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Full text of "Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde"

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Neues  Archiv 


für 


Sächsische  Geschichte 


un( 


Alterthumskunde. 


Herausgegeben 


von 


Dr.  Hubert  Ermisch, 

K.  Archivrath. 


Zweiter  Band. 


Dresden  1881. 

Wilhelm  Baenscli  Verlagsliandlung. 


THtGElTYCENicH 
LIBRARY 


Inhalt. 


Seite 

I.  Studien  zur  Geschichte  der  sächsisch-böhmischen  Bezieh- 
ungen in  den  Jahren  1468  bis  1471.     Vom  Herausgeber  .       1 

II.  Zur  Geschichte  der  Juden  in  der  Oberlausitz  während  des 
Mittelalters.    Von  Prof.  Dr.  Hermann  Knothe  in  Dresden.     50 

in.  Zur  Geschichte  des  Frauenhauses  in  Altenburg.  Von 
Ministerial-Assessor  M.  J.  Meissner  in  Altenburg     ...    68 

IV.  Ein  fliegendes  Blatt  über  den  Antheil  der  sächsischen  Armee 
an  der  Schlacht  am  Kaienberge  bei  dem  Entsätze  von 
Wien  im  Jahre  168.3.  Mitgetheilt  von  Archiv- Sekretär 
Dr.  E.  Joachim  in  Idstein 77 

Literatur 85 

V.  Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  und  sein  böhmisches  Söldner- 
heer auf  dem  Zuge  vor  Soest.  Von  Professor  Dr.  Adolph 
Bachmann  in  Prag 97 

VI.  Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen,  königlich  polnischer 
und  kurfürstlich  sächsischer  Geheimer  Kabiiietsminister 
und  General  der  Infanterie.  Von  Generalmajor  z.  D. 
0.  von  Sclümpff  zu  Dresden 130 

Literatur 180 

VII.  Die  Berka  von  der  Duba  auf  Hohnstein,  Wildenstein, 
Tollenstein  und  ihre  Beziehungen  zu  den  meissnischen 
Fürsten.    Von  Professor  Dr.  Hermann  Knothe  in  Dresden.  19.3 

VIII.   Napoleon  in  Dresden  (8.  Mai  1813).  Von  Hermann  Freiherrn 

von  Friesen,  k.  Überhofmarschall  a.  D.  in  Dresden  .    .     .  237 

IX.  Aus  dem  Schulwesen  Sachsens,  besonders  in  Mittweida 
und  Freiberg,  zu  Ende  des  17.  Jahrhunderts.  Von  Ch.  G. 
Ernst  am  Ende,  Bibliothekar  am  k.  Statistischen  Bureau 
in  Dresden 251 

Literatur • 259 


IV 

S'eite 

X.  Zur  Bevölkerungs-  und  Vermögensstatistik  Dresdens  im 
15.  Jahrhundert.  Von  Eathsarchivar  Dr.  Otto  Richter  in 
Dresden 273 

XT.  Nachträge  zum  ürkundenbuche  der  Stadt  Chemnitz.  Vom 
Herausgeber 290 

XII.  Die  wirthschaftlichen  Einrichtungen,  namentlich  die  Ver- 
ptlegungs-Verhältnisse  bei  der  kursächsischen  Kavallerie 
vom  Jahre  1680  bis  zum  Anfange  des  laufenden  Jahrhun- 
derts. Von  Wirkl.  Geheimen  Rath  und  Oberhofmeister 
Freiherrn  A.  von  Minckwitz  zu  Dresden 312 

Literatur 330 

Register 347 


Besprocliene  Schriften. 

Bachmann,  Niclas  Storch  (G.  Müller) 330 

Burkhardt,   Geschichte  der  sächsischen  Kirchen-   und  Schulvisi- 
tationen (G.  Müller) -^  ■    ^^ 

Dürr,  Ad.  Friedr.  Oeser  (Gurlitt) ."*  .  259 

Knabe,  Die  Torgauer  Visitations-Ordnung  von  1529  (G.Müller).  188 
—    Geschichte  der  Stadt  Torgau  bis  zur  Zeit  der  Reformation 

(Ermisch) 261 

Knothe,  Der  Antheil  der  Oberlausitz  an  den  Anfängen  des  dreissig- 

jährigen  Krieges  (G.  Droysen)       91 

Leipzig  und  seine  Universität  vor  hundert  Jahren  (Wustmann)  92 
Nebe,  Die  Kirchenvisitationen  des  Bisthums  Halberstadt  (G.  Müller)  265 
Opel,  Denkwürdigkeiten  des  Halleschen  Rathsmeisters  Spitten- 

dorf  (Schum) 180 

Posse,  Die  Markgrafen  von  Meissen  (Schum) 332 

Scheuffler,  Hans  Fabian  von  Ponickau  (Knothe) 268 

Weissenborn,  Acten  der  Erfurter  Universität,   I.  Theil  (Stübel)  342 


L 

Studien  zur  öeschichte  der  sächsisch-böhmischen 
Beziehungen  in  den  Jahren  1468  bis  1471. 

Von 
Hubert  Er  misch.') 


I. 

Wenig  Glück  hatten  bis  Anfang  1468  der  bölnnisclie 
Herrenbund  und  die  Curie  in  ihrem  Kampfe  gegen  den 
Böhraenkönig  Georg  Podiebrad  gehabt.  Man  brauchte 
Bundesgenossen.  Die  deutschen  Fürsten  in  ihrer  Gesammt- 
heit  schienen  nicht  geneigt,  thätig  einzugreifen.^)  Ver- 
geblich verhandelte  man  mit  Burgund,  mit  Polen,  auch 
mit  Brandenburg  wegen  Annahme  der  böhmischen  Krone. 
König  Kasimir  von  Polen  hielt  es  nicht  für  nöthig,  eine 
Krone  zu  erobern,  die,  wie  er  ganz  richtig  vermuthete, 
über  kurz  oder  lang  doch  seinem  Hause  zufallen  musste; 
er  schloss  sich  den  deutschen  Fürsten  an,  vermittelte  ohne 
Aussicht  auf  Erfolg.  Hochinteressant  sind  die  Verhand- 
lungen, welche  Legat  Rudolf  im  Februar  1468  mit  dem 
Kurfürsten  Friedrich  II.  von  Brandenburg  pflog.  Die  Ge- 
fahr für  die  Mark,  die  in  einer  Besitznahme  der  böhmischen 


')  Vergl.  meinen  Aufsatz  in  Bd.  I  S.  209  fgg.  dieser  Zeitschrift, 
an  den  sich  der  nachstehende  unmittelbar  anschliesst.  Ich  habe  daher 
von  einer  orientierenden  Einleitung  absehen  zu  können  geglaubt  und 
verweise  in  dieser  Beziehung  auf  meine  frühere  Arbeit. 

*)  Ein  Tag  zu  Regensburg  im  Februar  1468  hatte  noch  weniger 
Erfolg  wie  die  früheren.  Vergl.  das  Schreiben  Markgraf  Albrechts 
von  1468  Februar  20  bei  Riedel,  Cod.  dipl.  Brand.  III,  1,  465. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  U.  I  X 


2  -       Hubert  Ermisch: 

Lande  durch  Polen  lag,  war  nicht  zu  verkennen,  und  obwohl 
Alter  und  Kränklichkeit  den  Kurfürsten  wenig  Neigung 
für  so  weitaussehende  Pläne  empfinden  Hessen,  hat  er  sich 
doch  seinen  Pflichten  gegen  Land  und  Dynastie  nicht  ent- 
ziehen wollen  und  die  Sache  ernstlich  erwogen.  Vielleicht 
war  es  auch  die  Rücksicht  auf  Sachsen,  was  den  Kurfürsten 
beeinflusste;  er  warnt  nicht  nur  vor  den  Polaken,  sondern 
auch  vor  den  „andern  Leuten,  die  fast  sehre  auch  danach 
stehen",  und  deren  Aufkommen  den  Brandenburgern  Ver- 
derben bringen  werde.  Konnten  doch  sowohl  Herzog  Wil- 
helm als  Herzog  Albrecht  Erbrechte,  wenn  auch  sehr  un- 
sichere, für  sich  anführen;  ersterer  hatte  es  schon  gethan, 
und  letzterer  trat  bekanntlich  nach  Georgs  Tode  damit 
hervor.  Mit  Recht  weist  Droysen,  dem  wir  die  ein- 
gehendsten Belehrungen  über  jene  Verhandlungen  zwischen 
dem  Legaten  und  Brandenburg  verdanken,  auf  sonder- 
bare Vorschläge  hin,  welche  die  Wettiner  im  Jahre  1466 
gemacht  hatten  und  die  allerdings  auf  weitreichende  Ent- 
würfe schliessen  lassen.  Es  handelte  sich  dabei  um  nichts 
geringeres  als  um  einen  Verkauf  der  Mark  Brandenburg  an 
Ernst  und  Albrecht,  die  dagegen  Vogtland  und  Thüringen, 
.das  ihnen  ja  nach  dem  Tode  des  kinderlosen  Oheims  zufallen 
musste,  zum  Kaufe  anboten.  In  der  That  ein  Vorschlag, 
dessen  Verwirklichung  die  gesammte  neuere  Geschichte  in 
ganz  andere  Bahnen  hätte  lenken  können.  Markgraf 
Albrecht  Achilles,  der,  wie  überall,  so  auch  bei  dieser 
Gelegenheit  das  letzte  Wort  in  der  Politik  seines  Hauses 
zu  sprechen  hatte,  Hess  sich  auf  den  kühneu,  wenn  auch 
vielleicht  jugendlich  kühnen  Plan  nicht  ein.^) 

Er  war  es  auch,  der  nach  reiflicher  Ueberlegung 
jetzt  den  Bruder  bestimmte,  die  böhmische  Krone  auszu- 
schlagen. Wir  können  hier  auf  die  Gründe  nicht  näher 
eingehen  und  heben  nur  hervor,  dass  die  gesammten  Ver- 
handlungen das  Verhältnis  der  Brandenburger  zu  Georg 
doch  weit  weniger  eng  erscheinen  lassen  als  das  der  säch- 
sischen Fürsten.  Markgraf  Albrecht  äussert  einmal  bei  Er- 
wähnung einer  auf  den  24.  April  1468  angesetzten  Zu- 
sammenkunft mit  den  Wettinern  und  den  Landgrafen  von 
Hessen,  bei  welcher  die  so  oft  besprochene  und  noch  immer 
nicht  entschiedene  Frage  der  Erbhuldigung  zur  Sprache 
kommen  sollte:    „Würden  sie  den  Braten  schmecken  von 


')  Vergl.  Droysen,  Sitzungsber.  derK.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wissen- 
schaften IX  (1857),  146  fgg.  u.  Gesch.  d.  preuss.  Politik  II,  1,  2.S5  fgg. 


Studien  zur  Gesch.  der  sächs.-böhm.  Beziehungen  1468—71.     3 

Böhmen,  es  würde  nichts  daraus.  Unser  Bruder  weiss, 
wie  sie  dem  Könige  gewandt  sind.  Wollten  sie  mit  ihm 
gekriegt  haben,  sie  hätten  ihm  nicht  Land  und  Leute 
gegeben  und  sich  zu  ihm  gefreundet."'') 

Als  die  Zusammenkunft  dann  um  die  festgesetzte  Zeit 
zu  Schleiz  stattfand,  wurde  auf  derselben  die  Vermählung 
des  Markgrafen  Johann  von  Brandenburg  mit  der  Tochter 
des  Herzogs  Wilhelm,  deren  Vollziehung  man  erst  auf 
Pfingsten  1468,  dann  auf  Estomihi  1470  in  Aussicht  ge- 
nommen hatte,  bis  zum  Jahre  1473  verschoben;  auch 
dies  dürfte  darauf  hindeuten,  dass  in  der  That  die  böh- 
mischen Verhältnisse  die  sächsisch-brandenburgischen  Be- 
ziehungen zu  lockern  anfingen.  ^) 

Die  Rolle,  die  der  Polenkönig  und  der  Brandenburger 
nicht  spielen  wollten,  übernahm  bekanntlich  König  Matthias 
von  Ungarn.  Mit  dem  Angriffskriege  gegen  Oesterreich, 
den  Prinz  Victorin,  des  Böhmenköuigs  Sohn,  seit  Ende 
Januar  1468  führte,  erhielt  der  Kamj)f  einen  anderen 
Charakter;  er  war  nicht  mehr  blos  ein  Krieg  des  Lehns- 
herrn gegen  die  Vasallen.  Seit  dem  Eingreifen  des 
Ungarnkönigs  aber,  der  im  April  mit  einem  trefflich  ge- 
rüsteten Heere  in  Mähren  erschien,  wandte  sich  das  ^\^afFen- 
glück  mehr  und  mehr  von  Georg  ab.  Jene  „acht  Un- 
glückswochen" von  Mitte  August  bis  Mitte  October  1468 
schienen  den  Gegnern  den  nahen  Siea;  in  sichere  Aussicht 
ZU  stellen. 

Die  Haltung  der  sächsischen  Fürsten  blieb  auch  jetzt 
eine  vollkommen  neutrale;  wenn  man  von  Hilfstruppen 
zu  erzählen  wusste,  die  sie  dem  König  Georg  gestellt,  so 
war  dies  wohl  ein  ungerechtfertigtes  Gerücht.^)  Dass 
man  ihnen  jedoch  auf  der  Georg  feindlichen  Seite  miss- 
traute und  scharf  auf  die  Finger  sah,  beweist,  wohin 
nach  der  allgemeinen  Meinung  ihre  Sympathien  neigten. 
Dies  Misstrauen  trat  besonders  bei  der  Belagerung  von 
Hoyerswerda  zu  Tage,  die  bis  über  die  Mitte  des  Jahres 
1468  hinaus  dauerte.  Schon  im  Januar  wusste  Jaroslaw 
von  Sternberg ,  der  Landvogteiverweser ,  den  Gör- 
litzern zu  melden,   „dass  etliche  Böhmen   zu  Meissen  im 


*)  Instruction  für  AlbrechtStyeber  von  1468  März  IT)  bei  Riedel,  Cod. 
dipl.  Brand.  III,  1,  480.  Ver^rl.  überhaupt  ebendaselbst  454  fgg.  Palacky, 
Gesch.  Böhmens  IV,  2,  492  fgg.  Kluckhohn,  Ludwig  der  Reiche  281  fgg. 

*)  Urk.  von  1468  Apr.  26.  Riedel  II,  5,  121.  Vergl.  Droysen, 
Gesch.  d.  preuss.  Politik  II,  1,  236. 

*)  Vergl.  Lichnowsky,  Gesch.  d.  Hauses  Habsburg  VII,  112. 


4  Hnhert  Ermisch: 

Lande  an  etlichen  hcimliclien  Oertern  lägen  und  meinten 
die  auf  Hoyerswerda  zu  stärken."  ')  Bedenklicher  schien 
die  Sache  werden  zu  Avollen,  als  Anfang  Juli  1468  die 
Markgrafen  mit  nicht  unbeträchtlichen  Truppen  nach 
Senftenberg  kamen;  eine  Diversion  gegen  Hoyerswerda 
oder  auch  gegen  Luckau  wurde  befürchtet.  Man  erzählte 
sich,  König  Georg  und  die  Herren  von  Schönburg  hätten 
das  Schloss  den  sächsischen  Fürsten  angeboten,  und  dies 
klang  nicht  eben  unwahrscheinlich;  allein  man  wusste 
auch  schon,  dass  die  Fürsten,  ihrer  sonstigen  Haltung 
entsprechend,  das  Anerbieten  abgelehnt  hätten.  Als  man 
dann  weitere  Nachrichten  einzog,  erfuhr  man,  dass  die 
Truppen  nur  in  200  Reisigen  und  600  Trabanten  bestan- 
den, die  der  von  Köckeritz  dem  Kurfürsten  von  Branden- 
burg zuführen  sollte.  Hatte  die  Sache  überhaupt  eine  Bedeu- 
tung, dann  war  es  gewiss  nur  die  eines  Scheinmanövers, 
wofür  die  Hauptleute  der  Sechsstädte  den  Zug  von  Anfang 
an  gehalten  hatten:  „sie  werden  sich  dahin  fügen  um  Ge- 
schreies willen,  ob  sie  uns  möchten  abschrecken."^) 

Ein  Heraustreten  aus  der  Neutralität  lag  in  alledem 
nicht.  Ein  solches  hätte  auch  jetzt,  nachdem  Matthias 
auf  dem  Kriegsschauplatze  erschienen  war,  geradezu  ver- 
hängnisvoll für  das  Haus  Wettin  werden  können.  Die 
Lage  der  Dinge  in  Deutschland  war  keineswegs  derart, 
dass  man  nur  auf  ein  Signal  wartete,  um  sich  zu  einem 
Waflfenbunde  für  Georg  zu  einigen. 

Auch  fällt  noch  ein  anderes  Moment  schwer  in  die  Wag- 
schale. Es  sind  uns  aus  dem  fünfzehnten  Jahrhundert  meist 
nur  einzelne  Fäden  feiner  diplomatischer  Gespinnste  in 
den  Archiven  erhalten,  die  wir  mit  Mühe  zu  einem  Ge- 
samratbilde  zu  vereinigen  suchen;  es  verführt  dies  gar 
leicht  zu  der  Annahme,  die  Geschichte  jener  Zeit  sei  allein 
in  den  Kabinetten  gemacht  worden.  Man  hüte  sich  jedoch 
davor,  diejenigen  Einwirkungen  zu  unterschätzen,  die  das 
gesammte  geistige  und  materielle  Volksleben  auf  die  Welt- . 
ereignisse  damals  Avie  heute  und  zu  jeder  Zeit  geübt  hat, 
wenn  auch  nur  dürftige  Ueberlieferuugen  über  dasselbe  auf 
uns  gekommen  sind.  Nicht  umsonst  hat  die  kluge  Politik 
der  Curie  zu  allen  Zeiten,  seit  den  Tagen  Gregors  VII., 

')  Palacky,  Urk.  Beitr.  547.     Vergl.  diese  Zeitschrift  I,  265. 

')  Palacky,  Urk.  Beitr.  550  fgg.  Eine  „Ausgabe  den  trabanton, 
die  man  Markgraf  Friedrich  in  die  Mark  sandte  tercia  in  vigilia 
Margarete''  (Juli  12),  führt  die  Dresdner  Stadtrechnung  von  1468 
(Rathsarchiv  zu  Dresden)  an. 


Studien  zur  Gesch.  der  sächs.-böhm.  Beziehungen  1468 — 71.     5 

einen  Aufruf  an  die  Massen  gerichtet,  wenn  es  galt,  grosse 
Erfolge  zu  erzielen.  Auch  diesmal  setzte  man  den  ganzen 
Apparat  der  geistlichen  Waffen  in  Bewegung,  und,  so  oft 
dieselben  schon  gebraucht  und  gemissbraucht  waren,  sie 
zeigten  sich  doch  noch  als  wirksam.  In  den  meissnischen 
Landen  kam  ihnen  freilich  ein  sehr  schätzbarer  Bundes- 
genosse zu  Hilfe:  der  tiefgewurzelte  nationale  Hass,  der 
die  beiden  Nachbarvölker  von  jeher,  besonders  aber  seit 
den  Hussitenkämpfen,  trennte.  So  stand  das  Volk  in  der 
böhmischen  Frage  entschieden  nicht  auf  der  Seite  seiner 
Herrscher.  Es  hatte  seiner  Zeit  gemurrt,  als  es  von  den 
Familien  Verbindungen  vernommen,  welche  die  Wettiner 
mit  dem  Hause  Podiebrad  vereinen  sollten^);  es  hatte 
später  protestiert  gegen  jede  thätige  Unterstützung  des 
Böhiuenkönigs.  ^")  Die  Herrscher  wussten  sehr  wohl, 
warum  sie  so  grosses  Gewicht  darauf  legten,  dass  die 
Kreuzpredigt  und  sonstige  aufregende  Mittel  in  ihrem 
Lande  nicht  zur  Anwendung  gebracht  würden.  Nichts 
ist  bezeichnender,  als  die  oft  angeführte  Thatsache,  dass 
zahlreiche  Studenten  und  Magister  zu  Leipzig  und  Erfurt 
ihre  Bücher  und  Kleider  verkauften  und  das  Kreuz  gegen 
die  Ketzer  nahmen,  während  gleichzeitig  die  Gelehrten 
der  Hochschulen  darüber  disputierten,  ob  man  die  Gebote 
des  Papstes  für  rechtsverbindlich  halten  solle  oder  nicht.") 
Der  Umschwung  in  der  Lage  Georgs  veranlasste  den 
Legaten,  auch  in  Meissen  jetzt  energischer  aufzutreten. 
Schon  Anfang  März  1468  hatte  er  durch  den  Minoriten 
Jacobus  jene  Bulle  vom  15.  Mai  1467,  durch  welche  ihm 

•)  Gravis  illis  temporibus  rumor  ortus  est  a  populo  undique  in 
Misna  et  Thoringia  contra  suos  dominos  de  concordia  cum  hereticis 
inita  et  affinitate  contracta,  maledicendo  vituperando  et  expresse 
publiceque  eos  maledicendo,  dicentes  non  esse  vestigium  majorum 
progenitorumque  suoruui,  qui  adversus  hereticos  Bohemos  sauguinem 
fuderint.  Eschenloer  (SS.  rer.  Sü.  VII)  42.  Vergl.  das  Schreiben 
Wilhelms  d.  d.  1459  Mai  IG.     Ebendas.  43  fgg. 

'0)  Vergl.  1,  227  dieser  Zeitschrift. 

")  Vergl.  Palacky  IV,  2,  421  fg.  Kluckhohn  2G5.  lieber  Ver- 
handlungen zu  Erfurt  wegen  der  böhmischen  Ketzerei  (1466)  vergl.  ein 
merkwürdiges  Schreiben  o.  D.  bei  Kiedel,  Cod.  dipl.  Brand.  III,  1, 
406.  lieber  die  Betheiligung  von  Leipziger  Studenten  s.  I,  265 
dieser  Zeitschr.  Legat  Rudolf  dankt  1468  Febr.  20  dem  Rector  und 
den  Magistern  der  Universität  Leipzig  wegen  ihres  Eifers,  quod  tot 
legales  persone  .  .  .  venumdatis  eorum  libris  et  vestibus  relictisque 
aliis  rebus  arma  susceperunt,  theilt  mit,  dass  einige  davon  die  Zit- 
tauer unterstützen  sollen,  und  stellt  eine  geeignete  Verwendung  der 
übrigen  in  Aussicht.  SS.  rer.  Sil.  IX,  260  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II, 
11,  179). 


6  Hubert  Ermisch: 

die  Befugnisse  eines  Lateranlegaten  und  weitgehende  Voll- 
machten gegen  Georg  und  seine  Anhänger  übertragen 
waren,  förmlich  publicieren  lassen;  es  ist  wohl  anzunehmen, 
dass  diese  Sendung  gerade  für  Meissen  berechnet  war, 
wenn  sich  dies  auch  aus  dem  Wortlaut  des  betreffenden 
Schreibens  nicht  ergiebt. '^)  Gleichzeitig  ersuchte  Rudolf 
den  Meissner  Domdechanten  Heinrich  Leubing,  der  damals 
in  Erfurt  weilte,  seinen  Fürsten  und  deren  Räthen  und 
den  Prälaten  und  Edlen  des  Landes  die  Gründe,  aus 
denen  der  Papst  gegen  Georg  so  entschieden  vorgehe, 
auseinanderzusetzen;  Leubing  schrieb  in  Folge  dessen 
einen  erregten  Brief  an  Bischof  Dietrich  und  bat  ihn 
dringend,  seine  bisherige  Haltung  den  Böhmen  gegenüber 
zu  ändern.'*)  Vielleicht  gab  dies  den  Herzögen  Anlass 
zu  einer  neuen  Gesandtschaft  nach  Rom ;  Heinrich  von  Ein- 
siedel  und  Heinrich  Truchsess  trafen  dort  am  14.  April 
ein,  erlangten  aber  keine  Audienz  beim  Papste:  „wen 
seine  Heiligkeit  geantwort  hat,  es  wäre  genugsam  ge- 
schrieben".''') 

Der  Angriff  Georgs  gegen  Kaiser  Friedrich  IH.  hatte 
den  Zorn  des  Papstes  aufs  höchste  gesteigert.  Noch 
schärfer  lautete  in  diesem  Jahre  der  am  grünen  Donners- 
tag (14,  April)  ausgesprochene  Bannfluch '*);  und  wenige 
Tage  später  (am  20.  April)  ergingen  zwei  neue  Bullen, 
zu  deren  Publication  Laurentius  Rovarella,  Bischof  von 
Ferrara,  als  Legat  nach  Deutschland  gesandt  wurde.  Die 
erste  derselben  verdammte  alle  diejenigen,  die  in  irgend 
welcher  Weise,  besonders  aber  durch  Zuführung  von  Lebens- 
mitteln, Waffen  u.  dergl.,  die  Ketzer  begünstigten,  ver- 
fügte die  Beschlagnahme  ihres  Vermögens,  verhängte  das 
Interdict  über  ihre  Aufenthaltsorte  u.  s.  w. ;  die  zweite 
verlieh  allen,  die  zu  dem  bevorstelienden  Kriege  Geld 
beisteuerten  oder  selbst  daran  theilnahmen,  Ablässe  und 
andere  kirchliche  Spenden.'^)  An  demselben  Tage  rich- 
tete der  Papst  ein  Schreiben  an  Kurfürst  Ernst  und  Her- 


'*)  Wir  kennen  es  nur  aus  einer  im  HStA.  zu  Dresden  (WA. 
Bölim.  S.  Kaps.  IV  Bl.  120  fgg.)  vorhandenen  Abschrift. 

'^)  1468  März  13.  Nam  si  in  alia  via  non  ambulaveritis,  timeo 
patriae  pericuium  imminere,  quod  difticulter  removebitur.  Cod.  dipl. 
Sax.  reg.  II,  3,  178;  vergl.  die  Aum.  dazu. 

'^)  Bericht  des  Meissner  Domherrn  Melchior  v.  Meckau,  der 
in  päpstlichen  Diensten  in  Rom  weilte,  d.  d.  1468  Mai  12.  HStA. 
WA.  Italien.  S.  Bl.  10. 

'*)  SS.  rer.  Sil.  IX,  264. 


'•)  Ebendas.  265  fgg.,  267  fgg. 


Studien  zur  Gesch.  der  siichs.-böhm.  Beziehungen  1468 — 71. 


ö^ 


zog  Albrecht;  in  welchem  er  dieselben  dringend  aufforderte, 
die  von  ihm  angeordneten  Massregeln  in  ihren  Landen 
zuzulassen,  insbesondere  die  Kreuzpredigt  und  Ablassver- 
kündigung zu  gestatten,  den  Handelsverkehr  mit  Böhmen 
zu  verbieten  und  der  Verwendung  des  Zehnten  von  allen 
kirchlichen  Gütern  zum  Kampfe  gegen  die  Ketzer  keine 
Hindernisse  in  den  Weg  zu  legen.  ^'') 

Noch  bevor  diese  Bullen  und  Schreiben  nach  Meissen 
gelangt  sein  können,  Hess  die  Fanatisierung  der  Massen 
daselbst  Zustände  entstehen,  die  schlechterdings  unerträg- 
lich waren.  Eine  sehr  merkwürdige  Episode,  die  sich  im 
Laufe  des  Sommers  1468  in  Freiberg,  zu  jener  Zeit  einer 
der  bedeutendsten  Städte  der  sächsischen  Lande,  abspielte, 
erlaubt  uns  einen  Einblick  in  das  erregte  Volksleben  jener 
Tage,  der  uns  um  so  willkommener  ist,  je  dürftiger  und 
trockener  unsere  Quellen  gerade  nach  dieser  Richtung  im 
übrigen  sind.  Wir  dürfen  uns  daher  wohl  gestatten, 
den  Vorgang  etwas  eingehender  darzustellen,  als  es  viel- 
leicht seiner  Bedeutung  im  grossen  Ganzen  der  politischen 
Geschichte  entspricht.'*) 

Etwa  Anfang  Mai  mögen  Emissäre  des  Legaten  Ru- 
dolf, der  inzwischen  Bischof  von  Breslau  geworden  war, 
die  Kreuzpredigt  in  grösserm  Stile  in  den  meissnisclien 
Landen  begonnen  haben.  Auch  in  Freiberg  erschienen 
um  diese  Zeit  einige  Barfüssermönche  und  riefen  gegen 
den  Ketzer  Girzik  zu  den  Waffen;  sie  hatten  ausser- 
ordentlich viel  Erfolg.  Eine  gewaltige  Aufregung  ergriff 
Stadt  und  Umgegend.  An  400  Personen,  darunter  Lehns- 
leute der  Landesherren,  angesessene  Bürger  und  Berg- 
werksbesitzer, wie  Lucas  Schönberg,  Sigmund  Kolbing, 
Merten  Ortwein,  besonders  aber  viele  Handwerker,  Hessen 
sich  mit  dem  Kreuze  zeichnen.  Diese  ausserordentlich 
starke  Betheiligung  erklärt   sich  einerseits  zwar  aus  der 


")  Abschrift  HStA.  Loc.  7216.  Irrungen  zwischen  K.  Georg 
und  dem  Papste  fol.  23. 

'*)  Unsere  Hauptquelle  ist  ein  bisher  unbeachtet  gebliebenes 
Aktenstück  des  Gemeinschaftlichen  Archivs  zu  Weimar  (Reg.  A  fol.  28a 
No.  7.^);  da  ich  die  betreffende  Correspondenz  in  dem  unter  der  i'i'esse 
beündlichen  ersten  Bande  des  Urkundenbuchs  der  Stadt  Freiberg 
(Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  12)  vollständig  mittheilen  werde,  so  citiere 
ich  nicht  die  einzelnen  Schriftstücke.  Bisher  waren  über  die  Kreu- 
zigerunruhen nur  zwei  landesherrliche  Schreiben  bekannt,  die  sich 
im  Freiberger  Rathsarchiv  befinden  und  von  Klotzsch  (Sammlung 
vermischter  Nachrichten  I,  266  fgg.)  abgedruckt  und,  soweit  dies 
ohne  anderes  Material  möglich  war,  erläutert  worden  sind. 


8  Hubert  Ermisch: 

grossen  Macht;  welche  die  Geistlichkeit  trotz  der  hie  und 
da  hervortretenden  Züge  von  Indifferentismus,  ja  von  Ver- 
höhnung kirchlicher  Institutionen*®)  noch  immer  über  die 
Gemüther  hatte  und  welche  auch  den  Bussprediger  Jo- 
hannes von  Capistrano  16  Jahre  früher  eine  so  gewaltige 
Wirkung  in  Freiberg  wie  in  anderen  meissnischen  Städten 
hatte  ausüben  lassen;  andererseits  aber  doch  auch  daraus, 
dass  die  Mönche  den  Kreuzfahrern  die  Sache  so  bequem 
wie  möglich  zu  machen  suchten.  Die  päpstlichen  Gebote, 
die  sie  verkündeten,  untersagten  jeden  Verkehr  mit  Böh- 
men und  befahlen  die  Wegnahme  aller  Güter,  die  Böhmen 
gehörten,  aus  diesem  Lande  kamen  oder  in  dasselbe  ein- 
geführt Averden  sollten.*")  Es  war  vorauszusehen,  dass 
es  an  Uebertretungen  dieses  Verkehrsverbotes  nicht  fehlen 
würde;  denn  die  Bewohner  der  böhmisch  -  sächsischen 
Grenze,  namentlich  der  Bergwerksdistricte,  waren  auf 
Zufuhr  aus  Böhmen  angewiesen,  und  die  Einfuhr  hatte 
selbstverständlich  auch  die  Ausfuhr  solcher  Artikel,  die 
man  jenseit  der  Grenze  brauchte,  zur  Folge.  Wenn  nun 
auch  die  Kreuzfahrer  eigentlich  das  Kreuz  nahmen,  um 
in  Böhmen  gegen  die  Ketzer  zu  kämpfen,  so  war  es  doch 
viel  leichter,  bequemer  und  —  einträglicher,  den  Grenz- 
verkehr zu  überwachen,  als  mit  den  Waffen  in  der  Hand 
in  das  Land  des  streitbaren  Böhmenkönigs,  der  schon 
mehrmals  grosse  Kreuzigerschaaren  zu  paaren  getrieben 
hatte,  einzudringen;  und  die  Kreuzprediger  scheinen  eine 
derartige  grenzpolizeiliche  Thätigkeit  auch  begünstigt  zu 
haben.  Zwar  waren  eine  Anzahl  Freiberger  Kreuziger 
nach  Riesenberg  und  Graupen  gezogen.  Wir  wissen  nicht, 
was  sie  dort  gethan  haben;  jedenfalls  aber  kehrten  sie 
bald,  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  Juni,  nach  Freiberg 
zurück.    Verstärkt  durch  neue  Schaaren,  betrachteten  sie 

'»)  Manche  Belege  hierfür  bietet  das  „Verzellbuch"  des  Frei- 
berger Rathsarchivs,  das  zahlreiche  Verurtheilungen  wegen  Gottes- 
lästerung, Schmähung  geistlicher  Personen  und  Störung  des  Gottes- 
dienstes enthält.  Vergl.  Klotzsch,  Das  Verzellen  189,  195,  196; 
noch  mehr  wird  im  dritten  Bande  des  Urkundenbuchs  der  Stadt 
Freiberg,  der  eine  Ausgabe  des  Verzellbuchs  enthalten  soll,  mitge- 
theilt  werden. 

'*)  Es  bezieht  sich  dies  wohl  auf  eine  der  päpstlichen  Bullen 
vom  15.  Mai  1467,  in  welcher  dem  Legaten  Rudolf  u.  a.  Vollmacht 
ertheüt  wurde,  bona  quecunque  mobilia  et  immobilia  hereticorum 
quibuscunque  licite  occupanda  concedendi  et  donandi  ac  ea  que 
heretici  ad  terras  catholicorum  vel  econtra  ex  terris  catholicorum 
in  vel  extra  regnum  ducerent  aut  duci  facerent  in  predam  dandi. 
SS.  rer.  Siles.  XI,  234. 


Studien  zur  Gesch.  der  sächs.-böhm.  Beziehungen  U68— 71.     9 

es  nun  als  ihre  Aufgabe,  den  Verkehr  mit  Böhmen  zu 
hindern.  Alle  dorthin  bestimmten  Waaren  Avurden  con- 
fiscirt;  ja  auch  die  Habe  derjenigen,  die  Avider  die  päpst- 
lichen Gebote  zu  murren  wagten,  war  gefährdet.  Die 
ganze  Umgebung  von  Freiberg  wurde  beunruhigt;  Fuhr- 
leute wurden  auf  den  Landstrassen  ermordet,  Pferde  und 
Güter  weggenommen.  Handel  und  Wandel  litten  darunter 
furchtbar.  Selbst  in  der  Stadt  war  niemand  sicher.  Die 
„leichtfertigen  Leute,  die  das  Kreuz  in  solcher  Weise  an 
sich  genommen  hatten",  drangen  in  die  Häuser  der  Bürger 
ein,  suchten  in  denselben  nach  böhmischen  Gütern  und 
drohten,  wenn  Einwendungen  versucht  wurden,  mit  Mord 
und  Misshandlung.  Ueberall  beriefen  sie  sich  auf  die 
päpstlichen  Gebote,  und  dies  sowie  die  Furcht  vor  ihren 
Gewaltthätigkeiten  hielten  sowohl  den  landesherrlichen  Amt- 
mann Nickel  Monhaupt  als  die  städtischen  Behörden  von 
einem  thatkräftigen  Einschreiten  ab. 

Indes  auf  die  Dauer  konnte  dies  Unwesen  doch  nicht 
geduldet  werden.  Mussten  doch  auch  die  landesherrlichen 
Einnahmen,  die  ja  zum  grossen  Theile  in  den  Erträgnissen 
der  Bergwerke  bestanden,  sclnver  darunter  leiden.  Auch 
konnte  man  nicht  wissen,  ob  nicht  doch  noch  die 
meissnischen  Lande  in  den  Krieg  verwickelt  werden 
würden  * ')  und  ob  man  nicht  in  diesem  Falle  die  Mannen 
brauchen  würde,  die  sich  jetzt  auf  Leben  und  Tod  der 
Politik  der  Curie  verschrieben  hatten. 

Freiberg  war  damals  im  gemeinsamen  Besitz  der 
beiden  Linien  des  Hauses  Wettin  *^);  ein  gemeinschaft- 
licher Amtmann  vertrat  die  landesherrlichen  Rechte.  Das 
nächste  Interesse  an  der  Herstellung  eines  geordneten  Zu- 
standes  hatten  jedoch  Kurfürst  Ernst  und  Herzog  Albrecht; 
ihre  Lande  Avurden  in  erster  Linie  durch  das  Treiben  der 
Kreuziger  betroffen.  Aber  ohne  Zustimmung  des  Herzogs 
Wilhelm  wollten  und  durften  sie  nichts  luiternehmen.  Sie 
sandten  daher  ihren  Obermarscliall  Hugold  von  Schleinitz 
an  denselben  zur  Bei'ichterstattung  ab  und  entwarfen  bald 
darauf  in  einem  längern  Schreiben  vom  6.  Juni  1468  in 
lebhaften  Farben  ein  Bild  von  dem  Unfuge,  den  die  Kreuz- 


"  (Am  .SO.  Mai  befahlen  Ernst  nnd  Albrecht  ihren  Mannen, 
sich  in  Kriegsbereitschaft  zu  halten,  da  sie  gewarnt  seien,  dass 
etliche  Abgönner  ihre  Lande  und  Leute  zu  schädigen  beabsiclitigten. 
WA.  Defensionssachen  Bl.  51. 

'*)  Vergl.  den  Burgfrieden  vom  11.  Nov.  1448,  der  im  ersten 
Bande  des  Freiberger  Urkundenbuches  zum  Abdruck  kommen  wird 


10  Hubert  Ermisch: 

scliaaren  anrichteten.  Ungern  möchten  sie,  so  heisst  es 
in  dem  Briefe,  den  Geboten  des  h.  Vaters  zuwider  handehi; 
aber  unter  den  obwaltenden  Verhältnissen  könne  man  den 
Zustand  nicht  länger  dulden,  sondern  müsse  auf  Mittel 
und  Wege  denken,  die  Kreuziger  dahin  zu  schaffen,  wohin 
sie  gehörten. 

Wilhelm  stand  der  Sache  ferner ;  er  hatte  sich  niemals 
in  dem  Masse  für  Georg  interessiert  als  seine  Neffen  und 
scheint  zudem  damals  schon  auf  gespanntem  Fusse  mit 
ihnen  gestanden  zu  haben.  In  seiner  Antwort  vom 
11.  Juni  spricht  sich  ein  gewisses  Misstrauen  gegen  ihre 
Angaben  aus;  er  findet  es  auffällig,  dass  noch  keine  Mel- 
dung des  Amtmanns  und  des  Freiberger  Rathes  vorliege. 
Auch  versäumte  er  nicht,  darauf  hinzuweisen,  dass  ihre 
Vorfahren  sich  stets  um  den  Christenglauben  besondere 
Verdienste  erworben  hätten,  und  warnte  davor,  ihre  Fuss- 
stapfen  zu  verlassen.  Dass  dem  Unfuge  gesteuert  werden 
müsse,  leuchtete  indes  auch  ihm  ein;  er  verlangte  aber, 
seine  Neffen  sollten  nur  gemeinschaftlich  mit  ihm  handeln. 

Man  wurde  einig,  ein  Schreiben  an  Vogt,  Bürger- 
meister und  Rathmannen  zu  erlassen;  allein  über  die 
Fassung  desselben  kam  es  zu  weiteren  Streitigkeiten.  Uns 
liegt  sowohl  der  Entwurf  Ernsts  und  Albrechts,  als  der 
Gegenentwurf  ihres  Oheims  vor.  Der  erstere,  der  das 
Datum  des  15.  Juni  trägt  und  nur  im  Namen  von  Ernst 
und  Albrecht,  nicht  zugleich  in  dem  des  Oheims,  abge- 
fasst  ist,  berührt  ziemlich  kühl  die  Thatsache  der  Kreuz- 
predigt —  wegen  der  Gebote  des  Papstes  würden  die 
Fürsten  dieselbe  ungern  verhindern  wollen  —  und  ent- 
hält dann  einen  scharfen  Verweis  gegen  Vogt  und  ßath, 
weil  sie  das  Treiben  der  Kreuziger  nicht  sofort  mit  aller 
Energie  unterdrückt  hätten;  sie  wüssten  doch,  wie  die 
Fürsten  bisher  auf  Frieden  in  ihren  Landen  gehalten 
hätten;  wer  den  Frieden  bräche,  gleichviel  an  wem,  müsse 
unnachsichtlich  bestraft  werden.  Die  Kreuziger  sollen 
versammelt  und  ilmen  mit  allem  Nachdruck  folgendes 
vorgehalten  werden.  Diejenigen  unter  ilmen,  welclie  als 
angesessene  Bürger  oder  Lehnsleute  den  Landesherren 
eidlich  verpflichtet  seien,  hätten  ohne  deren  Genehmigung 
das  Kreuz  nicht  nehmen  dürfen;  da  es  indes  einmal  ge- 
schehen, so  sollte  ihnen  gestattet  sein,  gegen  die  Böhmen 
zu  ziehen;  nur  sollten  sie  dafür  sorgen,  dass  nöthigenfalls 
auch  in  ihrer  Abwesenheit  ihre  Pflicht  gegen  ihre  Lehns- 
und Landesherren  erfüllt,  also  namentlich  bewaffnete  Folge 


Studien  zur  Gesch.  der  s<ächs.-bölim.  Beziehungen  1468—71.      H 

geleistet  würde.  Alle  Kreuziger  ausnahmslos  sollten  bei 
strenger  Strafe  in  Freiberg  und  im  ganzen  Lande  nie- 
manden, gleichviel  wer  er  sei  und  woher  er  komme,  ohne 
ausdrückliche  Genehmigung  der  Landesherren  an  Leib 
und  Gut  schädigen. 

Die  rücksichtslose  Schärfe,  die  sich  in  dem  Entwurf 
ausspricht,  billigte  Wilhelm  nicht.  Sein  Gegenentwurf 
(vom  20.  Juni)  ist  kürzer,  allgemeiner  und  viel  milder 
gehalten.  Der  Lehuspflichten  und  ihrer  Verletzung  durch 
die  Kreuznahme  geschieht  keine  Erwähnung.  Der  Rath 
wird  aufgefordert,  den  Kreuzigern  alle  Plackereien  zu 
verbieten  und  sie  zum  Abzüge  nach  Böhmen  zu  veran- 
lassen. 

Wie  der  Befehl  lautete,  der  schliesslich  nach  Frei- 
berg gesandt  wurde,  ist  uns  nicht  bekannt.  Jedenfalls 
hatte  er  fürs  erste  den  gewünschten  Erfolg.  Die  Kreu- 
ziger verhielten  sich  mehrere  Wochen  lang  ruhig,  und  ein 
Theil  von  ihnen  hat  vielleicht  die  Stadt  verlassen;  eben 
zu  jener  Zeit  lagen  bedeutende  Kreuzschaaren  unter  Fried- 
rich von  Schönburg  bei  Schlackenwerda  in  der  Gegend 
von  Elbogen,  und  König  Georg  musste  die  Lande  ringsum 
gegen  sie  aufbieten. ^^)  Andere  Haufen,  angeblich  über 
15000  Mann,  wurden  bei  Pilsen  von  einer  kleinen  Anzahl 
Böhmen  in  die  Flucht  getrieben.  Man  erzählte  sich  da- 
mals, die  säclisischen  Herzöge  hätten  unter  schweren  Be- 
drohungen die  Ihren  aus  dem  Kreuzheere  abberufen;  ein 
Gerücht,  zu  dem  die  Freiberger  Auftritte  Anlass  gegeben 
haben  mochten.  ^*) 

Inzwischen  war  der  päpstliche  Legat  Laurcntius  Ro- 
varella  in  Deutschland  erschienen,  um  die  oben  erwähnten 
päpstlichen  Bullen  vom  20,  April  bekannt  zu  machen. 
Anfang  Juli  hielt  er  sich  mehrere  Wochen  in  Grätz  bei 
Kaiser  Friedrich  auf  und  crliess  von  hier  aus  Verord- 
nungen über  die  Kreuzpredigt,  die  zu  gunsten  des  Krieges 
gegen  die  Ketzer  zu  veranstaltenden  Sammlungen  u.  a. 
Obwohl  es  seine  Aufgabe  war,  die  Leidenschaften  noch 
mehr  zu  entfesseln,  was  er  auch  nach  Kräften  that,  ent- 


**)  Palacky,  Urk.  Beitr.  544.  Erwähnt  wird  dieser  Zug  Fried- 
richs V.  Schönburg  mit  Kreuzigern  noch  in  einem  Schreiben  ver- 
schiedener wegen  Theilnahme  an  demselben  aus  Cadan  vertriebener 
Personen  von  1472  Aug.  18,  in  welchem  sie  Ernst  und  Albrecht  um 
Verwendung  bei  ihrem  Herrn  Jan  v.  Lobkowitz  wegen  Wiederauf- 
nahme bitten.     WA.  Böhm.  Sachen  K.  II  Bl.  132c. 

»«)  Eschenloer  (SS.  rer.  Siles.  VII)  187. 


12  Hubert  Ermiscli: 

ging  es  ihm  doch  nicht,  dass  das  bisherige  zuchtlose  Trei- 
ben der  Kreuziger  der  Sache,  der  sie  dienten,  mehr 
schadete  als  nutzte;  trotz  ihrer  grossen  Zahl  hatten  diese 
Truppen  bisher  noch  nicht  einen  nennenswerthen  Erfolg 
zu  verzeichnen  gehabt.  Der  Legat  strebte  dem  abzu- 
helfen und  bestimmte  daher,  dass  nur  solche  mit  dem 
Kreuze  gezeichnet  werden  sollten,  die  zum  Kampfe  ge- 
eignet und  im  Stande  seien,  sich  Avenigstens  sechs  Monate 
lang  zu  unterhalten;  auch  sollten  die  Kreuziger  sich  nicht 
einzeln  und  ungerufen  auf  den  Weg  machen,  sondern  die 
Befehle  des  Legaten  oder  seiner  Commissarien  abwarten.**) 

Gleichzeitig  verkündeten  Beauftragte  des  Legaten, 
unterstützt  durch  kaiserliche  Empfehlungsschreiben  *^),  aller 
Orten  die  päpstlichen  Bullen  vom  20.  April.  Bereits  An- 
fang Juli  waren  dieselben  in  Breslau  bekannt  geworden, 
und  Bischof  Rudolf  sorgte  für  ihre  schnelle  Verbreitung.^'') 

Am  21.  August  wurden  sie  in  Freiberg  zur  öffentlichen 
Kenntnis  gebracht,  nachdem  sie  vorher  in  Meissen  vor 
Ernst  und  Albrecht  officiell  pubUciert  worden  waren.**) 
Wir  sahen  bereits,  dass  auch  in  diesen  Bullen  jede  Zufuhr 
nach  Böhmen  mit  den  strengsten  Strafen  bedroht  war.  Es 
bedurfte  blos  eines  solchen  Anlasses,  um  die  noch  immer  in 
der  Stadt  weilenden  Kreuziger  zur  Wiederaufnahme  ihrer 
angemassten  grenzpolizeilichen  Thätigkeit  zu  bewegen.  An 
demselben  Tage^  an  dem  die  päpstlichen  Gebote  verkündigt 
wurden,  kamen  zwei  Kaufleiite  aus  Nürnberg  und  Leipzig, 
die  nach  Böhmen  Handel  trieben,  von  dort  nach  Freiberg. 
Niemand  wollte  sie  beherbergen;  so  allgemein  wurde  der 
Inhalt  der  Bullen  respectiert.  Die  Kreuziger  aber  nahmen 
den  Kaufleuten  ihre  Pferde  und  eine  Summe  Geld  ab, 
führten  sie  vor  den  Kreuzprediger  und  dann  vor  den 
Rath,  und  der  letztere  wusste,  um  sie  zu  retten,  nichts 
besseres  zu  thun,  als  dass  er  sie  in  den  städtischen  Ge- 
wahrsam setzte.  Schon  war  auch  der  Gottesdienst 
wegen  ihrer  Anwesenheit  eingestellt  worden;  darum 
hielt  es  der  Rath  für  das  Beste,  die  Kaufleute  aus   der 


")  SS.  rer.  Siles.  XI,  285. 

")  1468  Juli  13.  Janssen,  Frankfurts  Keichscorresp.  II,  1, 
255.  Das  an  Kurfürst  Ernst  gerichtete  Exemplar  des  kaiserlichen 
Schreibens  abschriftlich  HStA.  Cop.  12  fol.  20. 

^')  SS   rer.  Siles.  IX,  267  Anm. 

*»)  Ein  von  Rudolf  am  12.  Juli  1468  aufgenommenes  notarielles 
Traussumpt  der  Bulle  Regnans  HStA.  Loc.  10  297.  Verschiedene 
alte  Copeyen  in  Religionssachen  1468,  1566  fol.  l. 


Studien  zur  Gesch.  der  sächs.-böhm.  Beziehungen  1468 — 71.      13 

Stadt  zu  entlassen,  ihre  Habe  aber  wurde,  theils  der 
Bullen  wegen,  theils  um  sie  vor  den  Kreuzigern  zu 
sichern ;  zurückbehalten.  Kurfürst  Ernst  imd  Herzog- 
Alb  recht,  denen  der  Rath  eilends  den  Vorfall  meldete, 
waren  sehr  aufgebracht  und  verlangten  sofortige  Fest- 
nahme der  Schuldigen.  Am  folgenden  Tage,  bevor  noch 
dieser  landesherrliche  Befehl  eingetroffen  war,  griffen  die 
Kreuziger  in  Geraässheit  der  Bulle  und  auf  Anweisung 
der  Priesterschaft,  wie  sie  später  zu  ihrer  Entschuldigung 
sagten,  fünf  Wagen  mit  Salz  auf,  die  theils  landesherr- 
lichen Unterthanen  zu  Frauenstein,  theils  den  Herren  von 
Raben  stein  zu  Riesenberg  und  dem  Abte  von  Ossegg  ge- 
hörten und  nacli  Böhmen  bestimmt  waren,  führten  sie 
nach  Freiberg  und  verkauften  dort  die  Fracht.  Der  Rath 
entbot  nunmehr  zwar  die  Kreuziger  vor  sich  und  machte 
ihnen  unter  Bezugnahme  auf  die  ergangenen  landesherr- 
lichen Befehle  Vorstellungen;  alleiii  diese  beriefen  sich  auf 
den  Wortlaut  der  päpstlichen  Gebote  und  behaupteten 
dreist,  die  Landesherren  würden  mit  ihrem  Vorgehen  völlig 
einverstanden  sein. 

Amtmann  und  Rath,  denen  inzwischen  ein  neuer 
scharfer  Befehl,  die  „Strassenräuber  imd  Landesbeschädi- 
ger"  festzunehmen,  von  Ernst  und  Albrecht  zugegangen 
war,  befanden  sich  in  grosser  Verlegenheit;  sie  wollten 
gern  als  „fromme,  christliche  Leute"  befunden  werden, 
wagten  anderseits  aber  auch  nicht,  den  Landesherren  zu 
trotzen.  In  ihrer  Noth  wandten  sie  sich  (am  24.  August) 
an  Herzog  Wilhelm.  Fast  gleichzeitig  schrieben  diesem  seine 
Neffen  (am  25.  August)  und  erklärten  energische  Mass- 
reguln  für  unumgänglich  nothwendig.  Noch  bevor  ihr 
Brief  abgegangen  war,  lief  die  Nachricht  eines  neuen 
durch  Kreuziger  begangenen  Strassenraubes  ein;  die  Frei- 
berger  hatten  aber  die  Heimkehrenden  nicht  eingelassen, 
und  so  hatten  sie  sich  mit  ihrem  Raube  nach  Altzelle  ge- 
wandt. Dort  trafen  Ernst  und  Albrecht  Anstalten,  sich 
ihrer  zu  bemäclitigen. 

Am  2().  August  erschien  der  Freiberger  Amtmann 
und  der  Rath,  denen  die  Sache  immer  bedenklicher  wurde, 
in  Meissen  vor  den  Landesherren.  Sie  baten  ihres  säu- 
migen Vorgehens  wegen  um  Entschuldigung;  sie  hätten 
gern,  so  sagten  sie,  die  befohlenen  Festnehmungen  voll- 
zogen, aber  Gott  wüsste,  dass  sie  es  sich  nicht  getraut 
hätten;  „denn  der  Kreuziger  wären  so  viele  und  faste 
eigenwillig  und  wären  sehr  in  der  Stadt  gefreundet  und 


14  Hubert  Erniisch: 

hätten  auch  von  dem  gemeinen  Volke  grossen  Anhang, 
weshalb  sie  ihnen  kein  Wort  zu  sagen  wagten";  sie 
müssten  befürchten,  dass  sie  sämmtlich  erschlagen  werden 
würden,  wenn  sie  die  landesherrlichen  Befehle  ausführten. 
Sie  ständen  auch  sonst  in  grosser  Gefahr;  die  Kreuziger 
liefen  ihnen  durch  Haus  und  Hof,  und  sie  wüssten  nicht, 
ob  sie  in  die  Stadt  eingelassen  würden,  wenn  sie  heim- 
kehrten. 

Ernst  und  Albrecht  befahlen  ihnen,  sich  sofort  nach 
Freiberg  zurückzubegeben,  Handwerker  und  Gemeine  vor 
sich  zu  entbieten  und  sie  zu  befragen,  wie  sie  sich  den  Kreu- 
zigern gegenüber  verhalten  wollten.  So  sollten  sie  in  Er- 
fahrung bringen,  auf  wie  viel  Beistand  sie  zählen  dürften. 
Nöthigenfalls  wollten  die  Landesherren  schleunigst  zu  Hilfe 
eilen;  sie  hatten  ihren  Marschall  mit  andern  Hofleuten  so- 
fort in  die  Gegend  von  Freiberg  geschickt  und  den  Rath 
angewiesen,  auf  seine  Aufforderung  Folge  gegen  die  Kreu- 
ziger zu  leisten. 

Als  der  Rath  heimkehrte,  gelangte  er  zwar  ohne 
Schwierigkeit  in  die  Stadt;  aber  die  Kreuziger,  die  sich 
mehr  und  mehr  in  Gefahr  fühlten,  hatten  sich  auf  dem 
Kirchhofe  der  Peterskirche,  ganz  in  der  Nähe  des  Rath- 
hauses  und  des  Obermarktes,  gesammelt  und  nahmen  dort 
eine  bedrohliche  Haltung  an;  sie  wollten  Kirche  und 
Kirchhof  besetzen  und  sich  in  ihrem  Besitze  behaupten. 
Offener  Aufstand  und  Strassenkampf  schien  bevorzustehen. 
Doch  fanden  sich  zum  Glück  Vermittler,  welche  die  Schaa- 
ren  zum  Abzug  aus  der  Stadt  bewogen.  Wohin  sie  sich 
begeben,  wissen  wir  nicht;  später  haben  sich  zu  Lössnitz 
in  d^r  Grafschaft  Hartenstein  Pferde  vorgefunden,  welche 
flüchtige  Kreuziger  dorthin  gebracht  hatten.  Freibergs 
Tliore  wurden  auf  Befehl  des  Rathes  besetzt,  damit  keiner 
der  Entwichenen  wieder  in  die  Stadt  zurückkehren  könnte. 

Dann  berief  der  Rath,  wie  ihm  befohlen  war,  Hand- 
werker und  Gemeine  zusammen.  Ihre  Antwort  war  zu- 
friedenstellend; die  Kreuziger  waren  eben  schon  aus  der 
Stadt  verschwunden  und  der  von  ihnen  geübte  Terroris- 
mus hatte  aufgehört;  auch  schreckte  wohl  der  Ernst,  mit 
dem  der  Kurfürst  und  sein  Bruder  die  Sache  auffassten. 
Diese  billigten  die  Massregeln  des  Rathes  und  befahlen 
ihm  zugleich,  Kundschaft  über  die  Kreuziger  ein- 
zuziehen und  mit  ihnen  zu  verhandeln,  ob  sie  sich 
gutwillig  ergeben  wollten;  sie  sollten  sich  in  diesem 
Falle   am    29.  August   unbewaffnet   vor  Freiberg    einfin- 


Sttxdien  zur  Gesch.  der  silchs.-böhm.  Beziehungen  1468 — 71.      15 

den;  in  die  Stadt  dürften  sie  jedoch  nicht  eingelassen 
werden.^") 

Trotz  der  friedlichen  Wendung,  welche  die  Sache 
genommen  und  welche  die  baldige  Heimkehr  des  Mar- 
schalls veranlasst  hatte,  hielten  es  Ernst  und  Albrecht  für 
gut;  die  bewaffnete  Demonstration  ^  die  sie  anfangs  auf 
den  27.  August  festgesetzt  hatten,  noch  nachträglich  zur 
Ausführung  zu  bringen.  Mit  1000  Mann  zu  Fuss  und 
300  Pferden  begaben  sie  sich  am  29.  August  nach  Frei- 
berg. Um  der  Geistlichkeit,  „die  solches  viel  zugerichtet 
und  gemacht  hat"  (wie  es  in  einem  Schreiben  vom  2.  Sep- 
tember lieisst),  jeden  Anlass  zu  nehmen,  das  Thun  der 
Landesherren  zu  verdammen  und  zu  hemmen,  hatten  die- 
selben den  Bischof  Dietrich  von  Meissen,  der,  wie  wir 
wissen,  sich  durch  eine  sehr  gemässigte  Gesinnung  und 
durch  Treue  gegen  seine  Fürsten  auszeichnete,  mit  sich 
genommen.  An  der  Spitze  eines  Heeres  hatten  sie  leichtes 
Spiel.  Am  30.  August  früh  beschieden  sie  Rath  und  Ge- 
meine vor  sich  und  trafen  mit  ihnen  ein  Abkommen,  über 
das  sie  absichtlich  oder  luiabsichtlich  in  dem  an  ihren 
Oheim  gerichteten  Schreiben  vom  2.  September  keine 
näheren  Mittheilungen  machten.  Was  die  Räubereien  der 
Kreuziger  betrifft,  so  sollte  die  geraubte  Habe,  soweit 
dieselbe  sich  noch  im  Gewahrsam  der  Stadt  befand,  den 
rechtmässigen  Besitzern  zurückgegeben  werden  •,  soweit  sie 
nicht  mehr  vorhanden  war,  sollte  die  Stadt  Ersatz  dafür 
leisten  und  sich  an  den  in  Freiberg  zurückgelassenen 
Gütern  der  Entflohenen  schadlos  halten;  die  flüchtigen 
Kreuziger  aber,  die  der  an  sie  ergangenen  Aufforderung, 
sich  freiwillig  zu  ergeben,  nicht  nachgekommen  waren, 
sollten  verfolgt  und  festgenommen  werden. 

Herzog  Wilhelm  hatte  inzwischen  von  Schleiz  aus,  wo 
er  in  jenen  Tagen  mit  den  Brandenburgern  wegen  eines 
Bündnisses  verhandelte  (vcrgl.  S.  24),  in  einem  Schreiben 
vom  29.  August  den  Neffen  vorgeschlagen,  dass  beiderseitige 
Rätlie  am  6.  September  in  Freiberg  die  Sachen  beizulegen 
suchen  sollten.     Als   er  nunmehr  aus  ihrer  Antwort  vom 


*')  Vergl.  das  Schreiben  vom  27.  Aug.  1468.  Samml.  verm. 
Nachr.  1,  266.  Der  Herausgeber  glaubt  (275),  dass  in  der  Wendung : 
„ob  sie  sich  ane  not  unde  gutwilliglichen  yn  unser  Strasse  gebin 
wolten,  so  wolten  wir  die  in  unser  Strasse  uftiiemcn"  das  Anerbieten, 
die  Kreuziger  in  landesherrliche  Kriegsdienste  aufzunehmen,  ent- 
halten sei.  Doch  ist  mir  ein  Gebrauch  des  Wortes  „Strasse"  in  diesem 
Sinne  ganz  unbekannt. 


16  •  Hubert  Ermisch: 

2.  September  ihr  einseitiges  energisches  Vorgehen  erfuhr, 
nahm  er  dies  sehr  übel  auf.  Er  sandte  sofort  seine  Räthe 
Hermann  Lugel  und  Lorenz  von  Kochberg  nach  Freiberg; 
sie  sollten  erkunden,  was  für  ein  Vertrag  zwischen  Rath 
und  Gemeinde  geschlossen  worden  sei,  und  sowohl  den 
Räthen  seiner  Neffen  als  dem  Freiberger  Rathe  unumwunden 
Wilhelms  Missbilligung  zu  erkennen  geben.  Insbesondere 
versagte  der  Herzog  seine  Einwilligung  zu  der  Abmachung, 
dass  die  Stadt  Ersatz  für  die  von  den  Kreuzigern  geraubte 
Habe  leisten  und  sich  dafür  an  iln\e  Güter  halten  soUte. 

Die  Verhandlungen  der  Räthe  führten  indes  bald  zu 
einer  Verständigung*,  Wilhelm  erklärte  sich  schliesslich 
im  grossen  und  ganzen  mit  den  getroffenen  Massregeln 
einverstanden;  nur  die  Art,  wie  das  confiscierte  Gut  er- 
stattet werden  sollte,  scheint  er  noch  bemängelt  zu  haben.^") 

Inzwischen  hatten  mehrere  der  Kreuziger  um  freies 
Geleit  gebeten,  um  sich  wegen  der  ihnen  zur  Last  ge- 
legten Verbrechen  zu  entschuldigen.  Wilhelm  verwandte 
sich  für  sie;  aber  Ernst  und  Albrecht  nahmen  Anstand^ 
ihr  Gesuch  zu  gewähren.  Es  gebe  viele  Kreuziger  zu 
Freiberg  und  an  anderen  Orten,  heisst  es  in  ihrem  Schrei- 
ben vom  18.  September,  die  an  jenen  Thaten  unschuldig 
seien,  und  diese  würden  in  keiner  Weise  behelligt;  aber 
denen,  welche  die  Räubereien  verübt  und  den  Petrikirch- 
hof  besetzt  hätten,  könnten  sie  kein  Geleit  geben. 

Die  Vertriebenen,  deren  Lage  immer  bedrohter  wurde, 
wandten  sich  nochmals  au  den  Vogt  und  den  Rath  zu 
Freiberg  mit  der  Bitte,  dass  ihnen  wenigstens  für  einige 
Tage  Geleit  gegeben  würde,  damit  sie  sich  sammeln 
könnten;  sie  wollten  sich  dann  ganz  in  der  Landesherren 
Gehorsam  begeben.  Auch  erboten  sie  sich,  das  geraubte 
Gut  zurückzuerstatten,  soweit  es  noch  in  ihrem  Besitze  sei. 
Vogt  und  Rath,  die  selbst  in  grosser  Verlegenheit  waren  — 
Er-nst  und  Albrecht  drängten  sie,  den  Frauensteinern 
schleunigst  Ersatz  zu  leisten,  ^A' ilhelm  hatte  es  verboten  — 
theilten  ihr  Gesuch  am  21.  September  diesem  wie  jenen  mit. 

Einige  Kreuziger  hatten  sich  inzwischen  nach  Weimar 
zu  Herzog  Vv'ilhelm  begeben  und  überreichten  diesem 
am  26.  September  ein  langes  Schreiben,  in  dem  sie  die 
ganzen  Vorgänge  von  ihrem  Standpunkte  aus  schilderten. 
Sie  beriefen  sich  dabei  auf  die  päpstlichen  Gebote:  nicht 

*")  Das  uns  vorliegende  flüchtige  Concept  eines  Schreibens  des 
Herzogs  au  seine  Netien  vom  12.  September  ist  nicht  ganz  ver- 
ständlich. 


Studien  zur  Gesch.  der  sächs.-böhm.  Bezieliungen  1468—71.      17 

um  Gutes,  sondern  um  Gottes  Willen  hätten  sie  die  Nähme 
verübt;  hätten  sie  gewusst,  dass  ihr  Verfahren  ihren  Herren 
unangenehm  sei,  so  würden  sie  es  ganz  unterlassen  haben. 
Auf  den  an  den  Rath  ergangenen  Befehl,  sie  in  Haft  zu 
nehmen,  hätten  sie  sich  zu  allem  bereit  erklärt,  was  man 
von  ihnen  verlangen  würde;  da  aber  seien  die  Herzöge 
mit  vielem  Volke  —  vielleicht  „durch  unbeständiges  Vor- 
bringen etlicher  ihrer  Abgönner"  veranlasst  —  gegen  sie 
gezogen,  und  sie  hätten  in  Sorge  für  ihr  Leben  fliehen 
müssen.  Ihre  neuerdings  an  deii  Rath  gerichtete  Bitte,  sie 
wieder  aufzunehmen,  sei  von  den  Landesherren  abge- 
schlagen worden.  So  seien  sie  vertrieben  und  müssten 
mit  Weib  und  Kind  zu  Bettlern  werden.  Und  doch  seien 
sie  ihre  Lebtage  niemals  Räuber  gewesen,  sondern  sie 
hätten  sich  meist  redlich  mit  ihren  Handwerken  ernährt; 
Lucas  Schönberg  aber  mit  seinem  Bergbau  — •  „ich  habe 
euern  Gnaden  mehr  Silbers  geantwortet  und  erbauet  als 
irgend  ein  anderer  in  langer  Zeit  gethan  hat",  so  sagt 
derselbe  von  sich.  Sie  baten  den  Herzog  inständigst,  sie 
wieder  in  Gnaden  aufzunehmen  und  sich  auch  bei  seinen 
Neffen  für  sie  zu  verwenden. 

Der  Leser  dieser  beweglichen  Bittschrift  fühlt  in  der 
That  Mitleid  mit  den  Irregeleiteten.  Bei  vielen  derselben 
war  es  sicher  nur  eine  absonderliche  Art  der  Frömmig- 
keit, die  bei  dem  rohen  Charakter  der  Zeit  diese  gewalt- 
thätigen  Formen  annahm. 

Wilhelm  antwortete  dem  Freiberger  Rathe  auf  sein 
Schreiben  vom  2L  September  ziemlich  kurz:  er  werde 
bei  einem  auf  den  10.  öctober  angesetzten  Tage  zu  Erfurt 
die  Sache  mit  seinen  Neffen  des  weiteren  besprechen.  Was 
die  Rückgabe  der  Güter  anlange,  so  werde  ilnlen  ja  wohl 
seine  Antwort  noch  in  Erinnerung  sein;  was  davon  noch 
vorhanden,  sollten  sie  den  Besitzern  überantworten,  auf  Ent- 
schädigung für  das  übrige  sich  jedoch  gar  nicht  einlassen. 

Gern  willigten  Ernst  und  Albrecht  in  die  Abhaltung 
eines  Tages  zu  Erfurt.  Zugleich  aber  Hessen  auch  sie 
Verhandlungen  mit  den  Kreuzigern  anknüpfen,  und  diese 
verpflichteten  sich  schliesslich,  nach  Leipzig  zu  kommen 
und  sich  in  den  Gehorsam  der  Brüder  zu  begeben.  Was 
dort  abgemacht  worden  ist,  Avissen  wir  nicht;  ebenso  ist 
uns  nicht  bekannt,  welche  Beschlüsse  wegen  der  flüch- 
tigen Kreuziger  auf  dem  noch  zu  erwähnenden  Tage  in 
Erfurt  gefasst  wurden,  da  das  über  denselben  vorhandene 
Instrument  sie  gar  nicht  erwähnt.    Jedenfalls  wurde  noch 

Neues  Archiv  f.  S.  0.  u.  A.  U.   1.  2 


Ig  Hubert  Ermisch: 

mohrnials,  so  im  Anfange  Deceniber  zu  Meissen,  mit  ihnen 
verhandelt,  schliesslich  jedoch  ein  Ausgleich  erreicht.    Den 
Beraubten  zu  ihrer  Habe  zu  verhelfen,  hielt  freilich  schwer; 
noch   am   13.  December   erging    ein  Befehl    an   den  Rath 
zu  Freiberg,  derselbe  solle  die  Kreuziger  zur  Auszahlung 
der  146  Schock  10  Gr.,    die   sie    den  Frauen  steinern    als 
Ersatz  für  das  Geraubte  zu  geben  sich  verpflichtet  hatten, 
nöthigen.  ^*)     Die   Behauptung,    dass    sie    in    landesherr- 
liche Kriegsdienste  eingetreten  seien,  ist  nicht  beweisbar.^^) 
Auch  noch  später  finden  wir  Spuren  ihrer  Thätigkeit. 
So  klagt  König  Georg  in  einem  Schreiben  an  die  herzog- 
lichen Brüder  vom  20.  Februar  1469,  dass  Paul  Meissner 
von  Freiberg   und   sein  Hausknecht  Philipp  Juncker    der 
Regina,  der  Frau  eines  gewissen  Kaufmanns  Valentin  aus 
Prag,  seidene  und  andere  Waaren  in  der  Nähe  von  Frei- 
berg abgenommen  haben,  und  bittet,  derselben  zu  ihren 
Gütern   wieder   zu  verhelfen.  ^^)      Können    wir    hier    nur 
vermuthen,  dass  kein  gewöhnlicher  Strassenraub,  sondern 
ein  Werk    der  Kreuziger  vorliegt,   so   ist   dies    in   einem 
anderen   Falle,    der   noch    mehrfache    Reclamationen    be- 
wirkte, ganz  klar.      Unter  den  geraubten  Salz  wagen  be- 
fanden sich  auch  solche,  die  den  Unterthanen  der  Agnes 
von  Landstein,  zu  Graupen  in  Böhmen  gesessen,  gehörten; 
den  letztern  waren  einige  der  Räuber  bekannt  geworden, 
und  sie  nannten  die  theilweise  anderweit  als  Kreuziger  be- 
zeichneten Georg  Wagner,  Merten  Ortwein,  die  Schuster 
Grunbach  und  Zipser,  die  Büttner  Feielrose  und  Gelhar, 
Lorenz   Strol,    den  Fleischer  Georg    von  Dippoldiswalde. 
Ihre  Herrin  hatte  nun  bereits  zu   wiederholten  Malen   so- 
wohl  die  Stadt  Freiberg  als  die  beiden  Herzöge  um  Er- 
satz  für   den  angerichteten  Schaden,   der   auf  80  Schock 
geschätzt  wurde,    gebeten;    die   Fürsten  hatten   ihr    auch 
mitgetheilt,    dass  einige  Kreuziger  sich  mit  ihnen  ausge- 
söhnt hätten,  aber  mit  dem  Zusätze,  dass  diese  nicht  im 
Stande  seien,  den  geforderten  Ersatz  zu  leisten.     Obwohl 
nun  Agnes  von  Landstein  in  einem  Schreiben  vom  21.  Febr. 
14ö9  mit  Recht  darauf  hinwies,  dass  ja  die  Thäter  sämrat- 
lich  in  Freiberg  mit  Haus  und  Hof  angesessen  seien  und 
dass  die  Landesherren  sich  also  täglich  an  sie  halten  und 
sie  zwingen  könnten,  Ersatz  zu  leisten,  blieb  ihr  Gesuch 


*•)  Sammlung  vermischter  Nachrichten  1,  268. 

**)  V.  Langenn,  Albrecht  der  Beherzte  410.  Vergl.  oben  Anin.  29. 

»')  Original  im  WA.  Böhm.  Sachen  K.  I  Bl.  203. 


Studien  zur  Gesch.  der  sächs.-bölim.  Beziehungen  1468 — 71.      19 

doch,  wie  es  scheint,  erfolglos;  noch  im  September  1469 
schrieb  sie  dringend  in  dieser  Angelegenheit  mid  berief 
sich  dabei  darauf,  dass  anderen  der  geforderte  Ersatz  ge- 
leistet worden  sei.  '*) 

Noch  1470  waren  die  Kreuziger  nicht  allen  Ver- 
pflichtungen zum  Ersatz  des  Geraubten  nachgekommen 
und  wurden  deshalb  von  Ernst  und  Albrecht  mit  einer 
Geldbusse  von  100  Schock  bedroht;  dies  veranlasste  wieder 
Beschwerden  von  Seiten  des  Herzogs  Wilhelm,  über  welche 
am  29.  Januar  1470  auf  einem  Münzprobationstage  zu 
Leipzig  verhandelt  wurde.  *^) 

Die  Freiberger  Kreuzigerunruhen  sind  nur  eine  ein- 
zelne Episode  aus  jener  aufgeregten  Zeit;  an  andern  Orten 
mag  ähnliches  vorgekommen  sein.  Allenthalben  waren 
die  Bemühungen  der  deutschen  Fürsten  darauf  gerichtet, 
dem  Unwesen  ein  Ende  zu  machen. 

Hauptsächlich  diesem  Zwecke  dienten  auch  die  Ver- 
handlungen, die  um  die  Mitte  October  zwischen  den  sächsi- 
schen Fürsten  und  dem  Markgrafen  Albrecht  zu  Erfurt 
stattfanden.  Sie  betrafen  insbesondere  die  Kreuzpredigt, 
die  Sammlung  von  Ablassgeldern,  das  Verbot  des  Verkehrs 
mit  Böhmen  und  den  zehnten  Pfennig  von  der  Geistlichkeit, 
mit  welchem  der  Papst  dem  Könige  Matthias  die  stets 
ausgehenden  Kriegsmittel  zu  ergänzen  suchte.^'*)  Es  wurde 
vereinbart,  dass  der  Fürst,  welchen  der  päpstliche  Legat 
zuerst  in  dieser  Sache  angehen  würde,  nicht  sofort  Ant- 
wort geben,  sondern  die  anderen  benachrichtigen  und 
ihnen  einen  Tag  zur  Berathung  anberaumen  sollte;  was 
auf  diesem  Tage  beschlossen  werde,  sollte  für  alle  bindend 
sein.  Zugleich  wurde  bestimmt,  dass  man  sich  auch  über 
das  Verhalten  der  anderen  deutschen  Fürsten  unterrichtet 
halten  solle;  Ernst  und  Albrecht  sollten  deshalb  bei  den 
Erzbischöfen  von  Salzburg  und  Köln,  dem  Pfalzgrafen 
und  den  bayerischen  Fürsten,  Herzog  Wilhelm  bei  den 
Erzbischöfen  von   Mainz   und  Magdeburg    mid    bei    den 

")  Original  im  WA.  Böhm.  Sachen  Kapsel  I  Bl.  201.  294. 

**)  Gemeinschaft!.  Archiv  zu  Weimar  Reg.  U  fol.  24  No.  6. 

SO)  Vergl.  Eschenloer  (SS.  rer.  SU.  VII)  190  und  das  Schreiben 
des  Legaten  Laurentius  ßovarella  an  Bischof  Rudolf  von  Breslau 
d.  d.  1468  Oct.  .5  SS.  rer.  Sil.  IX,  297.  Eine  Aufforderung  des  Erz- 
bischofs Johann  von  Magdeburg  an  Bischof  Dietrich  von  Meissen  zu 
einer  Berathung  wegen  des  Zehnten  d.  d.  1468  Oct.  29,  die  den 
letztern  zu  sorglicher  Wahrung  seiner  exempten  Stellung  dem  Erz- 
bischofe  gegenüber  veranlasste,  s.  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II.  3,  180  fg. 

2* 


20  Hubert  Ermisch: 

hessischen  Fürsten,  Markgraf  Albrecht  bei  dem  Erzbischof 
von  Trier,  dem  Bischof  von  Metz,  dem  Markgrafen  voiP 
Baden,  den  von  Württemberg  und  anderen  weltlichen 
Fürsten,  Grafen,  Herren  und  Edelleuten,  sowie  bei  den 
ihm  nahe  gelegenen  Reichsstädten  fleissige  Forschung 
halten  und  das  Ergebnis  derselben  den  anderen  mit- 
theilen. ^') 

Für  den  November  wurde  ein  Fürstentag  nach  Mün- 
chen ausgeschrieben,  der  jedoch  nicht  hier,  sondern  in 
Landshut  abgehalten  wurde  ^^)  und  auf  dem  dieselben 
Gegenstände  zur  Sprache  kamen.  Die  sächsischen  Her- 
zöge sandten  Burggraf  Georg  von  Leisnig  und  Herrn 
Kaspar  von  Schönberg  als  ihre  Vertreter  dorthin  und 
wiesen  dieselben  an,  vorher  mit  den  Herzögen  Ludwig 
und  Sigismund  von  Bayern  allein  zu  verhandeln,  um  deren 
Meinung  in  Erfahrung  zu  bringen.  Ihre  uns  vorliegenden 
Instructionen  sind,  wie  dies  leider  gebräuchlich  geworden 
war,  so  gehalten,  dass  sie  in  der  Hauptsache  jeden  Be- 
schluss  vereiteln  mussten.  Sie  knüpfen  an  kürzlich  ein- 
gelaufene päpstliche  und  kaiserliche  Schreiben  an,  welche 
Kreuzpredigt,  Ablasshandel,  Zehntenforderung  und  den 
geplanten  allgemeinen  Krieg  gegen  Georg  betrafen.  Wür- 
den sie  um  die  Ansicht  ihrer  Fürsten  über  diese  Schreiben 
befragt,  so  sollten  sie  erklären,  dass  dieselben  erst  un- 
mittelbar vor  ihrer  Abreise  eingelaufen  und  ihnen  die 
Entschlüsse  ihrer  Herren  daher  nicht  bekannt  seien; 
sie  sollten  darum  auch  die  Meinung  der  anderen  Fürsten 
lediglich  ad  referendum  nehmen.  „Von  sich  aus  und  nicht 
aus  unserm  Befehle"  sollten  sie  sodann  die  Anschauungen 
ihrer  Herren  über  die  Kreuzpredigt,  den  Ablasshandel 
und  den  Verkehr  mit  Böhmen  vortragen.  Die  Kreuz- 
predigt hätten  dieselben  schon  vor  einem  Jahre  gestattet 
und  wollten  ihr,  „wiewohl  das  zu  der  Zeit  wenig  Frucht 
gebracht  hätte",  auch  jetzt  kein  Hindernis  in  den  Weg  legen, 
„doch  so  das  fürder  sollte  verkündigt  werden,  dass  das 
mit  Ordnung  geschehe,  als  dass  nicht  das  gemeine  Volk 
und  unendlich  Pofel  alleine  dazu  bewegt  und  mit  dem 
Kreuze  gezeichnet  würde,  dadurch  ihren  Gnaden  als 
Fürsten  der  Lande  mehr  Widerwärtigkeit  dann  den  Un- 
gläubigen davon  entstehen  möchte".     Nur  die  besonders 

")  HStA.  Orig.  7989,  ohne  Datum.  Angesetzt  war  der  Tag  auf 
den  10.  October,  s.  oben  S.  17. 

*')  „Die  fursten,  so  zum  tag  gen  München  beschieden  sein,  der 
zu  Landshut  gehalten  worden"  HStA.  Cop.  12.  fol.  70  b. 


Studien  zur  Gesch.  der  sächs.-böhm.  Bezieluiugen  1468 — 71.     21 

Bevollmächtigten  sollten  das  Kreuz  ertheilen  dürfen  und 
auch  diese  nur  an  solche,  die  gehörig  gerüstet  und  ilu'cm 
Vermögen  nach  im  Stande  Avären,  die  festgesetzte  Zeit 
im  Felde  zu  bleiben,  nicht  aber  an  leichtfertige  Leute, 
die  nur  zum  Scheine  das  Kreuz  nehmen  und  dadurch 
„eine  Freiheit  haben"  wollten,  einen  Tag  wider  die  Un- 
gläubigen zu  ziehen,  den  andern  Tag  das  Kreuz  abzu- 
reissen  und  davonzulaufen.  Entschiedener  noch  sollten 
die  Gesandten  sich  gegen  den  Ablasshandel  und  die  Er- 
hebung des  Zehnten  aussprechen,  weil  durch  ersteren 
schon  früher  das  niedere  Volk,  das  zur  „Innigkeit"  ge- 
neigt sei,  furchtbar  ausgesogen  und  viel  Geld  ausser 
Landes  gebracht  worden  sei,  die  Erhebung  des  Zehnten 
von  der  Geistlichkeit  aber  in  ihren  Landen  nie  stattge- 
funden habe;  auch  sei  zu  vermuthen,  dass  das,  was  ein- 
kommo,  zu  anderen  als  den  angegebenen  Zwecken  ver- 
wendet werden  möchte.  Wenn  von  der  deutschen  Nation 
etwas  in  der  Sache  geschehen  solle,  so  müsse  ein  „ge- 
meiner Tag"  angesetzt  werden.  Werde  dann  ein  Reiclis- 
krieg  beschlossen,  so  würden  die  Herzöge  es  an  sich  nicht 
fehlen  lassen;  aber  allein  den  Krieg  anzufangen  und  ihn 
anderen  abzunehmen,  das  würde  ihnen  und  dem  Reiche 
nur  schaden  können.  ^^) 

So  hatte  der  Landshuter  Tag  nicht  mehr  Erfolg  als 
seine  Vorgänger.  Wenn  hier  und  auf  einem  Speierer  Tage, 
der  wohl  kurz  nachher  stattfand,  Anschläge  über  die  zu 
leistende  Kriegshilfe  aufgestellt  wurden,  so  hatten  dieselben 
so  gut  wie  gar  nichts  zu  bedeuten.  *^) 

Auch  die  Frage  des  Handelsverkehrs  mit  Böhmen 
hatten  die  nach  Laudshut  bestimmten  Gesandten  zu  be- 
rühren gehabt:  dersell:)e  sei  schon  lange  in  Sachsen  ver- 
boten. Das  war  wohl  richtig,  aber  die  Lage  der  Lande 
und  ganz  besonders  auch  der  Umstand,  dass  im  Herbst 
1468  eine  Theuerung  entstand,  machten  eine  strenge  Durch- 
führung des  Verbots,  wenn  eine  solche  überhaupt  beab- 
sichtigt war,  unmöglich.  ^^)   Der  Legat  zu  Breslau,  dessen 

*«)  HStA.  Loc.  9300.  Acta  den  Zug  wider  Gersiken  betr. 
1468.  Der  Credenzbrief  für  die  Gesandten  d.  d.  1468  Nov.  9  s.  eben- 
daselbst Loc.  7385  Acta  die  Churfürstentäge  zu  Frankfurt  1461, 
München  14G8  u.  s.  w.  fol.  2.  Vergl.  auch  Jordan  296  Anm.  und 
Kluckhohn  283  Anm. 

*•)  IIStA.  Cop.  12  fol.  70. 

*')  Tempore  autumni  ist  das  jare  in  Mejssner  lande  und  sust 
an  vil  andern  enden  das  nasse  jare  gewest,  hirurabe  ein  kleine  zceit 
theurung  im  lande  worden.    HStA.  Cop.  1301  fol.  48. 


22  Hubert  Ermiscli: 

rücksichtsvolle  Haltung  wir  schon  mehrfach  hervorzuheben 
gehabt  haben,  trug  dem  Rechnung  und  bevollmächtigte 
den  Dominicaner  Dr.  Joh.  Breslauer  für  gewisse  Fälle 
mit  der  Ertheilung  von  Ablass  wegen  Verletzung  der 
päpstlichen  Bulle.  Insbesondere  sollte  es  den  Böhmen  ge- 
stattet sein,  Getreide,  Korn  und  Hafer  einzuführen  und 
dafür  Salz,  Häringe,  gesalzene  Fische  u.  a. ,  aber  nicht 
Wehr  und  Waffen  einzuhandeln  und  über  die  Grenze  zu 
schaffen;  doch  sollten  sie  nicht  länger  beherbergt  werden 
als  durchaus  nöthig  und  namentlich  keine  Kirche  betreten. 
Dies  wurde  in  den  Grenzorten  Böhmens  und  im  Lande  selbst 
bekannt  gemacht.  ^^)  Die  wiederholten  Verbote  und  Dro- 
hungen der  Landesherren  und  des  Legaten  beweisen,  dass  die 
Ausnahmen  bald  zur  Regel  wurden;  wir  werden  auf  diesen 
Punkt,  der  immer  von  neuem  den  Landesherren  Un- 
annehmlichkeiten bereitete,  noch  zurückzukommen  haben. 

n. 

Die  Erfurter  Abmachungen  blieben  wenigstens  wäh- 
rend der  nächsten  Monate  massgebend  für  die  Politik  von 
Ernst  und  Albrecht.  Als  im  December  der  Bischof  von 
Würzburg  ein  Ausschreiben  wegen  des  durch  die  päpst- 
liche Bulle  vom  20.  April  1468  vorgeschriebenen  Setzens 
von  Opferstöcken  in  allen  Städten  und  Diöcesen  erliess 
und  gleichzeitig  der  päpstliche  Legat  dem  Markgrafen 
Albrecht  seinen  Besuch  auf  Anfang   Januar  in  Aussicht 


**)  Vergl.  ein  Runclschreibeu  von  Ernst  und  Albrecht  an  die 
Amtleute  d.  d.  1468  Nov.  16  (WA.  Böhmische  Sachen  K.  IV  Bl. 
124)  und  ein  Schreiben  des  Bischofs  Rudolf  von  Breslau  au  Bischof 
Dietrich  von  Meissen  d.  d.  1468  Dec.  12  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II. 
3,  180).  Bereits  am  21.  October  hatte  Joh.  Breslauer  den  Leuten 
der  Frau  von  Waidenburg  den  Handelsverkehr  mit  den  christlichen 
Böhmen  gestattet.  HStA.  Orig.  80,35.  Vergl.  auch  den  Dialog 
des  Johannes  Rabensteineusis  (Anfang  1469):  Ümnes  oras  confinium 
penes  Bohemiam  frumento  adipe  piuguetudine  in  Boheraia  collectis 
vivere  oportet,  quibus  rebus  commutacionis  titulo  sal,  quo  solum  ad 
victum  necessario  egent,  et  cetera  Bohemi  facile  acquirunt;  et 
i'acient  certe,  quoniam  absque  frumento  ille  vulgaris  Boheraie  vicinus 
popnlus  enervatur.  Archiv  f.  Österreich.  Gesch.  LIV,  383.  Vides 
enim,  quot  pene  corporales  et  pecuniarie  Theutonis,  ne  commeatum 
salis  permittant,  inüiguntur,  quibus  omnibus  postpositis  sal  in  com- 
rautacionem  frumenti  dant,  ne  frumenta  ceteraque  careant  annona, 
cujus  ob  carenciam  jam  plerique  fame  compulsi  suos  dulcissimos 
penates  fere  relinquere  compelluntur  ...  In  marchie  Missnensis 
continibus  magna  tocius  annone  extat  caristia  et  tanta,  quod  clamore 
pauperum  nimio  Missnensibus  ad  aliquod  tempus  salis  cum  frumento 
commutacionem    legatus   concessit  poutiticis  summi.    Ebeudas.  398. 


Studien  zur  Gesch.  der  siichs.-böhm,  Beziehungen  U68 — 71.      23 

stellte,  um,  wie  dieser  glaubte,  die  Landsliuter  Proposi- 
tionen *^)  noch  einmal  vorzubringen,  machten  der  INIark- 
graf  und  Herzog  Wilhelm  sofort  davon  die  nöthige  Mit- 
theilung an  Ernst  und  Albrecht  und  setzten  auf  den 
15.  März  einen  Tag  zu  Naumburg  zu  weiteren  Verhand- 
lungen an,  zu  dem  auch  Kurfürst  Friedrich  von  Branden- 
burg und  der  Landgraf  von  Hessen  geladen  werden  sollten.  *^) 
Wenige  Wochen  nach  dieser  Korrespondenz,  am  I.Fe- 
bruar 1469,  wurden  Ernst  und  Albrecht  durch  Schreiben 
des  Bischofs  Laurentius  von  Ferrara,  des  Grafen  Hugo 
von  Montfort  namens  des  Kaisers  und  des  Propstes  Georg 
von  Pressburg  namens  des  Königs  Matthias  zu  einem  auf 
den  19.  Februar  angesetzten  Reichstage  nach  Regensburg 
eingeladen.  Ein  dem  kaiserlichen  Schreiben  beiliegender 
Zettel  besagte,  dass  auf  diesem  Tage  verhandelt  werden 
solle  „von  Hauptleuten  und  wie  viel*  Volks  zu  Ross  und 
zu  Fuss  man  aus  deutschen  Landen  anschlagen  solle", 
ferner  „um  Verstcändnis  zu  machen  zwischen  den  Haupt- 
leuten in  deutschen  Landen  und  dem  Könige  von  Ungarn". 
Die  Lage  Georgs  schien  so  bedenklich,  dass  man  sich 
nicht  mehr  hinter  den  Türkenkrieo-  verstecken  zu  brauchen 
glaubte;  andrerseits  war  aber  doch  Matthias  nicht  im 
Stande,  allein  mit  dem  Ketzer  fertig  zu  werden.  Die 
sächsischen  Fürsten  erfüllte  die  Botschaft  mit  nicht  ge- 
ringem Unwillen ;  sie  verhehlten  nicht,  „dass  es  sie  ver- 
wundere, solche  Sachen  zu  schreiben  und  vorzunehmen, 
davon  vorher  mit  uns  allen  unsres  Wissens  kein  Handel 
gewest  ist."  Aber  es  befremdete  sie  auch,  dass  ihr  Oheim, 
dem  sie  darüber  berichteten  und  der,  wie  ihnen  mitgetheilt 
wurde,  bereits  vor  ihnen  ähnliche  Schreiben  erhalten  hatte, 
sie  nicht  davon  unterrichtet  habe.''*)  Wilhelm  entschul- 
digte sich:  er  habe  gewusst,  dass  die  Botschaft  auch  an 
seine  Neffen  kommen  werde,  und  habe  daher  von  einer 
besonderen  Benachrichtigung  abgesehen;  übrigens  werde 
er,  obwohl  auch  ihm  über  das  Programm  des  Tages  vor- 
her nichts  mitgetheilt  worden  sei,  seine  Boten  doch  nach 
Regensburg  schicken,  jedoch  nur  zur  Berichterstattung.***) 


**)  Ueber  dieselben  sind  wir  übrigens  nur  mittelbar  durch  die 
oben   erwähnte  Instruction   der  sächsischen  Gesandten   untcrriclitet. 

")  WA.  Böhm.  Sachen  Kaps.  IV  Bl.  125.  Bejahende  Ant- 
wort d.  d.  14Ü9  Jan.  22  (Concept)  ebendas.  Kaps.  V  Bl.  251. 

**)  Bachmann,  Urk.  und  Aktenstücke  456.  Concept  WA.  Böhm. 
Sachen  K.  IV  Bl.  126. 

*«)  Bachmaun  a.  a.  0.  457.    Original  WA.  a.  a.  0.  Bl.  127. 


24  Hubert  Ermisch: 

Ohne  Zweifel  entsprach  die  Haltung  Wilhelms  nicht 
o-anz  den  Erfurter  Verabredungen.  Das  Einvernehmen 
zwischen  Oheim  und  Neffen  schien  überhaupt  ein  immer 
weniger  gutes  zu  werden,  während  die  Politik  der  Bran- 
denburger sich  mehr  und  mehr  der  Wilhelms  näherte. 
Bereits  im  Sommer  1468  hatte  der  letztere  auf  einer  Zu- 
sammenkunft zu  Schleiz  eine  engere  Vereinigung  mit  jenen 
geschlossen.  ^ ')  Die  Freiberger  Wirren  hatten  schon  Zeug- 
nis von  einer  bedenklichen  Gereiztheit  zwischen  den  beiden 
Linien  des  Hauses  Wettin  abgelegt.  Dazu  kamen  neben 
den  niemals  aufhörenden  Münzdifferenzen  vor  allem  zwei 
Punkte,  die  viel  böses  Blut  machten:  die  Erbhuldigung, 
welche  die  jungen  Herzöge  bis  jetzt  vergeblich  von  den 
Gebieten  ihres  Oheims  gefordert  hatten,  und  der  Schutz, 
den  sie  dem  mit  Wilhelm  verfeindeten  Grafen  Ernst  von 
Hohnstein  angedeihen  Hessen.  Was  die  Erbhiddigung  an- 
langt, so  hatten  Ernst  und  Albrecht  auf  Grund  der  be- 
stehenden Familienverträge  unmittelbar  nach  ihres  Vaters 
Tode  darum  ersucht;  Wilhelm  jedoch  hatte  verlangt,  dass 
sie  zunächst  die  (Gesammt-)Belehnung  vom  Kaiser  em- 
pfangen sollten,  und  als  sie  diese  erlangt,  sie  immerfort 
hingehalten.  Vergeblich  wurden  die  Neffen  immer  dringen- 
der; weder  auf  dem  Tage  zu  Naumburg  am  15.  März  1469, 
noch  auch  bei  späteren  Verhandlungen,  die  wir  im  ein- 
zelnen hier  nicht  verfolgen  können,  erlangten  sie,  was  sie 
wollten.***)  Ende  Juni  14Ü9  wollte  Herzog  Albrecht  noch 
einmal  persönlich  mit  Herzog  Wilhelm  darüber  sprechen; 
auf  einer  ßeise  an  den  kaiserlichen  Hof,  die  wir  in  an- 
derem Zusammenhange  zu  erwähnen  haben  werden,  be- 
suchte er  auch  Jena  und  bat  den  Oheim,  dort  zu  einer 
freundlichen  Unterredung  zu  erscheinen.  Allein  als  Al- 
brecht nach  Jena  kam,  war  in  seinem  Gefolge  eben  jener 
Graf  Ernst  von  Hohnstein,  und  für  diesen  Fall  hatte  Wil- 
helm seinen  Käthen  Befehl  gegeben,  zu  sagen,  dass  er 
verhindert  sei.  Albrecht  reiste  ihm  darauf  nach  Rudol- 
stadt  nach,  wo  Wilhelm  sich  beim  Grafen  Heinrich  von 
Schwarzburg  aufhielt;  der  erzürnte  Oheim  wich  ihm  auch 
hier  aus.  Seine  Antwort  auf  Albrechts  unwilligen  Brief, 
in  dem  derselbe  seine  vergeblichen  Bemühungen  schilderte, 
sprach   sich   rund   und    entschieden  gegen  die  Vornahme 

*')  Vergl.  die  Urkk.  von  1468  Aug.  28  bei  Riedel,  Cod.  dipl.  II, 
5,  124.  126. 

*')  Die  betreffenden  Schriftstücke  befinden  sich  im  WA.  Hand- 
schreiben  Bl.  83.     Huldigungssachen   Bl.  1—7.     Irrungen  Bl.  5—8. 


Studien  zur  Gesch.  der  siichs.-böhm.  Beziehungen  1468 — 71.      25 

der  Erbhuldigung  ans.  Albreclit  wollte  nun  die  Saclie  am 
kaiserlichen  Hofe  weiter  führen  und  erbat  sich  Zusendung 
der  betreffenden  Urkunden  des  Meissner  Archivs  nach 
Nürnberg.**) 

Es  wäre  von  nicht  geringem  Interesse,  die  tieferen 
Ursachen  dieser  heftigen  Verstimmung  zwischen  den  Höfen 
von  Weimar  und  Meissen  und  der  auffallenden  Weigerung- 
Wilhelms  einer  doch  wohl  unzweifelhaften  Verpflichtung 
gegenüber  zu  kennen;  aus  den  uns  vorliegenden  Akten 
ergeben  sie  sich  nicht,  auch  ist  es  nicht  unsere  Aufgabe, 
ihnen  hier  weiter  nachzugehen.  -Lagen  ihnen  vielleicht 
Combinationen  zu  Grunde,  die  es  Wilhelm  geflissentlich 
vermeiden  Hessen,  seine  Neff'en  als  Erben  anzuerkennen? 
Die  politische  Hinterlassenschaft  des  Markgrafen  Albrecht 
von  Brandenburg,  die  über  so  viel  dunkles  Auskunft 
giebt,  lässt  uns  hier  vollständig  im  Stiche.  — 

Doch  wir  sind  den  Ereignissen  vorangeeilt  und  kehren 
wieder  in  den  Anfang  des  Jahres  1469  zurück.  Der  an- 
gekündigte Reichstag  fand  vom  22.  Februar  bis  11.  März 
zu  Kegensburg  statt,  war  aber  sehr  schwach  besucht  und 
hatte  so  gut  wie  kein  Resultat.  Der  Reichskrieg  gegen 
Böhmen,  der  Hauptgegeustand  der  Tagesordnung,  schei- 
terte daran,  dass  die  sächsischen  und  brandenburgischen 
Gesandten  erklärten,  sie  hätten  keine  andere  Vollmacht 
als  „zu  vernehmen  und  zu  hören,  was  das  Vornehmen 
sei,  und  das  wieder  an  ihre  gn.  Herren  zu  bringen", 
während  Herzog  Ludwig  von  Bayern  dem  Plane  nicht 
abgeneigt  war.  ^")  Wohl  mochte  der  Legat  zornig  sein 
auf  die  Herren  von  Meisseu  ^'),  deren  Einfluss  man  ge- 
wiss nicht  mit  Unrecht  die  Hauptschuld  an  dieser  aus- 
weichenden Antwort  gab.  Ebenso  wenig  kam  es  zu  der 
vorgeschlagenen  Einung  der  Fürsten  mit  dem  Kaiser,  in 
die  auch  König  Matthias  aufgenommen  werden  sollte;*^) 


.  *»)  Vergl.  WA.  Handschreiben  Bl.  8.  84.  117.  82. 

*")  Vergl.  den  Bericht  des  Joh.  Ilausner  nach  Eger  von  1469 
März  7  bei  Bachraann  a.  a.  0.  4(30.  Den  Irrthum  Palackys  (IV,  t?, 
558),  der  annimmt,  wegen  der  Abwesenheit  der  sächsischen  und 
brandenburgischen  Gesandten  sei  kein  Beschluss  zu  Stande  gekom- 
men, hebt  bereits  Khickhohu  287  Anm.  hervor.  Die  Instruction  Lud- 
wigs für  Martin  Mayr  s.  Kluckhohn  .380  fgg. ;  die  Ilauptmannscliait 
in  dem  etwaigen  Keichskriege  wünschte  Ludwig  einem  sächsischen 
oder  bayerischen  Fürsten  übertragen  zu  sehen. 

*')  Item  der  legat  ist  zornig  auf  den  herrn  von  Meissen.  Bach- 
mann a.  a.  0.  464. 

**)  Hieran  glauben  wir,  mit  Kücksicht  auf  die  den  sächsischcu 


26  Hubert  Ermisch: 

endlich  hatte  auch  Ludwig  keinen  Erfolg  mit  dem  Plane 
einer  Defensivallianz  zwischen  Pfalz,  Bayern,  Sachsen  und 
wenn  nöthig  Brandenburg,  der  ihn  eifrig  beschäftigte.  *^) 
Der  einzige  Beschluss,  der  auf  dem  Tage  gefasst  wuide, 
war  der,  dass  auf  Georgi  (23.  April)  eine  Vorberathuug 
der  fürstlichen  Rätlie  zu  Regensburg,  am  11.  Mai  ein 
neuer  Reichstag  zu  Nürnberg  stattfinden  sollte. 

Noch  waren  die  Verhandlungen  in  vollem  Gange,  als 
ein  Ereignis  bekannt  wurde,  das  die  gesammte  Sachlage  mit 
einem  Schlage  umzugestalten  schien.  König  Georg  hatte 
seinen  Gegner  bei  Wilimow  so  eingeschlossen,  dass  dem- 
selben nur  die  Wahl  zwischen  Untergang  und  Capitula- 
tion  blieb.  Die  Folge  war  der  am  27.  Februar  zu 
Auhrow  abgeschlossene  Waffenstillstand,  an  den  sich 
Friedensverhan'dlungen  zu  Olmütz  anschliessen  sollten. 
Ganz  unverhofft  zeigte  sich  am  politischen  Horizonte  noch 
einmal  die  Möglichkeit  eines  friedlichen  Ausgleichs,  und 
es  ist  bezeichnend,  dass,  so  fanatisch  das  Volk  jener  Tage 
auch  war,  doch  diese  Aussichten  allgemein  mit  Jubel  be- 
grüsst  wurden.  ^^) 

Unter  dem  Eindrucke  der  Capitulation  von  AVilimow 
schloss  der  Regensburger  Reichstag;  unter  demselben  Ein- 
drucke fand  auch  die  verabredete  Zusammenkunlt  zwischen 
den  drei  sächsischen  Fürsten  und  dem  Markgrafen  Albrecht 
von  Brandenburg  zwar  nicht  am  15.,  aber  am  21.  März 
zu  Naumburg  statt;  ^*)  sie  diente  unter  den  veränderten 
Verhältnissen  jetzt  hauptsächlich  zu  Vorbesprechungen  für 
die  auf  Georgi  festgesetzten  Regensburger  (jonferenzon. 
Es  waren  dieselben  Personen,  die  wenige  Monate  früher 
sich  in  Erfurt  zu  gemeinsamem  Handeln  verbunden  hatten; 
indes  mag  die  Hoffnung,  dass  der  Krieg  demnächst  ein 
Ende  nehmen  werde,  oder  mögen  die  wiederholten  Zwistig- 

Fürsten  übermittelten  Reichstagspropositioiien  (oben  S.  23),  trotz  der 
leisen  Zweifel  Kliickholins  (287  Anm.)  festhalten  zu  müssen. 

5j)  Vergl.  die  schon  erwähnte  Instruction  bei  Kluckhohn  380. 
Sonstige  Naclirichten  über  den  ßegcnsburger  Tag  bei  Palacky  IV, 
2,  556  fgg.     Kluckhohn  284  fgg. 

**)  Interea  multi  et  varii  rumores  in  terra  Misne  et  aliis  pro- 
vinciis  oriebantur  de  tractatibus  illis;  communis  omniuni  opinio  de 
firmata  pace  fuit;  ram  ad  malum  omnes  loquentes  inclinati  proh  dolor 
sunt,  scandalum  sedis  apostolice  malentes  quam  honorem.  Eschen- 
loer  (SS.  rer.  Sil.  VII)  200.    Vergl.  Palacky  IV,  2,  566  fg. 

")  Vergl.  obeu  S.  23.  1469  März  15  erklären  Herzog  Wilhelm 
und  Markgraf  Albrecht,  nicht,  wie  beabsichtigt  war,  am  19.,  sondern 
erst  am  21.  März  nach  Naumburg  kommen  zu  können.  WA.  Hand- 
schreiben Bl.  1. 


Studien  zur  Gesch.  der  sächs.-böhm.  Beziehungen  1468—71.     27 

keiten  und  das  gegenseitige  Misstrauen  die  Ursache  ge- 
wesen sein,  der  Naumburger  Tag  hob  jene  Erfurter  Ver- 
bindung völlig  auf.  Auf  die  Frage  des  Markgrafen,  ob 
sie  in  Kraft  des  Abschieds  zu  Erfurt  gemeinschaftlich 
zu  Regensburg  handeln  wollten,  antworteten  Ernst  und 
Albrecht:  sie  hätten  jenem  Abschiede  Genüge  geleistet 
und  es  sei  nicht  nothwendig,  ferner  „in  Kraft  desselben" 
zu  handeln;  trotzdem  erklärten  sie  sich  zu  einer  gemein- 
samen Haltung  bereit.  Auch  bei  diesen  Vorbesprechungen 
standen  die  beiden  Punkte  im  Vordergrunde ,  die  jüngst 
auf  dem  Regensburger  Tage  den  Mittelpunkt  der  Ver- 
handlungen gebildet  hatten:  das  Bündnis  mit  dem  Kaiser 
und  der  Krieg  gegen  Georg.  In  Bezug  auf  ersteres  er- 
klärte Albrecht,  dass  seine  Räthe  die  Sache  nach  wie 
vor  nur  ad  reiferendum  zu  nehmen  hätten,  und  dem 
schlössen  sich  die  meissnischen  Fürsten  an.  Was  Georg 
anlangt,  so  äusserten  Ernst  und  Albrecht,  so  lange  sie  den 
Krieg  vermeiden  könnten,  würden  sie  es  thun;  „wo  es 
aber  ja  auf  das  Härteste  kommt  und  Ehren  und  Gewissens 
halber  nicht  anders  sein  mag,  wollen  sie  sich  von  Papst, 
Kaiser,  Kurfürsten  und  andern  christlichen  Fürsten  im 
Reich  nicht  setzen."  Markgraf  Albrecht  bezeichnete  dies 
auch  als  die  Ansicht  des  Hauses  Brandenburg;  er  traute 
indessen  seinen  Schwägern  gar  nicht  recht:  „Wir  halten 
es  dafür,  dass  sich  unsere  Schwäger  weiter  vertieft  haben 
um  ihres  eignen  Nutzens  willen,  dann  sie  vielleicht  uns 
sagen,  oder  wissen  vielleicht,  dass  der  Girsick  eine  Rich- 
tigung  hat,  von  der  wir  nichts  wissen,  und  sie  meinen 
vielleicht,  wir  sollten  aussher  biedern,  dass  sie  den  Dank 
gegen  ihn  allein  behielten.  Wir  wollen  Forschung  nach 
den  Dingen  allen  haben;  desgleichen  wollen  wir  auch 
thun,  auf  dass  man  sich  von  allen  Theilcn  darnach  habe 
zu  richten;  denn  die  Sage  ist  hie,  sie  seien  gerichtet."^") 
Der  Kurfürst  schloss  sich  der  Meinung  seines  Bruders 
in  allen  Stücken  an;  den  Krieg  mit  Böhmen  wollte  auch 
er  so  lange  als  irgend  möglich  vermeiden,  von  dem  Bünd- 
nisse mit  dem  Kaiser  aber  vollends  gar  nichts  wissen.'") 


**)  Schreiben  des  Markgrafen  Albrecht  an  Kurfürst  Friedrich 
d.  d.  1409  März  2.S  bei  Palacky,  Urk.  13eitr.  .'Sß?  und  Riedel,  Cod. 
dipl.  Brand.  III,  1,  499.  Das  Schreiben  haben  Minutoli  (Kaiserl. 
Buch  330)  und  Droysen  (Sitzungsberichte  der  k.  sächs.  Gesellsch.  d. 
Wissensch.  1857.  IX.  171  fg.)  irrig  ins  Jahr  1468  gesetzt;  vergl. 
Palacky  IV,  2,  569  fg.    Droysen,  Gesch.  d.  preuss.  Politik  II,  1,  244. 

")  Schreiben  von  1169  April  5  bei  Kiedel  III,  2,  42. 


28  Hubert  Ermisch: 

Es  war  nur  ein  trügliclier  Schimmer  von  Frieden 
gewesen,  der  im  März  die  Gremütlier  erfreut  hatte.  Zwar 
schien  es  eine  kurze  Zeit,  als  beabsichtige  Matthias,  seinen 
Ehrgeiz  auf  ein  anderes  Ziel  zu  lenken:  auf  die  römische 
Königskrone;  er  maclite  insgeheim  Anstrengungen,  sie 
mit  Hilfe  seines  bisherigen  Gegners  Georg  zu  erlangen, 
und  dieser  schien  auch  nicht  abgeneigt,  ihn  zu  unter- 
stützen, jedoch  nicht  ohne  Wissen  und  Willen  der  bran- 
denburgischen und  sächsischen  Fürsten.  Span  von  Barn- 
stein, ein  in  Georgs  Diensten  viel  gebrauchter  Diplomat, 
war  in  dieser  Sache  im  März  1469  zu  Baiersdorf  bei 
Markgraf  Albrecht,  ^®)  Doch  musste  der  Ungarnkönig 
bald  einsehen,  dass  die  deutschen  Fürsten  wenig  Neigung 
empfanden,  einen  Ausländer  und  ganz  besonders  ihn  sich 
zum  Herrn  zu  setzen.  Sobald  ihm  dies  klar  geworden, 
strebte  er  nur  danach,  die  Fesseln  des  Wilimower  Ver- 
trages möglichst  bald  abzustreifen.  Das  wurde  ihm  leicht; 
denn  sein  Bundesgenosse  war  ja  die  Macht,  die  lösen  und 
binden  konnte.  Wir  gehen  in  das  Detail  der  Olmützer 
Verhandlungen  nicht  weiter  ein:  ihr  Resultat  war  nicht 
der  Friede,  sondern  nur  eine  Verlängerung  des  Waffen- 
stillstandes bis  Neujahr  1470,  zugleich  aber  auch  wenige 
Tage  später  die  Wahl  des  Matthias  zum  Könige  von 
Böhmen  (3.  Mai  1469),  die  jenen  Waffenstillstand  noth- 
Avendig  aufheben  musste.  Von  neuem  sah  sich  Georg 
vor  die  Entscheidung  des  Schwertes  gestellt.  „Ich  sah 
nie  keinen  grossmüthigen  Mann  lieber  Friede  haben; 
doch  hat  er  nun  erlernt,  dass  er  den  Frieden  crkriegen 
muss  und  nicht  mit  Geduld  oder  Gütigkeit  erlangen  mag", 
schreibt  Gregor  von  Heimburg  am  4.  Juli  1469  an  Mark- 
graf Albrecht. 

Beide  Theile  waren  jedoch  in  zu  hohem  Grade  er- 
schöpft, als  dass  der  Krieg  sofort  hätte  ausbrechen  können. 
Monate  vergingen  unter  Vorbereitungen  und  insbesondere 
unter  diplomatischen  Verhandlungen;  Matthias  und  Georg 
sahen  sich  nach  Bundesgenossen  um.  Diese  Bedeutung 
hatte  es,  wenn  der  böhmische  Landtag  zu  Prag  Anfang 
Juni  1469  den  polnischen  Prinzen  Wladislaw  zum  Nach- 
folger Georgs,  der  längst  darauf  verzichtet  hatte,  die 
Krone  in  seinem  Hause  zu  vererben,  designierte;  gleich- 

**)  Seine  Instruction  bei  Baclimann  a.  a.  0.  485.    Vergl.  auch 
das  eben  citierte  Schreiben  Markgraf  Albrechts  von   1469  März  23 
und  die  Schreiben  von  1469  März  26   und  April  3  in  Höüers  Kais.» 
Buch  186  fgg. 


Studien  zur  Gesch.  der  sächs.-bölim.  Beziehungen  1468 — 71.      29 

zeitig  wurde  ein   Bündnis  mit   Polen    eingeleitet.     Auch 
mit  Frankreich  und  Burgund  verhandelte  Georg.  **) 

Um  die  Gunst  der  deutschen  Fürsten  warben  beide 
Könige.  Auf  den  Frohnleichnamstag  1469  (1.  Jimi)  hatte 
König  Matthias  nach  Breslau,  wo  er  die  Huldigung  der 
Schlesier  und  Lausitzer  entgegen  nehmen  wollte,  sowohl 
den  Kurfürsten  Friedrich  von  Brandenburg  ®")  als  die 
sächsischen  Herzöge  Ernst  und  Albi-echt  eingeladen.  Ueber 
die  Verliandlungen,  die  Matthias  mit  den  Brandenburgern 
pflog,  sind  wir  aus  den  Korrespondenzen  des  Kurfürsten 
mit  seinem  Bruder  Albrecht  gut  unterrichtet.  Er  verlangte 
ein  Bündnis  und  stellte  dagegen  Landerwerb  und  Geld- 
gewinn in  Aussicht.  Allein  Kurfürst  Friedrich  benahm 
sich  vorsichtig  und  zurückhaltend,  besonders  da  Matthias 
sich  auf  die  brandenburgischer  Seits  gewünschte  eheliche 
Verbindung  mit  der  Tochter  des  Kurfürsten  nicht  ein- 
lassen zu  wollen  schien.  Es  kam  schliesslich  zu  gar  nichts 
als  zu  sehr  allgemein  gehaltenen  Freundschaftsversiche- 
rungen.®') Was  Matthias  mit  den  Käthen  der  sächsischen 
Fürsten  verhandelt  hat  —  persönlich  scheint  keiner  der 
letzteren  erschienen  zu  sein,  obwohl  Albrecht  anfangs  nach 
Breslau  zu  reisen  beabsichtigte®^)  — ,  wissen  wir  nicht; 
seine  Anerbieten  werden  ähnlich  gelautet  haben,  vielleicht 
stellte  er  ihnen  Gebietserweiterungen  in  der  Oberlausitz 
in  Aussicht. 


*')  Vergl.  das  Schreiben  des  Markgrafen  Albrecht  von  14ü9 
Juli  1  bei  Höfler,  Kaiserl.  Buch  195  fg.  (Riedel  III,  1,  511). 

'")  1469  Mai  16  theilt  Kurfürst  Friedrich  die  an  ihn  ergangene 
Einladung  Ernst  und  Albrecht  mit  und  bittet  sie,  ihm  Käthe  und 
Amtsleute  zur  Hilfeleistung  anzuweisen,  wenn  in  der  Zeit  seiner 
Abwesenheit  dem  Lande  etwas  zustiesse,  wozu  sich  die  Fürsten  be- 
reit erklärten.     WA.  Brandenburg.  S.  Kaps.  II  Bl.  225  fg. 

*')  Schreiben  Kurfürst  Friedrichs  von  1409  Juni  17  bei  Höfler, 
Kaiserl.  Buch  191  fgg. ;  über  die  projectierte  Heirat  vergl.  auch 
ebendas.  186  fgg.  (Riedel  III,  1,  501  fgg).  Palacky,  Urk.  Beitr.  589. 
Broysen  II,  1,  .346  fg.     Jordan  .3.37  fgg. 

")  Die  an  sie  ergangene  Einladung  ergiebt  sich  aus  einem 
Schreiben  Herzog  Wilhelms  von  1469  Juni  1.  WA.  Handschreiben 
Bl.  2.  Das  Verzeichnis  der  von  der  Stadt  Breslau  gespendeten 
Ehrengeschenke  (Eschenloer  SS.  rer.  Sil.  VII,  209)  nennt  unter  den 
Empfängern  zwar  Friedrich  und  Johann  von  Brandenburg,  aber 
keinen  sächsischen  Fürsten,  sondern  nur  die  „Räthe  aus  Meissen". 
Verhandlungen  zwischen  Matthias  und  den  sächsischen  Fürsten  liatten 
übrigens  schon  früher  stattgefunden,  doch  kennen  wir  ihren  Inhalt 
nicht.  Ein  Beglaubigungsschreiben  für  einen  Gesandten  an  Ernst 
und  Albrecht   d.  d.   1468  Oct.  16  s.  WA.  Ungarische  Sachen  Bl.  4. 


30  Hubert  Ermisch: 

Indes  auch  König  Georg  blieb  nach  wie  vor  mit  den 
sächsischen  und  brandenburgischen  Fürsten  in  Fühhmg.®'') 

Ebenso  bewarben  sich  beide  Fürsten  um  die  Gunst 
des  Herzogs  Ludwig  von  Bayern,  der  noch  immer  mit  der 
ReaHsierung  seines  Lieblingsplanes,  eines  Defensivbundes 
gegen  Georg,  beschäftigt  war.  Diesem  Zwecke  sollte  zu- 
nächst der  Gesandtencongress,  der  auf  Georgi  1469  nach 
Regensburg  berufen  war,  dienen.  Wie  zwischen  Mark- 
graf Albrecht  und  den  sächsischen  Fürsten  zu  Naumburg, 
so  fand  zu  München  eine  Vorberathuno;  zwischen  den 
bayrischen  Herzögen  Ludwig  und  Albrecht  statt,  in  wel- 
cher diese  über  eine  Einigung,  in  die  sie  nebst  dem  Pfalz- 
grafen und  den  sächsischen  Fürsten  mit  dem  Kaiser  treten 
sollten,  schlüssig  wurden.  Ernst  und  Albrecht  hatten  mit 
ihrer  Vertretung  auf  dem  Regensburger  Tage  den  ge- 
wandten Dr.  Martin  Mayr,  die  Seele  der  Politik  Herzog 
Ludwigs,  beauftragt,  und  man  darf  daraus  schliessen,  dass 
sie  dem  proponierten  Bündnis  nicht  so  abgeneigt  waren 
als  die  brandenburgischen  Fürsten.*'*)  Allein  der  Tag 
verlief  ganz  erfolglos,  ohne  Frage  hauptsächlich  in  Folge 
der  Haltung  Brandenburgs.  ^^)  Es  kam  nur  der  Entwurf 
eines  engen  Bündnisses  zwischen  dem  Pfalzgrafen,  den 
bayrischen  Herzögen  und  dem  Bischöfe  von  Würzburg  zu 
Stande;®^)  an  denselben  knüpfte  sich  ein  lebhafter  diplo- 
matischer Verkehr  zwischen  Herzog  Ludwig  und  den 
sächsischen  Brüdern,  deren  Beitritt  Ludwig  sehr  wünschte. 
Gleichzeitig  bestürmten  Boten  des  Kaisers,  des  Königs 
Matthias  und  des  Königs  Georg  den  Herzog  Ludwig  mit 
Anträgen  auf  eine  engere  Vereinigung;  allein  Herzog 
Ludwig  war,  wie  Martin  Mayr  an  Hugold  von  Schleinitz 
schreibt,  „nit  gemeint  sich  zu  der  einem  diesmal  zu  thun, 
doch   so  schlägt  er  nichts  ab,  wird   sich  der  Läufe,   wie 


**)  Vergl.  z.  B.  das  Schreiben  Albrechts  von  1469  Juli  1  bei 
Hofier,  Kaiserl.  Buch  195  (Kiedel  IH,  1,  509). 

")  Vergl.  das  Schreiben  des  Mayr  an  Ernst  und  Albrecht 
d.  d.  1469  April  22  WA.  Bündnisse  Bl.  28.  Die  Herzöge  verwandten 
Martin  Mayr  übrigens  auch  sonst  in  ihrem  Dienste.  So  antwortet 
er  z.  B.  1469  Oct.  19,  er  habe  sich  noch  nicht,  wie  Herzog  Albrecht 
gewünscht,  zu  Kurfürst  Ernst  begeben  können,  weil  Herzog  Ludwig 
ihm  keinen  Urlaub  ertheilt  habe.  WA.  Bergwerkssachen  Kaps.  I 
Bl.  31. 

•*)  Vergl.  Kluckhohn  288  Anm. 

»')  Es  ist  dies  vielleicht  der  undatierte  und  ohne  Nennung 
der  Vertragschliessenden  aufgesetzte  Vertragsentwurf  WA.  Bünd- 
nisse Bl.  35  fgg. 


Studien  zur  Gesch.  der  sächg.-böhm.  Beziehungen  1468 — 71.     31 

sich  die  begeben,  bass  erkunden  und  dann  gebührlich 
halten".  Auf  alle  Fälle  schien  ihm  jene  Fürsteneinigung 
das  Rathsamste  zu  sein. "')  Ernst  und  Albi-echt  schrieben 
darüber  an  Herzog  Willielni;  ^^)  er  zeigte  sich  indes, 
wiederum  in  engem  Anschlüsse  an  die  Haltung  Branden- 
burgs, ihren  Wünschen  nicht  geneigt.  Das  Ende  der 
Verhandlungen  war  der  Abschluss  eines  allerdings  sehr 
farblosen  Defensivbündnisses  zwischen  Ernst,  Albrecht, 
Herzog  Ludwig  und  dem  Pfalzgrafen  (8.  Juli  1469),  bei 
dem  übrigens  die  sächsischen  Fürsten  ihre  freundschaft- 
liche Stellung  zu  Georg  förmlich  wahrten.  ^^)  Unmittelbar 
darauf  näherte  sich  zwar  die  bayerische  Politik  ausser- 
ordentlich dem  Ungarnkönige''");  am  2.  September  1469 
kam  sogar  das  ersehnte  Bündnis  mit  demselben  zu  stände. 
Allein  auch  dies  war  so  vorsichtig  abgefasst,  dass  es  ihnen 
nicht  viel  nutzte.  ") 

Der  auf  den  11.  Mai  festgesetzte  Reichstag  zu  Nürn- 
berg wurde  erst  auf  Johannis  "),  dann  auf  Michaelis ''), 
endlich  auf  das  nächste  Jahr  verschoben. 

So  blieb  der  Ungarnkönig  auch  in  dem  zweiten  Ab- 
schnitte des  Krieges  um  die  Krone  Böhmens  ohne  Unter- 
stützung durch  das  Reich.  Auch  der  Kaiser  konnte  ihm 
nicht  helfen;  wiederholte  Aufstände  seiner  Vasallen  in 
Steiermark,  vor  allem  aber  ein  neuer  Türkenzug,  der 
erste,  der  die  österreichischen  Erblande  empfindlich  traf, 
banden  ihm  die  Hände.  Die  sächsischen  Fürsten  dachten 
sogar  an  einen  neuen  Versöhnungsversuch;  gegen  Ende 
Juni  sehen  wir  Herzog  Albrecht  zu  diesem  Zwecke 
in  Wien  weilen,  ohne  dass  er  jedoch  bemerkbaren  Erfolg 
erzielt  hätte.  ''^)  Im  Gegentheil  liest  man  aus  einem  an 
ihn  gerichteten  kaiserlichen  Schreiben  vom  28.  Juli  1469 


«')  Schreiben  von  1469  Mai  4,  6,  15,  16.  WA.  Bündnisse  Bl. 
29—32. 

«»)  Schreiben  von  1469  Mai  27  ebendas.  Bl.  3.S  fg. 

*»)  Kremer,  Kurfürst  Friedrich  von  der  Pfalz  Urkk.  .398.  Vergl. 
Palacky  IV,  2,  599. 

'")  Vergl.  die  Instruction  der  an  König  Matthias  abgefertigten 
Räthe  des  Herzogs  Ludwig  (1469  Juli  21  fgg.)  bei  Palacky,  Urk. 
Beitr.  COO  fg. 

")  Kremer  a.  a.  0.  401. 

")  Ernst  und  Albrecht  an  Wilhelm  d.  d.  1469  Mai  27  WA. 
Bündnisse  Bl.  ,33. 

'*)  Kaiser  Friedrich  an  Herzog  Albrecht  d.  d.  1469  Mai  29 
WA.  Böhm.  Sachen  Kapsel  IV  Bl.  128,  129. 

'*)  Hofler,  Kais.  Buc^h  195  fg.  (Riedel  IH,  1,  510). 


32  Hubert  Ermisch: 

eher  eine  gewisse  Gereiztheit  lieraus;  der  Kaiser  beabsich- 
tigte auf  den  Rath  des  Papstes,  Anfang  September  eine 
glänzende  Fürstenbotschaft  nacli  Rom  zur  Berathung  von 
Plänen  gegen  die  Feinde  der  Christenheit  zu  senden,  und 
hatte  auch  Albrecht  zur  Theilnahme  an  derselben  aufge- 
fordert, dieser  aber  hatte  die  Ladung  unbeantwortet  ge- 
lassen, was  ihm  einen  verblümten  Verweis  einbrachte.'^) 

Der  Krieg  zwischen  Georg  und  Matthias  war  seit 
Anfang  Juli  auf  den  verschiedenen  Schauplätzen,  in  Böh- 
men, Mähren  und  Schlesien,  wieder  zum  Ausbruch  ge- 
kommen; indes  jetzt  wandte  sich  das  Kriegsglück  im 
ganzen  zu  den  böhmischen  Waffen  zurück,  und  der  grosse 
Sieg,  den  Georgs  Sohn  Heinrich  am  2.  November  über 
Matthias  bei  Hradisch  erfocht,  war  ein  glänzender  Ab- 
schluss  der  Waffentliaten  des  Jahres  1469.  Dass  trotz 
des  päpstlichen  Segens  die  Waffen  des  Ungarnkönigs  nicht 
glücklicher  waren,  machte  doch  irre;  dazu  kam  die  all- 
seitige Sehnsucht  nach  dem  Frieden.  Sie  unterdrückte 
allmählich  die  noch  vor  kurzem  so  jäh  auflodernde  Volks- 
leidenschaft, Hess  die  nationalen  und  religiösen  Antipathien 
verstummen.  Das  Kreuzigerunwesen  hörte  auf;  es  hatte 
keinerlei  Erfolg  gehabt,  nur  Greuel,  Unruhen  und  Wirren 
ohne  Ende  hervorgerufen.  "*)  Einzelne  Fürsten  untersagten 
die  Kreuzpredigt  und  die  Sammlungen  für  den  heiligen 
Krieg  geradezu,  so  insbesondere  Markgraf  Albrecht  von 
Brandenburg,  der  keinen  Anstand  nahm,  in  dieser  Sache 
Gregors  von  Heimburg,  des  alten  Pfaffenfeindes,  Rath- 
schläge  zu  hören  und  zu  befolgen.") 

Meissen,  wo  wir  von  der  Kreuzpredigt  schon  seit  den 
Freiberger  Wirren  nichts  mehr  hören'*),  wurde  durch 
die  Kriegsereignisse  ringsum  wenig  berührt.  Verschiedene 
Fehden  mögen  in  näherer  oder  entfernterer  Beziehung 
dazu  gestanden  haben. ''')     Wir  heben  darunter  nur  die 


")  Kaiser  Friedrich  an  AUirecht  d.  d.  Grätz  1469  Jali  28. 
WA.  Religionssachen  ßl.  138. 

")  Vergl.  Palacky  IV,  2,  616  fgg. 

")  Hofier,  Fränlc.  Studien  I,  49.  Dess.  Kaiserl.  Buch  199. 
201  fg.  204.  209.  Miuutoli,  Ivaiseil.  Buch  352.  Vergl.  Droysen  H, 
1,  247  fg.  Lieber  die  Haltung  des  Pfalzgrafen  und  dn-  bayerischen 
Herzöge  Kluckhohn  291  fg. 

")  Melchior  v.  Meckaw  schreibt  schon  1468  Oct.  18  aus  Rom: 
„Man  red  gar  faste  daruff,  daz  yn  awern  landen  daz  crewce  nicht 
tar  (=  darf)  geprediget  werden  wyder  dy  Beliemen,  und  etliche 
schriö\t)  davon  komen  siut."     WA.  Italien.  Sachen  Bl.  1,3. 

