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Neues Archiv
für
Sächsische Geschichte
un(
Alterthumskunde.
Herausgegeben
von
Dr. Hubert Ermisch,
K. Archivrath.
Zweiter Band.
Dresden 1881.
Wilhelm Baenscli Verlagsliandlung.
THtGElTYCENicH
LIBRARY
Inhalt.
Seite
I. Studien zur Geschichte der sächsisch-böhmischen Bezieh-
ungen in den Jahren 1468 bis 1471. Vom Herausgeber . 1
II. Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz während des
Mittelalters. Von Prof. Dr. Hermann Knothe in Dresden. 50
in. Zur Geschichte des Frauenhauses in Altenburg. Von
Ministerial-Assessor M. J. Meissner in Altenburg ... 68
IV. Ein fliegendes Blatt über den Antheil der sächsischen Armee
an der Schlacht am Kaienberge bei dem Entsätze von
Wien im Jahre 168.3. Mitgetheilt von Archiv- Sekretär
Dr. E. Joachim in Idstein 77
Literatur 85
V. Herzog Wilhelm von Sachsen und sein böhmisches Söldner-
heer auf dem Zuge vor Soest. Von Professor Dr. Adolph
Bachmann in Prag 97
VI. Heinrich Friedrich Graf von Friesen, königlich polnischer
und kurfürstlich sächsischer Geheimer Kabiiietsminister
und General der Infanterie. Von Generalmajor z. D.
0. von Sclümpff zu Dresden 130
Literatur 180
VII. Die Berka von der Duba auf Hohnstein, Wildenstein,
Tollenstein und ihre Beziehungen zu den meissnischen
Fürsten. Von Professor Dr. Hermann Knothe in Dresden. 19.3
VIII. Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). Von Hermann Freiherrn
von Friesen, k. Überhofmarschall a. D. in Dresden . . . 237
IX. Aus dem Schulwesen Sachsens, besonders in Mittweida
und Freiberg, zu Ende des 17. Jahrhunderts. Von Ch. G.
Ernst am Ende, Bibliothekar am k. Statistischen Bureau
in Dresden 251
Literatur • 259
IV
S'eite
X. Zur Bevölkerungs- und Vermögensstatistik Dresdens im
15. Jahrhundert. Von Eathsarchivar Dr. Otto Richter in
Dresden 273
XT. Nachträge zum ürkundenbuche der Stadt Chemnitz. Vom
Herausgeber 290
XII. Die wirthschaftlichen Einrichtungen, namentlich die Ver-
ptlegungs-Verhältnisse bei der kursächsischen Kavallerie
vom Jahre 1680 bis zum Anfange des laufenden Jahrhun-
derts. Von Wirkl. Geheimen Rath und Oberhofmeister
Freiherrn A. von Minckwitz zu Dresden 312
Literatur 330
Register 347
Besprocliene Schriften.
Bachmann, Niclas Storch (G. Müller) 330
Burkhardt, Geschichte der sächsischen Kirchen- und Schulvisi-
tationen (G. Müller) -^ ■ ^^
Dürr, Ad. Friedr. Oeser (Gurlitt) ."* . 259
Knabe, Die Torgauer Visitations-Ordnung von 1529 (G.Müller). 188
— Geschichte der Stadt Torgau bis zur Zeit der Reformation
(Ermisch) 261
Knothe, Der Antheil der Oberlausitz an den Anfängen des dreissig-
jährigen Krieges (G. Droysen) 91
Leipzig und seine Universität vor hundert Jahren (Wustmann) 92
Nebe, Die Kirchenvisitationen des Bisthums Halberstadt (G. Müller) 265
Opel, Denkwürdigkeiten des Halleschen Rathsmeisters Spitten-
dorf (Schum) 180
Posse, Die Markgrafen von Meissen (Schum) 332
Scheuffler, Hans Fabian von Ponickau (Knothe) 268
Weissenborn, Acten der Erfurter Universität, I. Theil (Stübel) 342
L
Studien zur öeschichte der sächsisch-böhmischen
Beziehungen in den Jahren 1468 bis 1471.
Von
Hubert Er misch.')
I.
Wenig Glück hatten bis Anfang 1468 der bölnnisclie
Herrenbund und die Curie in ihrem Kampfe gegen den
Böhraenkönig Georg Podiebrad gehabt. Man brauchte
Bundesgenossen. Die deutschen Fürsten in ihrer Gesammt-
heit schienen nicht geneigt, thätig einzugreifen.^) Ver-
geblich verhandelte man mit Burgund, mit Polen, auch
mit Brandenburg wegen Annahme der böhmischen Krone.
König Kasimir von Polen hielt es nicht für nöthig, eine
Krone zu erobern, die, wie er ganz richtig vermuthete,
über kurz oder lang doch seinem Hause zufallen musste;
er schloss sich den deutschen Fürsten an, vermittelte ohne
Aussicht auf Erfolg. Hochinteressant sind die Verhand-
lungen, welche Legat Rudolf im Februar 1468 mit dem
Kurfürsten Friedrich II. von Brandenburg pflog. Die Ge-
fahr für die Mark, die in einer Besitznahme der böhmischen
') Vergl. meinen Aufsatz in Bd. I S. 209 fgg. dieser Zeitschrift,
an den sich der nachstehende unmittelbar anschliesst. Ich habe daher
von einer orientierenden Einleitung absehen zu können geglaubt und
verweise in dieser Beziehung auf meine frühere Arbeit.
*) Ein Tag zu Regensburg im Februar 1468 hatte noch weniger
Erfolg wie die früheren. Vergl. das Schreiben Markgraf Albrechts
von 1468 Februar 20 bei Riedel, Cod. dipl. Brand. III, 1, 465.
Neues Archiv f. S. G. u. A. U. I X
2 - Hubert Ermisch:
Lande durch Polen lag, war nicht zu verkennen, und obwohl
Alter und Kränklichkeit den Kurfürsten wenig Neigung
für so weitaussehende Pläne empfinden Hessen, hat er sich
doch seinen Pflichten gegen Land und Dynastie nicht ent-
ziehen wollen und die Sache ernstlich erwogen. Vielleicht
war es auch die Rücksicht auf Sachsen, was den Kurfürsten
beeinflusste; er warnt nicht nur vor den Polaken, sondern
auch vor den „andern Leuten, die fast sehre auch danach
stehen", und deren Aufkommen den Brandenburgern Ver-
derben bringen werde. Konnten doch sowohl Herzog Wil-
helm als Herzog Albrecht Erbrechte, wenn auch sehr un-
sichere, für sich anführen; ersterer hatte es schon gethan,
und letzterer trat bekanntlich nach Georgs Tode damit
hervor. Mit Recht weist Droysen, dem wir die ein-
gehendsten Belehrungen über jene Verhandlungen zwischen
dem Legaten und Brandenburg verdanken, auf sonder-
bare Vorschläge hin, welche die Wettiner im Jahre 1466
gemacht hatten und die allerdings auf weitreichende Ent-
würfe schliessen lassen. Es handelte sich dabei um nichts
geringeres als um einen Verkauf der Mark Brandenburg an
Ernst und Albrecht, die dagegen Vogtland und Thüringen,
.das ihnen ja nach dem Tode des kinderlosen Oheims zufallen
musste, zum Kaufe anboten. In der That ein Vorschlag,
dessen Verwirklichung die gesammte neuere Geschichte in
ganz andere Bahnen hätte lenken können. Markgraf
Albrecht Achilles, der, wie überall, so auch bei dieser
Gelegenheit das letzte Wort in der Politik seines Hauses
zu sprechen hatte, Hess sich auf den kühneu, wenn auch
vielleicht jugendlich kühnen Plan nicht ein.^)
Er war es auch, der nach reiflicher Ueberlegung
jetzt den Bruder bestimmte, die böhmische Krone auszu-
schlagen. Wir können hier auf die Gründe nicht näher
eingehen und heben nur hervor, dass die gesammten Ver-
handlungen das Verhältnis der Brandenburger zu Georg
doch weit weniger eng erscheinen lassen als das der säch-
sischen Fürsten. Markgraf Albrecht äussert einmal bei Er-
wähnung einer auf den 24. April 1468 angesetzten Zu-
sammenkunft mit den Wettinern und den Landgrafen von
Hessen, bei welcher die so oft besprochene und noch immer
nicht entschiedene Frage der Erbhuldigung zur Sprache
kommen sollte: „Würden sie den Braten schmecken von
') Vergl. Droysen, Sitzungsber. derK. sächs. Gesellsch. d. Wissen-
schaften IX (1857), 146 fgg. u. Gesch. d. preuss. Politik II, 1, 2.S5 fgg.
Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468—71. 3
Böhmen, es würde nichts daraus. Unser Bruder weiss,
wie sie dem Könige gewandt sind. Wollten sie mit ihm
gekriegt haben, sie hätten ihm nicht Land und Leute
gegeben und sich zu ihm gefreundet."'')
Als die Zusammenkunft dann um die festgesetzte Zeit
zu Schleiz stattfand, wurde auf derselben die Vermählung
des Markgrafen Johann von Brandenburg mit der Tochter
des Herzogs Wilhelm, deren Vollziehung man erst auf
Pfingsten 1468, dann auf Estomihi 1470 in Aussicht ge-
nommen hatte, bis zum Jahre 1473 verschoben; auch
dies dürfte darauf hindeuten, dass in der That die böh-
mischen Verhältnisse die sächsisch-brandenburgischen Be-
ziehungen zu lockern anfingen. ^)
Die Rolle, die der Polenkönig und der Brandenburger
nicht spielen wollten, übernahm bekanntlich König Matthias
von Ungarn. Mit dem Angriffskriege gegen Oesterreich,
den Prinz Victorin, des Böhmenköuigs Sohn, seit Ende
Januar 1468 führte, erhielt der Kamj)f einen anderen
Charakter; er war nicht mehr blos ein Krieg des Lehns-
herrn gegen die Vasallen. Seit dem Eingreifen des
Ungarnkönigs aber, der im April mit einem trefflich ge-
rüsteten Heere in Mähren erschien, wandte sich das ^\^afFen-
glück mehr und mehr von Georg ab. Jene „acht Un-
glückswochen" von Mitte August bis Mitte October 1468
schienen den Gegnern den nahen Siea; in sichere Aussicht
ZU stellen.
Die Haltung der sächsischen Fürsten blieb auch jetzt
eine vollkommen neutrale; wenn man von Hilfstruppen
zu erzählen wusste, die sie dem König Georg gestellt, so
war dies wohl ein ungerechtfertigtes Gerücht.^) Dass
man ihnen jedoch auf der Georg feindlichen Seite miss-
traute und scharf auf die Finger sah, beweist, wohin
nach der allgemeinen Meinung ihre Sympathien neigten.
Dies Misstrauen trat besonders bei der Belagerung von
Hoyerswerda zu Tage, die bis über die Mitte des Jahres
1468 hinaus dauerte. Schon im Januar wusste Jaroslaw
von Sternberg , der Landvogteiverweser , den Gör-
litzern zu melden, „dass etliche Böhmen zu Meissen im
*) Instruction für AlbrechtStyeber von 1468 März IT) bei Riedel, Cod.
dipl. Brand. III, 1, 480. Ver^rl. überhaupt ebendaselbst 454 fgg. Palacky,
Gesch. Böhmens IV, 2, 492 fgg. Kluckhohn, Ludwig der Reiche 281 fgg.
*) Urk. von 1468 Apr. 26. Riedel II, 5, 121. Vergl. Droysen,
Gesch. d. preuss. Politik II, 1, 236.
*) Vergl. Lichnowsky, Gesch. d. Hauses Habsburg VII, 112.
4 Hnhert Ermisch:
Lande an etlichen hcimliclien Oertern lägen und meinten
die auf Hoyerswerda zu stärken." ') Bedenklicher schien
die Sache werden zu Avollen, als Anfang Juli 1468 die
Markgrafen mit nicht unbeträchtlichen Truppen nach
Senftenberg kamen; eine Diversion gegen Hoyerswerda
oder auch gegen Luckau wurde befürchtet. Man erzählte
sich, König Georg und die Herren von Schönburg hätten
das Schloss den sächsischen Fürsten angeboten, und dies
klang nicht eben unwahrscheinlich; allein man wusste
auch schon, dass die Fürsten, ihrer sonstigen Haltung
entsprechend, das Anerbieten abgelehnt hätten. Als man
dann weitere Nachrichten einzog, erfuhr man, dass die
Truppen nur in 200 Reisigen und 600 Trabanten bestan-
den, die der von Köckeritz dem Kurfürsten von Branden-
burg zuführen sollte. Hatte die Sache überhaupt eine Bedeu-
tung, dann war es gewiss nur die eines Scheinmanövers,
wofür die Hauptleute der Sechsstädte den Zug von Anfang
an gehalten hatten: „sie werden sich dahin fügen um Ge-
schreies willen, ob sie uns möchten abschrecken."^)
Ein Heraustreten aus der Neutralität lag in alledem
nicht. Ein solches hätte auch jetzt, nachdem Matthias
auf dem Kriegsschauplatze erschienen war, geradezu ver-
hängnisvoll für das Haus Wettin werden können. Die
Lage der Dinge in Deutschland war keineswegs derart,
dass man nur auf ein Signal wartete, um sich zu einem
Waflfenbunde für Georg zu einigen.
Auch fällt noch ein anderes Moment schwer in die Wag-
schale. Es sind uns aus dem fünfzehnten Jahrhundert meist
nur einzelne Fäden feiner diplomatischer Gespinnste in
den Archiven erhalten, die wir mit Mühe zu einem Ge-
samratbilde zu vereinigen suchen; es verführt dies gar
leicht zu der Annahme, die Geschichte jener Zeit sei allein
in den Kabinetten gemacht worden. Man hüte sich jedoch
davor, diejenigen Einwirkungen zu unterschätzen, die das
gesammte geistige und materielle Volksleben auf die Welt- .
ereignisse damals Avie heute und zu jeder Zeit geübt hat,
wenn auch nur dürftige Ueberlieferuugen über dasselbe auf
uns gekommen sind. Nicht umsonst hat die kluge Politik
der Curie zu allen Zeiten, seit den Tagen Gregors VII.,
') Palacky, Urk. Beitr. 547. Vergl. diese Zeitschrift I, 265.
') Palacky, Urk. Beitr. 550 fgg. Eine „Ausgabe den trabanton,
die man Markgraf Friedrich in die Mark sandte tercia in vigilia
Margarete'' (Juli 12), führt die Dresdner Stadtrechnung von 1468
(Rathsarchiv zu Dresden) an.
Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468 — 71. 5
einen Aufruf an die Massen gerichtet, wenn es galt, grosse
Erfolge zu erzielen. Auch diesmal setzte man den ganzen
Apparat der geistlichen Waffen in Bewegung, und, so oft
dieselben schon gebraucht und gemissbraucht waren, sie
zeigten sich doch noch als wirksam. In den meissnischen
Landen kam ihnen freilich ein sehr schätzbarer Bundes-
genosse zu Hilfe: der tiefgewurzelte nationale Hass, der
die beiden Nachbarvölker von jeher, besonders aber seit
den Hussitenkämpfen, trennte. So stand das Volk in der
böhmischen Frage entschieden nicht auf der Seite seiner
Herrscher. Es hatte seiner Zeit gemurrt, als es von den
Familien Verbindungen vernommen, welche die Wettiner
mit dem Hause Podiebrad vereinen sollten^); es hatte
später protestiert gegen jede thätige Unterstützung des
Böhiuenkönigs. ^") Die Herrscher wussten sehr wohl,
warum sie so grosses Gewicht darauf legten, dass die
Kreuzpredigt und sonstige aufregende Mittel in ihrem
Lande nicht zur Anwendung gebracht würden. Nichts
ist bezeichnender, als die oft angeführte Thatsache, dass
zahlreiche Studenten und Magister zu Leipzig und Erfurt
ihre Bücher und Kleider verkauften und das Kreuz gegen
die Ketzer nahmen, während gleichzeitig die Gelehrten
der Hochschulen darüber disputierten, ob man die Gebote
des Papstes für rechtsverbindlich halten solle oder nicht.")
Der Umschwung in der Lage Georgs veranlasste den
Legaten, auch in Meissen jetzt energischer aufzutreten.
Schon Anfang März 1468 hatte er durch den Minoriten
Jacobus jene Bulle vom 15. Mai 1467, durch welche ihm
•) Gravis illis temporibus rumor ortus est a populo undique in
Misna et Thoringia contra suos dominos de concordia cum hereticis
inita et affinitate contracta, maledicendo vituperando et expresse
publiceque eos maledicendo, dicentes non esse vestigium majorum
progenitorumque suoruui, qui adversus hereticos Bohemos sauguinem
fuderint. Eschenloer (SS. rer. Sü. VII) 42. Vergl. das Schreiben
Wilhelms d. d. 1459 Mai IG. Ebendas. 43 fgg.
'0) Vergl. 1, 227 dieser Zeitschrift.
") Vergl. Palacky IV, 2, 421 fg. Kluckhohn 2G5. lieber Ver-
handlungen zu Erfurt wegen der böhmischen Ketzerei (1466) vergl. ein
merkwürdiges Schreiben o. D. bei Kiedel, Cod. dipl. Brand. III, 1,
406. lieber die Betheiligung von Leipziger Studenten s. I, 265
dieser Zeitschr. Legat Rudolf dankt 1468 Febr. 20 dem Rector und
den Magistern der Universität Leipzig wegen ihres Eifers, quod tot
legales persone . . . venumdatis eorum libris et vestibus relictisque
aliis rebus arma susceperunt, theilt mit, dass einige davon die Zit-
tauer unterstützen sollen, und stellt eine geeignete Verwendung der
übrigen in Aussicht. SS. rer. Sil. IX, 260 (Cod. dipl. Sax. reg. II,
11, 179).
6 Hubert Ermisch:
die Befugnisse eines Lateranlegaten und weitgehende Voll-
machten gegen Georg und seine Anhänger übertragen
waren, förmlich publicieren lassen; es ist wohl anzunehmen,
dass diese Sendung gerade für Meissen berechnet war,
wenn sich dies auch aus dem Wortlaut des betreffenden
Schreibens nicht ergiebt. '^) Gleichzeitig ersuchte Rudolf
den Meissner Domdechanten Heinrich Leubing, der damals
in Erfurt weilte, seinen Fürsten und deren Räthen und
den Prälaten und Edlen des Landes die Gründe, aus
denen der Papst gegen Georg so entschieden vorgehe,
auseinanderzusetzen; Leubing schrieb in Folge dessen
einen erregten Brief an Bischof Dietrich und bat ihn
dringend, seine bisherige Haltung den Böhmen gegenüber
zu ändern.'*) Vielleicht gab dies den Herzögen Anlass
zu einer neuen Gesandtschaft nach Rom ; Heinrich von Ein-
siedel und Heinrich Truchsess trafen dort am 14. April
ein, erlangten aber keine Audienz beim Papste: „wen
seine Heiligkeit geantwort hat, es wäre genugsam ge-
schrieben".''')
Der Angriff Georgs gegen Kaiser Friedrich IH. hatte
den Zorn des Papstes aufs höchste gesteigert. Noch
schärfer lautete in diesem Jahre der am grünen Donners-
tag (14, April) ausgesprochene Bannfluch '*); und wenige
Tage später (am 20. April) ergingen zwei neue Bullen,
zu deren Publication Laurentius Rovarella, Bischof von
Ferrara, als Legat nach Deutschland gesandt wurde. Die
erste derselben verdammte alle diejenigen, die in irgend
welcher Weise, besonders aber durch Zuführung von Lebens-
mitteln, Waffen u. dergl., die Ketzer begünstigten, ver-
fügte die Beschlagnahme ihres Vermögens, verhängte das
Interdict über ihre Aufenthaltsorte u. s. w. ; die zweite
verlieh allen, die zu dem bevorstelienden Kriege Geld
beisteuerten oder selbst daran theilnahmen, Ablässe und
andere kirchliche Spenden.'^) An demselben Tage rich-
tete der Papst ein Schreiben an Kurfürst Ernst und Her-
'*) Wir kennen es nur aus einer im HStA. zu Dresden (WA.
Bölim. S. Kaps. IV Bl. 120 fgg.) vorhandenen Abschrift.
'^) 1468 März 13. Nam si in alia via non ambulaveritis, timeo
patriae pericuium imminere, quod difticulter removebitur. Cod. dipl.
Sax. reg. II, 3, 178; vergl. die Aum. dazu.
'^) Bericht des Meissner Domherrn Melchior v. Meckau, der
in päpstlichen Diensten in Rom weilte, d. d. 1468 Mai 12. HStA.
WA. Italien. S. Bl. 10.
'*) SS. rer. Sil. IX, 264.
'•) Ebendas. 265 fgg., 267 fgg.
Studien zur Gesch. der siichs.-böhm. Beziehungen 1468 — 71.
ö^
zog Albrecht; in welchem er dieselben dringend aufforderte,
die von ihm angeordneten Massregeln in ihren Landen
zuzulassen, insbesondere die Kreuzpredigt und Ablassver-
kündigung zu gestatten, den Handelsverkehr mit Böhmen
zu verbieten und der Verwendung des Zehnten von allen
kirchlichen Gütern zum Kampfe gegen die Ketzer keine
Hindernisse in den Weg zu legen. ^'')
Noch bevor diese Bullen und Schreiben nach Meissen
gelangt sein können, Hess die Fanatisierung der Massen
daselbst Zustände entstehen, die schlechterdings unerträg-
lich waren. Eine sehr merkwürdige Episode, die sich im
Laufe des Sommers 1468 in Freiberg, zu jener Zeit einer
der bedeutendsten Städte der sächsischen Lande, abspielte,
erlaubt uns einen Einblick in das erregte Volksleben jener
Tage, der uns um so willkommener ist, je dürftiger und
trockener unsere Quellen gerade nach dieser Richtung im
übrigen sind. Wir dürfen uns daher wohl gestatten,
den Vorgang etwas eingehender darzustellen, als es viel-
leicht seiner Bedeutung im grossen Ganzen der politischen
Geschichte entspricht.'*)
Etwa Anfang Mai mögen Emissäre des Legaten Ru-
dolf, der inzwischen Bischof von Breslau geworden war,
die Kreuzpredigt in grösserm Stile in den meissnisclien
Landen begonnen haben. Auch in Freiberg erschienen
um diese Zeit einige Barfüssermönche und riefen gegen
den Ketzer Girzik zu den Waffen; sie hatten ausser-
ordentlich viel Erfolg. Eine gewaltige Aufregung ergriff
Stadt und Umgegend. An 400 Personen, darunter Lehns-
leute der Landesherren, angesessene Bürger und Berg-
werksbesitzer, wie Lucas Schönberg, Sigmund Kolbing,
Merten Ortwein, besonders aber viele Handwerker, Hessen
sich mit dem Kreuze zeichnen. Diese ausserordentlich
starke Betheiligung erklärt sich einerseits zwar aus der
") Abschrift HStA. Loc. 7216. Irrungen zwischen K. Georg
und dem Papste fol. 23.
'*) Unsere Hauptquelle ist ein bisher unbeachtet gebliebenes
Aktenstück des Gemeinschaftlichen Archivs zu Weimar (Reg. A fol. 28a
No. 7.^); da ich die betreffende Correspondenz in dem unter der i'i'esse
beündlichen ersten Bande des Urkundenbuchs der Stadt Freiberg
(Cod. dipl. Sax. reg. II, 12) vollständig mittheilen werde, so citiere
ich nicht die einzelnen Schriftstücke. Bisher waren über die Kreu-
zigerunruhen nur zwei landesherrliche Schreiben bekannt, die sich
im Freiberger Rathsarchiv befinden und von Klotzsch (Sammlung
vermischter Nachrichten I, 266 fgg.) abgedruckt und, soweit dies
ohne anderes Material möglich war, erläutert worden sind.
8 Hubert Ermisch:
grossen Macht; welche die Geistlichkeit trotz der hie und
da hervortretenden Züge von Indifferentismus, ja von Ver-
höhnung kirchlicher Institutionen*®) noch immer über die
Gemüther hatte und welche auch den Bussprediger Jo-
hannes von Capistrano 16 Jahre früher eine so gewaltige
Wirkung in Freiberg wie in anderen meissnischen Städten
hatte ausüben lassen; andererseits aber doch auch daraus,
dass die Mönche den Kreuzfahrern die Sache so bequem
wie möglich zu machen suchten. Die päpstlichen Gebote,
die sie verkündeten, untersagten jeden Verkehr mit Böh-
men und befahlen die Wegnahme aller Güter, die Böhmen
gehörten, aus diesem Lande kamen oder in dasselbe ein-
geführt Averden sollten.*") Es war vorauszusehen, dass
es an Uebertretungen dieses Verkehrsverbotes nicht fehlen
würde; denn die Bewohner der böhmisch - sächsischen
Grenze, namentlich der Bergwerksdistricte, waren auf
Zufuhr aus Böhmen angewiesen, und die Einfuhr hatte
selbstverständlich auch die Ausfuhr solcher Artikel, die
man jenseit der Grenze brauchte, zur Folge. Wenn nun
auch die Kreuzfahrer eigentlich das Kreuz nahmen, um
in Böhmen gegen die Ketzer zu kämpfen, so war es doch
viel leichter, bequemer und — einträglicher, den Grenz-
verkehr zu überwachen, als mit den Waffen in der Hand
in das Land des streitbaren Böhmenkönigs, der schon
mehrmals grosse Kreuzigerschaaren zu paaren getrieben
hatte, einzudringen; und die Kreuzprediger scheinen eine
derartige grenzpolizeiliche Thätigkeit auch begünstigt zu
haben. Zwar waren eine Anzahl Freiberger Kreuziger
nach Riesenberg und Graupen gezogen. Wir wissen nicht,
was sie dort gethan haben; jedenfalls aber kehrten sie
bald, schon in der ersten Hälfte des Juni, nach Freiberg
zurück. Verstärkt durch neue Schaaren, betrachteten sie
'») Manche Belege hierfür bietet das „Verzellbuch" des Frei-
berger Rathsarchivs, das zahlreiche Verurtheilungen wegen Gottes-
lästerung, Schmähung geistlicher Personen und Störung des Gottes-
dienstes enthält. Vergl. Klotzsch, Das Verzellen 189, 195, 196;
noch mehr wird im dritten Bande des Urkundenbuchs der Stadt
Freiberg, der eine Ausgabe des Verzellbuchs enthalten soll, mitge-
theilt werden.
'*) Es bezieht sich dies wohl auf eine der päpstlichen Bullen
vom 15. Mai 1467, in welcher dem Legaten Rudolf u. a. Vollmacht
ertheüt wurde, bona quecunque mobilia et immobilia hereticorum
quibuscunque licite occupanda concedendi et donandi ac ea que
heretici ad terras catholicorum vel econtra ex terris catholicorum
in vel extra regnum ducerent aut duci facerent in predam dandi.
SS. rer. Siles. XI, 234.
Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen U68— 71. 9
es nun als ihre Aufgabe, den Verkehr mit Böhmen zu
hindern. Alle dorthin bestimmten Waaren Avurden con-
fiscirt; ja auch die Habe derjenigen, die Avider die päpst-
lichen Gebote zu murren wagten, war gefährdet. Die
ganze Umgebung von Freiberg wurde beunruhigt; Fuhr-
leute wurden auf den Landstrassen ermordet, Pferde und
Güter weggenommen. Handel und Wandel litten darunter
furchtbar. Selbst in der Stadt war niemand sicher. Die
„leichtfertigen Leute, die das Kreuz in solcher Weise an
sich genommen hatten", drangen in die Häuser der Bürger
ein, suchten in denselben nach böhmischen Gütern und
drohten, wenn Einwendungen versucht wurden, mit Mord
und Misshandlung. Ueberall beriefen sie sich auf die
päpstlichen Gebote, und dies sowie die Furcht vor ihren
Gewaltthätigkeiten hielten sowohl den landesherrlichen Amt-
mann Nickel Monhaupt als die städtischen Behörden von
einem thatkräftigen Einschreiten ab.
Indes auf die Dauer konnte dies Unwesen doch nicht
geduldet werden. Mussten doch auch die landesherrlichen
Einnahmen, die ja zum grossen Theile in den Erträgnissen
der Bergwerke bestanden, sclnver darunter leiden. Auch
konnte man nicht wissen, ob nicht doch noch die
meissnischen Lande in den Krieg verwickelt werden
würden * ') und ob man nicht in diesem Falle die Mannen
brauchen würde, die sich jetzt auf Leben und Tod der
Politik der Curie verschrieben hatten.
Freiberg war damals im gemeinsamen Besitz der
beiden Linien des Hauses Wettin *^); ein gemeinschaft-
licher Amtmann vertrat die landesherrlichen Rechte. Das
nächste Interesse an der Herstellung eines geordneten Zu-
standes hatten jedoch Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht;
ihre Lande Avurden in erster Linie durch das Treiben der
Kreuziger betroffen. Aber ohne Zustimmung des Herzogs
Wilhelm wollten und durften sie nichts luiternehmen. Sie
sandten daher ihren Obermarscliall Hugold von Schleinitz
an denselben zur Bei'ichterstattung ab und entwarfen bald
darauf in einem längern Schreiben vom 6. Juni 1468 in
lebhaften Farben ein Bild von dem Unfuge, den die Kreuz-
" (Am .SO. Mai befahlen Ernst nnd Albrecht ihren Mannen,
sich in Kriegsbereitschaft zu halten, da sie gewarnt seien, dass
etliche Abgönner ihre Lande und Leute zu schädigen beabsiclitigten.
WA. Defensionssachen Bl. 51.
'*) Vergl. den Burgfrieden vom 11. Nov. 1448, der im ersten
Bande des Freiberger Urkundenbuches zum Abdruck kommen wird
10 Hubert Ermisch:
scliaaren anrichteten. Ungern möchten sie, so heisst es
in dem Briefe, den Geboten des h. Vaters zuwider handehi;
aber unter den obwaltenden Verhältnissen könne man den
Zustand nicht länger dulden, sondern müsse auf Mittel
und Wege denken, die Kreuziger dahin zu schaffen, wohin
sie gehörten.
Wilhelm stand der Sache ferner ; er hatte sich niemals
in dem Masse für Georg interessiert als seine Neffen und
scheint zudem damals schon auf gespanntem Fusse mit
ihnen gestanden zu haben. In seiner Antwort vom
11. Juni spricht sich ein gewisses Misstrauen gegen ihre
Angaben aus; er findet es auffällig, dass noch keine Mel-
dung des Amtmanns und des Freiberger Rathes vorliege.
Auch versäumte er nicht, darauf hinzuweisen, dass ihre
Vorfahren sich stets um den Christenglauben besondere
Verdienste erworben hätten, und warnte davor, ihre Fuss-
stapfen zu verlassen. Dass dem Unfuge gesteuert werden
müsse, leuchtete indes auch ihm ein; er verlangte aber,
seine Neffen sollten nur gemeinschaftlich mit ihm handeln.
Man wurde einig, ein Schreiben an Vogt, Bürger-
meister und Rathmannen zu erlassen; allein über die
Fassung desselben kam es zu weiteren Streitigkeiten. Uns
liegt sowohl der Entwurf Ernsts und Albrechts, als der
Gegenentwurf ihres Oheims vor. Der erstere, der das
Datum des 15. Juni trägt und nur im Namen von Ernst
und Albrecht, nicht zugleich in dem des Oheims, abge-
fasst ist, berührt ziemlich kühl die Thatsache der Kreuz-
predigt — wegen der Gebote des Papstes würden die
Fürsten dieselbe ungern verhindern wollen — und ent-
hält dann einen scharfen Verweis gegen Vogt und ßath,
weil sie das Treiben der Kreuziger nicht sofort mit aller
Energie unterdrückt hätten; sie wüssten doch, wie die
Fürsten bisher auf Frieden in ihren Landen gehalten
hätten; wer den Frieden bräche, gleichviel an wem, müsse
unnachsichtlich bestraft werden. Die Kreuziger sollen
versammelt und ilmen mit allem Nachdruck folgendes
vorgehalten werden. Diejenigen unter ilmen, welclie als
angesessene Bürger oder Lehnsleute den Landesherren
eidlich verpflichtet seien, hätten ohne deren Genehmigung
das Kreuz nicht nehmen dürfen; da es indes einmal ge-
schehen, so sollte ihnen gestattet sein, gegen die Böhmen
zu ziehen; nur sollten sie dafür sorgen, dass nöthigenfalls
auch in ihrer Abwesenheit ihre Pflicht gegen ihre Lehns-
und Landesherren erfüllt, also namentlich bewaffnete Folge
Studien zur Gesch. der s<ächs.-bölim. Beziehungen 1468—71. H
geleistet würde. Alle Kreuziger ausnahmslos sollten bei
strenger Strafe in Freiberg und im ganzen Lande nie-
manden, gleichviel wer er sei und woher er komme, ohne
ausdrückliche Genehmigung der Landesherren an Leib
und Gut schädigen.
Die rücksichtslose Schärfe, die sich in dem Entwurf
ausspricht, billigte Wilhelm nicht. Sein Gegenentwurf
(vom 20. Juni) ist kürzer, allgemeiner und viel milder
gehalten. Der Lehuspflichten und ihrer Verletzung durch
die Kreuznahme geschieht keine Erwähnung. Der Rath
wird aufgefordert, den Kreuzigern alle Plackereien zu
verbieten und sie zum Abzüge nach Böhmen zu veran-
lassen.
Wie der Befehl lautete, der schliesslich nach Frei-
berg gesandt wurde, ist uns nicht bekannt. Jedenfalls
hatte er fürs erste den gewünschten Erfolg. Die Kreu-
ziger verhielten sich mehrere Wochen lang ruhig, und ein
Theil von ihnen hat vielleicht die Stadt verlassen; eben
zu jener Zeit lagen bedeutende Kreuzschaaren unter Fried-
rich von Schönburg bei Schlackenwerda in der Gegend
von Elbogen, und König Georg musste die Lande ringsum
gegen sie aufbieten. ^^) Andere Haufen, angeblich über
15000 Mann, wurden bei Pilsen von einer kleinen Anzahl
Böhmen in die Flucht getrieben. Man erzählte sich da-
mals, die säclisischen Herzöge hätten unter schweren Be-
drohungen die Ihren aus dem Kreuzheere abberufen; ein
Gerücht, zu dem die Freiberger Auftritte Anlass gegeben
haben mochten. ^*)
Inzwischen war der päpstliche Legat Laurcntius Ro-
varella in Deutschland erschienen, um die oben erwähnten
päpstlichen Bullen vom 20, April bekannt zu machen.
Anfang Juli hielt er sich mehrere Wochen in Grätz bei
Kaiser Friedrich auf und crliess von hier aus Verord-
nungen über die Kreuzpredigt, die zu gunsten des Krieges
gegen die Ketzer zu veranstaltenden Sammlungen u. a.
Obwohl es seine Aufgabe war, die Leidenschaften noch
mehr zu entfesseln, was er auch nach Kräften that, ent-
**) Palacky, Urk. Beitr. 544. Erwähnt wird dieser Zug Fried-
richs V. Schönburg mit Kreuzigern noch in einem Schreiben ver-
schiedener wegen Theilnahme an demselben aus Cadan vertriebener
Personen von 1472 Aug. 18, in welchem sie Ernst und Albrecht um
Verwendung bei ihrem Herrn Jan v. Lobkowitz wegen Wiederauf-
nahme bitten. WA. Böhm. Sachen K. II Bl. 132c.
»«) Eschenloer (SS. rer. Siles. VII) 187.
12 Hubert Ermiscli:
ging es ihm doch nicht, dass das bisherige zuchtlose Trei-
ben der Kreuziger der Sache, der sie dienten, mehr
schadete als nutzte; trotz ihrer grossen Zahl hatten diese
Truppen bisher noch nicht einen nennenswerthen Erfolg
zu verzeichnen gehabt. Der Legat strebte dem abzu-
helfen und bestimmte daher, dass nur solche mit dem
Kreuze gezeichnet werden sollten, die zum Kampfe ge-
eignet und im Stande seien, sich Avenigstens sechs Monate
lang zu unterhalten; auch sollten die Kreuziger sich nicht
einzeln und ungerufen auf den Weg machen, sondern die
Befehle des Legaten oder seiner Commissarien abwarten.**)
Gleichzeitig verkündeten Beauftragte des Legaten,
unterstützt durch kaiserliche Empfehlungsschreiben *^), aller
Orten die päpstlichen Bullen vom 20. April. Bereits An-
fang Juli waren dieselben in Breslau bekannt geworden,
und Bischof Rudolf sorgte für ihre schnelle Verbreitung.^'')
Am 21. August wurden sie in Freiberg zur öffentlichen
Kenntnis gebracht, nachdem sie vorher in Meissen vor
Ernst und Albrecht officiell pubUciert worden waren.**)
Wir sahen bereits, dass auch in diesen Bullen jede Zufuhr
nach Böhmen mit den strengsten Strafen bedroht war. Es
bedurfte blos eines solchen Anlasses, um die noch immer in
der Stadt weilenden Kreuziger zur Wiederaufnahme ihrer
angemassten grenzpolizeilichen Thätigkeit zu bewegen. An
demselben Tage^ an dem die päpstlichen Gebote verkündigt
wurden, kamen zwei Kaufleiite aus Nürnberg und Leipzig,
die nach Böhmen Handel trieben, von dort nach Freiberg.
Niemand wollte sie beherbergen; so allgemein wurde der
Inhalt der Bullen respectiert. Die Kreuziger aber nahmen
den Kaufleuten ihre Pferde und eine Summe Geld ab,
führten sie vor den Kreuzprediger und dann vor den
Rath, und der letztere wusste, um sie zu retten, nichts
besseres zu thun, als dass er sie in den städtischen Ge-
wahrsam setzte. Schon war auch der Gottesdienst
wegen ihrer Anwesenheit eingestellt worden; darum
hielt es der Rath für das Beste, die Kaufleute aus der
") SS. rer. Siles. XI, 285.
") 1468 Juli 13. Janssen, Frankfurts Keichscorresp. II, 1,
255. Das an Kurfürst Ernst gerichtete Exemplar des kaiserlichen
Schreibens abschriftlich HStA. Cop. 12 fol. 20.
^') SS rer. Siles. IX, 267 Anm.
*») Ein von Rudolf am 12. Juli 1468 aufgenommenes notarielles
Traussumpt der Bulle Regnans HStA. Loc. 10 297. Verschiedene
alte Copeyen in Religionssachen 1468, 1566 fol. l.
Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468 — 71. 13
Stadt zu entlassen, ihre Habe aber wurde, theils der
Bullen wegen, theils um sie vor den Kreuzigern zu
sichern ; zurückbehalten. Kurfürst Ernst imd Herzog-
Alb recht, denen der Rath eilends den Vorfall meldete,
waren sehr aufgebracht und verlangten sofortige Fest-
nahme der Schuldigen. Am folgenden Tage, bevor noch
dieser landesherrliche Befehl eingetroffen war, griffen die
Kreuziger in Geraässheit der Bulle und auf Anweisung
der Priesterschaft, wie sie später zu ihrer Entschuldigung
sagten, fünf Wagen mit Salz auf, die theils landesherr-
lichen Unterthanen zu Frauenstein, theils den Herren von
Raben stein zu Riesenberg und dem Abte von Ossegg ge-
hörten und nacli Böhmen bestimmt waren, führten sie
nach Freiberg und verkauften dort die Fracht. Der Rath
entbot nunmehr zwar die Kreuziger vor sich und machte
ihnen unter Bezugnahme auf die ergangenen landesherr-
lichen Befehle Vorstellungen; alleiii diese beriefen sich auf
den Wortlaut der päpstlichen Gebote und behaupteten
dreist, die Landesherren würden mit ihrem Vorgehen völlig
einverstanden sein.
Amtmann und Rath, denen inzwischen ein neuer
scharfer Befehl, die „Strassenräuber imd Landesbeschädi-
ger" festzunehmen, von Ernst und Albrecht zugegangen
war, befanden sich in grosser Verlegenheit; sie wollten
gern als „fromme, christliche Leute" befunden werden,
wagten anderseits aber auch nicht, den Landesherren zu
trotzen. In ihrer Noth wandten sie sich (am 24. August)
an Herzog Wilhelm. Fast gleichzeitig schrieben diesem seine
Neffen (am 25. August) und erklärten energische Mass-
reguln für unumgänglich nothwendig. Noch bevor ihr
Brief abgegangen war, lief die Nachricht eines neuen
durch Kreuziger begangenen Strassenraubes ein; die Frei-
berger hatten aber die Heimkehrenden nicht eingelassen,
und so hatten sie sich mit ihrem Raube nach Altzelle ge-
wandt. Dort trafen Ernst und Albrecht Anstalten, sich
ihrer zu bemäclitigen.
Am 2(). August erschien der Freiberger Amtmann
und der Rath, denen die Sache immer bedenklicher wurde,
in Meissen vor den Landesherren. Sie baten ihres säu-
migen Vorgehens wegen um Entschuldigung; sie hätten
gern, so sagten sie, die befohlenen Festnehmungen voll-
zogen, aber Gott wüsste, dass sie es sich nicht getraut
hätten; „denn der Kreuziger wären so viele und faste
eigenwillig und wären sehr in der Stadt gefreundet und
14 Hubert Erniisch:
hätten auch von dem gemeinen Volke grossen Anhang,
weshalb sie ihnen kein Wort zu sagen wagten"; sie
müssten befürchten, dass sie sämmtlich erschlagen werden
würden, wenn sie die landesherrlichen Befehle ausführten.
Sie ständen auch sonst in grosser Gefahr; die Kreuziger
liefen ihnen durch Haus und Hof, und sie wüssten nicht,
ob sie in die Stadt eingelassen würden, wenn sie heim-
kehrten.
Ernst und Albrecht befahlen ihnen, sich sofort nach
Freiberg zurückzubegeben, Handwerker und Gemeine vor
sich zu entbieten und sie zu befragen, wie sie sich den Kreu-
zigern gegenüber verhalten wollten. So sollten sie in Er-
fahrung bringen, auf wie viel Beistand sie zählen dürften.
Nöthigenfalls wollten die Landesherren schleunigst zu Hilfe
eilen; sie hatten ihren Marschall mit andern Hofleuten so-
fort in die Gegend von Freiberg geschickt und den Rath
angewiesen, auf seine Aufforderung Folge gegen die Kreu-
ziger zu leisten.
Als der Rath heimkehrte, gelangte er zwar ohne
Schwierigkeit in die Stadt; aber die Kreuziger, die sich
mehr und mehr in Gefahr fühlten, hatten sich auf dem
Kirchhofe der Peterskirche, ganz in der Nähe des Rath-
hauses und des Obermarktes, gesammelt und nahmen dort
eine bedrohliche Haltung an; sie wollten Kirche und
Kirchhof besetzen und sich in ihrem Besitze behaupten.
Offener Aufstand und Strassenkampf schien bevorzustehen.
Doch fanden sich zum Glück Vermittler, welche die Schaa-
ren zum Abzug aus der Stadt bewogen. Wohin sie sich
begeben, wissen wir nicht; später haben sich zu Lössnitz
in d^r Grafschaft Hartenstein Pferde vorgefunden, welche
flüchtige Kreuziger dorthin gebracht hatten. Freibergs
Tliore wurden auf Befehl des Rathes besetzt, damit keiner
der Entwichenen wieder in die Stadt zurückkehren könnte.
Dann berief der Rath, wie ihm befohlen war, Hand-
werker und Gemeine zusammen. Ihre Antwort war zu-
friedenstellend; die Kreuziger waren eben schon aus der
Stadt verschwunden und der von ihnen geübte Terroris-
mus hatte aufgehört; auch schreckte wohl der Ernst, mit
dem der Kurfürst und sein Bruder die Sache auffassten.
Diese billigten die Massregeln des Rathes und befahlen
ihm zugleich, Kundschaft über die Kreuziger ein-
zuziehen und mit ihnen zu verhandeln, ob sie sich
gutwillig ergeben wollten; sie sollten sich in diesem
Falle am 29. August unbewaffnet vor Freiberg einfin-
Sttxdien zur Gesch. der silchs.-böhm. Beziehungen 1468 — 71. 15
den; in die Stadt dürften sie jedoch nicht eingelassen
werden.^")
Trotz der friedlichen Wendung, welche die Sache
genommen und welche die baldige Heimkehr des Mar-
schalls veranlasst hatte, hielten es Ernst und Albrecht für
gut; die bewaffnete Demonstration ^ die sie anfangs auf
den 27. August festgesetzt hatten, noch nachträglich zur
Ausführung zu bringen. Mit 1000 Mann zu Fuss und
300 Pferden begaben sie sich am 29. August nach Frei-
berg. Um der Geistlichkeit, „die solches viel zugerichtet
und gemacht hat" (wie es in einem Schreiben vom 2. Sep-
tember lieisst), jeden Anlass zu nehmen, das Thun der
Landesherren zu verdammen und zu hemmen, hatten die-
selben den Bischof Dietrich von Meissen, der, wie wir
wissen, sich durch eine sehr gemässigte Gesinnung und
durch Treue gegen seine Fürsten auszeichnete, mit sich
genommen. An der Spitze eines Heeres hatten sie leichtes
Spiel. Am 30. August früh beschieden sie Rath und Ge-
meine vor sich und trafen mit ihnen ein Abkommen, über
das sie absichtlich oder luiabsichtlich in dem an ihren
Oheim gerichteten Schreiben vom 2. September keine
näheren Mittheilungen machten. Was die Räubereien der
Kreuziger betrifft, so sollte die geraubte Habe, soweit
dieselbe sich noch im Gewahrsam der Stadt befand, den
rechtmässigen Besitzern zurückgegeben werden •, soweit sie
nicht mehr vorhanden war, sollte die Stadt Ersatz dafür
leisten und sich an den in Freiberg zurückgelassenen
Gütern der Entflohenen schadlos halten; die flüchtigen
Kreuziger aber, die der an sie ergangenen Aufforderung,
sich freiwillig zu ergeben, nicht nachgekommen waren,
sollten verfolgt und festgenommen werden.
Herzog Wilhelm hatte inzwischen von Schleiz aus, wo
er in jenen Tagen mit den Brandenburgern wegen eines
Bündnisses verhandelte (vcrgl. S. 24), in einem Schreiben
vom 29. August den Neffen vorgeschlagen, dass beiderseitige
Rätlie am 6. September in Freiberg die Sachen beizulegen
suchen sollten. Als er nunmehr aus ihrer Antwort vom
*') Vergl. das Schreiben vom 27. Aug. 1468. Samml. verm.
Nachr. 1, 266. Der Herausgeber glaubt (275), dass in der Wendung :
„ob sie sich ane not unde gutwilliglichen yn unser Strasse gebin
wolten, so wolten wir die in unser Strasse uftiiemcn" das Anerbieten,
die Kreuziger in landesherrliche Kriegsdienste aufzunehmen, ent-
halten sei. Doch ist mir ein Gebrauch des Wortes „Strasse" in diesem
Sinne ganz unbekannt.
16 • Hubert Ermisch:
2. September ihr einseitiges energisches Vorgehen erfuhr,
nahm er dies sehr übel auf. Er sandte sofort seine Räthe
Hermann Lugel und Lorenz von Kochberg nach Freiberg;
sie sollten erkunden, was für ein Vertrag zwischen Rath
und Gemeinde geschlossen worden sei, und sowohl den
Räthen seiner Neffen als dem Freiberger Rathe unumwunden
Wilhelms Missbilligung zu erkennen geben. Insbesondere
versagte der Herzog seine Einwilligung zu der Abmachung,
dass die Stadt Ersatz für die von den Kreuzigern geraubte
Habe leisten und sich dafür an iln\e Güter halten soUte.
Die Verhandlungen der Räthe führten indes bald zu
einer Verständigung*, Wilhelm erklärte sich schliesslich
im grossen und ganzen mit den getroffenen Massregeln
einverstanden; nur die Art, wie das confiscierte Gut er-
stattet werden sollte, scheint er noch bemängelt zu haben.^")
Inzwischen hatten mehrere der Kreuziger um freies
Geleit gebeten, um sich wegen der ihnen zur Last ge-
legten Verbrechen zu entschuldigen. Wilhelm verwandte
sich für sie; aber Ernst und Albrecht nahmen Anstand^
ihr Gesuch zu gewähren. Es gebe viele Kreuziger zu
Freiberg und an anderen Orten, heisst es in ihrem Schrei-
ben vom 18. September, die an jenen Thaten unschuldig
seien, und diese würden in keiner Weise behelligt; aber
denen, welche die Räubereien verübt und den Petrikirch-
hof besetzt hätten, könnten sie kein Geleit geben.
Die Vertriebenen, deren Lage immer bedrohter wurde,
wandten sich nochmals au den Vogt und den Rath zu
Freiberg mit der Bitte, dass ihnen wenigstens für einige
Tage Geleit gegeben würde, damit sie sich sammeln
könnten; sie wollten sich dann ganz in der Landesherren
Gehorsam begeben. Auch erboten sie sich, das geraubte
Gut zurückzuerstatten, soweit es noch in ihrem Besitze sei.
Vogt und Rath, die selbst in grosser Verlegenheit waren —
Er-nst und Albrecht drängten sie, den Frauensteinern
schleunigst Ersatz zu leisten, ^A' ilhelm hatte es verboten —
theilten ihr Gesuch am 21. September diesem wie jenen mit.
Einige Kreuziger hatten sich inzwischen nach Weimar
zu Herzog Vv'ilhelm begeben und überreichten diesem
am 26. September ein langes Schreiben, in dem sie die
ganzen Vorgänge von ihrem Standpunkte aus schilderten.
Sie beriefen sich dabei auf die päpstlichen Gebote: nicht
*") Das uns vorliegende flüchtige Concept eines Schreibens des
Herzogs au seine Netien vom 12. September ist nicht ganz ver-
ständlich.
Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Bezieliungen 1468—71. 17
um Gutes, sondern um Gottes Willen hätten sie die Nähme
verübt; hätten sie gewusst, dass ihr Verfahren ihren Herren
unangenehm sei, so würden sie es ganz unterlassen haben.
Auf den an den Rath ergangenen Befehl, sie in Haft zu
nehmen, hätten sie sich zu allem bereit erklärt, was man
von ihnen verlangen würde; da aber seien die Herzöge
mit vielem Volke — vielleicht „durch unbeständiges Vor-
bringen etlicher ihrer Abgönner" veranlasst — gegen sie
gezogen, und sie hätten in Sorge für ihr Leben fliehen
müssen. Ihre neuerdings an deii Rath gerichtete Bitte, sie
wieder aufzunehmen, sei von den Landesherren abge-
schlagen worden. So seien sie vertrieben und müssten
mit Weib und Kind zu Bettlern werden. Und doch seien
sie ihre Lebtage niemals Räuber gewesen, sondern sie
hätten sich meist redlich mit ihren Handwerken ernährt;
Lucas Schönberg aber mit seinem Bergbau — • „ich habe
euern Gnaden mehr Silbers geantwortet und erbauet als
irgend ein anderer in langer Zeit gethan hat", so sagt
derselbe von sich. Sie baten den Herzog inständigst, sie
wieder in Gnaden aufzunehmen und sich auch bei seinen
Neffen für sie zu verwenden.
Der Leser dieser beweglichen Bittschrift fühlt in der
That Mitleid mit den Irregeleiteten. Bei vielen derselben
war es sicher nur eine absonderliche Art der Frömmig-
keit, die bei dem rohen Charakter der Zeit diese gewalt-
thätigen Formen annahm.
Wilhelm antwortete dem Freiberger Rathe auf sein
Schreiben vom 2L September ziemlich kurz: er werde
bei einem auf den 10. öctober angesetzten Tage zu Erfurt
die Sache mit seinen Neffen des weiteren besprechen. Was
die Rückgabe der Güter anlange, so werde ilnlen ja wohl
seine Antwort noch in Erinnerung sein; was davon noch
vorhanden, sollten sie den Besitzern überantworten, auf Ent-
schädigung für das übrige sich jedoch gar nicht einlassen.
Gern willigten Ernst und Albrecht in die Abhaltung
eines Tages zu Erfurt. Zugleich aber Hessen auch sie
Verhandlungen mit den Kreuzigern anknüpfen, und diese
verpflichteten sich schliesslich, nach Leipzig zu kommen
und sich in den Gehorsam der Brüder zu begeben. Was
dort abgemacht worden ist, Avissen wir nicht; ebenso ist
uns nicht bekannt, welche Beschlüsse wegen der flüch-
tigen Kreuziger auf dem noch zu erwähnenden Tage in
Erfurt gefasst wurden, da das über denselben vorhandene
Instrument sie gar nicht erwähnt. Jedenfalls wurde noch
Neues Archiv f. S. 0. u. A. U. 1. 2
Ig Hubert Ermisch:
mohrnials, so im Anfange Deceniber zu Meissen, mit ihnen
verhandelt, schliesslich jedoch ein Ausgleich erreicht. Den
Beraubten zu ihrer Habe zu verhelfen, hielt freilich schwer;
noch am 13. December erging ein Befehl an den Rath
zu Freiberg, derselbe solle die Kreuziger zur Auszahlung
der 146 Schock 10 Gr., die sie den Frauen steinern als
Ersatz für das Geraubte zu geben sich verpflichtet hatten,
nöthigen. ^*) Die Behauptung, dass sie in landesherr-
liche Kriegsdienste eingetreten seien, ist nicht beweisbar.^^)
Auch noch später finden wir Spuren ihrer Thätigkeit.
So klagt König Georg in einem Schreiben an die herzog-
lichen Brüder vom 20. Februar 1469, dass Paul Meissner
von Freiberg und sein Hausknecht Philipp Juncker der
Regina, der Frau eines gewissen Kaufmanns Valentin aus
Prag, seidene und andere Waaren in der Nähe von Frei-
berg abgenommen haben, und bittet, derselben zu ihren
Gütern wieder zu verhelfen. ^^) Können wir hier nur
vermuthen, dass kein gewöhnlicher Strassenraub, sondern
ein Werk der Kreuziger vorliegt, so ist dies in einem
anderen Falle, der noch mehrfache Reclamationen be-
wirkte, ganz klar. Unter den geraubten Salz wagen be-
fanden sich auch solche, die den Unterthanen der Agnes
von Landstein, zu Graupen in Böhmen gesessen, gehörten;
den letztern waren einige der Räuber bekannt geworden,
und sie nannten die theilweise anderweit als Kreuziger be-
zeichneten Georg Wagner, Merten Ortwein, die Schuster
Grunbach und Zipser, die Büttner Feielrose und Gelhar,
Lorenz Strol, den Fleischer Georg von Dippoldiswalde.
Ihre Herrin hatte nun bereits zu wiederholten Malen so-
wohl die Stadt Freiberg als die beiden Herzöge um Er-
satz für den angerichteten Schaden, der auf 80 Schock
geschätzt wurde, gebeten; die Fürsten hatten ihr auch
mitgetheilt, dass einige Kreuziger sich mit ihnen ausge-
söhnt hätten, aber mit dem Zusätze, dass diese nicht im
Stande seien, den geforderten Ersatz zu leisten. Obwohl
nun Agnes von Landstein in einem Schreiben vom 21. Febr.
14ö9 mit Recht darauf hinwies, dass ja die Thäter sämrat-
lich in Freiberg mit Haus und Hof angesessen seien und
dass die Landesherren sich also täglich an sie halten und
sie zwingen könnten, Ersatz zu leisten, blieb ihr Gesuch
*•) Sammlung vermischter Nachrichten 1, 268.
**) V. Langenn, Albrecht der Beherzte 410. Vergl. oben Anin. 29.
»') Original im WA. Böhm. Sachen K. I Bl. 203.
Studien zur Gesch. der sächs.-bölim. Beziehungen 1468 — 71. 19
doch, wie es scheint, erfolglos; noch im September 1469
schrieb sie dringend in dieser Angelegenheit mid berief
sich dabei darauf, dass anderen der geforderte Ersatz ge-
leistet worden sei. '*)
Noch 1470 waren die Kreuziger nicht allen Ver-
pflichtungen zum Ersatz des Geraubten nachgekommen
und wurden deshalb von Ernst und Albrecht mit einer
Geldbusse von 100 Schock bedroht; dies veranlasste wieder
Beschwerden von Seiten des Herzogs Wilhelm, über welche
am 29. Januar 1470 auf einem Münzprobationstage zu
Leipzig verhandelt wurde. *^)
Die Freiberger Kreuzigerunruhen sind nur eine ein-
zelne Episode aus jener aufgeregten Zeit; an andern Orten
mag ähnliches vorgekommen sein. Allenthalben waren
die Bemühungen der deutschen Fürsten darauf gerichtet,
dem Unwesen ein Ende zu machen.
Hauptsächlich diesem Zwecke dienten auch die Ver-
handlungen, die um die Mitte October zwischen den sächsi-
schen Fürsten und dem Markgrafen Albrecht zu Erfurt
stattfanden. Sie betrafen insbesondere die Kreuzpredigt,
die Sammlung von Ablassgeldern, das Verbot des Verkehrs
mit Böhmen und den zehnten Pfennig von der Geistlichkeit,
mit welchem der Papst dem Könige Matthias die stets
ausgehenden Kriegsmittel zu ergänzen suchte.^'*) Es wurde
vereinbart, dass der Fürst, welchen der päpstliche Legat
zuerst in dieser Sache angehen würde, nicht sofort Ant-
wort geben, sondern die anderen benachrichtigen und
ihnen einen Tag zur Berathung anberaumen sollte; was
auf diesem Tage beschlossen werde, sollte für alle bindend
sein. Zugleich wurde bestimmt, dass man sich auch über
das Verhalten der anderen deutschen Fürsten unterrichtet
halten solle; Ernst und Albrecht sollten deshalb bei den
Erzbischöfen von Salzburg und Köln, dem Pfalzgrafen
und den bayerischen Fürsten, Herzog Wilhelm bei den
Erzbischöfen von Mainz und Magdeburg mid bei den
") Original im WA. Böhm. Sachen Kapsel I Bl. 201. 294.
**) Gemeinschaft!. Archiv zu Weimar Reg. U fol. 24 No. 6.
SO) Vergl. Eschenloer (SS. rer. SU. VII) 190 und das Schreiben
des Legaten Laurentius ßovarella an Bischof Rudolf von Breslau
d. d. 1468 Oct. .5 SS. rer. Sil. IX, 297. Eine Aufforderung des Erz-
bischofs Johann von Magdeburg an Bischof Dietrich von Meissen zu
einer Berathung wegen des Zehnten d. d. 1468 Oct. 29, die den
letztern zu sorglicher Wahrung seiner exempten Stellung dem Erz-
bischofe gegenüber veranlasste, s. Cod. dipl. Sax. reg. II. 3, 180 fg.
2*
20 Hubert Ermisch:
hessischen Fürsten, Markgraf Albrecht bei dem Erzbischof
von Trier, dem Bischof von Metz, dem Markgrafen voiP
Baden, den von Württemberg und anderen weltlichen
Fürsten, Grafen, Herren und Edelleuten, sowie bei den
ihm nahe gelegenen Reichsstädten fleissige Forschung
halten und das Ergebnis derselben den anderen mit-
theilen. ^')
Für den November wurde ein Fürstentag nach Mün-
chen ausgeschrieben, der jedoch nicht hier, sondern in
Landshut abgehalten wurde ^^) und auf dem dieselben
Gegenstände zur Sprache kamen. Die sächsischen Her-
zöge sandten Burggraf Georg von Leisnig und Herrn
Kaspar von Schönberg als ihre Vertreter dorthin und
wiesen dieselben an, vorher mit den Herzögen Ludwig
und Sigismund von Bayern allein zu verhandeln, um deren
Meinung in Erfahrung zu bringen. Ihre uns vorliegenden
Instructionen sind, wie dies leider gebräuchlich geworden
war, so gehalten, dass sie in der Hauptsache jeden Be-
schluss vereiteln mussten. Sie knüpfen an kürzlich ein-
gelaufene päpstliche und kaiserliche Schreiben an, welche
Kreuzpredigt, Ablasshandel, Zehntenforderung und den
geplanten allgemeinen Krieg gegen Georg betrafen. Wür-
den sie um die Ansicht ihrer Fürsten über diese Schreiben
befragt, so sollten sie erklären, dass dieselben erst un-
mittelbar vor ihrer Abreise eingelaufen und ihnen die
Entschlüsse ihrer Herren daher nicht bekannt seien;
sie sollten darum auch die Meinung der anderen Fürsten
lediglich ad referendum nehmen. „Von sich aus und nicht
aus unserm Befehle" sollten sie sodann die Anschauungen
ihrer Herren über die Kreuzpredigt, den Ablasshandel
und den Verkehr mit Böhmen vortragen. Die Kreuz-
predigt hätten dieselben schon vor einem Jahre gestattet
und wollten ihr, „wiewohl das zu der Zeit wenig Frucht
gebracht hätte", auch jetzt kein Hindernis in den Weg legen,
„doch so das fürder sollte verkündigt werden, dass das
mit Ordnung geschehe, als dass nicht das gemeine Volk
und unendlich Pofel alleine dazu bewegt und mit dem
Kreuze gezeichnet würde, dadurch ihren Gnaden als
Fürsten der Lande mehr Widerwärtigkeit dann den Un-
gläubigen davon entstehen möchte". Nur die besonders
") HStA. Orig. 7989, ohne Datum. Angesetzt war der Tag auf
den 10. October, s. oben S. 17.
*') „Die fursten, so zum tag gen München beschieden sein, der
zu Landshut gehalten worden" HStA. Cop. 12. fol. 70 b.
Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Bezieluiugen 1468 — 71. 21
Bevollmächtigten sollten das Kreuz ertheilen dürfen und
auch diese nur an solche, die gehörig gerüstet und ilu'cm
Vermögen nach im Stande Avären, die festgesetzte Zeit
im Felde zu bleiben, nicht aber an leichtfertige Leute,
die nur zum Scheine das Kreuz nehmen und dadurch
„eine Freiheit haben" wollten, einen Tag wider die Un-
gläubigen zu ziehen, den andern Tag das Kreuz abzu-
reissen und davonzulaufen. Entschiedener noch sollten
die Gesandten sich gegen den Ablasshandel und die Er-
hebung des Zehnten aussprechen, weil durch ersteren
schon früher das niedere Volk, das zur „Innigkeit" ge-
neigt sei, furchtbar ausgesogen und viel Geld ausser
Landes gebracht worden sei, die Erhebung des Zehnten
von der Geistlichkeit aber in ihren Landen nie stattge-
funden habe; auch sei zu vermuthen, dass das, was ein-
kommo, zu anderen als den angegebenen Zwecken ver-
wendet werden möchte. Wenn von der deutschen Nation
etwas in der Sache geschehen solle, so müsse ein „ge-
meiner Tag" angesetzt werden. Werde dann ein Reiclis-
krieg beschlossen, so würden die Herzöge es an sich nicht
fehlen lassen; aber allein den Krieg anzufangen und ihn
anderen abzunehmen, das würde ihnen und dem Reiche
nur schaden können. ^^)
So hatte der Landshuter Tag nicht mehr Erfolg als
seine Vorgänger. Wenn hier und auf einem Speierer Tage,
der wohl kurz nachher stattfand, Anschläge über die zu
leistende Kriegshilfe aufgestellt wurden, so hatten dieselben
so gut wie gar nichts zu bedeuten. *^)
Auch die Frage des Handelsverkehrs mit Böhmen
hatten die nach Laudshut bestimmten Gesandten zu be-
rühren gehabt: dersell:)e sei schon lange in Sachsen ver-
boten. Das war wohl richtig, aber die Lage der Lande
und ganz besonders auch der Umstand, dass im Herbst
1468 eine Theuerung entstand, machten eine strenge Durch-
führung des Verbots, wenn eine solche überhaupt beab-
sichtigt war, unmöglich. ^^) Der Legat zu Breslau, dessen
*«) HStA. Loc. 9300. Acta den Zug wider Gersiken betr.
1468. Der Credenzbrief für die Gesandten d. d. 1468 Nov. 9 s. eben-
daselbst Loc. 7385 Acta die Churfürstentäge zu Frankfurt 1461,
München 14G8 u. s. w. fol. 2. Vergl. auch Jordan 296 Anm. und
Kluckhohn 283 Anm.
*•) IIStA. Cop. 12 fol. 70.
*') Tempore autumni ist das jare in Mejssner lande und sust
an vil andern enden das nasse jare gewest, hirurabe ein kleine zceit
theurung im lande worden. HStA. Cop. 1301 fol. 48.
22 Hubert Ermiscli:
rücksichtsvolle Haltung wir schon mehrfach hervorzuheben
gehabt haben, trug dem Rechnung und bevollmächtigte
den Dominicaner Dr. Joh. Breslauer für gewisse Fälle
mit der Ertheilung von Ablass wegen Verletzung der
päpstlichen Bulle. Insbesondere sollte es den Böhmen ge-
stattet sein, Getreide, Korn und Hafer einzuführen und
dafür Salz, Häringe, gesalzene Fische u. a. , aber nicht
Wehr und Waffen einzuhandeln und über die Grenze zu
schaffen; doch sollten sie nicht länger beherbergt werden
als durchaus nöthig und namentlich keine Kirche betreten.
Dies wurde in den Grenzorten Böhmens und im Lande selbst
bekannt gemacht. ^^) Die wiederholten Verbote und Dro-
hungen der Landesherren und des Legaten beweisen, dass die
Ausnahmen bald zur Regel wurden; wir werden auf diesen
Punkt, der immer von neuem den Landesherren Un-
annehmlichkeiten bereitete, noch zurückzukommen haben.
n.
Die Erfurter Abmachungen blieben wenigstens wäh-
rend der nächsten Monate massgebend für die Politik von
Ernst und Albrecht. Als im December der Bischof von
Würzburg ein Ausschreiben wegen des durch die päpst-
liche Bulle vom 20. April 1468 vorgeschriebenen Setzens
von Opferstöcken in allen Städten und Diöcesen erliess
und gleichzeitig der päpstliche Legat dem Markgrafen
Albrecht seinen Besuch auf Anfang Januar in Aussicht
**) Vergl. ein Runclschreibeu von Ernst und Albrecht an die
Amtleute d. d. 1468 Nov. 16 (WA. Böhmische Sachen K. IV Bl.
124) und ein Schreiben des Bischofs Rudolf von Breslau au Bischof
Dietrich von Meissen d. d. 1468 Dec. 12 (Cod. dipl. Sax. reg. II.
3, 180). Bereits am 21. October hatte Joh. Breslauer den Leuten
der Frau von Waidenburg den Handelsverkehr mit den christlichen
Böhmen gestattet. HStA. Orig. 80,35. Vergl. auch den Dialog
des Johannes Rabensteineusis (Anfang 1469): Ümnes oras confinium
penes Bohemiam frumento adipe piuguetudine in Boheraia collectis
vivere oportet, quibus rebus commutacionis titulo sal, quo solum ad
victum necessario egent, et cetera Bohemi facile acquirunt; et
i'acient certe, quoniam absque frumento ille vulgaris Boheraie vicinus
popnlus enervatur. Archiv f. Österreich. Gesch. LIV, 383. Vides
enim, quot pene corporales et pecuniarie Theutonis, ne commeatum
salis permittant, inüiguntur, quibus omnibus postpositis sal in com-
rautacionem frumenti dant, ne frumenta ceteraque careant annona,
cujus ob carenciam jam plerique fame compulsi suos dulcissimos
penates fere relinquere compelluntur ... In marchie Missnensis
continibus magna tocius annone extat caristia et tanta, quod clamore
pauperum nimio Missnensibus ad aliquod tempus salis cum frumento
commutacionem legatus concessit poutiticis summi. Ebeudas. 398.
Studien zur Gesch. der siichs.-böhm, Beziehungen U68 — 71. 23
stellte, um, wie dieser glaubte, die Landsliuter Proposi-
tionen *^) noch einmal vorzubringen, machten der INIark-
graf und Herzog Wilhelm sofort davon die nöthige Mit-
theilung an Ernst und Albrecht und setzten auf den
15. März einen Tag zu Naumburg zu weiteren Verhand-
lungen an, zu dem auch Kurfürst Friedrich von Branden-
burg und der Landgraf von Hessen geladen werden sollten. *^)
Wenige Wochen nach dieser Korrespondenz, am I.Fe-
bruar 1469, wurden Ernst und Albrecht durch Schreiben
des Bischofs Laurentius von Ferrara, des Grafen Hugo
von Montfort namens des Kaisers und des Propstes Georg
von Pressburg namens des Königs Matthias zu einem auf
den 19. Februar angesetzten Reichstage nach Regensburg
eingeladen. Ein dem kaiserlichen Schreiben beiliegender
Zettel besagte, dass auf diesem Tage verhandelt werden
solle „von Hauptleuten und wie viel* Volks zu Ross und
zu Fuss man aus deutschen Landen anschlagen solle",
ferner „um Verstcändnis zu machen zwischen den Haupt-
leuten in deutschen Landen und dem Könige von Ungarn".
Die Lage Georgs schien so bedenklich, dass man sich
nicht mehr hinter den Türkenkrieo- verstecken zu brauchen
glaubte; andrerseits war aber doch Matthias nicht im
Stande, allein mit dem Ketzer fertig zu werden. Die
sächsischen Fürsten erfüllte die Botschaft mit nicht ge-
ringem Unwillen ; sie verhehlten nicht, „dass es sie ver-
wundere, solche Sachen zu schreiben und vorzunehmen,
davon vorher mit uns allen unsres Wissens kein Handel
gewest ist." Aber es befremdete sie auch, dass ihr Oheim,
dem sie darüber berichteten und der, wie ihnen mitgetheilt
wurde, bereits vor ihnen ähnliche Schreiben erhalten hatte,
sie nicht davon unterrichtet habe.''*) Wilhelm entschul-
digte sich: er habe gewusst, dass die Botschaft auch an
seine Neffen kommen werde, und habe daher von einer
besonderen Benachrichtigung abgesehen; übrigens werde
er, obwohl auch ihm über das Programm des Tages vor-
her nichts mitgetheilt worden sei, seine Boten doch nach
Regensburg schicken, jedoch nur zur Berichterstattung.***)
**) Ueber dieselben sind wir übrigens nur mittelbar durch die
oben erwähnte Instruction der sächsischen Gesandten untcrriclitet.
") WA. Böhm. Sachen Kaps. IV Bl. 125. Bejahende Ant-
wort d. d. 14Ü9 Jan. 22 (Concept) ebendas. Kaps. V Bl. 251.
**) Bachmann, Urk. und Aktenstücke 456. Concept WA. Böhm.
Sachen K. IV Bl. 126.
*«) Bachmaun a. a. 0. 457. Original WA. a. a. 0. Bl. 127.
24 Hubert Ermisch:
Ohne Zweifel entsprach die Haltung Wilhelms nicht
o-anz den Erfurter Verabredungen. Das Einvernehmen
zwischen Oheim und Neffen schien überhaupt ein immer
weniger gutes zu werden, während die Politik der Bran-
denburger sich mehr und mehr der Wilhelms näherte.
Bereits im Sommer 1468 hatte der letztere auf einer Zu-
sammenkunft zu Schleiz eine engere Vereinigung mit jenen
geschlossen. ^ ') Die Freiberger Wirren hatten schon Zeug-
nis von einer bedenklichen Gereiztheit zwischen den beiden
Linien des Hauses Wettin abgelegt. Dazu kamen neben
den niemals aufhörenden Münzdifferenzen vor allem zwei
Punkte, die viel böses Blut machten: die Erbhuldigung,
welche die jungen Herzöge bis jetzt vergeblich von den
Gebieten ihres Oheims gefordert hatten, und der Schutz,
den sie dem mit Wilhelm verfeindeten Grafen Ernst von
Hohnstein angedeihen Hessen. Was die Erbhiddigung an-
langt, so hatten Ernst und Albrecht auf Grund der be-
stehenden Familienverträge unmittelbar nach ihres Vaters
Tode darum ersucht; Wilhelm jedoch hatte verlangt, dass
sie zunächst die (Gesammt-)Belehnung vom Kaiser em-
pfangen sollten, und als sie diese erlangt, sie immerfort
hingehalten. Vergeblich wurden die Neffen immer dringen-
der; weder auf dem Tage zu Naumburg am 15. März 1469,
noch auch bei späteren Verhandlungen, die wir im ein-
zelnen hier nicht verfolgen können, erlangten sie, was sie
wollten.***) Ende Juni 14Ü9 wollte Herzog Albrecht noch
einmal persönlich mit Herzog Wilhelm darüber sprechen;
auf einer ßeise an den kaiserlichen Hof, die wir in an-
derem Zusammenhange zu erwähnen haben werden, be-
suchte er auch Jena und bat den Oheim, dort zu einer
freundlichen Unterredung zu erscheinen. Allein als Al-
brecht nach Jena kam, war in seinem Gefolge eben jener
Graf Ernst von Hohnstein, und für diesen Fall hatte Wil-
helm seinen Käthen Befehl gegeben, zu sagen, dass er
verhindert sei. Albrecht reiste ihm darauf nach Rudol-
stadt nach, wo Wilhelm sich beim Grafen Heinrich von
Schwarzburg aufhielt; der erzürnte Oheim wich ihm auch
hier aus. Seine Antwort auf Albrechts unwilligen Brief,
in dem derselbe seine vergeblichen Bemühungen schilderte,
sprach sich rund und entschieden gegen die Vornahme
*') Vergl. die Urkk. von 1468 Aug. 28 bei Riedel, Cod. dipl. II,
5, 124. 126.
*') Die betreffenden Schriftstücke befinden sich im WA. Hand-
schreiben Bl. 83. Huldigungssachen Bl. 1—7. Irrungen Bl. 5—8.
Studien zur Gesch. der siichs.-böhm. Beziehungen 1468 — 71. 25
der Erbhuldigung ans. Albreclit wollte nun die Saclie am
kaiserlichen Hofe weiter führen und erbat sich Zusendung
der betreffenden Urkunden des Meissner Archivs nach
Nürnberg.**)
Es wäre von nicht geringem Interesse, die tieferen
Ursachen dieser heftigen Verstimmung zwischen den Höfen
von Weimar und Meissen und der auffallenden Weigerung-
Wilhelms einer doch wohl unzweifelhaften Verpflichtung
gegenüber zu kennen; aus den uns vorliegenden Akten
ergeben sie sich nicht, auch ist es nicht unsere Aufgabe,
ihnen hier weiter nachzugehen. -Lagen ihnen vielleicht
Combinationen zu Grunde, die es Wilhelm geflissentlich
vermeiden Hessen, seine Neff'en als Erben anzuerkennen?
Die politische Hinterlassenschaft des Markgrafen Albrecht
von Brandenburg, die über so viel dunkles Auskunft
giebt, lässt uns hier vollständig im Stiche. —
Doch wir sind den Ereignissen vorangeeilt und kehren
wieder in den Anfang des Jahres 1469 zurück. Der an-
gekündigte Reichstag fand vom 22. Februar bis 11. März
zu Kegensburg statt, war aber sehr schwach besucht und
hatte so gut wie kein Resultat. Der Reichskrieg gegen
Böhmen, der Hauptgegeustand der Tagesordnung, schei-
terte daran, dass die sächsischen und brandenburgischen
Gesandten erklärten, sie hätten keine andere Vollmacht
als „zu vernehmen und zu hören, was das Vornehmen
sei, und das wieder an ihre gn. Herren zu bringen",
während Herzog Ludwig von Bayern dem Plane nicht
abgeneigt war. ^") Wohl mochte der Legat zornig sein
auf die Herren von Meisseu ^'), deren Einfluss man ge-
wiss nicht mit Unrecht die Hauptschuld an dieser aus-
weichenden Antwort gab. Ebenso wenig kam es zu der
vorgeschlagenen Einung der Fürsten mit dem Kaiser, in
die auch König Matthias aufgenommen werden sollte;*^)
. *») Vergl. WA. Handschreiben Bl. 8. 84. 117. 82.
*") Vergl. den Bericht des Joh. Ilausner nach Eger von 1469
März 7 bei Bachraann a. a. 0. 4(30. Den Irrthum Palackys (IV, t?,
558), der annimmt, wegen der Abwesenheit der sächsischen und
brandenburgischen Gesandten sei kein Beschluss zu Stande gekom-
men, hebt bereits Khickhohu 287 Anm. hervor. Die Instruction Lud-
wigs für Martin Mayr s. Kluckhohn .380 fgg. ; die Ilauptmannscliait
in dem etwaigen Keichskriege wünschte Ludwig einem sächsischen
oder bayerischen Fürsten übertragen zu sehen.
*') Item der legat ist zornig auf den herrn von Meissen. Bach-
mann a. a. 0. 464.
**) Hieran glauben wir, mit Kücksicht auf die den sächsischcu
26 Hubert Ermisch:
endlich hatte auch Ludwig keinen Erfolg mit dem Plane
einer Defensivallianz zwischen Pfalz, Bayern, Sachsen und
wenn nöthig Brandenburg, der ihn eifrig beschäftigte. *^)
Der einzige Beschluss, der auf dem Tage gefasst wuide,
war der, dass auf Georgi (23. April) eine Vorberathuug
der fürstlichen Rätlie zu Regensburg, am 11. Mai ein
neuer Reichstag zu Nürnberg stattfinden sollte.
Noch waren die Verhandlungen in vollem Gange, als
ein Ereignis bekannt wurde, das die gesammte Sachlage mit
einem Schlage umzugestalten schien. König Georg hatte
seinen Gegner bei Wilimow so eingeschlossen, dass dem-
selben nur die Wahl zwischen Untergang und Capitula-
tion blieb. Die Folge war der am 27. Februar zu
Auhrow abgeschlossene Waffenstillstand, an den sich
Friedensverhan'dlungen zu Olmütz anschliessen sollten.
Ganz unverhofft zeigte sich am politischen Horizonte noch
einmal die Möglichkeit eines friedlichen Ausgleichs, und
es ist bezeichnend, dass, so fanatisch das Volk jener Tage
auch war, doch diese Aussichten allgemein mit Jubel be-
grüsst wurden. ^^)
Unter dem Eindrucke der Capitulation von AVilimow
schloss der Regensburger Reichstag; unter demselben Ein-
drucke fand auch die verabredete Zusammenkunlt zwischen
den drei sächsischen Fürsten und dem Markgrafen Albrecht
von Brandenburg zwar nicht am 15., aber am 21. März
zu Naumburg statt; ^*) sie diente unter den veränderten
Verhältnissen jetzt hauptsächlich zu Vorbesprechungen für
die auf Georgi festgesetzten Regensburger (jonferenzon.
Es waren dieselben Personen, die wenige Monate früher
sich in Erfurt zu gemeinsamem Handeln verbunden hatten;
indes mag die Hoffnung, dass der Krieg demnächst ein
Ende nehmen werde, oder mögen die wiederholten Zwistig-
Fürsten übermittelten Reichstagspropositioiien (oben S. 23), trotz der
leisen Zweifel Kliickholins (287 Anm.) festhalten zu müssen.
5j) Vergl. die schon erwähnte Instruction bei Kluckhohn 380.
Sonstige Naclirichten über den ßegcnsburger Tag bei Palacky IV,
2, 556 fgg. Kluckhohn 284 fgg.
**) Interea multi et varii rumores in terra Misne et aliis pro-
vinciis oriebantur de tractatibus illis; communis omniuni opinio de
firmata pace fuit; ram ad malum omnes loquentes inclinati proh dolor
sunt, scandalum sedis apostolice malentes quam honorem. Eschen-
loer (SS. rer. Sil. VII) 200. Vergl. Palacky IV, 2, 566 fg.
") Vergl. obeu S. 23. 1469 März 15 erklären Herzog Wilhelm
und Markgraf Albrecht, nicht, wie beabsichtigt war, am 19., sondern
erst am 21. März nach Naumburg kommen zu können. WA. Hand-
schreiben Bl. 1.
Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468—71. 27
keiten und das gegenseitige Misstrauen die Ursache ge-
wesen sein, der Naumburger Tag hob jene Erfurter Ver-
bindung völlig auf. Auf die Frage des Markgrafen, ob
sie in Kraft des Abschieds zu Erfurt gemeinschaftlich
zu Regensburg handeln wollten, antworteten Ernst und
Albrecht: sie hätten jenem Abschiede Genüge geleistet
und es sei nicht nothwendig, ferner „in Kraft desselben"
zu handeln; trotzdem erklärten sie sich zu einer gemein-
samen Haltung bereit. Auch bei diesen Vorbesprechungen
standen die beiden Punkte im Vordergrunde , die jüngst
auf dem Regensburger Tage den Mittelpunkt der Ver-
handlungen gebildet hatten: das Bündnis mit dem Kaiser
und der Krieg gegen Georg. In Bezug auf ersteres er-
klärte Albrecht, dass seine Räthe die Sache nach wie
vor nur ad reiferendum zu nehmen hätten, und dem
schlössen sich die meissnischen Fürsten an. Was Georg
anlangt, so äusserten Ernst und Albrecht, so lange sie den
Krieg vermeiden könnten, würden sie es thun; „wo es
aber ja auf das Härteste kommt und Ehren und Gewissens
halber nicht anders sein mag, wollen sie sich von Papst,
Kaiser, Kurfürsten und andern christlichen Fürsten im
Reich nicht setzen." Markgraf Albrecht bezeichnete dies
auch als die Ansicht des Hauses Brandenburg; er traute
indessen seinen Schwägern gar nicht recht: „Wir halten
es dafür, dass sich unsere Schwäger weiter vertieft haben
um ihres eignen Nutzens willen, dann sie vielleicht uns
sagen, oder wissen vielleicht, dass der Girsick eine Rich-
tigung hat, von der wir nichts wissen, und sie meinen
vielleicht, wir sollten aussher biedern, dass sie den Dank
gegen ihn allein behielten. Wir wollen Forschung nach
den Dingen allen haben; desgleichen wollen wir auch
thun, auf dass man sich von allen Theilcn darnach habe
zu richten; denn die Sage ist hie, sie seien gerichtet."^")
Der Kurfürst schloss sich der Meinung seines Bruders
in allen Stücken an; den Krieg mit Böhmen wollte auch
er so lange als irgend möglich vermeiden, von dem Bünd-
nisse mit dem Kaiser aber vollends gar nichts wissen.'")
**) Schreiben des Markgrafen Albrecht an Kurfürst Friedrich
d. d. 1409 März 2.S bei Palacky, Urk. 13eitr. .'Sß? und Riedel, Cod.
dipl. Brand. III, 1, 499. Das Schreiben haben Minutoli (Kaiserl.
Buch 330) und Droysen (Sitzungsberichte der k. sächs. Gesellsch. d.
Wissensch. 1857. IX. 171 fg.) irrig ins Jahr 1468 gesetzt; vergl.
Palacky IV, 2, 569 fg. Droysen, Gesch. d. preuss. Politik II, 1, 244.
") Schreiben von 1169 April 5 bei Kiedel III, 2, 42.
28 Hubert Ermisch:
Es war nur ein trügliclier Schimmer von Frieden
gewesen, der im März die Gremütlier erfreut hatte. Zwar
schien es eine kurze Zeit, als beabsichtige Matthias, seinen
Ehrgeiz auf ein anderes Ziel zu lenken: auf die römische
Königskrone; er maclite insgeheim Anstrengungen, sie
mit Hilfe seines bisherigen Gegners Georg zu erlangen,
und dieser schien auch nicht abgeneigt, ihn zu unter-
stützen, jedoch nicht ohne Wissen und Willen der bran-
denburgischen und sächsischen Fürsten. Span von Barn-
stein, ein in Georgs Diensten viel gebrauchter Diplomat,
war in dieser Sache im März 1469 zu Baiersdorf bei
Markgraf Albrecht, ^®) Doch musste der Ungarnkönig
bald einsehen, dass die deutschen Fürsten wenig Neigung
empfanden, einen Ausländer und ganz besonders ihn sich
zum Herrn zu setzen. Sobald ihm dies klar geworden,
strebte er nur danach, die Fesseln des Wilimower Ver-
trages möglichst bald abzustreifen. Das wurde ihm leicht;
denn sein Bundesgenosse war ja die Macht, die lösen und
binden konnte. Wir gehen in das Detail der Olmützer
Verhandlungen nicht weiter ein: ihr Resultat war nicht
der Friede, sondern nur eine Verlängerung des Waffen-
stillstandes bis Neujahr 1470, zugleich aber auch wenige
Tage später die Wahl des Matthias zum Könige von
Böhmen (3. Mai 1469), die jenen Waffenstillstand noth-
Avendig aufheben musste. Von neuem sah sich Georg
vor die Entscheidung des Schwertes gestellt. „Ich sah
nie keinen grossmüthigen Mann lieber Friede haben;
doch hat er nun erlernt, dass er den Frieden crkriegen
muss und nicht mit Geduld oder Gütigkeit erlangen mag",
schreibt Gregor von Heimburg am 4. Juli 1469 an Mark-
graf Albrecht.
Beide Theile waren jedoch in zu hohem Grade er-
schöpft, als dass der Krieg sofort hätte ausbrechen können.
Monate vergingen unter Vorbereitungen und insbesondere
unter diplomatischen Verhandlungen; Matthias und Georg
sahen sich nach Bundesgenossen um. Diese Bedeutung
hatte es, wenn der böhmische Landtag zu Prag Anfang
Juni 1469 den polnischen Prinzen Wladislaw zum Nach-
folger Georgs, der längst darauf verzichtet hatte, die
Krone in seinem Hause zu vererben, designierte; gleich-
**) Seine Instruction bei Baclimann a. a. 0. 485. Vergl. auch
das eben citierte Schreiben Markgraf Albrechts von 1469 März 23
und die Schreiben von 1469 März 26 und April 3 in Höüers Kais.»
Buch 186 fgg.
Studien zur Gesch. der sächs.-bölim. Beziehungen 1468 — 71. 29
zeitig wurde ein Bündnis mit Polen eingeleitet. Auch
mit Frankreich und Burgund verhandelte Georg. **)
Um die Gunst der deutschen Fürsten warben beide
Könige. Auf den Frohnleichnamstag 1469 (1. Jimi) hatte
König Matthias nach Breslau, wo er die Huldigung der
Schlesier und Lausitzer entgegen nehmen wollte, sowohl
den Kurfürsten Friedrich von Brandenburg ®") als die
sächsischen Herzöge Ernst und Albi-echt eingeladen. Ueber
die Verliandlungen, die Matthias mit den Brandenburgern
pflog, sind wir aus den Korrespondenzen des Kurfürsten
mit seinem Bruder Albrecht gut unterrichtet. Er verlangte
ein Bündnis und stellte dagegen Landerwerb und Geld-
gewinn in Aussicht. Allein Kurfürst Friedrich benahm
sich vorsichtig und zurückhaltend, besonders da Matthias
sich auf die brandenburgischer Seits gewünschte eheliche
Verbindung mit der Tochter des Kurfürsten nicht ein-
lassen zu wollen schien. Es kam schliesslich zu gar nichts
als zu sehr allgemein gehaltenen Freundschaftsversiche-
rungen.®') Was Matthias mit den Käthen der sächsischen
Fürsten verhandelt hat — persönlich scheint keiner der
letzteren erschienen zu sein, obwohl Albrecht anfangs nach
Breslau zu reisen beabsichtigte®^) — , wissen wir nicht;
seine Anerbieten werden ähnlich gelautet haben, vielleicht
stellte er ihnen Gebietserweiterungen in der Oberlausitz
in Aussicht.
*') Vergl. das Schreiben des Markgrafen Albrecht von 14ü9
Juli 1 bei Höfler, Kaiserl. Buch 195 fg. (Riedel III, 1, 511).
'") 1469 Mai 16 theilt Kurfürst Friedrich die an ihn ergangene
Einladung Ernst und Albrecht mit und bittet sie, ihm Käthe und
Amtsleute zur Hilfeleistung anzuweisen, wenn in der Zeit seiner
Abwesenheit dem Lande etwas zustiesse, wozu sich die Fürsten be-
reit erklärten. WA. Brandenburg. S. Kaps. II Bl. 225 fg.
*') Schreiben Kurfürst Friedrichs von 1409 Juni 17 bei Höfler,
Kaiserl. Buch 191 fgg. ; über die projectierte Heirat vergl. auch
ebendas. 186 fgg. (Riedel III, 1, 501 fgg). Palacky, Urk. Beitr. 589.
Broysen II, 1, .346 fg. Jordan .3.37 fgg.
") Die an sie ergangene Einladung ergiebt sich aus einem
Schreiben Herzog Wilhelms von 1469 Juni 1. WA. Handschreiben
Bl. 2. Das Verzeichnis der von der Stadt Breslau gespendeten
Ehrengeschenke (Eschenloer SS. rer. Sil. VII, 209) nennt unter den
Empfängern zwar Friedrich und Johann von Brandenburg, aber
keinen sächsischen Fürsten, sondern nur die „Räthe aus Meissen".
Verhandlungen zwischen Matthias und den sächsischen Fürsten liatten
übrigens schon früher stattgefunden, doch kennen wir ihren Inhalt
nicht. Ein Beglaubigungsschreiben für einen Gesandten an Ernst
und Albrecht d. d. 1468 Oct. 16 s. WA. Ungarische Sachen Bl. 4.
30 Hubert Ermisch:
Indes auch König Georg blieb nach wie vor mit den
sächsischen und brandenburgischen Fürsten in Fühhmg.®'')
Ebenso bewarben sich beide Fürsten um die Gunst
des Herzogs Ludwig von Bayern, der noch immer mit der
ReaHsierung seines Lieblingsplanes, eines Defensivbundes
gegen Georg, beschäftigt war. Diesem Zwecke sollte zu-
nächst der Gesandtencongress, der auf Georgi 1469 nach
Regensburg berufen war, dienen. Wie zwischen Mark-
graf Albrecht und den sächsischen Fürsten zu Naumburg,
so fand zu München eine Vorberathuno; zwischen den
bayrischen Herzögen Ludwig und Albrecht statt, in wel-
cher diese über eine Einigung, in die sie nebst dem Pfalz-
grafen und den sächsischen Fürsten mit dem Kaiser treten
sollten, schlüssig wurden. Ernst und Albrecht hatten mit
ihrer Vertretung auf dem Regensburger Tage den ge-
wandten Dr. Martin Mayr, die Seele der Politik Herzog
Ludwigs, beauftragt, und man darf daraus schliessen, dass
sie dem proponierten Bündnis nicht so abgeneigt waren
als die brandenburgischen Fürsten.*'*) Allein der Tag
verlief ganz erfolglos, ohne Frage hauptsächlich in Folge
der Haltung Brandenburgs. ^^) Es kam nur der Entwurf
eines engen Bündnisses zwischen dem Pfalzgrafen, den
bayrischen Herzögen und dem Bischöfe von Würzburg zu
Stande;®^) an denselben knüpfte sich ein lebhafter diplo-
matischer Verkehr zwischen Herzog Ludwig und den
sächsischen Brüdern, deren Beitritt Ludwig sehr wünschte.
Gleichzeitig bestürmten Boten des Kaisers, des Königs
Matthias und des Königs Georg den Herzog Ludwig mit
Anträgen auf eine engere Vereinigung; allein Herzog
Ludwig war, wie Martin Mayr an Hugold von Schleinitz
schreibt, „nit gemeint sich zu der einem diesmal zu thun,
doch so schlägt er nichts ab, wird sich der Läufe, wie
**) Vergl. z. B. das Schreiben Albrechts von 1469 Juli 1 bei
Hofier, Kaiserl. Buch 195 (Kiedel IH, 1, 509).
") Vergl. das Schreiben des Mayr an Ernst und Albrecht
d. d. 1469 April 22 WA. Bündnisse Bl. 28. Die Herzöge verwandten
Martin Mayr übrigens auch sonst in ihrem Dienste. So antwortet
er z. B. 1469 Oct. 19, er habe sich noch nicht, wie Herzog Albrecht
gewünscht, zu Kurfürst Ernst begeben können, weil Herzog Ludwig
ihm keinen Urlaub ertheilt habe. WA. Bergwerkssachen Kaps. I
Bl. 31.
•*) Vergl. Kluckhohn 288 Anm.
»') Es ist dies vielleicht der undatierte und ohne Nennung
der Vertragschliessenden aufgesetzte Vertragsentwurf WA. Bünd-
nisse Bl. 35 fgg.
Studien zur Gesch. der sächg.-böhm. Beziehungen 1468 — 71. 31
sich die begeben, bass erkunden und dann gebührlich
halten". Auf alle Fälle schien ihm jene Fürsteneinigung
das Rathsamste zu sein. "') Ernst und Albi-echt schrieben
darüber an Herzog Willielni; ^^) er zeigte sich indes,
wiederum in engem Anschlüsse an die Haltung Branden-
burgs, ihren Wünschen nicht geneigt. Das Ende der
Verhandlungen war der Abschluss eines allerdings sehr
farblosen Defensivbündnisses zwischen Ernst, Albrecht,
Herzog Ludwig und dem Pfalzgrafen (8. Juli 1469), bei
dem übrigens die sächsischen Fürsten ihre freundschaft-
liche Stellung zu Georg förmlich wahrten. ^^) Unmittelbar
darauf näherte sich zwar die bayerische Politik ausser-
ordentlich dem Ungarnkönige''"); am 2. September 1469
kam sogar das ersehnte Bündnis mit demselben zu stände.
Allein auch dies war so vorsichtig abgefasst, dass es ihnen
nicht viel nutzte. ")
Der auf den 11. Mai festgesetzte Reichstag zu Nürn-
berg wurde erst auf Johannis "), dann auf Michaelis ''),
endlich auf das nächste Jahr verschoben.
So blieb der Ungarnkönig auch in dem zweiten Ab-
schnitte des Krieges um die Krone Böhmens ohne Unter-
stützung durch das Reich. Auch der Kaiser konnte ihm
nicht helfen; wiederholte Aufstände seiner Vasallen in
Steiermark, vor allem aber ein neuer Türkenzug, der
erste, der die österreichischen Erblande empfindlich traf,
banden ihm die Hände. Die sächsischen Fürsten dachten
sogar an einen neuen Versöhnungsversuch; gegen Ende
Juni sehen wir Herzog Albrecht zu diesem Zwecke
in Wien weilen, ohne dass er jedoch bemerkbaren Erfolg
erzielt hätte. ''^) Im Gegentheil liest man aus einem an
ihn gerichteten kaiserlichen Schreiben vom 28. Juli 1469
«') Schreiben von 1469 Mai 4, 6, 15, 16. WA. Bündnisse Bl.
29—32.
«») Schreiben von 1469 Mai 27 ebendas. Bl. 3.S fg.
*») Kremer, Kurfürst Friedrich von der Pfalz Urkk. .398. Vergl.
Palacky IV, 2, 599.
'") Vergl. die Instruction der an König Matthias abgefertigten
Räthe des Herzogs Ludwig (1469 Juli 21 fgg.) bei Palacky, Urk.
Beitr. COO fg.
") Kremer a. a. 0. 401.
") Ernst und Albrecht an Wilhelm d. d. 1469 Mai 27 WA.
Bündnisse Bl. ,33.
'*) Kaiser Friedrich an Herzog Albrecht d. d. 1469 Mai 29
WA. Böhm. Sachen Kapsel IV Bl. 128, 129.
'*) Hofler, Kais. Buc^h 195 fg. (Riedel IH, 1, 510).
32 Hubert Ermisch:
eher eine gewisse Gereiztheit lieraus; der Kaiser beabsich-
tigte auf den Rath des Papstes, Anfang September eine
glänzende Fürstenbotschaft nacli Rom zur Berathung von
Plänen gegen die Feinde der Christenheit zu senden, und
hatte auch Albrecht zur Theilnahme an derselben aufge-
fordert, dieser aber hatte die Ladung unbeantwortet ge-
lassen, was ihm einen verblümten Verweis einbrachte.'^)
Der Krieg zwischen Georg und Matthias war seit
Anfang Juli auf den verschiedenen Schauplätzen, in Böh-
men, Mähren und Schlesien, wieder zum Ausbruch ge-
kommen; indes jetzt wandte sich das Kriegsglück im
ganzen zu den böhmischen Waffen zurück, und der grosse
Sieg, den Georgs Sohn Heinrich am 2. November über
Matthias bei Hradisch erfocht, war ein glänzender Ab-
schluss der Waffentliaten des Jahres 1469. Dass trotz
des päpstlichen Segens die Waffen des Ungarnkönigs nicht
glücklicher waren, machte doch irre; dazu kam die all-
seitige Sehnsucht nach dem Frieden. Sie unterdrückte
allmählich die noch vor kurzem so jäh auflodernde Volks-
leidenschaft, Hess die nationalen und religiösen Antipathien
verstummen. Das Kreuzigerunwesen hörte auf; es hatte
keinerlei Erfolg gehabt, nur Greuel, Unruhen und Wirren
ohne Ende hervorgerufen. "*) Einzelne Fürsten untersagten
die Kreuzpredigt und die Sammlungen für den heiligen
Krieg geradezu, so insbesondere Markgraf Albrecht von
Brandenburg, der keinen Anstand nahm, in dieser Sache
Gregors von Heimburg, des alten Pfaffenfeindes, Rath-
schläge zu hören und zu befolgen.")
Meissen, wo wir von der Kreuzpredigt schon seit den
Freiberger Wirren nichts mehr hören'*), wurde durch
die Kriegsereignisse ringsum wenig berührt. Verschiedene
Fehden mögen in näherer oder entfernterer Beziehung
dazu gestanden haben. ''') Wir heben darunter nur die
") Kaiser Friedrich an AUirecht d. d. Grätz 1469 Jali 28.
WA. Religionssachen ßl. 138.
") Vergl. Palacky IV, 2, 616 fgg.
") Hofier, Fränlc. Studien I, 49. Dess. Kaiserl. Buch 199.
201 fg. 204. 209. Miuutoli, Ivaiseil. Buch 352. Vergl. Droysen H,
1, 247 fg. Lieber die Haltung des Pfalzgrafen und dn- bayerischen
Herzöge Kluckhohn 291 fg.
") Melchior v. Meckaw schreibt schon 1468 Oct. 18 aus Rom:
„Man red gar faste daruff, daz yn awern landen daz crewce nicht
tar (= darf) geprediget werden wyder dy Beliemen, und etliche
schriö\t) davon komen siut." WA. Italien. Sachen Bl. 1,3.
'"} So eine im Spätherbst 1468 beginnende Fehde mit mehreren
Studien zur Gescb. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468 — 71. 33
mit Hans von der Oelsnitz hervor, dessen Schloss Rathen
1468 von den Leuten der Herzöge eingenommen und
lange besetzt gehalten wurde; es gab dies dem Legaten
Rudolf Anlass zu der Beschuldigung, die Herzöge hätten
jenen nur deshalb befehdet, weil er und seine Brüder sich
dem Papste gehorsam erwiesen und Feinde des abgesetzten
Ketzers seien. ^") Die Sache, die schon 1467 ihren An-
fang genommen, zog sich dann bis ins Jahr 1471 hinein.*')
Welchen Inlialt die Warnungen vor Gefahren aus Böh-
men hatten, die Konrad Metzsch im Mai den Herzögen zu-
kommen Hess, wissen wir nicht; nur so viel ist sicher,
dass diese Gefahren nicht von Georg ausgingen. **) Im
September schien es noch einmal, als drohe ein Bruch
der Neutralität Meissens durch die königlichen Truppen,
die bei Zittau lagerten; Kurfürst Ernst wies den Vogt
zu Hohnstein an, sobald er etwas Beunruhigendes erfahre,
sofort mit dem obersten Hauptmann der Böhmen „ aufs
Freundlichste und Gütlichste und nicht herrlich" zu ver-
handeln und zu verlangen, dass meissnisches und bischöf-
liches Gebiet unverletzt blieben. *^) Die Gefahr zog vorüber.
Im Herbste fand eine Fürstenversammlung am Hofe
des Kaisers statt, der in seiner Bedrängnis nach allen
Seiten ängstlich nach Hilfe ausschaute; Ernst und Albrecht
wohnten derselben persönlich bei **), auch wohl Markgraf
Albrecht. Man vereinbarte, dass die Fürsten, die in der
nächsten Nachbarschaft Böhmens sässen, wie Markgraf
Albrecht, Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht, gegen die
Türken, die entfernteren, wie Kurfürst Friedrich und Her-
zog Wilhelm, gegen König Georg Hilfe leisten sollten.
Doch hatte auch dieser ßeschluss keine Folgen. Zugleich
Vasallen der Fürstenthümer Schweidnitz und Jauer, vergl. Eschen-
loer (SS. rer. Sil. VII) 195.
*") Vergl. das angeblich vom Bischof Dietrich, wahrscheinlich
aber vom Legaten ausgehende Schreiben von 1469 März 27 in ürnnd-
manns Dipl. episcop. Misn. VIII, 4051 (llandschr. des IIStA.).
«') Vergl. ebendas. 5018, 4064 mal WA. üerter Käthen Bl.
1 fgg. Mon. Pirnensis bei Menclre 2, 1597. Näheres bei K. Gautsch,
Aelteste Gesch. d. Sachs. Schweiz 64 fgg.
'*) Vergl. ein Schreiben des Dr. Martin Mayr von 1469 Mai 6
und die Antwort darauf von 1469 Mai 15. WA. Bündnisse Bl. .30, 31.
") Grundmann, Collectanea II, 91 (llandschr. des IIStA).
Hasche, Magazin III, .300.
'*) Rechnungen des Paulus llartraann und des Dr. Heinrich
Meilerstadt über eine Reise nach üesterreich mit ihren Herren von
1469 Nov. 3 und 10 im HStA. Loc. 4335 Rechenuüge der Anipt-
lewte 1468/69. fol. 83 fg.
Neues Archiv f. S. ü. u. A. II. 1. 3
34 Hubert Ermisch:
wurde ein neuer Tag am kaiserlichen Hofe verabredet;
den die säclisisclien und brandenburgischen Fürsten zu
besuchen versprachen, falls auch andere Fürsten dorthin
kämen. *^)
Der Zustand des Reiches, wie er sich in alle dem
zeigte, war in der That ein überaus kläglicher. Die all-
gemeine Neutralität der böhmischen Frage gegenüber
schien den Krieg ins Endlose verlängern zu sollen; vor
allem aber war es Georg, der einen Abschluss herbei-
sehnte, schon um seinem Hause eine nicht ganz ungewisse
Zukunft zu sichern. Es kann nicht wunder nehmen, dass
er sich mit weit ausschauenden Plänen beschäftigte, die,
wären sie durchgeführt worden, der Reichsverfassung viel-
leicht den Gnadenstoss gegeben hätten. Schon ein Send-
schreiben des Königs vom 1. Januar 1470 wies auf die
Gefahr einer Lostrennung Böhmens vom Reiche hin, falls
ihm nicht endlich ein wirksamer Schutz gewährt werde.*^)
Wenig später, noch im Januar 1470, erschien der in Georgs
Dienst stehende Georg vom Stein im Auftrage des Königs
bei Albrecht Acliilles und trug demselben Pläne vor, die
auf eine Erhebung des jungen und ehrgeizigen Herzogs
Karl von Burgund zur Würde eines römischen Königs
hinausliefen. Als er bei beiden brandenburgischen Fürsten
eine durchaus ablehnende Haltung bemerkte, wies er
darauf hin , dass andere Fürsten , besonders Pfalzgraf
Friedrich, weniger spröde sein würden, und bot zugleich
die Niederlausitz oder das Egerland oder eine Summe von
60000 Gulden den Brandenburgern an; die Sechsstädte,
heisst es bei dieser Gelegenheit, würden gern den jungen
Herren von Sachsen huldigen und diese würden sie gern
aufnehmen, wenn der König darein willigen wollte, —
warum wollten sie, die Brandenbur^-er, denn nicht auf die
Anerbietungen eingehen? Man darf hieraus wohl schliessen,
dass auch mit Ernst und Albrecht über jene wichtigen
Fragen verhandelt worden ist. Der Markgraf wies jedoch
alle jene blendenden Erbietungen zurück und lehnte auch
unter verschiedenen Ausflüchten weitere Verhandlungen
^*) Vergl. die Instruction Markgraf Albrechts für einen Ge-
sandten an Herzog Wilhelm d. d. 1469 Oct. 25 bei Kluckhohu
289 Anm.
") Palacky, ürk. Beitr. GIO fgg.; vergl. dessen Gesch. von Böh-
men IV, 2, 621 fg. Das für Ernst und Albrecht bestimmte Exemplar
dieses Sendschreibens WA, Böhm. Sachen K. IV Bi. 133; vergl.
Jordan, Das Königthum Georgs von Podebrad 315 fgg.
Studien zur Gesch. der sächs.-bölim. Beziehungen 1468 — 71. 35
mit Papst und Kaiser ab®'), wälireud Herzog Albreclit
beabsichtigte, mit Herzog Otto von Bayern den Papst zu
besuchen, um eine Ausgleichung zwischen ihm und dem
Böhmenkönige anzubahnen. * *) Zu dieser ßeise kam es
nachmals freilich nicht; doch hatte Dr. Weisseubach, der
Anfang 1470 nach Rom gesandt wurde, vielleicht ent-
sprechende Aufträge. ®^)
Ueber die Betheiligung der sächsischen Herren an
dem Tage, der im Februar und März 1470 zu Wien statt-
fand und dessen Folge war, dass die kaiserliche Politik
und die des Ungarnkönigs plötzlich verschiedene Wege
einschlugen, ist uns nichts bekannt. ^°) Der Kampf brach
trotz der allgemeinen Friedenssehnsuclit und trotz der
Vermittlungsversuche, die namentlich Markgraf Albrecht
von Brandenburg machte, noch einmal aus und dauerte
bis in den August 1470 hinein, ohne dass er Matthias
oder Georg einen entscheidenden Vortheil gebracht hätte.
Die sächsischen Herzöge behielten auch in dieser
letzten Periode des Krieges ihre neutrale Haltung bei.
So forderten sie im Februar oder März 1470 auf die
Bitte des Bischofs von Meissen die Herren Jan von Tho-
waczaw, Sigmund und Christoph von Wartenberg und
Tetschcn und den Hauptmann im Pilsener Kreise, Wotyk
von Kzisatie, Anhänger Georgs, die in seinem Auftrage
den Krieg in der Lausitz führten, ernstlich auf, dem
Bischöfe die zugefügten Schäden zu vergüten; an ihrer
Stolle antwortete König Georg: nicht an Unterthanen des
Bischofs von Meissen sei Nähme und Brand geschehen,
sondern an abtrünnigen und ungehorsamen Untergebenen
") Instruction für Georg vom Stein bei Palacky, Urk. Beitr.
61G fgg. Vergl. dessen Gesch. von Böhmen IV, 2, 624 fg. Droysen,
II, 1, 254 fg.
»') Schreiben Gregor Ileimburgs von 1470 Febr. 6 bei Ilötier,
Kaiserl. Buch 219. Vergl. Palacky IV, 2, 660. Droysen II, 1, 255.
»•) Seine Rechnung über eine Reise nach Rom d. d. 1470
März 31 im HStA. Loc. 4335 Rechnung der Amtlewte Sachsen,
Meysseu und Vogtland 1470.
■»«) Vergl. über den Tag Palacky IV, 2, 625 fg. Auch was
zwischen den sächsischen und brandenburgischen Fürsten auf dem
Tage, der zu Schleiz am 6. Mai 1470 stattfinden sollte, verhandelt
worden ist (vergl. Riedel III, 1, 529. WA. Brandenburg. S. K. II
ßl. 352. Ilandschr. Bl. 143), wissen wir nicht; vielleicht betraf es
nur die unbedeutenden Irrungen, über die schon am 2. April 1470
von brandenburgischen und sächsischen Rätüen zu Jüterbogk ver-
handelt worden war (WA. Brandenb. Sachen Bl. 201—204).
3*
36 Hubert Ermisch:
von böhmiscLen Beamten die verdiente Strafe vollzogen
worden.®^) Auf die wiederholten Klagen des Vogtes der
Sechsstädte, Jaroslaw von Sternberg, dass seine ünter-
thanen von böhmischen Widersachern geschädigt würden,
die ihren Aufenthalt in Meissen — zu Ottendorf an der
Heide (bei ßadeberg), zu „der Hoenkruls" (?), zu „Nieder-
rudigsdorf" (Röhrsdorf bei Königsbrück?); Mückenberg
(bei Ortrand), Knapsdorf (bei Moritzburg), Eschdorf und
Dittersbach „im Kretschmar" — nähmen, erliessen die
Herzöge am 9. März 1470 einen strengen Befehl an ihre
Amtleute, dergleichen Räubereien nicht zu dulden, sondern
die Schuldigen festzunehmen. ^^)
Trotz dieser entschiedenen Abneigung gegen eine
oflfene Unterstützung des Böhmenkönigs wurde das Ver-
hältnis der sächsischen Herzöge zur Curie eher schlechter
als besser. Vor allem gab der Grenzverkehr immer von
neuem Anlass zu Differenzen^*); das Handelsverbot Hess
sich nun einmal nicht aufrecht erhalten, der Papst selbst
erklärte, dasS; wenn singularis necessitas vorliege, ein Ver-
kehr mit den Ketzern behufs Einkaufs noth wendiger Nah-
rimgsmittel zu gestatten sei. Auf Grund hiervon erlaubte
der Legat Bischof Rudolf von Breslau am 27. August
1469 den Bürgern von Chemnitz wegen der drohenden
Hungersnoth den Ankauf von Lebensmitteln in Böhmen,
verbot ihnen jedoch, den Ketzern dafür Salz, Spezereien
oder Waffen zuzuführen. **) Eine ähnliche Erlaubnis
erhielten auf ihre dringenden Bitten einige Wochen später
die Städte Freiberg, Dresden und Pirna. ^^)
»') 1470 März 7. WA. Böhm. S. Kapsel IV Bl. 137.
»*) WA. Oberlausitz. Sachen Bl. 15. Hierher gehört auch wohl
ein Angriff gegen Wenzel von Poleuz auf Schirgiswalde (vergl. Pa-
lacky, Urk. Beitr. 620. 622), über den uns näheres nicht bekannt ist.
") Nur wenige Fälle von Beschlagnahme böhmischer Güter
sind aus dem Jahre 1469 bekannt; so liess Balthasar von Redern
bei der Neujahrsmesse 1-469 einige böhmische Kaufleute in Leipzig
aufhalten, vergl. Cod. dipl. Sax. reg. II, 11, 184. üeber Confiscation
von böhmischen Gütern im Bisthum Naumburg s. Schreiben des
Bischofs Rudolf und des Burggrafen Georg von Leisnig d. d. 1469
Juli 21. 30. WA. Böhm. S. K. IV Bl. 130.
") Cod. dipl. Sax. reg. IL 6, 164. 1469 Aug. 28 beauftragt
Rudolf den Plebau Balthasar zu Chemnitz mit der Absolution der
wegen ihres Verkehrs mit den Ketzern excommunicierten Chemnitzer
bei aufrichtiger Reue, ebendas. 165.
") Schreiben des Bischofs Rudolf an Bischof Dietrich von
Meissen d. d. 1469 Sept. 23 bei Grundmanu, Cod. dipl. Misn. VIII,
5006 (Handschr. des HStA.). Von den Bemühungen der Dresdner
lim diese „Erlaubunge" legen mehrere Posten der Dresdner Stadt-
Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468 — 71. 37
Diese Nachsicht, weTche die bezüglichen Bestimmungen
der päpstlichen Bulle vom 20. April 1468 allmählich ganz
ausser Kraft zu setzen drohte ^^), fand keineswegs allge-
meinen Beifall. Der am kaiserlichen Hofe weilende päpst-
liche Legat, Laurentius von Ferrara, sah sich veranlasst,
am 12. November 1469 ein Schreiben an Bischof Dietrich
von Meissen zu richten, in welchem er mit Rücksicht
darauf, dass dem Vernehmen nach seit zehn Jahren reich-
liche Ernten im Lande stattgefunden hätten, von einem
Nothstand also nicht wohl die Rede sein könne, eine
strengere Befolgung der Vorschriften über die Absolution
derjenigen einschärfte, welche Handel mit den Ketzern
getrieben hätten.^') Aehnliche Mahnungen mögen diesen
gefolgt sein, so dass auch Bischof Rudolf von Breslau
sich zu einem ernsten Schreiben an Bischof Dietrich (vom
1. April 1470) veranlasst sah, in dem er, damit nicht auch
ihm Schuld an diesen IMissbräuchen beigemessen werde,
die strengste Befolgung seiner Indulte verlangt und die
Unterdrückung jedes das Mass des durchaus Nothwen-
digen überschreitenden Verkehrs mit Böhmen anbefiehlt,
insbesondere ihn auch ersucht, das Verfahren des mit der
Absolution beauftragten Dr. Johannes Breslauer zu über-
wachen, da das Gerücht denselben einer allzu grossen
Duldsamkeit beschuldigte. "*) Allerdings wurde nun der
Geistlichkeit eine strengere Haltung zur Pflicht gemacht
und mit Bann mid Interdict den Uebertretungen entgegen-
gearbeitet; aber dies veranlasste auch die Herzöge wieder
zu Vorstellungen beim Bischof Rudolf, und dieser, der wohl
rechnung dieses Jahres (Rathsarchiv) Zeugnis ab. Auf die Bitte
des Rathes zu Dresden, die Entschliessuug des Legaten förmlich
publicieren zu lassen, ging der Bischof nicht ein, weil er nicht mehr
thun dürfe, als in der commissio des Legaten stehe. ISchreiben von
1469 Oct. 14 im Rathsarchiv zu Dresden.
'*) Ex Misna liber aditus fuit in Bohemiam cum omnibus
mercibus et rebus, ex qua allata sunt allecia sal i^lumbum omnium
generum pisces boves etc. Nolebant illi principes seduci ad destruc-
cionem subditorum. Eschenioer (SS. rer. Sil. VII) 220.
«') Cod. dipl. Sax. reg. II. 3, 188.
•') Ebendaselbst 193. Da zwischen diesem und dem vorhin
erwähnten Schreiben fast ein halbes Jahr liegt, so darf wohl kaum
mit Gersdorf angenommen werden , dass das Schreiben des Lau-
rentius vom 11. November 1469 den unmittelbaren Anlass dazu ge-
geben hat. Ebenso ist der Zusammenhang der in der Anm. zu ersterem
erwähnten weiteren Schritte des Bischofs und der sich daran knüpfen-
den Korrespondenz mit dem Schreiben Rudolfs schwerlich so eng,
als man nach den Ausführungen Gersdorfs a. a. 0. annehmen möchte.
^o"-
38 Hubert Ermisch:
einsah, dass eine solche Strenge „zum grossen Schaden
guter Christen in christlichen Landen, die des christlichen
Stuhls Gehorsam halten", sei, und überhaupt zur Milde
neigte, gestattete in einem Schreiben an den Bischof vom
19. Mai 1470 nicht bloss den Einwohnern der Städte Pirna,
Dresden, Freiberg und der Grenzdistricte bis nach Geier
hin, die an anderen Orten nicht ohne die grössten Kosten
und Beschwerden Getreide und andere Nothdurft kaufen
konnten, den Handel mit den Ketzern, unter der Voraus-
setzung, dass sie denselben den Aufenthalt in den Städten,
den Verkehr mit den Gläubigen und die Ausfuhr von
Salz, Würze, Harnisch u. a. nicht gestatteten, sondern er
befahl auch, die rechtgläubigen Bewohner Böhmens, die
vom Handel mit den Nachbarlanden lebten, nicht als
Ketzer zu behandeln, sondern sie zu beherbergen und
wegen ihrer Anwesenheit kein Interdict zu verhängen.
Endlich sollte auch in dem Falle, dass zufällig ein Ketzer
in eine Stadt kommt, aber sofort, nachdem man dies be-
merkt hat, wieder hinausgetrieben wird, das seiner An-
wesenheit halber verhängte Interdict aufgehoben werden.
Bischof Dietrich soll für die Publication dieses Schreibeas
in den Böhmen benachbarten Städten Sorge tragen^*);
es wurde auch wirklich nach Wolkenstein, Scharfenstein,
Saida, Pirna, Chemnitz, Freiberg und an den Abt zu
Grünhain gesandt. '"")
Die Herzöge wussten diese rücksichtsvolle Haltung
zu würdigen und wirkten dem Handel nach Böhmen, so-
weit er diesen Verordnungen zuAviderlief, durch Verbote
entgegen; sie wiesen sogar darauf hin, dass jetzt Lebens-
mittel im eigenen Lande gekauft werden könnten. ^" *)
Trotzdem wurden bald wieder Anschuldigungen gegen
sie laut, die ernsterer Art waren als die bisherigen. Sie
gingen vom Bischof Laurentius von Ferrara und mittel-
bar wohl vom Könige Matthias aus, dem die Haltung der
sächsischen Fürsten allerdings ausserordentlich unbequem
sein mochte. An des Königs Hofe, so schrieb Laurentius
an Bischof Rudolf nach Breslau, liefen nicht bloss Ge-
rüchte über die Einfuhr von Lebensmitteln, Salz und
") WA. Böhm. Sachen K. IV Bl. 138, gedruckt bei Jordan
455 und Schlesinger, Stadtbuch von Brüx 138. Ich bemerke dabei,
dass die Drucke dieser und anderer noch zu erwähnenden Urkk. bei
Jordan sehr fehlerhaft sind.
'"") WA. Böhm. S. K. IV Bl. 140.
'»') Befehl von 1470 Juni 1. WA. Böhm. Sachen K. IV Bl. 141.
Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468—71. 39
Waffen aus Meissen nach Böhmen um, sondern man er-
zählte sich auch, dass kürzlich Hugold von Schleinitz,
der sächsische Oberraarschall, und Konrad Metzsch als Ge-
sandte der Fürsten in Prag gewesen wären und dem König
Georg den Beistand ihrer Herren in Aussicht gestellt
hätten, ferner, dass diejenigen, die das Kreuz genommen
hätten, verfolgt und der Kreuzpredigt allerhand Hinder-
nisse in den Weg gelegt würden. Die Herzöge, die
Bischof Rudolf deswegen in einem Schreiben vom 27. Juni
1470 zur Rede setzte ^"*), waren über diese gehässigen Ver-
leumdungen in hohem Grade entrüstet. In ihrer Antwort
an Rudolf (vom 13. Juli) wiesen sie auf ihre erst vor
kurzem erlassenen Verkehrsverbote hin; nur den Gebirgs-
bewohnern, die selbst kein Getreide bauten und es aus
anderen Gegenden nur unter grossen Schwierigkeiten er-
halten könnten, sei gestattet worden, ihre Leibesnahrung
aus Böhmen zu holen, und wenn die Böhmen dieselbe nur
gegen Salz hergeben wollten, so müssten sie eben „ihnen
selbes rathen, dass sie nicht verderben dürften". Mit
ihrer Erlaubnis sei jedoch den Ketzern nichts zugeführt
worden. Dass Schleinitz und Metzsch in Prag gewesen,
stellten die Brüder nicht in Abrede, wie denn überhaupt
der Verkehr mit dem Böhmenkönige niemals ganz ab-
gebrochen worden ist;'**') aber sie seien nicht als förm-
liche Botschaft, sondern ohne Credenz hingegangen, ledig-
lich um im allgemeinen Besten thätig zu sein, nicht aber,
um dem Könige Anerbietungen zu machen oder Beistand zu-
zusichern: „wir sind so unverständig nicht, dass wir nicht
wüssten, dass uns solches zu thun nicht fuget, aber die
Meinung, die wir vor uns hatten, mag uns ohne Zweifel
von niemand verkehrt werden, wie wir das zu bequemer
Zeit und an gebührlichen Enden zu eröffnen nicht weigern
wollten." Ihre Rätho hätten einigen Commissarien des
Legaten die Sache vorgestellt und seien in Folge dessen
auch bereits absolviert. Was endlich die angebliche Ver-
folgung der Kreuziger anlangt, so wird dies geradezu als
eine Unwahrheit bezeichnet: „dass es von uns in Tabern
oder anderswo im Rücken nachgesagt wird, soll e. L. nicht
bewegen; wie können wir jedermann sein Maul ver-
'") WA. üöhm. S. K. IV Bl. U2. Gedruckt bei Jordan 448 fg.
"") So war auch um Fastnacht eine Sendung von Käthen nach
Prag beabsichtigt geT\'esen, wie sich aus einem Schreiben des Beuesch
von der Weitmühl, Burggrafen zu Karlstein, d. d. 1470 Februar 28
("WA. Böhm. S. K. IV Bl. 136) ergiebt.
40 Hubert Ermisch:
binden!" Im Gegentheil hätten sie die Kreuz predigt, die
Sammlung von Almosen sowie die kürzlich durch den Do-
minicanerprior in Leipzig im Auftrage des Legaten er-
lassene Aufforderung an die Kreuziger, sich bereit zu
halten, in keiner Weise gehindert. '^*)
In noch viel schärferem Tone antworteten Ernst und
Albrecht dem Legaten Laurentius von Ferrara und dem
Könige Matthias selbst auf die Schreiben, welche sich
diese veranlasst gefühlt hatten, derselben Gerüchte wegen
an sie zu richten. Dem ersteren werfen sie eine für sein
hohes Amt gar nicht passende Leichtgläubigkeit gegen
Verleumder vor und widerlegen seine Anschuldigungen
in ganz derselben Weise, wie in dem Briefe an den
Legaten Rudolf. '"*) Mit Matthias entspann sich eine sehr
gereizte Korrespondenz; die Herzöge machten ihm heftige
Vorwürfe, dass er üble Nachrede gegen sie an seinem
Hofe dulde. Auf die wiederholt vorgebrachten Klagen
der Mitglieder des Herrenbundes, dass die meissnischen
Lehnsmannen, die in ihrem Solde ständen, zurückberufen
würden, antworteten sie, dass sie als Fürsten das vollste
Recht dazu hätten, ihre Lehnsmannen „von redelicher
Sach wegen" aus fremdem Dienst zu sich zu fordern.
Was die Klagen wegen der Zufuhr aus Meissen anlange,
so sei es nicht seine Sache, sie zur Befolgung der päpst-
lichen Befehle anzuhalten; sie hätten darüber nur den
Legaten Rede zu stehen. ^"'*)
Die Gerüchte über die Unterstützung, welche die
Herzöge den Ketzern angedeihen Hessen, dauerten trotz-
dem fort, und dass Legat Rudolf ihnen Glauben schenkte
und sich durch die Versicherungen der Meissner nicht
beruhigen Hess, beweist, dass sie nicht ganz grundlos
waren. Man erzählte, dass Herzog Albrecht 300 Pferde
dem König Georg zur Hilfe gegen die Schlesier gesandt
habe; und der Umstand, dass zahlreiche gefangene Meiss-
ner nach Breslau gebracht wurden, schien das Gerücht
zu bestätigen. Obgleich die gesammte Haltimg der Her-
»•*) WA. Böhm. S. K. IV Bl. 148. Theilweise gedruckt bei
Jordan 449.
•"*) Das Schreiben, dessen Adressat wol ohne Zweifel Lau-
rentius ist, d. d. 1470 Juli 12. WA. Böhm. S. K. IV Bl. 144.
'"*) Das undatierte Schreiben, dem wir die.-? entnehmen, mag
etwa in den August 1470 gehören, da demselben bereits ein Brief-
wechsel zwischen den Höfen vorangegangen ist. WA. Böhm S.
K. IV Bl. 263, gedruckt bei Jordan 453^.
Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468 — 71. 41
zöge einer immittelbaren Unterstützung des Böhmenkönigs
widersprechen dürfte, so war doch wold so viel richtig,
dass sie nicht ungern sahen, Avenn ihre Lehnsleute in den
Kriegsdienst Georgs traten, während sie nicht duldeten,
dass dieselben in dem ihm feindlichen Heere kämpften.
Bischof Rudolf verlangte mit Rücksicht auf diese That-
sachen, dass die Herzöge die, welche den kirchlichen Ge-
boten entgegen für Georg die Waffen trügen, ausfindig
machen und entweder selbst strafen oder sie den Com-
missarien des Legaten zur Bestrafung überweisen sollten;
ihre Güter seien nach dem Laute der päpstlichen Bullen
verwirkt. Ueberhaupt war er mit der Antwort der Her-
zöge nicht sehr zufrieden, bedauerte, dass eingestandener-
massen den Böhmen Salz verkauft worden sei, tadelte,
dass, wie er bestimmt wisse. Prager Kaufleute zu Leipzig
und an anderen Orten Handel trieben, schenkte auch
ihren Angaben über das Verfahren gegen die Kreuziger
und über die Sendung nach Prag keinen rechten Glauben.
Dr. Johannes Breslauer, dem ein Missbrauch seiner Ab-
solutionsbefugnis zur Last gelegt wurde, ward nacli Bres-
lau beschieden, um sich dort selbst zu verantworten. '"')
Mochte dies nun auch wieder einige strengere Mass-
regeln veranlassen*"^), so erliessen die Herzöge dieselben
doch gewiss widerwillig und nur der Form wegen. Sic
hatten natürlich heftige Beschwerden zur Folge; die an
der Grenze wohnenden Uuterthanen klagten, dass sie zu
Grunde gehen oder fortziehen müssten, wenn das kürz-
lich erlassene vollständige Handelsverbot aufrecht erhalten
würde. Die Herzöge antworteten darauf am 19. October
1470 mit einem Befehle an ihre Amtleute, den Handel
mit allen Waaren ausser mit Salz, AA'^ürze, Blei imd Har-
nischen, also besonders mit Häringen und anderen Fischen,
Leinwand, Tuch und Victualien zu gestatten, aber darauf
zu achten, dass kein fremder Kaufmann mit den ver-
"") 1470 Juli 28. WA. Böhm. S. K. IV Bl. 152, im Auszug
gedruckt bei Jordan 451.
">«) 1170 Juli .30 vcrtheidigt sich Abt Joliann von Grinihain
gegen die Anklage, dass er dem Verbote der päpstlichen Bulle zuwider
Handel mit Böhmen treibe. WA. Böhm. S. K. IV Bl. 153. 1470
Juli 28 fragt Waltzk von Bernstein den Marschall Friedrich von
Schönberg, wie er es mit zwei beladenon Wagen halten solle, die
er auf der Durchfahrt nach Böhmen in seinem Gebiete angehalten
habe, ebendas. Bl. 151. Vergl. auch das Schreiben des Legaten
Laurentius von Ferrara an den Prager Dompropst Colowrat d. (1.
1470 Sept. 19 bei Bachmann 502.
42 Hubert Ermisoh:
botenen Waaren durchgelassen und dass nicht von den
herzoglichen Unterthanen Betrügerei damit getrieben
würde. '"^) Auch Bischof Rudolf zog wieder mildere
Saiten auf, als sich herausstellte, dass des Matthias Er-
folge auch in diesem Jahre sehr unbedeutend waren und
die Möglichkeit eines Friedens näher rückte. Er hatte
sich die Absolution derer, die zu Georg zögen oder mit
den Ketzern Handel trieben, kürzlich in einer an den
Bischof von Meissen ergangenen Verordnung vorbehalten,
während sie früher diesem überlassen war."") Aber
auf eine Anfrage, welche die Herzöge durch Dr. Johannes
Breslauer (der sich übrigens wegen der ihm zur Last ge-
legten Beschuldigungen vollständig gerechtfertigt hatte) an
ihn richten Hessen, antwortete er, dass dadurch die früher
erlassene Erlaubnis des Handels mit Böhmen für die am
Gebirge Wohnenden nicht aufgehoben sein sollte. Er
habe nur bemerkt, dass diejenigen, die früher mit Erthei-
lung der Absolution beauftragt worden seien, vielfach sehr
leichtfertig verfahren wären. Auch gestattete er dem Bischof
wieder die Absolution der Uebertreter, wenn diese sich
bessern, brieflich um Nachlass der Kirchenstrafen an-
suchen und alles, was sie durch den sündhaften Handel
erworben, in den Kasten legen wollten. ^ ' ')
Die sächsischen Prohibitivmassregeln hatten übrigens
bereits böhmischerseits Repressalien veranlasst. Ein Han-
delsverbot wurde auch in Böhmen erlassen, „da sich die
Priesterschaft in e. f. G. Fürstenthum so gar schwer und
hart wider das Königreich legen und gelegt haben"; frei-
lich ist dasselbe wohl ebensowenig mit Strenge gehandhabt
worden wie das meissnische. ***)
Wir haben diese Irrungen, deren Spuren übrigens
noch bis ins Jahr 1471, ja über den Tod Georgs hinaus
zu verfolgen sind, ausführlicher behandelt, da sie be-
raerkenswerthe Schlaglichter auf die wirthschaftliche Be-
'«•) WA. Böhm. S. K. IV Bl. 156.
"») Vergl. diese Zeitschrift I, 260 Anm.
'") 1470 Nov. 7. WA. Böhm. S. K. IV Bl. 157.
"*) In einem Schreiben des Burggrafen zu Karlstein Benesch
von der Weitmühl an Ernst und Albrecht d. d. 1470 Nov. 18 erklärt
sich dieser bereit, trotz des Handelsverbots den Unterthanen Anarks
von Waidenburg den Einkauf zu Konimotau und die Ausfuhr der
Waaren gestatten zu wollen, falls gleiches seinen Unterthanen in
Wolkenstein, der Stadt Anarks, gestattet werde, und bittet zugleich
um diese Erlaubnis auch für andere Städte Sachsens. WA. Böhm.
