nordostlich von Gorlitz) und Peschel
Schaff (auf Horka), gehorten der Ritterschaft, jedenfalls
die beiden anderen dem Rathe an.
In der Stadt Gorlitz herrschte grosse Freude. Man
sendete sofort Wagen mit Bier nach Prag an den Herzog
und an die Herzogin „pro honore", bald darauf auch
Geldgeschenke an den Kanzler, an Otto von Elittlitz, einen
anderen Hofbeamten des Herzogs, an Anshelm von Ronow,
den Landvogt von Gorlitz „wegen verschiedener FOrde-
»») Alles Folgende wesentlich nach den Gdrlitzer Rathsrech-
nungen, Mspt.
»*) Urk.-Verz. I, 127 Nr. 628.
*') Et ibidem dominus noster dux quatuor constituit, qaod bona
Judeorum reciperent.
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Zwt Geschichte der Juden in der Oberlaasitz. 63
roDgen*'. Man fragte sogar beim Herzog an, ob das be*
absichtigte Tumier in Gorlitz noch 8tat£nden solle, was
doch vorausfiichtlich der Stadt viel Geld kosten musste,
ja man sendete abermals nach Prag, „um GlUubiger zu
bezahlen aof Befehl des Herzogs^.
Was mit den Juden selbst, jedenfalls gleichzeitig;
geschehen sei, melden die Stadtrechnungen freilich nicht
mit klaren Worten; aber sie lassen es zwischen den Zeilen
lesen. Da werden mehrmals Adlige vom Lande durch
den Rath ,,^eehrt mit Wein und Bier in captivitate Ju-
deorum^. Man hatte also die Juden wahrscneinlich ein-
fach tiberfallen und gefaneen gesetzt Ihre Hftuser waren,
wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, mit Beschlag
belegt worden. Anfang August ward ein reitender Bote
nach Prag zum Herzog ^eschickt ^propter vituperium
Judeorum". Wahrscheinlich hatten dieselben Klage iiber
den Herzog erhoben, wohl bei der Herzogin Agnes von
SchweidnitZy welche stets den Juden moglichst gerecht zu
werden bemiiht war und aus deren Lande die meisten
Gorlitzer Juden stammten. Wenigstens sendete der Rath
sofort nach Ankunft yon obigem Befehl des Herzogs einen
Boten nach Schweidnitz „mit einem Briefe des Herzogs
wegen der Juden**. Gewiss sollte der Brief die verhangte
Verfolgung rechtfertigen oder entschuldigen. Auch spftter
Sehen noch sehr hili^g Boten an die Herzogin ^propter
udeos**. Die Antwort Herzog Johanns auf die Beschwerde
der Juden bestand in einer zweiten Urkunde vom 9. August
1388 *•), durch welche er der Stadt GOrlitz erlaubt, „dass
sie, da (wo) etwa die Synagoge und Judenschule gewest
ist in der Langegasse, daselbst aus derselben mogen eine
Kapelle errichten und bauen zu Lob imd Ehre des hei*
ligen Leichnams", fiir welchen Zweck er den Judenkirch-
hof „zu Htilfe giebt**.
So war denn iiber die liegenden Grtinde der bis-
herigen Judengemeinde zu Gorlitz verftigt. Aber bei
alien derartigen Judenverfolgungen kam es den Landes-
herren ganz besonders auf die Schuldverschreibungen an^
welche sich in den HSuden der Juden befanden. In
diesem Sinne glauben wir die vielen Boten verstehen zu
soUen^ welche jetzt der Rath ausschickte, so nach Horka
und auf andere Dorfer ^wegen der aussenstehenden Gelder
(debita) der Juden**, femer nach Bautzen ^wegen des
»•) Urk.-Verz. I, 128 Nr. 6S5.
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64 Hermann Knothe:
Juden Simon und andrer Juden", nach Lowenberg ^wegen
Baruch und andrer Juden". Im Laufe des Jahres 1390
war der Herzog Johann mehrmals (Anfang Januar und
Mitte Juli) persSnlich in Gorlitz. Dabei diirften wohl
mtindliche Bestimmung^n uber das confiscierte Vermogen
der Juden getroffen worden sein. Nur von demjenigen;
was die Biirgerschaft betrifFt, erhalten wir nahere Kunde.
Uebrigens zog sich die definitive Entscheidung noch lange
hin. Wir wissen nicht, ob ein schon lange andauernder
Aufruhr der Handwerker gegen den Rath von Einfluss
auf diesen Aufschub, vielleicht sogar auf die ganze Juden-
verfolgung gewesen sei. L eider fehlen gerade aus der
Zeit unmittelbar nach 1390 die Rathsrechnungen.
Endlich im Jahre 1395 stellte Herzog Johann zu
Raudnitz zwei Urkunden in dieser Angelegenheit aus.
Mittels der einen bestimmte er abermals „die Judenschule,
genannt Synagoge, in seiner Stadt GOrlitz zu Gottes
Dienste" und befahl, sie ^zu einer Kirche imd Kapelle
zu wenden und zu machen, Gotte zu Lobe und seiner
Mutter Marie", und zwar solle sie den ,,Namen des hei-
ligen Leichnams unsers Herrn Jesu Christi" tragen, die
beiden darin zu errichtenden Altare aber St. Christo-
phorus und St. Barbara geweiht werden*'). Wir er-
blicken hierin nicht sowohl die Erneuerung der Schenkung
hinsichtlich der Synagoge, als vielmehr die der Verpflich-
tung zum Umbau derselben in eine Kapelle, womit es
der Rath gar nicht so eilig hatte. Die Synagoge war
Is^ngst abgebrochen. Schon im Frtihling 1390 ward „den
Knechten, welche an der Synagoge arbeiteten^^, Lohn ge-
zahlt aus der Stadtkasse. Aber der Auf bau einer Kapelle
mit zwei Altaren kostete viel Geld. So ist denn dieselbe
auch nie gebaut worden. Im Jahre 1396 starb Herzog
Johann von Gorlitz. Der Platz in der Langengasse, wo
die Synagoge gestanden, blieb leer und heisst noch heute
„der Judenring^*. — In der zweiten Urkunde vom 21. Sep-
tember 1395 wiederholte Herzog Johann, wie ihn die
Mannen des Landes und die Burger der Stadt Gorlitz
unterwiesen hat ten, dass „von den Juden daselbst grosse
Schaden und Verderbniss seiaer armen Leute geschehen
sei, davon sie merklich an ihren Gtitern abgenommen
batten und noch taglich abnahmen'^ Darum sei er mit
seinen Rathen Ubereingekommen und habe „der Stadt
»') Urk.-Verz. I, 139 Nr. 691.
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Znr Geschichte der Juden in der Oberlausitz. Q5
€R>rlitz ganz vollkommen Macht and Qewalt gegeben^ mit
den Juden zu 65rlitz zu thun und za lassen, sie za weisen^
nimmer dahin wohnhaftig zu kommen, und [d. h. oder]
yon ihnen solche Sicherung zu nehmen, als sie es ihnen
und dem Lande niitzlich erkennen^ also doch, dass ihm,
dem Herzoge, zuvor ausgerichtet und bezahlt werde von
denselben Juden das Geld ganz und gar^ das ihm, dem
Herzoge, bei ihnen werden mag und soil"*'). Hiermit
wurde also das absolute Aufentnaltsverbot von Juden aus
dem Jahre 1389 nicht wiederholt; sondem es ward in
das Ermessen des Bathes gestellt ob dieser sie fiir immer
ausweisen oder unter gewissen Vorsichtsmassregeln auch
ferner zulass^i woUe. Charakteristisch ist^ dass ietzt wie
1389 das Aussau^esystem des jttdischen WUcners yon
Herzog; Bath und Mannschaft als gemeingeffthrlich und
als alleiniger Grand der Vertreibung mngestellt wird. Vor
allem aber behielt sich ietzt der E^rzog yor, dass, wenn
Juden auch ferner in Gorlitz behalten oder neu au^e-
nommen werden sollten, ihm selbst ftlr alle die Jahre,
auf welche ihr Aufenthaltschein laute, clie tibliche Juden-
steuer an den Landesherm praenumerando ausgezahlt
werde.
Im Jahre 1396 erfolgte nun endlich auch die defini-
tiye Ueberweisung der seit 1389 mit Beschlag belegten
Judenhauser, deren Besitzer entweder entflohen waren
oder yertrieben bleiben sollten. Dem Stadtbuche zufolge
gab Vincenz Heller, Btirger zu GOrlitz und Gutsbesitzer
yon Sercha ^yon Seiten des Herzogs^ in dessen Namen
also die Hftuser bisher confisciert gehalten worden waren,
auf: „Dayid Juden Haus dem Niclos Bebirstein und
dessen Frau erblieh, Jeckil Juden Haus an Peter Wayn-
kneckt; ein andres Judenhaus an Nicol. Ossindorff erb-
Hch, noch ein andres an Martin Lewfer, eins in der
Jlidengasse an Otto yon der Besenicz, des Juden Isaac
Haus an Frenzel Ossindorff, endlich eins an den Pfarrer
Lorenz. Ebenso gab Claus Heller auf: Smoel Juden
Haus an Czachmann. ,;Judex bohemicalis hat aufgegeben
einen Hof ex parte domini Anshelmi [yon Bonow, Land-
yogts yon Gorlitz] Niclos Hefenem.'* Vielleicht waren
die Gebriider Heller die beiden schon 1389 yom Herzog
bestimmten btirgerlichen Mitglieder der Vierercommission
zur Inempfangnahme der Judengtiter. Auch der Land-
") Grosser, Merkw. I, 100, Anmerk. a.
Neues Arebiv f. S. G. u. A. IL 1. &
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66 fidriiiann Enothe:
yogi hatte und zwar schon friiher seinen Antheil erhal-
ten; jetzt ward auch dem Pfarrer von Gorlitz ein Haus
zutheil.
Ob und wieviel Juden damals noch in GOrlitz ver-
blieben, wissen wir nicht. Zwar werden im Stadtbuch
(1411 und 1427) gelegentlich H^luser als ,,in der neuen
Juden^asse'^ gelegen erw£lhnt; wir glauben aber nicht^
dass dies eine nach 1396 angelegte^ sondern die im
Gegensatze zu der vor dem Jahre 1350 so bezeichnete
war. 1401**) ward ein Gorlitzer Burger vor Grericht
citiert „von Seiten Isaacs wegen Beleidigung^^; aber wir
erfahren nicht, ob dieser Isaac ein Gorlitzer Jude war.
Jedenfalls scheint seitdem der Adel des Gorlitzer und
Zittauer Weichbildes Geld nicht mehr, wie bisher, bei
Juden in Gorlitz, sondern in Liegnitz aufgenommen zu
haben. So z. B. ,;Versetzten" (d. h. setzten als Btirgen)
1413*®) vier Adlige des Zittauer Gebietes drei Adliffe
des Gorlitzer ;;bei Ozar Juden von Liegnitz fur 118
Schock" und gelobten, sie zu losen oder einzureiten nach
Gorlitz.
Im Jahre 1433 aber, mitten in den Nothen des Hus-
sitenkrieges, empfand der Rath von Gorlitz, dessen Finanzen
durch die ewigen Riistungen, Feldziige und Verluste ganz
erschSpft waren, aufs neue lebhaft das' Bediirfiais nach
Juden in der eigenen Stadt. Er sendete daher den Stadt-
schreiber Laurentius Ehrenberg an Kaiser Siegmund, um
ihn unter anderem auch darum zu bitten, dass man wie-
der Juden aufiiehmen diirfe. Der Stadtschreiber suchte
den Kaiser vergeblich in Italien und fand ihn endlich
beim Concil in Basel**). Und hier stellte denn Siegmund
deu 27. November 1433") der Stadt Gorlitz, da dieselbe
von den verdammten Ketzem zu Bohmen viele Jahre be-
kriegt und schwer beschadigt worden sei, sich aber gegen
ihn, den Kaiser, stets treu und bestandig gehalten habe,
damit sie sich von den erlittenen Schaden desto besser
erholen moge, aus besonderer Gnade das Privilegium aus,
„dass dieselben Rathmannen und BUrger zu G5rlitz zu
ihnen nehmen und in ihrer Stadt halten mdgen zwolf oder
minder, wie ihnen das fiiglich sein wird, Juden mit ihren
»•) Liber III. vocationum.
*•) Urk.-Verz. I, 177 Nr. 89t. Das Regest ist Ufigetofttt.
*") N. Script, rer. lus. L 231 fgg.
") Urk.-Verz. IF, 36 e.
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Zur Geschichte der Juden in der Oberlaositz. 67
Weibem und Kindem, und die Rente, Steuer oder
Schatzung, die diese geben BoUen, in ihre Hand und Qe-
walt nehmen and zu ihrer Stadt Nutz and Frommen
wenden soUen und mogen" bis auf seinen, des Kaisers,
Widerruf. Der Kaiser verzichtete also auf den ibm zu-
stehenden Judenzins zu Gunsten der Stadtkasse.
Dies war also nun das dritte Mai, dass Juden nach
Gorlitz berufen werden soliten. Ob sich welche gefonden
haben, wissen wir nichtf zweifeln daran aber nicht. Doch
nur bis hierher reichen unsere Forschungen darttber.
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m. %
Zur Geschichte des Frauenhauses in Altenburg,
Nach archivalischen Quellen.
Von
M. J. Meissnen
Der interessante Aufsatz von Posem - Klett tiber:
-Prauenhauser und freie Frauen in Sachsen"*) veran-
lasste una zu Nachforschungen daruber, ob auch in Alten-
burg in vorlutherischer Zeit ein Frauenhaus vorhanden
gewesen sei, worauf der Name der sogenannten Frauen-
gasse hindeutete. Freilich fanden sicb aus leicht begreif-
lichen Griinden nur unbedeutende Spuren, wenige Posten
in den Altenburger Stadtrechnungen, aus denen sich jedoch,
weil sie nach der Sitte damaliger Zeit mit.Bemerkungen
begleitet sind, manche fur die Sache nicht unerhebliche
Scnlussfolgerungen ziehen lassen.
Wie in den meisten Stadten, war auch das hiesige
Frauenhaus in einem der kleinen, gegen die Stadtmauer
ausmundenden Gasschen erbaut; es lag in der noch jetzt,
wie erwahnt, „Frauengasse" benannten Strasse, unweit
der sogenannten Bergpforte *), und zwar zwischen dieser
und dem Burgthore.
*) V. Webers Archiv far die^achsische Geschichte XII, 63 fgg.
*) Bei Gelegenheit verschiedener Bauten an den Mauerthttrmen
bei der Berg- und Mtihlpforte 1494 wird erwahnt, dass am Thttrm-
lein der Bergpforte, dann von der Stadtmauer von ,,bemelten tdrm-
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M. J. Meissner : Ziir Geschichte des Frauenhauses in Altenburg. 69
Die erste Erwfthnunff des Hauses findet sich in der
altesten Stadtrechnung auf 1437/38^ in welcher es, zugleich
einen Schloss auf die Grosse des Hauses gestattend, neisst:
^Item XIX Gr. Cronemeistem vor fiinf Eacheloffen nuwe
zcu mach«n mit namen in dem Frauenhuze.^ Geht schon
aus diesem Posten hervor, dass das Frauenhaus auf Stadt-
kosten in baulichem Stande erhalten wurde^ sonach aber
wohl unzweifelhaft in stadtischem Eigenthume sich befand;
so wird diese Annahme zur Gewissheit; wenn man die
weiteren bezuglichen Notizen der Stadtrechnungen in Be-
tracht zieht. So wurden 1443 und 1448 aus der Stadtkasse
verschiedene Ofenausbesserungen fiir das Frauenhaus be-
zahlt und zwei Fenster gemacht „in das Frouwenhuss der
nuwen Frouwen", und weiter heisst es in der Rechnung
auf 1444/45: „IX Gr. Jhenichen topffer zcu machen den
offen den fryhen Frouwen."
Die auf Stadtkosten vorgenommenen Reparaturen
dauern fort und erscheinen in den SechnungeU; bis das
Haus selbst abgebrochen wurde. Insbesondere sind Bau-
aufwande verzeichnet in den Rechnungen auf die Jahre
1458/59, 1465/66, 1475/76, 1500/01, 1506/07, 1509/10,
1510/11 und 1518/19, fur das „Freyenhawss" oder spftter
^Hurhawss^; in der Stadtrechnung auf 1455/56 wira be-
merkt: „Item I Gr. X Heller servo der daz Frauwin-
Htlssichin kleibete*^ und in der Rechnuns auf das Jahr
1448/49: „1 Gr. VI Heller vor HI breth in den Rotenschilt";
so ist nftmlich das Haus in den Rechnungen wiederholt
zubenannt. AnderwHrts, namentlich im Wtirzburger Frauen-
hause „zum Esel", batten die Wirthe das Haus in bau-
lichem Zustande zu erhalten und das ihnen Uberwiesene
Hausinventar, darunter auch die Betten, in Wtirzburg
deren 9, zur Zeit ihres Abzuges wieder abzuliefem. ')
An Einnahmen aus dem Frauenhause oder, wie es
in der Rechnung auf 1459/60 heisst, „Rotschilt sew Lu-
panar^ kommt in der altesten Stadtrechnung auf 1437/38
unter der nurerwfthnten Rubrik eine Abgabe vor, welche
jeden Montag mit 2 Groschen ein^ing. In der Stadt-
rechnung auf 1442/43 ist diese Abgabe zuerst verschieden;
lein an biss zom hohen tOnnlein hinderm Frawenhuse gegen Waltzar
Tischer uber gebawt worden" sei (Stadtrechnung 1493/94). In der
Stadtrechnung 1502/3 findet sich eine Keparatur an einem Thurme
hinter dem Frauenhause unweit des Burgthores.
•) Yergl. Yulpius, Curi9sit&ten IX, 5, 401.
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70 M. J. Meissner:
sie ging da nor vierzehnmal ein und zwar in Betragen
von 1 ur. 12 Pf. bis zu 2 Gr. Im Jahre 1449 erscheinen
in der Bechnong Betrage von 1 Gr. 6 Pf. bis zu 2 Gr.
12 Pf.; zusammen in erwahntem Jahre 1 Schock 6 Gr.
6 Pf. Nachdem die Einnahme* aus dem ^Bolschilte^ in
den Jahren 1455/56 sehr wenig betragen hatte, ist sie in
den Bechnungen auf 1458/59 in Posten von je 3 Gr.
12 Hlb., 1462/63 in sieben Posten, zusammen mit 48 Gr.,
1464/65 mit zusammen 28 Gr., 1469/70 wieder mit nur
10 Gr. aufgefiihrty in letzterer Rechnung mit dem Zu-
satze: „da es oft vaciret". Von 1475/76 steigen wieder die
Gef^lle von dem Hause, welche nach der Rechnung die
„ Wirthin" einzahlte. Im Jahre 1479/80 erhielt der Kath
aus dem Frauenhause oder ^Lupinar" 1 Schock 30 Gr.
Im Jahre 1499/1500 findet sich die Einnahme: „1 Schock
VI Gr. Rotenschiltzcynsse gibt eine Woche II Gr. (XT JUT
wochen, das ander wuste gelegen)." In den Rechnungs-
jahren 1501/02 und 1502/03 wird ein w5chentlicherZins von
IVa Gr. vom „Rotenschilte'' verzeichnet, 1505/06 ist der
Ertrag nur 15 Gr. und heisst es dabei, dass er „viel
wuste gelegen". Weiterhin wird die Einnahme noch un-
sicherer. 1512/13 finden sich nur 22 Gr., 1514/15, 1515/16
und 1517/18 kommt bei der Rubrik „Rotenschilt^ kein
bestimmter wSchentlicher Zins, sondem nur je ein ganz
kleiner Betrag vor mit dem missvergntigten Zusatze: „wa8
man gehaben kann^. Auch in der Rechnung 1519/20
findet sich die letztere Bemerkung und zwar bei einem
Einnahmebetrag von 30 Gr. 6 Pf.
In den Jahren 1520/21 bis 1524/25 wurde nichts ver-
einnahmt, und es diirfte hiernach der Besuch des Hauses
sein Ende erreicht haben.
Die besten Einnahmen in der letzten Zeit des Be-
stehens des Hauses scheinen noch zum Jahrmarkt und
zum Ablass vor^ekommen zu sein. In der Stadtrechnung
auf das Jahr 1513/14 wird dies besonders bemerkt una
angegeben, dass zum Jahrmarkt 3 Gr., zum ^appelas*^
5 Gr., ausserdem aber nur 5 Gr. eiDgegangen seien.
Wahrend des Ablasses scheint es besonders lebhaft und
tumultuarisch in .dor Stadt hergegangen zu sein, denn der
Rath war zu den betreflfenden Zeiten, wie es in der Rech-
nung auf 1519/20 heisst, „auffirur zcu vorhuthen^, auf dem
Rathhause in der „Kavete" versammelt, wie denn bei
diesen Gelegenheiten BUr^er im Hamisdi bereit stehen
und die Bierschroter, wahrscheinlicH schon damals be-
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Zur Geschichte des Frauenhauses in Altenburg. 71
Bonders krftftige Leute^ in der Nacht Wache halten
musBten. ^)
^ Wie auch anderwftrtS; war daB Altenburger Frauen-
haos der Aufsicht and dem Untemehmungsgeiste eines
Wirthes oder einer Wirthin — Meisterin — gegen die
obenerwUhnten Abgaben unterBtellt. In der Kechnung
anf 1498/99 ist eines ^Hurenwirtts" gedacht, und in der-
jenigen aaf 1447/48 wird der w5chentlicbe Zins unter der
Kubrik Rotschilt mit den Worten verzeicshnet: „1 Gr.
6 Hllr. die nuwe wertynne**, 1448/49 wird angemerkt:
„Item n Gr. VII Hllr. vor I slos in Frauwenhusse vor der
wertjmne kamere" und 1471/72: y^Frauwenhauss. Item
XLTTT Gr. aus dem rotenschilt tiber das das sye darinne
verbuwet hat/
Obgleich bisher keine Frauenhausordnung fur Sachsen
gefunden worden ist, so unterliegt es doch keinem Zweifel,
dass in Altenburg, wie anderwilrts in Sachsen , fiir den
Wirth oder die Wirthin und die Bewohnerinnen des
Hauses ^ewisse Verpflichtungen bestandeu; denen' aber
auch wieder bestimmte Rechte entsprochen haben dUrften.
Nach Gemeiners Regensburger Chronik*) hat sich
von einigen Frauenwirthen, so von Hans Krausshftrl von
Leipzig, ein Severs erhalten, worin sich derselbe unter
anderem verschreibt: „alle Samstag, mit Ausnahme des
Pabn- und Osterabends, 60 Pfennige Zins zu verabreichen,
bose Leute tiber Nacht nicht zu behalten, der Stadt Diener
jedesmal ohne Widerrede einzulassen und die Leute nicht
zu verbergen, niemanden ein Spiel spielen zu lassen, das
er nicht zu verantworten wttsste, niemanden zu den hei-
ligen Zeiten, namlich an den Samstagen unserer Lieb-
frauen, der Zwolfboten und in keinen heiligen Nftchten
bei den Frauen liegen zu lassen, noch dieselben an Sonn-
tagen von der Messe abzuhalten; wenn ihm junge Dimen
oder Frauen zugebracht wttrden, die frommer Leute
Kinder waren, dieselben nicht in das Haus zu kaufen,
noch ein mehreres auf sie zu leihen, als drei Schilling
Pfennig" u. s. w.
Aehnliche Verpflichtungen haben nach den vorhan-
denen Notizen auch beziiglich des Altepburger Frauen-
hauses bestanden.
*) Stadtrechnungen auf die Jahre 1518/14, 1514/16, 1516/17,
1518/19.
») Vergl. Scheible, Das Kloster VI, 488 fgg.
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72 M. J. Meissner:
So war den Dirnen eine Beschrankung in ihrer Klei-
dung auferlegt. Dieselbe musste sich auf irgend eine in
die Augen Miende Weise von derjenigen ehrbarer Frauen
untersdbeiden; es findet sich hierftir insofem ein Nachweis,
als es auf Seite 5 eines Gerichts- und Handelsbuches des
Altenburger Rathes auf die Jahre 1433 bis 1478 heisst:
„Item die genanten frouwichin und die czuchtigeryen
die sollen aUe tage tegelichen^ wenn sie usgehn^ gehele
leppichen uf den sleyer tragen." •)
Es mag bier eingeschaltet werden, dass es vielfach
im Mittelalter herffebracht war, seiten des Bathes der
Stadte gefallenen Madchen einen Schleier zuzuschicken.'')
Auch in Altenburg findet sich dieser Branch. So heisst
es in der Rechnung auf die Jahre 1465/66: „Item U Gr.
VI HUr. Langenmertyns maid fur einen sleyer zum nuwen
jare das sie nicht dorffte barhoitig gehen." Aehnliche "
Eintrftge finden sich in den Rechnungen auf 1613/14 und
1523/24
Die anderwS^rts^ z. B. in Nurnberg, vorkommende
Bestimmung, dass Priester^ Ehemslnner imd Juden in den
FraueahSusern des Mittelalters nicht eingelassen werden
durften, scheint wenigstens beziiglich der ersteren, so be-
quem auch das Haus filr die Insassen des Klosters unserer
lieben Frau auf dem Berge lag, denn unweit desselben
miindete der heute noch ^M5nchsgasschen^ geheissene
Treppenweg zu jenem Kloster, nacb der Bemerkung:
^Item I Gr. TTTT Hllr. vortrungkin, alz man den monch
fing by nacht in dem Frouwenhusse quinta post epiphania
domini** (Stadt-Rechnung auf das Jahr 1441/42), auch in
Altenburg gegolten zu haben.
Hier ist jener Bulle®) des Papstes Sixtus IV. vom
10. April 1480 zu gedenken^ welche die frtihere Exemtion
der Dechanten des Georgenstiftes auf dem Schlosse zu
Altenburg von aller Gerichtsbarkeit auch auf die seit der
Grtindung des Stiftes bis dahin erworbenen Lehnsleute
und Unterthanen ausdehnte und allem Anschein nach')
durch den Com^etenzconflict veranlasst worden war, in
welchen der pleissnische Archidiakon Nicolaus von Ert-
*) Ebenso sollen sie in Leipzig „ einen grossen geien lappen
tragen, der eins grosschen breit ist**. God. dipl. Sax. reg. n, 8, 293.
Posem-Klett a. a. 0. 84 fgg.
*) Yergl. Mittheilungen der GescMchts- u. Alterthumsforschen-
^en Gesellschaft des Osterlandes zu Altenburg L 90 fgg.
*) Yergl. Lobe in denselben Mittheilungen u, 286 fgg.
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Zur Geschichte des Frauenhaases in Altenburg. 73
marsdorff mit dem Georgenstift wegen der Gterichtobar-
keit liber dessen Mitglieder namentlich um deswillen ge-
rieth, weil er den Domherrn Georg Schurzauf, ersten
Dechanten des Stiftes, wegen des Besuchs des oflFentlichen
Frauenhauses in Altenburg vor sein Gericht nach Naum-
burg oder vor seinen Dechanten Kilian in Altenburg dtiert
hatte, wogegen Schurzauf und das Capitel auf die Ex-
emtion von aller Gerichtsbarkeit sich beriefen.
Ertmarsdorff schreibt zu seiner Vertheidigung —
das Cai»tel hatte sich beschwerend an die Kurftirstin
Margarethe, diese an Herzog Wilhelm in Weimar, dieser
an dwi Bischof zu Naumburg gewendet — „er habe dem
Probst, Techant und Capitel ihre Exemtion nicht verletzen
wollen"; allein — ftlhrt er fort — „von gots wegen und
der kirche Numburg bin ich ein arcnydiakon jn der stat
zu Aldenburck vnd so weyt mir das zusteht, ist mir vor-
komeu; wy eyn cappellan gnannt Jorge Schorczuff sie
in derselbigen stat Aldenburck an unczemlichen steten,
do ich zcu stroffen habe^ geistlichen gewest, mit czuchten
vor uwr gnaden zcii vorluten, in dem offenbar Frauwen-
huss" und fUgt hinzu: „dohyn an solche unerliche stete
zcu ^ehin imd zcu legin bebistliche exemcion nymandt
erloubty auch so sie exempt weren'^.
Die oben bemerkte Beschrankung des Besuchs des
Frauenhauses an gewissen Tagen hat auch in Altenburg
bestanden, denn es findet sich in der Stadtrechnung auf
das Jahr 1442/43 der Eintrag im Kapitel „Bussen": «Fry-
dangk LIX Gr., er lag in dem guten Fritag in dem Hur-
huss." Ob die Notiz in derselben Stadtrechnung: „Item
X Gr. dedit Kriwiczsch, er hatte bie eyner sUberlichen
Frawen gelegen in dem Hiissichin", darauf bezogen werden
kann^ dass den verheiratheten Frauen ebenso wie den
Ehemtonem der Aufenthalt im Frauenhause untersagt
gewesen sei, mag dahingestellt bleiben.
Fast aDgemein wurden Stadtkinder zu Frauenwirthen
oder -wirthinnen nicht angenommen^ ebensowenig fanden
aus dem Orte gebiirtige Madchen Auftiahme. Ob dies
in der Stadt Altenburg der Fall gewesen, hat sich bei
der Diirftigkeit der vorhandenen jESTachrichten nicht mit
Bestimmtheit ermitteln lassen; doch mochte fUr die gleiche
Annahme sprechen, dass in der Bechnung auf das Jahr
1491/92 erwahnt wird, es seien vier Wirthinnen, ohne den
Zins voU gegeben zu haben, ohne Wissen des Bathes fort-
gegangen; daflir spricht feruer, dass in dem einzigen
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74 ^ <f* Meissner:
Falle, in welchem eine Bewohnerin des Frauenhauses in
den Rechnungen erw£lhnt wird, sich deren Heimathsort
ffKatherina von Glauchaw^ bemerkt findet.
Unter den Rechten, welche im Mittelalter den Frauen
der hier besprochenen Gattung und den Frauenh&usern
gew^hrt gewesen zu sein scheinen, sind nach den vor-
nandenen Quellen insbesondere zu erwahnen die Befug-
nisse, eigene Ziinfte zu bilden, offentliche Umgange zu
halten, bei sogenannten Rathsmahlzeiten und offentUcben
Bftllen mit Blumenstraussen, welche friiher ein auszeich-
nendes, den Mann herausforderndes Attribut der Freuden-
madcben waren, zu erscheinen, endlicb den sogenannten
„heimlichen Frauen" verbieten zu lassen, ihr Gewerbe auf
eigene Hand zu betreiben.
In letzterer Beziehung finden wir in den Stadtrech-
nungen unter dem Capitel ^Bussen" Spuren einer ahn-
licben Berechtigung; es heisst namlich da^ es sei einer
gestraft worden, weil er Hurerei in seinem Hause gestattet
habe'®), ein Burger habe 5 Or. biissen mtissen, weil er
in seinem Hause ^Hurenvolk gehausset" und ^Puberey"
gestattet habe. ' ') Ferner wurde einer um 30 Gr. ge-
straft ^von wegen des Hurmeidichens, so er gebraucht
hatt", und Matthias Winkler hatte X Gr. zu entrichten
„des unlusts halben^ so die iungen Gesellen in seym
Hause mit dem Leyptzschen Hurmeidlein begangen".
Noch erwahnen wir fur Altenburg einer gewissen Be-
rechtigung der Dirnen, bei Rathsmahlzeiten und Hoch-
zeiten einen Antheil zu erhalten, in folgendem Eintrag,
welcher sich auf Seite 5 des obengedachten Gerichts- und
Handelsbuches findet: „Auch ist bethingit vor alien dry en
reten, dass die gehenden Frauwen nidit mehr zu essen
holen sollen zcu keynen herrenessen noch zcu hochzeiten,
und wer yn darabir das gebe, der sulle der stat eynen
halben gulden geben.^
Die Frauenhauser des Mittelalters geh5rten zu den
besonders ^befriedeten" Orten. Es werden daher nicht
selten nach den in den Stadtrechnungeh unter den Rubri-
ken „Unfugen, Bussen, Ansprachen** befindlichen Notizen
auch im Altenburger Frauenhause yprgekommene Schlage-
reien, KOrperverletzungen und grobe Excesse streng ge-
ahndet So heisst es z. B.: ;,Vnn Gr. ein schuknecht von
>«) Stadtrechnung 1499/1500.
>0 Stadtrechnung 1602/3.
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Zur Gaschichte des Frauenhauses in Altenburg. 75
Penik in demFrawenhuBe gefrevuilt"; **) „I Schock XV Gr.
Jurge Koch die wertynne im Frouwenhuse geslagen" *');
.item X Gr. Michil Dombach im Frawenfaose gefrevilt".*^)
JNach der Rechnung auf das Jahr 1473/74 wurde einer
um 30 Gr. gestraft, weil er im Frauenhause gefrevelt
hatte^ andere um 10 Gr.; weil sie an dem Hause eine
Bierstan^e ausgesteckt batten, und in der Recbnung auf
1476/77 heisst es: „Item X Gr. nuwe muntze von Gbrius
Gentzscb ein frjeu frowen uber vorbotb des Ricbters ge-
slogen unnde gestossen." Weiter wurde 1488/89 ein
BUckergesell um 8 Gr. e^estraft; weil er in dem ^fryben
Hawsse unvemunflFt geubet" 1504/05 einer um 15 Gr.,
weil er in der Weinstube gefrevelt und eine freie Frau
im Rotscbild gescblagen batte, eine Notiz^ welcbe vielleicbt
als Beleg da^r anzuseben ist, dass auch mit dem Alten-
burger Frauenbause, wie anderwilrtsy Weinscbank verbun-
den war. Endlicb findet sicb unter den Einnabmen aus
Unfugen in der Recbnung auf das Jabr 1481/83; dass elf
Biirgerssobne um je 6 Gr. gestraft wurden, weil sie das
„freye Hawss" gesttirmet und davor Unfug mit mannicb-
faltigem Gescbrei getrieben batten.
Aber aucb von den Bewobnerinnen des Hauses geben
die kurzen Bemerkungen der Recbnungen einige Belege^
dass sie nicbt allein der duldende Tbeil waren. Im Jabre
1493 musste die Wirtbin, bospita genannt, zum rotben
Scbilde, Anna Botticber, nacbdem sie im Ge&ngnis ge-
sessen, ^Urfride" scbworen und die Stadt so lange ver-
lassen, bis sie dem Ratbe ein balbes Scbock Busse gezablt
batte, weil sie einen fremden Kiirscbnergesellen gestocben
batte, und ebenso musste die oben scbon genannte Katba-
rina von Glaucbau Urfriede scbworen, nadidem sie in der
Stadt Gefangnis gesessen, weil sie Joste Plettener ein
Tucb entfremdet batte**).
Die Stadtrecbnun£;en entbalten nocb folgende wenige,
das Frauenbaus betreffende Notizen, welcbe tiber die Ver-
baltnissC; in welcben seine Bewobnerinnen lebten, nocb
einiges; wenn aucb spftrlicbes Licbt verbreiten.
„Item
Es beisst in der Stadtrecbnung auf das Jabr 1441/42:
n I Gr. der nuwen meisteryn") zcu vortringkin, alz
»*) Stadtrechnung von 1462/63.
■*) Stadtrechnung von 1464/65.
>*) Stadtrechnung von 1466/66.
") Stadtrechnung von 1493/94.
'*) d. i. Hebamme.
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76 M. J. Meissuer: 2ur Gescbichte des Frauenhaases iu Altenburg.
man sy uffiiam in dem Frouwenhusse vnd da sy das kind
brachtO; daz eyne Frouwe lis legin." „Item I Gr. den
Frouwen zcu uortringkin, alz abir das Kind vor den rat
brachten." „Item I Gr. VI Hlb. der Frouwen, dy das
kind uff nam zcu zcihin.'^
In derselben Rechnung steht: „Item I Gr. der
frouwen zcu vortringkin in dem Huse, absi ufF zcouch in
den Rotenschilt^; und bei einem Baue am Frauenhause
heisst es einige Jahre spftter: „yJI Heller den Frauwen,
daz sy die schindel lamgitten, zcu vortringkin.*^
Obwohl nach den bis zum Jahre 1518/19 in den
Stadtrechnungen yerzeichneten Bauaufwanden der Rath
nicht gesonnen gewesen zu sein scheint, das Rothschild,
welches neben den Badstuben, der Wage, dem Marstall,
den Thorhausern, der Garktiche, dem Ziegelofen, den
Hirtenhausem, der Biittelei, der Henkerei fort und fort
unter den stadtischen Gebftuden in den stftdtischen Rech-
nungen fortgefiihrt wird, eingehen zu lassen, wurde das-
selbe doch und zwar mit einem Aufwande von VII Gr.
1524/25 g^nzlich abgebrochen. Wahrscheinlich fand es
gleich den anderen Frauenhausem Sachsens sein uner-
wartetes Ende durch das Eifem der Reformatoren, ins-
besondere LutherS; welcher wiederholt und in der heftig-
sten Weise gegen das Dulden der Frauenhftuser in Schrut
und Wort auftrat.
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IV.
Ein fliegendes Blatt fiber den Antheil der s&oh-
siBohen Armee an der Schlacht am Kalen-
berge bei dem Entsatze von Wien im Jahre
1683.
Mitgetheilt von
E. Joaehim*
In RaumerB Historischem Taschenbuche, neue Folge,
Jahrgang 9 (1848) findet man einen vortrefflichen Auf-
satz liber ^Churfiirst Johann Georg III. bei dem Entsatze
von Wien im Jahre 1683", eine durchsichtig-klare Dar-
stellimg nach gleichzeitigen archivaliscben und anderen
Quellen. Man Kann sich aber bei dessen Lectiire leider
des Wunsches nicht entschla^en, dass die Scbilderung
der ScUacht selbst ausfUhrlicner sein mQcbte. Nament-
lich wird die Thatigkeit des sachsischen Contingents an
jenem ruhmreichen TagO; dem 12. September 1683^ wenig
erschopfend behandelt. Es wird daher manchem nicht
unerwiinscht sein, von einem Flugblatte Kenntnis ztt ge-
winnen^ welches einen durchaus reichhaltigen und aus-
ftihrlichen Bericht liber den Antheil der sftchsischen Armee
am Kalenberger Tage giebt/) Diese Quelle scheint dem
Autor des Artikels in dem Historischen Taschenbuche
Dieses Flugblatt hat sich erhalten outer den Best&nden des
Staatsarchivs zn Idstein (Extranea, Sachsen), Druck olme Angabe
des Orts.
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78 ^* Joachim:
nicht vorffeleffen zu haben*): denn sonst hutte ihn ja
nichts gehinaert; einen geniigeDden Schlachtbericfat zu
liefem. Doch stimmt die Darstellung an beiden Orten
im wesentlichen iiberein, ein Beweis daflir, dass die
Nachrichten des Flugblattes genau und getreu sind, da
sie dem Vergleiche mit den anderen Quellen, welche dem
Aufsatze des Taschenbuches zu Grunde liegen^ sehr wohl
stand halten.
Die Schilderung des fliegenden Blattes hat, wie in
der Einleitung bemerkt wird, den Zweck, die Bravour
and die Verdienste der Sacbsen am Gelingen des Be-
freiungswerkes in das ricfatige Licht zu setzen, da die
von den anderen mitbetheiligten Machten kundgegebenen
Berichte in dieser Hinsicht die wtinschenswerthe Unpartei-
lichkeit vermissen liessen. Es ist daher eine Parteischrift,
1'edoch keineswegs eine einseitig-falsche^ sondern eine. wie
lervorgehoben werden myss, unbefangene, ruhig una ob-
jectiv gehaltene. Die Schilderung ist weit entfemt davon,
die Sachsen etwa auf Kosten der anderen Waffen-
genossen besonders herauszustreichen. Und nur einer
von den letzteren ist es, auf welchen ein ungunstiges Streif-
licht fallt: der Ftirst von Waldeck, dessen Verhalten den
Sachsen gegenuber, falls das Flugblatt recht berichtet
(und auch der Aufsatz im Taschenbuch meldet ahnliches),
auch in der That wenig waffenbrliderlich sich zeigte.
Diese Haltung des Ftirsten von Waldeck wfthrend
der Schlacht, welche den Sachsen hatte iibel bekommen
konnen, mag vielleicht einer von den verschiedenen Grtin-
den gewesen sein, von denen Johann Georg sich bewegen
liess, wie im Unmuth, ohne Abschied von den Waffen-
geffthrten, mit klihlen Worten schriftlich bei dem hoch-
uthrenden, undankbaren Kaiser sich mit ^zugestossener
Unpftsslichkeit'' entschuldigend^ schon am 16. September
den Ruckmarsch anzutreten. Hatte er doch auch^ gleich
den anderen Befreiern Wiens, Sobiesky keineswegs aus-
genommeu; bei dem aus der dringendsten Gefahr befreiten
Kaiser statt des gebuhrenden Dankes nur ein ^stolzes,
frosti^es, theilnahmloses Wesen^ finden miissen^ hatte er
bei diesem doch nicht einmal Erh5rung der gewiss nicht
*) Das Wort des Herzogs von Lothringen: nAUons marchons"
wird in das Hist. Taschenbuch aus einer anderen Quelle genommen
sein, da die dasselbe motivierenden Worte des Feldmarschalls
Y. d* Goltz hier, obwohl dem Sinne nach dieselben, anders und
ausfUhrlicher als im Flugblatte wiedergegeben werden.
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Anthetl der Sachs. Armee an der Schlacht am Kalenberge. 79
unbescheidenen Bitte uin Anstellung eines ihm verwandten
Prinzen im kaiserlichen Heere zu finden vermocht. ' Ja
es erwuchsen ihm noch Dachtr%lich Unannehmlichkeiteii;
da spater der Kaiser lebhafte^ so viel man zu Behen ver-
mag, wenig begrtindete, Beschwerden wegen des Verbal-
tens der sltchsiscben Truppen auf dem Riickmarscbe durch
die kaiserlichen Lande erhob.. Nichts als Verstimmung
und Aerger war also der Lohn, welchen dieser Seichs-
flirst ftir seine ene rgi sche Hilfeleistung vom Hause Habs-
burg davontrug. W enn man dies in Erw^gung nimmt;
80 muss man sich wundern, dass die una vorUegende Flug-
schrift so rohig und leidenschaftslos gehalten ist. Und
doch ist sie offenbar — wenn man so sagen darf —
officiosen Charakters. Sie erweckt auf den ersten Blick
den Eindruck einer aktenmassigen, in massgebenden Krei-
sen entstandenen Darstellung. Und um so mehr miissen
wir deren Unparteilichkeit rtihmen, deren sie sich bei
allem Hervorheben der anerkennenswerthen Leistungen
der sftchsischen Truppen befleisaigt. Wer m5chte femer
in Abrede stellen^ dass die ganze Darstellung von einem
Augenzeugen, und zwar einem milit^rischen Fachmanne
herrtihre? Und darum yerdient dieses fliegende Blatt
gewiss, aus der Vergessenheit ans Tageslicht gezogen zu
werden.
Freilich bliebe auch ohne dies die Schlacht am Ealen-
berge ein unverwelkliches Blatt in dem bluhenden Eranze
s'achsischer Waffenehre.
Belation von der Victoria der Ghristeny so sie bey
Entsatz der Stadt Wien gegen die Tiiroken erhalten.
1683.
Nachdem unterschiedene Relationes von der Victorie der
Christen, so sie bey Entsetzung der Stadt Wien fiber die Tflrcken
erhalten, aller Orten ausgegeben worden, darinnen die Gazettiers
den grdssern Theil derselben denenjenigen zugeeignet, anff welche
fast nichts von dem Feinde gekommen, hingegen die Sachsen, die
das ihrige rtihmlich darzu contribuiret, dergestalt mit Stillschweigen
fibergangen, als wenn gar keiner von ihnen darbey gewesen, da
doch S. ChurfUrstl. Durchlaucht zu Sachsen etc. einen so ansehn«
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go £• Joachim!
lichen Succurs selbst in Person za- und angefohret, so hat man der
Billigkeit za seyn erachtet, der Wahrheit zu Steuer folgende Nach-
richt der Welt mitzutheilen, in welcher alle die Particularia, so
nichtnninder za grossem Rahm der Sachsen geieichen wttrden, nicht
bertOiret, sondem nur dasjenige, was von alien anpartheyischen
Zuschauern gesehen, bemercket und zugestanden ist, angefahret
werden soil.
1st demnach anfllnglich za wissen, dass Se. Ghorfl. Durchl. zu
Sachsen sich mit Dero Armee effective 11000 Mann starck in 6 Re^«
mentern zu Fuss, 4 zu Pferde und 1 Regiment Dragoner samt 1 Gom-
pagnie Grenadiers und Sr. Ghurfarstl. DurchL Leib-Garde zu Ross,
wie dann auch mit einer wohlmontirten Feld-Artillerie den 8. Sept.
St. n. mit denen bey Thul stehenden Eayserl., EOnigl. Polnischer,
auch anderer AUiirten Armeen conjungiret, woraiif noch selbigen
Tages die Battaille aufgesetzt worden, die KayserL und S3,chsische
Infanterie, an den Sachsischen die Franckischen und an dieser die
Bayrische sich schlosse, und zusammen das gantze Corps de Battaille
machten; den rechten Flttgel machten die Polen neben einigen
Eayserlichen und andern AlUirten Esqvadronen. Die gantze Battaille
ist in 3 hinter einander stehenden Linien bestanden und hat die
S&chsische Infanterie in der ersten Linie 6 Battaillons, in der andern
4 und in der dritten 2 stehende gehabt Folgenden Tag ist die
gantze Armee von Thul aufgebrochen und hat sich an dem Wieni-
schen Wald gesetzet. Den 10. Sept. avancirte die Infanterie das
Gebirge obigen Waldes, die S&chsische nahm die Route der engen
Passage, so zwischen den Bergen und der Donau lieget, wendete
sich endlich auf die rechte Hand in das Gebtirge und erstieg den
Berg, welcher nechst an dem Ealenberge lieget; die Kayserlichen
and abrige Infanterie bUeben unten im Thale, so hinter diesem
Berge lage, die Gavallerie ingesamt nahm ihren March hinter der
Infanterie und war desswegen noch zuriicke, ausserhalb cinige Dra-
goner, so sich auf den Berg postiret hatten. Es befanden sich auf
gemeldten Berge auch der JiOnig in Polen selbst und der meiste
Theil der Generals, um daselbst aUes wol zu recognosoiren und in
Augenscbein zu nehmen. Weil man nun dazumahl vermeinet, dass
der Feind sich auf dem Ealenberg postiret, gestalt auf selbigen sich
frtihe starcke Trouppen sehen liessen, und in dem vorstehenden
Tbale sich auch verdeckt hielte, so befahlen Se. EOnigl. Majest. aus
Polen, auf einen Felsen gegen dem Grunde zu und wovon man den
Thai in etwas entdecken kunte eine Wache von seiner Heyducken-
Garde zu setzen, ersuchten auch Se. Churfttrstl. Durchl. zu Sachsen etc.
einige Battaillons den Berg hinunter avanciren zu lassen, damit,
wenn der Feind seiue Wache angreiffen und re^ousiren mdchte, sie
sich auf dieselben retiriren una davon souteniret werden kdnten.
Worauf dann der Sachsischen Infanterie erste Linie begehrter massen
fortgerttcket und sich gegen dem Grunde postiret, es lieff aber in
der darauf folgenden Nacht nichts vor. Mit anbrechenden Tage,
welcher war der 1./11. Sept., marchirete die gantze Infanterie den
Ealenberg zu, da sie dann ein sehr gross precipice hinunter und
einen hohen Berg wiederum hinauf zusteigen vor sich funden. Die
S&chsische Infanterie kam der andern wcit vor, weil die Eayserl.
den Grund durch Uliren muste, die lincke Hand zu gewinnen, die
andern aber den Berg, worauf die Sachsische sich den vorigen Tag
gesetzet, zu ersteigen hatten, wesshalben denn die S&chsischen, da
gie den EaleBberg fast hinan waren, einen Halt machten, damit die
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Antheil der s&chs. Armee an der Schlacht am Kalenberge. 81
andern mit ihnen in gleiche Lienie gelangen mdchten, und schickten
nnter dieser Zeit einen Officirer mit 30 Fuziliers Toraus, das Oberste
Tom Berge zu recognosciren, welcher bey Zeiten zurttcke kam und
berichtete, dass die Tftrcken sich jenseits des Berges in Battaille
gesetzt; auch gegen den Berg avancirten, and wtlrden mit ihnen
selbigen wol za^Teich erreichen; die Kayserl. Infanterie war zwar
inzwischen den S&chsischen gleich gekommen, aber weit von der-
selben wegen einer ^rossen Klufft^ so zwischen dem Berge lag
separiret, die Franckische und tibrige Infanterie aber befand sicn
annoch unten an dem Berge weit zurflcke. Dieses alles ungeachtet
avancirte die S&chsische In&nterie auf Torffemeldten Bericht den
Berg hinan mit der Resolution, dem Feinde die Avantage des Berses
zu £sputiren, als sie aber das Oberste des Berges erreichten, be-
funden sie, dass der Feind noch unten an dem Berge stille hielte,
desswegen sie sich dann nach der lincken Hand begaben, umb sich
wieder an die Eayserliche zu schliessen, allwo sie an ein abge-
brantes Kloster kamen, welches sie sich so wol als die Kayserlichen
impatronirten und selbiges besetzten, auch auf die Spitze des Berges,
woraufif das Kloster lag, 2 8&chsische und 1 Kayserlich Regiments-
StQcke fiihren und darmit auf den Feind feuem liessen, welcher,
nach dem er zuTor eine Welle mit etlichen Yolontairs, so den Berg
hinunter zu ihm gegangen, gescharmutziret, sich ein wenig zurtlcke
zoge und in einem Grande und Graben verdeckt setzte.
Die folgende Nacht tlber gienge nichts sonderliches vor, als
aber der Tag anbrach, welches war der 2./12. Sept., zoge sicn die
Sftchsische Infanterie etwas den Berg hmunter und setzte sich an
einen Ort, allwo sie alles entdecken und sich vortheilhafftig postiren
kunte, massen sich l&ngst dem Fusse des Berges ein rideau Ton
Steinen Mannes hoch angesetzet und auf demselben eine Planque
von Holtze befand, deren sich die Battaillons erster Linie gar fUg-
lich zu ihrer Avantage zu gebrauchen hatten. £s war auch der
Feld-M&rschall von der Goltz in Begnff. an einem bequemen Orte
eine Batterie legen zu lassen, den Feina dadurch zu incommodiren.
Als man aber damit umfiieng, sahe man plotzlich den Feind mit
hellen Hauffea in dem Grunde, welcher dem Theile des Berges,
worauf die Sachsen sich postiret, entgegen lag, avanciren. Man ward
auch zugleich gewahr, dass der Feind, so gegen den untern Theil
des Berges stunde, worauf die Eayserlichen sicn hinter einer Planque
und zwar noch weiter den Berg hinunter als die S&chsischen |;e-
postiret hatten, dieselben furieusement angriff. Hierauff musten sich
aie S&chsischen Battaillons gleichsam Hals (Iber Kopff von der Hdhe
herunter werffen und wurden auf9 schleunigste von dem was in
solcher Eyl herunter kam 2 Battaillons gestellet, dem Feind damit
teste zu bieten, damit derselbe in dem unten an dem Berge und an
dem Grunde gelegenen holen Graben, welcher ihnen zu einen grossen
Yortheil h&tte dienen konnen, nicht posto fassen mochte. Mittler-
weile kamen die andern Battaillons auch heran und wurden die-
selben gleichfals auf das beste gegen den Feind gesetzet. Der
Feind, als er dieses sahe, hielt an m dem Grunde femer zu avan-
ciren, seine Infanterie aber suchte lauter verdeckte Oerter, darinnen
sie sicher stehen kunten, woraus sie dann und wann mit eintzelen
Schassen auf die S&chsische Infanterie Feuer gaben, welche hin-
gegen ferme in ihren Posten blieben, biss dass man gewahr wnrde.
ass die meiste Macht des Feindes etwas mehr auf die lincke Hand
ankam, allwo die S&chsischen Grenadiers und EayserL Infanterie
Jj(w(!» Archiv f. S. CI. n. A. II. 1. 6
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d2 E. Joachim:
sich hinter eine hdltzerne Planque l&ngst dem Berge gepostiret
hatten. Worauf dann die S&chslsche Infanterie erster Linie sich
lincks sckwenckte, gegen den Feind, welcher die Grenadiers und die
Eayseri. Infanterie attaquirte, fronte zu machen. Der Feind stunde
nun alda im holen Wege ziemlich verdeckt, hatte vor sich Straucher
und Steine zu seiner Yerblendung und feuerte hefftig auf die S&ch-
sischen, welche gantz unverdeckt stunden und von Fuss biss auf
den Kopff kunten gesehen werden. Indem dieses nun dergestalt
vorlieff, sahe man oben am Berge die Fr&nckische Infanterie gantz
stille stehen, wohin der General-Major Beuss geschickt, den da
commandirenden General-Major zu ersuchen, mit seinen Battaillons
zu avanciren, weil der Feind denen SS.chsischen leichtiich h&tte
kOnnen in den Bticken gehen, der sich auch willig darzu erzeigte,
darbey aber vorstellete, dass der Fttrst von Waldeck, welcher bey
den Fr^nckischen das Ober- Commando hatte , ihm auf das aller-
sch&rffste verboten, mit denen Battaillons von der Stelle nicht zu
weichen, biss er selbst ihm solches andeuten wtlrde^ worauf dann
die SSlchsischen Battaillons der andem und dritten Lmie gegen den
Grund rUckten, wo die erste Linie zuvor gestanden, dieBelbige zu
beobachten, damit der Feind von daher uichts tentiren kOnte, dass
also die S^chsische Infanterie ihrer Sicherheit halber nothwendig
aus ihren drey Linien nur eine mit zwo Fronten machen muste.
Inzwischen ftlgte der Feind den Battaillons erster Linie, sender dass
er mit gleicher Miintze bezahlet werden konte, mit Schiessen ziem-
lichen Schaden zu, weil, wie schon gesagt, er verdeckt und sie hin-
gegen gantz bloss stunden ; es schiene also vortraglicher und besser
zu seyn, den Feind aus solcher Avantage zu delogiren. Nachdem
man nun des Feindes Posto ein wenig recognosciret, avancirte die
Sftchsische Infanterie gleich darauf, grifif den Feind zugleich in
Fronte und Flanquen an, welcher dartiber in Confusion gerieth, sich
wendete und nach dem hinter sich habenden Berge eilete, den die
Sllchsischen allezeit verfolgeten und zu keinem Stande 'kommen
liessen, auch, als er sich eben auf denselben wiederpostiren wolte,
zu ihm hinaufeileten und von den erwehnten grossen weitgestreck-
ten Bergen (so vor ihn sehr avantageux wUrden gewesen seyn, wenn
er sich darauf h^tt'e setzen konnen) trieben und zur Retirade zwungen.
Immittels waren die Sachsischen Battaillons, so sich zuvor, wie schon
gemeldt, gegen dem Grunde gesetzet, auch avanciret und hatten
den vor ihnen stehenden Feind repoussiret, welcher sich aber in
gemeldtem Grunde, allwo eine ziemliche Ebene war, die sich langst
um den Berg und an das erste Tiirckische Lager auch an dem-
selbigen hinauf erstreckte, in einem Graben mit etlichen Fahnlein
gesetzet, daraus er mit continuirlichen Feuergaben verhinderte, dass
dieselben nicht weiter avanciren, noch sich mit denen auff dem Berge
stehenden gleich stellen kunten. Als man dieses gewahr wurde,
commandirte man alsobald etliche Mannschalft von denselben, welche
den Feind in der Seiten anfiel und ihn also auch vollends von dar
zu decampiren zwunge, wodurch die in etwas zuriick stehenden
Battaillons Lufft bekamen, sich mit den andern auff dem Berge zu
conjungiren.
Se. Churfl. Durchl. zu Sachsen etc. kamen alsofort auf den
Berg selbst in Person und contestirten gegen Dero Generals, so bey
dieser Action allezeit h la teste gewesen waren und die Infanterie
angeftlhret, offentlich, dass sie mit ihrer Action sehr satisfait w&ren,
und wfinscheten, dass Sie selbst in Person bey ihnen h&tten seyn
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Antheil der s&chs. Armee an der Schlacht am Ealenberge. g3
konnen, well Sie aber bey dem lincken FlQgel das Commando
fahreten, blltte die Nothdurfft erfordert, sich davon nicht za ab-
sentiren.
Was inzwischen bey der Kayserlichen Infanterie mit dem Feinde
Yorgegangen, hat man S&chsiscner Seite so genaa nicht observiren
kdnnen; unpartheyische Zuschauer berichten, dass die TtLrcken, so
gegen sie gestanden, als sie gesehen, dass ihre Cameraden gepoas-
siret and verfolget worden, auch angefangen zu wancken and sich
za wenden, auf welche zwey Battaillons Kayserliche, so von dem
Hertzog de Croy angefiihret, gedrangen and sie endlich den Berg
hinaaf getrieben ; es haben aber die Ttlrcken die descente jenseits
des Berges den Kayserlichen hart dispatiret, hiss dass Prince Loais
Yon Baden mit den Sachsischen Dragonern, welche er aas der
andem Linie des lincken Fliigels genommen, hinza gerticket, die-
selben absitzen lassen and damit den Feind voUends gar von dem
Berge chargiret, worza denn 2 Sachsische Regiments- Stacke, welche
aaf den Berg gebracht waren and aas welchem dem Feinde ziem-
licher Schade zageftiget ward, nicht wenig geholffen. Hieraaf hat
die s&mtliche Kayserliche Infanterie sich auf den Berg gleichfals
gezogen and sich allda postiret. Biss hieher, welches schon gegen
2 Uhr am Mittag war, ist das geringste aaf der rechten Seite,
worauf die Bayerische and Fr&nckischo Infanterie wie aach der
rechte Fliigel gestanden, nichts vorgelaaffen and nar allein ein Theil
Kayserl. and denn die Sachsische Infanterie mit dem Feinde in Ope-
ration gewesen; jedoch hatte inzwischen die Bayer- and Franckische
Infanterie sampt dem rechten Fltlgel sich allmahlich moYiret and
naher mit angerUcket, man sahe aber darauff alsobald starcke
Ttirckische Troappen nach dem rechten Fitigel za marchiren, wie
denn aach einige Tttrcken, welche biss in den vorgedachten Grand
poussiret worden, sich gleichfals dahin wendeten, so ingesamt den
rechten Fliigel angriffen. Diesen gieng ein Theil Polen frisch ent-
gegen, warden aber von dem Feinde repoassiret and retirirten sich
aaf die 4 Battaillons Infanterie, so von den Kayserlichen, Bayeri-
schen, Sachsischen and Franckischen waren, dem Kdnig in Polen
aaf Begehren, ehe man den Kalenberg erstiegen, gegeben and her-
nachher vor den rechten Fitigel an einen advantageasen Ort gesetzet
worden. Diese soutenirten die Polen zu 3 anterscniedlichen mahlen,
and hatte es damahls das Ansehen, als wann der rechte Fitigel Noht
leiden wtirde, wesswegen denn der Sachsische Feld-Marschall an
die Bayrische and Franckische Infanterie, welche dem rechten FlUgel
am nechsten stunde, unterschiedliche Officirers schickte and sie er-
suchen liesse, dem rechten Flugel zu Htilffe zu kommen, worza
denn der Franckische General-Major sich abermahl gantz willig be-
wiese, aber vom Prince von Waldeck contramandiret worden, mit
dem Ftirwenden, dass allda niemand als er zu commandiren hatte.
Endlich ruckten die Hussaren herftir, welche den Feind auch in die
Flucht brachten, and hat man darbey gar nicht mercken kdnnen,
dass einige Infanterie ausser die vorgemeldten 4 Battaillons mit dem
Feinde zuthun gehabt, vielweniger denselben. wie die Gazettiers
melden, repoussiret hatten. Unter dieser Zeit kam der Hertzog von
Lothringen neben audern Kayserl. Generals za dem Sachsischen
auff den vorgedachten Berg and schaueten der Action auf dem
rechten Fitigel biss za Endung derselben za, and da man den Feind
fliehen sahe, fragte der Hertzog von Lothringen den Feld-Marschall
Goltzen, ob man mit der Ehre and grossen Avantage, so man fiber
0*
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84 £• Joachim: Antheil d. s&chs.Armee a. d.Schlacht a. Ralenberge.
den Feind gewonnen, diesen Tag vergntlget seyn oder weiter avan-
ciren wolte? Worauf Feld-MarschaU Goltz die Antwort ertheilet:
Weil es schiene, dass der Feind epouvantiret, so hielte er vor gut,
dass man denselben verfolgte and die Yictorie weiter prosequirte.
Der Hertzog von Lothringen sagte darauff: Marchons doncl und
ritte nebst andern bey sich babenden Generals wieder zn den Kayser-
lichen. Die S&chsische Infanterie avancirte darauff alsofort den Berg
hinunter, denen folgeten die Eayser lichen , und begunte die gantze
Battaille darauff sich zu bewegen. Die Ttircken, so noch im Grunde
waren, als sie dieses sahen, retirirten sich in ihr erstes Lager und
sahe man, dass deren sich bey etlich viel Tausend oben an ihrem
Lager zur Lincken Seite, allwo ein gross eben Feld war, versam-
leten. Es hatte auch der Feind auf der Ecke dieser HOhe etwas
auffgeworffen, welches das Ansehen einer Bedoute hatte und mit
6 Metallenen StUcken besetzt war, womit er auff die Avancirenden
zwar Feuer gab, jedoch allezeit zu hoch schoss. Man hielte damahls
Sit gewiss daftlr, der Feind wtirde diese H&he disputiren, weil im
mnde nicht zu sehen war, was eben in der Hohe vorgienge; es
avancirten so wol Kayserl. als Sachsische immer nach der flohe zu,
und ein jeder sich in guter Bereitschafft zum Fechten haltende war
beschafftiget dieselbe anzusteigen. Endlich da man darauf gelangte
und vermeinete den Feind anzutreffen, hatte er sich schon aus dem
Staube gemacht und seine Retirade nach dem letzten Lager ge-
nommen. Die S&chsischen waren hierbey gleichfals die ersten, welche
desswegen auch die 6 Metallene Stacke zur Beute bekamen, wie
man dann derselben Fllhnlein in des Feindes Lager hat am ersten
fliegen sehen. Es haben nachmahls die S&chsischen Dragoner des
Feindes Approchen angreiffen helffen^ woraus ziemlicher Gegenstand
fethan worden, und ein gut Theil von den Dragonem geblieben.
olgends hemach ist die Cavallerie zu erst der Infanterie verge -
kommen, welche den fliehenden Feind nachgesetzet. Was nun weiter
vorgangen, weil die Nacht einfiel, hat man von Sachsischer Seite
nicht bemercken und also nichts mehr allhier melden kdnnen, massen
auch ohne dem die Gazetten hiervon voU sind. Alles diss, was in
dieser Relation vorgestellet worden, verh< sich in der Wahrheit
also und wird solcnes von alien unpartheyischen Zuschauern, wie
nicht weniger von alien Kayserlichen Generals selbst, so auf dem
lincken FMgel gewesen, zugestanden, daher dann unrecht, dass man
in den Gazetten den S&chsischen nicht einmabl den geringsten Part
von dieser Action zueignen, noch derselben mit einem Worte darbey
gedencken wollen.
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Literatnr.
Gesehiehte der slehsisehen Kirehen- vnd SohnlTisltationeii Ton
1524 bis 1545. Umfassend: Die Visitation en in den hcatigen Ge-
bietstheilen der Eonigreiche Preussen und Sachsen, des Gross-
herzogthums Weimar, der Herzogthtimer Gotha, Meiningen, Alten-
burg, des Herzogthums Braunschweig und der Ftirstenthtlmer
Schwarzburg-Rudolstadt, Sondershausen, Reuss j. und Reuss &. L.
Quellenm&ssig bearbeitet von C. A. H. Burkhardt. Leipzig,
Grunow. 1879. 8«. XXVIII. 347 8S. (A. u. d. Titel: Geschichte
der deutschen Eirchen- und Schulvisitationen im Zeitalter der Re-
formation von C. A. H. Burkhardt)
^Man muss sich wundeni; wie es gekommen sei, class
bis dahin dieser wichtige Punkt (die Kirchenvisitationen),
der doch so Vieles zur Aufklarung jener Zeit beitr3.gt,
ganz mit Stillschweigen ubergangen worden, und ist da-
her dem verdienten Herrn Verfasser, der mit so vieler
Warme und einer so trefflichen Einkleidung die Geschichte
jener Visitationen erzahit, die um so angenehmer und zu-
verlassiger, da sie mit den nothigen Documenten belegt
und versehen ist, fiir diese Mittheilung den verbindlichsten
Dank schuldig." Mit diesen Worten eroffnete im Jahre
1797 der Allgem. Literar. Anzeiger (Sp. 296) eine Be-
sprechung von Kapps Umstandlicher Nachricht von der
allgemeinen Kirchenvisitation in dem FUrstenthum Bai-
reuth in den Jahren 1661 — 1564. Referent schickt die-
selben der Besnrechung des obengenannten Werkes vor-
aus. Denn aucn heute noch gilt die Verwimderung dar-
Uber, dass noch so wenig ftir die Publication dieser
hochwichtigen officiellen Docuraente geschehen ist, wie
die von Burkhardt (S. VI) citirte Literatur beweist. Frei-
lich hebt er mit Recht die grossen Schwierigkeiten hervor,
die sich einer solchen Arbeit entgegenstellen. Reicht doch
zu derselben selbst das reichste Archiv nicht aus; eine
Benutzung' verschiedener ist unbedingt nothwendig; so
dass ftir gewisse Lebensstellungen eine grossere zusaramen-
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86 Literatur.
hangende Arbeit iiber die Kirchen- und Schulvisitationen
selbst in einer beschrankten Epoche nicht moglich ist.
Um so mehr sind wir dem Verfasser for das angezeigte
Werk zum Dank verpflichtet. Durch seine amtliche
Stellung an die Quelle gesetzt — befinden sich doch ge-
rade in Weimar sehr viele VisitationsprotocoUe — , durch
fruhere eingehende Studien auf dem Gebiete der Refor-
mationsgescliichte wohl vorbereitet, war er in ganz be-
sonderem Grade berufen, die Liicke auszufullen. Es war
eine muhevoUe Arbeit, die Berge von Akten durchzuar-
beiten, aber als reiche Frucht derselben bietet das Buch
eine unendliche Fiille von Stoff zur Orientierung iiber die
kirchliche Lage in Sachsen und den angrenzenden Ge-
bieten in der ersten Halfte des 16. Jahrhunderts und zwar
nach einer nocli wenig beachteten Seite. Mit Eecht sagt
der Verfasser Seite V, dass sich die Forschung „eingehen-
der mit der Geschichte des Dogmas unserer Kirche be-
schaftigt hat, wahrend die Studien zur Geschichte der
ausseren Entwickelung unserer evangelisch-lutherischen
Kirche ausserordentlich sparlich aufgetreten sind". Auf
Grund der VisitationsprotocoUe sucht nun der Verfasser
die Ergebnisse der Forschung durch Zahlen darzustellen.
Demnach wird erstens der Procentsatz der Tuchtigkeit
der Geistlichen in den einzelnen Gegenden fixiert. Zu
diesem Zwecke hat der Verfasser die in den Akten mit
Worten ausgedriickten Censuren durch die Nummern 1
bis 4 bezeichnet, von denen die letztere die Unbrauch-
baren umfasst, deren Unttichtigkeit entweder auf dem
Mangel theologischer Bildung oder auf sittlichen Gebrechen
beruht. Zweiteas werden die Patronatsverhaltnisse sta-
tistisch dafgestellt. Es ist das von grosser Wichtigkeit,
da die Patrone bei der Anstellung der Geistlichen, wie
bei der Einftihrurig der Reformation von grosstem Ein-
fluss waren. Interessant ist, wie die unter dem Patronat
des Kurforsten wie einzelner Stadte (z. B. merkwurdiger-
weise Zwickaus) stehenden Geistlichen sich vor anderen
auszeichneten. Drittens handelt es sich um Feststdlung
der Zahl der Mutterkirchen, um deren Verhaltnis zu den
FiHalen und eingepfarrten Ortschaften. Nicht selten wer-
den hierbei die Bev5lkerungszahlen angegeben. Viertens
aber fohrt uns der Verfasser das numerische Verhaltnis
der Stiftungen und Vicareien, der Kloster und ihrer In-
sassen, die Bewirthschaftung und Einkunfte derselben vor.
Gerade die letzteren Angaben gestatten uns einen hochst
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Literatur. 87
interessanten Blick in die wirthschaftlichen Verhaltnisse
der jungen Elirche, welche das Erbe der alten benutzte
und umgestaltete.
Der Verfasser theilt nun den Stoff local in 3 Gruppen
ein; er bespricht zuerst die Visitationen im Ernestiniscnen
Gebiete, dem Kurfurstenthum Sachsen, dann in den Al-
bertinischen Landern, woran sich als drittes das Braun-
schweig - Wolfenbiittersche Gebiet anschliesst. Es fallt
diese Eintheilung zugleich mit den^ historischen Gauge
zusammen. Denn in ersterem Lande begann die Visitation
1526 und dauerte die ganze folgende Zeit fort, w'ahrend
sie im zweiten erst 1537 und in Braunschweig sogar erst
1542 ihren Anfang nahm.
Wenn nun das Buch die Kirchen- und Schulvisita-
tionen behandelt, so tritt doch die Geschichte der letzteren
wesentlich in den Hintergrund, weil sich die Priifung der
kurflirstlichen Commissare namentlich in der ersten Zeit
mehr auf die kirchliche Lage bezog. Doch finden sich
auch iiber die Schulverhaltnisse h5chst interessante Notizen,
so namentlich iiber die Schulen zu Zwickau und zu Torgau
S. 188 fgg. Im ganzen beziehen sich diese Nachrichten
mehr auf die ausseren Verhaltnisse, doch thun wir auch
manchen Blick in das innere Schulleben, die Methode
u. s. w. Gerade hier, aber auch sonst, hat es der Ver-
fasser verstanden, das allgemeine Bild, die todten Zahlen,
durch einzelne kleine Zuge zu beleben. So wird S. 188
erzahlt, dass den Schulmeistem ^das Stauchen, Stossen
und tibermassige Schlagen" verboten worden sei; damit
die Jugend nicht vom Schulbesuch abgeschreckt wtirde;
kein Lehrer soil fUr die Kleinen angestellt werden, der
„ein lispelnd oder sunst bose aussprache hat, damit die
Knaben, welche bald fahen, nicht erst's anfangs damit in-
ficirt werden". Das Bild, das uns von den Schulverhalt-
nissen entworfen wird, ist kein giinstiges; nur einzelne
Stadte setzten ihre Ehre darein, gute Bildungsstatten fiir
die heranwachsende Jugend aufzurichten, auf dem Lande
war daflir sehr schlecht gesorgt.
Nicht minder ungiinstig erscheint uns die kirchliche
Lage. Es war imbedingt eine Besserung nothwendig,
namentlich nachdem die Wiedertaufer und Bauern so
furchtbare Schlage gegen die oflPentliche Ordnung und
die Kirche gefiihrt hatten. Die Noth drangte zur Zuhiilfe-
nahme der territorialen Gewalt, wie die Worte Luthers
S. 8 es ergreifend schildem. Wenn der Kurfiirst zunachst
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88 Literatur.
auch eine Betheiligung ablehnte^ so verstand er sich doch
schliesslich dazu. 1526 wird zur Visitation im Amt Borna
neben einem weltlichen Commissar Georg Spalatin abge-
Beudet. Letzterer eroflfnet Hermit seine ftir die Organi-
sation der lutherischen Kirche bochwichtige Thatigkeit,
welche ihn in den folgenden Jiihrzehnten immer wieder
in Anspruch nimmt. Sie wurde eine Wurdigung in einer
besonderen Monographic auf Grund des reichen, nament-
lich im Archiv zu Weimar befindlichen Materials ver-
dienen. Spalatin ftihrte sehr oft selbst das ProtoooU, wie
wir aus zahlreicben, uns erhaltenen Concepten sehen. Es
wtirde von Interesse sein, dieselben mit den officiellen
ProtocoUen zu vergleiclien, welche uns nur das Eesultat
der Verhandlung kurz berichten. Wir wtirden daraus
manche Interpretation fur die Beschlusse erhalten, nament-
lich auch ftir die Censuren der Geistlichen. Die Urtheile
tiber die letzteren fallen bei den ersten Visitationen sehr
ungtinstig aus, namentlich bei der im Jahre 1526 im Amte
Tanneberg vorgenommenen, wo von zwolf Geistlichen nur
einer die Censur „ziemlich gut'' bekommt, wahrend elf
(wie es S. 12, Anm. 2 statt 1 Geistlicher heissen muss)
ftir untauglich erklart werden. Hochst interessant sind
einzelne Urtheile, welche hier, wie auch an anderen Orten,
wortlich angefuhrt werden (S. 12 fg). Ein eingehender
Bericht geht an den Kurftirstcn, in welchem ausdrticklich
hervorgehoben wird, dass dei- Kurfurst im Interesse seines
Landes „kein besser Ding habe furnehmen konnnen",
Von ihm wurden einige Zeit nachher zwei Rathe nach
Wittenberg gesendet, urn mit den Vertretern der Uni-
versitat eine Instruction auszuarbeiten. Spater wurde von
Melanchthon der Visitationsunterricht verfaest, welcher
dann mit einer geharnischten Vorrede Luthers erschien.
Die genannten Arbeiten bilden nach Burkhardts Dar-
stellung die erste Periode.
In der zweiten (1527—1529) werden die Visitationen
auf Grund der gemachten Erfahrungen und ausgearbei-
teten Instructionen planmassig und energisch im ganzen
Lande in Angriflf genommen. Dieselben begannen im
Kurkreise am 22. October 1528, in Meissen und im Voigt-
lande Ende November, zu gleicher Zeit in Franken, im
Januar 1529 in Zwickau und Umgegend, dann die von
Plauen u. s. w.
Nach kurzer Charakterisierung der dritten Periode
1529 — 1532, der Zeit des Stillstandes, wird die vierte,
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Literatur. g9
von 1582 — 1545, befiprochen, bei welcher man sich be-
sonders mit der Aumebung und Verwendung der geist-
lichen Outer beschaftigt Die Visitation erstreckt sich
hier auf einen Theil der Grafschaft Scbwarzburg wie die
reussischen Lander^ iin tibrigen werden die schon friiher
von der Visitation besuchten Gegenden bertihrt. Dies
hat den Verfasser veranlasst^ dieser Thfttigkeit weniger
eingehend zu gedenken. Und doch ware eine Ver-
gleichung des Zustandes dieser Gegenden mit dem Be-
ftmde aus den Jahren 1528 — 29 hOchst interessant gewesen,
namentlich nach der finanziellen Seite bin. Das fiaths-
archiv zu Zwickau enthalt ausser den Visitationsakten
vom Jahre 1533 auch noch ein Exemplar der Bechnung
iiber die Einnahmen und Aussaben des gemeinen Kastens.
Dieses „Verzeichnus des eim^ommens aller Lehen etc.
1533** wurde auf Befehl der Visitatoren, wie sich aus einem
Briefe Spalatins an den Stadtschreiber Stephan Roth er-
giebt, ausgefertigt und von letzterem personlich nach
Altenburg gebracht (s. die Rathsrechnungen vom Jahre
1533 — 34 S. 17). Mit diesen Visitationen schloss vorlaufig
die Thatigkeit der Commissare in des Kurfursten Lan-
den ab.
Die Aufsicht wurde jetzt den Superattendenten und
den Visitatoren Ubertra^en, wahrend der Kurfdrst die
h(k2hste Instanz in streitigen Fallen bildete. Immer mehr
machte sich aber die Begrlindung einer Centralaufsichts-
behorde nothig: so entstand das Consistorium zu Witten-
berg wohl im Jahre 1539, wahrend die in anderen Stadten
in Aussicht genommenen ausserer Schwierigkeiten wegen
nie ins Leben getreten sind.
Von neuem lebten die Visitationen 1537 auf, als
Herzog Heinrich von Freiberg sich der Reformation an-
schloss. Auf seine Bitte wurde Georg Spalatin zur Un-
terstUtzung hingesandt; er war es auch, der die Leitung
des Visitationswerkes tibernahm, als im Jahre 1539 nach
Herzog Georgs Tode dessen Land an die Freiberger Linie
kam. Die ProtocoUe dieser Verhandlungen sind, wie Burk-
hardt S. 234 Anm. 4 erwahnt, zum grossen Theil noch
nicht zu finden gewesen. Referent weist hier auf ein
Aktenstuck hin, welches uns wenigstens Aufschluss liber
die Thatigkeit der Visitatoren in Dresden giebt. Dasselbe
befindet sich im Dresdner Stadtarchiv (A. II. 66) und ent-
halt auf BL 23—34 unter dem Titel: „Was in der ersten
visitation zu Dressden in Eyle verordnet ist worden, dem
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90 Literatur.
Rathe zu Dressden zu Handen zu stellen 1539" die
Beschliisse der herzoglichen Commissare. Die Verhand-
lungen begannen am 19. Juli Vormittags (wonach wohl
das Datum S. 234 Anm. 4 zu andern ist) und bezogen
sich auf die BarfUssermonche , ferner auf „die bestellung
der pfarr, predigstuls, diaconat, schulmeisters, sein ge-
sellen u. s. w.'', wahrend es sich „nach gehaltener maltzeit"
um die Behausung und das Recht des Bierschanks seitens
des Pfarrers handelt, Auch wird dem letzteren befohlen,
„ein fleissiges aug darauff zu haben, das nyemands hie
nicbts schreibe wider Gottes wort und die reyne lere**,
wie auch „der Buchdrucker nichts auflegen noch auss-
gehen lassen soil, er habs denn zuvor dem Superatten-
denten fiirgetragen". Am 21. Juli werden die Verhand-
lungen geschlossen. Aber die Visitatoren sind von der
Nothwendigkeit einer neuen und eingehenderen Visitation
uberzeugt: „Dann do man nicht bald mit einer ordent-
lichen visitation folgen und nachdrucken wurde, so wer
es taushent mal besser und sicherer nutzlicher und er-
licher, beide gegen Gott und der welt, das mans nie an-
gefangen hette, denn das man dabey Hess bleibenn."
Diese fur so dringend erklarte Visitation wird am 21. De-
cember 1539, an einem Sonntage, gehalten und merk-
wiirdigerweise auch an demselben Tage beendet. Das
ProtocoU befindet sich ebenfalls in dem oben citierten
Aktensttick Bl. 35 — 39. Die Beschliisse beziehen sich auf
dae Einkommen der geistlichen Lehen, welche eben so
wie die der Fleischerbruderschaft dem Rath anheimfallen
und zur Besoldung der Kirchen- und Schuldiener ver-
wendet werden soUen. Weiter handelt es sich um die Auf-
richtung voa zwei deutschen Schulen, ^eine vor die
megdtlein, die andere vor die kneblein".
Im Jahre 1540 erfolgte dann die Visitation im Al-
bertinischen Thiiringen, vier Jahre spater im Hochstift
Merseburg, iiber welche Burkhardt S. 273 fgg. berichtet.
Zu gleicher Zeit fanden die Verhandlungen zu Braun-
schweig -Wolfenbuttel statt (S, 297—320). Das Ganze
wird vom Verfasser durch einen recapitulierenden Ab-
schnitt: „Ruckblick imd Resultate" abgeschlossen. Das
Namen- und Sachregister S. 327 — 347 fiihrt uns noch
einmal die FuUe des Stoffs vor Augen.
Niemand, der sich mit der Reformationsgeschichte
beschaftigt, wird an dem Buche voriibergehen konnen,
ohne dasselbe einem eingehenden Studium zu unterwerfen.
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Literatur. 91
Niemand aber wird daseelbe aus der Hand legen, ohne reiche
Anregung und Forderung erhalten zu haben. Referent
scbliesst mit dem Wunsche, dass dem ersten Bande der in
Aussicht gestellte zweite Theil recht bald folgen m5ge.
Dresden-Neustadt. Georg Mtiller.
Der Anthell der Oberlansitz an den Anf&ngren des dretssigr-
Jlhrigren Kriegres^ 1618 bis 1623. Yon Dr. Hermann Enothe.
Von der Oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften zu GOrlitz
pramiirte Preisschrift. Dresden, Burdach. 1880. S*. 95 SS. (Auch
im Neuen Lausitzer Magaziu LYI, 96 fgg.)
Wie Palm in der Zeitschrift fiir Geschichte und
Alterthiimer Schlesiens die Stellun^ dieses b5bmischen
Nebenlandes zu der bohmischen Rebellion von 1618 be-
handelt hat; unternabm es H. Knothe; die Stellung der
Oberlausitz in den ersten Jaliren des dreissigjahrigen
Krieges darzustellen. Die Abhandlung, gleicb ausge-
zeicbnet durch die Verarbeitung eines sehr reichen ar-
chivaliscben Materials, durch Schlichtheit und Klarheit
der Darstellung; durch Mittheilung von einer FtiUe neuer
Details, verdient voUauf die Anerkennung, welche ihr die
Oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften zu Theil
hat werden lassen.
Es sind im Grunde zwei MomentC; um die es sich
handelt: einmal das Verhaltnis der Oberlausitz zur b5h-
mischen.Bewegung, sodann ihr Verbal tnis zu Kursachsen.
Wie die Lausitzer sich nur zogernd und man mochte
fast sagen wider ihren Willen den B5hmen anschlossen
und sich im Verein mit ihnen ge^en den designierten
K5nig Ferdinand und fUr Pfalzgraf Friedrich erklilrten,
wird in den ersten drei Kapiteln sehr eingehend und an-
ziehend dargelegt. (I. „Vom Beginn des Aufstandes in
B5hmen bis zur Aufnahme der Oberlausitz in die boh-
misch - schlesische Union; Mai 1618 bis Mai 1619."
n. „Abschluss der allgemeinen Confoderation und Wahl
Friedrichs von der Pfalz; Juli und August 1619."
ni. „Die neue Ordnung der Dinge in der Oberlausitz
seit Herbst 1619.") In den folgenden vier Kapiteln han-
delt es sich um die dem Kurftirsten Johann Georg von
Sachsen von Kaiser Ferdinand aufgetragene Execution,
die Unterwerfung des Landes, das dann dem Kaiser und
Kurftirsten die Laterimshuldigung leistet und nach einer
Reihe weiterer Verhandlungen in den Pfandbesitz Kur-
sachsens kommt. (TV. „Die kursachsische Execution,
September bis December 1620.* V. „Der Dresdner
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92 Literatur.
Accord und der Kamenzer Landtag 1621." VI. „Die
Gheeandtscbaft an den Kaiser und die Restitution der
Katholiken, Sommer 1622." VII. „Die Mission Kur-
Sachsens in den ' Pfandbesitz der Oberlausitz 1623.")
Wie man sieht, endet die Arbeit mit dem nur vorlaufigen
Abschluss der Frag^ Vielleicht, dass der Herr Verfasser
sich entschliesst, sie m einer anderweiten Abhandlung bis
zu ihrem definitiven Abschluss fortzufiihren ; bis dahin,
wo, wie er sagt, „durch den Prager Frieden von 1635
und den Trad&tionsrecess von 1636 diese beiden einst
den Wettinem gehOrigen (lausitzischen) L'ander aus dem
blossen Pfandbesitz in Erblehnbesitz tibergingen."
Halle. G. Droysen.
Leipxig und seine Uniyersitftt Tor hundert Jahren. Aus den
gteichzeitigen Aufzeichnungen eines Leipziger Studenten jetzo
zuerst an's Licht gestellt. Mit Titelbild, Plan von Leipzig und
Earte der Umgegend. Leipzig, Breitkopf& H&rtel, 1879. 8^ XII.
128 SS.
Mit diesem Biichlein hat es eine eigene Bewandtnis.
In den Jahren 1777 — 1779 studierte in Leipzig der nach-
malige Ltineburgische Arzt Johann Heinrich Jugler (tl814).
Friihzeitige Neigung zur Schriftstellerei — er entfaltete
nach Abschluss seiner Studien eine sehr ausgedehnte
schriftstellerische Thatigkeit — und das Bedtirfnis, uber
alle Verhaltnisse, in die er versetzt wurde, sich m5glichst
genau zu orientieren, veranlassten ihn, wahrend seines
Leipziger Aufentbaltes auch Material zu einer Beschrei-
bung Leipzigs zu sammeln. Nachdem er dann die Uni-
versitat verlassen, arbeitete er im Wmter 1779—1780 dieses
Material aus, doch wohl in der Absicht, seine Darstellung
zu verdffentlichen. Doch vergingen noch einige Jahre,
wahrend deren er seine Arbeit durch Nachtrage zu ver-
bessem und zu vervoUstandigen suchte. Schliesslich unter-
liess er aber^die Ver5ffentlichung; da ihm im Friihjahr
1784 J. G. Schulz mit seiner allbekannten, weit umfang-
licheren „Beschreibung der Stadt Leipzig" zuvorkam, und
begntigte sich damit, iiber die Arbeit von Schulz eine
Recension in die „Gothaischen Gelehrten Zeitungen" zu
schreiben. Sein sorgfaltig und zierlich geschriebenes Ma-
nuscript aber legte er^bei Seite, bewahrte es auf, es erhielt
sich in den Handen seiner NachkommeU; und dieses ist
es, welches nun, hundert Jahre nach seiner Entstehung,
hier doch noch das Licht "*der OefFentlichkeit erblickt hat.
Nach dem Vorstehenden drangt sich sofort die Frage
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Literatur. ^
auf : Lohnte ee Uberhaupt der Miihe, das Manuscript^ das
durch das Schulz'sche Buch augenscheinlich Uberflussi^
wurde, jetzt noch herauszugeben? Und diese Frage wird
sich jeder wiederholen, der das Biichlein selbst zur Hand
nimmt und sieht, wie der Verfasser tiberall in seinem
Texte auf die illtere Literatur hinweist; die er benutzt hat
und die uns natttrlich noch ebenso gut zur Verfligung
steht wie ihm. Dennoch mochten wir die Frage nicht
ohne weiteres yerneinen. Eein thatsilchh'che Angaben
liber Einrichtungen und Personen jener Zeit findet man
allerdin^s bei Schulz und in den Leipziger Adressbuchem
der siebziger Jahre, die Jugler naturlich benutzt hat,
weit ausftihrhcher, wiewohl eine so ausfilhrliche Aufzah-
lung und Beschreibung der damals auf der Stadt- und der
Universitatsbibliothek befindlichen Bilder^ wie Jugler sie
giebt, die entsprechende Partie bei Schulz weit hinter
sich Iflsst. Dazu kommt; dass die Aufmerksamkeit des
Verfassers keineswegs nach alien Seiten hin gleichmassig
gerichtet ist: vor allem interessiert ihn Kunst und Wissea-
schaft, gelegentlich auch das gesellschaftliche Leben^ for
den Handel dagegen hat er sehr geringes Interesse. Den-
noch macht der ungenannte Herausgeber unseres Btich-
leins mit fiecht darauf aufmerksam; dass, wahrend die
Beschreibung von Schulz „dasWerk eines halbgelehrten,
nicht unabhangig dastehenden Mannes ist^ der urtheilslos
und schdnfarbend eine schablonenhafte Literatenarbeit
lieferte", Jugler an Personen und Sachen eine sehr un-
befangene Kritik Ubt. Dies lasst sich an Einzelheiten
durch das ganze Buchlein hin verfolgen, am fiihlbarsten
tritt es hervor in dem Abschnitt liber die Leipziger Pro-
fessoren jener Zeit, der interessantesten Partie des fi^anzen
Schriftchens, und insofern ist der vollstandige Abdruck
des Manuscriptes immerhin dankenswerth.
Nach der vom Herausgeber vorgenommenen Einthei-
lung zerfkllt der Inhalt in neun Kapitel von sehr im-
gleicher Ausdehnung. Das erste giebt eine Beschreibung
der Stadt im aUgemeinen^ das zweite und dritte behandelu
die offentlichen imd die wichtigeren Priyatgebaude, das
vierte, umfanglichste, ist der Universitat gewidmet — daher
die Wahl des Titels — , das flinfte bespricht die ^lehrten
Gesellschaften und die Sammlungen aer Stadt. Ziemlich
werthlos sind das sechste (Gasth5fe, Speisewirthc; Miinz-
cours), achte (Messen) und neunte (St^dtchen und Stftdte
in der Nachbarschaft); und ahnliches wiirde von dem
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d4 Literatui*.
siebenten (Plaisirs und Zeitvertreibe) gelten, wenn der
Herausgeber hier nicht aus dem bekannten, aber selten
gewordenen Buche ^Das nach der Moral beschriebene
galante Leipzig" (1768) — demselben, in welchem sich
zuerst die fiezeichnung ^Klein- Paris" ftir Leipzig nach-
weisen lasst — einige AbschnittC; wie iiber das ^Fischer-
stechen", die „Sch5nefelder Kletterstange" und das offent-
liche Vogelschiessen, zur AusfuUung herangezogen hatte.
Im librigen hat er das Manuscript wortlich zum Ab-
druck gebracht und mit einer Reihe sorgfaltiger und
sachkundiger ^^merkungen, theils berichtigender, theils
erganzender Art, begleitet, die uns nur selten Veranlassung
zu einer abweichenden Meinung gegeben haben. So
treffen die Nachweise der angeflihrten Hauser nicht durch-
weg zu, und die Aussprache „Eichels Pfuhl" (Anm. 91)
dtirfte auf dieselbe verschonemde Volksetymologie zuriick-
zufuhren sein, die auch „eingal" aus ,,egal" gemacht hat;
der erwahnte Ort hiess der „Egelpfuhl". Der Druck
des Werkchens ist sehr correct (nur S. 18 ist uns Lentzel
statt Tentzel, S. 115 Jocander statt Iccander aufgefallen),
und die Verlagshandlung hat auch ihrerseits durch eine
Anzahl artistischer Beigaben das Interesse fiir die merk-
wtirdige Publication zu steigem gesucht.
Noch eine Bemerkung. Der Herausgeber sagt unter
anderem im Vorwort: „Fur Den, der sich gerne ein
mdglichst zutreffendes Bild von [dem] Leipzig zu der
Zeit, als Goethe in demselben weilte, entwerfen mochte,
giebt es keine Schilderung, die so nahe an jene Zeit
hinanrtickt, wie diese." Dieser scheinbare Wink war zu
yerlockend, als dass nicht fast s'ammtliche Becensenten in
unseren Wochen- und Monatsschriften ihm batten folgen
soUen: allgemein ist das Schriffechen als eine Art von Bei-
trag zur Goethe-Literatur in Anspruch genommen worden.
Das kommt aber nur davon, wenn man die Vorreden liest,
anstatt der Bticher. Wir haben nirgends Veranlassung
fefunden, das Buch mit Goethes Namen in Zusammen-^
ang zu bringen. Wenigstens wird unser bisheriges Bild'
von Leipzig zu Goethes Studentenzieit auch nicht um den
leisesten Zug dadurch bereichert.
Leipzig. G. Wustmann.
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Literatur. 05
Uebersioht iiber nenerdings ersohienene Sohriften und
Aufsatze znr Saohsisoh-Thiiringisohen Gesohiohte und
Alterthumsknnde.
Bohmert, V, Urkundliche Geschichte und Statistik der
Meissner Porzellanmanufaktur von 1710 bis 1880, mit
besonderer Riicksicbt auf die Betriebs-, Lohn- und
Kassenverhaltnisse: Zeitschrift des KOniglich Sachsi-
schen statistischen Bureaus. Jahrg. XXVI. Heft I — II.
S. 44—102.
(6 Bym, FrhrJ Die Hofsilberkammer und die Hofkellerei
zu Dresden. Dresden, Wilhelm Baensch. 1880. 8^ 208 SS.
Distel, Th. Nachtrag zu ^Die im Koniglich Sachsischen
Hauptstaatsarchiv befindlichen Leibniz - Corresponden-
zen^: Berichte der philosophisch-historischen Classe der
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zu den geschichtlichen Nachrichten von dem reichs-
ritterlichen Geschlechte Eberstein vom Eberstein auf
der Rhon. Dritte Foige. Dresden. 1880. 8^ 305 SS.
Frantz, Adolph. Das katholische Directorium des Corpus
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FUrstenau, M. Die Oper Antiope und die Bestallungen
des Kurfiirstlich Sachsischen Vicekapeliraeisters Nicolaus
Adam Strunck und des Hofpoeten Stefano Pallavicini:
Monatshefte fiir Musik-Geschichte , herausgegeben von
der Gesellschaft fUr Musikforschung. Jahrg. XUI.
S. 1—6.
Gradi. Eger und Heinrich von Plauen 1451 bis 1454:
Mittheilungen des Vereins ftir Geschichte der Deutschen
in B5hmen. Jahrg. XIX. S. 198—214.
Halltmch, H. Wallenstein und die Sachsen in Bohmen
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Hitzigrath, H. Die Publicistik des Prager Friedens (1635).
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Holder 'Eager, 0. Ueber eine Chronik aus Altzelle:
Neues Archiv der Gesellschaft fur altere deutsche Ge-
schichtskunde. Bd. VI. S. 399—414.
Digitized by
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fegeben von der historisclien Commission der Provinz
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K5nig in Israel.^ Mit einem Portrait Dr^en,
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quellenmassiger Beitrag zur Kriegsgeschichte and Ea-
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einer Uebersicbtskarte des nordischen Eriegstheaters
und sechs lithograpbirten Tafeln. Leipzig^ Bernhard
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Scheuffler, ffeinrich Johann. Bilder aus der Oberiausitzer
Keformationsgeschiclite. L Einfilhrung und Schicksale
der fieformation in der Oberlausitz. Barmen^ H. Elein.
. 1881. 8^ 55 SS. (A. u. d. T.: Evangelische Bruder-
liebe. Vortrftge uber die Aufgaben und Arbeiten des
evangelischen Vereins der Gustav-Adolf-Stiftung. Her-
ausgegeben von A. Natorp. III. Bd. 4. Heft)
(Sehnorr v. CaroUftld,) Briefe von Peter WatzdorfF. Aus
dem Eoniglichen Hauptstaatsarcbiv zu Dresden: Archiv
flir Literatur-Geschichte. Bd. X. S. 174—188.
Theile, F. Lockwitzer Nachrichten aus alter und neuer
Zeit No. 18—22. 1880. 1881. 8^ S. 66—158.
Wemiclce, E, Meister Oswald Hilger in Freiberg: An-
zeiger flir Eunde der deutschen Vorzeit. 1880. No. 11.
Sp. 331 fg.
— Christoph Walter, Bildhauer in Dresderf: ebenda.
1881. S. 13 fg.
— Bruder Hans, Paramentensticker von Leipzig: ebenda
S. 16.
Wfutmarm, G, Die Vertraute Gesellschaft in Leipzig.
Gestiftet im Herbst des Jahres 1680. Festschrift den
Mitgliedem gewidmet vom Senior zum 22. November
1880. Leipzig 1880. 4^ 93 SS.
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V.
Herzog Wilhelm von Sachsen und sein bob-
mfscbes Soldnerbeer auf dem Zuge vor Soest.
Von
Adolph Bachmann.
I.
Wie wenig Deutschlands Ftirsten 'und Volk um die
Mitte des 15. Jahrhunderts auf der H6he ihrer Aufgabe
standen^ zeigt nicht der • klagliche Ausgang der grossen
Reformbewegung auf kirchlichera Geoiete allein. Die
Niederlage der lleichspolitik ist vielmehr begleitet, frei-
lich auch wesentlich herbeigeftihrt, von dem riicksichts-
loeen EgoismuS; mit dem sich allenthalben die Teriitorial-
politik m den Vordergrund drftngt. Noch hat da das
Wiener Concordat von 1448 die kirchliche Reform nioht
begraben'), als eine machtige Bewegung anderer Art
das Reich von den Berge\i der Schweiz bis zu den Ge-
staden -der Nordmeere erschiittert: der Gegensatz von
Fiirstenthum und Nobilitat zu dem freien Btirger und
Bauem. Wie die Kirchenfrage wirft der neue Conflict
seine Schaften in alie Verhnltnisse^ alle Streithandel im
Reiche. So schafft er auch mit dem Zuge Heraog Wil-
helms von Sachsen vor das weit entlegene Soest zugleich
eine bedeutungsvolle Episode mitten hinein in die erbitterte
*) VergL G. Voigt, Enea Silvio de' Piccolomini I, 417 fgg.
Neue*ArcIiiyf: S. Q. u. A. XI. 9. 7
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98 Adolph Bachmann:
Fehde, die zwischen den Briidern von Meissen und Thtt-
ringen, Kurfiirst Friedricli 11. imA Herzog Wilhelm, an-
lUsslicIi der ^zweideutigen" *^ Theilung des vaterlichen
Erbes vom 10. Dezember 1445 entstanden war.
Umsonst gaben sich die brandenburgischen Mark-
E*afen, gab sich Erzbischof Friedricli von Magdeburg,
andgrai Ludwig von Hessen, die einst die Theilung ver-
mittelt batten, alle Mlihe, die Herzoge zu dessen friedlicher
Befolgung zu bringen; auch der Kaiser hatte den Ver-
trag ') bestatigt: die Fehde vermochte trotzdem zu keinem
Ende zu kommen und schadigte die Lande je langer desto
empfindlicher. Schwer fallt es hier, zwischen beiden Par-
teien den Spruch zu thun auf „schuldig** oder „nicht-
schuldig**. Wohl aber wiinschte der Kurfiirst trotz der
Theilung die Aufrechthaltung seines brtiderlichen Ein-
flusses liber den gesammten Hausbesitz, gemeinsame Po-
litik nach innen und aussen, wahrend der jiingere Herzog
mit dem scharf ffetrennten Besitze zugleich seine fiirst-
liche Selbstandigkeit wahren zu mtissen glaubte, dabei
aber ganz unter den Einfluss seiner K3,the, besonders der
Brtider Vitzthum, gerieth. Reich begiitert, so dass er mit
seinem Bruder „fast die Halfte des Landes" besass, ebenso
sohlau und gewandt als energisch und tapfer, gait Apel
Vitzthum bald als die eigentliche Ursache des Krieges
imd als der grimmige Feind des Kurfiirsten, den er im
Interesse der eigenen Herrschsucht bek&mpfte.
Der Waflfenstillstand, . den die genannten Ftirsten flir
die Zeit von Michaelis 1446 bis Georgi 1447 vermittelt
hatten*), wurde nicht gehalten; neue gegfenseitige Bescbft-
digungen mehrten die Erbitterung. Als dann auf dem
Rathhause zu Erfurt Graf Ernst von Gleichen, den der
Kurfiirst geschickt, um iiber den Bruch des Waffenstill-
standes zu klagen, vor dem zu seiner Vertheidigung her-
beigeeilten Herzoge Wilhelm rtickhaltlos die yitzthume
als Hindemis des Friedens bezeichnete *), da mussten auch
diese erkennen, dass es einen Kampf gelte um ihre Exi-
stenz. Rasch wusste Herr Apel zu handeln.
*) Droygen, Gesch. d. preuss. Politik (2. Aufl.) II, 1, 76 fgg.
») Chmel, Regesten z. G. Friedr. IV,'^ I, Nr. 2054. Die Best&ti-
gung vom 1. April 1446.
*) Konrad Stolles Thuringisch-Erfurtische Chronik, ed. L. F.
Hesse (32. Public, des literarisehen Yereins in Stuttgart, Stuttgart
1854) 9. •
») Nach Stolles Chronik 1. c. 11—14.
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Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soesi 99
Seitdem die Hossitenkftnipfe den Raf der bQhmisclieti
Kriegskunst and Tapferkeit in ganz Mitteleutopa be-
griindet^ in Bdhmen selbst aber den unbflndigen Hang
zu Kampf und Beute geweckt batten, blieb Bohmen dur(£
Jahrzehnte das grosse Kriegslager, dessen reisige Schaaren
in Ungam und Kroatien, in Preussen und Scblesien, in
Thuringen und Franken, in Bayern und .Oesterreich die
Fehden der Ftirsten und Communen durchkampften, wo
nehen • militarischem Talente und UDgestumer Tapferkeit
freilich auch ruhelose Kriegs- und Beutelust* zu Hause
waren. Kein Wunder, das6 Herr Apel Vitzthum hierher
seine Blicke richtete, um so weniger, als schon vordem
bohmiscbe Krieger in Herzog Wilhelms Sold gewesen
waren/) Leicht w«ird es ihm, seinen jungen, leidenschaft-
lichen Herrn zu dem Entschlusse zu bestimmen, bohmiscbe
Schaaren in liberwaltigender St&rke aufzurufen und mit
ihrer Hiilfe den feindlichen Bruder niederzukampfen.
Bald nacb Neujahr 1447 finden wir den Vitzthum
persdnlich in Bohmen.') Mit Alscho Holicky von Stem-
' berg, den er seit langem kannte, traf er 'auf dessen
Schlosse Petschau, ebenda, wie es scheint, auch mit Fried-
rich von Donin die nothigen Verabredungen. Von hier
aus weckte er, von Donin und Sternberg gefordert^), die
Lust zur Kriegfifahrt nach Thuringen und Meissen durch
gFanzende Verheissungen. Bald war der Westen Bohmens
vom Egerlande bis iiber Pilsen und Taus hinaus in krie-
gerischer Bewegung. Der von Donin nahm personlich
lierzogliche Dienste, ebenso mit einer betrHchtlichen Zahl
seiner Leute Peter von Sternberg, Herrn Alschos Sohn.
Die Nachbarn der Stemberge folgten nach: Heinrich von
Kolowrath auf Liebenstein (Libsteinsky) •), dessen Vetter
•) Palacky, Geschichte Bohmens IV, 1, 178. Vergl K. StoUe,.
Chronik 19.
') Die Zeit der Verhandlungen Vitzthams mit den Bohmen
(bisher stets unrichtig angegeben nach E. StoUe 21 imd Hartung
Kammermdster, Annates Erfurtenses Germanici bei Mencke, Scriptor.
rer. Germ, in, 1192) zeigen Nr. 18 u. 19 der „Urkanden und Akten-
stlicke zur 5sterreichischen Geschichte 1440—1471^^ bei A. Bachmann, .
Fontes rer. Austriae, Abth. IL Bd. XLIL Ich citiere dieselben von
nun an als Fontes r. A. XLIL
•) Grossherzogl. sachs. Gesammt-Archiv zu Weimar Reg. A
fol 8» No. 13 (nach der friiheren Eintheilung). Friedrich von Donin
auf Wildstein (Pilsener Kreis).
*) Nordw^rts Pilsen nachst Badnitz an der Beraun gelegen und
von Liebenstein im Egerlande wohl zu unterscheiden.
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100 Adolph Bachmann:
Albrecbt Bezdruzicky von Kolo wrath auf Weseritz **•),
Niclas von Guttenslein auf Breitenstein"), Dienstmannen
Hynek Kruschinas von Schwamberg auf Bor ^*),. Johann
Calta von Steinberg auf Rabenstein **) , Johann von Ko-
stelzen **J; Dietrich von Janowitz **) und andere. Aber
auch aus grOsserer Feme, aus Nordbohmen, ja selbst
Ms^hren durfte Vitzthum auf zahlreichen Zuzug sicher
hoffen; der streitlustige Wilhelm von Ilburg, Zawisch von
Klinstein, Johann Sddlo von Smilkau*®), Jeschkb von
Boskowitz *'), die Mahrer Uh-ioh der Jungere von Kaunitz,
Johann Zieleticky "*) werden' weiter als Fiihrer besonders
angefiihrt. Reichlichen Sold und die sichere Biirgschaft,
dass der Herzog jeglichen Schaden, den die Bohmen an
PferdeU;, Kriegsger'athe u. s. w. erleiden wiirden, ersetzen
wolle *•) und ihnen dariiber vor dem Auszuge dessen
Briefe eingehandigt werden soDten^*^), hatte d^ Unter-
handler versprochen; daneben lockte nattirlich die Aus-
sicht auf reiche Kriegsbeute. Um das Band aber noch
fester zu kntipfen, gewann Herr Apel eine ganze Eeihe
der vornehmsten Anftihrer, gegen betrachtlichen Jahrsold
des Herzogs Rathe und Diener zu werden. So erhielten
unter andern Heinrich von Kolowrath 400 FL, Dietrich
von Janomtz 300 FL, wo fur er mit 16 Pferden des
Dienstes warten soUte, Wilhelm von Ilburg, Johann
Calta, Jan Sddlo je 200 FL zugesagt^'); das Geld soUte
ihnen halbjahrig nach Ablauf der Frist ^ausgerichtet"
warden.**)
*•) VergL die Stammtafel der Kolowrath T)ei F. Bemau, -Burgen
und Schlosser Bohmens 211.
»*) Bei Weseritz.
") Bei TepL
**) Zwischen Chiesch und Manetin.
**) Nachst Staab sudlich von Pilsen.
»*) In der NSlie von Klattau.
*•) Die bisher genannten aiisser Friedrich von Donin in Fontes
r. A. XLII, 45—46, 62. «
*0 Nach' Fontes^ r. A. XLII, 278.
••) Nach Th. Pesina z.Cechorodu, Mars Moravicus 636, der sich
aiif einen Anonym, ad an. 1447 beruft. Dass die von Palacky L c.
nach den Star! letopisowe cesti, Scriptor. rer. Bohem. HI, 146 weiter
genannten Ftihrer nicht hierher geh5ren, s. unten.
*•) Diese Briefe sind noch nichit zum Vorschein gekommen;
vergL iibrigens Hartung Kammermeister L c. 1192. Fontes r. A.
XLn, 281.
»•) Fontes r. A. XLII, 30;
*») Nach Fontes r. A. XLII, 45—46.
") Ebendort 46, vergl. 277.
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Lnoogk
Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest 101
Noch eins hatte Vitzthum in Petschau bestellt Die
bohmischen Truppen, wenn auch grdsstentheils aus Ge-
genden, die heute germanisiert sind, gehorten sammtlicli
der czechischen 2iunge an. Noch mehr als frtilier raufiste
der Herzog Wilhelm das Bediirfiiis empfinden nach einem
^endlichen Diener, der deutsch und b5hmisch konne^ aiif
den er Glauben zu setzen und den er auch zu Zeiten in
werbender Botschaft gegen Bohmen zu senden vermoge".