'"}  So  eine  im  Spätherbst  1468  beginnende  Fehde  mit  mehreren 


Studien  zur  Gescb.  der  sächs.-böhm.  Beziehungen  1468 — 71.     33 

mit  Hans  von  der  Oelsnitz  hervor,  dessen  Schloss  Rathen 
1468  von  den  Leuten  der  Herzöge  eingenommen  und 
lange  besetzt  gehalten  wurde;  es  gab  dies  dem  Legaten 
Rudolf  Anlass  zu  der  Beschuldigung,  die  Herzöge  hätten 
jenen  nur  deshalb  befehdet,  weil  er  und  seine  Brüder  sich 
dem  Papste  gehorsam  erwiesen  und  Feinde  des  abgesetzten 
Ketzers  seien.  ^")  Die  Sache,  die  schon  1467  ihren  An- 
fang genommen,  zog  sich  dann  bis  ins  Jahr  1471  hinein.*') 
Welchen  Inlialt  die  Warnungen  vor  Gefahren  aus  Böh- 
men hatten,  die  Konrad  Metzsch  im  Mai  den  Herzögen  zu- 
kommen Hess,  wissen  wir  nicht;  nur  so  viel  ist  sicher, 
dass  diese  Gefahren  nicht  von  Georg  ausgingen.  **)  Im 
September  schien  es  noch  einmal,  als  drohe  ein  Bruch 
der  Neutralität  Meissens  durch  die  königlichen  Truppen, 
die  bei  Zittau  lagerten;  Kurfürst  Ernst  wies  den  Vogt 
zu  Hohnstein  an,  sobald  er  etwas  Beunruhigendes  erfahre, 
sofort  mit  dem  obersten  Hauptmann  der  Böhmen  „  aufs 
Freundlichste  und  Gütlichste  und  nicht  herrlich"  zu  ver- 
handeln und  zu  verlangen,  dass  meissnisches  und  bischöf- 
liches Gebiet  unverletzt  blieben.  *^)  Die  Gefahr  zog  vorüber. 
Im  Herbste  fand  eine  Fürstenversammlung  am  Hofe 
des  Kaisers  statt,  der  in  seiner  Bedrängnis  nach  allen 
Seiten  ängstlich  nach  Hilfe  ausschaute;  Ernst  und  Albrecht 
wohnten  derselben  persönlich  bei  **),  auch  wohl  Markgraf 
Albrecht.  Man  vereinbarte,  dass  die  Fürsten,  die  in  der 
nächsten  Nachbarschaft  Böhmens  sässen,  wie  Markgraf 
Albrecht,  Kurfürst  Ernst  und  Herzog  Albrecht,  gegen  die 
Türken,  die  entfernteren,  wie  Kurfürst  Friedrich  und  Her- 
zog Wilhelm,  gegen  König  Georg  Hilfe  leisten  sollten. 
Doch  hatte  auch  dieser  ßeschluss  keine  Folgen.    Zugleich 


Vasallen  der  Fürstenthümer  Schweidnitz  und  Jauer,  vergl.  Eschen- 
loer  (SS.  rer.  Sil.  VII)  195. 

*")  Vergl.  das  angeblich  vom  Bischof  Dietrich,  wahrscheinlich 
aber  vom  Legaten  ausgehende  Schreiben  von  1469  März  27  in  ürnnd- 
manns  Dipl.  episcop.  Misn.  VIII,  4051  (llandschr.  des  IIStA.). 

«')  Vergl.  ebendas.  5018,  4064  mal  WA.  üerter  Käthen  Bl. 
1  fgg.  Mon.  Pirnensis  bei  Menclre  2,  1597.  Näheres  bei  K.  Gautsch, 
Aelteste  Gesch.  d.  Sachs.  Schweiz  64  fgg. 

'*)  Vergl.  ein  Schreiben  des  Dr.  Martin  Mayr  von  1469  Mai  6 
und  die  Antwort  darauf  von  1469  Mai  15.    WA.  Bündnisse  Bl.  .30,  31. 

")  Grundmann,  Collectanea  II,  91  (llandschr.  des  IIStA). 
Hasche,  Magazin  III,  .300. 

'*)  Rechnungen  des  Paulus  llartraann  und  des  Dr.  Heinrich 
Meilerstadt  über  eine  Reise  nach  üesterreich  mit  ihren  Herren  von 
1469  Nov.  3  und  10  im  HStA.  Loc.  4335  Rechenuüge  der  Anipt- 
lewte  1468/69.  fol.  83  fg. 

Neues  Archiv  f.  S.  ü.  u.  A.  II.  1.  3 


34  Hubert  Ermisch: 

wurde  ein  neuer  Tag  am  kaiserlichen  Hofe  verabredet; 
den  die  säclisisclien  und  brandenburgischen  Fürsten  zu 
besuchen  versprachen,  falls  auch  andere  Fürsten  dorthin 
kämen.  *^) 

Der  Zustand  des  Reiches,  wie  er  sich  in  alle  dem 
zeigte,  war  in  der  That  ein  überaus  kläglicher.  Die  all- 
gemeine Neutralität  der  böhmischen  Frage  gegenüber 
schien  den  Krieg  ins  Endlose  verlängern  zu  sollen;  vor 
allem  aber  war  es  Georg,  der  einen  Abschluss  herbei- 
sehnte, schon  um  seinem  Hause  eine  nicht  ganz  ungewisse 
Zukunft  zu  sichern.  Es  kann  nicht  wunder  nehmen,  dass 
er  sich  mit  weit  ausschauenden  Plänen  beschäftigte,  die, 
wären  sie  durchgeführt  worden,  der  Reichsverfassung  viel- 
leicht den  Gnadenstoss  gegeben  hätten.  Schon  ein  Send- 
schreiben des  Königs  vom  1.  Januar  1470  wies  auf  die 
Gefahr  einer  Lostrennung  Böhmens  vom  Reiche  hin,  falls 
ihm  nicht  endlich  ein  wirksamer  Schutz  gewährt  werde.*^) 
Wenig  später,  noch  im  Januar  1470,  erschien  der  in  Georgs 
Dienst  stehende  Georg  vom  Stein  im  Auftrage  des  Königs 
bei  Albrecht  Acliilles  und  trug  demselben  Pläne  vor,  die 
auf  eine  Erhebung  des  jungen  und  ehrgeizigen  Herzogs 
Karl  von  Burgund  zur  Würde  eines  römischen  Königs 
hinausliefen.  Als  er  bei  beiden  brandenburgischen  Fürsten 
eine  durchaus  ablehnende  Haltung  bemerkte,  wies  er 
darauf  hin ,  dass  andere  Fürsten ,  besonders  Pfalzgraf 
Friedrich,  weniger  spröde  sein  würden,  und  bot  zugleich 
die  Niederlausitz  oder  das  Egerland  oder  eine  Summe  von 
60000  Gulden  den  Brandenburgern  an;  die  Sechsstädte, 
heisst  es  bei  dieser  Gelegenheit,  würden  gern  den  jungen 
Herren  von  Sachsen  huldigen  und  diese  würden  sie  gern 
aufnehmen,  wenn  der  König  darein  willigen  wollte,  — 
warum  wollten  sie,  die  Brandenbur^-er,  denn  nicht  auf  die 
Anerbietungen  eingehen?  Man  darf  hieraus  wohl  schliessen, 
dass  auch  mit  Ernst  und  Albrecht  über  jene  wichtigen 
Fragen  verhandelt  worden  ist.  Der  Markgraf  wies  jedoch 
alle  jene  blendenden  Erbietungen  zurück  und  lehnte  auch 
unter  verschiedenen  Ausflüchten    weitere  Verhandlungen 


^*)  Vergl.  die  Instruction  Markgraf  Albrechts  für  einen  Ge- 
sandten an  Herzog  Wilhelm  d.  d.  1469  Oct.  25  bei  Kluckhohu 
289  Anm. 

")  Palacky,  ürk.  Beitr.  GIO  fgg.;  vergl.  dessen  Gesch.  von  Böh- 
men IV,  2,  621  fg.  Das  für  Ernst  und  Albrecht  bestimmte  Exemplar 
dieses  Sendschreibens  WA,  Böhm.  Sachen  K.  IV  Bi.  133;  vergl. 
Jordan,  Das  Königthum  Georgs  von  Podebrad  315  fgg. 


Studien  zur  Gesch.  der  sächs.-bölim.  Beziehungen  1468 — 71.     35 

mit  Papst  und  Kaiser  ab®'),  wälireud  Herzog  Albreclit 
beabsichtigte,  mit  Herzog  Otto  von  Bayern  den  Papst  zu 
besuchen,  um  eine  Ausgleichung  zwischen  ihm  und  dem 
Böhmenkönige  anzubahnen.  *  *)  Zu  dieser  ßeise  kam  es 
nachmals  freilich  nicht;  doch  hatte  Dr.  Weisseubach,  der 
Anfang  1470  nach  Rom  gesandt  wurde,  vielleicht  ent- 
sprechende Aufträge.  ®^) 

Ueber  die  Betheiligung  der  sächsischen  Herren  an 
dem  Tage,  der  im  Februar  und  März  1470  zu  Wien  statt- 
fand und  dessen  Folge  war,  dass  die  kaiserliche  Politik 
und  die  des  Ungarnkönigs  plötzlich  verschiedene  Wege 
einschlugen,  ist  uns  nichts  bekannt.  ^°)  Der  Kampf  brach 
trotz  der  allgemeinen  Friedenssehnsuclit  und  trotz  der 
Vermittlungsversuche,  die  namentlich  Markgraf  Albrecht 
von  Brandenburg  machte,  noch  einmal  aus  und  dauerte 
bis  in  den  August  1470  hinein,  ohne  dass  er  Matthias 
oder  Georg  einen  entscheidenden  Vortheil  gebracht  hätte. 

Die  sächsischen  Herzöge  behielten  auch  in  dieser 
letzten  Periode  des  Krieges  ihre  neutrale  Haltung  bei. 
So  forderten  sie  im  Februar  oder  März  1470  auf  die 
Bitte  des  Bischofs  von  Meissen  die  Herren  Jan  von  Tho- 
waczaw,  Sigmund  und  Christoph  von  Wartenberg  und 
Tetschcn  und  den  Hauptmann  im  Pilsener  Kreise,  Wotyk 
von  Kzisatie,  Anhänger  Georgs,  die  in  seinem  Auftrage 
den  Krieg  in  der  Lausitz  führten,  ernstlich  auf,  dem 
Bischöfe  die  zugefügten  Schäden  zu  vergüten;  an  ihrer 
Stolle  antwortete  König  Georg:  nicht  an  Unterthanen  des 
Bischofs  von  Meissen  sei  Nähme  und  Brand  geschehen, 
sondern  an  abtrünnigen  und  ungehorsamen  Untergebenen 


")  Instruction  für  Georg  vom  Stein  bei  Palacky,  Urk.  Beitr. 
61G  fgg.  Vergl.  dessen  Gesch.  von  Böhmen  IV,  2,  624  fg.  Droysen, 
II,  1,  254  fg. 

»')  Schreiben  Gregor  Ileimburgs  von  1470  Febr.  6  bei  Ilötier, 
Kaiserl.  Buch  219.    Vergl.  Palacky  IV,  2,  660.    Droysen  II,  1,  255. 

»•)  Seine  Rechnung  über  eine  Reise  nach  Rom  d.  d.  1470 
März  31  im  HStA.  Loc.  4335  Rechnung  der  Amtlewte  Sachsen, 
Meysseu  und  Vogtland  1470. 

■»«)  Vergl.  über  den  Tag  Palacky  IV,  2,  625  fg.  Auch  was 
zwischen  den  sächsischen  und  brandenburgischen  Fürsten  auf  dem 
Tage,  der  zu  Schleiz  am  6.  Mai  1470  stattfinden  sollte,  verhandelt 
worden  ist  (vergl.  Riedel  III,  1,  529.  WA.  Brandenburg.  S.  K.  II 
ßl.  352.  Ilandschr.  Bl.  143),  wissen  wir  nicht;  vielleicht  betraf  es 
nur  die  unbedeutenden  Irrungen,  über  die  schon  am  2.  April  1470 
von  brandenburgischen  und  sächsischen  Rätüen  zu  Jüterbogk  ver- 
handelt worden  war  (WA.  Brandenb.  Sachen  Bl.  201—204). 

3* 


36  Hubert  Ermisch: 

von  böhmiscLen  Beamten  die  verdiente  Strafe  vollzogen 
worden.®^)  Auf  die  wiederholten  Klagen  des  Vogtes  der 
Sechsstädte,  Jaroslaw  von  Sternberg,  dass  seine  ünter- 
thanen  von  böhmischen  Widersachern  geschädigt  würden, 
die  ihren  Aufenthalt  in  Meissen  —  zu  Ottendorf  an  der 
Heide  (bei  ßadeberg),  zu  „der  Hoenkruls"  (?),  zu  „Nieder- 
rudigsdorf"  (Röhrsdorf  bei  Königsbrück?);  Mückenberg 
(bei  Ortrand),  Knapsdorf  (bei  Moritzburg),  Eschdorf  und 
Dittersbach  „im  Kretschmar"  —  nähmen,  erliessen  die 
Herzöge  am  9.  März  1470  einen  strengen  Befehl  an  ihre 
Amtleute,  dergleichen  Räubereien  nicht  zu  dulden,  sondern 
die  Schuldigen  festzunehmen.  ^^) 

Trotz  dieser  entschiedenen  Abneigung  gegen  eine 
oflfene  Unterstützung  des  Böhmenkönigs  wurde  das  Ver- 
hältnis der  sächsischen  Herzöge  zur  Curie  eher  schlechter 
als  besser.  Vor  allem  gab  der  Grenzverkehr  immer  von 
neuem  Anlass  zu  Differenzen^*);  das  Handelsverbot  Hess 
sich  nun  einmal  nicht  aufrecht  erhalten,  der  Papst  selbst 
erklärte,  dasS;  wenn  singularis  necessitas  vorliege,  ein  Ver- 
kehr mit  den  Ketzern  behufs  Einkaufs  noth wendiger  Nah- 
rimgsmittel  zu  gestatten  sei.  Auf  Grund  hiervon  erlaubte 
der  Legat  Bischof  Rudolf  von  Breslau  am  27.  August 
1469  den  Bürgern  von  Chemnitz  wegen  der  drohenden 
Hungersnoth  den  Ankauf  von  Lebensmitteln  in  Böhmen, 
verbot  ihnen  jedoch,  den  Ketzern  dafür  Salz,  Spezereien 
oder  Waffen  zuzuführen.  **)  Eine  ähnliche  Erlaubnis 
erhielten  auf  ihre  dringenden  Bitten  einige  Wochen  später 
die  Städte  Freiberg,  Dresden  und  Pirna.  ^^) 

»')  1470  März  7.     WA.  Böhm.  S.  Kapsel  IV  Bl.  137. 

»*)  WA.  Oberlausitz.  Sachen  Bl.  15.  Hierher  gehört  auch  wohl 
ein  Angriff  gegen  Wenzel  von  Poleuz  auf  Schirgiswalde  (vergl.  Pa- 
lacky,  Urk.  Beitr.  620.  622),   über  den  uns  näheres  nicht  bekannt  ist. 

")  Nur  wenige  Fälle  von  Beschlagnahme  böhmischer  Güter 
sind  aus  dem  Jahre  1469  bekannt;  so  liess  Balthasar  von  Redern 
bei  der  Neujahrsmesse  1-469  einige  böhmische  Kaufleute  in  Leipzig 
aufhalten,  vergl.  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  11,  184.  üeber  Confiscation 
von  böhmischen  Gütern  im  Bisthum  Naumburg  s.  Schreiben  des 
Bischofs  Rudolf  und  des  Burggrafen  Georg  von  Leisnig  d.  d.  1469 
Juli  21.  30.     WA.  Böhm.  S.  K.  IV  Bl.  130. 

")  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  IL  6,  164.  1469  Aug.  28  beauftragt 
Rudolf  den  Plebau  Balthasar  zu  Chemnitz  mit  der  Absolution  der 
wegen  ihres  Verkehrs  mit  den  Ketzern  excommunicierten  Chemnitzer 
bei  aufrichtiger  Reue,  ebendas.  165. 

")  Schreiben  des  Bischofs  Rudolf  an  Bischof  Dietrich  von 
Meissen  d.  d.  1469  Sept.  23  bei  Grundmanu,  Cod.  dipl.  Misn.  VIII, 
5006  (Handschr.  des  HStA.).  Von  den  Bemühungen  der  Dresdner 
lim  diese  „Erlaubunge"  legen  mehrere  Posten  der  Dresdner  Stadt- 


Studien  zur  Gesch.  der  sächs.-böhm.  Beziehungen  1468 — 71.     37 

Diese  Nachsicht,  weTche  die  bezüglichen  Bestimmungen 
der  päpstlichen  Bulle  vom  20.  April  1468  allmählich  ganz 
ausser  Kraft  zu  setzen  drohte  ^^),  fand  keineswegs  allge- 
meinen Beifall.  Der  am  kaiserlichen  Hofe  weilende  päpst- 
liche Legat,  Laurentius  von  Ferrara,  sah  sich  veranlasst, 
am  12.  November  1469  ein  Schreiben  an  Bischof  Dietrich 
von  Meissen  zu  richten,  in  welchem  er  mit  Rücksicht 
darauf,  dass  dem  Vernehmen  nach  seit  zehn  Jahren  reich- 
liche Ernten  im  Lande  stattgefunden  hätten,  von  einem 
Nothstand  also  nicht  wohl  die  Rede  sein  könne,  eine 
strengere  Befolgung  der  Vorschriften  über  die  Absolution 
derjenigen  einschärfte,  welche  Handel  mit  den  Ketzern 
getrieben  hätten.^')  Aehnliche  Mahnungen  mögen  diesen 
gefolgt  sein,  so  dass  auch  Bischof  Rudolf  von  Breslau 
sich  zu  einem  ernsten  Schreiben  an  Bischof  Dietrich  (vom 
1.  April  1470)  veranlasst  sah,  in  dem  er,  damit  nicht  auch 
ihm  Schuld  an  diesen  IMissbräuchen  beigemessen  werde, 
die  strengste  Befolgung  seiner  Indulte  verlangt  und  die 
Unterdrückung  jedes  das  Mass  des  durchaus  Nothwen- 
digen  überschreitenden  Verkehrs  mit  Böhmen  anbefiehlt, 
insbesondere  ihn  auch  ersucht,  das  Verfahren  des  mit  der 
Absolution  beauftragten  Dr.  Johannes  Breslauer  zu  über- 
wachen, da  das  Gerücht  denselben  einer  allzu  grossen 
Duldsamkeit  beschuldigte.  "*)  Allerdings  wurde  nun  der 
Geistlichkeit  eine  strengere  Haltung  zur  Pflicht  gemacht 
und  mit  Bann  mid  Interdict  den  Uebertretungen  entgegen- 
gearbeitet; aber  dies  veranlasste  auch  die  Herzöge  wieder 
zu  Vorstellungen  beim  Bischof  Rudolf,  und  dieser,  der  wohl 


rechnung  dieses  Jahres  (Rathsarchiv)  Zeugnis  ab.  Auf  die  Bitte 
des  Rathes  zu  Dresden,  die  Entschliessuug  des  Legaten  förmlich 
publicieren  zu  lassen,  ging  der  Bischof  nicht  ein,  weil  er  nicht  mehr 
thun  dürfe,  als  in  der  commissio  des  Legaten  stehe.  ISchreiben  von 
1469  Oct.  14  im  Rathsarchiv  zu  Dresden. 

'*)  Ex  Misna  liber  aditus  fuit  in  Bohemiam  cum  omnibus 
mercibus  et  rebus,  ex  qua  allata  sunt  allecia  sal  i^lumbum  omnium 
generum  pisces  boves  etc.  Nolebant  illi  principes  seduci  ad  destruc- 
cionem  subditorum.     Eschenioer  (SS.  rer.  Sil.  VII)  220. 

«')  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II.  3,  188. 

•')  Ebendaselbst  193.  Da  zwischen  diesem  und  dem  vorhin 
erwähnten  Schreiben  fast  ein  halbes  Jahr  liegt,  so  darf  wohl  kaum 
mit  Gersdorf  angenommen  werden ,  dass  das  Schreiben  des  Lau- 
rentius vom  11.  November  1469  den  unmittelbaren  Anlass  dazu  ge- 
geben hat.  Ebenso  ist  der  Zusammenhang  der  in  der  Anm.  zu  ersterem 
erwähnten  weiteren  Schritte  des  Bischofs  und  der  sich  daran  knüpfen- 
den Korrespondenz  mit  dem  Schreiben  Rudolfs  schwerlich  so  eng, 
als  man  nach  den  Ausführungen  Gersdorfs  a.  a.  0.  annehmen  möchte. 


^o"- 


38  Hubert  Ermisch: 

einsah,  dass  eine  solche  Strenge  „zum  grossen  Schaden 
guter  Christen  in  christlichen  Landen,  die  des  christlichen 
Stuhls  Gehorsam  halten",  sei,  und  überhaupt  zur  Milde 
neigte,  gestattete  in  einem  Schreiben  an  den  Bischof  vom 
19.  Mai  1470  nicht  bloss  den  Einwohnern  der  Städte  Pirna, 
Dresden,  Freiberg  und  der  Grenzdistricte  bis  nach  Geier 
hin,  die  an  anderen  Orten  nicht  ohne  die  grössten  Kosten 
und  Beschwerden  Getreide  und  andere  Nothdurft  kaufen 
konnten,  den  Handel  mit  den  Ketzern,  unter  der  Voraus- 
setzung, dass  sie  denselben  den  Aufenthalt  in  den  Städten, 
den  Verkehr  mit  den  Gläubigen  und  die  Ausfuhr  von 
Salz,  Würze,  Harnisch  u.  a.  nicht  gestatteten,  sondern  er 
befahl  auch,  die  rechtgläubigen  Bewohner  Böhmens,  die 
vom  Handel  mit  den  Nachbarlanden  lebten,  nicht  als 
Ketzer  zu  behandeln,  sondern  sie  zu  beherbergen  und 
wegen  ihrer  Anwesenheit  kein  Interdict  zu  verhängen. 
Endlich  sollte  auch  in  dem  Falle,  dass  zufällig  ein  Ketzer 
in  eine  Stadt  kommt,  aber  sofort,  nachdem  man  dies  be- 
merkt hat,  wieder  hinausgetrieben  wird,  das  seiner  An- 
wesenheit halber  verhängte  Interdict  aufgehoben  werden. 
Bischof  Dietrich  soll  für  die  Publication  dieses  Schreibeas 
in  den  Böhmen  benachbarten  Städten  Sorge  tragen^*); 
es  wurde  auch  wirklich  nach  Wolkenstein,  Scharfenstein, 
Saida,  Pirna,  Chemnitz,  Freiberg  und  an  den  Abt  zu 
Grünhain  gesandt. '"") 

Die  Herzöge  wussten  diese  rücksichtsvolle  Haltung 
zu  würdigen  und  wirkten  dem  Handel  nach  Böhmen,  so- 
weit er  diesen  Verordnungen  zuAviderlief,  durch  Verbote 
entgegen;  sie  wiesen  sogar  darauf  hin,  dass  jetzt  Lebens- 
mittel   im    eigenen   Lande    gekauft    werden    könnten.  ^"  *) 

Trotzdem  wurden  bald  wieder  Anschuldigungen  gegen 
sie  laut,  die  ernsterer  Art  waren  als  die  bisherigen.  Sie 
gingen  vom  Bischof  Laurentius  von  Ferrara  und  mittel- 
bar wohl  vom  Könige  Matthias  aus,  dem  die  Haltung  der 
sächsischen  Fürsten  allerdings  ausserordentlich  unbequem 
sein  mochte.  An  des  Königs  Hofe,  so  schrieb  Laurentius 
an  Bischof  Rudolf  nach  Breslau,  liefen  nicht  bloss  Ge- 
rüchte   über    die  Einfuhr    von  Lebensmitteln,    Salz    und 


")  WA.  Böhm.  Sachen  K.  IV  Bl.  138,  gedruckt  bei  Jordan 
455  und  Schlesinger,  Stadtbuch  von  Brüx  138.  Ich  bemerke  dabei, 
dass  die  Drucke  dieser  und  anderer  noch  zu  erwähnenden  Urkk.  bei 
Jordan  sehr  fehlerhaft  sind. 

'"")  WA.  Böhm.  S.  K.  IV  Bl.  140. 

'»')  Befehl  von  1470  Juni  1.     WA.  Böhm.  Sachen  K.  IV  Bl.  141. 


Studien  zur  Gesch.  der  sächs.-böhm.  Beziehungen  1468—71.     39 

Waffen  aus  Meissen  nach  Böhmen  um,  sondern  man  er- 
zählte sich  auch,  dass  kürzlich  Hugold  von  Schleinitz, 
der  sächsische  Oberraarschall,  und  Konrad  Metzsch  als  Ge- 
sandte der  Fürsten  in  Prag  gewesen  wären  und  dem  König 
Georg  den  Beistand  ihrer  Herren  in  Aussicht  gestellt 
hätten,  ferner,  dass  diejenigen,  die  das  Kreuz  genommen 
hätten,  verfolgt  und  der  Kreuzpredigt  allerhand  Hinder- 
nisse in  den  Weg  gelegt  würden.  Die  Herzöge,  die 
Bischof  Rudolf  deswegen  in  einem  Schreiben  vom  27.  Juni 
1470  zur  Rede  setzte  ^"*),  waren  über  diese  gehässigen  Ver- 
leumdungen in  hohem  Grade  entrüstet.  In  ihrer  Antwort 
an  Rudolf  (vom  13.  Juli)  wiesen  sie  auf  ihre  erst  vor 
kurzem  erlassenen  Verkehrsverbote  hin;  nur  den  Gebirgs- 
bewohnern, die  selbst  kein  Getreide  bauten  und  es  aus 
anderen  Gegenden  nur  unter  grossen  Schwierigkeiten  er- 
halten könnten,  sei  gestattet  worden,  ihre  Leibesnahrung 
aus  Böhmen  zu  holen,  und  wenn  die  Böhmen  dieselbe  nur 
gegen  Salz  hergeben  wollten,  so  müssten  sie  eben  „ihnen 
selbes  rathen,  dass  sie  nicht  verderben  dürften".  Mit 
ihrer  Erlaubnis  sei  jedoch  den  Ketzern  nichts  zugeführt 
worden.  Dass  Schleinitz  und  Metzsch  in  Prag  gewesen, 
stellten  die  Brüder  nicht  in  Abrede,  wie  denn  überhaupt 
der  Verkehr  mit  dem  Böhmenkönige  niemals  ganz  ab- 
gebrochen worden  ist;'**')  aber  sie  seien  nicht  als  förm- 
liche Botschaft,  sondern  ohne  Credenz  hingegangen,  ledig- 
lich um  im  allgemeinen  Besten  thätig  zu  sein,  nicht  aber, 
um  dem  Könige  Anerbietungen  zu  machen  oder  Beistand  zu- 
zusichern: „wir  sind  so  unverständig  nicht,  dass  wir  nicht 
wüssten,  dass  uns  solches  zu  thun  nicht  fuget,  aber  die 
Meinung,  die  wir  vor  uns  hatten,  mag  uns  ohne  Zweifel 
von  niemand  verkehrt  werden,  wie  wir  das  zu  bequemer 
Zeit  und  an  gebührlichen  Enden  zu  eröffnen  nicht  weigern 
wollten."  Ihre  Rätho  hätten  einigen  Commissarien  des 
Legaten  die  Sache  vorgestellt  und  seien  in  Folge  dessen 
auch  bereits  absolviert.  Was  endlich  die  angebliche  Ver- 
folgung der  Kreuziger  anlangt,  so  wird  dies  geradezu  als 
eine  Unwahrheit  bezeichnet:  „dass  es  von  uns  in  Tabern 
oder  anderswo  im  Rücken  nachgesagt  wird,  soll  e.  L.  nicht 
bewegen;    wie    können    wir  jedermann    sein    Maul    ver- 

'")  WA.  üöhm.  S.  K.  IV  Bl.  U2.    Gedruckt  bei  Jordan  448  fg. 

"")  So  war  auch  um  Fastnacht  eine  Sendung  von  Käthen  nach 
Prag  beabsichtigt  geT\'esen,  wie  sich  aus  einem  Schreiben  des  Beuesch 
von  der  Weitmühl,  Burggrafen  zu  Karlstein,  d.  d.  1470  Februar  28 
("WA.  Böhm.  S.  K.  IV  Bl.  136)  ergiebt. 


40  Hubert  Ermisch: 

binden!"  Im  Gegentheil  hätten  sie  die  Kreuz  predigt,  die 
Sammlung  von  Almosen  sowie  die  kürzlich  durch  den  Do- 
minicanerprior in  Leipzig  im  Auftrage  des  Legaten  er- 
lassene Aufforderung  an  die  Kreuziger,  sich  bereit  zu 
halten,  in  keiner  Weise  gehindert.  '^*) 

In  noch  viel  schärferem  Tone  antworteten  Ernst  und 
Albrecht  dem  Legaten  Laurentius  von  Ferrara  und  dem 
Könige  Matthias  selbst  auf  die  Schreiben,  welche  sich 
diese  veranlasst  gefühlt  hatten,  derselben  Gerüchte  wegen 
an  sie  zu  richten.  Dem  ersteren  werfen  sie  eine  für  sein 
hohes  Amt  gar  nicht  passende  Leichtgläubigkeit  gegen 
Verleumder  vor  und  widerlegen  seine  Anschuldigungen 
in  ganz  derselben  Weise,  wie  in  dem  Briefe  an  den 
Legaten  Rudolf.  '"*)  Mit  Matthias  entspann  sich  eine  sehr 
gereizte  Korrespondenz;  die  Herzöge  machten  ihm  heftige 
Vorwürfe,  dass  er  üble  Nachrede  gegen  sie  an  seinem 
Hofe  dulde.  Auf  die  wiederholt  vorgebrachten  Klagen 
der  Mitglieder  des  Herrenbundes,  dass  die  meissnischen 
Lehnsmannen,  die  in  ihrem  Solde  ständen,  zurückberufen 
würden,  antworteten  sie,  dass  sie  als  Fürsten  das  vollste 
Recht  dazu  hätten,  ihre  Lehnsmannen  „von  redelicher 
Sach  wegen"  aus  fremdem  Dienst  zu  sich  zu  fordern. 
Was  die  Klagen  wegen  der  Zufuhr  aus  Meissen  anlange, 
so  sei  es  nicht  seine  Sache,  sie  zur  Befolgung  der  päpst- 
lichen Befehle  anzuhalten;  sie  hätten  darüber  nur  den 
Legaten  Rede  zu  stehen.  ^"'*) 

Die  Gerüchte  über  die  Unterstützung,  welche  die 
Herzöge  den  Ketzern  angedeihen  Hessen,  dauerten  trotz- 
dem fort,  und  dass  Legat  Rudolf  ihnen  Glauben  schenkte 
und  sich  durch  die  Versicherungen  der  Meissner  nicht 
beruhigen  Hess,  beweist,  dass  sie  nicht  ganz  grundlos 
waren.  Man  erzählte,  dass  Herzog  Albrecht  300  Pferde 
dem  König  Georg  zur  Hilfe  gegen  die  Schlesier  gesandt 
habe;  und  der  Umstand,  dass  zahlreiche  gefangene  Meiss- 
ner nach  Breslau  gebracht  wurden,  schien  das  Gerücht 
zu  bestätigen.    Obgleich  die  gesammte  Haltimg  der  Her- 


»•*)  WA.  Böhm.  S.  K.  IV  Bl.  148.  Theilweise  gedruckt  bei 
Jordan  449. 

•"*)  Das  Schreiben,  dessen  Adressat  wol  ohne  Zweifel  Lau- 
rentius ist,  d.  d.  1470  Juli  12.     WA.  Böhm.  S.  K.  IV  Bl.  144. 

'"*)  Das  undatierte  Schreiben,  dem  wir  die.-?  entnehmen,  mag 
etwa  in  den  August  1470  gehören,  da  demselben  bereits  ein  Brief- 
wechsel zwischen  den  Höfen  vorangegangen  ist.  WA.  Böhm  S. 
K.  IV  Bl.  263,  gedruckt  bei  Jordan  453^. 


Studien  zur  Gesch.  der  sächs.-böhm.  Beziehungen  1468 — 71.      41 

zöge  einer  immittelbaren  Unterstützung  des  Böhmenkönigs 
widersprechen  dürfte,  so  war  doch  wold  so  viel  richtig, 
dass  sie  nicht  ungern  sahen,  Avenn  ihre  Lehnsleute  in  den 
Kriegsdienst  Georgs  traten,  während  sie  nicht  duldeten, 
dass  dieselben  in  dem  ihm  feindlichen  Heere  kämpften. 
Bischof  Rudolf  verlangte  mit  Rücksicht  auf  diese  That- 
sachen,  dass  die  Herzöge  die,  welche  den  kirchlichen  Ge- 
boten entgegen  für  Georg  die  Waffen  trügen,  ausfindig 
machen  und  entweder  selbst  strafen  oder  sie  den  Com- 
missarien  des  Legaten  zur  Bestrafung  überweisen  sollten; 
ihre  Güter  seien  nach  dem  Laute  der  päpstlichen  Bullen 
verwirkt.  Ueberhaupt  war  er  mit  der  Antwort  der  Her- 
zöge nicht  sehr  zufrieden,  bedauerte,  dass  eingestandener- 
massen  den  Böhmen  Salz  verkauft  worden  sei,  tadelte, 
dass,  wie  er  bestimmt  wisse.  Prager  Kaufleute  zu  Leipzig 
und  an  anderen  Orten  Handel  trieben,  schenkte  auch 
ihren  Angaben  über  das  Verfahren  gegen  die  Kreuziger 
und  über  die  Sendung  nach  Prag  keinen  rechten  Glauben. 
Dr.  Johannes  Breslauer,  dem  ein  Missbrauch  seiner  Ab- 
solutionsbefugnis zur  Last  gelegt  wurde,  ward  nacli  Bres- 
lau beschieden,  um  sich  dort  selbst  zu  verantworten. '"') 
Mochte  dies  nun  auch  wieder  einige  strengere  Mass- 
regeln veranlassen*"^),  so  erliessen  die  Herzöge  dieselben 
doch  gewiss  widerwillig  und  nur  der  Form  wegen.  Sic 
hatten  natürlich  heftige  Beschwerden  zur  Folge;  die  an 
der  Grenze  wohnenden  Uuterthanen  klagten,  dass  sie  zu 
Grunde  gehen  oder  fortziehen  müssten,  wenn  das  kürz- 
lich erlassene  vollständige  Handelsverbot  aufrecht  erhalten 
würde.  Die  Herzöge  antworteten  darauf  am  19.  October 
1470  mit  einem  Befehle  an  ihre  Amtleute,  den  Handel 
mit  allen  Waaren  ausser  mit  Salz,  AA'^ürze,  Blei  imd  Har- 
nischen, also  besonders  mit  Häringen  und  anderen  Fischen, 
Leinwand,  Tuch  und  Victualien  zu  gestatten,  aber  darauf 
zu   achten,    dass  kein   fremder  Kaufmann   mit  den  ver- 


"")  1470  Juli  28.  WA.  Böhm.  S.  K.  IV  Bl.  152,  im  Auszug 
gedruckt  bei  Jordan  451. 

">«)  1170  Juli  .30  vcrtheidigt  sich  Abt  Joliann  von  Grinihain 
gegen  die  Anklage,  dass  er  dem  Verbote  der  päpstlichen  Bulle  zuwider 
Handel  mit  Böhmen  treibe.  WA.  Böhm.  S.  K.  IV  Bl.  153.  1470 
Juli  28  fragt  Waltzk  von  Bernstein  den  Marschall  Friedrich  von 
Schönberg,  wie  er  es  mit  zwei  beladenon  Wagen  halten  solle,  die 
er  auf  der  Durchfahrt  nach  Böhmen  in  seinem  Gebiete  angehalten 
habe,  ebendas.  Bl.  151.  Vergl.  auch  das  Schreiben  des  Legaten 
Laurentius  von  Ferrara  an  den  Prager  Dompropst  Colowrat  d.  (1. 
1470  Sept.  19  bei  Bachmann  502. 


42  Hubert  Ermisoh: 

botenen  Waaren  durchgelassen  und  dass  nicht  von  den 
herzoglichen  Unterthanen  Betrügerei  damit  getrieben 
würde.  '"^)  Auch  Bischof  Rudolf  zog  wieder  mildere 
Saiten  auf,  als  sich  herausstellte,  dass  des  Matthias  Er- 
folge auch  in  diesem  Jahre  sehr  unbedeutend  waren  und 
die  Möglichkeit  eines  Friedens  näher  rückte.  Er  hatte 
sich  die  Absolution  derer,  die  zu  Georg  zögen  oder  mit 
den  Ketzern  Handel  trieben,  kürzlich  in  einer  an  den 
Bischof  von  Meissen  ergangenen  Verordnung  vorbehalten, 
während  sie  früher  diesem  überlassen  war."")  Aber 
auf  eine  Anfrage,  welche  die  Herzöge  durch  Dr.  Johannes 
Breslauer  (der  sich  übrigens  wegen  der  ihm  zur  Last  ge- 
legten Beschuldigungen  vollständig  gerechtfertigt  hatte)  an 
ihn  richten  Hessen,  antwortete  er,  dass  dadurch  die  früher 
erlassene  Erlaubnis  des  Handels  mit  Böhmen  für  die  am 
Gebirge  Wohnenden  nicht  aufgehoben  sein  sollte.  Er 
habe  nur  bemerkt,  dass  diejenigen,  die  früher  mit  Erthei- 
lung  der  Absolution  beauftragt  worden  seien,  vielfach  sehr 
leichtfertig  verfahren  wären.  Auch  gestattete  er  dem  Bischof 
wieder  die  Absolution  der  Uebertreter,  wenn  diese  sich 
bessern,  brieflich  um  Nachlass  der  Kirchenstrafen  an- 
suchen und  alles,  was  sie  durch  den  sündhaften  Handel 
erworben,  in  den  Kasten  legen  wollten.  ^ ' ') 

Die  sächsischen  Prohibitivmassregeln  hatten  übrigens 
bereits  böhmischerseits  Repressalien  veranlasst.  Ein  Han- 
delsverbot wurde  auch  in  Böhmen  erlassen,  „da  sich  die 
Priesterschaft  in  e.  f.  G.  Fürstenthum  so  gar  schwer  und 
hart  wider  das  Königreich  legen  und  gelegt  haben";  frei- 
lich ist  dasselbe  wohl  ebensowenig  mit  Strenge  gehandhabt 
worden  wie  das  meissnische.  ***) 

Wir  haben  diese  Irrungen,  deren  Spuren  übrigens 
noch  bis  ins  Jahr  1471,  ja  über  den  Tod  Georgs  hinaus 
zu  verfolgen  sind,  ausführlicher  behandelt,  da  sie  be- 
raerkenswerthe  Schlaglichter  auf  die  wirthschaftliche  Be- 


'«•)  WA.  Böhm.  S.  K.  IV  Bl.  156. 

"»)  Vergl.  diese  Zeitschrift  I,  260  Anm. 

'")  1470  Nov.  7.    WA.  Böhm.  S.  K.  IV  Bl.  157. 

"*)  In  einem  Schreiben  des  Burggrafen  zu  Karlstein  Benesch 
von  der  Weitmühl  an  Ernst  und  Albrecht  d.  d.  1470  Nov.  18  erklärt 
sich  dieser  bereit,  trotz  des  Handelsverbots  den  Unterthanen  Anarks 
von  Waidenburg  den  Einkauf  zu  Konimotau  und  die  Ausfuhr  der 
Waaren  gestatten  zu  wollen,  falls  gleiches  seinen  Unterthanen  in 
Wolkenstein,  der  Stadt  Anarks,  gestattet  werde,  und  bittet  zugleich 
um  diese  Erlaubnis  auch  für  andere  Städte  Sachsens.  WA.  Böhm. 
S.  K.  IV  Bl.  158. 


Studien  zur  Gesch.  der  sächs.-bölim.  Beziehungen  1468 — 71.     43 

deutung  der  damaligen  Beziehungen  zwischen  Böhmen 
und  Meissen  werfen.  Gewiss  waren  es  auch  Rücksichten 
dieser  Art,  nicht  bloss  politische  Erwägungen,  welche  den 
Herzögen  ihre  Stellung  zu  Georg  anwiesen  und  sie  bis 
aufs  äusserste  einen  Bruch  zwischen  Meissen  und  Böh- 
men vermeiden  Hessen,  trotz  der  schweren  Unannehmlich- 
keiten, die  ihnen  daraus  erwuchsen.  Drohten  ihnen  doch 
sogar  Ende  1470  die  Coramissarien  des  Legaten  so  ernst- 
haft mit  der  Verhängung  eines  allgemeinen  Interdictes 
über  ihre  Lande,  dass  sie  hiergegen  förmlich  Appellation 
beim  Papste  einlegten.  "^^ 

Wie  in  Meissen,  so  waren  auch  anderwärts  die  Zu- 
stände allmählich  völlig  unleid  licli  geworden.  Man  fluchte 
allgemein  in  den  Böhmen  benachbarten  Ländern  den 
Breslauern,  denen  man  nicht  mit  Unrecht  einen  grossen 
Theil  der  Schuld  an  dem  unseligen  Kriege  zuschrieb,  und 
schon  konnten  die  Breslauer  Kauf  leute  nicht  mehr  unge- 
fährdet Handel  treiljen.  "^)  Dazu  kam  die  Türkengefahr, 
die  unaufhaltsam  näher  rückte. 

So  geschah  es,  dass  der  Congress,  der  im  Juli  1470  zu 
Villach  beim  Kaiser  tagte  und  an  dem  sich  die  sächsi- 
schen Herzöge  auch  durch  Gesandte  betheiligt  liaben 
mögen,  von  einem  sehr  versöhnlichen  Geiste  beherrscht 
war.  *'^)  Gesandte  des  Königs  von  Polen  wohnten  dem- 
selben bei,  und  wahrscheinlich  wurden  damals  die  Funda- 
mente zu  dem  Bündnisse  zwischen  dem  Kaiser  und  dem 
Könige  Kasimir  gelegt,  das  am  20.  October  1470^'®)  ab- 
geschlossen wurde  und  das  dem  Ungarnkönige  den  Boden 
unter  den  Füssen  fortzog.  War  Markgraf  Albrecht,  dem 
um  diese  Zeit  nach  der  Abdankung  seines  Bruders  der 
brandenburgische  Kurhut  zufiel,  die  eigentliche  Seele 
dieser  neuen  Coalition  "''),  so  standen  ihr  doch  auch  die 
sächsischen  Herzöge  nahe.  Ob  die  polnischen  Gesandten 
Derslaw  Rytwianski,  Woywode  zu  Sendomir,   und  Stani- 


"*)  Das  Instrumentura  appellationis  von  1470  Dec.  15  im  HStA. 
Orig.  809.H. 

"*)  Omnes  ad  pacem  \ocx\ti  sunt  et  Wratislaviensis  inculpantes 
vituperantes  maiedicentes  tanquam  causam  oinnium  haruni  litium. 
Ididem  in  curiis  princlpura  Misnc  Thovingie  lirandeburg  Polonie  et 
in  omni  terra  maledicebantur  Wratislavienses,  et  jam  mercatores  non 
publice  audebant  negoriari.  Eschenloer  (SS.  rer.  Sil.  VIT)  223. 
Vergl.  Palacky  IV,  2,  615. 

"*)  Vergl.  über  diesen  Congress  Palacky  IV  2,  616. 

"•)  Dogiel,  Cod.  dipl.  Polen.  I,  163. 

'")  Vergl.  Droysen  II,  1,  258  fg. 


44  Hubert  Ermiscli: 

slaw  Ostrorog,  Woywode  zu  Kaiisch,  die  Anfang  August 
an  den  kaiserlichen  Hof  gingen  und  ihren  Weg  durch 
Meissen  nahmen ' '  %  mit  den  Herzögen  bereits  Verhand- 
lungen angeknüpft  haben,  ist  uns  zwar  nicht  bekannt. 
Wir  wissen  aber,  dass  gegen  Ende  des  Jahres  eine  eben- 
falls zum  Kaiser  gehende  polnische  Gesandtschaft  die 
Fürsten  besuchte  und  ihnen  Pläne  offenbarte,  die  eine 
friedliche  Beilegung  des  böhmischen  Krieges  bezweckten; 
ja  die  Sendboten  deuteten  wohl  noch  auf  andere  Projecte 
Irin,  die  auf  eine  enge  Einung  zwischen  Polen  und  Sachsen 
und  eine  Familienverbindung  zwischen  beiden  Häusern 
hinausliefen.  Der  Meissner  Dechant  Dr.  Heinrich  Leu- 
bing,  der  gegen  Ende  December ' '  ^)  an  den  polnischen 
Hof  ging,  um  dem  Könige  als  Antwort  auf  die  Werbung 
seiner  Gesandten  die  freundschaftlichen  Gesinnungen  der 
sächsischen  Fürsten  und  ihre  vollkommene  Billigung  seiner 
Pläne  auszusprechen,  hatte  auch  Instructionen  für  den 
Fall  von  Verhandlungen  über  einen  Ehebund  zwischen 
dem  Sohne  Kasimirs,  Wladislaw,  und  Ernsts  Tochter 
Christina  und  über  ein  Bündnis  der  sächsischen  Fürsten 
mit  Polen. *^")  Das  merkwürdige  Project,  das  uns  die 
meissnische  Politik  wieder  eng  Hand  in  Hand  mit  der 
brandenburgischen  zeigt  —  fast  gleichzeitig  fanden  Ver- 
handlungen über  des  jungen  Markgrafen  Friedrich  Ver- 
lobung mit  der  polnischen  Prinzessin  Sophia  statt  — , 
führte  jedoch  zu  keinem  Resultate.*^') 

König  Matthias  hatte  wenig  Gefallen  an  diesen  Ver- 
handlungen mit  Polen,  um  so  weniger,  als  sich  gleichzeitig 
auch  für  seinen  ungarischen  Thron  ein  polnischer  Präten- 
dent fand.  Zweifellos  auf  seiner  Seite  standen  die  Ver- 
treter der  Curie  in  Deutschland,  besonders  Laurentius  von 
Ferrara,  wenn  auch  der  Stuhl  zu  Rom  selbst  den  Polen- 
könig sehr  behutsam  behandelte,   obgleich  die  Friedens- 


"«)  1470  Juli  27  bittet  Kurfürst  Friedrich  von  Brandenburg 
um  sicheres  Geleit  für  sie.  WA.  Poln.  S.  Bl.  1.  Vergl.  auch  das 
Schreiben  desselben  von  1470  Aug.  1   bei  Palacky,  Urk.  Beitr.  630. 

"•)  1470  Dec.  18  schreibt  er  au  Ernst  und  Albrecht,  dass  er 
zu  einer  so  grossen  Reise  nicht  vorbereitet  und  durch  Amtsgeschäfte 
verhindert  sei,  sich  vor  Weihnachten  in  Dresden  einzufinden.  WA. 
Stift  Meissen,  Reisen  Bl.  45.  Wir  glauben  dies  auf  die  Reise  nach 
Polen  beziehen  zu  müssen. 

'='<')  Entwürfe  zur  Instruction  für  die  Gesandtschaft  nach  Polen 
WA.  Poln.  Sachen  Bl.  64  fgg.,  88  fgg.,  96  fg.,  98  fg.  Vergl.  auch 
V.  Langenn,  Albrecht  der  Beherzte  62  fg. 

'=•')  Aber  es  ging  gar  abe.    WA.  Poln.  Sachen  Bl.  64. 


Studien  zur  Gesch.  der  sächs.-böhm.  Beziehungen  1168 — 71.     45 

bedingungen,  die  Kasimir  dem  König  Georg  zugestanden 
wissen  wollte,   ihm   nicht  genehm   sein  konnten.  ^**) 

Die  Stellung  unserer  Herzöge  zu  den  kirchlichen  Ge- 
walten wurde  durch  alles  dies  nicht  besser.  Sogar  mit 
Bischof  Dietrich  von  Meissen,  der  trotz  seiner  peinlichen 
Lage  dem  Legaten  gegenüber  sich  im  Grunde  stets  den 
AVünschen  und  der  Politik  der  Landesherren  accommo- 
diert  hatte,  kam  es  um  diese  Zeit  zu  Differenzen.  Durch 
seinen  Official  hatte  er  das  Ausfuhrverbot  an  den  Grenz- 
orten nochmals  einschärfen  lassen;  das  trug  ihm  ernste 
Vorwürfe  seiner  Herren  ein:  „es  ist  uns  eine  grosse  Be- 
fremdung, dass  sich  ein  Fremder  die  Eäthe  unserer  Städte 
zusammen  zu  verboten  anmassen  und  denen  Gebot  thun  und 
Ordnung  geben  solle;  es  wäre  wohl  genug,  das  man  sich 
gemeiner  Gebote  auf  dem  Predigtstuhl  gebrauchte."  Bischof 
Dietrich  entschuldigte  sich  mit  den  Drohungen,  die  ihm 
direct  von  Rom  oder  durch  den  Legaten  zugegangen 
seien;  auch  habe  der  Official  „nicht  allein  die  Räthe  und 
Gewaltigen,  sondern  auch  die  PfafFheit  und  die  Priester- 
schaft sämmtlich  versammelt",  —  was  freilich  an  der 
Sache  wenig  änderte.  *^^)  Wenig  später  wurde  der  Fran- 
ciscaner  Jacob  von  Glogau  (vergl.  S.  5)  nochmals  durch 
Bischof  Rudolf  von  Breslau  mit  der  Kreuz-  und  Ablass- 
predigt in  den  meissnischen  Landen  beauftragt,  da  der 
Papst  ausdrücklich  befohlen  hatte,  dieselbe  nicht  einzu- 
stellen. ^^*)     Ganz   besonders   heftig  spricht  sich  der  Un- 


•**■)  Eine  päpstliche  Bulle  von  Ende  1470  oder  Anfang  1471 
(pridie  kal.  Januarii  das  ist  der  virde  adir  fumffte  tag  ym  hornunge!?), 
die  Bischof  Laureutius  in  Uebersetzung  dem  Herzog  Albrecht  mit- 
theilt (undat.  Schreiben  WA.  Böhm.  S.  K.  IV  Bl.  159),  spricht  sich 
sehr  missbilligend  über  die  Verhandlungen  angeblicher  Sendboten  des 
Königs  Kasimir  mit  dem  Ketzer  Georg  aus. 

'*■')  1471  Jan.  1.3;  das  Schreiben  der  Landesherren  ist  daher 
wohl  auch  in  den  Anfang  1471  zu  setzen.  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  IL  S, 
19.3  (Anm.).  In  denselben  Zusammenhang  gehört  auch  ein  Schreiben 
des  Kurfürsten  Ernst  (?),  wahrscheinlich  ebenfalls  an  den  Bischof 
zu  Meissen,  von  1471  Jan.  7,  in  welchem  diesem  befohlen  wird,  auch 
das  wegen  dos  Handels  seiner  Zeit  erlassene  Indult  zur  Verhütung 
weiterer  Irrungen  in  den  Grenzorten  nochmals  verkündigen  zu  lassen, 
da  der  Oflicial  dasselbe  vielfach  unberücksichtigt  gelassen  habe,  was 
„faste  Aufruhr  und  Irrniss  unter  den  unseren  und  anderen"  zur 
Folge  gehabt.     WA.  Keligionssachen  Bl.  140. 

'='*)  Bischof  Rudolf  an  Ernst  und  Albrecht  d.  d.  1471  Jan.  29. 
Ebendas.  141.  lieber  die  Beschwerden,  welche  die  Thätigkeit  des 
Bruders  Jacobus  veranlasste,  vergl.  ein  Schreiben  desselben  d.  d, 
1471  April  4  ebendaselbst  142. 


46  Hubert  Ermisch: 

willen  der  curialen  Partei  in  einem  Briefe  des  ßiscliofs 
Laurentius  von  Ferrara  an  Herzog  Albrecht,  der  etwa 
in  den  Februar  1471  geboren  mag,  aus.  '^*J 

Auf  dem  Landtage,  der  Mitte  Februar  1471  zu  Prag 
stattfand  und  auf  welchem  bekanntlich  auch  Matthias  eine 
Annäherung  an  Georg  versuchte,  erschienen  der  polnische 
Kanzler  Jacob  von  Dambno  und  der  Abt  des  Benedictiner- 
klosters  zum  h.  Kreuz  (bei  Sendomir),  Michael,  um  die  Ver- 
handlungen zwisclien  Georg  und  Kasimir  zum  Abschluss  zu 
bringen.'^*')  Ihren  Rückweg  nahmen  sie  durch  Meissen.'^') 
Als  sie  in  Zwickau  anlangten,  mussten  sie  erfahren,  dass 
trotz  aller  Noth,  die  der  Krieg  über  das  Land  gebracht, 
der  Fanatismus  im  Volke  doch  noch  fortglimmte  und  nur 
eines  Anlasses  bedurfte,  um  wieder  aufzulodern.  In  Folge 
der  Aufreizungen  des  Pfarrers  fand  ein  förmlicher  Auf- 
stand gegen  die  polnischen  Gesandten  statt,  der  ihnen 
Anlass  zu  einem  in  sehr  derbem  Tone  g^ehaltenen  Schrei- 
ben  an  den  Landrentmeister  Hans  von  Mergental  und  an 
den  Rath  zu  Zwickau  gab.  '^*)  Die  Herzöge,  denen  der 
Zwischenfall  höchst  unangenehm  war,  ordneten  die  Fest- 
nahme des  Pfarrers  und  der  Schuldigen  an.  *^^) 

Im  übrigen  aber  zeigten  sie  sich  den  polnischen 
Herren  gegenüber  weniger  zuvorkommend,  als  im  Jahre 
vorher  der  Fall  gewesen  sein  mag,  sei  es,  weil  die  da- 
maligen Verhandlungen  ihren  Erwartungen  nicht  ent- 
sprochen hatten,  sei  es,  weil  der  Plan,  die  Krone  Böh- 
mens für  das  Haus  Wettin  zu  erwerben,  schon  festeren 
Fuss  gefasst  hatte;  vielleicht  auch  mit  Rücksicht  auf  die 
entschieden  missbilligende  Haltung  der  Curie.  König  Kasi- 
mir beabsichtigte  bereits  seit  längerer  Zeit,  eine  Gesandt- 
schaft'^") nach  Rom  zu  senden,  einmal,  um  eine  Entschei- 
dung der  böhmischen  Angelegenheiten  im  polnischen  In- 
teresse anzubaluien,  dann,  um  endlich  die  noch  immer  nicht 
ertheilte  päpstliche  Bestätigung  des  mit  dem  deutschen 
Orden  zu  Thorn  am  19.  October  1466  geschlossenen  Friedens 


'")  WA.  Böhm.  S.  K.  IV  Bl.  159,  theilweise  gedruckt  bei 
Jordan  452. 

'")  Palacky  IV,  2,  655  fg. 

'*')  Vergl.  ein  Schreiben  von  Ernst  und  Albrecht  an  ßenesch 
von  der  Weitmühl  1471  Febr.  23.     WA.  Böhm.  S.  K.  II  Bl.  63. 

•»«)  1471  März  3.  WA.  Böhm.  S.  K.  IV  Bl.  161c;  theilweise  ge- 
druckt bei  Jordan  456. 

'")  WA.  Böhm.  S.  K.  IV  Bl.  317.  318. 

'*")  Von  dieser  Gesandtschaft  ist  schon  in  Leubings  oben 
Anm.  120  erwähnter  Instruction  (WA.  Poln.  S.  Bl.  98)  die  Kede. 


Studien  zur  Gesch.  der  sächs.-böhm.  Beziehungen  1468—71.     47 

zu  erwirken.  Der  Kanzler  Jacob  von  Dambno  hatte  den 
Auftrag,  auf  der  Rückreise  von  Prag  empfehlende  Sclu'eiben 
für  diese  Gesandtschaft  von  den  sächsischen  Herzögen, 
dem  Herzoge  Ludwig  von  Bayern  und  dem  Kurfürsten 
Albrecht  von  Brandenburg  zu  erwirken.  Die  Herzöge 
hatten  Hermann  von  Weissenbach  beauftragt,  über  die 
Sache  mit  den  Polen  zu  verhandeln;  sein  Bericht  vom 
6.  März  1471  liegt  uns  vor.  Der  polnische  Kanzler  warf 
den  Herzögen  vor,  sie  hätten  schon  im  vorigen  Sommer 
versprochen,  ein  Schreiben  an  den  Papst  wegen  des  preus- 
sischen  Friedens  zu  richten,  und  ersuchte  dringend  um  Aus- 
stellung desselben,  da  der  Kaiser,  Herzog  Ludwig,  Kurfürst 
Albrecht  und  andere  Fürsten  ebenfalls  schreiben  würden. 
Allein  Weissenbach  antwortete,  dass  Ernst  und  Albrecht 
nur  unter  Vorbehalt  der  Einwilligung  der  übrigen  Kur- 
fürsten dies  zugesagt  hätten.  Darauf  bat  der  Kanzler,  der 
fortwährend  betheuerte,  dass  sein  Wunsch  nur  Freundschaft 
zwischen  dem  Könige  von  Polen  und  den  sächsischen  Her- 
zögen sei,  einstweilen  den  gewünschten  Brief  nach  einem 
von  ihm  vorgelegten  Formulare  auszustellen;  er  wolle  ihn 
dann  nach  Landshut  an  Herzog  Ludwig  schicken  und, 
falls  dieser  ebenso  zu  schreiben  bereit  sei,  dem  Könige 
überreichen,  wenn  nicht,  ihn  zurückgeben,  dem  Könige 
aber  die  Bereitwilligkeit  der  Herzöse  rühmen.  Es  sieht 
dies  aus  wie  eine  ziemlich  plump  angelegte  Falle.  Weissen- 
bach versprach,  die  Sache  an  seine  Herren  gelangen  zu 
lassen.  Dem  Dr.  Martin  Mayr  in  Landshut  aber  theilte 
er  das  Begehren  der  Polen  und  zugleich  die  Absicht  seiner 
Herren  mit,  sich  bei  der  Curie  nur  für  die  Beilegung  des 
böhmischen  Krieges,  nicht  aber  für  die  Bestätigung  des 
preussisch- polnischen  Friedens  zu  verwenden,  und  bat 
ihn,  den  Herzog  Ludwig  zu  einer  entsprechenden  Ant- 
wort zu  bestimmen.  ^^*) 

Die  polnischen  Vermittlungsversuche  haben,  so  viel 
uns  bekannt,  keinen  Erfolg  gehabt.  Auch  Ernst  und 
Albrecht  sandten  nochmals  eine  Gesandtschaft  nach  Rom, 
um  die  Versöhnung  zwischen  Georg  und  der  Kirche  an- 
zubahnen. Sie  langte  um  den  20.  März  1471  in  der  hei- 
ligen Stadt  an;  es  war  ein  Zeichen  der  Zeit,  dass  sie  nicht 
so  schroffe   Abweisung  fand   als  die  früheren.  *^*)     Viel- 

»»')  WA.  Poln.  Sachen  Bl.  4—6. 

'")  Relatio  de  legatione  Saxonica  versus  Romam  in  causa  Bo- 
hemica  bei  Rainald  a.  a.  1471  und  Müller,  Reichstagstheatrum  II, 
i31  fgg. 


48  Hubert  Ermisch: 

leicht  wäre  doch  schliesslich  den  sächsischen  Sendboten 
das  gelungen,  woran  man  seit  vielen  Jahren  vergeblich 
gearbeitet,  —  da  übernahm  es  eine  höhere  Macht,  die 
böhmischen  Wirren  zu  lösen.  Noch  verhandelte  man  in 
Rom  über  Vergleichspunkte,  als  die  Botschaft  eintraf,  dass 
am  22.  März  1472  König  Georg  Podiebrad  gestorben  sei; 
unbesiegt  und  ungebrochen,  wenn  auch  freilich  tief  ge- 
beugt. Die  Vorsehung  hatte  es  gewollt,  dass  er  die 
Lösung  des  Zwiespalts,  der  sein  Verhängnis  war,  nicht 
erleben,  vielleicht,  dass  er  nicht  nochmals  die  Unmöglich- 
keit dieser  Lösung  schwer  empfinden  sollte. 

Das  Haus  Wettin  hat  an  ihm  bis  zum  letzten  Augen- 
blicke mit  einer  Treue  festgehalten,  wie  kein  anderes  unter 
den  deutschen  Fürstenhäusern.  Wenn  auch  Ernst  und 
namentlich  Albrecht  dem  Könige  ganz  besonders  nahe 
standen,  so  hat  doch  auch  Herzog  Wilhelm,  so  viel  Diffe- 
renzen es  sonst  zwischen  ihm  und  den  Neffen  gab ,  in 
dieser  Beziehuno;  im  wesentlichen  eine  o-leiche  Politik 
verfolgt:  wenige  Wochen  vor  dem  Tode  des  Königs,  in 
den  letzten  Februartagen  1471,  fand  die  Vermählung 
seiner  Tochter  Katharina  mit  dem  jüngeren  Sohne  Greorgs, 
Hinko,  statt.  ^^'),  Die  Fortsetzung  dieser  Politik  über 
Georgs  Tod  hinaus  zeigt  sich  in  Albrechts  Bewerbung  um 
die  böhmische  Krone,  in  dem  noch  lange  bemerkbaren 
Gegensatze  der  wettinischen  Fürsten  gegen  König  Matthias 
und  die  Curie,  in  dem  Schutze,  den  Gregor  Heimburg, 
die  Seele  der  Politik  des  Königs  Georg,  in  Meissen  fand, 
und  in  anderen  Momenten,  deren  weitere  Verfolgung  wir 
uns  versagen  müssen. 

Zu  einem  thatkräftio'en  Eintreten  für  den  Böhmen- 
könig  ist  es  freilich  nicht  gekommen  und  konnte  es  nicht 
kommen.  Wenn  ein  neuerer  Historiker  ^^*)  ein  hartes  Ver- 
dammungsurtheil  über  die  „Neutralität  deutscher  Ge- 
sinnungsschwäche"  ausspricht,  die  abwarten  musste,  „was 
die  grosse  Politik  verhängen  würde",  und  ihr  die  Ver- 
antwortung dafür  aufbürdet,  „dass  alles,  was  sich  in 
nächster  Folge  begab,  dem  deutschen  Namen  zu  Schande 
und  Gefahr  gereichte",  so  ist  dies  Urtheil  schwerlich  ge- 
recht.    Eine  „entschlossene  Parteinahme  für  den  Böhmeu- 


'**)  Vergl.  das  Schreiben  Johanns  von  Krumau  an  Laurentius 
von  Ferrara  d.  d.  1471  März  12  bei  Palacky,  Urk.  Beitr.  646,  nnd 
Heinrichs  von  Miinsterberg  an  Markgrat'  Albrecht  d.  d.  1471  Februar 
27  bei  Bachmann,  Urkk.  und  Akten.  510. 

'")  Jordan,  Das  Konigthum  Georgs  von  Podebrad  297. 


Studien  zur  Gesell,  der  sächs.-böhm.  Beziehungen  1468 — 71.      49 

könig",  eine  „energische  Vermittlung  mit  dem  Schwerte 
in  der  Hand"  hätte  zu  jener  Zeit  ohne  Frage  die  Gefahr 
eines  allgemeinen  Krieges  heraufbeschworen,  der  das  Haus 
Wettin  in    die  gefährlichste  Lage  gebracht  haben  würde. 


So  macht  denn  die  sächsisch-böhmische  Politik  während 
der  Jahre  1464 — 71  in  der  Hauptsache  den  Eindruck  eines 
behutsamen  Lavierens  zwischen  unversöhnlich  sich  gegen- 
über stehenden  Kräften;  sie  kommt  eben  deswegen  nicht 
zu  klaren  Resultaten,  und  dies  giebt  ihr  etwas  Unfertiges 
und  Unbefriedigendes,  Aber  einmal  dürfen  wir  nicht 
vergessen,  dass  ein  unsicheres  Tasten  im  allgemeinen  Cha- 
rakter des  fünfzehnten  Jahrhunderts,  wie  wohl  jeder  Ueber- 
gangszeit,  liegt;  und  ferner  müssen  wir  zugeben,  dass  ein 
abschliessendes  Urtheil  über  die  von  uns  behandelten 
Jahre  erst  dann  möglich  sein  wird,  wenn  die  gesammte 
politische  Geschichte  des  Hauses  Wettin  während  des  spä- 
tem Mittelalters,  die  noch  sehr  viel  Räthsel  zu  lösen  giebt, 
eine  gründliche  und  allseitige  Durchforschung  erfahren 
haben  wird.  Für  diese  Arbeit,  an  die  wir  über  kurz  oder 
lang  herantreten  zu  können  hoffen,  sollen  unsere  Studien 
nur  eine  bescheidene  Vorbereitung  bilden. 


Neues  Archiv  f.  S.  3.  u.  A.  II.  1. 


n. 

Zur  Geschichte  der  Juden  in  der  Oberlausitz 
während  des  Mittelalters. 

Von 

Hermann  Knothe. 


Den  Anschauungen  der  mittelalterliclien  Kirche  zu- 
folge war  bekanntlich  jedes  Ausleihen  von  Geld  um  Zins 
als  sündhafter  Wucher  allen  Christgläubigen  verboten. 
Fürsten  und  Herren  verschafften  sich  daher  Geld  durch 
Verpfändung  von  grösseren  oder  kleineren  Gütei-n  sanimt 
allen  darauf  haftenden  Rechten  und  Einkünften,  kleinere 
Grundbesitzer  durch  sogenannte  Zinsverkäufe  auf  Wieder- 
kauf, d.  h.  durch  Ueberlassung  einer  Anzahl  von  erb- 
unterthänigen  Bauern  sammt  den  von  diesen  an  den  Erb- 
herrn zu  entrichtenden  Renten  und  Diensten,  wofür  von 
den  nunmehrigen  Gläubigern  gewöhnlich  der  acht-  bis 
zehnfache  Betrag  der  an  sie  abgetretenen  Rente  ausge- 
zahlt wurde.  Bei  wem  aber  sollte  der  Kaufmann,  der 
Handwerker,  der  verarmte  Edelmann  in  dringender  Noth 
borgen?  Wesentlich  für  diese  Stände  wurden  die  Juden 
ein  dringendes  Bedürfnis  in  allen  irgend  grösseren  Städten. 
Den  Juden  verbot  ihr  Gesetz  nicht,  Geld  auf  Wucher 
auszuleihen;  sie  liehen  auch  nicht  bloss  auf  Grundbesitz, 
sondern  auf  jedes  beliebige  Pfand,  ja  selbst  auf  einfachen 
Schuldschein  und  die  Siegel  hinlänglicher  Bürgen.  Des- 
halb erbaten   sich  die  meisten  grösseren  Städte  von  dem 


Hermann  Knothe:  Zur  Geschichte  der  Juden  in  der  Oberlausitz.     51 

Kaiser  oder  von  den  Landesherren,  wenn  diese  bereits 
im  Besitz  des  „Judenschutzes"  waren,  die  Vergünstigung, 
eine  Anzahl  Juden  aufnehmen  oder  „halten"  zu  dürfen. 
Diese  hatten  alsdann  entweder  blos  an  den  Landesherrn 
oder  ausserdem  auch  noch  an  die  Stadtkasse  ein  jähr- 
liches Schutzgeld  (..Judenzins")  zu  zahlen,  wofür  sie  von 
dem  Rath  gegen  jedermann,  besonders  aber  vor  Gericht 
in  ihren  Rechtshändeln  gegen  säumige  Schuldner  geschützt 
wurden.  Giern  kamen  in  solchem  Falle  aus  irgend  einer 
benachbarten  grösseren  Stadt  so  viel  Juden  mit  ihren 
Familien,  als  man  begehrte.  Gern  unterwarfen  sie  sich 
der  drückenden  Bestimmung,  dass  sie  in  der  Regel  nur 
auf  die  Frist  von  einigen  Jahren  und  niemals  als  Bürger, 
sondern  nur  als  des  Kaisers  oder  des  Landesherrn  „Kammer- 
knechte" aufgenommen  wurden.  Gern  begnügten  sie  sich 
mit  unscheinbaren  Wohnungen  in  irgend  einer  engen 
Gasse,  die  nun  nach  ihnen,  meist  bis  auf  den  heutigen 
Tag,  „Jüdengasse"  hiess.  Denn  dafür  versprach  ihnen 
das  Monopol  des  Geldgeschäfts  binnen  kürzester  Zeit 
grossen  Gewinn.  Auch  an  den  neuen  Aufenthaltsort  nah- 
men sie  mit  den  Glauben  ihrer  Väter,  ihre  religiösen  Ge- 
bräuche, ihre  häuslichen  Sitten.  Der  schnell  erworbene 
Reichthum  gestattete  ihnen  alsbald,  eine  eigene  Synagoge 
oder  „Judenschule"  zu  begründen  und  einen  besonderen 
Judenkirchhof  anzulegen.  So  bildete  sich  bald  mitten  in 
der  christlichen  Stadt  eine  eigene,  strenggesonderte  jüdische 
Gemeinde  mit  eigenen  Vorstehern  und  eigenem  Recht 
wenigstens  in  ihren  Beziehungen  unter  einander. 

Allein  eben  dieser  wesentlich  auf  Kosten  der  Bürger- 
schaft gewonnene  Reichthum  erregte  alsbald  den  Neid  der- 
selben Bürger,  welche  sie  erst  herbeigewünscht  hatten.  Der 
hohe  Zinsfuss,  zu  welchem  sie  Geld  ausliehen,  brachte  häufig 
den  Schuldner,  Bürger  wie  Edelmann,  sammt  deren  Bür- 
gen um  Hab  und  Gut.  Bis  zum  Verfalltag  des  ausge- 
stellten Scheines  begnügte  sich  zwar  der  jüdische  Gläu- 
biger meist  mit  20  Procent;  aber  wenn  ihm  da  nicht 
Zahlung  ward,  so  trat  nun  der  Wucherzins  ein,  nämlich 
gewöhnlich  von  jeder  Mark  (zu  48  Groschen)  wöchentlich 
'I2  Groschen,  d.  h.  54%  Procent'),  ja  von  dem  Schock 
(zu  60  Groschen)  wöchentlich  1  Groschen,  d.  h.  86%  Pi'o- 
cent.    Der  Rath  musste,  wenn  auch  mit  Unlust,  zu  gunsten 


•)  L.  Oelsner,  Schlesische   Urkunden  zur  Gesch.  der  Juden, 
im  Archiv  für  Kunde  Österreich.  Gesch. -Quellen  XXXI,  81. 

4* 


52  Hermann  Knothe : 

der  Juden  Pfändung  und  Subhastation  vollstrecken.  Den 
Handwerker  und  Arbeiter  erbitterte  das  mühelose  Reicli- 
werden  der  Juden  ohne  äusserlich  anstrengende  Arbeit. 
Der  fremde  Glaube  und  die  zäh  beibehaltene  Eigenart 
des  fremden  Stammes  verhinderte  jede  Verschmelzung. 
Schürten  nun  irgend  fanatische  Geistliche  den  Glaubens- 
hass,  riefen  elementare  Ereignisse  oder  gar  ein  „grosses 
Sterinen"  den  Aberglauben  wach,  dann  wurde  sicher  auch 
der  alte  Verdacht  gegen  die  Juden  wegen  Missbrauchs  mit 
geweihten  Hostien  und  mit  dem  Blute  von  Christenknaben 
aufs  neue  verbreitet.  So  erfolgte  dann  fast  jedesmal  eine 
Judenverfolgung,  welche,  meist  von  dem  niederen  Volke 
ausgehend,  von  den  städtischen  wie  den  landesherrlichen 
Behörden  kaum  gehindert,  oftmals  unterstützt  ward.  Denn 
die  hinterlassene  Habe  der  vertriebenen  oder  gar  erschla- 
genen Juden  fiel  an  diese  Behörden  und  ward  zwischen 
beiden  getheilt. 

Und  dennoch  machte  sich  binnen  kurzem  wieder 
das  Bedürfnis  fühlbar,  Capital  auch  ohne  hypothekarische 
Sicherheit  aufnehmen  zu  können.  So  wurden  aufs  neue 
Juden  herbeigerufen.  Sie  kamen,  aber  nur  um  alsbald 
selbst  wieder  ähnliches  zu  erfahren  und  zu  erleiden. 

Wir  haben  geglaubt,  die  Geschichte  der  Juden,  wie 
sie  sich  während  des  Mittelalters  in  fast  allen  Ländern 
und  grösseren  Städten  abgespielt,  in  kürzesten  Umrissen 
vorausschicken  zu  sollen,  ehe  wir  versuchen,  dasjenige 
zusammenzustellen,  was  sich  an  zuverlässigen  Nachrichten 
über  die  Juden  in  der  Oberlausitz  w^ährend  des  Mittel- 
alters noch  auffinden  lässt.  Auch  hier  wiederholte  sich 
genau  der  so  eben  geschilderte  Verlauf,  nur,  so  viel 
wir  wenigstens  haben  ermitteln  können,  nicht  auch  der 
Judenmord. 

Unsere  Nachrichten  sind  in  Betreff  der  meisten  ober- 
lausitzischen  Städte  sehr  dürftig'^).  In  wenigen  gehen 
Stadtbücher  imd  Stadtrechnungen  zurück  bis  ins  vier- 
zehnte Jahrhundert.  Und  selbst  dann  sind  die  betreffen- 
den Rathsbeschlüsse  niemals  verzeichnet.  Ueberall  sind 
es  vielmehr  nur  gelegentliche  Notizen  und  einige  landes- 
herrliche Erlasse,  welche  aber  immerhin  einmal  zusammen- 


=•)  M.  Wiener,  Kegesten  zur  Gesch.  der  Juden  in  Deutschland 
■während  des  Mittelalters  (Hannover  1862),  bringt  in  dem  ersten 
Theile  seines  "Werkes  keinß  oberlausitz.  Urkunden.  Auch  Otto  Stobbe, 
Die  Juden  in  Deutschland  während  des  Mittelalters  (Braunschweig 
1866),  scheint  dieselben  nicht  zu  kennen. 


Zur  Geschichte  der  Juden  in  der  Oberlausitz.  53 

gestellt  zu  werden  verdienen.  Nur  von  Görlitz  ist  es 
möglich,  ein  einigermassen  anschauliches  Bild  von  dem 
Leben  und  Treiben  sowie  von  den  wechselnden  Geschicken 
der  Juden,  zumal  während  des  vierzehnten  Jahrhunderts^ 
zu  entwerfen.  "Wir  behandeln  daher  absichtlich  diese  Stadt 
zuletzt. 

Es  müsste  Wunder  nehmen,  wenn  in  Bautzen,  der 
alten  Hauptstadt  der  Oberlausitz,  um  welche  herum  in 
weitem  Kreise  der  älteste,  zahlreichste  und  zum  guten 
Theil  zugleich  ärmste  Adel  des  Landes  wohnte,  sich  nicht 
aucli  einmal  Juden  auf  längere  oder  kürzere  Zeit  sollten 
niedergelassen  haben.  Freilich  war  Bautzen  keine  Handels- 
stadt im  eigentlichen  Sinne,  ausgenommen  den  Handel  mit 
Tuch,  Getreide  und  sonstigen  Feldfrüchten.  Dennoch  be- 
richten die  Lokalhistoriker  nichts  Thatsächliches  '^)  von 
einst  dort  wohnenden  Juden.  Auch  alle  diejenigen  hand- 
schriftlichen Chroniken  von  Bautzen,  die  wir  zu  diesem 
Zwecke  durchgegangen  haben,  schweigen.  Und  dennoch 
haben  auch  hier  in  der  That  Avährend  der  ersten  Hälfte 
des  vierzehnten  Jahrhunderts  Juden  gewohnt.  Von  1356 
bis  1359  wird  in  den  Breslauer  Stadtrechnungen  mehrfach 
ein  Jude  „Jacob  de  Budcssin"  erwähnt^),  der  diesen  Bei- 
namen nicht  führen  konnte,  wenn  er  nicht  von  Bautzen  nach 
Breslau  übergesiedelt  wäre.  Und  in  der  That  soll  die  jetzige 
Häringsgasse  früher  „Jüdengasse"  geheissen  haben*). 

In  Zittau  setzt  die  lokale  Sasje  die  Anwesenheit  von 
Juden  schon  in  die  Zeit  voi-'  der  Aussetzung  des  einstigen 
Dorfes  Zittau  zur  Stadt,  wozu  eine  wahrscheinlich  falsch 
gelesene  Jahreszahl  (1250)  an  einem  später  zu  erwälmen- 


*)  Wilke,  Chronik  der  Stadt  Budissin  25,  sagt  zwar,  die  An- 
zahl der  dasigen  Juden  müsse  gross  gewesen  sein ,  denn  „auf  eine 
Beschwerde,  die  von  der  Bürgerschaft  wegen  des  Wuchers  bei  dem 
König  "Wenzel  geführt  wurde,  erlicss  der  König  die  Verordnung, 
dass  alle  Wucherer  die  Pfänder  ohne  Zinsen  herausgeben  sollten". 
Allein  Wilke  fügt  weder  irgend  einen  Nachweis,  woher  er  diese 
Nachricht  genommen,  noch  auch  das  Jalir  der  vermeintlichen  Ver- 
ordnung bei.  Da  nun  die  „Oberlausitzer  Urkunden-Sammlung"  (Mspt. 
Görlitz)  und  ebenso  das  gedruckte  „Oberlausitzer  Urk. -Verzeichnis" 
aus  der  ganzen  Kegierungszeit  Wenzels  eine  solche  oder  ähnliche 
Verordnung  nicht  aufführt,  so  können  wir  jener  Angabe  Wilkes 
keinen  Werth  beimessen. 

*)  L.  Oelsner,  Schlesische  Urkunden  zur  Gesch.  der  Juden  im 
Archiv  für  Kunde  Österreich.  Gescli.-Qiiellen  XXXI,  111.  120.  127. 

*)  Wilke  22.340.  .336,  Andere  meinen,  die  Vorstadt  Seidau,  wendisch 
Zidow,  habe  ihren  Namen  von  den  einst  dort  wohnenden  Juden  erhalten. 


54  Hermann  Knothe: 

den  Hause  Anlass  gegeben  haben  mag.  Zu  der  Zeit,  wo 
der  Stadtsclu'eiber  Johann  von  Guben  seine  ältesten  Jahr- 
bücher von  Zittau  schrieb  (1363 — 81),  gab  es  daselbst 
eine  „Judenburg"®),  welche  nach  einem  nicht  mehr  vor- 
handenen Stadtbuche  von  1395 ')  „in  der  Badergasse",  einer 
engen,  vom  Markt  südlich  gegen  die  Mandau  hin  führen- 
den Gasse,  gelegen  haben  soll.  Noch  einmal  wird  1399 
ebendaselbst  ein  Haus  bezeichnet  *)  als  „gelegen  in 
der  Mandau,  benieden  der  Judenburg".  Dies  sind  nach 
Carpzov,  dem  gewissenhaften  Historiker  und  Stadtschrei- 
ber, der  die  seitdem  verbrannten  Stadtbücher  alle  benutzt 
hatte,  die  einzigen  Spuren  davon,  dass  es  bereits  im  vier- 
zehnten Jahrhundert  zu  Zittau  Juden  gegeben  hat®). 
Wann  und  weshalb  sie  fortgekommen,  weiss  er  nicht,  und 
auch  spätere  Forschungen  haben  zu  keinerlei  Resultaten 
geführt.  Wohl  aber  berichtet  Carpzov  '")  genaueres  über 
einen  zweiten  Aufenthalt  von  Juden  im  fünfzehnten  Jahr- 
hundert. Im  Jahre  1424  nahm  der  Ratli  „auf  Geheiss 
Kaiser  Sigismmidi  mit  Willen  und  Wissen  der  Hand- 
werkmeister und  ganzer  Gemeinde"  den  Juden  Smoyl 
aus  Löwenberg  in  Schlesien  sammt  seinem  Sohne  Jonas 
und  seinem  Schwiegersohne  Caiphas  „mit  ihren  Weibern, 
Kindern,  Dienern,  Dienerinnen,  Schulmeistern  und  Glöck- 
nern" auf  und  vergönnte  ihnen,  zunächst  auf  7  Jahre, 
hier  zu  wohnen.  Dafür  mussten  sie  jährlich  ein  Schutz- 
geld von  40  Mark  polnischer  Zald  erlegen,  wogegen  sie 
„alle  gute  Gewohnheiten,  die  sie  im  Fürstenthum  zu 
Schweidnitz  und  Jauer  vormals  gehabt",  geniessen  sollten. 
Auch  von  König  Wenzel  und  später  von  Kaiser  Siegmund 
ihnen    speciell   ertheilte    Schutz-  und  Freibriefe   brachten 


")  N.  Script,  rer.  Lusat.  I.  3 :  Ottackerus,  eyn  konig  zcu  Beme 
—  sacz  vz  dese  stat  vnd  hatte  nicht  verrer  vmme  gereten,  wen  als 
di  gasse  wendt  hindir  der  cruczeger  hovfe  czu  dem  webirthore  vnd 
von  dem  webirthore  bis  her  czu  der  Judenhorg^  gerichte  czu  der 
clobin  gasse  etc. 

')  Carpzov,  Analecta  I,  25. 

«)  Ebendas.  IV,  167. 

•)  Die  allerdings  nur  chronikalische  Angabe,  dass  der  könig- 
lich böhmische  Landvogt  über  das  Weichbild  Zittau  unter  anderen 
Revenuen  auch  „in  der  Stadt  den  Judenzoll  gehabt"  habe  (Carpzov, 
Anal.  I,  155),  hat  an  sich  viel  Wahrscheinlichkeit  für  sich;  nur  wird 
in  den  Urkunden  über  die  Verpachtung  dieser  Landvogtei  an  die 
Stadt  Zittau  von  1366—1405,  in  denen  alle  die  Einkünfte  derselben, 
darunter  auch  andere  Zölle,  aufgezählt  werden,  ein  solcher  Juden- 
zoll nirgends  erwähnt.     Carpzov,  Anal.  II,  251  fgg. 

">)  Anal.  IV,  168. 


Zur  Geschichte  der  Jutleu  iu  der  Oberlausitz.  55 

sie  vor,  und  so  stellte  ihnen  der  Rath  unter  dem  grösseren 
Stadtsiegel  ein  (nicht  mehr  vorhandenes)  Dokument  aus, 
welches  für  beide  Theile  die  Einzelbestimmungen  des 
zwischen  ihnen  abgeschlossenen  Vertrages  enthielt.  Dies 
war  also  thatsächlich  die  Einwanderung  einer  ganzen  Juden- 
colonie,  bestehend  zwar  nur  aus  drei  Familien,  aber  gewiss 
aus  ziemlich  vielen  Köpfen.  Die  Erwähnung  von  „Schul- 
meistern und  Glöcknern"  (d.  h.  Synagogendienern)  deutet 
darauf,  dass  die  Errichtung  einer  besonderen  Synagoge 
von  vorn  herein  von  ihnen  beabsichtigt  gewesen  sei. 
Nun  bezeichnet  die  lokale  Tradition  mit  Bestimmtheit 
einen  nachmaligen  Bierhof  (nach  einander  den  Familien 
ßandig.  Hübner;  Weise  gehörig,  Katasternummer  239) 
in  der  „  Jüdengasse"  als  die  ehemalige  Synagoge.  Und 
in  der  That  soll  in  diesem  wie  in  einem  anderen  Hause 
derselben  Gasse  der  Bau  zumal  der  Fenster  noch  jetzt 
auf  eliemalige  jüdische  Einrichtungen  schliessen  lassen. 
Demzufolge  dürften  sich  jene  Juden  1424  hier  angebaut 
und  erst  hierdurch  die  „Jüdengasse"  ihren  Namen  erhalten 
haben.  Der  Jude  Smoyl  kam  übrigens  bald  darauf  der 
Stadt  ziemlich  theuer  zu  stehen.  Er  hatte  unter  anderem 
mit  Herrn  Jan  von  Wartenberg  auf  Dewin  (bei  Warten- 
berg in  Böhmen)  Geldgeschäfte  gehabt.  Wahrscheinlich 
zahlte  letzterer  weder  Zins  noch  Capital.  Da  Hess  ihm 
1426  der  Jude  „sein  Gewand  mit  Rechte  verhindern"*'), 
d.  h.  von  ihm  in  Zittau  erkaufte  Tuche  durch  den  Rath 
mit  Beschlag  belegen.  Jan  von  Wartenberg  rächte  sich 
dafür  an  der  Stadt  selbst.  Er  fiel  (28.  August)  400  Pferde 
stark  in  deren  Dörfer  ein,  raubte  Schafe,  Kühe  und  Pferde 
und  trieb  den  Raub  zurück,  seiner  Burg  zu.  Allein  die 
Zittauer  Bürger  kamen,  obgleich  nur  zu  Fuss,  den  böh- 
mischen Räubern  zuvor,  überfielen  sie  im  Spittelholz  und 
nahmen  ihnen  den  gesammten  Raub  wieder  ab.  Der  Ver- 
trag mit  Smoyl  scheint  nach  Ablauf  der  7  Jahre  erneuert 
worden  zu  sein.  Noch  1434''^)  Hess  Kaiser  Siegmund 
von  ihm  und  seinem  Sohne  Lazarus  96  fl.  ungarisch  imd 
400  fl.  rheinisch  als  eine  Strafe,  die  sie  „verwirkt",  den 
Cölestinern  auf  dem  Oybin  auszahlen  zu  Baugeldern. 
Wie  lange  die  Juden  noch  in  Zittau  geblieben,  weiss 
man  nicht.  Der  Umstand,  dass  nach  ihrem  Abzüge  das 
Haus  mit  der  ehemaligen  Synagoge  „in  eine  bürgerliche 


")  N.  Script,  rer.  Las.  I,  60. 

'»)  Pescheck,  Gesch.  der  Cölestiner  des  Oybins  (1840)  60. 


5ß  Hermami  Knothe: 

Wohnung"  verwandelt  und  über  der  Hausthüre  ein  Bild 
mit  der  Kreuzigung  Christi  gemalt  wurde  '^);  scheint 
doch  auf  den  üblichen  Glaubenshass  gegen  die  Juden 
hinzudeuten.  Die  früher  ebenfalls  über  dieser  Thür  an- 
gebracht gewesene  Jahrzahl  dürfte  statt  1250  vielmehr 
1450  gelautet  und  sich  auf  den  Umbau  des  Hauses  be- 
zogen haben. 

Hinsichtlich  des  Aufenthaltes  von  Juden  in  Laub  an 
liegen  zwei  sehr  sicher  auftretende  Aufgaben  vor.  Der 
einen  zufolge  ^*)  habe  Markgraf  Otto  von  der  Lausitz  und 
Brandenburg  im  Jahre  1294  den  Laubanern  die  Ober- 
gerichtsbarkeit in  ihrem  Weichbild  bewilligt  und  die  Er- 
laubnis gegeben,  zwei  Juden  mit  gleichen  Abgaben  und 
Dienstlasten,  wie  sie  selbst,  zu  halten.  Allein  dieser  Otto 
der  Lange  konnte  1294  noch  nicht  Markgraf  der  (Nieder-) 
Lausitz  heissen,  da  dieselbe  erst  1308  von  den  Branden- 
burgern erwoi-ben  ward;  die  Behauptung  von  der  zugleich 
verliehenen  Obergerichtsbarkeit  im  VVeichbilde  erweist  sich 
als  unrichtig^*);  eine  völlige  Gleichstellung  der  Juden 
mit  den  Bürgern  hinsichtlich  der  städtischen  Leistungen 
erscheint  im  höchsten  Grade  unwahrscheinlich,  und  end- 
lich die  Quelle,  auf  welche  die  ganze  Angabe  zurückge- 
führt wird,  nämlich  Hosemann,  gräcisiert  Knemiander,  der 
berüchtigte  Laubaner  „Lügenhistoriker'*,  raubt  derselben 
jeden  Anspruch  auf  Glaubwürdigkeit.  Eine  zweite  Nach- 
richt meldet  ^'^),  am  ersten  Osterfeiertage  1390  sei  in  Lau- 
ban  ein  Priester,  der  mit  der  Monstranz  zu  einem  Kranken 
sich  begeben,  „bei  der  Judengasse"  mit  Steinen  geworfen 
worden,  so  dass  die  Hostie  zur  Erde  gefallen.  Darauf 
seien  die  Christen  auf  die  Juden  losgestürmt,  hätten  viele 
davon  erschlagen  und  deren  Güter  eingezogen.  Obgleich 
diese  Erzählung  dem  Ausbruche  von  Judenverfolgungen 
in  anderen  Städten  auf  das  Haar  gleicht,  würden  wir  ihr 
vielleicht  doch  einioen  Glauben  schenken,  wenn  zu  Lauban 


'*)  Carpzov,  Anal.  I,  2.5. 

")  Maiilius  bei  Hoffmaini,  Scriptor.  rer.  Lus.  I,  277:  Anno 
1294,  refereute  Cneniiandro,  Otto  marcbio  Lusatiae  et  Brandepurgi 
Laubanensibus  jurisdictionem  superiorem  in  ipsorum  territorio  con- 
cessit,  et  ut  binos  Judaeos  paribiis  secum  censibus  ac  oneribus 
habitautes  retiuere  ipsis  liceret,  indulsit.  Ihm  nach:  Wiessner 
in  seinen  Laubaner  Stadtannalen  (Mspt.).  Grosser,  Merkw.  I,  40. 
Carpzov,  Ehreut.  I,  40.  Urk.-Verz.  I,  18.  Worbs  im  Lausitz.  Mag. 
18S0.  485.     Schelz,  Gesammtgesch.  175  u.  s.  w. 

'*)  Vergl.  Knothe,  ßechtsgesch.  der  Oberlausitz  42  fg. 

'*)  Gründer,  Chronik  von  Lauban  141. 


Zur  Geschichte  der  Juden  ia  der  Oberlausitz.  57 

sonst  irgendwo  eine  „Judengasse"  erwähnt  und  das  Vor- 
handensein von  Juden  sonst  irgend  urkundlich  bestätigt 
wäre. 

Wir  glauben  daher,  dass  es  in  Lauban  ebensowenig 
als  in  Karaenz   und  Löbau  '')  jemals  Juden  gegeben  hat. 

Wühl  aber  scheint  in  dem  Städtchen  Reichenbach 
mindestens  ein  Jude  gehalten  worden  zu  sein.  Als,  wie 
später  zu  erzählen  sein  wird,  die  Görlitzer  1389  ihre 
Juden  vertrieben  hatten,  schickten  sie  häufig  Boten  „nach 
Reichenbach  wegen  der  Juden".  Ihr  Herzog,  Johann 
von  Görlitz,  hatte  ihnen  nämlich  zugestanden,  dass  fortan 
im  ganzen  Lande  Görlitz  kein  Jude  mehr  solle  wohnen 
dürfen.  Es  galt  daher  wahrscheinlich,  jetzt  auch  Hans 
von  Gersdorff,  den  damaligen  Besitzer  von  Reichenbach  ^^), 
zu  vermögen,  dass  er  seinen  Juden  ausweise.  Gleichzeitig 
sendeten  die  Görlitzer  aber  auch  sehr  häufig  Boten  an 
die  Herzogin  Agnes  von  Schweidnitz,  welche  den  Juden 
günstig  gesinnt  war,  und  aus  deren  Städten  die  meisten 
Juden  nach  der  Oberlausitz  gekommen  waren.  Bei  solcher 
Gelegenheit  heisst  es  das  eine  Mal,  es  sei  zu  ihr  gesendet 
worden  „wegen  Ydam  (Adam  ?),  Juden  in  Reichenbach"  '**). 

Ausführlichere  Nachrichten  haben  wir,  wie  schon  er- 
wähnt, über  die  Juden  in  Görlitz^").  Alte  Privilegien 
über  den  Waidhandel  und  den  Strassenzug  machten  das- 
selbe zum  Haupthandelsplatze  der  gesammten  Oberlausitz. 
Kein  Wunder,  dass  sich  aus  dem  benachbarten  Schlesien 
frühzeitig  auch  Juden  dahin  gewendet  hatten.  Es  nuiss  dies 
bereits  unter  den  Brandenburger  Herrschern  aus  dem 
Hause  Askanien  geschehen  sein;  denn  das  mit  dem  Jahr 
1305  beginnende  älteste  Stadtbuch  ^^)  erwähnt  schon  vor 
1307  (Bl.  4)  eini'.  „Judengasse",  später  (1338  und  öfter) 


")  Das  Wahrzeichen  von  Ijöbau,  ein  Judenkopf  an  der  Stadt- 
uhr, der  sidi  bei  jedem  Glockensclilaije  üft'net  und  wieder  schliesst, 
ist  ein  häufig  vorkommender  Ausdruck  mittelalterlichen  Volkshumors. 

")  Knothe,  Gesch.  des  Oberlausitzer  Adels  l'Jl. 

'")  Nach  den  Görlitzor  Kathsrechnungen,  Mspt. 

-")  Eigenthümlicher  Weise  sclieint  die  Geschiclite  der  Juden 
in  Görlitz  noch  niemals  im  Zusammenhange  behandelt  worden  zu 
sein.  Der  „Görlitzer  Wegweiser"  ]8o2.  .S22  fg.  bringt  nur  wenige 
dürftige  Thatsachou  im  wesentlichen  nach  Grosser,  Merkw.  I,  97; 
Naumann,  Gesch.  von  Görlitz  1 11  fg.  allerdings  mehr,  aber  der  An- 
lage des  Buches  zufolge  luu-  bei  Gelegenheit  der  Geschichte  Herzog 
Johanns  von  Görlitz.  Nach  einer  etwaigen  Monographie  aus  älterer 
oder  neuerer  Zeit  haben  wir  vergeblich  geforscht. 

*')  Mspt.,  jetzt  auf  der  Miliclfscheu  liibliotliek. 


58  Hermann  Knothe: 

eine  Synagoge  oder  „Judenschule";  desgleiclien  (1335  Bl. 
31)  einen  „ Judenkirchhof ",  gelegen  „in  der  Kalowe". 
Aber  auch  ausserhalb  der  Judengasse  besassen  die  Juden 
Häuser  oder  Höfe  und  zwar  als  Erbe,  so  z.  B.  (1345) 
in  der  „Oelschlägergasse",  desgleichen  in  der  „Kniegasse", 
wo  (vor  1327)  „Katharine,  Johannes  des  Juden  Tochter", 
ein  Haus  aufgab  Heinrich  Salczhuter'n  „zu  einem  rechten 
Erbe".  Sie  durften  also  von  Christen  beliebig  Häuser 
erwerben,  nur  dass  sie  von  denselben  einen  besonderen 
Zins  an  die  Stadtkasse  zu  erlegen  hatten.  „Die  Juden 
habbent  gecoyft  Otten  Buteners  Hof  und  sullen  davon 
den  burgern  cinsen  drizig  phenninge  alle  jar.  Shymon 
Jude  vnd  Hanna  judinne  haut  gecoyft  kegen  Merkele 
einen  Hof,  davon  sullen  sie  geben  den  burgern  vünf 
Schillinge  cinses"  (Bl.  9,  circa  1309).  Käufe  und  Ver- 
käufe liegender  Gründe  wurden  auch  von  den  Juden, 
ebenso  Avie  von  den  Christen  abgeschlossen  „in  gehegtem 
Ding",  „an  rechter  Dingstatt"  oder  „coram  judicio  item 
coram  judeorum  bannito"  und  dann  eingetragen  in  das 
allgemeine  Stadtbuch  *^).     Als   1329*^)  Herzog  Heinrich 


^^)  In  der  vollständigen  Abschrift  des  „Magdeburger  Rechts", 
welches  die  Schoppen  von  Magdeburg  der  Stadt  Görlitz  1304  zu- 
kommen Hessen,  handelt  §  118  (nach  dem  Abdruck  in  Tzschoppe  und 
Stenzel,  Urk.-Samml.  473) :  „Von  des  Juden  Gewere.  Der  Jude  en 
muz  des  Cristenen  mannes  gewere  nicht  sie,  her  en  wolle  danne  ant- 
worten in  Cristenes  mannes  stat.  Sleit  der  Jude  einen  Cristenen 
man  tot  oder  tut  her  ungerichte  an  im,  da  her  mite  begriffen  wirt, 
man  richtet  ubir  en,  als  ubir  einen  Cristenen  man.  Sleit  ouch  ein 
kristenen  man  einen  Juden,  man  richtet  ubir  en  durch  des  konigs 
vride,  den  her  an  im  gebrochen  hat  oder  tut  her  ungerichte  an  im." 
Ein  „Judeneid"  und  zwar  der  sogenannte  Erfurter  Eid  (Otto  Stobbe, 
Die  Juden  in  Deutschi.  157)  auf  dem  Vorsetzblatte  eines  Görlitzer 
Rechtsbuches  (N.  Script,  rer.  Lus.  I,  Vorwort  XXXV)  lautet  und 
zwar  in  abweichender  Fassung:  „Das  man  dich  suldich,  des  bistu 
vnsuldihc;  daz  dir  got  zo  helfi,  der  himel  vnde  erdi  giswf  vnde 
loub  vnde  gras,  vnde  als  dir  ginad  adonay  vnde  seni  ginedichi  got- 
heit,  vnde  als  du  di  ee  nimmir  mvzis  bihaldin,  di  got  gap  moizi  vf 
dem  bergi  zv  sinay  an  der  stenin  tafilin.  Op  du  nicht  reht  vnde 
war  habis,  zo  mvizi  dich  ani  gen  das  vreisliche  gisvcti,  daz  gezi  ane 
ginch,  do  her  dv  gabi  von  naaman  vntphinc ;  ap  dv  niht  rechti  vnde 
wäre  habis,  zv  mvzi  dich  dv  erdi  wirslindin  vnde  das  fwr  virbrennen, 
daz  datan  vnde  abiron  verbranti  vnd  ir  mani.  Daz  swerstu  vffe  dem 
fünf  buchin  moizi  bi  dem  abraham,  ysanc  vnde  yacop."  Wir  dürfen 
wohl  annehmen,  dass  sowohl  jene  Bestimmungen  des  Magdeburger 
Rechts,  als  dieser  Judeneid   auch  zu  Görlitz  in  Anwendung  waren. 

^*)  Köhler,  Cod.  dipl.  Lus.  sup.  280.  Et  ne  quis  —  presumat  — 
tutele  Judeorum  Gorlitczensium,  quos  civibus  sepedictis  gubernandos, 
regendos   et   ab   injuriis  quibuslibet  perpetuo   defensandos  nostro, 


Zur  Geschichte  der  Juden  in  der  Oberlausitz.  59 

von  Jauer  das  Land  Görlitz  an  König  Jolianu  von  Böli- 
men  abtrat,  bestätigte  dieser  der  Stadt  Görlitz  ihre  bis- 
herigen Rechte  und  Privilegien,  darunter  auch  das,  „die 
Görlitzer  Juden  zu  regieren  und  vor  jedem  Unrecht  zu 
beschützen". 

Auch  über  die  Natur  der  von  den  Görlitzer  Juden 
damals  vorzus-sweise  betriebeneu  Geschäfte  erhalten  wir 
mancherlei  Kunde.  1323^*)  hatten  mehrere  Adlige  die 
Güter  des  Klosters  Marienstern  auf  dem  Eigen  beraubt 
und  zwar  aus  den  Ortschaften  Bernstadt,  Schönau  und 
Kiessdorf  Pferde  und  Vieh  fortgetrieben  nach  Görlitz  und 
bei  den  dortigen  Juden  „Johannes,  dem  Schwiegersohne 
von  Jakob,  Johannes,  dem  Schwiegersohne  von  Salomon 
und  dem  kleinen  Jakob"  versetzt.  Infolge  dessen  erliess 
der  Executor  der  Concilbeschlüsse  für  das  Bisthum  Meissen 
an  sämmtliche  oberlausitzische  Geistliche  den  Befehl,  nicht 
bloss  die  Räuber  selbst,  sondern  auch  jene  Juden  den  cano- 
nischen Satzungen  gemäss  zu  admonier^n,  dass  sie  den  Raub 
binnen  vierzehn  Tagen  dem  Kloster  zurückerstatten  soll- 
ten, widrigenfalls  allen  Christen  jeder  Verkehr  mit  jenen 
Juden  bei  Excommunication  verboten  werden  würde. 
1343  '^^)  zahlten  die  Brüder  Jan  und  Otto  von  GersdorfF 
auf  Radmeritz  einem  Görlitzer  Juden  Daniel  vor  Gericht 
Geld  ratenweise  ab.  Diese  selben  Brüder  hatten  aber 
auch  noch  von  dem  Görlitzer  Juden  Jeckil  80  Schock 
Groschen  erborgt,  welche  dieser  ihnen,  wie  er  sagte,  von 
dem  Liegnitzer  Juden  Hannus  verschafft  hatte,  und  zwar 
»jedes  Schock  um  einen  Groschen  die  Woche  zu  Wucher" 
(d.  h.  zu  SG'/s  Procent).  Später  war  eine  Abrechnung 
erfolgt,  so  dass  nur  noch  40  Schock  verblieben;  aber 
nach  einiger  Zeit  waren  dieselben  infolge  des  Wucher- 
zinses wieder   auf  70  Schock   angewachsen.      Alles    dies 


heredum  et  successorum  nostrorum  —  nomiüe  et  vice  committimus, 
cui'am  sibi  ausu  temerario  vendicaro.  Köhler  schreibt  freilich  (nach 
einer  ganz  unzuverlässigen  Abschrift  in  der  „Oberlaus.  Urk.Saninil.") 
statt  Judeorum  ,,judiciorum",  was  gar  nicht  in  die  Construction  passt; 
schon  Tzschoppe  und  Stenzel,  Urk.- Samml.  5.31,  dagegen  richtig: 
Judeorum.  Und  so  blos  und  nicht  anders  kann  auch  die  Abbreviatur 
in  dem  allein  noch  erhaltenen  Vidimus  von  1424  im  liathsarchiv  zu 
Görlitz  aufgelöst  werden.  Das  Verbot  des  Königs  gilt  den  Land- 
vögten, welche  keinerlei  Gewalt  über  die  Juden  haben  sollten. 

")  Knothe,  Gesch.  des  Eigenschen  Kreises  66  fg. 

**)  Liber  vocationum,  proscriptionum,  actitationum  1342.  Mspt. 
Görl.  Blatt  70  b. 


ßO  Hermann  Kiiothe: 

bezeugten  1345^®)  Richter  und  Schoppen  dem  Juden 
Jeckil  auf  dessen  Ansuchen  „mit  der  Stadt  heimlichen 
Insigel"  und  trugen  es  auch  in  das  Ladebuch  ein. 

N^amentHch  liaben  wir  ausserdem  während  der  ersten 
Hälfte  des  vierzehnten  Jahrhunderts  von  Görlitzer  Juden 
noch  erwähnt  gefunden^")  Simon  imd  Hanna,  welche 
(um  1309)  einen  Hof  kaufen^  von  Merkele,  Katharine, 
des  Johannes  Tochter,  welche  ein  Haus  verkauft  (vor 
1326),  Friczko,  der  an  Leo  einen  Hof  abtritt  (1338), 
Isaak,  welchem  seine  Brüder  Jeckil  und  Noah  ebenso 
wie  Melach  ihre  Höfe  aufgeben,  und  der  selbst  einen  Hof 
an  Daniel,  einen  anderen  an  Zharnak  auflässt  (1345,  1346). 

Da  sehen  wir  diese,  wie  es  scheint,  durchaus  fried- 
lichen und  völlig  geregelten  Verhältnisse  der  Görlitzer 
Judenschaft  plötzlich  aufgelöst.  Mittels  Urkunde  vom 
25.  Juli  1350^*)  schenkte  Kaiser  Karl  IV.,  der  damalige 
Landesherr,  auf  Bitten  seines  Onkels,  des  Herzogs  Wenzel 
von  Liegnitz,  dem  Apotheker  Chunrad  in  Görlitz  und 
dessen  Erben  „die  Synagoge  der  Juden  zu  Görlitz  sammt 
allem  Zubehör,  welche,  wie  bekannt,  in  diesen  Tagen  an 
steine,  des  Kaisers,  Kammer  rechtmässig  zurückgefallen 
sei",  und  befahl  dem  Landvogte,  sowie  dem  Bürgermeister 
und  Rathe,  den  Apotheker  bei  dieser  Schenkung  zu  „manu- 
teniren".  Und  beim  Jahre  1352  enthält  das  Stadtbuch 
die  Notiz,  dass  Heincko  von  Bischofsdorf  (d.  h.  Heinrich 
von  Gersdorff  auf  Bischdorf)  den  Judenkirchhof  von  Hans 
Wicker  gekauft  habe.  Beides  deutet  ohne  Zweifel  auf 
eine  (erste)  Vertreibung  der  Juden  aus  Görlitz.  Sollte 
die  Synagoge,  an  welcher  doch  die  ganze  Jiidengemeinde 
Antheil  hatte,  nur  durch  den  mibeerbten  Tod  irgend  eines 
Juden,  als  des  Kaisers  und  Landesherrn„Kammerknechtes", 
an  diesen  „zurückgefallen"  sein?  Und  auch  der  Juden- 
kirchhof gelangte  1352  durch  Verkauf  schon  in  die  zweite 
christliche  Hand.  Die  ganze  Judengemeinde  muss  also 
aufgelöst  worden  sein.  Weshalb  imd  wie,  —  Avir  wissen 
es  nicht  (die  Stadtrechnungen  beginnen  erst  mit  dem  Jahre 
1376),  können  es  aber  wohl  vermuthen  auf  Grund  von 
ähnlichen  Vorgängen,  die  eben  damals  sich  in  anderen 
Städten  abspielten. 

Eben    in  jenen  Jahren    wüthete   bekanntlich    durch 


*«)  Ebendas.   Bl.  69b.     Abgedruckt  in  Köhler,   Cod.  Lus.  370. 
*')  Vornehmlich  im  ältesten  Stadtbuch. 
*')  Oberlausitzer  Urk.-Verz.  I,  57  No.  284. 


Zur  Geschichte  der  Juden  in  der  Oberlausitz.  61 

fast  ganz  Europa  die  fürchterliche  Pest,  „der  schwarze 
Tod".  Die  fanatischen  Geissler  predigten  Busse,  aber  zu- 
gleich auch  Vertilgung  der  Ungläubigen.  Fast  aller  Orten 
beschuldigte  man  die  Juden  der  Vergiftung  der  Brunnen. 
So  begann  der  Hass  des  armen  Volkes  gegen  die  reichen 
Juden  deren  Verfolgung.  Die  Obrigkeit  connivierte  und 
theilte  sich  mit  dem  Landesheri'n  in  deren  Güter.  So 
geschah  es  im  Jahre  1349 ,  um  von  entfernteren  Städten 
zu  schweigen;  in  Breslau,  Guhrau,  Brieg,  in  Eger,  in 
Dresden  und  Meissen^^).  So  dürfte  es  auch  in  Görlitz 
hergegangen  sein.  Die  Anwesenheit  von  Geisslern  auch 
in  Görlitz  und  in  Bautzen  wird  wenigstens  bei  dem  Jahre 
1349  von  den  Chronisten  berichtet^").  Ob  die  Juden  in 
Görlitz  bloss  vertrieben  oder  auch  erschlagen  worden  seien, 
erfahren  wir  nicht.  Wir  möchten  nur  das  erstere  annehmen. 
In  den  Jahren  1351  bis  1359 '^O^  also  immittelbar  darauf, 
Averden  in  den  Breslauer  Stadtrechnungen  mehrfach  die 
Juden  Aaron  und  Arnold  von  Görlitz,  letzterer  mit  seiner 
Schwester  Ruth  und  einem  Schulmeister  (Hauslehrer),  er- 
wähnt, welche  noch  dazu  eine  ziemlich  hohe  Steuer  er- 
legten. Wir  vcrmuthen,  dass  sich  dieselben  nach  ihrer 
Vertreibung   aus  Görlitz   nach  Breslau   gewendet   haben. 

Darauf  schweigen  die  einheimischen  Quellen  eine 
lange  Zeit  gänzlich  von  Juden  zu  Görlitz.  Und  dennoch 
hatten  sich  alsbald  deren  aufs  neue  dahin  gewendet.  1389, 
wo  eine  abermalige  Verfolgung  über  sie  hereinbrach,  lebte 
daselbst  wieder  eine  respectable  Anzahl,  gab  es  wieder 
eine  Synagoge,  einen  Kirchhof,  auch  längst  schon  (1377) 
eine  eigene  „Judenbadestube". 

Diese  zweite  Vertreibung  galt  gar  nicht  dem  Glauben, 
sondern  bloss  dem  Vermögen  der  Juden.  Sie  war  wohl 
vorbereitet  und  zwar  von  den  sämmtliclien  betreffenden 
Behörden.  König  Wenzel  von  Böhmen  hatte  schon  1385 
besonders  in  den  freien  Reichsstädten  der  Judenschaft 
grosse  Summen  abgenommen**).  Sein  Bruder  Joliann, 
seit  1377  Herzog  von  Görlitz,  war  nicht  minder  geldbe- 
dürftig als  er    und   nicht   minder  unbedenklich  in  seinen 


*')  L.  Oelsner,  Schles.  Urkunden  zur  Gesch.  der  Juden  im 
Mittelalter,  im  Archiv  für  Kunde  Österreich.  Gesch.-Quellen  XXXI, 
7.3  fgg.  Pclzel,  K.  Karl,  I,  305.  Klemm,  Chronik  von  Dresden  I, 
7?..     Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II.  4,  25  vergl.  34. 

»»)  Wilke,  Chronik  von  Budissin  21.     Grosser,  Merkw.  I,  77. 

»')  L.  Oelsner  a.  ä.  0.  111.  11.3.  120.  127. 

")  Stobbe,  Die  Juden  in  Deutschland  134. 


62  Hermann  Knothe: 

Mitteln.  Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dass  er  sich 
sowohl  mit  der  Ritterschaft  des  Weichbildes,  als  mit  dem 
Rathe  der  Stadt  Görlitz  schon  im  voraus  verständigt 
hatte.  Die  dasigen  Juden  mochten  ihr  Schicksal  ahnen 
und  suchten  ihre  Liegenschaften  durch  Verzichtleistung 
an  andere  so  gut  als  möglich  zu  sichern.  „Sara  judinne 
hat  aufgegeben  ihr  haus,  das  Smerlin  gewest  ist,  Isag 
Juden  und  danach  gemeinlich  allen  Juden  zu  einer  schule 
erplichen  (1388).  Jeckil  jude  hat  aufgegeben  Peter  Stein 
Grebers  garten."  Ebenso  giebt  auch  „Smoel  jude  einen 
garten"  auf  (1389). 

Da  brach  zum  Osterfeste  (18.  April)  des  Jahres  1389 
zu  Prag  eine  blutige  Judenverfolgung  fast  unter  den 
Augen  König  Wenzels  aus.  Er  soll  —  gezürnt  haben. 
In  der  Woche  nach  Ostern  begaben  sich  von  Görlitz  der 
Bürgermeister  Vincenz  Eczel,  der  Rathsherr  Jakob  Sleife 
und  der  Stadtschreiber  in  Begleitung  von  Abgeordneten 
der  Ritterschaft  nach  Prag  „propter  alienationem  Judeo- 
rum"^^).  Das  Ergebnis  dieser  Reise  war  unzweifelhaft 
die  Urkunde  Herzog  Johanns  vom  30.  April  1389**),  in 
welcher  er  erklärt,  die  Ritterschaft  und  Bürgerschaft  von 
Görlitz  sei  zu  ihm  gekommen  und  habe  ihm  nachgewiesen 
grosse  Schäden,  die  sie  von  seinen  Juden  in  diesem  Lande 
merklich  gehabt,  und  habe  ihn  gebeten,  dass  er  sie  fürder 
von  allen  Juden  befreien  möge.  Demzufolge  begnadigt 
er  die  Genannten,  „dass  von  jetzt  kein  Jude  noch  Jüdin 
in  seinen  Landen  und  seiner  Stadt  Görlitz  ansässig  sein 
noch  Wohnung  haben  solle  in  irgend  einer  Weise".  Zu- 
gleich bestimmte  er  vier  Personen,  „um  die  Güter  der 
Juden  in  Empfang  zu  nehmen"  *^).  Zwei  davon,  Ticze 
von  Sor  (auf  Sohra,  nordöstlich  von  Görlitz)  und  Peschel 
Schaff  (^auf  Horka),  gehörten  der  Ritterschaft,  jedenfalls 
die  beiden  anderen  dem  Rathe  an. 

In  der  Stadt  Görlitz  herrschte  grosse  Freude.  Man 
sendete  sofort  Wagen  mit  Bier  nach  Prag  an  den  Herzog 
und  an  die  Herzogin  „pro  honore",  bald  darauf  auch 
Geldgeschenke  an  den  Kanzler,  an  Otto  von  Kittlitz,  einen 
anderen  Hofbeamten  des  Herzogs,  an  Anshelm  von  Ronow, 
den  Landvogt   von  Görlitz  „wegen  verschiedener  Förde- 


**)  Alles  Folgende  wesentlich  nach  den  Görlitzer  Rathsrech- 
nnngen,  Mspt. 

»*)  Urk.-Verz.  I,  127  Nr.  628, 

*')  Et  ibidem  dominus  noster  dux  quatuor  constituit,  quod  bona 
Judeorura  reciperout. 


Zur  Geschichte  der  Juden  in  der  Oberlausitz.  63 

rungen".  Man  fragte  sogar  beim  Herzog  an,  ob  das  be- 
absichtigte Turnier  in  Görlitz  noch  stattfinden  solle,  was 
doch  voraussichtlich  der  Stadt  viel  Geld  kosten  musste, 
ja  man  sendete  abermals  nach  Prag,  „um  Gläubiger  zu 
bezahlen  auf  Befehl  des  Herzogs". 

Was  mit  den  Juden  selbst,  jedenfalls  gleichzeitig, 
geschehen  sei,  melden  die  Stadtreclmungen  freilich  nicht 
mit  klaren  Worten;  aber  sie  lassen  es  zwischen  den  Zeilen 
lesen.  Da  werden  mehrmals  Adlige  vom  Lande  durch 
den  Rath  „geehrt  mit  Wein  und  Bier  in  captivitate  Ju- 
deorum".  Man  hatte  also  die  Juden  wahrscheinlich  ein- 
fach überfallen  und  gefangen  gesetzt.  Ihre  Häuser  waren, 
wie  sich  aus  dem  Folgenden  ergeben  wird,  mit  Beschlag 
belegt  worden.  Anfang  August  ward  ein  reitender  Bote 
nach  Prag  zum  Herzog  geschickt  „propter  vituperium 
Judeorum".  Wahrscheinlich  hatten  dieselben  Klage  über 
den  Herzog  erhoben,  wohl  bei  der  Herzogin  Agnes  von 
Schweidnitz,  welche  stets  den  Juden  möglichst  gerecht  zu 
werden  bemüht  war  und  aus  deren  Lande  die  meisten 
Görlitzer  Juden  stammten.  Wenigstens  sendete  der  Rath 
sofort  nach  Ankunft  von  obigem  Befehl  des  Herzogs  einen 
Boten  nach  Schweidnitz  „mit  einem  Briefe  des  Herzogs 
wegen  der  Juden".  Gewiss  sollte  der  Brief  die  verhängte 
Verfolgung  rechtfertigen  oder  entschuldigen.  Auch  später 
gehen  noch  sehr  häufig  Boten  an  die  Herzogin  „propter 
Judeos".  Die  Antwort  Herzog  Johanns  auf  die  Beschwerde 
der  Juden  bestand  in  einer  zweiten  Urkunde  vom  9.  August 
1388^^),  durch  welche  er  der  Stadt  Görlitz  erlaubt,  „dass 
sie,  da  (wo)  etwa  die  Synagoge  und  Judenschule  gewest 
ist  in  der  Langegasse,  daselbst  aus  derselben  mögen  eine 
Kapelle  errichten  und  bauen  zu  Lob  und  Ehre  des  hei- 
ligen Leichnams",  für  welchen  Zweck  er  den  Judenkirch- 
hof „zu  Hülfe  giebt". 

So  war  denn  über  die  liegenden  Gründe  der  bis- 
herigen Judengemeinde  zu  Görlitz  verfügt.  Aber  bei 
allen  derartigen  Judenverfolgungen  kam  es  den  Landes- 
herren ganz  besonders  auf  die  Schuldverschreibungen  an, 
welche  sich  in  den  Händen  der  Juden  befanden.  In 
diesem  Sinne  glauben  wir  die  vielen  Boten  verstehen  zu 
sollen,  welche  jetzt  der  Rath  ausschickte,  so  nach  Horka 
und  auf  andere  Dörfer  „wegen  der  aussenstehenden  Gelder 
(debita)    der    Juden",    ferner   nach   Bautzen   „wegen    des 


«)  Urk.-Verz.  I,  128  Nr.  636. 


64  Hermann  Knothe  : 

Juden  Simon  und  andrer  Juden",  nach  Löwenberg  „wegen 
Baruch  und  andrer  Juden".  Im  Laufe  des  Jahres  1390 
Avar  der  Herzog  Joliann  mehrmals  (Anfang  Januar  und 
Mitte  Juli)  persönlich  in  Görlitz.  Dabei  dürften  wohl 
mündliche  Bestimmungen  über  das  confiscierte  Vermögen 
der  Juden  getroffen  woi'den  sein.  Nur  von  demjenigen, 
was  die  Bürgerschaft  betrifft,  erhalten  wir  nähere  Kunde. 
Uebrigens  zog  sich  die  definitive  Entscheidung  noch  lange 
hin.  Wir  wissen  nicht,  ob  ein  schon  lange  andauernder 
Aufruhr  der  Handwerker  gegen  den  Rath  von  Einfluss 
auf  diesen  Aufschub,  vielleicht  sogar  auf  die  ganze  Juden- 
verfolgung gewesen  sei.  Leider  fehlen  gerade  aus  der 
Zeit  unmittelbar  nach  1390  die  Rathsrechnungen. 

Endlich  im  Jahre  1395  stellte  Herzog  Johann  zu 
Raudnitz  zwei  Urkunden  in  dieser  Angelegenheit  aus. 
Mittels  der  einen  bestimmte  er  abermals  „die  Judenschule, 
genannt  Synagoge,  in  seiner  Stadt  Görlitz  zu  Gottes 
Dienste"  und  befahl,  sie  „zu  einer  Kirche  und  Kapelle 
zu  wenden  und  zu  machen,  Gotte  zu  Lobe  und  seiner 
Mutter  Marie",  und  zwar  solle  sie  den  „Namen  des  hei- 
ligen Leichnams  unsers  Herrn  Jesu  Christi"  tragen,  die 
beiden  darin  zu  errichtenden  Altäre  aber  St.  Christo- 
phorus  und  St.  Barbara  geweiht  werden^').  Wir  er- 
blicken hierin  nicht  sowohl  die  Erneuerung  der  Schenkung 
hinsichtlich  der  Synagoge,  als  vielmehr  die  der  Verpflich- 
tung zum  Umbau  derselben  in  eine  Kapelle,  womit  es 
der  Rath  gar  nicht  so  eilig  hatte.  Die  Synagoge  war 
längst  abgebrochen.  Schon  im  Frühling  1390  ward  „den 
Knechten,  welche  an  der  Synagoge  arbeiteten",  Lohn  ge- 
zahlt aus  der  Stadtkasse.  Aber  der  Aufbau  einer  Kapelle 
mit  zwei  Altären  kostete  viel  Geld.  So  ist  denn  dieselbe 
auch  nie  gebaut  worden.  Im  Jahre  1396  starb  Herzog 
Johann  von  Görlitz.  Der  Platz  in  der  Langengasse,  wo 
die  Synagoge  gestanden,  blieb  leer  und  heisst  noch  heute 
„der  Judenring''.  —  In  der  zweiten  Urkunde  vom  21.  Sep- 
tember 1395  wiederholte  Herzog  Johann,  wie  ihn  die 
Mannen  des  Landes  und  die  Bürger  der  Stadt  Görlitz 
unterwiesen  hätten,  dass  „von  den  Juden  daselbst  grosse 
Schäden  und  Verderbniss  seiner  armen  Leute  geschehen 
sei,  davon  sie  merklich  an  ihren  Gütern  abgenommen 
hätten  und  noch  täglich  abnähmen".  Darum  sei  er  mit 
seinen   Räthen   übereingekommen   und    habe    „der  Stadt 


")  Ürk.-Verz.  I,  139  Nr.  691. 


Zur  Geschichte  der  Juden  in  der  Oberlausitz.  65 

Görlitz  ganz  vollkommen  Macht  und  Gewalt  gegeben,  mit 
den  Juden  zu  Görlitz  zu  thun  und  zu  lassen,  sie  zu  weisen, 
nimmer  dahin  wohnhaftig  zu  kommen,  und  [d.  h.  oder] 
von  ihnen  solche  Sicherung  zu  nehmen,  als  sie  es  ihnen 
und  dem  Lande  nützlich  erkennen,  also  doch,  dass  ihm, 
dem  Herzoge,  zuvor  ausgerichtet  und  bezahlt  werde  von 
denselben  Juden  das  Geld  ganz  und  gar,  das  ihm,  dem 
Herzoge,  bei  ihnen  werden  mag  und  soU"^*),  Hiermit 
wurde  also  das  absolute  Aufenthaltsverbot  von  Juden  aus 
dem  Jahre  1389  nicht  wiederholt,  sondern  es  ward  in 
das  Ermessen  des  Rathes  gestellt,  ob  dieser  sie  für  immer 
ausweisen  oder  unter  gewissen  Vorsichtsmassregeln  auch 
ferner  zulassen  wolle.  Charakteristisch  ist,  dass  jetzt  wie 
1389  das  Aussaugesystem  des  jüdischen  Wuchers  von 
Herzog,  Rath  und  Mannschaft  als  gemeingefährlich  und 
als  alleiniger  Grund  der  Vertreibung  hingestellt  wird.  Vor 
allem  aber  behielt  sich  jetzt  der  Herzog  vor,  dass,  wenn 
Juden  auch  ferner  in  Görlitz  behalten  oder  neu  aufge- 
nommen werden  sollten,  ihm  selbst  für  alle  die  Jahre, 
auf  welche  ihr  Aufenthaltschein  laute,  die  übliche  Juden- 
steuer an  den  Landesherrn  praenumerando  ausgezahlt 
werde- 

Im  Jahre  1396  erfolgte  nun  endlich  auch  die  defini- 
tive Ueberweisung  der  seit  1389  mit  Beschlag  belegten 
Judenhäuser,  deren  Besitzer  entweder  entflohen  waren 
oder  vertrieben  bleiben  sollten.  Dem  Stadtbuche  zufolge 
gab  Vincenz  Heller,  Bürger  zu  Görlitz  und  Gutsbesitzer 
von  Sercha  „  von  Seiten  des  Herzogs ",  in  dessen  Namen 
also  die  Häuser  bisher  confisciert  gehalten  worden  waren, 
auf:  „David  Juden  Haus  dem  Niclos  Bebirstein  und 
dessen  Frau  erblich,  Jeckil  Juden  Haus  an  Peter  Wayn- 
knecht,  ein  andres  Judenhaus  an  Nicol.  OssindorfF  erb- 
lich, noch  ein  andres  an  Martin  Lewfer,  eins  in  der 
Jüdengasse  an  Otto  von  der  Besenicz,  des  Juden  Isaac 
Haus  an  Frenzel  Ossindorff,  endlich  eins  an  den  Pfarrer 
Lorenz.  Ebenso  gab  Claus  Heller  auf:  Smoel  Juden 
Haus  an  Czachmann.  „Judex  bohemicalis  hat  aufgegeben 
einen  Hof  ex  parte  domini  Anshelmi  [von  Ronow,  Land- 
vogts von  Görlitz]  Niclos  Hefenern."  Vielleicht  waren 
die  Gebrüder  Heller  die  beiden  schon  1389  vom  Herzog 
bestimmten  bürgerlichen  Mitglieder  der  Vierercoramission 
zur  Inempfangnahme  der  Judengüter.      Auch  der  Land- 


*')  ürossei',  Merkw.  I,  100,  Anmerk.  s. 

Neue»  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  U.  1. 


QQ  Hermann  Knothe: 

vogt  hatte  und  zwar  schon  früher  seinen  Antheil  erhal- 
ten; jetzt  ward  auch  dem  Pfarrer  von  Görlitz  ein  Haus 
zutheil. 

Ob  und  wieviel  Juden  damals  noch  in  Görlitz  ver- 
blieben, wissen  wir  nicht.  Zwar  werden  im  Stadtbuch 
(1411  und  1427)  gelegentlich  Häuser  als  j,in  der  neuen 
Judengasse"  gelegen  erwähnt;  wir  glauben  aber  nicht, 
dass  dies  eine  nach  1396  angelegte,  sondern  die  im 
Gegensatze  zu  der  vor  dem  Jahre  1350  so  bezeichnete 
war.  1401  ^®)  ward  ein  Görlitzer  Bürger  vor  Gericht 
citiert  „von  Seiten  Isaacs  wegen  Beleidigung";  aber  wir 
erfahren  nicht,  ob  dieser  Isaac  ein  Görlitzer  Jude  war. 
Jedenfalls  scheint  seitdem  der  Adel  des  Görlitzer  und 
Zittauer  Weichbildes  Geld  nicht  mehr,  wie  bisher,  bei 
Juden  in  Görlitz,  sondern  in  Liegnitz  aufgenommen  zu 
haben.  So  z.  B.  „versetzten"  (d.  h.  setzten  als  Bürgen) 
1413*°)  vier  Adlige  des  Zittauer  Gebietes  drei  Adlige 
des  Görlitzer  „bei  Ozar  Juden  von  Liegnitz  für  118 
Schock"  und  gelobten,  sie  zu  lösen  oder  einzureiten  nach 
Görlitz. 

Im  Jahre  1433  aber,  mitten  in  den  Nöthen  des  Hus- 
sitenkrieges,  empfand  der  Rath  von  Görlitz,  dessen  Finanzen 
durch  die  ewigen  Rüstungen,  Feldzüge  und  Verluste  ganz 
erschöpft  waren,  aufs  neue  lebhaft  das  Bedürfiais  nach 
Juden  in  der  eigenen  Stadt.  Er  sendete  daher  den  Stadt- 
schreiber Laurentius  Ehrenberg  an  Kaiser  Siegmund,  um 
ihn  unter  anderem  auch  darum  zu  bitten,  dass  man  wie- 
der Juden  aufnehmen  dürfe.  Der  Stadt  schreib  er  suchte 
den  Kaiser  vergeblich  in  Italien  und  fand  ihn  endlich 
beim  Concil  in  Basel"*').  Und  hier  stellte  denn  Siegmund 
den  27.  November  1433*^)  der  Stadt  Görlitz,  da  dieselbe 
von  den  verdammten  Ketzern  zu  Böhmen  viele  Jahre  be- 
kriegt und  schwer  beschädigt  worden  sei,  sich  aber  gegen 
ihn,  den  Kaiser,  stets  treu  und  beständig  gehalten  habe, 
damit  sie  sich  von  den  erlittenen  Schäden  desto  besser 
erholen  möge,  aus  besonderer  Gnade  das  Privilegium  aus, 
„dass  dieselben  Rathmannen  und  Bürger  zu  Görlitz  zu 
ihnen  nehmen  und  in  ihrer  Stadt  halten  mögen  zwölf  oder 
minder,  wie  ihnen  das  füglich  sein  wird,  Juden  mit  ihren 


'*)  Liber  III.  vocationuni. 

*")  Ürk.-Verz.  I,  177  Nr.  897.    Bas  Regest  ist  ungenau, 

*')  N.  Script,  rar.  lus.  I,  231  fgg. 