S. K. IV Bl. 158.
Studien zur Gesch. der sächs.-bölim. Beziehungen 1468 — 71. 43
deutung der damaligen Beziehungen zwischen Böhmen
und Meissen werfen. Gewiss waren es auch Rücksichten
dieser Art, nicht bloss politische Erwägungen, welche den
Herzögen ihre Stellung zu Georg anwiesen und sie bis
aufs äusserste einen Bruch zwischen Meissen und Böh-
men vermeiden Hessen, trotz der schweren Unannehmlich-
keiten, die ihnen daraus erwuchsen. Drohten ihnen doch
sogar Ende 1470 die Coramissarien des Legaten so ernst-
haft mit der Verhängung eines allgemeinen Interdictes
über ihre Lande, dass sie hiergegen förmlich Appellation
beim Papste einlegten. "^^
Wie in Meissen, so waren auch anderwärts die Zu-
stände allmählich völlig unleid licli geworden. Man fluchte
allgemein in den Böhmen benachbarten Ländern den
Breslauern, denen man nicht mit Unrecht einen grossen
Theil der Schuld an dem unseligen Kriege zuschrieb, und
schon konnten die Breslauer Kauf leute nicht mehr unge-
fährdet Handel treiljen. "^) Dazu kam die Türkengefahr,
die unaufhaltsam näher rückte.
So geschah es, dass der Congress, der im Juli 1470 zu
Villach beim Kaiser tagte und an dem sich die sächsi-
schen Herzöge auch durch Gesandte betheiligt liaben
mögen, von einem sehr versöhnlichen Geiste beherrscht
war. *'^) Gesandte des Königs von Polen wohnten dem-
selben bei, und wahrscheinlich wurden damals die Funda-
mente zu dem Bündnisse zwischen dem Kaiser und dem
Könige Kasimir gelegt, das am 20. October 1470^'®) ab-
geschlossen wurde und das dem Ungarnkönige den Boden
unter den Füssen fortzog. War Markgraf Albrecht, dem
um diese Zeit nach der Abdankung seines Bruders der
brandenburgische Kurhut zufiel, die eigentliche Seele
dieser neuen Coalition "''), so standen ihr doch auch die
sächsischen Herzöge nahe. Ob die polnischen Gesandten
Derslaw Rytwianski, Woywode zu Sendomir, und Stani-
"*) Das Instrumentura appellationis von 1470 Dec. 15 im HStA.
Orig. 809.H.
"*) Omnes ad pacem \ocx\ti sunt et Wratislaviensis inculpantes
vituperantes maiedicentes tanquam causam oinnium haruni litium.
Ididem in curiis princlpura Misnc Thovingie lirandeburg Polonie et
in omni terra maledicebantur Wratislavienses, et jam mercatores non
publice audebant negoriari. Eschenloer (SS. rer. Sil. VIT) 223.
Vergl. Palacky IV, 2, 615.
"*) Vergl. über diesen Congress Palacky IV 2, 616.
"•) Dogiel, Cod. dipl. Polen. I, 163.
'") Vergl. Droysen II, 1, 258 fg.
44 Hubert Ermiscli:
slaw Ostrorog, Woywode zu Kaiisch, die Anfang August
an den kaiserlichen Hof gingen und ihren Weg durch
Meissen nahmen ' ' % mit den Herzögen bereits Verhand-
lungen angeknüpft haben, ist uns zwar nicht bekannt.
Wir wissen aber, dass gegen Ende des Jahres eine eben-
falls zum Kaiser gehende polnische Gesandtschaft die
Fürsten besuchte und ihnen Pläne offenbarte, die eine
friedliche Beilegung des böhmischen Krieges bezweckten;
ja die Sendboten deuteten wohl noch auf andere Projecte
Irin, die auf eine enge Einung zwischen Polen und Sachsen
und eine Familienverbindung zwischen beiden Häusern
hinausliefen. Der Meissner Dechant Dr. Heinrich Leu-
bing, der gegen Ende December ' ' ^) an den polnischen
Hof ging, um dem Könige als Antwort auf die Werbung
seiner Gesandten die freundschaftlichen Gesinnungen der
sächsischen Fürsten und ihre vollkommene Billigung seiner
Pläne auszusprechen, hatte auch Instructionen für den
Fall von Verhandlungen über einen Ehebund zwischen
dem Sohne Kasimirs, Wladislaw, und Ernsts Tochter
Christina und über ein Bündnis der sächsischen Fürsten
mit Polen. *^") Das merkwürdige Project, das uns die
meissnische Politik wieder eng Hand in Hand mit der
brandenburgischen zeigt — fast gleichzeitig fanden Ver-
handlungen über des jungen Markgrafen Friedrich Ver-
lobung mit der polnischen Prinzessin Sophia statt — ,
führte jedoch zu keinem Resultate.*^')
König Matthias hatte wenig Gefallen an diesen Ver-
handlungen mit Polen, um so weniger, als sich gleichzeitig
auch für seinen ungarischen Thron ein polnischer Präten-
dent fand. Zweifellos auf seiner Seite standen die Ver-
treter der Curie in Deutschland, besonders Laurentius von
Ferrara, wenn auch der Stuhl zu Rom selbst den Polen-
könig sehr behutsam behandelte, obgleich die Friedens-
"«) 1470 Juli 27 bittet Kurfürst Friedrich von Brandenburg
um sicheres Geleit für sie. WA. Poln. S. Bl. 1. Vergl. auch das
Schreiben desselben von 1470 Aug. 1 bei Palacky, Urk. Beitr. 630.
"•) 1470 Dec. 18 schreibt er au Ernst und Albrecht, dass er
zu einer so grossen Reise nicht vorbereitet und durch Amtsgeschäfte
verhindert sei, sich vor Weihnachten in Dresden einzufinden. WA.
Stift Meissen, Reisen Bl. 45. Wir glauben dies auf die Reise nach
Polen beziehen zu müssen.
'='<') Entwürfe zur Instruction für die Gesandtschaft nach Polen
WA. Poln. Sachen Bl. 64 fgg., 88 fgg., 96 fg., 98 fg. Vergl. auch
V. Langenn, Albrecht der Beherzte 62 fg.
'=•') Aber es ging gar abe. WA. Poln. Sachen Bl. 64.
Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1168 — 71. 45
bedingungen, die Kasimir dem König Georg zugestanden
wissen wollte, ihm nicht genehm sein konnten. ^**)
Die Stellung unserer Herzöge zu den kirchlichen Ge-
walten wurde durch alles dies nicht besser. Sogar mit
Bischof Dietrich von Meissen, der trotz seiner peinlichen
Lage dem Legaten gegenüber sich im Grunde stets den
AVünschen und der Politik der Landesherren accommo-
diert hatte, kam es um diese Zeit zu Differenzen. Durch
seinen Official hatte er das Ausfuhrverbot an den Grenz-
orten nochmals einschärfen lassen; das trug ihm ernste
Vorwürfe seiner Herren ein: „es ist uns eine grosse Be-
fremdung, dass sich ein Fremder die Eäthe unserer Städte
zusammen zu verboten anmassen und denen Gebot thun und
Ordnung geben solle; es wäre wohl genug, das man sich
gemeiner Gebote auf dem Predigtstuhl gebrauchte." Bischof
Dietrich entschuldigte sich mit den Drohungen, die ihm
direct von Rom oder durch den Legaten zugegangen
seien; auch habe der Official „nicht allein die Räthe und
Gewaltigen, sondern auch die PfafFheit und die Priester-
schaft sämmtlich versammelt", — was freilich an der
Sache wenig änderte. *^^) Wenig später wurde der Fran-
ciscaner Jacob von Glogau (vergl. S. 5) nochmals durch
Bischof Rudolf von Breslau mit der Kreuz- und Ablass-
predigt in den meissnischen Landen beauftragt, da der
Papst ausdrücklich befohlen hatte, dieselbe nicht einzu-
stellen. ^^*) Ganz besonders heftig spricht sich der Un-
•**■) Eine päpstliche Bulle von Ende 1470 oder Anfang 1471
(pridie kal. Januarii das ist der virde adir fumffte tag ym hornunge!?),
die Bischof Laureutius in Uebersetzung dem Herzog Albrecht mit-
theilt (undat. Schreiben WA. Böhm. S. K. IV Bl. 159), spricht sich
sehr missbilligend über die Verhandlungen angeblicher Sendboten des
Königs Kasimir mit dem Ketzer Georg aus.
'*■') 1471 Jan. 1.3; das Schreiben der Landesherren ist daher
wohl auch in den Anfang 1471 zu setzen. Cod. dipl. Sax. reg. IL S,
19.3 (Anm.). In denselben Zusammenhang gehört auch ein Schreiben
des Kurfürsten Ernst (?), wahrscheinlich ebenfalls an den Bischof
zu Meissen, von 1471 Jan. 7, in welchem diesem befohlen wird, auch
das wegen dos Handels seiner Zeit erlassene Indult zur Verhütung
weiterer Irrungen in den Grenzorten nochmals verkündigen zu lassen,
da der Oflicial dasselbe vielfach unberücksichtigt gelassen habe, was
„faste Aufruhr und Irrniss unter den unseren und anderen" zur
Folge gehabt. WA. Keligionssachen Bl. 140.
'='*) Bischof Rudolf an Ernst und Albrecht d. d. 1471 Jan. 29.
Ebendas. 141. lieber die Beschwerden, welche die Thätigkeit des
Bruders Jacobus veranlasste, vergl. ein Schreiben desselben d. d,
1471 April 4 ebendaselbst 142.
46 Hubert Ermisch:
willen der curialen Partei in einem Briefe des ßiscliofs
Laurentius von Ferrara an Herzog Albrecht, der etwa
in den Februar 1471 geboren mag, aus. '^*J
Auf dem Landtage, der Mitte Februar 1471 zu Prag
stattfand und auf welchem bekanntlich auch Matthias eine
Annäherung an Georg versuchte, erschienen der polnische
Kanzler Jacob von Dambno und der Abt des Benedictiner-
klosters zum h. Kreuz (bei Sendomir), Michael, um die Ver-
handlungen zwisclien Georg und Kasimir zum Abschluss zu
bringen.'^*') Ihren Rückweg nahmen sie durch Meissen.'^')
Als sie in Zwickau anlangten, mussten sie erfahren, dass
trotz aller Noth, die der Krieg über das Land gebracht,
der Fanatismus im Volke doch noch fortglimmte und nur
eines Anlasses bedurfte, um wieder aufzulodern. In Folge
der Aufreizungen des Pfarrers fand ein förmlicher Auf-
stand gegen die polnischen Gesandten statt, der ihnen
Anlass zu einem in sehr derbem Tone g^ehaltenen Schrei-
ben an den Landrentmeister Hans von Mergental und an
den Rath zu Zwickau gab. '^*) Die Herzöge, denen der
Zwischenfall höchst unangenehm war, ordneten die Fest-
nahme des Pfarrers und der Schuldigen an. *^^)
Im übrigen aber zeigten sie sich den polnischen
Herren gegenüber weniger zuvorkommend, als im Jahre
vorher der Fall gewesen sein mag, sei es, weil die da-
maligen Verhandlungen ihren Erwartungen nicht ent-
sprochen hatten, sei es, weil der Plan, die Krone Böh-
mens für das Haus Wettin zu erwerben, schon festeren
Fuss gefasst hatte; vielleicht auch mit Rücksicht auf die
entschieden missbilligende Haltung der Curie. König Kasi-
mir beabsichtigte bereits seit längerer Zeit, eine Gesandt-
schaft'^") nach Rom zu senden, einmal, um eine Entschei-
dung der böhmischen Angelegenheiten im polnischen In-
teresse anzubaluien, dann, um endlich die noch immer nicht
ertheilte päpstliche Bestätigung des mit dem deutschen
Orden zu Thorn am 19. October 1466 geschlossenen Friedens
'") WA. Böhm. S. K. IV Bl. 159, theilweise gedruckt bei
Jordan 452.
'") Palacky IV, 2, 655 fg.
'*') Vergl. ein Schreiben von Ernst und Albrecht an ßenesch
von der Weitmühl 1471 Febr. 23. WA. Böhm. S. K. II Bl. 63.
•»«) 1471 März 3. WA. Böhm. S. K. IV Bl. 161c; theilweise ge-
druckt bei Jordan 456.
'") WA. Böhm. S. K. IV Bl. 317. 318.
'*") Von dieser Gesandtschaft ist schon in Leubings oben
Anm. 120 erwähnter Instruction (WA. Poln. S. Bl. 98) die Kede.
Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468—71. 47
zu erwirken. Der Kanzler Jacob von Dambno hatte den
Auftrag, auf der Rückreise von Prag empfehlende Sclu'eiben
für diese Gesandtschaft von den sächsischen Herzögen,
dem Herzoge Ludwig von Bayern und dem Kurfürsten
Albrecht von Brandenburg zu erwirken. Die Herzöge
hatten Hermann von Weissenbach beauftragt, über die
Sache mit den Polen zu verhandeln; sein Bericht vom
6. März 1471 liegt uns vor. Der polnische Kanzler warf
den Herzögen vor, sie hätten schon im vorigen Sommer
versprochen, ein Schreiben an den Papst wegen des preus-
sischen Friedens zu richten, und ersuchte dringend um Aus-
stellung desselben, da der Kaiser, Herzog Ludwig, Kurfürst
Albrecht und andere Fürsten ebenfalls schreiben würden.
Allein Weissenbach antwortete, dass Ernst und Albrecht
nur unter Vorbehalt der Einwilligung der übrigen Kur-
fürsten dies zugesagt hätten. Darauf bat der Kanzler, der
fortwährend betheuerte, dass sein Wunsch nur Freundschaft
zwischen dem Könige von Polen und den sächsischen Her-
zögen sei, einstweilen den gewünschten Brief nach einem
von ihm vorgelegten Formulare auszustellen; er wolle ihn
dann nach Landshut an Herzog Ludwig schicken und,
falls dieser ebenso zu schreiben bereit sei, dem Könige
überreichen, wenn nicht, ihn zurückgeben, dem Könige
aber die Bereitwilligkeit der Herzöse rühmen. Es sieht
dies aus wie eine ziemlich plump angelegte Falle. Weissen-
bach versprach, die Sache an seine Herren gelangen zu
lassen. Dem Dr. Martin Mayr in Landshut aber theilte
er das Begehren der Polen und zugleich die Absicht seiner
Herren mit, sich bei der Curie nur für die Beilegung des
böhmischen Krieges, nicht aber für die Bestätigung des
preussisch- polnischen Friedens zu verwenden, und bat
ihn, den Herzog Ludwig zu einer entsprechenden Ant-
wort zu bestimmen. ^^*)
Die polnischen Vermittlungsversuche haben, so viel
uns bekannt, keinen Erfolg gehabt. Auch Ernst und
Albrecht sandten nochmals eine Gesandtschaft nach Rom,
um die Versöhnung zwischen Georg und der Kirche an-
zubahnen. Sie langte um den 20. März 1471 in der hei-
ligen Stadt an; es war ein Zeichen der Zeit, dass sie nicht
so schroffe Abweisung fand als die früheren. *^*) Viel-
»»') WA. Poln. Sachen Bl. 4—6.
'") Relatio de legatione Saxonica versus Romam in causa Bo-
hemica bei Rainald a. a. 1471 und Müller, Reichstagstheatrum II,
i31 fgg.
48 Hubert Ermisch:
leicht wäre doch schliesslich den sächsischen Sendboten
das gelungen, woran man seit vielen Jahren vergeblich
gearbeitet, — da übernahm es eine höhere Macht, die
böhmischen Wirren zu lösen. Noch verhandelte man in
Rom über Vergleichspunkte, als die Botschaft eintraf, dass
am 22. März 1472 König Georg Podiebrad gestorben sei;
unbesiegt und ungebrochen, wenn auch freilich tief ge-
beugt. Die Vorsehung hatte es gewollt, dass er die
Lösung des Zwiespalts, der sein Verhängnis war, nicht
erleben, vielleicht, dass er nicht nochmals die Unmöglich-
keit dieser Lösung schwer empfinden sollte.
Das Haus Wettin hat an ihm bis zum letzten Augen-
blicke mit einer Treue festgehalten, wie kein anderes unter
den deutschen Fürstenhäusern. Wenn auch Ernst und
namentlich Albrecht dem Könige ganz besonders nahe
standen, so hat doch auch Herzog Wilhelm, so viel Diffe-
renzen es sonst zwischen ihm und den Neffen gab , in
dieser Beziehuno; im wesentlichen eine o-leiche Politik
verfolgt: wenige Wochen vor dem Tode des Königs, in
den letzten Februartagen 1471, fand die Vermählung
seiner Tochter Katharina mit dem jüngeren Sohne Greorgs,
Hinko, statt. ^^'), Die Fortsetzung dieser Politik über
Georgs Tod hinaus zeigt sich in Albrechts Bewerbung um
die böhmische Krone, in dem noch lange bemerkbaren
Gegensatze der wettinischen Fürsten gegen König Matthias
und die Curie, in dem Schutze, den Gregor Heimburg,
die Seele der Politik des Königs Georg, in Meissen fand,
und in anderen Momenten, deren weitere Verfolgung wir
uns versagen müssen.
Zu einem thatkräftio'en Eintreten für den Böhmen-
könig ist es freilich nicht gekommen und konnte es nicht
kommen. Wenn ein neuerer Historiker ^^*) ein hartes Ver-
dammungsurtheil über die „Neutralität deutscher Ge-
sinnungsschwäche" ausspricht, die abwarten musste, „was
die grosse Politik verhängen würde", und ihr die Ver-
antwortung dafür aufbürdet, „dass alles, was sich in
nächster Folge begab, dem deutschen Namen zu Schande
und Gefahr gereichte", so ist dies Urtheil schwerlich ge-
recht. Eine „entschlossene Parteinahme für den Böhmeu-
'**) Vergl. das Schreiben Johanns von Krumau an Laurentius
von Ferrara d. d. 1471 März 12 bei Palacky, Urk. Beitr. 646, nnd
Heinrichs von Miinsterberg an Markgrat' Albrecht d. d. 1471 Februar
27 bei Bachmann, Urkk. und Akten. 510.
'") Jordan, Das Konigthum Georgs von Podebrad 297.
Studien zur Gesell, der sächs.-böhm. Beziehungen 1468 — 71. 49
könig", eine „energische Vermittlung mit dem Schwerte
in der Hand" hätte zu jener Zeit ohne Frage die Gefahr
eines allgemeinen Krieges heraufbeschworen, der das Haus
Wettin in die gefährlichste Lage gebracht haben würde.
So macht denn die sächsisch-böhmische Politik während
der Jahre 1464 — 71 in der Hauptsache den Eindruck eines
behutsamen Lavierens zwischen unversöhnlich sich gegen-
über stehenden Kräften; sie kommt eben deswegen nicht
zu klaren Resultaten, und dies giebt ihr etwas Unfertiges
und Unbefriedigendes, Aber einmal dürfen wir nicht
vergessen, dass ein unsicheres Tasten im allgemeinen Cha-
rakter des fünfzehnten Jahrhunderts, wie wohl jeder Ueber-
gangszeit, liegt; und ferner müssen wir zugeben, dass ein
abschliessendes Urtheil über die von uns behandelten
Jahre erst dann möglich sein wird, wenn die gesammte
politische Geschichte des Hauses Wettin während des spä-
tem Mittelalters, die noch sehr viel Räthsel zu lösen giebt,
eine gründliche und allseitige Durchforschung erfahren
haben wird. Für diese Arbeit, an die wir über kurz oder
lang herantreten zu können hoffen, sollen unsere Studien
nur eine bescheidene Vorbereitung bilden.
Neues Archiv f. S. 3. u. A. II. 1.
n.
Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz
während des Mittelalters.
Von
Hermann Knothe.
Den Anschauungen der mittelalterliclien Kirche zu-
folge war bekanntlich jedes Ausleihen von Geld um Zins
als sündhafter Wucher allen Christgläubigen verboten.
Fürsten und Herren verschafften sich daher Geld durch
Verpfändung von grösseren oder kleineren Gütei-n sanimt
allen darauf haftenden Rechten und Einkünften, kleinere
Grundbesitzer durch sogenannte Zinsverkäufe auf Wieder-
kauf, d. h. durch Ueberlassung einer Anzahl von erb-
unterthänigen Bauern sammt den von diesen an den Erb-
herrn zu entrichtenden Renten und Diensten, wofür von
den nunmehrigen Gläubigern gewöhnlich der acht- bis
zehnfache Betrag der an sie abgetretenen Rente ausge-
zahlt wurde. Bei wem aber sollte der Kaufmann, der
Handwerker, der verarmte Edelmann in dringender Noth
borgen? Wesentlich für diese Stände wurden die Juden
ein dringendes Bedürfnis in allen irgend grösseren Städten.
Den Juden verbot ihr Gesetz nicht, Geld auf Wucher
auszuleihen; sie liehen auch nicht bloss auf Grundbesitz,
sondern auf jedes beliebige Pfand, ja selbst auf einfachen
Schuldschein und die Siegel hinlänglicher Bürgen. Des-
halb erbaten sich die meisten grösseren Städte von dem
Hermann Knothe: Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 51
Kaiser oder von den Landesherren, wenn diese bereits
im Besitz des „Judenschutzes" waren, die Vergünstigung,
eine Anzahl Juden aufnehmen oder „halten" zu dürfen.
Diese hatten alsdann entweder blos an den Landesherrn
oder ausserdem auch noch an die Stadtkasse ein jähr-
liches Schutzgeld (..Judenzins") zu zahlen, wofür sie von
dem Rath gegen jedermann, besonders aber vor Gericht
in ihren Rechtshändeln gegen säumige Schuldner geschützt
wurden. Giern kamen in solchem Falle aus irgend einer
benachbarten grösseren Stadt so viel Juden mit ihren
Familien, als man begehrte. Gern unterwarfen sie sich
der drückenden Bestimmung, dass sie in der Regel nur
auf die Frist von einigen Jahren und niemals als Bürger,
sondern nur als des Kaisers oder des Landesherrn „Kammer-
knechte" aufgenommen wurden. Gern begnügten sie sich
mit unscheinbaren Wohnungen in irgend einer engen
Gasse, die nun nach ihnen, meist bis auf den heutigen
Tag, „Jüdengasse" hiess. Denn dafür versprach ihnen
das Monopol des Geldgeschäfts binnen kürzester Zeit
grossen Gewinn. Auch an den neuen Aufenthaltsort nah-
men sie mit den Glauben ihrer Väter, ihre religiösen Ge-
bräuche, ihre häuslichen Sitten. Der schnell erworbene
Reichthum gestattete ihnen alsbald, eine eigene Synagoge
oder „Judenschule" zu begründen und einen besonderen
Judenkirchhof anzulegen. So bildete sich bald mitten in
der christlichen Stadt eine eigene, strenggesonderte jüdische
Gemeinde mit eigenen Vorstehern und eigenem Recht
wenigstens in ihren Beziehungen unter einander.
Allein eben dieser wesentlich auf Kosten der Bürger-
schaft gewonnene Reichthum erregte alsbald den Neid der-
selben Bürger, welche sie erst herbeigewünscht hatten. Der
hohe Zinsfuss, zu welchem sie Geld ausliehen, brachte häufig
den Schuldner, Bürger wie Edelmann, sammt deren Bür-
gen um Hab und Gut. Bis zum Verfalltag des ausge-
stellten Scheines begnügte sich zwar der jüdische Gläu-
biger meist mit 20 Procent; aber wenn ihm da nicht
Zahlung ward, so trat nun der Wucherzins ein, nämlich
gewöhnlich von jeder Mark (zu 48 Groschen) wöchentlich
'I2 Groschen, d. h. 54% Procent'), ja von dem Schock
(zu 60 Groschen) wöchentlich 1 Groschen, d. h. 86% Pi'o-
cent. Der Rath musste, wenn auch mit Unlust, zu gunsten
•) L. Oelsner, Schlesische Urkunden zur Gesch. der Juden,
im Archiv für Kunde Österreich. Gesch. -Quellen XXXI, 81.
4*
52 Hermann Knothe :
der Juden Pfändung und Subhastation vollstrecken. Den
Handwerker und Arbeiter erbitterte das mühelose Reicli-
werden der Juden ohne äusserlich anstrengende Arbeit.
Der fremde Glaube und die zäh beibehaltene Eigenart
des fremden Stammes verhinderte jede Verschmelzung.
Schürten nun irgend fanatische Geistliche den Glaubens-
hass, riefen elementare Ereignisse oder gar ein „grosses
Sterinen" den Aberglauben wach, dann wurde sicher auch
der alte Verdacht gegen die Juden wegen Missbrauchs mit
geweihten Hostien und mit dem Blute von Christenknaben
aufs neue verbreitet. So erfolgte dann fast jedesmal eine
Judenverfolgung, welche, meist von dem niederen Volke
ausgehend, von den städtischen wie den landesherrlichen
Behörden kaum gehindert, oftmals unterstützt ward. Denn
die hinterlassene Habe der vertriebenen oder gar erschla-
genen Juden fiel an diese Behörden und ward zwischen
beiden getheilt.
Und dennoch machte sich binnen kurzem wieder
das Bedürfnis fühlbar, Capital auch ohne hypothekarische
Sicherheit aufnehmen zu können. So wurden aufs neue
Juden herbeigerufen. Sie kamen, aber nur um alsbald
selbst wieder ähnliches zu erfahren und zu erleiden.
Wir haben geglaubt, die Geschichte der Juden, wie
sie sich während des Mittelalters in fast allen Ländern
und grösseren Städten abgespielt, in kürzesten Umrissen
vorausschicken zu sollen, ehe wir versuchen, dasjenige
zusammenzustellen, was sich an zuverlässigen Nachrichten
über die Juden in der Oberlausitz w^ährend des Mittel-
alters noch auffinden lässt. Auch hier wiederholte sich
genau der so eben geschilderte Verlauf, nur, so viel
wir wenigstens haben ermitteln können, nicht auch der
Judenmord.
Unsere Nachrichten sind in Betreff der meisten ober-
lausitzischen Städte sehr dürftig'^). In wenigen gehen
Stadtbücher imd Stadtrechnungen zurück bis ins vier-
zehnte Jahrhundert. Und selbst dann sind die betreffen-
den Rathsbeschlüsse niemals verzeichnet. Ueberall sind
es vielmehr nur gelegentliche Notizen und einige landes-
herrliche Erlasse, welche aber immerhin einmal zusammen-
=•) M. Wiener, Kegesten zur Gesch. der Juden in Deutschland
■während des Mittelalters (Hannover 1862), bringt in dem ersten
Theile seines "Werkes keinß oberlausitz. Urkunden. Auch Otto Stobbe,
Die Juden in Deutschland während des Mittelalters (Braunschweig
1866), scheint dieselben nicht zu kennen.
Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 53
gestellt zu werden verdienen. Nur von Görlitz ist es
möglich, ein einigermassen anschauliches Bild von dem
Leben und Treiben sowie von den wechselnden Geschicken
der Juden, zumal während des vierzehnten Jahrhunderts^
zu entwerfen. "Wir behandeln daher absichtlich diese Stadt
zuletzt.
Es müsste Wunder nehmen, wenn in Bautzen, der
alten Hauptstadt der Oberlausitz, um welche herum in
weitem Kreise der älteste, zahlreichste und zum guten
Theil zugleich ärmste Adel des Landes wohnte, sich nicht
aucli einmal Juden auf längere oder kürzere Zeit sollten
niedergelassen haben. Freilich war Bautzen keine Handels-
stadt im eigentlichen Sinne, ausgenommen den Handel mit
Tuch, Getreide und sonstigen Feldfrüchten. Dennoch be-
richten die Lokalhistoriker nichts Thatsächliches '^) von
einst dort wohnenden Juden. Auch alle diejenigen hand-
schriftlichen Chroniken von Bautzen, die wir zu diesem
Zwecke durchgegangen haben, schweigen. Und dennoch
haben auch hier in der That Avährend der ersten Hälfte
des vierzehnten Jahrhunderts Juden gewohnt. Von 1356
bis 1359 wird in den Breslauer Stadtrechnungen mehrfach
ein Jude „Jacob de Budcssin" erwähnt^), der diesen Bei-
namen nicht führen konnte, wenn er nicht von Bautzen nach
Breslau übergesiedelt wäre. Und in der That soll die jetzige
Häringsgasse früher „Jüdengasse" geheissen haben*).
In Zittau setzt die lokale Sasje die Anwesenheit von
Juden schon in die Zeit voi-' der Aussetzung des einstigen
Dorfes Zittau zur Stadt, wozu eine wahrscheinlich falsch
gelesene Jahreszahl (1250) an einem später zu erwälmen-
*) Wilke, Chronik der Stadt Budissin 25, sagt zwar, die An-
zahl der dasigen Juden müsse gross gewesen sein , denn „auf eine
Beschwerde, die von der Bürgerschaft wegen des Wuchers bei dem
König "Wenzel geführt wurde, erlicss der König die Verordnung,
dass alle Wucherer die Pfänder ohne Zinsen herausgeben sollten".
Allein Wilke fügt weder irgend einen Nachweis, woher er diese
Nachricht genommen, noch auch das Jalir der vermeintlichen Ver-
ordnung bei. Da nun die „Oberlausitzer Urkunden-Sammlung" (Mspt.
Görlitz) und ebenso das gedruckte „Oberlausitzer Urk. -Verzeichnis"
aus der ganzen Kegierungszeit Wenzels eine solche oder ähnliche
Verordnung nicht aufführt, so können wir jener Angabe Wilkes
keinen Werth beimessen.
*) L. Oelsner, Schlesische Urkunden zur Gesch. der Juden im
Archiv für Kunde Österreich. Gescli.-Qiiellen XXXI, 111. 120. 127.
*) Wilke 22.340. .336, Andere meinen, die Vorstadt Seidau, wendisch
Zidow, habe ihren Namen von den einst dort wohnenden Juden erhalten.
54 Hermann Knothe:
den Hause Anlass gegeben haben mag. Zu der Zeit, wo
der Stadtsclu'eiber Johann von Guben seine ältesten Jahr-
bücher von Zittau schrieb (1363 — 81), gab es daselbst
eine „Judenburg"®), welche nach einem nicht mehr vor-
handenen Stadtbuche von 1395 ') „in der Badergasse", einer
engen, vom Markt südlich gegen die Mandau hin führen-
den Gasse, gelegen haben soll. Noch einmal wird 1399
ebendaselbst ein Haus bezeichnet *) als „gelegen in
der Mandau, benieden der Judenburg". Dies sind nach
Carpzov, dem gewissenhaften Historiker und Stadtschrei-
ber, der die seitdem verbrannten Stadtbücher alle benutzt
hatte, die einzigen Spuren davon, dass es bereits im vier-
zehnten Jahrhundert zu Zittau Juden gegeben hat®).
Wann und weshalb sie fortgekommen, weiss er nicht, und
auch spätere Forschungen haben zu keinerlei Resultaten
geführt. Wohl aber berichtet Carpzov '") genaueres über
einen zweiten Aufenthalt von Juden im fünfzehnten Jahr-
hundert. Im Jahre 1424 nahm der Ratli „auf Geheiss
Kaiser Sigismmidi mit Willen und Wissen der Hand-
werkmeister und ganzer Gemeinde" den Juden Smoyl
aus Löwenberg in Schlesien sammt seinem Sohne Jonas
und seinem Schwiegersohne Caiphas „mit ihren Weibern,
Kindern, Dienern, Dienerinnen, Schulmeistern und Glöck-
nern" auf und vergönnte ihnen, zunächst auf 7 Jahre,
hier zu wohnen. Dafür mussten sie jährlich ein Schutz-
geld von 40 Mark polnischer Zald erlegen, wogegen sie
„alle gute Gewohnheiten, die sie im Fürstenthum zu
Schweidnitz und Jauer vormals gehabt", geniessen sollten.
Auch von König Wenzel und später von Kaiser Siegmund
ihnen speciell ertheilte Schutz- und Freibriefe brachten
") N. Script, rer. Lusat. I. 3 : Ottackerus, eyn konig zcu Beme
— sacz vz dese stat vnd hatte nicht verrer vmme gereten, wen als
di gasse wendt hindir der cruczeger hovfe czu dem webirthore vnd
von dem webirthore bis her czu der Judenhorg^ gerichte czu der
clobin gasse etc.
') Carpzov, Analecta I, 25.
«) Ebendas. IV, 167.
•) Die allerdings nur chronikalische Angabe, dass der könig-
lich böhmische Landvogt über das Weichbild Zittau unter anderen
Revenuen auch „in der Stadt den Judenzoll gehabt" habe (Carpzov,
Anal. I, 155), hat an sich viel Wahrscheinlichkeit für sich; nur wird
in den Urkunden über die Verpachtung dieser Landvogtei an die
Stadt Zittau von 1366—1405, in denen alle die Einkünfte derselben,
darunter auch andere Zölle, aufgezählt werden, ein solcher Juden-
zoll nirgends erwähnt. Carpzov, Anal. II, 251 fgg.
">) Anal. IV, 168.
Zur Geschichte der Jutleu iu der Oberlausitz. 55
sie vor, und so stellte ihnen der Rath unter dem grösseren
Stadtsiegel ein (nicht mehr vorhandenes) Dokument aus,
welches für beide Theile die Einzelbestimmungen des
zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrages enthielt. Dies
war also thatsächlich die Einwanderung einer ganzen Juden-
colonie, bestehend zwar nur aus drei Familien, aber gewiss
aus ziemlich vielen Köpfen. Die Erwähnung von „Schul-
meistern und Glöcknern" (d. h. Synagogendienern) deutet
darauf, dass die Errichtung einer besonderen Synagoge
von vorn herein von ihnen beabsichtigt gewesen sei.
Nun bezeichnet die lokale Tradition mit Bestimmtheit
einen nachmaligen Bierhof (nach einander den Familien
ßandig. Hübner; Weise gehörig, Katasternummer 239)
in der „ Jüdengasse" als die ehemalige Synagoge. Und
in der That soll in diesem wie in einem anderen Hause
derselben Gasse der Bau zumal der Fenster noch jetzt
auf eliemalige jüdische Einrichtungen schliessen lassen.
Demzufolge dürften sich jene Juden 1424 hier angebaut
und erst hierdurch die „Jüdengasse" ihren Namen erhalten
haben. Der Jude Smoyl kam übrigens bald darauf der
Stadt ziemlich theuer zu stehen. Er hatte unter anderem
mit Herrn Jan von Wartenberg auf Dewin (bei Warten-
berg in Böhmen) Geldgeschäfte gehabt. Wahrscheinlich
zahlte letzterer weder Zins noch Capital. Da Hess ihm
1426 der Jude „sein Gewand mit Rechte verhindern"*'),
d. h. von ihm in Zittau erkaufte Tuche durch den Rath
mit Beschlag belegen. Jan von Wartenberg rächte sich
dafür an der Stadt selbst. Er fiel (28. August) 400 Pferde
stark in deren Dörfer ein, raubte Schafe, Kühe und Pferde
und trieb den Raub zurück, seiner Burg zu. Allein die
Zittauer Bürger kamen, obgleich nur zu Fuss, den böh-
mischen Räubern zuvor, überfielen sie im Spittelholz und
nahmen ihnen den gesammten Raub wieder ab. Der Ver-
trag mit Smoyl scheint nach Ablauf der 7 Jahre erneuert
worden zu sein. Noch 1434''^) Hess Kaiser Siegmund
von ihm und seinem Sohne Lazarus 96 fl. ungarisch imd
400 fl. rheinisch als eine Strafe, die sie „verwirkt", den
Cölestinern auf dem Oybin auszahlen zu Baugeldern.
Wie lange die Juden noch in Zittau geblieben, weiss
man nicht. Der Umstand, dass nach ihrem Abzüge das
Haus mit der ehemaligen Synagoge „in eine bürgerliche
") N. Script, rer. Las. I, 60.
'») Pescheck, Gesch. der Cölestiner des Oybins (1840) 60.
5ß Hermami Knothe:
Wohnung" verwandelt und über der Hausthüre ein Bild
mit der Kreuzigung Christi gemalt wurde '^); scheint
doch auf den üblichen Glaubenshass gegen die Juden
hinzudeuten. Die früher ebenfalls über dieser Thür an-
gebracht gewesene Jahrzahl dürfte statt 1250 vielmehr
1450 gelautet und sich auf den Umbau des Hauses be-
zogen haben.
Hinsichtlich des Aufenthaltes von Juden in Laub an
liegen zwei sehr sicher auftretende Aufgaben vor. Der
einen zufolge ^*) habe Markgraf Otto von der Lausitz und
Brandenburg im Jahre 1294 den Laubanern die Ober-
gerichtsbarkeit in ihrem Weichbild bewilligt und die Er-
laubnis gegeben, zwei Juden mit gleichen Abgaben und
Dienstlasten, wie sie selbst, zu halten. Allein dieser Otto
der Lange konnte 1294 noch nicht Markgraf der (Nieder-)
Lausitz heissen, da dieselbe erst 1308 von den Branden-
burgern erwoi-ben ward; die Behauptung von der zugleich
verliehenen Obergerichtsbarkeit im VVeichbilde erweist sich
als unrichtig^*); eine völlige Gleichstellung der Juden
mit den Bürgern hinsichtlich der städtischen Leistungen
erscheint im höchsten Grade unwahrscheinlich, und end-
lich die Quelle, auf welche die ganze Angabe zurückge-
führt wird, nämlich Hosemann, gräcisiert Knemiander, der
berüchtigte Laubaner „Lügenhistoriker'*, raubt derselben
jeden Anspruch auf Glaubwürdigkeit. Eine zweite Nach-
richt meldet ^'^), am ersten Osterfeiertage 1390 sei in Lau-
ban ein Priester, der mit der Monstranz zu einem Kranken
sich begeben, „bei der Judengasse" mit Steinen geworfen
worden, so dass die Hostie zur Erde gefallen. Darauf
seien die Christen auf die Juden losgestürmt, hätten viele
davon erschlagen und deren Güter eingezogen. Obgleich
diese Erzählung dem Ausbruche von Judenverfolgungen
in anderen Städten auf das Haar gleicht, würden wir ihr
vielleicht doch einioen Glauben schenken, wenn zu Lauban
'*) Carpzov, Anal. I, 2.5.
") Maiilius bei Hoffmaini, Scriptor. rer. Lus. I, 277: Anno
1294, refereute Cneniiandro, Otto marcbio Lusatiae et Brandepurgi
Laubanensibus jurisdictionem superiorem in ipsorum territorio con-
cessit, et ut binos Judaeos paribiis secum censibus ac oneribus
habitautes retiuere ipsis liceret, indulsit. Ihm nach: Wiessner
in seinen Laubaner Stadtannalen (Mspt.). Grosser, Merkw. I, 40.
Carpzov, Ehreut. I, 40. Urk.-Verz. I, 18. Worbs im Lausitz. Mag.
18S0. 485. Schelz, Gesammtgesch. 175 u. s. w.
'*) Vergl. Knothe, ßechtsgesch. der Oberlausitz 42 fg.
'*) Gründer, Chronik von Lauban 141.
Zur Geschichte der Juden ia der Oberlausitz. 57
sonst irgendwo eine „Judengasse" erwähnt und das Vor-
handensein von Juden sonst irgend urkundlich bestätigt
wäre.
Wir glauben daher, dass es in Lauban ebensowenig
als in Karaenz und Löbau '') jemals Juden gegeben hat.
Wühl aber scheint in dem Städtchen Reichenbach
mindestens ein Jude gehalten worden zu sein. Als, wie
später zu erzählen sein wird, die Görlitzer 1389 ihre
Juden vertrieben hatten, schickten sie häufig Boten „nach
Reichenbach wegen der Juden". Ihr Herzog, Johann
von Görlitz, hatte ihnen nämlich zugestanden, dass fortan
im ganzen Lande Görlitz kein Jude mehr solle wohnen
dürfen. Es galt daher wahrscheinlich, jetzt auch Hans
von Gersdorff, den damaligen Besitzer von Reichenbach ^^),
zu vermögen, dass er seinen Juden ausweise. Gleichzeitig
sendeten die Görlitzer aber auch sehr häufig Boten an
die Herzogin Agnes von Schweidnitz, welche den Juden
günstig gesinnt war, und aus deren Städten die meisten
Juden nach der Oberlausitz gekommen waren. Bei solcher
Gelegenheit heisst es das eine Mal, es sei zu ihr gesendet
worden „wegen Ydam (Adam ?), Juden in Reichenbach" '**).
Ausführlichere Nachrichten haben wir, wie schon er-
wähnt, über die Juden in Görlitz^"). Alte Privilegien
über den Waidhandel und den Strassenzug machten das-
selbe zum Haupthandelsplatze der gesammten Oberlausitz.
Kein Wunder, dass sich aus dem benachbarten Schlesien
frühzeitig auch Juden dahin gewendet hatten. Es nuiss dies
bereits unter den Brandenburger Herrschern aus dem
Hause Askanien geschehen sein; denn das mit dem Jahr
1305 beginnende älteste Stadtbuch ^^) erwähnt schon vor
1307 (Bl. 4) eini'. „Judengasse", später (1338 und öfter)
") Das Wahrzeichen von Ijöbau, ein Judenkopf an der Stadt-
uhr, der sidi bei jedem Glockensclilaije üft'net und wieder schliesst,
ist ein häufig vorkommender Ausdruck mittelalterlichen Volkshumors.
") Knothe, Gesch. des Oberlausitzer Adels l'Jl.
'") Nach den Görlitzor Kathsrechnungen, Mspt.
-") Eigenthümlicher Weise sclieint die Geschiclite der Juden
in Görlitz noch niemals im Zusammenhange behandelt worden zu
sein. Der „Görlitzer Wegweiser" ]8o2. .S22 fg. bringt nur wenige
dürftige Thatsachou im wesentlichen nach Grosser, Merkw. I, 97;
Naumann, Gesch. von Görlitz 1 11 fg. allerdings mehr, aber der An-
lage des Buches zufolge luu- bei Gelegenheit der Geschichte Herzog
Johanns von Görlitz. Nach einer etwaigen Monographie aus älterer
oder neuerer Zeit haben wir vergeblich geforscht.
*') Mspt., jetzt auf der Miliclfscheu liibliotliek.
58 Hermann Knothe:
eine Synagoge oder „Judenschule"; desgleiclien (1335 Bl.
31) einen „ Judenkirchhof ", gelegen „in der Kalowe".
Aber auch ausserhalb der Judengasse besassen die Juden
Häuser oder Höfe und zwar als Erbe, so z. B. (1345)
in der „Oelschlägergasse", desgleichen in der „Kniegasse",
wo (vor 1327) „Katharine, Johannes des Juden Tochter",
ein Haus aufgab Heinrich Salczhuter'n „zu einem rechten
Erbe". Sie durften also von Christen beliebig Häuser
erwerben, nur dass sie von denselben einen besonderen
Zins an die Stadtkasse zu erlegen hatten. „Die Juden
habbent gecoyft Otten Buteners Hof und sullen davon
den burgern cinsen drizig phenninge alle jar. Shymon
Jude vnd Hanna judinne haut gecoyft kegen Merkele
einen Hof, davon sullen sie geben den burgern vünf
Schillinge cinses" (Bl. 9, circa 1309). Käufe und Ver-
käufe liegender Gründe wurden auch von den Juden,
ebenso Avie von den Christen abgeschlossen „in gehegtem
Ding", „an rechter Dingstatt" oder „coram judicio item
coram judeorum bannito" und dann eingetragen in das
allgemeine Stadtbuch *^). Als 1329*^) Herzog Heinrich
^^) In der vollständigen Abschrift des „Magdeburger Rechts",
welches die Schoppen von Magdeburg der Stadt Görlitz 1304 zu-
kommen Hessen, handelt § 118 (nach dem Abdruck in Tzschoppe und
Stenzel, Urk.-Samml. 473) : „Von des Juden Gewere. Der Jude en
muz des Cristenen mannes gewere nicht sie, her en wolle danne ant-
worten in Cristenes mannes stat. Sleit der Jude einen Cristenen
man tot oder tut her ungerichte an im, da her mite begriffen wirt,
man richtet ubir en, als ubir einen Cristenen man. Sleit ouch ein
kristenen man einen Juden, man richtet ubir en durch des konigs
vride, den her an im gebrochen hat oder tut her ungerichte an im."
Ein „Judeneid" und zwar der sogenannte Erfurter Eid (Otto Stobbe,
Die Juden in Deutschi. 157) auf dem Vorsetzblatte eines Görlitzer
Rechtsbuches (N. Script, rer. Lus. I, Vorwort XXXV) lautet und
zwar in abweichender Fassung: „Das man dich suldich, des bistu
vnsuldihc; daz dir got zo helfi, der himel vnde erdi giswf vnde
loub vnde gras, vnde als dir ginad adonay vnde seni ginedichi got-
heit, vnde als du di ee nimmir mvzis bihaldin, di got gap moizi vf
dem bergi zv sinay an der stenin tafilin. Op du nicht reht vnde
war habis, zo mvizi dich ani gen das vreisliche gisvcti, daz gezi ane
ginch, do her dv gabi von naaman vntphinc ; ap dv niht rechti vnde
wäre habis, zv mvzi dich dv erdi wirslindin vnde das fwr virbrennen,
daz datan vnde abiron verbranti vnd ir mani. Daz swerstu vffe dem
fünf buchin moizi bi dem abraham, ysanc vnde yacop." Wir dürfen
wohl annehmen, dass sowohl jene Bestimmungen des Magdeburger
Rechts, als dieser Judeneid auch zu Görlitz in Anwendung waren.
^*) Köhler, Cod. dipl. Lus. sup. 280. Et ne quis — presumat —
tutele Judeorum Gorlitczensium, quos civibus sepedictis gubernandos,
regendos et ab injuriis quibuslibet perpetuo defensandos nostro,
Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 59
von Jauer das Land Görlitz an König Jolianu von Böli-
men abtrat, bestätigte dieser der Stadt Görlitz ihre bis-
herigen Rechte und Privilegien, darunter auch das, „die
Görlitzer Juden zu regieren und vor jedem Unrecht zu
beschützen".
Auch über die Natur der von den Görlitzer Juden
damals vorzus-sweise betriebeneu Geschäfte erhalten wir
mancherlei Kunde. 1323^*) hatten mehrere Adlige die
Güter des Klosters Marienstern auf dem Eigen beraubt
und zwar aus den Ortschaften Bernstadt, Schönau und
Kiessdorf Pferde und Vieh fortgetrieben nach Görlitz und
bei den dortigen Juden „Johannes, dem Schwiegersohne
von Jakob, Johannes, dem Schwiegersohne von Salomon
und dem kleinen Jakob" versetzt. Infolge dessen erliess
der Executor der Concilbeschlüsse für das Bisthum Meissen
an sämmtliche oberlausitzische Geistliche den Befehl, nicht
bloss die Räuber selbst, sondern auch jene Juden den cano-
nischen Satzungen gemäss zu admonier^n, dass sie den Raub
binnen vierzehn Tagen dem Kloster zurückerstatten soll-
ten, widrigenfalls allen Christen jeder Verkehr mit jenen
Juden bei Excommunication verboten werden würde.
1343 '^^) zahlten die Brüder Jan und Otto von GersdorfF
auf Radmeritz einem Görlitzer Juden Daniel vor Gericht
Geld ratenweise ab. Diese selben Brüder hatten aber
auch noch von dem Görlitzer Juden Jeckil 80 Schock
Groschen erborgt, welche dieser ihnen, wie er sagte, von
dem Liegnitzer Juden Hannus verschafft hatte, und zwar
»jedes Schock um einen Groschen die Woche zu Wucher"
(d. h. zu SG'/s Procent). Später war eine Abrechnung
erfolgt, so dass nur noch 40 Schock verblieben; aber
nach einiger Zeit waren dieselben infolge des Wucher-
zinses wieder auf 70 Schock angewachsen. Alles dies
heredum et successorum nostrorum — nomiüe et vice committimus,
cui'am sibi ausu temerario vendicaro. Köhler schreibt freilich (nach
einer ganz unzuverlässigen Abschrift in der „Oberlaus. Urk.Saninil.")
statt Judeorum ,,judiciorum", was gar nicht in die Construction passt;
schon Tzschoppe und Stenzel, Urk.- Samml. 5.31, dagegen richtig:
Judeorum. Und so blos und nicht anders kann auch die Abbreviatur
in dem allein noch erhaltenen Vidimus von 1424 im liathsarchiv zu
Görlitz aufgelöst werden. Das Verbot des Königs gilt den Land-
vögten, welche keinerlei Gewalt über die Juden haben sollten.
") Knothe, Gesch. des Eigenschen Kreises 66 fg.
**) Liber vocationum, proscriptionum, actitationum 1342. Mspt.
Görl. Blatt 70 b.
ßO Hermann Kiiothe:
bezeugten 1345^®) Richter und Schoppen dem Juden
Jeckil auf dessen Ansuchen „mit der Stadt heimlichen
Insigel" und trugen es auch in das Ladebuch ein.
N^amentHch liaben wir ausserdem während der ersten
Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts von Görlitzer Juden
noch erwähnt gefunden^") Simon imd Hanna, welche
(um 1309) einen Hof kaufen^ von Merkele, Katharine,
des Johannes Tochter, welche ein Haus verkauft (vor
1326), Friczko, der an Leo einen Hof abtritt (1338),
Isaak, welchem seine Brüder Jeckil und Noah ebenso
wie Melach ihre Höfe aufgeben, und der selbst einen Hof
an Daniel, einen anderen an Zharnak auflässt (1345, 1346).
Da sehen wir diese, wie es scheint, durchaus fried-
lichen und völlig geregelten Verhältnisse der Görlitzer
Judenschaft plötzlich aufgelöst. Mittels Urkunde vom
25. Juli 1350^*) schenkte Kaiser Karl IV., der damalige
Landesherr, auf Bitten seines Onkels, des Herzogs Wenzel
von Liegnitz, dem Apotheker Chunrad in Görlitz und
dessen Erben „die Synagoge der Juden zu Görlitz sammt
allem Zubehör, welche, wie bekannt, in diesen Tagen an
steine, des Kaisers, Kammer rechtmässig zurückgefallen
sei", und befahl dem Landvogte, sowie dem Bürgermeister
und Rathe, den Apotheker bei dieser Schenkung zu „manu-
teniren". Und beim Jahre 1352 enthält das Stadtbuch
die Notiz, dass Heincko von Bischofsdorf (d. h. Heinrich
von Gersdorff auf Bischdorf) den Judenkirchhof von Hans
Wicker gekauft habe. Beides deutet ohne Zweifel auf
eine (erste) Vertreibung der Juden aus Görlitz. Sollte
die Synagoge, an welcher doch die ganze Jiidengemeinde
Antheil hatte, nur durch den mibeerbten Tod irgend eines
Juden, als des Kaisers und Landesherrn„Kammerknechtes",
an diesen „zurückgefallen" sein? Und auch der Juden-
kirchhof gelangte 1352 durch Verkauf schon in die zweite
christliche Hand. Die ganze Judengemeinde muss also
aufgelöst worden sein. Weshalb imd wie, — Avir wissen
es nicht (die Stadtrechnungen beginnen erst mit dem Jahre
1376), können es aber wohl vermuthen auf Grund von
ähnlichen Vorgängen, die eben damals sich in anderen
Städten abspielten.
Eben in jenen Jahren wüthete bekanntlich durch
*«) Ebendas. Bl. 69b. Abgedruckt in Köhler, Cod. Lus. 370.
*') Vornehmlich im ältesten Stadtbuch.
*') Oberlausitzer Urk.-Verz. I, 57 No. 284.
Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 61
fast ganz Europa die fürchterliche Pest, „der schwarze
Tod". Die fanatischen Geissler predigten Busse, aber zu-
gleich auch Vertilgung der Ungläubigen. Fast aller Orten
beschuldigte man die Juden der Vergiftung der Brunnen.
So begann der Hass des armen Volkes gegen die reichen
Juden deren Verfolgung. Die Obrigkeit connivierte und
theilte sich mit dem Landesheri'n in deren Güter. So
geschah es im Jahre 1349 , um von entfernteren Städten
zu schweigen; in Breslau, Guhrau, Brieg, in Eger, in
Dresden und Meissen^^). So dürfte es auch in Görlitz
hergegangen sein. Die Anwesenheit von Geisslern auch
in Görlitz und in Bautzen wird wenigstens bei dem Jahre
1349 von den Chronisten berichtet^"). Ob die Juden in
Görlitz bloss vertrieben oder auch erschlagen worden seien,
erfahren wir nicht. Wir möchten nur das erstere annehmen.
In den Jahren 1351 bis 1359 '^O^ also immittelbar darauf,
Averden in den Breslauer Stadtrechnungen mehrfach die
Juden Aaron und Arnold von Görlitz, letzterer mit seiner
Schwester Ruth und einem Schulmeister (Hauslehrer), er-
wähnt, welche noch dazu eine ziemlich hohe Steuer er-
legten. Wir vcrmuthen, dass sich dieselben nach ihrer
Vertreibung aus Görlitz nach Breslau gewendet haben.
Darauf schweigen die einheimischen Quellen eine
lange Zeit gänzlich von Juden zu Görlitz. Und dennoch
hatten sich alsbald deren aufs neue dahin gewendet. 1389,
wo eine abermalige Verfolgung über sie hereinbrach, lebte
daselbst wieder eine respectable Anzahl, gab es wieder
eine Synagoge, einen Kirchhof, auch längst schon (1377)
eine eigene „Judenbadestube".
Diese zweite Vertreibung galt gar nicht dem Glauben,
sondern bloss dem Vermögen der Juden. Sie war wohl
vorbereitet und zwar von den sämmtliclien betreffenden
Behörden. König Wenzel von Böhmen hatte schon 1385
besonders in den freien Reichsstädten der Judenschaft
grosse Summen abgenommen**). Sein Bruder Joliann,
seit 1377 Herzog von Görlitz, war nicht minder geldbe-
dürftig als er und nicht minder unbedenklich in seinen
*') L. Oelsner, Schles. Urkunden zur Gesch. der Juden im
Mittelalter, im Archiv für Kunde Österreich. Gesch.-Quellen XXXI,
7.3 fgg. Pclzel, K. Karl, I, 305. Klemm, Chronik von Dresden I,
7?.. Cod. dipl. Sax. reg. II. 4, 25 vergl. 34.
»») Wilke, Chronik von Budissin 21. Grosser, Merkw. I, 77.
»') L. Oelsner a. ä. 0. 111. 11.3. 120. 127.
") Stobbe, Die Juden in Deutschland 134.
62 Hermann Knothe:
Mitteln. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass er sich
sowohl mit der Ritterschaft des Weichbildes, als mit dem
Rathe der Stadt Görlitz schon im voraus verständigt
hatte. Die dasigen Juden mochten ihr Schicksal ahnen
und suchten ihre Liegenschaften durch Verzichtleistung
an andere so gut als möglich zu sichern. „Sara judinne
hat aufgegeben ihr haus, das Smerlin gewest ist, Isag
Juden und danach gemeinlich allen Juden zu einer schule
erplichen (1388). Jeckil jude hat aufgegeben Peter Stein
Grebers garten." Ebenso giebt auch „Smoel jude einen
garten" auf (1389).
Da brach zum Osterfeste (18. April) des Jahres 1389
zu Prag eine blutige Judenverfolgung fast unter den
Augen König Wenzels aus. Er soll — gezürnt haben.
In der Woche nach Ostern begaben sich von Görlitz der
Bürgermeister Vincenz Eczel, der Rathsherr Jakob Sleife
und der Stadtschreiber in Begleitung von Abgeordneten
der Ritterschaft nach Prag „propter alienationem Judeo-
rum"^^). Das Ergebnis dieser Reise war unzweifelhaft
die Urkunde Herzog Johanns vom 30. April 1389**), in
welcher er erklärt, die Ritterschaft und Bürgerschaft von
Görlitz sei zu ihm gekommen und habe ihm nachgewiesen
grosse Schäden, die sie von seinen Juden in diesem Lande
merklich gehabt, und habe ihn gebeten, dass er sie fürder
von allen Juden befreien möge. Demzufolge begnadigt
er die Genannten, „dass von jetzt kein Jude noch Jüdin
in seinen Landen und seiner Stadt Görlitz ansässig sein
noch Wohnung haben solle in irgend einer Weise". Zu-
gleich bestimmte er vier Personen, „um die Güter der
Juden in Empfang zu nehmen" *^). Zwei davon, Ticze
von Sor (auf Sohra, nordöstlich von Görlitz) und Peschel
Schaff (^auf Horka), gehörten der Ritterschaft, jedenfalls
die beiden anderen dem Rathe an.
In der Stadt Görlitz herrschte grosse Freude. Man
sendete sofort Wagen mit Bier nach Prag an den Herzog
und an die Herzogin „pro honore", bald darauf auch
Geldgeschenke an den Kanzler, an Otto von Kittlitz, einen
anderen Hofbeamten des Herzogs, an Anshelm von Ronow,
den Landvogt von Görlitz „wegen verschiedener Förde-
**) Alles Folgende wesentlich nach den Görlitzer Rathsrech-
nnngen, Mspt.
»*) Urk.-Verz. I, 127 Nr. 628,
*') Et ibidem dominus noster dux quatuor constituit, quod bona
Judeorura reciperout.
Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 63
rungen". Man fragte sogar beim Herzog an, ob das be-
absichtigte Turnier in Görlitz noch stattfinden solle, was
doch voraussichtlich der Stadt viel Geld kosten musste,
ja man sendete abermals nach Prag, „um Gläubiger zu
bezahlen auf Befehl des Herzogs".
Was mit den Juden selbst, jedenfalls gleichzeitig,
geschehen sei, melden die Stadtreclmungen freilich nicht
mit klaren Worten; aber sie lassen es zwischen den Zeilen
lesen. Da werden mehrmals Adlige vom Lande durch
den Rath „geehrt mit Wein und Bier in captivitate Ju-
deorum". Man hatte also die Juden wahrscheinlich ein-
fach überfallen und gefangen gesetzt. Ihre Häuser waren,
wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, mit Beschlag
belegt worden. Anfang August ward ein reitender Bote
nach Prag zum Herzog geschickt „propter vituperium
Judeorum". Wahrscheinlich hatten dieselben Klage über
den Herzog erhoben, wohl bei der Herzogin Agnes von
Schweidnitz, welche stets den Juden möglichst gerecht zu
werden bemüht war und aus deren Lande die meisten
Görlitzer Juden stammten. Wenigstens sendete der Rath
sofort nach Ankunft von obigem Befehl des Herzogs einen
Boten nach Schweidnitz „mit einem Briefe des Herzogs
wegen der Juden". Gewiss sollte der Brief die verhängte
Verfolgung rechtfertigen oder entschuldigen. Auch später
gehen noch sehr häufig Boten an die Herzogin „propter
Judeos". Die Antwort Herzog Johanns auf die Beschwerde
der Juden bestand in einer zweiten Urkunde vom 9. August
1388^^), durch welche er der Stadt Görlitz erlaubt, „dass
sie, da (wo) etwa die Synagoge und Judenschule gewest
ist in der Langegasse, daselbst aus derselben mögen eine
Kapelle errichten und bauen zu Lob und Ehre des hei-
ligen Leichnams", für welchen Zweck er den Judenkirch-
hof „zu Hülfe giebt".
So war denn über die liegenden Gründe der bis-
herigen Judengemeinde zu Görlitz verfügt. Aber bei
allen derartigen Judenverfolgungen kam es den Landes-
herren ganz besonders auf die Schuldverschreibungen an,
welche sich in den Händen der Juden befanden. In
diesem Sinne glauben wir die vielen Boten verstehen zu
sollen, welche jetzt der Rath ausschickte, so nach Horka
und auf andere Dörfer „wegen der aussenstehenden Gelder
(debita) der Juden", ferner nach Bautzen „wegen des
«) Urk.-Verz. I, 128 Nr. 636.
64 Hermann Knothe :
Juden Simon und andrer Juden", nach Löwenberg „wegen
Baruch und andrer Juden". Im Laufe des Jahres 1390
Avar der Herzog Joliann mehrmals (Anfang Januar und
Mitte Juli) persönlich in Görlitz. Dabei dürften wohl
mündliche Bestimmungen über das confiscierte Vermögen
der Juden getroffen woi'den sein. Nur von demjenigen,
was die Bürgerschaft betrifft, erhalten wir nähere Kunde.
Uebrigens zog sich die definitive Entscheidung noch lange
hin. Wir wissen nicht, ob ein schon lange andauernder
Aufruhr der Handwerker gegen den Rath von Einfluss
auf diesen Aufschub, vielleicht sogar auf die ganze Juden-
verfolgung gewesen sei. Leider fehlen gerade aus der
Zeit unmittelbar nach 1390 die Rathsrechnungen.
Endlich im Jahre 1395 stellte Herzog Johann zu
Raudnitz zwei Urkunden in dieser Angelegenheit aus.
Mittels der einen bestimmte er abermals „die Judenschule,
genannt Synagoge, in seiner Stadt Görlitz zu Gottes
Dienste" und befahl, sie „zu einer Kirche und Kapelle
zu wenden und zu machen, Gotte zu Lobe und seiner
Mutter Marie", und zwar solle sie den „Namen des hei-
ligen Leichnams unsers Herrn Jesu Christi" tragen, die
beiden darin zu errichtenden Altäre aber St. Christo-
phorus und St. Barbara geweiht werden^'). Wir er-
blicken hierin nicht sowohl die Erneuerung der Schenkung
hinsichtlich der Synagoge, als vielmehr die der Verpflich-
tung zum Umbau derselben in eine Kapelle, womit es
der Rath gar nicht so eilig hatte. Die Synagoge war
längst abgebrochen. Schon im Frühling 1390 ward „den
Knechten, welche an der Synagoge arbeiteten", Lohn ge-
zahlt aus der Stadtkasse. Aber der Aufbau einer Kapelle
mit zwei Altären kostete viel Geld. So ist denn dieselbe
auch nie gebaut worden. Im Jahre 1396 starb Herzog
Johann von Görlitz. Der Platz in der Langengasse, wo
die Synagoge gestanden, blieb leer und heisst noch heute
„der Judenring''. — In der zweiten Urkunde vom 21. Sep-
tember 1395 wiederholte Herzog Johann, wie ihn die
Mannen des Landes und die Bürger der Stadt Görlitz
unterwiesen hätten, dass „von den Juden daselbst grosse
Schäden und Verderbniss seiner armen Leute geschehen
sei, davon sie merklich an ihren Gütern abgenommen
hätten und noch täglich abnähmen". Darum sei er mit
seinen Räthen übereingekommen und habe „der Stadt
") Ürk.-Verz. I, 139 Nr. 691.
Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 65
Görlitz ganz vollkommen Macht und Gewalt gegeben, mit
den Juden zu Görlitz zu thun und zu lassen, sie zu weisen,
nimmer dahin wohnhaftig zu kommen, und [d. h. oder]
von ihnen solche Sicherung zu nehmen, als sie es ihnen
und dem Lande nützlich erkennen, also doch, dass ihm,
dem Herzoge, zuvor ausgerichtet und bezahlt werde von
denselben Juden das Geld ganz und gar, das ihm, dem
Herzoge, bei ihnen werden mag und soU"^*), Hiermit
wurde also das absolute Aufenthaltsverbot von Juden aus
dem Jahre 1389 nicht wiederholt, sondern es ward in
das Ermessen des Rathes gestellt, ob dieser sie für immer
ausweisen oder unter gewissen Vorsichtsmassregeln auch
ferner zulassen wolle. Charakteristisch ist, dass jetzt wie
1389 das Aussaugesystem des jüdischen Wuchers von
Herzog, Rath und Mannschaft als gemeingefährlich und
als alleiniger Grund der Vertreibung hingestellt wird. Vor
allem aber behielt sich jetzt der Herzog vor, dass, wenn
Juden auch ferner in Görlitz behalten oder neu aufge-
nommen werden sollten, ihm selbst für alle die Jahre,
auf welche ihr Aufenthaltschein laute, die übliche Juden-
steuer an den Landesherrn praenumerando ausgezahlt
werde-
Im Jahre 1396 erfolgte nun endlich auch die defini-
tive Ueberweisung der seit 1389 mit Beschlag belegten
Judenhäuser, deren Besitzer entweder entflohen waren
oder vertrieben bleiben sollten. Dem Stadtbuche zufolge
gab Vincenz Heller, Bürger zu Görlitz und Gutsbesitzer
von Sercha „ von Seiten des Herzogs ", in dessen Namen
also die Häuser bisher confisciert gehalten worden waren,
auf: „David Juden Haus dem Niclos Bebirstein und
dessen Frau erblich, Jeckil Juden Haus an Peter Wayn-
knecht, ein andres Judenhaus an Nicol. OssindorfF erb-
lich, noch ein andres an Martin Lewfer, eins in der
Jüdengasse an Otto von der Besenicz, des Juden Isaac
Haus an Frenzel Ossindorff, endlich eins an den Pfarrer
Lorenz. Ebenso gab Claus Heller auf: Smoel Juden
Haus an Czachmann. „Judex bohemicalis hat aufgegeben
einen Hof ex parte domini Anshelmi [von Ronow, Land-
vogts von Görlitz] Niclos Hefenern." Vielleicht waren
die Gebrüder Heller die beiden schon 1389 vom Herzog
bestimmten bürgerlichen Mitglieder der Vierercoramission
zur Inempfangnahme der Judengüter. Auch der Land-
*') ürossei', Merkw. I, 100, Anmerk. s.
Neue» Archiv f. S. G. u. A. U. 1.
QQ Hermann Knothe:
vogt hatte und zwar schon früher seinen Antheil erhal-
ten; jetzt ward auch dem Pfarrer von Görlitz ein Haus
zutheil.
Ob und wieviel Juden damals noch in Görlitz ver-
blieben, wissen wir nicht. Zwar werden im Stadtbuch
(1411 und 1427) gelegentlich Häuser als j,in der neuen
Judengasse" gelegen erwähnt; wir glauben aber nicht,
dass dies eine nach 1396 angelegte, sondern die im
Gegensatze zu der vor dem Jahre 1350 so bezeichnete
war. 1401 ^®) ward ein Görlitzer Bürger vor Gericht
citiert „von Seiten Isaacs wegen Beleidigung"; aber wir
erfahren nicht, ob dieser Isaac ein Görlitzer Jude war.
Jedenfalls scheint seitdem der Adel des Görlitzer und
Zittauer Weichbildes Geld nicht mehr, wie bisher, bei
Juden in Görlitz, sondern in Liegnitz aufgenommen zu
haben. So z. B. „versetzten" (d. h. setzten als Bürgen)
1413*°) vier Adlige des Zittauer Gebietes drei Adlige
des Görlitzer „bei Ozar Juden von Liegnitz für 118
Schock" und gelobten, sie zu lösen oder einzureiten nach
Görlitz.
Im Jahre 1433 aber, mitten in den Nöthen des Hus-
sitenkrieges, empfand der Rath von Görlitz, dessen Finanzen
durch die ewigen Rüstungen, Feldzüge und Verluste ganz
erschöpft waren, aufs neue lebhaft das Bedürfiais nach
Juden in der eigenen Stadt. Er sendete daher den Stadt-
schreiber Laurentius Ehrenberg an Kaiser Siegmund, um
ihn unter anderem auch darum zu bitten, dass man wie-
der Juden aufnehmen dürfe. Der Stadt schreib er suchte
den Kaiser vergeblich in Italien und fand ihn endlich
beim Concil in Basel"*'). Und hier stellte denn Siegmund
den 27. November 1433*^) der Stadt Görlitz, da dieselbe
von den verdammten Ketzern zu Böhmen viele Jahre be-
kriegt und schwer beschädigt worden sei, sich aber gegen
ihn, den Kaiser, stets treu und beständig gehalten habe,
damit sie sich von den erlittenen Schäden desto besser
erholen möge, aus besonderer Gnade das Privilegium aus,
„dass dieselben Rathmannen und Bürger zu Görlitz zu
ihnen nehmen und in ihrer Stadt halten mögen zwölf oder
minder, wie ihnen das füglich sein wird, Juden mit ihren
'*) Liber III. vocationuni.
*") Ürk.-Verz. I, 177 Nr. 897. Bas Regest ist ungenau,
*') N. Script, rar. lus. I, 231 fgg.
") Urk.-Verz. II, 35 e.
Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 67
Weibern und Kindern, und die Rente, Steuer oder
Schätzung, die diese geben sollen, in ihre Hand und Ge-
walt nehmen und zu ihrer Stadt Nutz imd Frommen
wenden sollen und mögen" bis auf seinen, des Kaisers^
Widerruf. Der Kaiser verzichtete also auf den ihm zu-
stehenden Judenzins zu Gunsten der Stadtkasse.
Dies war also nun das dritte Mal, dass Juden nach
Görlitz berufen werden sollten. Ob sich welche gefunden
haben, wissen wir nicht, zweifeln daran aber nicht. Doch
nur bis hierher reichen unsere Forschungen darüber.
5*
III.
Zur Geschichte des Frauenhauses in Altenburg.
Nach archivalischen Quellen.
Von
M. J. Meissner.
Der interessante Aufsatz von Posern - Klett über:
„ Frauenhäuser und freie Frauen in Sachsen " *) veran-
lasste uns zu Nachforschungen darüber, ob auch in Alten-
burg in vorlutherischer Zeit ein Frauenhaus vorhanden
gewesen sei, worauf der Name der sogenannten Frauen-
gasse hindeutete. Freilich fanden sich aus leicht begreif-
lichen Gründen nur unbedeutende Spuren, wenige Posten
in den Altenburger Stadtrechnungen, aus denen sich j edoch,
weil sie nach der Sitte damaliger Zeit mit Bemerkungen
begleitet sind, manche für die Sache nicht unerhebliche
Schlussfolgerungen ziehen lassen.
Wie in den meisten Städten, war auch das hiesige
Frauenhaus in einem der kleinen, gegen die Stadtmauer
ausmündenden Gässchen erbaut; es lag in der noch jetzt,
wie erwähnt, „Frauengasse" benannten Strasse, unweit
der sogenannten Bergpforte ^), und zwar zwischen dieser
und dem Burgthore.
') V. Webers Archiv für die sächsische Geschichte XII, 63 fgg.
*) Bei Gelegenheit verschiedener Bauten an den Mauerthürmen
bei der Berg- und Mühlpforte 1494 wird erM'ähnt, dass am Thürm-
lein der ßergpforte, dann von der Stadtmauer von „bemelten törm-
M. J. Meissner: Zur Geschichte des Frauenhauses in Altenburg. 69
Die erste Erwälmung des Hauses findet sich in der
ältesten Stadtrechnung auf 1437/38, in welcher es, zugleich
einen Schluss auf die Cxrösse des Hauses gestattend, heisst:
„Item XIX Gr. Cronemeistern vor fünf Kacheloflfen nuwe
zcu machen mit namen in dem Frauenhuze." Geht schon
aus diesem Posten hervor, dass das Frauenhaus auf Stadt-
kosten in baulichem Stande erhalten wurde, sonach aber
wohl unzweifelhaft in städtischem Eigenthume sich befand,
so wird diese Annahme zur Gewissheit, wenn man die
weiteren bezüglichen Notizen der Stadtrechnungen in Be-
tracht zieht. So wurden 1443 und 1448 aus der Stadtkasse
verschiedene Ofenausbesserungen für das Frauenhaus be-
zahlt imd zwei Fenster gemacht „in das Frouwenhuss der
nuwen Frouwen", und weiter heisst es in der Rechnung
auf 1444/45: „IX Gr. Jhenichen topfFer zcu machen den
offen den fryhen Frouwen."
Die auf Stadtkosten vorgenommenen Reparaturen
dauern fort und erscheinen in den Rechnungen, bis das
Haus selbst abgebrochen wurde. Insbesondere sind Bau-
aufwände verzeichnet in den Rechnungen auf die Jahre
1458/59, 1465/66, 1475/76, 1500/01, 1506/07, 1509/10,
151011 und 1518/19, für das „Freyenhawss" oder später
„Hurhawss"; in der Stadtrechnung auf 1455/56 wird be-
merkt: „Item I Gr. X Heller servo der daz Frauwin-
Hüssichin kleibete" und in der Rechnung auf das Jahr
1448/49: „1 Gr. VI Heller vor III breth in den Rotenschilt" ;
so ist nämlich das Haus in den Rechnungen wiederholt
zubenannt. Anderwärts, namentlich im Würzburger Frauen-
hause „zum Esel", hatten die Wirthe das Haus in bau-
lichem Zustande zu erhalten und das ihnen überwiesene
Hausinventar, darunter auch die Betten, in Würzburg
deren 9, zur Zeit ihres Abzuges wieder abzuliefern. ^)
An Einnahmen aus dem Frauenhause oder, wie es
in der Rechnung auf 1459/60 heisst, „Rotschilt sew Lu-
panar" kommt in der ältesten Stadtrechnung auf 1437/38
unter der nurerwähnten Rubrik eine Abgabe vor, welche
jeden Montag mit 2 Groschen einging. In der Stadt-
rechnung auf 1442/43 ist diese Abgabe zuerst verschieden;
lein an biss zum hoben törmlein hinderm FraivenJmse gegen Waltzar
Tischer über gebawt worden" sei (Stadtrechnung 1493/94). In der
Stadtrechnung 1502/3 findet sich eine Reparatur an einem Thurme
hinter dem Frauenhause unweit des Burgthores.
*) Yergl. Vulpius, Curiositäten IX, 5, 401.
70 M. J. Meissner;
sie ging da nur vierzelinmal ein und zwar in Beträgen
von 1 Gr. 12 Pf. bis zu 2 Gr. Im Jahre 1449 erscheinen
in der Rechnung Beträge von 1 Gr. 6 Pf. bis zu 2 Gr.
12 Pf., zusammen in erwähntem Jahre 1 Schock 6 Gr.
6 Pf. Nachdem die Einnahme aus dem „Rotschilte" in
den Jahren 1455/56 sehr wenig betragen hatte, ist sie in
den Rechnungen auf 1458/59 in Posten von je 3 Gr.
12 Hllr., 1462/63 in sieben Posten, zusammen mit 48 Gr.,
1464/65 mit zusammen 28 Gr., 1469/70 wieder mit nur
10 Gr. aufgeführt, in letzterer Rechnung mit dem Zu-
sätze: „da es oft vaciret". Von 1475/76 steigen wieder die
Gefälle von dem Hause, welche nach der Rechnung die
„Wirthin" einzahlte. Im Jahre 1479/80 erliielt der Rath
aus dem Frauenhause oder „Lupinar" 1 Schock 30 Gr.
Im Jahre 1499/1500 findet sich die Einnahme: „1 Schock
VI Gr. Rotenschiltzcynsse gibt eine Woche II Gr. (XLIIII
Wochen, das ander wüste gelegen)." In den Rechnungs-
jahren 1501/02 und 1502/03 wird ein wöchentlicher Zins von
IV» Gr. vom „Rotenschilte" verzeichnet, 1505/06 ist der
Ertrag nur 15 Gr. und heisst es dabei, dass er „viel
wüste gelegen". Weiterhin wird die Einnahme noch un-
sicherer. 1512/13 finden sich nur 22 Gr., 1514/15, 1515/16
und 1517/18 kommt bei der Rubrik „Rotenschilt" kein
bestimmter wöchentlicher Zins, sondern nur je ein ganz
kleiner Betrag vor mit dem missvergnügten Zusätze: „was
man gehaben kann". Auch in der Rechnung 1519/20
findet sich die letztere Bemerkmig und zwar bei einem
Einnahmebetrag von 30 Gr. 6 Pf.
In den Jahren 1520/21 bis 1524/25 wurde nichts ver-
einnahmt, und es dürfte hiernach der Besuch des Hauses
sein Ende erreicht haben.
Die besten Einnahmen in der letzten Zeit des Be-
stehens des Hauses scheinen noch zum Jahrmarkt und
zum Ablass vorgekommen zu sein. In der Stadtrechnung
auf das Jahr 1513/14 wird dies besonders bemerkt und
angegeben, dass zum Jahrmarkt 3 Gr., zum „appelas"
5 Gr., ausserdem aber nur 5 Gr. eingegangen seien.
Während des Ablasses scheint es besonders lebhaft und
tumultuarisch in der Stadt hergegangen zu sein, denn der
Rath war zu den betreffenden Zeiten, wie es in der Rech-
nung auf 1519/20 heisst, „auffrur zcu vorhuthen", auf dem
Rathhause in der „Kavete" versammelt, wie denn bei
diesen Gelegenheiten Bürger im Harnisch bereit stehen
und die Bierschröter, wahrscheinlich schon damals be-
n
Zur Geschichte des Fraueiihauses in. Altenburg. 71
sonders kräftige Leute, in der Nacht Wache halten
mussten. *)
Wie auch anderwärts, war das Altenburger Frauen-
haus der Aufsicht und dem Unternehmungsgeiste eines
Wirthes oder einer Wirthin — Meisterin — gegen die
obenerwähnten Abgaben unterstellt. In der Rechnung
auf 1498/99 ist eines „Hurenwirtts" gedacht, und in der-
jenigen auf 1447/48 wird der wöchentliche Zins unter der
Eubrik Rotschilt mit den Worten verzeichnet: „1 Gr.
6 Hllr. die nuwe wertynne", 1448/49 wird angemerkt:
Item II Gr. VII Hllr. vor I slos in Frauwenhusse vor der
wertynne kamere" und 1471/72: „Frauwenhauss. Item
XLIII Gr. aus dem rotenschilt über das das ST/e darinne
verbuwet hat."
Obgleich bisher keine Frauenhausordnung für Sachsen
gefunden worden ist, so unterliegt es doch keinem Zweifel,
dass in Altenburg, wie anderwärts in Sachsen, für den
Wirth oder die Wirthin und die Bewohnerinnen des
Hauses gewisse Verpflichtungen bestanden, denen aber
auch wieder bestimmte Rechte entsprochen haben dürften.
Nach Gemeiners Regensburger Chronik*) hat sich
von einigen Frauenwirthen, so von Hans Krausshärl von
Leipzig, ein Revers erhalten, worin sich derselbe unter
anderem verschreibt: „alle Samstag, mit Ausnahme des
Palm- und Osterabends, 60 Pfennige Zins zu verabreichen,
böse Leute über Nacht nicht zu behalten, der Stadt Diener
jedesmal ohne Widerrede einzulassen und die Leute nicht
zu verbergen, niemanden ein Spiel spielen zu lassen, das
er nicht zu verantworten wüsste, niemanden zu den hei-
ligen Zeiten, nämlich an den Samstagen unserer Lieb-
frauen, der Zwölfboten und in keinen heiligen Nächten
bei den Frauen liegen zu lassen, noch dieselben an Sonn-
tagen von der Messe abzuhalten; wenn ihm junge Dirnen
oder Frauen zugebracht würden, die frommer Leute
Kinder wären, dieselben nicht in das Haus zu kaufen,
noch ein mehreres auf sie zu leihen, als drei Schilling
Pfennig" u. s. w.
Aehnliche Verpflichtungen haben nach den vorhan-
denen Notizen auch bezüglich des Altenburger Frauen-
hauses bestanden.
*) Stadtrechuungeii auf die Jahre 1513/14, 1514/15, 1516/17,
1518/19.
") Vergl. Scheiblo, Das Kloster VT, 488 fgg.
72 M. J. Meissner:
So war den Dirnen eine Beschränkung in ihrer Klei-
dung auferlegt. Dieselbe musste sich auf irgend eine in
die Augen fallende Weise von derjenigen ehrbarer Frauen
unterscheiden; es findet sich hierfür insofern ein Nachweis,
als es auf Seite 5 eines Gerichts- und Handelsbuches des
Altenburger Rathes auf die Jahre 1433 bis 1478 heisst:
„Item die genanten frouwichin und die czuchtigeryen
die sollen alle tage tegelichen, wenn sie usgehn, gehele
leppichen uf den sleyer tragen." ^)
Es mag hier eingeschaltet werden, dass es vielfach
im Mittelalter hergebracht war, Seiten des Rathes der
Städte gefallenen Mädchen einen Schleier zuzuschicken. ')
Auch in Altenburg findet sich dieser Brauch. So heisst
es in der Rechnung auf die Jahre 1465/66: „Item II Gr.
VI mir. Langenmertyns maid für einen sleyer zum nuwen
jare das sie nicht dorfFte barhoitig gehen." Aehnliche
Einträge finden sich in den Rechnungen auf 1513/14 und
1523/24.
Die anderwärts, z. B. in Nürnberg, vorkommende
Bestimmung, dass Priester, Ehemänner und Juden in den
Frauenhäusern des Mittelalters nicht eingelassen werden
durften, scheint wenigstens bezüglich der ersteren, so be-
quem auch das Haus für die Insassen des Klosters unserer
lieben Frau auf dem Berge lag, denn unweit desselben
mündete der heute noch „Mönchsgässchen" geheissene
Treppenweg zu jenem Kloster, nach der Bemerkung:
„Item I Gr. IUI Hllr. vortrungkin, alz man den monck
fing by nacht in dem Frouwenhusse quinta post epiphania
domini" (Stadt- Rechnung auf das Jahr 1441/42), auch in
Altenburg gegolten zu haben.
Hier ist jener Bulle *) des Papstes Sixtus IV. vom
10. April 1480 zu gedenken, welche die frühere Exemtion
der Dechanten des Georgen Stiftes auf dem Schlosse zu
Altenburg von aller Gerichtsbarkeit auch auf die seit der
Gründung des Stiftes bis dahin erworbenen Lehnsleute
und Unterthanen ausdehnte und allem Anschein nach*)
durch den Competeuzconflict veranlasst worden war, in
welchen der pleissnische Archidiakon Nicolaus von Ert-
*) Ebenso sollen sie in Leipzig „einen grossen gelen läppen
tragen, der eins grosschen breit ist". Cod. dipl. Sax. reg. II, 8, 293.
') Posern-Klett a. a. 0. 84 fgg.
*) Vergl. Mittheilungen der Geschichts- u. Alterthumsforscheu-
den Gesellschaft des Osterlandes zu Altenburg I, 90 fgg.
') Vergl. Lobe in denselben Mittheilungen II, 285 fgg.
Zur Geschichte des Fraueuhauses in Altenburg. 73
raarsdorfF mit dem Georgenstift wegen der Gerichtsbar-
keit über dessen Mitglieder namentlich um deswillen ge-
rieth, weil er den Domherrn Georg Schurzauf, ersten
Dechanten des Stiftes, wegen des Besuchs des öffentlichen
Frauenhauses in Altenburg vor sein Gericht nach Naum-
burg oder vor seinen Dechanten Kilian in Altenburg citiert
hatte, wogegen Schurzauf und das Capitel auf die Ex-
emtion von aller Gerichtsbarkeit sich beriefen.
Ertraarsdorff schreibt zu seiner Vertheidigung —
das Capitel hatte sich beschwerend an die Kurfürstin
Margare the, diese an Herzog Wilhelm in Weimar, dieser
an den Bischof zu Naumburg gewendet — „er habe dem
Probst, Techant und Capitel ihre Exemtion nicht verletzen
wollen" ; allein — fährt er fort — «von gots wegen und
der kirche Numburg bin ich ein archydiakon jn der stat
zu Aldenburck vnd so weyt mir das zusteht, ist mir vor-
komen, wy eyn cappellan gnannt Jorge SchorczufF sie
in derselbigen stat Aldenburck an unczemlichen steten,
do ich zcu stroffen habe, geistlichen gewest, mit czuchten
vor uwr gnaden zcu vorluten, in dem offenbar Frauwen-
huss" und fügt hinzu: „dohyn an solche unerliche stete
zcu gehin. und zcu legin bebistliche exemcion nymandt
erloubt, auch so sie exeuipt weren".
Die oben bemerkte Beschränkung des Besuchs des
Frauenhauses an gewissen Tagen hat auch in Altenburg
bestanden, denn es findet sich in der Stadtrechnung auf
das Jahr 1442/43 der Eintrag im Kapitel „Bussen": „Fry-
dangk LIX Gr., er lag in dem guten Fritag in dem Hur-
huss." Ob die Notiz in derselben Stadtrechnung: „Item
X Gr. dedit Kriwiczsch, er hatte bie eyner süberlichen
Frawen gelegen in dem Hüssichin", darauf bezogen werden
kann, dass den verheiratheten Frauen ebenso wie den
Ehemännern der Aufenthalt im Frauenhause untersagt
gewesen sei, mag dahingestellt bleiben.
Fast allgemein wurden Stadtkinder zu Frauenwirthen
oder -wirthinnen nicht angenommen, ebensowenig fanden
aus dein Orte gebürtige Mädchen Aufnahme. Ob dies
in der Stadt Altenburg der Fall gewesen, hat sich bei
der Dürftigkeit der vorhandenen Nachrichten nicht mit
Bestimmtheit ermitteln lassen; doch möchte für die gleiche
Annahme sprechen, dass in der Rechnung auf das Jahr
1491/92 erwähnt wird, es seien vier Wirthinnen, ohne den
Zins voll gegeben zu haben, ohne Wissen des Rathes fort-
gegangen; dafür spricht ferner, dass in dem einzigen
74 M. J. Meissner:
Falle, in welchem eine Bewohnerin des Franenhauses in
den Rechnungen erwähnt wird, sich deren Heiraathsort
„Katherina von Glauchaw" bemerkt findet.
Unter den Rechten, welche im Mittelalter den Frauen
der hier besprochenen Gattung und den Frauenhäusern
gewährt gewesen zu sein scheinen, sind nach den vor-
handenen Quellen insbesondere zu erwähnen die Befug-
nisse, eigene Zünfte zu bilden, öifentliche Umgänge zu
halten, bei sogenannten Rathsmahlzeiten und öffentlichen
Bällen mit Blumensträussen , welche früher ein auszeich-
nendes, den Mann herausforderndes Attribut der Freuden-
mädchen waren, zu erscheinen, endlich den sogenannten
„heimlichen Frauen^' verbieten zu lassen, ihr Gewerbe auf
eigene Hand zu betreiben.
In letzterer Beziehung finden wir in den Stadtrech-
nungen unter dem Capitel „Bussen" Spuren einer ähn-
lichen Berechtigung; es heisst nämlich da, es sei einer
gestraft worden, weil er Hurerei in seinem Hause gestattet
habe'"), ein Bürger habe 5 Gr. büssen müssen, weil er
in seinem Hause „Hurenvolk gehausset" und „Puberey"
gestattet habe. ' ') Ferner wurde einer um 30 Gr. ge-
straft „von wegen des Hurmeidichens, so er gebraucht
hatt", imd Matthias Winkler hatte X Gr. zu entrichten
„des unlusts halben, so die jungen Gesellen in seym
Hause mit dem Leyptzschen Hurmeidlein begangen".
Noch erwähnen wir für Altenburg einer gewissen Be-
rechtigung der Dirnen, bei Rathsmahlzeiten und Hoch-
zeiten einen Antheil zu erhalten, in folgendem Eintrag,
welcher sich auf Seite 5 des obengedachten Gerichts- und
Handelsbuches findet: „Auch ist bethingit vor allen dryen
reten, dass die gehenden Frau wen nicht mehr zu essen
holen sollen zcu keynen herrenessen noch zcu hochzeiten,
und wer yn darabir das gebe, der sulle der stat eynen
halben gülden geben."
Die Frauenhäuser des Mittelalters gehörten zu den
besonders „befriedeten" Orten. Es werden daher nicht
selten nach den in den Stadtreclmungen unter den Rubri-
ken „Unfugeu, Bussen, Ansprachen" befindlichen Notizen
auch im Altenburger Frauenhause vorgekommene Schläge-
reien, Körperverletzungen und grobe Excesse streng ge-
ahndet. So heisst es z. B.: „VUII Gr. ein schuknecht von
»«) Stadtrechnuug 1499/1500.
") Stadtrechuung 1502/3.
Zur Geschichte des Frauenhauses in Altenburg. 75
Penik in dem Frawenliuse gefrevuilt"; **) „I Schock XV Gr.
Jiirge Koch die wertynne im Frouwenhuse geslagen"*');
„item X Gr. Michil Dornbach im Frawenhuse gefrevilt".'*)
Nach der Rechnung auf das Jahr 1473/74 wurde einer
um 30 Gr. gestraft, weil er im Frauenhause gefrevelt
hatte, andere um 10 Gr., weil sie an dem Hause eine
Bierstange ausgesteckt hatten, und in der Rechnung auf
1476/77 heisst es: „Item X Gr. nuwe muntze von Glorius
Gentzsch ein fryen frowen über vorboth des Richters ge-
slogen unnde gestossen." Weiter wurde 1488/89 ein
Bäckergesell um 8 Gr. gestraft, weil er in dem „fryhen
Hawsse unvernunfft geubet", 1504/05 einer um 15 Gr.,
weil er in der Weinstube gefrevelt und eine freie Frau
im Rotschild geschlagen hatte, eine Notiz, welche vielleicht
als Beleg dafür anzusehen ist, dass auch mit dem Alten-
burger Frauenhause, wie anderwärts, Weinschank verbun-
den war. Endlich findet sich unter den Einnahmen aus
Unfugen in der Rechnung auf das Jahr 1481/82, dass elf
Bürgerssöhne um je 6 Gr. gestraft wurden, weil sie das
„freye Hawss" gestürmet und davor Unfug mit mannich-
faltigem Geschrei getrieben hatten.
Aber auch von den Bewohnerinnen des Hauses geben
die kurzen Bemerkungen der Rechnungen einige Belege,
dass sie nicht allein der duldende Theil Maaren. Im Jahre
1493 rausste die Wirthin, hospita genannt, zum rothen
Schilde, Anna Botticher, nachdem sie im Gefängnis ge-
sessen, „Urfride" schwören und die Stadt so lange ver-
lassen, bis sie dem Rathe ein halbes Schock Busse gezahlt
hatte, weil sie einen fremden Kürschnergesellen gestochen
hatte, und ebenso musste die oben schon genannte Katha-
rina von Glauchau Urfriede schwören, nachdem sie in der
Stadt Gefängnis gesessen, weil sie Joste Plettener ein
Tuch entfremdet hatte **).
Die Stadtrechnungen enthalten noch folgende wenige,
das Frauenhaus betreffende Notizen, welche über die Ver-
hältnisse, in welchen seine Bewohnerinnen lebten, noch
einiges, wenn auch spärliches Licht verbreiten.
Es heisst in der Stadtrechnung auf das Jahr 1441/42 :
„Item I Gr. der nuwen meisteryn'") zcu vortringkin, alz
") Stadtrechnung von 1462/G3.
'*) Stadtrechnung von 1464/65.
'*) Stadtrechnung von 1465/66.
'*) Stadtrechnung von 1493/94.
") d. i. Hebamme.
76 M. J. Meissuer: Zur Geschichte des Frauenhauses iu Altenburg.
man sy uffnam in dem Frouwenhusse vnd da sy das kind
brachte, daz eyne Frouwe lis legin." „Item I Gr. den
Frouwen zcu uortringkin, alz abir das kind vor den rat
brachten." „Item I Gr. VI HUr. der Frouwen, dy das
kind uff nam zcu zcihin."
In derselben Rechnung steht: „Item I Gr. der
frouwen zcu vortringkin in dem Huse, alzi uff zcouch in
den ßotenschilt "; und bei einem Baue am Frauenhause
heisst es einige Jahre später: „VII Heller den Frauwen,
daz sy die schindel langitten, zcu vortringkin."
Obwohl nach den bis zum Jahre 1518/19 in den
Stadtrechnungen verzeichneten Bauaufwänden der Rath
nicht gesonnen gewesen zu sein scheint, das Rothschild,
welches neben den Badstuben, der Wage, dem Marstall,
den Thorhäusern, der Garküche, dem Ziegelofen, den
Hirtenhäusern, der Büttelei, der Henkerei fort und fort
unter den städtischen Gebäuden in den städtischen Rech-
nungen fortgeführt wird, eingehen zu lassen, wm'de das-
selbe doch und zwar mit einem Aufwände von VH Gr.
1524/25 gänzlich abgebrochen. Wahrscheinlich fand es
gleich den anderen Fraueuhäusern Sachsens sein uner-
wartetes Ende durch das Eifern der Reformatoren, ins-
besondere Luthers, welcher wiederholt und in der heftig-
sten Weise gegen das Diüden der Frauenhäuser in Schrift
und Wort auftrat.
IV.
Ein fliegendes Blatt über den Antheil der säch-
sischen Armee an der Schlacht am Ealen-
berge bei dem Entsätze von Wien im Jahre
1683.
Mitgetheilt von
£. Joachim.
In Raumers Historiscliem Tasclienbuche, neue Folge,
Jahrgang 9 (1848) findet man einen vortrefflichen Auf-
satz über „Churfürst Johann Georg III. bei dem Entsätze
von Wien im Jahre 1683", eine durchsichtig-klare Dar-
stellung nach gleichzeitigen archivalischen und anderen
Quellen. Man kann sich aber bei dessen Leetüre leider
des Wunsches nicht entschlagen, dass die Schilderung
der Schlacht selbst ausführlicher sein möchte. Nament-
lich wird die Thätigkeit des sächsischen Contingents an
jenem ruhmreichen Tage, dem 12. September 1683, wenig
erschöpfend behandelt. Es wird daher manchem nicht
unerwünscht sein, von einem Flugblatte Kenntnis zu ge-
winnen, welches einen durchaus reichhaltigen und aus-
führlichen Bericht über den Anthcil der sächsischen Ai'mee
am Kalenberger Tage giebt/) Diese Quelle scheint dem
Autor des Artikels in dem Historischen Taschenbuche
') Dieses Flugblatt hat sich erhalten unter den Beständen des
Staatsarchivs zu Idstein (Extranea, Sachsen), Druck ohne Angabe
des Orts.
78 E- Joachim:
nicht vorgelegen zu haben*): denn sonst hätte ihn ja
nichts gehindert, einen genügenden Schlachtbericht zu
liefern. Doch stimmt die Darstellung an beiden Orten
im wesentlichen überein, ein Beweis dafür, dass die
Nachrichten des Flugblattes genau und getreu sind, da
sie dem Vergleiche mit den anderen Quellen, welche dem
Aufsatze des Taschenbuches zu Grunde liegen, sehr wohl
stand halten.
Die Schilderung des fliegenden Blattes hat, wie in
der Einleitung bemerkt wird, den Zweck, die Bravour
und die Verdienste der Sachsen am Gelingen des Be-
freiungswerkes in das richtige Licht zu setzen, da die
von den anderen mitbetheiligten Mächten kundgegebenen
Berichte in dieser Hinsicht die wünschenswerthe Unpartei-
lichkeit vermissen Hessen. Es ist daher eine Parteischrift,
jedoch keineswegs eine einseitig-falsche, sondern eine, wie
hervorgehoben werden muss, unbefangene, ruhig und ob-
jectiv gehaltene. Die Schilderung ist weit entfernt davon,
die Sachsen etwa auf Kosten der anderen Waffen-
genossen besonders herauszustreichen. Und nur einer
von den letzteren ist es, auf welchen ein ungünstiges Streif-
licht fällt: der Fürst von Waldeck, dessen Verhalten den
Sachsen gegenüber, falls das Flugblatt recht berichtet
(und auch der Aufsatz im Taschenbuch meldet ähnliches),
auch in der That wenig waffenbrüderlich sich zeigte.
Diese Haltung des Fürsten von Waldeck während
der Schlacht, welche den Sachsen hätte übel bekommen
können, mag vielleicht einer von den verschiedenen Grün-
den gewesen sein, von denen Johann Georg sich bewegen
Hess, wie im Unmuth, ohne Abschied von den Waffen-
gefährten, mit kühlen Worten schriftlich bei dem hoch-
fahrenden, undankbaren Kaiser sich mit „ zugestossener
Unpässlichkeit " entschuldigend, schon am 16. September
den Rückmarsch anzutreten. Hatte er doch auch, gleich
den anderen Befreiern Wiens, Sobiesky keineswegs aus-
genommen, bei dem aus der dringendsten Gefahr befreiten
Kaiser statt des gebührenden Dankes nur ein „stolzes,
frostiges, theilnahmloses Wesen" finden müssen, hatte er
bei diesem doch nicht einmal Erhörung der gewiss nicht
*) Das Wort des Herzogs von Lothringen: „Allons marchons"
wird in das Hist. Taschenbuch aus einer anderen Quelle genommen
sein, da die dasselbe motivierenden Worte des Feldmarschalls
V. d. Goltz hier, obwohl dem Sinne nach dieselben, anders und
ausführlicher als im Flugblatte wiedergegeben werden.
Antheil der sächs. Armee an der Schlacht am Kaienberge. 79
unbescheidenen Bitte um Anstellung eines ihm verwandten
Prinzen im kaiserlichen Heere zu finden vermocht. Ja
es erwuchsen ihm noch nachträglich Unannehmlichkeiten,
da später der Kaiser lebhafte, so viel man zu sehen ver-
mag, wenig begründete, Beschwerden wegen des Verhal-
tens der sächsischen Truppen auf dem Rückmarsche durch
die kaiserlichen Lande erhob. Nichts als Verstimmung
und Aerger war also der Lohn, welchen dieser Reichs-
fiirst für seine energische Hilfeleistung vom Hause Habs-
burg davontrug. Wenn man dies in Erwägung nimmt,
so muss man sich wundern, dass die uns vorliegende Flug-
schrift so ruhig und leidenschaftslos gehalten ist. Und
doch ist sie offenbar — wenn man so sagen darf —
officiösen Charakters. Sie erweckt auf den ersten Blick
den Eindruck einer aktenmässigen, in massgebenden Krei-
sen entstandenen Darstellung. Und um so mehr müssen
wir deren Unparteilichkeit rühmen, deren sie sich bei
allem Hervorheben der anerkennenswerthen Leistungen
der sächsischen Truppen befleissigt. Wer möchte ferner
in Abrede stellen, dass die ganze Darstellung von einem
Augenzeugen, und zwar einem militärischen Fachmanne
herrühre? Und darum verdient dieses fliegende Blatt
gewiss, aus der Vergessenheit ans Tageslicht gezogen zu
werden.
Freilich bliebe auch ohne dies die Schlacht am Kaien-
berge ein unverwelkliches Blatt in dem blühenden Kranze
sächsischer Waffenehre.
Eelation von der Victoria der Christen, so sie bey
Entsatz der Stadt Wien gegen die Türeken erhalten.
1683.
Nachdem unterschiedene Relationes von der Victorie der
Christen, so sie bey Entsetzung der Stadt Wien über die Türckeu
erhalten, aller Orten ausgegeben worden, darinnen die Gazettiers
den grössern Theil derselben denenjenigen zugeeignet, auff welche
fast nichts von dem Feinde gekommen, hingegen die Sachsen, die
das ihrige rühmlich darzu contribuiret, dergestalt mit Stillschweigen
übergangen, als wenn gar keiner von ihnen darbey gewesen, da
doch S. Churfürstl. Durchlaucht zu Sachsen etc. einen so ansehU'
gO E. Joachim:
liehen Succurs selbst in Person zu- und angeführet, so hat man der
Billigkeit zu seyn erachtet, der Wahrheit zu Steuer folgende Nach-
richt der Welt mitzutheilen , in welcher alle die Particularia, so
nicht minder zu grossem Ruhm der Sachsen gereichen würden, nicht
berühret, sondern nur dasjenige, was von allen unpartheyischen
Zuschauern gesehen, bemercket und zugestanden ist, angeführet
werden soll.
Ist demnach anfänglich zu wissen, dass Se. Churfl. Durchl. zu
Sachsen sich mit Dero Armee eifective 11000 Mann starck in 6 Regi-
mentern zu Fuss, 4 zu Pferde und 1 Regiment Dragoner samt 1 Com-
pagnie Grenadiers und Sr. Churfarstl. Durchl. Leib-Garde zu Ross,
wie dann auch mit einer wohlmontirten Feld-Artillerie den 8. Sept.
st. n. mit denen bey Thul stehenden Kayserl. , König!. Polnischer,
auch anderer Alliirten Armeen conjungiret, worauf noch selbigen
Tages die Battaille aufgesetzt worden, die Kayserl. und Sächsische
Infanterie, an den Sächsischen die Fränckischen und an dieser die
Bayrische sich schlösse, und zusammen das gantze Corps de Battaille
machten; den rechten Flügel machten die Polen neben einigen
Kayserlichen und andern Alliirten Esqvadronen. Die gantze Battaille
ist in 3 hinter einander stehenden Linien bestanden und hat die
Sächsische Infanterie in der ersten Linie 6 Battaillons, in der andern
4 und in der dritten 2 stehende gehabt. Folgenden Tag ist die
gantze Armee von Thul aufgebrochen und hat sich an dem Wieni-
schen Wald gesetzet. Den 10. Sept. avancirte die Infanterie das
Gebirge obigen Waldes, die Sächsische nahm die Route der engen
Passage, so zwischen den Bergen und der Donau lieget, wendete
sich endlich auf die rechte Hand in das Gebürge und erstieg den
Berg, welcher nechst an dem Kaienberge lieget; die Kayserlichen
und übrige Infanterie blieben unten im Thale, so hinter diesem
Berge läge, die Cavallerie ingesamt nahm ihren March hinter der
Infanterie und war desswegen noch zurücke, ausserhalb einige Dra-
goner, so sich auf den Berg postiret hatten. Es befanden sich auf
gemeklten Berge auch der König in Polen selbst und der meiste
Theil der Generals, um daselbst alles wol zu recognosciren und in
Augenschein zu nehmen. Weil man nun dazumahl vermeinet, dass
der Feind sich auf dem Kaienberg postiret, gestalt auf selbigen sich
frühe starcke Trouppen sehen liessen, und in dem vorstehenden
Thale sich auch verdeckt hielte, so befahlen Se. Königl. Majest. aus
Polen, auf einen Felsen gegen dem Grunde zu und wovon mau den
Thal in etwas entdecken kunte eine Wache von seiner Heyducken-
Garde zu setzen, ersuchten auch Se. Churturstl. Durchl. zu Sachsen etc.
einige Battaillons den Berg hinunter avauciren zu lassen, damit,
wenn der Feind seine Wache angreiüen und repousiren möchte, sie
sich auf dieselben retiriren und davon souteniret werden könten.
Worauf dann der Sächsischen Infanterie erste Linie begehrter raassen
fortgerücket und sich gegen dem Grunde postiret, es lieff aber in
der darauf folgenden Nacht nichts vor. Mit anbrechenden Tage,
welcher war der l./ll. Sept., marchirete die gantze Infanterie den
Kalenbcrg zu, da sie dann ein sehr gross precipice hinunter und
einen hohen Berg wiederum hinauf zusteigen vor sich funden. Die
.Sächsische Infanterie kam der andern weit vor, weil die Kayserl.
den Grund durch tiliren muste, die lincke Hand zu gewinnen, die
andern aber den Berg, worauf die Sächsische sich den vorigen Tag
gesetzet, zu ersteigen hatten, wesshalben denn die Sächsischen, da
sie den Kalcrberg fast hinan waren, einen Halt machten, damit die
Antheil der sächs. Armee an der Scblacht am Kaienberge. 81
andern mit ihnen in gleiclie Lienie gelangen möcliten, und schickten
unter dieser Zeit einen Ofticirer mit 30 Fuziliers voraus, das Oberste
vom Berge zu recognosciren, welcher bey Zeiten zurücke kam und
berichtete, dass die Türckeu sich jenseits des Berges in Battaille
gesetzt; auch gegen den Berg avancirten, und würden mit ihnen
selbigen wol zuifleich erreichen; die Kayserl. Infanterie war zwar
inzwischen den Sächsischen gleich gekommen, aber weit von der-
selben wegen einer grossen Klufft, so zwischen dem Berge lag
separiret, die Fräuckische und übrige Infanterie aber befand sich
annoch unten au dem Berge weit zurücke. Dieses alles ungeachtet
avancirte die Sächsische Infanterie auf vorgemeldten Bericht den
Berg hinan mit der Resolution, dem Feinde die Avautage des Berges
zu disputiren, als sie aber das Oberste des Berges erreichten, be-
funden sie, dass der Feind noch unten an dem Berge stille hielte,
desswegen sie sich dann nach der linckeu Hand begaben, umb sich
wieder an die Kayserliche zu schliessen, allwo sie an ein abge-
brantes Kloster kimen, welches sie sich so ^ol als die Kayserlichen
impatronirten und selbiges besetzten, auch auf die Spitze des Berges,
worauff das Kloster lag, 2 Sächsische und 1 Kayserlich ßegiments-
Stücke führen und darmit auf den Feind feuern Hessen, welcher,
nachdem er zuvor eine Weile mit etlichen Volontairs, so den Berg
hinunter zu ihm gegangen, gescharmutziret, sich ein wenig zurücke
zöge und in einem Grunde und Graben verdeckt setzte.
Die folgende Nacht über gienge nichts sonderliches vor, als
aber der Tag anbrach, welches "war der 2./12. Sept., zöge sich die
Sächsische Infanterie etwas den Berg hinunter und setzte sich an
einen Ort, allwo sie alles entdecken und sich vortheilhafftig postiren
kunte, masseu sich längst dem Fusse des Berges ein rideau von
Steinen Mannes hoch angesetzet und auf demselben eine Planque
von Holtze befand, deren sich die Battaillons erster Linie gar füg-
lich zu ihrer Avantage zu gebrauchen hatten. Es war auch der
Feld-Marschall von der Goltz in Begrifl', an einem bequemen Orte
eine Batterie legen zu lassen, den Feind dadurch zu incomrnodiren.
Als man aber damit umgieng, sähe mau plötzlich den Feind mit
hellen Häuften in dem Grunde, welcher dem Theile des Berges,
worauf die Sachsen sich postiret, entgegen lag, avauciren. Man ward
auch zugleich gewahr, dass der Feind, so gegen den untern Theil
des Berges stunde, worauf die Kayserlichen sich hinter einer Planque
und zwar noch weiter den Berg hinunter als die Sächsischen ge-
postiret hatten, dieselben furieusement angriff. Hierauft' musten sich
die Sächsischen Battaillons gleichsam Hals über Köpft" von der Hohe
herunter werften und wurden aufs schleunigste von dem was in
solcher Eyl herunter kam 2 Battaillons gestellet, dem Feind damit
teste zu bieten, damit derselbe in dem unten an dem Berge und an
dem Grunde gelegenen holen Graben, welcher ihnen zu einen grossen
Vortheil hätte dienen können, nicht posto fassen möchte. Mittler-
weile kamen die andern Battaillons auch heran und wurden die-
selben gleichfals auf das beste gegen den Feind gesetzet. Der
Feind, als er dieses sähe, hielt an in dem Grunde ferner zu avau-
ciren, seine Infanterie aber suchte lauter verdeckte Oertei', darinnen
sie sicher stehen kunten , woraus sie dann und wann mit eintzelen
Schüssen auf die Sächsische Infanterie Feuer gaben, welche hin-
gegen ferme in ihren Posten blieben, biss dass mau gewahr wurde,
dass die meiste Macht des Feindes etwas mehr auf die lincke Hand
ankam, allwo die Sächüischeu Grenadiers und Kayserl. Infanterie
ISBUes Archiv f. S. (J. ii. A. 11. 1. V
82 E. Joachim:
sich hinter eine höltzerne Planque längst dem Berge gepostiret
hatten. Worauf dann die Sächsische Infanterie erster Linie sich
lindes sckwenckte, gegen den Feind, welcher die Grenadiers und die
Kayseri. Infanterie attaquirte, fronte zu machen. Der Feind stunde
nun alda im holen Wege ziemlich verdeckt, hatte vor sich Sträucher
und Steine zu seiner Verblendung und feuerte hefftig auf die Säch-
sischen, welche gantz unvei'deckt stunden und von Fuss biss auf
den Kopff kunten gesehen werden. Indem dieses nun dergestalt
vorlieff, sähe man oben am Berge die Fränckische Infanterie gantz
stille stehen, wohin der General-Major Keuss geschickt, den da
commandirenden General-Major zu ersuchen, mit seinen Battaillons
zu avanciren, weil der Feind denen Sächsischen leichtlich hätte
können in den Rücken gehen, der sich auch willig darzu erzeigte,
darbey aber vorstellete, dass der Fürst von Waldeck, welcher bey
den Fränckischen das Ober-Commando hätte, ihm auf das aller-
schärfFste verboten, mit denen Battaillons von der Stelle nicht zu
weichen, biss er selbst ihm solches andeuten würde; worauf dann
die Sächsischen Battaillons der andern und dritten Linie gegen den
Grund rückten, wo die erste Linie zuvor gestanden, dieselbige zu
beobachten, damit der Feind von daher nichts tentiren könte, dass
also die Sächsische Infanterie ihrer Sicherheit halber nothwendig
aus ihren drey Linien nur eine mit zwo Fronten machen rauste.
Inzwischen fügte der Feind den Battaillons erster Linie, sonder dass
er mit gleicher Müntze bezahlet werden koute, mit Schiessen ziem-
lichen Schaden zu, weil, wie schon gesagt, er verdeckt und sie hin-
gegen gantz bloss stunden; es schiene also vorträglicher und besser
zu seyn, den Feind aus solcher Avantage zu delogiren. Nachdem
man nun des Feindes Posto ein wenig recognosciret, avancirte die
Sächsische Infanterie gleich darauf, griff den Feind zugleich in
Fronte und Flanquen an, welcher darüber in Confusion gerieth, sich
wendete und nach dem hinter sich habenden Berge eilete, den die
Sächsischen allezeit verfolgeten und zu keinem Stande kommen
Hessen, auch, als er sich eben auf denselben wiederpostiren wolte,
zu ihm hinaufeileten und von den erwehuten grossen weitgestreck-
ten Bergen (so vor ihn sehr avantagenx würden gewesen seyn, wenn
er sich daraufhätte setzen können) trieben und zurRetirade zwungen.
Immittels waren die Sächsischen Battaillons, so sich zuvor, wie schon
gemeldt, gegen dem Grunde gesetzet, auch avanciret und hatten
den vor ihnen stehenden P'eind repoussiret, welcher sich aber in
gemeldtem Grunde, allwo eine ziemliche Ebene war, die sich längst
um den Berg und an das erste Türckische Lager auch an dem-
selbigen hinauf erstreckte, in einem Graben mit etlichen Fähnlein
gesetzet, daraus er mit continuirlichen Feuergaben verhinderte, dass
dieselben nicht weiter avanciren, noch sich mit denen aufif dem Berge
stehenden gleich stellen kunten. Als man dieses gewahr wui'de,
commandirte man alsobald etliche Mannschafft von denselben, welche
den Feind in der Seiten anfiel und ihn also auch vollends von dar
zu decampii'en zwunge, wodurch die in etwas zurück stehenden
Battaillons Lufft bekamen, sich mit den andern aiiff dem Berge zu
conjungiren.
Se. Churfl. Durchl. zu Sachsen etc. kamen alsofort auf den
Berg selbst in Person und contestirten gegen Dero Generals, so bey
dieser Action allezeit ä la teste gewesen waren und die Infanterie
angefübret, öffentlich, dass' sie mit ihrer Action sehr satisfait wären,
und Wünscheton, dass Sie selbst in Person bey ihnen hätten seyu
Antheil der sächs. Armee an der Schlacht am Kaleuberge. 83
können, weil Sie aber bey dem lincken Flügel das Commando
führeten, hätte die Nothdurfft erfordert, sich davon nicht zu ab-
sentiren.
Was inzwischen bey der Kayserlichen Infanterie mit dem Feinde
vorgegangen, hat man Sächsischer Seite so genau nicht observiren
können; unpartheyische Zuschauer berichten, dass die Türeken, so
gegen sie gestanden, als sie gesehen, dass ihre Cameraden gepous-
siret und verfolget worden, auch angefangen zu wancken und sich
zu wenden, auf welche zwey Battaillons Kayserliche, so von dem
Hertzog de Croy angeführet, gedrungen und sie endlich den Berg
hinauf getrieben; es haben aber die Tiircken die descente jenseits
des Berges den Kayserlichen liart disputiret, biss dass Priuce Louis
von Baden mit den Sächsischen Dragonern, welche er aus der
andern Linie des lincken Flügels genommen, hinzu gerücket, die-
selben absitzen lassen und damit den Feind vollends gar von dem
Berge chargiret, worzu denn 2 Sächsische Kegiments- Stücke, welche
auf den Berg gebracht waren und aus welchem dem Feinde ziem-
licher Schade zugefüget ward, nicht wenig geholffen. Hierauf hat
die sämtliche Kayserliche Infanterie sich auf den Berg gleichfals
gezogen und sich allda postiret. Biss hieher, welches schon gegen
2 Uhr um Mittag war, ist das geringste auf der rechten Seite,
worauf die Bayerische und Fränckische Infanterie wie auch der
rechte Flügel gestanden, nichts vorgelauffen und nur allein ein Theil
Kayserl. und denn die Sächsische Infanterie mit dem Feinde in Ope-
ration gewesen ; jedoch hatte inzwischen die Bayer- und Fränckische
Infanterie sampt dem rechten Flügel sich allmählich moviret und
näher mit angerücket, man sähe aber darauö' alsobald starcke
Türckische Trouppen nach dem rechten Flügel zu marchiren, wie
denn auch einige Türeken, welche biss in den vorgedachten Grund
poussiret worden, sich gleichfals dahin wendeten, so ingesamt den
rechten Flügel angriffen. Diesen gieng ein Theil Polen frisch ent-
gegen, wurden aber von dem Feinde repoussiret und retirirten sich
auf die 4 Battaillons Infanterie, so von den Kayserlichen, Bayeri-
schen, Sächsischen und Fränckischen waren, dem König in Polen
auf Begehren, ehe man den Kaienberg erstiegen, gegeben und her-
nachher vor den rechten Flügel an einen advantageusen Ort gesetzet
worden. Diese soutenirten die Polen zu .3 unterschiedlichen mahlen,
und hatte es damahls das Ansehen, als wann der rechte Flügel Noht
leiden würde, wesswegen denn der Sächsische Feld- Marschall an
die Bayrische und Fränckische Infanterie, welche dem rechten Flügel
am nechsten stunde, unterschiedliche Officirers schickte und sie er-
suchen liesse, dem rechten Flügel zu Hülffe zu kommen, worzu
denn der Fränckische General-Major sich abermahl gantz willig be-
wiese, aber vom Prince von Waldeck contramandiret worden, mit
dem Fürwenden, dass allda niemand als er zu commandiren hätte.
Endlich rückten die Ilussaren herfür, welche den Feind auch in die
Flucht brachten, und hat man darbey gar nicht mercken können,
dass einige Infanterie ausser die vorgemeldten 4 Battaillons mit dem
Feinde zuthun gehabt, vielweniger denselben, wie die Gazettiers
melden, repoussiret hätten. Unter dieser Zeit kam der Hertzog von
Lothringen neben andern Kayserl. Generals zu dem Sächsischen
auff den vorgedachten Berg und schaueten der Action auf dem
rechten Flügel biss zu Endung derselben zu, und da man den Feind
fliehen sähe, fragte der Ilertzog von Lothringen den Feld-Marschall
Goltzen, ob man mit der Ehre und grossen Avantage, so man über
84 E. Joachim: Antlieil d. Sachs. Armee a. d. Schlacht a. Kaienberge.
den Feind gewonnen, diesen Tag vergnüget seyn oder weiter avan-
ciren wolte? NYorauf Feld-Marschalf Goltz die Antwort ertheilet:
Weil es schiene, dass der Feind epouvantiret, so hielte er vor gut,
dass man denselben verfolgte und die Victorie weiter prosequirte.
Der Hertzog von Lothringen sagte darauif: Marchons donc! und
ritte nebst andern bey sich habenden Generals wieder zu den Kayser-
lichen. Die Sächsische Infanterie avancirte darauff alsofort den Berg
hinunter, denen folgeten die Kayserlichen , und begunte die gantze
Battaille darauff sich zu bewegen. Die Türeken, so noch im Grunde
•waren, als sie dieses sahen, retirirten sich in ihr erstes Lager und
sähe man, dass deren sich bey etlich viel Tausend oben an ihrem
Lager zur Lincken Seite, allwo ein gross eben Feld war, versam-
leten. Es hatte auch der Feind auf der Ecke dieser Höhe etwas
auiFgeworffen , welches das Ansehen einer Redoute hatte und mit
6 Metallenen Stücken besetzt war, womit er auff die Avancirenden
zwar Feuei- gab, jedoch allezeit zu hoch schoss. Man hielte damalils
gar gewiss dafür, der Feind würde diese Höhe disputiren, weil im
Grunde nicht zu sehen war, was eben in der Höhe vorgienge; es
avancirten so wol Ivayserl. als Sächsische immer nach der Höhe zu,
und ein jeder sich in guter Bereitschatit zum Fechten haltende war
beschäfftiget dieselbe anzusteigen. Endlich da mau darauf gelangte
und vermeinete den Feind anzutrelfen, hatte er sich schon aus dem
Staube gemacht und seine Ketirade nach dem letzten Lager ge-
nommen. Die Sächsischen waren hierbey gleichfals die ersten, welche
desswegtsn auch die 6 Metallene Stücke zur Beute bekamen, wie
man dann derselben Fähnlein in des Feindes Lager hat am ersten
fliegen sehen. Es haben nachmahls die Sächsischen Dragoner des
Feindes Approchen angreiffen helffen, woraus ziemlicher Gegenstand
gethan worden, und ein gut Theil von den Dragonern geblieben.
Folgends hernach ist die Cavallerie zu erst der Infanterie vorge-
kommen, welche den fliehenden Feind nuchgesetzet. Was nun weiter
vorgangen, weil die Nacht einfiel, hat man von Sächsischer Seite
nicht bcmercken und also nichts mehr allhier melden können, massen
auch ohne dem die Gazetten hiervon voll sind. Alles diss, was in
dieser Relation vorbestellet worden, verhält sich in der Wahrheit
also und wird solches von allen unpartheyischen Zuschauern , wie
nicht weniger von allen Kayserlichen Generals selbst, so auf dem
lincken Flügel gewesen, zugestanden, daher dann unrecht, dass man
in den Gazetten den Sächsischen nicht einmahl den geringsten Part
von dieser Action zueignen, noch derselben mit einem Worte darbey
gedencken wollen.
Literatur.
Gescliichte der sächsischen Kirchen- und Sclmlvisitationeu Ton
1524 bis 1545. Umfassend: Die Visitationen in den hcntigen Ge-
bietstheilen der Königreiclie Prenssen und Sachsen, des Gross-
herzogthums Weimar, der Herzogthümer Gotha, Meiningen, Alten-
burg, des Ilerzogthums Brannschweig und der Fürstenthümer
Schwarzburg-Rudolstadt, Sondershausen, Reuss j. und Reuss ä. L.
Quellenmässig bearbeitet von G. A. H. Burkhardt. Leipzig,
Grunow. 187«. 8». XXVIII. 347 SS. (A. u. d. Titel: Geschichte
der deutschen Kirchen- und Schulvisitationen im Zeitalter der Re-
formation von C. A. H. Burkhardt.)
„Man rauss sich wundern; wie es gekommen sei, dass
bis dahin dieser wichtige Pimkt (die Kirchenvisitationen),
der doch so Vieles zur Aufklärung jener Zeit beitrtägt,
ganz mit Stillschweigen übergangen worden, und ist da-
her dem verdienten Plerrn Verfasser, der mit so vieler
Wärme und einer so trefflichen Einkleiduns' die Geschichte
jener Visitationen erzählt, die um so angenehmer und zu-
verlässiger, da sie mit den nöthigen Documenten belegt
imd versehen ist, für diese Mittheilung den verbindlichsten
Dank schuldig." Mit diesen Worten eröffnete im Jahre
1797 der Allgem. Literar. Anzeiger (Sp. 296) eine Be-
sprechung von Kapps Umständlicher Nachricht von der
allgemeinen Kirchenvisitation in dem Fürstenthum Bai-
reuth in den Jahren 1561 — 1564. Referent schickt die-
selben der Besprechung des obengenannten Werkes vor-
aus. Denn auch heute noch gilt die Verwunderung dar-
über, dass noch so wenig für die Publication dieser
hochwichtigen officiellen Documente geschehen ist, wie
die von Burkhardt (S. VI) citirte Literatur beweist. Frei-
lich hebt er mit Reclit die grossen Schwierigkeiten hervor,
die sich einer solchen Arbeit entgegenstellen. Reicht doch
zu derselben selbst das reichste Archiv nicht aus; eine
Benutzung verschiedener ist unbedingt uothwendig, so
dass für gewisse Lebensstellungen eine grössere zusannnen-
gß Literatur.
liängendc Arbeit über die Kirchen- und Sclmlvisitationen
selbst in einer beschränkten Epoche " nicht möglich ist.
Um so mehr sind wir dem Verfasser für das angezeigte
Werk zum Dank verpflichtet. Durch seine amtliche
Stellung an die Quelle gesetzt — befinden sich doch ge-
rade in Weimar sehr viele Yisitationsprotocolle — , durch
frühere eingehende Studien auf dem Gebiete der Refor-
mationsgeschichte wohl vorbereitet, war er in ganz be-
sonderem Grade berufen, die Lücke auszufüllen. Es war
eine mühevolle Arbeit, die Berge von Akten durchzuar-
beiten, aber als reiche Frucht derselben bietet das Buch
eine unendliche Fülle von Stoff zur Orientierung über die
kirchliche Lage in Sachsen und den angrenzenden Ge-
bieten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und zwar
nach einer noch wenig beachteten Seite. Mit Recht sagt
der Verfasser Seite V, dass sich die Forschimg „eingehen-
der mit der Geschichte des Dogmas unserer Kirche be-
schäftigt hat, während die Studien zur Geschichte der
äusseren Entwickelung unserer evangelisch -lutherischen
Kirche ausserordentlicli spärlich aufgetreten sind". Auf
Grund der VisitationsprotocoUe sucht nun der Verfasser
die Ergebnisse der Forschung durch Zahlen darzustellen.
Demnach wird erstens der Procentsatz der Tüchtigkeit
der Geistlichen in den eiczelnen Gegenden fixiert. Zu
diesem Zwecke hat der Verfasser die in den Akten mit
Worten ausgedrückten Censuren durch die Nummern 1
bis 4 bezeichnet; von denen die letztere die Unbrauch-
baren umfasst, deren Untüchtigkeit entweder auf dem
Mangel theologischer Bildung oder auf sittlichen Gebrechen
beruht. Zweitens werden die Patronatsverhältnisse sta-
tistisch dargestellt. Es ist das von grosser Wichtigkeit,
da die Patrone bei der Anstellung der Geistlichen, wie
bei der Einführung der Reformation von grösstem Ein-
fluss waren. Interessant ist, wie die unter dem Patronat
des Kurfürsten wie einzelner Städte (z. B. merkwürdiger-
weise Zwickaus) stehenden Geistlichen sich vor anderen
auszeichneten. Drittens handelt es sich um Feststellung
der Zahl der Mutterkirchen, um deren Verhältnis zu den
Filialen und eingepfarrten Ortschaften. Nicht selten wer-
den hierbei die Bevölkerungszahlen angegeben. Viertens
aber führt uns der Verfasser das numerische Verhältnis
der Stiftungen und Vicareien, der Klöster und ihrer In-
sassen, die Bewirthschaftung und Einkünfte derselben vor.
Gerade die letzteren Angaben gestatten uns einen höchst
Literatur. 87
interessanten Blick in die wirthscliaftlichen Verhältnisse
der jungen Kirche, welche das Erbe der alten benutzte
und umgestaltete.
Der Verfasser theilt nun den Stoff local in 3 Gruppen
ein; er bespricht zuerst die Visitationen im Ernestinischen
Gebiete, dem Kurfürstenthuvn Sachsen, dann in den Al-
bertinischeu Ländern, woran sich als drittes das Braun-
schweig--Wolfenbüttel'sche Gebiet anschliesst. Es fällt
diese Eintheikmg zugleich mit dem historischen Gange
zusammen. Denn in ersterem Lande begann die Visitation
1526 und dauerte die ganze folgende Zeit fort, während
sie im zweiten erst 1537 und in Braunschweig sogar erst
1542 ihren Anfang nahm.
Wenn nun das Buch die Kirchen- und Schulvisita-
tionen behandelt, so tritt doch die Geschichte der letzteren
wesentlich in den Hintergrund, weil sich die Prüfung der
kurfürstlichen Commissäre namentlich in der ersten Zeit
mehr auf die kirchliche Lage bezog. Doch finden sich
auch über die Schulverhältnisse höchst interessante Notizen,
so namentlich über die Schulen zu Zwickau und zu Torgau
S. 188 fgg. Im ganzen beziehen sich diese Nachrichten
mehr auf die äusseren Verhältnisse, doch thun wir auch
manchen Blick in das innere Schulleben, die Methode
u. s. w. Gerade hier, aber auch sonst, hat es der Ver-
fasser verstanden, das allgemeine Bild, die todten Zahlen,
durch einzelne kleine Züge zu beleben. So wird S. 188
erzählt, dass den Schulmeistern „das Stauchen, Stossen
und übermässige Schlagen" verboten worden sei, damit
die Jugend nicht vom Schulbesuch abgeschreckt würde;
kein Lehrer soll für die Kleinen angestellt werden, der
„ein lispelnd oder sunst böse ausspräche hat, damit die
Knaben, welche bald fahen, nicht erst's anfangs damit in-
ficirt werden". Das Bild, das uns von den Schulverhält-
nissen entworfen wird, ist kein günstiges; nur einzelne
Städte setzten ihre Ehre darein, gute Bildungsstätten für
die heranwachsende Jugend aiifzurichten, auf dem Lande
war dafür sehr schlecht gesorgt.
Nicht minder ungünstig erscheint uns die kirchliche
Lage. Es war unbedingt eine Besserung nothwendig,
namentlich nachdem die Wiedertäufer und Bauern so
furchtbare Schläge gegen die öffentliche Ordnung und
die Kirche geführt hatten. Die Noth drängte zur Zuhülfe-
nahrae der territorialen Gewalt, wie die Worte Luthers
S. 8 es ergreifend schildern. Wenn der Kurfürst zunächst
88 Literatur.
auch eine ßetlieiligung ablehnte, so verstand er sich doch
schliesslich dazu. 1526 wird zur Visitation im Amt Borna
neben einem weltlichen Comraissar Georg Spalatiu abge-
sendet. Letzterer eröffnet hiennit seine für die Organi-
sation der lutherischen Kirche hochwichtige Thätigkeit,
welche ilm in den folgenden Jahrzehnten immer wieder
in Anspruch nimmt. Sie würde eine Würdigung in einer
besonderen Monographie auf Grund des reichen, nament-
lich im Archiv zu Weimar befindlichen Materials ver-
dienen. Spalatin führte sehr oft selbst das Protocoll, wie
wir aus zahlreichen, uns erhaltenen Conccpten sehen. Es
würde von Interesse sein, dieselben mit den officiellen
Protocoll en zu vergleichen, welche uns nur das Resultat
der Verhandlung kurz berichten Wir würden daraus
manche Interpretation für die Beschlüsse erhalten, nament-
lich auch für die Censuren der Geistlichen. Die Urtheile
über die letzteren fallen bei den ersten Visitationen sehr
ungünstig aus, namentlich bei der im Jahre 1526 im Amte
Tanneberg vorgenommenen, wo von zwölf Geistlichen nur
einer die Censur „ziemlich gut" bekommt, während elf
(wie es S. 12, Anm. 2 statt 1 Geistlicher heissen muss)
für untauglich erklärt Averden. Höchst interessant sind
einzelne Urtheile, welche hier, wie auch an anderen Orten,
wörtlich angeführt werden (S. 12 fg). Ein eingehender
Bericht geht an den Kurfürsten, in welchem ausdrücklich
hervorgehoben wird, dass der Kurfürst im Interesse seines
Landes „kein l^esser Ding habe fürnehmen könnnen".
Von ihm wurden einige Zeit nachher zwei Räthe nach
Wittenberg gesendet, um mit den Vertretern der Uni-
versität eine Instruction auszuarbeiten. Später wurde von
Melanchthon der Visitationsimterricht verfasst, welcher
dann mit einer geharnischten Vorrede Luthers erschien.
Die genannten Arbeiten bilden nach Burkhardts Dar-
stellung die erste Periode.
In der zweiten (1527 — 1529) werden die Visitationen
auf Grund der gemachten Erfahrungen vmd ausgearbei-
teten Instructionen planmässig und energisch im ganzen
Lande in Angriff genommen. Dieselben begannen im
Kurkreise am 22. October 1528, in Meissen und im Voigt-
lande Ende November, zu gleicher Zeit in Franken, im
Januar 1529 in Zwickau und Umgegend, dann die von
Plauen u. s. w.
Nach kurzer Charakterisierung der dritten Periode
1529—1532, der Zeit des Stillstandes, wird die vierte,
Literatur. 89
von 1532 — 1545, besprochen, bei welcher man sich be-
sonders mit der Aufhebung und Verwendung der geist-
lichen Güter beschäftigt. Die Visitation erstreckt sich
hier auf einen Theil der Grafschaft Schwarzburg wie die
reussischeu Länder, im übrigen werden die schon früher
von der Visitation besuchten Gegenden berührt. Dies
hat den Verfasser veranhisst, dieser Thätigkeit weniger
eingehend zu gedenken. Und doch wäre eine Ver-
gleichung des Zustand es dieser Gegenden mit dem Be-
funde aus den Jahren 1528 — 29 höchst interessant gewesen,
namentlich nach der finanziellen Seite hin. Das Raths-
archiv zu Zwickau enthält ausser den Visitationsakten
vom Jahre 1533 auch noch ein Exemplar der Rechnung
über die Einnahmen und Ausgaben des gemeinen Kastens.
Dieses „Verzeichnus des einkommens aller Lehen etc.