Der Schreiber der Stemberge, Jgbst v.on Einsiedel, kein
anderer als der spater so einflussreiche Sekretar Ktoig
Georgs von Bohmen, liess sich bewegen, den Uebertritt
in des Herzogs Dienst (wir wissen nicht, auf wie lange)
zuziisagen.**)
Mitte Februar 1447, nachdem eben Jobst von Ein^
siedel noch in Thuringen beim Herzoge behufs weiterer
Vereinbarung besondiers des Wortlautes der Schadlos-
briefe geweilt **) , hatte Herzog Wilhelm seine Schlo£iser
ziar Aumahme der fremden Truppen bereit geraacht. Man
sandte nun die Briefe an Peter von Sternberg mit der
Bitte, sofort den Auszug der Scharen tiber Eger zu ver-
anlassen und damit nicnt weiter zu saumen, ^da ihm gar
Tiel daran gelegen sei". Das scheint denn auch, wenn
. auch nicht so rasch wie der Herzog wUnschte, geschehen
zu sein. Nach und nach zogen 40 Ffthnlein Bohmen, wohl-
gertistet und kampfesmuthig, gegen Thuringen. Sie wur-
den in Weida, Weissenfels und anderwftrts untereebracht**),
und bildeten, nachdem' etwa Ende April alle Abtheilungen
versammelt waren, eine Macht von 8500 — 9000 Streitem.**)
Die grossen Rtisttmgen des Herzogs im Angesichte
des Tages, der am 24. April zii Naumburg. beginnen
und auf jeden FaU zum Frieden fiihren soUte, mochten
freilich die Friedensliebe desselben in etwas eigenthlim-
lichein LichtQ erscheinen liassen. Thats&chlich schienen
denn auch die Berathungen linter der Linde bei Naum-
burg trotz der Anwesenheit der vermittelnd^n Ftirsten,
der Gesandten des Erzbischofes von Mainz, der Er-
*») Fontes r. A. XLII-, 30, 81.
") Ebendort 30. ' .
'*) Hartung Eammermeister 1. c. 1193. Stolle 1. c. 21.
*•) 8500: Konrad Stolle 21. 9000: Hartung Kammermeister 1195.
In weiterer Entfeitiung steigerte die Phantasie der Berichterstatter'
die Zahl-der Bdhmen oder doch des ganzen herzoglichen Heeres
aof 40000 Mann and noch hdlier. Vergl. unten.
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102 Adolph Bachmann :
furter u. «. w. eher alles andere, als die Aussohnung
herbeizuftihren. * ')
Nicht bloss die Fiirsten, die durch eigene Sprecher
ihre Sache vertreten liessen, warden durch die gegen-
seitigen Anspriiche und Anklagen immer gereiater; aiicli
die beiderseitigeu Landsaseen geriethen aneinander* Es
kam bis zu Waflfengebrauch und schwerer Verwundung.
Zum Ueberflusse horte man noch von der Fortdauer der .
Fehde zwischen Graf Ludwig von Gleichen und Apel
Vitzthum und berichteten wiederholte Meldungen von der
Raublust der B5hmen, die von Weissenfels aus das Naum- .
burger und Merseburger Stiftsgebiet verheerten und in
des Herzogs eigenem Lande bis vor die Thore Weimars
plunderten.*'^)
Drei Wochen hatte der Streit gedauert. Schon waren
die mainzischen Gesandten, die Boten der Erfurter^ Mubl-
hauser.u. s. w. abgereist, schon riistete auch Kurfttrst
Friedrich zum Abzuge und schien die Fehde nur noch
gewaltiger entbrennen. zu sollen, als die Fiirsten im
letzten Augenblicke wenigstens zur Verlangerung des
Waflfenstillstajides bis 1. September 1447 bewogen wurden.
An diesem Tage solie man in Miihlhausen zusammen*
treten und woUen Friedrich IE. von Brandenburg und
Ludwig von Hessen als BevoUmachtigte die Streitfragen
friedlich entscheiden. Bis dahin moge auch Apel Vitz-
thum „in dem Frieden stehen".
Was war es, das Herzog Wilhelm auf einmal so
friedlich stimmte? Brtiderliche Liebe, das Mitleid mit
den schwer gepriiften Landen waren es sicherlich nicht;
schwerlich auch die Drohungen der Vermittler.**) Viel
wahrscheinlicher war es die starka Macht, mit der ihm
sein Bruder entgegen zu treten vermochte. Auf die •
Kunde von der Werbung Wilhelms in Bohmeu; die na-
tiirlich nicht verborgen bleiben konnte^ hatte n3«mlich
Kurfiirst Friedrich nicht bios im eigenen Lande stark
gertistet, sonderji auch in Schlesien, der Mark und vor
allem gleichfalls in Bohmen und zwar mit Erfolg werben
'^ Die nachfolgende Darstellung ■ vor allem nacb Eonrad StoUes
fest gleichzeitiger Chronik 20—21.
**) Hartung Eammermeister, Annal. Erfurtenses 1. c. 1192 fg.
Konrad StoUe 20 fg.
••) StoUe 20: Do reyt Margrafe Frederick von Brandenborg in
d«me jungen hern keyn Fryborg, vnnd sagete ome also vel, vnnd
bedrowete on vnnd ouch dy Yitcztum.
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Herzog Wilhelm yon Sachpen auf dem Zuge vor Soest 103
lassen.*^) Zwar wamte Zdenko HoHcky von Sternberg,
der spatere Gberstburggraf von Prag und Hauptgegner
Georg PodiebradS; die B5hmen, nacb Meissen zu zienen,
wohin er sich erst selbst begeben hatte; er besorgte woKl
den Kampf von- Bohmen gegen Bohmen. Trotzdem
nahm Peter Kdulinec von Ostromef mit 300 und Cecek "
von Pakomefic mit 400 Mann, Fussgftnger und Reiter,
meissnische Dienste. Ihnen folgten der jUngere Berka
von Chlumec und andere mit Schaaren in der Gesammt-
starke von fast 4000 Mann.")
Mit dem Waflfenstillstande erwuchs fur den Herzog
Wilhelm die Verlegenheit, was nun mit den geworbenen
fremden Kriegsleuten zu beginnen. Schon zehrten sie
aus seinem' Shekel und vom Lande, eine ma^sige Abfin-
dung wollten sie nioht nehmen '*), die Jahrgelder mussten
jedesfalls gezahlt werden. Es war wieder Apel Vitzthuna,
der einen gelegenen Ausweg fand. Die ersten Tage nach
dem Ende des Naumburger Tages sahen ihn auf dem
Wege nach Westfalen.
Bestrebt, seinen fiirstlichen Eigenwillen in ganz West-
falen zur Geltung zu bringen, und vor allem den Bund
der Stadte und Ritterschaft des Landes zu sprengen, hatte
der kampf lustige Kurfiirst Dietrich voii Koln an der
trotzigen Hansestadt Soest eine mftchtige Gegnerin ge-
fdnden.**) Die Feindseligkeite«i des Erzbischqfes beant-
wortete die Stadt damit, dass sie ihm nun den Gehorsam
vollig aufktindigte und Johann, den Sohn Herzog Adolfs
»») Hart. Kammermeister^ 1194.
. »') Staff letopisow6 cestl 1. c. st. 146. Dass man zwischen bdh-
mischen Schaaren, die zugleich dem lilteren und jangeren Herm
von Sachsen zu HUlfe kamen , unterscheiden miisse , beweist schon
' die verschiedene -Zeit ihres Auszuges (w nedeli po boziem wstiipenj
— am Sonntag n^ch Qhristi Himmelfahrt — zog Kdulinec, die an-
deren noch sp&ter), der Weg der znm Eurfilrsten nach ^Meissen't
ziehenden aber Frag, das Eingreifen Zdenko Stembergs, w&hrend
anderseits die Nachrichten una. Urkunden tiber Herzog Wilhelms
Zug und dessen bdhmische HUlfstruppen nur von den oben genannten
Fohrem wissen.
^ Palacky 1. c.^ der aber seine Quelle nicht nennt.
•*) Th. G. W. Emminghaus, Memorabilia Susatensia, Jena 1749,
688" fgg. Die Mftglichkeit^ dieses Werk bentitzen zu kOnnen, ver-
danke ich der freundlichen Yermittelung des Herrn Staatsarehivlar
Dr. ErmisoL Yergl. Ennen, Geschichte der Stadt EOln m, S59.
Hegel, Die Chroniken der deutschen Stadte vom 14. bis 16. Jahrh.
Xiy (der kolnischen Chroniken JII) Einleitung 180.
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XQ4 Adolph Bachmann:
von Cleve, zum Schutzherm wahlte. ^*) Weder der Schieds>
spruch des Kiirisers, noch die Acht des Reiches**), noch
endlich die bewaflheten Angriffe des Kurflirsten, auch *
als er unter dem Banner des Reiches zur Bekd,mpfung
der .Stadt auszog**), vermochten Soests Widerstand za
•beugen. Schon einmal, 1444 bei Beginn der Fehde, waren
bohmische Schaaren bis nach Westfalen gerufen wor-
den und batten auch an der Bekampfiing der Soester
theilgenommen, ohne gleichwohl Entscheidendes ausrichten
zu konnen.*') Um so bereitwilliger horte'*) jetzt der
erbitterte KOlner Kirchenftirst ' auf die Vorscmage, die-
ihm Herr Apel Vitzthum im Nameri. seines Herrn unter-
br^itete. Er versprach nicht bios die Zahlung des Soldes
und die Erhaltung des Heeres zu ubernehmen, sondem
stellte dem Herzoge fiir seine HUlfeleistung selbst grosse
Suminen in Aussicht
Noch nach einer anderen Seite kniipfte Herzog Wii-
helm Verbindungen an. Wie in Westfalen hielten auch
in den nieders^chsischen Landen Nobilitat und Biirger-
thum sich in scharfem Gegensatze die Wage. Schon war
auch hier Herzog Wilhelm von Braunschweig -Gruben-
hagen mit den Eimbeckem feindKch zusammengerathen.
Herzog Wilhelm von Sacbsen durfte hoffen^ dass er mit
seinem Erscheinen an der Spitze der gefurchteten bohmi-
schen Schaaren und mit dem Aufgebote seiner eigenen
Lande nicht bloss im Stande sein werde, dem Braun-
schweiger und Eolner zum Siege zu verhelfen, sondern
-auch weithin als Schiedsrichter aufzutreten. Wahrend er
daher die Seinen aufrief, trat er mit Wilhelm von Braun-
schweig in Verbindung und fand auch da freudige Zu-
stimmung. So konnte nach Apel Vitzthums RUckkehr
der Zug beginneii, da die Bohmen selbst der weiten Fahrt
nicht widerstrebten.
*♦). Lacomblet, Urkundenbuch ftir die Geschicbte des Niederrheins
IV, Nr. 268. Urk. v. 23. April 1444.
") Chmel, Recesten I, No. 1873. Brief vom 22. Dez. 1444. ■
»*J Ebendort No. 2216, 2217. Ludwig von der Pfalz und Kur-
fiirst Friedrich von Sachsen werden zu Hauptleuten des Heiches
bestellt.
»') Koelhoffsche Chronik bei Hegel 1. c. 785. S. dagegen Em-
minghaus 1. c. 690.
**} Hartung Kammermeister 1195. Die gegentheilige Meldung
dass der Kurftirst geschickt babe, erscheint nach den Umst&nden
weniger glaublicb. ' .
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Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 105
n.
In den letzten Tagen des Monats Mai hatten sich
die Truppen, die an der Fahrt theilnehmen soUten, ura
Weimar versammelt; von Berka im Siidea, wo die Boh-
men lagerten**), iiber Weimar und Buttelstedt bis Weissen-
see ira Norden*®) standen etwa 160(X) Mann**) bereit.
Am Donnerstage nach Pfingsten (1. Juni) soUte der Auf-
bruch geschehen. Den Tag vorher gab es aber auch
schon den ersten Anstand mit den Bphpen. Jetzt, da
es ernst werden soUte^ schienen sie plotzlich die Lust ^u
dem Zuge verloren zu baben; nur mit vieler Mtihe und
mancherlei Zusagen gelang es Herzog Wilhelm, die
Ftihrer, die von Berka zu ihm nach Weimar heriiberge-
ritten waren, umzustimmen. **) Es war ein bSses Omen
fttr das, was nachfolgen soUte.
Am Ende des ersten Tag6marsclies fanden sich- die
verschiedenen Heeresabtheilimgen im Lager bei .Strauss-
furt an der Unstrut zusammen*'); an Rudestedt und dem
Gebiete der Erfurter voruber, die misstrauisch und in
guter Wehr den Zug beobachtet hatten**), waren die
Bobmen von Berka hingezogen. Der zweite Tagemarsch
brachte das Heer bis in die Nahe Muhlhausens **) , doch
nicht ohne Behinderung. Der Uebergang iiber die Unstrut
hatte die Abneigung der Bohmen gegen „die Reise'' neuer-
dings wachgerufen. Diesmal half auch des Herzogs
Zureden nichts; mehrere Fahnlein der Bohmen liessen
sich nicht abhalten, allein den Rtickweg in die Heim'at
»•> Fontes r. A. XLII, 37.
*•) K StoUe 1. c. 21.
*») Die deutschen Truppen waren daher um ein weniges
schw&cher als die bdhmischen. Die Zahl nach Hart. Eammer-
meister 1195. ^ E. StoUe 21 sagt; 8500 Bohmen und ebenso viel
Deutsche. Pesina hat 26Q00, ebenso viel die Koelhoff'sche Chronik
bei Hegel, St&dtethroniken XIV, 788, und Emminghaus 1. c. 689. Der
Franziskaner Lesemeister Detmar in seiner LUbeck'schen Chronik
(ed. Grautoff 2. Th. 1830) H, 107 „boven XXX dusent man**, worunter
nur '6000 Deutsche. Yergl. noch Matth. Doeringii continuatio chro-
nici Theod. Engelhusii bei Mencke HI, 15 u. a.
**) Fontes r. A. L c.
**) Fontes r. A. XLH, 37' „StuBsfert", das nicht mit Stassfurt
zu erklftren ist.
**) Wie K. Stolle 22 in patriotischer Freude meldet.
**) Hart. Eammermeister 11^6: Grabe by Molhusen. Fontes
r. A. XLI, 37: „bie Kofnte" (KSrner, Dorf Ostlich von Mtthlhausen).
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106 Adolph Bachmann:
anzutreten^ nicht ohne dem. herzogliclien Obermarschall
ein Pferd wegzuftlhren. *•) Um so. mehr trug Wilhelm
jetzt an der Grenze des eigenen Gebietes dafUr Sorge,
eine feste Ordnung fur den femeren Zug im Heere auf-
zoricbten, uindadurch nicht bios Ausschreitungen und
Verluflte zu vermeiden, sondem vor allem auch die ein-
zehien Rotten des S5ldnerheeres noch enger an sich zu
ketten.
Erst erging an sie des Herzogs Aufforderung, aus
ihrer Mitte einen Oberanfiihrer zu erwahlen, was aber,
bezeichnend genug, an ihrer Uneinigkeit scheiterte. Auf
ihfen Wunsch und nait ihrer Zustimmung bestellte nun
Herzog Wilhelm selbst Herrn Peter von Sternberg zum
obersten Hauptmann tiber sie. Als die Rottmeister die-
sem Qehorsam gelobten, enipfing auch Herr Apel Vitz-
thum an des Herzogs Statt nochmals von ihnen die Zu-
sage mit Hand und Mund, sie woUten dem Herzoge treu
und gehorsam sein und ihm folgen^ wohin er in jPerson
sie fuhren wUrde. *') Dann ward folgende „Ordnung**
vereinbart und durch das ganze Heer ausgerufen:
* 1'. Niemand soil beim Aufbruche voranziehen woUen^ es sei
denn der Marschall der Bdhmen oder Deutschen UDd die ihm bei-
gegeben sind. War diesen vorzuziehen wagt, den soil man »yom
Pferde setzeri". .Widersetzt er sich dem, so wird er an Leib und
and Gut gestraft.
2. K^in Krieger soil beim Aufbruche waiter ausrticken als bis
in das n§.chste Feld am Lager; hier soil man barren, bis die WS,gen
in Beihe und Ordnung kommen.
3. Di^ Wagen der deutschen Krieger ziehen auf der einen,
die der bdhmischen auf der andern Seite des Weges; jeder Wagen
hat wfthrend der ganzen Dauer des Zuges seinen sichem Platz. in
der Beihe, den er ohne Ahndung nicht verlassen darf*
4. Das^ Hauptbanner^ das nach dem Bathe der Hauptleute be-
stellt wird, soil an der Spitze des Zuges sein und niemand ihm aus
dem Haufen vorrftcken. •
6. Die Beisigen soUen neben und hinter ihren Wagen einher-
gelien in der Ordnung, die ihnen vorgeschrieben wird und passend ist.
6. Eigene „Nachtreiber*' warden die Ordnung ilberwachen.
7. Findet man bereits jemanden an dem Orte, den man zur
Lagerstatt bestimmt hat, so soil ihn der Marschall durch seine Leuta
greifen und dem Herzoge ttberliefern lassen.
8. Niemand darf St&dte, Burgen und Eirchen ohne Geheiss
des Herzogs oder seiner Hauptleute angreifen.
9; Es soil tlberhaupt niemand vom Zuge abschweifen and da-
neben ausreiten ohne Wissen der Hauptleute; ftlr Schaden, den er.
dabei empfangt, wird der Herzog nicht einstehen.
.") Fontes r. A. XLIL 37.
•') Fontes r. A. XLII, 38*
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HerzOg "Willielm von Sachseu auf dera Zuge vor Soest. 107
10. Keiner soil mit dem andern Streii anfaDgen. Geschieht es
dennocb, so soil die Sache jedesfalls vor die Hauptleute gebracht
werden, wo jedem sicher sein Becht wird. Zflckt einer Schwert oder
Messer, so soil mau ihm die Hand durchstechen ; verwandet er den
andern, so soil man ihm die Hand abhauen; t<^dtet er ihn, so soil
man ihm den Kopf abscblagen.
11. Alle, die dem Heere zufubren, -treiben oder -tragen, soUen
Sicherung und Freiung geniessen.
12- Niemand soil beim Aufbrechen seine Bade anzUnden und
ilberhaupt brennen und sengen ohne des Herzogs Geheiss; y^er da-
wider thut, der soil ebenso mit Feuer gestraft werden.**)
Man sieht, die Ordnung war streng und gut Aber
was hilft die baste Ordnung, wenn der unbandige Kriegs-
mann sich nicht zu bezwingen vermag, wenn die Flihrer
statt dafiir einzustehen durch eigene Widersetzlichkeit
und Willkiir die Bande des Gehorsams zerstoren oder
wenn, was bald geschah, die Noth gebieterisch zur Selbst-
htilfe drangt?
Das Heer hatte, von Mtihlhausen nordwestUch ziehend,
um an G5ttingen vorbei das trotzige Einbeck zu erreichen,
kaum das Eichsfeld**) betreten, als die eben geschaffene
Ordnung sich auch schon zu losen begann. Das wurde
je langer um so schlimmer* Des geordneten Ziehens tiber-
driissig, zogen einzebie Botten immer wieder besonders
und lagerjen besonders. Dadurch ward die Verpflegung
•erschwert und unregelm9,ssig, selbst wenn hinltoglich v or-
rathe im Heere yorhanden waren, was nicht immer ge-
wesen zu sein scheint. Uni so weniger scheute man fern
von dem Auge des Herzogs vor Eigenhulfe und der alien
Gewohnheit zu pltindern zurlick; besonders auf Kirchen
und Kloster war es von dem hussitischen Kriegsmann ab-
' gesehen, da es hier an edlem Metall und kostbaren Ge-
wtodeni oder doch wenigstens in den Kirchenglocken
insgemein reichlichere Beute gab; eine religiose Scheu,
die ihn etwa zurttckhielt, besass er nicht. Anderseits ward
freilich wieder mancher. iiber der Gewaltthat erschlagen,
so z. B. im Lager vor Gottingen, wo "hur die Dazwischen-
kunft der beiden- Herzoge Heinrich und Wilhelm von
Braunschweig und des Laudgrafen *von Hessen *°), die
gl^ichfalls dem Kolner zuziehen woUten, die Stadt vor
einem Angriffe des rachedtirstenden Heeres errettete*. Auch
der Herzog, so grossen Verdruss er tiber diese Vorg'ange
*•) Pontes r. A. XLII,- 35.
*•) Hart. Kammermeister 1196: „zoch herzog Wilhelm . . . vf
den Sonnabent (3. Juni) damach vf das Eisfeld etc."
") Nur erwabnt bei Detmar, LOb. Chronik 1. c. 108,
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108 Adolph Bachmann:
empfand, hatte einen Augenblick daran gedacht, sich
Gottingens zu bemachtigen.**)
Vereint zogen nun die Fiirsten nordw^lrts vor Einbeck.
Trotz der geschilderten Uebelsttode, die sogar unter den
„Gleiohen**^ zwei Bergen nordwarts von Gottingen, den
brandenburgischen Dienstmannen im Heere den Anlass
oder Vorwand gaben, sich von dem Zuge zu trennen und
umzukehren **), schien der allseitige Erfolg des Unter-
nehm'ens sicher. Zwar hatte die Stadt . Einbeck einen
Riickhalt gefunden an dem Biscbofe Magnus von Hildes-
heim aus dem Geschlechte der Herzoge von Sachsen-
•Lauenburg, und eilte dieser auch jetzt zu Hiilfe herbei,
nachdem er dehon friilier' dem Herzoge Wilhelm von
Braunschweig . mehrere Orte abgenommen: binnen drei
Tagen beugten der Herzog imd die BOhmen durch ihre
Uebermacht und die Drohung, die Saaten zu zertreten,
den . Trotz der Burg^rschaft. Die Einbecker gelobten
d^m Herzoge von Braunschweig Gehorsam und versprachen
12000 fl. zu zahlen. **) Auch der Bischof von Hildesheim
hielt es fiir dias BestC; seine Truppen aus Einbeck und
den anderen besetzten Punkten wegzuziehen und lieber
gleichfalls sich dem Heereszuge nach Westfalen anzu-
schliessen.
Mit gesteigertem Selbstvertrauen zogen nun die Fiirsten
westwftrts, setzten uber die Weser und drangen in das
Paderborn'sche Stiftsgebiet ein**), Brakel **) und andere
Orte auf dem Wege mehr. durch den Schrecken ihres
JNamens als durch Gewalt zur Ergebung und Abdingung
zwingend. Schon hatte sich auch Kurftirst Dietrich von
K^ln erhobeU; dem heranziehenden Heere die Hand zu
reichen. . So sehr mehrten die glucklichen Ereignisse die
freudige Siegeszuversicht des Heeres, dass die Bohnien
sich riihmten, sie wiirden Soest nehmen, „es sei denn,
dass die Stadt ein Gewolbe ilher ihr hatte und es nicht
mbglich sei, dass sier jemand konnte gewinnen". *•) Aber
es wuchs auch ihre Raublust und Ztigello^gkeit, wobei
•♦^ Detmar 1. c.
^') Die Angabe des Reimchronisten bei EmmiAghaus L c. 689
ist darnach richtig zu stelfen.
»*) Detmar, L.Ch. 107— 108. Stolle 22 : „czehen tusent gulden,"
u. a. 0.
»*) Nach Detmar 108. - *
**) Pesina, Mars Moravicus 636.
»•) K. Stolle 26.
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Herzog Wilhelm von Sachsen ad dem Zuge vor Soest. 109
sie es mit der Untersclieidung von freundlichem und
feindlicliem Qebiete nicht eben sonderlich genau nahmen.
Set hatte Heinrich von Kolowrath wahrend der zwei-
tagigen Rast bei „Lutharst", westlicb von Einbeck, selbst
das braunschweigige Oldendorf (?) arigegrifFen, ohne freilich
sich des Ortes bemachtigen zu konnen. Herzog Wilhelms
zomige Vorstellungen aber und seine Erklaning, flir den
bier erlittenen Scbaden werde er nicht aufkommen, batten
Kolowratb und eine Reihe anderer Rottraeister mit offenem
Trotze beaintwortet und wirklich dann das Signal zum
Aufbruche und Weiterzuge unbeachtet gelasseu. Erst
Apel Vitzthum, der bei ihnen zuruckbljeb, gelangeS; die
Ztlmenden zu beschwichtigen und zum Nachziehen zu be-
wegen, worauf auch der Herzog durch versdhnliches
Wesen das Geschehene vergessen zu machen strebte.*'^)
Die Vereinigung des rheinischen mit dem sachsisch-
bohmischen Heere brachte zunachst schwere Tage flir das
Lippe'sche Gebiet. Wie ein verheerender Strom ergoss
sicn das zu unwiderstehlicher Starke angewachsene Heer
liber das unglUckliche Land. Da wurde Schloss und
Stadt Blomberg ersttirmt, gepliinderit und angezundet*^),
Horn und Detraold mit der Burg zur Unterwerfung ge-
zwungen. Aus Lemgo war geflonen, was nur zu fliehen
vermochte; die Ubrigen huldigten dem Erzbischofe, zahl-
ten 9000 fl. und Versorgten das Heer mit Speise und
Trank.**) Aehnlich erging es mit Salzuffebi (Salz ?) und
Hefford, wo map 13000 fl. erpresste. Nur Schloss Falken-
berg widerstand mit Erfolg den Scharen der Angreifer/*^)
Ein gewaltiger Schreck flog weithin durch die nieder-
deutschen Lande. Da gaben die. Btirger von Osnabriick
den gefangeneh Joharin den Jtingem von Hoya ohne
Losegeld frei, als die Heerflihrer dies verlangten, und
leisteten wiUig zur Versorgung des Heeres.**) Da machten
•die Drohungen des Bischofes von Mtinster, diese Stadt
»*) Fontes r. A. XLII, 39. Vergl. tibrigens des Herzogs Be-
schwerdebrief gegen Heinrich von Kolowrath im Grossh. und Herz. '
Gesammt-Arch. zu Weimar Reg. A, fol 8b, No. 18.
»») Nacb 789 Anm. 1, in Hegel, Stadtechroniken XIV (Koelhor-
sche Ohronik). Detmar, L. Ch. I c. sagl 25000 fl.
*•) Archiv cesky IV, Bt. 388 a. a. 0. * *
•®) Detmar, L. tJhr. 108. Die Gesammtsumm« der Abdingungen
schatzt H. V. Kolowrath auf 56 GOO fl. Arch, cesky IV, st 388. Ftlr
Falkenberg s. Emminghaus 1. c. 690.
V) Detmar, L. Chr. 109. Emminghaus 698.
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110 . Adolph Bachmann:
mit dem bohmischen Heere heimzusuchen; den Stadtrath
derart gefugig^ dass er nicht bloss aus dem Bunde gegen
ihn zu treten, sondem selbst Soest abzusagen bereit w$trv
kaum dass die Commune die iiblen Folgen dieser Zag-
haftigkeit yerhinderte.**) Die Drohung des Erzbischofes
endlich; er werde Paderborn vertilgen, wenn die Stadt
nicht aus dem Bunde der Landschaft trete, veranlasste
die eilige Fiucht vieler aus der Stadt; als die geflirchteten
Bohmen mit dem Heere herannahten/') Allgemein aber
wurde geglaubt und behauptet, das Heer sei erschienen
nicht etwaSoests wegen allein, sondem nach dem Willen
der Flirsten und in der Absicht, die Stadter zu demtithigen.
Nach Hessen hinauf und bis an die Gestade des Meeres
hiiiab herrschte Furcht und kriegerische Bewegung. •*)
Wer konnte auch jJmen, dass die Zeit der Erfolge for
das Invasionsheer bereits voriiber sei?-
Nachdem Herford gefailen war, die Osnabriicker siph
gefligt batten, zog das Heer durch die Joche des Teuto-
burger Waldes wieder in die westfalische Hochlandschaft
und lagerte sich vor Lippstadt. Nach dessen Bezwingung
soUte boest an die Reihe kommen. Hier aber brach sich
zuerst die bohmische Sturmflut. „Das ist.eine wohlbe-
festigte Stadt", schreibt Heinrich von Kolowrath an seinen
Oheim Pesik von Kunwald nach Bohmen, „geschutzt
durch wasserreiche tiefe Graben, wenige Stadte Bohmens
konnen sich mit ihr v^rgleichen; nur dass die Gailerien
an den Mauern nicht gut eingerichtet sind. Auch ist sie
grosser als irgend eine Stadt in Behnien ausser Prag und
Kuttienberg."**) Und der Ltibecker Chronist meidet:
„Die Lippe war wohl bemannt mit. guten wehrhaften
Leuten und wohl bewahrt mit Btichsen und mit alierlei
••) Ebendort: Doch jo wart das umme ghedreven van der
menheyt."
•») Emminghaus, Memor. Susat. 691..
•*) Matth. Doeringii contin. Th. Engelhusii bei Mencke III. 15.
Ueber. deD> Schrecken den die Bohmen verbreiteten s. Emmingnaus
690, 692—693. Die Menge erzahlte sich die seltsamsten Dinge:
Dat Gerochte genck ock in dem Swanck,
Dat dey Bemen hedden enen Sterth lanck,
Und klemmeden dey Muren op als Batten,
All Sander Ledderen und Latten,:
Und alf dat nicht gewelwet was to,
Dar konden sey inkomen spade und vro.
(Emminghaus 694).
•») Archiv cesky IV, 388. Eine genaue deutsche Uebersetzung
bei Palacky, Gesch. BOhm. IV. 1, 179 fg.
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Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge rot Soest. HI
Wehre.''**) Der Lippeflufls, der die Stadt auf der Nord-
seite oxustromty macnte zadem yon liier tiberhaapt jede
Eroberong unmoglieh.*'') So ging die Belagerung nur
langsam vorwHrts. *
Zwar wurden Maiiem and Thore durch daa Qeschiitz
der Belagerer fast niedergeworfen, wiederholt loderten in
der Stadt die Fiammen empor®!): die Lippstlldter^ die
hohnend dem Erzbischofeentboten, audi nicht einen Hel-
ler wollten sie ihm zahlen*^), loschten gliicklicli die bren-
nenden Hauser und thaten mit ihren Geschtitzen den Be-
drangem nicht minderen Schaden.''^) Schon lag man
elf Tage .vor der Stadt "), imd noch wollte der Augen-
blick zum Sturme nicht kommen.''^) Inzwischen bedrangte
ein an^erer Feind immer grimmiger die deutschen und
bohmischen Heerhaufen; der Hunger.
Eb mag sein^ dass die Ztigellosigkeit der Bohmen,
ihre Ungentigsamkeit die Verpflegung erschwerte, dass
sie^ wie dann der Herzog bitter klagte, nicht selten auch
jene Vorr&the gewaltsam sich aneigneten, die fiir die
deutschen Heeresabtheilungen bestimmt waren. '*) Die
Beschwerden derselben tiber schweren Mangel, den sie
leiden miissten^ wie fiber unregelmassige Zahlung des
Soldes scheinen dabei trotzdem berechtigt gewesen zu
sein.'*) Die Noth muss gross gewesen sein, wenn Herzog
••) L. c. 108.
*^ E. Stolle 24. Ynnd dy stad had vff einer syten eyn wasser,
genant dy Lippe, do von sy also Teste was, das sy or nicnt konden
angehabe nocn gestorme etc.
**) EoelhofiPsche Chronik bei Hegel, St&dtechroniken XIV, 789.
Emminghaus L c. 695.
••) K Stolle 24.
'^^) Detmar, L. Chr. 108 a. a. 0. Emminghaus L c. 697.
*») Arciiiv fiesky IV st 888 : skoro dve nedete (fast zwei Wochen).
Fontes r. A. XLII, 40: „Yierzehentage". K. Stolle 1. c. von DieQS-
tag nach Viti (20. Jani) bis Freitag Petri und Pauli (80. Jnni).
Eoelhoff^che Chronik 1. c. 789: „ind stormden die 14 dage lank*^
Die glelche und wie es scheint genaueste Angabe wie Stolle h^t
auch Bartholomens von der Lake» Geschichte der Soester Fehde (bei
Seibertz, Quellen der west^lischen Geschichte 11; 380 fgg.). Dagegen
sagt der Reimchronist bei Emminghaus 1. c. 699 : ,,Is hey den
twelften Dach mit den synen opgebrochen^S Derselbe beziffert (687,
688) den Verlust der Angreifer auf 400, den der L. auf nur 2 Todte.
") Fontes r. A. XLII, 41.
'») Fontes r. A. XLII, 45.
'^) Fabricius, Origines Saxoniae 713: „pojtritisque et e^thaustis
agris ad Susati oppngnationem festinant'^
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112 Adolph Bachmann:
Wilhelm sich bewegen liess, in einem forinlichen Veftrage
geradezu die Fortsetzung des Zuges von der Mogtichkeit
gentlgender Verpflegung abhflhgig zu machen.
J eder Streiter, so verpflichtet sich der Herzog, erhalt
taglich zWei Laiblein Brod, dazu Bier und- Fleisch oder,
falls es irgend mQglich ist/Fastenspeise^ je' nach dem
Tage, wie das auch schon bisher gehalten . wurde. Sei
man einen Tag nicht im stande'; obiges zu leisteu; so soil
jeder M^uin am nachsten Tage vier Brode erhalten and
ihm ebenso Bier ufld Fleisch „gebessert" werden. Ware
man dies aber auch noch den dritten Tage nicht zu thun
in der Lage, so soil auf die Ermahnong der Bdhmen das
ganze Heer aufbrechen and heimziehen. Der Herzoff soil .
dann jene sicher heimgeleiten und ihnen alles ermlleu;
was er ihnen versprochen. Dafiir ^eloben auch sie ihm
gehorsain zu sein und sich von ihm nicht frUher zu trennen^
als bis der Kurfurst von Koln seine Mtlhe Und Eosten
ersetzt habe.'*)
Die Fruchtlosigkeit . der Belagerungj. die Zankereien
mit den Soldnern, die, einmal aufgehalten, nun lieber die
Zeit dem Spiele als emster Belageriuigsarbeit widmeten,
erregte weithin Aufmerksamkeit und warnte die Reichs-
stSrdte vor ubereilten Beschltissen.'*) Noch war es nicht
zu einem "eigentlichen Sturme auf Lippstadt gekommen,
als die FUrsten beschlossen, die Belagerung abzubrechen
und lieber sofort auf den.Hauptfeind loszugehen.") •
Soest besitzt lange nicht die feste Lage von Lipp-
stadt; weder ein Fltiss noch besonders hohe Mauem be-
schiitzten die Stadt.''^) Aber die todesmul^ig'e Entschlos-
senheit der Btlrgerschaft, die Hiilfe, die Adolf voii Cleve
sandte, dessen eigener Sohn Herzog Johann freiwillig oder
gezwungen sich mit einschliessen liess ''% wogen jene
Nachtheile voUig auf.
Dass man. es mit einem entschlossenen Gegner zu
thun habe, erfuhren die VerbtLndeten gleich beim* An-
marsche. Mit 500 Pferden zogen ihnen die Soester ent-
.») Fontes r. A. XLII, 31 fg.
'•) Eb^ndort 40.-
") Dass der Befehl pl5tzlich gegeben wurde, beweist der Brief
Heinrich Eolo wraths im Arch: ceslsr I. «.
'*) E. StoUe 25: „sy (die Staat) ihad sust kleine trocken graben
▼nnd eyne aide bosze muren'<.
^•) K. StoUe L c. Detmar, L*. Chr. 109. KoelhoflPsche Chronik
bei Hegel 789 u. s. w.
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Herzog Wilhelm Yon Sachsen auf dem Zuge vor Soest 113
gegen und suchteu ihnen mogUchst Schaden zu than.
Freilich fiihrte dies zu einem bedenklichen Unfalle fiir
die Stadter. Die B5hmen nftmlich dr£lngten sie nicht bloss
siegreich bis vor die Stadtmauer, sondern stUrmten zu
gleicber Zeit das hart davor gelegene Sanct Walburgis-
kloster, das Herzog Johann personlich vertheidi^. Das
Kioster; dessen Besatzung ob des bunten Gewirres, in
dem Freund und Feind sich befanden^ nicht wagte^
sich der Geschtitze zu bedienen, wurde genommen und
die Besatzung niedergemacht oder gefangen. Hit Miihe
entkam der junge Herzog in die Stadt. '^
Anderseits erzeugte dieser Erfolg sofort auch neuen
Streit mit den Bohmen. Nachdem sie namlich zuerst das
Kloster bewacht^ dann Ablosung bekommen batten,
weigerten sie sich, als die Reihe wiederum an sie kam,
den gefllhrlichen Posten von neuem zu beziehen. Es
blieb dem Herzog Wilhelm nichts anderes iibrig, als
durch sechs Tage das Kloster allein durch die deutschen
Truppen besetzt zu halten, was neben den anderen Be-
lagerungsarbeiten natiirlich diesen sehr schwer fiel. Noch
viel bedenklicher als dies war der iible Einfluss, den ein
solches Verhalten der bohmischen Truppen auf das Ver-
haltnis der Mannschaft beider Nationalit£lten zu einander
iiberhaupt haben musste. Unverhohlen brach der Unwille
der Thiiringer hervor: die Bohmen erhielten Sold und
sie nicht, und dennoch hatten jene beim Herzoge stets
den Vorzug vor ihnen; sie mtissten eigentlich den Bohmen
den Sold verdienen und fiir sie wachen. **) Lassigkeit
und Widerwille auch bei den Deutschen waren die na-
turUche Folge.^*)
Trotzdem schritt die Belagerung vorwarts. Durch
die Wiederankunft des Herzogs Wilhelm von Braun-
schweig und den Zuzug (?) Graf Johanns von Hoya er-
hielt das Heer neue Verstarkung. Nachdem man das
Lager drei Pfeilschtisse von der Stadt aufgeschlagen und
durch einen grossen Graben und machtigen Damra sich
"®) Detmar 109. StoUe 24 nennt die Zahl der Erschlagenen
und der gewonnenen GeschUtze. Eoelhoff'sche Ghronik 1. c: ^^m^l
der herzoch van Cleve vursz intquam den Bebemem so nauwe uis
dem cloister in die stat, dat hinder dem herzogen einre erslagen
»>) Fontes r. A. XLII, 42 fg.
") Fontes r. A. 1. c: darvon vns gemeinlich von den Thutz-
schen grosser abfall, vngehorsam vnd widerstant begegnet.
Keue* ArehiT f. 8. G. u. A. IL % 3
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114 Adolph Bachmann:
gegen das Geschtitz und die Ueberf£llle der St&dter ge-
sicSiert hatte, sahen sich letztere durch die Geschosse der
Belagerer immer barter bedrftngt. Schon waren die
Mauem zerschossen, dachte die Stadt an Ergebong und
verlangte mit dem Erzbischofe zu verhandeln^ sclion nahm
auch Herzog Wilhelm mit dem von Bramischweig und
Graf Johann von Hoya seine grossen Plane wieder auf *'),
als die Vorgange im Belagerungsheere eine Wandlung
der Dinge herbeiflihrten.
Hatte bereits vor Lippstadt der Hunger dem Heere
hart zugesetzt und den vorzeitigen Abzug mit verscbuldet'*),
so hielt es vor Soest noch schwerer, eine so grosse Men-
schenmenge mit dem Nothigen zu versorgen. Bald war
die Gegend ringsum ausgesaugt, waren die alten Vor-
rathe erschopft^ wahrend das neue Getreide erst im Reifen
war; zudem hinderten die Soester durch h9,ufige Ausfs.lle
die Zufuhren. '*) Da erhob sich denn^ wie natiirlich,
Murren im Heere, und wieder waren die Bohmen am
ungesttimsten. Es half dem Herzo^e wenig, dass er, um
nur sie in Ruhe zu halten^ zuerst mnen die Lebensmittel
zutheilen liess^ dann erst den deutschen Truppen. Oft
reichte eben das Vorhandene keineswegs imd dann warfen
sich die Bohmen, von Hunger getriebeu; rticksichtslos auf
die fiir die andem Abtheilungen und fiir den Herzog
selbst bestimmten Vorrathe und hielten sich daran schad-
los. **) Da jene das Ihre vertheidigteU; so fehlte es nicht
an Eampf und Gewalt. Als der Mangel wuchs, drangten
zudem aie Rottmeister unabl^ssig den Herzog mit dem
Verlangen, nun mit ihnen abzuziehen, wie er in seinem
Briefe vor Lippstadt verheissen hatte. Auf seine Weige-
rung hin musste der Herzog geradezu besorgen, dass der
bedrHngte bohmische Heerhaufen allein fortziehen und ihn
in der Fremde im Stiche lassen werde. *'')
Dabei blieb der Mangel nicht die einzige Ursache
zum Zwiste; bald gesellten sich Elagen tiber die unregel-
mftssige Soldzahlung hinzu. Herzog Wilhelms Easse
scheint nicht minder erschopft gewesen zu sein, als jene
•«) Fontes r. A. XLU, 42.
•*) VergL Fabricius, Origines 713.
") Konrad StoUe 24.
••) Fontes r. A. XLII, 46.
") Fontes r. A. XLH, 41 fgg.
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Herzog Wilhelm von Sacbseu auf dem Zuge vor Soest. 115
de8 Kolner Korftirsten. ^^) Man war bald ausser stande,
die Truppen nach der getroffenen Vereinbarung abzu-
lohnen. Die Bohmen verlangten aber nicht nur ihren
Sold, sondern ihre Fuhrer forderten auch die Halfte des
bedungenen Dienstgeldes, obwohl die sechs Monate noch
nicht voUig abgelaufen waren.**) Tag fiir Tag bedrftngt
und gequalt, musste Wilhelm von Sachsen nicht nur den
Herren von Kolo wrath, Dburg, Janowitz, dem Calta,
Sddlo die geforderten Betrilge auszahlen, sondern sich
auch noch der Soldzahlimg wegen folgendermassen ver-
Sflichten: 1. am nachsten Tage, Sonntag den 9. Juli (?)*®)
en Bohmen die nickstandigen Soldbetr^e in guten
bohmischen Groschen, deren 24 auf einen rfaeinischen
Gulden gehen, oder in rheinischen Gulden zu bezahlen;
2. all den weiteren Sold, den sie noch verdienen wtirden,
ihnen bis eben diesen Sonntag tiber drei oder doch lang-
stens tiber vier Wochen ebenso in rheinischen Gulden oder
bohmischen Groschen auszurichten; 3. falls sie noch lUnger
als bis dahin in seinem Dienste bleiben soUten, so woUe
er ihnen ihren Sold alle acht Tage oder vierzehn Tage
oder drei Wochen, Itogstens aber alle vier Wochen be-
zahlen und schliesslich, wenn sie aus seinem Dienste
schieden, ihnen zu Eger ihren „verdienten und verfallen"
Sold ganzlich ausrichten; 4. sollte ihm das nicht sofort
moglich sein, so wtirden sie wenigstens binnen zwei Mo-
naten hernach ihren Sold ganz und ohne Weigerung und
weitere Verz5gerung erhalten.
Das alles gelobt ihnen der Herzog bei seinen fiirst-
lichen Treuen und Ehren, wogegen auch sie versprechen,
. ihm getreu und gehorsam zu sein und nicht frtiher sich
von ihm zu trennen, als bis er von dem Kurfiirsten von
K5ln vOUig entschadigt sei.**)
Aber Herzog Wilhelm vermochte, wie es scheint, auch
••) Ennen, Geschichte der Stadt Kdln III, 419 fgg. Yergl. La-
comblet, Urkundenbuch IV, 351, 374 Anmerkung, 375; femer Koel-
hoffsche Chronik bei Hegel, Stftdtechroniken XIV, 790. Pesina,
Mars Moravicus 635 und a. a. 0.
") Fontes r. A. XLII, 46 fg.
•*) Das genaue Datum in der noch vorhandenen Copie des
Briefes fehlt; es heisst bloss ,,Tff mom sontag", was auf den 1., 9.
und 16. Juli gehen kdnnte. liach den Umst&nden m6chte ich mich
fQr den obigen Tag entscheideu.
'') Copia im Grossberz. und Herzogl. Ges.- Archive zu V^eimar,
Reg. A fol. 8 b Nr. 18 (alter Ordnang).
8*
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116 Aidolph Bachmann:
nicht einmal die erste Zahlung zu leisteii; da eben ibm
der KurfUrst seinerseits nicht auszuhelfen in der La^e
war. Anderseits verlangten die Bohmen nun auch aie
Sicherstellung dafiir; dass der Herzog auch den Schad-
losbriefen nachkomme. So begann der Zauk, kaum zur
Buhe gebracht, aufs neue und ftrger als zuvor^ bis der
Herzog, um grosseres Unheil zu vermeiden, sich entschloss,
einen Theil seiner Stadte und Burgen mit dem zugeho-
rigen Gebiete den Bdhmen als Pfand fUr die richtige
Auszahlimg der Schadlosgelder zu tiberlassen. Nach
sorgfaltiger Berathung kam man tiberein:®*)
1. Der Herzog verpflichtet sich, die Stftdte und Burgen
Weida, Arnshaug, Ranis, Posneck, Triptis, Auma und
Neustadt rait all ihren Dorfern, Gerichten, Rechten, Herr-
lichkeiten, Wiirden, Nutzen und andem Zugehorungen fur
die Schaden, welche die bohraischen Truppen w&hrend
der Dauer ihres jetzigen Dienstverhaltnisses zu ihm er-
leiden wiirden, diesen als Pfand zu ubergeben und zwar
auf die Summe, welche die in den Schadlosbriefen be-
nannten Schiedsrichter festsetzen wiirden,
2. Der Herzog verpflichtet sich fiir sich und seine
Erben mit seinem mrstlichen Worte, dieselbe Summe nach
Abzug dessen, was er ihnen etwa mit Geld oder Pferden
schon zuvor ersetzt hat, in der Stadt Eger gtitlich zu
bezahlen.
3. Die Bohraen treten in den Pfandbesitz und Genuss
der genannten Stadte und Burgeli mit all ihrem Zugehor,
so wie der Herzog binnen der bestimmten Jahresfrist die
Zahlung nicht leistet, imd verbleiben darin so lange, bis
die Schadenssumme vollig bezahlt ist. 1st dies aber ge-
schehen, so soil die Pfandschaft alsbald in des Herzogs
Hand zuriickgeantwortet werden.
4 Fiir den Fall, dass die Pfandinhaber des Geldes
bedtirftig wUren, soUen sie dies nach Ablauf der genannten
Frist dem Herzoge in einem offenen Briefe verkiinden;
derselbe wird ihnen nach Ablauf eines Monates an einem
festgesetzten Ta£;e das Geld zu Eger bezahlen und da-
durch seine Stadte und Burgen etc. entledigen.
") Fontes r. A. XLU, 32 fgg. Das Datum nach der Andeu-
tuDg ebendas. 41. Bel dieser Gelegenheit bemerke ioh, dass ich
nun die beilaufigen Bestimmungen von Zeit und Ort bez. Nr. 20,
21, 22, 23 der Fontes r. A. XLU nach den AusfQhrungen dieser Ab-
handlung ab&ndem wUrde.
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Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 117
5. WUre der Herzog anch dann noch stomig mit
der Zahlung; so batten die Pfandinhaber die Macht und
Gewalt, die genannten Stftdte und SchlOsser etc. auf die-
selbe Summe Geldes, wie sie ihnen der Herzog schuldig
ist, einem oder mehreren, nur nicht dem Konige von
B5hmen, weiter zu versetzen und zu verpfanden.
Weitere Bestimmungen besagen, dass der Herzog sich
die Wildbahn in den genannten Aemtern yorbehalte,
etwa wahrend der Pfandscbaft ledig werdende Mannlehen
in denselben unverliehen bleiben sollen, dass der Herzog
die Pfandinhaber schtltzen und ebenso sie ihm getreulicn
helfen und rathen sollten gegen jedermanU; dass sie die
in den verpAindeten Gebieten Eingesessenen bei ihren
Rechten una ihrem Herkommen belassen sollten u. s. w.
Diesem Briefe des Herzogs gegentlber geben die b5hmisohen
Herren, Ritter und „ehrbaren" Leute ihren versiegelten
Reversbrief und geloben ihm in seinem Dienste gehorsam
zu sein, ihm getreulich beizustehen und nicht eher von
ihm aufzubrechen, als bis er von dem Erzbischofe von
Koln vOllig entschadigt sei. Doch soil der Herzog ihnen
auch das halten, was er sonst verschrieben hat. —
Die Urkunde ist zu sorgfaltig abgefasst, als dass man
an des Herzogs eimstlichem Willen, jene Schldsser den
Bohmen einzurHumen, zweifeln sollte; er erbot sich sogar^
sie sofort den Leuten^ die sie dazu bestimmen wiirden,
zu liberantworten. Wenn dann trotzdem weder dies noch
jenes geschah, so wird man des Herzogs Behauptung
glauben dtirfen, dass die Bshmen, misstrauisch auch unter
einander, sich iiber jene nicht zu einigen vermochten,
die das Pfandgut im Namen aller zu getreuen Handen
iibemehmen sollten^ und dass daran die ganze Sache ge-
scheitert sei.*') Dafur dauerte aber auch der Zwist und
die Unzufriedenheit fort.
Die Folgen waren h5chst unangenehme fiir die Be-
lagerer. Die Gegnerschaft der bohmischen und deutschen
Truppen lahmte natiirlich den Eifer und das thatkraftige
Zusammenwirken beider; um so mehr wuchs den Soestem
der Muth; als sie durch den einen oder andern heimlichen
Freund, den sie im Lager batten, von diesen Vorgangen
Nachricht erhielten. **) Von neuem Hoffen belebt, gaben
•») Fontes r. A. XLII, 41 fg.
•*) Detmar, L. Ch. llO. K. StoUe 26. Man sprach, offenbar mit
Unrecht, von Apel Yitzthum: »vnnd wart eyn gemeyn geruchte, wy
das er Apel Yitczthum es hette mit der stad gehalden.^
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118 Adolph Bachmann:
sie den Gedanken an Ergebung auf und vertheidigten sich
mit der friilieren Hartnackigkeit. •*) Der Zwiespalt unter
den Belagerern wurde aber bald auch in der Feme be-
kannt. Die Beichsst&dte; durch den drohenden Fall Soests
geschreckt, batten zahlreich Botschaften abgeordnet, mit
den Heerfiihrern in Verhandlungen zu treten; diese kehrten
nun auf dem Weffe um. Der Herzog; um den Ausgang
der Belagerune selbst bereits besorgt; musste auf alle weit-
ausgreifenden Plane yerzichten. *®) Unter solchenUmsttoden
wurden der Erzbischof und die Bohmen einig, alles auf
eine Karte zu setzen und die Einnahme der Stadt mit
stUrmender Hand zu versuchen. Qeringere Zuversicht be-
wies Herzog Wilhelm von Saclisen^ als ihm die Rottmeister
ihren Entschluss kundgaben; um jedoch den Vorwurf der
Feigheit zu vermeiden^ entschloss auch er sich; am An-
griffe theilzunehmen.
Nachdem die Vorbereitungen getroffen waren, ordneten
sich in der Na^ht vom 20. auf den 21. Juli die B5hmen
und die rheinischen Truppen zum Sturme; von drei Seiten •'')
soUte zu gleicher Zeit aer Angriff auf die Mauern statt-
finden; mit 1200 Leitem, die der Erzbischof hatte herbei-
schaffen lassen, hoffte man diese zu gewinnen. Im zweiten
Treffen stand Herzog Wilhelm mit seinen deutschen Truppen,
zur Untersttitzung und Mitwirkung bereit. •*) Auch diesmal
fehlte es nicht an dem Verrather. Man kannte in der
Stadt nicht bloss die Absicht des Heeres, zu sturmen; man
soil sogar gewusst haben, zu welcher Zeit und auf welche
Mauerstrecken der Angriff stattfinden werde.**) Die mit
betaubendem Kriegsgeschrei *®®) andringenden Scharen
'*) Fontes r. A. XLII, 42 : also das die von Soyst gutlicher tei-
dunge, der sie begert batten etc.. ganz abfiblen.
**) Ebendort. Der Reimcnronist bei Emminghaus, Memor.
Susat. 700 meldet darftber:
Sey vechteden und streden iegen enander ser
Ejne ganse Mantydes und noch mer,
Degelich und sunder Underlaht,
Et was allenthalven bose und quat.
") Detmar 110: unde stormede de stad in dren steden. Eoel-
hofiTsche Chronik 789 : ind sturmden an drien enden ffelich an. Bar-
tbolom. Lake 1. c. 406. Dagegen E. Stolle 25: vnnd stormeten dy
stad an vier enden.
*') Adami Ursini chronicon Thuringicum bei Mencke, Scriptores
in, 1329: (die Behmen) musten zuuor an die sturme gahn.
••) Detmar, L. Chr. 110 und K Stolle L c.
'••) Emminghaus, 1. c. 701.
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Herzog Wilhelm yon Sachsen aaf dem Zuge vor Soest. 119
fanden dieVertheidigerwohlvorbereitet; Frauen and Kinder
halfen den Mftnnem beim todesmuthigen Widerstande. '*')
Entschlossen und rubig harrten eie aus^^'), bis die Sttir-
menden an die Mauern herangekommen^ dann erofiheten
sie yon diesen und den wohlbemannten Thiirmen aus ein
fiirchtbares Feuer von verderblichster Wirkung. Ver-
f^ebens flillten die Belagerer zu Tausenden den Graben;
egten die Leitern an^ kletterten rauthig erapor, vergebens
trieb der Erzbischof^ der sich personlich in das GetUmmel
der Kampfenden wagte *®'), zur Ausdauer und zu neuen An-
gri£fen. I)ie Leitern waren zu kurz; mit gewaffneter Hand,
siedendem Wasser, gluhend gemachten Pfeilen wehrten
die Vertheidiger ab. Nach mehrsttindigem ****) Ringen
musste der Sturm aufgegeben werden. Menr als 1200 Mann
aber liessen die Angreifer vor den Mauern. Die Ver-
wundeten lasen die Soester auf und brachten sie in die
Stadt zur Heilung; die Wegschaffung der Todten gestatteten
sie den Geschlagenen. *®*) Sie selbst sollen nur acht Mann
verloren haben, ^•)
Der glanzende Erfolg, den die muthige Biirgerschaft
von Soest ttber die imgeheure Ueberzahl der Angreifer
errungen hattO; trug den Ruhm derselben weit tlber die
Grenzen Westfalens hinaus und entschied das Schicksal
des bohmisch-sachsischen Zuges mit einem Male. Der BUr-
gerschaft selbst erschien in spaterer Zeit ihre Bettung fast
wie ein Wunder. Man wusste zu erzahlen^ dass der Klerus
der Stadt in jener furchtbaren Nacht vor den Beliquien
des heil. Patroclus um Rettung flehtO; wfthrend draussen
der Kampf um die Mauern tobte, und dass ein mftchtiges
Gerftusch aus dem Reliquienschreine zum Zeichen geworden
Beij dass der Heilige den Seinen beistehe/^^) Um so
'*■) A. a. 0. PeSina, Mars MoravicaB p. 634: omnes enim etiam
parvuli, qui vel lapidem levare poterant, ad defensionem coDcurre-
bant; faeminae picem liquefactam et cineres bulUentes ferventemque
poUinem in annates effundebant etc. Man vergL die lebendige
SchUderong des Reimchronisten bei Emminghaus 1. c. 701 fg.
•<») Detmar 110.
'••) Koelhoff'sche Chronik 1. c. 789.
*•*) Pesina 1. c. „ultra tree horas**.
»•») K. StoUe 24.
'®') Pesina 637. Ebenso Barthol. Lake nach (?) der KoelhofPschen
Chronik 1. c.^ and Emminghaus 1. c. 702, nach dessen weiteren An-
gaben aber die Angreifer 1600 vor den Mauern verloren.
^®*) Acta Sanctor. ap. Boll. Append, ad Januarium IL, 1144.
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120 Adolph Bachmaun:
tiefer empfand Herzog Wilhelra die erlittene Niederlage.
Mtihe una Eosten des weiten Zuges schienen nun umsonst
aufgewendet. Und nicht bloss das I Er, der die Bohmen
gerufen hatte^ der ihr Ftihrer gewesen war, gait als der
eigentliche Urheber der Verheerungen und all des Unge-
maches, das die ungezUgelten Scharen anrichteten. Hit Hohn
und Schmahungen nannte man weithin seinen Namen. ***')
Wenn der Herzog aber trotzdem seine Plane noch
nicht v5llig aufgab, wenn er sich mit dem Vorschlage,
nacb der Grafsoiaft Mark zu ziehen, an sie wandte, so
musste er rasch erkennen, dass di&Lust zu weiterer Kriegs-
fahrt bei den B5hmen nun voUig geschwunden sei. Sie,
denen der Sold eben wieder nicht bezahlt worden war,
mochten freilich merken, dass es dem Herzoge darum zu
thun sei, sie und sich selbst mit dem bezahlt zu machen,
was erst mit neuer Gefahr erstritten werden soUte. Der
Herzog empfing daher eine abschlagige Antwort und die
Meldung, dass man zur Heimkehr entschlossen sei. Aber
auch der alte Kolner Eurfurst hatte nun die Mittel wie
die Lust zu weiterer Fortsetzung des Eriegs g^nzlich ver-
loren; auch er war bereit, die Belagerung aufzuheben,
die Soldner zu entlassen. *®*) So rftumten denn am 21, Juli
die Verbtindeten das Lager vor Soest, in dem ihnen so
triibe Erfahrungen geworden waren.
Vor dem Heimzuge Herzog Wilhelms und der Seinen
musste die Frage gelSst werden, in welcher Weise ihm
durch den Erzbischof gentigende Entschadigung fiir die
Eosten geleistet werden k5nne. ' '^) Von sofortiger Be-
zahlung konnte nicht die Rede sein. Der Erzbischof konnte
nur erwarten, binnen vier Tagen 50000 fl. aufzubringen, von
denen ihm 40000 fl. vom Grafen von Seyn, 10000 fl. von
anderer Seite kommen soUten; er erbot sich daher, Stadt
und ZoU zu Bonn dem Herzoge als Pfand bis zu voUiger
Ausgleichung zu uberlassen, was gleichfalls binnen vier
Tagen geschehen konnte. ' ' ') Aber die Bohmen waren nicht
einmal zu bewegen, auch nur vier Tage langer zu warten;
sie bestanden auf dem ungesaumten Heimzuge Zudem
schien jegliche Zucht und Ordnung nun voUig bei ihnen
gelost; nach eigener Laune zogen sie ihres Weges. Im
>o») Detmar llO. Pontes r. A. XLII, 53 a. a. 0.
"•) Detmar 110; PeSina, Mars Moravicus 635.
uoj Ergiebt sich aus dem Stande der Dinge.
"»») Fontes r. A. XLU, 43.
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Herzog Wilhelm yon Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 121
Felde bei Geseke, siidQstlich von Lippstadt, schlug man
das erste L^er"*). Noch geleitete der Erzbischof den
sachsischen FUrsten and die Seinen. Da kam er beinahe
selbst in Gefahr. . In der Nacht drang ein Haufe bohmi-
scher Krieger, sei es von Hunger getrieben, sei es aus
Beutelust^ in des Kurfiirsten Lager, nahm ihm seine Pferde
und Mimdvorrilthe und bedrohte ihn personlich. Es musste
der Herzog Leute zu seinem Schutze absenden. Andern
Tages begab sich Dietrich nach Geseke*"); ftir seine
Schuld trat das Domcapitel von Eobi als Btirge ein.*'*)
Zu einer Untemenmung liessen sich die Bohmen
noch bewegen: sie bogen nordwarts ab, um die Graf-
schafl; Ravensberg heimzusuchen. Aber die vandalische
Art, in der sie hier hausten, in der sie besonders Kirchen
and E^ldster plilnderten und ihre Insassen misshandelteu;
war zugleich der einzige Erfolg. ***) Den weiteren Ruck-
zug nahm der Herzog siidlicher; sein Vorwand war, die
Bohmen auf „anderem Wege** nach Hause zu bringen; sein
Plan, sich ihrer doch noch weiterhin imd zwar fur eine
Diversion nach Franken zu bedienen. *'•) Bei Mihla un-
weit Eisenach"'), wo man „am St. Gehiilfenberge" das
Lager geschlagen, liess sich die eigentliche Absicht nicht
langer verbergen. Hier kam es auch zur Trennung des
Heeres. Als die bOhmischen Rotten den Entschluss des
Herzogs vemahmen, nun stidw&rts nach Franken zu ziehen,
da waren die moisten derselben nicht mehr zu halten.
Alles Zureden des Herzogs fruchtete nichts, schliesslich
entroUten sie ihr Banner und zogen, etwa 5000 Mann
stark * ' *) , unter Heinrichs von Kolo wrath und anderer
Flihrung allein von dannen. „Mit traurigem Muthe, in
grossem Jammer" und zu seinem ^unverwindlichen Schaden*^
musste auch der Herzog allein ziehen. **•) Er nahm den
Weg nach dem Koburgischen.
»") Fontes r. A. XLII, 44 neben der Koelhoffschen Chronik 790.
*'•) KoelhoflPsche Chronik 1. c „were der buschof van Coelne in
niet intwichen zo Geiske . . . , si hetten in in dem velde erslagen*'.
Yergl. Emmingbaus 1. c. 705.
"*) Koelhoffsche Chronik 1. c. Pesina, Mars Moravicus p. 636.
"»») KoelhoflTsche Chronik 1. c.
'»•) K. Stolle 27. Vergl. auch Fontes r. A. XLII, 44, wo freilich
das Ziel der weiteren Untemehmungen nicht genannt ist.
*") Palacky, Gesch. Bohm. IV, 1, 181, ohne Angabe der Quelle.
>**) Hartung Eammermeister 1. c. 1197. E. Stolle 26.
"•) Fontes r. A. XLU, 44.
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122 Adolph Bachmann:
III.
So sehr der Aufbruch des bohmischen Heerhaufens
gegen den Willen des Herzogs erfolgt war, so schied man
doch nicht in offener Feindschaft"®); ja es scheint, dass
der Herzog noch aosdrttcklich den gerechten Forderungen
der Soldtruppen zu genugen versprach. '**) Nun suchten
diese, indem sie die nordliche Vorkette des Thtiringer-
waldes tiberstiegen, das MtLhlhausen'sche zu erreichen, um
dann auf demselben Wage, den sie gekorameu; in die
Heimat zu ziehen.
Die Eunde uber die Vorgftnge in Westfalen war
natiirlich auch nach Thiiringen gedrungen; die Nachricht,
dass die Bohmen zurtickkehrten und zwar allein^ flog ihnen
voraus. Da fehlte es nicht an neuer Gefahr, neuen Ver-
lusten. Sie batten unter des Herzogs GeleitO; nach Westen
ziehend, sich keine Freunde erworben; jetzt, da sie fUr sich
selbst sorgen mussten^ ohne auch da sich uberall der Ueber-
griffe zu enthalten, tibten die Thiiringer an einzelnen und
kleinen Abtheilungen Rache und Vergeltung. ***) Die Noth
wuchs, als man sich Erfurt und dem Lande des Kurfursten
Friedrich von Sachsen mherte.
Die Erfurter batten schon den Hinzug der bohmischen
Truppen mit Misstrauen angesehen, waren auch nicht ganz
ohne Schaden geblieben. Sie batten, der Wiederkehr jener
gewftrtig, in der Zwischenzeit ttichtig geriistet, ihre Stadt
verwahrt, sich auch in der Art der B(3hmen, eine Wagen-
burg im Eampfe zu gebrauchen, nach Knlften getibt. **')
Trotzdem begehrten und erhielten sie auf die Eunde von
dem Anrticken der Bohmen Hiilfe von Kurfurst Friedrich
von Sachsen; mit den Truppen des Graf en Ernst von
GleicheU; des von Plauen, Schaumburg und des Ritters
HarraS; die ihnen jener zusandte, und unterstutzt von den
Grafen von Querfurt, Beichlingen, Mansfeld und Ludwig
von Gleichen geboten sie ilber mehr denn 10000 Mann^
waren also den halbverhungerten Gegnern doppelt tiber-
legen.
»«) K. StoUe 26.
''*) StoUe 1. c. Zeigt (Lbrigens vielleicht auch der Umstand,
dass sie in Eger drei Tage auf Bezahlung warteten.
'") Fontes r. A. XLII, 47.
"») Ausftthrlich bei K. Stolle 22 fg., 26.
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Herzog Wilhelm 70n Sacbsen aaf dem Zuge Yor Soest. 123
Am 29. Juli (?) lagerten die Bohmen bei Vargula an
der Unstrut, wo sie sich vermittelst ihrer Btichsen des
Schlosses bemachtigten. Von bier oder doch von Vippach
aus^ wobin sie der nSx^bste Tagmarscb fiibrte, sandten sie
ein Scbreiben an die Erfurter, ihnen den friedlicben Vor-
beizug zu gestatten ; jede Bescb&digung ibi*es Gebietes solle
verbiitet werden, ^sie seien verfUbrt und schandlicb betrogen
von Herrn Apel Vitztbum''. Wobl drangte es den grossen
Haufen in Erfurt, die Fremdlinge mit tiberlegener Macht
anzufallen and niederzumacben, der Beute, die sie auf dem
Hin- und Ruckzuge erworben, sicb zu bemacbtigen. Der
Ratb aber bedacbte vorsicbtig nicbt bios die Tbat an sicb,
sondern wie leicbt der junge Herzog, in dessen Soldo jene
docb immer nocb standen, daraus den Anlass zura Kriege
gegen die Stadt nebmen konnte, trotz des gegenwartigen
Verbaltnisses derselben zu ibm. So kam denn Heinricb
Wisse, Mitglied des Ratbes, in das Lager der Bobraen
unterbalb Vippacb, ibnen die Gewabrung ibres Ansudiens
zu uberbringen und die Weise des Durcbzuges zu bereden.
Die Erfurter fanden dabei nocb Gelegenbeit, den Herzog
Wilhelm sicb zu verpflicbten. Die BOhnien batten die
Absicbt merken lassen, Weimar, des Herzogs Hauptstadt,
anzugreifen und zu nebmen. Jetzt tbeilte ibnen Wisse
mit, dass die Erfurter dies nicbt gestatten k5nnten und
iiberbaupt angreifen wtirden, «owie man sie aus des Her-
zogs Landen zu Hiilfe rufe. Darauf gaben die Bobmen
ibr Vorbaben auf.
Am 1. August zogen die Bobmen stidost warts durcb
das Erfurter Gebiet; so grosserr Mangel sie litten, sie thaten
dem Lande keinen Scbaden. ^Die reisigen Bdbmen woUten
nicbt, dass ibre Trabanten sicb ein wenig Scboten nabmen;
sowie sie solcbes gewabr wurden, so trieben sie dieselben
mit Geisseln davon. Also sebr fiircbteten sie sicb vor
denen von Erftirt.** So kamen sie bis Mellingen, wo
sie ein Lager aufscblugen und tibemacbteten. Auch der
weitere Zug durcb Tburingen imd das Vogtland glicb
mebr einer Fabrt durcb feindlicbes als durcb freundlicbes
Gebiet. Bleibt aucb unerwiesen, was die Bobmen von den
Erfurtern gebOrt zu baben bebaupteten, dass der Herzog
selbst die Stadter und seinen Bruder aufgefordert babe, die
gegen seinen Willen Heimziebenden zu vernicbten, — die
Bohmen selber wollten im erfurtischen Heere einen Ritter
bemerkt baben, der ibnen von des Herzogs Hofe her und
als einer seiner Dienstmannen bekannt war, — der wenig
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124 Adolph Bachmann:
freundlichen Stimmung des Herzogs gegen die Abziehenden
entsprach jedesfalls die Haltung seiner Amtleute and
Pfleger. Man that nichts fur ihre Verpflegung, man wehrte
ihnen, sich beliebig zu lagern^ man vergriff sich an jenen
die allein auszogen, sich mit dera Nothigen zu versehen. '**)
„Mit wehrender Hand** durchzogen die schwergepriiften
Scharen eilig die weite Strecke bis Eger, vor dem sic
am 4. August aniangten "*) und wo mm endlich die Nach-
stellungen aufhorten. **•)
Ein Ruf zomiger Theilnahme durchflog das benach-
barte bohmische Gebiet. „Ich bitte dich, leihe mir Leute
zu Ross und zu Fuss so rasch und so viele du vermagst,
damit ich den Unsem nach Meissen entgeffenziehe**, schreibt
Hynek Kruschina von Sehwamberg an Ulrich von Rosen-
berg. ^Ich vertraue darauf, dass du das thust, so wie ich
dir nach Bedurfnis th^te, wenn du mir schriebest; denn
wenn der liebe Gott nicht ihre Vernichtung abwendet, so
mochte es ein Verlust sein fur das ffanze Bohmerland." **'')
Das ward nun uberflussig; als Sehwamberg von seinern
Schlosse Bor ***) den Eilboten mit dem Briefe nach Krumau
zu Herrn Ulrich absendete (5. August), standen die Bohmen
bereits ira Egerlande.
Drei Tage. verharrten die Rotten im Feldlager vor
Eger. Dann, wahrend sich die Kunde von ihren Erleb-
nissen und ihren Beschwerden ringsum verbreitete, richteten
sie selbst am 6. August, ernst aber noch in geziemender
Ehrerbietung, ein Schreiben an den Herzog, in dem sie
tiber die Benandlung seitens der Seinen klagten und um
die Begleichung des Soldeff imd der Scl^adenssummen er-
suchen. '**) Nachdem die Fiihrer dann, wie ea scheint, die
»**) Die obigen Ausftthrungen und Daten nach K. Stolles (26, 27)
freilich sehr verwirrter Darstellung. Vergl. iibrigens H. Kammer-
meister 1197 fg. Pontes r. A. XLII, 47 fgg. Die ceographische
Darlegung nach Spruner-Menke, Handatlas mr die Geschichte des
Mittelalters und der Neuzeit Nr. 43 Nebenkarte 2.
***) Nach dem Schreiben der Anftihrer d. d. 6. August 1447 im
Grossherz. u. Herz. Ges.-Arch. zu Weimar, Reg. A fol. 8 Nr. 13.
"•) Fontes r. A. XLII, 47 jedesfalls tibertrieben : „sein in nach
gevolt biss her noche gein Kunigswart etc.**
"') Archiv 5esky in st. 373 fg. Die bez. Angabe Palackys,
Gesch. B5hm. IV, 1,.18I, Note 167 ist ein Irrthum.
**•) Bor, Burg der Schwamberge bei Tepl. Das Dorf heisst
heute ^Borau**.
»"•) S. Anm. 126.
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Herzog Wilhehn yon Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 125
Verabredung getroffeu^ sich Ende August in Prag einzu-
finden**®), zogen die Abtheilungen der Heimslt zu und
losten sich auf. Aber manch tapferer Krieger kehrte nicht
wieder zurtick, und die die Heimat wiedersahen, waren
zum Theile in dem traurigsten Zustande. „Zu dieser Zeit*^
(um Laurenzi); erzahlt entriistet der Prager Anonvraus,
„kam der Rest der Krieger zurtick; sie fUhrten 12 Wagen
mit Verwundeten und Kranken mit sich ; zahlreiche andere
Wagen waren angefullt mit Raub ' * ^), andere leer. Es kamen
auch die Mahrer durch, bettelarm und nicht bloss ihrer
Freunde, sondem auch ihre Habe und Pferde verlustig.
Der Teufel traue den Deutschen." "'*)
Mit dem Abzuge des Haupttheiles der bohmischen
Truppen entschwand auch Herzog Wilhelm die MSglich-
keit, in Franken mit Nachdruck aufzutreten. Die -Num-
berger waren tibrigens zu seinem Empfange bereit***)
Darum wurden denn, nachdem das Koburgische erreicht
war, die deutschen Truppen, dann auch Peter von Stern-
berg, Friedrich von Donin und so viele der Bohmen noch
verblieben waren, entlassen.
Die beiden Genannten batten^ nachdem, wie es scheint,
der Herzog ihren eigenen Fordenmgen gerecht geworden
war, noch auf dessen Ersuchen die Zusage gegeben, be-
zuglich der Ansprtiche der iibriffen einen Spruch zu thun
und selbst baldigst wieder zu mm zuriickzukehren. Sie
konnten sich bald ilberzeugen, dass sie zu solchem Amte
untauglich seien. Auch gegen sie, die ihre Sache von der
der Landsleute getrennt, hatte man schwere Vorwiirfe er-
hoben. "*) Trotzdem Ubersandten sie am 12. August von
Petschau aus ihr Gutachten an den Herzog '**); drei Tage
spater"®) aber tibermittelte Peter von Sternberg ein
»»•) Stafi letopisov6 cesti st. 148. Vergl. Pontes r. A. XLII, 51.
***) Diesen Passus lasst Th. Pesina, der die Stelle im Mars Mo-
ravicus 637 ubersetzt, vorsichtig weg.
»»») Stari letopisove 148.
'»») K. StoUe 27. Die Stadter besassen 12000 Mann. Vergl. auch
Hegel, Stadtechroniken: Ntlmberg IV, 167 Text und Anmerkung 6.
'»*) Stari letopisov6 st. 148: Domluvajice Holick6mu mlad6mu
panu Petrovi, ze velikou neveru nim ucinil^ odjed od nich. (d. i: mit
Schelten sagten sie dem jungen Peter Holicky nach, dass er grossc
Untreue an ihnen begangen habe, indem er sich von ihnen trennte).
*'') Regest im KonigL bohm. Landesar chive zu Prag.
**•) Grossherz. u. Herz. Ges.-Archiv zu Weimar Reg. A fol. 9
Nr. 13.
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126 Adolph Bachmann:
Schreiben seines Vaters vom 12., das ihm dieser aus
Ptirgles gesandt hatte"'') und damit indirect auch die
Rathschlage, die Herr Alscho in der Sache fiir den
Herzog hatte.
Nachdem namlich Sternberg in seinem Briefe der
schweren Vorwtirfe gedacht, die allenthalben von seiten
der Soldner gegen den Herzog laut wtirden, mahnt er
diesen zun&chst zu vOUiger Befriedigung aller jener, die
treu an seiner Seite ausgeharrt. Uadurch werde den
Klagen der anderen die Spitze abgebrochen. Diesen selbst
moge der Herzog freundUch antworten und das Erbieten
stelien; den Schiedsspruch wegen Schadenersatz auf einen
oder mehrere der Herren Hase von Hasenburg, Ulrich
von Rosenberg, Hans von Kolowrath, Georg von rodiebrad
oder auch ihn selbst zu setzen. Zur Verhandlung sei es
am besten, Herrn Apel Vitzthum zu schicken; doch mtisse
ihm in Anbetracht der schwierigen Lage der Dinge eine
versohnliche Sprache befohlen werden.
Herzog Wilhelm hatte inzwischen den Soldnem in
Klirze die ausweichende Antwort gegeben, dass er wegen
Abwesenheit seiner Rd.the und des Tages zu Mlihlhausen
wegen ihnen keinen endgiiltigen Bescheid geben konne. *'*)
Er theilte diesen Brief auch Herrn Alscho mit, mit dem
Zusatzc; dass er vor Eintreffen des Sohnes desselben nichts
unternehmen werde.**®) An diesen aber hatte er sich rait
dem besonderen Ersuchen gewendet, vor dem Muhlhausener
Tage zu ihm zu kommen^ was Peter neuerdings zusagte. "®)
Als dann die Rathschlage des alteren Sternberg anlangten,
war der Herzog bereit, diesen zu entsprechen und theilte
diesen Entschluss endlich nach langem Schwanken am
27. September den Anfuhrem der Soldtruppen mit.***)
Diese batten inzwischen nicht bios sofort nach ihrer
Riickkehr auf dem Rathhause der Altstadt Frag vor der
•*') Fontes r. A. XLII, 46 fgg. mit unrichtigem Datum. Ptirgles
bei Buchau und nicht mit anderen gleichnamigen Orten zu verwechseln.
"•) Fontes r. A. XLII, 60 fg. Das Datum dtirfte mit Racksicht
auf die nachfolgende Note in „12. August" zu &ndern sein.
"•) Qesammt-Archiv zu Weimar Reg. A fol. 8 Nr. 13. Schreiben
aus Eoburg, d. d. 12. August.
**•) Vergl. des Sternberg Antwort vom 16. August (Petschau)
im Grossh. Ges.-Arch. zu Weimar 1. c. Ebendort ein zweites Schreiben
desselben vom 19. August
»*') Fontes r. A. XLII, 62 fgg.
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Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 127
verBammelten Gemeinde Klage gefuhrt '^')j sondern wareu,
nachdem sie noch ofter den Herzog gemahnt, gegen
Ende August neuerdings zusammen getreten, um nun in
einem letzten Schreiben ihre AnsprUche auf das ent-
schiedenste zu betonen. **') Schliesslich willigten aber
auch sie ein^ dass die Herren von Podiebrad und Alscho
yon Sternberg liber die Ersetzung der Schaden entscheiden
soUten.'")
Was weiter geschah^ lasst sich aus den wenigen bisher
bekannten Nachrichten nur in den Umrissen erkennen.
Georg Podiebrad und Alscho von .Sternberg ftlUten ihren
Spruch erst am 22. Marz 1448 ***), anscheinend zu gunsten
der Soldner, die; wie auch der Herzog, den Spruch an-
nahmen. Aber diesera fehlte das Geld, und seine Be-
mlihungeu; von dem Erzbischofe von Koln solches zu er-
halten, scheiterten an dessen eigener Zahlungsunfilhigkeit.'^*)
So verschleppte sich die Sache^ bis der Sturz der Vitz-
thume, der grosse Krieg des Jahres 1450, sie augenblicklich
aus dem Vordergrunde drftngten. Die Soldner bekaraen
nichts, und eben darum blieben ihre Forderungen eine
der Streitsachen, an denen sich von 1450 — 1456 immer
wieder das Kriegsfeuer entziindete. Auf dem grossen
Suhntage zu Breslau 1455 wurden auch die Fordenmgen
der S5ldnerflihrer vorgenommen '*'), ebenso in Wimsiedel
im Februar 1459, wo aber bescUossen ward, auf dem
kommenden Egerer Tage von derlei Nebenfragen zunftchst
abzusehen. '**) Trotzdem kam es hier zu ausflihrlicher
Berathung auch dieser Sache und dann endiich auch zur
Zusage des Herzogs, die Schuldsumme zu zahlen, wahrend
Johann Calta (auf Rabenstein) seine ehrenriihrigen Aeus-
serungen tiber den Herzog und dessen Mutter widerrufen
musste. "*) Aber es dauerte noch drei voile Jahre, es
«*") Staff letopi80v6 St. 148.
«*•) Fontes r. A. XLH, 61 fg.
'**) Vergl. Note 146.
'*') Regest im Ednigl. Landesarchive zu Prag.
'*•) Schreiben des Erzbischofes von KOln an Herz. Wilhelm vom
4. April 1448, Apel Vitzthums an Peter von Sternberg vom 14. April
and des letzteren Antwort vom 18. April im Grossh. 6es.-Arch«
zu Weimar, Reg. A fol. 8 Nr. 9. 16.
"») Fontes r. A. XLH, 273 fg., 276 fgg.
>*•) Palacky, UrkundL Beitrftge etc. (Fontes r. A. II. Abth.,
Bd. XK) 173 fg.
«*•) Fontes r. A. XLII, 278 fg.
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128 Adolph Bachmann:
bedurfte noch der wiederholten Intervention Konig Georgs,
es mussten sich die Anftihrer noch mit einer Ausrichtung
in geringerem Gelde einverstanden erklaren, ehe endlich
im Jidi 1462 ihre Forderung beglichen ward. ^*^)
'»•) Pontes r. A. XLIL 308 fgg., 811 fgg., 316, 843 fg., 346 fgg.
Die Geschichte dieses Hanaels von 1448—1462, sowie die Geschichte
der b&hm.-s&chsischen Beziehnngen yon 1448—1468 fiber haupt, fOr die
das KOnigl. Haaptstaatsarchiy zu Dresden noch reiches ungedrucktes
Material enthMt, sei hiermit einem klinftigen Bearbeiter empfohlen.
Nachtrag. Der „B6richt eines GOttinger Baths*
mitgliedes liber den Zug des Herzogs Wilhehn von Sachsen
gegen Soest, 1447" (im Urkundenbuch der Stadt Got-
tingen von 1401 — 1500, herausg. von Dr. Q. Schmidt,
Hannover 1867), dessen Einsichtnahme mir nachtraglich
Herr Dr. Ermisch freundlichst vermittelt, bietet zwar
nichts wesentlich neues fUr das Verhaltnis Herzog Wil-
helms zu den bohmischen Soldnem und fiir den Verlauf
des Untemehmens an sich, enthalt aber doch, d,hnlich wie
die Reimchronik, manches interessante Detail. So gew&hrt
er namentlich einzelne sichere Angaben ftir die Bichtung
des Rtickzuges und die Daten mehrerer Lagerplatze. Dar-
nach lagerte das Heer vom 5. bis 7. Juni nordlich von
Gottingen von Bovenden bis Norton, welch letzteres beim
Abzuge bis auf 6 bis 8 Gebaude abbrannte; am 7. Juni
bei HoUenstedt; von da zogen sie nach den oben geschil-
derten Vorkommnissen endlich bei Holzminden liber die
Weser und nahmen die Richtung auf Hoxter. Fiir den
Buckzug, der, wie bereits angegeben, mehr stidwarts fiihrte,
fwinnen wir Beverungen als den Ort, wo sie liber die
eser zurlickkehrten, weiter Dransfeld und Friedland,
wo sie, stets sUdostlich ziehend, das Eichsfeld und den
St G^hiilfenberg bei Mihla erreichten.
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VI.
Heinrich Friedrich Graf von Friesen, koniglich
polnischer and kurforstlich sachsischer Qe-
heimer Eabinets -Minister and General der In-
fanterie.
Von
0. TOn Schimpff.
Unter den sd^chsischen Adelsfamilieii; welche besonders
in dem 17. und der ersten Halfte des 18. Jahrhunderts
ihre Bevorzugung im Hof- Staats- und Militardienste nicht
bloss der Ftlrstenlaune und dem Zufalle^ sondem den wirk-
lich hervprragenden Eigenschaften ihrer Mitglieder ver-
dankten, nimmt die der Friesen unzweifelhaft einen der
ersten Pld,tze ein. Nur sehr weni^e sM,chsische Familien
vermochten damals gleiche wissensdbaftliche und weltman-
nische Bildung, gleidde Verdienste im OfFentlichen Dienste
naclizuweisen; wie die Friesen'sche; kaum aber dlirfte auch
nor eine sich rtlhmen kdnnen, dass ihrem Namen in jener
Periode eine so weit iiber die Grenzen ihres kleinen Vater-
landes hinausreichende Beachtung zutheil ward, und es
muss daneben noch besonders hervorgehoben werden, dass
die der Familie eigene Bildung und feine Sitte bereits im
17. Jahrhundert; wo bekanntlich das weibliche Geschlecht
in Deutschland nur ganz ausnahmsweise sich einer sorg-
faltigeren Erziehung zu erfreuen hatte, auch von den Frauen
NeQM Arehiv f. S. G. n. A. IL 2. 9
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130 0. von Schimpff:
und T5chtern der Friesen'schen Familie getheilt zu werden
pflegte.
Die Familie, welche in ihrer jiingeren, freiherrlichen
Linie noch heute blUht^ wird erst seit 1409 in sHchsischen
Urkunden erwahnt und scheint aus der Schweiz einge-
wandert zu sein. Ihr Stammgut in Sachsen ist Kauem
bei Ronneburg; spater (1589) wurde von derselben B5tha
erworben, das noch jetzt im Besitze der Familie ist.
Die altere, 1755 erloschene Linie hatte zum Stammvater
den Geheimrathsdirektor Heinrich von Friesen (1610 — 1680),
welcher durch die bedeutende RoUe, die er als Staats-
mann und Diplomat unter Johann Georg II. spielte, be-
kannt ist. Neben einer Reihe hochgebildeter T(3chter besass
der Geheimrathsdirektor einen einzigen Sohn, Julius Hein-
rich, auf dessen Lebenslauf *) wir hier nur insoweit ein-
zugehen brauchen, als zum Verstandnis der eigenthtim-
lichen Beziehungen nothwendig erscheint, in denen sein
Sohn Heinrich Friedrich, der Held unserer Darstellung,
von Haus aus zum sachsischen Hofe stand.
Julius Heinrich, der sich im Todesjahre seines Vaters
1680 mit der Tochter des hoUandischen Generals, Grafen
Alexander zu Dohna, Besitzers des Schlosses Coppet bei
Genf, verheirathet hatte, war durch die Verbindungen seines
Schwiegervaters in sehr intime Verhaltnisse zu dem Prinzen
WilhelmvonOranien, damaligemStatthalter der Niederlande
und spaterem Konige von England, getreten. In Sachsen,
wohin Friesen aus hollandischem Dienste 1691 mit dem
Range eines Generalwachtmeisters zurtickkehrte, stellte er
sich mit grosser Entschiedenheit auf die Seite der englisch-
kaiserlichen Partei und zog sich dadurch die Abneigung
des Prinzen Friedrich August zu, welcher die franzosische
Partei, an deren Spitze der intrigante Feldmarschall Scho-
ning stand, begtinstigte. Der plotzliche Tod des Kurfursten
Johann Georgs IV. brachte Friedrich August auf den Thron
Sachsens, und es schien anfangs, als ob der neue Regent
seinem Grolle gegen Friesen entsagt habe, da dieser als
ausserordentlicher Gesandter nach dem Haag entsendet
ward, wo sich damals Konig Wilhelm von England ge-
rade aufhielt. Als aber Friesens unvers5hnlicher Feind
') Vergl. „Juliu8 Heinrich Graf von Friesen, Kaiserl. Oeneral-
feldzeugmeister, Konigl. Englischer Generallieutenant. Ein Lebeiis-
bild aus dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts von Heinrich Frei-
herm von Friesen. Leipzig, Wilhelm Baensch, 1870**.
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 131
Schoning aus seiner Gefangenschaft, in der ihn der Kaiser
zwei Jahre lang gehalten hatte, nach Sachsen zurtickkehrte,
begannen sofort dessen Intrigaen gegen Friesen yon neuem;
dieser jedoch, von seinen Ireunaen gewamt^ leistete dem
kurfiirstlichen Befehl, der ihn von seinem Posten abberief,
keine Folge und schickte statt der Antwort dem Kurftirsten
sein Generalspatent zurUck. Ueber diesen Schritt erzumte
Friedrich August so, dass er die Erbgiiter Friesens
— SchQnfeld, Jessen und Graupa — mit Beschlag belegte
und sie dem Feldmarschall Schoning iiberliess, der sich
des Besitzes derselben jedoch nur kurze Zeit erfreute und
bereits 1696 starb.
Julius Heinrich von Friesen machte in der Folge in
kaiserlichen Diensten eine glanzende Carrifere, wurde in
den Grafenstand erhoben und nach seiner rtihmlichen
Vertheidigung von Landau 1703 zum Generalfeldzeug-
meister ernannt. Zwischen ihm und seinem' von ihm
tief beleidigten Landesherrn hatte zwar, als Friedrich
August 1695 aus dem turkischen Feldzuge nach Wien zu-
rtickgekehrt war, eine Aussohnung stattgefunden, diese
war jedoch bloss eine tosserlichc; denn, trotz der nach da-
raaliger Sitte von Friesen kniefallig geleisteten Abbitte,
wurden ihm die eingezogenen sachsischen Giiter nicht zu-
rtickerstattet.
Ein Jahr nach Eingehung seiner Ehe war dem Julius
Heinrich von Friesen am 26. August 1681 in den Nieder-
landen, wahrscheinlich in Maastricht, ein Sohn geboren
worden, der die Namen Heinrich Friedrich erhielt. Die
Erziehung desselben fiel bei dem unstaten Kriegerleben
des Vaters der trefflichen, mit reichen Geistesgaben aus-
gestatteten Mutter anheim, welche in Holland, dem da-
maligen Hauptsitze klassischer Bildung, den Unterricht des
Sohnes den gelehrtesten Philologen anvertraute. Dieser
besuchte spater, wie sein Vater, die hoUandischen Uni-
versitaten und wurde dann nach Genf, der Heimath der
Mutter, gesendet, um dort seine Studien zu voUenden und
gleichzeitig sich den gewandten Gebrauch der franzSsischen
Sprache anzueignen. In der That erwarb Heinrich Fried-
rich sich auf diese Weise eine seltene Sprachkenntnis;
neben der lateinischen und griechischen Sprache, die er
in Holland griindlich erlernt hatte, bediente er sich der
deutschen, hoUandischen, franzosischen und englischen mit
grosster Leichtigkeit. Reifeen durch Frankreich und Eng-
land vollendeten nach damaliger Kavaliersitte seine sorg-
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132 0. von Schimpff:
faltige Erziehung, bevor er in den hoUandischen Militar-
dienst eintrat. -
In diesem geschieht unseres Helden gelegentlich der
schon bertihrten Belagerung von Landau im Jahre 1703 Er-
wahnung. Seiten der Verbiindeten wurde der Versuch
gemacht, die von den Franzosen unter dem Marschall
Tallard hart bedrangte Festung durch ein aus hoUandischen,
hessischen und kurpfalzischen Truppen bestehendes Korps
zu entsetzen, welches aber am 15. November am Speier-
bache zwischen Heiligenstein nnd Karthausen eine Nieder-
lage erlitt. Unter der sehr betr'achtlichen Zahl Gefangener^
die an diesem unglucklichen Tage in die Hande des Feindes
fielen, befand sich auch der damals 22jahrige Heinrich
Friedrich Friesen, and Tallard benutzte diesen Umstand,
den kaiserlichen Kommandanten von Landau durch
den eigenen Sohn von dem Ausgange des Treffens in
Kenntnis zu setzen und zur Uebergabe der so rlihmlich
vertheidigten Festung aufzufordern. Wirklich erfolgte nun
auch am folgenden Tage, den 16. November, die Kapitu-
lation unter den ehrenvollsten Bedingungen.
Beide Eltern Heinrich Friedrichs starben kurz hinter-
einander, der Vater nach langwieriger Krankheit den
28. August 1706 zu Rastatt, die Mutter am 18. September
1707 zu Frankfurt am Main.*)
Heinrich Friedrich hatte noch vor dem Tode des
Vaters den hoUandischen Dienst mit dem kurpfalzischen
vertauscht, wo er die Stellung eines Obersten der Leib-
garde bekleidete. Der Nachlass des Vaters, der stets auf
grossem Fusse gelebt und fUr den Konig von England
sowohl, als fur den Kaiser betrachtliche Auslagen bestritten
hatte, welche in der Folge weder der Witwe noch den
Kindern zurlickerstattet wurden, reichte kaum zur Deckung
der Schulden hin. In seiner druckenden .Geldverlegen-
heit richtete Heinrich Friedrich seine Blicke auf Russland,
das Eldorado aller damaligen unternehmungslustigen
GlUcksritter, wo der Sohn des bertihmten Vertheidigers
von Landau auf eine seinem Ehrgeize und seinen Bedtirf-
nissen entsprechende Verwendung rechnen zukonnenglaubte.
Seine Hoffnungen wurden nicht getauscht; Menschikoff,
*) Sie hinterliessen ausser dem einen Sohne noch eine Tochter,
welche 1712 den Wirklichen Geheimerath, Staats- und Kabiuets-Mi-
nister Adolf Magnus Grafen Hoym (f 172.S), den geschiedenen Ge-
mahl der Gratin Cossell, heiratete.
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 133
der allmachtige Giinstling des Czaren, beantwortete unter
dem 19. November 1706 Friesens Bitte um Aufhahrae in
den russischen Militardienst zustimmend und hot namens
seines Herrn dem 25jahrigen Obersten eine Stelle als Ge-
neralmsyor an.
Es wird ausdrticklich erwfthnt, dass Friesen an der
Spitze eines Regiments den Schlachten bei Pultawa und
am Pruth beigewohnt habe; auch soil ihm Peter der Grosse
durch verschiedene geheime Auftrage Zeichen seiner be-
sondern Gunst und seines Vertrauens gegeben haben.
Wenn wir den Erzahlungen des Barons Haxtnausen Glauben
schenken dtirfen, so beabsichtigte Menschikoff, den jungen
sachsischen Qrafen rait einer seiner Schwestern zu ver-
heiraten. Wohl mochte sich durch diese Partie Friesen
eine sehr gl&nzende Aussicht erofliiet haben; war nun aber
die ihm zugedachte Gattin nicht nach seinem Geschmacke
oder traute er, von einem richtigen Ahnungsgefiihl geleitet,
der Stellung Menschikoffs nicht ausreichende Festigkeit zu
oder bewahrte sein Herz einer schonen Jugendgeliebten
im fernen Holland die gelobte Treue ') — , Friesen verzich-
tete nicht bloss auf die Hand der Fiirstenschwester, sondern,
was in Rticksicht auf die Stellung Menschikoffs die unver-
meidliche Folge dieser Ablehnung war, auch auf den fer-
neren Dienst in Bussland.
. In Begleitung des Czaren, der bald nach der Schlacht
am Pruth eine Beise nach Deutschland antrat; soil Friesen
in Dresden angelangt sein. Wie dem auch gewesen sein
mag, seine Ankunft in Sachsen 1711 steht ausser Zweifel.
Er musste auf seine einflussreichen Verwandten, vielleicht
auch auf den Zauber seiner Erscheinung rechnen, wenn er
sich in der Heimat seiner Vater grosse Erwartungen ftir
die Zukunft machte; denn dass er sich am Dresdener Hofe
keine freundliche Aufnahme versprechen konnte, war ihm
selbst wohl am wenigsten unbekannt.
Von seinen Tanten war die jtingste der sieben
Schwestern seines Vaters, die verwitwete Grafin Reuss, wohl
am ersten in der Lage, sich des heimatlosen Neffen an-
zunehmen, und in der That hatte er sich in dieser bedeu-
tenden Frau nicht verrechnet Sie hatte ihren Gemahl,
den tapfern imd umsichtigen Feldzeugmeister Grafen Beuss,
in der Schlacht bei Zentha verloren und lebte, nachdem
') Vergl. das oben angezogene Lebensbild Julius Heinrichs
Grafen. von Friesen, Seite 189.
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134 0. von Schimpff:
auch ihr einziger Sohn Heinrich 11. im zweiundzwanzigsten
Lebensjalire verstorben war, in Dresden. Hier beherrschte
sie ganz besonders den Statthalter Anton Egon FUrstenberg,
nach WolfframsdorflFs sarkastischer Bezeichnung wie Delila
den Sim son. Dieser hatte, als er im August 1797 den Vorsitz
im Geheimen Rath und damit die Leitung der sachsischen
Angelegenheiten ttbemahm, wie vorher SchOning, aus-
schliessTich das franzosische Interesse vertreten, war jedoch
durch den Einfluss der liebenswiirdigen und geistreichen
Witwe dieser Partei allmahlich entzogen worden. *) Wah-
rend aber die Grafin Reuss durch den geistig ziemlich un-
bedeutenden, aber durch seine Stellung m'achtigen Fiirsten-
berg die offentlichen Angelegenheiten und durch das grosse
Haus, welches sie machte, und ihre Familienverbindungen
die Dresdener Gesellschaft beeinflusste, hielt sich dieselbe
groUend vom Hofe entfemt, dem sie die nach ihrer
Meinung ungerechte Behandlung ihres Bruders nie ver-
gessen konnte. Den aus Bussland in die Heimat zuriick-
kehrenden Sohn desselben nahm sie mit wahrhaft miitter-
licher Liebe auf, aber gerade das, was diesem im Augenblick
das dringendste BedUrfnis war, eine geeignete Anstellung
im sachsischen Heere, verraochte sie demselben in ihrer
Isolierung vom Hofe um so weniger zu verschaflfen, als sie
den Konig erst kurzlich wieder diurch ihre scharfe, rtick-
sichtslose Salonkritik *) empfindlich verletzt hatte.
Man kann sich unter diesen Umstanden nur wundem^
dass es dem gunstigen Eindrucke des liebenswiirdigen,
weltmannischen Wesens unsers Helden auf den fur diese
Eigenschaften allerdings sehr empfanglichen Konig gelang,
nach Verlauf einer verhaltnismassig nicht allzulangen Frist •)
*) HierauB erkl&rt sich zum grossen Theil die Erbitterung des
galligei) Wolfframsdorff in selDem vielbesprochenen ^Portrait de la
Cour de Pologne'* gegen die Friesen'sclie Familie und die dieser
gleichgesinnten, nach Oesterreich pr&ponderierenden Minister (^Moge
der Kdnig die ganze Rasse seines durch Eigennutz und Nachsicht
verdorbenen Ministeriums fortjagen etc.'*). Dagegen preist Wolff-
ramsdorff Schftning als den einzigen rechtschaffenen Diener dea Kur-
ftirsten, von dem dieser wie Ludwig XIV. von Turenne habe sagen
konnen: „Mit ihm habe ich meinen rechten Arm verloren/*
*) Flemming, der spStere Feldmarschall, bezeichnet sie einmal
als „mauvaise gueule/*
*) Haxthausen, dessen Memoiren dem Yerfasser bloss durch die
umf^nglichen Citate Yehses in dessen „Geschichte der Hofe des Hauses
Sachsen" bekannt geworden sind, berichtet (vergl. Yehse YI, 33 fg.),
dass Friesen in der Zwischenzeit bis zu seiner Wiederanstellung in
Sachsen sich, aller Httlfsquellen beraubt, genOthigt gesehen habe, von
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 135
die tiefeingewurzelten Vorurtheile dieses Ftirsten soweit zu
besiegen, dass er den Sohn seines politischen Gegners
noch im Friihjahr 1712 als Oberst im Wackerbarth'schen
Infanterie-Segimente anstellte.
Dieses Regiment (jetzt Nr. 104), welches seit 1707
bei der Armee in den Niederlanden gefochten hatte, war
im Spatsommer 1711 sehr zusammengeschmolzen und nur
noch in ein Bataillon formiert in Sachsen eingetroffen. Hier
wurde es wieder auf zwei Bataillone erganzt, yon denen
das eine im April 1712 den Befehl erhielt; unter.Friesens
Ftihriing mit einigen anderen Abtheilungen zu dem aus
rossischen, danischen und sachsischen Truppen bestehenden
Korps abzurlicken; welches das von den Schweden besetzte
Stralsund eingeschlossen hielt.
Es kann hier unsere Aufgabe um so weniger sein,
auf die theilweise unter den Augen der bei der Armee
anwesenden Monarchen, des Czaren und des KQnigs August,
in den Jahren 1712 imd 1713 in Pommern, Mecklenburg
und Holstein ausgefUhrten kriegerischen Operationen naher
einzugehen, als Friesens Name bei keiner Gelegenheit aus-
driicklich erwahnt wird. Letzteres erklart sich einfach
theils durch den Mangel an ernsten Schlachten und Ge-
fechten — bei Gadebusch kam von den Sachsen nur die
Kavallerie zur Verwendung — , theils durch die bescheidene
Stellung, welche Friesen an der Spitze eines einzigen, in
seinem Bestande wahrend des Krieges sehr herabgekom-
menen Bataillons einnahm. Dessenungeachtet scheint sich
derselbe ira Laufe dieser Feldztige als Soldat einen guten
Namen gemacht zu haben; denn alsbald nach dem Ein-
treffen des im Oktober 1713 von Pommern abmarschierten
sachsischen Korps in den Winterquartieren in Polen wurde
Friesen zum Generalm^or befordert und den 1. .Februar
1714 zum wirklichen Lihaber des bisherigen Regiments
Wackerbarth ernannt, welches fortan bis zum Jahre 1717
den Namen Friesen fUhrte.
Unverkennbar aber waren es nicht bloss seine mihta-
rischen Leistungen, sondern auch andere personliche Eigen-
schaften des ebenso energischen und beherzten, als fein-
dem Erlose der Sammluiigen seines Grossvaters zu leben, bis er bei
aeinen Oheimen, den Grafen Dohna in Preussen, eine gastliche Zu-
flucht gefunden habe. Drei Jahre kann diese Abwesenneit aber un-
mdglich gedauert haben, and es liegt in deii Worten jHazthausens :
nil resta pr^s de trois ans, sans qu'on apprtt la moindre chose de
lui*S offenbar eine arge Uebertreibung.
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136 0. von Schimpff:
gebildeten und .diplomatisch-schlauen Friesen, welche die
letzten Vorurtlieile des Kdnigs August besiegten und ihm
dessen Vertrauen und allmfthlich selbst dessen Zuneigung ge-
wannen, so dass wir sehr bald den jungen Generalmajor
mit Auftragen beehrt sehen werden, die weit ausserhalb
der Sphftre seines militarischen Dienstbereichs lagen,
Zur Vereinigung des gesammten sachsischen Heeres
in Polen, wo nach dem Wortlaute der pacta conventa aus-
landischen Truppen nur mit ausdriicklicher Genehmigung
der Republik der Aufenthalt eestattet war, hatte die Furcht
Veranlassung gegeben, dass die Turkeu; dem Einflusse des
in ihrer Mitte verweilenden Karls XII. nachgebendy einen
Einfall iiber die Grenze Polens unternehmen und das Land
mit Krieg uberziehen konnten. Sehr bald jedoch steUte
sich die &rundlosigkeit dieser Befiirchtung klar und deut-
lich heraus; die Tiirken zeigten sich, ihrem riicksichtslosen
Gaste zum Trotze, friedfertiger als je, und stiirmisch for-
derte nun der polnische Adel, als er die Qrenzen der Re-
publik nicht melir bedroht sah, die Entfemung der Truppen
seines Konigs. Dieser vermochte dem Drtogen auf die
Dauer nicht zu widerstehen und verfligte unter dem 3. Sep-
tember 1714 von Reisen aus, dass die HSlfte der in Polen
stehenden Truppen den Riickmarsch nach Sachsen unge-
s^umt antreten, die andere H^lfte aber „unumg*anglicher
Noth wegen*' in ihren Kantonnements zuriickbleiben sollten,
wobei die letzteren gleichzeitig verwarnt wurden, -dem freien
Volke zu keiner Beschwerde zu gereichen und deren wohl-
hergebrachte Rechte, Freiheiten und Praerogationen nicht
zu verletzen".
Das Regiment Friesen befand sich mit unter den
Truppenabtheilungen, welche infolge des erwUhnten konig-
lichen Befehls unter dem Oberkommando des Generals der
Infanterie Baron HaUart in den ersten Tagen des Oktobers
den Riickmarsch nach Sachsen antraten: 3 Kiirassier-,
2 Dragoner und 8 Infanterieregimenter.
Man glaubte jetzt den so lange sehnHch erwarteten
Augenblick der Ruhe fiir Europa eingetreten; der spa-
nische Erbfolgekrieg war beendigt; die Schweden batten
den Boden des deutschen Reichs geraumt, und der Haupt-
friedensstorer, Karl XII., schien als Gefangener der Ttirken
sich in dem fernen Demotika in sicheren Handen zu be-
finden.
Da mit einem Male verbreitete sich im Herbst 1714
die besttirzende Kunde, Karl XII. habe am 1. Oktober
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 137
die Ttirkei verlassen und sei auf dem Wege nacli seinen
Erbstaaten. Ein Jahrhundert musste seitdem verstreichen,
bevor Napoleons I. plotzliche Rtickkehr von Elba und
Landung bei Cannes Europa wieder in eine Hhnliche Auf-
regung versetzte. Alle Hofe und Kabinette geriethen in
grosse Besorgnis, denn mit dem Namen Karls war der
BegrifF des Krieges bisher unzertrennlich verbunden ge-
wesen; niemand aber wurde von dem Ereignisse unmittel-
barer beriihrt, als K5nig August, welcher zu dieser Zeit
gerade inmitten frivoler Lustbarkeiten in Warschau ver-
weilte. Ein Staatsrath, an welchem der Grosskanzler J.
Szembeck und der Grossschatzmeister Przebendowski und
s&chsischerseits der unentbehrliche Flemming, der Minister
Graf Werthem und der General Janus von Eberstadt')
theilnahmen, wurde am 16. November zusammenberufen.
Derselbe zog nach dem ProtokoU der Sitzung als mogliche
Folgen der Wiedererscheinung Karls XII. nachstenende
Fillle in Erwagung:
I. Der KOnig Karl gehe nach Schweden, um dem
Czaren, der ihn zunftchst bedrohe, Widerstand zu leisten.
Fiir diesen Fall beschloss man, Kussland Beistand zu ge-
wahren — ^d'assister au Zar, comme il nous a assist^ de
son c6te dans notre besoin".
n. Karl greife D&nemark an. Dann wolle man auch
diesem Staate militarischen Beistand leisten, oder, wie man
sich in Hinblick auf die erhoffte Gegenleistung diploma-
tischer ausdriickte, „nous s^courir mutuellement".
III. Er richte seinen AngrifF auf die sachsischen Lande.
Hier setzte der Staatsrath seine Hofihungen in das w^h-
rend der kurzen Friedenszeit komplettierte und im Vater-
lande neugekraftigte Armeekorps, dann aber reclinete er
fiir diesen Fall auf die Hulfe Danemarks, auf die Garantien,
welche Preussen im Vertrage von Schwedt sowohl beziig-
lich Polens als Sachsens zugestanden habe, und endlich
*) Gottfried Leberecht Janus (oder Jahnus) von fiberst&dt stammte
aus einer thtiringischen Familie, welche im Besitze der Gtiter Eber-
st&dt und Gross-Gottern bei Langensalza war. Als russischer Ge-
nerallieutenant kam er in der Begleitung des Czaren 1711 mit nach
Dresden, wo er fttr den s&chsischen Dienst gewonnen ward; der Ueber-
tritt erfolgte im Februar 1712. Schon im n&chsten Monate wurde
Janus von Eberst&dt zum General der Kavallerie und Viceprftsidenten
des Geheimen Kriegsraths-KoUegiums ernannt. Den 26. November
1712 erhielt er an Flemmings Stelle den Posten eines Gouverneurs
von Dresden; im Dezember 1714 wurde er Wirklicher Geheimerath.
£r starb, erst einige fUnfzig Jahre alt, am 17. Mai 1718 zu Dresden.
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138 0. Ton Schimpff:
auf die Ubrigen Reichsftirsten, die, wie man Grund zu er-
warten habe, eine neue St5rung des Friedens nioht dulden
wurden.
IV. Der Angriff Karls richte sich auf Polen. Man
halt dies nicht fiir unwahrscheinlich, theils der ungllick-
lichen inneren Zustande dieses Landes wegen, theils weil
fur dasselbe das Interesse verschiedener Mslchte, wie des
deutschen Beichs, D3,nemarks etc. schwUcher sei; als fur
Sachsen. Wena aber Polen demnach auf den Beistand von
Kussland und Preussen allein angewiesen bleibe, so diirfe
nicht ausser Beriicksichtigung gelassen werden, dass der Czar
sich stets nur als ein unzuverlassiger Verbundeter bewiesen
habc; und 'Preussen seinen Beistand nicht ohne eine ent-
sprechende Gegenleistung gewahren werde.
Die in Polen verbliebene Halfte der sachsischen Armee
ist in ihrem Bestande, bei dem fortwahrenden Hin- und
Hermarschieren derselben zur Unterdrtickung der inneren
Unruhen und dem Mangel an Ersatz^ bereits sehr herab-
gekommen, ihre Verpflegung schlecht geregelt Erst jetzt
im Drange der bevorstehenden Noth denkt man an die
Anlage von Magazinen in Polen. An die Bevolkerung,
die bisher dem Konige auch das geringste Opfer stets be-
harrlich verweigert hatte, will man eine Proklamation er-
lassen, welche sie aufFordert, bei der Annaherung des Feindes
diesem ihre Wohnstatten preiszugeben und sich mit sammt-
lichen Lebensmitteln in die Walder zu fluchten, ein An-
sinnen, von welchem man sich, bei dem in Polen horr-
schenden Geiste, kaum ira Ernste einen Erfolg versprechen
konnte.