")  Urk.-Verz.  II,  35  e. 


Zur  Geschichte  der  Juden  in  der  Oberlausitz.  67 

Weibern  und  Kindern,  und  die  Rente,  Steuer  oder 
Schätzung,  die  diese  geben  sollen,  in  ihre  Hand  und  Ge- 
walt nehmen  und  zu  ihrer  Stadt  Nutz  imd  Frommen 
wenden  sollen  und  mögen"  bis  auf  seinen,  des  Kaisers^ 
Widerruf.  Der  Kaiser  verzichtete  also  auf  den  ihm  zu- 
stehenden Judenzins  zu  Gunsten  der  Stadtkasse. 

Dies  war  also  nun  das  dritte  Mal,  dass  Juden  nach 
Görlitz  berufen  werden  sollten.  Ob  sich  welche  gefunden 
haben,  wissen  wir  nicht,  zweifeln  daran  aber  nicht.  Doch 
nur  bis  hierher  reichen  unsere  Forschungen  darüber. 


5* 


III. 

Zur  Geschichte  des  Frauenhauses  in  Altenburg. 

Nach  archivalischen  Quellen. 

Von 
M.  J.  Meissner. 


Der  interessante  Aufsatz  von  Posern  -  Klett  über: 
„  Frauenhäuser  und  freie  Frauen  in  Sachsen "  *)  veran- 
lasste uns  zu  Nachforschungen  darüber,  ob  auch  in  Alten- 
burg in  vorlutherischer  Zeit  ein  Frauenhaus  vorhanden 
gewesen  sei,  worauf  der  Name  der  sogenannten  Frauen- 
gasse hindeutete.  Freilich  fanden  sich  aus  leicht  begreif- 
lichen Gründen  nur  unbedeutende  Spuren,  wenige  Posten 
in  den  Altenburger  Stadtrechnungen,  aus  denen  sich  j  edoch, 
weil  sie  nach  der  Sitte  damaliger  Zeit  mit  Bemerkungen 
begleitet  sind,  manche  für  die  Sache  nicht  unerhebliche 
Schlussfolgerungen  ziehen  lassen. 

Wie  in  den  meisten  Städten,  war  auch  das  hiesige 
Frauenhaus  in  einem  der  kleinen,  gegen  die  Stadtmauer 
ausmündenden  Gässchen  erbaut;  es  lag  in  der  noch  jetzt, 
wie  erwähnt,  „Frauengasse"  benannten  Strasse,  unweit 
der  sogenannten  Bergpforte  ^),  und  zwar  zwischen  dieser 
und  dem  Burgthore. 

')  V.  Webers  Archiv  für  die  sächsische  Geschichte  XII,  63  fgg. 

*)  Bei  Gelegenheit  verschiedener  Bauten  an  den  Mauerthürmen 
bei  der  Berg-  und  Mühlpforte  1494  wird  erM'ähnt,  dass  am  Thürm- 
lein  der  ßergpforte,  dann  von  der  Stadtmauer  von  „bemelten  törm- 


M.  J.  Meissner:   Zur  Geschichte  des  Frauenhauses  in  Altenburg.     69 

Die  erste  Erwälmung  des  Hauses  findet  sich  in  der 
ältesten  Stadtrechnung  auf  1437/38,  in  welcher  es,  zugleich 
einen  Schluss  auf  die  Cxrösse  des  Hauses  gestattend,  heisst: 
„Item  XIX  Gr.  Cronemeistern  vor  fünf  Kacheloflfen  nuwe 
zcu  machen  mit  namen  in  dem  Frauenhuze."  Geht  schon 
aus  diesem  Posten  hervor,  dass  das  Frauenhaus  auf  Stadt- 
kosten in  baulichem  Stande  erhalten  wurde,  sonach  aber 
wohl  unzweifelhaft  in  städtischem  Eigenthume  sich  befand, 
so  wird  diese  Annahme  zur  Gewissheit,  wenn  man  die 
weiteren  bezüglichen  Notizen  der  Stadtrechnungen  in  Be- 
tracht zieht.  So  wurden  1443  und  1448  aus  der  Stadtkasse 
verschiedene  Ofenausbesserungen  für  das  Frauenhaus  be- 
zahlt imd  zwei  Fenster  gemacht  „in  das  Frouwenhuss  der 
nuwen  Frouwen",  und  weiter  heisst  es  in  der  Rechnung 
auf  1444/45:  „IX  Gr.  Jhenichen  topfFer  zcu  machen  den 
offen  den  fryhen  Frouwen." 

Die  auf  Stadtkosten  vorgenommenen  Reparaturen 
dauern  fort  und  erscheinen  in  den  Rechnungen,  bis  das 
Haus  selbst  abgebrochen  wurde.  Insbesondere  sind  Bau- 
aufwände verzeichnet  in  den  Rechnungen  auf  die  Jahre 
1458/59,  1465/66,  1475/76,  1500/01,  1506/07,  1509/10, 
151011  und  1518/19,  für  das  „Freyenhawss"  oder  später 
„Hurhawss";  in  der  Stadtrechnung  auf  1455/56  wird  be- 
merkt: „Item  I  Gr.  X  Heller  servo  der  daz  Frauwin- 
Hüssichin  kleibete"  und  in  der  Rechnung  auf  das  Jahr 
1448/49:  „1  Gr.  VI  Heller  vor  III  breth  in  den  Rotenschilt" ; 
so  ist  nämlich  das  Haus  in  den  Rechnungen  wiederholt 
zubenannt.  Anderwärts,  namentlich  im  Würzburger  Frauen- 
hause „zum  Esel",  hatten  die  Wirthe  das  Haus  in  bau- 
lichem Zustande  zu  erhalten  und  das  ihnen  überwiesene 
Hausinventar,  darunter  auch  die  Betten,  in  Würzburg 
deren  9,  zur  Zeit  ihres  Abzuges  wieder  abzuliefern.  ^) 

An  Einnahmen  aus  dem  Frauenhause  oder,  wie  es 
in  der  Rechnung  auf  1459/60  heisst,  „Rotschilt  sew  Lu- 
panar"  kommt  in  der  ältesten  Stadtrechnung  auf  1437/38 
unter  der  nurerwähnten  Rubrik  eine  Abgabe  vor,  welche 
jeden  Montag  mit  2  Groschen  einging.  In  der  Stadt- 
rechnung auf  1442/43  ist  diese  Abgabe  zuerst  verschieden; 


lein  an  biss  zum  hoben  törmlein  hinderm  FraivenJmse  gegen  Waltzar 
Tischer  über  gebawt  worden"  sei   (Stadtrechnung  1493/94).    In  der 
Stadtrechnung  1502/3  findet  sich  eine  Reparatur  an  einem  Thurme 
hinter  dem  Frauenhause  unweit  des  Burgthores. 
*)  Yergl.  Vulpius,  Curiositäten  IX,  5,  401. 


70  M.  J.  Meissner; 

sie  ging  da  nur  vierzelinmal  ein  und  zwar  in  Beträgen 
von  1  Gr.  12  Pf.  bis  zu  2  Gr.  Im  Jahre  1449  erscheinen 
in  der  Rechnung  Beträge  von  1  Gr.  6  Pf.  bis  zu  2  Gr. 
12  Pf.,  zusammen  in  erwähntem  Jahre  1  Schock  6  Gr. 
6  Pf.  Nachdem  die  Einnahme  aus  dem  „Rotschilte"  in 
den  Jahren  1455/56  sehr  wenig  betragen  hatte,  ist  sie  in 
den  Rechnungen  auf  1458/59  in  Posten  von  je  3  Gr. 
12  Hllr.,  1462/63  in  sieben  Posten,  zusammen  mit  48  Gr., 
1464/65  mit  zusammen  28  Gr.,  1469/70  wieder  mit  nur 
10  Gr.  aufgeführt,  in  letzterer  Rechnung  mit  dem  Zu- 
sätze: „da  es  oft  vaciret".  Von  1475/76  steigen  wieder  die 
Gefälle  von  dem  Hause,  welche  nach  der  Rechnung  die 
„Wirthin"  einzahlte.  Im  Jahre  1479/80  erliielt  der  Rath 
aus  dem  Frauenhause  oder  „Lupinar"  1  Schock  30  Gr. 
Im  Jahre  1499/1500  findet  sich  die  Einnahme:  „1  Schock 
VI  Gr.  Rotenschiltzcynsse  gibt  eine  Woche  II  Gr.  (XLIIII 
Wochen,  das  ander  wüste  gelegen)."  In  den  Rechnungs- 
jahren 1501/02  und  1502/03  wird  ein  wöchentlicher  Zins  von 
IV»  Gr.  vom  „Rotenschilte"  verzeichnet,  1505/06  ist  der 
Ertrag  nur  15  Gr.  und  heisst  es  dabei,  dass  er  „viel 
wüste  gelegen".  Weiterhin  wird  die  Einnahme  noch  un- 
sicherer. 1512/13  finden  sich  nur  22  Gr.,  1514/15,  1515/16 
und  1517/18  kommt  bei  der  Rubrik  „Rotenschilt"  kein 
bestimmter  wöchentlicher  Zins,  sondern  nur  je  ein  ganz 
kleiner  Betrag  vor  mit  dem  missvergnügten  Zusätze:  „was 
man  gehaben  kann".  Auch  in  der  Rechnung  1519/20 
findet  sich  die  letztere  Bemerkmig  und  zwar  bei  einem 
Einnahmebetrag  von  30  Gr.  6  Pf. 

In  den  Jahren  1520/21  bis  1524/25  wurde  nichts  ver- 
einnahmt, und  es  dürfte  hiernach  der  Besuch  des  Hauses 
sein  Ende  erreicht  haben. 

Die  besten  Einnahmen  in  der  letzten  Zeit  des  Be- 
stehens des  Hauses  scheinen  noch  zum  Jahrmarkt  und 
zum  Ablass  vorgekommen  zu  sein.  In  der  Stadtrechnung 
auf  das  Jahr  1513/14  wird  dies  besonders  bemerkt  und 
angegeben,  dass  zum  Jahrmarkt  3  Gr.,  zum  „appelas" 
5  Gr.,  ausserdem  aber  nur  5  Gr.  eingegangen  seien. 
Während  des  Ablasses  scheint  es  besonders  lebhaft  und 
tumultuarisch  in  der  Stadt  hergegangen  zu  sein,  denn  der 
Rath  war  zu  den  betreffenden  Zeiten,  wie  es  in  der  Rech- 
nung auf  1519/20  heisst,  „auffrur  zcu  vorhuthen",  auf  dem 
Rathhause  in  der  „Kavete"  versammelt,  wie  denn  bei 
diesen  Gelegenheiten  Bürger  im  Harnisch  bereit  stehen 
und   die  Bierschröter,    wahrscheinlich  schon  damals    be- 


n 


Zur  Geschichte  des  Fraueiihauses  in. Altenburg.  71 

sonders  kräftige  Leute,  in  der  Nacht  Wache  halten 
mussten.  *) 

Wie  auch  anderwärts,  war  das  Altenburger  Frauen- 
haus der  Aufsicht  und  dem  Unternehmungsgeiste  eines 
Wirthes  oder  einer  Wirthin  —  Meisterin  —  gegen  die 
obenerwähnten  Abgaben  unterstellt.  In  der  Rechnung 
auf  1498/99  ist  eines  „Hurenwirtts"  gedacht,  und  in  der- 
jenigen auf  1447/48  wird  der  wöchentliche  Zins  unter  der 
Eubrik  Rotschilt  mit  den  Worten  verzeichnet:  „1  Gr. 
6  Hllr.  die  nuwe  wertynne",  1448/49  wird  angemerkt: 
Item  II  Gr.  VII  Hllr.  vor  I  slos  in  Frauwenhusse  vor  der 
wertynne  kamere"  und  1471/72:  „Frauwenhauss.  Item 
XLIII  Gr.  aus  dem  rotenschilt  über  das  das  ST/e  darinne 
verbuwet  hat." 

Obgleich  bisher  keine  Frauenhausordnung  für  Sachsen 
gefunden  worden  ist,  so  unterliegt  es  doch  keinem  Zweifel, 
dass  in  Altenburg,  wie  anderwärts  in  Sachsen,  für  den 
Wirth  oder  die  Wirthin  und  die  Bewohnerinnen  des 
Hauses  gewisse  Verpflichtungen  bestanden,  denen  aber 
auch  wieder  bestimmte  Rechte  entsprochen  haben  dürften. 

Nach  Gemeiners  Regensburger  Chronik*)  hat  sich 
von  einigen  Frauenwirthen,  so  von  Hans  Krausshärl  von 
Leipzig,  ein  Revers  erhalten,  worin  sich  derselbe  unter 
anderem  verschreibt:  „alle  Samstag,  mit  Ausnahme  des 
Palm-  und  Osterabends,  60  Pfennige  Zins  zu  verabreichen, 
böse  Leute  über  Nacht  nicht  zu  behalten,  der  Stadt  Diener 
jedesmal  ohne  Widerrede  einzulassen  und  die  Leute  nicht 
zu  verbergen,  niemanden  ein  Spiel  spielen  zu  lassen,  das 
er  nicht  zu  verantworten  wüsste,  niemanden  zu  den  hei- 
ligen Zeiten,  nämlich  an  den  Samstagen  unserer  Lieb- 
frauen, der  Zwölfboten  und  in  keinen  heiligen  Nächten 
bei  den  Frauen  liegen  zu  lassen,  noch  dieselben  an  Sonn- 
tagen von  der  Messe  abzuhalten;  wenn  ihm  junge  Dirnen 
oder  Frauen  zugebracht  würden,  die  frommer  Leute 
Kinder  wären,  dieselben  nicht  in  das  Haus  zu  kaufen, 
noch  ein  mehreres  auf  sie  zu  leihen,  als  drei  Schilling 
Pfennig"  u.  s.  w. 

Aehnliche  Verpflichtungen  haben  nach  den  vorhan- 
denen Notizen  auch  bezüglich  des  Altenburger  Frauen- 
hauses bestanden. 


*)  Stadtrechuungeii  auf  die   Jahre   1513/14,  1514/15,  1516/17, 
1518/19. 


")  Vergl.  Scheiblo,  Das  Kloster  VT,  488  fgg. 


72  M.  J.  Meissner: 

So  war  den  Dirnen  eine  Beschränkung  in  ihrer  Klei- 
dung auferlegt.  Dieselbe  musste  sich  auf  irgend  eine  in 
die  Augen  fallende  Weise  von  derjenigen  ehrbarer  Frauen 
unterscheiden;  es  findet  sich  hierfür  insofern  ein  Nachweis, 
als  es  auf  Seite  5  eines  Gerichts-  und  Handelsbuches  des 
Altenburger  Rathes  auf  die  Jahre  1433  bis  1478  heisst: 
„Item  die  genanten  frouwichin  und  die  czuchtigeryen 
die  sollen  alle  tage  tegelichen,  wenn  sie  usgehn,  gehele 
leppichen  uf  den  sleyer  tragen."  ^) 

Es  mag  hier  eingeschaltet  werden,  dass  es  vielfach 
im  Mittelalter  hergebracht  war,  Seiten  des  Rathes  der 
Städte  gefallenen  Mädchen  einen  Schleier  zuzuschicken. ') 
Auch  in  Altenburg  findet  sich  dieser  Brauch.  So  heisst 
es  in  der  Rechnung  auf  die  Jahre  1465/66:  „Item  II  Gr. 
VI  mir.  Langenmertyns  maid  für  einen  sleyer  zum  nuwen 
jare  das  sie  nicht  dorfFte  barhoitig  gehen."  Aehnliche 
Einträge  finden  sich  in  den  Rechnungen  auf  1513/14  und 
1523/24. 

Die  anderwärts,  z.  B.  in  Nürnberg,  vorkommende 
Bestimmung,  dass  Priester,  Ehemänner  und  Juden  in  den 
Frauenhäusern  des  Mittelalters  nicht  eingelassen  werden 
durften,  scheint  wenigstens  bezüglich  der  ersteren,  so  be- 
quem auch  das  Haus  für  die  Insassen  des  Klosters  unserer 
lieben  Frau  auf  dem  Berge  lag,  denn  unweit  desselben 
mündete  der  heute  noch  „Mönchsgässchen"  geheissene 
Treppenweg  zu  jenem  Kloster,  nach  der  Bemerkung: 
„Item  I  Gr.  IUI  Hllr.  vortrungkin,  alz  man  den  monck 
fing  by  nacht  in  dem  Frouwenhusse  quinta  post  epiphania 
domini"  (Stadt- Rechnung  auf  das  Jahr  1441/42),  auch  in 
Altenburg  gegolten  zu  haben. 

Hier  ist  jener  Bulle  *)  des  Papstes  Sixtus  IV.  vom 
10.  April  1480  zu  gedenken,  welche  die  frühere  Exemtion 
der  Dechanten  des  Georgen  Stiftes  auf  dem  Schlosse  zu 
Altenburg  von  aller  Gerichtsbarkeit  auch  auf  die  seit  der 
Gründung  des  Stiftes  bis  dahin  erworbenen  Lehnsleute 
und  Unterthanen  ausdehnte  und  allem  Anschein  nach*) 
durch  den  Competeuzconflict  veranlasst  worden  war,  in 
welchen   der  pleissnische   Archidiakon   Nicolaus  von  Ert- 


*)  Ebenso  sollen  sie  in  Leipzig  „einen  grossen  gelen  läppen 
tragen,  der  eins  grosschen  breit  ist".    Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  8,  293. 

')  Posern-Klett  a.  a.  0.  84  fgg. 

*)  Vergl.  Mittheilungen  der  Geschichts-  u.  Alterthumsforscheu- 
den  Gesellschaft  des  Osterlandes  zu  Altenburg  I,  90  fgg. 

')  Vergl.  Lobe  in  denselben  Mittheilungen  II,  285  fgg. 


Zur  Geschichte  des  Fraueuhauses  in  Altenburg.  73 

raarsdorfF  mit  dem  Georgenstift  wegen  der  Gerichtsbar- 
keit über  dessen  Mitglieder  namentlich  um  deswillen  ge- 
rieth,  weil  er  den  Domherrn  Georg  Schurzauf,  ersten 
Dechanten  des  Stiftes,  wegen  des  Besuchs  des  öffentlichen 
Frauenhauses  in  Altenburg  vor  sein  Gericht  nach  Naum- 
burg oder  vor  seinen  Dechanten  Kilian  in  Altenburg  citiert 
hatte,  wogegen  Schurzauf  und  das  Capitel  auf  die  Ex- 
emtion von  aller  Gerichtsbarkeit  sich  beriefen. 

Ertraarsdorff  schreibt  zu  seiner  Vertheidigung  — 
das  Capitel  hatte  sich  beschwerend  an  die  Kurfürstin 
Margare the,  diese  an  Herzog  Wilhelm  in  Weimar,  dieser 
an  den  Bischof  zu  Naumburg  gewendet  —  „er  habe  dem 
Probst,  Techant  und  Capitel  ihre  Exemtion  nicht  verletzen 
wollen" ;  allein  —  fährt  er  fort  —  «von  gots  wegen  und 
der  kirche  Numburg  bin  ich  ein  archydiakon  jn  der  stat 
zu  Aldenburck  vnd  so  weyt  mir  das  zusteht,  ist  mir  vor- 
komen,  wy  eyn  cappellan  gnannt  Jorge  SchorczufF  sie 
in  derselbigen  stat  Aldenburck  an  unczemlichen  steten, 
do  ich  zcu  stroffen  habe,  geistlichen  gewest,  mit  czuchten 
vor  uwr  gnaden  zcu  vorluten,  in  dem  offenbar  Frauwen- 
huss"  und  fügt  hinzu:  „dohyn  an  solche  unerliche  stete 
zcu  gehin.  und  zcu  legin  bebistliche  exemcion  nymandt 
erloubt,  auch  so  sie  exeuipt  weren". 

Die  oben  bemerkte  Beschränkung  des  Besuchs  des 
Frauenhauses  an  gewissen  Tagen  hat  auch  in  Altenburg 
bestanden,  denn  es  findet  sich  in  der  Stadtrechnung  auf 
das  Jahr  1442/43  der  Eintrag  im  Kapitel  „Bussen":  „Fry- 
dangk  LIX  Gr.,  er  lag  in  dem  guten  Fritag  in  dem  Hur- 
huss."  Ob  die  Notiz  in  derselben  Stadtrechnung:  „Item 
X  Gr.  dedit  Kriwiczsch,  er  hatte  bie  eyner  süberlichen 
Frawen  gelegen  in  dem  Hüssichin",  darauf  bezogen  werden 
kann,  dass  den  verheiratheten  Frauen  ebenso  wie  den 
Ehemännern  der  Aufenthalt  im  Frauenhause  untersagt 
gewesen  sei,  mag  dahingestellt  bleiben. 

Fast  allgemein  wurden  Stadtkinder  zu  Frauenwirthen 
oder  -wirthinnen  nicht  angenommen,  ebensowenig  fanden 
aus  dein  Orte  gebürtige  Mädchen  Aufnahme.  Ob  dies 
in  der  Stadt  Altenburg  der  Fall  gewesen,  hat  sich  bei 
der  Dürftigkeit  der  vorhandenen  Nachrichten  nicht  mit 
Bestimmtheit  ermitteln  lassen;  doch  möchte  für  die  gleiche 
Annahme  sprechen,  dass  in  der  Rechnung  auf  das  Jahr 
1491/92  erwähnt  wird,  es  seien  vier  Wirthinnen,  ohne  den 
Zins  voll  gegeben  zu  haben,  ohne  Wissen  des  Rathes  fort- 
gegangen;    dafür    spricht  ferner,    dass    in    dem   einzigen 


74  M.  J.  Meissner: 

Falle,  in  welchem  eine  Bewohnerin  des  Franenhauses  in 
den  Rechnungen  erwähnt  wird,  sich  deren  Heiraathsort 
„Katherina  von  Glauchaw"  bemerkt  findet. 

Unter  den  Rechten,  welche  im  Mittelalter  den  Frauen 
der  hier  besprochenen  Gattung  und  den  Frauenhäusern 
gewährt  gewesen  zu  sein  scheinen,  sind  nach  den  vor- 
handenen Quellen  insbesondere  zu  erwähnen  die  Befug- 
nisse, eigene  Zünfte  zu  bilden,  öifentliche  Umgänge  zu 
halten,  bei  sogenannten  Rathsmahlzeiten  und  öffentlichen 
Bällen  mit  Blumensträussen ,  welche  früher  ein  auszeich- 
nendes, den  Mann  herausforderndes  Attribut  der  Freuden- 
mädchen waren,  zu  erscheinen,  endlich  den  sogenannten 
„heimlichen  Frauen^'  verbieten  zu  lassen,  ihr  Gewerbe  auf 
eigene  Hand  zu  betreiben. 

In  letzterer  Beziehung  finden  wir  in  den  Stadtrech- 
nungen unter  dem  Capitel  „Bussen"  Spuren  einer  ähn- 
lichen Berechtigung;  es  heisst  nämlich  da,  es  sei  einer 
gestraft  worden,  weil  er  Hurerei  in  seinem  Hause  gestattet 
habe'"),  ein  Bürger  habe  5  Gr.  büssen  müssen,  weil  er 
in  seinem  Hause  „Hurenvolk  gehausset"  und  „Puberey" 
gestattet  habe. ' ')  Ferner  wurde  einer  um  30  Gr.  ge- 
straft „von  wegen  des  Hurmeidichens,  so  er  gebraucht 
hatt",  imd  Matthias  Winkler  hatte  X  Gr.  zu  entrichten 
„des  unlusts  halben,  so  die  jungen  Gesellen  in  seym 
Hause  mit  dem  Leyptzschen  Hurmeidlein  begangen". 

Noch  erwähnen  wir  für  Altenburg  einer  gewissen  Be- 
rechtigung der  Dirnen,  bei  Rathsmahlzeiten  und  Hoch- 
zeiten einen  Antheil  zu  erhalten,  in  folgendem  Eintrag, 
welcher  sich  auf  Seite  5  des  obengedachten  Gerichts-  und 
Handelsbuches  findet:  „Auch  ist  bethingit  vor  allen  dryen 
reten,  dass  die  gehenden  Frau  wen  nicht  mehr  zu  essen 
holen  sollen  zcu  keynen  herrenessen  noch  zcu  hochzeiten, 
und  wer  yn  darabir  das  gebe,  der  sulle  der  stat  eynen 
halben  gülden  geben." 

Die  Frauenhäuser  des  Mittelalters  gehörten  zu  den 
besonders  „befriedeten"  Orten.  Es  werden  daher  nicht 
selten  nach  den  in  den  Stadtreclmungen  unter  den  Rubri- 
ken „Unfugeu,  Bussen,  Ansprachen"  befindlichen  Notizen 
auch  im  Altenburger  Frauenhause  vorgekommene  Schläge- 
reien, Körperverletzungen  und  grobe  Excesse  streng  ge- 
ahndet.   So  heisst  es  z.  B.:  „VUII  Gr.  ein  schuknecht  von 


»«)  Stadtrechnuug  1499/1500. 
")  Stadtrechuung  1502/3. 


Zur  Geschichte  des  Frauenhauses  in  Altenburg.  75 

Penik  in  dem Frawenliuse  gefrevuilt";  **)  „I  Schock  XV Gr. 
Jiirge  Koch  die  wertynne  im  Frouwenhuse  geslagen"*'); 
„item  X  Gr.  Michil  Dornbach  im  Frawenhuse  gefrevilt".'*) 
Nach  der  Rechnung  auf  das  Jahr  1473/74  wurde  einer 
um  30  Gr.  gestraft,  weil  er  im  Frauenhause  gefrevelt 
hatte,  andere  um  10  Gr.,  weil  sie  an  dem  Hause  eine 
Bierstange  ausgesteckt  hatten,  und  in  der  Rechnung  auf 
1476/77  heisst  es:  „Item  X  Gr.  nuwe  muntze  von  Glorius 
Gentzsch  ein  fryen  frowen  über  vorboth  des  Richters  ge- 
slogen  unnde  gestossen."  Weiter  wurde  1488/89  ein 
Bäckergesell  um  8  Gr.  gestraft,  weil  er  in  dem  „fryhen 
Hawsse  unvernunfft  geubet",  1504/05  einer  um  15  Gr., 
weil  er  in  der  Weinstube  gefrevelt  und  eine  freie  Frau 
im  Rotschild  geschlagen  hatte,  eine  Notiz,  welche  vielleicht 
als  Beleg  dafür  anzusehen  ist,  dass  auch  mit  dem  Alten- 
burger  Frauenhause,  wie  anderwärts,  Weinschank  verbun- 
den war.  Endlich  findet  sich  unter  den  Einnahmen  aus 
Unfugen  in  der  Rechnung  auf  das  Jahr  1481/82,  dass  elf 
Bürgerssöhne  um  je  6  Gr.  gestraft  wurden,  weil  sie  das 
„freye  Hawss"  gestürmet  und  davor  Unfug  mit  mannich- 
faltigem  Geschrei  getrieben  hatten. 

Aber  auch  von  den  Bewohnerinnen  des  Hauses  geben 
die  kurzen  Bemerkungen  der  Rechnungen  einige  Belege, 
dass  sie  nicht  allein  der  duldende  Theil  Maaren.  Im  Jahre 
1493  rausste  die  Wirthin,  hospita  genannt,  zum  rothen 
Schilde,  Anna  Botticher,  nachdem  sie  im  Gefängnis  ge- 
sessen, „Urfride"  schwören  und  die  Stadt  so  lange  ver- 
lassen, bis  sie  dem  Rathe  ein  halbes  Schock  Busse  gezahlt 
hatte,  weil  sie  einen  fremden  Kürschnergesellen  gestochen 
hatte,  und  ebenso  musste  die  oben  schon  genannte  Katha- 
rina von  Glauchau  Urfriede  schwören,  nachdem  sie  in  der 
Stadt  Gefängnis  gesessen,  weil  sie  Joste  Plettener  ein 
Tuch  entfremdet  hatte  **). 

Die  Stadtrechnungen  enthalten  noch  folgende  wenige, 
das  Frauenhaus  betreffende  Notizen,  welche  über  die  Ver- 
hältnisse, in  welchen  seine  Bewohnerinnen  lebten,  noch 
einiges,  wenn  auch  spärliches  Licht  verbreiten. 

Es  heisst  in  der  Stadtrechnung  auf  das  Jahr  1441/42 : 
„Item  I  Gr.  der  nuwen  meisteryn'")  zcu  vortringkin,   alz 

")  Stadtrechnung  von  1462/G3. 
'*)  Stadtrechnung  von  1464/65. 
'*)  Stadtrechnung  von  1465/66. 
'*)  Stadtrechnung  von  1493/94. 
")  d.  i.  Hebamme. 


76    M.  J.  Meissuer:   Zur  Geschichte  des  Frauenhauses  iu  Altenburg. 

man  sy  uffnam  in  dem  Frouwenhusse  vnd  da  sy  das  kind 
brachte,  daz  eyne  Frouwe  lis  legin."  „Item  I  Gr.  den 
Frouwen  zcu  uortringkin,  alz  abir  das  kind  vor  den  rat 
brachten."  „Item  I  Gr.  VI  HUr.  der  Frouwen,  dy  das 
kind  uff  nam  zcu  zcihin." 

In  derselben  Rechnung  steht:  „Item  I  Gr.  der 
frouwen  zcu  vortringkin  in  dem  Huse,  alzi  uff  zcouch  in 
den  ßotenschilt ";  und  bei  einem  Baue  am  Frauenhause 
heisst  es  einige  Jahre  später:  „VII  Heller  den  Frauwen, 
daz  sy  die  schindel  langitten,  zcu  vortringkin." 

Obwohl  nach  den  bis  zum  Jahre  1518/19  in  den 
Stadtrechnungen  verzeichneten  Bauaufwänden  der  Rath 
nicht  gesonnen  gewesen  zu  sein  scheint,  das  Rothschild, 
welches  neben  den  Badstuben,  der  Wage,  dem  Marstall, 
den  Thorhäusern,  der  Garküche,  dem  Ziegelofen,  den 
Hirtenhäusern,  der  Büttelei,  der  Henkerei  fort  und  fort 
unter  den  städtischen  Gebäuden  in  den  städtischen  Rech- 
nungen fortgeführt  wird,  eingehen  zu  lassen,  wm'de  das- 
selbe doch  und  zwar  mit  einem  Aufwände  von  VH  Gr. 
1524/25  gänzlich  abgebrochen.  Wahrscheinlich  fand  es 
gleich  den  anderen  Fraueuhäusern  Sachsens  sein  uner- 
wartetes Ende  durch  das  Eifern  der  Reformatoren,  ins- 
besondere Luthers,  welcher  wiederholt  und  in  der  heftig- 
sten Weise  gegen  das  Diüden  der  Frauenhäuser  in  Schrift 
und  Wort  auftrat. 


IV. 

Ein  fliegendes  Blatt  über  den  Antheil  der  säch- 
sischen Armee  an  der  Schlacht  am  Ealen- 
berge  bei  dem  Entsätze  von  Wien  im  Jahre 

1683. 

Mitgetheilt  von 

£.  Joachim. 


In  Raumers  Historiscliem  Tasclienbuche,  neue  Folge, 
Jahrgang  9  (1848)  findet  man  einen  vortrefflichen  Auf- 
satz über  „Churfürst  Johann  Georg  III.  bei  dem  Entsätze 
von  Wien  im  Jahre  1683",  eine  durchsichtig-klare  Dar- 
stellung nach  gleichzeitigen  archivalischen  und  anderen 
Quellen.  Man  kann  sich  aber  bei  dessen  Leetüre  leider 
des  Wunsches  nicht  entschlagen,  dass  die  Schilderung 
der  Schlacht  selbst  ausführlicher  sein  möchte.  Nament- 
lich wird  die  Thätigkeit  des  sächsischen  Contingents  an 
jenem  ruhmreichen  Tage,  dem  12.  September  1683,  wenig 
erschöpfend  behandelt.  Es  wird  daher  manchem  nicht 
unerwünscht  sein,  von  einem  Flugblatte  Kenntnis  zu  ge- 
winnen, welches  einen  durchaus  reichhaltigen  und  aus- 
führlichen Bericht  über  den  Anthcil  der  sächsischen  Ai'mee 
am  Kalenberger  Tage  giebt/)  Diese  Quelle  scheint  dem 
Autor    des   Artikels    in    dem  Historischen    Taschenbuche 


')  Dieses  Flugblatt  hat  sich  erhalten  unter  den  Beständen  des 
Staatsarchivs  zu  Idstein  (Extranea,  Sachsen),  Druck  ohne  Angabe 
des  Orts. 


78  E-  Joachim: 

nicht  vorgelegen  zu  haben*):  denn  sonst  hätte  ihn  ja 
nichts  gehindert,  einen  genügenden  Schlachtbericht  zu 
liefern.  Doch  stimmt  die  Darstellung  an  beiden  Orten 
im  wesentlichen  überein,  ein  Beweis  dafür,  dass  die 
Nachrichten  des  Flugblattes  genau  und  getreu  sind,  da 
sie  dem  Vergleiche  mit  den  anderen  Quellen,  welche  dem 
Aufsatze  des  Taschenbuches  zu  Grunde  liegen,  sehr  wohl 
stand  halten. 

Die  Schilderung  des  fliegenden  Blattes  hat,  wie  in 
der  Einleitung  bemerkt  wird,  den  Zweck,  die  Bravour 
und  die  Verdienste  der  Sachsen  am  Gelingen  des  Be- 
freiungswerkes in  das  richtige  Licht  zu  setzen,  da  die 
von  den  anderen  mitbetheiligten  Mächten  kundgegebenen 
Berichte  in  dieser  Hinsicht  die  wünschenswerthe  Unpartei- 
lichkeit vermissen  Hessen.  Es  ist  daher  eine  Parteischrift, 
jedoch  keineswegs  eine  einseitig-falsche,  sondern  eine,  wie 
hervorgehoben  werden  muss,  unbefangene,  ruhig  und  ob- 
jectiv  gehaltene.  Die  Schilderung  ist  weit  entfernt  davon, 
die  Sachsen  etwa  auf  Kosten  der  anderen  Waffen- 
genossen besonders  herauszustreichen.  Und  nur  einer 
von  den  letzteren  ist  es,  auf  welchen  ein  ungünstiges  Streif- 
licht fällt:  der  Fürst  von  Waldeck,  dessen  Verhalten  den 
Sachsen  gegenüber,  falls  das  Flugblatt  recht  berichtet 
(und  auch  der  Aufsatz  im  Taschenbuch  meldet  ähnliches), 
auch  in  der  That  wenig  waffenbrüderlich  sich  zeigte. 

Diese  Haltung  des  Fürsten  von  Waldeck  während 
der  Schlacht,  welche  den  Sachsen  hätte  übel  bekommen 
können,  mag  vielleicht  einer  von  den  verschiedenen  Grün- 
den gewesen  sein,  von  denen  Johann  Georg  sich  bewegen 
Hess,  wie  im  Unmuth,  ohne  Abschied  von  den  Waffen- 
gefährten, mit  kühlen  Worten  schriftlich  bei  dem  hoch- 
fahrenden, undankbaren  Kaiser  sich  mit  „  zugestossener 
Unpässlichkeit "  entschuldigend,  schon  am  16.  September 
den  Rückmarsch  anzutreten.  Hatte  er  doch  auch,  gleich 
den  anderen  Befreiern  Wiens,  Sobiesky  keineswegs  aus- 
genommen, bei  dem  aus  der  dringendsten  Gefahr  befreiten 
Kaiser  statt  des  gebührenden  Dankes  nur  ein  „stolzes, 
frostiges,  theilnahmloses  Wesen"  finden  müssen,  hatte  er 
bei  diesem  doch  nicht  einmal  Erhörung  der  gewiss  nicht 


*)  Das  Wort  des  Herzogs  von  Lothringen:  „Allons  marchons" 
wird  in  das  Hist.  Taschenbuch  aus  einer  anderen  Quelle  genommen 
sein,  da  die  dasselbe  motivierenden  Worte  des  Feldmarschalls 
V.  d.  Goltz  hier,  obwohl  dem  Sinne  nach  dieselben,  anders  und 
ausführlicher  als  im  Flugblatte  wiedergegeben  werden. 


Antheil  der  sächs.  Armee  an  der  Schlacht  am  Kaienberge.      79 

unbescheidenen  Bitte  um  Anstellung  eines  ihm  verwandten 
Prinzen  im  kaiserlichen  Heere  zu  finden  vermocht.  Ja 
es  erwuchsen  ihm  noch  nachträglich  Unannehmlichkeiten, 
da  später  der  Kaiser  lebhafte,  so  viel  man  zu  sehen  ver- 
mag, wenig  begründete,  Beschwerden  wegen  des  Verhal- 
tens der  sächsischen  Truppen  auf  dem  Rückmarsche  durch 
die  kaiserlichen  Lande  erhob.  Nichts  als  Verstimmung 
und  Aerger  war  also  der  Lohn,  welchen  dieser  Reichs- 
fiirst  für  seine  energische  Hilfeleistung  vom  Hause  Habs- 
burg davontrug.  Wenn  man  dies  in  Erwägung  nimmt, 
so  muss  man  sich  wundern,  dass  die  uns  vorliegende  Flug- 
schrift so  ruhig  und  leidenschaftslos  gehalten  ist.  Und 
doch  ist  sie  offenbar  —  wenn  man  so  sagen  darf  — 
officiösen  Charakters.  Sie  erweckt  auf  den  ersten  Blick 
den  Eindruck  einer  aktenmässigen,  in  massgebenden  Krei- 
sen entstandenen  Darstellung.  Und  um  so  mehr  müssen 
wir  deren  Unparteilichkeit  rühmen,  deren  sie  sich  bei 
allem  Hervorheben  der  anerkennenswerthen  Leistungen 
der  sächsischen  Truppen  befleissigt.  Wer  möchte  ferner 
in  Abrede  stellen,  dass  die  ganze  Darstellung  von  einem 
Augenzeugen,  und  zwar  einem  militärischen  Fachmanne 
herrühre?  Und  darum  verdient  dieses  fliegende  Blatt 
gewiss,  aus  der  Vergessenheit  ans  Tageslicht  gezogen  zu 
werden. 

Freilich  bliebe  auch  ohne  dies  die  Schlacht  am  Kaien- 
berge ein  unverwelkliches  Blatt  in  dem  blühenden  Kranze 
sächsischer  Waffenehre. 


Eelation  von  der  Victoria  der  Christen,    so  sie    bey 
Entsatz   der  Stadt  Wien  gegen  die  Türeken  erhalten. 

1683. 

Nachdem  unterschiedene  Relationes  von  der  Victorie  der 
Christen,  so  sie  bey  Entsetzung  der  Stadt  Wien  über  die  Türckeu 
erhalten,  aller  Orten  ausgegeben  worden,  darinnen  die  Gazettiers 
den  grössern  Theil  derselben  denenjenigen  zugeeignet,  auff  welche 
fast  nichts  von  dem  Feinde  gekommen,  hingegen  die  Sachsen,  die 
das  ihrige  rühmlich  darzu  contribuiret,  dergestalt  mit  Stillschweigen 
übergangen,  als  wenn  gar  keiner  von  ihnen  darbey  gewesen,  da 
doch  S.  Churfürstl.  Durchlaucht  zu  Sachsen  etc.   einen  so  ansehU' 


gO  E.  Joachim: 

liehen  Succurs  selbst  in  Person  zu-  und  angeführet,  so  hat  man  der 
Billigkeit  zu  seyn  erachtet,  der  Wahrheit  zu  Steuer  folgende  Nach- 
richt der  Welt  mitzutheilen ,  in  welcher  alle  die  Particularia,  so 
nicht  minder  zu  grossem  Ruhm  der  Sachsen  gereichen  würden,  nicht 
berühret,  sondern  nur  dasjenige,  was  von  allen  unpartheyischen 
Zuschauern  gesehen,  bemercket  und  zugestanden  ist,  angeführet 
werden  soll. 

Ist  demnach  anfänglich  zu  wissen,  dass  Se.  Churfl.  Durchl.  zu 
Sachsen  sich  mit  Dero  Armee  eifective  11000  Mann  starck  in  6  Regi- 
mentern zu  Fuss,  4  zu  Pferde  und  1  Regiment  Dragoner  samt  1  Com- 
pagnie  Grenadiers  und  Sr.  Churfarstl.  Durchl.  Leib-Garde  zu  Ross, 
wie  dann  auch  mit  einer  wohlmontirten  Feld-Artillerie  den  8.  Sept. 
st.  n.  mit  denen  bey  Thul  stehenden  Kayserl. ,  König!.  Polnischer, 
auch  anderer  Alliirten  Armeen  conjungiret,  worauf  noch  selbigen 
Tages  die  Battaille  aufgesetzt  worden,  die  Kayserl.  und  Sächsische 
Infanterie,  an  den  Sächsischen  die  Fränckischen  und  an  dieser  die 
Bayrische  sich  schlösse,  und  zusammen  das  gantze  Corps  de  Battaille 
machten;  den  rechten  Flügel  machten  die  Polen  neben  einigen 
Kayserlichen  und  andern  Alliirten  Esqvadronen.  Die  gantze  Battaille 
ist  in  3  hinter  einander  stehenden  Linien  bestanden  und  hat  die 
Sächsische  Infanterie  in  der  ersten  Linie  6  Battaillons,  in  der  andern 
4  und  in  der  dritten  2  stehende  gehabt.  Folgenden  Tag  ist  die 
gantze  Armee  von  Thul  aufgebrochen  und  hat  sich  an  dem  Wieni- 
schen Wald  gesetzet.  Den  10.  Sept.  avancirte  die  Infanterie  das 
Gebirge  obigen  Waldes,  die  Sächsische  nahm  die  Route  der  engen 
Passage,  so  zwischen  den  Bergen  und  der  Donau  lieget,  wendete 
sich  endlich  auf  die  rechte  Hand  in  das  Gebürge  und  erstieg  den 
Berg,  welcher  nechst  an  dem  Kaienberge  lieget;  die  Kayserlichen 
und  übrige  Infanterie  blieben  unten  im  Thale,  so  hinter  diesem 
Berge  läge,  die  Cavallerie  ingesamt  nahm  ihren  March  hinter  der 
Infanterie  und  war  desswegen  noch  zurücke,  ausserhalb  einige  Dra- 
goner, so  sich  auf  den  Berg  postiret  hatten.  Es  befanden  sich  auf 
gemeklten  Berge  auch  der  König  in  Polen  selbst  und  der  meiste 
Theil  der  Generals,  um  daselbst  alles  wol  zu  recognosciren  und  in 
Augenschein  zu  nehmen.  Weil  man  nun  dazumahl  vermeinet,  dass 
der  Feind  sich  auf  dem  Kaienberg  postiret,  gestalt  auf  selbigen  sich 
frühe  starcke  Trouppen  sehen  liessen,  und  in  dem  vorstehenden 
Thale  sich  auch  verdeckt  hielte,  so  befahlen  Se.  Königl.  Majest.  aus 
Polen,  auf  einen  Felsen  gegen  dem  Grunde  zu  und  wovon  mau  den 
Thal  in  etwas  entdecken  kunte  eine  Wache  von  seiner  Heyducken- 
Garde  zu  setzen,  ersuchten  auch  Se.  Churturstl.  Durchl.  zu  Sachsen  etc. 
einige  Battaillons  den  Berg  hinunter  avauciren  zu  lassen,  damit, 
wenn  der  Feind  seine  Wache  angreiüen  und  repousiren  möchte,  sie 
sich  auf  dieselben  retiriren  und  davon  souteniret  werden  könten. 
Worauf  dann  der  Sächsischen  Infanterie  erste  Linie  begehrter  raassen 
fortgerücket  und  sich  gegen  dem  Grunde  postiret,  es  lieff  aber  in 
der  darauf  folgenden  Nacht  nichts  vor.  Mit  anbrechenden  Tage, 
welcher  war  der  l./ll.  Sept.,  marchirete  die  gantze  Infanterie  den 
Kalenbcrg  zu,  da  sie  dann  ein  sehr  gross  precipice  hinunter  und 
einen  hohen  Berg  wiederum  hinauf  zusteigen  vor  sich  funden.  Die 
.Sächsische  Infanterie  kam  der  andern  weit  vor,  weil  die  Kayserl. 
den  Grund  durch  tiliren  muste,  die  lincke  Hand  zu  gewinnen,  die 
andern  aber  den  Berg,  worauf  die  Sächsische  sich  den  vorigen  Tag 
gesetzet,  zu  ersteigen  hatten,  wesshalben  denn  die  Sächsischen,  da 
sie  den  Kalcrberg  fast  hinan  waren,  einen  Halt  machten,  damit  die 


Antheil  der  sächs.  Armee  an  der  Scblacht  am  Kaienberge.       81 

andern  mit  ihnen  in  gleiclie  Lienie  gelangen  möcliten,  und  schickten 
unter  dieser  Zeit  einen  Ofticirer  mit  30  Fuziliers  voraus,  das  Oberste 
vom  Berge  zu  recognosciren,  welcher  bey  Zeiten  zurücke  kam  und 
berichtete,  dass  die  Türckeu  sich  jenseits  des  Berges  in  Battaille 
gesetzt;  auch  gegen  den  Berg  avancirten,  und  würden  mit  ihnen 
selbigen  wol  zuifleich  erreichen;  die  Kayserl.  Infanterie  war  zwar 
inzwischen  den  Sächsischen  gleich  gekommen,  aber  weit  von  der- 
selben wegen  einer  grossen  Klufft,  so  zwischen  dem  Berge  lag 
separiret,  die  Fräuckische  und  übrige  Infanterie  aber  befand  sich 
annoch  unten  au  dem  Berge  weit  zurücke.  Dieses  alles  ungeachtet 
avancirte  die  Sächsische  Infanterie  auf  vorgemeldten  Bericht  den 
Berg  hinan  mit  der  Resolution,  dem  Feinde  die  Avautage  des  Berges 
zu  disputiren,  als  sie  aber  das  Oberste  des  Berges  erreichten,  be- 
funden sie,  dass  der  Feind  noch  unten  an  dem  Berge  stille  hielte, 
desswegen  sie  sich  dann  nach  der  linckeu  Hand  begaben,  umb  sich 
wieder  an  die  Kayserliche  zu  schliessen,  allwo  sie  an  ein  abge- 
brantes  Kloster  kimen,  welches  sie  sich  so  ^ol  als  die  Kayserlichen 
impatronirten  und  selbiges  besetzten,  auch  auf  die  Spitze  des  Berges, 
worauff  das  Kloster  lag,  2  Sächsische  und  1  Kayserlich  ßegiments- 
Stücke  führen  und  darmit  auf  den  Feind  feuern  Hessen,  welcher, 
nachdem  er  zuvor  eine  Weile  mit  etlichen  Volontairs,  so  den  Berg 
hinunter  zu  ihm  gegangen,  gescharmutziret,  sich  ein  wenig  zurücke 
zöge  und  in  einem  Grunde  und  Graben  verdeckt  setzte. 

Die  folgende  Nacht  über  gienge  nichts  sonderliches  vor,  als 
aber  der  Tag  anbrach,  welches  "war  der  2./12.  Sept.,  zöge  sich  die 
Sächsische  Infanterie  etwas  den  Berg  hinunter  und  setzte  sich  an 
einen  Ort,  allwo  sie  alles  entdecken  und  sich  vortheilhafftig  postiren 
kunte,  masseu  sich  längst  dem  Fusse  des  Berges  ein  rideau  von 
Steinen  Mannes  hoch  angesetzet  und  auf  demselben  eine  Planque 
von  Holtze  befand,  deren  sich  die  Battaillons  erster  Linie  gar  füg- 
lich zu  ihrer  Avantage  zu  gebrauchen  hatten.  Es  war  auch  der 
Feld-Marschall  von  der  Goltz  in  Begrifl',  an  einem  bequemen  Orte 
eine  Batterie  legen  zu  lassen,  den  Feind  dadurch  zu  incomrnodiren. 
Als  man  aber  damit  umgieng,  sähe  mau  plötzlich  den  Feind  mit 
hellen  Häuften  in  dem  Grunde,  welcher  dem  Theile  des  Berges, 
worauf  die  Sachsen  sich  postiret,  entgegen  lag,  avauciren.  Man  ward 
auch  zugleich  gewahr,  dass  der  Feind,  so  gegen  den  untern  Theil 
des  Berges  stunde,  worauf  die  Kayserlichen  sich  hinter  einer  Planque 
und  zwar  noch  weiter  den  Berg  hinunter  als  die  Sächsischen  ge- 
postiret  hatten,  dieselben  furieusement  angriff.  Hierauft'  musten  sich 
die  Sächsischen  Battaillons  gleichsam  Hals  über  Köpft"  von  der  Hohe 
herunter  werften  und  wurden  aufs  schleunigste  von  dem  was  in 
solcher  Eyl  herunter  kam  2  Battaillons  gestellet,  dem  Feind  damit 
teste  zu  bieten,  damit  derselbe  in  dem  unten  an  dem  Berge  und  an 
dem  Grunde  gelegenen  holen  Graben,  welcher  ihnen  zu  einen  grossen 
Vortheil  hätte  dienen  können,  nicht  posto  fassen  möchte.  Mittler- 
weile kamen  die  andern  Battaillons  auch  heran  und  wurden  die- 
selben gleichfals  auf  das  beste  gegen  den  Feind  gesetzet.  Der 
Feind,  als  er  dieses  sähe,  hielt  an  in  dem  Grunde  ferner  zu  avau- 
ciren, seine  Infanterie  aber  suchte  lauter  verdeckte  Oertei',  darinnen 
sie  sicher  stehen  kunten ,  woraus  sie  dann  und  wann  mit  eintzelen 
Schüssen  auf  die  Sächsische  Infanterie  Feuer  gaben,  welche  hin- 
gegen ferme  in  ihren  Posten  blieben,  biss  dass  mau  gewahr  wurde, 
dass  die  meiste  Macht  des  Feindes  etwas  mehr  auf  die  lincke  Hand 
ankam,  allwo  die  Sächüischeu  Grenadiers   und  Kayserl.  Infanterie 

ISBUes  Archiv  f.  S.  (J.  ii.  A.  11.  1.  V 


82  E.  Joachim: 

sich  hinter  eine  höltzerne  Planque  längst  dem  Berge  gepostiret 
hatten.  Worauf  dann  die  Sächsische  Infanterie  erster  Linie  sich 
lindes  sckwenckte,  gegen  den  Feind,  welcher  die  Grenadiers  und  die 
Kayseri.  Infanterie  attaquirte,  fronte  zu  machen.  Der  Feind  stunde 
nun  alda  im  holen  Wege  ziemlich  verdeckt,  hatte  vor  sich  Sträucher 
und  Steine  zu  seiner  Verblendung  und  feuerte  hefftig  auf  die  Säch- 
sischen, welche  gantz  unvei'deckt  stunden  und  von  Fuss  biss  auf 
den  Kopff  kunten  gesehen  werden.  Indem  dieses  nun  dergestalt 
vorlieff,  sähe  man  oben  am  Berge  die  Fränckische  Infanterie  gantz 
stille  stehen,  wohin  der  General-Major  Keuss  geschickt,  den  da 
commandirenden  General-Major  zu  ersuchen,  mit  seinen  Battaillons 
zu  avanciren,  weil  der  Feind  denen  Sächsischen  leichtlich  hätte 
können  in  den  Rücken  gehen,  der  sich  auch  willig  darzu  erzeigte, 
darbey  aber  vorstellete,  dass  der  Fürst  von  Waldeck,  welcher  bey 
den  Fränckischen  das  Ober-Commando  hätte,  ihm  auf  das  aller- 
schärfFste  verboten,  mit  denen  Battaillons  von  der  Stelle  nicht  zu 
weichen,  biss  er  selbst  ihm  solches  andeuten  würde;  worauf  dann 
die  Sächsischen  Battaillons  der  andern  und  dritten  Linie  gegen  den 
Grund  rückten,  wo  die  erste  Linie  zuvor  gestanden,  dieselbige  zu 
beobachten,  damit  der  Feind  von  daher  nichts  tentiren  könte,  dass 
also  die  Sächsische  Infanterie  ihrer  Sicherheit  halber  nothwendig 
aus  ihren  drey  Linien  nur  eine  mit  zwo  Fronten  machen  rauste. 
Inzwischen  fügte  der  Feind  den  Battaillons  erster  Linie,  sonder  dass 
er  mit  gleicher  Müntze  bezahlet  werden  koute,  mit  Schiessen  ziem- 
lichen Schaden  zu,  weil,  wie  schon  gesagt,  er  verdeckt  und  sie  hin- 
gegen gantz  bloss  stunden;  es  schiene  also  vorträglicher  und  besser 
zu  seyn,  den  Feind  aus  solcher  Avantage  zu  delogiren.  Nachdem 
man  nun  des  Feindes  Posto  ein  wenig  recognosciret,  avancirte  die 
Sächsische  Infanterie  gleich  darauf,  griff  den  Feind  zugleich  in 
Fronte  und  Flanquen  an,  welcher  darüber  in  Confusion  gerieth,  sich 
wendete  und  nach  dem  hinter  sich  habenden  Berge  eilete,  den  die 
Sächsischen  allezeit  verfolgeten  und  zu  keinem  Stande  kommen 
Hessen,  auch,  als  er  sich  eben  auf  denselben  wiederpostiren  wolte, 
zu  ihm  hinaufeileten  und  von  den  erwehuten  grossen  weitgestreck- 
ten Bergen  (so  vor  ihn  sehr  avantagenx  würden  gewesen  seyn,  wenn 
er  sich  daraufhätte  setzen  können)  trieben  und  zurRetirade  zwungen. 
Immittels  waren  die  Sächsischen  Battaillons,  so  sich  zuvor,  wie  schon 
gemeldt,  gegen  dem  Grunde  gesetzet,  auch  avanciret  und  hatten 
den  vor  ihnen  stehenden  P'eind  repoussiret,  welcher  sich  aber  in 
gemeldtem  Grunde,  allwo  eine  ziemliche  Ebene  war,  die  sich  längst 
um  den  Berg  und  an  das  erste  Türckische  Lager  auch  an  dem- 
selbigen  hinauf  erstreckte,  in  einem  Graben  mit  etlichen  Fähnlein 
gesetzet,  daraus  er  mit  continuirlichen  Feuergaben  verhinderte,  dass 
dieselben  nicht  weiter  avanciren,  noch  sich  mit  denen  aufif  dem  Berge 
stehenden  gleich  stellen  kunten.  Als  man  dieses  gewahr  wui'de, 
commandirte  man  alsobald  etliche  Mannschafft  von  denselben,  welche 
den  Feind  in  der  Seiten  anfiel  und  ihn  also  auch  vollends  von  dar 
zu  decampii'en  zwunge,  wodurch  die  in  etwas  zurück  stehenden 
Battaillons  Lufft  bekamen,  sich  mit  den  andern  aiiff  dem  Berge  zu 
conjungiren. 

Se.  Churfl.  Durchl.  zu  Sachsen  etc.  kamen  alsofort  auf  den 
Berg  selbst  in  Person  und  contestirten  gegen  Dero  Generals,  so  bey 
dieser  Action  allezeit  ä  la  teste  gewesen  waren  und  die  Infanterie 
angefübret,  öffentlich,  dass'  sie  mit  ihrer  Action  sehr  satisfait  wären, 
und  Wünscheton,   dass  Sie  selbst  in  Person  bey  ihnen  hätten  seyu 


Antheil  der  sächs.  Armee  an  der  Schlacht  am  Kaleuberge.      83 

können,  weil  Sie  aber  bey  dem  lincken  Flügel  das  Commando 
führeten,  hätte  die  Nothdurfft  erfordert,  sich  davon  nicht  zu  ab- 
sentiren. 

Was  inzwischen  bey  der  Kayserlichen  Infanterie  mit  dem  Feinde 
vorgegangen,  hat  man  Sächsischer  Seite  so  genau  nicht  observiren 
können;  unpartheyische  Zuschauer  berichten,  dass  die  Türeken,  so 
gegen  sie  gestanden,  als  sie  gesehen,  dass  ihre  Cameraden  gepous- 
siret  und  verfolget  worden,  auch  angefangen  zu  wancken  und  sich 
zu  wenden,  auf  welche  zwey  Battaillons  Kayserliche,  so  von  dem 
Hertzog  de  Croy  angeführet,  gedrungen  und  sie  endlich  den  Berg 
hinauf  getrieben;  es  haben  aber  die  Tiircken  die  descente  jenseits 
des  Berges  den  Kayserlichen  liart  disputiret,  biss  dass  Priuce  Louis 
von  Baden  mit  den  Sächsischen  Dragonern,  welche  er  aus  der 
andern  Linie  des  lincken  Flügels  genommen,  hinzu  gerücket,  die- 
selben absitzen  lassen  und  damit  den  Feind  vollends  gar  von  dem 
Berge  chargiret,  worzu  denn  2  Sächsische  Kegiments- Stücke,  welche 
auf  den  Berg  gebracht  waren  und  aus  welchem  dem  Feinde  ziem- 
licher Schade  zugefüget  ward,  nicht  wenig  geholffen.  Hierauf  hat 
die  sämtliche  Kayserliche  Infanterie  sich  auf  den  Berg  gleichfals 
gezogen  und  sich  allda  postiret.  Biss  hieher,  welches  schon  gegen 
2  Uhr  um  Mittag  war,  ist  das  geringste  auf  der  rechten  Seite, 
worauf  die  Bayerische  und  Fränckische  Infanterie  wie  auch  der 
rechte  Flügel  gestanden,  nichts  vorgelauffen  und  nur  allein  ein  Theil 
Kayserl.  und  denn  die  Sächsische  Infanterie  mit  dem  Feinde  in  Ope- 
ration gewesen ;  jedoch  hatte  inzwischen  die  Bayer-  und  Fränckische 
Infanterie  sampt  dem  rechten  Flügel  sich  allmählich  moviret  und 
näher  mit  angerücket,  man  sähe  aber  darauö'  alsobald  starcke 
Türckische  Trouppen  nach  dem  rechten  Flügel  zu  marchiren,  wie 
denn  auch  einige  Türeken,  welche  biss  in  den  vorgedachten  Grund 
poussiret  worden,  sich  gleichfals  dahin  wendeten,  so  ingesamt  den 
rechten  Flügel  angriffen.  Diesen  gieng  ein  Theil  Polen  frisch  ent- 
gegen, wurden  aber  von  dem  Feinde  repoussiret  und  retirirten  sich 
auf  die  4  Battaillons  Infanterie,  so  von  den  Kayserlichen,  Bayeri- 
schen, Sächsischen  und  Fränckischen  waren,  dem  König  in  Polen 
auf  Begehren,  ehe  man  den  Kaienberg  erstiegen,  gegeben  und  her- 
nachher  vor  den  rechten  Flügel  an  einen  advantageusen  Ort  gesetzet 
worden.  Diese  soutenirten  die  Polen  zu  .3  unterschiedlichen  mahlen, 
und  hatte  es  damahls  das  Ansehen,  als  wann  der  rechte  Flügel  Noht 
leiden  würde,  wesswegen  denn  der  Sächsische  Feld- Marschall  an 
die  Bayrische  und  Fränckische  Infanterie,  welche  dem  rechten  Flügel 
am  nechsten  stunde,  unterschiedliche  Officirers  schickte  und  sie  er- 
suchen liesse,  dem  rechten  Flügel  zu  Hülffe  zu  kommen,  worzu 
denn  der  Fränckische  General-Major  sich  abermahl  gantz  willig  be- 
wiese, aber  vom  Prince  von  Waldeck  contramandiret  worden,  mit 
dem  Fürwenden,  dass  allda  niemand  als  er  zu  commandiren  hätte. 
Endlich  rückten  die  Ilussaren  herfür,  welche  den  Feind  auch  in  die 
Flucht  brachten,  und  hat  man  darbey  gar  nicht  mercken  können, 
dass  einige  Infanterie  ausser  die  vorgemeldten  4  Battaillons  mit  dem 
Feinde  zuthun  gehabt,  vielweniger  denselben,  wie  die  Gazettiers 
melden,  repoussiret  hätten.  Unter  dieser  Zeit  kam  der  Hertzog  von 
Lothringen  neben  andern  Kayserl.  Generals  zu  dem  Sächsischen 
auff  den  vorgedachten  Berg  und  schaueten  der  Action  auf  dem 
rechten  Flügel  biss  zu  Endung  derselben  zu,  und  da  man  den  Feind 
fliehen  sähe,  fragte  der  Ilertzog  von  Lothringen  den  Feld-Marschall 
Goltzen,  ob  man  mit  der  Ehre  und  grossen  Avantage,  so  man  über 


84     E.  Joachim:  Antlieil  d.  Sachs. Armee  a.  d. Schlacht  a.  Kaienberge. 

den  Feind  gewonnen,  diesen  Tag  vergnüget  seyn  oder  weiter  avan- 
ciren  wolte?  NYorauf  Feld-Marschalf  Goltz  die  Antwort  ertheilet: 
Weil  es  schiene,  dass  der  Feind  epouvantiret,  so  hielte  er  vor  gut, 
dass  man  denselben  verfolgte  und  die  Victorie  weiter  prosequirte. 
Der  Hertzog  von  Lothringen  sagte  darauif:  Marchons  donc!  und 
ritte  nebst  andern  bey  sich  habenden  Generals  wieder  zu  den  Kayser- 
lichen.  Die  Sächsische  Infanterie  avancirte  darauff  alsofort  den  Berg 
hinunter,  denen  folgeten  die  Kayserlichen ,  und  begunte  die  gantze 
Battaille  darauff  sich  zu  bewegen.  Die  Türeken,  so  noch  im  Grunde 
•waren,  als  sie  dieses  sahen,  retirirten  sich  in  ihr  erstes  Lager  und 
sähe  man,  dass  deren  sich  bey  etlich  viel  Tausend  oben  an  ihrem 
Lager  zur  Lincken  Seite,  allwo  ein  gross  eben  Feld  war,  versam- 
leten.  Es  hatte  auch  der  Feind  auf  der  Ecke  dieser  Höhe  etwas 
auiFgeworffen ,  welches  das  Ansehen  einer  Redoute  hatte  und  mit 
6  Metallenen  Stücken  besetzt  war,  womit  er  auff  die  Avancirenden 
zwar  Feuei-  gab,  jedoch  allezeit  zu  hoch  schoss.  Man  hielte  damalils 
gar  gewiss  dafür,  der  Feind  würde  diese  Höhe  disputiren,  weil  im 
Grunde  nicht  zu  sehen  war,  was  eben  in  der  Höhe  vorgienge;  es 
avancirten  so  wol  Ivayserl.  als  Sächsische  immer  nach  der  Höhe  zu, 
und  ein  jeder  sich  in  guter  Bereitschatit  zum  Fechten  haltende  war 
beschäfftiget  dieselbe  anzusteigen.  Endlich  da  mau  darauf  gelangte 
und  vermeinete  den  Feind  anzutrelfen,  hatte  er  sich  schon  aus  dem 
Staube  gemacht  und  seine  Ketirade  nach  dem  letzten  Lager  ge- 
nommen. Die  Sächsischen  waren  hierbey  gleichfals  die  ersten,  welche 
desswegtsn  auch  die  6  Metallene  Stücke  zur  Beute  bekamen,  wie 
man  dann  derselben  Fähnlein  in  des  Feindes  Lager  hat  am  ersten 
fliegen  sehen.  Es  haben  nachmahls  die  Sächsischen  Dragoner  des 
Feindes  Approchen  angreiffen  helffen,  woraus  ziemlicher  Gegenstand 
gethan  worden,  und  ein  gut  Theil  von  den  Dragonern  geblieben. 
Folgends  hernach  ist  die  Cavallerie  zu  erst  der  Infanterie  vorge- 
kommen, welche  den  fliehenden  Feind  nuchgesetzet.  Was  nun  weiter 
vorgangen,  weil  die  Nacht  einfiel,  hat  man  von  Sächsischer  Seite 
nicht  bcmercken  und  also  nichts  mehr  allhier  melden  können,  massen 
auch  ohne  dem  die  Gazetten  hiervon  voll  sind.  Alles  diss,  was  in 
dieser  Relation  vorbestellet  worden,  verhält  sich  in  der  Wahrheit 
also  und  wird  solches  von  allen  unpartheyischen  Zuschauern ,  wie 
nicht  weniger  von  allen  Kayserlichen  Generals  selbst,  so  auf  dem 
lincken  Flügel  gewesen,  zugestanden,  daher  dann  unrecht,  dass  man 
in  den  Gazetten  den  Sächsischen  nicht  einmahl  den  geringsten  Part 
von  dieser  Action  zueignen,  noch  derselben  mit  einem  Worte  darbey 
gedencken  wollen. 


Literatur. 


Gescliichte  der  sächsischen  Kirchen-  und  Sclmlvisitationeu  Ton 
1524  bis  1545.  Umfassend:  Die  Visitationen  in  den  hcntigen  Ge- 
bietstheilen  der  Königreiclie  Prenssen  und  Sachsen,  des  Gross- 
herzogthums  Weimar,  der  Herzogthümer  Gotha,  Meiningen,  Alten- 
burg, des  Ilerzogthums  Brannschweig  und  der  Fürstenthümer 
Schwarzburg-Rudolstadt,  Sondershausen,  Reuss  j.  und  Reuss  ä.  L. 
Quellenmässig  bearbeitet  von  G.  A.  H.  Burkhardt.  Leipzig, 
Grunow.  187«.  8».  XXVIII.  347  SS.  (A.  u.  d.  Titel:  Geschichte 
der  deutschen  Kirchen-  und  Schulvisitationen  im  Zeitalter  der  Re- 
formation von  C.  A.  H.  Burkhardt.) 

„Man  rauss  sich  wundern;  wie  es  gekommen  sei,  dass 
bis  dahin  dieser  wichtige  Pimkt  (die  Kirchenvisitationen), 
der  doch  so  Vieles  zur  Aufklärung  jener  Zeit  beitrtägt, 
ganz  mit  Stillschweigen  übergangen  worden,  und  ist  da- 
her dem  verdienten  Plerrn  Verfasser,  der  mit  so  vieler 
Wärme  und  einer  so  trefflichen  Einkleiduns'  die  Geschichte 
jener  Visitationen  erzählt,  die  um  so  angenehmer  und  zu- 
verlässiger, da  sie  mit  den  nöthigen  Documenten  belegt 
imd  versehen  ist,  für  diese  Mittheilung  den  verbindlichsten 
Dank  schuldig."  Mit  diesen  Worten  eröffnete  im  Jahre 
1797  der  Allgem.  Literar.  Anzeiger  (Sp.  296)  eine  Be- 
sprechung von  Kapps  Umständlicher  Nachricht  von  der 
allgemeinen  Kirchenvisitation  in  dem  Fürstenthum  Bai- 
reuth  in  den  Jahren  1561 — 1564.  Referent  schickt  die- 
selben der  Besprechung  des  obengenannten  Werkes  vor- 
aus. Denn  auch  heute  noch  gilt  die  Verwunderung  dar- 
über, dass  noch  so  wenig  für  die  Publication  dieser 
hochwichtigen  officiellen  Documente  geschehen  ist,  wie 
die  von  Burkhardt  (S.  VI)  citirte  Literatur  beweist.  Frei- 
lich hebt  er  mit  Reclit  die  grossen  Schwierigkeiten  hervor, 
die  sich  einer  solchen  Arbeit  entgegenstellen.  Reicht  doch 
zu  derselben  selbst  das  reichste  Archiv  nicht  aus;  eine 
Benutzung  verschiedener  ist  unbedingt  uothwendig,  so 
dass  für  gewisse  Lebensstellungen  eine  grössere  zusannnen- 


gß  Literatur. 

liängendc  Arbeit  über  die  Kirchen-  und  Sclmlvisitationen 
selbst  in  einer  beschränkten  Epoche "  nicht  möglich  ist. 
Um  so  mehr  sind  wir  dem  Verfasser  für  das  angezeigte 
Werk  zum  Dank  verpflichtet.  Durch  seine  amtliche 
Stellung  an  die  Quelle  gesetzt  —  befinden  sich  doch  ge- 
rade in  Weimar  sehr  viele  Yisitationsprotocolle  — ,  durch 
frühere  eingehende  Studien  auf  dem  Gebiete  der  Refor- 
mationsgeschichte wohl  vorbereitet,  war  er  in  ganz  be- 
sonderem Grade  berufen,  die  Lücke  auszufüllen.  Es  war 
eine  mühevolle  Arbeit,  die  Berge  von  Akten  durchzuar- 
beiten,  aber  als  reiche  Frucht  derselben  bietet  das  Buch 
eine  unendliche  Fülle  von  Stoff  zur  Orientierung  über  die 
kirchliche  Lage  in  Sachsen  und  den  angrenzenden  Ge- 
bieten in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  und  zwar 
nach  einer  noch  wenig  beachteten  Seite.  Mit  Recht  sagt 
der  Verfasser  Seite  V,  dass  sich  die  Forschimg  „eingehen- 
der mit  der  Geschichte  des  Dogmas  unserer  Kirche  be- 
schäftigt hat,  während  die  Studien  zur  Geschichte  der 
äusseren  Entwickelung  unserer  evangelisch -lutherischen 
Kirche  ausserordentlicli  spärlich  aufgetreten  sind".  Auf 
Grund  der  VisitationsprotocoUe  sucht  nun  der  Verfasser 
die  Ergebnisse  der  Forschung  durch  Zahlen  darzustellen. 
Demnach  wird  erstens  der  Procentsatz  der  Tüchtigkeit 
der  Geistlichen  in  den  eiczelnen  Gegenden  fixiert.  Zu 
diesem  Zwecke  hat  der  Verfasser  die  in  den  Akten  mit 
Worten  ausgedrückten  Censuren  durch  die  Nummern  1 
bis  4  bezeichnet;  von  denen  die  letztere  die  Unbrauch- 
baren umfasst,  deren  Untüchtigkeit  entweder  auf  dem 
Mangel  theologischer  Bildung  oder  auf  sittlichen  Gebrechen 
beruht.  Zweitens  werden  die  Patronatsverhältnisse  sta- 
tistisch dargestellt.  Es  ist  das  von  grosser  Wichtigkeit, 
da  die  Patrone  bei  der  Anstellung  der  Geistlichen,  wie 
bei  der  Einführung  der  Reformation  von  grösstem  Ein- 
fluss  waren.  Interessant  ist,  wie  die  unter  dem  Patronat 
des  Kurfürsten  wie  einzelner  Städte  (z.  B.  merkwürdiger- 
weise Zwickaus)  stehenden  Geistlichen  sich  vor  anderen 
auszeichneten.  Drittens  handelt  es  sich  um  Feststellung 
der  Zahl  der  Mutterkirchen,  um  deren  Verhältnis  zu  den 
Filialen  und  eingepfarrten  Ortschaften.  Nicht  selten  wer- 
den hierbei  die  Bevölkerungszahlen  angegeben.  Viertens 
aber  führt  uns  der  Verfasser  das  numerische  Verhältnis 
der  Stiftungen  und  Vicareien,  der  Klöster  und  ihrer  In- 
sassen, die  Bewirthschaftung  und  Einkünfte  derselben  vor. 
Gerade  die  letzteren  Angaben  gestatten  uns  einen  höchst 


Literatur.  87 

interessanten  Blick  in  die  wirthscliaftlichen  Verhältnisse 
der  jungen  Kirche,  welche  das  Erbe  der  alten  benutzte 
und  umgestaltete. 

Der  Verfasser  theilt  nun  den  Stoff  local  in  3  Gruppen 
ein;  er  bespricht  zuerst  die  Visitationen  im  Ernestinischen 
Gebiete,  dem  Kurfürstenthuvn  Sachsen,  dann  in  den  Al- 
bertinischeu  Ländern,  woran  sich  als  drittes  das  Braun- 
schweig--Wolfenbüttel'sche  Gebiet  anschliesst.  Es  fällt 
diese  Eintheikmg  zugleich  mit  dem  historischen  Gange 
zusammen.  Denn  in  ersterem  Lande  begann  die  Visitation 
1526  und  dauerte  die  ganze  folgende  Zeit  fort,  während 
sie  im  zweiten  erst  1537  und  in  Braunschweig  sogar  erst 
1542  ihren  Anfang  nahm. 

Wenn  nun  das  Buch  die  Kirchen-  und  Schulvisita- 
tionen behandelt,  so  tritt  doch  die  Geschichte  der  letzteren 
wesentlich  in  den  Hintergrund,  weil  sich  die  Prüfung  der 
kurfürstlichen  Commissäre  namentlich  in  der  ersten  Zeit 
mehr  auf  die  kirchliche  Lage  bezog.  Doch  finden  sich 
auch  über  die  Schulverhältnisse  höchst  interessante  Notizen, 
so  namentlich  über  die  Schulen  zu  Zwickau  und  zu  Torgau 
S.  188  fgg.  Im  ganzen  beziehen  sich  diese  Nachrichten 
mehr  auf  die  äusseren  Verhältnisse,  doch  thun  wir  auch 
manchen  Blick  in  das  innere  Schulleben,  die  Methode 
u.  s.  w.  Gerade  hier,  aber  auch  sonst,  hat  es  der  Ver- 
fasser verstanden,  das  allgemeine  Bild,  die  todten  Zahlen, 
durch  einzelne  kleine  Züge  zu  beleben.  So  wird  S.  188 
erzählt,  dass  den  Schulmeistern  „das  Stauchen,  Stossen 
und  übermässige  Schlagen"  verboten  worden  sei,  damit 
die  Jugend  nicht  vom  Schulbesuch  abgeschreckt  würde; 
kein  Lehrer  soll  für  die  Kleinen  angestellt  werden,  der 
„ein  lispelnd  oder  sunst  böse  ausspräche  hat,  damit  die 
Knaben,  welche  bald  fahen,  nicht  erst's  anfangs  damit  in- 
ficirt  werden".  Das  Bild,  das  uns  von  den  Schulverhält- 
nissen entworfen  wird,  ist  kein  günstiges;  nur  einzelne 
Städte  setzten  ihre  Ehre  darein,  gute  Bildungsstätten  für 
die  heranwachsende  Jugend  aiifzurichten,  auf  dem  Lande 
war  dafür  sehr  schlecht  gesorgt. 

Nicht  minder  ungünstig  erscheint  uns  die  kirchliche 
Lage.  Es  war  unbedingt  eine  Besserung  nothwendig, 
namentlich  nachdem  die  Wiedertäufer  und  Bauern  so 
furchtbare  Schläge  gegen  die  öffentliche  Ordnung  und 
die  Kirche  geführt  hatten.  Die  Noth  drängte  zur  Zuhülfe- 
nahrae  der  territorialen  Gewalt,  wie  die  Worte  Luthers 
S.  8  es  ergreifend  schildern.   Wenn  der  Kurfürst  zunächst 


88  Literatur. 

auch  eine  ßetlieiligung  ablehnte,  so  verstand  er  sich  doch 
schliesslich  dazu.  1526  wird  zur  Visitation  im  Amt  Borna 
neben  einem  weltlichen  Comraissar  Georg  Spalatiu  abge- 
sendet. Letzterer  eröffnet  hiennit  seine  für  die  Organi- 
sation der  lutherischen  Kirche  hochwichtige  Thätigkeit, 
welche  ilm  in  den  folgenden  Jahrzehnten  immer  wieder 
in  Anspruch  nimmt.  Sie  würde  eine  Würdigung  in  einer 
besonderen  Monographie  auf  Grund  des  reichen,  nament- 
lich im  Archiv  zu  Weimar  befindlichen  Materials  ver- 
dienen. Spalatin  führte  sehr  oft  selbst  das  Protocoll,  wie 
wir  aus  zahlreichen,  uns  erhaltenen  Conccpten  sehen.  Es 
würde  von  Interesse  sein,  dieselben  mit  den  officiellen 
Protocoll en  zu  vergleichen,  welche  uns  nur  das  Resultat 
der  Verhandlung  kurz  berichten  Wir  würden  daraus 
manche  Interpretation  für  die  Beschlüsse  erhalten,  nament- 
lich auch  für  die  Censuren  der  Geistlichen.  Die  Urtheile 
über  die  letzteren  fallen  bei  den  ersten  Visitationen  sehr 
ungünstig  aus,  namentlich  bei  der  im  Jahre  1526  im  Amte 
Tanneberg  vorgenommenen,  wo  von  zwölf  Geistlichen  nur 
einer  die  Censur  „ziemlich  gut"  bekommt,  während  elf 
(wie  es  S.  12,  Anm.  2  statt  1  Geistlicher  heissen  muss) 
für  untauglich  erklärt  Averden.  Höchst  interessant  sind 
einzelne  Urtheile,  welche  hier,  wie  auch  an  anderen  Orten, 
wörtlich  angeführt  werden  (S.  12  fg).  Ein  eingehender 
Bericht  geht  an  den  Kurfürsten,  in  welchem  ausdrücklich 
hervorgehoben  wird,  dass  der  Kurfürst  im  Interesse  seines 
Landes  „kein  l^esser  Ding  habe  fürnehmen  könnnen". 
Von  ihm  wurden  einige  Zeit  nachher  zwei  Räthe  nach 
Wittenberg  gesendet,  um  mit  den  Vertretern  der  Uni- 
versität eine  Instruction  auszuarbeiten.  Später  wurde  von 
Melanchthon  der  Visitationsimterricht  verfasst,  welcher 
dann  mit  einer  geharnischten  Vorrede  Luthers  erschien. 
Die  genannten  Arbeiten  bilden  nach  Burkhardts  Dar- 
stellung die  erste  Periode. 

In  der  zweiten  (1527  —  1529)  werden  die  Visitationen 
auf  Grund  der  gemachten  Erfahrungen  vmd  ausgearbei- 
teten Instructionen  planmässig  und  energisch  im  ganzen 
Lande  in  Angriff  genommen.  Dieselben  begannen  im 
Kurkreise  am  22.  October  1528,  in  Meissen  und  im  Voigt- 
lande Ende  November,  zu  gleicher  Zeit  in  Franken,  im 
Januar  1529  in  Zwickau  und  Umgegend,  dann  die  von 
Plauen  u.  s.  w. 

Nach  kurzer  Charakterisierung  der  dritten  Periode 
1529—1532,   der  Zeit   des   Stillstandes,   wird   die  vierte, 


Literatur.  89 

von  1532 — 1545,  besprochen,  bei  welcher  man  sich  be- 
sonders mit  der  Aufhebung  und  Verwendung  der  geist- 
lichen Güter  beschäftigt.  Die  Visitation  erstreckt  sich 
hier  auf  einen  Theil  der  Grafschaft  Schwarzburg  wie  die 
reussischeu  Länder,  im  übrigen  werden  die  schon  früher 
von  der  Visitation  besuchten  Gegenden  berührt.  Dies 
hat  den  Verfasser  veranhisst,  dieser  Thätigkeit  weniger 
eingehend  zu  gedenken.  Und  doch  wäre  eine  Ver- 
gleichung  des  Zustand  es  dieser  Gegenden  mit  dem  Be- 
funde aus  den  Jahren  1528 — 29  höchst  interessant  gewesen, 
namentlich  nach  der  finanziellen  Seite  hin.  Das  Raths- 
archiv  zu  Zwickau  enthält  ausser  den  Visitationsakten 
vom  Jahre  1533  auch  noch  ein  Exemplar  der  Rechnung 
über  die  Einnahmen  und  Ausgaben  des  gemeinen  Kastens. 
Dieses  „Verzeichnus  des  einkommens  aller  Lehen  etc. 
1533"  wurde  auf  Befehl  der  Visitatoren,  wie  sich  aus  einem 
Briefe  Spalatins  an  den  Stadtschreiber  Stephan  Roth  er- 
giebt,  ausgefertigt  und  von  letzterem  persönlich  nach 
Altenburg  gebracht  (s.  die  Rathsrechnungen  vom  Jahre 
1533 — 34  S.  17).  Mit  diesen  Visitationen  schloss  vorläufig 
die  Thätigkeit  der  Commissäre  in  des  Kurfürsten  Lan- 
den ab. 

Die  Aufsicht  wurde  jetzt  den  Superattendenten  und 
den  Visitatoren  übertragen,  während  der  Kurfürst  die 
höchste  Instanz  in  streitigen  Fällen  bildete.  Lnmer  mehr 
machte  sich  aber  die  Begründung  einer  Centralaufsichts- 
behörde  nöthig:  so  entstand  das  Consistorium  zu  Witten- 
berg wohl  im  Jahre  1539,  während  die  in  anderen  Städten 
in  Aussicht  genommenen  äusserer  Schwierigkeiten  wegen 
nie  ins  Leben  getreten  sind. 

Von  neuem  lebten  die  Visitationen  1537  auf,  als 
Herzoo-  Heinrich  von  Freibcrg  sich  der  Reformation  an- 
schloss.  Auf  seine  Bitte  wurde  Georg  Spalatin  zur  Un- 
terstützung hingesandt*,  er  war  es  auch,  der  die  Leitung 
des  Visitationswerkes  übernahm,  als  im  Jahre  1539  nach 
Herzog  Georgs  Tode  dessen  Land  an  die  Frciberger  Linie 
kam.  Die  Protocolle  dieser  Verhandlungen  sind,  wie  Burk- 
hardt  S.  234  Anm.  4  erwälmt,  zum  grossen  Theil  noch 
nicht  zu  finden  gewesen.  Referent  weist  hier  auf  ein 
Aktenstück  hin,  welches  uns  wenigstens  Aufschluss  über 
die  Thätigkeit  der  Visitatoren  in  Dresden  giebt.  Dasselbe 
befindet  sich  im  Dresdner  Stadtarchiv  (A.  II.  66)  und  ent- 
hält auf  Bl.  23 — 34  unter  dem  Titel:  „V^'^as  in  der  ersten 
Visitation  zu  Dressden  in  Eyle  verordnet  ist  worden^  dem 


90  Literatur. 

Rathe  zu  Dressden  zu  Händen  zu  stellen  1539"  die 
Beschlüsse  der  herzoglichen  Commissäre.  Die  Verhand- 
lungen begannen  am  19.  Juli  Vormittags  (wonach  wohl 
das  Datum  S.  234  Anm.  4  zu  ändern  ist)  und  bezogen 
sich  auf  die  Barfüssermönche ,  ferner  auf  „die  bestellung 
der  pfarr,  predigstuls,  diaconat,  Schulmeisters,  sein  ge- 
sellen u.  s.  w.",  wäJirend  es  sich  „nach  gehaltener  maltzeit" 
um  die  Behausung  und  das  Recht  des  ßierschanks  seitens 
des  Pfarrers  handelt.  Auch  wird  dem  letzteren  befohlen, 
„ein  fleissiges  aug  darauff  zu  haben,  das  nyemands  hie 
nichts  schreibe  wider  Gottes  wort  und  die  reyne  lere", 
wie  auch  „der  Buchdrucker  nichts  auflegen  noch  auss- 
gehen  lassen  soll,  er  habs  denn  zuvor  dem  Superatten- 
denten  fürgetragen".  Am  21.  Juli  werden  die  Verhand- 
lungen geschlossen.  Aber  die  Visitatoren  sind  von  der 
Nothwendigkeit  einer  neuen  und  eingehenderen  Visitation 
überzeugt:  „Dann  do  man  nicht  bald  mit  einer  ordent- 
lichen Visitation  folgen  und  nachdrucken  wurde,  so  wer 
es  taushent  mal  besser  und  sicherer  nutzlicher  und  er- 
liclier,  beide  gegen  Gott  und  der  weit,  das  raans  nie  an- 
gefangen liette,  denn  das  man  dabey  Hess  bleibenn." 
Diese  für  so  dringend  erklärte  Visitation  wird  am  21.  De- 
cember  1539,  an  einem  Sonntage,  gehalten  und  merk- 
würdigerweise auch  an  demselben  Tage  beendet.  Das 
Protocoll  befindet  sich  ebenfalls  in  dem  oben  citierten 
Aktenstück  Bl.  35 — 39.  Die  Beschlüsse  beziehen  sich  auf 
das  Einkommen  der  geistlichen  Lehen,  welche  eben  so 
wie  die  der  Fleischerbruderschaft  dem  Rath  anheimfallen 
und  zur  Besoldung  der  Kirchen-  und  Schuldiener  ver- 
wendet werden  sollen.  Weiter  handelt  es  sich  um  die  Auf- 
richtung von  zwei  deutschen  Schulen,  „eine  vor  die 
megdtlein,  die  andere  vor  die  kneblein". 

Im  Jahre  1540  erfolgte  dann  die  Visitation  im  Al- 
bertinischen  Thüringen,  vier  Jahre  später  im  Hochstift 
Merseburg,  über  welche  Burkhardt  S.  273  fgg.  berichtet. 
Zu  gleicher  Zeit  fanden  die  Verhandlungen  zu  Braun- 
schweig-Wolfenbüttel  statt  (S.  297—320).  Das  Ganze 
wird  vom  Verfasser  durch  einen  recapitulierenden  Ab- 
schnitt: „Rückblick  und  Resultate"  abgeschlossen.  Das 
Namen-  und  Sachregister  S.  327 — 347  führt  uns  noch 
einmal  die  Fülle  des  Stoffs  vor  Augen. 

Niemand,  der  sich  mit  der  Reformationsgeschichte 
beschäftigt,  wird  an  dem  Buche  vorübergehen  können, 
ohne  dasselbe  einem  eingehenden  Studium  zu  unterwerfen. 


Literatur.  91 

Niemand  aber  wird  dasselbe  aus  der  Hand  legen,  ohne  reiche 
Anregung  und  Förderung  erhalten  zu  haben,  Referent 
schliesst  mit  dem  Wunsche,  dass  dem  ersten  Bande  der  in 
Aussicht  gestellte  zweite  Theil  recht  bald  folgen  möge. 
Dresden-Neustadt.  Georg  Müller. 

Der  Aiitheil  der  Oberlausitz  a«  den  Aufäugen  des  dreissig:- 
jährigeu  Krieges,  1618  bis  1G23.  Von  Dr.  Hermann  Knofrhe. 
Von  der  Oberlausitzer  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Görlitz 
prämiirte  Preisschrift.  Dresden,  Burdach.  1880.  8".  95  SS.  (Auch 
im  Neuen  Lausitzer  Magazin  LVI,  96  fgg.) 

Wie  Palm  in  der  Zeitschrift  für  Geschichte  und 
Alterthümer  Schlesiens  die  Stellung  dieses  böhmischen 
Nebcnlandes  zu  der  böhmischen  Rebellion  von  1618  be- 
handelt hat,  unternahm  es  H.  Knotlie,  die  Stellung  der 
Oberlausitz  in  den  ersten  Jahren  des  dreissigj  ährigen 
Krieges  darzustellen.  Die  Abhandlung,  gleich  ausge- 
zeichnet durch  die  Verarbeitung  eines  sehr  reichen  ar- 
chivalischen  Materials,  durch  Schlichtheit  und  Klarheit 
der  Darstellung,  durch  Mittheihmg  von  einer  Fülle  neuer 
Details,  verdient  vollauf  die  Anerkennung,  welche  ihr  die 
Oberlausitzer  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Theil 
hat  werden  lassen. 

Es  sind  im  Grunde'  zwei  Momente,  um  die  es  sich 
handelt:  einmal  das  Verhältnis  der  Oberlausitz  zur  böh- 
mischen Bewegung,  sodann  ihr  Verhältnis  zu  Kursachsen. 
Wie  die  Lausitzer  sich  nur  zögernd  und  man  möchte 
fast  sagen  wider  ihren  Willen  den  Böhmen  anschlössen 
und  sich  im  Verein  mit  ihnen  gegen  den  designierten 
König  Ferdinand  und  für  Pfalzgraf  Friedrich  erklärten, 
wird  in  den  ersten  drei  Kapiteln  sehr  eingehend  und  an- 
ziehend dargelegt.  (I.  „Vom  Beginn  des  Aufstandes  in 
Böhmen  bis  zur  Aufnahme  der  Oberlausitz  in  die  böh- 
misch -  schlcsische  Union;  Mai  1618  bis  Mai  1619." 
IL  „Abschluss  der  allgemeinen  Conföderation  und  Wahl 
Friedrichs  von  der  Pfalz;  Juli  und  August  1619." 
in.  „Die  neue  Ordnung  der  Dinge  in  der  Oberlausitz 
seit  Herbst  1619.")  In  den  folgenden  vier  Kapiteln  han- 
delt es  sich  um  die  dem  Kurfürsten  Johann  Georg  von 
Sachsen  von  Kaiser  Ferdinand  aufgetragene  Execution, 
die  Unterwerfung  des  Landes,  das  dann  dem  Kaiser  und 
Kurfürsten  die  Interimsliuldigung  leistet  und  nach  einer 
Reihe  weiterer  Verhandlungen  in  den  Pfandbesitz  Kur-- 
sachsens  kommt.  (IV.  „Die  kursächsische  Exe.cutiou, 
September    bis    December    1620."      V.    „Der    Dresdner 


92  Literatur. 

Accord  und  der  Karaenzer  Landtag  1621."  VI.  „Die 
Gesandtschaft  an  den  Kaiser  und  die  Restitution  der 
Katholiken,  Sommer  1G22."  VII.  „Die  Mission  Kur- 
Sachsens  in  den  Pfandbesitz  der  Oberlausitz  1623.") 
Wie  man  sieht,  endet  die  Arbeit  mit  dem  nur  vorläufigen 
Abschluss  der  Frage.  Vielleicht,  dass  der  Herr  Verfasser 
sich  entschliesst,  sie  in  einer  anderweiten  Abhandlung  bis 
zu*  ihrem  definitiven  Abschluss  fortzuführen;  bis  dahin, 
"WO,  wie  er  sagt,  „dui'ch  den  Prager  Frieden  von  1635 
und  den  Traditionsrecess  von  1636  diese  beiden  einst 
den  "Wettinern  gehörigen  (lausitzischen)  Länder  aus  dem 
blossen  Pfandbesitz  in  Erblehnbesitz  übergingen." 

Halle.  G.  Droyseii. 

Leipzig  und  seine  Universität  vor   hundert  Jabren.    Aus  den 

gleichzeitigen  Aufzeichnungen  eines  Leipziger  Studenten  jetzo 
zuerst  an's  Licht  gestellt.  Mit  Titelbild,  Plan  von  Leipzig  und 
Karte  der  Umgegend.  Leipzig,  Breitkopf  &  Härtel,  1879.  8«.  XIL 
128  SS. 

Mit  diesem  Büchlein  hat  es  eine  eigene  Bewandtnis. 
In  den  Jahren  1777 — 1779  studierte  in  Leipzig  der  nach- 
malige Lüneburgische  Arzt  Johann  Heinrich  Jugler  (f  1814). 
Frühzeitige  Neigung  zur  Schriftstellerei  —  er  entfaltete 
nach  Abschluss  seiner  Studien  eine  sehr  ausgedehnte 
schriftstellerische  Thätigkeit  —  und  das  Bedürfnis,  über 
alle  Verhältnisse,  in  die  er  versetzt  wurde,  sich  möglichst, 
genau  zu  orientieren,  veranlassten  ihn,  während  seines 
Leipziger  Aufenthaltes  aucii  Material  zu  einer  Beschrei- 
bung Leipzigs  zu  sammeln.  Nachdem  er  dann  die  Uni- 
versität verlassen,  arbeitete  er  im  Winter  1779—1780  dieses 
Material  aus,  doch  wohl  in  der  Absicht,  seine  Darstellung 
zu  veröffentlichen.  Doch  vergingen  noch  einige  Jahre, 
während  deren  er  seine  Arbeit  durch  Nachträge  zu  ver- 
bessern und  zu  vervollständigen  suchte.  Schliesslich  unter- 
liess  er  aber  die  Veröffenflichung,  da  ihm  im  Frühjahr 
1784  J.  G.  Schulz  mit  seiner  allbekannten,  weit  umfäng- 
licheren „Beschreibung  der  Stadt  Leipzig"  zuvorkam,  und 
begnügte  sich  damit,  über  die  Arbeit  von  Schulz  eine 
Recension  in  die  „Gothaischen  Gelelirten  Zeitungen"  zu 
schreiben.  Sein  sorgfältig  und  zierlich  geschriebenes  Ma- 
nuscript  aber  legte  er  bei  Seite,  bewahrte  es  auf,  es  erhielt 
sich  in  den  Händen  seiner  Nachkommen,  und  dieses  ist 
es,  welches  nun,  hundert  Jahre  nach  seiner  Entstehung, 
hier  doch  noch  das  Licht  der  Oefi'entlichkeit  erblickt  hat. 
Nach  dem  Vorstehenden  drängt  sich  sofort  die  Frage 


Literatur.  93 

auf:  Lohnte  es  überhaupt  der  Mühe,  das  Manuscript,  das 
durch  das  Schulz'sche  Buch  augenscheinlich  überflüssig 
wurde,  jetzt  noch  herauszugeben?  Und  diese  Frage  wird 
sich  jeder  wiederhoh^n,  der  das  Büchlein  selbst  zur  Hand 
nimmt  und  sieht,  wie  der  Verfasser  überall  in  seinem 
Texte  auf  die  ältere  Literatur  hinweist,  die  er  benutzt  hat 
und  die  uns  natürlich  nocli  ebenso  gut  zur  Verfügung 
steht  wie  ihm.  Dennoch  möchten  wir  die  Frage  nicht 
ohne  weiteres  verneinen.  Rein  thatsächliche  Angaben 
über  Einrichtungen  und  Personen  jener  Zeit  findet  man 
allerdings  bei  Schulz  und  in  den  Leipziger  Adressbüchern 
der  siebziger  Jahre,  die  Jugler  natürlich  benutzt  hat, 
weit  ausführlicher,  wiewohl  eine  so  ausführliche  Aufzäh- 
lung vmd  Beschreibung  der  damals  auf  der  Stadt-  und  der 
Universitätsbibliothek  befindlichen  Bilder,  wie  Jugler  sie 
giebt,  die  entsprechende  Partie  bei  Schulz  weit  hinter 
sich  lässt.  Dazu  kommt,  dass  die  Aufmerksamkeit  des 
Verfassers  keineswegs  nach  allen  Seiten  hin  gleichmässig 
gerichtet  ist:  vor  allem  interessiert  ihn  Kunst  und  Wissen- 
schaft, gelegentlich  auch  das  gesellschaftliche  Leben,  für 
den  Handel  dagegen  hat  er  sehr  geringes  Interesse.  Den- 
noch macht  der  ungenannte  Herausgeber  unseres  Büch- 
leins mit  Recht  darauf  aufmerksam,  dass,  während  die 
Beschreibung  von  Schulz  „das  Werk  eines  halbgelehrten, 
nicht  unabhängig  dastehenden  Mannes  ist,  der  urtlieilslos 
und  schönfärbend  eine  schablonenhafte  Literatenarbeit 
lieferte",  Jugler  an  Personen  und  Sachen  eine  sehr  un- 
befangene Kritik  übt.  Dies  lässt  sich  an  Einzelheiten 
durch  das  ganze  Büchlein  hin  verfolgen,  am  fühlbarsten 
tritt  es  hervor  in  dem  Absohnitt  über  die  Leipziger  Pro- 
fessoren jener  Zeit,  der  interessantesten  Partie  des  ganzen 
Schriftchens,  und  insofern  ist  der  vollständige  Abdruck 
des  Manuscriptes  immerhin  dankenswerth. 

Nach  der  vom  Herausgeber  vorgenommenen  Einthei- 
lung  zerfällt  der  Inhalt  in  neun  Kapitel  von  sehr  un- 
gleicher Ausdehnung.  Das  erste  giebt  eine  Beschreibung 
der  Stadt  im  allgemeinen,  das  zweite  und  dritte  behandeln 
die  öflfentlichen  und  die  wichtigeren  Privatgebäude,  das 
vierte,  umfänglichste,  ist  der  Universität  gewidmet  —  daher 
die  Wahl  des  Titels  — ,  das  fünfte  bespricht  die  gelehrten 
Gesellschaften  und  die  Sammlungen  der  Stadt.  Ziemlich 
werthlos  sind  das  sechste  (Gasthöfe,  Speisewirthe,  Münz- 
cours),  achte  (Messen)  und  neunte  (Städtchen  und  Städte 
in    der   Nachbarschaft);    und    ähnliches    würde    von    dem 


94  Literatur. 

siebenten  (Plaisirs  und  Zeitvertreibe)  gelten,  wenn  der 
Herausgeber  hier  nicht  aus  dem  bekannten,  aber  selten 
gewordenen  Buche  „Das  nach  der  Moral  beschriebene 
galante  Leipzig"  (1768)  —  demselben,  in  welchem  sich 
zuerst  die  Bezeichnung  „Klein -Paris"  für  Leipzig  nach- 
weisen lässt  —  einige  Abschnitte,  wie  über  das  „Fischer- 
stechen", die  „Schönefelder  Kletterstange"  und  das  öffent- 
liche Vogelschiessen,  zur  Ausfüllung  herangezogen  hätte. 
Im  übrigen  hat  er  das  Manuscript  wörtlich  zum  Ab- 
druck gebracht  und  mit  einer  Reihe  sorgfältiger  und 
sachkundiger  Anmerkungen,  theils  berichtigender,  theils 
ergänzender  Art,  begleitet,  die  uns  nur  selten  Veranlassung 
zu  einer  abweichenden  Meinung  gegeben  haben.  So 
treffen  die  Nachweise  der  angeführten  Häuser  nicht  durch- 
weg zu,  und  die  Aussprache  „Eichels  Pfuhl"  (Anm.  91) 
dürfte  auf  dieselbe  verschönernde  Volksetymologie  zurück- 
zuführen sein,  die  auch  „eingal"  aus  „egal"  gemacht  hat; 
der  erwähnte  Ort  hiess  der  „Egelpfuhl".  Der  Druck 
des  Werkchens  ist  sehr  correct  (nur  S,  18  ist  uns  Lentzel 
statt  Tentzel,  S.  115  Jocander  statt  Iccander  aufgefallen), 
und  die  Verlagshandlung  hat  auch  ihrerseits  durch  eine 
Anzahl  artistischer  Beigaben  das  Interesse  für  die  merk- 
würdige Publication  zu  steigern  gesucht. 

Noch  eine  Bemerkung.  Der  Herausgeber  sagt  unter 
anderem  im  Vorwort:  „Für  Den,  der  sich  gerne  ein 
möglichst  zutreffendes  Bild  von  [dem]  Leipzig  zu  der 
Zeit,  als  Goethe  in  demselben  weilte,  entwerfen  möchte, 
giebt  es  keine  Schilderung,  die  so  nahe  an  jene  Zeit 
hinanrückt,  wie  diese."  Dieser  scheinlsare  Wink  war  zu 
verlockend,  als  dass  nicht  fast  sämmtliche  Recensenten  in 
unseren  Wochen-  und  Monatsschriften  ihm  hätten  folgen 
sollen:  allgemein  ist  das  Schriftchen  als  eine  Art  von  Bei- 
trag zur  Goethe-Literatur  in  Anspruch  genommen  worden. 
Das  kommt  aber  nur  davon,  wenn  man  die  Vorreden  liest, 
anstatt  der  Bücher.  Wir  haben  nirgends  Veranlassimg 
gefunden,  das  Buch  mit  Goethes  Namen  in  Zusammen- 
hang zu  bringen.  Wenigstens  wird  unser  bisheriges  Bild 
von  Leipzig  zu  Goethes  Studentenzeit  auch  nicht  um  den 
leisesten  Zug  dadurch  bereichert. 

Leipzig.  G.  Wust  mann. 


Literatur.  95 

Uebersicht  über  neuerdings  erschienene  Schriften  und 

Aufsätze  zur  Sächsisch -Thüringischen   Geschichte  und 

Alterthumskunde. 


Böhmert,  V.  Urkundliche  (jroschichte  und  Statistik  der 
Meissner  Porzelianraanufaktur  von  1710  bis  1880,  mit 
besonderer  Rücksiclit  auf  die  Betriebs-,  Lohn-  und 
Kassenverhältnisse:  Zeitschrift  des  Königlich  Sächsi- 
schen statistischen  Bureaus.  Jahrg.  XXVI.  Heft  I — II. 
S.  44—102. 

(6  Byrn,  Frhr.J  Die  Hofsilberkamraer  und  die  Hofkellerei 
zu  Dresden.  Dresden,  Wilhelm  Baensch.  1880.  8».  208  SS. 

Distel,  Th.  Nachtrag  zu  „Die  im  Königlich  Sächsischen 
Hauptstaatsarchiv  befindlichen  Leibniz  -  Corresponden- 
zen":  Berichte  der  philosophisch-historischen  Classe  der 
Königlich  Sächsischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften. 
1880.    S.  187—189. 

V.  Eherstein,  Louis  Ferd.  Frhr.  Urkundliche  Nachträge 
zu  den  geschichtlichen  Nachrichten  von  dem  reiclis- 
ritterlichen  Geschlechte  Eberstein  vom  Eberstein  auf 
der  Rhön.     Dritte  Folge.    Dresden.    1880.    8».    305  SS. 

Frantz,  Adolph.  Das  katholische  Directoriura  des  Corpus 
Evangelicorum.  Nach  handschriftlichen  Quellen  darge- 
stellt.   Marburg,  N.  G.  Elwert.    1880.    8".   VIII,  180  SS. 

Filrstenau,  M.  Die  Oper  Antiope  und  die  Bestallungen 
des  Kurfürstlich  Sächsischen  Vicekapellmeisters  Nicolaus 
Adam  Strunck  und  des  Hofpocten  Stefano  Pallavicini: 
Monatshefte  für  Musik-Geschichte,  herausgegeben  von 
der  Gesellschaft  für  Musikforschung.  Jahrg.  XIII. 
S.  1—6. 

Gradl.  Eger  und  Heinrich  von  Plauen  1451  bis  1454: 
Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen 
in  Böhmen.     Jahrg.  XIX.     S.   198—214. 

Hrdlu-ich,  H.  AYallcnstein  und  die  Sachsen  in  Böhmen 
(1631 — 1632):  Forschungen  zur  Deutscheu  Geschichte. 
Bd.  XXI.     S.  115—222. 

Hitzigrath,  H.  Die  Publicistik  des  Prager  Friedens  (1635). 
Halle,  Niemeyer.    8».    134  SS. 

Holder -Egger,  0.  Ueber  eine  Chronik  aus  Altzelle: 
Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Gc- 
schichtskundc.     Bd.  VI.     S.  399-414. 


Ö6  Literatur. 

Mitzschke,  Paul.  Die  Bibliotheken  Naumburgs.  Naum- 
burg a.  S.,  J.  Domrich.    1880.    8".    16^SS. 

Perschmann,  Theodor.  Die  Reformation  in  Norclhausen. 
1522—1525.  HaUe,  C.  E.  M.  Pfeffer  (Comm.)  1881. 
8^  39  SS.  A.  u.  d.  T. :  Neujahrsblätter.  Heraus- 
gegeben von  der  historischen  Commission  der  Provinz 
Sachsen.    5. 

Petzhohlt,  J.  Das  Militärische  aus  dem  Leben  des  Königs 
Johann  von  Sachsen.  Im  Anhange  die  Oper:  „Saul 
König  in  Israel."  Mit  einem  Portrait.  Dresden, 
R.  V.  Zahn.     1881.     8^     69  SS. 

V.  Savauw ,  Christian.  Die  Feldzüge  Karls  XII.  Ein 
quellenmässiger  Beitrag  zur  Kriegsgeschichte  und  Ka- 
binetspolitik  Europas  im  XVIII.  Jalirhundert.  Mit 
einer  Uebersichtskarte  des  nordischen  Kriegstheaters 
und  sechs  lithographirten  Tafeln,  Leipzig,  Bernhard 
Schlicke.     1881.   8°.    VII,    328  SS. 

Scheuffter,  [Jeinrich  Johann.  Bilder  aus  der  Oberlausitzer 
Reformationsgeschichte.  I.  Einführung  und  Schicksale 
der  Reformation  in  der  Oberlausitz.  Barmen,  H.  Klein. 
1881.  8«.  55  SS.  (A.  u.  d.  T. :  Evangelische  Bruder- 
liebe. Vorträge  über  die  Aufgaben  und  Arbeiten  des 
evangelischen  Vereins  der  Gustav-Adolf-Stiftung.  Her- 
ausgegeben von  A.  Natorp.    III.  Bd.    4.  Heft.) 

(Schnorr  v.  Carolsftld.)  Briefe  von  Peter  Watzdorft'.  Aus 
dem  Königlichen  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden:  Archiv 
für  Literatur-Geschichte.    Bd.  X.  S.  174—188. 

Theile,  F.  Lockwitzer  Nachrichten  aus  alter  und  neuer 
Zeit.     No.  18—22.    1880.     1881.    8^    S.  65—158. 

Wernicle,  E.  Meister  Oswald  Hilger  in  Freiberg:  An- 
zeiger für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit.  1880.  No.  11. 
Sp.  331  fg. 

—  Christoph  Walter,  Bildhauer  in  Dresden:  ebenda. 
1881.     S.  13  fg. 

—  Bruder'  Hans,  Paramentensticker  von  Leipzig:  ebenda 
S.  16.     " 

Wustniann,  G.  Die  Vertraute  Gesellschaft  in  Leipzig. 
Gestiftet  im  Herbst  des  Jahres  1680.  Festschrift  den 
Mitgliedern  gewidmet  vom  Senior  zum  22.  November 
1880.   Leipzig  1880.    4».    93  SS. 


V. 


Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  und  sein  böh- 
misches Söldnerheer  auf  dem  Zage  vor  Soest. 


Von 
Adolph  Bachmanu. 


Wie  wenig  Deutschlands  Fürsten  und  Volk  um  die 
Mitte  des  15.  Jahrhunderts  auf  der  Höhe  ihrer  Aufgabe 
standen,  zeigt  nicht  der  klägliche  Ausgang  der  grossen 
Reformbewegung  auf  kirchlichem  Gebiete  allein.  Die 
Niederlage  der  Keichspolitik  ist  vielmehr  begleitet,  frei- 
lich auch  wesentlich  herbeigeführt,  von  dem  rücksichts- 
losen EfToismus,  mit  dem  sich  allenthalben  die  Territorial- 
politik  in  den  Vordergrund  drängt.  Noch  hat  da  das 
Wiener  Concordat  von  1448  die  kirchliche  Reform  nicht 
begraben  '),  als  eine  mächtige  Bewegung  anderer  Art 
das  Reich  von  den  Bergen  der  Scliwciz  bis  zu  den  Ge- 
staden der  Nordraeere  erschüttert:  der  Gegensatz  von 
Fürstenthum  und  Nobilität  zu  dem  freien  Bürger  und 
Bauern.  Wie  die  Kirchenfrage  wirft  der  neue  Conflict 
seine  Schatten  in  alle  Verhältnisse,  alle  Streithändel  im 
Reiche.  So  schafft  er  auch  mit  dem  Zuge  Herzog  Wil- 
helms von  Sachsen  vor  das  weit  entlegene  Soest  zugleich 
eine  bedeutungsvolle  Episode  mitten  hinein  in  die  erbitterte 


? 


')  Vergl.  G.  Voigt,  Enea  Silvio  de'  Piccolomini  I,  417  fgg. 

Neues  Axcbiv  f.  S.  U.  u.  A.  II.  3.  I 


98  Adolph  Bachmann: 

Fehde,  die  zwischen  den  Brüdern  von  Meissen  und  Thü- 
ringen, Kurfürst  Friedrich  II.  und  Herzog  Wilhehn,  an- 
lässlich der  „zweideutigen"^)  Theilung  des  väterlichen 
Erbes  vom  10.  Dezember  1445  entstanden  war. 

Umsonst  gaben  sich  die  brandenburgischen  Mark- 
grafen, gab  sich  Erzbischof  Friedrich  von  Magdeburg, 
Landgraf  Ludwig  von  Hessen,  die  einst  die  Theilung  ver- 
mittelt hatten,  alle  Mühe,  die  Herzoge  zu  dessen  friedlicher 
Befolgung  zu  bringen;  auch  der  Kaiser  hatte  den  Ver- 
trag') bestätigt:  die  Fehde  vermochte  trotzdem  zu  keinem 
Ende  zu  kommen  und  schädigte  die  Lande  je  länger  desto 
empfindlicher.  Schwer  fällt  es  hier,  zwischen  beiden  Par- 
teien den  Spruch  zu  thun  auf  „schuldig"  oder  „nicht- 
schuldig". Wohl  aber  wünschte  dei-  Kurfürst  trotz  der 
Theilung  die  Aufrechthaltung  seines  brüderlichen  Ein- 
flusses über  den  gesammten  Hausbesitz,  gemeinsame  Po- 
litik nach  innen  und  aussen,  während  der  jüngere  Herzog 
mit  dem  scharf  getrennten  Besitze  zugleich  seine  fürst- 
liche Selbständigkeit  wahren  zu  müssen  glaubte,  dabei 
aber  ganz  unter  den  Einfluss  seiner  Räthe,  besonders  der 
Brüder  Vitzthum,  gerieth.  Reich  begütert,  so  dass  er  mit 
seinem  Bruder  „fast  die  Hälfte  des  Landes"  besass,  ebenso 
schlau  und  gewandt  als  energisch  und  tapfer,  galt  Apel 
Vitzthum  bald  als  die  eigentliclie  Ursache  des  Krieges 
und  als  der  grimmige  Feind  des  Kurfürsten,  den  er  im 
Interesse  der  eigenen  Herrschsucht  bekämpfte. 

Der  Waffenstillstand,  den  die  genannten  Fürsten  für 
die  Zeit  von  Michaelis  1446  bis  Georgi  1447  vermittelt 
hatten*),  wurde  nicht  gehalten;  neue  gegenseitige  Beschä- 
digungen mehrten  die  Erbitterung.  Als  dann  auf  dem 
Rathhause  zu  Erfurt  Graf  Ernst  von  Gleichen,  den  der 
Kurfürst  geschickt,  um  über  den  Bruch  des  Waffenstill- 
standes zu  klagen,  vor  dem  zu  seiner  Vertheidigung  her- 
beigeeilten Herzoge  Wilhelm  rückhaltlos  die  Vitzthume 
als  Hindernis  des  Friedens  bezeichnete  *),  da  mussten  auch 
diese  erkennen,  dass  es  einen  Kampf  gelte  um  ihre  Exi- 
stenz.    Rasch  wusste  Herr  Apel  zu    handeln. 


*)  Droyseii,  Gesch.  d.  preuss.  Politik  (2.  Aufl.)  II,   1,   75  fgg. 

*)  Chaiel,  llegesten  z.  G.  Friedr.  IV,  I,  Nr.  2054.  Die  Bestäti- 
gung vom  1.  April  1446. 

*)  Konrad  Stolles  Thüringisch- Erfurtische  Chronik,  ed.  L.  F. 
Hesse  (32.  Public,  des  literarischen  Vereins  in  Stuttgart,  Stuttgart 
1854)  9. 

*)  Nach  Stolles  Chronik  1.  c.  11—14. 


Herzog  ^Yilhelm  von  Sachsen  auf  dem  Zuge  vor  Soest.       99 

Seitdem  die  Hussitenkärapfe  den  Ruf  der  böhmischen 
Kriegskunst  und  Tapferkeit  in  ganz  Mitteleuropa  be- 
gründet, in  Böhmen  selbst  aber  den  unbändigen  Hang 
zu  Kampf  und  Beute  geAveckt  hatten,  blieb  Böhmen  durch 
Jahrzehnte  das  grosse  Kriegslager,  dessen  reisige  Schaaren 
in  Ungarn  und  Kroatien,  in  Preussen  und  Schlesien,  in 
Thüringen  und  Franken,  in  Bayern  und  Oesterreich  die 
Fehden  der  Fürsten  und  Comvnunen  durchkämpften,  wo 
neben  militärischem  Talente  und  ungestümer  Tapferkeit 
freilicli  auch  ruhelose  Kriegs-  und  Beutelust  zu  Hause 
waren.  Kein  Wunder,  dass  Herr  Apel  Vitzthum  hierher 
seine  Blicke  richtete,  iim  so  weniger,  als  schon  vordem 
böhmische  Krieger  in  Herzog  Wilhelms  Sold  gewesen 
waren.*')  Leicht  ward  es  ihm,  seinen  jungen,  leidenschaft- 
lichen Herrn  zu  dem  Entschlüsse  zu  bestimmen,  böhmische 
Schaaren  in  überwältigender  Stärke  aufzurufen  und  mit 
ilirer  Hülfe  den  feindlichen  Bruder  niederzukämpfen. 

Bald  nach  Neujahr  1447  finden  wir  den  Vitzthum 
persönlich  in  Böhmen.'')  Mit  Alscho  Holicky  von  Stern- 
berg, den  "er  seit  langem  kannte,  traf  er  auf  dessen 
Schlosse  Petschau,  ebenda,  wie  es  scheint,  auch  mit  Fried- 
rich von  Donin  die  nöthigen  Verabredungen.  Von  hier 
aus  weckte  er,  von  Donin  und  Sternberg  gefördert  *),  die 
Lust  zur  Kriegsfahrt  nach  Thüringen  und  Meissen  durch 
glänzende  Verheissungen.  Bald  war  der  Westen  Böhmens 
vom  Egerlande  bis  über  Pilsen  und  Taus  hinaus  in  krie- 
gerischer Bewegung.  Der  von  Donin  nahm  persönlich 
herzogliche  Dienste,  ebenso  mit  einer  beträchtlichen  Zahl 
seiner  Leute  Peter  von  Sternberg,  Herrn  Alschos  Sohn. 
Die  Nachbarn  der  Sternberge  folgten  nach:  Heinrich  von 
Kolowrath  auf  Liebenstein  (Libsteinsky)  **),  dessen  Vetter 


«)  Palacky,  Geschichte  Böhmens  IV,  1,  178.  Vergl.  K.  Stolle, 
Chronik  19. 

')  Die  Zeit  der  Verhandlungen  Vitztluuns  mit  den  Böhmen 
(bisher  stets  unrichtig  angegeben  nach  K.  Stolle  21  und  Härtung 
Ivammermeister,  Annales  Erfurtenses  (jermanici  bei  Mencke,  Scriptor. 
rer.  Germ.  III,  1192)  zeigen  Nr.  18  u.  19  der  „Urkunden  und  Akten- 
stücke zur  österreiohisciien  Geschichte  1110  — 1 471"  bei  A.  Bachmann, 
Fontes  rer.  Austriae,  Abth.  II,  Bd.  XLII.  Ich  citiere  dieselben  von 
nun  an  als  Fontes  r.  A.  XLII. 

»)  Grossherzogl.  sächs.  Gesammt -Archiv  zu  Weimar  Reg.  A 
fol  8  No.  1.3  (nach  der  früheren  Eintheilung).  Friedrich  von  Donin 
auf  Wildstein  (Pilsener  Kreis). 

•)  Nordwärts  Pilsen  nächst  Radnitz  an  der  ßeraun  gelegen  und 
von  Liebenstein  im  Egerlande  wohl  zu  unterscheiden. 

7* 


100  Adolph  Bachmann : 

Albrecht  Bezdruzicky  von  Kolowrath  auf  Weseritz  '"), 
Niclas  von  Guttenstein  auf  Breitenstein"),  Dienstmannen 
Hynek  Kruschiuas  von  Schwamberg  auf  Bor  '^',  Johann 
Calta  von  Steinberg  auf  Rabenstein  *^),  Johann  von  Ko- 
stelzen  **);  Dietrich  von  Janowitz  ^*)  und  andere.  Aber 
auch  aus  grösserer  Ferne,  aus  Nordböhmen,  ja  selbst 
Mähren  durfte  Vitzthum  auf  zahlreichen  Zuzug  sicher 
hoffen;  der  streitlustige  Wilhelm  von  Ilburg,  Zawisch  von 
Klinstein,  Johann  Sddlo  von  Smilkau'®),  Jeschko  von 
Boskowitz''),  die  Mährer  Ulrich  der  Jüngere  von  Kaunitz, 
Johann  Zieleticky  '  *)  werden  weiter  als  Führer  besonders 
angeführt.  Reichlichen  Sold  und  die  sichere  Bürgschaft, 
dass  der  Herzog  jeglichen  Schaden,  den  die  Böhmen  an 
Pferden,  Kriegsgeräthe  u.  s.  w.  erleiden  würden,  ersetzen 
wolle  *^)  und  ihnen  darüber  vor  dem  Auszuge  dessen 
Briefe  eingehändigt  werden  sollten^"),  hatte  der  Unter- 
händler versprochen;  daneben  lockte  natürlich  die  Aus- 
sicht auf  reiche  Kriegsbeute.  Um  das  Band  aber  noch 
fester  zu  knüpfen,  gewann  Herr  Apel  eine  ganze  Reihe 
der  vornehmsten  Anführer,  gegen  beträchtlichen  Jahrsold 
des  Herzogs  Räthe  und  Diener  zu  werden.  So  erhielten 
unter  andern  Heinrich  von  Kolowrath  400  FL,  Dietrich 
von  Janowitz  300  Fl.,  wofür  er  mit  16  Pferden  des 
Dienstes  warten  sollte,  Wilhelm  von  Ilburg,  Johann 
Calta,  Jan  Sädlo  je  200  Fl.  zugesagt^*);  das  Geld  sollte 
ihnen  halbjährig  nach  Ablauf  der  Frist  „ausgerichtet" 
werden.  *'■*) 


'")  Vergl.  die  Stammtafel  der  Kolowrath  bei  F.  Bernau,  Biu'gen 
und  Schlösser  Böhmens  211. 

")  Bei  Weseritz. 

'»)  Bei  Tepl. 

'*)  Zwischen  Chiesch  und  Manetin. 

■*)  Nächst  Staab  südlich  von  Pilsen. 

'*)  In  der  Nähe  von  Klattau. 

'")  Die  bisher  genannten  ausser  Friedrich  von  Donin  in  Fontes 
r.  A.  XLII,  45—46,  52. 

")  Nach  Fontes^  r.  A.  XLII,  278. 

")  Nach  Th.  Pesina  z  Cechorodu,  Mars  Moravicus  635,  der  sich 
auf  einen  Anonym,  ad  an.  1447  beruft.  Dass  die  von  Palacky  1.  c. 
nach  den  Stafi  letopisowe  cesti,  Scriptor.  rer.  Bohem.  III,  146  weiter 
genannten  Führer  nicht  hierher  gehören,  s.  unten. 

")  Diese  Briefe  sind  noch  nicht  zum  Vorschein  gekommen ; 
vergl.  übrigens  Härtung  Kammermeister  1.  c.  1192.  Fontes  r.  A. 
XLII,  281. 

">)  Fontes  r.  A.  XLII,  30. 

»•)  Nach  Fontes  r.  A.  XLII,  45—46. 

")  Ebendort  46,  vergl.  277. 


Herzog  Williolm  von  Sachsen  auf  dem  Zuge  vor  Soest.     101 

Noch  eins  hatte  Vitzthum  in  Petschau  bestelk.  Die 
böhmischen  Truppen,  wenn  auch  grösstentheils  aus  Ge- 
genden, die  heute  germanisiert  sind,  gehörten  sämmthch 
der  czechischen  Zunge  an.  Noch  mehr  als  früher  musste 
der  Herzog  Wilhelm  das  Bedürfnis  empfinden  nach  einem 
„endlichen  Diener,  der  deutsch  und  böhmisch  könne,  auf 
den  er  Glauben  zu  setzen  und  den  er  auch  zu  Zeiten  in 
werbender  Botschaft  gegen  Böhmen  zu  senden  vermöge". 
Der  Schreiber  der  SternbergC;  Jobst  von  Einsiedel,  kein 
anderer  als  der  später  so  eiuflussreiche  Sekretär  König 
Georgs  von  Böhmen,  Hess  sich  bewegen,  den  Uebertritt 
in  des  Herzogs  Dienst  (wir  wissen  nicht,  auf  wie  lange) 
zuzusagen.'"^*) 

Mitte  Februar  1447,  nachdem  eben  Jobst  von  Ein- 
siedel  noch  in  Thüringen  beim  Herzoge  behufs  weiterer 
Vereinbarung  besonders  des  Wortlautes  der  Schadlos- 
briefe geweilt  ^^),  hatte  Herzog  Wilhelm  seine  Schlösser 
zur  Aufnahme  der  fremden  Truppen  bereit  gemacht.  Man 
sandte  nun  die  Briefe  an  Peter  von  Sternberg  mit  der 
Bitte,  sofort  den  Auszug  der  Scharen  über  Eger  zu  ver- 
anlassen und  damit  nicht  weiter  zu  säumen,  „da  ihm  gar 
viel  daran  gelegen  sei".  Das  scheint  denn  auch,  wenn 
auch  nicht  so  rasch  wie  der  Herzog  wünschte,  geschehen 
zu  sein.  Nach  und  nach  zogen  40  Fähnlein  Böhmen,  wohl- 
gerüstet und  kampfesmuthig,  gegen  Thüringen.  Sie  wur- 
den in  Weida,  Weissenfeis  und  anderwärts  untergebracht*'), 
und  bildeten,  nachdem  etwa  Ende  April  alle  Abtheilungen 
versammelt  waren,  eine  Macht  von  85U0 — 9000  Streitern. '^^) 

Die  grossen  Rüstungen  des  Herzogs  im  Angesichte 
des  Tages,  der  am  24.  April  zu  Naumburg  beginnen 
und  auf  jeden  Fall  zum  Frieden  führen  sollte,  mochten 
freilich  die  Friedensliebe  desselben  in  etAvas  eisjenthüm- 
lichem  Lichte  erscheinen  lassen.  Thatsächlich  schienen 
denn  auch  die  Berathungen  unter  der  Linde  bei  Naum- 
burg trotz  der  Anwesenheit  der  vermittelnden  Fürsten, 
der    Gesandten    des    Erzbischofes    von    Mainz ,    der   Er- 


^»)  Fontes  r.  A.  XLII,  30,  31. 

")  Ebendort  30. 

="*)  Härtung  Kammermeister  I.  c  1193.     Stolle  I.  c.  21. 

")  8500:  Konrad  Stolle  21.  9000:  Härtung  Kammermeister  1195. 
In  weiterer  Entfernung  steigerte  die  Phantasie  der  Berichterstatter 
die  Zahl  der  Böhmen  oder  doch  des  ganzen  herzoglichen  Heeres 
auf  40000  Mann  und  noch  höher.    Vergl.  unten. 


102  Adülpli  Bacliiuanu: 

furter   u.    s.    w.    eher    alles    andere,    als    die  Aussöhnung 
herbeizuführen.  '^ ') 

Nicht  bloss  die  Fürsten,  die  durch  eigene  Sprecher 
ihre  Sache  vertreten  Hessen,  wurden  durch  die  gegen- 
seitigen Ansprüche  und  Anklagen  immer  gereizter;  auch 
die  beiderseitigen  Landsassen  geriethen  aneinander.  Es 
kam  bis  zu  Waftengebrauch  und  schwerer  Verwundung. 
Zum  üeberflusse  hörte  man  noch  von  der  Fortdauer  der 
Fehde  zwischen  Graf  Ludwig  von  Gleichen  und  Apel 
Vitzthum  und  berichteten  wiederholte  Meldungen  von  der 
Raublust  der  Böhmen,  die  von  Weissenfeis  aus  das  Naum- 
burger und  Merseburger  Stiftsgebiet  verheerten  und  in 
des  Herzogs  eigenem  Lande  bis  vor  die  Thore  Weimart? 
plünderten.^*) 

Drei  Wochen  hatte  der  Streit  o-edauert.  Schon  waren 
die  mainzischen  Gesandten,  die  Boten  der  Erfurter,  Mühl- 
häuser  u.  s.  w.  abgereist,  schon  rüstete  auch  Kurfürst 
Friedrich  zum  Abzüge  und  schien  die  Fehde  nur  noch 
gewaltiger  entbrennen  zu  sollen,  als  die  Fürsten  im 
letzten  Augenblicke  wenigstens  zur  Verlängerung  des 
Waffenstillstandes  bis  1.  September  1447  bewogen  wurden. 
An  diesem  Tage  solle  man  in  Mühlhausen  zusammen- 
treten und  wollen  Friedrich  IL  von  Brandenburg  und 
Ludwig  von  Hessen  als  Bevollmächtigte  die  Streitfragen 
friedlich  entscheiden.  Bis  dahin  möge  auch  Apel  Vitz- 
thum „in  dem  Frieden  stehen". 

Was  war  es,  das  Herzog  Wilhelm  auf  einmal  so 
friedlich  stimmte?  Brüderliche  Liebe,  das  Mitleid  mit 
den  schwer  geprüften  Landen  waren  es  sicherlich  nicht; 
schwerlich  auch  die  Drohungen  der  Vermittler. '■'**)  Viel 
wahrscheinlicher  war  es  die  starke  Macht,  mit  der  ihm 
sein  Bruder  entgegen  zu  treten  vermochte.  Auf  die 
Kunde  von  der  AVerbuug  Wilhelms  in  Böhmen,  die  na- 
türlich nicht  verborgen  bleiben  konnte,  hatte  nämlich 
Kurfürst  Friedrich  nicht  blos  im  eigenen  Lande  stark 
gerüstet,  sondern  auch  in  Schlesien,  der  Mark  und  vor 
allem  gleichfalls  in  Böhmen  und  zwar  mit  Erfolg  werben 


*')  Die  iiachfolgende  Darstellung  vor  allem  nach  Konrad  Stolles 
fast  gleichzeitiger  Chronik  20—21. 

*')  Härtung  Kammermeister,  Annal.  Erfurtenses  1.  c.  1192  fg. 
Konrad  Stolle  20  fg. 

*•)  Stolle  20:  Do  reyt  Margrafe  Frederich  von  Braudenborg  zu 
derae  jungen  hern  keyn  Fryborg,  vnnd  sagete  ome  also  vel,  vnnd 
bedrowete  on  vnnd  ouch  dy  Vitcztum. 


Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  auf  dem  Zuge  vor  Soest.     103 

lassen.'")  Zwar  warnte  Zdenko  Holicky  von  Sternberg, 
der  spätere  Oberst burg-g-raf  von  Prag  und  Hauptgegner 
Greorg  Podiebrads,  die  Böhmen,  nach  Meissen  zu  ziehen, 
wohin  er  sich  erst  selbst  begeben  hatte;  er  besorgte  wohl 
den  Kampf  von  Böhmen  gegen  Böhmen.  Trotzdem 
nahm  Peter  Kdulinec  von  Ostrom  ei"  mit  300  und  Cecek 
von  Pakomefic  mit  400  Mann,  Fussgänger  und  Reiter, 
meissnische  Dienste.  Ihnen  folgten  der  jüngere  Berka 
von  Chlumec  und  andere  mit  Schaaren  in  der  Gesammt- 
stärke  von  fast  4000  Mann.'\) 

Mit  dem  Waffenstillstände  erwuchs  für  den  Herzog 
Wilhelm  die  Verlegenheit,  was  nun  mit  den  geworbenen 
fremden  Kriegsleuten  zu  beginnen.  Schon  zehrten  sie 
aus  seinem  Säckel  und  vom  Lande,  eine  massige  Abfin- 
dung wollten  sie  nicht  nehmen '■*),  die  Jahrgelder  mussten 
jedesfalls  gezahlt  werden.  Es  war  wieder  Apel  Vitzthum, 
der  einen  gelegenen  Ausweg  fand.  Die  ersten  Tage  nach 
dem  Ende  des  Naumburger  Tages  sahen  ihn  auf  dem 
Wege  nach  Westfalen, 

Bestrebt,  seinen  fürstlichen  Eigenwillen  in  ganz  West- 
falen zur  Geltung  zu  bringen,  und  vor  allem  den  Bund 
der  Städte  und  Ritterschaft  des  Landes  zu  sprengen,  hatte 
der  kampflustige  Kurfürst  Dietrich  von  Köln  an  der 
trotzigen  Hansestadt  Soest  eine  mächtige  Gegnerin  ge- 
funden.'*)  Die  Feindseligkeiten  des  Erzbischofes  beant- 
wortete die  Stadt  damit,  tlass  sie  ihm  nun  den  Gehorsam 
völlig  auflvündigte  und  Johann,  den  Sohn  Herzog  Adolfs 


*")  Hart.  Kammermeister  1191. 

*')  Stari  letopisowe  oesti  1.  c.  st.  146.  Dass  mau  zwischen  böh- 
mischen Schaaren,  die  zugleich  dem  älteren  und  jüngeren  Herrn 
von  Sachsen  zu  Hülfe  kamen,  unterscheiden  müsse,  beweist  schon 
die  verschiedene  Zeit  ihres  Auszuges  (w  nedeli  po  boziem  wstüpenj 
—  am  Sonntag  nach  Christi  Himmelfahrt  —  zog  Kdulinec,  die  an- 
deren noch  später) ,  der  ^Yeg  der  zum  Kurfürsten  nach  ,, Meissen" 
ziehenden  über  Prag,  das  Eingreifen  Zdeidvo  Sternbergs,  während 
anderseits  die  Nachrichten  und  Urkunden  über  Herzog  Wilhelms 
Zug  und  dessen  böhmische  Ilülfstruppen  nur  von  den  oben  genannten 
Führern  wissen. 

*^)  Palacky  1.  c,  dei-  aber  seine  Quelle  nicht  nennt. 

"j  Th.  ü.  W.  Emminghaus,  Memorabilia  Susatensia,  Jena  1749, 
688  fgg.  Die  Möglichkeit,  dieses  Werk  benützen  zu  können,  ver- 
danke ich  der  freundlichen  Vermittelung  des  Herrn  Staatsai'chivar 
Dr.  Ermisch.  Vergl.  Ennen,  Geschichte  der  Stadt  Köln  HI,  359. 
Hegel,  Die  Chroniken  der  deutschen  Stiidte  vom  14.  bis  16.  .Jahrh. 
XIV  (der  kölnischen  Chroniken  III)  Einleitung  180. 


104  Adolph  BachuiaDn: 

von  Cleve,  zum  Schutzherrn  wähke.  ^*)  Weder  der  Schieds- 
sprucli  des  Kaisers,  noch  die  Acht  des  Reiches^*),  noch 
endhch  die  bewaffneten  Angriffe  des  Kurfürsten;  auch 
als  er  unter  dem  Banner  des  Reiches  zur  Bekämpfung 
der  Stadt  auszog^'*),  vermochten  Soests  Widerstand  zu 
beugen.  Schon  einmal,  1444  bei  Beginn  der  Fehde,  waren 
böhmische  Schaaren  bis  nach  Westfalen  gerufen  wor- 
den und  hatten  auch  an  der  Bekämpfung  der  Soester 
theilgenommen,  ohne  gleichwohl  Entscheidendes  ausrichten 
zu  können.^')  Um  so  bereitwilliger  hörte ^*)  jetzt  der 
erbitterte  Kölner  Kirchenfürst  auf  die  Vorschläge,  die 
ihm  Herr  Apel  Vitzthum  im  Namen  seines  Herrn  unter- 
breitete. Er  versprach  nicht  blos  die  Zahlung  des  Soldes 
und  die  Erhaltung  des  Heeres  zu  übernehmen,  sondern 
stellte  dem  Herzoge  für  seine  Hülfeleistung  selbst  grosse 
Summen  in  Aussicht. . 

Noch  nach  einer  anderen  Seite  knüpfte  Herzog  Wil- 
helm Verbindungen  an.  Wie  in  Westfalen  hielten  auch 
in  den  niedersächsischeu  Landen  Nobilität  und  Bürger- 
thum  sich  in  schaifem  Gegensatze  die  Wage.  Schon  war 
auch  hier  Herzog  Wilhelm  von  Braimschweig- Gruben- 
hagen mit  den  Eimbeckern  feindlich  zusammengerathen. 
Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  durfte  hoffen,  dass  er  mit 
seinem  Erscheinen  an  der  Spitze  der  gefiirchteten  böhmi- 
schen Schaaren  und  mit  dem  Aufgebote  seiner  eigenen 
Lande  nicht  bloss  im  Stande  sein  werde,  dem  Braun- 
schweiger und  Kölner  zum  Siege  zu  verhelfen,  sondern 
auch  Aveithin  als  Schiedsrichter  aufzutreten.  Während  er 
daher  die  Seinen  aufrief,  trat  er  mit  Wilhelm  von  Braun- 
schweig in  Verbindung  und  fand  auch  da  freudige  Zu- 
stimmung. So  konnte  nach  Apel  Vitzthums  Rückkehr 
der  Zug  beginnen,  da  die  Böhmen  selbst  der  weiten  Fahrt 
nicht  widerstrebten. 


**)  Lacomblet,  Urkundenbuch  für  die  Geschichte  des  Niederrheins 
IV,  Nr.  258.    Urk.  v.  23.  April  1444. 

")  Chmel,  Regesten  I,  No.  1873.    Brief  vom  22.  Dez.  1444. 
"    ")  Ebendort  No.  2216,   2217.    Ludwig  von   der  Pfalz  und  Kur- 
fürst Friedrich    von   Sachsen   werden    zu   Hauptleuten    des  Reiches 
bestellt. 

*')  Koelhüff'sche  Chronik  bei  Hegel  1.  c.  785.  S.  dagegen  Em- 
minghaus  1.  c.  690. 

*')  Härtung  Kammermeister  1195.  Die  gegentheilige  Meldung 
dass  der  Kurfürst  geschickt  habe,  erscheint  nach  den  Umständen 
weniger  glaublich. 


Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  auf  dem  Zuge  vor  Soest.     105 


II. 

In  den  letzten  Tagen  des  Monats  Mai  hatten  sich 
die  Truppen,  die  an  der  Fahrt  theilnehmen  sollten,  um 
Weimar  versammelt;  von  Berka  im  Süden,  wo  die  Böh- 
men lagerten^"),  über  Weimar  und  Buttelstedt  bis  Weissen- 
see  im  Norden*")  standen  etwa  1600U  Mann*')  bereit. 
Am  Donnerstage  nach  Pfingsten  (1.  Juni)  sollte  der  Auf- 
bruch geschehen.  Den  Tag  vorher  gab  es  aber  auch 
schon  den  ersten  Anstand  mit  den  Böhmen.  Jetzt,  da 
es  ernst  werden  sollte,  schienen  sie  plötzlich  die  Lust  zu 
dem  Zuge  verloren  zu  haben;  nur  mit  vieler  Mühe  und 
mancherlei  Zusagen  gelang  es  Herzog  Wilhelm ,  die 
Führer,  die  von  Berka  zu  ihm  nach  Weimar  herüberge- 
ritten waren,  umzustimmen.*^)  Es  w^ar  ein  böses  Omen 
für  das,  was  nachfolgen  sollte. 

Am  Ende  des  ersten  Tagemarsches  fanden  sich  die 
verschiedenen  Heeresabtheilungen  im  Lager  bei  Strauss- 
furt  an  der  Unstrut  zusammen*^);  an  Rudestedt  und  dem 
Gebiete  der  Erfurter  vorüber,  die  misstrauisch  und  in 
guter  Wehr  den  Zug  beobachtet  hatten**),  waren  die 
Böhmen  von  Berka  hingezogen.  Der  zweite  Tagemarsch 
brachte  das  Heer  bis  in  die  Nähe  Mühlhausens  *^),  doch 
nicht  ohne  Behinderung.  Der  Uebergang  über  die  Unstrut 
hatte  die  Abneigung  der  Böhmen  gegen  „die  Reise"  neuer- 
dings wachgerufen.  Diesmal  half  auch  des  Herzogs 
Zureden  nichts;  mehrere  Fähnlein  der  Böhmen  Hessen 
sich   nicht   abhalten,    allein    den  Rückweg   in  die  Heimat 

»»)  Fontes  r.  A.  XLTI,  37. 

*")  K.  Stolle  1.  c.  21. 

*')  Die  deutschen  Truppen  waren  daher  um  ein  weniges 
schwächer  als  die  böhmischen.  Die  Zahl  nach  Hart.  Kammer- 
meister 1195.  K.  Stolle  21  sagt:  8500  Böhmen  und  ebenso  viel 
Deutsche.  Pesina  hat  2G000,  ebenso  viel  die  Koellioff'sche  Chronik 
bei  Hegel,  Städtechroniken  XIV,  788,  und  Eniminghaus  1.  c.  689.  Der 
Franziskaner  Lesemeister  Detmar  in  seiner  Lübeck'schen  Chronik 
(ed.  Grautoff  2.  Th.  1830)  H,  107  „boven  XXX  dusent  man",  worunter 
nur  5000  Deutsche.  Vergl.  noch  Matth.  Doeringii  continuatio  chro- 
nici  Tlieod.  Engelhusii  bei  Mencke  HI,  15  u.  a. 

*^)  Fontes  r.  A.  1.  c. 

**)  Fontes  r.  A.  XLH,  37  „Stussfert",  das  nicht  mit  Stassfurt 
zu  erklären  ist. 

**)  Wie  K.  Stolle  22  in  patriotischer  Freude  meldet. 

**)  Hart.  Karamermeister  1195:  Grabe  by  Molhusen.  Fontes 
r.  A.  XLI,  37:  „bie  Körnte"  (Körner,  Dorf  östlich  von  Mühlhausen). 


106  Adolph  Bachmann: 

anzutreten,  nicht  ohne  dem  herzoglichen  Obermarscliall 
ein  Pferd  wegzuführen.  *^)  Um  so  mehr  trug  Wilhehn 
jetzt  an  der  Grenze  des  eigenen  Gebietes  dafür  Sorge, 
eine  feste  Ordnung  für  den  ferneren  Zug  im  Heere  auf- 
zurichten, um  dadurch  niclit  blos  Ausschreitungen  und 
Verhiste  zu  vermeiden,  sondern  vor  allem  auch  die  ein- 
zelnen Rotten  des  Söldnerheeres  noch  enger  an  sich  zu 
ketten. 

Erst  erging  an  sie  des  Herzogs  Aufforderung,  aus 
ihrer  Mitte  einen  Oberanführer  zu  erwählen,  was  aber, 
bezeichnend  genug,  an  ihrer  Uneinigkeit  scheiterte.  Auf 
ihren  Wunsch  und  mit  ihrer  Zustimmung  bestellte  nun 
Herzog  Wilhelm  selbst  Herrn  Peter  von  Sternberg  zum 
obersten  Hauptmann  über  sie.  Als  die  Rottmeister  die- 
sem Gehorsam  gelobten,  empfing  auch  Herr  Apel  Vitz- 
thum  an  des  Herzogs  Statt  nochmals  von  ihnen  die  Zu- 
sage mit  Hand  und  Mund,  sie  wollten  dem  Herzoge  treu 
und  gehorsam  sein  und  ihm  folgen,  wohin  er  in  Person 
sie  führen  würde.  *')  Dann  ward  folgende  „Ordnung" 
vereinbart  und  durch  das  ganze  Heer  ausgerufen: 

1.  Niemand  soll  beim  Aufhruche  voranziehen  wollen,  es  sei 
denn  der  Marschall  der  Böhmen  oder  Deutschen  und  die  ihm  bei- 
gegeben sind.  Wer  diesen  vorzuziehen  wagt,  den  soll  man  „vom 
Pferde  setzen".  Widersetzt  er  sich  dem,  so  wird  er  an  Leib  und 
und  Gut  gestraft. 

2.  Kein  Krieger  soll  beim  Aufbruche  weiter  ausrücken  als  bis 
in  das  nächste  Feld  am  Lager;  hier  soll  man  harren,  bis  die  Wägen 
in  Reihe  und  Ordnung  kommen. 

3.  Die  Wagen  der  deutschen  Krieger  ziehen  auf  der  einen, 
die  der  böhmischen  auf  der  andern  Seite  des  Weges;  jeder  Wagen 
hat  während  der  ganzen  Dauer  des  Zuges  seinen  sichern  Platz  in 
der  Reihe,  den  er  ohne  Ahndung  nicht  verlassen  darf. 

4.  Das  Hauptbanner,  das  nach  dem  Rathe  der  Hauptleute  be- 
stellt wird,  soll  an  der  Spitze  des  Zuges  sein  und  niemand  ihm  aus 
dem  Haufen  vorrücken. 

5.  Die  Reisigen  sollen  neben  und  hinter  ihren  Wagen  einher- 
gehen in  der  Ordnung,  die  ihnen  vorgeschrieben  wu'd  und  passend  ist. 

6.  Eigene  „Nachtreiber"  werden  die  Ordnung  überwachen. 

7.  Findet  man  bereits  jemanden  an  dem  Orte,  den  man  zur 
Lagerstatt  bestimmt  hat,  so  soll  ihn  der  Marschall  durch  seine  Leute 
greifen  und  dem  Herzoge  überliefern  lassen. 

8.  Niemand  darf  Städte,  Burgen  und  Kirchen  ohne  Geheiss 
des  Herzogs  oder  seiner  Hauptleute  angreifen. 

9.  Es  soll  überhaupt  niemand  vom  Zuge  abschweifen  und  da- 
neben ausreifen  ohne  Wissen  der  Hauptleute;  für  Schaden,  den  er 
dabei  empfängt,  wird  der  Herzog  nicht  einstehen. 


*•)  Fontes  r.  A.  XLÜ,  ,S7. 
♦')  Fontes  r.  A.  XLH,  .38, 


Herzog  Wilhelm  von  Sacliaeii  aui  dem  Zuge  vor  Soest.      107 

10.  Keiner  soll  mit  dem  andern  Streit  anfangen.  Geschieht  es 
dennoch,  so  soll  die  Sache  jedesfalls  vor  die  Ilauptleute  gebracht 
werden,  wo  jedem  sii^^her  sein  Recht  wird.  Zückt  einer  Schwert  oder 
Messer,  so  soll  man  ihm  die  Hand  durchstechen  ;  verwundet  er  den 
andern,  so  soll  man  ihm  die  Hand  abhauen;  tödtet  er  ihn,  so  soll 
man  ihm  den  Kopf  abschlagen. 

11.  Alle,  die  dem  Heere  zuführen,  -treiben  oder  -tragen,  sollen 
Sicherung  und  Freiung  geniessen. 

12.  Niemand  soll  beim  Aufbrechen  seine  Bude  anzünden  und 
überhaupt  brennen  und  sengen  ohne  des  Herzogs  Geheiss ;  wer  da- 
wider thut,  der  soll  ebenso  mit  Feuer  gestraft  werden.*') 

Man  siebt,  die  Ordnung  war  streng  und  gut.  Aber 
was  bilft  die  beste  Ordnung,  wenn  der  unbändige  Kriegs- 
mann sich  nicht  zu  bezwingen  vermag,  wenn  die  Führer 
statt  dafür  einzustehen  durch  eigene  Widersetzlichkeit 
und  Willkür  die  Bande  des  Gehorsams  zerstören  oder 
wenn,  was  bald  geschah,  die  Notli  gebieterisch  zur  Selbst- 
hülfe drängt? 

Das  Heer  hatte,  von  Mühlhausen  nordwestlich  ziehend, 
um  an  Göttingen  vorbei  das  trotzige  Einbeck  zu  erreichen, 
kaum  das  Eichsfeld ^^)  betreten,  als  die  eben  geschaffene 
Ordnung  sich  aucli  schon  zu  lösen  begann.  Das  wurde 
je  länger  um  so  schlimmer.  Des  geordneten  Ziehens  über- 
drüssig, zogen  einzelne  Rotten  immer  wieder  besonders 
und  lagerjten  besonders.  Dajdurch  ward  die  Verpflegung 
erschwert  und  unregelmässig,  selbst  wenn  hinlänglich  Vor- 
räthe  im  Heere  vorhanden  waren .  was  nicht  immer  ge- 
wesen zu  sein  scheint.  Um  so  w^eniger  scheute  man  fern 
von  dem  Auge  des  Herzogs  vor  Eigenhülfe  und  der  alten 
Gewohnheit  zu  plündern  zurück;  besonders  auf  Kirchen 
und  Klöster  war  es  von  dem  hussitischen  Krieo^smann  ab- 
gesehen,  da  es  hier  an  edlem  Metall  und  kostbaren  Ge- 
wändern oder  doch  wenigstens  in  den  Kirchenglocken 
insgemein  reichlichere  Beute  gab;  eine  religiöse  Scheu, 
die  ihn  etwa  zurückhielt,  besass  er  nicht.  Anderseits  ward 
freilich  wieder  mancher  über  der  Gewaltthat  erschlagen, 
so  z.  B.  im  Lager  vor  Göttingen,  wo  nur  die  Dazwischen- 
kunft  der  beiden  Herzoge  Heinrich  und  Wilhelm  von 
Braunschweig  und  des  Landgrafen  von  Hessen  ^"),  die 
gleichfalls  dem  Kölner  zuziehen  wollten,  die  Stadt  vor 
einem  Angriffe  des  rachedürstenden  Heeres  errettete.  Auch 
der  Herzog,  so  grossen  Verdruss  er  über  diese  Voi-gänge 


*»'\ 


')  Fontes  r.  A.  XLH,  3b. 
*•)  Hart.  Kamniermeister  1195:   „zoch  herzog  Wilhelm  .  . '.  vf 
den  Sonnabcnt  (.H.  Juni)  darnach  vf  das  Eisfeld  etc." 

*")  Nur  erwähnt  bei  Detmar,    Lüb.  Chronik  1.  c.  108. 


50 


108  Adulpli  Bacbmaun: 

empfand,  liatte  einen  Augenblick  daran  gedacht,  sicli 
Göttingens  zu  bemächtigen.^^) 

Vereint  zogen  nun  die  Fürsten  nordwärts  vor  Einbeck. 
Trotz  der  geschilderten  Uebelstände,  die  sogar  unter  den 
„Gleichen",  zwei  Bergen  nordwärts  von  Göttingen,  den 
brandenburgischen  Dienstmannen  im  Heere  den  Anlass 
oder  Vorwand  gaben,  sich  von  dem  Zuge  zu  trennen  und 
umzukehren  ^^),  schien  der  allseitige  Erfolg  des  Unter- 
nehmens sicher.  Zwar  hatte  die  Stadt  Einbeck  einen 
Rückhalt  gefunden  an  dem  Bischöfe  Magnus  von  Hildes- 
heim aus  dem  Geschlechte  der  Herzoge  von  Sachsen- 
Lauenburg,  und  eilte  dieser  auch  jetzt  zu  Hülfe  herbei, 
nachdem  er  schon  früher  dem  Herzoge  Wilhelm  von 
Braunschweig  mehrere  Orte  abgenommen:  binnen  drei 
Tagen  beugten  der  Herzog  und  die  Böhmen  durch  ihre 
Uebermacht  und  die  Drohung,  die  Saaten  zu  zertreten, 
den  Trotz  der  Bürgerschaft.  Die  Einbecker  gelobten 
dem  Herzoge  von  Braunschweig  Gehorsam  und  versprachen 
12000  ä.  zu  zahlen.  ^^)  Auch  der  Bischof  von  Hildesheim 
hielt  es  für  das  Beste,  seine  Truppen  aus  Einbeck  und 
den  anderen  besetzten  Punkten  wegzuziehen  und  lieber 
gleichfalls  sich  dem  Heereszuge  nach  Westfalen  anzu- 
schliessen. 

Mit  gesteigertem  Selbstvertrauen  zogen  nun  die  Fürsten 
westwärts,  setzten  über  die  Weser  und  drangen  in  das 
Paderborn 'sehe  Stiftsgebiet  ein^*),  Brakel  ^^)  und  andere 
Orte  auf  dem  Wege  mehr  durch  den  Schrecken  ihres 
Namens  als  durch  Gewalt  zur  Ei'gebung  und  Abdingung 
zwingend.  Schon  hatte  sich  auch  Kurfürst  Dietrich  von 
Köln  erhoben,  dem  heranziehenden  Heere  die  Hand  zu 
reichen.  So  sehr  mehrten  die  glücklichen  Ereignisse  die 
freudige  Siegeszuversicht  des  Heeres,  dass  die  Böhmen 
sich  rühmten,  sie  würden  Soest  nehmen,  „es  sei  denn, 
dass  die  Stadt  ein  Gewölbe  über  ihr  hätte  und  es  nicht 
möglich  sei,  dass  sie  jemand  konnte  gewinnen".*^)  Aber 
es   wuchs    auch    ihre  Raublust  und  Zügellosigkeit,  wobei 


*')  Detraar  1.  c. 

**)  Die  Angabe  des  Reimchronisten  bei  Emminghaus  1.  c.  68,9 
ist  darnach  richtig  zu  stellen. 

**)  Detmar,  L.Ch.  107—108,  Stolle  22  :  „czehen  tusent  gülden.'' 
u.  a.  0. 

")  Nach  Detraar  108. 

")  Pesina,  Mars  Moravicus  636. 

'«)  K.  Stolle  25. 


Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  auf  dem  Zuge  vor  Soest.     109 

sie  es  mit  der  Uutersclieidung  von  freundlichem  und 
feindlichem  Gebiete  nicht  eben  sonderlich  genau  nahmen. 
So  hatte  Heinrich  von  Kolowrath  M'ährend  der  zwei- 
tägigen Rast  bei  „Lutharst",  westlich  von  Einbeck,  selbst 
das  braunschweigige  Oklcndorf  (?)  angegriffen,  ohne  freilicl 


1 


sich  des  Ortes  bemäclitigen  zu  können.  Herzog  Wilhelms 
zornige  Vorstellungen  aber  und  seine  Erklärung,  für  den 
hier  erlittenen  Schaden  werde  er  nicht  aufkommen,  hatten 
Kolowrath  und  eine  Reihe  anderer  Rottnieister  mit  offenem 
Trotze  beantwortet  und  wirklich  dann  das  Signal  zum 
Aufbruche  und  Weiterzuge  unbeachtet  gelassen.  Erst 
Apel  Vitzthum,  der  bei  ihnen  zurückblieb,  gelang  es,  die 
Zürnenden  zu  beschwichtigen  und  zum  Nachziehen  zu  be- 
wegen, worauf  auch  der  Herzog  durch  versöhnliches 
Wesen  das  Geschehene  vergessen  zu  machen  strebte.^') 
Die  Vereinigung  des  rheinischen  mit  dem  sächsisch- 
böhmischen Heere  brachte  zunächst  schwere  Tage  für  das 
Lippe'sche  Gebiet.  Wie  ein  verheerender  Strom  ergoss 
sich  das  zu  unwiderstehlicher  Stärke  angewachsene  Heer 
über  das  imglückliche  Land.  Da  wurde  Schloss  und 
Stadt  Blomberg  erstürmt,  geplündert  und  angezündet  ^*'), 
Hörn  und  Detmold  mit  der  Burg  zur  Unterwerfung  ge- 
zwuno^en.  Aus  Lemgo  war  oreflohen,  was  nur  zu  fliehen 
vermochte;  die  übrigen  huldigten  dem  Erzbischofe,  zahl- 
ten 9000  fl.  und  versorgten  das  Heer  mit  Speise  und 
Trank.***)  Aehnlich  erging  es  mit  Salzufteln  (Salz?)  und 
Herford,  wo  man  13000  fl.  erpresste.  Nur  Schloss  Falken- 
berg widerstand  mit  Erfolg  den  Scharen  der  Angreifer. *'°) 
Ein  gewaltiger  Schreck  flog  weithin  durch  die  nieder- 
deutschen "Lande.  Da  gaben  die  Bürger  von  Osnabrück 
den  gefangenen  Johann  den  Jüngern  von  Hoya  ohne 
Lösegeld  frei,  als  die  Heerführer  dies  verlangten,  und 
leisteten  willig  zur  Versorgung  des  Heeres."')  Da  machten 
die   Drohungen    des   Bischofes   von   Münster,    diese   Stadt 


*')  Fontes  r.  A.  XLII,  39.  Vergl.  übrigens  des  Herzogs  JBe- 
schwerdebrief  gegen  Heinrich  von  Kolowrath  im  Grossh.  und  Herz. 
Gesammt-Arch.  zu  Weimar  Reg.  A,  Ibl  8b,  No.  18. 

*»)  Nach  789  Anm.  1,  in  Hegel,  Städtcchroniken  XIV  (Koelhofl''- 
sche  Chronik).     Detmar,  L.  Ch.  1.  c.  sagt  25000  fl. 

*»)  Archiv  cesky  IV,  st.  388  a.  a.  0. 

*")  Detmar,  L.  Chr.  108.  Die  Gesammtsumnie  der  Abdingungen 
scliätzt  H.  v.  Kolowrath  auf  56  000  ä.  Arch.  cesky  IV,  st.  388.  Für 
Falkenberg  s.  Emminghaus  1.  c.  690. 

«')  Detmar,  T..  Clir.  109.     Emminghaus  693. 


WQ  Adolph  Bachmann: 

mit  dem  böhmischen  Heere  heimzusuchen,  den  Stadtrath 
derart  gefügig,  dass  er  nicht  bloss  aus  dem  Bunde  gegen 
ihn  zu  treten,  sondern  selbst  Soest  abzusagen  bereit  war; 
kaum  dass  die  Commune  die  üblen  Folgen  dieser  Zag- 
haftigkeit verhinderte.®^)  Die  Drohung  des  Erzbischofes 
endlich,  er  werde  Paderborn  vertilgen,  wenn  die  Stadt 
nicht  aus  dem  Bunde  der  Landschaft  trete,  veranlasste 
die  eilige  Flucht  vieler  aus  der  Stadt,  als  die  gefürchteten 
Böhmen  mit  dem  Heere  herannahten/^)  Allgemein  aber 
wurde  geglaubt  und  beliauptet,  das  Heer  sei  erschienen 
nicht  etwa  Soests  wegen  allein,  sondern  nach  dem  Willen 
der  Fürsten  und  in  der  Absicht,  die  Städter  zu  demüthigen. 
Nach  Hessen  hinauf  und  bis  an  die  Gestade  des  Meeres 
hinab  herrschte  Furcht  und  kriegerische  Bewegung.  ®*) 
Wer  konnte  auch  ahnen,  dass  die  Zeit  der  Erfolge  für 
das  Invasionsheer  bereits  vorüber  sei? 

Nachdem  Herford  gefallen  war,  die  Osnabrücker  sich 
gefügt  hatten,  zog  das  Heer  durch  die  Joche  des  Teuto- 
burger  Waldes  wieder  in  die  westfälische  Hochlandschaft 
und  lagerte  sich  vor  Lippstadt.  Nach  dessen  Bezwingung 
sollte  Soest  an  die  Reihe  kommen.  Hier  aber  brach  sich 
zuerst  die  böhmische  Sturmflut.  „Das  ist  eine  wohlbe- 
festigte Stadt",  schreibt  Heinrich  von  Kolowrath  an  seinen 
Oheim  Pesik  von  Kunwald  nach  Böhmen,  „geschützt 
durch  wasserreiche  tiefe  Gräben,  wenige  Städte  Böhmens 
können  sich  mit  ihr  vergleichen;  nur  dass  die  Gallerien 
an  den  Mauern  nicht  gut  eingerichtet  sind.  Auch  ist  sie 
grösser  als  irgend  eine  Stadt  in  Böhmen  ausser  Prag  und 
Kuttenberg."®*)  Und  der  Lübecker  Chronist  meldet: 
„Die  Lippe  war  wohl  bemannt  mit  guten  wehrhaften 
Leuten  und  wohl  bewahrt  mit  Büchsen  und  mit  allerlei 


**)  Ebendort:   Doch  jo   wart   das   urame   ghedreven   van   der 
menheyt." 

**)  Emminghaus,  Memor.  Susat.  691. 

'*)  Matth.  Doeringii  contin.  Th.  Engelhusii  bei  Mencke  III,  15. 
lieber  den  Schrecken  den   die  Böhmen  verbreiteten  s.  Emminghaus 
090,  692 — 693.     Die  Menge  erzählte  sich  die  seltsamsten  Dinge: 
Dat  Gerochte  genck  ock  in  dem  Swanck, 
Dat  dey  Bemen  hedden  enen  Sterth  lanck, 
Und  klemmeden  dey  Muren  op  als  Ratten, 
All  sunder  Ledderen  und  Latten, 
Und  all  dat  nicht  gewelwet  was  to, 
Dar  kondeu  sey  inkomen  spade  und  vro. 
(Emminghaus  694). 

•*)  Archiv  cesky  IV,  388.    Eine  genaue  deutsche  Uebersetzung 
bei  Palacky,  Gesch.  Böhm.  IV.  1,  179  fg. 


Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  auf  dem  Zu^e  vor  Soest.     1 1 1 

Wehre."  **^'j  Der  LippeÜuss,  der  die  iStadt  auf  der  Nord- 
seite umströmt,  machte  zudem  von  hier  überhaupt  jede 
Eroberung  unmöglich.**')  So  ging  die  Belagerung  nur 
langsam  vorwärts. 

Zwar  wurden  Mauern  und  Thore  durch  das  Geschütz 
der  Belagerer  fast  niedergeworfen,  wiederholt  loderten  in 
der  Stadt  die  Flammen  empor '^^):  die  Lippstädter,  die 
höhnend  dem  Erzbischofe  entboten,  auch  nicht  einen  Hel- 
ler wollten  sie  ihm  zahlen**'-*),  löschten  glücklich  die  bren- 
nenden Häuser  und  thaten  mit  ihren  Geschützen  den  Be- 
drängern nicht  minderen  Schaden.'")  Schon  lag  man 
elf  Tage  vor  der  Stadt  ' '),  und  noch  wollte  der  Augen- 
blick zum  Sturme  nicht  kommen.'^)  Inzwischen  bedrängte 
ein  anderer  Feind  immer  grimmiger  die  deutschen  und 
böhmischen  Heerhaufen,  der  Hunger. 

Es  mag  sein,  dass  die  Zügellosigkeit  der  Böhmen, 
ihre  Ungenügsamkeit  die  Verpflegung  erschwerte,  dass 
sie,  wie  dann  der  Herzog  bitter  klagte,  nicht  selten  auch 
jene  Vorrätlie  gewaltsam  sich  aneigneten,  die  für  die 
deutschen  Heeresabtheilungen  bestimmt  waren.  ")  Die 
Beschwerden  derselben  über  schweren  Mangel,  den  sie 
leiden  müssten,  wie  über  unregelmässige  Zahlung  des 
Soldes  scheinen  dabei  trotzdem  berechtigt  gewesen  zu 
sein.'*)   Die  Noth  muss  gross  gewesen  sein,  wenn  Herzog 


•«)  L.  c.  108. 

")  K.  Stolle  24.  Vnnd  dy  stad  had  vff  ehier  syten  eyn  wasser, 
genant  dy  Lippe,  do  von  sy  also  veste  was,  das  sy  or  nicht  konden 
angehabe  noch  gestorme  etc. 

«*)  Koelhoft'^sche  Chronik  bei  Hegel,  Städtechroniken  XIV,  789. 
Emrainghaus  1.  c.  695. 

«»)  K.  Stolle  24. 

'»)   Detmar,  L.  Chr.  108  a.  a.  0.  Emrainghaus  1.  c.  697. 

")  Archiv  cesky  IV  st.  388 :  skoro  dve  nedele  (fast  zwei  Wochen). 
Fontes  r.  A.  XLII,  40:  „vierzehentage".  K.  Stolle  1.  c.  von  Diens- 
tag nach  Viti  (20.  Juni)  bis  Freitag  Petri  und  Pauli  (30.  Juni). 
Koelhoffsche  Chronik  1.  c.  789:  „ind  stormdcu  die  14  dage  lank". 
Die  gleiche  und  wie  es  scheint  genaueste  Angabe  wie  Stolle  hat 
auch  Bartholomcus  von  der  Lake,  Geschichte  der  Soester  Fehde  (bei 
Seibertz,  Quellen  der  westfälischen  Geschichte  11,  380  fgg.).  Dagegen 
sagt  der  Reimchronist  bei  Emminghaus  1.  c.  699:  „Is  hey  den 
twelften  Dach  mit  den  synen  opgebrochen".  Derselbe  bezifiert  (687, 
088)  den  Verlust  der  Angreifer  auf  400,  den  der  L.  auf  nur  2  Todte. 

")  Fontes  r.  A.  XLII,  41. 

")  Fontes  r.  A.  XLII,  45. 

'*)  Fabricius,  Origines  Saxoniae  713:  „potritisque  et  exhaustis 
agris  ad  Susati  oppugnationeni  festinant". 


112  Adolph  Bachmann: 

Wilhelm  sich  bewegen  liess,  in  einem  förmlichen  Vertrage 
geradezu  die  Fortsetzung  des  Zuges  von  der  Möglichkeit 
genügender  Verpflegung  abhängig  zu  machen. 

Jeder  Streiter,  so  verpflichtet  sich  der  Herzog,  erhält 
täglich  zwei  Laiblein  Brod,  dazu  Bier  und  Fleisch  oder, 
falls  es  irgend  möglich  ist,  Fastenspeise,  je  nach  dem 
Tage,  wie  das  auch  schon  bisher  gehalten  wurde.  Sei 
man  einen  Tag  nicht  im  stände,  obiges  zu  leisten,  so  soll 
jeder  Mann  am  nächsten  Tage  vier  Brode  erhalten  und 
ihm  ebenso  Bier  und  Fleisch  „gebessert"  werden.  Wäre 
man  dies  aber  auch  noch  den  dritten  Tage  nicht  zu  thun 
in  der  Lage,  so  soll  auf  die  Ermahnung  der  Böhmen  das 
ganze  Heer  aufbrechen  und  heimziehen.  Der  Herzog  soll 
dann  jene  sicher  heirageleiten  und  ihnen  alles  erfüllen, 
was  er  ihnen  versprochen.  Dafür  geloben  auch  sie  ihm 
gehorsam  zu  sein  und  sich  von  ihm  nicht  früher  zu  trennen, 
als  bis  der  Kurfürst  von  Köln  seine  Mühe  und  Kosten 
ersetzt  habe.'*) 

Die  Fruchtlosigkeit  der  Belagerung,  die  Zänkereien 
mit  den  Söldnern,  die,  einmal  aufgehalten,  nun  lieber  die 
Zeit  dem  Spiele  als  ernster  Belagerungsarbeit  widmeten, 
erregte  weithin  Aufmerksamkeit  und  warnte  die  Reichs- 
städte vor  übereilten  Beschlüssen.'^)  Noch  war  es  nicht 
zu  einem  eigentlichen  Sturme  auf  Lippstadt  gekommen, 
als  die  Fürsten  beschlossen,  die  Belagerung  abzubrechen 
und  lieber  sofort  auf  dsn  Hauptfeind  loszugehen.") 

Soest  besitzt  lange  nicht  die  feste  Lage  von  Lipp- 
stadt; weder  ein  Fluss  noch  besonders  hohe  Mauern  be- 
schützten die  Stadt.'*)  Aber  die  todesmuthige  Entschlos- 
senheit der  Bürgerschaft,  die  Hülfe,  die  Adolf  von  Cleve 
sandte,  dessen  eigener  Sohn  Herzog  Johann  freiwillig  oder 
gezwungen  sich  mit  einschliessen  liess  '*),  wogen  jene 
Nachtheile  völlig  auf. 

Dass  man  es  mit  einem  entschlossenen  Gegner  zu 
thun  habe,  erfuhren  die  Verbündeten  gleich  beim  An- 
märsche.    Mit  500  Pferden  zogen  ihnen   die  Soester  ent- 


")  Fontes  r.  A.  XLII,  31  fg. 

'«)  Ebeutlort  40. 

")  Dass  der  Befehl  plötzlich  gegeben  wurde,  beweist  der  Brief 
Heinrich  Kolowraths  im  Arch.  cesky  1.  c. 

")  K.  Stolle  25:  „sy  (die  Stadt)  had  sust  kleine  trocken  graben 
vnnd  eyne  aide  bosze  muren". 

")  K.  Stolle  1.  c.  Detmar,  L.  Chr.  109.  Koelhofifsche  Chronik 
bei  Hegel  789  u.  s.  w. 


Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  auf  dem  Zuge  vor  Soest.    113 

gegen  und  suchten  ihnen  möglichst  Schaden  zu  thun. 
Freilich  führte  dies  zu  einem  bedenklichen  Unfälle  für 
die  Städter.  Die  Böhmen  nämlich  drängten  sie  nicht  bloss 
siegreich  bis  vor  die  Stadtmauer,  sondern  stürmten  zu 
gleicher  Zeit  das  hart  davor  gelegene  Sanct  Walburgis- 
kloster,  das  Herzog  Johann  persönlich  vertheidigte.  Das 
Kloster,  dessen  Besatzung  ob  des  bunten  Gewirres,  in 
dem  Freund  imd  Feind  sich  befanden,  nicht  wagte, 
sich  der  Geschütze  zu  bedienen,  wurde  genommen  und 
die  Besatzung  niedergemacht  oder  gefangen.  ]\Iit  Mühe 
entkam  der  junge  Herzog  in  die  Stadt.  *°) 

Anderseits  erzeugte  dieser  Erfolg  sofort  auch  neuen 
Streit  mit  den  Böhmen.  Nachdem  sie  nämlich  zuerst  das 
Kloster  bewacht,  dann  Ablösung  bekommen  hatten, 
weigerten  sie  sich,  als  die  Reihe  wiederum  an  sie  kam, 
den  gefährlichen  Posten  von  neuem  zu  beziehen.  Es 
blieb  dem  Herzog  Wilhelm  nichts  anderes  übrig,  als 
durch  sechs  Tage  das  Kloster  allein  durch  die  deutschen 
Truppen  besetzt  zu  halten,  was  neben  den  anderen  Be- 
lagerungsarbeiten natürlich  diesen  sehr  schwer  fiel.  Noch 
viel  bedenklicher  als  dies  war  der  üble  Einfluss,  den  ein 
solches  Verhalten  der  böhmischen  Truppen  auf  das  Ver- 
hältnis der  Mannschaft  beider  Nationalitäten  zu  einander 
überhaupt  haben  musste.  Unverhohlen  brach  der  Unwille 
der  Thüringer  hervor:  die  Böhmen  erhielten  Sold  und 
sie  nicht,  und  dennoch  hätten  jene  beim  Herzoge  stets 
den  Vorzug  vor  ihnen;  sie  müssten  eigentlich  den  Böhmen 
den  Sold  verdienen  und  für  sie  wachen.  ^')  Lässigkeit 
und  Widerwille  auch  bei  den  Deutschen  waren  die  na- 
türliche Folge.  *'^) 

Trotzdem  schritt  die  Belagerung  vorwärts.  Durch 
die  Wioderankunft  des  Herzogs  Wilhelm  von  Braun- 
schweig und  den  Zuzug  (?)  Graf  Johanns  von  Hoya  er- 
hielt das  Heer  neue  Verstärkunij.  Nachdem  man  das 
Lager  drei  Pfeilschüsse  von  der  Stadt  aufgeschlagen  und 
durch   einen  grossen  Graben    und  mächtigen  Damm  sich 


'")  Detmar  109.  Stolle  24:  nenut  die  Zahl  der  Erschlagenen 
und  der  gewonnenen  Geschütze.  Koelhoff"'sche  Chronik  1.  c. :  „ind 
der  herzoch  van  Cleve  vursz  intquam  den  Behemern  so  nauwe  uis 
dem  cloister  in  die  stat,  dat  hinder  dem  herzogen  einre  erslagen 
wart. 

")  Fontes  r.  A.  XLII,  42  fg. 

")  Fontes  r.  A.  1.  c. :  darvon  vns  gemeinlich  von  den  Thutz- 
schen  grosser  abfall,  vngehorsam  vnd  widerstant  begegnet. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  II.  3.  ö 


114  Adolph  Bachmann: 

gegen  das  Geschütz  und  die  Ueberlälle  der  Städter  ge- 
sichert hatte,  sahen  sich  letztere  durch  die  Geschosse  der 
Belagerer  immer  härter  bedrängt.  Schon  waren  die 
Mauern  zerschossen,  dachte  die  Stadt  an  Ergebung  und 
verlangte  mit  dem  Erzbischofe  zu  verhandeln,  schon  nahm 
auch  Herzog  Wilhelm  mit  dem  von  Braunschweig  und 
Graf  Johann  von  Hoya  seine  grossen  Pläne  wieder  auf  ^^), 
als  die  Vorgänge  im  Belagerungsheere  eine  Wandlung 
der  Dinge  herbeiführten. 

Hatte  bereits  vor  Lippstadt  der  Hunger  dem  Heere 
hart  zugesetzt  und  den  vorzeitigen  Abzug  mit  verschuldet®*), 
so  hielt  es  vor  Soest  noch  schwerer,  eine  so  grosse  Men- 
schenmenge mit  dem  Nöthigen  zu  versorgen.  Bald  war 
die  Gegend  ringsum  ausgesaugt,  M-aren  die  alten  Vor- 
räthe  erschöpft,  während  das  neue  Getreide  erst  im  Reifen 
war;  zudem  hinderten  die  Soester  durch  häufige  Ausfälle 
die  Zufuhren.  **)  Da  erhob  sich  denn,  wie  natürlich, 
Murren  im  Heere,  und  wieder  waren  die  Böhmen  am 
ungestümsten.  Es  half  dem  Herzoge  wenig,  dass  er,  um 
nur  sie  in  Ruhe  zu  halten,  zuerst  ihnen  die  Lebensmittel 
zutheilen  Hess,  dann  erst  den  deutschen  Truppen.  Oft 
reichte  eben  das  Vorhandene  keineswegs  und  dann  warfen 
sich  die  Böhmen,  von  Hunger  getrieben,  rücksichtslos  auf 
die  für  die  andern  Abtheilungen  und  für  den  Herzog 
selbst  bestimmten  Vorräthe  und  hielten  sich  daran  schad- 
los. *'')  Da  jene  das  Ihre  verthcidigten,  so  fehlte  es  nicht 
an  Kampf  und  Gewalt.  Als  der  Mangel  wuchs,  drängten 
zudem  die  Rottmeister  unablässig  den  Herzog  mit  dem 
Verlangen,  nun  mit  ihnen  abzuziehen,  wie  er  in  seinem 
Briefe  vor  Lippstadt  verheissen  hatte.  Auf  seine  Weige- 
rung hin  musste  der  Herzog  geradezu  besorgen,  dass  der 
bedrängte  böhmische  Heerhaufen  allein  fortziehen  und  ihn 
in  der  Fremde  im  Stiche  lassen  werde.  *') 

Dabei  blieb  der  Mangel  nicht  die  einzige  Ursache 
zum  Zwiste;  bald  gesellten  sich  Klagen  über  die  unregel- 
mässige Soldzahlung  hinzu.  Herzog  Wilhelms  Kasse 
scheint  nicht  minder  erschöpft  gewesen  zu  sein,   als  jene 


»»)  Fontes  r.  A.  XLII,  42. 

•*)  Vergl.  Fabricius,  Origines  713. 

")  Konrad  Stolle  24. 

•«)  Fontes  r.  A.  XLII,  45. 

»')  Fontes  r.  A.  XLII,  41  fgg. 


Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  auf  dem  Zuge  vor  Soest.     115 

des  Kölner  Kurfürsten.  **)  Man  war  bald  ausser  stände, 
die  Truppen  nach  der  getroffenen  Vereinbarung  abzu- 
lolmen.  Die  Böhmen  verlangten  aber  nicht  nur  ihren 
Sold,  sondern  ihre  Führer  forderten  auch  die  Hälfte  des 
bedungenen  Dienstgeldes,  obwohl  die  sechs  Monate  noch 
nicht  völlig  abgelaufen  waren.  *')  Tag  für  Tag  bedrängt 
und  gequält,  musste  Wilhelm  von  Sachsen  nicht  nur  den 
Herren  von  Kolowrath ,  Ilburg ,  Janowitz ,  dem  Calta, 
Sädlo  die  geforderten  Beträge  auszahlen,  sondern  sich 
auch  noch  der  Soldzahlung  wegen  folgendermassen  ver- 
pflichten: 1.  am  nächsten  Tage,  Sonntag  den  9.  Juli  (?)*") 
den  Böhmen  die  rückständigen  Soldbeträge  in  guten 
böhmischen  Groschen,  deren  24  auf  einen  rlieinischen 
Gulden  gehen,  oder  in  rheinischen  Gulden  zu  bezahlen; 
2.  all  den  weiteren  Sold,  den  sie  noch  verdienen  würden, 
ihnen  bis  eben  diesen  Sonntag  über  drei  oder  doch  läng- 
stens über  vier  Wochen  ebenso  in  rheinischen  Gulden  oder 
böhmischen  Groschen  auszurichten;  3.  falls  sie  noch  länger 
als  bis  dahin  in  seinem  Dienste  bleiben  sollten,  so  wolle 
er  ihnen  ihren  Sold  alle  acht  Tage  oder  vierzehn  Tage 
oder  drei  Wochen,  längstens  aber  alle  vier  Wochen  be- 
zahlen und  schliesslich,  wenn  sie  aus  seinem  Dienste 
schieden,  ihnen  zu  Eger  ihren  „verdienten  und  verfallen" 
Sold  gänzlich  ausrichten;  4.  sollte  ihm  das  nicht  sofort 
möglich  sein,  so  würden  sie  wenigstens  binnen  zAvei  Mo- 
naten hernach  ihren  Sold  ganz  und  ohne  Weigerung  und 
weitere  Verzögerung  erhalten. 

Das  alles  gelobt  ihnen  der  Herzog  bei  seinen  fürst- 
lichen Treuen  und  Ehren,  wogegen  auch  sie  versprechen, 
ihm  getreu  und  gehorsam  zu  sein  und  nicht  früher  sich 
von  ihm  zu  trennen,  als  bis  er  von  dem  Kurfürsten  von 
Köln  völlig  entschädigt  sei.®') 

Aber  Herzog  Wilhelm  vermochte,  wie  es  scheint,  auch 


")  Ennen,  Geschichte  der  Stadt  Köln  III,  419  fgg.  Vergl.  La- 
comblet,  ürkuiideiibuch  IV,  351,  374  Anmerkung,  375;  ferner  Koel- 
hoä''sche  Chronik  hei  Hegel,  Städtechroniken  XIV,  790.  Pesina, 
Mars  Moravicus  635  und  a.  a.  0. 

«»)  Fontes  r.  A.  XLII,  45  fg. 

"")  Das  genaue  Datum  in  der  noch  vorhandenen  Gopie  des 
Briefes  fehlt;  es  heisst  bloss  „vff  morn  sontag",  was  auf  den  1.,  9. 
und  10.  Juli  gehen  könnte.  Nach  den  Umständen  möchte  ich  mich 
für  den  obigen  Tag  entscheiden. 

*')  Copia  im  Grossherz,  und  Herzog].  Ges. -Archive  zu  Weimar, 
Reg.  A  fol.  8  b  Nr.  18  (alter  Ordnung). 

8* 


116  Adolph  Bachmann: 

nicht  einmal  die  erste  Zahlung  zu  leisten,  da  eben  ihm 
der  Kurfürst  seinerseits  nicht  auszuhelfen  in  der  Lage 
war.  Anderseits  verlangten  die  Böhmen  nun  auch  die 
Sicherstellung  dafür,  dass  der  Herzog  auch  den  Schad- 
losbriefen nachkomme.  So  begann  der  Zank,  kaum  zur 
Ruhe  gebracht,  aufs  neue  und  ärger  als  zuvor,  bis  der 
Herzog,  um  grösseres  Unheil  zu  vermeiden,  sich  entschloss, 
einen  Theil  seiner  Städte  und  Burgen  mit  dem  zugehö- 
rigen Gebiete  den  Böhmen  als  Pfand  für  die  richtige 
Auszahlung  der  Schadlosgelder  zu  überlassen.  Nach 
sorgfältiger  Berathung  kam  man  überein:  *^) 

1.  Der  Herzog  verpflichtet  sich,  die  Städte  und  Burgen 
Weida,  Arnshaug,  Ranis,  Pösueck,  Triptis,  Auma  und 
Neustadt  mit  all  ihren  Dörfern,  Gerichten,  Rechten,  Herr- 
lichkeiten, Würden,  Nutzen  und  andern  Zugehörungen  für 
die  Schäden,  welche  die  böhmischen  Truppen  während 
der  Dauer  ihres  jetzigen  Dienstverhältnisses  zu  ihm  er- 
leiden würden,  diesen  als  Pfand  zu  übergeben  und  zwar 
auf  die  Summe,  welche  die  in  den  Schadlosbriefen  be- 
nannten Schiedsrichter  festsetzen  würden. 

2.  Der  Herzog  verpflichtet  sich  für  sich  und  seine 
Erben  mit  seinean  fürstlichen  Worte,  dieselbe  Summe  nach 
Abzug  dessen,  was  er  ihnen  etwa  mit  Geld  oder  Pferden 
schon  zuvor  ersetzt  hat,  in  der  Stadt  Eger  gütlich  zu 
bezahlen. 

3.  Die  Böhmen  treten  in  den  Pfandbesitz  und  Genuss 
der  genannten  Städte  und  Burgen  mit  all  ihrem  Zugehöi', 
so  wie  der  Herzog  binnen  der  bestimmten  Jahresfrist  die 
Zahlung  nicht  leistet,  imd  verbleiben  darin  so  lange,  bis 
die  Schadenssumme  völlig  bezahlt  ist.  Ist  dies  aber  ge- 
schehen, so  soll  die  Pfandschaft  alsbald  in  des  Herzogs 
Hand  zurückgeantwortet  werden. 

4.  Für  den  Fall,  dass  die  Pfandinhaber  des  Geldes 
bedürftig  wären,  sollen  sie  dies  nach  Ablauf  der  genannten 
Frist  dem  Herzoge  in  einem  oflfenen  Briefe  verkünden; 
derselbe  wird  ihnen  nach  Ablauf  eines  Monates  an  einem 
festgesetzten  Tage  das  Geld  zu  Eger  bezahlen  und  da- 
durch seine  Städte  und  Burgen  etc.  entledigen. 


**)  Fontes  r.  A.  XLII,  32  fgg.  Das  Datum  nach  der  Andeu- 
tung ebendas.  41.  Bei  dieser  Lrelegenheit  bemerke  ich,  dass  ich 
nun  die  beiläufigen  Bestimmungen  von  Zeit  und  Ort  bez.  Nr.  20, 
21,  22,  23  der  Fontes  r.  A.  XLII  nach  den  Ausführungen  dieser  Ab- 


handlung abändern  würde. 


Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  auf  dem  Zuge  vor  Soest.     117 

5.  Wäre  der  Herzog  auch  dann  noch  säumig  mit 
der  Zahkmg,  so  hätten  die  Pfandinhaber  die  Macht  und 
Gewalt,  die  genannten  Städte  und  Schlösser  etc.  auf  die- 
selbe Summe  Geldes,  wie  sie  ihnen  der  Herzog  schiüdig 
ist,  einem  oder  mehreren,  nur  nicht  dem  Könige  von 
Böhmen ,    weiter    zu    versetzen    und    zu    verpfänden. 

Weitere  Bestimmungen  besagen,  dass  der  Herzog  sich 
die  Wildbahn  in  den  genannten  Aemtern  vorbehalte, 
etwa  während  der  Pfandschaft  ledig  werdende  Mannlehen 
in  denselben  unverliehen  bleiben  sollen,  dass  der  Herzog 
die  Pfandinhaber  schützen  und  ebenso  sie  ihm  getreulich 
helfen  imd  rathen  sollten  gegen  jedermann,  dass  sie  die 
in  den  verpfändeten  Gebieten  Eingesessenen  bei  ihren 
Rechten  und  ihrem  Herkommen  belassen  sollten  u.  s.  w. 
Diesem  Briefe  des  Herzogs  gegenüber  geben  die  böhmischen 
Herren,  Ritter  und  „ehrbaren"  Leute  ihren  versiegelten 
Reversbrief  und  geloben  ihm  in  seinem  Dienste  gehorsam 
zu  sein,  ihm  getreulich  beizustehen  und  nicht  eher  von 
ihm  aufzubrechen,  als  bis  er  von  dem  Erzbischofe  von 
Köln  völlig  entschädigt  sei.  Doch  soll  der  Herzog  ihnen 
auch  das  halten,  was  er  sonst  verschrieben  hat.  — 

Die  Urkunde  ist  zu  sorgfältig  abgefasst,  als  dass  man 
an  des  Herzogs  ernstlichem  Willen,  jene  Schlösser  den 
Böhmen  einzuräumen,  zweifeln  sollte;  er  erbot  sich  sogar, 
sie  sofort  den  Leuten,  die  sie  dazu  bestimmen  würden, 
zu  überantworten.  Wenn  dann  trotzdem  weder  dies  noch 
jenes  geschah,  so  wird  man  des  Herzogs  Behauptung 
glauben  dürfen,  dass  die  Böhmen,  misstrauisch  auch  unter 
einander,  sich  über  jene  nicht  zu  einigen  vermochten, 
die  das  Pfandgut  im  Namen  aller  zu  getreuen  Händen 
übernehmen  sollten,  und  dass  daran  die  ganze  Sache  ge- 
scheitert sei.  ^•')  Dafür  dauerte  aber  auch  der  Zwist  und 
die  Unzufriedenheit  fort. 

Die  Folgen  waren  höchst  unangenehme  für  die  Be- 
lagerer. Die  Gegnerschaft  der  böhmischen  und  deutschen 
Truppen  lähmte  natürlich  den  Eifer  und  das  thatkräftige 
Zusammenwirken  beider;  um  so  mehr  wuchs  den  Soestern 
der  IMuth,  als  sie  durch  den  einen  oder  andern  heimlichen 
Freund,  den  sie  im  Lager  hatten,  von  diesen  Vorgängen 
Nachricht  erhielten.  ^*)     Von  neuem  Höften  belebt,   gaben 

")  Fontes  r.  A.  XLII,  41  fg. 

•*)  Detmar,  L.  Ch.  110.  K.  Stolle  25.  Man  sprach,  offenbar  mit 
Unrecht,  von  Apel  Vitzthum:  „vnnd  wart  eyn  gemeyn  geruchte,  wy 
das  er  Apel  Vitczthum  ....  es  hette  mit  der  stad  gehalden." 


118  Adolph  Baclimaun: 

sie  den  Gedanken  an  Ergebung  auf  und  vertheidigten  sich 
mit  der  früheren  Hartnäckigkeit.  ^^)  Der  Zwiespalt  unter 
den  Belagerern  wurde  aber  bald  auch  in  der  Ferne  be- 
kannt. Die  Reichsstädte,  durch  den  drohenden  Fall  Soests 
geschreckt,  hatten  zahlreich  Botschaften  abgeordnet,  mit 
den  Heerführern  in  Verhandlungen  zu  treten;  diese  kehrten 
nun  auf  dem  Wege  um.  Der  Herzog,  um  den  Ausgang 
der  Belagerung  selbst  bereits  besorgt,  musste  auf  alle  weit- 
ausgreifenden Pläne  verzichten.  ***)  Unter  solchen  Umständen 
wurden  der  Erzbischof  und  die  Böhmen  einig,  alles  auf 
eine  Karte  zu  setzen  und  die  Einnahme  der  Stadt  mit 
stürmender  Hand  zu  versuchen.  Geringere  Zuversicht  be- 
wies Herzog  Wilhelm  von  Sachsen,  als  ihm  die  Rottmeister 
ihren  Entschluss  kundgaben;  um  jedoch  den  Vorwurf  der 
Feigheit  zu  vermeiden,  entschloss  auch  er  sich,  am  An- 
griffe tlieilzunehmen. 

Nachdem  die  Vorbereitungen  getroffen  waren,  ordneten 
sich  in  der  Nacht  vom  20.  auf  den  21.  Juli  die  Böhmen 
und  die  rheinischen  Truppen  zum  Sturme;  von  drei  Seiten  *') 
sollte  zu  gleicher  Zeit  der  Angriff  auf  die  Mauern  statt- 
finden; mit  1200  Leitern,  die  der  Erzbischof  hatte  herbei- 
schaffen lassen,  hoffte  man  diese  zu  gewinnen.  Im  zweiten 
Treffen  stand  Herzog  Wilhelm  mit  seinen  deutschen  Truppen, 
zur  Unterstützung  und  Mitwirkung  bereit.  ^*)  Auch  diesmal 
fehlte  es  nicht  an  dem  Verräther.  Man  kannte  in  der 
Stadt  nicht  bloss  die  Absicht  des  Heeres,  zu  stürmen;  man 
soll  sogar  gewusst  haben,  zu  welcher  Zeit  und  auf  welche 
Mauerstrecken  der  Angriff  stattfinden  werde.  ^*)  Die  mit 
betäubendem    Kriegsgeschrei  ^"")     andringenden    Scharen 


•*)  Fontes  r.  A.  XLII,  42 :  also  das  die  von  Soyst  gütlicher  tei- 
diinge,  der  sie  begert  hatten  etc.,  ganz  abfihlen. 

")   Ebendort.      Der    Reimchrouist   bei    Einniinghaus,    Memor. 
Susat.  700  meldet  dariiber: 

Sey  vechteden  und  streden  legen  enander  ser 
Eyne  gause  Mantydes  und  noch  mei', 
Degelich  und  sunder  Underlabt, 
Et  was  allenthalven  böse  und  quat. 
•')  Detmar  110:  uude  stormede  de  stad  in  dren  sieden.    Koel- 
hoff'sche  Chronik  789:  ind  sturmden  an  drien  enden  gelich  an.    Bar- 
tholom.  Lake  1.  c.  406.    Dagegen  K.  Stolle   25:  vnnd   stormeten  dy 
stad  an  vier  enden. 

")  Adami  Ursini  chronicon  Thuringicum  bei  Mencke,  Scriptores 
III,  1.S29:  (die  Behmen)  musten  zuuor  an  die  stürme  gähn. 
»')  Detmar,  L.  Chr.  110  und  K.  Stolle  1.  c. 
'"")  Emminghaus,  1.  c.  701. 


Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  auf  dem  Zuge  vor  Soest.     119 

fanden  die  Vertheidiger  wohl  vorbereitet;  Frauen  und  Kinder 
halfen  den  Männern  beim  todesmuthig-en  Widerstände.'"') 
Entschlossen  und  ruhig  harrten  sie  aus  '°^),  bis  die  Stür- 
menden an  die  Mauern  herangekommen,  dann  eröffneten 
sie  von  diesen  und  den  wohlbemannten  Thürmcn  aus  ein 
furchtbares  Feuer  von  verderblichster  Wirkung.  Ver- 
gebens füllten  die  Belagerer  zu  Tausenden  den  Graben, 
legten  die  Leitern  an,  kletterten  muthig  empor,  vergebens 
trieb  der  Erzbischof,  der  sich  persönlich  in  das  Getümmel 
der  Kämpfenden  wagte  '"^),  zur  Ausdauer  und  zu  neuen  An- 
griffen. Die  Leitern  waren  zu  kurz,  mit  gewaffneter  Hand, 
siedendem  Wasser,  glühend  geraachten  Pfeilen  wehrten 
die  Vertheidiger  ab.  Nach  mehrstündigem  '"^)  Ringen 
musste  der  Sturm  aufgegeben  werden.  Mehr  als  1200  Mann 
aber  Hessen  die  Angreifer  vor  den  Mauern.  Die  Ver- 
wundeten lasen  die  Soester  auf  und  brachten  sie  in  die 
Stadt  zur  Heilung;  die  WegschafFung  derTodten  gestatteten 
sie  den  Geschlagenen.  '°r)  Sie  selbst  sollen  nur  acht  Mann 
verloren  haben.  '"**) 

Der  glänzende  Erfolg,  den  die  muthige  Bürgerschaft 
von  Soest  über  die  ungeheure  Ueberzahl  der  Angreifer 
errungen  hatte,  trug  den  Ruhm  derselben  weit  über  die 
Grenzen  Westfalens  hinaus  und  entschied  das  Schicksal 
des  böhmisch-sächsischen  Zuges  mit  einem  Male.  Der  Bür- 
gerschaft selbst  erschien  in  späterer  Zeit  ihre  Rettung  fast 
wie  ein  Wunder.  Man  wusste  zu  erzählen,  dass  der  Klerus 
der  Stadt  in  jener  furchtbaren  Nacht  vor  den  Reliquien 
des  heil.  Patroclus  um  Rettung  flehte,  während  draussen 
der  Kampf  um  die  Mauern  tobte,  und  dass  ein  mächtiges 
Geräusch  aus  dem  Reliquienschreine  zum  Zeichen  geworden 
sei,    dass    der  Heilige   den  Seinen   beistehe. '"')     Um  so 


"")  A.  a.  0.  Pesina,  Mars  Moravicus  p.  (>34:  omnes  enim  etiam 
parvuli,  qui  vel  lapidem  levare  poterant,  nd  defeiisionem  concurre- 
bant;  faeniinae  picem  liquefactam  et  cineres  buUientes  ferventemque 
poUinem  in  armatos ....  effundebant  etc.  Man  vergl.  die  lebendige 
Schilderung  des  Reimchronisten  bei  Emminghaus  1.  c.  701  fg. 

'»^)  Detmar  110. 

■oä)  Koelhoffsche  Chronik  1.  c.  789. 

'»*)  Pesina  1.  c.  „ultra  tres  horas". 

">')  K.  Stolle  2-1. 

'**)  Pesina  637.  Ebenso  Barthol.  Lake  nach  (?)  der  Koellioff'scheii 
Chronik  1.  c,  und  Emminghaus  1.  c.  702,  nach  dessen  weiteren  .\n- 
gaben  aber  die  Angreifer  1600  vor  den  Mauern  verloren. 

"")  Acta  Sanctor.  ap.  lioU.  Append.  ad  Januarium  IL,  1144. 


120  Adolph  üackmanu: 

tiefer  empfand  Herzog  Wilhelm  die  erlittene  Niederlage. 
Mühe  und  Kosten  des  weiten  Zuges  schienen  nun  umsonst 
aufgewendet.  Und  nicht  bloss  das!  Er,  der  die  Böhmen 
gerufen  hatte,  der  ihr  Führer  gewesen  war,  galt  als  der 
eigentliche  Urheber  der  Verheerungen  und  all  des  Unge- 
maches^ das  die  ungezügelten  Scharen  anrichteten.  Mit  Hohn 
luid  Schmähungen  nannte  man  weithin  seinen  Namen.  '"*) 

Wenn  der  Herzog  aber  trotzdem  seine  Pläne  noch 
nicht  völlig  aufgab,  wenn  er  sich  mit  dem  Vorschlage, 
nach  der  Grafschaft  Mark  zu  ziehen,  an  sie  wandte,  so 
musste  er  rasch  erkennen,  dass  die  Lust  zu  weiterer  Kriegs- 
fahrt bei  den  Böhmen  nun  völHg  geschwunden  sei.  Sie, 
denen  der  Sold  eben  wieder  niciit  bezahlt  worden  war, 
mochten  freilich  merken,  dass  es  dem  Herzoge  darum  zu 
thun  sei,  sie  und  sich  selbst  mit  dem  bezahlt  zu  machen, 
Avas  erst  mit  neuer  Gefahr  erstritten  werden  sollte.  Der 
Herzog  empfing  daher  eine  abschlägige  Antwort  und  die 
Meldung,  dass  man  zur  Heimkehr  entschlossen  sei.  Aber 
auch  der  alte  Kölner  Kurfürst  hatte  nun  die  Mittel  wie 
die  Lust  zu  weiterer  Fortsetzung  des  Kriegs  gänzlich  ver- 
loren; auch  er  war  bereit,  die  Belagerung  aufzuheben, 
die  Söldner  zu  entlassen.  '°^)  So  räumten  denn  am  21.  Juli 
die  Verbündeten  das  Lager  vor  Soest,  in  dem  ihnen  so 
trübe  Erfahrungen  geworden  waren. 

Vor  dem  Heimzuge  Herzog  Wilhelms  und  der  Seinen 
musste  die  Frage  gelöst  werden,  in  welcher  Weise  ihm 
durch  den  Erzbischof  genügende  Entschädigung  für  die 
Kosten  geleistet  werden  könne.  ' '")  Von  sofortiger  Be- 
zahlung konnte  nicht  die  Rede  sein.  Der  Erzbischof  konnte 
nur  erwarten,  binnen  vier  Tagen  50000  fl.  aufzubringen,  von 
denen  ihm  40000  fl.  vom  Grafen  von  Seyn,  10000  fl.  von 
anderer  Seite  konnnen  sollten;  er  erbot  sich  daher,  Stadt 
und  Zoll  zu  Bonn  dem  Herzoge  als  Pfand  bis  zu  völliger 
Ausgleichung  zu  überlassen,  was  gleichfalls  binnen  vier 
Tagen  geschehen  konnte- ' ' ')  Aber  die  Böhmen  waren  nicht 
einmal  zu  bewegen,  auch  nur  vier  Tage  länger  zu  warten; 
sie  bestanden  auf  dem  ungesäumten  Heimzuge  Zudem 
schien  jegliche  Zucht  und  Ordnung  nun  völlig  bei  ihnen 
gelöst;  nach   eigener  Laune   zogen   sie  ihres  Weges.     Im 


'»•)  Detmar  HO.     Fontes  r.  A.  XLII,  53  a.  a.  0. 
»•»)  Detmar  110;  Peshia,  Mars  Moravicus  6.S5. 
"»)  Ergiebt  sich  aus  dem  Stande  der  Dinge. 
'")  Fontes  r.  A.  XLII,  43. 


Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  auf  dem  Zuge  vor  Soest.     121 

Felde  bei  Geseke,  südöstlicli  von  Lippstadt,  schlug  man 
das  erste  Lager '^"^).  Noch  geleitete  der  Erzbischof  den 
sächsischen  Fürsten  und  die  Seinen.  Da  kam  er  beinahe 
selbst  in  Gefahr.  In  der  Nacht  drang  ein  Haufe  böhmi- 
scher Krieger,  sei  es  von  Hunger  getrieben,  sei  es  aus 
Beutelust,  in  des  Kurfürsten  Lager,  nahm  ihm  seine  Pferde 
und  Mundvorräthe  und  bedrohte  ihn  persönlich.  Es  musste 
der  Herzog  Leute  zu  seinem  Schutze  absenden.  Andern 
Tages  begab  sich  Dietrich  nach  Geseke**^);  für  seine 
Schuld  trat  das  Domcapitel  von  Köln  als  Bürge  ein^'*) 
Zu  einer  Unternehmuno;  Hessen  sich  die  Böhmen 
noch  bewegen:  sie  bogen  nordwärts  ab,  um  die  Graf- 
schaft Ravensberg  heimzusuchen.  Aber  die  vandalisclie 
Art,  in  der  sie  hier  hausten,  in  der  sie  besonders  Kirchen 
und  Klöster  plünderten  und  ihre  Insassen  misshandelteU; 
war  zugleich  der  einzige  Erfolg. '*^)  Den  weiteren  Rück- 
zug nahm  der  Herzog  südlicher;  sein  Vorwand  war,  die 
Böhmen  auf  „anderem  Wege"  nach  Hause  zu  l)ringen;  sein 
Plan,  sich  ihrer  doch  noch  weiterhin  und  zwar  für  eine 
Diversion  nach  Franken  zu  bedienen."®)  Bei  Mihla  un- 
weit Eisenach"'),  wo  man  „am  St.  Gehülfenberge"  das 
Lager  geschlagen,  Hess  sich  die  eigentliche  Absicht  nicht 
länger  verbergen.  Hier  kam  es  auch  zur  Trennung  des 
Heeres.  Als  die  böhmischen  Rotten  den  Entschluss  des 
Herzogs  vernahmen,  nun  südwärts  nach  Franken  zu  ziehen, 
da  waren  die  meisten  derselben  nicht  mehr  zu  halten. 
Alles  Zureden  des  Herzogs  fruchtete  nichts,  schliesslich 
entrollten  sie  ihr  Banner  und  zogen,  etwa  5000  Mann 
stark "  **) ,  unter  Heinrichs  von  Kolowrath  und  anderer 
Führung  allein  von  danncn.  „Mit  traurigem  Muthe,  in 
grossem  Jammer"  und  zu  seinem  „unverwindlichen  Schaden" 
musste  auch  der  Herzog  allein  ziehen."")  Er  nahm  den 
Weg  nach  dem  Ko burgischen. 


"*)  Fontes  r.  A.  XLII,  44  neben  der  Koelhoft'schen  Chronik  790. 

"*)  Koelhoft"'sche  Chronik  1.  c.  „were  der  busuhol'  van  Coelne  in 
niet  intwichen  zo  Geiske . . . ,  si  hetten  in  in  dem  velde  erslagen". 
Vergl.  Emminghaus  1.  o.  705. 

"*)  Koelhoff'sche  Chronik  1.  c.    Pesina,  Mars  Moravicus  p.  6.35. 

'")  Koelhofi''sche  Chronik  1.  c. 

"•)  K.  Stolle  27.  Vergl.  auch  Fontes  r.  A.  XLII,  44,  wo  freilich 
das  Ziel  der  weiteren  Unternehmungen  nicht  genannt  ist. 

"")  Palacky,  Gesch.  Böhm.  IV,  1,  181,  ohne  Angabe  der  Quelle. 

'")  Härtung  Kammermeister  1.  c.  1197.     K.  Stolle  26. 

"•)  Fontes  r.  A.  XLII,  44. 


122  Adolph  Bachmann: 


III. 


So  sehr  der  Aufbruch  des  böhmischen  Heerhaufens 
g-egeu  den  Willen  des  Herzogs  erfolgt  war,  so  schied  man 
doch  nicht  in  offener  Feindschaft^^*');  ja  es  scheint,  dass 
der  Herzog  noch  ausdrücklich  den  gerechten  Forderungen 
der  Soldtruppen  zu  genügen  versprach.  '^^)  Nun  suchten 
diese,  indem  sie  die  nördliche  Vorkette  des  Thüringer- 
waldes überstiegen,  das  Mühlhausen'sche  zu  erreichen,  um 
dann  auf  demselben  Wege,  den  sie  gekommen,  in  die 
Heimat  zu  ziehen. 

Die  Kunde  über  die  Vorgänge  in  Westfalen  war 
natürlich  auch  nach  Thüringen  gedrungen;  die  Nachricht, 
dass  die  Böhmen  zurückkehrten  und  zwar  allein,  flog  ihnen 
voraus.  Da  fehlte  es  nicht  an  neuer  Gefahr,  neuen  Ver- 
lusten. Sie  hatten  unter  des  Herzogs  Geleite,  nach  Westen 
ziehend,  sich  keine  Freunde  erworben;  jetzt,  da  sie  für  sich 
selbst  sorgen  mussten,  ohne  auch  da  sich  überall  der  Ueber- 
griffe  zu  enthalten,  übten  die  Thüringer  an  einzelnen  und 
kleinen  Abtheilungen  Rache  und  Vergeltung.  ^*^)  Die  Noth 
wuchs,  als  man  sich  Erfurt  und  dem  Lande  des  Kurfürsten 
Friedrich  von   Sachsen  näherte. 

Die  Erfurter  hatten  schon  den  Hinzug  der  böhmischen 
Truppen  mit  Misstrauen  angesehen,  waren  auch  nicht  ganz 
ohne  Schaden  geblieben.  Sie  hatten,  der  Wiederkehr  jener 
gewärtig,  in  der  Zwischenzeit  tüchtig  gerüstet,  ihre  Stadt 
verwahrt,  sich  auch  in  der  Art  der  Böhmen,  eine  Wagen- 
burg im  Kampfe  zu  gebrauchen,  nach  Kräften  geübt.  **') 
Trotzdem  begehrten  und  erhielten  sie  auf  die  Kunde  von 
dem  Anrücken  der  Böhmen  Hülfe  von  Kurfürst  Friedrich 
von  Sachsen;  mit  den  Truppen  des  Grafen  Ernst  von 
Gleichen,  des  von  Plauen,  Schaumburg  und  des  ßitters 
Harras,  die  ihnen  jener  zusandte,  und  unterstützt  von  den 
Grafen  von  Querfurt,  Beichlingen,  Mansfeld  und  Ludwig 
von  Gleichen  geboten  sie  über  mehr  denn  10000  Mann, 
waren  also  den  halbverhungerten  Gegnern  doppelt  über- 
legen. 


'">)  K.  Stolle  25. 

'")  Stolle    1.   c.     Zeigt  übrigens  vielleicht  auch  der  Umstand, 
dass  sie  in  Eger  drei  Tage  auf  Bezahlung  warteten. 
'")  Fontes  r.  A.  XLII,  47. 
'»*)  Ausführlich  bei  K.  Stolle  22  fg.,  26, 


Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  auf  dem  Zuge  vor  Soest.     123 

Am  29.  Juli  (?)  lagerten  die  Böhmen  bei  Vargula  an 
der  ünstrut,  wo  sie  sich  vermittelst  ihrer  Büchsen  des 
»Schlosses  bemächtigten.  Von  hier  oder  doch  von  Vippach 
aus,  wohin  sie  der  nächste  Tagmarsch  führte,  sandten  sie 
ein  Schreiben  an  die  Erfurter,  ihnen  den  friedlichen  Vor- 
beizug zu  gestatten;  jede  Beschädigung  ihres  Gebietes  solle 
verhütet  werden,  „sie  seien  verführt  und  schändlich  betrogen 
von  Herrn  Apel  Vitzthum".  AA' ohl  drängte  es  den  grossen 
Haufen  in  Erfurt,  die  Fremdlinge  mit  überlegener  Macht 
anzufallen  und  niederzumachen,  der  Beute,  die  sie  auf  dem 
Hin-  und  Rückzuge  erworben,  sich  zu  bemächtigen.  Der 
Rath  aber  bedachte  vorsichtig  nicht  blos  die  Tliat  an  sicli, 
sondern  wie  leicht  der  junge  Herzog,  in  dessen  Solde  jene 
doch  immer  noch  standen,  daraus  den  Anlass  zum  Kriege 
gegen  die  Stadt  nehmen  könnte,  trotz  des  gegenwärtigen 
Verhältnisses  derselben  zu  ihm.  So  kam  denn  Heinrich 
Wisse,  Mitglied  des  Rathes,  in  das  Lager  der  Böhmen 
unterhalb  Vippach,  ihnen  die  Gewährung  ihres  Ansuchens 
zu  überbringen  und  die  Weise  des  Durchzuges  zu  bereden. 
Die  Erfurter  fanden  dabei  noch  Gelegenheit,  den  Herzog- 
Wilhelm  sich  zu  verpflichten.  Die  Böhmen  hatten  die 
Absicht  merken  lassen,  Weimar,  des  Herzogs  Hauptstadt, 
anzugreifen  und  zu  nehmen.  Jetzt  theilte  ihnen  Wisse 
mit,  dass  die  Erfurter  dies  nicht  gestatten  könnten  und 
überhaupt  angreifen  würden,  sowie  man  sie  aus  des  Her- 
zogs Landen  zu  Hülfe  rufe.  Darauf  gaben  die  Böhmen 
ihr  Vorhaben  auf. 

Am  1.  August  zogen  die  Böhmen  südostwärts  durch 
das  Erfurter  Gebiet;  so  grossen  Mangel  sie  litten,  sie  thaten 
dem  Lande  keinen  Schaden.  „Die  reisigen  Böhmen  wollten 
nicht,  dass  ihre  Trabanten  sich  ein  wenig  Schoten  nahmen; 
sowie  sie  solches  gewahr  wurden,  so  trieben  sie  dieselben 
mit  Geissein  davon.  Also  sehr  fürchteten  sie  sich  vor 
denen  von  Erfurt."  So  kamen  sie  bis  Meilingen,  wo 
sie  ein  Lager  aufschlugen  und  übernnchtetcn.  Auch  der 
weitere  Zug  durch  Thüringen  und  das  Vogtland  glich 
mehr  einer  Fahrt  durch  feindliches  als  durch  freundliches 
Gebiet.  Bleibt  auch  unerwiesen,  was  die  Böhmen  von  den 
Erfurtern  gehört  zu  haben  behaupteten,  dass  der  Herzog 
selbst  die  Städter  und  seinen  Bruder  aufgefordert  habe,  die 
gegen  seinen  AVillen  Heimziehenden  zu  vernichten,  —  die 
Böhmen  selber  wollten  im  erfurtischen  Heere  einen  Ritter 
bemerkt  haben,  der  ihnen  von  des  Herzogs  Hofe  her  und 
als  einer  seiner  Dienstmanuen  bekannt  war,  —  der  wenig 


124  Adolph  Bachmann: 

freundlichen  Stimmimg  des  Herzogs  gegen  die  Abziehenden 
entsprach  jedesfalls  die  Haltung  seiner  Amtleute  und 
Pfleger.  Man  that  nichts  für  ihre  Verpflegimg,  man  wehrte 
ihnen,  sich  beliebig  zu  lagern,  man  vergriff"  sich  an  jenen 
die  allein  auszogen,  sich  mit  dem  Nöthigen  zu  versehen.  ''^*) 
„Mit  wehrender  Hand"  durchzogen  die  scliM^ergeprüften 
Scharen  eilig  die  weite  Strecke  bis  Eger,  vor  dem  sie 
am  4.  August  anlangten  **^)  und  wo  nun  endlich  die  Nach- 
stellungen aufhörten.  *^^) 

Ein  Ruf  zorniger  Theilnahme  durchflog  das  benach- 
barte böhmische  Gebiet.  „Ich  bitte  dich,  leihe  mir  Leute 
zu  Ross  und  zu  Fuss  so  rasch  und  so  viele  du  vermagst, 
damit  ich  den  Unsern  nach  Meissen  entgegenziehe",  schreibt 
Hynek  Kruschina  von  Schwamberg  an  Ulrich  von  Rosen- 
berg. „Ich  vertraue  darauf,  dass  du  das  thust,  so  wie  ich 
dir  nach  Bedürfnis  thäte,  wenn  du  mir  schriebest,  denn 
wenn  der  liebe  Gott  nicht  ihre  Vernichtung  abwendet,  so 
möchte  es  ein  Verlust  sein  für  das  ganze  Böhmerland."  *^'') 
Das  ward  nun  überflüssig;  als  Schwamberg  von  seinem 
Schlosse  Bor  '^*)  den  Eilboten  mit  dem  Briefe  nach  Krumau 
zu  Herrn  Ulrich  absendete  (5.  August),  standen  die  Böhmen 
bereits  im  Egerlande. 

Drei  Tage  verharrten  die  Rotten  im  Feldlager  vor 
Eger.  Dann,  während  sich  die  Kunde  von  ihren  Erleb- 
nissen und  ihren  Beschwerden  ringsum  verbreitete,  richteten 
sie  selbst  am  6.  August,  ernst  aber  noch  in  geziemender 
Ehrerbietung,  ein  Schreiben  an  den  Herzog,  in  dem  sie 
über  die  Behandlung  seitens  der  Seinen  klagten  und  um 
die  Begleichung  des  Soldes  und  der  Schadenssummen  er- 
suchen. '**)    Nachdem  die  Führer  dann,  wie  es  scheint,  die 


'**)  Die  obigen  Ausführungen  und  Daten  nach  K.  Stolles  (26,  27) 
freilich  sehr  verwirrter  Darstellung.  Vergl.  übrigens  H.  Kammer- 
meister 1197  fg.  Fontes  r.  A.  XLII,  47  fgg.  Die  geographische 
Darlegung  nach  Spruner -Menke,  Handatlas  für  die  Geschichte  des 
Mittelalters  und  der  Neuzeit  Nr.  43  Nebenkarte  2. 

'**)  Nach  dem  Schreiben  der  Anführer  d.  d.  6.  August  1447  im 
Grossherz.    u.   Herz.   Ges.-Arch.    zu  Weimar,   Reg.  A    fol.  8    Nr.  13. 

'**)  Fontes  r.  A.  XLII,  47  jedesfalls  übertrieben:  „sein  in  nach 
gevolt  biss  her  noche  gein  Kunigswart  etc." 

'*')  Archiv  cesky  III  st.  373  fg.  Die  bez.  Angabe  Palackys, 
Gesch.  Böhm.  IV,  1,  181,  Note  167  ist  ein  Irrthum. 

•")  Bor,  Burg  der  Schwamberge  bei  Tepl.  Das  Dorf  heisst 
heute  „Borau". 

'")  S.  Anm.  125. 


Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  auf  dem  Zuge  vor  Soest.    125 

Verabredung  getroffen,  sich  Ende  August  in  Prag  einzu- 
finden**"), zogen  die  Abtlieilungen  der  Heimat  zu  und 
lösten  sich  auf.  Aber  manch  tapferer  Krieger  Icehrte  nicht 
wieder  zurück,  und  die  die  Heimat  wiedersahen,  waren 
zum  Theile  in  dem  traurigsten  Zustande.  „Zu  dieser  Zeit" 
(um  Laurenz!),  erzählt  entrüstet  der  Prager  Anonymus, 
„kam  der  Rest  der  Krieger  zurück;  sie  führten  12  Wagen 
mit  Verwundeten  und  Kranken  mit  sich ;  zahlreiche  andere 
Wagen  waren  angefüllt  mit  Raub  ''^^),  andere  leer.  Es  kamen 
auch  die  Mährer  durch,  bettelarm  und  nicht  bloss  ihrer 
Freunde,  sondern  auch  ihre  Habe  und  Pferde  verlustig. 
Der  Teufel  traue  den  Deutschen."  *^*) 

Mit  dem  Abzüge  des  Haupttheiles  der  böhmischen 
Truppen  entschwand  auch  Herzog  Wilhelm  die  Möglich- 
keit, in  Franken  mit  Nachdruck  aufzutreten.  Die  iSürn- 
berger  waren  übrigens  zu  seinem  Empfange  bereit.  ''^) 
Darum  wurden  denn,  nachdem  das  Koburgische  erreicht 
war,  die  deutschen  Truppen,  dann  auch  Peter  von  Stern- 
berg, Friedrich  von  Donin  und  so  viele  der  Böhmen  noch 
verblieben  waren,  entlassen. 

Die  beiden  Genannten  hatten,  nachdem^  wie  es  scheint, 
der  Herzog  ihren  eigenen  Forderungen  gerecht  geworden 
war,  noch  auf  dessen  Ersuchen  die  Zusage  gegeben,  be- 
züglich der  Ansprüche  der  übrigen  einen  Spruch  zu  tliun 
und  selbst  baldigst  wieder  zu  ihm  zurückzukehren.  Sie 
konnten  sich  bald  überzeugen,  dass  sie  zu  solchem  Amte 
untauglich  seien.  Auch  gegen  sie,  die  ihre  Sache  von  der 
der  Landsleute  getrennt,  hatte  man  schwere  Vorwürfe  er- 
hoben.''*)  Trotzdem  übersandten  sie  am  12.  August  von 
Petschau  aus  ihr  Gutachten  an  den  Herzog  '^^);  drei  Tage 
später ''")    aber    übermittelte    Peter    von    Sternberg    ein 


"»)  Stafi  letopisove  cesti  st.  148.    Vergl.  Fontes  r.  A.  XLII,  51. 

'*')  Diesen  Passus  lässt  Th.  Pesina,  der  die  Stelle  im  Mars  Mo- 
ravicus  637  übersetzt,  vorsichtig  weg. 

'**)  Stafi  letopisove  148. 

'")  K.  Stolle  27.  Die  Städter  besassen  12000  Mann.  Vergl.  auch 
Hegel,  Städtechroniken:  Nürnberg  IV,   167  Text  und  Anmerkung  5. 

'**)  Stafi  letopisove  st.  148:  Domluvajice  Holickemu  mlademu 
panu  Petrovi,  ze  velikou  neveru  nim  uciuil,  odjed  od  nich.  (d.  i:  mit 
Schelten  sagten  sie  dem  jungen  Peter  Holicky  nach,  dass  er  grosse 
Untreue  an  ihnen  begangen  habe,  indem  er  sich  von  ihnen  trennte). 

'**)  Kegest  im  Künigl.  böhm.  Landesarchive  zu  Prag. 

'*")  Grossherz.  u.  Herz.  Ges.- Archiv  zu  Weimar  Reg.  A  fol.  8 
Nr.  13. 


126  Adolph  Bachmann : 

Schreiben  seines  Vaters  vom  12.,  das  ihm  dieser  aus 
Pürgles  gesandt  hatte  ^^')  und  damit  indirect  auch  die 
Rathschläge,  die  Herr  Alscho  in  der  Sache  für  den 
Herzog  hatte. 

Nachdem  nämlich  Sternberg  in  seinem  Briefe  der 
schweren  Vorwürfe  gedacht,  die  allenthalben  von  Seiten 
der  Söldner  gegen  den  Herzog  laut  würden,  mahnt  er 
diesen  zunächst  zu  völliger  Befriedigung  aller  jener,  die 
treu  an  seiner  Seite  ausgeharrt.  Dadurch  werde  den 
Klagen  der  anderen  die  Spitze  abgebrochen.  Diesen  selbst 
möge  der  Herzog  freundlich  antworten  und  das  Erbieten 
stellen,  den  Schiedsspruch  wegen  Schadenersatz  auf  einen 
oder  mehrere  der  Herren  Hase  von  Hasenburg,  Ulrich 
von  Rosenberg,  Hans  von  Kolowrath,  (ieorg  von  Podiebrad 
oder  auch  ihn  selbst  zu  setzen.  Zur  Verhandlung  sei  es 
am  besten,  Herrn  Apel  Vitzthum  zu  schicken;  doch  müsse 
ihm  in  Anbetracht  der  schwierigen  Lage  der  Dinge  eine 
versöhnliche  Sprache  befohlen  werden. 

Herzog  Wilhelm  hatte  inzwischen  den  Söldnern  in 
Kürze  die  ausweichende  Antwort  gegeben,  dass  er  wegen 
Abwesenheit  seiner  Räthe  und  des  Tages  zu  Mühlhausen 
wegen  ihnen  keinen  endgültigen  Bescheid  geben  könne.  ^*®) 
Er  theilte  diesen  Brief  auch  Herrn  Alscho  mit,  mit  dem 
Zusätze,  dass  er  vor  Eintreffen  des  Sohnes  desselben  nichts 
unternehmen  werde. '^®)  An  diesen  aber  hatte  er  sich  mit 
dem  besonderen  Ersuchen  gewendet,  vor  dem  Mühlhausener 
Tage  zu  ihm  zu  kommen,  was  Peter  neuerdings  zusagte.  '*") 
Als  dann  die  Rathschläge  des  älteren  Sternberg  anlangten, 
war  der  Herzog  bereit,  diesen  zu  entsprechen  und  theilte 
diesen  Entschluss  endlich  nach  langem  Schwanken  am 
27.  September  den  Anführern  der  Soldtruppen  mit.  ^* ') 

Diese  hatten  inzwischen  nicht  blos  sofort  nach  ihrer 
Rückkehr  auf  dem  Rathhause  der  Altstadt  Prag  vor  der 


''')  Fontes  r.  A.  XLII,  46  fgg.  mit  unrichtigem  Datum.  Pürgles 
bei  Buchau  und  nicht  mit  anderen  gleichnamigen  Orten  zu  verwechseln. 

'")  Fontes  r.  A.  XLII,  50  fg.  Das  Datum  dürfte  mit  Rücksicht 
auf  die  nachfolgende  Note  in  „12.  August"  zu  ändern  sein. 

"')  Gesammt-Archiv  zu  Weimar  Reg.  A  fol.  8  Nr.  13.  Schreiben 
aus  Koburg,  d.  d.  12.  August. 

'*")  Vergl.  des  Sternberg  Antwort  vom  15.  August  (Petschau) 
im  Grossh.  Ges.-Arch.  zu  Weimar  1.  c.  Ebendort  ein  zweites  Schreiben 
desselben  vom  19.  August. 

'*')  Fontes  r.  A.  XLII,  52  fgg. 


Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  auf  dem  Zuge  vor  Soest.     127 

versammelten  Ueineinde  Klage  geführt  '''^).  sondern  waren, 
nachdem  sie  noch  öfter  den  Herzog  gemahnt,  gegen 
Ende  August  neuerdings  zusammen  getreten,  um  nun  in 
einem  letzten  Schreiben  ihre  Ansprüche  auf  das  ent- 
schiedenste zu  betonen.  ^*^)  Schliesslich  willigten  aber 
auch  sie  ein,  dass  die  Herren  von  Podiebrad  und  Alscho 
von  Stern berg  über  die  Ersetzung  der  Schäden  entscheiden 
sollten.  '^*) 

Was  weiter  geschah,  lässt  sich  aus  den  wenigen  bisher 
bekannten  Nachrichten  nur  in  den  Umrissen  erkennen. 
Georg  Podiebrad  und  Alscho  von  Sternberg  fällten  ihren 
Spruch  erst  am  22.  März  1448  ***),  anscheinend  zu  gunsten 
der  Söldner,  die,  wie  auch  der  Herzog,  den  Spruch  an- 
nahmen. Aber  diesem  fehlte  das  Geld,  und  seine  Be- 
mühungen, von  dem  Erzbischofe  von  Köln  solches  zu  er- 
halten, scheiterten  an  dessen  eigener  Zahlungsunfähigkeit.^*") 
So  verschleppte  sich  die  Sache,  bis  der  Sturz  der  Vitz- 
thume,  der  grosse  Krieg  des  Jahres  1450,  sie  augenblicklich 
aus  dem  Vordergrunde  drängten.  Die  Söldner  bekamen 
nichts,  imd  eben  darum  blieben  ihre  Forderungen  eine 
der  Streitsachen,  an  denen  sich  von  1450 — 1456  immer 
wieder  das  Kriegsfeuer  entzündete.  Auf  dem  grossen 
Sühntage  zu  Breslau  1455  wurden  auch  die  Forderungen 
der  Söldnerführer  vorgenommen  '*''),  ebenso  in  Wunsiedel 
im  Februar  1459,  wo  aber  beschlossen  ward,  auf  dem 
kommenden  Egerer  Tage  von  derlei  Nebenfragen  zunächst 
abzusehen.'*^)  Trotzdem  kam  es  hier  zu  ausführlicher 
Berathung  auch  dieser  Sache  und  dann  endlich  auch  zur 
Zusage  des  Herzogs,  die  Schuldsumme  zu  zahlen,  während 
Johann  Calta  (auf  liabenstein)  seine  ehrenrührigen  Aeus- 
serungen  über  den  Herzog  und  dessen  Mutter  widerrufen 
nmsste.  **")     Aber  es  dauerte   noch   di'ei    volle  Jahre,  es 


'")  Stari  letopisove  st,  148. 

'*')  Fontes  r.  A.  XLII,  51  fg. 

'**)  Vergl.  Note  145. 

'**)  Regest  im  Konigl.  Landesardiive  zu  Prag. 

'*")  Schreiben  des  Erzbischofes  von  Köln  an  Herz.  Wilhelm  vom 
4.  April  1448,  Apel  Vitzthums  an  Peter  von  Sternberg  vom  14,  April 
und  des  letzteren  Antwort  vom  18.  April  im  Grossh.  Ges.-Arch. 
zu  Weimar,  Reg.  A  fol.  8  Nr.  9.  15. 

'")  Fontes  r.  A.  XLII,  273  fg.,  276  fgg. 

'*')  Palacky,  Urkundl.  Beiträge  etc.  (Fontes  r.  A.  II.  Abth., 
Bd.  XX)  173  fg. 

'*•)  Fontes  r.  A.  XUI,  273  fg. 


128  Adolph  Bachmann: 

bedurfte  noch  der  wiederholten  Intervention  König  Georgs, 
es  mussten  sich  die  Anführer  noch  mit  einer  Ausrichtung 
in  geringerem  Gelde  einverstanden  erklären,  ehe  endlich 
im  Juli  1462  ihre  Forderung  beglichen  ward.  *^'') 


"">)  Fontes  r.  A.  XLII,  308  fgg.,  311  fgg.,  316,  343  fg.,  346  fgg. 
Die  Geschichte  dieses  Handels  von  1448—1462,  sowie  die  Geschichte 
der  böhm.-sächsischen  Beziehungen  von  1448—1458  überhaupt,  für  die 
das  Königl,  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden  noch  reiches  ungedrucktes 
Material  enthält,  sei  hiermit  einem  künftigen  Bearbeiter   empfohlen. 


Nachtrag.  Der  „Bericht  eines  Göttinger  Raths- 
mitgliedes  über  den  Zug  des  Herzogs  Wilhelm  von  Sachsen 
gegen  Soest ,  1447"  (im  Urkundenbuch  der  Stadt  Göt- 
tingen von  1401 — 1500;  herausg.  von  Dr.  G.  Schmidt, 
Hannover  1867),  dessen  Einsichtnahme  mir  nachträglich 
Herr  Dr.  Ermisch  freundlichst  vermittelt,  bietet  zwar 
nichts  wesentlich  neues  für  das  Verhältnis  Herzog  Wil- 
helms zu  den  böhmischen  Söldnern  und  für  den  Verlauf 
des  Unternehmens  an  sich,  enthält  aber  doch,  ähnlich  wie 
die  Reimchronik,  manches  interessante  Detail.  So  gewährt 
er  namentlich  einzelne  sichere  Angaben  für  die  Richtung 
des  Rückzuges  und  die  Daten  mehrerer  Lagerplätze.  Dar- 
nach lagerte  das  Heer  vom  5.  bis  7.  Juni  nördlich  von 
Göttingen  von  ßovenden  bis  Nörten,  welch  letzteres  beim 
Abzüge  bis  auf  6  bis  8  Gebäude  abbrannte;  am  7.  Juni 
bei  Hollenstedt;  von  da  zogen  sie  nach  den  oben  geschil- 
derten Vorkommnissen  endlich  bei  Holzminden  über  die 
Weser  und  nahmen  die  Richtung  auf  Höxter.  Für  den 
Rückzug,  der,  wie  bereits  angegeben,  mehr  südwärts  führte, 
gewinnen  wir  Beverungen  als  den  Ort,  wo  sie  über  die 
Weser  zurückkehrten,  weiter  Dransfeld  und  Friedland, 
wo  sie,  stets  südöstlich  ziehend,  das  Eichsfeld  und  den 
St.  Gehülfenberg  bei  Mihla  erreichten. 


VI. 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen,  königlich 
polnischer   und   kurfürstlich    sächsischer   Ge- 
heimer Kabinets -Minister  und  General  der  In- 
fanterie. 


Von 

0.  von  Schimpff. 


Unter  den  sächsischen  Aclelsfamilien,  welche  besonders 
in  dem  17.  und  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts 
ihre  Bevorzugung  im  Hof-  Staats-  und  Militärdienste  nicht 
bloss  der  Fürstenlaune  und  dem  Zufalle,  sondern  den  wirk- 
lich hervorragenden  Eigenschaften  ihrer  Mitglieder  ver- 
dankten, nimmt  die  der  Friesen  unzweifelhaft  einen  der 
ersten  Plätze  ein.  Nur  sehr  wenioe  sächsische  Familien 
vermochten  damals  gleiche  wissenschaftliche  und  weltmän- 
nische Bildung,  gleiche  Verdienste  im  Öffentlichen  Dienste 
nachzuweisen,  wie  die  Friescn'sche;  kaum  aber  dürfte  auch 
nur  eine  sicii  rühmen  können,  dass  ihrem  Namen  in  jener 
Periode  eine  so  weit  über  die  Grenzen  ihres  kleinen  Vater- 
landes hinausreichende  Beachtung  zutheil  ward,  und  es 
muss  daneben  noch  besonders  hervorgehoben  werden,  dass 
die  der  Familie  eigene  Bildung  und  feine  Sitte  bereits  Im 
17.  Jahrhundert,  wo  bekanntlich  das  weibliche  Geschlecht 
in  Deutschland  nur  ganz  ausnahmsweise  sich  einer  sorg- 
fältigeren Erzieh img  zu  erfreuen  hatte,  auch  von  den  Frauen 

Neues  Archiv  f.  S.  (!.  n.  A.  II.  2.  9 


130  0.  von  Schimpff: 

und  Töchtern  der  Friesen 'sehen  Famihe  getheilt  zu  werden 
pflegte. 

Die  Familie,  welche  in  ihrer  jüngeren,  freiherrlichen 
Linie  noch  heute  blüht,  wird  erst  seit  1409  in  sächsischen 
Urkunden  erwähnt  und  scheint  aus  der  Schweiz  einge- 
wandert zu  sein.  Ihr  Stammgut  in  Sachsen  ist  Kauern 
bei  Ronneburg;  später  (1589)  wurde  von  derselben  Rötha 
erworben,  das  noch  jetzt  im  Besitze  der  Familie  ist. 

Die  ältere,  1755  erloschene  Linie  liatte  zum  Stammvater 
den  Greheimrathsdirektor  Heinrich  von  Friesen  (1610 — 1680), 
welcher  durch  die  bedeutende  Rolle,  die  er  als  Staats- 
mann und  Diplomat  unter  Johann  Georg  II.  spielte,  be- 
kannt ist.  Neben  einer  Reihe  hochgebildeter  Töchter  besass 
der  Geheimrathsdirektor  einen  einzigen  Sohn,  Julius  Hein- 
rich, auf  dessen  Lebenslauf^)  wir  hier  nur  insoweit  ein- 
zugehen brauchen,  als  zum  Verständnis  der  eigenthüra- 
lichen  Beziehungen  nothwendig  erscheint,  in  denen  sein 
Sohn  Heinrich  Friedrich,  der  Held  unserer  Darstellung, 
von  Haus  aus  zum  sächsischen  Hofe  stand. 

Julius  Heinrich,  der  sich  im  Todesjahre  seines  Vaters 
1680  mit  der  Tochter  des  holländischen  Generals,  Grafen 
Alexander  zu  Dohna,  Besitzers  des  Schlosses  Coppet  bei 
Genf,  verheirathet  liatte^  war  durch  die  Verbindungen  seines 
Schwiegervaters  in  sehr  intime  Verhältnisse  zu  dem  Prinzen 
Wilhelm  von  Oranien,  damaligem  vStatthalter  der  Niederlande 
und  späterem  Könige  von  England,  getreten.  In  Sachsen, 
wohin  Friesen  aus  holländischem  Dienste  1691  mit  dem 
Range  eines  Generalwachtmcisters  zurückkehrte,  stellte  er 
sich  mit  grosser  Entschiedenheit  auf  die  Seite  der  englisch- 
kaiserlichen Partei  und  zog  sich  dadurch  die  Abneigung 
des  Prinzen  Friedrich  August  zu,  Avelcher  die  französische 
Partei,  an  deren  Spitze  der  intrigante  Feldmarschall  Schö- 
ning  stand,  begünstigte.  Der  plötzliche  Tod  des  Kurfürsten 
Johann  Georgs  IV.  brachte  Friedrich  August  auf  den  Thron 
Sachsens,  und  es  seliien  anfangs,  als  ob  der  neue  Regent 
seinem  Grolle  gegen  Friesen  entsagt  habe,  da  dieser  als 
ausserordentlicher  Gesandter  nach  dem  Haag  entsendet 
ward,  wo  sich  damals  König  Wilhelm  von  England  ge- 
rade aufhielt.     Als  aber  Friesens  unversöhnlicher  Feind 


')  Vergl.  „Julius  Heinrich  Graf  von  Friesen,  Kaiserl.  General- 
feldzeugmeister,  Königl.  Englischer  Generallieutenant.  Ein  Lebens- 
bild aus  dem  Ende  des  siebzehnten  Jahrhunderts  von  Heinrich  Frei- 
herrn von  Friesen.     Leipzig,  Wilhelm  Baensch,  1870''. 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  131 

Schöning  aus  seiner  Gefangenschaft,  in  der  ihn  der  Kaiser 
zwei  Jahre  lang  gehalten  hatte,  nach  Sachsen  zurückkehrte^ 
begannen  sofort  dessen  Intriguen  gegen  Friesen  von  neuem ; 
dieser  jedoch,  von  seinen  Freunden  gewarnt,  leistete  dem 
kurfürstliclien  Befehl,  der  ihn  von  seinem  Posten  abberief, 
keine  Folge  und  schickte  statt  der  Antwort  dem  Kurfürsten 
sein  Generalspatent  zurück.  Ueber  diesen  Schritt  erzürnte 
Friedrich  August  so,  dass  er  die  Erbgüter  Friesens 
—  Schönfeld,  Jessen  und  Graupa  —  mit  Beschlag  belegte 
und  sie  dem  Feldraarschall  Scliöniug  überliess,  der  sich 
des  Besitzes  derselben  jedoch  nur  kurze  Zeit  erfreute  und 
bereits  1696  starb. 

Julius  Heinrich  von  Friesen  machte  in  der  Folge  in 
kaiserlichen  Diensten  eine  glänzende  Carriere,  wurde  in 
den  Grafenstand  erhoben  und  nach  seiner  rühmlichen 
Vertheidigung  von  Landau  1703  zum  Generalfeldzeug- 
meister ernannt.  Zwischen  ihm  und  seinem  von  ihm 
tief  beleidigten  Landesherrn  hatte  zwar,  als  Friedrich 
August  1695  aus  dem  türkischen  Feldzuge  nach  Wien  zu- 
rückgekehrt war,  eine  Aussöhnung  stattgefunden,  diese 
war  jedoch  bloss  eine  ausser  liehe,  denn,  trotz  der  nach  da- 
maliger Sitte  von  Friesen  kniefällig  geleisteten  Abbitte, 
wurden  ihm  die  eingezogenen  säclisischen  Güter  nicht  zu- 
rückerstattet. 

Ein  Jahr  nach  Eingehung  seiner  Ehe  war  dem  Julius 
Heinrich  von  Friesen  am  26.  August  1681  in  den  Nieder- 
landen, wahrsclieinlich  in  Maastricht,  ein  Sohn  geboren 
worden,  der  die  Namen  Heinrich  Friedrich  erhielt.  Die 
Erziehung  desselben  fiel  bei  dem  unstäten  Kriegerleben 
des  Vaters  der  trefflichen,  mit  reichen  Geistes<j:aben  aus- 
gestatteten  Mutter  anheim,  welche  in  Holland,  dem  da- 
maligen Hauptsitze  klassischer  Bildung,  den  Unterricht  des 
Sohnes  den  gelehrtesten  Philologen  anvertraute.  Dieser 
besuchte  später,  wie  sein  Vater,  die  holländischen  Uni- 
versitäten und  wurde  dann  nach  Genf,  der  Heimath  der 
Mutter,  gesendet,  um  dort  seine  Studien  zu  vollenden  und 
gleichzeitig  sich  den  gewandten  Gebrauch  der  französischen 
Sprache  anzueignen.  In  der  That  erwarb  Heinrich  Fried- 
rich sich  auf  diese  Weise  eine  seltene  Sprachkenntnis; 
neben  der  lateinischen  und  griechischen  Sprache,  die  er 
in  Holland  gründlich  erlernt  hatte,  bediente  er  sich  der 
deutschen,  holländischen,  französischen  und  englischen  mit 
grösster  Leichtigkeit.  Reisen  durch  Frankreich  und  Eng- 
land vollendeten  nach  damaliser  Kavalicrsittc  seine  sorar- 


132  0.  von  Schimpff: 

fältige  Erziehung,   bevor  er  in  den  holländisclien  Militär- 
dienst eintrat. 

In  diesem  geschieht  unseres  Helden  gelegentlich  der 
schon  berührten  Belagerung  von  Landau  im  Jahre  1703  Er- 
wähnung. Seiten  der  Verbündeten  wurde  der  Versuch 
gemacht,  die  von  den  Franzosen  unter  dem  Marschall 
Tallard  hart  bedrängte  Festung  durch  ein  aus  holländischen, 
hessischen  und  kurpfälzischen  Truppen  bestehendes  Korps 
zu  entsetzen,  welches  aber  am  15.  November  am  Speier- 
bache zwischen  Heiligenstein  und  Harthausen  eine  Nieder- 
lage erlitt.  Unter  der  sehr  beträchtlichen  Zahl  Gefangener, 
die  an  diesem  unglücklichen  Tage  in  die  Hände  des  Feindes 
fielen,  befand  sich  auch  der  damals  22jährige  Heinrich 
Friedrich  Friesen,  und  Tallard  benutzte  diesen  Umstand, 
den  kaiserlichen  Kommandanten  von  Landau  durch 
den  eigenen  Sohn  von  dem  Ausgange  des  Trefi'ens  in 
Kenntnis  zu  setzen  und  zur  üebergabe  der  so  rühmlich 
vertheidigten  Festung  aufzufordern.  Wirklich  erfolgte  nun 
auch  am  folgenden  Tage,  den  IG.  November,  die  Kapitu- 
lation unter  den  ehrenvollsten  Bedingungen. 

Beide  Eltern  Heinrich  Friedrichs  starben  kurz  hinter- 
einander, der  Vater  nach  langwieriger  Krankheit  den 
28.  August  1706  zu  Rastatt,  die  Mutter  am  18.  September 
1707  zu  Frankfurt  am  Main.  ^) 

Heinrich  Friedrich  hatte  noch  vor  dem  Tode  des 
Vaters  den  holländischen  Dienst  mit  dem  kurpfälzischen 
vertauscht,  wo  er  die  Stellung  eines  Obersten  der  Leib- 
garde bekleidete.  Der  Nachlass  des  Vaters,  der  stets  auf 
grossem  Fusse  gelebt  und  für  den  König  von  England 
sowohl,  als  für  den  Kaiser  beträchtliche  Auslagen  bestritten 
hatte,  welche  in  der  Folge  weder  der  Witwe  noch  den 
Kindei'n  zurückerstattet  wurden,  reichte  kaum  zur  Deckung 
der  Schulden  hin.  In  seiner  drückenden  Geldverlegen- 
heit richtete  Heinrich  Friedrich  seine  Blicke  auf  Russland, 
das  Eldorado  aller  damaligen  unternehmungslustigen 
Glücksritter,  wo  der  Sohn  des  berühmten  Vertlieidigers 
von  Landau  auf  eine  seinem  Ehrgeize  und  seinen  Bedürf- 
nissen entsprechende  Verwendung  rechnen  zu  könnenglaubte. 
Seine    Hoffnungen    wurden   nicht   getäuscht;   MenschikofF, 


^)  Sie  hhiterliessen  ausser  dem  einen  Sohne  noch  eine  Tochter, 
welche  1712  den  Wirklichen  Geheimerath,  Staats-  und  Kabinets-Mi- 
nister  Adolf  Magnus  Grafen  Hoym  (f  172.3),  den  geschiedenen  Ge- 
mahl der  Gräfin  Cossell,  heiratete. 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  133 

der  allmächtige  Günstling  des  Czaren,  beantwortete  unter 
dem  19.  November  1706  Friesens  Bitte  um  Aufnahme  in 
den  russischen  Militärdienst  zustimmend  und  bot  namens 
seines  Herrn  dem  25jährigen  Obersten  eine  Stelle  als  Ge- 
neralmajor an. 

Es  wird  ausdrücklich  erwähnt,  dass  Friesen  an  der 
Spitze  eines  Regiments  den  Schlachten  bei  Pultawa  und 
am  Pruth  beigewohnt  habe;  auch  soll  ihm  Peter  der  Grosse 
durch  verschiedene  geheime  Aufträge  Zeichen  seiner  be- 
sondern Gunst  und  seines  Vertrauens  gegeben  haben. 
Wenn  wir  den  Erzählungen  des  Barons  Haxthausen  Glauben 
schenken  dürfen,  so  beabsichtigte  MenschikofF,  den  jungen 
sächsischen  Grafen  mit  einer  seiner  Schwestern  zu  ver- 
heiraten. Wohl  möchte  sich  durch  diese  Partie  Friesen 
eine  sehr  glänzende  Aussicht  eröffnet  haben;  war  nun  aber 
die  ihm  zugedachte  Gattin  nicht  nach  seinem  Geschmacke 
oder  traute  er,  von  einem  richtigen  Ahnungsgefühl  geleitet, 
der  Stellung  Menschikoffs  nicht  ausreichende  Festigkeit  zu 
oder  bewahrte  sein  Herz  einer  schönen  Jugendgeliebten 
im  fernen  Holland  die  gelobte  Treue  ^)  — ,  Friesen  verzich- 
tete nicht  bloss  auf  die  Hand  der  Fürstenschwester,  sondern, 
was  in  Rücksicht  auf  die  Stellung  Menschikoffs  die  unver- 
meidliche Folge  dieser  Ablehnung  Avar,  auch  auf  den  fer- 
neren Dienst  in  Russland. 

In  Begleitung  des  Czaren,  der  bald  nach  der  Schlacht 
am  Pruth  eine  Reise  nach  Deutschland  antrat,  soll  Friesen 
in  Dresden  angelangt  sein.  Wie  dem  auch  gewesen  sein 
mag,  seine  Ankunft  in  Sachsen  1711  steht  ausser  Zweifel. 
Er  musste  auf  seine  einflussreichen  Verwandten,  vielleicht 
auch  auf  den  Zauber  seiner  Erscheinung  rechnen,  wenn  er 
sich  in  der  Heimat  seineii  Väter  grosse  Erwartungen  für 
die  Zukunft  machte;  denn  dass  er  sich  am  Dresdener  Hofe 
keine  freundliche  Aufnahme  versprechen  konnte,  war  ihm 
selbst  wohl  am  wenigsten  unbekannt. 

Von  seinen  Tanten  war  die  jüngste  der  sieben 
Schwestern  seines  Vaters,  die  verwitwete  Gräfin  Reuss,  wohl 
am  ersten  in  der  Lage,  sich  des  heimatlosen  Neffen  an- 
zunehmen, und  in  der  That  hatte  er  sich  in  dieser  bedeu- 
tenden Frau  nicht  verrechnet.  Sie  hatte  ihren  Gemahl, 
den  tapfern  und  umsichtigen  Feldzeugmeister  Grafen  Reuss, 
in   der  Schlacht   bei  Zentlia   verloren  und  lebte,  nachdem 


*)  Vergl.    das    oben    angezogene    Lebensbild   Julius    Heinrichs 
Grafen  von  Friesen,  Seite  189. 


134  0-  von  ScLimpff: 

aucli  ihr  einziger  Sohn  Heinrich  IL  im  zweiundzwanzigsten 
Lebensjahre  verstorben  war,  in  Dresden.  Hier  beherrschte 
sie  ganz  besonders  den  Statthalter  Anton  Egon  Fürstenberg, 
nach  WolfFranisdorfFs  sarkastischer  Bezeichnuno-  wie  Delila 
den  Sinison.  Dieser  hatte,  als  er  im  August  1797  den  Vorsitz 
im  Geheimen  Rath  und  damit  die  Leitung  der  sächsischen 
Angelegenheiten  übernahm,  wie  vorlier  Schouing,  aus- 
schliesslich das  französische  Interesse  vertreten,  war  jedoch 
durch  den  Einfluss  der  liebenswürdigen  und  geistreichen 
Witwe  dieser  Partei  allmählich  entzogen  worden.  ^)  Wäh- 
rend aber  die  Gräfin  Reuss  durch  den  geistig  ziemlich  un- 
bedeutenden, aber  durch  seine  Stellung  mächtigen  Fürsten- 
berg die  öffentlichen  Angelegenheiten  und  durch  das  grosse 
Haus,  welches  sie  machte,  und  ihre  Familienverbindungen 
die  Dresdener  Gesellschaft  beeinflusste,  hielt  sich  dieselbe 
grollend  vom  Hofe  entfernt,  dem  sie  die  nach  ihrer 
Meinung  ungerechte  Behandlung  ihres  Bruders  nie  ver- 
gessen konnte.  Den  aus  Russland  in  die  Heimat  zurück- 
kehrenden Sohn  desselben  nahm  sie  mit  wahrhaft  mütter- 
licher Liebe  auf,  aber  gerade  das,  was  diesem  im  Augenblick 
das  dringendste  Bedürfnis  war,  eine  geeignete  Anstellung 
im  sächsischen  Heere,  vermochte  sie  demselben  in  ihrer 
Isolierung  vom  Hofe  um  so  weniger  zu  verschaffen,  als  sie 
den  König  erst  kürzlich  wieder  durch  ihre  scharfe,  rück- 
sichtslose Salonkritik  *)  empfindlich  verletzt  hatte. 

Man  kann  sich  unter  diesen  Umständen  nur  wundern, 
dass  es  dem  günstigen  Eindrucke  des  liebenswürdigen, 
weltmännischen  Wesens  unsers  Helden  auf  den  für  diese 
Eigenschaften  allerdings  sehr  empfänglichen  König  gelang, 
nach  Verlauf  einer  verhältnismässig  nicht  allzulangen  Frist  **) 


*)  Hieraus  erklärt  sich  zum  grossen  Theil  die  Erbitterung  des 
galligen  Wolfframsdorff  in  seinem  vielbesprochenen  „Portrait  de  la 
Cour  de  Pologne"  gegen  die  Friesen'sche  Familie  und  die  dieser 
gleichgesinnten,  nach  Oesterreich  präponderierenden  Minister  („Möge 
der  König  die  ganze  Rasse  seines  durch  Eigennutz  und  Nachsicht 
verdorbenen  ^Ministeriums  fortjagen  etc.")-  Dagegen  preist  Wolff- 
ramsdorflf  Scliöning  als  den  einzigen  rechtschafienen  Diener  des  Kur- 
fürsten, von  dem  dieser  wie  Ludwig  XIV.  von  Turenne  habe  sagen 
können:     ,,Mit  ihm  habe  ich  meinen  rechten  Arm  verloren" 

*)  Flemmiug,  der  spätere  Feldmarschall,  bezeichnet  sie  einmal 
als  „mauvaise  gueule." 

')  Haxthausen,  dessen  Memoiren  dem  Verfasser  bloss  durch  die 
umfänglichen  Citate  Vehses  in  dessen  „Geschichte  der  Höfe  des  Hauses 
Sachsen"  bekannt  geworden  sind,  berichtet  (vergl.  Vehse  VI,  33  fg.), 
dass  Friesen  in  der  Zwischenzeit  bis  zu  seiner  Wiederanstellung  in 
Sachsen  sich,  aller  Hülfsquellen  beraubt,  genöthigt  gesehen  habe,  von 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  135 

die  tiefeingewurzelten  Vorurtheile  dieses  Fürsten  soweit  zu 
besiegen,  dass  er  den  Soliu  seines  politischen  Gegners 
noch  im  Frühjahr  1712  als  Oberst  im  Wackerbarth'schen 
Infanterie-Reginiente  anstellte. 

Dieses  Regiment  (jetzt  Nr.  104),  welches  seit  1707 
bei  der  Armee  in  den  Niederlanden  gefochten  hatte,  war 
im  Spätsommer  1711  sehr  zusammengeschmolzen  und  nur 
noch  in  ein  Bataillon  formiert  in  Sachsen  eingetroffen.  Hier 
wurde  es  wieder  auf  zwei  Bataillone  ergänzt,  von  denen 
das  eine  im  April  1712  den  Befeld  erhielt,  unter  Friesens 
Fülu'ung  mit  einigen  anderen  Abtheilungen  zu  dem  aus 
russischen,  dänischen  und  sächsischen  Truppen  bestehenden 
Korps  abzurücken,  welches  das  von  den  Schweden  besetzte 
Stralsund  eingeschlossen  hielt. 

Es  kann  hier  unsere  Aufgabe  um  so  weniger  sein, 
auf  die  theil weise  unter  den  Augen  der  bei  der  Armee 
anwesenden  Monarclien,  des  Czaren  und  des  Königs  August, 
in  den  Jahren  1712  und  1713  in  Pommern,  Mecklenburg 
und  Holstein  ausgeführten  kriegerischen  Operationen  näher 
einzugehen,  als  Friesens  Name  bei  keiner  Gelegenheit  aus- 
drücklich erwähnt  wird.  Letzteres  erklärt  sich  einfach 
theils  durch  den  Mangel  an  ernsten  Schlachten  und  Ge- 
fechten —  bei  Gadebusch  kam  von  den  Sachsen  nur  die 
Kavallerie  zur  Verwendimg  — ,  theils  durch  die  bescheidene 
Stellung,  welche  Friesen  an  der  Spitze  eines  einzigen,  in 
seinem  Bestände  während  des  Krieges  sehr  herabgekom- 
menen Bataillons  einnahm.  Dessenungeachtet  scheint  sich 
derselbe  im  Laufe  dieser  Feldzüge  als  Soldat  einen  guten 
Namen  gemacht  zu  haben;  denn  alsbald  nach  dem  Ein- 
treffen des  im  Oktober  1713  von  Pommern  abmarschierten 
sächsischen  Korps  in  den  Winterquartieren  in  Polen  wurde 
Friesen  zum  Generalmajor  befördert  und  den  1.  Februar 
1714  zum  wirklichen  Inhaber  des  bisherigen  Regiments 
Wackerbarth  ernarmt,  welches  fortan  bis  zum  Jahre  1717 
den  Namen  Friesen  führte. 

Unverkennbar  aber  waren  es  nicht  bloss  seine  n\ilitä- 
rischen  Leistungen,  sondern  auch  andere  persönliche  Eigen- 
schaften   des  ebenso   energischen  und   belierzten,  als  fein- 


dem  Erlöse  der  Samnilnngcn  seines  Grossvaters  zu  leben,  bis  er  bei 
seinen  Oheimen,  den  Grafen  Dnhna  in  Preussen,  eine  gastliche  Zu- 
flucht gefunden  habe.  Drei  Jahre  kann  diese  Abwesenheit  aber  un- 
möglich gedauert  haben,  und  es  liegt  in  den  Worten  Haxthausens; 
„il  resta  pres  de  trois  ans,  sans  qu'on  apprit  la  moindre  chose  de 
lui",  offenbar  eine  arge  üebertreibung. 


136  0.  von  Schimpff: 

gebildeten  und  diplomatiscli-sclilauen  Friesen,  welche  die 
letzten  Yorurtlieile  des  Königs  August  besiegten  und  ihm 
dessen  Vertrauen  und  allmählich  selbst  dessen  Zuneigung  ge- 
wannen, so  dass  wir  sehr  bald  den  jungen  Generalmajor 
mit  Aufträgen  beehrt  sehen  werden,  die  weit  ausserhalb 
der  Sphäre  seines  militärischen  Dienstbereichs  lagen. 

Zur  Vereinigung  des  gesammten  sächsischen  Heeres 
in  Polen,  wo  nach  dem  Wortlaute  der  pacta  conventa  aus- 
ländischen Truppen  nur  mit  ausdrücklicher  Genehmigung 
der  Bepublik  der  Aufenthalt  gestattet  war,  hatte  die  Furcht 
Veranlassung  gegeben,  dass  die  Türken,  dem  Einflüsse  des 
in  ihrer  Mitte  verweilenden  Karls  XII.  nachgebend,  einen 
Einfall  über  die  Grenze  Polens  unternehmen  und  das  Land 
mit  Krieg  überziehen  könnten.  Sehr  bald  jedoch  stellte 
sich  die  Grundlosigkeit  dieser  Befürchtung  klar  und  deut- 
lich heraus;  die  Türken  zeigten  sich,  ihrem  rücksichtslosen 
Gaste  zum  Trotze,  friedfertiger  als  je,  und  stürmisch  for- 
derte nun  der  polnische  Adel,  als  er  die  Grenzen  der  Re- 
publik nicht  mehr  bedroht  sah,  die  Entfernung  der  Truppen 
seines  Königs.  Dieser  vermochte  dem  Dräugen  auf  die 
Dauer  nicht  zu  widerstehen  und  vorfügte  unter  dem  3.  Sep- 
tember 1714  von  Reisen  aus,  dass  die  Hälfte  der  in  Polen 
stehenden  Truppen  den  Rückmarsch  nach  Sachsen  unge- 
säumt antreten,  die  andere  Hälfte  aber  „unumgänglicher 
Noth  wegen"  in  ihren  Kantonnements  zurückbleiben  sollten, 
wobei  die  letzteren  gleichzeitig  verwarnt  wurden,  „dem  freien 
Volke  zu  keiner  Beschwerde  zu  gereichen  und  deren  wohl- 
hergebrachte Rechte,  Freiheiten  und  Praerogationen  nicht 
zu  verletzen". 

Das  Regiment  Friesen  befand  sich  mit  unter  den 
Truppenabtheilungen,  welche  infolge  des  erwähnten  könig- 
lichen Befehls  unter  dem  Oberkommando  des  Generals  der 
Infanterie  Baron  Hallart  in  den  ersten  Tagen  des  Oktobers 
den  Rückmarsch  nach  Sachsen  antraten:  3  Kürassier-, 
2   Dragoner  und  8  Infanterieregimenter. 

Man  glaubte  jetzt  den  so  lange  sehnlich  erwarteten 
Augenblick  der  Ruhe  für  Europa  eingetreten;  der  spa- 
nische Erbfolgekrieg  war  beendigt;  die  Schweden  hatten 
den  Boden  des  deutschen  Reichs  geräumt,  und  der  ?Taupt- 
friedensstörer,  Karl  XH.,  schien  als  Gefangener  der  Türken 
sich  in  dem  fernen  Demotika  in  sicheren  Händen  zu  be- 
finden. 

Da  mit  einem  Male  verbreitete  sich  im  Herbst  1714 
die   bestürzende  Kunde,  Karl  XII.  habe  am   1.  Oktober 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  137 

die  Türkei  verlassen  und  sei  auf  dem  Wege  nach  seinen 
Erbstaaten.  Ein  Jahrhundert  mnsste  seitdem  verstreichen, 
Ijevor  Napoleons  I.  plötzliche  Rückkehr  von  Elba  und 
Landu)ig'  bei  Cannes  Europa  wieder  in  eine  ähnliche  Auf- 
regung versetzte.  Alle  Höfe  und  Kabinette  geriethen  in 
grosse  Besorgnis,  denn  mit  dem  Namen  Karls  war  der 
Begriff  des  Krieges  bisher  unzertrennlich  verbunden  ge- 
wesen; niemand  aber  wurde  von  dem  Ereignisse  unmittel- 
barer berührt,  als  König  August,  welcher  zu  dieser  Zeit 
gerade  inmitten  frivoler  Lustbarkeiten  in  Warschau  ver- 
weilte. Ein  Staatsratli,  an  welchem  der  Grosskanzler  J. 
Szembeck  und  der  Grossschatzmeister  Przebendowski  und 
sächsischerseits  der  unentbehrliche  Fleraming,  der  Minister 
Graf  Werthern  und  der  General  Janus  von  Eberstädt ') 
theilnahmen,  Avurde  am  16.  November  zusammenberufen. 
Derselbe  zog  nach  dem  Protokoll  der  Sitzung  als  mögliche 
Folgen  der  Wiedererscheinung  Karls  XII.  nachstehende 
Fälle  in  Erwägung: 

I.  Der  König  Karl  gelie  nach  Schweden,  um  dem 
Czaren,  der  ihn  zunächst  bedrohe,  Widerstand  zu  leisten. 
Für  diesen  Fall  beschloss  man,  Russland  Beistand  zu  ge- 
währen —  „d'assister  au  Zar,  corame  il  nous  a  assiste  de 
son  cote  dans  notre  besoin". 

IL  Karl  greife  Dänemark  an.  Dann  wolle  man  auch 
diesem  Staate  militärischen  Beistand  leisten,  oder,  wie  man 
sich  in  Hinblick  auf  die  erhoffte  Gegenleistung  diploma- 
tischer ausdrückte,  „nous  secourir  mutuellement". 

III.  Er  richte  seinen  Angriff  auf  die  sächsischen  Lande. 
Hier  setzte  der  Staatsrath  seine  Hoffnungen  in  das  wäh- 
rend der  kurzen  Friedenszeit  komplettierte  und  im  Vater- 
lande neugekräftigte  Armeekorps,  dann  aber  rechnete  er 
für  diesen  Fall  auf  die  Hülfe  Dänemarks,  auf  die  Garantien, 
welche  Preussen  im  Vertrage  von  Schwedt  sowohl  bezüg- 
lich Polens    als  Sachsens   zugestanden   habe,   und   endlich 


'')  Gottfried  Leberecht  Janus  (oder  Jahmis)  von  Eberstädt  stammte 
aus  einer  thüringischen  Familie,  welche  im  Besitze  der  Güter  Eber- 
städt und  Gross-Gottern  bei  Langensalza  war.  Als  russischer  Ge- 
nerallieutenant kam  er  in  der  Begleitung  des  Czaren  1711  mit  nach 
Dresden,  wo  er  für  den  sächsischen  Dienst  gewonnen  ward;  der  Ueber- 
tritt  erfolgte  im  Februar  1712.  Schon  im  nächsten  Monate  wurde 
Janus  von  Eberstädt  zum  General  der  Kavallerie  und  Vicepräsidenten 
des  Geheimen  Kriegsraths-KoUegiums  ernannt.  Den  2ö.  November 
1712  erhielt  er  an  Flemmings  Stelle  den  Posten  eines  Gouverneurs 
von  Dresden;  im  Dezember  1714  wurde  er  Wirklicher  Geheimerath. 
Er  starb,  erst  einige  fünfzig  Jahre  alt,  am  17-  Mai  1718  zu  Dresden. 


138  0.  von  Schirapff: 

auf  die  übrigen  ßeiclisfürsten,  die,  wie  man  Grund  zu  er- 
warten Labe,  eine  neue  Störung  des  Friedens  nicht  dulden 
würden. 

IV.  Der  Angriff  Karls  richte  sich  auf  Polen.  Man 
hält  dies  nicht  für  unwahrscheinlich,  theils  der  unglück- 
lichen inneren  Zustände  dieses  Landes  wegen,  theils  weil 
für  dasselbe  das  Interesse  verschiedener  Mächte,  wie  des 
deutschen  Reichs,  Dänemarks  etc.  schwächer  sei,  als  für 
Sachsen.  Wenn  aber  Polen  demnach  auf  den  Beistand  von 
Russland  und  Preussen  allein  angewiesen  bleibe,  so  dürfe 
nicht  ausser  Berücksichtigung  gelassen  werden ,  dass  der  Czar 
sich  st^s  nur  als  ein  unzuverlässiger  Verbündeter  bewiesen 
habe,  und  Preussen  seinen  Beistand  nicht  ohne  eine  ent- 
sprechende (Gegenleistung  gewähren  werde. 