1533" wurde auf Befehl der Visitatoren, wie sich aus einem
Briefe Spalatins an den Stadtschreiber Stephan Roth er-
giebt, ausgefertigt und von letzterem persönlich nach
Altenburg gebracht (s. die Rathsrechnungen vom Jahre
1533 — 34 S. 17). Mit diesen Visitationen schloss vorläufig
die Thätigkeit der Commissäre in des Kurfürsten Lan-
den ab.
Die Aufsicht wurde jetzt den Superattendenten und
den Visitatoren übertragen, während der Kurfürst die
höchste Instanz in streitigen Fällen bildete. Lnmer mehr
machte sich aber die Begründung einer Centralaufsichts-
behörde nöthig: so entstand das Consistorium zu Witten-
berg wohl im Jahre 1539, während die in anderen Städten
in Aussicht genommenen äusserer Schwierigkeiten wegen
nie ins Leben getreten sind.
Von neuem lebten die Visitationen 1537 auf, als
Herzoo- Heinrich von Freibcrg sich der Reformation an-
schloss. Auf seine Bitte wurde Georg Spalatin zur Un-
terstützung hingesandt*, er war es auch, der die Leitung
des Visitationswerkes übernahm, als im Jahre 1539 nach
Herzog Georgs Tode dessen Land an die Frciberger Linie
kam. Die Protocolle dieser Verhandlungen sind, wie Burk-
hardt S. 234 Anm. 4 erwälmt, zum grossen Theil noch
nicht zu finden gewesen. Referent weist hier auf ein
Aktenstück hin, welches uns wenigstens Aufschluss über
die Thätigkeit der Visitatoren in Dresden giebt. Dasselbe
befindet sich im Dresdner Stadtarchiv (A. II. 66) und ent-
hält auf Bl. 23 — 34 unter dem Titel: „V^'^as in der ersten
Visitation zu Dressden in Eyle verordnet ist worden^ dem
90 Literatur.
Rathe zu Dressden zu Händen zu stellen 1539" die
Beschlüsse der herzoglichen Commissäre. Die Verhand-
lungen begannen am 19. Juli Vormittags (wonach wohl
das Datum S. 234 Anm. 4 zu ändern ist) und bezogen
sich auf die Barfüssermönche , ferner auf „die bestellung
der pfarr, predigstuls, diaconat, Schulmeisters, sein ge-
sellen u. s. w.", wäJirend es sich „nach gehaltener maltzeit"
um die Behausung und das Recht des ßierschanks seitens
des Pfarrers handelt. Auch wird dem letzteren befohlen,
„ein fleissiges aug darauff zu haben, das nyemands hie
nichts schreibe wider Gottes wort und die reyne lere",
wie auch „der Buchdrucker nichts auflegen noch auss-
gehen lassen soll, er habs denn zuvor dem Superatten-
denten fürgetragen". Am 21. Juli werden die Verhand-
lungen geschlossen. Aber die Visitatoren sind von der
Nothwendigkeit einer neuen und eingehenderen Visitation
überzeugt: „Dann do man nicht bald mit einer ordent-
lichen Visitation folgen und nachdrucken wurde, so wer
es taushent mal besser und sicherer nutzlicher und er-
liclier, beide gegen Gott und der weit, das raans nie an-
gefangen liette, denn das man dabey Hess bleibenn."
Diese für so dringend erklärte Visitation wird am 21. De-
cember 1539, an einem Sonntage, gehalten und merk-
würdigerweise auch an demselben Tage beendet. Das
Protocoll befindet sich ebenfalls in dem oben citierten
Aktenstück Bl. 35 — 39. Die Beschlüsse beziehen sich auf
das Einkommen der geistlichen Lehen, welche eben so
wie die der Fleischerbruderschaft dem Rath anheimfallen
und zur Besoldung der Kirchen- und Schuldiener ver-
wendet werden sollen. Weiter handelt es sich um die Auf-
richtung von zwei deutschen Schulen, „eine vor die
megdtlein, die andere vor die kneblein".
Im Jahre 1540 erfolgte dann die Visitation im Al-
bertinischen Thüringen, vier Jahre später im Hochstift
Merseburg, über welche Burkhardt S. 273 fgg. berichtet.
Zu gleicher Zeit fanden die Verhandlungen zu Braun-
schweig-Wolfenbüttel statt (S. 297—320). Das Ganze
wird vom Verfasser durch einen recapitulierenden Ab-
schnitt: „Rückblick und Resultate" abgeschlossen. Das
Namen- und Sachregister S. 327 — 347 führt uns noch
einmal die Fülle des Stoffs vor Augen.
Niemand, der sich mit der Reformationsgeschichte
beschäftigt, wird an dem Buche vorübergehen können,
ohne dasselbe einem eingehenden Studium zu unterwerfen.
Literatur. 91
Niemand aber wird dasselbe aus der Hand legen, ohne reiche
Anregung und Förderung erhalten zu haben, Referent
schliesst mit dem Wunsche, dass dem ersten Bande der in
Aussicht gestellte zweite Theil recht bald folgen möge.
Dresden-Neustadt. Georg Müller.
Der Aiitheil der Oberlausitz a« den Aufäugen des dreissig:-
jährigeu Krieges, 1618 bis 1G23. Von Dr. Hermann Knofrhe.
Von der Oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz
prämiirte Preisschrift. Dresden, Burdach. 1880. 8". 95 SS. (Auch
im Neuen Lausitzer Magazin LVI, 96 fgg.)
Wie Palm in der Zeitschrift für Geschichte und
Alterthümer Schlesiens die Stellung dieses böhmischen
Nebcnlandes zu der böhmischen Rebellion von 1618 be-
handelt hat, unternahm es H. Knotlie, die Stellung der
Oberlausitz in den ersten Jahren des dreissigj ährigen
Krieges darzustellen. Die Abhandlung, gleich ausge-
zeichnet durch die Verarbeitung eines sehr reichen ar-
chivalischen Materials, durch Schlichtheit und Klarheit
der Darstellung, durch Mittheihmg von einer Fülle neuer
Details, verdient vollauf die Anerkennung, welche ihr die
Oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften zu Theil
hat werden lassen.
Es sind im Grunde' zwei Momente, um die es sich
handelt: einmal das Verhältnis der Oberlausitz zur böh-
mischen Bewegung, sodann ihr Verhältnis zu Kursachsen.
Wie die Lausitzer sich nur zögernd und man möchte
fast sagen wider ihren Willen den Böhmen anschlössen
und sich im Verein mit ihnen gegen den designierten
König Ferdinand und für Pfalzgraf Friedrich erklärten,
wird in den ersten drei Kapiteln sehr eingehend und an-
ziehend dargelegt. (I. „Vom Beginn des Aufstandes in
Böhmen bis zur Aufnahme der Oberlausitz in die böh-
misch - schlcsische Union; Mai 1618 bis Mai 1619."
IL „Abschluss der allgemeinen Conföderation und Wahl
Friedrichs von der Pfalz; Juli und August 1619."
in. „Die neue Ordnung der Dinge in der Oberlausitz
seit Herbst 1619.") In den folgenden vier Kapiteln han-
delt es sich um die dem Kurfürsten Johann Georg von
Sachsen von Kaiser Ferdinand aufgetragene Execution,
die Unterwerfung des Landes, das dann dem Kaiser und
Kurfürsten die Interimsliuldigung leistet und nach einer
Reihe weiterer Verhandlungen in den Pfandbesitz Kur--
sachsens kommt. (IV. „Die kursächsische Exe.cutiou,
September bis December 1620." V. „Der Dresdner
92 Literatur.
Accord und der Karaenzer Landtag 1621." VI. „Die
Gesandtschaft an den Kaiser und die Restitution der
Katholiken, Sommer 1G22." VII. „Die Mission Kur-
Sachsens in den Pfandbesitz der Oberlausitz 1623.")
Wie man sieht, endet die Arbeit mit dem nur vorläufigen
Abschluss der Frage. Vielleicht, dass der Herr Verfasser
sich entschliesst, sie in einer anderweiten Abhandlung bis
zu* ihrem definitiven Abschluss fortzuführen; bis dahin,
"WO, wie er sagt, „dui'ch den Prager Frieden von 1635
und den Traditionsrecess von 1636 diese beiden einst
den "Wettinern gehörigen (lausitzischen) Länder aus dem
blossen Pfandbesitz in Erblehnbesitz übergingen."
Halle. G. Droyseii.
Leipzig und seine Universität vor hundert Jabren. Aus den
gleichzeitigen Aufzeichnungen eines Leipziger Studenten jetzo
zuerst an's Licht gestellt. Mit Titelbild, Plan von Leipzig und
Karte der Umgegend. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1879. 8«. XIL
128 SS.
Mit diesem Büchlein hat es eine eigene Bewandtnis.
In den Jahren 1777 — 1779 studierte in Leipzig der nach-
malige Lüneburgische Arzt Johann Heinrich Jugler (f 1814).
Frühzeitige Neigung zur Schriftstellerei — er entfaltete
nach Abschluss seiner Studien eine sehr ausgedehnte
schriftstellerische Thätigkeit — und das Bedürfnis, über
alle Verhältnisse, in die er versetzt wurde, sich möglichst,
genau zu orientieren, veranlassten ihn, während seines
Leipziger Aufenthaltes aucii Material zu einer Beschrei-
bung Leipzigs zu sammeln. Nachdem er dann die Uni-
versität verlassen, arbeitete er im Winter 1779—1780 dieses
Material aus, doch wohl in der Absicht, seine Darstellung
zu veröffentlichen. Doch vergingen noch einige Jahre,
während deren er seine Arbeit durch Nachträge zu ver-
bessern und zu vervollständigen suchte. Schliesslich unter-
liess er aber die Veröffenflichung, da ihm im Frühjahr
1784 J. G. Schulz mit seiner allbekannten, weit umfäng-
licheren „Beschreibung der Stadt Leipzig" zuvorkam, und
begnügte sich damit, über die Arbeit von Schulz eine
Recension in die „Gothaischen Gelelirten Zeitungen" zu
schreiben. Sein sorgfältig und zierlich geschriebenes Ma-
nuscript aber legte er bei Seite, bewahrte es auf, es erhielt
sich in den Händen seiner Nachkommen, und dieses ist
es, welches nun, hundert Jahre nach seiner Entstehung,
hier doch noch das Licht der Oefi'entlichkeit erblickt hat.
Nach dem Vorstehenden drängt sich sofort die Frage
Literatur. 93
auf: Lohnte es überhaupt der Mühe, das Manuscript, das
durch das Schulz'sche Buch augenscheinlich überflüssig
wurde, jetzt noch herauszugeben? Und diese Frage wird
sich jeder wiederhoh^n, der das Büchlein selbst zur Hand
nimmt und sieht, wie der Verfasser überall in seinem
Texte auf die ältere Literatur hinweist, die er benutzt hat
und die uns natürlich nocli ebenso gut zur Verfügung
steht wie ihm. Dennoch möchten wir die Frage nicht
ohne weiteres verneinen. Rein thatsächliche Angaben
über Einrichtungen und Personen jener Zeit findet man
allerdings bei Schulz und in den Leipziger Adressbüchern
der siebziger Jahre, die Jugler natürlich benutzt hat,
weit ausführlicher, wiewohl eine so ausführliche Aufzäh-
lung vmd Beschreibung der damals auf der Stadt- und der
Universitätsbibliothek befindlichen Bilder, wie Jugler sie
giebt, die entsprechende Partie bei Schulz weit hinter
sich lässt. Dazu kommt, dass die Aufmerksamkeit des
Verfassers keineswegs nach allen Seiten hin gleichmässig
gerichtet ist: vor allem interessiert ihn Kunst und Wissen-
schaft, gelegentlich auch das gesellschaftliche Leben, für
den Handel dagegen hat er sehr geringes Interesse. Den-
noch macht der ungenannte Herausgeber unseres Büch-
leins mit Recht darauf aufmerksam, dass, während die
Beschreibung von Schulz „das Werk eines halbgelehrten,
nicht unabhängig dastehenden Mannes ist, der urtlieilslos
und schönfärbend eine schablonenhafte Literatenarbeit
lieferte", Jugler an Personen und Sachen eine sehr un-
befangene Kritik übt. Dies lässt sich an Einzelheiten
durch das ganze Büchlein hin verfolgen, am fühlbarsten
tritt es hervor in dem Absohnitt über die Leipziger Pro-
fessoren jener Zeit, der interessantesten Partie des ganzen
Schriftchens, und insofern ist der vollständige Abdruck
des Manuscriptes immerhin dankenswerth.
Nach der vom Herausgeber vorgenommenen Einthei-
lung zerfällt der Inhalt in neun Kapitel von sehr un-
gleicher Ausdehnung. Das erste giebt eine Beschreibung
der Stadt im allgemeinen, das zweite und dritte behandeln
die öflfentlichen und die wichtigeren Privatgebäude, das
vierte, umfänglichste, ist der Universität gewidmet — daher
die Wahl des Titels — , das fünfte bespricht die gelehrten
Gesellschaften und die Sammlungen der Stadt. Ziemlich
werthlos sind das sechste (Gasthöfe, Speisewirthe, Münz-
cours), achte (Messen) und neunte (Städtchen und Städte
in der Nachbarschaft); und ähnliches würde von dem
94 Literatur.
siebenten (Plaisirs und Zeitvertreibe) gelten, wenn der
Herausgeber hier nicht aus dem bekannten, aber selten
gewordenen Buche „Das nach der Moral beschriebene
galante Leipzig" (1768) — demselben, in welchem sich
zuerst die Bezeichnung „Klein -Paris" für Leipzig nach-
weisen lässt — einige Abschnitte, wie über das „Fischer-
stechen", die „Schönefelder Kletterstange" und das öffent-
liche Vogelschiessen, zur Ausfüllung herangezogen hätte.
Im übrigen hat er das Manuscript wörtlich zum Ab-
druck gebracht und mit einer Reihe sorgfältiger und
sachkundiger Anmerkungen, theils berichtigender, theils
ergänzender Art, begleitet, die uns nur selten Veranlassung
zu einer abweichenden Meinung gegeben haben. So
treffen die Nachweise der angeführten Häuser nicht durch-
weg zu, und die Aussprache „Eichels Pfuhl" (Anm. 91)
dürfte auf dieselbe verschönernde Volksetymologie zurück-
zuführen sein, die auch „eingal" aus „egal" gemacht hat;
der erwähnte Ort hiess der „Egelpfuhl". Der Druck
des Werkchens ist sehr correct (nur S, 18 ist uns Lentzel
statt Tentzel, S. 115 Jocander statt Iccander aufgefallen),
und die Verlagshandlung hat auch ihrerseits durch eine
Anzahl artistischer Beigaben das Interesse für die merk-
würdige Publication zu steigern gesucht.
Noch eine Bemerkung. Der Herausgeber sagt unter
anderem im Vorwort: „Für Den, der sich gerne ein
möglichst zutreffendes Bild von [dem] Leipzig zu der
Zeit, als Goethe in demselben weilte, entwerfen möchte,
giebt es keine Schilderung, die so nahe an jene Zeit
hinanrückt, wie diese." Dieser scheinlsare Wink war zu
verlockend, als dass nicht fast sämmtliche Recensenten in
unseren Wochen- und Monatsschriften ihm hätten folgen
sollen: allgemein ist das Schriftchen als eine Art von Bei-
trag zur Goethe-Literatur in Anspruch genommen worden.
Das kommt aber nur davon, wenn man die Vorreden liest,
anstatt der Bücher. Wir haben nirgends Veranlassimg
gefunden, das Buch mit Goethes Namen in Zusammen-
hang zu bringen. Wenigstens wird unser bisheriges Bild
von Leipzig zu Goethes Studentenzeit auch nicht um den
leisesten Zug dadurch bereichert.
Leipzig. G. Wust mann.
Literatur. 95
Uebersicht über neuerdings erschienene Schriften und
Aufsätze zur Sächsisch -Thüringischen Geschichte und
Alterthumskunde.
Böhmert, V. Urkundliche (jroschichte und Statistik der
Meissner Porzelianraanufaktur von 1710 bis 1880, mit
besonderer Rücksiclit auf die Betriebs-, Lohn- und
Kassenverhältnisse: Zeitschrift des Königlich Sächsi-
schen statistischen Bureaus. Jahrg. XXVI. Heft I — II.
S. 44—102.
(6 Byrn, Frhr.J Die Hofsilberkamraer und die Hofkellerei
zu Dresden. Dresden, Wilhelm Baensch. 1880. 8». 208 SS.
Distel, Th. Nachtrag zu „Die im Königlich Sächsischen
Hauptstaatsarchiv befindlichen Leibniz - Corresponden-
zen": Berichte der philosophisch-historischen Classe der
Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften.
1880. S. 187—189.
V. Eherstein, Louis Ferd. Frhr. Urkundliche Nachträge
zu den geschichtlichen Nachrichten von dem reiclis-
ritterlichen Geschlechte Eberstein vom Eberstein auf
der Rhön. Dritte Folge. Dresden. 1880. 8». 305 SS.
Frantz, Adolph. Das katholische Directoriura des Corpus
Evangelicorum. Nach handschriftlichen Quellen darge-
stellt. Marburg, N. G. Elwert. 1880. 8". VIII, 180 SS.
Filrstenau, M. Die Oper Antiope und die Bestallungen
des Kurfürstlich Sächsischen Vicekapellmeisters Nicolaus
Adam Strunck und des Hofpocten Stefano Pallavicini:
Monatshefte für Musik-Geschichte, herausgegeben von
der Gesellschaft für Musikforschung. Jahrg. XIII.
S. 1—6.
Gradl. Eger und Heinrich von Plauen 1451 bis 1454:
Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen
in Böhmen. Jahrg. XIX. S. 198—214.
Hrdlu-ich, H. AYallcnstein und die Sachsen in Böhmen
(1631 — 1632): Forschungen zur Deutscheu Geschichte.
Bd. XXI. S. 115—222.
Hitzigrath, H. Die Publicistik des Prager Friedens (1635).
Halle, Niemeyer. 8». 134 SS.
Holder -Egger, 0. Ueber eine Chronik aus Altzelle:
Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Gc-
schichtskundc. Bd. VI. S. 399-414.
Ö6 Literatur.
Mitzschke, Paul. Die Bibliotheken Naumburgs. Naum-
burg a. S., J. Domrich. 1880. 8". 16^SS.
Perschmann, Theodor. Die Reformation in Norclhausen.
1522—1525. HaUe, C. E. M. Pfeffer (Comm.) 1881.
8^ 39 SS. A. u. d. T. : Neujahrsblätter. Heraus-
gegeben von der historischen Commission der Provinz
Sachsen. 5.
Petzhohlt, J. Das Militärische aus dem Leben des Königs
Johann von Sachsen. Im Anhange die Oper: „Saul
König in Israel." Mit einem Portrait. Dresden,
R. V. Zahn. 1881. 8^ 69 SS.
V. Savauw , Christian. Die Feldzüge Karls XII. Ein
quellenmässiger Beitrag zur Kriegsgeschichte und Ka-
binetspolitik Europas im XVIII. Jalirhundert. Mit
einer Uebersichtskarte des nordischen Kriegstheaters
und sechs lithographirten Tafeln, Leipzig, Bernhard
Schlicke. 1881. 8°. VII, 328 SS.
Scheuffter, [Jeinrich Johann. Bilder aus der Oberlausitzer
Reformationsgeschichte. I. Einführung und Schicksale
der Reformation in der Oberlausitz. Barmen, H. Klein.
1881. 8«. 55 SS. (A. u. d. T. : Evangelische Bruder-
liebe. Vorträge über die Aufgaben und Arbeiten des
evangelischen Vereins der Gustav-Adolf-Stiftung. Her-
ausgegeben von A. Natorp. III. Bd. 4. Heft.)
(Schnorr v. Carolsftld.) Briefe von Peter Watzdorft'. Aus
dem Königlichen Hauptstaatsarchiv zu Dresden: Archiv
für Literatur-Geschichte. Bd. X. S. 174—188.
Theile, F. Lockwitzer Nachrichten aus alter und neuer
Zeit. No. 18—22. 1880. 1881. 8^ S. 65—158.
Wernicle, E. Meister Oswald Hilger in Freiberg: An-
zeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 1880. No. 11.
Sp. 331 fg.
— Christoph Walter, Bildhauer in Dresden: ebenda.
1881. S. 13 fg.
— Bruder' Hans, Paramentensticker von Leipzig: ebenda
S. 16. "
Wustniann, G. Die Vertraute Gesellschaft in Leipzig.
Gestiftet im Herbst des Jahres 1680. Festschrift den
Mitgliedern gewidmet vom Senior zum 22. November
1880. Leipzig 1880. 4». 93 SS.
V.
Herzog Wilhelm von Sachsen und sein böh-
misches Söldnerheer auf dem Zage vor Soest.
Von
Adolph Bachmanu.
Wie wenig Deutschlands Fürsten und Volk um die
Mitte des 15. Jahrhunderts auf der Höhe ihrer Aufgabe
standen, zeigt nicht der klägliche Ausgang der grossen
Reformbewegung auf kirchlichem Gebiete allein. Die
Niederlage der Keichspolitik ist vielmehr begleitet, frei-
lich auch wesentlich herbeigeführt, von dem rücksichts-
losen EfToismus, mit dem sich allenthalben die Territorial-
politik in den Vordergrund drängt. Noch hat da das
Wiener Concordat von 1448 die kirchliche Reform nicht
begraben '), als eine mächtige Bewegung anderer Art
das Reich von den Bergen der Scliwciz bis zu den Ge-
staden der Nordraeere erschüttert: der Gegensatz von
Fürstenthum und Nobilität zu dem freien Bürger und
Bauern. Wie die Kirchenfrage wirft der neue Conflict
seine Schatten in alle Verhältnisse, alle Streithändel im
Reiche. So schafft er auch mit dem Zuge Herzog Wil-
helms von Sachsen vor das weit entlegene Soest zugleich
eine bedeutungsvolle Episode mitten hinein in die erbitterte
?
') Vergl. G. Voigt, Enea Silvio de' Piccolomini I, 417 fgg.
Neues Axcbiv f. S. U. u. A. II. 3. I
98 Adolph Bachmann:
Fehde, die zwischen den Brüdern von Meissen und Thü-
ringen, Kurfürst Friedrich II. und Herzog Wilhehn, an-
lässlich der „zweideutigen"^) Theilung des väterlichen
Erbes vom 10. Dezember 1445 entstanden war.
Umsonst gaben sich die brandenburgischen Mark-
grafen, gab sich Erzbischof Friedrich von Magdeburg,
Landgraf Ludwig von Hessen, die einst die Theilung ver-
mittelt hatten, alle Mühe, die Herzoge zu dessen friedlicher
Befolgung zu bringen; auch der Kaiser hatte den Ver-
trag') bestätigt: die Fehde vermochte trotzdem zu keinem
Ende zu kommen und schädigte die Lande je länger desto
empfindlicher. Schwer fällt es hier, zwischen beiden Par-
teien den Spruch zu thun auf „schuldig" oder „nicht-
schuldig". Wohl aber wünschte dei- Kurfürst trotz der
Theilung die Aufrechthaltung seines brüderlichen Ein-
flusses über den gesammten Hausbesitz, gemeinsame Po-
litik nach innen und aussen, während der jüngere Herzog
mit dem scharf getrennten Besitze zugleich seine fürst-
liche Selbständigkeit wahren zu müssen glaubte, dabei
aber ganz unter den Einfluss seiner Räthe, besonders der
Brüder Vitzthum, gerieth. Reich begütert, so dass er mit
seinem Bruder „fast die Hälfte des Landes" besass, ebenso
schlau und gewandt als energisch und tapfer, galt Apel
Vitzthum bald als die eigentliclie Ursache des Krieges
und als der grimmige Feind des Kurfürsten, den er im
Interesse der eigenen Herrschsucht bekämpfte.
Der Waffenstillstand, den die genannten Fürsten für
die Zeit von Michaelis 1446 bis Georgi 1447 vermittelt
hatten*), wurde nicht gehalten; neue gegenseitige Beschä-
digungen mehrten die Erbitterung. Als dann auf dem
Rathhause zu Erfurt Graf Ernst von Gleichen, den der
Kurfürst geschickt, um über den Bruch des Waffenstill-
standes zu klagen, vor dem zu seiner Vertheidigung her-
beigeeilten Herzoge Wilhelm rückhaltlos die Vitzthume
als Hindernis des Friedens bezeichnete *), da mussten auch
diese erkennen, dass es einen Kampf gelte um ihre Exi-
stenz. Rasch wusste Herr Apel zu handeln.
*) Droyseii, Gesch. d. preuss. Politik (2. Aufl.) II, 1, 75 fgg.
*) Chaiel, llegesten z. G. Friedr. IV, I, Nr. 2054. Die Bestäti-
gung vom 1. April 1446.
*) Konrad Stolles Thüringisch- Erfurtische Chronik, ed. L. F.
Hesse (32. Public, des literarischen Vereins in Stuttgart, Stuttgart
1854) 9.
*) Nach Stolles Chronik 1. c. 11—14.
Herzog ^Yilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 99
Seitdem die Hussitenkärapfe den Ruf der böhmischen
Kriegskunst und Tapferkeit in ganz Mitteleuropa be-
gründet, in Böhmen selbst aber den unbändigen Hang
zu Kampf und Beute geAveckt hatten, blieb Böhmen durch
Jahrzehnte das grosse Kriegslager, dessen reisige Schaaren
in Ungarn und Kroatien, in Preussen und Schlesien, in
Thüringen und Franken, in Bayern und Oesterreich die
Fehden der Fürsten und Comvnunen durchkämpften, wo
neben militärischem Talente und ungestümer Tapferkeit
freilicli auch ruhelose Kriegs- und Beutelust zu Hause
waren. Kein Wunder, dass Herr Apel Vitzthum hierher
seine Blicke richtete, iim so weniger, als schon vordem
böhmische Krieger in Herzog Wilhelms Sold gewesen
waren.*') Leicht ward es ihm, seinen jungen, leidenschaft-
lichen Herrn zu dem Entschlüsse zu bestimmen, böhmische
Schaaren in überwältigender Stärke aufzurufen und mit
ilirer Hülfe den feindlichen Bruder niederzukämpfen.
Bald nach Neujahr 1447 finden wir den Vitzthum
persönlich in Böhmen.'') Mit Alscho Holicky von Stern-
berg, den "er seit langem kannte, traf er auf dessen
Schlosse Petschau, ebenda, wie es scheint, auch mit Fried-
rich von Donin die nöthigen Verabredungen. Von hier
aus weckte er, von Donin und Sternberg gefördert *), die
Lust zur Kriegsfahrt nach Thüringen und Meissen durch
glänzende Verheissungen. Bald war der Westen Böhmens
vom Egerlande bis über Pilsen und Taus hinaus in krie-
gerischer Bewegung. Der von Donin nahm persönlich
herzogliche Dienste, ebenso mit einer beträchtlichen Zahl
seiner Leute Peter von Sternberg, Herrn Alschos Sohn.
Die Nachbarn der Sternberge folgten nach: Heinrich von
Kolowrath auf Liebenstein (Libsteinsky) **), dessen Vetter
«) Palacky, Geschichte Böhmens IV, 1, 178. Vergl. K. Stolle,
Chronik 19.
') Die Zeit der Verhandlungen Vitztluuns mit den Böhmen
(bisher stets unrichtig angegeben nach K. Stolle 21 und Härtung
Ivammermeister, Annales Erfurtenses (jermanici bei Mencke, Scriptor.
rer. Germ. III, 1192) zeigen Nr. 18 u. 19 der „Urkunden und Akten-
stücke zur österreiohisciien Geschichte 1110 — 1 471" bei A. Bachmann,
Fontes rer. Austriae, Abth. II, Bd. XLII. Ich citiere dieselben von
nun an als Fontes r. A. XLII.
») Grossherzogl. sächs. Gesammt -Archiv zu Weimar Reg. A
fol 8 No. 1.3 (nach der früheren Eintheilung). Friedrich von Donin
auf Wildstein (Pilsener Kreis).
•) Nordwärts Pilsen nächst Radnitz an der ßeraun gelegen und
von Liebenstein im Egerlande wohl zu unterscheiden.
7*
100 Adolph Bachmann :
Albrecht Bezdruzicky von Kolowrath auf Weseritz '"),
Niclas von Guttenstein auf Breitenstein"), Dienstmannen
Hynek Kruschiuas von Schwamberg auf Bor '^', Johann
Calta von Steinberg auf Rabenstein *^), Johann von Ko-
stelzen **); Dietrich von Janowitz ^*) und andere. Aber
auch aus grösserer Ferne, aus Nordböhmen, ja selbst
Mähren durfte Vitzthum auf zahlreichen Zuzug sicher
hoffen; der streitlustige Wilhelm von Ilburg, Zawisch von
Klinstein, Johann Sddlo von Smilkau'®), Jeschko von
Boskowitz''), die Mährer Ulrich der Jüngere von Kaunitz,
Johann Zieleticky ' *) werden weiter als Führer besonders
angeführt. Reichlichen Sold und die sichere Bürgschaft,
dass der Herzog jeglichen Schaden, den die Böhmen an
Pferden, Kriegsgeräthe u. s. w. erleiden würden, ersetzen
wolle *^) und ihnen darüber vor dem Auszuge dessen
Briefe eingehändigt werden sollten^"), hatte der Unter-
händler versprochen; daneben lockte natürlich die Aus-
sicht auf reiche Kriegsbeute. Um das Band aber noch
fester zu knüpfen, gewann Herr Apel eine ganze Reihe
der vornehmsten Anführer, gegen beträchtlichen Jahrsold
des Herzogs Räthe und Diener zu werden. So erhielten
unter andern Heinrich von Kolowrath 400 FL, Dietrich
von Janowitz 300 Fl., wofür er mit 16 Pferden des
Dienstes warten sollte, Wilhelm von Ilburg, Johann
Calta, Jan Sädlo je 200 Fl. zugesagt^*); das Geld sollte
ihnen halbjährig nach Ablauf der Frist „ausgerichtet"
werden. *'■*)
'") Vergl. die Stammtafel der Kolowrath bei F. Bernau, Biu'gen
und Schlösser Böhmens 211.
") Bei Weseritz.
'») Bei Tepl.
'*) Zwischen Chiesch und Manetin.
■*) Nächst Staab südlich von Pilsen.
'*) In der Nähe von Klattau.
'") Die bisher genannten ausser Friedrich von Donin in Fontes
r. A. XLII, 45—46, 52.
") Nach Fontes^ r. A. XLII, 278.
") Nach Th. Pesina z Cechorodu, Mars Moravicus 635, der sich
auf einen Anonym, ad an. 1447 beruft. Dass die von Palacky 1. c.
nach den Stafi letopisowe cesti, Scriptor. rer. Bohem. III, 146 weiter
genannten Führer nicht hierher gehören, s. unten.
") Diese Briefe sind noch nicht zum Vorschein gekommen ;
vergl. übrigens Härtung Kammermeister 1. c. 1192. Fontes r. A.
XLII, 281.
">) Fontes r. A. XLII, 30.
»•) Nach Fontes r. A. XLII, 45—46.
") Ebendort 46, vergl. 277.
Herzog Williolm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 101
Noch eins hatte Vitzthum in Petschau bestelk. Die
böhmischen Truppen, wenn auch grösstentheils aus Ge-
genden, die heute germanisiert sind, gehörten sämmthch
der czechischen Zunge an. Noch mehr als früher musste
der Herzog Wilhelm das Bedürfnis empfinden nach einem
„endlichen Diener, der deutsch und böhmisch könne, auf
den er Glauben zu setzen und den er auch zu Zeiten in
werbender Botschaft gegen Böhmen zu senden vermöge".
Der Schreiber der SternbergC; Jobst von Einsiedel, kein
anderer als der später so eiuflussreiche Sekretär König
Georgs von Böhmen, Hess sich bewegen, den Uebertritt
in des Herzogs Dienst (wir wissen nicht, auf wie lange)
zuzusagen.'"^*)
Mitte Februar 1447, nachdem eben Jobst von Ein-
siedel noch in Thüringen beim Herzoge behufs weiterer
Vereinbarung besonders des Wortlautes der Schadlos-
briefe geweilt ^^), hatte Herzog Wilhelm seine Schlösser
zur Aufnahme der fremden Truppen bereit gemacht. Man
sandte nun die Briefe an Peter von Sternberg mit der
Bitte, sofort den Auszug der Scharen über Eger zu ver-
anlassen und damit nicht weiter zu säumen, „da ihm gar
viel daran gelegen sei". Das scheint denn auch, wenn
auch nicht so rasch wie der Herzog wünschte, geschehen
zu sein. Nach und nach zogen 40 Fähnlein Böhmen, wohl-
gerüstet und kampfesmuthig, gegen Thüringen. Sie wur-
den in Weida, Weissenfeis und anderwärts untergebracht*'),
und bildeten, nachdem etwa Ende April alle Abtheilungen
versammelt waren, eine Macht von 85U0 — 9000 Streitern. '^^)
Die grossen Rüstungen des Herzogs im Angesichte
des Tages, der am 24. April zu Naumburg beginnen
und auf jeden Fall zum Frieden führen sollte, mochten
freilich die Friedensliebe desselben in etAvas eisjenthüm-
lichem Lichte erscheinen lassen. Thatsächlich schienen
denn auch die Berathungen unter der Linde bei Naum-
burg trotz der Anwesenheit der vermittelnden Fürsten,
der Gesandten des Erzbischofes von Mainz , der Er-
^») Fontes r. A. XLII, 30, 31.
") Ebendort 30.
="*) Härtung Kammermeister I. c 1193. Stolle I. c. 21.
") 8500: Konrad Stolle 21. 9000: Härtung Kammermeister 1195.
In weiterer Entfernung steigerte die Phantasie der Berichterstatter
die Zahl der Böhmen oder doch des ganzen herzoglichen Heeres
auf 40000 Mann und noch höher. Vergl. unten.
102 Adülpli Bacliiuanu:
furter u. s. w. eher alles andere, als die Aussöhnung
herbeizuführen. '^ ')
Nicht bloss die Fürsten, die durch eigene Sprecher
ihre Sache vertreten Hessen, wurden durch die gegen-
seitigen Ansprüche und Anklagen immer gereizter; auch
die beiderseitigen Landsassen geriethen aneinander. Es
kam bis zu Waftengebrauch und schwerer Verwundung.
Zum üeberflusse hörte man noch von der Fortdauer der
Fehde zwischen Graf Ludwig von Gleichen und Apel
Vitzthum und berichteten wiederholte Meldungen von der
Raublust der Böhmen, die von Weissenfeis aus das Naum-
burger und Merseburger Stiftsgebiet verheerten und in
des Herzogs eigenem Lande bis vor die Thore Weimart?
plünderten.^*)
Drei Wochen hatte der Streit o-edauert. Schon waren
die mainzischen Gesandten, die Boten der Erfurter, Mühl-
häuser u. s. w. abgereist, schon rüstete auch Kurfürst
Friedrich zum Abzüge und schien die Fehde nur noch
gewaltiger entbrennen zu sollen, als die Fürsten im
letzten Augenblicke wenigstens zur Verlängerung des
Waffenstillstandes bis 1. September 1447 bewogen wurden.
An diesem Tage solle man in Mühlhausen zusammen-
treten und wollen Friedrich IL von Brandenburg und
Ludwig von Hessen als Bevollmächtigte die Streitfragen
friedlich entscheiden. Bis dahin möge auch Apel Vitz-
thum „in dem Frieden stehen".
Was war es, das Herzog Wilhelm auf einmal so
friedlich stimmte? Brüderliche Liebe, das Mitleid mit
den schwer geprüften Landen waren es sicherlich nicht;
schwerlich auch die Drohungen der Vermittler. '■'**) Viel
wahrscheinlicher war es die starke Macht, mit der ihm
sein Bruder entgegen zu treten vermochte. Auf die
Kunde von der AVerbuug Wilhelms in Böhmen, die na-
türlich nicht verborgen bleiben konnte, hatte nämlich
Kurfürst Friedrich nicht blos im eigenen Lande stark
gerüstet, sondern auch in Schlesien, der Mark und vor
allem gleichfalls in Böhmen und zwar mit Erfolg werben
*') Die iiachfolgende Darstellung vor allem nach Konrad Stolles
fast gleichzeitiger Chronik 20—21.
*') Härtung Kammermeister, Annal. Erfurtenses 1. c. 1192 fg.
Konrad Stolle 20 fg.
*•) Stolle 20: Do reyt Margrafe Frederich von Braudenborg zu
derae jungen hern keyn Fryborg, vnnd sagete ome also vel, vnnd
bedrowete on vnnd ouch dy Vitcztum.
Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 103
lassen.'") Zwar warnte Zdenko Holicky von Sternberg,
der spätere Oberst burg-g-raf von Prag und Hauptgegner
Greorg Podiebrads, die Böhmen, nach Meissen zu ziehen,
wohin er sich erst selbst begeben hatte; er besorgte wohl
den Kampf von Böhmen gegen Böhmen. Trotzdem
nahm Peter Kdulinec von Ostrom ei" mit 300 und Cecek
von Pakomefic mit 400 Mann, Fussgänger und Reiter,
meissnische Dienste. Ihnen folgten der jüngere Berka
von Chlumec und andere mit Schaaren in der Gesammt-
stärke von fast 4000 Mann.'\)
Mit dem Waffenstillstände erwuchs für den Herzog
Wilhelm die Verlegenheit, was nun mit den geworbenen
fremden Kriegsleuten zu beginnen. Schon zehrten sie
aus seinem Säckel und vom Lande, eine massige Abfin-
dung wollten sie nicht nehmen '■*), die Jahrgelder mussten
jedesfalls gezahlt werden. Es war wieder Apel Vitzthum,
der einen gelegenen Ausweg fand. Die ersten Tage nach
dem Ende des Naumburger Tages sahen ihn auf dem
Wege nach Westfalen,
Bestrebt, seinen fürstlichen Eigenwillen in ganz West-
falen zur Geltung zu bringen, und vor allem den Bund
der Städte und Ritterschaft des Landes zu sprengen, hatte
der kampflustige Kurfürst Dietrich von Köln an der
trotzigen Hansestadt Soest eine mächtige Gegnerin ge-
funden.'*) Die Feindseligkeiten des Erzbischofes beant-
wortete die Stadt damit, tlass sie ihm nun den Gehorsam
völlig auflvündigte und Johann, den Sohn Herzog Adolfs
*") Hart. Kammermeister 1191.
*') Stari letopisowe oesti 1. c. st. 146. Dass mau zwischen böh-
mischen Schaaren, die zugleich dem älteren und jüngeren Herrn
von Sachsen zu Hülfe kamen, unterscheiden müsse, beweist schon
die verschiedene Zeit ihres Auszuges (w nedeli po boziem wstüpenj
— am Sonntag nach Christi Himmelfahrt — zog Kdulinec, die an-
deren noch später) , der ^Yeg der zum Kurfürsten nach ,, Meissen"
ziehenden über Prag, das Eingreifen Zdeidvo Sternbergs, während
anderseits die Nachrichten und Urkunden über Herzog Wilhelms
Zug und dessen böhmische Ilülfstruppen nur von den oben genannten
Führern wissen.
*^) Palacky 1. c, dei- aber seine Quelle nicht nennt.
"j Th. ü. W. Emminghaus, Memorabilia Susatensia, Jena 1749,
688 fgg. Die Möglichkeit, dieses Werk benützen zu können, ver-
danke ich der freundlichen Vermittelung des Herrn Staatsai'chivar
Dr. Ermisch. Vergl. Ennen, Geschichte der Stadt Köln HI, 359.
Hegel, Die Chroniken der deutschen Stiidte vom 14. bis 16. .Jahrh.
XIV (der kölnischen Chroniken III) Einleitung 180.
104 Adolph BachuiaDn:
von Cleve, zum Schutzherrn wähke. ^*) Weder der Schieds-
sprucli des Kaisers, noch die Acht des Reiches^*), noch
endhch die bewaffneten Angriffe des Kurfürsten; auch
als er unter dem Banner des Reiches zur Bekämpfung
der Stadt auszog^'*), vermochten Soests Widerstand zu
beugen. Schon einmal, 1444 bei Beginn der Fehde, waren
böhmische Schaaren bis nach Westfalen gerufen wor-
den und hatten auch an der Bekämpfung der Soester
theilgenommen, ohne gleichwohl Entscheidendes ausrichten
zu können.^') Um so bereitwilliger hörte ^*) jetzt der
erbitterte Kölner Kirchenfürst auf die Vorschläge, die
ihm Herr Apel Vitzthum im Namen seines Herrn unter-
breitete. Er versprach nicht blos die Zahlung des Soldes
und die Erhaltung des Heeres zu übernehmen, sondern
stellte dem Herzoge für seine Hülfeleistung selbst grosse
Summen in Aussicht. .
Noch nach einer anderen Seite knüpfte Herzog Wil-
helm Verbindungen an. Wie in Westfalen hielten auch
in den niedersächsischeu Landen Nobilität und Bürger-
thum sich in schaifem Gegensatze die Wage. Schon war
auch hier Herzog Wilhelm von Braimschweig- Gruben-
hagen mit den Eimbeckern feindlich zusammengerathen.
Herzog Wilhelm von Sachsen durfte hoffen, dass er mit
seinem Erscheinen an der Spitze der gefiirchteten böhmi-
schen Schaaren und mit dem Aufgebote seiner eigenen
Lande nicht bloss im Stande sein werde, dem Braun-
schweiger und Kölner zum Siege zu verhelfen, sondern
auch Aveithin als Schiedsrichter aufzutreten. Während er
daher die Seinen aufrief, trat er mit Wilhelm von Braun-
schweig in Verbindung und fand auch da freudige Zu-
stimmung. So konnte nach Apel Vitzthums Rückkehr
der Zug beginnen, da die Böhmen selbst der weiten Fahrt
nicht widerstrebten.
**) Lacomblet, Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins
IV, Nr. 258. Urk. v. 23. April 1444.
") Chmel, Regesten I, No. 1873. Brief vom 22. Dez. 1444.
" ") Ebendort No. 2216, 2217. Ludwig von der Pfalz und Kur-
fürst Friedrich von Sachsen werden zu Hauptleuten des Reiches
bestellt.
*') Koelhüff'sche Chronik bei Hegel 1. c. 785. S. dagegen Em-
minghaus 1. c. 690.
*') Härtung Kammermeister 1195. Die gegentheilige Meldung
dass der Kurfürst geschickt habe, erscheint nach den Umständen
weniger glaublich.
Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 105
II.
In den letzten Tagen des Monats Mai hatten sich
die Truppen, die an der Fahrt theilnehmen sollten, um
Weimar versammelt; von Berka im Süden, wo die Böh-
men lagerten^"), über Weimar und Buttelstedt bis Weissen-
see im Norden*") standen etwa 1600U Mann*') bereit.
Am Donnerstage nach Pfingsten (1. Juni) sollte der Auf-
bruch geschehen. Den Tag vorher gab es aber auch
schon den ersten Anstand mit den Böhmen. Jetzt, da
es ernst werden sollte, schienen sie plötzlich die Lust zu
dem Zuge verloren zu haben; nur mit vieler Mühe und
mancherlei Zusagen gelang es Herzog Wilhelm , die
Führer, die von Berka zu ihm nach Weimar herüberge-
ritten waren, umzustimmen.*^) Es w^ar ein böses Omen
für das, was nachfolgen sollte.
Am Ende des ersten Tagemarsches fanden sich die
verschiedenen Heeresabtheilungen im Lager bei Strauss-
furt an der Unstrut zusammen*^); an Rudestedt und dem
Gebiete der Erfurter vorüber, die misstrauisch und in
guter Wehr den Zug beobachtet hatten**), waren die
Böhmen von Berka hingezogen. Der zweite Tagemarsch
brachte das Heer bis in die Nähe Mühlhausens *^), doch
nicht ohne Behinderung. Der Uebergang über die Unstrut
hatte die Abneigung der Böhmen gegen „die Reise" neuer-
dings wachgerufen. Diesmal half auch des Herzogs
Zureden nichts; mehrere Fähnlein der Böhmen Hessen
sich nicht abhalten, allein den Rückweg in die Heimat
»») Fontes r. A. XLTI, 37.
*") K. Stolle 1. c. 21.
*') Die deutschen Truppen waren daher um ein weniges
schwächer als die böhmischen. Die Zahl nach Hart. Kammer-
meister 1195. K. Stolle 21 sagt: 8500 Böhmen und ebenso viel
Deutsche. Pesina hat 2G000, ebenso viel die Koellioff'sche Chronik
bei Hegel, Städtechroniken XIV, 788, und Eniminghaus 1. c. 689. Der
Franziskaner Lesemeister Detmar in seiner Lübeck'schen Chronik
(ed. Grautoff 2. Th. 1830) H, 107 „boven XXX dusent man", worunter
nur 5000 Deutsche. Vergl. noch Matth. Doeringii continuatio chro-
nici Tlieod. Engelhusii bei Mencke HI, 15 u. a.
*^) Fontes r. A. 1. c.
**) Fontes r. A. XLH, 37 „Stussfert", das nicht mit Stassfurt
zu erklären ist.
**) Wie K. Stolle 22 in patriotischer Freude meldet.
**) Hart. Karamermeister 1195: Grabe by Molhusen. Fontes
r. A. XLI, 37: „bie Körnte" (Körner, Dorf östlich von Mühlhausen).
106 Adolph Bachmann:
anzutreten, nicht ohne dem herzoglichen Obermarscliall
ein Pferd wegzuführen. *^) Um so mehr trug Wilhehn
jetzt an der Grenze des eigenen Gebietes dafür Sorge,
eine feste Ordnung für den ferneren Zug im Heere auf-
zurichten, um dadurch niclit blos Ausschreitungen und
Verhiste zu vermeiden, sondern vor allem auch die ein-
zelnen Rotten des Söldnerheeres noch enger an sich zu
ketten.
Erst erging an sie des Herzogs Aufforderung, aus
ihrer Mitte einen Oberanführer zu erwählen, was aber,
bezeichnend genug, an ihrer Uneinigkeit scheiterte. Auf
ihren Wunsch und mit ihrer Zustimmung bestellte nun
Herzog Wilhelm selbst Herrn Peter von Sternberg zum
obersten Hauptmann über sie. Als die Rottmeister die-
sem Gehorsam gelobten, empfing auch Herr Apel Vitz-
thum an des Herzogs Statt nochmals von ihnen die Zu-
sage mit Hand und Mund, sie wollten dem Herzoge treu
und gehorsam sein und ihm folgen, wohin er in Person
sie führen würde. *') Dann ward folgende „Ordnung"
vereinbart und durch das ganze Heer ausgerufen:
1. Niemand soll beim Aufhruche voranziehen wollen, es sei
denn der Marschall der Böhmen oder Deutschen und die ihm bei-
gegeben sind. Wer diesen vorzuziehen wagt, den soll man „vom
Pferde setzen". Widersetzt er sich dem, so wird er an Leib und
und Gut gestraft.
2. Kein Krieger soll beim Aufbruche weiter ausrücken als bis
in das nächste Feld am Lager; hier soll man harren, bis die Wägen
in Reihe und Ordnung kommen.
3. Die Wagen der deutschen Krieger ziehen auf der einen,
die der böhmischen auf der andern Seite des Weges; jeder Wagen
hat während der ganzen Dauer des Zuges seinen sichern Platz in
der Reihe, den er ohne Ahndung nicht verlassen darf.
4. Das Hauptbanner, das nach dem Rathe der Hauptleute be-
stellt wird, soll an der Spitze des Zuges sein und niemand ihm aus
dem Haufen vorrücken.
5. Die Reisigen sollen neben und hinter ihren Wagen einher-
gehen in der Ordnung, die ihnen vorgeschrieben wu'd und passend ist.
6. Eigene „Nachtreiber" werden die Ordnung überwachen.
7. Findet man bereits jemanden an dem Orte, den man zur
Lagerstatt bestimmt hat, so soll ihn der Marschall durch seine Leute
greifen und dem Herzoge überliefern lassen.
8. Niemand darf Städte, Burgen und Kirchen ohne Geheiss
des Herzogs oder seiner Hauptleute angreifen.
9. Es soll überhaupt niemand vom Zuge abschweifen und da-
neben ausreifen ohne Wissen der Hauptleute; für Schaden, den er
dabei empfängt, wird der Herzog nicht einstehen.
*•) Fontes r. A. XLÜ, ,S7.
♦') Fontes r. A. XLH, .38,
Herzog Wilhelm von Sacliaeii aui dem Zuge vor Soest. 107
10. Keiner soll mit dem andern Streit anfangen. Geschieht es
dennoch, so soll die Sache jedesfalls vor die Ilauptleute gebracht
werden, wo jedem sii^^her sein Recht wird. Zückt einer Schwert oder
Messer, so soll man ihm die Hand durchstechen ; verwundet er den
andern, so soll man ihm die Hand abhauen; tödtet er ihn, so soll
man ihm den Kopf abschlagen.
11. Alle, die dem Heere zuführen, -treiben oder -tragen, sollen
Sicherung und Freiung geniessen.
12. Niemand soll beim Aufbrechen seine Bude anzünden und
überhaupt brennen und sengen ohne des Herzogs Geheiss ; wer da-
wider thut, der soll ebenso mit Feuer gestraft werden.*')
Man siebt, die Ordnung war streng und gut. Aber
was bilft die beste Ordnung, wenn der unbändige Kriegs-
mann sich nicht zu bezwingen vermag, wenn die Führer
statt dafür einzustehen durch eigene Widersetzlichkeit
und Willkür die Bande des Gehorsams zerstören oder
wenn, was bald geschah, die Notli gebieterisch zur Selbst-
hülfe drängt?
Das Heer hatte, von Mühlhausen nordwestlich ziehend,
um an Göttingen vorbei das trotzige Einbeck zu erreichen,
kaum das Eichsfeld ^^) betreten, als die eben geschaffene
Ordnung sich aucli schon zu lösen begann. Das wurde
je länger um so schlimmer. Des geordneten Ziehens über-
drüssig, zogen einzelne Rotten immer wieder besonders
und lagerjten besonders. Dajdurch ward die Verpflegung
erschwert und unregelmässig, selbst wenn hinlänglich Vor-
räthe im Heere vorhanden waren . was nicht immer ge-
wesen zu sein scheint. Um so w^eniger scheute man fern
von dem Auge des Herzogs vor Eigenhülfe und der alten
Gewohnheit zu plündern zurück; besonders auf Kirchen
und Klöster war es von dem hussitischen Krieo^smann ab-
gesehen, da es hier an edlem Metall und kostbaren Ge-
wändern oder doch wenigstens in den Kirchenglocken
insgemein reichlichere Beute gab; eine religiöse Scheu,
die ihn etwa zurückhielt, besass er nicht. Anderseits ward
freilich wieder mancher über der Gewaltthat erschlagen,
so z. B. im Lager vor Göttingen, wo nur die Dazwischen-
kunft der beiden Herzoge Heinrich und Wilhelm von
Braunschweig und des Landgrafen von Hessen ^"), die
gleichfalls dem Kölner zuziehen wollten, die Stadt vor
einem Angriffe des rachedürstenden Heeres errettete. Auch
der Herzog, so grossen Verdruss er über diese Voi-gänge
*»'\
') Fontes r. A. XLH, 3b.
*•) Hart. Kamniermeister 1195: „zoch herzog Wilhelm . . '. vf
den Sonnabcnt (.H. Juni) darnach vf das Eisfeld etc."
*") Nur erwähnt bei Detmar, Lüb. Chronik 1. c. 108.
50
108 Adulpli Bacbmaun:
empfand, liatte einen Augenblick daran gedacht, sicli
Göttingens zu bemächtigen.^^)
Vereint zogen nun die Fürsten nordwärts vor Einbeck.
Trotz der geschilderten Uebelstände, die sogar unter den
„Gleichen", zwei Bergen nordwärts von Göttingen, den
brandenburgischen Dienstmannen im Heere den Anlass
oder Vorwand gaben, sich von dem Zuge zu trennen und
umzukehren ^^), schien der allseitige Erfolg des Unter-
nehmens sicher. Zwar hatte die Stadt Einbeck einen
Rückhalt gefunden an dem Bischöfe Magnus von Hildes-
heim aus dem Geschlechte der Herzoge von Sachsen-
Lauenburg, und eilte dieser auch jetzt zu Hülfe herbei,
nachdem er schon früher dem Herzoge Wilhelm von
Braunschweig mehrere Orte abgenommen: binnen drei
Tagen beugten der Herzog und die Böhmen durch ihre
Uebermacht und die Drohung, die Saaten zu zertreten,
den Trotz der Bürgerschaft. Die Einbecker gelobten
dem Herzoge von Braunschweig Gehorsam und versprachen
12000 ä. zu zahlen. ^^) Auch der Bischof von Hildesheim
hielt es für das Beste, seine Truppen aus Einbeck und
den anderen besetzten Punkten wegzuziehen und lieber
gleichfalls sich dem Heereszuge nach Westfalen anzu-
schliessen.
Mit gesteigertem Selbstvertrauen zogen nun die Fürsten
westwärts, setzten über die Weser und drangen in das
Paderborn 'sehe Stiftsgebiet ein^*), Brakel ^^) und andere
Orte auf dem Wege mehr durch den Schrecken ihres
Namens als durch Gewalt zur Ei'gebung und Abdingung
zwingend. Schon hatte sich auch Kurfürst Dietrich von
Köln erhoben, dem heranziehenden Heere die Hand zu
reichen. So sehr mehrten die glücklichen Ereignisse die
freudige Siegeszuversicht des Heeres, dass die Böhmen
sich rühmten, sie würden Soest nehmen, „es sei denn,
dass die Stadt ein Gewölbe über ihr hätte und es nicht
möglich sei, dass sie jemand konnte gewinnen".*^) Aber
es wuchs auch ihre Raublust und Zügellosigkeit, wobei
*') Detraar 1. c.
**) Die Angabe des Reimchronisten bei Emminghaus 1. c. 68,9
ist darnach richtig zu stellen.
**) Detmar, L.Ch. 107—108, Stolle 22 : „czehen tusent gülden.''
u. a. 0.
") Nach Detraar 108.
") Pesina, Mars Moravicus 636.
'«) K. Stolle 25.
Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 109
sie es mit der Uutersclieidung von freundlichem und
feindlichem Gebiete nicht eben sonderlich genau nahmen.
So hatte Heinrich von Kolowrath M'ährend der zwei-
tägigen Rast bei „Lutharst", westlich von Einbeck, selbst
das braunschweigige Oklcndorf (?) angegriffen, ohne freilicl
1
sich des Ortes bemäclitigen zu können. Herzog Wilhelms
zornige Vorstellungen aber und seine Erklärung, für den
hier erlittenen Schaden werde er nicht aufkommen, hatten
Kolowrath und eine Reihe anderer Rottnieister mit offenem
Trotze beantwortet und wirklich dann das Signal zum
Aufbruche und Weiterzuge unbeachtet gelassen. Erst
Apel Vitzthum, der bei ihnen zurückblieb, gelang es, die
Zürnenden zu beschwichtigen und zum Nachziehen zu be-
wegen, worauf auch der Herzog durch versöhnliches
Wesen das Geschehene vergessen zu machen strebte.^')
Die Vereinigung des rheinischen mit dem sächsisch-
böhmischen Heere brachte zunächst schwere Tage für das
Lippe'sche Gebiet. Wie ein verheerender Strom ergoss
sich das zu unwiderstehlicher Stärke angewachsene Heer
über das imglückliche Land. Da wurde Schloss und
Stadt Blomberg erstürmt, geplündert und angezündet ^*'),
Hörn und Detmold mit der Burg zur Unterwerfung ge-
zwuno^en. Aus Lemgo war oreflohen, was nur zu fliehen
vermochte; die übrigen huldigten dem Erzbischofe, zahl-
ten 9000 fl. und versorgten das Heer mit Speise und
Trank.***) Aehnlich erging es mit Salzufteln (Salz?) und
Herford, wo man 13000 fl. erpresste. Nur Schloss Falken-
berg widerstand mit Erfolg den Scharen der Angreifer. *'°)
Ein gewaltiger Schreck flog weithin durch die nieder-
deutschen "Lande. Da gaben die Bürger von Osnabrück
den gefangenen Johann den Jüngern von Hoya ohne
Lösegeld frei, als die Heerführer dies verlangten, und
leisteten willig zur Versorgung des Heeres."') Da machten
die Drohungen des Bischofes von Münster, diese Stadt
*') Fontes r. A. XLII, 39. Vergl. übrigens des Herzogs JBe-
schwerdebrief gegen Heinrich von Kolowrath im Grossh. und Herz.
Gesammt-Arch. zu Weimar Reg. A, Ibl 8b, No. 18.
*») Nach 789 Anm. 1, in Hegel, Städtcchroniken XIV (Koelhofl''-
sche Chronik). Detmar, L. Ch. 1. c. sagt 25000 fl.
*») Archiv cesky IV, st. 388 a. a. 0.
*") Detmar, L. Chr. 108. Die Gesammtsumnie der Abdingungen
scliätzt H. v. Kolowrath auf 56 000 ä. Arch. cesky IV, st. 388. Für
Falkenberg s. Emminghaus 1. c. 690.
«') Detmar, T.. Clir. 109. Emminghaus 693.
WQ Adolph Bachmann:
mit dem böhmischen Heere heimzusuchen, den Stadtrath
derart gefügig, dass er nicht bloss aus dem Bunde gegen
ihn zu treten, sondern selbst Soest abzusagen bereit war;
kaum dass die Commune die üblen Folgen dieser Zag-
haftigkeit verhinderte.®^) Die Drohung des Erzbischofes
endlich, er werde Paderborn vertilgen, wenn die Stadt
nicht aus dem Bunde der Landschaft trete, veranlasste
die eilige Flucht vieler aus der Stadt, als die gefürchteten
Böhmen mit dem Heere herannahten/^) Allgemein aber
wurde geglaubt und beliauptet, das Heer sei erschienen
nicht etwa Soests wegen allein, sondern nach dem Willen
der Fürsten und in der Absicht, die Städter zu demüthigen.
Nach Hessen hinauf und bis an die Gestade des Meeres
hinab herrschte Furcht und kriegerische Bewegung. ®*)
Wer konnte auch ahnen, dass die Zeit der Erfolge für
das Invasionsheer bereits vorüber sei?
Nachdem Herford gefallen war, die Osnabrücker sich
gefügt hatten, zog das Heer durch die Joche des Teuto-
burger Waldes wieder in die westfälische Hochlandschaft
und lagerte sich vor Lippstadt. Nach dessen Bezwingung
sollte Soest an die Reihe kommen. Hier aber brach sich
zuerst die böhmische Sturmflut. „Das ist eine wohlbe-
festigte Stadt", schreibt Heinrich von Kolowrath an seinen
Oheim Pesik von Kunwald nach Böhmen, „geschützt
durch wasserreiche tiefe Gräben, wenige Städte Böhmens
können sich mit ihr vergleichen; nur dass die Gallerien
an den Mauern nicht gut eingerichtet sind. Auch ist sie
grösser als irgend eine Stadt in Böhmen ausser Prag und
Kuttenberg."®*) Und der Lübecker Chronist meldet:
„Die Lippe war wohl bemannt mit guten wehrhaften
Leuten und wohl bewahrt mit Büchsen und mit allerlei
**) Ebendort: Doch jo wart das urame ghedreven van der
menheyt."
**) Emminghaus, Memor. Susat. 691.
'*) Matth. Doeringii contin. Th. Engelhusii bei Mencke III, 15.
lieber den Schrecken den die Böhmen verbreiteten s. Emminghaus
090, 692 — 693. Die Menge erzählte sich die seltsamsten Dinge:
Dat Gerochte genck ock in dem Swanck,
Dat dey Bemen hedden enen Sterth lanck,
Und klemmeden dey Muren op als Ratten,
All sunder Ledderen und Latten,
Und all dat nicht gewelwet was to,
Dar kondeu sey inkomen spade und vro.
(Emminghaus 694).
•*) Archiv cesky IV, 388. Eine genaue deutsche Uebersetzung
bei Palacky, Gesch. Böhm. IV. 1, 179 fg.
Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zu^e vor Soest. 1 1 1
Wehre." **^'j Der LippeÜuss, der die iStadt auf der Nord-
seite umströmt, machte zudem von hier überhaupt jede
Eroberung unmöglich.**') So ging die Belagerung nur
langsam vorwärts.
Zwar wurden Mauern und Thore durch das Geschütz
der Belagerer fast niedergeworfen, wiederholt loderten in
der Stadt die Flammen empor '^^): die Lippstädter, die
höhnend dem Erzbischofe entboten, auch nicht einen Hel-
ler wollten sie ihm zahlen**'-*), löschten glücklich die bren-
nenden Häuser und thaten mit ihren Geschützen den Be-
drängern nicht minderen Schaden.'") Schon lag man
elf Tage vor der Stadt ' '), und noch wollte der Augen-
blick zum Sturme nicht kommen.'^) Inzwischen bedrängte
ein anderer Feind immer grimmiger die deutschen und
böhmischen Heerhaufen, der Hunger.
Es mag sein, dass die Zügellosigkeit der Böhmen,
ihre Ungenügsamkeit die Verpflegung erschwerte, dass
sie, wie dann der Herzog bitter klagte, nicht selten auch
jene Vorrätlie gewaltsam sich aneigneten, die für die
deutschen Heeresabtheilungen bestimmt waren. ") Die
Beschwerden derselben über schweren Mangel, den sie
leiden müssten, wie über unregelmässige Zahlung des
Soldes scheinen dabei trotzdem berechtigt gewesen zu
sein.'*) Die Noth muss gross gewesen sein, wenn Herzog
•«) L. c. 108.
") K. Stolle 24. Vnnd dy stad had vff ehier syten eyn wasser,
genant dy Lippe, do von sy also veste was, das sy or nicht konden
angehabe noch gestorme etc.
«*) Koelhoft'^sche Chronik bei Hegel, Städtechroniken XIV, 789.
Emrainghaus 1. c. 695.
«») K. Stolle 24.
'») Detmar, L. Chr. 108 a. a. 0. Emrainghaus 1. c. 697.
") Archiv cesky IV st. 388 : skoro dve nedele (fast zwei Wochen).
Fontes r. A. XLII, 40: „vierzehentage". K. Stolle 1. c. von Diens-
tag nach Viti (20. Juni) bis Freitag Petri und Pauli (30. Juni).
Koelhoffsche Chronik 1. c. 789: „ind stormdcu die 14 dage lank".
Die gleiche und wie es scheint genaueste Angabe wie Stolle hat
auch Bartholomcus von der Lake, Geschichte der Soester Fehde (bei
Seibertz, Quellen der westfälischen Geschichte 11, 380 fgg.). Dagegen
sagt der Reimchronist bei Emminghaus 1. c. 699: „Is hey den
twelften Dach mit den synen opgebrochen". Derselbe bezifiert (687,
088) den Verlust der Angreifer auf 400, den der L. auf nur 2 Todte.
") Fontes r. A. XLII, 41.
") Fontes r. A. XLII, 45.
'*) Fabricius, Origines Saxoniae 713: „potritisque et exhaustis
agris ad Susati oppugnationeni festinant".
112 Adolph Bachmann:
Wilhelm sich bewegen liess, in einem förmlichen Vertrage
geradezu die Fortsetzung des Zuges von der Möglichkeit
genügender Verpflegung abhängig zu machen.
Jeder Streiter, so verpflichtet sich der Herzog, erhält
täglich zwei Laiblein Brod, dazu Bier und Fleisch oder,
falls es irgend möglich ist, Fastenspeise, je nach dem
Tage, wie das auch schon bisher gehalten wurde. Sei
man einen Tag nicht im stände, obiges zu leisten, so soll
jeder Mann am nächsten Tage vier Brode erhalten und
ihm ebenso Bier und Fleisch „gebessert" werden. Wäre
man dies aber auch noch den dritten Tage nicht zu thun
in der Lage, so soll auf die Ermahnung der Böhmen das
ganze Heer aufbrechen und heimziehen. Der Herzog soll
dann jene sicher heirageleiten und ihnen alles erfüllen,
was er ihnen versprochen. Dafür geloben auch sie ihm
gehorsam zu sein und sich von ihm nicht früher zu trennen,
als bis der Kurfürst von Köln seine Mühe und Kosten
ersetzt habe.'*)
Die Fruchtlosigkeit der Belagerung, die Zänkereien
mit den Söldnern, die, einmal aufgehalten, nun lieber die
Zeit dem Spiele als ernster Belagerungsarbeit widmeten,
erregte weithin Aufmerksamkeit und warnte die Reichs-
städte vor übereilten Beschlüssen.'^) Noch war es nicht
zu einem eigentlichen Sturme auf Lippstadt gekommen,
als die Fürsten beschlossen, die Belagerung abzubrechen
und lieber sofort auf dsn Hauptfeind loszugehen.")
Soest besitzt lange nicht die feste Lage von Lipp-
stadt; weder ein Fluss noch besonders hohe Mauern be-
schützten die Stadt.'*) Aber die todesmuthige Entschlos-
senheit der Bürgerschaft, die Hülfe, die Adolf von Cleve
sandte, dessen eigener Sohn Herzog Johann freiwillig oder
gezwungen sich mit einschliessen liess '*), wogen jene
Nachtheile völlig auf.
Dass man es mit einem entschlossenen Gegner zu
thun habe, erfuhren die Verbündeten gleich beim An-
märsche. Mit 500 Pferden zogen ihnen die Soester ent-
") Fontes r. A. XLII, 31 fg.
'«) Ebeutlort 40.
") Dass der Befehl plötzlich gegeben wurde, beweist der Brief
Heinrich Kolowraths im Arch. cesky 1. c.
") K. Stolle 25: „sy (die Stadt) had sust kleine trocken graben
vnnd eyne aide bosze muren".
") K. Stolle 1. c. Detmar, L. Chr. 109. Koelhofifsche Chronik
bei Hegel 789 u. s. w.
Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 113
gegen und suchten ihnen möglichst Schaden zu thun.
Freilich führte dies zu einem bedenklichen Unfälle für
die Städter. Die Böhmen nämlich drängten sie nicht bloss
siegreich bis vor die Stadtmauer, sondern stürmten zu
gleicher Zeit das hart davor gelegene Sanct Walburgis-
kloster, das Herzog Johann persönlich vertheidigte. Das
Kloster, dessen Besatzung ob des bunten Gewirres, in
dem Freund imd Feind sich befanden, nicht wagte,
sich der Geschütze zu bedienen, wurde genommen und
die Besatzung niedergemacht oder gefangen. ]\Iit Mühe
entkam der junge Herzog in die Stadt. *°)
Anderseits erzeugte dieser Erfolg sofort auch neuen
Streit mit den Böhmen. Nachdem sie nämlich zuerst das
Kloster bewacht, dann Ablösung bekommen hatten,
weigerten sie sich, als die Reihe wiederum an sie kam,
den gefährlichen Posten von neuem zu beziehen. Es
blieb dem Herzog Wilhelm nichts anderes übrig, als
durch sechs Tage das Kloster allein durch die deutschen
Truppen besetzt zu halten, was neben den anderen Be-
lagerungsarbeiten natürlich diesen sehr schwer fiel. Noch
viel bedenklicher als dies war der üble Einfluss, den ein
solches Verhalten der böhmischen Truppen auf das Ver-
hältnis der Mannschaft beider Nationalitäten zu einander
überhaupt haben musste. Unverhohlen brach der Unwille
der Thüringer hervor: die Böhmen erhielten Sold und
sie nicht, und dennoch hätten jene beim Herzoge stets
den Vorzug vor ihnen; sie müssten eigentlich den Böhmen
den Sold verdienen und für sie wachen. ^') Lässigkeit
und Widerwille auch bei den Deutschen waren die na-
türliche Folge. *'^)
Trotzdem schritt die Belagerung vorwärts. Durch
die Wioderankunft des Herzogs Wilhelm von Braun-
schweig und den Zuzug (?) Graf Johanns von Hoya er-
hielt das Heer neue Verstärkunij. Nachdem man das
Lager drei Pfeilschüsse von der Stadt aufgeschlagen und
durch einen grossen Graben und mächtigen Damm sich
'") Detmar 109. Stolle 24: nenut die Zahl der Erschlagenen
und der gewonnenen Geschütze. Koelhoff"'sche Chronik 1. c. : „ind
der herzoch van Cleve vursz intquam den Behemern so nauwe uis
dem cloister in die stat, dat hinder dem herzogen einre erslagen
wart.
") Fontes r. A. XLII, 42 fg.
") Fontes r. A. 1. c. : darvon vns gemeinlich von den Thutz-
schen grosser abfall, vngehorsam vnd widerstant begegnet.
Neues Archiv f. S. G. u. A. II. 3. ö
114 Adolph Bachmann:
gegen das Geschütz und die Ueberlälle der Städter ge-
sichert hatte, sahen sich letztere durch die Geschosse der
Belagerer immer härter bedrängt. Schon waren die
Mauern zerschossen, dachte die Stadt an Ergebung und
verlangte mit dem Erzbischofe zu verhandeln, schon nahm
auch Herzog Wilhelm mit dem von Braunschweig und
Graf Johann von Hoya seine grossen Pläne wieder auf ^^),
als die Vorgänge im Belagerungsheere eine Wandlung
der Dinge herbeiführten.
Hatte bereits vor Lippstadt der Hunger dem Heere
hart zugesetzt und den vorzeitigen Abzug mit verschuldet®*),
so hielt es vor Soest noch schwerer, eine so grosse Men-
schenmenge mit dem Nöthigen zu versorgen. Bald war
die Gegend ringsum ausgesaugt, M-aren die alten Vor-
räthe erschöpft, während das neue Getreide erst im Reifen
war; zudem hinderten die Soester durch häufige Ausfälle
die Zufuhren. **) Da erhob sich denn, wie natürlich,
Murren im Heere, und wieder waren die Böhmen am
ungestümsten. Es half dem Herzoge wenig, dass er, um
nur sie in Ruhe zu halten, zuerst ihnen die Lebensmittel
zutheilen Hess, dann erst den deutschen Truppen. Oft
reichte eben das Vorhandene keineswegs und dann warfen
sich die Böhmen, von Hunger getrieben, rücksichtslos auf
die für die andern Abtheilungen und für den Herzog
selbst bestimmten Vorräthe und hielten sich daran schad-
los. *'') Da jene das Ihre verthcidigten, so fehlte es nicht
an Kampf und Gewalt. Als der Mangel wuchs, drängten
zudem die Rottmeister unablässig den Herzog mit dem
Verlangen, nun mit ihnen abzuziehen, wie er in seinem
Briefe vor Lippstadt verheissen hatte. Auf seine Weige-
rung hin musste der Herzog geradezu besorgen, dass der
bedrängte böhmische Heerhaufen allein fortziehen und ihn
in der Fremde im Stiche lassen werde. *')
Dabei blieb der Mangel nicht die einzige Ursache
zum Zwiste; bald gesellten sich Klagen über die unregel-
mässige Soldzahlung hinzu. Herzog Wilhelms Kasse
scheint nicht minder erschöpft gewesen zu sein, als jene
»») Fontes r. A. XLII, 42.
•*) Vergl. Fabricius, Origines 713.
") Konrad Stolle 24.
•«) Fontes r. A. XLII, 45.
»') Fontes r. A. XLII, 41 fgg.
Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 115
des Kölner Kurfürsten. **) Man war bald ausser stände,
die Truppen nach der getroffenen Vereinbarung abzu-
lolmen. Die Böhmen verlangten aber nicht nur ihren
Sold, sondern ihre Führer forderten auch die Hälfte des
bedungenen Dienstgeldes, obwohl die sechs Monate noch
nicht völlig abgelaufen waren. *') Tag für Tag bedrängt
und gequält, musste Wilhelm von Sachsen nicht nur den
Herren von Kolowrath , Ilburg , Janowitz , dem Calta,
Sädlo die geforderten Beträge auszahlen, sondern sich
auch noch der Soldzahlung wegen folgendermassen ver-
pflichten: 1. am nächsten Tage, Sonntag den 9. Juli (?)*")
den Böhmen die rückständigen Soldbeträge in guten
böhmischen Groschen, deren 24 auf einen rlieinischen
Gulden gehen, oder in rheinischen Gulden zu bezahlen;
2. all den weiteren Sold, den sie noch verdienen würden,
ihnen bis eben diesen Sonntag über drei oder doch läng-
stens über vier Wochen ebenso in rheinischen Gulden oder
böhmischen Groschen auszurichten; 3. falls sie noch länger
als bis dahin in seinem Dienste bleiben sollten, so wolle
er ihnen ihren Sold alle acht Tage oder vierzehn Tage
oder drei Wochen, längstens aber alle vier Wochen be-
zahlen und schliesslich, wenn sie aus seinem Dienste
schieden, ihnen zu Eger ihren „verdienten und verfallen"
Sold gänzlich ausrichten; 4. sollte ihm das nicht sofort
möglich sein, so würden sie wenigstens binnen zAvei Mo-
naten hernach ihren Sold ganz und ohne Weigerung und
weitere Verzögerung erhalten.
Das alles gelobt ihnen der Herzog bei seinen fürst-
lichen Treuen und Ehren, wogegen auch sie versprechen,
ihm getreu und gehorsam zu sein und nicht früher sich
von ihm zu trennen, als bis er von dem Kurfürsten von
Köln völlig entschädigt sei.®')
Aber Herzog Wilhelm vermochte, wie es scheint, auch
") Ennen, Geschichte der Stadt Köln III, 419 fgg. Vergl. La-
comblet, ürkuiideiibuch IV, 351, 374 Anmerkung, 375; ferner Koel-
hoä''sche Chronik hei Hegel, Städtechroniken XIV, 790. Pesina,
Mars Moravicus 635 und a. a. 0.
«») Fontes r. A. XLII, 45 fg.
"") Das genaue Datum in der noch vorhandenen Gopie des
Briefes fehlt; es heisst bloss „vff morn sontag", was auf den 1., 9.
und 10. Juli gehen könnte. Nach den Umständen möchte ich mich
für den obigen Tag entscheiden.
*') Copia im Grossherz, und Herzog]. Ges. -Archive zu Weimar,
Reg. A fol. 8 b Nr. 18 (alter Ordnung).
8*
116 Adolph Bachmann:
nicht einmal die erste Zahlung zu leisten, da eben ihm
der Kurfürst seinerseits nicht auszuhelfen in der Lage
war. Anderseits verlangten die Böhmen nun auch die
Sicherstellung dafür, dass der Herzog auch den Schad-
losbriefen nachkomme. So begann der Zank, kaum zur
Ruhe gebracht, aufs neue und ärger als zuvor, bis der
Herzog, um grösseres Unheil zu vermeiden, sich entschloss,
einen Theil seiner Städte und Burgen mit dem zugehö-
rigen Gebiete den Böhmen als Pfand für die richtige
Auszahlung der Schadlosgelder zu überlassen. Nach
sorgfältiger Berathung kam man überein: *^)
1. Der Herzog verpflichtet sich, die Städte und Burgen
Weida, Arnshaug, Ranis, Pösueck, Triptis, Auma und
Neustadt mit all ihren Dörfern, Gerichten, Rechten, Herr-
lichkeiten, Würden, Nutzen und andern Zugehörungen für
die Schäden, welche die böhmischen Truppen während
der Dauer ihres jetzigen Dienstverhältnisses zu ihm er-
leiden würden, diesen als Pfand zu übergeben und zwar
auf die Summe, welche die in den Schadlosbriefen be-
nannten Schiedsrichter festsetzen würden.
2. Der Herzog verpflichtet sich für sich und seine
Erben mit seinean fürstlichen Worte, dieselbe Summe nach
Abzug dessen, was er ihnen etwa mit Geld oder Pferden
schon zuvor ersetzt hat, in der Stadt Eger gütlich zu
bezahlen.
3. Die Böhmen treten in den Pfandbesitz und Genuss
der genannten Städte und Burgen mit all ihrem Zugehöi',
so wie der Herzog binnen der bestimmten Jahresfrist die
Zahlung nicht leistet, imd verbleiben darin so lange, bis
die Schadenssumme völlig bezahlt ist. Ist dies aber ge-
schehen, so soll die Pfandschaft alsbald in des Herzogs
Hand zurückgeantwortet werden.
4. Für den Fall, dass die Pfandinhaber des Geldes
bedürftig wären, sollen sie dies nach Ablauf der genannten
Frist dem Herzoge in einem oflfenen Briefe verkünden;
derselbe wird ihnen nach Ablauf eines Monates an einem
festgesetzten Tage das Geld zu Eger bezahlen und da-
durch seine Städte und Burgen etc. entledigen.
**) Fontes r. A. XLII, 32 fgg. Das Datum nach der Andeu-
tung ebendas. 41. Bei dieser Lrelegenheit bemerke ich, dass ich
nun die beiläufigen Bestimmungen von Zeit und Ort bez. Nr. 20,
21, 22, 23 der Fontes r. A. XLII nach den Ausführungen dieser Ab-
handlung abändern würde.
Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 117
5. Wäre der Herzog auch dann noch säumig mit
der Zahkmg, so hätten die Pfandinhaber die Macht und
Gewalt, die genannten Städte und Schlösser etc. auf die-
selbe Summe Geldes, wie sie ihnen der Herzog schiüdig
ist, einem oder mehreren, nur nicht dem Könige von
Böhmen , weiter zu versetzen und zu verpfänden.
Weitere Bestimmungen besagen, dass der Herzog sich
die Wildbahn in den genannten Aemtern vorbehalte,
etwa während der Pfandschaft ledig werdende Mannlehen
in denselben unverliehen bleiben sollen, dass der Herzog
die Pfandinhaber schützen und ebenso sie ihm getreulich
helfen imd rathen sollten gegen jedermann, dass sie die
in den verpfändeten Gebieten Eingesessenen bei ihren
Rechten und ihrem Herkommen belassen sollten u. s. w.
Diesem Briefe des Herzogs gegenüber geben die böhmischen
Herren, Ritter und „ehrbaren" Leute ihren versiegelten
Reversbrief und geloben ihm in seinem Dienste gehorsam
zu sein, ihm getreulich beizustehen und nicht eher von
ihm aufzubrechen, als bis er von dem Erzbischofe von
Köln völlig entschädigt sei. Doch soll der Herzog ihnen
auch das halten, was er sonst verschrieben hat. —
Die Urkunde ist zu sorgfältig abgefasst, als dass man
an des Herzogs ernstlichem Willen, jene Schlösser den
Böhmen einzuräumen, zweifeln sollte; er erbot sich sogar,
sie sofort den Leuten, die sie dazu bestimmen würden,
zu überantworten. Wenn dann trotzdem weder dies noch
jenes geschah, so wird man des Herzogs Behauptung
glauben dürfen, dass die Böhmen, misstrauisch auch unter
einander, sich über jene nicht zu einigen vermochten,
die das Pfandgut im Namen aller zu getreuen Händen
übernehmen sollten, und dass daran die ganze Sache ge-
scheitert sei. ^•') Dafür dauerte aber auch der Zwist und
die Unzufriedenheit fort.
Die Folgen waren höchst unangenehme für die Be-
lagerer. Die Gegnerschaft der böhmischen und deutschen
Truppen lähmte natürlich den Eifer und das thatkräftige
Zusammenwirken beider; um so mehr wuchs den Soestern
der IMuth, als sie durch den einen oder andern heimlichen
Freund, den sie im Lager hatten, von diesen Vorgängen
Nachricht erhielten. ^*) Von neuem Höften belebt, gaben
") Fontes r. A. XLII, 41 fg.
•*) Detmar, L. Ch. 110. K. Stolle 25. Man sprach, offenbar mit
Unrecht, von Apel Vitzthum: „vnnd wart eyn gemeyn geruchte, wy
das er Apel Vitczthum .... es hette mit der stad gehalden."
118 Adolph Baclimaun:
sie den Gedanken an Ergebung auf und vertheidigten sich
mit der früheren Hartnäckigkeit. ^^) Der Zwiespalt unter
den Belagerern wurde aber bald auch in der Ferne be-
kannt. Die Reichsstädte, durch den drohenden Fall Soests
geschreckt, hatten zahlreich Botschaften abgeordnet, mit
den Heerführern in Verhandlungen zu treten; diese kehrten
nun auf dem Wege um. Der Herzog, um den Ausgang
der Belagerung selbst bereits besorgt, musste auf alle weit-
ausgreifenden Pläne verzichten. ***) Unter solchen Umständen
wurden der Erzbischof und die Böhmen einig, alles auf
eine Karte zu setzen und die Einnahme der Stadt mit
stürmender Hand zu versuchen. Geringere Zuversicht be-
wies Herzog Wilhelm von Sachsen, als ihm die Rottmeister
ihren Entschluss kundgaben; um jedoch den Vorwurf der
Feigheit zu vermeiden, entschloss auch er sich, am An-
griffe tlieilzunehmen.
Nachdem die Vorbereitungen getroffen waren, ordneten
sich in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli die Böhmen
und die rheinischen Truppen zum Sturme; von drei Seiten *')
sollte zu gleicher Zeit der Angriff auf die Mauern statt-
finden; mit 1200 Leitern, die der Erzbischof hatte herbei-
schaffen lassen, hoffte man diese zu gewinnen. Im zweiten
Treffen stand Herzog Wilhelm mit seinen deutschen Truppen,
zur Unterstützung und Mitwirkung bereit. ^*) Auch diesmal
fehlte es nicht an dem Verräther. Man kannte in der
Stadt nicht bloss die Absicht des Heeres, zu stürmen; man
soll sogar gewusst haben, zu welcher Zeit und auf welche
Mauerstrecken der Angriff stattfinden werde. ^*) Die mit
betäubendem Kriegsgeschrei ^"") andringenden Scharen
•*) Fontes r. A. XLII, 42 : also das die von Soyst gütlicher tei-
diinge, der sie begert hatten etc., ganz abfihlen.
") Ebendort. Der Reimchrouist bei Einniinghaus, Memor.
Susat. 700 meldet dariiber:
Sey vechteden und streden legen enander ser
Eyne gause Mantydes und noch mei',
Degelich und sunder Underlabt,
Et was allenthalven böse und quat.
•') Detmar 110: uude stormede de stad in dren sieden. Koel-
hoff'sche Chronik 789: ind sturmden an drien enden gelich an. Bar-
tholom. Lake 1. c. 406. Dagegen K. Stolle 25: vnnd stormeten dy
stad an vier enden.
") Adami Ursini chronicon Thuringicum bei Mencke, Scriptores
III, 1.S29: (die Behmen) musten zuuor an die stürme gähn.
»') Detmar, L. Chr. 110 und K. Stolle 1. c.
'"") Emminghaus, 1. c. 701.
Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 119
fanden die Vertheidiger wohl vorbereitet; Frauen und Kinder
halfen den Männern beim todesmuthig-en Widerstände.'"')
Entschlossen und ruhig harrten sie aus '°^), bis die Stür-
menden an die Mauern herangekommen, dann eröffneten
sie von diesen und den wohlbemannten Thürmcn aus ein
furchtbares Feuer von verderblichster Wirkung. Ver-
gebens füllten die Belagerer zu Tausenden den Graben,
legten die Leitern an, kletterten muthig empor, vergebens
trieb der Erzbischof, der sich persönlich in das Getümmel
der Kämpfenden wagte '"^), zur Ausdauer und zu neuen An-
griffen. Die Leitern waren zu kurz, mit gewaffneter Hand,
siedendem Wasser, glühend geraachten Pfeilen wehrten
die Vertheidiger ab. Nach mehrstündigem '"^) Ringen
musste der Sturm aufgegeben werden. Mehr als 1200 Mann
aber Hessen die Angreifer vor den Mauern. Die Ver-
wundeten lasen die Soester auf und brachten sie in die
Stadt zur Heilung; die WegschafFung derTodten gestatteten
sie den Geschlagenen. '°r) Sie selbst sollen nur acht Mann
verloren haben. '"**)
Der glänzende Erfolg, den die muthige Bürgerschaft
von Soest über die ungeheure Ueberzahl der Angreifer
errungen hatte, trug den Ruhm derselben weit über die
Grenzen Westfalens hinaus und entschied das Schicksal
des böhmisch-sächsischen Zuges mit einem Male. Der Bür-
gerschaft selbst erschien in späterer Zeit ihre Rettung fast
wie ein Wunder. Man wusste zu erzählen, dass der Klerus
der Stadt in jener furchtbaren Nacht vor den Reliquien
des heil. Patroclus um Rettung flehte, während draussen
der Kampf um die Mauern tobte, und dass ein mächtiges
Geräusch aus dem Reliquienschreine zum Zeichen geworden
sei, dass der Heilige den Seinen beistehe. '"') Um so
"") A. a. 0. Pesina, Mars Moravicus p. (>34: omnes enim etiam
parvuli, qui vel lapidem levare poterant, nd defeiisionem concurre-
bant; faeniinae picem liquefactam et cineres buUientes ferventemque
poUinem in armatos .... effundebant etc. Man vergl. die lebendige
Schilderung des Reimchronisten bei Emminghaus 1. c. 701 fg.
'»^) Detmar 110.
■oä) Koelhoffsche Chronik 1. c. 789.
'»*) Pesina 1. c. „ultra tres horas".
">') K. Stolle 2-1.
'**) Pesina 637. Ebenso Barthol. Lake nach (?) der Koellioff'scheii
Chronik 1. c, und Emminghaus 1. c. 702, nach dessen weiteren .\n-
gaben aber die Angreifer 1600 vor den Mauern verloren.
"") Acta Sanctor. ap. lioU. Append. ad Januarium IL, 1144.
120 Adolph üackmanu:
tiefer empfand Herzog Wilhelm die erlittene Niederlage.
Mühe und Kosten des weiten Zuges schienen nun umsonst
aufgewendet. Und nicht bloss das! Er, der die Böhmen
gerufen hatte, der ihr Führer gewesen war, galt als der
eigentliche Urheber der Verheerungen und all des Unge-
maches^ das die ungezügelten Scharen anrichteten. Mit Hohn
luid Schmähungen nannte man weithin seinen Namen. '"*)
Wenn der Herzog aber trotzdem seine Pläne noch
nicht völlig aufgab, wenn er sich mit dem Vorschlage,
nach der Grafschaft Mark zu ziehen, an sie wandte, so
musste er rasch erkennen, dass die Lust zu weiterer Kriegs-
fahrt bei den Böhmen nun völHg geschwunden sei. Sie,
denen der Sold eben wieder niciit bezahlt worden war,
mochten freilich merken, dass es dem Herzoge darum zu
thun sei, sie und sich selbst mit dem bezahlt zu machen,
Avas erst mit neuer Gefahr erstritten werden sollte. Der
Herzog empfing daher eine abschlägige Antwort und die
Meldung, dass man zur Heimkehr entschlossen sei. Aber
auch der alte Kölner Kurfürst hatte nun die Mittel wie
die Lust zu weiterer Fortsetzung des Kriegs gänzlich ver-
loren; auch er war bereit, die Belagerung aufzuheben,
die Söldner zu entlassen. '°^) So räumten denn am 21. Juli
die Verbündeten das Lager vor Soest, in dem ihnen so
trübe Erfahrungen geworden waren.
Vor dem Heimzuge Herzog Wilhelms und der Seinen
musste die Frage gelöst werden, in welcher Weise ihm
durch den Erzbischof genügende Entschädigung für die
Kosten geleistet werden könne. ' '") Von sofortiger Be-
zahlung konnte nicht die Rede sein. Der Erzbischof konnte
nur erwarten, binnen vier Tagen 50000 fl. aufzubringen, von
denen ihm 40000 fl. vom Grafen von Seyn, 10000 fl. von
anderer Seite konnnen sollten; er erbot sich daher, Stadt
und Zoll zu Bonn dem Herzoge als Pfand bis zu völliger
Ausgleichung zu überlassen, was gleichfalls binnen vier
Tagen geschehen konnte- ' ' ') Aber die Böhmen waren nicht
einmal zu bewegen, auch nur vier Tage länger zu warten;
sie bestanden auf dem ungesäumten Heimzuge Zudem
schien jegliche Zucht und Ordnung nun völlig bei ihnen
gelöst; nach eigener Laune zogen sie ihres Weges. Im
'»•) Detmar HO. Fontes r. A. XLII, 53 a. a. 0.
»•») Detmar 110; Peshia, Mars Moravicus 6.S5.
"») Ergiebt sich aus dem Stande der Dinge.
'") Fontes r. A. XLII, 43.
Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 121
Felde bei Geseke, südöstlicli von Lippstadt, schlug man
das erste Lager '^"^). Noch geleitete der Erzbischof den
sächsischen Fürsten und die Seinen. Da kam er beinahe
selbst in Gefahr. In der Nacht drang ein Haufe böhmi-
scher Krieger, sei es von Hunger getrieben, sei es aus
Beutelust, in des Kurfürsten Lager, nahm ihm seine Pferde
und Mundvorräthe und bedrohte ihn persönlich. Es musste
der Herzog Leute zu seinem Schutze absenden. Andern
Tages begab sich Dietrich nach Geseke**^); für seine
Schuld trat das Domcapitel von Köln als Bürge ein^'*)
Zu einer Unternehmuno; Hessen sich die Böhmen
noch bewegen: sie bogen nordwärts ab, um die Graf-
schaft Ravensberg heimzusuchen. Aber die vandalisclie
Art, in der sie hier hausten, in der sie besonders Kirchen
und Klöster plünderten und ihre Insassen misshandelteU;
war zugleich der einzige Erfolg. '*^) Den weiteren Rück-
zug nahm der Herzog südlicher; sein Vorwand war, die
Böhmen auf „anderem Wege" nach Hause zu l)ringen; sein
Plan, sich ihrer doch noch weiterhin und zwar für eine
Diversion nach Franken zu bedienen."®) Bei Mihla un-
weit Eisenach"'), wo man „am St. Gehülfenberge" das
Lager geschlagen, Hess sich die eigentliche Absicht nicht
länger verbergen. Hier kam es auch zur Trennung des
Heeres. Als die böhmischen Rotten den Entschluss des
Herzogs vernahmen, nun südwärts nach Franken zu ziehen,
da waren die meisten derselben nicht mehr zu halten.
Alles Zureden des Herzogs fruchtete nichts, schliesslich
entrollten sie ihr Banner und zogen, etwa 5000 Mann
stark " **) , unter Heinrichs von Kolowrath und anderer
Führung allein von danncn. „Mit traurigem Muthe, in
grossem Jammer" und zu seinem „unverwindlichen Schaden"
musste auch der Herzog allein ziehen."") Er nahm den
Weg nach dem Ko burgischen.
"*) Fontes r. A. XLII, 44 neben der Koelhoft'schen Chronik 790.
"*) Koelhoft"'sche Chronik 1. c. „were der busuhol' van Coelne in
niet intwichen zo Geiske . . . , si hetten in in dem velde erslagen".
Vergl. Emminghaus 1. o. 705.
"*) Koelhoff'sche Chronik 1. c. Pesina, Mars Moravicus p. 6.35.
'") Koelhofi''sche Chronik 1. c.
"•) K. Stolle 27. Vergl. auch Fontes r. A. XLII, 44, wo freilich
das Ziel der weiteren Unternehmungen nicht genannt ist.
"") Palacky, Gesch. Böhm. IV, 1, 181, ohne Angabe der Quelle.
'") Härtung Kammermeister 1. c. 1197. K. Stolle 26.
"•) Fontes r. A. XLII, 44.
122 Adolph Bachmann:
III.
So sehr der Aufbruch des böhmischen Heerhaufens
g-egeu den Willen des Herzogs erfolgt war, so schied man
doch nicht in offener Feindschaft^^*'); ja es scheint, dass
der Herzog noch ausdrücklich den gerechten Forderungen
der Soldtruppen zu genügen versprach. '^^) Nun suchten
diese, indem sie die nördliche Vorkette des Thüringer-
waldes überstiegen, das Mühlhausen'sche zu erreichen, um
dann auf demselben Wege, den sie gekommen, in die
Heimat zu ziehen.
Die Kunde über die Vorgänge in Westfalen war
natürlich auch nach Thüringen gedrungen; die Nachricht,
dass die Böhmen zurückkehrten und zwar allein, flog ihnen
voraus. Da fehlte es nicht an neuer Gefahr, neuen Ver-
lusten. Sie hatten unter des Herzogs Geleite, nach Westen
ziehend, sich keine Freunde erworben; jetzt, da sie für sich
selbst sorgen mussten, ohne auch da sich überall der Ueber-
griffe zu enthalten, übten die Thüringer an einzelnen und
kleinen Abtheilungen Rache und Vergeltung. ^*^) Die Noth
wuchs, als man sich Erfurt und dem Lande des Kurfürsten
Friedrich von Sachsen näherte.
Die Erfurter hatten schon den Hinzug der böhmischen
Truppen mit Misstrauen angesehen, waren auch nicht ganz
ohne Schaden geblieben. Sie hatten, der Wiederkehr jener
gewärtig, in der Zwischenzeit tüchtig gerüstet, ihre Stadt
verwahrt, sich auch in der Art der Böhmen, eine Wagen-
burg im Kampfe zu gebrauchen, nach Kräften geübt. **')
Trotzdem begehrten und erhielten sie auf die Kunde von
dem Anrücken der Böhmen Hülfe von Kurfürst Friedrich
von Sachsen; mit den Truppen des Grafen Ernst von
Gleichen, des von Plauen, Schaumburg und des ßitters
Harras, die ihnen jener zusandte, und unterstützt von den
Grafen von Querfurt, Beichlingen, Mansfeld und Ludwig
von Gleichen geboten sie über mehr denn 10000 Mann,
waren also den halbverhungerten Gegnern doppelt über-
legen.
'">) K. Stolle 25.
'") Stolle 1. c. Zeigt übrigens vielleicht auch der Umstand,
dass sie in Eger drei Tage auf Bezahlung warteten.
'") Fontes r. A. XLII, 47.
'»*) Ausführlich bei K. Stolle 22 fg., 26,
Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 123
Am 29. Juli (?) lagerten die Böhmen bei Vargula an
der ünstrut, wo sie sich vermittelst ihrer Büchsen des
»Schlosses bemächtigten. Von hier oder doch von Vippach
aus, wohin sie der nächste Tagmarsch führte, sandten sie
ein Schreiben an die Erfurter, ihnen den friedlichen Vor-
beizug zu gestatten; jede Beschädigung ihres Gebietes solle
verhütet werden, „sie seien verführt und schändlich betrogen
von Herrn Apel Vitzthum". AA' ohl drängte es den grossen
Haufen in Erfurt, die Fremdlinge mit überlegener Macht
anzufallen und niederzumachen, der Beute, die sie auf dem
Hin- und Rückzuge erworben, sich zu bemächtigen. Der
Rath aber bedachte vorsichtig nicht blos die Tliat an sicli,
sondern wie leicht der junge Herzog, in dessen Solde jene
doch immer noch standen, daraus den Anlass zum Kriege
gegen die Stadt nehmen könnte, trotz des gegenwärtigen
Verhältnisses derselben zu ihm. So kam denn Heinrich
Wisse, Mitglied des Rathes, in das Lager der Böhmen
unterhalb Vippach, ihnen die Gewährung ihres Ansuchens
zu überbringen und die Weise des Durchzuges zu bereden.
Die Erfurter fanden dabei noch Gelegenheit, den Herzog-
Wilhelm sich zu verpflichten. Die Böhmen hatten die
Absicht merken lassen, Weimar, des Herzogs Hauptstadt,
anzugreifen und zu nehmen. Jetzt theilte ihnen Wisse
mit, dass die Erfurter dies nicht gestatten könnten und
überhaupt angreifen würden, sowie man sie aus des Her-
zogs Landen zu Hülfe rufe. Darauf gaben die Böhmen
ihr Vorhaben auf.
Am 1. August zogen die Böhmen südostwärts durch
das Erfurter Gebiet; so grossen Mangel sie litten, sie thaten
dem Lande keinen Schaden. „Die reisigen Böhmen wollten
nicht, dass ihre Trabanten sich ein wenig Schoten nahmen;
sowie sie solches gewahr wurden, so trieben sie dieselben
mit Geissein davon. Also sehr fürchteten sie sich vor
denen von Erfurt." So kamen sie bis Meilingen, wo
sie ein Lager aufschlugen und übernnchtetcn. Auch der
weitere Zug durch Thüringen und das Vogtland glich
mehr einer Fahrt durch feindliches als durch freundliches
Gebiet. Bleibt auch unerwiesen, was die Böhmen von den
Erfurtern gehört zu haben behaupteten, dass der Herzog
selbst die Städter und seinen Bruder aufgefordert habe, die
gegen seinen AVillen Heimziehenden zu vernichten, — die
Böhmen selber wollten im erfurtischen Heere einen Ritter
bemerkt haben, der ihnen von des Herzogs Hofe her und
als einer seiner Dienstmanuen bekannt war, — der wenig
124 Adolph Bachmann:
freundlichen Stimmimg des Herzogs gegen die Abziehenden
entsprach jedesfalls die Haltung seiner Amtleute und
Pfleger. Man that nichts für ihre Verpflegimg, man wehrte
ihnen, sich beliebig zu lagern, man vergriff" sich an jenen
die allein auszogen, sich mit dem Nöthigen zu versehen. ''^*)
„Mit wehrender Hand" durchzogen die scliM^ergeprüften
Scharen eilig die weite Strecke bis Eger, vor dem sie
am 4. August anlangten **^) und wo nun endlich die Nach-
stellungen aufhörten. *^^)
Ein Ruf zorniger Theilnahme durchflog das benach-
barte böhmische Gebiet. „Ich bitte dich, leihe mir Leute
zu Ross und zu Fuss so rasch und so viele du vermagst,
damit ich den Unsern nach Meissen entgegenziehe", schreibt
Hynek Kruschina von Schwamberg an Ulrich von Rosen-
berg. „Ich vertraue darauf, dass du das thust, so wie ich
dir nach Bedürfnis thäte, wenn du mir schriebest, denn
wenn der liebe Gott nicht ihre Vernichtung abwendet, so
möchte es ein Verlust sein für das ganze Böhmerland." *^'')
Das ward nun überflüssig; als Schwamberg von seinem
Schlosse Bor '^*) den Eilboten mit dem Briefe nach Krumau
zu Herrn Ulrich absendete (5. August), standen die Böhmen
bereits im Egerlande.
Drei Tage verharrten die Rotten im Feldlager vor
Eger. Dann, während sich die Kunde von ihren Erleb-
nissen und ihren Beschwerden ringsum verbreitete, richteten
sie selbst am 6. August, ernst aber noch in geziemender
Ehrerbietung, ein Schreiben an den Herzog, in dem sie
über die Behandlung seitens der Seinen klagten und um
die Begleichung des Soldes und der Schadenssummen er-
suchen. '**) Nachdem die Führer dann, wie es scheint, die
'**) Die obigen Ausführungen und Daten nach K. Stolles (26, 27)
freilich sehr verwirrter Darstellung. Vergl. übrigens H. Kammer-
meister 1197 fg. Fontes r. A. XLII, 47 fgg. Die geographische
Darlegung nach Spruner -Menke, Handatlas für die Geschichte des
Mittelalters und der Neuzeit Nr. 43 Nebenkarte 2.
'**) Nach dem Schreiben der Anführer d. d. 6. August 1447 im
Grossherz. u. Herz. Ges.-Arch. zu Weimar, Reg. A fol. 8 Nr. 13.
'**) Fontes r. A. XLII, 47 jedesfalls übertrieben: „sein in nach
gevolt biss her noche gein Kunigswart etc."
'*') Archiv cesky III st. 373 fg. Die bez. Angabe Palackys,
Gesch. Böhm. IV, 1, 181, Note 167 ist ein Irrthum.
•") Bor, Burg der Schwamberge bei Tepl. Das Dorf heisst
heute „Borau".
'") S. Anm. 125.
Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 125
Verabredung getroffen, sich Ende August in Prag einzu-
finden**"), zogen die Abtlieilungen der Heimat zu und
lösten sich auf. Aber manch tapferer Krieger Icehrte nicht
wieder zurück, und die die Heimat wiedersahen, waren
zum Theile in dem traurigsten Zustande. „Zu dieser Zeit"
(um Laurenz!), erzählt entrüstet der Prager Anonymus,
„kam der Rest der Krieger zurück; sie führten 12 Wagen
mit Verwundeten und Kranken mit sich ; zahlreiche andere
Wagen waren angefüllt mit Raub ''^^), andere leer. Es kamen
auch die Mährer durch, bettelarm und nicht bloss ihrer
Freunde, sondern auch ihre Habe und Pferde verlustig.
Der Teufel traue den Deutschen." *^*)
Mit dem Abzüge des Haupttheiles der böhmischen
Truppen entschwand auch Herzog Wilhelm die Möglich-
keit, in Franken mit Nachdruck aufzutreten. Die iSürn-
berger waren übrigens zu seinem Empfange bereit. ''^)
Darum wurden denn, nachdem das Koburgische erreicht
war, die deutschen Truppen, dann auch Peter von Stern-
berg, Friedrich von Donin und so viele der Böhmen noch
verblieben waren, entlassen.
Die beiden Genannten hatten, nachdem^ wie es scheint,
der Herzog ihren eigenen Forderungen gerecht geworden
war, noch auf dessen Ersuchen die Zusage gegeben, be-
züglich der Ansprüche der übrigen einen Spruch zu tliun
und selbst baldigst wieder zu ihm zurückzukehren. Sie
konnten sich bald überzeugen, dass sie zu solchem Amte
untauglich seien. Auch gegen sie, die ihre Sache von der
der Landsleute getrennt, hatte man schwere Vorwürfe er-
hoben.''*) Trotzdem übersandten sie am 12. August von
Petschau aus ihr Gutachten an den Herzog '^^); drei Tage
später ''") aber übermittelte Peter von Sternberg ein
"») Stafi letopisove cesti st. 148. Vergl. Fontes r. A. XLII, 51.
'*') Diesen Passus lässt Th. Pesina, der die Stelle im Mars Mo-
ravicus 637 übersetzt, vorsichtig weg.
'**) Stafi letopisove 148.
'") K. Stolle 27. Die Städter besassen 12000 Mann. Vergl. auch
Hegel, Städtechroniken: Nürnberg IV, 167 Text und Anmerkung 5.
'**) Stafi letopisove st. 148: Domluvajice Holickemu mlademu
panu Petrovi, ze velikou neveru nim uciuil, odjed od nich. (d. i: mit
Schelten sagten sie dem jungen Peter Holicky nach, dass er grosse
Untreue an ihnen begangen habe, indem er sich von ihnen trennte).
'**) Kegest im Künigl. böhm. Landesarchive zu Prag.
'*") Grossherz. u. Herz. Ges.- Archiv zu Weimar Reg. A fol. 8
Nr. 13.
126 Adolph Bachmann :
Schreiben seines Vaters vom 12., das ihm dieser aus
Pürgles gesandt hatte ^^') und damit indirect auch die
Rathschläge, die Herr Alscho in der Sache für den
Herzog hatte.
Nachdem nämlich Sternberg in seinem Briefe der
schweren Vorwürfe gedacht, die allenthalben von Seiten
der Söldner gegen den Herzog laut würden, mahnt er
diesen zunächst zu völliger Befriedigung aller jener, die
treu an seiner Seite ausgeharrt. Dadurch werde den
Klagen der anderen die Spitze abgebrochen. Diesen selbst
möge der Herzog freundlich antworten und das Erbieten
stellen, den Schiedsspruch wegen Schadenersatz auf einen
oder mehrere der Herren Hase von Hasenburg, Ulrich
von Rosenberg, Hans von Kolowrath, (ieorg von Podiebrad
oder auch ihn selbst zu setzen. Zur Verhandlung sei es
am besten, Herrn Apel Vitzthum zu schicken; doch müsse
ihm in Anbetracht der schwierigen Lage der Dinge eine
versöhnliche Sprache befohlen werden.
Herzog Wilhelm hatte inzwischen den Söldnern in
Kürze die ausweichende Antwort gegeben, dass er wegen
Abwesenheit seiner Räthe und des Tages zu Mühlhausen
wegen ihnen keinen endgültigen Bescheid geben könne. ^*®)
Er theilte diesen Brief auch Herrn Alscho mit, mit dem
Zusätze, dass er vor Eintreffen des Sohnes desselben nichts
unternehmen werde. '^®) An diesen aber hatte er sich mit
dem besonderen Ersuchen gewendet, vor dem Mühlhausener
Tage zu ihm zu kommen, was Peter neuerdings zusagte. '*")
Als dann die Rathschläge des älteren Sternberg anlangten,
war der Herzog bereit, diesen zu entsprechen und theilte
diesen Entschluss endlich nach langem Schwanken am
27. September den Anführern der Soldtruppen mit. ^* ')
Diese hatten inzwischen nicht blos sofort nach ihrer
Rückkehr auf dem Rathhause der Altstadt Prag vor der
''') Fontes r. A. XLII, 46 fgg. mit unrichtigem Datum. Pürgles
bei Buchau und nicht mit anderen gleichnamigen Orten zu verwechseln.
'") Fontes r. A. XLII, 50 fg. Das Datum dürfte mit Rücksicht
auf die nachfolgende Note in „12. August" zu ändern sein.
"') Gesammt-Archiv zu Weimar Reg. A fol. 8 Nr. 13. Schreiben
aus Koburg, d. d. 12. August.
'*") Vergl. des Sternberg Antwort vom 15. August (Petschau)
im Grossh. Ges.-Arch. zu Weimar 1. c. Ebendort ein zweites Schreiben
desselben vom 19. August.
'*') Fontes r. A. XLII, 52 fgg.
Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 127
versammelten Ueineinde Klage geführt '''^). sondern waren,
nachdem sie noch öfter den Herzog gemahnt, gegen
Ende August neuerdings zusammen getreten, um nun in
einem letzten Schreiben ihre Ansprüche auf das ent-
schiedenste zu betonen. ^*^) Schliesslich willigten aber
auch sie ein, dass die Herren von Podiebrad und Alscho
von Stern berg über die Ersetzung der Schäden entscheiden
sollten. '^*)
Was weiter geschah, lässt sich aus den wenigen bisher
bekannten Nachrichten nur in den Umrissen erkennen.
Georg Podiebrad und Alscho von Sternberg fällten ihren
Spruch erst am 22. März 1448 ***), anscheinend zu gunsten
der Söldner, die, wie auch der Herzog, den Spruch an-
nahmen. Aber diesem fehlte das Geld, und seine Be-
mühungen, von dem Erzbischofe von Köln solches zu er-
halten, scheiterten an dessen eigener Zahlungsunfähigkeit.^*")
So verschleppte sich die Sache, bis der Sturz der Vitz-
thume, der grosse Krieg des Jahres 1450, sie augenblicklich
aus dem Vordergrunde drängten. Die Söldner bekamen
nichts, imd eben darum blieben ihre Forderungen eine
der Streitsachen, an denen sich von 1450 — 1456 immer
wieder das Kriegsfeuer entzündete. Auf dem grossen
Sühntage zu Breslau 1455 wurden auch die Forderungen
der Söldnerführer vorgenommen '*''), ebenso in Wunsiedel
im Februar 1459, wo aber beschlossen ward, auf dem
kommenden Egerer Tage von derlei Nebenfragen zunächst
abzusehen.'*^) Trotzdem kam es hier zu ausführlicher
Berathung auch dieser Sache und dann endlich auch zur
Zusage des Herzogs, die Schuldsumme zu zahlen, während
Johann Calta (auf liabenstein) seine ehrenrührigen Aeus-
serungen über den Herzog und dessen Mutter widerrufen
nmsste. **") Aber es dauerte noch di'ei volle Jahre, es
'") Stari letopisove st, 148.
'*') Fontes r. A. XLII, 51 fg.
'**) Vergl. Note 145.
'**) Regest im Konigl. Landesardiive zu Prag.
'*") Schreiben des Erzbischofes von Köln an Herz. Wilhelm vom
4. April 1448, Apel Vitzthums an Peter von Sternberg vom 14, April
und des letzteren Antwort vom 18. April im Grossh. Ges.-Arch.
zu Weimar, Reg. A fol. 8 Nr. 9. 15.
'") Fontes r. A. XLII, 273 fg., 276 fgg.
'*') Palacky, Urkundl. Beiträge etc. (Fontes r. A. II. Abth.,
Bd. XX) 173 fg.
'*•) Fontes r. A. XUI, 273 fg.
128 Adolph Bachmann:
bedurfte noch der wiederholten Intervention König Georgs,
es mussten sich die Anführer noch mit einer Ausrichtung
in geringerem Gelde einverstanden erklären, ehe endlich
im Juli 1462 ihre Forderung beglichen ward. *^'')
"">) Fontes r. A. XLII, 308 fgg., 311 fgg., 316, 343 fg., 346 fgg.
Die Geschichte dieses Handels von 1448—1462, sowie die Geschichte
der böhm.-sächsischen Beziehungen von 1448—1458 überhaupt, für die
das Königl, Hauptstaatsarchiv zu Dresden noch reiches ungedrucktes
Material enthält, sei hiermit einem künftigen Bearbeiter empfohlen.
Nachtrag. Der „Bericht eines Göttinger Raths-
mitgliedes über den Zug des Herzogs Wilhelm von Sachsen
gegen Soest , 1447" (im Urkundenbuch der Stadt Göt-
tingen von 1401 — 1500; herausg. von Dr. G. Schmidt,
Hannover 1867), dessen Einsichtnahme mir nachträglich
Herr Dr. Ermisch freundlichst vermittelt, bietet zwar
nichts wesentlich neues für das Verhältnis Herzog Wil-
helms zu den böhmischen Söldnern und für den Verlauf
des Unternehmens an sich, enthält aber doch, ähnlich wie
die Reimchronik, manches interessante Detail. So gewährt
er namentlich einzelne sichere Angaben für die Richtung
des Rückzuges und die Daten mehrerer Lagerplätze. Dar-
nach lagerte das Heer vom 5. bis 7. Juni nördlich von
Göttingen von ßovenden bis Nörten, welch letzteres beim
Abzüge bis auf 6 bis 8 Gebäude abbrannte; am 7. Juni
bei Hollenstedt; von da zogen sie nach den oben geschil-
derten Vorkommnissen endlich bei Holzminden über die
Weser und nahmen die Richtung auf Höxter. Für den
Rückzug, der, wie bereits angegeben, mehr südwärts führte,
gewinnen wir Beverungen als den Ort, wo sie über die
Weser zurückkehrten, weiter Dransfeld und Friedland,
wo sie, stets südöstlich ziehend, das Eichsfeld und den
St. Gehülfenberg bei Mihla erreichten.
VI.
Heinrich Friedrich Graf von Friesen, königlich
polnischer und kurfürstlich sächsischer Ge-
heimer Kabinets -Minister und General der In-
fanterie.
Von
0. von Schimpff.
Unter den sächsischen Aclelsfamilien, welche besonders
in dem 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
ihre Bevorzugung im Hof- Staats- und Militärdienste nicht
bloss der Fürstenlaune und dem Zufalle, sondern den wirk-
lich hervorragenden Eigenschaften ihrer Mitglieder ver-
dankten, nimmt die der Friesen unzweifelhaft einen der
ersten Plätze ein. Nur sehr wenioe sächsische Familien
vermochten damals gleiche wissenschaftliche und weltmän-
nische Bildung, gleiche Verdienste im Öffentlichen Dienste
nachzuweisen, wie die Friescn'sche; kaum aber dürfte auch
nur eine sicii rühmen können, dass ihrem Namen in jener
Periode eine so weit über die Grenzen ihres kleinen Vater-
landes hinausreichende Beachtung zutheil ward, und es
muss daneben noch besonders hervorgehoben werden, dass
die der Familie eigene Bildung und feine Sitte bereits Im
17. Jahrhundert, wo bekanntlich das weibliche Geschlecht
in Deutschland nur ganz ausnahmsweise sich einer sorg-
fältigeren Erzieh img zu erfreuen hatte, auch von den Frauen
Neues Archiv f. S. (!. n. A. II. 2. 9
130 0. von Schimpff:
und Töchtern der Friesen 'sehen Famihe getheilt zu werden
pflegte.
Die Familie, welche in ihrer jüngeren, freiherrlichen
Linie noch heute blüht, wird erst seit 1409 in sächsischen
Urkunden erwähnt und scheint aus der Schweiz einge-
wandert zu sein. Ihr Stammgut in Sachsen ist Kauern
bei Ronneburg; später (1589) wurde von derselben Rötha
erworben, das noch jetzt im Besitze der Familie ist.
Die ältere, 1755 erloschene Linie liatte zum Stammvater
den Greheimrathsdirektor Heinrich von Friesen (1610 — 1680),
welcher durch die bedeutende Rolle, die er als Staats-
mann und Diplomat unter Johann Georg II. spielte, be-
kannt ist. Neben einer Reihe hochgebildeter Töchter besass
der Geheimrathsdirektor einen einzigen Sohn, Julius Hein-
rich, auf dessen Lebenslauf^) wir hier nur insoweit ein-
zugehen brauchen, als zum Verständnis der eigenthüra-
lichen Beziehungen nothwendig erscheint, in denen sein
Sohn Heinrich Friedrich, der Held unserer Darstellung,
von Haus aus zum sächsischen Hofe stand.
Julius Heinrich, der sich im Todesjahre seines Vaters
1680 mit der Tochter des holländischen Generals, Grafen
Alexander zu Dohna, Besitzers des Schlosses Coppet bei
Genf, verheirathet liatte^ war durch die Verbindungen seines
Schwiegervaters in sehr intime Verhältnisse zu dem Prinzen
Wilhelm von Oranien, damaligem vStatthalter der Niederlande
und späterem Könige von England, getreten. In Sachsen,
wohin Friesen aus holländischem Dienste 1691 mit dem
Range eines Generalwachtmcisters zurückkehrte, stellte er
sich mit grosser Entschiedenheit auf die Seite der englisch-
kaiserlichen Partei und zog sich dadurch die Abneigung
des Prinzen Friedrich August zu, Avelcher die französische
Partei, an deren Spitze der intrigante Feldmarschall Schö-
ning stand, begünstigte. Der plötzliche Tod des Kurfürsten
Johann Georgs IV. brachte Friedrich August auf den Thron
Sachsens, und es seliien anfangs, als ob der neue Regent
seinem Grolle gegen Friesen entsagt habe, da dieser als
ausserordentlicher Gesandter nach dem Haag entsendet
ward, wo sich damals König Wilhelm von England ge-
rade aufhielt. Als aber Friesens unversöhnlicher Feind
') Vergl. „Julius Heinrich Graf von Friesen, Kaiserl. General-
feldzeugmeister, Königl. Englischer Generallieutenant. Ein Lebens-
bild aus dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts von Heinrich Frei-
herrn von Friesen. Leipzig, Wilhelm Baensch, 1870''.
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 131
Schöning aus seiner Gefangenschaft, in der ihn der Kaiser
zwei Jahre lang gehalten hatte, nach Sachsen zurückkehrte^
begannen sofort dessen Intriguen gegen Friesen von neuem ;
dieser jedoch, von seinen Freunden gewarnt, leistete dem
kurfürstliclien Befehl, der ihn von seinem Posten abberief,
keine Folge und schickte statt der Antwort dem Kurfürsten
sein Generalspatent zurück. Ueber diesen Schritt erzürnte
Friedrich August so, dass er die Erbgüter Friesens
— Schönfeld, Jessen und Graupa — mit Beschlag belegte
und sie dem Feldraarschall Scliöniug überliess, der sich
des Besitzes derselben jedoch nur kurze Zeit erfreute und
bereits 1696 starb.
Julius Heinrich von Friesen machte in der Folge in
kaiserlichen Diensten eine glänzende Carriere, wurde in
den Grafenstand erhoben und nach seiner rühmlichen
Vertheidigung von Landau 1703 zum Generalfeldzeug-
meister ernannt. Zwischen ihm und seinem von ihm
tief beleidigten Landesherrn hatte zwar, als Friedrich
August 1695 aus dem türkischen Feldzuge nach Wien zu-
rückgekehrt war, eine Aussöhnung stattgefunden, diese
war jedoch bloss eine ausser liehe, denn, trotz der nach da-
maliger Sitte von Friesen kniefällig geleisteten Abbitte,
wurden ihm die eingezogenen säclisischen Güter nicht zu-
rückerstattet.
Ein Jahr nach Eingehung seiner Ehe war dem Julius
Heinrich von Friesen am 26. August 1681 in den Nieder-
landen, wahrsclieinlich in Maastricht, ein Sohn geboren
worden, der die Namen Heinrich Friedrich erhielt. Die
Erziehung desselben fiel bei dem unstäten Kriegerleben
des Vaters der trefflichen, mit reichen Geistes<j:aben aus-
gestatteten Mutter anheim, welche in Holland, dem da-
maligen Hauptsitze klassischer Bildung, den Unterricht des
Sohnes den gelehrtesten Philologen anvertraute. Dieser
besuchte später, wie sein Vater, die holländischen Uni-
versitäten und wurde dann nach Genf, der Heimath der
Mutter, gesendet, um dort seine Studien zu vollenden und
gleichzeitig sich den gewandten Gebrauch der französischen
Sprache anzueignen. In der That erwarb Heinrich Fried-
rich sich auf diese Weise eine seltene Sprachkenntnis;
neben der lateinischen und griechischen Sprache, die er
in Holland gründlich erlernt hatte, bediente er sich der
deutschen, holländischen, französischen und englischen mit
grösster Leichtigkeit. Reisen durch Frankreich und Eng-
land vollendeten nach damaliser Kavalicrsittc seine sorar-
132 0. von Schimpff:
fältige Erziehung, bevor er in den holländisclien Militär-
dienst eintrat.
In diesem geschieht unseres Helden gelegentlich der
schon berührten Belagerung von Landau im Jahre 1703 Er-
wähnung. Seiten der Verbündeten wurde der Versuch
gemacht, die von den Franzosen unter dem Marschall
Tallard hart bedrängte Festung durch ein aus holländischen,
hessischen und kurpfälzischen Truppen bestehendes Korps
zu entsetzen, welches aber am 15. November am Speier-
bache zwischen Heiligenstein und Harthausen eine Nieder-
lage erlitt. Unter der sehr beträchtlichen Zahl Gefangener,
die an diesem unglücklichen Tage in die Hände des Feindes
fielen, befand sich auch der damals 22jährige Heinrich
Friedrich Friesen, und Tallard benutzte diesen Umstand,
den kaiserlichen Kommandanten von Landau durch
den eigenen Sohn von dem Ausgange des Trefi'ens in
Kenntnis zu setzen und zur üebergabe der so rühmlich
vertheidigten Festung aufzufordern. Wirklich erfolgte nun
auch am folgenden Tage, den IG. November, die Kapitu-
lation unter den ehrenvollsten Bedingungen.
Beide Eltern Heinrich Friedrichs starben kurz hinter-
einander, der Vater nach langwieriger Krankheit den
28. August 1706 zu Rastatt, die Mutter am 18. September
1707 zu Frankfurt am Main. ^)
Heinrich Friedrich hatte noch vor dem Tode des
Vaters den holländischen Dienst mit dem kurpfälzischen
vertauscht, wo er die Stellung eines Obersten der Leib-
garde bekleidete. Der Nachlass des Vaters, der stets auf
grossem Fusse gelebt und für den König von England
sowohl, als für den Kaiser beträchtliche Auslagen bestritten
hatte, welche in der Folge weder der Witwe noch den
Kindei'n zurückerstattet wurden, reichte kaum zur Deckung
der Schulden hin. In seiner drückenden Geldverlegen-
heit richtete Heinrich Friedrich seine Blicke auf Russland,
das Eldorado aller damaligen unternehmungslustigen
Glücksritter, wo der Sohn des berühmten Vertlieidigers
von Landau auf eine seinem Ehrgeize und seinen Bedürf-
nissen entsprechende Verwendung rechnen zu könnenglaubte.
Seine Hoffnungen wurden nicht getäuscht; MenschikofF,
^) Sie hhiterliessen ausser dem einen Sohne noch eine Tochter,
welche 1712 den Wirklichen Geheimerath, Staats- und Kabinets-Mi-
nister Adolf Magnus Grafen Hoym (f 172.3), den geschiedenen Ge-
mahl der Gräfin Cossell, heiratete.
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 133
der allmächtige Günstling des Czaren, beantwortete unter
dem 19. November 1706 Friesens Bitte um Aufnahme in
den russischen Militärdienst zustimmend und bot namens
seines Herrn dem 25jährigen Obersten eine Stelle als Ge-
neralmajor an.
Es wird ausdrücklich erwähnt, dass Friesen an der
Spitze eines Regiments den Schlachten bei Pultawa und
am Pruth beigewohnt habe; auch soll ihm Peter der Grosse
durch verschiedene geheime Aufträge Zeichen seiner be-
sondern Gunst und seines Vertrauens gegeben haben.
Wenn wir den Erzählungen des Barons Haxthausen Glauben
schenken dürfen, so beabsichtigte MenschikofF, den jungen
sächsischen Grafen mit einer seiner Schwestern zu ver-
heiraten. Wohl möchte sich durch diese Partie Friesen
eine sehr glänzende Aussicht eröffnet haben; war nun aber
die ihm zugedachte Gattin nicht nach seinem Geschmacke
oder traute er, von einem richtigen Ahnungsgefühl geleitet,
der Stellung Menschikoffs nicht ausreichende Festigkeit zu
oder bewahrte sein Herz einer schönen Jugendgeliebten
im fernen Holland die gelobte Treue ^) — , Friesen verzich-
tete nicht bloss auf die Hand der Fürstenschwester, sondern,
was in Rücksicht auf die Stellung Menschikoffs die unver-
meidliche Folge dieser Ablehnung Avar, auch auf den fer-
neren Dienst in Russland.
In Begleitung des Czaren, der bald nach der Schlacht
am Pruth eine Reise nach Deutschland antrat, soll Friesen
in Dresden angelangt sein. Wie dem auch gewesen sein
mag, seine Ankunft in Sachsen 1711 steht ausser Zweifel.
Er musste auf seine einflussreichen Verwandten, vielleicht
auch auf den Zauber seiner Erscheinung rechnen, wenn er
sich in der Heimat seineii Väter grosse Erwartungen für
die Zukunft machte; denn dass er sich am Dresdener Hofe
keine freundliche Aufnahme versprechen konnte, war ihm
selbst wohl am wenigsten unbekannt.
Von seinen Tanten war die jüngste der sieben
Schwestern seines Vaters, die verwitwete Gräfin Reuss, wohl
am ersten in der Lage, sich des heimatlosen Neffen an-
zunehmen, und in der That hatte er sich in dieser bedeu-
tenden Frau nicht verrechnet. Sie hatte ihren Gemahl,
den tapfern und umsichtigen Feldzeugmeister Grafen Reuss,
in der Schlacht bei Zentlia verloren und lebte, nachdem
*) Vergl. das oben angezogene Lebensbild Julius Heinrichs
Grafen von Friesen, Seite 189.
134 0- von ScLimpff:
aucli ihr einziger Sohn Heinrich IL im zweiundzwanzigsten
Lebensjahre verstorben war, in Dresden. Hier beherrschte
sie ganz besonders den Statthalter Anton Egon Fürstenberg,
nach WolfFranisdorfFs sarkastischer Bezeichnuno- wie Delila
den Sinison. Dieser hatte, als er im August 1797 den Vorsitz
im Geheimen Rath und damit die Leitung der sächsischen
Angelegenheiten übernahm, wie vorlier Schouing, aus-
schliesslich das französische Interesse vertreten, war jedoch
durch den Einfluss der liebenswürdigen und geistreichen
Witwe dieser Partei allmählich entzogen worden. ^) Wäh-
rend aber die Gräfin Reuss durch den geistig ziemlich un-
bedeutenden, aber durch seine Stellung mächtigen Fürsten-
berg die öffentlichen Angelegenheiten und durch das grosse
Haus, welches sie machte, und ihre Familienverbindungen
die Dresdener Gesellschaft beeinflusste, hielt sich dieselbe
grollend vom Hofe entfernt, dem sie die nach ihrer
Meinung ungerechte Behandlung ihres Bruders nie ver-
gessen konnte. Den aus Russland in die Heimat zurück-
kehrenden Sohn desselben nahm sie mit wahrhaft mütter-
licher Liebe auf, aber gerade das, was diesem im Augenblick
das dringendste Bedürfnis war, eine geeignete Anstellung
im sächsischen Heere, vermochte sie demselben in ihrer
Isolierung vom Hofe um so weniger zu verschaffen, als sie
den König erst kürzlich wieder durch ihre scharfe, rück-
sichtslose Salonkritik *) empfindlich verletzt hatte.
Man kann sich unter diesen Umständen nur wundern,
dass es dem günstigen Eindrucke des liebenswürdigen,
weltmännischen Wesens unsers Helden auf den für diese
Eigenschaften allerdings sehr empfänglichen König gelang,
nach Verlauf einer verhältnismässig nicht allzulangen Frist **)
*) Hieraus erklärt sich zum grossen Theil die Erbitterung des
galligen Wolfframsdorff in seinem vielbesprochenen „Portrait de la
Cour de Pologne" gegen die Friesen'sche Familie und die dieser
gleichgesinnten, nach Oesterreich präponderierenden Minister („Möge
der König die ganze Rasse seines durch Eigennutz und Nachsicht
verdorbenen ^Ministeriums fortjagen etc.")- Dagegen preist Wolff-
ramsdorflf Scliöning als den einzigen rechtschafienen Diener des Kur-
fürsten, von dem dieser wie Ludwig XIV. von Turenne habe sagen
können: ,,Mit ihm habe ich meinen rechten Arm verloren"
*) Flemmiug, der spätere Feldmarschall, bezeichnet sie einmal
als „mauvaise gueule."
') Haxthausen, dessen Memoiren dem Verfasser bloss durch die
umfänglichen Citate Vehses in dessen „Geschichte der Höfe des Hauses
Sachsen" bekannt geworden sind, berichtet (vergl. Vehse VI, 33 fg.),
dass Friesen in der Zwischenzeit bis zu seiner Wiederanstellung in
Sachsen sich, aller Hülfsquellen beraubt, genöthigt gesehen habe, von
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 135
die tiefeingewurzelten Vorurtheile dieses Fürsten soweit zu
besiegen, dass er den Soliu seines politischen Gegners
noch im Frühjahr 1712 als Oberst im Wackerbarth'schen
Infanterie-Reginiente anstellte.
Dieses Regiment (jetzt Nr. 104), welches seit 1707
bei der Armee in den Niederlanden gefochten hatte, war
im Spätsommer 1711 sehr zusammengeschmolzen und nur
noch in ein Bataillon formiert in Sachsen eingetroffen. Hier
wurde es wieder auf zwei Bataillone ergänzt, von denen
das eine im April 1712 den Befeld erhielt, unter Friesens
Fülu'ung mit einigen anderen Abtheilungen zu dem aus
russischen, dänischen und sächsischen Truppen bestehenden
Korps abzurücken, welches das von den Schweden besetzte
Stralsund eingeschlossen hielt.
Es kann hier unsere Aufgabe um so weniger sein,
auf die theil weise unter den Augen der bei der Armee
anwesenden Monarclien, des Czaren und des Königs August,
in den Jahren 1712 und 1713 in Pommern, Mecklenburg
und Holstein ausgeführten kriegerischen Operationen näher
einzugehen, als Friesens Name bei keiner Gelegenheit aus-
drücklich erwähnt wird. Letzteres erklärt sich einfach
theils durch den Mangel an ernsten Schlachten und Ge-
fechten — bei Gadebusch kam von den Sachsen nur die
Kavallerie zur Verwendimg — , theils durch die bescheidene
Stellung, welche Friesen an der Spitze eines einzigen, in
seinem Bestände während des Krieges sehr herabgekom-
menen Bataillons einnahm. Dessenungeachtet scheint sich
derselbe im Laufe dieser Feldzüge als Soldat einen guten
Namen gemacht zu haben; denn alsbald nach dem Ein-
treffen des im Oktober 1713 von Pommern abmarschierten
sächsischen Korps in den Winterquartieren in Polen wurde
Friesen zum Generalmajor befördert und den 1. Februar
1714 zum wirklichen Inhaber des bisherigen Regiments
Wackerbarth ernarmt, welches fortan bis zum Jahre 1717
den Namen Friesen führte.
Unverkennbar aber waren es nicht bloss seine n\ilitä-
rischen Leistungen, sondern auch andere persönliche Eigen-
schaften des ebenso energischen und belierzten, als fein-
dem Erlöse der Samnilnngcn seines Grossvaters zu leben, bis er bei
seinen Oheimen, den Grafen Dnhna in Preussen, eine gastliche Zu-
flucht gefunden habe. Drei Jahre kann diese Abwesenheit aber un-
möglich gedauert haben, und es liegt in den Worten Haxthausens;
„il resta pres de trois ans, sans qu'on apprit la moindre chose de
lui", offenbar eine arge üebertreibung.
136 0. von Schimpff:
gebildeten und diplomatiscli-sclilauen Friesen, welche die
letzten Yorurtlieile des Königs August besiegten und ihm
dessen Vertrauen und allmählich selbst dessen Zuneigung ge-
wannen, so dass wir sehr bald den jungen Generalmajor
mit Aufträgen beehrt sehen werden, die weit ausserhalb
der Sphäre seines militärischen Dienstbereichs lagen.