Unter den obwaltenden Verhaltnissen erschien es
wichtig, sich des im Verlaufe des nordischen Krieges
immer lockerer gewordenen Biindnisses mit Danemark
aufs neue zu versichern. Augenblicklich befand sich in
Kopenhagen als sachsischer Geschaftstrager der Oberst
Claude De Brosses*); man hielt es jedoch fiir angezeigt,
denselben jetzt durch eine bedeutendere Personliclieit ab-
zulosen. Wahrscheinlich auf Flemmings Vorschlag fiel
die Wahl zu diesem viel Takt und Geschicklichkeit er-
fordernden Geschaft auf Friesen; abgesehen von seinen
*) De Brosses war mehrere Male hintereinander mit Auftr&gen
nach Kopenhagen entsendet worden, und zwar den 12. September 1712
und den 12. Oktober 1712 von Greifswalde, den 2. Oktober 1713
von Warschau, und den 25. August 1713 von Reisen aus.
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 139
ubrigen hervorragenden Eigenschaften war dabei auch das
Verhftltnis, in welchem er zum Czaren gestanden hatte,
massgebend.
Als Hauptziel seiner Sendung war dem Generalmajor
von Friesen in seiner Instruktion •)> nebst Herstellung eines
guten Einvernehmens zwischen dem danischen una dem
pohiisch-sd^chsischen Eabinet im allgemeinen^ der Abschluss
eines Schutz- und Trutzblindnisses mit DS-nemark be-
zeichnet worden. Um letzteres hierzu geneigt zu machen
und etwaigen Gegenbestrebungen zuvorzukomraen , soil
Friesen das Kopenliagener Eabinet bestftndig auf die Ge-
fahren aufmerksam machen^ durch die es von seiten Schwe-
dens bedroht werde, indem Danemark alier Wahrscheiu-
lichkeit nach derjenige Staat sei, der beim Ausbruche eines
Krieges, auf den man nach der Riickkunft Karls XII. be-
stimmt rechnen k5nne, den ersten Stoss auszuhalten babe.
Der Gesandte soil dabei nicht unterlassen, darauf bin-
zuweisen, dass ftir Sachsen die Gefahr eine viel geringere
sei, da Karl sich schwerlich gegen den Kaiser und das
deutsche Eeich durch eine Invasion in dasselbe in Unrecht
setzen werde, in Polen aber August 11. mit Zuversicht
auf eine Untersttitzung des Czaren z'ahlen diirfe.
Dass man bei der Wahl Friesens ganz vorzugsweise
mit auf dessen hofische Sitte und geistreiche Unterhaltungs-
gabe Rticksicht genommen hatte, geht aus denjenigen
Punkten seiner Instruktion hervor, in welchen ihm sain
Verhalten gegenuber dem Konige und dessen Ministern
ziemlich ausfuhrlich vorgezeichnet wird. Wir erkennen so-
fort die Feder des unermiidet thatigen, vielseitigen und
verschlagenen Flemming, wenn wir in der, in franzosischer
Sprache abgefassten Instruktion den Satz lesen:
„Was insbesondere die Person Sr. MajestS^t des Konigs
von Danemark betrifft, so wird er (der Gesandte) sich be-
muhen, dessen Gunst und Vertrauen durch die grosste
Aufraerksamkeit zu gewinnen, welche er darauf verwendet,
ihm gegenuber schmeichelhafte Aeusserungen mit Ge-
schick anzubringen (en repondant Fes louanges k propos
sur les actions et sur les discours) und iiberhaupt den
Koni^ zu belustigen und heiter zu stimmen. Er wird, wenn
er mit dem Konige iiber Staatsgeschftfte spricht, sorgsam
vermeiden, ihn dadurch zu ermiiden und zu langweilen,
•) H.-St.-A.Loc. Nr. 2706: „Des Generalmajors Grafen v. Fries^U
Yerschickung an den Konigl. D&nischen Hof" Bl. 17 fgg.
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140 0. von Schimpff:
dass er zu oft auf denselben Gegenstand zurlickkoramt.
Femer wird er seine ganze Geschicklichkeit anwenden,
sich angenehm zu maclien und die Neigung des Konigs
durch seine Unterhaltung zu gewinnen."
Zur weiteren Erlauterung schreibt noch Flemming
privatim unter dem 25. November 1714 aus Warschau:
„Um sich bei dem Konige von Dslnemark einzuschmeichelu;
muss man anfanglich im Gesprach unter vier Augen grosse
Ernsthaftigkeit heucheln, aber doch dergestalt verfahren,
dass man ihm die Ueberzeugung beibringt, man sei eigent-
lich heiterer Laune; in Gesellschaft anderer empfieUt es
sich, ihn durch Witze zu ergotzen, die man gerade so
laut sagt, dass er sie noch horen kann, oder die man dem
Grafen Reventlow mittheilt, der sie ihm weiterzuerzahlen
pflegt; weshalb man sich auch mit diesem auf gutem Fusse
erhaJten muss. Da der Konig von Danemark jedermann
gern glauben machen will, dass er viel arbeite, so muss
man ihm iiber diesen Gegenstand ofters etwas Schmeichel-
haftes sagen. Durch nichts kann man leichter sein Ver-
trauen gewinnen, und mit diesem wird er Sie dann so weit
beehren, bis er sich endlich gegen Sie iiber seine Minister
beklagt. Dann aber miissen Sie sehr vorsichtig sein, weil
es leicht begegnen konnte, dass der Eonig Ihre Aeusse-
rungen liber die Minister diesen wiedererzahlte. Bei Ge-
legenheit habe ich ofters *dem Konige meine Ansichten
vorgetragen, aber seine Entscheidungen nur in Gegenwart
der Minister h(5ren mogen. Man muss suchen, den Hof-
zwerg und einen in sehr grosser Gunst stehenden Kammer-
diener fiir sich zu gewinnen."
Nun folgt in Flemmings Schreiben die Charakteristik
der Minister:
„Wibe ist von alien der Gescheidteste, aber uberaus
angstlich; Hoist ein schlechter Charakter und Betbruder,
die Grafen Plessen dagegen sind ehrliche Leute, welche
trotz der Ungnade, in der sie bei Hofe stehen und unge-
achtet sie an demselben nicht erscheinen, doch noch einen
grossen Einfluss besitzen"; endlich Sehestedt, bezliglich
dessen Flemming sehr indiskret beraerkt: „I1 faut gagner
sa femme, k laquelle il sera bon de dire de temps en temps
qui j'ai conserve beaucoup d'estime pour elle.
Friesen traf am 30. December 1714 in Kopenhagen
ein. Als erste Schwierigkeiten, welche der Losung seiner
Aufgaben hier entgegentrateny bezeichnet er selbst in seinem
Berichte:
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 141
I. Dass sein Vorganger De Brosses den danischen
Hof anf gewisse vortheilhafte Vorschlage aufmerksam und
neugierig gemacht habe, die er, Friesen, vom sd^chsischen
Hofe uberbringen werde;
II. Vorschlage zu einem Partikularfrieden unter Aus-
schluss der ubrigen Verbtindeten des Kfinigs August (des
propositions d'une paix particuli^re k Texclusion des autres
AlU^s de Votre Majest^)'^);
in. Die Kenntnis von Friesens engen Beziehungen zum
Marschall Flemming, gegen welchen das dftnische Mini-
sterium alien Qrund zum Misstrauen zu haben glaubte.
Dieser Verdacht soil sich nach Friesens Erlauterung auf
einen 14 Tage vor seiner Ankunft entdeckten Anschlag eines
gewissen Miiller gegen das danische Ministerium beziehen,
bei welchem Flemming, dem nun einmal das Intrigieren
nach alien Seiten hin so nothwendig war wie die Lebens-
hxtty stark mit compromittiert erscheint
Der Empfang Friesens bei Hofe und in der Gesell-
schaft war daher auch ein ktihler und gemessener; „on me
battit froid", raumt er selbst ein. Auch beklagt er sich,
dass sein erstes Auftreten als Diplomat ihm danischerseits
als Stolz ausgelegt worden sei, oder dass man diesen Vor-
wurf wenigstens gegen ihn erhebe, um eventuell die Schuld
des fehlgeschlagenen Annaherungsversuches auf denselben
zurtickfUhren zu konnen.
Im Grande waren wohl auch alle diese mehr oder
minder gegen die Person des Gesandten gerichteten Be-
schuldigungen nur der Deckmantel, hinter dem das dani-
sche Kabinet seine Abneigung verbarg, sich durch den
Abschluss eines formellen Allianzvertraffes mit Sachsen die
Hande zu binden; man hielt in Kopenhagen Sachsen fur
zu sehr durch den Krieg herabgekommen, um sich von
einem Blindnisse mit demselben viel zu versprechen.
Nach Friesens Angaben ' ') bestanden die politischen
Vorurtheile Danemarks in folgenden:
I. Polen befindet sich in offener Emporung (dans
un soulfevement general). 11. Sachsen ist ohne Geld und
ohne Hulfsquellen. lU. Beide Lander sind mit dem Czaren
*^) Friesen macht in seiner, in dem oben angezogenen Akten-
stttck (Bl. 306 fgg.) enthaltenen „ Relation g^n^rale de ma n^gociation
k la Cour de Danemark** hieraus einen besonderen Punkt, obgleich
nach den Regeln der Logik dieser Yorschlag docfa wohl bloss eine
Erl&uterung des ersten Panktes sein mdchte.
'') Relation g^n^rale Bl. 295 b.
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142 0. von SchimpflF:
veruneinigt (brouilles). IV. Sie sind in die orientalisclien
Wirren verwickelt. V. Sie bereuen die mit Frankreich
eingegangenen Verbindungen und ebenso VI. das Scheitem
der mit Schweden angekniipften Friedensverhandlungen.
VII. Ihre Armee ist nur auf dem Papier vorhanden. VIII. Sie
haben weder Freunde, noch Verbtindete und IX. ebenso-
wenig Aussichten, am preussischen Hofe etwas zu erreichen,
wie am englischen.
Den 5. Januar 1715 war Friesen mit De Brosses in
das Kabinet beschieden worden, wo er von den Ministern
im Conseil empfangen wurde. Nach allgemeinen Ver-
sicherungen der freundschaftlichen Qesinnungen seines Hofes
hatte Friesen auf die Gefahren aufmerksam gemacht, denen
ganz besonders auch das danische Reich von seiten Schwe-
dens ausgesetzt sei und sich auf die alten AUianzvertrage
mit SactSen bezogen, worauf er den Ministern die biindig-
sten Versprechen ertheilt hatte, der Dresdener Hof sei bereit,
mit der Krone Dftnemark ein enges Btindnis einzugeheu;
um sich gegen die feindlichen Absichten und Untemeh-
mungen Schwedens zu schutzen und solchen rait vereinter
Macht zuvorzukommen.
Nach einigem ZOgern gab hierauf der danische Hof
unter dem 12. Januar folgende schriftliche Ant wort: **)
Se. MajestUt sei ebenfalls ganz der Meinung, dass das
klirzeste und sicherste Mittel zur Vereitelung der beab-
sichtigten Unternehmungen des Feindes sein diirfte, den-
selben so viel als moglich zuvorzukommen, und der Konig
habe zu diesem Zweck nicht allein seinen Generalen Be-
fehl ertheilt, den Feind mit aller Aufmerksamkeit zu be-
obachten, sondern auch trotz der Schwierigkeiten der
Jahreszeit eine Flotte auslaufen lassen^ um dafem mOg-
lich die schwedischen Transporte anzugreifen und zu ver-
nichten. Den Plan, den man gegen eine unvermuthete
Invasion des Feindes in Aussicht nehme, finde der Konig
nicht minder angemessen, halte es aber, um den Unter-
nehmungen der Schweden ein schnelles Ziel zu setzen, ftir
unumganglich nothwendig, sich zuvor der Uebereinstimmung
des Czaren zu versichern, damit der Feind gleichzeitig
und nach einem gemeinsamen Plane von alien Seiten ge-
fasst und mit genligender Kraft erdriickt werden konne.
Im weiteren versichert der Konig von D^Uiemark, dass
er sich alle Miihe geben werde^ um fiir die gemeinschaft-
»«) Vergl. das S. 139 angezogene.Aktenstttck, Bl. 944,
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Heinrich Friedrich Graf ▼on Friesen. 143
liche Sache neue Verbiindete zu gewinnen, namentlich den
deutschen Kaiser und die Konige von England und von
Preussen; die schlagfertige Armee seines Landes sei ohne
Beriicksichtigung der Flotte 26000 Mann stark. Das
Schreiben macht besonders darauf aufraerksam, dass die
Flotte, welche Danemark wahrend der bisherigen Dauer
des Krieges allein unterhalten habe, fiir die Finanzen Sr.
Maiestat eine schwere; von den tibrigen Alliierten nicht
getneilte Last gewesen sei.
Wahrend am Schlusse nochmals betheuert wird, dass
man zur Abwendung der gemeinsamen Gefahr keine Opfer
scheuen werde, bleibt der Konig doch fest bei der Be-
dingung stehen, „que tout soit pr^alablement communique
k Sa Majesty Czarienne et que par consequent on en fasse
part k son embassadeur **) qui reside en sa cour".
Das letztere aber war es gerade, was man durch die
Sendung des Graf en Friesen abwenden woUte; das Biindnis
mit Danemark soUte eben ohne Vorwissen des Czaren, in
dessen Uneigenniitzigkeit und Aufrichtigkeit man in Sachsen
nicht unbegriindete Zweifel setzte, abgeschlossen werden.
Flir des aufstrebenden Friesens Ehrgeiz mag es eine bittere
Enttauschung gewesen sein, als er von Tag zu Tag mehr
zu der Ueberzeugung gelangen musste, dass seine Bestre-
bungen in Kopenhagen nie von dem erhofften Erfolge ge-
kr5nt werden wiirden und sein erstes diplomatisches Debtit
mithin als gescheitert zu betrachten sei. Jedenfalls zeugt
es von seiner Klugheit und richtigen Beurtheilung der
Verhaltnisse, dass er sich durch die personliche Liebens-
wlirdigkeit und die Artigkeiten der Honeute, welche bald an
die Stelle der anfanglich so kiihlen Aufnahme traten, nicht
irre machen liess und in seinen Berichten gleich von Haus
aus auf die Hoffnungslosigkeit seiner Bestrebungen hinwies,
so dass man sich auch am Hofe Augusts in Warschau
keinen langen Tauschungen hingab und schon im Februar
Friesens Zuriickberufung verfiigte.
Unter dem 27. Februar 1715 erging von Warschau
nachstehendes konigliche Handschreiben **) an den Kopen-
hagener Hof ab:
„Wie Wir uns beschlosseU; den tot. tit. Graf en von
Friesen an Ew. Majestat abzuscliicken, sind Wir des Ge-
dankens gewesen, er wiirde die ihm aufgetragene Com-
»») Fttrst Dolgoruki.
>*) Vergl. das S. 139 angezogene Aktensttick, Bl. 277.
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144 0. von Schimpff:
mission in kurzem verrichten, mit* einer Ew. Majestslt ge-
wierigen Resolition bald wiederum zortickkommen, und
dann seine ordinairen Functiones bei unseren Armeen an-
treten konnen; gleichwie Wir aber vemommen, dass Ew.
Majestat Intention dahin gehet, vor Convertirung eines
Planes, wie dem Feinde gehorig zu begegnen, des Zaaren
Majest3,t erst dartiber zu consuliren und dessen sentiments
liber die operationes der bevorstehenden Campagne ein-
zuholen, wozu wegen Entfemung der Oerter eine geraume
Zeit erfordert wird, Wir aber inzwischen vorgedachter-
massen der Dienste obbemeldeten Unseres General-Majors
benothigt sind, so befinden Wir uns gemtissigt, denselben,
wie gern Wir ihn auch langer bei Ew. Majestat's Hoff
batten m5gen subsistiren lassen, wiederum zu rappeliren,
Wogegen Wir aber nicht ermangeln werden, jemanden
an Ew. Majestat abzuschicken*' u. s. w.
In Warschau war ubrigens schon vor dieser Zeit
insofem ein Umschwung eingetreten, als man den Be-
ziehungen zu Danemark nicht mehr die grosse Wichtig-
keit beilegte, wie im Herbst 1714. Flemming, der allzeit
unermiidliche Faiseur, war zur Herbeifuhrung einer Allianz
mit dem preussischen Kabinet im Dezember nach Berlin
gegangen und hatte sich von da mit Friesen in Kopen-
hagen in Korrespondenz gesetzt. Er schrieb, dass die v er-
handlungen mit Preussen einen giinstigen Verlauf zu nehmen
schienen und man bier Geneigtheit zeige, einen Vertrag
mit Sachsen abzuschliessen; auch mit England sei ein
Biindnis in Aussicht.
Noch unter dem 9. Marz ertheilt Flemming Friesen
den Wink, die Unterhandlungen mit Danemark ja nicht
zu tibereilen.
Es war um diese Zeit, dass die auf dem Riickmarsehe
von der Ttirkei nach ihrem Vaterlande begriffene kleine
schwedische Abtheilung sich der Grenze von Hannover
naherte, und man interessierte sich in Kopenhagen lebhaft
dafiir, ob der Kurfurst wohl dieser Truppe die Erlaubnis
ertheilen werde, das Gebiet seines Landes zu passieren.
In Sachsen schenkte man naturlich diesem 1500 Mann
stark en Zuge, welchen 1800 Pferde und 60 Wagen be-
gleiteten, nicht mindere Auftnerksamkeit, zumal sich dar-
unter eine unverhaltnissmassig grosse Anzahl Generale
und hohere Offiziere befanden, „unbewehrt und schlecht
montirt, aber feine Leute'', wie die dem sachsischen Hofe
erstatteten Berichte sich ausdrucken. Und wirklich so ge-
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Heinricli Friedrich Graf von Friesen. 146
waltig war noch immer die Schwedenfiircht in Sachsen,
dass diese HandyoU Abenteurer, die wie ein Meteorschwarm
an den Grenzen des Kurstaates. vorUberzogen, der Regie-
rung and demLande emsteBesorgnis einflOssten, and erstere
sich dadurch veranlasst fand, die aus 5 Kavallerie- und
8 Infanterie-Regimentem bestehende Besatzung Sachsens
noch um einige aus Polen herangezogene Regimenter zu
verstarken.
Nachdem die Abberufungsordre bereits in die Hande
Friesens gelan^ war, fand zwischen demselben und den
Staatsrftthen I^lst und Sehestedt am 18. Marz 1715 noch
eine Konferenz statt. Das Ergebnis derselben war aber
wieder ohne alle Bedeutung; ein falsches Gerlicht vom
Tode Karls XII., welches sich in Kopenhagen verbreitet
hatte^ trug sogar dazu bei, das dftmsche I^abinet noch
Torsichtiger zu machen. Der s^chsische Gesandte brach
die Yerhandlungen kurz ab, indem er nach Beantwortung
der ihm vorgelegten Fragen erklarte, er begreife nicht, wie
die Konferenz irgendwelchen Nutzen haben soUe, da er
noch gar nicht wisse, ob das mittlerweile durch Flemming
in Berlin zur Sprache gebrachte Exekutionsprojekt yon
Dtoemark gebilligt werde. Er legte den Ministern dabei
einen Auszug aus dem betreffenden Vertragsentwurfe vor
und stellte den Antrag, dass, da nunmehr der Schwerpunkt
der politischen Frage nach Berlin gefallen und die Koo-
peration Preussens und Englands unerlftsslich sei, das da,-
nische Kabinet seinem Vertreter in Berlin mittheilen moge,
was es Ton dem fraglichen Projekte halte und was es zur
Ausfuhrun^ desselben beizutragen willens sei.
Die Ifinister erklftrten ihre Bereitwilligkeit, diesem
Antrage zu entsprechen, und man trennte sich hierauf
unter dem Austausche der gewohnlichen Hoflichkeitsver-
sicherungen.
Der KOnig von Dftnemark verleugnete bei der Ab-
schiedsaudienz, welche er Friesen gewahrte, nicht seine,
diesem stets bewiesene huldvoUe Liebenswiirdigkeit, indem
er demScheidenden versicherte, dass, wenn dieser nicht zum
Dienst im Felde bestimmt ware, er den Konig von Polen
ersuchen wiirde, Friesen auf seinem Posten in Kopenhagen
zu belassen. Der letztere hebt in seinem Gesandtschafts-
bericht dankend hervor, dass die von der sachsischen Diplo-
matic in Berlin und London durch die abgeschlossenen
Vertrage erzielten Vortheile auch zuletzt noch seine eigenen
Bestrebungen wesentlich untersttitzt h'atten; auch der Be-
Neues Archiy f. 8. G. u. A. II. % 10
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146 0. Yon Schimpff:
' mlihnngen des russischeii; wie des englischen Gesandten
zu Gonsten SachsenB gedenkt Friesen mit warmer Er-
kenndichkeit Ohne ftir sich ein Verdienst daraus absu-
leiten und ohne das Fehlschlagen seiner Sendung beman-
tebi za wollen^ spricht er doch die Ueberzeugtmg atia^
dass im allgemeinen jetzt bei seinem Weggange die
Gesinnungen Danemarks gegen Sachsen besser und auf-
richtiger seien, als er dieselben bei seiner Ankunft ge-
fcinden.
So endete die diplomatische Sendung Friesens, deren
Hauptzweck durch die mittlervreile eingetretene gUnstigere
O^taltung der politischen Verhftltnisse im allgemdnen
die derselben nrspriinelich beigelegte Wichtigkeit verloren
hatte. Der Minister Werthem konnte daher auch den
liber das Fehlschlagen seiner Bestrebungen noch immer
etwas Betretenen unter dem 30. Ma,rz 1715 mit folgenden
Worten trosten:
„Sie kOnnen Uberzeugt sein^ dass Seine Majestftt der
Konig von dem Verhalten, welches Sie bis jetzt am da-
nischen Hofe beobachtet haben^ ganz befriedigt ist; zu-
verlassig wird man nicht Ihnen die Schuld beimessen
dUrfeu; wenn Ihre Sendung nicht den Erfolg haben soQte,
den man sioh von derselben versprach. Sie branchen
sich darUber nicht im geringsten weiter zu beunruhigen.''
Die letzte Beziehung Friesens zum danischen Kabiuet
ist ein Brief an den Minister Sehestedt, in welchem er,
bereits auf der Rttckreise begriffen, den 8. April von
Hamburg diesem mittheilt, dass 8000 Mann Sachsen Ordre
erhalten h&tten, sich mit den Preussen zu vereinigen,
„woraus der danische Hof ersehen moge, dass wir an
einer prompten Expedition, dem Feinde Widerstand zu
thun, es nicht ermangeln lassen^.
Wenn wir auch durchaus keinen Grund haben > an
Werthems Versicherung, dass man flir das Misslingen
der Kopenhagener Mission Friesen niemals verantwortlich
machen werde, zu zweifeln, ja, wenn wir denselben so^ar
seitdem in der Gunst seines Monarchen von Tag zu Tag
steigen sehen, so ist es doch aufFallend, dass er, der uns
seiner Natur nach zum Diplomaten vorzugsweise bestimmt
scheint, nie wieder mit einem ahnlichen Geschaft betraut
ward. /
Zunachst kehrte Friesen nach der Einreichung seines
Rechenschaftsberichtes wieder in die Reihen der Armee
zurtlck, und es beginnt damit fur ihn im Feldzuge 1715
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Heinrich Ftiedricb Qnd ton Friesen. 147
in Potntnern die Zeit seiner trefflicluiten Leistungen als
Soldat
Wie schon enrtthnt, war es den Bemtthungen Flem-
mings in Berlin igehingen, den Konig Friedrich Wilheltn I.
von Preussen; der zwar nnr fUr seine Armee tm leben
sdiien, snin Eriege aber stets geringe Neigung zeigte,
mm AbschluBse des Vertrages vom 9. Febfnar 1715
zn nberreden, der die Grundlagen des Traktitos vom
6. Oktober 1713 beetHtigte. D^zufolge maditen sich
Preofisen mid Saohsen verbindlich; sich im Falle ernes
Wiederansbruches des Erieges gegenseitifl^ zu unter-
sttiizen, and es worde zu diesem ^wecke die Aa&tellnng
nachstehender Streitkrafto beschlossen: preussisdierseits
zwischen Weichsel mid Weser 36 Bataillone, 24 Schwa-
dronen^ mklisischerseits innerhalb der Landesgrenzen
16 Bataillone^ 24 Schwadronen imd in Polen 8 Bataillone^
23 Schwadronen.
Bevor man jedoch zu weiteren emstenlfassregehi schritt,
mtisste; wie sich Friedrich Wilhelm L ausdriicklich be-
dmoigen, nnter seiner Vermittlmig erst noch der Weg der
Qttte versacht werden. Aber Earl XII. wies die preussi-
schen VorscblUge trotzig ab^ erklarte die Besetzimg und
Semiestriermiig Pommems fbr einen rechtswidriffen Ein-
griff in seine Recbte als Landesherr mid ergnff zuerst
die Offensiye, indem er die prenssische Besatzung der
Insel Usedom Tertrieb*
Nmfi e&dlich beschlossen die Verbiindeten, ihre Tmppen
bei Stettin zu yereinigen und den schwedischen Ueber-
muth zu ztigeln.
In Sacnsen war bereits am 15. Februar 1715 der
Eompletierungs- und Marschbefehl an die Truppen er-
gangen, welche in der S&rke von 8124 Mann, einschliess-
uch 2110 Pferde und 6 Geschiitze; in einem Laser bei
Lubben zusammengezogen und dem Eommando aes Ge-
nerals Grafen Wadkerbarth unterstdh wurden^ den man
zu diesem Zwecke von seinem Gesandtschaftsposten in
Wien herbeirief. Unter ihm befehligten: der General
der Infanterie von Wilke, die GeneraUieutenants von
Milckau und von Seckendorff und die Generalmajore von
EichstAdt, von Ztthlen, Prinz von Wttrttemberg, Graf
Caotell-Remlingen und Gb*af Friesen.
Nachdem am 28. April das mobile Eorps von dem
auB Berlin hierzu eingetroffenen Feldmarschail Flemming
bei Lubben gemustert worden wmt, trat dasselbe am fol-
io*
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148 0. von Schimpff:
genden Tage in zwei Kolouuen den Marsch nach dem
Kendezvous bei Stettin an, wo die erste Kolonne am 9.,
die zweite am 12. Mai bei dem Gros der preussischen
Feldarmee von 25000 Mann witer dem Generalfeldmar-
Bchall von Wartensleben eintraf.
Schon am 13. Mai musste der Generalm^or Prinz
von Wttrttemberg mit dem Dragoner-Eegiment Flemming
mid den Infanterie-Regimentern Seckendorff und Friesen
nach der Insel Wollin zur Verstarkung der daselbst miter
dem General von Arnim stehenden preussischen Truppen
abgehen^ um sich, vereint mit den letzteren; in den Be-
sitz der noch von den Schweden behaupteten Insel Use-
dom zu setzen, sobald der Vormarsch auf Stralsmid er-
folgen wiirde.
Bevor dieser jedoch von dem verbiindeten Heere an-
getreten wurde, fanden vor dem im Lager von Stettin
anwesenden K5nige von Preussen am 15. Mai und 8. Juni
grosse, mit ManOvern im Feuer verbundene Revuen statt,
welche dein Soldatenkonige Gelegenheit boten, sich Uber
die Leistimgen der sachsischen Truppen sehr befriedigend
auszusprechen. Dass die gegenseitigen Manover „tout au
nature! executirt" wurden, geht schon daraus hervor, dass
bei denselben ftinf Verwundungen vorkamen. Die gute
Laune Friedrich WiUielms wurde noch erhoht, als Flem-
ming, der nun auch im koniglichen Hauptquartier an-
gelangt war, in richtiger Wtirdigung des allerhochsten
Geschmackes ihm neun „grosse Kerle", die l&igsten Leute,
die man im s3.chsischen Heere auftreiben konnte^ zum
Prftsent machte.
Den 23. und 24. Juni endlich setzte sich ein Avant-
fardenkorps von 16 Bataillonen und 4 Escadrons mit
Geschlitzen gegen Stralsund in Bewegun g; den 28.
folgte das Gros der verbiindeten Armee; ein Widerstand
wurde dem Vormarsche vom Feinde nirgends bereitet
Dieser hatte mit 10000 Mann unter dem General Diicker
Stralsund besetzt; 1400 Mann befanden sich auf RtigeU;
8000 auf Usedom, wo der Konig Karl XTT. selbst das
Kommando fuhrte. Nachdem bei Piitte (dreiviertel Meile
ostlich von Stralsund) noch die dftnische Armee unter
Feldmarschall Scholten zu den Verbundeten gestossen war,
rttckten dieselben, jetzt 74 Bataillone und 118 Escadrons
stark, am 15. Juli in das Lager von Stralsund, wo die
Sachsen ihren Platz auf dem rechten Flligel einnahmen.
Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo man die
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Heinrich Friedrich Graf von Fri«sen. 149
durch die Besetzung der Insel Wollin vorbereitete Ver-
treibung der Schweden von Usedom ins Werk setzen
konnte. Die Untemehnmng^ an welcher von den Sachsen
Abtheilungen der Begimenter Anspach-Flemming, Secken-
dorff und Friesen betheiligt waren^ erinnert in ihrer Ans-
ftihrong ein wenig an die Eroberung Alsens im Jahre
1864; auch hier gait es, vor Tagesanbruch einen Meeres-
arni; denn einem solchen gleicht die Swiene zwischen
dem Grossen Haff und der Ostsee^ unbemerkt zu liber-
schreiten und den Feind durch Ueberraschung aus seinen
Stellungen zu vertreiben. Der Uebergang erfolgte in der
Nacht vom 30. zum 31. Juli 1715; die Keiterei bewirkte
denselben zumeist schwimmend ; die Infanterie wurde in
Kftlinen iibergesetzt. Das kuhne Untemehmen gelang
liber Erwartung. Karl XII. musste sich, nachdem seine
Infanterie durcn die Kavallerieattaken der Verbtindeten
schwere Verluste erlitten, einschiffeu; das Fort Swiene-
miinde ergab sich; die ganze Insel bis auf das von den
Schweden behauptete Fort Peenemtinde fiel in die Hande
der Sieger, welchen die wichtige Eroberung nur sehr
geringe Opfer kostete.
Peenemtinde wurde nun regelmassig belagert, aber
schon am 22. August, als man sich mit den LaufgrS^ben
noch 400 Schritt vom Graben befand, erfolgte unter dem
Befehle des sSx^hsischen Generalmajors Prinzen von Wtirt-
temberg mit 1137 Mann ein Sturmangriff. Von den beiden
sachsischen lufanterie-Regimentem Seckendorff und Friesen
nahmen, unter personlicher Anwesenheit ihrer Inhaber,
Abtheilungen an dem Sturme theil. Da eine Bresche
noch nicht gelegt war, so konnte die schwierige Aufgabe
nidit ohne blutige Opfer gelost werden; erst nach drei-
stUndigem Kampfe gelang es den Anstrengungen der
Sttbrmenden^ sich des Platzes zu bema^chtigen^ nachdem
mehr als die Hftlfte derselben, 706 Mann, getodtet oder
verwundet worden waren. Die Sachsen allein verloren
6 Offiziere und 72 Mann an Todten, 5 Offiziere und
155 Mann an Verwundeten. Die Regimenter Seckendorff
und Friesen, welche diesen Verlust allein getragen hatten,
wurden zu ihrer Wiederherstellung und Erholung ersteres
nach Greifswalde, letzteres nach Aiiklam in Gamison ein-
gelegt; von wo sie erst im Oktober abgelost wurden, um
vor otralsund bei der Belagerung verwendet zu werden.
Das Friesen'sche Regiment, welchem Anfangs Sep-
tember in Anklam durch seine vier aus Sachsen einge-
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150 0. von Sehimpff:
troffenen Ersatzkompagnien eine dringend nothige Ver*
starkung zugefiihrt worden war^ hatle wfthrend seiner
Sesenrestellang weni^ veraaumt; denn die Heranfiihraiig
das Belagenmgsgeschlitzefi verzOgerte sidi bis in den
Oktober hinein, und die Eroberong von Biigen, welche
dem emsten Angriffe auf Stralsund vorausgehen soUte^
hatte, des schleohten Wetters und widriger Winde halber,
noch nicht in AusfUhrung gebracht werden konnen.
Da hier auf eine Beschreibung der Belagerung von
Stralsund nur insoweit eingegangen werden soli; als es
sich um die Betheiligung des Generalmajors Friesai per-
sonlich Oder um die seines Begimentes handelt, so sei nur
in der Kiirze erwfthnt, dass die Erofinung der Laufgrliben
in der Nacfat yom 19. zum 20. Oktober erfolgte. Der
General Wackerbarth^ ein sehr kenntnisvoller Ingenieur,
befehligte den rechten FlUgel der Belagerungsfront (Attake
nach damaliger Kunstspraehe); welcEe von preussischen
und sachsischen Truppen besetzt war; die dtoische AttaJce
des linken Flugels stand unter dem Feldmarschall von
Scholten.
Den 15. November gelangte die langst geplante und
immer versclu>bene Unternehmung gegen Rugen mit Htilfe
der danischen Flotte bei Stresow zur Ausftihrung. Von
den Sachsen nahmen nur zwei Escadrons des Dragoner-
Begiments Anspach-Flemming und die Infanterie-Begi*
menter Konigin^ Koniglicher Prinz^ Weissenfels imd Ka*
vanagh daran Antheil; es kam die sachsische Infanterie
jedocn nicht mit ins Feuer^ die Dragoner dagegen zeich-
neten sich sehr aus und batten nicht unbetnUshtlichen
Verlust. Karl XIL, der im Kampfe verwundet wurde
und zwei Pferde unter dem Leibe verlor^ hatte ver^ebens
sich erst an die Spitze der Beiterei^ dann an die der In*
fanterie gesetzt und seine Truppen selber mit gezogenem
Degen vorgefiihrt; er musste sich mit dem Beste der
Besatzung von Bugen^ kaum 2000 Mann, nach Altfehr
zuruckziehen, von wo er sich mit dieser kleinen Schaar
mitten durch die dftnische Flotte hindurch zu Schiffe
nach Stralsund rettete.
Trotz der unglinstigen Witterung, unter der die
Truppen in den unter Wasser stehenden Laufgraben stark
litteU; fbrderte Wackerbarth die Belagerungsarbeiten docb
mit ebensoviel Energie als Umsicht. Als man mit der
Sappe gegen die drei aussprengenden Winkel des Horn-
wer&s soweit vorgeschritten war, dass der Storm auf deo
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Heinrich Friedrieh Graf Yon Friesen. 151
gedeckten Weg desBelben einige Aussicht auf Erfolg bot;
worde der Generallieutenant von Seckendorff beauftragt,
den Angriff mit kommandierten Abtheilungen der drei
verbtindeten Armeen auszufuhren. Dergelbe erfolgte den
5, December Nachmittags 4 Uhr, und trotz des tapfem
Widerstandes der Schweden gelang es den Sturmenden^
sich auf der Contreescarpe festzusetzen. Aber auch dieaes
Untemehmen musste mit dem Yerloste von 75 Todten
und 275 Verwundeten theuer erkauft werden; von den
Sachsen waren 2 OfGziere cind 16 Mann todt auf dem
Platze geblieben, der Generabnajor Graf Castell, 2 Kapi-
tane und 32 Mann verwundet
Nun konnte in der Nacht vom 7. zum 8. Dezember
zurAuBfUhrung derBresehebatterien vorgeschritten werden;
vom 12. an b^ann das Brescheschiessen gegen das Hom-
werk und die Tenaille. Wackerbarth, dessen Eifer und
Geschicklicbkeit nicht genug Lob gespendet werden kann^
da er bis ins Detail alles personlich leitete, bat nun^ als
einige gangbare Breschen nergestellt waren, den KOnig
um die Genehmigung zum Sturme auf das Homwerk una
die Tenaille. Die Ausfubrung wurde dem Generabnajor
Friesen ubertragen; gleichzeitig stellte man demselben
fiir die erste Linie 1000 Mann I^reussen und Dtoen, fiir
die zweite Linie 1000 Mann Sachsen zur Verfllgung,
welche letztere aus alien acht Infanterie-Regimentem kom-
biniert und dem Kommando des Obersten von Schlottenbacb
unterstellt waren. Das Vorriicken begann den 17. Dezember
Nachmittags 2 Uhr in vier Kolonnen, von denen die erste
gegen die recbte Flanke des Homwerkes, die zweite gegen
die Tenaille, die dritte gegen die linke Flanke des Horn-
werkes und endlich die vierte Uber das Eis des Grabens
langs der langen Seite des Homwerkes vorgingen, die letz-
tere mit der besonderen Bestimmung, den Feind im Bticken
zu nehmen. Vormarsch und Angriff erfolgten „mit fermet^
und ausgezeichnetem Muthe^, ungeachtet der jpersonlichen
Anwesenheit des Kdnigs Karl XIL in der Tenaille und
der todesverachtenden Energie, welche er, wie kaum je
ein Feldherr vor oder nach ihm, dem Widerstande seiner
Truppen einzuflossen verstand. Die beiden angegriffenen
Werke wurden genommen und behauptet; 20 Geschiitze
und ein grosses Pulvermagazin fielen in die Hllnde der
Sieger. Friesen war fiir seine Person den Angreifem
mit glftnzendem Beispiele vorausgegangen; er und der
tapfere Oberst von Diemar befanden sicn unter der Zahl
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152 0. von SchimpfF:
der Schwerverwundeten. Die Sachsen allein verloren
1 Fahnrich und 24 Mann an Todten und, ausser den ge-
nannten beiden hoheren Offizieren, noch 15 andere und
175 Unteroffiziere und Gemeine an Verwundeten,
Sehr ansehnliche Opfer kostete noch am folgendea
Tage, am 18. Dezember, ein gleichfalls vom Konige per-
sonlich ausgefuhrter Ausfall der Schweden auf das Horn-
werk, der nach einundeinhalbstUndigem Gefechte mit dem
Riickzuge derselben endete.
Dem von Wackerbarth mit des Konigs Genehmigung
auf den 20. Dezember festgesetzten Sturm auf den Haupt-
wall kamen die Schweden durch die Einleitung von Unter-
handlungen zuvor, und am 22, Nachmittags 2 Uhr sohlug
die Besatzung Chamade^ nachdem in der vorangegangenen
Nacht Konig Karl XII. die Stadt verlassen hatte und
nach Schweden abgereist war. Ohne Schwierigkeiten
wurde nun auch mit dem Kommandanten von Stralsund,
General Dticker^ die Kapitulation zu Stande gebracht;
die Gamison, von welcher gegen 2000 Mann in den Spi-
talern lagen^ wurde bis auf 1000 Mann^ denen man freien
Abzug nach Schweden gewahrte, kriegsgefangen. Schon
am Tage darauf; den 24. Dezember^ erfolgte die Besetzung
der Stadt durch die Danen.
Die Sachsen batten sich durch ihre Ausdauer und
ihre treflfliche Haltung bei alien an sie gestellten erheb-
lichen Anforderungen -des beschwerlichen Belagerungs-
dienstes vor Stralsund die voUe Zufriedenheit des Konigs
von Preussen erworben; dem General Wackerbarth hat
derselbe die hier geleisteten erspriesslichen Dienste nie
vergessen und bis zum Grabe durch eine bei dem so
rauhen, ja harten Gemtith des Soldatenktoigs doppelt
riihrende Freundschaft belohnt'*)
Die Belagerung von Stralsund hatte dem sachsischen
Korps allerdings schwere Opfer gekostet: 11 Offiziere und
291 Mann an Todten, 37 Offiziere und 685 Mann an Ver-
wundeten. Aber mit dem Falle dieser Festung war nicht
nur das letzte BoUwerk Karls XII. in Deutschland ge-
brochen, sondern auch, flir den ktihnen Eroberer ein noch
Bchmerzlicherer Verlust, die Wunderkraft seines gefarch-
■*) In seinem Schreiben an den Kdnig von Polen sagt Friedrich
Wilhelm tlber Wackerbarth: „Ich mass demselben billig den Rahm
beilegen, dass man ihm vomehmlich die glQckliche Eroberung von
Stralsund zusfiuschreiben habe.'*
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 153
teten Namens; ]fiir Sachsen endete mit der Uebergabe
Stralsunds der dem Fursten, wie dem Volke so verhtog-
nisToUe nordische Krieg.
Wfthrend aber hier an der Ostsee das Kri^afeuer
zur Freude des gequftlten Kurstaates erlosch, loderte in
Polen bereits wieder die belle Flamme der Empdrun^ auf.
Sohon Anfangs Oktober waren von dem Belagerungsheere
vor Stralstind die drei KUrassier-Regimenter und das
Dragoner-Leibregiment abberufen worden and batten
onter dem Befeme des Oenerallieutenants yon Milckau
nach dem Posenscben marscbieren miissen; den 31. De-
zember 1715 folgte dahin aucb der iibrige, nacb Beendi-
gung des Krieges in Pommern yerwendbar gewordene
Best des sftchsischen Korps^ 8 Infanterie- and 2 Dragoner-
Begimenter, erstere zasammen 6131 Mann, letztere 472 Mann
stark.
Dieser nacb Polen abrttckenden Trappenabtheilangen
harrte eine der schwierigsten militftrischen Aafgaben: die
Pacificierang eines weitlUafigen, mit scUechten Eommani-
kationen versehenen, schwachbevOlkerten Landes, dessen
nocb aaf einer sebr tiefen Eolturstafe stehender, in der
blindesten Abbftngigkeit yon Adel and Geistlichkeit aaf-
erzogener Baaemstand sieb yon einer^ jeder staatlicben
Ordnang grundsfttzlicfa abgeneigten, zum Treabruche and
za jeder Art yon Gewaltthfttigkeit stets bereiten Aristo-
kratie aas einem Eampfe gegen die ^setzlicbe Staats-
gewalt in den anderen treiben Hess. Den Vorwand zu
den sogenannten Eonfoderationen des Adels^ welche in
der unglucklichen Verfassang der sogenannten Repablik
eine gewisse Sanktion fanden, and der en Haapter^ onter
sich stets aneinig; nar dann sofort in Uebereinstimmang
bandelten^ wenn os die Bekftmpfang der koniglicben Aa-
torit&t gait, masste, wie bisher immer seit der Wahl
Augusts II., die Beschwerde ttber die aaf dem Boden der
polnischen Repablik yereinigten sacbsischen Trappen her-
Sben, deren Anwesenbeit yon den Aafrlibrem als Ver-
ssungsbrach bezeicbnet ward. Nan batte sich allerdin^s
August n. durch die yor seiner Wahl yon ihm unterzeich-
neten Pacta conyenta yerbindlich gemacht, fremde Truppen
nicht nach Polen zu bringen, aber difi Verbultnisse standen
jetzt so, dass eine Zuriickziehung der sachsiscben Regi-
menter mit einer Verzicbtleistung aaf die Krone gleich-
bedeutend gewesen wftre, denn sie allein gewllhrten der-
selben einigen Schutz and yerhiiteten, dass der Aufruhr
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154 0. Yon Schimpff:
sich nicht in vollen Flammen tiber das g^anze Land ver-
breitete.
Man wird lebhaft an die letzte Erhebung Polens
gegen Russland im Jahre 1863 erinnert^ wenn man die
Schilderungen der Berichte von 1715 und 1716 liest, von
dem pl5tzlichen Anftauchen und Wiederverschwinden
grosser Insurgentenmassen, von der en heimttickiscben
Ueberfallen, dem Terrorismus^ dorch den man die Volks*
menge wider deren eigentlichen Willen zur Theilnahme
zwang, den Pliinderungen, Vertragsbriichen und Gewalt-
thatigkeiten, welche die Kriegflihrung der Polen charak-
terisierten. Den Sachsen war dieselbe um so verhassteri
als eigentliche Schlachten und Gefeebte nur selten ge-
liefert wurden, und dennoch die Truppen nur ausnahms-
weise zur Ruhe kamen, da der Verrath in alien Ecken
um sie lauerte. Einer solchen Kriegsmethode gegeniiber
blieb, zumal bei der grossen Ausdebnung des insurgierten
Landes und dem Mangel bestimmter Operationsobjekte,
zur Bekampfung der Gegner kein anderes Mittel, als die
bftufige Entsendung mehr oder minder starker Kolonnen
nach den verschiedensten Richtungen, um Truppenansamm-
lungen zu zerstreuen, die Uebelgesinnten einzuschticbtern,
die Treugebliebenen gegen Unbilden zu schutzen und
rlickstandige Abgaben einzutreiben. Es liegt auf der
Hand, dass ein solcher Dienst fiir die Truppen ein sehr
anstrengender war; die ganze Natur dieses Krieges aber,
der besUlndige Kampf mit Verrath, Untreue und Heim*
tiicke, verwilderte auch dieselben in bedenklicher Weise,
indem er ibnen auf Tritt und Schritt zu eigenmftchtigen
und gewaltsamen Repressalien Anlass gab.
Friesen, von seiner Verwundung nur nothdtirftig ge-
heilt; traf um die Zeit des Waffenstillstandes von Kawa,
also gegen Mitte Januar 1716, in Polen ein und wurde
bier vom Feldmarschall Flemming in das Palatinat Sen-
domir mit dem Auftrage gesendet, daselbst die riiokstan*
digen Steuem einzutreiben, ein Magazin zu errichten, die
Verbindung zwischen Warscbau und Krakau zu erhalten
und die Weicbseltibergange zu bewachen, um die Kom*
munikation der Konfdderierten iiber diesen Fluss hinweg
mdglichst zu verhindem. Die Streitkrafte, welche Friesen
fUr diese schwierige Aufgabe zur Verftlgung gestellt
wurdeii, bestanden aus 6 Kompagnien Dragoner und
12 Kompagnien Infanterie, letztere zum grossen Theil
Polen, mithin hochst unzuverlassig und nur durch strange
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 155
Disziplin zusammenzuhalten. Mit dieser kleiaen Abthei-
long natte er nicht bios Sendomir, sondem aach Novemiasto^
zelm deatflche Meilen oberhalb^ und Janowice^ ebenBo-
weit imterhalb; alle drei Orte wichtige Uebergangspunkte
der Weichflel, zu besetzen ; die Verpflegung war dabei
hochst mangelhaft und die Verbindung nur mit den beiden
Hauptpunkten Warschau und Krakau einigermassen ge-
aichert.
Weder der WaffenstilUtaiid von Bawa^ noch der auf
dem Kongresse zu Lublin am 13. Juni feierlich beschworene
Waffenstiufitand wurde Ton den Konfoderierten eingehalten;
ohne sich im geringsten an die Vertrftge zu kehren,
setzten die £mporer im Posenscben den Krieg im grogsen
Masfistabe fort, wfthrend sie andere degenden durch Streif-
und Eaubzlige, Mord und Plttnderungen nach wie vor in
Schrecken setzten.
Wider Erwarten war in Friesens Bereiche bis zum Juli
1716 keine wesentliche Storung vorgekommen. Den Waffen-
stillstandsvertrag von Lublin erhielt derselbe mit der War-
nung zugefertigt, sich in seiner bisherigen Vorsicht nicht
beirren zu lassen^ und wirklich nahete sich ^erade jetzt
ein Korp Konf5derierter fOnf Meilen unterhalo Sendomir
der Weichsely so dass die nach Warschau abgregangenen
Lebensmittelsendungen von Kommandos begleitet werden
museten.
Die so schwierige Lage Friesens wurde noch dadurch
verschlimmert, dass man seine Kavallerie zu einer anderen
Verwendung abberief und ihn dadurch des Mittels be-
raubte; Nachrichten ttber die Annaherung der meist be-
rittenen Insurgentenbanden rechtzeitig einzuziehen. Einer
solchen unter der Ftihrung eines gewissen Laszieczewski,
Edelmannes von Geburt und Strassenrftubers von Pro-
fession, wurde es unter diesen Umsttoden m5glich^ sich
der Stadt Sendomir heimlich zu nfthern und von dem
Weideplatze die noch wenigen, der Gamison gehorigen
Pferde wegzufilhren.
Feldmarschall Flemming erhielt die Meldung von
diesem unangenehmen Vorfeule in Lublin, wo mit dem
daselbst versammelten Landtage die Verhandlungen zur
Herstellung des Friedens fortgeftthrt wurden, und gab in
seiner Antwort Friesen auf Grund der Uber Laszieczewski
aagestellten Erkundigungen den Rath, „de faire pendre,
coinme des voleurs de grand chemin, ceux qu'il trouvait
avoir voiW la t^8ve'^
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156 0. von Schimpff:
Wenn Flemming bei Ertheilung dieses Rathes etwa
stillschweigend Toraussetzte, Friesen werde denselben nicht
ganz dem Wortlaute gemass auszufiihren wagen, so hatte
sich der sonst so schlaue Feldmarschall und Diplomat in
der Person gewaltig geirrt. Friesen wusste, dass in Opa-
tow, kaum vier Meilen von Sendomir; die Hauptver-
schworer versammelt waren, und ein Kommando, das er
dahin entsendete, brachte, wie er richtig vermuthet hatte,
den Laszieczewski -nebst drei andcren J^delsfiifarem nach
Sendomir zuriick.
Auf seine privilegierte Stellung als polnischer Edel-
mann vertrauend; mag Laszieczewski bei dem Verh5r,
welchem er unterzogen wurde, mit grosser Zuversicht
aufgetreten sein^ indem er dreist zagab, der Pablikation
des Waffenstillstandes personlich mit angewohnt zu baben.
Dies ^entigte Friesen, mn als Friedensbrecher und Rauber
zum Strange zu verurtheilen und auch wirklich am 23. Juli
1716 auf offenem Markte in Sendomir henken zu lassen.
Ein Schrei der Entrtistung ging bei der Nachricht
yon dieser strengen, aber muthigen und energischen Mass-
regel Friesens von einem Ende Polens zum anderen. Der
ganze Adel fUhlte sich in der schimpflichen Exekution
eines seiner Glieder aufs tiefste beleidigt; ein Sturm
heftiger Interpellationen richtete sich in Lublin gegen
Flemming. Friesen hatte deraselben von der Verurthei-
lung und Hinrichtung Laszieczewskis sogleich offizielle
Nachricht zugehen lassen, wobei er diskreter Weise die
Massregel als ein nothwendiges Exempel zur Unter-
driickung der frechen Gewaltthatigkeiten und Raubereien
ganz auf seine eigene Verantwortung nahm, wfthrend er
es daneben doch fiir ^erathen hielt, sich in einem Schrei-
ben an den SekretUr des Feldmarschalls ausdrlicklich auf
dessen klaren und biindigen Befehl zu berufen. Friesen
war daher keineswegs Uberrascht, als Flemming dem
wtisten Geschrei und den Drohungen der polnischen
Landboten gegeniiber von der Diskretion seines Unter-
gebenen den ausgiebifi^sten Gebrauch machie und alle
Schuld des bedauerlichen Missverstandnisses auf diesen
schob. Unter dem Vorwande, die Sache an Ort und
Stelle untersuchen zu miissen, entzog sich der schlaue
Diplomat den weiteren Zomausbriichen des erregten Land-
tages und begab sich nach Sendomir, wo er Friesen noch
am Tage seiner Ankunft mit Arrest belegte, angeblich
nur, ^weil er den ihm vom Feldmarschall gegebenen
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 157
Rath, nicht offentlich zu erscfaeineuy unbeachtet gelassen^.
Friesen » dessen mannlich-unersdbrockene That innerhalb
des sftcfasischen Heeres ungetheilte Billigung erfdhr, liess
alles dies ruhig iiber sich ergehen und verantwortete sich
in Ruhe vor dem Kriegsgericht in Warschau, welches
man, urn die Aufregung der Polen zu beschwichtigen,
unter Wackerbarths Vorsitz liber ihn niederzusetzen be-
liebte. Auch liess er sich durch den von dem Kriegs-
gerichte iiber ihn gefftUten Urtheilsspruch, der auf Ver*
lust seiner Stellung und achtjfthriges Gefangnis lautete,
um so weniger beirreu; als eine Puolikation desselben an
den Beklagten vorlaufig nicht erfolgte. Durch den General
Wackerbarth liess jedoch Friesen den FeldmarschaU noch-
mals darauf aufmerksam machen, dass er sich zu seiner
Vertheidigung auf dessen Befehl in der bewussten An-
gelegenheit nur darum nicht berufe, well er dies nicht
nSthig zu haben glaube, worauf ihm vom Vorsitzenden
die sonderbare Antwort ertheilt wurde, dass dieser Um-
stand auf die Ansicht des Kriegsgerichts von keinem Ein-
flusse sein kOnne> „da ein Vorgesetzter berechtigt sei, seinen
Befehlen jede Auslegung zu geben, welche er flir gut be-
fande".
Als sich der erste Sturm auf dem Reichstage und im
Lande etwas gelegt hatte, wurde die Untersuchung gegen
Friesen einem anderen Elriegsgerichte tibertragen, welches
in dem Verfahren des Angeklagten an sich nichts Gesetz-
widriges erblickte, wohl aber, den ihm ertheilten geheimen
Instnmtionen gemftss, einen Missbrauch seiner Dienst-
gewalt darin erkennen woUtC; dass Friesen sich um den
Stand des Verurtheilten als Adliger nicht gekttmmert
und in Folge dessen nicht um Verhaltungsbefehle gebeten
habe. Das Urtheil fiel wesentlich milder aus, als das
erste, und lautete bloss auf sechs Monate Suspension
Friesens von seiner milit&rischen Charge.
Es begann nun zwischen Friesen und Flemming eine
Differenz, in welcher sich der letztere, dem sonst klein-
liche Berticksichtigung des Geldpunktes nicht zum Vor-
wurf gemacht werden konnte, nicht eben im anst&ndigsten
Lichte zeigte. Die Witwe des Laszieczewski hatte sich
nftmlich erboten, auf alle weiteren Ansprtiche in der fiir
die kOnigliche Partei so unangenehmen Angelegenheit
ihres Gatten zu verzichten, wenn man ihr riir dessen
Verlust ein Schmerzensgeld von 1000 Thalem auszahle.
Diese Entschftdigung woUte Flemming von sich ab auf
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158 0. von SchimpiF:
Friesen wftlzen^ indem er diesem bei Er5ffnung des zweit^
Erkenntnisses in Anssiclit stellte^ das erste Urtel aoUe nr
nicht rerOffentlicht werden, wetin er sich znr ZaUung d^r
1000 Thaler bereit erklare, und da Friesen sich desdeii
weigerte; wurde nach Fublikation des ersten strengeren
Uriels die Sache zur Entscheidung dem KSnige vorge-
tragen, Friesen reichte mm seine Vertheidigungsschrift —
natdrlich in franzQsischer Sprache, in welcher er Kraft
und WUrde des Ansdrucked mit Eleganz und Qewandt-
heit des Stales verband — gleichfalls an d^i K5nig ein^
und es scheint die beabsichtigte Wirkung avf den Mo-
narchen nicht verfehlt zu haben, wenn er in fieinem
Schreiben die mannliche E^klarung giebt: „que s'il avait
refuse autrefois de rien faire pour d^toumer la publication
d'une sentence, il croyait a cette heure, aprte avoir en-
tendu sa condamnation^ pouvoir sans blesser son honneur
donner ce qu'on demanderait; qu'il ^tait permis k un
homme d'honneur de donner tout son bien^ pour se ra-
cheter de prison; mais pour d^tourner Texamen de m§me
que le jugement de sa conduite, les demises extr^mit^
ne pouvaient lui faire ddbourser un sol; que le Comie de
Flemming n'avait ainsi qu'k disposer de tout ce qtfil ju-
gerait k propos".
Konig August scheint nicht nur iiber das Verhalten
Friesens in der Laszieczewski'schen Angelegenheit im Stillen
voile Zufriedenheit empfunden zu haben, sondem es diirfte
kaum zu viel gesagt sein, wenn man behauptet, dass von
diesem Ereignisse an, bei welchem sich die uneigenntitzige
Hingebung desselben flir das Interesse seines Fiirsten im
hellsten Lichte offenbart, Friesen der Liebling des ihm
anfangs so wenig geneigten Konigs wurde. ZunSchst sah
dieser von einer leden VoUstreckung des wider Friesen
gefallten Uriels ab, hob dessen Arrest auf und nahm die
Aufwartung desselben in Gnaden an; die Entschitdigung
der Witwe Laszieczewski mag wohl dem geheimen Fonds
tiberwiesen worden sein. Obwohl aber Kttnig August 11.
nicht wieder auf diese Angelegenheit zuriicklam, ffihrte
dieselbe doch in der Folge noch manche Unannehmlichkeit
flir Friesen herbei.
So z. B. theilt der Minister Manteuffel unter dem
30. September 1718, also zwei Jahre nach dem Ereigmsse
in Sendomir; von dem Landtage in Grodno in einem im
koniglichen Hauptstaatsarchive zu Dresden verwalirton
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 159
SdireibeB^*) mit; dass Friesen aa der Tafel des Prinzen
Wisniowiecki gleichzeitig mit den Landboten von Sen-
domir zur Tafel geladen worden sei^ wobei ihn der diskrete
Witth, der die Erbitterung des polnischen Adels gegen
Frieseoi kannte^ als einen Bruder des Grafen Vitzthum
vorgestellt babe. Als aber gegen Ende des Mahles ein
Pole absicfatlich oder im Weinrausche Friesen bei seinem
wahren Namen anredete, entstand unter den Landboten
eine sol<^e Aniregang, dass der ehemalige Kommandant
yon Sendomir wahrscneinlich niedergesHbelt worden w&re,
wenn der Prinz Wisniowiecki ibn nicht in seinem Uause
yor allem Unbill geschtttzt hfttte. Manteuffel beweist sich
Ubrigens in dem Briefe, welcher diesen Bericht enthalt^
nicht eben als besonderer Q5nner Friesens, iiber welchen
er sich im weiteren ausspricht; „que ce jeune homme
commence k se donner des airs^ u. s. w. und femer, „der
Handel^ der beim Prinzen Wisniowiecki begonnen^ sei
noch nicbt zu Ende, on lui en prepare un autre bien
Sins sanglant qui donnera une alarme terrible au serail
ont je serais bien aise de Toir rabattre le caquet^.
Manteuffel hatte librigens sehr richtig prophezeit;
die Ungelegenheiten fUr Friesen waren damals^ 1718^ nocli
nicht zu Ende; der polnische Adel konnte sich^ so lange
jener noch lebte^ liber den gegen seine Priyilegien ge-
fiihrten Streich nicht beruhigen. Sechszehn Janre nach-
dem Laszieczewski seinen frechen Raub und Friedens-
brach am Oalgen gebusst hatte ^ kam die Angelegenheit
unter dem I^achfolger Augusts II.; kurz nach der Krd-
nung Augusts III., wieder zur Sprache, und Friesen, jetzt
General der Infanterie, Eabinetsminister und Ritter des
polnischen Weissen Adlerordens, sah sich auf die von
neuem aufgenommene Anklage hin noch einmal genothigt,
sich dem Monarchen gegeniiber durch eine ausfiihrliche
Vertheidigungsschrift zu rechtfertigen.
Den blutigen Greuelszenen des zweijahrigen polni-
schen Insurrektionskampfes wurde endlich dur(3i den Pa-
cificationslandtag zu Warschau ein Ziel gesetzt, und der
definitive Friede am 1. Februar 1717 geschlossen.
Hiermit endigte Friesens emste kriegerische Thatig-
keit; und wenn ^rselbe auch dem milil&rischen Berufe
sein gauzes Leben hindurch treu bleibt, so sehen wir doch
»•) KorrespoHdenz des Feldmarschalls Flemming mit dem Ka-
bioetsminister MaateufPel. Vol. CLina. 61. 220 b.
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160 0. von Scbimpff:
daneben seine Eigenschaft als Hofmann mehr and
mehr in den Voraergrund treten. Die an&nglichen
Vorortheile seines Monarchen liatten einer hohen Ach-
tung gegen den tapfem Soldaten^ den ebenso gebildeten
als entschlossenen Fiihrer, Platz gemacht; bald war
auch dem liebensMrlirdigen^ leichtlebigen Weltmanne die
personliche Zoneigong des Konigs Air alle weitere Zn-
kunft gesichert
Dass Friesen auf dem glanzenden Parquet des Dres-
dener Hofes sich bald eben so heimisch befand, als in
den Tranch^en vor Stralsund oder im Kampfe mit den
polnischen Insurgenten, und dass er auch auf diesem glatten
boden Siege zu erfechten verstand, davon zeugt wieder
ein nur wenige Tage ror dem oben erwtthnten geschrie-
bener Brief Mantecmels aus Grodno vom 30. September
1718, in dem er an Flemming nach Wien folgendes be-
richtet: „Le soir de notre arriv^e M* la Comtesse (D(5n-
hofF) mena elle-mSme M" Pociey k son mari qui la re^ut
en Don mari, c'est-k-dire avec des demonstrations tout
particuli^res. H a m^me tellement pris en affection le
Comte Friesen qu'il veut lui faire prendre absolument une
chambre dans sa maison. L'histoire cependant dit que
le bon-homme est inform^ de toutes les particularit^s ar-
riv^es a Dresde, et qu'il n*y a pas long-temps qu'il a bu
en pleine table k la sant^ de son fils en Saxe. C'est
porter ses comes en galant-homme."
Der Gemahl der in diesem Briefe erwahnten galanten
Dame, der Grosskronfeldherr von Litthauen Graf Pociey,
welcher allerdings seiner Gattin im Alter weit voraus
war, bezeigte iibrigens dieselbe Nachsicht, als sie einige
Jahre spftter zu dem beriihmten Moritz von Sachsen in
ahnliche Beziehungen trat, wie vorher zu Friesen; ja
Pociey liess sich sogar, als Moritz sich um die kur-
landische Herzogskrone bewarb, von seiner Frau be-
stimmen, die Ansprtlche des Grafen durch namhafte
Geldopfer zu unterstutzen. Nach dem Tode des will-
fahrigen Gemahls (1729) heiratete Grafin Emerentina
Pociey den noch sehr jungen Grafen Alexander Joseph
Montmorency, welcher seit 1725 in der sftchsischen Che-
valiergarde diente und 1727 den Rang eines General-
lieutenants erhalten hatte. Als August UI. nach seiner
Thronbesteigung die kostspielige Haustruppe auf den Aus-
sterbeetat setzte, nahm Graf Montmorency 1734 den Ab-
schied und begab sich mit seiner Gattin nach Paris. Die
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 161
Markgrafin von Bayreuth thut in ihren bekannten Me-
moiren der Grftfin mit den Worten Erwahnung: „Madame
Potge, trfes-fameuse par son libertinage". Der bereits
mehrfach erwfthnte Baron Haxthausen beschreibt die be-
rtihmte LOwin der Dresdener Qesellschaft; von der er be-
hauptety dass sie einmal mit ihrem Liebhaber Friesen eine
Reise rittlings mit unterlegten Postpferden von Warschau
nach Danzig imd von da nach Dresden ausgeftihrt habe^
als petite personne aimable, fort jeune, Tesprit doux et
trfes-nn, qui n'avait gufere eu d'^ducation, mais se faisait
k merveilie et en peu de temps^ etant en si bonne ^cole".
Als einer anderen ziemlich gleichzeitigen Eroberung
Friesens wird von Haxthausen in seinen Meraoiren die
Schwester der bekannten Grafin DSnhoff und Tochter der
verwitweten Krongrossmarschall Bielinska bezeichnet, die
von demselben unter dem Namen „die Starostin von
Mewa"") aufgeflihrt und als nicht sowohl schon, als
geistig belebt, liebenswtirdig und herzgewinnend geschil-
dert wird. Sie hatte Friesen gem mit ihrer Hand be-
gluckt, aber diesem, der sich noch immer in bestandiger
Qeldverlegenheit befand, geniigte wahrscheinlich das Ver-
raogen der Starostin nicht, welche endlich die Bewerbungen
des iranz5sischen Gesandten Barons B^sanval erhorte und
diesen heiratete.
Aber nicht bloss die Gunst des KOnigs und der
Frauen erwarb der gltickliche Friesen, er gewann auch,
besonders in dem Kammerherrn Haxthausen und dem
General Grafen Lagnasco, einem geborenen Pieraontesen,
der lange sftchsischer Gesandter im Haag und bevor-
zugter Liebling des Monarchen gewesen war, treue und
ergebene Freunde.
Das Jahr 1718, in welchem am Dresdener Hofe, dessen
Geschichte zu jener Zeit ihre Chronologic der wechselnden
Herrschaft der Gunstdamen entlehnt, die verschwenderische
Pracht der Grafin Dttnhoff ihren Hohepunkt erreichte,
war eine Epoche der ausschweifendsten Lustbarkeiten.
Wir OTwahnen derselben hier bloss, um den Helden unserer
Erzahlung; den wir als Soldaten«durch die Mlihseligkeiten
imd Gefahren seiner Eriegsfahrten begleitet, auch als
Theilnehmer der Vergnligungen eines glanzenden Hofes
nicht aus den Augen zu verlieren, verweisen aber, was
'*) Der Familienname des verstorbenen Gatten war Gherinski.
Neu«8 Archiy f. 8. 6. u. A. n. S. 11
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162 0. von ScMmpfif:
die Schilderungen einiger solcher Festlichkeiten speciell
betriflft, auf „Vehse, &eschichte des Hauses Sachsen",
V, 64 fgg., iind ^Johann Georg, Chevalier de Saxe",
40 fg.
Mit dem Feldmarschall Flemming, seinem Vorgesetzten^
batten sich dagegen Friesens Bezienungen seit dem Pro-
cesse in der Laszieczewski'schen Angelegenheit nicht wieder
so herstellen lassen^ wie es fur ihn wunschenswerth ^e-
wesen ware, und es geschah wohl hauptsftchlich^ am sich
dem Machtbereiche des in seinem beleidigten Stolze nicht
leicht versohnlichen Gegners zu entziehen, dass Friesen
sich um eine Stelle im Hofdienste bewarb, welche ihm
mittels koniglichen Patents vom 3. Juli 1719 durch seine
Ernennimg znm Oberfalkenmeister gewahrt wurde. In
dieser Charge**) sehen wir Friesen mit bei dem glan-
zenden Empfange in Thfttigkeit, welcher nach der Ver-
mahlung des Kronprinzen Friedrich August mit der Erz-
herzogin Josephine dem jungen Paare in der sachsischen
Hauptstadt bereitet ward. Seine Stellung bei Hofe be-
festigte sich in den folgenden Jahren immer mehr, und
wenn wir ihn in seiner Laufbahn als Hofmann auch nicht
von alien Fehlern, die den Ansichten jener Zeit gemass
von diesem Begriffe fast unzertrennbar waren, von Leicht-
fertigkeit der Sitten, Medisance und Neigung zu Spiel
und verschwendung freisprechen konned, so mtissen doch
selbst seine Feinde einraumen, dass er^ was damals um
so seltener war^ doch inmitten solcher Frivolitat als
Mann von Bildung und Geburt seine Wtirde nach oben,
wie nach unten zu wahren verstand, dass er ebensowenig
bei den rohen Trinkgelagen wie bei den niedrigen Ka-
balen imd Lakaienrtoken jener Tage auf das Niveau des
ihn umgebenden Schwarmes herabsank.
Es kann in Beriicksichtigung aller der EigenschafteU;
die wir an Friesen kennen gelernt haben, ebensowenig
befremden^ dass der Konig, als es gait, fiir die altere der
ihm von der Grafin Cossell geborenen beiden Tochter
einen geeigneten Gatten zu wahlen, seine Augen auf
Friesen richtetC; als dass das junge siebenzelmjahrige
'*) Es war diese damals die siebente der dem Oberhofmarschall
unterstellten neun Oberhofchargen : Oberkammerherr, Oberstall-
meister, Oberschenk, Oberkfichenmeister, Oberhofj&germeister, Ober-
hofmeister der Ednigin, Oberfalkenier, Oberpostmeister una Tra-
bantenhauptmann.
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Heinrich Fri«drich Graf von Friesen. 163
Madchen in die Verbindung mit dem bereits vierundvierzig-
jfthrigen Oberfalkenmeister ohne Bedenken einwilligte;
Flir diesen war die Partie, abgesehen von den Vortheilen,
welche die nabe Verwandtschaft mit dem k5niglichen
Hause bot^ auch finanziell fiir die damalige Zeit, wo der
Werth des Geldes ein wesentlich h5herer war, als heut-
zutage, eine ziemlich glanzende; denn das Verm(5gen der
bereits damals auf dem Scblosse Stolpen in Gewahrsam
gehaltenen Mutter der Braut war im Jahre 1724 „ohne
die noch ermangebiden Juwelen imd Hamburger Banko-
Effecten** zu 582224 Thlr. I Gr. 10 Pf., einschliesslich
circa 153000 Thlr. zweifelhafter Kapitalien — nach einer
anderen Berechnung zu 624934 Thlr. 5 Gr. 10 Pf. ein-
schliesslich 183000 Thlr. unsicherer Aussenstande — ab-
geschatzt worden. Von dieser Masse sollten die beiden
Comtessen Cossell mit je 100000 Thalern abgefimden
und das ubrige Vermogen der Frau Grafin „zu Dero und
des jungen Herrn Grafen Unterhaltung imd dessen Edu-
cation" angewiesen, iiber die „annoch ermangelnden Ju-
welen aber, wenn herbeizuschaffen^ en faveur der beiden
Comtessen" verfttgt werden. Der Vormund des unmtin-
digen (erst 1712 geborenen) Grafen Cossell, der Hofrath
Wolfgang Adolf von Leubnitz^ zeigte sich iibrigens,
wahrscheinlich weil man bei der AbschMzung zu hoch
ge^ffen hatte und mehr, als der Anschlag berticksichtigte,
uneinbringlich war, mit der angeblichen Bevorzugung der
beiden Schwestem seines Miindels nicht einverstanden,
und legte gegen dieselbe am 9. Januar 1726 einen, wahr-
scheinlich vergeblichen Protest ein. Die fraglichen Ju-
welen, iiber deren Verbleib die Grftfin-Mutter jede Aus-
kunft beharrlich verweigerte, fanden sich endlich beim
Juden Jonas Meyer in Dresden und wurden vom Konige
mit Beschlag belegt; doch stellte man fiir dieselben
den Tochtern, fiir den Fall des Ablebens der Mutter,
je 20000 Thaler „vor die mtitterliche Gerade" in Aus-
sicht.
Die Vermahlungsfeier Friesens mit Auguste Constantie
Grafin Cossell fand am 3. Juni 1725 in Gegenwart des
Konigs und der Konigin, des koniglichen Prinzen und
dessen Gemahlin imd des gesammten Hofes statt; die
Traurede hielt der Oberhofprediger Dr. Marburger. Die
Lustbarkeiten, welche sich in der Dauer von drei Wochen
an dieses Hochzeitsfest anschlossen, sind zu originell
imd zu bezeichnend ftlr die Art und Weise, wie man
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164 0. von Schimpff:
sich damals am Dresdener Hofe zu vergntigen pflegte,
um hier mit StiUschweigen iibergangen zu werden.
Zunftchst hatte man zur Ausstattang dieses Festes
einen Theil der Armee auf dem linken Elbufer^ Pillnitz
gegeniiber, zusammengezogen^ um^ wie man sich naiv aus-
drtickte; „da8 Vergntigen der Allerhochsten Herrschaften
mit der Instruction der Truppen zu verbinden". Hier
auf diesem Uebungsplatze^ wo man zunftchst des Flusses
eine Festung erbaut und diese mit einer als Janitscharen
yerkleideten Abtheilung besetzt hatte, wurden bereits am
Tage vor der Hochzeit die Festivitaten „par un combat
naval, une bataiile et Tinvestiture d'lme forteresse" eroffiiet.
Sie wurden vom 4. Juni an in der Weise fortgesetzt, dass
immer ein Wechsel militd,rischer Vorstellungen mit l£lnd-
lich-idyllischen Au£ftihrungen in Pillnitz stattfand^ welche
mit einer feierlichen Begrtissung des Hofes durch die
Dorfschaft; das heisst zum grosseren Theile als Bauern
verkleidete Ktinstler, anfingen. Den 5. Jimi ^Descente,
Schlachty Berennung der Festung und Formirung des
Lagers", den 6. „Dorfschule", bei welcher der Hofzwerg
den Schulmeister vorstellte, den 8. „Maienfest", den 12.
„Erntefest", den 14. „wird gedroschen", den 16. „Bauern-
carrous8el% den 18. Vorstellung, „wie es Abends und bei
Nacht in den Schenken zuzugehen pflegt", den 20. ^Bauem-
process" und an den dazwischen liegenden, dem Mars
gewidmeten Tagen: erste Parallele und Tranch^en, Fou-
ragierung, Anlage von Batterien, Ausfall der Belagerten,
man nllhert sich von der zweiten Linie dem Eck der
Contreescarpe, Sturm auf das Ravelin, Bresche, Sturm
auf den Hauptwall, die Besatzung verl^sst die Festung
und zieht sich tiber eine Brticke nach der Insel zurtick,
Minenspringen , die Briioke wird nach beendetem Ruck-
zuge abgebrochen; den 19. Juni Versuch, den Feind
von der Insel zu vertreiben, welcher sich auf die
SchifFe retiriert, bei der Landung aber von der Ka-
vallerie der Belagerer attakiert und gefangen genom-
men wird, den 20. endlich Victoriaschiessen und grosses
Feuerwerk.
Man sieht, dass zu jener Zeit schon die Lehre, welche
spHter Goethe im Vorspiele zum Faust giebt: „Wer vieles
bringt, wird manchem etwas bringen**, keineswegs unbe-
kannt war; es stromten aber auch die Zuschauer von
alien Enden des Landes zu Tausenden herbei. In Er-
mangelung der Dampfschiffe sorgten damals von Pferden
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Heimich Friedrich Graf Ton Friesen. 165
gezogene Elbzillen fur die ununterbrochene Verbindung
zwischen Dresden and Pillnitz.
In einer Zeit, wie der unsri^en; in der sich bereits
Scholknaben mit politischen una yolkswirthschaftlichen
Fragen beschftftigen, df&ngt sicli uns bei der Erinnerung
an jene Festlichkeiten fast wider Willen die Betrachtung
auf^ ob sich damals unter der unzahlbaren Menge neu-
gieriger Zuschauer wobl ein einziger befimden haben
magy der in der ubermlithigen Laune des Hofes, in dessen
leicntfertiger, durch die finanzielle Lage des Landes
keineswegs gerechtfertigten Verschwendung etwas An-
st5ssiges oder gar Tadelnswerthes gefunden hatte.
Mit dem Feuerwerke am 20. Juni waren aber die
Lustbarkeiten noch nicbt zu Ende; am folgenden Tage
stattete der ganze Hof dem Konigstein einen Besucb ao,
nattirlich ^unter Losbrennun^ der Kanonen^; den 22.
exerzierten die Kadetten in PiUnitz, und am 23. {and die
feierliche Ruckkehr des Hofes nach Dresden statt, wo die
Kanonen der Flotte, welche den Hof fiihrtey mit den auf
den Festunffswallen aufgestellten wieder freigebige Salut-
schiisse wecnselten.
Ein Jahr ungefahr nach seiner Verm^lung mit der
Grafin Cossell gelangte Friesen durch den Tod seiner
TantC; der verwitweten Freifrau Johanne Margarethe von
Schellendorf, in den Besitz der Standesherrschaft Konigs-
brtick**), wodurch seine finanziellen Verhaltnisse sich
wesentlich besserten.
Der Konig beforderte seinen Schwiegersohn im Jahre
1726 zum Generallieutenant, ohne dass mit dieser Ranges-
erhohung dessen Rticktritt in den aktiven Dienst ver-
bunden gewesen ware. Dagegen brachte das folgende
Jahr 1727 die Erhebung Friesens zum Oberkammerherm
an Stelle des im Zweikampfe mit dem Marquis de St. Giles
gefallenen Grafen Friedrich Vitzthum, sowie seine gleich-
zeitige Emennung zum Eabinetsminister.
Dem Ehrgeize des bisherigen Soldaten und Hofmannes
eroffnete sich durch seinen Eintritt in das Geheime Kabinet
nun auch die Laufbahn als Staatsmann; ferner ubertrug
ihm der Eonig die Oberdirektion der im alten Regiments-
'•) In viele Zeitberichte fiber Friesen hat sich der Irrthum
Bingeschlichen , dass er in den Besitz von EdnigsbrUck durch seine
Heirat gelangt sei. Der Tod der Freifrau von Schellendorf erfolgte
den 10. April 1726.
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166 0. von Schimpff:
hause am Jiidenhofe befindlichen wissenschaftlichen Samm-
lungen, des Miinz-, Muschel-, Erz-, Naturalien-, Konchy-
lien-, Etampes-Kabinets.
Diesen Rangerhohungen folgte noch in demselben
Jahre bei dem am 3. August in Obersedlitz, der neuen
Schopfung des Obersten Wackerbarth, glanzend gefeierten
Ordensfeste die Verleihung des polnischen Weissen Adler-
ordens an Friesen.
Aber wahrend er sich in der Gunst seines Monarchen
immer mehr und mehr befestigte, wurde sein hausliches
Gliick nach kurzer Dauer wieder zerstort. Seine Gattin
hatte ihm am 26. Marz 1726 einen Sohn *®) und am 25. No-
vember 1727 einen zweiten geboren; bald nach gltick-
lich iiberstandenem Wochenbette wurde aber die Grafin
von den Kinderblattern ergriffen, welchen die junge,
bltihende Frau am 2. Februar 1728 erlag.
Dass mit dem Tode derselben die Neigung des Ko-
nigs zu seinem Schwiegersohne nicht erkaltete, Iftsst sich
scnon daraus erkennen^ dass dieser im Dezember 1728
wieder durch einen neuen Gunstbeweis des Monarchen er-
freut wurde. August schenkte namlich das erwahnte Regi-
mentshaus *') am Jtidenhofe (gegenwHrtig mit Nr. 1 bezeich-
net) dem Kabinetsminister und Oberkammerherrn Grafen
Friesen „au8 besondern Gnaden und um seiner Uns so
lange Jahre geleisteten treuen^ tapferen und erspriess-
*®) Dieser <ere Sohn starb schon nach voUendetem sechsten
Jahre.
**) Dieses sogenannte Regimentshaus war im Februar 1714 vom
Kdnige dem Feldmarschall Grafen Flemming und dessen Gemahlin
unter sehr vortheilhaften Bedingungen ad dies vitae liberlassen.
worden. Aber schon im September desselben Jahres veranlasste
August den Feldmarschall, gegen eine Entsch&digungssumme von
12000 Thalem ihm das Haus wieder zur freien Verfttgung zurttck-
zugeben, und es wurde dasselbe nun zur Dienstwohnung des da-
maligen Gouverneurs von Dresden, Generals Janus von Eberst&dt,
der bisher ein jfthrliches Quartiergeld von 1200 Goldgfllden bezogen
hatte, bestimmt. Eberst&dts Nachfolger Wackerbarth bewohnte als
Obersthaus- und Landzeugmeister, welche Chargen er auch als Gou-
vemeur behielt, ein Haus am Zeughause, das am 19. Januar 1728
mit den darin enthaltenen werthvoUen Sammlungen niederbrannte,
worauf Wackerbarth vom Kdnige das damals die Stelle des jetzigen
Landhauses einnehmende Flemming'sche Palais ceschenkt erhielt.
£rst unter Friesen wurde das Haus am Jfldenhofe wieder zuf&llig
die Wohnung des Gouverneurs; einige Jahre nach seinem Tode ver-
kaufte es dessen Sohn, der letzte Graf Friesen, an den Eonferenz-
minister und WirkUchen Geheimenrath Grafen von Hennicke.
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 167
liehen Dienste willen erb- und eigenthiimlich". Die darin
verwahrten Sammlungen, welche erst kiirzlich noch durch
ein ^fast in&stimables Bemsteinkabinet^; ein Geschenk des
Konigs von Preussen^ vermehrt worden waren, warden
nebst der Bibliothek in die Galerie des Zwingergartens
gebracht.
Der Tod Flemmings, welcher im Jahre 1728 erfolgte,
scheint Friesen wieder in nd.here Beziehungen zor Armee,
ftir die er bestftndig lebhaftes Interesse behielt, gebracht
zu haben. Den 9. Februar 1731 wurde er zum General
der Infanterie ernannt; im folgenden Jahre erhielt er an
seines Freundes Lagnasco Stelle das Eommando der
s^hsischen Leibgarde in Polen, welchen Ehrenposten er
jedoch nur bis zum Tode des Konigs August 11. be-
kleidete. Der Thronwechsel biieb insofem nicht ohne
Einfluss auf Friesens Stellung bei Hofe, als er auf Befehl
des neuen Monarchen seinen Posten als Oberkammerherr
an den bisherigen Mattre de la Garderobe Grafen Brtihl,
den spateren Premier, abtreten musste, wofiir ihm als Ent-
schndigung die durch den Tod des Grafen Wackerbarth
(den 14. August 1734) erledigte Wiirde eines „Gouvemeurs
der Residenz und Festung Dresden, auch Neudresdens,
ingleichen Konig- und Sonnenstein und Stolpen" ubertragen
ward.**)
Als Eonig August III. an seinem vierzigsten Geburts-
tage, den 7. October 1736, zu Hubertusburg den Militar-
St-Heinrichs-Orden stiftete, und n^chst dem damals vier-
zehnjahrigen Kurprinzen Friedrich Christian, dem sechs-
jahrigen rrinzen Xaver, dem dreijahrigen Prinzen Karl
Christian und dem Feldmarschall Herzog Johann Adolf
von Sachsen-Weissenfels noch vierzehn Uenerale, meist
verdiente Veteranen aus dem nordischen Kriege, mit der
neuen Dekoration begnadigte, befand sich auch Friesen
mit unter der Zahl der Ausgewahlten. Der Orden, in
Deutschland der ftlteste militarische Verdienstorden, wurde
damals an einem karmoisinrothen Bande mit silbemen
Rftndem getragen, und sein Kreuz fiihrte die Inschrifi:
„Virtute et pietate bellica". In den Jahren 1737 bis
1739 fanden noch sieben Verleihungen desselben statt,
auffallenderweise aber horen solche mit dem letztgenann-
**) Friesens feierliche VerpflichtuDg als GouYemeur fand den
28. October 1734 statt.
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168 0. von Schimpff:
ten Jahre auf , obgleich die 1740 beginnenden schlesischen
Kriege der Armee doch reichliche Gelegenheiten zu mi-
litarischen Auszeichnungen boten.**)
Die letzte militarische Wurde, mit welcher Friesen
durch die konigliche Gnade bekleidet ward, war der im
Februar 1738 durch den plotzlichen und unerwarteten Sturz
des Ministers und Generals Grafen Sulkowski eri'edigte
Ehrenposten eines „Generalcommandanten liber die fSnf
Batailione Leibgarde zu Fuss und liber die derseiben
in gewisser Masse incorporirte sogenannte Hubertusbur-
gische Leibgrenadier-Freicompagnie, mit eben denienigen
rrarogationen, wie solche dera General Grafen Sulkowski
vorhin anvertraut gewesen".
Der Organismus des sachsischen Heeres ist im Laufe
der Zeiten so oftmaligen Veranderun^en unterworfen ge-
wesen, dass es einer genauen Kenntms seiner Geschicnte
bedarf, um sich vorstellig zu macheU; welche Truppe
unter jenen fiinf Bataillonen Leibgarde, die dem Kom-
mando Friesens unterstellt wurden, eigentlich gemeint ist.
Den Namen Garde fiihrten damals bei der Infanterie
drei Kegimenter, nUmlich : 1) das alte 1670 errichtete Leib-
regiment; das Stammregiment unserer jetzigen * beiden
Grenadier -Regimenter Nr. 100 und 101, welches den
Namen „ Garde zu Fuss^ schon 1692 annahm und bis
zum Jahre 1764, wo demselben aus okonomischen Riick-
sichten die Garde vorrechte entzogen wurden, behielt;
2) das von diesem im Jahre 1707 abgetrennte ^Zweite
Garderegiment zu Fuss", das bei der grossen Re-
duktion der Armee zwischen dem zweiten schlesischen
und dem siebenjahrigen Ejriege 1748 wieder aufgelfist
wurde; 3) die 1729 in zwei Bataillonen in Warschau und
Meissen errichtete Leibgarde, deren erster Chef der
sp^tere Feldmarschall Graf Rutowski war, und die schon
im folgenden Jahre im Zeithainer Lager durch ihre
stattliche Erscheinung allgemeine Bewunderung erregte.
Dieses letztere Regiment, die spatere Leibgrenadier-
garde, welche ihre Existenz in einem schwachen Rest als
sogenannte rothe Garde bis Ende Dezember 1848 fristete,
ist es, welche einen Theil der oben erwahnten funf Ba-
**) Bekanntlich war es Prinz Xaver, welcher als Administrator
Sachsens im Jahre Xl^ den fa^t in Yerg0SS9nheit gerathenen Orden
wieder ins Leben rief.
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen 169
tailloue Leibgarde zu Fuss ausmacht. Es bleiben jedoch^
da diese Truppe nur aus zwei Bataillonen bestand^ noch
deren drei zu ermitteln, von denen indessen keines zu den
unter 1) und 2) aufgefuhrten Regimentern geborte. Da-
gegen hatte im Jahre 1735 das Infanterie-Regiment, dessen
Chef Konig August III. als Kronprinz gewesen war, den
Namen Leibregiment erhalten, nachdem am 4. Juni
1733 das Grenadierbataillon Friesen**) als drittes Ba-
taillon demselben einverleibt worden war; am 13. April
1737 aber war folgender Befebl ergangen: „Nachaem
Wir Unser bisheriges Leib- Grenadier -Gardes -Regiment
Unserem sogenannten Leibregiment zu Fuss dergestalt
einverleibt, dass beide zusammen 1 Corps von 5 Ba-
taillonen formireU; so soil dasselbe fiirohm den Namen
Unserer Leib-Gardes zu Fuss fiihren."
Wenn sicb hieraus die Zusammensetzung der, Friesens
Kommando unterstellten Gardetruppe von fUnf Bataillonen
erklftrt; so mochte noch in Bezug auf den weiteren Be-
standtheil derselben, die sogenannte Hubertusburgische
Leibgrenadier-Freikompagnie; zu erwfthnen sein, dass
diese im November 1729 in der Starke von 160 Mann
zur Bewachung des, dem damaligen Kronprinzen ge-
horigen Jagdscnlosses Hubertusburg errichtet ward. Zum
Kapitan derselben wurde der Kammerherr und Stall-
meister des Kronprinzen, Graf Alexander Joseph Sul-
kowski; der spatere Premierminister, emannt, unter wel-
chem noch vier Offiziere bei der Kompagnie standen.
Die Gamison derselben war Oschatz, ihre Uniform
die des ersten Garde - Regiments zu Fuss — paille-
gelber Rock ohne Kragen^ rothe AufschlftgC; Westen
und Beinkleider, letztere mit goldenen Tressen besetzt.
Die Unterhaltung dieser Luxustruppe erforderte jahrlich
26688 Thaler.
**) Das Grenadierbataillon Friesen ist nicht mit dessen oben
mehrfach erwahntem Infanterie-Regimente zu verwechseln, welches
ihm im Jabre 1717 wieder entzogen worden war. Jenes Grenadier-
Bataillon war vielmehr aus dem in der Geschichte des Zeithainer
Lagers vielbesprochenen Janitscharenkorps formiert worden, welches
1729 auf Befehl des Ednigs von dem Oberstlieutenant von Sybilski
in Polen errichtet worden war. Diese unge{3,hr 500 Mann starke
Truppe hatte zweierlei Montur, eine citronengelbe und eine papagei-
re ; ihre Musikbande bestand aus 24 Mohren und 48 Janitscharen.
Umwandlung in ein Grenadier-Bataillon, zu dessen Chef Friesen
emannt wurde, erfolgte schpn im Herbste 1731.
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170 0. von Schimpff:
Aber nicht bloss dera Militar, sondem auch dera Hof-
raanne sollte nocli eine besondere Auszeichnung zutheil
werden, als' im Mai 1738 die feierliche Anwerbung um
die Hand der altesten Tochter des Konigs, Prinzessin Marie
Amalie, flir den Konig beider Sicilien durch den ausser-
ordentlichen Gesandten desselben, Grafen Fuenclara, statt-
fand, und Friesen bei dieser Ceremonie zum koniglichen
Kommissar ernannt wurde. **)
Die Erfullung der Pflichten seines hohen Ehrenamtes
mag ihm tibrigens bei dieser Gelegenheit nicht ganz so
leicht geworden sein, wie man in Riicksicht auf seine lange
Gewohnheit des Hofdienstes wohl anzunehmen berechtigt
ware, denn schon klopfte die Hand des Todes leise an die
Thtir des Mannes, der noch am Tage nach der Hochzeits •
feier bei dem grossen Carroussel im Zwinger an der Spitze
einer der vier in reiche spanische Tracht gekleideten Ab-
tbeilungen Proben seiner ritterlichen Gewandtheit ablegte.
Wenige Monate darauf, noch im Herbst 1738, musste Friesen
sich infolge anhaltender Korperleiden , die allmahlich in
Wassersucht tibergingen, aufs Land nach Konigsbriick
zuriickziehen, und wir wtirden seine Betheiligung an dem
Hochzeitsfeste der KSnigstochter als den letzten Akt seiner
amtlichen Thfttigkeit bezeichnen milssen, wenn nicht ein
im Staatsarchiv aufbewahrter umfanglicher und 'h5chst
wahrscheinlich aus Friesens eigener Feder geflossener Be-
richt des Gouverneurs von Dresden^®) no3i das Datum
vom 2. Juni 1738 triige.
Dieser Bericht liefert ein ausftihrliches, sehr eingehend
und grundlich motiviertes Gutachten des Gouvemements
zu einer von sammtlichen Viertelsmeistem Dresdens einge-
reichten Vorstellung: „ob nicht der Rath einen oder den
anderen von der Biirgerschaft bei der Einquartierung liber
die Gebiihr beschwere".
Die Klagen der Dresdener Biirgerschaft iiber den Druck
der Einquartierung waren an sich nichts neues und reichen
weit vor den nordischen Krieg zurtick in die Zeit der An-
fange eines stehenden Heeres. Mitten in der argsten
Schwedenbedrangnis im Jahre 1707 war von der Biirger-
schaft die Summe von 18 672 Thk. 22 Gr. 2 Pf. zu einem
■*) Vergleiche fiber die bei dieser Anwerbung stattgefundenen
Feierlichkeiten die Beschreibung in ^Lindaa, Gesch. der Haupt- und
Residenzstadt Dresden** 326 fgg.
*•) HStA. Loc. Nr. 1100 Vol. I BL 9 fgg.
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 171
Kasernenbau aufgebracht and an die Eriegskasse abge-
geben worden, um sich von der driickenden Einquar-
tierungslast zu befreien; das Geld war jedoch wahrena der
Kriegswirren zur Be&iedigung noch dringenderer Bedlirf-
nisse verwendet worden. Als nach der Pacificierung Polens
zu Anfange des Jahres 1717 die Armee wieder ins Vater-
land zurtickkehrte und hier ilire FriedensgamisoDen ange-
wiesen erhielt, bestimmte man, dass Dresden mit je zwei;
anfangs halbjahrlich; spater j'ahrlich wechselnden Infan-
terie-Regimentem belegt werden soUe. Ueber diese Mass-
regel warden viele Klagen erhoben, besonders da die Sol-
daten, von denen damals ein sehr grosser Theil verheiratet
warj ihre Weiber and Kinder, ja Eltern und Geschwister
rait nach Dresden brachten und so das Proletariat der
Hauptstadt nicht unbetrftchtlich vermehrten. Auch die Aui-
fiihrung der Truppen, welche durch die langen Kriege,
namenUich darch den polnischen Insurrektionskampf ver-
wildert waren und sich an friedliche Verhaltnisse schwer
gewohnen konnten, gab zu fortwahrenden Beschwerden
Veranlassung; sie begingen gegen die Verkaufer auf offenera
Markte Gewaltthatigkeiten und streiften Nachts in Rotten
zu 3, 4 and selbst bis 16 Mann in den Garten der Vor-
stadte umher^ um Unfug zu treiben und Diebst^hle und
Raubereien zu begehen. Der Bau der Kaseme in Neu-
stadt; der von 1731 ab mit grosser Energie unter de Bodts
Leitung zur Ausfiihrung kam, anderte den Stand der Dinge
wenig, denn der Zweck des Gebaudes, die Unterbringung
der Gamison, wurde noch wahrend des Baues im wesent-
lichen aus dem Auge verloren, so dass, als es fertig stand,
die Verwendung desselben eine ganz andere ward.*')
Als Friesen 1734 das Gouvernement der Residenz liber-
nahm, hatte sich in den Verhaltnissen der Bequartierung
wenig ged.ndert; nur war eines der beiden Infanterie-
Regimenter der Gamison , das Leibgrenadier - Garde-
Regiment (die sogenannte grosse oder rotne Garde, welche
mittlerweile errichtet worden war), in Dresden fixiert
worden, und der jfthrliche Wechsel fand daher nur noch
mit einem Regimente statt, eine Einrichtung, die sich
ein Jahrhundert lang bis 1830 erhielt.
•') Man vergleiche hierflber den Aufsatz in der Wissenscjhaft-
lichen Beilage der Leipziger Zeitong: „Ein RUckblick auf die Yer-
gangenheit der Dresden er Milit&retablissements*S J^hrgang 1877
Nr. 30 fgg., insbesondere Seite 187 fg.
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172 0. von Schimpff:
Die Starke der Infanterie-Garnison Dresdens war im
wesentlichen durch das Wachbedtirfhis bedingt, und Friesen
weist in seinem Gutachteii; mit dem er die V orstellung der
Vierteismeister begleitet, nach, dass dasseibe seit 21 Jahren
in forwahrendem Bteigen begriffen sei, denn der tagliche
Wachbedarf bereohne sich:
im Jahre 1713 unter Janus von Eberstadt:
Starke der Garnison: 1487 M., tagliche Wache: 306 M.,
im Jahre 1725 unter Wackerbarth:
Starke der Garnison: 1626 M., tagliche Wache: 464 M.,
im Jalire 1736 unter Friesen:
Starke der Garnison: 2934 M., tagliche Wache: 525 M.
Friesen hatte bereits den Vorschlag gemacht, die Wache
auf 463 Mann herabzusetzen, statt dessen war dieselbe auf
598 und endlich gar auf 661 Mann gestiegen, was dem
imgefahren Bestande eines Bataillons, also dem vierten
Theile der Infanterie-Garnison entsprach. Der Gouverneur
beklagt sich mit Recht tiber die ungebuhrlich reiche Be-
messung des Wachbedarfes, welcher wahrscheinlich in dem
Luxus seinen Grund hatte, der damals, wo nicht nur alle
Generale und Regimentskommandanten, sondern auch die
Minister und hohen Hofchargen Schildwachen vor ihren
Thiiren nicht entbehren zu k5nnen glaubten, mit solchen
Ehrenposten getrieben wurde. *^) Was die Bequartierung
der Stadt betrifft, so hatte man zu Friesens Zeit die Ein-
richtung getroffen, dass die innere Altstadt der Leibgre-
nadier-Garde (2 Bataillone) und die Vorstadte dem Feld-
Infanterie-Regiment und einiger Artillerie tiberwiesen waren.
Statistisch nicht uninteressant ist es, bei dieser Gelegen-
heit die Zahl der Wohngebaude von Altstadt und deren
Vorstadten in jenem Augenblicke kennen zu lernen, indem
erstere mit 382 belegbaren Hausern und 98 kSniglichen
Freihausem, letztere mit 601 '/a belegbaren Hausern auf-
gefiihrt werden.
Unter den koniglichen Hausern werden bezeichnet:
7 Hauser (oder vielmehr Baustellen^ da sie 1667 abgetragen
wurden) am Taschenberge, 3 Hauser auf der kleinen Bruder-
gasse, von der Grafin Cossell erhandelt und nachgehends
zum Palais gezogen^ 26 Hauser am Judenhofe u. s. w.;
*■) Unter dem Prinzen Xaver wurden nach dem siebenj&hrigen
Kriege 41 Wachposten in Dresden eingezogen; trotzdem mussten
unter ihm noch taglich 449 Mann auf Wacne ziehen, welche 109 Posten
einschliesslicli 7 Nachtposten zu besetzen batten.
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 173
1586 — 1599 zum kurfUrstlicIien Stall- und Lowenhause auf
der SchOssergasse (sonst NikolauBgasse) gezogen^ 9 Hftuser^
urn 1591 zum Zeughause gezogen, das Flemming'sche Haus
auf der Pima'schen Gasse; 1727 erkauft.
Jedes der ^belegbaren Hftuser" — Neubaue erhielten
sogenannte BauberecntigUDgen, Befreiungen von Abgaben
und Einquartierungslast auf eine Reihe von Jahren, die
Hftuser der Rathspersonen waren eo ipso befreit — war
im Jahre 1733 mit wenigstens zwei und nach Verhaltnis
mit 3 — 6 Mann belegt. Fur 1738 wird der Aufwand fur
die Bequartierung in der Altstadt und den Vorst^dten
derselben, welcher 1712 11782 Thlr., 1725 14194 Thin
betragen hatte, zu 41566 Thlr. 12 Gr. berechnet; er be-
lauft sich, wie man yersichert, hoher als die Quatember-
steuer.**) Die grosste Plage fUr die Quartierwirthe waren
die verheirateten Soldaten^ welche gleich mit Weib und
Kindem einrtickten. DamalS; wo die militarische Dienstzeit
nicht wie jetzt auf die Dauer einiger weniger Dienstjahre
beschrftnkt war^ sondem das ganze kraftige Mannesalter
in Anspruch nahm; war die Zahl der Verheirateten bei
den Truppen auch eine ganz unverhaltnismassig gr^ssere,
als gegenwartig; wo das Heiraten nur nach der Be-
endigung der aktiven Dienstzeit solchen Unteroffizieren
gestattet wird; welche Kapitulationon tibemommen haben.
So hatte zum Beispiel damals das Leib^arde-Regiment^
welches die stabile Halfte der Dresdener Inmnterie-Gamison
ausmachte, tiber seinen Bestand von 1441 Unteroffizieren
und Gemeinen noch den Appendix von 230 Weibern und
einer dem entsprechenden Kinderschaar. Man glaubt den
Versicherungen der Herren Viertelsmeister gern, wenn diese
das Ungemach fiir die Hausbesitzer schilderU; die endlosen
kleinen Quftlereien und Belastigungen, die ewigen Streitig-
keiten, zu welchen die Soldatenweiber in den Wohnungen
und Familien der BUrger Veranlassung gabeu, wenn sie
**) Die yiertelj&hrlichen direkten Abgaben der oben bezeich-
neten Stadttheile werden in der fraglichen Schrift folgendermassen
angegeben:
28|0 ™r. 18 G. 6 V. Pf. Pfen^SSaer ) - Altstadt
2614 ff 13 „ — ,) Wachthaler, Geschoss, Brunnengeld and
Kontribation.
9646 Thlr. 4 Gr. 6 Pf./Samma.
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174 0. von Schimpflf:
ferner ftir letztere die ihnen von der EiDquartierung ab-
gepressten sogenaimten „freiwilligen Gelduntersttitzungen"
als eine weitere Bel^stigung der Quartiertrager bezeichneiiy
da diese sich im Weigerungsfalle allerhand Chikanen von
seiten ihrer Einquartierung — verschwenderischem Ge-
baren mit Holz, Licht und Salz, welches dieser gewahrt
werden muss, dem Aufhetzen der Dienstboten wider ihre
Herrschaften u. s. w. — aussetzten. Natiirlich suchten sich
die wohlhabenderen Hausbesitzer einer so driickenden und
widerwartigen Verpflichtung dadurch zu entziehen, dass
sie ihre Einquartierung durch Zahlung einer reichlichen
Entschadigunffssumme bewogen, sich anderwarts einzu-
miethen. Auf diese Weise kassierte; wie die Beschwerde-
schrift besagt, mancher UnteroflGizier von seinem Wirthe
272, 3 und 4 Thlr., ein unbeweibter Gemeiner 1 Thb.
8 Gr.; ein verheirateter aber 272—872 Thb. ein, „lasst
sich daher ftir die Frau ebensoviel, wie fiir sich selbst
bezahlen".
Dass bei dieser Vorstellung die BeschwerdefUhrer sich
durchaus keine Uebertreibung zu Schulden kommen liessen;
da&r spricht die warme Unterstutzung, welche der Gou-
verneur denselben zu theil werden lasst In der That batten
sie einen unparteiischeren und zugleich beredteren Fiir-
sprecher nicht leicht finden konnen. Friesen droht ge-
radezu „den Untergang der Biirgerschaft", wenn nicht
alsbald Abhilfe geschehe; zwei Unteroffiziere konnten ^durch
ihre Bequartierung ein Haus um tausend Thaler depre-
tioniren", der neue Anbau werde gehindert und die Kon-
sumtion zum grossen Nachtheile der Tranksteuer vermindert.
Der Druck der Einquartierungslast wurde aber noch
dadurch doppelt empfindlich, dass in der Belegung der
Hauser grosse Ungleichheit herrschte; es waren, wie Friesen
bestatigt, hauptsachlich die Vorstadte und armUchen Gassen
der inneren Stadt, welche am schwersten zu tragen batten;
denn von der Befreiung der 98 kSnifflichen Hauser und
der im Besitze von Rathspersonen benndlichen ist bereits
die Bede gewesen; es wird aber ausserdem noch geklagt,
dass solche Befreiungen leider auch von anderen auf
krummen Wegen ohne besondere Mtihe zu erschleidien seien.
Der Neustadt wird in dem Expos^ nur beilaufig Er-
wahnung gethan, da die Einquartierungslast derselben,
welche nur zu 2643 Thlr. berechnet wird, eine unverhalt-
nismassig geringere sei; als die der „Stadt Dresden".
Welchen Erfolg die Bemtihungen der Viertelsraeister
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 175
und des die Interessen der Btirgerschaft so warm befiir-
wortenden Gouvemeurs gehabt haben, kann leider nicht
bericbtet werden; wahrscheinlich ist nach raehreren Rich-
tungen bin eine Erleichterung eingetreten. In jedem Falle
ist es dem Yerfasser dieses Lebensbildes eine Freude,
seinen Helden^ den er als tapferen, unerscbrockenen Sol-
daten^ als gewandten Diplomaten und als Muster eines
eleganten, feingebildeten Hofmanns zu scfaildern Gelegen-
beit fand; zu guterletzt dem Leser nocb als freimiitbigen;
btirgerfreundlicben Vertreter des Recbtes und der Billig-
keit vorfiibren zu kQnnen.
Aucb die Rube des Landlebens in dem seit dem Tode
der Gattin und des altesten Sobnes — der jungere befand
sieb, obgleicb erst elf Jabre alt, der Erziebung balber
in der Scbweiz — fiir ibn verodeten Konigsbrtick ver-
mocbte dem scbwerleidenden Friesen die Gesundbeit nicht
wiederzuffeben. Im Fruhjabre 1739 entscbloss er sicb,
nacb Stidfrankreicb zu reisen, wie gleiebzeitige Bericbt-
erstatter erzableu; um die Balder von Montpellier zu ge-
braucben. Der Ort stand allerdines in der zweiten Hftlfte
des vorigen Jabrbunderts, wie sicb sp^ter berausstellte
sebr mit Unreebt; denn Wind und Staub macben sicb bier
unangenebmer fiiblbar, als in anderen Gegenden des mit-
taglicben Frankreicbs; seiner milden Lage wegen besonders
bei den Englandem in gutem Rufe^ wogegen der Ver-
fasser von B3.dem in Montpellier sonst nie etwas gebort
bat. Wenn daber Friesen sein Reiseziel nicbt bloss aus
Vorliebe fiir den ibm von seinen Jugendjabren ber lieb-
fewordeneu; von der Natur bevorzugten Himmel des stid-
cben Europas gewslblt und durcb Zufall gerade auf Mont-
pellier gekommen ist^ so mocbte bier vielleicbt ein sebr
frlibzeitiges Beispiel der erst spater so beliebt gewordenen
Luftkuren vorliegen.
Friesen war auf . der Seise von seinem ^ Sobne
Heinricb August, der sicb unterwegs in Lyon an den
Vater anscbloss, und dem Wundarzt Weise begleitet.
Die Versammlung der Stande von Languedoc, welcbe
ein gerauscbvoUes Zusammenstromen des lebenslustigen
franz5siscben Adels in Montpellier veranlasste und fiir
Friesen um so unbequemer und st5render wurde, als
sicb unter der gl^nzenden Menge mancber alte Bekannte
befinden mocbte und er dadurcb zu gewissen geselligen
Rticksicbten genotbigt ward, bestimmte den Scbwer-
erkrankten, den Aufentbalt in Montpellier mit dem in dem
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176 ^- vo^ Schimpff:
nur wenige Stunden davoii; unmittelbar am Meere liegenden
kleineren Orte Cette zu vertauschen. Aber die Leiden
Friesens steigerten sich so, dass der Gequalte weder bei
Tag noch bei Nacht Robe finden konnte, bis ihn am 8. De-
zember 1739 ein verhllltmsm^ssig sanfter Tod von seinen
Schmerzen befreite. Er hatte sich an diesem Tage abends,
ohne Yorzeichen des nahen Endes gewahren zu lassen,
rubig zu Bette begeben, dann aber mit der Matratze auf
den Fussboden legen lassen und einige Stunden darauf
den Geist aufgegeoen. Der junge Graf war bei dem Tode
des Vaters nicht zugegen; keine Gefahr ahnend, hatte er
mit seinem Hofineister gerade einen Ausflug in die Um-
gegend gemacht, von dem er erst nach dem Trauerfalle
zurtickkehrte.
In Sachsen rief die Kunde von dem Tode des hoch-
geachteten Mannes allgemeine Besttlrzung hervor; verlor
man doch in dem Grafen Friesen, von dessen iibrigen
Eigenschaften abgesehen, einen der damals so seltenen
h5heren Beamten; welcher fur B^stechungen unzuganglich;
seine H3.nde wie sein Wappenschild von jedem Flecken
rein zu halten gewusst hatte. Friesen war in der That
nicht bloss ein Mann von bedeutendem Talent und Wissen,
in welcher Beziehung ihn vielleicht bloss der geniale,
elf Jahre vor Friesen verstorbene Flemming tiberragtC;
sondem auch unter alien Hof- und Staatsmftnnem des da-
maligen Sachsens derjenige, der am moisten wahre WUrde
zeigte; er war mit einem Worte ein Oharakter. Was
Friesens aussere Erscheinung betriffi, so schildert ihn
sein Freund Haxthausen als von kleinem, aber eben-
m£lssigem Wuchse und sehr mager. Die Ziige seines
langlichen Gesichts mit leichtgebogener Nase trugen den
Stempel der Vornehmheit, konnten aber je nach seinem
Willen ebenso schnell den Ausdruck der liebenswiirdigsten
und anmuthigsten Hoflichkeit; wie den eines kalten, ab-
weisenden Stolzes oder schneidender Ironie annehmen.