Die  in  Polen  verbliebene  Hälfte  der  sächsischen  Armee 
ist  in  ihrem  Bestände,  bei  dem  fortwährenden  Hin-  und 
Hermarschieren  derselben  zur  Unterdrückung  der  inneren 
Unruhen  und  dem  Mangel  an  Ersatz,  bereits  sehr  herab- 
gekommen, ihre  Verpflegung  schlecht  geregelt.  Erst  jetzt 
im  Drange  der  bevorstehenden  Noth  denkt  man  an  die 
Anlage  von  Magazinen  in  Polen.  An  die  Bevölkerung, 
die  bisher  dem  Könige  auch  das  geringste  Opfer  stets  be- 
harrlich verweigert  hatte,  will  man  eine  Proklamation  er- 
lassen, welche  sie  auffordert,  bei  der  Annäherung  des  Feindes 
diesem  ihre  Wohnstätten  preiszugeben  und  sich  mit  sämmt- 
lichen  Lebensmitteln  in  die  Wälder  zu  flüchten,  ein  An- 
sinnen, von  welchem  man  sich,  bei  dem  in  Polen  herr- 
schenden Geiste,  kaum  im  Ernste  einen  Erfolg  versprechen 
konnte. 

Unter  den  obwaltenden  Verhältnissen  erschien  es 
wichtig,  sich  des  im  Verlaufe  des  nordischen  Krieges 
immer  lockerer  gewordenen  Bündnisses  mit  Dänemark 
aufs  neue  zu  versichern.  Augenblicklich  befand  sich  in 
Kopenhagen  als  sächsischer  Geschäftsträger  der  Oberst 
Claude  De  Brosses*);  man  hielt  es  jedoch  für  angezeigt, 
denselben  jetzt  durch  eine  bedeutendere  Persönliclüteit  ab- 
zulösen. Wahrscheinlich  auf  Fleramings  Vorschlag  fiel 
die  Wahl  zu  diesem  viel  Takt  und  Geschicklichkeit  er- 
fordernden  Geschäft    auf  Friesen;    abgesehen    von    seinen 


')  De  Brosses  war  mehrere  Male  hintereinander  mit  Aufträgen 
nach  Kopenhagen  entsendet  worden,  und  zwar  den  12.  September  1712 
und  den  12.  Oktober  1712  von  Greifswalde,  den  2.  Oktober  171.3 
von  Warschau,  und  den  25.  August  1713  von  Reisen  aus. 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  139 

übrigen  hervorragenden  Eigenschaften  war  dabei  auch  das 
Verhältnis,  in  welchem  er  zum  Czaren  gestanden  hatte, 
massgebend. 

Als  Hauptziel  seiner  Sendung  war  dem  Generalmajor 
von  Friesen  in  seiner  Instruktion  ^),  nebst  Herstellung  eines 
guten  Einvernehmens  zwischen  dem  dänischen  und  dem 
polnisch-sächsischen  Kabinet  im  allgemeinen,  der  Abschluss 
eines  Schutz-  und  Trutzbündnisses  mit  Dänemark  be- 
zeichnet worden.  Um  letzteres  hierzu  geneigt  zu  machen 
und  etwaigen  Gegenbestrebungen  zuvorzukommen,  soll 
Friesen  das  Kopenliagener  Kabinet  beständig  auf  die  Ge- 
fahren aufmerksam  machen,  durch  die  es  von  seilen  Schwe- 
dens bedroht  werde,  indem  Dänemark  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  derjenige  Staat  sei,  der  beim  Ausbruche  eines 
Krieges,  auf  den  man  nach  der  Rückkunft  Karls  XII.  be- 
stimmt rechnen  könne,  den  ersten  Stoss  auszuhalten  habe. 
Der  Gesandte  soll  dabei  nicht  unterlassen,  darauf  hin- 
zuweisen, dass  für  Sachsen  die  Gefahr  eine  viel  geringere 
sei,  da  Karl  sich  schwerlich  gegen  den  Kaiser  und  das 
deutsche  Reich  durch  eine  Invasion  in  dasselbe  in  Unrecht 
setzen  werde,  in  Polen  aber  August  II.  mit  Zuversicht 
auf  eine  Unterstützung  des  Czaren  zählen  dürfe. 

Dass  man  bei  der  Wahl  Friesens  ganz  vorzugsweise 
mit  auf  dessen  höfische  Sitte  und  geistreiche  Unterlialtuugs- 
gabe  Rücksicht  genommen  hatte,  geht  aus  denjenigen 
Punkten  seiner  Instruktion  hervor,  in  welchen  ihm  sein 
Verhalten  gegenüber  dem  Könige  und  dessen  Ministern 
ziemlich  ausführlich  vorgezeichnet  wird.  Wir  erkennen  so- 
fort die  Feder  des  unermüdet  thätigen,  vielseitigen  und 
verschlagenen  Flemming,  wenn  wir  in  der,  in  französischer 
Sprache  abgefassten  Instruktion  den  Satz  lesen: 

,,Was  insbesondere  die  Person  Sr.  Majestät  des  Königs 
von  Dänemark  betrifft,  so  wird  er  (der  Gesandte)  sich  be- 
mühen, dessen  Gunst  und  Vertrauen  durch  die  grösste 
Aufmerksamkeit  zu  gewinnen,  welche  er  darauf  verwendet, 
ihm  gegenüber  schmeichelhafte  Aeusserungen  mit  Ge- 
schick anzubringen  (en  repondant  les  louanges  k  propos 
sur  les  actions  et  sur  les  discours)  und  überhaupt  den 
König  zu  belustigen  und  heiter  zu  stimmen.  Er  wird,  wenn 
er  mit  dem  Könige  über  Staatsgeschäfte  spricht,  sorgsam 
vermeiden,    ihn    dadurch   zu  ermüden  und  zu  langweilen. 


»)  H.-St.-A.  Loc.  Nr. .2706:   „Des  Generalmajors  (jirafen  v.  Friesen 
Verschickung  an  den  Königl.  Dänischen  Hof"  lil.  17  fgg. 


140  0.  von  Schimpff: 


dass  er  zu  oft  auf  denselben  Geo^enstand  zurückkoirimt. 
Ferner  wird  er  seine  ganze  Geschickliclikeit  anwenden, 
sich  angenehm  zu  machen  und  die  Neigung  des  Königs 
durch  seine  Unterlialtung  zu  gewinnen." 

Zur  weiteren  Erläut(,;rung  schreibt  noch  Flemming 
privatim  unter  dem  25.  November  1714  aus  Warschau: 
„Um  sich  bei  dem  Könige  von  Dänemark  einzuschraeiclieln, 
rauss  man  anfänglich  im  Gespräch  unter  vier  Augen  grosse 
Ernsthaftigkeit  heucheln,  aber  doch  dergestalt  verfahren, 
dass  man  ihm  die  Ueberzeugung  beibringt,  man  sei  eigent- 
lich heiterer  Laune;  in  Gesellschaft  anderer  empfiehlt  es 
sich,  ihn  durch  Witze  zu  ergötzen,  die  man  gerade  so 
laut  sagt,  dass  er  sie  noch  hören  kann,  oder  die  man  dem 
Grafen  Reventlow  mittheilt,  der  sie  ihm  weiterzuerzählen 
pflegt,  weshalb  man  sich  auch  mit  diesem  auf  gutem  Fusse 
erhalten  muss.  Da  der  König  von  Dänemark  jedermann 
gern  glauben  machen  will,  dass  er  viel  arbeite,  so  muss 
man  ihm  über  diesen  Gesenstaud  öfters  etwas  Schmeichel- 
haftes  sagen.  Durch  nichts  kann  man  leichter  sein  Ver- 
trauen gewinnen,  mid  mit  diesem  wird  er  Sie  dann  so  weit 
beehren,  bis  er  sich  endlich  gegen  Sie  über  seine  Minister 
beklagt.  Dann  aber  müssen  Sie  sehr  vorsichtig  sein,  weil 
es  leicht  begegnen  könnte,  dass  der  König  Ihre  Aeusse- 
rungen  über  die  Minister  diesen  wiedererzählte.  Bei  Ge- 
legenheit habe  ich  öfters  dem  Könige  meine  Ansichten 
vorgetragen,  aber  seine  Entscheidungen  nur  in  Gegenwart 
der  Minister  hören  mögen.  Man  muss  suchen,  den  Hof- 
zwerg und  einen  in  sehr  grosser  Gunst  stehenden  Kammer- 
diener für  sich  zu  gewinnen." 

Nun  folgt  in  Flemmings  Schreiben  die  Charakteristik 
der  Minister: 

„Wibe  ist  von  allen  der  Gescheidteste,  aber  überaus 
ängstlich;  Holst  ein  schlechter  Charakter  und  Betbruder, 
die  Grafen  Flössen  dagegen  sind  ehrliche  Leute,  welche 
trotz  der  Ungnade,  in  der  sie  bei  Hofe  stehen  und  unge- 
achtet sie  an  demselben  nicht  erscheinen,  doch  noch  einen 
grossen  Einfluss  besitzen";  endlich  Sehestedt,  bezüglich 
dessen  Flemming  sehr  .indiskret  bemerkt:  „II  faut  gagner 
sa  femme,  ä  laquelle  il  sera  bon  de  dire  de  temps  en  temps 
qui  j'ai  conserve  beaucoup  d'estime  pour  eile. 

Friesen  traf  am  30.  December  1714  in  Kopenhagen 
ein.  Als  erste  Schwierigkeiten,  welche  der  Lösung  seiner 
Aufgaben  hier  entgegentraten,  bezeichnet  er  selbst  in  seinem 
Berichte ; 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  141 

I.  Dass  sein  Vorgäugei*  De  ßrosses  den  dänischeu 
Hof  auf  gewisse  vortheilhafte  Vorschläge  aufmerksam  und 
neugierig  gemacht  habe,  die  er,  Friesen,  vom  sächsischen 
Hofe  überbringen  werde; 

IL  Vorschläge  zu  einem  Partikularfrieden  unter  Aus- 
schluss der  übrigen  Verbündeten  des  Königs  August  (des 
propositions  d'une  paix  particuliere  a  l'exclusion  des  autres 
AUies  deVotre  Majeste)'");^ 

in,  Die  Kenntnis  von  Friesens  engen  Beziehungen  zum 
Marschall  Flemming,  gegen  welchen  das  dänische  Mini- 
sterium allen  Grund  zum  Misstrauen  zu  haben  glaubte. 
Dieser  Verdacht  soll  sich  nach  Friesens  Erläuterung  auf 
einen  14  Tage  vor  seiner  Ankunft  entdeckten  Anschlag  eines 
gewissen  Müller  gegen  das  dänische  Ministerium  beziehen, 
bei  welchem  Flemming,  dem  nun  einmal  das  Intrigieren 
nach  allen  Seiten  hin  so  nothwendig  war  wie  die  Lebens- 
luft, stark  mit  compromittiert  erscheint. 

Der  Empfang  Friesens  bei  Hofe  und  in  der  Gesell- 
schaft war  daher  auch  ein  kühler  und  gemessener;  „on  me 
battit  froid",  räumt  er  selbst  ein.  Auch  beklagt  er  sich, 
dass  sein  erstes  Auftreten  als  Diplomat  ihm  dänischerseits 
als  Stolz  ausgelegt  worden  sei,  oder  dass  man  diesen  Vor- 
wurf wenigstens  gegen  ihn  erhebe,  um  eventuell  die  Schuld 
des  fehlgeschlagenen  Annäherungsversuches  auf  denselben 
zurückführen  zu  können. 

Im  Grunde  waren  wohl  auch  alle  diese  mehr  oder 
minder  gegen  die  Person  des  Gesandten  gerichteten  Be- 
schuldigungen nur  der  Deckmantel,  hinter  dem  das  däni- 
sche Kabinet  seine  Abneigung  verbarg,  sich  durch  den 
Abscliluss  eines  formellen  Allianzvertrages  mit  Sachsen  die 
Hände  zu  binden;  man  hielt  in  Kopenhagen  Sachsen  für 
zu  sehr  durch  den  Krieg  herabgekommen,  um  sich  von 
einem  Bündnisse  mit  demselben  viel  zu  versprechen. 

Nach  Friesens  Angaben  ' ')  bestanden  die  politischen 
Vorurtheile  Dänemarks  in  folgenden: 

I.  Polen  befindet  sich  in  offener  Empörung  (dans 
un  soulevement  general).  IL  Sachsen  ist  ohne  Geld  und 
ohne  Hülfsquellen.    III.  Beide  Länder  sind  mit  dem  Czaren 


'")  Friesen  macht  in  seiner,  in  dem  oben  angezogenen  Akten- 
stück (Bl.  306  fgg.)  entlialteneii  „Relation  generale  de  ma  negociation 
ä  la  Cour  de  Dänemark"  hieraus  einen  besonderen  Punkt,  obgleich 
nach  den  Regeln  der  Logik  dieser  Vorschlag  doch  wohl  bloss  eine 
Erläuterung  des  ersten  Punktes  sein  möchte. 

")  Relation  generale  Bl.  296  b. 


142  0-  von  Schimpff: 

veruneinigt  (brouilles).  IV.  Sie  sind  in  die  orientalischen 
Wirren  verwickelt.  V.  Sie  bereuen  die  mit  Frankreich 
eingegangenen  Verbindungen  und  ebenso  VI.  das  Scheitern 
der  mit  Schweden  angeknüpften  Friedensverhandlungen. 
VII.  Ihre  Armee  ist  nur  auf  dem  Papier  vorhanden.  VIII.  Sie 
haben  weder  Freunde^  noch  Verbündete  und  IX.  ebenso- 
wenig Aussichten,  am  preussischen  Hofe  etwas  zu  erreichen, 
wie  am  englischen. 

Den  5.  Januar  1715  war  Friesen  mit  De  Brosses  in 
das  Kabinet  beschieden  worden,  wo  er  von  den  Ministern 
im  Conseil  empfangen  wurde.  Nach  allgemeinen  Ver- 
sicherimgen  der  freundschaftlichen  Gesinnungen  seines  Hofes 
hatte  Friesen  auf  die  Gefahren  aufmerksam  gemacht,  denen 
ganz  besonders  auch  das  dänische  Reich  von  selten  Schwe- 
dens ausgesetzt  sei  und  sich  auf  die  alten  Allianzverträge 
mit  Sachsen  bezogen,  worauf  er  den  Ministern  die  bündig- 
sten Versprechen  ertheilt  hatte,  der  Dresdener  Hof  sei  bereit, 
mit  der  Krone  Dänemark  ein  enges  Bündnis  einzugehen^ 
um  sich  gegen  die  feindlichen  Absichten  und  Unterneh- 
mungen Schwedens  zu  schützen  und  solchen  mit  vereinter 
Macht  zuvorzukommen. 

Nach  einigem  Zögern  gab  hierauf  der  dänische  Hof 
unter   dem    12.   Januar   folgende   schriftliche    Autwort:  '*) 

Se.  Majestät  sei  ebenfalls  ganz  der  Meinung,  dass  das 
kürzeste  und  sicherste  Mittel  zur  Vereitelung  der  beab- 
sichtigten Unternehmungen  des  Feindes  sein  dürfte,  den- 
selben so  viel  als  möglich  zuvorzukommen,  und  der  König 
habe  zu  diesem  Zweck  nicht  allein  seinen  Generälen  Be- 
fehl ertheilt,  den  Feind  mit  aller  Aufmerksamkeit  zu  be- 
obachten, sondern  auch  trotz  der  Scliwierigkeiten  der 
Jahreszeit  eine  Flotte  auslaufen  lassen^  um  dafern  mög- 
lich die  schwedischen  Transporte  anzugreifen  und  zu  ver- 
nichten. Den  Plan,  den  man  gegen  eine  unvermuthete 
Invasion  des  Feindes  in  Aussicht  nehme,  finde  der  König 
nicht  minder  angemessen,  halte  es  aber,  um  den  Unter- 
nehmungen der  Schweden  ein  schnelles  Ziel  zu  setzen,  für 
unumgänglich  nothwendig,  sich  zuvor  der  Uebereinstimmung 
des  Czaren  zu  versichern,  damit  der  Feind  gleichzeitig 
und  nach  einem  gemeinsamen  Plane  von  allen  Seiten  ge- 
fasst  und  mit  genügender  Kraft    erdrückt  werden  könne. 

Im  weiteren  versichert  der  König  von  Dänemark,  dass 
er  sich  alle  Mühe  geben  werde^  um  für  die  gemeinschaft- 


'*)  Vergl.  das  S.  1.39  angezogene  Aktenstück,  Bl.  944. 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  143 

liehe  Sache  nuue  Verbündete  zu  gewinnen,  namentlich  den 
deutschen  Kaiser  und  die  Könige  von  England  und  von 
Preussen;  die  schlagfertige  Armee  seines  Landes  sei  ohne 
Berücksichtigung  der  Flotte  26000  Mann  stark.  Das 
Schreiben  macht  besonders  darauf  aufmerksam,  dass  die 
Flotte,  welche  Dänemark  während  der  bisherigen  Dauer 
des  Krieges  allein  unterhalten  habe,  für  die  Finanzen  Sr. 
Majestät  eine  schwere,  von  den  übrigen  Alliierten  nicht 
getheilte  Last  gewesen  sei. 

Während  am  Schlüsse  nochmals  betheuert  wird,  dass 
man  zur  Abwendung  der  gemeinsamen  Gefahr  keine  Opfer 
scheuen  werde,  bleibt  der  König  doch  fest  bei  der  Be- 
dingung stehen,  „que  tout  soit  prealablement  communique 
ä  Sa  Majeste  Czarienne  et  que  par  consequent  on  en  fasse 
part  ä  son  embassadeur '^)  qui  reside  en  sa  cour". 

Das  letztere  aber  war  es  gerade,  was  man  durch  die 
Sendung  des  Grafen  Friesen  abwenden  wollte;  das  Bündnis 
mit  Dänemark  sollte  eben  ohne  Vorwissen  des  Czaren,  in 
dessen  Uneigennützigkeit  und  Aufrichtigkeit  man  in  Sachsen 
nicht  unbegründete  Zweifel  setzte,  abgeschlossen  werden. 
Für  des  aufstrebenden  Friesens  Ehrgeiz  mag  es  eine  bittere 
Enttäuschung  gewesen  sein,  als  er  von  Tag  zu  Tag  mehr 
zu  der  Ueberzeugung  gelangen  musste,  dass  seine  Bestre- 
bungen in  Kopenhagen  nie  von  dem  erhofften  Erfolge  ge- 
krönt werden  würden  und  sein  erstes  diplomatisches  Debüt 
mithin  als  gescheitert  zu  betrachten  sei.  Jedenfalls  zeugt 
es  von  seiner  Klugheit  und  richtigen  Beurtheilung  der 
Verhältnisse,  dass  er  sich  durch  die  persönliche  Liebens- 
würdigkeit und  die  Artigkeiten  der  Hofleute,  welche  bald  an 
die  Stelle  der  anfänglich  so  kühlen  Aufnahme  traten,  nicht 
irre  machen  Hess  und  in  seinen  Berichten  gleich  von  Haus 
aus  auf  die  Hoflnungslosigkeit  seiner  Bestrebungen  hinwies, 
so  dass  man  sich  auch  am  Hofe  Augusts  in  Warschau 
keinen  langen  Täuschungen  hingab  und  schon  im  Februar 
Friesens  Zurück berufung  verfügte. 

Unter  dem  27.  Februar  17  L5  erging  von  Warschau 
nachstehendes  königliche  Handschreiben  *^)  an  den  Kopen- 
hagener Hof  ab: 

„Wie  Wir  uns  beschlossen,  den  tot.  tit.  Grafen  von 
Friesen  an  Ew.  Majestät  abzuschicken,  sind  Wir  des  Ge- 
dankens gewesen,   er  Avürde   die   ihm    aufgetragene  Com- 


'*)  Fürst  Dolgoruki. 

'*)  Vergl.  das  S.  139  angezogene  Aktenstück,  Hl.  277. 


144  0.  von  Schimpff: 

mission  in  kurzem  verrichten,  mit  einer  Ew.  Majestät  ge- 
wierigen  Resolition  bald  wiederum  zurückkommen,  und 
dann  seine  ordinairen  Functiones  bei  unseren  Armeen  an- 
treten können;  gleichwie  Wir  aber  vernommen,  dass  Ew. 
Majestät  Intention  dahin  gehet,  vor  Convertirung  eines 
Planes,  wie  dem  Feinde  gehörig  zu  begegnen,  des  Zaaren 
Majestät  erst  darüber  zu  consuliren  und  dessen  sentiments 
über  die  operationes  der  bevorstehenden  Campagne  ein- 
zuholen, wozu  wegen  Entfernung  der  Oerter  eine  geraume 
Zeit  erfordert  wird,  Wir  aber  inzwischen  vorgedachter- 
massen  der  Dienste  obbemeldeten  Unseres  General-Majors 
benöthigt  sind,  so  befinden  AVir  uns  gemüssigt,  denselben, 
wie  gern  Wir  ihn  auch  länger  bei  Ew.  Majestät's  Hoff 
hätten  mögen  subsistiren  lassen,  wiederum  zu  rappeliren, 
Wogegen  Wir  aber  nicht  ermangeln  werden,  jemanden 
an  Ew.  Majestät  abzuschicken"  u.  s.  w. 

In  Warschau  war  übrigens  schon  vor  dieser  Zeit 
insofern  ein  Umschwung  eingetreten,  als  man  den  Be- 
ziehimgen  zu  Dänemark  nicht  mehr  die  grosse  Wichtig- 
keit beilegte,  wie  im  Herbst  1714.  Flemming,  der  allzeit 
imermüdliche  Faiseur,  war  zur  Herbeiführung  einer  Allianz 
mit  dem  preussischen  Kabinet  im  Dezember  nach  Berlin 
gegangen  und  hatte  sich  von  da  mit  Friesen  in  Kopen- 
hagen in  Korrespondenz  gesetzt.  Er  schrieb,  dass  die  Ver- 
handlungen mit  Preussen  einen  günstigen  Verlauf  zu  nehmen 
schienen  und  man  hier  Geneigtheit  zeige,  einen  Vertrag 
mit  Sachsen  abzuschliessen ;  auch  mit  England  sei  ein 
Bündnis  in  Aussicht. 

Noch  unter  dem  9.  März  ertheilt  Flemming  Friesen 
den  Wink,  die  Unterhandlimgen  mit  Dänemark  ja  nicht 
zu  übereilen. 

Es  war  um  diese  Zeit,  dass  die  auf  dem  Rückmarsche 
von  der  Türkei  nach  ihrem  Vaterlande  begriffene  kleine 
schwedische  Abtheilung  sich  der  Grenze  von  Hannover 
näherte,  und  man  interessierte  sich  in  Kopenhagen  lebhaft 
dafür,  ob  der  Kurfürst  wohl  dieser  Truppe  die  Erlaubnis 
ertheileu  werde,  das  Gebiet  seines  Landes  zu  passieren. 
In  Sachsen  schenkte  man  natürlich  diesem  15U0  Mann 
starken  Zuge,  welchen  1800  Pferde  und  60  Wagen  be- 
gleiteten, nicht  mindere  Aufmerksamkeit,  zumal  sich  dar- 
unter eine  uuverhältnissmässig  grosse  Anzahl  Generäle 
und  höhere  Offiziere  befanden,  „uubewehrt  imd  schlecht 
montirt,  aber  feine  Leute",  wie  die  dem  sächsischen  Hofe 
erstatteten  Berichte  sich  ausdrücken.   Und  wirklich  so  ge- 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  145 

waltig  war  noch  immer  die  Scliwedenfurcht  in  Sachsen, 
dass  diese  Handvoll  Abenteurer,  die  wie  ein  Meteorschwarm 
an  den  Grenzen  des  Kurstaates  vorüberzogen,  der  Regie- 
rung und  dem  Lande  ernste  Besorgnis  einflössten,  und  erstere 
sich  dadurch  veranlasst  fand,  die  aus  5  Kavallerie-  und 
8  Infanterie-Regimentern  bestehende  Besatzung  Sachsens 
noch  um  einige  aus  Polen  herangezogene  Regimenter  zu 
verstärken. 

Nachdem  die  Abberufungsordre  bereits  in  die  Hände 
Friesens  gelangt  war,  fand  zwischen  demselben  und  den 
Staatsräthen  Holst  und  Sehestedt  am  18.  März  1715  noch 
eine  Konferenz  statt.  Das  Ergebnis  derselben  war  aber 
wieder  ohne  alle  Bedeutung;  ein  falsches  Grerücht  vom 
Tode  Karls  XH.,  welches  sich  in  Kopenhagen  verbreitet 
hatte,  trug  sogar  dazu  bei,  das  dänische  Kabinet  noch 
vorsichtiger  zu  machen.  Der  sächsische  Gesandte  brach 
die  Verhandlungen  kurz  ab,  indem  er  nach  Beantwortung 
der  ihm  vorgelegten  Fragen  erklärte,  er  begreife  nicht,  wie 
die  Konferenz  irgendwelchen  Nutzen  haben  solle,  da  er 
noch  gar  nicht  wisse,  ob  das  mittlerweile  durch  Flemming 
in  Berlin  zur  Sprache  gebrachte  Exekutionsprojekt  von 
Dänemark  gebilligt  werde.  Er  legte  den  Ministern  dabei 
einen  Auszug  avis  dem  betreffenden  Vertragsentwurfe  vor 
und  stellte  den  Antrag,  dass,  da  nunmehr  der  Schwerpunkt 
der  politischen  Frage  nach  Berlin  gefallen  und  die  Koo- 
peration Preussens  und  Englands  unerlässlich  sei,  das  dä- 
nische Kabinet  seinem  Vertreter  in  Berlin  mittheilen  möge, 
was  es  von  dem  fraglichen  Projekte  halte  und  was  es  zur 
Ausführung  desselben  beizutragen  willens  sei. 

Die  Minister  erklärten  ihre  Bereitwilligkeit,  diesem 
Antrage  zu  entsprechen,  und  man  trennte  sich  hierauf 
unter  dem  Austausche  der  gewöhnlichen  Höflichkeitsver- 
sicherungen. 

Der  König  von  Dänemark  verleugnete  bei  der  Ab- 
schiedsaudienz, welche  er  Friesen  gewährte,  nicht  seine, 
diesem  stets  bewiesene  huldvolle  Liebenswürdigkeit,  indem 
er  dem  Scheidenden  versicherte,  dass,  wenn  dieser  nicht  zum 
Dienst  im  Felde  bestimmt  wäre,  er  den  König  von  Polen 
ersuchen  würde,  Friesen  auf  seinem  Posten  in  Kopenhagen 
zu  belassen.  Der  letztere  hebt  in  seinem  Gesandtschafts- 
bericht dankend  hervor,  dass  die  von  der  sächsischen  Diplo- 
matie in  Berlin  und  London  durch  die  abgeschlossenen 
Verträge  erzielten  Vortheilc  auch  zuletzt  noch  seine  eigenen 
Bestrebungen  wesentlich  unterstützt  hätten;  auch  der  Be- 

Neues  Archiv  f.  S.  ü.  u.  A.  U.  i  10 


146  0.  von  Schimpif: 

mühungen  des  russischen,  wie  des  englischen  Gesandten 
zu  Gunsten  Sachsens  gedenkt  Friesen  mit  warmer  Er- 
kenntlichkeit. Ohne  .für  sich  ein  Verdienst  daraus  abzu- 
leiten und  ohne  das  Fehlschlagen  seiner  Sendung  bemän- 
teln zu  wollen,  spricht  er  doch  die  Ueberzeugung  aus, 
dass  im  allgemeinen  jetzt  bei  seinem  Weggange  die 
Gesinnungen  Dänemarks  gegen  Sachsen  besser  und  auf- 
richtiger seien,  als  er  dieselben  bei  seiner  Ankunft  ge- 
funden. 

So  endete  die  diplomatische  Sendung  Friesens,  deren 
Hauptzweck  durch  die  mittlerweile  eingetretene  günstigere 
Gestaltung  der  politischen  Verhältnisse  im  allgemeinen 
die  derselben  ursprünglich  beigelegte  Wichtigkeit  verloren 
hatte.  Der  Minister  Werthern  konnte  daher  auch  den 
über  das  Fehlschlagen  seiner  Bestrebungen  noch  immer 
etwas  Betretenen  unter  dem  30.  März  1715  mit  folgenden 
Worten  trösten: 

„Sie  können  überzeugt  sein,  dass  Seine  Majestät  der 
König  von  dem  Verhalten,  welches  Sie  bis  jetzt  am  dä- 
nischen Hofe  beobachtet  haben,  ganz  befriedigt  ist;  zu- 
verlässig wird  man  nicht  Ihnen  die  Schuld  beimessen 
dürfen,  wenn  Ihre  Sendung  nicht  den  Erfolg  haben  sollte, 
den  man  sich  von  derselben  versprach.  Sie  brauchen 
sich  darüber  nicht  im  geringsten  weiter  zu  beunruhigen." 

Die  letzte  Beziehung  Friesens  zum  dänischen  Kabinet 
ist  ein  Brief  an  den  Minister  Sehestedt,  in  welchem  er, 
bereits  auf  der  Rückreise  begriffen,  den  8.  April  von 
Hamburg  diesem  mittheilt,  dass  8000  Mann  Sachsen  Ordre 
erhalten  hätten,  sich  mit  den  Preussen  zu  vereinigen, 
„woraus  der  dänische  Hof  ersehen  möge,  dass  wir  an 
einer  prompten  Expedition,  dem  Feinde  Widerstand  zu 
thun,  es  nicht  ermangeln  lassen". 

Wenn  wir  auch  durchaus  keinen  Grund  haben  ^  an 
Wertherns  Versicherung,  dass  man  für  das  Misslingen 
der  Kopenhagener  Mission  Friesen  niemals  verantwortlich 
machen  werde,  zu  zweifeln,  ja,  wenn  wir  denselben  sogar 
seitdem  in  der  Gunst  seines  Monarchen  von  Tag  zu  Tag 
steigen  sehen,  so  ist  es  doch  auffallend,  dass  er,  der  ims 
seiner  Natur  nach  zum  Diplomaten  vorzugsweise  bestimmt 
scheint,  nie  wieder  mit  einem  ähnlichen  Geschäft  betraut 
ward. 

Zunächst  kehrte  Friesen  nach  der  Einreichung  seines 
Rechenschaftsberichtes  wieder  in  die  Reihen  der  Armee 
zurück,  und  es  beginnt  damit  für  ihn  im  Feldzuge  1715 


Heiiu'ich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  147 

in  Pommern    die  Zeit   seiner  trefflichsten   Leistungen    als 
Soldat. 

Wie  schon  erwähnt,  war  es  den  Bemühungen  Flem- 
raings  in  Berlin  gelungen,  den  König  Friedrich  Wilhelm  I. 
von  Preussen,  der  zwar  nur  für  seine  Armee  zu  leben 
schien,  zum  Kriege  aber  stets  geringe  Neigung  zeigte, 
zum  Abschlüsse  des  Vertrages  vom  3.  Februar  1715 
zu  überreden,  der  die  Grundlagen  des  Traktates  vom 
6.  Oktober  1713  bestätigte.  Demzufolge  machten  sich 
Preussen  und  Sachsen  verbindlich,  sich  im  Falle  eines 
Wiederausbruches  des  Krieges  gegenseitig  zu  unter- 
stützen, und  es  wurde  zu  diesem  Zwecke  die  Aufstellung- 
nachstehender  Streitkräfte  beschlossen:  preussischerseits 
zwischen  Weichsel  und  Weser  36  Bataillone,  24  Schwa- 
dronen, sächsischerseits  innerhalb  der  Landesgrenzen 
16  Bataillone,  24  Schwadronen  und  in  Polen  8  Bataillone^ 
23  Schwadronen. 

Bevor  man  jedoch  zu  weiteren  ernsten  Massregeln  schritt, 
musste,  wie  sich  Friedrich  Wilhelm  L  ausdrücklich  be- 
dungen, unter  seiner  Vermittlung  erst  noch  der  Weg  der 
Güte  versucht  werden.  Aber  Karl  Xu.  wies  die  preussi- 
schen  Vorschläge  trotzig  ab,  erklärte  die  Besetzung  und 
Sequestrierung  Pommerns  für  einen  rechtswidrigen  Ein- 
griff in  seine  Rechte  als  Landesherr  und  ergriff  zuerst 
die  Offensive,  indem  er  die  preussische  Besatzung  der 
Insel  Usedom  vertrieb. 

Nun  endlich  beschlossen  die  Verbündeten,  ihre  Truppen 
bei  Stettin  zu  vereinigen  und  den  schwedischen  Ueoer- 
muth  zu  zügeln. 

In  Sachsen  war  bereits  am  15.  Februar  1715  der 
Kompletierungs  -  und  Marschbefehl  an  die  Truppen  er- 
gangen, welche  in  der  Stärke  von  8124  Mann,  einscldiess- 
lich  2110  Pferde  und  6  Geschütze,  in  einem  Lager  bei 
Lübben  zusammengezogen  imd  dem  Kommando  des  Ge- 
nerals Grafen  Wackerbarth  unterstellt  wurden,  den  man 
zu  diesem  Zwecke  von  seinem  Gesandtschaftsposten  in 
Wien  herbeirief.  Unter  ihm  befehligten:  der  General 
der  Infanterie  von  Wilke,  die  Generallicutenants  von 
Milckau  und  von  Seckendorff  und  die  Generalmajore  von 
Eichstädt,  von  Zühlen,  Prinz  von  Württemberg,  Graf 
Castell-Remlingen  und  Graf  Friesen. 

Nachdem  am  28.  April  das  mobile  Korps  von  dem 
aus  Berlin  hierzu  eingetroffenen  Feldmarschall  Flemming 
bei  Lübben  gemustert  worden  war,  trat  dasselbe  am  fol- 

10* 


148  0.  von  Schimpff: 

genden  Tage  in  zwei  Kolonnen  den  Marsch  nach  dem 
Rendezvous  bei  Stettin  an,  wo  die  erste  Kolonne  am  9., 
die  zweite  am  12.  Mai  bei  dem  Gros  der  preussisclien 
Feldarmee  von  25000  Mann  unter  dem  Generalfeldmar- 
schall von  Wartensleben  eintraf. 

Schon  am  13.  Mai  musste  der  Generalmajor  Prinz 
von  Württemberg  mit  dem  Dragoner-Regiment  Flemming 
und  den  Infanterie -Regimentern  Seckendorff  und  Friesen 
nach  der  Insel  Wollin  zur  Verstärkung  der  daselbst  unter 
dem  General  von  Arnim  stehenden  preussischen  Truppen 
abgehen,  um  sich,  vereint  mit  den  letzteren,  in  den  Be- 
sitz der  noch  von  den  Schweden  behaupteten  Insel  Use- 
dom zu  setzen,  sobald  der  Vormarsch  auf  Stralsund  er- 
folgen würde. 

Bevor  dieser  jedoch  von  dem  verbündeten  Heere  an- 
getreten wurde,  fanden  vor  dem  im  Lager  von  Stettin 
anwesenden  Könige  von  Preussen  am  15.  Mai  und  8.  Juni 
grosse,  mit  Manövern  im  Feuer  verbundene  Revuen  statt, 
welche  dem  Soldatenkönige  Gelegenheit  boten,  sich  über 
die  Leistungen  der  sächsischen  Truppen  sehr  befriedigend 
auszusprechen.  Dass  die  gegenseitigen  Manöver  „tout  au 
naturel  executirt"  wurden,  geht  schon  daraus  hervor,  dass 
bei  denselben  fünf  Verwundungen  vorkamen.  Die  gute 
Laune  Friedrich  Wilhelms  wurde  noch  erhöht,  als  Flem- 
ming, der  nun  auch  im  königlichen  Hauptquartier  an- 
gelangt war,  in  richtiger  Würdigung  des  allerhöchsten 
Geschmackes  ihm  neun  „grosse  Kerle",  die  längsten  Leute, 
die  man  im  sächsischen  Heere  auftreiben  konnte,  zum 
Präsent  machte. 

Den  23.  und  24.  Juni  endlich  setzte  sich  ein  Avant- 
gardenkorps von  16  Bataillonen  und  4  Escadrons  mit 
4  Geschützen  gegen  Stralsund  in  Bewegung;  den  28. 
folgte  das  Gros  der  verbündeten  Armee;  ein  Widerstand 
wurde  dem  Vormarsche  vom  Feinde  nirgends  bereitet. 
Dieser  hatte  mit  10000  Mann  unter  dem  General  Dücker 
Stralsund  besetzt;  1400  Mann  befanden  sich  auf  Rügen, 
8000  auf  Usedom,  wo  der  König  Karl  XII.  selbst  das 
Kommando  führte.  Nachdem  bei  Putte  (dreiviertel  Meile 
östlich  von  Stralsund)  noch  die  dänische  Armee  unter 
Feldmarschall  Schölten  zu  den  Verbündeten  gestossen  war, 
rückten  dieselben,  jetzt  74  Bataillone  und  118  Escadrons 
stark,  am  15.  Juli  in  das  Lager  von  Stralsund,  wo  die 
Sachsen  ihren  Platz   auf   dem  rechten  Flügel  einnahmen. 

Jetzt  war  der   Zeitpunkt   gekommen,   wo    man    die 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  149 

durch  die  Besetzuno;  der  Insel  Wollin  vorbereitete  Ver- 
treibung  der  Schweden  von  Usedom  ins  Werk  setzen 
konnte.  Die  Unternehmung,  an  welcher  von  den  Sachsen 
Abtheilungen  der  Regimenter  Anspach-Flemming,  Secken- 
dorfF  und  Friesen  betheiligt  waren^  erinnert  in  ihrer  Aus- 
führung ein  wenig  an  die  Eroberung  Alsens  im  Jahre 
1864;  auch  hier  galt  es,  vor  Tagesanbruch  einen  Meeres- 
arm, denn  einem  solchen  gleicht  die  Swiene  zwischen 
dem  Grossen  Haff  und  der  Ostsee,  unbemerkt  zu  über- 
schreiten und  den  Feind  durch  Ueberraschung  aus  seinen 
Stellungen  zu  vertreiben.  Der  Uebergang  erfolgte  in  der 
Nacht  vom  30.  zum  31.  Juli  1715;  die  Reiterei  bewirkte 
denselben  zumeist  schwimmend;  die  Infanterie  wurde  in 
Kähnen  übergesetzt.  Das  kühne  Unternehmen  gelang 
über  Erwartung.  Karl  XJI.  musste  sich,  nachdem  seine 
Infanterie  durch  die  Kavallerieattaken  der  Verbündeten 
schwere  Verluste  erlitten,  einschiffen;  das  Fort  Swiene- 
münde  ergab  sich;  die  ganze  Insel  bis  auf  das  von  den 
Schweden  behauptete  Fort  Peenemünde  hei  in  die  Hände 
der  Sieger,  welchen  die  wichtige  Eroberung  nur  sehr 
geringe  Opfer  kostete. 

Peenemünde  wurde  nun  regelmässig  belagert,  aber 
schon  am  22.  August,  als  man  sich  mit  den  Laufgräben 
noch  400  Schritt  vom  Graben  befand,  erfolgte  unter  dem 
Befehle  des  sächsischen  Generalmajors  Prinzen  von  Würt- 
temberg mit  1137  Mann  ein  Sturmangriff.  Von  den  beiden 
sächsischen  Infanterie-Regmaentern  Seckendorff  und  Friesen 
nahmen,  unter  persönlicher  Anwesenheit  ihrer  Inhaber, 
Abtheilungen  an  dem  Sturme  theil.  Da  eine  Bresche 
noch  nicht  gelegt  war,  so  konnte  die  schwierige  Aufgabe 
nicht  ohne  blutige  Opfer  gelöst  werden;  erst  nach  drei- 
stündigem Kampfe  gelang  es  den  Anstrengungen  der 
Stürmenden,  sich  des  Platzes  zu  bemächtigen,  nachdem 
mehr  als  die  Hälfte  derselben,  706  Mann,  getödtet  oder 
verwundet  worden  waren.  Die  Sachsen  allein  verloren 
6  Offiziere  und  72  Mann  an  Todten^  5  Offiziere  und 
155  Mann  an  Verwundeten.  Die  Regimenter  Seckendorff 
und  Friesen,  welche  diesen  Verlust  allein  getragen  hatten, 
wurden  zu  ihrer  Wiederherstellung  und  Erholung  ersteres 
nach  Greifswalde,  letzteres  nach  Anklam  in  Garnison  ein- 
gelegt, von  wo  sie  erst  im  Oktober  abgelöst  wurden,  um 
vor  Stralsund  bei  der  Belagerung  verwendet  zu  werden. 

Das  Friesen'sche  Regiment,  welchem  Anfangs  Sep- 
tember  in  Anklam  durch   seine  vier  aus  Sachsen  einge- 


150  0.  von  Schimpff: 

troffenen  Ersatzkompagnien  eine  dringend  nöthige  Ver- 
stärkung zugeführt  worden  war,  hatte  während  seiner 
Reservestellung  wenig  versäumt;  denn  die  Heranführung 
des  Belagerungsgeschützes  verzögerte  sich  bis  in  den 
Oktober  hinein,  und  die  Eroberung  von  Rügen,  welche 
dem  ernsten  Angriffe  auf  Stralsund  vorausgehen  sollte, 
hatte,  des  schlechten  Wetters  und  widriger  Winde  halber, 
noch  nicht  in  Ausführung  gebracht  werden  können. 

Da  hier  auf  eine  Beschreibung  der  Belagerung  von 
Stralsund  nur  insoweit  eingegangen  werden  soll,  als  es 
sich  um  die  Betheiligung  des  Generalmajors  Friesen  per- 
sönlich oder  um  die  seines  Regimentes  handelt,  so  sei  nur 
in  der  Kürze  erwähnt,  dass  die  Eröffnung  der  Laufgräben 
in  der  Nacht  vom  19.  zum  20.  Oktober  erfolgte.  Der 
General  Wackerbarth,  ein  sehr  kenntnisvoller  Ingenieur, 
befehligte  den  rechten  Flügel  der  Belagerungsfront  (Attake 
nach  damaliger  Kunstsprache),  welche  von  preussischen 
und  sächsischen  Truppen  besetzt  war;  die  dänische  Attake 
des  linken  Flügels  stand  unter  dem  Feldmarschall  von 
Schölten. 

Den  15.  November  gelangte  die  längst  geplante  und 
immer  verschobene  Unternehmung  gegen  Rügen  mit  Hülfe 
der  dänischen  Flotte  bei  Stresow  zur  Ausführung.  Von 
den  Sachsen  nahmen  nur  zwei  Escadrons  des  Dragoner- 
Regiments  Anspach  -  Flemming  und  die  Infanterie -Regi- 
menter Königin,  Königlicher  Prinz,  Weissenfeis  und  Ka- 
vanagh  daran  Antheil;  es  kam  die  sächsische  Infanterie 
jedoch  nicht  mit  ins  Feuer,  die  Dragoner  dagegen  zeich- 
neten sich  sehr  aus  und  hatten  nicht  unbeträchtlichen 
Verlust.  Karl  XII.,  der  im  Kampfe  verwundet  wurde 
und  zwei  Pferde  unter  dem  Leibe  verlor,  hatte  vergebens 
sich  erst  an  die  Spitze  der  Reiterei,  dann  an  die  der  In- 
fanterie gesetzt  und  seine  Truppen  selber  mit  gezogenem 
Degen  vorgeführt;  er  rausste  sich  mit  dem  Reste  der 
Besatzung  von  Rügen,  kaum  2000  Mann,  nach  Altfehr 
zurückziehen,  von  wo  er  sich  mit  dieser  kleinen  Schaar 
mitten  durch  die  dänische  Flotte  hindurch  zu  Schiffe 
nach  Stralsund  rettete. 

Trotz  der  ungünstigen  Witterung,  unter  der  die 
Truppen  in  den  unter  Wasser  stehenden  Laufgräben  stark 
litten,  förderte  Wackerbarth  die  Belagerungsarbeiten  doch 
mit  ebensoviel  Energie  als  Umsicht.  Als  man  mit  der 
Sappe  gegen  die  drei  aussprengenden  Winkel  des  Horn- 
werks  soweit  vorgeschritten  war,  dass  der  Sturm  auf  den 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  151 

gedeckten  Weg  desselben  einige  Aussicht  auf  Erfolg  bot, 
wurde  der  Generallieutenant  von  SeckendorfF  beauftragt, 
den  Angriff  mit  kommandierten  Abtlieilungen  der  drei 
verbündeten  Armeen  auszuführen.  Derselbe  erfolgte  den 
5.  Dezember  Nachmittags  4  Uhr,  und  trotz  des  tapfern 
Widerstandes  der  Schweden  gelang  es  den  Stürmenden, 
sich  auf  der  Contreescarpe  festzusetzen.  Aber  auch  dieses 
Unternehmen  musste  mit  dem  Verluste  von  75  Todten 
und  275  Verwundeten  theuer  erkauft  werden;  von  den 
Sachsen  waren  2  Offiziere  und  16  Mann  todt  auf  dem 
Platze  geblieben,  der  Generalmajor  Graf  Castell,  2  Kapi- 
täne und  32  Mann  verwundet. 

Nun  konnte  in  der  Nacht  vom  7.  zum  8.  Dezember 
zur  Ausführung  der  Breschebatterien  vorgeschritten  werden; 
vom  12.  an  begann  das  Brescheschiesseii  gegen  das  Horn- 
werk  und  die  Tenaille.  Wackerbarth,  dessen  Eifer  und 
Geschicklichkeit  nicht  genug  Lob  gespendet  werden  kann, 
da  er  bis  ins  Detail  alles  persönlich  leitete,  bat  nun,  als 
einige  gangbare  Breschen  hergestellt  waren,  den  König 
um  die  Genehmigung  zum  Sturme  auf  das  Hornwerk  und 
die  Tenaille.  Die  Ausführung  wurde  dem  Generalmajor 
Friesen  übertragen;  gleichzeitig  stellte  man  demselben 
für  die  erste  Linie  1000  Mann  Preussen  und  Dänen,  für 
die  zweite  Linie  1000  Mann  Sachsen  zur  Verfügung, 
welche  letztere  aus  allen  acht  Infanterie-Regimentern  kom- 
biniert und  dem  Kommando  des  Obersten  von  Schlottenbach 
unterstellt  waren.  Das  Vorrücken  begann  den  17.  Dezember 
Nachmittags  2  Uhr  in  vier  Kolonnen,  von  denen  die  erste 
gegen  die  rechte  Flanke  des  Hornwerkes,  die  zweite  gegen 
die  Tenaille,  die  dritte  gegen  die  linke  Flanke  des  Horn- 
werkes und  endlich  die  vierte  über  das  Eis  des  Grabens 
längs  der  langen  Seite  des  Hornwerkes  vorgingen,  die  letz- 
tere mit  der  besonderen  Bestimmung,  den  Feind  im  Rücken 
zu  nehmen.  Vormarsch  und  Angriff  erfolgten  „mit  fermet^ 
und  ausgezeichnetem  Muthe",  ungeachtet  der  persönlichen 
Anwesenheit  des  Königs  Karl  XII.  in  der  Tenaille  imd 
der  todesverachtenden  Energie,  welche  er,  wie  kaum  je 
ein  Feldherr  vor  oder  nach  ihm,  dem  Widerstände  seiner 
Truppen  einzuflössen  verstand.  Die  beiden  angegriffenen 
Werke  wurden  genommen  und  behauptet;  20  Geschütze 
und  ein  grosses  Pulvermagazin  fielen  in  die  Hände  der 
Sieger.  Friesen  war  für  seine  Person  den  Angreifern 
mit  glänzendem  Beispiele  vorausgegangen;  er  und  der 
tapfere  Oberst  von  Dieinar  befanden  sich  unter  der  Zahl 


152  0.  von  Schimpff: 

der  Seh  wer  verwundeten.  Die  Saclisen  allein  verloren 
1  Fähnrich  und  24  Mann  an  Todten  und,  ausser  den  ge- 
nannten beiden  höheren  Offizieren,  noch  15  andere  und 
175  Unteroffiziere  und  Gemeine  an  Verwundeten. 

Sehr  ansehnliche  Opfer  kostete  noch  am  folgenden 
Tage,  am  18.  Dezember,  ein  gleichfalls  vom  Könige  per- 
sönlich ausgeführter  Ausfall  der  Schweden  auf  das  Horu- 
werk,  der  nach  einundeinhalbstündigem  Gefechte  mit  dem 
Rückzuge  derselben  endete. 

Dem  von  Wackerbarth  mit  des  Königs  Genehmigung 
auf  den  20.  Dezember  festgesetzten  Sturm  auf  den  Haupt- 
wall kamen  die  Schweden  durch  die  Einleitung  von  Unter- 
handlungen zuvor,  und  am  22.  Nachmittags  2  Uhr  schlug 
die  Besatzung  Chamade,  nachdem  in  der  vorangegangenen 
Nacht  König  Karl  XII.  die  Stadt  verlassen  hatte  und 
nach  Schweden  abgereist  war.  Ohne  Schwierigkeiten 
wurde  nun  auch  mit  dem  Kommandanten  von  Stralsund, 
General  Dücker,  die  Kapitulation  zu  Stande  gebracht; 
die  Garnison,  von  welcher  gegen  2000  Mann  in  den  Spi- 
tälern lagen,  wurde  bis  auf  1000  Mann,  denen  man  freien 
Abzug  nach  Schweden  gewährte,  kriegsgefangen.  Schon 
am  Tage  darauf,  den  24.  Dezember,  erfolgte  die  Besetzung 
der  Stadt  durch  die  Dänen. 

Die  Sachsen  hatten  sich  durch  ihre  Ausdauer  und 
ihre  treffliche  Haltung  bei  allen  an  sie  gestellten  erheb- 
lichen Anforderungen  des  beschwerlichen  Belagerimgs- 
dienstes  vor  Stralsund  die  volle  Zufriedenheit  des  Königs 
von  Preussen  erworben;  dem  General  Wackerbarth  hat 
derselbe  die  hier  geleisteten  erspriesslichen  Dienste  nie 
vergessen  und  bis  zum  Grabe  durch  eine  bei  dem  so 
rauhen,  ja  harten  Gemüth  des  Soldatenkönigs  doppelt 
rührende  Freundschaft  belohnt.'*) 

Die  Belagerung  von  Stralsund  hatte  dem  sächsischen 
Korps  allerdings  schwere  Opfer  gekostet:  11  Offiziere  und 
291  Mann  an  Todten,  37  Offiziere  und  685  Mann  an  Ver- 
wundeten. Aber  mit  dem  Falle  dieser  Festung  war  nicht 
nur  das  letzte  Bollwerk  Karls  XII.  in  Deutschland  ge- 
brochen, sondern  auch,  für  den  kühnen  Eroberer  ein  noch 
schmerzlicherer  Verlust,  die  Wunderkraft  seines  gefürch- 


'*)  In  seinem  Schreiben  an  den  König  von  Polen  sagt  Friedrich 
Wilhelm  über  Wackerbarth:  „Ich  muss  demselben  billig  den  ßnhm 
beilegen,  dass  man  ihm  vornehmlich  die  glückliche  Eroberung  von 
Stralsund  zuzuschreiben  habe." 


Heinrich  Friedricli  Graf  von  Friesen.  153 

teten  Namens;  für  Sachsen  endete  mit  der  Uebcrgabe 
Stralsunds  der  dem  Fürsten,  wie  dem  Volke  so  verhäng- 
nisvolle nordische  Krieg. 

Während  aber  hier  an  der  Ostsee  das  Kriegsfeuer 
zur  Freude  des  gequälten  Kurstaates  erlosch,  loderte  in 
Polen  bereits  wieder  die  helle  Flamme  der  Empörung  auf. 
Schon  Anfangs  Oktober  waren  von  dem  Belagerungslieere 
vor  Stralsund  die  drei  Kürassier -Regimenter  und  das 
Dragoner  -  Leibregiment  abberufen  worden  und  hatten 
unter  dem  Befehle  des  Generallieutenants  von  Milckau 
nach  dem  Posenschen  marschieren  müssen;  den  31.  De- 
zember 1715  folgte  dahin  auch  der  übrige,  nach  Beendi- 
gung des  Krieges  in  Pommern  verwendbar  gewordene 
Rest  des  sächsischen  Korps,  8  Infanterie-  und  2  Dragoner- 
Regimenter,  erstere  zusammen  6131  Mann,  letztere  472  Mann 
stark. 

Dieser  nach  Polen  abrückenden  Truppenabtheilungen 
harrte  eine  der  schwierigsten  militärischen  Aufgaben:  die 
Pacificierung  eines  weitläufigen,  mit  schlechten  Kommuni- 
kationen versehenen,  schwachbevölkerten  Landes,  dessen 
noch  auf  einer  sehr  tiefen  Kulturstufe  stehender,  in  der 
bluidesten  Abhängigkeit  von  Adel  und  Geistlichkeit^  auf- 
erzogener Bauernstand  sich  von  einer,  jeder  staatlichen 
Ordnung  grundsätzlich  abgeneigten,  zum  Treubruche  und 
zu  jeder  Art  von  Gewaltthätigkeit  stets  bereiten  Aristo- 
kratie aus  einem  Kampfe  gegen  die  gesetzliche  Staats- 
gewalt in  den  anderen  treiben  liess.  Den  Vorwand  zu 
den  sogenannten  Konföderationen  des  Adels,  welche  in 
der  unglücklichen  Verfassung  der  sogenannten  Republik 
eine  gewisse  Sanktion  fanden,  und  deren  Häupter,  unter 
sich  stets  uneinig,  nur  dann  sofort  in  Uebereinstimraung 
handelten,  wenn  es  die  Bekämpfung  der  königlichen  Au- 
torität galt,  musste,  wie  bisher  immer  seit  der  Wahl 
Augusts  IL,  die  Beschwerde  über  die  auf  dem  Boden  der 
polnischen  Repubhk  vereinigten  sächsischen  Truppen  her- 
geben, deren  Anwesenheit  von  den  Aufrührern  als  Ver- 
fassungsbruch bezeichnet  ward.  Nun  hatte  sich  allerdings 
August  II.  durch  die  vor  seiner  Wahl  von  ihm  unterzeich- 
neten Pacta  conventa  verbindlich  gemacht,  fremde  Truppen 
nicht  nach  Polen  zu  bringen,  aber  die  Verhältnisse  standen 
jetzt  so,  dass  eine  Zurückziehung  der  sächsischen  Regi- 
menter mit  einer  Verzichtleistung  auf  die  Krone  gleich- 
bedeutend gewesen  wäre,  denn  sie  allein  gewährten  der- 
selben einigen  Schutz  und  verhüteten,    dass  der  Aufruhr 


154  0-  '^^^  Schimpff: 

sich  nicht  in  vollen  Flammen  über   das  ganze  Land  ver- 
breitete. 

Man  wird  lebhaft  an  die  letzte  Erhebung  Polens 
gegen  Russland  im  Jahre  1863  erinnert,  wenn  man  die 
Schilderungen  der  Berichte  von  1715  und  1716  liest,  von 
dem  plötzlichen  Auftauchen  und  Wiederverschwinden 
grosser  Insurgentenmassen,  von  deren  heimtückischen 
Ueberfällen,  dem  Terrorismus^  durch  den  man  die  Volks- 
menge wider  deren  eigentlichen  Willen  zur  Theilnahme 
zwang,  den  Plünderungen,  Vertragsbrüchen  und  Gewalt- 
thätigkeiten,  welche  die  Kriegführung  der  Polen  charak- 
terisierten. Den  Sachsen  war  dieselbe  um  so  verhasster, 
als  eigentliche  Schlachten  und  Gefechte  nur  selten  ge- 
liefert wurden,  und  dennoch  die  Truppen  nur  ausnahms- 
weise zur  Ruhe  kamen,  da  der  Verrath  in  allen  Ecken 
um  sie  lauerte.  Einer  solchen  Kriegsmethode  gegenüber 
blieb,  zumal  bei  der  grossen  Ausdehnung  des  insurgierten 
Landes  und  dem  Mangel  bestimmter  Operationsobjekte, 
zur  Bekämpfung  der  Gegner  kein  anderes  Mittel,  als  die 
häufige  Entsendung  mehr  oder  minder  starker  Kolonnen 
nach  den  verschiedensten  Richtungen,  um  Truppenansamm- 
lungen zu  zerstreuen,  die  Uebelgesinnten  einzuschüchtern, 
die  Treugebliebenen  gegen  Unbilden  zu  schützen  und 
rückständige  Abgaben  einzutreiben.  Es  liegt  auf  der 
Hand,  dass  ein  solcher  Dienst  für  die  Truppen  ein  sehr 
anstrengender  war ;  die  ganze  Natur  dieses  Krieges  aber, 
der  beständige  Kampf  mit  Verrath,  Untreue  und  Heim- 
tücke, verwilderte  auch  dieselben  in  bedenklicher  Weise, 
indem  er  ihnen  auf  Tritt  und  Schritt  zu  eigenmächtigen 
und  gewaltsamen  Repressalien  Anlass  gab. 

Friesen,  von  seiner  Verwundung  nur  nothdürftig  ge- 
heilt, traf  um  die  Zeit  des  Waffenstillstandes  von  Ra^va, 
also  gegen  Mitte  Januar  1716,  in  Polen  ein  und  wurde 
hier  vom  Feldmarschall  Flemming  in  das  Palatinat  Sen- 
domir  mit  dem  Auftrage  gesendet,  daselbst  die  rückstän- 
digen Steuern  einzutreiben,  ein  Magazin  zu  errichten,  die 
Verbindung  zwischen  Warschau  und  Krakau  zu  erhalten 
und  die  Weichselübergänge  zu  bewachen,  um  die  Kom- 
munikation der  Konföderierten  über  diesen  Fluss  hinweg 
möglichst  zu  verhindern.  Die  Streitkräfte,  welche  Friesen 
für  diese  schwierige  Aufgabe  zur  Verfügung  gestellt 
wurden,  bestanden  aus  6  Kompagnien  Dragoner  und 
12  Kompagnien  Infanterie,  letztere  zum  grossen  Theil 
Polen;  mithin  höchst  unzuverlässig  und  nur  durch  strenge 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  155 

Disziplin  zusaramenzulialten.  Mit  dieser  kleinen  Abtliei- 
lung  hatte  er  nicht  blos  Sendomir,  sondern  auch  Novemiasto, 
zehn  deutsche  Meilen  oberhalb ,  und  Janowice,  ebenso- 
weit unterhalb,  alle  drei  Orte  wichtige  Uebergangspunkte 
der  Weichsel,  zu  besetzen ;  die  Verpflegung  war  dabei 
höchst  mangelhaft  und  die  Verbindung  nur  mit  den  beiden 
Hauptpunkten  Warschau  und  Krakau  einigermassen  ge- 
sichert. 

Weder  der  Wafienstillstand  von  Rawa,  noch  der  auf 
dem  Kongresse  zuLublin  am  13.  Juni  feierlich  beschworene 
Waffenstillstand  wurde  von  den  Konföderierten  eingehalten; 
olme  sich  im  geringsten  an  die  Verträge  zu  kehren, 
setzten  die  Empörer  im  Posenschen  den  Krieg  im  grossen 
Massstabe  fort,  während  sie  andere  Gegenden  durch  Streif- 
und  Raubzüge,  Mord  und  Plünderungen  nach  wie  vor  in 
Schrecken  setzten. 

Wider  Erwarten  war  in  Friesens  Bereiche  bis  zum  Juli 
1716  keine  wesentliche  Störung  vorgekommen.  Den  Waffen- 
stillstandsvertrag von  Lublin  erhielt  derselbe  mit  der  War- 
nung zugefertigt,  sich  in  seiner  bisherigen  Vorsicht  nicht 
beirren  zu  lassen,  und  wirklich  nahete  sich  gerade  jetzt 
ein  Korps  Konföderierter  fünf  Meilen  unterhalb  Sendomir 
der  Weichsel,  so  dass  die  nach  Warschau  abgegangenen 
Lebensmittelsendungen  von  Kommandos  begleitet  werden 
mussten. 

Die  so  schwierige  Lage  Friesens  wurde  noch  dadurch 
verschlimmert,  dass  man  seine  Kavallerie  zu  einer  anderen 
Verwendung  abberief  und  ihn  dadurch  des  Mittels  be- 
raubte, Nachrichten  über  die  Annäherung  der  meist  be- 
rittenen Lisurgentenbanden  rechtzeitig  einzuziehen.  Einer 
solchen  unter  der  Führvmg  eines  gewissen  Laszieczewski, 
Edelmannes  von  Geburt  imd  Strassenräubers  von  Pro- 
fession, wurde  es  unter  diesen  Umständen  möglich,  sich 
der  Stadt  Sendomir  heimlich  zu  nähern  und  von  dem 
Weideplatze  die  noch  wenigen,  der  Garnison  gehörigen 
Pferde  wegzuführen. 

Feldmarschall  Flemming  erhielt  die  Meldung  von 
diesem  unangenehmen  Vorfalle  in  Lublin,  wo  mit  dem 
daselbst  versammelten  Landtage  die  Verhandlungen  zur 
Herstellung  des  Friedens  fortgeführt  wurden,  und  gab  in 
seiner  Antwort  Friesen  auf  Grund  der  über  Laszieczewski 
angestellten  Erkundigungen  den  Rath,  „de  faire  pendre, 
comrae  des  voleurs  de  grand  chemin,  ceux  qu'il  trouvait 
avoir  voile  la  treve". 


J56  0.  von  Schimpff: 

Wenn  Flemming  bei  Ertheilung  dieses  Rathes  etwa 
stillschweigend  voravissetzte,  Friesen  werde  denselben  nicht 
ganz  dem  Wortlaute  gemäss  auszufül.ren  wagen,  so  hatte 
sich  der  sonst  so  schlaue  Feldmarschall  und  Diplomat  in 
der  Person  gewaltig  geirrt.  Friesen  wusste,  dass  in  Opa- 
tow,  kaum  vier  Meilen  von  Sendomir;  die  Hauptver- 
schwörer versammelt  waren,  und  ein  Kommando,  das  er 
dahin  entsendete,  brachte,  wie  er  richtig  vermuthet  hatte, 
den  Laszieczewski  nebst  drei  anderen  Rädelsführern  nach 
Sendomir  zurück. 

Auf  seine  privilegierte  Stellung   als  polnischer  Edel- 
mann  vertrauend,   mag    Laszieczewski    bei   dem  Verhör, 
welchem    er    unterzogen  wurde,    mit    grosser   Zuversicht 
aufgetreten  sein,  indem  er  dreist  zugab,  der  Publikation 
des  Waffenstillstandes  persönlich  mit  angewohnt  zu  haben. 
Dies  genügte  Friesen,  ihn  als  Friedensbrecher  und  Räuber 
zum  Strange  zu  verurtheilen  und  auch  wirklich  am  23.  Juli 
1716  auf  offenem  Markte  in  Sendomir   henken  zu  lassen. 
Ein  Schrei    der  Entrüstung    ging    bei   der  Nachricht 
von  dieser  strengen,  aber  muthigen  und  energischen  Mass- 
regel Friesens  von  einem  Ende  Polens  zum  anderen.    Der 
ganze    Adel   fühlte   sich   in    der    schimpflichen   Exekution 
eines    seiner    Glieder    aufs    tiefste    beleidigt;     ein    Sturm 
heftiger    Interpellationen    richtete    sich    in   Lublin    gegen 
Flemming.     Friesen  hatte  demselben  von    der  Verurthei- 
hmg   und   Hinrichtung    Laszieczewskis    sogleich    offizielle 
Nachricht   zugehen   lassen ,    wobei  er  diskreter  Weise   die 
Massregel    als    ein    nothwendiges    Exempel    zur    Unter- 
drückung der  frechen  Gewaltthätigkeiten  und  Räubereien 
ganz  auf  seine  eigene  Verantwortung  nahm,   während  er 
es  daneben  doch  für  gerathen  hielt,  sich  in  einem  Schrei- 
ben an  den  Sekretär  des  Feldmarschalls  ausdrücklich  auf 
dessen  klaren  und  bündigen  Befehl    zu  berufen.     Priesen 
war    daher    keineswegs    überrascht,    als    Flemming    dem 
wüsten    Geschrei    und    den    Drohungen     der    polnischen 
Landboten    gegenüber  von   der  Diskretion   seines  Unter- 
gebenen   den    ausgiebigsten    Gebrauch    machte    und    alle 
Schuld   des   bedauerlichen   Missverständnisses    auf   diesen 
schob.     Unter    dem   Verwände,    die    Sache    an    Ort    und 
Stelle    untersuchen   zu    müssen,    entzog    sich    der    schlaue 
Diplomat  den  weiteren  Zornausbrüchen  des  erregten  Land- 
tages und  begab  sich  nach  Sendomir,  wo  er  Friesen  noch 
am   Tage   seiner    Ankunft   mit   Arrest    belegte,    angeblich 
nur,    ..weil    er    den   ihm    vom    Feldmarscliall    gegebenen 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  157 

Rath,  nicht  öffentlich  zu  erscheinen,  unbeachtet  gelassen". 
Friesen,  dessen  männlich -unerschrockene  Tliat  innerhalb 
des  sächsischen  Heeres  ungetheilte  Billigung  erfuhr,  liess 
alles  dies  ruhig  über  sich  ergehen  und  verantwortete  sich 
in  Ruhe  vor  dem  Kriegsgericht  in  Warschau,  welches 
man,  um  die  Aufregung  der  Polen  zu  beschwichtigen, 
unter  Wackerbarths  Vorsitz  über  ihn  niederzusetzen  be- 
liebte. Auch  liess  er  sich  durch  den  von  dem  Kriegs- 
gerichte über  ihn  gefällten  Urtheilsspruch,  der  auf  Ver- 
lust seiner  Stellung  und  achtjähriges  Gefängnis  lautete, 
um  so  weniger  beirren,  als  eine  Publikation  desselben  an 
den  Beklagten  vorläufig  nicht  erfolgte.  Durch  den  General 
Wackerbarth  liess  jedoch  Friesen  den  Feldmarschall  noch- 
mals darauf  aufmerksam  machen,  dass  er  sich  zu  seiner 
Vertheidigung  auf  dessen  Befehl  in  der  bewussten  An- 
gelegenheit nur  darum  nicht  berufe,  weil  er  dies  nicht 
nöthig  zu  haben  glaube,  worauf  ihm  vom  Vorsitzenden 
die  sonderbare  Antwort  ertheilt  wurde,  dass  dieser  Um- 
stand auf  die  Ansicht  des  Kriegsgerichts  von  keinem  Ein- 
flüsse sein  könne,  „da  ein  Vorgesetzter  berechtigt  sei,  seinen 
Befehlen  jede  Auslegung  zu  geben,  welche  er  für  gut  be- 
fände". 

Als  sich  der  erste  Sturm  auf  dem  Reichstage  und  im 
Lande  etwas  gelegt  hatte,  wurde  die  Untersuchung  gegen 
Friesen  einem  anderen  Kriegsgerichte  übertragen,  welches 
in  dem  Verfahren  des  Angeklagten  an  sich  nichts  Gesetz- 
widriges erblickte,  wohl  aber,  den  ihm  ertheilten  geheimen 
Instruktionen  gemäss,  einen  Missbrauch  seiner  Dienst- 
gewalt darin  erkennen  wollte,  dass  Friesen  sich  um  den 
Stand  des  Verurtheilten  als  Adliger  nicht  gekümmert 
und  in  Folge  dessen  nicht  um  Verhaltmigsbefehle  gebeten 
habe.  Das  Urtheil  fiel  wesentlich  milder  aus,  als  das 
erste,  und  lautete  bloss  auf  sechs  Monate  Suspension 
Friesens  von  seiner  militärischen  Charge. 

Es  begann  nun  zwischen  Friesen  und  Flemming  eine 
Differenz,  in  welcher  sich  der  letztere,  dem  sonst  klein- 
liche Berücksichtigung  des  Geldpunktes  nicht  zum  Vor- 
wurf gemacht  werden  konnte,  nicht  eben  im  anständigsten 
Lichte  zeigte.  Die  Witwe  des  Laszieczewski  hatte  sich 
nämlich  erboten,  auf  alle  weiteren  Ansprüche  in  der  für 
die  königliche  Partei  so  unangenehmen  Angelegenheit 
ihres  Gatten  zu  verzichten,  wenn  man  ihr  für  dessen 
Verlust  ein  Schmerzensgeld  von  1000  Thalern  auszahle. 
Diese  Entschädigung   wollte  Flemming   von  sich   ab  auf 


158  0.  von  SchimpflP: 

Friesen  wälzen,  indem  er  diesem  bei  Eröffnung  des  zweiten 
Erkenntnisses  in  Aussicht  stellte,  das  erste  Urtel  solle  gar 
nicht  veröffentlicht  werden,  wenn  er  sich  zur  Zahlung  der 
1000  Thaler  bereit  erkläre,  und  da  Friesen  sich  dessen 
weigerte,  wurde  nach  Publikation  des  ersten  strengeren 
Urtels  die  Sache  zur  Entscheidung  dem  Könige  vorge- 
tragen. Friesen  reichte  nun  seine  Vertheidigungsschrift  — 
natürlich  in  französischer  Sprache,  in  welcher  er  Kraft 
und  Würde  des  Ausdruckes  mit  Eleganz  und  Gewandt- 
heit des  Styles  verband  —  gleichfalls  an  den  König  ein, 
und  es  scheint  die  beabsichtigte  Wirkung  auf  den  Mo- 
narchen nicht  verfehlt  zu  haben,  wenn  er  in  seinem 
Schreiben  die  männliche  Erklärung  giebt:  „que  s'il  avait 
refuse  autrefois  de  rien  faire  pour  detourner  la  publication 
d'une  sentence,  il  croyait  ä  cette  heure,  apres  avoir  en- 
tendu  sa  condamnation,  pouvoir  sans  blesser  son  honneur 
donner  ce  qu'on  demanderait;  qu'il  etait  permis  k  un 
homme  d'honneur  de  donner  tout  son  bien,  pour  se  ra- 
cheter  de  prison,  mais  pour  detourner  l'examen  de  meme 
que  le  jugement  de  sa  conduite,  les  dernieres  extr^mit^s 
ne  pouvaient  lui  faire  d^bourser  un  sol;  que  le  Cemte  de 
Flemming  n'avait  ainsi  qu'a  disposer  de  tout  ce  qu'il  ju- 
gerait  ä  propos". 

König  August  scheint  nicht  nur  über  das  Verhalten 
Friesens  in  der  Laszieczewski'schen  Angelegenheit  im  Stillen 
volle  Zufriedenheit  empfunden  zu  haben,  sondern  es  dürfte 
kaum  zu  viel  gesagt  sein,  wenn  man  behauptet,  dass  von 
diesem  Ereignisse  an,  bei  welchem  sich  die  uneigennützige 
Hingebung  desselben  für  das  Interesse  seines  Fürsten  im 
hellsten  Lichte  offenbart,  Friesen  der  Liebling  des  ihm 
anfangs  so  wenig  geneigten  Königs  wurde.  Zunächst  sah 
dieser  von  einer  jeden  Vollstreckung  des  wider  Friesen 
gefällten  Urtels  ab,  hob  dessen  Arrest  auf  und  nahm  die 
Aufwartung  desselben  in  Gnaden  an;  die  Entschädigung 
der  Witwe  Laszieczewski  mag  wohl  dem  geheimen  Fonds 
überwiesen  worden  sein.  Obwohl  aber  König  August  IL 
nicht  wieder  auf  diese  Angelegenheit  zurückkam,  führte 
dieselbe  doch  in  der  Folge  noch  manche  Unannehmlichkeit 
für  Friesen  herbei. 

So  z.  B.  theilt  der  Minister  Manteuffel  unter  dem 
30.  September  1718,  also  zwei  Jahre  nach  dem  Ereignisse 
in  Sendomir,  von  dem  Landtage  in  Grodno  in  einem  im 
königlichen    Hauptstaatsarchive    zu    Dresden    verwahrten 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  159 

Schreiben  '^)  mit,  dass  Friesen  an  der  Tafel  des  Prinzen 
Wisniowiecki  gleichzeitig  mit  den  Landboten  von  Sen- 
domir  zur  Tafel  geladen  worden  sei,  wobei  ihn  der  diskrete 
Wirth,  der  die  Erbitterung  des  polnischen  Adels  gegen 
Friesen  kannte,  als  einen  Bruder  des  Grafen  Vitzthum 
vorgestellt  habe.  Als  aber  gegen  Ende  des  Mahles  ein 
Pole  absichtlich  oder  im  Weinrausche  Friesen  bei  seinem 
wahren  Namen  anredete,  entstand  unter  den  Landboten 
eine  solche  Aufregung,  dass  der  ehemalige  Kommandant 
von  Sendomir  wahrscheinlich  niedergesäbelt  worden  wäre, 
wenn  der  Prinz  Wisniowiecki  ihn  nicht  in  seinem  Hause 
vor  allem  Unbill  geschützt  hätte.  Manteuffel  beweist  sich 
übrigens  in  dem  Briefe,  welcher  diesen  Bericht  enthält, 
nicht  eben  als  besonderer  Gönner  Friesens,  über  welchen 
er  sich  im  weiteren  ausspricht,  „que  ce  jeune  honime 
commence  a  se  donner  des  airs"  u.  s.  w.  und  ferner,  „der 
Handel,  der  beim  Prinzen  Wisniowiecki  begonnen,  sei 
noch  nicht  zu  Ende,  on  lui  en  prepare  un  autre  bien 
plus  sanglant  qui  donnera  une  alarme  terrible  au  serail 
dont  je  serais  bien  aise  de  voir  rabattre  le  caquet". 

Manteuffel  hatte  übrigens  sehr  richtig  prophezeit; 
die  üngelegenheiten  für  Friesen  waren  damals,  1718,  noch 
nicht  zu  Ende;  der  polnische  Adel  konnte  sich,  so  lange 
jener  noch  lebte,  über  den  gegen  seine  Privilegien  ge- 
führten Streich  nicht  beruhigen.  Sechszehn  Jahre  nach- 
dem Laszieczewski  seinen  frechen  Raub  und  Friedens- 
bruch am  Galgen  gebüsst  hatte,  kam  die  Angelegenheit 
unter  dem  Nachfolger  Augusts  IL,  kurz  nach  der  Krö- 
nung Augusts  HL,  wieder  zur  Sprache,  und  Friesen,  jetzt 
General  der  Infanterie,  Kabinetsrainister  und  Ritter  des 
polnischen  Weissen  Adlerordens,  sah  sich  auf  die  von 
neuem  aufgenommene  Anklage  hin  noch  einmal  genöthigt, 
sich  dem  Monarchen  gegenüber  durch  eine  ausführliche 
Vertheidigimgsschrift  zu  rechtfertigen. 

Den  bhitigen  Grcuelszencn  des  zweijährigen  polni- 
schen Insurrektionskampfes  wurde  endlich  durch  den  Pa- 
cificationslandtag  zu  Warschau  ein  Ziel  gesetzt,  und  der 
definitive  Friede  am  1.  Februar  1717  geschlossen. 

Hiermit  endigte  Friesens  ernste  kriegerische  Thätig- 
keit,  und  wenn  derselbe  auch  dem  militärischen  Berufe 
sein  ganzes  Leben  hindurch  treu  bleibt,  so  sehen  wir  doch 


'•)  Korrespondenz  des  Feklmarschalls  Fleniming  mit  dem  Ka- 
biuetsminister  Manteuflel.    Vol.  CLIIIa.  Bl.  220  b. 


160  0-  von  Schimpff: 

daneben  seine  Eigenschaft  als  Hofmanu  mehr  und 
mehr  in  den  Vordergrund  treten.  Die  anfänglichen 
Vorurtheile  seines  Monarchen  hatten  einer  hohen  Ach- 
tung gegen  den  tapfern  Soldaten,  den  ebenso  gebildeten 
als  entschlosseneu  Führer,  Platz  gemacht;  bald  war 
auch  dem  liebenswürdigen,  leichtlebigen  Weltraanne  die 
persönliche  Zuneigung  des  Königs  für  alle  weitere  Zu- 
kunft gesichert. 

Dass  Friesen  auf  dem  glänzenden  Parquet  des  Dres- 
dener Hofes  sich  bald  eben  so  heimisch  befand,  als  in 
den  Trancheen  vor  Sti'alsund  oder  im  Kampfe  mit  den 
polnischen  Insurgenten,  und  dass  er  auch  auf  diesem  glatten 
Boden  Siege  zu  erfechten  verstand,  davon  zeugt  wieder 
ein  nur  wenige  Tage  vor  dem  oben  erwähnten  geschrie- 
bener Brief  Mauteufiels  aus  Grodno  vom  30.  September 
1718,  in  dem  er  an  Flemming  nach  Wien  folgendes  be- 
richtet: „Le  soir  de  notre  arrivee  M^  la  Comtesse  (Dön- 
hoff) mena  elle-meme  M®  Pociey  a  son  mari  qui  la  re9Ut 
en  bon  mari,  c'est-a-dire  avec  des  demonstrations  tout 
particulieres.  II  a  meme  tellement  pris  en  affection  le 
Comte  Friesen  qu'il  veut  lui  faire  prendre  absolument  une 
chambre  dans  sa  maison.  L'histoire  cependant  dit  que 
le  bon-homme  est  informe  de  toutes  les  particularites  ar- 
rivees  ä  Dresde,  et  qu'il  n'y  a  pas  long-temps  qu'il  a  bu 
en  pleine  table  a  la  sante  de  son  fils  en  Saxe.  C'est 
porter  ses  cornes  en  galant-homme." 

Der  Gemahl  der  in  diesem  Briefe  erwähnten  galanten 
Dame,  der  Grosskronfeldherr  von  Litthauen  Graf  Pociey, 
welcher  allerdings  seiner  Gattin  im  Alter  weit  voraus 
war,  bezeigte  übrigens  dieselbe  Nachsicht,  als  sie  einige 
Jahre  später  zu  dem  berühmten  Moritz  von  Sachsen  in 
ähnliche  Beziehungen  trat,  wie  vorher  zu  Friesen;  ja 
Pociey  Hess  sich  sogar,  als  Moritz  sich  um  die  kur- 
ländische  Herzogskrone  bewarb,  von  seiner  Frau  be- 
stimmen, die  Ansprüche  des  Grafen  durch  namhafte 
Geldopfer  zu  unterstützen.  Nach  dem  Tode  des  will- 
fährigen Gemahls  (1729)  heiratete  Gräfin  Emerentina 
Pociey  den  noch  sehr  jungen  Grafen  Alexander  Joseph 
Montmorency,  welcher  seit  1725  in  der  sächsischen  Che- 
valiergarde diente  und  1727  den  Rang  eines  General- 
lieutenants erhalten  hatte.  Als  Auo-ust  III.  nach  seiner 
Thronbesteigung  die  kostspielige  Haustruppe  auf  den  Aus- 
sterbeetat setzte,  nahm  Graf  Montmorency  1734  den  Ab- 
schied und  begab  sich  mit  seiner  Gattin  nach  Paris.    Die 


Heinrich  P'riedrich  Graf  von  Friesen.  161 

Markgräfin  von  Bayreuth  tliut  in  ihren  bekannten  Me- 
moiren der  Gräfin  mit  den  Worten  Erwähnung:  „Madame 
Potge,  tres-fameuse  par  son  libertinage".  Der  bereits 
melirfach  erwähnte  Baron  Haxthausen  beschreibt  die  be- 
rühmte Löwin  der  Dresdener  Gesellschaft,  von  der  er  be- 
hauptet, dass  sie  einmal  mit  ihrem  Liebhaber  Friesen  eine 
Reise  rittlings  mit  unterlegten  Postpferden  von  Warschau 
nach  Dauzig  und  von  da  nach  Dresden  ausgeführt  habe, 
als  „petite  persounc  aimable,  fort  jeune,  l'esprit  doux  et 
tres-fin,  qui  n'avait  guere  eu  d'educatioU;  mais  se  faisait 
ä  merveille  et  en  peu  de  temps,  etant  en  si  bonne  ecole". 

Als  einer  anderen  ziemlich  gleichzeitigen  Eroberung 
Friesens  wird  von  Haxthausen  in  seinen  Memoiren  die 
Schwester  der  bekannten  Gräfin  Dönhoff  und  Tochter  der 
verwitweten  Krougrossmarschall  Bielinska  bezeichnet,  die 
von  demselben  unter  dem  Namen  „die  Starostin  von 
Mewa" ")  aufgeführt  und  als  nicht  sowohl  schön,  als 
geistig  belebt,  liebenswürdig  und  herzgewinnend  geschil- 
dert wird.  Sie  hätte  Friesen  gern  mit  ihrer  Hand  be- 
glückt, aber  diesem,  der  sich  noch  immer  in  beständiger 
Geldverlegenheit  befand,  genügte  wahrscheinlich  das  Ver- 
mögen der  Starostin  nicht,  welche  endlich  die  Bewerbungen 
des  französischen  Gesandten  Barons  Besanval  erhörte  und 
diesen  heiratete. 

Aber  nicht  bloss  die  Gunst  des  Königs  und  der 
Frauen  erwarb  der  glückliche  Friesen,  er  gewann  auch, 
besonders  in  dem  Kammerherrn  Haxthausen  und  dem 
General  Grafen  Lagnasco,  einem  geborenen  Piemontesen, 
der  lange  sächsischer  Gesandter  im  Haag  und  bevor- 
zugter Liebling  des  Monarchen  gewesen  war,  treue  und 
ergebene  Freunde. 

Das  Jahr  1718,  in  welchem  am  Dresdener  Hofe,  dessen 
Geschichte  zu  jener  Zeit  ihre  Chronologie  der  wechselnden 
Herrschaft  der  Gunstdamen  entlohnt,  die  verschwenderische 
Pracht  der  Gräfin  Dönhoff  ihren  Höhepunkt  erreichte, 
war  eine  Epoche  der  ausschweifendsten  Lustbarkeiten. 
Wir  erwähnen  derselben  hier  bloss,  um  den  Helden  unserer 
Erzählung,  den  wir  als  Soldaten  durch  die  Mühseligkeiten 
und  Gefahren  seiner  Kriegsfahrten  begleitet,  auch  als 
Theilnehmer  der  Vergnügungen  eines  glänzenden  Hofes 
nicht   aus  den  Augen  zu  verlieren,   verweisen  aber,   was 


")  Der  Familieiniame  des  verstorbenen  Gatten  war  Cherinski. 

Neues  Archiv  1',  S.  ü.  u,  A.  II.  2.  1 1 


162  0-  von  Schimpff: 

die  Schilderunojen  einiger  solcher  Festlichkeiten  speciell 
betrifft,  auf  „Vehse,  Geschichte  des  Hauses  Sachsen", 
V,  64  fgg.,  und  „Johann  Georg,  Chevalier  de  Saxe", 
40  fg. 

Mit  dem  Feldmarschall  Flemming,  seinem  Vorgesetzten, 
hatten  sich  dagegen  Friesens  Beziehungen  seit  dem  Pro- 
cesse  in  der  Laszieczewski'schen  Angelegenheit  nicht  wieder 
so  herstellen  lassen,  wie  es  für  ihn  wünschenswerth  ge- 
wesen wäre,  und  es  geschah  wohl  hauptsächlich,  um  sich 
dem  Machtbereiche  des  in  seinem  beleidigten  Stolze  nicht 
leicht  versöhnlichen  Gegners  zu  entziehen,  dass  Friesen 
sich  um  eine  Stelle  im  Hofdienste  bewarb,  welche  ihm 
mittels  königlichen  Patents  vom  3.  Juli  1719  durch  seine 
Ernennung  zum  Oberfalkenmeister  gewährt  wurde.  In 
dieser  Charge'^)  sehen  wir  Friesen  mit  bei  dem  glän- 
zenden Empfange  in  Thätigkeit,  welcher  nach  der  Ver- 
mählung des  Kronprinzen  Friedrich  August  mit  der  Erz- 
herzogin Josephine  dem  jungen  Paare  in  der  sächsischen 
Hauptstadt  bereitet  ward.  Seine  Stellung  bei  Hofe  be- 
festigte sich  in  den  folgenden  Jahren  immer  mehr,  und 
wenn  wir  ihn  in  seiner  Laufbahn  als  Hofmann  auch  nicht 
von  allen  Fehlern,  die  den  Ansichten  jener  Zeit  gemäss 
von  diesem  Begriffe  fast  unzertrennbar  waren,  von  Leicht- 
fertigkeit der  Sitten,  Medisance  und  Neigung  zu  Spiel 
und  Verschwendung  freisprechen  können,  so  müssen  doch 
selbst  seine  Feinde  einräumen,  dass  er,  was  damals  um 
so  seltener  Avar,  doch  inmitten  solcher  Frivolität  als 
Mann  von  Bildung  und  Geburt  seine  Würde  nach  oben, 
wie  nach  unten  zu  wahren  verstand,  dass  er  ebensowenig 
bei  den  rohen  Trinkgelagen  wie  bei  den  niedrigen  Ka- 
balen und  Lakaienränken  jener  Tage  auf  das  Niveau  des 
ihn  umgebenden  Schwarmes  herabsank. 

Es  kann  in  Berücksichtigung  aller  der  Eigenschaften, 
die  wir  an  Friesen  kennen  gelernt  haben,  ebensowenig 
befremden,  dass  der  König,  als  es  galt,  für  die  ältere  der 
ihm  von  der  Gräfin  Cossell  geborenen  beiden  Töchter 
einen  geeigneten  Gatten  zu  wählen,  seine  Augen  auf 
Friesen    richtete,    als    dass    das   junge   siebenzehnjährige 


")  Es  war  diese  damals  die  siebente  der  dem  Oberhofmarscliall 
unterstellten  neun  Oberhofchargen :  Oberkammerherr,  Oberstall- 
meister, Oberschenk,  Oberküchenmeister,  Oberhofjägermeister,  Ober- 
hofmeister der  Königin,  Oberfalkenier,  Oberpostmeister  und  Tra- 
bautenhauptmann. 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  163 

Mädchen  in  die  Verbindung  mit  dem  bereits  vierundvierzig- 
jälirigen  Oberfalkenmeister  ohne  Bedenken  einwiUigte. 
Für  diesen  war  die  Partie,  abgesehen  von  den  Vortheilen, 
welche  die  nahe  Verwandtschaft  mit  dem  königlichen 
Hause  bot,  auch  finanziell  für  die  damalige  Zeit,  wo  der 
Werth  des  Geldes  ein  wesentlich  höherer  war,  als  heut- 
zutage, eine  ziemlich  glänzende;  denn  das  Vermögen  der 
bereits  damals  auf  dem  Schlosse  Stolpen  in  Gewahrsam 
gehaltenen  Mutter  der  Braut  war  im  Jahre  1724  „ohne 
die  noch  ermangelnden  Juwelen  und  Hamburger  Banko- 
EfFecten"  zu  582224  Thlr.  1  Gr.  10  Pf.,  einschhesslich 
circa  153000  Thlr.  zweifelhafter  Kapitalien  —  nach  einer 
anderen  Berechnung  zu  624934  Thlr.  5  Gr.  10  Pf.  ein- 
schliesslich 183000  Tldr.  unsicherer  Aussenstände  —  ab- 
geschätzt worden.  Von  dieser  Masse  sollten  die  beiden 
Comtessen  Cossell  mit  je  100000  Thalern  abgefunden 
und  das  übrige  Vermögen  der  Frau  Gräfin  „zu  Dero  und 
des  jungen  Herrn  Grafen  Unterhaltung  und  dessen  Edu- 
cation"  angewiesen,  über  die  „annoch  ermangelnden  Ju- 
welen aber,  wenn  herbeizuschaffen,  en  faveur  der  beiden 
Comtessen"  verfügt  werden.  Der  Vormund  des  unmün- 
digen (erst  1712  geborenen)  Grafen  Cossell,  der  Hofrath 
Wolfgang  Adolf  von  Leubnitz,  zeigte  sich  übrigens, 
wahrscheinlich  weil  man  bei  der  Abschätzung  zu  hoch 
gegriffen  hatte  und  mehr,  als  der  Anschlag  berücksichtigte, 
uneinbringlich  war,  mit  der  angeblichen  Bevorzugung  der 
beiden  Schwestern  seines  Mündels  nicht  einverstanden, 
und  legte  gegen  dieselbe  am  9.  Januar  1726  einen,  wahr- 
scheinlich vergeblichen  Protest  ein.  Die  fraglichen  Ju- 
welen, über  deren  Verbleib  die  Gräfin-Mutter  jede  Aus- 
kunft beharrlich  verweigerte,  fanden  sich  endlich  behn 
Juden  Jonas  Meyer  in  Dresden  und  wurden  vom  Könige 
mit  Beschlag  belegt;  doch  stellte  man  für  dieselben 
den  Töchtern,  für  den  Fall  des  Ablebens  der  Mutter, 
je  20000  Thalcr  „vor  die  miUteriiche  Gerade"  in  Aus- 
sicht. 

Die  Vermählungsfeier  Friesens  mit  Auguste  Constantie 
Gräfin  Cossell  fand  am  3.  Juni  1725  in  Gegenwart  des 
Königs  und  der  Königin,  des  königlichen  Prinzen  und 
dessen  Gemahlin  und  des  gesanmiten  Hofes  statt;  die 
Traurede  hielt  der  Oberhofprediger  Dr.  Marburger.  Die 
Lustbarkeiten,  welche  sich  in  der  Dauer  von  drei  Wochen 
an  dieses  Hochzeitsfest  anschlössen,  sind  zu  originell 
und    zu   bezeichnend   für    die    Art    und   Weise,    wie    mau 


164  0-  '^on  Schimpif: 

sich    damals   am  Dresdener   Hofe    zu    vergnügen    pflegte, 
um  hier  mit  Stillschweigen  tibergangen  zu  werden. 

Zunächst  hatte  man  zur  Ausstattung  dieses  Festes 
'einen  Theil  der  Armee  auf  dem  linken  Eibufer,  Pillnitz 
gegenüber,  zusammengezogen,  um,  wie  man  sich  naiv  aus- 
drückte, „das  Vergnügen  der  Allerhöchsten  Herrschaften 
mit  der  Instruction  der  Truppen  zu  verbinden".  Hier 
auf  diesem  Uebungsplatze,  wo  man  zunächst  des  Flusses 
eine  Festung  erbaut  und  diese  mit  einer  als  Janitscharen 
verkleideten  Abtheilung  besetzt  hatte,  wurden  bereits  am 
Tage  vor  der  Hochzeit  die  Festivitäten  „par  un  combat 
naval,  une  bataille  et  l'investiture  d'une  forteresse"  eröffnet. 
Sie  wurden  vom  4.  Juni  an  in  der  Weise  fortgesetzt,  dass 
immer  ein  Wechsel  militärischer  Vorstellungen  mit  länd- 
lich-idyllischen Aufführungen  in  Pillnitz  stattfand,  welche 
mit  einer  feierlichen  Begrüssung  des  Hofes  durch  die 
Dorfschaft,  das  heisst  zum  grösseren  Theile  als  Bauei'n 
verkleidete  Künstler,  anfingen.  Den  5.  Jimi  „Descente, 
Schlacht,  Berenn ung  der  Festung  und  Formirimg  des 
Lagers",  den  6.  „Dorfschule",  bei  welcher  der  Hofzwerg 
den  Schulmeister  vorstellte,  den  8.  „Maienfest",  den  12. 
„Erntefest",  den  14.  „wird  gedroschen",  den  16.  „Bauern- 
carroussel",  den  18.  Vorstellung,  „wie  es  Abends  und  bei 
Nacht  in  den  Schenken  zuzugehen  pflegt",  den  20.  „Bauern- 
process"  und  an  den  dazwischen  liegenden,  dem  Mars 
gewidmeten  Tagen:  erste  Parallele  und  Trancheen,  Fou- 
ragierung,  Anlage  von  Batterien,  Ausfall  der  Belagerten, 
man  nähert  sich  von  der  zweiten  Linie  dem  Eck  der 
Contreescarpe,  Sturm  auf  das  Ravelin,  Bresche,  Sturm 
auf  den  Hauptwall,  die  Besatzung  verlässt  die  Festung 
und  zieht  sich  über  eine  Brücke  nach  der  Insel  zurück, 
Minenspringen ,  die  Brücke  wird  nach  beendetem  Rück- 
züge abgebrochen;  den  19.  Juni  Versuch,  den  Feind 
von  der  Insel  zu  vertreiben,  welcher  sich  auf  die 
Schiffe  retiriert,  bei  der  Landung  aber  von  der  Ka- 
vallerie der  Belagerer  attakiert  und  gefangen  genom- 
men wird,  den  20.  endlich  Victoriaschiessen  und  grosses 
Feuerwerk. 

Man  sieht,  dass  zu  jener  Zeit  schon  die  Lehre,  welche 
später  Goethe  im  Vorspiele  zum  Faust  giebt:  „Wer  vieles 
bringt,  wird  manchem  etwas  bringen",  keineswegs  unbe- 
kannt war;  es  strömten  aber  auch  die  Zuschauer  von 
allen  Enden  des  Landes  zu  Tausenden  herbei.  In  Er- 
mangelung der  Dampfschiffe  sorgten  damals  von  Pferden 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  friesen.  165 

gezogene  Eibzillen  für  die  ununterbrochene  Verbindung 
zwischen  Dresden  und  Pillnitz. 

In  einer  Zeit,  wie  der  unsrigen,  in  der  sich  bereits 
Schulknaben  mit  politischen  und  volkswirthschaftlichen 
Fragen  beschäftigen,  drängt  sich  uns  bei  der  Erinnerung 
an  jene  Festlichkeiten  fast  wider  Willen  die  Betrachtung 
auf,  ob  sich  damals  unter  der  unzählbaren  Menge  neu- 
gieriger Zuschauer  wohl  ein  einziger  befunden  haben 
mag,  der  in  der  übermüthigen  Laune  des  Hofes,  in  dessen 
leichtfertiger,  durch  die  finanzielle  Lage  des  Landes 
keineswegs  gerechtfertigten  Verschwendung  etwas  An- 
stössiges  oder  gar  Tadeins werthes  gefunden  hätte. 

Mit  dem  Feuerwerke  am  20.  Juni  waren  aber  die 
Lustbarkeiten  noch  nicht  zu  Ende;  am  folgenden  Tage 
stattete  der  ganze  Hof  dem  Königstein  einen  Besuch  ab, 
natürlich  „unter  Losbrennuug  der  Kanonen";  den  22. 
exerzierten  die  Kadetten  in  Pillnitz,  und  am  23.  fand  die 
feierliche  Rückkehr  des  Hofes  nach  Dresden  statt,  wo  die 
Kanonen  der  Flotte,  welche  den  Hof  führte,  mit  den  auf 
den  Festungswällen  aufgestellten  wieder  freigebige  Salut- 
schüsse wechselten. 

Ein  Jahr  ungefähr  nach  seiner  Vermählung  mit  der 
Gräfin  Cossell  gelangte  Friesen  durch  den  Tod  seiner 
Tante,  der  verwitweten  Freifrau  Johanne  Margarethe  von 
Schellendorf,  in  den  Besitz  der  Standesherrschaft  Königs- 
brück^'),  wodurch  seine  finanziellen  Verhältnisse  sich 
wesentlich  besserten. 

Der  König  beförderte  seinen  Schwiegersohn  im  Jahre 
172G  zum  Generallieutenant,  ohne  dass  mit  dieser  Ranges- 
erhöhung dessen  Rücktritt  in  den  aktiven  Dienst  ver- 
bunden gewesen  wäre.  Dagegen  brachte  das  folgende 
Jahr  1727  die  Erhebung  Friesens  zum  Oberkammerherrn 
an  Stelle  des  im  Zweikampfe  mit  dem  Marquis  de  St.  Giles 
gefallenen  Grafen  Friedrich  Vitzthura,  sowie  seine  gleich- 
zeitige Ernennung  zum  Kabinetsminister. 

Dem  Ehrgeize  des  bisherigen  Soldaten  und  Hofmannes 
eröffnete  sich  durch  seinen  Eintritt  in  das  Geheime  Kabinet 
nun  auch  die  Laufbahn  als  Staatsmann;  ferner  übertrug 
ihm  der  König  die  Oberdirektion  der  im  alten  Regiments- 


")  In  viele  Zeitberichte  über  Friesen  hat  sich  der  Trrthnm 
eingeschlichen ,  dass  er  in  den  Besitz  von  Königsbrück  durch  seine 
Heirat  gelangt  sei.  Der  Tod  der  Freifrau  von  Schellendorf  erfolgte 
den  10.  April  1726. 


166  0-  von  Schimpff: 

hause  am  Jüdenliofe  belindlicheu  wissenscliaftliclien  Samm- 
lungen, des  Münz-,  Muschel-,  Erz-,  Naturalien-,  Konchy- 
lien-,  Etampes-Kabinets. 

Diesen  Rangerhöhungen  folgte  noch  in  demselben 
Jahre  bei  dem  am  3,  August  in  Obersedlitz,  der  neuen 
Schöpfung  des  Obersten  Wackerbarth,  glänzend  gefeierten 
Ordensfeste  die  Verleihung  des  polnischen  Weissen  Adler- 
ordens an  Friesen. 

Aber  während  er  sich  in  der  Gunst  seines  Monarchen 
immer  mehr  und  mehr  befestigte,  wurde  sein  häusliches 
Glück  nach  kurzer  Dauer  wieder  zerstört.  Seine  Gattin 
hatte  ihm  am  26.  März  1726  einen  Sohn  ^")  und  am  25.  No- 
vember 1727  einen  zweiten  geboren;  bald  nach  glück- 
lich überstandenem  Wochenbette  wurde  aber  die  Gräfin 
von  den  Kinderblattern  ergriffen,  welchen  die  junge, 
blühende  Frau  am  2.  Februar  1728  erlag. 

Dass  mit  dem  Tode  derselben  die  Neigung  des  Kö- 
nigs zu  seinem  Schwiegersohne  nicht  erkaltete,  lässt  sich 
schon  daraus  erkennen,  dass  dieser  im  Dezember  1728 
wieder  durch  einen  neuen  Gunstbeweis  des  Monarchen  er- 
freut wurde.  August  schenkte  nämlich  das  erwähnte  Regi- 
mentshaus ^')  am  Jüdenhofe  (gegenwärtig  mit  Nr.  1  bezeich- 
net) dem  Kabinetsminister  und  Oberkaramerherrn  Grafen 
Friesen  „aus  besondern  Gnaden  und  um  seiner  Uns  so 
lange   Jahre   geleisteten    treuen,    tapferen   und    erspriess- 


*")  Dieser  ältere  Sohn  starb  schon  nach  vollendetem  sechsten 
Jahre. 

=  ')  Dieses  sogenannte  Regimentshans  war  im  Februar  1714  vom 
Könige  dem  Feldmarschall  Grafen  Flemming  und  dessen  Gemahlin 
unter  sehr  vortheilhaften  Bedingungen  ad  dies  vitae  überlassen 
worden.  Aber  schon  im  September  desselben  Jahres  veranlasste 
August  den  Feldmarschall,  gegen  eine  Entschädigungssumme  von 
12  000  Thalern  ihm  das  Haus  wieder  zur  freien  Verfügung  zurück- 
zugeben, und  es  wurde  dasselbe  nun  zur  Dienstwohnung  des  da- 
maligen Gouverneurs  von  Dresden,  Generals  Janus  von  Eberstädt, 
der  bisher  ein  jährliches  Quartiergeld  von  1200  Goldgülden  bezogen 
hatte,  bestimmt.  Eberstädts  Nachfolger  Wack,erbarth  bewohnte  als 
Obersthaus-  und  Landzeugmeister,  welche  Chargen  er  auch  als  Gou- 
verneur behielt,  ein  Haus  am  Zeughause,  das  am  19.  Januar  1728 
mit  den  darin  enthaltenen  werthvollen  Sammlungen  niederbrannte, 
worauf  Wackerbarth  vom  Könige  das  damals  die  Stelle  des  jetzigen 
Landhauses  einnehmende  Flemming'sche  Palais  geschenkt  erhielt. 
Erst  unter  Friesen  wurde  das  Haus  am  Jüdenhofe  wieder  zufällig 
die  Wohnung  des  Gouverneurs;  einige  Jahre  nach  seinem  Tode  ver- 
kaufte es  dessen  Sohn,  der  letzte  Graf  Friesen,  an  den  Konferenz- 
minister und  Wirklichen  GeJieimenrath  Grafen  von  Heunicke. 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  167 

liehen  Dienste  willen  erb-  und  eigentliüralich".  Die  darin 
verwahrten  Sammlungen,  welche  erst  kürzlich  noch  durch 
ein  „fast  inästimables  Bernsteinkabinet",  ein  Geschenk  des 
Königs  von  Preussen,  vermehrt  worden  waren,  wiu'den 
nebst  der  Bibliothek  in  die  Galerie  des  Zwingergartens 
gebracht. 

Der  Tod  Flemmings,  welcher  im  Jahre  1728  erfolgte, 
scheint  Friesen  wieder  in  nähere  Beziehungen  zur  Armee, 
für  die  er  beständig  lebhaftes  Interesse  behielt,  gebracht 
zu  haben.  Den  9.  Februar  1731  wurde  er  zum  General 
der  Infanterie  ernannt:  im  folgenden  Jahre  erhielt  er  an 
seines  Freundes  Lagnasco  Stelle  das  Kommando  der 
sächsischen  Leibgarde  in  Polen,  welchen  Ehrenposten  er 
jedoch  nur  bis  zum  Tode  des  Königs  August  II.  be- 
kleidete. Der  Thronwechsel  blieb  insofern  nicht  ohne 
Einfluss  auf  Friesens  Stellung  bei  Hofe,  als  er  auf  Befehl 
des  neuen  Monarchen  seinen  Posten  als  Oberkammer herr 
an  den  bisherigen  Maitre  de  la  Garderobe  Grafen  Brühl, 
den  späteren  Premier,  abtreten  musste,  wofür  ihm  als  Ent- 
schädigung die  durch  den  Tod  des  Grafen  Wackerbarth 
(den  14.  August  1734)  erledigte  Würde  eines  „Gouverneurs 
der  Residenz  und  Festung  Dresden,  auch  Neudresdens, 
ingleichen  König-  und  Sonnenstein  und  Stolpen"  übertragen 
ward.  ^^) 

Als  König  August  III.  an  seinem  vierzigsten  Geburts- 
tage, den  7.  October  1736,  zu  Hubertusburg  den  Militär- 
St.-Heinrichs-Orden  stiftete,  und  nächst  dem  damals  vier- 
zehnjährigen Kurprinzen  Friedrich  Christian,  dem  sechs- 
jährigen Prinzen  Xaver,  dem  dreijährigen  Prinzen  Karl 
Christian  und  dem  Feldmarschall  Herzog  Johann  Adolf 
von  Sachsen -Weissenfeis  noch  vierzehn  Generale,  meist 
verdiente  Veteranen  aus  dem  nordischen  Kriege,  mit  der 
neuen  Dekoration  begnadigte,  befand  sich  auch  Friesen 
mit  unter  der  Zahl  der  Ausgewählten.  Der  Orden,  in 
Deutschland  der  älteste  militärische  Verdienstorden,  wurde 
damals  an  einem  karinoisinrothen  Bande  mit  silbernen 
Rändern  getragen,  und  sein  Kreuz  führte  die  Inschrift: 
„Virtute  et  pietate  bellica".  In  den  Jahren  1737  bis 
1739  fanden  noch  sieben  Verleihungen  desselben  statt, 
auffallenderweise  aber  hören  solche  mit  dem  letztgenann- 


**)  Friesens  feierliche  Verpflichtung  als  Gouverneur  fand  den 
28.  October  1734  statt. 


168  0-  von  Schimpff: 

ten  Jalire  auf,  obgleich  die  1740  beginnenden  schlesischen 
Kriege  der  Armee  doch  reichliche  Gelegenheiten  zu  mi- 
litärischen Auszeichnungen  boten.  ^^) 

Die  letzte  militärische  Würde,  mit  welcher  Friesen 
durch  die  königliche  Gnade  bekleidet  ward,  war  der  im 
Februar  1738  durch  den  plötzlichen  und  unerwarteten  Sturz 
des  Ministers  und  Generals  Grafen  Sulkowski  erledigte 
Ehrenposten  eines  „Generalcommandanten  über  die  fünf 
Bataillone  Leibgarde  zu  Fuss  und  über  die  derselben 
in  gewisser  Masse  incorporirto  sogenannte  Hubertusbur- 
gische Leibgrenadier-Freicompagnie,  mit  eben  denjenigen 
Prärogationen,  wie  solche  dem  General  Grafen  Sulkowski 
vorhin  anvertraut  gewesen". 

Der  Organismus  des  sächsischen  Heeres  ist  im  Laufe 
der  Zeiten  so  oftmaligen  Veränderungen  unterworfen  ge- 
wesen, dass  es  einer  genauen  Kenntnis  seiner  Geschichte 
bedarf,  um  sich  vorstellig  zu  machen,  welche  Truppe 
unter  jenen  fünf  Bataillonen  Leibgarde,  die  dem  Kom- 
mando Friesens  unterstellt  wurden,  eigentlich  gemeint  ist. 

Den  Namen  Garde  führten  damals  bei  der  Infanterie 
drei  Regimenter,  nämlich :  1)  das  alte  1670  errichtete  Leib- 
regiment, das  Stammregiment  unserer  jetzigen  beiden 
Grenadier -Regimenter  Nr,  100  und  101,  welches  den 
Namen  „Garde  zu  Fuss"  schon  1692  annahm  und  bis 
zum  Jahre  1764,  wo  demselben  aus  ökonomischen  Rück- 
sichten die  Gardevorrechte  entzogen  wurden,  behielt; 
2)  das  von  diesem  im  Jahre  1707  abgetrennte  „Zweite 
Garderegiment  zu  Fuss",  das  bei  der  grossen  Re- 
duktion der  Armee  zwischen  dem  zweiten  schlesischen 
und  dem  siebenjährigen  Kriege  1748  wieder  aufgelöst 
wurde;  3)  die  1729  in  zwei  Bataillonen  in  Warschau  und 
Meissen  errichtete  Leibgarde,  deren  erster  Chef  der 
spätere  Feldmarschall  Graf  Rutowski  war,  und  die  schon 
im  folgenden  Jahre  im  Zeithainer  Lager  durch  ihre 
stattliche  Erscheinung  allgemeine  Bewunderung  erregte. 

Dieses  letztere  Regiment,  die  spätere  Leibgrenadier- 
garde, welche  ihre  Existenz  in  einem  schwachen  Rest  als 
sogenannte  rothe  Garde  bis  Ende  Dezember  1848  fristete, 
ist  es,   welche    einen  Theil  der  oben  erwähnten  fünf  Ba- 


**)  Bekanntlich  war  es  Prinz  Xaver,  welcher  als  Administrator 
Sachsens  im  Jahre  1768  den  fast  in  Vergessenheit  gerathenen  Orden 
wieder  ins  Leben  rief. 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen  169 

taillone  Leibgarde  zu  Fuss  ausmacht.  Es  bleiben  jedoch, 
da  diese  Truppe  uur  aus  zwei  Batailloueu  bestand,  noch 
deren  drei  zu  ermitteln,  von  denen  indessen  keines  zu  den 
unter  1)  und  2)  aufgeführten  Kegimentern  gehörte.  Da- 
gegen hatte  im  Jahre  1735  das  Infanterie-Regiment,  dessen 
Chef  König  August  III.  als  Kronprinz  gewesen  war,  den 
Namen  LeilA'egiment  erhalten,  nachdem  am  4.  Juni 
1733  das  Grenadierbataillon  Friesen**)  als  drittes  Ba- 
taillon demselben  einverleibt  worden  war;  am  13.  April 
1737  aber  war  folgender  Befehl  ergangen:  „Nachdem 
Wir  Unser  bisheriges  Leib- Grenadier -Gardes- Regiment 
Unserem  sogenannten  Leibregiment  zu  Fuss  dergestalt 
einverleibt,  dass  beide  zusammen  1  Corps  von  5  Ba- 
taillonen formiren,  so  soll  dasselbe  fürohin  den  Namen 
Unserer  Leib-Gardes  zu  Fuss  führen." 

Wenn  sich  hieraus  die  Zusammensetzung  der,  Friesens 
Kommando  unterstellten  Gardetruppe  von  fünf  Bataillonen 
erklärt,  so  möchte  noch  in  Bezug  auf  den  weiteren  Be- 
standtheil  derselben,  die  sogenannte  Hubertusburgische 
Leibgrenadier  -  Freikompagnie,  zu  erwähnen  sein,  dass 
diese  im  November  1729  in  der  Stärke  von  160  Mann 
zur  Bewachung  des,  dem  damaligen  Kronprinzen  ge- 
hörigen Jagdschlosses  Hubertusburg  errichtet  ward.  Zum 
Kapitän  derselben  wurde  der  Kammerherr  und  Stall- 
meister des  Kronprinzen,  Graf  Alexander  Joseph  Sul- 
kowski,  der  spätere  Premierminister,  ernannt,  unter  wel- 
chem noch  vier  Offiziere  bei  der  Kompagnie  standen. 
Die  Garnison  derselben  war  Oschatz ,  ihre  Uniform 
die  des  ersten  Garde  -  Regiments  zu  Fuss  —  paille- 
gelber  Rock  ohne  Kragen,  rotlie  Aufschläge,  Westen 
und  Beinkleider,  letztere  mit  goldenen  Tressen  besetzt. 
Die  Unterhaltung  dieser  Luxustruppe  erforderte  jährlich 
26688  Thaler. 


*')  Das  Grenadierbataiilon  Friesen  ist  nicht  mit  dessen  oben 
mehrfach  erwähntem  Infanterie-Regimente  zu  verwechseln ,  weUhes 
ihm  im  Jabre  1717  wieder  entzogen  worden  war.  Jenes  Grenadier- 
Bataillon  war  vielmehr  aus  dem  in  der  Geschichte  des  Zeitbainer 
Lagers  vielbesprochenen  Janitscharenkorps  formiert  worden,  welches 
1729  auf  Befehl  des  Königs  von  dem  Oberstlieutenant  von  Sybilski 
in  Polen  errichtet  worden  war.  Diese  ungefähr  500  Mann  starke 
Truppe  hatte  zweierlei  Montnr,  eine  citrnnengelbe  und  eine  pai)agei- 
grüne  ;  ihre  Musikbaiule  bestand  aus  24  Moliren  und  48  Janitscharen. 
Die  Umwandlung  in  ein  Grenadier-Bataillon,  zu  dessen  Chef  Friesen 
ernannt  wurde,  erfolgte  schon  im  Herbste  1731. 


170  0.  von  Schimpff: 

Aber  nicht  bloss  dem  Militär,  sondern  auch  dem  Hof- 
manne sollte  noch  eine  besondere  Auszeichnung  zutheil 
werden,  als  im  Mai  1738  die  feierliche  Anwerbung  um 
die  Hand  der  ältesten  Tochter  des  Königs,  Prinzessin  Marie 
Araalie,  für  den  König  beider  Sicilien  durch  den  ausser- 
ordentlichen Gesandten  desselben,  Grafen  Fuenclara,  statt- 
fand, und  Friesen  bei  dieser  Cereraonie  zum  königlichen 
Kommissar  ernannt  wurde. '■'*) 

Die  Erfüllung  der  Pflichten  seines  hohen  Ehrenamtes 
mag  ihm  übrigens  bei  dieser  Gelegenheit  nicht  ganz  so 
leicht  geworden  sein,  wie  man  in  Rücksicht  auf  seine  lauge 
Gewohnheit  des  Hofdienstes  wohl  anzunehmen  berechtigt 
wäre,  denn  schon  klopfte  die  Hand  des  Todes  leise  an  die 
Thür  des  Mannes,  der  noch  am  Tage  nach  der  Hochzeits- 
feier  bei  dem  grossen  Carroussel  im  Zwinger  an  der  Spitze 
einer  der  vier  in  reiche  spanische  Tracht  gekleideten  Ab- 
theilungen Proben  seiner  ritterlichen  Gewandtheit  ablegte. 
Wenige  Monate  darauf,  noch  im  Herbst  1738,  musste  Friesen 
sich  infolge  anhaltender  Körperleiden,  die  allmählich  in 
Wassersucht  übergingen,  aufs  Land  nach  Königsbrück 
zurückziehen,  und  wir  würden  seine  ßetheiligung  an  dem 
Hochzeitsfeste  der  Königstochter  als  den  letzten  Akt  seiner 
amtliclien  Thätigkeit  bezeichnen  müssen,  wenn  nicht  ein 
im  Staatsarchiv  aufbewahrter  umfänglicher  und  höchst 
wahrscheinlich  aus  Friesens  eigener  Feder  geflossener  Be- 
richt des  Gouverneurs  von  Dresden^®)  noch  das  Datum 
vom  2.  Juni   1738  trüge. 

Dieser  Bericht  liefert  ein  ausführliches,  sehr  eingehend 
und  gründlich  motiviertes  Gutachten  des  Gouvernements 
zu  einer  von  sämmtlichen  Viertelsmeistern  Dresdens  einge- 
reichten Vorstellung:  „ob  nicht  der  Rath  einen  oder  den 
anderen  von  der  Bürgerschaft  bei  der  Einquartierung  über 
die  Gebühr  beschwere". 

Die  Klagen  der  Dresdener  Bürgerschaft  über  den  Druck 
der  Einquartierung  waren  an  sich  nichts  neues  und  reichen 
weit  vor  den  nordischen  Krieg  zurück  in  die  Zeit  der  An- 
fänge eines  stehenden  Heeres.  Mitten  in  der  ärgsten 
Schwedenbedrängnis  im  Jahre  1707  war  von  der  Bürger- 
schaft die  Summe  von  18  672  Thlr.  22  Gr.  2  Pf.  zu  einem 


**)  Vergleiche  über  die  bei  dieser  Anwerbung  stattgefundenen 
Feierlichkeiten  die  Beschreibung  in  „Lindau,  Gesch.  der  Haupt-  und 
Kesidenzstadt  Dresden"  .326  fgg. 

")  HStA.  Loc.  Nr.  1100  Vol.  I  Bl.  9  fgg. 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  171 

Kasernenbau  aufgebracht  imd  an  die  Kriegskasse  abge- 
geben worden,  um  sich  von  der  drückenden  Einquar- 
tierungslast zu  befreien;  das  Geld  war  jedoch  während  der 
Kriegswirren  zur  Befriedigung  noch  dringenderer  Bedürf- 
nisse verwendet  worden.  Als  nach  der  Pacificierung  Polens 
zu  Anfange  des  Jahres  1717  die  Armee  wieder  ins  Vater- 
land zurückkehrte  und  hier  ihre  Friedensgarnisonen  ange- 
wiesen erhielt,  bestimmte  man,  dass  Dresden  mit  je  zwei, 
anfangs  halbjährlich,  später  jährlich  wechselnden  Infan- 
terie-Kegimenteru  belegt  werden  solle.  Ueber  diese  Mass- 
regel wiirden  viele  Klagen  erhoben,  besonders  da  die  Sol- 
daten, von  denen  damals  ein  sehr  grosser  Theil  verheiratet 
war,  ihre  Weiber  und  Kinder,  ja  Eltern  und  Geschwister 
mit  nach  Dresden  brachten  und  so  das  Proletariat  der 
Hauptstadt  nicht  unbeträchtlich  vermehrten.  Auch  die  Auf- 
führung der  Truppen,  welclie  durch  die  langen  Kriege, 
namentlich  durch  den  polnisciien  Insurrektionskampf  ver- 
wildert waren  und  sich  an  friedliche  Verliältnisse  schwer 
gewöhnen  konnten,  gab  zu  fortwährenden  Beschwerden 
Veranlassung;  sie  begingen  gegen  die  Verkäufer  auf  offenem 
Markte  Gewaltthätigkeiten  und  streiften  Nachts  in  Rotten 
zu  3,  4  und  selbst  bis  16  Mann  in  den  Gärten  der  Vor- 
städte umher,  um  Unfug  zu  treiben  und  Diebstähle  und 
Räubereien  zu  begehen.  Der  Bau  der  Kaserne  in  Neu- 
stadt, der  von  1731  ab  mit  grosser  Energie  unter  de  Bodts 
Leitung  zur  Ausführung  kam,  änderte  den  Stand  der  Dinge 
wenig,  denn  der  Zweck  des  Gebäudes,  die  Unterbringung 
der  Garnison,  wurde  noch  während  des  Baues  im  wesent- 
lichen aus  dein  Auge  verloren,  so  dass,  als  es  fertig  stand, 
die  Verwendung  desselben  eine  ganz  andere  ward.  ^') 

Als  Friesen  1734  das  Gouvernement  der  Residenz  über- 
nahm, hatte  sich  in  den  Verhältnissen  der  Bequartierung 
wenig  geändert;  nur  war  eines  der  beiden  Infanterie- 
Regimenter  der  Garnis(m ,  das  Leibgrenadier  -  Garde- 
Regiment  (die  sogenannte  grosse  oder  rothe  Garde,  welche 
mittlerweile  errichtet  worden  war),  in  Dresden "  fixiert 
worden,  und  der  jährliche  Wechsel  fand  daher  nur  noch 
mit  einem  Regimente  statt,  eine  Einrichtung,  die  sich 
ein  Jahrhundert  lang  bis  1830  erliielt. 


")  Man  vergleiche  liierüber  den  Anfsatz  in  der  Wissenschaft- 
lichen Beilage  der  Leipziger  Zeitung:  „Ein  Kückblick  auf  die  Ver- 
gangenheit der  Dresdener  Militäretablisseuients",  Jahrgang  1877 
Nr.  30  fgg.,  insbesondere  Seite  187  fg. 


172  0.  von  Schimpff: 

Die  Stärke  der  Infanterie-Garnison  Dresdens  war  im 
wesentlichen  durch  das  Wachbedürfnis  bedinot,  und  Friesen 
weist  in  seinem  Gutachten,  mit  dem  er  die  Vorstellung  der 
Viertelsmeister  begleitet,  nach,  dass  dasselbe  seit  21  Jahren 
in  forwährendem  Steigen  begriflPen  sei,  denn  der  tägliche 
Wachbedarf  berechne  sich: 

im  Jahre  1713  unter  Janus  von  Eberstädt: 
Stärke  der  Garnison:    1487  M.,  tägliche  Wache:  306  M., 

im  Jahre  1725  unter  Wackerbarth: 
Stärke  der  Garnison:    1626  M.,  tägliche  Wache:  464  M., 

im  Jahre  1736  unter  Friesen: 
Stärke  der  Garnison:    2934  M.,  tägliche  Wache:    525   M. 

Friesen  hatte  bereits  den  Vorschlag  gemacht,  die  Wache 
auf  463  Mann  herabzusetzen,  statt  dessen  war  dieselbe  auf 
598  und  endlich  gar  auf  661  Mann  gestiegen,  was  dem 
ungefähren  Bestände  eines  Bataillons,  also  dem  vierten 
Theile  der  Infanterie-Garnison  entsprach.  Der  Gouverneur 
beklagt  sich  mit  Recht  über  die  ungebührlich  reiche  Be- 
messung des  Wachbedarfes,  welcher  wahrscheinlich  in  dem 
Luxus  seinen  Grund  hatte,  der  damals,  wo  nicht  nur  alle 
Generäle  und  Regimcntskommandanten,  sondern  auch  die 
Minister  und  hohen  Hofchargen  Schildwachen  vor  ihren 
Thüren  nicht  entbehren  zu  können  glaubten,  mit  solchen 
Ehrenposten  getrieben  wurde.  ^^)  Was  die  Bequartierung 
der  Stadt  betrifft,  so  hatte  man  zu  Friesens  Zeit  die  Ein- 
richtung getroflfen,  dass  die  innere  Altstadt  der  Leibgre- 
nadier-Garde (2  Bataillone)  und  die  Vorstädte  dem  Feld- 
Infanterie-Regiraent  und  einiger  Artillerie  überwiesen  waren. 
Statistisch  nicht  uninteressant  ist  es,  bei  dieser  Gelegen- 
heit die  Zahl  der  Wolmgebäude  von  Altstadt  und  deren 
Vorstädten  in  jenem  Augenblicke  kennen  zu  lernen,  indem 
erstere  mit  382  belegbaren  Häusern  und  98  königlichen 
Freihäusern,  letztere  mit  601 72  belegbaren  Häusern  auf- 
geführt werden. 

Unter  den  königlichen  Häusern  werden  bezeichnet: 
7  Häuser  (oder  vielmehr  Baustellen,  da  sie  1667  abgetragen 
wurden)  am  Taschenberge,  3  Häuser  auf  der  kleinen  Brüder- 
gasse, von  der  Gräfin  Cossell  erhandelt  und  nachgehends 
zum  Palais  gezogen,    26  Häuser  am  Jüdenhofe  u.  s.  w., 


^')  Unter  dem  Prinzen  Xaver  wurden  nach  dem  siebenjährigen 
Kriege  41  Wachposten  in  Dresden  eingezogen;  trotzdem  mussten 
nnter  ihm  noch  täglich  449  Mann  auf  Wache  ziehen,  welche  109  Posten 
einschliesslich  7  Nachtposten  zu  besetzen  hatten. 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  173 

1586 — 1599  zum  kurfürstliclien  Stall-  und  Löwenhause  auf 
der  Schössergasse  (sonst  Nikolausgasse)  gezogen,  9  Häuser, 
um  1591  zum  Zeughause  gezogen,  das  Flemming'sche  Haus 
auf  der  Pirna'schen  Gasse,  1727  erkauft. 

Jedes  der  „belegbaren  Häuser"  —  N^eubaue  erhielten 
sogenannte  Bauberechtigungen,  Befreiungen  von  Abgaben 
und  Einquartierungslast  auf  eine  Reihe  von  Jahren,  die 
Häuser  der  Rathspersonen  waren  eo  ipso  befreit  —  war 
im  Jahre  1733  mit  wenigstens  zwei  und  nach  Verhältnis 
mit  3 — 6  Mann  belegt.  Für  1738  wird  der  Aufwand  für 
die  Bequartierung  in  der  Altstadt  und  den  Vorstädten 
derselben,  welcher  1712  11782  Tlilr.,  1725  14194  Thlr. 
betragen  hatte,  zu  41566  Thlr.  12  Gr.  berechnet;  er  be- 
läuft sich,  wie  man  versichert,  höher  als  die  Quatember- 
steuer.^*)  Die  grösste  Plage  für  die  Quartierwirthe  waren 
die  verheirateten  Soldaten,  welche  gleich  mit  Weib  und 
Kindern  einrückten.  Damals,  wo  die  militärische  Dienstzeit 
nicht  wie  jetzt  auf  die  Dauer  einiger  weniger  Dienstjahre 
beschränkt  war,  sondern  das  ganze  kräftige  Mannesalter 
in  Anspruch  nahm,  war  die  Zahl  der  Verheirateten  bei 
den  Truppen  auch  eine  ganz  unverhältnismässig  grössere, 
als  gegenwärtig,  wo  das  Heiraten  nur  nach  der  Be- 
endigung der  aktiven  Dienstzeit  solchen  Unteroffizieren 
gestattet  wird,  welche  Kapitulationen  übernommen  haben. 
So  hatte  zum  Beispiel  damals  das  Leibgarde -Regiment, 
welches  die  stabile  Hälfte  der  Dresdener  Infanterie-Garnison 
ausmachte,  über  seinen  Bestand  von  1441  Unteroffizieren 
und  Gemeinen  noch  den  Appendix  von  230  Weibern  und 
einer  dem  entsprechenden  Kinderschaar.  Man  g-laubt  den 
Versicherungen  der  Herren  Viertelsmeister  gern,  wenn  diese 
das  Ungemach  für  die  Hausbesitzer  schildern,  die  endlosen 
kleinen  Quälereien  und  Belästigungen,  die  ewigen  Streitig- 
keiten, zu  welchen  die  Soldatenweiber  in  den  Wohnungen 
und  Familien   der  Bürger  Veranlassung  gaben,  wenn  sie 


*»)  Die  vierteljähr  Hohen  direkten  Abgaben  der  oben  bezeich- 
neten Stadttheile  werden  in  der  fragliclien  Schrift  folgeudermassen 
angegeben: 

2830  Thlr.  18  Gr.     6'/,  Pf.  Pfennigsteuer       )  .,.  ^   i* 

2285      „      20    „        -     „    Quatembersteuer  \  ^°"  ^^1*^*^*1* 
463     „        8     „     11 '/2    „    Pfenuigsteuer       )  ,       ,r      ..,;,. 

1351      :       16    ,:       -     „   Quatembersteuer  }  ^«"  ^^«"  Vorstädten 
2614     „      13    „       —     „   Wachthaler,  Geschoss,  Brunnengeld  und 

Kontribution. 

9546  Thlr.    4  Gr.    6  Pf.    Summa. 


174  0-  von  Schimpff: 

ferner  für  letztere  die  ihnen  von  der  Einquartierung  ab- 
gepressten  sogenannten  „freiwilligen  Geldunterstützungen" 
als  eine  weitere  Belästigung  der  Quartierträger  bezeichnen, 
da  diese  sich  im  Weigerungsfalle  allerhand  Chikanen  von 
selten  ihrer  Einquartierung  —  verschwenderischem  Gre- 
baren  mit  Holz,  Licht  und  Salz,  welches  dieser  gewährt 
werden  muss,  dem  Aufhetzen  der  Dienstboten  wider  ihre 
Herrschaften  u.  s.  w.  —  aussetzten.  Natürlich  suchten  sich 
die  wohlhabenderen  Hausbesitzer  einer  so  drückenden  und 
widerwärtigen  Verpflichtung  dadurch  zu  entziehen,  dass 
sie  ihre  Einquartierung  durch  Zahlung  einer  reichlichen 
Entschädigungssumme  bewogen,  sich  anderwärts  einzu- 
miethen.  Auf  diese  Weise  kassierte,  wie  die  Beschwerde- 
schrift besagt,  mancher  Unteroffizier  von  seinem  Wirthe 
2^/2,  3  und  4  Thlr.,  ein  unbeweibter  Gemeiner  1  Thlr. 
8  Gr.,  ein  verheirateter  aber  272  — 3 '/a  Thlr.  ein,  „lässt 
sich  daher  für  die  Frau  ebensoviel,  wie  für  sich  selbst 
bezahlen". 

Dass  bei  dieser  Vorstellung  die  Beschwerdeführer  sich 
durchaus  keine  Uebertreibung  zu  Schulden  kommen  Hessen, 
dafür  spricht  die  warme  Unterstützung,  welche  der  Gou- 
verneur denselben  zu  theil  werden  lässt.  In  der  That  hätten 
sie  einen  unparteiischeren  und  zugleich  beredteren  Für- 
sprecher nicht  leicht  finden  können.  Friesen  droht  ge- 
radezu „den  Untergang  der  Bürgerschaft",  wenn  nicht 
alsbald  Abhilfe  geschehe;  zwei  Unteroffiziere  könnten  „durch 
ihre  Bequartierung  ein  Haus  um  tausend  Tlialer  depre- 
tioniren",  der  neue  Anbau  werde  gehindert  und  die  Kon- 
sumtion zum  grossen  Nachtheile  der  Tranksteuer  vermindert. 