Zur Vereinigung des gesammten sächsischen Heeres
in Polen, wo nach dem Wortlaute der pacta conventa aus-
ländischen Truppen nur mit ausdrücklicher Genehmigung
der Bepublik der Aufenthalt gestattet war, hatte die Furcht
Veranlassung gegeben, dass die Türken, dem Einflüsse des
in ihrer Mitte verweilenden Karls XII. nachgebend, einen
Einfall über die Grenze Polens unternehmen und das Land
mit Krieg überziehen könnten. Sehr bald jedoch stellte
sich die Grundlosigkeit dieser Befürchtung klar und deut-
lich heraus; die Türken zeigten sich, ihrem rücksichtslosen
Gaste zum Trotze, friedfertiger als je, und stürmisch for-
derte nun der polnische Adel, als er die Grenzen der Re-
publik nicht mehr bedroht sah, die Entfernung der Truppen
seines Königs. Dieser vermochte dem Dräugen auf die
Dauer nicht zu widerstehen und vorfügte unter dem 3. Sep-
tember 1714 von Reisen aus, dass die Hälfte der in Polen
stehenden Truppen den Rückmarsch nach Sachsen unge-
säumt antreten, die andere Hälfte aber „unumgänglicher
Noth wegen" in ihren Kantonnements zurückbleiben sollten,
wobei die letzteren gleichzeitig verwarnt wurden, „dem freien
Volke zu keiner Beschwerde zu gereichen und deren wohl-
hergebrachte Rechte, Freiheiten und Praerogationen nicht
zu verletzen".
Das Regiment Friesen befand sich mit unter den
Truppenabtheilungen, welche infolge des erwähnten könig-
lichen Befehls unter dem Oberkommando des Generals der
Infanterie Baron Hallart in den ersten Tagen des Oktobers
den Rückmarsch nach Sachsen antraten: 3 Kürassier-,
2 Dragoner und 8 Infanterieregimenter.
Man glaubte jetzt den so lange sehnlich erwarteten
Augenblick der Ruhe für Europa eingetreten; der spa-
nische Erbfolgekrieg war beendigt; die Schweden hatten
den Boden des deutschen Reichs geräumt, und der ?Taupt-
friedensstörer, Karl XH., schien als Gefangener der Türken
sich in dem fernen Demotika in sicheren Händen zu be-
finden.
Da mit einem Male verbreitete sich im Herbst 1714
die bestürzende Kunde, Karl XII. habe am 1. Oktober
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 137
die Türkei verlassen und sei auf dem Wege nach seinen
Erbstaaten. Ein Jahrhundert mnsste seitdem verstreichen,
Ijevor Napoleons I. plötzliche Rückkehr von Elba und
Landu)ig' bei Cannes Europa wieder in eine ähnliche Auf-
regung versetzte. Alle Höfe und Kabinette geriethen in
grosse Besorgnis, denn mit dem Namen Karls war der
Begriff des Krieges bisher unzertrennlich verbunden ge-
wesen; niemand aber wurde von dem Ereignisse unmittel-
barer berührt, als König August, welcher zu dieser Zeit
gerade inmitten frivoler Lustbarkeiten in Warschau ver-
weilte. Ein Staatsratli, an welchem der Grosskanzler J.
Szembeck und der Grossschatzmeister Przebendowski und
sächsischerseits der unentbehrliche Fleraming, der Minister
Graf Werthern und der General Janus von Eberstädt ')
theilnahmen, Avurde am 16. November zusammenberufen.
Derselbe zog nach dem Protokoll der Sitzung als mögliche
Folgen der Wiedererscheinung Karls XII. nachstehende
Fälle in Erwägung:
I. Der König Karl gelie nach Schweden, um dem
Czaren, der ihn zunächst bedrohe, Widerstand zu leisten.
Für diesen Fall beschloss man, Russland Beistand zu ge-
währen — „d'assister au Zar, corame il nous a assiste de
son cote dans notre besoin".
IL Karl greife Dänemark an. Dann wolle man auch
diesem Staate militärischen Beistand leisten, oder, wie man
sich in Hinblick auf die erhoffte Gegenleistung diploma-
tischer ausdrückte, „nous secourir mutuellement".
III. Er richte seinen Angriff auf die sächsischen Lande.
Hier setzte der Staatsrath seine Hoffnungen in das wäh-
rend der kurzen Friedenszeit komplettierte und im Vater-
lande neugekräftigte Armeekorps, dann aber rechnete er
für diesen Fall auf die Hülfe Dänemarks, auf die Garantien,
welche Preussen im Vertrage von Schwedt sowohl bezüg-
lich Polens als Sachsens zugestanden habe, und endlich
'') Gottfried Leberecht Janus (oder Jahmis) von Eberstädt stammte
aus einer thüringischen Familie, welche im Besitze der Güter Eber-
städt und Gross-Gottern bei Langensalza war. Als russischer Ge-
nerallieutenant kam er in der Begleitung des Czaren 1711 mit nach
Dresden, wo er für den sächsischen Dienst gewonnen ward; der Ueber-
tritt erfolgte im Februar 1712. Schon im nächsten Monate wurde
Janus von Eberstädt zum General der Kavallerie und Vicepräsidenten
des Geheimen Kriegsraths-KoUegiums ernannt. Den 2ö. November
1712 erhielt er an Flemmings Stelle den Posten eines Gouverneurs
von Dresden; im Dezember 1714 wurde er Wirklicher Geheimerath.
Er starb, erst einige fünfzig Jahre alt, am 17- Mai 1718 zu Dresden.
138 0. von Schirapff:
auf die übrigen ßeiclisfürsten, die, wie man Grund zu er-
warten Labe, eine neue Störung des Friedens nicht dulden
würden.
IV. Der Angriff Karls richte sich auf Polen. Man
hält dies nicht für unwahrscheinlich, theils der unglück-
lichen inneren Zustände dieses Landes wegen, theils weil
für dasselbe das Interesse verschiedener Mächte, wie des
deutschen Reichs, Dänemarks etc. schwächer sei, als für
Sachsen. Wenn aber Polen demnach auf den Beistand von
Russland und Preussen allein angewiesen bleibe, so dürfe
nicht ausser Berücksichtigung gelassen werden , dass der Czar
sich st^s nur als ein unzuverlässiger Verbündeter bewiesen
habe, und Preussen seinen Beistand nicht ohne eine ent-
sprechende (Gegenleistung gewähren werde.
Die in Polen verbliebene Hälfte der sächsischen Armee
ist in ihrem Bestände, bei dem fortwährenden Hin- und
Hermarschieren derselben zur Unterdrückung der inneren
Unruhen und dem Mangel an Ersatz, bereits sehr herab-
gekommen, ihre Verpflegung schlecht geregelt. Erst jetzt
im Drange der bevorstehenden Noth denkt man an die
Anlage von Magazinen in Polen. An die Bevölkerung,
die bisher dem Könige auch das geringste Opfer stets be-
harrlich verweigert hatte, will man eine Proklamation er-
lassen, welche sie auffordert, bei der Annäherung des Feindes
diesem ihre Wohnstätten preiszugeben und sich mit sämmt-
lichen Lebensmitteln in die Wälder zu flüchten, ein An-
sinnen, von welchem man sich, bei dem in Polen herr-
schenden Geiste, kaum im Ernste einen Erfolg versprechen
konnte.
Unter den obwaltenden Verhältnissen erschien es
wichtig, sich des im Verlaufe des nordischen Krieges
immer lockerer gewordenen Bündnisses mit Dänemark
aufs neue zu versichern. Augenblicklich befand sich in
Kopenhagen als sächsischer Geschäftsträger der Oberst
Claude De Brosses*); man hielt es jedoch für angezeigt,
denselben jetzt durch eine bedeutendere Persönliclüteit ab-
zulösen. Wahrscheinlich auf Fleramings Vorschlag fiel
die Wahl zu diesem viel Takt und Geschicklichkeit er-
fordernden Geschäft auf Friesen; abgesehen von seinen
') De Brosses war mehrere Male hintereinander mit Aufträgen
nach Kopenhagen entsendet worden, und zwar den 12. September 1712
und den 12. Oktober 1712 von Greifswalde, den 2. Oktober 171.3
von Warschau, und den 25. August 1713 von Reisen aus.
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 139
übrigen hervorragenden Eigenschaften war dabei auch das
Verhältnis, in welchem er zum Czaren gestanden hatte,
massgebend.
Als Hauptziel seiner Sendung war dem Generalmajor
von Friesen in seiner Instruktion ^), nebst Herstellung eines
guten Einvernehmens zwischen dem dänischen und dem
polnisch-sächsischen Kabinet im allgemeinen, der Abschluss
eines Schutz- und Trutzbündnisses mit Dänemark be-
zeichnet worden. Um letzteres hierzu geneigt zu machen
und etwaigen Gegenbestrebungen zuvorzukommen, soll
Friesen das Kopenliagener Kabinet beständig auf die Ge-
fahren aufmerksam machen, durch die es von seilen Schwe-
dens bedroht werde, indem Dänemark aller Wahrschein-
lichkeit nach derjenige Staat sei, der beim Ausbruche eines
Krieges, auf den man nach der Rückkunft Karls XII. be-
stimmt rechnen könne, den ersten Stoss auszuhalten habe.
Der Gesandte soll dabei nicht unterlassen, darauf hin-
zuweisen, dass für Sachsen die Gefahr eine viel geringere
sei, da Karl sich schwerlich gegen den Kaiser und das
deutsche Reich durch eine Invasion in dasselbe in Unrecht
setzen werde, in Polen aber August II. mit Zuversicht
auf eine Unterstützung des Czaren zählen dürfe.
Dass man bei der Wahl Friesens ganz vorzugsweise
mit auf dessen höfische Sitte und geistreiche Unterlialtuugs-
gabe Rücksicht genommen hatte, geht aus denjenigen
Punkten seiner Instruktion hervor, in welchen ihm sein
Verhalten gegenüber dem Könige und dessen Ministern
ziemlich ausführlich vorgezeichnet wird. Wir erkennen so-
fort die Feder des unermüdet thätigen, vielseitigen und
verschlagenen Flemming, wenn wir in der, in französischer
Sprache abgefassten Instruktion den Satz lesen:
,,Was insbesondere die Person Sr. Majestät des Königs
von Dänemark betrifft, so wird er (der Gesandte) sich be-
mühen, dessen Gunst und Vertrauen durch die grösste
Aufmerksamkeit zu gewinnen, welche er darauf verwendet,
ihm gegenüber schmeichelhafte Aeusserungen mit Ge-
schick anzubringen (en repondant les louanges k propos
sur les actions et sur les discours) und überhaupt den
König zu belustigen und heiter zu stimmen. Er wird, wenn
er mit dem Könige über Staatsgeschäfte spricht, sorgsam
vermeiden, ihn dadurch zu ermüden und zu langweilen.
») H.-St.-A. Loc. Nr. .2706: „Des Generalmajors (jirafen v. Friesen
Verschickung an den Königl. Dänischen Hof" lil. 17 fgg.
140 0. von Schimpff:
dass er zu oft auf denselben Geo^enstand zurückkoirimt.
Ferner wird er seine ganze Geschickliclikeit anwenden,
sich angenehm zu machen und die Neigung des Königs
durch seine Unterlialtung zu gewinnen."
Zur weiteren Erläut(,;rung schreibt noch Flemming
privatim unter dem 25. November 1714 aus Warschau:
„Um sich bei dem Könige von Dänemark einzuschraeiclieln,
rauss man anfänglich im Gespräch unter vier Augen grosse
Ernsthaftigkeit heucheln, aber doch dergestalt verfahren,
dass man ihm die Ueberzeugung beibringt, man sei eigent-
lich heiterer Laune; in Gesellschaft anderer empfiehlt es
sich, ihn durch Witze zu ergötzen, die man gerade so
laut sagt, dass er sie noch hören kann, oder die man dem
Grafen Reventlow mittheilt, der sie ihm weiterzuerzählen
pflegt, weshalb man sich auch mit diesem auf gutem Fusse
erhalten muss. Da der König von Dänemark jedermann
gern glauben machen will, dass er viel arbeite, so muss
man ihm über diesen Gesenstaud öfters etwas Schmeichel-
haftes sagen. Durch nichts kann man leichter sein Ver-
trauen gewinnen, mid mit diesem wird er Sie dann so weit
beehren, bis er sich endlich gegen Sie über seine Minister
beklagt. Dann aber müssen Sie sehr vorsichtig sein, weil
es leicht begegnen könnte, dass der König Ihre Aeusse-
rungen über die Minister diesen wiedererzählte. Bei Ge-
legenheit habe ich öfters dem Könige meine Ansichten
vorgetragen, aber seine Entscheidungen nur in Gegenwart
der Minister hören mögen. Man muss suchen, den Hof-
zwerg und einen in sehr grosser Gunst stehenden Kammer-
diener für sich zu gewinnen."
Nun folgt in Flemmings Schreiben die Charakteristik
der Minister:
„Wibe ist von allen der Gescheidteste, aber überaus
ängstlich; Holst ein schlechter Charakter und Betbruder,
die Grafen Flössen dagegen sind ehrliche Leute, welche
trotz der Ungnade, in der sie bei Hofe stehen und unge-
achtet sie an demselben nicht erscheinen, doch noch einen
grossen Einfluss besitzen"; endlich Sehestedt, bezüglich
dessen Flemming sehr .indiskret bemerkt: „II faut gagner
sa femme, ä laquelle il sera bon de dire de temps en temps
qui j'ai conserve beaucoup d'estime pour eile.
Friesen traf am 30. December 1714 in Kopenhagen
ein. Als erste Schwierigkeiten, welche der Lösung seiner
Aufgaben hier entgegentraten, bezeichnet er selbst in seinem
Berichte ;
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 141
I. Dass sein Vorgäugei* De ßrosses den dänischeu
Hof auf gewisse vortheilhafte Vorschläge aufmerksam und
neugierig gemacht habe, die er, Friesen, vom sächsischen
Hofe überbringen werde;
IL Vorschläge zu einem Partikularfrieden unter Aus-
schluss der übrigen Verbündeten des Königs August (des
propositions d'une paix particuliere a l'exclusion des autres
AUies deVotre Majeste)'");^
in, Die Kenntnis von Friesens engen Beziehungen zum
Marschall Flemming, gegen welchen das dänische Mini-
sterium allen Grund zum Misstrauen zu haben glaubte.
Dieser Verdacht soll sich nach Friesens Erläuterung auf
einen 14 Tage vor seiner Ankunft entdeckten Anschlag eines
gewissen Müller gegen das dänische Ministerium beziehen,
bei welchem Flemming, dem nun einmal das Intrigieren
nach allen Seiten hin so nothwendig war wie die Lebens-
luft, stark mit compromittiert erscheint.
Der Empfang Friesens bei Hofe und in der Gesell-
schaft war daher auch ein kühler und gemessener; „on me
battit froid", räumt er selbst ein. Auch beklagt er sich,
dass sein erstes Auftreten als Diplomat ihm dänischerseits
als Stolz ausgelegt worden sei, oder dass man diesen Vor-
wurf wenigstens gegen ihn erhebe, um eventuell die Schuld
des fehlgeschlagenen Annäherungsversuches auf denselben
zurückführen zu können.
Im Grunde waren wohl auch alle diese mehr oder
minder gegen die Person des Gesandten gerichteten Be-
schuldigungen nur der Deckmantel, hinter dem das däni-
sche Kabinet seine Abneigung verbarg, sich durch den
Abscliluss eines formellen Allianzvertrages mit Sachsen die
Hände zu binden; man hielt in Kopenhagen Sachsen für
zu sehr durch den Krieg herabgekommen, um sich von
einem Bündnisse mit demselben viel zu versprechen.
Nach Friesens Angaben ' ') bestanden die politischen
Vorurtheile Dänemarks in folgenden:
I. Polen befindet sich in offener Empörung (dans
un soulevement general). IL Sachsen ist ohne Geld und
ohne Hülfsquellen. III. Beide Länder sind mit dem Czaren
'") Friesen macht in seiner, in dem oben angezogenen Akten-
stück (Bl. 306 fgg.) entlialteneii „Relation generale de ma negociation
ä la Cour de Dänemark" hieraus einen besonderen Punkt, obgleich
nach den Regeln der Logik dieser Vorschlag doch wohl bloss eine
Erläuterung des ersten Punktes sein möchte.
") Relation generale Bl. 296 b.
142 0- von Schimpff:
veruneinigt (brouilles). IV. Sie sind in die orientalischen
Wirren verwickelt. V. Sie bereuen die mit Frankreich
eingegangenen Verbindungen und ebenso VI. das Scheitern
der mit Schweden angeknüpften Friedensverhandlungen.
VII. Ihre Armee ist nur auf dem Papier vorhanden. VIII. Sie
haben weder Freunde^ noch Verbündete und IX. ebenso-
wenig Aussichten, am preussischen Hofe etwas zu erreichen,
wie am englischen.
Den 5. Januar 1715 war Friesen mit De Brosses in
das Kabinet beschieden worden, wo er von den Ministern
im Conseil empfangen wurde. Nach allgemeinen Ver-
sicherimgen der freundschaftlichen Gesinnungen seines Hofes
hatte Friesen auf die Gefahren aufmerksam gemacht, denen
ganz besonders auch das dänische Reich von selten Schwe-
dens ausgesetzt sei und sich auf die alten Allianzverträge
mit Sachsen bezogen, worauf er den Ministern die bündig-
sten Versprechen ertheilt hatte, der Dresdener Hof sei bereit,
mit der Krone Dänemark ein enges Bündnis einzugehen^
um sich gegen die feindlichen Absichten und Unterneh-
mungen Schwedens zu schützen und solchen mit vereinter
Macht zuvorzukommen.
Nach einigem Zögern gab hierauf der dänische Hof
unter dem 12. Januar folgende schriftliche Autwort: '*)
Se. Majestät sei ebenfalls ganz der Meinung, dass das
kürzeste und sicherste Mittel zur Vereitelung der beab-
sichtigten Unternehmungen des Feindes sein dürfte, den-
selben so viel als möglich zuvorzukommen, und der König
habe zu diesem Zweck nicht allein seinen Generälen Be-
fehl ertheilt, den Feind mit aller Aufmerksamkeit zu be-
obachten, sondern auch trotz der Scliwierigkeiten der
Jahreszeit eine Flotte auslaufen lassen^ um dafern mög-
lich die schwedischen Transporte anzugreifen und zu ver-
nichten. Den Plan, den man gegen eine unvermuthete
Invasion des Feindes in Aussicht nehme, finde der König
nicht minder angemessen, halte es aber, um den Unter-
nehmungen der Schweden ein schnelles Ziel zu setzen, für
unumgänglich nothwendig, sich zuvor der Uebereinstimmung
des Czaren zu versichern, damit der Feind gleichzeitig
und nach einem gemeinsamen Plane von allen Seiten ge-
fasst und mit genügender Kraft erdrückt werden könne.
Im weiteren versichert der König von Dänemark, dass
er sich alle Mühe geben werde^ um für die gemeinschaft-
'*) Vergl. das S. 1.39 angezogene Aktenstück, Bl. 944.
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 143
liehe Sache nuue Verbündete zu gewinnen, namentlich den
deutschen Kaiser und die Könige von England und von
Preussen; die schlagfertige Armee seines Landes sei ohne
Berücksichtigung der Flotte 26000 Mann stark. Das
Schreiben macht besonders darauf aufmerksam, dass die
Flotte, welche Dänemark während der bisherigen Dauer
des Krieges allein unterhalten habe, für die Finanzen Sr.
Majestät eine schwere, von den übrigen Alliierten nicht
getheilte Last gewesen sei.
Während am Schlüsse nochmals betheuert wird, dass
man zur Abwendung der gemeinsamen Gefahr keine Opfer
scheuen werde, bleibt der König doch fest bei der Be-
dingung stehen, „que tout soit prealablement communique
ä Sa Majeste Czarienne et que par consequent on en fasse
part ä son embassadeur '^) qui reside en sa cour".
Das letztere aber war es gerade, was man durch die
Sendung des Grafen Friesen abwenden wollte; das Bündnis
mit Dänemark sollte eben ohne Vorwissen des Czaren, in
dessen Uneigennützigkeit und Aufrichtigkeit man in Sachsen
nicht unbegründete Zweifel setzte, abgeschlossen werden.
Für des aufstrebenden Friesens Ehrgeiz mag es eine bittere
Enttäuschung gewesen sein, als er von Tag zu Tag mehr
zu der Ueberzeugung gelangen musste, dass seine Bestre-
bungen in Kopenhagen nie von dem erhofften Erfolge ge-
krönt werden würden und sein erstes diplomatisches Debüt
mithin als gescheitert zu betrachten sei. Jedenfalls zeugt
es von seiner Klugheit und richtigen Beurtheilung der
Verhältnisse, dass er sich durch die persönliche Liebens-
würdigkeit und die Artigkeiten der Hofleute, welche bald an
die Stelle der anfänglich so kühlen Aufnahme traten, nicht
irre machen Hess und in seinen Berichten gleich von Haus
aus auf die Hoflnungslosigkeit seiner Bestrebungen hinwies,
so dass man sich auch am Hofe Augusts in Warschau
keinen langen Täuschungen hingab und schon im Februar
Friesens Zurück berufung verfügte.
Unter dem 27. Februar 17 L5 erging von Warschau
nachstehendes königliche Handschreiben *^) an den Kopen-
hagener Hof ab:
„Wie Wir uns beschlossen, den tot. tit. Grafen von
Friesen an Ew. Majestät abzuschicken, sind Wir des Ge-
dankens gewesen, er Avürde die ihm aufgetragene Com-
'*) Fürst Dolgoruki.
'*) Vergl. das S. 139 angezogene Aktenstück, Hl. 277.
144 0. von Schimpff:
mission in kurzem verrichten, mit einer Ew. Majestät ge-
wierigen Resolition bald wiederum zurückkommen, und
dann seine ordinairen Functiones bei unseren Armeen an-
treten können; gleichwie Wir aber vernommen, dass Ew.
Majestät Intention dahin gehet, vor Convertirung eines
Planes, wie dem Feinde gehörig zu begegnen, des Zaaren
Majestät erst darüber zu consuliren und dessen sentiments
über die operationes der bevorstehenden Campagne ein-
zuholen, wozu wegen Entfernung der Oerter eine geraume
Zeit erfordert wird, Wir aber inzwischen vorgedachter-
massen der Dienste obbemeldeten Unseres General-Majors
benöthigt sind, so befinden AVir uns gemüssigt, denselben,
wie gern Wir ihn auch länger bei Ew. Majestät's Hoff
hätten mögen subsistiren lassen, wiederum zu rappeliren,
Wogegen Wir aber nicht ermangeln werden, jemanden
an Ew. Majestät abzuschicken" u. s. w.
In Warschau war übrigens schon vor dieser Zeit
insofern ein Umschwung eingetreten, als man den Be-
ziehimgen zu Dänemark nicht mehr die grosse Wichtig-
keit beilegte, wie im Herbst 1714. Flemming, der allzeit
imermüdliche Faiseur, war zur Herbeiführung einer Allianz
mit dem preussischen Kabinet im Dezember nach Berlin
gegangen und hatte sich von da mit Friesen in Kopen-
hagen in Korrespondenz gesetzt. Er schrieb, dass die Ver-
handlungen mit Preussen einen günstigen Verlauf zu nehmen
schienen und man hier Geneigtheit zeige, einen Vertrag
mit Sachsen abzuschliessen ; auch mit England sei ein
Bündnis in Aussicht.
Noch unter dem 9. März ertheilt Flemming Friesen
den Wink, die Unterhandlimgen mit Dänemark ja nicht
zu übereilen.
Es war um diese Zeit, dass die auf dem Rückmarsche
von der Türkei nach ihrem Vaterlande begriffene kleine
schwedische Abtheilung sich der Grenze von Hannover
näherte, und man interessierte sich in Kopenhagen lebhaft
dafür, ob der Kurfürst wohl dieser Truppe die Erlaubnis
ertheileu werde, das Gebiet seines Landes zu passieren.
In Sachsen schenkte man natürlich diesem 15U0 Mann
starken Zuge, welchen 1800 Pferde und 60 Wagen be-
gleiteten, nicht mindere Aufmerksamkeit, zumal sich dar-
unter eine uuverhältnissmässig grosse Anzahl Generäle
und höhere Offiziere befanden, „uubewehrt imd schlecht
montirt, aber feine Leute", wie die dem sächsischen Hofe
erstatteten Berichte sich ausdrücken. Und wirklich so ge-
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 145
waltig war noch immer die Scliwedenfurcht in Sachsen,
dass diese Handvoll Abenteurer, die wie ein Meteorschwarm
an den Grenzen des Kurstaates vorüberzogen, der Regie-
rung und dem Lande ernste Besorgnis einflössten, und erstere
sich dadurch veranlasst fand, die aus 5 Kavallerie- und
8 Infanterie-Regimentern bestehende Besatzung Sachsens
noch um einige aus Polen herangezogene Regimenter zu
verstärken.
Nachdem die Abberufungsordre bereits in die Hände
Friesens gelangt war, fand zwischen demselben und den
Staatsräthen Holst und Sehestedt am 18. März 1715 noch
eine Konferenz statt. Das Ergebnis derselben war aber
wieder ohne alle Bedeutung; ein falsches Grerücht vom
Tode Karls XH., welches sich in Kopenhagen verbreitet
hatte, trug sogar dazu bei, das dänische Kabinet noch
vorsichtiger zu machen. Der sächsische Gesandte brach
die Verhandlungen kurz ab, indem er nach Beantwortung
der ihm vorgelegten Fragen erklärte, er begreife nicht, wie
die Konferenz irgendwelchen Nutzen haben solle, da er
noch gar nicht wisse, ob das mittlerweile durch Flemming
in Berlin zur Sprache gebrachte Exekutionsprojekt von
Dänemark gebilligt werde. Er legte den Ministern dabei
einen Auszug avis dem betreffenden Vertragsentwurfe vor
und stellte den Antrag, dass, da nunmehr der Schwerpunkt
der politischen Frage nach Berlin gefallen und die Koo-
peration Preussens und Englands unerlässlich sei, das dä-
nische Kabinet seinem Vertreter in Berlin mittheilen möge,
was es von dem fraglichen Projekte halte und was es zur
Ausführung desselben beizutragen willens sei.
Die Minister erklärten ihre Bereitwilligkeit, diesem
Antrage zu entsprechen, und man trennte sich hierauf
unter dem Austausche der gewöhnlichen Höflichkeitsver-
sicherungen.
Der König von Dänemark verleugnete bei der Ab-
schiedsaudienz, welche er Friesen gewährte, nicht seine,
diesem stets bewiesene huldvolle Liebenswürdigkeit, indem
er dem Scheidenden versicherte, dass, wenn dieser nicht zum
Dienst im Felde bestimmt wäre, er den König von Polen
ersuchen würde, Friesen auf seinem Posten in Kopenhagen
zu belassen. Der letztere hebt in seinem Gesandtschafts-
bericht dankend hervor, dass die von der sächsischen Diplo-
matie in Berlin und London durch die abgeschlossenen
Verträge erzielten Vortheilc auch zuletzt noch seine eigenen
Bestrebungen wesentlich unterstützt hätten; auch der Be-
Neues Archiv f. S. ü. u. A. U. i 10
146 0. von Schimpif:
mühungen des russischen, wie des englischen Gesandten
zu Gunsten Sachsens gedenkt Friesen mit warmer Er-
kenntlichkeit. Ohne .für sich ein Verdienst daraus abzu-
leiten und ohne das Fehlschlagen seiner Sendung bemän-
teln zu wollen, spricht er doch die Ueberzeugung aus,
dass im allgemeinen jetzt bei seinem Weggange die
Gesinnungen Dänemarks gegen Sachsen besser und auf-
richtiger seien, als er dieselben bei seiner Ankunft ge-
funden.
So endete die diplomatische Sendung Friesens, deren
Hauptzweck durch die mittlerweile eingetretene günstigere
Gestaltung der politischen Verhältnisse im allgemeinen
die derselben ursprünglich beigelegte Wichtigkeit verloren
hatte. Der Minister Werthern konnte daher auch den
über das Fehlschlagen seiner Bestrebungen noch immer
etwas Betretenen unter dem 30. März 1715 mit folgenden
Worten trösten:
„Sie können überzeugt sein, dass Seine Majestät der
König von dem Verhalten, welches Sie bis jetzt am dä-
nischen Hofe beobachtet haben, ganz befriedigt ist; zu-
verlässig wird man nicht Ihnen die Schuld beimessen
dürfen, wenn Ihre Sendung nicht den Erfolg haben sollte,
den man sich von derselben versprach. Sie brauchen
sich darüber nicht im geringsten weiter zu beunruhigen."
Die letzte Beziehung Friesens zum dänischen Kabinet
ist ein Brief an den Minister Sehestedt, in welchem er,
bereits auf der Rückreise begriffen, den 8. April von
Hamburg diesem mittheilt, dass 8000 Mann Sachsen Ordre
erhalten hätten, sich mit den Preussen zu vereinigen,
„woraus der dänische Hof ersehen möge, dass wir an
einer prompten Expedition, dem Feinde Widerstand zu
thun, es nicht ermangeln lassen".
Wenn wir auch durchaus keinen Grund haben ^ an
Wertherns Versicherung, dass man für das Misslingen
der Kopenhagener Mission Friesen niemals verantwortlich
machen werde, zu zweifeln, ja, wenn wir denselben sogar
seitdem in der Gunst seines Monarchen von Tag zu Tag
steigen sehen, so ist es doch auffallend, dass er, der ims
seiner Natur nach zum Diplomaten vorzugsweise bestimmt
scheint, nie wieder mit einem ähnlichen Geschäft betraut
ward.
Zunächst kehrte Friesen nach der Einreichung seines
Rechenschaftsberichtes wieder in die Reihen der Armee
zurück, und es beginnt damit für ihn im Feldzuge 1715
Heiiu'ich Friedrich Graf von Friesen. 147
in Pommern die Zeit seiner trefflichsten Leistungen als
Soldat.
Wie schon erwähnt, war es den Bemühungen Flem-
raings in Berlin gelungen, den König Friedrich Wilhelm I.
von Preussen, der zwar nur für seine Armee zu leben
schien, zum Kriege aber stets geringe Neigung zeigte,
zum Abschlüsse des Vertrages vom 3. Februar 1715
zu überreden, der die Grundlagen des Traktates vom
6. Oktober 1713 bestätigte. Demzufolge machten sich
Preussen und Sachsen verbindlich, sich im Falle eines
Wiederausbruches des Krieges gegenseitig zu unter-
stützen, und es wurde zu diesem Zwecke die Aufstellung-
nachstehender Streitkräfte beschlossen: preussischerseits
zwischen Weichsel und Weser 36 Bataillone, 24 Schwa-
dronen, sächsischerseits innerhalb der Landesgrenzen
16 Bataillone, 24 Schwadronen und in Polen 8 Bataillone^
23 Schwadronen.
Bevor man jedoch zu weiteren ernsten Massregeln schritt,
musste, wie sich Friedrich Wilhelm L ausdrücklich be-
dungen, unter seiner Vermittlung erst noch der Weg der
Güte versucht werden. Aber Karl Xu. wies die preussi-
schen Vorschläge trotzig ab, erklärte die Besetzung und
Sequestrierung Pommerns für einen rechtswidrigen Ein-
griff in seine Rechte als Landesherr und ergriff zuerst
die Offensive, indem er die preussische Besatzung der
Insel Usedom vertrieb.
Nun endlich beschlossen die Verbündeten, ihre Truppen
bei Stettin zu vereinigen und den schwedischen Ueoer-
muth zu zügeln.
In Sachsen war bereits am 15. Februar 1715 der
Kompletierungs - und Marschbefehl an die Truppen er-
gangen, welche in der Stärke von 8124 Mann, einscldiess-
lich 2110 Pferde und 6 Geschütze, in einem Lager bei
Lübben zusammengezogen imd dem Kommando des Ge-
nerals Grafen Wackerbarth unterstellt wurden, den man
zu diesem Zwecke von seinem Gesandtschaftsposten in
Wien herbeirief. Unter ihm befehligten: der General
der Infanterie von Wilke, die Generallicutenants von
Milckau und von Seckendorff und die Generalmajore von
Eichstädt, von Zühlen, Prinz von Württemberg, Graf
Castell-Remlingen und Graf Friesen.
Nachdem am 28. April das mobile Korps von dem
aus Berlin hierzu eingetroffenen Feldmarschall Flemming
bei Lübben gemustert worden war, trat dasselbe am fol-
10*
148 0. von Schimpff:
genden Tage in zwei Kolonnen den Marsch nach dem
Rendezvous bei Stettin an, wo die erste Kolonne am 9.,
die zweite am 12. Mai bei dem Gros der preussisclien
Feldarmee von 25000 Mann unter dem Generalfeldmar-
schall von Wartensleben eintraf.
Schon am 13. Mai musste der Generalmajor Prinz
von Württemberg mit dem Dragoner-Regiment Flemming
und den Infanterie -Regimentern Seckendorff und Friesen
nach der Insel Wollin zur Verstärkung der daselbst unter
dem General von Arnim stehenden preussischen Truppen
abgehen, um sich, vereint mit den letzteren, in den Be-
sitz der noch von den Schweden behaupteten Insel Use-
dom zu setzen, sobald der Vormarsch auf Stralsund er-
folgen würde.
Bevor dieser jedoch von dem verbündeten Heere an-
getreten wurde, fanden vor dem im Lager von Stettin
anwesenden Könige von Preussen am 15. Mai und 8. Juni
grosse, mit Manövern im Feuer verbundene Revuen statt,
welche dem Soldatenkönige Gelegenheit boten, sich über
die Leistungen der sächsischen Truppen sehr befriedigend
auszusprechen. Dass die gegenseitigen Manöver „tout au
naturel executirt" wurden, geht schon daraus hervor, dass
bei denselben fünf Verwundungen vorkamen. Die gute
Laune Friedrich Wilhelms wurde noch erhöht, als Flem-
ming, der nun auch im königlichen Hauptquartier an-
gelangt war, in richtiger Würdigung des allerhöchsten
Geschmackes ihm neun „grosse Kerle", die längsten Leute,
die man im sächsischen Heere auftreiben konnte, zum
Präsent machte.
Den 23. und 24. Juni endlich setzte sich ein Avant-
gardenkorps von 16 Bataillonen und 4 Escadrons mit
4 Geschützen gegen Stralsund in Bewegung; den 28.
folgte das Gros der verbündeten Armee; ein Widerstand
wurde dem Vormarsche vom Feinde nirgends bereitet.
Dieser hatte mit 10000 Mann unter dem General Dücker
Stralsund besetzt; 1400 Mann befanden sich auf Rügen,
8000 auf Usedom, wo der König Karl XII. selbst das
Kommando führte. Nachdem bei Putte (dreiviertel Meile
östlich von Stralsund) noch die dänische Armee unter
Feldmarschall Schölten zu den Verbündeten gestossen war,
rückten dieselben, jetzt 74 Bataillone und 118 Escadrons
stark, am 15. Juli in das Lager von Stralsund, wo die
Sachsen ihren Platz auf dem rechten Flügel einnahmen.
Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo man die
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 149
durch die Besetzuno; der Insel Wollin vorbereitete Ver-
treibung der Schweden von Usedom ins Werk setzen
konnte. Die Unternehmung, an welcher von den Sachsen
Abtheilungen der Regimenter Anspach-Flemming, Secken-
dorfF und Friesen betheiligt waren^ erinnert in ihrer Aus-
führung ein wenig an die Eroberung Alsens im Jahre
1864; auch hier galt es, vor Tagesanbruch einen Meeres-
arm, denn einem solchen gleicht die Swiene zwischen
dem Grossen Haff und der Ostsee, unbemerkt zu über-
schreiten und den Feind durch Ueberraschung aus seinen
Stellungen zu vertreiben. Der Uebergang erfolgte in der
Nacht vom 30. zum 31. Juli 1715; die Reiterei bewirkte
denselben zumeist schwimmend; die Infanterie wurde in
Kähnen übergesetzt. Das kühne Unternehmen gelang
über Erwartung. Karl XJI. musste sich, nachdem seine
Infanterie durch die Kavallerieattaken der Verbündeten
schwere Verluste erlitten, einschiffen; das Fort Swiene-
münde ergab sich; die ganze Insel bis auf das von den
Schweden behauptete Fort Peenemünde hei in die Hände
der Sieger, welchen die wichtige Eroberung nur sehr
geringe Opfer kostete.
Peenemünde wurde nun regelmässig belagert, aber
schon am 22. August, als man sich mit den Laufgräben
noch 400 Schritt vom Graben befand, erfolgte unter dem
Befehle des sächsischen Generalmajors Prinzen von Würt-
temberg mit 1137 Mann ein Sturmangriff. Von den beiden
sächsischen Infanterie-Regmaentern Seckendorff und Friesen
nahmen, unter persönlicher Anwesenheit ihrer Inhaber,
Abtheilungen an dem Sturme theil. Da eine Bresche
noch nicht gelegt war, so konnte die schwierige Aufgabe
nicht ohne blutige Opfer gelöst werden; erst nach drei-
stündigem Kampfe gelang es den Anstrengungen der
Stürmenden, sich des Platzes zu bemächtigen, nachdem
mehr als die Hälfte derselben, 706 Mann, getödtet oder
verwundet worden waren. Die Sachsen allein verloren
6 Offiziere und 72 Mann an Todten^ 5 Offiziere und
155 Mann an Verwundeten. Die Regimenter Seckendorff
und Friesen, welche diesen Verlust allein getragen hatten,
wurden zu ihrer Wiederherstellung und Erholung ersteres
nach Greifswalde, letzteres nach Anklam in Garnison ein-
gelegt, von wo sie erst im Oktober abgelöst wurden, um
vor Stralsund bei der Belagerung verwendet zu werden.
Das Friesen'sche Regiment, welchem Anfangs Sep-
tember in Anklam durch seine vier aus Sachsen einge-
150 0. von Schimpff:
troffenen Ersatzkompagnien eine dringend nöthige Ver-
stärkung zugeführt worden war, hatte während seiner
Reservestellung wenig versäumt; denn die Heranführung
des Belagerungsgeschützes verzögerte sich bis in den
Oktober hinein, und die Eroberung von Rügen, welche
dem ernsten Angriffe auf Stralsund vorausgehen sollte,
hatte, des schlechten Wetters und widriger Winde halber,
noch nicht in Ausführung gebracht werden können.
Da hier auf eine Beschreibung der Belagerung von
Stralsund nur insoweit eingegangen werden soll, als es
sich um die Betheiligung des Generalmajors Friesen per-
sönlich oder um die seines Regimentes handelt, so sei nur
in der Kürze erwähnt, dass die Eröffnung der Laufgräben
in der Nacht vom 19. zum 20. Oktober erfolgte. Der
General Wackerbarth, ein sehr kenntnisvoller Ingenieur,
befehligte den rechten Flügel der Belagerungsfront (Attake
nach damaliger Kunstsprache), welche von preussischen
und sächsischen Truppen besetzt war; die dänische Attake
des linken Flügels stand unter dem Feldmarschall von
Schölten.
Den 15. November gelangte die längst geplante und
immer verschobene Unternehmung gegen Rügen mit Hülfe
der dänischen Flotte bei Stresow zur Ausführung. Von
den Sachsen nahmen nur zwei Escadrons des Dragoner-
Regiments Anspach - Flemming und die Infanterie -Regi-
menter Königin, Königlicher Prinz, Weissenfeis und Ka-
vanagh daran Antheil; es kam die sächsische Infanterie
jedoch nicht mit ins Feuer, die Dragoner dagegen zeich-
neten sich sehr aus und hatten nicht unbeträchtlichen
Verlust. Karl XII., der im Kampfe verwundet wurde
und zwei Pferde unter dem Leibe verlor, hatte vergebens
sich erst an die Spitze der Reiterei, dann an die der In-
fanterie gesetzt und seine Truppen selber mit gezogenem
Degen vorgeführt; er rausste sich mit dem Reste der
Besatzung von Rügen, kaum 2000 Mann, nach Altfehr
zurückziehen, von wo er sich mit dieser kleinen Schaar
mitten durch die dänische Flotte hindurch zu Schiffe
nach Stralsund rettete.
Trotz der ungünstigen Witterung, unter der die
Truppen in den unter Wasser stehenden Laufgräben stark
litten, förderte Wackerbarth die Belagerungsarbeiten doch
mit ebensoviel Energie als Umsicht. Als man mit der
Sappe gegen die drei aussprengenden Winkel des Horn-
werks soweit vorgeschritten war, dass der Sturm auf den
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 151
gedeckten Weg desselben einige Aussicht auf Erfolg bot,
wurde der Generallieutenant von SeckendorfF beauftragt,
den Angriff mit kommandierten Abtlieilungen der drei
verbündeten Armeen auszuführen. Derselbe erfolgte den
5. Dezember Nachmittags 4 Uhr, und trotz des tapfern
Widerstandes der Schweden gelang es den Stürmenden,
sich auf der Contreescarpe festzusetzen. Aber auch dieses
Unternehmen musste mit dem Verluste von 75 Todten
und 275 Verwundeten theuer erkauft werden; von den
Sachsen waren 2 Offiziere und 16 Mann todt auf dem
Platze geblieben, der Generalmajor Graf Castell, 2 Kapi-
täne und 32 Mann verwundet.
Nun konnte in der Nacht vom 7. zum 8. Dezember
zur Ausführung der Breschebatterien vorgeschritten werden;
vom 12. an begann das Brescheschiesseii gegen das Horn-
werk und die Tenaille. Wackerbarth, dessen Eifer und
Geschicklichkeit nicht genug Lob gespendet werden kann,
da er bis ins Detail alles persönlich leitete, bat nun, als
einige gangbare Breschen hergestellt waren, den König
um die Genehmigung zum Sturme auf das Hornwerk und
die Tenaille. Die Ausführung wurde dem Generalmajor
Friesen übertragen; gleichzeitig stellte man demselben
für die erste Linie 1000 Mann Preussen und Dänen, für
die zweite Linie 1000 Mann Sachsen zur Verfügung,
welche letztere aus allen acht Infanterie-Regimentern kom-
biniert und dem Kommando des Obersten von Schlottenbach
unterstellt waren. Das Vorrücken begann den 17. Dezember
Nachmittags 2 Uhr in vier Kolonnen, von denen die erste
gegen die rechte Flanke des Hornwerkes, die zweite gegen
die Tenaille, die dritte gegen die linke Flanke des Horn-
werkes und endlich die vierte über das Eis des Grabens
längs der langen Seite des Hornwerkes vorgingen, die letz-
tere mit der besonderen Bestimmung, den Feind im Rücken
zu nehmen. Vormarsch und Angriff erfolgten „mit fermet^
und ausgezeichnetem Muthe", ungeachtet der persönlichen
Anwesenheit des Königs Karl XII. in der Tenaille imd
der todesverachtenden Energie, welche er, wie kaum je
ein Feldherr vor oder nach ihm, dem Widerstände seiner
Truppen einzuflössen verstand. Die beiden angegriffenen
Werke wurden genommen und behauptet; 20 Geschütze
und ein grosses Pulvermagazin fielen in die Hände der
Sieger. Friesen war für seine Person den Angreifern
mit glänzendem Beispiele vorausgegangen; er und der
tapfere Oberst von Dieinar befanden sich unter der Zahl
152 0. von Schimpff:
der Seh wer verwundeten. Die Saclisen allein verloren
1 Fähnrich und 24 Mann an Todten und, ausser den ge-
nannten beiden höheren Offizieren, noch 15 andere und
175 Unteroffiziere und Gemeine an Verwundeten.
Sehr ansehnliche Opfer kostete noch am folgenden
Tage, am 18. Dezember, ein gleichfalls vom Könige per-
sönlich ausgeführter Ausfall der Schweden auf das Horu-
werk, der nach einundeinhalbstündigem Gefechte mit dem
Rückzuge derselben endete.
Dem von Wackerbarth mit des Königs Genehmigung
auf den 20. Dezember festgesetzten Sturm auf den Haupt-
wall kamen die Schweden durch die Einleitung von Unter-
handlungen zuvor, und am 22. Nachmittags 2 Uhr schlug
die Besatzung Chamade, nachdem in der vorangegangenen
Nacht König Karl XII. die Stadt verlassen hatte und
nach Schweden abgereist war. Ohne Schwierigkeiten
wurde nun auch mit dem Kommandanten von Stralsund,
General Dücker, die Kapitulation zu Stande gebracht;
die Garnison, von welcher gegen 2000 Mann in den Spi-
tälern lagen, wurde bis auf 1000 Mann, denen man freien
Abzug nach Schweden gewährte, kriegsgefangen. Schon
am Tage darauf, den 24. Dezember, erfolgte die Besetzung
der Stadt durch die Dänen.
Die Sachsen hatten sich durch ihre Ausdauer und
ihre treffliche Haltung bei allen an sie gestellten erheb-
lichen Anforderungen des beschwerlichen Belagerimgs-
dienstes vor Stralsund die volle Zufriedenheit des Königs
von Preussen erworben; dem General Wackerbarth hat
derselbe die hier geleisteten erspriesslichen Dienste nie
vergessen und bis zum Grabe durch eine bei dem so
rauhen, ja harten Gemüth des Soldatenkönigs doppelt
rührende Freundschaft belohnt.'*)
Die Belagerung von Stralsund hatte dem sächsischen
Korps allerdings schwere Opfer gekostet: 11 Offiziere und
291 Mann an Todten, 37 Offiziere und 685 Mann an Ver-
wundeten. Aber mit dem Falle dieser Festung war nicht
nur das letzte Bollwerk Karls XII. in Deutschland ge-
brochen, sondern auch, für den kühnen Eroberer ein noch
schmerzlicherer Verlust, die Wunderkraft seines gefürch-
'*) In seinem Schreiben an den König von Polen sagt Friedrich
Wilhelm über Wackerbarth: „Ich muss demselben billig den ßnhm
beilegen, dass man ihm vornehmlich die glückliche Eroberung von
Stralsund zuzuschreiben habe."
Heinrich Friedricli Graf von Friesen. 153
teten Namens; für Sachsen endete mit der Uebcrgabe
Stralsunds der dem Fürsten, wie dem Volke so verhäng-
nisvolle nordische Krieg.
Während aber hier an der Ostsee das Kriegsfeuer
zur Freude des gequälten Kurstaates erlosch, loderte in
Polen bereits wieder die helle Flamme der Empörung auf.
Schon Anfangs Oktober waren von dem Belagerungslieere
vor Stralsund die drei Kürassier -Regimenter und das
Dragoner - Leibregiment abberufen worden und hatten
unter dem Befehle des Generallieutenants von Milckau
nach dem Posenschen marschieren müssen; den 31. De-
zember 1715 folgte dahin auch der übrige, nach Beendi-
gung des Krieges in Pommern verwendbar gewordene
Rest des sächsischen Korps, 8 Infanterie- und 2 Dragoner-
Regimenter, erstere zusammen 6131 Mann, letztere 472 Mann
stark.
Dieser nach Polen abrückenden Truppenabtheilungen
harrte eine der schwierigsten militärischen Aufgaben: die
Pacificierung eines weitläufigen, mit schlechten Kommuni-
kationen versehenen, schwachbevölkerten Landes, dessen
noch auf einer sehr tiefen Kulturstufe stehender, in der
bluidesten Abhängigkeit von Adel und Geistlichkeit^ auf-
erzogener Bauernstand sich von einer, jeder staatlichen
Ordnung grundsätzlich abgeneigten, zum Treubruche und
zu jeder Art von Gewaltthätigkeit stets bereiten Aristo-
kratie aus einem Kampfe gegen die gesetzliche Staats-
gewalt in den anderen treiben liess. Den Vorwand zu
den sogenannten Konföderationen des Adels, welche in
der unglücklichen Verfassung der sogenannten Republik
eine gewisse Sanktion fanden, und deren Häupter, unter
sich stets uneinig, nur dann sofort in Uebereinstimraung
handelten, wenn es die Bekämpfung der königlichen Au-
torität galt, musste, wie bisher immer seit der Wahl
Augusts IL, die Beschwerde über die auf dem Boden der
polnischen Repubhk vereinigten sächsischen Truppen her-
geben, deren Anwesenheit von den Aufrührern als Ver-
fassungsbruch bezeichnet ward. Nun hatte sich allerdings
August II. durch die vor seiner Wahl von ihm unterzeich-
neten Pacta conventa verbindlich gemacht, fremde Truppen
nicht nach Polen zu bringen, aber die Verhältnisse standen
jetzt so, dass eine Zurückziehung der sächsischen Regi-
menter mit einer Verzichtleistung auf die Krone gleich-
bedeutend gewesen wäre, denn sie allein gewährten der-
selben einigen Schutz und verhüteten, dass der Aufruhr
154 0- '^^^ Schimpff:
sich nicht in vollen Flammen über das ganze Land ver-
breitete.
Man wird lebhaft an die letzte Erhebung Polens
gegen Russland im Jahre 1863 erinnert, wenn man die
Schilderungen der Berichte von 1715 und 1716 liest, von
dem plötzlichen Auftauchen und Wiederverschwinden
grosser Insurgentenmassen, von deren heimtückischen
Ueberfällen, dem Terrorismus^ durch den man die Volks-
menge wider deren eigentlichen Willen zur Theilnahme
zwang, den Plünderungen, Vertragsbrüchen und Gewalt-
thätigkeiten, welche die Kriegführung der Polen charak-
terisierten. Den Sachsen war dieselbe um so verhasster,
als eigentliche Schlachten und Gefechte nur selten ge-
liefert wurden, und dennoch die Truppen nur ausnahms-
weise zur Ruhe kamen, da der Verrath in allen Ecken
um sie lauerte. Einer solchen Kriegsmethode gegenüber
blieb, zumal bei der grossen Ausdehnung des insurgierten
Landes und dem Mangel bestimmter Operationsobjekte,
zur Bekämpfung der Gegner kein anderes Mittel, als die
häufige Entsendung mehr oder minder starker Kolonnen
nach den verschiedensten Richtungen, um Truppenansamm-
lungen zu zerstreuen, die Uebelgesinnten einzuschüchtern,
die Treugebliebenen gegen Unbilden zu schützen und
rückständige Abgaben einzutreiben. Es liegt auf der
Hand, dass ein solcher Dienst für die Truppen ein sehr
anstrengender war ; die ganze Natur dieses Krieges aber,
der beständige Kampf mit Verrath, Untreue und Heim-
tücke, verwilderte auch dieselben in bedenklicher Weise,
indem er ihnen auf Tritt und Schritt zu eigenmächtigen
und gewaltsamen Repressalien Anlass gab.
Friesen, von seiner Verwundung nur nothdürftig ge-
heilt, traf um die Zeit des Waffenstillstandes von Ra^va,
also gegen Mitte Januar 1716, in Polen ein und wurde
hier vom Feldmarschall Flemming in das Palatinat Sen-
domir mit dem Auftrage gesendet, daselbst die rückstän-
digen Steuern einzutreiben, ein Magazin zu errichten, die
Verbindung zwischen Warschau und Krakau zu erhalten
und die Weichselübergänge zu bewachen, um die Kom-
munikation der Konföderierten über diesen Fluss hinweg
möglichst zu verhindern. Die Streitkräfte, welche Friesen
für diese schwierige Aufgabe zur Verfügung gestellt
wurden, bestanden aus 6 Kompagnien Dragoner und
12 Kompagnien Infanterie, letztere zum grossen Theil
Polen; mithin höchst unzuverlässig und nur durch strenge
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 155
Disziplin zusaramenzulialten. Mit dieser kleinen Abtliei-
lung hatte er nicht blos Sendomir, sondern auch Novemiasto,
zehn deutsche Meilen oberhalb , und Janowice, ebenso-
weit unterhalb, alle drei Orte wichtige Uebergangspunkte
der Weichsel, zu besetzen ; die Verpflegung war dabei
höchst mangelhaft und die Verbindung nur mit den beiden
Hauptpunkten Warschau und Krakau einigermassen ge-
sichert.
Weder der Wafienstillstand von Rawa, noch der auf
dem Kongresse zuLublin am 13. Juni feierlich beschworene
Waffenstillstand wurde von den Konföderierten eingehalten;
olme sich im geringsten an die Verträge zu kehren,
setzten die Empörer im Posenschen den Krieg im grossen
Massstabe fort, während sie andere Gegenden durch Streif-
und Raubzüge, Mord und Plünderungen nach wie vor in
Schrecken setzten.
Wider Erwarten war in Friesens Bereiche bis zum Juli
1716 keine wesentliche Störung vorgekommen. Den Waffen-
stillstandsvertrag von Lublin erhielt derselbe mit der War-
nung zugefertigt, sich in seiner bisherigen Vorsicht nicht
beirren zu lassen, und wirklich nahete sich gerade jetzt
ein Korps Konföderierter fünf Meilen unterhalb Sendomir
der Weichsel, so dass die nach Warschau abgegangenen
Lebensmittelsendungen von Kommandos begleitet werden
mussten.
Die so schwierige Lage Friesens wurde noch dadurch
verschlimmert, dass man seine Kavallerie zu einer anderen
Verwendung abberief und ihn dadurch des Mittels be-
raubte, Nachrichten über die Annäherung der meist be-
rittenen Lisurgentenbanden rechtzeitig einzuziehen. Einer
solchen unter der Führvmg eines gewissen Laszieczewski,
Edelmannes von Geburt imd Strassenräubers von Pro-
fession, wurde es unter diesen Umständen möglich, sich
der Stadt Sendomir heimlich zu nähern und von dem
Weideplatze die noch wenigen, der Garnison gehörigen
Pferde wegzuführen.
Feldmarschall Flemming erhielt die Meldung von
diesem unangenehmen Vorfalle in Lublin, wo mit dem
daselbst versammelten Landtage die Verhandlungen zur
Herstellung des Friedens fortgeführt wurden, und gab in
seiner Antwort Friesen auf Grund der über Laszieczewski
angestellten Erkundigungen den Rath, „de faire pendre,
comrae des voleurs de grand chemin, ceux qu'il trouvait
avoir voile la treve".
J56 0. von Schimpff:
Wenn Flemming bei Ertheilung dieses Rathes etwa
stillschweigend voravissetzte, Friesen werde denselben nicht
ganz dem Wortlaute gemäss auszufül.ren wagen, so hatte
sich der sonst so schlaue Feldmarschall und Diplomat in
der Person gewaltig geirrt. Friesen wusste, dass in Opa-
tow, kaum vier Meilen von Sendomir; die Hauptver-
schwörer versammelt waren, und ein Kommando, das er
dahin entsendete, brachte, wie er richtig vermuthet hatte,
den Laszieczewski nebst drei anderen Rädelsführern nach
Sendomir zurück.
Auf seine privilegierte Stellung als polnischer Edel-
mann vertrauend, mag Laszieczewski bei dem Verhör,
welchem er unterzogen wurde, mit grosser Zuversicht
aufgetreten sein, indem er dreist zugab, der Publikation
des Waffenstillstandes persönlich mit angewohnt zu haben.
Dies genügte Friesen, ihn als Friedensbrecher und Räuber
zum Strange zu verurtheilen und auch wirklich am 23. Juli
1716 auf offenem Markte in Sendomir henken zu lassen.
Ein Schrei der Entrüstung ging bei der Nachricht
von dieser strengen, aber muthigen und energischen Mass-
regel Friesens von einem Ende Polens zum anderen. Der
ganze Adel fühlte sich in der schimpflichen Exekution
eines seiner Glieder aufs tiefste beleidigt; ein Sturm
heftiger Interpellationen richtete sich in Lublin gegen
Flemming. Friesen hatte demselben von der Verurthei-
hmg und Hinrichtung Laszieczewskis sogleich offizielle
Nachricht zugehen lassen , wobei er diskreter Weise die
Massregel als ein nothwendiges Exempel zur Unter-
drückung der frechen Gewaltthätigkeiten und Räubereien
ganz auf seine eigene Verantwortung nahm, während er
es daneben doch für gerathen hielt, sich in einem Schrei-
ben an den Sekretär des Feldmarschalls ausdrücklich auf
dessen klaren und bündigen Befehl zu berufen. Priesen
war daher keineswegs überrascht, als Flemming dem
wüsten Geschrei und den Drohungen der polnischen
Landboten gegenüber von der Diskretion seines Unter-
gebenen den ausgiebigsten Gebrauch machte und alle
Schuld des bedauerlichen Missverständnisses auf diesen
schob. Unter dem Verwände, die Sache an Ort und
Stelle untersuchen zu müssen, entzog sich der schlaue
Diplomat den weiteren Zornausbrüchen des erregten Land-
tages und begab sich nach Sendomir, wo er Friesen noch
am Tage seiner Ankunft mit Arrest belegte, angeblich
nur, ..weil er den ihm vom Feldmarscliall gegebenen
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 157
Rath, nicht öffentlich zu erscheinen, unbeachtet gelassen".
Friesen, dessen männlich -unerschrockene Tliat innerhalb
des sächsischen Heeres ungetheilte Billigung erfuhr, liess
alles dies ruhig über sich ergehen und verantwortete sich
in Ruhe vor dem Kriegsgericht in Warschau, welches
man, um die Aufregung der Polen zu beschwichtigen,
unter Wackerbarths Vorsitz über ihn niederzusetzen be-
liebte. Auch liess er sich durch den von dem Kriegs-
gerichte über ihn gefällten Urtheilsspruch, der auf Ver-
lust seiner Stellung und achtjähriges Gefängnis lautete,
um so weniger beirren, als eine Publikation desselben an
den Beklagten vorläufig nicht erfolgte. Durch den General
Wackerbarth liess jedoch Friesen den Feldmarschall noch-
mals darauf aufmerksam machen, dass er sich zu seiner
Vertheidigung auf dessen Befehl in der bewussten An-
gelegenheit nur darum nicht berufe, weil er dies nicht
nöthig zu haben glaube, worauf ihm vom Vorsitzenden
die sonderbare Antwort ertheilt wurde, dass dieser Um-
stand auf die Ansicht des Kriegsgerichts von keinem Ein-
flüsse sein könne, „da ein Vorgesetzter berechtigt sei, seinen
Befehlen jede Auslegung zu geben, welche er für gut be-
fände".
Als sich der erste Sturm auf dem Reichstage und im
Lande etwas gelegt hatte, wurde die Untersuchung gegen
Friesen einem anderen Kriegsgerichte übertragen, welches
in dem Verfahren des Angeklagten an sich nichts Gesetz-
widriges erblickte, wohl aber, den ihm ertheilten geheimen
Instruktionen gemäss, einen Missbrauch seiner Dienst-
gewalt darin erkennen wollte, dass Friesen sich um den
Stand des Verurtheilten als Adliger nicht gekümmert
und in Folge dessen nicht um Verhaltmigsbefehle gebeten
habe. Das Urtheil fiel wesentlich milder aus, als das
erste, und lautete bloss auf sechs Monate Suspension
Friesens von seiner militärischen Charge.
Es begann nun zwischen Friesen und Flemming eine
Differenz, in welcher sich der letztere, dem sonst klein-
liche Berücksichtigung des Geldpunktes nicht zum Vor-
wurf gemacht werden konnte, nicht eben im anständigsten
Lichte zeigte. Die Witwe des Laszieczewski hatte sich
nämlich erboten, auf alle weiteren Ansprüche in der für
die königliche Partei so unangenehmen Angelegenheit
ihres Gatten zu verzichten, wenn man ihr für dessen
Verlust ein Schmerzensgeld von 1000 Thalern auszahle.
Diese Entschädigung wollte Flemming von sich ab auf
158 0. von SchimpflP:
Friesen wälzen, indem er diesem bei Eröffnung des zweiten
Erkenntnisses in Aussicht stellte, das erste Urtel solle gar
nicht veröffentlicht werden, wenn er sich zur Zahlung der
1000 Thaler bereit erkläre, und da Friesen sich dessen
weigerte, wurde nach Publikation des ersten strengeren
Urtels die Sache zur Entscheidung dem Könige vorge-
tragen. Friesen reichte nun seine Vertheidigungsschrift —
natürlich in französischer Sprache, in welcher er Kraft
und Würde des Ausdruckes mit Eleganz und Gewandt-
heit des Styles verband — gleichfalls an den König ein,
und es scheint die beabsichtigte Wirkung auf den Mo-
narchen nicht verfehlt zu haben, wenn er in seinem
Schreiben die männliche Erklärung giebt: „que s'il avait
refuse autrefois de rien faire pour detourner la publication
d'une sentence, il croyait ä cette heure, apres avoir en-
tendu sa condamnation, pouvoir sans blesser son honneur
donner ce qu'on demanderait; qu'il etait permis k un
homme d'honneur de donner tout son bien, pour se ra-
cheter de prison, mais pour detourner l'examen de meme
que le jugement de sa conduite, les dernieres extr^mit^s
ne pouvaient lui faire d^bourser un sol; que le Cemte de
Flemming n'avait ainsi qu'a disposer de tout ce qu'il ju-
gerait ä propos".
König August scheint nicht nur über das Verhalten
Friesens in der Laszieczewski'schen Angelegenheit im Stillen
volle Zufriedenheit empfunden zu haben, sondern es dürfte
kaum zu viel gesagt sein, wenn man behauptet, dass von
diesem Ereignisse an, bei welchem sich die uneigennützige
Hingebung desselben für das Interesse seines Fürsten im
hellsten Lichte offenbart, Friesen der Liebling des ihm
anfangs so wenig geneigten Königs wurde. Zunächst sah
dieser von einer jeden Vollstreckung des wider Friesen
gefällten Urtels ab, hob dessen Arrest auf und nahm die
Aufwartung desselben in Gnaden an; die Entschädigung
der Witwe Laszieczewski mag wohl dem geheimen Fonds
überwiesen worden sein. Obwohl aber König August IL
nicht wieder auf diese Angelegenheit zurückkam, führte
dieselbe doch in der Folge noch manche Unannehmlichkeit
für Friesen herbei.
So z. B. theilt der Minister Manteuffel unter dem
30. September 1718, also zwei Jahre nach dem Ereignisse
in Sendomir, von dem Landtage in Grodno in einem im
königlichen Hauptstaatsarchive zu Dresden verwahrten
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 159
Schreiben '^) mit, dass Friesen an der Tafel des Prinzen
Wisniowiecki gleichzeitig mit den Landboten von Sen-
domir zur Tafel geladen worden sei, wobei ihn der diskrete
Wirth, der die Erbitterung des polnischen Adels gegen
Friesen kannte, als einen Bruder des Grafen Vitzthum
vorgestellt habe. Als aber gegen Ende des Mahles ein
Pole absichtlich oder im Weinrausche Friesen bei seinem
wahren Namen anredete, entstand unter den Landboten
eine solche Aufregung, dass der ehemalige Kommandant
von Sendomir wahrscheinlich niedergesäbelt worden wäre,
wenn der Prinz Wisniowiecki ihn nicht in seinem Hause
vor allem Unbill geschützt hätte. Manteuffel beweist sich
übrigens in dem Briefe, welcher diesen Bericht enthält,
nicht eben als besonderer Gönner Friesens, über welchen
er sich im weiteren ausspricht, „que ce jeune honime
commence a se donner des airs" u. s. w. und ferner, „der
Handel, der beim Prinzen Wisniowiecki begonnen, sei
noch nicht zu Ende, on lui en prepare un autre bien
plus sanglant qui donnera une alarme terrible au serail
dont je serais bien aise de voir rabattre le caquet".
Manteuffel hatte übrigens sehr richtig prophezeit;
die üngelegenheiten für Friesen waren damals, 1718, noch
nicht zu Ende; der polnische Adel konnte sich, so lange
jener noch lebte, über den gegen seine Privilegien ge-
führten Streich nicht beruhigen. Sechszehn Jahre nach-
dem Laszieczewski seinen frechen Raub und Friedens-
bruch am Galgen gebüsst hatte, kam die Angelegenheit
unter dem Nachfolger Augusts IL, kurz nach der Krö-
nung Augusts HL, wieder zur Sprache, und Friesen, jetzt
General der Infanterie, Kabinetsrainister und Ritter des
polnischen Weissen Adlerordens, sah sich auf die von
neuem aufgenommene Anklage hin noch einmal genöthigt,
sich dem Monarchen gegenüber durch eine ausführliche
Vertheidigimgsschrift zu rechtfertigen.
Den bhitigen Grcuelszencn des zweijährigen polni-
schen Insurrektionskampfes wurde endlich durch den Pa-
cificationslandtag zu Warschau ein Ziel gesetzt, und der
definitive Friede am 1. Februar 1717 geschlossen.
Hiermit endigte Friesens ernste kriegerische Thätig-
keit, und wenn derselbe auch dem militärischen Berufe
sein ganzes Leben hindurch treu bleibt, so sehen wir doch
'•) Korrespondenz des Feklmarschalls Fleniming mit dem Ka-
biuetsminister Manteuflel. Vol. CLIIIa. Bl. 220 b.
160 0- von Schimpff:
daneben seine Eigenschaft als Hofmanu mehr und
mehr in den Vordergrund treten. Die anfänglichen
Vorurtheile seines Monarchen hatten einer hohen Ach-
tung gegen den tapfern Soldaten, den ebenso gebildeten
als entschlosseneu Führer, Platz gemacht; bald war
auch dem liebenswürdigen, leichtlebigen Weltraanne die
persönliche Zuneigung des Königs für alle weitere Zu-
kunft gesichert.
Dass Friesen auf dem glänzenden Parquet des Dres-
dener Hofes sich bald eben so heimisch befand, als in
den Trancheen vor Sti'alsund oder im Kampfe mit den
polnischen Insurgenten, und dass er auch auf diesem glatten
Boden Siege zu erfechten verstand, davon zeugt wieder
ein nur wenige Tage vor dem oben erwähnten geschrie-
bener Brief Mauteufiels aus Grodno vom 30. September
1718, in dem er an Flemming nach Wien folgendes be-
richtet: „Le soir de notre arrivee M^ la Comtesse (Dön-
hoff) mena elle-meme M® Pociey a son mari qui la re9Ut
en bon mari, c'est-a-dire avec des demonstrations tout
particulieres. II a meme tellement pris en affection le
Comte Friesen qu'il veut lui faire prendre absolument une
chambre dans sa maison. L'histoire cependant dit que
le bon-homme est informe de toutes les particularites ar-
rivees ä Dresde, et qu'il n'y a pas long-temps qu'il a bu
en pleine table a la sante de son fils en Saxe. C'est
porter ses cornes en galant-homme."
Der Gemahl der in diesem Briefe erwähnten galanten
Dame, der Grosskronfeldherr von Litthauen Graf Pociey,
welcher allerdings seiner Gattin im Alter weit voraus
war, bezeigte übrigens dieselbe Nachsicht, als sie einige
Jahre später zu dem berühmten Moritz von Sachsen in
ähnliche Beziehungen trat, wie vorher zu Friesen; ja
Pociey Hess sich sogar, als Moritz sich um die kur-
ländische Herzogskrone bewarb, von seiner Frau be-
stimmen, die Ansprüche des Grafen durch namhafte
Geldopfer zu unterstützen. Nach dem Tode des will-
fährigen Gemahls (1729) heiratete Gräfin Emerentina
Pociey den noch sehr jungen Grafen Alexander Joseph
Montmorency, welcher seit 1725 in der sächsischen Che-
valiergarde diente und 1727 den Rang eines General-
lieutenants erhalten hatte. Als Auo-ust III. nach seiner
Thronbesteigung die kostspielige Haustruppe auf den Aus-
sterbeetat setzte, nahm Graf Montmorency 1734 den Ab-
schied und begab sich mit seiner Gattin nach Paris. Die
Heinrich P'riedrich Graf von Friesen. 161
Markgräfin von Bayreuth tliut in ihren bekannten Me-
moiren der Gräfin mit den Worten Erwähnung: „Madame
Potge, tres-fameuse par son libertinage". Der bereits
melirfach erwähnte Baron Haxthausen beschreibt die be-
rühmte Löwin der Dresdener Gesellschaft, von der er be-
hauptet, dass sie einmal mit ihrem Liebhaber Friesen eine
Reise rittlings mit unterlegten Postpferden von Warschau
nach Dauzig und von da nach Dresden ausgeführt habe,
als „petite persounc aimable, fort jeune, l'esprit doux et
tres-fin, qui n'avait guere eu d'educatioU; mais se faisait
ä merveille et en peu de temps, etant en si bonne ecole".
Als einer anderen ziemlich gleichzeitigen Eroberung
Friesens wird von Haxthausen in seinen Memoiren die
Schwester der bekannten Gräfin Dönhoff und Tochter der
verwitweten Krougrossmarschall Bielinska bezeichnet, die
von demselben unter dem Namen „die Starostin von
Mewa" ") aufgeführt und als nicht sowohl schön, als
geistig belebt, liebenswürdig und herzgewinnend geschil-
dert wird. Sie hätte Friesen gern mit ihrer Hand be-
glückt, aber diesem, der sich noch immer in beständiger
Geldverlegenheit befand, genügte wahrscheinlich das Ver-
mögen der Starostin nicht, welche endlich die Bewerbungen
des französischen Gesandten Barons Besanval erhörte und
diesen heiratete.
Aber nicht bloss die Gunst des Königs und der
Frauen erwarb der glückliche Friesen, er gewann auch,
besonders in dem Kammerherrn Haxthausen und dem
General Grafen Lagnasco, einem geborenen Piemontesen,
der lange sächsischer Gesandter im Haag und bevor-
zugter Liebling des Monarchen gewesen war, treue und
ergebene Freunde.
Das Jahr 1718, in welchem am Dresdener Hofe, dessen
Geschichte zu jener Zeit ihre Chronologie der wechselnden
Herrschaft der Gunstdamen entlohnt, die verschwenderische
Pracht der Gräfin Dönhoff ihren Höhepunkt erreichte,
war eine Epoche der ausschweifendsten Lustbarkeiten.
Wir erwähnen derselben hier bloss, um den Helden unserer
Erzählung, den wir als Soldaten durch die Mühseligkeiten
und Gefahren seiner Kriegsfahrten begleitet, auch als
Theilnehmer der Vergnügungen eines glänzenden Hofes
nicht aus den Augen zu verlieren, verweisen aber, was
") Der Familieiniame des verstorbenen Gatten war Cherinski.
Neues Archiv 1', S. ü. u, A. II. 2. 1 1
162 0- von Schimpff:
die Schilderunojen einiger solcher Festlichkeiten speciell
betrifft, auf „Vehse, Geschichte des Hauses Sachsen",
V, 64 fgg., und „Johann Georg, Chevalier de Saxe",
40 fg.
Mit dem Feldmarschall Flemming, seinem Vorgesetzten,
hatten sich dagegen Friesens Beziehungen seit dem Pro-
cesse in der Laszieczewski'schen Angelegenheit nicht wieder
so herstellen lassen, wie es für ihn wünschenswerth ge-
wesen wäre, und es geschah wohl hauptsächlich, um sich
dem Machtbereiche des in seinem beleidigten Stolze nicht
leicht versöhnlichen Gegners zu entziehen, dass Friesen
sich um eine Stelle im Hofdienste bewarb, welche ihm
mittels königlichen Patents vom 3. Juli 1719 durch seine
Ernennung zum Oberfalkenmeister gewährt wurde. In
dieser Charge'^) sehen wir Friesen mit bei dem glän-
zenden Empfange in Thätigkeit, welcher nach der Ver-
mählung des Kronprinzen Friedrich August mit der Erz-
herzogin Josephine dem jungen Paare in der sächsischen
Hauptstadt bereitet ward. Seine Stellung bei Hofe be-
festigte sich in den folgenden Jahren immer mehr, und
wenn wir ihn in seiner Laufbahn als Hofmann auch nicht
von allen Fehlern, die den Ansichten jener Zeit gemäss
von diesem Begriffe fast unzertrennbar waren, von Leicht-
fertigkeit der Sitten, Medisance und Neigung zu Spiel
und Verschwendung freisprechen können, so müssen doch
selbst seine Feinde einräumen, dass er, was damals um
so seltener Avar, doch inmitten solcher Frivolität als
Mann von Bildung und Geburt seine Würde nach oben,
wie nach unten zu wahren verstand, dass er ebensowenig
bei den rohen Trinkgelagen wie bei den niedrigen Ka-
balen und Lakaienränken jener Tage auf das Niveau des
ihn umgebenden Schwarmes herabsank.
Es kann in Berücksichtigung aller der Eigenschaften,
die wir an Friesen kennen gelernt haben, ebensowenig
befremden, dass der König, als es galt, für die ältere der
ihm von der Gräfin Cossell geborenen beiden Töchter
einen geeigneten Gatten zu wählen, seine Augen auf
Friesen richtete, als dass das junge siebenzehnjährige
") Es war diese damals die siebente der dem Oberhofmarscliall
unterstellten neun Oberhofchargen : Oberkammerherr, Oberstall-
meister, Oberschenk, Oberküchenmeister, Oberhofjägermeister, Ober-
hofmeister der Königin, Oberfalkenier, Oberpostmeister und Tra-
bautenhauptmann.
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 163
Mädchen in die Verbindung mit dem bereits vierundvierzig-
jälirigen Oberfalkenmeister ohne Bedenken einwiUigte.
Für diesen war die Partie, abgesehen von den Vortheilen,
welche die nahe Verwandtschaft mit dem königlichen
Hause bot, auch finanziell für die damalige Zeit, wo der
Werth des Geldes ein wesentlich höherer war, als heut-
zutage, eine ziemlich glänzende; denn das Vermögen der
bereits damals auf dem Schlosse Stolpen in Gewahrsam
gehaltenen Mutter der Braut war im Jahre 1724 „ohne
die noch ermangelnden Juwelen und Hamburger Banko-
EfFecten" zu 582224 Thlr. 1 Gr. 10 Pf., einschhesslich
circa 153000 Thlr. zweifelhafter Kapitalien — nach einer
anderen Berechnung zu 624934 Thlr. 5 Gr. 10 Pf. ein-
schliesslich 183000 Tldr. unsicherer Aussenstände — ab-
geschätzt worden. Von dieser Masse sollten die beiden
Comtessen Cossell mit je 100000 Thalern abgefunden
und das übrige Vermögen der Frau Gräfin „zu Dero und
des jungen Herrn Grafen Unterhaltung und dessen Edu-
cation" angewiesen, über die „annoch ermangelnden Ju-
welen aber, wenn herbeizuschaffen, en faveur der beiden
Comtessen" verfügt werden. Der Vormund des unmün-
digen (erst 1712 geborenen) Grafen Cossell, der Hofrath
Wolfgang Adolf von Leubnitz, zeigte sich übrigens,
wahrscheinlich weil man bei der Abschätzung zu hoch
gegriffen hatte und mehr, als der Anschlag berücksichtigte,
uneinbringlich war, mit der angeblichen Bevorzugung der
beiden Schwestern seines Mündels nicht einverstanden,
und legte gegen dieselbe am 9. Januar 1726 einen, wahr-
scheinlich vergeblichen Protest ein. Die fraglichen Ju-
welen, über deren Verbleib die Gräfin-Mutter jede Aus-
kunft beharrlich verweigerte, fanden sich endlich behn
Juden Jonas Meyer in Dresden und wurden vom Könige
mit Beschlag belegt; doch stellte man für dieselben
den Töchtern, für den Fall des Ablebens der Mutter,
je 20000 Thalcr „vor die miUteriiche Gerade" in Aus-
sicht.
Die Vermählungsfeier Friesens mit Auguste Constantie
Gräfin Cossell fand am 3. Juni 1725 in Gegenwart des
Königs und der Königin, des königlichen Prinzen und
dessen Gemahlin und des gesanmiten Hofes statt; die
Traurede hielt der Oberhofprediger Dr. Marburger. Die
Lustbarkeiten, welche sich in der Dauer von drei Wochen
an dieses Hochzeitsfest anschlössen, sind zu originell
und zu bezeichnend für die Art und Weise, wie mau
164 0- '^on Schimpif:
sich damals am Dresdener Hofe zu vergnügen pflegte,
um hier mit Stillschweigen tibergangen zu werden.
Zunächst hatte man zur Ausstattung dieses Festes
'einen Theil der Armee auf dem linken Eibufer, Pillnitz
gegenüber, zusammengezogen, um, wie man sich naiv aus-
drückte, „das Vergnügen der Allerhöchsten Herrschaften
mit der Instruction der Truppen zu verbinden". Hier
auf diesem Uebungsplatze, wo man zunächst des Flusses
eine Festung erbaut und diese mit einer als Janitscharen
verkleideten Abtheilung besetzt hatte, wurden bereits am
Tage vor der Hochzeit die Festivitäten „par un combat
naval, une bataille et l'investiture d'une forteresse" eröffnet.
Sie wurden vom 4. Juni an in der Weise fortgesetzt, dass
immer ein Wechsel militärischer Vorstellungen mit länd-
lich-idyllischen Aufführungen in Pillnitz stattfand, welche
mit einer feierlichen Begrüssung des Hofes durch die
Dorfschaft, das heisst zum grösseren Theile als Bauei'n
verkleidete Künstler, anfingen. Den 5. Jimi „Descente,
Schlacht, Berenn ung der Festung und Formirimg des
Lagers", den 6. „Dorfschule", bei welcher der Hofzwerg
den Schulmeister vorstellte, den 8. „Maienfest", den 12.
„Erntefest", den 14. „wird gedroschen", den 16. „Bauern-
carroussel", den 18. Vorstellung, „wie es Abends und bei
Nacht in den Schenken zuzugehen pflegt", den 20. „Bauern-
process" und an den dazwischen liegenden, dem Mars
gewidmeten Tagen: erste Parallele und Trancheen, Fou-
ragierung, Anlage von Batterien, Ausfall der Belagerten,
man nähert sich von der zweiten Linie dem Eck der
Contreescarpe, Sturm auf das Ravelin, Bresche, Sturm
auf den Hauptwall, die Besatzung verlässt die Festung
und zieht sich über eine Brücke nach der Insel zurück,
Minenspringen , die Brücke wird nach beendetem Rück-
züge abgebrochen; den 19. Juni Versuch, den Feind
von der Insel zu vertreiben, welcher sich auf die
Schiffe retiriert, bei der Landung aber von der Ka-
vallerie der Belagerer attakiert und gefangen genom-
men wird, den 20. endlich Victoriaschiessen und grosses
Feuerwerk.
Man sieht, dass zu jener Zeit schon die Lehre, welche
später Goethe im Vorspiele zum Faust giebt: „Wer vieles
bringt, wird manchem etwas bringen", keineswegs unbe-
kannt war; es strömten aber auch die Zuschauer von
allen Enden des Landes zu Tausenden herbei. In Er-
mangelung der Dampfschiffe sorgten damals von Pferden
Heinrich Friedrich Graf von friesen. 165
gezogene Eibzillen für die ununterbrochene Verbindung
zwischen Dresden und Pillnitz.
In einer Zeit, wie der unsrigen, in der sich bereits
Schulknaben mit politischen und volkswirthschaftlichen
Fragen beschäftigen, drängt sich uns bei der Erinnerung
an jene Festlichkeiten fast wider Willen die Betrachtung
auf, ob sich damals unter der unzählbaren Menge neu-
gieriger Zuschauer wohl ein einziger befunden haben
mag, der in der übermüthigen Laune des Hofes, in dessen
leichtfertiger, durch die finanzielle Lage des Landes
keineswegs gerechtfertigten Verschwendung etwas An-
stössiges oder gar Tadeins werthes gefunden hätte.
Mit dem Feuerwerke am 20. Juni waren aber die
Lustbarkeiten noch nicht zu Ende; am folgenden Tage
stattete der ganze Hof dem Königstein einen Besuch ab,
natürlich „unter Losbrennuug der Kanonen"; den 22.
exerzierten die Kadetten in Pillnitz, und am 23. fand die
feierliche Rückkehr des Hofes nach Dresden statt, wo die
Kanonen der Flotte, welche den Hof führte, mit den auf
den Festungswällen aufgestellten wieder freigebige Salut-
schüsse wechselten.
Ein Jahr ungefähr nach seiner Vermählung mit der
Gräfin Cossell gelangte Friesen durch den Tod seiner
Tante, der verwitweten Freifrau Johanne Margarethe von
Schellendorf, in den Besitz der Standesherrschaft Königs-
brück^'), wodurch seine finanziellen Verhältnisse sich
wesentlich besserten.
Der König beförderte seinen Schwiegersohn im Jahre
172G zum Generallieutenant, ohne dass mit dieser Ranges-
erhöhung dessen Rücktritt in den aktiven Dienst ver-
bunden gewesen wäre. Dagegen brachte das folgende
Jahr 1727 die Erhebung Friesens zum Oberkammerherrn
an Stelle des im Zweikampfe mit dem Marquis de St. Giles
gefallenen Grafen Friedrich Vitzthura, sowie seine gleich-
zeitige Ernennung zum Kabinetsminister.
Dem Ehrgeize des bisherigen Soldaten und Hofmannes
eröffnete sich durch seinen Eintritt in das Geheime Kabinet
nun auch die Laufbahn als Staatsmann; ferner übertrug
ihm der König die Oberdirektion der im alten Regiments-
") In viele Zeitberichte über Friesen hat sich der Trrthnm
eingeschlichen , dass er in den Besitz von Königsbrück durch seine
Heirat gelangt sei. Der Tod der Freifrau von Schellendorf erfolgte
den 10. April 1726.
166 0- von Schimpff:
hause am Jüdenliofe belindlicheu wissenscliaftliclien Samm-
lungen, des Münz-, Muschel-, Erz-, Naturalien-, Konchy-
lien-, Etampes-Kabinets.
Diesen Rangerhöhungen folgte noch in demselben
Jahre bei dem am 3, August in Obersedlitz, der neuen
Schöpfung des Obersten Wackerbarth, glänzend gefeierten
Ordensfeste die Verleihung des polnischen Weissen Adler-
ordens an Friesen.
Aber während er sich in der Gunst seines Monarchen
immer mehr und mehr befestigte, wurde sein häusliches
Glück nach kurzer Dauer wieder zerstört. Seine Gattin
hatte ihm am 26. März 1726 einen Sohn ^") und am 25. No-
vember 1727 einen zweiten geboren; bald nach glück-
lich überstandenem Wochenbette wurde aber die Gräfin
von den Kinderblattern ergriffen, welchen die junge,
blühende Frau am 2. Februar 1728 erlag.
Dass mit dem Tode derselben die Neigung des Kö-
nigs zu seinem Schwiegersohne nicht erkaltete, lässt sich
schon daraus erkennen, dass dieser im Dezember 1728
wieder durch einen neuen Gunstbeweis des Monarchen er-
freut wurde. August schenkte nämlich das erwähnte Regi-
mentshaus ^') am Jüdenhofe (gegenwärtig mit Nr. 1 bezeich-
net) dem Kabinetsminister und Oberkaramerherrn Grafen
Friesen „aus besondern Gnaden und um seiner Uns so
lange Jahre geleisteten treuen, tapferen und erspriess-
*") Dieser ältere Sohn starb schon nach vollendetem sechsten
Jahre.
= ') Dieses sogenannte Regimentshans war im Februar 1714 vom
Könige dem Feldmarschall Grafen Flemming und dessen Gemahlin
unter sehr vortheilhaften Bedingungen ad dies vitae überlassen
worden. Aber schon im September desselben Jahres veranlasste
August den Feldmarschall, gegen eine Entschädigungssumme von
12 000 Thalern ihm das Haus wieder zur freien Verfügung zurück-
zugeben, und es wurde dasselbe nun zur Dienstwohnung des da-
maligen Gouverneurs von Dresden, Generals Janus von Eberstädt,
der bisher ein jährliches Quartiergeld von 1200 Goldgülden bezogen
hatte, bestimmt. Eberstädts Nachfolger Wack,erbarth bewohnte als
Obersthaus- und Landzeugmeister, welche Chargen er auch als Gou-
verneur behielt, ein Haus am Zeughause, das am 19. Januar 1728
mit den darin enthaltenen werthvollen Sammlungen niederbrannte,
worauf Wackerbarth vom Könige das damals die Stelle des jetzigen
Landhauses einnehmende Flemming'sche Palais geschenkt erhielt.
Erst unter Friesen wurde das Haus am Jüdenhofe wieder zufällig
die Wohnung des Gouverneurs; einige Jahre nach seinem Tode ver-
kaufte es dessen Sohn, der letzte Graf Friesen, an den Konferenz-
minister und Wirklichen GeJieimenrath Grafen von Heunicke.
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 167
liehen Dienste willen erb- und eigentliüralich". Die darin
verwahrten Sammlungen, welche erst kürzlich noch durch
ein „fast inästimables Bernsteinkabinet", ein Geschenk des
Königs von Preussen, vermehrt worden waren, wiu'den
nebst der Bibliothek in die Galerie des Zwingergartens
gebracht.
Der Tod Flemmings, welcher im Jahre 1728 erfolgte,
scheint Friesen wieder in nähere Beziehungen zur Armee,
für die er beständig lebhaftes Interesse behielt, gebracht
zu haben. Den 9. Februar 1731 wurde er zum General
der Infanterie ernannt: im folgenden Jahre erhielt er an
seines Freundes Lagnasco Stelle das Kommando der
sächsischen Leibgarde in Polen, welchen Ehrenposten er
jedoch nur bis zum Tode des Königs August II. be-
kleidete. Der Thronwechsel blieb insofern nicht ohne
Einfluss auf Friesens Stellung bei Hofe, als er auf Befehl
des neuen Monarchen seinen Posten als Oberkammer herr
an den bisherigen Maitre de la Garderobe Grafen Brühl,
den späteren Premier, abtreten musste, wofür ihm als Ent-
schädigung die durch den Tod des Grafen Wackerbarth
(den 14. August 1734) erledigte Würde eines „Gouverneurs
der Residenz und Festung Dresden, auch Neudresdens,
ingleichen König- und Sonnenstein und Stolpen" übertragen
ward. ^^)
Als König August III. an seinem vierzigsten Geburts-
tage, den 7. October 1736, zu Hubertusburg den Militär-
St.-Heinrichs-Orden stiftete, und nächst dem damals vier-
zehnjährigen Kurprinzen Friedrich Christian, dem sechs-
jährigen Prinzen Xaver, dem dreijährigen Prinzen Karl
Christian und dem Feldmarschall Herzog Johann Adolf
von Sachsen -Weissenfeis noch vierzehn Generale, meist
verdiente Veteranen aus dem nordischen Kriege, mit der
neuen Dekoration begnadigte, befand sich auch Friesen
mit unter der Zahl der Ausgewählten. Der Orden, in
Deutschland der älteste militärische Verdienstorden, wurde
damals an einem karinoisinrothen Bande mit silbernen
Rändern getragen, und sein Kreuz führte die Inschrift:
„Virtute et pietate bellica". In den Jahren 1737 bis
1739 fanden noch sieben Verleihungen desselben statt,
auffallenderweise aber hören solche mit dem letztgenann-
**) Friesens feierliche Verpflichtung als Gouverneur fand den
28. October 1734 statt.
168 0- von Schimpff:
ten Jalire auf, obgleich die 1740 beginnenden schlesischen
Kriege der Armee doch reichliche Gelegenheiten zu mi-
litärischen Auszeichnungen boten. ^^)
Die letzte militärische Würde, mit welcher Friesen
durch die königliche Gnade bekleidet ward, war der im
Februar 1738 durch den plötzlichen und unerwarteten Sturz
des Ministers und Generals Grafen Sulkowski erledigte
Ehrenposten eines „Generalcommandanten über die fünf
Bataillone Leibgarde zu Fuss und über die derselben
in gewisser Masse incorporirto sogenannte Hubertusbur-
gische Leibgrenadier-Freicompagnie, mit eben denjenigen
Prärogationen, wie solche dem General Grafen Sulkowski
vorhin anvertraut gewesen".
Der Organismus des sächsischen Heeres ist im Laufe
der Zeiten so oftmaligen Veränderungen unterworfen ge-
wesen, dass es einer genauen Kenntnis seiner Geschichte
bedarf, um sich vorstellig zu machen, welche Truppe
unter jenen fünf Bataillonen Leibgarde, die dem Kom-
mando Friesens unterstellt wurden, eigentlich gemeint ist.
Den Namen Garde führten damals bei der Infanterie
drei Regimenter, nämlich : 1) das alte 1670 errichtete Leib-
regiment, das Stammregiment unserer jetzigen beiden
Grenadier -Regimenter Nr, 100 und 101, welches den
Namen „Garde zu Fuss" schon 1692 annahm und bis
zum Jahre 1764, wo demselben aus ökonomischen Rück-
sichten die Gardevorrechte entzogen wurden, behielt;
2) das von diesem im Jahre 1707 abgetrennte „Zweite
Garderegiment zu Fuss", das bei der grossen Re-
duktion der Armee zwischen dem zweiten schlesischen
und dem siebenjährigen Kriege 1748 wieder aufgelöst
wurde; 3) die 1729 in zwei Bataillonen in Warschau und
Meissen errichtete Leibgarde, deren erster Chef der
spätere Feldmarschall Graf Rutowski war, und die schon
im folgenden Jahre im Zeithainer Lager durch ihre
stattliche Erscheinung allgemeine Bewunderung erregte.
Dieses letztere Regiment, die spätere Leibgrenadier-
garde, welche ihre Existenz in einem schwachen Rest als
sogenannte rothe Garde bis Ende Dezember 1848 fristete,
ist es, welche einen Theil der oben erwähnten fünf Ba-
**) Bekanntlich war es Prinz Xaver, welcher als Administrator
Sachsens im Jahre 1768 den fast in Vergessenheit gerathenen Orden
wieder ins Leben rief.
Heinrich Friedrich Graf von Friesen 169
taillone Leibgarde zu Fuss ausmacht. Es bleiben jedoch,
da diese Truppe uur aus zwei Batailloueu bestand, noch
deren drei zu ermitteln, von denen indessen keines zu den
unter 1) und 2) aufgeführten Kegimentern gehörte. Da-
gegen hatte im Jahre 1735 das Infanterie-Regiment, dessen
Chef König August III. als Kronprinz gewesen war, den
Namen LeilA'egiment erhalten, nachdem am 4. Juni
1733 das Grenadierbataillon Friesen**) als drittes Ba-
taillon demselben einverleibt worden war; am 13. April
1737 aber war folgender Befehl ergangen: „Nachdem
Wir Unser bisheriges Leib- Grenadier -Gardes- Regiment
Unserem sogenannten Leibregiment zu Fuss dergestalt
einverleibt, dass beide zusammen 1 Corps von 5 Ba-
taillonen formiren, so soll dasselbe fürohin den Namen
Unserer Leib-Gardes zu Fuss führen."
Wenn sich hieraus die Zusammensetzung der, Friesens
Kommando unterstellten Gardetruppe von fünf Bataillonen
erklärt, so möchte noch in Bezug auf den weiteren Be-
standtheil derselben, die sogenannte Hubertusburgische
Leibgrenadier - Freikompagnie, zu erwähnen sein, dass
diese im November 1729 in der Stärke von 160 Mann
zur Bewachung des, dem damaligen Kronprinzen ge-
hörigen Jagdschlosses Hubertusburg errichtet ward. Zum
Kapitän derselben wurde der Kammerherr und Stall-
meister des Kronprinzen, Graf Alexander Joseph Sul-
kowski, der spätere Premierminister, ernannt, unter wel-
chem noch vier Offiziere bei der Kompagnie standen.
Die Garnison derselben war Oschatz , ihre Uniform
die des ersten Garde - Regiments zu Fuss — paille-
gelber Rock ohne Kragen, rotlie Aufschläge, Westen
und Beinkleider, letztere mit goldenen Tressen besetzt.
Die Unterhaltung dieser Luxustruppe erforderte jährlich
26688 Thaler.
*') Das Grenadierbataiilon Friesen ist nicht mit dessen oben
mehrfach erwähntem Infanterie-Regimente zu verwechseln , weUhes
ihm im Jabre 1717 wieder entzogen worden war. Jenes Grenadier-
Bataillon war vielmehr aus dem in der Geschichte des Zeitbainer
Lagers vielbesprochenen Janitscharenkorps formiert worden, welches
1729 auf Befehl des Königs von dem Oberstlieutenant von Sybilski
in Polen errichtet worden war. Diese ungefähr 500 Mann starke
Truppe hatte zweierlei Montnr, eine citrnnengelbe und eine pai)agei-
grüne ; ihre Musikbaiule bestand aus 24 Moliren und 48 Janitscharen.
Die Umwandlung in ein Grenadier-Bataillon, zu dessen Chef Friesen
ernannt wurde, erfolgte schon im Herbste 1731.
170 0. von Schimpff:
Aber nicht bloss dem Militär, sondern auch dem Hof-
manne sollte noch eine besondere Auszeichnung zutheil
werden, als im Mai 1738 die feierliche Anwerbung um
die Hand der ältesten Tochter des Königs, Prinzessin Marie
Araalie, für den König beider Sicilien durch den ausser-
ordentlichen Gesandten desselben, Grafen Fuenclara, statt-
fand, und Friesen bei dieser Cereraonie zum königlichen
Kommissar ernannt wurde. '■'*)
Die Erfüllung der Pflichten seines hohen Ehrenamtes
mag ihm übrigens bei dieser Gelegenheit nicht ganz so
leicht geworden sein, wie man in Rücksicht auf seine lauge
Gewohnheit des Hofdienstes wohl anzunehmen berechtigt
wäre, denn schon klopfte die Hand des Todes leise an die
Thür des Mannes, der noch am Tage nach der Hochzeits-
feier bei dem grossen Carroussel im Zwinger an der Spitze
einer der vier in reiche spanische Tracht gekleideten Ab-
theilungen Proben seiner ritterlichen Gewandtheit ablegte.
Wenige Monate darauf, noch im Herbst 1738, musste Friesen
sich infolge anhaltender Körperleiden, die allmählich in
Wassersucht übergingen, aufs Land nach Königsbrück
zurückziehen, und wir würden seine ßetheiligung an dem
Hochzeitsfeste der Königstochter als den letzten Akt seiner
amtliclien Thätigkeit bezeichnen müssen, wenn nicht ein
im Staatsarchiv aufbewahrter umfänglicher und höchst
wahrscheinlich aus Friesens eigener Feder geflossener Be-
richt des Gouverneurs von Dresden^®) noch das Datum
vom 2. Juni 1738 trüge.
Dieser Bericht liefert ein ausführliches, sehr eingehend
und gründlich motiviertes Gutachten des Gouvernements
zu einer von sämmtlichen Viertelsmeistern Dresdens einge-
reichten Vorstellung: „ob nicht der Rath einen oder den
anderen von der Bürgerschaft bei der Einquartierung über
die Gebühr beschwere".
Die Klagen der Dresdener Bürgerschaft über den Druck
der Einquartierung waren an sich nichts neues und reichen
weit vor den nordischen Krieg zurück in die Zeit der An-
fänge eines stehenden Heeres. Mitten in der ärgsten
Schwedenbedrängnis im Jahre 1707 war von der Bürger-
schaft die Summe von 18 672 Thlr. 22 Gr. 2 Pf. zu einem
**) Vergleiche über die bei dieser Anwerbung stattgefundenen
Feierlichkeiten die Beschreibung in „Lindau, Gesch. der Haupt- und
Kesidenzstadt Dresden" .326 fgg.
") HStA. Loc. Nr. 1100 Vol. I Bl. 9 fgg.
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 171
Kasernenbau aufgebracht imd an die Kriegskasse abge-
geben worden, um sich von der drückenden Einquar-
tierungslast zu befreien; das Geld war jedoch während der
Kriegswirren zur Befriedigung noch dringenderer Bedürf-
nisse verwendet worden. Als nach der Pacificierung Polens
zu Anfange des Jahres 1717 die Armee wieder ins Vater-
land zurückkehrte und hier ihre Friedensgarnisonen ange-
wiesen erhielt, bestimmte man, dass Dresden mit je zwei,
anfangs halbjährlich, später jährlich wechselnden Infan-
terie-Kegimenteru belegt werden solle. Ueber diese Mass-
regel wiirden viele Klagen erhoben, besonders da die Sol-
daten, von denen damals ein sehr grosser Theil verheiratet
war, ihre Weiber und Kinder, ja Eltern und Geschwister
mit nach Dresden brachten und so das Proletariat der
Hauptstadt nicht unbeträchtlich vermehrten. Auch die Auf-
führung der Truppen, welclie durch die langen Kriege,
namentlich durch den polnisciien Insurrektionskampf ver-
wildert waren und sich an friedliche Verliältnisse schwer
gewöhnen konnten, gab zu fortwährenden Beschwerden
Veranlassung; sie begingen gegen die Verkäufer auf offenem
Markte Gewaltthätigkeiten und streiften Nachts in Rotten
zu 3, 4 und selbst bis 16 Mann in den Gärten der Vor-
städte umher, um Unfug zu treiben und Diebstähle und
Räubereien zu begehen. Der Bau der Kaserne in Neu-
stadt, der von 1731 ab mit grosser Energie unter de Bodts
Leitung zur Ausführung kam, änderte den Stand der Dinge
wenig, denn der Zweck des Gebäudes, die Unterbringung
der Garnison, wurde noch während des Baues im wesent-
lichen aus dein Auge verloren, so dass, als es fertig stand,
die Verwendung desselben eine ganz andere ward. ^')
Als Friesen 1734 das Gouvernement der Residenz über-
nahm, hatte sich in den Verhältnissen der Bequartierung
wenig geändert; nur war eines der beiden Infanterie-
Regimenter der Garnis(m , das Leibgrenadier - Garde-
Regiment (die sogenannte grosse oder rothe Garde, welche
mittlerweile errichtet worden war), in Dresden " fixiert
worden, und der jährliche Wechsel fand daher nur noch
mit einem Regimente statt, eine Einrichtung, die sich
ein Jahrhundert lang bis 1830 erliielt.
") Man vergleiche liierüber den Anfsatz in der Wissenschaft-
lichen Beilage der Leipziger Zeitung: „Ein Kückblick auf die Ver-
gangenheit der Dresdener Militäretablisseuients", Jahrgang 1877
Nr. 30 fgg., insbesondere Seite 187 fg.
172 0. von Schimpff:
Die Stärke der Infanterie-Garnison Dresdens war im
wesentlichen durch das Wachbedürfnis bedinot, und Friesen
weist in seinem Gutachten, mit dem er die Vorstellung der
Viertelsmeister begleitet, nach, dass dasselbe seit 21 Jahren
in forwährendem Steigen begriflPen sei, denn der tägliche
Wachbedarf berechne sich:
im Jahre 1713 unter Janus von Eberstädt:
Stärke der Garnison: 1487 M., tägliche Wache: 306 M.,
im Jahre 1725 unter Wackerbarth:
Stärke der Garnison: 1626 M., tägliche Wache: 464 M.,
im Jahre 1736 unter Friesen:
Stärke der Garnison: 2934 M., tägliche Wache: 525 M.
Friesen hatte bereits den Vorschlag gemacht, die Wache
auf 463 Mann herabzusetzen, statt dessen war dieselbe auf
598 und endlich gar auf 661 Mann gestiegen, was dem
ungefähren Bestände eines Bataillons, also dem vierten
Theile der Infanterie-Garnison entsprach. Der Gouverneur
beklagt sich mit Recht über die ungebührlich reiche Be-
messung des Wachbedarfes, welcher wahrscheinlich in dem
Luxus seinen Grund hatte, der damals, wo nicht nur alle
Generäle und Regimcntskommandanten, sondern auch die
Minister und hohen Hofchargen Schildwachen vor ihren
Thüren nicht entbehren zu können glaubten, mit solchen
Ehrenposten getrieben wurde. ^^) Was die Bequartierung
der Stadt betrifft, so hatte man zu Friesens Zeit die Ein-
richtung getroflfen, dass die innere Altstadt der Leibgre-
nadier-Garde (2 Bataillone) und die Vorstädte dem Feld-
Infanterie-Regiraent und einiger Artillerie überwiesen waren.
Statistisch nicht uninteressant ist es, bei dieser Gelegen-
heit die Zahl der Wolmgebäude von Altstadt und deren
Vorstädten in jenem Augenblicke kennen zu lernen, indem
erstere mit 382 belegbaren Häusern und 98 königlichen
Freihäusern, letztere mit 601 72 belegbaren Häusern auf-
geführt werden.
Unter den königlichen Häusern werden bezeichnet:
7 Häuser (oder vielmehr Baustellen, da sie 1667 abgetragen
wurden) am Taschenberge, 3 Häuser auf der kleinen Brüder-
gasse, von der Gräfin Cossell erhandelt und nachgehends
zum Palais gezogen, 26 Häuser am Jüdenhofe u. s. w.,
^') Unter dem Prinzen Xaver wurden nach dem siebenjährigen
Kriege 41 Wachposten in Dresden eingezogen; trotzdem mussten
nnter ihm noch täglich 449 Mann auf Wache ziehen, welche 109 Posten
einschliesslich 7 Nachtposten zu besetzen hatten.
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 173
1586 — 1599 zum kurfürstliclien Stall- und Löwenhause auf
der Schössergasse (sonst Nikolausgasse) gezogen, 9 Häuser,
um 1591 zum Zeughause gezogen, das Flemming'sche Haus
auf der Pirna'schen Gasse, 1727 erkauft.
Jedes der „belegbaren Häuser" — N^eubaue erhielten
sogenannte Bauberechtigungen, Befreiungen von Abgaben
und Einquartierungslast auf eine Reihe von Jahren, die
Häuser der Rathspersonen waren eo ipso befreit — war
im Jahre 1733 mit wenigstens zwei und nach Verhältnis
mit 3 — 6 Mann belegt. Für 1738 wird der Aufwand für
die Bequartierung in der Altstadt und den Vorstädten
derselben, welcher 1712 11782 Tlilr., 1725 14194 Thlr.
betragen hatte, zu 41566 Thlr. 12 Gr. berechnet; er be-
läuft sich, wie man versichert, höher als die Quatember-
steuer.^*) Die grösste Plage für die Quartierwirthe waren
die verheirateten Soldaten, welche gleich mit Weib und
Kindern einrückten. Damals, wo die militärische Dienstzeit
nicht wie jetzt auf die Dauer einiger weniger Dienstjahre
beschränkt war, sondern das ganze kräftige Mannesalter
in Anspruch nahm, war die Zahl der Verheirateten bei
den Truppen auch eine ganz unverhältnismässig grössere,
als gegenwärtig, wo das Heiraten nur nach der Be-
endigung der aktiven Dienstzeit solchen Unteroffizieren
gestattet wird, welche Kapitulationen übernommen haben.
So hatte zum Beispiel damals das Leibgarde -Regiment,
welches die stabile Hälfte der Dresdener Infanterie-Garnison
ausmachte, über seinen Bestand von 1441 Unteroffizieren
und Gemeinen noch den Appendix von 230 Weibern und
einer dem entsprechenden Kinderschaar. Man g-laubt den
Versicherungen der Herren Viertelsmeister gern, wenn diese
das Ungemach für die Hausbesitzer schildern, die endlosen
kleinen Quälereien und Belästigungen, die ewigen Streitig-
keiten, zu welchen die Soldatenweiber in den Wohnungen
und Familien der Bürger Veranlassung gaben, wenn sie
*») Die vierteljähr Hohen direkten Abgaben der oben bezeich-
neten Stadttheile werden in der fragliclien Schrift folgeudermassen
angegeben:
2830 Thlr. 18 Gr. 6'/, Pf. Pfennigsteuer ) .,. ^ i*
2285 „ 20 „ - „ Quatembersteuer \ ^°" ^^1*^*^*1*
463 „ 8 „ 11 '/2 „ Pfenuigsteuer ) , ,r ..,;,.
1351 : 16 ,: - „ Quatembersteuer } ^«" ^^«" Vorstädten
2614 „ 13 „ — „ Wachthaler, Geschoss, Brunnengeld und
Kontribution.
9546 Thlr. 4 Gr. 6 Pf. Summa.
174 0- von Schimpff:
ferner für letztere die ihnen von der Einquartierung ab-
gepressten sogenannten „freiwilligen Geldunterstützungen"
als eine weitere Belästigung der Quartierträger bezeichnen,
da diese sich im Weigerungsfalle allerhand Chikanen von
selten ihrer Einquartierung — verschwenderischem Gre-
baren mit Holz, Licht und Salz, welches dieser gewährt
werden muss, dem Aufhetzen der Dienstboten wider ihre
Herrschaften u. s. w. — aussetzten. Natürlich suchten sich
die wohlhabenderen Hausbesitzer einer so drückenden und
widerwärtigen Verpflichtung dadurch zu entziehen, dass
sie ihre Einquartierung durch Zahlung einer reichlichen
Entschädigungssumme bewogen, sich anderwärts einzu-
miethen. Auf diese Weise kassierte, wie die Beschwerde-
schrift besagt, mancher Unteroffizier von seinem Wirthe
2^/2, 3 und 4 Thlr., ein unbeweibter Gemeiner 1 Thlr.
8 Gr., ein verheirateter aber 272 — 3 '/a Thlr. ein, „lässt
sich daher für die Frau ebensoviel, wie für sich selbst
bezahlen".
Dass bei dieser Vorstellung die Beschwerdeführer sich
durchaus keine Uebertreibung zu Schulden kommen Hessen,
dafür spricht die warme Unterstützung, welche der Gou-
verneur denselben zu theil werden lässt. In der That hätten
sie einen unparteiischeren und zugleich beredteren Für-
sprecher nicht leicht finden können. Friesen droht ge-
radezu „den Untergang der Bürgerschaft", wenn nicht
alsbald Abhilfe geschehe; zwei Unteroffiziere könnten „durch
ihre Bequartierung ein Haus um tausend Tlialer depre-
tioniren", der neue Anbau werde gehindert und die Kon-
sumtion zum grossen Nachtheile der Tranksteuer vermindert.
Der Druck der Einquarticrungslast wurde aber noch
dadurch doppelt empfindlich, dass in der Belegung der
Häuser grosse Ungleichheit herrschte; es waren, wie Friesen
bestätigt, hauptsächlich die Vorstädte und ärmlichen Gassen
der inneren Stadt, welche am schwersten zu tragen hatten;
denn von der Befreiung der 98 königlichen Häuser und
der im Besitze von Rathspersonen befindlichen ist bereits
die Rede gewesen; es wird aber ausserdem noch geklagt,
dass solche Befreiungen leider auch von anderen auf
krummen Wegen ohne besondere Mühe zu erschleichen seien.
Der Neustadt wird in dem Exposö nur beiläufig Er-
wähnung gethan, da die Einquartierungslast derselben,
welche nur zu 2643 Thlr. berechnet wird, eine unverhält-
nismässig geringere sei, als die der „Stadt Dresden".
Welchen Erfolg die Bemühungen der Viertelsmeister
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 175
und des die Interessen der Bürgerschaft so warm befür-
wortenden Gouverneurs gehabt haben, kann leider nicht
berichtet werden; wahrscheinlich ist nach mehreren Rich-
tungen hin eine Erleichterung eingetreten. In jedem Falle
ist es dem Verfasser dieses Lebensbildes eine Freude,
seinen Helden, den er als tapferen, unerschrockenen Sol-
daten, als gewandten Diplomaten und als Muster eines
eleganten, feingebildeten Hofmanns zu schildern Gelegen-
heit fand, zu guterletzt dem Leser noch als freimüthigen,
bürgerfreundlichen Vertreter des Rechtes und der Billig-
keit vorführen zu können.
Auch die Ruhe des Landlebens in dem seit dem Tode
der Gattin und des ältesten Sohnes — der jüngere befand
sich, obgleich erst elf Jahre alt, der Erziehung halber
in der Schweiz — für ihn verödeten Königsbrück ver-
mochte dem schwerleidenden Friesen die Gesundheit nicht
wiederzugeben. Im Frühjahre 1739 entschloss er sich,
nach Südfrankreich zu reisen, wie gleichzeitige Bericht-
erstatter erzählen, um die Bäder von Montpellier zu ge-
brauchen. Der Ort stand allerdings in der zweiten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts, wie sich später herausstellte
sehr mit Unrecht, denn Wind und Staub machen sich hier
unangenehmer fühlbar, als in anderen Gegenden des mit-
täglichen Frankreichs, seiner milden Lage wegen besonders
bei den Engländern in gutem Rufe, wogegen der Ver-
fasser von Bädern in Montpellier sonst nie etwas gehört
hat. Wenn daher Friesen sein Reiseziel nicht bloss aus
Vorliebe für den ihm von seinen Jugendjahren her lieb-
gewordenen, von der Natur bevorzugten Himmel des süd-
lichen Europas gewählt und durch Zufall gerade auf Mont-
pellier gekommen ist, so möchte hier vielleicht ein sehr
frühzeitiges Beispiel der erst später so beliebt gewordenen
Luftkuren vorliegen.
Friesen war auf der Reise von seinem Sohne
Heinrich August, der sich unterwegs in Lyon an den
Vater anschloss, und dem Wundarzt ^^^eise begleitet.
Die Versammlung der Stände von Langucdoc, welche
ein geräuschvolles Zusammenströmen des lebenslustigen
französischen Adels in Montpellier veranlasste und für
Friesen um so unbequemer und störender wurde, als
sich unter der glänzenden Menge mancher alte Bekannte
befinden mochte und er dadurch zu gewissen geselligen
Rücksichten genöthigt ward, bestimmte den Schwer-
erkrankten, den Aufenthalt in Montpellier mit dem in dem
1 76 0- von Schimpff:
nur wenige Stunden davon, unmittelbar am Meere liegenden
kleineren Orte Cette zu vertauschen. Aber die Leiden
Friesens steigerten sich so, dass der Gequälte weder bei
Tag noch bei Nacht Ruhe finden konnte, bis ihn am 8. De-
zember 1739 ein verhältnismässig sanfter Tod von seinen
Schmerzen befreite. Er hatte sich an diesem Tage abends,
ohne Vorzeichen des nahen Endes gewahren zu lassen,
ruhig zu Bette begeben, dann aber mit der Matratze auf
den Fussboden legen lassen und einige Stunden darauf
den Geist aufgegeben. Der junge Graf war bei dem Tode
des Vaters nicht zugegen; keine Gefahr ahnend, hatte er
mit seinem Hofmeister gerade einen Ausflug in die Um-
gegend gemacht, von dem er erst nach dem Trauerfalle
zurückkehrte.
In Sachsen rief die Kunde von dem Tode des hoch-
geachteten Mannes allgemeine Bestürzung hervor; verlor
man doch in dem Grafen Friesen, von dessen übrigen
Eigenschaften abgesehen, einen der damals so seltenen
höheren Beamten, welcher für Bestechungen unzugänglich,
seine Hände wie sein Wappenschild von jedem Flecken
rein zu halten gewusst hatte. Friesen war in der That
nicht bloss ein Mann von bedeutendem Talent und Wissen,
in welcher Beziehung ihn vielleicht bloss der geniale,
elf Jahre vor Friesen verstorbene Flemming überragte,
sondern auch unter allen Hof- und Staatsmännern des da-
maligen Sachsens derjenige, der am meisten wahre Würde
zeigte; er war mit einem Worte ein Charakter. Was
Friesens äussere Erscheinung betrifft, so schildert ihn
sein Freund Haxthausen als von kleinem, aber eben-
massigem W\ichse und sehr mager. Die Züge seines
länglichen Gesichts mit leichtgebogener Nase trugen den
Stempel der Vornehmheit, konnten aber je nach seinem
Willen ebenso schnell den Ausdruck der liebenswürdigsten
und anmuthigsten Höflichkeit, wie den eines kalten, ab-
weisenden Stolzes oder schneidender Ironie annehmen.
Die weitere Geschichte des gräflichen Zweiges der
Friesen'schen Familie ist keine lange. Der einzige, den
Grafen Heinrich Friedrich überlebende Sohn, August Hein-
rich, trat schon 1742, fünfzehn Jahre alt, als Fähnrich mit
Lieutenantsrang beim Garde-Regiment in hessen-kassel-
sclie Dienste. Nachdem er hier zum Hauptmann befördert
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 177
worden war, wurde er 1744 als Oberstlieutenant bei der
Garde du Corps in die sächsische Armee aufgenommen und
wohnte als solcher den Schlachten und Gefechten des
zweiten schlesischen Krieges in Böhmen, Schlesien und
Sachsen bei. Als 1745 ein österreichischer Erzherzog ge-
boren ward, sendete König August III. den zum Obersten
und Kammerherrn ernannten achtzehnjährigen Grafen
Friesen zur Beglückwünschung nach Wien. Im folgenden
Jahre erhielt er das zeither den Namen seines Oheims, des
Grafen Cossell, führende Infanterie-Regiment, welches später
(seit 1798) Prinz Friedricli August hiess, dann 1836 dem
Prinzen Georg verliehen wurde und unter diesem Namen als
Nr. 106 noch heute besteht. Aber der junge Mann, der bei
Striegau und Kesselsdorf bereits unter unglücklichen Ver-
hältnissen den Beweis geführt hatte, dass der soldatische
Geist des Vaters und Grossvaters auf ihm ruhe, fühlte den
unwiderstehlichen Drang, auch unter günstigeren Verhält-
nissen den Ruf eines klugen und tapferen Offiziers zu be-
währen. Nirgends bot sich hierzu bessere Gelegenheit, als
im Dienste des Königs von Frankreich, in dem Friesens
Oheim, der Graf Moritz von Sachsen, sich bereits den
Marschallstab erworben und durch den Sieg bei Fontenay
schnell auf die Höhe eines der ersten Feldherren seiner Zeit
erhoben hatte. Friesen eilte daher zur französischen Armee
in Flandern, wo er unter der „troupe dor^e de volontaires",
die sich hier um die gefeierte Person des Marschalls schaarte,
sich durch Tapferkeit und feine Sitte bemerkbar machte
und an der Schlacht bei Rocourt am 11. Oktober 1746
in glänzender Weise betheiligte.
Von Brabant begleitete er den Oheim nach Paris und
Versailles. „Friesen", schreibt dieser miter dem 10. De-
zember 1746 nach Dresden, „platt cxtr^iiement ici', je
crois, qu'on lui donnerait volontiers le grade de brigadier."
Dies geschah auch wirklich im folgenden Jahre, und
es wurde ihm dabei noch die besondere Gunst gewährt,
dass er trotz des Eintritts in den Dienst des Allerchrist-
lichsten Königs seine sächsischen Militärchargen, also auch
sein Infanterie-Regiment behalten durfte.
In Frankreich ertheilte man Friesen die Erlaubnis,
ein neues deutsches Infanterie- Regiment zu errichten, und
am Ende des Feldzuges 1748, in welchem er der, durch
den Abschluss des Friedens imtcrl^rochenfu Belagerung
von Maastricht beiwohnte, erfolgte noch im Dezember seine
Ernennung zum Mar^chal de Camp.
Neues Archiv i'. S. G. u, A. U. 2. 12
178 0. von Schimpff:
In dem Verzeichnisse der 1748 an dem Hofe von
Versailles vorgestellten Personen, welche dadurch das Vor-
recht der „Entr^es des Carosses du Roi" erlangten, führt
die bekannte Memoireuschreiberin, Herzogin von Cröqui,
auch „le comte de Friese^ legitime de Saxe" auf.
Am 5. Juli 1749 kam Friesen mit dem Marschall von
Sachsen zu einem Besuche nach Dresden, wo er mit grosser
Auszeichnung aufgenommen und auch zum sächsisch-pol-
nischen Generalmajor ernannt wurde.
Als im folgenden Jahre, am 30. November 1750, Moritz
von Sachsen in Chambord starb, vt^ard Friesen zwar nicht
dessen Erbe, denn der Marschall hatte hierzu testamen-
tarisch den Gemahl seiner Lieblingsschwester Marie Aurora
Rutowska, den Grafen (Jlaude-Marie de Bellegarde, be-
zeichnet, wohl aber wurde der letzten Bitte des Helden,
dass seine militärischen Privilegien auf seinen Neffen Friesen
übertragen werden möchten, vom Könige Ludwig XV,
durch Patent vom 5. Februar 1751 feierlich entsprochen.
Somit erhielt der dreiundzwanzigjährige Marechal de Camp
neben seinem französischen Infanterie-Regiment auch noch
das berühmte Ulanenregiment, welches von dem grossen
Oheim nach dem Muster der sogenannten tatarischen Hof-
fahnen, die er in den Reihen der sächsischen Armee im
zweiten schlesischen Kriege kennen gelernt hatte, für
Frankreich errichtet worden war. Auch die Gouverneur-
stelle des schönsten Königsschlosses aller Länder, des
prächtigen Chambord, wurde Friesen auf Lebenszeit über-
tragen, während er aus dem eigentlichen Nachlasse des
Oheims nur den werthvollen Brillanten le Prague, den die
böhmische Hauptstadt im Jahre 1741 ihrem Eroberer zum
Geschenk gemacht hatte, und ein Exemplar des Manu-
skriptes der berühmten Reveries erhielt.
Aber Graf Friesen sollte sich seiner zahlreichen
Ehrenämter, welchen der König noch eine Pension von
12000 Livres hinzufügte, nicht lange erfreuen. Gegen
Ende März 1755 wurde er von den Masern befallen, zu
welchen sich ein bösartiges Faulfieber gesellte, und schon
den 29. März, fünf Tage nach der Erkrankung, raffte ihn
der Tod in der Blüthe seines Lebens dahin. Er starb
in seinem Hotel zu Paris, noch nicht achtundzwanzig Jahre
alt, in Gegenwart zweier Landsleute, der Grafen Schön-
berg und Watzdorf. Der Erzbischof von Paris erzeigte
ihm noch im Tode eine besondere Rücksicht, indem er
die Genehmigung ertheiltc, dass Friesen, der Protestant,
Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 179
in der Parocbialkirclie seines Stadtviertels, der Madeleine
Ville l'Eveque, beerdigt wurde.*")
So sehen wir in dem Enkel des ersten Grafen, des
kaiserlichen Feldzeugnieisters, die gräfliche Linie des
Hauses Friesen schon wieder erlöschen. Durch die drei
Generationen derselben wiederholen sich hervorstechende
Charakterzüge — lebhafter Ehrgeiz, Tapferkeit, Uneigen-
nützigkeit und edle Gesinnung — gepaart mit hoher Geistes-
bildung und aristokratischen Formen; von seinem Vater
hatte der letzte Graf Friesen die leichtblütige, sinnliche
Natur und Liebenswürdigkeit im geselligen Verkehr, nicht,
wie es scheint, dessen eiserne Energie geerbt.
*") Nach dem Tode des Grafen August Heinrich suchte dessen
noch immer auf dem Schlosse Stolpen iu Gewahrsam gehaltene Gross-
mutter, die Gräfin Cossell, sich in den Besitz der nachgelassenen
sächsischen Güter zu setzen; sie musste dieselben jedoch gegen eine
Abfindungssumme dem Freiherrn Johann Friedrich Ernst von Friesen
auf Rötha, dem Vetter des verstorbenen Grafen, abtreten. Die Güter
blieben indessen auch nicht in dieser Linie. Königsbrück mit Kosel,
Grüngräbchen und Steinborn erkaufte 1713 der erste Graf Redern,
welcher später preussischer Oberhofmarschall wurde, der Gemahl
der reichen Bankierstochter Horguelin oder Orgueliu; Schönfeld mit
Zubehör (Jessen, Graupen, Pratschwitz) wurde nach längeren Difl'e-
renzen mit den Erben der Töchter des Geheimrathsdirektors Friesen
1787 als kurfürstliches ChatuUengut erworben.
W
Literatur.
Denkwürdigkeiten des Halleschen Rathsmeisters Spittendorf.
Herausgegeben von der Historischen Commission der Provinz
Sachsen. Bearbeitet von Prof. Dr. Julius Opel. Halle, Otto
Hendel. 1880. 8». XLVIII, 582 SS. (A. u. d. T.: Geschichtsquellen
der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete. Elfter Band.)
Die Stadt Halle erfreut sich bekanntlich keines be-
sonderen Reichthumes an Quellen für ihre mittelalter-
liche Geschichte; doch befindet sich unter dem, was sich
bis auf unsere Tage erhalten hat, manches Stück, das
durch Umfang und inneren ^^erth uns über manche ver-
lorene oder in Halle nicht so wie in anderen deutschen
Städten gezeitigte Frucht historiogi-aphischer Thätigkeit
zu trösten im stände ist. So kann und muss Halle von
vielen Seiten um den Besitz einer Perle unter den mittel-
alterlichen Geschichtsquellen, um den der unter obigem
Titel zum ersten Male vollständig herausgegebenen „Denk-
würdigkeiten des Rathsmeisters Spittendorf" beneidet wer-
den, ohne dass doch wiederum der Werth und das Inter-
esse derselben einseitig auf Halle beschränkt wäre. Es
sind nicht Zeiten ruhiger, individueller Entwickelung und
Fortbildung, die uns diese „Denkwürdigkeiten" schildern,
es sind vielmehr ernste, schwere, wechselvolle, aufregende
Kämpfe auf dem Gebiete der inneren und äusseren Städte-
verfassung, in deren Getriebe und Verlauf uns hier aller-
dings unter eigenthümlichem Gesichtspunkt Einblick er-
öffnet wird; es ist die gewaltige Krisis in dem städtischen
Verfassungsleben, der wir fast in jeder grösseren Stadt
unseres Vaterlandes auf der Grenzscheide zwischen Mittel-
alter und Neuzeit begegnen: die Vollendung der Demo-
kratisierung des städtischen Regimentes gegen die letzten
noch bestehenden Vorrechte einer patrizischen oder aristo-
kratischen Sondergemeinde, die früher oder später zu einer
Einmischung des ehemaligen Stadtherm und zur Wieder-
Literatur. 181
herstellung der unter vielen Opfern und Mühen bis auf
ein Minimum abgestreiften Oberhoheit desselben in streng-
ster Fassung führte. Beide Katastroplion fanden in Halle
verhältnismässig früh statt und beide folgten einander
in dem kurzen Zeiträume der Jahre 1474 bis 1479. Kaum
wäre der innere Zwist der Halleschen Bürgerschaft so
schnell zu einem verhängnisvollen Ende gediehen, wenn
nicht inmitten desselben die Regierung des Erzstiftes
Magdeburg unter den Einfluss einer grossen, weitaus
schauenden Politik getreten wäre, deren Machtentfaltung
in jener Zeit auch das besondere Interesse der Leser dieses
Blattes für die neue Publikation erwecken muss. Erz-
bischof Ernst, der die Früchte jener Umwälzung zu ernten
berufen war, war ein kursächsischer Prinz, und es hatte
durch seine Erhebung auf den Erzstuhl die Macht seines
Hauses einen für jene Tage bedeutungsvollen Sieg er-
rungen und eine Erweiterung erfahren, die, wenn bis in
die zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts aufrecht er-
halten, die Geschicke von ganz Deutschland in andere
Bahnen zu lenken vermocht hätte. Allerdings war Herzog
Ernst bei seiner Postulation noch nicht älter als 11 Jahre;
um so mehr lenkten die ihm von Haus aus beigegebenen,
in allen Pfaden der Diplomatie erfahrenen ßäthe, unter
denen vor allen Johann von A^'eissenbach , der Bischof
von Meissen, hervorragt, im Vereine mit den Vertretern
der sächsischen Partei unter den erzstiftischen Ständen
die Verwaltung und Regierung des Stiftes im Sinne der
wettinischen Hauspolitik, und Hess es die letztere hin-
wiederum an ideeller und materieller Unterstützung des
jungen Erzbischofes nicht fehlen. Gegenüber solchen in
den Kämpfen der grossen Reiclispolitik erprobten und in
allen staatsrechtlichen Konflikten reich erfahrenen Männern
musste sich eine Stadt wie Halle von vornherein in nach-
theiligster Stellung befinden, und ihre Lage konnte nur
um so verwickelter und bedrängter werden, je un-
umschränkter und rückhaltsloser sich die Alleinherrschaft
der „Innungsmeister" und der Vertreter der „Gemeinen"
geltend machte. Das muss selbst ein weniger vorurtheils-
freier Beurtheiler dem Patriziate in den deutschen Städten
und in Halle der alten pfännerschaftlichen Gemeinde zum
Ruhme naclisaüen, dass sie es nie an wahrem Patriotisnuis
haben fehlen lassen und stets einen bedachtsamen, erfolg-
reichen Kampf für das gemeine Bt^ste und vor allem für
die äussere politische Unabhängigkeit ihrer Vaterstadt ge-
182 Literatur.
führt haben, während die demokratischeren Parteien in
kurzsichtiger Verfolgung- der nächsten und eigensüchtigen
Ziele und kopfloser Unsicherheit in ihren gewaltsamen
Massnahmen zur Vernichtung aller einst erkämpften Vor-
theile redlich beigetragen haben.
Mitten in einem derartigen Kampfe stand und schrieb
der Verfasser der vorliegenden Denkwürdigkeiten. Einem
ursprünglich vielleicht edlen Geschlechte, das sich nach
dem am Petersberge belegenen Dorfe gleichen Namens
nannte, entstammend, waren die Vorfahren des Marcus
Spittendorf oder Spickendorf seit dem 14. Jahrhundert
schon in Halle ansässig und lassen sich seitdem ständig-
unter den „Pfännern", der Genossenschaft der Lehns-
inhaber der Salzquellen im „Thale", und mehrfach auch
als Meister im Rathe der gesammten Stadt nachweisen.
Freilich fungierten sie hier nur eben noch als die in der
Minderzahl befindlichen Vertreter der streng geschlossenen
und bevorrechteten Sondergemeinde, die doch ursprüng-
lich wohl den Kern der Bürgerschaft gebildet hatte. Mit
Recht kann man Marcus Spittendorf als den befähigtsten
und einflussreichsten Führer und Vorkämpfer dieser Partei
in jenen Verfassungs wirren bezeichnen und muss ihm
RechtschafFenheit, Besonnenheit, Aufrichtigkeit und einen
lebendigen Patriotismus nachrühmen; wer möchte mit ihm
darüber rechten, wenn er sich hie und da grollend und
ergrimmt über die Behandlung, die man ihm und seinen
Genossen seitens der demokratischen Partei im Rathe zu
Theil werden lässt, ausspricht", nie überschreitet er aber
selbst in seinem Zorne und seiner Erregung trotz der
derben Ausdrücke jener Zeit die Grenze des Erlaubten;
wie Schweres auch über seine Person von selten der
städtischen Behörden und später vom Erzbischofe ver-
hängt wurde, so zeigen seine von wahrem kirch-
lichem und religiösem Sinne getragenen Klagen nichts
Unmännliches und Unwürdiges; es scheint fast, als ob die
Aufzeichnung des Erlebten und Erlitteneu ihn alsbald
mit seinem Geschicke ausgesöhnt habe. Wenn man so
die treuherzigen, einfachen Schilderungen in dem alter-
thümlichen, aber doch S(^ leicht verständlichen Stil unserer
Muttersprache liest, da treten uns die Personen und Er-
eignisse in einer Lebendigkeit und Anschaulichkeit ent-
gegen, die uns gern über den Mangel des Pragmatismus
hinwegsehen lassen; Spittendorf wollte ja keine Geschichte
schreiben, wollte uns nicht den inneren Zusammenhang
Literatur. 183
der ursäcliliclien Vorgänge und ihrer Folgen darlegen;
er beabsichtigt eben nur, ims eine Schilderung der Er-
eignisse zu geben, wie dieselben verliefen, sich folgten
und sich ihm darstellten. Seine Denkwürdigkeiten tragen
daher eine gewisse parteiische Färbung, aber der Ver-
fasser giebt sich durchaus keine Mühe, anders zu erschei-
nen als er ist, und sein Werk war von ihm selbst wohl
kaum bestimmt, in die Oeffentlichkeit zu gelangen und
für seine Person und Partei als Rechtfertigungsschrift zu
dienen; der Geschichtsforscher der späteren Zeit weiss von
vornherein, wie und in welchem Umfange er die hier
vorliegende Ueb er lieferung als Quelle benutzen darf.
Der Herausgebor hat es leider — und das ist die
einzige Ausstellung, die gegen die sonst vorzügliche Edition
zu erlieben wäre — nicht unternommen, die Glaubwürdig-
keit und historische Treue der Spittendorf'schen Berichte
an anderem Quellenmaterial zu erproben ; wir können uns
nur denken, dass die Furcht, die geplante Ausgabe durch
eine derartige zeitraubende Untersuchung noch auf lange
zu verzögern, ihn von dieser Massnahme abgehalten hat.
Die Nachholung dieser Untersuchung bleibt soiuit eine
lohnende und würdige Aufgabe für weitere Forschungen;
ohne sie werden wir uns, wie es der Herausgeber
in etwas zu subjectiver Auffassung thut, nicht dazu ver-
stehen können, die Beschwerden der Gemeinheit über die
Pfännerschaft als berechtigt und begründet anzusehen.