Die weitere Geschichte des graflichen Zweiges der
Friesen'schen Familie ist keine lange. Der einzige, den
Grafen Heinrich Friedrich liberlebende Sohn, August Hein-
rich, trat schon 1742, funfzehn Jahre alt, als Fahnrich mit
Lieutenantsrang beim Garde-Regiment in hessen-kassel-
sche Dienste. Nachdem er hier zum Hauptmaim befStdert
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 177
worden war, wurde er 1744 als Oberstlieutenant bei der
Garde du Corps in die silchsische Armee aufgenommen und
wohnte als solcher den Schlachten und Gefechten des
zweiten schlesischen Krieges in Bl^hmen, Schlesien und
Sachsen bei. Als 1745 ein osterreichischer Erzherzog ge-
boren ward, sendete Konig August m. den zum Obersten
und Kammerherm emannten achtzehnjflhrigen Grafen
Friesen zur Begluckwunschung nach Wien. Tm folgenden
Jahre erhielt er das zeitber den Namen seines Oheims, des
Grafen Cossell, ftihrende Infanterie-Begimenty welches spftter
(seit 1798) Prinz Friedrich August hiess, dann 1836 dem
I^inzen Georg verliehen wurde und unter diesem Namen als
Nr. 106 noch heute besteht. Aber der junge Mann, der bei
Striegau und Kesselsdorf bereits unter ungllicklichen Ver-
baltnissen den Beweis gefiihrt hatte, dass der soldatische
Geist des Vaters und Grossvaters auf ihm ruho; fiihlte den
unwiderstehlichen Drang, auch unter giinstigeren Verhalt-
nissen den Buf eines klugen und tapferen Offiziers zu be-
wahren. Nirgends bot sich hierzu bessere Gelegenheit^ als
im Dienste des K5mgs yon Frankreich^ in dem Friesens
Obeim, der Graf Moritz von Sachsen, sich bereits den
Marsclmllstab erworben und durch den Sieg bei Fontenay
schnell auf die H5he eines der ersten Feldherren seiner Zeit
erhoben hatte. Friesen eilte daher zur franzosischen Armee
in Flandem^ wo er unter der „troupe dor^e de volontaires",
die sich hier um die gefeierte Person des Marschalls schaartC;
sich durch Tapferkeit und feine Sitte bemerkbar machte
und an der Schlacht bei Rocourt am 11. Oktober 1746
in glanzender Weise betheiligte.
Von Brabant begleitete er den Oheim nach Paris und
Versailles. „Friesen**, schreibt dieser unter dem 10. De-
zember 1746 nach Dresden, „plait extr^mement ici; je
crois, qu'on lui donnerait volontiers le grade de brigadier."
Dies geschah auch wirklich im folgenden JanrC; und
es wurde ihm dabei noch die besondere Gunst gewahrt,
dass er trotz des Eintritts in den Dienst des Allerchrist-
lichsten Konigs seine sftchsischen Militftrchargen, also auch
sein Infanterie-Begiment behalten durfte.
In Frankreich ertheilte man Friesen die Erlaubnis,
ein neues deutsches Infanterie-Begiment zu errichten, und
am Ende des Feldzuges 1748; in welchem er der, durch
den Abschluss des friedens unterbrochenen Belagerung
von Maastricht beiwohnte, erfolgte noch im Dezember seine
Emennung zum Mar^ohsd de Camp.
Neues Arebiv t 8. Q. a. A. U. 8. 12
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178 0. von Schimpff:
In dem Verzeichnisse der 1748 an dem Hofe von
Versailles vorgestellten Personen, welche dadurch das Vor-
recht der „Entr^es des Carosses du Roi" "erlangten, fuhrt
die bekannte Memoirenschreiberin, Herzogin von Cr^qui,
auch „le comte de Frieso; l^gitim^ de Saxe" auf.
Am 5. Juli 1749 kam Friesen mit dem Marscball von
Sachsen zu einem Besuche nach Dresden^ wo er mit grosser
Auszeichnmig aufgenommen und auch zum s^chsisch-pol-
nischen Generalmajor ernannt wurde.
Als im folgenden Jahre, am 30. November 1750, Moritz
von Sachsen in Chambord starb, ward Friesen zwar nicht
dessen Erbe, denn der Marschall hatte hierzu testamen-
tarisch den Gemahl seiner Lieblingsschwester Marie Aurora
Rutowska, den Graf en Claude-Marie de Bellegardc; be-
zeichnet, wohl aber wurde der letzten Bitte des Helden,
dass seine militarischen Privilegien auf seinen NeflFen Friesen
tibertragen werden mochten, vom Konige Ludwig XV.
durch Patent vom 5. Februar 1751 feierlich entsprochen.
Somit erhielt der dreiundzwanzigjahrige Mar^chal de Camp
neben seinem franzosischen Infanterie-Regiment auch nocn
das bertihmte Ulanenregiment, welches von dem grossen
Oheim nach dem Muster der sogenannten tatarischen Hof-
fahneu; die er in den Reihen der sachsischen Armee im
zweiten schlesischen Kriege kennen gelernt hatte, ftir
Frankreich errichtet wordenwar. Auch die Gouvemeur-
stelle des schonsten Konigsschlosses aller Lender, des
prftchtigen Chambord, wurde Friesen auf Lebenszeit tiber-
tragen, wahrend er aus dem eigentlichen Nachlasse des
Oheims nur den werthvollen Brillanten le Prague, den die
bohmische Hauptstadt im Jahre 1741 ihrem Eroberer zum
Geschenk gemacht hatte, und ein Exemplar des Manu-
skriptes der beriihmten Reveries erhielt.
Aber Graf Friesen soUte sich seiner zahlreichen
Ehrenamter, welchen der Konig noch eine Pension von
12000 Livres hinzufugte, nicht lange erfreuen. Gegen
Ende Marz 1755 wurde er von den Masem befallen, zu
welchen sich ein bosartiges Faulfieber gesellte, und schon
den 29. Ms^rz, ftinf Tage nach der Erkrankxmg, raffite ihn
der Tod in der Bltithe seines Lebens dahin. Er starb
in seinem Hotel zu Paris, noch nicht achtundzwanzig Jahre
alt, in Gegenwart zweier Landsleute, der Grafen Sch(5n-
berg und Watzdorf. Der Erzbischof von Paris erzeigte
ihm noch im Tode eine besondere Rlicksicht, indem er
die Genehmigung ertheiltC; dass Frieseu; der Protestant,
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Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 179
in der Parochialkirche seines Stadtviertels^ der Madeleine
Ville rEv§que, beerdigt wurde.'®)
So sehen wir in dem Enkel des ersten Grafen^ des
kaiserlichen Feldzeugmeisters^ die gra£iche Linie des
Hanses Friesen schon wieder erloschen. Durch die drei
Generationen derselben wiederbolen sich hervorstechende
CharakterzUge — lebhafter Ehrgeiz, Tapferkeit, Uneigen-
niitzigkeit und edle Gesinnimg — gepaart mit hoher Geistes-
bildung und aristokratischen Formen; von seinem Vater
hatte der letzte Graf Friesen die leichtbltttige; sinnliche
Natur und Liebenswflrdigkeit im geselligen Verkehr, nicht,
wie es scheint, dessen eiseme Energie geerbt
*®) Nach dem Tode des Grafen Aagust Hemrich sachte dessen
noch immer aaf dem Schlosse Stolpen in Gewahrsam gehaltene Gross-
matter, die Grafin Gossell, sich in den Besitz der nachgelassenen
s&chsischen Gdter zu setzen; sie masste dieselben jedoch gegen eine
Abfindungssumme dem Freiherm Johann Friedrich Ernst von Friesen
aof B5tha, dem Vetter des verstorbenen Grafen, abtreten. Die Gttter
blieben indessen aach nicht in dieser Linie. Ednigsbrflck mit Eosel,
Griingr&bchen und Steinborn erkauffce 1713 der erste Graf Bedem,
welcher sp&ter preassischer Oberhofmarschall warde, der Gemahl
der reichen Bankierstochter Horguelin oder Orguelin; Schdnfeld mit
Zubeh5r ([Jessen, Graupen, Pratschwitz) warde nach l&ngeren Diffe-
renzen mit den Erben der TOchter des Geheimrathsdirektors Friesen
1787 als kurfQrstliches Ghatallengat erworben.
12*
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Literatur.
Denkwiirdigrkeiteii des Hallesehen Bathsmeisters Spittendorf.
Herausgegeben von der Historischen Gommission der Provinz
Sachsen. Bearbeitet von Prof. Dr. Julius Opel. Halle, Otto
Hendel. 1880. 8®. XLVm, 582 SS. (A. u. d. T. : Geschichtsquellen
der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete. Elfter Band.)
Die Stadt Halle erfreut sich bekanntlich keines be-
sonderen Reichthumes an Quellen fiir ihre mittelalter-
liche Geschichte; doch befindet sich unter dem, was sich
bis auf unsere Tage erhalten hat, manches Stiick^ das
durph Umfang und inneren Werth uns uber manche ver-
lorene oder in Halle nicht so wie in anderen deutschen
Stadten gezeitigte Frucht historiographischer Tha>tigkeit
zu trosten im stande ist So kann und muss Halle von
vielen Seiten um den Besitz einer Perle unter den mittel-
alterlichen Geschichtsquellen, um den der unter obigem
Titel zum ersten Male voUstandig herausgegebenen „Denk-
wttrdigkeiten des Rathsmeisters Spittendorr* beneidet wer-
den, ohne dass doch wiederum der Werth und das Inter-
esse derselben einseitig auf Halle beschrankt wftre. Es
sind nicht Zeiten ruhiger; individueller Entwickelung xmd
Fortbildunff, die uns diese ^Denkwurdigkeiten** schildem,
es sind vielmehr ernste, schwere, wechselvoUc; aufregende
Kampfe auf dem Gebiete der inneren und ausseren Stadte-
verfassung, in deren Getriebe und Verlauf uns hier aller-
dings unter eigenthlimlichem Gesichtspunkt Einblick er-
offnet wird ; es ist die gewaltige Krisis in dem st'adtischen
Verfassungsleben, der wir fast in leder grosseren Stadt
unseres Vaterlandes auf der Grenzscheide zwischen Mittel-
alter und Neuzeit begegnen: die Vollendxmg der Demo-
kratisierung des st^dtischen Regimentes gegen die letzten
noch bestehenden Vorrechte einer patrizischen oder aristo-
kratischen Sondergemeindc; die frtiher oder spater zu einer
Eimnischung des ehemaligen Stadtherm und zur Wieder-
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Literatur. 181
herstellung der unter vielen Opfern und Mtihen bis auf
ein Minimum abgestreiften Obernoheit desselben in streng-
ster Fassung fUhrte. Beide Katastrophen fanden in Halle
verh£lltni8m3.ssig frtlh statt und beide folgten einander
in dem kurzen Zeitraume der Jahre 1474 bis 1479. Kaum
ware der inuere Zwist der Halleschen Btirgerschaft so
schnell zu. einem verlmngnisvoUen Ende gediehen, wenn
nicht inmitten desselben die Eegierung des Erzstiftes
Magdeburg unter den Einfluss einer grossen, weitaus
Bchauenden Politik getreten ware, deren Machtentfaltung
in jener Zeit auch das besondere Interesse der Leser dieses
Blattes fur die neue Publikation erwecken muss. Erz-
biscbof Ernst, der die Fruchte jener Umwalzung zu ernten
berufen war, war ein kursachsischer Prinz, und es hatte
durch seine Erhebung auf den Erzstuhl die Macht seines
Hauses einen fur jene Tage bedeutungsvoUen Sieg er-
rungen und eine Erweiterung erfahren, die, wenn bis in
die zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts aufrecht er-
balten, die Geschicke von ganz Deutschland in andere
Bahnen zu lenken vermocht hatte. AUer dings war Herzog
Ernst bei seiner Postulation noch nicht alter als 11 Jahre;
um so mehr lenkten die ihm von Haus aus beigegebenen,
in alien Pfaden der Diplomatie erfahrenen Rathe, unter
denen vor alien Johann von Weissenbach, der Bischof
von Meissen, hervorragt, im Vereine mit den Vertretern
der sachsischen Partei unter den erzstiftischen Standen
die Verwaltunff und Eegierung des Stiftes im Sinne der
wettinischen Hauspolitik, und liess es die letztere hin-
wiederum an ideeller und materieller Unterstlitzung des
jungen Erzbischofes nicht fehlen. Gegenuber solchen in
den Kampfen der grossen Reichspolitik erprobten und in
alien staatsrechtlichen Konflikten reich erfahrenen Mannern
musste sich eine Stadt wie Halle von vornherein in nach-
theiligster Stellung befinden, und ihre Lage konnte nur
um so verwickelter und bedrangter werden, je un-
umschrankter und rtickhaltsloser sich die Alleinherrschaft
der „Innungsmeister" und der Vertreter der „Gemeinen"
ffeltend machte. Das muss selbst ein weniger vorurtheils-
freier Beurtheiler dem Patriziate in den deutschen Stadten
und in Halle der alten pfannerschaftlichen Gemeinde zum
Euhme nachsagen, dass sie es nie an wahrem Patriotismus
haben fehlen lassen und stets einen bedachtsamen, erfolg-
reichen Kampf fur das gemeine Beste und vor allem fiir
die aussere politiscbe Unabhangigkeit ihrer Vaterstadt ge-
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182 Literatur.
ftihrt habeii; wahrend die deniokratischeren Parteien in
kurzsichtiger Verfolguiiff der nachsten und eigenstichtigen
Ziele und kopfloser I^sicherheit in ihren gewaltsamen
Massnahmen zur Vernichtung aller einst erkampften Vor-
theile redlich beigetragen haben.
Mitten in einem derartigen Kampfe stand und scbrieb
der Verfasser der vorliegenden Denkwiirdigkeiten. Einem
ursprtinglich vielleicht edlen Geschlechte, das sich nach
dem am Petersberge belegenen Dorfe gleichen Namens
nannte, entstammend; waren die Vorfahren des Marcus
Spittendorf oder Spickendorf seit dem 14. Jahrhundert
schon in Halle ansassig und lassen sich seitdem standig
unter den „Pfannem", der Genossenschaft der Lehns-
inhaber der Salzquellen im ^Thale^, und mehrfacb auch
als Meister im Rathe der gesammten Stadt nachweisen.
Freilich fungierten sie hier nur eben noch als die in der
Minderzahl befindlichen Vertreter der streng geschlossenen
und bevorrechteten Sondergemeinde, die doch ursprting-
lich wohl den Kern der Btirgerschaft gebildet hatte. Mit
Recht kann man Marcus Spittendorf als den befahigtsten
und einflussreichsten Fuhrer und Vorkampfer dieser Partei
in jenen Verfassungswirren bezeichnen und muss ihm
Rechtschaffenheit, Besonnenheit, Aufrichtigkeit und einen
lebendigen Patriotismus nachrtihmen; wer mSchte mit ihm
dartiber rechten, wenn er sich hie und da groUend und
ergrimmt liber die Behandlung, die man ihm und seinen
Genossen seitens der demokratischen Partei im Rathe zu
Theil werden lasst, ausspricht; nie iiberschreitet er aber
selbst in seinem Zorne und seiner Erregung trotz der
derben Ausdriicke jener Zeit die Grenze des Erlaubten;
wie Schweres auch tiber seine Person von seiten der
stadtischen Behl)rden und sp9,ter vom Erzbischofe ver-
h9.ngt wurde, so zeigen seine von wahrem kirch-
lichem und religiosem Sinne getragenen Klagen nichts
Unmannliches und UnwtLrdiges; es scheint fast, als ob die
Aufzeichnung des* Erlebten imd Erlittenen ihn alsbald
mit seinem Geschicke ausgesohnt habe. Wenn man bo
die treuherzigen, einfachen Schilderungen in dem alter-
thttmlichen, aber doch so leicht verstandlichen Stil unserer
Muttersprache liest, da treten uns die Personen und Er-
eignisse in einer Lebendigkeit und Anschaulichkeit ent-
gegen, die uns gem iiber den Mangel des Pragmatismus
hinwegsehen lassen; Spittendorf wolhe ja keine Geschichte
schreibeu; wollte uns nicht den inneren Zusammenhang
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Literatnr. 183
der ursachlichen Vorgange und ihrer Folgen darlegen;
er beabsichtigt eben nur, uns eine Schilderung der Er-
eignisse zu geben, wie dieselben verliefen, sich folgten
und sich ihm darstellten. Seine Denkwiirdigkeiten tragen
daher eine gewisse parteiische Farbung, aber der Ver-
fasser giebt sich durchaus keine Mtihe, anders zu erschei-
nen als er ist, und sein Werk war von ihm selbst wohl
kaum bestimmt; in die Oeffentlichkeit zu gelangen und
fur seine Person und Partei als Rechtfertigungsschrift zu
dienen; der Geschichtsforscher der spateren Zeit weiss von
vomherein, wie und in welchem Umfange er die hier
vorliegende Ueberlieferung als Quelle benutzen darf.
Der Herausgeber hat es leider — und das ist die
einzige Ausstellung, die gegen die sonst vorziigliche Edition
zu erheben ware — nicht untemommen, die Glaubwtirdig-
keit und historische Treue der Spittendorfschen Berichte
an anderem Quellenmaterial zu erproben ; wir konnen uns
nur denken, class die Furcht, die geplante Ausgabe durch
eine derartige zeitraubende Untersuchung noch auf lange
zu verzogem, ihn von dieser Massnahme abgehalten hat.
Die Nachholung dieser Untersuchung bleibt somit eine
lohnende und wiirdige Aufgabe flir weitere Forschungen;
ohne sie werden wir uns, wie es der Herausgeber
in etwas zu subjectiver Auffassung thut, nicht dazu ver-
stehen konnen, die Beschwerden der Gemeinheit iiber die
Pfannerschaft als berechtigt und begrtindet anzusehen.
Wenn es Spittendorf unternimmt, durch die Beibringung
von statistischem Material den Beweis zu fiihren, dasB
der von der Pfannerschaft angesetzte Salzpreis im rich-
tigen Verhaltnis zu den bei der Fabrikation erwachsenden
Kosten stehe, so muss er seiner Sache doch sicher ge-
wesen sein; nach seinen Darlegungen hat es durchaus
den Anschein, als sei es der demokratischen Partei des
Rathes darauf angekommen, durch behordliche Ansetzung
niedriger Salzpreise den Wohlstand und damit Ansehen
wie Einfluss der machtigen Genossenschaft zu untergraben;
tiberhaupt ist der ^Gemeinheit** die herkommliche, selbst-
standige und abgeschlossene Verwaltung und Regierung des
„Thale8" ein Dorn im Auge gewesen und es sind stetig von
ihrer Seite emeute Versuche gemacht worden, mehr und
mehr von den dortigen Angelegenheiten vor das Forum
des Rathes zu ziehen, umgekehrt stellte man dann an die
Vertreter der PfSnnerschaft die Anforderung, sich* in
Bolchen Fallen von der Berathung und Beschlussfassung
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184 Literaior.
zuriickzuziehen; da liegt denn bei der eigenthiimlichen
Verquickimg der allgemeinen stadtischen Verhaltnisse mit
der Thatigkeit der Pfannerschaft und ihrem Gewerbe-
betriebe die Frage nahe, ob nicht tiberhaupt jeder vor-
kommende Verhandlangsgegenstand in solchem ^inne auf-
Sifasst und ausgelegt werden konnte^ so dass die obige
aesregel einer y5lligen Aosscliliessang der pfannerschan-
lichen Vertreter aus dem Rathe gleicbkam. Man kann
68 sich denken; dass Spittendorf und seine Genossen sol-
chen Zumuthungen den hartnftckigsten Widerstand; ja
vollige Unnachgiebigkeit und Unbeugsamkeit entgogen-
stellten, lieber Geldstrafen und Haft, Beleidigungen und
Anfeindungen tiber sich ergehen liessen; nur der Vermitte-
lung und dem Schiedsspruche der befreundeten nieder-
sachsischen Stftdte, die sich der Angelegenheit aufs emsteste
annahmen, ofiheten sie willig ihr Ohr, wflhrend die feind-
licEe Partei, der es nicht auf einen Ausgleich der Zwistig-
keiten ankam^ sondern auf den eigenen y5lligen Sieg,
mit kleinlichen Schlichen jedes Kompromiss zu verhindem
bemtiht waren. Der Regierungsantritt des neuen Erz-
bischofs gab indes der Volkspartei, die im wesentlichen
blindlings den Aufreizungen einiger verwegener und fa-
natischer, zu^leich aber besclu^nkter Wortftihrer folgte,
Gelegenheit; ihre Rache an der P&nnerschaft in yoller
Ausdehnung zu befriedigen. An Streitpunkten, die auch
ein Rath in der damaligen Verfassung dem Stadtherm
segentiber erheben musste, fehlte es nicht; wohl um die
Aufmerksamkeit des letzteren von diesen Fragen abzu-
ziehen und schliesslich seine Nachgiebigkeit hier zu er-
kaufeu; lenkte man alsbald die Aufmerksamkeit der stif-
tischen Regierung auf die Verhaltnisse im Thale und fand
damit bei den auf Verbesserung der Staatsfinanzen be-
dachten Gliedem derselben den gunstigsten Boden, sodann
liberstttrzte man die Erzbischof Ernst zu ieistende Huldi-
gung derart, dass die Pftonerschaft ihren alten Anspruch
auf eine erste unentgeltliche Belehnung mit den Soolgtitern
durch den neuen Erzbischof nicht geltend machen konnte,
und als jene nunmehr nach geleisteter Huldigung mit
ihren Ansj>ruchen hervortraten, fanden sie beim Rathe
statt der m gutem Glauben erwarteten Untersttitzung und
Vertretung nur Widerstand, Hemmnisse und geheimes
Einyerstandnis mit den Erzbisch5flichen, Undhieroei blieb
man nicht stehen; im Vertrauen auf den Anhang in der
Stadt verhielt sich Erzbischof und Stift in den bis ins
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%
Literatur. 185
Unendliche ausgedehnten Yerhandlungen unnachgiebig
egeD alle Vermittelun^svorschlage und gegen alle Bitten
[er Pfanner; die freilich nicht minder fast auf ihrem
Rechte beharrten; so scharfte sich der Zwiespalt mehr
und mehr und bald galten die Pfanner sowohl bei dem
Erzbischofe als bei der Volkspartei als Ungehorfiame und
Aufruhrer, deren Unterdriickunff mit Gewalt durchzu-
fiihren sei. Ein Schreiben des ErzbischoSs vom 16. Sep-
tember 1478 gab diesem Gedanken offen Ausdruck und
muBste namentlich die Pfanner liber ihre gef^lhrliehe Lage
aufkl^lren; und da ist es wobl fur unsere Beurtheilung
der Verhaltnisse gleichgtiltig, ob die Pfanner, wie andere
Quellen bebaupten, zuerst zu den Waffen griffen, jeden-
falls um einem drohenden AngriflF zuvorzukommen^ oder
ob, wie Spittendorf angiebt, die Volkspartei in Verfolg
der erzbischoflichen Aufiorderung zuerst Anstalten zu einer
Vergewaltigung der Pfanner machte und diese zu ihrer
Vertheidigung mit Gegenmassregeln geantwortet haben;
sicberlieh war der Anhang, den die letzteren fandeU; er-
heblich grosser; als man von ersterer Seite erwartet hatte,
und so nahm man zum Scheine hier die lange verweigerte
Vermittelung der sachsischen Stadte an, doch nur, um
unter dem Deckmantel derselben vom Giebichenstein eine
Verstarkung von stiftischen Truppen herbeizuholen, diesen
auf yerratherische Art das eine der Hauptstadttbore aus-
zuliefem und hierrait die ganze Stadt in die Hande des
Erzbischofs zu bringen. Dass ein hartes Strafgericht
liber die Pfanner erging, war natlirlich; ihre Genossen-
schaft wurde ganzlich aufgehoben und damit erreichte
auch ihre Vertretung im Bathe ein Ende, die Mehrzahl
ging des vierten Theiles ihrer Lehen an den ThalgUtem
verlustig und, wie sich aus einem vom Herausgeber bei-
fefiigten zeitgenossischen Register ergiebt, waren es die
[aupter der Volkspartei, die mit den konfiszierten Giitem
ausgestattet und belohnt wurden; ferner mussten erstere
noon den flinften Theil ihres Vermogens als Strafe zahlen
und ein Theil derselben sogar die Stadt verlassen, doch
wurde das Verbanmmgsurtheil nicht, wie die Volkspartei es
gewtinscht, in der schimpflicheren Form ausgesprochen.
Auch Spittendorf gegentiber, der, wie frtiher im Kampfe
als Ftihrer, sich jetzt als Anwalt seiner Genossen bewahrte,
verfuhr der Erzbischof mit grosserer Milde , als dessen
Gegner erwartet batten. Nach Einnahme der Stadt zu-
nachst mit Hausarrest belegt, dann in Calbe in hartem
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186 Literatur.
Gefangnis gehalten, auch einmal eine Stunde langver-
geblich ^scharf befragt", gelang es ihm, auf dem Wege
der Verhandlung hohere und strengere Strafen als die
oben bezeichneten von sich und seiner Partei abzuwenden;
nicht einmal die Verbannung traf ihn, geschweige denn
die anfangs gefurchtete Leibesstrafe. Schlimmer als alle
persSnlicben Leiden berlihrte ihn aber das Sehicksal der
Stadt, die nunmehr dem Erzbisthume wieder in strengerer
Abhangigkeit unterworfen wurde, wahrend sich der jetzt
fanz demokratisierte Rath liber diesen Verlust leicnten
innes hinwegsetzte.
Wir haben hiermit versucht, eine Summe aus dem
reichen Inhalte unserer Quelle zu Ziehen ; wer mit Quellen
dieser Gattung vertraut ist, kann sich an der Hand dieses
Auszuges wohl ein vollstandigeres und lebendigeres Bild
des Ganzen entwerfen; ebenso wird der Kenner auch
wissen, dass nach Art der mittelalterlichen Chronisten
neben der Sehilderung jenes grossartigen Kampfes auch
mancherlei kleinere Mittheilungen iiber Ereignisse und
Personalien aus der nachsten und weiteren Umgebung
eingeflochten sind, die das Werk zu einer reichen Fund-
grube fur die Hallesche Spezialgeschichte machen. Frtih-
zeitig scheint dasselbe daher menrfach in Abschriften ver-
breitet worden zu sein, doch haben sich nur drei der-
selben und zwar die altere, noch dem 15. Jahrhundert
angehorige, jetzt in Magdeburg befindlichc; nicht einmal
voUstandig erhalt^n; die mittlerC; jetzt der Marienbibliothek
in Halle gehorige, die erst gegen Ende des 16. Jahr-
hunderts entstanden ist, ist die allein voUstandige und
hat fiir den grosseren Theil der Ausgabe zu Grunde
gelegt werden mtlssen; leider weist sie vielfache Fehler,
unverstS,ndliche und missverstandene Lesungen auf; so dass
es nicht leicht war, einen brauchbaren Text aus ihr her-
zustellen, der Herausgeber hat sich indes keine Mtihe in
dieser Richtung verdriessen lassen und mit grosster Ge-
nauigkeit bei seinen stets gliicklichen Emendationen auch
die verschiedenen Lesarten der Handschriften kritisch
berticksichtigt. Der bedeutungsvollen sprachlichen Seite
der Quelle ist im tibrigen noch durch ein erklarendes
Wortverzeichnis Rechnung getragen, das von dem rtihm-
lichst bekannten Germanisten Prot Bech in Zei tz herriihrt.
Zu jenen textkritischen Noten kommt tiberdies noch eine
Flille erklarender Anmerkungen, die den Leser schnell und
eingehend Uber alle beriihrten personlichen imd ortlichen
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Literatur. 187
Verhaltnisse; sowie iiber den Zusaramenhang der im Texte
besprochenen Ereignisse mit weiteren gleichzeitigen Vor-
g'angen und mit hie und da zu Gebote stehenden anderen
Quellen orientieren; man erkennt hieraus auf das deut-
lichste, mit welcber Liebe und Hingebung der Herausgeber
sich seiner Aufgabe gewidmet hat, nicht minder aber die
Gewandtlieit und Sicherheit, mit der er das gesammte
historische Material fur jene Epoche der Entwickeiung von
Halle beherrscht.
Einen nicht geringeren Beweis flir den Fleiss und
die Gelehrsamkeit des Herausgebers liefert die umfang-
liche Einleitung, deren es, um das Verstandnis der be-
sonderen Halleschen Verhaltnisse fur den Fernerstehenden
zu ermoglicheU; diesmal dringend bedurfte. Hier finden
wir nach den nothigen Aufschlussen liber die handschrift-
liche Ueberlieferung und einer lebendig und anschaulich
geschriebenen Charakteristik der Personlichkeit und der
historiographischen Thatigkeit Spittendorfs eine ausftihr-
liche Darlegung liber die Verhaltnisse des Thales, der
Pftlnnerschaft, der Salzeewinnung und der dabei beschaf-
tigten Salzwirker, die heutzutage als Halloren bezeichnet
zu werden pflegen, und es folgt hierauf eine gediegene,
eingehende Schuderung der Stadtverfassung seit dem An-
fange des 15. Jahrhunderts bis zu den durch Erzbischof
Ernst eingeflihrten Aenderungen.
Ebenso sind am Schlusse der eigentlichen Denkwtir-
digkeiten noch eine Beihe erwtinschter und werthvoller
quellenmassiger Beilagen gegeben: zunachst eine noch- .
malige aus Spittendorfs Feder herrtihrende Schilderung
der Ereignisse von 1478, in der moglichenfalls eine Art
Eechtfertigungs- und Vertheidigungsschrift fiir die Ver-
handlungen gegen die Pfanner, die auf dem Tage zu
Salza im Herbst jenes Jahres stattfanden, zu sehen ist
und die spater ein Seitensttick in einem von seiten des
Bathes fur die gleiche Gelegenheit eingereichten Berichte
findet; sodann ein in der einen Halleschen Handschrift
nachgetragener und auch wohl spater. verfasster Bericht
tiber die Vorgange des Jahres 1473 und eines Theiles des
Jahres 1474, mit dem das Hauptwerk seinen Anfang
nahm. An weiterer Stelle finden wir dann einen Abdruck
dreier auf die Einsetzung Herzog Ernsts zum Admini-
strator von Magdeburg beziiglicher papstlicher Bullen
vom 19. Marz 1478, ferner den vom 13. Juni 1478 durch
Kurfiirst Ernst und Herzog Albrecht zu Leipzig verein-
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188 Literatur.
barten Vertrag zwischen dem Erzbischof und Stadt uber
einen gtitlichen Ausgleich aller Streitpunkte, aus dem sich
dann die Preisgabe der pfannerschaftlichen Anspriiche
seitens des Rathes entwickelte; das Verzeichnis uber die
Einziehung und Neuverleihung der Soolguter, dessen wir
oben schon gedachten, befindet sich auch unter den Bei-
lagen, und zum Schluss wird noch in dankenswerther
Weise ein Verzeichnis der Bathsmitglieder von 1401 bis
1472 mitgetheilt, wahrend fur die in den Denkwiirdig-
keiten behandelte Zeit die entsprechenden Namen sich
in den Anmerkungen finden. Ein genaues Personen-,
Orts- und Sachregister gewahrt bei Benutzung der neu
erschlossenen Quelle die moglichsten Erleiditerungen.
AUes in allem genommen, kann sich die Historische Kom-
mission der Provinz Sachsen wie der Herausgeber zu
einer derartigen Ausgabe einer bedeutungsvoUen Geschichts-
quelle Gluck wunschen.
Halle. W. Schum.
Die Torganer Yisitationg-Ordnniig yon 1629. (Ursprung und Ver-
wendung des Kirchenvermogens.) Erlautert von Dr. C. Enabe.
Torgau, Jacob. 1881. 4^ 24 SS. (Auch als Programm des
Torgauer Gymnasiums vom Jahre 1881 erschienen.)
Burkhardt in seiner Geschichte der sachsischen Kirchen-
und Schulvisitationen hat hochst interessante Mittheilungen
uber die beiden Torgauer Visitationen in den Jahren 1529
und 1533 gemacht, konnte aber nattirlich dieselben nur in
den Hauptztigen darstellen. Die erste dieser Visitationen
erfahrt eine eingehende Darstellung in dem obengenannten
Schriftchen. Es zerfallt in drei Theile: der erste (S. 1 fg.)
giebt einen Ueberblick uber die Vorgeschichte der Visi-
tation, die Reformbewegung in Torgau von 1521 — 1528.
Referent kann den Wunsch nicht unterdrticken , dass
Verfasser diesen Theil etwas mehr ausgestaltet hatte
durch genaueres Eingehen auf die kirchlichen Zusttode
Torgaus am Ende des 15. und Anfang des 16. Jahr-
hunderts, wozu in den Anmerkungen so schones Material
gegeben ist. . Die wichtigsten Personen wie die Ziele der
Bewegung wurden in der erweiterten Gestalt mehr Leben
und Faroe gewonnen haben. Aus der Darstellung er-
giebt sich, dass dank den Bemuhungen des Pfarrers
Gabriel Didymus unter dem Schutze des Kurfursten —
— unverzeihlich ist der Druckfehler: Friedrichs des
WeisSen — die Reformation bereits ziemlich durchgefiihrt
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Literatur. Ig9
war, als die Visitatoren — Luther an der Spitze — am
20. April 1529 nach Torgau kamen. War die neue Lehre
auch schon durchgedruDgen, so war die Visitation doch
insofem wichtig, als durch diese eine gesetzliche Ghrund-
lage ftir die neue Eirchenordnung gescliaflPen, die Frage
iiber die Verwendung des Kircbenvermogens gelcist und
die Lehre der neuen Kirchengeraeinde gegentiber den An-
griffen der Wiedertaufer, die hier fruchtbaren Boden ge-
ninden hatten, festgestellt wurde. Die Verhandlung dauerte
bis zum 10. Mai. Das Resultat wurde in einem Proto-
kolle niedergelegt, welches betitelt ist: ^Ordnung der ersten
Visitation 1529'' und sich im Torgauer Rathsarchiv be-
findet Es bildet den zweiten Theil der Publikation S. 2 — 8.
Die Visitatoren geben sehr eingehende Vorschriften uber
die Gottesdienstordnung S. 2 — 4, die Schule S. 4 fg., die
Angelegenheiten des gemeinen Kastens S. 5 — 7, das Ho-
spital, die Madchenschule S. 7 fgg.
Der dritte Theil giebt Erlftuterungen dazU; in einer
Reihe werthvoUer Anmerkungen, welche sich auf Nach-
richten des Rathsarchivs stutzen und eine reiche Fiille
von Stoff zur Geschichte des kirchlichen Lebens in Tor-
gau im Reformationszeitalter enthalten^ aber auch fUr die
Geschichte iiberhaupt viel Interessantes bieten. Dieselben
beziehen sich auf die Lebensgeschichte der Geistlichen
besonders S. 9, der Lehrer S. 10; auf das Einkommen
der Barchen, so besonders S. 13 fgg., auf die Kleinodien
der Gotteshauser und Kloster, auf die Gehaltsverhaltnisse
S. 19 fgg. Ein Anhang berichtet Uber die Mtinzverhaltnisse
wie liber die Quellen Auch aus dem ProtokoUe der
zweiten Visitation von 1534 werden einzelne Stellen mit-
getheilt. Dieselben, wie die von Burkhardt gegebenen
Notizen lassen den Wunsch rege werdeu; dass auch dieses
zweite ProtokoU zur Verdffentlichung gelangen moge. Es
wtirde durch die Vergleichunff der beiden Dokumente
deutlich zu Tage treten, welchen segensreichen Einfluss
diese erste Visitation auf die Konsolidierung der kirchlichen
Verhaltnisse Torgaus geubt hat.
Dresden-NeuBtadt Georg Mtliller.
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190 Literatur.
Uebersioht tiber nenerdings ersohienene Sohriften nnd
Anfsatze zur Saohsisoh-Thnringisohen Gesohiohte nnd
Alterthumsknnde.
Berger, Ed- Geschichte des Buchhandels in der Lausitz
im 19. Jahrhundert bis 1879: Neues Lausitzisches Ma-
gazin. Bd. LVI. S. 260—271.
Beast, Ferd, Graf, Erinnerungen zu Erinnerungen. Erste
undzweiteAuflage. Leipzig, Woller. 1881. 8^ 111,80 88.
Biedermann, K. Die Geschichte der Leipziger Kramer-
Innung 1477 — 1880. Ein urkundlicher Beitrag zur
Handelsgeschichte Leipzigs und 8ach8ens. Im Auftrage
der Kramer-Innung verfasst- Als Manuskript gedruckt.
8«. VII, 182 SS.
Budczies, Fr. Der Feldzug der sachsischen Armee durch
die Mark Brandenburg im Jahre 1635 und 1636. Aus
dem Tagebuche eines Zeitgenossen: M^rkische For-
schungen. Bd. XVI. S. 303— 386.
Edelmann. Ein Rechtsstreit aus dem 15. Jahrhundert.
Beitrag zur Geschichte der Oberlausitzer Bechtsver-
fassung: Neues Lausitzisches Magazin. Band LVI.
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Ermisch, Hubert Studien zur Geschichte der sftchsisch-
b5hmischen Beziehun^en in den Jahren 1464 bis 1471.
Mit urkundlichen Beiiagen. Dresden, Wilhehn Baensch.
1881. 8^ 144 S8.
Herrmann, Balduin. Der Kampf urn Erfurt 1636 — 1638.
Halle, Niemeyer. 1881. 8^ 130 S8.
V. Keller, Karl Freiherr. Tagebuch aus der Genealogie
des Hauses Wettin. 1. Lieferung. Leipzig, Meisel.
188L 8^ 106 88.
Knabe, C. Die Torgauer Visitations -Ordnung. 8iehe
oben S. 188.
Knoihe, Herm. Untersuchungen tiber die Meissner Bis-
thumsmatrikel, soweit sie die Oberlausitz betrifft: Neues
Lausitzisches Magazin. Bd. LVI. S. 278—290.
Neubert, Heinr. Moritz, Zur Geschichte der Sophienkirche
zu Dresden, namentlich in Bezug auf deren rechtliche
8tellung. Gutachten. Gedruckt auf Beschluss des Rathes
zu Dresden. Dresden 1881. 8^ IV, 88 88.
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Literatur. 191
Pawr, Til. Ursprung und Ausgang der Gorlitzischon Poeten-
gesellschaft m Leipzig zu Anfang des 18. Jahrhunderts:
Neues Lausitzisches Magazin. Bd. LVL S. 243 — 259.
Petevy Herm.. G. E. Lessing und St. Afra. Deutsche
Rundschau. Jahrgang VIL Heft 6. S. 366—388.
— Das Urkundliche Uber G. E. Lessings Aufenthalt auf
der Landesschule St Afra 1741-^1745: Archiv ftir
Literaturgeschichte. Bd. X. Heft 3. S. 285-308.
Petermann, K, Geschichte des Konigreichs Sachsen mit
besonderer Berucksichtigung der wichtigsten kultur-
geschichtlichen Erscheinungen. Ftir den Unterricht in
vaterlandischen Schulen bearbeitet. Zweite verbesserte
Auflage. Leipzig, Klinkhardt. 1881. 8^ XVni,494SS.
(Petzholdt, J.) Joannea. Zur Verstandigung uber Das,
was zur V orbereitung einer ktinftigen Biographic des
K5nigs Johann von Sachsen bereits gethan worden ist
und was noch gethan werden kann. Dresden 1880. 8**.
16 SS. (Separat-Abdruck aus Petzholdts „Neuem An-
zeiger fur Bibliographic und Bibliothekwissenschaft.
1880. Heft 8, 9 und 10.)
— Die beiden flirstlichen Freunde, Konig Johann von
Sachsen und Friedrich Wilhelm IV. von Preussen : Wissen-
schaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1881. Nr. 39.
Posse, Otto, ' Die Markgrafen von Meissen und das Haus
Wettin bis zu Konrad dem Grossen. Mit 4 Stamm-
tafehi und 8 Karten. Leipzig, Giesecke & Devrient.
1881. 8^ XV, 464 SS.
Rohmann, Tk. Chronik von Tharandt nebst Geschichte
des alten Schlosses und dessen ehemaliger Bewohner.
Tharandt (Selbstverlag) 1880. 8^ 70 SS.
Schonwdlder, Die hohe Landstrasse durch die Oberlausitz
im Mittelalter: Neues Lausitzisches Magazin. Bd. LVL
S. 342—368.
Seifert, Friedrich. Die Durchfiihrung der Reformation in
Leipzig 1539 — 1545. Liaugural- Dissertation. Leipzig
1881. 8^ 40 SS.
Spiess^ Edm. Erhard Weigel, weiland Professor der Ma-
thematik und Astronomie zu Jena, der Lehrer von
Leibnitz und Pufendorf Ein Lebensbild aus der Uni-
versitftts- und Gelehrtengeschichte des 17. Jahrhunderts,
gleichzeitig ein Beitrae zur Geschichte der Erfindungen,
sowie zur Geschichte der Padagogik. Nach gedruckten
und ungedruckten Quellen gezeichnet. Leipzig, Klink*
hardt. 8. Vn, 157 SS.
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192 literatur.
(Titimarmj Carl.) Dresden vor hondert Jahren. Eine
Chronik aus dem Jahre 1780. Dresden, 0. Tittmann.
1881. 107 SS.
Wmsenhomy J, C. Hermann. Acten der Erfurter Uni-
versitat. Herausgegeben von der historischen Commis-
sion der Provinz Sachsen. I. Theil. Halle, O. Hendel.
1881. 4^ XXVn, 442 SS.
WUisch, E. O. Des Zittauer Dichters Johann Benjamin
Michaelis Autobiographie: Neues Lausitzisches Magazin.
Bd. LVI. S. 291—335.
Wolfrum, CarL Die Qffentliche Handelslehranstalt zu
Leipzig in den Jahren 1831 — 1881. Zur Jubelfeier am
23. Januar 1881. Herausgegeben von der Kramer-
Innung zu Leipzig. 8®. 112 SS.
Das statistische Bureau fiir das K5nigreich Sachsen in
den ersten fdnfzig Jahren seines Bestehens. Festschrift
zum fUnfzigjahrigen Jubilftum am 11. April 1881.
Herausgegeben von der Direktion des statistischen Bu-
reaus. Leipzig, Duncker & Humblot. 1881. 8®. 96 SS.
50. und 51. Jahresbericht des Voaildndischen Alterthums-
forschenden Vereins zu HoherdevSen und 2. und 3. Jahres-
bericht des GeschichtS' und Alterthumsforschenden Vereins
zu Schleiz. Im Auftrage des Directoriums herausgegeben
von M. Dietrich. 8®.
In halt: Edhler, Die D&monensagen des £rzgebirges. Albert!,
Die <esten Stadtrechte der Beassiscnen St&dte. Albert!, Die Fa-
milie „voii Plauen** in Schleiz. Eifel, Bericht ttber neaere im In-
teresse des Yogtlftndischen Alterthumsforscbenden Vereins ausgefflhrte
Ausgrabungen.
Mittheilungen der Deutschen OeseUschaft zur Erforschung
vaterldndischer Sprache und Atterthilmer in Leipzig.
Siebenter Band. Leipzig, T. O. Weigel. 1881. S\
Inhalt: Merkel, Zur Geschicbte der s&chsischen Erbfolgeord-
nung. Sttlbel, Cunntz von Kauffongen, Eom6die in ftlnf Acten,
gedichtet im Jahre 1685 von Nicolaus Both. StUbeL Yerzeichnis der
der Deatschen GeseUschaft zu Leipzig gehdrigen Originalurkunden
von 1319—1430.
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VII.
Die Berka von der Duba auf Hohnstein, Wilden-
stein, ToUenstein und ihre Beziehungen zu den
meissnischen Fiirsten.
Von
Hermann Enothe.
Das alte bohmische Herrengeschlecht der Berka von
der Daba hatte sich friihzeitig in eine Menge von Linien
getheilt, welche besonders im Nordosten Bohraens zahl-
reiche und ausgedehnte Gliter besassen. Einer dieser
Linien gehorten bis gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts
die drei dicht an einander grenzenden Herrschaften Hohn-
stein, Wildenstein und ToUenstein-Schluckenau, von denen
die beiden ersteren ganz, die letztere wenigstens zur Halfte
(Schluckenau) vor Zeiten Bestandtheile des Gaues Nisani,
also des Markgrafthums Meissen gewesen waren. Der
geographischen Lage dieser Herrschaften zufolge konnte es
nicht fehlen, dass ihre Besitzer in mancherlei nachbarliche
Beziehungen zu den Markgrafen und den Bischofen von
Meissen kamen, welche endlich dazu fuhrten, dass eine
dieser Herrschaften nach der andern in den Besitz der
Markgrafen iiberging und so, zum Theil freilich nur auf
Zeit, wieder mit den alt> meissnischen Landen verbunden
wurde. Wir glauben, dass die zusammenhangende Dar-
stellung dieser Beziehungen als ein Beitrag nicht nur zur
Genealogie der Berka von der Duba, sondem auch zur
sachsischen Landesgeschichte betrachtet werden darf.
Neues AichiT f. S. O. u. A. II. 8. 13
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194 Hermann Knothe:
Die urspriingliche Herrschaft Hohnstein wurde im
Nordwest von dem Polenzfluss, im Sudwest von der Elbe
begrenzt, nur dass dort Lohraen, hier Wehlen, Rathen,
una der Lilienstein, s&mmtlich mit Zubehor, nicht dazu
gehorten. Im Suden imd Osten reichte sie bis an die
heutige Landesgrenze zwischen Sachsen und Bohmen.')
Dieser ganze, wesentlich aus wildem Felsgebirge und fast
undurchdringlichem Wald bestehende sudlichste Theil des
einstigen meissnischen Gaues Nisani war wohl nach dem
Tode Heinrichs von Groitsch (1135) an B5hmen gekommen
und seitdem dabei geblieben.
Die erste urkundliche Erwahnung einer Herrschaft
Hohnstein fallt in das Jahr 1353, wo (Prag 16. August)
ein Hinco de Dube dictua Berka bekannte, sein Schloss
Hohnstein mit allem Zubeh5r von Kaiser Karl IV. zu
Lehn erhalten zu haben, und zugleich gelobte, dasselbe
auch in alle Zukunft von dem Kdnige und der Krone Bohmen
zu Lehn besitzen zu woUen.*)
Schon 1361*) war dieser Hinkb I. nicht mehr am
Leben, und sein Bruder, ebenfalls Heinrich genannt Berka
von der Duba, als Vormund der hinterlassenen Kinder,
verpflichtete sich (2. September), dass auch seine Mtindel
die Veste Hohnstein ewiglich von dem Konige und der
Krone Bohmen zu Lehn haben soUten. Unter anderem
war hierbei zwischen Kaiser Karl IV. und ihm vereinbart
worden, dass fur den Fall, wenn alle Kinder seines ver-
storbenen Bruders, Sohne wie TQchter, kinderlos sturben,
auch alle ihre Guter, Erbe, Lehn und Eigengut^ an die
Krone zuruckfallen, wenn aber nur die Sohne ohne Leibes-
lehnserben abgingen, nur Hohnstein und die iibrigen Lehn-
gtiter an die Krone gelangen, das Eigengut aber den
Tochtern yerbleiben soUe. Aus dieser Urkunde ergiebt
sich einmal, dass es dem Kaiser augenscheinlich darauf
ankam, die Lehnsqualitat von Hohnstein gewahrt zu sehen,
sodann dass jener Hinko I. jedenfalls der erste Besitzer
aus der Familie Berka war, da seinem Bruder selbst nach
dem Tode aller seiner Neffen keinerlei Lehnsanspruch
daran zustehen soUte, endlich dass der Verstorbene ausser
Hohnstein noch andere Besitzungen in Bohmen, und zwar
sowohl Lehn- als Erbguter, besessen hatte. Auf welchen
») Vergl. Gautsch, Aelteste Gesch. der sftchs. Schweiz 98.
») Balbin, Misc. VIII, 163.
») Lttnig, Corp. jur. feud. II, 166.
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Die Berka von der Duba auf Hohnstein etc. 195
Giitern sein Bruder Heinrich, der Vormund seiner Kinder,
gesessen war, erfahren wir nicht, und ist auch bei der
gerade in der Farailie von Duba liblichen Sitte, mehreren
Sohnen den Vomamen Heinrich (Hinko, Hinke, Hynek)
beizulegen, wohl nicht mit Sicherheit zu ermitteln.
Zu den Eigengiitern des verstorbenen Hinko I. auf
Hohnstein gehorte sicher die Herrschaft Leipa^ welche
frliher Eigenthum der Herren von Leipa, ebenfalls . aus
der Familie Duba, gewesen war, zu den Lehngtitern aber,
wie sich spater ergeben wird, die Herrschaft Tollenstein-
Schluckenau, welche, entweder ganz oder nur zuni Theil,
ebenfalls bereits jenem Hinko I. gehOrt zu haben scheint.
Nach seinem Tode erhielt der eine seiner S<5hne, Hinko IL,
Hohnstein und ToUenstein, der andere, gleichfalls Hinko
genannt, Leipa. 1381*) erkla,rte Hinko Berka de Duba,
dominus in Lipa, dass die Btirger seiner Stadt Leipa zur
Stiftung eines Altars 9 Schock Zins in Oberliebich bei
Leipa gekauft haben „a fratre nostro Hinkone B. d. D.,
domino in Hohenstain." Es scheint, dass eine Zeit lang
beide Bruder noch nach heiden Hauptgtttem ihres ver-
storbenen Vaters benannt wurden. Wenigstens heisst der
KoUator der Kirche zu Leipa, also doch jedenfalls der
1381 erwahnte, als er 1391 *) einen Geistlichen zu einem
dasigen Altare pr'asentierte , Hinco B. dictus de Duba,
dominus in Hoenstain et in Lipa, und ebenso sein Bruder
auf Hohnstein, als er 1390*) einen neuen Pfarrer in
Rumburg, welches entschieden zu Hohnstein gehOrte, an-
stellte, Hinco dictus Berka de Duba, dominus in Honstein
et in Lippa.
Der Leipa'er Bruder starb frtther, als der Hohnsteiner.
Ihm folgte im Besitze von Leipa sein Sohn Hinko mit
dem Beinaraen Hlawatsch, den 1399') Hinko H. auf
Hohnstein als seinen „Bruderssohn" bezeichnet. Derselbe
war 1410 — 1420 Landvogt-der Oberlausitz ®) und verier,
als katholisch gesinnt, 1423 seine Herrschaft Leipa an die
Hussiten. Da seine Nachkommen zu verfolgen nicht
in unsrer Absicht liegt, kehren wir zu den Besitzem von
Hohnstein zuriick.
*) Borovy, Lib. erect. II, 176. Balbin, Misc. V vol. II. erect 69.
*) Tingl, Lib. confirm. V, 80; Tergl. 29. 66. Ebenso bei Stiftung
eines neuen Altars zu Leipa 1391, Balbin, Misc. V vol. II. erect. 87.
•) Tingl V. 2.
7 N. Laus. Magaz. 1869. 77.
') Knothe, Bechtsgesch. der Oberlausitz 109.
J3»
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196 Hermann Knothe:
Hinko IL auf Hohnstdn finden wir 1388 *) als voU-
raachtigen Statthalter K5nig Wenzels in der Herrschaft
Miihlberg nebst Strehla an der Elbe, die damals dem
bohmischen Konige gehorte, 1396*®) als Oberstlandrichter
des Konigreichs Bohmen, von 1397 — 1407'*) aber als
Landvogt der Niederlauaitz,
Nach dem Tode Herzog Johanns von Gorlitz (1396),
des Bruders von Konig Wenzel, hatte sich bekanntlicli
deren Vett^r, Markraf Jost von Mabren, in den Besitz
der Niederlausitz gesetzt und machte nun daselbst Hinko
von Hohnstein zu seinem Landvogt. Zu den Arihangern
des Markgrafen gehSrte unter anderen auch Anshelra von
Ronow, der unter Herzog Johann Landvogt von G5rlitz
und ebenso Besitzer der Burg und Herrschaft Bohnau
bei Zittau an der Neisse*^) gewesen war. Nach Herzog
Johanns Tode hatte dieser, jedenfalls aus Furcht vor den
Willktirmassregeln des KOnigs, seine Herrschaft Robnau
gofort und zwar an Hinko von Hohnstein verkauft; wie
es scheint auf Anlass Markgraf Josts. Wenigstens er-
kl'arte Wenzel selbst in einera Briefe an die oberlausitzi-
schen Sechsstadte (11. Nov. 1396), dass Jost den Burg-
stall Rohnau, im Lande zu Zittau gelegen, mit seinem,
des K5nigs, Willen an den von Hohnstein gebracht, der
auch in Unwillen von dem Konig geritten sei, und beide
seien seine, des KonigS; Feinde geworden. '') Seitdem
verhielt sich die Berka'sche Besatzung der Burg feindlich
gegen die Sechsstadte und beschadigte zumal das benach-
barte Zittau durch allerhand Wegelagerei. Daher gebot
Wenzel schon in dem angefiihrten Briefe von 1396 den
Sechsstadten, das Schloss Rohnau zu brechen. Inzwischen
verlangte nun Hinko H. als Landvogt der Niederlausitz
auch von dem k5niglich gesinnten Ritter von Hockenborn
auf Priebus, dass er dem Markgrafen, als dem neuen
Landesherm, huldige, und brannte ihm, da er sich weigerte,
sein St'adtlein aus und belagerte ihn in seiner Burg. Da
wendete sich der von Hockenborn an die ebenfalls konig-
lich gesinnte Oberlausitz um schleunige Hilfe, die ihm
•) Hauptst.-Arch. Dresd. Orig. 4636.
«•) Emler, Reliq. tab. terr. Boh. I, 561.
^*) Neumann, Gesch. der niederlaus. Landvogte II, 41 nennt
ihn falschlich „Hlawatsch" oder vielmehr ;Slawatz«, und ihm folgt
auch Scheltz, Laus. Mag. 1881. 56.
'») Knothe, Gesch. des oberlaus. Adels 462.
»*) Carpzov, Anal. I, 169.
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Die Berka von der Duba auf Hohnstein etc. 197
nach mancherlei Berathungen auf Tagen zu Lobau end-
lich auch gewahrt ward, „da man sich mit ihm verbrieft
hatte".'*) So wurde nun Hinko der offene Feind der
Sechsstftdte. Darum wiederholte (23. Dezember 1398) der
Konig den Befehl, Rohnau zu brechen, und sofort (Januar
1399) erfolgte die Belagerung und die Eroberung dieser
Burg**); welche Hinko selbst wohl niemals betreten haben
diirfte. Da er (21. Dezember 1399) zugleich mit dera oben
(Seite 196) erwahnten Hinko Hlawatsch von der Duba
auf Leipa, seinem ^Bruderssohne*'; dem Anshelm von Ronow
bekannte, noch 250 Schock Groschen fur Rohnau schuldig
zu sein^*), so scheinen Onkel und Neffe dasselbe gemein-
schaftlich erkauft zu haben.
Spater muss sich auch Hinko H. mit Konig Wenzel
ausgesohnt haben, denn 1405 (5. Januar) finden wir ihn
als einen der Landfriedenshtiter im Kreise Leitmeritz*'),
und 1409 und 1410 wieder, wie schon 1396, als Oberst-
landrichter von Bohmen. **)
Da er sich, wie aus dem Bisherigen erhellt, nur wenig
auf seinem Schlosse Hohnstein aufgehalten hatte, so er-
fahren wir auch nur wenig von seinem Walten in dieser
seiner Herrschaft. 1388 erkaufte er von Arnold von Haugis-
wald auf Stiirza (nordwestlich von Hohnstein) das schon
damals wuste und auch spater nicht wieder aufgebaute
Dorf Ltidwikadorf an der Polenz bei Langwolmsdorf um
40 Mark Groschen hinzu.**) 1386 verbiirgte er sich
nebst anderen seines Geschlechts fUr die Bruder Hans
und Ulrich von Biberstein auf Fried land gegen Prager
Juden wegen einer Geldschuld.^®) 1391 hatte er einen
Rechtsstreit mit „Else, der Witwe Hinko Berkas", be-
trefFend deren Heiratsgut, welchen das Baronengericht
zu Prag dahin entschied, dass er derselben 80 Schock
Groschen, d. h. Giiter im Betrage von jahrHch 80 Schock
Einkunften, abzutreten habe.^') Wir konnen kaum glauben,
»*) Nach den Gorlitzer Rathsrecbnimgen. Vgl. Lausitzer Mag.
188K 46 fg.
^») Knotbe, Gesch. von Rohnau, Rosenthal, Scharre (1867) 11 fg.
*•) N. Laus. Magaz. 1869. 77.
*') Urk. im bobm. Kronarcbiv zu Prag, Repos. 201.
") Emler, Reliq. tab. ten. Boh. II, 61. 67.
»•) HauptBt-Archiv Orig. 4639. Vgl. G5tzinger, Geschichte
von Hohnstein 28.
*») Hauptst.-Archiv Orig. 4534.
Emler, Reliq. I. 544.
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198 Hermann Knothe:
dass diese Frau Else die Witwe Hinkos I. auf Hohnstein,
also Hinkos II. Mutter, gewesen sei, sondern mQchten sie
vielmehr ftir die Witwe seines Bruders Hinko auf Leipa
(S. 195) halten, der um das Jahr 1391 gestorben zu
sein scheint, und deren Heiratsgut noch auf Hohnstein-
schen Besitzungen ausgesetzt sein mochte.
Seit Hinko II. aus der Niederlausitz wieder nach
Hohnstein zu l&ngerem Aufenthalt zuriickgekehrt war^
linden wir nun die Berka zum ersten Mai in nachbarliche
Konflikte mit dem Markgrafen von Meissen verwickelt.
Am 30. Oktober 1409**) thedingten Heinke Berka, Herr
zum Hohnstein, und dessen S5hne Heinrich, Heinke der
jiingere und Benesch mit dem Markgrafen Friedrich (dem
Streitbaren), dessen Bruder Wilhelra (dem Reichen) und
dem Vetter von beiden, Friedrich (dem jungeren von
Thuringen), dass erstere ihre Fehden den letzteren kiinftig
jedesmal acht Tage vorher in das Rathhaus zu Dresden
verkiindigen, und, wenn sie dies Versprechen nicht halten
wlirden, nach Jockrim (bei Stolpen) einreiten soUten. Diese
Vereinbarung setzt bereits haufigere Fehden der Berka
mit den Meissner Fiirsten voraus. Wir wissen nicht, ob
die Veranlassung hierzu in politischen Grunden zu suchen
sei. AUerdings batten die Meissner 1398 mit den Ober-
lausitzem eine ^Einigung^^ geschlossen gegen alle Landes-
beschadiger, das hiess damals soviel, als gegen die An-
hanger Markgraf Josts von Mahren. AVahrscheinlich aber
lag der Grund lediglich in den territorialen Verhaltnissen.
Durch die Dohna'sche Fehde (1402) batten die Mark-
frafen von Meissen nicht nur den KOnigsteui, sondern, als
ubehor, auch das auf dem rechten Elbufer gelegene
Kathen und den Lilienstein**) und ebenso infolge von
Verpfandung von seiten Konig Wenzels (1404) und Aus-
losung von Jahn von Wartenberg auf Tetschen (1405)
sowohl Pima**), als das ebenfalls auf dem rechten Elb-
ufer gelegene Wehlen erworben. Rings von Hohnsteiner
Gebiet umgeben, geriethen nun die Besitzer der Burgen
Rathen und Wehlen, jetzt meissnische Vasallen, leicht in
nachbarliche Handel mit den Berka und suchten und
fanden Schutz und Hilfe bei ihren Lehnsherren. So
wurden denn die Markgrafen in diese Fehden hinein-
") Hauptst-Archiv Orig. 5475.
'*) Gautsch, Aelteste Geschichte der sachs. Schweiz, 45 fg.
>*) Cod. dipl. Sax. reg. H. 5, 379. 381.
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Die Berka von der Duba auf HohDStein etc. 199
gezogen. Unsere weitere Darstellung wird das eben Qe-
sagte besonders in betreff derer von der Oelssnitz auf
Rathen erweisen.
Am 1. April 1409**) ernannte der zum Konzil nacli
Pisa reisende Bischof Rudolph von Meissen Hinko II. auf
Holmstein, ^seinen Oheim^^ zu einem seiner Testaments-
voUstrecker, und in demselben Jahre 1409 *•) erlanete
Hinko von Hohnstein die bisher dem Johann von Michels-
berg gehorige Herrschaft Scharfenstein mit Bensen in
Bohmen. Den 16. Mai 1410 wird er nocb als Oberst-
landrichter erwahnt.*') Noch in demselben Jahre aber
scheint er gestorben zu sein, nachdem er Hohnstein seit
1361, allerdings ziemlich lange, aber anfieings noch unter
Vormundschaft, besessen hatte. 1410 traten namlich in
der Herrschaft Hohnstein Veranderungen ein, wie nur Erb-
theilungen sie zur Folge haben.
„Item nach Christi geburt tausent vierhundert vnd
im zcehenn jare ist eine bereynunge gescheen vnd ge-
gangen zwischen den edeln ern Heinriche; hem auf dem
Wildenstein, an einem teil vnd hem Hincko, hern auf
dem Scharffenstein, am andem teyll etc.*'**) Hier wird
zum ersten Mai der Wildenstein als Mittelpunkt einer
eigenen Herrschaft erwahnt. Wir glauben, dass dieselbe
auch erst in diesem Jahre dadurch geschaffen worden
sei, dass nach Hinkos II. Tode bei der Erbtheilung
der eine seiner bereits oben (S. 198) genannten Sohne,
namlich Hinko IIL, Hohnstein, der andere aber, ebenfalls
Heinrich oder Hinko**), einen Theil der ursprilnglichen
Herrschaft Hohnstein jetzt als besondere, selbstftndige
Herrschaft mit der Burg Wildenstein erhielt. Es lag
nahe, dass der Besitzer von Wildenstein sofort auch die
Grenzen seiner Herrschaft festgestellt zu sehen wtinschte.
Der hierbei erwahnte „Herr Hinko Herr auf dem Scharfen-
steine" aber ist unsrer Ansicht nach niemand anders als
der altere Bruder Hinko III. auf Hohnstein, welcher hier
nur nach der Besitzung genannt wird, deren Grenzen
") Cod. dipl. Sax. reg. II. 2, 346.
*•) Balbin, MIbc. V vol. II. erect. 172.
") Eniler, Reliq. II, 67.
*•) Gautsch a. a. 0. 117 nach Hauptst-Arch. Loc. 8340 „IrruiigeD
zwischen denen Herrschafften Honstein und Tetzschen/'
**) Aach sonst kommen als Beisitzer im Baronengericht zu Prag
1408 vor y,Hinco et Henricus, filii Hinconis Berca de Hon8tein'^
Emler, Rel. IT, 46.
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200 Hermann Knothe:
gegen Wildenstein festgestellt werden soUten. Und so
erscheint denn Hinko Herr auf Hohnstein 1412 and ofter
als Patron der Kirche in Bensen. Ausser diesen beiden
Briidern (der S. 198 genannte Benesch muss vor 1410 ge-
storben seiu; wenigstens wird er nicht mehr erwahnt) gab
es aber noch einen Namens Hans, welchem Hinko III.
auf Hohnstein 1430 ^^) „die Leite an der Elbe geffenuber
Schandau** verkaufte. Diesen halten wir fiir identisch
mit jenem Johann Berka von Duba, welcher 1422 zur
Pfarrei in Kreibitz prftsentierte^ 1424 Btirge fiir Wilhelm
von Ronow war^') und vor 1457 starb und die Stadte
Kreibitz^ KamnttZj Sandau mit zugehdrigen Dorfern
hinterliess. *^) In alien drei letzterwahnten Urkunden
heisst er dominus in Tolnstein oder de Duba et de Tol-
stein und besass in der That auch Warnsdorf und Boh-
misch-Seifhennersdorf. Wie sich nsimlich aus dem Fol-
genden ergeben wird; wurde bei der Erbtheilung 1410
die inzwischen voUig in den Besitz Hinkos II. iiber-
^egangene Herrschaft ToUenstein - Schluckenau zwischen
den drei uberlebenden Sshnen, Hinko IlL auf Hohnstein,
Heinrich auf Wildenstein und Johann auf Kreibitz , ge-
theilt.
Die neugeschaffne, von Hohnstein abgezweigte ilerr-
schiaft Wildenstein^^) urafasste das Rittergut Polenz, die
Halfte der Stadt Neustadt bei Stolpen, die zu Lehn aus-
gegebenen Guter Lanffburkersdorf, Krummhermsdorf,
Rugiswalde, Rathmannsdorf, die Stadt Sebnitz and die
Dorfer Her tigs walde, Hennersdorf, Lichtenhain, Mittel-
dorf, Gosdorf, Hinterhermsdorf, Saupsdorl, Hinterotten-
dorf, endlich sudlich der Kirnitsch noch Ostrau und Postel-
witz sammt dem Waldgebirge bis zu der jetzigen Grenze
gegen Bohmen. Die Burg Wildenstein, an deren Existenz
man gezweifelt hat, bestand schon langst. Sie lag west-
lich von dem sogenannten „Kuh8tall", dessen ganze Um-
gebung noch jetzt der Wildensteiner Wald heisst, und
bildete bisher wohl nur einen festen Punkt zum Schutze
des ganzen siidlichen Theils der alten Herrschaft Hohn-
stein, bewohnt von einem Hauptmann und etlichen Tra-
banten. Schon 1311 wird ein „dominus Otto de Wilden-
»•) Gdtzinger, Hohnstein 28.
»») Emler, Reliq. II. 191.
»») Archiv cesky III, 665.
*») Gautsch a. a. 0. 107 nach Hau^tst.- Archiv Loc. 9923: „Die
beyden Schlosser Wilden- und Hoheustein** Bl. 6
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Die Berka ton der Diiba auf Hohiistein etc. 201
stein miles^, yielleicht der damalige Hauptmann daselbst,
als Zeuge in Dresden, ja schon 1299 ein ^Hermannus de
Wildenstein", vielleicht einst znr dortigen Besatzung ge-
hdrig, als Bathmann zu Pirna erwahnt. ^*)
Jetzt machte sich zur Aufnahme des neuen Herr-
schaftsbesitzers auch eine neue stattlichere Burg nothig.
So erklftrt sich, dass 1451 ein „alter Wildenstein" auf-
gefuhrt wird **) und z. B. noch auf der Schenk'schen Earte
von Sachsen (Amsterdam 1752) beide Burgen, der alte
und der neue Wildenstein^ verzeichnet sind.
Der neue Besitzer von Hohnstein, Hinko IIL, hatte
dem Bischof Budolph von Meissen 60 Mark Groschen
geliehen, welche dieser (1414) ihm in bestimrater Frist
zurtick zu zahlen gelobte **) oder „eilizureiten in die Stadt
nach Schluckenau", welche also Hinko gehorte. Bald
darauf hatte auch er, wie friiher sein Vater, Handel mit
der Oberlausitz. Heinrich Renker, aus Lowenberg in
Schlesien stammend^ jetzt Besitzer des grossen Rittergutes
Tschocha -im Queisskreise , sagte nebst einem andem
Adligen aus Schlesien, Heinrich von Redem, 1419 „Herrn
Berken von Hohnstein", wir wissen nicht weshalb, Fehde
an. Beide fielen mit reisigem Haufen „in Herm Berkens
Land" und plUnderten daselbst das Dorf Schirgiswalde
(Jerigiswalde) in der Herrschaft ToUenstein-Schluckenau
aus. Da sie aber auf dem Rlickwege nach Tschocha auch
in oberlausitzischen DSrfern raubten und brannten, bot
der damalige Landvogt, Hinko Hlawatsch Berka auf
Leipa, eiligst die Zittauer Burgerschaft zur Verfolgung
der Landfriedensbrecher auf, welche dieselben denn auch
unweit Ostritz iiberfiel, schlug und Renker wie Reder
gefangen nahm. *')
Unmittelbar darauf brachen die hussitischen Wirren
aus und erstreckten sich alsbald auch bis in das nord-
ostliche BOhmen und dessen NachbarlAnder, Oberlausitz
und Meissen. Die Berka auf Hohnstein und auf Wilden-
stein waren und blieben allezeit gut katholisch gesinnt;
nichtsdestoweniger waren sie unzuverlassige Freunde und
Nachbam. Als im Mai 1423 ein hussitisches Heer bis
gegen die Oberlausitz vordrang und von Rumburg oder
»*) Cod. Sax. II. 6, 333. 23.
»•) Gautsch 108, 78.
»•) Cod. dipl. Sax. reg. II. 2, 410.
»») N. Script, rer. lus. I. 110. Laus. Magaz. 1775. 69. 101.
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203 Hermann Enothe:
Schluckenau aus mit einem Einfall drohte, kam auch der
(Berka'sche) Hauptmann auf ToUenstein nach Lobau zu
einem Tage von Land und Stadten und bat um Hilfe.
In der That beschloss man eine Heerfahrt, aber man
kehrte nach wenig Tagen wieder um, well der Feind in-
zwischen wieder abgezogen war. Dennoch erwiesen sich
noch in demselben Jahre die Berka auf Hohnstein sehr
feindselig gegen Bautzen.**) 1424 l^Anfang Dezember)
waren zwischen ihnen und den Oberlausitzern Verhand-
lungen im Gauge wegen einer „Einigung". Aber scbon
im Frlihjahr 1425 (um den 22. AprU) nahmen die von
dem ToUenstein zu SchJegel (bei Ostritz) auf den Nonnen-
Gtitern zu Seifersdorf (d. h. Marienthal) das Vieh, fingen
Niclas Ponikau, den Hauptmann (oder Untervogt), und
fiihrten ihn weg. Kloss**) meint nun zwar, oass der
ToUenstein damals von den hussitisch gesinnten Warten-
bergern und zwar von Jahn auf Dewin besetzt gewesen
sei. AUein erst 1426 trat die machtige Familie von Warten-
berg zu den Hussiten liber; keine uns bekannt gewordene
urkimdliche Nachricht deutet darauf, dass der ToUenstein
damals den Wartenbergern gehCrt habe, und der Umstand^
dass infolge der Gefangennahme Ponikaus sofort auch ein
Tag zu Schluckenau gehalten wurde und die Oberlausitzer
Abgeordneten von da sich „zu den Bercken um NicoL
Ponikaus Gefengniss willen" begaben*^), erweist, dass
jener Raubzug nach der Oberlausitz von der Berka'schen
Besatzung des ToUensteins unternommen worden war. Zu
Pfingsten 1425 war Ponikau wieder frei. Im Herbst des-
selben Jahres (um den 22. September) aber hatte „Herr
Heinrich von Wildenstein" im Bautzner Land schon wieder
„die Kuhe genommen". Und so begreifen wir, dass die
Oberlausitzer 1427 (um den 4. Mai) „mit den Bircken tagten
um des Hauses ToUenstein willen". Man woUte also den-
selben, wie es damals auch mit vielen anderen bdhmischen
Burgen geschah, entweder erpachten, um ihn zu besetzen,
oder erkaufen, um ihn abzubrechen.**) Wir haben ab-
sichtlich liber diese Beziehungen der Berka zu den Ober-
lausitzern ausfuhrlich berichtet, weil hierdurch auch ihre
") Oberlaus. Provinzialbiatter 1782. 433 fg. 436.
»•) Ebend. 460.
**) Gorlitzer Rathsrechiiungen. ,
*•) Auch mit G5rlitz hatte „Heinrich vod der Duba" Handel und
verklagte die Stadt deshalb 1428 und 1432 so^ar bei dem west-
fdlischen Fehmgericht. Oberlaus. Urkunden-Verzeichnis IT, 23 und 33.
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Die Berka von der Duba auf Ilohustein etc. 203
Beziehungen zu den Meissner Fursten erst in das rechte
Licht gesetzt werden.
Seit dem Jahre 1426 nilmlich finden wir die Berka
in fast unnnterbrochene Handel und Fehden mit Meissen
verwickelt. In demselben Jahre **) stellten Heinrich Birke
von der Dubin zu dem Wildensteyn und Heinrich sein
Sohn der altere eine merkwurdige Urkund« (zu Pirna)
aus. Sie bekennen zuerst, dass sie dem Landvogte zu
Meissen, Busse Vitzthum, Erbhuldung zu des Markgrafen
Friedrich von Meissen und aller seiner Erben Hand ge-
than haben, ihm mit dem Scblosse Wildenstein treu und
gewahr zu sein und sicli machtiglich an ihn zu halten,
ak an ihren rechten Erbherrn. Sie versprechen darauf,
dass Wildenstein des Markgrafen ofFnes Schloss sein soUe
und dass er dahin irgend wen von seinen Amtleuten oder
sonst von den Seinen hinlegen konne. Sie geloben ferner,
dass der Wildenstein an keinen ihrer eignen Erben ge-
langeu; auch an niemand versetzt oder verkauft werden
soUe, er habe denn zuvor diese Eide und Geliibde gegen
den Markgrafen wiederholt. „So also sie denn in Zwie-
traclit und Unwillen, wie der hergekommen ist, mit Friedrich
von der Oelssnitz, Vogt zum Konigstein, und Hans von
Grisslau und beide ihren Briidern und Helfern gewescn
sind", so geloben sie, diese darum nimmermehr zu be-
fehden oder es ihnen zu verdenken. — Demnach war also
Heinrich auf Wildenstein, jedenfalls der seit 1410erwahnto
erste Besitzer dieser Herrschaft, sammt dem alteren seiner
(beiden) gleichnamigen Sohne zunachst mit Friedrich von
der Oelssnitz auf Eathen und anderen Mannen Kurfiirst
Friedrichs des Streitbaren in nachbarliche Fehde gerathen.
Dieser hatte sich seiner Vasallen hilfreich angenommen
und den schlimmen Nachbar entweder durch eine ent-
scheidende Niederlage oder durch Belagerung gezwungen,
ihm das Besetzungsrecht auf dem Wildenstein zuzusichern,
ja ihm als Erbherrn zu huldigen. Es geschah dies im
Jahre der Schlacht bei Aussig. Eben damals war Sieg-
mund von Wartenberg auf Tetschen und sein ganzes
Geschlecht zur hussitischen Partei tibergetreten. Niemand
konnte wissen, wie sich iiberhaupt die Zustande in Bohmen
noch gestalten wiirden. So scheint sich der Kurfiirst des
gefahnichen Schlosses und des unzuverlassigen Nachbars
**) Urk. ohne Tag bei Gautsch a. a. 0. 102 nach Hauptst.-Arch.
Loc. 9923 „Die beyden Schlosser etc." Bl. 1.
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204 Hermann Knothe:
auf alle Falle haben versichem zu wollen. — Auch mit
Hinko III, auf Hohnstein schloss der Kurfiirst den 6. Juni
1427*') zu Freiberg einen Vertrag, wonach ersterer ihm
mit alien seinen Scnlossern und Markten soUe gegen die
Ketzer, namentlich gegen Siegmund von Wartenberg, bei-
stehen und sich mit denselben nicht frieden soUe ohne
des Kurfiirsten Willen, wofiir dieser dasselbe verspricht.
Schnell aber wechselten in jener Zeit Freundschaft und
Feindschaft. Im Jahre 1435 waren die Sohne Friedrichs
des Streitbaren, Kurfiirst Friedricb der Sanftmiithige und
Siegmund, wieder mit den Birken zerfallen. Nicht nur
gegen den Hohnstein zogen sie, den Dresdner Raths-
rechnungen zufolge^ mit Heeresmacht, sondern sie schloss«n
den 15. August**) mit dem hussitischen Siegmund von
Wartenberg auf Tetschen sogar ein Biindnis auf drei Jahr
unter folgenden Bestimmxmgen. Nachdem die s^chsischen
Briider „zu Unwillen kommen sind mit Ern Hinczken
vom Steyne zu Wildensteyn gesessen", so soUe ihnen Herr
Siegmund gegen diesen und seine Heifer mit seiner ganzen
Macht beistenen. SoUte es sich als ndthig erweisen, so
wolle man ihm 50, ja 100 Pferde zu Hilfe schicken auf
der Fiirsten Kosten und Schaden. Fiir seinen Beistand
soUe Siegmund 1000 fl. erlialten zu einem Geschenk,
und zwar die eine Halfte, so er den Krieg mit Herrn
Hinke anhebt, die andere Halfte spftter. SoUte man in
dieser Fehde die Stadt Bensen oder den Scharfenstein
gewinnen (welche also damals den Birken noch gehorten),
so soUten diese Giiter Herrn Siegmund zustehen; sollte
man aber den Wildenstein gewinnen, so soUe dieser den
sftchsischen Fiirsten zustehen. — Wir halten den hier
genannten Ern Hinczken nicht etwa fur einen Ritter aus
der Familie von Stein, der sich etwa damals des Wilden-
steins bemachtigt habe; wenigstens ist uns trotz vieler
ritterlicher Mannen dieses Namens in jener Zeit keiner
mit dem Vornamen Hinko begegnet, und das Pradikat
„Er" fuhrte bekanntlich nur der hohe bohmische Adel.
Wir halten denselben vielmehr fiir den Besitzer des ^Steins",
d h. der Burg, zu Wildenstein aus der Familie Berka und
zwar, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, fiir den
1426 erwahnten altesten Sohn des ersten Inhabers dieser
**) Hauptst-Archiv, Witt. Archiv, B6hm. Sach. Irrungen und
Vertrage Bl. 6.
**) Hauptst-Arch. Orig. 6338.
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I)ie Berka von der Duba auf Ilohnstein etc. 205
Burg. Diesmal batten es also die Meissner auf eine Er-
oberung des gefabrlicben Wildensteins abgeseben.
Ein Jahr spelter waren die Berka mit dem Warten-
berger wirklich noch in Krieg; die Meissner Ftirsten
aber waren mit ihm bereits wieder zerfallen. Da ver-
mittelte der Bischof Johann von Meissen den 4. Juni 1436**)
zwischen Hincke, Oindrzich [d. h. Heinrich] und Beness
Birken^ Gevettem van der Duhin^ czum Honstem, Mclstein
und czum WUdenstein gesessin und den Markgrafen von
Meissen einen Vertrag, wonach letztere den ersteren gegen
Siegmund von Wartenberg auf Tetschen und alle seine
Heifer beistelien und zu deren Schutze 150 Trabanten auf
den Wildenstein, der Bischof aber 50 dergleichen auf den
Mtihlstein (bei Bohmisch-Zwickau) legen sollten. Diesmal
scheint die Gefahr vor den hussitischen Wartenbergern
die Berka genothigt zu haben, bei den Meissnern Schutz
zu suchen und eine sachsische Besatzung aufzunehmen. —
Der Besitzer des Wildensteins heisst jetzt Beness. Wir
halten ilm fiir einen Sohn des 1410 erwahnten Heinrich,
fUr einen Bruder des 1426 und wieder 1435 genannten
Heinrich des alteren; sicher war er ein Bruder des noch
oft anzuftihrenden Albrecht Berka.
Ein sachsisches Heer riickte darauf vor Tetschen und
belagerte Siegmund von Wartenberg. Im Felde vor
Tetschen wurde den 4. August 143d**) mit demselben
zunHchst ein Waffenstillstand vereinbart, in welchen die
sachsischen Ftirsten die ebengenannten drei Vettem von
der Duba, den Bischof von Meissen und die Oberlausitz,
Siegmund von Wartenberg aber seinen Bruder Jahn auf
Blankenstein zogen. Mit den Wartenbergern kam es den
27. April 1438 wirklich zu einem definitiven Frieden.
Aber unmittelbar darauf begannen neue Htodel mit
den Berka. Sie batten 1438*') die Burg Rathen erobert,
erhoben auch Lehnsansprtiche auf dieselbe und kiindigten
sammt ihren Yasallen jetzt auch den sachsischen Ftirsten
Fehde an. Genau ein Jahr sp&ter vertrieb Friedrich von
der Oelssnitz die Berka'sche besatzung wieder aus seiner
Burg. Endlich den 2. Juli 1439 erfolgte zu Dresden ein
Friedensschluss, wonach der Kurftirst die streitige Lehnfrage
") Hauptst-Arch. Orig. 6404. Gautsch 49.
*^ Hauptst-Arch. Orig. 6410.
*') Nach dem Pirnaiachen Monch Lindner bei Mencken,
Script. II. 1697.
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206 Hermann Itnothet
wegen Rathen auf das Erkenntnis des romischen Kaisers
stellen will und von beiden Seiten die wahrend der Fehde
gemachten Gefangenen herausgegeben werden soUen. Beness
Birke von Wildenstein verpflichtet sich, den sachsischen
Fiirsten zu Diensten zu stenen und ihre Lande schUtzen zu
helfen, wofur er jahrlich von ihnen 200 fl. erhalten soil.
So suchte man sich also jetzt durch ein Jahrgeld von den
Wildensteinern Ruhe zu erkaufen. Allein vergeblich.
Ein Jahr spater brach die Fehde aufs neue aus. In
einem auf dem Wildenstein selbst den 6. Dezember (1440)
geschriebenen Briefe*®) wirft Albrecht Birke den Fiirsten
vor, die christliche Richtung, die sie (1438) mit seinem
seligen Bruder Beness gemacht und derzufolge dieser „mit
uns seinen Brudern" (d. h. Heinrich und Albrecht) in der
FUrsten Dienst gewesen, nicht gehalten zu liaben, viel-
mehr sie haben beriicken zu woUen. So sei sein Bruder
Beness von den Leuten der Fiirsten erschlagen, er, Albrecht,
selbst gefangen und „von seinem Schlosse, Gute, Habe
gebracht" und audi sonst, ebenfalls von den Leuten der
Fiirsten, mit Raub, Brand, Nome, Gefangniss und Ver-
dingniss angegrifFen und verderbet worden. Deswegen
und weil auch Jahn von Wartenberg auf Blankenstein
(Albrechts Schwager) ohne alle seine Schuld (von Friedrich
von der Oelssnitz) gefangen worden sei, sagt jetzt Albrecht
Berka auf Wildenstein und ein uns sonst nicht bekannt
gewordener Czenko Birke vdn der Dube den sachsischen
Fiirsten Fehde an. Wir vermogen nicht zu beurtheilen,
wie weit diese Vorwiirfe begriindet sein mochten. Vielleicht
hatte der von der Oelssnitz, der alte Gegner der Birken,
aus irgend welchem Grunde wieder losgeschlagen, wobei
Beness Birke getodtet, Albrecht und sein Schwager Jahn
von Wartenberg gefangen, ja wie es scheint, der Wilden-
stein selbst genommen worden war. Die wiedererlangte
Freiheit benutzte Albrecht sofort zu Ankiindigung neuer
Fehde, in welche, wie sich sofort ergeben wird, auch
Hinko III. auf Hohnstein auf der einen und Bischof Johann
von Meissen auf der andern Seite sofort hineingezogen
wurden.
In Dresden wollte man sichtlich Ruhe. Und so er-
klarten den 6. Januar 1441*^) Hincke zum Hohnstein,
Hincke und Albrecht zum Wildenstein, Briider und Vettern
*«) Hauptst.-Arch., Witt. A., B5hm. Sach. Befehd. Bl. 264.
*•) Hauptst-Arch. Cop. I fol. 281.
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Die Berka von der Duba auf Holinstein etc. 207
Bircken von der Dube, dass sie die bisherige Fehde mit
den HerzOgen Friedrich und Wilhelm von Sachsen, dem
Bischof von Meissen und deren Landen und Unterthanen
auf ein ganzes Jahr abthun wollten und ihnen giitlich
sitzen, und zwar deshalb, weil die Herz5ge Jahn von
Wartenberg, ihren guten Freund und Schwager, „von
Friedrich von der Oelssnitz seines Gefangnisses ledig und
los geschafFt" batten.
Auf diesen WafFenstillstand folgte den 10. Mftrz 1442***)
eine ewige Richtung und Siihne. In dieser gelobten
die genannten drei Birken, dass alle Zwietracht und Un-
wille nun beigelegt, alle Schuldforderungen getilgt seien
und etwaige neue DifFerenzen nicht mehr auf dem Wege
der Fehde, sondem durch Schiedsmanner erledigt werden
soUten. „I)a nun die Birken dem Stift Meissen zu Diensten
wohl gesessen sind", so sollen die beiden bischoflichen
Stadte Jockrim und Bischofswerde den Birken zu Wilden-
stein -ura Schutzes des Stifts willen" ftinf Jahre hindurch
je 40 Schock Groschen als Jahrgeld zahlen. So hatte sich
jetzt der Bischof entschliessen miissen, sich durch ein jahr-
liches Schutzgeld von den Wildensteinern Ruhe zu erkaufen.
Dieser Friede hatte nun endlicli auch wirklich Be-
stand. Albrecht Birke wurde noch in demselben Jahre
1442*^) Vermittler von Waffenstillstanden zwischen den
sachsischen Ftirsten und dem Bischofe einerseits und den
Wartenbergern auf Tetschen andrerseits, wobei er als
BUrge fttr letztere fungierte.
Aber flirwahr diese Birken erweisen sich nach alle
dem in absichtlicher Vollstandigkeit von uns bisher Er-
zahlten als ein friedloses Gescnlecht ohne alien Verlass.
So lange sich die festen, fast uneinnehmbaren Burgen
Hohnstein und Wildenstein in ihren Handen befanden, war
nicht nur das bischofliche Stolpen, sondern auch der
s^chsische K5nigstein, Pirna, ja Dresden selbst gefdhrdet,
wenn sich jene einraal mit anderen machtigen Herren aus
Bohmen verbundeten. Und eben hatte nach Kaiser
Albrecht 11. Tode (1439) in Bohmen die koniglose Zeit,
das Interregnum, begonnen. So erscheint denn das Be-
streben des Kurfiirsten, jene beiden Burgen mit ZubehSr
in eigenen Besitz zu bringen, einfach als ein Gebot der
Selbsterhaltung.
»«) Haupt9t.-Arch. Orig. 6689.
»») Ebend. Orig. 6699. 6712.
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208 Hermaim Knothei
Und in der That ein Jahr sjMlter waren bereits die
Unterhandlungen im Gange, um zunachst die.Herrschaft
Hohnstein zu erwerben. Bischof Johann von Meissen er-
wies sich, im eigensten Interesse, dabei sehr thUtig.**)
Es war sein Official, Dr. Johann Swofflbeim^ der nebst
dem Berka'schen Hauptmann Jancko Knobelanch den
26. ("ebruar 1443 zu Torgau mit den sachsischen Bathen
die Beduigungen vereinbarte, unter denen Hohnstein an
Sachsen abgetreten werden sollte. Den 8. M&rz 1443 *')
gelobte Hyncke Berka Ton der Dabe der altere und zum
Hohnstein gesessen auf dem bischdflichen Schlosse Stolpen,
diesen Vereinbarungen unverbrtichlich nachzukommen.
Demzufolge trat derselbe sammt seiner Frau Barbara
Hohnstein nebst Zubehor an die Gebriider Friedrich und
Wilhelm, Herzoge zu Sachsen^ ab und erhielt dafur von
diesen die Herrschaft Miihlherg an der Elbe, in welcher
sein Vater Hinko H. 1388 kdniglich bShmischer Statt-
halter gewesen (S. 196), welche aber 1397**) von Kdnig
Wenzel an Markgraf Friedrich von Meissen versetzt worden
war, und ausserdem noch 570 Schock Groschen bar.
Den 14. Marz**) wurden beiderseits die Urkunden tiber
diesen Freikauf ausgestellt. Derselbe vollzog eine neue
wichtige Erwerbung fiir das Meissner Land. Denn wenn
auch Hohnstein**) zunachst noch bohmisches Lehn blieb,
so ist es doch nie wieder von Sachsen getrennt worden.
Der Verkaufer „Hyncke der ftltere" ist nach unserer
Ansicht derselbe, der 1410 in der bruderlichen Theilung
Hohnstein, Scharfenstein und Antheil von ToUenstein-
Schluckenau erhalten hatte. Seine Frau heisst jetzt beim
*') Gercken, Stolpen 631 fg.: „Do wart ouch angesehen der
grosse vleiss, den Bischoff Jobannis mit den seine that bey dem
slosse Hoenstein, dorumb gros erbeit, mnhe nnnde zcernnge geschach,
daz daz qwam an dy Herscbaift za Miesssen'S
»») Hauptst.-Arch. Grig. G 745.
**) Ebend. Orig. 5016.
») Ebend. Orig. 6748. Gautsch 104.
*•) Ueber die in ihren Ursprtingen jedenfalls in die Zeiten der
Berka zurtlckreichenden RechtsverhSltnisse der Erbanterthanen in
der Herrschaft Hohnstein vergl. Hasche, Magaz. der s&chs. Gesch. IV,
und zwar &ber das Stadtchen Hohnstein Seite 229, die Harnisch-
kammer im Schlosse Seite 87, liber Nenstadt Seite 136, fiber
Schandau Seite 140, fiber die Lehnrichter, Amts- und Schriftsassen
Seite 219, den Kanfbrief der Herrschaft yom Jahre 1543 Seite 147;
fiber das Recht des Holzhandels aus der ganzen Herrschaft yergl.
GOtzinger^ Hohnstein 47.
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i)ie Berka von der Duba auf Hohnstein etc. 20d
Verkauf Barbara^ ehenso wie im Jahre 1434*'), wo er
„mit seiner Frau Barbara" das wuste Dorf Ludwigsdorf
(S. 197) wieder an den Biscliof von Meissen verkaufte.
Den Beinamen des alteren fuhrte er ira Gegensatze zu
seinem gleichnamigen Sohne oder Bruder. Schon 1437
namlich batten Hemrich, Hynek und Niclas Gebriider von
Duba und Hohnstein ihr erblidies Lehngut Tilrmitz (siid-
westlich yon Aussig), wie sie es von Albrecht von Colditz
erworben, an Hans Manstorfer von Krupka (d. b. Graupen)
verkauft.**') Wir balten diese Bruder fur Hinko III. auf
Hobnstein, Heinricb auf Wildenstein; Niclas ist uns sonst
nicht vorgekommen. Auch noch eine Schwester batte
Hinko ni., Namens -Anna**), Wit we des Nicolaus Kolowrat;
ibr batte Hinko, als er nocb Besitzer von Holmstein war,
das Dorf Saupsdorf wiederkauflicb liberlassen, welcbes
Kurfurst Friedricb (der Sanftmutbige) 1447®**) einloste.
So blieb Hinko HI. in Bobmen fortan nur nocb
sein Antbeil an ToUenstein, von welcbeni nocb spater zu
sprecben sein wird, und die Herrscbaft Scharfenstein mit
Bensen (S. 199), welcbe aucb nocb auf seine Nacbkommen
iiberging; denn 1451 verpfandete Jobann von Bergow
und von Trosk sein Erbe in Cblumec dem Hynek Berka
von Duba, dem Sobne des weiland Hynek von Berka und
von Scbarfenstein. Wir folgen Hinko HI. und seinen Nacb-
kommen*') nicbt aucb in ibre neue Besitzung Muhlberg,
sondern bescbaftigen uns von nun an nur nocb mit den
Inbabem von Wildenstein und ToUenstein. —
»») Hauptst-Arch. Grig. 6318.
*•) Archiv cesky III, 618. Vergl. Hallwich, Geschichte der Berg-
stadt Graupen (1868) 25.
»•) Hauptst-Arch. Orig. 7014.
•*>) Hauptst-Arch. Orig. 7014.
•') Noch haben wir kurz die irrige Augabe aiterer Historiker,
z. B. Gotzingers, Hohnstein mit Lohmen (1786) 34 fgg., zu wider-
legen, welche glauben, dass die Berka bis 1489 Inhaber von Hohn-
stein gewesen seien. Was GOtzinger von Rathen aus den Jahren
1463 und 1464 erzahlt, gehort in die Jahre 1438 und 1439 (oben
S. 205). Femer halt derselbe einen „Georg Birke" fur den Herr-
schaftsbesitzer. Im Jahre 1451 gehOrte ein Steffan Birke, der
den Zins auf Kathmannsdorf pfandweis besass, zu den Mannen
Albrecht Berkas auf Wildenstein, welche dieser sammt seiner Herr-
3chaft Wildenstein an Sachsen abtrat (Gautsch, Aelteste Geschichte
der s§.chsischen Schweiz 108.) Diesen selbigen Zins kaufte 1467
der Bath zu Schandau von einem Georg Birke, doch wohl dem
Sohne jenes Steffan, und erhielt Zins und Dorf von den Gebrtidern
Ernst und Albrecht von Sachsen als Stadtgut gereicht. (Gotzinger,
Neues Archiv f. S. G. u. A. II. 3. 14
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210 Hermann Knothe:;
Im Besitz der Herrschaft WUdenstein waren auf Hein-
rich Berka von der Duba^ den ersten Inhaber (1410 S. 199
und 1426 S. 203), wir wissen nicht wann, dessen Sohne
gefolgt. Als solche wurden bereits erwfthnt Heinrich der
altere (1426 S. 203, 1435 S. 204, 1440—42 S. 206), femer
Beness (1436 S. 205, erschlagen 1440 S. 206) und Albrecht
(seit 1440 Seite 206). Heinrich „der altere" oder ein jeden-
falls gleichnamiger Bruder yon ihm, scheint, da er in den
Handeln mit Meissen in den Jahren 1436 bis 1439 nicht
erwahnt wird, sich indessen entweder auf anderen Gtitern
der Familie oder in fremdem Dienste befunden zu haben.
Nach 1442 ist auch er uns nicht mehr begegnet; viel-
mehr erscheint seit 1443 Albrecht Birke als alleiniger
Besitzer von Wildenstein und des zugehorigen Antheils
Hohnst. Beilagen 8 fg.) Dieser Georg Birke hatte &rgerliche H&ndel
mit seiner Frau Ursula, welche 1468 durch Bischoi Dietrich von
Meissen beigelegt warden. Vergl. [Grnndmann] Nachrichten von Nen-
stadt bey Stolpen (1769) 9. Hierbei wird nun im Context der betreffen-
den Urkunde dieser Georg Birke als her czum Hoenstein bezeichnet.
Wir kdnnen nicht glauben, dass das Original der Urkunde, das wir
nicht kennen, diese Worte enthalten habe. Deukbar w3.re, dass in
der blossen Abschrift, welche wahrscheinlich Grundmann vorlag,
jener Zusatz als n&here, aber irrthlimliche , Bezeichnung der Per-
sOnlichkeit gestanden habe. In eben dieser Urkunde wird fibrigens
jener Georg Birke stets nur als .,gestrenger^* tituliert, in der Urkunde
von 1467 sogar ohne jedes Pr&aikat aufgefuhrt, wahrend ein „Birke
von der Duba^' sowohl von dem Bischoi von Meissen, als von den
Herzogen von Sachsen sicher das Ehrenpr&dikat des hohen bOhmischen
Adels „Herr*' oder „Er" erhalten haben wtirde. Hierauf macht mit
Recht schon Hasche (Magazin der sSlchsischen Geschichte IV, 328)
aufmerksam, bezeichnet aber (ebenda 333 fg.) dennoch diesen Georg
Birke wieder als einen Berka von der Duba. Uebrigens kommen die
Vornamen Steifan und Georg in der Hohnsteiner Linie der Berka
nie vor; auch von den Sdhnen Hinkos III. flihrt keiner dieselben.
Wer nun dieser Steffan und Georg Birke gewesen, ob sie t&berhaupt
von den ehemaligen Herrschaftsbesitzern abstammen, etwa als die
unehelichen Nac&ommen des einen oder andern, wissen wir nicht.
Unter den Zeugen in der Urkunde von 1468 kommt auch ein
Cristoff Bircke vor. Herren auf Hohnstein waren sie entschieden
nicht. Auch die ebenfalls von G&tziuger fa. a. 0. 88) aus einer Seb-
nitzer Pfarrmatrikel angefUhrte Notiz scneint nicht genau. Wohl
ma^ die Fruhmesse zu Lobendau 1489 von dem Bischof Johaun von
Meissen bestatigt worden sein ; gestiftet von Henrico Birch von der
Dat^en domino in Hohnstein war sie aber gewiss schon zu Anfang
des 16. Jahrhunderts. Wenigstens kommen die beiden daselbst er-
w&hnten Zeugen , Hanss von Lottitz, Hewptmann, 1408 als Haupt-
mann zu Rumburg (Balbin^ Misc. V, 302), und Dam [Tamme] Knob-
loch 1409 als Yasall Hinkos II. auf Hohnstein vor. (Hauptst.-Archiy
Orig. 6476.)
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Die Berka von der Duba aiif Hohnstein etc. 211
von Tollensteinr^hluckenau (oben S. 200). Seit 1444 «*)
nennt er sich vorzugsweise „zu ToUenstein", oder 1446 *^)
„Herr z'u Wildenstein und ToUenstein", scheint sich also
nun vorzugsweise auf letzterer Burg aufgehalten zu haben.
Albrecht war verheiratet mit Anna, der Tochter des
Burggrafen Wentsch von Dohna (Donin) auf Grafenstein**),
slidlich von Zittau an der Neisse, und wurde, als treuer
Genosse seines streitlustigen Schwiegervaters, nun aueh in
dessen Zwistigkeiten^ einmal mit den oberlausitzischen
Sechsstadten und sodann mit den Herren von Biberstein
auf Friedland und Hammerstein (bei Kratzau unweit
Grafenstein), hineingezogen. Ltogst sclion batten die Berka
auf Wildenstein Handel mit Bautzen gehabt. Sie batten
„Waidleute", welehe Waid nach Bautzen ftihrten, beraubt,
weshalb (1437) Stadtetage zu L5bau gehalten, Boten an
«,Benes Birke" nach dem. Wildenstein geschickt und die
Waidwagen von Gorlitz unter bewaffnetem Schutze nach
Bautzen „geleitet wurden vor denWildensteinischen". Noch
1441 soUte zu Bautzen getheidingt werden „mit den Bercken
von dieses Nomes wegen", und 1442 wird sogar „dcr
Bercken Fehde gegen die von Budissin" erwahnt. Infolge
dessen schickte aucn Gorlitz einen Boten nach dem Wilden-
stein ^mit der Aufsagung" und nahm Soldner auf „contra
Birkones et alios raptores pro defensione".®*) Diese Fehde
gewann um so grossere Bedeutung, als sich 1442 *•) auch
die Briider Ulrich, Wenzel imd Friedrich von Biberstein
auf Friedland und Forst (in der Niederlausitz) mit den
SechsstMten formlich gegen Wentsch von Dohna und
„Hincke und Albrecht Bircken auf Wildenstein** ver-
blindeten. Zwar wurde 1444®') wenigstens zwischen den
genannten bdhmischen Herren ein suhnlicher Vergleich
geschlossen; aber alsbald begannen auch zwischen diesen
die Streitigkeiten von neuem.
Inzwischen waren nach dem Tode Kaiser Albrechts H.
(1439) die kaum beschwichtigten Parteikampfe in Bohmen
*') In einem Friedensvertrag mit den Biberstein auf Friedland.
Oberlaus. Urk.-Verzeichni8 II, 67 D.
•*) In einem Dienstvertrag mit Kurfttrst Friedrich von Sachsen.
Hauptst.-ArclL Orig. 6928.
•*) Vergl. tiber denselben von Weber, Archiv fttr die sAchsische
Geschichte. N. F. I, 232 fgg.
**) Nach den 66rlitzer Rathsrechnungen.
••) N. Script, rer. lus. I, 255.
•*) Urk.-Verzeichni8 II, 67b.
14*
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212 Hermann Knothe:
aufs neue ausgebrochen. Die Wahl eincs neuen Konigs
ward immer wieder hinausgeschoben. Seit 1444 war Georg
von Podiebrad das anerkannte Haupt der utraquistischen
oder hussitischen Parte! , wUhrend an der Sjpitze des
katholisch gesinnten Herrenbundes die Fainilien Rosenberg
und Neuhaus standen. Seit nun Meinhard von Neuhaus
den auch von uns oft erwahnten Siegmund von Warten-
berg auf Tetschen (1439) gefangen genommen und auf
einem seiner Schlosser hatte Hungers sterben lassen*^)^
wendete sich das ganze weitverzweigte und m^chtige Ge-
schlecht derWartenberge zurPartei Podiebrads. Dieselben
besassen damals im nordlichen Bohmen die Herrschaften
Tetschen und Blankenstein (ndrdlich yon Aussig), des-
gleichen Leipa^ aus welchem schon Siegmund von Warten-
berg die katholisch gesinnten Berka auf Miihlstein auf
Zeit vertrieben hatte, endlich die alten Stammgiiter der
FamiliC; namlich Wartenberg mit der Burg Roll und
Dewin. So waren jetzt die katholisch gesinnten Barone
Wentsch von Dohna und Albrecht Berka rings umgeben
einmal von den Gebieten der utraquistischen Warten-
berge, sodann von der ihnen ebenso verhassten Biirger-
madbt der oberlausitzischen SechsstS,dte, zumal Zittaus.
Diese ihnen von zwei Seiten her drohende Gefahr war es
jedenfalls, welche Wentsch und Albrecht bestimmtC; den
16. Mai 1446®*) zu Meissen eine Urkunde auszustellen,
in der sie erkl&ren, dass sie „um Friede, Schutz und Ver-
theidigung willen des Herzogs Friedrich von Sachsen und
seiner Erben Diener geworden** seien, und, „wie ein jeder
getreue Diener seinem Herm von Rechts wegen pflichtig
ist", ihm gelobt hatten, seinen und der Seinen Frommen
zu werben und Schaden zu wamen. Infolge dessen sollten
dem Herzoge alle ihre Schlosser, nS.nilich Wildenstein,
Tollenstein, Grafenstein, zu alien seinen N5then und Kriegen
wieder manni glic h, nur nicht gegen die Krone BOhmen
und Jahn von Wartenberg (Albrechts Schwager), geoffiiet
und unterthlU[iig sein; der Herzog dagegen solle sie und
die Ihrigen schiitzen. Dieser Vertrag sollte auf 20 Jahre
Gtlitigkeit haben, es sei denn, dass inzwischen „ein Eonig
von Bohmen sein wiirde, der die Krone machtiglich inne
hatte"; in diesem Falle soUe die Verschreibung hinfallig
••) N. Script rer. lus. I, 67.
••) Hauptst-Arch. Orig. 6928, abgedruckt in den Aufzeichnungen
Ober die erloschenen Linien der Familie Dohna (Berlin 1876). IT, 225.
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Die Berka von der Duba auf Hohnstein etc. 213
werden, doch erst nach halbjahriger Kiindigung. — So
hatte also die eigne Gefahr Albrecht Birke jetzt genothigt^
sich unter den Schutz Kursachsens zu stellen und dem
Eurflirsten freiwillig dieselbe Burg WUdenstdn ,^u Dien-
s^enf^ zu stellen^ von welchem seit 30 Jahren die meissnischen
Ftirsten so oft waren befehdet worden. Kursachsen aber
gewann hierdurch bei den immer drohender werdenden
V erwicklungen mit B6hmen und dessen jetzigem Guber-
nator Georg von Podiebrad einen ehemaligen Gegner zum
Bundesgenossen und Schtitzling und eine Anzafal fester
Schlosser an der Grenze zum Schutze des eignen Landes.
Im Jahre 1450 brach bekanntlich der offene Krieg
zwischen Kursachsen und Bohmen aus. Wohl eben des-
halb vermochte letzteres die Schlosser seiner Schutz-
befohlenen nicht vollig gegen die Gefahren zu vertheidigen,
welche diese allerdings selbst gegen sich heraufbeschworen
hatten.
Schon langst hatten Albrecht Birke und sein Schwieger-
vater Wentsch von Dohna neue Hftndel mit den Sechs-
st&dten begonnen. 1448 wurde von letzteren der Grafen-
stein belagert und beschossen; diesmal noch vergeblich.
Ergrimmt vereinigten' daher 1449 Wentsch und Albrecht
alle ihre Vasailen und Freunde zu einem allgemeinen
Bunde gegen die Stadte, liessen von ihren Burgen aus
Raabziige in deren Land machen „und woUten es doch
nicht gethan haben'^; ja sie schlossjn sogar mit Jahn von
Wartenber^y dem Ketzer und alten Feinde der Sechsstadte^
ein formliches Bundnis. Da zogen 1450 Adel und StUdte
gemeinschaftlich ein zweites Mai vor den Grafenstein.
^ach dreiwochiger Belagerung musste nicht bloss Wentsch,
sondem auch Albrecht geloben, „sich mit ihren offenen
Schlossem nach Land und Stadten der Oberlausitz gegen
alle ihre Feinde richten zu woUen.** ''^) Schon damals
soil auch der Tollenstein ebenf alls belagert worden sein.'*)
Jedenfalls war jetzt die Macht beider Herren auf lange
hinaus gebrochen und ihre Geldmittel vollig erschOpft.
Dies war denn wohl auch der Grund, weshalb sich
Albrecht Birke 1451 veranlasst sah^ seine Herrschaft
WUdenstein an den Eurflirsten von Sachsen mittels erb-
lichen Freimarktes abzutreten. Am 6. April hatte Heinrich
**) Vergl. von Webers Archiv fftr die sachsische Geschichte.
I, 241 fffg. Oberl. Urk.-Verz. II, 66 g, h. G6rl. Rathsrechn.'
") Pescneck, Geschiclite von Zittau IT, 908.
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214 Hermann Knothe:
von BunaU; der sachsische Vogt auf Hohnstein, mit Albrecht
eine Zusamraenkunft zu Neustadt bei Stolpen, auf welcher
das Tauschgeschaft zum Abschluss gebracht ward. Von
beiden Seiten warden nach den Erbregistem der beider-
seitigen Outer vor allem die trocknen Zinsen der aus-
zutauschenden Gebiete genau berechnet und „je ein Schock
Geldes gegen das andre gleich angeschlagen, gegeben und
genommen", wobei sich ergab, dass Albrecht die Summe
von 750 Schock 58 bOhmischen Groschen und 2 Pfennigen
noch bar ausgezahlt zu bekommen hatte. So stellte denn
Albrecht 1451 die Abtretungsurkunde iiber Wildenstein
mit genauer Aufz^hlung aller seiner Zubeborungen aus.
Diese von Gautsch (Aelteste Geschichte der sachsischen
Schweiz. 1880. S. 107 fg. nach Hauptst.-Arch. Loc. 9923
„Die bey den Schlosser Wilden- und Hohenstein etc." Bl. 4)
abgedruckte Urkunde ist nicht das Original'*), sondern
nur eine gleichzeitige Kopie. Sie enthalt ohne jedes
Datum nur den einen Theil des Tauschvertrags, namlich
die von Albrecht an Sachsen abzutretenden Giiter, und
schliesst in der That mit einem „etc.". Aber die von
Sachsen an Albrecht abgetretenen Besitzungen lernen wir
aus Blatt 15 b und 16 jenes Aktenstuckes kennen. „Item
dese nachgeschrebene guter und manschaft hat unser
gnediger Herre von Sachsen Em Albrecht yn dem frev-
margte obergeantwert.** Es sind dies zuerst folgende
Vasallen: Jancko, Siegmund und Heinrich Knobelauch
auf Wamsdorf und auf Schonau (westlich von Schluckenau),
Siegmund und Nickel Knobelauch zu Nixdorf („Nickils-
torff"), Christoffel, Heinrich und Albrecht Luttitz auf Rosen-
hain (n5rdlich von Schluckenau) und auf Schirgiswalde
(^Scheringeswalde**) , Hannus imd Thamme Luttitz auf
An theil („die Helffte") Konigswalde (ostl. von Schluckenau)
und Antlieil Georgswalde („Gerigiswalde"), Christoffel von
Hefmsdorf auf Rumburg (^Ronneberg") und Seifhenners-
dorf bohmischen Antheils („Heynirstorf"); ferner „das Stadt-
chen Schluckenau die Halfte*^, das Dorf Kaiserswalde
(westlich von Schluckenau) die Halfte, die Dorfer Zeidler,
Nixdorf, Wolmsdorf (^Willemesdorff "), endlich der Sprem-
berger Wald ^oberhalb Schluckenau", der Nixdorfer „ober-
") Gautsch sagt zwar in der Anmerkung daselbst, „das Original
sei auch vorhanden". Doch haben wir dasselbe trotz aller an-
gewendeten MOhe nicht aufzufinden vermocht, da Gautsch so gut wie
nie fUr seine Angaben genaue Gitate anfUhrt.