Der  Druck  der  Einquarticrungslast  wurde  aber  noch 
dadurch  doppelt  empfindlich,  dass  in  der  Belegung  der 
Häuser  grosse  Ungleichheit  herrschte;  es  waren,  wie  Friesen 
bestätigt,  hauptsächlich  die  Vorstädte  und  ärmlichen  Gassen 
der  inneren  Stadt,  welche  am  schwersten  zu  tragen  hatten; 
denn  von  der  Befreiung  der  98  königlichen  Häuser  und 
der  im  Besitze  von  Rathspersonen  befindlichen  ist  bereits 
die  Rede  gewesen;  es  wird  aber  ausserdem  noch  geklagt, 
dass  solche  Befreiungen  leider  auch  von  anderen  auf 
krummen  Wegen  ohne  besondere  Mühe  zu  erschleichen  seien. 

Der  Neustadt  wird  in  dem  Exposö  nur  beiläufig  Er- 
wähnung gethan,  da  die  Einquartierungslast  derselben, 
welche  nur  zu  2643  Thlr.  berechnet  wird,  eine  unverhält- 
nismässig geringere  sei,  als  die  der  „Stadt  Dresden". 

Welchen  Erfolg  die  Bemühungen  der  Viertelsmeister 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  175 

und  des  die  Interessen  der  Bürgerschaft  so  warm  befür- 
wortenden Gouverneurs  gehabt  haben,  kann  leider  nicht 
berichtet  werden;  wahrscheinlich  ist  nach  mehreren  Rich- 
tungen hin  eine  Erleichterung  eingetreten.  In  jedem  Falle 
ist  es  dem  Verfasser  dieses  Lebensbildes  eine  Freude, 
seinen  Helden,  den  er  als  tapferen,  unerschrockenen  Sol- 
daten, als  gewandten  Diplomaten  und  als  Muster  eines 
eleganten,  feingebildeten  Hofmanns  zu  schildern  Gelegen- 
heit fand,  zu  guterletzt  dem  Leser  noch  als  freimüthigen, 
bürgerfreundlichen  Vertreter  des  Rechtes  und  der  Billig- 
keit vorführen  zu  können. 

Auch  die  Ruhe  des  Landlebens  in  dem  seit  dem  Tode 
der  Gattin  und  des  ältesten  Sohnes  —  der  jüngere  befand 
sich,  obgleich  erst  elf  Jahre  alt,  der  Erziehung  halber 
in  der  Schweiz  —  für  ihn  verödeten  Königsbrück  ver- 
mochte dem  schwerleidenden  Friesen  die  Gesundheit  nicht 
wiederzugeben.  Im  Frühjahre  1739  entschloss  er  sich, 
nach  Südfrankreich  zu  reisen,  wie  gleichzeitige  Bericht- 
erstatter erzählen,  um  die  Bäder  von  Montpellier  zu  ge- 
brauchen. Der  Ort  stand  allerdings  in  der  zweiten  Hälfte 
des  vorigen  Jahrhunderts,  wie  sich  später  herausstellte 
sehr  mit  Unrecht,  denn  Wind  und  Staub  machen  sich  hier 
unangenehmer  fühlbar,  als  in  anderen  Gegenden  des  mit- 
täglichen Frankreichs,  seiner  milden  Lage  wegen  besonders 
bei  den  Engländern  in  gutem  Rufe,  wogegen  der  Ver- 
fasser von  Bädern  in  Montpellier  sonst  nie  etwas  gehört 
hat.  Wenn  daher  Friesen  sein  Reiseziel  nicht  bloss  aus 
Vorliebe  für  den  ihm  von  seinen  Jugendjahren  her  lieb- 
gewordenen, von  der  Natur  bevorzugten  Himmel  des  süd- 
lichen Europas  gewählt  und  durch  Zufall  gerade  auf  Mont- 
pellier gekommen  ist,  so  möchte  hier  vielleicht  ein  sehr 
frühzeitiges  Beispiel  der  erst  später  so  beliebt  gewordenen 
Luftkuren  vorliegen. 

Friesen  war  auf  der  Reise  von  seinem  Sohne 
Heinrich  August,  der  sich  unterwegs  in  Lyon  an  den 
Vater  anschloss,  und  dem  Wundarzt  ^^^eise  begleitet. 
Die  Versammlung  der  Stände  von  Langucdoc,  welche 
ein  geräuschvolles  Zusammenströmen  des  lebenslustigen 
französischen  Adels  in  Montpellier  veranlasste  und  für 
Friesen  um  so  unbequemer  und  störender  wurde,  als 
sich  unter  der  glänzenden  Menge  mancher  alte  Bekannte 
befinden  mochte  und  er  dadurch  zu  gewissen  geselligen 
Rücksichten  genöthigt  ward,  bestimmte  den  Schwer- 
erkrankten, den  Aufenthalt  in  Montpellier  mit  dem  in  dem 


1 76  0-  von  Schimpff: 

nur  wenige  Stunden  davon,  unmittelbar  am  Meere  liegenden 
kleineren  Orte  Cette  zu  vertauschen.  Aber  die  Leiden 
Friesens  steigerten  sich  so,  dass  der  Gequälte  weder  bei 
Tag  noch  bei  Nacht  Ruhe  finden  konnte,  bis  ihn  am  8.  De- 
zember 1739  ein  verhältnismässig  sanfter  Tod  von  seinen 
Schmerzen  befreite.  Er  hatte  sich  an  diesem  Tage  abends, 
ohne  Vorzeichen  des  nahen  Endes  gewahren  zu  lassen, 
ruhig  zu  Bette  begeben,  dann  aber  mit  der  Matratze  auf 
den  Fussboden  legen  lassen  und  einige  Stunden  darauf 
den  Geist  aufgegeben.  Der  junge  Graf  war  bei  dem  Tode 
des  Vaters  nicht  zugegen;  keine  Gefahr  ahnend,  hatte  er 
mit  seinem  Hofmeister  gerade  einen  Ausflug  in  die  Um- 
gegend gemacht,  von  dem  er  erst  nach  dem  Trauerfalle 
zurückkehrte. 

In  Sachsen  rief  die  Kunde  von  dem  Tode  des  hoch- 
geachteten Mannes  allgemeine  Bestürzung  hervor;  verlor 
man  doch  in  dem  Grafen  Friesen,  von  dessen  übrigen 
Eigenschaften  abgesehen,  einen  der  damals  so  seltenen 
höheren  Beamten,  welcher  für  Bestechungen  unzugänglich, 
seine  Hände  wie  sein  Wappenschild  von  jedem  Flecken 
rein  zu  halten  gewusst  hatte.  Friesen  war  in  der  That 
nicht  bloss  ein  Mann  von  bedeutendem  Talent  und  Wissen, 
in  welcher  Beziehung  ihn  vielleicht  bloss  der  geniale, 
elf  Jahre  vor  Friesen  verstorbene  Flemming  überragte, 
sondern  auch  unter  allen  Hof-  und  Staatsmännern  des  da- 
maligen Sachsens  derjenige,  der  am  meisten  wahre  Würde 
zeigte;  er  war  mit  einem  Worte  ein  Charakter.  Was 
Friesens  äussere  Erscheinung  betrifft,  so  schildert  ihn 
sein  Freund  Haxthausen  als  von  kleinem,  aber  eben- 
massigem  W\ichse  und  sehr  mager.  Die  Züge  seines 
länglichen  Gesichts  mit  leichtgebogener  Nase  trugen  den 
Stempel  der  Vornehmheit,  konnten  aber  je  nach  seinem 
Willen  ebenso  schnell  den  Ausdruck  der  liebenswürdigsten 
und  anmuthigsten  Höflichkeit,  wie  den  eines  kalten,  ab- 
weisenden Stolzes  oder  schneidender  Ironie  annehmen. 


Die  weitere  Geschichte  des  gräflichen  Zweiges  der 
Friesen'schen  Familie  ist  keine  lange.  Der  einzige,  den 
Grafen  Heinrich  Friedrich  überlebende  Sohn,  August  Hein- 
rich, trat  schon  1742,  fünfzehn  Jahre  alt,  als  Fähnrich  mit 
Lieutenantsrang  beim  Garde-Regiment  in  hessen-kassel- 
sclie  Dienste.    Nachdem  er  hier  zum  Hauptmann  befördert 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  177 

worden  war,  wurde  er  1744  als  Oberstlieutenant  bei  der 
Garde  du  Corps  in  die  sächsische  Armee  aufgenommen  und 
wohnte  als  solcher  den  Schlachten  und  Gefechten  des 
zweiten  schlesischen  Krieges  in  Böhmen,  Schlesien  und 
Sachsen  bei.  Als  1745  ein  österreichischer  Erzherzog  ge- 
boren ward,  sendete  König  August  III.  den  zum  Obersten 
und  Kammerherrn  ernannten  achtzehnjährigen  Grafen 
Friesen  zur  Beglückwünschung  nach  Wien.  Im  folgenden 
Jahre  erhielt  er  das  zeither  den  Namen  seines  Oheims,  des 
Grafen  Cossell,  führende  Infanterie-Regiment,  welches  später 
(seit  1798)  Prinz  Friedricli  August  hiess,  dann  1836  dem 
Prinzen  Georg  verliehen  wurde  und  unter  diesem  Namen  als 
Nr.  106  noch  heute  besteht.  Aber  der  junge  Mann,  der  bei 
Striegau  und  Kesselsdorf  bereits  unter  unglücklichen  Ver- 
hältnissen den  Beweis  geführt  hatte,  dass  der  soldatische 
Geist  des  Vaters  und  Grossvaters  auf  ihm  ruhe,  fühlte  den 
unwiderstehlichen  Drang,  auch  unter  günstigeren  Verhält- 
nissen den  Ruf  eines  klugen  und  tapferen  Offiziers  zu  be- 
währen. Nirgends  bot  sich  hierzu  bessere  Gelegenheit,  als 
im  Dienste  des  Königs  von  Frankreich,  in  dem  Friesens 
Oheim,  der  Graf  Moritz  von  Sachsen,  sich  bereits  den 
Marschallstab  erworben  und  durch  den  Sieg  bei  Fontenay 
schnell  auf  die  Höhe  eines  der  ersten  Feldherren  seiner  Zeit 
erhoben  hatte.  Friesen  eilte  daher  zur  französischen  Armee 
in  Flandern,  wo  er  unter  der  „troupe  dor^e  de  volontaires", 
die  sich  hier  um  die  gefeierte  Person  des  Marschalls  schaarte, 
sich  durch  Tapferkeit  und  feine  Sitte  bemerkbar  machte 
und  an  der  Schlacht  bei  Rocourt  am  11.  Oktober  1746 
in  glänzender  Weise  betheiligte. 

Von  Brabant  begleitete  er  den  Oheim  nach  Paris  und 
Versailles.  „Friesen",  schreibt  dieser  miter  dem  10.  De- 
zember 1746  nach  Dresden,  „platt  cxtr^iiement  ici',  je 
crois,  qu'on  lui  donnerait  volontiers  le  grade  de  brigadier." 

Dies  geschah  auch  wirklich  im  folgenden  Jahre,  und 
es  wurde  ihm  dabei  noch  die  besondere  Gunst  gewährt, 
dass  er  trotz  des  Eintritts  in  den  Dienst  des  Allerchrist- 
lichsten  Königs  seine  sächsischen  Militärchargen,  also  auch 
sein  Infanterie-Regiment  behalten  durfte. 

In  Frankreich  ertheilte  man  Friesen  die  Erlaubnis, 
ein  neues  deutsches  Infanterie- Regiment  zu  errichten,  und 
am  Ende  des  Feldzuges  1748,  in  welchem  er  der,  durch 
den  Abschluss  des  Friedens  imtcrl^rochenfu  Belagerung 
von  Maastricht  beiwohnte,  erfolgte  noch  im  Dezember  seine 
Ernennung  zum  Mar^chal  de  Camp. 

Neues  Archiv  i'.  S.  G.  u,  A.  U.  2.  12 


178  0.  von  Schimpff: 

In  dem  Verzeichnisse  der  1748  an  dem  Hofe  von 
Versailles  vorgestellten  Personen,  welche  dadurch  das  Vor- 
recht der  „Entr^es  des  Carosses  du  Roi"  erlangten,  führt 
die  bekannte  Memoireuschreiberin,  Herzogin  von  Cröqui, 
auch  „le  comte  de  Friese^  legitime  de  Saxe"  auf. 

Am  5.  Juli  1749  kam  Friesen  mit  dem  Marschall  von 
Sachsen  zu  einem  Besuche  nach  Dresden,  wo  er  mit  grosser 
Auszeichnung  aufgenommen  und  auch  zum  sächsisch-pol- 
nischen Generalmajor  ernannt  wurde. 

Als  im  folgenden  Jahre,  am  30.  November  1750,  Moritz 
von  Sachsen  in  Chambord  starb,  vt^ard  Friesen  zwar  nicht 
dessen  Erbe,  denn  der  Marschall  hatte  hierzu  testamen- 
tarisch den  Gemahl  seiner  Lieblingsschwester  Marie  Aurora 
Rutowska,  den  Grafen  (Jlaude-Marie  de  Bellegarde,  be- 
zeichnet, wohl  aber  wurde  der  letzten  Bitte  des  Helden, 
dass  seine  militärischen  Privilegien  auf  seinen  Neffen  Friesen 
übertragen  werden  möchten,  vom  Könige  Ludwig  XV, 
durch  Patent  vom  5.  Februar  1751  feierlich  entsprochen. 
Somit  erhielt  der  dreiundzwanzigjährige  Marechal  de  Camp 
neben  seinem  französischen  Infanterie-Regiment  auch  noch 
das  berühmte  Ulanenregiment,  welches  von  dem  grossen 
Oheim  nach  dem  Muster  der  sogenannten  tatarischen  Hof- 
fahnen, die  er  in  den  Reihen  der  sächsischen  Armee  im 
zweiten  schlesischen  Kriege  kennen  gelernt  hatte,  für 
Frankreich  errichtet  worden  war.  Auch  die  Gouverneur- 
stelle des  schönsten  Königsschlosses  aller  Länder,  des 
prächtigen  Chambord,  wurde  Friesen  auf  Lebenszeit  über- 
tragen, während  er  aus  dem  eigentlichen  Nachlasse  des 
Oheims  nur  den  werthvollen  Brillanten  le  Prague,  den  die 
böhmische  Hauptstadt  im  Jahre  1741  ihrem  Eroberer  zum 
Geschenk  gemacht  hatte,  und  ein  Exemplar  des  Manu- 
skriptes der  berühmten  Reveries  erhielt. 

Aber  Graf  Friesen  sollte  sich  seiner  zahlreichen 
Ehrenämter,  welchen  der  König  noch  eine  Pension  von 
12000  Livres  hinzufügte,  nicht  lange  erfreuen.  Gegen 
Ende  März  1755  wurde  er  von  den  Masern  befallen,  zu 
welchen  sich  ein  bösartiges  Faulfieber  gesellte,  und  schon 
den  29.  März,  fünf  Tage  nach  der  Erkrankung,  raffte  ihn 
der  Tod  in  der  Blüthe  seines  Lebens  dahin.  Er  starb 
in  seinem  Hotel  zu  Paris,  noch  nicht  achtundzwanzig  Jahre 
alt,  in  Gegenwart  zweier  Landsleute,  der  Grafen  Schön- 
berg und  Watzdorf.  Der  Erzbischof  von  Paris  erzeigte 
ihm  noch  im  Tode  eine  besondere  Rücksicht,  indem  er 
die  Genehmigung  ertheiltc,   dass  Friesen,  der  Protestant, 


Heinrich  Friedrich  Graf  von  Friesen.  179 

in  der  Parocbialkirclie  seines  Stadtviertels,    der  Madeleine 
Ville  l'Eveque,  beerdigt  wurde.*") 

So  sehen  wir  in  dem  Enkel  des  ersten  Grafen,  des 
kaiserlichen  Feldzeugnieisters,  die  gräfliche  Linie  des 
Hauses  Friesen  schon  wieder  erlöschen.  Durch  die  drei 
Generationen  derselben  wiederholen  sich  hervorstechende 
Charakterzüge  —  lebhafter  Ehrgeiz,  Tapferkeit,  Uneigen- 
nützigkeit  und  edle  Gesinnung  —  gepaart  mit  hoher  Geistes- 
bildung und  aristokratischen  Formen;  von  seinem  Vater 
hatte  der  letzte  Graf  Friesen  die  leichtblütige,  sinnliche 
Natur  und  Liebenswürdigkeit  im  geselligen  Verkehr,  nicht, 
wie  es  scheint,  dessen  eiserne  Energie  geerbt. 


*")  Nach  dem  Tode  des  Grafen  August  Heinrich  suchte  dessen 
noch  immer  auf  dem  Schlosse  Stolpen  iu  Gewahrsam  gehaltene  Gross- 
mutter, die  Gräfin  Cossell,  sich  in  den  Besitz  der  nachgelassenen 
sächsischen  Güter  zu  setzen;  sie  musste  dieselben  jedoch  gegen  eine 
Abfindungssumme  dem  Freiherrn  Johann  Friedrich  Ernst  von  Friesen 
auf  Rötha,  dem  Vetter  des  verstorbenen  Grafen,  abtreten.  Die  Güter 
blieben  indessen  auch  nicht  in  dieser  Linie.  Königsbrück  mit  Kosel, 
Grüngräbchen  und  Steinborn  erkaufte  1713  der  erste  Graf  Redern, 
welcher  später  preussischer  Oberhofmarschall  wurde,  der  Gemahl 
der  reichen  Bankierstochter  Horguelin  oder  Orgueliu;  Schönfeld  mit 
Zubehör  (Jessen,  Graupen,  Pratschwitz)  wurde  nach  längeren  Difl'e- 
renzen  mit  den  Erben  der  Töchter  des  Geheimrathsdirektors  Friesen 
1787  als  kurfürstliches  ChatuUengut  erworben. 


W 


Literatur. 


Denkwürdigkeiten    des  Halleschen    Rathsmeisters   Spittendorf. 

Herausgegeben  von  der  Historischen  Commission  der  Provinz 
Sachsen.  Bearbeitet  von  Prof.  Dr.  Julius  Opel.  Halle,  Otto 
Hendel.  1880.  8».  XLVIII,  582  SS.  (A.  u.  d.  T.:  Geschichtsquellen 
der  Provinz  Sachsen  und  angrenzender  Gebiete.     Elfter  Band.) 

Die  Stadt  Halle  erfreut  sich  bekanntlich  keines  be- 
sonderen Reichthumes  an  Quellen  für  ihre  mittelalter- 
liche Geschichte;  doch  befindet  sich  unter  dem,  was  sich 
bis  auf  unsere  Tage  erhalten  hat,  manches  Stück,  das 
durch  Umfang  und  inneren  ^^erth  uns  über  manche  ver- 
lorene oder  in  Halle  nicht  so  wie  in  anderen  deutschen 
Städten  gezeitigte  Frucht  historiogi-aphischer  Thätigkeit 
zu  trösten  im  stände  ist.  So  kann  und  muss  Halle  von 
vielen  Seiten  um  den  Besitz  einer  Perle  unter  den  mittel- 
alterlichen Geschichtsquellen,  um  den  der  unter  obigem 
Titel  zum  ersten  Male  vollständig  herausgegebenen  „Denk- 
würdigkeiten des  Rathsmeisters  Spittendorf"  beneidet  wer- 
den, ohne  dass  doch  wiederum  der  Werth  und  das  Inter- 
esse derselben  einseitig  auf  Halle  beschränkt  wäre.  Es 
sind  nicht  Zeiten  ruhiger,  individueller  Entwickelung  und 
Fortbildung,  die  uns  diese  „Denkwürdigkeiten"  schildern, 
es  sind  vielmehr  ernste,  schwere,  wechselvolle,  aufregende 
Kämpfe  auf  dem  Gebiete  der  inneren  und  äusseren  Städte- 
verfassung, in  deren  Getriebe  und  Verlauf  uns  hier  aller- 
dings unter  eigenthümlichem  Gesichtspunkt  Einblick  er- 
öffnet wird;  es  ist  die  gewaltige  Krisis  in  dem  städtischen 
Verfassungsleben,  der  wir  fast  in  jeder  grösseren  Stadt 
unseres  Vaterlandes  auf  der  Grenzscheide  zwischen  Mittel- 
alter und  Neuzeit  begegnen:  die  Vollendung  der  Demo- 
kratisierung des  städtischen  Regimentes  gegen  die  letzten 
noch  bestehenden  Vorrechte  einer  patrizischen  oder  aristo- 
kratischen Sondergemeinde,  die  früher  oder  später  zu  einer 
Einmischung  des  ehemaligen  Stadtherm  und  zur  Wieder- 


Literatur.  181 

herstellung  der  unter  vielen  Opfern  und  Mühen  bis  auf 
ein  Minimum  abgestreiften  Oberhoheit  desselben  in  streng- 
ster Fassung  führte.  Beide  Katastroplion  fanden  in  Halle 
verhältnismässig  früh  statt  und  beide  folgten  einander 
in  dem  kurzen  Zeiträume  der  Jahre  1474  bis  1479.  Kaum 
wäre  der  innere  Zwist  der  Halleschen  Bürgerschaft  so 
schnell  zu  einem  verhängnisvollen  Ende  gediehen,  wenn 
nicht  inmitten  desselben  die  Regierung  des  Erzstiftes 
Magdeburg  unter  den  Einfluss  einer  grossen,  weitaus 
schauenden  Politik  getreten  wäre,  deren  Machtentfaltung 
in  jener  Zeit  auch  das  besondere  Interesse  der  Leser  dieses 
Blattes  für  die  neue  Publikation  erwecken  muss.  Erz- 
bischof  Ernst,  der  die  Früchte  jener  Umwälzung  zu  ernten 
berufen  war,  war  ein  kursächsischer  Prinz,  und  es  hatte 
durch  seine  Erhebung  auf  den  Erzstuhl  die  Macht  seines 
Hauses  einen  für  jene  Tage  bedeutungsvollen  Sieg  er- 
rungen und  eine  Erweiterung  erfahren,  die,  wenn  bis  in 
die  zwanziger  Jahre  des  16.  Jahrhunderts  aufrecht  er- 
halten, die  Geschicke  von  ganz  Deutschland  in  andere 
Bahnen  zu  lenken  vermocht  hätte.  Allerdings  war  Herzog 
Ernst  bei  seiner  Postulation  noch  nicht  älter  als  11  Jahre; 
um  so  mehr  lenkten  die  ihm  von  Haus  aus  beigegebenen, 
in  allen  Pfaden  der  Diplomatie  erfahrenen  ßäthe,  unter 
denen  vor  allen  Johann  von  A^'eissenbach ,  der  Bischof 
von  Meissen,  hervorragt,  im  Vereine  mit  den  Vertretern 
der  sächsischen  Partei  unter  den  erzstiftischen  Ständen 
die  Verwaltung  und  Regierung  des  Stiftes  im  Sinne  der 
wettinischen  Hauspolitik,  und  Hess  es  die  letztere  hin- 
wiederum an  ideeller  und  materieller  Unterstützung  des 
jungen  Erzbischofes  nicht  fehlen.  Gegenüber  solchen  in 
den  Kämpfen  der  grossen  Reiclispolitik  erprobten  und  in 
allen  staatsrechtlichen  Konflikten  reich  erfahrenen  Männern 
musste  sich  eine  Stadt  wie  Halle  von  vornherein  in  nach- 
theiligster Stellung  befinden,  und  ihre  Lage  konnte  nur 
um  so  verwickelter  und  bedrängter  werden,  je  un- 
umschränkter und  rückhaltsloser  sich  die  Alleinherrschaft 
der  „Innungsmeister"  und  der  Vertreter  der  „Gemeinen" 
geltend  machte.  Das  muss  selbst  ein  weniger  vorurtheils- 
freier  Beurtheiler  dem  Patriziate  in  den  deutschen  Städten 
und  in  Halle  der  alten  pfännerschaftlichen  Gemeinde  zum 
Ruhme  naclisaüen,  dass  sie  es  nie  an  wahrem  Patriotisnuis 
haben  fehlen  lassen  und  stets  einen  bedachtsamen,  erfolg- 
reichen Kampf  für  das  gemeine  Bt^ste  und  vor  allem  für 
die  äussere  politische  Unabhängigkeit  ihrer  Vaterstadt  ge- 


182  Literatur. 

führt  haben,  während  die  demokratischeren  Parteien  in 
kurzsichtiger  Verfolgung-  der  nächsten  und  eigensüchtigen 
Ziele  und  kopfloser  Unsicherheit  in  ihren  gewaltsamen 
Massnahmen  zur  Vernichtung  aller  einst  erkämpften  Vor- 
theile  redlich  beigetragen  haben. 

Mitten  in  einem  derartigen  Kampfe  stand  und  schrieb 
der  Verfasser  der  vorliegenden  Denkwürdigkeiten.  Einem 
ursprünglich  vielleicht  edlen  Geschlechte,  das  sich  nach 
dem  am  Petersberge  belegenen  Dorfe  gleichen  Namens 
nannte,  entstammend,  waren  die  Vorfahren  des  Marcus 
Spittendorf  oder  Spickendorf  seit  dem  14.  Jahrhundert 
schon  in  Halle  ansässig  und  lassen  sich  seitdem  ständig- 
unter  den  „Pfännern",  der  Genossenschaft  der  Lehns- 
inhaber der  Salzquellen  im  „Thale",  und  mehrfach  auch 
als  Meister  im  Rathe  der  gesammten  Stadt  nachweisen. 
Freilich  fungierten  sie  hier  nur  eben  noch  als  die  in  der 
Minderzahl  befindlichen  Vertreter  der  streng  geschlossenen 
und  bevorrechteten  Sondergemeinde,  die  doch  ursprüng- 
lich wohl  den  Kern  der  Bürgerschaft  gebildet  hatte.  Mit 
Recht  kann  man  Marcus  Spittendorf  als  den  befähigtsten 
und  einflussreichsten  Führer  und  Vorkämpfer  dieser  Partei 
in  jenen  Verfassungs wirren  bezeichnen  und  muss  ihm 
RechtschafFenheit,  Besonnenheit,  Aufrichtigkeit  und  einen 
lebendigen  Patriotismus  nachrühmen;  wer  möchte  mit  ihm 
darüber  rechten,  wenn  er  sich  hie  und  da  grollend  und 
ergrimmt  über  die  Behandlung,  die  man  ihm  und  seinen 
Genossen  seitens  der  demokratischen  Partei  im  Rathe  zu 
Theil  werden  lässt,  ausspricht",  nie  überschreitet  er  aber 
selbst  in  seinem  Zorne  und  seiner  Erregung  trotz  der 
derben  Ausdrücke  jener  Zeit  die  Grenze  des  Erlaubten; 
wie  Schweres  auch  über  seine  Person  von  selten  der 
städtischen  Behörden  und  später  vom  Erzbischofe  ver- 
hängt wurde,  so  zeigen  seine  von  wahrem  kirch- 
lichem und  religiösem  Sinne  getragenen  Klagen  nichts 
Unmännliches  und  Unwürdiges;  es  scheint  fast,  als  ob  die 
Aufzeichnung  des  Erlebten  und  Erlitteneu  ihn  alsbald 
mit  seinem  Geschicke  ausgesöhnt  habe.  Wenn  man  so 
die  treuherzigen,  einfachen  Schilderungen  in  dem  alter- 
thümlichen,  aber  doch  S(^  leicht  verständlichen  Stil  unserer 
Muttersprache  liest,  da  treten  uns  die  Personen  und  Er- 
eignisse in  einer  Lebendigkeit  und  Anschaulichkeit  ent- 
gegen, die  uns  gern  über  den  Mangel  des  Pragmatismus 
hinwegsehen  lassen;  Spittendorf  wollte  ja  keine  Geschichte 
schreiben,    wollte    uns    nicht   den  inneren  Zusammenhang 


Literatur.  183 

der  ursäcliliclien  Vorgänge  und  ihrer  Folgen  darlegen; 
er  beabsichtigt  eben  nur,  ims  eine  Schilderung  der  Er- 
eignisse zu  geben,  wie  dieselben  verliefen,  sich  folgten 
und  sich  ihm  darstellten.  Seine  Denkwürdigkeiten  tragen 
daher  eine  gewisse  parteiische  Färbung,  aber  der  Ver- 
fasser giebt  sich  durchaus  keine  Mühe,  anders  zu  erschei- 
nen als  er  ist,  und  sein  Werk  war  von  ihm  selbst  wohl 
kaum  bestimmt,  in  die  Oeffentlichkeit  zu  gelangen  und 
für  seine  Person  und  Partei  als  Rechtfertigungsschrift  zu 
dienen;  der  Geschichtsforscher  der  späteren  Zeit  weiss  von 
vornherein,  wie  und  in  welchem  Umfange  er  die  hier 
vorliegende  Ueb  er  lieferung  als  Quelle  benutzen  darf. 

Der  Herausgebor  hat  es  leider  —  und  das  ist  die 
einzige  Ausstellung,  die  gegen  die  sonst  vorzügliche  Edition 
zu  erlieben  wäre  —  nicht  unternommen,  die  Glaubwürdig- 
keit und  historische  Treue  der  Spittendorf'schen  Berichte 
an  anderem  Quellenmaterial  zu  erproben ;  wir  können  uns 
nur  denken,  dass  die  Furcht,  die  geplante  Ausgabe  durch 
eine  derartige  zeitraubende  Untersuchung  noch  auf  lange 
zu  verzögern,  ihn  von  dieser  Massnahme  abgehalten  hat. 
Die  Nachholung  dieser  Untersuchung  bleibt  soiuit  eine 
lohnende  und  würdige  Aufgabe  für  weitere  Forschungen; 
ohne  sie  werden  wir  uns,  wie  es  der  Herausgeber 
in  etwas  zu  subjectiver  Auffassung  thut,  nicht  dazu  ver- 
stehen können,  die  Beschwerden  der  Gemeinheit  über  die 
Pfännerschaft  als  berechtigt  und  begründet  anzusehen. 
Wenn  es  Spittendorf  unternimmt,  durch  die  Beibringung 
von  statistischem  Material  den  Beweis  zu  führen,  dass 
der  von  der  Pfännerschaft  angesetzte  Salzpreis  im  rich- 
tigen Verhältnis  zu  den  bei  der  Fabrikation  erwachsenden 
Kosten  stehe,  so  muss  er  seiner  Sache  doch  sicher  ge- 
wesen sein;  nach  seinen  Darlegungen  hat  es  durchaus 
den  Anschein,  als  sei  es  der  demokratischen  Partei  des 
Rathes  darauf  angekommen,  durch  behördliche  Ansetzung 
niedriger  Salzpreise  den  TA'ohlstand  und  damit  Ansehen 
wie  Einfluss  der  mächtigen  Genossenschaft  zu  untergraben; 
überhaupt  ist  der  „Gemeinheit"  die  herkömmliche,  selbst- 
ständige und  abgeschlossene  Verwaltung  und  Regierung  des 
„Thaies"  ein  Dorn  im  Auge  gewesen  und  es  sind  stetig  von 
ihrer  Seite  erneute  Versuche  gemacht  worden,  mehr  und 
inehr  von  den  dortigen  Angelegenheiten  vor  das  Forum 
des  Rathes  zu  ziehen,  umgekehrt  stellte  man  dann  an  die 
Vertreter  der  Pfännerschaft  die  Anforderung,  sich  in 
solchen  Fällen  von   der  Berathung  und  Beschlussfassung 


184  Literatur. 

zurückzuziehen;  da  liegt  denn  bei  der  eigenthümlielien 
Verquickung  der  allgemeinen  städtischen  Verhältnisse  mit 
der  Thätigkeit  der  Pfännerschaft  und  ihrem  Gewerbe- 
betriebe die  Frage  nahe,  ob  nicht  überhaupt  jeder  vor- 
kommende Verhandlungsgegenstand  in  solchem  Sinne  auf- 
gefasst  und  ausgelegt  werden  konnte,  so  dass  die  obige 
Massregel  einer  völligen  Ausschliessung  der  pfännerschaft- 
lichen  Vertreter  aus  dem  Rathe  gleichkam.  Man  kann 
es  sich  denken ;  dass  Spittendorf  und  seine  Genossen  sol- 
chen Zumuthungen  den  hartnäckigsten  Widerstand,  ja 
völlige  Unnachgiebigkeit  und  Unbeugsamkeit  entgegen- 
stellten, lieber  Geldstrafen  und  Haft,  Beleidigungen  und 
Anfeindungen  über  sich  ergehen  Hessen;  nur  der  Vermitte- 
lung  und  dem  Schiedssprüche  der  befreundeten  nieder- 
sächsischen Städte,  die  sich  der  Angelegenheit  aufs  ernsteste 
annahmen,  öffneten  sie  willig  ihr  Ohr,  während  die  feind- 
liche Partei,  der  es  nicht  auf  einen  Ausgleich  der  Zwistig- 
keiten  ankam,  sondern  auf  den  eigenen  völligen  Sieg, 
mit  kleinlichen  Schlichen  jedes  Kompromiss  zu  verhindern 
bemüht  waren.  Der  Regierungsantritt  des  neuen  Erz- 
bischofs gab  indes  der  Volkspartei,  die  im  wesentlichen 
blindlings  den  Aufreizungen  einiger  verwegener  und  fa- 
natischer, zugleich  aber  beschränkter  Wortführer  folgte, 
Gelegenheit,  ihre  Rache  an  der  Pfännerschaft  in  voller 
Ausdehnung  zu  befriedigen.  An  Streitpunkten,  die  auch 
ein  Rath  in  der  damaligen  Verfassung  dem  Stadtherrn 
gegenüber  erheben  musste,  fehlte  es  nicht;  wohl  um  die 
Aufmerksamkeit  des  letzteren  von  diesen  Fragen  abzu- 
ziehen und  schliesslich  seine  Nachgiebigkeit  hier  zu  er- 
kaufen, lenkte  man  alsbald  die  Aufmerksamkeit  der  stif- 
tischen Regierung  auf  die  Verhältnisse  im  Thale  und  fand 
damit  bei  den  auf  Verbesserung  der  Staatsfinanzen  be- 
dachten Gliedern  derselben  den  günstigsten  Boden,  sodann 
überstürzte  man  die  Erzbischof  Ernst  zu  leistende  Huldi- 
gung derart,  dass  die  Pfännerschaft  ihren  alten  Anspruch 
auf  eine  erste  unentgeltliche  Belehnung  mit  den  Soolgütern 
durch  den  neuen  Erzbischof  nicht  geltend  machen  konnte, 
und  als  jene  nunmehr  nach  geleisteter  Huldigung  mit 
ihren  Ansprüchen  hervortraten,  fanden  sie  beim  Rathe 
statt  der  in  gutem  Glauben  erwarteten  Unterstützung  und 
Vertretung  nur  Widerstand,  Hemmnisse  und  geheimes 
Einverständnis  mit  den  Erzbischöflichen.  Und  hiei'bei  blieb 
man  nicht  stehen;  im  Vertrauen  auf  den  Anhang  in  der 
Stadt    verhielt    sich  Erzbischof   und  Stift    in   den  bis  ins 


Literatur.  185 

Unendliche  ausgedehuten  Verliandlungeu  iinnacligicbig 
gegen  alle  Verraittelungsvorscliläge  und  gegen  alle  Bitten 
der  Pfänner^  die  freilicli  niclit  minder  fest  auf  ihrem 
Rechte  beharrten;  so  schärfte  sich  der  Zwiespalt  mehr 
und  mehr  und  bald  galten  die  Pfänner  towohl  bei  dem 
Erzbischofe  als  bei  der  Vülkspartei  als  Ungehorsame  und 
Aufrührer,  deren  Unterdrückung  mit  Gewalt  durchzu- 
führen sei.  Ein  Schreiben  des  Erzbischofs  vom  16.  Sep- 
tember 1478  gab  diesem  Gedanken  offen  Ausdruck  und 
musste  namentlich  die  Pfänner  über  ihre  o-efährliche  Lage 
aufklären,  und  da  ist  es  wohl  für  unsere  Beurtheilung 
der  Verhältnisse  gleichgültig,  ob  die  Pfänner,  wie  andere 
Quellen  behaupten,  zuerst  zu  den  Waffen  griffen,  jeden- 
falls um  einem  drohenden  Angriff  zuvorzukonnuen,  oder 
ob,  wie  Spittendorf  angiebt,  die  Volkspartei  in  Verfolg 
der  erzbischöflichen  Aufforderung  zuerst  Anstalten  zu  einer 
Vergewaltigung  der  Pfänner  machte  und  diese  zu  ihrer 
Vertheidigung  mit  Gegenmassregeln  geantwortet  haben*, 
sicherlich  war  der  Anhang,  den  die  letzteren  fanden,  er- 
heblich grösser,  als  man  von  ersterer  Seite  erwartet  hatte, 
und  so  nahm  man  zum  Scheine  hier  die  lange  verweigerte 
Vermittelung  der  sächsischen  Städte  an,  doch  nur,  um 
unter  dem  Deckmantel  derselben  vom  Giebicheustein  eine 
Verstärkung  von  stiftischen  Truppen  herbeizuholen,  diesen 
auf  verrätherische  Art  das  eine  der  Hauptstadtthore  aus- 
zuliefern und  hiermit  die  ganze  Stadt  in  die  Hände  des 
Erzbischofs  zu  bringen.  Dass  ein  hartes  Strafgericht 
über  die  Pfänner  erging,  war  natürlich;  ihre  Genossen- 
schaft Avurde  gänzlich  aufgehoben  und  damit  erreichte 
auch  ihre  Vertretung  im  Rathe  ein  Ende,  die  Mehrzahl 
ging  des  vierten  Theiles  ihrer  Lehen  an  den  Thalgütern 
verlustig  und,  wie  sich  aus  einem  vom  Herausgeber  bei- 
gefügten zeitgenössischen  Register  ergiebt,  waren  es  die 
Häupter  der  Volkspartei,  die  mit  den  konfiszierten  Gütern 
ausgestattet  und  belohnt  wurden;  ferner  mussten  erstere 
noch  den  fünften  Theil  ihres  Vermögens  als  Strafe  zahlen 
und  ein  Theil  derselben  sogar  die  Stadt  verlassen,  doch 
wurde  das  Verbannungsurtheil  nicht,  wie  die  Volkspartei  es 
gewünscht ,  in  der  schimpflicheren  Form  ausgesprochen. 
Auch  Spittendorf  gegenüber,  der,  wie  früher  im  Kampfe 
als  Führer,  sich  jetzt  als  Anwalt  seiner  Genossen  bewährte, 
verfuhr  der  Erzbischof  mit  grösserer  Milde ,  als  dessen 
Gegner  erwartet  hatten.  Nach  Einnahme  der  Stadt  zu- 
nächst mit  Hausarrest    belegt,    dann    in  Calbe  in  hartem 


186  Literatur. 

Gefängnis  gebalten ,  aucli  einmal  eine  Stunde  lang  ver- 
geblich „scharf  befragt",  gelang  es  ihm,  auf  dem  Wege 
der  Verhandlung  höhere  und  strengere  Strafen  als  die 
oben  bezeichneten  von  sich  und  seiner  Partei  abzuwenden; 
nicht  einmal  die  Verbannung  traf  ihn,  geschweige  denn 
die  anfangs  gefürchtete  Leibesstrafe.  Schlimmer  als  alle 
persönlichen  Leiden  berührte  ihn  aber  das  Schicksal  der 
Stadt,  die  nunmehr  dem  Erzbisthume  wieder  in  strengerer 
Abhängigkeit  unterworfen  wurde,  während  sich  der  jetzt 
ganz  demokratisierte  Rath  über  diesen  Verlust  leichten 
Sinnes  hinwegsetzte. 

Wir  haben  hiermit  versucht,  eine  Summe  aus  dem 
reichen  Inhalte  unserer  Quelle  zu  ziehen  •,  wer  mit  Quellen 
dieser  Gattung  vertraut  ist,  kann  sich  an  der  Hand  dieses 
Auszuges  wolil  ein  vollständigeres  und  lebendigeres  Bild 
des  Ganzen  entwerfen;  ebenso  wird  der  Kenner  auch 
wissen,  dass  nach  Art  der  mittelalterlichen  Chronisten 
neben  der  Schilderung  jenes  grossartigen  Kampfes  auch 
mancherlei  kleinere  Mittheilungen  über  Ereignisse  und 
Personalien  aus  der  nächsten  und  weiteren  Umgebung 
eingeflochten  sind,  die  das  Werk  zu  einer  reichen  Fund- 
grube für  die  Hallesche  Spezialgeschichte  machen.  Früh- 
zeitig scheint  dasselbe  daher  mehrfach  in  Abschriften  ver- 
breitet worden  zu  sein,  doch  haben  sich  nur  drei  der- 
selben und  zwar  die  ältere,  noch  dem  15.  Jahrhundert 
angehörige,  jetzt  in  Magdeburg  befindliche,  nicht  einmal 
vollständig  erhalten;  die  mittlere,  jetzt  der  Marienbibliothek 
in  Halle  gehörige,  die  erst  gegen  Ende  des  16.  Jahr- 
hunderts entstanden  ist,  ist  die  allein  vollständige  und 
hat  für  den  grösseren  Theil  der  Ausgabe  zu  Grunde 
gelegt  werden  müssen;  leider  weist  sie  vielfache  Fehler, 
unverständliche  und  missverstandene  Lesungen  auf,  so  dass 
es  nicht  leicht  war,  einen  brauchbaren  Text  aus  ihr  her- 
zustellen, der  Herausgeber  hat  sich  indes  keine  Mühe  in 
dieser  Richtung  verdriessen  lassen  und  mit  grösster  Ge- 
nauigkeit bei  seinen  stets  glücklichen  Emendationen  auch 
die  verschiedenen  Lesarten  der  Handschriften  kritisch 
berücksichtigt.  Der  bedeutungsvollen  sprachlichen  Seite 
der  Quelle  ist  im  übrigen  noch  durch  ein  erklärendes 
Wortverzeichnis  Rechnung  getragen,  das  von  dem  rühm- 
lichst bekannten  Germanisten  Prof.  Bech  in  Zeitz  herrührt. 
Zu  jenen  textkritischen  Noten  kommt  überdies  noch  eine 
Fülle  erklärender  Anmerkungen,  die  den  Leser  schnell  und 
eingehend  über  alle  berührten  persönlichen  und  örtlichen 


Literatur.  1 87 

Verhältnisse,  sowie  über  den  Zusammenhang  der  im  Texte 
besprochenen  Ereignisse  mit  weiteren  gleichzeitigen  Vor- 
gängen und  mit  hie  und  da  zu  Gebote  stehenden  anderen 
Quellen  orientieren;  man  erkennt  hieraus  auf  das  deut- 
lichste, mit  welcher  Liebe  und  Hingebung  der  Herausgeber 
sich  seiner  Aufgabe  gewidmet  hat,  nicht  minder  aber  die 
Gewandtheit  und  Sicherheit,  mit  der  er  das  gesammte 
historische  Material  für  jene  Epoche  der  Entwickelung  von 
Halle  beherrscht. 

Einen  nicht  geringeren  Beweis  für  den  Fleiss  und 
die  Gelehrsamkeit  des  Herausgebers  liefert  die  umfäng- 
liche Einleitung,  deren  es,  um  das  Verständnis  der  be- 
sonderen Halleschen  Verhältnisse  für  den  Fernerstellenden 
zu  ermöglichen,  diesmal  dringend  bedurfte.  Hier  finden 
wir  nach  den  nöthigen  Aufschlüssen  über  die  liandschrift- 
liche  Ueberlieferimg  und  einer  lebendig  und  anschaulich 
geschriebenen  Charakteristik  der  Persönlichkeit  und  der 
historiographischen  Thätigkeit  Spittendorfs  eine  ausführ- 
liche Darlegung  über  die  Verhältnisse  des  Thaies,  der 
Pfännerschaft,  der  Salzgewinnung  und  der  dabei  beschäf- 
tigten Salz  Wirker,  die  heutzutage  als  Halloren  bezeichnet 
zu  werden  pflegen,  und  es  folgt  hierauf  eine  gediegene, 
eingehende  Schilderung  der  Stadtverfassung  seit  dem  An- 
fange des  15.  Jahrhunderts  bis  zu  den  durch  Erzbischof 
Ernst  eingeführten  Aenderungen. 

Ebenso  sind  am  Schlüsse  der  eigentlichen  Denkwür- 
digkeiten noch  eine  Reihe  erwünschter  und  werthvoUer 
quellenmässiger  Beilagen  gegeben:  zunächst  eine  noch- 
malige aus  Spittendorfs  Feder  herrührende  Schilderung 
der  Ereignisse  von  1478,  in  der  mögliclieiifalls  eine  Art 
Rechtfertigungs-  und  Vertheidigungsscbrift  für  die  Ver- 
handlungen gegen  die  Pfänner,  die  auf  dem  Tage  zu 
Salza  im  Herbst  jenes  Jahres  stattfanden,  zu  sehen  ist 
und  die  später  ein  Seitenstück  in  einem  von  Seiten  des 
Rathes  für  die  gleiche  Gelegenheit  eingereichten  Berichte 
findet;  sodann  ein  in  dei'  einen  Halleschen  Handschrift 
nachgetragener  und  auch  wolil  später  verfasster  Bericht 
über  die  Vorgänge  des  Jahres  1473  und  eines  Theiles  des 
Jahres  1474,  mit  dem  das  Hauptwerk  seinen  Anfang 
nahm.  An  weiterer  Stelle  finden  wir  dann  einen  Abdruck 
dreier  auf  die  Einsetzung  Herzog  Ernsts  zum  Admini- 
strator von  Magdeburg  bezüglicher  päpstlicher  Bullen 
vom  19.  März  1478,  ferner  den  vom  13.  Juni  1478  durch 
Kurfürst  Ernst   und  Herzog  Albrecht  zu  Leipzig  verein 


188  Literatur. 

harten  Vcrtiag*  zwischen  dem  Erzhiscbof  und  Stadt  üher 
einen  gütlichen  Ausgleich  aller  Streitpunkte,  aus  dem  sich 
dann  die  Preisgabe  der  pfännerschaftlichen  Ansprüche 
seitens  des  Rathes  entwickelte;  das  Verzeichnis  über  die 
Einziehung  und  Neuverleihung  der  Soolgüter,  dessen  wir 
oben  schon  gedachten,  befindet  sich  auch  unter  den  Bei- 
lagen, und  zum  Schluss  wird  noch  in  dankenswerther 
Weise  ein  Verzeichnis  der  Rathsmitglieder  von  1401  bis 
1472  mitgetheilt,  während  für  die  in  den  Denkwürdig- 
keiten behandelte  Zeit  die  entsprechenden  Namen  sich 
in  den  Anmerkungen  finden.  Ein  genaues  Personen-, 
Orts-  und  Sachregister  gewährt  bei  Benutzung  der  neu 
erschlossenen  Quelle  die  möglichsten  Erleichterungen. 
Alles  in  allem  genommen,  kann  sich  die  Historische  Kom- 
mission der  Provinz  Sachsen  wie  der  Herausgeber  zu 
einer  derartigen  Ausgabe  einer  bedeutungsvollen  Geschichts- 
quelle Glück  wünschen. 

Halle.  W.  Seh  um. 


Die  Torgauer  Visitations-Ordnung  von  1529.  (Ursprung  uiul  Ver- 
wendung des  Kirchenvermögens.)  Erläutert  von  Dr.  C  Knabe. 
Torgau,  Jacob.  1881.  4".  24  SS.  (Auch  als  Programm  des 
Torgauer  Gymnasiums  vom  Jahre  1881  erschienen.) 

Burkhardt  in  seiner  Geschichte  der  sächsischen  Kirchen- 
und  Schulvisitationen  hat  höchst  interessante  Mittheilungen 
über  die  beiden  Torgauer  Visitationen  in  den  Jahren  1529 
und  1533  gemacht,  konnte  aber  natürlich  dieselben  nur  in 
den  Hauptzügen  darstellen.  Die  erste  dieser  Visitationen 
erfährt  eine  eingehende  Darstellung  in  dem  obengenannten 
Schrift clien.  Es  zerfällt  in  drei  Theile:  der  erste  (S.  1  fg.) 
giebt  einen  Ueberblick  über  die  Vorgeschichte  der  Visi- 
tation, die  Reformbewegung  in  Torgau  von  1521 — 1528. 
Referent  kann  den  Wunsch  nicht  unterdrücken,  dass 
Verfasser  diesen  Theil  etwas  mehr  ausgestaltet  hätte 
durch  genaueres  Eingehen  auf  die  kirchlichen  Zustände 
Toi'gaus  am  Ende  des  15.  imd  Anfang  des  16.  Jahr- 
hunderts, wozu  in  den  Anmerkungen  so  schönes  Material 
gegeben  ist.  Die  wichtigsten  Personen  wie  die  Ziele  der 
Bewegung  würden  in  der  erweiterten  Gestalt  mehr  Leben 
und  Farbe  gewonnen  haben.  Aus  der  Darstellimg  er- 
giebt  sich,  dass  dank  den  Bemühungen  des  Pfarrers 
Gabriel  Didymus  unter  dem  Schutze  des  Kurfürsten  — 
—  unverzeihlich  ist  der  Druckfehler:  Friedrichs  des 
Weissen   —  die  Reformation  bereits  ziemlich  durchgeführt 


Literatur.  189 

war,  als  die  Visitatoren  —  Luther  an  der  Spitze  —  am 
20.  April  1529  nach  Torgau  kamen.  War  die  neue  Lehre 
auch  schon  durchgedrungen,  so  war  die  Visitation  doch 
insofern  wichtig,  als  durch  diese  eine  gesetzliche  Grund- 
lage für  die  nevie  Kirchenordnung  geschaffen,  die  Frage 
über  die  Verwendung  des  Kirchenvermögens  gelöst  und 
die  Lehre  der  neuen  Kirchengeraeinde  gegenüber  den  An- 
griffen der  Wiedertäufer,  die  hier  fruchtbaren  Boden  ge- 
funden hatten,  festgestellt  wurde.  Die  Verhandlung  dauerte 
bis  zum  10.  Mai.  Das  Resultat  wurde  in  einem  Proto- 
kolle niedergelegt,  welches  betitelt  ist:  „Ordnung  der  ersten 
Visitation  1529"  und  sich  im  Torgauer  Rathsarchiv  be- 
findet. Es  bildet  den  zweiten  Theil  der  Publikation  S.  2 — 8. 
Die  Visitatoren  geben  sehr  eingehende  Vorschriften  über 
die  Gottesdienstordnung  S.  2 — 4,  die  Schule  S.  4  fg.,  die 
Angelegenheiten  des  gemeinen  Kastens  S.  5 — 7,  das  Ho- 
spital, die  Mädchenschule  S.  7  fgg. 

Der  dritte  Theil  giebt  Erläuterungen  dazu,  in  einer 
Reihe  werthvoller  Anmerkungen,  welche  sich  auf  Nach- 
richten des  Rathsarchivs  stützen  und  eine  reiche  Fülle 
von  Stoff  zur  Geschichte  des  kirchlichen  Lebens  in  Tor- 
gau im  Reformationszeitalter  enthalten,  aber  auch  für  die 
Geschichte  überhaupt  viel  Interessantes  bieten.  Dieselben 
beziehen  sich  auf  die  Lebensgeschichte  der  Geistlichen 
besonders  S.  9,  der  Lehrer  S.  10,  auf  das  Einkomnien 
der  Kirchen,  so  besonders  S.  13  fgg.,  auf  die  Kleinodien 
der  Gotteshäuser  imd  Klöster,  auf  die  Gehaltsverhältnisse 
S.  19  fgg.  Ein  Anhang  berichtet  über  die  Münzverhältnisse 
wie  über  die  Quellen  Auch  aus  dem  Protokolle  der 
zweiten  Visitation  von  1534  werden  einzelne  Stellen  mit- 
getheilt.  Dieselben,  wie  die  von  Burkhardt  gegebenen 
Notizen  lassen  den  Wunsch  rege  werden,  dass  auch  dieses 
zweite  Protokoll  zur  Veröffentlichung  gelangen  möge.  Es 
würde  durch  die  Vergleichung  der  beiden  Dokumente 
deutlich  zu  Tage  treten,  welchen  segensreichen  Einfiuss 
diese  erste  Visitation  auf  die  Konsolidierung  der  kirchlichen 
Verhältnisse  Torgaus  geübt  hat. 

Dresden-Neustadt.  Georg  Müller. 


190  Literatur. 


üebersicht  über  neuerdings  erschienene  Schriften  und 
Aufsätze  zur  Sächsisch -Thüringischen  Geschichte  und 

Alterthumskunde. 


Bergei',  Ed.  Geschichte  des  Buchhandels  in  der  Lausitz 
im  19.  Jahrhundert  bis  1879:  Neues  Lausitzisches  Ma- 
gazin.   Bd.  LVL    S.  260—271. 

Beust,  Ferd.  Graf.  Erinnerungen  zu  Erinnerungen.  Erste 
und  zweite  Auflage.  Leipzig,  Wo  Her.   1881.  8".  III,  80  SS. 

Biedermann,  K.  Die  Geschichte  der  Leipziger  Kramer- 
Innung  1477 — 1880.  Ein  urkundlicher  Beitrag  zur 
Handelsgeschichte  Leipzigs  und  Sachsens.  Im  Auftrage 
der  Kramer-Innung  verfasst.  Als  Manuskript  gedruckt. 
8».    VII,  182  SS. 

Biidczies,  Fr.  Der  Feldzug  der  sächsischen  Armee  durch 
die  Mark  Brandenburg  im  Jahre  1635  und  1636.  Aus 
dem  Tagebuche  eines  Zeitgenossen:  Märkische  For- 
schungen.   Bd.  XVI.    S.  303—386. 

Edelmann.  Ein  ßechtsstreit  aus  dem  15.  Jahrhundert. 
Beitrag  zur  Geschichte  der  Oberlausitzer  ßechtsver- 
fassung:  Neues  Lausitzisches  Magazin.  Band  LVL 
S.  202—215. 

Ermisch,  Hubert.  Studien  zur  Geschichte  der  sächsisch- 
böhmischen Beziehungen  in  den  Jahren  1464  bis  1471. 
Mit  urkundlichen  Beilagen.  Dresden,  Wilhelm  Baensch. 
1881.    8».    144  SS. 

Herrmann,  Balduin.  Der  Kampf  um  Erfurt  1636 — 1638. 
Halle,  Niemeyer.    1881.    8".    130  SS. 

V.  Keller,  Karl  Freiherr.  Tagebuch  aus  der  Genealogie 
des  Hauses  Wettin.  1.  Lieferung.  Leipzig,  Meisel. 
1881.    8«.    106  SS. 

Knabe,  C.  Die  Torgauer  Visitations  -  Ordnung.  Siehe 
oben  S.  188. 

Knothe,  Herrn.  Untersuchungen  über  die  Meissner  Bis- 
thumsmatrikel,  soweit  sie  die  Oberlausitz  betrifft:  Neues 
Lausitzisches  Magazin.    Bd.  LVL    S.  278—290. 

Neubert,  Heinr.  Moritz.  Zur  Geschichte  der  Sophienkirche 
zu  Dresden,  namentlich  in  Bezug  auf  deren  rechtliche 
Stellung.  Gutachten.  Gedruckt  auf  Beschluss  des  Rathes 
zu  Dresden.    Dresden  1881.    8".    IV,  88  SS. 


Literatur.  19] 

Paur,  TL  Ursprung  und  Ausgang  der  Görlitzischon  Poeten- 
gesellschaft in  Leipzig  zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts: 
Neues  Lausitzisches  Magazin.    Bd.  LVI.    S.  243—259. 

Peter,  Herrn.  G.  E.  Lessing  und  St.  Afra.  Deutsche 
Rundschau.    Jalirgang  VII.    Heft  6.    S.  366—388. 

—  Das  Urkundliche  über  G.  E.  Lessings  Aufenthalt  auf 
der  Landesschule  St.  Afra  1741 — 1745:  Archiv  für 
Literaturgeschichte.    Bd.  X.    Heft  3.    S.  285-308. 

Petermann,  K.  Geschichte  des  Königreichs  Sachsen  mit 
besonderer  Berücksichtigung  der  wichtigsten  kultur- 
geschichtlichen Erscheinungen.  Für  den  Unterricht  in 
vaterländischen  Schulen  bearbeitet.  Zweite  verbesserte 
Auflage.   Leipzig,  Klinkhardt.  1881.  8".   XVHI,  494  SS. 

(Petzlioldt,  J.)  Joannea.  Zur  Verständigung  über  Das, 
was  zur  Vorbereitung  einer  künftigen  Biographie  des 
Königs  Johann  von  Sachsen  bereits  gethan  worden  ist 
und  was  noch  getlian  werden  kann.  Dresden  1880.  8". 
16  SS.  (Sej)arat-Abdruck  aus  Petzholdts  „Neuem  An- 
zeiger   für    Bibliographie    und    Bibliothekwissenschaft. 

1880.  Heft  8,  9  und  10.) 

—  Die  beiden  fürstlichen  Freunde ,  König  Johann  von 
Sachsen  und  Friedrich  "\A'ilhelm  IV.  von  Preussen :  Wissen- 
schaftliche Beilage  der  Leipziger  Zeitung.    1881.   Nr.  39. 

Posse,  Otto.  Die  Markgrafen  von  Meissen  und  das  Haus 
Wettin  bis  zu  Konrad  dem  Grossen.  Mit  4  Stamm- 
tafeln  und    8  Karten.     Leipzig,   Giesecke   &   Devrient. 

1881.  8^    XV,  464  SS. 

Rohmann,  Th.  Chronik  von  Tharandt  nebst  Geschichte 
des  alten  Schlosses  und  dessen  ehemaliger  Bewohner. 
Tharandt  (Selbstverlag)   1880.    8".    70  SS. 

Schönu'älder.  Die  hohe  Landstrasse  durch  die  Oberlausitz 
im  Mittelalter:  Neues  Lausitzisches  Magazin.  Bd.  LVI. 
S.  342—368. 

Seifert,  Friedrich.  Die  Durchführmig  der  Reformation  in 
Leipzig  1539 — 1545.  Inaugural- Dissertation.  Leipzig 
1881.    8^    40  SS. 

Spiess,  Edm.  Erliard  Weigel,  weiland  Professor  der  Ma- 
thematik und  Astronomie  zu  Jena,  der  Lehrer  von 
Leibnitz  und  Pufendorf  Ein  Lebensbild  aus  der  Uni- 
versitäts-  und  Gelehrtengeschichte  des  17.  Jahrhunderts, 
gleichzeitig  ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Erfindungen, 
sowie  zur  Geschichte  der  Pädagogik.  Nach  gedruckten 
und  ungedruckten  Quellen  gezeicimet.  Leipzig,  Klink- 
hardt.    8.    VII,  157  SS. 


192  Literatur. 

(Tittmann,  Carl.)  Dresden  vor  hundert  Jahren.  Eine 
Chronik  aus  dem  Jahre  1780,  Dresden,  C.  Tittmann. 
1881.     107  SS. 

Weissenborn,  J.  C.  Hermann.  Acten  der  Erfurter  Uni- 
versität. Herausffeo-eben  von  der  historischen  Commis- 
sion  der  Provinz  Sachsen.  I.  Theil.  Halle,  O.  Hendel. 
1881.    4«.    XXVII,  442  SS. 

Wüisch,  E.  G.  Des  Zittauer  Dichters  Johann  Benjamin 
Michaelis  Autobiographie:  Neues  Lausitzisches  Magazin. 
Bd.  LVL    S.  291—335. 

Wolfrum,  Carl.  Die  öflfentliche  Handelslehranstalt  zu 
Leipzig  in  den  Jahren  1831 — 1881.  Zur  Jubelfeier  am 
23.  Januar  1881.  Herausgegeben  von  der  Kramer- 
Innung  zu  Leipzig.    8".    112  SS. 

Das  statistische  Bureau  für  das  Königreich  Sachsen  in 
den  ersten  fünfzig  Jahren  seines  Bestehens.  Festschrift 
zum  fünfzigjährigen  Jubiläum  am  11.  April  1881. 
Herausgegeben  von  der  Direktion  des  statistischen  Bu- 
reaus.   Leipzig,  Duncker  &  Humblot.    1881.    8".    96  SS. 


50.  und  51.  Jahresbericht  des  Vogtländischen  Alterthwms- 
forschenden  Vereins  zu  Hohenleuhen  und  2-  und  3.  Jahres- 
bericht des  Geschichts-  und  Alterthumt>for sehenden  Vereins 
zu  Schleiz.  Im  Auftrage  des  Directoriums  herausgegeben 
von  M.  Dietrich.    8^ 

Inhalt:  Köhler,  Die  Dämoneusagen  des  Erzgebirges.  Alberti, 
Die  ältesten  Stadtrechte  der  Keussischeu  Städte.  Alberti,  Dfe  Fa- 
milie „von  Plauen"  in  Schleiz.  Eifel,  Bericht  über  neuere  im  In- 
teresse des  Vogtländischen  Alterthumsforschenden  Vereins  ausgeführte 
Ausgrabungen. 

Mittheilungen  der  Deutschen   Gesellschaft   zur   Erforschung 

vaterländischer    Sprache    und    Alterthümer    in    Leipzig. 

Siebenter  Band.     Leipzig,  T.  O.  Weigel.    1881.    8». 

Inhalt:  Merkel,  Zur  Gesc-hichte  der  sächsischen  Erbfolgeord- 
nung. Stübel,  Cunntz  von  KauüFungen,  Komödie  in  tünf  Acten, 
gedichtet  im  Jahre  158.'i  von  Nicolaus  Roth.  Stübel,  Verzeichnis  der 
der  Deutschen  Gesellschaft  zu  Leipzig  gehörigen  Originalurkunden 
von  1319—1430. 


VII. 

Die  Berka  von  der  Duba  auf  Hohnstein,  Wildeu- 

stein,  Tollenstein  und  ihre  Beziehungen  zu  den 

meissnischen  Fürsten. 

Von 
Herniaiiii  Knothe. 


Das  alte  böliraisclie  Herreiiffesclileclit  der  Berka  von 


ö^ 


der  Daba  liatte  sich  frühzeitig-  in  eine  Menge  von  Linien 
getheilt,  welche  besonders  im  Nordosten  Böhmens  zahl- 
reiche und  ausgedehnte  Güter  besassen.  Einer  dieser 
Linien  gehörten  bis  gegen  die  Mitte  des  15.  Jahrliunderts 
die  drei  dicht  an  einander  grenzenden  Herrschaften  Ilolm- 
stein,  Wildenstein  und  Tollenstein-Schluckenau,  von  denen 
die  beiden  ersteren  ganz,  die  letztere  wenigstens  zur  Hälfte 
(Schluckenau)  vor  Zeiten  Bestandtheile  des  Gaues  Nisani, 
also  des  Markgrafthums  Meissen  gewesen  waren.  Der 
geographischen  Lage  dieser  Herrschaften  zufolge  konnte  es 
nicht  fehlen,  dass  ihre  Besitzer  in  mancherlei  nachbarliche 
Beziehungen  zu  den  Markgrafen  und  den  Bischöfen  von 
Meissen  kamen,  welche  endlich  dazu  führten,  dass  eine 
dieser  Herrschaften  nach  der  andern  in  den  Besitz  der 
Markgrafen  überging  und  so,  zum  Theil  freilich  nur  auf 
Zeit,  wieder  mit  den  alt- meissnischen  Landen  verbunden 
wurde.  Wir  glauben,  dass  die  zusammenhängende  Dar- 
stellung dieser  Beziehungen  als  ein  Beitrag  nicht  nur  zur 
Genealogie  der  Berka  von  der  Duba,  sondern  auch  zur 
sächsischen  Landesgeschichte  betrachtet  werden  darf. 

Neues  Archiv  f.  S.  Ü.  u.  A.  11.  3.  13 


194  Hermann  Knothe: 

Die  ursprüngliche  Herrschaft  Holinstein  wurde  im 
Nordwest  von  dem  Polenzfluss,  im  Südwest  von  der  Elbe 
begrenzt,  nur  dass  dort  Lohmen,  liier  Weiden,  Ratlien, 
und  der  Lilienstein,  sämmtlich  mit  Zubehör,  nicht  dazu 
gehörten.  Im  Süden  und  Osten  reichte  sie  bis  an  die 
heutige  Landesgrenze  zwischen  Sachsen  vmd  Böhmen. ') 
Dieser  ganze,  wesentlich  aus  wildem  Felsgebirge  und  fast 
undurclidringlichem  Wald  bestehende  südlichste  Theil  des 
einstigen  meissnischen  Gaues  Nisani  Avar  wold  nacli  dem 
Tode  Heinrichs  von  Groitsch  (1135)  an  Böhmen  gekonuuen 
und  seitdem  dabei  geblieben. 

Die  erste  urkundliche  ErAvähnung  einer  Herrschaft 
Hohnstein  fällt  in  das  Jahr  1353,  wo  (Prag  IG.  August) 
ein  Hinco  de  Ihihe  dictus  Berka  bekannte,  sein  Schloss 
Hohnstein  mit  allem  Zubehör  von  Kaiser  Karl  IV.  zu 
Lehn  erhalten  zu  haben,  und  zugleich  gelobte,  dasselbe 
aucli  in  alle  Zukunft  von  dem  Könige  und  der  Krone  Böhmen 
zu  Lehn  besitzen  zu  wollen.'^) 

Schon  1361  ■^)  war  dieser  Hinko  L  nicht  mehr  am 
Leben,  und  sein  Bruder,  ebenfalls  Heinrich  genannt  Berka 
von  der  Duba,  als  Vormund  der  hinterlassenen  Kinder, 
verpflichtete  sich  (2.  September),  dass  auch  seine  Mündel 
die  Veste  Hohnstein  ewiglich  von  dem  Könige  und  der 
Krone  Bölmien  zu  Lehn  haben  sollten.  Unter  anderem 
war  hierbei  zwischen  Kaiser  Karl  IV.  und  ihm  vereinbart 
worden,  dass  für  den  Fall,  wenn  alle  Kinder  seines  ver- 
storbenen Bruders,  Söhne  wie  Töchter,  kinderlos  stürben, 
auch  alle  ihre  Güter,  Erbe,  Lehn  und  Eigengut,  an  die 
Krone  zurückfallen,  wenn  aber  nur  die  Söhne  ohne  Leibes- 
lehnserben  abgingen,  nur  Hohnstein  und  die  übrigen  Lehn- 
güter an  die  Krone  gelangen,  das  Eigengut  aber  den 
Töchtern  verbleiben  solle.  Aus  dieser  Urkunde  ergiebt 
sich  einmal,  dass  es  dem  Kaiser  augenscheinlich  darauf 
ankam,  die  Leimsqualität  von  Hohnstein  gewahrt  zu  sehen, 
sodann  dass  jener  Hinko  I.  jedenfalls  der  erste  Besitzer 
aus  der  Familie  Berka  war,  da  seinem  Bruder  selbst  nach 
dem  Tode  aller  seiner  Neffen  keinerlei  Lehnsanspruch 
daran  zustehen  sollte,  endlich  dass  der  Verstorbene  ausser 
Hohnstein  noch  andere  Besitzungen  in  Böhmen,  und  zwar 
sowohl  Lehn-  als  Erbgüter,  besessen  hatte.     Auf  welchen 


')  Vergl.  Gautscli,  Aelteste  Gesch.  der  sächs.  Schweiz  98. 

^)  Bai  bin,  Mise.  VIII,  153. 

')  Lünig,  Corp.  jur.  feud.  II,  Ißö. 


Die  Berka  von  der  Duha  auf  Holiiisteiii  etc.  195 

Gütern  sein  Bruder  Heinrich,  der  Vormund  seiner  Kinder, 
gesessen  war,  erfahren  wir  nicht,  und  ist  auch  bei  der 
gerade  in  der  Familie  von  Duba  üblichen  Sitte,  mehreren 
Söhnen  den  Vornamen  Heinrich  (Hinko,  Hinke,  Tlynek) 
beizulegen,  wohl  niclit  mit  Sicherheit  zu  ermitteln. 

Zu  den  Eigengutern  des  verstorbenen  Hinko  I.  auf 
Hohnstein  gehörte  sicher  die  Herrschaft  Leipa.  welche 
früher  Eigenthum  der  Herren  von  Leipa,  ebenfalls  aus 
der  Familie  Duba,  geAvesen  war,  zu  den  Leimgütern  aber, 
wie  sich  später  ergeben  wird,  die  Herrschaft  ToUenstein- 
Schlnckenaii^  welche,  entweder  ganz  oder  nur  zum  Theil, 
ebenfalls  bereits  jenem  Hinko  I.  gehört  zu  haben  scheint. 
Nach  seinem  Tode  erhielt  der  eine  seiner  Söhne,  Hinko  H., 
Hohnstein  und  Tollenstein,  der  andere,  gleichfalls  Hinko 
genainit,  Leipa.  1381^)  erklärte  Hinko  Berka  de  Duba, 
dominus  in  Lipa,  dass  die  Bürger  seiner  Stadt  Leipa  zur 
Stiftung  eines  Altars  9  Schock  Zins  in  Oberliebicli  bei 
Leipa  gekauft  haben  „a  fratre  nostro  Hinkone  B.  d.  D., 
domino  in  Hohenstain."  Es  scheint,  dass  eine  Zeit  lang 
beide  Brüder  noch  nach  beiden  Hauptgütern  ihres  ver- 
storbenen Vaters  benannt  wurden.  Wenigstens  heisst  der 
Kollator  der  Kirche  zu  Leipa,  also  doch  jedenfalls  der 
1381  erwähnte,  als  er  1391  *)  einen  Geistlichen  zu  einem 
dasigen  Altare  präsentierte,  Hinco  B.  dictus  de  Duba, 
dominus  in  Hoenstain  et  in  Lipa,  und  ebenso  sein  Bruder 
auf  Hohnstein,  als  er  1390*^)  einen  neuen  Pfarrer  in 
Rumburg,  welches  entschieden  zu  Hohnstein  gehörte,  an- 
stellte, Plinco  dictus  Berka  de  Dul)a,  dominus  in  Hoiistein 
et  in  Lippa. 

Der  Leipa' er  Bruder  starb  früher,  als  der  Hohnsteiner. 
Ihm  folgte  im  Besitze  von  Leipa  sein  Sohn  Hinko  mit 
dem  Beinamen  Hlmvntsch,  den  1399')  Hinko  H.  auf 
Hohnstein  als  seinen  ..Bruderssohn"  bezeichnet.  Derselbe 
war  1410 — 1420  Landvogt  der  Oberlausitz  ^)  und  verlor, 
als  katholisch  gesinnt,  1423  seine  Herrschaft  Leipa  an  die 
Hussiten.  Da  seine  Nachkommen  zu  verfolgen  nicht 
in  unsrer  Absicht  liegt,  kehren  wir  zu  den  Besitzern  von 
Hohnstein  zurück. 


*)  Borovy,  Lib.  erect.  II,  176.     Balhiii.  Mise.  V  vol.  II.  oroct.  69. 
')  Tingl,  Lib.  confirrn.  V,  80;  vergl.  29.  66.     Ebenso  bei  Stiftung 
eines  neuen  Altars  zu  Leipa  1391,  Baibin,  Mise.  V  vol.  II.  erect.  87. 
•)  Tingl  V.  2. 

')  N.  Laus.  Magaz.  1869.  77. 
')  Knothe,  Rechtsgosch.  der  ()l)erlausitz  109. 

13* 


196  Hermann  Knothe: 

Hinko  II.  auf  Holmstein  finden  wir  1388  **)  als  voll- 
mächtigen Stattlialter  König  Wenzels  in  der  Herrschaft 
Mühlberg  nebst  Strehla  an  der  Elbe ,  die  damals  dem 
böhmischen  Könige  gehörte,  1396'")  als  Oberstlandrichter 
des  Königreichs  Böhmen,  von  1397 — 1407")  aber  als 
Landvogt  der  Niedeo'lmisitz. 

Nach  dem  Tode  Herzog  Johanns  von  Görlitz  (1390), 
des  Bruders  von  König  Wenzel,  hatte  sich  bekanntlich 
deren  Vetter,  Markraf  Jost  von  Mähren,  in  den  Besitz 
der  Niederlausitz  gesetzt  und  machte  nun  daselbst  Hinko 
von  Hohnstein  zu  seinem  Landvogt.  Zu  den  Anhängern 
des  Markgrafen  gehörte  unter  anderen  auch  Anshelm  von 
ßonow,  der  unter  Herzog  Johann  Landvogt  von  Görlitz 
und  ebenso  Besitzer  der  Burg  und  Herrschaft  Roluiau 
bei  Zittau  an  der  Neisse'^)  gewesen  war.  Nach  Herzog- 
Johanns  Tode  hatte  dieser,  jedenfalls  aus  Furcht  vor  den 
Willkürmassregeln  des  Königs,  seine  Herrschaft  Rohnau 
sofort  und  zwar  an  Hinko  von  Hohnstein  verkauft,  wie 
es  scheint  auf  Anlass  Markgraf  Josts.  Wenigstens  er- 
klärte Wenzel  selbst  in  einem  Briefe  an  die  oberlausitzi- 
schen  Sechsstädte  (11.  Nov.  1396),  dass  Jost  den  Burg- 
stall Rohnau,  im  Lande  zu  Zittau  gelegen,  mit  seinem, 
des  Königs,  Willen  an  den  von  Hohnstein  gebracht,  der 
auch  in  Unwillen  von  dem  König  geritten  sei,  und  beide 
seien  seine,  des  Königs,  Feinde  geworden.'^)  Seitdem 
verhielt  sich  die  Berka'sche  Besatzung  der  Burg  feindlich 
gegen  die  Sechsstädte  und  bescliädigte  zumal  das  benach- 
barte Zittau  durch  allerhand  Wegelagerei.  Daher  gebot 
Wenzel  schon  in  dem  angeführten  Briefe  von  1396  den 
Sechsstädten,  das  Schloss  Rohnau  zu  brechen.  Inzwischen 
verlangte  nun  Hinko  IL  als  Landvogt  der  Niederlausitz 
auch  von  dem  königlich  gesinnten  Ritter  von  Hockenborn 
auf  Priebus,  dass  er  dem  Markgrafen,  als  dem  neuen 
Landesherrn,  huldige,  und  brannte  ihm,  da  er  sich  weigerte, 
sein  Städtlein  aus  und  belagerte  ihn  in  seiner  Burg.  Da 
wendete  sich  der  von  Hockenborn  an  die  ebenfalls  könig- 
lich  gesinnte   Oberlausitz   um   schleunige   Hilfe,    die   ihm 


»)  Hauptst.-Arch.  Dresd.  Üiig.  46-55. 

'»)  Emier,  Reliq.  tab.  terr.  Boh.  I,  561. 

")  Neumann,  Gesch.  der  niederlans.  Landvögte  II,  41  nennt 
ihn  fälschlich  „Hlawatsch"  oder  vielmehr  „Slawatz",  und  ihm  folgt 
auch  Scheltz,  Laus.  Mag.  1881.  56. 

'*)  Knothe,  Gesch.  des  oberlaus.  Adels  452. 

")  Carpzov,  Anal.  I,  169. 


Die  Berka  von  der  Duba  auf  Hohnstein  etc,  197 

nach  mancherlei  Beratlmngen  auf  Tagen  zu  Löbau  end- 
lich auch  gewahrt  waril,  „da  tnan  sich  mit  ihm  verbrieft 
hatte". '^)  So  wurde  nun  liinko  der  offene  Feind  der 
Sechsstädte.  Darum  wiederholte  (23.  Dezember  1398)  der 
König  den  Befehl,  Rohnau  zu  brechen,  und  sofort  (Januar 
1399)  erfolgte  die  Belagerung  und  die  Eroberung  dieser 
Burg'*),  welche  liinko  selbst  wohl  niemals  betreten  haben 
dürfte.  Da  er  (21.  Dezember  1399)  zugleich  mit  dem  oben 
(Seite  196)  erwähnten  Hinko  Hlawatsch  von  der  Duba 
auf  Leipa,  seinem  „Bruderssohnc",  dem  Ansholm  von  Konow 
bekannte,  noch  250  Schock  Groschen  für  Rohnau  schuldig 
zu  sein'**),  so  scheinen  Onkel  und  Neffe  dasselbe  gemein- 
schaftlich erkauft  zu  haben. 

Später  nniss  sich  auch  Hinko  IT.  mit  König  Wenzel 
ausgesöhnt  haben,  denn  140.5  (5.  Januar)  finden  wir  ihn 
als  einen  der  Landfriedenshüter  im  Kreise  Leitmeritz"), 
und  1409  und  1410  wieder,  wie  schon  1396,  als  Oberst- 
landrichtcr  von  Böhmen.'^} 

Da  er  sich,  wie  aus  dem  Bisherigen  erhellt,  nur  wenig 
auf  seinem  Scldosse  Hohnstein  aufgehalten  hatte,  so  er- 
fahren wir  auch  nur  wenig  von  seinem  Walten  in  dieser 
seiner  Herrschaft.  1388  erkaufte  er  von  Arnold  von  Haugis- 
wald  auf  Stürza  (nordAvcstlich  von  llohnstein)  das  schon 
damals  wüste  und  auch  später  niclit  wieder  aufgebaute 
Dorf  Ludwiksdorf  an  der  Polcnz  bei  Langwolmsdorf  um 
40  Mark  Groschen  hinzu.'")  1386  verbürgte  er  sich 
nebst  anderen  seines  Geschlechts  für  die  Brüder  Hans 
und  Ulrich  von  Biberstein  auf  Friedland  gegen  Prager 
Juden  wegen  einer  Geldschuld.'^")  1391  hatte  er  einen 
Rechtsstreit  mit  „Else,  der  Witwe  Hinko  Berkas",  be- 
treffend deren  Heiratsgut,  welchen  das  Baroncngericht 
zu  Prag  dahin  entschied,  dass  er  derselben  80  Schock 
Groschen,  d.  h.  Güter  im  Betrage  von  jährlich  80  Schoek 
Einkünften,  abzutreten  habc."^')   Wir  können  kaum  glauben, 


'♦)  Nach  den  Görlitzer  Ratlisrcchnungen.  Vgl.  Lausitzer  Mag. 
1881.    40  fg. 

'*)  Knothe,  Gesch.  von  Rolmaii,  Roscnthal,  Scharre  (1857)  11  fg. 

'•)  N".  Laus.  Magaz.    18<i9.    77. 

")  Urk.  im  liölim.  Kronarchiv  zu  Prag,  Kepos.  201. 

'")  Enüer,  Reliq.  tah.  lerr.    I5(ili.  H,  dl.  (17. 

'»)  Ilaiiptst.- Archiv  Orig.  iC^'J.  Vgl.  Götzinger,  Geschichte 
von  llohnstein  28. 


'»)  Ilauptst.- Archiv  Orig.  4534. 
2')  Einler,  Reliq.  1.  51t. 


198  Hermann  Knothe : 

dass  diese  Frau  Else  die  Witwe  Hinkos  I.  auf  Hohnstein, 
also  Hinkos  II.  Mutter,  gewesen  sei,  soudern  möcliten  sie 
vielmehr  für  die  Witwe  seines  Bruders  Hinko  auf  Leipa 
(S.  195)  halten,  der  um  das  «Jahr  13*,)1  ^-estorben  zu 
sein  scheint,  und  deren  Heiratsgut  noch  auf  Hohnstein- 
schen  Besitzungen  ausgesetzt  sein  mochte. 

Seit  Hinko  H.  aus  der  Niederlausitz  wieder  nach 
Hohnstein  zu  längerem  Aufenthalt  zurückgekehrt  war, 
finden  wir  nun  die  Berka  zum  ersten  Mal  in  nachbarliche 
Konflikte  mit  dem  Markgrafen  von  Meissen  verwickelt. 
Am  30.  Oktober  1409"''-)  thedingten  Heinke  Berka,  Herr 
zum  Hohnstein,  und  dessen  Söhne  Heinrich,  Heinke  der 
jüngere  und  Benesch  mit  dem  Markgrafen  Friedrich  (dem 
Streitbaren),  dessen  Bruder  Wilhelm  (dem  Reichen)  und 
dem  Vetter  von  beiden,  Friedrich  (dem  jüngeren  von 
Thüringen),  dass  erstere  ihre  Fehden  den  letzteren  künftig 
jedesmal  acht  Tage  vorher  in  das  Rathhaus  zu  Dresden 
verkündigen,  und,  wenn  sie  dies  Versprechen  nicht  halten 
würden,  nach  Jockrim  (bei  Stolpen)  einreiten  sollten.  Diese 
Vereinbarung  setzt  bereits  häufigere  Fehden  der  Berka 
mit  den  Meissner  Fürsten  voraus.  Wir  wissen  nicht,  ob 
die  Veranlassung  hierzu  in  politischen  Gründen  zu  suchen 
sei.  Allerdings  hatten  die  Meissner  1398  mit  den  Ober- 
lausitzern  eine  „Einigung"  geschlossen  gegen  alle  Laudes- 
beschädiger,  das  hiess  damals  soviel,  als  gegen  die  An- 
hänger Markgraf  Josts  von  Mähren.  Wahrscheinlich  aber 
lag  der  Grund  lediglich  in  den  territorialen  Verhältnissen. 
Durch  die  Dohna'sche  Fehde  (1402)  hatten  die  Mark- 
grafen von  Meissen  nicht  nur  den  Königstein,  sondern,  als 
Zubehör,  auch  das  auf  dem  rechten  Eibufer  gelegene 
Rathen  und  den  Lilienstein ^^)  und  ebenso  infolge  von 
Verpfändung  von  seiten  König  Wenzels  (1404)  und  Aus- 
lösung von  Jahn  von  Wartenberg  auf  Tetschen  (1405) 
sowohl  Pirua^*),  als  das  ebenfalls  auf  dem  rechten  Eib- 
ufer gelegene  Wehlen  erworben.  Rings  von  Hohnsteiner 
Gebiet  umgeben,  geriethen  nun  die  Besitzer  der  Burgen 
Rathen  und  Wehlen,  jetzt  meissnischc  Vasallen,  leicht  in 
nachbarliche  Händel  mit  den  Berka  und  suchten  und 
fanden  Schutz  und  Hilfe  bei  ihren  Lehnsherren.  So 
wurden    denn    die   Markgrafen    in    diese   Fehden    hinein- 


"*)  Hauptst.- Archiv  Orig.  5475. 

^*)  Gautsch,  Aelteste  Geschichte  der  sächs.  Schweiz,  45  fg. 

=")  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II.  5,  379.  .381. 


Die  Berka  von  der  Thiba  auf  Hohiisteiu  etc.  199 

gezogen.  Unsere  weitere  Darstellung  wird  tlas  eben  Ge- 
sagte besonders  in  Ijetreff  derer  von  der  Oelssnitz  auf 
Rathcn  erweisen. 

Am  1.  Ajn-il  1409")  ernannte  der  zum  Ivoiizil  naeli 
Pisa  reisende  Bischof  Rudolpli  von  Meissen  llinko  IL  au! 
Hohnstein,  „seinen  Oheim",  zu  einem  seiner  Testaments- 
vollstrecker, und  in  demselben  Jahre  1409'^**)  erlangte 
Hinko  von  Holmstein  die  bisher  dem  Johann  von  Michels- 
berg gehörige  Herrschaft  Scharfensfein  mit  Bensen  in 
Böhmen.  Den  16.  Mai  1410  wird  er  noch  als  Oberst- 
landrichter erwähnt.''')  Noch  in  demselben  Jahre  aber 
seheint  er  gestorben  zu  sein,  nachdem  er  Hohnstein  seit 
1361,  allerdings  ziemlich  lange,  aber  anfangs  noch  unter 
Vormundschaft,  besessen  hatte.  1410  traten  nämlich  in 
der  Herrschai't  Hohnstein  Veränderungen  ein,  wie  nur  Erb- 
theilungen  sie  zur  Folge  haben. 

„Item  nach  Christi  geburt  tausent  vierhundert  vnd 
im  zcehenn  jare  ist  eine  bereynunge  gescheen  vnd  ge- 
gangen zwischen  den  edeln  ern  Heinriche,  hern  auf  dem 
Wildenstein,  an  einem  teil  vnd  hern  Hincko,  hern  auf 
dem  Scharffenstein,  am  andern  teyll  ete."'^*)  Hier  wird 
zum  ersten  jNlal  der  W'ddenstein  als  Mittelpunkt  einer 
eigenen  Herrschaft  erwähnt.  Wir  glauben,  dass  dieselbe 
auch  erst  in  diesem  Jahre  dadurch  geschaffen  worden 
sei,  dass  nach  Hinkos  IL  Tode  bei  der  Erbtlieilung 
der  eine  seiner  bereits  oben  (S.  198)  genannten  Söhne, 
nämlich  Hinko  JIL,  Holmstein,  der  andere  aber,  ebenfalls 
Heinrich  oder  Hinko '^'*),  einen  Theil  der  ursprünglichen 
Herrschaft  liohnstein  jetzt  als  besondere,  selbständige 
Herrschaft  mit  der  Burg  Wildenstein  erhielt.  Es  lag 
nahe,  dass  der  Besitzer  von  Wildenstein  sofort  auch  die 
Grenzen  seiner  Herrschaft  festgestellt  zu  sehen  wünschte. 
Der  hierbei  erwähnte  „Herr  Hinko  Herr  auf  dem  Scharfen- 
stcine'^  aber  ist  unsrer  Ansicht  nacli  niemand  anders  als 
der  ältere  Bruder  Hinko  III.  auf  IL)hnstein_,  welcher  hier 
nur    nach    der   Besitzung   genannt   wird,    deren   Grenzen 


")  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II.  2,  ^45. 

=")  Baibin,  Mise.  V  vol.  II.  ereet.  172. 

")  Eniler,  Reliq.  II,  67. 

*')  Gautsch  a.  a.  0. 117  nach  llauptst.-Arch.  liOc.  8^,10  „Irrunuon 
zwisclioii  denen  Ilerrschall'ten  Honstein  und  Tct/.scdien." 

-')  Auch  sonst  kommen  als  Beisitzer  im  Baronengericlil  zu  Trag 
14(t«  vor  „Ilinco  et  Henricus,  filii  llinconis  Berca  de  Honstein". 
Enüer,  ßel.  II,  10. 


200  Hermann  Knothe: 

gegen  Wildenstein  festgestellt  werden  sollten.  Und  so 
erscheint  denn  Hinko  Herr  auf  Hohnstein  1412  und  öfter 
als  Patron  der  Kirche  in  Bensen.  Ausser  diesen  beiden 
Brüdern  (der  S.  198  genannte  Benesch  muss  vor  1410  ge- 
storben sein,  wenigstens  wird  er  nicht  mehr  erwähnt)  gab 
es  aber  noch  einen  Namens  Hans,  welchem  Hinko  HI. 
auf  Hohnstein  1430''")  „die  Leite  an  der  Elbe  gegenüber 
Schandau"  verkaufte.  Diesen  halten  wir  für  identisch 
mit  jenem  Johann  Berka  von  Duba,  welcher  1422  zur 
Pfarrei  in  Kreibitz  präsentierte,  1424  Bürge  für  Wilhelm 
von  Eonow  war'")  und  vor  1457  starb  und  die  Städte 
Kreibitz,  Kamnitz,  Sandau  mit  zugehörigen  Dörfern 
hinterliess.  ^'■^)  In  allen  drei  letzterwähnten  Urkunden 
heisst  er  dominus  in  Tolnstein  oder  de  Duba  et  de  Tol- 
stein  und  besass  in  der  That  auch  Warnsdorf  und  Böh- 
misch-Seifhennersdorf.  Wie  sich  nämlich  aus  dem  Fol- 
genden ergeben  wird,  wurde  bei  der  Erbtheilung  1410 
die  inzwischen  völlig  in  den  Besitz  Hinkos  II.  über- 
gegangene Herrschaft  Tollenstein  -  Schhickenau  zwischen 
den  drei  überlebenden  Söhnen,  Hinko  HL  auf  Hohnstein, 
Heinrich  auf  Wildenstein  und  Johann  auf  Kreibitz,  ge- 
theilt. 

Die  neugeschafifne,  von  Hohnstein  abgezweigte  Herr- 
schaft Wildenstein  ^^)  umfasstc  das  Rittergut  Polenz,  die 
Hälfte  der  Stadt  Neustadt  bei  Stolpen,  die  zu  Lehn  aus- 
gegebenen Güter  Langburkcrsdorf,  Krummhermsdorf, 
Rugiswalde,  Rathmannsdorf,  die  Stadt  Sebnitz  und  die 
Dörfer  Ilertigswalde,  Hennersdorf,  Lichtenhain,  Mittel- 
dorf, Gosdorf,  Hinterhermsdorf,  Saupsdorf,  Ilinterotten- 
dorf,  endlich  südlich  der  Kirnitsch  noch  Ostrau  und  Postel- 
wifz  sammt  dem  Waldgebirge  bis  zu  der  jetzigen  Grenze 
gegen  Böhmen.  Die  Burg  Wildenstein,  an  deren  Existenz 
man  gezweifelt  hat,  bestand  schon  längst.  Sie  lag  west- 
lich von  dem  sogenannten  „Kuhstall",  dessen  ganze  Um- 
gebung noch  jetzt  der  Wildensteiner  Wald  heisst,  imd 
bildete  bisher  wohl  nur  einen  festen  Punkt  zum  Schutze 
des  ganzen  südlichen  Theils  der  alten  Herrschaft  Hohn- 
stein, bewohnt  von  einem  Hauptmann  und  etlichen  Tra- 
banten.    Schon  1311  wird  ein  „dominus  Otto  de  Wilden- 


**)  Götzinger,  Hohnstein  28. 
»')  Emier,  Reliq.    IL    191. 


")  Archiv  cesky  IH,  565. 
")  Gautsch  a.  a.  0.  107  nacli  Hauptst.- Archiv  Loc.  9923:  „Die 
beyden  Schlösser  Wilden-  und  Hohenstein"  Bl.  5 


Die  Berka  von  der  PiiIit  auf  Ilohnstein  etc.  201 

stein  miles",  vielleicht  der  damalige  Hauptmann  daselbst, 
als  Zeuge  in  Dresden,  ja  schon  1299  ein  „Hermannus  de 
"W'ildenstein",  vielleicht  einst  zur  dortigen  Besatzung  ge- 
hörig, als  Rathmann  zu  Pirna  erwähnt.  ^*) 

Jetzt  machte  sich  zur  Aufnahme  des  neuen  llerr- 
schaftsbesitzers  auch  eine  neue  stattlichere  Burg  nöthig. 
So  erklärt  sich,  dass  1451  ein  ,. alter  Wildenstein"  aul- 
geführt wird^'^)  und  z.  B.  noch  auf  der  Schenk'schen  Karte 
von  Saclisen  (Amsterdam  1752)  beide  Burgen,  der  alte 
und  der  neue  Wildenstein_,  verzeichnet  sind. 

Der  neue  Besitzer  von  Hohnstein,  Hinko  JH.,  hatte 
dem  Bischof  Rudolph  von  Meissen  60  Mark  Groschen 
geliehen,  welche  dieser  (1414)  ihm  in  bestimmter  Frist 
zurück  zu  zahlen  gelobte^**)  oder  „einzureiten  in  die  Stadt 
nach  Schluckenau",  welche  also  Hinko  gehörte.  Bald 
darauf  hatte  auch  er,  wie  früher  sein  Vater,  Händel  mit 
der  Oberlausitz.  Heinrich  Renker,  aus  liöwenberg  in 
Schlesien  stammend,  jetzt  Besitzer  des  grossen  Rittergutes 
Tschocha  im  Queisskreise ,  sagte  nebst  einem  andern 
Adligen  aus  Schlesien,  Heinrich  von  Redern,  1419  „Herrn 
Berken  von  Ilohnstein",  wir  wissen  nicht  weshalb,  Fehde 
an.  Beide  tielen  mit  reisigem  Haufen  „in  Herrn  Berkens 
Land"  mid  plünderten  daselbst  das  Dorf  Schirgiswalde 
(Jerigiswalde)  in  der  Herrschaft  ToUenstein-Schluekenau 
aus.  Da  sie  aber  auf  dem  Rückwege  nach  Tschocha  auch 
in  oberlausitzischen  Dörfern  raubten  und  brannten,  bot 
der  damalige  I^andvogt,  Hinko  Hlawatsch  Berka  auf 
Leipa,  eiligst  die  Zittauer  Bürgerschaft  zur  Verfolgung 
der  Landfriedensl)recher  auf,  welche  diesellien  denn  auch 
unweit  Ostritz  überfiel,  schlug  und  Renker  wie;  Reder 
gefangen  nahm.'"") 

Unmittelbar  darauf  brachen  die  hussitischen  Wirren 
aus  und  erstreckten  sich  alsbald  auch  bis  in  das  nord- 
östliche Böhmen  und  dessen  Nachl)arländer,  Oberlausitz 
imd  Meissen.  Die  Berka  auf  Ilohnstein  und  auf  Wilden- 
stein waren  und  blieben  allezeit  gut  katholisch  gesinnt; 
nichtsdestoweniger  Avaren  sie  unzuverlässige  Freunde  und 
Nachbarn.  Als  im  Mai  1423  ein  hussitisches  Heer  bis 
gegen   die  Oberlausitz  vordrang   und  von  Rumburg  oder 


»♦)  Cod.  Sax.  II.  5,  .S33.  23. 

")  Gautsch  108,  78. 

»•)  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II.  2,  410. 

")  N.  Srript.  rer.  Ins.  I.  110.    Laus.  Magaz.  177.").  «9.  101. 


202  Hermann  Knothe: 

Schluck  enaii  aus  mit  einem  Einfall  drohte,  kam  auch  der 
(Berka'sche)  Hauptmann  auf  Tollenstein  nach  Löbau  zu 
einem  Tage  von  Land  und  Städten  und  bat  um  Hilfe. 
In  der  That  beschloss  man  eine  Heerfahrt,  aber  man 
kehrte  nach  wenig  Tagen  wieder  um,  weil  der  Feind  in- 
zwischen wieder  abgezogen  war.  Dennoch  erwiesen  sich 
noch  in  demselben  Jahre  die  Berka  auf  Hohnstein  selir 
feindselig  gegen  Bautzen.^**)  1424  (Anfang  Dezember) 
waren  zwischen  ihnen  und  den  Oberlausitzern  Verhand- 
lungen im  Gange  wegen  einer  „Einigung".  Aber  schon 
im  Frühjahr  1425  (um  den  22.  April)  nahmen  die  von 
dem  Tollenstein  zu  Schlegel  (bei  Ostritz)  auf  den  Nonnen- 
Gütern  zu  Seifersdorf  (d.  h.  Marienthal)  das  Vieh,  fingen 
Niclas  Ponikau,  den  Hauptmann  (oder  Untervogt),  luid 
führten  ihn  Aveg.  Kloss^^j  meint  nun  zwar,  dass  der 
Tollenstein  damals  von  den  hussitisch  gesinnten  Warten- 
bergern  und  zwar  von  Jahn  auf  Dewin  besetzt  gewesen 
sei.  Allein  erst  1426  trat  die  mächtige  Familie  von  Warten- 
berg zu  den  Hussiten  über;  keine  uns  bekannt  gcAvordene 
urkundliche  Nachricht  deutet  darauf,  dass  der  Tollenstein 
damals  den  Wartenbergern  gehört  habe,  und  der  Umstand, 
dass  infolge  der  Gefangennahme  Ponikaus  sofort  auch  ein 
Tag  zu  Schluckenau  gehalten  wurde  und  die  Oberlausitzer 
Abgeordneten  von  da  sich  „zu  den  Bercken  um  Nicoh 
Ponikaus  Gefengniss  willen"  begaben^^),  erweist,  dass 
jener  Raubzug  nach  der  Oberlausitz  von  der  Berka'schen 
Besatzung  des  Tollensteins  unternommen  worden  war.  Zu 
Pfingsten  1425  war  Ponikau  wieder  frei.  Im  Herbst  des- 
selben Jahres  (um  den  22.  September)  aber  hatte  „Herr 
Heinrich  von  Wildenstein"  im  Bautzner  Land  schon  wieder 
„die  Kühe  genommen".  Und  so  begreifen  wir,  dass  die 
Oberlausitzer  1427  (um  den  4.  Mai)  „mit  den  Bircken  tagten 
um  des  Hauses  Tollenstein  Avillen".  INIan  Avollte  also  den- 
selben, wie  es  damals  auch  mit  vielen  anderen  böhmischen 
Burgen  geschah,  entweder  erpachten,  um  ihn  zu  l^esetzen, 
oder  erkaufen,  um  ihn  abzubrechen.^')  Wir  haben  ab- 
sichtlich über  diese  Beziehungen  der  Berka  zu  den  Ober- 
lausitzern  ausführlich  berichtet,   Aveil  hierdurch  auch  ihre 


")  Oberlaus.  Provinzialblätter  1782.  433  fg.  i36. 

")  Ebeud.  450. 

*")  Görlitzer  Kathsrecbiiungeu. 

*')  Auch  mit  Görlitz  hatte  „Heinrich  von  der  Duba"  Händel  und 
verklagte  die  Stadt  deshalb  1428  und  1432  sogar  l)ei  dem  west- 
fälischen Fehmgericht.    Oberlaus.  Urkunden-Verzeichnis  IT,  23  und  33. 


Die  Beika  vom  der  Duba  auf  Ilohnsteiu  etc.  203 

Beziehungen   zu  den  Meissner  Fürsten   erst  in  das  rechte 
Licht  gesetzt  werden. 

Seit   dem  Jahre  1426  nihulieh   finden  wir  die  Berka 
in  fast  ununterbrochene  Händel   luid  Fehden  mit  Meissen 
verwickelt.    In  demselben  Jahre*'")  stellten  Heinrich  Birke 
von    der   Dubin  zu   dem   Wildensteyn   und  Heinrich   sein 
Sohn   der    altere   eine    merkwürdige   Urkunde   (zu   Pirna) 
aus.     Sie    bekennen   zuerst,    dass   sie   dem  Landvogte    zu 
Meissen,  Busse  Vitzthum,  Erbhuldung  zu  des  Markgrafen 
Friedrich  von  Meissen  und   aller   seiner  Erben  Hand   ge- 
than  haben,    ihm   mit  dem  Schlosse  Wildensteiu  treu  und 
gewähr    zu    sein   und    sich   mächtiglicli   an  ihn  zu  halten, 
als   an   ihren  rechten  Erbherrn.     Sie  versprechen  darauf, 
dass  Wildenstein  des  Markgrafen  offnes  Schloss  sein  solle 
und  dass  er  dahin  irgend  wen  von  seinen  Amtleuten  oder 
sonst  von  den  Seinen  hinlegen  könne.    Sie  geloben  ferner, 
dass  der  Wildenstein   an   keinen   ihrer  eignen  Erben  ge- 
langen, auch    an   niemand  versetzt  oder  verkauft  werden 
solle,  er  habe  denn  zuvor  diese  Eide  und  Gelübde  gegen 
den  jNIarkgrafen  wiederholt.     „So   also  sie  denn  in  Zwie- 
tracht und  Unwillen,  wie  der  hergekommen  ist,  mit  Friedrich 
von   der  Oelssnitz,   Vogt  zum   Königstein,  und  Hans  von 
Grisslau  und   beide   ihren  Brüdern  und  Helfern   gewesen 
sind",   so   geloben    sie,    diese   darum   nimmermehr  zu  be- 
fehden oder  es  ihnen  zu  verdenken.  —  Demnach  war  also 
Heinrich  auf  Wildenstein,  jedenfalls  der  seit  1410  erwähnte 
erste  Besitzer  dieser  Herrschaft,  sammt  dem  älteren  seiner 
(beiden)  gleichnamigen  Söhne  zunächst  mit  Friedrich  von 
der  Oelssnitz    auf  Rathen    und    anderen  Mannen  Kurfürst 
Friedrichs  des  Streitbaren  in  nachbarliche  Fehde  gerathen. 
Dieser   hatte    sich   seiner  Vasallen   hilfreich   angenommen 
und    den   schlimmen    Nachbar   entweder   durch   eine   ent- 
scheidende Niederlage  oder  durch  Belagerung  gezwungen, 
ihm  das  Besetzungsrecht  auf  dem  Wildenstein  zuzusichern, 
ja   ihm   als  Erbherrn    zu    huldigen.     Es   geschah  dies  im 
Jahre  der  Schlacht  bei  Aussig.     Eben  damals  war  Sieg- 
numd    von    Warten berg    auf   Tetschen    und    sein   ganzes 
Geschlecht  zur  hussitischen  Partei  übergetreten.    Niemand 
konnte  wissen,  wie  sich  überhaupt  die  Zustände  in  Böhmen 
noch  gestalten  würden.    So  scheint  sich  der  Kurfürst  des 
gefährlichen  Schlosses  und  des  unzuverlässigen  Nachbars 


**)  Urk.  ohne  Tag  bei  Gaiitscli  u.  a.  0.  102  luicli  liauptst.-Arcli. 
Loc.  9923  „Die  beyden  Schlösser  etc."  Bl.  1 . 


204  Hermann  Knothe: 

auf  fille  Fälle  haben  versicliern  zu  wollen.  —  Auch  mit 
Hinko  III.  auf  Hohnstein  scliloss  der  Kurfürst  den  6.  Juni 
1427*'^)  zu  Freiberg  einen  Vertrag,  wonach  ersterer  ihm 
mit  allen  seinen  Schlössern  imd  Märkten  solle  gegen  die 
Ketzer,  namentlich  gegen  Siegmund  von  Wartenberg,  bei- 
stehen und  sich  mit  denselben  niclit  frieden  solle  ohne 
des  Kurfürsten  Willen,  wofür  dieser  dasselbe  verspriclit. 
Schnell  aber  wechselten  in  jener  Zeit  Freundschaft  und 
Feindschaft.  Im  Jahre  1435  Avaren  die  Söhne  Friedrichs 
des  Streitbaren,  Kurfürst  Friedrich  der  Sanftmüthige  und 
Siegmund,  wieder  mit  den  Birken  zerfallen.  Nicht  mu' 
gegen  den  Hohnstein  zogen  sie,  den  Dresdner  Raths- 
rechnungen  zufolge,  mit  Heeresmacht,  sondern  sie  schlössen 
den  15.  August^*)  mit  dem  hussitischen  Siegmund  von 
AVartenberg  auf  Tetschen  sogar  ein  Bündnis  auf  drei  Jahr 
unter  folgenden  Bestimmungen.  Nachdem  die  sächsischen 
Brüder  „zu  Unwillen  kommen  sind  mit  Ern  Hinczken 
vom  Steyne  zu  AVildensteyn  gesessen",  so  solle  ihnen  Herr 
Siegmund  gegen  diesen  und  seine  Helfer  mit  seiner  ganzen 
Macht  beistehen.  Sollte  es  sich  als  nöthig  erweisen,  so 
wolle  man  ihm  50,  ja  100  Pferde  zu  Hilfe  schicken  auf 
der  Fürsten  Kosten  und  Schaden.  Für  seinen  Beistand 
solle  Siegmund  1000  fl.  erhalten  zu  einem  Geschenk, 
und  zwar  die  eine  Hälfte,  so  er  den  Krieg  mit  Herrn 
Hinke  anhebt,  die  andere  Hälfte  später.  Sollte  man  in 
dieser  Fehde  die  Stadt  Bensen  oder  den  Scharfenstein 
gewinnen  (welche  also  damals  den  Birken  noch  gehörten), 
so  sollten  diese  Güter  Herrn  Siegmimd  zustehen;  sollte 
man  aber  den  Wildenstein  gewinnen,  so  solle  dieser  den 
sächsischen  Fürsten  zustehen.  —  Wir  halten  den  hier 
genannten  Ern  Hinczken  nicht  etwa  für  einen  Ritter  aus 
der  Familie  von  Stein,  der  sich  etwa  damals  des  Wilden- 
steios  bemächtigt  habe;  wenigstens  ist  uns  trotz  vieler 
ritterlicher  Mannen  dieses  Namens  in  jener  Zeit  keiner 
mit  dem  Vornamen  Hinko  begegnet,  und  das  Prädikat 
„Er"  führte  bekanntlich  nur  der  hohe  böhmische  Adel. 
AVir  halten  denselben  vielmehr  für  den  Besitzer  des  „Steins", 
d  h.  der  Burg,  zu  Wildenstein  aus  der  Familie  Berka  und 
zwar,  wie  sich  aus  dem  Folgenden  ergeben  wird,  für  den 
1426  erwähnten  ältesten  Solui   des  ersten  Inhabers  dieser 


*')  Hauptst- Archiv,  Witt.  Archiv,   Böhm.  Sach.  Irrungen  und 
Verträge  ßl.  6. 

*)  Hauptst.- Arch.  Orig.  6338. 


*^\ 


Die  Berka  von  der  Duba  auf  Ilohnstein  etc.  205 

Burg.     Diesmal  hatten  es  also  die  Meissner  auf  eine  Er- 
oberung des  gefährlichen  Wilden steins  abgesehen. 

Ein  Jahr  später  waren  die  Berka  mit  dem  AVarten- 
berger  wirklich  noch  in  Krieg;  die  Meissner  Fürsten 
aber  waren  mit  ihm  bereits  wieder  zerfallen.  Da  ver- 
mittelte der  Bischof  Johann  von  Meissen  den  4.  Juni  1436**) 
zwischen  Hincke,  Gindrzich  [d.  h.  Heinrich]  und  Beness 
Birken,  Gerettern  von  der  Duhin,  czum  Honstein,  Molstein 
und  czum  Wüdenstein  gesessin  und  den  Markgrafen  von 
Meissen  einen  Vertrag,  Avonach  letztere  den  ersteren  gegen 
Siegmund  von  A^'^artenberg  auf  Tetschen  und  alle  seine 
Helfer  beistehen  und  zu  deren  Schutze  150  Trabanten  auf 
den  Wildenstein,  der  Bischof  aber  50  dergleichen  auf  den 
Mühlstein  (bei  Böhmisch-Zwickau)  legen  sollten.  Diesmal 
scheint  die  Gefahr  vor  den  hussitischen  Wartenbergern 
die  Berka  genöthigt  zu  haben,  bei  den  Meissnern  Schutz 
zu  suchen  und  eine  sächsische  Besatzung  aufzunehmen.  — 
Der  Besitzer  des  Wildensteins  heisst  jetzt  Beness.  Wir 
halten  ihn  für  einen  Sohn  des  1410  erwähnten  Heinrich, 
für  einen  Bruder  des  1426  und  wieder  1435  genannten 
Heinrich  des  älteren;  sicher  war  er  ein  Bruder  des  noch 
oft  anzuführenden  Albrecht  Berka. 

Ein  sächsisches  Heer  rückte  darauf  vor  Tetschen  und 
belagerte  Siegmund  von  Wartenberg.  Im  Felde  vor 
Tetschen  wurde  den  4.  August  1436*'')  mit  demselben 
zunächst  ein  Waffenstillstand  vereinbart,  in  welchen  die 
sächsischen  Fürsten  die  ebengenannten  drei  Vettern  von 
der  Duba,  den  Bischof  von  Meissen  und  die  Oberlausitz, 
Siegnumd  von  AA  artenberg  aber  seinen  Bruder  Jahn  auf 
Blankenstein  zogen.  Mit  den  Wartenbergern  kam  es  den 
27.  April  1438  wirklich  zu  einem  definitiven  Frieden. 

Aber  unmittelbar  darauf  begannen  neue  Händel  mit 
den  Berka.  Sie  hatten  1438*')  die  Burg  Ratlien  erobert, 
erhoben  auch  Lehnsansprüche  auf  dieselbe  und  kündigten 
sannnt  ihren  Vasallen  jetzt  auch  den  sächsischen  Fürsten 
Fehde  an.  Genau  ein  Jahr  später  vertrieb  Friedrich  von 
der  Oelssnitz  die  Berka'sche  Besatzung  wieder  aus  seiner 
Burg.  Endlich  den  2.  Juli  1439  erfolgte  zu  Dresden  ein 
Friedenssciduss,  wonach  der  Kurfürst  die  streitige  Lehnfrage 


*^)  Hauptst.-Arch.  Orig.  6404.    Gautsch  49. 
'«)  IIani)tst.-Arrli.  Orig.  0110. 

*')  Nrtili     tUnii     l'iriiaisrlKüi     Mönch     Lindner     ln'i     .Mcm 
Script.  II.  1597. 


206  Hermann  Knothe; 

wegen  Katlien  auf  das  Erkenntnis  des  römischen  Kaisers 
stellen  will  und  von  beiden  Seiten  die  während  der  Fehde 
gemachten  Gefangenen  herausgegeben  werden  sollen.  Beness 
Birke  von  Wildenstein  verpflichtet  sich,  den  sächsischen 
Fürsten  zu  Diensten  zu  stehen  und  ihre  Lande  schützen  zu 
helfen,  wofür  er  jährlich  von  ihnen  200  fl.  erhalten  soll. 
So  suchte  man  sich  also  jc^tzt  durch  ein  Jahrgeld  von  den 
Wildensteinern  Ruhe  zu  erkaufen.     Allein  vergeblich. 

Ein  Jahr  später  brach  die  Fehde  aufs  neue  aus.  In 
einem  auf  dem  Wildenstein  selbst  den  6.  Dezember  (1440) 
geschriebenen  Briefe^*)  wirft  Alhrecht  Birke  den  Fürsten 
vor,  die  christliche  liichtung,  die  sie  (1438)  mit  seinem 
seligen  Bruder  Beness  gemacht  und  derzufolge  dieser  „mit 
uns  seinen  Brüdern"  (d.  h.  Heinrich  und  Albrecht)  in  der 
Fürsten  Dienst  gewesen,  nicht  gehalten  zu  haben,  viel- 
mehr sie  haben  berücken  zu  wollen.  So  sei  sein  Bruder 
Beness  von  den  Leuten  der  Fürsten  erschlagen,  er,  Albrecht, 
selbst  gefangen  und  „von  seinem  Schlosse,  Gute,  Habe 
gebracht"  imd  auch  sonst,  ebenfalls  von  den  Leuten  der 
Fürsten,  mit  Raub,  Brand,  Nome,  Gefängniss  und  Ver- 
dingniss  angegriffen  und  verderbet  worden.  Deswegen 
und  weil  auch  Jahn  von  Wartenberg  auf  Blankenstein 
(Albrechts  Schwager)  ohne  alle  seine  Schuld  (von  Friedrich 
von  der  Oelssnitz)  gefangen  worden  sei,  sagt  jetzt  Albrecht 
Berka  auf  Wildenstein  und  ein  uns  sonst  nicht  bekannt 
gewordener  Czenko  Birke  von  der  Dube  den  sächsischen 
Fürsten  Fehde  an.  Wir  vermögen  nicht  zu  beurtheilen, 
wie  weit  diese  Vorwürfe  begründet  sein  mochten.  Vielleicht 
hatte  der  von  der  Oelssnitz,  der  alte  Gegner  der  Birken, 
aus  irgend  welchem  Grunde  wieder  losgeschlagen,  wobei 
Beness  Birke  getödtet,  Albrecht  und  sein  Schwager  Jahn 
von  Wartenberg  gefangen,  ja  wie  es  scheint,  der  Wildeu- 
stein  selbst  genommen  worden  war.  Die  wiedererlangte 
Freiheit  benutzte  Albrecht  sofort  zu  Ankündigung  neuer 
Fehde,  in  welche,  wie  sich  sofort  ergeben  wird,  auch 
Hinko  III.  auf  Hohnstein  auf  der  einen  und  Bischof  Johann 
von  Meissen  auf  der  andern  Seite  sofort  hineingezogen 
wurden. 

In  Dresden  wollte  man  sichtlich  Ruhe.  Und  so  er- 
klärten den  6.  Januar  1441  ***)  Hincke  zum  Hohnstein, 
Hincke  und  Alhrecht  zum  Wildenstein,  Brüder  und  Vettern 


*')  Ilauptst.-Arch.,  Witt.  A.,  Böhm.  Sach.  Befehd.  Bl.  264. 
*»)  Ilauptst.-Arch.  Cop.  I  Ibl.  281. 


r»ie  Rerka  von  der  Dnba  auf  Ilnhnstein  etc.  207 


Bircken  von  der  Dube,  dass  sie  die  bisherige  Felide  mit 
den  Herzögen  Friedrich  und  Wil.hehn  von  Sachsen,  dem 
Bischof  von  Meissen  und  deren  Landen  und  Unterthanen 
auf  ein  ganzes  Jahr  abthun  wollten  und  ihnen  gütlich 
sitzen,  und  zwar  deshalb,  weil  die  Herzöge  Jahn  von 
Wartenberg,  ihren  guten  Freund  und  Schwager,  „von 
Friedrich  von  der  Oelssnitz  seines  Gefängnisses  ledig  und 
los  geschaft't"  hätten. 

Auf  diesen  AVatFenstillstand  folgte  den  lO.Milrz  1442'") 
eine  ewige  Richtung  und  Sühne.  In  dieser  gelobten 
die  genannten  drei  Birken,  dass  alle  Z^vietracht  und  Un- 
wille nun  beigelegt,  alle  Schuldfordorungen  getilgt  seien 
imd  etwaige  neue  Differenzen  nicht  mehr  auf  dem  Wege 
der  Fehde,  sondern  durch  Schiedsmänner  erledigt  werden 
sollten.  „Ua  nun  die  Birken  dem  Stift  Meissen  zu  Diensten 
wohl  gesessen  sind",  so  sollen  die  beiden  bisclu'Jfliclien 
Städte  Jockrim  und  Bischofswerde  den  Birken  zu  Wilden- 
stein „um  Schutzes  des  Stifts  willen"  fünf  Jahre  hindurch 
je  40  Schock  Groschen  als  Jahrgeld  zahlen.  So  hatte  sich 
jetzt  der  Bischof  entschliessen  müssen,  sich  durch  ein  jilln-- 
iiches  Schutzj^eld  von  den  Wildensteinern  Kühe  zu  erkaufen. 

Dieser  Friede  hatte  nun  endlich  auch  wirklich  Be- 
stand. Albrecht  Birke  wurde  noch  in  demselben  Jahre 
1442^*)  Vermittler  von  Waffenstillständen  zwischen  den 
sächsischen  Fürsten  und  dem  Bischöfe  einerseits  und  den 
Wartenbergern  auf  Tetschen  andrerseits,  wobei  er  als 
Bürge  für  letztere  fungierte. 

Aber  fürwahr  diese  Birken  erweisen  sich  nach  alle 
dem  in  absichtlicher  Vollständigkeit  von  uns  bisher  Er- 
zählten als  ein  friedloses  Geschlecht  ohne  allen  Verlass. 
So  lange  sich  die  festen,  fast  uneinnehmbaren  Burgen 
Holmstein  und  Wildenstein  in  ihren  Händen  befanden,  wai- 
nicht  nur  das  bischöfliche  Stolpen,  sondern  auch  der 
sächsische  Königstein,  Pirna,  ja  Dresden  selbst  gefährdet, 
wenn  sich  jene  einmal  mit  anderen  mächtigen  Herren  aus 
Böhmen  verbündeten.  Und  eben  hatte  nach  Kaiser 
Albrecht  II.  Tode  (1439)  in  Böhmen  die  königlosc  Ziiit, 
das  Interregnum,  begonnen.  So  erscheint  denn  das  Be- 
streben des  Kurfürsten,  jene  beiden  Burgen  nüt  Zubeliör 
in  eigenen  Besitz  zu  bringen,  einfach  als  ein  Gebot  der 
Selbsterhaltung. 


*")  Ilauptst.-Airli.  Orig.  (".089. 
*')  Ebend.  Ori<^-.  G(;9y.  6712. 


208  Hermann  Knothe: 

Und  in  der  That  ein  Jahr  später  waren  bereits  die 
Unterhandlungen  im  Gange,  um  zunächst  die  Herrschaft 
Hohnstein  zu  erwerben.  Bischof  Johann  von  Meissen  er- 
wies sich,  im  eigensten  Interesse,  dabei  sehr  thätig.*^) 
Es  war  sein  Official,  Dr.  Johann  SwofFlieim,  der  nebst 
dem  Berka'schen  Hauptmann  Jancko  Knobelauch  den 
26.  Februar  1443  zu  Torgau  mit  den  sächsischen  Käthen 
die  Bedingungen  vereinbarte,  unter  denen  Hohnstein  an 
Sachsen  abgetreten  werden  sollte.  Den  S.März  1443^^) 
gelobte  Hyncke  Berka  von  der  Dube  der  ältere  und  zum 
Hohnstein  gesessen  auf  dem  bischöflichen  Schlosse  Stolpen, 
diesen  Vereinbarungen  unverbrüchlich  nachzukommen. 
Demzufolge  trat  derselbe  sammt  seiner  Frau  Barbara 
Hohnstein  nebst  Zubehör  an  die  Gebrüder  Friedrich  und 
Wilhelm,  Herzöge  zu  Sachsen,  ab  und  erhielt  dafür  von 
diesen  die  Herrschaft  Mühlberg  an  der  Elbe,  in  welcher 
sein  Vater  Hinko  H.  1388  königlich  böhmischer  Statt- 
halter gewesen  (S.  196),  welche  aber  1397**)  von  König 
Wenzel  an  Markgraf  Friedrich  von  Meissen  versetzt  worden 
war,  und  ausserdem  noch  570  Schock  Groschen  bar. 
Den  14.  März**)  wurden  beiderseits  die  Urkunden  über 
diesen  Freikauf  ausgestellt.  Derselbe  vollzog  eine  neue 
wichtige  Erwerbung  für  das  Meissner  Land.  Denn  wenn 
auch  Hohnstein***)  zunächst  noch  böhmisches  Lehn  blieb, 
so   ist  es  doch   nie  wieder  von  Sachsen  getrennt  worden. 

Der  Verkäufer  „Hyncke  der  ältere"  ist  nach  unserer 
Ansicht  derselbe,  der  1410  in  der  brüderlichen  Theilung 
Hohnstein,  Scharfenstein  und  Antheil  von  Tollenstein- 
Schluckenau  erhalten  hatte.    Seine  Frau  heisst  jetzt  beim 


52\ 


^)  Gercken,  Stolpen  631  fg.:  „Do  wart  ouch  angesehen  der 
grosse  vleiss,  den  BischofF  Johannis  mit  den  seine  that  bey  dem 
slosse  Hoenstein,  dorumb  gros  erbeit,  muhe  unnde  zcerunge  geschach, 
daz  daz  qwam  an  dy  Herschaft't  zu  Miesssen". 

")  Hauptst.-Arch.  Orig.  (!745. 

")  Ebend.  Orig.  5016. 

")  Ebend.  Orig.  6748.     Gautsch  104. 

*°)  Ueber  die  in  ihren  Ursprüngen  jedenfalls  in  die  Zeiten  der 
Berka  zurückreichenden  Rechtsverhältnisse  der  Erbunterthanen  in 
der  Herrschaft  Hohnstein  vergl.  Hasche,  Magaz.  der  sächs.  Gesch.  IV, 
und  zwar  über  das  Städtchen  Hohn  stein  Seite  229,  die  Harnisch- 
kammer im  Schlosse  Seite  87,  über  Neustadt  Seite  136,  über 
Schandau  Seite  140,  über  die  Lehnrichter,  Amts-  und  Schriftsassen 
Seite  219,  den  Kauflirief  der  Herrschaft  vom  Jahre  1543  Seite  147; 
über  das  Recht  dos  Holzhandels  aus  der  ganzen  Herrschaft  vergl. 
Götzinger,  Hohnstein  47. 


-öle  Berka  von  der  Duba  auf  Hohnstein  etc.  209 

Verkauf  Barbara,  elienso  wie  im  Jahre  1434*'),  wo  er 
„mit  seiner  Frau  Barbara"  das  wüste  Dorf  Ludwigsdorf 
(S.  197)  wieder  an  den  Bischof  von  Meissen  verkaufte. 
Den  Beinamen  des  älteren  führte  er  im  Gegensatze  zu 
seinen!  gleichnamigen  Sohne  oder  Bruder.  Schon  1437 
nämlich  hatten  Heinrich,  Hynek  und  Niclas  Gebrüder  von 
Duba  und  Hohnstein  ihr  erbliches  Leimgut  Türniitz  (süd- 
westlich von  Aussig),  wie  sie  es  von  Albrecht  von  Colditz 
erworben,  an  Hans  Manstorfer  von  Krupka  (d.  h.  Graupen) 
verkauft.  ***)  Wir  halten  diese  Brüder  für  Hinko  III.  auf 
Hohnstein,  Heinrich  auf  Wildenstein;  Niclas  ist  uns  sonst 
nicht  vorgekommen.  Auch  noch  eine  Schwester  hatte 
Hinko  III.,  Namens  Amia^^},  Witwe  des  Nicolaus  KoloAvrat; 
ihr  hatte  Hinko,  als  er  noch  Besitzer  von  Hohnstein  war, 
das  Dorf  Saupsdorf  wiederkäuflich  überlassen,  welches 
Kurfürst  Friedrich  (der  Sauftmüthige)  1447  '*'*)  einlöste. 

So  blieb  Hinko  HL  in  Böhmen  fortan  nur  noch 
sein  Antheil  an  Tollenstein,  von  welchem  noch  später  zu 
sprechen  sein  wird,  und  die  Herrschaft  Schar fenstein  mit 
Bensen  (S.  199),  welche  auch  noch  auf  seine  Nachkommen 
überging;  denn  1451  verpfändete  Johann  von  Bergow 
und  von  Trosk  sein  Erbe  in  Chlumec  dem  Hynek  Berka 
von  Duba,  dem  Sohne  des  weiland  Hynek  von  Berka  und 
von  Scharfenstein.  Wir  folgen  Hinko  HI.  und  seinen  Nach- 
kommen**') nicht  auch  in  ihre  neue  Besitzung  Mühlher g, 
sondern  beschäftigen  uns  von  nun  an  nur  noch  mit  den 
Inhabern  von  Wildenstein  und  Tollenstein.  — 


")  Hauptst.-Arch.  Ürig.  6318. 

**)  Archiv  oesky  Ut,  518.  Vergl.  llallwich,  Geschichte  der  Berg- 
stadt Graupen  (1868)  2.5. 

")  Hauptst.-Arch.  Orig.  70J4. 

•")  Hauptst.-Arch.  Orig.  7014. 

*')  Noch  haben  wir  kurz  die  irrige  Angabe  älterer  Historiker, 
z.  B.  Götzingers,  Hohnstein  mit  Lohinen  (!?86)  .S4  fgg.,  zu  wider- 
legen, welche  glauben,  dass  die  Berka  bis  1-18'J  Inhaber  von  llolni- 
stein  gewesen  seien.  Was  Götzingcr  von  Ratlien  aus  Avw  .lahien 
1463  und  1464  erzählt,  gehört  in  die  Jahre  IL^S  und  11. '59  (oi)L'n 
S.  205).  Ferner  hält  derselbe  einen  „Georg  Birke"  für  den  llcrr- 
schaftsbesitzer.  Im  Jahre  1451  gehörte  ein  StelVau  Birke,  der 
den  Zins  auf  Kathmannsdorf  pfandweis  besass,  zu  den  Mannen 
Albrecht  Berkas  auf  Wildenstein,  welche  dieser  sammt  seiner  Ilcir- 
schaft  Wildenstein  an  Sachsen  abtrat.  (Gautsch,  Aelteste  Geschichte 
der  sächsischen  Schweiz  108.)  Diesen  selbigen  Zins  kaufte  1467 
der  Rath  zu  Schandau  von  einem  Georg  Birke,  doch  wohl  dem 
Sohne  jenes  Steffan,  und  erhielt  Zins  und  Dorf  von  den  (Jebriulern 
Ernst  und  Albrecht  von  Sachsen  als  Stadtgut  gereicht.    (Götzinger, 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  II.  3.  14 


210  Hermann  Knothe:] 

Im  Besitz  der  Herrschaft  Wildenstein  waren  auf  Hein- 
rich Berka  von  der  Duba,  den  ersten  Jnliaber  (1410  S.  199 
und  142(3  S.  203),  wir  wissen  nicht  wann,  dessen  Söhne 
gefolgt.  Als  solche  wairden  bereits  erwähnt  Heinrich  der 
ältere  (1426  S.  203,  1435  S.  204,  1440—42  S.  206),  ferner 
ßeness  (1436  S.  205,  erschlagen  1440  S.  206)  und  Älhrecht 
(seit  1440  Seite  206).  Heinrich  „der  ältere"  oder  ein  jeden- 
falls gleichnamiger  Bruder  von  ihm,  scheint,  da  er  in  den 
Händeln  mit  Meissen  in  den  Jahren  1436  bis  1439  nicht 
erwähnt  wird,  sich  indessen  entweder  auf  anderen  Gütern 
der  Familie  oder  in  fremdem  Dienste  befunden  zu  haben. 
Nach  1442  ist  auch  er  ims  nicht  mehr  begegnet;  viel- 
mehr erscheint  seit  1443  Albrecht  Birke  als  alleiniger 
Besitzer   von  Wildenstein  und   des   zugehörio^en   Antheils 


Höhnst.  Beilagen  8  fg.)  Dieser  Georg  Birke  hatte  ärgerliche  Händel 
mit  seiner  Frau  Ursula,  welche  1468  durch  Bischof  Dietrich  von 
Meissen  beigelegt  wurden.  Vergl.  [Grundmann]  Nachrichten  von  Neu- 
stadt bey  Stolpen  (1759)  9.  Hierbei  wird  nun  im  Context  der  betreffen- 
den Urkunde  dieser  Georg  Birke  als  her  czum  Hoenstein  bezeichnet. 
Wir  können  nicht  glauben,  dass  das  Original  der  Urkunde,  das  wir 
nicht  kennen,  diese  Worte  enthalten  habe.  Denkbar  wäre,  dass  in 
der  blossen  Abschrift,  welche  wahrscheinlich  Grundmann  vorlag, 
jener  Zusatz  als  nähere,  aber  irrthümliche ,  Bezeichnung  der  Per- 
sönlichkeit gestanden  habe.  In  eben  dieser  Urkunde  wird  übrigens 
jener  Georg  Birke  stets  nur  als  „gestrenger"  tituliert,  in  der  Urkunde 
von  1467  sogar  ohne  jedes  Prädikat  aufgeführt,  während  ein  „Birke 
von  der  Duba"  sowohl  von  dem  Bischof  von  Meissen,  als  von  den 
Herzögen  von  Sachsen  sicher  das  Ehrenprädikat  des  hohen  böhmischen 
Adels  „Herr"  oder  „Er"  erhalten  haben  würde.  Hierauf  macht  mit 
Recht  schon  Hasche  (Magazin  der  sächsischen  Geschichte  IV,  3'J8) 
aufmei'ksam,  bezeichnet  aber  (ebenda  3.33  fg.)  dennoch  diesen  Georg 
Birke  wieder  als  einen  Berka  von  der  Duba.  Uebrigens  kommen  die 
Vornamen  Steflan  und  Georg  in  der  Holnisteiner  Linie  der  Berka 
nie  vor ;  auch  von  den  Söhnen  Hinkos  III.  führt  keiner  dieselben. 
Wer  nun  dieser  Stettan  und  Georg  Birke  gewesen,  ob  sie  überhaupt 
von  den  ehemaligen  Herrschaftsbesitzern  abstammen,  etwa  als  die 
unehelichen  Nachkommen  des  einen  oder  andern,  wissen  wir  nicht. 
Unter  den  Zeugen  in  der  Urkunde  von  1468  kommt  auch  ein 
Cristoff  Bircke  vor,  Herren  auf  Hohnstein  waren  sie  entschieden 
nicht.  Auch  die  ebenfalls  von  Götzinger  (a.  a.  0.  38)  aus  einer  Seb- 
nitzer  Pfarrmatrikel  angeführte  Notiz  scheint  nicht  genau.  Wohl 
mag  die  Frühmesse  zu  Lobendau  1489  von  dem  Bischof  Johann  von 
Meissen  bestätigt  worden  sein ;  gestiftet  von  Henrico  Birck  von  der 
Daubelt  domino  in  Rohnstein  war  sie  aber  gewiss  schon  zu  Anfang 
des  15.  Jahrhunderts.  Wenigstens  kommen  die  beiden  daselbst  er- 
wähnten Zeugen,  Hanss  von  Lottitz,  HeiviAmann,  1408  als  Haupt- 
mann zu  Kumburg  (Bulbin,  Mise.  V,  302),  und  Dam  [Tamme]  Knob- 
loch 1409  als  Vasall  Hinkos  II.  auf  Hohnsteiu  vor.  (Hauptst. -Archiv 
Orig.  5475.) 