Wenn es Spittendorf unternimmt, durch die Beibringung
von statistischem Material den Beweis zu führen, dass
der von der Pfännerschaft angesetzte Salzpreis im rich-
tigen Verhältnis zu den bei der Fabrikation erwachsenden
Kosten stehe, so muss er seiner Sache doch sicher ge-
wesen sein; nach seinen Darlegungen hat es durchaus
den Anschein, als sei es der demokratischen Partei des
Rathes darauf angekommen, durch behördliche Ansetzung
niedriger Salzpreise den TA'ohlstand und damit Ansehen
wie Einfluss der mächtigen Genossenschaft zu untergraben;
überhaupt ist der „Gemeinheit" die herkömmliche, selbst-
ständige und abgeschlossene Verwaltung und Regierung des
„Thaies" ein Dorn im Auge gewesen und es sind stetig von
ihrer Seite erneute Versuche gemacht worden, mehr und
inehr von den dortigen Angelegenheiten vor das Forum
des Rathes zu ziehen, umgekehrt stellte man dann an die
Vertreter der Pfännerschaft die Anforderung, sich in
solchen Fällen von der Berathung und Beschlussfassung
184 Literatur.
zurückzuziehen; da liegt denn bei der eigenthümlielien
Verquickung der allgemeinen städtischen Verhältnisse mit
der Thätigkeit der Pfännerschaft und ihrem Gewerbe-
betriebe die Frage nahe, ob nicht überhaupt jeder vor-
kommende Verhandlungsgegenstand in solchem Sinne auf-
gefasst und ausgelegt werden konnte, so dass die obige
Massregel einer völligen Ausschliessung der pfännerschaft-
lichen Vertreter aus dem Rathe gleichkam. Man kann
es sich denken ; dass Spittendorf und seine Genossen sol-
chen Zumuthungen den hartnäckigsten Widerstand, ja
völlige Unnachgiebigkeit und Unbeugsamkeit entgegen-
stellten, lieber Geldstrafen und Haft, Beleidigungen und
Anfeindungen über sich ergehen Hessen; nur der Vermitte-
lung und dem Schiedssprüche der befreundeten nieder-
sächsischen Städte, die sich der Angelegenheit aufs ernsteste
annahmen, öffneten sie willig ihr Ohr, während die feind-
liche Partei, der es nicht auf einen Ausgleich der Zwistig-
keiten ankam, sondern auf den eigenen völligen Sieg,
mit kleinlichen Schlichen jedes Kompromiss zu verhindern
bemüht waren. Der Regierungsantritt des neuen Erz-
bischofs gab indes der Volkspartei, die im wesentlichen
blindlings den Aufreizungen einiger verwegener und fa-
natischer, zugleich aber beschränkter Wortführer folgte,
Gelegenheit, ihre Rache an der Pfännerschaft in voller
Ausdehnung zu befriedigen. An Streitpunkten, die auch
ein Rath in der damaligen Verfassung dem Stadtherrn
gegenüber erheben musste, fehlte es nicht; wohl um die
Aufmerksamkeit des letzteren von diesen Fragen abzu-
ziehen und schliesslich seine Nachgiebigkeit hier zu er-
kaufen, lenkte man alsbald die Aufmerksamkeit der stif-
tischen Regierung auf die Verhältnisse im Thale und fand
damit bei den auf Verbesserung der Staatsfinanzen be-
dachten Gliedern derselben den günstigsten Boden, sodann
überstürzte man die Erzbischof Ernst zu leistende Huldi-
gung derart, dass die Pfännerschaft ihren alten Anspruch
auf eine erste unentgeltliche Belehnung mit den Soolgütern
durch den neuen Erzbischof nicht geltend machen konnte,
und als jene nunmehr nach geleisteter Huldigung mit
ihren Ansprüchen hervortraten, fanden sie beim Rathe
statt der in gutem Glauben erwarteten Unterstützung und
Vertretung nur Widerstand, Hemmnisse und geheimes
Einverständnis mit den Erzbischöflichen. Und hiei'bei blieb
man nicht stehen; im Vertrauen auf den Anhang in der
Stadt verhielt sich Erzbischof und Stift in den bis ins
Literatur. 185
Unendliche ausgedehuten Verliandlungeu iinnacligicbig
gegen alle Verraittelungsvorscliläge und gegen alle Bitten
der Pfänner^ die freilicli niclit minder fest auf ihrem
Rechte beharrten; so schärfte sich der Zwiespalt mehr
und mehr und bald galten die Pfänner towohl bei dem
Erzbischofe als bei der Vülkspartei als Ungehorsame und
Aufrührer, deren Unterdrückung mit Gewalt durchzu-
führen sei. Ein Schreiben des Erzbischofs vom 16. Sep-
tember 1478 gab diesem Gedanken offen Ausdruck und
musste namentlich die Pfänner über ihre o-efährliche Lage
aufklären, und da ist es wohl für unsere Beurtheilung
der Verhältnisse gleichgültig, ob die Pfänner, wie andere
Quellen behaupten, zuerst zu den Waffen griffen, jeden-
falls um einem drohenden Angriff zuvorzukonnuen, oder
ob, wie Spittendorf angiebt, die Volkspartei in Verfolg
der erzbischöflichen Aufforderung zuerst Anstalten zu einer
Vergewaltigung der Pfänner machte und diese zu ihrer
Vertheidigung mit Gegenmassregeln geantwortet haben*,
sicherlich war der Anhang, den die letzteren fanden, er-
heblich grösser, als man von ersterer Seite erwartet hatte,
und so nahm man zum Scheine hier die lange verweigerte
Vermittelung der sächsischen Städte an, doch nur, um
unter dem Deckmantel derselben vom Giebicheustein eine
Verstärkung von stiftischen Truppen herbeizuholen, diesen
auf verrätherische Art das eine der Hauptstadtthore aus-
zuliefern und hiermit die ganze Stadt in die Hände des
Erzbischofs zu bringen. Dass ein hartes Strafgericht
über die Pfänner erging, war natürlich; ihre Genossen-
schaft Avurde gänzlich aufgehoben und damit erreichte
auch ihre Vertretung im Rathe ein Ende, die Mehrzahl
ging des vierten Theiles ihrer Lehen an den Thalgütern
verlustig und, wie sich aus einem vom Herausgeber bei-
gefügten zeitgenössischen Register ergiebt, waren es die
Häupter der Volkspartei, die mit den konfiszierten Gütern
ausgestattet und belohnt wurden; ferner mussten erstere
noch den fünften Theil ihres Vermögens als Strafe zahlen
und ein Theil derselben sogar die Stadt verlassen, doch
wurde das Verbannungsurtheil nicht, wie die Volkspartei es
gewünscht , in der schimpflicheren Form ausgesprochen.
Auch Spittendorf gegenüber, der, wie früher im Kampfe
als Führer, sich jetzt als Anwalt seiner Genossen bewährte,
verfuhr der Erzbischof mit grösserer Milde , als dessen
Gegner erwartet hatten. Nach Einnahme der Stadt zu-
nächst mit Hausarrest belegt, dann in Calbe in hartem
186 Literatur.
Gefängnis gebalten , aucli einmal eine Stunde lang ver-
geblich „scharf befragt", gelang es ihm, auf dem Wege
der Verhandlung höhere und strengere Strafen als die
oben bezeichneten von sich und seiner Partei abzuwenden;
nicht einmal die Verbannung traf ihn, geschweige denn
die anfangs gefürchtete Leibesstrafe. Schlimmer als alle
persönlichen Leiden berührte ihn aber das Schicksal der
Stadt, die nunmehr dem Erzbisthume wieder in strengerer
Abhängigkeit unterworfen wurde, während sich der jetzt
ganz demokratisierte Rath über diesen Verlust leichten
Sinnes hinwegsetzte.
Wir haben hiermit versucht, eine Summe aus dem
reichen Inhalte unserer Quelle zu ziehen •, wer mit Quellen
dieser Gattung vertraut ist, kann sich an der Hand dieses
Auszuges wolil ein vollständigeres und lebendigeres Bild
des Ganzen entwerfen; ebenso wird der Kenner auch
wissen, dass nach Art der mittelalterlichen Chronisten
neben der Schilderung jenes grossartigen Kampfes auch
mancherlei kleinere Mittheilungen über Ereignisse und
Personalien aus der nächsten und weiteren Umgebung
eingeflochten sind, die das Werk zu einer reichen Fund-
grube für die Hallesche Spezialgeschichte machen. Früh-
zeitig scheint dasselbe daher mehrfach in Abschriften ver-
breitet worden zu sein, doch haben sich nur drei der-
selben und zwar die ältere, noch dem 15. Jahrhundert
angehörige, jetzt in Magdeburg befindliche, nicht einmal
vollständig erhalten; die mittlere, jetzt der Marienbibliothek
in Halle gehörige, die erst gegen Ende des 16. Jahr-
hunderts entstanden ist, ist die allein vollständige und
hat für den grösseren Theil der Ausgabe zu Grunde
gelegt werden müssen; leider weist sie vielfache Fehler,
unverständliche und missverstandene Lesungen auf, so dass
es nicht leicht war, einen brauchbaren Text aus ihr her-
zustellen, der Herausgeber hat sich indes keine Mühe in
dieser Richtung verdriessen lassen und mit grösster Ge-
nauigkeit bei seinen stets glücklichen Emendationen auch
die verschiedenen Lesarten der Handschriften kritisch
berücksichtigt. Der bedeutungsvollen sprachlichen Seite
der Quelle ist im übrigen noch durch ein erklärendes
Wortverzeichnis Rechnung getragen, das von dem rühm-
lichst bekannten Germanisten Prof. Bech in Zeitz herrührt.
Zu jenen textkritischen Noten kommt überdies noch eine
Fülle erklärender Anmerkungen, die den Leser schnell und
eingehend über alle berührten persönlichen und örtlichen
Literatur. 1 87
Verhältnisse, sowie über den Zusammenhang der im Texte
besprochenen Ereignisse mit weiteren gleichzeitigen Vor-
gängen und mit hie und da zu Gebote stehenden anderen
Quellen orientieren; man erkennt hieraus auf das deut-
lichste, mit welcher Liebe und Hingebung der Herausgeber
sich seiner Aufgabe gewidmet hat, nicht minder aber die
Gewandtheit und Sicherheit, mit der er das gesammte
historische Material für jene Epoche der Entwickelung von
Halle beherrscht.
Einen nicht geringeren Beweis für den Fleiss und
die Gelehrsamkeit des Herausgebers liefert die umfäng-
liche Einleitung, deren es, um das Verständnis der be-
sonderen Halleschen Verhältnisse für den Fernerstellenden
zu ermöglichen, diesmal dringend bedurfte. Hier finden
wir nach den nöthigen Aufschlüssen über die liandschrift-
liche Ueberlieferimg und einer lebendig und anschaulich
geschriebenen Charakteristik der Persönlichkeit und der
historiographischen Thätigkeit Spittendorfs eine ausführ-
liche Darlegung über die Verhältnisse des Thaies, der
Pfännerschaft, der Salzgewinnung und der dabei beschäf-
tigten Salz Wirker, die heutzutage als Halloren bezeichnet
zu werden pflegen, und es folgt hierauf eine gediegene,
eingehende Schilderung der Stadtverfassung seit dem An-
fange des 15. Jahrhunderts bis zu den durch Erzbischof
Ernst eingeführten Aenderungen.
Ebenso sind am Schlüsse der eigentlichen Denkwür-
digkeiten noch eine Reihe erwünschter und werthvoUer
quellenmässiger Beilagen gegeben: zunächst eine noch-
malige aus Spittendorfs Feder herrührende Schilderung
der Ereignisse von 1478, in der mögliclieiifalls eine Art
Rechtfertigungs- und Vertheidigungsscbrift für die Ver-
handlungen gegen die Pfänner, die auf dem Tage zu
Salza im Herbst jenes Jahres stattfanden, zu sehen ist
und die später ein Seitenstück in einem von Seiten des
Rathes für die gleiche Gelegenheit eingereichten Berichte
findet; sodann ein in dei' einen Halleschen Handschrift
nachgetragener und auch wolil später verfasster Bericht
über die Vorgänge des Jahres 1473 und eines Theiles des
Jahres 1474, mit dem das Hauptwerk seinen Anfang
nahm. An weiterer Stelle finden wir dann einen Abdruck
dreier auf die Einsetzung Herzog Ernsts zum Admini-
strator von Magdeburg bezüglicher päpstlicher Bullen
vom 19. März 1478, ferner den vom 13. Juni 1478 durch
Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht zu Leipzig verein
188 Literatur.
harten Vcrtiag* zwischen dem Erzhiscbof und Stadt üher
einen gütlichen Ausgleich aller Streitpunkte, aus dem sich
dann die Preisgabe der pfännerschaftlichen Ansprüche
seitens des Rathes entwickelte; das Verzeichnis über die
Einziehung und Neuverleihung der Soolgüter, dessen wir
oben schon gedachten, befindet sich auch unter den Bei-
lagen, und zum Schluss wird noch in dankenswerther
Weise ein Verzeichnis der Rathsmitglieder von 1401 bis
1472 mitgetheilt, während für die in den Denkwürdig-
keiten behandelte Zeit die entsprechenden Namen sich
in den Anmerkungen finden. Ein genaues Personen-,
Orts- und Sachregister gewährt bei Benutzung der neu
erschlossenen Quelle die möglichsten Erleichterungen.
Alles in allem genommen, kann sich die Historische Kom-
mission der Provinz Sachsen wie der Herausgeber zu
einer derartigen Ausgabe einer bedeutungsvollen Geschichts-
quelle Glück wünschen.
Halle. W. Seh um.
Die Torgauer Visitations-Ordnung von 1529. (Ursprung uiul Ver-
wendung des Kirchenvermögens.) Erläutert von Dr. C Knabe.
Torgau, Jacob. 1881. 4". 24 SS. (Auch als Programm des
Torgauer Gymnasiums vom Jahre 1881 erschienen.)
Burkhardt in seiner Geschichte der sächsischen Kirchen-
und Schulvisitationen hat höchst interessante Mittheilungen
über die beiden Torgauer Visitationen in den Jahren 1529
und 1533 gemacht, konnte aber natürlich dieselben nur in
den Hauptzügen darstellen. Die erste dieser Visitationen
erfährt eine eingehende Darstellung in dem obengenannten
Schrift clien. Es zerfällt in drei Theile: der erste (S. 1 fg.)
giebt einen Ueberblick über die Vorgeschichte der Visi-
tation, die Reformbewegung in Torgau von 1521 — 1528.
Referent kann den Wunsch nicht unterdrücken, dass
Verfasser diesen Theil etwas mehr ausgestaltet hätte
durch genaueres Eingehen auf die kirchlichen Zustände
Toi'gaus am Ende des 15. imd Anfang des 16. Jahr-
hunderts, wozu in den Anmerkungen so schönes Material
gegeben ist. Die wichtigsten Personen wie die Ziele der
Bewegung würden in der erweiterten Gestalt mehr Leben
und Farbe gewonnen haben. Aus der Darstellimg er-
giebt sich, dass dank den Bemühungen des Pfarrers
Gabriel Didymus unter dem Schutze des Kurfürsten —
— unverzeihlich ist der Druckfehler: Friedrichs des
Weissen — die Reformation bereits ziemlich durchgeführt
Literatur. 189
war, als die Visitatoren — Luther an der Spitze — am
20. April 1529 nach Torgau kamen. War die neue Lehre
auch schon durchgedrungen, so war die Visitation doch
insofern wichtig, als durch diese eine gesetzliche Grund-
lage für die nevie Kirchenordnung geschaffen, die Frage
über die Verwendung des Kirchenvermögens gelöst und
die Lehre der neuen Kirchengeraeinde gegenüber den An-
griffen der Wiedertäufer, die hier fruchtbaren Boden ge-
funden hatten, festgestellt wurde. Die Verhandlung dauerte
bis zum 10. Mai. Das Resultat wurde in einem Proto-
kolle niedergelegt, welches betitelt ist: „Ordnung der ersten
Visitation 1529" und sich im Torgauer Rathsarchiv be-
findet. Es bildet den zweiten Theil der Publikation S. 2 — 8.
Die Visitatoren geben sehr eingehende Vorschriften über
die Gottesdienstordnung S. 2 — 4, die Schule S. 4 fg., die
Angelegenheiten des gemeinen Kastens S. 5 — 7, das Ho-
spital, die Mädchenschule S. 7 fgg.
Der dritte Theil giebt Erläuterungen dazu, in einer
Reihe werthvoller Anmerkungen, welche sich auf Nach-
richten des Rathsarchivs stützen und eine reiche Fülle
von Stoff zur Geschichte des kirchlichen Lebens in Tor-
gau im Reformationszeitalter enthalten, aber auch für die
Geschichte überhaupt viel Interessantes bieten. Dieselben
beziehen sich auf die Lebensgeschichte der Geistlichen
besonders S. 9, der Lehrer S. 10, auf das Einkomnien
der Kirchen, so besonders S. 13 fgg., auf die Kleinodien
der Gotteshäuser imd Klöster, auf die Gehaltsverhältnisse
S. 19 fgg. Ein Anhang berichtet über die Münzverhältnisse
wie über die Quellen Auch aus dem Protokolle der
zweiten Visitation von 1534 werden einzelne Stellen mit-
getheilt. Dieselben, wie die von Burkhardt gegebenen
Notizen lassen den Wunsch rege werden, dass auch dieses
zweite Protokoll zur Veröffentlichung gelangen möge. Es
würde durch die Vergleichung der beiden Dokumente
deutlich zu Tage treten, welchen segensreichen Einfiuss
diese erste Visitation auf die Konsolidierung der kirchlichen
Verhältnisse Torgaus geübt hat.
Dresden-Neustadt. Georg Müller.
190 Literatur.
üebersicht über neuerdings erschienene Schriften und
Aufsätze zur Sächsisch -Thüringischen Geschichte und
Alterthumskunde.
Bergei', Ed. Geschichte des Buchhandels in der Lausitz
im 19. Jahrhundert bis 1879: Neues Lausitzisches Ma-
gazin. Bd. LVL S. 260—271.
Beust, Ferd. Graf. Erinnerungen zu Erinnerungen. Erste
und zweite Auflage. Leipzig, Wo Her. 1881. 8". III, 80 SS.
Biedermann, K. Die Geschichte der Leipziger Kramer-
Innung 1477 — 1880. Ein urkundlicher Beitrag zur
Handelsgeschichte Leipzigs und Sachsens. Im Auftrage
der Kramer-Innung verfasst. Als Manuskript gedruckt.
8». VII, 182 SS.
Biidczies, Fr. Der Feldzug der sächsischen Armee durch
die Mark Brandenburg im Jahre 1635 und 1636. Aus
dem Tagebuche eines Zeitgenossen: Märkische For-
schungen. Bd. XVI. S. 303—386.
Edelmann. Ein ßechtsstreit aus dem 15. Jahrhundert.
Beitrag zur Geschichte der Oberlausitzer ßechtsver-
fassung: Neues Lausitzisches Magazin. Band LVL
S. 202—215.
Ermisch, Hubert. Studien zur Geschichte der sächsisch-
böhmischen Beziehungen in den Jahren 1464 bis 1471.
Mit urkundlichen Beilagen. Dresden, Wilhelm Baensch.
1881. 8». 144 SS.
Herrmann, Balduin. Der Kampf um Erfurt 1636 — 1638.
Halle, Niemeyer. 1881. 8". 130 SS.
V. Keller, Karl Freiherr. Tagebuch aus der Genealogie
des Hauses Wettin. 1. Lieferung. Leipzig, Meisel.
1881. 8«. 106 SS.
Knabe, C. Die Torgauer Visitations - Ordnung. Siehe
oben S. 188.
Knothe, Herrn. Untersuchungen über die Meissner Bis-
thumsmatrikel, soweit sie die Oberlausitz betrifft: Neues
Lausitzisches Magazin. Bd. LVL S. 278—290.
Neubert, Heinr. Moritz. Zur Geschichte der Sophienkirche
zu Dresden, namentlich in Bezug auf deren rechtliche
Stellung. Gutachten. Gedruckt auf Beschluss des Rathes
zu Dresden. Dresden 1881. 8". IV, 88 SS.
Literatur. 19]
Paur, TL Ursprung und Ausgang der Görlitzischon Poeten-
gesellschaft in Leipzig zu Anfang des 18. Jahrhunderts:
Neues Lausitzisches Magazin. Bd. LVI. S. 243—259.
Peter, Herrn. G. E. Lessing und St. Afra. Deutsche
Rundschau. Jalirgang VII. Heft 6. S. 366—388.
— Das Urkundliche über G. E. Lessings Aufenthalt auf
der Landesschule St. Afra 1741 — 1745: Archiv für
Literaturgeschichte. Bd. X. Heft 3. S. 285-308.
Petermann, K. Geschichte des Königreichs Sachsen mit
besonderer Berücksichtigung der wichtigsten kultur-
geschichtlichen Erscheinungen. Für den Unterricht in
vaterländischen Schulen bearbeitet. Zweite verbesserte
Auflage. Leipzig, Klinkhardt. 1881. 8". XVHI, 494 SS.
(Petzlioldt, J.) Joannea. Zur Verständigung über Das,
was zur Vorbereitung einer künftigen Biographie des
Königs Johann von Sachsen bereits gethan worden ist
und was noch getlian werden kann. Dresden 1880. 8".
16 SS. (Sej)arat-Abdruck aus Petzholdts „Neuem An-
zeiger für Bibliographie und Bibliothekwissenschaft.
1880. Heft 8, 9 und 10.)
— Die beiden fürstlichen Freunde , König Johann von
Sachsen und Friedrich "\A'ilhelm IV. von Preussen : Wissen-
schaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1881. Nr. 39.
Posse, Otto. Die Markgrafen von Meissen und das Haus
Wettin bis zu Konrad dem Grossen. Mit 4 Stamm-
tafeln und 8 Karten. Leipzig, Giesecke & Devrient.
1881. 8^ XV, 464 SS.
Rohmann, Th. Chronik von Tharandt nebst Geschichte
des alten Schlosses und dessen ehemaliger Bewohner.
Tharandt (Selbstverlag) 1880. 8". 70 SS.
Schönu'älder. Die hohe Landstrasse durch die Oberlausitz
im Mittelalter: Neues Lausitzisches Magazin. Bd. LVI.
S. 342—368.
Seifert, Friedrich. Die Durchführmig der Reformation in
Leipzig 1539 — 1545. Inaugural- Dissertation. Leipzig
1881. 8^ 40 SS.
Spiess, Edm. Erliard Weigel, weiland Professor der Ma-
thematik und Astronomie zu Jena, der Lehrer von
Leibnitz und Pufendorf Ein Lebensbild aus der Uni-
versitäts- und Gelehrtengeschichte des 17. Jahrhunderts,
gleichzeitig ein Beitrag zur Geschichte der Erfindungen,
sowie zur Geschichte der Pädagogik. Nach gedruckten
und ungedruckten Quellen gezeicimet. Leipzig, Klink-
hardt. 8. VII, 157 SS.
192 Literatur.
(Tittmann, Carl.) Dresden vor hundert Jahren. Eine
Chronik aus dem Jahre 1780, Dresden, C. Tittmann.
1881. 107 SS.
Weissenborn, J. C. Hermann. Acten der Erfurter Uni-
versität. Herausffeo-eben von der historischen Commis-
sion der Provinz Sachsen. I. Theil. Halle, O. Hendel.
1881. 4«. XXVII, 442 SS.
Wüisch, E. G. Des Zittauer Dichters Johann Benjamin
Michaelis Autobiographie: Neues Lausitzisches Magazin.
Bd. LVL S. 291—335.
Wolfrum, Carl. Die öflfentliche Handelslehranstalt zu
Leipzig in den Jahren 1831 — 1881. Zur Jubelfeier am
23. Januar 1881. Herausgegeben von der Kramer-
Innung zu Leipzig. 8". 112 SS.
Das statistische Bureau für das Königreich Sachsen in
den ersten fünfzig Jahren seines Bestehens. Festschrift
zum fünfzigjährigen Jubiläum am 11. April 1881.
Herausgegeben von der Direktion des statistischen Bu-
reaus. Leipzig, Duncker & Humblot. 1881. 8". 96 SS.
50. und 51. Jahresbericht des Vogtländischen Alterthwms-
forschenden Vereins zu Hohenleuhen und 2- und 3. Jahres-
bericht des Geschichts- und Alterthumt>for sehenden Vereins
zu Schleiz. Im Auftrage des Directoriums herausgegeben
von M. Dietrich. 8^
Inhalt: Köhler, Die Dämoneusagen des Erzgebirges. Alberti,
Die ältesten Stadtrechte der Keussischeu Städte. Alberti, Dfe Fa-
milie „von Plauen" in Schleiz. Eifel, Bericht über neuere im In-
teresse des Vogtländischen Alterthumsforschenden Vereins ausgeführte
Ausgrabungen.
Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung
vaterländischer Sprache und Alterthümer in Leipzig.
Siebenter Band. Leipzig, T. O. Weigel. 1881. 8».
Inhalt: Merkel, Zur Gesc-hichte der sächsischen Erbfolgeord-
nung. Stübel, Cunntz von KauüFungen, Komödie in tünf Acten,
gedichtet im Jahre 158.'i von Nicolaus Roth. Stübel, Verzeichnis der
der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig gehörigen Originalurkunden
von 1319—1430.
VII.
Die Berka von der Duba auf Hohnstein, Wildeu-
stein, Tollenstein und ihre Beziehungen zu den
meissnischen Fürsten.
Von
Herniaiiii Knothe.
Das alte böliraisclie Herreiiffesclileclit der Berka von
ö^
der Daba liatte sich frühzeitig- in eine Menge von Linien
getheilt, welche besonders im Nordosten Böhmens zahl-
reiche und ausgedehnte Güter besassen. Einer dieser
Linien gehörten bis gegen die Mitte des 15. Jahrliunderts
die drei dicht an einander grenzenden Herrschaften Ilolm-
stein, Wildenstein und Tollenstein-Schluckenau, von denen
die beiden ersteren ganz, die letztere wenigstens zur Hälfte
(Schluckenau) vor Zeiten Bestandtheile des Gaues Nisani,
also des Markgrafthums Meissen gewesen waren. Der
geographischen Lage dieser Herrschaften zufolge konnte es
nicht fehlen, dass ihre Besitzer in mancherlei nachbarliche
Beziehungen zu den Markgrafen und den Bischöfen von
Meissen kamen, welche endlich dazu führten, dass eine
dieser Herrschaften nach der andern in den Besitz der
Markgrafen überging und so, zum Theil freilich nur auf
Zeit, wieder mit den alt- meissnischen Landen verbunden
wurde. Wir glauben, dass die zusammenhängende Dar-
stellung dieser Beziehungen als ein Beitrag nicht nur zur
Genealogie der Berka von der Duba, sondern auch zur
sächsischen Landesgeschichte betrachtet werden darf.
Neues Archiv f. S. Ü. u. A. 11. 3. 13
194 Hermann Knothe:
Die ursprüngliche Herrschaft Holinstein wurde im
Nordwest von dem Polenzfluss, im Südwest von der Elbe
begrenzt, nur dass dort Lohmen, liier Weiden, Ratlien,
und der Lilienstein, sämmtlich mit Zubehör, nicht dazu
gehörten. Im Süden und Osten reichte sie bis an die
heutige Landesgrenze zwischen Sachsen vmd Böhmen. ')
Dieser ganze, wesentlich aus wildem Felsgebirge und fast
undurclidringlichem Wald bestehende südlichste Theil des
einstigen meissnischen Gaues Nisani Avar wold nacli dem
Tode Heinrichs von Groitsch (1135) an Böhmen gekonuuen
und seitdem dabei geblieben.
Die erste urkundliche ErAvähnung einer Herrschaft
Hohnstein fällt in das Jahr 1353, wo (Prag IG. August)
ein Hinco de Ihihe dictus Berka bekannte, sein Schloss
Hohnstein mit allem Zubehör von Kaiser Karl IV. zu
Lehn erhalten zu haben, und zugleich gelobte, dasselbe
aucli in alle Zukunft von dem Könige und der Krone Böhmen
zu Lehn besitzen zu wollen.'^)
Schon 1361 ■^) war dieser Hinko L nicht mehr am
Leben, und sein Bruder, ebenfalls Heinrich genannt Berka
von der Duba, als Vormund der hinterlassenen Kinder,
verpflichtete sich (2. September), dass auch seine Mündel
die Veste Hohnstein ewiglich von dem Könige und der
Krone Bölmien zu Lehn haben sollten. Unter anderem
war hierbei zwischen Kaiser Karl IV. und ihm vereinbart
worden, dass für den Fall, wenn alle Kinder seines ver-
storbenen Bruders, Söhne wie Töchter, kinderlos stürben,
auch alle ihre Güter, Erbe, Lehn und Eigengut, an die
Krone zurückfallen, wenn aber nur die Söhne ohne Leibes-
lehnserben abgingen, nur Hohnstein und die übrigen Lehn-
güter an die Krone gelangen, das Eigengut aber den
Töchtern verbleiben solle. Aus dieser Urkunde ergiebt
sich einmal, dass es dem Kaiser augenscheinlich darauf
ankam, die Leimsqualität von Hohnstein gewahrt zu sehen,
sodann dass jener Hinko I. jedenfalls der erste Besitzer
aus der Familie Berka war, da seinem Bruder selbst nach
dem Tode aller seiner Neffen keinerlei Lehnsanspruch
daran zustehen sollte, endlich dass der Verstorbene ausser
Hohnstein noch andere Besitzungen in Böhmen, und zwar
sowohl Lehn- als Erbgüter, besessen hatte. Auf welchen
') Vergl. Gautscli, Aelteste Gesch. der sächs. Schweiz 98.
^) Bai bin, Mise. VIII, 153.
') Lünig, Corp. jur. feud. II, Ißö.
Die Berka von der Duha auf Holiiisteiii etc. 195
Gütern sein Bruder Heinrich, der Vormund seiner Kinder,
gesessen war, erfahren wir nicht, und ist auch bei der
gerade in der Familie von Duba üblichen Sitte, mehreren
Söhnen den Vornamen Heinrich (Hinko, Hinke, Tlynek)
beizulegen, wohl niclit mit Sicherheit zu ermitteln.
Zu den Eigengutern des verstorbenen Hinko I. auf
Hohnstein gehörte sicher die Herrschaft Leipa. welche
früher Eigenthum der Herren von Leipa, ebenfalls aus
der Familie Duba, geAvesen war, zu den Leimgütern aber,
wie sich später ergeben wird, die Herrschaft ToUenstein-
Schlnckenaii^ welche, entweder ganz oder nur zum Theil,
ebenfalls bereits jenem Hinko I. gehört zu haben scheint.
Nach seinem Tode erhielt der eine seiner Söhne, Hinko H.,
Hohnstein und Tollenstein, der andere, gleichfalls Hinko
genainit, Leipa. 1381^) erklärte Hinko Berka de Duba,
dominus in Lipa, dass die Bürger seiner Stadt Leipa zur
Stiftung eines Altars 9 Schock Zins in Oberliebicli bei
Leipa gekauft haben „a fratre nostro Hinkone B. d. D.,
domino in Hohenstain." Es scheint, dass eine Zeit lang
beide Brüder noch nach beiden Hauptgütern ihres ver-
storbenen Vaters benannt wurden. Wenigstens heisst der
Kollator der Kirche zu Leipa, also doch jedenfalls der
1381 erwähnte, als er 1391 *) einen Geistlichen zu einem
dasigen Altare präsentierte, Hinco B. dictus de Duba,
dominus in Hoenstain et in Lipa, und ebenso sein Bruder
auf Hohnstein, als er 1390*^) einen neuen Pfarrer in
Rumburg, welches entschieden zu Hohnstein gehörte, an-
stellte, Plinco dictus Berka de Dul)a, dominus in Hoiistein
et in Lippa.
Der Leipa' er Bruder starb früher, als der Hohnsteiner.
Ihm folgte im Besitze von Leipa sein Sohn Hinko mit
dem Beinamen Hlmvntsch, den 1399') Hinko H. auf
Hohnstein als seinen ..Bruderssohn" bezeichnet. Derselbe
war 1410 — 1420 Landvogt der Oberlausitz ^) und verlor,
als katholisch gesinnt, 1423 seine Herrschaft Leipa an die
Hussiten. Da seine Nachkommen zu verfolgen nicht
in unsrer Absicht liegt, kehren wir zu den Besitzern von
Hohnstein zurück.
*) Borovy, Lib. erect. II, 176. Balhiii. Mise. V vol. II. oroct. 69.
') Tingl, Lib. confirrn. V, 80; vergl. 29. 66. Ebenso bei Stiftung
eines neuen Altars zu Leipa 1391, Baibin, Mise. V vol. II. erect. 87.
•) Tingl V. 2.
') N. Laus. Magaz. 1869. 77.
') Knothe, Rechtsgosch. der ()l)erlausitz 109.
13*
196 Hermann Knothe:
Hinko II. auf Holmstein finden wir 1388 **) als voll-
mächtigen Stattlialter König Wenzels in der Herrschaft
Mühlberg nebst Strehla an der Elbe , die damals dem
böhmischen Könige gehörte, 1396'") als Oberstlandrichter
des Königreichs Böhmen, von 1397 — 1407") aber als
Landvogt der Niedeo'lmisitz.
Nach dem Tode Herzog Johanns von Görlitz (1390),
des Bruders von König Wenzel, hatte sich bekanntlich
deren Vetter, Markraf Jost von Mähren, in den Besitz
der Niederlausitz gesetzt und machte nun daselbst Hinko
von Hohnstein zu seinem Landvogt. Zu den Anhängern
des Markgrafen gehörte unter anderen auch Anshelm von
ßonow, der unter Herzog Johann Landvogt von Görlitz
und ebenso Besitzer der Burg und Herrschaft Roluiau
bei Zittau an der Neisse'^) gewesen war. Nach Herzog-
Johanns Tode hatte dieser, jedenfalls aus Furcht vor den
Willkürmassregeln des Königs, seine Herrschaft Rohnau
sofort und zwar an Hinko von Hohnstein verkauft, wie
es scheint auf Anlass Markgraf Josts. Wenigstens er-
klärte Wenzel selbst in einem Briefe an die oberlausitzi-
schen Sechsstädte (11. Nov. 1396), dass Jost den Burg-
stall Rohnau, im Lande zu Zittau gelegen, mit seinem,
des Königs, Willen an den von Hohnstein gebracht, der
auch in Unwillen von dem König geritten sei, und beide
seien seine, des Königs, Feinde geworden.'^) Seitdem
verhielt sich die Berka'sche Besatzung der Burg feindlich
gegen die Sechsstädte und bescliädigte zumal das benach-
barte Zittau durch allerhand Wegelagerei. Daher gebot
Wenzel schon in dem angeführten Briefe von 1396 den
Sechsstädten, das Schloss Rohnau zu brechen. Inzwischen
verlangte nun Hinko IL als Landvogt der Niederlausitz
auch von dem königlich gesinnten Ritter von Hockenborn
auf Priebus, dass er dem Markgrafen, als dem neuen
Landesherrn, huldige, und brannte ihm, da er sich weigerte,
sein Städtlein aus und belagerte ihn in seiner Burg. Da
wendete sich der von Hockenborn an die ebenfalls könig-
lich gesinnte Oberlausitz um schleunige Hilfe, die ihm
») Hauptst.-Arch. Dresd. Üiig. 46-55.
'») Emier, Reliq. tab. terr. Boh. I, 561.
") Neumann, Gesch. der niederlans. Landvögte II, 41 nennt
ihn fälschlich „Hlawatsch" oder vielmehr „Slawatz", und ihm folgt
auch Scheltz, Laus. Mag. 1881. 56.
'*) Knothe, Gesch. des oberlaus. Adels 452.
") Carpzov, Anal. I, 169.
Die Berka von der Duba auf Hohnstein etc, 197
nach mancherlei Beratlmngen auf Tagen zu Löbau end-
lich auch gewahrt waril, „da tnan sich mit ihm verbrieft
hatte". '^) So wurde nun liinko der offene Feind der
Sechsstädte. Darum wiederholte (23. Dezember 1398) der
König den Befehl, Rohnau zu brechen, und sofort (Januar
1399) erfolgte die Belagerung und die Eroberung dieser
Burg'*), welche liinko selbst wohl niemals betreten haben
dürfte. Da er (21. Dezember 1399) zugleich mit dem oben
(Seite 196) erwähnten Hinko Hlawatsch von der Duba
auf Leipa, seinem „Bruderssohnc", dem Ansholm von Konow
bekannte, noch 250 Schock Groschen für Rohnau schuldig
zu sein'**), so scheinen Onkel und Neffe dasselbe gemein-
schaftlich erkauft zu haben.
Später nniss sich auch Hinko IT. mit König Wenzel
ausgesöhnt haben, denn 140.5 (5. Januar) finden wir ihn
als einen der Landfriedenshüter im Kreise Leitmeritz"),
und 1409 und 1410 wieder, wie schon 1396, als Oberst-
landrichtcr von Böhmen.'^}
Da er sich, wie aus dem Bisherigen erhellt, nur wenig
auf seinem Scldosse Hohnstein aufgehalten hatte, so er-
fahren wir auch nur wenig von seinem Walten in dieser
seiner Herrschaft. 1388 erkaufte er von Arnold von Haugis-
wald auf Stürza (nordAvcstlich von llohnstein) das schon
damals wüste und auch später niclit wieder aufgebaute
Dorf Ludwiksdorf an der Polcnz bei Langwolmsdorf um
40 Mark Groschen hinzu.'") 1386 verbürgte er sich
nebst anderen seines Geschlechts für die Brüder Hans
und Ulrich von Biberstein auf Friedland gegen Prager
Juden wegen einer Geldschuld.'^") 1391 hatte er einen
Rechtsstreit mit „Else, der Witwe Hinko Berkas", be-
treffend deren Heiratsgut, welchen das Baroncngericht
zu Prag dahin entschied, dass er derselben 80 Schock
Groschen, d. h. Güter im Betrage von jährlich 80 Schoek
Einkünften, abzutreten habc."^') Wir können kaum glauben,
'♦) Nach den Görlitzer Ratlisrcchnungen. Vgl. Lausitzer Mag.
1881. 40 fg.
'*) Knothe, Gesch. von Rolmaii, Roscnthal, Scharre (1857) 11 fg.
'•) N". Laus. Magaz. 18<i9. 77.
") Urk. im liölim. Kronarchiv zu Prag, Kepos. 201.
'") Enüer, Reliq. tah. lerr. I5(ili. H, dl. (17.
'») Ilaiiptst.- Archiv Orig. iC^'J. Vgl. Götzinger, Geschichte
von llohnstein 28.
'») Ilauptst.- Archiv Orig. 4534.
2') Einler, Reliq. 1. 51t.
198 Hermann Knothe :
dass diese Frau Else die Witwe Hinkos I. auf Hohnstein,
also Hinkos II. Mutter, gewesen sei, soudern möcliten sie
vielmehr für die Witwe seines Bruders Hinko auf Leipa
(S. 195) halten, der um das «Jahr 13*,)1 ^-estorben zu
sein scheint, und deren Heiratsgut noch auf Hohnstein-
schen Besitzungen ausgesetzt sein mochte.
Seit Hinko H. aus der Niederlausitz wieder nach
Hohnstein zu längerem Aufenthalt zurückgekehrt war,
finden wir nun die Berka zum ersten Mal in nachbarliche
Konflikte mit dem Markgrafen von Meissen verwickelt.
Am 30. Oktober 1409"''-) thedingten Heinke Berka, Herr
zum Hohnstein, und dessen Söhne Heinrich, Heinke der
jüngere und Benesch mit dem Markgrafen Friedrich (dem
Streitbaren), dessen Bruder Wilhelm (dem Reichen) und
dem Vetter von beiden, Friedrich (dem jüngeren von
Thüringen), dass erstere ihre Fehden den letzteren künftig
jedesmal acht Tage vorher in das Rathhaus zu Dresden
verkündigen, und, wenn sie dies Versprechen nicht halten
würden, nach Jockrim (bei Stolpen) einreiten sollten. Diese
Vereinbarung setzt bereits häufigere Fehden der Berka
mit den Meissner Fürsten voraus. Wir wissen nicht, ob
die Veranlassung hierzu in politischen Gründen zu suchen
sei. Allerdings hatten die Meissner 1398 mit den Ober-
lausitzern eine „Einigung" geschlossen gegen alle Laudes-
beschädiger, das hiess damals soviel, als gegen die An-
hänger Markgraf Josts von Mähren. Wahrscheinlich aber
lag der Grund lediglich in den territorialen Verhältnissen.
Durch die Dohna'sche Fehde (1402) hatten die Mark-
grafen von Meissen nicht nur den Königstein, sondern, als
Zubehör, auch das auf dem rechten Eibufer gelegene
Rathen und den Lilienstein ^^) und ebenso infolge von
Verpfändung von seiten König Wenzels (1404) und Aus-
lösung von Jahn von Wartenberg auf Tetschen (1405)
sowohl Pirua^*), als das ebenfalls auf dem rechten Eib-
ufer gelegene Wehlen erworben. Rings von Hohnsteiner
Gebiet umgeben, geriethen nun die Besitzer der Burgen
Rathen und Wehlen, jetzt meissnischc Vasallen, leicht in
nachbarliche Händel mit den Berka und suchten und
fanden Schutz und Hilfe bei ihren Lehnsherren. So
wurden denn die Markgrafen in diese Fehden hinein-
"*) Hauptst.- Archiv Orig. 5475.
^*) Gautsch, Aelteste Geschichte der sächs. Schweiz, 45 fg.
=") Cod. dipl. Sax. reg. II. 5, 379. .381.
Die Berka von der Thiba auf Hohiisteiu etc. 199
gezogen. Unsere weitere Darstellung wird tlas eben Ge-
sagte besonders in Ijetreff derer von der Oelssnitz auf
Rathcn erweisen.
Am 1. Ajn-il 1409") ernannte der zum Ivoiizil naeli
Pisa reisende Bischof Rudolpli von Meissen llinko IL au!
Hohnstein, „seinen Oheim", zu einem seiner Testaments-
vollstrecker, und in demselben Jahre 1409'^**) erlangte
Hinko von Holmstein die bisher dem Johann von Michels-
berg gehörige Herrschaft Scharfensfein mit Bensen in
Böhmen. Den 16. Mai 1410 wird er noch als Oberst-
landrichter erwähnt.''') Noch in demselben Jahre aber
seheint er gestorben zu sein, nachdem er Hohnstein seit
1361, allerdings ziemlich lange, aber anfangs noch unter
Vormundschaft, besessen hatte. 1410 traten nämlich in
der Herrschai't Hohnstein Veränderungen ein, wie nur Erb-
theilungen sie zur Folge haben.
„Item nach Christi geburt tausent vierhundert vnd
im zcehenn jare ist eine bereynunge gescheen vnd ge-
gangen zwischen den edeln ern Heinriche, hern auf dem
Wildenstein, an einem teil vnd hern Hincko, hern auf
dem Scharffenstein, am andern teyll ete."'^*) Hier wird
zum ersten jNlal der W'ddenstein als Mittelpunkt einer
eigenen Herrschaft erwähnt. Wir glauben, dass dieselbe
auch erst in diesem Jahre dadurch geschaffen worden
sei, dass nach Hinkos IL Tode bei der Erbtlieilung
der eine seiner bereits oben (S. 198) genannten Söhne,
nämlich Hinko JIL, Holmstein, der andere aber, ebenfalls
Heinrich oder Hinko '^'*), einen Theil der ursprünglichen
Herrschaft liohnstein jetzt als besondere, selbständige
Herrschaft mit der Burg Wildenstein erhielt. Es lag
nahe, dass der Besitzer von Wildenstein sofort auch die
Grenzen seiner Herrschaft festgestellt zu sehen wünschte.
Der hierbei erwähnte „Herr Hinko Herr auf dem Scharfen-
stcine'^ aber ist unsrer Ansicht nacli niemand anders als
der ältere Bruder Hinko III. auf IL)hnstein_, welcher hier
nur nach der Besitzung genannt wird, deren Grenzen
") Cod. dipl. Sax. reg. II. 2, ^45.
=") Baibin, Mise. V vol. II. ereet. 172.
") Eniler, Reliq. II, 67.
*') Gautsch a. a. 0. 117 nach llauptst.-Arch. liOc. 8^,10 „Irrunuon
zwisclioii denen Ilerrschall'ten Honstein und Tct/.scdien."
-') Auch sonst kommen als Beisitzer im Baronengericlil zu Trag
14(t« vor „Ilinco et Henricus, filii llinconis Berca de Honstein".
Enüer, ßel. II, 10.
200 Hermann Knothe:
gegen Wildenstein festgestellt werden sollten. Und so
erscheint denn Hinko Herr auf Hohnstein 1412 und öfter
als Patron der Kirche in Bensen. Ausser diesen beiden
Brüdern (der S. 198 genannte Benesch muss vor 1410 ge-
storben sein, wenigstens wird er nicht mehr erwähnt) gab
es aber noch einen Namens Hans, welchem Hinko HI.
auf Hohnstein 1430''") „die Leite an der Elbe gegenüber
Schandau" verkaufte. Diesen halten wir für identisch
mit jenem Johann Berka von Duba, welcher 1422 zur
Pfarrei in Kreibitz präsentierte, 1424 Bürge für Wilhelm
von Eonow war'") und vor 1457 starb und die Städte
Kreibitz, Kamnitz, Sandau mit zugehörigen Dörfern
hinterliess. ^'■^) In allen drei letzterwähnten Urkunden
heisst er dominus in Tolnstein oder de Duba et de Tol-
stein und besass in der That auch Warnsdorf und Böh-
misch-Seifhennersdorf. Wie sich nämlich aus dem Fol-
genden ergeben wird, wurde bei der Erbtheilung 1410
die inzwischen völlig in den Besitz Hinkos II. über-
gegangene Herrschaft Tollenstein - Schhickenau zwischen
den drei überlebenden Söhnen, Hinko HL auf Hohnstein,
Heinrich auf Wildenstein und Johann auf Kreibitz, ge-
theilt.
Die neugeschafifne, von Hohnstein abgezweigte Herr-
schaft Wildenstein ^^) umfasstc das Rittergut Polenz, die
Hälfte der Stadt Neustadt bei Stolpen, die zu Lehn aus-
gegebenen Güter Langburkcrsdorf, Krummhermsdorf,
Rugiswalde, Rathmannsdorf, die Stadt Sebnitz und die
Dörfer Ilertigswalde, Hennersdorf, Lichtenhain, Mittel-
dorf, Gosdorf, Hinterhermsdorf, Saupsdorf, Ilinterotten-
dorf, endlich südlich der Kirnitsch noch Ostrau und Postel-
wifz sammt dem Waldgebirge bis zu der jetzigen Grenze
gegen Böhmen. Die Burg Wildenstein, an deren Existenz
man gezweifelt hat, bestand schon längst. Sie lag west-
lich von dem sogenannten „Kuhstall", dessen ganze Um-
gebung noch jetzt der Wildensteiner Wald heisst, imd
bildete bisher wohl nur einen festen Punkt zum Schutze
des ganzen südlichen Theils der alten Herrschaft Hohn-
stein, bewohnt von einem Hauptmann und etlichen Tra-
banten. Schon 1311 wird ein „dominus Otto de Wilden-
**) Götzinger, Hohnstein 28.
»') Emier, Reliq. IL 191.
") Archiv cesky IH, 565.
") Gautsch a. a. 0. 107 nacli Hauptst.- Archiv Loc. 9923: „Die
beyden Schlösser Wilden- und Hohenstein" Bl. 5
Die Berka von der PiiIit auf Ilohnstein etc. 201
stein miles", vielleicht der damalige Hauptmann daselbst,
als Zeuge in Dresden, ja schon 1299 ein „Hermannus de
"W'ildenstein", vielleicht einst zur dortigen Besatzung ge-
hörig, als Rathmann zu Pirna erwähnt. ^*)
Jetzt machte sich zur Aufnahme des neuen llerr-
schaftsbesitzers auch eine neue stattlichere Burg nöthig.
So erklärt sich, dass 1451 ein ,. alter Wildenstein" aul-
geführt wird^'^) und z. B. noch auf der Schenk'schen Karte
von Saclisen (Amsterdam 1752) beide Burgen, der alte
und der neue Wildenstein_, verzeichnet sind.
Der neue Besitzer von Hohnstein, Hinko JH., hatte
dem Bischof Rudolph von Meissen 60 Mark Groschen
geliehen, welche dieser (1414) ihm in bestimmter Frist
zurück zu zahlen gelobte^**) oder „einzureiten in die Stadt
nach Schluckenau", welche also Hinko gehörte. Bald
darauf hatte auch er, wie früher sein Vater, Händel mit
der Oberlausitz. Heinrich Renker, aus liöwenberg in
Schlesien stammend, jetzt Besitzer des grossen Rittergutes
Tschocha im Queisskreise , sagte nebst einem andern
Adligen aus Schlesien, Heinrich von Redern, 1419 „Herrn
Berken von Ilohnstein", wir wissen nicht weshalb, Fehde
an. Beide tielen mit reisigem Haufen „in Herrn Berkens
Land" mid plünderten daselbst das Dorf Schirgiswalde
(Jerigiswalde) in der Herrschaft ToUenstein-Schluekenau
aus. Da sie aber auf dem Rückwege nach Tschocha auch
in oberlausitzischen Dörfern raubten und brannten, bot
der damalige I^andvogt, Hinko Hlawatsch Berka auf
Leipa, eiligst die Zittauer Bürgerschaft zur Verfolgung
der Landfriedensl)recher auf, welche diesellien denn auch
unweit Ostritz überfiel, schlug und Renker wie; Reder
gefangen nahm.'"")
Unmittelbar darauf brachen die hussitischen Wirren
aus und erstreckten sich alsbald auch bis in das nord-
östliche Böhmen und dessen Nachl)arländer, Oberlausitz
imd Meissen. Die Berka auf Ilohnstein und auf Wilden-
stein waren und blieben allezeit gut katholisch gesinnt;
nichtsdestoweniger Avaren sie unzuverlässige Freunde und
Nachbarn. Als im Mai 1423 ein hussitisches Heer bis
gegen die Oberlausitz vordrang und von Rumburg oder
»♦) Cod. Sax. II. 5, .S33. 23.
") Gautsch 108, 78.
»•) Cod. dipl. Sax. reg. II. 2, 410.
") N. Srript. rer. Ins. I. 110. Laus. Magaz. 177."). «9. 101.
202 Hermann Knothe:
Schluck enaii aus mit einem Einfall drohte, kam auch der
(Berka'sche) Hauptmann auf Tollenstein nach Löbau zu
einem Tage von Land und Städten und bat um Hilfe.
In der That beschloss man eine Heerfahrt, aber man
kehrte nach wenig Tagen wieder um, weil der Feind in-
zwischen wieder abgezogen war. Dennoch erwiesen sich
noch in demselben Jahre die Berka auf Hohnstein selir
feindselig gegen Bautzen.^**) 1424 (Anfang Dezember)
waren zwischen ihnen und den Oberlausitzern Verhand-
lungen im Gange wegen einer „Einigung". Aber schon
im Frühjahr 1425 (um den 22. April) nahmen die von
dem Tollenstein zu Schlegel (bei Ostritz) auf den Nonnen-
Gütern zu Seifersdorf (d. h. Marienthal) das Vieh, fingen
Niclas Ponikau, den Hauptmann (oder Untervogt), luid
führten ihn Aveg. Kloss^^j meint nun zwar, dass der
Tollenstein damals von den hussitisch gesinnten Warten-
bergern und zwar von Jahn auf Dewin besetzt gewesen
sei. Allein erst 1426 trat die mächtige Familie von Warten-
berg zu den Hussiten über; keine uns bekannt gcAvordene
urkundliche Nachricht deutet darauf, dass der Tollenstein
damals den Wartenbergern gehört habe, und der Umstand,
dass infolge der Gefangennahme Ponikaus sofort auch ein
Tag zu Schluckenau gehalten wurde und die Oberlausitzer
Abgeordneten von da sich „zu den Bercken um Nicoh
Ponikaus Gefengniss willen" begaben^^), erweist, dass
jener Raubzug nach der Oberlausitz von der Berka'schen
Besatzung des Tollensteins unternommen worden war. Zu
Pfingsten 1425 war Ponikau wieder frei. Im Herbst des-
selben Jahres (um den 22. September) aber hatte „Herr
Heinrich von Wildenstein" im Bautzner Land schon wieder
„die Kühe genommen". Und so begreifen wir, dass die
Oberlausitzer 1427 (um den 4. Mai) „mit den Bircken tagten
um des Hauses Tollenstein Avillen". INIan Avollte also den-
selben, wie es damals auch mit vielen anderen böhmischen
Burgen geschah, entweder erpachten, um ihn zu l^esetzen,
oder erkaufen, um ihn abzubrechen.^') Wir haben ab-
sichtlich über diese Beziehungen der Berka zu den Ober-
lausitzern ausführlich berichtet, Aveil hierdurch auch ihre
") Oberlaus. Provinzialblätter 1782. 433 fg. i36.
") Ebeud. 450.
*") Görlitzer Kathsrecbiiungeu.
*') Auch mit Görlitz hatte „Heinrich von der Duba" Händel und
verklagte die Stadt deshalb 1428 und 1432 sogar l)ei dem west-
fälischen Fehmgericht. Oberlaus. Urkunden-Verzeichnis IT, 23 und 33.
Die Beika vom der Duba auf Ilohnsteiu etc. 203
Beziehungen zu den Meissner Fürsten erst in das rechte
Licht gesetzt werden.
Seit dem Jahre 1426 nihulieh finden wir die Berka
in fast ununterbrochene Händel luid Fehden mit Meissen
verwickelt. In demselben Jahre*'") stellten Heinrich Birke
von der Dubin zu dem Wildensteyn und Heinrich sein
Sohn der altere eine merkwürdige Urkunde (zu Pirna)
aus. Sie bekennen zuerst, dass sie dem Landvogte zu
Meissen, Busse Vitzthum, Erbhuldung zu des Markgrafen
Friedrich von Meissen und aller seiner Erben Hand ge-
than haben, ihm mit dem Schlosse Wildensteiu treu und
gewähr zu sein und sich mächtiglicli an ihn zu halten,
als an ihren rechten Erbherrn. Sie versprechen darauf,
dass Wildenstein des Markgrafen offnes Schloss sein solle
und dass er dahin irgend wen von seinen Amtleuten oder
sonst von den Seinen hinlegen könne. Sie geloben ferner,
dass der Wildenstein an keinen ihrer eignen Erben ge-
langen, auch an niemand versetzt oder verkauft werden
solle, er habe denn zuvor diese Eide und Gelübde gegen
den jNIarkgrafen wiederholt. „So also sie denn in Zwie-
tracht und Unwillen, wie der hergekommen ist, mit Friedrich
von der Oelssnitz, Vogt zum Königstein, und Hans von
Grisslau und beide ihren Brüdern und Helfern gewesen
sind", so geloben sie, diese darum nimmermehr zu be-
fehden oder es ihnen zu verdenken. — Demnach war also
Heinrich auf Wildenstein, jedenfalls der seit 1410 erwähnte
erste Besitzer dieser Herrschaft, sammt dem älteren seiner
(beiden) gleichnamigen Söhne zunächst mit Friedrich von
der Oelssnitz auf Rathen und anderen Mannen Kurfürst
Friedrichs des Streitbaren in nachbarliche Fehde gerathen.
Dieser hatte sich seiner Vasallen hilfreich angenommen
und den schlimmen Nachbar entweder durch eine ent-
scheidende Niederlage oder durch Belagerung gezwungen,
ihm das Besetzungsrecht auf dem Wildenstein zuzusichern,
ja ihm als Erbherrn zu huldigen. Es geschah dies im
Jahre der Schlacht bei Aussig. Eben damals war Sieg-
numd von Warten berg auf Tetschen und sein ganzes
Geschlecht zur hussitischen Partei übergetreten. Niemand
konnte wissen, wie sich überhaupt die Zustände in Böhmen
noch gestalten würden. So scheint sich der Kurfürst des
gefährlichen Schlosses und des unzuverlässigen Nachbars
**) Urk. ohne Tag bei Gaiitscli u. a. 0. 102 luicli liauptst.-Arcli.
Loc. 9923 „Die beyden Schlösser etc." Bl. 1 .
204 Hermann Knothe:
auf fille Fälle haben versicliern zu wollen. — Auch mit
Hinko III. auf Hohnstein scliloss der Kurfürst den 6. Juni
1427*'^) zu Freiberg einen Vertrag, wonach ersterer ihm
mit allen seinen Schlössern imd Märkten solle gegen die
Ketzer, namentlich gegen Siegmund von Wartenberg, bei-
stehen und sich mit denselben niclit frieden solle ohne
des Kurfürsten Willen, wofür dieser dasselbe verspriclit.
Schnell aber wechselten in jener Zeit Freundschaft und
Feindschaft. Im Jahre 1435 Avaren die Söhne Friedrichs
des Streitbaren, Kurfürst Friedrich der Sanftmüthige und
Siegmund, wieder mit den Birken zerfallen. Nicht mu'
gegen den Hohnstein zogen sie, den Dresdner Raths-
rechnungen zufolge, mit Heeresmacht, sondern sie schlössen
den 15. August^*) mit dem hussitischen Siegmund von
AVartenberg auf Tetschen sogar ein Bündnis auf drei Jahr
unter folgenden Bestimmungen. Nachdem die sächsischen
Brüder „zu Unwillen kommen sind mit Ern Hinczken
vom Steyne zu AVildensteyn gesessen", so solle ihnen Herr
Siegmund gegen diesen und seine Helfer mit seiner ganzen
Macht beistehen. Sollte es sich als nöthig erweisen, so
wolle man ihm 50, ja 100 Pferde zu Hilfe schicken auf
der Fürsten Kosten und Schaden. Für seinen Beistand
solle Siegmund 1000 fl. erhalten zu einem Geschenk,
und zwar die eine Hälfte, so er den Krieg mit Herrn
Hinke anhebt, die andere Hälfte später. Sollte man in
dieser Fehde die Stadt Bensen oder den Scharfenstein
gewinnen (welche also damals den Birken noch gehörten),
so sollten diese Güter Herrn Siegmimd zustehen; sollte
man aber den Wildenstein gewinnen, so solle dieser den
sächsischen Fürsten zustehen. — Wir halten den hier
genannten Ern Hinczken nicht etwa für einen Ritter aus
der Familie von Stein, der sich etwa damals des Wilden-
steios bemächtigt habe; wenigstens ist uns trotz vieler
ritterlicher Mannen dieses Namens in jener Zeit keiner
mit dem Vornamen Hinko begegnet, und das Prädikat
„Er" führte bekanntlich nur der hohe böhmische Adel.
AVir halten denselben vielmehr für den Besitzer des „Steins",
d h. der Burg, zu Wildenstein aus der Familie Berka und
zwar, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, für den
1426 erwähnten ältesten Solui des ersten Inhabers dieser
*') Hauptst- Archiv, Witt. Archiv, Böhm. Sach. Irrungen und
Verträge ßl. 6.
*) Hauptst.- Arch. Orig. 6338.
*^\
Die Berka von der Duba auf Ilohnstein etc. 205
Burg. Diesmal hatten es also die Meissner auf eine Er-
oberung des gefährlichen Wilden steins abgesehen.
Ein Jahr später waren die Berka mit dem AVarten-
berger wirklich noch in Krieg; die Meissner Fürsten
aber waren mit ihm bereits wieder zerfallen. Da ver-
mittelte der Bischof Johann von Meissen den 4. Juni 1436**)
zwischen Hincke, Gindrzich [d. h. Heinrich] und Beness
Birken, Gerettern von der Duhin, czum Honstein, Molstein
und czum Wüdenstein gesessin und den Markgrafen von
Meissen einen Vertrag, Avonach letztere den ersteren gegen
Siegmund von A^'^artenberg auf Tetschen und alle seine
Helfer beistehen und zu deren Schutze 150 Trabanten auf
den Wildenstein, der Bischof aber 50 dergleichen auf den
Mühlstein (bei Böhmisch-Zwickau) legen sollten. Diesmal
scheint die Gefahr vor den hussitischen Wartenbergern
die Berka genöthigt zu haben, bei den Meissnern Schutz
zu suchen und eine sächsische Besatzung aufzunehmen. —
Der Besitzer des Wildensteins heisst jetzt Beness. Wir
halten ihn für einen Sohn des 1410 erwähnten Heinrich,
für einen Bruder des 1426 und wieder 1435 genannten
Heinrich des älteren; sicher war er ein Bruder des noch
oft anzuführenden Albrecht Berka.
Ein sächsisches Heer rückte darauf vor Tetschen und
belagerte Siegmund von Wartenberg. Im Felde vor
Tetschen wurde den 4. August 1436*'') mit demselben
zunächst ein Waffenstillstand vereinbart, in welchen die
sächsischen Fürsten die ebengenannten drei Vettern von
der Duba, den Bischof von Meissen und die Oberlausitz,
Siegnumd von AA artenberg aber seinen Bruder Jahn auf
Blankenstein zogen. Mit den Wartenbergern kam es den
27. April 1438 wirklich zu einem definitiven Frieden.
Aber unmittelbar darauf begannen neue Händel mit
den Berka. Sie hatten 1438*') die Burg Ratlien erobert,
erhoben auch Lehnsansprüche auf dieselbe und kündigten
sannnt ihren Vasallen jetzt auch den sächsischen Fürsten
Fehde an. Genau ein Jahr später vertrieb Friedrich von
der Oelssnitz die Berka'sche Besatzung wieder aus seiner
Burg. Endlich den 2. Juli 1439 erfolgte zu Dresden ein
Friedenssciduss, wonach der Kurfürst die streitige Lehnfrage
*^) Hauptst.-Arch. Orig. 6404. Gautsch 49.
'«) IIani)tst.-Arrli. Orig. 0110.
*') Nrtili tUnii l'iriiaisrlKüi Mönch Lindner ln'i .Mcm
Script. II. 1597.
206 Hermann Knothe;
wegen Katlien auf das Erkenntnis des römischen Kaisers
stellen will und von beiden Seiten die während der Fehde
gemachten Gefangenen herausgegeben werden sollen. Beness
Birke von Wildenstein verpflichtet sich, den sächsischen
Fürsten zu Diensten zu stehen und ihre Lande schützen zu
helfen, wofür er jährlich von ihnen 200 fl. erhalten soll.
So suchte man sich also jc^tzt durch ein Jahrgeld von den
Wildensteinern Ruhe zu erkaufen. Allein vergeblich.
Ein Jahr später brach die Fehde aufs neue aus. In
einem auf dem Wildenstein selbst den 6. Dezember (1440)
geschriebenen Briefe^*) wirft Alhrecht Birke den Fürsten
vor, die christliche liichtung, die sie (1438) mit seinem
seligen Bruder Beness gemacht und derzufolge dieser „mit
uns seinen Brüdern" (d. h. Heinrich und Albrecht) in der
Fürsten Dienst gewesen, nicht gehalten zu haben, viel-
mehr sie haben berücken zu wollen. So sei sein Bruder
Beness von den Leuten der Fürsten erschlagen, er, Albrecht,
selbst gefangen und „von seinem Schlosse, Gute, Habe
gebracht" imd auch sonst, ebenfalls von den Leuten der
Fürsten, mit Raub, Brand, Nome, Gefängniss und Ver-
dingniss angegriffen und verderbet worden. Deswegen
und weil auch Jahn von Wartenberg auf Blankenstein
(Albrechts Schwager) ohne alle seine Schuld (von Friedrich
von der Oelssnitz) gefangen worden sei, sagt jetzt Albrecht
Berka auf Wildenstein und ein uns sonst nicht bekannt
gewordener Czenko Birke von der Dube den sächsischen
Fürsten Fehde an. Wir vermögen nicht zu beurtheilen,
wie weit diese Vorwürfe begründet sein mochten. Vielleicht
hatte der von der Oelssnitz, der alte Gegner der Birken,
aus irgend welchem Grunde wieder losgeschlagen, wobei
Beness Birke getödtet, Albrecht und sein Schwager Jahn
von Wartenberg gefangen, ja wie es scheint, der Wildeu-
stein selbst genommen worden war. Die wiedererlangte
Freiheit benutzte Albrecht sofort zu Ankündigung neuer
Fehde, in welche, wie sich sofort ergeben wird, auch
Hinko III. auf Hohnstein auf der einen und Bischof Johann
von Meissen auf der andern Seite sofort hineingezogen
wurden.
In Dresden wollte man sichtlich Ruhe. Und so er-
klärten den 6. Januar 1441 ***) Hincke zum Hohnstein,
Hincke und Alhrecht zum Wildenstein, Brüder und Vettern
*') Ilauptst.-Arch., Witt. A., Böhm. Sach. Befehd. Bl. 264.
*») Ilauptst.-Arch. Cop. I Ibl. 281.
r»ie Rerka von der Dnba auf Ilnhnstein etc. 207
Bircken von der Dube, dass sie die bisherige Felide mit
den Herzögen Friedrich und Wil.hehn von Sachsen, dem
Bischof von Meissen und deren Landen und Unterthanen
auf ein ganzes Jahr abthun wollten und ihnen gütlich
sitzen, und zwar deshalb, weil die Herzöge Jahn von
Wartenberg, ihren guten Freund und Schwager, „von
Friedrich von der Oelssnitz seines Gefängnisses ledig und
los geschaft't" hätten.
Auf diesen AVatFenstillstand folgte den lO.Milrz 1442'")
eine ewige Richtung und Sühne. In dieser gelobten
die genannten drei Birken, dass alle Z^vietracht und Un-
wille nun beigelegt, alle Schuldfordorungen getilgt seien
imd etwaige neue Differenzen nicht mehr auf dem Wege
der Fehde, sondern durch Schiedsmänner erledigt werden
sollten. „Ua nun die Birken dem Stift Meissen zu Diensten
wohl gesessen sind", so sollen die beiden bisclu'Jfliclien
Städte Jockrim und Bischofswerde den Birken zu Wilden-
stein „um Schutzes des Stifts willen" fünf Jahre hindurch
je 40 Schock Groschen als Jahrgeld zahlen. So hatte sich
jetzt der Bischof entschliessen müssen, sich durch ein jilln--
iiches Schutzj^eld von den Wildensteinern Kühe zu erkaufen.
Dieser Friede hatte nun endlich auch wirklich Be-
stand. Albrecht Birke wurde noch in demselben Jahre
1442^*) Vermittler von Waffenstillständen zwischen den
sächsischen Fürsten und dem Bischöfe einerseits und den
Wartenbergern auf Tetschen andrerseits, wobei er als
Bürge für letztere fungierte.
Aber fürwahr diese Birken erweisen sich nach alle
dem in absichtlicher Vollständigkeit von uns bisher Er-
zählten als ein friedloses Geschlecht ohne allen Verlass.
So lange sich die festen, fast uneinnehmbaren Burgen
Holmstein und Wildenstein in ihren Händen befanden, wai-
nicht nur das bischöfliche Stolpen, sondern auch der
sächsische Königstein, Pirna, ja Dresden selbst gefährdet,
wenn sich jene einmal mit anderen mächtigen Herren aus
Böhmen verbündeten. Und eben hatte nach Kaiser
Albrecht II. Tode (1439) in Böhmen die königlosc Ziiit,
das Interregnum, begonnen. So erscheint denn das Be-
streben des Kurfürsten, jene beiden Burgen nüt Zubeliör
in eigenen Besitz zu bringen, einfach als ein Gebot der
Selbsterhaltung.
*") Ilauptst.-Airli. Orig. (".089.
*') Ebend. Ori<^-. G(;9y. 6712.
208 Hermann Knothe:
Und in der That ein Jahr später waren bereits die
Unterhandlungen im Gange, um zunächst die Herrschaft
Hohnstein zu erwerben. Bischof Johann von Meissen er-
wies sich, im eigensten Interesse, dabei sehr thätig.*^)
Es war sein Official, Dr. Johann SwofFlieim, der nebst
dem Berka'schen Hauptmann Jancko Knobelauch den
26. Februar 1443 zu Torgau mit den sächsischen Käthen
die Bedingungen vereinbarte, unter denen Hohnstein an
Sachsen abgetreten werden sollte. Den S.März 1443^^)
gelobte Hyncke Berka von der Dube der ältere und zum
Hohnstein gesessen auf dem bischöflichen Schlosse Stolpen,
diesen Vereinbarungen unverbrüchlich nachzukommen.
Demzufolge trat derselbe sammt seiner Frau Barbara
Hohnstein nebst Zubehör an die Gebrüder Friedrich und
Wilhelm, Herzöge zu Sachsen, ab und erhielt dafür von
diesen die Herrschaft Mühlberg an der Elbe, in welcher
sein Vater Hinko H. 1388 königlich böhmischer Statt-
halter gewesen (S. 196), welche aber 1397**) von König
Wenzel an Markgraf Friedrich von Meissen versetzt worden
war, und ausserdem noch 570 Schock Groschen bar.
Den 14. März**) wurden beiderseits die Urkunden über
diesen Freikauf ausgestellt. Derselbe vollzog eine neue
wichtige Erwerbung für das Meissner Land. Denn wenn
auch Hohnstein***) zunächst noch böhmisches Lehn blieb,
so ist es doch nie wieder von Sachsen getrennt worden.
Der Verkäufer „Hyncke der ältere" ist nach unserer
Ansicht derselbe, der 1410 in der brüderlichen Theilung
Hohnstein, Scharfenstein und Antheil von Tollenstein-
Schluckenau erhalten hatte. Seine Frau heisst jetzt beim
52\
^) Gercken, Stolpen 631 fg.: „Do wart ouch angesehen der
grosse vleiss, den BischofF Johannis mit den seine that bey dem
slosse Hoenstein, dorumb gros erbeit, muhe unnde zcerunge geschach,
daz daz qwam an dy Herschaft't zu Miesssen".
") Hauptst.-Arch. Orig. (!745.
") Ebend. Orig. 5016.
") Ebend. Orig. 6748. Gautsch 104.
*°) Ueber die in ihren Ursprüngen jedenfalls in die Zeiten der
Berka zurückreichenden Rechtsverhältnisse der Erbunterthanen in
der Herrschaft Hohnstein vergl. Hasche, Magaz. der sächs. Gesch. IV,
und zwar über das Städtchen Hohn stein Seite 229, die Harnisch-
kammer im Schlosse Seite 87, über Neustadt Seite 136, über
Schandau Seite 140, über die Lehnrichter, Amts- und Schriftsassen
Seite 219, den Kauflirief der Herrschaft vom Jahre 1543 Seite 147;
über das Recht dos Holzhandels aus der ganzen Herrschaft vergl.
Götzinger, Hohnstein 47.
-öle Berka von der Duba auf Hohnstein etc. 209
Verkauf Barbara, elienso wie im Jahre 1434*'), wo er
„mit seiner Frau Barbara" das wüste Dorf Ludwigsdorf
(S. 197) wieder an den Bischof von Meissen verkaufte.
Den Beinamen des älteren führte er im Gegensatze zu
seinen! gleichnamigen Sohne oder Bruder. Schon 1437
nämlich hatten Heinrich, Hynek und Niclas Gebrüder von
Duba und Hohnstein ihr erbliches Leimgut Türniitz (süd-
westlich von Aussig), wie sie es von Albrecht von Colditz
erworben, an Hans Manstorfer von Krupka (d. h. Graupen)
verkauft. ***) Wir halten diese Brüder für Hinko III. auf
Hohnstein, Heinrich auf Wildenstein; Niclas ist uns sonst
nicht vorgekommen. Auch noch eine Schwester hatte
Hinko III., Namens Amia^^}, Witwe des Nicolaus KoloAvrat;
ihr hatte Hinko, als er noch Besitzer von Hohnstein war,
das Dorf Saupsdorf wiederkäuflich überlassen, welches
Kurfürst Friedrich (der Sauftmüthige) 1447 '*'*) einlöste.
So blieb Hinko HL in Böhmen fortan nur noch
sein Antheil an Tollenstein, von welchem noch später zu
sprechen sein wird, und die Herrschaft Schar fenstein mit
Bensen (S. 199), welche auch noch auf seine Nachkommen
überging; denn 1451 verpfändete Johann von Bergow
und von Trosk sein Erbe in Chlumec dem Hynek Berka
von Duba, dem Sohne des weiland Hynek von Berka und
von Scharfenstein. Wir folgen Hinko HI. und seinen Nach-
kommen**') nicht auch in ihre neue Besitzung Mühlher g,
sondern beschäftigen uns von nun an nur noch mit den
Inhabern von Wildenstein und Tollenstein. —
") Hauptst.-Arch. Ürig. 6318.
**) Archiv oesky Ut, 518. Vergl. llallwich, Geschichte der Berg-
stadt Graupen (1868) 2.5.
") Hauptst.-Arch. Orig. 70J4.
•") Hauptst.-Arch. Orig. 7014.
*') Noch haben wir kurz die irrige Angabe älterer Historiker,
z. B. Götzingers, Hohnstein mit Lohinen (!?86) .S4 fgg., zu wider-
legen, welche glauben, dass die Berka bis 1-18'J Inhaber von llolni-
stein gewesen seien. Was Götzingcr von Ratlien aus Avw .lahien
1463 und 1464 erzählt, gehört in die Jahre IL^S und 11. '59 (oi)L'n
S. 205). Ferner hält derselbe einen „Georg Birke" für den llcrr-
schaftsbesitzer. Im Jahre 1451 gehörte ein StelVau Birke, der
den Zins auf Kathmannsdorf pfandweis besass, zu den Mannen
Albrecht Berkas auf Wildenstein, welche dieser sammt seiner Ilcir-
schaft Wildenstein an Sachsen abtrat. (Gautsch, Aelteste Geschichte
der sächsischen Schweiz 108.) Diesen selbigen Zins kaufte 1467
der Rath zu Schandau von einem Georg Birke, doch wohl dem
Sohne jenes Steffan, und erhielt Zins und Dorf von den (Jebriulern
Ernst und Albrecht von Sachsen als Stadtgut gereicht. (Götzinger,
Neues Archiv f. S. G. u. A. II. 3. 14
210 Hermann Knothe:]
Im Besitz der Herrschaft Wildenstein waren auf Hein-
rich Berka von der Duba, den ersten Jnliaber (1410 S. 199
und 142(3 S. 203), wir wissen nicht wann, dessen Söhne
gefolgt. Als solche wairden bereits erwähnt Heinrich der
ältere (1426 S. 203, 1435 S. 204, 1440—42 S. 206), ferner
ßeness (1436 S. 205, erschlagen 1440 S. 206) und Älhrecht
(seit 1440 Seite 206). Heinrich „der ältere" oder ein jeden-
falls gleichnamiger Bruder von ihm, scheint, da er in den
Händeln mit Meissen in den Jahren 1436 bis 1439 nicht
erwähnt wird, sich indessen entweder auf anderen Gütern
der Familie oder in fremdem Dienste befunden zu haben.
Nach 1442 ist auch er ims nicht mehr begegnet; viel-
mehr erscheint seit 1443 Albrecht Birke als alleiniger
Besitzer von Wildenstein und des zugehörio^en Antheils
Höhnst. Beilagen 8 fg.) Dieser Georg Birke hatte ärgerliche Händel
mit seiner Frau Ursula, welche 1468 durch Bischof Dietrich von
Meissen beigelegt wurden. Vergl. [Grundmann] Nachrichten von Neu-
stadt bey Stolpen (1759) 9. Hierbei wird nun im Context der betreffen-
den Urkunde dieser Georg Birke als her czum Hoenstein bezeichnet.
Wir können nicht glauben, dass das Original der Urkunde, das wir
nicht kennen, diese Worte enthalten habe. Denkbar wäre, dass in
der blossen Abschrift, welche wahrscheinlich Grundmann vorlag,
jener Zusatz als nähere, aber irrthümliche , Bezeichnung der Per-
sönlichkeit gestanden habe. In eben dieser Urkunde wird übrigens
jener Georg Birke stets nur als „gestrenger" tituliert, in der Urkunde
von 1467 sogar ohne jedes Prädikat aufgeführt, während ein „Birke
von der Duba" sowohl von dem Bischof von Meissen, als von den
Herzögen von Sachsen sicher das Ehrenprädikat des hohen böhmischen
Adels „Herr" oder „Er" erhalten haben würde. Hierauf macht mit
Recht schon Hasche (Magazin der sächsischen Geschichte IV, 3'J8)
aufmei'ksam, bezeichnet aber (ebenda 3.33 fg.) dennoch diesen Georg
Birke wieder als einen Berka von der Duba. Uebrigens kommen die
Vornamen Steflan und Georg in der Holnisteiner Linie der Berka
nie vor ; auch von den Söhnen Hinkos III. führt keiner dieselben.
Wer nun dieser Stettan und Georg Birke gewesen, ob sie überhaupt
von den ehemaligen Herrschaftsbesitzern abstammen, etwa als die
unehelichen Nachkommen des einen oder andern, wissen wir nicht.
Unter den Zeugen in der Urkunde von 1468 kommt auch ein
Cristoff Bircke vor, Herren auf Hohnstein waren sie entschieden
nicht. Auch die ebenfalls von Götzinger (a. a. 0. 38) aus einer Seb-
nitzer Pfarrmatrikel angeführte Notiz scheint nicht genau. Wohl
mag die Frühmesse zu Lobendau 1489 von dem Bischof Johann von
Meissen bestätigt worden sein ; gestiftet von Henrico Birck von der
Daubelt domino in Rohnstein war sie aber gewiss schon zu Anfang
des 15. Jahrhunderts. Wenigstens kommen die beiden daselbst er-
wähnten Zeugen, Hanss von Lottitz, HeiviAmann, 1408 als Haupt-
mann zu Kumburg (Bulbin, Mise. V, 302), und Dam [Tamme] Knob-
loch 1409 als Vasall Hinkos II. auf Hohnsteiu vor. (Hauptst. -Archiv
Orig. 5475.)
Hie Berka von der J)uba auf llohnsteiii etc. 211
von Tollenstem-Schhickenan (oben S. 200). Seit 1444^''')
nennt er sich vorzug8wei.se „zu Tollenstein'', oder 144(3 ^■^)
„Herr zu Wildenstein und Tollenstein", scheint sicli also
nun vorzugsweise auf letzterer Burg aufgehalten zu haben.
Albrecht war verheiratet mit Anna, der Tochter des
Burggrafen Wentsch von Dohna (Donin) auf Grafenstein®*),
südlich von Zittau an der Neisse, und wurde, als treuer
Genosse seines streitlustigen Schwieo-ervaters, nun auch in
dessen Zwistigkeiten, einmal mit den oberlausitzischen
Sechsstädten und sodann mit den Herren von Biberstein
auf Friedland und Hammerstein (bei Kratzau uuM^eit
Grafenstein), hineingezogen. Längst schon hatten die Berka
auf Wildenstein Händel mit Bautzen gehabt. Sie hatten
„Waidleute", welche Waid nach Bautzen führten, beraubt,
weshalb (1437) Städtetage zu Löbau gehalten, Boten an
,,Beues Birke" nach dem Wildenstein geschickt und die
Waid wagen von Görlitz unter bewaffnetem Schutze nach
Bautzen „geleitet wurden vor denWildensteinischen". Noch
1441 sollte zu Bautzen getheidingt werden „mit den l^erckeu
von dieses Nomes wegen", und 1442 wird sogar „der
Bercken Fehde gegen die von Budissin" erwähnt. Infolge
dessen schickte auch Görlitz einen Boten nach dem Wilden-
stein „mit der Aufsagung" und nahm Söldner auf „contra
Birkones et alios raptores pro defensione".**^) Diese Fehde
gewann um so grössere Bedeutung, als sich 1442'**') auch
die Brüder Ulrich, Wenzel und Friedrich von Biberstein
auf Friedland und Forst (in der Niederlausitz) mit den
Sechsstädten förmlich gegen Wentsch von Dohna und
„Hincke und Albrecht Bircken auf Wildenstein" ver-
bündeten. Zwar wurde 1444"') wenigstens zwischen den
genannten böhmischen Herren ein sühnlicher Vergleich
geschlossen; aber alsbald begannen auch zwischen diesen
die Streitigkeiten von neuem.
Inzwischen waren nach dem Tode Kaiser Albrechts II.
(1439) die kaum beschwichtigten Parteikämpfe in Böhmen
•^) In einem Friedensvertrag mit ileii Biberstein auf Kriedland.
Oberlaus. Urk.- Verzeichnis II, 571).
") In einem Dienstvertrag mit Kurfürst Friedrich von Sachsen.
Hauptst.-Arch. Orig. 6928.
•*) Vergl. über denselben von Weber, Archiv für die sächsische
Geschichte. N. F. I, 232 fgg.
") Nach den Görlitzer Kathsrechnungen.
") N. Script, nn: lus. I, 255.
•') Urk.- Verzeichnis II, 57b.
212 tiermann Itnotlie:
aufs neue ausgebrochen. Die Wahl eines neuen Königs
ward immer wieder hinausgeschoben. Seit 1444 war Georg
von Podiebrad das anerkannte Haupt der utraquistischen
oder hussitischen Partei, während an der Spitze des
katholisch gesinnten Herrenbundes die Familien Rosenberg
vmd Neuhaus standen. Seit nun Meinhard von Neuhaus
den auch von uns oft erwähnten Siegmund von Warten-
berg auf Tetschen (1439) gefangen genommen und auf
einem seiner Schlösser hatte Hungers sterben lassen ®*');
wendete sich das ganze weitverzweigte und mächtige Ge-
schlecht der Wartenberge zur Partei Podiebrads, Dieselben
besassen damals im nördlichen Böhmen die Herrschaften
Tetschen und Blankenstein (nördlich von Aussig), des-
gleichen Leipa, aus welchem schon Siegmund von Warten-
berg die katholisch gesinnten Berka auf Mühlstein auf
Zeit vertrieben hatte, endlich die alten Stammgüter der
Familie, nämlich Wartenberg mit der Burg Roll und
Dewin. So waren jetzt die katholisch gesinnten Barone
Wentsch von Dohna und Albrecht Berka rings umgeben
einmal von den Gebieten der utraquistischen Warten-
berge, sodann von der ihnen ebenso verhassten Bürger-
macht der oberlausitzischen Sechsstädte, zumal Zittaus.
Diese ihnen von zwei Seiten her drohende Gefahr war es
jedenfalls, welche Wentsch und Albrecht bestimmte, den
IG. Mai 1446 ***) zu Meissen eine Urkunde auszustellen,
in der sie erklären, dass sie „um Friede, Schutz und Ver-
theidigung willen des Herzogs Friedrich von Sachsen und
seiner Erben Diener geworden" seien, und; „wie ein jeder
getreue Diener seinem Herrn von Rechts wegen pflichtig
ist", ihm gelobt hätten, seinen und der Seinen Frommen
zu werben und Schaden zu warnen. Infolge dessen sollten
dem Herzoge alle ihre Schlösser, nämlich Wildensteiu,
Tollenstein, Grafenstein, zu allen seinen Nöthen und Kriegen
wieder raänniglich, nur nicht gegen die Krone Böhmen
und Jahn von Wartenberg (Albrechts Schwager), geöffnet
und vmterthänig sein; der Herzog dagegen solle sie und
die Ihrigen schützen. Dieser Vertrag sollte auf 20 Jahre
Gültigkeit haben, es sei denn, dass inzwischen „ein König
von Böhmen sein würde, der die Krone mächtiglich inne
hätte"; in diesem Falle solle die Verschreibung hinfällig
«') N. Script, rer. lus. I, 67.
") Hauptst.-Arcli. Orig. 6928, abgedruckt in den Aufzeichnungen
über die erloschenen Linien der P'amilie Dohna ^Berlin 1876). 11,225.
Die Beika von der Duba auf Hohnstein etc. 213
werden, doch erst nach lialbj ähriger Kündigung. — So
hatte also die eigne Gefalir Albrecht Birke jetzt genöthigt,
sich unter den Schutz Kursachsens zu stellen und dciu
Kurfürsten freiwillig dieselbe Burg Wildenstein „zu Dien-
sien'' zw stellen, von welchem seit 30 Jahren die meissnischen
Fürsten so oft waren befehdet worden. Kursachsen aber
gCAvann hierdurch bei den immer drohender werdenden
Verwicklungen mit Böhmen und dessen jetzigem Guber-
nator Georg von Podiebrad eiiien ehemaligen Gegner zum
Bundesgenossen und Schützling und eine Anzahl fester
Schlösser an der Grenze zum Schutze des eignen Landes.
Im Jahre 1450 brach bekanntlich der offene Krieg
zwischen Kursachsen und Böhmen aus. Wohl eben des-
halb vermochte letzteres die Schlösser seiner Schutz-
befohlenen nicht völlig gegen die Gefahren zu vertheidigen,
w^elche diese allerdings selbst gegen sich heraufbeschworen
hatten.
Schon längst hatten Albrecht Birke und sein Schwieger-
vater Wentsch von Dohna neue Händel mit den Sechs-
städten begonnen. 1448 wurde von letzteren der Grafen-
stein belagert und beschossen; diesmal noch vergeblich.
Ergrimmt vereinigten daher 1449 Wentsch imd Albreclit
alle ihre Vasallen und Freunde zu einem allgemeinen
Bunde gegen die Städte, Hessen v<»n ihren Burgen aus
Raubzüge in deren Land machen „und wollten es doch
nicht gethan haben"; ja sie schlössen sogar mit Jahn von
Wartenberg, dem Ketzer und alten Feinde der Sechsstädte,
ein förmliches Bündnis. Da zogen 1450 Adel und Städte
gemeinschaftlich ein zweites Mal vor den Grafenstein.
Nach dreiwöchiger Belagerung musste nicht bloss Wentsch,
sondern auch Albrecht geloben, „sich mit ihren offenen
Schlössern nach Land und Städten der Oberlausitz gegen
alle ihre Feinde richten zu wollen." '") Schou damals
soll auch der Tollenstein ebenfalls belagert worden sein.'")
Jedenfalls war jetzt die Macht beider Herren auf lange
hinaus gebrochen und ihre Geldmittel völlig erschöpft.
Dies war denn wohl auch der Grund, weshalb sich
Albrecht Birke 1451 veranlasst sah, seine Herrschaft
Wildenstein an den Kurfürsten von Sachsen mittels orl)-
lichen Freimarktes abzutreten. Am 6. April hatte Heinrich
") Vergl. von Webers Archiv für die sächsisclie Gescliichtc.
N. F. I, 241 fgg. Oberl. Urk.-Verz. II, 65g, h. Görl. Rathsrechn.
") Pescheck, Cxcschichte von Zittau II, 9U8.
214 Hermann Knothe:
von Bünau, der säclisische Vogt auf Holmstein, mit Albrecht
eine Zusammenkunft zu Neustadt bei Stolpen, auf welcher
das Tauschgeschäft zum Abschluss gebracht ward. Von
beiden Seiten wurden nach den Erbregistern der beider-
seitigen Güter vor allem die trocknen Zinsen der aus-
zutauschenden Glebiete genau berechnet und ,,je ein Schock
Geldes gegen das andre gleich angeschlagen, gegeben und
genommen", wobei sich ergab, dass Albrecht die Summe
von 750 Schock 58 böhmischen Groschen und 2 Pfennigen
noch bar ausgezahlt zu bekommen hatte. So stellte denn
Albrecht 1451 die Abtretungsurkunde über Wildenstein
mit genauer Aufzählung aller seiner Zubehörungen aus.
Diese von Gautsch (Aelteste Geschichte der sächsischen
Schweiz. 1880. S. 107 fg. nach Hauptst.-Arch. Loc. 9923
„Die beyden Schlösser Wilden- und Hohenstein etc." Bl. 4)
abgedruckte Urkunde ist nicht das Original''^), sondern
nur eine gleichzeitige Kopie. vSie enthält ohne jedes
Datum nur den einen Theil des Tauschvertrags, nämlich
die von Albrecht an Sachsen abzutretenden Güter, und
schliesst in der That mit einem „etc.". Aber die von
Sachsen an Albrecht abgetretenen Besitzungen lernen wir
aus Blatt 15b und 16 jenes Aktenstückes kennen. „Item
dese nachgeschrebene guter und manschaft hat unser
gnediger Herre von Sachsen Eni Albrecht yn dem frey-
margte obergeantwert." Es sind dies zuerst folgende
Vasallen: Jancko, Siegmund und Heinrich Knobelaucli
auf Warnsdorf und auf Schönau (westlich von Schluckenau),
Siegmund und Nickel Knobelauch zu Nixdorf („Nickils-
torff"), Christoffel, Heinrich und Albrecht Luttitz auf Rosen-
liain (nördlich von Schluckenau) und auf Schirgiswalde
(„Scheringeswaldc") , Hannus und Thamme Luttitz auf
Antheil („die Helffte") Königswalde (östl. von Schluckenau)
und Antheil Georgswalde („Gerigiswalde"), ChristofFel von
Hermsdorf auf Rumburg („Ronneberg") und Seiflienners-
dorf böhmischen Antheils („Heynirstorf"); ferner „das Städt-
chen Schluckenau die Hälfte", das Dorf Kaiserswalde
(westlich von Schluckenau) die Hälfte, die Dörfer Zeidler,
Nixdorf, Wolmsdorf („Willemesdorff"), endlich der Sprem-
berger Wald „oberhalb Schluckenau"; der Nixdorfer „ober-
") Gautsch sagt zwar iu der Anmerkung daselbst, ,,das Original
sei auch vorhanden". Doch haben wir dasselbe trotz aller an-
gewendeten Mühe nicht aufzufinden vermocht, da Gautsch so gut wie
nie für seine Angaben genaue Citate anführt.
Die Bei'ka von der Duba auf Hohusteiu etc. 215
halb Sebnitz die Hälfte", „der Persk" (?) die Hälfte und
„der Poczin" oberhalb Schluekenau ganz.
Diesen Antheil der Herrschaft ToUenstein-Schluckemm
also trat 1451 der Kurfürst von Sachsen gegen Wilden-
stein an Älhrecht Birke ab. Er kann ihn von niemand
sonst als von Hinko III. auf Hohnstein erworben haben.
Es rauss dies also jener Antheil gewesen sein, welcher
1410 bei der brüderlichen Theilung (oben S. 200) der
Hohnsteiner Linie zugewiesen worden war. Wann der-
selbe von Hinko III. an Kursachsen überlassen \\urde,
wissen wir nicht. Eine Urkunde darüber ist nicht zu
finden gewesen. Gewiss war eine solche ausgestellt, aber
jetzt bei dem Freimarkte von 1451 an den neuen Inhaber,
Albrecht Birke, ausgeantwortet worden. Jedenfalls dürfte
bisher niemand davon Kunde gehabt haben, dass den
sächsischen Fürsten schon von etwa 1443 — 1451 ein Theil
der Herrschaft Tollenstein gehört hat. Diesen Antheil
vereinigte jetzt also Albrecht mit dem der Wildensteiner
Linie, den er schon besass, und erlangte, wie oben (S. 200)
erwähnt, 1457 auch noch den der Kreibitzer Linie infolge
des jedenfalls unbeerbten Todes Johann Berkas hinzu.
Die Verwaltung der nunmehr säclisischen Herrschaft
Wildenstein") aber wurde dem Vogte oder Amtmann von
1 lohnstein mit übertragen. Sie bildete fortan im wesent-
lichen „das Hinteramt Hohnstein". Kursachsen hatte mit
ihr ein neues böhmisches Lehn erworben, welches ihm
1459 im Egerschen Vertrage bestätigt wurde, und hatte
imu seine jetzigen und natürlichen Grenzen gegen Böhmen
auf dem rechten Eibufer erlangt. Das geiahrliche Schloss
Wildenstein wurde wohl alsbald abgebrochen. Ruhig und
sicher konnten von nun an die Fuhrleute von Schandau
aus ihre Frachtgüter nach Sebnitz oder nach Neustadt
bei Stolpen weiter führen. —
Bevor wir das Walten Albrecht Birkes von der Duba
auf der von seinen alten Familiengütern ihm allein ver-
liliebcnen Herrschaft Tollensiein- Schluekenau weiter ver-
'») Ucbcr die in ihren Urspi-ünRen jedenfalls in die Zeiten der
Berka von der Duba zurückreichenden Verhältnisse der zugehörigen
Erhunterthanen vergl. ausser dem l)ereits oben (Seite 208, Annicrk.)
Angeführten Hasche, Magaz. der sächs. (ieschichte IV, und zwar in
hetrefl' der Stadt Sebnitz S. 100, Gerichte, Dienste etc., desgleichen
Götzinger, Hohnstein Beil. 107, in betreff der Pfarrei daselbst
Hasche IV, 131, Götzinger, Beil. 52.
216 Hermann Knothe:
folgen, müssen wir nocli einen kurzen Rückblick auf die
frühere Geschichte derselben werfen.
Sie setzte sich in der That aus zwei ganz verschie-
denen Bestandtheilen zusammen, einem südlicheren mit der
.Burg Tollenstein und einem nördlicheren init dem Städt-
chen Schluckenau als Mittelpunkten. Jener gehörte von
jeher zum Königreiche Böhmen, dieser ursprünglich zu
der Markgrafschaft Meissen und zwar jedenfalls zu dem
einstigen Gau Nisani. Denn während in kirchlicher Be-
ziehung Tollenstein mit seinen damaligen drei Kircliorten,
Rumburg, Schönlinde und Warnsdorf, stets und nachweis-
lich seit Mitte des 14. Jahrhunderts unter dem (Erz-) Bis-
thum Prag und zwar unter dem Dekanat Zittau stand, so
waren Schluckenau und die übrigen Kirchorte, Lobendau,
Schönau, Hainsbach, Georgswalde, Schirgiswalde, zufolge
der Meissner Kirchenmatrikel von 1495'^) unter das Bis-
thum Meissen und zwar merkwürdigerweise unter ganz
verschiedene erzpriesterliche Stühle gestellt. Wahrschein-
lich war dieser Theil des Gaues Nisani ebenso wie die
damalige Oberlausitz 1086 an Wiprecht von Groitsch und
nach dem Tode von dessen Sohn Heinrich 1135 wieder an
Böhmen zurückgelangt '*), bei welchem es seitdem ver-
blieb, während die Oberlausitz aufs neue an Meissen ge-
geben wurde. Wann und wie darauf dieses nördlichere
Waldgebiet mit den zu der Burg Tollenstein gehörigen
Ländereien vereinigt Avorden sei, wissen wir nicht.
Durch diese so gebildete grosse und ursprüng-
lich gewiss nur wenig angebaute Herrschaft Tollenstein-
Schluckenau führten seit ältester Zeit zwei wichtige
Handelsstrassen aus der Oberlausitz nach Böhmen, die
eine von Bautzen südlich auf Prag, die andere von Zittau
westlich auf Tetschcn zu nach der Elbe. Beide Avurden
beherrscht von der alten, auf steilem Bergkegel gelegenen
Steinl)urg Tollenstein. Kein Wimder, dass die Besitzer
derselben von frühester Zeit an gerade mit den beiden
genannten oberlausitzischen Städten in nachbarliche Händel
geriethen.
„MCCCXXXni iar czoch dese stat [Zittau] vz mit
") Vergl. Knothe, Untersuchungen über die Meissner Bisthunis-
matrikel, im N. Laus. Magaz. 1880. 286.
'*) Vergl. Knothe, Die politischen Beziehungen zwischen der
Oberlausitz und Meissen, in von Webers Archiv für die sächsische
Geschichte XII, 280 fgg.
Die ßerka von der Duba auf Hohnstein etc. 217
andern steten vnd geAvunnen das Hus Tolensteyn^^ '^).
Dies die älteste urkundliche Erwäluiung der Burg. Wem
dieselbe damals gehörte, erfahren wir nicht. Es ist eine
irrige Ansicht, dass die ältesten urkundlich genannten
Besitzer derselben die Berka von der Duba gewesen seien.
An einer Menge rein erfundener Namen fehlt es den Lokal-
historikcrn freilich nicht.") Vielmehr hatten mindestens
seit Mitte des 14. Jahrhunderts die Waj^tenherge und zwar
diejenige Linie^ welche auf den alten Stammgütern der
Familie, nämlich Wartenberg, Roll, Dewin sass, auch die
Burg Tollenstein und mehrere von den zugehörigen Ort-
schaften inne. 1361 und wieder 1367'^) präsentierte
Wanco (yVenzel) von Wartenberg, Obermundschenk von
Böhmen, Geistliche zur Pfarrei in Schönlinde ebenso,
wie er die Pfarrstellen zu Wartenberg, Oschitz, Schwabitz,
Brenn, Vogtsdorf etc. besetzte. Ihm folgten (1309) seine
Söhne Johann, Burggraf von Prag, Wenzel, Peter, Wil-
helm „und andere" "*) und präsentierten z. B. 1370 nach
Schönlinde (diesmal gemeinschaftlich mit ^A^ilhelm Hase
von Hasenberg\ 1390 nach Warnsdorf. *") 1397 wird der
älteste Bruder sogar „Johannes de Rumburg alias de
Wartenberg", 1396 der zweite Bruder „Wenceslaus' de
Wartenberg dominus in Tolstein" genannt.*')
Und dennoch gehörte gleichzeitig ein Theil der Herr-
schaft bereits den Berka von der Duba und zwar der auf
Hohnstein gesessenen Linie. 1359 *"■') präsentierte „^en-
ricxs dictus Berca de Duba" einen neuen Pfarrer nach
Holan, weil der bisherige, Johannes, die Pfarrei zu
Schluckenau erhalten hatte, wohin derselbe wohl von
Heinrich Berka berufen worden war. 1370 besetzte das
Pfarramt zu Rumburg „Henricus dictus Berca de Dul)a",
der 1390 bei gleicher Veranlassung noch deutlicher als
„dominus in llonstein et in Lippa" bezeichnet wird.*')
Seit Anfang des 1.5. Jahrhunderts verschwinden die Warten-
berge gänzlich aus der Herrschaft Tollenstein und die
") N. Script, rer. Ins. I, 7.
") Z. 13. Franz Bürckhoklt, Der Tollenstein (1867).
") Tingl, Lib. confirm. I, 115. Emier, Lib. conf. III, 87.
'•) Tingl V, 177.
»") Ebend. II, .SO. V, 3.3.
") Ebend. V, 292. 256.
»^) Ebend. I, 90.
") Ebend. II, 27. V, 2. Im Jahre 1368 war noch Opeczco von
Napticz Patron daselbst gewesen. I, 26.
218 Hermann Knothe:
Berka auf Holinstein crsclieinen nicht bloss in Ruraburg
als Patrone (z. ß. 1408 ^*), sondern auch zu Warnsdorf
(1404) und Schönlinde (1404, 1407 etc.), und 1405 (11. Aug.)
belohnte „Heinrich Berka von Hohnstein" die Gebrüder
Benedikt und Wenzel von Yba (Eibau) mit dem Gerichte
zu Seifhennersdorf.*^) Es wäre denkbar, dass die Bei'ka
einzelne Güter in ihrer Herrschaft Tollenstein an die von
Wartenberg verpfändet und um Anfang des Jahrhunderts
wieder von ihnen eingelöst hätten.
So werden es wohl auch die Berka gewesen sein,
welche ihrer Stadt Rumburg einen Salzmarkt ausgewirkt
hatten, der den oberlausitzischen Städten, namentlich Gör-
litz, grossen Verdruss verursachte, so dass deshalb (1390)
nicht nur Tage zu Löbau abgehalten, sondern auch Ab-
gesandte von Görlitz an ihren damaligen Erbherrn, Herzog
Johann von Görlitz, und auch nach Rumburg gesendet
wurden. Erst 1418 wurde dieser Salzraarkt von König
AVenzel wieder verboten.***)
Wie wir bereits oben (S. 200) erwähnt, wurde nun
1410 nach Hinkos IL auf Hohnstein Tode die gesammte
Herrschaft Tollenstein-Schluckenau unter dessen drei über-
lebende Söhne, Hinlo III. auf Hohnstein, Heinrich auf
Wilden stein und Johann auf Kreibitz vertheilt. Den
Hohnsteiner Antheil halben wir S. 216 specificiert; Johann
besass (S. 200) Antheil von Warnsdorf und Seifhenners-
dorf, alles übrige wird der Wildensteiner Linie angehört
haben. Die Burg; Tollenstein scheinen alle drei Linien
gemeinschaftlich besessen zu haben. Darum konnte sich
Johann auf Kreibitz schon 1422 und später bis 1453
„dominus in Tolnstein" nennen, ebenso wie Hinko HL von
Holmstein 1430*'), wo er dem Pfarrer zu Ottendorf zwei
Mark Zins auf Kunnersdorf wiederkäuflich überliess, „Herr
zum Hohnstein und Tollenstein" hiess und ebenso Albrecht
aus der Wildensteiner Linie 1±44 und später ^Seite 211)
als „zu Tollenstein" oder als „Herr zu Wildenstein und
Tollenstein" bezeichnet wird. Da vor 1444 kein Berka
ständig auf der Burg wohnte, war sie wohl immer der
'*) Bai bin, Mise. V, 302.
*') Böhm. Kronarchiv zu Prag, Kep. 207. Vergl. Uberlausitzer
Urk.-Verz. I, 158 No. 791.
*') Görlitzer Rathsreihnungen. llalhvich, Keichenberg (1872).
S. .33. Carpzov, Anal. If, 147.
") Hauptst.-Arch. Orig. 6157.
Die Berka von der Duba auf lloliiistoin etc. 219
Obhut eines Hauptmanns übergeben. 1408^^) war dies,
wie es scheint, Johann von Luttitz auf Schirgiswalde ;
1423 bat der dasige Hauptmann die Oberlau.sitzer in
Löbau um Hilfe gegen die Hussiten; 1428 wird ein ge-
wisser Miklisch ausdrücklich als Hauptmann zum Tollen-
stein bezeichnet, der bei einem Vergleich zwischen Bres-
lau und einem gewissen „Langeheinze" erwähnt wird/^)
1445 hatte ein ..Herr Ambrosius Burcsarius (?) von Dobri-
lug, als er auf dem Tollenstein selb viert gefangen sass,
dasselbe Schloss gewonnen und das Vorhaus verbrannt"
und war darauf glücklich nach Görlitz entkommen.'*")
Auch auf Burg Tollenstein sollte Herr A^hrecht Birke
nicht zur Ruhe kommen. Seit seine Frau gestorben war"'),
scheinen sich die Beziehungen zu seinem Schwiegervater
Wentsch von Dohna gelockert zu haben. Zwar klagten
noch 1450 die Biberstein auf Fricdland in Bautzen, dass
ihnen von Herrn Wentsch und Herrn Albrecht die Ver-
träge von 1444 (Seite 211) nicht gehalten Avürden*^); aber
schon 1452 beschwerte sich Wentsch vor dem Administrator
Böhmens, Georg Podiebrad, dass sein Schwiegersohn es
mit den Zittauern, seinen Feinden, halte. „Und er Albrecht
Birgke von dem Tholinstein, der hat syne helffer bie den
von der Zittaw; darum ich nicht anders verstehe, dann
das is sein getrib sey.""')
Ebenso erhoben sich alsbald allerhand neue Differenzen
mit dem Kurfürsten von Sachsen. Albrecht beanspruchte
trotz der Abtretung der Herrschaft Wildenstein noch immer
Zinsen von jetzt sächsisch gewordenen Dörfern, ja ganze
Waldungen, „etwa eine Meile breit von der Zeidlcrbach
Ijis an die Weissbach". Desgleichen hatten seine el»e-
maligen Erbunterthanen noch viele, sehr berechtigte An-
sprüche an ihn, wegen deren sie jetzt bei dem Kurfürsten,
als ihrem neuen Erbherrn, gegen Albrecht Klage erhoben.
Die Mannen verlangten Entschädigung wegen Pferden, die
sie in Albrechts Dienst verloren, wegen Bürgschaft, die
sie für ihn geleistet, und Erstattung der (Felder, die sie
»«) Balbiii, Mise. V, 302.
") Scultetus, Aiinales Gorlic. Mspt. II, 81 b.
•") Görl. Rathsrcchnungen.
•') Sie liegt in der Klosterkirclio /ii Zittau licgrabcii. liir
Leicheiistein besagt; ,,Aniin doniini 1 I l'.i (il)iit limicsta doiiiina Anna,
filia Venczli de Doniii, uxor domini All». deDuiia." Morawek, ZittuviaSO.
") Laus. Mag. 1776. 182.
") Palacky, ürknndl. Beiträge 54.
220 Hermann Knothe:
ihm geliehen. Die Bürger von Sebnitz und Leute vom
Lande verlangten Bezahlung für an Albrocht geliefertes
Heu, Bier, Hopfen. Der sächsische Amtmann auf Hohn-
stein und Wildenstein, Hans Kannenberger, an den sie
sich zunächst mit ihren Klagen wendeten, schrieb wieder-
holt deslialb an Albrecht und hatte Tage mit ihm; aber
derselbe zahlte nicht. Dafür beklagte sich Albrecht beim
Kurfürst über Kannenberger „wegen grosser Gedrängnis
und merklicher Ueberfahrung". So setzte ihm der Kur-
fürst einen Tag an. Allein die Ladung traf ihn nicht
daheim, da er eben in Prag auch hatte „vor Rechte stehen
müssen und grosse Nothgeschäfte hatte". So wurde ihm
(1456) ein neuer Tag nach Radeberg angesetzt®^), mit
welchem Erfolg, ist uns unbekannt. — Wohl infolge dieser
Differenzen hatte Albrecht schon den 20. Januar 1454
dem Kurfürsten jenen Vertrag von 1446 (S. 212), wo-
nach der Tollenstein dessen offenes Schloss sein sollte,
aufgesagt.'*)
Die ernstesten Gefahren aber beschwor Albrecht selbst
in Prag gegen sich herauf. Nach dem plötzlichen Tode
des jungen Königs Ladislaus (1458) war der bisherige
Gubernator Böhmens, Georg Podiebrad, zum Könige er-
wählt worden. In klugem Ento-egenkommen hatte sich
derselbe nicht nur mit seinen bisherigen Gegnern, dem
Kurfürsten Friedrich von Sachsen und dessen Bruder
Wilhelm, desgleichen mit dem Kurfürsten von Branden-
burg, ja mit Kaiser Friedrich III. ausgesöhnt und sogar
die Anerkennung von Seiten Papst Pius II. erlangt. Selbst
die katholischen Herren in Böhmen hielten jetzt ehrlich
zu ihm. Da fachte das masslose Verhalten des ursprünglich
königlichen Prokurators, jetzt päpstlichen Bevollmächtigten
Fantinus de Valle auf einem Iloftage zu Prag und die
darauf folgende Gefangennehmung desselben (August 1462)
den Kampf zwischen der Kompaktatenpartei in Böhmen
und der Curie aufs neue an.
Wohl als einer der ersten unter den böhmischen
Baronen fiel jetzt Alhrecht Birke, der alte Hussitenfeind,
sofort von König Georg ab und sendete Briefe mit Schmäh-
ungen auf ihn, als einen Ketzer, an „Fürsten, Herren und
Städte der Krone Böhmen", ja an den König selbst. Auch
'*) Nach Üriginalbriefen, Berichten, Konzepten im Hauptst.-Arch.
Orig. 751 ().
»») Ebend., Witt. A. Böhm. S. Grafen und Herren Bl. 77.
i>ie Berka von der I)uba aut' Hohnstein etc. i>2l
an die Sechsstädte der Oberlausitz muss er deren geschickt
haben; denn den 21. August 14G2 erliess König Georg
ein (zweites) Schreiben an dieselben des Inlialts, dass sie
nicht nur Albrecht und den Seinen keinen Beistand leisten,
sondern wenn man ihrer habhaft würde, sie zu des Königs
Händen gefangen nehmen sollten.®'') Als Albrecht hierauf
nach Prag vor das Hofgericht geladen wurde, leistete er
der Citation keine Folge, sondern rüstete sich zur Gegen-
wehr. Da beschloss denn auch der König, gegen den
widersetzlichen Vasallen mit Waffengewalt vorzugehen.
Den 29. Juni 1463"') erliess er an den Rath zu Görlitz
(und gewiss ebenso an die übrigen Sechsstädte) den Be-
fehl: — „so der edel Jan von Wartenberg, unser voit der
sechstete — euch von unsern wegen schreiben, tac:, stat
und zeit benennen wirt, das ir denn mit puchsen, pleiden,
wagen, zugehorimgeu und etlich den ewern im unvorzihen
zuzihet, solch sloss Tolstdn umbiegern helffet etc." Dem
Befehle folgte die Ausführung auf dem Fusse. Schon den
2. [?] Juli"*) begann der Landvogt mit oberlausitzischen
Truppen und mit Unterstützung von Heinrich Birke auf
Leipa die Belagerung der Burg. Nach kurzem Wider-
stände wurde sie genommen und zunächst mit oberlausitzi-
scher Besatzung belegt. Albrecht selbst scheint entkommen
zu sein. Er flüchtete nach Breslau, welches bekanntlich
dem König Georg nie gehuldigt hatte, und jetzt von dem
Erzbischof Hieronymus Landus, als päpstlichem Legaten;
in dem Widerstände gegen denselben bestärkt ward.
In des Legaten Interesse aber lag es nun, Alhrcc/it
Birke lediglich als einen Märtyrer seiner katholischen
Glaubenstreue darzustellen und Himmel und Erde in Be-
wegung zu setzen, um denselben wieder zum Besitze
seiner ihm wider alles Recht entrissenen Herrschaft zu
••) Obeilaus. Urk.-Samml., Msjit. : -Jörg — kojut? zcu Bubiiii.
f]rsanien, lieben, getruwen. Nachdem wir ucli vormals geschribeii
liaben, wie gröblich viul vast vngeborlich wi(h'r gliiluh; vnil cyiU'
sich All)recht Birke wider vns viid viiser krön geseczi hat, — hat
er darüber itzunt vns viid vnser königlichen wirde /cii smechuiig
etlichen vnser vnd vnser cronen fursten, hern vnnd steten vnd —
nch auch l)rive zcugesant, die vnser ere vnnd wirdc iriclit wenig
bernren. — So begeren wir an mh, — das yv demselben Allin'(bt<'ii
noch den sinen keine hulf nach biestant thut, huset adir luitit, —
sunder wo ir yn adir die sinen bi uch ankommt, zcu vnsern lianden
vffhaldet. 1462. Prag, Sonnal). nach St. Ludwigstag
•') Palac ky, Urk. Beitr. .".09.
"*) Script, rer. Siles. IX, 10.
222 Hermann Kiiotiie!
bringen. Sofort schrieb er — niclit etwa an den Laud-
vogt Jahn von Wartenberg, als einen Beamten des Ketzer-
königs Georg, sondern an die gut kathohsch gesinnte
Ritterschaft und Bürgerschaft von Bautzen und fragte an,
auf wessen Geheiss denn Albrechts Schloss „durch etlich
Volk belegt*' worden sei. Ihm antwortete am 14. Juli 1463 ®^)
der Landvogt selbst, die Belagerung sei erfolgt auf Gebot
des Königs; denn es sei landrüchtig, wie derselbe Herr
Albrecht rechtsflüchtig worden sei der Krone Böhmen
und aus allem Gehorsam getreten um seiner grossen Ge-
walt und Unrechts willen, das er an manchem Manne,
besonders auch an seinen eignen Unterthanen begangen,
indem er Witwen und Waisen gefangen habe, die noch
über ihn schrien, desgleichen wegen Treulosigkeit und
Meineid gegen seinen Erbherrn, den König. Wenn
Albrecht bei dem Legaten vorgebe, wie er von dem hei-
ligen Glauben der römischen Kirche gedrungen werde,
und wenn der Legat schreibe, dass derselbe gar ein
frommer und gehorsamer Sohn sei des heiligen römischen
Stuhles, so sei dagegen im ganzen Lande bekannt, dass
er ein ungetreuer Bösewicht sei, der sich aller Redlich-
keit entschlagen. Der Legat möge nur in Breslau selbst
nachfragen und werde das in Wahrheit also erfinden.
Darauf antwortete am (20. Juli 1463 '"") der Erzbischof dem
Landvogt, Albreclit sei soeben bei ihm gewesen, habe sich
entschuldigt und sich in allen Stücken seinem, als eines
apostolischen Legaten, Richterspruche unterworfen. Darum
solle auch der Landvogt sich aller Gewaltmassregeln gegen
Albrecht enthalten, sonst möge er der Verhängung geist-
licher Strafen gewärtig sein. Die Taktik des Legaten
ging nämlich, jetzt und später, dahin, den Streit zwischen
Albrecht Birke und dem Könige von Böhmen vor das
geistliche Gericht der Curie und ihres Legaten zu ziehen.
Infolge eines Schreibens, welches der Landvogt in dieser
Angelegenheit auch an den Rath zu Breslau gerichtet und
dieser dem Legaten mitgetheilt hatte, schrieb letzterer
(18. September 1463 *"') noch ein zweites Mal an den
Landvogt: Avenn sich derselbe über ehrenrührige Aus-
drücke Albrechts beschwere, so habe der Legat denselben
vor sich kommen lassevi und ihn ermahnt, sich anständig
»») Palacky, Urk. Beitr. 310 fg.
""•) Script, rer. Siles. VIII, 250 nach Escheuloer.
«»') Ebend. IX, 14.
J)ie Berka von der Puba auf Hohiistein etc. 223
zu verhalten. Dies habe Albrecht versprochen imd ge-
lobt, sich dum Ausspruche des Papstes über sein Verhalten
gegen den König und über die Entziehung des Tollensteins
durch den König unterwerfen zu wollen. Darum solle
auch der Landvogt nichts Feindseliges gegen Albrecht
unternehmen und ein Gleiches auch dem Könige selbst
ans Herz legen.
Inzwischen hatte aber der Legat über das Schicksal
Albrerhts bereits auch an den Papst berichtet, und so
klagte dieser am 2. Oktober 1463 *°^) dein Kaiser Friedrich,
dass König Georg den Tollenstein besetzt halte, weil der
Eigenthümer desselben, der katholische Baron Albrecht
Birke, dem Könige die Huldisfuno; verweigert habe, die
er demselben, als einem Ketzer, zu leisten nicht gehalten
sei. Und auch der Rath zu Breslau stellte am 19. Oktober
1463 '"^) dem Papste die Sache lediglich so dar, Albrecht
sei „von jenem treulosen Könige" nur deswegen aus seinen
Erbgütern hinausgeworfen worden, weil er ihm den IIul-
digungseid nicht leisten wolle. So sei nun Albrecht in
Breslau der Spott des Pöbels geworden, welcher höhnisch
rufe: „Seht, wie Herr Albrecht von dem päpstlichen
Legaten, zu welchem er seine Zuflucht genommen, unter-
stützt wird!"
König Georg aber liess nun im Juni (12?) 1464 '"^) auf
einem Hoftage zu Prag dem Alhrecht Birke von der
Duba, weil er sich eigenAvillig gegen das Landrecht auf-
gelehnt, Gegenwehr gerüstet, durch unehrerbietige und
schändliche Reden und Briefe den König oime (Irinul
geschmäht und hierdurch das Verbreclien laesae majestafis
begangen, wie dies Rechtens sei, ToUeustein, Sciiluckenau
und seine übrigen freien oder lehnhaften (Jüter förmlichst
absprechen und sprach dieselben sofort denjenigen Herren
zu, welche auf Befehl des Königs sich der Burg Tollen-
stein bemächtigt hatten, nändich Heinrich Jürke von der
Dube (auf Leipa) und dem Laiulvogt J((hn von W'arten-
herg auf Tetschen. Sofort aber erklärte dieser Heinrich
Birke, dass er „all sein Recht, das er infolge dieser
königlichen Schenkung an den Gütern Tullenstein und
Schluckenau nebst Zubehör tulangt iiabe", an den Laud-
vogt Jahn von Wartenberg abtrete.'"*)
'»») Palacky, Urk. Beitr. .32.'].
'"») Script, rer. Siles. IX, 17.
'»*) Archiv cesky III, 351 lg.
•»») Emier, Keliq. tab. terr. Boh. II, 330.
224 tiermanii lüiotiie:
Diessr Heinrich Birke auf Leipa geliörte nicht jener
Linie der Berka auf Hohnstein, welche (S 195) Ende
des 14. Jahrhunderts auch Leipa besessen liatte, sondern
einer Nebenlinie der Berka auf Duba und Husky an, von
welcher ein Heinrich, genannt Dubsky, zuerst gegen Ende
des 14. Jahrhunderts die Burg Mühlstein mit Böhmisch-
Zwickau und Reichstadt, seit etwa 1426 aber auch Leipa
an sich gebracht hatte. Sein Sohn, der hier genannte
Heinrich, war Hussit und hatte die Witwe Siegmunds von
Wartenberg (gestorben 1439), Agnes von Sternberg, die
Mutter des jetzigen Landvogts der Oberlausitz, geheiratet. *"*')
Er war also der Stiefvater von Jahn von Wartenberg,
hatte als solcher denselben bei dem Feldzuge gegen Tollen-
stein unterstützt und trat ihm jetzt das dadurch erworbene
Anrecht auf die Herrschaft Tollenstein-Schluckenau frei-
willig ab.
Gegen die Ueberlassung dieser Herrschaft an Jahn
von Wartenberg durch den König erfolgte allerdings (auf
dem Quatembergerichtstage der Barone zu Prag 1465 "*')
noch von anderer Seite her ein Protest, nämlich von Shinko
Berlxa von der Duba auf Lämherg bei Gabel, welcher
beantragte, man möge zu den Akten nehmen, dass er
schon früher Ansprüche auf Tollenstein und Zubehör er-
hoben habe, die er vor Gericht zu erweisen gern bereit
sei; da dies aber nicht der Wille Seiner Majestät sei; so
müsse er als Unterthan warten und bitte nur darum, sein
Recht wahren zu dürfen. Und in der That hatte derselbe
Sbinko schon 1460 (wohl vielmehr 1464) gegen die
Schenkung des Tollensteins an Jahn von Wartenberg pro-
testiert'"*) und erklärt, „dass er auf diese Güter ein
bessres Recht habe, als selbst Albrecht Birke oder irgend
jemand nach ihm"; er sei bereit, dies vor dem Könige
und den Baronen zu erweisen. Auch dieser Sbinko Berka
Staramte aus der Hauptlinie Husky und zwar von einem
jüngeren Bruder des soeben erwähnten Heinrich Dubsky
auf Mühlstein, der ebenfalls Heinrich hiess und Antheil
von Gabel und Lämberg erworben hatte Worauf sich
aber das „bessre Recht" Spinkos gründete, wissen wir
nicht.
'"") Franz Focke, Aus den ältesten Geschichtsgebieten Deutsch-
Böhmens (1879) I, 130.
'"') Archiv cesky I, 4-tO.
»«») Emier, Rcliq. II, 330.
Die Berka von der t)uba auf Hohnsteiu etc. 225
Der neue Inhaber der Herrschaft Tollenstein-Schlucke-
nau, Herr Johann vou Wartenberg auf Tetsclicn, seit
1459 Landvogt der Oberlausitz, sollte sich dieses seines
Besitzthuuis nicht lange erfreuen. Er starb schon den
19. November 1464 zu Bautzen. Seine beiden Söhne
theilten sich in die väterlichen Güter dergestalt, dass der
ältere, Siegmund, Oberschenk von Böhmen luid später
(1490— 1504) ebenfalls Landvogt der Oberlausitz, Tetschen,
der jüngere, Christoph, dagegen Tollenstein und die alten
Stannngüter der Familie, nämlich Wartenherg, Roll, Deivin,
die seit den Hussitenkriegen an die Tetschner Linie ge-
langt waren, erhielt. Christoph wohnte auf der Burg
Dewin; sein Hauptmann auf dem ToUeustein war Christoph
von Hermsdorf, Lehnsinhaber von Rumburg und deshalb
gewöhnlich als „Christoph von Kumburg" bezeichnet. —
Die bald darauf erfolgende Aenderung in den kirch-
lich-politischen Verhältnissen Böhmens und seiner Neben-
länder sollte auch für Tollenstein verhängnisvoll werden.
Ende 1465 hatte Papst Paul IL die Unterthauen König-
Georgs des demselben geleisteten Eides entbunden, da er
ein Ketzer sei. 1466 hatte er ihn gebannt und aller seiner
Würden entsetzt. Der katholische Herrenbund, an der
Spitze Zdenko von Sternberg, sagte ihm den Gehorsam
auf, und von Breslau aus setzte der Bischof Riulojph von
Lavant, jetzt päpstlicher Legat daselbst, alles in Bewegung,
um auch die Nebenländer der Krone Böhmen zum Abfall
von dem Ketzerkönige zu bewegen. Die Androhung von
Bann und Interdikt bestimmte endlich (1467) auch die
Oberlausitz, von König Georg abzufallen. Der bisherige
Landvogt Benes von Kolowrat (1464—67), ohnehin wegen
allerhand Gewaltthätigkeiten allgemein verhasst, wurde
auf Anordnung des Legaten Kudüli)h abgesetzt und
(Pfingsten 1467) Jaroslaus von Sternberg, ein Solu»
Zdenkos, als einstweiliger Landvogt „aufgenommen".
Unter diesen jetzt entschieden günstigeren Verhält-
nissen erneuerten von Breslau aus AUrredit Birke und seine
geistlichen Gönner sofort auch die Bemühungen um Wieder-
erlangung des Tollensteins. Den 29. März 1467 '"") erliess
der Legat Rudolph ein Schreiben an die Pfarrer zu
Bautzen und Zittau des Inhalts: da, wie bekannt, Albrccht
Birke, Herr auf Tollenstein, durch den Anmasser und
Ketzer Gt'org von Podiebrad verurtlieilt und auf dessen
'"*) Douiarchiv Bautzen.
Neues Archiv f. ö. O. u. A. U. 3.
15
226 Hermann Knothe:
Befehl des Schlosses Tollenstein und anderer Besitzungen
beraubt worden sei und diese durch gewisse Leute,
Christoph Hermsdorf von Rumburg, Hauptmann auf Tollen-
stein, Johann Luttitz von Schirgiswalde und Siegmund
Heinwald von Königswalde, wider Recht besetzt gehalten
würden, so befehle der Legat jenen Pfarrern, diesen
Occupanten mit geistlichen Strafen zuzusetzen und dem
Albrecht Birke zur Wiedererlangung des Tollensteins be-
hilflich zu sein. — Desgleichen wendete sich der Legat
schriftlich an die Söhne des verstorbenen Landvogts Jahn
von Wartenberg mit der Aufforderung, den Tollenstein
an Albrecht wieder abzutreten, und bedrohte, falls sie dies
binnen einer gewissen Frist nicht thäten, sie selbst mit
dem Bann, die ganze Herrschaft aber mit dem Interdikt.
Vergeblich entgegneten die Brüder von Wartenberg, die
Herrschaft Tollenstein sei rechtmässio- dem Albrecht Birke
ab- und iln-em Vater zuerkannt, von diesem eine Zeitlang
ruhig besessen und darauf auf sie, seine Söhne, vererbt
worden."") So erfolgte denn in der That, wir wissen
nicht genau wann, von selten des Legaten die Verhängung
des Interdikts über die ganze Herrschaft Tollenstein-
ScMuckenau.
Kein Wunder, dass durch alles dies auch bei den
Wartenbergen die alte hussitische Feindschaft gegen die
katholisch gesinnte, dem päpstlichen Legaten ergebene,
von König Georg abgefallene Oberlausitz wachgerufen
wurde. So entbrannte die alte Wartenherger Fehde be-
sonders gegen die Stadt Zittau aufs neue. Eben damals
belagerten die Ober- und Niederlausitzer den hussitisch
gesinnten Friedrich von Schönburg in seinem Schlosse
Hoyerswerde. ' ' 'j Da unternahmen denn auch die War-
tenberge und ihr Anhang, gegen 800 Mann zu Fuss imd
100 Mann zu Ross, unter Anführung ihres Hauptmanns
auf Tollenstein, Christoph von Rumburg, einen Raubzug
in das Zittauer Gebiet, plünderten und brannten in Gross-
hennersdorf mid Oberseifersdorf und trieben das erbeutete
Vieh in der Richtung nach dem Tollenstein zurück. Allein
die Zittauer hatten eiligst all ihre waffenfähige Mann-
schaft aufgeboten und sich am breiten Berge zwischen
Hörnitz und Grossschönau in den Hinterhalt gelegt. Von
"") Schreiben der Herzöge Ernst und Albredit von Sachsen.
Hanptst.-Arcli., Witt. Arch., Bölini. S. Orte Bl. 215 fg.
'") Vergl. von Webers Archiv für die Sachs. Geschichte X, 265.
Die Berka von der Dnba auf Holiiistein etc. 227
da überfielen sie plötzlich die vorüberziehenden Feinde, er-
schlugen deren 120 und jagten die übrigen in die Flucht
(18. November 1467;.''"')
Als nun (29. August 14G8) das halsstarrige Hoyers-
werde glücklich in die Hände der vereinigten ober- und
niederlausitzischen Truppen gefallen war, plante der Legat
Rudolph zu Breslau auch einen Angriff auf das dem
Albrecht Birke entrissene Tollenstein. Er hatte an den
Landvogt von Sternberg und ebenso an die Stände der
Oberlausitz geschrieben „von wegen Er Cristoffs von
Tetzin^'. Sternberg hatte darauf Schreiben mit diesem
Christoph von Wartenberg gewechselt, jedenfalls um ihn
abermals zu gutwilliger Abtretung des Tollensteins zu ver-
mögen. Wartenberg hatte dem Landvogt und den Ober-
lausitzern überhaupt „fast viel Unglimpf zuzumessen und
sein [eignes] unchristliches Vornehmen zu billigen ver-
meint". Am 28. Februar 1469 schrieb Sternberg an den
Legaten, er gedenke diese Briefe Wartenbergs dem
nächstens zu berufenden Landtage vorzulegen und mit
demselben zu berathen, Avas zu thun sei. „Meine mey-
uung nit anders gewest, denn sy [die Wartenberge] durch
getwang zu gehorsam der heiligen römischen kirchin zu
brengin". Wenn der Landtag ihm zustimme, gedenke er
]>ereits den 3. März im Felde vor Zittau zu sein und tags
darauf über das Gebirge gegen den Tollenstein zu ziehen. ' ")
Damals unterblieb der Zug noch.
Bald darauf erfolgte (3. Mai 1469) der Friede zu
Olmütz, infolge dessen Schlesien und die beiden Lausitzen
den König Mathias von Ungarn als ihren Herrn und als
rechtmässigen König von Böhmen anerkannten. Der Land-
vogt Sternberg schrieb an die "W artenberge, ob sie diesen
Frieden halten wollten. Die Antwort lautete, wie zu er-
warten war, sie wollten von demselben nichts wissen.
Schon den 19. Mai meldete Sternberg dies nach Görlitz
mit dem Befehl, sofort „eine Wehr gegen unsere Feinde
zu bestellen" und dieselbe zum Pfingstsonntage nach
Bautzen zu schicken, wohin er auch den Landtag berufen
habe. Die Stände scheinen keineswegs so hitzig gewesen
zu sein, als der Landvogt. Am 20. Juli erging an Görlitz
ein zweites Mal der Befehl, Heerfahrt ausrufen zu lassen
und sich in Kriegsbereitschaft zu halten; allein erst nach
'«») N. Script, rer. Ins. T. 89.
' '») Tiilacky, Urk. Beitr. 564.
228 Hermann Knothe:
einem noclimaligen Aufgebot (20. August "*) wurde es
Ernst mit dem Ztige gegen den Tollenstein.
Zittau sollte der Sammelpunkt sein sowohl für die
ober- als niederlausitzischen und sclilesischen Truppen,
welche auf Anordnung des Legaten zu diesem Zwecke
sich hier vereinigen sollten. Die Oberlausitzer trafen zu-
erst ein. Da langte (27. August) durch den Landvogt die
Nachricht an, dass „die Frau von Tetschen (die Witwe
Jahns, die Mutter Christophs von Wartenberg) mit all den
Ihren eines Friedens begehre" auf ein oder zwei Jahre
bis zum Austrage des Krieges; sie wolle stille sitzen, auch
die Güter, die der Landvogt inne habe (Schirgiswalde ?),
hintansetzen und alle Gefangenen losgeben. Der Beschluss
hierüber Avurde ausgesetzt bis zur Ankunft der Schlesier
unter der Führung des Franz vonHag. * ' *) Diese aber wollten
vor allem die Schlösser Skal und Kost entsetzen; so zog
das vereinigte Heer südlich bis gegen Reichenberg, von
wo man in nicht eben rühmlicher Weise wieder umkehrte.
„Allein die Sechsstädte imd die (Nieder-) Lausitzer wur-
den da zu Rathe und herannten den Tollenstein und lagen
da drei Tage oder vier." ^*^) Während also die Ober-
und Niederlausitzer allein ohne die Schlesier, die sich
sofort zerstreuten, etwa 1000 Mann stark unter Anführung
des Landvogts Sternberg den Tollenstein belagerten, er-
schien plötzlich (6. September) unter dem Herzog Heinrich
von Münsterberg, dem Sohne König Georgs von Böhmen,
ein feindliches Heer südlich von Zittau, drang bei Klein-
schönau über die Neisse und rieb, ehe die Truppen von
Tollenstein her zu Hilfe kommen konnten, die eiligst aus
der Stadt entgegen gesendeten Bürger völlig auf. So
wurde die Belagerung des Tollensteins eiligst aufgehoben.
Derselbe blieb den Wartenbergen erhalten. Für Albrecht
Birke aber ward die diesmal fast sichere Hoffnung auf
Wiedererlangung abermals in unbestimmte Zukunft hin-
ausgerückt, keineswegs aber aufgegeben.
Auch die Wartenberge wünschten jetzt ernstlich
Frieden mit den Oberlausitzern. Den 6. Februar 1470
befanden sie sich in Bautzen, um gütliche Verhandlung zu
pflegen. Wie es scheint, war das zur Herrschaft Tollenstein
"*) Palacky, Urk. Beitr. 599.
"*) Elienil. 005.
"•) N. Script, rer. Ins. I, 93. 203. Pescheck, Geschiclite von
Zittau II, 537. Eschenloer II, 181 fg.