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Die Berka von der Duba auf Hohnstein etc. 215
halb Sebnitz die Halfte^ „der Persk" (?) die Halfte und
„der Poczin" oberhalb Schluckenau ganz.
Diesen Antheil der Herrschaft Tollenstem-ScUuckenau
also trat 1451 der Kurftirst von Sachsen gegen Wilden-
stein an Albreckt Birke ab. Er kann ihn von niemand
sonst als von Hinko III. auf Hohnstein erworben haben.
Eg muss dies also jener Antheil gewesen sein, welcher
1410 bei der bruderlichen Theilung (oben S. 200) der
Hohnsteiner Linie zugewiesen worden war. Wann der-
selbe von Hinko III. an Kursachsen uberlassen wurdo;
wissen wir nicht. Eine Urkunde dariiber ist nicht zu
finden gewesen. Gewiss war eine solche ausgestellt, aber
jetzt bei dem Freimarkte von 1451 an den neuen Inhaber,
Albrecht Birke, ausgeantwortet worden. Jedenfalls durfte
bisher niemand davon Kunde gehabt haben, dass den
eachsischen Fursten schon von etwa 1443 — 1451 ein Theil
der Herrschaft ToUenstein gehort hat. Diesen Antheil
vereinigte jetzt also Albrecht mit dem der Wildensteiner
Linie, den er schon besass, und erlangte, wie oben (S. 200)
erwahnt, 1457 auch noch den der Kreibitzer Linie infolge
des jedenfalls unbeerbten Todes Johann Berkas hinzu.
Die Verwaltung der nunmehr sachsischen Herrschaft
Wildenstein'*) aber wurde dem Vogte oder Amtmann von
Hohnstein mit tibertragen. Sie bildete fortan im wesent-
lichen „das Hinteramt Hohnstein^. Kursachsen hatte mit
ihr ein neues bohmisches Lehn erworben, welches ihra
1459 im Egerschen Vertrage bestatigt wurde, und hatte
nun seine jetzigen und natiirlichen Grenzen gegen Bohmen
auf dem rechten Elbufer erlangt. Das gefahrliche Schloss
Wildenstein wurde wohl alsbald abgebrochen. Ruhig und
sicher konnten von nun an die Fuhrleute von Schandau
aus ihre Frachtguter nach Sebnitz oder nach Neustadt
bei Stolpen weiter fiihren. —
Bevor wir das Walten Albrecht Birkes von der Duba
auf der von seinen alten Familiengutern ihm allein ver-
bliebenenr Herrschaft ToUenstein -Schluckenau weiter ver-
»•) Ueber die in ihren Urspriingen jedenfalls in die Zeiten der
Berka von der Duba zurilckreicheuden Verhaltnisse der zugehorigen
£rbunterthanen vergl. ausser dem bereits oben (Seite 208, Anmerk.)
AngefUbrten Hascbe, Magaz. der sachs. Geschichte lY, und zwar in
betreff der Stadt Sebnitz S. 100, Gerichte, Dienste etc., desgleichen
Gdtzinger, Hohnstein Bell. 107, in betreff der Pfarrei daselbst
Hasche IV, 131, Gotzinger, Beil. 52.
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216 Hermann Enotbe:
folgen, mussen wir nocli einen kurzen Riickblick auf die
frtihere Geschichte derselben werfen.
Sie setzte sich in der That aus zwei ganz verschie-
denen Bestandtheilen zusammen, einem sudlicheren mit der
Burg ToUenstein und einem nordlicheren mit dem Stadt-
chen Schluckenau als Mittelpunkten. Jener gehorte von
jeher zum Konigreiche Bohmen, dieser ursprunglich zu
der Markgrafschaft Meissen und zwar jedenfalls zu dem
einstigen Gau Nisani. Denn wahrend m kirchlicher Be-
ziehung ToUenfitein mit seinen damaligen drei Kirchorten,
Rumburg, Schonlinde und Warnsdorf, stets und nachweis-
lich seit Mitte des 14. Jahrhunderts unter dem (Erz-) Bis-
thum Prag und zwar unter dem Dekanat Zittau stand, so
waren Schluckenau und die tibrigen Kirchorte, Lobendau,
Schonau, Hainsbach, Georgswalde, Schirgiswalde, zufolge
der Meissner Kirchenmatrikel von 1495'*) unter das Bis-
thum Meissen und zwar merkwiirdigerweise unter ganz
verschiedene erzpriesterliche Stiihle gestellt. Wahrschein-
lich war dieser Theil des Gaues Nisani ebenso wie die
damalige Oberlausitz 1086 an Wiprecht von Groitsch und
nach dem Tode von dessen Sohn Heinrich 1135 wieder an
Bohmen zuriickgelangt '*), bei welchem es seitdem ver-
blieb, wahrend die Oberlausitz aufs neue an Meissen ge-
geben wurde. Wann und wie darauf dieses nordlichere
Waldgebiet mit den zu der Burg ToUenstein gehorigen
Landereien vereinigt worden sei, wissen wir nicht.
Durch diese so gebildetc grosse und urspriing-
lich gewiss nur wenig angebaute Herrschaft ToUenstein-
Schluckenau fiihrten seit altester Zeit zwei wichtige
Handelsstrassen aus der Oberlausitz nach Bohmen, die
eine von Bautzen sudlich auf Prag, die andere von Zittau
westlich auf Tetschen zu nach der Elbe. Beide wurden
beherrscht von der alten, auf steilem Bergkegel gelegenen
Steinburg ToUenstein. Kein Wunder, dass die Besitzer
derselben von friihester Zeit an gerade mit den beiden
genannten oberlausitzischen Stadten in nachbarlidhe Handel
geriethen.
^MCCC^XXXIII iar czoch dese stat [Zittau] vz mit
'*) Vergl. Knothe, Untersuchungen iiber die Meissner Bisthums-
matrikel, im N. Laus. Magaz. 1880. 286.
'*) Vergl. Knothe, Die politischen Beziehungen zwischen der
Oberlausitz und Meissen, in von Webers Archiv ftir die sachsische
Geschichte XII, 280 fgg.
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Die Berka von der Duba aiif Hohnstein etc. 217
andem steten vnd gewunnen das Hus Tolensteyn^ '•).
Dies die alteste urkundliche Erwahnung der Burg. Wem
dieselbe damals gehorte, erfahren wir nicht. Es ist eine
irri^e Ansicht, dass die altesten urkundlicli genannten
Besitzer derselben die Berka von der Duba gewesen seien.
An einer Menge rein erfundener Namen fehlt es den Lokal-
historikern freilich nicht.") Vielmehr batten mindestens
seit Mitte des 14. Jahrhunderts die Wartenberge und zwar
diejenige Linie, welche auf den alten Stammgtitern der
Familie, n^mlich Wartenberg, Roll, Dewin sass, auch die
£urg ToUenstein und mehrere von den zugehSrigen Ort-
schaften inne. 1361 und wieder 1367'*) pmsentierte
Wanco (Wenzel) von Wartenberg, Obermundschenk von
Bohmen, Geistliche zur Pfarrei in Schonlinde ebenso,
wie er die Pfarrstellen zu Wartenberg, Oschitz, Schwabitz,
Brenn, Vogtsdorf etc. besetzte. Ihm folgten (1369) seine
SOhne Johann, Burggraf von Prag, Wenzel, Peter, Wil-
helm „und andere" '*) und prasentierten z. B. 1370 nach
Schonlinde (diesmal gemeinschaftlich mit Wilhelm Hase
von Hasenberg), 1390 nach Warnsdorf. ***) 1397 wird der
al teste Bruder sogar „ Johannes de Eumburg alias de
Wartenberg", 1396 der zweite Bruder „Wenceslaus de
Wartenberg dominus in Tolstein" genannt.*')
Und dennoch gehorte gleichzeitig ein Theil der Herr-
schaft bereits den Berka von der Duba und zwar der auf
Hohnstein gesessenen Linie. 1359 ®*) prasentierte ^jffen-
ricus dictus Berca de Duba** einen neuen Pfarrer nach
Holan, weil der bisherige, Johannes, die Pfarrei zu
Schluckenau erhalten hatte, wohin derselbe wohl von
Heinrich Berka berufen worden war. 1370 besetzte das
Pfarramt zu Rumburg „Henricus dictus Berca de Duba",
der 1390 bei gleicher Veranlassung noch deutlicher als
jjdominus in Honstein et in Lippa" bezeichnet wird.*')
Seit Anfang des 15. Jahrhunderts verschwinden die Warten-
berge gftnzlich aus der Herrschaft ToUenstein und die
") N. Script, rer. lus. I, 7.
") Z. B. Franz Bttrckholdt, Der ToUenstein (1867).
*•) Tingl, Lib. confirm. I, 146. Emler, Lib. conf. Ill, 87.
'•) Tingl V, 177.
•*) Ebend. IL 30. V, 3.3.
•») Ebend. V, 292. 256.
") Ebend. I, 90.
•») Ebend. II, 27. V, 2. Im Jahre 1368 war noch Opeczco von
Napticz Patron daselbst gewesen. I, 26.
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218 Hermann Enothe:
Berka auf Hohnstein ersclieinen nicht bloss in Kumburg
als Patrone (z. B. 1408 ^*), sondern auch zu Warnsdorf
(1404) und Schonlinde (1404, 1407 etc.), und 1405 (11. Aug.)
belelmte ^Heinrich Berka von Hohnstein" die Gebriider
Benedikt und Wenzel von Yba (Eibau) mit dem Gerichte
zu Seifhennersdorf.^*) Es ware denkbar, dass die Berka
einzebie Guter in ihrer Herrschaft Tollenstein an die von
Wartenberg verpfandet und um Anfang dee Jahrhunderts
wieder von ihnen eingel5st liatten.
So werden es wohl auch die Berka gewesen sein,
welche ihrer Stadt Rumburg einen Sadzmarkt ausgewirkt
hatten^ der den oberlausitzischen St^dten, namentlich Gor-
litz, grossen Verdruss verursachte, so dass deshalb (1390)
nicht nur Tage zu Lobau abgehalten, sondern auch Ab-
gcsandte von Gorlitz an ihren damali^en Erbherrn^ Herzog
Johann von Gorlitz, und auch nacn Bumburg gesendet
wurden. Erst 1418 wurde dieser Salzmarkt von Konig
Wenzel wieder verboten.^*)
Wie wir bereits oben (S. 200) erwahnt^ wurde nun
1410 nach Hinkos IL auf Hohnstein Tode die gesammte
Herrschaft Tollenstein-Schluckenau unter dessen drei iiber-
lebende Sohne, Hinko HI. auf Hohnstein, Heinrich auf
Wildenstein und Johann auf Kreibitz vertheilt. Den
Holinsteiner Antheil haben wir S. 216 specificiert; Johann
besass (S. 200) Antheil von Warnsdorf und Seifhenners-
dorf, alles iibrige wird der Wildensteiner Linie angehort
haben. Die Burg Tollenstein scheinen alle drei Linien
gemeinschaftlich besessen zu haben. Darum konnte sich
Johann auf Kreibitz schon 1422 und sp&ter bis 1453
,,dominus in Tolnstein'* nennen, ebenso wie Hinko HI. von
Hohnstein 1430®'), wo er dem Pfarrer zu Ottendorf zwei
Mark Zins auf Kunnersdorf wiederkauflich tiberliess, „Herr
zum Hohnstein und Tollenstein** hiess und ebenso Albrecht
aus der Wildensteiner Linie 1144 und spfiter (^Soite 211)
als „zu Tollenstein" oder als ,,Herr zu Wildenstein und
Tollenstein'' bezeichnet wird. Da vor 1444 kein Berka
standig auf der Burg wohnte, war sie wohl immer der
•*) Balbin, Misc. V, 302.
") B6hm. Kronarchiv zu Prag, Rep. 207. Vergl. Oberlausitzer
Urk.-Verz. I, 168 No. 791.
**) Gdrlitzcr Rathsrechuungen. Uallwich, Reicheuberg (1872).
S. 33. Carpzov, Anal. II, 147.
") Hauptst-Arch. Orig. 6167.
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Die Berka von der Diiba auf Hohnsteiii etc. 219
Obhut eines Hauptmanns ubergeben. 1408*^) war dies,
wie es scheint^ Johaim von Luttitz auf Scliirgiswalde ;
1423 bat der dasige Hauptmann die Oberlausitzer in
Lobau um Hilfe gegen die Hussiten; 1428 wird ein ge-
wisser Miklisch ausdrticklich als Hauptmann zum Tollen-
stein bezeichnet, der bei einem Vergleich zwisclien Bres-
lau und einem gewissen ^Langeheinze'^ erw&hnt wird.**)
1445 liatte ein „Herr Ambrosius Burcsarius (?) von Dobri-
lug, als er auf dem Tollenstein selb viert gefangen sass,
dasselbe Schloss gewonnen und das Vorhaus verbrannt"
und war darauf glucklich nach Gorlitz cntkommen.®*^)
Auch auf Burg Tollenstein sollte Herr Albrecht Birke
nicht zur Buhe kommen. Seit seine Frau gestorben war*');
scheinen sich die Beziehungen zu seinem Schwiegervater
Wentsch von Dohna gelockert zu haben. Zwar klagtcn
noch 1450 die Biberstein auf Friedland in Bautzen, dass
ihnen von Herm Wentsch und Herm Albrecht die Ver-
trjlge von 1444 (Seite 211) nicht gehalten wiirden**); aber
schon 1452 beschwerte sich Wentsch vor dem Administrator
Bohmens, Georg Podiebrad, dass sein Schwiegersohn es
rait den Zittauern, seinen Feinden, halte. „Und er Albrecht
Birgke von dem Tholinstein, der hat syne helffer bie den
von der Zittaw; daruni ich nicht andlers verstehe, dann
das is sein getrib sey."*')
Ebenso erhoben sich alsbald allerhand neue Differenzen
mit dem Kurfursten von Sachsen. Albrecht beanspruchte
trotz der Abtretung der Herrschaft Wildenstcin noch immer
Zinsen von jetzt sachsisch gewordenen Dorfem, ja ganze
Waldungen, „etwa eine Meile breit von der Zeidlerbach
bis an die Weissbach**. Desgleichen hatten seine ehe-
maligen Erbunterthanen noch viele, sehr berechtigte An-
sprtiche an ihn, wegen deren sie jetzt bei dem Kurfursten,
als ihrem neuen Erbherrn, gegen Albrecht Klage erhoben.
Die Mannen verlangten Entschadigung wegen Pferden, die
sie in Albrechts Dienst verloren, wegen Burgschaft, die
sie fur ihn geleistet, und Erstattung der Gelder, die sie
»•) Balbin, Misc. V, 802.
"*) Scultetus, Annales Gorlic. Mspt. II, 81 b.
*®) 65rl. Rathsrechnun^en.
•*) Sie liegt in der Klosterkirche zu Zittau begraben. Ihr
Leichenstein besagt: „AnDO domini 1449 obiit honesta domina Anna,
filia Yenczh de Donin, uxor domini Alb. deDuba." Morawek, ZittaviaSO.
") Laus. Mag. 1776. 182.
•») Palacky, Urkundl. Beitr&ge 64.
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220 Hermann Knothe:
ihm gcliehen. Die Burger von Sebnitz und Leute vom
Lande verlangten Bezahlung fiir an Albrecht geliefertes
Heu, Bier, Hopfen. Der sachsische Amtmann auf Hbhn-
stein und Wildenstein, Hans Kannenberger^ an den sie
sich zunftchst mit ihren Klagen wendeten, schrieb wieder-
holt deshalb an Albrecht und hatte Tage mit ihm; aber
derseibe zahlte nicht. Dafur beklagte sich Albrecht beim
KurfUrst tiber Kannenberger „wegen grosser Gedrangnis
und merklicher Uebcrfahrung''. So setzte ihm der Kur-
fiirst einen Tag an. AUein die Ladung traf ihn nicht
daheim^ da er eben in Prag auch hatte „vor Rechte stehen
mussen und grosse Nothgeschafte hatte". So wurde ihm
(1456) ein neuer Tag nach Eadeberg angesetzt'*), rait
welchem Erfolg, ist uns unbekannt — Wohl infolge dieser
Differenzen hatte Albrecht schon den 20. Januar 1454
dem Kurfiirsten jenen Vertrag von 1446 (S. 212), wo-
nach der ToUenstein dessen ofFenes Schloss sein sollte,
aufgesagt.'*)
Die emstesten Gefahren aber beschwor Albrecht selbst
in Prag gegen sich herauf. Nach dem plotzlichen Tode
des jungen Konigs Ladislaus (1458) war der bisherige
Gubernator Bohmens, Georg Podiebrad, zum Konige er-
wahlt worden. In klugem Ent^egenkommen hatte sich
derseibe nicht nur mit seinen bisherigen Gegnern, dem
Kurfiirsten Friedrich von Sachsen und dessen Bruder
Wilhelm, desgleichen mit dem Kurfiirsten von Branden-
burg, ja mit Kaiser Friedrich III. ausgesohnt und so^ar
die Anerkennung von Seiten Papst Pius II. erlangt Seftst
die katholischen Herren in Bohmen hielten jetzt ehrlich
zu ihm. Da fachte das masslose Yerhalten des ursprtinglich
koniglichen Prokurators, jetzt papstlichen BevoUm'achtigten
Fantinus de Valle auf einem Hoftage zu Prag und die
darauf folgende Gefangennehmung desselben (August 1462)
den Kampf zwischen der Kompaktatenpartei in Bohmen
und der Curie aufs neue an.
Wohl als einer der ersten unter den bohmischen
Baronen fiel jetzt Albrecht Birke, der alte Hussitenfeind,
sofort von Konig Georg ab und sendete Briefe mit Schinah-
ungen auf ihn, als einen Ketzer, an ^Fiirsten, Herren und
Stadte der Krone Bohmen", ja an den Konig selbst. Auch
•*) Nach Originalbriefen, Berichten, Konzepten im Hauptst-Arch.
Orig. 7516.
•») Ebend., Witt. A. Bohm. S. Grafen und Herren Bl. 77.
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Die Berka yon der Duba auf Hohnstein etc. ^j^i
an die SechsstAdte der Oberlausitz muss er deren gescbidkt
haben; denn den 21. August 1462 eriiess Konig Georg
ein (zweites) Schreiben an dieselben des Inhalts, dass sie
nicht nur Albrecht und den Seinen keinen Beistand leisten,
Bondem wenn man ihrer habhaft wtLrde, sie zu des Konigs
Handen gefangen nehmen sollten.*®) AIs Albrecht hierauf
nach Prag vor das Hofgericht geladen wurde, leistete er
der Citation keine Folge, sondem rlistete sich zur Gegen-
wehr. Da bescbloss denn auch der Kdnig, gegen den
widersetzlichen Vasallen mit Waffengewalt vorzugehen.
Den 29. Juni 1463*') eriiess er an den Rath zu Gorlitz
(und gewiss ebenso an die ubrigen Sechsstadte) den Be-
fehl: — „80 der edel Jan von Wartenberg, unser voit der
sechstete — euch von unsern wegen schreiben, tag, stat
und zeit benennen wirt, das ir denn mit puchsen, pleiden,
wa^en, zugehorungen und etlich den ewem im unvorzihen
zuzihety s^ch sloss Tolatein umblegern helffet etc.^ Dem
Befehle folgte die AusfUhrung auf dem Fusse. Schon den
2. [P] Juli**) be^ann der Landvogt mit oberlausitzischen
Truppen und mit UnterstUtzung von Heinrich Birke auf
Leipa die Belagerung der Burg. Nach kurzem Wider-
stande wurde sie genommen und zun&chst mit oberlausitzi-
scher Besatzung belegt. Albrecht selbst scheint entkommen
zu sein. Er michtete nach Breslau, welches bekanntlich
dem Konig Georg nie gehuldigt hatte^ und jetzt von dem
Erzbischof Hieronymus Landus, als p&pstlichem Legaten,
in dem Widerstande gegen denselben best&rkt ward.
In des Legaten Interesse aber lag es nun, Albrecht
Birke lediglich als einen Md/rtyrer seiner katholischen
Glaubenstreue darzustellen und Himmel und Erde in Be-
weguug zu setzen, um denselben wieder zum Besitze
seiner ihm wider alles Eecht entrissenen Herrschaft zu
**) Oberlaus. Urk.-Samml., Mspt.: Jorg — konig zcu Behim.
Ersamen, lieben, getruwen. Nacbdem wir ucb vormals geschriben
haben, wie groblicn vnd vast vngeborlich wider glubde yud evde
sich Albrecht Birke wider vns vnd vnser kron geseczt hat, — nat
er daruber itznnt vns vnd vnser koniglichen wirde zcu smechung
etlichen vnser vnd vnser cronen farsten, hem vnnd steten vnd —
uch auch brive zcugesant, die vnser ere vnnd wirde nicht wenig
beruren. — So begeren wir an uch, — das yr demselben Albrechten
noch den sinen keine hulf nach biestant thut, huset adir hofit, —
sunder wo ir yn adir die sinen bi uch ankomi>t, zcu vnsem handeu
vffhaldet. 1462. Prag, Sonnab. nach St. Ludwigstag
•') Palacky, Urk. Beitr. 309.
••) Script, rer. Siles. IX, 10.
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222 Hermann KnotheJ
bringen. Sofort schrieb er — nicht etwa an den Land-
vogt Jalin von Wartenberg, als einen Beamten des Ketzer-
konigs Georg, sondern an die gut kathoHsch gesinnte
Ritterschafit und Biirgerschaft von Bautzen und fragte an,
auf wessen Geheiss denn Albrechts Scbloss „durch etlich
Volk belegt*' worden sei. Ihm antwortete am 14. Juli 1463 *•)
der Landvogt selbst, die Belagerung sei erfolgt auf Gebot
des Konigs; denn es sei landrlichtig, wie derselbe Herr
Albrecht rechtsfltichtig worden sei der Blrone Bfthmen
und aus allem Gehorsam getreten um seiner grossen Ge-
wait und Unrechts willeU; das er an manchem Manne,
besonders auch an seinen eignen Unterthanen begangen,
indem er Witwen und Waisen gefangen babe, die noch
liber ihn scbrien, desgleichen wegen Treulosigkeit und
Meineid gegen seinen Erbherrn, den Konig. Wenn
Albrecht bei dem Legaten vorgebe, wie er von dem hei-
ligen Glauben der romischen Kirche gedrungen werde,
und wenn der Legat schreibe, dass derselbe gar ein
frommer und gehorsamer Sohn sei des heiligen romischen
Stuhles, so sei dagegen im ganzen Lande bekannt, dass
er ein ungetreuer B5sewicht sei, der sich aller Redlich-
keit entschlagen. Der Legat moge nur in Breslau selbst
nachfragen und werde das in ^ahrheit also erfinden.
Darauf antwortete am (20. Juli 1463 '****) der Erzbischof derei
Landvogt, Albrecht sei soeben bei ihm gewesen, habe sich
entschuldigt und sich in alien Stiicken seinem, als eines
apostolischen Legaten, Richterspruche unterworfen. Darum
soUe auch der Landvogt sich aller Gewaltmassregeln gegen
Albrecht enthalten, sonst moge er der Verhangung geist-
licher Strafen gewartig sein. Die Taktik des Legaten
ging namlich, jetzt und spater, dahin, den Streit zwischen
Albrecht Birke und dem KOnige von B5hmen vor das
geistliche Gericht der Curie und ihres Legaten zu ziehen.
Infolge eines Schreibens, welches der Landvogt in dieser
Angelegenheit auch an den Rath zu Breslau gerichtet und
dieser dem Legaten mitgetheilt hatte, schrieb letzterer
(18. September 1463 '**') noch ein zweites Mai an den
Landvogt: wenn sich derselbe iiber ehrenriihrige Aus-
driicke Albrechts beschwere, so habe der Legat denselben
vor sich kommen lassen und ihn erraahnt, sich ansttodig
••) Palacky, Urk. Beitr. 310 fg.
>••) Script, rer. Siles. VIII, 250 nach Eschenloer.
•••) Ebend. IX, 14.
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Die Berka von der Duba auf Hohnstein etc. 223
zu verhalten. Dies habe Albrecht versprochen und ge-
lobty sich dem Ausspruche des Papstes Uber sein Verhalten
gegen den Konig and iiber die Entziehung des Tollensteins
durch den Konig unterwerfen zu woUen. Darum soUe
auch der Landvogt nichts Feindseliges gegen Albrecht
untemehmen und ein Gleiches auch dem Konige selbst
ans Herz legen.
Inzwischen hatte aber der Legat liber das Schicksal
Albrechts bereits auch an den Papst berichtet, und so
klagte dieser am 2. Oktober 1463 ****) dem Kaiser Friedrich,
dass KOnig Georg den Tollenstein besetzt halte, weil der
Eigenthiimer desselben, der katholische Baron Albrecht
Birke^ dem Kdnige die Huldigung verweigert habe, die
er demselbeuy als einem Ketzer^ zu leisten nicht gehalten
sei. Und auch der Rath zu Breslau stellte am 19. Oktober
1463 '*^') dem Papste die Sache lediglich so dar^ Albrecht
sei „von jenem treulosen Konige" nur deswe^en aus seinen
Erbgutem hinausgeworfen worden, weil er ihm den Hul-
digungseid nicht leisten woUe. So sei nun Albrecht in
Breslau der Spott des Pobels geworden, welcher hohnisch
rufe: „Seht, wie Herr Albrecht von dem papstlichen
Legaten, zu welchem er seine Zuflucht genommen^ unter-
stiitzt wird!"
K3nig Georg aber Hess nun im Juni (12?) 1464 '*^*) auf
einem' Hoftage zu Prag dem Albrecht Birke von der
Duba, weil er sich eigenwillig gegen das Landrecht auf-
gelehnt; Ge^nwehr gerustet, durch unehrerbietige und
schandliche Reden und Briefe den Konig ohne Grund
geschm'aht und hierdurch das Verbrechen laesae majestatis
begangen^ wie dies Rechtens sei^ Tollenstein, Schluckenau
und seine tibrigen freien oder lehnhaften Giiter formlichst
absprechen und sprach dieselben sofort denjenigen Herren
zu, welche auf Befehl des KOnigs sich der Burg Tollen-
stein bemiichtigt hatten, namlich Heinrich Birke von der
Dube (auf Leipa) und dem Landvogt John von Warten-
hero auf Tetschen. Sofort aber erklarte dieser Heinrich
Birke, dass er ,,all sein Recht, das er infolge dieser
kOniglichen Schenkung an den Gutern Tollenstein und
Schluckenau nebst Zubehor erlangt habe", an den Land-
vogt Jahn von Wartenberg abtrete.*®*)
*••) Palacky, Urk. JBeitr. 323.
'*») Script, rer. Siles. IX, 17.
>•*) Archiv desky III, 361 fg.
••») Emler, Reliq. tab. terr. Boh. II, 330.
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^24 Hermann l^notkei
Dieser Heinrich Birke auf Leipa geliorte nicht jener
Linie der Berka auf Hohnstein, welche (S 195) Ende
des 14. Jahrhunderts auch Leipa besessen hatte, sondern
einer Nebenlinie der Berka auf Duba und Husky an, von
welcher ein Heinrich, genannt Dubsky, zuerst gegen Ende
des 14. Jahrhunderts die Burg MilhUtein mit Bdhmisch-
Zwickau und Reichstadt, seit etwa 1426 aber auch Leipa
an sich gebracht hatte. Sein Sohn, der hier genannte
Heinrich, war Hussit und hatte die Witwe Siegmunds von
Wartenberg (gestorben 1439), Agnes von Sternberg, die
Mutter des ietzigen Land vogts der Oberlausitz,geheiratet.'*^*)
Er war also der Stiefvater von Jahn von Wartenberg,
liatte als solcher denselben bei dem Feldzuge gegen ToUen-
stein unterstiitzt und trat ihmjetzt das dadurch erworbene
Anrecht auf die Herrschaft Tollenstein-Schluckenau frei-
willig ab.
Gegen die Ueberlassung dieser Herrschaft an Jahn
von Wartenberg durch den Konig erfolgte allerdings (auf
dem Quatembergerichtstage der Barone zu Prag 1465 '**')
noch von anderer Seite her ein Protest, nd,ralich von Sbinko
Berka von der Duba auf LUmberg bei Gabel, welcher
beantragte, man moge zu den Akten nehmen, dass er
schon frtiher Ansprtiche auf Tollenstein und Zubeh5r er-
hoben habe, die er vor Gericht zu erweisen gern bereit
sei; da dies aber nicht der Wille Seiner MajestUt Sei, so
mtisse er als Unterthan warten und bitte nur darum, sein
Recht wahren zu diirfen. Und in der That hatte derselbe
Sbinko schon 1460 (wohl vielmehr. 1464) gegen die
Schenkung des ToUensteins an Jahn von Wartenberg pro-
testiert***®) und erklart, »da8S er auf diese Gtiter ein
bessres Recht habe, als selbst Albrecht Birke oder irgend
jemand nach ihm"; er sei bereit, dies vor dem Konige
und den Baronen zu erweisen. Auch dieser Sbinko Berka
stammte aus der Hauptlinie Husky und zwar von einem
jtingeren Bruder des soeben erwfthnten Heinrich Dubsky
auf Muhlstein, der ebenfalls Heinrich hiess und Antheil
von Gabel und Lamberg erworben hatte Worauf sich
aber das „bessre Kecht" Spinkos griindete, wissen wir
nicht.
*••) Franz Focke, Aus den altesten Qeschichtsgebieten Deutsch-
Bdhmens (1879) I, 136.
*•') Archiv cesky I, 440.
"•) Emler, Reliq. 11, 880.
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Die Berka von der Duba auf Hohnstein etc. 225
Der neue Inhabel* der Herrschaft ToUenstein-Schlucke-
nau, Herr Johann von Wartenberg auf Tetschen, seit
1459 Landvogt der Oberlausitz, soUte sich dieses seines
Besitzthums nicht lange erfreuen. Er starb schon den
19. November 1464 zu Bautzen. Seine beiden S5hne
theilten sich in die vaterlichen Giiter dergestalt; dass der
altere, Siegmund, Oberschenk von Bohmen und spd.ter
(1490-- 1504) ebenfails Landvogt der Oberlausitz, Teischen,
der jllngere, Christoph, dagegen ToUenstem und die alten
Stammgiiter der Familie, namlich Wartenbera, Roll, Demrij
die seit den Hussitenkriegen an die Tetscnner Linie ge-
langt waren, erliielt. Christoph wohnte auf der Burg
Dewin; sein Hauptmann auf dem ToUenstein war ChrUtoph
von Hermsdorff Lehnsinhaber von Rumbwrg und deshalb
gewohnlich als „Christoph von Rumburg" bezeichnet. —
Die bald darauf erfolgende Aenderung in den kirch-
lich-politischen Verhaltnissen B5hmens und seiner Neben-
l&nder sollte auch fiir ToUenstein verhangnisvoll werden.
Ende 1465 hatte Papst Paul U. die Unterthanen Konig
Georgs des demselben geleisteten Eides entbunden, da er
ein Ketzer sei. 1466 hatte er ihn gebannt und aller seiner
Wtirden entsetzt. Der katholische Herrenbund, an der
Spitze Zdenko von Sternberg, sagte ihm den Gehorsam
auf, und von Breslau aus setzte der Bischof Rudolph von
Lavant; jetzt papstlicher Legat daselbst, alles in Beweffung,
um auch die Nebenlander der Krone B5hmen zum Abfall
von dem Ketzerkonige zu bewegen. Die Androhung von
Bann und Interdikt bestimmte endlich (1467) aucn die
Oberlausitz, von KSnig Georg abzufallen. Der bisherige
Landvogt Benes von Kolowrat (1464 — 67), ohnehin wegen
allerhand Gewaltthatigkeiten allgemein verhasst, wurde
auf Anordnung des Legaten Rudolph abgesetzt und
(Pfingsten 1467) Jaroslaus von Sternberg, ein Sohn
Zdenkos, als einstweiliger Landvogt ^aufgenommen".
Unter diesen jetzt entschieden giinstigeren Verhalt-
nissen emeuerten von Breslau aus Albrecht Birke und seine
geistlichen Gonner sofort auch die Bemlihungen um Wieder-
erlangung des ToUensteins. Den 29. Marz 1467 **^') erliess
der Legat Rudolph ein Schreiben an die Pfarrer zu
Bautzen und Zittau des Lihalts: da, wie bekannt, Albrecht
Birke, Herr auf ToUenstein, durch den Anmasser und
Ketzer Georg von Podiebrad verurtheilt und auf dessen
>••) Domarchiv Bautzen.
Keues Arehir f. S. G. u. A. U. 8. . 1^
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226 Hermann Knothe:
Befehl des Schlosses Tollenstein and anderer Besitzungen
beraubt worden sei und diese durch gewiase Leute^
Christoph Herrasdorf von Rumburg, HauptmaDn auf Tollen-
stein; Johann Luttitz von Schirgiswalde und Siegmund
Heinwald von Konigswalde, wider Recht besetzt gehalten
wiirden, so befehle der Legal jenen Pfarrem, diesen
Oecupanten mil geistlichen Strafen zuzusetzen und dera
Albrecht Birke zur Wiedererlangung des Tollensteins be-
hilflich zu sein. — Desgleicben wendete sich der Legat
schriftlich an die Sohne des verstorbenen Landvogts Jahn
von Wartenberg mit der Aufforderung, den Tollenstein
an Albrecht wieder abzutreteu; und bedrohte, falls sie dies
binnen einer gewissen Frist nicht thaten, sie selbst mit
dem Bann, die ganze Herrschaft aber mit dem Interdikt.
Vergeblich entgegneten die Brttder von Wartenberg, die
Herrschaft Tollenstein sei rechtmftssig dem Albrecht Birke
ab- und ihrem Vater zuerkannt, von diesem eine zeitlang
ruhig besessen und darauf auf sie, seine Sohne, vererbt
worden.*'") So erfolgte denn in der That, wir wissen
nicht genau wann, von seiten des Legaten die Verhangung
des Interdikts tiber die ganze Herrschaft ToUenstetn-
ScUuckenau,
Kein Wunder, dass durch alles dies auch bei den
Wartenbergen die alte hussitische Feindschaft gegen die
katholisch gesinnte, dem pUpstlichen Legaten ergebene,
von Konig Georg abgefallene Oberlausitz wachgerufen
wurde. So entbrannte die alte Wartenherger Fehde be-
sonders gegen die Stadt Zittau aufs neue. Eben damals
belagerten die Ober- und Niederlausitzer den hussitisch
gesinnten Friedrich von Schonburg in seinem Schlosse
Hoverswerde,*"; Da unternahmen denn auch die War-
tenberge und ihr Anhang, gegen 800 Mann zu Fuss und
100 Mann zu Ross, unter Anfiihrung ihres Hauptmanns
auf Tollenstein, Christoph von Rumburg, einen Raubzug
in das Zittauer Gebiet, plunderten imd brannten in Gross-
hennersdorf und Oberseifersdorf und trieben das erbeutete
Vieh in der Richtung nach dem Tollenstein zurUck. AUein
die Zittauer hatten eiligst all ihre wafFenfahige Mann-
schaft aufgeboten und sich am breiten Berge zwischen
H5rnitz und Grossschonau in den Hinterlialt gelegt. Von
*'^) Schreiben der Herzoge Ernst und Albrecht von Sachsen.
Haupt9t.-Arch., Witt. Arch., Bohm. S. Orte Bl. 216 fg.
***).Vergl. von Webers ArchivfUr die s&chs. Geschichte X, 266.
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Die Berka yon der Daba aof Hohnstein etc. 227
da iiberfielen sie plotzlich die voriiberziehenden Feinde, er-
schlugen deren 120 und jagten die iibrigen in die Flucht
(18. November 1467)."^)
Als nun (29. August 1468) das halsstarrige Hoyers-
werde glticklich in die Htode der vereinigten ober- und
niederlausitzischen Truppen gefallen war, plante der Legat
Rudolph zu Breslau auch einen Angriff auf das dem
Albrecht Birke entrissene Tollenstein. Er hatte an den
Landvogt ron Sternberg und ebenso an die St&nde der
Oberlausitz geschrieben „von wegen Er Cristoffs von
Tetzin". Sternberg hatte darauf Schreiben mit diesem
Christoph von Wartenberg gewechselt, jedenfalls um ihn
abermals zu gutwilliger Abtretung des ToUensteins zu ver-
mogen. Wartenberg hatte dem Landvogt und den Ober-
lausitzern uberhaupt ^fast viel Unglimpf ziJizumesscn und
sein [eignes] unchristliches Vornehmon zu billigen ver-
meint". Am 28. Februar 1469 schrieb Sternberg an den
Legaten, er gedenke diese Briefe Wartenbergs dem
nachstens zu berufenden Landtage vorzulegen und mit
demselben zu berathen, was zu thun sei. -Meine mey-
nung nit anders gewest, denn sy [die Wartenberge] durch
getwang zu gehorsam der heiligen rSmischen kirchin zu
brengin". Wenn der Landtag inm zustimme, gedenke er
bereits den 3. Md.rz im Felde vor Zittau zu sein und tags
darauf liber das Gebirge gegen den Tollenstein zu ziehen. ' ")
Damals unterblieb der Zug noch.
Bald darauf erfolgte (3. Mai 1469) der Friede zu
Olmlitz, infolge dessen Schlesien und die beiden Lausitzen
den Konig Mathias von Ungam als ihren Herrn und als
rechtmassigen KOnig von Bohmen anerkannten. Der Land-
vogt Sternberg schrieb an die Wartenberge, ob sie diesen
Frieden halten wollten. Die Antwort lautete, wie zu er-
warten war, sie wollten von demselben nichts wissen.
Schon den 19. Mai meldete Sternberg dies nach Gorlitz
mit dem Befehl; sofort „eine Wehr gegen unsere Feinde
zu bestellen^ und dieselbe zum Pfingstsonntage nach
Bautzen zu schicken, wohin er auch den Landtag berufen
habe. Die StUnde scheinen keineswegs so hitzig gewesen
zu sein, als der Landvogt. Am 20. Juli erging an Gorlitz
ein zweites Mai der Befehl, Heerfahrt ausrufen zu lassen
und sich in Kriegsbereitschaft zu halten; allein erst nach
*") N. Script, rer. Iu8. 1, 89.
"•) Palacky, Urk. Beitr 664.
15*
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228 Hermann Enothe:
einem nochmaligen Aufgebot (20. August*") wurde es
Ernst mit dem Zuge gegen den Tollenstein.
Zittau sollte aer ^ammelpunkt sein sowohl fUr die
ober- als niederlausitzischen und schlesischen Tnippen,
welche auf Anordnung des Legaten zu diesem Zwecke
sich hier vereinigen soUten. Die Oberlausitzer trafen zu-
erst ein. Da langte (27. August) durch den Landvogt die
Nachricht an, dass „die Frau von Tetschen (die Wit we
Jahns, die Mutter Christophs von Wartenberg) mit all den
Ihren eines Friedens begehre** auf ein oder zwei Jahre
bis zum Austrage des Krieges; sie woUe stille sitzen, auch
die GUter,^ die der Landvogt inne habe (Schirgiswalde ?),
hintansetzen und alle Gefaneenen losgeben. Der Beschluss
hieriiber wurde ausgesetzt bis zur Ankunft der Schlesier
unter der Fiihrung des Franz vonHag. * * *) Diese aber woUten
vor allem die Schlosser Skal und Kost entsetzen; so zog
das vereinigte Heer slidlich bis gegen Reicfaenberg, von
wo man in nicht eben riihmlicher W eise wieder umkehrte.
ffAllein die Sechsstadte und die (Nieder-) Lausitzer wur-
den da zu Rathe und berannten den Tollenafein und lagen
da drei Tage oder vier." **•) Wahrend also die Ober-
und Niederlausitzer allein ohne die S.chlesier, die sich
sofort zerstreuten, etwa 1000 Mann stark unter Anfuhrung
des Landvogts Sternberg den ToUenstein belagerten, er-
schien plotzlich (6. September) unter dem Herzog Heinrich
von Mttnsterberg, dem Sohne Konig Georgs von Bohmen^
ein feindliches Heer siidlich von Zittau, drang bei Elein-
schdnau liber die Neisse und rieb, ehe die Truppen von
ToUenstein her zu Hilfe kommen konnten, die eiligst aus
der Stadt entgegen gesendeten Burger vollig auf. So
wurde die Belagerung des ToUensteins eiligst aufgehoben.
Derselbe blieb den Wartenbergen erhalten. FUr Albrecht
Birke aber ward die diesmal fast sichere Hoffnung auf
Wiedererlangung abermals in unbestimmte Zukunft hin-
ausgerttckty keineswegs aber aufgegeben.
Auch die Wartenberge wUnschten jetzt emstlich
Frieden mit den Oberlausitzem. Den 6. Februar 1470
befanden sie sich in Bautzen^ um gtitliche Verhandlung zu
pflegen. Wie es scheint, war das zur Herrschaft ToUenstein
>»*) Palacky, Urk. Beitr. 699.
"») Ebend. 605.
"•) N. Script, rer. lus. I, 93. 203. Pescheck, Gedchichte von
Zittau U, 537. Eschenloer II, 181 fg.
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Die Berka von der Duba auf Hohnstein etc. 229
gehCrige und von einem Zweige der Familie von Luttitz
zu Lenn besessene Gut Schirgiswalde im Laufe dieser
Fehden von den Lausitzern besetzt und dem katholisch
gesinnten Wenzel von Polenz, dem Amtshauptmann des
Landvogts, gegeben worden. Derselbe begehrte jetzt
wiederholt (Februar und 23. Mftrz 1470) vom Landvogt
Hilfe, um Schirgiswalde „halten" zu konnen.*")
Am 22. Marz 1471 starb Konig Georg. Ihm folgte
in Bohmen der pohusche und daher katholische Prinz
Wladislaus. Schlesien und die Lausitzen blieben vorerst
noch bei Ungarn. Die Hussitenkriege batten nun ihr
Ende erreicht. Das Reich Bohmen ging endlich wieder
ruhigeren Zeiten entgegen.
Aber die Nachwehen der jahrelangen inneren Kriege
machten sich noch allenthalben geltend. Auch die einst
so reichen Wartenberge aus dem Hause Tetschen steckten
jetzt tief in Schulden. Christoph von Wartenberff auf
Dewin ^wusste nicht, wie er jetzt soUe seine Glaubiger
bezahlen^. Da bot er die Herrschaft ToUenstein'Schiucke-
nau den Brtidern Ernst und Albreckt, Herzogen von
SachseU; zum Kauf an. Dieselben gingen vorsichtig zu
Werke. Christoph hatte 10000 Schock Schwertgroschen
verlangt Der sachsische Unterhandler erhielt Befehl,
7000 zu bieten, genaue Auskunft tiber die Ertrage und
die sonstigen Verhaltnisse der Herrschaft sich zu verschaffen
und eventuell eine sichere „Gewfthr" tiber den erfolgten
Eauf zu verlangen. Die Herzoge wtirden die Guter be-
sehen lassen und sie kaufen^ ^wenn es ihnen dienlich
sei"."*) Man einte sich endlich auf 8300 Schock Schwert-
groschen , welche ratenweise abgezahlt wurden, und so
stellte denn Christoph von Wartenberg am 3. Dezember
1471 auf seiner Burg Dewin die Verkaufswrkunde tiber
flSchloss und Herrschaft Tollenstein und das Land und
Stadt Schluckenau" aus. Sein bisheriger Hauptmann da-
selbst, Christoph von Rumburg, musste die Erbunterthanen
an die neuenHerren weisen.**') So war denn jetzt auch
die dritte der einst Berka'schen Herrschaften und somit
auch der bisher noch bOhmische Theil des einstigen Gaues
Kisani an die Markgrafen von Meissen gelangt
In Prag war man tiber diese neue Erwerbung derselben
»"») Palacky, Urk. Beitr. 620. 626.
"•) HauptBt-Arch., Witt Arch., Bdhm. S. Orte Bl. 213.
"•) Hauptst-Arch. Orig. 8135. 8160. 8186. 8198.
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230 Hermann Knothe:
im Konigreich Bohmen nicht eben erfreut und grollte
deshalb den K'aufern, wie dem Verkaufer. Zdenko von
Sternberg, jetzt kOniglicher Rath, hattc wohl in diesera
Sinne an Ernst und Albrecht von Sachsen geschrieben.
Diese antworteten, die bisherigen Kriegshandel in Bohmen
seien sie gar nichts angegan^en. Der ToUenstein sei ihnen
von Christoph von Wartenberg angeboten worden; sie
h'atten ihn bezahlt, in Besitz genommen und die Huldigung
von den Unterthanen erhalten. Sie glaubten, hiermit gegen
niemand verstossen zu haben, wtirden sich auch gegen
den Konig von BOhmen also verhalten, dass ihnen nichts
zu verweisen sein solle. Wenn man aber mit dem von
Tetschen zu sprechen habe, so werde sich dieser wohl zu
verantworten wissen.****) Konig Wladislaus aber schrieb
(6. Februar 1472) an die sAchsischen Brtider, er woUe den
Kauf dem Christoph von Wartenberg „in keinem Argen
vermerken"; bei einer personlichen Zusammenkunft mit
den Herzdgen woUe man sich gtitlich unterredea und
vertragen. " ')
Als erster sachsischer ^Amtmann^ wurde Ulrich von
Rechenberg auf den Tollenstein gesendet. Er fand die
Burg sozusagen v6llig leer. Christoph von Rumburg hatte
beim Abzuge alle etwaigen Vorrathe mitgenommen. In
einzelnen Dorfern (Lobendau und Hilgersdorf) weigerten
sich die Unterthanen, gewisse Hofedienste zu tnun, die sie
doch unter Albrecht Birke gethan hatten; so musste (1472)
der Amtmann mit PfSlndung gegen sie vorgehen.'**) In
andem dagegen (Zeidler) erliielt er Befehl, die Gemeinde
y^eine zeitlang frei sitzen zu lassen, damit sie desto besser
bauen und wieder anrichten m^chten", oder (Nixdorf)
„ihnen fUr diesmal das Zinsgetreide zu erlassen'^ "')
Noch aber stand die ganze Herrschaft; woven man
am kurfUrstlich sftchsischen Hofc erst durch den oeuen
Amtmann Kunde erhalten hatte, noch unter dem Inter-
dikt, welches der Legat Rudolph von Breslau aus iiber
dieselbe verhtogt hatte (S, 226). Die herzoglichen Brlider
von Sachsen wendeten sich daher zunachst schriftlich
mit der Bitte nach Breslau, dies Interdikt jetzt imter
>") Entwurf ohne Datum. Hauptst.-Arch., Witt Arch., B5hm. S.
Orte Bl. 214.
'«•) Ebend. Bl. 210.
'") Ebend. Bl. 209. 211.
"*) Hauptst-Arch., Witt. Arch., Eegierungssachen. Loc. 4367.
„Eyn registrature" Bl. 30, 103,
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Die Berka von der Daba auf Hohnstein etc. 231
den voUig veranderten Besitzverh^Itnissen wieder auf-
zuheben. Der jetzt Bischof von Breslau gewordene
Rudolph verweigerte dies und schopfte vielmehr sammt
seinem Schiitzling, Albrecht Birke, sofort neue HoflFnungen
auf Wiedererlangung des ToUensteins. Darauf sendete
man von Dresden einen „Prokurator" nach Breslau und
zwar an den daselbst als papstlicher Legat sich aufhalten-
den Eardinal von St. MarcuS; Patriarch von Aquileja, um
jene selbige Bitte jetzt bei dieser hoheren Instanz vor-
zubringen. Aufs neue gedachte man in Breslau mit der
rein kirchlichen Frage des Interdikts auch die Entscheidung
der weltlichen Frage wegen des rechtmassigen Besitzes
des ToUensteins vor das geistliche Forum zu ziehen. So
meldete jetzt Albrecht Birke seine Ansprliche bei dera
Kardinal an^ da er nur um seines katholischen Glaubens
willen von dem Eetzerkonige vertrieben worden sei und
citierte sowohl die Witwe Jahn von Wartenbergs, als die
Herz5ge von Sachsen, die jetzigen Besitzer von ToUep-
stein, zu rechtlicher Entscheidung vor den Eardinal. Da
schickte man von Sachsen aus einen anderen Prokurator
nach Breslau mit der Erklarung; einer Untersuchung der
kirchlichen Frage wegen des Interdikts woUe man sich
wohl unterwerfen und schlage als Eommissar zu diesem
Zwecke den Abt von Altzelle vor, protestiere aber gegen
den Bischof Rudolph. Die Besitzfrage dagegen sei eine
rein weltUche una gehore vor den obersten weltlichen
Richter jener Giiter, n9,mlich den Eonig von Bohmen. '**)
Als man in Breslau hierauf abermals nicht einging, be-
absichtigte das sachsische Kabinet, sich in dieser An-
gelegenheit direkt an den Papst Sixtus VL zu wenden;
wenigstens hi ein Bruchstuck von dera Entwurfe einer
solchen Appellation an denselben vorhanden.^**) Wie und
wann endlich das Interdikt doch noch aufgehoben worden
ist, haben wir nicht erfahren konnen.
Jedenfalls aber batten die Herzoge von Sachsen der
Citation nach Breslau vor das Tribunal des Eardinals
nicht Folge geleistet. Die Hoffiiungen Albrecht Birkes,
auf diesem Wege endlich doch wieder in dpn Besitz des
»'*) Entwnrf eines Schreibens ohne Datum an gewisse, nicht
genannte geistliche Herren in Schlesien, welche die Aufhebung des
Interdikts beim Patriarchen beftirworten soUten. Hauptst.-Archiv,
Witt. Arch., Bohm. S. Orte Bl. 215, und Jlegierungssachen No. 2 Bl. 168.
»") Ebend. Bl. 217.
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232 Hermann Knothe:
ToUensteins zu gelangen, waren abermals gescheitert Da
riethen ihm sowohl der Bischof Rudolph, als der Patriarch
selbst, sich direkt an die sachsischen Fiirsten zu wenden,
ob er vielleicht auf gUtlichem Wege wenigstens etwas
erlangen konne. So schrieb derselbe (18. Oktober 1473)
ein kurzes Briefchen an dieselben, worin er den Priester
Johann Seydo als seinen Abgeordneten accreditierte, ^dem
er befohlen habe, aus etlichen Sachen mit ihnen zu reden
von seiner Giiter wegen".***)
Am 25. Oktober 1473 nahmen einige sachsische Rathe
die Werbung desselben entgegen. An die weitlaufige Dar-
stellung des ganzen Verlaufs der Angelegenheit schloss
er die Bitte, die Herzoge mochten Albrecht Birke „gnadig
bedenken und ihm etwas einthim [d. h. uberweisen], darauf
er sich enthalten mochte". Da sie ja auch „einen Amt-
mann von ToUenstein mtissten haben, so getraue er sich,
ihnen also niitze allda zu sein, als sie sonst einen Amt-
mann haben mochten. Er woUe sich getreulich gegen sie
halten. Auch wisse er noch etliche Bergwerke und Salz-
quellen, die woUe er ihnen auch offenbaren". Die sach-
sischen Rathe antworteten hinsichtlich der Rechtsfrage, sie
hoflften die Herrschaft ToUenstein mit Recht wohl zu
behalten gegenliber den Anspriichen Albrechts. Darauf
fragten sie den Abgeordneten vertraulich („als von sich
selbst"), was seine Meinung sei, damit Herr Albrecht
zufrieden wiirde; „ob man ihm etwas einthun soUe; etwa
auf Lebenszeit oder wie?" Jener antwortete, „man soUe
Albrecht etwas einthun, ftir ihn und seine Erben, dass er
nicht erbelos bliebe'^ Darauf entgegneten die Rathe, da
die Fiirsten die Herrschaft ohnenin zu theuer erkauft
batten und mit Schaden besassen, so versahen sie sich
kaum, dass man etwas erblich herausgeben wiirde. „Damit
ist er von dannen geschieden'*.**')
Man wird dem einsti^en Besitzer zweier grosser
Herrschaften ein gewisses Mitleid nicht versagen k5nnen,
der jetzt, wo alle Hoffnung, wieder zu seinen Giitern zu
gelangen, sich als vergeblich erweist, in seinem Alter sich
entschliesst, fremder Herren Brot zu essen, sich erbietet,
Amtmann auf der Herrschaft zu sein, die einst ihm ge-
horte, und natUrlich auch dies nicht erreicht. Mit den hier
erwahnten Erben Albrecht Birkes diirften wohl die „BrUder
"•) Hauptst.-Arch., Witt. Arch. Regierungssachen No. 2 Bl. 168.
»") Ebendaselbst.
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Die Berka von der Duba auf Hohnstein etc. 233
Benesch und Christoph Berkaf^ gemeint sein, welclie 1495
den Nikolaus von Dohna auf Grafenstein wegen einer
Forderung von 400 Schock Groschen verklagten, welche
„ihr Vater Albrecht Berka von der Duba^* von des Niko-
laus Vater, Wentsch von Dohna^ zu beanspruchen berechtigt
gewesen sei.'*') Von Albrecht selbst aber haben wir seit
1473 nichts weiter vernoramen.
Die Stellung des adchsiachen Amtmanns Ulrich von
Rechenberg war, zumal im Anfange, keine leichte gegen-
iiber nicht nur, wie schon erwannt (S. 230), den neuen
Amtsbefohlenen, sondern auch den benachbarten boh-
mischen Herren und den oberlausitzischen Stadten. Bald
waren Amtsbefohlenen von Schluckenau durch Leute des
von Smierizky auf Habichtstein Pferde geraubt worden,
welche der Amtmann jedoch durch Vermittlung des Jaroslaus
Birke von der Duba auf Leipa zurtickerhielt. Er benutzte
die Gelegenheit, dem Leipaer Hauptmann zu versichern,
wie er von seinen Herren keinen anderen Befehl habe,
als „sich gegen alle Umgesessenen freundlich und in fried-
lichem Wesen zu halten**.'**) Bald waren Burger von
Zittau auf oflFener Strasse beraubt und der Raub durch
Tollensteiner Geblet auf Tetschen getrieben, aber von den
nacheilenden Zittauern wieder abgenommen worden, wes-
halb sich der Amtmann Verhaltungsbefehl erbaf®) Der
oft genannte Christoph von Hermsdorf auf Rumburg, dem
von den Herren von Wartenberg beira Verkaufe von ToUen-
stein die Anwartschaft auf das Lehngut Schonau bei
Schluckenau ausbedungen und von den sachsischen Rathen
zugesichert worden war, war in Handel mit Zittau ver-
wickelt, in dessen Weichbild er ebenfalls Gliter, namlich
Antheil von Hirschfelde und das Dorf Rohnau, besass. Er
schrieb an die sachsischen Herzoge, er wollte gern seine
wtisten Gttter im ToUensteinschen wieder bauen und
bessern, mochte aber zuvor wissen, ob er dies unter dem
Schutz seiner neuen Lehnsherren auch sicher wagen dtirfe.
Diese Zwistigkeiten, wegen deren der Rath zu Zittau
wiederholt an den Amtmann, die Herzoge, ja sogar an
Konig Mathias von Ungarn zu schreiben sich genothigt
•") Emler, Reliq. tab. terr. Boh. I, 152.
'*•) Hauptst-Archiv, Witt Archiv Loc. 4367, Befehd. Bl. 303
ohne Jahr.
»••) Ebend. Bl. 308.
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234 Hermann Enothe:
sah, dauerten bis 1480. *'*) Ganz beaonders aber machte
dem Amtmann die sogenannte Luttitz^sche Fehde gegen
Zittau zu schaffen. Zu der Zeit, wo die Oberlausitz unter
ihrem Landvogt auf Befehl K5nig Georgs den Achtsbefehl
gegen den aufstftndischen Albrecht Birke auf Tollenstein
zu vollstrecken hatte (1463 — 64, S. 221), war auf Be-
fehl des damaligen Hauptmanns zu Bautzen, Wenzel von
Polenz, von Zittauer Truppen ein Hof zu Oderwitz,
welcher Nickel von Luttitz auf Schirgiswalde, einera
Vasallen und Anhanger Albrechts, gehorte, abgebrannt
worden. Um 1476 begehrte nun dessen Sohn, Hans von
Luttitz, der inzwischen das seinem Vater weggenommenc
Schirgiswalde wieder erbalten hatte, nachtrilglich Ent-
schadigung ftir jenen Brandschaden, ktindigte der Stadt
Fehde an, raubte zu Oderwitz und (Spitz-) Kunnersdorf
an 1400 Stiick Vieh und begehrte von den Herzogen von
Sachsen, als seinen jetzigen Lehnsherren, Unterstiit^ung
seiner Ansprtiche. Unendliche Schreiben wurden seitdem
bis 1481 von dem Rathe zu Zittau gewechselt mit dem
Amtmann von Tollenstein, den Herzogen, dem ober-
lausitzischen Landvogt, der damals leider meist in Breslau
residierte, endlich selbst mit Konig Mathias. Rechtstage
wurden anberaumt und verschoben und WaffenstillstiSlAde
vermittelt und verlangert, ohne dass wir aus den vor-
liegenden Schriftstticken den endlichen Austrag der Sache
kennen lernen.'**)
Mochten schon alle diese H&ndel den Briidem Ernst
und Albrecht von Sachsen den Besitz von ToUenstein-
Schluckenau vielfach verleiden, so blieben auch die finan-
ziellen Ertragnisse der Herrschaft weit hinter den gehegten
Erwartungen zurtick. Daher uberliessen sie 1475 die ganze
Herrschaft ihrem Amtmann Ulrich von Bechenberg auf
sechs Jahre zu eigner Bewirthschaftung. Sich selbst be-
hielten sie nur die Revenuen aus der „weUlichen" Ge-
richtsbarkeit, den Teichen, Schafereien und Waldern vor,
iiber welche der Amtmann ihnen Rechnung ablegen soUte.
Alle sonstigen Gefalle an Zinsen, Getreide, Hiihnern, Eiern,
ZoUen, Geleiten, sowie das gesammte ^Ackerwerk, Fischerei
in den Fltissen und Bachen, Viehzucht und Milch work"
sollte Rechenberg fur sich haben und daftir nur das Schloss
Tollenstein, sowie die herrschaftlichen Hofe und Vorwerke
'»') Hauptst-Arch., Witt Arch., Oberlaus. Sach. Bl. 101, 129 fgg.
«•*) Hanptst.-Arch., Witt. Arch., Bohm. Sac*. Bl 111 fgg.
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Die Berka von der Duba auf Hohnstein etc. 235
im Stande erhalten, Knechte und Gesinde bekostigen und
lohnen.'*') Es war dies also eine Verpachtuna ohne
jeden PachtschilHng, lediglich gegen Uebernahme der Ver-
>valtungsko8ten.
Kein Wunder, dass, als dieser Pachtvertrag 1481 zu
Ende ging, die Eigenthtimer die so schleclit rentierende
Besitzung ganz zu verdussem suchten. Als Kaufer fand
sich der sachsische Oberraarschall Htigold von Schleinitz
auf Schleinitz und Kriebstein, ein sehr wohlhabender Herr.
Den 27. Mai 1481 "*) wiesen die herzoglichen Brtider die
ehrbare Mannschaft, die Burger von Scliluckenau, sowie
die sammtlichen Dorfgemeinden an den neuen Besitzer.*'*)
Hugold von Schleinitz hatte die Herrschaft nicht sowohl
. flir sich selbst, als fur seinen altesten Sohn Heimnch ge-
kauft. Daher wiesen die Herzoge (den 8. November 1482)
diesen Heinrich von Schleinitz „und seine Brtider" „niit
dem Schlosse ToUenstein und Schluckenau^' behufs der
Belehnung oder Einlegung der Giiter in die Laiidtafel an
'") Hauptst.-Arch. Cop. 59 fol. 194b.
'»*) Ebend. Cop. 611 fol. 42b. Nach dem Kaufbriefe uud der
Eaufsumme haben wir vergeblich geforscht.
*•*) Der von uns oft schon erwahnte Christoph von Hermsdorf
auf Rumbure gerieth alsbald, wir wissen nicht weshalb, in Streitig-
keiten mit dem neuen Lehnsherrn, Hugold von Schleinitz. dem er
die Erbbuldigung zu leisten sich weigerte. Er verklagte denselben
bei dem Gericht vor dem rothen Thurme zu Meissen, musste sich
aber endlich doch entschliessen , ibm seine Lehngtiter Rumburg,
bohmisch Seifhennersdorf und Ehrenberg zu verkaufen. (Mencke,
Script II, 1460, 1699.) So gelangte die lange Zeit verlehnt gewesene
Staot Rumburg an die Herrschaft zuriick. Christoph erscheint darauf
sammt seinem Bruder als j,auf Blankenstein'^ gesessen, sei es, dass
diese Wartenberg'sche Besitzung ihm ebenso , wie einst ToUenstein,
zur blossen Verwaltung oder eigenthttmlich ttberlassen ward. 1 494 ver-
kaufte er auch seine in der Oberlausitz gelegenen Gtlter Antheil
Hirschfelde und Rohnau und zwar an den Rath zu Zittau (Carpzov,
Anal. I, 311). Ein Schwager von ihm war (1485) Georg Eberhard
auf Berthelsdorf am Queiss (Oberlausitzer Arbeiten III, 202). Seine
Witwe verheiratete sich mit Joh. Polkner, Btirgermeister in Kamenz,
welcher seitdem selbst auch „Ronneberg" genannt wurde (N. Script,
rer. lus. IV, .«J66). Ein Sohn von ihm, Hans von Hermsdorf, nennt
daher diesen Polkner „8einen Stiefvater", als er 1536 mit Ernst von
Rechenberg auf Oppach, ,.seinem Ohm", und mit Onophrius von
Kintsch auf Burkau und Joost Grohmann, „seinen Schwagern**, vor
dem Rathe zu Kamenz erschien und daselbst „na'ch dem Willen
seines lieben Vaters Cristoff Ronnebergs gottselig" seinen Schwestern
Frau Katherinen und Jungfrau Clara, je 100 Mark als vaterliche
Gerechtigkeit auszuzahlen versprach (Kamenzer Stadtbuch IV, 263).
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236 Hermanu Knothe: Die Berka von der Duba etc.
den Konig und die Krone Bohmen."*) So ist denn diese
einst Berka'sche Herrscbaft nicht^ wie Hohnstein und
Wildenstein, auf die Dauer mit Sachsen verbunden wor-
den, sondern ist bobmiscb verblieben.
Ueber das Walten der Herren von Schleinitz in dem
neuerworbenen Besitzthum gedenken wir urn so weniger
uns zu verbreiten, da wir dasselbe schon frtiher einmal
(Lausitzer Magazin 1862. 401 fgg.: ,,Da8 Schleinitzer
Lslndchen'Oy freilich mit iinvollkommenen literarischen
und archivalischen Hilfsmitteln, behandelt haben.
"•) Hauptst-Arch. Cop. 62 fol. 6 b.
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VIII.
Napoleon in Dresden (8. Mai 1813).
Von
Hermanii Frelherm yon Frlesen.
In V. Webers Archiv flir die sadisische Geschichte
(Neue Folge Bd. IV S. 360) wird auf Grund einer Nieder-
schrift des Konferenzministers von Globig einer Unter-
redung gedacht, welche dieser am 9. Mai 1813 mit Napoleon
gehabt habe. Sie fand also statt am Tage nach der An-
kunft Napoleons and nach der in der vorhergehenden
Nacht zwischen ihm und den vier Mitgliedern der Immediat-
kommission gepflogenen Besprechung. Da in dieser alle
die erforderlichen Schritte zur Wiederanknupfung der
bmidesfreundlichen Verhaltnisse zwischen dem Kaiser der
Franzosen und dem Ktoig von Sachsen verabredet waren,
konnte die am gedachten Orte fragmentarisch mitgetheilte
Unterredung nur eine untergeordnete Bedeutung haben.
Von der am 8. Mai nach 10 Uhr abends stattgehabten
sehr lebhaften Konferenz zwischen Napoleon und der
Immediatkommission steht mir ein Bericht zu Gebote, den
mein verstorbener Vater, der damalige Oberkammerherr
Freiherr von Friesen, kurz nachdem sie stattgefunden,
in franzosischer Sprache niedergeschrieben hat. Ehe ich
ihn in der Uebersetzung veroffentliche, schicke ich einige
einleitende Worte vorauS; deren Inhalt ich theils meinen,
aus dem Gedftchtnis schon vor geraumer Zeit niederge-
schriebenen Jugenderinnenmgen, theils handschriftlichen
und gedruckten Denkwttrdigkeiten damaliger Zeitgenossen
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238 Hermann Freiherr von Frieseni
entnehme. Dass ich Erinnerungen aus jener Zeit, wo ich
allerdings noch nicht ganz 12 Jahre alt war, den Werth
von glaubhaften Bericnten beilege, darf nicht verwunder-
lich noch anmassend scheinen. Die bei&piellose Aufregung
jener ereignisvollen Jahre hatte die Aufmerksamkeit auch
kindischer Gemtither im hochsten Grade angespannt. Da-
her stehen auch mir, selbst bei raeinem vorgeriickten
Alter, die Bilder von Ereignissen nnd Personen aus jener
Zeit noch mit fast greifbarer Lebhaftigkeit vor dem Ge-
d'achtnis. Dazu kommt, dass Personen, die mir im Alter
weit voraus waren, wenn sie meine Niederschriften gelesen
hatten, sie in der Allgemeinheit fur korrekt und wahr-
heitsgetreu erkannten.
Wenn es dessen bedurft hatte, so wiirde die blitz-
artige Erscheinung Napoleons zu Dresden in der Nacht
vom 13. zum 14. Dezember 1812 das letzte Siegel der
Glaubwiirdigkeit alien bis daliin schon eingegangenen
erschiitternden Nachrichten liber die Vernichtung einer
Heeresmacht von ungefahr 400000 Mann in Russland
aufgedriickt haben. Bei der allmahlichen Ruckkunft von
einzelnen und Heeresabtheilungen in dem klaglichsten Zu-
stande nahmen diese sich mehr und mehr haufenden Nach-
richten immer festere Gestalt an. Die Spannung wuchs
immer mehr. Doch wahrend sie nach aer Grosse des
ungeheuren Schlages, unter dem Hunderttausende jaramer-
voll untergegangen waren, nach der Aussicht auf die Ver-
legung des Kriegstheaters nach Sachsen nur bedriickend
und lief niederschlagend hatte sein soUen, machte sich
dennoch zugleich der Eindruck der Genugthuung darliber
geltend, dass man den Sturz der tiber alles Mass ge-
hassten napoleonischen Macht fiir unzweifelhaft ansah. In
dieser Stimmung achtete man mit theilnehmender Auf-
merksamkeit auf die Fortscliritte der Russen in Polen
und auf deutschem Gebiet. So war es denn moglich, dass
sich schon im Januar Geriichte verbreiteten von Kosaken,
die man sogar unweit von Dresden gesehen haben woUte.
Das war nun freilich iihertrieben. Als aber am 3. Februar
mit dem Aufruf des Konigs von Preussen an sein Volk
die Verbindung dieser zumeist niedergetretenen Macht
mit Russland zur Gewissheit geworden war, liess die that-
sachliche Annaherung von fliegenden Corps, insonderheit
aus Kosaken bestehend, nicht lange mehr auf sich warten.
Auch wurden indessen die aus Russland zuriickgekehrten
Reste unserer sachsischen Truppen mit wenigen Ausnahmen
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Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). 239
unter den Befehlen des General v. Thielmann in Torgau
vereinigt. Ungeachtet einiger drohenden Eodomontaden
des Oberst Brendel an der Spitze von Haufen, die nur
nach Hunderten zahlten, war indessen keine Gefahr vor
einem wirksamen Einbrucli vorhanden. Dennoch fiihlte
sich der Konig Friedrich August am 25. Februar be-
wogen, mit der Konigin und Prinzessin Auguste, yon
zahbreichem Gefolge umgeben, Dresden in der Richtung
des Erzgebirges zu verlassen, wahrend sich gleichzeitig
die Prinzen und Prinzessinnen , mit Ausnahme der hoch-
bejahrten Tante des Konigs, Prinzess Elisabeth, nach
Prag begaben. Ich kann nach zuverlassigen Quellen be-
zeugen, dass dieser Schritt mit Betrtlbnis und Bedenk-
lichkeit hinsichtlich seiner Rathsamkeit betrachtet wurde.
Bei seiner Abreise setzte der KOnig unter dem Titel
einer Immediatkommission eine Beh5rde ein, aus vier
Mitgliedem bestehend. die den Beruf hatte, in seiner
Abwesenheit die dringendsten Regierungsgeschafte in h5ch-
ster Instanz zu erledigen. Dass der Konferenzminister
von Globig, einer der altesten Staatsbeamten ^ an ihre
Spitze gestellt wurde, war gewissermassen seibstverstand-
lich, da er als Prasident dem Geheimen Consil vorstand.
Mein verstorbener Vater, der Oberkammerherr Freiherr
von Friesen, war vom Cabinetsminister Graf Senfft von
Pilsach in Vorschlag gebracht worden, um den Standen
eine Aufmerksamkeit zu erweisen, weil er das Erb-
marschallamt, das bisher in der nunmehr ausgestorbenen
Familie von Loser erblich gewesen war, seit 1811 in-
terimistisch verwaltete. Der Geheime Rath Baron von
Manteuffel und der Geheime Finanzrath von Zezschwitz
genossen schon l&ngst als die ausgezeichnetsten Mitglieder
des Geheimen FinanzkoUegiums das Vertrauen des Konigs.
Schon auf der ersten Station des kOniglichen Hof-
lagers, zu Freiberg, war der Cabinetsminister des Innern,
Graf Hopfgarten, erkrankt. Er koiinte daher dem Konig
nicht nach Plauen folgen, wo vor der Hand der bleibende
Aufenthalt auf kurze Zeit genommen wurde, und verschied
in Freiberg nach kurzem Krankenlager. Der KQnig iiber-
trug daher dem Grafen Senfft von Pilsach, der, wiewohl
er verbal tnismassig noch jung war, durch seine klare
Einsicht und seine ArbeitsKraft schon vorlangst das Ver-
trauen des Konigs gewonnen hatte, neben dem Portefeuille
des Auswftrtigen auch das der inneren Angelegenheiten.
Graf Senfft hat einige sehr werth voile Niederschriften,
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240 Hermann Freiherr von Friesen:
die vor noch nicht zwanzig Jahren gedruckt sind, liber
die kurze Zeit seiner Amtierung als Cabinetsminister (von
Ende 1810 bis Mai 1813) hinterlassen. In ihnen ist das
Wichtigste, was damals auf politischera Gebiete am Hof-
lager des Konigs vorfiel, berichtet. Die mit grossem Ge-
schick und grosser Sorgfalt dem in der Nillie des K5nigs
sich aufhaltenden franzosischen Gesandten, Grafen Serra,
verborgen gelialtenen Verhandlungen mit dem Fursten
P. Esterhazy iiber ein Biindnis mit Oesterreich erhalten
dort geniigende Aufklarung. Sie wurden in Regensburg
angekniipft, wohin sich der K5nig nach kurzem Aufent-
halt in Plauen begeben hatte, und gaben Veranlassung zu
der Verlegung des Hof lagers nach Prag, wo leider in
den Maitagen, als Napoleon von Dresden aus die Ruck-
kehr des Konigs in seine Residenz gebieterisch verlangte,
die Ratifikation der Konvention noch nicht angelangt war,
ein Umstand, der fiir den Entschluss des Konigs zur
Nachgiebigkeit geffen des Kaisers Forderungen ein sub-
sidiarisches Gewicnt in die Wagschale legte. Als sich
der Konig noch in Regensburg befand, hatte er schon
dem Leibgrenadierregiment und dann den Kavallerie-
regimentern Gardektirassiere und Jung-Zastrow Befehl
ertheilt, ihm zu folgen. Letzteres, betonte spSter, wie wir
sehen werden, Napoleon als eine besonders empfindliche
Verletzung der Bundespflicht.
Unterdessen waren die Ereignisse in Dresden rasch
fortgeschritten. General Graf Reynier war am 8. M3,rz
mit einigen Trtimmern seines Corps, aus Sachsen, Bayern,
Wiirttembergem und Franzosen bestehend, eingertickt.
Er hatte schon einige Vorbereitungen zum Sprengen der
Briicke machen lassen^ wodurch eine Emeute der Dresdner
Einwohnerschaft entstand, bei der ihm zwar die Fenster
im Briihl'schen Palais eingeworfen wurden, sonst aber
nichts Bedeutendes vorfiel. Kurz darauf war er in Kan-
tonierungsquartiere nach Gorbitz und in die umliegenden
Dorfer gerttckt, um dem Marschall Davoust mit seinen
meistentheils jungen Truppen Platz zu machen. Am 19.
M&TZ liess Davoust die briicke wirklich sprengen, nach
vieler Meinung ein Akt der Rache fur den Tumult der
Dresdner, jedenfalls eine strategisch unnothige Massregel.
Denn der Marschall selbst konnte nicht an eine energische
Behauptung der Elblinie bei Dresden und Meissen, wo
die holzerne Brucke ebenfalls zerstort war, denken, da
er schon an demselben oder dem folgenden Tage am
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Kapoleon in Dresden (8. Mat 1813). 241
linken Elbufer nach Wittenberg abmarschierte. Auch
blieb niir eine schwache Besatzung meistentheils deutscher
Rheinbundstruppen in Dresden zuriick. Auf dem rechten
Elbufer fanden nur unerhebliche Plankeleien zwiscben
heranschwilrmenden Kosaken und einer schwachen Ab-
theilung sachsischer leiehter Infanterie statt. Wenige Tage
darauf warden auch diese eingestellt infolge eines Waffen-
stillstandeS; nach welchem fiir die Dauer von zweimal vier-
undzwanziff Stunden das Terrain je eine Meile ober- und
unterhalb Dresdens fiir neutral erklart und die Neustadt
gerHumt wurde. Die schwache Besatzung zog auf Kahnen
mit klingendem Spiele, d. h. mit zwei Trommelu; ab.
Noch ehe diese Waffenruhe zu Ende war, verliessen
die nach Davousts Abzug zuruckgebliebenen Truppen bei
anbrechender Nacht die Stadt in aller Stille. Nun meinte
man also den letzten Rest der franzosischen Herrschaft,
fegen welche der Hass durch die ZerstOrung der geliebten
irticke noch brennender geworden war, los zu sein. Man
erwartete mit freudiger Ungeduld die Preussen und Russen,
die als Befreier angesehen wurden. Auch kamen sehr
bald einige russische Offiziere, auf Leitem an den zer-
storten Pfeilern hinab- und heraufkletternd, liach der Alt-
stadt heruber. Nicht lange darauf wimmelte die Elbe
von K&hnen, weniger mit Soldaten aJs mit frohlichen
Leuten angefiillti die sich heiter mit der diesseits stehen-
den Menge begrlissten. Denn in den wenigen Tagen seit
dem 19. MUrz war nicht allein die Trennung Verwandter
und Befreundeter, sondem auch der Mangel an unent-
behrlichen Nahrungsmitteln, wie Brod, frischem Fleisch,
Gemttse u. dergl. in Neustadt drtlckend geworden. In
solcher Abhangigkeit befand sich damals noch dieser Stadt-
theil von der Altstadt, deren Mutter er eigentlich war.
Das alles hat nur Interesse, um die Stimmung jener
Tage zu bezeichnen. Man nahm nun einmal den Beitritt
unseres Kdnigs zur AUianz gegen Napoleon nicht bloss
ftir wahrscheinlich, sondem fast fiir gewiss an. War damals
die Vereinigung der sHchsiscl^en Truppen unter General
Thielmann in Torgau und der Befehl, die Festung
weder an die Alliierten noch an die Franzosen zu uber-
geben, noch nicht bekannt, so blieb bald diese Thatsache
niemandem mehr verborgen. Dazu erregten die von
russischen und preussischen Gener^len erlassenen Prokla-
mationen die erhitzten Gemtither noch mehr. Der da-
maligen Stimmung war es angemessen, dass in ihnen die
NeuM ArebW f. 8. G. u. A. H. 3. ^^
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242 Hermann Freiherr von Friesen:
Vereinigung der betrefFenden NationalitHten mit den AUiier-
ten menr betont wurde , als der Anschluss der Souverane
an die antifranzOsische Sache. Ja sogar die Erinnerung
des Ftirsten Wittgenstein an die grosse Erhebung Deutsclier
und Sachsen ^egen R5mer oder Franken unter Hermann
und Wittekina fend, wenn auch getheilten, Beifall. Nur
eines warf, meiner genauen Erinnerung nach^ einigen
Schatten auf diese leuchtenden Eindriicke. Dass Qeneral
BIttcher den Cottbuser Kreis mit angeblicher Bereehtigung
als preussische Provinz wieder vindizierte, wollte mit der
Aufforderung an Sachsen, mit Preussen ein inniges Bund-
nis zu schliessen, nicht harmonieren. Man hatte nicht
vergessen, dass diese brandenburgische Enklave in der
Miederlausitz Sachsen nicht als eine Gebietsvergrdsserung^
sondem als Tauschobject fiir den sachsischen Antheil an
der Grafschaft Mansfeld, ftir Querfurt und ftir die Herr-
schaft Barby und Gommern^ die dem neugeschaffenen
E5nigreiche Westfelen einverleibt wurden, abgetreten war.
Nach dem Einmarsch der preussischen Truppen unter
General Blucher und der russischen unter General Ton
Winzingerode, dann des Corps des Generals Miloradowitsch
bis zu der Ankunft der verbUndeten Monarchen; des
Kaisers Alexander und des Konigs von Preussen am
23. April, fiel meiner Erinnerung nach nichts vor, was.
hier von Bedeutung sein konnte. Die zahlreichen sch^nen
f Truppen, die tiber die durch einen Holzbau wieder her-
estellte Brticke, sowie iiber eine oberhalb der Stadt aus
llbkahnen mit doppelter Fahrbahn bei Antons geschlagenen
Schiffsbriicke einzogen, machten bei dem hellen FriihTings-
wetter einen doppelt begeisternden Eindruck, Je mehr sie
abstachen von den letzten napoleonischen Kriegshaufen,
die vor einigen Wochen abgemattet, verstimmt und in
dtlrftigem Schmuck uns verlassen batten. Der Jubel war
unendlich gross. Mit zuversichtlicher Stimmung wurde
Kaiser Alexander als Befreier von Deutschland begriisst.
Dabei soil, was mir nicht mehr erinnerlich, die uber-
raschende Anwesenheit des Generals Thielmann bei einer
Parade der Truppen an der Seite der Monarchen mit
grosser Genugthuung bemerkt worden sein. Man wollte
daraus auf die baldi^c Erfiillung der allgemein gehegten
sehnsiichtigen Wiinsche fiir den Beitritt unseres KOnigs zu
der russisch-preussischen AUianz mit Sicherheit schliessen.
Als die Truppen allmithlich wieder abzogen, mogen
wenige daran geglaubt haben, dass ihnen der Sieg gegen
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Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). 243
die in Eile zusammengeraffte franzosische Armee fehlen
konne.
Bekanntermassen wurde die erste Schlacht bei LUtzen
oder GrcNSSgorschen am 2. Mai 1813 geschlagen. Die erste
Nachricht davon traf am 4. Mai bei ^rauendem Moreen
in Dresden ein. Nur mit schraerzlicnem Widerstreben
wollte man an einen Sieg Napoleons glauben. Ich er-
innere mich genau^ dass man sich mit dem Ausdruck be-
lialf : die AUiierten haben das Scblachtfeld behauptet. In-
dessen liessen die ersten Spuren des Ruckzugs nicht lange
auf sich warten. Wiewohl in den Tagen vom 5. bis
7. Mai der grosste Theil der zuriickgenenden Truppen
wahrscheinlich iiber diie breite Schiffbrttcke bei Antons
und eine Kniippelbriicke bei Pieschen geleitet wurde —
eine bei dem ersten Einmarsch der alliierten Truppen an
der Stelle der heutigen Albertsbriicke errichtete Floss-
brticke fthnlicher Art war meines Wissens wieder abge-
brochen worden — , durchzogen doch noch viele die Stadt
selbst. Sie wurden mit einer zwischen Furcht und HofF-
nung schwankenden Stimmung betrachtet. Von einer
Niederlage der AUiierten konnte allerdings nicht die Rede
sein. AllmJlhlich machte sich die Ueberzeugimg geltend,
dass die Schlacht nicht die Bedeutung einer endlicheu
Entscheidung gehabt habe. Ich konnte sogar von An-
zeichen reden, nach welchen diese erst von einer zweiten
jenseits der Elbe mit sanguinischen Hoflfnungen erwartet
wurde. Am 7. Mai war der KOnig von Preussen noch in
Altstadt. Er reiste erst am 8. mittags von Neustadt ab.
Auch Kaiser Alexander libernachtete noch bis 3 Uhr fruh
im Briihl'schen Palais. Als er am spftten Abend iiber
den Neumarkt fuhr^ soil er haben anhalten lassen und
an die zahlreich versammelte Menge einige beruhigende
Worte gerichtet haben.
So verging der letzte Tag vor Napoleons Ankunft.
Am andern Morgen verbreitete sich das bange Gerucht,
in der Friedrichstadt zogen sich die Russen fechtend und
verwiistend zurlick. Es war aber voUig unbegriindet.
Doch um die zwolfte Stunde, als eben noch ein russischer
Offizier, der am Rathhaus zu Pferde stieg, von zwei
Kosaken begleitet gemachlich liber den menschenleeren
Altmarkt ritt^ horte man die ersten Trompeten franzosi-
scher Reiterei am andern Ende der Wilsdruffer Strasse.
Indessen brannte man die Bockbrticke ab, welche die
Alt- und Neustadt an der Stelle der gesprengten Bogen
16*
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244 Hermann Freiherr von Prieseni
kaura vier Wochen lang verbunden hatte. An der Schiff-
brticke bei Antons liorte man bald darauf kanonieren, und
in den Nachmittagsstunden trieben die brennenden Triira-
mer derselben den Strom hinunter bis an die steinerne
Briicke, wo sie unter dichtera Qualm liegen blieben.
Von hier ab halte ich es fiir das Gherathenste; den
handschriftlichen Bericht meines Vaters einzuschalten; er
lautet:
„Nach 10 Uhr (8. Mai) erschoU zuerst das Geriicht,
dass der Kaiser Napoleon und der Vicekonig von Italien
von Wilsdruff her der Stadt schon ganz nahe waren.
Gegen 12 Uhr kam der Major von Odeleben, von Napo-
leon von Wilsdruff aus abgeschickt; in die Stadt mit dem
Auftrage, die vom Stadtmagistrat abzuschickende Depu-
tation zum Kaiser zu fiihren. Gegen 3 Uhr ritt ich mit
dem Baron von Manteuffel dem Kaiser entgegen. Wir
fandeh ihn hinter dem Chausseehaus an der Lobtauer
Briicke. Der Oberstallmeister Caulincourt, Herzog von
Vieenza, den ich bat, mich beim Kaiser zu melden, meinte,
es bediirfe dessen nicht, er werde mich schon wieder-
erkennen. Das erfolgte audi ganz genau. Der Kaiser
begriisste mich, der ich vom Pferde abgestiegen war und
an ihn heranging, mit den Worten: „Ah, vous voilk Mr.
de Fries, qui est ce que vous avez Ik avec vous?" —
,C'est le Bar. de Manteuffel, Sire, autre membre de la
commission de regence.^ Manteuffel erhielt nun dto Auf-
trag, in die Stadt zu reiten und Kahne und Zimmerleute
zur Erbauung einer Flossbriicke herbeizuschaffen. „Vous,
Mr. de Fries, vous irez avec moi.** Nun musste ich auf
dem Wege an der Pulvermuhle ') vorbei liber den Damm
am Falkenschlage neben dem Kaiser herreiten. Er fragte
im allgemeinen nach dem Konige, nach der Anzahl der
durch Dresden durchmarschierten Russen und Preussen,
ob nicht im Erzgebirge Einverstandnisse mit den ver-
biindeten Truppen stattgefunden hatten u. s. w. Er schien
mit meinen Antworten zufrieden zu sein und war iiber-
haupt sanft und freundlich. Er ging immer um die Stadt
herum, beim Lazarethe*) vorbei, nach dem Pirnaischen
Schlage. Von da aus ritt der Kaiser, kaum von 4 oder
5 Persnen begleitet, worimter Berthier und Caulincourt,
nach Antons Garten, wo die obere Schiff*brticke gestanden
Wahrscheinlich Papiermuhle.
*) Damals noch Moczynsky-Palais*
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Napoleon in Dresden (8. Mai iai3). 245
hatte und wo noch einzelne Schiisse fielen. Die ganze
Suite musste zurtickbleiben. UngefShr nach einer halben
Stunde ritten wir zum Pillnitzer Schlage herein und kamen
auf der Ziegelgasse wieder mit dem Kaiser zusammen.
Er sprach sogleich wieder von der Briicke, die er bei
Briessnitz woUe schlagen lassen. Dahin ging es nun durch
die Stadt. In dieser standen schon viele inzwischen ein-
marschiertei meist italienische Regimenter. Am Ende der
AUee vor dem Briessnitzer Schlage ging es rechts iiber
die Felder, beim Pulvermagazine vorbei nach der Elbe.
Am andern Ufer, wenig unter Uebigau, lag die halbe
Schiffbrlicke, welche von Pieschen aus hierher getrieben
hatte, noch brennend. Etwas weiter imten, bei den Schuster-
hftusem, marschierten ein paar Kompagnien Pontoniere auf
mit In&nterie und einigen Kanonen zum Soutien. Am
jenseitigen Ufer war alles ruhig, obgleich nichts leichter
gewesen ware, als uns aus den Uebigauer Garten mit
Kanonen zu bowillkommnen. Napoleon ging am Elbufer
ruhig auf und ab und fragte ^inen Gefangenen aus. In-
dessen waren auf zwei herbeigeschaflften Fischerkahnen
Pontoniere nach der brenuenden Schiffbrlicke hinuber-
gefahren, batten sie geloscht und waren auf ihr herunter-
getrieben bis an den Platz, wo die neue Schiffbrlicke
hinkommen sollte. Nach einem Verweilen von wohl zwei
Stunden ritt der Kaiser in die Stadt zuriick, stieg im
Schlosse ab und ging gleich, ohne Cour anzunehmen, nach
den Zimmem, die er im vorigen Jahre auf dem Marsche
nach Russland bewohnt hatte. Es war abends 8 Uhr.
Von der Neustadt, die noch von Russen besetzt war, ward
nach der Stadt hertibergeschossen. Des Kaisers Generale
und Adjutanten sagten mir, dass morgen um die gewohnte
Stunde, um 9 Uhr, Lever sein wiirde. So hielt ich denn
mein Tagewerk fiir beendigt, ging nach Hause und liess
mir ein Glas Wein geben, dessen ich nach dem heissen
Nachmittage gar sehr bedurfte. Die Ruhe dauerte nicht
lange; denn kaum hatte ich es ausgetrunken, so kam ein
Ordonnanzoffizier und rief mich zum Kaiser. Als ich in
sein Ziramer trat, sagte er mir ziemlich barsch, nicht mit
mir allein, sondern mit der ganzen Immediat-Kommission
woUe er sprechen. Es dauerte bis nach 10 Uhr, ehe
deren Mitglieder zusammengerufen werden konnten. Friiher
war schon der Graf Georg von Einsiedel (eheraaliger Ge-
sandter in Paris) beim Kaiser gewesen und hatte von ihm
einen Auftrag an unseren Konig nach Prag erhalten,
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246 Hermann Freiherr yon Friesen;
mosBte aber noch auf die Audienz der Immediat-Kommis-
sion warten. AI0 diese beisammen war und yorgelassen
wurde, empfing sie der Kaiser mit der Frage: ^Messieurs^
sommes nous amis ou ennemis? je veux savoir k quoi
j'en suis/"
Soweit der Bericht meines Vaters, der sich nun auf
die in franzosischer Sprache abgefasste Relation der Unter-
redung in der Beilage bezieht. Sie lautet in der Ueber-
setzung:
„lch schreibe aus dem Gedachtnis. Es wird unmog-
lich sein, was der Kaiser uns sagte in derselben Ordnung
zu berichten, in der es in der Unterredung aufeinander
folgte; aber ich werde bemiiht sein; nichts wicbtiges und
wesentliches auszulassen. Es gentigt, die Stimmung des
Kaisers gegen den Konig und Sacnsen zu kennen.^
^Ebenso unm5glich wird es sein, getreu wiederzugeben,
was vier Personen erwiderten, die nicht die Zeit gehabt
batten, um sich vorher zu verst&ndigen und auf eino
Unterredung der Art vorzubereiten. Auch das ist von
Wichtigkeit. Es handelte sich fiir uns weder um Ver-
handlungen, noch um Auseinandersetzungen und Wider-
spruch. Den machtigen und aufgeregten Mann zu be-
ruhigen, unseren Souveran zu entschuldigen, ohne ihn
bloszustellen, Aufschub zu erlangen, das war es, worauf
wir ims beschranken mussten, und ich darf mir schmei-
cheln, dass uns das gelang/'
^Nachdem er uns mit der Frage empfangen hatte:
^Messieurs sommes nous amis ou ennemis? II faut parler
clair!^ sprach uns der Kaiser vom General Thielmann
und erklarte sich sehr verletzt durch die Antworten, die
er dem General Eeynier und dem Marschall Ney auf ihr
Verlangen, ihnen die Festung Torgau zu offnen, gegeben
hatte. Der Oberstallmeister, Herzog von Vicenza, las uns
die zwei Briefe Thielmanns vor, in denen der Kaiser
vor allem zwei Stellen hervorhob, die ihn besonders ver-
letzten: zuerst, dass es Thielmann verboten sei, fremde
Truppen in die Festung aufzunehmen ohne einen ausdrtick-
lichen Befehl des Konigs von Sachsen, den dieser nie
geben wurde, ohne sich daruber mit dem Kaiser von
Oesterreich verstandigt zu haben, dann, dass Thielmann
von nun an keine andere Antwort geben werde, als mit
Kanonen.**
„Der Kaiser fuhr in Bezug auf Thielmann fort,,, er
wisse recht gut, dass er ein eitler Mann sei, der sich
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Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). 247
durch die Schmeicheleien der Russen und Preusseii habe
gewinnen lasseii; die Politik der Bussen sei^ wie die der
uriecfaen, hinterlistig u. s. w. Als dann der Kaiser auf
den Konig von Sachsen zu sprechen kam^ sagte er: Jch
erfahre seitsame Dinge, der K5nig besteht darauf, mir
die Kavallerie-Brigade zu verweigem, die ich ihm dereinst
habe abfordern lassen. Ich habe ihm durch Baron Just')
versichem lassen, dass ich ihn am 15. Mai in seine Haupt-
stadt zuriickfuhren werde. Trotz dieses Versprechens,
dessen ErfUllung ich, wie Sie sehen, anticipiert habe —
denn wir haben heute erst den 8. — , hat mir der Konig
so wenig Vertrauen bewieseu; dass er beim Verlassen
seiner Staaten, als er von Plauen hinwegging, anstatt sich
mir zu n^lhem, sich erst nach Re^ensburg und dann nach
Prag begab. Er hat also an den Tag gelegt, dass er
den ochutz von Oesterreich und nicht den meinigen suchte/ ^
^Der Kaiser fuhr fort, indem er sich in den hftrtesten
Ausdriicken iiber das beabsichtigte Bundnis mit Oester-
reich aussprach und sagte, der Konig von Sachsen handle
den Verbmdlichkeiten eines Mitgliedes des Rheinbundes
zuwider und er werde ihn fur bundbriichig (filou) und
des K5nigthums entsetzt erkl&ren. Karl V. habe die kur-
fiirstliche Wurde den Vorfahren des Konigs iibertragen;
er, der Kaiser, werde ihm die Krone nehmen. Er fiigte
wortlich hinzu: ,Ich weiss wohl, der Konig ist Ihr Sou-
verto, ich aber bin der Kaiser und bin zu Hause, wenn
ich mich hier befinde/**
„Um zu beweisen, dass der Konig von Sachsen auf
den Schutz von Oesterreich nicht rechnen soUe, hess der
Kaiser durch den Herzog von Vicenza eine Depesche aus
Wien vorlesen, nach welcher Graf Mettemich tiber die
Ankunft des K5nigs in den osterreichischen Staaten ge-
sagt habe, der Konig von Sachsen sei wie eine Bombe
hineingefallen.^
„Der Kaiser fuhr fort: was man in Wien fliistere (les
bourdonnements de Vienne), sei ihm bekannt, sowie die In-
triguen der Kaiserin; es sei schon lange her, dass er dem
Hofe misstraue; wenn man aber dort glaube, von dem
Schlage, den er im letzten Feldzuge erlitten habe, Vor-
theil zu Ziehen, um das, was man verloren habe, wieder
zu nehmen, so t&usche man sich. Er sei niemals so mftchtig
*) Sftchsischer Gesandter in Paris seit der Erkranknng des
Grafen G. von Einsiedel im Jahre 1812.
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248 Hermann Freiherr von Friesen:
gewesen, als in diesem Augenblick. Wenn sein Schwieger-
vater 300000 Mann gegen ihn marschieren lasae, so stehen
ihm 1200000 Mann zur Verfligung.'^
„Er fugte hinzu, er wUrde es Oesterreich verzeihen,
dass es sich gegen ihn erklftrt habe, weil es mit Bedauem
Provinzen gegen ihn verloren habe; er konne es dem
Konig von Preussen verzeihen, wenn er ihn bekriege, weil
er, der Kaiser^ ihm die Halfte seiner Staaten genommen
habe; aber er werde es niemals dem Eonig von Sachsen
vergeben, weil er der einzige SouverSn sei, dem er nichts
genommen^ sondern dem er im Gegentheil nur Gutes er-
wiesen habe/'
^Indem er von den ublen Rathschl£lgen sprach, die
man dem Konig von Sachsen gegeben habe, gedachte er
des Generals von Langenau und sagte, er wisse, dass er
es vorzugsweise sei, aer dazu gerathen habe, sich mit
Oesterreich zu vereinigen. Aber er werde ihn zu finden
wissen und ihn fusilieren lassen."
„Nachdem der Kaiser gesagt hatte, wenn der Konig
von Sachsen seine Partei verlasse, werde er sich durch
den Verlust eines AUiierten nicht schwacher fuhlen, be-
merkte einer von uns, man mtisse hoffen, das Se, Kaiser-
liche Majestat ihn wieder gewinnen werde, worauf der
Kaiser erwiederte: ;Ohne die Schlacht von Llitzen wiirde
ich ihn schwerlich wiedergewonnen haben/"
„Wa8 der Kaiser im wesentlichen von uns verlangte,
um die Regierung des Landes wahrend der Abwesenheit
des Konigs festzustellen, war, dem General Thielmann
Befehl zugehen zu lassen, dass er die Festung Torgau
franzOsischen Truppen tibergeben soUe und dass ein Mit-
glied der Immediat-Kommission nach Prag gehe, um dem
Konig Vortrag von dem zu erstatten, was wir gehort
haben, und seine endliche Entscheidung zu erlangen."
„Als wir darauf erwidert batten, der General Thiel-
mann werde einem Befehl, zu dem wir durch unseren
Souveran nicht ermachtigt seien, nicht Folge leisten, er-
langten wir, es werde hinreichend sein, wenn einer von
uns nach Torgau gehe, um dem General Thielmann die
Missbilligung seines Benehmens seiten der Immediat-Kom-
mission zu erklaren und um von ihm zu erlangen, dass
er unverweilt einen Kurier nach Prag sende, um die
Befehle des KSnigs einzuholen."
„Hinsichtlich der Reise eines der Mitglieder der Im-
mediat-Kommission nach Prag stellten wir dem Kaiser
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Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). 249
vor, class sie iiberfliissig sei, weil der Graf Georg von Ein-
siedel mit einem ausdriicklichen Auftrag Sr. Kaiserlichen
Majestat an den K5nig von Sachsen dorthin abgehe. Der
Kaiser bestand nicht waiter auf dieser Reise und wir er-
langten von ihm, dass er die Rtickkehr' des Grafen Ein-
siedel von Prag und des Kuriers des Generals Thiel-
mann erwarten werde, ehe er weitere Beschltisse fasse."
„Das war, so weit mein Gedachtnis binreichen konnte,
das Wesentliche dieser ewig denkwtirdigen Unterredung,
von der indessen zu bemerken ist, dass sie von keiner
Wirkung war; denn Se. Majestilt der Konig von Saehsen
hatte schon seinen Entschlass gefasst, wahrend der Kaiser
Napoleon uns sprach, und der General von Gersdorf
war thatsachlich schon auf dem Wege von Prag nach
Dresden, um einen Brief des Konigs an den Kaiser zu
bringen."
Wiewohl es schon langst die Geschichte verzeichnet
hat, ist doch der VoUstandigkeit halber hinzuzufUgen, dass
Graf Senfft von Pilsach nach der Entscheidung des Konigs
seine Entlassung nahm. Graf Detle'v von Einsiedel; bis-
her Kreishauptmann in Dresden, wurde vom Konig zum
Cabinetsminister emannt und Ubcrnahm nach der Riick-
kehr des Konigs das Portefeuille der inneren sowohl als
der auswilrtigen Angelegenheiten. General von Langenau
nahm mit seinem Adjutanten, dem Rittmeister Graf Schulen-
burg (aus dem Hause Vitzenburg), ebenfalls seinen Ab-
schied und trat in k. k. osterreichische Dienste. General
von Thielmann verliess die Festung Torgau, nachdem
er den Befehl zur Uebergabe derselben an die Franzosen
erhalten hatte, ohne Abschied und begab sich zum Kaiser
von Russland, der sein Hauptquartier in Lichtenbur^ auf-
geschlagen hatte und ihn in seine Dienste aufnahm. Oocrst-
leutnant Aster, Ingenieur des Platzes in Torgau, der den
General begleitet hatte, begehrte und erhielt einen ehren-
voUen Abschied aus dem koniglich sachsischen Dienst,
trat in die k5niglich preussische Armee ein und starb nach
einer glanzenden Laufbahn als General-Inspecteur der
koniglich preussischen Festungen.
Am 12. Mai in den Mittagsstunden kehrte der Konig
Friedrich August der Gerechte nach Dresden zuruck,
wohin ihn der Kaiser Napoleon unter dem Gelaute der
Glockcn und dem Donner der Kanonen in pomphafter
Weise einflihrte. Am Pimaischen Schlage empfing ilm
eine Deputation des Stadtrathes, an welche der Kaiser
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250 Hermann Freilierr von Friesen: Napoleon in Dresden.
folgende Worte ricbtete (die ich ebenfalls den Denk-
wtirdigkeiten meinee Vaters entnehme) :
^Magistratspersonen, liebt euern Eonig; seht in ihm
Sachsens Erretter. Wenn er seinem Worte weniger treu,
ein minder guter AUiierter gewesen ware, wenn er sich
zu der Meinung der PreuBsen und Rossen hatte hinreissen
lassen; war Sachsen verloren, ich wiirde es als erobertes
Land behandelt haben."
pMeine Armee wird nur durchziehen, und ihr werdet
bald der Burden entledigt sein, die ihr ertragt. Ich werde
Sachsen gegen alle seine Feinde vertheidigen und be-
schiitzen.
Die Stimmung war durchaus eine tief trauernde und
bedrlickte, wovon mir heute nochy nach einem Verlauf von
mehr als sechzig Jahren^ die wehmtithigste Erinnerung
lebhaft im Gedachtnis ist.
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IX.
Aus dem Schulwesen Sachsens, besonders in
Mittweida und Freiberg, zu Ende des 17. Jahr-
hunderts.
Von
Ch, 0. Ernst am Ende.
In den in meinem Besitze befindlichen Aufzeicbnungen,
welche der als Pastor zu Haseloff (Ephorie Belzig im
Kurkreise) am 22. April 1752 verstorbeneMag. Christoph
am Ende^ der Vater meines Urgrossvaters, uber seinen
Lebensgang hinterlassen, gedenkt derselbe seiner Schul-
bildong mit besonders pietatvoUem Ausdrucke.
Da bei dem Branae der erzgebirgischen Stadt Hai-
nichen, des Wohnsitzes seiner Eltern, 1680 auch das
Schulhaus vemichtet wurde, so war der acbtjahrige Knabe
zu den Grosseltern nach Mittweida und in die Schule da-
selbst gekommen. Hier unterrichteten ihn Bernh. Martini,
Organist und Kollaborator, Wolfgang Helmert, Kantor,
Zaehar. Thorschmidt, Konrektor und der Rektor Mag.
Sam. Bernhardi, bei welcbem er aueh noch einige Monate
vor seinem Abgange Privatinformation genoss.
Charakteristiedi fur die Schulzucht, wie lobreich fUr
den Schiller ist die Bemerkung: „Bei der Valediktion
(Ostem 1688) sagte der Herr Kantor, er konnte sich nicht
erinnern; dass er mich einmal geschlagen.** In den beiden
oberen Klassen scheint demnach der sonst so wichtige,
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252 Ch. 6. Ernst am Ende:
dem Rektor bei seinem Amtsantritte solenn Uberreichte
Stock ohnehin aosser Anwendung geblieben zu sein.
Wie sehr aber der erwahnte Privatunterriclit fttr
strebsame Schuler damals wunschenswerth gewesen sein
musSy geht au8 dem Umstande hervor, dass bis zom Jahre
1749 alle vier Elassen in einer Schulstube beisammen
waren; erst in diesem Jahre wurde fttr die erste Klasse
des Rektors eine besondere Schulstube bereitet und erst
1792 die grosse Schulstube so geandert, dass jeder der
drei ubrigen Lehrer eine besondere Stube liatte, „in wel-
cher er seine Klasse bearbeiten konnte". *)
„Eben in diesem Jahre (1688) bin ich noch zuletzt
an dem Gregoriusfeste Biscbof gewesen", erz9.hlt der vor-
liegende Lebenslauf, und die Schilderung, welche die ur-
kundlichen Nachrichten des Ortspfarrers Kretzschmar*)
von der Feier dieses Festes in Mittweida enthalten, er^
weitern diese kurze Notiz zu allgemeinerem Interesse. Fur
das Gregoriusfest, zu Ehren des um Kirchen- und Schul--
wesen verdienten Fapstes Gregor des Grossen namentlich
auch in sachsischen Landen durch einsammelnde Schul-
aufzuge ceremoniell gefeiert, war zu Mittweida 1588 eine
besondere Fahne angeschafft worden. Mittwochs nach
Cantate begann die Frozession, die Schuler erschienen in
mannichfachen Verkleidungen, und die Wohnung der Eltem^
deren Schulknabe den Bischof vorstellte (fttr am Ende das
Haus des Grossvaters, des Tuchmachers Caspar Hermann,
Stadtrichters und Rathsherm), wurde acht Tage lang zu
einem Schauplatze, der mit bedeutendem Au^ande und
nicht geringer Unruhe zu Ehren des so ausgezeichneten
Schulers verbunden war. Denn wllhrend dieser Zeit des
Sipgumganges hatten diese t&glich die Lehrer zu bewirthen
und zum Schlusse eine grosse Mahlzeit zu veranstalten,
zu welcher auch die Geistlichen, Rathsherren und andere
Yornehme einzuladen waren. Da sich spater fttr solches
Unternehmen immer seltener eine Familie bereit fand, so
ward 1803 in Mittweida zum letzten Male das Gregorius-
fest in alter Weise gefeiert, bis auch die einfachere Fort-
setzung desselben mit dem 20. Mai 1835 infolge des neuen
Schulgesetzes erlosch.
Der Stand der damaligen Mittweidaer Schule muss
') Ad. Chr. Kretzschmar, Nachrichten aus . . . . Mittweyda
(daselbst 1841) II, 1100.
") Ebenda 1104—8.
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Aus dem Schulwesen Sachsen& zu finde des 11. Jahrhunderts. ^53
als ein im allgemeinen fur wiBsenschaftliche Vorbildung
nicht UDgunstiger erkannt werden, denn sie hatte; wenn
auch erst nach fast achtjahriger Schulzeit^ den genannteD
Verfasser lebensgeschichtlicher Erinnerungen befkhigt, in
die Sekunda des Freiberger Gymnasiums aufgenommen
zu werden.
Von dem [philologischen Geiste jener Schule zeugen
noch verbiiebene Andenken an dieselbe.
Zwei Blatter eines Schreibheftes sind mit Uebungen
in deutschen und lateinischen Schriftarten gefuUt^ von
welchen jeder Satz mit verschiedenfarbig ausgefuhrten
Zeilen beginnt. Gelehrter Weise ist in diesen Satzen von
den Spielen (auf Brett, mit Wtirfeln) die Rede, wie solche
auch bei den Griechen und Romem tiblich waren.
Tiefer noch in das Wesen der Schule fiihrt ein Oktav-
heftchen ein, beschrieben: ^Christophorus am Ende 1687
d. 19. April rapp." Es ist also aus seiner Mittweidaischen
Primanerzeit und enthalt Formeln zum Gebrauche in ver-
schiedenen Fallen des SchuUebens.
Voran steht die Bitte um einen freien Nachmittag:
S. P. Glarissime nee non doctissime Domine M. Rector et
Praeceptor omni observantiae cultu honorande. Glaritatem tuam
obnixe rogatam yoliunuB, ut nobis post Meridiem cessationem a studiis
pcrmittere yelis. Quia coelum serenum est, ut et Parentibus nostris
in rebus domesticis servire possimus. Quicquid interim a nobis
cessatum erit, in posterum compensaturi sumus.
Umstllndlicher ausgefUhrt gestaltete sich das Gesuch
um einen ganzen Tag:
S. P. Humanissime nee non doctissime Domine M. Rector et
Praeceptor, omni observantiae cultu honorande. Vide sis quantopere
blandiatur coelum et sol radiis, omnia suis fructibus maturitatem
inducans exhilaret, ut vel tardissimum ad prodeambulandum incitare
queat. Quapropter hujus diei amoenitate ducti humanitatem tuam
totius Scholasticae cohortis nomine, adeundam putavi, etiam atque
etiam petens atque flagitans, ut hodierno die, et quldem horis suc-
cisivis, publicis Lectionibus supersedendi potestatem nobis facias.
Quo Parentibus nostris in agris ac pratis occupatis adesse queamus.
Nos yicissim quicquid temporis hujusce modi interyallo amissum
erit, intention post hac vigiJantia recompensaturi sumus.
Besondere Rticksichten wareli auf die Wtirden der
zum Besuch der Examen Einzuladenden erforderlich. Da-
her die folgenden Formulare:
J. N. J. I In Examine Invitatio ad Pastorem.
Admodum Reverende, Amplissime atque Praecellentissime, Do-
mine Magister, Pastor, Scholaeque nostrae Inspector, omni obser-
vantiae cultu honorande. Ad diem Lunae sequentis Septimanae
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254 Ch. 6. Enigt am Ende:
hon octeva matntina (cnin Deo) in Indo nostro literario Ezamen
institaetiur (ad qaod nostram Senattim jam iiiTitatiiri sarans), cni nt
et Reverenda Tiia Dif;Dita8 interesse ne dedignetar, nomine totins
coetos Scholastici majorem in modnm rogamos.