Hie  Berka  von  der  J)uba  auf  llohnsteiii  etc.  211 

von  Tollenstem-Schhickenan  (oben  S.  200).  Seit  1444^''') 
nennt  er  sich  vorzug8wei.se  „zu  Tollenstein'',  oder  144(3  ^■^) 
„Herr  zu  Wildenstein  und  Tollenstein",  scheint  sicli  also 
nun  vorzugsweise  auf  letzterer  Burg  aufgehalten  zu  haben. 

Albrecht  war  verheiratet  mit  Anna,  der  Tochter  des 
Burggrafen  Wentsch  von  Dohna  (Donin)  auf  Grafenstein®*), 
südlich  von  Zittau  an  der  Neisse,  und  wurde,  als  treuer 
Genosse  seines  streitlustigen  Schwieo-ervaters,  nun  auch  in 
dessen  Zwistigkeiten,  einmal  mit  den  oberlausitzischen 
Sechsstädten  und  sodann  mit  den  Herren  von  Biberstein 
auf  Friedland  und  Hammerstein  (bei  Kratzau  uuM^eit 
Grafenstein),  hineingezogen.  Längst  schon  hatten  die  Berka 
auf  Wildenstein  Händel  mit  Bautzen  gehabt.  Sie  hatten 
„Waidleute",  welche  Waid  nach  Bautzen  führten,  beraubt, 
weshalb  (1437)  Städtetage  zu  Löbau  gehalten,  Boten  an 
,,Beues  Birke"  nach  dem  Wildenstein  geschickt  und  die 
Waid  wagen  von  Görlitz  unter  bewaffnetem  Schutze  nach 
Bautzen  „geleitet  wurden  vor  denWildensteinischen".  Noch 
1441  sollte  zu  Bautzen  getheidingt  werden  „mit  den  l^erckeu 
von  dieses  Nomes  wegen",  und  1442  wird  sogar  „der 
Bercken  Fehde  gegen  die  von  Budissin"  erwähnt.  Infolge 
dessen  schickte  auch  Görlitz  einen  Boten  nach  dem  Wilden- 
stein „mit  der  Aufsagung"  und  nahm  Söldner  auf  „contra 
Birkones  et  alios  raptores  pro  defensione".**^)  Diese  Fehde 
gewann  um  so  grössere  Bedeutung,  als  sich  1442'**')  auch 
die  Brüder  Ulrich,  Wenzel  und  Friedrich  von  Biberstein 
auf  Friedland  und  Forst  (in  der  Niederlausitz)  mit  den 
Sechsstädten  förmlich  gegen  Wentsch  von  Dohna  und 
„Hincke  und  Albrecht  Bircken  auf  Wildenstein"  ver- 
bündeten. Zwar  wurde  1444"')  wenigstens  zwischen  den 
genannten  böhmischen  Herren  ein  sühnlicher  Vergleich 
geschlossen;  aber  alsbald  begannen  auch  zwischen  diesen 
die  Streitigkeiten  von  neuem. 

Inzwischen  waren  nach  dem  Tode  Kaiser  Albrechts  II. 
(1439)  die  kaum  beschwichtigten  Parteikämpfe  in  Böhmen 


•^)  In  einem  Friedensvertrag  mit  ileii  Biberstein  auf  Kriedland. 
Oberlaus.  Urk.- Verzeichnis  II,  571). 

")  In  einem  Dienstvertrag  mit  Kurfürst  Friedrich  von  Sachsen. 
Hauptst.-Arch.  Orig.  6928. 

•*)  Vergl.  über  denselben  von  Weber,  Archiv  für  die  sächsische 
Geschichte.    N.  F.  I,  232  fgg. 

")  Nach  den  Görlitzer  Kathsrechnungen. 

")  N.  Script,  nn:  lus.  I,  255. 

•')  Urk.- Verzeichnis  II,  57b. 


212  tiermann  Itnotlie: 

aufs  neue  ausgebrochen.  Die  Wahl  eines  neuen  Königs 
ward  immer  wieder  hinausgeschoben.  Seit  1444  war  Georg 
von  Podiebrad  das  anerkannte  Haupt  der  utraquistischen 
oder  hussitischen  Partei,  während  an  der  Spitze  des 
katholisch  gesinnten  Herrenbundes  die  Familien  Rosenberg 
vmd  Neuhaus  standen.  Seit  nun  Meinhard  von  Neuhaus 
den  auch  von  uns  oft  erwähnten  Siegmund  von  Warten- 
berg auf  Tetschen  (1439)  gefangen  genommen  und  auf 
einem  seiner  Schlösser  hatte  Hungers  sterben  lassen  ®*'); 
wendete  sich  das  ganze  weitverzweigte  und  mächtige  Ge- 
schlecht der  Wartenberge  zur  Partei  Podiebrads,  Dieselben 
besassen  damals  im  nördlichen  Böhmen  die  Herrschaften 
Tetschen  und  Blankenstein  (nördlich  von  Aussig),  des- 
gleichen Leipa,  aus  welchem  schon  Siegmund  von  Warten- 
berg die  katholisch  gesinnten  Berka  auf  Mühlstein  auf 
Zeit  vertrieben  hatte,  endlich  die  alten  Stammgüter  der 
Familie,  nämlich  Wartenberg  mit  der  Burg  Roll  und 
Dewin.  So  waren  jetzt  die  katholisch  gesinnten  Barone 
Wentsch  von  Dohna  und  Albrecht  Berka  rings  umgeben 
einmal  von  den  Gebieten  der  utraquistischen  Warten- 
berge, sodann  von  der  ihnen  ebenso  verhassten  Bürger- 
macht der  oberlausitzischen  Sechsstädte,  zumal  Zittaus. 
Diese  ihnen  von  zwei  Seiten  her  drohende  Gefahr  war  es 
jedenfalls,  welche  Wentsch  und  Albrecht  bestimmte,  den 
IG.  Mai  1446  ***)  zu  Meissen  eine  Urkunde  auszustellen, 
in  der  sie  erklären,  dass  sie  „um  Friede,  Schutz  und  Ver- 
theidigung  willen  des  Herzogs  Friedrich  von  Sachsen  und 
seiner  Erben  Diener  geworden"  seien,  und;  „wie  ein  jeder 
getreue  Diener  seinem  Herrn  von  Rechts  wegen  pflichtig 
ist",  ihm  gelobt  hätten,  seinen  und  der  Seinen  Frommen 
zu  werben  und  Schaden  zu  warnen.  Infolge  dessen  sollten 
dem  Herzoge  alle  ihre  Schlösser,  nämlich  Wildensteiu, 
Tollenstein,  Grafenstein,  zu  allen  seinen  Nöthen  und  Kriegen 
wieder  raänniglich,  nur  nicht  gegen  die  Krone  Böhmen 
und  Jahn  von  Wartenberg  (Albrechts  Schwager),  geöffnet 
und  vmterthänig  sein;  der  Herzog  dagegen  solle  sie  und 
die  Ihrigen  schützen.  Dieser  Vertrag  sollte  auf  20  Jahre 
Gültigkeit  haben,  es  sei  denn,  dass  inzwischen  „ein  König 
von  Böhmen  sein  würde,  der  die  Krone  mächtiglich  inne 
hätte";   in   diesem   Falle    solle   die  Verschreibung  hinfällig 


«')  N.  Script,  rer.  lus.  I,  67. 

")  Hauptst.-Arcli.  Orig.  6928,  abgedruckt  in  den  Aufzeichnungen 
über  die  erloschenen  Linien  der  P'amilie  Dohna  ^Berlin  1876).  11,225. 


Die  Beika  von  der  Duba  auf  Hohnstein  etc.  213 

werden,  doch  erst  nach  lialbj ähriger  Kündigung.  —  So 
hatte  also  die  eigne  Gefalir  Albrecht  Birke  jetzt  genöthigt, 
sich  unter  den  Schutz  Kursachsens  zu  stellen  und  dciu 
Kurfürsten  freiwillig  dieselbe  Burg  Wildenstein  „zu  Dien- 
sien'' zw  stellen,  von  welchem  seit  30  Jahren  die  meissnischen 
Fürsten  so  oft  waren  befehdet  worden.  Kursachsen  aber 
gCAvann  hierdurch  bei  den  immer  drohender  werdenden 
Verwicklungen  mit  Böhmen  und  dessen  jetzigem  Guber- 
nator  Georg  von  Podiebrad  eiiien  ehemaligen  Gegner  zum 
Bundesgenossen  und  Schützling  und  eine  Anzahl  fester 
Schlösser  an  der  Grenze  zum  Schutze  des  eignen  Landes. 

Im  Jahre  1450  brach  bekanntlich  der  offene  Krieg 
zwischen  Kursachsen  und  Böhmen  aus.  Wohl  eben  des- 
halb vermochte  letzteres  die  Schlösser  seiner  Schutz- 
befohlenen nicht  völlig  gegen  die  Gefahren  zu  vertheidigen, 
w^elche  diese  allerdings  selbst  gegen  sich  heraufbeschworen 
hatten. 

Schon  längst  hatten  Albrecht  Birke  und  sein  Schwieger- 
vater Wentsch  von  Dohna  neue  Händel  mit  den  Sechs- 
städten begonnen.  1448  wurde  von  letzteren  der  Grafen- 
stein belagert  und  beschossen;  diesmal  noch  vergeblich. 
Ergrimmt  vereinigten  daher  1449  Wentsch  imd  Albreclit 
alle  ihre  Vasallen  und  Freunde  zu  einem  allgemeinen 
Bunde  gegen  die  Städte,  Hessen  v<»n  ihren  Burgen  aus 
Raubzüge  in  deren  Land  machen  „und  wollten  es  doch 
nicht  gethan  haben";  ja  sie  schlössen  sogar  mit  Jahn  von 
Wartenberg,  dem  Ketzer  und  alten  Feinde  der  Sechsstädte, 
ein  förmliches  Bündnis.  Da  zogen  1450  Adel  und  Städte 
gemeinschaftlich  ein  zweites  Mal  vor  den  Grafenstein. 
Nach  dreiwöchiger  Belagerung  musste  nicht  bloss  Wentsch, 
sondern  auch  Albrecht  geloben,  „sich  mit  ihren  offenen 
Schlössern  nach  Land  und  Städten  der  Oberlausitz  gegen 
alle  ihre  Feinde  richten  zu  wollen."  '")  Schou  damals 
soll  auch  der  Tollenstein  ebenfalls  belagert  worden  sein.'") 
Jedenfalls  war  jetzt  die  Macht  beider  Herren  auf  lange 
hinaus    gebrochen    und    ihre   Geldmittel    völlig    erschöpft. 

Dies  war  denn  wohl  auch  der  Grund,  weshalb  sich 
Albrecht  Birke  1451  veranlasst  sah,  seine  Herrschaft 
Wildenstein  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen  mittels  orl)- 
lichen  Freimarktes  abzutreten.    Am  6.  April  hatte  Heinrich 


")  Vergl.  von  Webers   Archiv    für   die    sächsisclie   Gescliichtc. 
N.  F.  I,  241  fgg.     Oberl.  Urk.-Verz.  II,  65g,  h.     Görl.  Rathsrechn. 
")  Pescheck,  Cxcschichte  von  Zittau  II,  9U8. 


214  Hermann  Knothe: 

von  Bünau,  der  säclisische  Vogt  auf  Holmstein,  mit  Albrecht 
eine  Zusammenkunft  zu  Neustadt  bei  Stolpen,  auf  welcher 
das  Tauschgeschäft  zum  Abschluss  gebracht  ward.  Von 
beiden  Seiten  wurden  nach  den  Erbregistern  der  beider- 
seitigen Güter  vor  allem  die  trocknen  Zinsen  der  aus- 
zutauschenden Glebiete  genau  berechnet  und  ,,je  ein  Schock 
Geldes  gegen  das  andre  gleich  angeschlagen,  gegeben  und 
genommen",  wobei  sich  ergab,  dass  Albrecht  die  Summe 
von  750  Schock  58  böhmischen  Groschen  und  2  Pfennigen 
noch  bar  ausgezahlt  zu  bekommen  hatte.  So  stellte  denn 
Albrecht  1451  die  Abtretungsurkunde  über  Wildenstein 
mit  genauer  Aufzählung  aller  seiner  Zubehörungen  aus. 
Diese  von  Gautsch  (Aelteste  Geschichte  der  sächsischen 
Schweiz.  1880.  S.  107  fg.  nach  Hauptst.-Arch.  Loc.  9923 
„Die  beyden  Schlösser  Wilden-  und  Hohenstein  etc."  Bl.  4) 
abgedruckte  Urkunde  ist  nicht  das  Original''^),  sondern 
nur  eine  gleichzeitige  Kopie.  vSie  enthält  ohne  jedes 
Datum  nur  den  einen  Theil  des  Tauschvertrags,  nämlich 
die  von  Albrecht  an  Sachsen  abzutretenden  Güter,  und 
schliesst  in  der  That  mit  einem  „etc.".  Aber  die  von 
Sachsen  an  Albrecht  abgetretenen  Besitzungen  lernen  wir 
aus  Blatt  15b  und  16  jenes  Aktenstückes  kennen.  „Item 
dese  nachgeschrebene  guter  und  manschaft  hat  unser 
gnediger  Herre  von  Sachsen  Eni  Albrecht  yn  dem  frey- 
margte  obergeantwert."  Es  sind  dies  zuerst  folgende 
Vasallen:  Jancko,  Siegmund  und  Heinrich  Knobelaucli 
auf  Warnsdorf  und  auf  Schönau  (westlich  von  Schluckenau), 
Siegmund  und  Nickel  Knobelauch  zu  Nixdorf  („Nickils- 
torff"),  Christoffel,  Heinrich  und  Albrecht  Luttitz  auf  Rosen- 
liain  (nördlich  von  Schluckenau)  und  auf  Schirgiswalde 
(„Scheringeswaldc") ,  Hannus  und  Thamme  Luttitz  auf 
Antheil  („die  Helffte")  Königswalde  (östl.  von  Schluckenau) 
und  Antheil  Georgswalde  („Gerigiswalde"),  ChristofFel  von 
Hermsdorf  auf  Rumburg  („Ronneberg")  und  Seiflienners- 
dorf  böhmischen  Antheils  („Heynirstorf");  ferner  „das  Städt- 
chen Schluckenau  die  Hälfte",  das  Dorf  Kaiserswalde 
(westlich  von  Schluckenau)  die  Hälfte,  die  Dörfer  Zeidler, 
Nixdorf,  Wolmsdorf  („Willemesdorff"),  endlich  der  Sprem- 
berger  Wald  „oberhalb  Schluckenau";  der  Nixdorfer  „ober- 


")  Gautsch  sagt  zwar  iu  der  Anmerkung  daselbst,  ,,das  Original 
sei  auch  vorhanden".  Doch  haben  wir  dasselbe  trotz  aller  an- 
gewendeten Mühe  nicht  aufzufinden  vermocht,  da  Gautsch  so  gut  wie 
nie  für  seine  Angaben  genaue  Citate  anführt. 


Die  Bei'ka  von  der  Duba  auf  Hohusteiu  etc.  215 

halb  Sebnitz  die  Hälfte",  „der  Persk"  (?)  die  Hälfte  und 
„der  Poczin"  oberhalb  Schluekenau  ganz. 

Diesen  Antheil  der  Herrschaft  ToUenstein-Schluckemm 
also  trat  1451  der  Kurfürst  von  Sachsen  gegen  Wilden- 
stein an  Älhrecht  Birke  ab.  Er  kann  ihn  von  niemand 
sonst  als  von  Hinko  III.  auf  Hohnstein  erworben  haben. 
Es  rauss  dies  also  jener  Antheil  gewesen  sein,  welcher 
1410  bei  der  brüderlichen  Theilung  (oben  S.  200)  der 
Hohnsteiner  Linie  zugewiesen  worden  war.  Wann  der- 
selbe von  Hinko  III.  an  Kursachsen  überlassen  \\urde, 
wissen  wir  nicht.  Eine  Urkunde  darüber  ist  nicht  zu 
finden  gewesen.  Gewiss  war  eine  solche  ausgestellt,  aber 
jetzt  bei  dem  Freimarkte  von  1451  an  den  neuen  Inhaber, 
Albrecht  Birke,  ausgeantwortet  worden.  Jedenfalls  dürfte 
bisher  niemand  davon  Kunde  gehabt  haben,  dass  den 
sächsischen  Fürsten  schon  von  etwa  1443 — 1451  ein  Theil 
der  Herrschaft  Tollenstein  gehört  hat.  Diesen  Antheil 
vereinigte  jetzt  also  Albrecht  mit  dem  der  Wildensteiner 
Linie,  den  er  schon  besass,  und  erlangte,  wie  oben  (S.  200) 
erwähnt,  1457  auch  noch  den  der  Kreibitzer  Linie  infolge 
des  jedenfalls  unbeerbten  Todes  Johann  Berkas  hinzu. 
Die  Verwaltung  der  nunmehr  säclisischen  Herrschaft 
Wildenstein")  aber  wurde  dem  Vogte  oder  Amtmann  von 
1  lohnstein  mit  übertragen.  Sie  bildete  fortan  im  wesent- 
lichen „das  Hinteramt  Hohnstein".  Kursachsen  hatte  mit 
ihr  ein  neues  böhmisches  Lehn  erworben,  welches  ihm 
1459  im  Egerschen  Vertrage  bestätigt  wurde,  und  hatte 
imu  seine  jetzigen  und  natürlichen  Grenzen  gegen  Böhmen 
auf  dem  rechten  Eibufer  erlangt.  Das  geiahrliche  Schloss 
Wildenstein  wurde  wohl  alsbald  abgebrochen.  Ruhig  und 
sicher  konnten  von  nun  an  die  Fuhrleute  von  Schandau 
aus  ihre  Frachtgüter  nach  Sebnitz  oder  nach  Neustadt 
bei  Stolpen  weiter  führen.  — 

Bevor  wir  das  Walten  Albrecht  Birkes  von  der  Duba 
auf  der  von  seinen  alten  Familiengütern  ihm  allein  ver- 
liliebcnen   Herrschaft   Tollensiein- Schluekenau  weiter   ver- 


'»)  Ucbcr  die  in  ihren  Urspi-ünRen  jedenfalls  in  die  Zeiten  der 
Berka  von  der  Duba  zurückreichenden  Verhältnisse  der  zugehörigen 
Erhunterthanen  vergl.  ausser  dem  l)ereits  oben  (Seite  208,  Annicrk.) 
Angeführten  Hasche,  Magaz.  der  sächs.  (ieschichte  IV,  und  zwar  in 
hetrefl'  der  Stadt  Sebnitz  S.  100,  Gerichte,  Dienste  etc.,  desgleichen 
Götzinger,  Hohnstein  Beil.  107,  in  betreff  der  Pfarrei  daselbst 
Hasche  IV,  131,  Götzinger,  Beil.  52. 


216  Hermann  Knothe: 

folgen,  müssen  wir  nocli  einen  kurzen  Rückblick  auf  die 
frühere  Geschichte  derselben  werfen. 

Sie  setzte  sich  in  der  That  aus  zwei  ganz  verschie- 
denen Bestandtheilen  zusammen,  einem  südlicheren  mit  der 
.Burg  Tollenstein  und  einem  nördlicheren  init  dem  Städt- 
chen Schluckenau  als  Mittelpunkten.  Jener  gehörte  von 
jeher  zum  Königreiche  Böhmen,  dieser  ursprünglich  zu 
der  Markgrafschaft  Meissen  und  zwar  jedenfalls  zu  dem 
einstigen  Gau  Nisani.  Denn  während  in  kirchlicher  Be- 
ziehung Tollenstein  mit  seinen  damaligen  drei  Kircliorten, 
Rumburg,  Schönlinde  und  Warnsdorf,  stets  und  nachweis- 
lich seit  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  unter  dem  (Erz-)  Bis- 
thum  Prag  und  zwar  unter  dem  Dekanat  Zittau  stand,  so 
waren  Schluckenau  und  die  übrigen  Kirchorte,  Lobendau, 
Schönau,  Hainsbach,  Georgswalde,  Schirgiswalde,  zufolge 
der  Meissner  Kirchenmatrikel  von  1495'^)  unter  das  Bis- 
thum  Meissen  und  zwar  merkwürdigerweise  unter  ganz 
verschiedene  erzpriesterliche  Stühle  gestellt.  Wahrschein- 
lich war  dieser  Theil  des  Gaues  Nisani  ebenso  wie  die 
damalige  Oberlausitz  1086  an  Wiprecht  von  Groitsch  und 
nach  dem  Tode  von  dessen  Sohn  Heinrich  1135  wieder  an 
Böhmen  zurückgelangt  '*),  bei  welchem  es  seitdem  ver- 
blieb, während  die  Oberlausitz  aufs  neue  an  Meissen  ge- 
geben wurde.  Wann  und  wie  darauf  dieses  nördlichere 
Waldgebiet  mit  den  zu  der  Burg  Tollenstein  gehörigen 
Ländereien  vereinigt  Avorden  sei,  wissen  wir  nicht. 

Durch  diese  so  gebildete  grosse  und  ursprüng- 
lich gewiss  nur  wenig  angebaute  Herrschaft  Tollenstein- 
Schluckenau  führten  seit  ältester  Zeit  zwei  wichtige 
Handelsstrassen  aus  der  Oberlausitz  nach  Böhmen,  die 
eine  von  Bautzen  südlich  auf  Prag,  die  andere  von  Zittau 
westlich  auf  Tetschcn  zu  nach  der  Elbe.  Beide  Avurden 
beherrscht  von  der  alten,  auf  steilem  Bergkegel  gelegenen 
Steinl)urg  Tollenstein.  Kein  Wimder,  dass  die  Besitzer 
derselben  von  frühester  Zeit  an  gerade  mit  den  beiden 
genannten  oberlausitzischen  Städten  in  nachbarliche  Händel 
geriethen. 

„MCCCXXXni  iar  czoch  dese  stat  [Zittau]  vz  mit 


")  Vergl.  Knothe,  Untersuchungen  über  die  Meissner  Bisthunis- 
matrikel,  im  N.  Laus.  Magaz.  1880.  286. 

'*)  Vergl.  Knothe,  Die  politischen  Beziehungen  zwischen  der 
Oberlausitz  und  Meissen,  in  von  Webers  Archiv  für  die  sächsische 
Geschichte  XII,  280  fgg. 


Die  ßerka  von  der  Duba  auf  Hohnstein  etc.  217 

andern  steten  vnd  geAvunnen  das  Hus  Tolensteyn^^  '^). 
Dies  die  älteste  urkundliche  Erwäluiung  der  Burg.  Wem 
dieselbe  damals  gehörte,  erfahren  wir  nicht.  Es  ist  eine 
irrige  Ansicht,  dass  die  ältesten  urkundlich  genannten 
Besitzer  derselben  die  Berka  von  der  Duba  gewesen  seien. 
An  einer  Menge  rein  erfundener  Namen  fehlt  es  den  Lokal- 
historikcrn  freilich  nicht.")  Vielmehr  hatten  mindestens 
seit  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  die  Waj^tenherge  und  zwar 
diejenige  Linie^  welche  auf  den  alten  Stammgütern  der 
Familie,  nämlich  Wartenberg,  Roll,  Dewin  sass,  auch  die 
Burg  Tollenstein  und  mehrere  von  den  zugehörigen  Ort- 
schaften inne.  1361  und  wieder  1367'^)  präsentierte 
Wanco  (yVenzel)  von  Wartenberg,  Obermundschenk  von 
Böhmen,  Geistliche  zur  Pfarrei  in  Schönlinde  ebenso, 
wie  er  die  Pfarrstellen  zu  Wartenberg,  Oschitz,  Schwabitz, 
Brenn,  Vogtsdorf  etc.  besetzte.  Ihm  folgten  (1309)  seine 
Söhne  Johann,  Burggraf  von  Prag,  Wenzel,  Peter,  Wil- 
helm „und  andere"  "*)  und  präsentierten  z.  B.  1370  nach 
Schönlinde  (diesmal  gemeinschaftlich  mit  ^A^ilhelm  Hase 
von  Hasenberg\  1390  nach  Warnsdorf.  *")  1397  wird  der 
älteste  Bruder  sogar  „Johannes  de  Rumburg  alias  de 
Wartenberg",  1396  der  zweite  Bruder  „Wenceslaus'  de 
Wartenberg  dominus  in  Tolstein"  genannt.*') 

Und  dennoch  gehörte  gleichzeitig  ein  Theil  der  Herr- 
schaft bereits  den  Berka  von  der  Duba  und  zwar  der  auf 
Hohnstein  gesessenen  Linie.  1359  *"■')  präsentierte  „^en- 
ricxs  dictus  Berca  de  Duba"  einen  neuen  Pfarrer  nach 
Holan,  weil  der  bisherige,  Johannes,  die  Pfarrei  zu 
Schluckenau  erhalten  hatte,  wohin  derselbe  wohl  von 
Heinrich  Berka  berufen  worden  war.  1370  besetzte  das 
Pfarramt  zu  Rumburg  „Henricus  dictus  Berca  de  Dul)a", 
der  1390  bei  gleicher  Veranlassung  noch  deutlicher  als 
„dominus  in  llonstein  et  in  Lippa"  bezeichnet  wird.*') 
Seit  Anfang  des  1.5.  Jahrhunderts  verschwinden  die  Warten- 
berge  gänzlich    aus    der   Herrschaft  Tollenstein    und    die 


")  N.  Script,  rer.  Ins.  I,  7. 

")  Z.  13.  Franz  Bürckhoklt,  Der  Tollenstein    (1867). 
")  Tingl,  Lib.  confirm.  I,  115.     Emier,  Lib.  conf.  III,  87. 
'•)  Tingl  V,   177. 
»")  Ebend.  II,  .SO.  V,  3.3. 
")  Ebend.  V,  292.  256. 
»^)  Ebend.  I,  90. 

")  Ebend.  II,  27.  V,  2.     Im  Jahre  1368  war  noch  Opeczco  von 
Napticz  Patron  daselbst  gewesen.    I,  26. 


218  Hermann  Knothe: 

Berka  auf  Holinstein  crsclieinen  nicht  bloss  in  Ruraburg 
als  Patrone  (z.  ß.  1408  ^*),  sondern  auch  zu  Warnsdorf 
(1404)  und  Schönlinde  (1404,  1407  etc.),  und  1405  (11.  Aug.) 
belohnte  „Heinrich  Berka  von  Hohnstein"  die  Gebrüder 
Benedikt  und  Wenzel  von  Yba  (Eibau)  mit  dem  Gerichte 
zu  Seifhennersdorf.*^)  Es  wäre  denkbar,  dass  die  Bei'ka 
einzelne  Güter  in  ihrer  Herrschaft  Tollenstein  an  die  von 
Wartenberg  verpfändet  und  um  Anfang  des  Jahrhunderts 
wieder  von  ihnen  eingelöst  hätten. 

So  werden  es  wohl  auch  die  Berka  gewesen  sein, 
welche  ihrer  Stadt  Rumburg  einen  Salzmarkt  ausgewirkt 
hatten,  der  den  oberlausitzischen  Städten,  namentlich  Gör- 
litz, grossen  Verdruss  verursachte,  so  dass  deshalb  (1390) 
nicht  nur  Tage  zu  Löbau  abgehalten,  sondern  auch  Ab- 
gesandte von  Görlitz  an  ihren  damaligen  Erbherrn,  Herzog 
Johann  von  Görlitz,  und  auch  nach  Rumburg  gesendet 
wurden.  Erst  1418  wurde  dieser  Salzraarkt  von  König 
AVenzel  wieder  verboten.***) 

Wie  wir  bereits  oben  (S.  200)  erwähnt,  wurde  nun 
1410  nach  Hinkos  IL  auf  Hohnstein  Tode  die  gesammte 
Herrschaft  Tollenstein-Schluckenau  unter  dessen  drei  über- 
lebende Söhne,  Hinlo  III.  auf  Hohnstein,  Heinrich  auf 
Wilden  stein  und  Johann  auf  Kreibitz  vertheilt.  Den 
Hohnsteiner  Antheil  halben  wir  S.  216  specificiert;  Johann 
besass  (S.  200)  Antheil  von  Warnsdorf  und  Seifhenners- 
dorf,  alles  übrige  wird  der  Wildensteiner  Linie  angehört 
haben.  Die  Burg;  Tollenstein  scheinen  alle  drei  Linien 
gemeinschaftlich  besessen  zu  haben.  Darum  konnte  sich 
Johann  auf  Kreibitz  schon  1422  und  später  bis  1453 
„dominus  in  Tolnstein"  nennen,  ebenso  wie  Hinko  HL  von 
Holmstein  1430*'),  wo  er  dem  Pfarrer  zu  Ottendorf  zwei 
Mark  Zins  auf  Kunnersdorf  wiederkäuflich  überliess,  „Herr 
zum  Hohnstein  und  Tollenstein"  hiess  und  ebenso  Albrecht 
aus  der  Wildensteiner  Linie  1±44  und  später  ^Seite  211) 
als  „zu  Tollenstein"  oder  als  „Herr  zu  Wildenstein  und 
Tollenstein"  bezeichnet  wird.  Da  vor  1444  kein  Berka 
ständig   auf  der  Burg  wohnte,    war   sie  wohl   immer   der 


'*)  Bai  bin,  Mise.  V,  302. 

*')  Böhm.  Kronarchiv  zu  Prag,  Kep.  207.  Vergl.  Uberlausitzer 
Urk.-Verz.  I,  158  No.  791. 

*')  Görlitzer  Rathsreihnungen.  llalhvich,  Keichenberg  (1872). 
S.  .33.     Carpzov,  Anal.  If,  147. 

")  Hauptst.-Arch.  Orig.  6157. 


Die  Berka  von  der  Duba  auf  lloliiistoin  etc.  219 

Obhut  eines  Hauptmanns  übergeben.  1408^^)  war  dies, 
wie  es  scheint,  Johann  von  Luttitz  auf  Schirgiswalde ; 
1423  bat  der  dasige  Hauptmann  die  Oberlau.sitzer  in 
Löbau  um  Hilfe  gegen  die  Hussiten;  1428  wird  ein  ge- 
wisser Miklisch  ausdrücklich  als  Hauptmann  zum  Tollen- 
stein bezeichnet,  der  bei  einem  Vergleich  zwischen  Bres- 
lau und  einem  gewissen  „Langeheinze"  erwähnt  wird/^) 
1445  hatte  ein  ..Herr  Ambrosius  Burcsarius  (?)  von  Dobri- 
lug,  als  er  auf  dem  Tollenstein  selb  viert  gefangen  sass, 
dasselbe  Schloss  gewonnen  und  das  Vorhaus  verbrannt" 
und   war    darauf   glücklich    nach    Görlitz    entkommen.'*") 

Auch  auf  Burg  Tollenstein  sollte  Herr  A^hrecht  Birke 
nicht  zur  Ruhe  kommen.  Seit  seine  Frau  gestorben  war"'), 
scheinen  sich  die  Beziehungen  zu  seinem  Schwiegervater 
Wentsch  von  Dohna  gelockert  zu  haben.  Zwar  klagten 
noch  1450  die  Biberstein  auf  Fricdland  in  Bautzen,  dass 
ihnen  von  Herrn  Wentsch  und  Herrn  Albrecht  die  Ver- 
träge von  1444  (Seite  211)  nicht  gehalten  Avürden*^);  aber 
schon  1452  beschwerte  sich  Wentsch  vor  dem  Administrator 
Böhmens,  Georg  Podiebrad,  dass  sein  Schwiegersohn  es 
mit  den  Zittauern,  seinen  Feinden,  halte.  „Und  er  Albrecht 
Birgke  von  dem  Tholinstein,  der  hat  syne  helffer  bie  den 
von  der  Zittaw;  darum  ich  nicht  anders  verstehe,  dann 
das  is  sein  getrib  sey.""') 

Ebenso  erhoben  sich  alsbald  allerhand  neue  Differenzen 
mit  dem  Kurfürsten  von  Sachsen.  Albrecht  beanspruchte 
trotz  der  Abtretung  der  Herrschaft  Wildenstein  noch  immer 
Zinsen  von  jetzt  sächsisch  gewordenen  Dörfern,  ja  ganze 
Waldungen,  „etwa  eine  Meile  breit  von  der  Zeidlcrbach 
Ijis  an  die  Weissbach".  Desgleichen  hatten  seine  el»e- 
maligen  Erbunterthanen  noch  viele,  sehr  berechtigte  An- 
sprüche an  ihn,  wegen  deren  sie  jetzt  bei  dem  Kurfürsten, 
als  ihrem  neuen  Erbherrn,  gegen  Albrecht  Klage  erhoben. 
Die  Mannen  verlangten  Entschädigung  wegen  Pferden,  die 
sie  in  Albrechts  Dienst  verloren,  wegen  Bürgschaft,  die 
sie   für  ihn  geleistet,   und  Erstattung  der  (Felder,   die  sie 


»«)  Balbiii,  Mise.  V,  302. 

")  Scultetus,  Aiinales  Gorlic.  Mspt.  II,  81  b. 

•")  Görl.  Rathsrcchnungen. 

•')  Sie  liegt  in  der  Klosterkirclio  /ii  Zittau  licgrabcii.  liir 
Leicheiistein  besagt;  ,,Aniin  doniini  1  I  l'.i  (il)iit  limicsta  doiiiina  Anna, 
filia  Venczli  de  Doniii,  uxor  domini  All».  deDuiia."  Morawek,  ZittuviaSO. 

")  Laus.  Mag.  1776.    182. 

")  Palacky,  ürknndl.  Beiträge  54. 


220  Hermann  Knothe: 

ihm  geliehen.  Die  Bürger  von  Sebnitz  und  Leute  vom 
Lande  verlangten  Bezahlung  für  an  Albrocht  geliefertes 
Heu,  Bier,  Hopfen.  Der  sächsische  Amtmann  auf  Hohn- 
stein und  Wildenstein,  Hans  Kannenberger,  an  den  sie 
sich  zunächst  mit  ihren  Klagen  wendeten,  schrieb  wieder- 
holt deslialb  an  Albrecht  und  hatte  Tage  mit  ihm;  aber 
derselbe  zahlte  nicht.  Dafür  beklagte  sich  Albrecht  beim 
Kurfürst  über  Kannenberger  „wegen  grosser  Gedrängnis 
und  merklicher  Ueberfahrung".  So  setzte  ihm  der  Kur- 
fürst einen  Tag  an.  Allein  die  Ladung  traf  ihn  nicht 
daheim,  da  er  eben  in  Prag  auch  hatte  „vor  Rechte  stehen 
müssen  und  grosse  Nothgeschäfte  hatte".  So  wurde  ihm 
(1456)  ein  neuer  Tag  nach  Radeberg  angesetzt®^),  mit 
welchem  Erfolg,  ist  uns  unbekannt.  —  Wohl  infolge  dieser 
Differenzen  hatte  Albrecht  schon  den  20.  Januar  1454 
dem  Kurfürsten  jenen  Vertrag  von  1446  (S.  212),  wo- 
nach der  Tollenstein  dessen  offenes  Schloss  sein  sollte, 
aufgesagt.'*) 

Die  ernstesten  Gefahren  aber  beschwor  Albrecht  selbst 
in  Prag  gegen  sich  herauf.  Nach  dem  plötzlichen  Tode 
des  jungen  Königs  Ladislaus  (1458)  war  der  bisherige 
Gubernator  Böhmens,  Georg  Podiebrad,  zum  Könige  er- 
wählt worden.  In  klugem  Ento-egenkommen  hatte  sich 
derselbe  nicht  nur  mit  seinen  bisherigen  Gegnern,  dem 
Kurfürsten  Friedrich  von  Sachsen  und  dessen  Bruder 
Wilhelm,  desgleichen  mit  dem  Kurfürsten  von  Branden- 
burg, ja  mit  Kaiser  Friedrich  III.  ausgesöhnt  und  sogar 
die  Anerkennung  von  Seiten  Papst  Pius  II.  erlangt.  Selbst 
die  katholischen  Herren  in  Böhmen  hielten  jetzt  ehrlich 
zu  ihm.  Da  fachte  das  masslose  Verhalten  des  ursprünglich 
königlichen  Prokurators,  jetzt  päpstlichen  Bevollmächtigten 
Fantinus  de  Valle  auf  einem  Iloftage  zu  Prag  und  die 
darauf  folgende  Gefangennehmung  desselben  (August  1462) 
den  Kampf  zwischen  der  Kompaktatenpartei  in  Böhmen 
und  der  Curie  aufs  neue  an. 

Wohl  als  einer  der  ersten  unter  den  böhmischen 
Baronen  fiel  jetzt  Alhrecht  Birke,  der  alte  Hussitenfeind, 
sofort  von  König  Georg  ab  und  sendete  Briefe  mit  Schmäh- 
ungen auf  ihn,  als  einen  Ketzer,  an  „Fürsten,  Herren  und 
Städte  der  Krone  Böhmen",  ja  an  den  König  selbst.     Auch 


'*)  Nach  Üriginalbriefen,  Berichten,  Konzepten  im  Hauptst.-Arch. 
Orig.  751  (). 

»»)  Ebend.,  Witt.  A.  Böhm.  S.  Grafen  und  Herren  Bl.  77. 


i>ie  Berka  von  der  I)uba  aut'  Hohnstein  etc.  i>2l 

an  die  Sechsstädte  der  Oberlausitz  muss  er  deren  geschickt 
haben;  denn  den  21.  August  14G2  erliess  König  Georg 
ein  (zweites)  Schreiben  an  dieselben  des  Inlialts,  dass  sie 
nicht  nur  Albrecht  und  den  Seinen  keinen  Beistand  leisten, 
sondern  wenn  man  ihrer  habhaft  würde,  sie  zu  des  Königs 
Händen  gefangen  nehmen  sollten.®'')  Als  Albrecht  hierauf 
nach  Prag  vor  das  Hofgericht  geladen  wurde,  leistete  er 
der  Citation  keine  Folge,  sondern  rüstete  sich  zur  Gegen- 
wehr. Da  beschloss  denn  auch  der  König,  gegen  den 
widersetzlichen  Vasallen  mit  Waffengewalt  vorzugehen. 
Den  29.  Juni  1463"')  erliess  er  an  den  Rath  zu  Görlitz 
(und  gewiss  ebenso  an  die  übrigen  Sechsstädte)  den  Be- 
fehl: —  „so  der  edel  Jan  von  Wartenberg,  unser  voit  der 
sechstete  —  euch  von  unsern  wegen  schreiben,  tac:,  stat 
und  zeit  benennen  wirt,  das  ir  denn  mit  puchsen,  pleiden, 
wagen,  zugehorimgeu  und  etlich  den  ewern  im  unvorzihen 
zuzihet,  solch  sloss  Tolstdn  umbiegern  helffet  etc."  Dem 
Befehle  folgte  die  Ausführung  auf  dem  Fusse.  Schon  den 
2.  [?]  Juli"*)  begann  der  Landvogt  mit  oberlausitzischen 
Truppen  und  mit  Unterstützung  von  Heinrich  Birke  auf 
Leipa  die  Belagerung  der  Burg.  Nach  kurzem  Wider- 
stände wurde  sie  genommen  und  zunächst  mit  oberlausitzi- 
scher  Besatzung  belegt.  Albrecht  selbst  scheint  entkommen 
zu  sein.  Er  flüchtete  nach  Breslau,  welches  bekanntlich 
dem  König  Georg  nie  gehuldigt  hatte,  und  jetzt  von  dem 
Erzbischof  Hieronymus  Landus,  als  päpstlichem  Legaten; 
in  dem  Widerstände  gegen  denselben  bestärkt  ward. 

In  des  Legaten  Interesse  aber  lag  es  nun,  Alhrcc/it 
Birke  lediglich  als  einen  Märtyrer  seiner  katholischen 
Glaubenstreue  darzustellen  und  Himmel  und  Erde  in  Be- 
wegung zu  setzen,  um  denselben  wieder  zum  Besitze 
seiner    ihm   wider    alles  Recht  entrissenen  Herrschaft   zu 


••)  Obeilaus.  Urk.-Samml.,  Msjit. :  -Jörg  —  kojut?  zcu  Bubiiii. 
f]rsanien,  lieben,  getruwen.  Nachdem  wir  ucli  vormals  geschribeii 
liaben,  wie  gröblich  viul  vast  vngeborlich  wi(h'r  gliiluh;  vnil  cyiU' 
sich  All)recht  Birke  wider  vns  viid  viiser  krön  geseczi  hat,  —  hat 
er  darüber  itzunt  vns  viid  vnser  königlichen  wirde  /cii  smechuiig 
etlichen  vnser  vnd  vnser  cronen  fursten,  hern  vnnd  steten  vnd  — 
nch  auch  l)rive  zcugesant,  die  vnser  ere  vnnd  wirdc  iriclit  wenig 
bernren.  —  So  begeren  wir  an  mh,  —  das  yv  demselben  Allin'(bt<'ii 
noch  den  sinen  keine  hulf  nach  biestant  thut,  huset  adir  luitit,  — 
sunder  wo  ir  yn  adir  die  sinen  bi  uch  ankommt,  zcu  vnsern  lianden 
vffhaldet.     1462.  Prag,  Sonnal).  nach  St.  Ludwigstag 

•')  Palac  ky,  Urk.  Beitr.  .".09. 

"*)  Script,  rer.  Siles.  IX,  10. 


222  Hermann  Kiiotiie! 

bringen.  Sofort  schrieb  er  —  niclit  etwa  an  den  Laud- 
vogt  Jahn  von  Wartenberg,  als  einen  Beamten  des  Ketzer- 
königs Georg,  sondern  an  die  gut  kathohsch  gesinnte 
Ritterschaft  und  Bürgerschaft  von  Bautzen  und  fragte  an, 
auf  wessen  Geheiss  denn  Albrechts  Schloss  „durch  etlich 
Volk  belegt*'  worden  sei.  Ihm  antwortete  am  14.  Juli  1463  ®^) 
der  Landvogt  selbst,  die  Belagerung  sei  erfolgt  auf  Gebot 
des  Königs;  denn  es  sei  landrüchtig,  wie  derselbe  Herr 
Albrecht  rechtsflüchtig  worden  sei  der  Krone  Böhmen 
und  aus  allem  Gehorsam  getreten  um  seiner  grossen  Ge- 
walt und  Unrechts  willen,  das  er  an  manchem  Manne, 
besonders  auch  an  seinen  eignen  Unterthanen  begangen, 
indem  er  Witwen  und  Waisen  gefangen  habe,  die  noch 
über  ihn  schrien,  desgleichen  wegen  Treulosigkeit  und 
Meineid  gegen  seinen  Erbherrn,  den  König.  Wenn 
Albrecht  bei  dem  Legaten  vorgebe,  wie  er  von  dem  hei- 
ligen Glauben  der  römischen  Kirche  gedrungen  werde, 
und  wenn  der  Legat  schreibe,  dass  derselbe  gar  ein 
frommer  und  gehorsamer  Sohn  sei  des  heiligen  römischen 
Stuhles,  so  sei  dagegen  im  ganzen  Lande  bekannt,  dass 
er  ein  ungetreuer  Bösewicht  sei,  der  sich  aller  Redlich- 
keit entschlagen.  Der  Legat  möge  nur  in  Breslau  selbst 
nachfragen  und  werde  das  in  Wahrheit  also  erfinden. 
Darauf  antwortete  am  (20.  Juli  1463  '"")  der  Erzbischof  dem 
Landvogt,  Albreclit  sei  soeben  bei  ihm  gewesen,  habe  sich 
entschuldigt  und  sich  in  allen  Stücken  seinem,  als  eines 
apostolischen  Legaten,  Richterspruche  unterworfen.  Darum 
solle  auch  der  Landvogt  sich  aller  Gewaltmassregeln  gegen 
Albrecht  enthalten,  sonst  möge  er  der  Verhängung  geist- 
licher Strafen  gewärtig  sein.  Die  Taktik  des  Legaten 
ging  nämlich,  jetzt  und  später,  dahin,  den  Streit  zwischen 
Albrecht  Birke  und  dem  Könige  von  Böhmen  vor  das 
geistliche  Gericht  der  Curie  und  ihres  Legaten  zu  ziehen. 
Infolge  eines  Schreibens,  welches  der  Landvogt  in  dieser 
Angelegenheit  auch  an  den  Rath  zu  Breslau  gerichtet  und 
dieser  dem  Legaten  mitgetheilt  hatte,  schrieb  letzterer 
(18.  September  1463  *"')  noch  ein  zweites  Mal  an  den 
Landvogt:  Avenn  sich  derselbe  über  ehrenrührige  Aus- 
drücke Albrechts  beschwere,  so  habe  der  Legat  denselben 
vor  sich  kommen  lassevi  und  ihn  ermahnt,  sich  anständig 


»»)  Palacky,  Urk.  Beitr.  310  fg. 

""•)  Script,  rer.  Siles.  VIII,  250  nach  Escheuloer. 

«»')  Ebend.  IX,  14. 


J)ie  Berka  von  der  Puba  auf  Hohiistein  etc.  223 

zu  verhalten.  Dies  habe  Albrecht  versprochen  imd  ge- 
lobt, sich  dum  Ausspruche  des  Papstes  über  sein  Verhalten 
gegen  den  König  und  über  die  Entziehung  des  Tollensteins 
durch  den  König  unterwerfen  zu  wollen.  Darum  solle 
auch  der  Landvogt  nichts  Feindseliges  gegen  Albrecht 
unternehmen  und  ein  Gleiches  auch  dem  Könige  selbst 
ans  Herz  legen. 

Inzwischen  hatte  aber  der  Legat  über  das  Schicksal 
Albrerhts  bereits  auch  an  den  Papst  berichtet,  und  so 
klagte  dieser  am  2.  Oktober  1463  *°^)  dein  Kaiser  Friedrich, 
dass  König  Georg  den  Tollenstein  besetzt  halte,  weil  der 
Eigenthümer  desselben,  der  katholische  Baron  Albrecht 
Birke,  dem  Könige  die  Huldisfuno;  verweigert  habe,  die 
er  demselben,  als  einem  Ketzer,  zu  leisten  nicht  gehalten 
sei.  Und  auch  der  Rath  zu  Breslau  stellte  am  19.  Oktober 
1463  '"^)  dem  Papste  die  Sache  lediglich  so  dar,  Albrecht 
sei  „von  jenem  treulosen  Könige"  nur  deswegen  aus  seinen 
Erbgütern  hinausgeworfen  worden,  weil  er  ihm  den  IIul- 
digungseid  nicht  leisten  wolle.  So  sei  nun  Albrecht  in 
Breslau  der  Spott  des  Pöbels  geworden,  welcher  höhnisch 
rufe:  „Seht,  wie  Herr  Albrecht  von  dem  päpstlichen 
Legaten,  zu  welchem  er  seine  Zuflucht  genommen,  unter- 
stützt wird!" 

König  Georg  aber  liess  nun  im  Juni  (12?)  1464  '"^)  auf 
einem  Hoftage  zu  Prag  dem  Alhrecht  Birke  von  der 
Duba,  weil  er  sich  eigenAvillig  gegen  das  Landrecht  auf- 
gelehnt, Gegenwehr  gerüstet,  durch  unehrerbietige  und 
schändliche  Reden  und  Briefe  den  König  oime  (Irinul 
geschmäht  und  hierdurch  das  Verbreclien  laesae  majestafis 
begangen,  wie  dies  Rechtens  sei,  ToUeustein,  Sciiluckenau 
und  seine  übrigen  freien  oder  lehnhaften  (Jüter  förmlichst 
absprechen  und  sprach  dieselben  sofort  denjenigen  Herren 
zu,  welche  auf  Befehl  des  Königs  sich  der  Burg  Tollen- 
stein bemächtigt  hatten,  nändich  Heinrich  Jürke  von  der 
Dube  (auf  Leipa)  und  dem  Laiulvogt  J((hn  von  W'arten- 
herg  auf  Tetschen.  Sofort  aber  erklärte  dieser  Heinrich 
Birke,  dass  er  „all  sein  Recht,  das  er  infolge  dieser 
königlichen  Schenkung  an  den  Gütern  Tullenstein  und 
Schluckenau  nebst  Zubehör  tulangt  iiabe",  an  den  Laud- 
vogt  Jahn  von  Wartenberg  abtrete.'"*) 

'»»)  Palacky,  Urk.  Beitr.  .32.']. 

'"»)  Script,  rer.  Siles.  IX,  17. 

'»*)  Archiv  cesky  III,  351  lg. 

•»»)  Emier,  Keliq.  tab.  terr.  Boh.  II,  330. 


224  tiermanii  lüiotiie: 

Diessr  Heinrich  Birke  auf  Leipa  geliörte  nicht  jener 
Linie  der  Berka  auf  Hohnstein,  welche  (S  195)  Ende 
des  14.  Jahrhunderts  auch  Leipa  besessen  liatte,  sondern 
einer  Nebenlinie  der  Berka  auf  Duba  und  Husky  an,  von 
welcher  ein  Heinrich,  genannt  Dubsky,  zuerst  gegen  Ende 
des  14.  Jahrhunderts  die  Burg  Mühlstein  mit  Böhmisch- 
Zwickau  und  Reichstadt,  seit  etwa  1426  aber  auch  Leipa 
an  sich  gebracht  hatte.  Sein  Sohn,  der  hier  genannte 
Heinrich,  war  Hussit  und  hatte  die  Witwe  Siegmunds  von 
Wartenberg  (gestorben  1439),  Agnes  von  Sternberg,  die 
Mutter  des  jetzigen  Landvogts  der  Oberlausitz,  geheiratet.  *"*') 
Er  war  also  der  Stiefvater  von  Jahn  von  Wartenberg, 
hatte  als  solcher  denselben  bei  dem  Feldzuge  gegen  Tollen- 
stein unterstützt  und  trat  ihm  jetzt  das  dadurch  erworbene 
Anrecht  auf  die  Herrschaft  Tollenstein-Schluckenau  frei- 
willig ab. 

Gegen  die  Ueberlassung  dieser  Herrschaft  an  Jahn 
von  Wartenberg  durch  den  König  erfolgte  allerdings  (auf 
dem  Quatembergerichtstage  der  Barone  zu  Prag  1465  "*') 
noch  von  anderer  Seite  her  ein  Protest,  nämlich  von  Shinko 
Berlxa  von  der  Duba  auf  Lämherg  bei  Gabel,  welcher 
beantragte,  man  möge  zu  den  Akten  nehmen,  dass  er 
schon  früher  Ansprüche  auf  Tollenstein  und  Zubehör  er- 
hoben habe,  die  er  vor  Gericht  zu  erweisen  gern  bereit 
sei;  da  dies  aber  nicht  der  Wille  Seiner  Majestät  sei;  so 
müsse  er  als  Unterthan  warten  und  bitte  nur  darum,  sein 
Recht  wahren  zu  dürfen.  Und  in  der  That  hatte  derselbe 
Sbinko  schon  1460  (wohl  vielmehr  1464)  gegen  die 
Schenkung  des  Tollensteins  an  Jahn  von  Wartenberg  pro- 
testiert'"*) und  erklärt,  „dass  er  auf  diese  Güter  ein 
bessres  Recht  habe,  als  selbst  Albrecht  Birke  oder  irgend 
jemand  nach  ihm";  er  sei  bereit,  dies  vor  dem  Könige 
und  den  Baronen  zu  erweisen.  Auch  dieser  Sbinko  Berka 
Staramte  aus  der  Hauptlinie  Husky  und  zwar  von  einem 
jüngeren  Bruder  des  soeben  erwähnten  Heinrich  Dubsky 
auf  Mühlstein,  der  ebenfalls  Heinrich  hiess  und  Antheil 
von  Gabel  und  Lämberg  erworben  hatte  Worauf  sich 
aber  das  „bessre  Recht"  Spinkos  gründete,  wissen  wir 
nicht. 


'"")  Franz  Focke,  Aus  den  ältesten  Geschichtsgebieten  Deutsch- 
Böhmens    (1879)    I,  130. 

'"')  Archiv  cesky  I,  4-tO. 
»«»)  Emier,  Rcliq.  II,  330. 


Die  Berka  von  der  t)uba  auf  Hohnsteiu  etc.  225 

Der  neue  Inhaber  der  Herrschaft  Tollenstein-Schlucke- 
nau,  Herr  Johann  vou  Wartenberg  auf  Tetsclicn,  seit 
1459  Landvogt  der  Oberlausitz,  sollte  sich  dieses  seines 
Besitzthuuis  nicht  lange  erfreuen.  Er  starb  schon  den 
19.  November  1464  zu  Bautzen.  Seine  beiden  Söhne 
theilten  sich  in  die  väterlichen  Güter  dergestalt,  dass  der 
ältere,  Siegmund,  Oberschenk  von  Böhmen  luid  später 
(1490—  1504)  ebenfalls  Landvogt  der  Oberlausitz,  Tetschen, 
der  jüngere,  Christoph,  dagegen  Tollenstein  und  die  alten 
Stannngüter  der  Familie,  nämlich  Wartenherg,  Roll,  Deivin, 
die  seit  den  Hussitenkriegen  an  die  Tetschner  Linie  ge- 
langt waren,  erhielt.  Christoph  wohnte  auf  der  Burg 
Dewin;  sein  Hauptmann  auf  dem  ToUeustein  war  Christoph 
von  Hermsdorf,  Lehnsinhaber  von  Rumburg  und  deshalb 
gewöhnlich    als    „Christoph  von  Kumburg"   bezeichnet.  — 

Die  bald  darauf  erfolgende  Aenderung  in  den  kirch- 
lich-politischen Verhältnissen  Böhmens  und  seiner  Neben- 
länder sollte  auch  für  Tollenstein  verhängnisvoll  werden. 
Ende  1465  hatte  Papst  Paul  IL  die  Unterthauen  König- 
Georgs  des  demselben  geleisteten  Eides  entbunden,  da  er 
ein  Ketzer  sei.  1466  hatte  er  ihn  gebannt  und  aller  seiner 
Würden  entsetzt.  Der  katholische  Herrenbund,  an  der 
Spitze  Zdenko  von  Sternberg,  sagte  ihm  den  Gehorsam 
auf,  und  von  Breslau  aus  setzte  der  Bischof  Riulojph  von 
Lavant,  jetzt  päpstlicher  Legat  daselbst,  alles  in  Bewegung, 
um  auch  die  Nebenländer  der  Krone  Böhmen  zum  Abfall 
von  dem  Ketzerkönige  zu  bewegen.  Die  Androhung  von 
Bann  und  Interdikt  bestimmte  endlich  (1467)  auch  die 
Oberlausitz,  von  König  Georg  abzufallen.  Der  bisherige 
Landvogt  Benes  von  Kolowrat  (1464—67),  ohnehin  wegen 
allerhand  Gewaltthätigkeiten  allgemein  verhasst,  wurde 
auf  Anordnung  des  Legaten  Kudüli)h  abgesetzt  und 
(Pfingsten  1467)  Jaroslaus  von  Sternberg,  ein  Solu» 
Zdenkos,  als  einstweiliger  Landvogt  „aufgenommen". 

Unter  diesen  jetzt  entschieden  günstigeren  Verhält- 
nissen erneuerten  von  Breslau  aus  AUrredit  Birke  und  seine 
geistlichen  Gönner  sofort  auch  die  Bemühungen  um  Wieder- 
erlangung des  Tollensteins.  Den  29.  März  1467  '"")  erliess 
der  Legat  Rudolph  ein  Schreiben  an  die  Pfarrer  zu 
Bautzen  und  Zittau  des  Inhalts:  da,  wie  bekannt,  Albrccht 
Birke,  Herr  auf  Tollenstein,  durch  den  Anmasser  und 
Ketzer  Gt'org    von  Podiebrad  verurtlieilt   und   auf  dessen 


'"*)  Douiarchiv  Bautzen. 

Neues  Archiv  f.  ö.  O.  u.  A.  U.  3. 


15 


226  Hermann  Knothe: 

Befehl  des  Schlosses  Tollenstein  und  anderer  Besitzungen 
beraubt  worden  sei  und  diese  durch  gewisse  Leute, 
Christoph  Hermsdorf  von  Rumburg,  Hauptmann  auf  Tollen- 
stein, Johann  Luttitz  von  Schirgiswalde  und  Siegmund 
Heinwald  von  Königswalde,  wider  Recht  besetzt  gehalten 
würden,  so  befehle  der  Legat  jenen  Pfarrern,  diesen 
Occupanten  mit  geistlichen  Strafen  zuzusetzen  und  dem 
Albrecht  Birke  zur  Wiedererlangung  des  Tollensteins  be- 
hilflich zu  sein.  —  Desgleichen  wendete  sich  der  Legat 
schriftlich  an  die  Söhne  des  verstorbenen  Landvogts  Jahn 
von  Wartenberg  mit  der  Aufforderung,  den  Tollenstein 
an  Albrecht  wieder  abzutreten,  und  bedrohte,  falls  sie  dies 
binnen  einer  gewissen  Frist  nicht  thäten,  sie  selbst  mit 
dem  Bann,  die  ganze  Herrschaft  aber  mit  dem  Interdikt. 
Vergeblich  entgegneten  die  Brüder  von  Wartenberg,  die 
Herrschaft  Tollenstein  sei  rechtmässio-  dem  Albrecht  Birke 
ab-  und  iln-em  Vater  zuerkannt,  von  diesem  eine  Zeitlang 
ruhig  besessen  und  darauf  auf  sie,  seine  Söhne,  vererbt 
worden."")  So  erfolgte  denn  in  der  That,  wir  wissen 
nicht  genau  wann,  von  selten  des  Legaten  die  Verhängung 
des  Interdikts  über  die  ganze  Herrschaft  Tollenstein- 
ScMuckenau. 

Kein  Wunder,  dass  durch  alles  dies  auch  bei  den 
Wartenbergen  die  alte  hussitische  Feindschaft  gegen  die 
katholisch  gesinnte,  dem  päpstlichen  Legaten  ergebene, 
von  König  Georg  abgefallene  Oberlausitz  wachgerufen 
wurde.  So  entbrannte  die  alte  Wartenherger  Fehde  be- 
sonders gegen  die  Stadt  Zittau  aufs  neue.  Eben  damals 
belagerten  die  Ober-  und  Niederlausitzer  den  hussitisch 
gesinnten  Friedrich  von  Schönburg  in  seinem  Schlosse 
Hoyerswerde. ' '  'j  Da  unternahmen  denn  auch  die  War- 
tenberge und  ihr  Anhang,  gegen  800  Mann  zu  Fuss  imd 
100  Mann  zu  Ross,  unter  Anführung  ihres  Hauptmanns 
auf  Tollenstein,  Christoph  von  Rumburg,  einen  Raubzug 
in  das  Zittauer  Gebiet,  plünderten  und  brannten  in  Gross- 
hennersdorf  mid  Oberseifersdorf  und  trieben  das  erbeutete 
Vieh  in  der  Richtung  nach  dem  Tollenstein  zurück.  Allein 
die  Zittauer  hatten  eiligst  all  ihre  waffenfähige  Mann- 
schaft aufgeboten  und  sich  am  breiten  Berge  zwischen 
Hörnitz  und  Grossschönau  in  den  Hinterhalt  gelegt.    Von 


"")  Schreiben   der  Herzöge  Ernst  und  Albredit   von   Sachsen. 
Hanptst.-Arcli.,  Witt.  Arch.,  Bölini.  S.  Orte  Bl.  215  fg. 

'")  Vergl.  von  Webers  Archiv  für  die  Sachs.  Geschichte  X,  265. 


Die  Berka  von  der  Dnba  auf  Holiiistein  etc.  227 

da  überfielen  sie  plötzlich  die  vorüberziehenden  Feinde,  er- 
schlugen deren  120  und  jagten  die  übrigen  in  die  Flucht 
(18.  November  1467;.''"') 

Als  nun  (29.  August  14G8)  das  halsstarrige  Hoyers- 
werde  glücklich  in  die  Hände  der  vereinigten  ober-  und 
niederlausitzischen  Truppen  gefallen  war,  plante  der  Legat 
Rudolph  zu  Breslau  auch  einen  Angriff  auf  das  dem 
Albrecht  Birke  entrissene  Tollenstein.  Er  hatte  an  den 
Landvogt  von  Sternberg  und  ebenso  an  die  Stände  der 
Oberlausitz  geschrieben  „von  wegen  Er  Cristoffs  von 
Tetzin^'.  Sternberg  hatte  darauf  Schreiben  mit  diesem 
Christoph  von  Wartenberg  gewechselt,  jedenfalls  um  ihn 
abermals  zu  gutwilliger  Abtretung  des  Tollensteins  zu  ver- 
mögen. Wartenberg  hatte  dem  Landvogt  und  den  Ober- 
lausitzern  überhaupt  „fast  viel  Unglimpf  zuzumessen  und 
sein  [eignes]  unchristliches  Vornehmen  zu  billigen  ver- 
meint". Am  28.  Februar  1469  schrieb  Sternberg  an  den 
Legaten,  er  gedenke  diese  Briefe  Wartenbergs  dem 
nächstens  zu  berufenden  Landtage  vorzulegen  und  mit 
demselben  zu  berathen,  Avas  zu  thun  sei.  „Meine  mey- 
uung  nit  anders  gewest,  denn  sy  [die  Wartenberge]  durch 
getwang  zu  gehorsam  der  heiligen  römischen  kirchin  zu 
brengin".  Wenn  der  Landtag  ihm  zustimme,  gedenke  er 
]>ereits  den  3.  März  im  Felde  vor  Zittau  zu  sein  und  tags 
darauf  über  das  Gebirge  gegen  den  Tollenstein  zu  ziehen. ' ") 
Damals  unterblieb  der  Zug  noch. 

Bald  darauf  erfolgte  (3.  Mai  1469)  der  Friede  zu 
Olmütz,  infolge  dessen  Schlesien  und  die  beiden  Lausitzen 
den  König  Mathias  von  Ungarn  als  ihren  Herrn  und  als 
rechtmässigen  König  von  Böhmen  anerkannten.  Der  Land- 
vogt Sternberg  schrieb  an  die  "W artenberge,  ob  sie  diesen 
Frieden  halten  wollten.  Die  Antwort  lautete,  wie  zu  er- 
warten war,  sie  wollten  von  demselben  nichts  wissen. 
Schon  den  19.  Mai  meldete  Sternberg  dies  nach  Görlitz 
mit  dem  Befehl,  sofort  „eine  Wehr  gegen  unsere  Feinde 
zu  bestellen"  und  dieselbe  zum  Pfingstsonntage  nach 
Bautzen  zu  schicken,  wohin  er  auch  den  Landtag  berufen 
habe.  Die  Stände  scheinen  keineswegs  so  hitzig  gewesen 
zu  sein,  als  der  Landvogt.  Am  20.  Juli  erging  an  Görlitz 
ein  zweites  Mal  der  Befehl,  Heerfahrt  ausrufen  zu  lassen 
und  sich  in  Kriegsbereitschaft  zu  halten;  allein  erst  nach 


'«»)  N.  Script,  rer.  Ins.  T.  89. 
' '»)  Tiilacky,  Urk.  Beitr.  564. 


228  Hermann  Knothe: 

einem  noclimaligen  Aufgebot  (20.  August  "*)  wurde  es 
Ernst  mit  dem  Ztige  gegen  den   Tollenstein. 

Zittau  sollte  der  Sammelpunkt  sein  sowohl  für  die 
ober-  als  niederlausitzischen  und  sclilesischen  Truppen, 
welche  auf  Anordnung  des  Legaten  zu  diesem  Zwecke 
sich  hier  vereinigen  sollten.  Die  Oberlausitzer  trafen  zu- 
erst ein.  Da  langte  (27.  August)  durch  den  Landvogt  die 
Nachricht  an,  dass  „die  Frau  von  Tetschen  (die  Witwe 
Jahns,  die  Mutter  Christophs  von  Wartenberg)  mit  all  den 
Ihren  eines  Friedens  begehre"  auf  ein  oder  zwei  Jahre 
bis  zum  Austrage  des  Krieges;  sie  wolle  stille  sitzen,  auch 
die  Güter,  die  der  Landvogt  inne  habe  (Schirgiswalde  ?), 
hintansetzen  und  alle  Gefangenen  losgeben.  Der  Beschluss 
hierüber  Avurde  ausgesetzt  bis  zur  Ankunft  der  Schlesier 
unter  der  Führung  des  Franz  vonHag.  * '  *)  Diese  aber  wollten 
vor  allem  die  Schlösser  Skal  und  Kost  entsetzen;  so  zog 
das  vereinigte  Heer  südlich  bis  gegen  Reichenberg,  von 
wo  man  in  nicht  eben  rühmlicher  Weise  wieder  umkehrte. 
„Allein  die  Sechsstädte  imd  die  (Nieder-)  Lausitzer  wur- 
den da  zu  Rathe  und  herannten  den  Tollenstein  und  lagen 
da  drei  Tage  oder  vier."  ^*^)  Während  also  die  Ober- 
und  Niederlausitzer  allein  ohne  die  Schlesier,  die  sich 
sofort  zerstreuten,  etwa  1000  Mann  stark  unter  Anführung 
des  Landvogts  Sternberg  den  Tollenstein  belagerten,  er- 
schien plötzlich  (6.  September)  unter  dem  Herzog  Heinrich 
von  Münsterberg,  dem  Sohne  König  Georgs  von  Böhmen, 
ein  feindliches  Heer  südlich  von  Zittau,  drang  bei  Klein- 
schönau  über  die  Neisse  und  rieb,  ehe  die  Truppen  von 
Tollenstein  her  zu  Hilfe  kommen  konnten,  die  eiligst  aus 
der  Stadt  entgegen  gesendeten  Bürger  völlig  auf.  So 
wurde  die  Belagerung  des  Tollensteins  eiligst  aufgehoben. 
Derselbe  blieb  den  Wartenbergen  erhalten.  Für  Albrecht 
Birke  aber  ward  die  diesmal  fast  sichere  Hoffnung  auf 
Wiedererlangung  abermals  in  unbestimmte  Zukunft  hin- 
ausgerückt, keineswegs  aber  aufgegeben. 

Auch  die  Wartenberge  wünschten  jetzt  ernstlich 
Frieden  mit  den  Oberlausitzern.  Den  6.  Februar  1470 
befanden  sie  sich  in  Bautzen,  um  gütliche  Verhandlung  zu 
pflegen.   Wie  es  scheint,  war  das  zur  Herrschaft  Tollenstein 


"*)  Palacky,  Urk.  Beitr.  599. 
"*)  Elienil.  005. 

"•)  N.  Script,  rer.  Ins.  I,  93.   203.     Pescheck,  Geschiclite   von 
Zittau  II,  537.     Eschenloer  II,  181  fg. 


Die  Berka  von  der  Diiba  auf  lloliiisteiu  etc.  229 

gehörige  und  von  einem  Zweige  der  Familie  von  Luttitz 
zu  Lehn  besessene  Gut  Schirgiswalde  im  Laufe  dieser 
Fehden  von  den  Lausitzern  besetzt  und  dem  katliolisch 
gesinnten  Wenzel  von  Polenz,  dem  Amtshauptmann  des 
Landvogts,  gegeben  worden.  Derselbe  begehrte  jetzt 
wiederholt  (Februar  und  23.  März  1470)  vom  Landvogt 
Hilfe,  um  Schirgiswalde  „halten"  zu  können.**^) 

Am  22.  März  1471  starb  König  Georg.  Ihm  folgte 
in  Böhmen  der  polnische  und  daher  katholische  Prinz 
Wladislaus.  Schlesien  und  die  Lausitzen  blieben  vorerst 
noch  bei  Ungarn.  Die  Hussitenkriege  hatten  nun  ihr 
Ende  erreicht.  Das  Reich  Böhmen  ging  endlich  wieder 
ruhigeren  Zeiten  entgegen. 

Aber  die  Nach  wehen  der  jahrelangen  inneren  Kriege 
machten  sich  noch  allenthalben  geltend.  Auch  die  einst 
so  reichen  Wartenberge  aus  dem  Hause  Tetschen  steckten 
jetzt  tief  in  Schulden.  Christoph  von  Wartenher g  auf 
Dewin  „wusste  nicht,  wie  er  jetzt  solle  seine  Gläubiger 
bezahlen".  Da  bot  er  die  Herrschaft  Tollenstein- Schlucke- 
iiau  den  Brüdern  Ernst  und  Alhrecht,  Herzögen  von 
Sachsen,  zum  Kauf  an.  Dieselben  gingen  vorsichtig  zu 
Werke.  Christoph  hatte  10000  Schock  Schwertgroschen 
verlangt.  Der  sächsische  Unterhändler  erhielt  Befehl, 
7000  zu  bieten,  genaue  Auskunft  über  die  Erträge  und 
die  sonstigen  Verhältnisse  der  Herrschaft  sich  zu  verschaffen 
und  eventuell  eine  sichere  „Gewähr"  über  den  erfolgten 
Kauf  zu  verlangen.  Die  Herzöge  würden  die  Güter  be- 
sehen lassen  und  sie  kaufen,  „wenn  es  ihnen  dieiüich 
sei"."*)  Man  einte  sich  endlich  auf  8300  Schock  Schwert- 
groschen, welche  ratenweise  abgezahlt  wurden,  und  so 
stellte  denn  Christoph  von  Wartenberg  am  3.  Dezember 
1471  auf  seiner  Burg  Dewin  die  Verkaufsurkunde  über 
„Schloss  und  Herrschaft  Tollenstein  und  das  Land  und 
Stadt  Schluckenau"  aus.  Sein  bisheriger  Hauptmann  da- 
selbst, Christoph  von  Rumburg,  musste  die  Erbunterthancn 
an  die  neuen  Herren  weisen.*"*)  So  war  denn  jetzt  auch 
die  dritte  der  einst  ßerka'schen  Herrschaften  und  somit 
auch  der  bisher  noch  böhmische  Theil  des  einstigen  Gaues 
Nisani  an  die  Markgrafen  von  Meissen  gelangt. 

In  Prag  war  man  über  diese  neue  Erwerbung  derselben 


'")  Palacky,  Urk.  Beitr.  620.  625. 

"»)  Hauptst.-Arch.,  Witt.  Arch.,  Böhm.  S.  Orte  Bl.  213. 

"•)  Hauptst.-Arcb.  Orig.  8135.  8160.  8185.  81<)8. 


230  Hermann  Knothe. 

im  Königreich  Böhmen  nicht  eben  erfreut  und  grollte 
deshalb  den  Käufern,  wie  dem  Verkäufer.  Zdenko  von 
Sternberg,  jetzt  königlicher  Rath,  hatte  wohl  in  diesem 
Sinne  an  Ernst  und  Albrecht  von  Sachsen  geschrieben. 
Diese  antworteten,  die  bisherigen  Kriegshändcl  in  Böhmen 
seien  sie  gar  nichts  angegangen.  Der  ToÜL-nstein  sei  ihnen 
von  Christoph  von  Wartenberg  angeboten  worden;  sie 
hätten  ihn  bezahlt,  in  Besitz  genommen  und  die  Huldigung 
von  den  Unterthanen  erhalten.  Sie  glaubten,  hiermit  gegen 
niemand  Verstössen  zu  haben,  würden  sich  auch  gegen 
den  König  von  Böhmen  also  verhalten,  dass  ihnen  nichts 
zu  verweisen  sein  solle.  Wenn  man  aber  mit  dem  von 
Tetschen  zu  sprechen  habe,  so  werde  sich  dieser  wohl  zu 
verantworten  wissen.  ^^")  König  Wladislaus  aber  schrieb 
(6.  Februar  1472)  an  die  sächsischen  Brüder,  er  wolle  den 
Kauf  dem  Christoph  von  Wartenberg  „in  keinem  Argen 
vermerken";  bei  einer  persönlichen  Zusammenkunft  mit 
den  Herzögen  wolle  man  sich  gütlich  unterreden  und 
vertragen. ''^^) 

Als  erster  sächsischer  „Amtmann"  wurde  Ulrich  von 
Rechenberg  auf  den  Tollenstein  gesendet.  Er  fand  die 
Burg  sozusagen  völlig  leer.  Christoph  von  Kumburg  hatte 
beim  Abzüge  alle  etwaigen  Vorräthe  mitgenommen.  In 
einzelnen  Dörfern  (Lobendau  imd  Hilgersdorf)  weigerten 
sich  die  Unterthanen,  gewisse  Hofedienste  zu  thun,  die  sie 
doch  unter  Albrecht  Birke  gethan  hatten;  so  musste  (1472) 
der  Amtmann  mit  Pfändung  gegen  sie  vorgehen.'*")  In 
andern  dagegen  (Zeidler)  erhielt  er  Befehl,  die  Gemeinde 
„eine  Zeitlang  frei  sitzen  zu  lassen,  damit  sie  desto  besser 
bauen  und  wieder  anrichten  möchten",  oder  (Nixdorf) 
„ihnen  für  diesmal  das  Zinsgetreide  zu  erlassen".''^*) 

Noch  aber  stand  die  ganze  Herrschaft,  wovon  man 
am  kurfürstlich  sächsischen  Hofe  erst  durch  den  neuen 
Amtmann  Kunde  erhalten  hatte,  noch  unter  dem  hiter- 
Jikt,  welches  der  Legat  Rudolph  von  Breslau  aus  über 
dieselbe  verhängt  hatte  (S.  226).  Die  herzoglichen  Brüder 
von  Sachsen  wendeten  sich  daher  zunächst  schriftlich 
mit    der    Bitte    nach   Breslau,    dies   Interdikt   jetzt  unter 


'*•)  Entwurf  ohne  Datum.  Hauptst.-Arcli.,  Witt.  ArcL.,  Böhm.  S. 
Orte  Bl.  214. 

'=")  Ebeiul.  Bl.  210. 

'")  Ebend.  Bl.  209.  211. 

'")  Hauptst.-Arch. ,  Witt.  Arch.,  Regieruiigssacheu.  Loc.  4367. 
„Eyii  registrature'^  Bl.  30.  103. 


Die  Berka  von  der  Duba  auf  Hohiistein  etc.  231 

den  völlig  veränderten  Besitzverliältnissen  wieder  auf- 
zuheben. Der  jetzt  Biseliof  von  Breslau  gewordene 
Rudolph  verweigerte  dies  und  schöpfte  vielmehr  summt 
seinem  Schützling,  Albrecht  Birke,  sofort  neue  Hoffnungen 
auf  Wiedererlangung  des  Tollensteins.  Darauf  sendete 
man  von  Dresden  einen  „Prokurator"  nach  Breslau  und 
zwar  an  den  daselbst  als  päpstlicher  Legat  sich  auflialten- 
den  Kardinal  von  St.  Marcus,  Patriarch  von  Aquileja,  um 
jene  selbige  Bitte  jetzt  bei  dieser  höheren  Instanz  vor- 
zubringen. Aufs  neue  gedachte  man  in  Breslau  mit  der 
rein  kirchlichen  Frage  des  Interdikts  auch  die  Entscheidung 
der  weltlichen  Frage  wegen  des  rechtmassigen  Besitzes 
des  Tollensteins  vor  das  geistliche  Forum  zu  ziehen.  So 
meldete  jetzt  Albrecht  Birke  seine  Ansprüche  bei  dem 
Kardinal  an,  da  er  nur  um  seines  katholischen  Glaubens 
willen  von  dem  Kctzerköuige  vertrieben  worden  sei  und 
citierte  sowohl  die  Witwe  Jahn  von  Wartenbergs,  als  die 
Herzöge  von  Sachsen,  die  jetzigen  Besitzer  von  Tollen- 
stein, zu  rechtlicher  Entscheidung  vor  den  Kardinal.  Da 
schickte  man  von  Sachsen  aus  einen  anderen  Prokurator 
nach  Breslau  mit  der  Erklärung,  einer  Untersuchung  der 
kirchlichen  Frage  wegen  des  Interdikts  wolle  man  sich 
wohl  unterwerfen  und  schlage  als  Konuiiissar  zu  diesem 
Zwecke  den  Abt  von  Altzelle  vor,  protestiere  aber  gegen 
den  Bischof  Rudolph.  Die  Besitzfrage  dagegen  sei  eine 
rein  Aveltliche  und  gehöre  vor  den  obersten  weltlichen 
Richter  jener  Güter,  nämlich  den  König  von  Böhmen. '^*) 
Als  man  in  Breslau  hierauf  abermals  nicht  einging,  be- 
absichtigte das  sächsische  Kabinet,  sich  in  dieser  An- 
gelegenheit direkt  an  den  Papst  Sixtus  VI.  zu  wenden; 
wenigstens  ist  ein  Bruchstück  von  dem  Entwürfe  einer 
solchen  Appellation  an  denselben  vorhanden. '"^^)  Wie  und 
wann  endlich  das  Interdikt  doch  noch  aufgehoben  worden 
ist,  haben  wir  nicht  erfahren  können. 

Jedenfalls  aber  hatten  die  Herzöge  von  Sachsen  der 
Citation  nach  Breslau  vor  das  Tribunal  des  Kardinals 
nicht  Folge  geleistet.  Die  Hoffnungen  Albrecht  Birkes, 
auf  diesem  Wege  endlich  doch  wieder  in   den  Besitz   des 


'^')  Entwurf  eines  Schreibens  ohne  Datum  an  gewisse,  nicht 
genannte  geistliche  Herren  in  Schlesien,  welche  die  Aufliebung  des 
Interdikts  beim  ratriarchon  befürworten  sollten.  Hauptst.- Archiv, 
Witt.  Arch.,  Böhm.  S.  Orte  Bl.  215,  und  Regierungssachen  No.  2  Bl.  168. 

'")  Ebend.  Bl.  217. 


232  Hermann  Knothe: 

Tollensteins  zu  g-elangen,  waren  abermals  g-esclicitert.  Da 
riethen  ihm  sowohl  der  Bischof  Rudolph,  als  der  Patriarch 
selbst,  sich  direkt  an  die  sächsischen  Fürsten  zu  wenden, 
ob  er  vielleicht  auf  gütlichem  Wege  wenigstens  etwas 
erlangen  könne.  So  schrieb  derselbe  (18.  Oktober  1473) 
ein  kurzes  Briefchen  an  dieselben,  worin  er  den  Priester 
Johann  Seydo  als  seinen  Abgeordneten  accreditierte,  „dem 
er  befohlen  habe,  aus  etlichen  Sachen  mit  ihnen  zu  reden 
von  seiner  Güter  wegen".  ^'■'^) 

Am  2.5.  Oktober  1473  nahmen  einige  sächsische  Räthc 
die  Werbung  desselben  entgegen.  An  die  weitläufige  Dar- 
stellung des  ganzen  Verlaufs  der  Angelegenheit  schloss 
er  die  Bitte,  die  Herzöge  möchten  Albrecht  Birke  „gnädig 
bedenken  und  ihm  etwas  einthun  [d.  h.  überweisen],  darauf 
er  sich  enthalten  möchte".  Da  sie  ja  auch  „einen  Amt- 
mann von  Tollenstein  müssten  haben,  so  getraue  er  sich, 
ihnen  also  nütze  allda  zu  sein,  als  sie  sonst  einen  Amt- 
mann haben  möchten.  Er  wolle  sich  getreulich  gegen  sie 
halten.  Auch  wisse  er  noch  etliche  Bergwerke  und  Salz- 
quellen, die  wolle  er  ihnen  auch  offenbaren".  Die  säch- 
sischen Räthe  antworteten  hinsichtlich  der  Rechtsfrage,  sie 
hofften  die  Herrschaft  Tollenstein  mit  Recht  wohl  zu 
behalten  gegenüber  den  Ansprüchen  Albrechts.  Darauf 
fragten  sie  den  Abgeordneten  vertraulich  („als  von  sich 
selbst"),  was  seine  Meinung  sei,  damit  Herr  Albrecht 
zufrieden  würde;  „ob  man  ihm  etwas  einthun  solle;  etwa 
auf  Lebenszeit  oder  wie?"  Jener  antwortete,  „man  solle 
Albrecht  etwas  einthun,  für  ihn  und  seine  Erben,  dass  er 
nicht  erbelos  bliebe".  Darauf  entgegneten  die  Räthe,  da 
die  Fürsten  die  Herrschaft  ohnehin  zu  theuer  erkauft 
hätten  und  mit  Schaden  besässen,  so  versähen  sie  sich 
kaum,  dass  man  etwas  erblich  herausgeben  würde.  „Damit 
ist  er  von  dannon  geschieden".**') 

Man  wird  dem  einstigen  Besitzer  zweier  grosser 
Herrschaften  ein  gewisses  Mitleid  nicht  versagen  können, 
der  jetzt,  wo  alle  Hoffnung,  wieder  zu  seinen  Gütern  zu 
gelangen,  sich  als  vergeblich  erweist,  in  seinem  Alter  sich 
entschliesst,  fremder  Herren  Brot  zu  essen,  sich  erbietet, 
Amtmann  auf  der  Herrschaft  zu  sein,  die  einst  ihm  ge- 
hörte, und  natürlich  auch  dies  nicht  erreicht.  Mit  den  hier 
erwähnten  Erben  Albrecht  Birkes  dürften  wohl  die  „Brüder 


'")  Hauptst.-Arch.,  Witt.  Arch.  Regierungssachen  No.  2  Bl.  168. 

'")  Ebendaselbst. 


Die  ßerka  von  der  Puba  auf  Hohnsteiii  etc.  233 

Benesch  und  Christoph  Berka"  gemeint  sein,  welche  1495 
den  Nikolaus  von  Dohna  auf  Grafenstein  wegen  einer 
Forderung  von  400  Schock  Groschen  verkhxgten,  welche 
„ihr  Vater  Albrecht  Berka  von  der  Duba''  von  des  Niko- 
laus Vater,  Wentsch  von  Dohna,  zu  beanspruchen  berechtigt 
gewesen  sei.'''*)  Von  Albreclit  selbst  aber  haben  wir  seit 
1473  nichts  weiter  vernommen. 

Die  Stellung  des  sächsischen  Amtmanns  Ulrich  von 
Rechenberg  war,  zumal  im  Anfange,  keine  leichte  gegen- 
über nicht  nur,  wie  schon  erwähnt  (S.  230),  den  neuen 
Amtsbefohlenen,  sondern  auch  den  benachbarten  böh- 
mischen Herren  und  den  oberlausitzischen  Städten.  Bald 
waren  Amtsbefohlenen  von  Schluckcnau  durch  Leute  des 
von  Smierizky  auf  Habichtstein  Pferde  geraubt  worden, 
welche  der  Amtmann  jedoch  durch  Vermittlung  des  Jaroslaus 
Birke  von  der  Duba  auf  Leipa  zurückerhielt.  Er  benutzte 
die  Gelegenheit,  dem  Leipaer  Hauptmann  zu  versichern, 
wie  er  von  seinen  Herren  keinen  anderen  Befehl  habe, 
als  „sich  gegen  alle  Umgesessenen  freundlich  und  in  fried- 
lichem Wesen  zu  halten". '^')  Bald  waren  Bürger  von 
Zittau  auf  offener  Strasse  beraubt  und  der  Raub  durch 
Tollensteiner  Gebiet  auf  Tetschen  getrieben,  aber  von  den 
nacheilenden  Zittauern  Avieder  abgenommen  worden,  wes- 
halb sich  der  Amtmann  Verhaltungsbefehl  erbat. '^°)  Der 
oft  genannte  Christoph  von  Hermsdorf  auf  Rumburg,  dem 
von  den  Herren  von  W  artenberg  beim  Verkaufe  von  Tollen- 
stein die  Anwartschaft  auf  das  Lehngut  Schönau  bei 
Schluckcnau  ausbedungen  und  von  den  sächsischen  Räthen 
zugesichert  worden  war,  war  in  Händel  mit  Zittau  ver- 
wickelt, in  dessen  Weichbild  er  ebenfalls  Güter,  nämlich 
Antheil  von  Hirschfelde  und  das  Dorf  Rohnau,  besass.  Er 
schrieb  an  die  sächsischen  Herzöge,  er  wollte  gern  seine 
wüsten  Güter  im  Tollcnsteinschen  wieder  bauen  und 
bessern,  möchte  aber  zuvor  wissen,  ob  er  dies  unter  dem 
Schutz  seiner  neuen  Lehnsherren  auch  sicher  wagen  dürfe. 
Diese  Zwistigkeiten,  wegen  deren  der  Rath  zu  Zittau 
wiederholt  an  den  Amtmann,  die  Herzöge,  ja  sogar  au 
König   Mathias   von  Ungarn   zu   schreiben   sich   genöthigt 


'*»)  Enilcr,  Reliq.  talt.  tcrr.  Boh.  I,  152. 

•")  llauptst.- Archiv,   Witt.  Archiv  Loc.  4367,  Befehd.  Bl.  303 
ohne  Jahr. 

'»")  Ebend.  Bl.  303. 


234  Hermann  Knothe: 

sab,  dauerten  bis  1480.  *'')  Ganz  besonders  aber  maclite 
dem  Amtmann  die  sogenannte  Luttitzsche  Fehde  gegen 
Zittau  zu  schaffen.  Zu  der  Zeit,  wo  die  Oberlausitz  unter 
ihrem  Landvogt  auf  Befehl  König  Georgs  den  Achtsbefehl 
gegen  den  aufständischen  Albrecht  Birke  auf  Tüllenstein 
zu  vollstrecken  hatte  (1463 — 64,  S.  221),  war  auf  Be- 
fehl des  damaligen  Hauptmanns  zu  Bautzen,  Wenzel  von 
Polenz,  von  Zittauer  Truppen  ein  Hof  zu  Oderwitz, 
welcher  Nickel  von  Luttitz  auf  Schirgiswalde,  einem 
Vasallen  und  Anhänger  AUirechts,  gehörte,  abgebrannt 
Avorden.  Um  1476  begehrte  nun  dessen  Sohn,  Haus  von 
Ivuttitz,  der  inzwischen  das  seinem  Vater  weggenommene 
Schirgiswalde  wieder  erhalten  hatte,  nachträglich  Ent- 
schädigung für  jenen  Brandschaden,  kündigte  der  Stadt 
Fehde  an,  raubte  zu  Oderwitz  und  (Spitz-)  Kunnersdorf 
an  1400  Stück  Vieh  und  begehrte  von  den  Herzögen  von 
Sachsen,  als  seinen  jetzigen  Lehnsherren,  Unterstützung 
seiner  Ansprüche.  Unendliche  Schreiben  wurden  seitdem 
bis  1481  von  dem  Rathe  zu  Zittau  gewechselt  mit  dem 
Amtmann  von  Tollenstein,  den  Herzögen,  dem  ober- 
läusitzischcn  Landvogt,  der  damals  leider  meist  in  Breslau 
residierte,  endlich  selbst  mit  König  Mathias.  Rechtstage 
Avurden  anl)craumt  und  verschoben  und  Waffenstillstände 
vermittelt  und  verlängert,  ohne  dass  wir  aus  den  vor- 
liegenden Schriftstücken  den  endlichen  Austrag  der  Sache 
kennen  lernen. ''*'•) 

Mochten  schon  alle  diese  Händel  den  Brüdern  Ernst 
und  Albrecht  von  Sachsen  den  Besitz  von  Tollenstein- 
Schluckenau  viclfacli  verleiden,  so  blieben  auch  die  finan- 
ziellen Erträgnisse  der  Herrschaft  weit  hinter  den  gehegten 
Erwartungen  zurück.  Daher  überliessen  sie  1475  die  ganze 
Herrschaft  ihrem  Amtmann  Ulrich  von  Rechenherg  auf 
sechs  Jahre  zu  eigner  Bewirthschaftung.  Sich  selbst  be- 
hielten sie  nur  die  Revenuen  aus  der  „weltlichen"  Ge- 
richtsbarkeit, den  Teichen,  Schäfereien  und  Wäldern  vor, 
über  welche  der  Amtmann  ihnen  Rechnung  ablegen  sollte- 
Alle  sonstigen  Gefälle  an  Zinsen,  Getreide,  Hühnern,  Eiern, 
Zöllen,  Geleiten,  sowie  das  gesammte  „Ackerwerk,  Fischerei 
in  den  Flüssen  und  Bächen,  Viehzucht  und  Milchwerk" 
sollte  Rechenlierg  für  sich  haben  und  dafür  nur  das  Schloss 
Tollenstein,  sowie  die  herrschaftlichen  Höfe  und  Vorwerke 


'*')  Hauptst.-Arch.,  Witt.  Arch.,  Oberlaus.  Sach.  Bl.  101,  129  fgg. 
'")  Hauptst.-Arch.,  Witt.  Arch.,  Böhm.  Sach.  Bl.  111  fgg. 


Die  Berka  von  der  Duba  auf  Hohnstein  etc.  235 

im  Stande  erhalten,  Knechte  und  Gesinde  beköstigen  und 
lohnen.'^')  Es  war  dies  also  eine  Verpachtimg  ohne 
jeden  Pachtschilling,  lediglich  gegen  Uel)ernalnne  dor  Ver- 
Avaltungsk(jstcn. 

Kein  Wunder,  dass,  als  dieser  Pachtvertrag  1481  zu 
Ende  ging,  die  Eigenthümer  die  so  schlecht  rentierende 
Besitzung  ganz  zu  veräussern  suchten.  Als  Käufer  fand 
sich  der  sächsische  Obcrmarschall  Nagold  von  Schleinitz 
auf  Schleinitz  und  Kriebstein,  ein  sehr  wohlhabender  Herr. 
Den  27.  Mai  1481  '*')  wiesen  die  herzoglichen  Brüder  die 
ehrbare  Mannschaft,  die  Bürger  von  Schluckenau  ,  sowie 
die  sämmtlichen  Dorfgemeinden  an  den  neuen  Besitzer.'^*) 
Hugold  von  Schleinitz  hatte  die  Herrschaft  nicht  sowohl 
für  sich  selbst,  als  für  seinen  ältesten  Sohn  Heinrich  ge- 
kauft. Daher  wiesen  die  Herzöge  (den  8.  November  1482) 
diesen  Heinrich  von  Schleinitz  .,und  seine  Brüder"  „mit 
dem  Schlosse  Tollenstein  und  Schluckenau"  behufs  der 
Belehnung  oder  Einlegmig  der  Güter  in  die  Landtafel  an 


'")  Hauptst.-Arch.  Cop.  59  fol.  194b. 

'*')  Ebeud.  Cop.  (511  fol.  42b.  Nach  dcai  Ivaufbriefe  und  der 
Kaufsumme  haben  wir  vergeblich  geforscht. 

'*■*)  Der  von  uns  oft  scliou  erwähnte  Christoph  von  Hermsdorf 
auf  Rumburg  gerieth  alsbald,  wir  wissen  nicht  weshalb,  in  Streitig- 
keiten mit  dem  neuen  Lehnsherrn,  Hugold  von  Schleinitz.  dem  er 
die  Erbhuldiguug  zu  leisten  sich  weigerte.  Er  verklagte  denselben 
bei  dem  Gericht  vor  dem  rotheu  Thurme  zu  Meissen,  musste  sich 
aber  endlich  doch  entschliessen,  ihm  seine  liehngüter  Kumburg, 
böhmisch  Seifhenuersdorf  und  Ehrenberg  zu  verkaufen.  (Mencke, 
Script,  n,  1460,  1599.)  So  gelangte  die  lange  Zeit  verlehnt  gewesene 
Stadt  Kumburg  an  die  Herrschaft  zurück.  Christoph  erscheint  darauf 
sammt  seinem  Bruder  als  „auf  Blankenstein"  gesessen,  sei  es,  dass 
diese  Wartenberg'sche  Besitzung  ihm  ebenso,  wie  einst  Tollenstein, 
zur  blossen  Verwaltung  oder  eigenthnmlich  überlassen  ward.  1494  ver- 
kaufte er  auch  seine  in  der  Oberlausitz  gelegenen  Güter  Antheil 
llirschfelde  und  Rohnau  und  zwar  an  den  Rath  zu  Zittau  (Carpzov, 
Anal.  I,  ?.ll).  Ein  Schwager  von  ihm  war  (1485)  Georg  Eberhard 
auf  Berthelsdorf  am  Queiss  (Oberlausitzer  Arbeiten  III,  202).  Seine 
Witwe  verheiratete  sich  mit  Joh.  Polkner,  Bürgermeister  in  Kamenz, 
welcher  seitdem  selbst  auch  „Ronneberg"  genannt  wurde  (N.  Script, 
rer.  lus.  IV,  .Sß6).  Ein  Sohn  von  ihm,  Hans  von  Hermsdorf,  nennt 
daher  diesen  Polkner  „seinen  Stiefvater",  als  er  15.36  mit  Ernst  von 
Kechenberg  auf  Gjjpach,  „seinem  Ohm",  und  mit  Onophrius  von 
Kintscli  auf  Burkau  und  Jobst  Grohmanuj  ,, seinen  Schwägern'',  vor 
dem  Käthe  zu  Kamenz  erschien  und  daselbst  „nach  dem  Willen 
seines  lieben  Vaters  Cristofl"  Ronnebergs  gottselig"  seinen  Schwestern 
Frau  Katherinen  und  Jungfrau  Clara,  je  100  Mark  als  väterliche 
Gerechtigkeit   auszuzahlen  versprach  (Kamenzer  Stadtbudi  IV,  25.3). 


236  Hermann  Knothe:  Die  Berka  von  der  Diiba  etc. 

den  König  und  die  Krone  Böhmen.'^*')  So  ist  denn  diese 
einst  Bcrka'sche  Herrschaft  nicht,  wie  Hohnstein  und 
Wildenstein,  auf  die  Dauer  mit  Sachsen  verbunden  wor- 
den, sondern  ist  böhmisch  verblieben. 

Ueber  das  Walten  der  Herren  von  Schleinitz  in  dem 
neuerworbenen  Besitzthum  gedenken  wir  um  so  weniger 
uns  zu  verbreiten,  da  wir  dasselbe  schon  früher  einmal 
(Lausitzer  Magazin  1862.  401  fgg.;  „Das  Schleinitzer 
Ländchen"),  freilich  mit  unvollkommenen  literarischen 
und  archivalischen  Hilfsmitteln,  behandelt  haben. 


'*•)  naiiptst.-Arch.  Cop.  62  fol.  ob. 


VIII. 

Napoleon  in  Dresden  (8.  Mai  1813). 

Von 

Hermaun  Freiherrn  von  Friesen. 


In  V.  Webers  Archiv  für  die  säclisische  Gescliiclite 
(Neue  Folge  Bd.  IV  S.  3üO)  Avird  auf  Grund  einer  Nieder- 
schrift des  Kouferenzministers  von  Gk)big  einer  Unter- 
redung gedacht;  welche  dieser  am  9.  Mai  181B  mit  Napoleon 
gehabt  habe.  Sie  fand  also  statt  am  Tage  nach  der  An- 
kunft Napoleons  und  nach  der  in  der  vorhergehenden 
Nacht  zwischen  ihm  und  den  vier  Mitgliedern  der  Immediat- 
kommission  gepflogenen  Besprechung.  Da  in  dieser  alle 
die  erforderliclien  Schritte  zur  Wiederanknüpfung  der 
bundesfreundlichen  Verhältnisse  zwischen  dem  Kaiser  der 
Franzosen  und  dem  König  von  Sachsen  verabredet  waren, 
konnte  die  am  gedachten  Orte  fragmentarisch  mitgetheilte 
Unterredung  nur  eine  untergeordnete  Bedeutung  haben. 
Von  der  am  8.  Mai  nach  10  Uhr  abends  stattgehabten 
sehr  lebhaften  Konferenz  zwischen  Napoleon  und  der 
Immediatkommission  steht  mir  ein  Bericht  zu  Gebote,  den 
mein  verstorbener  Vater,  der  damalige  Oberkannnerherr 
Freiherr  von  Friesen,  kurz  nachdem  sie  stattgefunden, 
in  französischer  Sprache  niedergeschrieben  hat.  Ehe  ich 
ihn  in  der  Uebersetzung  veröfFentliche,  schicke  ich  einige 
einleitende  Worte  voraus,  deren  Inhalt  ich  theils  meinen, 
aus  dem  Gedächtnis  schon  vor  geraumer  Zeit  niederge- 
schriebenen Jugenderinnerungen,  theils  handschriftlichen 
und  gedruckten  Denkwürdigkeiten  damaliger  Zeitgenossen 


238  Hermann  Freilierv  von  Friesen: 

entnehme.  Dass  icli  Erinnerungen  aus  jener  Zeit,  wo  ich 
allerdings  noch  nicht  ganz  12  Jahre  alt  war,  den  Werth 
von  glaubhaften  Berichten  beilege,  darf  nicht  verwunder- 
lich noch  anmassend  scheinen.  Die  beispiellose  Aufregung 
jener  ereignisvollen  Jahre  hatte  die  Aufmerksamkeit  auch 
kindisclier  Gemüther  im  höchsten  Grade  angespannt.  Da- 
her stehen  auch  mir,  selbst  bei  meinem  vorgerückten 
Alter,  die  Bilder  von  Ereignissen  und  Personen  aus  jener 
Zeit  noch  mit  fast  greifbarer  Lebhaftigkeit  vor  dem  Ge- 
dächtnis. Dazu  kommt,  dass  Personen^  die  mir  im  Alter 
weit  voraus  waren,  wenn  sie  meine  Niederschriften  gelesen 
hatten,  sie  in  der  Allgemeinheit  für  korrekt  und  wahr- 
heitsgetreu erkannten. 

Wenn  es  dessen  bedurft  hätte,  so  würde  die  blitz- 
artige Erscheinung  Napoleons  zu  Dresden  in  der  Nacht 
vom  13.  zum  14.  Dezember  1812  das  letzte  Siegel  der 
Glaubwürdigkeit  allen  bis  dahin  schon  eingegangenen 
erschütternden  Nachrichten  über  die  Vernichtung  einer 
Heeresmacht  von  ungefähr  400000  Mann  in  Russland 
aufgedrückt  haben.  Bei  der  allmählichen  Rückkunft  von 
einzelnen  und  Heeresabtheilungen  in  dem  kläglichsten  Zu- 
stande nahmen  diese  sich  mehr  und  mehr  häufenden  Nach- 
richten immer  festere  Gestalt  an.  Die  Spannung  wuchs 
immer  mehr.  Doch  während  sie  nach  der  Grösse  des 
ungeheuren  Schlages,  unter  dem  Hunderttausende  jammer- 
voll untergegangen  waren,  nach  der  Aussicht  auf  die  Ver- 
legung des  Kriegstheaters  nach  Sachsen  nur  bedrückend 
und  tief  niederschlagend  hätte  sein  sollen ,  machte  sich 
dennoch  zugleich  der  Eindruck  der  Genugthuung  darüber 
geltend,  dass  man  den  Sturz  der  über  alles  Mass  ge- 
hassten  napoleonischen  Macht  für  unzweifelhaft  ansah.  In 
dieser  Stimmung  achtete  man  mit  theilnchmender  Auf- 
merksamkeit auf  die  Fortschritte  der  Russen  in  Polen 
und  auf  deutschem  Gebiet.  So  war  es  denn  möglich;  dass 
sich  schon  im  Januar  Gerüchte  vei'breiteten  von  Kosaken, 
die  man  sogar  unweit  von  Dresden  gesehen  haben  wollte. 
Das  war  nun  freilich  übertrieben.  Als  aber  am  3.  Fi-bruar 
mit  dem  Aufruf  des  Königs  von  Preussen  an  sein  Volk 
die  Verbindung  dieser  zumeist  niedergetretenen  Macht 
mit  Russlaiid  zur  Gewissheit  geworden  war,  liess  die  that- 
sächliche  Annäherung  von  fliegenden  Corps,  insonderheit 
aus  Kosaken  bestehend,  nicht  lange  mehr  auf  sich  warten. 
Auch  wurden  indessen  die  aus  Russland  zurückgekehrten 
Reste  unserer  sächsischen  Truppen  mit  wenigen  Ausnahmen 


Napoleon  in  Dresden  (8.  Mai  1813).  23Ö 

unter  den  Befehlen  des  General  v.  Thielniann  iu  Torguu 
vereinigt.  Ungeachtet  einiger  drohenden  liodomontaden 
des  Oberst  Brendel  an  der  Spitze  von  Haufen,  die  nur 
nach  Hunderten  zählten,  war  indessen  keine  Gefahr  vor 
einem  wirksamen  Einbruch  vorhanden.  Dennoch  fühlte 
sich  der  König  Friedrich  August  am  25.  Februar  be- 
wogen, mit  der  Königin  und  Prinzessin  Auguste,  von 
zahlreichem  Gefolge  umgeben,  Dresden  in  der  Richtung 
des  Erzgebirges  zu  verlassen ,  während  sich  gleichzeitig 
die  Prinzen  und  Prinzessinnen,  mit  Ausnahme  der  hoch- 
bejahrten Tante  des  Königs,  Prinzess  Elisabeth,  nacli 
Prag  begaben.  Ich  kann  nach  zuverlässigen  Quellen  be- 
zeugen, dass  dieser  Schritt  mit  Betrübnis  und  Bedenk- 
lichkeit  hinsichtlich  seiner  Rathsamkeit  betrachtet  wurde. 

Bei  seiner  Abreise  setzte  der  König  unter  dem  Titel 
einer  Immediatkommission  eine  Behörde  ein,  aus  vier 
Mitgliedern  bestehend,  die  den  Beruf  hatte,  in  seiner 
Abwesenheit  die  drino-endsten  Regierunssüeschäfte  in  hoch- 
ster  Instanz  zu  erledigen.  Dass  der  Konferenzminister 
von  Globig,  einer  der  ältesten  Staatsbeamten,  an  ihre 
Spitze  gestellt  wurde,  war  gewissermassen  selbstverständ- 
lich, da  er  als  Präsident  dem  Geheimen  Consil  vorstand. 
Mein  verstorbener  Vater,  der  Oberkammerherr  Freiherr 
von  Friesen,  war  vom  Cabinetsminister  Graf  Senfft  von 
Pilsach  in  Vorschlao-  gebracht  Avorden,  um  den  Ständen 
eine  Aufmerksamkeit  zu  erweisen,  weil  er  das  Erb- 
marschallamt, das  bisher  in  der  nunmehr  ausgestorbenen 
Familie  von  Löser  erblich  gewesen  war,  seit  1811  in- 
terimistisch verwaltete.  Der  Geheime  Rath  Baron  von 
ManteufFel  und  der  Geheime  Finauzrath  von  Zezschwitz 
genossen  schon  längst  als  die  ausgezeichnetsten  Mitglieder 
des  Geheimen  Finanzkollegiums  das  Vertrauen  des  Königs. 

Schon  auf  der  ersten  Station  des  königlichen  Hof- 
lagers, zu  Freiberg,  war  der  Cabinetsminister  des  Innern, 
Graf  Hopfgarten,  erkrankt.  Er  konnte  daher  dem  König 
nicht  nach  Plauen  folgen,  wo  vor  der  Hand  der  bleibende 
Aufenthalt  auf  kurze  Zeit  genommen  wurde,  und  verschied 
in  Freiberg  nach  kurzem  Krankenlager.  Der  König  über- 
trug daher  dem  Grafen  Senfft  von  Pilsach,  der,  wiewoid 
er  verhältnismässig  noch  jung  war,  dm*ch  seine  klare 
Einsicht  und  seine  Arbeitskraft  schon  vorlängst  das  Ver- 
trauen des  Königs  gewonnen  liatte,  neben  dem  Portefeuille 
des  Auswärtigen  auch  das  der  inneren  Angelegenheiten. 
Graf  Senfft    hat    einige    sehr   werth volle   Niederschriften, 


240  Hermann  Freiherr  von  Friesen: 

die  voi'  noch  nicht  zwanzig  Jahren  gedruckt  sind,  über 
die  kurze  Zeit  seiner  Amtierung  als  Cabinetsminister  (von 
Ende  1810  bis  Mai  1813)  hinterlassen.  In  ihnen  ist  das 
Wichtigste,  was  damals  auf  politischem  Gebiete  am  Hof- 
lager des  Königs  vorfiel,  berichtet.  Die  mit  grossem  Ge- 
schick und  grosser  Sorgfalt  dem  in  der  Nähe  des  Königs 
sich  aufhaltenden  französischen  Gesandten,  Grafen  Serra, 
verborgen  gehaltenen  Verhandlungen  mit  dem  Fürsten 
P.  Esterhazy  über  ein  Bündnis  mit  Oesterreich  erhalten 
dort  genügende  Auflvlärung.  vSie  wurden  in  Regensburg 
angeknüpft,  wohin  sich  der  König  nach  kurzem  Aufent- 
halt in  Plauen  begeben  hatte,  und  gaben  Veranlassung  zu 
der  Verlegung  des  Hoflagcrs  nach  Prag,  avo  leider  in 
den  Maitagen,  als  Napoleon  von  Dresden  aus  die  Rück- 
kehr des  Königs  in  seine  Residenz  gebieterisch  verlangte, 
die  Ratifikation  der  Konvention  noch  nicht  angelangt  war, 
ein  Umstand,  der  für  den  Entschluss  des  Königs  zur 
Nachgiebigkeit  gegen  des  Kaisers  Forderungen  ein  sub- 
sidiarisches  Gewicht  in    die    Wagschale   legte.      Als    sich 


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der   Könio-  noch   in    Regensburg   befand,    hatte   er    schon 


"ö 


dem  Leibgrenadierregiment  und  dann  den  Kavallerie- 
regimentern Gardekürassiere  und  Jung-Zastrow  Befehl 
ertheilt,  ihm  zu  folgen.  Letzteres  betonte  später,  wie  wir 
sehen  werden,  Napoleon  als  eine  besonders  empfindliche 
Verletzung  der  Bimdespflicht. 

Unterdessen  waren  die  Ereignisse  in  Dresden  rasch 
fortgeschritten.  General  Graf  Reynier  war  am  8.  März 
mit  einigen  Trümmern  seines  Corps,  aus  Sachsen,  Bayern, 
Württembergern  und  Franzosen  bestehend,  eingerückt- 
Er  hatte  schon  einige  Vorbereitungen  zum  Sprengen  der 
Brücke  machen  lassen^  wodurch  eine  Erneute  der  Dresdner 
Einwohnerschaft  entstand,  bei  der  ihm  zwar  die  Fenster 
im  Brühl'schen  Palais  eingeworfen  wurden,  sonst  aber 
nichts  Bedeutendes  vorfiel.  Kurz  darauf  war  er  in  Kan- 
tonierungsquartiere  nach  Gorbitz  und  in  die  umliegenden 
Dörfer  gerückt,  um  dem  Marschall  Davoust  mit  seinen 
meistentheils  jungen  Truppen  Platz  zu  machen.  Am  19. 
März  Hess  Davoust  die  Brücke  wirklich  sprengen,  nach 
vieler  Meinung  ein  Akt  der  Rache  für  den  Tuumlt  der 
Dresdner,  jedenfalls  eine  strategisch  unnöthige  Massregel. 
Denn  der  Marschall  selbst  konnte  nicht  an  eine  energische 
Behauptung  der  Eiblinie  bei  Dresden  und  Meisseu,  wo 
die  hölzerne  Brücke  ebenfalls  zerstört  war,  denken,  da 
er    schon    an    demselben    oder    dem    folgenden    Tage    am 


Napoleon  in  Dresden  (8.  Mai  1813).  24l 


linken  Eibufer  nach  Wittenberg  abmarschierte.  Auch 
blieb  nur  eine  schwache  Besatzung  nieistentheils  deutscher 
Rheinbundstruppen  in  Dresden  zurück.  Auf  dem  rechten 
Eibufer  fanden  nur  unerhebliche  PUlnkeleien  zwischen 
heranschwärmenden  Kosaken  und  einer  schwachen  Ab- 
theilung- sächsischer  leichter  Infanterie  statt.  AVenige  Tage 
darauf  wurden  auch  diese  eingestellt  infolge  eines  Waffen- 
stillstandes, nach  welchem  für  die  Dauer  von  zweimal  vier- 
undzwanzig Stunden  das  Terrain  je  eine  Meile  ober-  und 
unterhalb  Dresdens  für  neutral  erklärt  und  die  Neustadt 
geräumt  wurde.  Die  schwache  Besatzung  zog  auf  Kähnen 
mit  klingendem  Spiele,  d.  h.  mit  zwei  Trommeln,  ab. 
Noch  ehe  diese  Waffenruhe  zu  Ende  war,  verliessen 
die  nach  Davoupts  Abzug  zurückgebliebenen  Truppen  bei 
anbrechender  Nacht  die  Stadt  in  aller  Stille.  Nun  meinte 
man  also  den  letzten  Rest  der  französischen  Herrschaft, 
gegen  welche  der  Hass  durch  die  Zerstörung  der  geliebten 
Brücke  noch  brennender  geworden  war,  los  zu  sein.  Man 
erwartete  mit  freudiger  Ungeduld  die  Prcusseu  und  Russen, 
die  als  Befreier  angesehen  wurden.  Auch  kamen  sehr 
bald  einige  russische  Offiziere,  auf  Leitern  an  den  zer- 
störten Pfeilern  hinab-  und  heraufkletternd,  nach  der  Alt- 
stadt herüber.  Nicht  lange  darauf  wimmelte  die  Elbe 
von  Kähnen,  weniger  mit  Soldaten  als  mit  fröhlichen 
Leuten  angefüllt,  die  sich  heiter  mit  der  diesseits  stehen- 
den Menge  begrüssten.  Denn  in  den  wenigen  Tagen  seit 
dem  19.  März  war  nicht  allein  die  Trennung  Verwandter 
und  Befreundeter,  sondern  auch  der  Mangel  an  unent- 
behrlichen Nahrungsmitteln,  wie  Brod,  frischem  Fleisch, 
Gemüse  u.  dergl.  in  Neustadt  drückend  geworden.  In 
solcher  Abhängigkeit  befand  sich  damals  noch  dieser  Stadt- 
theil  von  der  Altstadt,  deren  Mutter  er  eigentlich  war. 
Das  alles  hat  nur  Interesse,  um  die  Stimmung  jener 
Tage  zu  hezeichnen.  Man  nahm  nun  einmal  den  Beitritt 
unseres  Königs  zur  Allianz  gegen  Napoleon  nicht  IjIoss 
für  wahrscheinlich,  sondern  fast  für  gewiss  an.  War  damals 
die  Vereinigung  der  sächsischen  Truppen  unter  General 
Thielmann  in  Torgau  und  der  Befehl,  die  Festung 
weder  an  die  Alliierten  noch  an  die  Franzosen  zu  über- 
geben, noch  nicht  bekannt,  so  blieb  bald  diese  Thatsache 
niemandem  mehr  verborgen.  Dazu  erregten  die  von 
russischen  vmd  preussischen  Generälen  erlassenen  Prokla- 
mationen die  erhitzten  Gemüther  noch  mehr.  Der  da- 
maligen Stimnmng  war  es  angemessen,  dass  in  ihnen  die 

Neues  Arcbiv  f.  S.  0.  u.  A.  JI.  3-  16 


242  Hermann  Freiherr  von  Friesen: 

Vereinigung  der  betreffenden  Nationalitäten  mit  den  Alliier- 
ten mehr  betont  wurde ,  als  der  Ansckluss  der  Souveräne 
an  die  antifranzösische  Sache.     Ja   sogar  die  Erinnerung 
des  Fürsten  Wittgenstein  an  die  grosse  Erhebung  Deutscher 
und  Sachsen  gegen  Römer  oder  Franken  unter  Hermann 
und  Wittekind  fand,   wenn  auch  geth eilten,  Beifall.     Nur 
eines    warf,    meiner    genauen    Erinnerung    nach,    einigen 
Schatten  auf  diese  leuchtenden  Eindrücke.     Dass  General 
Blücher  den  Cottbuser  Kreis  mit  ang-eblicher  Berechtigung 
als  preussische  Provinz  wieder  vindizierte,  wollte  mit  der 
Aufforderung  an  Sachsen,  mit  Preussen  ein  inniges  Bünd- 
nis   zu    schliessen,    nicht   harmonieren.     Man    hatte  nicht 
vergessen,    dass   diese   brandenburgische   Enklave   in    der 
>Jiederlausitz  Sachsen  nicht  als  eine  Gebietsvergrösserung, 
sondern  als  Tauschobject  für  den  sächsischen  Antheil  an 
der  Grafschaft  Mansfeld,  für  Querfurt  und  für  die  Herr- 
schaft   Barby    und    Gommern,    die    dem    neugeschaffenen 
Königreiche  Westfalen  einverleibt  wurden,  abgetreten  war. 
Nach  dem  Einmarsch  der  preussischen  Truppen  unter 
General  Blücher  und    der   russischen    unter  General    von 
Winzingerode,  dann  des  Corps  des  Generals  Miloradowitsch 
bis    zu    der    Ankunft    der    verbündeten    Monarclien,    des 
Kaisers    Alexander    und    des    Königs    von  Preussen    am 
23.  April,   fiel  meiner  Erinnerung    nach   nichts   vor,    was 
hier  von  Bedeutung  sein  könnte.    Die  zahlreichen  schönen 
Truppen,   die  über  die  durch  einen  Holzbau  wieder  her- 
gestellte Brücke,  sowie  über  eine  oberhalb  der  Stadt  aus 
Eibkähnen  mit  doppelter  Fahrbahn  bei  Antons  geschlagenen 
Schiffsbrücke  einzogen,  machten  bei  dem  hellen  FrühUngs- 
wetter  einen  doppelt  begeisternden  Eindruck,  je  mehr  sie 
abstaclien    von   den    letzten  napoleonischen    Kriegshaufen, 
die   vor   einigen  Wochen   abgemattet,    verstimmt   und    in 
dürftigem  Schmuck  uns  verlassen  hatten.    Der  Jubel  war 
unendlich   gross.      Mit  zuversichtlicher   Stimmung    wurde 
Kaiser  Alexander  als  Befreier  von  Deutschland  begrüsst. 
Dabei    soll,    was   mir  nicht   mehr    erinnerlich,   die_  über- 
raschende Anwesenheit  des  Generals  Thielmann  bei  einer 
Parade   der    Truppen    an    der   Seite    der  Monarchen    mit 
grosser  Genugthuung  bemerkt   worden  sein.     Man  wollte 
daraus  auf  die  baldige  Erfüllung  der  allgemein  gehegten 
sehnsüchtigen  Wünsche  für  den  Beitritt  unseres  Königs  zu 
der  russisch-preussischen  Allianz  mit  Sicherheit  schliessen. 
Als     die    Truppen     allmählich    wieder    abzogen,    mögen 
wenige  daran  geglaubt  liaben,  dass  ihnen  der  Sieg  gegen 


Napoleon  in  Dresden  (8.  Mai  1813).  243 

die   in    Eile   zusammengeraffte   französische  Armee   fehlen 
könne. 

Bekanntermassen  wurde  die  erste  Schlacht  bei  LUtzen 
oder  Grossgürschen  am  2.  Mai  1813  geschlagen.    Die  erste 
Nachricht   davon   traf  am  4,  Mai  bei  grauendem  Morgen 
in   Dresden   ein.      Nur    mit    schmerzlichem   Widerstreben 
wollte    man   an   einen   Sieg  Napoleons    glauben.      loh   er- 
innere mich  genau,  dass  mau  sich  mit  dem  Ausdruck  be- 
half:  die  Alliierten  haben  das  Schlachtfeld  behauptet.    In- 
dessen Hessen  die  ersten  Spuren  des  Rückzugs  nicht  lange 
auf    sich    warten.      Wiewohl    in    den    Tagen    vom    5.    bis 
7.  Mai    der    grösste   Theil    der    zurückgehenden  Truppen 
wahrscheinlich   über   die    breite   Schiffbrücke   bei   Antons 
und    eine  Knüppelbrücke   bei  Pieschen  geleitet  wurde  — 
eine  bei  dem  ersten  Einmarsch  der  alliierten  Truppen  an 
der   Stelle    der   heutigen   Albertsbrücke  errichtete    Floss- 
brUcke   ähnlicher  Art  war  meines  Wissens   wieder  abge- 
brochen worden  — ,  durchzogen  doch  noch  vieh-  die  Stadt 
selbst.     Sie  wurden  mit  einer  zwischen  Furcht  und  Hoff- 
nung   schwankenden    Stimmung    betrachtet.      Von    einer 
Niederlage  der  Alliierten  konnte  allerdings  nicht  die  Rede 
sein.     Allmählich  machte  sich  die  Uebcrzeugung  geltend, 
dass   die   Schlacht  nicht    die    Bedeutung    einer    endlichen 
Entscheidung   gehabt   habe.     Ich    könnte   sogar   von  An- 
zeichen reden,  nach  welchen  diese  erst  von  einer  zweiten 
jenseits   der  Elbe  mit  sanguinischen  Hoffnungen  erwartet 
Avurde.    Am  7.  Mai  war  der  König  von  Preussen  nocli  in 
Altstadt.     Er  reiste   erst  am  8.  mittags  von  Neustadt  ab. 
Auch  Kaiser  Alexander  übernachtete  noch  bis  3  Uhr  früh 
im  Brühl'schen   Palais.      Als   er   am    späten    Abend    über 
den   Neumarkt   fuhr,    soll   er   haben    anhalten   lassen   und 
an   die   zahlreich  versannnelte  Menge  einige   beruhigende 
Worte  gerichtet  haben. 

So  verging  der  letzte  Tag  vor  Napoleons  Ankunft. 
Am  andern  Morgen  verbreitete  sich  das  bange  Gerücht, 
in  der  Friedrichstadt  zögen  sich  die  Russen  fechtend  imd 
verwüstend  zurück.  Es  war  aber  völlig  unbegründet. 
Doch  um  die  zwölfte  Stimde,  als  eben  noch  ein  russischer 
Offizier,  der  am  Rathhaus  zu  Pferde  stieg,  von  zwei 
Kosaken  begleitet  gemächlich  über  den  menschenleeren 
Altmarkt  ritt,  hörte  man  die  ersten  Trompeten  französi- 
scher Reiterei  am  andern  Ende  der  A\'ilsdruffcr  Strasse. 
Indessen  b)-annte  man  die  Bockbrücke  ab,  welche  die 
Alt-  und  Neustadt  an   der  Stelle  der  gesprengten  Bogen 

16* 


244  Hermann  Freiherr  von  Friesen: 


kaum  vier  Woclien  lang  verbunden  liatte.  An  der  Schiff- 
brücke bei  Antons  Iiörte  man  bald  darauf  kanonieren,  und 
in  den  Naclnnittagsstunden  trieben  die  brennenden  Trüm- 
mer derselben  den  Strom  hinunter  bis  an  die  steinerne 
Brücke,  wo  sie  unter  dichtem  Qualm  liegen  blieben. 

Von  hier  ab  halte  ich  es  für  das  Gerathenste,  den 
handschriftlichen  Bericht  meines  Vaters  einzuschalten;  er 
lautet: 

„Nach  10  Uln-  (8.  Mai)  erscholl  zuerst  das  Gerücht, 
dass  der  Kaiser  Napoleon  und  der  Vicekönig  von  Italien 
von  Wilsdruff  lier  der  Stadt  schon  ganz  nahe  wären. 
Gegen  12  Uhr  kam  der  Major  von  Odeleben,  von  Napo- 
leon von  Wilsdruff  aus  abgeschickt,  in  die  Stadt  mit  dem 
Auftrage,  die  vom  Stadtmagistrat  abzuschickende  Depu- 
tation zum  Kaiser  zu  führen.  Gegen  3  Uhr  ritt  ich  mit 
dem  Baron  von  Manteuffel  dem  Kaiser  entgegen.  Wir 
fanden  ihn  hinter  dem  Chausseehaus  an  der  Löbtauer 
Brücke.  Der  Oberstallmeister  Caulincourt,  Herzog  von 
Vicenza,  den  ich  bat,  mich  beim  Kaiser  zu  melden,  meinte, 
es  bedürfe  dessen  nicht,  er  werde  mich  schon  wieder- 
erkennen. Das  erfolgte  auch  ganz  genau.  Der  Kaiser 
begrüsste  mich,  der  ich  vom  Pferde  abgestiegen  war  und 
an  ihn  heranging,  mit  den  Worten:  „Ah,  vous  voila  Mr. 
de  Fries,  qui  est  ce  que  vous  avez  lä  avec  vous?"  — 
,C'est  le  Bar.  de  Manteuffel,  Sire,  autre  membre  de  la 
commission  de  regence.'  Manteuffel  erhielt  nun  den  Auf- 
trag, in  die  Stadt  zu  reiten  und  Kähne  und  Zimmerleute 
zur  Erbauung  einer  Flossbrücke  herbeizuschaffen.  „Vous, 
Mr.  de  Fries,  vous  irez  avec  moi."  Nun  musste  ich  auf 
dem  Wege  an  der  Pulvermühle  ')  vorbei  über  den  Damm 
am  Falkenschlage  neben  dem  Kaiser  herreiten.  Er  fragte 
im  allgemeinen  nach  dem  Könige,  nach  der  Anzahl  der 
durch  Dresden  durchraarschierten  Russen  und  Preussen, 
ob  nicht  im  Erzgebirge  Einverständnisse  mit  den  ver- 
bündeten Truppen  stattgefunden  hätten  u.  s.  w.  Er  schien 
mit  meinen  Antworten  zufrieden  zu  sein  und  war  über- 
haupt sanft  und  freundlich.  Er  ging  immer  um  die  Stadt 
herum,  beim  Lazarethe'^)  vorbei,  nach  dem  Pirnaischen 
Scldage.  Von  da  aus  ritt  der  Kaiser,  kaum  von  4  oder 
5  Persnen  begleitet;  worunter  Berthier  und  Caulincourt, 
nach  Antons  Garten,  wo  die  obere  Schiffbrücke  gestanden 


')  Wahrscheinlich  Papiermühle. 
;  Damals  noch  Moczyusky-Palais. 


1 


Napoleon  in  Dresden  (8.  Mai  1813).  245 

hatte  und  wo  nocli  einzelne  Scliüsse  fielen.  Die  ganze 
Suite  musste  zurüekbleiben.  Ungefähr  nach  einer  halben 
Stunde  ritten  wir  zum  Pilhiitzer  Schlage  herein  und  kamen 
auf  der  Ziegelgasse  wieder  mit  dem  Kaiser  zusammen. 
Er  sprach  sogleich  wieder  von  der  Brücke,  die  er  bei 
Briessnitz  wolle  schlagen  lassen.  Dahin  ging  es  nun  durch 
die  Stadt.  In  dieser  standen  schon  viele  inzwischen  ein- 
marschierte, meist  italienische  Regimenter.  Am  Ende  der 
Allee  vor  dem  Briessnitzer  Schlage  ging  es  rechts  über 
die  Felder,  beim  Pulvermagazine  vorbei  nach  der  Elbe. 
Am  andern  Ufer,  wenig  unter  Uebigau,  lag  die  halbe 
SchifFbrücke,  welche  von  Pieschen  aus  hierher  getrieben 
hatte,  noch  brennend.  Etwas  weiter  unten,  bei  den  Schuster- 
häusern, marschierten  ein  paar  Kompagnien  Pontoniere  auf 
mit  Infanterie  und  einigen  Kanonen  zum  Soutien.  Am 
jenseitigen  Ufer  war  alles  ruhig,  obgleich  nichts  leichter 
gcAvesen  wäre,  als  uns  aus  den  Uebigauer  Gärten  mit 
Kanonen  zu  bewillkommnen.  Napoleon  ging  am  Eibufer 
ruhig  auf  und  ab  und  fragte  einen  Gefangenen  aus.  In- 
dessen waren  auf  zwei  herbeigeschafften  Fischerkälmen 
Pontoniere  nach  der  brennenden  ScliifFbrücke  hinüber- 
gefahren, hatten  sie*  gelöscht  und  waren  auf  ihr  lierunter- 
getrieben  bis  an  den  Platz,  wo  die  neue  Schiffsbrücke 
hinkommen  sollte.  Nach  einem  Verweilen  von  wohl  zwei 
Stunden  ritt  der  Kaiser  in  die  Stadt  zurück,  stieg  im 
Schlosse  ab  und  ging  gleich,  ohne  Cour  anzunehmen,  nach 
den  Zimmern,  die  er  im  vorigen  Jahre  auf  dem  Marsche 
nach  Russland  bcM^ohnt  hatte.  Es  war  abends  8  Uhr. 
Von  der  Neustadt,  die  noch  von  Russen  besetzt  war,  ward, 
nach  der  Stadt  herübergeschossen.  Des  Kaisers  Generäle 
und  Adjutanten  sagten  mir,  dass  morgen  um  die  gewohnte 
Stunde,  um  9  Uhr,  Lever  sein  würde.  So  hielt  ich  denn 
mein  Tagewerk  für  beendigt,  ging  nach  Hause  und  Hess 
mir  ein  Glas  Wein  geben,  dessen  ich  nach  dem  heissen 
Nachmittage  gar  sehr  bedurfte.  Die  Ruhe  dauerte  nicht 
lange;  denn  kaum  hatte  ich  es  ausgetrunken,  so  kam  ein 
Ordonnanzoffizier  und  rief  mich  zum  Kaiser.  Als  ich  in 
sein  Zinnner  trat,  sagte  er  mir  ziemlich  barsch,  nicht  mit 
mir  allein,  sondern  mit  der  ganzen  Imuiediat-Konnnission 
wolle  er  sprechen.  Es  dauerte  bis  nach  10  Uhr,  ehe 
deren  Mitglieder  zusammengerufen  werden  konnten.  Früher 
war  schon  der  Graf  Georg  von  Einsiedel  (ehemaliger  Ge- 
sandter in  Paris)  beim  Kaiser  gewesen  und  hatte  von  ihm 
einen    Auftrag    an    unseren    König    nach    Prag    erhalten, 


246  Hermann  Freiherr  von  Friesen : 

musste  aber  noch  auf  die  Audienz  der  Immediat- Kommis- 
sion warten.  Als  diese  beisammen  war  und  vorgelassen 
wurde,  empfing  sie  der  Kaiser  mit  der  Frage:  , Messieurs, 
sommes  nous  amis  ou  ennemis?  je  veux  savoir  ä  quoi 
j'en  suis/" 

Soweit  der  Bericlit  meines  Vaters,  der  sich  nun  auf 
die  in  französischer  Sprache  abgefasste  Relation  der  Unter- 
redung in  der  Beilage  bezieht.  Sie  lautet  in  der  Ueber- 
setzung: 

„Ich  schreibe  aus  dem  Gedächtnis.  Es  wird  unmög- 
lich sein,  was  der  Kaiser  uns  sagte  in  derselben  Ordnung 
zu  berichten,  in  der  es  in  der  Unterredung  aufeinander 
folgte;  aber  ich  werde  bemüht  sein,  nichts  wichtiges  und 
wesentliches  auszulassen.  Es  genügt,  die  Stimmung  des 
Kaisers  gegen  den  König  und  Sachsen  zu  kennen." 