Die Berka von der Diiba auf lloliiisteiu etc. 229
gehörige und von einem Zweige der Familie von Luttitz
zu Lehn besessene Gut Schirgiswalde im Laufe dieser
Fehden von den Lausitzern besetzt und dem katliolisch
gesinnten Wenzel von Polenz, dem Amtshauptmann des
Landvogts, gegeben worden. Derselbe begehrte jetzt
wiederholt (Februar und 23. März 1470) vom Landvogt
Hilfe, um Schirgiswalde „halten" zu können.**^)
Am 22. März 1471 starb König Georg. Ihm folgte
in Böhmen der polnische und daher katholische Prinz
Wladislaus. Schlesien und die Lausitzen blieben vorerst
noch bei Ungarn. Die Hussitenkriege hatten nun ihr
Ende erreicht. Das Reich Böhmen ging endlich wieder
ruhigeren Zeiten entgegen.
Aber die Nach wehen der jahrelangen inneren Kriege
machten sich noch allenthalben geltend. Auch die einst
so reichen Wartenberge aus dem Hause Tetschen steckten
jetzt tief in Schulden. Christoph von Wartenher g auf
Dewin „wusste nicht, wie er jetzt solle seine Gläubiger
bezahlen". Da bot er die Herrschaft Tollenstein- Schlucke-
iiau den Brüdern Ernst und Alhrecht, Herzögen von
Sachsen, zum Kauf an. Dieselben gingen vorsichtig zu
Werke. Christoph hatte 10000 Schock Schwertgroschen
verlangt. Der sächsische Unterhändler erhielt Befehl,
7000 zu bieten, genaue Auskunft über die Erträge und
die sonstigen Verhältnisse der Herrschaft sich zu verschaffen
und eventuell eine sichere „Gewähr" über den erfolgten
Kauf zu verlangen. Die Herzöge würden die Güter be-
sehen lassen und sie kaufen, „wenn es ihnen dieiüich
sei"."*) Man einte sich endlich auf 8300 Schock Schwert-
groschen, welche ratenweise abgezahlt wurden, und so
stellte denn Christoph von Wartenberg am 3. Dezember
1471 auf seiner Burg Dewin die Verkaufsurkunde über
„Schloss und Herrschaft Tollenstein und das Land und
Stadt Schluckenau" aus. Sein bisheriger Hauptmann da-
selbst, Christoph von Rumburg, musste die Erbunterthancn
an die neuen Herren weisen.*"*) So war denn jetzt auch
die dritte der einst ßerka'schen Herrschaften und somit
auch der bisher noch böhmische Theil des einstigen Gaues
Nisani an die Markgrafen von Meissen gelangt.
In Prag war man über diese neue Erwerbung derselben
'") Palacky, Urk. Beitr. 620. 625.
"») Hauptst.-Arch., Witt. Arch., Böhm. S. Orte Bl. 213.
"•) Hauptst.-Arcb. Orig. 8135. 8160. 8185. 81<)8.
230 Hermann Knothe.
im Königreich Böhmen nicht eben erfreut und grollte
deshalb den Käufern, wie dem Verkäufer. Zdenko von
Sternberg, jetzt königlicher Rath, hatte wohl in diesem
Sinne an Ernst und Albrecht von Sachsen geschrieben.
Diese antworteten, die bisherigen Kriegshändcl in Böhmen
seien sie gar nichts angegangen. Der ToÜL-nstein sei ihnen
von Christoph von Wartenberg angeboten worden; sie
hätten ihn bezahlt, in Besitz genommen und die Huldigung
von den Unterthanen erhalten. Sie glaubten, hiermit gegen
niemand Verstössen zu haben, würden sich auch gegen
den König von Böhmen also verhalten, dass ihnen nichts
zu verweisen sein solle. Wenn man aber mit dem von
Tetschen zu sprechen habe, so werde sich dieser wohl zu
verantworten wissen. ^^") König Wladislaus aber schrieb
(6. Februar 1472) an die sächsischen Brüder, er wolle den
Kauf dem Christoph von Wartenberg „in keinem Argen
vermerken"; bei einer persönlichen Zusammenkunft mit
den Herzögen wolle man sich gütlich unterreden und
vertragen. ''^^)
Als erster sächsischer „Amtmann" wurde Ulrich von
Rechenberg auf den Tollenstein gesendet. Er fand die
Burg sozusagen völlig leer. Christoph von Kumburg hatte
beim Abzüge alle etwaigen Vorräthe mitgenommen. In
einzelnen Dörfern (Lobendau imd Hilgersdorf) weigerten
sich die Unterthanen, gewisse Hofedienste zu thun, die sie
doch unter Albrecht Birke gethan hatten; so musste (1472)
der Amtmann mit Pfändung gegen sie vorgehen.'*") In
andern dagegen (Zeidler) erhielt er Befehl, die Gemeinde
„eine Zeitlang frei sitzen zu lassen, damit sie desto besser
bauen und wieder anrichten möchten", oder (Nixdorf)
„ihnen für diesmal das Zinsgetreide zu erlassen".''^*)
Noch aber stand die ganze Herrschaft, wovon man
am kurfürstlich sächsischen Hofe erst durch den neuen
Amtmann Kunde erhalten hatte, noch unter dem hiter-
Jikt, welches der Legat Rudolph von Breslau aus über
dieselbe verhängt hatte (S. 226). Die herzoglichen Brüder
von Sachsen wendeten sich daher zunächst schriftlich
mit der Bitte nach Breslau, dies Interdikt jetzt unter
'*•) Entwurf ohne Datum. Hauptst.-Arcli., Witt. ArcL., Böhm. S.
Orte Bl. 214.
'=") Ebeiul. Bl. 210.
'") Ebend. Bl. 209. 211.
'") Hauptst.-Arch. , Witt. Arch., Regieruiigssacheu. Loc. 4367.
„Eyii registrature'^ Bl. 30. 103.
Die Berka von der Duba auf Hohiistein etc. 231
den völlig veränderten Besitzverliältnissen wieder auf-
zuheben. Der jetzt Biseliof von Breslau gewordene
Rudolph verweigerte dies und schöpfte vielmehr summt
seinem Schützling, Albrecht Birke, sofort neue Hoffnungen
auf Wiedererlangung des Tollensteins. Darauf sendete
man von Dresden einen „Prokurator" nach Breslau und
zwar an den daselbst als päpstlicher Legat sich auflialten-
den Kardinal von St. Marcus, Patriarch von Aquileja, um
jene selbige Bitte jetzt bei dieser höheren Instanz vor-
zubringen. Aufs neue gedachte man in Breslau mit der
rein kirchlichen Frage des Interdikts auch die Entscheidung
der weltlichen Frage wegen des rechtmassigen Besitzes
des Tollensteins vor das geistliche Forum zu ziehen. So
meldete jetzt Albrecht Birke seine Ansprüche bei dem
Kardinal an, da er nur um seines katholischen Glaubens
willen von dem Kctzerköuige vertrieben worden sei und
citierte sowohl die Witwe Jahn von Wartenbergs, als die
Herzöge von Sachsen, die jetzigen Besitzer von Tollen-
stein, zu rechtlicher Entscheidung vor den Kardinal. Da
schickte man von Sachsen aus einen anderen Prokurator
nach Breslau mit der Erklärung, einer Untersuchung der
kirchlichen Frage wegen des Interdikts wolle man sich
wohl unterwerfen und schlage als Konuiiissar zu diesem
Zwecke den Abt von Altzelle vor, protestiere aber gegen
den Bischof Rudolph. Die Besitzfrage dagegen sei eine
rein Aveltliche und gehöre vor den obersten weltlichen
Richter jener Güter, nämlich den König von Böhmen. '^*)
Als man in Breslau hierauf abermals nicht einging, be-
absichtigte das sächsische Kabinet, sich in dieser An-
gelegenheit direkt an den Papst Sixtus VI. zu wenden;
wenigstens ist ein Bruchstück von dem Entwürfe einer
solchen Appellation an denselben vorhanden. '"^^) Wie und
wann endlich das Interdikt doch noch aufgehoben worden
ist, haben wir nicht erfahren können.
Jedenfalls aber hatten die Herzöge von Sachsen der
Citation nach Breslau vor das Tribunal des Kardinals
nicht Folge geleistet. Die Hoffnungen Albrecht Birkes,
auf diesem Wege endlich doch wieder in den Besitz des
'^') Entwurf eines Schreibens ohne Datum an gewisse, nicht
genannte geistliche Herren in Schlesien, welche die Aufliebung des
Interdikts beim ratriarchon befürworten sollten. Hauptst.- Archiv,
Witt. Arch., Böhm. S. Orte Bl. 215, und Regierungssachen No. 2 Bl. 168.
'") Ebend. Bl. 217.
232 Hermann Knothe:
Tollensteins zu g-elangen, waren abermals g-esclicitert. Da
riethen ihm sowohl der Bischof Rudolph, als der Patriarch
selbst, sich direkt an die sächsischen Fürsten zu wenden,
ob er vielleicht auf gütlichem Wege wenigstens etwas
erlangen könne. So schrieb derselbe (18. Oktober 1473)
ein kurzes Briefchen an dieselben, worin er den Priester
Johann Seydo als seinen Abgeordneten accreditierte, „dem
er befohlen habe, aus etlichen Sachen mit ihnen zu reden
von seiner Güter wegen". ^'■'^)
Am 2.5. Oktober 1473 nahmen einige sächsische Räthc
die Werbung desselben entgegen. An die weitläufige Dar-
stellung des ganzen Verlaufs der Angelegenheit schloss
er die Bitte, die Herzöge möchten Albrecht Birke „gnädig
bedenken und ihm etwas einthun [d. h. überweisen], darauf
er sich enthalten möchte". Da sie ja auch „einen Amt-
mann von Tollenstein müssten haben, so getraue er sich,
ihnen also nütze allda zu sein, als sie sonst einen Amt-
mann haben möchten. Er wolle sich getreulich gegen sie
halten. Auch wisse er noch etliche Bergwerke und Salz-
quellen, die wolle er ihnen auch offenbaren". Die säch-
sischen Räthe antworteten hinsichtlich der Rechtsfrage, sie
hofften die Herrschaft Tollenstein mit Recht wohl zu
behalten gegenüber den Ansprüchen Albrechts. Darauf
fragten sie den Abgeordneten vertraulich („als von sich
selbst"), was seine Meinung sei, damit Herr Albrecht
zufrieden würde; „ob man ihm etwas einthun solle; etwa
auf Lebenszeit oder wie?" Jener antwortete, „man solle
Albrecht etwas einthun, für ihn und seine Erben, dass er
nicht erbelos bliebe". Darauf entgegneten die Räthe, da
die Fürsten die Herrschaft ohnehin zu theuer erkauft
hätten und mit Schaden besässen, so versähen sie sich
kaum, dass man etwas erblich herausgeben würde. „Damit
ist er von dannon geschieden".**')
Man wird dem einstigen Besitzer zweier grosser
Herrschaften ein gewisses Mitleid nicht versagen können,
der jetzt, wo alle Hoffnung, wieder zu seinen Gütern zu
gelangen, sich als vergeblich erweist, in seinem Alter sich
entschliesst, fremder Herren Brot zu essen, sich erbietet,
Amtmann auf der Herrschaft zu sein, die einst ihm ge-
hörte, und natürlich auch dies nicht erreicht. Mit den hier
erwähnten Erben Albrecht Birkes dürften wohl die „Brüder
'") Hauptst.-Arch., Witt. Arch. Regierungssachen No. 2 Bl. 168.
'") Ebendaselbst.
Die ßerka von der Puba auf Hohnsteiii etc. 233
Benesch und Christoph Berka" gemeint sein, welche 1495
den Nikolaus von Dohna auf Grafenstein wegen einer
Forderung von 400 Schock Groschen verkhxgten, welche
„ihr Vater Albrecht Berka von der Duba'' von des Niko-
laus Vater, Wentsch von Dohna, zu beanspruchen berechtigt
gewesen sei.'''*) Von Albreclit selbst aber haben wir seit
1473 nichts weiter vernommen.
Die Stellung des sächsischen Amtmanns Ulrich von
Rechenberg war, zumal im Anfange, keine leichte gegen-
über nicht nur, wie schon erwähnt (S. 230), den neuen
Amtsbefohlenen, sondern auch den benachbarten böh-
mischen Herren und den oberlausitzischen Städten. Bald
waren Amtsbefohlenen von Schluckcnau durch Leute des
von Smierizky auf Habichtstein Pferde geraubt worden,
welche der Amtmann jedoch durch Vermittlung des Jaroslaus
Birke von der Duba auf Leipa zurückerhielt. Er benutzte
die Gelegenheit, dem Leipaer Hauptmann zu versichern,
wie er von seinen Herren keinen anderen Befehl habe,
als „sich gegen alle Umgesessenen freundlich und in fried-
lichem Wesen zu halten". '^') Bald waren Bürger von
Zittau auf offener Strasse beraubt und der Raub durch
Tollensteiner Gebiet auf Tetschen getrieben, aber von den
nacheilenden Zittauern Avieder abgenommen worden, wes-
halb sich der Amtmann Verhaltungsbefehl erbat. '^°) Der
oft genannte Christoph von Hermsdorf auf Rumburg, dem
von den Herren von W artenberg beim Verkaufe von Tollen-
stein die Anwartschaft auf das Lehngut Schönau bei
Schluckcnau ausbedungen und von den sächsischen Räthen
zugesichert worden war, war in Händel mit Zittau ver-
wickelt, in dessen Weichbild er ebenfalls Güter, nämlich
Antheil von Hirschfelde und das Dorf Rohnau, besass. Er
schrieb an die sächsischen Herzöge, er wollte gern seine
wüsten Güter im Tollcnsteinschen wieder bauen und
bessern, möchte aber zuvor wissen, ob er dies unter dem
Schutz seiner neuen Lehnsherren auch sicher wagen dürfe.
Diese Zwistigkeiten, wegen deren der Rath zu Zittau
wiederholt an den Amtmann, die Herzöge, ja sogar au
König Mathias von Ungarn zu schreiben sich genöthigt
'*») Enilcr, Reliq. talt. tcrr. Boh. I, 152.
•") llauptst.- Archiv, Witt. Archiv Loc. 4367, Befehd. Bl. 303
ohne Jahr.
'»") Ebend. Bl. 303.
234 Hermann Knothe:
sab, dauerten bis 1480. *'') Ganz besonders aber maclite
dem Amtmann die sogenannte Luttitzsche Fehde gegen
Zittau zu schaffen. Zu der Zeit, wo die Oberlausitz unter
ihrem Landvogt auf Befehl König Georgs den Achtsbefehl
gegen den aufständischen Albrecht Birke auf Tüllenstein
zu vollstrecken hatte (1463 — 64, S. 221), war auf Be-
fehl des damaligen Hauptmanns zu Bautzen, Wenzel von
Polenz, von Zittauer Truppen ein Hof zu Oderwitz,
welcher Nickel von Luttitz auf Schirgiswalde, einem
Vasallen und Anhänger AUirechts, gehörte, abgebrannt
Avorden. Um 1476 begehrte nun dessen Sohn, Haus von
Ivuttitz, der inzwischen das seinem Vater weggenommene
Schirgiswalde wieder erhalten hatte, nachträglich Ent-
schädigung für jenen Brandschaden, kündigte der Stadt
Fehde an, raubte zu Oderwitz und (Spitz-) Kunnersdorf
an 1400 Stück Vieh und begehrte von den Herzögen von
Sachsen, als seinen jetzigen Lehnsherren, Unterstützung
seiner Ansprüche. Unendliche Schreiben wurden seitdem
bis 1481 von dem Rathe zu Zittau gewechselt mit dem
Amtmann von Tollenstein, den Herzögen, dem ober-
läusitzischcn Landvogt, der damals leider meist in Breslau
residierte, endlich selbst mit König Mathias. Rechtstage
Avurden anl)craumt und verschoben und Waffenstillstände
vermittelt und verlängert, ohne dass wir aus den vor-
liegenden Schriftstücken den endlichen Austrag der Sache
kennen lernen. ''*'•)
Mochten schon alle diese Händel den Brüdern Ernst
und Albrecht von Sachsen den Besitz von Tollenstein-
Schluckenau viclfacli verleiden, so blieben auch die finan-
ziellen Erträgnisse der Herrschaft weit hinter den gehegten
Erwartungen zurück. Daher überliessen sie 1475 die ganze
Herrschaft ihrem Amtmann Ulrich von Rechenherg auf
sechs Jahre zu eigner Bewirthschaftung. Sich selbst be-
hielten sie nur die Revenuen aus der „weltlichen" Ge-
richtsbarkeit, den Teichen, Schäfereien und Wäldern vor,
über welche der Amtmann ihnen Rechnung ablegen sollte-
Alle sonstigen Gefälle an Zinsen, Getreide, Hühnern, Eiern,
Zöllen, Geleiten, sowie das gesammte „Ackerwerk, Fischerei
in den Flüssen und Bächen, Viehzucht und Milchwerk"
sollte Rechenlierg für sich haben und dafür nur das Schloss
Tollenstein, sowie die herrschaftlichen Höfe und Vorwerke
'*') Hauptst.-Arch., Witt. Arch., Oberlaus. Sach. Bl. 101, 129 fgg.
'") Hauptst.-Arch., Witt. Arch., Böhm. Sach. Bl. 111 fgg.
Die Berka von der Duba auf Hohnstein etc. 235
im Stande erhalten, Knechte und Gesinde beköstigen und
lohnen.'^') Es war dies also eine Verpachtimg ohne
jeden Pachtschilling, lediglich gegen Uel)ernalnne dor Ver-
Avaltungsk(jstcn.
Kein Wunder, dass, als dieser Pachtvertrag 1481 zu
Ende ging, die Eigenthümer die so schlecht rentierende
Besitzung ganz zu veräussern suchten. Als Käufer fand
sich der sächsische Obcrmarschall Nagold von Schleinitz
auf Schleinitz und Kriebstein, ein sehr wohlhabender Herr.
Den 27. Mai 1481 '*') wiesen die herzoglichen Brüder die
ehrbare Mannschaft, die Bürger von Schluckenau , sowie
die sämmtlichen Dorfgemeinden an den neuen Besitzer.'^*)
Hugold von Schleinitz hatte die Herrschaft nicht sowohl
für sich selbst, als für seinen ältesten Sohn Heinrich ge-
kauft. Daher wiesen die Herzöge (den 8. November 1482)
diesen Heinrich von Schleinitz .,und seine Brüder" „mit
dem Schlosse Tollenstein und Schluckenau" behufs der
Belehnung oder Einlegmig der Güter in die Landtafel an
'") Hauptst.-Arch. Cop. 59 fol. 194b.
'*') Ebeud. Cop. (511 fol. 42b. Nach dcai Ivaufbriefe und der
Kaufsumme haben wir vergeblich geforscht.
'*■*) Der von uns oft scliou erwähnte Christoph von Hermsdorf
auf Rumburg gerieth alsbald, wir wissen nicht weshalb, in Streitig-
keiten mit dem neuen Lehnsherrn, Hugold von Schleinitz. dem er
die Erbhuldiguug zu leisten sich weigerte. Er verklagte denselben
bei dem Gericht vor dem rotheu Thurme zu Meissen, musste sich
aber endlich doch entschliessen, ihm seine liehngüter Kumburg,
böhmisch Seifhenuersdorf und Ehrenberg zu verkaufen. (Mencke,
Script, n, 1460, 1599.) So gelangte die lange Zeit verlehnt gewesene
Stadt Kumburg an die Herrschaft zurück. Christoph erscheint darauf
sammt seinem Bruder als „auf Blankenstein" gesessen, sei es, dass
diese Wartenberg'sche Besitzung ihm ebenso, wie einst Tollenstein,
zur blossen Verwaltung oder eigenthnmlich überlassen ward. 1494 ver-
kaufte er auch seine in der Oberlausitz gelegenen Güter Antheil
llirschfelde und Rohnau und zwar an den Rath zu Zittau (Carpzov,
Anal. I, ?.ll). Ein Schwager von ihm war (1485) Georg Eberhard
auf Berthelsdorf am Queiss (Oberlausitzer Arbeiten III, 202). Seine
Witwe verheiratete sich mit Joh. Polkner, Bürgermeister in Kamenz,
welcher seitdem selbst auch „Ronneberg" genannt wurde (N. Script,
rer. lus. IV, .Sß6). Ein Sohn von ihm, Hans von Hermsdorf, nennt
daher diesen Polkner „seinen Stiefvater", als er 15.36 mit Ernst von
Kechenberg auf Gjjpach, „seinem Ohm", und mit Onophrius von
Kintscli auf Burkau und Jobst Grohmanuj ,, seinen Schwägern'', vor
dem Käthe zu Kamenz erschien und daselbst „nach dem Willen
seines lieben Vaters Cristofl" Ronnebergs gottselig" seinen Schwestern
Frau Katherinen und Jungfrau Clara, je 100 Mark als väterliche
Gerechtigkeit auszuzahlen versprach (Kamenzer Stadtbudi IV, 25.3).
236 Hermann Knothe: Die Berka von der Diiba etc.
den König und die Krone Böhmen.'^*') So ist denn diese
einst Bcrka'sche Herrschaft nicht, wie Hohnstein und
Wildenstein, auf die Dauer mit Sachsen verbunden wor-
den, sondern ist böhmisch verblieben.
Ueber das Walten der Herren von Schleinitz in dem
neuerworbenen Besitzthum gedenken wir um so weniger
uns zu verbreiten, da wir dasselbe schon früher einmal
(Lausitzer Magazin 1862. 401 fgg.; „Das Schleinitzer
Ländchen"), freilich mit unvollkommenen literarischen
und archivalischen Hilfsmitteln, behandelt haben.
'*•) naiiptst.-Arch. Cop. 62 fol. ob.
VIII.
Napoleon in Dresden (8. Mai 1813).
Von
Hermaun Freiherrn von Friesen.
In V. Webers Archiv für die säclisische Gescliiclite
(Neue Folge Bd. IV S. 3üO) Avird auf Grund einer Nieder-
schrift des Kouferenzministers von Gk)big einer Unter-
redung gedacht; welche dieser am 9. Mai 181B mit Napoleon
gehabt habe. Sie fand also statt am Tage nach der An-
kunft Napoleons und nach der in der vorhergehenden
Nacht zwischen ihm und den vier Mitgliedern der Immediat-
kommission gepflogenen Besprechung. Da in dieser alle
die erforderliclien Schritte zur Wiederanknüpfung der
bundesfreundlichen Verhältnisse zwischen dem Kaiser der
Franzosen und dem König von Sachsen verabredet waren,
konnte die am gedachten Orte fragmentarisch mitgetheilte
Unterredung nur eine untergeordnete Bedeutung haben.
Von der am 8. Mai nach 10 Uhr abends stattgehabten
sehr lebhaften Konferenz zwischen Napoleon und der
Immediatkommission steht mir ein Bericht zu Gebote, den
mein verstorbener Vater, der damalige Oberkannnerherr
Freiherr von Friesen, kurz nachdem sie stattgefunden,
in französischer Sprache niedergeschrieben hat. Ehe ich
ihn in der Uebersetzung veröfFentliche, schicke ich einige
einleitende Worte voraus, deren Inhalt ich theils meinen,
aus dem Gedächtnis schon vor geraumer Zeit niederge-
schriebenen Jugenderinnerungen, theils handschriftlichen
und gedruckten Denkwürdigkeiten damaliger Zeitgenossen
238 Hermann Freilierv von Friesen:
entnehme. Dass icli Erinnerungen aus jener Zeit, wo ich
allerdings noch nicht ganz 12 Jahre alt war, den Werth
von glaubhaften Berichten beilege, darf nicht verwunder-
lich noch anmassend scheinen. Die beispiellose Aufregung
jener ereignisvollen Jahre hatte die Aufmerksamkeit auch
kindisclier Gemüther im höchsten Grade angespannt. Da-
her stehen auch mir, selbst bei meinem vorgerückten
Alter, die Bilder von Ereignissen und Personen aus jener
Zeit noch mit fast greifbarer Lebhaftigkeit vor dem Ge-
dächtnis. Dazu kommt, dass Personen^ die mir im Alter
weit voraus waren, wenn sie meine Niederschriften gelesen
hatten, sie in der Allgemeinheit für korrekt und wahr-
heitsgetreu erkannten.
Wenn es dessen bedurft hätte, so würde die blitz-
artige Erscheinung Napoleons zu Dresden in der Nacht
vom 13. zum 14. Dezember 1812 das letzte Siegel der
Glaubwürdigkeit allen bis dahin schon eingegangenen
erschütternden Nachrichten über die Vernichtung einer
Heeresmacht von ungefähr 400000 Mann in Russland
aufgedrückt haben. Bei der allmählichen Rückkunft von
einzelnen und Heeresabtheilungen in dem kläglichsten Zu-
stande nahmen diese sich mehr und mehr häufenden Nach-
richten immer festere Gestalt an. Die Spannung wuchs
immer mehr. Doch während sie nach der Grösse des
ungeheuren Schlages, unter dem Hunderttausende jammer-
voll untergegangen waren, nach der Aussicht auf die Ver-
legung des Kriegstheaters nach Sachsen nur bedrückend
und tief niederschlagend hätte sein sollen , machte sich
dennoch zugleich der Eindruck der Genugthuung darüber
geltend, dass man den Sturz der über alles Mass ge-
hassten napoleonischen Macht für unzweifelhaft ansah. In
dieser Stimmung achtete man mit theilnchmender Auf-
merksamkeit auf die Fortschritte der Russen in Polen
und auf deutschem Gebiet. So war es denn möglich; dass
sich schon im Januar Gerüchte vei'breiteten von Kosaken,
die man sogar unweit von Dresden gesehen haben wollte.
Das war nun freilich übertrieben. Als aber am 3. Fi-bruar
mit dem Aufruf des Königs von Preussen an sein Volk
die Verbindung dieser zumeist niedergetretenen Macht
mit Russlaiid zur Gewissheit geworden war, liess die that-
sächliche Annäherung von fliegenden Corps, insonderheit
aus Kosaken bestehend, nicht lange mehr auf sich warten.
Auch wurden indessen die aus Russland zurückgekehrten
Reste unserer sächsischen Truppen mit wenigen Ausnahmen
Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). 23Ö
unter den Befehlen des General v. Thielniann iu Torguu
vereinigt. Ungeachtet einiger drohenden liodomontaden
des Oberst Brendel an der Spitze von Haufen, die nur
nach Hunderten zählten, war indessen keine Gefahr vor
einem wirksamen Einbruch vorhanden. Dennoch fühlte
sich der König Friedrich August am 25. Februar be-
wogen, mit der Königin und Prinzessin Auguste, von
zahlreichem Gefolge umgeben, Dresden in der Richtung
des Erzgebirges zu verlassen , während sich gleichzeitig
die Prinzen und Prinzessinnen, mit Ausnahme der hoch-
bejahrten Tante des Königs, Prinzess Elisabeth, nacli
Prag begaben. Ich kann nach zuverlässigen Quellen be-
zeugen, dass dieser Schritt mit Betrübnis und Bedenk-
lichkeit hinsichtlich seiner Rathsamkeit betrachtet wurde.
Bei seiner Abreise setzte der König unter dem Titel
einer Immediatkommission eine Behörde ein, aus vier
Mitgliedern bestehend, die den Beruf hatte, in seiner
Abwesenheit die drino-endsten Regierunssüeschäfte in hoch-
ster Instanz zu erledigen. Dass der Konferenzminister
von Globig, einer der ältesten Staatsbeamten, an ihre
Spitze gestellt wurde, war gewissermassen selbstverständ-
lich, da er als Präsident dem Geheimen Consil vorstand.
Mein verstorbener Vater, der Oberkammerherr Freiherr
von Friesen, war vom Cabinetsminister Graf Senfft von
Pilsach in Vorschlao- gebracht Avorden, um den Ständen
eine Aufmerksamkeit zu erweisen, weil er das Erb-
marschallamt, das bisher in der nunmehr ausgestorbenen
Familie von Löser erblich gewesen war, seit 1811 in-
terimistisch verwaltete. Der Geheime Rath Baron von
ManteufFel und der Geheime Finauzrath von Zezschwitz
genossen schon längst als die ausgezeichnetsten Mitglieder
des Geheimen Finanzkollegiums das Vertrauen des Königs.
Schon auf der ersten Station des königlichen Hof-
lagers, zu Freiberg, war der Cabinetsminister des Innern,
Graf Hopfgarten, erkrankt. Er konnte daher dem König
nicht nach Plauen folgen, wo vor der Hand der bleibende
Aufenthalt auf kurze Zeit genommen wurde, und verschied
in Freiberg nach kurzem Krankenlager. Der König über-
trug daher dem Grafen Senfft von Pilsach, der, wiewoid
er verhältnismässig noch jung war, dm*ch seine klare
Einsicht und seine Arbeitskraft schon vorlängst das Ver-
trauen des Königs gewonnen liatte, neben dem Portefeuille
des Auswärtigen auch das der inneren Angelegenheiten.
Graf Senfft hat einige sehr werth volle Niederschriften,
240 Hermann Freiherr von Friesen:
die voi' noch nicht zwanzig Jahren gedruckt sind, über
die kurze Zeit seiner Amtierung als Cabinetsminister (von
Ende 1810 bis Mai 1813) hinterlassen. In ihnen ist das
Wichtigste, was damals auf politischem Gebiete am Hof-
lager des Königs vorfiel, berichtet. Die mit grossem Ge-
schick und grosser Sorgfalt dem in der Nähe des Königs
sich aufhaltenden französischen Gesandten, Grafen Serra,
verborgen gehaltenen Verhandlungen mit dem Fürsten
P. Esterhazy über ein Bündnis mit Oesterreich erhalten
dort genügende Auflvlärung. vSie wurden in Regensburg
angeknüpft, wohin sich der König nach kurzem Aufent-
halt in Plauen begeben hatte, und gaben Veranlassung zu
der Verlegung des Hoflagcrs nach Prag, avo leider in
den Maitagen, als Napoleon von Dresden aus die Rück-
kehr des Königs in seine Residenz gebieterisch verlangte,
die Ratifikation der Konvention noch nicht angelangt war,
ein Umstand, der für den Entschluss des Königs zur
Nachgiebigkeit gegen des Kaisers Forderungen ein sub-
sidiarisches Gewicht in die Wagschale legte. Als sich
o
der Könio- noch in Regensburg befand, hatte er schon
"ö
dem Leibgrenadierregiment und dann den Kavallerie-
regimentern Gardekürassiere und Jung-Zastrow Befehl
ertheilt, ihm zu folgen. Letzteres betonte später, wie wir
sehen werden, Napoleon als eine besonders empfindliche
Verletzung der Bimdespflicht.
Unterdessen waren die Ereignisse in Dresden rasch
fortgeschritten. General Graf Reynier war am 8. März
mit einigen Trümmern seines Corps, aus Sachsen, Bayern,
Württembergern und Franzosen bestehend, eingerückt-
Er hatte schon einige Vorbereitungen zum Sprengen der
Brücke machen lassen^ wodurch eine Erneute der Dresdner
Einwohnerschaft entstand, bei der ihm zwar die Fenster
im Brühl'schen Palais eingeworfen wurden, sonst aber
nichts Bedeutendes vorfiel. Kurz darauf war er in Kan-
tonierungsquartiere nach Gorbitz und in die umliegenden
Dörfer gerückt, um dem Marschall Davoust mit seinen
meistentheils jungen Truppen Platz zu machen. Am 19.
März Hess Davoust die Brücke wirklich sprengen, nach
vieler Meinung ein Akt der Rache für den Tuumlt der
Dresdner, jedenfalls eine strategisch unnöthige Massregel.
Denn der Marschall selbst konnte nicht an eine energische
Behauptung der Eiblinie bei Dresden und Meisseu, wo
die hölzerne Brücke ebenfalls zerstört war, denken, da
er schon an demselben oder dem folgenden Tage am
Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). 24l
linken Eibufer nach Wittenberg abmarschierte. Auch
blieb nur eine schwache Besatzung nieistentheils deutscher
Rheinbundstruppen in Dresden zurück. Auf dem rechten
Eibufer fanden nur unerhebliche PUlnkeleien zwischen
heranschwärmenden Kosaken und einer schwachen Ab-
theilung- sächsischer leichter Infanterie statt. AVenige Tage
darauf wurden auch diese eingestellt infolge eines Waffen-
stillstandes, nach welchem für die Dauer von zweimal vier-
undzwanzig Stunden das Terrain je eine Meile ober- und
unterhalb Dresdens für neutral erklärt und die Neustadt
geräumt wurde. Die schwache Besatzung zog auf Kähnen
mit klingendem Spiele, d. h. mit zwei Trommeln, ab.
Noch ehe diese Waffenruhe zu Ende war, verliessen
die nach Davoupts Abzug zurückgebliebenen Truppen bei
anbrechender Nacht die Stadt in aller Stille. Nun meinte
man also den letzten Rest der französischen Herrschaft,
gegen welche der Hass durch die Zerstörung der geliebten
Brücke noch brennender geworden war, los zu sein. Man
erwartete mit freudiger Ungeduld die Prcusseu und Russen,
die als Befreier angesehen wurden. Auch kamen sehr
bald einige russische Offiziere, auf Leitern an den zer-
störten Pfeilern hinab- und heraufkletternd, nach der Alt-
stadt herüber. Nicht lange darauf wimmelte die Elbe
von Kähnen, weniger mit Soldaten als mit fröhlichen
Leuten angefüllt, die sich heiter mit der diesseits stehen-
den Menge begrüssten. Denn in den wenigen Tagen seit
dem 19. März war nicht allein die Trennung Verwandter
und Befreundeter, sondern auch der Mangel an unent-
behrlichen Nahrungsmitteln, wie Brod, frischem Fleisch,
Gemüse u. dergl. in Neustadt drückend geworden. In
solcher Abhängigkeit befand sich damals noch dieser Stadt-
theil von der Altstadt, deren Mutter er eigentlich war.
Das alles hat nur Interesse, um die Stimmung jener
Tage zu hezeichnen. Man nahm nun einmal den Beitritt
unseres Königs zur Allianz gegen Napoleon nicht IjIoss
für wahrscheinlich, sondern fast für gewiss an. War damals
die Vereinigung der sächsischen Truppen unter General
Thielmann in Torgau und der Befehl, die Festung
weder an die Alliierten noch an die Franzosen zu über-
geben, noch nicht bekannt, so blieb bald diese Thatsache
niemandem mehr verborgen. Dazu erregten die von
russischen vmd preussischen Generälen erlassenen Prokla-
mationen die erhitzten Gemüther noch mehr. Der da-
maligen Stimnmng war es angemessen, dass in ihnen die
Neues Arcbiv f. S. 0. u. A. JI. 3- 16
242 Hermann Freiherr von Friesen:
Vereinigung der betreffenden Nationalitäten mit den Alliier-
ten mehr betont wurde , als der Ansckluss der Souveräne
an die antifranzösische Sache. Ja sogar die Erinnerung
des Fürsten Wittgenstein an die grosse Erhebung Deutscher
und Sachsen gegen Römer oder Franken unter Hermann
und Wittekind fand, wenn auch geth eilten, Beifall. Nur
eines warf, meiner genauen Erinnerung nach, einigen
Schatten auf diese leuchtenden Eindrücke. Dass General
Blücher den Cottbuser Kreis mit ang-eblicher Berechtigung
als preussische Provinz wieder vindizierte, wollte mit der
Aufforderung an Sachsen, mit Preussen ein inniges Bünd-
nis zu schliessen, nicht harmonieren. Man hatte nicht
vergessen, dass diese brandenburgische Enklave in der
>Jiederlausitz Sachsen nicht als eine Gebietsvergrösserung,
sondern als Tauschobject für den sächsischen Antheil an
der Grafschaft Mansfeld, für Querfurt und für die Herr-
schaft Barby und Gommern, die dem neugeschaffenen
Königreiche Westfalen einverleibt wurden, abgetreten war.
Nach dem Einmarsch der preussischen Truppen unter
General Blücher und der russischen unter General von
Winzingerode, dann des Corps des Generals Miloradowitsch
bis zu der Ankunft der verbündeten Monarclien, des
Kaisers Alexander und des Königs von Preussen am
23. April, fiel meiner Erinnerung nach nichts vor, was
hier von Bedeutung sein könnte. Die zahlreichen schönen
Truppen, die über die durch einen Holzbau wieder her-
gestellte Brücke, sowie über eine oberhalb der Stadt aus
Eibkähnen mit doppelter Fahrbahn bei Antons geschlagenen
Schiffsbrücke einzogen, machten bei dem hellen FrühUngs-
wetter einen doppelt begeisternden Eindruck, je mehr sie
abstaclien von den letzten napoleonischen Kriegshaufen,
die vor einigen Wochen abgemattet, verstimmt und in
dürftigem Schmuck uns verlassen hatten. Der Jubel war
unendlich gross. Mit zuversichtlicher Stimmung wurde
Kaiser Alexander als Befreier von Deutschland begrüsst.
Dabei soll, was mir nicht mehr erinnerlich, die_ über-
raschende Anwesenheit des Generals Thielmann bei einer
Parade der Truppen an der Seite der Monarchen mit
grosser Genugthuung bemerkt worden sein. Man wollte
daraus auf die baldige Erfüllung der allgemein gehegten
sehnsüchtigen Wünsche für den Beitritt unseres Königs zu
der russisch-preussischen Allianz mit Sicherheit schliessen.
Als die Truppen allmählich wieder abzogen, mögen
wenige daran geglaubt liaben, dass ihnen der Sieg gegen
Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). 243
die in Eile zusammengeraffte französische Armee fehlen
könne.
Bekanntermassen wurde die erste Schlacht bei LUtzen
oder Grossgürschen am 2. Mai 1813 geschlagen. Die erste
Nachricht davon traf am 4, Mai bei grauendem Morgen
in Dresden ein. Nur mit schmerzlichem Widerstreben
wollte man an einen Sieg Napoleons glauben. loh er-
innere mich genau, dass mau sich mit dem Ausdruck be-
half: die Alliierten haben das Schlachtfeld behauptet. In-
dessen Hessen die ersten Spuren des Rückzugs nicht lange
auf sich warten. Wiewohl in den Tagen vom 5. bis
7. Mai der grösste Theil der zurückgehenden Truppen
wahrscheinlich über die breite Schiffbrücke bei Antons
und eine Knüppelbrücke bei Pieschen geleitet wurde —
eine bei dem ersten Einmarsch der alliierten Truppen an
der Stelle der heutigen Albertsbrücke errichtete Floss-
brUcke ähnlicher Art war meines Wissens wieder abge-
brochen worden — , durchzogen doch noch vieh- die Stadt
selbst. Sie wurden mit einer zwischen Furcht und Hoff-
nung schwankenden Stimmung betrachtet. Von einer
Niederlage der Alliierten konnte allerdings nicht die Rede
sein. Allmählich machte sich die Uebcrzeugung geltend,
dass die Schlacht nicht die Bedeutung einer endlichen
Entscheidung gehabt habe. Ich könnte sogar von An-
zeichen reden, nach welchen diese erst von einer zweiten
jenseits der Elbe mit sanguinischen Hoffnungen erwartet
Avurde. Am 7. Mai war der König von Preussen nocli in
Altstadt. Er reiste erst am 8. mittags von Neustadt ab.
Auch Kaiser Alexander übernachtete noch bis 3 Uhr früh
im Brühl'schen Palais. Als er am späten Abend über
den Neumarkt fuhr, soll er haben anhalten lassen und
an die zahlreich versannnelte Menge einige beruhigende
Worte gerichtet haben.
So verging der letzte Tag vor Napoleons Ankunft.
Am andern Morgen verbreitete sich das bange Gerücht,
in der Friedrichstadt zögen sich die Russen fechtend imd
verwüstend zurück. Es war aber völlig unbegründet.
Doch um die zwölfte Stimde, als eben noch ein russischer
Offizier, der am Rathhaus zu Pferde stieg, von zwei
Kosaken begleitet gemächlich über den menschenleeren
Altmarkt ritt, hörte man die ersten Trompeten französi-
scher Reiterei am andern Ende der A\'ilsdruffcr Strasse.
Indessen b)-annte man die Bockbrücke ab, welche die
Alt- und Neustadt an der Stelle der gesprengten Bogen
16*
244 Hermann Freiherr von Friesen:
kaum vier Woclien lang verbunden liatte. An der Schiff-
brücke bei Antons Iiörte man bald darauf kanonieren, und
in den Naclnnittagsstunden trieben die brennenden Trüm-
mer derselben den Strom hinunter bis an die steinerne
Brücke, wo sie unter dichtem Qualm liegen blieben.
Von hier ab halte ich es für das Gerathenste, den
handschriftlichen Bericht meines Vaters einzuschalten; er
lautet:
„Nach 10 Uln- (8. Mai) erscholl zuerst das Gerücht,
dass der Kaiser Napoleon und der Vicekönig von Italien
von Wilsdruff lier der Stadt schon ganz nahe wären.
Gegen 12 Uhr kam der Major von Odeleben, von Napo-
leon von Wilsdruff aus abgeschickt, in die Stadt mit dem
Auftrage, die vom Stadtmagistrat abzuschickende Depu-
tation zum Kaiser zu führen. Gegen 3 Uhr ritt ich mit
dem Baron von Manteuffel dem Kaiser entgegen. Wir
fanden ihn hinter dem Chausseehaus an der Löbtauer
Brücke. Der Oberstallmeister Caulincourt, Herzog von
Vicenza, den ich bat, mich beim Kaiser zu melden, meinte,
es bedürfe dessen nicht, er werde mich schon wieder-
erkennen. Das erfolgte auch ganz genau. Der Kaiser
begrüsste mich, der ich vom Pferde abgestiegen war und
an ihn heranging, mit den Worten: „Ah, vous voila Mr.
de Fries, qui est ce que vous avez lä avec vous?" —
,C'est le Bar. de Manteuffel, Sire, autre membre de la
commission de regence.' Manteuffel erhielt nun den Auf-
trag, in die Stadt zu reiten und Kähne und Zimmerleute
zur Erbauung einer Flossbrücke herbeizuschaffen. „Vous,
Mr. de Fries, vous irez avec moi." Nun musste ich auf
dem Wege an der Pulvermühle ') vorbei über den Damm
am Falkenschlage neben dem Kaiser herreiten. Er fragte
im allgemeinen nach dem Könige, nach der Anzahl der
durch Dresden durchraarschierten Russen und Preussen,
ob nicht im Erzgebirge Einverständnisse mit den ver-
bündeten Truppen stattgefunden hätten u. s. w. Er schien
mit meinen Antworten zufrieden zu sein und war über-
haupt sanft und freundlich. Er ging immer um die Stadt
herum, beim Lazarethe'^) vorbei, nach dem Pirnaischen
Scldage. Von da aus ritt der Kaiser, kaum von 4 oder
5 Persnen begleitet; worunter Berthier und Caulincourt,
nach Antons Garten, wo die obere Schiffbrücke gestanden
') Wahrscheinlich Papiermühle.
; Damals noch Moczyusky-Palais.
1
Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). 245
hatte und wo nocli einzelne Scliüsse fielen. Die ganze
Suite musste zurüekbleiben. Ungefähr nach einer halben
Stunde ritten wir zum Pilhiitzer Schlage herein und kamen
auf der Ziegelgasse wieder mit dem Kaiser zusammen.
Er sprach sogleich wieder von der Brücke, die er bei
Briessnitz wolle schlagen lassen. Dahin ging es nun durch
die Stadt. In dieser standen schon viele inzwischen ein-
marschierte, meist italienische Regimenter. Am Ende der
Allee vor dem Briessnitzer Schlage ging es rechts über
die Felder, beim Pulvermagazine vorbei nach der Elbe.
Am andern Ufer, wenig unter Uebigau, lag die halbe
SchifFbrücke, welche von Pieschen aus hierher getrieben
hatte, noch brennend. Etwas weiter unten, bei den Schuster-
häusern, marschierten ein paar Kompagnien Pontoniere auf
mit Infanterie und einigen Kanonen zum Soutien. Am
jenseitigen Ufer war alles ruhig, obgleich nichts leichter
gcAvesen wäre, als uns aus den Uebigauer Gärten mit
Kanonen zu bewillkommnen. Napoleon ging am Eibufer
ruhig auf und ab und fragte einen Gefangenen aus. In-
dessen waren auf zwei herbeigeschafften Fischerkälmen
Pontoniere nach der brennenden ScliifFbrücke hinüber-
gefahren, hatten sie* gelöscht und waren auf ihr lierunter-
getrieben bis an den Platz, wo die neue Schiffsbrücke
hinkommen sollte. Nach einem Verweilen von wohl zwei
Stunden ritt der Kaiser in die Stadt zurück, stieg im
Schlosse ab und ging gleich, ohne Cour anzunehmen, nach
den Zimmern, die er im vorigen Jahre auf dem Marsche
nach Russland bcM^ohnt hatte. Es war abends 8 Uhr.
Von der Neustadt, die noch von Russen besetzt war, ward,
nach der Stadt herübergeschossen. Des Kaisers Generäle
und Adjutanten sagten mir, dass morgen um die gewohnte
Stunde, um 9 Uhr, Lever sein würde. So hielt ich denn
mein Tagewerk für beendigt, ging nach Hause und Hess
mir ein Glas Wein geben, dessen ich nach dem heissen
Nachmittage gar sehr bedurfte. Die Ruhe dauerte nicht
lange; denn kaum hatte ich es ausgetrunken, so kam ein
Ordonnanzoffizier und rief mich zum Kaiser. Als ich in
sein Zinnner trat, sagte er mir ziemlich barsch, nicht mit
mir allein, sondern mit der ganzen Imuiediat-Konnnission
wolle er sprechen. Es dauerte bis nach 10 Uhr, ehe
deren Mitglieder zusammengerufen werden konnten. Früher
war schon der Graf Georg von Einsiedel (ehemaliger Ge-
sandter in Paris) beim Kaiser gewesen und hatte von ihm
einen Auftrag an unseren König nach Prag erhalten,
246 Hermann Freiherr von Friesen :
musste aber noch auf die Audienz der Immediat- Kommis-
sion warten. Als diese beisammen war und vorgelassen
wurde, empfing sie der Kaiser mit der Frage: , Messieurs,
sommes nous amis ou ennemis? je veux savoir ä quoi
j'en suis/"
Soweit der Bericlit meines Vaters, der sich nun auf
die in französischer Sprache abgefasste Relation der Unter-
redung in der Beilage bezieht. Sie lautet in der Ueber-
setzung:
„Ich schreibe aus dem Gedächtnis. Es wird unmög-
lich sein, was der Kaiser uns sagte in derselben Ordnung
zu berichten, in der es in der Unterredung aufeinander
folgte; aber ich werde bemüht sein, nichts wichtiges und
wesentliches auszulassen. Es genügt, die Stimmung des
Kaisers gegen den König und Sachsen zu kennen."
„Ebenso unmöglich wird es sein, getreu wiederzugeben,
was vier Personen erAviderten, die nicht die Zeit gehabt
hatten, um sich vorher zu verständigen und auf eine
Unterredung der Art vorzubereiten. Auch das ist von
Wichtigkeit. Es handelte sich für uns weder um Ver-
handlungen, noch um Auseinandersetzungen und Wider-
spruch. Den mächtigen und aufgeregten Mann zu be-
ruhigen, unseren Souverän zu entschuldigen, ohne ihn
bioszustellen, Aufschub zu erlangen, das war es, worauf
wir uns beschränken mussten, und ich darf mir schmei-
cheln, dass uns das gelang."
„Nachdem er uns mit der Frage empfangen hatte:
,Messieurs sommes nous amis ou ennemis? II faut parier
clair!' sprach uns der Kaiser vom General Thielmann
und erklärte sich sehr verletzt durch die Antworten, die
er dem General Reynier und dem Marschall Ney auf ihr
Verlangen, ihnen die Festung Torgau zu öffnen, gegeben
hatte. Der Oberstallmeister, Herzog von Vicenza, las uns
die zwei Briefe Thielmanns vor, in denen der Kaiser
vor allem zwei Stellen hervorhob, die ilyi besonders ver-
letzten: zuerst, dass es Thielmann verboten sei, fremde
Truppen in die Festung aufzunehmen ohne einen ausdrück-
lichen Befehl des Königs von Sachsen, den dieser nie
geben würde, ohne sich darüber mit dem Kaiser von
Oesterreich verständigt zu haben, dann, dass Thielmann
von nun an keine andere Antwort geben werde, als mit
Kanonen."
„Der Kaiser fuhr in Bezug auf Thielmann fort, er
wisse recht gut, dass er ein eitler Mann sei, der sich
Napoleon iu Dresden (S. Mai 1813). 247
durch die Sclimcicheleien der Russen und Prcussen habe
gewinnen lassen, die Politik der Russen sei, wie die der
Griechen, hinterlistig u. s. w. Als dann der Kaiser auf
den König von Sachsen zu sprechen kam, sagte er: ,Ich
erfahre seltsame Dinge, der König besteht darauf, mir
die Kavallerie-Brigade zu verweigern, die ich ihm dereinst
habe abfordern lassen. Ich habe ihm durch Baron Just ^)
versichern lassen, dass ich ihn am 15. Mai in seine Haupt-
stadt zurückführen werde. Trotz dieses Versprechens,
dessen Erfüllung ich, wie Sie sehen, anticipiert habe —
denn wir haben heute erst den 8. — , hat mir der König
so wenig Vertrauen bewiesen, dass er beim Verlassen
seiner Staaten, als er von Plauen hinwegging, anstatt sich
mir zu nähern, sich erst nach Regensburg und dann nach
Prag begab. Er hat also an den Tag gelegt, dass er
den Schutz von Oesterreich und nicht den meinigen suchte.' "
„Der Kaiser fuhr fort, indem er sich in den härtesten ,
Ausdrücken über das beabsichtigte Bündnis mit Oester-
reich aussprach und sagte, der König von Sachsen handle
den Verbindlichkeiten eines Mitgliedes des Rheinbundes
zuwider und er werde ihn für bundbrüchig (filou) und
des Königthums entsetzt erklären. Karl V. habe die kur-
fürstliche Würde den Vorfahren des Königs übertragen;
er, der Kaiser, werde ihm die Krone nehmen. Er fügte
wörtlich hinzu: ,Ich weiss wohl, der König ist Ihr Sou-
verän, ich aber bin der Kaiser und bin zu Hause, wenn
ich mich hier befinde.'"
„Um zu beweisen, dass der König von Sachsen auf
den Schutz von Oesterreich nicht rechnen solle, licss der
Kaiser durch den Herzog von Vicenza eine Depesche aus
Wien vorlesen, nach welcher Graf Metternich über die
Ankunft des Königs in den österreichischen Staaten ge-
sagt habe, der König von Sachsen sei wie eine Bombe
hineingefallen."
„Der Kaiser fuhr fort: was man in Wien fiüstere (les
bourdonnements de Viennc), sei ihm bekannt, soAvie die In-
triguen der Kaiserin; es sei schon hinge her, dass er dem
Hofe misstraue; wenn man aber dort glaube, von dem
Schlage, den er im letzten Feldzuge erlitten habe, Vor-
theil zu zielicn, um das, was man verloren habe, wieder
zu nehmen, so täusche man sich. Er sei niemals so mächtig
*) Sächsischer Gesandter in Paris seit der Erkrankung des
Grafen G. von Einsiedcl im Jahre 1812.
248 Hermann Freiherr von Friesen:
gewesen, als in diesem Augenblick. Wenn sein Schwieger-
vater 300000 Mann gegen ihn marschieren lasse, so stehen
ihm 1200000 Mann zur Verfügung."
„Er fügte hinzu, er würde es Oestcrreich verzeihen,
dass es sich gegen ihn erklärt habe, weil es mit Bedauern
Provinzen gegen ihn verloren habe; er könne es dem
König von Preussen verzeihen, wenn er ihn bekriege, weil
er, der Kaiser, ihm die Hälfte seiner Staaten genommen
habe; aber er werde es niemals dem König von Sachsen
vergeben, weil er der einzige Souverän sei, dem er nichts
genommen, sondern dem er im Gegentheil nur Gutes er-
wiesen habe.''
„Indem er von den üblen Rathschlägen sprach, die
man dem König von Sachsen gegeben habe, gedachte er
des Generals von Langenau und sagte, er wisse, dass er
es vorzugsweise sei, der dazu gerathen habe, sich mit
O esterreich zu vereinigen. Aber er werde ihn zu finden
wissen und ihn füsilieren lassen."
„Nachdem der Kaiser gesagt hatte, wenn der König
von Sachsen seine Partei verlasse, werde er sich durch
den Verlust eines Alliierten nicht schwächer fühlen, be-
merkte einer von uns, man müsse hoflfen, das Se. Kaiser-
liche Majestät ihn wieder gewinnen werde, worauf der
Kaiser erwiederte: ,Ohne die Scldacht von Lützen würde
ich ihn schwerlich wiedergewonnen haben/"
„Was der Kaiser im wesentlichen von uns verlangte,
um die Regierung des Landes während der Abwesenheit
des Königs festzustellen, Avar, dem General Thielmann
Befehl zugehen zu lassen, dass er die Festung Torgau
französischen Truppen übergeben solle und dass ein Mit-
glied der Immediat-Kommission nach Prag gehe, um dem
König Vortrag von dem zu erstatten, was wir gehört
haben, und seine endliche Entscheidung zu erlangen."
„Als wir darauf erwidert hatten, der General Thiel-
mann werde einem Befehl, zu dem wir durch unseren
Souverän nicht ermächtigt seien, nicht Folge leisten, er-
langten wir, es werde hinreichend sein, wenn einer von
uns nach Torgau gehe, um dem General Thielmann die
Missbilligung seines Benehmens selten der Immediat-Kom-
mission zu erklären und um von ihm zu ei'langen, dass
er unverweilt einen Kurier nach Prag sende, um die
Befehle des Königs einzuholen."
„Hinsichtlich der Reise eines der Mitglieder der Im-
mediat-Kommission nach Prag stellten wir dem Kaiser
Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). 249
vor, dass sie überflüssig sei, weil der Graf Geor«^ von Ein-
siedel mit einem ausdrücklichen Auftrag Sr. Kaiserlichen
Majestät an den König von Sachsen dorthin ahgehe. Der
Kaiser bestand nicht weiter auf dieser Reise und wir er-
langten von ihm, dass er die Rückkehr des Grafen Ein-
siedel von Prag und des Kuriers des Generals Thiel-
mann erwarten werde, ehe er weitere Beschlüsse fasse."
„Das war, so weit mein Gedächtnis hinreichen konnte,
das Wesentliche dieser ewig denkwürdigen Unterredung,
von der indessen zu bemerken ist, dass sie von keiner
AA'irkung war; denn Se. Majestät der König von Sachsen
hatte schon seinen Entschluss gefasst, während der Kaiser
Napoleon uns sprach, und der General von Gersdorf
war thatsächlich schon auf dem Wege von Prag nacli
Dresden, um einen Brief des Königs an den Kaiser zu
bringen."
Wiewohl es schon längst die Geschichte verzeichnet
hat, ist doch der Vollständigkeit halber hinzuzufügen, dass
Graf Senfl't von Pilsach nach der Entscheidung des Königs
seine Entlassung nahm. Graf Detlev von Einsiedel, bis-
her Kreishauptmann in Dresden, wurde vom König zum
Cabinetsminister ernannt und übernahm uach der Rück-
kehr des Königs das Portefeuille der inneren sowohl als
der auswärtigen Angelegenheiten. General von Langenau
nahm mit seinem Adjutanten, dem Rittmeister Graf Schulen-
biu'g (aus dem Hause Vitzenburg), ebenfalls seinen Ab-
schied und trat in k. k. österreichische Dienste. General
von Thielmann verliess die Festung 'Torgau, nachdem
er den Befehl zur Uebergabe derselben an die Franzosen
erhalten hatte^ ohne Abschied und begab sich zum Kaiser
von Russland, der sein Hauptquartier in Lichtenburg auf-
geschlagen hatte und ihn in seine Dienste aufnahm. Oberst-
leutnant Aster, Ingenieur des Platzes in Torgau, der den
General begleitet hatte, begehrte und erhielt einen ehren-
vollen Abschied aus dem königlich sächsischen Dienst,
trat in die königlich preussische Armee ein und starb nach
einer glänzenden Laufbahn als General-Inspecteur der
königlich preussischen Festungen.
Am 12. Mai in den Mittagsstunden kehrte der König
Friedrich August der Gerechte nach Dresden zurück,
wohin ihn der Kaiser Napoleon unter dem Geläute der
Glocken und dem Donner der Kanonen in pomphafter
Weise einführte. Am Pirnaischen Schlage empfing ihn
eine Deputation des Stadtrathcs, an welche der Kaiser
250 Hermann Freiherr von Friesen : Napoleon in Dresden.
folgende Worte richtete (die ich ebenfalls den Denk-
würdigkeiten meines Vaters entnehme):
„Magistratspersonen, liebt euern König, seht in ihm
Sachsens Erretter. Wenn er seinem Worte weniger treu,
ein minder guter Alliierter gewesen wäre, wenn er sich
zu der Meinung der Preussen und Russen hätte hinreissen
lassen, Avar Sachsen verloren, ich würde es als erobertes
Land behandelt haben."
„Meine Armee wird nur durchziehen, und ihr werdet
bald der Bürden entledigt sein, die ihr ertragt. Ich werde
Sachsen gegen alle seine Feinde vertheidigen und be-
schützen."
Die Stimmung war durchaus eine tief trauernde und
bedrückte, wovon mir heute noch, nach einem Verlauf von
mehr als sechzig Jahren, die wehmüthigste Erinnerung
lebhaft im Gedächtnis ist.
IX.
Aus dem Schulwesen Sachsens, besonders in
Mittweida und Freiberg, zu Ende des 17. Jahr-
hunderts.
Von
Ch. G. Ernst am Ende.
In den in meinem Besitze befindlichen Aulzeichnungen,
welche der als Pastor zu HaselofF (Ephorie Beizig im
Kurkreise) am 22. April 1752 verstorbene Mag. Christoph
am Ende, der Vater meines Urgrossvaters, über seinen
Lebensgang hinterlassen, gedenkt derselbe seiner Schul-
bildung mit besonders pietätvollem Ausdrucke.
Da bei dem Brande der erzgebirgischen Stadt llai-
niclien, des Wohnsitzes seiner Eltern, 1680 auch das
Schulhaus vernichtet wurde, so Avar der achtjährige Knabe
zu den Grosseltern nach Mittweida und in die Schule da-
selbst gekommen. Hier unterrichteten ihn Bernh. Martini,
Organist und KoUaborator, Wolfgang Helmert, Kantor,
Zachar. Thorscinnidt, Konrektor und der Rektor Mag.
Sam. Bernhardi, bei welchem er auch noch einige Monate
vor seinem Al)gange Privatinformation genoss.
Charakteristisch für die Schulzucht, wie lobreich für
den Schüler ist die Bemerkung: „Bei der Valediktion
(Ostern 1(388) sagte der Herr Kantor, er könnte sich nicht
erinnern, dass er mich einmal geschlagen." In den beiden
oberen Klassen scheint demnach der sonst so wichtige,
252 Ch. G. Ernst am Ende:
dem Rektor bei seinem Amtsantritte solenn überreichte
Stock ohnehin ausser Anwendung gebUeben zu sein.
Wie sehr aber der erwähnte Privatunterricht für
strebsame Schüler damals wünschenswert!! gewesen sein
muss, geht aus dem Umstände hervor, dass bis zum Jahre
1749 alle vier Klassen in einer Schulstube beisammen
waren; erst in diesem Jahre wurde für die erste Klasse
des Rektors eine besondere Schulstube bereitet und erst
1792 die grosse Schulstube so geändert, dass jeder der
drei übrigen Lehrer eine besondere Stube hatte, „in wel-
cher er seine Klasse bearbeiten konnte". *)
„Eben in diesem Jahre (1688) bin ich noch zuletzt
an dem Gregoriusfeste Bischof gewesen", erzählt der vor-
liegende Lebenslauf, und die Schilderung, welche die ur-
kundlichen Nachrichten des Ortspfarrers Kretzschmar^)
von der Feier dieses Festes in Mittweida enthalten, er-
weitern diese kurze Notiz zu allgemeinerem Interesse. Für
das Gregoriusfest, zu Ehren des um Kirchen- und Schul-
wesen verdienten Papstes Gregor des Grossen namentlich
auch in sächsischen Landen durch einsammelnde Schul-
aufzüge ceremoniell gefeiert, war zu Mittweida 1588 eine
besondere Fahne angeschafft worden. Mittwochs nach
Cantate begann die Prozession, die Schüler erschienen in
mannichfachen Verkleidungen, und die Wohnung der Eltern,
deren Schulknäbe den Bischof vorstellte (für am Ende das
Haus des Grossvaters, des Tuchmachers Caspar Hermann,
Stadtrichters und Rathsherrn), wurde acht Tage lang zu
einem Schauplatze, der mit bedeutendem Aufwände und
nicht geringer Unruhe zu Ehren des so ausgezeichneten
Schülers verbunden war. Denn während dieser Zeit des
Singumganges hatten diese täglich die Lehrer zu bewirthen
und zum Schlüsse eine grosse Mahlzeit zu veranstalten,
zu welcher auch die Geistlichen, Rathsherren und andere
Vornehme einzuladen waren. Da sich später für solches
Unternehmen immer seltener eine Familie bereit fand, so
ward 1803 in Mittweida zum letzten Male das Grcgorius-
fest in alter Weise gefeiert, bis auch die einfachere Fort-
setzung desselben mit dem 20. Mai 1835 infolge des neuen
Schulgesetzes erlosch.
Der Stand der damaligen Mittweidaer Schule muss
') Ad. Chr. Kretzschmar, Nachrichten aus .... Mittweyda
(daselbst 18il) II, 1100.
*) Ebenda 1104—8.
Aus dem Schulwesen Sachsens zu Ende des 17. Jahrhunderts. 253
als ein im allgeineineu für wissenschaftliche Vorbildung
nicht ungünstiger erkannt werden, denn sie hatte, wenn
auch erst nach fast achtjähriger Schulzeit^ den genannten
Verfasser lebensgeschichtlicher E^rinnerungen befähigt, in
die Sekunda des Freiberger Gymnasiums aufgenommen
zu werden.
Von dem 'philologischen Geiste jener Schule zeugen
noch verbliebene Andenken an dieselbe.
Zwei Blätter eines Sclireibheftes sind mit Uebungen
in deutschen und lateinischen Schriftarten gefüllt, von
welchen jeder Satz mit verschiedenfarbig ausgefüiirten
Zeilen beginnt. Gelehrter Weise ist in diesen Sätzen von
den Spielen (auf Brett, mit Würfeln) die Kede, wie solche
auch bei den Griechen und Römern üblich waren.
Tiefer noch in das Wesen der Schule führt ein Oktav-
heftchen ein, beschrieben: „Christophorus am Ende 1G87
d. 19. April mpp." Es ist also aus seiner Mittweidaischen
Primanerzeit und enthält Formeln zum Gebrauche in ver-
schiedenen Fällen des Schullebens.
Voran steht die Bitte um einen freien Nachmittag:
S. P. Clarissime nee non dnctissime Douiine M. Rector et
Praeceptor omni observantiae ciütu honorande. Ciaritatem tuam
obnixe rogatam volumus, ut nobis post Meridiem cessationem a studiis
pcrmittere velis. Quia coelura serenum est, ut et Parentibns nostris
in rebus domesticis servire possimus. Quicquid Interim a nobis
cessatum erit, in posterum compensaturi sumus.
Umständliclier ausgeführt gestaltete sich das Gesuch
um einen ganzen Tag:
S. P. Humanissime nee non doctissime Domine M. Rector et
Praeceptor, omni observantiae cultu honorande. Vide sis quantopere
blandiatur coelum et sol radiis, omnia suis fructibus maturitatem
inducans exhilaret, ut vel tardissiuiuui ad prodL-ambuhuiduni incifarc
queat. Quapropter hujus diei aniounitate ducti humanitatem tuam
totius Scholasticae cohortis nomine, adeundam putavi, etiam atque
etiam petens atque flagitans, ut hodierno die, et quidem horis suc-
cisivis, publicis Lectionibus supersedeudi potestatem nobis lacias.
Quo Parentibus nostris in agris ac pratis occupatis adesse queanuis.
Nos yicissim quicquid temporis hujusce modi intervallo amissuui
erit, intentiori post bac vigüantia recompensaturi sumus.
Besondere Rücksichten waren auf die Würden der
zum Besuch der Examen Einzuladenden erforderlich. Da-
her die folgenden Formulare:
J. N. J.l In Examine Invitatio ad Pastorem.
Admodum Reverende, Amplissime atque Praecellentissimc, Do-
mine Magister, Pastor, Scholaeciue nostrac! Inspector, omni obser-
vantiae cultu honorande. Ad dioin Lunae scquentis Septimanae
254 <^^i- f^. Ernst am Endo:
hora octava matutina (cum Deo) in liido nostro literario Examen
instituetur (ad quod nostrum Senatum jam invitaturi sumus), oui ut
et Reverenda Tua Dignitas Interesse ne dedignetur, nomine totius
coetus Scholastici majorem in modum rogamus.
Ad Diaeonuni.
Admodum Reverende, Clarissime atque Doctissime Domine
Diacone, (Magister) Fautor et Promotor omni observantiae cultu
honorande. Ad diem Lunae sequentis etc.
Ad Senatum.
Cum vestrae Prudentiae atque Antoritatis sit, Amplissimi, Pru-
dentissimique Viri, Domini ac Patroni, omni observantiae cultu
honorandi, non solum intelligere, quid in publicis agatur negociis,
verum etiam providere, ut cum omnia, tum praesertim sumtus, qui in
Stbolam nostram a Vobis impenduntur, bene tam a Discentibus, quam a
Docentibus collocentur; Praeceptoribus nostris, qui omnia prius experti
sunt, ne niolesti esse viderentur, vobis impraesentiarum signiticare
Visum est, se jussu Reverendi Domini Pastoris et Scholae nostrae In-
spectoris Vigilantissimi jam iterum Examen instituere, coetum nostrum
Scholasticura ad diem Lunae sequentis Septimanae lustrare velle.
Cui lustrationi utet Yos interesse, et quales in Studiis nostris prolectus
fecerimus, pro summo vestro erga optimarum artium Studio amore,
aequo animo auscultare, ne dedignemini, coetus noster Scholasticus
ea, qua par est, sabmissione ac reverentia majorem in modum rogat.
p]s waren aber auch Personen des Ratlies zu berück-
sichtigen, bei welchen das Verstellen von Latein nicht
vorausgesetzt werden konnte. Diesen ward folgende For-
mel, vielleicht auch zu mündlicher Anrede, gewidmet:
WohlEhrenVeste, Voracbtbare, Wohlgelahrte und Wohhveise,
besonders Grossgünstige Herren und Förderer.
Demnach auf Anordnung und Befehl unsres hochgeehrten Herren
Pfarrers unsere Herren Praeceptores auf nechst künftigen Montag
abermahls ein Examen in unserer Schule anzustellen entschlossen,
Und aber ihme nicht unwissend, dass durch eines EhrenVesten
Raths Praesentz und Gegemvart demselben Examini eine sonderliche
Autorität und Ansehen gemachet werde; als haben gemeldte unsre
Herren Praeceptores uns beyde abgefertiget, solches einen Ehren-
Vesten und Wohlweisen Kaht zu vermelden, und denselben in ihren
nahmen gantz freundlich zu bitten, dass die Herren auf angerechte
Zeit solchen Examini unbeschwert beiwohnen und anhören wollen,
wie wir in unsren Studiis proticieret, und wie die auf unsere Schulen
angewendete Unkosten angeleget werden. Solches dieweil es ge-
reichet zu Gottes Ehren und zu unserer Schulen Besserung, sind
nebenst Wüntschung Göttlicher Gnade, Glück sueliger Regierung und
alles Guten, um einen EhrenVesten und Wohlweisen Kaht unsere
Herren Praeceptores benebenst uns Knaben, nach Vermögen danck-
barlich zu verschulden erbötig.
Es folgt dann eine Gratiarum Actio ad Deum post
Examen und eine bei derselben Gelegenheit zu haltende
Ansprache Ad Viros Fraesentes, beide in dem gleichen
woi'treichen Stile, wie das Vorhergehende.
Ans dorn Schulwesen Sachsens zu Ende des 17. Jahrhunderts. 255
Audi zu den musikalischen Auffülirungen hatten im
Namen der Kantorei Einhidungen zu geschehen. In wel-
clier Weise, lernen wir aus einer Invitatio ad Pastorem
ad Convivium Musicum und aus einer weniger eleganten
deutschen Formel, die an den Bürgermeister (oder Stadt-
richter) gerichtet ist, kennen.
Besonders charakteristisch aber ist schliesslich ein
Gesuch, in welchem bei dem Ortspfarrer unter Ueber-
reichung eines Gedichtes vmi Gewährung von Ferien für
die Nachmittage der Hundstage gebeten wird.
Ad Pastorem pro impetrandis feriis canicularibus. Adniodura
Reverende, Araplissime atque Praecellentissinie Domine M. Pastor
Scholaeque nostrae Inspector Vigilantissime, P'autor et Promoter
omni observantiae cultu honorande. Reverendae Tuae IMgnitati oüero
hoc qnalecunque carmen, pro impetrnndis feriis canicularibus scrip-
tum, quod, ut aequi bonique Keverenda Tua r)ignitas consulat,
nobisque horis pomeridianis vacationem a studiis per dies caniculares
pro more et consuetudine haud gravatim conceibit, nomine totius
coetus Scholastici majorem in modum rogo. —
Die ferneren Erwähnungen nun, welche das Gym-
nasium zu Freiberg betreffen, sind wohl umsomehr von
Interesse, als erst kürzlich Oberlehrer Dr. Paul Süss")
durch seine Geschichte der genannten alten sächsischen
Gelehrtenschule (als Gymnasium gegründet 1537, unter
dem Namen Gymnasium Albertinum seit 1875) die Auf-
merksamkeit auf das Unterrichtswesen in derselben gelenkt
hat; zu den meist aus städtischen und Ephoralakten ge-
sammelten Nachrichten gewähren die nachfolgenden Mit-
theilungen einen ergänzenden Beitrag.
Am 11, Juli 1688^; war Christoph am Ende in die
Sekunda des Freiberger Gymnasiums eingetreten. Nächst
dem Rektor Mag. Justus Gottfried Rabener hörte er hier
die Lectiones des Tertius Christian Fritzschc, sowie des
Konrektors Mag. Tobias Liebe und nachdem letzterer an
Stelle des 1691 nach Meissen berufenen Rabener Rektor
geworden war, auch die des Tertius Israel Beger. In
Musicis unterrichtete ihn der Kantor Joachim Ernst Spahn,
und er Avard Adjunctus des Praefocti im zweiten Chore.
Was in diesen öffentlichen Lehrstuuden getrieben
*) Paul Süss, Geschichte des Gymnasiums zu Freiberg (Gym-
nasium Albertinum) I. und II. Thoil; in den Programmen des ge-
nannten Gymnasiums von 1«7() und 1877.
*) Der Rektor M. Joh. Gottl. Biedermann giebt in seiner Gom-
mentatio I, qua memorias dis(ipulnruni extrancovum in Sdiola Fri-
bergensi versatorum etc., (Prograuun 17:i7) den 11. .Juni 1089 an.
256 ^li- G. Ernst am Ende;
worden, wird niclit berichtet; wolil aber wird es zu einem
Belege für das tJeberliandnehnien des Privatunterrichtes,
was Superintendent Dr. Lehmann*) um 1700 in einem
Gutachten über die Freiberger Schule zu beklagen hatte,
wenn gerade dieses Privatunterrichtes hervorhebender in
Folgendem gedacht Avird:
„Nebenst den Lectionibus und Collegiis publicis habe ich auch
privata gehabt, als bei Herrn Christian Fritzsche als Conrectore:
1. CoUegium Ebraicum super Atrium linguae sanctae Opitii, 2. super
Fritzschii Schediasma de studüs scholasticis, 3. de Artiticio vari-
andi, cum subsidio iuvenili M. Weisii, Kectoris Zittaviensis,
bei M. Lieben als Conrectore:
1. CoUegium Epistolicum latinum, 2. Topicum theoretico-practicura,
3. Kurtzer Unterricht vom deutschen Briefschreiben, 4. Isagoge ad
Poesin vernaculam, 5. CoUegium Reale, s. Index super rerum et
materiarum a variis autoribus ex professo tractatnris chiliadem,
bei demselben als ßector:
CoUegium de inscriptionibus,
bei M. Rabenern :
1. CoUegium Geographicum Ilildebr. ex Cluvero cum annotationi-
bus dictatis, 2. Sinopsin Phys. Sperling, cum commentationibus
dictatis/)
Die kurze Fassung der bei obigen Unterrichtszweigen
benutzbar gefundenen Lehrbücher lässt dennoch keine be-
sonders weitgehenden mündlichen Erörterungen vermuthen.
Genügt es doch z. B. in „Fritzschii Schediasma" für den
Ausdruck im Deutschen (Seite 24) zu sagen: „Placet hie
infallibilis dar. Weisii regula: Man schreibe, wie maii
in Canzleyen schreibet und wie rechtschaffene Theologi
*) Siehe Süss, Geschichte des Gymnasiums zu Freiberg II, 67.
«) Die angeführten Lehrbücher sind durch folgende Titel-
angaben, wenn auch nur nach den auffindbar gewesenen Ausgaben
derselben, näher zu bezeichnen;
Atrium linguae sanctae, quo exhibetur 1. consilium de studio
Unffuae sanctae feliciter tractando, 2. Grammaticae Hebr. compendium
ex Hebraismo restituto celeberr. . . . Wasmuthi, 3. Textus cum praxi
Hebraeo-analytica .... 4. Lexici Hebraei compendium .... 5. In-
dex .... autore Henrico üpitio. 3. editio Lips. 168L 4".
78 pagg. (In der Zittauer Stadtbibliothek Th. 4» 498.)
Schediasma de Studüs scholasticis in usum et gratiam studiosae
iuventutis editum a Christiano Fritzschio. Lipsiae, Jo. Ch.
Wohlfart 1692. 16». 96 pagg. (In der königl. öfl'. ßibUothek zu
Dresden, Encycl. 509.)
Christian! Weisii subsidium puerile de artificio et usu
chriarum in eorum gratiam, qui tandem ad institutiones oratorias
faciliori cursu tum ipsi pergere, tum aliis informatione vel consilio
praeire volunt, publici juris factum. Zittaviae, typis Mich. Hart-
manni 1689. 8". 48 pagg. (In der Zittauer Stadtbibliothek.)
Compendium geographiae Cluverianae, frequenti historia, fabula,
Aus dem Schulwesen Sachsens zu Ende des 17. Jahrhunderts. 257
und Politici in ihren Schriften gewohnt sind, so darf man
weiter nichts besorgen."
Auf Lektüre und praktische Uebungen wurde eben
ein Hauptwerth gelegt. Bezeichnend ist in dieser Be-
ziehung Fritzsches Eifer für vereinfachtes Erlernen der
lateinischen Sprache durch eine deutsch geschriebene Gram-
matik ohne viele Regeln. Während die französische oder
italienische Sprache recht gut binnen drei Jahren erlernt
werde, während sogar für eine später zu erwählende Fach-
wissenschaft ein Triennium oder Biennium als ausreichend
gelte, bringe die Jugend mit dem Latein beinahe 20 Jahre
zu. Aus einer Dissertation, welche die eruditissima virgo
Margaretha Adelgundis van den Enden zu Antwerpen
öffentlich vertheidigt, wird die Anklage gegen die grosse
Mangelhaftigkeit der lateinischen Grammatik mit der Be-
hauptung wiederholt, dass bei rechter Methode in Jahres-
frist mehr Gewandtheit im Ausdrucke zu erreichen sei,
als jetzt binnen zehn Jaln-en. ')
Dieses Streben nach Gewandtheit kennzeichnen aller-
dings bereits die aus der Mittweidaer Schule mitgetheilten
Invitationes.
Das Ergebnis der genannten, immerhin vielseitigen
Studien auf dem Freiberger Gynmasiuni bezeugen zum
Tlieil die Themata, welche in freien Aufsätzen zur Be-
arbeitung gelangten.
„Auf diesem Gymnasio", heisst es, „habe ich vier
Orationes gehalten unter Anführung M. Lieben's; eine
publice in laudem autumni, drei solenne, nämlich: in lau-
proverbio etc. ilhistratum, versibus etiam hi vernacula lingua, me-
moriae juvandi gratia, comprehensum .... a. M. F ri der. Hilde -
brando, G. Martisb. ß. Frankofurti et Lipsiae, Gg. Heinr. From-
mann, 1675. 16 ". .S49 pagg. u. Index. (In der königl. ötf. Biblio-
thek zu Dresden, Geogr. A. 951.) Phil. Cluverus, zu Leyden 162.^5
verstorbener Geograph, hatte eine beliebt gebliebene „introdnctio in
universam Geographiani" verfasst.
Synopsis Physica Job. Sperling's, Profess. AVittebergensis,
edit. II. Wittebergae, Job. Berger, praelo Mich. Wendt, 1015. 16".
274 pagg (Ebenda H. nat. A. 128.^.)
Die Verzeichnung damaliger Lehrmittel zu Freiberg geschah
deshalb genauer, weil diese kleinen Biuher in Bibliotheken selten
geworden sind. So enthält z. B. W. Görges Verzeichnis der in der
Stadtbibliothek und in der Bibliothek des Johanneums zu Lüneburg
enthaltenen älteren Lehr- und Schulbücher, hauptsächlich aus dem
IG. und 17. Jahrhunderte (Programm des Johanneums zu Lüneburg,
Ostern 1880) auf 28 gespaltcuv'in Quartseiten keinen der obigen Titel.
') Fritzsche widmet diesem Gegenstande die Seiten 26—44
seines kleinen Buches.
Neues Archiv f. S. Ci. ii. A. II. 3. 17
258 Ch. G. Ernst am Ende: Aus dem Schulwesen Sachsens.
dem auri (den 23. September 1692), super emblema II.
au dem Castro doloris Johannis Georgii III „In Morea:
Nemo ante meorum"*) (den 18. März 1692) und am
17. Februar 1693 als ein Minister verbi divini orationem
consolatoriam deutsch an das betrübte Freiberg bei einem
dramate im priesterliclien Habit."
Der Betheiligung an den Schulkomödien wird nur
noch zTreimal gedacht: „Auf dem Theatro im Rathhause
bin ich in einer weltlichen Comödie ein Abgesandter ge-
wesen und in der geistlichen Judith der Hohepriester Joja-
kim, der die in Säcken aufziehenden ßethulier tröstete."")
Es kann ein günstiges Licht auf den bei allen ein-
getretenen Mängeln doch bildungsfähig gebliebenen Zu-
stand der Schule werfen, wenn der noch im Alter dank-
bare Schüler in seiner Niederschrift fortfährt:
„So habe ich meine Studia zu Freiberg bis a. 1693
continuirt und durch göttlichen Segen solche profectus
gemacht, dass ich unter dem Präsidio Herrn Christian
Fritzschens, Conrectoris, eine disputationem scholasticam de
perspicuitate scripturae sacrae respondendo gehalten, weil
ich gar zeitig durch sonderbaren Antrieb grosse Lust zum
Studio theologico bekommen. Dabei ist auch die thesis
philosophica ventilirt worden: Philosophia est donum Dei,
desgleichen die Thesis moralis: Homini civili licitum est
uti coraplimentis."
Der geistlichen Richtung entsprechend, ward vor dem
Abgange zur Universität Wittenberg am 10. März 1693
die Valediktionsrcde de morte Christi verissima gehalten.
*) Die vier grossen mit kurfürstlichen Fahnen geschmückten
Embleme stellten zur Erinnerung an Kriegsthaten Wien, Morea,
Heilbronn und Mainz dar (s. „Emblemata am Castro doloris zu Frey-
berg" im Anhange zu S. B. Carpzovs Leichenpredigt auf Johann
Georgen III., Dresden 1691. fol.). Auf Morea hatten 1685 an dem
Kampfe der Republik Venedig gegen die Türken drei sächsische
Regimenter sich siegreich betheiligt.
*) Ueber die Schultheater jener Zeit siehe Süss, Geschichte des
Gymnasiums zu Freiberg II, 65, wo berichtet wird, dass im Oktober
1689 sogar „Judith und Holofernes" aufgeführt worden sei.
Literatur.
Adam Friedrich Oeser. Ein Beitrag zur Kunstgescliicbte des
18. Jabrliuiideits. Von Dr. Alplioiis Dürr. Mit sieben Holz-
schnitten. Leipzig, Alphons Dürr. 1879. 8". X, 255 SS.
Das Leben Oesers ist fast mehr um der Beziehungen
willen, welche sich zahlreich mit demselben verknüpfen,
interessant, als durch die Leistungen des Mannes selbst.
So hoch auch die gleichzeitige Kritik den jMeister hielt,
so wenig können wir heute seinen süsslichen und unmänn-
lichen Schildereien Geschmack abgewinnen. Nicht der
grosse Künstler ist es, der uns an ihm interessiert, sondern
der verständige Vorkämpfer einer neuen, besseren Zeit.
In diesem Sinne löst auch die vorliegende Monographie
die ihr gestellte Aufgabe. Eines ihrer grössten Verdienste
ist, dass sie nie den Blick aufs Ganze verliert, dass sie bei
all der aus jeder Zeile hervorspringenden Liebe für das
gewählte Thema, doch nie den richtigen Massstab ein-
büsst, um die Bedeutung Oesers gerecht zu messen. Und
gerade durch die Schilderung der Kämpfe imd Unzuläng-
lichkeiten des wackeren Künstlers tritt dieser selbst mit
grösster Plastik vor unser geistiges Auge. Oesers Be-
deutung liegt darin, der „Verdränger des Rokoko in
Sachsen" zu sein; zunächst ist dies zwar ein negatives
Verdienst, dem entsprechende künstlerische Leistungen
kaum entgegen gesetzt werden können, aber doch ein
überaus wichtiges, denn wenn Oeser gleich in Vogel,
Matthäi, Näke und andern Künstlern der späteren Dresdener
Akademie eine; traurige Gefolgschaft nach sich zog, so
war er es doch, der dem Geiste den Boden ebnen half,
welchen Karstens erschloss und in Sachsen Schnorr,
Richter, Rietschel u. s. w. bebauten.
Die Eigenart des zu schildernden IManncs gebot den
Aufbau des Werkes. Nicht nach versciiiedenen Perioden
17*
260 Literatur.
seines künstlerischen Schaffens lässt sich sein Leben theilen,
sondern äussere Umstände sind es, die entscheidend auf
ihn wirken. Die Kapitel über die Jugendjahre in Press-
burg (1717—1730), die Lehrjahre in Wien (1730—1739),
die Zeit der Entfaltung des Könnens in Dresden (1739 —
175G) sind zwar in erster Linie dem Maler gewidmet.
Aber mit dem folgenden Aufsatze „Oeser und Winckel-
mann" lernen wir eine neue Richtung seines Wesens
kennen, das eigenartige Lehrertalent, welches doppelt in-
teressant dadurch wird, dass es Schüler von gewaltiger
Kapazität sind, die er anlockt und die ihn anlocken. Das
letztgenannte Kapitel und das achte, in welchem das Ver-
hältnis zu Goethe geschildert wird, sind wohl die be-
deutendsten und interessantesten Theile des Buches. Na-
mentlich beachtenswerth ist der Nachweis des lang wäh-
renden und tiefen Einflusses auf Goethe. Erst die italienische
Reise und das Verständnis der Renaissance befreit den
Dichter von der absoluten Verehrung des befreundeten
Künstlers, ja lässt ihn sogar abfällig über den „Nebulisten"
urtheilen.
Zwei weitere Kapitel behandeln Oesers Verhältnis zu
der 1764 gegründeten Dresdener und zu der Leipziger Aka-
demie. Der letzteren stand er bekanntlich bis zu seinem
1799 erfolgten Tod als Direktor vor. Auch hier ist wenig
von Schiüern Oesers zu sagen, doch wäre ein Nachweis
dessen, was mit dem Scheiden des Meisters von seiner Kunst
sich als dauernd erwies, nicht unerwünscht gewesen. Um so
mehr aber konnte der vielseitigen Anregungen Erwähnung
geschehen, welche er auf seine Zeitgenossen ausübte, ja es
hätte sich dieser Stoff vielleicht weiter ausspinnen lassen
als es der Autor, wohl in der Befürchtung, zu sehr in lokales
Gebiet hinüberzugreifen, that.
So haben mich beispielsweise Studien über die Ent-
wickelung der kunstgewerblichen Anstalten Sachsens wie-
derholt auf Oeser geführt. Mit Dank sind auch hier die
zahlreichen Winke anzuerkennen, die Dürr namentlich im
siebenten und neunten Kapitel seines Werkes giebt. Es
verdient Beachtung, dass gerade die Handwerker es sind,
welche mit Vorliebe Oesers Unterricht suchen, ja dass er
der einzige unter den Akademiedirektoren ist, der nach
dieser Richtung hin den Wünschen des Leiters des Kunst-
wesens in Sachsen, Chr. Ldw. von Hagedorn, entspricht.
Das sehr bemerkenswerthe Gutachten, welches Oeser
schon am 19, Dezember 1764 über die Ausbildung von
Literatur. 261
Musterzeichnern gab, hätte wohl Erwähnung verdient.
Denn hier zeigt sich den damals in Deutschland herrschen-
den Ansichten gegenüber schlagend Oesers praktisches
Lehrtalent. Während Hagedorn von der Kunst an sich
Hilfe gegen den Ungeschraack erwartet, während er meint,
dass die Beschäftigung mit den höchsten Idealen und Auf-
gaben mindestens dazu befähige, im Kleinen und Zweck-
dienlichen Tüchtiges zu leisten, weist Oeser auf französisclie
Verhältnisse und Avünscht die Musterzeichner direkt auf
ihr Ziel zu leiten. Hagedorn glaubte, das Handwerk
werde der Kunst auf dem hohen Fluge, den er ihr
wünschte, folgen; Oeser sah ein, dass das Handwerk nie
Nutzen vom Kunstunterricht ziehen könne, wenn derselbe
nicht auch in für den Handwerker geeigneter Methode
und Ausdehnung gegeben werde. Daher sprach er sich
bereits damals für die Anstellung eines IMusterzeichners
an der Akademie aus, welche jedoch erst 1782 unter dem
Grafen Marcoliui erfolgte. F. S. Pitterlin wurde nicht, wie
Dürr angiebt (S. 98), als „Lehrer für Porzellan-Zeichnen"
sondern als „Lehrer in denen bei den Manufakturwaaren
anwendbaren Zeichnungen", d. h. für Musterzeichnen, an-
gestellt.
Es ist hier leider nicht Raum genug, um auf Dürrs
in Anlage und Durchführung gleicli treffliches Werk in
verdienterweise einzugehen. Es sei gestattet, auf Gr. Wust-
manns höchst anerkennende Rezension in der Lützow'schen
Zeitschrift für l)ildende Kunst, Band XV S. 119 fgg.
beifällig hinzuweisen. Dem ausgezeichneten Gelehrten
aber, dem das Werk gewidmet ist und als dessen Schüler
sich Dürr bekennt, Prof. Anton Springer, wird das ge-
diegen ausgestattete Buch, wie Wustmann sagt, „zur Freude
gereichen, so gewiss Avie es ihm zur Ehre gereicht".
Dresden. C. Giu-litt.
Geschichte der Stadt Torg^au l)is zur Zeit der Reforinntion. Nach
den Urkunden zusammengestellt von Dr. G. Knabe. Torgau,
Friedr. Jacob. 1880. 8". 48 SS.
Für die Geschiclitc der Stadtverfassung und des
ganzen städtischen Lebens in den Gegenden , die den
Bereich unserer Zeitschrift bilden, ist noch so viel zu
thun übrig, dass man auch kleine Beiträge, wie den
vorliegenden, willkommen heissen wird, besond(n's wenn
der Verfasser, wie es hier der Fall ist, mit den erforder-
lichen Vorkenntnissen ausgerüstet an seine Aufi^abe heran-
262 Literatur.
gegangen ist. Wenn irgendwo, so sind auf diesem Gebiete
noch zahlreiche monographische Arbeiten nöthig, bevor
man die SteUung, die das Städtewesen in der Entwickelung
des Volks- und Staatslebens unserer Lande einnimmt,
richtig zu erkennen und klar darzustellen im Stande ist;
und wenn auch die Städte des östlichen Mitteldeutsch-
lands nicht entfernt ein so hohes Interesse beanspruchen
können , wie die norddeutschen Hansastädte oder die
süddeutschen Reichsstädte , so sind sie gleichwohl ein
hochwichtiger und noch lange nicht hinreichend gewürdig-
ter Faktor im Ganzen unseres Culturlebens und bedürfen
dringend einer tiefergehenden Untersuchung, als ihnen noch
heute oft genug in den von wohlmeinenden Dilettanten
geschriebenen „Chroniken" zu Theil wird. Man missverstehe
uns übrigens nicht : wir billigen es durchaus, wenn die
Verfasser städtegeschichtlicher Arbeiten nicht ausschliess-
lich für die Gelehrtenwelt schreiben wollen, sondern auch mit
einem Leserkreise unter den Bürgern ihrer Stadt rechnen;
es kann dem heutigen Geschlechte nur nützlich sein, wenn
es sich mehr Interesse und mehr Verständnis für geschicht-
liche Zustände und Verhältnisse erwirbt. Dann wird ja
wohl auch die alte Klage über die Misshandlung städtischer
Archive aufhören. Aber auch eine populäre Darstellung
muss vor allen Dingen richtig sein, und daher ist nur
der im Stande sie zu liefern, der das Gebiet wissen-
schaftlich beherrscht. Ein solcher aber wird den Weg
auch leicht finden, auf dem er die Resultate seiner Forsch-
ungen nicht ausschliesslich den „weiteren", sondern auch
den Fachkreisen geniessbar machen kann.
Wenn wir uns bei unserer Besprechung auf den
Standpimkt der letzteren stellen, so möchten wir zunächst
den Wimsch aussprechen, dass das vorliegende Schriftchen
der Vorläufer eines Urkundenbuchs der Stadt Torgau
sein möge. Die erforderlichen Mittel vrürden sich doch
wohl, sei es durch den Torgauer INIagistrat, sei es durch die
historische Kommission der Provinz Sachsen, beschaffen
lassen, da der Umfang eines solchen Urkundenbuchs gewiss
nur ein geringer sein würde, wenn auch das Hauptstaats-
archiv zu Dresden , das Ernestinische gemeinschaftliche
Archiv zu Weimar und möglicher Weise das Magdeburger
Staatsarchiv noch einschlagendes Material enthalten. Liegen
die Dokumente einmal übersichtlich und vollständig vor, so
wird doch vielleicht manche Unklarheit noch gelöst werden
können. Ob freilich die Entstehung eines rathsfähigen Pa-
Literatur. 263
tricials aus den Burgmannen (S. 13) sich des weitern wird
nacliweisen lassen, LezM'eifeln wir; über die Stellung der
Gemeinde zum Ratli scheint sich der Verfasser selbst zu
widersprechen, wenn er (S. 13) meint, dass den Kaufleuten
mit ihrer Heranziehung zu den städtischen Lasten auch
der Weg in den Rath geöffnet worden sei, dagegen (S. 17)
eine Theilnahme der Gemeine, zu der er doch wohl die
Kaufleute mitzäidt, am Ratlie in Abrede stellt.
Die schwierigsten Fragen aber bietet der Uebergang
der Gerichtsbarkeit an die Stadt. Wie meist, so hand-
habte auch in Torgau der Burgvogt die obere, der
Scultetus die niedere Gerichtsbarkeit; beide Stellungen
wurden von den Landesherren als Lehen ausgethan: die
Voirtei sehen wir im 14. Jahrhundert in den Händen der
Herren von Torgau, das Schultheissenthura kam durch
Lehnbrief von 1370 Aug. 13 an den Torgauer Bürger
Heinrich v. Kottbus (Cop. 30 fol. 28 im Hauptstaatsarchiv
zu Dresden). Von letzterem kaufte es der Kath der Stadt
Torgau für 65 Schock (wohl 1375 Juni 7, Cop. 30 fol. 45),
während er die Vogtei mit einem Drittheil der Gerichts-
einkünfte 1379 von Dietrich v. Torgau an sich brachte
und 1390 von Landgraf Wilhelm damit belehnt wurde.
Beide Gerichte waren also in den Händen des Käthes,
wenn auch die Voo;tei nicht mit den vollen Einnahmen,
wurden auch Avohl von demselben Richter abgehalten, und
dies mag die Verwirrung veranlasst haben, die uns in einer
Urkunde von 1437 auffällt. Knabe bespricht diese Urkunde
in Anm. 27 (S. 44). Uns liegt nun zwar das Original nicht
vor, wohl aber die (offizielle) Abschrift einer undatierten
Urkunde des Kurfürsten Friedrich IL (Cop. 35 fol. 157), in
welcher es u. a. heisst: „als furczyten der edeie er Ditterich
vonTorgaw (nicht Markgraf Wilhelm, wie Knabe angiebt)
burgermeister ratmanuen und der ganczen gemeyne unsir
stat Torgaw . • . das schultheissenampt und dy czweie
pf ennige an dem gericht für anderhalb hundert und virde-
halbin Rinischer guldin in pfandiswise ingetan vorsaczt
und vorschrebin hatte, habin uns die obgnanten burger-
meister ratmann und gancze gemeyne der obgnanten
unsir stadt Turgaw uff sollich vorgeschriben schultheiss-
ampt unde den dritten teil an dem gcrichte daseibist zcu
Torgaw zcu der obgnanten sunnnen gülden nach hundert
schog guter schildechter groschin Friberger muncze
o-ebin" u. s. w. Aus diesem Grunde reicht und leiht
o
ihnen der Markgraf das Schultheissamt und ein Drittheil
"o
264 Literatur.
des Gerichts. Die Urkunde ist unklar genug ; in der ersten
Hälfte ist von zwei Drittheilen des Gerichts die Rede, während
Dietrich v. Torgau dem Ratlie doch nur ein Drittheil ver-
kauft hat und weiterhin in der Urkunde auch dies eine
Drittheil nur erwähnt ist, während eine andere Urkunde,
die ebendaselbst abschriftlich steht und deren Original
Kno.be auch vorlag, die Verpfändung der zwei Drittheile
für die in der ersten Urkunde auch erwähnten 100 Schock
anführt. Das Verhältnis, in dem beide Abschriften zu den
Originalen des Torgauer Rathsarchivs stehen, ist noch zu
ermitteln ; dass die eine der beiden Urkunden auf einen
„Irrthum der Kanzlei" zurückzuführen sei, ist entschieden
nicht anzunehmen, da der Rath in einem Schreiben an den
Laudesherrn d. d. 1445 Juli 3 i^Or. im Hauptstaatsarchiv
No. 6902) sagt : „Das schulteissen ammecht mit dem eynen
pfennige des gerichtes haben wir erblichen von uwern
gnaden, sundern czweyne pfennige des gerichtes habin wir
gekoutft gehabit von uwern gnaden eyne czale jare ufF
eynen widderkouff von hundert ß gr. 1^2 hundert unde S^a
Rinischer gülden unde noch habin , das had u. g. vor
solche summe widder von uns zcu lösen." — Vollständige
Klarheit wird sich wohl aus dem Torgauer Material allein
schwerlich ergeben, man wird nach analogen Verhältnissen
in andern Städten suchen müssen.
Noch manchen anderen Nachtrag könnten wir aus
den Archivalien des Hauptstaatsarchivs bringen. So ergiebt
sich aus drei Gesuchen des alten Rathes um Bestätigung
des neugewählten von 1470, 1475 und 1476, dass damals
„nach alter Gewohnheit" die Rathswahl am Stephaustage
(26. Dezbr.) stattfand (nicht am 20. Dezbr. , vgl. S. 44
Anm. 35). Recht interessant ist eine Urkunde von 1378
März 23, in welcher den Torgauern die Erhebung eines
Wagengeldes gestattet wird und zwar behufs Pflasterung
der Stadt: „tam diu ipsi fabricant vias lapideas". Andere
Nachrichten des 14. und 15. Jahrhunderts betreffen den
Salz - und Wagenzoll , das Stättegeld (welches 1367
Febr. 10 au den Rath überging) , die landesherrliche
Münze, den den Landesherrn zustehenden Bau der Brücke
und des Schlosses, die Jahrrente, die schon 1367 die Höhe
von 130 Schock hatte, die Freihäuser und dgl. m. Doch
möge das Angeführte genügen und den Herrn Verfasser
dazu veranlassen, die mit erfreulichem Erfolg begonnenen
Untersuchungen unermüdet fortzusetzen.
Dresden. H. Ermiscli.
Literatur. 265
Die Kirchenvisitationen des Bistliunis Halberstadt in den Jahren
1504 und 1589. Xebst einer Einleitung, enthaltend die Geschichte
der Einführung der Reformation im Halberstädtischen. Heraus-
gegeben von der historischen Kommission der Provinz Sachsen.
Nach den Quellen bearbeitet von Gustav Nebe, Superintendent
und Oberdomprediger in Halberstadt. Mit einer Karte. Halle,
Otto Hendel. 1881. 8". VI. u. 288 SS.
Das vorliegende Werk bildet den zwölften Band der
„Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender
Gebiete". Wenn dieselben den Zweck verfolgen, wichtige
Dokumente der Geschichtsforschung zugänglich zu machen,
wie den Sinn für heimatliche Geschichte zu wecken, so
entspricht das genannte Buch demselben in hohem Grade.
Es giebt eine reiche Fülle neuen Stoffs ; die beiden Register
„Sachliches und Sprachliches", wie „Personen- und Orts-
namen" füllen nicht weniger als 26 enggedruckte Seiten.
Hat das Meiste auch nur lokales Interesse, so ist doch
auch vieles von Bedeutung für die sächsische Geschichte.
Referent verweist auf die kurzen , sorgfältig zusammen-
gestellten Biographien zahlreicher Geistlichen, z.B. S. 27 f.
und sonst. Eine Menge alter kirchlicher Sitten gelangen
zur Besprechung, der Aberglaube des Volkes wird durch
zahlreiche, fesselnde Beispiele illustriert. So erscheint die
Schrift geeignet zur Leetüre nicht nur für Historiker,
sondern auch für weitere Kreise. Dazu trägt nicht zum
geringsten die schöne Darstellung bei.
Dieselbe tritt besonders in der Einleitung hervor,
welche auf S. 1 bis 28 ein übersichtliches und frisches
Bild der reformatorischen Bewegung im Bisthum Halber-
stadt entwirft. Verhältnismässig lange Zeit dauerte es, ehe
die neue Lehre hier durchdrang. Ausser den Bedenken,
Avelche die Ausschreitungen der Bauern und Wieder-
täufer hervorriefen , war der Grund der Widerstand,
welchen ihr die hohen geistlichen Würdenträger, an der
Spitze Erzbischof Albrecht von Magdeburg , entgegen-
setzten. Augustinermönchc waren die ersten Verbreiter
der Lehre des Wittenberger Ordensgenossen, zunächst vom
Johanniskloster in Halberstadt aus, in welchem ein reges
wissenschaftliches Leben geherrscht zu haben scheint. Mit
Gewalt wurde diese BeAvegung unterdrückt. Während
des Bauernaufstandes wurde wold kui'ze Zeit evangelischer
Gottesdienst gehalten, aber nach Niederwerfung des Auf-
ruhrs wurden die Prediger vertrieben. Freilich konnte
man nicht hindern, dass im Geheimen sich immer mehr
Luthers Ansichten zuwendeten. Diese Bestrebungen er-
266 Literatur.
hielten neue Nahrung, als im Jahre 1539 ringsum im
Herzogthmn Sachsen, in Brandenburg, in Wernigerode,
in Quedlinburg die Reformation eingeführt Avurde. Nach
langen Verhandlungen mit dem Erzbischof, bei welchen
die Uebernahrae einer Schuld von 500 000 Gulden eine
grosse Rolle spielte, zog die Reformation in Halberstadt
ein. Vergeblich war die Opposition späterer Bischöfe,
vergeblich halbe Massregeln Bischof Sigmunds, der,
selbst protestantisch erzogen, evangelische Prediger zuliess
imd nur aus politischen Gründen der alten Lehre treu
blieb. Ihm gebührt das Verdienst, dass unter ihm die
auf dem Landtage zu Calbe beschlossene Generalkirchen-
visitation ins Leben trat, die von 1562 bis 1564 dauerte.
Die Instruktion für dieselbe übergeht der Verfasser als
schon gedruckt, es wäre aber wenigstens ein Excerpt und
eine Bemerkung über die drei verschiedenen vorhandenen
Rezensionen erwünscht gewesen. Bei der Visitation traten
zahlreiche Schäden zu Tage, so die stiftungswidrige,
willkürliche Verwendung von Kirchengut, unrechtmässige
Aenderungen im Patronat, dazu mangelhafte Bildmig,
wie sittliche Mängel in der Geistlichkeit.
Eine zweite Visitation wurde im Jahre 1589 vom
April bis zum Oktober gehalten. Für dieselbe wurde
eine neue umfängliche Instruktion ausgearbeitet, welche
S. 17 bis 26 zum ersten Male zum Abdruck gelangt.
Sie entliält nach einigen einleitenden Vorschriften über
die Geschäftsordnung der Visitatoren Bestimmungen, welche
in 7 Capiteln I. von der Vokation, Lehre und Leben der
Kirchendiener, II. von der Lehre, III. von den Sakramen-
ten, IV. von den Ceremonien, V. von der Disciplin, VI. von
den Kirchengütern, VII. von der Schule handeln. Dies-
mal war der Zustand des kirchlichen Lebens wesentHch
günstiger; "VA^ort und Sakrament wurden von würdigen
Personen in evangelischer ^A^eise verwaltet; die alte Kirche
fand nur in den Stiftern und Klöstern eine Zufluchtsstätte,
und nachdem durch das persönliche Eingreifen des
Bischofs auch in den ersteren die Reformation eingeführt
worden war, blieben nur die Klöster — bis zu ihrer
Aufliebuno- in den Freiheitskriegen — der katholischen
O CD
Kirche treu.
Am Schlüsse der Einleitung giebt der Verfasser auf
S. 29 bis 33 in Tabellenforra ein Verzeichnis der visitierten
Ortschaften. In sechs Columnen werden uns die Gerichts-
herren, die Kirchen-, die Lehnsherren, die Pfarrer, die
Literatur. 267
Anzahl der Hauswirthe 1564 uiul 1589 und die Schulen
vorgeführt.
In der nun folgenden ausführlichen Darstellung der
beiden Visitationen, hält der Verfasser dieselben nicht aus-
einander, sondern geht den einzelnen Städten und Aemtern
nach und behandelt in jedem einzelnen Orte, ja in den
grössern Städten bei jeder Kirche zunächst den Zustand
bei Gelegenheit der ersten und darauf der zweiten Visi-
tation. Es ist durch dieses Zerschlagen der Protokolle
allerdings eine Uebersicht über die einzelnen Visitationen,
wie eine Vergleichung derselben erschwert, umsomehr
da kein äusseres Merkmal die beiden Berichte trennt.
Aber diese Methode hat den Vortheil, dass der Leser
das den einzelnen Ort Betreffende bequem übersieht.
Referent hält diese Methode bei einem Buche, welches
vorwiegend von lokalem Interesse ist, für durchaus berech-
tigt. Reiches IMaterial liegt für die Städte vor, voran für
Halberstadt, welches 20 Seiten umfasst. Die Protokolle
sind sehr ausführlich luid gewähren einen interessanten
Einblick in das kirchliche Leben der Zeit. Ueber die
Vermögensverhältnisse der Kirchen, die Besoldungen der
Geistlichen wird eingehend berichtet; die Schulen sind
sorgfältiger als in den Visitationen anderer Gegenden
berücksichtigt, eine ganze Reihe ausführlicher Lektions-
pläne wird mitgetheilt ; die Hospitäler und andere Institute
für Nothleidende Averden erwähnt. Die Visitatoren lassen
denselben ihre wärmste Fürsorge zu Theil werden. Sie
geben die eingehendsten Vorschriften und Anordnungen
zur Hebung des kirchlichen Lebens. Auch die Kirchen-
zucht wird fleissig geübt; sogar „die Spazirjunker unter
der Prediget vor dem Thor" sollen mit Peitschen in die
Kirche getrieben werden. Leider muss Referent auf
weitere Mittheilungen, wie auf einen Rundgang durch die
einzelnen Orte verzichten, trotzdem dass letzterer viel
Interessantes bieten und durch die beigegebene litho-
graphierte Karte des „Episcopatus Halberstadensis" sehr
erleichtert werden würde.
Das Vorwort des Verfassers schliesst mit dem Wunsche:
„Möchten die Bauleute auch in den folgenden Blättern einen
brauchbaren Stein erkennen." Derselbe dürfte mehr als
reichlich in Erfüllung gehen. Dem Referenten erscheint
das Buch als der Grundstein für die Reformations-
geschichte des Bisthums Halberstadt.
Dresden -Neustadt. Georg Müller.
268 Literatur.
Hans Fabian von Ponickau, der Dofensor der Oberlausitzer
Glaubensfreiheit zur Zeit des dreissigjährigen Krieges. Vortrag etc.
gehalten von Heinrich Johann Scheuffler. Barmen, H. Klein.
1879. 8«. 42 SS. (A. u. d. T. : Evangelische Brnderliebe. Vorträge
iiber die Aufgaben und Arbeiten des evangel. Vereins der Gustav-
Adolf-Stiftung, herausgegeben von A. Natorp. Bd. IL, Heft 1.)
Das Büchlein verdankt sein Entstehen einem Vortrage
bei Gelegenheit eines Gustav-Adolf- Vereinsfestes. Daraus
erklärt sich vor allem sein stark accentuierter konfessioneller
Standpunkt. Dem Verfasser zufolge wäre nun Hans Fabian
von Ponikaii auf Elstra , Landesältestcr des Bautzner
Kreises, der alleinige geistige Urheber, Träger und Vertre-
ter all jener Massnahmen gewesen, welche von den gesamm-
ten Oberlausitzer Ständen in der Zeit von 1609 bis 1620
getroffen wurden, um auch für ihr Land einen ähnlichen
Majestätsbrief zu erlangen, wie ihn Böhmen und Schlesien
erhalten haben. Daher nennt er seinen „Helden" auch
„den Defensor der Oberlausitzer Glaubensfreiheit". Dies
steht nun freilich mit den thatsächlichen Verhältnissen
nicht im Einklang. War er auch, schon seiner Stelhmg
nach, eine einflussreiche Persönlichkeit, so war er doch
keineswegs der ausschliessliche Lenker und Leiter der
Oberlausitzer Stände bei deren Landtagsbeschlüssen. Wohl
stand er, ebenfalls seiner Stellung zufolge, an der Spitze
fast all der zahlreichen, nach Prag damals abgefertigten
Gesandtschaften; aber diese Gesandtschaften waren strens;
gebunden an die von den Ständen ihnen mitgegebenen
(noch vorhandenen) Instruktionen, und als einmal, eben
bei der „Verwerfung" König Ferdinands H. als Königs
von Böhmen, von welcher die Stände durchaus nichts
wissen Avollten, die Abgeordneten, durch die Umstände
gedrängt, ihre Listruktionen überschritten hatten, sahen
sich dieselben bei ihrer Rechenschaftsablegung vor dem
Bautzner Landtage sehr unliebsamen Urtheilen ausgesetzt.
— Aktenmässig sind jene Bemühungen der Oberlausitzer
Stände um Erlangung eines Majestätsbriefs, desgleichen
die Absendungen der einzelnen Gesandtschaften nach Prag,
endlich der Beitritt der Oberlausitz zu der böhmischen
„Conföderation" von 1619 und die verhängnisvollen Folgen
hiervon dargestellt in unsern beiden Abhandlungen : „Der
Antheil der Oberlausitz an den Anfängen des dreissigjährigen
Krieges 1618 bis 1623" und ,,Die Bemühungen der Ober-
lausitz vun einen Majestätsbrief 1609 — 1611" (Lausitzer
Magazin Band LVI S. 1 fgg. und S. 96 fgg.), auf welche
wir, behufs Richtigstellung von mancherlei Angaben in
Literatur. 269
vorliegendem Sehriftcheu, verweisen. Bei eingelienderer
Untersucliung dürfte sich auch das landläufige, von dem
Verfasser getheilte Verdammungsurtheil über die damalige
Politik Kursachsens als ein voreiliges erweisen, und aber-
mals sich herausstellen, dass ein leitender Staatsmann (da-
mals Präsident Caspar von Schönberg in Dresden) in
Momenten wichtiger politischer Entscheidungen wahrlich
noch anderes zu erwägen hat, als wie er es den Geist-
lichen der Mit- und Nachwelt recht machen könne.
Dresden. Kuothe.
Uebersicht über neuerdings erschienene Schriften und
Aufsätze zur Sächsisch -Thüringischen Geschichte und
Alterthumskunde.
Alherti, J. Urkunden-Sammlung zur Geschichte der Herr-
schaft Gera im Mittelalter. Mit Erläuterungen. Erstes
Heft. Gera, Griesbach. 1881. 8«. G4 SS.
Beeil, F. Verzeichniss der alten Handschriften und Drucke
in der Domherrenbibliothek zu Zeitz, aufgestellt und
mit einem Vorworte zur Geschichte der Bibliothek
versehen. Berlin, Weidmann. 1881. 4". XI, 58 SS.
Eckardt , Ernst. Chronik von Glauchau u. s. w. (vgl.
Bd. I. S. 287, 348.) Lief. 6—14. Glauchau, Peschke.
1880. 1881. 8". S. 161—448.
Fleischmann , Ad. Zur Geschichte des Herzogthums
Sachsen-Coburg-Saalfeld, enthaltend die Geschichte der
gefürsteten Grafschaft Henneberg, der Herrschaft Saal-
feld, der landständischen Verfassung in Coburg bis
Ende des 18. Jahrhunderts. Nach seinen Vorträgen
bearbeitet. Zweites Heft. Hildburghausen, Kesselring.
■ 1881. 8». 120 SS.
(Gelbe.) Stollberg im Besitze adliger Herreu: Zweites
Flugblatt des städtischen Vereins zu Stollberg zur Er-
gründung und Erhaltung der Geschichte Stollbergs und
Umgegend. Jahr 1880.
Gerlach, IL Das alte Freiberg in Bildern. Erste Liefe-
rung (Aufnahmen vom Jahre 1880). 32 Photographien in
Carton mit erläuterndem Text auf der llückseite.
270 Literatur.
Haarer, Peter. Beschreibung des Bauernkrieges 1525. Nebst
einem Anhang: Zeitgenössisches über die Schlacht bei
Frankenhausen. Halle, Niemeyer. 1881. 8". 111 und
17 SS. (A. u. d. Titel: Materialien zur neueren Geschichte,
herausgegeben von G. Droysen. Nr. 3.)
Haherkorn, D. F. L. Die Verfassungsurkunde des König-
reichs Sachsen vom 4. September 1831 sonst und jetzt,
nebst Nachrichten über Zeit und Dauer der Land-
tage und ihre Directorien. Dresden, Druck von Mein-
hold & Söhne. 1881. 8«. 106 SS.
V. Heinemann, Otto- Codex diploraaticus Anhaltinus. Auf
Befehl Seiner Hoheit des Herzogs Leopold Friedrich
von Anhalt herausgegeben. Fünfter Theil: 1380 — 1400.
Mit zwei Stammtafeln. Dessau, Barth (Comm.) 4". 414 SS.
Katterfeld , A. Beiträge zur Geschichtschreibung des
Schmalkaldischen Krieges : Forschungen zur Deutschen
Geschichte. Bd. XXI. . S. 355—380.
Kell, Richard. Sebalt Schwertzer als kursächsicher Faktor
und kaiserlicher Berghauptmann. Liaugural-Dissertation
zur Erlangung der Doktorwürde in der philosophischen
Fakultät der Universität Leipzig. Leipzig, Druck von
Julius Klinkhardt. 1881. 8°. 80 SS.
Köhler, J. Aug. Ernst. Die Thiere des Erzgebirges nach
den Mittheilungen der Chronisten: Zweite Beilage zu
No. 150—152 des Chemnitzer Tageblattes. 1881.
V. Mülverstedt, G. A. Regesta archiepiscopatus Magde-
burgensis. Sammlung von Auszügen aus Urkunden und
Annalisten zur Geschichte des Erzstifts und Herzogthums
Magdeburg. Nach einem höhern Orts vorgeschriebenen
Plane in Gemeinschaft mit Ed. Jacobs , K. Janicke,
F. Geisheim und C. Sattler bearbeitet und auf Kosten
der Provinzial- Vertretung der Provinz Sachsen heraus-
gegeben. Zweiter TheiL Von 1192— 1269. Magdeburg,
E. Baensch jun. 1881. 8». VH, 784 SS.
Muther, Rieh. Anton Graff. Inauguraldissertation zur
Erlangung der philosophischen Doctorwürde an der
Universität Leipzig. Leipzig, Druck von W. Drugulin.
1881. 8". 128 SS.
Reyer, E. Zinn. Eine geologisch-montanistisch-historische
Monographie. Berlin, G. Reimer. 1881. 8». 248 SS.
(Enthält viele Angaben über den Zinnbergbau in Sachsen.)
Rüge, /S. Geschichte der sächsischen Kartographie im
16. Jahrhundert: Kettlers Zeitschrift für wissenschaft-
liche Geographie. Bd. L S. 89—94.
Literatur. 271
Scheltz, 7h. Gesammt-Gescliichte der Ober- und Nieder-
Lausitz nach alten Chroniken und Urkunden. Zweiter
Band (182 SS.) : Neues Lausitz. Magazin. Bd. LVII.
Heft 1.
Schultz, Alwin. Hans A^'^alter, Bildhauer zu Dresden:
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 1881. No. 6.
Sp. 171 fg.
Schwer cl feger. König Johann, eine Lebensskizze für unsere
Zeit. Vortrag, gehalten bei Anwesenheit Sr. Majestät
des Königs Albert und Ihrer Königlichen Hoheiten des
Prinzen Georg , der Frau Prinzessin Georg und der
Prinzessin Mathilde im Deutschen Invaliden -Verein
„König Albert" zu Dresden den 16. März 1881. Dres-
den, Druck von C Heinrich. 8°. 20 SS.
Steche. Der Altarschrein zu Flöha: Anzeiger für Kunde
der deutschen Vorzeit. 1881. No. 6. Sp. 172.
Vogler, Max. Zur Geschichte des Schlosses Rochsburg :
Zweite Beilage zu No. 158 des Chemnitzer Tageblattes.
1881.
Vollbaum, J. Die Specialgemeinden der Stadt Erfurt.
Im Auftrage des Magistrats bearbeitet. Erfurt, Stenger.
1881. 8". 129 SS.
Wahner. Wo hat der öffentliche und formelle Uebertritt
Friedrich Auo^ust II. , Kurfürsten von Sachsen und er-
wählten Königs von Polen, zum Katholizimus statt-
gefunden? Zeitschrift des Vereins für Geschichte und
Alterthum Schlesiens. Bd. XV. S. 511-513.
Warnatz, Mathias. Die Wartburg und Eisenach in Sage
und Geschichte. Mit einer Ansicht der Wartburg (in
Lichtdruck). Wien, Braumüller. 1881. 8". VII, 143 SS.
W er nicke , Ewald. Gutachten der AVerkmeister Bcnedix
Ried von Prag, Plans von Torgau und Hans Schicken-
dantz über den Annaberger Kirchenbau 1519 : Anzeiger
für Kunde der deutschen A^orzeit. 1881. No. 7. Sp.
197—199.
V. Witzlehen., C. U. Die Entstehung der constitutionellen
A^erfassung des Königreichs Sachsen. Zur Feier des
fünfzigjährigen Bestehens der A^erfassungsurkunde voni
4. September 1831. Im Auftrage der Königlichen
Staatsregierung verfasst. Leipzig; Druck von B. G.
Teubner. 1881. 8°. IX, 417 SS.
Chronik des Sächsischen Könii2;shauses und seiner Re-
sidenzstadt vom achtzehnten Juni eintausend acht
hundert und drei und fünfzig bis zum achtzehnten
272 Literatur.
Juni eintausend acht hundert und acht und siebzig.
Ihren Königlichen Majestäten Albert und Carola von
Sachsen zum silbernen Ehejubiläum in Ehrfurcht ge-
widmet von der Königlichen Haupt- und Residenz-
stadt Dresden. Anno Domini MDCCCLXXVIII.
[Dresden , Willielm Baensch. Comm.] gr. fol. V,
380 SS.
Mittheilungen des Vereins für die Geschiclde und Alterthums-
hunde von Erfurt. Zehntes Heft. Erfurt, Villaret. (Comra.)
1881. 8".
Inhalt: Böckner, Das Peterskloster zu Erfurt. Werneburg,
Beiträge zur thüringischen und insbesondere zur Erfartischen
Geschichte, v. Tettau, Gleichen'sche Kegesten.
Mittheilungen vom Freiherger Alterthumsverein. Heraus-
gegeben von Heinrich Gerlach. 17. Heft. 1880. Mit
3 Tafeln Abbildungen. Freiberg i.S., Gerlach. 1881. 8".
Inhalt: Freiherr 6 Byrn, Die Herzöge von Holstein-Wiesen-
burg in Sachsen. Wernicke, Zur Geschichte der Malerinnung in
Freiberg. Gautsch, Das Freiberger Jungfrauenkloster und seine Auf-
hebung. Gerlach, Ueberreste von dem Jungfrauenkloster zu Freiberg.
Gerlach , Die Kleinodien und Geschichtliches der alten Freiberger
Schützengilde.
X.
Zur Bevölkerungs- und Yermögensstatistik
Dresdens im 15. Jahrhundert.
Von
Otto Richter.
Die Feststellung der Bevölkerungszahl unserer mittel-
alterlichen Städte ist auf verschiedenen Wegen, meist aber
mit zweifelhal'teui Erfolge, versucht worden. Die an-
gewandten Berechnungsniethoden, welche entweder von
der Stärke der wafl'enfähigen Mannschaft oder von der
Zahl der neuaufgenommenen Bürger ausgingen, haben in
ihren Resultaten zu so wesentlichen Abweichungen gefüln-t
und es sind dagegen so begründete Einwände erhoben
worden ^), dass man auf ihre Anwendung fernerhin wird
verzichten müssen. Soviel scheint unzweifelhaft, dass die
bevölkerungsstatistischen Untersuchungen für jede Stadt
einzeln angestellt Averden müssen und vollen Erfolg nur
') Vgl. namentlich K. Koppmann, Die Bereclniunf!; der Ein-
wohnerzahl aus den Listen der Neubürger, in den Mittheilungen des
Vereins für Ilamb. Geschichte III (1881), 122—125. K. iJüchcr, Zur
mittelalterlichen Bevölkerungsstatistik mit besonderer Rücksiclit auf
Frankfurt a. M., 1. Tbeil, in der Zeitschrift für die gesammte
Staatswissenschaft XXXVII (1881), 535— ."-iSO. Letzterer Aufsatz
bietet vortreffliche Erörterungen über alle bei der mittelalterlichen
Bevölkerungsstatistik zur Anwendung zu bringenden Grundsätze,
namentlich im Anschluss an die Resultate der Müruberger Volks-
zählung von 1449.
Neues Archiv f. ö. 0. u. A. II. 4. 18
274 Ottn Richter:
da versprechen, wo ein gütiges Gescliick die städtischen
Steuerregister vor dem Untergange bewahrt hat. Was mit
diesem Materiale geleistet werden kann, ist von Schönberg
in mustergiltiger Weise für die Stadt Basel gezeigt worden.^)
Für die Stadt Dresden ist zu derartigen Unter-
suchungen ebenfalls ein ziemlich reichhaltiges Material im
Rathsarcliive vcn'handen. Dieselben dürfen allerdings mit
Rücksicht darauf, dass Dresden im Mittelalter ein un-
bedeutendes Landstädtchen war, in der Hauptsache nur
einen lokalgeschichtlichen Werth beanspruchen; einige der
folgenden Mittheilungen jedoch; namentlich soweit sie sich
auf eine zu Steuerzwecken angefertigte Kopfzählungsliste
aus dem Jahre 1454 und mehrere Vermögensabschätzungs-
register von 1488 und 1502 gründen, werden vielleicht
auch für weitere Kreise nicht ohne Interesse sein.
Die hauptsächlichste Einnahmequelle der Stadt Dres-
den bildete im 14. und 15. Jahrhundert das Gesclioss, eine
von allen Bürgern zu entrichtende Steuer vom Grund-
besitz und vom beweglichen Vermögen.^) Sie wurde all-
jährlich in zwei Terminen, zu Walpurgis und zu Michaelis,
erhoben. Die Geschossreglster, die für jeden Termin neu
aufgestellt wurden, sind, mit dem Jahre 1396 beginnend,
in grosser Zahl erhalten. Sie bilden ein nach den Strassen
geordnetes Verzeichnis der Namen der Hausbesitzer und
*) G. Schönberg, Finanzverhältnisse der Stadt Basel im XIV.
und XV. Jahrhundert. Tübingen 1879.
*) In einer Zusammenstellung der Seitenbeträge eines Geschoss-
registers (circa 1450) wird unterschieden Geschoss de domibus und
de rebus raobilibus et aliis bonis. Zu Walpurgis I45.S, als eine voll-
ständige Neueinschätzvuig vorgenommen wurde, heisst es in der
Ueberschrift des Geschossregisters: do hat iczlichir alle syne guter
bie dem eyde verschoßt, als das ym statbuche iczlichs sunder-
lichin verczeichint ist. In der Kämmereirechnung vom Jahre 1500
findet sich die Notiz: Christoff Platener hat angenomen sein burger-
recht uffs jar mit XVI gr. zu vorschössen. (Dies dürfte so zu
verstehen sein, dass bei der Bürgeraufnahme das Vermögen des Auf-
zunehmenden eingeschätzt wurde und dass darauf die angegebene
Summe als Geschoss entfiel; wahrscheinlich w^ar sogar die Erlangung
des Büi'gerrechts vom Nachweis eines bestimmten Vermögens ab-
hängig.) Wenn also jeder Bürger Geschoss zahlte und alle Grund-
besitzer Bürger sein mussten, so ist natürlich das Geschossregister
zugleich als die Bürgerliste zu betrachten. Ueber die Steuer der
Nichtbürger vgl. Anmerkung 10.
Zur Bevölkerungs- und Vermögensstatistik Dresdens etc. 275
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18*
276 Otto Richter;
der bei ihnen wohnenden nichtansässigen Bürger, in wel-
ches die einzelnen Steuerbeträge bei ihrer Bezahlung ein-
getragen wurden; seit 1424 sind die Hausgenossen von
den Hausbesitzern durch das dem Namen vorangestellte
Zeichen li und statt dessen seit 1444 durch Hinzufügung
des Wortes ibidem unterschieden, so dass sich seitdem auf
Grund der Geschossregister auch die Zahl der Häuser
ermitteln lässt.
Wir geben zunächst eine tabellarische ^Uebersicht
(Tabelle I, Seite 275) über die Zahl der Geschosspflich-
tigen und die Zahl der Häuser in Dresden ^) zu zwölf
verschiedenen Zeitpunkten zwischen dem Endo des 14. und
dem Anfange des 16. Jahrhunderts. Es ist nicht möglich,
die Abschnitte ganz gleichmässig zu wählen, weil für
einzehie Jahre die Register fehlen. Eine im Jahre 1453
vorgenommene Neueinschätzung, durch welche sich die
Zahl der Geschosspflichtigen um 50 erhöhte, ist besonders
zu beachten.
Aus dieser Tabelle geht deutlich hervor, dass die
Stärke der leistungsfähigen Bevölkerung Dresdens sich
gasse [?]), Theil der Kuttelgasse (jetzt Frauenstrasse [?]); zum
5. Viertel: anderer Theil der Kuttelgasse, das Loch (jetzt Bader-
gasse), Schreibergasse. Wenn in dieser Aufzählung mehrere Strassen
fehlen, so kommt dies daher, dass in den Geschossregistern die
zwischen zwei Querstrassen gelegenen Häuser der sie schneidenden
Längsstrassen mit zu den ersteren gezählt sind. Somit werden in
Tabelle I unter Seegasse nur die vom Markte bis zum Seethore und
von da zurück bis zur Kundigengasse gelegenen Häuser zu ver-
stehen, die übrigen Häuser der Seegasse aber mit zur Kundigengasse
oder zur Zahnsgasse gerechnet sein u. s. w. In Folge dieses Ver-
fahrens bleiben in den Geschossregistern unerwähnt: der Markt und
die Eibgasse (jetzt Schlossstrasse), auffälliger Weise aber auch die
Kreuzgasse, sowie mehrere zwischen dieser und dem Loche gelegene
Gässchen (wahrscheinlich Weissegasse und Nassegasse), deren Häuser
in der Tabelle, wie in den Geschossregistern dem Loche zugezählt
sind. Auch zwischen der Eibgasse und der Judengasse müssen
mehrere Gässchen, wenn auch vielleicht ohne Häuserfronten, existiert
haben. Ueberhaupt bedarf die Topographie des mittelalterlichen
Dresdens noch genauer Untersuchung und Feststellung, bis zu
welcher man sich mit nicht ganz unbegründeten Vermuthungen, wie
den obigen, begnügen möge.
*) Unter Dresden ist hier immer die befestigte Stadt auf dem
linken Eibufer zu verstehen. Das auf dem rechten Ufer gelegene
kleinere Aklendresden, welches im Jahre 1403 Stadtrecht erhalten
hatte, wurde erst 1549 mit Dresden zu einem einzigen Gemeinwesen
verschmolzen. Zur Unterscheidung von diesem Altdresden wurde
Dresden bisweilen, jedoch nicht vor der zweiten Hallte des 15. Jahr-
hunderts, auch Neudresden genannt.
Zur Bevölkerungs- und Vermögecsstatistik Dresdens etc. 277
während des 15. Jahrhunderts weder erhebHch vermehrt
noch vermindert hat. Wenn die Zahl der Häuser in den
Jahren 1431 bis 1489 von 420 auf 472 «) und die Zahl
der Geschosspflichtigcn in der Zeit von 1396 bis 1489
nach mehrfachen Schwankungen von 657 auf 734 an-
gewachsen, so ist dies ein in Anbetracht des langen Zeit-
raumes recht unbedeutender Fortschritt. Es wäre wohl
von da an, zumal Dresden seit 1485 ständige Residenz
der Albertiner war, ein lebhafterer Aufsclnvung zu er-
warten gewesen, wenn nicht eine grosse Feuorsbrunst am
15. Juni 1491 mehr als die Hälfte der Stadt und am fol-
genden Tage auch noch einen Theil der Vorstadt in Asche
gelegt und damit ihre Fortcntwickelung für lange Zeit
gehemmt hätte.') Noch zehn Jalire später stand die Ziffer
der Steuerzahler weit hinter der von 1489 zurück, obwohl
die Häuser fast säramtlich wieder aufgebaut waren.
Die grösseren Schwankungen, welche sich namentlich
in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in der Zahl der
Geschosspflichtigen zeigen, dürften zum Theil auf ver-
heerende Epidemien (z. B. 1439), zum Theil auf kriege-
rische Ereignisse zurückzuführen sein. So wird sich die
zwischen 1421 und 1431 eingetretene Vermehrung der
Geschosspflichtigen von 455 auf 694 und der bald wieder
erfolgte Rückgang hauptsächlich daraus erklären, dass im
Jahre 1429 bei dem Heranrücken der Hussiten die Be-
wohner der offenen Stadt Altdresden und der Vorstädte
in der Festung Schutz gesucht hatten, um später wieder
zu ihren früheren Wohnstätten zurückzukehren. Die zeit-
weilige Verminderung der Häuserzahl in einzelnen Strassen
ist ohne Zweifel in der Regel durch kleinere Brände ver-
anlasst, was daraus hervorgeht, dass statt der Häuser
vielfach blosse „Hofstätten" im Geschossregister erscheinen.
•) In einem Berichte des Rathes an die Landesherren üher die
städtische Kriegsstärke, die Zahl der Angesessenen und den Besitz-
stand der Stadt vom 2. Oktober U74 (gedruckt im Cod. dipl. Sax. II. 5,
266—267) heiäst es: Item IIIF-'XXVI be^essiner lute sint in der stat
Dresden; dorunder sint vaste vil cleynor huserchin, die man zcu
dreyn virn funff und sechs schogken koufft, die denne arme lute und
wittwen besitczen, die der fürstlichen gcwalt ui d der stat cleyn diust
und volge gethun können. Obir dise summa sint usgeslossen XXVI
frey hoffe, die der herschafft noch der stat keyn dinst noch gerechtiket
pflegen. Des sint X edellute hoffe und XIII prister und monche
hoffe und III zele nrd nigclhuser, dorynne die paginen wonen.
') A. Weck, Der Churf. Sachs. Ilesidentz Dresden Beschreib-
und Vorstellung (Nürnberg 1680) .510.