Ad Diaconom.
Admodom Beverende, Glarissime atqne Doctissime Domine
Diacone, (Magister) Faotor et Promotor omni obserrantiae calta
honorande. Ad diem Lonae seqnentis etc.
Ad Senatnm.
Com vestrae Prudentiae atqne Autoritatis sit, Amplissimi, Frn-
dentissimiqne Yiri, Domini ac Fatroni^ omni observantiae cnltu
honorandi, non solum inteltigere, qnid m publicis agatnr negociis,
venim etiam providere, nt cnm omnia, turn praesertim sumtns, qui in
Scholam nostram a Vobis impendnntar, bene tarn a Discentibus, quam a
Docentibns coUocentur; Praeceptoribos nostris, qui omnia prins ezperti
snnt, ne molesti esse Tiderentor, vobis impraesentiamm significare
Tisnm est, se jnssn Kererendi Domini Pastoris et Scholae nostrae In-
spectoris Yigilantissimi jam iternm Ezamen institaere, coetum nostmm
Scholasticnm ad diem Lunae sequentis Septimanae lustrare velle.
Cni lustration! ut et Yos interesse, et quales in Studiis nostris profectus
fecerimns, pro summo vestro erga optimarum artinm Studio araore,
aequo animo auscultare, ne dedignemini, coetus noster Scholasticns
ea, qua par est, snbmissione ac reverentia majorem in modnm rogat.
Es waren aber auch Personen des Rathes zu berlick-
sichtigen, bei welchen das Verstehen von Latein nicht
Yoraus^esetzt warden konnte. Diesen ward folgende For-
mal; Yialleicht auch zu miindlicher Anrade, gewidmet:
YV'ohlEhrenVeste, Vorachtbare, YVohlgelahrte und YVohlweise,
besonders Grossgtlnstige Herren und FOrderer.
Demnach auf Anordnung und Befehl unsres hochgeehrten Herren
Pfarrers nnsere Herren Praeceptores auf nechst ktinftigen Montag
abermahls ein Examen in unserer Schule anzustellen entschlossen,
Und aber ihme nicht unwissend, dass durch eines EhrenYesten
Raths Praesentz und Gegenwart demselben Ezamini eine sonderlicbe
Autorit&t und Ansehen gemachet werde; als haben gemeldte unsre
Herren Praeceptores uns beyde abgefertiget, solches einen Ehren-
Yesten und Wohlweisen Raht zu vermelden, und denselben in ihren
nahmen eantz freundlich zu bitten, dass die Herren auf angerechte
Zeit solcnen Ezamini unbeschwert beiwohnen und anhOren wollen,
wie wir in unsren Studiis proficieret, und wie die auf nnsere Schulen
angewendete Unkosten angeleget werden. Solches dieweil es ge-
reichet zu Gottes Ehren und zu unserer Schulen Besserung, sind
nebenst Y^ttntschung GOttlicher Gnade, Gl&ckseeliger Regierung und
alles Guten, um einen EhrenYesten und Y^ohlweisen Kaht nnsere
Herren Praeceptores benebenst uns Enaben, nach YermOgen danck-
barlich zu yerschulden erbotig.
Es folgt dann aine Gratiarum Actio ad Deum 'post
Examen und eine bei dersalben Galegenhait zu haltande
Anaprache Ad Vivos Praesentes^ beide in dem gleicheu
wortreichen Stile, wie das Vorhergehende, ,
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Ans dem Schnlwesen Sachsens zu Ende des t7. Jahrhanderts. 255
Auch zu den musikalischen Anfftkhrun^en hatten im
Namen der Kantorei Einladungen zu geschenen. In wel-
cher Weise; lemen wir aus einer Invitatio ad Pasiorem
ad Convivium Musicum und au8 einer weniger eleganten
deutschen Formel^ die an den BUrgermeister (oder Stadt*
richter) gerichtet ist^ kennen.
Besonders charakteristisch aber ist schliesslich ein
Gesuch; in welchem bei dem Ortspfarrer unter Ueber-
reichung eines Gedichtes um Gewahrung von Ferien fur
die Nachmittage der Hundstage gebeten wird.
Ad Pastorem ^ro impetrandis feriis canicularibus. Admodum
Reverend e, Amplissime atque Praecellentissime Domine M. Pastor
Scholaeque nostrae Inspector Yigilantissime, Fautor et Promotor
omni observantiae cultu nonorande. Reverendae Tuae Dignit4iti offero
hoc qualecunque carmen, pro impetrandis feriis canicularibus scrip-
turn, quod, ut aequi bonique Keverenda Tua Dignitas consulat,
nobisque horis pomeridianis vacationem a studiis per dies caniculares
pro more et consuetudine baud ffrayatim concedat, nomine totins
coetus Scholastici majorem in modum rogo. —
Die femeren Erwahnungen non^ welche das Gym-
nasium zu Freiberg betrefFen, sind wohl umsomehr von
Interesse, als erst kttrzlich Oberlehrer Dr. Paul Siiss*)
durch seine Gesehichte der ^enannten alten sachsischen
Gelehrtenschule (als Gymnasium gegrlindet 1537; unter
dem Namen Gymnasium Albertinum seit 1875) die Auf-
merksamkeit auf das Unterrichtswesen in derselben gelenkt
hat; zu den meist aus stadtischen und Ephoralakten ge-
sammelten Nachrichten gewahren die nacnfolgenden Mit-
theilungen einen erganzenden Beitrag.
Am 11. Juli lo88*) war Christoph am Ende in die
Sekunda des Freiberger Grymnasiums eingetreten. Nftchst
dem Bektor Mag. Justus (jottfried Rabener hOrte er hier
die Lectiones des Tertius Christian Fritzsche, sowie des
Konrektors Mag. Tobias Liebe und nachdem letzterer an
Stelle des 1691 nach Meissen berufenen Babener Bektor
geworden war, auch die des Tertius Israel Beger. In
Musicis unterrichtete ihn der Kantor Joachim Ernst Spahn,
und er ward Adjunctus des Praefecti im zweiten Chore.
Was in diesen 5fFentlioben Lehrstunden getrieben
*) Paul Sqss, Geschiehte des Gymnasiums zu Freiberg (Gym-
nasium Albertinum) I. and IL Theil; in den Programmen des ge-
nannten Gymnasiums von 1876 und 1877.
*) Der Bektor M. Job. Gottl. fiiedermann giebt in seiner Com-
mentatio I, qua memorias discipulorum extraneorum in Scbola Fri*
bergensi Tersatornm etc., (Programm 1787) den 11. Juni 1689 an,
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256 Ch. 6. £:rn8t am finciet
wordeo, wird nicht berichtet; wohl aber wird es zu einem
Belege fiir das Ueberhandnehmen des Privatunterrichtes,
was Superintendent Dr. Lehmann*) um 1700 in einem
Gutachten iiber die Freiberger Schule zu beklagen hatte,
wenn gerade dieses Privatunterrichtes hervorhebender in
Folgendem gedacht wird:
nNebenst den Lectionibus und GoUegiis publicis babe ich auch
privata gehabt, als bei Herrn Christian Fritzsche als Gonrectore:
1. Collegium Ebraicum super Atrium linguae sanctae Opitii, 2. super
Fritzschii Scbediasma de studiis scbolasticis , 3. de Artificio van-
andi, cum subsidio iuvenili M. Weisii, Kectoris Zittavieiisis,
bei M. Lieben als Conrectore:
1. Collegium Epistolicum latinum, 2. Topicum theoretico-practicum,
3. Kurtzer Unterricht vom deutschen Briefschreiben, 4. Isagoge ad
Poesin vernaculam^ 5. Collegium Reale, s. Index duper rerum et
materiarum a variis autoribus ex professo tractaturis chiUadem,
bei demselben als Rector:
Collegium de inscnptionibus,
bei M. Rabenern:
1. Collegium Geographicum Hildebr. ex Cluvero cum annotationi-
bus dictatis, 2. Sinopsin Fbys. Sperling, cum commentationibus
dictatis.')
Die kurze Fassung der bei obigen Unterrichtszweigen
benutzbar gefundenen Lehrbticher lasst dennoch keine be-
sonders weitgehenden miindlichen Erorterungen vermuthen.
Genttgt es doch z. B. in ^Fritzschii Scbediasma" flir den
Ausdruck im Deutschen (Seite 24) zu sagen: ^Placet hie
infallibilis clar. Weisii regular Man schreibe, wie man
in Canzleyen schreibet und wie rechtschaffene Theologi
*) Siehe Siiss, Geschichte des Gymnasiums zu Freiberg II, 67.
*) Die angefUhrten Lehrbticber sind durch folgende Titel-
angaben, wenn aucb nur nacb den auffindbar gewesenen Ausgaben
derselben, nUber zu bezeichnen:
Atrium linguae sanctae, quo exbibetur 1. consilium de studio
linguae sanctae feliciter tractando, 2. Grammaticae Hebr. compendium
ex Hebraism restitute celeberr. . . . Wasmuthi, 3. Textus cum praxi
Hebraeo-analytica .... 4. Lexici Hebraei compendium .... 6. In-
dex .... autore Henrico Opitio. 3. editio Lips. 1681. 4**.
78 pagg. (In der Zittauer StadtbibUothek Tb. 4<» 498.)
Scbediasma de Studiis scbolasticis in usum et gratiam studiosae
iuventutis editum a Cbristiano Fritzschio. Lipsiae, Jo. Ch.
Woblfart 1692. 16 ^ 96 pagg. (In der konigl. Off. Bibliothek zu
Dresden, Encycl. 509.)
Christiani Weisii subsidium puerile de aitificio et usu
cbriarum in eorum gratiam, qui tandem ad institutiones oratorias
faciliori cursu tum ipsi pergere, tum aliis informatione vel consilio
praeire volunt, publici juris factum. Zittaviae, typis Mich. Uart-
manni 1689. 8^ 48 pagg. (lu der Zittauer Stadtbibliothek.)
Compendium geographiae CluTerianae, frequ«nti historia^ fabula^
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Atts dem Schulwesen Sachsens zu Ende des 17. Jahrhunderts. 257
und Politic! in ihren Schriften gewohnt sind, so darf man
weiter nichts besorgen."
Auf LekttLre und praktische Uebungen wurde eben
ein Hauptwerth geiegt. Bezeichnend ist in dieser Be-
ziehung Fritzsches Eifer fur vereinfaclites Erlernen der
lateinischen Sprache durch eine deutsch geschriebene Gram-
matik ohne viele Eegeln. Wahrend die franzosische oder
italienische Sprache recbt gut binnen drei Jahren erlernt
werde, wfthrend sogar ftir eine spater zu erw^hlende Fach-
wissenschaft ein Triennium oder JBiennium als ausreichend
gelte, bringe die Jugend mit dem Latein beinahe 20 Jahre
zu. Aus einer Dissertation; welche die eruditissima virgo
Margaretha Adelgundis van den Enden zu Antwerpen
offentlich vertheidigt; wird die Anklage gegen die grosse
Mangelhaftigkeit der lateinischen Grammatik mit der Be-
hauptung wiederholt, dass bei rechter Methode in Jahres-
frist mehr Gewandtheit im Ausdrucke zu erreichen sei,
als jetzt binnen zehn Jahren. '')
Dieses Streben nach Gewandtheit kennzeichnen aller-
dings bereits die aus der Mittweidaer Schule mitgetheilten
Invitationes.
Das Ergebnis der genannten, immerhin vielseitigen
Studien auf dem Freiberger Gymnasium bezeugen zum
Theil die Themata, welche in freien Aufsatzen zur Be-
arbeitung gelangten.
-Auf diesem Qymnasio", heisst es, »habe ich vier
Orationes gehalten unter Anfuhrung M. Lieben's; eine
publico in laudem autumni, drei solenne^ na.mlich: in lau-
proverbio etc. illustratam, versibus etiam in vemacula lingua, me-
moriae juTandi gratia, comprehensum . . . . a. M. Frider. Hilde-
brando, 6. Martisb. R. Frankofurti et Lipsiae, 6g. Heinr. From-
mann, 1675. 16 ^ 349 pagg. u. Index. (In der konigl. Ofif. Biblio-
thek zu Dresden, Geogr. A. 951.) Phil. Gluverus, zu Leyden 162.3
yerstorbener Geograph, hatte eine beliebt gebliebene „iiitroductio in
universam Geographiam^^ verfasst.
Synopsis rhysica Job. Sperling's, Profess. Wittebergensis,
edit 11. Wittebergae, Job. Berger, praelo Mich. Wendt, 1645. 16**.
274 pa^g. (Ebenda H. nat A. 1283.)
Die Yerzeichnung damaliger Lehrmittel zu Freiberg geschah
deshalb genauer, weil diese kleinen Bttcher in Bibliotheken selten
geworden sind. So enth< z. B. W. G5rges Yerzeichnis der in der
Stadtbibliothek und in der Bibliothek des Johanneums zu Ltlneburg
enthaltenen <eren Lehr- und Schulbttcher, haupts&chlich aus dem
16. und 17. Jahrhunderte (Programm des Johanneums zu LQneburg,
Ostem 1880) auf 28 gespaltenen Quartseiten keinen der obigen Titel.
*) Fritzsche wi(hnet diesem Gegenstande die Selten 26 — 44
seines kleinen Buches.
MeaM ArebiT L 8. Q. a. A. IL 3. 17
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358 ^^ ^* Ernst am Ende: Ans dem Schulwesen Sachsens.
dem auri (den 23. Sq)tember 1692), super emblema II.
an dem Castro doloris Johannis Georgii III „In Morea:
Nemo ante meorum"*) (den 18. Marz 1692) und am
17. Februar 1693 als ein Minister verbi divini orationem
consolatoriam deutsch an das betrtibte Freiberg bei einem
dramate im priesterlichen Habit"
D6r Betneiligung an den Schulkomodien wird nur
noch zweimal gedacht: j^Auf dem Theatre im Rathhause
bin ich in einer weltlichen Comodie ein Abgesandter ge-
wesen und in der geistlichen Judith der Hohepriester Joja-
kirn, der die in SUcken aufziehenden Bethulier trostete."")
Es kann ein giinstiges Licht auf den bei alien ein-
getretenen Mangeln doch bildungsfahig gebliebenen Zu-
stand der Schule werfen, wenn der noch im Alter dank-
bare Schiiler in seiner Niederschrift fortfUhrt:
^So habe ich meine Studia zu Freiberg bis a. 1693
continuirt und durch g5ttlichen Segen solche profectus
femacht, dass ich unter dem Prftsidio Herrn Christian
'ritzschens, Conrectoris, eine disputationem scholasticam de
perspicuitate scripturae sacrae respondendo gehalten, weil
ich gar zeitig durch sonderbaren Antrieb grosse Lust zum
Studio theologico bekommen. Dabei ist auch die thesis
philosophica ventilirt worden: Philosophia est donum Dei,
desgleichen die Thesis moralis: Homini civili licitum est
uti complimentis."
Der geistlichen Richtung entsprechend, ward vor dem
Abgange zur Universitftt Wittenberg am 10. M&tz 1693
die Valediktionsrede de morte Christi verissiraa gehalten.
•) Die vier grossen mit kurflirstlichen Fahnen geschmttckten
Embleme stellteu zur Erinnerung an Eriegsthaten Wien, Morea,
Heilbronn und Mainz dar (s. „Emblemata am Castro doloris zu Frey-
berg** im Anhange zu S. B. Carpzovs Leichenpredigt auf Johann
Georgen III., Dresden 1691. foL). Auf Morea hatten 1685 an dem
Kampfe der Republik Venedig gegen die Tttrken drei sftchsische
Regimenter sich siegreich betheiligt.
•) Ueber die Schultheater jener Zeit siehe Sftss, Geschichte des
Gymnasiums zu Freiberg II, 65, wo berichtet wird, dass im Oktober
1689 sogar „ Judith und Holofernes" aufgefiihrt worden sei.
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Literatur.
Adam Frledrleh Oesen Ein Beitrag zur Eunstgeschichte des
18. Jahrhnnderts. Von Dr. Alphons Dtirr. Mit sieben Holz-
gchnitten. Leipzig, Alphons Dflrr. 1879. 8^ X, 266 SS.
Das Leben Oesers ist fast mehr um der Beziehunffen
willen, welche sich zahlreich mit demselben verkniipten,
interessant; als duroh die Leistungen des Mannes selbst.
So hoch auch die gieichzeitige Kritik den Meister liielt,
so wenig konnen wir heute seinen stisslichen und unmann-
lichen Schildereien Geschmack abgewinnen. Nicht der
grosse KUnstler ist es, der uns an ihm interessiert; sondern
der Terstandige Vorkampfer einer neuen, besseren Zeit.
In diesem Sinne lost auch die vorliegende Monographic
die ihr gestellte Aufgabe. Eines ihrer grossten Verdienste
isty dass sie nie den Blick aofs Ganze verliert; dass sie bei
all der aus jeder Zeile hervorspringenden Liebe fur das
gew&hlte Thema, doch nie den richtigen Massstab ein-
btisst, um die Bcdeutung Oesers gerecht zu messen. Und
gerade durch die Schilderung der K9,mpfe und Unzulang-
lichkeiten des wackeren Kiinstlers tritt dieser selbst mit
grosster Plastik vor unser geistiges Auge. Oesers Be-
deutung liegt darin, der „Verdranger des Rokoko in
Sachsen^ zu sein; zunftchst ist dies zwar ein negatives
Verdiensty dem entsprechende kiinstlerische Leistungen
kaum entgegen gesetzt werden konnen, aber doch ein
liberans wichtiges, denn wenn Oeser gleich in Vogel,
Matthili, Nake und^ndemKtinstlem der 6]mteren Dresdener
Akademie eine traurige Gefolgschaft nach sich zog, so
war er es doch, der dem Geiste den Boden ebnen half;
welchen Karstens erschloss und in Sachsen Schnorr,
Richter; Rietschel u. s. w. bebauten.
Die Eigenart des zu schildernden Mannes gebot den
Aufbau des Werkes. Nicht nach yerschiedenen Perioden
17*
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260 Literatur.
seines ktinstlerischen Schaffens lasst sich sein Leben theilen,
sondem d^ussere Umstande sind es, die entscheidend auf
ihn wirken. Die Kapitel iiber die Jugendjahre in Press-
burg (1717—1730), die Lehrjahre in Wien (1730—1739),
die Zeit der Entfaltung des Konnens in Dresden (1739 —
1756) sind zwar in erster Linie dem Maler gewidmet.
Aber mit dem folgenden Aufsatze „Oeser und Winckel-
mann" lernen wir eine neue Ricntung seines Wesens
kennen, das eigenartige Lehrertalent, welches doppelt in-
teressant dadurch wird, dass es Schiiler von gewaltiger
Kapazitat sind, die er anlockt und die ihn aniocken. Das
letztgenannte Kapitel und das achte, in welehem das Ver-
haltnis zu Goethe geschildert wird, sind wohl die be-
deutendsten und interessantesten Theile des Buches. Na-
mentlich beachtenswerth ist der Nachweis des lang wah-
renden und tiefen Einflusses auf Goethe. Erst die italienische
Eeise und das Yersttodnis der Renaissance befreit den
Dichter von der absoluten Verehrung des befreundeten
Kunstlers, ja lasst ihn sogar abfallig iiber den „Nebulisten"
urtheilen.
Zwei weitere Kapitel behandeln Oesers Verhaltnis zu
der 1764 gegriindeten Dresdener und zu der Leipziger Aka-
demie. Der letzteren stand er bekanntlich bis zu seinem
1799 erfolgten Tod als Direktor vor. Auch hier ist wenig
von Schtilern Oesers zu sagen, doch ware ein Nachweis
dessen, was mit dem Scheiden des Meisters von seiner Kunst
sich als dauemd erwies, nicht unerwtinscht gewesen. Um so
mehr aber konnte der vielseitigen Anregungen Erwfthnung
^eschehen, welch'e er auf seine Zeitgenossen ausUbte, ja es
hatte sich dieser Stoff vielleicht weiter ausspinnen lassen
als es der Autor, wohl in der Befurchtung, zu sehr in lokales
Gebiet hiniiberzugreifen, that.
So haben mich beispielsweise Studien tiber die Ent-
wickelung der kunstgewerblichen Anstalten Sachsens wie-
derholt auf Oeser gefiihrt. Mit Dank sind auch hier die
zahlreichen Winke anzuerkennen, die Dtlrr namentlich im
siebenten und neunten Kapitel seines Werkes giebt. Es
verdient Beachtung, dass gerade die Handworker es sind,
welche mit Vorliebe Oesers Unterricht suchen, ja dass er
der einzige unter den Akademiedirektoren ist, der nach
dieser Richtung hin den Wiinschen des Loiters des Kunst-
wesens in Sachsen, Chr. Ldw. von Hagedorn, entspricht.
Das sehr bemerkenswerthe Gutachten, welches Oeser
schon am 19. Dezember 1764 tiber die Ausbildung von
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Literatur. 261
Musterzeichnern gab, batte wohl Erwfthnung verdient.
Denn hier zeigt sich den damals in Deutschland herrschen-
den Ansichten gegeniiber schlagend Oesers praktisches
Lehrtalent. Wahrend Hagedorn von der Kunst an sich
Hilfe gegen den Ungeschmack erwartet, wahrend er meint,
dass die Beschaftigung mit den hochsten Idealen und Auf-
gaben mindestens dazu befahige, im Kleinen und Zweck-
dienlichen TiichtigeB zu leisten, weist Oeser auf franz5sifiche
Verhaltnisse und wtinscht die Musterzeichner direkt auf
ihr Ziel zu leiten. Hagedorn glaubte, das Handwerk
werde der Kunst auf dem hohen Fluge, den er ihr
wlinschte, folgen; Oeser sah ein, dass das Handwerk nie
Nutzen vom Kunstunterricht ziehen konne, wenn derselbe
nicht auch in fiir den Handwerker geeigneter Methode
und Ausdehnung gegeben werde. Daher sprach er sich
bereits damals fur die Anstellung eines Musterzeichners
an der Akademie aus, welche jedoch erst 1782 unter dem
Grafen Marcolini erfolgte. F. S. Pitterlin wurde nicht, wie
Diirr angiebt (S. 98), als „Lehrer fiir Porzellan-Zeichnen"
Bondern als ^Lehrer in denen bei den Manufakturwaaren
anwendbaren Zeichnungen", d. h. fiir Musterzeichnen, an-
gestellt.
Es ist hier leider nicht Kaum genug, um auf Dtirrs
in Anlage und Durchfiihrung gleich treffliches Werk in
verdienter Weise einzugehen. Es sei gestattet, auf G. Wust-
manns hochst anerkennende Rezension in der Liitzow'schen
Zeitschrift fiir bildende Kunst, Band XV S. 119 fgg.
beifallig hinzuweisen. Dem ausgezeichneten Gelehrten
aber, dem das Werk gewidmet ist und als dessen Schiiler
sich Dtirr bekennt, Prof. Anton Springer, wird das ge-
diegen ausgestattete Buch, wie Wustmann sagt, „zur Freude
gereichen, so gewiss wie es ihm zur Ehre gereicht".
Dresden. C. Gurlitt.
Gesehletate der Stadt Torgau bis zur Zeit der Reformation. Nach
den Urkunden zusammengestellt Ton Dr. C. Enabe. Torgau,
Friedr. Jacob. 1880. 8*. 48 SS.
Ftlr die Geschichte der Stadtverfassung und des
ganzen stadtischen Lebens in den Gegenden , die den
Bereich unserer Zeitschrift bilden, ist npch so viel zu
thun tibrig, dass man auch kleine Beitrftge, wie den
vorliegenden, wiUkommen heissen wird, besonders wenn
der Verfasser, wie es hier der Fall ist, mit den erforder-
lichen Vorkenntnissen ausgertistet an seine Aufgabe heran-
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262 Literatnr.
gegangen ist. Wenn irgendwo^ so Bind auf diesem Gebiete
noch zahlreiche monographische Arbeiten nothig, bevor
man die Stellung, die das StUdtewesen in der Entwickelung
des Volks- und Staatslebens unserer Lande einnimmt;
rich tig zu erkennen und klar darzustellen im Stande ist;
und wenn auch die Stadte des ostlichen Mittddeutsch-
lands nicht entfernt ein so hohes Interesse beanspruchen
konneu; wie die norddeutschen HansasUldte oder die
suddeutschen Reichsstadte , so sind sie gleichwohl ein
hochwichtiger und noch lange nicht hinreichend gewtirdig-
ter Faktor im Ganzen unseres Culturlebens und bedurfen
dringend einer tiefergehenden Untersuchung, als ihnen noch
heute oft genug in den von wohlmeinenden Dilettanten
geschriebenen „Chroniken^ zu Theil wird. Man missverstehe
uns iibrigens nicht: wir billigen es durchaus, weim die
Verfasser stadtegeschichtlicher Arbeiten nicht ausschliess^
lich filr dieGelehrtenwelt schreiben woUen, sondem auch mit
einem Leserkreise unter den Btirgem ihrer Stadt rechnen;
es kann dem heutigen Geschlechte nur ntitzlich sein, wenn
es sich mehr Interesse und mehr Verstandnis fur geschicht-
liche Zustande und Verhaltnisse erwirbt. Dann wird ja
wohl auch die alte Klage uber dieMisshandlung stadtischer
Archive aufhoren. Aber auch eine popul^re Darstellung
muss vor alien Dingen richtig sein, und daher ist nur
der im Stande sie zu liefern, der das Gebiet wissen-
schaftlich beherrscht. Ein solcher aber wird den Weg
auch leicht finden, auf dem er die Resultate seiner Forsch-
ungen nicht ausschliesslich den „weiteren", sondern auch
den Fachkreisen geniessbar machen kann.
Wenn wir uns bei unserer Besprechun^ auf den
Standpunkt der letzteren stellen, so mochten wir zunftchst
den Wunsch aussprechen, dass das vorliegende Schriftchen
der Vorlaufer eines Urkundenbuchs der Stadt Torgau
sein m5ge. Die erforderlichen Mittel wtirden sich doch
wohl, sei es durch den Torgauer Magistrat, sei es durch die
historische Kommission der Provinz Sachsen, beschaffen
lassen, da der Umfang eines solchen Urkundenbuchs gewiss
nur ein geringer sein wurde, wenn auch das Hauptstaats-
archiv zu Dresden , das Emestinische gemeinschaftliche
Archiv zu Weimar und moglicher Weise das Magdeburger
Staatsarchiv noch einschlagendes Material enthalten. Liegen
die Dokumente einmal iibersichtlich und voUstilndig vor, so
wird doch vielleicht manche Unklarheit noch ^elost werden
konnen. Ob freilich die Entstehung eines rathsf&higen Fa-
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Literatur. 263
triciats aus den Burgmannen (S. 13) sich des weitern wird
nachweisen lassen, bezweifeln wir; uber die Stellung der
Gemeinde zum Eath scheint sich der Verfasser selbst zu
widersprechen, wenn er (S. 13) meint, daes den Kaufleuten
rait ihrer Heranziehung zu den stildtisehen Laaten auch
der W^g in den Rath geoffnet worden sei, dagegen (S. 17)
eine Theilnahnie der Gemeine, zu der er doch wohl die
Kaufleute mitza,hlt, am Rathe in Abrede stellt.
Die schwierigsten Fragen aber bietet der Uebergang
der Gerichtsbarkeit an die Stadt. Wie meist, so hand-
habte auch in Torgau der Burgvogt die obere, der
Scultetus die niedere Gerichtsbarkeit; beide Stellungen
wurden von den Landesherren als Lehen ausgethan: die
Vogtei sehen wir im 14. Jahrhundert in den Hslnden der
Herren von Torgau, das Schultheissenthum kam durch
Lehnbrief von 1370 Aug. 13 an den Torgauer Burger
Heinrich v. Kottbus (Cop. 30 fol. 28 im Hauptstaatsarchiv
zu Dresden). Von letzterem kaufte es der Rath der Stadt
Torgau fiir 65 Schock (wohl 1375 Juni 7, Cop. 30 fol. 45),
wahrend er die Vogtei mit einem Drittheil der Gerichts-
einkiinfte 1379 von Dietrich v. Torgau an sich braehte
und 1390 von Landgraf Wilhelm damit belehnt wurde.
Beide Gerichte waren also in den Handen des Rathes,
wenn auch die Vogtei nicht mit den vollen Einnahmen,
wurden auch wohl von demselben Richter abgehalten, und
dies mag die Verwirrung veranlasst haben, die uns in einer
Urkunde von 1437 auffkUt. Knabe bespricht diese Urkunde
in Anm. 27 (S. 44). Uns liegt nun zwar das Original nicht
vor, wohl aber die (offizielle) Abschrift einer undatierten
Urkunde des Kurflirsten Friedrich II. (Cod. 35 fol. 157), in
welcher es u. a. heisst: »als furczyten der edele er Ditterich
vonTorgaw (nicht Markgraf Wilhelm, wie Knabe angiebt)
burgermeister ratmannen und der ganczen gemeyne unsir
Stat Torgaw . . . das schultheissenampt und dy czweie
pf ennige an dem gericht fur anderhalb hundert und virde-
halbin Kinischer guldin in pfandiswise ingetan vorsaczt
und vorschrebin hatte, habin uns die obgnanten burger-
meister ratmann und gancze gemeyne der obgnanten
unsir stadt Turgaw uff sollich vorgeschriben schultheiss-
ampt unde den dritten toil an dem gerichte daselbist zcu
Torgaw zcu der obgnanten summen gulden nach hundert
schog guter schilde3iter groschin Friberger muncze . . .
gegebin^ u. s. w. Aus diesem Grunde reicht und leiht
ihnen der Markgraf das Schultheissamt und ein Drittheil
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264 Literatur.
des Gerichts. Die Urkunde ist unklar gena^ ; in der ersten
Halfte ist von zwei Drittheilen des Gerichts dieRede, wahrend
Dietrich v. Torgau dem Rathe doch nur ein Drittheil ver-
kauft hat und weiterhin in der Drkunde auch dies eine
Drittheil nur erwahnt ist, wShrend eine andere Urkunde,
die ebendaselbst abschriftlich steht und deren Original
Knabe auch vorlag, die Verpfandung der zwei Drittheile
fiir die in der ersten Urkunde auch erwahnten 100 Schock
anftihrt. Das Verhaltnis, in dem beide Abschriften zu den
Originalen des Torgauer Rathsarchivs stehen, ist noch zu
ermitteln; dass die eine der beiden Urkunden auf einen
„Irrthum der Kanzlei" zuriickzuftihren sei, ist entschieden
nicht anzunehmen, da der Rath in einem Schreiben an den
Landesherrn d. d. 1445 Juli 3 (Or. im Hauptstaatsarchiy
No. 6902) sagt : ^Das schulteissen ammecht mit dem ejnen
pfennige des gerichtes haben wir erblichen von uwem
gnaden, sundern czweyne pfennige des gerichtes habin wir
gekoufft gehabit von uwem gnaden eyne czale jare uff
eynen widderkouff von hundert p gr. I72 hundert unde 3 7a
Rinischer gulden unde noch habin, das had u. g.vor
solche summe widder von uns zcu losen." — VoUstandige
Klarheit wird sich wohl aus dem Torgauer Material allein
schwerlich ergeben, man wird nach analogen Verhaltnissen
in andern Stadten suchen miissen.
Noch manchen anderen Nachtrag konnten wir aus
den Archivalien des Hauptstaatsarchivs bringen. So ergiebt
sich aus drei Gesuchen des alten Rathes um Bestatigung
des neugewahlten von 1470, '1476 und 1476, dass damals
„nach alter Gewohnheit** die Rathswahl am Stephanstage
(26. Dezbr.) stattfand (nicht am 20. Dezbr., vgl. S. 44
Anm. 35). Recht interessant ist eine Urkunde von 1378
Marz 23, in welcher den Torgauern die Erhebung eines
Wagengeldes gestattet wird und zwar behufs Pflasterung
der Stadt: „tam diu ipsi fabricant vias lapideas''. Andere
Nachrichten des 14. und 15. Jahrhunderts betreflTen den
Salz- und WagenzoU, das Stattegeld (welches 1367
Febr. 10 an den Rath tiberging), die landesherrliche
Munze, den den Landesherrn zustehenden Bau der Briicke
und des Schlosses, die Jahrrente, die schon 1367 die Hohe
von 130 Schock hatte, die Freihauser und dgl. m. Doch
mQge das Angeflihrte genugen und den Herm Verfasser
dazu veranlassen, die mit erfreulichem Erfolg begonnenen
Untersuchungen unermudet fortzusetzen.
Dresden. H. Ermisch.
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Literature 265
Die Kirehenylsitatloiieii des Bisthnms Halberstadt in den Jaliren
1564 nnd 1589. Nebst einer Ebleitung, enthaltend die Geschichte
der Einfuhrung der Heformation im Halberst&dtischen. Heraus-
gegeben von der historischen Eommission der Provinz Sachsen.
Nach den Qnellen bearbeitet von Gustav Nebe, Superintendent
und Oberdomprediger in Halberstadt Mit einer Karte. Halle,
Otto Hendel. 1881. 8«. VI. u. 288 SS.
Das vorliegende Werk bildet den zw5lften Band der
^Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender
Gebiete**. Wenn dieselben den Zweck yerfolgen, wichtige
Dokumente der Geschichtsforschung zugslnglich zu machen,
wie den Sinn fiir heimatliche Geschichte zu wecken, so
entspricht das genannte fiuch demselben in hohem Grade.
Es giebt eine reiche FuUe neuen Stoffs ; die beiden Register
^Sachliches und Sprachliches", wie ^Personen- und Orts^
namen" fallen nicht weniger als 26 enggedruckte Seiten.
Hat das Meiste auch nur lokales Interesse, so ist doch
auch vieles von Bedeutung fiir die sachsische Geschichte.
Referent verweist auf die kurzen , sorgfaltig zusammen-
gestellten Biographien zahlreicher Geistlichen, z. B. S. 27 f.
und sonst. Eine Menge alter kirchlicher Sitten gelangen
zur Besprechung, der Aber^laube des Volkes wird durch
zahlreiche, fesselnde Beispiele illustriert. So erscheint die
Schrift geeignet zur Lecttire nicht nur fiir Historiker,
sondern auch fiir weitere Kreise. Dazu trftgt nicht zum
geringsten die schone Darstellung bei.
Dieselbe tritt besonders in der Einleitung hervor,
welche auf S. 1 bis 28 ein libersichtliches und frisches
Bild der reformatorischen Bewegung im Bisthum Halber-
stadt entwirft. Yerhaltnism&ssig lange Zeit dauerte es, ehe
die neue Lehre hier durchdrang. Ausser den Bedenken,
welche die Ausschreitungen der Bauern und Wieder-
taufer hervorriefen , war der Grund der Widerstand,
welchen ihr die hohen geistlichen Wtirdentrager, an der
Spitze Erzbischof Albrecht von Magdeburg, entgegen-
setzten. Augustinermdnche waren die ersten Verbreiter
der Lehre des Wittenberger Ordensgenossen, zunachst vom
Johanniskloster in Halberstadt aus, in welchem ein reges
wissenschaftliches Leben geherrscht zu haben scheint. Mit
Gewalt wurde diese Bewegunff unterdriickt. Wahrend
des Bauemaufstandes wurde worn kurze Zeit evan^elischer
Gottesdienst gehalten, aber nach Niederwerfung des Auf-
ruhrs wurden die Prediger vertrieben. Freifich konnte
man nicht hindern, dass im Geheimen sich immer mehr
Luthers Ansichten zuwendeten. Diese Bestrebungen er-
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266 Literatur.
hielten neue Nahrung, als im Jahre 1539 ringsum im
Herzogtlium Sachsen, in Brandenburg, in Wemigerode,
in Quedlinburg die Reformation eingefuhrt wurde. Nach
langen Verhandlungen rait dem Erzbischof , bei welchen
die Uebernabme einer Schuld von 500000 Gulden eine
grosse Rolle spielte, zog die Reformation in Halberstadt
ein. Vergeblich war die Opposition spaterer BischSfe,
vergeblicE halbe Massregeln Bischof Sigmunds, der,
selbst protestantisch erzogen, evangelische Prediger zuliess
und nur aus politischen Griinden der alten Lehre treu
blieb. Ihm gebtihrt das Verdienst, dass unter ihm die
auf dem Landtage zu Calbe beschlossene Generalkirchen-
visitation ins Leben trat, die von 1562 bis 1564 dauerte.
Die Instruktion fiir dieselbe ubergebt der Verfasser als
schon gedruckt, es ware aber wenigstens ein Excerpt und
eine Bemerkung uber die drei verschiedenen vorbandenen
Rezensionen erwiinscht gewesen, Bei der Visitation traten
zablreiche Schaden zu Tage, so die stiftungswidrige,
willktirliche Verwenduug von Kirchengut, unrechtmassige
Aenderungen im Patronat, dazu mangelhafte Bildung;
wie sittliche Mangel in der Geistlichkeit.
Eine zweite Visitation wurde im Jahre 1689 vom
April bis zum Oktober gehalten. Ftir dieselbe wurde
eine neue umfangliche Instruktion ausgearbeitet, welche
S. 17 bis 26 zum ersten Male zum Abdruck gelangt.
Sie enthalt nach einigen einleitenden Vorschriften Uber
die Geschaftsordnung der Visitatoren Bestimmungen, welche
in 7 Capitebi I. von der Vokation, Lehre und Leben der
Kirchendiener, 11. von der Lehre, III. von den Sakramen-
ten, IV. von den Ceremonien, V. von der Disciplin, VI. von
den Kirchengiitern, VII. von der Schule handeln. Dies-
mal war der Zustand des kirchlichen Lebens wesentlich
gunstiger; Wort und Sakrament wurden von wurdigen
Personen in evangelischer Weise verwaltet ; die alte Kirche
{and nur in den Stiftern und Klostern eine Zufluchtsstatte^
und nachdem durch das pers5nliche Eingreifen des
Bisehofs auch in den ersteren die Reformation eingefuhrt
worden war, blieben nur die Kl5ster — bis zu ihrer
Aufhebung in den Freiheitskriegen — der katholischen
Kirche treu.
Am Schlusse der Einleitung giebt der Verfasser auf
S. 29 bis 33 in Tabellenform ein yerzeichnis der visitierten
Ortschaften. In sechs Columnen werden uns die Gerichts-
herreu; die Earchen-, die Lebnsherren, die Ffarrer^ die
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Literatur. 267
Anzahl der Hauswirthe 1564 und 1589 und die Schulen
vorgeflihrt.
In der nun fol^enden ausfuhrlichen Darstellung der
beiden Visitationen, nalt der Verfasser dieselben nicht aus-
einander; sondern geht den einzehien Stftdten und Aemtem
nach und behandelt in iedem einzelnen Orte, ja in den
grossem St&dten bei jeaer Kirche zunftchst den Zustand
bei Gelegenheit der ersten und darauf der zweiten Visi-
tation. £s ist durch dieses Zerschlagen der ProtokoUe
allerdings eine Uebersicht liber die einzelnen Visitationen,
wie eine Vergleichung derselben erschwert, umsomehr
da kein ttusseres Merkmal die beiden Berichte trennt.
Aber diese Methode hat den Vortheil, dass der Leser
das den einzelnen Ort Betreffende bequem ubersieht.
Referent halt diese Methode bei einem Buche, welches
vorwiegend von lokalem Interesse ist, flir durchaus berech-
tigt. Reiches Material liegt fiir die St£ldte vor, voran flir
Halberstadt, welches 20 Seiten umfasst Die Protokolle
sind sehr ausfuhrlich und gewahren einen interessanten
Einblick in das kirchliche Leben der Zeit. Ueber die
Vermogensverhaltnisse der Kirchen, die Besoldungen der
Geistlichen wird eingehend berichtet; die Schulen sind
sorgfaltiger als in den Visitationen anderer Gegenden
beriicksichtigt, eine ganze Reihe ausfiihrlicher Lektions-
plane wird mitgetheilt ; die Hospitaler und andere Institute
fur Nothleidende werden erwahnt. Die Visitatoren lassen
denselben ihre w^rmste Ftirsorge zu Theil werden. Sie
geben die eingehendsten Vorschriften und Anordnungen
zur Hebung des kirchliohen Lebens. Auch die Kirchen-
zucht wird fleissig getibt; sogar „die Spazirjunker unter
der Predigt vor'dem Thor" sollen nait teitschen in die
Kirche getrieben werden. Leider muss Referent auf
weitere Mittheilungen, wie auf einen Rundgang durch die
einzelnen Orte verzichteni trotzdem dass letzterer viel
Interessantes bieten und durch die beigegebene litho-
graphierte Karte des ^Episcopatus Halberstadensis'^ sehr
erleichtert werden wurde.
Das Vorwort des Verfassers schliesst mit dem Wunsche:
^Mochten die Bauleute auch in den folgenden Blattem einen
brauchbaren Stein erkennen.'^ Derselbe durfte mehr als
reichlich in ErfUllung gehen. Dem Referenten erscheint
das Buch als der Grundstein flir die Reformations-
geschichte des Bisthums Halberstadt.
Dresden-Neastadt. Georg MttUer.
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268 LitentDr.
Habs FabUa t«b P^alckav^ der Defensor der Oberlansitzer
GUabensfreiheit zor Zeit des dreissigj&hrigen Erieges. Yortrag etc.
gelialten you Heinrich J oh an n Scheaffler. Barmen, H.Klein.
1879. 8*. 42 SS. (A. n. d. T. : Evangelisclie Bruderliebe. Yortr&ge
aber die Anfgaben nnd Arbeiten des evangeL Yereins der Gustay-
Adolf-Stiftang, heraosgegeben von A. Natorp. Bd. IL, Heft 1.)
Das Biichlein verdankt sein Entstehen einem Vortrage
bei Gelegenheit eines OastaY-Adolf-Yereinsfestes. Daraus
erklart sich vor allem sein stark accentaierter konfessioneller
Standpunkt. Dem Verfasser znfolge ware nun Hans Fabian
yon Ponikau auf Elstra, Landes<ester des Bantzner
EreiseSy der alleinige geistige Urheber, Trilger und Vertre-
ter all jener Massnahmen gewesen, welche von den gesamm-
ten Oberlansitzer Standen in der Zeit von 1609 bis 1620
Sitroffen warden, um anch fiir ihr Land einen ahnlichen
ajestatsbrief za erlangen^ wie ihn Bolimen und Schlesien
erhalten haben. Daher nennt er seinen ^Helden^ auch
„den Defensor der Oberlansitzer Glaubensfreiheit^ Dies
steht nun freilich mit den thatBachlichen Verh<nissen
nicht im Einklang. War er auch, schon seiner Stellung
nachy eine einflussreiche Personlichkeit, so war er doch
keineswegs der ausschliessliclie Lenker und Leiter der
Oberlansitzer Stftnde bei deren Landtagsbeschllissen. Wohl
stand er, ebenfalls seiner Stellung zuiolge, an der Spitze
fast all der zahlreichen, nach Pra^ damals abgefertigten
Gesandtschaften; aber diese Gesandtschaften waren streng
gebunden an die von den St&nden ihnen mitgegebenen
(noch vorhandenen) Instruktionen, und als einmal, eben
bei der „Verwerfung" Kdnig Ferdinands IE. als EOnigs
yon Bohraen, yon welcher die Stande durchaus nichts
wissen wollten, die Abgeordneten, durch die Umstftnde
gedrftngt, ihre Instruktionen uberschritten batten ^ sahen
sich dieselben bei ihrer Rechenschaftsablegung vor dem
Bautzner Landtage sehr unliebsamen TJrtheilen ausgesetzt.
— AktenmHssig sind jene Bemiihungen der Oberlansitzer
Stande um Erlangung eines Majest^tsbriefs, desgleichen
die Absendungen der einzelnen Gesandtschaften nach Prag,
endlich der Beitritt der Oberlausitz zu der b5hmischen
„Confoderation" yon 1619 und die yerhangnisyoUen Folgen
hieryon dargestellt in unsem beiden Abhandlungen : ^Der
Antheil der Oberlausitz an den Anftogen desdreissigjahrigen
Erieges 1618 bis 1623" und „Die Bemiihungen der Ober-
lausitz um einen Majestd^tsbrief 1609 — 1611** (Lausitzer
Magazin Band LVI S. 1 fgg. und S. 96 fgg.), auf welche
wir, behufs Richtigstellung yon mancherlei Angaben in
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Literatar. 269
vorliegendem Schriftchen, verweisen. Bei eingehenderer
Untersuchung durfte sich auch das landlaufigey von dem
Verfasser getheilte Verdammungsurtheil iiber die damalige
Politik Kursachsens als ein voreiligefi erweisen, und aber-
mals sich berausstellen, dass ein leitender Staatsmann (da-
mals Prftsident Caspar von Schonberg in Dresden) in
Momenten wichtiger politischer Entscheidungen wahrlich
noch anderes zu erwagen bat, als wie er es den Geist-
licben der Hit- und Nachwelt recht macben k5nne.
Dresden. Enothe.
Uebersioht iiber nenerdings ersohienene Sohriften und
Anfsatze zur Saohsisoh-Thnringisohen Gesohiohte und
Alterthnmskunde.
Alberti, J. Urkunden-Sammlung zur Gescbicbte der Herr-
scbaft Gera im Mittelalter. Mit Erlftuternngen. Erstes
Heft. Gera, Griesbacb. 1881. 8^ 64 SS.
Bechy F. Verzeiebniss der alten Handscbriften und Drucke
in der Domberrenbibliotbek zu Zeitz, aufgestellt und
mit einem Vorworte zur Gescbicbte der Bibliotbek
verseben. Berlin, Weidmann. 1881. 4^ XI, 58 SS.
Eckardt, Ernst Cbronik von Glaucbau u. s. w. (vgl.
Bd. I. S. 287, 348.) Lief. 6—14. Glaucbau, Pescbke.
1880. 1881. 8^ S. 161—448.
FleUchmann , Ad. Zur Gescbicbte des Herzogtbums
Sacbsen-Coburg-Saalfeld, entbaltend die Gescbicbte der
geflirsteten GrSschaft Henneberg, der Herrscbaft Saal-
feld, der landst&ndiscben Verfassung in Coburg bis
Ende des 18. Jabrbunderts. Nacb seinen Vortrttgen
bearbeitet. Zweites Heft. Hildburgbausen, Kesselring.
1881. 8^ 120 SS.
(Oelbe.) StoUberg im Besitze adliger Herren: Zweites
Flugblatt des st^dtiscben Vereins zu StoUberg zur Er-
grlindung und Erbaltung der Gescbicbte StoUbergs und
Umgegend. Jalir 1880.
Oerlachf H. Das alte Freiberg in Bildern. Erste Liefe-
rung (Aufnabmen vom Jabre 1880). 32 Pbotograpbien in
Carton mit erlautemdem Text auf der Rtickseite.
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270 Literatur.
HaareTj Peter. Beschreibung des Bauemkriegee 1525. Nebst
einem Anhang: Zeit^enossisches liber die Schlacht bei
Frankenhausen. Halle, Niemeyer. 1881. 8^ 111 und
17 SS. (A. u. d.Titel: Materialien zur neueren Geschichte,
herausgegeben von G. Droysen. Nr. 3.)
Haberkom, D. F. L. Die Verfassungsurkunde des K5nig-
reichs Sachsen vom 4. September 1831 sonst und jetzt,
nebst Nachrichten liber Zeit und Dauer der Land-
tage und ihre Directorien. Dresden, Druck von Mein-
hold & Sohne. 1881. 8^ 106 SS.
V. Heinemann, OUo. Codex diplomaticus Anhaltinus. Auf
Befehl Seiner Hoheit des Herzogs Leopold Friedrich
von Anhalt herausgegeben. Ftinfter Theil: 1380—1400.
Mit zwei Stammtafeln. Dessau, Barth (Comm.) 4®. 414 SS.
Katterfeld, A. Beitrage zur Qeschichtschreibung des
Schmalkaldischen Krieges : Forschungen zur Deutschen
Geschichte. Bd. XXL S. 355-380.
Kell, Richard* Sebalt Schwertzer als kursachsicher Faktor
und kaiserlicher Berghauptmann. Inaugural-Dissertation
zur Erlangung der Doktorwurde in der philosophischen
Fakultat der Universitat Leipzig. Leipzig, Druck von
Julius Klinkhardt. 1881. 8^ 80 SS.
Kohler, J. Aug. Ernst. Die Thiere des Erzgebirges nach
den Mittheilungen der Chronisten: Zweite Beilage zu
No. 150—152 des Cheranitzer Tageblattes- 1881.
V. MiUveretedt , 0. A. Regesta archiepiscopatus Magde-
burgensis. Sammlung von Ausziigen aus Urkunden und
Annalisten zur Geschichte des Erzstifts und Herzogthums
Magdeburg. Jfach einem hohern Orts vorgeschriebenen
Plane in Gemeinschaft mit Ed. Jacobs ; K. Janicke,
F. Geisheim und C. Sattler bearb^itet und auf Kosten
der Provinzial-Vertretung der Provinz Sachsen heraus-
gegeben. Zweiter Theil. Von 1192—1269. Magdeburg,
E. Baensch jun. 1881. 8^ VII, 784 SS.
Muther, Rich. Anton Graff. Inauguraldissertation zur
Erlangung der philosophischen Doctorwurde an der
Universitat Leipzig. Leipzig, Druck von W. Drugulin.
1881. 8^ 128 SS.
Reyer, E. Zinn. Eine geologisch-montanistisch-historische
j&onographie. Berlin, G. Reimer. 1881. 8^ 248 SS.
(Enthalt viele Angaben iiber den Zinnbergbau in Sachsen.)
Ruge, S. Geschichte der sachsischen Kartographie im
16. Jahrhundert: Kettlers Zeitschrift fiir wissenschaft-
liche Geographic. Bd. L S. 89—94.
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Literatur. 271
ScheUz, Th. Gesammt-Geschichte der Ober- und Nieder-
LauBitz nach alten Chroniken und Urkunden. Zweiter
Band (182 SS.) : Neues Lausitz. Magazin. Bd. LVIL
Heft 1.
Schvltz, Alwin. Hans Walter, Bildhauer zu Dresden:
Anzeiger fiir Kunde der deutschen Vorzeit. 1881. No. 6.
Sp. 171 fg. ^
Schwerdfeger. Konig Johann, eine Lebensskizze ftir unsere
Zeit Vortrag, gehalten bei Anwesenheit Sr. Majest^t
dee Konigs Albert und Ihrer Koniglichen Hoheiten des
Prinzen Georg, der Frau Prinzessin Georg und der
Prinzessin Mathilde im Deutschen Invaliden -Verein
„K5nig Albert" zu Dresden den 16. Marz 1881. Dres-
den, Druck von C. Heinrich. 8^ 20 SS.
Steche. Der Altarschrein zu Floha: Anzeiger fiir Kunde
der deutschen Vorzeit. 1881. No. 6. Sp. 172.
Voder, Max. Zur Geschichte des Schlosses Rochsburg:
Zweite Beilage zu No. 158 des Chemnitzer Tageblattes.
1881.
VoUbaum, J. Die Specialgemeinden der Stadt Erfurt.
Im Auftrage des Magistrats bearbeitet. Erfurt, Stenger.
1881. 8^ 129 SS.
Wahner. Wo hat der Offentliche und formelle Uebertritt
Friedrich August H., Kurfiirsten von Sachsen und er-
wahlten Konigs von Polen, zum Katholizimus statt-
gefunden? Zeitschrift des Vereins fur Geschichte und
Alterthum Schlesiens. Bd. XV. S. 511-513.
Warnatz, Mathias, Die Wartburg und Eisenach in Sage
und Geschichte. Mit einer Ansicht der Wartburg (in
Lichtdruck). Wien, BraumuUer. 1881. 8«. VH, 143 SS.
Wernicke, Ewald. Gutachten der Werkmeister Benedix
Eied von Prag, Hans von Torgau und Hans Schicken-
dantz iiber den Annaberger Kirchenbau 1519 : Anzeiger
fiir Kunde der deutschen Vorzeit. 1881. No. 7. Sp.
197—199.
V. Witzleberij C. D. Die Entstehung der constitutionellen
Verfassung des KSnigreichs Sachsen. Zur Feier des
flinfzigj'ahrigen Bestehens der Verfassungsurkunde vora
4. September 1831. Im Auftrage der KSniglichen
Staatsregierung verfasst. Leipzig, Druck von B. G.
Teubner. 1881. 8^ IX, 447 SS.
Chronik des Sachsischen Konigshauses und seiner Re-
sidenzstadt vom achtzehnten Juni eintausend acht
bundert und drei und fiinfzig bis zum achtzehnten
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272 Literatur.
Juni eintausend acht himdert und acht und siebzig.
Ihren Koniglichen Majest^ten Albert und Carola von
Sachsen zum silbernen Ehejubil&um in Ehrfurcht ge-
widmet von der KSniglichen Haupt- und Residenz-
stadt Dresden. Anno Domini MDCCCLXXVIII.
[Dresden, Wilhelm Baensch. Comm.l gr. fol. V,
380 SS.
Mittheilungen des Vereins fur die OeschicJite und Alterthums-
kunde van Erfurt Z^ehntes Heft. Erfurt, Villaret. (Comm.)
1881. 8^
In halt: BOckner, Das Peterskloster zu Erfurt. Wemeburg,
Beitr&ge zur thtlringischen and insbesondere znr Erfurtischen
Oeschichte. v. Tettau, Gleichen'sche Regesten.
Mittheilungen vom Freiberger AUerthumsverein^ Heraus-
gegeben von Heinrich Gerlach. 17. Heft. 1880. Mit
STafeln Abbildungen. Freiberg LS., Gerlach. 1881. 8^
Ijihalt: Freiherr 6 Byrn, Die Herz5ge von Holstein-Wiesen-
bor^ in Sachsen. Wernicke, Zur Geschichte der Malerinnung in
Freiberg. Gautsch, Das Freiberger Jungfraaenkloster und seine Auf-
hebung. Gerlach, Ueberreste von dem Jungfrauenkloster zu Freiberg.
Gerlach, Die Kleinodien und Geschichtliches der alten Freiberger
Schtltzengilde.
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X.
Zur BevolkeruDgs- und Yermogensstatistik
Dresdens im 15. Jahrhundert.
Von
Otto Riehter.
Die Feststellung der BevQlkerungszahl unserer mittel-
alterlichen StUdte ist auf verschiedenen Wegen, meist aber
mit zweifelhaftera Erfolge, versucht worden. Die an-
gewandten Berechnungsmethoden, welche entweder von
der St&rke der waffenf^higen Mannschaft oder von der
Zahl der neuaufgenommenen Btirger ausgingen^ haben in
iliren Resultaten zu so wesentlichen Abweichungen gefuhrt
und es 'sind dagegen so begrlindete Einwftnde erhoben
worden*), dass man auf ihre Anwendung fernerhin wird
verzichten mtissen. Soviel scheint unzweifelhaft, dass die
beyolkerungsstatistiscben Untersuchungen ftir jede Stadt
einzeln angestellt werden mtissen una voUen Erfolg nur
Vgl. namentlich K. Koppmann, Die Bereclinung der Ein-
wohnerzahl aas den Listen der Neabiirger, in den Mittheilungen des
Vereins fflr Hamb. Geschichte III (1881), 122—125. K. Blicher, Zur
mittelalterlichen Bevdlkerungsstatistik, mit besonderer Rftcksicht auf
Frankfurt a. M., l. Theil, in der Zeitschrift ftir die gesammte
StaatBwissenschaft XXXVII (1881), 635—580. Letzterer Aufsatz
bietet vortreffliche ErOrterungen fiber alle bei der mittelalterlichen
Bey5lkerungsstatistik zur Anwendung zu bringenden Grundsatze,
namentlich im Anschluss an die Resultate der Nfirnberger Volks-
z&hlung yon 1449.
Neues Archiv f. 8. G. u. A. II. 4. 18
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274 Otto Riciiter:
da versprechen, wo ein giitiges Geschick die stadtischen
Steuerregister vor dem Untergange bewahrt hat. Was mit
diesem Materiale geleistet werden kann, ist von SchQnberg
in mustergiltiger Weise fiir die Stadt Basel gezeigt worden.*)
Fiir die Stadt Dresden ist zu derartigen Unter-
suchungen ebenfalls ein ziemlich reichhaltiges Material im
Rathsarchive vorhanden. Dieselben durfen ^Uerdings mit
Rucksicht darauf, dass Dresden im Mittelalter ein un-
bedeutendes Landstadtchen war, in der Hauptsache nur
einen lokalgeschichtlichen Werth beanspruchen; einige der
folgenden Ajittheilungen jedoch, namentlich soweit sie sich
auf eine zu Steuerzwecken angefertigte Kopfzahlimgsliste
aus dem Jahre 1454 und mehrere Verm^gensabschatzungs-
register von 1488 und 1502 griinden, werden vielleicht
aucb fiir weitere Kreise nicht ohne Interesse sein.
Die hauptsachlichste Einnahmequelle der Stadt Dres-
den bildete im 14. und 15. Jahrhundert das Geschoss^ eine
von alien Biirgern zu entrichtende Steuer vom Grund-
besitz und vom beweglichen Vermogen.^) Sie wurde all-
jahrlich in zwei Terminen, zu Walpurgis und zu Michaelis,
erhoben. Die Geschossregister, die fiir jeden Termin neu
auljgestellt wurden, sind, mit dem Jahre 1396 beginnend,
in grosser Zahl erhalten. Sie bilden ein nach den Strassen
geordnetes Verzeichnis der Naraen der Hausbesitzer und
*) G. Schonberg , Finanzverhaitnisse der Stadt Basel im XIV.
und XV. Jahrhundert. Tttbingen 1879.
*) In einer Zusammenstellung der Seitenbetrfige eines Geschoss-
registers (circa 1450) wird unterschieden Geschoss de domibus und
de rebus mobilibns et aliis bonis. Zu Walpurgis 1453, als eine voll-
standige Neueinschatzung vorgenommen wurde, heisst es in der
Ueberschrift des Geschossregisters : do hat iczlichir alle syneguter
bie dem eyde yerschoBt, als das ym statbuche iczlichs sunder-
lichin verczeichint ist. In der Kammereirechnung vom Jahre 1600
findet sich die Notiz: Christoff Platener hat angenomen sein burger-
recht uffs jar mit XVI gr. zu vorschossen. (Dies dtlrfte so zu
verstehen sein, dass bei der Btirgeraufnahme das Yermogen des Auf-
zunehmenden eingeschatzt wurde und dass darauf die angegebene
Summe als Geschoss entfiel; wahrscheinlich war sogar die Erlangung
des Bargerrechts \om Nachweis eines bestimmten Vermogens ab-
hangig.) Wenn also jeder Bfirger Geschoss zahlte und alle Grund-
besitzer BUrger sein mussten, so ist naturlich das Geschossregister
zugleich als die Burgerliste zu betrachten. Ueber die Steuer der
Nichtbilrger vgl. Anraerkung 10.
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Zur Bev5lkerungS- und Vermogensstatistik Dresdens etc. 275
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276 Otto Richtert
der bei ihnen wohnenden nichtansassigen Btirger, in wel-
ches die einzelnen Steuerbetr&ge bei ihrer Bezahlung ein-
getragen warden; seit 1424 sind die Hausgenossen von
den Hausbesitzern durch das dem Namen vorangestellte
Zeichen li und statt dessen seit 1444 durch Hinzufiigang
des Wortes ibidem onterschieden^ so dass sich seitdem auf
Grund der Gesohossregister auch die Zahl der Hftuser
ermitteln Iftsst
Wir geben zunachst eine tabellarische Uebersicht
(Tabelle I, Seite 275) iiber die Zahl der Geschosspflich-
tigen und die Zahl der Hauser in Dresden*) zu zw5lf
verschiedenen Zeitpunkten zwischen dem Ende des 14. und
dem Anfange des 16. Jahrhunderts. £s ist nicht mdglich^
die Abschnitte ganz gleichmttssig zu wtthlen, weil fUr
einzelne Jahre die Register fehlen. Eine im Jahre 1453
Yorgenommene Neueinschatzung , durch welche sich die
Zahl der Geschosspflichtigen um 50 erhohte, ist besonders
zu beachten.
Aus dieser Tabelle geht deutlich hervor, dass die
St&rke der leistungsfahigen Bevolkerung Dresdens sich
gasse [?!), Theil der Kattelgasse (jetzt Frauenstrasse [?]); zam
6. Yiertel: anderer Theil der Kuttelgasse, das Loch (jetzt fiader-
gasse), Schreibergasse. Wenn in^ dieser Aufz&hlung mehrere Strassen
fehlen, so kommt dies daher, dass in den Geschossregistern die
zwischen zwei Querstrassen gelegenen H&user der sie schneidenden
Langsstrassen mit zu den ersteren gez&hlt sind. Somit werden in
Tabelle I anter Seegasse nar die vom Markte bis zuin Seethore and
Yon da zuriick bis zor Eundigengasse gelegenen H&user zu ver-
stehen, die tibrigen H&user der Seegasse aber mit zur Kundigengasse
Oder zur Zahns^asse gerechnet sein u. s. w. In Folge dieses Ver-
fahrens bleiben m den Geschossregistern unerwahnt: der Markt und
die Elbgasse (jetzt Schlossstrasse), auff&lliger Weise aber auch die
Ereuz gasse, sowie mehrere zwischen dieser und dem Loche gelegene
Gasschen (wahrscheinlich Weissegasse und Nassegasse), deren H&user
in der Tabelle, wie in den Geschossregistern dem Loche zugezfthlt
sind. Auch zwischen der Elbgasse und der Juden gasse m&sscn
mehrere G&sschen, wenn auch vielleicht ohne H&userfronten, existiert
haben. Ueberhaupt bedarf die Topographie des mittelalterlichen
Dresdens noch genauer Untersuchung und Feststellung, bis zu
welcher man sich mit nicht ganz unbegrUndeten Y ermuthungen , wie
den obigen, begnfigen mdge.
*) Unter Dresden ist hier immer die befestigte Stadt auf dem
linken Elbufer zu verstehen. Das auf dem rechten Ufer gelegene
kleinere Aldendresden , welches im Jahre 1403 Stadtrecht erhalten
hatte, wurde erst 1549 mit Dresden zu einem eiuzigen Gemeinwesen
verschmolzen. Zur Unterscheidung von diesem Altdresden wurde
Dresden bisweilen, jedoch nicht vor der zweiten H&lfte des 15. Jahr-
hunderts, auch Neudresden genannt
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Zur BevOlkerungs- und YermOgeDSBtatistik Dresdens etc. 277
wfthrend des 15. Jahrhunderts weder erheblich vermehrt
noch vermindert hat. Wenn die Zahl der H&user in den
Jahren 1431 bis 1489 von 420 auf 472 «) und die Zahl
der Geschosspflichtigen in der Zeit von 1396 bis 1489
nach mehrfachen Schwankungen von 657 auf 734 an-
gewachsen; so ist dies ein in Anbetracht des langen Zeit-
raumes recht unbedeutender Fortschritt. Es ware wohl
von da an, zumal Dresden seit 1485 standige Eesidenz
der Albertiner war, ein lebhafterer Aufschwung zu er-
warten gewesen, wenn nicht eine grosse Feuersbrunst am
15. Juni 1491 mehr als die Halfte der Stadt und am fol-
genden Tage auch noch einen Theil der Vorstadt in Asche
gelegt und damit ihre Fortentwickelung fur lange Zeit
gehemmt hatte.'') Noch zehn Jahre spater stand die Ziffer
der Steuerzahler weit hinter der von 1489 zuruck, obwohl
die Hauser fast sammtlich wieder aufgebaut waren.
Die grSsseren Schwankungen, welche sich namentlich
in der ersten Halfte des 15. Jahrhunderts in der Zahl der
Geschosspflichtigen zeigen, diirften zum Theil auf ver-
heerende Epidemien (z. B. 1439), zum Theil auf kriege-
rische Ereignisse zurtickzuftihren sein. So wird sich die
zwischen 1421 und 1431 eingetretene Vermehrung der
Geschosspflichtigen von 455 auf 694 und der bald wieder
erfolgte KUckgang hauptsachlich daraus erklaren, dass im
Jahre 1429 bei dem Heranrticken der Hussiten die 6e-
wohner der offenen Stadt Altdresden und der Vorstadte
in der Festung Schutz gesucht hatten, um spater wieder
zu ihren frtiheren Wohnstatten zurtickzukehren. Die zeit-
weilige Verminderun^ der Hauserzahl in einzelnen Strassen
ist ohne Zweifel in aer Kegel durch kleinere Bmnde ver-
anlasst, was daraus hervorgeht, dass statt der Hauser
vielfach blosse ^Hofstatten" im Geschossregister erscheinen.
*) In einem Berichte des Bathes an die Landesherren tlber die
stftdtische Eriegsst&rke, die Zahl der Angesessenen und den Besitz-
stand der Stadt yom 2. Oktober 1474 (gedruckt im Cod. dipl. Sax. IL 5,
266—267) heisst es: Item IIIICXXYI besessiner lute sint in der stat
Dresden; dorunder sint vaste vil cleyner huserchin, die man zcu
dreyn virn funff und sechs schogken koufft, die denne arme lute und
wittwen besitezen, die der furstlichen gewalt und der stat cleyn dinst
und Yolge gethun konnen. Obir dise summa sint usgeslossen XXVI
frey hoffe, die der herschafft noch der stat keyn dinst noch gerechtiket
Eflegen. Des sint X edellute hoffe und XIII prister und monche
offe und III zele urd regelhuser, dorynne die paginen won en.
') A. Week, Der Churf. S&chs. Besidentz Dresden Beschreib-
und Vorstellung (Nttmberg 1680) 61 9.
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278 Otto Richter:
Eine sehr auffallige Abnahme der theilweise aus Juden
bestehenden Bewohnerschaft der Windischen Gasse zwi-
schen 1401 imd 1411 m5chte theilweise mit den Juden-
verfolgungen jener Zeit in Zusammenhang zu bringen
sein.*) — Was die Vorstadte anlangt; so bieten die Geschoss-
register, wie es scheint, bisweilen keinen voUen Verlass,
insbesondere in Bezug auf die Jahre 1421 und 1453, bei
denen es an erklarenden Thatsachen fur das ganzliche
Verschwinden vorstadtischer Steuerzahler -mangelt. Doch
durfte Tabelle II (Seite 279) wenigstens insofem von
Interesse sein, als daraus ungefahr ersichtlich ist, zu wel-
cher Zeit und unter welcliem Namen die einzelnen vor-
stadtischen Gemeinden und Hausergruppen geschosspflichtig
werden. Ebenso geht daraus deutlicn hervor, dass sich
die Vorstadte, in denen liberall die Zahl der Hauser mit
der der Geschosspflichtigen fast genau Ubereinstimmt, also
geschosszahlende Miethbewohner nicht vorhanden sind, in
der zweiten Halfte des 15. Jahrhunderts einer lebhaften
Entwickelung erfreuten, wahrend es in den von den
Festungsmauern dicht umschlossenen engen Strassen der
Stadt zu einer erheblichen Vermehrung der Hauser schon
an Raum zu mangeln begann.^)
Wenn nun die Frage erhoben wird, ob denn die
Geschossregister liberhaupt eine zuverlassige Grundlage
fiir die Bevolkerungsstatistik bilden, so glauben wir un-
bedenklich bej abend antworten zu soUen. Zwar verzeichnen
sie nur die Hausbesitzer voUstandig und von den un-
ansassigen Haushaltungsvorstanden nur die, welche Blirger-
recht besitzen; dies verursacht aber nur eine geringe
Unsicherheit, da, wie sich zeigen wird, die Zahl der nicht-
biirgerlichen und nicht geschosszahlenden selbstandigen
Einwohner uberhaupt nur gering und fiir die Kopfzahl
der Bevolkerung die Zahl und Starke der Hausbesitzer-
familien ausschlaggebend war.
•) Vgl. Codex dipl. Sax. reg. IL 5, 182, liber eine Judenverfolgung
im Jahre 1410, in welchem die Namen einiger Juden ans dem Ge-
schossregister verschwinden ; die Abnahme fallt freilich haupts&chlich
in die Zeit zwischen 1404 und 1407.
•) Wenn Hasche, Diplomat. Geschichte Dresdens (Dresden 1816 ff.)
II, 84 sagt, in der Stadt seien damals Gllrten und Weinberge ge-
wesen, und dies daraus zu schliessen scheint, dass sp&ter Kurfllrst
August zum Baue des Zeughauses ftinf G&rten ankaufte, so Qbersieht
er, dass jene Gegend im 15. Jahrhundert noch ausserhalb der Stadt
lag und erst durch die vom KurftLrsten Moritz ausgeftthrte Erweite-
rung der Mauern mit eingeschlossen wurde.
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Zur Bev5lkerungs- und Vermogensstatistik Dresdens etc. 279
Til
ibelle II.
(Siehe i
3eite 278).
Ortsbezeichnung
CO
r-l
3
i
TH
Vorstadter (?)
Pirnische Gasse
Kamtitzgasse
Gerbhauser
V.d.WilischenThore
Vor d. Brtickenthore
Vor demFrauenthore
Mfthlen
Halbegasse
An der Elbe
An der Katzbacb . .
Borngasse
Hinter dem alten See
Ziegelgasse
Hinter dem neuen See
Poppewitz
Rosengasse
Fischersdorf
56J
j
42
-7-
10
1
7
11
5
6
10
4
5
27
8
6
25
26
25
11
18
40
7
10
19
36
31
44
4
13
32
6
13
20
13
11
17
10
34
31
21
6
9
35
6
17
84
66
46
42
— 1
111
39
4
6
41
181 249il92
Als Massstab fiir die Bereclmung der Einwohiierzahl
aus den Geschossregistern dient uns eine voUstandige
Kopfzalilungsliste fur das erste und den grossten
Theil des zweiten Stadtviertels *®), welche unzweifelhaft
aus dem Jalire 1454 stammt und fiir die Zwecke einer
") Es findet sich auch ein vermuthlich aus dem Jahre 1430
stammendes, in lateinischer Sprache abgefasstes Einwohnerverzeichnis
des zweiten (Wilischen) Stadtviertels vor, welches, wie es scheint,
die Namen derHaushaltungsvorstande, der Ehefrauen, der erwachsenen
S6hne und Tochter, sowie der Knechte und Magde arfiihrt. Es sind
darin verzeichnet: 1 1 3 Ehemanner, 113 Ehefrauen, 53 alleinstehende
Manner. 72 alleinstehende Frauen, 18 Sohne, 2 Tochter, 51 Knechte,
36Mftgae, in Summa 468 Personen (darunter 139 Geschosspflichtige).
Da sich aber uber den Grad der VoUstandigkeit dieses Verzeichnisses
und insbesondere dariiber, bis zu welcher Altersgrenze herab die
Sohne und TOchter aufgenommen sind, etwas Genaues nicht fest-
stellen lasst, so muss dasselbe ausser Betracht bleiben. — Bemerkens-
werth ist ferner ein die ganze Stadt umfassendes rtgisUum des
gesindelons und des beren der hawsgenossen, die nicht burgerrecht
habin vom Jahre 1452, aus welchem hervorgeht, dass damals
118 Knechte und Gesellen, 165 Magde, 31 Lohnarbeiter , 62 Lohn-
arbeiterinnen in der Stadt waren. Die Dienstboten zahlten eine
nach der H6he des Lohnes bemessene Steuer; die angegebenen
Jahreslohne der Knechte schwanken zwischen 40 und 140 gr., die
der Magde zwischen 20 und 72 gr. Der von den Nichtbtirgern zu
zahlende ber war, wie es scheint, eine Vermftgenssteuer.
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280 Otto Richter:
damals erhobenen Kopfsteuer angefertigt ist.") Wir be-
nutzen diese Liste zunftchst zur Aufstellung der Tabelle III
(Seite 281), in welche wir auch die Zahlen der Geschoss-
pflichtigen der betreffenden Strassen aus dem Jahre 1453,
vor and nach der Neueinschatzung, einftiffen; sodann geben
wir in Tabelle IV (Seite 281) die Resmtate genauer Er-
mittelungen liber die Bevolkerongsstarke der einzelnen
Haiiser (durchschnittlich 7,2 Kdpfe) und Uber die Kopf-
zabl der einzelnen Haushaltungen, d. h. der Familien mit
Einschluss der Dienstboten und gewerblichen Hilfsarbeiter.
Die Zahl der nur eine Person umfassenden Haus-
haltungen und damit die der Haushaltungen Uberhaupt
diirfte insofern etwas zu hoch gegriffen sein, als ftir alle
im Einwohnerverzeichnisse gesondert aufgefuhrten Personen
ein eigner Haushalt angenommen worden ist, wahrend
doch wohl z. B. bei manchen der alleinstehenden Lohn-
arbeiter und Lohnarbeiterinnen eine Theilnahme an dem
Haushalte ihres Brot- und Hausherrn wahrscheinlich
ist. Aber auch wenn man alle solche Personen als Haus-
haltungsvorstande betrachtet, so kommen doch auf die
sich dann ergebenden 147 Haushaltungen von Mieth-
bewohnern nur 315 Kopfe, wahrend die fast gleiche Zahl
von Hauswirthsfamilien (149) mehr als das Doppelte an
KOpfen (755) umfasst Aus diesem bedeutenden Ueber-
wiegen des ansassigen Elements mochten wir vomehmlich
'*) Nach Yergleichung der in der EopfzUhlangsliste enthaltenen
Namen mit denen der Geschossregister w&re dieselbe in die Zeit
zwischen Michaelis 1453 und Walporgis 1454 zu yerweisen. Der
Landtag zu Leipzig, auf welchem die Erhebung einer Steuer im
Betrage von 2 Groscnen auf jeden Eopf beschlossen wurde, fand statt
am Montage nach Matthiae apostoli = 25. Februar 1454 (nicht am
Montage nach Matthaei apostoli =: 23. September, wie bei Week
439 zu lesen). VgL Grtindliche Beantwortnng derjenigen Schrift,
welche unter dem Titel: Unumstdssliches Vormundschaitsrecht etc.
publiziert worden (Dresden 1719, fol.) Beilage Nr. 200, Seite 148,
sowie das Landtagsausschreiben vom 9. Februar 1454 im Dresdner
Kathsarchiv. Die Aufstellung der Kopfz&hlungsliste, die keinem
andern Zwecke gedient haben kann, {Hilt also m die Zeit zwischen
dem 25. Februar und 1. Mai 1454
Die Liste beginnt folgendermassen : P[rimum quajrtale. Anzczu-
hebin [zcu H]annse Lewbenitcz bip zcu Jorgen Busman. Hannus
Goran mit seyme schreiber und mit Gleser sullen czeichen den
wirt, dy wirtjnne, yre kinder, yr gesinde, und hawsgenossen und
ouch der hupgenossen kinder una gesinde. Item Hannus Lewbenitcz
salp firde. Item Nickil Brommetschz salp sechpte. Item Sleycher
salp andir ^tc. ^^c,
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Zar BoTdlkerungs- and YermOgensstatistik Dresdens etc. 281
die Berechtigung herleiten, die Geschossregister, in denen
dieses Element vol! zur Erscheinung kommt; als Grundlage
fiir die Berechnung der Gesamrateinwohnerzahl zu be-
natzen. Wenn es nun keinem Zweifel unterliegt, dass in
alien Stadttheilen Dresdens im wesentlichen ganz dieselben
Bevolkerungs- und Wohnungsverhaltnisse obwalteten, so
wird das Zahlenverhaltnis zwischen Geschosspflichtigen
Tabelle III. (Siehe Seite 280.)
1
Geschoss-
pflichtige
a
s.
1
1
Kopfe
Strassen
im
Febr. | Sept.
1453
der
Wirths-
familien
der Haus-
genossen-
familien
a^
Seegasse
12
20
20
26
33
38
14
26
26
36
^9
45
15
31
29
S9
46
49
19
60
39
56
71
61
59
99 ,
98
134
154
211
16
54
66
59
81
50
76
EuDdigengasse ....
Zahnsgasse
Kleine Webergasse
Gr. Webergasse'*)
Wilische Gasse . . .
(mit Ausnahme der
letrten drei H&user)
153
1.53
193
235
261
149
186
209
296
755
315
1070
Tabelle IV.
(S
(iel
le
Seite 280.)
Hauser
mit
Haashaltungen
mit
Strassen
©
CO
i
04
1
o
I
00
I
r-l
1
Oi
i
•S
1
tH
1
1
i
1
I
r-l
Edpfen
K5pfen
•§
Seecraase
1
1
1
3
6
1
6
4
8
7
iS
17
4
6
7
9
6
18
1
3
3
6
5
1
3
2
1
3
1
—
1
12
20
20
26
33
38
2
18
5
16
15
9
6
17
13
18
29
15
6
8
12
14
17
17
5
2
9
4
7
13
19
Kundigergasse
Zahnsgasse
Kleine Webergasse
Grosse Webergasse
Wilische Gasse....
4
1
2
7
1
3
1
50
39
56
71
61
2
18
55
49
19
10
—
1
149
65
98
74
40
14
4
1
296
") Die Grosse Webergasse (Scheffelstrasse) enthielt bei vOUig
unyer&nderter Fl&chenaasdehnung im Jahre 1867 noch genau so yiel
H&user wie 1464, n&mlich 3.% die Einwohner der Strasse hatten sich
aber von 235 auf 1083 vermehrt, Zahlen, welche die Znnahme der
BeyOlkerangsdichtigkeit und die wachsende Hohe der Wohngeb&ude
deutlich genug illustrierefi,
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282 Otto Richter:
und Kopfen, wie es sich fUr das von der Kopfzahlungs-
liste umfasste Drittheil der Stadt ermitteln Is^sst, auch auf
die andern beiden Drittheile oline Weiteres libertragen
werden diirfen. Aber da, nach den Geschossregistem zu
urtheilen, die Entwickelung der Stadt und ihrer steuer-
fahigen Bevolkerung, von einigen kleinen Schwankungen
abgesehen, wfthrend des 15. Jahrhonderts im grossen und
ganzen stillgestanden hat und eine Veranderung in der
Veranlagung des Geschosses ausser der Neueinschatzung
von 1453 nicht zu konstatieren ist, so wird selbst eine
Uebertragung jenes Zahlenverhaltnisses auf das voran-
gegangene und auf das nachfolgendeHalbjahrhundert nur
teringe Ungenauigkeiten in sich scldiessen. Nur wird
ie erwahnte Neueinschatziing zu beriicksichtigen und fur
die Zeit vor 1453 das Verhaltnis zwischen Einwolmern
und Geschosspflichtigen als 1070: 186 (d. h. 5,7 Kopfe auf
jeden Geschosspflichtigen) '*), fur die Zeit nach 1453 als
1070:209 (d. h. 5,1 Kopfe auf jeden Geschosspflichtigen)
anzunehmen sein. Daraus ergeben sich (nach Tabelle I)
fiir die Stadt Dresden folgende Einwohnerzahlen:
3745 im Jahre 1396 3101 ira Jahre 1453
1465
1477
1489
1501
3010 „ „ 1440
Ausgeschlossen sind hiervon die Geistlichen mit ihrem
Dienstpersonal, die Insassen des Franziskanerklosters und
die Stan digen Bewohner des herzoglichen Schlosses, welche
sammtlich als steuerfrei in den Geschossregistern iiber-
fangen sind; dieselben diirften mit zusaramen 150 Kopfen
och genug veranschlagt sein*
Bezuglich der Vorstadte kann das obige Zahlen-
verlialtnis nicht zur Anwendung gebracht werden, da hier
keine Miethbewohner verzeichnet und also wohl die Hauser
kleiner und schwacher bevolkert gewesen sind. Bechnen
wir daher hier nur 4 Kopfe auf jeden Geschosspflichtigen,
so ergeben sich (nach Taoelle II) fiir die Jahre, fiir welche
die Geschossregister zuverlassig zu sein scheinen, folgende
Einwohnerzahlen :
3471 „
n
1401
3351 „
3007 „
n
1411
3504 „
2593 „
n
1421
3743 „
3956 „
w
1431
2565 „
■*) Da nach Anmerkang 3 die Zahl der Geschosspflichtigen sich
mit der der Bttrger deckt, so trifft diese Berechnung arinahernd mit
jener Laurents zusammen, der f&r Hamburg das Verh<nis der
Bllrger zu den Einwohnem auf 1 ; 6 feststellte, s. Koppmann a. a. 0.
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Zur BeTdlkeruDgs- und VermOgensstatistik Dresdens etc. 283
724 im Jahre 1477
996 „ „ .1489
768 „ „ 1501
Somit berechnet sich die Gesammtzahl der Einwohner
Dresdens und seiner Vorstadte auf dem linken Elbufer
korze Zeit vor dem grossen Brande von 1491 auf nahezu
5000.**)
Mit weit grosserer Sicherheit als bei den vorstehen-
den bevolkerungsstatistischen Untersuchungen vermo^en
wir bei einer vermogensstatistik Dresdens im 15. Janr-
hundert zu Werke zu gehen, da das Material dafiir ein
solches ist, wie es kaum fiir die Gegenwart zuverlassiger
zu beschaffen sein mochte; es sind dies mehrere ziemlich
umfftngliche Register, welche zum Zwecke der von den
Herzogen Albrecht und Georg in den Jahren 1488 und
1502 erliobenen ausserordentlichen Steuern angelegt sind
und voUstandige Vermogensabschatzungen der. Einwohner
von Dresden, seinen Voj stadten und der Stadt Altdresden,
sowie der in sieben benachbarten DOrfern angesessenen
Zineleute des Rathes zu Dresden und der von ihm ver-
walteten geistlichen Stiftungen enthalten.
Fiir die Landessteuer von 1488 hatte jedermann sein
gesammtes bewegliches und unbewegliches Besitzthum
nach eignem Gewissen abzuschatzen und von je 100 rhei-
nischen Gulden Werth 1 Gulden und bei geringerem Ver-
mogen nach Verbal tnis weniger zu entrichten; Dienst-
boten zahlten von je 20 Groschen Jahreslohn 1 Groschen
zu dieser Landessteuer. Die Steuerregister; deren eines
fiir Dresden und seine Vorstadte und ein zweites fiir die
Stadt Altdresden vorhanden ist, weisen in der Regel
bei dem Namen jedes Abgeschatzten die Hohe seines
Vermogens und den Steuerbetrag auf; bisweilen jedocli,
besonders bei wenig Bemittelten, ist nur der Steuerbetrag
angegeben, woraus nach dem angebenen Steuersatze das
Vermogen leicht zu finden ist**)
»*) Urn 1469 warden Dresden und Rochlitz als „vil geringer
dann Zwickau" bezeichnet. Vgl. Tittmann, Heinrich der Erlauchte J ,
362; yon Webers Archly far Sachsische Geschichte. N. F. 5, 368.
**) Um die Einrichtung dieser Register zu verdeutlichen, setzen
wir die Ueberschrift und den Anfang desjenigen von Dresden hierher:
Register der stheuer noch ausweysunge der nottel unpers g. h.
von hundert gulden wert einen und beym eide iglichem heym
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284 Otto Richter:
Wir ordncn nunmehr 8^mmtliche in den beiden
Schatzungsregistern verzeichneten Personen nach moglichst
nahe aneinander liegenden Vermogensklassen. Fur alle
diejenigen, welche weniger als 25 fl. Vermogen besitzen,
nenmen wir ein durdiBchnittliches Vermogen von 12 '/a fl-
an, wabrend fur alle hoheren Vermogensklassen nicht ein
Durchschnitt, sondem die genaue Summe aller einzelnen
Vermogensbetrage anzugeben ist. Damit gelangen wir zu
der auf Seite 285 (Tabelle V) befindlichen Uebersicht
Nicht ohne Interesse ist jedenfalls das Resultat der
Vertheilung der gefundenen Vermogensbetrage auf den
einzelnen Kopf der Abgeschatzten sowolil wie der Be-
volkerung uberhaupt, fiir welche es gestattet sein mag,
die oben ftir das Jahr 1489 ermittelten Einwohnerzahlen
von Dresden nebst Vorstadten zu benutzen (Tabelle VI,
Seite 286).
Die vom Herzog Georg im Jahre 1502 erhobene
Vermogenssteuer, zu welcher ein Abschatzungsregister der
Stadt Dresden, seiner Vorstadte und der benachbarten
Rathsdorfer erhalten ist'*), wurde nach demselben Satze
wie die von 1488 veranlagt, nur war damit ausser einer
Einkommensteuer fur die Dienstboten, die den zehnten
geben anno im LXXXYIII jore angehoben beym burgermeister
Simon Wercho. Die sttler entphaer und eynnemer Bastian Jost,
Donatus Conradi.
Francz Herczog d* H r. fl. noch seinner babe unnd vermogen.
Die Brommaczschinne angeslagen all yre guter yor VI^ reinische
guldenn d* dovon II p VI gr.
Ibidem Thomas Palicz d* V gr. HIT naue ^ als ein hausgenop an-
geslagen sein gut vor XXV r. ti.
Idem VI gr. d^ vou zween smideknechtenn.
Die Kuneltynne angeslagenn all yre gutter vor VI<' reinische fl.
d* dovon n p VI gr.
Idem XII gr. d* von zween knechten und eyner mayt
Jocoff Henel angeslagenn all sein gut vor IIjc [= 260] reinipche fl.
dt dovonn LII gr. IlII S 1 lieller.
Idem II gr. d* von der mayt.
Ibidem die Schaubehansin d^ III gr.
Ibidem die Caspar Sneiderin dt I gr. etc. etc.
Vgl. auch den Revers Herzog Albrechts vom 19. April 1488 im
Hauptstaatsarchiv zu Dresden, Witt. Archiv, Steuersachen Blatt 21.
Die Angaben Weeks (446) Uber die Art der Steuerveranlagung
von 1488 (von 100 fl. Worth 2 fl. Steuer u. s. w.) sind an dieser Stelle
falsch, gelten vielmehr far eine Verm&gensstener des Jahres 1506.
Dieser Fehler Weeks ist, wie so mancher andere, in alle sp&teren
Schriften tibergegangen.
»•) Steur register nach Christi gebort XV© im andern iare der
stadt Dresden von )iundert goldenn wirderunge bewegelich und un-
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Zur BevftlkerungB- und Vermftgensstatistik Dresdens etc. 285
Tabelle V.")
(Siehe Seite 284.)
Dresden
Vorstftdte
Altdresden
M0
ao ao
5S
oQ oa
^0
DO n
YermOgensklasse
ij
5§
a*
N ^
£>
ISJ 00
S>
ISJ W)
a:i>
fl.
fl.
fl.
2000 fl. und darttber
1
2.S50
—
—
1500 bis unter 2000 fl. ..
4
7000
—
—
—
1000 , , 1500 , . . .
4
5000
-i-
—
900 , „ 1000 , . . .
1
900
""~
—
800 , , 900 „ . . .
3
2400
—
—
700 , „ 800 ,. .
—
—
..>
—
—
600 „ „ 700 „ . . .
10
6000
—
—
600 , „ 600 , ...
9
4 660
-~
—
—
400 , , 500 „ ...
12
4902
—
—
300 , „ 400 „ ...
34
10650
—
—
200 , n 300 „ . . .
46
9370
1
200
1
210
100 „ „ 200 „ . . .
131
16016
4
450
11
1636
60 , , 100 , ...
78
4790
16
830
22
1606
26 , , 60 , . . .
76
2226
38
1146
47
1610
unter 26 „ ...
194
2426
106
1312
110
1376
602
77477
163
3938
191
6237
Hierllber:
Gesellen, Knechte, M&gde
296
—
8
—
63
—
bewegelich guttem barschafftenn unnd farnde habe 1 fl. r., Ton L gulden j
i= V«], von XXV I ort, wer ao vyl nich that IIII gr. unnd och wez kinder
ubir XV iar, dinstbotenn den X teil ires Ions, mussigkgen^er X gr. etc.
Demnach waren bei dieser Gelegenheit alle Person en, mit Ausnahme
der Ehefrauen und der Kinder unter 16 Jahren, steuerpflichtig; es
sind dies fttr Dresden im ganzen 1091 Personen (Tabelle VII, S. 286).
Wenn wir, was wenigstens nicht unwahrscheinlich ist, annehmen,
dass die in Anmerkung 10 erwahnte Liste Tom Jahre 1430 ebenfalls
ein Verzeichnis aller Personen liber 15 Jahre ist und daraus hervor-
geht, dass die Ehefrauen genau den vierten Theil derselben bilden,
so wflrde ftlr das Jahr 1502 die Zahl der Ehefrauen sich auf 363
berechnen. Dann betrflge (bei 2566 Einwohnern im Jahre 1601) die
Zahl der Kinder unter 16 Jahren 1111 , d. h. 43 Prozent der Be-
vOlkerung, jedenfalls also ein hoherer Prozentsatz, als ihn Sch5n-
ber^ (a. a. 0. 616) bei der Berechnung der Einwohnerzahl Ton Basel
annimmt. Doch soil dies nur als Vermuthune gelten!
■*) Das hOchste Yermdgen besitzt Heinrich Sleweger mit 2360 fl.,
sodann folgen Jeniko Geusing mit 1900 fl. und. Hanns Karlewicz
(„angeslagenn seine gutter als haup ecker weingerten und we^enn
umb die stat legende") mit 1800 fl. Nickel Seydel, BUrgermeister
1489, besitzt 900 fl., Simon Wercho, Btlrgermeister 1488, 500 fl.
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286
Otto Richter:
Theil ihres Lohnes zu entrichten batten, auch noch eine
Kopfsteuer fur die Kinder Uber 15 Jahre und fur Miissig-
ganger verbunden. Es wird sich auch bier recbtfertigen
lassen, wenn wir ftir alle Personen mit weniger als 25 fl.
Vermogen einen Darcbscbnittsbetrag von 1272 A., ffir
Kinder iiber 15 Jabre sowie fiir Gesellen, Lebrjungen,
Knecbte und Magde aber tiberbaupt kein Verm5gen an-
nebmen. Hiernacb gestalten sieb die Vermoffensverbalt-
nisse der Einwobner der Stadt Dresden una der Vor-
stadte, sowie die der Zinsleute in 7 Dorfem, fur welcbe
leider die Abscbatzung der librigen Bevdlkerung nicbt vor-
Hegt, fur das Jabr 1502, wie Tabelle VU, VIII und IX zeigt,
Tabelle VI. (Siehe Seite 284.)
Ort
Zahl der Ab-
gesch&taten
Zahl der
Einwohner
1489
Summe
des
Vermogens
Vermogeasbe-
tragp.Kopfder
Vermogcnsbe-
tragp.Kopfder
Bevolkerung
Dresden ....
Vorstaite . . .
Altdresden . .
602
163
191
3743
996
?
77 477
3938
6237
128,7
24,1
32,6
20,7
3,9
?
Tabelle VIL'*)
Dresden
Vorstftdte
Vermogensklasse
Zahl der Ab-
geschatzten
Summe des
Vermogens
fl.
Zahl der Ab-
geschitsten
Siimme des
YermSgens
fl.
2000 fl. und darttber
2
4200
-.
1500 bis unter 2000 tt
1
1700
—
—
1000 „ „ 1500 „ ....
3
3600
—
—
900 „ „ 1000 .....
1
900
—
—
800 „ „ 900 „ ... .
2
1650
—
—
700 „ „ 800
2
1400
—
—
600 „ „ 700 «... .
8
4850
—
—
600 „ „ 600
5
2570
—
—
400 „ „ 500
14
5762
—
—
300 „ , 400 , ....
19
5930
200 „ „ 300 «... .
36
7727
1
228
100 „ „ 200 „ ....
112
14069
6
728
50 „ „ 100 „ ....
108
6686
8
469
26 „ „ 50 «... .
52
1748
21
667
unter 25 „ . . .
318
3976
151
1888
Hierttber:
683
66757
187
3980
Kinder fiber 15 Jahre
56
2
Gesellen, LehriungenJ
Knechte, Magde j * *
352
—
14
—
*•) Das hdchste Vermdgen im Jahre 1502 ist das des Bfirger-
meisters Hans Smeisser mit 2200 fl., derselbe war im Jahre 1488 mit
1500 fl. veranschlagt.
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inv Bevoikerungs- imd Vermdgensstatistik Dresdens etc. 287
Tabelle YIII.
(Siehe Seite 286.)
Quoh-
Zschiz-
sche-
wig
Tolke.
Mock-
Box-
Mlig-
SOrs-
ren
witz
ritz
dorf
litz
sen
Verm5gens-
a
a
^
fl
^
a
klasse
c
o
o
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a>
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V
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fl
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fl.
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300 bis unter 40011.
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1
1 200
100 „ „ 200„
2
286
1 126
2,243
1
100
— —
60 „ „ 100 „
11
661
6 362
3 216
—
2|l61
2 140
1 50
26 „ „ 60 „
4
136
3' 113
1
30
—
—
1
i
1 30
— —
unter 25 „
7
88
6> 75
—
—
1
1
1 12
— —
24
1171
18
1226
6
488
2
300
3
461
4182
3
550
Hierttber:
Kinder Ob. 16 Jabre
9
5
Knechte, M&gde .
11
—
10
—
1
—
—
—
—
—
»
—
—
Tabelle IX. (Siebe Seite 286.)
Ort
Zabl
der Abge-
schatzten
Zabl
der Ein-
wobner
1601
Summe
des Ver-
mdgens
fl.
VermOgens-
betrag pro
KopfderAb-
gesch&tzten
fl.
VermdgeDS-
betrag pro
KopfderBe-
yOlkerong
Dresden
Vorstftdte ..
Quohren . . .
Zschitzschewig
Tolkewitz
Mockritz . . .
Boxdorf ....
Milglitz ....
SUrssen ....
683
187
24
18
6
2
3
4
3
2565
768
?
?
?
?
?
?
?
66757
3980
1171
1225
488
300
451
182
550
97,7
21,3
53
68
81,3
150
150,3
45,5
183,3
26
5,2
?
?
?
?
?
?
?
Die vorstehenden Tabellen reden in Bezug auf die
HOhe der in den betreffenden Jahren vorhandenen Werthe,
auf die Vertheilung derselben unter die einzelnen Ver-
mogensklassen und auf die Verscliiedenheiten des Ver-
mogensstandes in der Stadt, in den Vorstadten und auf
den DOrfem eine so deutliche Sprache, dass es weiterer
AusfUhrungen hiertiber nicht bedarf. Lehrreich ist aber
vielleicht ein Versuch^ den Unterschied zwischen damals
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288 Otto Richter:
und heute in betrefF des auf den Kopf der Bevolkerung
entfallenden Vermo^ensbetrages zu zeigen. Wenn wir zum
Schlusse einen solcnen Versuch machen; so kann es uns
nicht beikommen, genaue und unanfechtbare Zahlen er-
mitteln zu woUen, sondern es wird sich lediglich darum
handeln, durch einige Ziffern die Grosse des von vier Jahr-
hunderten bewirkten Umschwunges der wirthschaftliclien
Verhaltnisse fluchtig anzudeuten.
Ira Jahre 1488 kam nach Tabelle VI auf den Kopf
der Bevolkerung in Dresden ein Durchsclinittsvermogen
von rund 21 fl. Bei der Umrechnung dieses Betrages in
die ihm heute entsprechende Geldsumme sind sowohl die
beiderseitigen Miinzwerthe als die gesammten Preisverhftlt-
nisse zu beriicksichtigen, Wenn aus 1 Mark Feinsilber in
jener Zeit 140 Groschen (= 7 rheinische Gulden), heute
50 Mark gepragt werden, so entspricht der damalige
Gulden einem Betrage von ungefdhr 7 Mark jetziger
Miinze. Die Preise der wichtigsten Lebensmittel und die
Handarbeitfilohne, deren Heranziehung ftir eine ann&hernde
Berechnung geniigen dtirfte, betragen jetzt durchschnitt-
lich etwa das Ftlnffache der damaligen^*); so dass also
der rheinische Gulden von 1488 heutzutage einen Worth
von ungefahr 35 Mark haben wUrde. Unter Zugrunde-
legung dieses Massstabes stellt sich die H5he des im
Jahre 1488 auf den Kopf der Dresdner Bevolkerung fallen-
den Vermogens nach unserm Gelde auf 736 Mark.
Welchen Betrag vermogen wir dem jetzt gegenuber-
zustellen? Im Jahre 1879 betrug in Dresden das steuer- .
pflichtige Einkommen aus Grundbesitz 20432147 M., aus
Renten 29402773 M., zusammen circa 50000000 M.***)
Bei Annahme einer Bevolkerungszahl von 210000 kommen
hiervon auf jeden Kopf circa 240 M., welche bei einem
Zinsfusse von 5 Prozent einem Kapitale von 4800 M. ent-
sprechen. Also 735 M. Durchschnittsvermogen im Jahre
1488 gegen 4800 M. im Jahre 18791 So unsicher diese
'*} Nach Job. Falke, Geschichtliche Statistik der Preise im
Kdnigreich Sachsen, in den Jahrbachern ftir Nationaldkonomie und
Statistik, XIII. (1869), 364—395.
'^) Zeitschrift des K.SSichs. statistischen Bureaus, 25. Jahrg. 1879,
Beilagen zu Heft 3 und 4. Wir ziehen, da es sich um eine Yer*
gleichung des wirklichen Vermogens handelt, nur das aus Grund-
und Kapitalbesitz fiiessende Einkommen heran und tibergehen voU-
standig das Einkommen aus Gehalt und Lohn mit 51913188 M. und
aus Handel und Gewerbe mit 42432 399 M., obwohl dem letzteren
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55ur Beydlkenings- und Vermftgensstatistik Dresdens . etc. 289
Zahlen sind, eine A&nung von der kolossalen Zunahrae
der wirthschaftlichen Gtiter im Laufe der Jahrhunderte
vermogen sie doch zu vermitteln. Und wie tritt das
Missverhaltnis erst hervor, wenn wir den reichsten Mann
von 1488 rait 2350 fl. = 82 250 M. dem heutigen Besitzer
einer Reihe von Millionen gegeniiberstellenl Dass eine
solche Anhaufung von Giitern in gleichem Verhaltnis nicht
stattgefunden hfttte, wenn die Stadt auch heute noch
4000 Einwohner zahlte, bedarf keines Nachweises, da in
kleinen Stadten noch gegenwartig ein weit geringeres
Durchschnittsvermogen als in grossen zu konstatieren ist.
In welchem Masse aber mit dem Anwachsen der ausseren
GUter auch eine wirkliche Hebung des allgemeinen Wohl-
standes oder gar des Wohlbefindens der Bev5lkerung ver-
bunden gewesen, das ist eine Frage, zu deren Beant-
wortung das Ziffernwerk der Statistik niemals die alleinige
Grundlage bilden kann.
zu einem grossen Theile auch Anlage- and Betriebskapitalien zn
Grunde liegen; daftkr lassen wir aber anch 13389728 M. Schuldzinsen,
welche eigentlich abzuziehen w&ren, unberftckBichtigt. Wie wfirde
sich nuu gar 'die Summe des heutigen YermOgens erhdhen, wollte
man die Masse der unproduktiven Gtiter mit einsch&tsfiC wie dies
im Mittelalter geschehen! Dagegen fllllt freiUch sehr ins Gewicht,
dass damals das bedeutende Verm&gen der geistlichen Korporatioueu
ansserBetracht blieb, w&hrend in den obigen Ziffem das Korporations-
vermdgen inbegriffen ist.
Keues Archiv f. S. Q. u. A. II. 4* 19
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XL
Naohtrage zum nrkundenbache der Stadt
Chemnitz.')
Von
Hul^rt Ermlsch.
Dass die Massnahmen, welche die konigliche Staats-
regiemng wahrend der letzten vier Jahre im Interesse
der stadtischen und der sonsti^en nicht unraittelbar der
staatlichen Verwaltung unterstehenden Archive getroffen
hat, auch fur das grosse von Gersdorf und Posern-Klett
be^onnene und gegenwartig von Otto Posse und dem
Schreiber dieser Zei^n unter Mitwirkung mehrerer anderer
Historiker herausgegebene sachsische Urkundenbuch von
Wichtigkeit werden wlirden, war vorauszusehen. Nach den
bisherigenErfahrungen scheint dies freilich nicht in so hohem
Masse der Fall zu sein, als man wohl wtinschen m5chte.
Man kann sich schwer einen Begriff von dem Vanda-
lismus machen, mit dem bis in die neueste Zeit hinein
insbesondere die Archive vieler sachsischer Stadte be-
handelt worden und dem vor allem vielfach die alteren,
„unleserlichen", „werthlosen" Documente zum Opfer ge-
fallen sind. Es war die hochste Zeit, dass hier der Staat
Urkundenbuch der Stadt Chemnitz und ihrer Kldster. Im
Auftrage der Egl. Staatsregierung herausgegeben von Hubert Ermlsch.
Leipzig, Giesecke und Devrient 1879. 4^ (Codex diplomaticus Saxoniae
regiae. n. Haupttheil. 6. Bd.)
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Nachtrftfije zum Urkundenbuche der Stadt Chemnitz. 291
schiitzend eintrat und die bis dahin oft nur durcL einen
Zufall geretteten diirftigen Reste von Denkmalern vater-
I&ndischcr Qeschiclite dem drohenden Untergange entrisS;
der wissenschaftlichen Forschung und vor allem auch dem
praktischen Gebrauche im Interesse der stadtischen Ver-
waltung wieder nutzbar zu machen suchte. Denn dass
den grOssten Vortheil aus einem Archive die Stadt selbst
Ziehen kann, die es besitzt^ ist eine sehr nahe liegende
Wahrheit, und man vermag es kaum zu begreifen, wie
dies Uberhaupt noch zuweilen bestritten werden kann.
Ich komme auf diese Seite der Frage vielleicht bei einer
andern Gelegenheit zuriick. Ftir jetzt gebe ich nur einige
Nachtrage zu dem vor einigen Jahren von mir veroffent-
lichten Chemnitzer Urkundenbuche, die ich im Laufe dieses
Jahres bei Gelegenheit archivalischer Revisionsreisen auf-
gefdnden habe. Unsere Zeitschrift, die vor allem mit dem
grossen silchsischen Urkundenwerke stets Ftihlung halten
soil, diirfte der geeignetste Platz fur diese Nachtrage sein,
obwohl dieselben nur fiir einen beschrankten Kreis der Leser
ein unmittelbares Interesse haben kdnnen.
Der grosste Theil stammt aus dem Archive der
Stadt Chemnitz, iiber welches ich bereits im Vorbericht
zum Urkundenbuche (S. X) einige Notizen gegeben habe.
Dasselbe hat eine glinstigere Vergangenheit gehabt als
viele andere Rathsarchive Sachsens, und auch neuerdings
ist von den stadtischen Behorden in wurdiger Weise da-
fur gesorgt worden. Bereits im Jahre 1870 hat Dr. Paul
Pfotenhauer im Auftrage des Stadtrathes die Repertorien
revidiert und ein Urkundenverzeichnis angelegt; dann
war Chemnitz die erste Stadt, welche den seitens der
Staatsregierung geausserten Wiinschen nachkam und die
angebotene Beihilfe eines Archivbeamten zur Unterstiitzung
der weitern archivalischen Ordnungsarbeiten beantragte.
Als ich zu diesem Zwecke im Sommer 1878 nach Chemnitz
kam, musste ich allerdings bald erkennen, dass der Zeit-
punkt fiir diese Arbeiten nicht sehr glUcklich gewahlt war,
weil ein anhaltendes Arbeiten in den dumpfigen Locali-
tateu; in denen damals das Archiv lag; sich als unm5g-
lich erwies. Zugleich wurde mir mitgetheilt, dass eine
Umsiedlung des Archivs in neue Raume nahe bevorstand.
Dieselbe erfolgte.anfangs 1880. Die vormalige Turnhalle
der zum neuen Rathhause umgebauten hoheren Bur^erschule
(Poststrasse 51) bot einen durchaus geeigneten Ardaivraum,
und die Aufstellung der Archivalien in 9 hohen Doppel-
19*
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292 Hubert Ennisch:
schragen verdieDt alle Anerkennung. Audi die Ordnungs-
arbeiten hatten, dank der Bemuhungen der stadtischen
Archivare Zimmer und Kiefer, einige Fortschritte geraacht,
wenn auch freilich noch ziemlich viel Detailarbeit auf
sachkundige Ausfiilirung wartet. Hoffentlich gelingt ee
der stadtischen Verwaltung, fiir die Losung dieser Auf-
gaben, welche die Krafte der ohnehin vielbeschaftigten
stadtischen Registraturbeamten des Inhalts und der Schrei-
bung wegen tiberschreiten dlirften, einen geschulten Histo-
riker zu interessieren. Als ich vor einigen Monaten dem
Chemnitzer Stadtarchive nochmals einen Besuch abstattete,
reichte meine Zeit allerdings zur Ausfiihrung dieser lang-
wierigen Arbeiten, unter denen die Ordnung der aus zahl-
reichen losen Blattern bestehenden „Rathsprotokolle" vora
16. Jahrhundert an zunachst wunschenswerth ware, nicht
aus. Dagegen nahm ich eine Erganzung des Urkunden-
repertoriuras vor. Bei der Umraumung batten sich nam-
lich nicht weniger als 43 Originalurkunden aufgefunden,
eine sehr erhebliche Bereicherung des bisher aus 155
Nummern bestehenden Urkundenarchivs. Meist batten
sie wohl seit vielen Jahrzehnten in unzuganglichen Winkeln
gelegen; in den 1848 aufeestellten Repertorien fehlen sie,
und auch den eingehenden Nachforschungen , die Dr.
Pfotenhauer und ich zu wiederholtem Male fiir die Zwecke
des Urkundenbuches im Archive vorgenommen haben,
sind sie entgangen. 15 von diesen Urkunden waren fur
den Codex diplomaticus zu benutzen gewesen. Darunter sind
mir die unten als No. 9^, 128^ 129^ 131^ 261^ 269^
269° und 471^ mitgetheilten Dokumente ganz unbekannt
geblieben. Zu No. 91 war eine Erweiterung zu geben.
Zq den Nummern 13, 34, 43, 89, 180, 269, welche im
Urkundenbuche nach Abschriften, Entwiirfen oder Ueber-
setzungen mitgetheilt worden sind, haben sich die Originale
gefunden. Ich fiige hinzu, dass das Original von No. 18 mir
im vorigen Jahre durch Herrn Stud. O. Langer in Leipzig,
in dessen Besitz es gelangt war, freundlichst zur KoUation
tiberlassen wurde; auch dieses ist jetzt auf den Wimsch
des Genannten dem Chemnitzer Rathsarchive, dem es ur-
sprtlnglich angehort hat, wieder einverleibt worden.
Weitere Ausbeute fiir unsere Nachtrftge gewahrte das
gut geordnete und bisher noch sehr wenig gekannte und
benutzte Furstlich und Graflich Schonburgische
Gesammtarchiv zu Glauchau. Dasselbe wurde mir
gelegentlich eines Aufenthalts in Glauchau, der zunachst
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Nachtrage ziim Urkundenbiiche der Stadt Chemnitz. 293
der Revision des dortigen Stadtarchivs gait, durch die
Herren Kanzleidirektor Zuckler und Sekretar Lossius bereit-
willigst zuganglich gemaclit, und icli fand eine uberraschend
grosse Anzahl von Dokumenten, die fur die verschiedenen
Abtheilungen des Urkundenwerks von Interesse sind. Die
Geschichte von Chemnitz betrafen davon 6 Nummern
(No. 39^ 46S 57^ 9P, 148^ 395»>). Weniger ergiebig war
die Durchsicht der drei anderen Sclionburgischen Archive
in Glauchau und Waldenburg; das einzige Dokument in den-
selben, das fiir das Urkundenbuch von Chemnitz zu be-
nutzen gewesen ware, war das Original von No. 385.