278 ^tto Richter:
Eine sehr auffällige Abnahme der theilweise aus Juden
bestehenden Bewohnerschaft der Windischen Gasse zwi-
schen 1401 und 1411 möchte theilweise mit den Juden-
verfolgungen jener Zeit in Zusammenhang zu bringen
sein.*) — Was die Vorstädte anlangt, so bieten die Geschoss-
register, wie es scheint, bisweilen keinen vollen Verlass,
insbesondere in Bezug auf die Jahre 1421 und 1453, bei
denen es an erklärenden Thatsachen für das gänzliche
Verschwinden vorstädtischer Steuerzahler mangelt. Doch
dürfte Tabelle II (Seite 279) wenigstens insofern von
Interesse sein, als daraus ungefähr ersichtlich ist, zu wel-
cher Zeit und unter welchem Namen die einzelnen vor-
städtischen Gemeinden und Häusergruppen geschosspflichtig
werden. Ebenso geht daraus deutlich hervor, dass sich
die Vorstädte, in denen überall die Zahl der Häuser mit
der der Geschosspflichtigen fast genau übereinstimmt, also
geschosszablende Miethlaewohner nicht vorhanden sind, in
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts einer lebhaften
Entwickelung erfreuten, während es in den von den
Festungsmauern dicht umschlossenen engen Strassen der
Stadt zu einer erheblichen Vermehrung der Häuser schon
an Raum zu mangeln begann.^)
Wenn nun die Frage erhoben wird, ob denn die
Geschossregister überhaupt eine zuverlässige Grundlage
für die Bevölkerungsstatistik bilden, so glauben wir un-
bedenklich bejahend antworten zu sollen. Zwar verzeichnen
sie nur die Hausbesitzer vollständig und von den un-
ansässigen Haushaltungsvorständen nur die, welche Bürger-
recht besitzen; dies verursacht aber nur eine geringe
Unsicherheit, da, wie sich zeigen wird, die Zahl der nicht-
bürgerlichen und nicht geschosszahlenden selbständigen
Einwohner überhaupt nur gering und für die Kopfzahl
der Bevölkerung die Zahl und Stärke der Hausbesitzer-
familien ausschlaggebend war.
«) Vgl. Codex dipl. Sax. reg. II. 5, 132, über eine Judenverfolgung
im Jahre 1410, in welchem die Namen einiger Juden aus dem Ge-
schossregister verschwinden ; die Abnahme fällt freilich hauptsächlich
in die Zeit zwischen 1404 und 1407.
") Wenn Hasche, Diplomat. Geschichte Dresdens (Dresden 1816 ff.)
II, 84 sagt, in der Stadt seien damals Gärten und Weinberge ge-
wesen, und dies daraus zu schliessen scheint, dass später Kurfürst
August zum Baue des Zeughanses fünf Gärten ankaufte, so übersieht
er, dass jene Gegend im 15. Jahrhundert noch ausserhalb der Stadt
lag mid erst durch die vom Kurfürsten Moritz ausgeführte Erweite-
rung der Mauern mit eingeschlossen wurde.
Zur Bevülkerungs- ni d Vcnnögensstalistik Dresdens etc. 279
Tabelle II. (Siehe Seite 278).
Ortsbezeichnung
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Ramtitzgasse
Gerbhäuser
V.d.WilischenThore
Vor d. Brückenthore
Vor dem Frauenthore
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2h
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18
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7
10
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36
31
44
4
13
32
5
13
20
13
11
17
34
31
21
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Halbegasse. .
An der Elbe
An der Katzbach . .
Borngasse
Hinter dem alten See
Ziegelgasse
Hinter dem neuen See
Poppewitz
9
35
5
17
Rosengasse
Fischersdort
— 1
1
10
34
|66
46 1 42
11 39
5 141 18li249;i92
Berechnung'
Als Massstal) für die
aus den Geschossregistern dient uns
Kopfzählungsliste für das erste und den
Tlieil des zweiten Stadtviertels *"), Avelche unzweifelhaft
aus dem Jahre 1454 stammt und für die Zwecke einer
der Einwohnerzahl
eine vollständige
grössteu
••) Es findet sich auch ein vermuthlich aus dem Jahre 1430
stammendes, in lateinischer Sprache abgefasstos Einwohnerverzeichnis
des zweiten (Wili sehen) Stadtviertels vor, "welches, wie es scheint,
die Namen derHanshaltungsvorstände, der Ehefrauen, der erwachsenen
Söhne und Töchter, sowie der Knechte und Mägde anführt. Es sind
darin verzeichnet: 1 13 Ehemanner, 113 Ehefrauer, ö3 alleinstehende
Männer, 72 alleinstehende Frauen, 18 Sohne, 2 Töchter, 51 Knechte,
36 Mägde, in Summa 458 Personen (darunter 139 Geschosspttichtige).
Da sich aber über den Grad der Vollständigkeit dieses Verzeii hnisses
und insbesondere darüber, bis zu welclier Altersgrenze herab die
Söhne und Töchter aufgenommen sind, etwas Genaues nicht fest-
stellen lässt, so muss dasselbe ausser Betracht bleiben. — Bemerkens-
werth ist ferner ein die ganze Stadt umfassendes registrum des
fjesindeJons tind des hercn der haivsgoiossen, die nickt hurcjerrccht
hahin vom Jahre 1 J52 , aus welchem hervorgeht, dass damals
118 Knechte und Gesellen, 16."> .Mägde, 31 Lolinarbeiter, l>-2 Lohn-
arbeiterinnen in der Stadt waren. Die Dienstboten zalilten eine
nach der Höhe des Lohnes bemessene Steuer; die angegebenen
Jahreslöhne der Kneclite scliwanken zwischen 40 und 140 gr. , die
der Mägde zwischen 20 und 72 gr. Der von den Nichtbürgern zu
zahlende her war, wie es scheint, eine Vermöconssteuer.
280 Otto Kithter:
damals erhobenen Kopfsteuer angefertigt ist.") Wir be-
nutzen diese Liste zunächst zur Aufstellung der Tabelle III
(Seite 281), in welche wir auch die Zahlen der Geschoss-
pflichtigen der betreffenden Strassen aus dem Jahre 1453,
vor und nach der Neueinschätzung, einfügen; sodann geben
wir in Tabelle IV (Seite 281) die Resultate genauer Er-
mittelungen über die Bevölkerungsstärke der einzelnen
Häuser (durchschnittlich 7,2 Köpfe) und über die Kopf-
zahl der einzelnen Haushaltungen, d. h. der Familien mit
Einschluss der Dienstboten und gewerblichen Hilfsarbeiter.
Die Zahl der nur eine Person umfassenden Haus-
lialtungen und damit die der Haushaltungen überhaupt
dürfte insofern etwas zu hoch gegriffen sein, als für alle
im Einwohnerverzeichnisse gesondert aufgeführten Personen
ein eigner Haushalt angenommen worden ist, während
doch wohl 2. B. bei manchen der alleinstehenden Lohn-
arbeiter und Lohuarbeiterinnen eine Theilnahme an dem
Haushalte ihres Brot- und HausheiTn wahrscheinlich
ist. Aber auch wenn man alle solche Personen als Haus-
haltungsvorstände betrachtet; so kommen doch auf die
sich dann ergebenden 147 Haushaltungen von Mieth-
bewohnern nur 315 Köpfe, während die fast gleiche Zahl
von Hauswirthsfamilien (149) mehr als das Doppelte an
Köpfen (755) umfasst. Aus diesem bedeutenden Ueber-
wiegen des ansässigen Elements möchten wir vornehmlich
") Nach Vergleichung der m der Kopfzählungsliste enthaltenen
Namen mit denen der Geschossregister wäre dieselbe in die Zeit
zwischen Michaelis 1453 und Walpurgis 1454 zu verweisen. Der
Landtag zu Leipzig, auf welchem die Erhebung einer Steuer im
Betrage von 2 Groschen auf jeden Kopf beschlossen wurde, fand statt
am Montage nach Matthiae apostoli = 25. Februar 1454 (nicht am
Montage nach Matthaei apostoli = 23. September, wie bei Weck
4.39 zu lesen). Vgl Gründliche Beantwortung derjenigen Schrift,
welche unter dem Titel: Unumstössliches Vormundschaftsrecht etc.
publiziert worden (Dresden 1719, fol.) Beilage Nr. 200, Seite 148,
sowie das Landtagsausschreibeu vom 9. Februar 1454 im Dresdner
Rathsarchiv. Die Aufstellung der Kopfzählungsliste, die keinem
andern Zwecke gedient haben kann, fällt also in die Zeit zwischen
dem 25. Februar und 1. Mai 1454.
Die Liste beginnt folgendermassen: P[rimum quajrtale. .■\nzczu-
hebin [zcu Hjannse Lewbenitcz biß zcu Jörgen Busman. Hannus
Goran mit seyme Schreiber und mit Gleser suUen czeichen den
wirt, dy wirtynne, yre kinder, yr gesinde, und hawsgenossen und
ouch der hußgenossen kinder und gesinde. Item Hannus Lewbenitcz
salp firde. Item Nickü Brommetschz salp sechßte. Item Sleycher
salp an dir etc. etc.
Zur Bevölkerungs- und Vermögensstatistik Dresdens etc. 281
die Berechtigung herleiten, die Geschossregister, in denen
dieses Element voll zur Erscheinung kommt, als Grundlage
für die Berechnung der Gesammteinwohnerzahl zu be-
nutzen. Wenn es nun keinem Zweifel unterliegt, dass in
allen Stadttheilen Dresdens im wesentlichen ganz dieselben
Bevölkerungs- und Wohnungsverhältnisse obwalteten, so
wird das Zahlenverhältnis zwischen Geschosspflichtigen
Tabelle HI. (Siehe Seite 280.)
KD
:ci
B
Gesc
pflic
hoss-
htige
's
Köpfe
Strassen
im
Febr. | Sept.
1453
• = 2 s s
'S.5 '5 g g
:5
Seegasse
12
20
20
26
33
38
14
26
26
36
ä9
45
15
31
29
H9
46 ■
49
19
.50
39
56
71
61
59
99
98
134
154
211
16
54
55
59
81
50
_.
Kundigerigasse
Zahnsgasse
Kleine Webergasse
Gr. Weberg asse '^)
Wilisehe Gasse . . .
(mit Ausnahme der
letzten drei Häuser)
153
1.53
193
235
261
1 149
186
209
296
755
315
1070
Tabelle \S . (Siehe Seite 280.)
Häuser
Haushaltungen
mit
mit
Strassen
1
1
C5
IN
— (
1
7
7
T— 1
1
CO
1
>a
1
1
1
eo
1
1
O Tl
1
•<*
t-
1 1
1
T-l
1
05
5
1— t
1
-*
1 1
1
1
o
1
5
Köpfen
K(
jpfen
TB
Seegasse ..
1
6
4
ll-
_
12
2
6
6
5 —
..^
19
Kundigengasse ....
1
3
4
6
3 3
20
18
17
8
2
4
1
50
Zahnsgasse
—
— 8
7
3
0
20
5
13
12
9
—
—
39
Kleine Webergasse
—
3 7
9
6
1
26
16
18
14
4
1
3
56
Grosse Webergasse
1
5
' o
5
5
3
1
33
15,29
17
7
2
—
1
71
Wilisehe Gasse. . . .
—
1
17
\h
1
•
1
"
3s
9; 15
17
13
7
—
-
'51
2
13
55
49
19
10
—
1
149
65
98
74
40
14
4
1
296
'*) Die Grosse Webergasse (Scheftelstrasse) enthielt bei völlig
unveränderter Fläehenausdehnung im Jahre 1867 noch genau so viel
Häuser wie 1454, nämlich 33, die Einwohner der Strasse hatten sieh
aber von 235 auf 1083 vermehrt, Zahlen, welelie die Zunalime der
Bevölkerungsdiehtigkeit und die wachsende Höhe der Wohngebäude
deutlich genug illustrieren.
282 Otto Richter:
und Köpfen, wie es sicli für das von der Kopfzälilimgs-
liste umfasste Drittheil der Stadt ermitteln lässt, auch auf
die andern beiden Drittlieile ohne Weiteres übertrao-en
werden dürfen. Aber da, nach den Geschossregistern zu
urtheilen, die Entwickelung der Stadt und ihrer steuer-
fähigen Bevölkerung-, von einigen kleinen Schwankungen
abgesehen, während des 15. Jahrhunderts im grossen und
ganzen stillgestanden hat und eine Veränderung in der
Veranlagung des Geschosses ausser der Neueinschätzung
von 1453 nicht zu konstatieren ist, so Avird selbst eine
Uebertragung jenes /^ahlenverhältnisses auf das voran-
gegangene luid auf das nachfolgende Halbjahrhundert nur
geringe Ungenauigkeiten in sich schliessen. Nur wird
die erwähnte Neueinschätzang zu berücksichtigen und für
die Zeit vor 1453 das Verhältnis zwischen Einwohnern
und Geschosspflichtigen als 1070 : 186 (d. h. 5,7 Köpfe auf
jeden Geschosspflichtigen) '^), für die Zeit nach 1453 als
1070:209 (d. h. 5,1 Köpfe auf jeden Geschosspflichtigen)
anzunehmen sein. Daraus ergeben sich (nach Tabelle I)
für die Stadt Dresden folgende Einwohnerzahlen:
3745 im Jahre 1396
3471 „ „ 1401
3007 „ „ 1411
2593 „ „ 1421
3956 „ „ 1431
3010 „ ,. 1440
Ausgeschlossen sind hiervon die Geistlichen mit ihrem
Dienstpersonal, die Insassen des Franziskanerklosters und
die stän digen Bewohner des herzoglichen Schlosses, welche
sämmtlich als steuerfrei in den Geschossregistern über-
gangen sind; dieselben dürften mit zusammen 150 Köpfen
hoch genug veranschlagt sein.
Bezüglich der Vorstädte kann das obige Zahlen-
verhältnis nicht zur Anwendung gebracht werden, da hier
keine Miethbe wohner verzeichnet und also wohl die Häuser
kleiner und schwächer bevölkert gewesen sind. Rechnen
wir daher liier nur 4 Köpfe auf jeden Geschosspflichtigen,
so ergeben sich (nach Tabelle H) für die Jahre, für welche
die Geschossregister zuverlässig zu sein scheinen, folgende
Einwohnerzahlen :
3101 im Jahre
1453
oool „ „
1465
3504 „ „
1477
374i:3 „ „
1489
2565 „ „
1501
'*) Da nach Anmerkung 3 die Zahl der Geschosspflichtigen sich
mit der der Bürger deckt, so trifft diese Berechnung annähernd mit
jeuer Laurents zusammen, der für Hamburg das Verhältnis der
Bürger zu den Einwohnern auf 1 : 6 feststellte, s. Koi)i)niann a. a. Ü.
Zur Bevölkerungs- unil Vermögensstatistik Dresdens etc. 283
724 iin Jahre 1477
996 „ .. 1489
768 „ „ 1501
Somit bereclmet sich die Gesaramtzahl der Einwohner
Dresdens und seiner Vorstädte auf dem linken Eibufer
kurze Zeit vor dem grossen Brande von 1491 auf nahezu
5000.'^)
Mit weit grösserer Sicherheit als bei den vorstehen-
den bevölkerungsstatistischen Untersuchungen vermögen
wir bei einer Vermögensstatistik Dresdens im 15. Jahr-
hundert zu Werke zu gehen, da das Material dafür eui
solches ist, wie es kaum für die Gegenwart zuverlässiger
zu beschaffen sein möchte; es sind dies mehrere ziemlich
umfängliche Register, welche zum Zwecke der von den
Herzögen Albrecht und Georg in den Jahren 1488 und
1502 erhobenen ausserordentlichen Steuern angelegt sind
und vollständige Vermögensabschätzungen der Einwohner
von Dresden, seinen Voistädten und der Stadt Altdresden,
sowie der in sieben benachbarten Dörfern angesessenen
Zinsleute des Rathes zu Dresden und der von ihm ver-
walteten geistlichen Stiftungen enthalten.
Für die Landessteuer von 1488 hatte jedermann sein
gesammtes bewegliches und unbewegliches Besitzthum
nach eignem Gewissen abzuschätzen und von je 100 rhei-
nischen Gulden Werth 1 Gulden und bei geringerem Ver-
mögen nach Verhältnis weniger zu entrichten; Dienst-
boten zahlten von je 20 Groschen Jahreslohn 1 Groschen
zu dieser Landessteuer. Die Steuerregister, deren eines
für Dresden und seine Vorstädte und ein zweites für die
Stadt Altdresden vorhanden ist, weisen in der Regel
bei dem Namen jedes Abgeschätzten die Höhe seines
Vermögens und den Steuerbetrag auf; bisweilen jedoch,
besonders bei wenig Bemittelten, ist nur der Steuerbetrag
angegeben, woraus nach dem angebenen Steuersatze das
Vermögen leicht zu finden ist. '^)
'*) Um 1469 wurden Dresden und Eothlitz als „vil geringer
dann Zwickau" bezeichnet. Vgl. Tittmann, Heinrich der Erlauchte 1,
3()2; von Webers Archiv für Sächsische Geschichte. N. F. 5, ."Cb.
'*) Um die Einrichtung dieser Register zu verdeutlichen, setzen
wir die Ueberschrift und den Anfang desjenigen von Dresden hierher:
Register der stheuer noch ausweysunge der nottel unßers g. h.
von hundert gülden wert einen und beym eide iglichem heym
234 ^^^^ Richter:
Wir ordnen nunmehr sämratliche in den beiden
Scliatzungsregistern verzeiclmeten Personen nach möglichst
nahe aneinander liegenden Vermögensklassen. Für alle
diejenigen, welche weniger als 25 H. Vermögen besitzen,
nehmen wir ein durchschnittliches Vermögen von 12 72 fl-
an, während für alle höheren Vermögensldassen niclit ein
Durchschnitt, sondern die genaue Summe aller einzelnen
Vermögensbeträge anzugeben ist. Damit gelangen wir zu
der auf Seite 285 (Tabelle V) befindlichen Uebersicht.
Nicht ohne Interesse ist jedenfalls das Resultat der
Vertheilung der gefundenen Vermögensbeträge auf den
einzelnen Kopf der Abgeschätzten sowohl wie der Be-
völkerung überhaupt, für welche es gestattet sein mag,
die oben für das Jahr 1489 ermittelten Einwohnerzahlen
von Dresden nebst Vorstädten zu benutzen (Tabelle VI,
Seite 286).
Die vom Herzog Georg im Jahre 1502 erhobene
Vermögenssteuer, zu welcher ein Abschätzungsregister der
Stadt Dresden, seiner Vorstädte und der benachbarten
Rathsdörfer erhalten ist'**), wurde nach demselben Satze
wie die von 1488 veranlagt, nur war damit ausser einer
Einkommensteuer für die Dienstboten, die den zehnten
geben anno im LXXXVIII jore angehoben beym burgermeister
Simon Wercho. Die stüer entphaer und eynnemer Bastian Jost,
Donatus Conrafli.
Francz Herczog cU 1[ r. fl. noch seinner habe unnd vermögen.
Die Brommaczschinne angeslagen all yie guter vor VI"-' reinisehe
guldenn d* dovon II ß VI gr.
Ibidem Thomas Palicz d' V gr. IUI naue /9> als ein hausgenoß an-
geslagen sein gut vor XXV r. ti.
Idem VI gr. d* von zween smideknechtenn.
Die Kuneltynne aiigeslagenn all yre gutter vor VI^ reinisehe fl.
dt dovon II ß VI gr.
Idem XII gr. d* von zween knechten und eyner mayt.
Jocofi" Henel angeslagenn all sein gut vor IIjc [== 250] reinisehe fl.
dt dovouii LH gr. IUI ^ I heller.
Idem II gr. dt von der mayt.
Ibidem die Schaubehansin d* III gr.
Ibidem die Caspar Sneiderin dt I gr. etc. etc.
Vgl. auch den Revers Herzog Albrechts vom 19. Aprü 1488 im
Hauptstaatsarchiv zu Dresden, Witt. Archiv, Steuersachen Blatt 21.
Die Angaben Wecks (446) über die Art der Steuerveranlagung
von 1488 (von 100 fl. Werth 2 fl. Steuer u. s. w.) sind au dieser Stelle
falsch, gelten vielmehr für eine Vermögenssteuer des Jahres 1506.
Dieser Fehler Wecks ist, wie so mancher andere, in alle späteren
Schriften übergegangen.
'«) Steur register nach Christi gebort XVc im andern lare der
Stadt Dresden von hundert goldenn wirderunge bewegelich und un-
Zur Bevölkerungs- und VeimÖgeusstatistik Dresdens etc. 285
Tabelle V.") (Siehe Seite 284.)
mögensklasse
Dresden
Vorstädte
Altdresden
Ver
r3 S
CO cn
-3 a>
ii
'TS o)
Zahl dei
geschät:
Summe
Vermög
Zahl dei
geschät;
Summe
Vermög
Zahl dei
geschät;
Summe
Vermög
fl.
fl.
fl.
2000 fl.
und darüber
1
2.S50
—
—
—
1500 bis
unter 2000 fl. . .
4
7 000
—
—
—
—
1000 „
1500 „ ...
4
5000
—
—
—
—
900 „
1000 „ . .
1
900
—
—
—
—
800 „
900 „ . . .
3
2400
—
—
—
700 „
800 „. .
—
—
—
—
—
600 „
700 „ . . .
10
6 000
—
—
—
—
500 „
600 „ ...
9
4 550
—
—
—
400 „
500 „ . . .
12
4 902
—
—
—
300 „
400 „ ...
34
10550
—
—
—
—
200 „
300 „ . . .
45
9 370
1
200
1
210
100 „
200 „ . .
131
15015
4
450
11
1536
50 „
100 „ . . .
78
4 790
15
8.30
22
1506
25 „
50 „ ...
76
2 225
38
1146
47
1610
unter 25 „ ...
194
2 425
105
1312
110
1375
602
77477
163
3938
191
6237
Hierüber:
Gesellen
, Knechte, Mägde
296
—
8
—
63
— ■
bewegelich guttern barschaft'tenn unnd farnde habe 1 fl. r., von L gülden j
[= Va], von XXV 1 ort, wer zo \y\ nich that IUI gr. unnd och wez kinder
ubir XV iar, dinstbotenn den X teil ires Ions, mussigkgenger Xgr. etc.
Demnach waren bei dieser Gelegenheit alle Personen, mit Ausnahme
der Ehefrauen und der Kinder unter 15 Jahren, steuerpflichtig; es
sind dies für Dresden im ganzen lO'Jl Personen (Tabelle VII, S. 286).
Wenn wir, was wenigstens nicht unwahrscheinlich ist, annehmen,
dass die in Anmerkung 10 erwähnte Liste vom Jahre 1430 ebenfalls
ein Verzeichnis aller Personen über 15 Jahre ist und daraus hervor-
geht, dass die Ehefrauen genau den vierten Tlieil derselben bilden,
so würde lür das Jahr 1502 die Zahl der Ehefrauen sich auf 363
berechnen. Dann betrüge (bei 2565 Einwohnern im Jahre 1501) die
Zahl der Kinder unter 15 Jahren Uli, d. h. 43 Prozent der Be-
völkerung, jedenfalls also ein höherer Prozentsatz, als ihn Schön-
berg (a. a. ü. 516) bei der Berechnung der Einwohnerzahl von Basel
annimmt. Doch soll dies nur als Vermuthung gelten!
") Das höchste Vermögen besitzt Heinrich Sleweger mit 2350 fl.,
sodann folgen Jeniko Geusing mit 1900 fl. und Hanns Karlewicz
(„angeslagenn seine putter als hauß ecker weingerten und weßenn
umb die stat legende"; mit 1800 fl. Nickel öeydel, Bürgermeister
1489, besitzt 900 fl., Simon Wercho, Bürgermeister 1488, 600 fl.
28G
Otto Richter
Theil ihres Lohnes zu entrichten hatten, auch noch eine
Kopfsteuer für die Kinder über 15 Jahre und für Müssig-
gänger verbunden. Es wird sicli auch hier rechtfertigen
lassen, wenn wir für alle Personen mit weniger als 25 fl.
Vermögen einen Durchschnittsbetrag von 12 72 fl. , für
Kinder über 15 Jahre sowie für Gesellen, Lehrjungen,
Knechte und Mägde aber überhaupt kein Vermögen an-
nehmen. Hiernach gestalten sich
die Vermögensverhält-
nisse der Einwohner der Stadt Dresden und der Vor-
städte; sowie die der Zinsleute in 7 Dörfern, für welche
leider die Abschätzung der übrigen Bevölkerung nicht vor-
liegt, für das Jahr 1502, wie Tabelle VII, VIII und IX zeigt.
Tabelle YI. (Siehe Seite 284.)
Ort
Zahl der Ab-
geschätzten
Zahl der
Einwohner
U89
■Summe
des
Vermögens
fl.
Vermögensbe-
tragp. Kopf der
Abgeschätzten
fl.
Vermögensbe-
trag p. Kopf der
Bevölkerung
fl.
Dresden
Vorstälte . . .
Altdresden . .
602
163
191
3743
996
77 477
3 938
6237
128,7
24,1
32,6
20,7
3,9
Tabelle VII.'
Dresden
Vorstädte
Vermögenski asse
Zahl der Ab-
geschätzten
Summe des
Vermögens
fl.
Zahl der Ab-
geschätzten
Summe des
Vermögens
fl.
2000 tl. und darüber . . ...
2
4200
—
—
1500 his unter 2000 fl.... .
1
1700
—
—
1000 „ „ 1500
3
3600
—
—
900 „ „ 1000 „ . . . .
1
900
—
—
800 „ „ 900 „ ... .
2
1050
—
—
700 „ „ 800 „ ... .
2
1400
—
—
600 „ „ 700 „ ... .
8
4850
—
—
500 „ „ ßOO „
5
2 570
—
—
400 „ „ 500 .,
14
5 752
—
—
300 „ „ 400 „ ... .
19
5930
—
—
200 „ „ 300 „ . . .
36
7 727
1
228
100 „ „ 200
112
14069
6
728
50 „ „ 100
108
6 686
8
469
25 „ „ .50 ,
52
1748
21
667
unter 25 „ ...
318
3975
151
1888
Hierüher:
683
66 757
187
3980
Kinder über 15 Jahre
56
—
0
...
Gesellen, Lehrjungen)
Knechte, Mägde ) " '
352
—
14
—
") Das höchste Vermögen im Jahre 1502 ist das des Bürger-
meisters Hans Smeisser mit 2200 fl., derselbe war im Jahre 1488 mit
1500 fl. veranschlagt.
Zur Bevolkerungs- um] V'urmögensstatistik Dresdens etc. 287
Tabelle VIII. (Siehe Seite 286.)
Quoh-
ren
Zschiz-
sche-
wig
Tolke-
witz
Moek-
ritz
Box-
dorf
Müg-
litz
Sürs-
sen
Vermögens-
klasse
c
(V
a
o
cn
a>
:0
s
o
o
s
S
a
o
S
>
c
Cß
c
bii
S
5
5
CD
fcC
••O
S
S
3
r-"
tr
>
s
s
cn
a
:0
S
;-<
>
300 bis unter 400 ü.
200 „ „ 300..
100 „ „ 200 „
50 „ „ 100 „
25 „ „ 50 „
unter 25 ,,
2
11
4
7
ti.
28ß
661
136
88
ti.
1 3.50
] 200
li 125
6' 36-2
3' 113
6 75
2
3
1
fl.
243
215
30
1
1
fl.
200
100
1 11.
1 300
i .
2 151
2
1
1
tl.
140
30
12
ti.
1 300
1 200
1 50
Hierüber:
Kinder üb. 15 Jahre
Knechte, Mägde .
24
9
11
1171
18
10
1225
6
1
488
2
?,Q0
.>
451
4 182
1 —
1
3
550
Tabelle IX. (Siehe Seite 286.)
Ort
Zahl
der Abge-
schätzten
Zahl
der Ein-
wohner
1501
Summe
des Ver-
fl.
Vermögens-
betrag pro
Ivopf der Ab-
geschätzten
fl.
Vermögens-
betrag pro
KopfderBe-
völkerung
fl.
Dresden
Vorstädte . . ,
Quohren . . . ,
Zschitzschewig
Tolkewitz . . .
Mockritz ....
Boxdort . . . 1 .
Müglitz
Sürssen
683
187
24
18
6
2
3
4
3
2565
768
9
?
?
9
66 757
3980
1171
12-25
488
.300
451
182
550
21,3
53
81,3
150
150,3
45,5
183,3
20
5,2
'P
'P
•?
?
?
Die vorstehenden Tabellen reden in Bezug auf die
Höhe der in den betreffenden Jahren vorhandenen Werthe,
auf die Vertheikni^ derselben unter die einzelnen Ver-
mögensklassen und auf die Vcrscliiedenheitcn des Ver-
mögensstandes in der Stadt, in den Vorstädten und auf
den Dörfern eine so deutliche Spraclie, dass es weiterer
Ausfülirungcn hierüber nicht bedarf. Lehrreich ist aber
vielleicht ein Versuch, den Unterschied zwischen damals
288 Otto Richter:
und heute in betreff des auf den Kopf der Bevölkerung
entfallenden Vermögensbetrages zu zeigen. Wenn wir zum
Schlüsse einen solchen Versuch machen, so kann es uns
nicht beikommen, genaue und unanfechtbare Zahlen er-
mitteln zu wollen, sondern es wird sich lediglich darum
handeln, durch einige Ziffern die Grösse des von vier Jahr-
hunderten bewirkten Umschwunges der wirthschaftlichen
Verhältnisse flüchtig anzudeuten.
Im Jahre 1488 kam nach Tabelle VI auf den Kopf
der Bevölkerung in Dresden ein Durchschnittsvermögen
von rund 21 fl. Bei der Umrechnung dieses Betrages in
die ihm heute entsprechende Geldsumme sind sowohl die
beiderseitigen Münzwerthe als die gesammten Preisverhält-
nisse zu berücksichtigen. Wenn aus 1 Mark Feinsilber in
jener Zeit 140 Groschen (= 7 rheinische Gulden), heute
50 Mark geprägt werden, so entspricht der damalige
Gulden einem Betrage von ungefähr 7 Mark jetziger
Münze. Die Preise der wichtigsten Lebensmittel und die
Handarbeitslöhne, deren Heranziehung-für eine annähernde
Berechnung genügen dürfte, betragen jetzt durchschnitt-
lich etwa das Fünffache der damaligen*^), so dass also
der rheinische Gulden von 1488 heutzutage einen Werth
von ungefähr 35 Mark haben würde. Unter Zugrunde-
legung dieses Massstabes stellt sich die Höhe des im
Jahre 1488 auf den Kopf der Dresdner Bevölkerung fallen-
den Vermögens nach unserm Gelde auf 735 Mark.
Welchen Betrag vermögen wir dem jetzt gegenüber-
zustellen? Im Jahre 1879 betruü; in Dresden das Steuer-
Pflichtige Einkommen aus Grundbesitz 2043- 147 M., aus
Kenten 29402 773 M., zusammen circa 50000000 M.^")
Bei Annahme einer Bevölkerungszahl von 210000 kommen
hiervon auf jeden Kopf circa 240 M. , welche bei einem
Zinsfusse von 5 Prozent einem Kapitale von 4800 M. ent-
sprechen. Also 735 M. Durchsclmittsvermögen im Jahre
1488 gegen 4800 M. hn Jahre 1879! So unsicher diese
'*) Nacli Job. Falke, Geschicbtliche Statistik der Preise im
Königreich Sachsen, in den Jahrbüchern für Nationalökonomie und
Statistik, XIII. (1869), 364—395.
^"j Zeitschrift desK.Sächs. statistischen Bureaus, 25. Jahrg. 1879,
Beilagen zu Heft 3 und 4. Wir ziehen, da es sich um eine Ver-
gleichung des ■wirklichen Vermögens handelt, nur das aus Grund-
und Kapitalbesitz üiessende iMnkommen heran und übergehen voll-
ständig das Einkommen aus Gehalt und Lohn mit 51913188 M. und
aus Handel und Ge^verbe mit 42 432 399 M., obwohl dem letzteren
Zur Bevölkerungs- und Vermögensstatistik Dresdens etc. 289
Zalilen sind, eine Ahnung von der kolossalen Zunahme
der wirthschaftlichen Güter im Laufe der Jahrhunderte
vermögen sie doch zu vermitteln. Und wie tritt das
Missverhältnis erst hervor, wenn wir den reichsten Mann
von 1488 mit 2350 fl. = 82 250 M. dem heutigen Besitzer
einer Reihe von Millionen gegenüberstellen! Dass eine
solche Anhäutung von Gütern in gleichem Verhältnis nicht
stattgefunden hätte, wenn die Stadt auch heute noch
4000 Einwohner zählte, bedarf keines Nachweises, da in
kleinen Städten noch gegenwärtig ein weit geringeres
Durchschnittsvermögen als in grossen zu konstatieren ist.
In welchem Masse aber mit dem Anwachsen der äusseren
Güter auch eine wirkliche Hebung des allgemeinen Wohl-
standes oder gar des ^^'ohlbelindcns der Bevölkerung ver-
bunden gewesen, das ist eine Frage, zu deren Beant-
wortung das Ziffernwerk der Statistik niemals die alleinige
Grundlage bilden kann.
7Ai einem grossen Theile auch Anlage- und Betriebskapitalien zu
Grunde liegen; dafür lassen wir aber auch 1.3389 728 M. Schuldzinsen,
welche eigentlich abzuziehen wären, unberücksichtigt. Wie würde
sich nun gar die Summe des heutigen Vermögens erhöhen, wollte
man die Masse der unproduktiven Güter mit einschätzen, wie dies
im Mittelalter geschehen! Dagegen fällt freilich sehr ins Gewicht,
dass damals das bedeutende Vermögen der geistlichen Korporationen
ausser Betracht blieb, während in den obigen Ziffern das Korporations-
inbegriffen ist.
Neues Archiv f. S. Ci. u. A. 11. 4. l9
XL
Nachträge zum ürkundenbuche der Stadt
Chemnitz.')
Von
Hubert Ermiscli.
Dass die Massnahmen, welche die königliche Staats-
regierung' während der letzten vier Jahre im Interesse
der städtischen und der sonstigen nicht unmittelbar der
staatlichen Verwaltung unterstehenden Archive getroffen
hat, auch für das grosse von Gersdorf und Posern-Klett
begonnene und gegenwärtig von -Otto Posse und dem
Schreiber dieser Zeilen unter Mitwirkung mehrerer anderer
Historiker herausgegebene säclisische Urkundenbuch von
Wichtigkeit werden würden, war vorauszusehen. Nach den
bisherigen Erfahrungen scheint dies freilicli nicht in so hohem
Masse der Fall zu sein, als man wohl wünschen möchte.
Man kann sich schwer einen Begriff von dem Vanda-
lisraus machen, mit dem bis in die neueste Zeit hinein
insbesondere die Archive vieler sächsischer Städte be-
handelt worden und dem vor allem vielfach die älteren,
„unleserlichen", „werthlosen" Documente zum Opfer ge-
fallen sind. Es war die höchste Zeit, dass hier der Staat
') Urkundenbuch der Stadt Chemnitz und ihrer Klöster. Im
Auftrage der Kgl. Staatsregiernng herausgegeben von Hubert Ermisch.
Leipzig, Giesecke und Devrient 1879. 4". (Codex diploraaticus Saxoniae
regiae. II. Haupttheil. 6. Bd.)
Nachträge zum Urkundeiibuehe der Stadt Chemnitz. 291
schützend einti'at und die bis dahin oft nur durch einen
Zufall geretteten dürftigen Reste von Denkmälern vater-
ländischer Geschichte dem drohenden Untergange entriss,
der wissenschaftlichen Forschung und vor allem auch dem
praktischen Gebrauche im Interesse der städtischen Ver-
waltung wieder nutzbar zu machen suchte. Denn dass
den grössten Vortheil aus einem Archive die Stadt selbst
ziehen kann, die es besitzt, ist eine sein' nahe liegende
Wahrheit, und man vermag es kaum zu begreifen, wie
dies überhaupt noch zuweilen bestritten werden kann.
Ich komme auf diese Seite der Frage vielleicht bei einer
andern Gelegenheit zurück. Für jetzt gebe ich nur einige
Nachträge zu dem vor einigen Jahren von mir veröfifent-
Hellten Cliemnitzer Urkundenbuche, die ich im Laufe dieses
Jahres bei Gelegenheit archivalischer Revisionsreisen auf-
gefunden habe. Unsere Zeitschrift, die vor allem mit dem
grossen sächsischen Urkundenwerke stets Fühlung halten
soll, dürfte der geeignetste Platz für diese Nachträge sein,
obwohl dieselben nur für einen beschränkten Kreis der Leser
ein unmittelbares Interesse haben können.
Der grösste Tlieil stammt aus dem Archive der
Stadt Chemnitz, über welches ich bereits im Vorbericht
zum Urkundenbuche (S. X) einige Notizen gegeben habe.
Dasselbe hat eine günstigere Vergangenheit gehabt als
viele andere Rathsarchive Sachsens, und auch neuerdings
ist von den städtischen Behörden in würdiger Weise da-
für gesorgt worden. Bereits im Jahre 1870 hat Dr. Paul
Pfotenhaucr im Auftrage des Stadtrathcs die Repertorien
revidiert und ein Urkundenverzeiclmis angelegt; dann
Avar Chemnitz die erste Stadt, welche den seitens der
Staatsregierung geäusserten Wünschen nachkam und die
angebotene Beihilfe eines Archivbeamten zur Unterstützung
der weitern archivalischen Ordnungsarbeiten beantragte.
Als ich zu diesem Zwecke im Sommer 1878 nach Chenmitz
kam, musste ich allerdings bald erkennen, dass der Zeit-
punkt für diese Arbeiten nicht sehr glücklich gewählt war,
weil ein anhaltendes Arbeiten hi den dumpfigen Locäli-
täten, in denen damals das Archiv lag, sich als unmög-
lich erwies. Zugleich wurde mir mitgetheilt, dass eine
Umsiedlung des Archivs in neue Räume nahe bevorstand.
Dieselbe, erfolgte anfangs 1880. Die vormalige Turnhalle
der zum neuen liathhause umgebauten höheren Bürgerschule
(Poststrasse 51) bot einen durchaus geeigneten Archivraum,
und die Aufstellung der Archivalien in 9 hohen Doppel-
19*
292 Hubert Ermisch:
scliragen verdient alle Anerkennung. Auch die Ordnungs-
arbeiten hatten, dank der Bemühungen der städtischen
Archivare Zimmer und Kiefer, einige Fortschritte gemacht,
wenn auch freilich noch ziemlich viel Detailarbeit auf
sachkundige Ausführung wartet. Hoffentlich gelingt es
der städtischen Verwaltung, für die Lösung dieser Auf-
gaben, welche die Kräfte der. ohnehin vielbescliäftigteu
städtischen Registraturbeauiten des Inhalts und der Schrei-
bung wegen überschreiten dürften, einen geschulten Histo-
riker zu interessieren. Als ich vor einigen Monaten dem
Chemnitzer Stadtarchive nochmals einen Besuch abstattete,
reichte meine Zeit allerdings zur Ausführung dieser lang-
wierigen Arbeiten, unter denen die Ordnung der aus zahl-
reichen losen Blättern bestehenden „Rathsprotokolle" vom
16. Jahrhundert an zunächst wünschenswerth wäre, nicht
aus. Dagegen nahm ich eine Ergänzung des Urkunden-
repertoriums vor. Bei der Umräumung hatten sich näm-
lich nicht weniger als 43 Originalurkunden aufgefunden,
eine sehr erhebliche Bereicherung des bisher aiTs 15.5
Nummern bestehenden Urkundenarchivs. Meist hatten
sie wohl sint vielen Jahrzehnten in unzugänglichen Winkeln
gelegen; in den 1848 aufgestellten Repertorien fehlen sie,
und auch den eingehenden Nachforschungen, die Dr.
Pfotenhauer und ich zu wiederholtem Male für die Zwecke
des Urkundenbuches im Archive vorgenommen haben,
sind sie entgangen. 15 von diesen Urkunden wären für
den Codex diplomaticus zu benutzen gcAvesen. Darunter sind
mir die unten als No. 91^ 128'', 129", 131'^ 261", 269",
269^' und 471" mitgetheilten Dokumente ganz unbekannt
geblieben. Zu No. 91 war eine Erweiterung zu geben.
Zu den Nummern 13, 34, 43, 89, 180, 269, welche im
Urkundenbuche nach Abschriften, Entwürfen oder Ueber-
setzungen mitgetheilt worden sind, haben sich die Originale
gefunden. Ich füge hinzu, dass das Original vonNo. 18 mir
im vorigen Jahre durch Herrn Stud. O. Langer in Leipzig,
in dessen Besitz es gelangt war, freundlichst zur Kollation
überlassen wurde; auch dieses ist jetzt auf den Wunsch
des Genannten dem Chemnitzer Rathsarchive, dem es ur-
sprünglich angehört hat, wieder einverleibt worden.
Weitere Ausbeute für unsere Nachträge gewährte das
gut geordnete und bisher noch sehr wenig gekannte und
benutzte Fürstlich und Gräflich Schönburgische
Gesammtarchiv zu Glauchau. Dasselbe wurde mir
gelegentlich eines Aufenthalts in Glauchau, der zunächst
Naclitriigü zum Urkmulenlniche der Stadt Chemnitz. 293
der Revision des dortigen Stadtarchivs galt, durch die
Herren Kanzleidirektor Zückh'r und Sekretär Lossius bereit-
willigst zugänglich gemacht, und ich fand eine überraschend
grosse Anzahl von Dokumenten, die für die verschiedenen
Abtheilungen des Urkundenwerks von Interesse sind. Die
Geschichte von Chemnitz betrafen davon 6 Nummern
(No. 39'', 46", 57", 91", 148", 395"). Weniger ergiebig war
die Durchsicht der drei anderen Scliönburgischen Archive
in Glauchau und Waidenburg; das einzige Dokument in den-
selben, das für das Urkundenbiich von Chemnitz zu be-
nutzen gewesen w^äre, war das Original von No. 385.
Wir fügen endlich als No. 428" eine kürzlich von
der Amtshauptmannschaft zu Chemnitz dem Hauptstaats-
archiv zu Dresden übergebene Originalurkunde auszüg-
lich bei. —
Was den Inhalt unserer Nachträge anlangt, so ist der-
selbe allerdings theilweise nicht sehr erheblich. Immer-
hin erweitert er unsere Kenntnis der städtischen Geschichte
von Chemnitz nach verschiedenen Richtungen hin.
No. 39", 46'' und 57" betreffen die Ortwinische Stif-
tung und sind mit No. 42 und 44 zusammenzustellen.
Hans der ältere und Hans der jüngere von ^^'^aldenburg
und Burggraf Albrecht von Leisnig hatten, vermuthlich
in einer Fehde, die Gebrüder Franz und Johannes Ortwin
aus Chemnitz erschlagen. Für das Seelenheil der Er-
mordeten hatten deren Verwandte einen Altar zu Ehren
des h. Leichnams und des h. Sigismund gestiftet und mit
einer Busse von 1 10 Schock Groschen, welche die Mörder
auf Grund einer um 1370 von Markgraf Friedrich zu
Stande gebrachten Vereinbarung gezahlt hatten, dotiert.
Die bischöfliche Bestätigung dieser Stiftung vom 17. August
1371 erwähnt aucli einer Schenkung von iVa Schock aus
der Bleiche, welclie der Altzeller Mönch Franczko und sein
Bruder der Priester Johannes Albi (Wishennil), unter Vor-
behalt des Niessbrauches auf Lebenszeit zu diesem Altar ue-
macht hatten. No. 39" ist die über diese Schenkung aus-
gestellte Urkunde vom 17. Dezember 1368; es lässt sich auf
Grund derselben vermuthen, dass die Ermordung der Ge-
brüder Ortwin im Jahr 1368 erfolgt sei; denn die Stiftung
der ewigen ]Messe zu ihrem Seelenheil war bei Ausstellung
dieser Urkunde noch nicht vollendet.
In welchem Verhältnis die Familie Albi oder ^^^ishennil
zu den Ortwincn stand und was sie veranlasste, zu der
Altarstiftung beizutragen, ist aus dem vorliandeuen Material
294 Hubert Eiraiscli:
nicht ersichtlicli. Franciscus Albi hatte verschiedene Forde-
rungen an die Familie Ortwin ; unter anderem konnte er freies
Quartier im Hause des Nicohius Ortwin beanspruclien, so
oft er nach Chenniitz kam. ^Yir erfala-en dies aus dem Ver-
gleiche No. 46'' vom Jahre 1379, durch welchen diese Ver-
hältnisse gelöst wurden; er überliefert uns auch den Namen
des ersten bekannten Chemnitzer Stadtsclireibers, Johannes
Franko. Joliannes Albi war, wie sich aus No. 57'' ergiebt,
Altarist des neu begründeten Altars; wegen Augenschwäche
legte er 1389 die Verwaltung desselben nieder, behielt
aber den grössten Theil der Einkünfte aus dem seit 1383
(vergl. No. 52) dem Altare incorporierten Dorfe Meinersdorf.
Die grosse Stiftung des Priesters Nicolaus Ebersdorf
(No. 91''), von dem andere Stiftungen bereits bekannt sind
(vergl. No. 68, 72), nennt uns die damals in der Jacobi-
kirche und im Hospitale vorhandenen Altäre und die
Namen ihrer Altaristen und hat auch Interesse für die
Geschichte des Armenwesens; insbesondere mag auf der
Berücksichtigung der verschämten Armen (pauperes qui
alias erubescant meudicare publice) hingCAviesen Averden. Von
geringerem Interesse ist die bischöfliche Bestätigimg einer
anderen frommen Stiftung No. 9V. Auch No. 128'', 129'',
131 , 261" betreflfen Altarstiftungen; in No. 131'' (von 1442)
wird der erste dem Namen nach bekannte Chemnitzer
Schulmeister genannt. No. 128'' und No. 131'' geben zu-
gleich Ergänzungen zur Rathslinie der Stadt Chemnitz''^),
Avährend No. 148" als einer der wenigen Belege für die
Thätigkeit des Chemnitzer Schöftencollegs aufgenommen
worden ist.^) Von topographischem Interesse ist der Recess
über die Röhrwasserleitung No. 269''. No. 269'' betrifft
den 1478 erfolgten Verkauf der Pfortenmühle durch Paul
Hann, der dieselbe 1477 von den ßleichgewcrken gekauft
hatte (vergl. No. 266), an Ulrich Schütz; dieser verwandelte
sie später in eine Walkmühle (No. 273).
Zu dem Urkundenbuch des Klosters gehören die
beiden Zinsverschreibungen No. 395'' imd 471"' sowie der
Lehnbrief No. 423".
Was die übrigen Nachträge anlangt, so weichen aller-
dings die Originale von Nr. 13, 18, 34, 43, 89, 180, 269
*) Vergl. meinen Aufsatz über die Rathslinie der Stadt Chem-
nitz bis 1484 in den Mittheilungen des Vereins für Chemnitzer
Geschichte II, 130 ff.
») Vergl. Cod. dipl. Sax. reg. II. 6, XXIV.
Nachträge zum Urkuudeiibuche der Stadt Chemuitz. 295
und 385 in vielen graphischen Einzelheiten von den Vorlagen,
aus denen die Drucke geflossen sind, ab; doch mag eine
Mittheilung der wesentlicheren Varianten genügen. Nur
Nr. 89, als eine der wichtigsten Urkunden der ganzen
Sammlung, und No. 43 und 180, von denen mir früher
nur eine Uebersetzung beziehentlich ein vielfach abweichender
Entwurf vorlagen, habe ich vollständig abdrucken lassen.
Eine den Verkauf des Schwenkenstein'schen Hauses an
den Altar corporis Cin-isti betreflende Aufzeichnung, Avelche
mit No. 91 im Widerspruch steht, habe ich als Anmerkung
dazu nachgetragen.
Zu i\o. 13. (1331 Juui 2.)
Jlihchr.: Ori(i. I'crg. lluthsarchii CheiiiHilz Ku. l'h. Von 'hu 4 iiii rcri/uiiifiitstrcifcii
lj(fci<ti(/tcii Sirurln ist mir c/'ji Frai/iiiciit des trslcii (Aht riricli : nie Tafel 3 Fi;;. Jj
ttiid ileis dritte {Stadt Alienbitri/ : schild/örmii] . mit dem Beiclisudler und der Um-
schrift Idcnbvrg nie an Ko.3) erlialte)i, niiltrend die Siegel des Heinrich ron
Waldenbtiri/ und der Stadt Zirickcm fehlen.
Der Text zeigt zahlreiche grapliische Varianten, aber keine infialt-
lichen Ahiveichungen. Ich bevierlce mir, dass S. 11 Z. 10 Haniius
{nicht Heinrich) Marschalk von Vroburg zu lesen ist.
Zu Ko. 18. (1352 März 11.)
Hdsclir. : Ori;/. Pere/. lialhmrchiv Cliemiiitz A"o. 4 h. Das ehedem an Peryameiitstr.
hl festigt gi Hl sine Stadtsiigel ist uhgcschniticii.
Der Text entsjiricht, abgesehen von lielen graphischen Varianten,
im ivesentlichen der Abschrift A. Unter den abweichenden Lesartoi
mögen die folgenden hier verzeichnet iverden : S. 14 Z. 21 Dithrischs-
dorf. 28 Dithricb von Crymmeschaw. 29 Heynich von Ebersdorf,
Wishennel, Ticze Cziechner. 30 Holsczel. 31 Cunad Kramer.
S. 15 Z. 11 waz her iz. . .so schal iz her aber. 18 geyn der gemeyue.
22 darumbe {st. darüber). 29 mid ejTier fmkruckin. 32 erafte {st.
eliafte). S. 16 Z. 5 cwey. H. {st. zwey y, Wiederholung der Zahl in
Zeichen). 13 vorbritt {st. vorbrinnt). 15 uf syue buwe und sienen
{st. ufbuwen und steyne).
Zu >o. 31. (1367 Juni 23.)
Hdschr.: Orig. l'erg. Hathsnrchic Chemniis No. J'.'h. Bas ehemals an Tergameitlslr.
befestigt gewesene Siigel ist abgefallen.
Varianten: Ä. 50 Z. ^S Mißenensis. .55 cum (st dum). 5i dyocesis.
35 Gyten. seu. 36 seu. S. 31 Z. 2 maffnifici. 3 Mißenensis. 6 seu.
9 dyocesana. 13 auctoritate. 17 etc. ist zu streichen.
Jfo. 391). 1368 Dec. 17.
Mehrere Bürger zu Chemnitz und Mittweida und Hensil Pössel von
^chiveidnitz überlassen i'/a Schoclc jährlicher Zinsen auf allen ihren
Antheilen an der Bleiche den AltzcUer Conventtialoi Johannes und
Frenczel Wishennel unter der Bedingung , dass nach ihrem Tode
diese Zinsen an die von der Ortwinin und ihren Söhnen gestiftete
civige Messe fallen sollen.
296 Hubert Ertnisch:
Udschr. : Orig. P<r(/. FiirslJ. unil ijraß. Sibiiidinrij. llanitDittarrhii: OJniichini. Hip. XIV.
Loc. 421-^424. Ko.JOö. Bas schudhajte Sicijtl im I'i:nj((iiiiiitstr. Vi/I. Tu/. 1 .Vo. 2.
Anw. : Veryl. No. 42.
Ich- Niclaus Sclmltheize , Frenzcel Sweiikinstoy» , Walther
Schonaw, Peter van Mittelbach, Mathias Malczmeister, Niclaus Cerdo,
Hannus uiinde Niclaus van | Pygaw gebruilere bürgere zcu Kenipnicz,
Niclaus Stolle, Dithrich Widrer bürgere zcu der Mitweyde unde
Ileusil Possei von der Swydnicz bekennen oftlnlichen mid j diesem
geinwertigen brieve allen den, dy yn seheen horin ader lesin, daz
wir unde unsere erben geraeynlichen mid gutem willen unde mid
wolbedachtem mute | recht unde redlichen vorkauft haben uf der
bleicbe zcu Kempnicz uft' alle uiisern tayln unde uff allem deme,
daz darzcu geboret, hern Johannes Wisbennil priestere unde hern
Frenzcel Wisbennil sieme brudere munche des closters zcu der
Celle») andirthalb schog guter nuwergroschen Friebergischer munzcen
jerliches zcienses unde ewiges, der do alle jar halb uf send Johannes
des toufers tag unde halb uf send Martini tag, der darnach volget,
unvorzcoginlicben unde ane allerley hindernis gevalleu schullen unde
schal, unde haben yn den vorguanten zciens gegeben umbe eyn
vierteyl von der mul, dy da gelegen ist vor der stadpforten, des
sie uns gereyt abegetreten siend, doch mit sulchem undirscheide alz
hernachen beschrieben steet: alzo daz dy vorguanten herren , her
Johannes unde her Frenzcel den gnanten zciens ynnemen unde uf-
heben scluiUen, dy wile sie leben; wenne sie aber abgeen' so schal
der vorgnante zciens ewiclichen farbaz me zcu der ewigen messe,
dy dy Ortwynyn unde Niclaus unde Mathias ire sune gestift haben
u'nde stieften wollen, gehorin unde eyme priestere, der dy messe
liest, alz hy vor geschrieben steheet, gevallen. Darzcu so globen
wir unde unsere erben, wenne wir daz getun mugen, daz wir yn alz
eyn gut gewissen zciens an eyner andern stad, wo wir mugen, zcu
der gnanten ewigen messe zcu eym eygen schicken unde bewiesen
wollen, unde wenne wir daz getun, so schal man uns unde unsern
erben diesen geinwertigen brief widergeben unde schullen furbaz mer
des obgnanten zciens vry quyt ledig unde los sien. Das daz stete
gancz unde unvorbrochenlichen gehakten werde, des haben wir ge-
meynlichen dy bürgere von der stad zcu Kempnicz vlelichen gebeten,
daz sie zcu eyme bekentnis unde zcu eyner ewrkunde dieser vor-
sclirieben Sachen, dy in ir geinwertikeit gescheen ist, der stad
gros ingesigel durch unser bete willen an diesen geinwertigen brief
haben lazen beugen, der do gegeben ist nach gots gebnrt driczen
hundert jar in deme acht unde sechzcigesten jare am suntag vor
sende Thome tag des heiligen zcwelfbotin.
a) Offenbar idmtisch mit Fnmczko und Johannes Albi (S. 37 Z. 4. 5).
No. 43. 1371 Nov. 21.
Hdschr.: OrU). l'crij. UnihsarcUx} ChcmniH Ko.l'ih. Fat- die hiiden fehlenden Siegel
sind Einschnitte im Pergament vorhanden.
In nomine domini. Amen. Sagax humane fragilitatis discrecio
nos ammonet, ea, que ex nostra certa sciencia emanant, in tempore
scripturarum Serie perhen|nari, ne simul cum tempore ab hominum
memoria evanescant. Nos igitur Fridricus dei gracia episcopus
ecclesie Merseburgensis universis et singulis in perpe | tuum presencia
visuris et audituris nolumuS occultari, quod honestus et discretus
vir Franciscus de Swenkensteyn opidanus in Kempnicz | volens de
Nachträge zum ürkumlenhiiflie der Stailt Chemnitz. 297
teneiiis bouis a deo collatis silti in celestibiis thesaurizare a l'amoso
milite Hinrico Maiscalco de Froburg justo enipcionis titulo quatuor
sexagenarum latarnm redditus in et de villa iuferiori Frankenhayn
annis singulis ministrandas et levandas (sie!) comparavit ipsasqne
cum Omnibus suis juribns, sicuti a nobis et ecclesia nostra in pheodo
aliquamdiu tenuit et possedit, ud altare beate Mari-e virginis in
ecclesia sancti Jacobi opidi Kempniczensis Misnensis diocesis in
sui et progenitorum suorum animarum remediuni salutare assignavit
donavit et legavit, supplicans nobis instanter et devote, quatenus
ipsos redditus predicto altari annectere et incorporare dignaremur.
Volentes itaque in augmentum missarum oracionum ac divini cultus
acceptabile deo servicium impendere ac fide.is nostri dilecti Frans-
cisci fnic) predicti pium aft'ectum in laudem sancte et individuc
triuitatis ac beate Marie virginis in effectu adimplere , libera
nicbilominus resignacione omnium, quorum intererat, precedente,
de conseusu et voluntate unanimi tocins capituli ecclesie nostre
Merseburgensis prenotatas quatuor sexagenas in et de villa
F'rankenheym ut prefertnr ministrandas cum Omnibus suis juribus
pertinenciis et nsulructibus, que eisdem insunt vel inesse i)Oterunt
in futurum, predicto altari beate virginis Marie annectimns donamus
approbamus et in dei nomine incorporamus, nichil nobis et ecclesie
nostre in eisdem juris reservantes. Et ne hec nostre incorporacionis
soUempnitas in posterum calumpnie vicio polluatur presentem
litteram nostro ot capituli nostri sigillis dedimus communitam.
Ft nos dei gracia Petrus prepositus, Bodo decanus totumque capi-
tulum ecclesie Merseburgensis pretacte, ad exprimendum consensum
nostrum et voluntatem premissis aft'uisse, unde sigillum nostri capituli
Ulla cum sigillo revereiuli in Cliristo palris et domini nostri domiiii
Fridrici episcopi presentibus dedimus appendendum. tSub ainio
dnmini millesimo treccntesimo septuagesimu primo, vicesima prima
die mensis novembris.
>o. 46 b. 1379 Juli 19,
Gckorne Schiedsrichter machen einen Vcrrjleich zioischen dem All-
zeller Mönche Franciscus und dem Chemnitzer Bürijer Niculans
Orttoini 'Wegen den dem erstem vertrag smüss ig zugesicherten Hechtes^
im Hause des letztern zu loohnen . so oft er nach Chemnitz komme,
ivegen einer Summe von 18 Schock und anderer Streitpunkte.
H(hchr. : OrUj. l'trij. Fi'irntl. niiil i/niß. Scliöitbiiiy/. licsaiumtarcliir (Ikmrlinu.
hoc. 4-21 No. 16 b. 4 tinten aufycdriUkte Siegel (I. 2. i/rün , 3. 4. rollt) sind
liis auf wenige Rente riht/efalhn. Dax um Runde scliudhnfte Archidiaciinnliixicf/cl
(in fcff/anicnlxtr. -tii/i ein ühnliclics Rild , wie Tafel 2 Fig. (i ; Umschrift:
.Sigillum arcliidiaconatus
Nos Lnppoldus de Rudnicz ^) professus monasterii beate Marie
virginis in Kemp nicz ordinis sancti Benedicti, Frowinus, Petrus
de Borch canonicus ecclesie sancti Glelorgii in Strigonio '') , Andreas
Helwici altarista in hospitali extra mu]ros Kompnicz, Johimnes
Franko notarius civitatis Kempnicz et Franciscus Swenkinsteyn civis
in Kempnicz singuiticamus tenore preseucium quibus expeilit uni-
versis, quod religiosus vir dominus I'ranciscus c) prolessus monasterii
Veteris Celle beate Marie virginis ex una et discretus et circum-
a) Erscheint 1376 und 1370 uls Prior des Bencdiviincrktosters (H. 80, Z. 38,
S. 33.'), Z. 1.
b) Oran in Vnyarn'f
c) Identisch mit Frunczko Albi (37, 4j oder Wiahtnncl {.\o.3Ubi.
2<J8 Hubert p]rmisch:
spectiis vir (loiiüuus Nicol-aus Ortwhii civis in Kenipiiic/ parte ex
altera nos ad concordamkim et amicabiliter iiiter eos coniponeiuhnn
yiiarundam dissensioimm materias, que iiiferius exprimuutur, coii-
corditer elegerunt. Qaarum disseiisiomim materia talis erat, quod
predictus dominus Franciscus eundem Nicola um Ortwini vigore
cujusdam littere sigillate sigillo archidiaconatus Kempniczensis super
quodam certo articulo in eadem expresso, videlicet quod antedictus
Nicolaus ipsum dominum Franciscum, quociens in Kempnicz ve-
nierit, in domura snam cum familia sua suscipere deberet et honeste
pertractare, et pro XVIil sexag. gr. Misnensium et quibusdam rebus aliis
inpetebat. Nos igitur consideratis eis, que nobis per utramque partem
proponebantur, et inter nos eis diligenter ruminatis et matura deli-
beracione discussis, attendentes in humanis rebus nichil melius esse
amicicia, primo pronuncciavimus et presentibus pronimcciamus, inter
partes predictas bonam debere esse araiciciam, secundo quod pre-
dictus Nicolaus Ortwini solvere debet et pagare domino Francisco II
sexag. gr. Misnensium in parato, quibus solutis ipse Nicolaus liber
solutus et quitatus in perpetuum esse debet ab omni inpeticione,
tarn a suscepcione domini Francisci in hospicium suum sive domum,
a XVIII sexag. predictis ac rerum omnium aliarum, de quibus dominus
Franciscus ipsum Nicolaum hactenus inpetebat, et quod vigore istius
littere predicte dominus Franciscus eundem Nicolaum nuncquam in
autea inpetere debet, set ad omnia puncta et capitula in ea contenta
et dominum Franciscum concemencia nullam roboris optineat ürmi-
tatem. Acta et pronuncciata est bec amicabilis composicio anno
domini M^CCCLXXIX., feria tercia proxima ante festum beati Jacobi
apostoli. In quorum omnium evidenciam pleniorem presentem nostre
concordacionis litteram nostris sigillis duximus sigillandam.
Et nos Tlieodericus officialis venerabilis in Cbristo patris ac
domini domini Heinrici abbatis et archidiaconi Kempnicensis pre-
sentem litteram et omnia in ea contenta appensione sigilli nostri
officii ratificamus approbamus et confirmamus.
Xo. 57b. 1389 Nov. 26.
Heinrich, Abt des Bendietinerlclosters zu Chemnitz, ver(jleicht den
Ältaristen des Altars corporis Christi Johannes Albi und den
Bürger Nicolaus Ortioyni zu Chemnitz wegen des genannten Altars
und der Einhünftc ans dem Dorfe Meinersdorf.
Ildsdir. : On'r/. Piru. (Uniiert). FürstL undijrüfl. ScJiönhui-y. Gisuiniidarclih' GUimrlmu.
Lov. 424 yo. IHl. Unhcdenteiidc Reste des Sieijels un Perf/uniciitsir.
Nos Heynricus dei gracia abbas et archidiaconus Kempniczensis
recognoscimus teuere presencium publice prolitendo, quod j constituti
nostri in presencia discreti et honesti dominus Johannes Albi rector
altaris corporis Christi in ecclesia parochiali sancti Jajcobi in Kemp-
nitz ex una et Nicolaus Ortwyni opidanus Kempniczensis Misuensis
diocesis parte ex altera monentes et | proponentes quasdam litigii et
controversie causas eciam alias coram nostro ofticiali motas et pro-
positas, super quibus amicabiliter decidendum in nos tanquam arbi-
tratorem et amicabilem compositorem non compulsi set ex certa
sciencia libere spontanee compromiserunt quidque sie per nos dic-
tatum decretumve fuerit, sub pena solucionis medie carrate bone
cerevisie Kempnitzensis nobis sine fraude et contradiccione se ser-
vaturos perpetue promiserunt, nos igitur Heynricus abbas et archi-
diaconus predictus habita premeditacione matura et consiliis nostro-
Nachträge zum Urkuiulenlniclie der Stadt Cliciiiiiitz. 299
mm üeti ipsas partes premissas uuivimiis et cüucurdavimus in haue
modum, quod ipse dominus Joliannes Albi predictus a celebracione
sive ofticiacione altaris sui si maluerit per amplius debeat proptor
sui Visus debilitatem penitus esse über solutus et quietus suique
census de villa Meinerstorf suo altari annexa et appropriata omnes
integri videlicet pecuniarum puUorum et caseorum et de bleka sive
dealbatorio, si quos habet, terminis debitis, dempta una sexageua cum
viginti grossis usualis pagamenti, dari et solvi debebunt domino
Johanni sepe dicto, omnibus dolis et contradictionibus proculmotis.
Dictam quidem sexageuani cum XX gr. Nicolaus Ortwyji sublevare
debebit et ofticiacionenr sive celebracionem dicti altaris de eisdem
plenarie procurare et in tantum, si opus fuerit, dicte summe pecu-
niarum addere, quod ofticiacio sive celebracio altaris memorati nulluni
decrenientum in aliqua sui parte paciatur. Insuper rusticos sive
homines dictam villam Meinerstorf inhabitantes Nicolaus Ortwyni
protegere et gubernare debebit in suis juribus villam conservando
suis propriis sumptibus et expensis. In quorum omuium et singu-
lorum premissorum testimoniura presentem litterain nostri sigilli
majoris muuinime fecimus roborari. Datum et actum anno domini
millesirao trecentesimo octuagesimo nono, feria sexta proxima post
PJlizabeth vidue.
Äo. 89. 1414 Febr. 13.
Ihh'Iir.: On'ij. l'try. Batlisarchic Xo. S?6. Dax OeiiiiiuiisieyiA an l'n-ijaiinuMr.
Durch einen Einschnitt caxsiert.
Wir Friderich der eider von gotes gnaden lantgrave in Doringen
marcgrave zcu Missin und pfalczgrave ! zu Sachsen bekennen und
tliun kunt offintlichen mit diesem britte allen den, die yn sehin
adir hören lesen, | das vor uns kommen ist groz czweitracht und
Unwille, der gewest ist czwischen den reten und der gemeynde i
unser stat Kempnicz unsern üben getruwen, darumbe wir eynen
sacz czwisschen yn gemachet haben, als hirnach geschrebin stehit,
und wollen ouch ernstüchin bie unsern hulden, daz der also ge-
halden werde, als ferre sie unser swere Ungunst vormyden wollen.
Czum irsten seczczen und wollen wir, daz alle ynnunge der hant-
werke, die sie bisher gehabt haben, genczlichiu abe sin ouch nicht
meister haben sollen, sundeni zcusampne mögen sie gehen mit
willen des rates. Ouch sollen sie keyne utt'seczcze noch eynungc
machen under yn hinder dem rate. Worde yn ouch ichtes gebruch
adir not, des sollen sie sich an dem rate irholen. Wer ouch in
cynem handwerke meister werden wil , der sal zcu den kerczen
dessellien handwerkes czwey pfund wachses gebin. Ouch sollen die
rethe vir bannyr machen lassin, ab der die stat gereyte nicht hat,
und sollen uss iglichem virteyle der stat czwene kisen , eynen uss
dem rate und eynen uss der gemeyne, und man sal yo czwen eyn
bannyr befeien, ab des der stat adir unser lierschafft nod geschege,
die dy bannyr vorstehin und verwesen nach unser _herschaH't und
der stat besten. Ouch seczczin wir, daz furdermer dry burgermeister
und drie rete nach unserm rate sin sollen, die der aide rat sal
kisen und wir sie bestetigen sollen, also daz y obir daz dritte jar
eyn burgermeister mit synen eydgnoßen siczcze, als ferre sie daz
umbe uns und unser hersciiafit belialden. Wir wollen ouch, daz alle
jar vir uss der gemeyne in dem rate siczczeu. So sollen ouch
czwene uss dem alden rate in dem nuwen rate siczczen hüben, ufi'
daz daz sie den nuwen rat sulcher gescheffte, als daz vorgangen jar
300 Hubert Ermisch:
in dem rate gobaiidelt siii, deste baz luulei'richteu mögen. Oiicli
sal fiivdermer eyn iglicher schoßen von alle syner habe, woran er
die hat, und von allen synem gewerbe. Waz euch der rat furdermer
geschopes nymmet, daz sollen sy von manne zcu manne berechin.
Des zcu orkunde haben -wir unser insigil an disen brift' wissentlicliin
hengen lassin, der gegebin ist nach gotes geborte virczen hundert
jar darnach in dem virczenden jare am dinstage vor sendte Valeu-
tini tage.
Zu >o. 91. (1415 Mai 16.)
In einein auf Bitten des Joh. Hauschilt, Altaristen des Altares des
Evangelisten Johannes in der Jacobikircke zu Chemnitz, aufgenomme-
nen Notariatsinstritmente des Nutars Johannes Walack, d. d. Chem-
nitz 1513 Juli 19 (Oricj. Perg. Eathsarchiv Chemnitz No. 104=1)) ist die
nachstehende Stelle transsumiert, nach loelcher der fragliche Haus-
kan.f bereits 1403 stattgefunden haben soll. Entnommen ist diese
Stelle einem, antiqnissimum missale, in cujus marginibus scriptura anti-
quissima necnon jura ipsius doraus altaris sancti Johannis evangeliste
comperta fuere, que vix ob eorum antiquitatem legi potuerunt. Diese
Beschreibung berechtigt wohl zu Misstrauen gegen die Genaniglieit
der Wiedergabe; der gleichseitige Eintrag des Geschossbuches dürfte
•mit Bezug auf die Zeitangabe als zuverlässiger gelten ki'mnen.
l'ropter carentiam hospitii ipsius altariste altaris corporis Christi
magister Nicolaus Huuter motus pietate dimidietatem domus quondam
Schwengkensteyn emit eamque dotavit legavit et donavit in perpe-
tuum prefatum altaristam (sie) possidendam se devotione sue (sie)
recommendans devotissime supplicans et precordialissime aüectans
ab eodem, qui tunc est cappellanus, quatinus ob amorem divine
pietatis et misericordie ob vicissitudinis recompensam ipsius magistri
Nicolai siiigulis quatuor temporibus anni de sero cum vigiliis mane
missa pro defunctis dignetur habere raemoriam et eidem suifragari
ob spem eterne remunerationis in hoc onerans suam conscienciam,
quia per multa incommoda, que ratione altaris prefati passus est,
plura commoda eidem altai'i acquisivit. Item prefata domus a cap-
pellanis duobus scilicet altaris corporis Christi et sancti Johannis
evangeliste debet possideri. Et definitum est per consilium civitatis
pro(?) cannali ipsius domus, quod vicinus scilicet Baltasar aut ipsius
posteri ipsam domum inhabitantes sine prejuditio et damno ipsorum
cappellanorum locari et teneri debet, ipsi vero cappellani in recompen-
sam tencbunt partes sub cannali ]>recogitate domus. Alios vero parietes
et circumferentias curie seu partes posterioris domus quilibet tenebit
pro parte sua sine prejuditio et damno sui vicini. Hoc definitum est
anno M''CCCCII. proconsule Melzer existente et scriptum ad missale
per magistrum Nicolaum Huter protunc altaristam instauratum.
No. 91b. Chemnitz, 1415 Aug. 28.
Nicolaus Ebersdorf, Canonicus in Biebra und Zscheila und Altarist
des Alturs der hh. Barbara und Margarctha in der Jacohihirche
zu C/iemnits, eignet dem beständigen Vicar der letztgenannten Kirche,
den Altaristen melirerer Altäre in derselben und im Georgshospital
und dem Blcban zu S. Nicolaus soioie deren Nachfolgern jährliche
Zinsen von einzeln aufgeführten Gartengrundstücken bei Chemnitz,
und bestimmt die Verwendung derselben zu Seelenmessen und
Almosen.
Naclitriige zum Urkundciilnirhc der Stadt Chemnitz. 301
Hihclir. : OrUf. Perf/. Fürnil. und yräj!. Scliönhurf/. Oesiiminturchiv Olaucluui.
loc. 43J iVo. 34. Mit KinschnHten für 14 Sü-yel, 'von denen 4 erlialtcn. für :i
weitere litatt con f'enjduHatalr. vorliiinden f^ind. 1) Schild: undtii/liclu Fi<jiii\
Vmschr.: S. Nicolai <le Kliersdorf. 3) Bild li. Moria. Fnischr. : S. Joliannis Hil-
brandi .1) TV//. Taf. I, Xo. 7. 4) Bild: Briisthild rin(x Hdlir/iu mit dem
Kelche in der Linken, l'nischr.: Sigilhiin firegorii Liiterhadi.
In nomine domini. Amen. Cum universorum . Hinc est,
quod ego Nicola US Ebirsdorf presbiter sanctorum Justi et Clementis
in ßybra Maguntinensis et sancti Georgii in Sczilaw Alisnensis diocesis
canoiiicus necnon sanctanim ßarbare et Margaretlie altaris in ecclesia
saiuti Jacobi in Kempnicz dirte Misnensis diocesis altaiista
iniVa scriptos redditus annuos per me proprio de peculio comparatos
ac legitime possessos et in proprio« usus redactos coram te notario
publice et testibus astantibus irrevocabili donacione cii'cumspectis ac
discretis viris Conrado vicario peipetuo ecclesie parrochialis sancti
Jacobi in Kempnicz, magistro Nicolao Hüter corporis Cristi, Johanni
de Witchendorf sancti Sigismundi ='), Johanni Malczmeister beate
virginis et omnium sanctorum ac sancti Georgii in hositali, Paulo
Judicis Johannis evangeliste, Gregorio Luterbach sancte trinitatis,
Petro Ybener sanctorum Petri et Pauli et llelferico sancti Spiritus
altaristis in dicta ecclesia parrochiali altariiim et extra muros Kemp-
nicz ac sancti Nicolai plebano omnihusriue ipsorum et meorum in
altari beatarum Barbare et Margarethe successoribus perpetue dedi
tradidi et donavi ac presencium tenore do trado et dono melioribus
modo et forma , quibus donaciones cultui divino factas tieri conswe-
verunt, sub infra notatis clausulis et ordinacionibus perpetue possi-
deudos et ab infra scriptis censitis seu colonis et ipsorum in snb-
scriptis ortis successoribus pro tempore ex temporibus coUigendos
recipiendos exigendos et distnbuendos, quovis impcdimento oniniuiu
ac quorunicunque meorum heredum, cujuscunque condicionis exti-
terint, penitus semoto. Orti denique uno solo mutuo sunt sibi counexi
et adherentes de agro quondam decimali partiti et in ortos redacti,
inter ripam Berlspach, viculum parvum et ostos Johannis Rotolfi et
rure Andree Erhardi in singulis quatnor lateribus confrontati. Ilornm
coloni et censnales medietatem reddituum in festo sancte Walpurgis
et residuam in festo sancti Michaelis solvunt medietatem: Petrus
Essche sex grosses, Petrus et Paulus am Ende X grossos V helleuses,
Smedichin VI grossos, Morensmyd XII gr., Stephan Fisscher XII gr..
Thumirnicht XIII gr., dy Ilubenerinne VI gr. , Gundeloch XII gr.,
Lange Nickel VI gr., Heinrich Gutfrid X gr., Langbusch XXVI gr.,
Paulus Fisscher Vi gr., Lubisch V gr., Pauel Komer Illlgr., Paulus
Swenkensteyn XII gr., Apecz in der Awe VIII gr., Hennil Fisscher
VI gr. , Nickel Üurkirsdorf V gr., Thyme Gyseler Xll^^gr., plclianus
VI gr, , Gobil XII gr. , Springer XII gr., Heynrich Vogelcr VI gr.,
dy Lcnenianynne XIII gr. et Nicolaus Ebirsdorf V gr. Horum
reddituum summa ad tres sexagenas et quinquaginta unum grossum
et V hellenses se extendit. Insuper et tres ortos ante valvam
claustralera , quorum possessoi'os seu coloni pronunc Weczil sutor
niiius, Conradus Wayner alterius et Pauil Flechsor tercii existant,
(luorum qiiilibet XII gr. solvit annuatim medietatem in festo Wal-
purgis et residuam medietatem in festo Michaelis, simili dona-
cione supra scriptis dominis cessi ac pleno jure donavi census
ipsorum totaliter in ipsos transfuudendo. Prescriptorum reddituum
distribuciones ordine sul)Scripto temporibus per])etuis ita serva-
buntur et exequantur. Inprimis quidem iidem domini vicarius per-
a) Identisch mit Joh. Hildthnind (S. 73 '/j.SO).
302 Hubert Ermisch:
petuus pro tempore nomine plebani existens et altariste, qui pre-
sentes in opido Kempnicz fuerint, duos ex se ordiuabunt redditus
jam dictos in singulis scilicet terminis Walpurgis et Michaelis me-
dietatem a dictis ortorum colonis repetentes et colligentes. Ordine,
ut inferius describitur, distribiiant absque impedimento. Primo equidem
plebanus certnm diem, prent ipsi competere videbitur, post singulos
dies Walpnrgis et Michaelis censibus collectis prefiget, in quo ipse
plebanus cum suis cappellanis ac altaristis tredecira vel quatuordecim
in numero personis seu cum aliis assnmptis ad hoc in defectum al-
taristarum in ecclesia <■>) parrochiali Kempuicz vesperis finitis con-
venient, vigilias sollempniter incipiant et cum novem leccionibns de-
cantabnnt subsequentique die singuli ipsorum missam pro dei'unctis
cum commemoracione mei meorumqne progenitorum celebrabunt
commemoracionenique generalem videlicet „Non intres in Judicium"
alte legant et cum responsoriis conswetis ac Salve Regina decan-
tando. Ob hoc distributores ordinati cuilibet personarum presbite-
rorum quatuor grossos censuales distribuent et duos per nos nummos
usuales adicient cuilibet in summa missa ad altare offerendos. Vitricis
vero ecclesie extunc, ne ecclesia in aliquo gravetur, tres grossos
dabunt et ministro vel campanatori, qui representacionem feretri
ornet, luminaria incendat et extingwet, sedilia locet et conpulsacionem
faciet, qualibet in commemoracione tres grossos, regenti chorum,
ut summam missam cum scolaribus tractim decantare faciet, pro
defunctis unum grossum ministrabunt. lidem denique coUectores
in eisdem commemoraciouibus leprosis in leprosario existentibus
cuilibet ad manus equali divisione XV gr. proiciantur (sie) et
pauperibus in domo, que conventus volgariter nunccupatur, pro
reparacione domus seu in alios usus necessarios secundum exi-
genciam inibi commorancium similiter XV gr. ministrabunt. Pre-
terea ne occasione premissorum debita servicia ac conswetudines
cuiquam subtrahantur, ordinati collectores plebano pro tempore
existenti census decimales de prescriptis redditibus ab olim debitos
in singulis terminis Walpurgis et Michaelis XIj (=11 '/») gr., quorum
summa ad XXIII gr. aunuatim se extendit, aliosque X gr. de novo
per me deputatos eidem, quorum medietatem ipsis prenominatis
terminis ministrabunt. Insuper quia prescripti redditus statuto muni-
cipali sunt subjecti, dicti collectores consulibus in opido Keminiicz
teraporibus debitis de quatuor et dimidia raarcis solvent impositam com-
muniter exaccionem. Preterea collectores, qui ordinati fuerint, ut
premissum est, ut diligencius commissa exequantur, quilibet quatuor
gr. de dictis redditibus de anno pro laboribus sibi inbursabit. Denique
Omnibus et singulis, ut prescribitur, ortlinatis distributis et expeditis,
iidem collectores plebano et altaristis aut ipsorum IIIIw ex ipsis
faciant racionem. Si quid de dictis redditibus superüue et in reposito
fuerit repertum, cum scitu jilebani et altaristarum in usus egenorum
et presertim paiiperum, qui alias crubescant mendicare publice, con-
vertetur, super quo ipsorum distributorum consciencia oneretur.
Quodsi futuris in temporibus per quemquam succedencium impedi-
mentum aliquid orietur, quod premisse ordinaciones non transsient
in eftectum, extunc consules ipsius opidi, ut possint et valeant, in-
stare monere et procurare, quod predicte ordinaciones progressum
realiter consequantur, plenum posse ob honorem ecclesie obtinebunt.
Ut autem premisse donaciones et ordinaciones irrevocaltiliter per-
a) ecclesie, Original.
Nachträge zum Urkuiuleubiiclie der Stadt Chemnitz. 308
petuam obtineaiit tirraitatein, te Gregorium iiotarium publicum requiro
(leliita cum iustancia, quatenus präsentes litteras donacioncs ordi-
naciones et disposi.iones in se premissas continentes in publicam
redigas formam signo et subscripi'ione tuis modo consueto, testes
super hiis debitis requirendo. Sigillum deniqne meum presentibus
duxi appendendum et nos Cunradus perpetuus vicarius, Nicolaus,
Johannes, Johannes, Panlus, Gregorius, Petrus et Helfericus preno-
minati per nostrorura sigillorum appensionera omnibus premissis
nostrum consensum recognoscimus accessisse. Acta sunt hec anno
domini M" CCCGXV", indiccione octava, sede vacante, XXVIII. die
mensis augusti hora sexta vel quasi, in ecclesia parrochiali sancti
Jacobi in Kempnicz Misnensis diocesis, presentibus honorabilibus et
discretis viris magistro Nicoiao Beiger de Dresden, domino Petro
Heyczer de Ernfredisdorf et domino Nicoiao Grabaczscb de Czwickaw
testibus Misnensis et Nuemburgensis diocesium ad premissa specialiter
vocatis et rogatis.
Et ego Gregorius Luterbach de Kempnicz clericus
(Signum\ Misnensis diocesis publicus sacra imperiali auctoritate
Notarii.y notarius, quia premissis — interfui — , super oo hoc
publicum transsumptum coufeci — .
So. 91c. Meissen, HIU Juui 22.
B. Budolf V. Meissen bestätigt die Stiftung eines in der Jacohi-
kirche zu Ehren der Empfängnis Marie, der Apostel Petrus und
Paulus und der hh. Bonatus, Maria Magdalena, Juliana und der
11 000 Jungfrauen begründeten Altars und seine Dotation mit
7'it Schock jährlicher Zinsen auf Grundstücken in und bei Freiberg.
Hdsclir.: Oriy. Perfi. Rathsarchii) Chemnitz No. SSh. Das Sieyel an Pergamentsir.
Rudolfus dei et apostolice sedis gracia episcopus Misnensis. — — —
Sane quia certi census anniii puta septem sexagene cum dimidia
grossorum Misnensium Fribergensis monete de certis domibus habi-
tacionum agris pratis ortis et possessionibusaliis singulis annis in suis
terminis per certos incolas in et prope opidum Kempnicz nostre
diocesis habitantes, videlicet Johannes Kolers de ortu suo decem et
octo gr., de ortu Judicis novem gr., de ortu Hermann Kempten
duodecim gr., Hannes Slegil de suo ortu Septem gr., P'renczel Wnlfi'
de domo quadam proprie gerbhus quatuor gr., de ortu Nickel Berg-
wayner octo gr., de ortu Nicol. Slagkenwerde duodecim gr., do ortu
Johanuis Hertkeze duodecim gr., de ortu Vlman Keler sex gr , de
ortu Nicol. Klugen quatuor gr., dictus Vnger quatuor gr. de quodam
horreo, de domo et ortu Hannes Strokirchen duodecim gr., de domo
et ortu Petir uffin Tamme IUI"'- gr., de horreo Nicol. Ritter sex gr.,
de domo et ortu Katherine Tuscherinne viginti gr. , de ortu dicti
Ilaldcnort quatuor gr., de ortu Winkeler novem gr., de ortu Johanuis
Sydel quinque gr., de ortu Nicol. Cziudeler quiuque gr. , de oitu
Conradi Eschin octo gr., de ortu Nicol. Moliier novem gr. , de ortu
Vlrici Riiyder ((uatuor^gr., de ortu Math. Syliottenhain Septem^ gr. et
dimidium, dt; ortu Johanuis Kbirhard uovein gr., de ortu Nicol. Uoseler
quinque gr., de ortu MarkenstorfV quatuor gr., Math. Vues de quodam
stabulo (tuos gr., Math. Lodewig de quodam horreo duodecim gr.,
de horreo Petir Knpptirsmid decem gr., de ortu Nicol. Klugen duos gr.,
de ortu Krcnczil Kl)ii-h;u-d quatuor gr., de ortu et molendino Micliil
llabirberger quiiuleciin gr., de molendino Kempniczensi (luindeciiu gr.,
de molendino alio videlicet walkraoien nominato sex tior. Vngaricales,
304 Hubpi-t Ermiscli :
Johannis Friczen quindecim gr. de suo cellario, dictiis Magdeburg
et Haiiiies Sobnltheis sex gr. de quodam fossato, Pannl (sie) Romer
de horreo duodeoim gr. , Nicolaus Roseler vighiti gr. de quadam
pecie (sie) agri ufi' den Steingrubeu, per eosdem et eorum successnres
de possessioiiibus supra dictis perpetuis futnris temporibusque solveudi
absque impedimento — in dotem et proprietatem altaris sub titulo
et t'esto conceptionis Marie virginis intemerate, sanctorum Petri et
Pauli apostolorum, Donati niartyris, Marie Magdalene, Juliane et'
undecim milium virginum in ecclesia parrochiali dicti opidi Kempnicz
fundati et consecrati per certos Christi fideles — empti et comparati
per providoä ac honestos magistrum civium et consules opidi antedicti
nobis sunt oblati cum supplicacione debita ac devota, quatenus dictos
census — altari addere unire ac ipsuni — confirmare — dignaremur :
nos igitur — altaris — fundacionem dotacionem et ordinacionem —
confirmamus . Altarista vero altaris ejusdem singulis diebus
per se vel alium niissam in dicto altari tenebitur celebrare et plebano
ibidem nomine i'estauri decem grosses annuatim ministral)it. Jus pa-
tronatus vero altaris prefati magistro civium et consulibus opidi ante-
dicti omnino reservamus — . Datum et actum Misne anno domini mille-
simo quadringentesimo XVP'^ feria secnnda iniVa octavas corporis
Christi autentico nosti'o sub siaillo.
Ko. 128 b. 1441 Jau. 4.
Hdsclir.: Oriij. Ptri/. RiUlmurcluv Clieiiiiiiü Ao.4:Jb. Das St.(tdlsit.(/cl (Tu/. 1, Fi'!/. Sj
an Perf/amenhtr.
Heinrich Friczlio Bürgermeister, Hans Marchirstor ff, Paul Dcl'art,
Nickil von Cziviclcaw, Claus Csanspil, Faul Sioertfeigcr, Ha)is Kniie,
Cuncz Schlusser, Caspar Sinedichin , Petir Hotret, Nickil Eckart,
Caspar iSpringer, Jocof Hillehr und, Paul Bachmun, Nickil Wayncr,
Hans Siptenhain, Nickil Stange, N-ickil Hofinann, Caspar Czyvimer-
man gescinvortie Bathmannen des neuen und alten Rathes verkaufen
vom Rathhause und allen Gütern der Stadt 2 Schock schildechter
Groschen Freiherger Münze jährl. Zinses, zahlbar halb auf Wal-
purgis und halb auf Michaelis, dem Hans Marckirstorff und seiner
Gemahlin Katherina für 30 Schock gleicher Münze unter Vorbehalt
des Wiederkaufs nach ein Halbjahr vorher erfolgter Kündigung. Nach
dem Tode des Hans M. soll seine Gemahlin Katharina den Zins
beziehen, nach beider Tode aber soll er zcu eyner ewigen messe zcu
eyneni altar vor der stat Kempnicz in sente Johannis kirche »), do
daz begrebnis ist, kegin sente Andreas altar obir in dem wynkel zcu
tröste ern sein unde allen den iren dy von hynneu vorscheiden siut
gereicht werden. Auch sullen dy obgnanten burgermeister unde
rathmannen gesworne der stat czu Kempnicz des egnanten altars
rechte lehenhern sien — , ouch alzo bescheidelich, weme sy den
egenanten altar lihen wurden, daz derselbige caplan selbis doruf
wouen beleisen sal unde mit keyuie mytlinge bestellen unde durch
syn globde dy obgnanten lehenhern daz von cm ufneymen sullin — .
Ggbin — virczehin hundert jar dornoch in dem eyn unde vix'czigisten
jare an der raethwochen vor der heiligin dry konige tage.
a) Der 1441 Mai W confirmierie Trinüatisultar. Vyl. No. 1S9 itiul Ko. 111.
Nachträge zum Urknndenbuclie der Stadt Chemnitz. 305
>o. 129 b. 1441 September 8.
Peter SchuUis zu Mittweida tritt dem. Eathe seine Lehenrechte über
den Altar ULF. und aller Heiligen in der Jacobikirche ab.
Hihchxrhr.: Orif/. Ferr/. Rnthsarchio VheinniU Xo.44b. Bas Sicj/cl an.Perr/fiinentsir.
Schild: xpriiii/citdcs fierfiissü/cs Tliicr (Fuchs?), i'mschr. : Sigilluin Petri Scliultis.
Ich Peter Schultis dy zeit zcu der Mitteweyde gesessen bekenne — ,
daz ich — ufgelasen habe den ersamen wisen burgermeistern und
ganczen rathe der stat Kempnicz sulche leben ober den altar ge-
legen yn sente Jacufs kirche czu Kempnicz an dem pfliiler under
dem predigestule, der da gewihet ist in der ere des almechtigen
ewigen gotis unsers Üben hern, Marien der hochwirdigen juncfrauwen
siner werden muter und yn der ere aller liben gotis hiligen, des
ich obgnanter Petir Schultis eyn rechter lehnhevre creftig czu lihen
gewest byn '"i). Durch sunderlicher fruntschaft und gonst wille, dy
sie mynen eidern seliger gedechteniß und mir getan haben und noch yn
künftigen cziten tun mögen, und durch sunderliches schucz wille des
egnanten altares vorczihe ich mich allemyne erben und erbnemen sul-
cher lehen, also oben berurt ist, mit crafl dicz brifis, der brife der lehen
(nie) ich mich und alle myne erben gancz geussent habe und dy on ge-
antwort habe, der denne dy obgnanten burgermeister und rathmanneu
vorbas ewiclichen rechte lehnhern sin sollen, ich noch dy mj'nen
uymmer czu ewigen gecziten daryn halden noch reden wollen, suuder
wollen daz gancz und gar unverbrochlich, wy oben geschreben ist,
halden. Des czu orkuiid und warem bekentniß habe ich obgnanter
Peter Schultis rayn insigel vor mich, alle myne erben und erbnemen
mit gutem willen und wissen unden an desen offin brif lassen beugen,
der da gegeben ist — vierczehen hundert jar darnoch im eyn und vir-
czigisten jare am fritage der geburt der juncfrauwen Marien.
a) Der Altar war 1368 von Nicol Sclndtess f/csh'ßet (No.SG); vgl. auch Ko. 4'>, 40.
No; 131b. 1442 März 11.
ffdschr.: Orig. Perf/. Rathsnrchiv Cheimtitz No.44c. Das (tn PerganKntstr.hefesiigt
genesene Sirgrl isl ahgeschiiUten.
Heinrich Friczko Burgermeister, Paul Eckart, Nicolaus Frei-
herger, Nickil von Czwlckaio, Claus Czanspil, Faul Sivertfeiger, Con-
rad Schlusser, Caspar Smedichin, Caspar Springer, Hans Stohener,
Johannes Friberger, Hans Strencsil, Johannes Marckirstorff, Joeoff
Hillebrand, Nickil Wagner, Faul Bachniann, Maus Siptenhain,
Nickil Hofeman, Nickil Stange, Caspar Czymerman, Nickil Fckart
geschworne Bathmannen des neuen und alten Bathes verkaufen
1 Schock schildechter Gr. Freiberger Münze jährl. Zinses, zahlbar
halb auf Walpur gis tmd halb auf Michaelis, dem Herrn Petir
Schultissin uiiserm altaristen dy czit unserm schulcmeister zu dem
Altar des h. Fva)igelisten Johannes in der Kirche S. Jacob in dem
wynckel bie unser liben frawen altar guleigen für 15 Schock gleicher
Münze unter Vorbehalt des Wiedcrhmfs ; im letzten Falle hat der
Altarist für die Wieder kauf s summe ein ander gcwyß schog jerlicher
cziusis mit Willen und Wissen des Batlies dem Altäre zu kaufen.
— Gegebin — virczen hundert jar donuich in dem czwey unde vir-
czigisten jare am suntage alz man singet in der heiligin kirchen
letare.
Neues Archiv t. S. G. u. A. II. A. '20
306 Hubert Ermisch :
Äo. 148b. 1449 Oct. 23.
Ildschr.: Orig. Perg. Fiirsti. und grüß. Schönburg. C/esairnntarchiv ßlauchati..
Lrtc. 424. Ko. 1H5. Das an Pergamcntstr. befestigt gewesene Siegel fehlt.
Michter und Schöffen der Stadt Chemnitz, Paul Stvertfeger Vogt,
Hans Stobcner, Hans Syptenhayn, Jacoff HiUebrant, Faul Eghart,
Caspar Springer imd Xidaus Torhüter Schöffen, bekennen, dass
Veit von Schönburg Bitter Herr zu Glauchau und Waidenburg
einerseits und der Ritter Jhan von Slinicz zu Schleinitz gesessen
andererseits mit des letzteren Gemahlin Frau Anna vor gehegter
DingbanJc erschienen seien und dass diese daselbst auf das von
dem verstorbenen Jungherr Heincz von Eemse ihr bestellte Leib-
gedinge mit Einwilligimg ihres Bruders Heincz vom Ende zu
Kayna als ihres gekornen Vormunds verzichtet habe. Gegebin —
tusend vir huiulirt in dem newn unde virczigistin jar am donrstage
nocb sente Lucas tage.
*ö^
Äo. 180. 1458. Jan. 7.
Hdschr. : Orig. Perg. Bathsarchiv Chemnitz No. 58 h. Bas Siegel ist ahgesehnitten.
Amn. : Was im Vrkundenbiiche unter No. 180 mitgeüuilt inmlc, ist wohl der Ent-
'ivurf, nicht aber die Copie dieser UrJcundc.
Wir uacbgeschrebeiie Caspar Beyer dy czit burgermeister, Hans
Stobener, Henrich Friezko, Haus Sipteuhain, Nicolaus Friberger,
Nicolaus Eckhart, Nicolaus Torhüter »), Nicolaus Garnistorf, Paul
Billich, Mattis Bouragarte, Nicolaus Tile, Caspar Springer, Nicolaus
Holeraau, Nicolaus Becker, Hans Arnold, Haus Alexius, Hans Stange,
Nicolaus Moller, Caspar Lindaw, Hans Tirpan gesworue des nuwen
und alden ratis der stat Kempnicz bekennen — , daz wir mit gutem
rathe unser eldesten und eyntrechtichem willen und wissen unser
gemeyne — vorkouft haben von unserm rathuse von allen renthen
und gutern ynnen und ussen daczu gehörende eyn schog groscheu
jerlichz czins uf ejn wederkouf sulcher moncz, alz man in der
gnanten stat uf iczlichen tag czu geschosse nympt, den ersamen
Casparn Springer, Nicolaus Eckharde und Pauln Kopperlinge uusern
burgern, dy czit vorwesere des ewigen lichts vor unser üben frauwen
altar yn sancti Jocufs unser pfarkirche yn der iampe bornde, welch
schog iczunt gnant czu demselben lichte gehorit, haben on das
schog czins vorkouft und gegeben vor vier und funfczig ßinische
golden, dy si uns mit bereiten guten Rinischzen golde wol beczalt
haben, dy wir forder an unser stat nutcz gewant. Sollen und wollen
das gnante schog czins den gnanten vorwesern ader iren nochkomen
reichen, halb schog der gnanten were uf Michaelis noch dato dicz
brifes schirstkonftig und halb schog uf Walpurgis nest danoch folgend,
und alle dy wile deser kouf wert also halden unverlich. Unser
glouber sal an der beczakmg houptgutis ader czinsreichunge kein
schade, der ober dy stat geen mochte, daz got lange wende, hindern,
sundern wir wollen unser globde, wy oben geschreben ist, stete
gancz unvorbrochlich halden ane geverde. Auch sollen dy iczunt
gnanten vorweser ader ire nochkomen von dem gnanten lichte alle
jar eyns vor eyrae rathe von ynname und ußgabe rechnung tun, und
waz also denne von desem schogke und anderm gelde daczu ge-
hörende, darober auch brife sint, czu dem lichte meher ist ynge-
nomen den usgegeben, also bescheidelich, waz in der rechnung worde
oberlautfen und czu notdorft des gnanten lichts niclit bedoi'ften, daz
a) Der Entwurf fügt hier Caspar Czymmerman hinzu.
Nachträge zum Urkundenliuche der Stadt Chemnitz. 307
sal man geben und reichen den armen luten yn das hospital. Und
wen dj' mer gnanten vorweser abegeen von todiß wegen, so sollen
sich dy burger des underwinden und vorsteen. Auch haben si uns
dy gonst getan sulch schog czins, wen wir so statbaftig worden,
abeczulosen, so daz wir on dy abelosung eyn firtil jares vorhene
kunt tun und denne uf den uesten czinstag noch der absagnng dy
obgemelte houptsumma vier und funfczig Rinische golden mit den
vorsessen czinsen gancz gar und unverlich beczalen. Auch ab deser
brif vorlorn czurissen ader vermackelt worde eher der ablosung,
so gereden wir on eyn andern desem glich czu geben. Daz alle
stucke artickil dicz brifes gancz und stete von uns und unsern noch-
komen sollen gehalden werden, des czu bekenteniß haben wir unser
stat insigil vor uns [und] unser nochkomen an desen brif lassen
hengen, der ggeben ist noch Christi unsers liben hern gebort XIIII»-
jar danoch ym LVIII. jaro am sonabend noch der hiligen drj'er
konige tage.
No. 261b. Chemnitz, 147G Nov. 20.
Äbt Caspar hestätigt die Schenlcung von 200 Ehein. Gulden Haupt-
summe durch einen Ungenannten an den Vicarius perpctuus der
Jacobskirche und die Inhaber verschiedener Altäre zu Chemnitz,
welche dafür 8 Rhein. Gidden iährl. Zinsen zu Lössnits gehäuft
haben, behufs Stiftung von Seelenmessen für die Familie des Un-
genannten in der Jacobskirche.
Ildschr. : Orii/. Pery. Rathmrckiv Ciieiiinitz Xo. 71b. Utitt Siegel an Pert/anirnlstr.
entspricht (ansstr Wappen und Inschrift) der Taf. III Fie/. 3 i/er/eboien Ahhilduny
(vgl. Vorbericht zum Urkundenbucli XXXIVj.
Nos Caspar dei gracia abbas et archidiaconus Kempnitzensis — .
Igitur hujus rei testiraonio pateat universis presentibus quam fnturis,
quod reverendus in Christo pater et dominus Anthonius abbas
Czellensis ex parte cujusdam, qui nominari noluit, vicario perpetuo
ecclesie parrochialis sancti Jacobi in Kempnitz aut ejus viceteuenti
ac altaristis altarium ibidem videlicet corporis Christi, annunctiacionis
beate virginis, oranium sanctorum , sanctarum virginum Barbare et
Dorothee, Katheriue, trinitatis, Johannis evangeliste, beatorum aposto-
lorum Petri et Pauli, Nicolai, concepcionis sive Bernhardi et altaristis
sancte trinitatis, Andree apud san(;tum Johaunem ac sancti Georgii
in hospitali ac sancti spiritus aut Sigismundi extra muros Kempnitz
et eorura successoribus et vicetenentibus ducentos florenos Rencnses
ad coraparandum et emendum certos aiiiuios census ac redditus,
quod prenominati vicarius perpetuus et altariste fecerunt et octo
Renenses aureos a proconsule consulibus et tota communitate in
Leßenitz consensu generosi domini Frederici de Schonbnrg etc. ad
hoc interveniente emerunt et comparaverunt, uti clare in litteris de-
super datis, quos octo florenos annuos census una cum summa capi-
tali ducentorum üor. prenominatus reverendus pater et dominus An-
thonius abbas Czellensis ex parte ipsus innomintUi, qui sibi istos
aureos ad fideles manus dcdit, premencionatis dominis vicario perpetuo
et altaristis suprascriptis oninibus melioribus modo et forma, quibus
donaciones cultus divino factas fieri consweverunt, sub infra notatis
clansulis et ordinacionibus perpetue possidendos perpetue dedit tra-
didit et donavit. Volens deinde reverendus dominus pater pro anima
istius, qui nominatus esse noluit, progenitornm suorum salute aliquid
ordinäre ac disponere, ad duo anniversaria istos octo florenos annui
census per ipsos vicarium perpetuum et altaristam et eorum pro-
•20*
308 Hubert Ermisch:
cviratores perpetue levandis assignavit, in duol)us terminis viclelicet
Walpurgis et Michaelis levandis, umle ipsi vioarius perpetims et
altarista prescripta diio anuiversai'ia pro animabus parentum pro-
genitoriira amicorumque suorum et pro anima ejus innominati et
omniura ex geneloia ejus defuiictorum et distribucioues ordine sub-
scripto teraporibus perpetuis ita servare et exequi del)ent. Inprimis
quidem ideni domiiii vicarius perpetuus pro tempore nomine plebani
existeus et altariste, qui presentes in opido Kempnitz fuerint, duos
ex se ordinabunt redditus jam dictos, in singulis scilicet terminis
Walpurgis et Michaelis medietatem, a dictis censualibus et censitis
repetentes et coUigentes, ordine, ut inferius describitur, distribuant
absque impedimento. Primo equidem plebanus certum diem, prout
ipsi competere videbitur, post siugulos dies Walpurgis et Michaelis
censibus collectis prefiget, in quo ipse plebanus cum predicatore,
duobus cappellanis suis ac cum plebano apud sanctum Johannem et
altaristis supra memoratis, ita quod ad minus quatuordeciin in numero
sacei'dotes sint presentes et si aliqui absentes fuerint, plebanus
pro tempore existens assumat alios secundum nutum et voluntatem
suam, ita quod iste numerus videlicet quatuordecim sacerdotum coni-
pleatur, in ecclesia parrochiali Kempnitz vesperis finitis convenient,
vigilias solempniter incipiant et cum novem lectionibus ac Salve
Regina decantabunt subsequentique die singuli ipsorum missam pro
defunctis cum commemoracione ipsius innominati suorumque pro-
genitorum celebrabunt, commemoracionemque generalem videlicet
„Non intres in Judicium" alte legant et cum responsoriis conswetis
ac „Alma redemptoris" decantando. Ob hoc distributores ordinati
cuilibet p[renomi]natorum (?) presbiterorum tres grosses censuales
distribuent et unum minimum usnalem adicient cuilibet in summa
missa ad altare offerendos, vitricis vero ecclesie extunc, ne ecclesia
in aliquo gravetur, duos gr. dabunt et ministro videlicet campanatori,
qui representacionem feretri ornet, luminaria incendet et extingwet
sedilia locet et compulsacionem faciet, presbiteros convocet, qualibet
in commemoracione duos grossos, regenti chorum, ut summam missam
cum Scolaribus tractim decantari faciet pro defunctis, unum gr. mi-
nistrabunt. Sed ne predictus plebanus suique successores in aliquo
tarn pro restauro quam de vigiliis, de littera mortuorum, in qua
plebanus generalem commemoracionem dominicis diebus et feria se-
cunda per suos cappellanos faciet, pro anima dicti innominati gra-
vetur, ultra tres grossos prefatos, quos sibi racione presencie de-
bentur, Septem gr. sibi imbursabit. Freterea collectores, qui ordinati
fuerint, ut premissum est, ut diligencius commissa exequantur, quo-
libet tempore tres grossos de dictis redditibus ambo pro laboribus
sibi inbursabunt. Idemque denique collectores et executores vicario
perpetue et ipsis altaristis de perceptis et distributis facient racionem.
Si quid de dictis redditibus superflue et in reposito fuerit repertum,
cum scitu omnium in usus leprosorum egenorum et domum pauperum
que conventus nominatur publice convertatur, super quo ipsorum
distributorum consciencia oneretur. Quod si futuris in temporibus
per quemquam succedencium impedimentum aliquod oriretur, quod
premisse ordinaciones non transsirent in effectum, extunc abbas et
archidiaconus Kempnitzensis ut possit et valeat instare monere et
procurare, quod predicti ordinaciones progressum realiter consequentur,
plenum posse ob honorem ecclesie obtinebit. Ut autem premisse
ordinaciones — irrevocabiliter obtineant tirmitatem — , Anthonius
abbas Czellensis, vicarius perpetuus ecclesie Kempnitzensis et altariste
Nachträge zum Urkundenbuche der Stadt Chemnitz. 309
ibidem iios liumilitor retiuisienint oraiido, ut hiijnsmodi ordiuacioiiem
disposiiioiiem per iios admitti et id roborari et contirmari. Nos igitur
Caspar — donacionem ordiuacioiiem et disposicionem — coufirraa-
mus — . Volumus eciam si prefati ceusus per veuditores eoruudem
juxta litterarum seriem reempti fueriut, quocieus tocieus extuuc
Vicarius ecclesie parrochialis et altariste ibidem absque pecuuiarum
predictarum sie solutarum distraccione alios ceusus comparare debent,
quos in locum predictorum censuum — confirmamus. NuUi
ergo — . Si quis autem — . Datum et actum iu monasterio nostro
Ivempuitz auuo domini M" quadringentesimo septuagesimo sexto, die
vero Mercurii, que fuit vigesima meusis novembris, abbacie uostre
sub secreto. ,a \
Zu No. 269 (1478 Mai 4).
Hdsclir. : üruj. Per;/. Itaihsarcliic (lienmitz Ko. 72 h. Das Skyel an PergiDiienhtr.
Die Varianten sind ganz unwesentlich.
>o. 269b. 1478 Mai 14.
Stclfan Frcyberger, Malis ArnoU, Casjuir Stobner, Bartel Swein-
fort und die Gemeine in der Langengasse urlcunden üler die Rechts-
verhältnisse eiiier von ihnen angelegten Röhrwasserleitung.
Nilschr.: Oii//. Pery. liuihmrdm Chaiiiiäz JVo. 7ic. ö Siegel an- Pergameutsif.
J) Schild: (Jurch eine spikirinklige Figur in drei Ahschmtte getheüt, in deren jedem
Halbmond und Stern. Helmzier: Flug. Umschrift theils unleserlich , theils abge-
brochen. 2—4) Hausmarken. die Umshriften unleserlich. 5) Stadtsiegel-=Taf. 1 Fig.ii.
Wir hiriioch geschrebenn Steifan Freyberger , Matis Aruolt,
CaspacStobeuer, Barthel Sweinfort unnd dy gemeyne in der Langen-
gasseu bekennen — , das wir durch gunst willen und wissenn der er-
samenn wolweyssen Caspar Lindenaw uff dy czeit burgermeister
unnd der anderen gesworne rathißmanne zcu Kempnicz ein wasser
babeiin angefangen uff dem Sweinauger in eyner weßenn, dy Hans
Stobenern angehörende [war], unnd das herein in dy Stadt mit roren
get'urt, uns unsern nochkomelingen zcu noczcze unnd fromen, unde
habenn uns dorober kein eynem rathe unnd eyner ganczen gemeyne
vorwilliget sollich wasser czu furenn unnd czu haldenn eynem ider-
manne ane allenn schadenn czu haldenn, unnd abc das imandis
schaden brengen worde, denselbigen schadenn vorwillige wir uns
unnd alle unßer iiockomelinge mit unnd in crafft deses briflis ane
alle wederrede gutlichenn czu vorlegenn unnd beczalen. Unnd
habenn dasselbige wasser under uns also geteylet, nemelich Steffan
Freyberger ein te}d, Mattis Arnolt zcwei teyl, Caspar Stobener ein
teyl, Barthel Sweinfort ein teyl unnd dy gemeyne in der Langen-
gassenn zcwey teyl. Unnd zcu eyner wederstatunge der bemelten
frawen Hanßen Stobener nochgelassenn witwe, das sy uns solche
gunst unnd willenn das wasser uff irer weßenn zcu fassenn gethan
hat, soUenn unnd wollenn wir obgemeltenn unnd unser nochkome-
linge der bemelten frawenn ader wer dyselbige weße in besiczczunge
habenn werdenn, alle jar jerlichenn zcu ewigen geczeytenn, dy weyle
solch wasser reinher gefurt wirf, reichenn unnd gebenn uff' Michahelis
sebenn gute groschen unnd uff' Walpurgis dornoch aber sel)enn gute
groschenn, solche moucze utt eyne iczliche tageczeit also unser gne-
digen hern von Sachssenn zcu jarente unnd geschosse nemen.
Worde sichs begebenn, das unser eyner adcr mehr sein wasser eynem
310 Hubert Ermisch:
andern sein vorlasseuu -^-elde unud seibist iiidit gebrucbeim, das sal
er vorlassen in aller mosse, wy obin clerlicli bestymraet ist. Des
czu eynem warenn bekentnisse unnd stete haldunge bat unser icz-
licher sein peczir unden au desen briff bengin lassen, der gegebin
ist nacb gotis heylige gebort tewsint vir hundert jar dornocb im
acht unde sebi[n]czigisten jar am dornstage nach pbingisten.
yo. 269 c. 1478 >0T. 3.
Hans Älexius der BleichricMcr beurhindet den Verkauf der Ffortcn-
mühlc durch Paul Hau an Ulrich Schütze.
Jidsch. : Griff. Pery. Ruthsarchir Xo. 7'3d. Das Siegel un Peryuinentstr. Schild:
Lowe. Umschrift: Sigil der bleich [in Kempnitz?]; sehr undeutlich.
Anm. : Vyl. Xo. 306 u. 27S.
Ich Hanns Allexius die zceit bleichrichter zcu Kempnitcz be-
keune vor mich unnd alle gewercken | der bleich doselbist, das wir
vorkauft habenn die mol gelegeun vor der Pforten zcu Kempnitcz |
dem ersamen Paul Han burger zcu Kempnitcz unnde baben im die
gegeben vor hundert unnde | vierczigk golden Keynisch mit aller
zcugehorung raynn werdern unnde räum, als wir sie vor alderß gehabt
habenn, auch mit aller beswerung der zcinß, die dorauff sein. Solche
mol mit aller zcugehorung hat der bemelt Paul Han Virich Schütczenn
burger zcu Kempnitcz uffgelaßen in aller maße, wie wir sie im vor-
kauft habenn, die ich Hanns Allexius bleichrichter Virich Scbutczen
sein erbenu unnde erbnemen in der bleich gericht gelihenn unde
geeygent hab mit willen uiind wissenn des obgnanten Paul Hanns.
Auch bekenne ich mehr gemelter Allexius, das der gnant Virich
Schutcze dieselbigenn hundert unnd vierczigk golden, dorumbe die-
selbige mol gegeben ist, unns wol zcu dancke beczalt unnde auß-
gericht hat, unnde sagenn in unnde sein erbenn solcher hundert
unnde vierczig goldenn queit ledigk unnde loß vonn meinenn unnde
aller gewerckenn wegenn mit unnde in craft dieses briefs, der ge-
gebenn unnde gesigelt ist mit unsers bleichgerichtes ingesigel noch
Cristi geburt tausent vier hundert unnde in deme acht unnde siben-
czigistenn jhar am dinstag noch aller heiligenn tag.
Zu >o. 385 (1398 Mai 9).
Hdschr.: Oriy. Pery. Grüß. Schnnbury. Speziularchiv Miiittrylunchuu. Das zer-
brochene Ärchidiaconatssieyel an Peryomentsir. ; ein zweites Sieyel fehlt.
Die Brüder heissen Hennel tmd Meyner Krywicz. Di€ Vernnith-
ungen syme, volgen (Z. 23), nunczigisten (Z. 28) huhcn sich als
richtig erwiesen. Z. 24 liest auch das Or. vseren guten.
>o. 395 b. 1M3 März B.
Hdschr.: Oriy. Pery. Filrstl. und yriifl. Schonbiiry. Gesammtarchiv Glauchau. Loc. 431.
No. 33. Zwei Sieyel (an Peryainentstr.) fehlen.
Concze und Heincze ton Kotiffunge bekennen, dass sie dem Abt
und Archidiacon Johannes, dem Prior und der ganzen Sammlung
des Benedictinerklosters zu Chemnitz wiederMußich 7 Schock neuen
Geldes jährliehen Zins für 250 Bheinische Gulden nach Atcsiveis
des Kaufbriefes mit Gunst der Herren von Schönburg verkauft
haben, und verpflichten sich gegen die Gehrüder Veit, Friedrich und
Dietrich von Schönburg Herren zu Glauchau und ihre Erben, diese
Nachträge zum ürkiuuleubuche der Stadt Chemnitz. 311
Zinsen binnen drei Jahren oder, wenn sie nach Ablauf der drei Jahre
von den genannten Herren gemahnt iverden, binnen einem Jahre
zurückzukaufen^ widrigenfalls die Herren von Schönburg oder jeder,
dem sie es vergönnen, das Hecht zur Einlösung dieser Zinsen
haben, üegeben — virczeu hundei't jar darnach in dem dry unde
virczigsten jare am faßnacht sontage neml ichin esto mihi.
No. 423b. 1191 Jali 13.
Hdsvhi:: Oriy. Perg. HaupUtaatsarvhiv Dresden Xu. 8800b. Dus tSiend des libts
an Pergamentstr. wie Tiif. 8 Fig. 4. Bas ebenfalls an Pergumcntstr. befestigt ge-
wesene Contentssiegel fehlt.
Heinrich, Abt und Archidiacon zu Chemnitz, bekennt für sich
und seinen Cotivent, dass Heinrich von Schönberg, Amtmann zu Schel-
lenberg, auf fürstlichen Befehl die Irrungen zwischen dem lüoster
und Nickel Steinpach zu Meyersdorff (Meinersdorf s. von Chem-
nitz?) wegen eines vom Kloster zti Lehn gehenden tcüsten Gutes
zu Fleißa fiv. von Chemnitz), genannt der Arnolt, dahin beigelegt
habe, dass Steinpach je 9 gute Gr. zu Michaelis und zu Wal-
purgis davon zinsen, 7 Gr. auf Martini zu Geschoss nach Fleißa
geben, dorthin zu Gericht und zu allen Gedingen gehen und
geben, dem Pfarrer als Decem jährlich Vi Scheffel Korn und
'h Scheffel Hafer geben, Kirchenheller und Hirtenlohn der Ge-
meinde gleich andern reichen und im Falle einer herffarth noch-
folge zeoffe unrue adder eyle im lande das Gut als halbes Lehn
in Anschlag bringen soll. Her Abt belelint hierauf Steinbach mit
dem Gute. Der Abt besiegelt die Urkunde mit der Abtd Insiegel,
Johannes Kopxierling Prior, Steffanus Trapschuch Kellermeister,
Steffanus Baiomgarth die Aeltesten und dte ganze Sammlung mit
dem Convcnissiegel. Gegeben — thawßent vir hundert im eyn und
nawntzigisten jar am tage Margarethe.
>o. 471b. 1537 Mai 29.
Hdsehr.: Orig. Perg. Rathsurchiv Chemnitz Xo.llTc. Die beiden Siegel (Taf. 3 Fig. 5
i(. Taf. 2 Fig .5, letzteres fraginentarisch) an Pergamentstr.
Hylarius, Abt und Archidiacon zu Chemnitz, Johannes Hamcl
Prior, Johannes Vogt und Nicolaus Kogel er Senior es und der ganze
Convent verkaufen dem Pfarrer und den Altaristen zu Chemnitz
15 Bhein. Gulden jährl. Zinsen zu Altchemnitz , zahlbar halb auf
Martini und halb auf Pfingsten, für 300 Bhein. Gulden Haupt-
summe unter Vorbehalt des lYiederkaufs nach ein Vierteljahr vorher
erfolgter Kündigung. Gegebenn — tausent funtl' hundert darnoch
im sibenundi'eyssigestenn jar dinstag noch triuitatis.
XII.
Die wirthschaftlichen Einrichtungen, nament-
lich die Verpflegungs- Verhältnisse bei der kur-
sächsischen Kavallerie
vom Jahre 1680 bis zum Anfange des laufenden
Jahrhunderts. *)
Von
A. von Minekwitz.
Die Wirthschafts -Verfassimg bei der Kavallerie be-
ruhte, wie bei säinmtlichen Truppentlieilen der kursächsi-
schen Armee, ursprünglich auf dem Grundsätze, dass der
gesammte Unterhalt des Soldaten ausschliesslich von dem
für ihn ausgeworfenen Tractamente zu bestreiten sei.
Bei der Kavallerie hatte daher der Reiter von seinem
Tractamente nicht allein sein Pferd, seine Ausrüstung,
seine Bekleidung selbst anzuschaffen und im Stande zu
erhalten, sondern auch sich selbst, sowie sein Pferd zu
unterhalten.
') Als Quellen für den vorliegenden Aufsatz sind vorzugsweise
benutzt worden: die historisch-conimissariatisi'hen Nachrichten vom
kursächsischen Kriegsstaate im Hauptstaatsarchive, ferner — in-
sonderheit für die ältere Zeit — verschiedene Nummern aus dem
Rep. C. der Akten der Geheimen Kriegskanzlei; für die zweite Hälfte
des 18 Jahrhunderts die im Hauptstaatsarchive aufbewahrten Konferenz-
protokolle der im Jahre 1770 mit dem Auftrage, Ersparnisse im
Militäretat herbeizuführen, niedergesetzten Kommission.
Die wirthschaftlichen Einrichtungen der sächsischen Kavallerie. 313
Je inelir man jedoch in Bezu;^- auf die Organisation
der Armee dem Begriffe näher trat, den man heutigen
Tages mit dem eines stehenden Heeres verbindet, desto
liöher steigerten sich die Ansprüche an Tüchtigkeit und
Gleichmässigkeit der Ausrüstung von ]\Iann und Pferd.
Da nun für diese Tüchtigkeit und Gleichmässigkeit
die vorgesetzten Offiziere einzustehen hatten, so führte
dies ganz v(m selbst dahin, dass die Obristen für ihr Re-
giment, beziehenthcii die Rittmeister für ihre Kompagnie,
gegen Abzüge von dem Tractamente des Reiters die An-
schaffung der Bekleidung, der Ausrüstung und der Pferde
in die Hand nahmen, woraus sich schliesslich die sogenannte
Kompagnie-Wirtlischaft zu einem vollständig ausgebildeten
System entwickelte.^)
Bereits eine Ordre vom 26. März 1682 stellte den
Betrag des Montierungs- Abzuges auf 12 Groschen monat-
lich fest, und 1684 am 24. März wurde den Obristen ge-
stattet, monatlich 8 Groschen von dem Tractamente des
Reiters zur Pferdekasse inne zu behalten, damit sie den-
jenigen, so ohne ihre Schuld Unglück zu ihren Pferden
hätten und dismontiert würden, helfen und dieselben wie-
der beritten machen könnten.')
In derselben Ordre vom 24. März 1684 bewilligte
der Kurfürst, dass die Obristen von jedem Thaler Tracta-
') Der Uebergang zur Wirthschaftsiuhruug' durch den Koni-
pagniekommandanteu erfolgte jedoch seiir allmählich, denn es tindet
sich z. B. roch im Jahre 1694 in den Musterlisten eines Dragoner-
regiments in einer besonderen Rubrik die Frage, ob der Mann das
Pferd und die Montierung selbst geschaft't oder von den Offizieren
erhalten liabe. Letzteres war jedoch meist der Fall. Für die Bei-
montur hatte der Mann selbst zu sorgen, und in dem Handgelde,
das der Soldat bei seiner Anwerbung erhielt, waren 12 Tlilr. einge-
rechnet für die Anschaffung von 2 Hemden, 1 Paar Lederhosen,
1 Halstuch, 1 Paar Schuhen und 1 Paar Handschuhen. Von sehr
früher Zeit an finden sicli Abrechnungsbücher bei den Kompagnien
eingeführt, in welclie üuthaben, sowie Scdiuld des Mannes eingetragen
wurden, und auch jeder Keiter besass für seinen Theil ein solches
Büchel.
*) Inhalts eines ßescriptes vom 24. Mai | .3. Juni 1687 hatten die
Rittmeister Slich das Gewehr für die Kompagnie vom Ilauptzeughause
zu erkaufen. Der dafür zu erlegende Betrag wurde als ein Voi*-
schuss betra<ditet, der dem Kittxneister, wenn er die Kompagnie ab-
gab , von seinem Nachfolger zu ersetzen war. Dieses Verhältnis
hat sich bis in die spätere Zeit erhalten. Zum Unterhalt des Ge-
wehres wurde dem Kompagniekommandanten ein bestimmtes Gewehr-
reparatur gcld gewährt.
314 A. von Minckwitz:
ments<^"elde monatlich 1 GroscLen abziehen und solclie
zu sich nehmen dürften, um davon die Regimentsunkosten
zu bestreiten. Der Ertrag- des Abzuges zu den Regiments-
unkosten sollte übrigens keineswegs eine Revenue für den
Obristcn bilden. Der Ueberschuss ging demselben aller-
dings zu gute, dagegen hatte er, inhalts ausdrücklicher
Verordnung, von seinem Tractamente das Fehlende zuzu-
schiessen, wenn der Abzug des Groschens vom Tracta-
mentsthaler zur Deckung des Bedürfnisses nicht zureichte.
Zu den Regiuientsunkosten rechnete man: den Auf-
wand für Grerichtskosten, für Verschickungen, Porto und
alle sonstigen unvorhergesehenen Ausgaben/)
Einige Jahre später wurde dieser Abzug von jedem
Thaler des Tractaments auf 2 Groschen festgesetzt und
bestimmte man hiervon 6 Pfennige für die Invalidenkasse,
sowie 6 Pfennige zum Beckengeld für die Feldscheere,
während der Rest zur Bestreitung der Regimentsunkosten
zu verwenden war.
Unberührt von der Wirthschaftsführung durch die
Regiments- und Kompagniekoraraandanten blieb die Aus-
fütterung der Dienstpferde, welche, wie der Lebens-
unterhalt des Reiters selbst, in der engsten Wechsel-
wirkung zu den Einquartierungsverhältnissen stand.
Hinsichtlich dieser letzteren Avar im Jahre 1664, als
zuerst wieder seit Beendigung des dreissigj ährigen Krieges
Kurfürst Johann Georg II. einige Regimenter zu Ross
und zu Fuss aufrichtete, angeordnet worden, dass der
Reiter von dem Quartierstande nichts zu fordern haben
sollte, als Obdach und Stallung.
*) Von den Regimentsunkosten wurden ferner bestritten:
Zulagen für die Stabsoffiziere, nach dem Ermessen des Obristen,
sowie die üblichen Neujahrsbeschenkungen an 60 Thalern für den
Generalauditeur, 45 Thalern für den Geheimen Kriegssekretär und
45 Thalern für den Kriegszahlmeister. Ausser den ordinären
Tractamentsabzügen erhoben die Regimentskommandanten jedoch
von den Soldaten auch extraordinäre Abzüge. So waren z. B. vom
1. Januar 1682 bis ultimo Mai 1683 dem Leibregiment zu Ross
abgezogen worden: 274 Thlr. 10 Gr. zu einem Ringe ^ür den Ge-
neralfeldmarschall Freiherrn von der Goltz, 400 Thlr. Pathengeld
für den Oberkriegskommissar, Obristlleutenant von Rommel, 200
Thlr. -wegen der neuen Fändel und Musterung , 250 Thlr. zu
einem Pferde für den Obristlieutenant von Rommel und 80 Thli*.
für den Kriegssekretär Landsberger. Die häufige Wiederholung
des Verbots, dergleichen extraordinäre Abzüge zu fordern, lässt
darauf schliessen, dass es schwer hielt, dem Missbrauche zu steuern.
Die wirtliscliaftlichen Einrichtuiigou der säclisischen Kavallerie. 315
Erst im Jahre 1671 trat liierzu noch das Service/)
wogegen man, auf Grund eines Kompromisses mit den
LandständeU; das Jahr, statt in zwölf, in zehn Vcrpflegungs-
monate eintheilte.
Die Repartition der Einquartierung geschah, unter
den Aemtern abwechsehid, nach dem Hufenfusse, doch
mag liierbe'i viele Willkür geherrscht haben.
AMe für alle militärisclien Verhältnisse, so bildet auch
für die Verpflegungsangelegenheiten die Reorganisation
oder vielmehr die Neuschaffung der Armee durch Kur-
fürst Johann Georg III. einen entscheidenden A^^ende-
punkt. **)
Zunächst kam am 10. Juli 1682 ein Beschluss zu
stände, welcher unter dem finanziellen Gesichtspunkte bis
in die neuere Zeit der Kavallerie Verpflegung zu Grunde
gelegen hat. Man assignierte nämlich die adligen Städte
und Dörfer, sowie die Amtsdorfschaften der Kavallerie,
Avährend die schrift- und amtsässigen Städte der Infanterie
überlassen blieben. ')
Ferner vereinbarte das Geheime Kriegsrathskollegium,
welches im Jahre 1684 an die Stelle des Kriegskommissa-
riats trat, mit den Landständen, dass für die Einquartie-
rungsrepartitionen der unsichere Hufenfuss aufgegeben
und dagegen die Eintheilung nach den Steuerschocken
getroffen wurde.
*) Das Service, bestellend in Lagerstatt, Holz, Licht, Salz,
Pfeifer uud Essig, war monatlich zu 11 Groschen angeschlagen,
welche man folgendermassen berechnete: 3 Gr. 3 Pf. für das Bett,
2 Gr. 9 Pf. für das Holz, 2 Gr. 8 Pf. für das Licht, und von dem
sogenannten kleinen Service: 1 Gr. 7 Pf. für das Salz, 1 Gr. 7 Pf.
für den Pfeffer, 2 Gr. 9 Pf. für den Essig. Die Offiziere, sowie die
Unteroffiziere erhielten ein nach höheren Ansätzen bemessenes
Aequivalent in Geld- statt des Services in natura, und zwar monat-
lich der Rittmeister 8 Thlr., der Lieutenant 3 'J'hlr., der Kornot
2 Thlr., der Wachtmeister 1 Thlr. 18 Gr. und der Korporal 1 Thlr.
6 Gr. — Bereits 1673 wurden jedoch diese Ansätze nicht unbeträcht-
lich abgemindert.
») Die Ausarbeitung der Entwürfe, sowie die Verhandlung mit
den Landständen ruhte hauptsächlich in den Händen des Kanimer-
direktors Geheimen Käthes Christoph Dietrich Böse d. ä.
') Was die Kavallerie betrifft, so gewährte diese Einrichtung
allerdings Vorzüge nur unter dem Gesichtspunkte der Verpfiegung,
während dieselbe für den Dienst und die Beaufsichtigung der Mann-
schaft sich als äusserst nachthcilig erwies, denn in manchen Landcs-
theüen besass der Kompagniebezirk einen Umfang von mehreren
Meilen.
316 ^- ■^on Miuckwitz:
Hierbei ^^ing man auf den im Jalire 1628 gefertigten
Anschlag der vollen Steuerscliocke zurück, wonach die
Ritterschaft und die Aemter 5062959 Schocke zu tragen
hatten. Auf diese 5^62959 Schocke waren im Jahre 1682
3823 Pferde zu repartieren^ so dass 1324 Schocke auf
eine Kavallerieverpflegungseinheit entfielen. ^)
Einzubringen bei der Generalkriegskasse war von
einer solchen Kavallerieverpflegungseinheit das zum voll-
ständigen Unterhalte eines Keiters und seines Pferdes mit
4 Thlr. 16 Gr. monatlich ausgeworfene Tractament, wo-
bei man als Erfordernis für den Mann den als Portion
bezeichneten Betrag mit 2 Thlr. 16 Gr., die Ration mit
2 Thlrn. in Ansatz brachte. ®)
Von dieser zur Bestreitung des Unterhaltes von Mann
und Pferd bestimmten Portion und Ration ist jedoch die
hierüber vom Quartierstande geforderte Quartier- und
Serviceportion zu unterscheiden.
Letztere betreffend, so berechnete man das Quartier
mit 12 Groschen, das Service mit 14 Groschen, und war
daher vorkommenden Falles eine Quartier- und Service-
portion mit 26 Groschen in baarem Gelde zu entrichten. *")
Allein mehr oder minder gelangten alle die Kavallerie-
') Oft hatte in Folge dessen ein ganzes Dorf das Erfordernis,
für den Unterhalt des Reiters und seines Pferdes Sorge zu tragen,
und in manchen Gegenden kam sogar der Fall vor, dass mehrere
Dörfer ihren Beitrag hierzu zu leisten hatten.
") In Beziehung auf das xlusschreiben und Einbringen der
Milizsteuer bleibt manche AufkLärung zu wünschen übrig. Die
Werke über das sächsische Staatsrecht von Römer und von Weisse,
sowie die gedruckten Werke über die Steuern- und Abgabenverhält-
nisse in Sachsen gewähren eine solche nicht, da sie das Kapitel der
Milizverpüegungsgelder nur sehr oberflächlich berühren.
'") Ein solcher Fall trat unter anderem in Bezug auf das
Unterkommen der Oftiziere vom Stabe ein. Dieselben hatten ihren
Aufenthalt in den Städten zu nehmen, wurden jedoch mit auf das
Land repartiert und empüngen den Betrag der auf sie entfallenden
Quartier- und Serviceportionen in baarem Gelde , um von dem Be-
trage den Aufwand für ihre Quartiere in der Stadt zu bestreiten.
Es bezog ein Obrist 14, ein Obristlieutenant 10, ein Obristwacht-
meister 8, ein Regimentsquartiermeister .3, ein Adjutant und ein
Auditeur je 2 Quartier- und Serviceportionen. Im Jahre 1688 er-
streckte man diese Bestimmung auch auf die Korapagnieoffiziere,
jedoch mit dem Zusätze, dass fortan der Betrag für die sämmtlichen
Quartier- und Serviceportionengelder a 26 Groschen für den Stab
sowohl als für die Kompagnieoffiziere an die Generalkriegskasse
abgeführt und aus derselben ein zum Tractament geschlagenes
Quartiergeld gewährt werden sollte.
Die wirthschaftlichen Einrichtungen der sächsischen Kavallerie. 317
Verpflegung betreffenden Anordnungen in Folge des licrr-
scheudeu Geldmaugels nicht zur praktischen Geltung.
Bereits mit Aufrichtung der Regimenter durch Kur-
fürst Johann Georg II. hatte zugleich das Ringen inn
die Geldmittel zu deren Unterhalt begonnen und sich in
demselben Verhältnisse gesteigert, in welchem Kurfürst
Johann Georg III. seine Truppenmacht verstärkte.