Wir fiigen endlich als No. 423'' eine kiirzlich von
der Amtshauptmannschaft zu Chemnitz dem Hauptstaats-
archiv zu Dresden libergebene Originalurkunde auszug-
lich bei. —
Was den Inhalt unserer Nachtrage anlangt, so ist der-
selbe allerdings theilweise nicht sehr erheblich. Immer-
hin erweitert er luisere Kenntnis der stadtischen Geschichte
von Chemnitz nach verschiedenen Richtungen hin.
No. 39\ 46b und 57b betreffen die Ortwinische Stif-
tung und sind mit No. 42 und 44 zusammenzustellen.
Hans der altere und Hans der jiingere von Waldenburg
und Burggraf Albrecht von Leisnig hatten, vermuthlich
in einer Fehde, die Gebriider Franz und Johannes Ortwin
aus Chemnitz erschlagen. Fiir das Seelenheil der Er-
mordeten hatten deren Verwandte einen Altar zu Ehren
des h. Leichnams und des h. Sigismund gestiftet und mit
einer Busse von 1 10 Schock Groschen, welche die Morder
auf Grund einer um 1370 von Markgraf Friedrich zu
stande gebrachten Vereinbarung gezahlt hatten, dotiert.
Die bischofliche Bestatigung dieser Stiftung vom 17. August
1371 erwahnt audi einer Schenkung von 1 Va Schock aus
der Bleiche, welclie der Altzeller Monch Franczko und sein
Bruder der Priester Johannes Albi (Wishennil), unter Vor-
behalt des Niessbrauches auf Lebenszeit zu diesem Altar ge-
macht hatten. No. 39^ ist die liber diese Schenkung aus-
gestellte Urkimde vom 17. Dezember 1368; es lasst sich auf
Grund derselben vermuthen, dass die Ermordung der Ge-
briider Ortwin im Jahr 1368 erfolgt sei; denn die Stiftung
der ewigen Messe zu ihrem Seelenheil war bei Ausstellung
dieser Urkunde noch nicht voUendet.
In welchem Verhaltnis die Familie Albi oder Wishennil
zu den Ortwinen stand und was sie veranlasste, zu der
Altarstiftung beizutragen, ist aus dem vorhandenen Material
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294 Hubert Ermiscfa:
nicht erBichtlich. Franciscus Albi hatte verschiedene Forde-
ruDgen an die Familie Ortwin ; unter anderem konnte er freies
Quartier im Hause des Kicolaus Ortwin beansprucheny so
oft er nach Chemnitz kam. Wir erfahren dies aus dem Ver-
gleiche No. 46^ vom Jahre 1379, durch welchen diese Ver-
hslltnisse gelost wurden; er uberliefert uns auch den Namen
des ersten bekannten Chemnitzer Stadtschreibers, Johannes
Franko. Johannes Albi war, wie sich aus No. 57** ergiebt,
Altarist des neu begrtindeten Altars; wegen Augenschwache
legte er 1389 die Verwaltung desselben nieder, behielt
aber den grossten Theil der Einkiinfte aus dem seit 1383
(vergl. Njo. 52) dem Altare incorporierten Dorfe Meinersdorf.
Die grosse Stiftung des Priesters Nicolaus Ebersdorf
(No. 9P), von dem andere Stiftungen bereits bekannt sind
(vergl. No. 68, 72), nennt uns die damals in der Jacobi-
kirche und im Hospitale vorhandenen Altare und die
Namen ihrer Altaristen und hat auch Interesse fur die
Geschichte des Armenwesens; insbesondere mag auf der
Bertickslchtigung der verschamten Arraen (pauperes qui
alias erubescant raendicare publice) hingewiesen werden. Von
geringerem Interesse ist die bischofliche Bestatigung einer
anderen fromraen Stiftung No. 9P. Auch No. 128^ 129\
131 , 261»> betreffen Altarstiftungen; in No. 13P (von 1442)
wird der erste dem Namen nach bekannte Chemnitzer
Schulmeister genannt. No. 128** und No. 131*» geben zu-
gleich Erganzungen zur Rathslinie der Stadt Chemnitz*),
w'ahrend No. 148^ als einer der wenigen Belege fiir die
Thatigkeit des Chemnitzer SchoffencoUegs aufgenommen
worden ist. ') Von topographischem Interesse ist der Recess
uber die Rohrwasserleitung No. 269*». No. 269*' betrifFt
den 1478 erfolgten Verkauf der Pfortenmtihle durch Paul
Hann, der dieselbe 1477 von den Bleichgewerken gekauft
hatte (vergl. No.. 266), an Ulrich Schtitz; dieser verwandelte
sie spater in eine Walkmtihle (No. 273).
Zu dem Urkundenbuch des Klosters gehoren die
beiden Zinsverschreibungen No. 395^ und 471** sowie der
Lehnbrief No. 423 ^
Was die tibrigen Nachtrage anlangt, so weichen aller-
dings die Originale von Nr. 13, 18, 34, 43, 89, 180, 269
') Vergl. meinen Aufsatz tlber die Rathslinie der Stadt Chem-
nitz bis 1484 in den Mittheilungen des Yereins fUr Chemnitzer
Geschichte II, 130 ff.
») Vergl Cod. dipl. Sax. reg. TI. 6, XXIV.
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Nachtrage zum Urkundenbuche der Stadt Chemnitz. 395
und 385 in vielen graphischen Einzelheiten vou den Vorlagen,
aus denen die Drucke geflossen sind, ab; doch mag eine
Mittheilung der wesentlioheren Varianten geniigen. Nur
Nr. 89, als eine der wichtigsten Urkunden der ganzen
Sammlung, und No. 43 und 180, von denen mir frliher
nur eine Uebersetzung beziehentlich ein vielfach abweichender
Entwurf vorlagen, habe ich voUstandig abdrucken lassen.
Eine den Verkauf des Schwenkenstein'schen Hauses an
den Altar corporis Christi betreffende Aufzeichnung, welcbe
mit No. 91 im Widerspruch steht, habe ich als Anmerkung
dazu nachgetragen.
Zn 5o. 18. (1381 Juni 2.)
Hdschr.: Orig. Perg. Ruthsarchiv Chemnitz No. 2 b. Von den 4 an PergamenUtreifen
befestigten Siegeln t'st nur ein Fragment des ersten (Abt Ulridi : wie Tafel 8 Fig. 1)
und das dritte (Stadt Alienburg : schild/ormig , mit detn Reichsadler und der Um-
schri/t Idenbvrg tcie an No. 3) erhalten, wdhrend die Siegel des Heinrich von
Walderib^iirg und der Stadt Ztvickau feklen.
Der Text zeigt edhlreiche graphische Varianten, aber keine inhait-
lichen Abweichungen, Ich bemerke nur, dass S. 11 Z. 10 Hannus
(nicht Heinrich) Marschalk von Vroburg zu lesen ist.
Zu Ko. 18. (1352 M9rz 11.)
Hdschr. : Orig. Perg. Raiftsarchiv Chemnitz No. 4 b. Das ehedem an Pergamentstr.
befestigt getvesene Stadtsiegel ist abgeschnitten.
Der Text entspricht^ abgesehen von vielen graphischen Varianten,
im wesentlichen der Abschrift A, Unter den abweichenden Lesarten
mogen die folgenden hier verzeichnet werden : S. 14 Z. 21 Dithrischs-
dorf. 28 Dithrich von Crymmeschaw. ^29 Heynich von Ebersdorf,
Wishennel, Ticze Cziechner. 30 Holsczel. 31 Cunad Kramer.
S. 15 Z. 11 waz her iz. . . .so schal iz her aber. 18 geyn der gemeyne.
22 darumbe (st daruber). 29 mid eyner fnrkruckin. 32 erafte {st.
ehafte). S. 16 Z.5 cwey. II. {st. zwey y, Wiederholung der Zahl in
Zeichen). 13 vorbritt {st. vorbrinnt). 15 uf syne buwe und sienen
{st ufbuwen und steyne).
Zu No. U. (1367 Juni 23.)
Hdschr.: Orig. Perg. Ratbsarchiv Chemnitz No. 12b. Das ehemals an Pergamentstr.
befestigt getvesene Siegel ist abgefallen.
Varianten : 8. 30 Z. 28 Mipenensis. 29 cum {st dum). 31 dyocesis.
35 Gyten. sen. 36 seu. S. 31 Z. 2 magnifici. 3 Mi^enensis. 6 seu.
9 dyocesana. 13 auctoritate. 17 etc. ist zu streichen.
Ao. 39b. 1368 Bee. 17.
Mehrere Burger zu Chemnitz und Mittweida und Uensil Possel von
Schweidnitz uberlassen Vi% Schock jahrlicher Zinsen auf alien thren
AntheUen an der Bleiche den Altzeller Conventualen Johannes und
Frenczel Wishennel unter der Bedingung, dass nach ihrem Tode
diese Zinsen an die von der Ortwinin und thren Sohnen gestiftete
emge Messe fallen sollen.
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296 Hubert Ermisch:
Hdschr. : Orig. Perg. Fiirstl. und graft. Schonburg. Gesammtarchiv Glauckau. Rep. XIV,
hoc. 421—424. No. 195. Das schadha/te Siegel an Pergamentstr. Ygl. Taf. 1 No. 2.
liwn.; Yergl. No. 42.
Ich Niclaus Schultheize, Fren^cel Swenkinsteyn , Walther
Schonaw, Peter van Mittelbach, Mathias Malczmeister, Niclaus Cerdo,
Hannus unnde Niclaus van | Pygaw gebrudere burgere zcu Kempnicz,
Niclaus Stolle, Dithrich Widrer burgere zcu der Mitweyde unde
Hensil Possel von der Swydnicz bekennen offinlichen mid | diesem
geinwertigen brieve alien den, dy yn seheen horin ader lesin, daz
wir unde unsere erben gemeynlichen mid gutem willen unde mid
wolbedachtem mute | recht unde redlichen vorkauft haben uf der
bleiche zcu Kempnicz uff alle unsern teyln unde uff allem deme,
daz darzcu gehoret, hern Johannes Wishennil priestere unde hern
Frenzcel Wishennil sieme brudere munche des closters zcu der
Celle ») andirthalb schog gnter nuwer groschen Friebergischer munzcen
jerliches zcienses unde ewiges, der do alle jar halb uf send Johannes
des toufers tag unde halb uf send Martini tag, der darnach volget,
unvorzcoginlichen unde ane allerley hindernis gevallen schullen unde
schal, unde haben ^yn den vorgnanten zciens gegeben umbe eyn
vierteyl von der mul, dy da gelegen ist vor der stadpforten, des
sie uns gereyt abegetreten sieud, doch mit sulchem undirscheide alz
hernachen beschrieben steet: alzo daz dy vorgnanten herren, her
Johannes unde her Frenzcel den gnanten zciens ynnemeu unde uf-
heben schullen, dy wile sie leben; wenne sie aber abgeen, so schal
der vorgnante zciens ewiclichen furbaz me zcu der ewigen messe,
dy dy Ortwynyn unde Niclaus unde Mathias ire sune gestift haben
unde Btieften wollen, gehorin unde eyme priestere, der dy messc
liest, alz hy vor geschrieben steheet, gevallen. Darzcu so globen
wir unde unsere erben, wenne wir daz getun mugen, daz wir yn alz
eyn gut gewissen zciens an eyner andern stad, wo wir mugen, zcu
der gnanten ewigen messe zcu eym eygen schicken unde bewiesen
wollen, unde wenne wir daz getun, so schal man uns unde unsern
erben diesen geinwertigen brief widergeben unde schullen furbaz mer
des obgnanten zciens vry quyt ledig unde los sien. Das daz stete
gancz unde unvorbrochenlichen gehalden werde, des haben wir ge-
meynlichen dy burgere von der stad zcu Kempnicz vlelichen gebeten,
daz sie zcu eyme bekentnis unde zcu eyner ewrkunde dieser vor-
schrieben sachen, dy in ir geinwertikeit gescheen ist, der stad
gros ingesigel durch unser bete willen an diesen geinwertigen brief
haben lazen hengen, der do gegeben ist nach gots geburt driczen
hundert jar in deme acht unde sechzcigesten jare am suntag vor
sende Thome tag des heiligen zcwelfbotin.
a) Offenhar identisch mit Franczko %md Johannes Albi (8. 87 Z. 4. 5).
No. 48. 1871 Not. 21.
Hdschr. : Orig. Perg. Rathsarchiv Chemnitz No. 15 b. Fur die beiden fehlenden Siegel
sind Einscnnitte im Pergament vorhanden.
In nomine domini. Amen. Sagax humane fragilitatis discrecio
nos aminonet, ea, que ex nostra certa sciencia emanant, in tempore
scripturarum serie perhen|nari, ne simul cum tempore ab hominum
memoria evanescant. Nos igitur Fridricus del gracia episcopus
ecclesie Merseburgensis unlversis et singulis in perpe | tuum presencia
visuris et audituris nolumus occultari, quod honestus et discretus
vir Franciscus de Swenkensteyn opidanus in Kempnicz | volens de
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N'achtrage zum Urkund^nbuche der Stadt Chemnitz. 297
terrenis bonis a deo coUatis sibi iu celestibus thesaurizare a famoso
milite Hinrico Marscalco de P>oburg justo empcionis titulo quatuor
sexagenarum lata rum redditus in et de vilU infer iori Frankenhayn
annis singulis ministrandas et levandas (sic!) comparavit ipsasque
cum omnibus suis juribns, sicuti a nobis et ecclesia nostra in pheodo
aliauamdiu tenuit et possedit, ad altare beate Marie virginis in
ecclesia sancti Jacobi opidi Kempniczensis Misnensis diocesis in
sui et progenitorum suorum animarum remedium salutare assignavit
donavit et legavit, supplicans nobis instanter et devote, quatenus
ipsos redditus predicto altari annectere et incorporare dignaremur.
Yolentes itaque in augmentum missarum oracionum ac divini cultus
acceptabile deo servicium impendore ac fide.is nostri dilecti Frans-
cisci (sic) predict! pium affectum in laudem sancte et individut^
trinitatis ac beate Marie virginis in effectu adimplere, libera
nicbilominus resignacione omnium, quorum intererat, precedente,
de consensu et voluntate unanimi tocius capituli ecclesie nostre
Merseburgensis prenotatas quatuor sexagenas in et de villa
Frankenheym ut prefertur ministrandas cum omnibus suis juribus
pertinenciis et usufructibus, que eisdem insunt vel in esse uoterunt
iu futurum, predicto altari beate virginis Marie annectimus aouamus
approbamus et in dei nomine incorporamus, nichil nobis et ecclesie
nostre in eisdem juris reservantes. Et ne hec nostre incorporacionis
sollempnitas in posterum calumpnie vicio polluatur presentem
litteram nostro et capituli nostri sigillis dedimus communitam.
Et nos dei gracia Potrus prepositus, Bodo decanus totumque capi-
tulum ecclesie Merseburgensis pretacte, ad exprimendum consensum
nostrum et voluntatem premissis affuisse, uude sigillum nostri capituli
una cum sigillo reverendi in Ghristo paths ct domini nostri domini
Fridrici episcopi presentibus dedimus appendendum. Sub anno
domini millesimo trecentesimo septuagesimo primo, vicesima prima
die mensis novembris.
Ko. 46b. 1379 Joli 19.
Gekorne ScMedsrichter machen etnen Vergleich zwischen dem Alt-
zeller Mondte Franciscus und dem Chemnitzer Burger Ntcolaits
Ortwini wegen des dem erstern vertragsmcissig zugesicherten Bechtes,
im Hause des letztern zu wohnen , so oft er nacn Chemnitz komme^
wegen einer Summe von 18 Schock und anderer Streitpunkte,
Hdschr. : Orig. Perg. PiirstL und graft. Schonburg. Gesammtarchiv Glauchau.
Loc. 421 No. 16 b. 4 unten au/gedruckte Siegel (1. 2. griin , 8. 4. roift) sind
his auf wenige Beste abgefallen. Das am Rande schadhafte Archidiaconaissiegel
an Pergammtstr. zeigi ein dhnliches Bild, tcie Tafel 2 Fig. 6; Umschrift:
Sigillum arehidiaconatus
Nos Luppoldus de Hudnicz ») professus monasterii beate Marie
virginis in Kemp|nicz ordinis sancti Benedicti, Frowinus, Petrus
de Borch canonicus ecclesie sancti Ge|orgii in Strigonio^), Andreas
Helwici altarista in hospital! extra mu|ros Kempnicz, Johannes
Franko notarius civitatis Kempnicz et Franciscus Swenkinsteyn civis
in Kempnicz singnificamus tenore presencium quibus expedit uni-
versis, quod religiosus vir dominus Franciscus c) professus monasterii
Veteris Celle beate Marie virginis ex una et discretus et circum-
») Erscheint 1875 und 1876 als Prior des Benediciinerklosiers (S. 89, Z, 88,
S. 88.5, Z. 1.
b) Oran in Vngarn?
c) IdmUsch mit Franczko Albi (87, 4) oder Wisltennel (No. 89 b).
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298 Hubert Ermisch:
spectus vir domiuus Nicolaus Ortwmi civis iu Kempnicz parte ex
altera nos ad concordandum et amicabiliter inter eos componendum
quarundam dissensionum materias, que iuferius exprimuntur, con-
corditer elegerunt Quarum disseiisionum materia talis erat, quod
predictus dominus Franciscus eundem Nicolaum Ortwini vigore
cujusdam littere sigillate sigillo archidiaconatus Eempniczensis super
quodam certo articulo in eadem expresso, videlicet quod antedictus
Nicolaus ipsum dominum Franciscum, quociens in Kempnicz ve-
nierit, in domum.suam cum familia sua suscipere deberet et honeste
pertractare, et pro XVIll sexag. gr. Misnensium et quibusdam rebus aliis
inpetebat. Nos igitur consideratis eis, que nobis per utramque partem
proponebantur, et inter nos eis diligenter ruminatis et matura deli-^
beracione discussis, attendentes in humanis rebus nichil melius esse
amicicia, primo pronuncciavimus et presentibus pronuncciamus, inter
Sartes predicts s bonam debere esse amiciciam, secundo quod pre-
ictus Nicolaus Ortwini solvere debet et pagare domino Francisco II
sexag. gr. Misnensium in parato, quibus solutis ipse Nicolaus liber
solutus' et quitatus in perpetuum esse debet ab omni inpeticione,
tarn a suscepcione domini Francisci in bosj^icium suum sive domum,
a XYIII sexag. predictis ac rerum omnium aliarum, de quibus dominus
Franciscus ipsum Nicolaum hactenus inpetebat, et quod vigore istius
littere predicte dominus Franciscus eundem Nicolaum nuncquam in
antea inpetere debet, set ad omnia puncta et capitula in ea contenta
et dominum Franciscum concernencia nuUam roboris optineat firmi-
tatem. Acta et pronuncciata est hec amicabilis composicio anno
domini M^GCCLXXIX., feria tercia proxima ante festum beati Jacobi
apostoli. In quorum omnium evidenciam pleniorem presentem nostre
concordacionis litteram nostris sigillis duximus sigillandam.
Et nos Theodericus officialis venerabilis in Christo patris ac
domini domini Heinrici abbatis et archidiaconi Kempnicensis pre-
sentem litteram et omnia in ea contenta appensione sigilli nostri
officii ratificamus approbamus et confirmamus.
No. 57 b. 1889 Nor. 26.
Heinrichj AM des Bendictinerklosters zu Chemnitz^ vergleicht den
Altaristen des Altars corporis Christi Johannes Albt und den
Burger Nicolatcs Ortwyni zu Chemnitz wegen des genannten Altars
und der Einkunfte aus dem Dorfe Meinersdorf.
JSdschr.: Orig.Perg.(Uniiert). Furstl. und graft. Schonhurg. Qesammiarchiv Glauchau.
Loc. 424 No. 181. Unbedeutende Reste des Siegels an Pergamentsir.
Nos Heynricus dei gracia abbas et archidiaconus Eempniczensis
recognoscimus tenore presencium publico profitendo, quod ( constituti
nostri in presencia discreti et honesti dominus Johannes Albi rector
altaris corporis Christi in ecclesia parochiali sancti Jajcobi in Eem^-
nitz ex una et Nicolaus Ortwyni opidanus Kempniczensis Misnensis
diocesis parte ex altera monentes et | proponentes quasdam litigii et
controversie cans as eciam alias coram nostro officiali motas et pro-
positas, super quibus amicabiliter decidendum in nos tanquam arbi-
tratorem et amicabilem compositorem non compulsi set ex certa
sciencia libere spontanee compromiserunt quidque sic per nos die-
tatum decretumve fuerit, sub pena solucionis medio carrate bone
cerevisie Kempnitzensis nobis sine fraude et contradiccione se ser-
vaturos perpetue promiserunt, nos igitur Heynricus abbas et archi-
diaconus predictus habita premeditacione matura et consiliis nostro-
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Nachtrage zum Urkundenbuche der Stadt Chemnitz. 299
rum freti ipsas partes i)remissas uuivimus et coucordavimus in hunc
modum, quod ipse dominus Johannes Albi predictus a celebracione
siye officiacione altaris sui si maluerit per amplius debeat propter
sui visus debilitatem penitus esse liber solutus et quietus suique
census de villa Meinerstorf suo altari annexa et appropriata omnes
integri videlicet pecuniarum puUorum et caseorum et de bleka sive
dealhatorio, si quos habet, terminis debitis, dempta una sexagena cum
viginti grossis usualis pagamenti, dari et solvi debebunt domino
Johanni sepe dicto, omnibus dolis et contradictionibus proculmotis.
Dictam quidem sexagenam cum XX gr. Nicolaus Ortwyn sublevare
debebit et officiacionem sive celebracionem dicti altaris de eisdem
plenarie procurare et in tantum, si opus fuerit, dicte summe pecu-
niarum addere, quod officiacio sive celebracio altaris memdrati nullum
decrementum in aliqua sui parte paciatur. Insuper rusticos sive
homines dictam villam Meinerstorf inhabitantes Nicolaus Ortwyni
protegere et gubernare debebit in suis juribus villam conservando
suis propriis sumptibus et cxpensis. In quorum omnium et singu-
lorum premissorum testimonium presentem litteram nostri sigilli
majoris muninime fecimus roborari. Datum et actum anno domini
millesimo trecentesimo octuagesimo nono, feria sexta proxima post
Elizabeth vidue.
Ao. S9. 1414 Febr. 18.
Hdschr.: Ort'g. Perg. Rathsarchiv No. 82 b. Das Oenmiensiegel an Pergamentstr.
, Durch et'nen Einschniit cassiert
Wir Friderich der elder von gotes gnaden lantgrave in Doringen
marcgrave zcu Missin und pfalczgrave | zu Sachsen bekennen und
thun kunt offintlichen mit diesem briffe alien den, die yn sehin
adir horen lesen, | das vor uns kommen ist groz czweitracht und
unwille, der gewest ist czwischen den reten und der gemeynde |
unser stat Eempnicz unsern liben getruwen, darumbe wir eynen
sacz czwisschen yn gemachet haben, als hirnach geschrebin stehit,
und woUen ouch emstlichin bie unsern hulden, daz der also ge-
halden werde, als ferre sie unser swere ungunst vormyden woUen.
Czum irsten seczczen und wollen wir, daz alle ynnunge der hant-
werke, die sie bisher gehabt haben, genczlichin abe sin ouch nicht
meister haben sollen, sundem zcusampne mogen sie gehen mit
willen des rates. Ouch sollen sie kevne uffseczcze noch eynunge
machen under yn hinder dem rate. Worde yn ouch ichtes gebruch
adir not, des sollen sie sich an dem rate irholen. Wer ouch in
eynem handwerke meister werden wil, der sal zcu den kerczen
desselben handwerkes czwey pfund wachses gebin. Ouch sollen die
rethe vir bannyr machen lassin, ab der die stat gereyte nicht hat,
und sollen uss iglichem virteyle der stat czwene kisen, eynen uss
dem rate und eynen uss der gemeyne, und man sal yo czwen eyn
bannyr befelen, ab des der stat adir unser herschafit nod geschege.
die dy bannyr vorstehin und vorwesen nach unser [herschafil una
der stat besten. Ouch seczczin wir, daz furdermer dry burgermeister
und drie rete nach uuserm rate sin sollen, die der aide rat sal
kisen und wir sie bestetigen sollen, also daz y obir daz dritte jar
eyn burgermeister mit synen eydgno^en siczcze, als Jferre sie daz
umbe uns und unser herschafft behalden. Wir wollen ouch, daz alle
jar vir uss der gemeyne in dem rate siczczen. So sollen ouch
czwene uss dem alden rate in dem nuwen rate siczczen bliben, uflf
daz daz sie den nuwen rat sulcher gescheffte, als daz vorgangen jar
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300 Hubert Ermisch:
in ilem rate gehaudelt sin, deste baz uuderrichten mogen. Ouch
sal furdermer eyn iglicher schopen von alle syner babe, woran er
die hat, und von alien synem ^ewerbe. Waz ouch der rat furdermer
gcschopes nymmet, daz sollen sy von manne zcn manne berechin.
Des zcu orkunde haben wir unser insigil an disen briflf wissentlicliin
hengen lassin, der gegebin ist nach gotes geborte virczen hundert
jar damach in dem virczenden jare am dinstage vor sendte Valen-
tin! tage.
Za Ko. 91. (1415 Mai 16.)
In einem auf Bitten des Jdh. Hauschilt, Altaristen des Altar es des
Evangelisten Johannes in der Jacobikirche zu Chemnitz, aufgenommt-
nen Notariatsinstrumente des Notars Johannes Walack, d. d. Chem-
nitz 1513 Julil9 (Orig. Perg, Rathsarchiv Chemnitz No. 104b J ist die
nachstehende Stclle transsumiert, nach welcher der fragliche Haus-
Jcauf bereits 1402 stattgefunden haben soil. Entnommen ist diese
Stelle einem antiquissimum missale, in cujus marginibus scriptura anti-
quissima necnon jura ipsius domus altaris sancti Johannis evangeliste
comperta fuere, que vix ob eorum antiquitatem legi potuerunt Diese
Beschreibung berechtigt wohl zu Misstrauen gegen die Genauigheit
der Wiedergabe; der gleichzeitige Eintrag des Geschossbuches dUrfte
mit Bezug auf die Zeitangabe als zuverldssiger gelten konnen.
Propter carentiam hospitii ipsius altariste altaris corporis Christi
magister Nicolaus Hunter motus pietate dimidietatem domus quondam
Schwengkensteyn emit eamque dotavit legavit et donavit in perpe-
tuum prefatum altaristam (sic) possidendam se devotione sue (sic)
recommendans devotissime supplicans et precordialissime affectans
ab eodem, qui tunc est cappellanus, quatinus ob amorem divine
pietatis et misericordie ob vicissitudinis recompensam ipsius magistri
Nicolai singulis quatuor temporibus anni de sero cum vigiliis mane
missa pro defunctis dignetur habere memoriam et eidem suffragari
ob spem eteme remunerationis in boc onerans suam conscienciam,
quia per multa incommoda, que ratione altaris prefati passus est,
plura commoda eidem altar! acquisivit. Item preiata domus a cap-
pellanis duobus scilicet altaris corporis Cbristi et sancti Johannis
evangeliste debet possideri. Et definitum est per consilium civitatis
pro(?) cannali ipsius domus, quod vicinus scilicet Baltasar aut ipsius
poster! ipsam domum inhabitantes sine prejuditio et damno ipsorum
cappellanorum locari et teneri debet, ipsi vero cappellani in recompen-
sam tenebunt partes sub cannali precogitate domus. Alios vero parietes
et circumferentias curie seu partes posterioris domus quilibet tenebit
pro parte sua sine prejuditio et damno sui vicini. Hoc definitum est
anno M^CCCCII. proconsule Melzer existente et scriptum ad missale
per magistrum Nicolaum Huter protunc altaristam instauratum.
No. 91b. Chemnitz, 1415 Augr. 28.
Nicolaus Ebersdorf, Canonicus in Biebra und Zscheila und Altarist
des Altars der hh. Barbara und Margaretha in der Jacobikirche
zu Chemnitz, eignet dem bestdndigen Vicar der letztgenannten Kirche,
den Altaristen mehrerer Altdre in derselben und im Georgshospital
und dem Fleban zu 8. Nicolaus sowie deren Nachfolgern jdhrtiche
Zinsen von einzeln aufgefuhrten GartengrundstiUcken bei Chemnitz,
und bestimmt die Verwendung derselben zu Seelenmessen und
Almosen.
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Nachtrage zum Urkundenbuche der Stadt Chemnitz. 301
Hdnchr.: Orig. Perg. FnristL and griifl. Schdnburg. Oesammtarchtv Glauchnu.
Loc. 421 No. 24. Mit Einschnitten fur 14 Siegel, von clenen 4 erhalten, fur H
weiiere Reste con Pergamentxir. vorhanden sitid. 1) Schild: undeutltche Figur.
Umschr. : S. Nicolai de Ebersdorf. 2) Bild h. Maria. VmscHtr. : 8. Johannis Hil-
brandi .... 3) Vgl. Taf. 1, No. 7. 4) Bild : Brmtbild eines Heiligtn mit dem
Kelche in der Linken. Umschr.: Sigillum Gregorii Luterbach.
In nomine domini. Amen. Cum universorum , Hinc est,
quod ego Nicola us Ebirsdorf presbiter sanctorum Justi et Clementis
in Bybra Maguntinensis et sancti Georgii in Sczilaw Misnensis diocesis
canonicus necnou sanctarum Barbare et Margarethe altaris in ecclesia
sancti Jacobi in Kempnicz dicte Misnensis diocesis altarista
infra scriptos redditus annuos per me proprio de peculio comparatos
ac legitime possessos et in proprios usus redactos coram te notario
publico et testibus astantibus irrevocabili donacione circumspectis ac
discretis viris Conrado vicario ijerpetuo ecclcsie parrochialis sancti
Jacobi in Eempnicz, magistro Nicolao Htiter corporis Cristi, Johanni
de Witchendorf sancti Sigismundi *), Johanni Malczmeister beate
virginis et omnium sanctorum ac sancti Georgii in hositali, Paulo
Judficis Jobannis evangeliste, Gregorio Luterbach sancte trinitatis,
Petrq Ybener sanctorum Petri et Pauli et Uelferico sancti spirit us
altaristis in dicta ecclesia parrochiali altarium et extra muros Kemp-
nicz ac sancti Nicolai plebano omnibusque ipsorum et meonim in
altar! beatarum Barbare et Margarethe successoribus pcrpetue dedi
tradidi et donavi ac presencium tenore do trade et dono melioribus
modo et forma, quibus dona clones cultui divino factas fieri conswe-
verunt, sub infra notatis clausulis et ordinacionibus perpetue possi-
dendos et ab infra scriptis censitis seu colonis et ipsorum in sub-
scriptis ortis successoribus pro tempore ex temporibus coUigendos
recipiendos exigendos et distribuendos, quovis impedimento omnium
ac quorumcunque meorum heredum, cujuscunque condicionis exti-
terint, penitus semoto. Orti denique uno solo mutuo sunt sibi connexi
et adherentes de agro quondam decimali partiti et in ortos redacti,
inter ripam Berlspach, viculum parvum et ortos Johannis Rotolfi et
rure Andree Erhardi in singulis quatuor later ibus confrontati. Horum
coloni et censuales medietatem reddituum in festo sancte Walpurgis
et residuam in festo sancti Michaelis solvunt medietatem: Petrus
Essche sex grosses, Petrus et Paulus am Ende X grosses V hellenses,
Smedichin VI grosses, Morensmyd XII gr., Stephan Fisscher XII gr..
Thumimicht XIII gr., dy Hubenerinne VI gr., Gundeloch XII gr.,
Lange Nickel VI gr., Heinrich Gotfrid X gr., Langbusch XXVI gr.,
Paulus Fisscher VI gr., Lubisch V gr., Pauel Romer IIII gr., Paulus
Swenkensteyn XII gr., Apecz in der Awe VIII gr., Hennil Fisscher
VI gr. , Nickel Burkirsdorf V gr., Thyme Gyseler XH gr., plebanus
VI gr. , Gobil XII gr., Springer XII gr., Heynrich Vogeler VI gr.,
dy Lenemanynne XIII gr. et Nicolaus Ebirsdorf V gr. Horum
reddituum summa ad tres sexagenas et quinquaginta unum grossum
et V hellenses se extendit. Insuper et tres ortos ante valvam
claustralem, quorum possessores seu coloni pronunc Weczil sutor
unius, Conradus Wayner alterius et Pauil Flechser tercii existant,
quorum qailibet XII gr. solvit annuatim medietatem in festo Wal-
purgis et residuam medietatem in festo Michaelis, simili dona-
cione supra scriptis dominis cessi ac pleno jure donavi census
ipsorum totaliter in ipsos transfundendo. Prescriptoriim reddituum
distribuciones ordine subscripto temporibus perpetuis ita serva-
buntur et exequantur. Inprimis quidem iidem domini vicarius per-
a) Ideniisch mit Joh. Hildebrand (S. 7S Z. 80).
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302 Hubert Ermisch:
petaus pro tempore nomine plebani existens et altariste, qui pre-
sentes in opido Eempnicz fuerint, duos ex se ordinabunt redmtus
jam dictos in singulis scilicet terminis Walpurgis et Michaelis me-
dietatem a dictis ortorum colonis repetentes et coUigentes. Ordine,
ut inferius describitur, distribuant absque impedimento. Primo eq^uidem
plebanus certum diem, prout ipsi competere videbitur, post singulos
dies Walpurgis et Michaelis censibus coUectis prefiget, in quo ipse
plebanus cum suis cappellanis ac altaristis tredecim vel quatuordecim
in numero personis seu cum aliis assumptis ad hoc in defectum al-
taristarum in ecclesia ») parrochiali Kempnicz vesperis finitis con-
venient, vigilias sollempniter incipiant et cum novem leccionibns de-
cantabunt subsequentique die singuli ipsorum missam pro defunctis
cum commemoracione mei meorumque progenitorum celebrabunt
commemoracionemque generalem videlicet „Non intres in judicium"
alte legant et cum responsoriis conswetis ac Salve Regina decan-
tando. Ob hoc distributores ordinati cuilibet personarum presbite-
rorum quatuor grosses' censuales distribuent et duos per nos nummos
usuales adicient cuilibet in summa missa ad altare offerendos. Vitricis
vero ecclesie extunc, ne ecclesia in aliquo gravetur, tres grosses
dabunt et ministro vel campanatori, qui representacionem feretri
omet, luminaria incendat et extingwet, sedilia locet et conpulsacionem
faciet, qualibet in commemoracione tres grossos, regenti chorum,
ut summam missam cum scolaribus tractim decantare faciet, pro
defunctis unum grossum ministrabunt. lidem deni^ue coUectores
in eisdem commemoracionibus leprosis in leprosario existentibus
cuilibet ad manus equali divisione XV gr. proiciantur (sic) et
pauperibus in dome, que conventus volgariter nunccupatur, pro
reparacione domus seu in alios usus necessaries secundum exi-
genciam inibi commorancium similiter XV gr. ministrabunt. Pre-
terea ne occasione premissorum debita servicia ac conswetudines
cuiquam subtrahantur, ordinati coUectores plebano pro tempore
existenti census decimales de prescriptis redditibus ab olim debitos
in singulis terminis Walpurgis et Michaelis XIj (=11 Vi) gr., quorum
summa ad XXIII gr. annuatim se extendit, aliosque X gr. de novo
per me deputatos eidem, quorum medietatem ipsis prenominatis
terminis ministrabunt. Insuper quia prescripti redditus statute muni-
cipali sunt subjecti. dicti coUectores consulibus in opido Eempnicz
temporibus debitis de quatuor et dimidia marcis solvent impositam com-
muniter exaccionem. Preterea coUectores, qui ordinati fuerint, ut
premissum est, ut diligencius commissa exequantur, quilibet quatuor
gr. de dictis redditibus de anno pro laboribus sibi inbursabit. Denique
omnibus et singulis, ut prescribitur, ordinatis distributis et expeditis,
iidem coUectores plebano et altaristis aut ipsorum IUIot ex ipsis
faciant racionem. Si quid de dictis redditibus superfine et in reposito
fuerit repertum, cum scitu plebani et altaristarum in usus egenorum
et presertim pauperum, qui alias erubescant mendicare pubUce, con-
vertetur, super quo ipsorum distributorum consciencia oneretur.
Quodsi futuris in temporibus per quemquam succedencium impedi-
mentum aliquid orietur, quod premisse ordinaciones non transsient
in effectum, extunc consules ipsius opidi, ut possint et valeant, in-
stare monere et procurare, quod predicte ordinaciones progressnm
realiter consequantur, plenum posse ob honorem ecclesie obtinebunt.
Ut autem premisse donaciones et ordinaciones irrevocabiliter per-
a) ecclesie, Original
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Nachtrage zum Urkundenbache der Stadt Chemnitz. 303
petaam obtineant firmitatem, te Gregorium notarium publicum requiro
debita cum instancia, quatenus presentes litteras donacioncs ordi-
naciones et disposiciones in se premissas continentes in pnblicam
redigas formam signo et subscripcione tuis modo consueto, testes
super hiis debitis requirendo. Sigillum denique meum presentibus
duxi appendendum et nos Gunradus perpetuus vicarius, Nicolaus,
Johannes, Johannes, Paulus, Gregorius, Petrus et Helfericus preno-
minati per nostrorum sigiUorum appensioncm omnibus premissis
nostrum consensum recognoscimus accessisse. Acta sunt nee anno
domini M* CCCCXV®, indiccione octava, sede vacante, XXVIIf. die
mensis augusti hora sexta vel quasi, in ecclesia parrochiali sancti
Jacobi in Kempnicz Misnensis diocesis, presentibus honorabilibus et
discretis viris magistro Nicolao Belger de Dresden, domino Petro
Heyczer de Emfredisdorf et domino Nicolao Grabaczsch de Czwickaw
testibus Misnensis et Nuemburgensis diocesium ad premissa specialiter
vocatis et rogatis.
£t ego Gregorius Luterbach de Kempnicz clericus
(SignumX Misnensis diocesis publicus sacra imperiali auctoritate
Notarii./ notarius, quia premissis — interfui — , super eo hoc
publicum transsumptum confeci — .
Ko. 91 e. Meissen, 1416 Juni 22.
B. Budolf V. Meissen bestdtigt die Stiftung eines in der Jacobi-
kirche zu Ehren der Empfdngnis Marie, der Apostel Petrus und
Patdus und der hh. Bonatus, Maria Magdalena, Juliana und der
11000 Jungfrauen begruTideten Altars und seine Botisttion mit
7*1% Schoch jdhrlicher Zinsen auf GrundstUcken in und bei Freiberg,
Hdschr.: Orig. Perg, Rathsarchiv Chemnitz No. 88 b. Das Siegel an Pergamentttr.
Rudolfus dei et apostolice sedis gracia episcopus Misnensis.
Sane quia certi census annul puta septem sexagene cum dimidia
grossorum Misnensium Fribergensis monete de certis domibus habi-
tacionum agris pratis ortis et possessionibusaliis singulis annis in suis
terminis per certos incolas m et prope opidum Kempnicz nostre
diocesis habitantes, videlicet Johannes Kolers de ortu suo decem et
octo gr., de ortu Judicis novem gr., de ortu Hermann Kempfen
duodecim gr., Hannes Slegil de suo ortu septem gr., Frenczel Wulff
de domo quadam proprie gerbhus quatuor gr., de ortu Nickel Berg-
wayner octo gr., de ortu Nicol. Slagkenwerde duodecim gr., de ortu
Johannis Hertkeze duodecim gr., de ortu Ylman Keler sex gr, de
ortu Nicol. Klugen quatuor gr., dictus Vnger quatuor gr. de quodam
horreo, de domo et ortu Hannes Strokirchen duodecim gr., de domo
et ortu Petir uffin Tamme Hllor gr., de horreo Nicol. Ritter sex gr.,
de domo et ortu Katherine Tuscherinne viginti gr. , de ortu dicti
Haldenort quatuor gr., de ortu Winkeler novem gr., de ortu Johannis
Sydel quinque gr., de ortu Nicol. Czindeler quinque gr., de ortu
Conradi Eschin octo gr., de ortu Nicol. Molner novem gr., de ortu
Vlrici Snyder quatuor gr., de ortu Math. Sybottenhain septem gr. et
dimidium, de ortu Johannis Ebirhard novem gr., de ortu Nicol. Boseler
quinque er., de ortu Markenstorff quatuor gr., Math. Yues de quodam
stabuio duos fix.. Math. Lodewig de quodam horreo duodecim gr.,
de horreo Petir Kuppfirsmid decem gr., de ortu Nicol. Klugen duos gr.,
de ortu Frenczil Ebirhard quatuor gr., de ortu et molendino Michil
Habirberger quindecim gr., ae molendino Kempniczensi quindecim gr.,
de molendino alio videlicet walkmolen nominate sex flor. Yngaricales,
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304 Hubert Ermiscli:
Johannis Friczen quindecim gr. de suo cellario, dictus Magdeburg
et Haunes Scbultheis sex gr. de quodam fossato, Pauul (sic) Romer
de horreo duodecim gr., Nicolaus Boseler vigiuti gr. de quadam
Secie (sic)' 2Lgri uff den Stein gruben, per eosdem et eorum successores
e possessionibus supra dictis perpetuis futuris temporibusque solvendi
absque impedimento — in dotem et proprietatem altaris sub' titulo
et festo conceptionis Marie virginis iutemerate, sanctorum Petri et
Pauli apostolorum , Donati martyris, Marie Magdalene , Juliane et
undecim milium Tirginum in ecclesia parrocbiali dicti opidi Kempnicz
fundati et consecrati per certos Christi fideles — empti et comparati
per provides ac honestos magistrum civium et consules opidi antedicti
nobis sunt oblati cum supplicacione debita ac derota, quatenus dictos
census — altari addere unire ac ipsum — confirmare — dignaremur :
nos igitur — altaris — fundacionem dotacionem et ordinacionem —
confirmamus . Altarista vero altaris ejusdem singulis diebas
per se vel alium missam in dicto altari tenebitur celebrare et plebano
ibidem nomine restauri decem grosses annuatim ministrabit. Jus pa-
tronatns vero altaris prefati magistro civium et consulibus opidi ante-
dicti omnino reservamus — . Datum et actum Misne anno domini mille-
simo quadringentesimo XYI^ feria secunda infra octavas corporis
Christi autentico nostro sub sigillo.
Ao. 128b. 1441 Jan. 4.
Hdscltr.: Orig. Perg. Ratlimrchiv Ch&nmiU No. 48 b. Das Stadtsiegel (Taf. J, Fig. 3)
an Pergamentgtr.
Heinrich Friczko Biir germeister^ Hans Marckirstorff, Paul Eckart,
Nickil von Czwickaw, Glaus Czansptl, Paul Swertfeiger, Hans Kune,
Cuncz Schlusser, Caspar Smedichin,Petir Hotret^ mckil Eckarty
Caspar Springer ^ Jocof HUlebrand, Paul Bachman, Nickil Wayner^
Hans Sipienhain, Nickil Stange, NickU Hofmann^ Caspar Czymmer-
man geschworne Rathmannen des neuen und alien Bathes verkaufen
vom Bathhause und alien Ghutern der Stadt 2 Schock scMdechter
Groschen Freiherger Munze jdhrl. Zinses, zahlbar halb auf Wal-
purgis und halb auf Michaelis^ dem Hans Marckirstorff und seiner
Oemahlin Katherina fUr 30 Schock gleicher MUnze unter Vorbehalt
desWkderkaufs nach einHalbjahr vorher erfolgter Kundigung, Nach
dem Tode des Hans M. soil seine Oemahlin Katharina den Zins
beziehen^ nach beider Tode aber soil er zcu eyner ewigen messe zcu
eynem altar vor der stat Kempnicz in sente Johannis kirche *), do
daz begrebnis ist, kegin sente Andreas altar obir in dem wjrnkel zcu
troste em seln unde alien den iren dy von hynnen vorscheiden sint
gereicht werden. Auch sullen dy obgnanten burgermeister unde
rathmannen gesworne der stat czu Kempnicz des egnanten altars
rechte, lehenhern sien — , ouch alzo bescheidelich , weme sy den
egenanten altar lihen wurden, daz derselbige caplan selbis doruf
wonen beleisen sal unde mit keyme mytlinge bestellen unde durch
syn globde dy obgnanten lehenhern daz von om ufneymen sullin — .
Ggbin — virczehin hundert jar dornoch in dem eyn unde virczigisten
jare an der methwochen vor der heiligin dry konige tage.
a) Der 1441 Mai 10 confirmierte TrvnitaUsaltar. Vgl. No. 129 und No. 111.
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Nachtrage zum Urkundenbuche der Stadt Chemnitz. 305
JSo. 129 b. 1441 September 8.
Peter SchuUis zu Mittweida tritt dem Bathe seine Lehenrechte iiber
den Altar tJLF. und aller Heiligen in der Jacobihirche ab.
Hdschschr.: Orig. Perg. Rathsarchiv Chemnitz No. 44 b. Das Siegel an Pergamentstr.
Schild: springtides vier/Hssiges Thier (Fuchsf). Umschr.: Sigillum Petri SchultLs.
Ich Peter Schultis dy zcit zcu der Mitteweyde gesessen bekenne — ,
daz ich — ufgelasen habe den ersamen wisen burgermeistern una
ganczen rathe der stat Kempnicz sulche lehen ober den altar ge-
legen yn sente Jacufs kirche czu Kempnicu an dem pfhiler under
dem predige3tule , der da gewihet ist in der ere des almechtigen
ewigen gotis unsers liben hern, Marien der hochwirdigen juncfrauwen
siner werden muter und yn der ere aller liben gotis hiligen, des
ich obgnanter Petir Schultis eyn rechter lehnherre creftig czu lihen
gewest byn »). Durch siinderlicher fruntschaft und gonst wille , dy
sie mynen eldem seliger gedechtenip und mir getan haben und noch yn
kunftigen cziten tun mogen, und durch sunderliches schucz wille des
egnanten altares vorczihe ich mich alle myne erben und erbnemen sul-
cher lehen, also obeii berurt ist, mit craft dicz brifis, der brife der lehen
(sic) ich mich und alle myne erben gancz geussent habe und dy on ge-
antwort habe, der denne dy obgnanten burgermeister und rathmannen
vorbas ewiclichen rechte lehnhern sin soUen, ich noch dy mynen
nymmer czu ewigen gecziten daryn halden noch reden woUen, sunder
woUen daz gancz und gar unverbrochlich, wy oben geschreben ist,
halden. Des czu orkuud und warem bekentni^ habe ich obgnanter
Peter Schultis myu insigel vor mich, alle myne erben und erbnemen
mit gutem willen und wissen unden an desen offin brif lassen hengen,
der da gegeben ist — yierczehen hundert jar darnoch im eyn und vir-
czigisten jare am fritage der geburt der juncfrauwen Marien.
a) Der Altar war 2S68 von Nicol Schultess gesUftet (No. SS) ; vgl. auch No. 45, 46.
No; 181b. 1442 Mftn U.
Hdschr.: Orig. Perg. Rathsarchiv Chemmtz No. 44 c. Das an Pergamentstr. befestigt
geivesene Siegel ist abgeschnitten.
Heinrich Friczko Bttrgermeistery Paul Eckart. Nicolaus Frei-
berger, Nickil von CewickaWy Glaus CzanspiL Paul Swertfeigerj Con-
rad SMusser, Caspar Smedichinj Caspar Springer, Hans Stobener,
Johannes Friberger, Hans Strenczil, Johannes Marckirstorff, Jocoff
Hillebrandy Nickil Wagner, Paul Bachmann, Mans Siptenhain,
Nickil Hofeman, Nickil Stange, Caspar Czymerman , NickU Eckart
geschworne Eathmannen des neuen und alien Bathes verkaufen
1 Schock scMdechter Gr. Freiberger Miinze jdhrl. Zinses, zahlbar
halb auf Walpurgis und halb auf Michaelis, dem Herrn Petir
Schultissen unserm altaristen dy czit unserm schulemeister zu dem
Altar des h. Evangelisten Johannes m der Kirche S. Jacob in dem
wynckel bie unser liben frawen altar geleigen fur 15 Schock gleicher
Miinze unter Vorbehalt des Wiederkaufs; im letzten Falle hat der
Altarist fur die Wiederkaufssumme ein ander gewyS schog jerlicher
czinsis mit Willen und Wissen des Bathes dem Attare zu kaufen,
— Gegebin — virczen hundert jar dornoch in dem czwey unde vir-
czigisten jare am suntage alz man singet in der heiligin kirchen
letare.
Neues Arehiv fL 8. G. u. A. II. 4. 20
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306 Hubert Ermisch :
No. 148 b. 1449 Oct. 28.
Hdschr.: Orig. Perg. FurtU. und graft. Schonburg. Oemmmtarchiv Olauchau..
Loc. 424. No. 185. Das an Pergamentstr. befesUgt geteesene St'egel fehlt
Biehter und Schoffen der Stadt Chemnitz, Paul Swertfeaer Vogt,
Hans Stobener, Hans Syptenhayn, Jacoff Hillebrant, Paul Eghartj
Caspar Springer und Niclaus Torhuter Schoffen , bekennen^ dass
Veit von Schonburg Bitter Hcrr zu Glauchau und Waldenburg
einerseits und der Bitter Jhan von Slinicz zu Schleinitz gesessen
andererseits mit des letzteren GemahUn Frau Anna vor gehegter
Dingbank erschienen seien und dass diese daselbst auf das von
dem verstorbenen Jungherr Heincz von Bemse ihr bestellte Letb^
gedinge mit EinwUUgung ihres Bruders Heincz vom Ende zu
Kayna als ihres gekornen Vormunds verzichtet habe, Gegebin —
tusend vir hundirt in dem newn unde virczigistin jar am aonrstage
noch sente Lucas tage.
Ao. 180. 1458. Jan. 7.
Hdsdir.: Orig. Perg, Rafhsarchiv Chemmtz No. 58 b. Das Sieqel isi ahgesdmiUett.
Anrn. : Was im Urkundenbtiche unter No. 180 mitgeOieilt wurde, ist wohl der Snt-
leur/, nidit aher die Copie dieser Urkttnde.
Wir nachgeschrebene Caspar Beyer dy czit bargermeister, Hans
Stobener, Henrich Friczko, Hans Siptenhain, Nicolaus Friberger,
Nicolaus Eckhart, Nicolaus Torhuter*), Nicolaus Gamistorf, Paul
Billich, Mattis Boumgarte, Nicolaus Tile, Caspar Springer, Nicolaus
Hofeman, Nicolaus Becker, Hans Arnold, Hans Alexius, Hans Stange,
Nicolaus Moller, Caspar Lindaw, Hans Tirpan geswome des nuwen
und alden ratis der stat Eempnicz bekennen — , daz wir mit gutem
rathe unser eldesten und eyntrechtichem willen und wissen unser
gemeyne — vorkouft haben von unserm rathnse von alien renthen
und ffutem ynnen und ussen daczu gehorende eyn schog groschen
jerlicnz czins uf eyn wederkouf sulcher moncz, alz man in der
gnanten stat uf iczlichen tag czu geschosse nympt, den ersamen
Casparn Springer, Nicolaus Eckharde und Pauln Kopperlinge unsern
burgem, dy czit vorwesere des ewi^en lichts vor unser liben frauwen
altar yn sancti Jocufs unser pfarkirche yn der lampe bornde, welch
schog iczunt gnant czu demselben licnte gehorit, haben on das
schog czins vorkouft und gegeben vor vier und funfczig Rinische
golden, dy si uns mit bereiten guten Rinischzen golde wol b6czalt
haben, dy wir forder an unser stat nutcz gewant. SoUen und wollen
das gnante schog czins den gnanten vorwesem ader iren nochkomen
reichen, halb schog der gnanten were uf Michaelis noch dato dicz
brifes schirstkonftig und halb schog uf Walpurgis nest danoch folgend,
und alle dy wile d^ser kouf wert also halden unverlich. Unser
glouber sal an der beczalung houptgutis ader czinsreichunge kein
schade, der ober dy stat geen mochte, daz got lange wende, hindern,
sundern wir wollen unser globde, wy oben geschreben ist, stete
gancz nnvorbrochlich halden ane geverde. Auch soUen dy iczunt
gnanten vorweser ader ire nochkomen von dem gnanten lichte alle
jar eyns vor eyme rathe von ynname und ufgabe rechnung tun, und
waz also.denne von desem schogke und anderm gelde daczu ge-
horende, darober auch brife sint, czu dem lichte meher ist ynge-
nomen dpn usgegeben, also bescheidelich, waz in der rechnung worde
oberlaunen und czu notdorft des gnanten lichts nicht bedorften, daz
a) Der EnUcurf fugi hier Caspar Czymmerman hinzu.
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Nachtrage zum Urkundenbuche der Stadt Chemnitz. 307
sal man geben iind reichen den armen luten yn das hospital. Und
wen dy mer gnanten vorweser abegeen von todip wegen, so soUen
sich dy burger des underwinden und vorsteen. Auch haben si uns
dy gonst getan sulch schog czins, wen wir so stathaftig worden,
abeczulosen, so daz wir on dy abelosung eyn firtil jares yorhene
kunt tun und denne uf den nesten czinstag noch der absagung dy
obgemelte houptsumma vier und funfczig Rinische golden mit den
vorsessen czinsen gancz gar und unverlich beczalen. Auch ab deser
brif vorlorn czurissen ader vermackelt worde eher der ablosung,
so gereden wir on eyn andern desem glich czu geben. Daz alle
Btucke artickil dicz brifes gancz und stete von uns und unsem noch-
komen soUen gehalden werden, des czu bekentonip haben wir unser
Stat insigil vor uns [und] unser nochkomen an desen brif lassen
hengen, der ggeben ist noch Ghristi unsers liben hern gebort XIIIIc
i*ar danoch ym LVIII. jare am sonabend noch der hiligen dryer
[onige tage.
No. 261b. Chemnitz, 1476 Not. 20.
AM Caspar bestdtigt die Schenkung von 200 Bhein. Gulden Haupt-
summe durch einen Ungenannten an den Vicarius perpetuus der
Jacobskirche und die Inhaber eerschiedener Altdre zu Chemnitz,
welche dafUr 8 Ehein, Gulden jahrl. Zinsen zu Lossnitz gekauft
haben f behufs Stiftung von Seelenmessen fUr die Famtlie des Un-
genannten in der Jacobskirche.
Hdschr.: Orig. Perg. Rathsarchiv Chemnitz No. 72 b. Das Siegel an Pergamentstr.
entspridit (ausser Wappen und Inschrift) der Taf. Ill Fig. 3 gegehenen Abbildung
(vgl. Vorbericht zum Urkundenbuch XXXIV).
Nos Caspar dei gracia abbas et archidiaconus Kempnitzensis — .
Igitur hujus rei testimonio pateat universis presentibus quam futuris,
quod reverendus in Christo pater et dominus Anthonius abbas
Czellensis ex parte cujusdam, qui nominari noluit, vicario perpetuo
ecclesie parrochialis sancti Jacobi in Kempnitz aut ejus vicetenenti
ac altaristis altarium ibidem videlicet corporis Christi, annunctiaclonis
beate virginis. omnium sanctorum, sanctarum virginum Barbare et
Dorothee, Katnerine, trinitatis, Johannis evangeliste, beatorum aposto-
lorum Petri et Pauli, Nicolai, concepcionis sive Bernhardi et altaristis
sancte trinitatis, Andree spud sanctum Johannem ac sancti Georgii
in hospitali ac sancti spiritus aut Si^ismundi extra muros Kempnitz
et eorum successoribus et vicetenentibus ducentos florenos Renenses
ad comparandum et emendum certos annuos census ac redditus,
quod prenominati vicarius perpetuus et altariste fecerunt. et octo
Renenses aureos a proconsule consulibus et tota communitate in
Lepenitz consensu generosi domini Frederici de Schonburg etc. ad
hoc interveniente emerunt et comparaverunt, uti clare in litteris de-
super datis, quos octo florenos annuos census una cum summa capi-
tali ducentorum flor. prenominatus reverendus pater et dominus An-
thonius abbas Czellensis ex parte ipsus innominati, qui sibi istos
aureos ad fideles manus dedit, premencionatis dominis vicario perpetuo
et altaristis suprascriptis omnibus melioribus modo et forma, quibus
donaciones cultus divino factas fieri consweverunt, sub infra notatis
clausulis et ordinacionibus perpetue possidendos perpetue dedit tra-
didit et donavit. Yolens deinde reverendus dominus pater pro anima
istius, qui nominatus esse noluit, progenitorum suorum salute aliquid
ordinare ac disponere , ad duo anniversaria istos octo florenos annul
census per ipsos vicarium perpetuum et altaristam et eorum pro-
20*
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308 Hubert Ermisch:
cnratores perpetiie levandis assignavit, in duobns terminis videlicet
Walpurgis et Michaelis levandis, unde ipsi vicariiis perpetuus et
altariBta prescripta duo anniversaria pro animabus parentum pro-
genitorum aniicorumque suorum et pro anima ejus innominati et
omnium ex geneloia ejus defunctorum et distribuciones ordine sub-
scripto temporibus perpetuis ita servare et exequi debent. Inprimis
quidem idem domini vicarius perpetuus pro tempore nomine plebani
existens et altariste, aui presentes in opido Kempnitz fuerint, duos
ex se ordinabunt redditus jam dictos, in singulis scilicet terminis
Walpurgis et Michaelis medietatem, a dictis censualibus et censitis
repetentes et colligentes, ordine, ut inferius describitur, distribuant
absque impedimento. Prime equidem plebanus certum diem, prout
ipsi competere videbitur, post singulos dies Walpurgis et Michaelis
censibus collectis prefiget, in quo ipse plebanus cum predicatore,
duobus cappellanis suis ac cum plebano apud sanctum Johannem et
altaristis supra memoratis, ita quod ad minus quatuordecim in numero
sacerdotes sint presentes et si aliqui absentes fuerint, plebanus
pro tempore existens assumat alios secundum nutum et voluntatem
suam, ita quod iste numerus videlicet quatuordecim sacerdotum com-
pleatur, in ecclesia parrochiali Kempnitz vesperis finitis convenient,
vigilias solempniter incipiant et cum novem lectionibus ac Salve
Regina decantabunt subsequentique die singuli ipsorum missam pro
demnctis cum commemoracione ipsius innominati suorumque pro-
genitorum celebrabunt, commemoracionomque generalem videlicet
„Non intres in judicium** alte legant et cum responsoriis conswetis
ac y,Alma redemptoris** decantando. Ob hoc distributores ordinati
cuilibet p[renomi]natorum (?) presbiterorum tres grosses censuales
distribuent et unum minimum usualem adicient cuilibet in summa
missa ad altare offerendos, vitricis vero ecclesie extunc, ne ecclesia
in aliquo gravetur, duos gr. dabunt et ministro videlicet campanatori,
qui representacionem feretri omet, lumiuaria incendet et extingwet
sedilia locet et compulsacionem faciet, presbiteros convocet^ qualibet
in commemoracione duos grossos, regenti chorum, ut summam missam
cum scolaribus tractim decantari faciet pro defunctis, unum gr. mi-
nistrabunt. Sed ne predictus plebanus suique successores in aliquo
tam pro restauro quam de vigiliis, de littera mortuorum, in qua
plebanus generalem commemoracionem dominicis diebus et feria se-
cunda per sues cappellanos faciet, pro anima dicti innominati gra-
vetur, ultra tres grossos prefatos, quos sibi racione presencie de-
bentur, deptem gr. sibi imbursabit. Preterea coUectores, qui ordinati
fuerint, ut premissum est, ut diligencius commissa exequantur, quo-
libet tempore tres grossos de dictis redditibus ambo pro laboribus
sibi inbursabunt. Idemque denique coUectores et executores vicario
Eerpetuo et ipsis altaristis de perceptis et distributis facient racionem.
i quid de dictis redditibus superfine et in reposito fuerit repertum,
cum scitu omnium in usus leprosorum egenorum et domum pauperum
que conventus nominatur publico convertatur, super quo ipsorum
distributorum consciencia oneretnr. ^ Quod si futuris in temporibus
per ^uemquam succedencium impedimentum aliquod oriretur, quod
premisse ordinaciones non transsirent in effectum, extunc aboas et
archidiaconus Kempnitzensis ut possit et valeat instare monere et
procurare, quod predicti ordinaciones progressum realiter consequentur,
plenum posse ob honorem ecclesie obtinebit Ut autem premisse
ordinaciones — irrevocabiliter obtineant firmitatem — , Anthonius
abbas Czelleiisis, vicarius perpetuus ecclesie Kempnitzensis et altariste
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Nachtrage zam Urkundenbuche der Stadt Chemnitz. 309
ibidem nos humiliter requisierunt orando, ut hujusmodi ordinacionem
disposicionem per dos admitti et id roborari et confirmari. Nos igitar
Caspar — donacionem ordinacionem et disposicionem — confirma-
mus — . Volumus eciam si prefati census per venditores eorundem
juxta litterarum seriem reempti fuerint, quociens tociens extunc
vicarius ecclesie parrochialis et altariste ibidem absque pecuniarum
predictarum sic solutarnm distraccione alios census comparare debent,
quos in locum predictorum censuum — confirmamus. Nulli
ergo -— . Si quis autem — . Datum et actum in monasterio nostro
Kempnitz anno domini M® quadringentesimo septuagesimo sexto, die
vero Mercurii, que fuit vigesima mensis novembris, abbacie nostre
sub secrete. .gx
Zn No. 269 (1478 Mai 4).
Hdschr.: Orig. Perg. Kaihsarchtv Chevtimtz No. 72 b. Das Siegel an Pergamentstr.
Die Varianten sind gam unwesentlich.
1^0. 269 b. 1478 Mai 14.
Steffan Freyberger, Matis ArnoU, Caspar Stobner, Bartel Swein-
fort und die Gemeine in der Langengasse urhunden iiber die BechU'
verhdltnisse einer von ihnen angelegten Bohnvasserleitung.
Hdschr.: Orig. Perg. Raihsarckiv Chemniiz No. 72 c. 5 Siegel an Pergamentstr.
J) Schild : du/rch eine spitewinklige Figur in drei Absdtnitte getheilt, in deren jedetn
Halbmond und Stem. Helmeier: Flug. Umschri/t ffieils unleserlich , Iheils ahge-
brochen. 2—4) Hausmarken, die Umshri/ten unleserlich. 5) Stadtsiegel = Taf. 1 Fig. 8.
Wir himoch geschrebenn Steffan Freyberger, Matis Amolt,
Caspar Stobener, Barthel Sweinfort unnd dy gemeyne in der Langen-
gassen bekennen — , das wir durch gunst willen und wissenn der er-
samenn wolweyssen Caspar Lindenaw uff dy czeit burgermeister
unnd der anderen geswome rathi^manne zcu Kempnicz ein wasser
habenn angefangen uff dem Sweinanger in eyner wepenn, dy Hans
Stobenern angehorende [war], unnd das herein in dy stadt mit roren
gefurt, uns unsern nochkomelingen zcu noczcze unnd fromen, unde
habenn uns dorober kein eynem rathe unnd eyner ganczen gemevne
vorwilliget sollich wasser czu furenn unnd czu haldenn eynem iaer-
manne ane allenn schadenn czu haldenn, unnd abe das imandis
schaden brengen worde, denselbigen schadenn vorwillige wir uns
unnd alle un^er nockomelinge mit unnd in crafft deses briffis ane
alle wederrede gutlichenn czu vorlegenn unnd beczalen. Unnd
habenn dasselbige wasser under uns also geteylet, nemelich Steffan
Freyberger ein teyl, Mattis Amolt zcwei teyl, Caspar Stobener ein
teyl, Barthel Sweinfort ein teyl unnd dy gemeyne in der Langen-
irassenn zcwey teyl. Unnd zcu eyner wedcrstatunge der bemelten
frawen Hanpen Stobener nochgelassenn witwe, das sy uns solche
gunst unnd willenn das wasser uff irer wepenn zcu fassenn gethan
hat, soUenn unnd wollenn wir obgemeltenn unnd unser nochkome-
linge der bemelten frawenn ader wer dyselbige we^e in besiczczunge
habenn werdenn, alle jar jerlichenn zcu ewigen geczeytenn, dy weyle
solch wasser reinher gefurt wirt, reichenn unnd gebenn uff Micnahelis
sebenn gute groschen unnd uff Walpurgis domoch a her sebenn gute
§* roschenn, solche moncze uff eyne iczliche tageczeit also unser gne-
igen hem von Sachssenn zcu jarente unnd geschosse nemen.
Worde sichs begebenn, das unser eyner ader mehr sein wasser eynem
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310 Hubert Ermisch:
andern sein vorlassenn welde iinnd selbist nicht gebruchenn, das sal
er Torlassen in aller mosse, wy obin clerlich bestymmet ist. Des
czu eynem warenn bekentnisse anDd stete haldonge hat unser icz-
licher sein peczir unden an desen briff heDgin lassen, der gegebin
ist nach gotis heylige gebort tewsint vir hundert jar dornocn im
acht unde sebi[n]czigi8ten jar am dornstage nach phingisten.
Ko. 369 e. 1478 Kot. 8.
Hans Alexius der Bleichrichter beurJcundei den VerJcauf der Pforteu"
mMe durch Paul Han an Ulrich Schutze.
Hdsch. : Orig. Perg. Raihsarchiv No. 72 d. Das Siegel an Pergamentstr. ScMld :
Loue. Umschrift: Sigil der bleich [in Eempnits?]; sehr undeutlich.
Anm. : Vgl. No. 266 u. 278.
Ich Hanns AUexias die zceit bleichrichter zcu Eempnitcz be-
kenne vor mich imnd alle gewercken | der bleich doselbist, das wir
Yorkauft habenn die mol gelegenn vor der Pforten zcu Kempnitcz \-
dem ersamen Paul Han burger zcu Kempnitcz nnnde haben im die
gegeben vor hundert unnde | vierczigk golden Keynisch mit aller
zcugehorung ra^mn werdern unnde raum, als wir sie vor alderp gehabt
habenn, aucn mit aller besweruug der zcin^, die dorauff sein. Solche
mol mit aller zcugehorung hat der bemelt Paul Han Ylrich Schtitczenn
burger zcu Kempnitcz uffgelapen in aller mage, wie wir sie im vor-
kauft habenn, die ich Hanns AUezius bleichrichter Ylrich Schutczen
sein erbenn unnde erbnemen in der bleich gericht gelihenn unde
geeygent hab mit willen unnd wissenn des obgnanten Paul Hanns.
Auch bekenne ich mehr gemelter AUexius, das der gnant Ylrich
Schutcze dieselbigenn hundert unnd vierczigk golden, dorumbe die-
selbige mol gegeben ist, unns wol zcu dancke beczalt unnde aup-
gericht hat, unnde sagenn in unnde sein erbenn solcher hundert
unnde vierczig goldenn ^ueit ledigk unnde lo^ vonn meinenn unnde
aller gewerckenn wegenn mit unnde in craft dieses briefs, der ge-
gebenn unnde gesigelt ist mit unsers bleichgerichtes ingesieel noch
risti geburt tausent vier hundert unnde in deme acht unnde siben-
czigistenn jhar am din stag noch aller heiligenn tag.
Zu 1^0. 885 (1898 Mai 9).
Sdschr.: Orig. Perg. Graft. Schonburg. Spezialarchiv Hinterglaiichau. Das zer-
brochene Archidtaconatssiegel an Pergamentstr. ; etn ztceites Siegel fehlt.
Die Bruder heissen Hennel und Meyner Krywicz. Die Vermuth-
ungen syme, volgen (Z. 23), nunczigisten (Z, J26) haben sich als
rimtig erwiesen. Z. 24 liest auch das Or. vseren guten.
No. 895 b. 1448 Mftrz 8.
Sdschr.: Orig. Perg. Furstl. und graft. Schonburg. Oesammtarchiv Olauchau. Loc.421.
No. 88. Ztoei Siegel (an Pergamentstr.) fehlen.
Concze und Heincee von Kouffunge hekennen, dass sie dem Abt
und Archidiacon Johannes, dem Prior und der ganzen Sammlung
des BenedictinerJclosters zu Chemnitz wiederkduflich 7 Schock neuen
Geldes jdhrlichen Zins fur 250 Eheinische Gulden nach Ausweis
des Kaufbriefes mit Gunst der Herren von Schonburg verkauft
haben, und verpflichten sich gegen die Gebrtider Veit, Friedrich und
Dietrich von Schonburg Herren zu Glauchau und ihre Erben, diese
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Nachtrage zum Urkundenbuche der Stadt Chemnitz. 311
Zinsen binnen dreiJahren oder, wenn sie nach Ablauf der dreiJahre
von den genannten Herren gemahnt werden, binnen einem Jahre
zuriickzukaufen, widrigenfalU die Herren von Schonburg oderjeder^
dem sie es vergonnen, das Becht zur Einlosung dieaer Zinsen
hctben. Gegeben — virczen hundert jar darnach in dem dry unde
virczigsten jare am fa^nacht sontage nemlichin esto mihi.
5o. 423b. 1491 Jnli 13.
Hdschr.: Orig. Perg. Haupistaatsarchiv Dresden No. 8890b. Das Siegel des Abts
an Pergamentstr. wi« To/. 8 Fig. 4. Das ebeti/alls an Pergamentstr. befesUgt ge-
wesene Conventssiegel fehlt.
Heinrichy AM und Archidiacon zu Chemnitz, bekennt far sich
und seinen Convent, dass Heinrich von Schonberg, Amtmann zu ScheL-
lenherg, auf fUrstlichen Befehl die Irrungen zmschen dem Kloster
und Nickel Steinpach zu Meyersdorff (Meinersdorf s. von Chem-
nitz?) wegen eines vom Kloster zu Lehn gehenden wHsten Gutes
zu Pleifia (w. von Chemnitz), genannt der Arnolt, dahin beigdegt
habe, dass Steinpach je 9 gute Gr- zu Michaelis und zu Wal-
purgis davon zinsen , 7 Gr. auf Martini zu Geschoss nach Pleifia
geben, dorthin zu Gericht und zu alien Gedingen gehen und
geben, dem Pfarrer als Decern jdhrlich. Vi Scheffel Korn und
Vi Scheffel Hafer geben, Kirchenheller und Hirtenlohn der Ge-
meinde gleich andern reichen und im Falle einer herfTarth noch-
folge zcoge unrue adder eyle im lande das Gut als halbes Lehn
in AnscMag bringen soil. Der Abt belehnt hierauf Steinbach mit
dem Gute. Der Abt besiegelt die Urkunde mit der Abtei Insiegel,
Johannes Kopperling Prior, Steffanus Trapschuch Kellermeister,
Steffanus Bawmgarih die Aeltesten und die ganze Sammlung mit
dem Cowoentssiegel. Gegeben — thawfent vir bandert im eyn und
nawntzigisten jar am tage Margaretbe.
No. 471b. 1587 Mai 29.
Hdschr.: Orig. Perg. Raihsarchiv Chemnitz No. 117 c. Die beiden Siegel (Taf.SFig.S
u. Taf. 2 Fig 5, letzteres fragmentarisch) an Pergamentstr.
* Hylarius, Abt und Archidiacon zu Chemnitz, Johannes Hamel
Prior, Johannes Vogt und Nicolaus Kogeler Seniores und der ganze
Convent verkaufen dem Pfarrer und den Altaristen zu Chemnitz
15 Ehein. Gulden jdhrL Zinsen zu Altchemnitz, zahlbar halb auf
Martini und halb auf Pfingsten, fur 300 Ehein. Gulden Haupt-
summe unter Vorbehalt des Wiederkaufs nach ein Vierteljahr vorher
erfolcfter Kundigung, Gegebenn — tausent funff bundert darnoch
im sibenundreyssigestenn jar dinstag nocb trinitatis.
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XII.
Die wirthschaftlichen Einrichtungen, nament-
lich die Verpflegungs-Verhaltnisse bei der kur-
sachsischen Kavallerie
vom Jahre 1680 bis zum Anfange des laufenden
Jahrhunderts. *)
Von
A« Ton Minekwitz.
Die Wirthschafts -Verfassung bei der Kavalierie be-
ruhte, wie bei sammtlichen Truppentheilen der kursachsi-
schen Armee, ursprtinglich auf dem Grundsatze, dass der
gesammte Unterhalt des Soldaten ausschliesslich von dem
fiir ihn ausgeworfenen Tractamente zu bestreiten sei.
Bei der Kavalierie hatte daher der Reiter von seinem
Tractamente nicht allein sein Pferd, seine Ausriistmig,
seine Bekleidmig selbst anznschafFen mid im Stande zu
erhalten, sondern auch sich selbst ^ so wie sein Pferd zu
unterhalten.
*) Als Quellen ftir den vorliegenden.Aufsatz sind vorzugsweise
benutzt worden: die historisch-commissariatischen Nachrichten vom
kursachsischen Kriegsstaate im Hauptstaatsarchive, ferner — in-
sonderheit fiir die altere Zeit — verschiedeDe Nummem aus dem
Rep. C. der Akten der Geheimen Kriegskanzlei; fflr die zweite H&lfte
des 18 Jahrhunderts die im Hauptstaatsarchive aufbewahrtenKonferenz-
protokolle der im Jahre 1770 mit dem Auftrage, Ersparnisse im
Militaretat herbeizuftihren, niedergesetzten Eommission.
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Die wirthschaftlichen Einrichtungen der sachsischen Kavallerie. 313
Je mehr man jedoch in Bezug auf die Organisation
der Armee dem BegriflFe naher trat, den man heutigen
Tages mit dem eines stehenden Heeres verbindet, desto
hoher steigerten sich die Anspriiche an Ttichtigkeit und
Grleichmassigkeit der Ausriistung von Mann und Pferd.
Da nun fur diese Ttichtigkeit und Gleicbmassigkeit
die vorgesetzten Offiziere einzustehen batten, so fubrte
dies ganz von selbst dabin, dass die Obristen fiir ibr Re-
giment, beziebentlicb die Eittmeister fiir ibre Korapagnie,
gegen Abzuge von dem Tractamente des Reiters die An-
sebaflfung der Bekleidung, der Ausrustung und der Pferde
in die Hand nabraen, woraus sicb scbliesslicb die sogenannte
Kompagnie-Wirtbscbaft zu einem vollstandig ausgebildeten
System entwickelte.*)
Bereits eine Ordre vom 26. Marz 1682 stellte den
Betrag des Montierungs-Abzuges auf 12 Groscben monat-
licb fest, und 1684 am 24. Marz wurde den Obristen ge-
stattet, monatlicb 8 (xroscben von dem Tractamente des
Reiters zur Pferdekasse inne zu bebalten, damit sie den-
1'enigen, so obne ibre Scbuld Ungltick zu ibren Pferden
Latten und dismontiert wtirden, belfen und dieselben wie-
der beritten macben konnten.*)
In derselben Ordre vom 24. Marz 1684 bewilligte
der Kurfurst, dass die Obristen von jedem Tbaler Tracta-
*) Der Uebergang zur Wirthschaftsfuhning durch den Kom-
pagniekommandanten erfolgte jedoch sehr allmablich, denn es findet
sich z. B. noch im Jahre 1694 in den Musterlisten eines Dragoner-
regiments in einer besonderen Rubrik die Frage, ob der Mann das
Pferd und die Montierung selbst geschafft oder von den Ofiizieren
erhalten habe. Letzteres war jedoch meist der Fall. Fttr die Bei-
montar hatte der Mann selbst zu sorgen, und in dem Handgelde,
das der Soldat bei seiner Anwerbung erhielt, waren 12 Thlr. einge-
rechnet fiir die Anschaffung von 2 Hemden, 1 Paar Lederhosen,
1 Halstuch, 1 Paar Schuhen und 1 Paar Handschuhen. Von sehr
friiher Zeit an finden sicb Abrechnungsbdcher bei den Eompagnien
eingeftthrt, in welche Guthaben, sowie Schuld des Mannes eingetragen
wurden, und auch jeder Beiter besass fur seinen Theil ein solches
Bttchel.
•) Inhalts eines Rescriptes vom 24. Mai | 3. Juni 1687 batten die
Rittraeister auch das Gewehr ftu* die Kompagnie vom Hauptzeughause
zu erkaufen, Der dafiir zu erlegende Betrag wurde als ein Vor-
schuss betrachtet, der dem Rittmeister, wenn er die Kompagnie ab-
gab, von seinem Nachfolger zu ersetzen war. Dieses Verhaltnis
hat sich bis in die splltere Zeit erhalten. Zum Unterhalt des Ge-
wehres wurde dem Eompagniekommandanten ein bestimmtes Gewehr-
reparaturgeld gewahrt.
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314 A. von Minckwitz:
mento^elde monatlich 1 Groschen abziehen und solclie
zu sich nehmen dUrften, um davon die Regimentsunkosten
zu bestreiten. Der Ertrag des Abzuges zu den Regiments-
unkosten sollte tibrigens keineswegs eine Revenue fur den
Obristen bilden. Der Ueberschuss ging demselben aller-
dings zu gute, dagegen hatte er, inhalts ausdrucklicher
Verordnung, von seinem Tractamente das Fehlende zuzu-
schiessen, wenn der Abzug des Groschens vom Tracta-
mentsthaler zur Deckung des Bediirfnisses nicht zureichte.
Zu den Regimentsunkosten rechnete man: den Auf-
wand fur Gerichtskosten, fiir Verschickungen y Porto und
alle sonstigen unvorhergesehenen Ausgaben.*)
Einige Jahre spater wurde dieser Abzug von jedem
Thaler des Tractaments auf 2 Groschen festgesetzt und
bestimmte man hiervon 6 Pfennige fur die Invalidenkasse,
sowie 6 Pfennige zum Beckengeld fiir die Feldscheere,
wahrend der Rest zur Bestreitung der Regimentsunkosten
zu verwenden war.
Unberiihrt von der Wirthschaftsfiihrung durch die
Regiments- und Kompagniekommandanten blieb die Aus-
ftitterung der Dienstpferde, welche, wie der Lebens-
unterhalt des Reiters selbst, in der engsten Wechsel-
wirkung zu den Einquartierungsverhaltnissen stand.
Hinsichtlich dieser letzteren war im Jahre 1664, als
zuerst wieder seit Beendigung des dreissigjahrigen Krieges
Kurfurst Johann Georg II. einige Regimenter zu Ross
und zu Fuss aufrichtete, angeordnet worden, dass der
Reiter von dem Quartierstande nichts zu fordern haben
sollte, als Obdach und Stallung.
*) Yon den Regimentsunkosten wurden ferner bestritten:
Znlagen fflr die Stabsoffiziere , nach dem Ermessen des Obristen,
sowie die ablichen Neujahrsbeschenkungen an 60 Thalern ftLr den
Generalauditeur, 45 Tbalern fUr den Geheimen Eriegssekretar and
45 Thalern ftir den Kriegszahbneister. Ausser den ordinHren
Tractamentsabztlgen erhoben die Begimentskommandanten Jedoch
von den Soldaten auch extraordinftre Abzuge. So waren z. B. vom
1. Januar 1682 bis ultimo Mai 1683 dem Leibregiment zu Boss
abgezogen worden: 274 Thlr. 10 Gr. zu einem Binge ftir den Ge-
neralfeldmarschall Freiherrn von der Goltz, 400 Thlr. Patheugeld
far den Oberkriegskommissar, Obristlieutenant von Bommel, 200
Thlr. wegen der neuen Fandel und Musterung, 250 Thlr. zu
einem Pferde ftir den Obristlieutenant von Bommel und 80 Thlr.
ffir den EriegssekretlLr Landsberger. Die hHufige Wiederholung
des Yerbots, dergleichen extraordinare Abzlige zu fordern, ld,sst
darauf schliessen, dass es schwer hielt^ dem Missbrauche zu steuern.
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Die wirthschaftlichen Einrichtungen der sachsischen Kavallerie. 315
Erst im Jahre 1671 trat liierzu nocli das Service,*)
wogegen man, auf Grund eines Kompromisses mit den
Landstanden, das Jalir, statt in zwolf, in zelm Verpflegungs-
monate eintheilte.
Die Repartition der Einquartierung geschah, unter
den Aemtern abwechselnd, nach dem Hufenfusse^ doch
mag hierbei viele Willkiir geherrscht haben.
Wie fiir alle militarischen Verhaltnisse, so bildet auch
fiir die Verpflegungsangelegenheiten die Reorganisation
oder vielmehr die Neuschaffung der Armee durch Kur-
furst Johann Georg III. einen entscheidenden Wende-
punkt. ®) ,
Zunachst kam am 10. Juli 1682 ein Beschluss zu
stande, welcher unter dera finanziellen Gesichtspxmkte bis
in die neuere Zeit der Kavallerie verpflegung zu Grunde
gelegen hat. Man assignierte namlich die adligen St'adte
xmd Dorfer, sowie die Amtsdorfschaften der KavaUerie,
Avahrend die schrift- und amtsassigen Stadte der Infanterie
iiberlassen blieben.')
Ferner vereinbarte das Geheime KriegsrathskoUegium,
welches im Jahre 1684 an die Stelle des Kriegskommissa-
riats trat, mit den Landstanden, dass fiir die Einquartie-
rungsrepartitionen der unsichere Hufenfnss aufgegeben
und dagegen die Eintheilung nach den Steuerschocken
getroffen wurde.
*) Das Service, bestehend in Lagerstatt, Holz, Licht, Salz,
Pfeffer und Essig, war monatlich «zu 14 Groschen angeschlagen,
welche man folgendermassen berechnete : 3 Gr. 3 Pf, ftir das Bett,
2 Gr. 9 Pf. fur das Holz, 2 Gr. 8 Pf. fttr das Licht, und von dem
sogenannten kleinen Service: 1 Gr. 7 Pf. ftlr das Salz, 1 Gr. 7 Pf.
far den Pfeffer, 2 Gr. 9 Pf. fUr den Essig. Die Offiziere, sowie die
Unteroffiziere erhielten ein nach hdheren Ans§.tzen bemessenes
Aequivalent in Geld statt des Services in natura, und zwar monat-
lich der Rittmeister 8 Thlr., der Lieutenant 3 Thlr., der Komet
2 Thlr., der Wachtmeister 1 Thlr. 18 Gr. und der Korporal 1 Thlr.
6 Gr. — Bereits 1673 wurden jedoch diese Ansfttze nicht unbetracht-
lich abgemlndert.
•) Die Ausarbeiturg der Entwtirfe, sowie die Verhandlung mit
den Landst3,Dden ruhte hauptsS>chlich in den Handen des Kammer-
direktors Geheimen Rathes Christoph Dietrich Bose d. &.
') Was die Kavallerie betrifft, so gew&hrte diese 'Einrichtung
allerdings Vorziige nur unter dem Gesicbtspunkte der Verpflegung,
w&hreud dieselbe fUr den Dienst und die Beaufsichtigung der Mann-
schaft sich als &usserst nachtheilig erwies, denn in manchen Landes-
theilen besass der Kompagniebezirk einen Umfang von mehreren
Meilen.
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316 A, von Minckwitz:
Hierbei ging man auf den ira Jahre 1628 gefertigten
Anschlag der vollen Steuerschccke zurtick, wonach die
Ritterschaft und die Aemter 5062959 Schocke zu tragen
batten. Auf diese 5062959 Schocke waren im Jahre 1682
3823 JPferde zu repartieren, so dass 1324 Schocke auf
eine KavaUerieverpflegungseinheit entfielen. *)
Einzubringen bei der Generalkriegskasse war von
einer solchen KavaUerieverpflegungseinheit das zum voU-
standigen Unterhalte eines Reiters und seines Pferdes mit
4 Thlr. 16 Gr. raonatlich ausgeworfene Tractament, wo-
bei man als Erfordernis fiir den Mann den als Portion
bezeichneten Betrag mit 2 Thir. 16 Gr., die Ration mit
2 Thlrn. in Ansatz brachte.*)
Von dieser zur Bestreitung des Unterhaltes von Mann
und Pferd bestimmten Portion und Ration ist jedoch die
hieriiber vom Quartierstande geforderte Quartier- und
Serviceportion zu unterscheiden.
Letztere betreffend, so berechnete man das Quartier
mit 12 Groschen, das Service mit 14 Groschen, und war
daher vorkommenden Falles eine Quartier- und Service-
portion mit 26 Groschen in baarem Gelde zu entrichten. *®)
AUein mehr oder minder gelangten alle die Kavallerie-
*) Oft hatte in Folge dessen ein ganzes Dorf das Erfordernis,
fiir den Unterhalt des Belters and seines Pferdes Sorge zu tragen,
und in manchen Gegenden kam sogar der Fall vor, dass mehrere
DOrfer ihren Beitrag hierzu zu leisten hatten.
*) In Beziehung auf das Ausschreiben und Einbrin^en der
Milizsteuer bleibt manche Ai^fklSirung zu wUnschen tibrig. Die
Werke tiber das sachsiscbe Staatsrecht von Bomer und von Weisse,
sowie die gedruckten Werke ttber die Steuern- und Abgabenverh<-
nisse in Sachsen gewg,bren eine solche nicht, da sie das Eapitel der
Milizverpfiegungsgelder nur sehr oberflachlich bertlhren.
*®) Ein sblcher Fall trat unter anderem in Bezug auf das
Unterkommen der Ofiiziere vom Stabe ein. Dieselben hatten ihren
Aufenthalt in den Stiidten zu nehmen, wurden jedoch mit auf das
Land repartiert und empfingen den Betrag der auf sie entfallenden
Quartier- und Serviceportionen in baarem Gelde, um von dem Be-
trage den Aufwand fttr ihre Quartiere in der Stadt zu bestreiten.
Es bezog ein Obrist 14, ein Obristlieutenant 10, ein Obristwacht-
meister 8, ein Begimentsquartiermeister 3, ein Adjutant und ein
Auditeur je 2 Quartier- und Serviceportionen. Im Jahre 1688 er-
streckte man diese Bestimmung auch auf die KompagnieofQziere,
jedoch mit dem Zusatze, dass fortan der Betrag fiir die sS.mmtlichen
Quartier- und Serviceportionengelder k 26 Groschen ftir den Stab
sowohl als fttr die Kompagnieofiiziere an die Generalkriegskasse
abgefuhrt und aus derselben ein zum Tractament geschlagenes
Quartiergeld gew&hrt werden soUte.
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Die wirthschaftlichen EinrichtaDgen der s&cbsischen Kavallerie. 317
verpflegung betreffenden Anordnungen in Folge des herr-
schendeii Geldmangels nicht zur praktischen Geltung.
Bereits mit Aufrichtung der Regimenter durch Kur-
furst Johann Georg 11. hatte zugleicli das Ringen um
die Geldmittel zu deren Unterhalt begonnen und sicli in
deraselben VerLaltnisse gesteigert, in welchem Kurfurst
Johann Georg 111. seine Truppenmacht verstftrkte.
Als einer der Grtindc; welcher bei der Verlegung
der Kavallerie auf das Land hauptsachlich mit in Be-
tracht kara, findet sich angefuhrt: dass, wenn der Reiter
nicht bezahlt werde, er ieichter auf dera Lande als in
der Stadt ein StUck Brot fur sich und ein Futter fur
sein Pferd finde. ' *)
Diese Darreichung eines Stiickes Brot und eines
Futters wurde aber allgeinach dergestalt zur Regel, dass
man ein eigenes Wort dafur erfand. Man nannte es den
„guten Willen", betrachtete denselben aber selir bald, im
Widerspruch zu seiner Bezeichnung, als ein voUstandig
berechtigtes Herkommen.*^)
In der Regierungszeit der KurfUrsten Johann Georg III.
und Johann Georg IV., als noch tausend und mehr Schocke
auf den aus dera „guten Willen" geleisteten Lebens-
unterhalt des Reiters rait seinera Pferde entfielen, driickte
die Last die Quartiergeber nicht allzu schwer. Als jedoch
Kurfiirst Friedrich August nach seiner Wahl zura Konig
von Polen die Armee bedeutend verstarkte und der Geld-
raangel sich imraer ftihlbarer maehte, fasste man die ge-
wichtige Entschliessung, die bisher mehr oder minder frei-
willig geleistete Naturalverpflegung vori Mann und Pferd
als obligator ische Leistung vom Landmann zu fordern.**)
") Im Jahre 1684 brachte der Geheime Rath Bose in Vor-
schlag, es mOchte dem Belter vom Qaartierstande die Hausmanns-
kost, dem Pferde die Fourage gereicht, der Betrag daftir aber auf
die Quatembersteuern kompensiert und sodann den Regimentern
zugereclmet werden. Allein die Landstftnde zeigten sich nicht ge-
neigt, darauf einzugehen.
■') Es konnte nicht ausbleiben, dass der sogenannte „gute
Wille" zu Erpressungen und anderen Missbr^uchen ftihrte. I)ie in
Folge dessen gegen die Forderung des „guten Willens" vielfach er-
hobenen Bescliwerden gaben Anlass, dass wiederholt Befehle er-
gingen, welche streng untersagten, etwas aus „gutem Willen** zu for-
dern oder zu geben. Da jedoch der Heiter und sein Pferd ihren
Lebensunterhalt finden mussten und kein Geld erhielten, denselben
zu bestreiten, so blieben diese Anordnungen ziemlich fruchtlos.
**) Bereits im Jahre 1694 war uber die von den Landstanden
bewilligten Milizgelder zur Verpflegung der damals in Campagne
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318 A. von Minckwitz:
Den Geldwerth einer in natura zu liefernden Ver-
pflegungsportion veranschlagte man zu 4 Thlr. 19 Gr.
10 rf. monatlich nach folgenden Ans'atzen:
3 Thlr. — Gr. — Pf. fur 3 SchefFel Hafer,
— „ 19 „ 2 „ fur 2 Ctr. 40 Pfd, Heu,
— „ 4 „ — „ fur 8 Bund Stroh,
— „ 20 „ 8 „ fur 30 Portionen Brod, jede zu
IV2 Pfund
4 Thlr. 19 Gr. 10 Pf. **)
Die EinfShrung der Naturalverpflegung , welche
ausserhalb der standischen Verwilligung ftir die Miliz-
bedttrfnisse stattgefunden hatte, gab Jahre hindurch An-
lass zu den unerquicklichsten Differenzen zwischen den
Standen des Landes und der Regierung, **) denn es folg-
ten sich nun Verordnungen der Regierung wegen Leistung
der Naturalverpflegung, Einsprtiche gegen dieselben
seitens der Stande, darauf Gegenverordnungen und dann
wieder, um nur die augenblickliche Verlegenheit zu heben,
Interimsverordnungen in ununterbrochener Reihe, und
die Verpflegungseinriclitungen sahen sich daher in jener
Zeit den verschiedensten Modifikationen unterworfen.
So wurde durch den Landtagsabschied vom Jahre
marschierenden Regimenter ein baiirer Geldbetrag begehrt worden.
Doch war man damals noch nicht daniber hinausgegangen, von den
Quartierst&uden, statt der wirklichen Leistang des Quartieres und
des Services, fUr die ausserhalb Landes befindlichen Truppen den
Betrag daftlr in Geld, daher mit 26 Groschen fiir jede dergleichen
Portion zu verlangen.
") Unter der Voraussetzung, dass dem Reiter baare Bezahlung
zu Theil wttrde, und trotzdem, dass der Erfahrung gemass, die that-
sachlichen Verhaltnisse dieser Voraussetzung widersprachen, hielt
man beim Geheimen Kriegsrathscollegio an dem Grundsatze fest,
dass der Reiter sich selbst und sein Pferd zu verpflegen habe. Min-
destens besagt eine aus dem Jahre 1700 herruhrende Denkschrift,
dass, wenn man eine Verpflegungsportion zu 4 Thlr. 19 Gr. 10 Pf.
ansetzen wolle, so miisse dem Reiter auf einen Monat mehr abge-
zogen werden, als sein Tractament an 4 Thlr. 16 Gr. betrage. Cie
Naturalverpflegung konne daher einem Reiter hoher nicht ange-
schlagen werden, als zu 2 Thlr. 16 Gr.
**) Erschwert wurden die Verpflegungsverhaitnisse durch den
fortdauernden Wechsel in der Starke der zu verquartierenden
Truppen. Bald standen wahrend der Dauer des nordischen Krieges
und des Kampfes um die polnische Krone, also von 1699 — 1717,
sammtliche Truppen im Lande, bald nur einzelne Regimenter oder
Abtheilungen derselben, und Jahre lang waren selbst fremde Truppen
zu verquartieren , wie die Danen und Moskowiter als Verbtindete
oder die Schweden als Feinde.
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Die wirthschaftlichen Einrichtungen der sftchsischen Eavallerie. 319
1700 von der Regierung im Prinzipe zugestanden, dass
die Naturalverpflegung nicht mehr verlangt werden und
die Ausgabe fur dieselbe durch die Quatember- und
Pfennigsteuer mit iibertragen werden solle. Die auf
Grundiage dieser Zusage gefertigte Einquartierungs-
repartition erfolgte daher unter Wegfall der Naturalver-
pfiegungsportionen far Mann und Pferd. '®)
Bereits im November 1701 forderte man jedoch ad
interim vom Lande wieder die Lieferung der Fourage
in natura, wogegen ein auf die Milizpfennige und Qua-
tember zu kompen^ierender Betrag von 1 Thlr. 2 Gr. pro
Ration verglitet werden soUte.
Die Kosten fiir den Unterhalt des Reiters mit seinem
Pferde stiegen hierdurch auf 5 Thlr. 18 Gr., indem nun-
mehr die Ration mit 1 Thlr. 2 Gr. hinzutrat, ohne dass
man das Tractament des Reiters an 4 Thlr. 16 Gr. be-
schranktO; welches damals in folgender Weise einge-
theilt war:
18 Gr. — Pf. zur Leibesmontierung,
zur Beimontierung,
zur Pferdekasse,
zu den Regimentsunkosten
Beckengeld,
Invalidengeld,
dem Quartiersmanne fiir die Hau§-
mannskost,
baar.
4 Thlr. 16 Gr. — Pf.
Als sodann im Jahre 1704 die Kavallerie in Stadten
und grossen DOrfern zusammengezogen wurde, hatte der
Reiter sich selbst zu verpflegen, der Landmann jedoch
die Fourage, gegen Entschadigung von 1 Thlr. 16 Gr.
fiir die Ration, den Fourage -Einnehmern oder den Ma-
gazinen zuzuftihren. ")
AUein auch diese Einrichtung hatte keinen Bestand,
denn bald delogierte man die Kavallerie wieder aufs
Land, Und inhalts der Ordonnanz vom 7. September 1714
14
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1 Thlr.
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'•) Der Statthalter Fiirst Ftirstenberg verbat sich durch aus-
druckliche Registratur, dass ihm jemals das Wort Verpflegungs-
portion wieder vor Augen gebracht wttrde.
") Zu jener Zeit kam auch die Erbauung von Kasernen in
Rede, doch gestattete der Geldmangel nicht, diesen Gedanken zu
verfolgen.
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320 A. von MiDckwitz:
war dem Quartierstande die Verpflichtung auferlegt, die
Fourage zum Unterhalte des Dienstpferdes in natura zu
reichen, wfthrend der Reiter fur seine Person nichts zu
fordern haben sollte; als Obdach, Lagerstatte und Stal-
lung. **) Audi kam das sogenannte kleine Service an
Pfeffer, Salz und Essig damals ganzlich in Wegfall.
Erst im Jahre 1717, als nach Beendigung des zweiten
nordischen Krieges bis auf 1200 Mann sammtliche Truppen
aus Polen in die Heimat zurlickkehrten und zugleich einer
starken Reduktion unterworfen wurden, traten auch hin-
sichtlich der wirthschaftlichen Angelegenheiten klarere und
fester gegriindete Bestimmungen ins Leben.
Was die Tractamentsverhaltnisse betrifFt, so wurde
unter Verminderung der bisherigen Abziige, sowie unter
Wegfall des Beitrages zur Pferdegelderkasse, nachdera
die Generalkriegskasse die Ausgabe fUr die Remonte
tibernommen liatte, das Tractaraent des Reiters mit 3 Thlr.
22 Gr, angesetzt und folgendermassen berechnet:
14 Gr. zur Leibesmontur,
zur Beimontierung,
Kopfgeld,
zum Hufschlag,
zum Feld-(Medicin-)Kasten,
zur Invalidenkasse;
baar zur Lobnung,
Brotgeld.
3 Thlr. 22 G^
Dieses Tractament sollte der Reiter, inhalts der im
Jalire 1717 an die Stande erlassenen Propositionen, aus der
Generalkriegskasse empfangen, wogegen k. Majestat, wie
es in der Proposition heisst, zu Dero getreuen Unterthanen
des Vertrauens lebe, es wurden selbige sich willig finden
lassen, die Fourage unentgeltlich vom Lande zu liefern,
wahrend es im ubrigen bei den Bestimmungen der am
7. September 1714 erlassenen Ordonnanz bewende und
10
n '
4
1
4
r, •'
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r, !
2 Thlr. —
„
12
„ ]
'•) Wie wenig aber alien getroffenen Vereinbarungen tiber-
haupt Folge mag gegeben worden sein, erhellt aus einem Vorgang
im Monat Oktober 1715. Als damals namlich die Chevaliers-Garde
aus Polen nach Sachsen'zurtickkehrte und zu deren Unterhalt bei
der Generalkriegskasse keine Mittel vorhanden waren, wurde an-
befohlen, zunacnst ftir einige Monate, 2198 Kationen ins Land zu
repartieren, fttr jede Ration monatlich 4 Thlr. in baarem Gelde
aufzubringen und von diesem Betrage die Chevaliers -Garde mit
Tractament, Quartiergeld und Fourage zu versorgen.
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Die wirthschaftlichen Einrichtungen der sd.chsischeii Kavallerie. 321
demnach der Reiter vom Quartierstande nichts zu fordern
habe, als Obdach, Lagerstatte und Stallung.
Bereits im Juni 1717 wurde jedoch dem Landmann
hieriiber auferlegt, dem einquartierten Reiter taglich 2 Gr.
fttr die Mundportion zu gewahren, gegen Korapensation
von 30 Gr. im Monat an Steuern und Abgaben. **)
AUein in Wirklichkeit gestalteten sich die Verhalt-
nisse derart, dass der Betrag der erwahnten 2 Gr. taglich
oder 2 Thlr. 12 Gr. monatlich zur Generalkriegskasse
gezogen und dem Reiter davon gereicht wurden: 8 Gr.
Zuschuss zur Beim(mtierung, namentlich zur Anschaffung
derjenigen Beimontierungsstucke an Hemden, Hosen,
Schuhen etc., welche der Mann verdiente, 4 Gr. zum
Hufbesehlag und 2 Thlr. baar zur L5hnung, wahrend^ die
Generalkriegskasse die llbrigen Gebtihmisse einschliess-
lich der 12 Gr. Brotgeld aus den zum Unterhalte der
Truppen ira AUgemeinen bewilligten Fonds zu gewahren
hatte.
An Fourage war vom Landmann auf jede Ration
zu liefern: taglich 6 Pfd. Hafer,
„ 8 Pfd. Heu,
„ 2 Metzen Heckerling,
wochentlich I'Bund Stroh.*®)
Im Jahre 1730 erfolgte sodann, unter Wegfall des
bisher gewahrten Beimontierungszuschusses von 8 Gr.,
eine ErhOhung des Ansatzes fiir die Beimontierung von
10 auf 20 Gr. und war hiervon nunmehr auch die soge-
nannte kleine Beimontierung an den Bekleidungssttlcken,
welche in das Eigenthum des Mannes ubergingen, zu
bestreiten. **)
Nach dem Regierungsantritte des Kurftirsten Friedrich
*•) Im ganzen waren fiir die Kavallerie 4683 voile Verpfleguncs-
portionen, aii Mandportion und Ration, za repartieren und da das
platte Laud an Amts- und Rittergutsdorfschaften, der damaligen
Aufstellung der Steuerkataster gem&ss, 4860148 Steuerschocke zu
tragen hatte, so entfielen 1060 Schocke auf elne Verpflegungsportion.
*•) Ftlr Rationen, welche der Einquartierte nicht in loco zu
geniessen hatte, ingleichen fttr Rationen auf* vacante Pferde war
monatlich 3 Thlr. in Geld zu entrichten.
*■; Ausser diesen Bekleidungsgegenstanden , welche der Mann
verdiente, war von den zur Beimontierung ausgeworfenen 20 Gr.
der zur guten Wirthschaft des Rittmeisters gestellte Unterhalt, so-
wie die Erneuerung der sammtlichen Lederwerks- und Pferde-
Equipagestticke zu bestreiten.
Neues ArcUv t S. G. u. A. H. 4. 21
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322 A. von Minckwitz:
August It, als ein grosser Theil der Truppen nach Polen
marschierte, forderte man von den Quartierstanden die
auf dieselben repartierten Portionen und Rationen in
Geld, und auf die deshalb emeuten Gravamina der Lfand-
stande antwortete die Regierung; dass, wenn die Natural-
verpflegung oder deren Bezahlung cessieren solle, die
Landstftnde sich nieht wiirden entbrechen kQnnen^ statt
dessen ein zureichendes Aequivalent unumganglich zu be-
willigen.
In Folge dessen verblieb es damals bei der bisherigen
Einrichtung.
Nachdem jedoeh bereits zu verschiedenen Malen der
Antrag geschenen war, die Kavallerie der Disziplin und
besseren Ausbildung der Truppe wegen vom Lande in
die grossen Dorfer und kleineren Stadte in engere Quar-
tiere zu legen, wurde dies im Jahre 1744, laut des Ka-
valleriedelogierungsreglements vom 9. Mai 1744, in
Angriff genommen und mit dem 1. Mslrz 1748 vollstftndig
zur Ausfiihrung gebracht.
Die Quartierstande, auf welche die Kavallerieregi-
menter repartiert waren, batten seitdem flir jede voile
Verpflegungsportion t&giich 7 Gr. in baarem Gelde ein-
zubringen,") ein Satz, der spater auf 6 Gr. 6 Pf. er-
massigt wurde.
Lihalts der im neuen Wirthschaftsreglement von
1743 angeordneten Rechnungsaufstellung waren in Zu-
kunft die Gebtlhmisse des Mannes etatsmassig, statt in
der bisher gebrauehlichen Form von Tractamentsabztigen,
in Ansatz zu bringen. Wiederholt findet sich diese Be-
stimmung in dem Wirthschaftsreglement von 1754, wel-
chem tiberhaupt das Eeglement von 1743 meistentheils
zu Grunde lag.
Der Aufwand flir den Unterhalt eines gemeinen
Reiters und seines Pferdes belief sich nunmel]^ in der
Mitte des vorigen Jahrhunderts auf monatlich 9 Thlr.
7 Gr., ein Betrag, welcher im wesentlichen bis zum Jahre
1810 unverandert geblieben ist.
Hiervon entfielen auf den Unterhalt des Reiters
4 Thlr. 8 Gr., namlich:
•*) Diese 7 Groschen wurden folgendergestalt berechnetj
2 Gr. ftlr die Mundportion, 3 Gr. fttr die Ration, 1 Gr. Quartiergeld,
1 Gr. fttr die Anfuhr der Fourage.
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Die wirthschaftlichen Einrichtungen der s&chsischen Kavallerie. 323
2 Thlr. — Gr. Lohnung,
12 „ Brotgeld,
4 „ fur den Hufschlag. Ferner:
14 „ zur Leibesmontierung,
20 „ zur Beimontierung,
4 „ Kopfgeld,
1 „ Medikamentengeld,
1 ^ I nvalidengeld.
4 Thlr. 8 Gr.
8 Gr. rechnete man auf jedes Pferd zum Re-
monte-Ersatz.
4 Thlr. — „ wurden ftir jede Ration gewahrt und
hatte gegen Zahlung dieses Fourage- .
geldes der Rittmeister fur die Ausftitte-
rung der Dienstpferde bei seiner Kom-
pagnie Sorge zu tragen.
15 ^ Q uartiergeld.
9 Thlr. 7 Gr.
Nach dem Hubertusburger Frieden bewendete es
zwar hinsichtlich der Kavallerieverpflegung bei der Re-
partition der Portionen und Rationen auf das Land, allein
an die Stelle des bisher angelegten voUen Schockfusses
trat der Fuss der bei der Steuer gangbaren Schocke.
Inhalts der Verordnung vom 1. Dezember 1763
waren 6000 Portionen und Rationen ; jede taglich zu
6 Gr. 6 Pf. berechnet, aufzubringen und der Betrag in
der Hohe einer Pauschalsumme von 600000 Thkn. jahr-
lich zur Generalkriegskasse abzuftihren.**)
In der nftmlichen Zeit wurde eine Kommission nieder-
gesetzt, um Erspamisse im Milit^rhaushalte herbeizufUhren,
'*) 680 gangbare Steuerschocke wurden aaf eine Portion und
Ration gerechnet und entfielen daher 3'/i Pf. auf jedes gangbare
Schock. Diese Steuer fUr die Kavallerieverpflegungsgelder, welche
sich niemals in die stSindische Landesbewilligung aufgenommen findet,
hat bestanden, bis durch die Verfassung von 1830 die s&mmtlichen
Steuer- und Abgabenverhaltnisse eine voUstandig verSlnderte Ein-
richtung erhielten (Weisse, Staatsrecht II, 212). Allein noch heu-
tigen Ta^es sind, inhalts des Gmndstenergesetzes vom 9. September
1843, die Kavallerieverpflegungsgelder mit dem ausdrticklichen
Zusatze ^Portions- und Rationsgelder** in die Grundsteuer mit ein-
gerechnet, ein Verhftltnis, welches noch auf dem Landtage von 1878,
aus Anlass der Einftihrung der Einkommen steuer und des Grund-
steuerpr&cipuums aufs nene zur Sprache gekommen ist. (Landtags-
akten and Neue Reichszeitung Jahrgang 1878, Nr. 87, 88, 100, 101,
Aufsatz ttber das Grundsteuerprftzipuum.)
21*
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324 A. von Minckwitz.
und durch die sogenannten Decisionen vom 20. September
1770 genehmigte der Kurfiirst die von derselben gethanen
Vorschlage.
Unter anderm soUte das Beiraontierungsgeld von
20 Gr. auf 18 Gr. und das Fouragegeld von 4 Thalern auf
3 Thlr. 12 Gr. fur die Ration herabgesetzt werden.
Die Generalinspecteurs der Kavallerie erklarten
jedoch im Namen samratlicher Regimenter, dass bei diesen
Ansatzen die Rittraeister nicht zu bestehen vermOchten.
Diesel ben baten daher, sie von der Wirthschaftsfiihrung
bei den Kompagnien zu entbinden und solche auf Rech-
nung der Generalkriegskasse zu ubernebmen.**)
AUein diesem Vorschlage trat das Geheime Kriegs-
rathskoUegium entgegen, namentlich weil dasselbe Be-
denken trug, in aas umfangliche Rechnungswerk ein-
zutreten, ohne welches gedachte Veranderung nicht durcli-
zufUhren sein wiirde.