Als einer der Gründe , welcher bei der Verlegung
der Kavallerie auf das Land hauptsächlich mit in Be-
tracht kam, findet sich augeführt: dass, wenn der Reiter
nicht bezahlt werde, er leichter auf dem Lande als in
der Stadt ein Stück Brot für sich und ein Futter für
sein Pferd finde. ' *)
Diese Darreichung eines Stückes Brot und eines
Futters Avurde aber allgemach dergestalt zur Regel, dass
man ein eigenes Wort dafür erfand. Man nannte es den
„guten Willen", betrachtete denselben aber sehr bald, im
Widerspruch zu seiner Bezeichnung, als ein vollständig-
berechtigtes Herkommen. *^)
In der Regierungszeit der Kurfürsten Johann Georg III.
und Johann Georg IV., als noch tausend und mehr Schocke
auf den aus dem „guten Willen" geleisteten Lebens-
imterhalt des Reiters mit seinem Pferde entfielen, drückte
die Last die Quartiergeber nicht allzu schwer. Als jedoch
Kurfürst Friedrich August nach seiner Wahl zum König
von Polen die Armee bedeutend verstärkte und der Geld-
mangel sich immer fühlbarer machte, fasste man die ge-
Avichtige Entschliessung, die bisher mehr oder minder frei-
willig geleistete Naturalverpflegung von Mann und Pferd
als obligatorische Leistung vom Landmann zu fordern/^)
") Im Jahre 1684 brachte der Geheime Rath Böse in Vor-
schlag, es möchte dem Reiter vom Quartierstande die Hausmanns-
kost, dem Pferde die Fourage gereicht, der Betrag dafür aber auf
die Quatembersteuern kompensiert und sodann den Regimentern
zugerechnet werden. Allein die Landstände zeigten sich nicht ge-
neigt, darauf einzugehen.
'*) Es konnte nicht ausbleiben, dass der sogenannte „gute
Wille" zu Erpressungen und anderen Missbräuchen führte. I)ie hi
Folge dessen gegen die Forderung des „guten Willens" vielfach er-
hobenen Beschwerden gaben Anlass, dass wiederholt Befehle er-
gingen, welche streng untersagten, etwas aus „gutem Willen" zu for-
dern oder zu geben. Da jedoch der Reiter und sein Pferd ihren
Lebensunterhalt finden mussten und kein Geld erhielten, densellien
zu bestreiten, so blieben diese Anordnungen ziemlich fruchtlos.
") Bereits im Jahre 1G94 war über die von den Landständen
liewilligten Milizgelder zur Verptiegung der damals in ('ampagne
31g A. von Minckwitz:
Den Geklwerth einer in natura zu liefernden Ver-
pflegungsportion veranschlagte man zu 4 Thlr. 19 Gr.
10 Pf. monatlicli nacli folgenden Ansätzen:
3 Thlr. — Gr. — Pf für 3 Scheffel Hafer,
— „ 19 „ 2 „ für 2 Ctr. 40 Pfd. Heu,
— ^ 4 ,, — „ für 8 Bund Stroh,
— „ 20 „ 8 „ für 30 Portionen Brod, jede zu
IV. Pfund
4 Thlr. 19 Gr. 10 Pf. '')
Die Einführung der Naturalverpflegung ,_ welche
ausserhalb der ständischen Verwilligung für die Miliz-
bedtirfnisse stattgefunden hatte, gab Jahre hindurch An-
lass zu den unerquicklichsten Diflerenzen zwischen den
Ständen des Landes und der Regierung,'^) denn es folg-
ten sicli nun Verordnungen der Regierung wegen Leistung
der Naturalverpflegung, Einsprüche gegen dieselben
seitens der Stände, darauf Gegenverordnungen und dann
wieder, um nur die augenblickliche Verlegenheit zu heben,
Interimsverordnungen in ununterbrochener Reihe, und
die Verpflegungseinrichtungen sahen sich daher in jener
Zeit den verschiedensten Modifikationen unterworfen.
So wurde durch den Landtagsabschied vom Jahre
marschierenden Regimenter ein baarer Geldbetrag begehrt worden.
Doch -war man damals noch nicht darüber hinausgegangen, von den
Quartierständen, statt der wirklichen Leistung des Quartieres und
des Services, für die ausserhalb Landes befindlichen Truppen den
Betrag dafür in Geld, daher mit 26 Groschen für jede dergleichen
Portion zu verlangen.
'») Unter der Voraussetzung, dass dem Reiter baare Bezahlung
zu Theil würde, und trotzdem, dass der Erfahrung gemäss, die that-
sächlichen Verhältnisse dieser Voraussetzung widersprachen, hielt
man beim Geheimen Kriegsrathscollegio au dem Grundsatze fest,
dass der Reiter sich selbst und sein Pferd zu verpflegen habe. Min-
destens besagt eine aus dem Jahre 1700 herrührende Denkschrift,
dass, wenn man eine Verpfleguugsportion zu 4 Thlr. 19 Gr. 10 Pf.
ansetzen wolle, so müsse dem Reiter auf einen Monat mehr abge-
zogen werden, als sein Tractament an 4 Thlr. 16 Gr. betrage. Die
Naturalverpflegung könne daher einem Reiter höher nicht ange-
schlagen werden, als zu 2 Tblr. 16 Gr.
'5) Erschwert wurden die Verpflegungsverhältnisse durch den
fortdauernden Wechsel in der Stärke der zu verquarticrenden
Truppen. Bald standen während der Dauer des nordischen Krieges
und des Kampfes um die polnische Krone, also von 1699—1717,
sämmtliche Truppen im Lande, bald nur einzelne Regimenter oder
Abtheilungen derselben, und Jahre lang waren selbst fremde Truppen
zu verquartieren, wie die Dänen und Moskowiter als Verbündete
oder die Schweden als Feinde.
Die wirthschaftlichen Einrichtungen der sächsischen Kavallerie. 319
1700 von der Regierung im Prinzipe zugestanden, dass
die Natural Verpflegung- nicht mehr verlangt werden und
die Ausgabe für dieselbe durch die Quatember- und
Pfennigsteuer mit übertragen werden solle. Die auf
Grundlage dieser Zusage gefertigte Einquartierungs-
repartition erfolgte daher unter Wegfall der Naturalver-
pflegungsportioneu für Mann und Pferd. ' ^)
Bereits im November 1701 forderte man jedoch ad
interim vom Lande wieder die Lieferung der Fourage
in natura, wogegen ein auf die Milizpfennige und Qua-
tember zu kompensierender Betrag von 1 Thlr. 2 Gr. pro
Ration vergütet werden sollte.
Die Kosten für den Unterhalt des Reiters mit seinem
Pferde stiegen hierdurch auf 5 Thlr. 18 Gr., indem nun-
mehr die Ration mit 1 Thlr. 2 Gr. hinzutrat, ohne dass
man das Tractament des Reiters an 4 Thlr. IG Gr. be-
schränkte, welches damals in folgender Weise einge-
theilt war:
zur Leibesmontierung,
zur Beimontierung,
zur Pferdekasse,
zu den Regimentsunkosten
Beckengeld,
luvalidengeld,
dem Quartiersmanne für die ?Iaus-
mannslvost,
baar.
4 Thlr. 16 Gr. — Pf.
Als sodann im Jahre 1704 die Kavallerie in Städten
und grossen Dörfern zusammengezogen wurde, hatte der
Reiter sich selbst zu verpflegen, der Landmann jedoch
die Fourage, gegen Entschädigung von 1 Thlr. 16 Gr.
für die Ration, den Fourage -Einnehmern oder den Ma-
gazinen zuzuführen. ")
Allein auch diese Einrichtung hatte keinen Bestand,
denn bald delogierte man die Kavallerie wieder aufs
Land, und Inhalts der Ordonnanz vom 7. September 1714
18
Gr.
Pf.
14
8
7
1
2
6
T)
—
n
1 Thlr.
V
n
11
4
1 «
7
n
8
11
'") Der Statthalter Fürst Fürsteiiberg verbat sich durch aus-
drückliche Registratur, dass ihm jemals das Wort Verpflegungs-
portiou wieder vor Augen gebracht würde.
") Zu jener Zeit kam auch die Erbauung von Kasernen in
Rede, doch gestattete der Geldmangel nicht, diesen Gedanken zu
verfolgen.
320 -^- ^^" Minckwitz:
war dem Qaartierstande die Verpflichtung auferlegt, die
Fourage zum Unterlialte des Dienstpferdes in natura zu
reichen, während der Reiter für seine Person nichts zu
fordern liaben sollte ;, als Obdach, Lagerstätte und Stal-
lung. *^) Auch kam das sogenannte kleine Service an
Pfeffer, Salz und P^ssig damals gänzlich in Wegfall. _
Erst im Jahre 1717, als nach Beendigung des zweiten
nordischen Krieges bis auf 1200 Mann sämmtliche Truppen
aus Polen in die Heimat zurückkehrten und zugleich einer
starken Reduktion unterworfen wurden, traten auch hin-
sichtlich der wirthschaftlichen Angelegenheiten klarere und
fester gegi'ündete Bestimmungen ins Leben.
Was die Tractamentsverhähnisse betrifft, so wurde
unter Verminderung der bisherigen Abzüge, sowie unter
Wegfall des Beitrages zur Pferdegelderkasse, nachdem
die Generalkriegskasse die Ausgabe für die Remonte
übernommen hatte, das Tractament des Reiters mit 3 Thlr.
22 Gr. angesetzt und folgendermassen berechnet:
14 Gr. zur Leibesmontur,
10 „ zur Beimontierung,
4 ^, Kopfgeld,
4 „ zum Hufschlag,
1 „ zum Feld- (Medicin-) Kasten,
1 „ zur Livalidenkasse,
2 Thlr. — „ baar zur Löhnung,
12 „ Brotgeld.
3 Thlr. 22 Gr.
Dieses Tractament sollte der Reiter, Inhalts der im
Jahre 1717 an die Stände erlassenen Propositionen, aus der
Generalkriegskasse empfangen, wogegen k. Majestät, wie
es in der Proposition heisst, zu Dero getreuen Unterthanen
des Vertrauens lebe, es würden selbige sich willig finden
lassen, die Fourage imentgeltlich vom Lande zu liefern,
während es im übrigen bei den Bestimmungen der am
7. September 1714 erlassenen Ordonnanz bewende und
'«) Wie wenig aber allen getroffenen Vereinbarungen über-
baupt Folo-e mag gegeben worden sein , erbellt aus einem Vorgang
im i\lonat""Oktober 1715. Als damals nämlich die Chevaliers-Garde
aus Polen nach Sachsen zurückkehrte und zu deren Unterhalt bei
der Generalkriegskasse keine Mittel vorhanden waren, wurde an-
l)efohlen, zunächst für einige Monate, 2198 Rationen ins Land zu
repartieren, für jede Ration monatlich 4 Thlr. ni baarem Gelde
aufzubringen und von diesem Betrage die Chevahers- Garde mit
Tractament, Quartiergeld und Fourage zu versorgen.
Die wiithsibaftlichen Einrichtnugen der sächsischen Kavallerie. 321
tleiunacli der Reiter vom Quartierstaude nichts zu fordern
habe, als Obdach, Lagerstätte und Stallung.
Bereits im Juni 1717 wurde jedoch dem Landmann
hierüber auferlegt, dem einquartierten Reiter täglich 2 Gr.
für die Mundportion zu gewähren, gegen Kompensation
von 30 Gr. im Monat an Steuern und Abgaben. ^^)
Allein in Wirklichkeit gestalteten sich die Verhält-
nisse derart, dass der Betrag der erwähnten 2 Gr. täglich
oder 2 Thlr. 12 Gr. monatlich zur Generalkriegskasse
gezogen und dem Reiter davon gereicht wurden : 8 Gr.
Zuschuss zur Beimontierung, namentlich zur Anschaffung
derjenigen Beiniontierungsstücke an Hemden, Hosen,
Schuhen etc., welche der Mann verdiente, 4 Gr. zum
Hufbeschlag und 2 Thlr. baar zur Löhnung, Avährend die
Generalkriegskasse die übrigen Gebührnisse emschliess-
lich der 12 Gr. Brotgeld aus den zum Unterhalte der
Truppen im Allgemeinen bewilligten Fonds zu gewähren
hatte.
An Fourage war vom Landmann auf jede Ration
zu liefern: täglich 6 Pfd. Hafer,
8 Pfd. Heu,
„ 2 Metzen Heckerling,
wöchentlich 1 Bund Stroh. ^")
Im Jahre 1730 erfolgte sodann, unter Wegfall des
bisher gewährten Beimontierungszuschusses von 8 Gr.,
eine Erhöhung des Ansatzes für die Beimontierung von
10 auf 20 Gr. und war hiervon nunmehr auch die soge-
nannte kleine Buimontierung an den Bekleidungsstücken,
welche in das Eigenthum des Mannes übergingen, zu
bestreiten. "■' ')
Nach dem Regierungsantritte des Kurfürsten Friedrich
") Im ganzen waren für die Kavallerie 458.3 volle Verpflegnngs-
portionen, an Muudportioii und Ration, zu repartieren und da das
platte Land an Amts- und Kittergutsdorfsch alten, der damaligen
Aufstellung der Steuerkataster gemäss, 48G0 148 Steuerschocke zu
tragen hatte, so entfielen 1060 Schocke auf eine Verpfleirungsportion.
^'') Für Rationen, welche der Einquartierte nicht in loco zu
geniessen hatte, ingleichen für Rationen auf vacante Pferde war
monatlich 3 Thlr. in Geld zu entrichten.
*') Ausser diesen Bekleidungsgegenständen , welche der Mann
verdiente, war von den zur iJeimontierung ausgeworfenen 'JO Gr.
der zur guten Wirthschaft des Rittmeisters gestellte Unterhalt, so-
wie die Erneuerung der sämmtlichen Lederwerks- und Pferde-
Equipagestücke zu bestreiten.
Neues Archiv f. S. (i. u. A. 11. .1. 2]
322 A- von Minckwitz:
August II., als ein grosser Tlieil der Truppen nach Polen
marschierte, forderte man von den Quartierständen die
auf dieselben repartierten Portionen und Rationen in
Geld, und auf die deshalb erneuten Gravamina der Land-
stände antwortete die Regierung, dass, wenn die Natural-
verpflegung oder deren Bezahlung cessieren solle, die
Landstände sich nicht würden entbrechen können, statt
dessen ein zureichendes Aequivalent unumgänglich zu be-
willigen.
In Folge dessen verblieb es damals bei der bisherigen
Einrichtuno;.
Nachdem jedoch bereits zu verschiedenen Malen der
Antrag geschehen war, die Kavallerie der Disziplin und
besseren Ausbildung der Truppe wegen vom Lande in
die grossen Dörfer und kleineren Städte in engere Quar-
tiere zu legen, wurde dies im Jahre 1744, laut des Ka-
valleriedelogierungsreglements vom 9. Mai 1744, in
Angriff genommen und mit dem 1. März 1748 vollständig
zur Ausführung gebracht.
Die Quartierstände, auf welche die Kavallerieregi-
menter repartiert waren, hatten seitdem für jede volle
Verpflegungsportion täglich 7 Gr. in baarem Gelde ein-
zubringen, ^^) ein Satz, der später auf 6 Gr. 6 Pf. er-
mässigt wurde.
Inhalts der im neuen Wirthschaftsreglement von
1743 angeordneten Rechnungsaufstellung waren in Zu-
kunft die Gebührnisse des Mannes etatsmässig, statt in
der bisher gebräuchlichen Form von Tractamentsabzügen,
in Ansatz zu bringen. Wiederholt findet sich diese Be-
stimmung in dem Wirthschaftsreglement von 1754, wel-
chem überhaupt das Reglement von 1743 meistentheils
zu Grunde lag.
Der Aufwand für den Unterhalt eines gemeinen
Reiters und seines Pferdes belief sich nunmehr in der
Mitte des vorig-en Jahrhunderts auf monatlich 9 Thlr.
7 Gr., ein Betrag, welcher im wesentlichen bis zum Jahre
1810 unverändert geblieben ist-
Hiervon entfielen auf den Unterhalt des Reiters
4 Thlr. 8 Gr., nämlich:
^'^) Diese 7 Groschen wurden folgenclergestalt berechnet:
2 Gr. für die Mundportion, 3 Gr. für die Ration, 1 Gr. Quartiorgeld,
1 Gr. für die Anfuhr der Fourage.
Die wirthschaftlirhcn Eimichtnntren der sächsischen Kavallerie. 323
2 Tlilr. — Gr. Löhnung',
12 „ Brotgeld,
4 „ für den Hufsclilag-. Ferner:
14 „ zur Leibesmontierung,
20 „ zur Beimontierung,
4 „ Kopfgeld,
1 „ Medikamentengeld,
1 „ Invalidengeld.
4 Thlr. 8 Gr
8 Gr. rechnete man auf jedes Pferd zum Re-
monte-Ersatz.
4 Thlr. — „ wurden für jede Ration gewährt und
iiatte gegen Zahlung dieses Fourage-
geldes der Rittmeister für die Ausfütte-
rung der Dienstpferde bei seiner Kom-
pagnie Sorge zu tragen.
15 „ Quartiergeld.
9 Thlr. 7 Gr.
Nach dem Hubertusburger Frieden bewendete es
zwar hinsichthch der Kavallerieverpflegung bei der Re-
partition der Portionen und Rationen auf das Land, allein
an die Stelle des bisher angelegten vollen Schockfusses
trat der Fuss der bei der Steuer gangbaren Schocke.
Inhalts der Verordnung vom 1. Dezember 17G3
waren 6000 Portionen und Rationen, jede täglich zu
6 Gr. 6 Pf. berechnet, aufzubringen und der Betrag in
der Höhe einer Pauschalsumme von 600000 Thlrn. jälir-
licli zur Generalkriegskasse abzuführen.^'')
In der nämlichen Zeit wurde eine Kommission nieder-
gesetzt, um Ersparnisse im Militärhaushalte herbeizuführen,
") 680 gangbare Steuer schocke wurden auf eine Portion und
Ration gerechnet und entfielen daher .S'/^ Pf. auf jedes gangbare
Schock. Diese Steuer für die Kavallerieverpttegungsgelderi welche
sich niemals in die ständische Landesbewilligung aufgenommen findet,
hat bestanden, bis durch die Verfassung von 18.30 die sämmtlichen
Steuer- und Abgabenverhältnisse eine vollständig veränderte Ein-
richtung erliielten (Weisse, Staatsrecht II, 212). Allein nocli lieu-
tigen Tages sind, inlialts des Grundsteuergesetzes vom 9. September
1843, die Kavallerieverptlegungsgelder mit dem ausdrücklichen
Zusätze „Portions- und Kationsgelder" in die Grundsteuer mit ein-
gerechnet, ein Verhältnis, welches noch auf dem Landtage von 1878,
aus Anlass der Einführung der Einkommensteuer und des Grnnd-
steuerpräcipnums aufs neue zur Sprache gekommen ist. (Landtags-
akten und Neue Reichszeitung Jahrgang 1878, Nr. 87, 88, 100, 101,
Aufsatz über das (Tnuidsteucrpräzipunni.)
21*
324 A. von Minckwitz.
und durch die sogenannten Decisionen vom 20. September
1770 genehmigte der Kurfürst die von derselben getlianen
Vorschläge.
Unter anderm sollte das Beiraontierungsgeld von
20 Gr. auf 18 Gr. und das Fouragegeld von 4 Thalern auf
3 Tlilr. 12 Gr. für die Ration herabgesetzt werden.
Die Generalinspecteurs der Kavallerie erklärten
jedoch im Namen sämmtlicher Regimenter, dass bei diesen
Ansätzen die Rittmeister nicht zu bestehen vermöchten.
Dieselben bäten daher, sie von der AA'^irthschaftsführung
bei den Kompagnien zu entbinden und solche auf Rech-
nung der Generalkriegskasse zu übernehmen.^*)
Allein diesem Vorschlage trat das Geheime Kriegs-
rathskoUegium entgegen, namentlich weil dasselbe Be-
denken trug, in das umfängliche Reclmungswerk ein-
zutreten, ohne welches gedachte Veränderung nicht durch-
zuführen sein würde.
In Berücksichtigung dieses Gutachtens befahl der
Kurfürst, unter Aufliebung der Decisionen vom 20. Sep-
tember 1770, die Ansätze wieder einzuführen, wie solche,
festgestellt durch die Wirthschaftsreglements von 1743
und 1754, seither bestanden hatten, und es führten daher
die Rittmeister auch ferner die Wirthschaft auf Gewinn
und Verlust bei den Kompagnien fort.
Ohne Zweifel war diese Einrichtung eine nicht nur
an und für sich verfehlte, sondern auch, weil zum Miss-
brauche verleitend, eine der Offiziere unwürdige.
Allein der nachtheilio'e Einfluss derselben auf den
Zustand der Truppe ist in verschiedenen neueren, die
sächsische Krieg-so-eschichte betreffenden Werken vielfach
zu grell dargestellt und der finanzielle Gewinn, welcher
den Capitains aus der Bewirthschaftung ihrer Kompagnien
erwuchs, jedenfalls zu hoch gegriffen worden, namentlich
in bezug auf die Kavallerie, wo die Haupteinnahmequelle,
der Beurlaubungsgenuss, nur in beschränktester Weise in
Betracht kam.
^*) Als im Jahre 1777 auf Antrag des Obristeii Grafen Belle-
garde bei der Garde du corps die Wirthschaftsführuiig unter seiner
Direktion auf Rechnung der Generalkriegskasse übernommen wurde,
erkundigten sich mehrere Obristen, welche ■ den Wunsch hegten,
dieses System bei ihren Regimentern ebenfalls eingeführt zu sehen,
nach den Details der neuen Einrichtung. Graf Bellegarde war jedoch
selbst der Meinung, dass dieselbe nur bei einem Regimente durch-
führbar sei, welches, gleich der Garde du corps, in einer Garnison
beisammen stehe.
Die wirtlischaftliclieii Kinriclituiigcii der sächsischen Kavallerie. 325
Genertiladjutant Obrist von Posern, auf seine Pflicht
deshalb befragt, bezifferte das Einkommen eines Kom-
pagniekommandanten bei der Kavallerie an Tractament
sammt allen sonstigen Emolumenten und Zugängen auf
circa 1200 Thlr., eine Summe, welche allerdings zu jener
Zeit einen bedeutend höheren Werth repräsentierte als
heutigen Tages.
Ein einfaches Rechenexempel ergiebt, dass ein Meh-
reres zu erübrigen schwer möglich war.
Der Rittmeister bezog an Tractament und Quartier-
geld jährlich 375 Thlr., sowie den Gebührnisgenuss auf
zehn, während der Wintermonate zu beurlaubende Leute.
Ferner empfing er zur Wirthschaftsführung bei seiner
Kompagnie :
1. An Beimontierungsgeld jährlich 770 Thlr. 18 Gr.
9 Pf.^*) Hiervon hatte er nicht allein dem Manne die
sogenannte kleine Beimontierung an Bekleidungsstücken,
welche derselbe verdiente, zu reichen, sondern auch die
gesammten Leder werks- und Pferde -Equipagestücken,
mit Ausnahme der aus dem Kleidergelderfonds bezahlten
Eschabracken, zu unterhalten beziehentlich zu erneuern.
2. An Gewelirreparaturgeld jährlich 60 Tldr.
3. Zur Ausfütterung von 75 Dienstpferden, die Ration
monatlich zu 4 Thalern, im Jahre 3600 Thlr.^'^)
Allein auch hieran war Erhebliches kaum zu ersparen,
denn fast in keinem Jahre reichten die 4 Thlr. monatlich
zum Ankaufe der Fourage zu, sondern es mussten noch
genau nach den Marktpreisen berechnete Zusciiüsse aus
der Generalkiiegskasse bewilligt werden.^')
Dabei war der Rittmeister dafür verantwortlich, dass
die Kompagnie jederzeit vollzählig, in kriegstüchtigem
Zustande, zur Musterung gestellt werden konnte^*"), und
Männer von der Dienstkenntnis und Pflichttreue Avie die
Generale Benckendorff" und Bellegarde werden als General-
inspecteurs entschieden keine offenkundigen Missbräuche
geduldet haben. Uel)rigens befand sirli auch in der That
25) Für 75 berittene Mannschaften monatlich par tete 20 Gr.,
für ?, unberittene par trte 13 Gr. 10'/* Pf.
*«) Das Fouragegeld wurde nur auf die effektiv vorliandenen
Pferde gewährt und" auf jedes vakante Pferd täglicli 3 Gr. abgezogen.
«') Im Jahre 1801 z. B. kostete eine Kation 8 Thlr. (> Gr. 6'h Pf.
2«) Bei übler Wirthschaft konnte der Kegimentskomniandant
deren Führung dem Uittmeister abnehmen und einem anderen Oflizier
übertragen. Beeinträchtigungen der Mannschaften bei Gewährung
der ihnen zukommenden Gebührnisse waren mit Kassation bedroht.
326
A. von Minckwitz;
die Kavallerie in ausgezeichneter Verfassung, wie General
von Gersdorff in seinem bekannten, die Reorganisation der
Armee im Jahre 1810 betreffenden Memoire ausdrücklich
anerkennt.
Der monatliche Etat eines Kavallerieregiments war in
der zweiten Hälfte des vorigen und im ersten Jahrzehnt
des laufenden Jahrhunderts nachstehender:
Thlr. Gr.
1 Obrister 73 8
1 Obristlieutenant 49 12
2 Majors a 64 Thlr. 4 Gr. ... 128 8
1 Regimentsquartiermeister ... 18 8
1 Adjutant 18 8
1 Auditeur 14 16
1 Regimensfeldscheer 20 —
1 Pauker 4 16
1 Stabsfourier (unberitten) ... 4 14
1 Stabsfeldscheergesell 4 14
1 Profos mit Knecht (unberitten) . 5 2
12 Köpfe beim Stabe 341 10
Bei acht Kompagnien:
Thlr. Gr. Thlr. Gr.
5 wirkliche Rittmeister . ä 27 12 137 12
3 Stabsrittraeister ... ä 27 12 82 12
8 Premierlieutenants . . ä 18 8 146 16
16 Souslieutenannts . . ä 16 — 256 —
8 Wachtmeister. ... ä 5 6 42 —
4 Estandartj unker ... a 4 18 19 —
8 Fouriers (unberitten) . a 4 2 32 16
8 Feldsclieers(unberitten) ä 4 14 36 16
40 Korporals ä 4 6 170 —
8 Trompeter a 4 16 37 8
8 Schmiede (unberitten), ä 2 12 20 —
540 Gemeine ä 2 16 1440 —
656 Köpfe 242Ö 8~
Auf dem Feldetat traten hinzu:
1 Feldprediger,
1 Stabstrompeter,
4 Eskadronssattler,
1 Wagenmeister,
1 Proviantknecht beim Stabe,
16 Proviant- und Packsattel-
knechte bei den Kompagnien.
Die wirthschaftlicbon Eiiiriclituugen iler säclisischen Kavallerie. 327
Der Unterlialt eines solchen Regiments erforderte in
Friedenszeit, nach Wiederaufhebung' der Decisionen vom
20. September 1770, einen Betrag von monatlich 6555 Thlrn.
4 Gr. 3^|4 Pf. nach folgenden Ansätzen:
945 Thlr. 4 Gr. - Pf. Tractament der Offiziere,
1816 r 14 „ — „ Löhnung der Unteroffi-
ziere und Gemeinen,
116 „ 17 „ 3 „ Quartiergeld der Offiziere,
401 „ 12 „ — „ Quartiergcld. für die
Mannschaften und die
Wachtlokale,
516 ,. 10 ,, ^ji r Beimontierungsgeld,
26 „ 4 „ — „ Medikameutengeld, 1 Gr.
auf den Kopf,
25 » 1 „ — „ Rosskurengeld, 1 Gr. für
jedes Pferd,
39 ,5 9 „ — „ Gewehrreparaturgeld,
1 „ — „ — „ Unterhalt der Trompeten,
4 „ 12 „ — „ Unterhalt der Proviant-
wagen,
2 5, — „ — „ Unterhalt der Packsättel,
52 „ 8 „ — „ Regimentsunkosteu,
204 „ 9 „ — „ Remontegeldcr,
2404 „ — „ — „ Fouragegelder, 4 Thlr.
monatlich für die Ration
gerechnet.
6555 Thlr. 4 Gr. 3 ^/TPf. monatlich, daher jährlich
78662Thlr. 3Gr. 9Pf.,
ungerechnet die Kleidergelder, welche bis zum Heran-
nahen des Montierungstermines bei der Generalkriegs-
kasse inne behalten wurden, und der Invalidenversorgung.
Als Erläuterung zu dem vorstehenden Etat ist zu
bemerken:
1. Die Löhnung des gemeinen Reiters betrug ein-
schliesslich des Hufsclilages (4 Gr.) und des Brotgeldes
(12 Gr.) 2 Thlr. 16 Gr. Seit den letzten Jahren des
18. Jahrhunderts wurde jedoch ein Löhuungszuscbuss von
12 Gr. monatlich gewährt.
2. Auf einen berittenen Mann, Unteroffizier wie Ge-
meinen, wurden 15 Gr., auf einen unberittenen Mann
8 Gr., auf eine Wachtstube 1 Thlr. 21 Gr. Quartiergcld
gerechnet.
3. Das Beimontierungsgeld betrug 20 Gr. auf einen
328 -^- ^'on Minckwitz:
berittenen Mann, Unteroffizier wie Gemeinen, 13 Gr.
10^4 Pf. tiuf einen unberittenen Mann.
4. Das nur für die Gemeinen ausgeworfene Gewelir-
reparaturgeld betrug für den Kopf 1 Gr. 9 Pf.
Für die aus dem Hauptzeughause gelieferten Waffen
selbst hatten die Rittmeister eine AViderlage bei der
Generalkriegskasse zu deponieren, welche ihnen von ihren
Nachfolgern im Kompagniekommando zu ersetzen war.
5. Das Fixum für die Regimentsunkosten war an
Stelle des Kopfgeldes getreten. Dasselbe betrug im Jahre
1763: 58 Thlr. (1 Tlilr. auf 10 Köpfe), seit 1772 2 Gr.
für jeden Kopf.
6. An Remontegeld wurden für jedes Unteroffiziers-
pferd 15 Gr., für jedes Pferd eines gemeinen Reiters
7 Gr. 6 Pf. monatlich gerechnet, und ausserdem floss zur
Remontckasse der Ertrag aus dem Verkaufe der aus-
gemusterten Pferde.
Im Jahre 1778 übernahm die Generalkriegskasse die
bisher von dem Kompagniekommandanten geführte Re-
montewirthschaft.
7. Die Offiziere erhielten bis zum Jahre 1810 keine
Rationen, doch wurden ihnen in besonders theuren Zeiten
Erleichterungen bei Anschaffung der Fourage geAvährt.
8. Zu der von den Kleidergeldern anzuschaffenden
Leibesmontierung gehörten: das Kollet und das Cheraiset,
der Hut, der Mantel, die Strümpfe, der Kittel. ^^) Hier-
über war von den Kleidergeldern die Ausgabe für die
E Schabracken zu übertragen.
Die kommissarischen Auswürfe der Kleidergelder
unterlao;en verschiedenen Aenderunoen. Im Jahre 1778 be-
trugen dieselben monatlich 9 Gr. für den Kopf, im Jahre
demnach für das Regiment 3118 Thlr. 12 Gr. Bei den
fortdauernd steigenden Tuchpreisen war jedoch das Be-
dürfnis damit nicht zu bestreiten und machten sich daher
jederzeit Zuschüsse erforderlich.
Die Sorge für die Anschafiimg der Leibesmontierung
lag, unter Verantwortlichkeit des Regimentskommandanten,
in der Regel dem Regimentsquartiermeister ob.
Die Montierungsperiode für Kollet und Chemiset war
*') Die übrigen Leibesbekleidungsstücke wurden von den Bei-
raontierungsgeldern angeschafft und, uacli kürzerer oder längerer
Frist, vom Manne verdient. Nur die steifen Stiefel und die Stulpen-
handschuhe zählte man den zu des Capitains guter Wirthscbaft ge-
stellten Lederwerksstücken bei.
Die wirtliscliaftlichen Eiiiriclitnngcn der sächsischen Kavallerie. 329
dreijälirig'; d'-r Plut, die Strümpfe und der Kittel liattcn
zweijälirio-C;, der Mantel, sowie die Escliabracke sechs-
jährige Haltefrist.
".(. Auf dem Feldetat stiegen die Kosten zum Unter-
halt eines Kavallerieregiments auf monatlich 8474 Thlr.
21 Gr. 4 Vi Pf., indem die Mobilmachungsbedürfnisse samrat
dem Feldzuscliuss 191'J Thlr. 17 Gr. 7^ Ft- betrugen.
Bei Gelegenheit der Reorganisation der Armee im
Jahre 1810 sahen sich auch die wirtlisc.haftlichen Verhält-
nisse einer vollkommenen Umgestaltung unterworfen.
Auch die Führung der Wirthschaft bei den Kom-
pagnien durch die Capitains hörte auf und wurde auf
Rechnung der Generalkriegskasse übernommen.
Die Leitung der ökonomischen x\ngelegenheiten der
Armee erhielt ein Generalintendant ^"), als dessen Organe
bei den Regimentern AVirthschaftskommissionen fungierten,
bestehend aus: 1 Stabsoffizier, 1 Rittmeister, 1 Lieute-
nant, 1 Wachtmeister und dem Regimentsquartiermeister.
Anfangs verblieb den Regimentern die Sorge für
Anschaffung der Bekleidungs- und Ausrüstungsgegen-
stände, von denen jedoch die Proben der Generalinten-
dauz zuvor zur Genehmigung einzusenden waren.
Nach der Katastrophe von 1813 wurden hierauf Wirth-
schaftsdepots errichtet, aus welchen die Regimenter ihre
Bedürfnisse zu beziehen hatten.
In den Jahren 1817, 1844 und 1867 erschienen neue
Wirthschaftsreglements , welche mannigfache Verände-
rungen herbeiführten.
Die Geschäfte in wirthschaftlichcn Angelegenheiten
bei den Regimentern werden, nachdem dieselben von 1822
bis 1867 an Stelle der Wirthschaftskommission ein Wirth-
schaftschef wahrzunehmen gehabt hatte, seit letztgedachtem
Jahre wieder von Konmiissionen, einer Kassen- und einer
Bekleidungskommissiou, versehen.
*") Zunächst übernahm die Funktion in besonderem Auttrage
der Chef des Generalstabes, General von Gersdorff.
Literatur.
Mclas Storch, der Anfäuger der Zwickauer Wiedertäufer. Ein
Lebensbild aus dem Reformationszeitalter auf Grund der in der
König], öffentl. Bibliothek [zu] Dresden wie auf der Katlisbibliothek
zu Zwickau vorhandenen Nachrichten, bearbeitet von Richard
Bachmann. Zwickau, Altner. 1880. 8«. 35 S.
Seitdem Seidemann im Sächsischen Kirchen- und
Schulbhitt, Jahrgang 1872, No. 22, 23 und 26 das Leben
Nicolaus Storchs kurz behandelt und mit der diesem
Forscher eigenen Gründlichkeit die Literatur zusammen-
gestellt hatte, lag das Material bereit zu einer eingehenden
Monographie über einen Mann, der durch die Verbindung
der christlichen und socialen Ideen gerade in unseren
Tagen ein erhöhtes Interesse in Anspruch nimmt. Vor-
liegendes Schriftcheu giebt nun eine Lebensbeschreibung
des Zwickauer Propheten, und der Titel spannt unsere
Erwartungen um so höher, als er unbekannte handschrift-
liche Nachrichten in Aussicht stellt. Freilich entspricht
das Buch den Erwartungen, mit denen man an dasselbe
herantritt, nur in geringem Grade. Verfasser scheint
jene Artikel Seidemanns nicht gekannt zu haben und hat
die dort citierten zahlreichen Quellen unbenutzt gelassen,
vor allem das reizende Büchlein Marcus Wagners: „Ein-
feltiger Bericht : Wie durch Nicolaum Storeken die Auff-
rulu- in Thüringen, vnd vmbliegenden lievir, angefangen
sey worden u. s. w. Getruckt zu Erffnrdt durch Zachariam
Zimmerum, Wonhafftig zum gülden Stern, auff der langen
Brücken. Anno M.D.XCVII." Es ist dies eine überaus
wichtige Quelle. Wagner berichtet selbst (Bl. 25 b), er
habe bei Augenzeugen „mit fleiss allenthalben den
Sachen nachgeforschet, vnnd nichts vnterlassen, das zur
warhafftigen erzehluug doss Storeken im anfang dess auff-
rhurs dienlich vnnd beförderlich sein möcht". Bachmann
kennt nur, wie es scheint, eine einzige, ziendich Unglück-
Literatur. 331
lieh verwendete Stelle über die äussere Erscheinung Storchs
(S. 3. fg-. vergl. "Wagner Bl. 20 a) , und doch enthält
das Schriftchen eine grosse Fülle einzelner Nachrichten
über die Predigtthätigkeit Storchs u. a., welche zur Ver-
vollständigung des Bildes viel hätten beitragen können.
Während so Hauptquellen nur spärlich benutzt werden,
stützt sich nicht selten die Darstellung auf die ziemlich
unsichern Chroniken Zwickaus, deren Nachrichten nur
nach eingehender Kritik verwendet werden können. Von
ungleich höherem Werthe sind die Notizen, die aus Enoch
Widemanns Hofer Chronik stammen ; freilich ist auch
diese Quelle nicht genügend ausgebeutet. Richtig ist ohne
Zweifel, wenn Bachmann, dem genannten Gewährsmann
folgend, Storch in Zwickau geboren sein lässt. Es hätten
sich dafür noch mehr Zeugnisse l^eibringen lassen, ausser
anderen auch aus dem dortigen Rathsarchiv. Merkwürdiger
Weise ist letzteres gar nicht benutzt, und doch werden
in den Rathsprotokollen aus dieser Zeit die „Schwirmer
und Wiedertäufer" oft genug erwähnt. Nicolaus Storch
wird mit Namen genannt in einem Beschluss vom Jahre
1536 (Protokolle Bl. 33 b), wo es unter der Ueberschrift :
Wiedertäufer u. s. w. heisst: „Auch soll der Radtli auff
Nikein Storch, der itzo alhie sein solle, gute achtung
geben, das er nicht ein anhang kriege, odder aber gar
von der Stadt geweisset würde." Es entsteht die Frage,
ob diese vermuthete Anwesenheit Storchs in seiner Vater-
stadt nicht in irgendwelchem Zusanunenhang steht mit
der S. 14 citierten Schrift: „Vorlegung etlicher vnchrist-
licher Artikel, welche die Wiedertäutfer furgeben", da
dieselbe in dem nämlichen Jahre in ZAvickau gedruckt
ist. Man sieht aus diesen Zeugnissen, dnss sich auch
später noch in Zwickau Wiedcj'täufer fanden. Referent
fügt noch einige archivalische Notizen zur Geschichte
derselben bei. Im (lemeinschaftlichen Hauptarchiv zu
Weimar befindet sich (Reg. N. pag. 46. A. Num. 4. 9.)
ein Aktenstück: „1521. Schriften, betr. die Beschwerde
der Geistlichkeit und einiger Laien zu Zwickau über die
bedrohlichen Aeusscrungen der Menge in religiöser Be-
ziehung und das Gesuch dem in Aussicht stehenden Auf-
ruhr zuvorzukommen." Nicolaus Hausmann und sechs
Zwickauer Geistliche und Bürger berichten in demselben
über ein Verhör von sechzehn Personen, welche zweifelten,
„ab der glawb der pathen dem kinde zur taufe hulti'licii,
item etzliche vermeinten an der tawtf selig zu werden,
n
332 Literatur.
item etzliche gaben an als Avere die göttlich scliriti't zur
lare der menschen vncrefFtig, allein muste der mensch
durch den geist gelernet werden" etc. In dem Visitations-
bericht vom Jahre 1529 (Hauptstaatsarchiv zu Dresden,
Loc. 10 959, Meyssnische Visitation) findet sich ebenfalls
ein Bericht über ein Verhör von Wiedertäufern , „die mit
irrigen secten wider die sacramcnt vnd evangelium etc.
in winckeln handeln, zusammen kriechen etc. Von einer
Aufstellung einzelner Ausstellungen bezüglich des Stils
wie des Inhalts sieht Referent ab, nur darauf möchte er
aufmerksam machen, ob die Charakteristik des Egranus
(auf S. 12) nicht einer günstigeren Auffassimg des An-
hängers des Erasmus weichen muss. (cf. Döllinger, Die
Reformation S. 136 fi'.) Was das Schriftchen Bachmanns
interessant macht, ist der Blick in die Kulturgeschichte
Zwickaus und Sachsens im 16. Jahrhundert. Es wäre
zu wünschen, dass uns unter genauer Benutzung der
handschriftlichen (Quellen wie der von Baclnnann nur in
geringem Grade benutzten reichen Litteratur ein den
wissenschaftlichen Anforderungen genügendes Lebensbild
dieser höchst interessanten Persönlichkeit gegeben würde,
wie Referent an dieser Stelle den von Seidemann a. a. O.
geäusserten Wunsch Aviederholt , dass auch eine neue
Darstellung Thomas Münzers in Angriff genommen werden
möge, welche das seit dem Erscheinen des Seidemann-
schen Buches publicierte Material zusammenfasst und
verarbeitet.
Dresden-Neustadt. Georg Müller.
Die Markgrafen vou Meissen und das Haus AYettin bis zu Konrad
dem Grossen. Von Otto Posse. Mit vier Stammtafeln und acht
Karten. Leipzig, Giesecke & Devrieut. 1881. 8". XIV, 464 SS.
Das obige in ansprechender Ausstattung vor uns liegende
Werk steht, wie der Verfasser im Vorworte selbst bemerkt,
im innigsten Zusammenhange mit den von ihm geleiteten
Arbeiten für die Herausgabe des Codex diplomaticus
Saxoniae regiae; es soll die Einführmig und die verbin-
denden Mittelglieder bieten für die reiclien und werth-
vollen, freilich in sicli nicht ganz gleichartigen Materialien
des ersten Bandes der ersten Hauptabtheilung, welcher
die urkundlichen Grundlagen für die älteste Geschichte der
Markgrafschaft Meissen und der die Entwickelung dieses
Kernes der späteren wettinischen Macht beeinflussenden
Persönlichkeiten hoffentlich bald der allgemeinen Avisseu-
Literatur. 333
scliaftliclien Forschung- zugäuo;licli niaclien wird. Lange
genug sieht man schon dem Erscheinen dieser Fubhkation
mit Spannung entgegen, und die auf sie gerichteten Er-
wartungen sind durch die Herausgabe der vorliegenden
Einleitung eher erhöht als herabgemindert. Zu prüfen,
ob es ökonomisch richtig und vortheilhaft war, die Ein-
leitung auf einen derartigen Umfang anschwellen zu lassen,
ist nicht unsere Sache; im Gegentheil wollen wir gegen
Einwürfe dieser Art zu bedenken geben, dass ein Ge-
lehrter, der sich mit so viel Mühe und Kenntnis wie Liebe
zur Sache in die Sammlung und Sichtung des an sich
trockenen Quellenmateriales hinein gelebt und vertieft
hat, doch gern auch die Fäden des inneren Zusammen-
hanges der neugewonnenen Resultate aufzunehmen und
zu einem weiteren Kreisen zugänglichen und verständ-
lichen Bilde zu verweben sucht. Eine angemessene Be-
schränkung und Ersparnis im Umfange hätte nach
unserem Dafürhalten dadurch eintreten können, dass der
darstellende Theil, statt jetzt, erst gleichzeitig oder gar
nach dem Erscheinen des Quellenmateriales veröffentlicht
worden wäre; manches weitschichtige Citat aus den Ur-
kundentexten, manche diplomatische Auseinandersetzung
hätte dann unterbleiben und durch eine einfache Ver-
weisung auf das Diplomatar erledigt werden können.
Hiergegen ist es freilicli denkbar, dass der Verfasser einem
Theile seines Leserkreises absichtlich die Darstellung un-
abhängig von der Quellensammlung und einem steten
Nachschlagen in derselben vorführen wollte; denn auf den
Kreis streng wissenschaftlich vorgebildeter Fachleute konnte
imd durfte er die Schilderung der Avechselvollen Schick-
sale eines in den ältesten wie in späteren Zeiten für die
gesannnte vaterländische Entwicklung bedeutungsvollen
Territoriums nicht ausschliesslich berechnen. Posse hat bei
seinem neuen AA'erke sicherlich und vornehmlich allen denen,
die durch ihren heutigen Wohnsitz und politische Verhältnisse
ein besonderes Interesse an dem engeren Gebiete der alten
Markgrafschaft Meissen nehmen, Belehrung und eine an-
gemessene und wohlfundierte Auflvlärung über die Ver-
gangenheit der Heimat bringen und vor allem zeigen
wollen, in welcher Weise die Umwälzungen in der l*oHtik
und Verfassung des Reiches ursächlich und bestimmend
auf die Herausbildung des Keimes zu einem der späteren
deutschen Sonderstaaten eingewirkt haben. — Wie es im
Süden und AA^esten Deutschlands die alten Stannues-
334 Literatur.
lierzogtliümer waren, auf die sich mächtigere Theilstaaten
aufbauten, so waren es im Osten die Markgrafschaften,
die jenen eine Reihe kräftiger Rivalen zur Seite stellten,
aus deren Mitte schliesslich zwei, die der nordöstlichen
lind südöstlichsten Grenzmark entsprossenen Staatsorgani-
sationen die Vertretung Deutschlands in der europäischen
Politik übernahmen; erst die Verwicklungen der beginnen-
den Neuzeit haben es gefügt, dass die politischen Bildungen,
die sich auf die Macht der in der Mitte der ehemaligen
Ostgrenze des Reiches gelegenen Mark stützten, nicht das
gleiche Ziel wie jene erreichten. — Daher war es, wenn
irgend, hier erforderlich, die Ereignisse der Territorial-
geschichte sich auf dem Hintergrunde der Reichsgeschichte
abspielen zu lassen ; für die älteren Perioden und für Theile
der späteren ist die Reichsgeschichte geradezu das einzige
und ausschliessliche Band, das auch nur einen äusser-
lichen Zusammenhang: zwischen einzelnen uns überlieferten
Namen und Andeutungen von Ereignissen zu vermitteln
im Stande ist. Je länger desto reicher fliessen allerdings
die Quellen, die uns einen selbständigen Blick in das innere
Getriebe der Landesgeschichte gestatten; aber in dem ganzen
hier umspannten Zeiträume hat sich das politische Leben
noch nicht ausschliesslich in die engen Grenzen des Territo-
riums zurückgezogen, noch fungiert letzteres als lebendiges
Glied des Reichsganzen, von ihm Kraft und Bewegung
empfangend, ihm Nahrung und Organe spendend So
richtig und erspriesslich also das Hereinziehen der Reichs-
geschichte in die Darstellung der Territorialgeschichte
und eine stete Verwebung beider Zweige ist, so können
doch wohl Zweifel über das erforderliche Mass bestehen,
und so will es dem Referenten dünken, als wenn der
Verfasser in mehreren Partien seines Werkes in Erörte-
rimg der Reichsangelegenheiten des Guten zu viel ge-
than habe; dies Abgehen von einem uns vorschwebenden
angemesseneren Verhältnisse beider Faktoren erschien
vielleicht um so auffälliger, als Posse in Folge der nothwen-
digen Eintheilung seiner Untersuchungen und Darstellung
in einzelnen Abschnitten wiederholt auf dieselben Vor-
gänge der Reichsgeschichte zu sprechen kommen musste.
Die thatsächliche Entwicklung gebot eine natürliche
Scheidung des gesamraten Stoffes in vier Hauptabschnitte:
in einem ersten Buche war die Herrschaft der ältesten,
verschiedenen Familien angehörigen Markgrafen und die
der sogenannten Ekkehardiner zu behandeln, in einem
Literatur. 335
zweiten und dritten musste das zeitlich kürzere Wirken
der Markgrafen aus dem Hause Weiniar-Orlaniünde und
der Brunonischen Familie erörtert werden, und im vierten
Abschnitt galt es die Kämpfe der ersten Glieder des
Hauses ^^''ettin um die jMarkgrafschaft zu schildern. In
solcher Weise zusammenfassend sind diese Entwicklungs-
stufen bisher noch von Seiten keines Autors behandelt
worden; an den verschiedensten Punkten hat allerdings
schon die ältere Forschung eingesetzt, doch hat sie sich
mit Vorliebe nur der Erörterung einzelner Fragen zu-
gewendet und diese mit einem Uebermass von Umständ-
lichkeit und Ausführliclikeit behandelt. So konnte es keine
leichte Aufgabe sein, sich kritisch sichtend durch diese
Literatur hindurchzukämpfen; die noth wendig gewor-
denen Bemühungen haben sich indess reichlich gclolmt,
fast aller Orten hat sich Gelegenheit geboten, Berich-
tigungen und Vervollständigungen in grösserem und klei-
nerem Umfange eintreten zu lassen. Wie aber der Ver-
fasser sich auf der einen Seite durch Beherrschung der
älteren Vorarbeiten auf dem von ihm bebauten Gebiete
und durch die Kenntnis selbst kleiner und wenig ver-
breiteter Beiträge auszeichnet, so hat ihm wie noch keinem
seiner Vorgänger das diplomatische Quellenmaterial in
gleicher Vollständigkeit und Ausdehnung aus eigener
Anschauung zur Verfügung gestanden. In der Behand-
lung und Benutzung desselben verfährt er mit tief ein-
schneidender, aber ruhiger Kritik. Es fehlt namentlich
unter den Urkunden und vor allem wieder unter denen
der Hochstifte Meissen und Naumburg nicht an Stücken,
die schwer unter sich und mit den Nachrichten anderer
Quellen in Einklang zu bringen sind; ein grosser Theil
derselben scheint aus diesen mid anderen Gründen unter
die Fälschungen verwiesen werden zu müssen. Es wäre
eine Unmöglichkeit für einen Referenten, in allen diesen
Punkten an der Hand der gegebenen Urkundenauszüge
und begleitenden diplomatischen Bemerkungen eine Nach-
prüfung durchzuführen; in der überwiegenden Mehrzahl
der einschlägigen Fälle würde sich eine solche Arbeit
freilich auch als überflüssig erwiesen haben: da scheint
die Richtigkeit der hier dargelegten Behauptungen ausser
Zweifel zu stehen. Nur bei einer geringiai Zahl der an-
gefochtenen Stücke kann Referent l)is jetzt nicht ohne
weiteres der Verwerfung derselben als Falsificate bci-
sthnmen. Für einzelne Gelegenheiten steht ihm dagegen
336 Literatur.
noch weiteres für Posses Aniialimen sprechendes Material
zur Verfügung; er kann es z. B. näher erliärten, dass die
Urkunde über eine angcbliclie Schenkung der Stadt Leipzig
durch Kaiser Heinrich IL an das Stift Merseburg um 1269
gefälscht sein rauss.
Jener neuen sachlichen Gesichtspunkte und der durch
sie bedingten Aenderungen in der Darstellung sind so
viele, dass wir auf eine auch nur annähernd vollständige
Aufzählung derselben mit Rücksicht auf den uns zu Ge-
bote stehenden Raum von vorn herein verzichten müssen.
Wir beschränken uns daran zu erinnern, dass die Namen-
reihe der älteren Markgrafen eine andere Gestalt erhalten
hat; klarer als irgend bisher sehen wir, wie das Princip
der Erblichkeit auch bei der markgräfhclien Würde mehr
und mehr das Uebergewicht über den Amtscharakter
erlangt, wie der König selbst zur Förderung der kirch-
lichen Mission im Osten wie im Interesse des Grenz-
schutzes gegen die Slaven und zum Zwecke der Auf-
rechterhaltung einer Art Oberhoheit über Polen und
Böhmen den Erblichkeitsansprüchen seiner Vertreter in
der Mark entgegenkommen muss; mit Sorgfalt sind alle
Stufen in dem Kampfe beider Prinzipien verfolgt, die
älteren Grundlagen der Machtstellung einzelner Bewerber
genau geprüft, die Persönlichkeit und politische Thätig-
keit derselben, je nach der Dürftigkeit oder Ausgiebig-
keit der Quellen, im letzteren Falle sogar manchmal in
etwas zu weitem Umfange zur Darstellung gebracht
worden. Und so werden nicht nur die grossartigen
militärischen Operationen jenseits der Elbe und deren
Wechselfälle in die Geschichte der Markgrafschaft hinein-
gezogen, sondern es finden zu einem guten Theile auch
die Geschicke der benachbarten westlichen Territorien
eine eingehende Behandlung ; frühe genug waren ja schon
die alten Marken Merseburg und Zeitz in die ungleich
wichtigere Mark Meissen aufgegangen, und sowohl die
Ekkehardiner als das Haus Weimar-Orlamünde war bis
tief hinein nach Thüringen mit Eigengut und Lehnsbesitz
ausgestattet; durch die Glieder des letzteren Geschlechts
spielen dann wieder die Ungarnkämpfe Heinrichs IIL,
die Streitigkeiten um die Vormundschaft und Reichs-
regierung für den minderjährigen Heinrich IV. und der
ganze Thüringer Zehntenstreit in die meissnischen Ver-
hältnisse hinein. Mit dem Uebergange der Herrschaft
an die Brunonen lösen sich zwar die Beziehungen zu
Literatur. 337
Tliürinocn, Jaoecren tritt Meissen in iim so nähere Ver-
bindungen mit der sächsischen Heimat des neuen Ge-
schlechtes, die unter dem Einflüsse der dortigen Oppo-
sition gegen den Kijnig Avährend des Investiturstreites um
so verhängnisvollere Gestalt annehmen, und vor allem
ist Markgraf Ekbert II. in seinem Ehrgeize und politi-
schen ^Vankclmuth das Prototyp der fürstlichen Sonder-
politik jeuer Tage. Dass er, im Kindesalter dem Vater
in der Würde folgend, doch zunächst einen Vormund
sich hat gefallen lassen müssen, möchten wir mit der
älteren Literatur lieber aufrecht erhalten, wenn wir auch
Posse beistimmen, dass es nicht der Wettiner Dedi, der
Markgraf der Lausitz, gewesen, der die Vormundschaft
geübt habe. Ferner genügt uns S. 178 auch die Autorität
des sächsischen Parteigängers Bruno nicht, um, wie hier
geschieht, Ekbert für ganz schuldlos am ersten sächsischen
Aufstande, der ihm zuerst den Verlust der Privatgüter
und bei weiterem offenen Kampfe auch die Achtserklä-
rung und die Aberkennung der Mark brachte, zu halten;
die zwei Seiten früher begegnende Berufung auf die An-
nalen Laraberts für jene Annahme beruht auf einem Ver-
sehen in den Citaten. Gesicherter erscheinen uns dagegen
durch Posses Untersuchungen die Termine für den Rück-
tritt Ekberts zur königlichen Partei und für die Wieder-
erlangung der Mark. Aus den weiteren sich wiederholenden
Aufstandsversuchen, Verurtheilungen, Wiederaussöhnungen
und Kämpfen, die bis zur Bewerbung um die Königs-
krone führen , möchten wir nur darauf aufmerksam
machen, dass es nicht ganz gerathen scheint, dem
Chronisten Bernold in der Annahme zAveier Niederlagen
Heinrichs IV. im Jahre 1088 und 1089, in denen er die
Reichsinsignien an Ekbert verloren hätte, zu folgen; der
Berichterstatter macht sicherlich wohl aus einem Vorgange
zwei getrennte Erzählimgen. Der letzte endgültige Pro-
zess gegen Ekbert Avar es, der das Haus Wettin in die
Meissener Herrschaft einführte, wofür der neue Markgraf
Heinrich freilich die Lausitz in die Hände Wipreclits vf)n
Groitsch übergehen lassen musste, vielleicht, wie Posse
wahrscheinlich macht, mit Rücksicht auf den Schwieger-
vater des letzteren, den Böhmenkönig, der, mehrfacli vom
Kaiser mit Ekberts Amt bedacht, jetzt mit umfassenderen
Ansprüchen zurücktrat.
Im Eingange des vierten Abschnittes spricht sich
der Verfasser natürlich über die Vorgeschichte des Wet-
Neues Archiv f. S. (1. u. A. 11. ,4.
338 Literatur.
tinisclien Hauses aus. Er überschreitet erfreuliclier Weise
in seinen Annahmen über die Anfänge desselben nicht
die Grenze des durch die Thietniar'sche Chronik und den
Annahsta Saxo Verbürgten; die vielfachen weitgehenden
und widerstreitenden Hypothesen über diesen Punkt
werden vor allem in Anmerkungen resümiert und zurück-
gewiesen. So sieht er davon ab, aus der Bemerkung
Thietmars, dass die Wettiner einer „tribus Buzici'' ent-
stammten, weitere Schlüsse zu ziehen, scheint aber ge-
neigt zu sein, ,^tribus" eher als Bezeichnung für Geschlecht
als im localen Sinne aufzufassen. Referent theilt diese
Ansicht nicht ganz, es will ihn dünken, „tribus^' sei
eher als Namen eines Volksstammes aufzufassen, der all-
mählich sich auf eine Gegend oder Landschaft übertragen
hat, und sollte dieser Name wirklich slavischen Ursprungs
sein, so stimmen wir Posse doch entschieden in der An-
nahme bei, dass die Träger desselben von Haus aus
Deutsche gewesen sind. Posse vervollständigt und ver-
tieft mit Geschick an der Hand der von den Urkunden
gebotenen Ortsnamen den bereits von O, v. Heinemann in
die Hand genommenen Beweis, dass das wettinische Haus
reiche Eigengüter und mehrere Komitate im nordthü-
ringischen Schwabengau innegehabt habe und führt dann
endlich, unseres Wissens nach zuerst, die aus dem Sachsen-
spiegel und aus den den Satzungen desselben entsprechenden
Thatsachen gewonnenen Argumente für die schwäbische
Herkunft des Geschlechtes ins Feld; weniger im Einklänge
mit dem bisherigen vorsichtigen Vorgehen steht an dieser
Stelle freilich der sehr hypothetische Rückblick in die
Zeiten der grossen germanischen Völkerbewegung. Von
hier aus wird alsdann, soweit es die spärlich fliessenden
Quellen gestatten, der allmählichen Ausdehnung der wet-
tinischen Hausmacht bis zum Eingreifen in die Meissener
Verhältnisse nachgegangen ; an diesem Ziele angelangt
greift nach Schilderung der kurzen Regierung Heinrichs I.
die Darstellung wieder auf frühere Jahrhunderte zurück,
um uns mit den Schicksalen der Vorfahren Wiprechts II.
von Groitzsch vertraut zu machen, der in der Reichs-
geschichte des ausgehenden elften und beginnenden
zwölften Jahrhunderts eine grosse Rolle spielte und
auch für kurze Zeit die bereits als wettinisches Erbe
geltende Mark gewann, als mit Heinrich II. schon
die neue Regentenfamilie im direkten Mannesstamme er-
losch. Ein ziemlich in Details eingehender Ueberblick
Literatur. 339
über die Kämpfe Heiuriclis V. mit der Kirche und den
sächsischen Fürsten, die zum Tlieil an den Streit um die
Orlamünder Erbschaft in Tliüringen anknüpften, schiebt
sich etwas fremdartig in die Ilauptdarstelluug ein; docli
sind diese Erörterungen durchaus erwünsclit, um die
Stellung des Kaisers und der Fürsten zu einander zu
charakterisieren; freilich sclieint der Verfasser, wenn er
auch die von letzteren erhobenen Ansprüche auf ßerück-
sichtio'uno- der weiblichen Linien bei Heimfällen von
Reichslehen verwirft , doch dem Königthume für sem
Festhalten an dem freien Verfügungsreclite gegen die ge-
wohnheitsmässig ausgebildete Forderung einer Succession
der nächsten männlichen Verwandten, die Schuld an diesen
heillosen Wirren mehr als billig beizumessen. Der Unter-
stützung des Führers der sächsischen und fürstlichen Oppo-
sition, des nachmaligen Kaisers Lothar III., liatte es
Konrad von ^^'ettin, später „der Grosse" genannt, der im
dritten Gliede mit Heinrich II. von einem gemeinschaft-
lichen Stammvater abstammte, zu danken, dass er in den
Besitz der Mark Meissen gelangte und sich daselbst mit
Ehren behaupten konnte; seitdem ist die Verbindung
dieses Landes mit jenem Fürstengeschlechte nicht unter-
brochen worden. In der bei letzterer Gelegenheit behan-
delten Frage, ob die Winzenburger in einer Verbindung
mit der Mark Meissen gestanden hätten, kann man sich
nur mit auf den verneinenden Standpunkt Posses gegen
die Angaben der Pegauer Annalen stellen; dagegen ist
jenem Fürstenhause nach dem siclierlich gut unterrichteten
Chronicon Sampetrinum eine Markgrafschaft in thüringisch-
sächsischen Gebieten nicht abzuspreelien, und vielleicht
könnte sein Herrschaftsgebiet in die alten Marken Zeitz
und IMerseburg zu legen sein, da die Naclii'olge der
Wiprechtiner auf die bisher daselbst waltenden Stader
Grafen auch nur in das Bereich der Vermuthungen ge-
hört. — Den Schluss des Ganzen bildet ein uns recht
zusagender Ueberblick über die innere Verfassung und
die Kulturzustände des Markgebietes; es ist hier alles,
was sich aus den dürftigen Quellen ermitteln Hess, zu
einem wenn auch weder farbenreichen noch in allen seinen
Tlieilen gleichmässig ausgeführten, aber für den Kenner
höchst beachtenswerthen Bilde gruppiert.
Nur um den Zusammenhang des bisher besprochenen
Textes nicht zu stören, ist die Erörterung melirerer an
sich bedeutsamer und für die vorausgeiiende Untersuchung
340 Literatur.
höchst wiclitiger Fragen in die Excurse verwiesen worden;
oben an stehen hier die von Posse mit gutem Erfolge
miternommenen Versuche, die Organisation des der Mark
entsprechenden Bisthums, die wie überall so auch hier auf
die politische Gestaltung des Landes tiefgreifenden Einfluss
übte; festzustellen. Die Verfolgung dieses Gegenstandes
muss sich aus Mangel an geeignetem, von Meissen selbst
aus gebotenem Material zum grösseren Theile auf eine
Keihe von auswärts gewonnener Grundlagen stützen, die
insofern zu erwünschten Resultaten führen, als die Ent-
wicklung des Stiftes Meissen einmal mit der unter so
grossen, Schwierigkeiten durchgeführten Erriclitung des
Erzbisthumes Magdeburg und sodann mit den besonders
eigenthümlichen Schicksalen des Merseburger Bisthumes
von den ersten Anfängen an in innigstem Zusammenhange
stand. Es ist in dieser Beziehuno^^ die bald nach der
Gründung (981) durch die Staatsgewalt wieder erfolgte
Aufhebung letzterer Stiftung, mit der eine Auftheilung des
Sprengeis an das Metropolitanstift, an Halberstadt und
die beiden anderen SuÖragane des ersteren verbunden
war und gegen die sich in der Kirche eine gewaltige
Bewegung erheben musste. Mit der nach Jahrzehnten
hierauf durchgeführten Wiederherstellung war indess der
alte Besitzstand nicht wieder völlig erreicht worden, und
so haben denn die dortigen Kirchenfürsten lange Zeit für
die Erreichung dieses Zieles gestritten, doch ohne zu
einem völlig befriedigenden Abschlüsse zu gelangen; nicht
nur blieb gegen dieselben Meissen im V ortheil in dem
ihm bei der Theilung zugewiesenen Gebiete, es gelang
ihm vielmehr auch, den Magdeburg einst zugefallenen
Beutetheil an sich zu ziehen und schliesslich die Grenzen
seiner geistlichen Jurisdiction bis zum Bober und zur
Oder auszudehnen. Freilich ist es Posse bei all seinen
gründlichen und methodischen historisch -geographischen
Forschungen nicht möglich geworden, einen genaueren
Zeitpunkt und bestimmte Verhältnisse für diese Um-
wälzungen zu ermitteln; aus seinen Erörterungen ge-
winnen wir nur das dankenswerthe Resultat, dass die
erhebliche Erweiterung der Bisthumsgrenzen mehr auf
dem Wege der Gewalt als des Rechtes gegen Ende
des elften Jahrhunderts vor sich gegangen ist imd dass
man, um anscheinend rechtliche Grundlagen für die er-
hobenen Ansprüche und deren Behauptung zu beschaffen,
ganze Urkundenscrien gefälscht hat. An der Hand der
Literatur. 341
hier g-ewonnencu Hilfsmittel und anderer Materialien, die
uns in einem späteren Excurse nach gehöriger Prüfung
und Sichtung mitgetheilt werden, unternimmt es Posse
nun, die alten Grenzen der für die historische Entwick-
lung Sachsens in Betracht kommenden Gaue Chutizi,
Siusili, Daleminci, Nisani, Lusizi und Milzeni zu rekon-
struieren, und mit Ausnahme einiger Stellen in den östlich
gelegenen Gebieten, an denen man sich auch fernerhin
stets mit Vermuthungen begnügen wird, müssen die ge-
zogenen Scheidelinien als wohl beglaubigt anerkannt
werden. Wie eben bemerkt, wäre die Durchführung dieser
Aufgabe nicht möglich gewesen ohne Heranziehung der
im letzten Excurse neu eröft'neten Quelle: der in dem ent-
sprechenden Bande des Codex diplomaticus noch nicht
zur Publikation gelangten Matrikel des Bisthums Meissen ;
obwohl zum grösseren Theile nur in späteren Ueberliefe-
rungen erhalten, lässt sich Umfang und Inhalt einer in
der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts entstandenen Re-
daktion erkennen, und mit richtigem Tacte ist Posse bei
Verwerthung derselben niclit mechanisch, sondern unter
steter Berücksichtigung der natürlichen geographischen
Verhältnisse vorgegangen. Eine Gaukarte iur Thüringen
und Meissen in nicht allzu kleinem Umfange unterstützt
bildlich die nicht immer leichte Verfolgung der historisch-
geographischen Fragen, wie auch die wechselvollen Be-
ziehungen der Bisthumsgebiete auf der Grenzscheide des
zehnten und elften Jahrhunderts durch eine Mehrzahl
kleinerer Karten erläutert werden und wie ferner die
Beziehungen der Wettiner zu den Grafschuftsverhält-
nissen im Schwaben- und Hassegau eine graphische Dar-
stellung finden; in ähnlicher Weise ist auch das Ver-
ständnis der recht verwickelten verwandtschaftlichen Be-
ziehungen der markgräflichen Familien durch vier Stamm-
tafeln erleichtert, und für die bequemere Handhabung und
Ausnutzune- des manniofaltioen Inhaltes durch ein ein-
gehendes umfängliches Register und eine dem Ganzen
vorausgehende Inhaltsübersicht Sorge getragen.
Ohne uns in weitere Erörterung von Einzelheiten, die
uns an dem vorliegenden Werke nicht völlig zusagen,
einzulassen, können wir von demselben nicht scheiden,
ohne es im Ganzen als eine werthvoUe Bereicherung
unserer historischen Literatur zu bezeichnen; neben den er-
wünschten Beiträgen, welche die allgemeine Keichsgcschichte
des zehnten bis zwölften Jahrhunderts nach den ver-
342 Literatur.
schieden sten Seiten aus ihm entnehmen kann, müssen in
erster Linie alle, die sich mit der geschichtlichen Aus-
vmd Weiterbildmig" der sächsischen Landes- und Fürsten-
macht wissenschaftlich beschäftigen, Posse dankbar sein
für die Beschaifung dieser umfassenden und den An-
sprüchen der Neuzeit Rechnvmg tragenden Grundlage
Einem gleichen Gefühle möchte der Unterzeichnete nicht
unterlassen Ausdruck zu geben, insofern auch viele die
einzelnen Theile der preussischen Provinz Sachsen be-
rührende Forschungen eine ansehnliche Förderung und
Anregung durch die neue Publikation erfahren haben.
Halle a. S. W. Seh um.
Acten der Erfurter Universität, bearbeitet von Dr. J. C. Her-
mann Weissenboru. I. Theil. Halle, 0. Hendel. 1881. 4«.
XXVII, 442 SS. (A. u. d. T.: Geschichtsquellen der Provinz Sachsen
und angrenzender Gebiete. Achter Band).
Die Universität Erfurt, die fünfte in der Reihe der
deutschen Universitäten, verdankt ihre Entstehung nicht
wie ihre Voi'gängerinnen und Nachfolgerinnen fürstlicher
Initiative, sondern der eigenen EntSchliessung einer Stadt-
gemeinde, die sich politisch im Laufe der Zeiten eine ge-
achtete Stellung und grossen Einfluss zu erwerben ge-
wusst hatte. Im Besitz zahlreicher Kirchen, Kapellen,
Klöster, Schulen, überhaupt Bildungsanstalten, ragte Er-
furt aber auch in geistiger Beziehung vor andern deutschen
Städten hervor, und schon am Ende des dreizehnten Jahr-
hunderts wird uns von 1000 Scholaren berichtet, die in
Erfurt verweilten, um sich vorzugsweise zur Erlangung-
höherer geistlicher Würden vorzubereiten.
Ein Jahrhundert später und zwar nach Beendigung
der im Jahre 1373 ausgebrochenen Kämpfe wegen der
Mainzer Bischofswahl, dachte nun die Stadt daran, die
innerhalb ihrer Mauern bestehenden geistlichen Studien
zu einem Studium generale, zu einer universitas litterarum
zu vereinigen, wozu nach damaligen Anschauungen vor
allem die päpstliche Bestätigung erforderlich war. Der
Beginn des grossen Kirchenschismas im Jahre 1378 ver-
zögerte jedoch das Inkrafttreten des Unternehmens. Der
Erfurter Rath wandte sich, um seine Wünsche erfüllt zu
sehen, an den von den französischen Kardinälen erwählten,
zu Avignon residierenden Gegenpapst Clemens VII., der
denn auch am 16. September und 1. Oktober 1379 (seines
ersten Pontifikatsjahres) von Avignon aus zwei huldvolle
Literatur. 343
Schreiben an „die (geliebten Söhne, obersten liathsmeister,
Rathsmeister und Bürger der Stadt Erfurt" richtete, in
welchen das „Studium generale" konfirmiert und der Erz-
bischof von Mainz, beziehentlich der Dcchant und das
Kapitel des Marienstiftes mit der Ueberwachung der Pro-
motionen betraut wurden. Immerhin dauerte es noch,
hauptsäcldich eben wegen der kirchlichen Zwistigkeiten,
bis zum Jahre 1392, ehe die wirkliche Eröffnung der
Universität vor sich ging, nachdem inzwischen der in
ganz Deutschtand anerkannte römische Papst Urban VI.
am 4. Mai 1389 eine zAveite Stiftungsbulle und sein Nach-
folger Bonifacius IX. am 15. April 1390 zwei Bullen, die
Kompetenzstreitigkeiten betrafen, erlassen hatten. Am 29.
April 1392 wurde dann die Universität eröÖ'net und erst
von diesem Datum an wird ihr Bestehen gerechnet.
Längere Zeit war sie die einzige Universität im
weiteren Umkreise, und ihre höchste Blüte fiel auch
gleich in das erste Jahrhundert ihres Bestehens, in die
Zeit des Humanismus. Dann sank sie zwar schnell von
ihrer HöIie herab, erhielt sich jedoch noch Jahrhunderte
hindurch, bis sie endlich im Jahre 1816 aufgehoben
wurde. Mit Ausnahme der Blütezeit, die bekanntlich
in Kampschulte einen trefflichen Bearbeiter gefunden hat,
ist der Geschichte der Erfurter Universität bis jetzt nur
wenig Aufmerksamkeit zugewandt worden, hauptsächlich
wohl deshalb, weil es noch an einer kritischen Sammlung
und Ausgabe des urkundlichen, überhaupt Aktenmate-
riales mangelte. Es ist daher der historischen Kommission
der Provinz Sachsen, welcher wir schon so manche werth-
volle Quellenpublikation verdanken, als grosses Verdienst
anzurechnen, dass sie in dem neuesten Bande der von
ihr herausgegebenen Geschichtsquellen den Anfang zu
einer Veröffentlichung der Akten der Erfurter Universität
gemacht und die Bearbeitung derselben dem tüchtigsten
und gründlichsten Kenner der Erfurter Gelehrtengeschichte,
Hermann Weissenborn, übertragen hat.
Der Haupttheil der Arbeit besteht in der zum ersten-
mal veröffentlichten Matrikel der Rektoren, die zunächst
die Immatrikulationen in den einzelnen Rektoraten während
der ersten 215 Jahre, also von 1392 bis 1607, nebst den
Einleitungen zu jedem Rektorate enthalten soll und uni-
fasst der vorliegende Theil nur die Immatrikulationen der
ersten 100 Jahre mit 197 Rektoraten. Au der Spitze des
ganzen Werkes stehen die beiden päpstlichen Stiftimgs-
344 Literatur.
bullen vom 16. September 1379 und 4. Mai 1389, die
eine nach dem im königliclien Staatsarchiv zu Magde-
burg befindlichen Original und schon früher von Motsch-
mann in seiner „Erfordia litterata" abgedruckt, die andere
nach einer ebenfalls im Magdeburger Staatsarchiv vor-
handenen vidimierten Abschrift des nicht mehr existierenden
Originals. Diesen folgen die ältesten nocli vorhandenen
Statuten der Universität vom Jahre 1447, die bis 1665
in Kraft blieben, gleichfalls von Motschmann schon früher
abgedruckt. Den ältesten Entwurf der Universitätsstatuten,
der schon vor Gründung der Universität abgefasst sein
soll, fand Weissenborn noch nachträglich im Staatsarchiv
zu Magdeburg auf, und wird dieser im zweiten Theile
an der Spitze der Fakultätsstatuten zum Abdruck ge-
langen. Den Statuten schliesst sich dann die Matrikel an.
Wenn wir nun erwägen, dass wir bis jetzt nur von
sehr wenigen deutschen Universitäten gedruckte Matrikeln
oder Studenten Verzeichnisse besitzen, wenn wir erwägen
welch grosse Bedeutung dieselben nicht blos für die
Genealogie, die Familien-, die Gelehrtengeschichte, sondern
auch für die politische und Kulturgeschichte haben, so
müssen wir Weissenborns Ausgabe doppelt willkommen
heissen, ganz besonders aber auch deshalb, weil sie mit
ausserordentlicher Sorgfalt gearbeitet ist und unbedenk-
lich als Muster für derartige Publikationen hingestellt
werden kann. Von hohem Werthe sind auch die künst-
lerischen Beigaben dazu; sie bestehen in vier in Bunt-
druck ausgeführten Facsimiles von Wappen der Rektoren,
wie solche im Codex A der Matrikel in nicht unbeträcht-
licher Zahl enthalten und oft meisterhaft dargestellt sind.
Hier sind die Wappen des 152. Rektors Günther Mdvvitz,
des 153. Rektors Heinrich Reuss von Plauen, des 155.
Rektors Johannes Rode und des 197. Rektors Symon
Volzke wiedergegeben.
Benutzbar wird freilich der veröffentlichte erste Band
erst dann sein können, wenn ein Register, zu dem der
Herausgeber auch bereits im Vorwort den Plan entworfen
hat, wonach er dasselbe sehr ausführlich zu bearbeiten
gedenkt, vorliegt; wir wollen daher hoffen und wünschen,
dass Weissenborn uns baldigst mit der Fortsetzung seines
so trefflich begonnenen Werkes erfreuen möge.
Leipzig. Bruno St übel.
Literatur. 345
Uebersicht über neuerdings erschienene Schriften und
Aufsätze zur Sächsisch -Thüringischen Geschichte und
Alterthumskunde.
Berndt, Moritz. Dresdner Zustände in den Jahren IS 15
bis 1830: Grenzboteu No. 37. S. 442-457.
Beyer, C. Wilhelm v. Brauniüller und Heinrich v. Cotta.
Zwei Thüringer Cliarakterköpfe. Wien, Braumüller.
1881. 8». VI, 162 SS.
V. Criegern. Eine kunsto;eschiclitliche Wanderung durch
Sachsen: A\'issenschaf'tl. Beilage der Leipziger Zeitung.
1881. No. 71.
Distel, Th. Die messingene Gerichtshand zu Geising:
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 1881.
No. 8. Sp. 237.
Friesen, Freiherr v. Erinnerungen aus meinem Leben.
2. Auflage. Dresden, Wilhelm Baensch. 1881. 8".
XXIV, 675 SS.
Gläsel, Joh. Heinrich. Mark-Neukirchen und seine Zu-
stände in der Zeit von 1804 bis 1812. Eine kultur-
historische Skizze. Plauen, F. E. Neupertf. 1882. 8".
212 SS.
Gurlitt, Cornelius. Das Schloss zu Meissen. Eine kunst-
geschichtliche Studie. Dresden, Gilbers. 1881. 8".
44 SS.
Herrmann, Ernst. Sächsisch-polnische Beziehungen wäh-
rend des siebenjährigen Krieges zum russischen Hof
und insbesondere zum Grosskanzler Bestuchew. Preus-
sische Jahrbücher. Bd. 47. S. 558— .589 u. Bd. 48. S. 1—23.
Kolde, Th. Friedrich der Weise und die Anfänge der
Reformation. Eine kirchenhistorische Skizze mit archi-
valischen Beilagen. Erlangen, Deichert. 1881. 8°. III,
75 SS.
Leonhardi, J. Leipzig im Jahre 1789. Aus den Briefen
eines russischen Reisenden: Im neuen Reich. 1881.
No. 34. S. 285—295.
Mühlmann, Felix. Beiträge zur Geschichte des Klosters
und der Stadt Riesa. Riesa, Langer u. Winterlich.
1881. 8». IV, 48 SS.
Mitzschke, Paul. Naumburger Inschriften. Gesammelt
346 Literatur.
und erläutert. Naumburg a. S., Jul. üonirich. 1881.
8«. 488 SS. ^
Mitzschke, Paul. Ein Mihlacr Dichter (Ernst Christoph
Homburg): Sonntagsblatt der Eisenacher Zeitung. 1881.
No. 26.
Richter, A. Dass Schloss Lichtenberg und seine nächste
Umgebung. Vergangenheit und Gegenwart nach Ur-
kunden und Traditionen zusammengestellt. Mit Titel-
bild. Prettin a. Elbe, Heinr. Schmidt. 1881. 8°. 94 SS.
Riemer, W. Das Schloss Hubertusburg sonst und jetzt.
Eine monographische Skizze. Mit einer lithographierten
Ansicht aus der Vogelperspective. Oschatz, F. Oertel.
1881. 8°. V, 55 SS.
Rüge, S. Geschichte der sächsischen Kartographie im 16.
Jahrhundert (Forts.) : Kettlers Zeitschrift für wissen-
schaftliche Geographie. Bd. II. S. 143—145.
Schmidt, Gustav. Urkundenbuch des Collegiat-Stiftes St.
Bonifacii und St. Pauli in Halberstadt. Herausgegeben
von der historischen Kommission der Provinz Sachsen.
Nebst sechs Siegeltafeln und zwei Holzschnitten. Hallc;
O. Hendel. 1881. 8". XXXI, 630 SS. (Geschichts-
quellen der Provinz Sachsen Bd. XIII).
Schulze, Herm. Die sächsischen Hausgesetze. Herausge-
geben und eingeleitet. Jena, Fischer. 1881. 8". 317 SS.
(A. u. d. T. Die Hausgesetze der regierenden Fürsten-
häuser. Bd. III. Abth. 1.)
Spiess, H. Zur Geschichte des Hauses Henneberg: Zeit-
schrift für preussisclie Geschichte und Landeskunde.
Jahrgang XVHI (1881). S. 379-386.
Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und
Alterthumshunde. Neue Folge. Zweiter Band. Heft 3.
Jena, G. Fischer. 1881. 8".
Inhalt: Richter, Eine Jenaer Stadtordnung aus dem Ifi.
Jahrhundert. Richter, Teil einer Selbstbiographie Adrian Beiers.
Blunischeii), Wiprecht von Groitzsch. Literarische Mittheilungen.
Martin, Jenaische Urkunden. Kolde, Ein Brief des Job. Stigel über
die Anfänge der Universität Jena. AnemüUer, Ein Brief von Nie.
Selnekker.
K e g i s t e r.
Adolf, Herzog von Cleve 103.
112.
Agnes, Herzogin v. Scliweidnitz
57. 63.
Albi (Wishemiil), Franz. Mönch
zu Altzelle 21)3 ff.
— Johann, Altarist zu Chemnitz
293 m
Albrecht III., Herzog v. Bayern-
München 30.
— (d. Beherzte), Hzg. v. Sachsen
2 ff. 209. 226. 229 ff. 283 f.
— IL, König 207. 211.
— (Achilles), Mkgr. v. Branden-
burg 2. 19 ff. 43. 47 f.
Alexander , Kaiser v. Russland
242 f. 249.
Alexius, Hans, Rathmann und
Bleichrichter zu Chemnitz 306.
310.
Altchemnitz bei Chemnitz 311.
Altdresden 276 f. 283.
.\ltenbnrg 68 ff. 295. s. Kilian,
Schurzauf.
Altfehr 150.
Altzelle 13. 231. Abt: Antonius
307 f. Mönch s. Albi.
Anklam 149.
V. Arnim, preuss. General 148.
Arnold, Hans, Rathmann zu
Chemnitz 306.
— Mattis 309.
Arnshaug 116.
Aster, Oberstlieutenant 249.
August II. u. III. V. Polen s.
Friedrich August.
Auguste, Prinzcss (T. Kg. Friedr.
Aug. I.) 238.
Auhrow 26.
Auma 116.
Aussig, Schlacht bei 203.
Bachmann, Paul, Rathmann zu
Chemnitz 304 f.
Baden 20. s. Louis.
Baiersdorf 28.
Balthasar Pleban zu Chemnitz 28.
Barby, Herrschaft 242.
V. Barnstein, Span 28.
Basel 66.
Bautzen 53. 61. 63. 202. 211. 216.
219. 222. 225. 227 f.
Bawmgarth s. Chemnitz.
Bayern 19. 26. 80 ff.
— s. Albrecht, Ludwig, Otto, Sigis-
mund.
Bayreuth, Markgräfin v. 161.
Beauharnais s. Eugen.
Becker, Nicolaus, Rathmann zu
Chemnitz 306.
Beger, Israel, Lehrer zu Frei-
berg 256.
Beichlingen, Grafen von 122.
Beiger, Nicolaus, de Dresden 303.
de Bellegarde, Graf Claude-Marie
178.
— Graf, General 324 f.
V. Benkendorff, General 325.
Bensen in Böhmen 199 f. 204. 2('9.
V. Bergow u. v. Trosk, Joh. 209.
Berka bei Weimar 105.
Berka von der Duba 193 ff.
— (a. Linie Hohnstein).
Heinrich I. (Hinko, Hoinke,
Hynek, Gindrzich) 194 f. 217.
— — Heinrich, s. Bruder 194 f.
Heinrich II., Landvogt der
Niederlausitz, Oborstland-
richter in Böhmen u. s. \v.
195—199. 217 f.
Hinko auf Leipa, s. Bruder
195. 217 f.
Else, dessen Witwe 197.
348
Kegister.
Berka von der Duba.
— (■«. Linie Hohnstein) .
— — Hiuko Hlawatsch auf Leipa,
dessen Sohn, Laiidvogt der
Oberlausitz 195. 197. 201.
Heinrich III. 198 — 201.
204—209. 215. 218.
Barbara, s. Gem. 208 f.
Ileinke d. J. auf Wilden-
steiu. S.Bruder 198—203. 209 f.
218.
Benesch auf Hohnstein, s.
Bruder 198. 200.
— — Johann auf Kreibitz, s. Bru-
der 200. 215. 218.
Nicolaus, s. Bruder 209.
Anna (v. Kolowrat) , s.
SehM-ester 209.
Heinrich IV. auf Mühlberg
209.
— (h. Linie Wildenstein).
Heinrich I. 199 f.
Heinrich 11. d. Ä. 203—206.
210 f.
Benes 205 f. 210 f.
Albrecht 205-215. 218-234.
Anna (v. Donin), s. Gem.
211. 219.
Benesch, s. Sohn 232.
Christoph, s. Sohn 233.
— (c. Linie Mühlstein).
Gindrzich 205.
Heinrich d. J., s. Br. 224.
Heinrich auf Leipa 221.
223 f.
— (cl. Linie Hauska).
Sbinco 224.
— Jaroslaus, auf Leipa 233.
— Czenko 200.
Berlspach, die, bei Chemnitz 301.
ßernhardi, Sam., Rector zu Mitt-
weida 251.
Bernstadt 59.
V. Bernstein, Waltzk 41.
Berthelsdorf a. Queiss s. Eberhard.
Berthier, französ. Marschall 244.
Besauval, Baron, franz. Gesandter
161.
V. d. Beseiiicz, Otto 65.
Beyer, Casp. , Bürgermeister zu
Chemnitz 306.
V. Biberstein, Herren, auf Fried-
land u. Hammerstein 211. 219.
— Friedrich auf Friedl. u. Forst
211.
V. Biberstein, Hans auf Friedland
197.
— Ulrich auf Friedland 197.
auf Friedl. u. Forst 211.
— Wenzel auf Friedl. u. Forst211.
Bibra s. Ebersdorf.
Billich, Paul, Rathmann zu Chem-
nitz 306.
Birke, Christoph 210.
— Georg 209 f.
— Ursula, s. Frau 210.
— Steffan 209 f.
Bischofswerda 207.
Blankenstein, Herrschaft, in
Böhmen 212. 235.
Blomberg 109.
V. Blücher, General 242.
Bodo, Domdechant zu Merseburg
297.
Böhmen 1 ff. 99 ff. 193 fi'. 201 ff.
s. Johann, ^Vladislaus!
Bohmisch-Zwickau 224.
Bonn 120.
de Borch, Petrus, Domherr in
Gran (Strigonium ?) 297.
Böse , Christoph Dietrich , Geh.
Rath u. Kammerdirektor 315.
317.
V. Boskowitz, Jeschko 100.
Boumgarte, Mattis, Rathmann zu
Chemnitz 306.
Boxdorf bei Dresden 287.
Brakel 108.
Brandenburg 1—4. 15. 24. 20. 30 f.
56 f. s. a. Albrecht, Friedrich,
Johann, Otto.
Braunschweig s. Heinr., Wilhelm.
Brendel, russ. Oberst 239.
Breslau 29. 40 f. 43. 53. 61. 127.
219 ft'. s. Rudolf.
Breslauer, Dr. Johann 22. 37. 41 f.
Brieg 61.
Briessnitz bei Dresden 245.
de Brosses, Claude, Oberst 138.
141 f.
Brühl, Graf 167.
V. Bünau, Heinrich, kurf. Vogt
auf Hohnstein 214.
Burgund 1. 29. s. Karl.
Bursarius, Ambrosius, v. Dobrikur
219.
Butener, Otto 58.
Buttelstedt 105.
Cadan 11.
Register.
349
V. Capistraiio, Johannes 8.
Caspar, Abt s. Chemnitz.
Castell-Remliugen, Graf, General-
major 147. 151.
Caulincourt, Herzog v. Vicenza,
franz. Oberstallmstr. 244—247.
Cerdo, Niclaus, zu Chemnitz 296.
Cette 17G.
Chambord 178.
Chemnitz .SG. 38. 2'.*0 ff.
— Rath 294. 299. .S04— 30<).
— Bürgermstr. s. Beyer, Friczko,
Lindau, Melzer.
— Vogt s. Swertfeger.
— Schöffen 294. 306.
— Städtschreiber s. Franko.
— Schulmeister s. Schultheis.
— Bleiche, Bleichgericht 293-296.
299. 310.
— Mühleu (Pfortenmühle) 294.
296. 303. 310.
— uff den steingruben 304.
— Langegasse 309.
— Sweinanger 309.
— valva claustralis 301.
— Armenhaus (conventus) 302.
308.
— leprosarium 302. 308.
— Hospital und Altäre darin 294.
297. 307.
— Jacobikirche und Altäre etc.
294 f. 297. 300—307.
— Johanniskirche u. Altäre 304.
307 f.
— Nicolaikirche 301.
— Benedictinerkloster 294. 307.
.309—311.
— — Aebte: Caspar 307—309.
Heinrich298. 311. Hilarius 311.
Johannes 310. Ulrich 295.
Prioreu: Hamel, Johann 311.
Kopperling, Johann 311. Con-
veutualeu : Bawmgarth, Steph.
311. Kogeler, Nicolaus 311.
Rudnitz, Luppoldus de 297.
Vogt, Job. 311. Trapschuch
Steph. 311.
— Archidiaconat 297 f.
— üfticial des Abts : Theodoricus
298.
Chlumec 209.
V. Chlumec, Berka 103.
Christiua, T.. des Kurt. Ernst v.
Sachsen 44.
Cleve s. Adolf, Johann.
Cluverus, Phil. 256 f.
V. Colditz, All)recht 209.
Conradus, vicar. perpet. zu Chem-
nitz 301. 303.
Coppet bei Genf I.SO.
Cossell, Gräfin A. C. 132. 102 f.
172. 179.
— Graf 16.3.
— Auguste Constantie s. Friesen.
Cottbuser Kreis 242.
de Croy, Herzog 83.
Czanspil, Claus, Rathmann zu
Chemnitz 304 f.
Cziudeler, Nicol., zu Chemnitz
303.
Czymmermann, Caspar, Ratlimann
zu Chemnitz .304—306.
Dänemark 135—152. s. Friedrich.
V. Dambno, Jacob, poln. Kanzler
46 f.
Davoust, französ. Marschall 240 f.
Demotika 136.
Detmold 109.
Deutscher Orden 46.
Dewin in Böhmen 212. 217. 225.
229.
V. Diemar, Christ 151.
Dietrich, Erzbischof v. Köln
103—121. 127.
— HL Bischof v. Meisseu 6. 16.
19. 33— .38. 42. 45. 210.
Dittersbach bei Stolp'en 36.
Dönhoff, Gräün 160 f.
Dohna, Alexander, Graf 130.
V. Dohna (Donin), Anna s. Berka
von der Duba.
— Friedrich, auf Wildenstein 99.
125.
— Nicolaus auf Grafenstein 213.
— Wentsch,aufGrafenst. 21 1-213.
219. 233.
Dohnasclie Fehde 198.
Dülgoruki, Fürst, russ. Gesandter
in Kopenhagen 143.
Dresden 36 ff. 44. 61. 89 f. 133 f.
137. 160 f. 165 ff. 170 ff. 198.
201. 204 ff. 238 ff. 273 ff.
Dücker, schwed. General 148. 152.
Eberhard, Georg, auf Berthelsdorf
a. Queiss 235.
Ebersdorf, Nicol., Canon, in Bibra
u. Zscheila, Altarist in Chem-
nitz 294. 301.
350
Register.
V. Eberstädt, Gottfried Leberecht
Janus, General ]">7. 166.
Eckart,Nickil, Rathniann zu Chem-
nitz 304—306.
— Paul, Rathmann (Schöffe) zu
Chemnitz .304—306.
Eczel, Vincenz, Bürgermeister zu
Görlitz 62.
Egerßl. 101. 116. 124. 127. 215.
Egerland 34.
Ehrenberg in Böhmen 23.5.
Ehrenberg, Laur., Stailtschreiber
in Görlitz 66.
V. Eibau (Yba), Benedikt 21S.
— Wenzel 218.
Eichsfeld 107.
V. Eichstädt, Generalmajor 147.
Eimbeck 104. 107 f.
V. Einsiedel, Heinrich 6.
— Johst 101.
— Graf Detlev, Cabiuetsrain. 249.
— Graf Georg, sächs. Gesandter in
Paris 245 f. 249.
Elbogen 11.
Elisabeth, T. Kf. Friedr. Aug. II.
239.
am Ende, Chrph., Magister 251 ff.
— Paulus 301.
— Petrus .301.
England 131 f. 143 ff.
Erfurt 5 f. 17. 19. 22. 24. 26 f.
98. 101 f. 105. 122 f.
Ernst, Kurfürst von Saclisen 2 ff.
209. 226. 229 ff.
V. Ertmarsdorff, Nicol., Archidia-
con 72 f.
Eschdorf 36.
Esterhazy, Fürst P. , österr. Ge-
sandter 240.
Eugen (Beauharnais), Vicekönig
s. Italien.
Falkenberg, Schloss (Westf.) 109.
Ferrara, s. Rovarella.
Flemming, Feldmarscliall 134 ff.
Franko, Johannes, Stadtschreiber
in Chemnitz 294. 297.
Frankreich 29. 130 ff. 142. s. Lud-
wig, Napoleon.
Franz IL, Kaiser von Oesterreich
246.
Frauenhäuser 68 ff.
Frauenstein 13. 16. 18.
Freiberg 7 ff. .36. 38. 204. 239.
— Gymnasiuni 253. 255 ff.
Freiberger, Johann, Rathmann zu
Chemnitz .305.
— Nicol., Rathmann zu Chemnitz
305 f.
— Steffan 309.
Friedrich IIL, Kaiser 6 ff. 98. 104.
220. 223.
— d. J., Landgraf von Thüringen
198.
— d. Strenge, Mkgr. v. Meissen
293.
— d. Streitb., Kurf. von Sachsen
198. 203 f. 208. 299.
— IL, Kurfürst von Sachsen 98.
102 ff. 122.
— IV., König v. Dänemark 139 ff.
— Pfalzgraf 19. 30 f. 34.
— II., Kurfürst von Brandenburg
1 ff. 23 ff". 102. 220.
— Sohn des vorigen 44.
— Erzbischof von Magdeburg 98.
— Bischof von Merseburg 296.
Friedrich August L, Kurf. von
Sachsen 1.30 ff. 317 ff.
IL, Kurf V. Sachsen 159 ff'.
167 ff. 322 ff.
III., Kurf., dann (I.) König
von Sachsen 237 ff. 324 ff.
Friedrich Christian, Kurprinz von
Sachsen 167.
Friedrich Wilhelm I., König von
Preussen 147 f.
IIL, König von Preussen
242 f. 248.
V. Friesen, Familie 129 ff.
— Heinrich, Geheimrathsdirektor
130.
— Heinr. August, Graf 166. 175 ff.
— Heinrich Friedr., Graf 129 ff".
— Auguste Constantie, des vor.
Gemahlin (geb. Cossell) 163 ff.
— Joh. Friedr. Ernst, auf Rötha
179.
— Julius Heinrich, Graf 130 f.
— J. G, F., Oberkammerherr 237 ff.
Friczko, Heinr., Bürgermeister u.
Rathmann zu Chemnitz .304 —
306.
Fritzsche, Chrn., Lehrer zu Frei-
berg 256 ff.
Frowinus 297.
Fuenclara, Graf, span. Gesandter
170.
Fürstenberg, A. E., P'ürst, Statt-
halter 134. 319.
Register.
351
Gadebusch 1?.5.
üarnistorf, Nicol., llathmaiin zu
Chemnitz SOG.
Geier 38.
Georg, Herzog von Sachsen 283 f.
— s. Podiebrad.
— Propst zu Pressburg 23.
Georgswalde bei Piumburg (Böhm.)
21G.
V. Gersdorfl", General 249. .326. 329.
— Haus 57.
^ Heinrich auf Bischdorf 60.
— Jan auf Radmeritz 59.
— Otto auf Radmeritz 59.
Geschossregister 274 ft'.
Geseke so. von Lippstadt 121.
Geusing, Jeuiko 285.
de St. Giles, Marquis 165.
Glauchau 292 f.
Gleichen bei Göttingen 108.
V. Gleichen, Graf Ernst 98. 122.
— Graf Ludwig 102. 122.
V. Globig, H. E., Conferenzminister
237. 2.39.
V. Glogau, Jakob, s. Jacobus.
Görlitz 3. 57 if. 202. 211. 218 f.
221. 227. s. Ehrenberg, Eczel,
Sleife.
Göttingen 107 f.
V. d. Goltz, Frhr., Feldmarschall
81 ff. 314.
Gomraern, Herrschaft 242.
Gorbitz bei Dresden 240.
Gosdorf bei Hohnstein 200.
Grabe bei Mühlhausen 105.
Grabaczsch, Nicol., de Czwickaw
303.
Gran: Strigonium s. Borch.
Grafenstein bei Zittau 211 ff.
Graupa bei Dresden 131. 179.
Graupen in Böhmen 8. 18.
Gregoriusfest 252.
Greifswalde 149.
V. Grisslau, Hans 203.
Grodno 158. 160.
Grohmann, Jobst 235.
V. Groitsch, Heinrich 194. 216.
— \Yiprecht 216.
Grossgörschen,Schlacht, s. Lützen.
Grosshcnnersdorf bei Zittau 226.
Grossschönau bei Zittau 226.
Grüngräbchen b. Köuigsbrück 179.
Grünhain 38. Abt Johann 41.
V. Guben, Johann 51.
Guhrau 61.
V. Guttenstein, Nid., auf Breiten-.
stein 100.
Habirberger, Michel 303.
V. Hag, Franz 228.
Hainichen 251.
Hainspach bei Schluckenau 216.
Hallart, Baron 1.36.
Hamel, s. Chemnitz.
Han, Paul, zu Chemnitz 294. 310.
Harras, Ritter 122.
Hartmann, Paulus 33.
Haseloff bei Beizig 251.
Hase von Hasenburg 126.
— Wilhelm 217.
V. Haugiswald, .\rnold, auf Stürza
197^
Hauschild, Job., Altarist in Chem-
nitz 300.
Haxthausen 133 ff. 161. 176.
V. Heimburg, Gresor 28. 32. 35.
48.
Heinrich, Hzg. von Braunschweig-
Grubenhagen 107.
— Hzg. von Jauer 58.
— Hzg. v. Münsterberg 32. 48. 228.
— Abt s. Chemnitz.
Heinwald, Sigm., von Königswaide
226.
Helfericus, Altarist zu Chemnitz
301— .303.
Heller, Claus 65.
— Vincenz, auf Sercha, Bürger
zu Görlitz 65.
Helmer t, ^Yolfgang, Kantor zu
Mittweida 251.
Helwici, Andr., Altarist in Chem-
nitz 297.
Hennersdorf bei Sebnitz 200.
v. Hennicke, Graf, Minister 166.
Herford 109 f.
Hermann, Casp., Stadtrichter zu
Mittweida 252.
V. Hermsdorf, Christ. 214. 225 IV.
— Hans 235.
Hertigswalde bei Sebnitz 200.
Hessen 2. 20. 23. s. Ludwig.
Heyczer, Peter, de Ernfredisdorf
303.
Hilarius, Abt s. Cliemnitz.
Hildebrandus, Friedr., Mag. 266 f.
Hildesheini s. Magnus.
Hilgersdorf bei Schluckenau 230.
Hillebrand, Jakob, Rathmann und
Schöffe zu Chemnitz 304—306.
Register.
Hinko, Sohn Georg Pocliebrads 48.
Hinterhennsdorf 200.
llirschfekle bei Zittau 2.S3. 2?,5.
V. Hockenborn auf Priebus 196.
Hörnitz bei Zittau 226.
Hofmann, Nickel., Rathraann zu
Chemnitz 304— .SOfi.
Hohnstein 33. 19.S ft'.
— Graf Ernst von 24.
Holan (Herrsch. Tollenstein) 217.
Holland I.SO ft".
Holst, dän. Minister 140. 145.
Holstein 135.
V. Hopfgarten, G. W., Cabinets-
minister 239.
Horka 62 f.
Hörn (Lippe Detmold) 109.
Hotret, Petir, Rathmanu zu Chem-
nitz 304.
V. Hoya, Johann, Graf 109. 113 f.
Hoyerswerda 3 f. 22G f.
Hoym, Adolf Magnus, Cabinets-
minister 132.
Hradisch 32.
Hussiten 195. 201 f. 219. 277.
Huter. Nicol., Altarist zu Chem-
nitz 300 f. 303.
V. Hburg, Wilhelm 100. 115.
Immediatkommission 237 ff.
Italien s. Eugen.
Jacobus (v. Glogau), Minorit 5. 45.
V. Janowitz, Dietrich 100. 115.
Jauer, Fürstenthum 33.
Jena 24.
Jessen bei Pirna 131. 179.
Jockrim bei Stolpen 198. 207.
Johann, König von Böhmen 59.
— V. Görlitz 57. 61 ff. 196. 218.
— Herzog von Cleve 103. 112 f.
— Markgraf von Brandenburg 3.
— Erzbischof von Magdeburg 19.
— IV., Bischof v. Meissen 205 ff.
— s. Chemnitz, Grünhain.
Johann Adolf, Hzg. v. Sachsen-
Weissenfels, Feldmarschl. 167.
Johann Georg II,, Kurf. v. Sachsen
130. 314.
III , Kurf. v. Sachsen 77 ff.
258. 313 ff.
IV., Kurf. V. Sachsen 130.
313 ff.
Johannes, Pfarrer z. Schluckenau
217.
Jüst, Markgraf von Mähren 196.
198.
Juden in der Oberlausitz 50 ff.
Judicis, Paulus, Altarist in Chem-
nitz 301. 303.
Jüterbogk 35.
Juncker, Philipp 18.
V. Just, Sachs. Gesandter in Paris
247.
Kaiserswalde bei Schluckenau 214.
Kaienberg, Schlacht am 77 ff.
Kamenz 57. 235.
Kamnitz in Böhmen 200.
Kannenberger, Hans, kurf. Amt-
mann auf Hohenstein u. "Wil-
denstein 220.
Karl IV., Kaiser 60. 194.
— XII., Kg. V. Schweden 136 ff.
145. ff
— III., König von Spanien 170.
— Herzog von Burgund 34.
Karl Christian, Sohn Kurf. Friedr.
August II 167.
Karlewicz, Hanns 285.
Kasimir, König v. Polen 1. 43 ff.
Katharina, Tochter des Herzogs
Wilhelm 48.
Kauern bei Ronneburg 130.
V. Kaunitz, Ulrich 100.
Kavallerie, kursächsische 312.
Kdulinec, Peter, v. Ostromer 103.
Kiessdorf (Oberlausitz) 59.
Kilian, Dechant zu Altenburg 73.
V. Kintsch, Onophrius, auf Bnrkau
235.
V. Kittlitz, Otto 02.
Kleinschönau bei Zittau 228.
V. Klinstein, Zawisch lüO.
Knapsdorf bei Moritzburg 36.
Knobelauch, Heinrich, auf Warns-
dorf und Schönau 214.
— Jancko 208. 214.
— Nickel 214.
— Siegmund 214.
Knobloch, Dam 210.
V. Kochberg, Hermann 16.
V. Köckeritz 4.
Köln, Erzbischof 19. s. Dietrich.
— Domcapitel 121.
Königstein 165. 198. 207.
Königsbrück 165. 170. 175. 179.
Körneu bei Mülilhausen 105.
Kogeler s. Chemnitz.
Kolbing, Sigmund 7.
Eegister.
353
V. Kolowrat, Albrecht Bezdruzicky,
auf Weseritz 100. 115.
— Anna, s Berka von der Dnba.
— Benes, Landvogt der Oberlau-
sitz 225.
— Hans 126.
— Heinrich, auf Liebenstein 99 f.
109 f. 115. 121.
— Nicolaus 209.
— Dompropst zu Prag 21.
Kommotau 42.
Kopperlinjr, Paul 306.
Kosel hei Königsbrück 179.
Kost in Böhmen 228,
V. Kostelzen, Johann 100.
KoufFung, Concze .310.
— Hincze 310.
Kreibitz in Böhmen 200. 215.
Kreuziger 7 ff.
Krumau 124.
Krummhennersdorf b. Stolpen 200.
Krywicz, Hennel und Meiner 310-
Kuhstall 200.
Kune, Hans, Kathmanu in Chem-
nitz 304.
Kunnersdorf (Spitz-) bei Zittau
234.
— bei Schluckenau 218.
V. Kunwald, Pesik HO.
Kurpfalz 132. s. Ludwig.
Kuttenberg 110.
Ladislaus, König 220.
Lagnasco, Graf, General 161. 167.
Landau 131 f.
Landshut 20 f. 23. 47.
V. Landstein, Agnes 18.
Landus, Hieron., Erzbisch, päpstl.
Legat 221 ff.
Langburkersdorf b. Stolpen.
Langeheinze 209.
V. Langenau, sächs. General 248 f
Lauban 56 f.
Laszieczewski 155 ff.
V. La^-ant s. Rudolf.
Lehmann, Superintendent in Dres-
den 256.
Leipa, Stadt und Herrschaft 195.
212. 224.
— Herren von 195.
Leipzig 5. 12. 17. 19. .36. 40 f.
V. Leisnig, Albrecht Burggraf 293.
— Georg Burggraf 20. 36.
Leitmeritz 197.
Lemgo 109.
Neues Archiv f. S. G. u. A. II. 4.
Leopold I., Kaiser 131. 1.39. 14.3.
Leubing, Heinrich, Dechant zu
Meissen 6. 44. 46.
V. Leubnitz, Wolfg. Adolph, Hof-
rath 163.
Lichtenburg 249.
Lichtenhain bei Schandau 200.
Liebe, Tobias, Lehrer zu Frei-
berg 256. 258.
Liegnitz 59. 66. s. Wenzel.
Lilienstein 194. 198.
Lindaw (Lindenaw), Casp., Rath-
mann u. Bürffermstr. 306. 309.
Lippstadt 110 ff.
Lobeudau bei Schluckenau 210.
216. 230.
V. Lobkowitz, Jan 11.
Löbau 57. 196. 202. 211. 218 f.
! Löser, Familie 239.
Lössnitz 14. 307.
Löwenberg in Schlesien 54. 64.
Lohmen 194.
Lothringen 83 f.
Louis, Prinz von Baden 83.
Lublin 155 f.
Luckau 4.
Ludwig XV., Kg. V.Frankreich 1 78.
— V. d. Pfalz 104.
— Hz. V. Bayern 20. 25 f. 30 f. 47.
— Landgraf v. Hessen 89. 102.
Ludwigsdorf bei Langenwolmsdorf
(Wüstung) 197. 209.
Lübben 147.
Lützen, Schlacht bei 243. 248.
Lugel, Hermann 16.
Luterhach, Gregor, Altarist in
Chemnitz 3 1. 303.
Lutharst (?) bei Einbeck 109.
V. Luttitz (Lottitz) 229.
— Albrecht 214.
~ Christoffel 214.
— Heinrich 214.
— Johann 210. 214. 219. 226. 234.
— Nickel 234.
— Thamme 214.
Maastricht 131. 177.
Mähren 3. s. Jost.
Magdeburg- 30.3. s. Friedr., Johann.
Magnus, Bischof v. Hildesheim 108.
Mainz, Erzbischof von 19. 101 f.
Malczmeistcr, Johann, Altarist in
Chemnitz 301. 303.
— Mathias, zu Chemnitz 296.
Mansfeld,Grafsch.242. Grafen 122.
23
354
Register.
Manstorfer, Hans, v.- Graupen 209.
V. Mauteuffel, G. A. E., geh. Fi-
nanzrath 239. 244.
— Minister 158 ff.
Marburger, Oberhofprediger 163.
Marckirstorff, Joh., ßathmann zu
Chemnitz 304 - 306.
— Katharina, s. Gemahlin 304.
Margarethe, Kurf. v. Sachsen 73.
Marie Amalie, Tochter König
August Iir. 170.
Marie Amalie Auguste, Gem. Kg.
Friedrich August I. 23rt.
Marien Stern, Kloster 59.
Marienthal, Kloster 202.
Mark, Grafschaft 120.
Marsch alk v.Vroburg, Hannus 295.
— Heinrich 297.
Martini, Bernhardt, Lehrer zu
Mittweida 251.
Matthias, Kg. v. Ungarn 3 f. 19.
23. 25 ff. 227. 229. 233 f.
Mayr, Dr. Martin 30. 33. 47.
Meinersdorf b. Chemnitz 294. 299.
Meissen 193. 240. u. ö.
— Gerichtv.d.rothenThurme 235.
— Ftirstenschule 256.
— s. Dietrich, Friedrich, Johann,
Rudolph, Wilhelm.
Meissner, Paul, v. Freiberg 18.
Meilerstadt, Heinrich 33.
Mellinger 123.
Melzer, Bürgermeister zu Chem-
nitz 300.
Menschikoff 132 f.
V. Mergental, Haus, Landrent-
meister 46.
Merseburg 102. 296 f. s. Bodo,
Friedrich, Petrus.
Metternich, Graf 247.
Metz -20.
Metzsch, Konrad 33. .39.
Mewa, die Starostin von 161.
Michael, Abt zum heil. Kreuz bei
Sendomir 46.
V. Michelsberg, Johann 199.
Mihla n. von Eisenach 121.
Miklisch, Hauptmann zum Tollen-
stein 219. "
V. Milckau, Generallieut. 147.153.
Miloradowitsch, russ. General 242.
V. Mittelbach, Peter 296.
Mitteklorf bei Schandau 200.
Mittweida 251 ff. 296.
Mockritz 287.
Moller, Nicolaus, Rathmann zu
Chemnitz 306.
V. Montfort, Graf Hugo 23.
Monhaupt, Nickel, Hauptmann in
Freiberg 9 ft".
Montmorency, Graf Alex. Jos. 160.
Montpellier 175.
Morea 258.
Moritz, Kurfürst v. Sachsen 278.
— Graf von Sachsen, Marschall
160. 177 f.
Mückenberg bei Ortrand 36.
Müglitz 287.
Mühlberg, Herrschaft 196. 208 f.
Mühlhausen 102. 105. 107. 122. 126.
Mühlstein b. Böhm. -Zwickau 205.
212. 224.
München 20. .30.
Münster 109.
Napoleon 237 ff.
Naumburg 23 ff. 36. 73. 101 ff. 303.
v. Neuhaus, Familie 212.
— Meinhard 212.
Neustadt a. Orla 116.
Neustadt b. Stolpen 200. 214 f.
Ney, Marschall 246.
Niederfrankenhain nö. von Geit-
hain 297.
Niederlausitz 34. 196. 226 ff.
Nisani, Gau 193 f. 216. 229.
Nixdorf b. Schluckenau 214. 2.30.
Novemiasto 155.
Nürnberg 12. 25 f. 31. 125.
Oberlausitz (Sechsstädte) 34. 36.
50 ff'. 195 ff", s. Kolowrat, Stern-
berg.
Oberliebich bei Leipa 195.
Obersedlitz 166.
Oberseifersdorf bei Zittau 226.
Ockrilla (Hoenkruls?) 36.
V. Odeleben, französ. Major 244.
Oderwitz bei Zittau 234.
V. d. Oelsnitz, die, auf Rathen 199.
— Fried., Vogt z. Königstein 203ff.
— Hans 33.
Oesterreich 3. 31. 240. 247 f. s.
P'ranz.
Oldendorf 109.
Olmütz 28. 227.
Opatow 156.
Opitius, Henricus 256.
Ortwin, Ortwein, Franz 293.
— Johannes 293.
Register.
355
Ortwin, Nicolaus 294. 298 f.
— Mathias 296.
— Merten (zu Fieiberg) 7. 18.
Ortwiiiin, die 296.
Oschatz 169.
Osnabrück 109 f.
Ossegg 13.
Ostrau b. Schandau 200.
Ostritz 201.
Ostrcwog, Stanislaw, Woiwode zu
Kaiisch 44.
Otteiidorf a. d. Heide b. Radeberg
36.
Ottendorf (Hiuter-) b. Schandau
200. 218.
Otto, Herzog von Bayern 35.
— der Lange, Markgraf von
Brandenburg 56.
Oybin, Cölestinerkl. 55.
Paderborn 108., 110.
V. Pakomefic, Cecek 103.
Paul n., Papst 6. 10. 19. 32 ft'. 44 ff.
Peene münde. Fort 149.
Persk (?), der 215.
Peter d. Gr., Kaiser v. Russland
133. Uö. 137 ff.
Petrus, Dompropst z. Merseburg
297.
Petschkau i. Böhmen 99. 101. 125.
Pfalz, Pfalzgraf 26. s. Friedrich,
Ludwig.
Pfotenhauer, Paul 291.
Pieschen b. Dresden 243. 245.
Pillnitz 164.
Pilsen 11.
Pirna 36. 38. 198. 201. 203. 207.
Pisa, Konzil 199.
Pius n., Papst 220. 223.
Plauen 239 f. 247.
V. Plauen, der 122.
Pleissa bei Chemnitz 311.
Plessen, Graf, dän. Minister 140.
Possei, Hensil, v. Schweidnitz 296.
Pociey, Graf, Grosskroufeldherr
von Litthauen 160.
— Emerentia, s. Gemahlin 160.
Poczin(?),der, b. Schluckenau 215.
Podiebrad, Georg, Kg. v. Böhmen
1 ff". 101. 103. 126 ff. 212 f.
219 ff. 225 f. 229. 234.
Pösneck 116.
Polen 1 ff. 28 f. 43 ff 136 ff. 141.
144. 153 ff. s. Kasimir, Sobiesky
Sophia, Wladislaw.
Polenz, Rittergut 200.
v. Polenz, Wenzel, auf Schirgis-
waLle 36. 229. 234.
Polenzfluss 194.
Polkner, Joh., Bürgermeister zu
Kamenz 235.
Pommern 135. 147 ff.
Ponikau, Niklas v. 202.
V. Posern, Obrist 325,
Prag 18. 28. 39. 41. 46 f. 62 f.
110. 125 f. 197. 216. 220 ff.
229. 239. 240. 245. 247 ff. s.
Kolovrrat.
Pratzschwitz bei Pirna 179.
Pressburg s. Georg.
Prenssen 137 f. 142 ff. 2.38. 241 ff'.
246. 249 f. s. a. Friedr. Wilh.
Priebus 196.
Pruth, Schlacht am 133.
Pürgles b. Buchau i. Böhm. 126.
Pultawa, Schlacht bei 133.
V. Pygaw, Hannus, Rathmaun zu
Chemnitz 296.
— Niclaus, desgl. 296.
Przebendowski, poln. Grosschatz-
meister 137. 146.
Querfurt 122. 242.
Quohren bei Dresden 287.
Rabeuer, Justus Gottfr., Rektor zu
Freiberg 255 f.
V. Rabenstein, die 13.
Radeberg 220.
Rathen 33. 194. 198 f. 205 f. 209.
Rathmannsdorf bei Schandau 200.
209.
Ravensburg, Grafschaft 121.
Rawa, Waffenstillstand von 154 f.
Ranis 116.
Raudnitz 64.
V. Rechenberg, Ernst, auf Oppach
235,
— Ulrich, Amtmann auf Tolleu-
stein 2.30. 233 f.
V. Redern, Balthasar 36.
— Heinrich 201.
— Graf 179.
Regensburg 23. 25 f. 30. 240. 247,
Reichenberg 228.
Reichenbach 57.
Reichstadt (böhm.) 224.
Renker, Heinr., aus Löwenberg
i. Schi. 201.
V. Remse, Heincz 306,
23*
356
Register.
ßenss, Graf Heinrich , Feldzeug-
meister 133.
— s. Gemahlin 133 f.
— Heinrich IL, s. Sohn 134.
Eeventlow, Graf 140.
Reynier, Graf, französ. General
24f>, 246.
ßiesenberg 8. 13.
Rocourt, Schlacht bei 177.
Röhrsdorl bei Königsbrück (Nie-
derrufligsdorf?) 36.
Rötha bei Leipzig 130.
Rohnau b. Zittau 196 f. 233. 23.5.
Roll, Burg (Böhmen) 212. 217. 225.
V. Rosenburg, Familie 212.
— Ulrich 124. li'6.
Rom 1. 4. 32. 36. 45 ff. s. Paul,
Pius, Sixtus.
Romer, Paul 3(»1. 303.
V. Rommel, Oberstlieutenaut 314.
V. Ronow, Anshelm, Landvost von
Görlitz 62. 65. 196 f.
— Wilhelm 200.
Rotolfus, Johannes 301.
Rovarella, Laurentius, Bischof v.
Ferrara 6. 11 f. 19. 22 f. 25.
37 f. 40 f. 44 ff. 48.
Rudolf, Bischof v. Meissen 199.
2('l. 303.
— Bisch. V. Lavant, dann v. Bres-
lau, päpstl. Legat. 1. 5 ff. 19.
21. 33. 36 ff. 45. 225 ff.
de Rudnitz, Lui^poldus s. Chem-
nitz (Kloster).
Rudol Stadt 24.
Rügen 148. 150.
Rugis-walde bei Stolpeu 200.
Rumburg in Böhmen 195. 201.
216 ff. 235
Russland 132 f. 135. 138. 238. 241 ff.
249 f. s. a. Alexander, Peter.
Rutowska, Marie Amora 178.
Rutowski, Graf, Feldmarsch. 108.
Rytwiaski, Derslaw, Woiwode v.
Sendomir 43.
V. Rzisatie, Wotyk, Hauptm. im
Pilseuer Kreise 35.
Sachsen s. Albrecht, Auguste,
Christina, Eliss) beth, Friedrich,
Friedrich August, Georg, Joh.
Adolf, Joh. Georg, Katharina,
Margaretha, Marie Amalie,
Marie Amalie Auguste, Moritz,
Sigmund, Wilhelm, Xaver.
Sädlo, Joh., V. Smilkuu 100. 115.
Saida 38.
Salzburg, Erzbischof v. 19.
Salzuffeln 109.
Sandau in Böhmen 200.
Saupsdorf bei Sebnitz 200. 209.
Schaff, Peschel, auf Horka 62.
Schandau 200. 209, 215.
Scharfenstein 38. 199. 204. 209.
V. Schaumburg, der 122.
V. Schellendorf, Johanna Marg.
Freifrau 165.
Schirgiswalde 201. 216. 228 f.^.2.34.
Schlackenwerda 11.
bchlegel bei Ostritz 202.
V. Schleinitz (Slinicz), Jhan, zu
Schleinitz 306.
— Anna, s. Gem. 306.
— Heim ich 235. •
— Hugold, Obermarschall 9. 30.
235.
Schleiz 3. 15. 24. 35.
Schlesien 227 ff'.
V. Schlottenbach, Obrist 151.
Schluckenau, Stadt u. Herrschaft
193. 195. 201 f. 214. 216 f. 223 f.
229. 233 ff. s. a. Johannes.
Schlusser, Cuucz, Rathmann zu
Chemnitz 304 f.
Schönau bei Schluckenau 216. 233.
— bei Bernstadt 59.
V. Schönberg Caspar 20.
— Friedrich, Marschall 41.
— Heinrich, Amtm. zu Schellen-
berg 311.
— Lucas 17.
— Nicolaus 7.
V. Schön berg, die Herren 4.
— Dietrich 310.
— Friedrich 11. 307. 310.
auf Hoyerswerda 226.
— Veit 3"6. 310.
Schönburgisches Gesammtarchiv
292.
Schönfeld bei Dresden 131. 179.
Schöning, Feldmarschall 1.30 f. 134.
Schönlinde bei Rumburg 216 ff.
Schölten, dän. Feldmarschall 148.
150.
Schonaw, Walther, z. Chemnitz 296.
Schulz, Ulrich, zu Chemnitz 294.
310.
Schulenburg, Graf, Rittmstr. 249.
Schultheis, Schultheize, Schultis.
Hanaus 303.
Register.
357
Schultheis, Niclaus 296. 305.
— Peter, zu Mittweida, Altarist
u. Schulmstr. in Chemnitz 305.
Schulwesen 251 ff.
Schurzauf, Georg, Domherr zu
Altenburg 73.
V. Schwamberg, Hyuek Kruschina,
auf Bor 100. 124.
V. Schwarzbure-, Graf Heinrich 24.
Schweden l.^.s". 137. 139. 142 tf.
s. a. Karl XII.
Schwedt, Vertrag von 137.
Schweidnitz 33. 03. s. a. Agnes.
Schwenkenstein 295. 300.
— Frenczel, zu Chemnitz 296 f.
— Paulus 301.
Sebnitz 200. 215. 220.
V. Seckendorf, Generallieut. 147 ft".
Seifersdorf bei Marienthal 202.
Seifhennersdorf bei Rumburg 200.
218. 2.35.
Sehestedt, dän. Minister 140. 145 f.
Sendomir 154 ff.
Senfteuberg 4.
Senfft V. Pilsach, Graf Ch. F. L.,
Cabinetsminister 2.S9. 249.
V. Serra, französ. Gesandter 240.
Seydel, Xickel, Bürgermeister zu
Dresden 285.
Seydo, Johann, Priester 232.
V. Seyn, Graf 120.
Siegmund, Herzog v. Sachsen 204.
— Herzog v Bayern 20.
— Kaiser 54 f. 66 f.
Siptenhain, Hans, Rathmann und
Schöffe zu Chemnitz 304— 3u6.
Sixtus VI., Papst 72. 231.
Skal, Schloss, in Böhmen 228.
Sleife, Jacob, Bürgermeister zu
Görlitz 62.
Smedichin, Caspar, Rathmann zu
Chemnitz 304 f.
Smeisser, Hans, Bürgermeister zu
Dresden 286.
V. Smierizky auf Habichtstein 233.
Sobiesky, Job., Köuis v. Polen 78 tY.
Soest 97. 103 f. 108. 110. 112 ff.
Sophia, poln. Prinzessin 44.
V. Sor, Ticze, auf Sohra bei Gör-
litz 62.
Spalin, Joachim Ernst, Kantor zu
Freiberg 256.
Spanien s. Karl III.
Speier 21.
Speierbach, Schlacht am 132.
Sperling 256 f.
Spremberger W^ald bei Schlucke-
nau 214.
Springer, Caspar, Rathmann und
Schöffe zu Chemnitz 304—306.
Stadtarchive 290 ff.
Stange, Hans, Rathmann zu Chem-
nitz 306.
— Nickel, desgl., 304 f.
Steiermark 31.
V. Stein, Familie 204.
vom Stein, Georg S4 f.
V. Steinberg, Johann Calta, auf
Raben stein lOo. 115. 127.
Steinborn bei Königsbrück 179.
Steinpach, Nickel, zu Meiners-
dorf 311.
V. Sternberg, Alscho Holicky 99.
126 f.
— Jaroslav, Landvogt der Ober-
lausitz 3. 36. 225. 227 f.
— Peter 99. 101. 106. 125 f.
— Zdenko Holicky 103. 225. 230.
Stettin 147 f.
Stoben er, Caspar 309.
— Hans, Rathmann und Schöffe
zu Chemnitz 305 f. .309.
Stolle, Nicl., zu Mittweida 296.
Stolpen 163. 207 f.
Stralsund 135 ff.
Straussfurt a. Unstrut 105.
Strehla a. Elbe 196.
Stresow 150.
Strenczil, Hans, Rathmann zu
Chemnitz 305.
Strol, Lorenz 18.
Sürssen bei Dresden 287.
Sulkowski, Graf Ale.'c Jos , General
und Minister 168 f.
Sweinfort, Barthel 309.
Swertfeger, Paul, Rathmann und
Vogt zu Chemnitz 301— .306.
Swiene, die 149.
Swienemünde, Fort 149.
Swoffheim, Dr. Job., Official des
Bischofs v. Meissen 208.
v. Sybilski, Obristlieutenant 169.
Sybottenhain, Math. 303.
Sydel, Job. .303.
Szembeck, poln. Grosskanzler 137.
Tallard, Marschall 132.
Tamme, Petir uffin 303.
Tetschen 205. 212. 216. 225. 233.
Theater (Schulkomödieu) 258,
358
Register.
Tbeodericus s. Chemnitz.
V. Thielmann, General 239. 241 f.
246. 248 f.
Thüringen 2. s. Friedrich.
Thumirnicht JiOl.
Thorner Friede (1466) 46 f.
Thorschmidt, Zach, Konrektor zu
Mittweida 251.
V. Thowaczaw, Jan 35.
Tile, Nico!,, Rathmann zu Chem-
nitz ,306.
Tirpan,'Hans, Rathmann zu Chem-
nitz 306.
Tolkewitz bei Dresden 287.
Tollenstein, Schloss u. Herrschaft
193. 195. 200 ff. 208 ff.
Torgau 208. 239. 241. 246. 248 f.
Torhüter, Nicol., Rathmann und
Schöffe zu Chemnitz 306.
Tschocha, Rittergut, im Queiss-
kreise 201.
Türmitz bei Aussig 209.
Türken 31. 3.^. 4:^. 79 ff. 136.
Trapschuch s. Chemnitz.
Trier, Erzbischof 20.
Triptis 116.
Truchsess, Heinrich 6.
üebigau bei Dresden 245.
Ungarn s. Matthias.
Usedom, Insel 147 ff'.
Valentin, Kaufmann zu Prag 18.
de Valle, Fantinus, päpstl. Legat
220.
Vargula a. ünstrut 123.
Yictorin, Sohn Georgs v. Podie-
brad 3.
Villach 43.
Vippach 123.
Vitzthum, Graf Friedrich 165.
— Familie 98. 127.
— Apel 98 ff. 106. 109. 123. 126.
— Busse, Landvogt zu Meissen 203.
Vogt s. Chemnitz (Kloster).
Vogtland 2.
Vues, Matth. in Chemnitz 303.
Wackerbarth, General Graf (135).
147. 150 ff. 157. 166 f.
Wagner, Georg 18.
Walack, Joh., Notarius 300.
Waldeck, Fürst 78. 82 f.
Waidenburg 293.
V. Waldeuburg, die Herren 22.
V. Waidenburg, Auark 42.
— Hans d. ä. 293.
— Haus d j. 29.3.
— Heinrich 295.
Warschau 137. 159.
Warn sdorf bei Ruraburg200. 210 ff.
Wartenberg, Herrschaft 212. 217.
225.
V. Wartenberg (auf Tetschen),
Familie 226 ft'.
— Christoph auf Dewin u. Tollen-
stein 35. 225 ff".
— Jahn auf Tetschen und Dewin
55. 198 ff.
— Jahn auf Tetschen 221 ff.
— Jahn a. Blankenstein 205 ff. 2 1 2.
— Johann Burggraf v. Prag 217.
— Peter (Sohn des Wauco) 217.
— Siegmund auf Tetschen 203 ff.
— Siegmund auf Tetschen, Land-
vogt der Oberlausitz 35. 225.
— Wanco (Wenzel), Obermund-
schenk V. Böhmen 217.
— Wenzel, s. Sohn 217.
— Wilhelm, s. Sohn 217.
V. Wartensleben, preuss. Geueral-
feldmarschall 148.
Wayner, Conradus 301.
— Nickel, Rathmann zu Chem-
nitz 304 f.
Weczil sutor 301.
Wehlen 194. 198.
Weida 101. 116.
Weimar 16. 102. 105. 123.
Weise, Wundarzt 175.
— Christian 256 f.
Weissbach, die 219.
V. Weissenbach, Hermann 47.
Weissenbach, Johann, Dr. 35.
Weissenfeis 101 f.
Weissensee 105.
V. d. Weitmühl, Benesch, Burggraf
zu Karlstein 39. 42. 46.
Wenzel, Herzog von Liegnitz 60.
— König 53 f. 61 f. 196 ff. 208.
218.
Wercho, Simon, Bürgermeister zu
Dresden 284 f.
Werthern, Graf, Minister 137.
Westfalen, Königreich 103 ff. 242.
Wibe, dänischer Minister 140.
Widrer, Dithr., zu Mittweida 290.
Wien 31. 35. 77 ff 97. 131. 247.
AVildenstein, Schloss u. Herrschaft
193. 199 ff'.
Resrister.
359
de Wilclenstein, Hermannus 201.
— Otto 200.
Wilhelm, Prinz v. Oranien (dann
König von England) 130.
— IL, Markgraf v. Meissen 198.
— III., Herzog von Sachsen 2 ff.
7.3. 97 ff. 205 ff. 220,
— Hzg. V. Braunschweig-Grnben-
hagen 104. 107 f. 113 f.
Wilimow 26. 28.
V. Wilke, General 147.
Willsdrnff 244.
v.Winzingerode,russ. General 242.
Wishennel s. Albi.
Wisse, Heinr., Rathm. zu Erfurt
123.
Wisniowiecki, Prinz 159.
de AVitchendorf, Job., Altarist zu
Chemnitz 301. .303.
Wittenberg 241. 258.
Wittgenstein, Fürst, russ. General
242.
Wladislaus, Könisr von Böhmen
229 ff.
— polnischer Prinz 28. 44.
Wolfframsdorff 134.
Wolkenstein 38. 42.
Wollin, Insel 148 f.
Wolmsdorf 214.
Württemberg 20.
— Prinz von, Generalmajor 147 ff.
Würzburg, Frauenhaus 69.
— Bischof von 22. 30.
Wunsiedel 127.
Xaver, Prinz 167 f.
Ybener, Petrus, Altarist zu Chem-
nitz 301. 803.
Zeidler bei Schluckenau 214. 230.
Zeidlerbach 219.
Zentha, Schlacht bei 133.
V. Zezschwitz, Geh. Finanzrath239.
Zieleticky, Johann 100.
Zipser, Schuster zu Freiberg 18.
Zittau 5. 33. 53 ff. 66. 196. 201.
212. 21f5. 219. 225 ff. 233 ff.
Zscheila b. Meissen s. Ebersdorf.
Zschizschewig bei Dresden 287.
V. Zühlen, Generalmajor 147.
Zwickau 46. 195.
— Nickel V., Rathmann z. Chem-
nitz 304 f.
Berichtigung.
Heft 3 Seite 270 letzte Zeile ist Bd. II statt Bd. I zu lesen.
Druck: Offizin der Vprlagshandlung.
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i 3125 00701 25A1
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