In Beriicksichtigung dieses Gutachtens befahl der
Kurfiirst, unter Aufhebung der Decisionen vom 20. Sep-
tember 1770, die Ans^tze wieder einzufuhren, wie solche,
festgestellt durch die Wirthschaftsreglements von 1743
und 1754, seither bestanden batten, und es fiihrten daber
die Rittraeister auch ferner die Wirthschaft auf Gewinn
und Verlust bei den Kompagnien fort.
Ohne Zweifel war diese Einrichtung eine nicht nur
an und fUr sich verfehlte^ sondern auch, weil zum Miss-
brauche verleitend, eine der Offiziere unwtirdige.
AUein der nachtheilige Einfluss derselben auf den
Zustand der Truppe ist in verschiedenen neueren, die
sftchsische Kriegsgeschichte betreffenden Werken vielfacb
zu grell dargestellt und der finanzielle Gewinn, welcher
den Capitains aus der Bewirthschaftung ihrer Kompagnien
erwuchs, jedenfalls zu hoch gegriffen worden, namentlich
in bezug auf die Kavallerie, wo die Haupteinnahmequelle,
der Beurlaubungsgenuss, nur in beschranktester Weise in
Betracht kam.
**) Als im Jahre 1777 auf Antrag des Obristen Grafen Belle-
garde bei der Garde du corps die Wirthschaftsfuhrung unter seiner
Direktion auf Rechnung der Generalkriegskasse tibemommen wurde,
erkundigten sich mehrere Obristen, welche den Wunsch hegten,
dieses System bei ihren Regimentern ebenfalls eingefuhrt zu sehen,
nach den Details der neuen Einrichtung. Graf Bellegarde war jedoch
selbst der Meinung, dass dieselbe nur bei einem Regimente durch-
fUhrbar sei, welches, gleich der Garde du corps, in einer Garnison
beisammen stehe.
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Die wirthschaftlichen Eiurichtungen der sachsischen Kavallerie. 325
Generaladjutant Obrist von Posern, auf seine Pflicht
deshalb befragt, bezifferte das Einkommen eines Kom-
pagniekommandanten bei der Kavallerie an Tractament
sammt alien sonstigen Emolumenten und Zugangen auf
circa 1200 Thlr., eine Summe, welche allerdings zu jener
Zeit einen bedeutend hoheren Werth reprasentierte als
heutigen Tages.
Ein einfaches Rechenexempel ergiebt, dass ein Meh-
reres zu eriibrigen schwer moglich war.
Der Rittmeister bezog an Tractament und Quarticr-
geld jahrlich 375 Thlr., sowie den Gebuhrnisgenuss auf
zehn, wahrend der Wintermonate zu beurlaubende Leute.
Ferner empfing er zur Wirthschaftsfiihrung bei seiner
Kompagnie:
1. An Beimontierungsgeld jahrlich 770 Thlr. 18 Gr.
9 Pf.**) Hiervon hatte er nicht allein dem Manne die
sogenannte kleine Beimontierung an Bekleidungsstiicken,
welche derselbe verdiente, zu reichen, sondern auch die
gesammten Lederwerks- und Pferde-Equipagestiicken,
mit Ausnahme der aus dem Kleidergelderfonds bezahlten
Eschabracken, zu unterhalten beziehentlich zu erneuern.
2. An Gewehrreparaturgeld jahrlich 60 Thlr.
3. Zur Ausfutterung von 75 Dienstpferden, die Ration
monatlich zu 4 Thalem, im Jahre 3600 Thlr.*«)
Allein auch hieran war Erhebliches kaum zu ersparen,
denn fast in keinem Jahre reichten die 4 Thlr. monatlich
zum Ankaufe der Fourage zu, sondern es mussten noch
genau nach den Marktpreisen berechnete Zuschtisse aus
der Generalkriegskasse bewilligt werden.*')
Dabei war der Rittmeister dafur verantwortlich, dass
die Kompagnie jederzeit vollzahlig, in kriegstiichtigem
Zustande, zur Musterung gestellt werden konnte*^), und
Manner von der Dienstkenntnis und Pflichttreue wie die
Generale BenckendorfF und Bellegarde werden als General-
inspecteurs entschieden keine offenkundigen Missbrauche
geauldet haben. Uebrigens befand sich auch in der That
**) Flir 76 berittene Mannschaften monatlich par t^te 20 Gr.,
fur 3 unberittene par tete 13 Gr. lOV* Pf.
*•) Das Fouragegeld wurde nur auf die effektiv vprhandenen
Pferde gewahrt und auf jedes vakante Pferd taglich 3 Gr.abgezogen.
»») Im Jahre 1801 z. B. kostete eine Kation 8 Thlr. 6 Gr. 6 Va Pf.
**) Bei tibler Wirthschaft konnte der Regimentskommandant
deren Ftihrung dem Rittmeister abnehmcn und einem anderen Offizier
ttbertragen. Beeintrslchtigungen der Mannschaften bei Gew^hrung
der ihnen zukommenden GebUhrnisse waren mit Kassation bedroht.
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326
A. von Minckwitz :
die Kavallerie in ausgezeichneter Verfassung, wie General
yon Gersdorff in seinem bekannten, die Reorganisation der
Armee im Jahre 1810 betreffenden Memoire ausdriicklich
anerkennt.
Der monatliche Etat eines Kavallerieregiments war in
der zweiten Hulfte des vorigen und im ersten Jahrzehnt
des laufenden Jahrhunderts nachstehender:
Thlr. Gr.
1 ObriBter 73 8
1 Obristlieutenant 49 12
2 Majors k 64 Thlr. 4 Gr. . . . 128 8
1 Regimentsquartiermeister ... 18 8
1 Adjutant 18 8
1 Auditeur 14 16
1 Segimensfeldscheer 20 —
1 Pauker 4 16
1 Stabsfourier (unberitten) ... 4 14
1 Stabsfeldscheergesell 4 14
1 Profos mit Knecht (unberitten) . 5 2
12 K5pfe beim Stabe 341 10
Bei acht Kompagnien:
Thlr. Gr. Thlr. Gr.
5 wirkliche Rittmeister . i 27 12 137 12
3 Stabsrittmeister ... k 27 12 82 12
8 Premierlieutenants . . i 18 8 146 16
16 Souslieutenannts . • a 16 — 256 —
8 Wacbtmeister. ... i 5 6 42 —
4 Estandartjunker ... k 4 18 19 —
8 Fouriers (unberitten) . k 4 2 32 16
8 Feldscheers(unberitten) k 4 14 36 16
40 Korporals k 4 6 170 —
8 Trompeter k 4 16 37 8
8 Schmiede (unberitten). k 2 12 20 —
540 Gemeine k 2 16 1440 —
656 K5pfe 2420 8
Auf dem Feldetat traten binzu:
1 Feldprediger,
1 Stabstxompeter,
' 4 Eskadronssattler,
1 Wagenmeister,
1 Proviantknecht beim Stabe;
16 Proviant- und Packsattel-
knechte bei den Kompagnien.
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Die wirthschaftlichen Einrichtungen der sSLchsischen Eavallerie. 327
Der Unterhalt eines solchen Hegiments erforderte in
Friedenszeit, nach Wiederaufliebung der Decisionen vora
20. September 1770, einen Betrag von monatlich 6555 Thlm.
4 Gr. 3'|4 Pf. nach folgenden Ansatzen:
945 Thlr. 4 Gr. — Pf. Tractament der Offiziere,
1816 r 14 „ — „ Lohnung der Unteroffi-
ziere und Gemeinen,
116 „ 17 » 3 „ Quartiergeld der Offiziere,
401 „ 12 „ — „ Quartiergeld ftir die
Mannschaften und die
Wachtlokale,
516 „ 10 „ '/* >? Beimontierungsgeld,
26 „ 4 „ — „ Medikamentengeld, 1 Gr.
auf den Kopf,
25 » 1 „ — „ Rosskurenffeld, 1 Gr. ftir
jedes Pferd,
39 „ 9 „ — „ Gewehrreparaturgeld,
1 „ — » — „ Unterhalt der Trompeten,
4 „ 12 „ — „ Unterhalt der Proviant-
wagen,
2 „ — „ — ,, Unterhalt der Packsattel,
52 „ 8 „ — „ Regimentsunkosten,
204 „ 9 „ — „ Remontegelder,
2404 „ — „ — ,, Fouragegelder, 4 Thlr,
monatlich fUr die Ration
gereehnet.
6555 Thlr. 4 Gr. 3 «/4 Pf. monatlich, daher jahrlich
78662Thh'. 3Gr. 9Pf.,
ungerechnet die Kleidergelder, welche bis zum Heran-
nanen des Montierungstermines bei der Generalkriegs-
kasse inne behalten wurden, und der Invalidenversorgung.
Ale Erlauterung zu dem vorstehenden Etat ist zu
bemerken:
1. Die Lohnung des gemeinen Reiters betrug ein-
schliesslich des Hufschlages (4 Gr.) und des Brotgeldes
(12 Gr.) 2 Thlr. 16 Gr. Seit den letzten Jahren des
18. Jahrhunderts wurde jedoch ein Lohnungszuschuss von
12 Gr. monatlich gewahrt.
2. Auf einen oerittenen Mann, Unteroffizier wie Ge-
meinen, wurden 15 Gr., auf einen unberittenen Mann
8 Gr., auf eine Wachtstube 1 Thlr. 21 Gr. Quartiergeld
gereehnet.
3. Das Beimontierungsgeld betrug 20 Gr. auf einen
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328 A. von Minckwitz:
berittenen Mann; Unteroffizier wie Gemeinen, 13 Gr.
10 V4 Pf. auf einen unberittenen Maun.
4. Das nur ftir die Gemeinen ausgeworfene Gewehr-
reparaturgeld betrug fur den Kopf 1 Gr. 9 Pf.
Fur die aus dem Hauptzeughause gelieferten WafTen
selbst batten die Rittmeister eine Widerlage bei der
Generalkriegskasse zu deponieren, welche ihnen von ihren
Nachfolgem im Kompagniekommando zu ersetzen war.
5. Das Fixum fur die Regiraentsunkosten war an
Stelle des Kopfgeldes getreten. Dasselbe betrug im Jahre
1763: 58 Thlr. (1 Thlr. auf 10 Kopfe), seit 1772 2 Gr.
fur jeden Kopf.
6. An Remontegeld wurden fur jedes Unteroffiziers-
?ferd 15 Gr., fur jedes Pferd eines gemeinen Reiters
Gr. 6 Pf. monatlich gerechnet, und ausserdem floss zur
Remontekasse der Ertrag aus dem Verkaufe der aus-
gemusterten Pferde.
Im Jahre 1778 tibernahm die Generalkriegskasse die
bisher von dem Kompagniekommandanten gefiihrte Re-
montewirthschaft.
7. Die Offiziere erhielten bis zum Jahre 1810 keine
Rationen, docji wurden ihnen in besonders theuren Zeiten
Erleichterungen bei Anschaffung der Fourage gew'ahrt.
8. Zu der von den Kleidergeldern anzuschaffenden
Leibesmontierung gehorten: das KoUet und das Chemiset,
der Hut, der Mantel, die Strurapfe, der Kittel.**) Hier-
uber war von den Kleidergeldern die Ausgabe ftir die
Eschabracken zu ubertragen.
Die kommissarischen Auswurfe der Kleidergelder
unterlagen verschiedenen Aenderungen. Im Jahre 1778 be-
trugen dieselben monatlich 9 Gr. fur den Kopf, im Jahre
demnach fiir das Regiment 3118 Thlr. 12 Gr. Bei den
fortdauernd steigenden Tuchpreisen war jedoch das Be-
durfnis damit nicht zu bestreiten und machten sich daher
jederzeit Zuschusse erforderlich.
Die Sorge ftir die Anschaffung der Leibesmontierung
lag, unter Verantwortlichkeit des Regimentskommandanten^
in der Regel dem Regimentsquartiermeister ob.
Die Montierungsperiode ftir KoUet und Chemiset war
*•) Die tibrigen LeibesbekleiduDgsstttcke wurden von den Bei-
montierungsgeldern angeschafft und, nach ktlrzerer oder l&ngerer
Frist, vom Manne verdient. Nur die steifen Stiefel und die Stulpen-
bandschnhe z&hlte man den zu des Gapitains guter Wirthschaft ge-
stellten LederwerksstUcken bei.
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Die wirthschaftlichen EinrichtuDgen der sachsischen Kavallerie. 329
dreijahrig; dor Hut, die Striimpfe und der Kittel hattcn
zweijahrige, der Mantel, sowie die Eschabracke sechs-
jahrige Haltefrist.
9. Auf dera Feldetat stiegen die Kosten zum Unter-
halt eines Kavallerieregiments auf monatlich 8474 Thlr.
21 Gr. 4V4 Pf., indem die Mobilmachungsbediirfnisse sammt
dem Feldzuschuss 1919 Thlr. 17 Gr. V2 Pf. betrugen.
Bei Gelegenheit der Reorganisation der Armee im
Jahre 1810 sahen sich auch die wirthschaftlichen Verbal t-
nisse einer vollkommenen Umgestaltung unterworfen.
Auch die Fuhrung der Wirthschaft bei den Kom-
pagnien durch die Capitains hSrte auf und wurde auf
Kechnung der Generalkriegskasse ubernommen.
Die Leitung der Okonomischen Angelegenheiten der
Armee erliielt ein Generalintendant *"), als dessen Organe
bei den Regimen tern Wirthichaftskommissionen fungierten,
bestehend aus: 1 Stabsoffizier , 1 Rittmeister, 1 Lieute-
nant, 1 Wachtmeister und dem Regimentsquartiermeister.
Anfangs verblieb den Regimentem die Sorge fiir
Anschaflfiing der Bekleidungs- und Ausrtistungsgegen-
stande, von denen jedoch die Proben der Generalinten-
danz zuvor zur Genehmigung einzusenden waren.
Nach der Katastrophe von 1813 wurden hierauf Wirth-
schaftsdepots errichtet, aus welchen die Regimenter ihre
Bediirfnisse zu beziehen batten.
In den Jahren 1817, 1844 und 1867 erschienen neue
Wirthschafksreglements , welche raannigfache Verande-
rungen herbeifUhrten.
Die Geschafte in wirthschaftlichen Angelegenheiten
bei den Regimentem werden, nachdera dieselben von 1822
bis 1867 an Stelle der Wirthschaftskommission ein Wirth-
schaftschef wahrzunehmen gehabt hatte, seit letztgedachtem
Jahre wieder von Kommissionen, einer Kassen- und einer
Bekleidungskommission, versehen.
***) Zunftchst tibernahm die Funktion in besonderem Auftrage
der Chef des Generalstabes, General von Gersdorff.
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Literatur.
Kielas Storehy der Anfingrer der Zwiekaner Wiedert&iifer. Ein
Lebensbild aus dem Reformationszeitalter aaf Grund der in der
Ednigl. dffentl. Bibliothek [zu] Dresden wie auf der Rathsbibliothek
za Zwickaa vorhandenen Nachrichten, bearbeitet von Richard
Bachmann. Zwickau, Altner. 1880. 8*. 35 S.
Seitdem Seidemann im Sftchsischen Kirchen- und
Schulblatt, Jahrgang 1872, Not 22, 23 und 26 das Leben
Nicolaus Storcbs kurz behandelt und mit der diesem
Forscher eigenen Griindlichkeit die Literatur zusammen-
gestellt hatte, lag das Material bereit zu einer eingehenden
Monoffraphie tiber einen Mann, der durch die Verbindung
der cnristlichen und socialen Ideen gerade in unseren
Tagen ein erhobtes Interesse in Anspruch nimmt. Vor-
liegendes Schriftchen giebt nun eine Lebensbeschreibung
des Zwickauer Propheten, und der Titel spannt unsere
Erwartungen um so hoher, als er unbekannte handschrift-
liche Nachrichten in Aussicht stellt. Freilich entspricht
das Buch den Erwartungen, mit denen man an dasselbe
herantritt, nur in geringem Grade. Verfasser scheint
jene Artikel Seidemanns nicht gekannt zu haben und hat
die dort citierten zahlreichen Quellen unbenutzt gelassen,
vor aUem das reizende Biichlein Marcus Wagners: „Ein-
feltiger Bericht : Wie durch Nicolaum Storcken die Auff-
ruhr in Thiiringen, vnd vmbliegenden Revir, angefangen
sey worden u. s. w. Getruckt zu ErflFurdt durch Zachariam
Zimmerum, Wonhafftig zum gtilden Stem, auff der langen
Briicken. Anno M.D.XCVII." Es ist dies eine uberaus
wichtige Quelle. Wagner berichtet selbst (Bl. 25b), er
habe bei Augenzeugen ,,mit fleiss allenthalben den
Sachen nachgeforschet, ynnd nichts vnterlassen, das zur
warhajBftigen erzehlung dess Storcken im anfang dess auff-
rhurs dienlich vnnd beforderlich sein mocht". Bachmann
kennt nur, wie es scheint, eine einzige, ziemlich ungltick-
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Literatur. 331
lich verwendete Stelle tiber die aussere Erscheinung Storclis
(S. 3. fg. vergl. Wagner Bl. 20 a), und doch enthaJt
das Schriftchen eine grosse FtlUe einzelner Nachrichten
tiber die Predigtthatigkeit Storchs u. a., welche zur Ver-
vollstandigung des Bildes viel batten beitragen konnen.
Wahrend so Hauptquellen nur sparlicb benutzt werden,
stiitzt sich nicbt selten die Darstellung auf die ziemlicb
unsicbern Cbroniken Zwickaus, deren Nachricbten nur
nacb eingebender Eritik verwendet werden konnen. Von
ungleicb boberem Wertbe sind die Notizen, die aus Enocb
Widemanns Hofer Cbronik stammen; freilicb ist aucb
diese Quelle nicbt geniigend ausgebeutet. Ricbtig ist obne
Zweifel, wenn Bacbmann, dem genannten Gewabrsmann
folgend, Storcb in Zwickau geboren sein lasst. Es batten
' sicb dafiir nocb mebr Zeugnisse beibringen lassen, ausser
anderen aucb aus dem dortigen Ratbsarcbiv. Merkwttrdiger
Weise ist letzteres gar nicbt benutzt, und docb werden
in den Ratbsprotokollen aus dieser Zeit die ,,Scbwirmer
und Wiedertaufer" oft genug erwabnt. Nicolaus Storcb
wird mit Namen genannt in einem Bescbluss vom Jabre
1536 (Protokolle Bl. 33 b), wo es unter der Ueberscbrift:
Wiedertaufer u. s. w. beisst : „ Aucb soil der Radtb auff
Nikeln Storcb, der itzo albie sein solle, gute acbtung
geben, das er nicbt ein anbang kriege, odder aber gar
von der Stadt geweisset wiirde.** Es entstebt die Frage,
ob diese vermutbete Anwesenbeit Storcbs in seiner Vater-
stadt nicbt in irgendwelcbem Zusammenbang stebt mit
der S. 14 citierten Scbrift: ^Vorlegung etlicber vncbrist-
licber Artikel, welcbe die Wiedertauflfer furgeben", da
dieselbe in dem namlicben Jabre in Zwickau gedruckt
ist. Man siebt aus diesen Zeugnissen, dass sicb aucb
spater nocb in Zwickau Wiedertaufer fanden. Referent
ftigt nocb einige arcbivaliscbe Notizen zur Gescbicbte
derselben bei. Im Gemeinscbaftlicben Hauptarcbiv zu
Weimar befindet sicb (Reg. N. pag. 46. A. Num. 4. 9.)
ein Aktensttick: ,,1521. Scbriften, betr. die Bescbwerde
der Geistlicbkeit und einiger Laien zu Zwickau tiber die
bedroblicben Aeusserungen der Menge in religioser Be-
ziebung und das Gesucb dem in Aussicbt stehenden Auf-
rubr zuYorzukommen.^ Nicolaus Hausmann und secbs
Zwickauer Geistlicbe und Biirger bericbten in demselben
iiber ein Verbor von secbzebn Personen, welcbe zweifelten,
„ab der glawb der patben dem kinde zur taufe bulflflicb,
item etzlicbe vermeinten an der tawff selig zu werden,
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332 Literatur.
item etzliche gaben an als were die gottlieh schrifft zur
lare der menschen vncrefftig, allein muste der mensch
durch den geist gelernet werden" etc. In dem Visitations-
bericht vom Jahre 1529 (Hauptstaatsarchiv zu Dresden,
Loc. 10959, Meyssnische Visitation) findet sich ebenfalls
ein Bericht Uber ein Verhor von Wiedertaufern , „die mit
irrigen secten wider die sacrament vnd evangelium etc.
in winckeln handeln^ zusammen kriechen etc. Von einer
Aufstellung einzelner Ausstellungen bezuglich des Stils
wie des Inhalts sieht fleferent ab, nur darauf mochte er
aufmerksam machen, ob die Charakteristik des Egranus
(auf S. 12) nicht einer giinstigeren Auffassung des An-
liangers des Erasmus weichen muss. (cf. Dollinger, Die
Reformation S. 136 ff.) Was das Schriftchen Bachmanns
interessant macht, ist der Bb'ck in die Kulturgeschichte *
Zwickaus und Sachsens im 16. Jahrhundert. Es ware
zu wiinschen, dass uns unter genauer Benutzung der
handschriftlichen Quellen wie der von Bachmann nur in
geringem Grade benutzten reichen Litteratur ein den
wissenschaftlichen Anforderungen geniigendes Lebensbild
dieser hochst interessanten Personlichkeit gegeben wurde,
wie Referent an dieser Stelle den von Seidemann a. a. O.
geausserten Wunsch wiederholt, dass auch eine neue
Darstellung Thomas Munzers in AngrifT genommen werden
mogC; welche das seit dem Erscheinen des Seidemann-
schen Buches publicierte Material zusammenfasst und
verarbeitet.
Dresden-Neustadt. Georg Mailer.
Die Markgrrafen von Meissen und das Haus Wettin bis zu Konrad
dem Grossen. Von OttoPosse. Mit vier Stammtafeln und acht
Karten. Leipzig, Giesecke & Devrient. 1881. 8®. XIV, 464 SS.
Das obige in ansprechender Ausstattung vor uns liegende
Werk steht, wie der Verfasser ira Vorworte selbst bemerkt,
im innigsten Zusammenhange mit den von ihm geleiteten
Arbeiten fiir die Herausgabe des Codex diplomaticus
Saxoniae regiae; es soil die Einflihrung und die verbin-
denden Mittelglieder bieten fiir die reichen und werth-
voUen, freilich in sich nicht ganz gleichartigen Materialien
des ersten Bandes der ersten Hauptabtheilung, welcher
die urkundlichen Grundlagen fiir die alteste Geschichte der
Markgrafschaft Meissen und der die Entwickelung dieses
Kernes der spateren wettinischen Macht beeinflussenden
Pers5nlichkeiten hoffentlich bald der allgemeinen wissen-
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Literatur. 333
schaftlichen Forschung zuganglicli raachen wird. Lange
genug sielit man schon dem Erscheinen dieser Publikation
mit Spannung entgegen, und die auf sie gerichteten Er-
wartungen sind durch die Herausgabe der vorliegenden
Einleitung eher erhoht als herabgemindert. Zu priifen,
ob es okonomisch ricLtig und vortheilhaft war, die Ein-
leitung auf einen derartigen Umfang anschwellen zu lassen,
ist nicht unsere Sache; im Gegentheil woUen wir gegen
EinwUrfe dieser Art zu bedenken geben, dass ein Ge-
lebrter, der sich mit so viel Miihe und Kenntnis wie Liebe
zur Sache in die Sammlung und Sichtung des an sich
trockenen Quellenmateriales hinein gelebt und vertieft
hat, doch gern auch die Faden des inneren Zusammen-
hanges der neugewonnenen Resultate aufzunehmen und
zu einem weiteren Kreisen zuganglichen und verstand-
lichen Bilde zu verweben sucht. Eine angemessene Be-
schrankung und Ersparnis im Umfange hatte nach
unserem Dafiirhalten dadurch eintreten konnen, dass der
darstellende Theil, statt jetzt, erst gleichzeitig oder gar
nach dem Erscheinen des Quellenmateriales veroflfentlicht
worden ware; manches weitschichtige Citat aus den Ur-
kundentexten, manche diplomatische Auseinandersetzung
hatte dann unterbleiben und durch eine einfache Ver-
weisung auf das Diplomatar erledigt werden konnen.
Hiergegen ist es freilich denkbar, dass der Verfasser einem
Theile seines Leserkreises absichtlich die Darstellung un-
abhangig von der Quellensammlung und einem steten
Nachsehlagen in derselben vorfiihren woUte; denn auf den
Kreis streng wissenschaftlich vorgebildeter Fachleute konnte
und durfte . er die Schilderung der wechselvoUen Schick-
sale eines in den altesten wie in spateren Zeiten fur die
gesammte vaterlandische Entwicklung bedeutungsvollen
Territoriums nicht ausschliesslich berechnen. Posse hat bei
seinem neuen Werke sicherlich und vornehmlich alien depen,
die durch ihrenheutigen Wohnsitz und politische Verhaltnisse
ein besonderes Interesse an dem engeren Gebiete der alten
Markgrafschaft Meissen nehmen, Belehrung und eine an-
gemessene und wohlfundierte Aufklarimg uber die Ver-
gangenheit der Heimat bringen und vor allem zeigen
woUen, in welcher Weise die Umwalzungen in der Politik
und Verfassung des Reiches ursachhch und bestimmend
auf die Herausbildung des Keimes zu einem der spateren
deutschen Sonderstaaten eingewirkt haben. — Wie es im
Sliden und Westen Deutschlands die alten Stammes-
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334 Literatur.
herzogthtinier waren, auf die sich m&chtigere Theilstaaten
aufbauten, so waren es im Osten die Markgrafschaften,
die jenen eine Reihe kraftiger Rivalen zur Seite stellten,
aus deren Mitte schliesslicn zwei, die der nordostlichen
und stidostlichsten Grenzmark entsprossenen Staatsorgani-
sationen die Vertretung Deutschlands in der europaischen
Politik ttbernahmen; erst die Verwicklungen der beginnen-
den Neuzeit haben es gefiigt, dass die politischen Bildungen,
die sich auf die Macht der in der Mitte der ehemaligen
Ostgrenze des Reiches gelegenen Mark stiitzten, nicht das
gleiche Ziel wie jene erreichten. — Daher war es, wenn
irgend, hier erforderlich, die Ereignisse der Territorial-
geschichte sich auf dem Hintergrunde der Reichsgeschichte
abspielen zu lassen ; ftir die alteren Perioden und flir Theile
der spHteren ist die Reichsgeschichte geradezu das einzige
und ausschliessliche Band, das auch nur einen ftusser-
lichen Zusammenhang zwischen einzelnen uns iiberlieferten
Namen und Andeutungen von Ereignissen zu vermitteln
ira Stande ist. Je linger desto reicher fliessen allerdings
die Quellen, die uns einen selbst^ndigen Blick in das innere
Getriebe derLandesgeschichtegestatten; aber in dem ganzen
hier umspannten Zeitraurae hat sich das politische Leben
noch nicht ausschliesslich in die engen Grenzen des Territo-
riums zurtickgezogen, noch fungiert letzteres als lebendiges
Glied des Reichsgauzen, von ^hm Kraft und Bewegung
empfangend, ihm Nahrung und Organe spendend. So
ricntig und erspriesslich also das Hereinziehen der Reichs-
geschichte in die Darstellung der Territorialgeschichte
und eine stete Verwebung beider Zweige ist, so konnen
doch wohl Zweifel iiber das erforderliche Mass bestehen,
und so will es dem Referenten dunken, als wenn der
Verfasser in mehreren Partien seines Werkes in Erorte-
rung der Reichsangelegenheiten des Guten zu viel ge-
than habe; dies Abgehen von einera uns vorschwebenden
angemesseneren Verhaltnisse beider Faktoren erschien
vielleicht um so auffalliger, als Posse in Folge der nothwen-
digen Eintheilung seiner Untersuchungen und Darstellung
in einzelnen Abschnitten wiederholt auf dieselben Vor-
gange der Reichsgeschichte zu sprechen kommen musste.
Die thatsachliche Entwicklung gebot eine nattirliche
Scheidung des gesammten Stoffes in vier Hauptabschnitte:
in einem ersten Buche war die Herrschaft der altesten,
verschiedenen Familien angehorigen Markgrafen und die
der sogenannten Ekkehardiner zu behandeln, in einem
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Literatur. 335
zweiten und dritten musste das zeitlich ktlrzere Wirken
der Markgrafen aus dem Hause Weimar-Orlamtinde und
der Brunonischen Familie erortert werden, und im vierten
Abschnitt gait es die Kampfe der ersten Gllieder des
Hauses Wettin ura die Markgrafschaft zu schildem. In
solcher Weise zusammenfassend sind diese Entwicklungs-
stufen bisher noch von Seiten keines Autors behan^It
worden; an den verschiedensten Punkten hat allerdings
schon die ftltere Forschung eingesetzt, doch hat sie sich
rait Vorliebe nur der Er5rterung einzelner Fragen zu-
fewendet und diese mit einem Debermass von Umstand-
chkeit und Ausfuhrlichkeit behandelt So konnte es keine
leichte Aufgabe sein, sich kritisch sichtend durch diese
Literatur hindurchzukampfen; die nothwendig gewor-
denen Bemilhungen haben sich indess reichlich gelohnt;
fast aller Orten hat sich Gelegenheit geboten, Bericli-
tigungen und VervoUstandigungen in grCsserem und klei-
nerem Umfange eintreten zu lassen. Wie aber der Ver-
fasser sich auf der einen Seite durch Beherrschung der
^Iteren Vorarbeiten auf dem von ihm bebauten Gebiete
und durch die Kenntnis selbst kleiner und wenig ver-*
breiteter Beitrage auszeichnet, so hat ihm wie noch keinem
seiner Vorganger das diplomatische Quellenmaterial in
gleicher Vollstandigkeit und Ausdehnung aus eigener
Anschauung zur Verfugung gestanden. In der Behand-
lung und fienutzung desselben verfahrt er mit tief ein-
schneidender; aber ruhiger Kritik. Es fehlt namentlich
unter den Urkunden und vor allem wieder unter denen
der Hochstifte Meissen und Naumburg nicht an Stticken,
die schwer unter sich und mit den Nachrichten anderer
Quellen in Einklang zu bringen sind; ein grosser Theil
derselben scheint aus diesen und anderen Grunden unter
die Falschungen verwiesen werden zu mtissen. Es ware
eine Unmoglichkeit fiir einen Referenten, in alien diesen
Punkten an der Hand der gegebenen Urkundenausztige
und begleitenden diplomatischen Bemerkungen eine Nach-
priifung durchzufiihren; in der tiberwiegenden Mehrzahl
der einschl&gigen Falle wtirde sich eine solche Arbeit
freilich auch als tiberflUssig erwiesen haben: da scheint
die Richtigkeit der hier dargelegten Behauptungen ausser
Zweifel zu stehen. Nur bei einer geringen Zahl der an-
gefochtenen Stticke kann Referent bis jetzt nicht ohne
weiteres der Verwerfung derselben als Falsificate bei-
stimmen. Fiir einzelne &elegenheiten steht ihm dagegen
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336 Literatur.
noch weiteres fur Posses Annahmen sprechendes Material
zur Verfiigung; er kann es z. B. nSlher erharten, dass die
Urkunde uber eine angebliche Schenkung der Stadt Leipzig
durch Kaiser Heinrich II. an das Stift Merseburg um 1269
gefalscht sein muss.
Jener neuen sachlichen Gesichtspunkte und der durch
sie bedingten Aenderungen in der Darstellung sind so
viele, dass wir auf eine auch nur annahernd voUstandige
Aufzahlung derselben mit Riicksicht auf den uns zu Ge- '
bote stehenden Raum von vorn herein verzichten mtissen.
Wir beschranken uns daran zu erinnern, dass die Namen-
reihe der alteren Markgrafen eine andere Gestalt erhalten
hat; klarer als irgend bisher sehen wir, wie das Princip
der Erblichkeit auch bei der markgraflichen Wtirde menr
und mehr das Uebergewicht Uber den Amtscharakter
erlangt, wie der Konig selbst zur Forderung der kirch-
lichen Mission im Osten wie im Interesse des Grenz-
schutzes gegen die Slaven und zum Zwecke der Auf-
rechterhaitung einer Art Oberhoheit iiber Polen und
Bohmen den ErblichkeitsansprUchen seiner Vertreter in
"der Mark entgegenkommen muss; mit Sorgfalt sind alle
Stufen in dem Kampfe beider Prinzipien verfolgt, die
alteren Grundlagen der Machtstellung einzelner Bewerber
genau gepruft, die Personlichkeit und politische Thatig-
keit derselben, je nach der Diirftigkeit oder Ausgiebig-
keit der Quellen, ira letzteren Falle sogar manchmal in
etwas zu weitem Umfange zur Darstellung gebracht
worden. Und so werden nicht nur die grossartigen
militarischen Operationen jenseits der Elbe und deren
Wechselfalle in die Geschichte der Markgrafschaft hinein-
gezogen, sondern es finden zu einem guten Theile auch
die Geschicke der benachbarten westlichen Territprien
eine eingehende Behandlung ; frtihe genug waren ja schon
die alten Marken Merseburg und Zeitz in die ungleich
wichtigere Mark Meissen aufgegangen, und sowohl die
Ekkehardiner als das Haus Weimar-Orlamiinde war bis
tief hinein nach Thtiringen mit Eigengut und Lehnsbesitz
ausgestattet; durch die Glieder des letzteren Geschlechts
spielen dann wieder die Ungarnkampfe Heinrichs III.,
die Streitigkeiten um die Vormundschaft und Reichs-
regierung fiir den minder) ahrigen Heinrich IV. und der
ganze Thiiringer Zehntenstreit in die meissnischen Ver-
haltnisse hinein. Mit dem Uebergange der Herrschaft
an die Brunonen losen sich zwar die Beziehungen zu
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Literatur. 337
Tliiiringen, dagegen tritt Meissen in um so nahere Ver-
bindungen mit der sachsischen Heiraat des neuen Ge-
schlechtes, die unter dem Einflusse der dortigen Oppo-
sition gegen den Konig walirend des Investiturstreites um
so verhangnisvoUere Gestalt annehmen, und vor allem
ist Markgraf Ekbert II. in seinem Ehrgeize und politi-
schen Wankelmuth das Prototyp der furstlichen Sonder-
politik jener Tage. Dass er^ im Kindesalter dem Vater
in der Wtirde folgend, (loch zunachst einen Vormund
sich hat gefallen lassen milssen, mochten wir mit der
alteren Literatur lieber aufrecht erhalten, wenn wir auch
Posse beistimmen, dass es nicht der Wettiner Dedi, der
Markgraf der Lausitz, gewesen, der die Vormundschaft
geiibt habe. Ferner geniigt uns S. 178 auch die Autoritat
des sachsischen Parteigangers Bruno nicht, um, wie hier
geschieht, Ekbert fiir ganz schuldlos am ersten sachsischen
Aufstande, der ihm zuerst den Verlust der Privatguter
und bei weiterem offenen Kampfe auch die Achtserkla-
rung und die Aberkennung der Mark brachte, zu halten;
die zwei Seiten friiher begegnende Berufung auf die An-
nalen Lamberts fiir jene Annahme bferuht auf einem Ver-
sehen in den Citaten. Gesicherter erscheinen uns dagegen
durch Posses Untersuchungen die Termine fiir den Riick-
tritt Ekberts zur koniglichen Partei und fiir die Wieder-
erlangung der Mark. Aus den weiteren sich wiederholenden
Aufstandsversuchen, Verurtheilungen, Wiederaussohnungen
und Kampfen, die bis zur Bewerbung um die Konigs-
krone fiihren , mochten wir nur darauf aufmerksam
machen, dass es nicht ganz gerathen scheint, dem
Chronisten Bernold in der Annahme zweier Niederlagen
Heinrichs IV. im Jahre 1088 und 1089, in denen er die
Reichsinsignien an Ekbert verloren hatte, zu folgen; der
Berichterstatter macht sicherlich wohl aus einem Vorgange
zwei getrennte Erzahlungen. Der letzte endgiiltige Pro-
zess gegen Ekbert war es, der das Haus Wettin in die
Meissener Herrschaft einfuhrte, wofiir der neue Markgraf
Heinrich freilich die Lausitz in die Hande Wiprechts von
Groitsch tibergehen lassen musste, vielleicht, wie Posse
wahrscheinlich macht, rait Riicksicht auf den Schwieger-
vater des letzteren, den Bohmenkonig, der, mehrfach vom
Kaiser mit Ekberts Amt bedacht, jetzt mit umfassenderen
Anspriichen zuriicktrat.
Im Eingange des vierten Abschnittes spricht sich
der Verfasser nattirUch iiber die Vorgeschichte des Wet-
Neues Arcbiv f. S. G. u. A. II. 4. 22
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338 Literatur.
tinischen Hauses aus. Er iiberschreitet erfreulicher Weise
in seinen Annahraen uber die Anfange desselben nicht
die Grenzo des durch die Thietmar'sche Chronik und den
Annalista Saxo Verbiirgten; die vielfachen weitgehenden
und widerstreitenden Hypothesen uber diesen Punkt
werden vor allera in Anmerkungen resumiert und zuriick-
gewiesen. So sieht er davon ab, aus der Bemerkung
Thietmars, dass die Wettiner einer „tribu8 Buzici" ent-
stammten, weitere Schliisse zu ziehen, scheint aber ge-
neigt zu sein, ^tribus" eher als Bezeichnung flir Geschlecht
alfi im localen Sinne aufzufassen. Referent theilt diese
Ansicht nicht ganz, es will ihn dunken, „tribu8" sei
eher als Namen eines Volksstammes aufzufassen, der all-
m^hlich sich auf eine Gegend oder Landschaft ubertragen
hat, imd sollte dieser Name wirklich slavischen Ursprungs
sein, so stimmen wir Posse doch entschieden in der An-
nahrae bei, dass die Trager desselben von Haus aus
Deutsche gewesen sind. Posse vervoUstandigt und ver-
tieft mit Geschick an der Hand der von den Urkunden
gebotenen Ortsnamen den bereits von O. v. Heinemann in
die Hand genommenen Beweis, dass das wettinische Haus
reiche Eigengiiter und mehrere Komitate im nordthii-
ringischen Schwabengau innegehabt habe und fiihrt dann
endlich, unseres Wissens nach zuerst, die aus dem Sachsen-
&piegel und aus den den Satzungen desselben entsprechenden
Thatsachen gewonnenen Arguraente fiir die schwabische
Herkunft des Geschlechtes ins Feld; weniger im Einklange
mit dem bisherigen vorsichtigen Vorgehen steht an dieser
Stelle freilich der sehr hypothetische Riickblick in die
Zeiten der grossen germanischen Volkerbewegung. Von
hier aus wird alsdann, soweit es die sparlich fliessenden
Quellen gestatten, der allmahlichen Ausdehnung der wet-
tinischen Hausraacht bis zum Eingreifen in die Meissener
Verhaltnisse nachgegangen ; an diesem Ziele angelangt
greift nach Schilderung der kurzen Regierung Heinrichs I.
die Darstellung wieder auf friihere Jahrhunderte zuruck,
um uns mit den Schicksalen der Vorfahren Wiprechts H.
von Groitzsch vertraut zu machen, der in der Reichs-
geschichte des ausgehenden elften und beginnenden
zwolften Jahrhunderts eine grosse RoUe spielte und
auch fiir kurze Zeit die bereits als wettinisches Erbe
geltende Mark gewann, als mit Heinrich H. schon
die neue Regentenfamilie im direkten Mannesstamme er-
losch. Ein zieralich in Details eingehender Ueberblick
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Literatur. 339
aber die Kampfe Heinriclis V. mit der Kirche und den
saclisischen Fiirsten, die zum Theil an den Streit um die
Orlamiinder Erbschaft in Thtiringen ankntipften, schiebt
sich etwas fremdartig in die Hauptdarstellung ein; doch
sind diese Erorterungen durcliaus erwunscnt, um die
Stellung des Kaisers und der Fiirsten zu einander zu
charakterisieren; freilich scheint der Verfasser, wenn er
audi die von letzteren erhobenen Anspriiche auf Beriick-
sichtigung der weiblichen Linien bei Heimfallen von
Reichsiehen verwirft, doch dem Konigthume fur sein
Festhalten an dem freien Verfugungsrechte gegen die ge-
wohnheitsmassig ausgebildete Forderung einer Succession
der nslclisten mannlichen Verwandten, die Scliuld an diesen
heillosen Wirren mehr als billig beizumessen. Der Unter-
stutzung des Fuhrers der s'achsischen und ftirstlichen Oppo-
sition, des nachmaligen Kaisers Lothar III., hatte es
Konrad von Wettin, spater „der Grosse" genannt, der im
dritten Gliede mit Heinrich II. von einem gemeinschaft-
lichen Stammvater abstammte, zu danken, dass er in den
Besitz der Mark Meissen gelangte und sich daselbst mit
Ehren behaupten konnte; seitdem ist die Verbindung
dieses Landes mit jenem Furstengeschlechte nicht unter-
brochen worden. In der bei letzterer Gelegenheit behan-
delten Frage, ob die Winzenburger in einer Verbindung
mit der Mark Meissen gestanden hatten, kann man sich
nur mit auf den verneinenden Standpunkt Posses gegen
die Angaben der Pegauer Annalen stellen; dagegen ist
jenem Furstenhause nach dem sicherlich gut unterrichteten
Chronicon Sampetrinum eine Markgrafschaft in thuringisch-
sachsischen Gebieten nicht abzusprechen, und vielleicht
konnte sein Herrschaftsgebiet in die alten Marken Zeitz
und Merseburg zu legen sein, da die Nachfolge der
Wiprechtiner auf die bisher daselbst waltenden Stader
Grafen auch nur in das Bereich der Vermuthungen ge-
hort. — Den Schluss des Ganzen bildet ein uns recht
zusagender Ueberblick iiber die innere Verfassung und
die Kulturzustande' des Markgebietes ; es ist hier alles,
was sich aus den dtirftigen Quellen ermitteln liess, zu
einem wenn auch weder farbenreichen noch in alien seinen
Theilen gleichmassig ausgefiihrten, aber ftir den Kenner
hochst beachtenswerthen Bilde gruppiert.
Nur um den Zusammenhang des bisher besprochenen
Textes nicht zu storen, ist die Erorterung mehrerer an
sich bedeutsamer und fur die vorausgehende Untersuchung
22*
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340 Literatur.
hochst wichtiger Fragen in die Excurse verwiesen worden ;
oben an steben hier die von Posse rnit gutera Erfolge
unternommenen Versuche, die Organisation dee der Mark
entsprechenden Bistliums, die wie uberall so auch hier auf
die politisclie Gestaltung des Landes tiefgreifenden Einfluss
ubte, festzustellen. Die Verfolgung dieses Gegenstandes
muss sicli aus Mangel an geeignetem, von Meissen selbst
aus gebotenem Material zum grSsseren Theile auf eine
Reihc von auswarts gewonnener Grundlagen stlitzen, die
insofern zu erwiinsehten Resultaten fuhren, als die Eut-
wicklung des Stiftes Meissen einmal mit der unter so
frossen Schwierigkeiten durcbgefuhrten Erriclitung des
Irzbisthumes Magdeburg und sodann mit den besonders
eigenthtimlichen Scbicksalen des Merseburger Bisthumes
von den ersten Anfangen an in innigstem Zusammenhange
stand. Es ist in dieser Beziebung die bald nacb der
Griindung (981) durch die Staatsgewalt wieder erfolgte
Aufhebung letzterer Stiftung, mit der eine Auftheilung des
Sprengels an das Metropolitanstift, an Halberstadt und
die beiden anderen Suffragane des ersteren verbunden
war und gegen die sich in der Kirclie eine gewaltige
Bewegung erlieben musste. Mit der nacb Jabrzebnten
bier auf durcbgefubrten Wiederberstellung war indess der
alte Besitzstand nicbt wieder vollig erreiebt worden, und
80 baben denn die dortigen Kircbenfiirsten lange Zeit fur
die Erreicbung dieses Zieles gestritten, docb obne zu
einem vollig befriedigenden Abscblusse zu gelangen; nicbt
nur blieb gegen dieselben Meissen im Vortbeil in deni
ibm bei der Tbeilung zugewiesenen Gebiete, es gelang
ibm vielmebr aucb, den Magdeburg einst zugefallenen
Beutetheil an sicb zu zieben und scbliesslich die Grenzen
seiner geistlicben Jurisdiction bis zum Bober und zur
Oder auszudebnen. Freilicb ist es Posse bei all seinen
friindlichen und raetbodiscben historiscb-geograpbiscben
'orscbungen nicbt moglicb geworden, einen genaueren
Zeitpunkt und bestimmte Verbaltnisse ftir diese Um-
walzungen zu ermitteln; aus seinen Erorterungen ge-
winnen wir nur das dankenswertbe Resultat, dass die
erbeblicbe Erweiterung der Bistbumsgrenzen mebr auf
dem Wege der Gewalt als des Rechtes gegen Ende
des elften Jabrbunderts vor sicb gegangen ist und dass
man, um anscbeinend recbtlicbe Grundlagen fiir die er-
bobenen Anspriicbe und deren Bebauptung zu bescbaffen,
ganze Urkundenserien gefalscbt bat. An der Hand der
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Literatur. 34]
hier gewonnenen Hilfsmittel unci anderer Materialien, die
uns in einem spateren Excurse nacli gehoriger Priifung
und Sichtung mitgetheilt werden, unterniramt es Posse
mm, die alten Grenzen der fiir die historische Entwick-
lung Sachsens in Betracht koramenden Gaue Chutizi,
Siusili, Daleminci, Nisani, Lusizi und Milzeni zu rekon-
struieren, und rait Ausnahme einiger Stellen in den 5stlich
gelegenen Gebieten, an denen man sich auch fernerhin
stets mit Vermuthungen begniigen wird, miissen die ge-
zogenen Scheidelinien als wohl beglaubigt anerkannt
werden. Wie eben bemerkt, ware die Durchtuhrung dieser
Aufgabe nicht moglich gewesen ohne Heranziehung der
im letzten Excurse neu eroffneten Quelle: der in dem ent-
sprechenden Bande des Codex diplomaticus noch nicht
zur Publikation gelangten Matrikel des Bisthums Meissen ;
obwohl zum grosseren Theile nur in spateren Ueberliefe-
rungen erhalten, lasst sich Umfang und Inhalt einer in
der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts entstandenen Re-
daktion erkennen, und mit richtigem Tacte ist Posse bei
Verwerthung derselben nicht mechanisch, sondern unter
steter Beriicksichtigung der naturlichen geographischen
Verhaltnisse vorgegangen. Eine Gaukarte fiir Thiiringen
und Meissen in nicht allzu kleinem Umfange unterstiitzt
bildlich die nicht immer leichte Verfolgung der historisch-
geographischen Fragen, wie auch die wechselvoUen Be-
ziehungen der Bisthumsgebiete auf der Grenzscheide des
zehnten und elften Jahrhunderts durch eine Mehrzahl
kleinerer Karten erlautert werden und wie ferner die
Beziehungen der Wettiner zu den Grafschaftsverh'alt-
nissen im Schwaben- und Hassegau eine graphische Dar-
stellung finden; in ahnlicher Weise ist auch das Ver-
standnis der recht verwickelten verwandtschaftlichen Be-
ziehungen der markgraf lichen Familien durch vier Staram-
tafeln erleichtert, und fiir die bequemere Handhabung und
Ausnutzung des mannigfaltigen Inhaltes durch ein ein-
gehendes umfangliches Register und eine dem Ganzen
vorausgehende Inhaltsiibersicht Sorge getragen.
Ohne uns in weitere Erorterung von Einzelheiten, die
uns an dem vorliegenden Werke nicht v5llig zusagen,
einzulassen, konnen wir von demselben nicht scheiden,
ohne es im Ganzen als eine werthvolle Bereicherung
unserer historischen Literatur zu bezeichnen; neben den er-
wiinschten Beitragen, welche die allgeraeine Reichsgeschichte
des zehnten bis zwolften Jahrhunderts nach den ver-
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342 Literatur.
schiedensten Seiten aus ihra entnehraen kanc, miissen in
erster Linie alle, die sicli mit der geschichtlichen Aus-
und Weiterbildung der sachsischen Landes- und Flireten-
macht wiBsenschaftlicli beschaftigen , Posse dankbar sein
fiir die Bescbaflfung dieser urafassenden und den An-
sprlicben der Neuzeit Rechnung tragenden Grundlage.
Einem gleicben Gefuble mochte der Unterzeichnete nicht
iinterlassen Ausdruck zii geben, insofem auch viele die
einzelnen Tbeile der preassiechen Provinz Sachsen be-
rlitrende Forschungen cine ansehnliche Forderung und
Anregung durcb die neue Publikation *erfahren haben.
Halle a.S. W. Schum.
Aeten der ErAirter Uniyersitat^ bearbeitet von Dr. J. C. Her-
mann Weissenborii. I. Theil. Halle, 0. Hendel. 1881. 4**.
XXVII, 442 SS. (A. u. d. T.: Geschichtsquellen der Provinz Sachsen
und angrenzender Gebiete. Achter Band).
Die Universitat Erfurt, die fiinfte in der Reihe der
deutschen Universitaten, verdankt ihre Entstehung nicht
wie ihre Vorgftngerinnen und Nachfolgerinnen fiirstlicher
Initiative, sondern der eigenen Entscbliessung einer Stadt-
gemeinde, die sich politiscb ira Laufe der Zeiten eine ge-
achtete Stellung und grossen Einfluss zu erwerben ge-
wusst hatte. Im Besitz zahlreicher Kirchen, Kapellen,
Kloster, Sclmlen, uberbaupt Bildungsanstalten, ragte Er-
furt aber auch in geistiger Beziehung vor andern deutschen
Stadten hervor, und schon am Ende des dreizehnten Jahr-
hunderts wird uns von 1000 Scholaren berichtet, die in
Erfurt verweiiten, um sich vorzugsweise zur Erlangung
hoherer geistlicher WUrden vorzubereiten.
Ein Jahrhundert spater und zwar nach Beendigung
der im Jahre 1373 ausgebrochenen K^mpfe wegen der
Mainzer Bischofswahl, dachte nun die Stadt daran, die
innerhalb ilirer Mauern bestehenden geistlichen Studien
zu einem studium generale, zu einer universitas litterarum
zu vereinigen, wozu nach damaligen Anschauungen vor
allem die papstliche Bestatigung erforderlich war. Der
Beginn des grossen Kirchen schism as im Jahre 1378 ver-
zogerte jedoch das Inkrafttreten des Unternehmens. Der
Erfurter Rath wandte sich, um seine Wiinsche erfuUt zu
sehen, an den von den franzosischen Kardinalen erwahlten,
zu Avignon residierenden Gegenpapst Clemens VII., der
denn auch am 16. September und 1. Oktober 1379 (seines
ersten Pontifikatsjahres) von Avignon aus zwei huldvoUe
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Literatur. 343
Schreiben an „die geliebten Sohne, obersten Rathsmeister,
Eathsraeister und Burger der Stadt Erfurt" richtete, in
welchen das „studium generale" konfirmiert und der Erz-
bischof von Mainz, beziehentlich der Decliant und das
Kapitel des Marienstiftes mit der Ueberwachung der Pro-
mo tionen betraut wurden. Immerhin dauerte es noch,
hauptsachlich eben wegen der kirchlichen Zwistigkeiten,
bis zum Jahre 1392; ehe die wirkliche ErofFnung der
Universitat vor sich ging, nachdem inzwischen der in
ganz Deutschtand anerkannte romische Papst Urban VI.
am 4. Mai 1389 eine zweite StiftungsbuUe und sein Nach-
folger Bonifacius IX. am 15. April 1390 zwei BuUen, die
Kompetenzstreitigkeiten betrafen, erlassen batten. Am 29.
April 1392 wurde dann die Universitat eroffnet und erst
von diesem Datum an wird ihr Bestehen gerechnet.
Langere Zeit war sie die einzige Universitat im
weiteren Umkreise, und ihre hochste Blute fiel auch
gleich in das erste Jahrhundert ihres Bestehens, in die
Zeit des Humanismus. Dann sank sie zwar schnell von
ihrer H(5he herab, erhielt sich jedoch noch Jahrhunderte
hindurch, bis sie endlich im Jalire 1816 aufgehoben
wurde. Mit Ausnahme der Bliitezeit, die bekanntlich
in Kampschulte einen treflflichen Bearbeiter gefunden hat,
ist der Geschichte der Erfurter Universitat bis jetzt nur
wenig Aufmerksarakeit zugewandt worden, hauptsachlich
wohl deshalb, weil es noch an einer kritischen Sammlung
und Ausgabe des urkundlichen , uberhaupt Aktenmate-
riales mangelte. Es ist daher der historischen Kommission
der Provinz Sachsen, welcher wir schon so manche werth-
voUe Quellenpublikation verdanken, als grosses Verdienst
anzurechnen, dass sie in dem neuesten Bande der von
ihr herausgegebenen Geschichtsquellen den Anfang zu
einer Veroffentlichung der Akten der Erfurter Universitat
gemacht und die Bearbeitung derselben dem ttichtigsten
und griindlichsten Kenner der Erfurter Gelehrtengeschichte,
Hermann Weissenborn, tibertragen hat.
Der Haupttheil der Arbeit besteht in der zum ersten-
mal veroffentlichten Matrikel der Rektoren, die zunachst
die Immatrikulationen in den einzelnen Rektoraten wahrend
der ersten 215 Jahre, also von 1392 bis 1607, nebst den
Einleitungen zu jedem Rektorate enthalten soil und um-
fiasst der vorliegende Theil nur die Immatrikulationen der
ersten 100 Jahre mit 197 Rektoraten. An der Spitze des
ganzen Werkes stehen die beiden papstlichen Stiftungs-
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344 Literatur.
bullen vom 16. September 1379 und 4. Mai 1389, die
eine nach dem im koniglichen Staatsarchiv zu Magde-
burg befindlichen Original und schon frtiher von Motsch-
mann in seiner „Erfordia litterata" abgedruckt, die andere
nach einer ebenfalls im Magdeburger Staatsarchiv vor-
handenen vidimierten Abschrilt des nicht melir existierenden
Originals. Diesen folgen die altesten nocli vorhandenen
Statuten der Universitat vom Jalire 1447, die bis 1665
in Kraft blieben, gleichfalls von Motschmann schon friilier
abgedruckt. Den altesten Entwurf der Universitatsstatuten,
der schon vor Griindung der Universitat abgefasst sein
soil, fand Weissenborn noch nachtraglich im Staatsarchiv
zu Magdeburg auf, und wird dieser im zweiten Theile
an der Spitze der Fakultatsstatuten zum Abdruck ge-
langen. Den Statuten schliesst sich dann die Matrikel an-
Wenn wir nun erwagen, dass wir bis jetzt nur von
sehr wenigen deutschen Universitaten gedruckte Matrikeln
oder Studentenverzeichnisse besitzen, wenn wir erwagen
welch grosse Bedeutung dieselben nicht bios ftir die
Genealogie, die Familien-, die Gelehrtengeschichte, 'sondem
auch fur die politische und Kulturgeschichte haben, so
miissen wir Weissenborns Ausgabe doppelt willkomirien
heissen, ganz besonders aber auch deshalb, weil sie mit
ausserordentlicher Sorgfalt gearbeitet ist und unbedenk-
lich als Muster fiir derartige Publikationen hingestellt
werden kann. Von hohem Werthe sind auch die kiinst-
lerischen Beigaben dazu; sie bestehen in vier in Bunt-
druck ausgefiihrten Facsimiles von Wappen der Rektoren,
wie solche im Codex A der Matrikel in nicht unbetracht-
licher Zahl enthalten und oft meisterhaft dargestellt sind.
Hier sind die Wappen des 152. Rektors Gunther Milwitz,
des 153. Rektors Heinrich Reuss von Plauen, des 155.
Rektors Johannes Rode und des 197. Rektors Symon
Volzke wiedergegeben.
Benutzbar wird freilich der verofFentlichte erste Band
erst dann sein konnen, wenn ein Register, zu dem der
Herausgeber auch bereits im Vorwort den Plan entworfen
hat, wonach er dasselbe sehr ausfuhrlich zu bearbeiten
gedenkt, vorliegt; wir woUen daher hoffen und wUnschen,
dass Weissenborn uns baldigst mit der Fortsetzung seines
so trefflich begonnenen Werkes erfreuen moge.
Leipzig. Bruno Stttbel.
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Literatur. 345
Uebersicht tiber nenerdings erschienene Sohriften nnd
Anfsatze zur Saohsisoh-Thiiringisohen Geschichte und
Alterthumskunde.
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44 SS.
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Riemevj W. Das Schloss Hubertusburg sonst und jetzt.
Eine monographische Skizze. Mit einer lithographierten
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1881. 8^ V, 55 SS.
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schaftliche Geographic. Bd. II. S. 143—145.
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Bonifacii und St. Pauli in Halberstadt. Herausgegeben
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Nebst sechs Siegeltafeln und zwei Holzschnitten. Halle,
O. Hendel. 1881. 8^ XXXI, 630 SS; (Geschichts-
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SchtdzCf Herm. Die sachsischen Hausgesetze. Herausge-
geben und eingeleitet. Jena, Fischer. 1881. 8^ 317 SS.
(A. u. d. T. Die Hausgesetze der regierenden Fursten-
hauser. Bd. HI. Abth. 1.)
Spiess, H. Zur Geschichte des Hauses Henneberg: Zeit-
schrift fur preussische Geschichte und Landeskunde.
Jahrgang XVIII (1881). S. 379-386.
Zeitschrift des Vereins fur Thurinaische Geschichte und
AUerthumskunde. Neue Folge. Zweiter Band. Heft 3.
Jena, G. Fischer. 1881. 8^
In halt: Kichter, Eine Jenaer Stadtordnung aus dem 16.
JahrhuDdert. Richter, Tell einer Selbstbiographie Adrian Beiers.
Blumschein, Wiprecht von Groitzsch. Literarische Mittheilungen.
Martin, Jenaische Urkunden. Kolde, Ein Brief des Job. Stigel liber
die Anfange der Universitat Jena. AnemOller, Ein Brief von Nic.
Selnekker.
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Register.
Adolf, Herzog von Cleve 103.
112.
Agnes, Herzogin v. Schweidnitz
57. 63.
Albi (Wishennil), Franz, Monch
zu Altzelle 293 flF.
— Johann, Altarist zn Chemnitz
293 ff.
Albrecht III., Herzog v. Bayern-
Munchen 30.
— (d. Beherzte), Hzg. v. Sachsen
2 ff. 209. 226. 229 ff. 283 f.
— II., Konig 207. 211.
— (Achilles), Mkgr. v. Branden-
burg 2. 19 ff. 43. 47 f.
Alexander, Kaiser v. Russland
242 f. 249.
Alexius, Hans, Kathmann und
Bleichrichter zu Chemnitz 306.
310.
Altchemnitz bei Chemnitz 311.
Altdresden 276 f. 283.
Altenborg 68 ff. 296. s. Kilian,
Schurzauf.
Altfehr 150.
Altzelle 13. 231. Abt: Antonius
307 f. M5nch s. Albi.
Anklam 149.
V. Arnim, preuss. General 148.
Arnold, Hans, Rathmann zu
Chemnitz .306.
— Mattis 309.
Arnshaug 116.
Aster, Oberstlieutenant 249.
August II. u. III. V. Pol en s.
Friedrich August.
Auguste, Prinzess (T. Kg. Friedr.
Aug. L) 238.
Auhrow 26.
Auma 116.
Aussig, Schlacht bei 203.
Bachmann, Paul, Rathmann zu
Chemnitz 304 f.
Baden 20. s. Louis.
Baiersdorf 28.
BalthasarPleban zu Chemnitz 28.
Bar by, Herrschaft 242.
V. Barnstein, Span 28.
Basel 66.
Bautzen 63. 61. 63. 202. 211. 216.
219. 222. 226. 227 f.
Bawm garth s. Chemnitz.
Bayern 19. 26. 80 ff.
— 8. Albrecht, Ludwig, Otto, Sigis-
mund.
Bayreuth, Markgrafin v. 161.
Beauharnais s. Eugen.
Becker, Nicolaus, Rathmann zu
Chemnitz 306.
Beger, Israel, Lehrer zu Frei-
berg 266.
Beichlingen, Grafen von 122.
Belger, Nicolaus, de Dresden 303.
de Bellegarde, Graf Claude-Marie
178.
— Graf, General 824 f.
V. Benkendorff, General 325.
Bensen in Bohmen 199 f. 204. 209.
V. Bergow u. v. Trosk, Joh. 209.
Berka bei Weimar 106.
Berka yon der Duba 193 ff.
— (a. Linie HohnsteinJ.
Heinrich I. (Hinko, Heinke,
Hynekj Gindrzich) 194 f. 217.
Heinrich, s. Bruder 194 f.
Heinrich IL, Landvogt der
Niederlausitz , ber s tland-
richter in Bohmen u. s. w.
195—199. 217 f.
Hinko auf Leipa, s. Bruder
195. 217 f.
Else, dessen Witwe 197.
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348
Register.
Berka von der Duba.
— (a. Lime Hohnstein).
Hinko Hlawatsch aaf Leipa,
(lessen Sohn, Landvogt der
Oberlausitz 196. 197. 201.
Heinrich HI. 198—201.
204—209. 215. 218.
Barbara, s. Gem. 208 f.
Heinke d. J. auf Wilden-
stein, 8. Bruder 198—203. 209 f.
218.
Benesch auf Hohnstein, s.
Bruder 198. 200.
Johann auf Kreibitz, s. Bru-
der 200. 215. 218.
Nicolaus, s. Bruder 209.
Anna (v. Kolowrat), s.
Schwester 209.
Heinrich IV. auf Muhlberg
209.
— (b, Linie Wildenstein).
Heinrich I. 199 f.
Heinrich H. d. A. 203—206.
210 f.
Benes 205 f. 210 f.
Albrecht 205-216. 218-234.
Anna (v. Donin), s. Gem.
211. 219.
Benesch, s. Sohn 232.
Christoph, s. Sohn 233.
— (c. Linie Miihlstein).
Gindrzich 206.
Heinrich d. J., s. Br. 224.
Heinrich auf Leipa 221.
223 f.
— (d. Linie Hauska).
Sbinco 224.
— Jaroslaus, auf Leipa 233.
— Czenko 206.
Berlspach, die, bei Chemnitz 301.
Bernhardi, Sam., Rector zu Mitt-
weida 251.
Bemstadt 59.
V. Bernstein, Waltzk 41.
Berthelsdorf a. Queiss s. Eberhard.
Berthier, franzos. Marschall 244.
B6sanval, Baron, franz. Gesandter
161.
V. d. Besenicz, Otto 65.
Beyer, Gasp., Biirgermeister zu
Chemnitz 306.
V. Biberstein, Herren, auf Fried-
land u. Hammers tein 211. 219.
— Friedrich auf Friedl. u. Forst
211.
V. Biberstein, Hans auf Friedland
197.
— Ulrich auf Friedland 197.
auf Friedl. u. Forst 211.
— WenzelaufFriedl.u. Forst 211.
Bibra s. Ebersdorf,
Billich, Paul, Rathmann zu Chem-
nitz 306.
Birke, Christoph 210.
— Georg 209 f.
— Ursula, s. Frau 210.
— Steffan 209 f.
Bischofswerda 207.
Blankenstein, Herrschaft, iu
Bohmen 212. 235.
Blomberg 109.
V. Blticher, General 242.
Bodo, Domdechant zu Merseburg
297.
BOhme'n 1 flF. 99 flF. 193 ff. 201 ff.
8. Johann, Wladislaus.
Bohmisch-Zwickau 224.
Bonn 120.
de Borch, Petrus, Domherr in
Gran (Strigonium ?) 297.
Bose, Christoph Dietrich, Geh.
Rath u. Kammerdirektor 315.
317.
V. Boskowitz, Jeschko 100.
Bouragarte, Mattis, Rathmann zu
Chemnitz 306.
Boxdorf bei Dresden 287.
Brakel 108.
Brandenburg 1—4. 15. 24. 26. 30 f.
56 f. 8. a. Albrecht, Friedrich,
Johann, Otto.
Braunschweig s. Heinr., Wilhelm.
Brendel, russ. Oberst 239.
Breslau 29. 40 f. 43. 53. 61. 127.
219 if. s. Rudolf.
Breslauer, Dr. Johann 22. 37. 41 f.
Brieg 61.
Briessnitz bei Dresden 245.
de Brosses, Claude, Oberst 138.
141 f.
Brahl, Graf 167.
V. Biinau, Heinrich, kurf. Vogt
auf Hohnstein 214.
Burgund J. 29. s. Karl.
Bursarius, Ambrosius, v. Dobrilug
219.
Butener, Otto 58.
Buttelstedt 105.
Cadan 11.
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349
V. Capistrano, Johannes 8.
Caspar, Abt s. Chemnitz.
Castell-Remlingen, Graf, General-
major 147. 151.
Canlincourt, Herzog v. Vicenza,
franz. Oberstallmstr. 244 — 247.
Cerdo, Niclaus, zu Chemnitz 296.
Cette 176.
Chambord 178.
Chemnitz 36. 38. 290 fT.
— Rath 294. 299. 304—306.
— Btirgermstr. s. Beyer, Friczko,
Lindau, Melzer.
— Vogt 8. Swertfeger.
— SchdflFen 294. 306.
— Stadtschreiber s. Franko.
— Schulmeister s. Schultheis.
— Bleiche, Bleichgericht 293-296.
299. 310.
— Mtihlen (Pfortenmuhle) 294.
296. 303. 310.
— uflF den steingriiben 304.
— Langegasse 309.
— Sweinanger 309.
— valva claustralis 301.
— Armenhaus (conventus) 302.
308.
— leprosarium 302, 308.
— Hospital und Altare darin 294.
297. 307.
— Jacobikirche und Altare etc.
294 f. 297. 300—307.
— Johanniskirche u. Altare 304.
307 f.
— Nicolaikirche 301.
— Benedictinerkloster 294. 307.
309—311.
Aebte: Caspar 307—309.
Heinrich298. 311 . Hilarius 311 .
Johannes 310. Dlrich 296.
Prioren: Ham el, Johann 311.
Kopperling, Johann 311. Con-
ventualen : Bawmgarth, Steph.
311. Kogeler, Nicolaus 311.
Rudnitz, Luppoldus de 297.
Vogt, Joh. 311. Trapschuch
Steph. 311.
— Archidiaconat 297 f.
— Official des Abts : Theodoricus
298.
Chlumec 209.
V. Chlumec, Berka 103.
Christina, T. des Kurf. Ernst v.
Sachsen 44.
Cleve s. Adolf, Johann.
Cluverus, Phil. 266 f.
V. Colditz, Albrecht 209.
Conradus, vicar, perpet. zu Chem-
nitz 301. 303.
Coppet bei Genf 130.
Cossell, Grafin A. C. 132. 162 f
172. 179.
— Graf 163.
— Auguste Constantie s. Friesen.
Cottbuser Kreis 242.
de Croy, Herzog 83.
Czanspil, Claus, Rathmann zu
Chemnitz 304 f.
Czindeler, Nicol., zu Chemnitz
303.
Czymmermann, Caspar, Rathmann
zu Chemnitz 304—306.
Danemark 135—152. s. Friedrich.
V. Dambno, Jacob, poln. Kanzler
46 f.
Davoust, franzos. Marschall 240 f.
Demotika 136.
Detmold 109.
Deutscher Orden 46.
Dewin in Bohmen 212. 217. 225.
229.
V. Diemar, Obrist 151.
Dietrich, Erzbischof v. Koln
103—121. 127.
— III. Bischof V. Meissen 6. 15.
19. 33—38. 42. 45. 210.
Dittersbach bei Stolpen 36.
Donhoff, Grafin 160 f.
Dohna, Alexander, Graf 130.
V. Dohna (Donin), Anna s. Berka
von der Duba.
— Friedrich, auf Wildenstein 99.
125.
— Nicolaus auf Grafenstein 213.
— Wentsch,aufGrafenst.211-213.
219. 233.
Dohnasche Fehde 198.
Dolgoruki, Furst, russ. Gesaftdter
in Kopenhagen 143.
Dresden 36 if. 44. 61. 89 f. 13.? f.
137. 160 f. 165 ff. 170 ft\ 198.
201. 204 ff. 238 ff. 273 ff.
Ducker, schwed. General 148. 152.
Eberhard, Georg, auf Berthelsdorf
a. Queiss 235.
Ebersdorf, Nicol., Canon, in Bibra
u. Zscheila, Altarist in Chem-
nitz 294. 301.
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350
Register.
V. Eberst&dt, Gottfried Leberecht
Janus, General 137. 166.
Eekart,Nickil| Rathmann zu Chem-
nitz 304—306.
— Paul, Rathmann (SchOffe) zu
Chemnitz 304—306.
Eczel, Vincenz, Bargermeister zu
Gdrlitz 62.
Eger61. 101. 116. 124. 127. 216.
Ed^erland 34.
Ehrenberg in Bohmen 235.
Ehrenberp, Laur., Stadtschreiber
in Gdrlitz 66.
V. Eibau (Yba), Benedikt 218.
— Wenzel 218.
Eichsfeld 107.
V. Eichst&dt, Generalmajor 147.
Eimbeclf 104. 107 f.
V. Einsiedel, Heinrich 6.
— Jobst 101.
— Graf Detlev, Cabinetsmin. 249.
— Graf Georg, sftchs. Gesandter in
Paris 245 f. 249.
Eiboffen 11.
Elisabeth, T. Kf. Friedr. Aug. II.
239.
am Ende, Chrph., Magister 261 ff.
— Paulus 301.
— Petrus 301.
England 131 f. 143 ff.
Erfurt 5 f. 17. 19. 22. 24. 26 f.
98. 101 f. 105. 122 f.
Ernst, Kurfiirst von Saclisen 2 ff.
209. 226. 229 ff.
V. Ertmarsdorft*, Nicol., Archidia-
con 72 f.
Eschdorf 36.
Esterhazy, Ftirst P., (isterr. Ge-
sandter 240.
Eugen (Beauharnais), VicekSnig
s. Italien.
Falkenberg, Schloss (Westf.) 109.
Ferrara, s. Rovarella.
Flemming, Feldmarschall 134 ff.
Franko, Johannes, Stadtschreiber.
in Chemnitz 294. 297.
Frankreich 29. 130ff. 142. s. Lud-
wig. Napoleon.
Franz II., liaiser von Oesterreich
246.
Frauenhfiuser 68 ff*.
Frauenstein 13. 16. 18.
Freiberg 7 ff. 36. 38. 204. 23P.
— Gymnasium 253. 255 ff.
Freiberger, Johann, Rathmann zu
Chemnitz 305.
— Nicol., Rathmann zu Chemnitz
305 f.
— Steffan 309.
Friedrich III., Kaiser 6 ff. 98. 104.
220. 223.
— d. J., Landgraf von Thftringen
198.
— d. Strenge, Mkgr. v. Meissen
293.
— d. Streitb., Kurf. von Sachseii
198. 203 f. 208. 299.
— II., Kurfiirst von Sachsen 98.
102 ff. 122.
— IV., Konig V. Danemark 139 ff.
— Pfalzffraf 19. 30 f. 84.
— II., Kurfurst von Brandenburg
1 ff. 23 ff. 102. 220.
— Sohn des vorigen 44.
— Erzbischof von Magdeburg 98.
— Bischof von Merseburg 296.
Friedrich August I., Kurf. von
Sachsen 130 ff. 317 ff.
II., Kurf. V. Sachsen 159 ff.
167 ff. 322 ff.
III., Kurf., dann (I.) Konig
von Sachsen 237 ff. 324 ff.
Friedrich Christian, Kurprinz von
Sachsen 167.
Friedrich Wilhelm I, Konig von
Preussen 147 f.
III., Konig von Preussen
242 f. 248.
V. Friesen, Familie 129 ff.
— Heinrich, Geheimrathsdirektor
130.
— Heinr. August, Graf 166. 175 ff.
— Heinrich Friedr., Graf 129 ff.
— Auguste Constantie, des vor.
Gemahlin (geb. Cossell) 163 ff.
— Joh. Friedr. Ernst, auf Rotha
179.
— Julius Heinrich, Graf 130 f.
— J.G.F.,Oberkammerherr237ff.
Friczko, Heinr., Biirgermeister u.
Rathmann zu Chemnitz 304 —
306.
Fritzsche, Chrn., Lehrer zu Frei-
berg 256 ff
Frowinus 297.
Fuenclara, Graf, span. Gesandter
170.
Flirstenberg, A. E., Furst, Statt-
halter 1.34. 319.
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Register.
351
Gadebusch 135.
Garniatorf, Nicol., Rathmann zu
Chemnitz 306.
Geier 38.
Georg, Herzog von Sachsen 283 f.
— s. Podiebrad.
— Propst zu Pressburg 23.
Georgswalde bei Rumburg (Bdhm.)
216.
V. Gersdorff, General 249. 326.329.
— Hans 67.
— Heinrich auf Bischdorf 60.
— Jan auf Radineritz 59.
— Otto auf Radmeritz 59.
Geschossregister 274 flf.
Geseke so. von Lippstadt 121.
Geusing, Jeniko 286.
de St. Giles, Marquis 165.
Glauchau 292 f.
Gleichen bei G6ttingen 108.
V. Gleichen, Graf Ernst 98. 122.
— Graf Ludwig 102. 122.
V. Globig, H. E., Conferenzminister
237. 239.
V. Glogau, Jakob, s. Jacobus.
Gorlitz 3. 67 if. 202. 211. 218 f.
221. 227. 8. Ehrenberg, Eczel,
Sleife.
Gottingen 107 f.
v..d. Goltz, Frhr., Feldmarschall
81 fF. 314.
Gommern, Herrschaft 242.
Gorbitz bei Dresden 240.
Gosdorf bei Hohnstein 200.
Grabe bei Miihlhausen 106.
Grabaczsch, Nicol., de Czwickaw
303.
Gran: Strigonium s. Borch.
Grafenstein bei Zittau 211 if.
Graupa bei Dresden 131. 179.
Graupen in Bohmen 8. 18.
Gregoriusfest 252.
Greifswalde 149.
V. Grisslau, Hans 203.
Grodno 158. 160.
Grohmann, Jobst 235.
V. Groitsch, Heinrich 194. 216.
— Wiprecht 216.
Grossg6rschen,Schlacht, s. Llitzen.
Grosshennersdorf bei Zittau 226.
GrossschOnau bei Zittau 226.
Grfingrabchen b. Konigsbrttck 179.
Grtinhain 38. Abt Johann 41.
V. Guben, Johann 54.
Guhrau 61.
V. Guttenstein, Nicl., auf Breiten-
stein 100.
Habirberger, Michel 303.
V. Hag, Franz 228.
Hainichen 251.
Hainspach bei Schluckenau 216.
Hallart, Baron 136.
Hameh s. Chemnitz.
Han, Paul, zu Chemnitz 294. 310.
Harras, Ritter 122.
Hartmann, Paulus 33.
Haseloif bei Belzig 251.
Hase von Hasenburg 126.
— Wilhelm 217.
V. Haugiswald, Arnold, auf Stiirza
197.
Hauschild, Joh., Altaristin Chem-
nitz 300.
Haxthausen 13a if. 161. 176.
V. Heimburg, Gregor 28. 32. 35.
48.
Heinrich, Hzg. von Braunschweig-
Grubenhagen 107.
— Hzg. von Jauer 58.
— Hzg. v.Mtinsterberg32.48.228.
— Abt s. Chemnitz.
Heinwald, Sigm., von Konigswalde
226.
Helfericus, Altarist zu Chemnitz
301—303.
Heller, Claus 65.
— Vincenz, auf Sercha, BUrger
zu GOrlitz 65.
Helmert, Wolfgang, Kantor zu
Mittweida 251.
Helwici, Andr., Altarist in Chem-
nitz 297.
Hennersdorf bei Sebnitz 200.
V. Hennicke, Graf, Minister 166.
Herford 109 f.
Hermann, Casp., Stadtrichter zu
Mittweida 252.
V. Hermsdorf, Christ. 214. 225 if.
— - Hans 235.
Hertigswalde bei Sebnitz 200.
Hessen 2. 20. 23. s. Ludwig.
Heyczer, Peter, de Ernfredisdorf
303.
Hilarius, Abt s. Chemnitz.
Hildebrandus, Friedr., Mag. 266 f.
Hildesheim s. Magnus.
Hilgersdorf bei Schluckenau 230.
Hillebrand, Jakob, Rathmann und
Srhoffe zu Chemnitz ,304—306.
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362
Register.
Hinko, Sohn Georg Podiebrads 48.
Hinterhermsdorf 200.
Ilirschfelde bei Zittau 233. 236.
V. Hockenborn aiif Priebus 196.
Hornitz bei Zittaa 226.
Hofmann, Nickel., RathroaDu zii
ChemDitz 304— .306.
Hohnstein 33. 193 ff.
— Graf Ernst von 24.
Holan (Herrsch. Tollenstein) 217.
Holland 130 flF.
Hoist, dan. Minister 140. 145.
Holstein 135.
V. Hopfgarten, G. W., Cabinets-
minister 239.
Horka 62 f
Horn (Lippe Detmold) 109.
Hotret, Petir, Rathmann zii Chem-
nitz 304.
V. Hoya, Johann, Graf 109. 113 f.
Hoyerswerda 3 f. 226 f.
Hoym, Adolf Magnus, Cabinets-
minister 132.
Hradisch 32.
Hussiten 195. 201 f. 219. 277.
Huter, Nicol., Altarist zii Chem-
nitz 300 f. 303.
V. llburg, Wilhelm 100. 115.
Immediatkommission 237 ff.
Italien s. Eugen.
Jacobus (v. Glogau), Miuorit 6. 46.
V. Janowitz, Dietrich 100. 115.
Jauer, Furstenthum 33.
Jena 24.
Jessen bei Pirna 131. 179.
Jockrim bei Stolpen 198. 207.
Johann, Konig von Bohmen 59.
— V. Gdrlitz 67. 61 ff. 196. 218.
— Herzog von Cleve 103. 112 f.
— Markgraf von Brandenburg 3.
— Erzbischof von Magdeburg 1 9.
— IV., Bischof V. Meissen 205 ff.
— s. Chemnitz, Griinhain.
Johann Adolf, Hzg. v. Sachsen-
Weissenfels, Feldmarschl. 167.
Johann Georg II., Kurf. v. Sachsen
130. 314.
Ill , Kurf. V. Sachsen 77 ff.
258. 313 ff.
IV., Kurf. v. Sachsen 130.
313 ff.
Johannes, Pfarrer z. Schluckenau
217.
Jost, Markgraf von Mahren 19ff.
198.
Juden in der Oberlausitz 50 ff.
Judicis, Paulus, Altarist in Chem-
nitz 301. 303.
Juterbogk 35.
Juncker, Philipp 18.
V. Just, sachs. Gesandter in Paris
247.
Kaiserswalde bei Schluckenau 214.
Kalenberg, Schlacht am 77 ff.
Kamenz 57. 235.
Kamnitz in Bohmen 200.
Kannenberger, Hans, kurf. Amt-
mann auf Hohenstein u. Wil-
denstein 220.
Karl IV., Kaiser 60. 194.
— XTL, Kg. V. Schweden 136 ffl
145. ff.
— III., Kdnig von Spanien 170.
— Herzog von Burgund 34.
Karl Christian, Sohn Kurf. Friedr.
August II 167.
Karlewicz, Hanns 285.
Kasimir, Konig v. Polen 1. 43 ff.
Katharina, Tochter des Herzogs
Wilhelm 48.
Kauern bei Ronneburg 130.
V. Kaunitz, Ulrich 100.
Kavallerie, kursachsische 312.
Kdulinec, Peter, v. Ostromef 103.
Kiessdorf (Oberlausitz) 59.
Kilian, Dechant zu Altenburg 73.
V. Kintsch, Onophrius, auf Burkau
235.
V. Kittiitz, Otto 62.
Kleinschonau bei Zittau 228.
V. Klinstein, Zawisch 100.
Knapsdorf bei Moritzburg 36.
Knobelauch, Heinrich, auf Warns-
dorf und Schonau 214.
— Jancko 208. 214.
— Nickel 214.
— Siegmund 214.
Knobloch, Dam 210.
V. Kochberg, Hermann 16.
V. K6ckeritz 4.
K6ln, Erzbischof 19. s. Dietrich.
— Domcapitel 121.
K5nigstein 165. 198. 207.
Konigsbrack 165. 170. 175. 179.
Kornen bei Mtthlhausen 105.
Kogeler s. Chemnitz.
Kolbing, Sigmund 7.
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Register.
3&d
y. Kolowrat, A Ibrecht Bezdruilicky,
auf Weseritz 100. 116.
— Anna, s Berka yon der Duba.
— Benes, Landvogt der Oberlau-
sitz 225.
— Hans 126.
— Heinricb, auf Lieben stein 99 f.
109 f. 115. 121.
— Nicolaus 209.
— Dompropst zu Prag 21.
Kommotau 42.
Eopperling, Paul 306.
Kosel bei KOnigsbrfick 179.
Eost in Bdhmen 2iS.
y. Kostelzen, Johann 100.
Eouffung, Concze 310.
— Hincze 310.
Ereibitz in Bdhmen 200. 215.
Ereoziger 7 ff.
Emmau 124.
Erummhennersdorf b. Stolpen 200.
Erywicz, Hennel und Meiner 3ia
Euhstall 200.
Eune, Hans, Rathmann in Chem-
nitz 304.
Eunnersdorf (Spitz-) bei Zittau
2.H4.
— bei Schluckenau 218.
y. Eunwald, PeSlk 110.
Eurpfalz 132. s. Ludwig.
Euttenberg 110.
Ladislaus, Ednig 220.
Lagnasco, Graf, General 161. 167.
Landau 131 f.
Landshut 20 f. 23. 47.
y. Landstein, Agnes 18.
Landus, Hieron., Erzbisch. p&pstl.
Legat 221 ff.
Langburkersdorf b. Stolpen.
Langeheinze 209.
y. Langenau, sllchs. General 248 f.
Lanban 56 f.
Laszieczewski 155 ff.
y. Laeant s. Rudolf.
Lehmann, Superintendent in Dres-
den 256.
Leipa, Stadt und Herrschaft 195.
212. 224.
— Herren yon 195.
Leipzig 5. 12. 17. 19. 36. 40 f.
y. Leisnig, Albrecht Burggraf 293.
— Georg Burggraf 20. 36.
Leitmeritz 197.
Lemgo 109.
NeueB ArebiT f. S. Q. u. A. IL 4.
Leopold I., Eaiser 131. 1.^9. 143.
Lenbing, Heinrich, Dechant zu
Meissen 6. 44. 46.
V. Leubnitz, Wolfg. Adolph, Hof-
rath 163.
Lichtenburg 249.
Lichtenhain bei Schandau 200.
Liebe, Tobias, Lehrer zu Frei-
berg 256. 258.
Liegnitz 59. 66. s. Wenzel.
Lilienstein 194. 198.
Lindaw (Lindenaw), Gasp., Rath*
mann u. Bttrgermstr. 306. 309.
Lippstadt 110 ff.
Lobendau bei Schluckenau 210.
216. 230.
y. Lobkowitz, Jan 11.
L5bau 57. 196. 202. 211. 218 f.
Loser, Familie 239.
Ldssnitz 14. 307.
Ldwenberg in Schlesien 54. 64.
Lohmen 194.
Lothringen 83 f.
Lonis, Prinz yon Baden 83.
Lublin 155 f.
Luckau 4.
Ludwig XV., Eg. y.Frankreich 1 78.
— y. d. Pfalz 104.
— Hz. y. Bavern 20. 25 f. 30 f. 47.
— Landffraf y. Hessen 89. 102.
Ludwigsdorf bei Langenwolmsdorf
(WQstung) 197. 209.
Lttbben 147.
LUtzen, Schlacht bei 243. 248.
Lugel, Hermann 16.
Lnterbach, Gregor, Altarist in
Chemnitz 3 1. 303.
Lutharst (?) bei Einbeck 109.
y. Luttitz (Lottitz) 229.
— Albrecht 214.
— Christoflfel 214.
— Heinrich 214.
— Johann 210. 214. 219. 226. 284.
— Nickel 234.
— Thamme 214.
Maastricht 131. 177.
M&hren 3. s. Jost.
Magdeburg 303. s. Friedr., Johann.
Magnus, Bischof y. Hildesheim 108.
Mainz, Erzbischof yon 19. 101 f.
MaL'zmeister, Johann, Altarist in
Chemnitz 301. 303.
— Mathias, zu Chemnitz 296.
Mansfeld, Grafsch. 242. Grafen 122.
28
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364
Regitter.
Manstorfer, Hans, ▼. Graupen 209.
y. Manienffel, 6. A. £., geh. Fi-
nanzrath 239. 244.
•^ Minister 158 if.
Marburger, Oberhofprediger 163.
MarckirstoHT, Job., Kathmann zu
Chemnitz 304 > 306.
-- Eatbarina, s. Gemablin 304.
Mar^aretbe, Enrf. ▼. Sacbsen 73.
Mane Amalie, Tochter E5nig
August III. 170.
Marie Amalie Auguste, Gem. Eg.
Friedrich August I. 239.
Marienstern, Eloster 59.
Marienthal, Eloster 202.
Mark, Grafscbaft 120.
Marschalk v.Vroburg, Hannus 295.
— Heinrich 297.
Martini, Bernhardt, Lehrer zu
Mittweida 251.
Matthias, Kg. v. Ungarn 3 f . 19.
23. 25 ff. 227. 229. 233 f.
Mayr, Dr. Martin 30. 33. 47.
Meinersdorf b. Chemnitz 294. 299.
Meissen 193. 240. u. o.
— Gerichtv.d.rotbenThurme23o.
— FUrstenschule 256.
— 8. Dietrich, Friedrich, Johann,
Rudolph, Wilhelm.
Meissner, Paul, v. Freiberg 18.
Mellerstadt, Heinrich 33.
Mellinger 123.
Melzer, Btirgermeister zu Chem-
nitz 300.
Menschikoff 132 f.
y. Mergental, Hans, Landrent-
meister 46.
Merseburg 102. 296 f. s. Bodo,
Friednch, Petrus.
Mettemich, Graf 247.
Metz 20.
Metzsch, Eonrad 33. 39.
Mewa, die Starostin von 161.
Michael, Abt zum heil. Ereuz bei
Sendomir 46.
y. Micbelsberg, Johann 199.
Mihla n. yon Eisenach 121.
Miklisch, Hauptmann zum Tollen-
stein 219.
y. Milckau, Generallieut. 147. 153.
Miloradowitsch, russ. General 242.
y. Mittelbach, Peter 296.
Mitteldorf bei Schandau 200.
Mittweida 251 ff. 296.
Mockritz 287.
MoUer, Nicolaus, Bathmaun* zu
Chemnitz 306.
y. Montfort, Graf Hugo 23.
Monhaupt, Nickel, Hauptmann in
Freiberg 9 ff.
Montmorency, Graf Alex. Jos. 160.
Montpellier 176.
More a 258.
Moritz, Eurfurst y. Sachsen 278.
— Graf yon Sachsen, Marschall
160. 177 f.
Mttckenberg bei Ortrand 36.
Mflglitz 287.
Muhlberg, Herrschaft 196. 208 f.
Mtihlhausenl02,105. 107.122. 126.
MQhlstein b. Bdhm.-Zwickaa 205.
212. 224.
Mttnchen 20. 30.
Mtinster 109.
Napoleon 237 ff.
Naumburg 23 ff. 36. 73. 101 ff. 303.
y. Neuhaus, Familie 212.
— Meinhard 212.
Neustadt a. Orla 116.
Neustadt b. Stolpen 200. 214 f.
Ney. Marschall 246.
Nieaerfrankenhain n6. yon Geit-
hain 297.
Niederlausitz 34. 196. 226 ff.
Nisani, Gau 193 f. 216. 229.
Nixdorf b. Schluckenau 214. 230.
Novemiasto 155.
Nfimberg 12. 26 f. 31. 125.
Oberlausitz (Sechsstadte) 34. 36.
50 ff. 195 ff. s. Eolowrat, Stem-
berg.
Oberliebich bei Leipa 195.
Obersedlitz 166.
Oberseifersdorf bei Zittau 226.
Ockrilla (Hoenkruls?) 36.
V. Odeleben, franzOs. Major 244.
Oderwitz bei Zittau 234.
y. d. Oelsnitz, die, auf Rathen 199.
— Fried., Vogtz.E6nigstein203ff.
— Hans 33.
Oesterreich 3. 31. 240. 247 f.s.
P'ranz-
Oldendorf 109.
Olmutz 28. 227.
Opatow 156.
Opitius, Henricus 266.
Ortwin, Ortwein, Franz 293.
— Johannes 293.
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Register.
355
OrtwiD, Nicolaus 294. 298 f.
— - Mathias 296.
— Merten (zu Freiberg) 7. 18.
Ortwinin, die 296.
Oschatz 169.
Osnabrfick 109 f.
Ossegg 13.
Ostrau b. Schandau 200.
Ostritz 20 U
Ostrorog, Stanislaw, Woiwode zu
Kalisch 44.
Ottendorf a. d. Heide b. Radeberg
36.
Ottendorf (Hinter-) b. Schandau
200. 218.
Otto, Herzog von Bayern 36.
— der Lange, Markgraf von
Brandenburg 66.
Oybin, C6lestinerkl. 66.
Paderbom 108.^10.
V. Pakomefifi, Cecek 103.
Paul II., Papst 6. 10. 19. 32 ff. 44 flF.
Peenemttnde, Fort 149.
Persk (?), der 215.
Peter a. Gr., Kaiser v. Russland
133. 185. 187 flf.
Petrus, Dompropst z. Merseburg
297.
Petschkau i. Bohmen 99. 101. 125.
Pfalz, Pfalzgraf 26. s. Friedrich,
Ludwig.
Pfotenhauer, Paul 291.
Pieschen b, Dresden 243. 246.
Pillnitz 164.
Pilsen 11.
Pima .36. 38. 198. 201. 203. 207.
Pisa, Konzil 199.
Pius II., Papst 220. 223.
Plauen 239 f. 247.
V. Plauen, der 122.
Pleissa bei Chemnitz 311.
Plessen, Graf, dan. Minister 140.
Possel, Hensil, v. Schweidnitz 296.
Pociey, Graf, Grosskronfeldherr
von Litthauen 160.
— Emerentia, s. Gemahlin 160.
Poczin (?),der, b. Schluckenau 215.
Podiebrad, Georg, Kg. v. BOhmen
1 ff. 101. 103. 126 ff. 212 f.
219 ff. 225 f. 229. 234.
POsneck 116.
Polen 1 ff. 28 f. 43 ff. 136 ff. 141.
144. 153 ff. s. Kasimir,Sobiesky
Sophia, Wladislaw.
Polenz, Rittergut 200.
V. Polenz, Wenzel, auf Schirgis-
walde 36. 229. 234.
Polenzfluss 194.
Polkner, Job., Btirgermeister zu
Kamenz 235.
Pommern 135. 147 ff.
Ponikau, Niklas v. 202.
V. Posern, Obrist 325.
Prag 18, 28. 39. 4L 46 f. 62 f.
110. 126 f. 197. 216. 220 ff.
229. 239. 240. 245. 247 ff. 8.
Kolowrat.
Pratzschwitz bei Pima 179.
Pressburg s. Georg.
Preussen 137 f. 142 ff. 238. 241 ff.
246. 249 f. s. a. Friedr. Wilh.
Priebus 196.
Pruth, Scblacht am 133.
Pftrgles b. Buchau i. B6hm. 126.
Pultawa, Schlacht bei 133.
V. Pygaw, Hannus, Rathmann zu
Chemnitz 296.
— Niclaus, desgL 296.
Przebendowski, poln. Grosschatz-
meister 137. 146.
Querfurt 122. 242.
Quohren bei Dresden 287.
Rabener, Justus Gottfr., Rektor zu
Freiberg 255 f.
V. Rabenstein, die 13.
Radeberg 22<).
Rathen 33. 194. 198 f. 206 f. 209.
Rathmannsdorf bei Schandau 200.
209.
Ravensburg, Grafschaft 121.
Rawa, Waffenstillstand von 154 t
Ranis 116.
Randnitz 64.
V. Rechenberg, Ernst, auf Oppach
235.
— Ulrich, Amtmann auf ToUen-
stein 230. 233 f.
V. Redern, Balthasar 36.
— Heinrich 201.
— Graf 179.
Regensburg 23. 25 f. 30. 240. 247.
Reichenberg 228.
Reichenbach 57.
Reichstadt (bOhm.) 224.
Renker, Heinr., aus L6wenberg
i. Schl. 201.
V. Remse, Heincz 306.
23*
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S66
Register.
Benss, Graf Heinrich, Feldieug-
meister 138.
— 8. Gemahlin 18S f.
— HeiDrich II., s. Sohn 134.
RevenUow, Graf 140.
Reynier, Graf, franzds. General
240. 246.
Riesenberff 8. 13.
Roconrt, Schlacht bei 177.
Rdhrsdorf bei KOnigsbrfick (Nie-
derrndigsdorf?) 36.
R6tha bei Leipzig 130.
Rohnau b. Zittau 196 f. 233. 235.
Roll, Burg (BOhmen) 212. 217. 225.
v. Rosenburg, Familie 212.
— Ulrich 124. 126.
Rom 1. 4. 32. 36. 45 ff. 8. Paul,
Pins, Sixtns.
Romer, Paul 30]. 308.
▼. Rommel, Oberstlieutenant 314.
y. Ronow, Ansbelm, Landvogt von
Gdrlitz 62. 65. 196 f.
— Wilhelm 200.
Rotolfus, Johannes .^01.
Rovarella, Laurentius, Bischof v.
Ferrara 6. 11 f. 19. 22 f. 25.
37 f. 40 f. 44 ff. 48.
Rudolf, Bischof v. Meissen 199.
201. 308.
— Bisch. V. Lavant, dann v. Bres-
lau, p&pstl. Legat. 1. 5 ff. 19.
21. 3.3. 36 ff. 45. 225 ff.
de Rudnitz, Luppoldas s. Chem-
nitz (Kloster).
Rndolstadt 24.
Rttgen 148. 150.
Rugiswalde bei Stolpen 200.
Rnmburg in Bdhmen 195. 201.
216 ff. 2.35.
Rnssland 132 f. 135. 138. 288. 241 ff.
249 f. s. a. Alexander, Peter.
Rutowska, Marie Amora 178.
Rutowski, Graf, Feldmarsch. 168.
Rytwiaski, Derslaw, Woiwode v.
Sendomir 43.
y. Rzisatie, Wotyk, Hauptm. im
Pilsener Kreise 35.
Sachsen s. Albrecbt, Auguste,
Christina, Elisa beth, Friedrich,
Friedrich August, Geor^, Job.
Adolf, Joh. Georg, Katbarina,
Margaretha, Marie Amalie,
Marie Amalie Auguste, Moritz,
Sigmund, Wilhelm, Xaver.
S&dlo, Job., y. Smilkau 100. 115.
Saida 38.
Salzburg, Erzbischof y. 19.
Salzuffeln 109.
Sandau in Bdhmen 200.
Saupsdorf bei Sebnitz 200. 209.
Schaff, Peschel, auf Horka 62.
Schandau 200. 209. 215.
Scharfenstein 38. 1|9. 204. 209.
y. Schaumburg, der 122.
V. Scbellendorf, Johanna Marg.
Freifrau 165.
Schirgiswalde 201. 216. 228 f. 2.34.
Schlackenwerda 11.
bchlegel bei Ostritz 202.
y. Schleinitz (Slinicz), Jhan, zu
Schleinitz 306.
— Anna, s. Gem. 306.
— Heinrich 235.
— Hugold, Obermarschall 9. 30.
235.
Schleiz 3. 15. 24. 35.
Schlesien 227 ff.
y. Schlottenbach, Obrist 151.
Schluckenau, Stadt u. Herrschaft
193. 195. 201 f. 214. 216 f. 223 f.
229. 233 ff. s. a. Johannes.
Schlusser, Cuncz, Rathmann zu
Chemnitz 304 f.
Schdnau bei Schluckenau 216. 233.
— bei Bernstadt 59.
y. Schonberg Caspar 20.
— Friedrich, Marschall 41.
— Heinrich, Amtm. zu Schellen-
berg 311.
— Lucas 17.
— Nicolaus 7.
y. Schdnberg, die Herren 4.
— Dietrich 310.
— Friedrich 11. 307. 810.
auf Hoyerswerda 226.
— Veit 306. 310.
Schdnburgisches Gesammt^rchiy
292.
Schonfeld bei Dresden 131. 179.
SchOning, Feldmarschalll30 f. 134.
Schonlinde bei Rumburg 216 ff.
Scholten, dan. Feldmarschall 148.
150.
Schonaw, Walther, z.Chemnitz 296.
Schulz, Ulrich, zu Chemnitz 294.
310.
Schulenburg, Graf, Rittmstr. 249.
Schultheis, Scbultheize, Schultis,
Hannus 303.
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Register.
367
Schultheis, Niclaus 296. 805.
— Peter, zu Mittweida, Altarist
u. Schulmstr. in Chemnitz 305.
Schulwesen 251 ff.
Schurzauf, Georgi Domherr zu
Altenburg 7S.
y. Schwamberg, Hynek Kruschina,
auf Bor 100. 124.
V. Schwarzburg, Graf Heinrich 24.
Schweden 135. 187. 139. 142 ff.
6. a. Earl XII.
Schwedt, Vertrag von 137.
Schweidnitz 83. 63. s. a. Agnes.
Scb wen ken stein 295. 300.
— Frenczel, zu Chemnitz 296 f.
— Paulus 301.
Sebnitz 200. 215. 220.
V. Seckendorf, Generallieut. 147 ff.
Seifersdorf bei Marienthal 202.
Seifbennersdorf bei Rumburg 200.
218. 235.
Sehestedt, d&n. Minister 140. 145 f.
Sendomir 154 ff
Senftenberg 4.
Senfft V. Pilsach, Graf Ch. F. L.,
Cabinetsminister 239. 249.
v. Serra, franzds. Gesandter 240.
Seydel, Nickel, Bfirgermeister zu
Dresden 285.
Seydo, Johann, Priester 232.
V. Seyn, Graf 120.
Siegmund, Herzog v. Sachsen 204.
— Herzog v. Bayern 20.
— Kaiser 54 f. 66 f.
Siptenhain, Hans, Rathmann und
SchOffe zu Chemnitz 304—306.
Sixtus VI., Papst 72. 231.
Skal, Schloss, in B5hmen 228.
Sleife, Jacob, BOrgermeister zu
Gttrlitz 62.
Smedicbin, Caspar, Rathmann zu
Chemnitz 304 f.
Smeisser, Hans, Bttrgermeister zu
Dresden 286.
V. Smierizky auf Habichtstein 233.
Sobiesky, Job., Kftnig v. Polen 78 ff.
Soest 97. 103 f. 108. 110. 112 ff.
Sophia, poln. Prinzessin 44.
V. Sor, Ticze, auf Sohra bei Gdr-
litz 62.
Spahn, Joachim Ernst, Kantor zu
Freiberg 256.
Spanien s. Karini.
Speier 21.
Speierbach, Schlacbt am 132,
Sperling 256 f.
Spremberger Wald bei Schlucke-
nan 214.
Springer, Caspar, Rathmann und
SchOffe zu Chemnitz 304—806.
Stadtarchive 290 ff.
Stan|^e, Hans, Rathmann zu Chem-
nitz 306.
— Nickel, desgl., 304 f.
Steiermark 31.
V. Stein, Familie 204.
vom Stein, Geors 34 f.
v. Steinberg, Johann Calta, auf
Rabenstem 100. 115. 127.
Steinbom bei EonigsbrUck 179.
Steinpach, Nickel, zu Meiners-
dorf 311.
V. Sternberg, Alscho Holicky 99.
126 f.
— Jaroslav, Landvogt der Ober-
lausitz 3. 36. 225. 227 f.
— Peter 99. 101. 106. 125 f.
— Zdenko Holicky 103. 225. 230.
Stettin 147 f.
Stobener, Caspar 309.
— Hans, Rathmann and Schoffe
zu Chemnitz 305 f. 309.
StoUe, Nicl., zu Mittweida 296.
Stolpen 163. 207 f.
Stralsund 135 ff.
Straussfurt a. Unstrut 105.
Strehla a. Elbe 196.
Stresow 150.
Strenczil, Hans^ Rathmann zu
Chemnitz 305.
Strol, Lorenz 18.
Sarssen bei Dresden 287.
Sulkowski, Graf Alex Jos , General
und Minister 168 f.
Sweinfort, Barthel 309.
Swertfeger, Paul, Rathmann und
Vogt zu Chemnitz 304—306.
Swiene, die 149.
Swienemiinde, Fort 149.
Swoffheim, Dr. Job., Official des
Bischofs V. Meissen 208.
v. Sybilski, Obristlieutenant 169.
Sybottenhain, Math. 303.
Sydel, Job. 303.
Szembeck, poln. Grosskanzler 137.
Tallard, Marschall 132.
Tamme, Petir uffin 303.
Tetschen 205. 212. 216. 225. 238.
Theater (ScbulkomOdien) 958,
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358
Begister.
Theodericus s. Chemnitz.
▼. Thielmann, General 239. 241 f.
246. 248 f.
Thttringen 2. a. Friedrich.
Thumirnicht »01.
Thorner Friede (1466) 46 f.
Thorschmidt, Zach., Konrektor zu
Mittweida 251.
▼. Thowaczaw. Jan 35.
Tile, NicoL, Rathmann zu Chem-
nitz 306.
Tirpan, Hans, Rathmann za Chem>
nitz 306.
Tolkewitz bei Dresden 287.
Tollenstein, Schloss u. Herrschal't
193. 195. 200 ff. 208 if.
Torgau 208. 239. 241. 246. 248 f.
Torhuter, Nicol., Rathmann und
Schdffe zu Chemnitz 306.
Tschocha, Rittergat, im Queiss-
kreise 201.
T{irmitz bei Aussig 209.
Tiirken 31. 33. 4H. 79 ft 136.
Trapschuch s. Chemnitz.
Trier. Erzbischof 20.
TripUs 116.
Truchsess, Heinrich 6.
Uebigaa bei Dresden 245.
Ungam s. Matthias.
Usedom, Insel 147 ff.
Valentin, Kaufmann zu Prag 18.
de Yalle, Fantinus, p&pstl. Legat
220.
Vargula a. Unstrut 123.
Victorin, Sohn Georgs v. Podie-
brad 3.
Villach 43.
Vippach 128.
Vitzthum^ Graf Friedrich 165.
— Famihe 98. 127.
~ Apel 98 ff. 106. 109. 123. 126.
— Busse, Landvogt zu Meissen 203.
Yogt s. Chemnitz (Kloster).
Vogtland 2.
Vues, Matth. in Chemnitz 303.
Wackerbarth, General Graf (136).
147. 150 ff. 157. 166 f.
Wagner, Georg 18.
Walack. J oh., Notarius 300.
Waldeck, Furst 78. 82 f.
Waldenburg 293.
V. Waldenburg, die Uerren 22.
V. Waldenburg, Anark 42.
— Hans d. &. 293.
— Hans d. j. 293.
— Heinrich 295.
Warschau 137. 159.
Warnsdorf bei Rumburg200. 216ff.
Wartenberg, Herrschaft 212. 217.
225.
V. Wartenberg (auf Tetschen),
Familie 226 ff.
— Christoph auf Dewin u. ToUen-
stein 35. 225 ff.
— Jahn auf Tetschen und Dewin
55. 198 ff.
— Jahn auf Tetschen 221 ff.
— Jahn a. Blankenstein 205 ff. 212.
— Johann Burggraf v. Prag 217.
— Peter (Sohn des Wanco) 217.
— Siegmund auf Tetschen 203 ff.
— Siegmund auf Tetschen, Land-
vogt der Oberlausitz 35. 225.
— Wanco (Wenzel), Obermund-
schenk v. BOhmen 217.
— Wenzel, s. Sohn 217.
— Wilhelm, s. Sohn 2l7.
V. Wartensleben, preuss. General-
feldmarscball 148.'
Wayner, Conradus 301.
— Nickel, Rathmann zu Chem-
nitz 804 f.
Weczil sutor 301.
Wehlen 194. 198.
Weida 101. 116.
Weimar 16. 102. 105. 123.
Weise, Wundarzt 175.
— Christian 256 f.
Weissbach, die 219.
v. Weissenbach, Hermann. 47.
Weissenbach, Johann, Dr. 35.
Weissenfels 101 f.
Weissensee 105.
V. d. Weitmtihl, Benesch, Burggraf
zu Karlstein 39. 42. 46.
Wenzel. Herzog von Liegnitz 60.
— K5nig 53 f. 61 f. 196 ff. 208.
218.
Wercho, Simon, Bttrgermeister zu
Dresden 284 f.
Werthern, Graf, Minister 137.
Westfalen, Kdnigreich 103 ff. 242.
Wibe, d&nischer Minister 140.
Widrer, Dithr., zu Mittweida 296.
Wien 31. 35. 77 ff. 97. 131. 247.
Wildenstein, Schloss u. Herrschaft
193. 199 ff.
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Register.
369
de Wildenstein, Hermannus 201.
— Otto 200.
Wilhelm, Prinz v. Oranien (dann
Kdnig ¥00 England) 130.
— II., Markgraf v. Meissen 198.
— III., Herzog von Sachsen 2 flf.
7S. 97 ff. 205 ff. 220.
— Hzg. V. Braunschweig-Gruben-
hagen 104. 107 f. 113 f.
Wilimow 26. 28,
V. Wilke, General U7.
Willsdruff 244.
v.Winzingerode,ru83. General 242.
Wishennel s. Albi.
Wisse, Heinr., Rathm. zu Erfurt
123.
Wisniowiecki, Prinz 169.
de Witchendorf, Job., Altarist zu
Chemnitz 301. 303.
Wittenberg 241. 258.
Wittgenstein, Fttrst, russ. General
242.
Wladislaus, Konig von Bohmen
229 ff.
— polnischer Prinz 28. 44.
Wolfframsdorff 134.
Wolkenstein 38. 42.
Wollin, Insel 148 f.
Wolmsdorf 214.
Wttrttemberg 20.
— Prinz von, Generalmajor 147 ff.
Wttrzburg, Frauenhaus 69.
— Bischof von 22. 30.
Wunsiedel 127.
Xaver, Prinz 167 f.
Ybener, Petrus, Altarist zu Gbem-
nitz 301. 303.
Zeidler bei Schlnckenau 214. 230.
Zeidlerbach 219.
Zentha, Schlacht bei 183.
V. Zezschwitz, Geh. Finanzrath239.
Zieleticky, JTohann 100.
Zipser, Schuster zu Freiberg 18.
Zittau 5. S3. 63 ff. 66. 196. 201.
212. 218. 219. 225 ff. 2.S3 ff.
Zscheila b. Meissen s. Ebersdorf.
Zschizschewig bei Dresden 287.
V. Zfthlen, Generalmajor 147.
Zwickau 46. 196.
— Nickel v., Rathmann z. Chem-
nitz 304 f.
Berichtigrnng*
Heft 3 Seite 270 letzte Zeile ist Bd. II statt Bd. I zu lesen.
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