„Ebenso  unmöglich  wird  es  sein,  getreu  wiederzugeben, 
was  vier  Personen  erAviderten,  die  nicht  die  Zeit  gehabt 
hatten,  um  sich  vorher  zu  verständigen  und  auf  eine 
Unterredung  der  Art  vorzubereiten.  Auch  das  ist  von 
Wichtigkeit.  Es  handelte  sich  für  uns  weder  um  Ver- 
handlungen, noch  um  Auseinandersetzungen  und  Wider- 
spruch. Den  mächtigen  und  aufgeregten  Mann  zu  be- 
ruhigen, unseren  Souverän  zu  entschuldigen,  ohne  ihn 
bioszustellen,  Aufschub  zu  erlangen,  das  war  es,  worauf 
wir  uns  beschränken  mussten,  und  ich  darf  mir  schmei- 
cheln, dass  uns  das  gelang." 

„Nachdem  er  uns  mit  der  Frage  empfangen  hatte: 
,Messieurs  sommes  nous  amis  ou  ennemis?  II  faut  parier 
clair!'  sprach  uns  der  Kaiser  vom  General  Thielmann 
und  erklärte  sich  sehr  verletzt  durch  die  Antworten,  die 
er  dem  General  Reynier  und  dem  Marschall  Ney  auf  ihr 
Verlangen,  ihnen  die  Festung  Torgau  zu  öffnen,  gegeben 
hatte.  Der  Oberstallmeister,  Herzog  von  Vicenza,  las  uns 
die  zwei  Briefe  Thielmanns  vor,  in  denen  der  Kaiser 
vor  allem  zwei  Stellen  hervorhob,  die  ilyi  besonders  ver- 
letzten: zuerst,  dass  es  Thielmann  verboten  sei,  fremde 
Truppen  in  die  Festung  aufzunehmen  ohne  einen  ausdrück- 
lichen Befehl  des  Königs  von  Sachsen,  den  dieser  nie 
geben  würde,  ohne  sich  darüber  mit  dem  Kaiser  von 
Oesterreich  verständigt  zu  haben,  dann,  dass  Thielmann 
von  nun  an  keine  andere  Antwort  geben  werde,  als  mit 
Kanonen." 

„Der  Kaiser  fuhr  in  Bezug  auf  Thielmann  fort,  er 
wisse  recht  gut,    dass    er  ein  eitler  Mann    sei,    der  sich 


Napoleon  iu  Dresden  (S.  Mai  1813).  247 

durch  die  Sclimcicheleien  der  Russen  und  Prcussen  habe 
gewinnen  lassen,  die  Politik  der  Russen  sei,  wie  die  der 
Griechen,  hinterlistig  u.  s.  w.  Als  dann  der  Kaiser  auf 
den  König  von  Sachsen  zu  sprechen  kam,  sagte  er:  ,Ich 
erfahre  seltsame  Dinge,  der  König  besteht  darauf,  mir 
die  Kavallerie-Brigade  zu  verweigern,  die  ich  ihm  dereinst 
habe  abfordern  lassen.  Ich  habe  ihm  durch  Baron  Just  ^) 
versichern  lassen,  dass  ich  ihn  am  15.  Mai  in  seine  Haupt- 
stadt zurückführen  werde.  Trotz  dieses  Versprechens, 
dessen  Erfüllung  ich,  wie  Sie  sehen,  anticipiert  habe  — 
denn  wir  haben  heute  erst  den  8.  — ,  hat  mir  der  König 
so  wenig  Vertrauen  bewiesen,  dass  er  beim  Verlassen 
seiner  Staaten,  als  er  von  Plauen  hinwegging,  anstatt  sich 
mir  zu  nähern,  sich  erst  nach  Regensburg  und  dann  nach 
Prag  begab.  Er  hat  also  an  den  Tag  gelegt,  dass  er 
den  Schutz  von  Oesterreich  und  nicht  den  meinigen  suchte.' " 

„Der  Kaiser  fuhr  fort,  indem  er  sich  in  den  härtesten  , 
Ausdrücken  über  das  beabsichtigte  Bündnis  mit  Oester- 
reich aussprach  und  sagte,  der  König  von  Sachsen  handle 
den  Verbindlichkeiten  eines  Mitgliedes  des  Rheinbundes 
zuwider  und  er  werde  ihn  für  bundbrüchig  (filou)  und 
des  Königthums  entsetzt  erklären.  Karl  V.  habe  die  kur- 
fürstliche Würde  den  Vorfahren  des  Königs  übertragen; 
er,  der  Kaiser,  werde  ihm  die  Krone  nehmen.  Er  fügte 
wörtlich  hinzu:  ,Ich  weiss  wohl,  der  König  ist  Ihr  Sou- 
verän, ich  aber  bin  der  Kaiser  und  bin  zu  Hause,  wenn 
ich  mich  hier  befinde.'" 

„Um  zu  beweisen,  dass  der  König  von  Sachsen  auf 
den  Schutz  von  Oesterreich  nicht  rechnen  solle,  licss  der 
Kaiser  durch  den  Herzog  von  Vicenza  eine  Depesche  aus 
Wien  vorlesen,  nach  welcher  Graf  Metternich  über  die 
Ankunft  des  Königs  in  den  österreichischen  Staaten  ge- 
sagt habe,  der  König  von  Sachsen  sei  wie  eine  Bombe 
hineingefallen." 

„Der  Kaiser  fuhr  fort:  was  man  in  Wien  fiüstere  (les 
bourdonnements  de  Viennc),  sei  ihm  bekannt,  soAvie  die  In- 
triguen  der  Kaiserin;  es  sei  schon  hinge  her,  dass  er  dem 
Hofe  misstraue;  wenn  man  aber  dort  glaube,  von  dem 
Schlage,  den  er  im  letzten  Feldzuge  erlitten  habe,  Vor- 
theil  zu  zielicn,  um  das,  was  man  verloren  habe,  wieder 
zu  nehmen,  so  täusche  man  sich.   Er  sei  niemals  so  mächtig 


*)  Sächsischer  Gesandter  in  Paris   seit   der  Erkrankung   des 
Grafen  G.  von  Einsiedcl  im  Jahre  1812. 


248  Hermann  Freiherr  von  Friesen: 

gewesen,  als  in  diesem  Augenblick.  Wenn  sein  Schwieger- 
vater 300000  Mann  gegen  ihn  marschieren  lasse,  so  stehen 
ihm  1200000  Mann  zur  Verfügung." 

„Er  fügte  hinzu,  er  würde  es  Oestcrreich  verzeihen, 
dass  es  sich  gegen  ihn  erklärt  habe,  weil  es  mit  Bedauern 
Provinzen  gegen  ihn  verloren  habe;  er  könne  es  dem 
König  von  Preussen  verzeihen,  wenn  er  ihn  bekriege,  weil 
er,  der  Kaiser,  ihm  die  Hälfte  seiner  Staaten  genommen 
habe;  aber  er  werde  es  niemals  dem  König  von  Sachsen 
vergeben,  weil  er  der  einzige  Souverän  sei,  dem  er  nichts 
genommen,  sondern  dem  er  im  Gegentheil  nur  Gutes  er- 
wiesen habe.'' 

„Indem  er  von  den  üblen  Rathschlägen  sprach,  die 
man  dem  König  von  Sachsen  gegeben  habe,  gedachte  er 
des  Generals  von  Langenau  und  sagte,  er  wisse,  dass  er 
es  vorzugsweise  sei,  der  dazu  gerathen  habe,  sich  mit 
O esterreich  zu  vereinigen.  Aber  er  werde  ihn  zu  finden 
wissen  und  ihn  füsilieren  lassen." 

„Nachdem  der  Kaiser  gesagt  hatte,  wenn  der  König 
von  Sachsen  seine  Partei  verlasse,  werde  er  sich  durch 
den  Verlust  eines  Alliierten  nicht  schwächer  fühlen,  be- 
merkte einer  von  uns,  man  müsse  hoflfen,  das  Se.  Kaiser- 
liche Majestät  ihn  wieder  gewinnen  werde,  worauf  der 
Kaiser  erwiederte:  ,Ohne  die  Scldacht  von  Lützen  würde 
ich  ihn  schwerlich  wiedergewonnen  haben/" 

„Was  der  Kaiser  im  wesentlichen  von  uns  verlangte, 
um  die  Regierung  des  Landes  während  der  Abwesenheit 
des  Königs  festzustellen,  Avar,  dem  General  Thielmann 
Befehl  zugehen  zu  lassen,  dass  er  die  Festung  Torgau 
französischen  Truppen  übergeben  solle  und  dass  ein  Mit- 
glied der  Immediat-Kommission  nach  Prag  gehe,  um  dem 
König  Vortrag  von  dem  zu  erstatten,  was  wir  gehört 
haben,  und  seine  endliche  Entscheidung  zu  erlangen." 

„Als  wir  darauf  erwidert  hatten,  der  General  Thiel- 
mann werde  einem  Befehl,  zu  dem  wir  durch  unseren 
Souverän  nicht  ermächtigt  seien,  nicht  Folge  leisten,  er- 
langten wir,  es  werde  hinreichend  sein,  wenn  einer  von 
uns  nach  Torgau  gehe,  um  dem  General  Thielmann  die 
Missbilligung  seines  Benehmens  selten  der  Immediat-Kom- 
mission zu  erklären  und  um  von  ihm  zu  ei'langen,  dass 
er  unverweilt  einen  Kurier  nach  Prag  sende,  um  die 
Befehle  des  Königs  einzuholen." 

„Hinsichtlich  der  Reise  eines  der  Mitglieder  der  Im- 
mediat-Kommission   nach   Prag   stellten   wir    dem   Kaiser 


Napoleon  in  Dresden  (8.  Mai  1813).  249 

vor,  dass  sie  überflüssig  sei,  weil  der  Graf  Geor«^  von  Ein- 
siedel  mit  einem  ausdrücklichen  Auftrag  Sr.  Kaiserlichen 
Majestät  an  den  König  von  Sachsen  dorthin  ahgehe.  Der 
Kaiser  bestand  nicht  weiter  auf  dieser  Reise  und  wir  er- 
langten von  ihm,  dass  er  die  Rückkehr  des  Grafen  Ein- 
siedel  von  Prag  und  des  Kuriers  des  Generals  Thiel- 
mann erwarten  werde,  ehe  er  weitere  Beschlüsse  fasse." 

„Das  war,  so  weit  mein  Gedächtnis  hinreichen  konnte, 
das  Wesentliche  dieser  ewig  denkwürdigen  Unterredung, 
von  der  indessen  zu  bemerken  ist,  dass  sie  von  keiner 
AA'irkung  war;  denn  Se.  Majestät  der  König  von  Sachsen 
hatte  schon  seinen  Entschluss  gefasst,  während  der  Kaiser 
Napoleon  uns  sprach,  und  der  General  von  Gersdorf 
war  thatsächlich  schon  auf  dem  Wege  von  Prag  nacli 
Dresden,  um  einen  Brief  des  Königs  an  den  Kaiser  zu 
bringen." 

Wiewohl  es  schon  längst  die  Geschichte  verzeichnet 
hat,  ist  doch  der  Vollständigkeit  halber  hinzuzufügen,  dass 
Graf  Senfl't  von  Pilsach  nach  der  Entscheidung  des  Königs 
seine  Entlassung  nahm.  Graf  Detlev  von  Einsiedel,  bis- 
her Kreishauptmann  in  Dresden,  wurde  vom  König  zum 
Cabinetsminister  ernannt  und  übernahm  uach  der  Rück- 
kehr des  Königs  das  Portefeuille  der  inneren  sowohl  als 
der  auswärtigen  Angelegenheiten.  General  von  Langenau 
nahm  mit  seinem  Adjutanten,  dem  Rittmeister  Graf  Schulen- 
biu'g  (aus  dem  Hause  Vitzenburg),  ebenfalls  seinen  Ab- 
schied und  trat  in  k.  k.  österreichische  Dienste.  General 
von  Thielmann  verliess  die  Festung  'Torgau,  nachdem 
er  den  Befehl  zur  Uebergabe  derselben  an  die  Franzosen 
erhalten  hatte^  ohne  Abschied  und  begab  sich  zum  Kaiser 
von  Russland,  der  sein  Hauptquartier  in  Lichtenburg  auf- 
geschlagen hatte  und  ihn  in  seine  Dienste  aufnahm.  Oberst- 
leutnant Aster,  Ingenieur  des  Platzes  in  Torgau,  der  den 
General  begleitet  hatte,  begehrte  und  erhielt  einen  ehren- 
vollen Abschied  aus  dem  königlich  sächsischen  Dienst, 
trat  in  die  königlich  preussische  Armee  ein  und  starb  nach 
einer  glänzenden  Laufbahn  als  General-Inspecteur  der 
königlich  preussischen  Festungen. 

Am  12.  Mai  in  den  Mittagsstunden  kehrte  der  König 
Friedrich  August  der  Gerechte  nach  Dresden  zurück, 
wohin  ihn  der  Kaiser  Napoleon  unter  dem  Geläute  der 
Glocken  und  dem  Donner  der  Kanonen  in  pomphafter 
Weise  einführte.  Am  Pirnaischen  Schlage  empfing  ihn 
eine   Deputation   des  Stadtrathcs,   an   welche   der  Kaiser 


250  Hermann  Freiherr  von  Friesen :    Napoleon  in  Dresden. 

folgende  Worte  richtete  (die  ich  ebenfalls  den  Denk- 
würdigkeiten meines  Vaters  entnehme): 

„Magistratspersonen,  liebt  euern  König,  seht  in  ihm 
Sachsens  Erretter.  Wenn  er  seinem  Worte  weniger  treu, 
ein  minder  guter  Alliierter  gewesen  wäre,  wenn  er  sich 
zu  der  Meinung  der  Preussen  und  Russen  hätte  hinreissen 
lassen,  Avar  Sachsen  verloren,  ich  würde  es  als  erobertes 
Land  behandelt  haben." 

„Meine  Armee  wird  nur  durchziehen,  und  ihr  werdet 
bald  der  Bürden  entledigt  sein,  die  ihr  ertragt.  Ich  werde 
Sachsen  gegen  alle  seine  Feinde  vertheidigen  und  be- 
schützen." 

Die  Stimmung  war  durchaus  eine  tief  trauernde  und 
bedrückte,  wovon  mir  heute  noch,  nach  einem  Verlauf  von 
mehr  als  sechzig  Jahren,  die  wehmüthigste  Erinnerung 
lebhaft  im  Gedächtnis  ist. 


IX. 


Aus  dem  Schulwesen  Sachsens,  besonders  in 
Mittweida  und  Freiberg,  zu  Ende  des  17.  Jahr- 
hunderts. 


Von 

Ch.  G.  Ernst  am  Ende. 


In  den  in  meinem  Besitze  befindlichen  Aulzeichnungen, 
welche  der  als  Pastor  zu  HaselofF  (Ephorie  Beizig  im 
Kurkreise)  am  22.  April  1752  verstorbene  Mag.  Christoph 
am  Ende,  der  Vater  meines  Urgrossvaters,  über  seinen 
Lebensgang  hinterlassen,  gedenkt  derselbe  seiner  Schul- 
bildung mit  besonders  pietätvollem  Ausdrucke. 

Da  bei  dem  Brande  der  erzgebirgischen  Stadt  llai- 
niclien,  des  Wohnsitzes  seiner  Eltern,  1680  auch  das 
Schulhaus  vernichtet  wurde,  so  Avar  der  achtjährige  Knabe 
zu  den  Grosseltern  nach  Mittweida  und  in  die  Schule  da- 
selbst gekommen.  Hier  unterrichteten  ihn  Bernh.  Martini, 
Organist  und  KoUaborator,  Wolfgang  Helmert,  Kantor, 
Zachar.  Thorscinnidt,  Konrektor  und  der  Rektor  Mag. 
Sam.  Bernhardi,  bei  welchem  er  auch  noch  einige  Monate 
vor  seinem  Al)gange  Privatinformation  genoss. 

Charakteristisch  für  die  Schulzucht,  wie  lobreich  für 
den  Schüler  ist  die  Bemerkung:  „Bei  der  Valediktion 
(Ostern  1(388)  sagte  der  Herr  Kantor,  er  könnte  sich  nicht 
erinnern,  dass  er  mich  einmal  geschlagen."  In  den  beiden 
oberen  Klassen    scheint  demnach  der   sonst  so  wichtige, 


252  Ch.  G.  Ernst  am  Ende: 

dem  Rektor  bei   seinem   Amtsantritte   solenn    überreichte 
Stock  ohnehin  ausser  Anwendung  gebUeben  zu  sein. 

Wie  sehr  aber  der  erwähnte  Privatunterricht  für 
strebsame  Schüler  damals  wünschenswert!!  gewesen  sein 
muss,  geht  aus  dem  Umstände  hervor,  dass  bis  zum  Jahre 
1749  alle  vier  Klassen  in  einer  Schulstube  beisammen 
waren;  erst  in  diesem  Jahre  wurde  für  die  erste  Klasse 
des  Rektors  eine  besondere  Schulstube  bereitet  und  erst 
1792  die  grosse  Schulstube  so  geändert,  dass  jeder  der 
drei  übrigen  Lehrer  eine  besondere  Stube  hatte,  „in  wel- 
cher er  seine  Klasse  bearbeiten  konnte".  *) 

„Eben  in  diesem  Jahre  (1688)  bin  ich  noch  zuletzt 
an  dem  Gregoriusfeste  Bischof  gewesen",  erzählt  der  vor- 
liegende Lebenslauf,  und  die  Schilderung,  welche  die  ur- 
kundlichen Nachrichten  des  Ortspfarrers  Kretzschmar^) 
von  der  Feier  dieses  Festes  in  Mittweida  enthalten,  er- 
weitern diese  kurze  Notiz  zu  allgemeinerem  Interesse.  Für 
das  Gregoriusfest,  zu  Ehren  des  um  Kirchen-  und  Schul- 
wesen verdienten  Papstes  Gregor  des  Grossen  namentlich 
auch  in  sächsischen  Landen  durch  einsammelnde  Schul- 
aufzüge ceremoniell  gefeiert,  war  zu  Mittweida  1588  eine 
besondere  Fahne  angeschafft  worden.  Mittwochs  nach 
Cantate  begann  die  Prozession,  die  Schüler  erschienen  in 
mannichfachen  Verkleidungen,  und  die  Wohnung  der  Eltern, 
deren  Schulknäbe  den  Bischof  vorstellte  (für  am  Ende  das 
Haus  des  Grossvaters,  des  Tuchmachers  Caspar  Hermann, 
Stadtrichters  und  Rathsherrn),  wurde  acht  Tage  lang  zu 
einem  Schauplatze,  der  mit  bedeutendem  Aufwände  und 
nicht  geringer  Unruhe  zu  Ehren  des  so  ausgezeichneten 
Schülers  verbunden  war.  Denn  während  dieser  Zeit  des 
Singumganges  hatten  diese  täglich  die  Lehrer  zu  bewirthen 
und  zum  Schlüsse  eine  grosse  Mahlzeit  zu  veranstalten, 
zu  welcher  auch  die  Geistlichen,  Rathsherren  und  andere 
Vornehme  einzuladen  waren.  Da  sich  später  für  solches 
Unternehmen  immer  seltener  eine  Familie  bereit  fand,  so 
ward  1803  in  Mittweida  zum  letzten  Male  das  Grcgorius- 
fest  in  alter  Weise  gefeiert,  bis  auch  die  einfachere  Fort- 
setzung desselben  mit  dem  20.  Mai  1835  infolge  des  neuen 
Schulgesetzes  erlosch. 

Der   Stand   der   damaligen  Mittweidaer  Schule   muss 


')  Ad.  Chr.  Kretzschmar,   Nachrichten   aus  ....  Mittweyda 
(daselbst  18il)  II,  1100. 
*)  Ebenda  1104—8. 


Aus  dem  Schulwesen  Sachsens  zu  Ende  des  17.  Jahrhunderts.    253 

als  ein  im  allgeineineu  für  wissenschaftliche  Vorbildung 
nicht  ungünstiger  erkannt  werden,  denn  sie  hatte,  wenn 
auch  erst  nach  fast  achtjähriger  Schulzeit^  den  genannten 
Verfasser  lebensgeschichtlicher  E^rinnerungen  befähigt,  in 
die  Sekunda  des  Freiberger  Gymnasiums  aufgenommen 
zu  werden. 

Von  dem  'philologischen  Geiste  jener  Schule  zeugen 
noch  verbliebene  Andenken  an  dieselbe. 

Zwei  Blätter  eines  Sclireibheftes  sind  mit  Uebungen 
in  deutschen  und  lateinischen  Schriftarten  gefüllt,  von 
welchen  jeder  Satz  mit  verschiedenfarbig  ausgefüiirten 
Zeilen  beginnt.  Gelehrter  Weise  ist  in  diesen  Sätzen  von 
den  Spielen  (auf  Brett,  mit  Würfeln)  die  Kede,  wie  solche 
auch  bei  den  Griechen  und  Römern  üblich  waren. 

Tiefer  noch  in  das  Wesen  der  Schule  führt  ein  Oktav- 
heftchen ein,  beschrieben:  „Christophorus  am  Ende  1G87 
d.  19.  April  mpp."  Es  ist  also  aus  seiner  Mittweidaischen 
Primanerzeit  und  enthält  Formeln  zum  Gebrauche  in  ver- 
schiedenen Fällen  des  Schullebens. 

Voran   steht   die  Bitte    um   einen   freien  Nachmittag: 

S.  P.  Clarissime  nee  non  dnctissime  Douiine  M.  Rector  et 
Praeceptor  omni  observantiae  ciütu  honorande.  Ciaritatem  tuam 
obnixe  rogatam  volumus,  ut  nobis  post  Meridiem  cessationem  a  studiis 
pcrmittere  velis.  Quia  coelura  serenum  est,  ut  et  Parentibns  nostris 
in  rebus  domesticis  servire  possimus.  Quicquid  Interim  a  nobis 
cessatum  erit,  in  posterum  compensaturi  sumus. 

Umständliclier  ausgeführt  gestaltete  sich  das  Gesuch 
um  einen  ganzen  Tag: 

S.  P.  Humanissime  nee  non  doctissime  Domine  M.  Rector  et 
Praeceptor,  omni  observantiae  cultu  honorande.  Vide  sis  quantopere 
blandiatur  coelum  et  sol  radiis,  omnia  suis  fructibus  maturitatem 
inducans  exhilaret,  ut  vel  tardissiuiuui  ad  prodL-ambuhuiduni  incifarc 
queat.  Quapropter  hujus  diei  aniounitate  ducti  humanitatem  tuam 
totius  Scholasticae  cohortis  nomine,  adeundam  putavi,  etiam  atque 
etiam  petens  atque  flagitans,  ut  hodierno  die,  et  quidem  horis  suc- 
cisivis,  publicis  Lectionibus  supersedeudi  potestatem  nobis  lacias. 
Quo  Parentibus  nostris  in  agris  ac  pratis  occupatis  adesse  queanuis. 
Nos  yicissim  quicquid  temporis  hujusce  modi  intervallo  amissuui 
erit,  intentiori  post  bac  vigüantia  recompensaturi  sumus. 

Besondere  Rücksichten  waren  auf  die  Würden  der 
zum  Besuch  der  Examen  Einzuladenden  erforderlich.  Da- 
her die  folgenden  Formulare: 

J.  N.  J.l    In  Examine  Invitatio  ad  Pastorem. 

Admodum  Reverende,  Amplissime  atque  Praecellentissimc,  Do- 
mine Magister,  Pastor,  Scholaeciue  nostrac!  Inspector,  omni  obser- 
vantiae   cultu    honorande.      Ad   dioin    Lunae   scquentis    Septimanae 


254  <^^i-   f^.  Ernst  am  Endo: 

hora  octava  matutina  (cum  Deo)  in  liido  nostro  literario  Examen 
instituetur  (ad  quod  nostrum  Senatum  jam  invitaturi  sumus),  oui  ut 
et  Reverenda  Tua  Dignitas  Interesse  ne  dedignetur,  nomine  totius 
coetus  Scholastici  majorem  in  modum  rogamus. 

Ad  Diaeonuni. 

Admodum  Reverende,  Clarissime  atque  Doctissime  Domine 
Diacone,  (Magister)  Fautor  et  Promotor  omni  observantiae  cultu 
honorande.    Ad  diem  Lunae  sequentis  etc. 

Ad  Senatum. 
Cum  vestrae  Prudentiae  atque  Antoritatis  sit,  Amplissimi,  Pru- 
dentissimique  Viri,  Domini  ac  Patroni,  omni  observantiae  cultu 
honorandi,  non  solum  intelligere,  quid  in  publicis  agatur  negociis, 
verum  etiam  providere,  ut  cum  omnia,  tum  praesertim  sumtus,  qui  in 
Stbolam  nostram  a  Vobis  impenduntur,  bene  tam  a  Discentibus,  quam  a 
Docentibus  collocentur;  Praeceptoribus  nostris,  qui  omnia  prius  experti 
sunt,  ne  niolesti  esse  viderentur,  vobis  impraesentiarum  signiticare 
Visum  est,  se  jussu  Reverendi  Domini  Pastoris  et  Scholae  nostrae  In- 
spectoris  Vigilantissimi  jam  iterum  Examen  instituere,  coetum  nostrum 
Scholasticura  ad  diem  Lunae  sequentis  Septimanae  lustrare  velle. 
Cui  lustrationi  utet  Yos  interesse,  et  quales  in  Studiis  nostris  prolectus 
fecerimus,  pro  summo  vestro  erga  optimarum  artium  Studio  amore, 
aequo  animo  auscultare,  ne  dedignemini,  coetus  noster  Scholasticus 
ea,  qua  par  est,  sabmissione  ac  reverentia  majorem  in  modum  rogat. 

p]s  waren  aber  auch  Personen  des  Ratlies  zu  berück- 
sichtigen, bei  welchen  das  Verstellen  von  Latein  nicht 
vorausgesetzt  werden  konnte.  Diesen  ward  folgende  For- 
mel,  vielleicht  auch  zu  mündlicher  Anrede,  gewidmet: 

WohlEhrenVeste,  Voracbtbare,  Wohlgelahrte  und  Wohhveise, 
besonders  Grossgünstige  Herren  und  Förderer. 
Demnach  auf  Anordnung  und  Befehl  unsres  hochgeehrten  Herren 
Pfarrers  unsere  Herren  Praeceptores  auf  nechst  künftigen  Montag 
abermahls  ein  Examen  in  unserer  Schule  anzustellen  entschlossen, 
Und  aber  ihme  nicht  unwissend,  dass  durch  eines  EhrenVesten 
Raths  Praesentz  und  Gegemvart  demselben  Examini  eine  sonderliche 
Autorität  und  Ansehen  gemachet  werde;  als  haben  gemeldte  unsre 
Herren  Praeceptores  uns  beyde  abgefertiget,  solches  einen  Ehren- 
Vesten und  Wohlweisen  Kaht  zu  vermelden,  und  denselben  in  ihren 
nahmen  gantz  freundlich  zu  bitten,  dass  die  Herren  auf  angerechte 
Zeit  solchen  Examini  unbeschwert  beiwohnen  und  anhören  wollen, 
wie  wir  in  unsren  Studiis  proticieret,  und  wie  die  auf  unsere  Schulen 
angewendete  Unkosten  angeleget  werden.  Solches  dieweil  es  ge- 
reichet zu  Gottes  Ehren  und  zu  unserer  Schulen  Besserung,  sind 
nebenst  Wüntschung  Göttlicher  Gnade,  Glück sueliger  Regierung  und 
alles  Guten,  um  einen  EhrenVesten  und  Wohlweisen  Kaht  unsere 
Herren  Praeceptores  benebenst  uns  Knaben,  nach  Vermögen  danck- 
barlich  zu  verschulden  erbötig. 

Es  folgt  dann  eine  Gratiarum  Actio  ad  Deum  post 
Examen  und  eine  bei  derselben  Gelegenheit  zu  haltende 
Ansprache  Ad  Viros  Fraesentes,  beide  in  dem  gleichen 
woi'treichen  Stile,  wie  das  Vorhergehende. 


Ans  dorn  Schulwesen  Sachsens  zu  Ende  des  17.  Jahrhunderts.     255 

Audi  zu  den  musikalischen  Auffülirungen  hatten  im 
Namen  der  Kantorei  Einhidungen  zu  geschehen.  In  wel- 
clier  Weise,  lernen  wir  aus  einer  Invitatio  ad  Pastorem 
ad  Convivium  Musicum  und  aus  einer  weniger  eleganten 
deutschen  Formel,  die  an  den  Bürgermeister  (oder  Stadt- 
richter) gerichtet  ist,  kennen. 

Besonders    charakteristisch    aber    ist    schliesslich    ein 

Gesuch,    in   welchem    bei   dem    Ortspfarrer  unter   Ueber- 

reichung  eines  Gedichtes  vmi  Gewährung   von  Ferien  für 

die  Nachmittage  der  Hundstage  gebeten  wird. 

Ad  Pastorem  pro  impetrandis  feriis  canicularibus.  Adniodura 
Reverende,  Araplissime  atque  Praecellentissinie  Domine  M.  Pastor 
Scholaeque  nostrae  Inspector  Vigilantissime,  P'autor  et  Promoter 
omni  observantiae  cultu  honorande.  Reverendae  Tuae  IMgnitati  oüero 
hoc  qnalecunque  carmen,  pro  impetrnndis  feriis  canicularibus  scrip- 
tum, quod,  ut  aequi  bonique  Keverenda  Tua  r)ignitas  consulat, 
nobisque  horis  pomeridianis  vacationem  a  studiis  per  dies  caniculares 
pro  more  et  consuetudine  haud  gravatim  conceibit,  nomine  totius 
coetus  Scholastici  majorem  in  modum  rogo.  — 

Die  ferneren  Erwähnungen  nun,  welche  das  Gym- 
nasium zu  Freiberg  betreffen,  sind  wohl  umsomehr  von 
Interesse,  als  erst  kürzlich  Oberlehrer  Dr.  Paul  Süss") 
durch  seine  Geschichte  der  genannten  alten  sächsischen 
Gelehrtenschule  (als  Gymnasium  gegründet  1537,  unter 
dem  Namen  Gymnasium  Albertinum  seit  1875)  die  Auf- 
merksamkeit auf  das  Unterrichtswesen  in  derselben  gelenkt 
hat;  zu  den  meist  aus  städtischen  und  Ephoralakten  ge- 
sammelten Nachrichten  gewähren  die  nachfolgenden  Mit- 
theilungen einen  ergänzenden  Beitrag. 

Am  11,  Juli  1688^;  war  Christoph  am  Ende  in  die 
Sekunda  des  Freiberger  Gymnasiums  eingetreten.  Nächst 
dem  Rektor  Mag.  Justus  Gottfried  Rabener  hörte  er  hier 
die  Lectiones  des  Tertius  Christian  Fritzschc,  sowie  des 
Konrektors  Mag.  Tobias  Liebe  und  nachdem  letzterer  an 
Stelle  des  1691  nach  Meissen  berufenen  Rabener  Rektor 
geworden  war,  auch  die  des  Tertius  Israel  Beger.  In 
Musicis  unterrichtete  ihn  der  Kantor  Joachim  Ernst  Spahn, 
und  er  Avard  Adjunctus   des  Praefocti    im   zweiten  Chore. 

Was    in    diesen    öffentlichen    Lehrstuuden    getrieben 


*)  Paul  Süss,  Geschichte  des  Gymnasiums  zu  Freiberg  (Gym- 
nasium Albertinum)  I.  und  II.  Thoil;  in  den  Programmen  des  ge- 
nannten Gymnasiums  von   1«7()  und   1877. 

*)  Der  Rektor  M.  Joh.  Gottl.  Biedermann  giebt  in  seiner  Gom- 
mentatio  I,  qua  memorias  dis(ipulnruni  extrancovum  in  Sdiola  Fri- 
bergensi  versatorum  etc.,  (Prograuun  17:i7)  den  11.  .Juni  1089  an. 


256  ^li-  G.  Ernst  am  Ende; 

worden,  wird  niclit  berichtet;  wolil  aber  wird  es  zu  einem 
Belege  für  das  tJeberliandnehnien  des  Privatunterrichtes, 
was  Superintendent  Dr.  Lehmann*)  um  1700  in  einem 
Gutachten  über  die  Freiberger  Schule  zu  beklagen  hatte, 
wenn  gerade  dieses  Privatunterrichtes  hervorhebender  in 
Folgendem  gedacht  Avird: 

„Nebenst  den  Lectionibus  und  Collegiis  publicis  habe  ich  auch 
privata  gehabt,  als  bei  Herrn  Christian  Fritzsche  als  Conrectore: 
1.  CoUegium  Ebraicum  super  Atrium  linguae  sanctae  Opitii,  2.  super 
Fritzschii  Schediasma   de   studüs  scholasticis,  3.  de  Artiticio  vari- 
andi, cum  subsidio  iuvenili  M.  Weisii,  Kectoris  Zittaviensis, 

bei  M.  Lieben  als  Conrectore: 

1.  CoUegium  Epistolicum  latinum,  2.  Topicum  theoretico-practicura, 

3.  Kurtzer  Unterricht  vom  deutschen  Briefschreiben,  4.  Isagoge  ad 

Poesin  vernaculam,   5.  CoUegium  Reale,  s.  Index  super  rerum  et 

materiarum   a   variis  autoribus  ex  professo  tractatnris   chiliadem, 

bei  demselben  als  ßector: 
CoUegium  de  inscriptionibus, 

bei  M.  Rabenern : 
1.  CoUegium    Geographicum   Ilildebr.    ex  Cluvero    cum  annotationi- 

bus  dictatis,   2.   Sinopsin  Phys.   Sperling,    cum   commentationibus 

dictatis/) 

Die  kurze  Fassung  der  bei  obigen  Unterrichtszweigen 
benutzbar  gefundenen  Lehrbücher  lässt  dennoch  keine  be- 
sonders weitgehenden  mündlichen  Erörterungen  vermuthen. 
Genügt  es  doch  z.  B.  in  „Fritzschii  Schediasma"  für  den 
Ausdruck  im  Deutschen  (Seite  24)  zu  sagen:  „Placet  hie 
infallibilis  dar.  Weisii  regula:  Man  schreibe,  wie  maii 
in   Canzleyen   schreibet  und    wie   rechtschaffene   Theologi 


*)  Siehe  Süss,  Geschichte  des  Gymnasiums  zu  Freiberg  II,  67. 

«)  Die  angeführten  Lehrbücher  sind  durch  folgende  Titel- 
angaben, wenn  auch  nur  nach  den  auffindbar  gewesenen  Ausgaben 
derselben,  näher  zu  bezeichnen; 

Atrium  linguae  sanctae,  quo  exhibetur  1.  consilium  de  studio 
Unffuae  sanctae  feliciter  tractando,  2.  Grammaticae  Hebr.  compendium 
ex  Hebraismo  restituto  celeberr.  .  .  .  Wasmuthi,  3.  Textus  cum  praxi 
Hebraeo-analytica  ....  4.  Lexici  Hebraei  compendium  ....  5.  In- 
dex ....  autore  Henrico  üpitio.  3.  editio  Lips.  168L  4". 
78  pagg.     (In  der  Zittauer  Stadtbibliothek  Th.  4»  498.) 

Schediasma  de  Studüs  scholasticis  in  usum  et  gratiam  studiosae 
iuventutis  editum  a  Christiano  Fritzschio.  Lipsiae,  Jo.  Ch. 
Wohlfart  1692.  16».  96  pagg.  (In  der  königl.  öfl'.  ßibUothek  zu 
Dresden,  Encycl.  509.) 

Christian!  Weisii  subsidium  puerile  de  artificio  et  usu 
chriarum  in  eorum  gratiam,  qui  tandem  ad  institutiones  oratorias 
faciliori  cursu  tum  ipsi  pergere,  tum  aliis  informatione  vel  consilio 
praeire  volunt,  publici  juris  factum.  Zittaviae,  typis  Mich.  Hart- 
manni  1689.     8".     48  pagg.     (In  der  Zittauer  Stadtbibliothek.) 

Compendium  geographiae  Cluverianae,  frequenti  historia,  fabula, 


Aus  dem  Schulwesen  Sachsens  zu  Ende  des  17.  Jahrhunderts.    257 

und  Politici  in  ihren  Schriften  gewohnt  sind,  so  darf  man 
weiter  nichts  besorgen." 

Auf  Lektüre  und  praktische  Uebungen  wurde  eben 
ein  Hauptwerth  gelegt.  Bezeichnend  ist  in  dieser  Be- 
ziehung Fritzsches  Eifer  für  vereinfachtes  Erlernen  der 
lateinischen  Sprache  durch  eine  deutsch  geschriebene  Gram- 
matik ohne  viele  Regeln.  Während  die  französische  oder 
italienische  Sprache  recht  gut  binnen  drei  Jahren  erlernt 
werde,  während  sogar  für  eine  später  zu  erwählende  Fach- 
wissenschaft ein  Triennium  oder  Biennium  als  ausreichend 
gelte,  bringe  die  Jugend  mit  dem  Latein  beinahe  20  Jahre 
zu.  Aus  einer  Dissertation,  welche  die  eruditissima  virgo 
Margaretha  Adelgundis  van  den  Enden  zu  Antwerpen 
öffentlich  vertheidigt,  wird  die  Anklage  gegen  die  grosse 
Mangelhaftigkeit  der  lateinischen  Grammatik  mit  der  Be- 
hauptung wiederholt,  dass  bei  rechter  Methode  in  Jahres- 
frist mehr  Gewandtheit  im  Ausdrucke  zu  erreichen  sei, 
als  jetzt  binnen  zehn  Jaln-en. ') 

Dieses  Streben  nach  Gewandtheit  kennzeichnen  aller- 
dings bereits  die  aus  der  Mittweidaer  Schule  mitgetheilten 
Invitationes. 

Das  Ergebnis  der  genannten,  immerhin  vielseitigen 
Studien  auf  dem  Freiberger  Gynmasiuni  bezeugen  zum 
Tlieil  die  Themata,  welche  in  freien  Aufsätzen  zur  Be- 
arbeitung gelangten. 

„Auf  diesem  Gymnasio",  heisst  es,  „habe  ich  vier 
Orationes  gehalten  unter  Anführung  M.  Lieben's;  eine 
publice  in  laudem  autumni,  drei  solenne,  nämlich:  in  lau- 

proverbio  etc.  ilhistratum,  versibus  etiam  hi  vernacula  lingua,  me- 
moriae  juvandi  gratia,  comprehensum  ....  a.  M.  F ri der.  Hilde - 
brando,  G.  Martisb.  ß.  Frankofurti  et  Lipsiae,  Gg.  Heinr.  From- 
mann, 1675.  16 ".  .S49  pagg.  u.  Index.  (In  der  königl.  ötf.  Biblio- 
thek zu  Dresden,  Geogr.  A.  951.)  Phil.  Cluverus,  zu  Leyden  162.^5 
verstorbener  Geograph,  hatte  eine  beliebt  gebliebene  „introdnctio  in 
universam  Geographiani"  verfasst. 

Synopsis  Physica  Job.  Sperling's,  Profess.  AVittebergensis, 
edit.  II.  Wittebergae,  Job.  Berger,  praelo  Mich.  Wendt,  1015.  16". 
274  pagg      (Ebenda  H.  nat.  A.  128.^.) 

Die  Verzeichnung  damaliger  Lehrmittel  zu  Freiberg  geschah 
deshalb  genauer,  weil  diese  kleinen  Biuher  in  Bibliotheken  selten 
geworden  sind.  So  enthält  z.  B.  W.  Görges  Verzeichnis  der  in  der 
Stadtbibliothek  und  in  der  Bibliothek  des  Johanneums  zu  Lüneburg 
enthaltenen  älteren  Lehr-  und  Schulbücher,  hauptsächlich  aus  dem 
IG.  und  17.  Jahrhunderte  (Programm  des  Johanneums  zu  Lüneburg, 
Ostern  1880)  auf  28  gespaltcuv'in  Quartseiten  keinen  der  obigen  Titel. 

')  Fritzsche  widmet  diesem  Gegenstande  die  Seiten  26—44 
seines  kleinen  Buches. 

Neues  Archiv  f.  S.  Ci.  ii.  A.  II.  3.  17 


258        Ch.  G.  Ernst  am  Ende:   Aus  dem  Schulwesen  Sachsens. 

dem  auri  (den  23.  September  1692),  super  emblema  II. 
au  dem  Castro  doloris  Johannis  Georgii  III  „In  Morea: 
Nemo  ante  meorum"*)  (den  18.  März  1692)  und  am 
17.  Februar  1693  als  ein  Minister  verbi  divini  orationem 
consolatoriam  deutsch  an  das  betrübte  Freiberg  bei  einem 
dramate  im  priesterliclien  Habit." 

Der  Betheiligung  an  den  Schulkomödien  wird  nur 
noch  zTreimal  gedacht:  „Auf  dem  Theatro  im  Rathhause 
bin  ich  in  einer  weltlichen  Comödie  ein  Abgesandter  ge- 
wesen und  in  der  geistlichen  Judith  der  Hohepriester  Joja- 
kim,  der  die  in  Säcken  aufziehenden  ßethulier  tröstete."") 

Es  kann  ein  günstiges  Licht  auf  den  bei  allen  ein- 
getretenen Mängeln  doch  bildungsfähig  gebliebenen  Zu- 
stand der  Schule  werfen,  wenn  der  noch  im  Alter  dank- 
bare Schüler  in  seiner  Niederschrift  fortfährt: 

„So  habe  ich  meine  Studia  zu  Freiberg  bis  a.  1693 
continuirt  und  durch  göttlichen  Segen  solche  profectus 
gemacht,  dass  ich  unter  dem  Präsidio  Herrn  Christian 
Fritzschens,  Conrectoris,  eine  disputationem  scholasticam  de 
perspicuitate  scripturae  sacrae  respondendo  gehalten,  weil 
ich  gar  zeitig  durch  sonderbaren  Antrieb  grosse  Lust  zum 
Studio  theologico  bekommen.  Dabei  ist  auch  die  thesis 
philosophica  ventilirt  worden:  Philosophia  est  donum  Dei, 
desgleichen  die  Thesis  moralis:  Homini  civili  licitum  est 
uti  coraplimentis." 

Der  geistlichen  Richtung  entsprechend,  ward  vor  dem 
Abgange  zur  Universität  Wittenberg  am  10.  März  1693 
die  Valediktionsrcde  de  morte  Christi  verissima  gehalten. 


*)  Die  vier  grossen  mit  kurfürstlichen  Fahnen  geschmückten 
Embleme  stellten  zur  Erinnerung  an  Kriegsthaten  Wien,  Morea, 
Heilbronn  und  Mainz  dar  (s.  „Emblemata  am  Castro  doloris  zu  Frey- 
berg" im  Anhange  zu  S.  B.  Carpzovs  Leichenpredigt  auf  Johann 
Georgen  III.,  Dresden  1691.  fol.).  Auf  Morea  hatten  1685  an  dem 
Kampfe  der  Republik  Venedig  gegen  die  Türken  drei  sächsische 
Regimenter  sich  siegreich  betheiligt. 

*)  Ueber  die  Schultheater  jener  Zeit  siehe  Süss,  Geschichte  des 
Gymnasiums  zu  Freiberg  II,  65,  wo  berichtet  wird,  dass  im  Oktober 
1689  sogar  „Judith  und  Holofernes"  aufgeführt  worden  sei. 


Literatur. 


Adam  Friedrich  Oeser.  Ein  Beitrag  zur  Kunstgescliicbte  des 
18.  Jabrliuiideits.  Von  Dr.  Alplioiis  Dürr.  Mit  sieben  Holz- 
schnitten.    Leipzig,  Alphons  Dürr.     1879.     8".     X,  255  SS. 

Das  Leben  Oesers  ist  fast  mehr  um  der  Beziehungen 
willen,  welche  sich  zahlreich  mit  demselben  verknüpfen, 
interessant,  als  durch  die  Leistungen  des  Mannes  selbst. 
So  hoch  auch  die  gleichzeitige  Kritik  den  jMeister  hielt, 
so  wenig  können  wir  heute  seinen  süsslichen  und  unmänn- 
lichen Schildereien  Geschmack  abgewinnen.  Nicht  der 
grosse  Künstler  ist  es,  der  uns  an  ihm  interessiert,  sondern 
der  verständige  Vorkämpfer  einer  neuen,  besseren  Zeit. 
In  diesem  Sinne  löst  auch  die  vorliegende  Monographie 
die  ihr  gestellte  Aufgabe.  Eines  ihrer  grössten  Verdienste 
ist,  dass  sie  nie  den  Blick  aufs  Ganze  verliert,  dass  sie  bei 
all  der  aus  jeder  Zeile  hervorspringenden  Liebe  für  das 
gewählte  Thema,  doch  nie  den  richtigen  Massstab  ein- 
büsst,  um  die  Bedeutung  Oesers  gerecht  zu  messen.  Und 
gerade  durch  die  Schilderung  der  Kämpfe  imd  Unzuläng- 
lichkeiten des  wackeren  Künstlers  tritt  dieser  selbst  mit 
grösster  Plastik  vor  unser  geistiges  Auge.  Oesers  Be- 
deutung liegt  darin,  der  „Verdränger  des  Rokoko  in 
Sachsen"  zu  sein;  zunächst  ist  dies  zwar  ein  negatives 
Verdienst,  dem  entsprechende  künstlerische  Leistungen 
kaum  entgegen  gesetzt  werden  können,  aber  doch  ein 
überaus  wichtiges,  denn  wenn  Oeser  gleich  in  Vogel, 
Matthäi,  Näke  und  andern  Künstlern  der  späteren  Dresdener 
Akademie  eine;  traurige  Gefolgschaft  nach  sich  zog,  so 
war  er  es  doch,  der  dem  Geiste  den  Boden  ebnen  half, 
welchen  Karstens  erschloss  und  in  Sachsen  Schnorr, 
Richter,  Rietschel  u.  s.  w.  bebauten. 

Die  Eigenart  des  zu  schildernden  IManncs  gebot  den 
Aufbau  des  Werkes.     Nicht  nach  versciiiedenen  Perioden 

17* 


260  Literatur. 

seines  künstlerischen  Schaffens  lässt  sich  sein  Leben  theilen, 
sondern  äussere  Umstände  sind  es,  die  entscheidend  auf 
ihn  wirken.  Die  Kapitel  über  die  Jugendjahre  in  Press- 
burg (1717—1730),  die  Lehrjahre  in  Wien  (1730—1739), 
die  Zeit  der  Entfaltung  des  Könnens  in  Dresden  (1739 — 
175G)  sind  zwar  in  erster  Linie  dem  Maler  gewidmet. 
Aber  mit  dem  folgenden  Aufsatze  „Oeser  und  Winckel- 
mann"  lernen  wir  eine  neue  Richtung  seines  Wesens 
kennen,  das  eigenartige  Lehrertalent,  welches  doppelt  in- 
teressant dadurch  wird,  dass  es  Schüler  von  gewaltiger 
Kapazität  sind,  die  er  anlockt  und  die  ihn  anlocken.  Das 
letztgenannte  Kapitel  und  das  achte,  in  welchem  das  Ver- 
hältnis zu  Goethe  geschildert  wird,  sind  wohl  die  be- 
deutendsten und  interessantesten  Theile  des  Buches.  Na- 
mentlich beachtenswerth  ist  der  Nachweis  des  lang  wäh- 
renden und  tiefen  Einflusses  auf  Goethe.  Erst  die  italienische 
Reise  und  das  Verständnis  der  Renaissance  befreit  den 
Dichter  von  der  absoluten  Verehrung  des  befreundeten 
Künstlers,  ja  lässt  ihn  sogar  abfällig  über  den  „Nebulisten" 
urtheilen. 

Zwei  weitere  Kapitel  behandeln  Oesers  Verhältnis  zu 
der  1764  gegründeten  Dresdener  und  zu  der  Leipziger  Aka- 
demie. Der  letzteren  stand  er  bekanntlich  bis  zu  seinem 
1799  erfolgten  Tod  als  Direktor  vor.  Auch  hier  ist  wenig 
von  Schiüern  Oesers  zu  sagen,  doch  wäre  ein  Nachweis 
dessen,  was  mit  dem  Scheiden  des  Meisters  von  seiner  Kunst 
sich  als  dauernd  erwies,  nicht  unerwünscht  gewesen.  Um  so 
mehr  aber  konnte  der  vielseitigen  Anregungen  Erwähnung 
geschehen,  welche  er  auf  seine  Zeitgenossen  ausübte,  ja  es 
hätte  sich  dieser  Stoff  vielleicht  weiter  ausspinnen  lassen 
als  es  der  Autor,  wohl  in  der  Befürchtung,  zu  sehr  in  lokales 
Gebiet  hinüberzugreifen,  that. 

So  haben  mich  beispielsweise  Studien  über  die  Ent- 
wickelung  der  kunstgewerblichen  Anstalten  Sachsens  wie- 
derholt auf  Oeser  geführt.  Mit  Dank  sind  auch  hier  die 
zahlreichen  Winke  anzuerkennen,  die  Dürr  namentlich  im 
siebenten  und  neunten  Kapitel  seines  Werkes  giebt.  Es 
verdient  Beachtung,  dass  gerade  die  Handwerker  es  sind, 
welche  mit  Vorliebe  Oesers  Unterricht  suchen,  ja  dass  er 
der  einzige  unter  den  Akademiedirektoren  ist,  der  nach 
dieser  Richtung  hin  den  Wünschen  des  Leiters  des  Kunst- 
wesens in  Sachsen,   Chr.  Ldw.  von  Hagedorn,   entspricht. 

Das  sehr  bemerkenswerthe  Gutachten,  welches  Oeser 
schon   am    19,  Dezember    1764  über  die  Ausbildung  von 


Literatur.  261 

Musterzeichnern  gab,  hätte  wohl  Erwähnung  verdient. 
Denn  hier  zeigt  sich  den  damals  in  Deutschland  herrschen- 
den Ansichten  gegenüber  schlagend  Oesers  praktisches 
Lehrtalent.  Während  Hagedorn  von  der  Kunst  an  sich 
Hilfe  gegen  den  Ungeschraack  erwartet,  während  er  meint, 
dass  die  Beschäftigung  mit  den  höchsten  Idealen  und  Auf- 
gaben mindestens  dazu  befähige,  im  Kleinen  und  Zweck- 
dienlichen Tüchtiges  zu  leisten,  weist  Oeser  auf  französisclie 
Verhältnisse  und  Avünscht  die  Musterzeichner  direkt  auf 
ihr  Ziel  zu  leiten.  Hagedorn  glaubte,  das  Handwerk 
werde  der  Kunst  auf  dem  hohen  Fluge,  den  er  ihr 
wünschte,  folgen;  Oeser  sah  ein,  dass  das  Handwerk  nie 
Nutzen  vom  Kunstunterricht  ziehen  könne,  wenn  derselbe 
nicht  auch  in  für  den  Handwerker  geeigneter  Methode 
und  Ausdehnung  gegeben  werde.  Daher  sprach  er  sich 
bereits  damals  für  die  Anstellung  eines  IMusterzeichners 
an  der  Akademie  aus,  welche  jedoch  erst  1782  unter  dem 
Grafen  Marcoliui  erfolgte.  F.  S.  Pitterlin  wurde  nicht,  wie 
Dürr  angiebt  (S.  98),  als  „Lehrer  für  Porzellan-Zeichnen" 
sondern  als  „Lehrer  in  denen  bei  den  Manufakturwaaren 
anwendbaren  Zeichnungen",  d.  h.  für  Musterzeichnen,  an- 
gestellt. 

Es  ist  hier  leider  nicht  Raum  genug,  um  auf  Dürrs 
in  Anlage  und  Durchführung  gleicli  treffliches  Werk  in 
verdienterweise  einzugehen.  Es  sei  gestattet,  auf  Gr.  Wust- 
manns höchst  anerkennende  Rezension  in  der  Lützow'schen 
Zeitschrift  für  l)ildende  Kunst,  Band  XV  S.  119  fgg. 
beifällig  hinzuweisen.  Dem  ausgezeichneten  Gelehrten 
aber,  dem  das  Werk  gewidmet  ist  und  als  dessen  Schüler 
sich  Dürr  bekennt,  Prof.  Anton  Springer,  wird  das  ge- 
diegen ausgestattete  Buch,  wie  Wustmann  sagt,  „zur  Freude 
gereichen,  so  gewiss  Avie  es  ihm  zur  Ehre  gereicht". 

Dresden.  C.  Giu-litt. 

Geschichte  der  Stadt  Torg^au  l)is  zur  Zeit  der  Reforinntion.  Nach 
den  Urkunden  zusammengestellt  von  Dr.  G.  Knabe.  Torgau, 
Friedr.  Jacob.    1880.    8".    48  SS. 

Für  die  Geschiclitc  der  Stadtverfassung  und  des 
ganzen  städtischen  Lebens  in  den  Gegenden ,  die  den 
Bereich  unserer  Zeitschrift  bilden,  ist  noch  so  viel  zu 
thun  übrig,  dass  man  auch  kleine  Beiträge,  wie  den 
vorliegenden,  willkommen  heissen  wird,  besond(n's  wenn 
der  Verfasser,  wie  es  hier  der  Fall  ist,  mit  den  erforder- 
lichen Vorkenntnissen  ausgerüstet  an  seine  Aufi^abe  heran- 


262  Literatur. 

gegangen  ist.  Wenn  irgendwo,  so  sind  auf  diesem  Gebiete 
noch  zahlreiche  monographische  Arbeiten  nöthig,  bevor 
man  die  SteUung,  die  das  Städtewesen  in  der  Entwickelung 
des  Volks-  und  Staatslebens  unserer  Lande  einnimmt, 
richtig  zu  erkennen  und  klar  darzustellen  im  Stande  ist; 
und  wenn  auch  die  Städte  des  östlichen  Mitteldeutsch- 
lands nicht  entfernt  ein  so  hohes  Interesse  beanspruchen 
können ,  wie  die  norddeutschen  Hansastädte  oder  die 
süddeutschen  Reichsstädte ,  so  sind  sie  gleichwohl  ein 
hochwichtiger  und  noch  lange  nicht  hinreichend  gewürdig- 
ter Faktor  im  Ganzen  unseres  Culturlebens  und  bedürfen 
dringend  einer  tiefergehenden  Untersuchung,  als  ihnen  noch 
heute  oft  genug  in  den  von  wohlmeinenden  Dilettanten 
geschriebenen  „Chroniken"  zu  Theil  wird.  Man  missverstehe 
uns  übrigens  nicht :  wir  billigen  es  durchaus,  wenn  die 
Verfasser  städtegeschichtlicher  Arbeiten  nicht  ausschliess- 
lich für  die  Gelehrtenwelt  schreiben  wollen,  sondern  auch  mit 
einem  Leserkreise  unter  den  Bürgern  ihrer  Stadt  rechnen; 
es  kann  dem  heutigen  Geschlechte  nur  nützlich  sein,  wenn 
es  sich  mehr  Interesse  und  mehr  Verständnis  für  geschicht- 
liche Zustände  und  Verhältnisse  erwirbt.  Dann  wird  ja 
wohl  auch  die  alte  Klage  über  die  Misshandlung  städtischer 
Archive  aufhören.  Aber  auch  eine  populäre  Darstellung 
muss  vor  allen  Dingen  richtig  sein,  und  daher  ist  nur 
der  im  Stande  sie  zu  liefern,  der  das  Gebiet  wissen- 
schaftlich beherrscht.  Ein  solcher  aber  wird  den  Weg 
auch  leicht  finden,  auf  dem  er  die  Resultate  seiner  Forsch- 
ungen nicht  ausschliesslich  den  „weiteren",  sondern  auch 
den  Fachkreisen  geniessbar  machen  kann. 

Wenn  wir  uns  bei  unserer  Besprechung  auf  den 
Standpimkt  der  letzteren  stellen,  so  möchten  wir  zunächst 
den  Wimsch  aussprechen,  dass  das  vorliegende  Schriftchen 
der  Vorläufer  eines  Urkundenbuchs  der  Stadt  Torgau 
sein  möge.  Die  erforderlichen  Mittel  vrürden  sich  doch 
wohl,  sei  es  durch  den  Torgauer  INIagistrat,  sei  es  durch  die 
historische  Kommission  der  Provinz  Sachsen,  beschaffen 
lassen,  da  der  Umfang  eines  solchen  Urkundenbuchs  gewiss 
nur  ein  geringer  sein  würde,  wenn  auch  das  Hauptstaats- 
archiv zu  Dresden ,  das  Ernestinische  gemeinschaftliche 
Archiv  zu  Weimar  und  möglicher  Weise  das  Magdeburger 
Staatsarchiv  noch  einschlagendes  Material  enthalten.  Liegen 
die  Dokumente  einmal  übersichtlich  und  vollständig  vor,  so 
wird  doch  vielleicht  manche  Unklarheit  noch  gelöst  werden 
können.    Ob  freilich  die  Entstehung  eines  rathsfähigen  Pa- 


Literatur.  263 

tricials  aus  den  Burgmannen  (S.  13)  sich  des  weitern  wird 
nacliweisen  lassen,  LezM'eifeln  wir;  über  die  Stellung  der 
Gemeinde  zum  Ratli  scheint  sich  der  Verfasser  selbst  zu 
widersprechen,  wenn  er  (S.  13)  meint,  dass  den  Kaufleuten 
mit  ihrer  Heranziehung  zu  den  städtischen  Lasten  auch 
der  Weg  in  den  Rath  geöffnet  worden  sei,  dagegen  (S.  17) 
eine  Theilnahme  der  Gemeine,  zu  der  er  doch  wohl  die 
Kaufleute  mitzäidt,  am  Ratlie  in  Abrede  stellt. 

Die  schwierigsten  Fragen  aber  bietet  der  Uebergang 
der  Gerichtsbarkeit  an  die  Stadt.  Wie  meist,  so  hand- 
habte auch  in  Torgau  der  Burgvogt  die  obere,  der 
Scultetus  die  niedere  Gerichtsbarkeit;  beide  Stellungen 
wurden  von  den  Landesherren  als  Lehen  ausgethan:  die 
Voirtei  sehen  wir  im  14.  Jahrhundert  in  den  Händen  der 
Herren  von  Torgau,  das  Schultheissenthura  kam  durch 
Lehnbrief  von  1370  Aug.  13  an  den  Torgauer  Bürger 
Heinrich  v.  Kottbus  (Cop.  30  fol.  28  im  Hauptstaatsarchiv 
zu  Dresden).  Von  letzterem  kaufte  es  der  Kath  der  Stadt 
Torgau  für  65  Schock  (wohl  1375  Juni  7,  Cop.  30  fol.  45), 
während  er  die  Vogtei  mit  einem  Drittheil  der  Gerichts- 
einkünfte 1379  von  Dietrich  v.  Torgau  an  sich  brachte 
und  1390  von  Landgraf  Wilhelm  damit  belehnt  wurde. 
Beide  Gerichte  waren  also  in  den  Händen  des  Käthes, 
wenn  auch  die  Voo;tei  nicht  mit  den  vollen  Einnahmen, 
wurden  auch  Avohl  von  demselben  Richter  abgehalten,  und 
dies  mag  die  Verwirrung  veranlasst  haben,  die  uns  in  einer 
Urkunde  von  1437  auffällt.  Knabe  bespricht  diese  Urkunde 
in  Anm.  27  (S.  44).  Uns  liegt  nun  zwar  das  Original  nicht 
vor,  wohl  aber  die  (offizielle)  Abschrift  einer  undatierten 
Urkunde  des  Kurfürsten  Friedrich  IL  (Cop.  35  fol.  157),  in 
welcher  es  u.  a.  heisst:  „als  furczyten  der  edeie  er  Ditterich 
vonTorgaw  (nicht  Markgraf  Wilhelm,  wie  Knabe  angiebt) 
burgermeister  ratmanuen  und  der  ganczen  gemeyne  unsir 
stat  Torgaw  .  •  .  das  schultheissenampt  und  dy  czweie 
pf  ennige  an  dem  gericht  für  anderhalb  hundert  und  virde- 
halbin  Rinischer  guldin  in  pfandiswise  ingetan  vorsaczt 
und  vorschrebin  hatte,  habin  uns  die  obgnanten  burger- 
meister ratmann  und  gancze  gemeyne  der  obgnanten 
unsir  stadt  Turgaw  uff  sollich  vorgeschriben  schultheiss- 
ampt  unde  den  dritten  teil  an  dem  gcrichte  daseibist  zcu 
Torgaw  zcu  der  obgnanten  sunnnen  gülden  nach  hundert 
schog  guter  schildechter  groschin  Friberger  muncze 


o-ebin"  u.  s.  w.     Aus   diesem   Grunde    reicht    und   leiht 


o 


ihnen  der  Markgraf  das  Schultheissamt  und  ein  Drittheil 


"o 


264  Literatur. 

des  Gerichts.  Die  Urkunde  ist  unklar  genug ;  in  der  ersten 
Hälfte  ist  von  zwei  Drittheilen  des  Gerichts  die  Rede,  während 
Dietrich  v.  Torgau  dem  Ratlie  doch  nur  ein  Drittheil  ver- 
kauft hat  und  weiterhin  in  der  Urkunde  auch  dies  eine 
Drittheil  nur  erwähnt  ist,  während  eine  andere  Urkunde, 
die  ebendaselbst  abschriftlich  steht  und  deren  Original 
Kno.be  auch  vorlag,  die  Verpfändung  der  zwei  Drittheile 
für  die  in  der  ersten  Urkunde  auch  erwähnten  100  Schock 
anführt.  Das  Verhältnis,  in  dem  beide  Abschriften  zu  den 
Originalen  des  Torgauer  Rathsarchivs  stehen,  ist  noch  zu 
ermitteln ;  dass  die  eine  der  beiden  Urkunden  auf  einen 
„Irrthum  der  Kanzlei"  zurückzuführen  sei,  ist  entschieden 
nicht  anzunehmen,  da  der  Rath  in  einem  Schreiben  an  den 
Laudesherrn  d.  d.  1445  Juli  3  i^Or.  im  Hauptstaatsarchiv 
No.  6902)  sagt :  „Das  schulteissen  ammecht  mit  dem  eynen 
pfennige  des  gerichtes  haben  wir  erblichen  von  uwern 
gnaden,  sundern  czweyne  pfennige  des  gerichtes  habin  wir 
gekoutft  gehabit  von  uwern  gnaden  eyne  czale  jare  ufF 
eynen  widderkouff  von  hundert  ß  gr.  1^2  hundert  unde  S^a 
Rinischer  gülden  unde  noch  habin ,  das  had  u.  g.  vor 
solche  summe  widder  von  uns  zcu  lösen."  —  Vollständige 
Klarheit  wird  sich  wohl  aus  dem  Torgauer  Material  allein 
schwerlich  ergeben,  man  wird  nach  analogen  Verhältnissen 
in  andern  Städten  suchen  müssen. 

Noch  manchen  anderen  Nachtrag  könnten  wir  aus 
den  Archivalien  des  Hauptstaatsarchivs  bringen.  So  ergiebt 
sich  aus  drei  Gesuchen  des  alten  Rathes  um  Bestätigung 
des  neugewählten  von  1470,  1475  und  1476,  dass  damals 
„nach  alter  Gewohnheit"  die  Rathswahl  am  Stephaustage 
(26.  Dezbr.)  stattfand  (nicht  am  20.  Dezbr. ,  vgl.  S.  44 
Anm.  35).  Recht  interessant  ist  eine  Urkunde  von  1378 
März  23,  in  welcher  den  Torgauern  die  Erhebung  eines 
Wagengeldes  gestattet  wird  und  zwar  behufs  Pflasterung 
der  Stadt:  „tam  diu  ipsi  fabricant  vias  lapideas".  Andere 
Nachrichten  des  14.  und  15.  Jahrhunderts  betreffen  den 
Salz  -  und  Wagenzoll ,  das  Stättegeld  (welches  1367 
Febr.  10  au  den  Rath  überging) ,  die  landesherrliche 
Münze,  den  den  Landesherrn  zustehenden  Bau  der  Brücke 
und  des  Schlosses,  die  Jahrrente,  die  schon  1367  die  Höhe 
von  130  Schock  hatte,  die  Freihäuser  und  dgl.  m.  Doch 
möge  das  Angeführte  genügen  und  den  Herrn  Verfasser 
dazu  veranlassen,  die  mit  erfreulichem  Erfolg  begonnenen 
Untersuchungen  unermüdet  fortzusetzen. 

Dresden.  H.  Ermiscli. 


Literatur.  265 

Die  Kirchenvisitationen  des  Bistliunis  Halberstadt  in  den  Jahren 
1504  und  1589.  Xebst  einer  Einleitung,  enthaltend  die  Geschichte 
der  Einführung  der  Reformation  im  Halberstädtischen.  Heraus- 
gegeben von  der  historischen  Kommission  der  Provinz  Sachsen. 
Nach  den  Quellen  bearbeitet  von  Gustav  Nebe,  Superintendent 
und  Oberdomprediger  in  Halberstadt.  Mit  einer  Karte.  Halle, 
Otto  Hendel.    1881.    8".  VI.  u.  288  SS. 

Das  vorliegende  Werk  bildet  den  zwölften  Band  der 
„Geschichtsquellen  der  Provinz  Sachsen  und  angrenzender 
Gebiete".  Wenn  dieselben  den  Zweck  verfolgen,  wichtige 
Dokumente  der  Geschichtsforschung  zugänglich  zu  machen, 
wie  den  Sinn  für  heimatliche  Geschichte  zu  wecken,  so 
entspricht  das  genannte  Buch  demselben  in  hohem  Grade. 
Es  giebt  eine  reiche  Fülle  neuen  Stoffs ;  die  beiden  Register 
„Sachliches  und  Sprachliches",  wie  „Personen-  und  Orts- 
namen" füllen  nicht  weniger  als  26  enggedruckte  Seiten. 
Hat  das  Meiste  auch  nur  lokales  Interesse,  so  ist  doch 
auch  vieles  von  Bedeutung  für  die  sächsische  Geschichte. 
Referent  verweist  auf  die  kurzen  ,  sorgfältig  zusammen- 
gestellten Biographien  zahlreicher  Geistlichen,  z.B.  S.  27 f. 
und  sonst.  Eine  Menge  alter  kirchlicher  Sitten  gelangen 
zur  Besprechung,  der  Aberglaube  des  Volkes  wird  durch 
zahlreiche,  fesselnde  Beispiele  illustriert.  So  erscheint  die 
Schrift  geeignet  zur  Leetüre  nicht  nur  für  Historiker, 
sondern  auch  für  weitere  Kreise.  Dazu  trägt  nicht  zum 
geringsten  die  schöne  Darstellung  bei. 

Dieselbe  tritt  besonders  in  der  Einleitung  hervor, 
welche  auf  S.  1  bis  28  ein  übersichtliches  und  frisches 
Bild  der  reformatorischen  Bewegung  im  Bisthum  Halber- 
stadt entwirft.  Verhältnismässig  lange  Zeit  dauerte  es,  ehe 
die  neue  Lehre  hier  durchdrang.  Ausser  den  Bedenken, 
Avelche  die  Ausschreitungen  der  Bauern  und  Wieder- 
täufer hervorriefen  ,  war  der  Grund  der  Widerstand, 
welchen  ihr  die  hohen  geistlichen  Würdenträger,  an  der 
Spitze  Erzbischof  Albrecht  von  Magdeburg ,  entgegen- 
setzten. Augustinermönchc  waren  die  ersten  Verbreiter 
der  Lehre  des  Wittenberger  Ordensgenossen,  zunächst  vom 
Johanniskloster  in  Halberstadt  aus,  in  welchem  ein  reges 
wissenschaftliches  Leben  geherrscht  zu  haben  scheint.  Mit 
Gewalt  wurde  diese  BeAvegung  unterdrückt.  Während 
des  Bauernaufstandes  wurde  wold  kui'ze  Zeit  evangelischer 
Gottesdienst  gehalten,  aber  nach  Niederwerfung  des  Auf- 
ruhrs wurden  die  Prediger  vertrieben.  Freilich  konnte 
man  nicht  hindern,  dass  im  Geheimen  sich  immer  mehr 
Luthers  Ansichten  zuwendeten.     Diese  Bestrebungen    er- 


266  Literatur. 

hielten  neue  Nahrung,  als  im  Jahre  1539  ringsum  im 
Herzogthmn  Sachsen,  in  Brandenburg,  in  Wernigerode, 
in  Quedlinburg  die  Reformation  eingeführt  Avurde.  Nach 
langen  Verhandlungen  mit  dem  Erzbischof,  bei  welchen 
die  Uebernahrae  einer  Schuld  von  500  000  Gulden  eine 
grosse  Rolle  spielte,  zog  die  Reformation  in  Halberstadt 
ein.  Vergeblich  war  die  Opposition  späterer  Bischöfe, 
vergeblich  halbe  Massregeln  Bischof  Sigmunds,  der, 
selbst  protestantisch  erzogen,  evangelische  Prediger  zuliess 
imd  nur  aus  politischen  Gründen  der  alten  Lehre  treu 
blieb.  Ihm  gebührt  das  Verdienst,  dass  unter  ihm  die 
auf  dem  Landtage  zu  Calbe  beschlossene  Generalkirchen- 
visitation ins  Leben  trat,  die  von  1562  bis  1564  dauerte. 
Die  Instruktion  für  dieselbe  übergeht  der  Verfasser  als 
schon  gedruckt,  es  wäre  aber  wenigstens  ein  Excerpt  und 
eine  Bemerkung  über  die  drei  verschiedenen  vorhandenen 
Rezensionen  erwünscht  gewesen.  Bei  der  Visitation  traten 
zahlreiche  Schäden  zu  Tage,  so  die  stiftungswidrige, 
willkürliche  Verwendung  von  Kirchengut,  unrechtmässige 
Aenderungen  im  Patronat,  dazu  mangelhafte  Bildmig, 
wie  sittliche  Mängel  in  der  Geistlichkeit. 

Eine  zweite  Visitation  wurde  im  Jahre  1589  vom 
April  bis  zum  Oktober  gehalten.  Für  dieselbe  wurde 
eine  neue  umfängliche  Instruktion  ausgearbeitet,  welche 
S.  17  bis  26  zum  ersten  Male  zum  Abdruck  gelangt. 
Sie  entliält  nach  einigen  einleitenden  Vorschriften  über 
die  Geschäftsordnung  der  Visitatoren  Bestimmungen,  welche 
in  7  Capiteln  I.  von  der  Vokation,  Lehre  und  Leben  der 
Kirchendiener,  II.  von  der  Lehre,  III.  von  den  Sakramen- 
ten, IV.  von  den  Ceremonien,  V.  von  der  Disciplin,  VI.  von 
den  Kirchengütern,  VII.  von  der  Schule  handeln.  Dies- 
mal war  der  Zustand  des  kirchlichen  Lebens  wesentHch 
günstiger;  "VA^ort  und  Sakrament  wurden  von  würdigen 
Personen  in  evangelischer  ^A^eise  verwaltet;  die  alte  Kirche 
fand  nur  in  den  Stiftern  und  Klöstern  eine  Zufluchtsstätte, 
und  nachdem  durch  das  persönliche  Eingreifen  des 
Bischofs  auch  in  den  ersteren  die  Reformation  eingeführt 
worden  war,  blieben  nur  die  Klöster  —  bis  zu  ihrer 
Aufliebuno-    in    den    Freiheitskriegen  —   der   katholischen 

O  CD 

Kirche  treu. 

Am  Schlüsse  der  Einleitung  giebt  der  Verfasser  auf 
S.  29  bis  33  in  Tabellenforra  ein  Verzeichnis  der  visitierten 
Ortschaften.  In  sechs  Columnen  werden  uns  die  Gerichts- 
herren, die  Kirchen-,  die  Lehnsherren,  die  Pfarrer,  die 


Literatur.  267 

Anzahl  der  Hauswirthe  1564  uiul  1589  und  die  Schulen 
vorgeführt. 

In  der  nun  folgenden  ausführlichen  Darstellung  der 
beiden  Visitationen,  hält  der  Verfasser  dieselben  nicht  aus- 
einander, sondern  geht  den  einzelnen  Städten  und  Aemtern 
nach  und  behandelt  in  jedem  einzelnen  Orte,  ja  in  den 
grössern  Städten  bei  jeder  Kirche  zunächst  den  Zustand 
bei  Gelegenheit  der  ersten  und  darauf  der  zweiten  Visi- 
tation. Es  ist  durch  dieses  Zerschlagen  der  Protokolle 
allerdings  eine  Uebersicht  über  die  einzelnen  Visitationen, 
wie  eine  Vergleichung  derselben  erschwert,  umsomehr 
da  kein  äusseres  Merkmal  die  beiden  Berichte  trennt. 
Aber  diese  Methode  hat  den  Vortheil,  dass  der  Leser 
das  den  einzelnen  Ort  Betreffende  bequem  übersieht. 
Referent  hält  diese  Methode  bei  einem  Buche,  welches 
vorwiegend  von  lokalem  Interesse  ist,  für  durchaus  berech- 
tigt. Reiches  IMaterial  liegt  für  die  Städte  vor,  voran  für 
Halberstadt,  welches  20  Seiten  umfasst.  Die  Protokolle 
sind  sehr  ausführlich  luid  gewähren  einen  interessanten 
Einblick  in  das  kirchliche  Leben  der  Zeit.  Ueber  die 
Vermögensverhältnisse  der  Kirchen,  die  Besoldungen  der 
Geistlichen  wird  eingehend  berichtet;  die  Schulen  sind 
sorgfältiger  als  in  den  Visitationen  anderer  Gegenden 
berücksichtigt,  eine  ganze  Reihe  ausführlicher  Lektions- 
pläne wird  mitgetheilt ;  die  Hospitäler  und  andere  Institute 
für  Nothleidende  Averden  erwähnt.  Die  Visitatoren  lassen 
denselben  ihre  wärmste  Fürsorge  zu  Theil  werden.  Sie 
geben  die  eingehendsten  Vorschriften  und  Anordnungen 
zur  Hebung  des  kirchlichen  Lebens.  Auch  die  Kirchen- 
zucht wird  fleissig  geübt;  sogar  „die  Spazirjunker  unter 
der  Prediget  vor  dem  Thor"  sollen  mit  Peitschen  in  die 
Kirche  getrieben  werden.  Leider  muss  Referent  auf 
weitere  Mittheilungen,  wie  auf  einen  Rundgang  durch  die 
einzelnen  Orte  verzichten,  trotzdem  dass  letzterer  viel 
Interessantes  bieten  und  durch  die  beigegebene  litho- 
graphierte Karte  des  „Episcopatus  Halberstadensis"  sehr 
erleichtert  werden  würde. 

Das  Vorwort  des  Verfassers  schliesst  mit  dem  Wunsche: 
„Möchten  die  Bauleute  auch  in  den  folgenden  Blättern  einen 
brauchbaren  Stein  erkennen."  Derselbe  dürfte  mehr  als 
reichlich  in  Erfüllung  gehen.  Dem  Referenten  erscheint 
das  Buch  als  der  Grundstein  für  die  Reformations- 
geschichte  des  Bisthums  Halberstadt. 

Dresden -Neustadt.  Georg  Müller. 


268  Literatur. 

Hans  Fabian  von  Ponickau,  der  Dofensor  der  Oberlausitzer 
Glaubensfreiheit  zur  Zeit  des  dreissigjährigen  Krieges.  Vortrag  etc. 
gehalten  von  Heinrich  Johann  Scheuffler.  Barmen,  H.  Klein. 
1879.  8«.  42  SS.  (A.  u.  d.  T. :  Evangelische  Brnderliebe.  Vorträge 
iiber  die  Aufgaben  und  Arbeiten  des  evangel.  Vereins  der  Gustav- 
Adolf-Stiftung,   herausgegeben  von  A.  Natorp.     Bd.  IL,  Heft  1.) 

Das  Büchlein  verdankt  sein  Entstehen  einem  Vortrage 
bei  Gelegenheit  eines  Gustav-Adolf- Vereinsfestes.  Daraus 
erklärt  sich  vor  allem  sein  stark  accentuierter  konfessioneller 
Standpunkt.  Dem  Verfasser  zufolge  wäre  nun  Hans  Fabian 
von  Ponikaii  auf  Elstra ,  Landesältestcr  des  Bautzner 
Kreises,  der  alleinige  geistige  Urheber,  Träger  und  Vertre- 
ter all  jener  Massnahmen  gewesen,  welche  von  den  gesamm- 
ten  Oberlausitzer  Ständen  in  der  Zeit  von  1609  bis  1620 
getroffen  wurden,  um  auch  für  ihr  Land  einen  ähnlichen 
Majestätsbrief  zu  erlangen,  wie  ihn  Böhmen  und  Schlesien 
erhalten  haben.  Daher  nennt  er  seinen  „Helden"  auch 
„den  Defensor  der  Oberlausitzer  Glaubensfreiheit".  Dies 
steht  nun  freilich  mit  den  thatsächlichen  Verhältnissen 
nicht  im  Einklang.  War  er  auch,  schon  seiner  Stelhmg 
nach,  eine  einflussreiche  Persönlichkeit,  so  war  er  doch 
keineswegs  der  ausschliessliche  Lenker  und  Leiter  der 
Oberlausitzer  Stände  bei  deren  Landtagsbeschlüssen.  Wohl 
stand  er,  ebenfalls  seiner  Stellung  zufolge,  an  der  Spitze 
fast  all  der  zahlreichen,  nach  Prag  damals  abgefertigten 
Gesandtschaften;  aber  diese  Gesandtschaften  waren  strens; 
gebunden  an  die  von  den  Ständen  ihnen  mitgegebenen 
(noch  vorhandenen)  Instruktionen,  und  als  einmal,  eben 
bei  der  „Verwerfung"  König  Ferdinands  H.  als  Königs 
von  Böhmen,  von  welcher  die  Stände  durchaus  nichts 
wissen  Avollten,  die  Abgeordneten,  durch  die  Umstände 
gedrängt,  ihre  Listruktionen  überschritten  hatten,  sahen 
sich  dieselben  bei  ihrer  Rechenschaftsablegung  vor  dem 
Bautzner  Landtage  sehr  unliebsamen  Urtheilen  ausgesetzt. 
—  Aktenmässig  sind  jene  Bemühungen  der  Oberlausitzer 
Stände  um  Erlangung  eines  Majestätsbriefs,  desgleichen 
die  Absendungen  der  einzelnen  Gesandtschaften  nach  Prag, 
endlich  der  Beitritt  der  Oberlausitz  zu  der  böhmischen 
„Conföderation"  von  1619  und  die  verhängnisvollen  Folgen 
hiervon  dargestellt  in  unsern  beiden  Abhandlungen :  „Der 
Antheil  der  Oberlausitz  an  den  Anfängen  des  dreissigjährigen 
Krieges  1618  bis  1623"  und  ,,Die  Bemühungen  der  Ober- 
lausitz vun  einen  Majestätsbrief  1609 — 1611"  (Lausitzer 
Magazin  Band  LVI  S.  1  fgg.  und  S.  96  fgg.),  auf  welche 
wir,    behufs   Richtigstellung   von  mancherlei   Angaben    in 


Literatur.  269 

vorliegendem  Sehriftcheu,  verweisen.  Bei  eingelienderer 
Untersucliung  dürfte  sich  auch  das  landläufige,  von  dem 
Verfasser  getheilte  Verdammungsurtheil  über  die  damalige 
Politik  Kursachsens  als  ein  voreiliges  erweisen,  und  aber- 
mals sich  herausstellen,  dass  ein  leitender  Staatsmann  (da- 
mals Präsident  Caspar  von  Schönberg  in  Dresden)  in 
Momenten  wichtiger  politischer  Entscheidungen  wahrlich 
noch  anderes  zu  erwägen  hat,  als  wie  er  es  den  Geist- 
lichen der  Mit-  und  Nachwelt  recht  machen  könne. 
Dresden.  Kuothe. 


Uebersicht  über  neuerdings  erschienene   Schriften  und 
Aufsätze  zur  Sächsisch -Thüringischen   Geschichte  und 

Alterthumskunde. 


Alherti,  J.  Urkunden-Sammlung  zur  Geschichte  der  Herr- 
schaft Gera  im  Mittelalter.  Mit  Erläuterungen.  Erstes 
Heft.    Gera,  Griesbach.    1881.    8«.    G4  SS. 

Beeil,  F.  Verzeichniss  der  alten  Handschriften  und  Drucke 
in  der  Domherrenbibliothek  zu  Zeitz,  aufgestellt  und 
mit  einem  Vorworte  zur  Geschichte  der  Bibliothek 
versehen.     Berlin,  Weidmann.     1881.    4".    XI,    58  SS. 

Eckardt ,  Ernst.  Chronik  von  Glauchau  u.  s.  w.  (vgl. 
Bd.  I.  S.  287,  348.)  Lief.  6—14.  Glauchau,  Peschke. 
1880.  1881.    8".    S.  161—448. 

Fleischmann ,  Ad.  Zur  Geschichte  des  Herzogthums 
Sachsen-Coburg-Saalfeld,  enthaltend  die  Geschichte  der 
gefürsteten  Grafschaft  Henneberg,  der  Herrschaft  Saal- 
feld, der  landständischen  Verfassung  in  Coburg  bis 
Ende  des  18.  Jahrhunderts.  Nach  seinen  Vorträgen 
bearbeitet.    Zweites  Heft.    Hildburghausen,  Kesselring. 

■   1881.    8».    120  SS. 

(Gelbe.)  Stollberg  im  Besitze  adliger  Herreu:  Zweites 
Flugblatt  des  städtischen  Vereins  zu  Stollberg  zur  Er- 
gründung  und  Erhaltung  der  Geschichte  Stollbergs  und 
Umgegend.     Jahr  1880. 

Gerlach,  IL  Das  alte  Freiberg  in  Bildern.  Erste  Liefe- 
rung (Aufnahmen  vom  Jahre  1880).  32  Photographien  in 
Carton  mit  erläuterndem  Text  auf  der  llückseite. 


270  Literatur. 

Haarer,  Peter.  Beschreibung  des  Bauernkrieges  1525.  Nebst 
einem  Anhang:  Zeitgenössisches  über  die  Schlacht  bei 
Frankenhausen.  Halle,  Niemeyer.  1881.  8".  111  und 
17  SS.  (A.  u.  d. Titel:  Materialien  zur  neueren  Geschichte, 
herausgegeben  von  G.  Droysen.    Nr.  3.) 

Haherkorn,  D.  F.  L.  Die  Verfassungsurkunde  des  König- 
reichs Sachsen  vom  4.  September  1831  sonst  und  jetzt, 
nebst  Nachrichten  über  Zeit  und  Dauer  der  Land- 
tage und  ihre  Directorien.  Dresden,  Druck  von  Mein- 
hold &  Söhne.    1881.    8«.    106  SS. 

V.  Heinemann,  Otto-  Codex  diploraaticus  Anhaltinus.  Auf 
Befehl  Seiner  Hoheit  des  Herzogs  Leopold  Friedrich 
von  Anhalt  herausgegeben.  Fünfter  Theil:  1380 — 1400. 
Mit  zwei  Stammtafeln.  Dessau,  Barth  (Comm.)  4".  414 SS. 

Katterfeld ,  A.  Beiträge  zur  Geschichtschreibung  des 
Schmalkaldischen  Krieges :  Forschungen  zur  Deutschen 
Geschichte.    Bd.  XXI.  .  S.  355—380. 

Kell,  Richard.  Sebalt  Schwertzer  als  kursächsicher  Faktor 
und  kaiserlicher  Berghauptmann.  Liaugural-Dissertation 
zur  Erlangung  der  Doktorwürde  in  der  philosophischen 
Fakultät  der  Universität  Leipzig.  Leipzig,  Druck  von 
Julius  Klinkhardt.    1881.    8°.    80  SS. 

Köhler,  J.  Aug.  Ernst.  Die  Thiere  des  Erzgebirges  nach 
den  Mittheilungen  der  Chronisten:  Zweite  Beilage  zu 
No.  150—152  des  Chemnitzer  Tageblattes.    1881. 

V.  Mülverstedt,  G.  A.  Regesta  archiepiscopatus  Magde- 
burgensis.  Sammlung  von  Auszügen  aus  Urkunden  und 
Annalisten  zur  Geschichte  des  Erzstifts  und  Herzogthums 
Magdeburg.  Nach  einem  höhern  Orts  vorgeschriebenen 
Plane  in  Gemeinschaft  mit  Ed.  Jacobs ,  K.  Janicke, 
F.  Geisheim  und  C.  Sattler  bearbeitet  und  auf  Kosten 
der  Provinzial- Vertretung  der  Provinz  Sachsen  heraus- 
gegeben. Zweiter  TheiL  Von  1192— 1269.  Magdeburg, 
E.  Baensch  jun.     1881.    8».    VH,    784  SS. 

Muther,  Rieh.  Anton  Graff.  Inauguraldissertation  zur 
Erlangung  der  philosophischen  Doctorwürde  an  der 
Universität  Leipzig.  Leipzig,  Druck  von  W.  Drugulin. 
1881.    8".    128  SS. 

Reyer,  E.  Zinn.  Eine  geologisch-montanistisch-historische 
Monographie.  Berlin,  G.  Reimer.  1881.  8».  248  SS. 
(Enthält  viele  Angaben  über  den  Zinnbergbau  in  Sachsen.) 

Rüge,  /S.  Geschichte  der  sächsischen  Kartographie  im 
16.  Jahrhundert:  Kettlers  Zeitschrift  für  wissenschaft- 
liche Geographie.    Bd.  L    S.  89—94. 


Literatur.  271 

Scheltz,  7h.  Gesammt-Gescliichte  der  Ober-  und  Nieder- 
Lausitz  nach  alten  Chroniken  und  Urkunden.  Zweiter 
Band  (182  SS.) :  Neues  Lausitz.  Magazin.  Bd.  LVII. 
Heft  1. 

Schultz,  Alwin.  Hans  A^'^alter,  Bildhauer  zu  Dresden: 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit.  1881.  No.  6. 
Sp.  171  fg. 

Schwer cl feger.  König  Johann,  eine  Lebensskizze  für  unsere 
Zeit.  Vortrag,  gehalten  bei  Anwesenheit  Sr.  Majestät 
des  Königs  Albert  und  Ihrer  Königlichen  Hoheiten  des 
Prinzen  Georg ,  der  Frau  Prinzessin  Georg  und  der 
Prinzessin  Mathilde  im  Deutschen  Invaliden  -Verein 
„König  Albert"  zu  Dresden  den  16.  März  1881.  Dres- 
den, Druck  von  C  Heinrich.    8°.    20  SS. 

Steche.  Der  Altarschrein  zu  Flöha:  Anzeiger  für  Kunde 
der  deutschen  Vorzeit.  1881.    No.  6.    Sp.  172. 

Vogler,  Max.  Zur  Geschichte  des  Schlosses  Rochsburg : 
Zweite  Beilage  zu  No.  158  des  Chemnitzer  Tageblattes. 
1881. 

Vollbaum,  J.  Die  Specialgemeinden  der  Stadt  Erfurt. 
Im  Auftrage  des  Magistrats  bearbeitet.  Erfurt,  Stenger. 
1881.  8".  129  SS. 

Wahner.  Wo  hat  der  öffentliche  und  formelle  Uebertritt 
Friedrich  Auo^ust  II. ,  Kurfürsten  von  Sachsen  und  er- 
wählten  Königs  von  Polen,  zum  Katholizimus  statt- 
gefunden? Zeitschrift  des  Vereins  für  Geschichte  und 
Alterthum  Schlesiens.    Bd.  XV.    S.  511-513. 

Warnatz,  Mathias.  Die  Wartburg  und  Eisenach  in  Sage 
und  Geschichte.  Mit  einer  Ansicht  der  Wartburg  (in 
Lichtdruck).  Wien,  Braumüller.  1881.  8".  VII,  143  SS. 

W er  nicke ,  Ewald.  Gutachten  der  AVerkmeister  Bcnedix 
Ried  von  Prag,  Plans  von  Torgau  und  Hans  Schicken- 
dantz  über  den  Annaberger  Kirchenbau  1519 :  Anzeiger 
für  Kunde  der  deutschen  A^orzeit.  1881.  No.  7.  Sp. 
197—199. 

V.  Witzlehen.,  C.  U.  Die  Entstehung  der  constitutionellen 
A^erfassung  des  Königreichs  Sachsen.  Zur  Feier  des 
fünfzigjährigen  Bestehens  der  A^erfassungsurkunde  voni 
4.  September  1831.  Im  Auftrage  der  Königlichen 
Staatsregierung  verfasst.  Leipzig;  Druck  von  B.  G. 
Teubner.  1881.  8°.  IX,  417  SS. 
Chronik  des  Sächsischen  Könii2;shauses  und  seiner  Re- 
sidenzstadt  vom  achtzehnten  Juni  eintausend  acht 
hundert    und    drei    und    fünfzig    bis    zum    achtzehnten 


272  Literatur. 

Juni  eintausend  acht  hundert  und  acht  und  siebzig. 
Ihren  Königlichen  Majestäten  Albert  und  Carola  von 
Sachsen  zum  silbernen  Ehejubiläum  in  Ehrfurcht  ge- 
widmet von  der  Königlichen  Haupt-  und  Residenz- 
stadt Dresden.  Anno  Domini  MDCCCLXXVIII. 
[Dresden ,  Willielm  Baensch.  Comm.]  gr.  fol.  V, 
380  SS. 


Mittheilungen  des  Vereins  für  die  Geschiclde  und  Alterthums- 
hunde  von  Erfurt.  Zehntes  Heft.  Erfurt,  Villaret.  (Comra.) 
1881.    8". 

Inhalt:  Böckner,  Das  Peterskloster  zu  Erfurt.  Werneburg, 
Beiträge  zur  thüringischen  und  insbesondere  zur  Erfartischen 
Geschichte,     v.  Tettau,  Gleichen'sche  Kegesten. 

Mittheilungen  vom  Freiherger  Alterthumsverein.  Heraus- 
gegeben von  Heinrich  Gerlach.  17.  Heft.  1880.  Mit 
3  Tafeln  Abbildungen.   Freiberg  i.S.,  Gerlach.  1881.   8". 

Inhalt:  Freiherr  6  Byrn,  Die  Herzöge  von  Holstein-Wiesen- 
burg in  Sachsen.  Wernicke,  Zur  Geschichte  der  Malerinnung  in 
Freiberg.  Gautsch,  Das  Freiberger  Jungfrauenkloster  und  seine  Auf- 
hebung. Gerlach,  Ueberreste  von  dem  Jungfrauenkloster  zu  Freiberg. 
Gerlach ,  Die  Kleinodien  und  Geschichtliches  der  alten  Freiberger 
Schützengilde. 


X. 

Zur  Bevölkerungs-  und  Yermögensstatistik 
Dresdens  im  15.  Jahrhundert. 

Von 

Otto  Richter. 


Die  Feststellung  der  Bevölkerungszahl  unserer  mittel- 
alterlichen Städte  ist  auf  verschiedenen  Wegen,  meist  aber 
mit  zweifelhal'teui  Erfolge,  versucht  worden.  Die  an- 
gewandten Berechnungsniethoden,  welche  entweder  von 
der  Stärke  der  wafl'enfähigen  Mannschaft  oder  von  der 
Zahl  der  neuaufgenommenen  Bürger  ausgingen,  haben  in 
ihren  Resultaten  zu  so  wesentlichen  Abweichungen  gefüln-t 
und  es  sind  dagegen  so  begründete  Einwände  erhoben 
worden  ^),  dass  man  auf  ihre  Anwendung  fernerhin  wird 
verzichten  müssen.  Soviel  scheint  unzweifelhaft,  dass  die 
bevölkerungsstatistischen  Untersuchungen  für  jede  Stadt 
einzeln    angestellt  Averden    müssen  und  vollen  Erfolg  nur 


')  Vgl.  namentlich  K.  Koppmann,  Die  Bereclniunf!;  der  Ein- 
wohnerzahl aus  den  Listen  der  Neubürger,  in  den  Mittheilungen  des 
Vereins  für  Ilamb.  Geschichte  III  (1881),  122—125.  K.  iJüchcr,  Zur 
mittelalterlichen  Bevölkerungsstatistik  mit  besonderer  Rücksiclit  auf 
Frankfurt  a.  M.,  1.  Tbeil,  in  der  Zeitschrift  für  die  gesammte 
Staatswissenschaft  XXXVII  (1881),  535— ."-iSO.  Letzterer  Aufsatz 
bietet  vortreffliche  Erörterungen  über  alle  bei  der  mittelalterlichen 
Bevölkerungsstatistik  zur  Anwendung  zu  bringenden  Grundsätze, 
namentlich  im  Anschluss  an  die  Resultate  der  Müruberger  Volks- 
zählung von  1449. 

Neues  Archiv  f.  ö.  0.  u.  A.  II.  4.  18 


274  Ottn  Richter: 

da  versprechen,  wo  ein  gütiges  Gescliick  die  städtischen 
Steuerregister  vor  dem  Untergange  bewahrt  hat.  Was  mit 
diesem  Materiale  geleistet  werden  kann,  ist  von  Schönberg 
in  mustergiltiger  Weise  für  die  Stadt  Basel  gezeigt  worden.^) 
Für  die  Stadt  Dresden  ist  zu  derartigen  Unter- 
suchungen ebenfalls  ein  ziemlich  reichhaltiges  Material  im 
Rathsarcliive  vcn'handen.  Dieselben  dürfen  allerdings  mit 
Rücksicht  darauf,  dass  Dresden  im  Mittelalter  ein  un- 
bedeutendes Landstädtchen  war,  in  der  Hauptsache  nur 
einen  lokalgeschichtlichen  Werth  beanspruchen;  einige  der 
folgenden  Mittheilungen  jedoch;  namentlich  soweit  sie  sich 
auf  eine  zu  Steuerzwecken  angefertigte  Kopfzählungsliste 
aus  dem  Jahre  1454  und  mehrere  Vermögensabschätzungs- 
register von  1488  und  1502  gründen,  werden  vielleicht 
auch  für  weitere  Kreise  nicht  ohne  Interesse  sein. 


Die  hauptsächlichste  Einnahmequelle  der  Stadt  Dres- 
den bildete  im  14.  und  15.  Jahrhundert  das  Gesclioss,  eine 
von  allen  Bürgern  zu  entrichtende  Steuer  vom  Grund- 
besitz und  vom  beweglichen  Vermögen.^)  Sie  wurde  all- 
jährlich in  zwei  Terminen,  zu  Walpurgis  und  zu  Michaelis, 
erhoben.  Die  Geschossreglster,  die  für  jeden  Termin  neu 
aufgestellt  wurden,  sind,  mit  dem  Jahre  1396  beginnend, 
in  grosser  Zahl  erhalten.  Sie  bilden  ein  nach  den  Strassen 
geordnetes  Verzeichnis   der  Namen  der   Hausbesitzer   und 


*)  G.  Schönberg,  Finanzverhältnisse  der  Stadt  Basel  im  XIV. 
und  XV.  Jahrhundert.     Tübingen  1879. 

*)  In  einer  Zusammenstellung  der  Seitenbeträge  eines  Geschoss- 
registers (circa  1450)  wird  unterschieden  Geschoss  de  domibus  und 
de  rebus  raobilibus  et  aliis  bonis.  Zu  Walpurgis  I45.S,  als  eine  voll- 
ständige Neueinschätzvuig  vorgenommen  wurde,  heisst  es  in  der 
Ueberschrift  des  Geschossregisters:  do  hat  iczlichir  alle  syne  guter 
bie  dem  eyde  verschoßt,  als  das  ym  statbuche  iczlichs  sunder- 
lichin  verczeichint  ist.  In  der  Kämmereirechnung  vom  Jahre  1500 
findet  sich  die  Notiz:  Christoff  Platener  hat  angenomen  sein  burger- 
recht  uffs  jar  mit  XVI  gr.  zu  vorschössen.  (Dies  dürfte  so  zu 
verstehen  sein,  dass  bei  der  Bürgeraufnahme  das  Vermögen  des  Auf- 
zunehmenden eingeschätzt  wurde  und  dass  darauf  die  angegebene 
Summe  als  Geschoss  entfiel;  wahrscheinlich  w^ar  sogar  die  Erlangung 
des  Büi'gerrechts  vom  Nachweis  eines  bestimmten  Vermögens  ab- 
hängig.) Wenn  also  jeder  Bürger  Geschoss  zahlte  und  alle  Grund- 
besitzer Bürger  sein  mussten,  so  ist  natürlich  das  Geschossregister 
zugleich  als  die  Bürgerliste  zu  betrachten.  Ueber  die  Steuer  der 
Nichtbürger  vgl.  Anmerkung  10. 


Zur  Bevölkerungs-  und  Vermögensstatistik  Dresdens  etc.    275 


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18* 


276  Otto  Richter; 

der  bei  ihnen  wohnenden  nichtansässigen  Bürger,  in  wel- 
ches die  einzelnen  Steuerbeträge  bei  ihrer  Bezahlung  ein- 
getragen wurden;  seit  1424  sind  die  Hausgenossen  von 
den  Hausbesitzern  durch  das  dem  Namen  vorangestellte 
Zeichen  li  und  statt  dessen  seit  1444  durch  Hinzufügung 
des  Wortes  ibidem  unterschieden,  so  dass  sich  seitdem  auf 
Grund  der  Geschossregister  auch  die  Zahl  der  Häuser 
ermitteln  lässt. 

Wir  geben  zunächst  eine  tabellarische  ^Uebersicht 
(Tabelle  I,  Seite  275)  über  die  Zahl  der  Geschosspflich- 
tigen und  die  Zahl  der  Häuser  in  Dresden  ^)  zu  zwölf 
verschiedenen  Zeitpunkten  zwischen  dem  Endo  des  14.  und 
dem  Anfange  des  16.  Jahrhunderts.  Es  ist  nicht  möglich, 
die  Abschnitte  ganz  gleichmässig  zu  wählen,  weil  für 
einzehie  Jahre  die  Register  fehlen.  Eine  im  Jahre  1453 
vorgenommene  Neueinschätzung,  durch  welche  sich  die 
Zahl  der  Geschosspflichtigen  um  50  erhöhte,  ist  besonders 
zu  beachten. 

Aus  dieser  Tabelle  geht  deutlich  hervor,  dass  die 
Stärke    der    leistungsfähigen    Bevölkerung    Dresdens    sich 


gasse  [?]),  Theil  der  Kuttelgasse  (jetzt  Frauenstrasse  [?]);  zum 
5.  Viertel:  anderer  Theil  der  Kuttelgasse,  das  Loch  (jetzt  Bader- 
gasse), Schreibergasse.  Wenn  in  dieser  Aufzählung  mehrere  Strassen 
fehlen,  so  kommt  dies  daher,  dass  in  den  Geschossregistern  die 
zwischen  zwei  Querstrassen  gelegenen  Häuser  der  sie  schneidenden 
Längsstrassen  mit  zu  den  ersteren  gezählt  sind.  Somit  werden  in 
Tabelle  I  unter  Seegasse  nur  die  vom  Markte  bis  zum  Seethore  und 
von  da  zurück  bis  zur  Kundigengasse  gelegenen  Häuser  zu  ver- 
stehen, die  übrigen  Häuser  der  Seegasse  aber  mit  zur  Kundigengasse 
oder  zur  Zahnsgasse  gerechnet  sein  u.  s.  w.  In  Folge  dieses  Ver- 
fahrens bleiben  in  den  Geschossregistern  unerwähnt:  der  Markt  und 
die  Eibgasse  (jetzt  Schlossstrasse),  auffälliger  Weise  aber  auch  die 
Kreuzgasse,  sowie  mehrere  zwischen  dieser  und  dem  Loche  gelegene 
Gässchen  (wahrscheinlich  Weissegasse  und  Nassegasse),  deren  Häuser 
in  der  Tabelle,  wie  in  den  Geschossregistern  dem  Loche  zugezählt 
sind.  Auch  zwischen  der  Eibgasse  und  der  Judengasse  müssen 
mehrere  Gässchen,  wenn  auch  vielleicht  ohne  Häuserfronten,  existiert 
haben.  Ueberhaupt  bedarf  die  Topographie  des  mittelalterlichen 
Dresdens  noch  genauer  Untersuchung  und  Feststellung,  bis  zu 
welcher  man  sich  mit  nicht  ganz  unbegründeten  Vermuthungen,  wie 
den  obigen,  begnügen  möge. 

*)  Unter  Dresden  ist  hier  immer  die  befestigte  Stadt  auf  dem 
linken  Eibufer  zu  verstehen.  Das  auf  dem  rechten  Ufer  gelegene 
kleinere  Aklendresden,  welches  im  Jahre  1403  Stadtrecht  erhalten 
hatte,  wurde  erst  1549  mit  Dresden  zu  einem  einzigen  Gemeinwesen 
verschmolzen.  Zur  Unterscheidung  von  diesem  Altdresden  wurde 
Dresden  bisweilen,  jedoch  nicht  vor  der  zweiten  Hallte  des  15.  Jahr- 
hunderts, auch  Neudresden  genannt. 


Zur  Bevölkerungs-  und  Vermögecsstatistik  Dresdens  etc.    277 

während  des  15.  Jahrhunderts  weder  erhebHch  vermehrt 
noch  vermindert  hat.  Wenn  die  Zahl  der  Häuser  in  den 
Jahren  1431  bis  1489  von  420  auf  472  «)  und  die  Zahl 
der  Geschosspflichtigcn  in  der  Zeit  von  1396  bis  1489 
nach  mehrfachen  Schwankungen  von  657  auf  734  an- 
gewachsen, so  ist  dies  ein  in  Anbetracht  des  langen  Zeit- 
raumes recht  unbedeutender  Fortschritt.  Es  wäre  wohl 
von  da  an,  zumal  Dresden  seit  1485  ständige  Residenz 
der  Albertiner  war,  ein  lebhafterer  Aufsclnvung  zu  er- 
warten gewesen,  wenn  nicht  eine  grosse  Feuorsbrunst  am 
15.  Juni  1491  mehr  als  die  Hälfte  der  Stadt  und  am  fol- 
genden Tage  auch  noch  einen  Theil  der  Vorstadt  in  Asche 
gelegt  und  damit  ihre  Fortcntwickelung  für  lange  Zeit 
gehemmt  hätte.')  Noch  zehn  Jalire  später  stand  die  Ziffer 
der  Steuerzahler  weit  hinter  der  von  1489  zurück,  obwohl 
die  Häuser  fast  säramtlich  wieder  aufgebaut  waren. 

Die  grösseren  Schwankungen,  welche  sich  namentlich 
in  der  ersten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  in  der  Zahl  der 
Geschosspflichtigen  zeigen,  dürften  zum  Theil  auf  ver- 
heerende Epidemien  (z.  B.  1439),  zum  Theil  auf  kriege- 
rische Ereignisse  zurückzuführen  sein.  So  wird  sich  die 
zwischen  1421  und  1431  eingetretene  Vermehrung  der 
Geschosspflichtigen  von  455  auf  694  und  der  bald  wieder 
erfolgte  Rückgang  hauptsächlich  daraus  erklären,  dass  im 
Jahre  1429  bei  dem  Heranrücken  der  Hussiten  die  Be- 
wohner der  offenen  Stadt  Altdresden  und  der  Vorstädte 
in  der  Festung  Schutz  gesucht  hatten,  um  später  wieder 
zu  ihren  früheren  Wohnstätten  zurückzukehren.  Die  zeit- 
weilige Verminderung  der  Häuserzahl  in  einzelnen  Strassen 
ist  ohne  Zweifel  in  der  Regel  durch  kleinere  Brände  ver- 
anlasst, was  daraus  hervorgeht,  dass  statt  der  Häuser 
vielfach  blosse  „Hofstätten"  im  Geschossregister  erscheinen. 


•)  In  einem  Berichte  des  Rathes  an  die  Landesherren  üher  die 
städtische  Kriegsstärke,  die  Zahl  der  Angesessenen  und  den  Besitz- 
stand der  Stadt  vom  2.  Oktober  U74  (gedruckt  im  Cod.  dipl.  Sax.  II.  5, 
266—267)  heiäst  es:  Item  IIIF-'XXVI  be^essiner  lute  sint  in  der  stat 
Dresden;  dorunder  sint  vaste  vil  cleynor  huserchin,  die  man  zcu 
dreyn  virn  funff  und  sechs  schogken  koufft,  die  denne  arme  lute  und 
wittwen  besitczen,  die  der  fürstlichen  gcwalt  ui  d  der  stat  cleyn  diust 
und  volge  gethun  können.  Obir  dise  summa  sint  usgeslossen  XXVI 
frey  hoffe,  die  der  herschafft  noch  der  stat  keyn  dinst  noch  gerechtiket 
pflegen.  Des  sint  X  edellute  hoffe  und  XIII  prister  und  monche 
hoffe  und  III  zele  nrd  nigclhuser,  dorynne  die  paginen  wonen. 

')  A.  Weck,  Der  Churf.  Sachs.  Ilesidentz  Dresden  Beschreib- 
und  Vorstellung  (Nürnberg  1680)  .510. 


278  ^tto  Richter: 

Eine  sehr  auffällige  Abnahme  der  theilweise  aus  Juden 
bestehenden  Bewohnerschaft  der  Windischen  Gasse  zwi- 
schen 1401  und  1411  möchte  theilweise  mit  den  Juden- 
verfolgungen jener  Zeit  in  Zusammenhang  zu  bringen 
sein.*)  —  Was  die  Vorstädte  anlangt,  so  bieten  die  Geschoss- 
register, wie  es  scheint,  bisweilen  keinen  vollen  Verlass, 
insbesondere  in  Bezug  auf  die  Jahre  1421  und  1453,  bei 
denen  es  an  erklärenden  Thatsachen  für  das  gänzliche 
Verschwinden  vorstädtischer  Steuerzahler  mangelt.  Doch 
dürfte  Tabelle  II  (Seite  279)  wenigstens  insofern  von 
Interesse  sein,  als  daraus  ungefähr  ersichtlich  ist,  zu  wel- 
cher Zeit  und  unter  welchem  Namen  die  einzelnen  vor- 
städtischen Gemeinden  und  Häusergruppen  geschosspflichtig 
werden.  Ebenso  geht  daraus  deutlich  hervor,  dass  sich 
die  Vorstädte,  in  denen  überall  die  Zahl  der  Häuser  mit 
der  der  Geschosspflichtigen  fast  genau  übereinstimmt,  also 
geschosszablende  Miethlaewohner  nicht  vorhanden  sind,  in 
der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  einer  lebhaften 
Entwickelung  erfreuten,  während  es  in  den  von  den 
Festungsmauern  dicht  umschlossenen  engen  Strassen  der 
Stadt  zu  einer  erheblichen  Vermehrung  der  Häuser  schon 
an  Raum  zu  mangeln  begann.^) 

Wenn  nun  die  Frage  erhoben  wird,  ob  denn  die 
Geschossregister  überhaupt  eine  zuverlässige  Grundlage 
für  die  Bevölkerungsstatistik  bilden,  so  glauben  wir  un- 
bedenklich bejahend  antworten  zu  sollen.  Zwar  verzeichnen 
sie  nur  die  Hausbesitzer  vollständig  und  von  den  un- 
ansässigen Haushaltungsvorständen  nur  die,  welche  Bürger- 
recht besitzen;  dies  verursacht  aber  nur  eine  geringe 
Unsicherheit,  da,  wie  sich  zeigen  wird,  die  Zahl  der  nicht- 
bürgerlichen und  nicht  geschosszahlenden  selbständigen 
Einwohner  überhaupt  nur  gering  und  für  die  Kopfzahl 
der  Bevölkerung  die  Zahl  und  Stärke  der  Hausbesitzer- 
familien ausschlaggebend  war. 


«)  Vgl.  Codex  dipl.  Sax.  reg.  II.  5,  132,  über  eine  Judenverfolgung 
im  Jahre  1410,  in  welchem  die  Namen  einiger  Juden  aus  dem  Ge- 
schossregister verschwinden ;  die  Abnahme  fällt  freilich  hauptsächlich 
in  die  Zeit  zwischen  1404  und  1407. 

")  Wenn  Hasche,  Diplomat.  Geschichte  Dresdens  (Dresden  1816  ff.) 
II,  84  sagt,  in  der  Stadt  seien  damals  Gärten  und  Weinberge  ge- 
wesen, und  dies  daraus  zu  schliessen  scheint,  dass  später  Kurfürst 
August  zum  Baue  des  Zeughanses  fünf  Gärten  ankaufte,  so  übersieht 
er,  dass  jene  Gegend  im  15.  Jahrhundert  noch  ausserhalb  der  Stadt 
lag  mid  erst  durch  die  vom  Kurfürsten  Moritz  ausgeführte  Erweite- 
rung der  Mauern  mit  eingeschlossen  wurde. 


Zur  Bevülkerungs- ni  d  Vcnnögensstalistik  Dresdens  etc.    279 
Tabelle  II.    (Siehe  Seite  278). 


Ortsbezeichnung 

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Ramtitzgasse 

Gerbhäuser  

V.d.WilischenThore 
Vor  d.  Brückenthore 
Vor  dem  Frauenthore 
Mühlen 

6 

4 

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5 
6 

10 

4 

5 

27 

8 
6 

25 

26 

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11 

18 
40 
7 
10 
19 

36 
31 

44 
4 

13 
32 
5 
13 
20 
13 
11 
17 

34 
31 

21 

6 

Halbegasse. .    

An  der  Elbe 

An  der  Katzbach  . . 

Borngasse 

Hinter  dem  alten  See 

Ziegelgasse  

Hinter  dem  neuen  See 
Poppewitz 

9 

35 

5 

17 

Rosengasse 

Fischersdort 

—  1 

1 

10 

34 

|66 


46  1  42 


11   39 


5    141   18li249;i92 


Berechnung' 


Als  Massstal)  für  die 
aus    den    Geschossregistern    dient    uns 
Kopfzählungsliste    für    das    erste    und    den 
Tlieil    des   zweiten    Stadtviertels  *"),    Avelche    unzweifelhaft 
aus   dem  Jahre    1454  stammt  und   für    die  Zwecke  einer 


der  Einwohnerzahl 
eine    vollständige 
grössteu 


••)  Es  findet  sich  auch  ein  vermuthlich  aus  dem  Jahre  1430 
stammendes,  in  lateinischer  Sprache  abgefasstos  Einwohnerverzeichnis 
des  zweiten  (Wili sehen)  Stadtviertels  vor,  "welches,  wie  es  scheint, 
die  Namen  derHanshaltungsvorstände,  der  Ehefrauen,  der  erwachsenen 
Söhne  und  Töchter,  sowie  der  Knechte  und  Mägde  anführt.  Es  sind 
darin  verzeichnet:  1 13  Ehemanner,  113  Ehefrauer,  ö3  alleinstehende 
Männer,  72  alleinstehende  Frauen,  18  Sohne,  2  Töchter,  51  Knechte, 
36  Mägde,  in  Summa  458  Personen  (darunter  139  Geschosspttichtige). 
Da  sich  aber  über  den  Grad  der  Vollständigkeit  dieses  Verzeii  hnisses 
und  insbesondere  darüber,  bis  zu  welclier  Altersgrenze  herab  die 
Söhne  und  Töchter  aufgenommen  sind,  etwas  Genaues  nicht  fest- 
stellen lässt,  so  muss  dasselbe  ausser  Betracht  bleiben.  —  Bemerkens- 
werth  ist  ferner  ein  die  ganze  Stadt  umfassendes  registrum  des 
fjesindeJons  tind  des  hercn  der  haivsgoiossen,  die  nickt  hurcjerrccht 
hahin  vom  Jahre  1 J52  ,  aus  welchem  hervorgeht,  dass  damals 
118  Knechte  und  Gesellen,  16.">  .Mägde,  31  Lolinarbeiter,  l>-2  Lohn- 
arbeiterinnen in  der  Stadt  waren.  Die  Dienstboten  zalilten  eine 
nach  der  Höhe  des  Lohnes  bemessene  Steuer;  die  angegebenen 
Jahreslöhne  der  Kneclite  scliwanken  zwischen  40  und  140  gr. ,  die 
der  Mägde  zwischen  20  und  72  gr.  Der  von  den  Nichtbürgern  zu 
zahlende  her  war,  wie  es  scheint,  eine  Vermöconssteuer. 


280  Otto  Kithter: 

damals  erhobenen  Kopfsteuer  angefertigt  ist.")  Wir  be- 
nutzen diese  Liste  zunächst  zur  Aufstellung  der  Tabelle  III 
(Seite  281),  in  welche  wir  auch  die  Zahlen  der  Geschoss- 
pflichtigen  der  betreffenden  Strassen  aus  dem  Jahre  1453, 
vor  und  nach  der  Neueinschätzung,  einfügen;  sodann  geben 
wir  in  Tabelle  IV  (Seite  281)  die  Resultate  genauer  Er- 
mittelungen über  die  Bevölkerungsstärke  der  einzelnen 
Häuser  (durchschnittlich  7,2  Köpfe)  und  über  die  Kopf- 
zahl der  einzelnen  Haushaltungen,  d.  h.  der  Familien  mit 
Einschluss  der  Dienstboten  und  gewerblichen  Hilfsarbeiter. 
Die  Zahl  der  nur  eine  Person  umfassenden  Haus- 
lialtungen  und  damit  die  der  Haushaltungen  überhaupt 
dürfte  insofern  etwas  zu  hoch  gegriffen  sein,  als  für  alle 
im  Einwohnerverzeichnisse  gesondert  aufgeführten  Personen 
ein  eigner  Haushalt  angenommen  worden  ist,  während 
doch  wohl  2.  B.  bei  manchen  der  alleinstehenden  Lohn- 
arbeiter und  Lohuarbeiterinnen  eine  Theilnahme  an  dem 
Haushalte  ihres  Brot-  und  HausheiTn  wahrscheinlich 
ist.  Aber  auch  wenn  man  alle  solche  Personen  als  Haus- 
haltungsvorstände betrachtet;  so  kommen  doch  auf  die 
sich  dann  ergebenden  147  Haushaltungen  von  Mieth- 
bewohnern  nur  315  Köpfe,  während  die  fast  gleiche  Zahl 
von  Hauswirthsfamilien  (149)  mehr  als  das  Doppelte  an 
Köpfen  (755)  umfasst.  Aus  diesem  bedeutenden  Ueber- 
wiegen  des  ansässigen  Elements  möchten  wir  vornehmlich 


")  Nach  Vergleichung  der  m  der  Kopfzählungsliste  enthaltenen 
Namen  mit  denen  der  Geschossregister  wäre  dieselbe  in  die  Zeit 
zwischen  Michaelis  1453  und  Walpurgis  1454  zu  verweisen.  Der 
Landtag  zu  Leipzig,  auf  welchem  die  Erhebung  einer  Steuer  im 
Betrage  von  2  Groschen  auf  jeden  Kopf  beschlossen  wurde,  fand  statt 
am  Montage  nach  Matthiae  apostoli  =  25.  Februar  1454  (nicht  am 
Montage  nach  Matthaei  apostoli  =  23.  September,  wie  bei  Weck 
4.39  zu  lesen).  Vgl  Gründliche  Beantwortung  derjenigen  Schrift, 
welche  unter  dem  Titel:  Unumstössliches  Vormundschaftsrecht  etc. 
publiziert  worden  (Dresden  1719,  fol.)  Beilage  Nr.  200,  Seite  148, 
sowie  das  Landtagsausschreibeu  vom  9.  Februar  1454  im  Dresdner 
Rathsarchiv.  Die  Aufstellung  der  Kopfzählungsliste,  die  keinem 
andern  Zwecke  gedient  haben  kann,  fällt  also  in  die  Zeit  zwischen 
dem  25.  Februar  und  1.  Mai  1454. 

Die  Liste  beginnt  folgendermassen:  P[rimum  quajrtale.  .■\nzczu- 
hebin  [zcu  Hjannse  Lewbenitcz  biß  zcu  Jörgen  Busman.  Hannus 
Goran  mit  seyme  Schreiber  und  mit  Gleser  suUen  czeichen  den 
wirt,  dy  wirtynne,  yre  kinder,  yr  gesinde,  und  hawsgenossen  und 
ouch  der  hußgenossen  kinder  und  gesinde.  Item  Hannus  Lewbenitcz 
salp  firde.  Item  Nickü  Brommetschz  salp  sechßte.  Item  Sleycher 
salp  an  dir  etc.  etc. 


Zur  Bevölkerungs-  und  Vermögensstatistik  Dresdens  etc.    281 


die  Berechtigung  herleiten,  die  Geschossregister,  in  denen 
dieses  Element  voll  zur  Erscheinung  kommt,  als  Grundlage 
für  die  Berechnung  der  Gesammteinwohnerzahl  zu  be- 
nutzen. Wenn  es  nun  keinem  Zweifel  unterliegt,  dass  in 
allen  Stadttheilen  Dresdens  im  wesentlichen  ganz  dieselben 
Bevölkerungs-  und  Wohnungsverhältnisse  obwalteten,  so 
wird    das    Zahlenverhältnis    zwischen    Geschosspflichtigen 

Tabelle  HI.     (Siehe  Seite  280.) 


KD 

:ci 

B 

Gesc 
pflic 

hoss- 
htige 

's 

Köpfe 

Strassen 

im 
Febr.  |  Sept. 

1453 

•  =   2  s  s 

'S.5    '5  g  g 

:5 

Seegasse  

12 

20 
20 
26 
33 
38 

14 
26 
26 
36 
ä9 
45 

15 
31 
29 
H9 

46  ■ 
49 

19 
.50 
39 
56 
71 
61 

59 

99 

98 

134 

154 

211 

16 
54 
55 
59 
81 
50 

_. 

Kundigerigasse 

Zahnsgasse 

Kleine  Webergasse 
Gr.   Weberg  asse  '^) 
Wilisehe  Gasse  . . . 

(mit  Ausnahme   der 
letzten  drei  Häuser) 

153 
1.53 
193 
235 

261 

1  149 

186 

209 

296 

755 

315 

1070 

Tabelle  \S .    (Siehe  Seite  280.) 


Häuser 

Haushaltungen 

mit 

mit 

Strassen 

1 

1 

C5 

IN 

— ( 
1 

7 

7 

T— 1 

1 

CO 

1 

>a 

1 

1 

1 

eo 

1 

1 

O      Tl 

1 

•<* 

t- 

1       1 

1 

T-l 

1 

05 

5 

1— t 

1 

-* 

1     1 

1 

1 

o 

1 

5 

Köpfen 

K( 

jpfen 

TB 

Seegasse .. 



1 

6 

4 

ll- 

_ 



12 

2 

6 

6 

5  — 



..^ 

19 

Kundigengasse  .... 

1 

3 

4 

6 

3    3 





20 

18 

17 

8 

2 

4 

1 

50 

Zahnsgasse 

— 

—    8 

7 

3 

0 



20 

5 

13 

12 

9 

— 

— 



39 

Kleine  Webergasse 

— 

3    7 

9 

6 

1 



26 

16 

18 

14 

4 

1 

3 



56 

Grosse  Webergasse 

1 

5 

'  o 

5 

5 

3 



1 

33 

15,29 

17 

7 

2 

— 

1 

71 

Wilisehe  Gasse. . . . 

— 

1 

17 

\h 

1 

• 

1 

" 



3s 

9;  15 

17 

13 

7 

— 

- 

'51 

2 

13 

55 

49 

19 

10 

— 

1 

149 

65 

98 

74 

40 

14 

4 

1 

296 

'*)  Die  Grosse  Webergasse  (Scheftelstrasse)  enthielt  bei  völlig 
unveränderter  Fläehenausdehnung  im  Jahre  1867  noch  genau  so  viel 
Häuser  wie  1454,  nämlich  33,  die  Einwohner  der  Strasse  hatten  sieh 
aber  von  235  auf  1083  vermehrt,  Zahlen,  welelie  die  Zunalime  der 
Bevölkerungsdiehtigkeit  und  die  wachsende  Höhe  der  Wohngebäude 
deutlich  genug  illustrieren. 


282  Otto  Richter: 

und  Köpfen,  wie  es  sicli  für  das  von  der  Kopfzälilimgs- 
liste  umfasste  Drittheil  der  Stadt  ermitteln  lässt,  auch  auf 
die  andern  beiden  Drittlieile  ohne  Weiteres  übertrao-en 
werden  dürfen.  Aber  da,  nach  den  Geschossregistern  zu 
urtheilen,  die  Entwickelung  der  Stadt  und  ihrer  steuer- 
fähigen Bevölkerung-,  von  einigen  kleinen  Schwankungen 
abgesehen,  während  des  15.  Jahrhunderts  im  grossen  und 
ganzen  stillgestanden  hat  und  eine  Veränderung  in  der 
Veranlagung  des  Geschosses  ausser  der  Neueinschätzung 
von  1453  nicht  zu  konstatieren  ist,  so  Avird  selbst  eine 
Uebertragung  jenes  /^ahlenverhältnisses  auf  das  voran- 
gegangene luid  auf  das  nachfolgende  Halbjahrhundert  nur 
geringe  Ungenauigkeiten  in  sich  schliessen.  Nur  wird 
die  erwähnte  Neueinschätzang  zu  berücksichtigen  und  für 
die  Zeit  vor  1453  das  Verhältnis  zwischen  Einwohnern 
und  Geschosspflichtigen  als  1070  :  186  (d.  h.  5,7  Köpfe  auf 
jeden  Geschosspflichtigen)  '^),  für  die  Zeit  nach  1453  als 
1070:209  (d.  h.  5,1  Köpfe  auf  jeden  Geschosspflichtigen) 
anzunehmen  sein.  Daraus  ergeben  sich  (nach  Tabelle  I) 
für  die  Stadt  Dresden  folgende  Einwohnerzahlen: 

3745  im  Jahre  1396 

3471    „       „       1401 

3007    „       „       1411 

2593    „       „       1421 

3956    „       „       1431 

3010  „  ,.  1440 
Ausgeschlossen  sind  hiervon  die  Geistlichen  mit  ihrem 
Dienstpersonal,  die  Insassen  des  Franziskanerklosters  und 
die  stän  digen  Bewohner  des  herzoglichen  Schlosses,  welche 
sämmtlich  als  steuerfrei  in  den  Geschossregistern  über- 
gangen sind;  dieselben  dürften  mit  zusammen  150  Köpfen 
hoch  genug  veranschlagt  sein. 

Bezüglich  der  Vorstädte  kann  das  obige  Zahlen- 
verhältnis nicht  zur  Anwendung  gebracht  werden,  da  hier 
keine  Miethbe wohner  verzeichnet  und  also  wohl  die  Häuser 
kleiner  und  schwächer  bevölkert  gewesen  sind.  Rechnen 
wir  daher  liier  nur  4  Köpfe  auf  jeden  Geschosspflichtigen, 
so  ergeben  sich  (nach  Tabelle  H)  für  die  Jahre,  für  welche 
die  Geschossregister  zuverlässig  zu  sein  scheinen,  folgende 
Einwohnerzahlen : 


3101  im  Jahre 

1453 

oool  „   „ 

1465 

3504  „   „ 

1477 

374i:3  „    „ 

1489 

2565  „   „ 

1501 

'*)  Da  nach  Anmerkung  3  die  Zahl  der  Geschosspflichtigen  sich 
mit  der  der  Bürger  deckt,  so  trifft  diese  Berechnung  annähernd  mit 
jeuer  Laurents  zusammen,  der  für  Hamburg  das  Verhältnis  der 
Bürger  zu  den  Einwohnern  auf  1  :  6  feststellte,  s.  Koi)i)niann  a.  a.  Ü. 


Zur  Bevölkerungs-  unil  Vermögensstatistik  Dresdens  etc.    283 

724  iin  Jahre  1477 

996    „       ..       1489 

768    „       „       1501 
Somit    bereclmet    sich    die    Gesaramtzahl    der    Einwohner 
Dresdens   und    seiner  Vorstädte   auf  dem   linken   Eibufer 
kurze  Zeit  vor  dem  grossen  Brande  von  1491  auf  nahezu 
5000.'^) 


Mit  weit  grösserer  Sicherheit  als  bei  den  vorstehen- 
den bevölkerungsstatistischen  Untersuchungen  vermögen 
wir  bei  einer  Vermögensstatistik  Dresdens  im  15.  Jahr- 
hundert zu  Werke  zu  gehen,  da  das  Material  dafür  eui 
solches  ist,  wie  es  kaum  für  die  Gegenwart  zuverlässiger 
zu  beschaffen  sein  möchte;  es  sind  dies  mehrere  ziemlich 
umfängliche  Register,  welche  zum  Zwecke  der  von  den 
Herzögen  Albrecht  und  Georg  in  den  Jahren  1488  und 
1502  erhobenen  ausserordentlichen  Steuern  angelegt  sind 
und  vollständige  Vermögensabschätzungen  der  Einwohner 
von  Dresden,  seinen  Voistädten  und  der  Stadt  Altdresden, 
sowie  der  in  sieben  benachbarten  Dörfern  angesessenen 
Zinsleute  des  Rathes  zu  Dresden  und  der  von  ihm  ver- 
walteten geistlichen  Stiftungen  enthalten. 

Für  die  Landessteuer  von  1488  hatte  jedermann  sein 
gesammtes  bewegliches  und  unbewegliches  Besitzthum 
nach  eignem  Gewissen  abzuschätzen  und  von  je  100  rhei- 
nischen Gulden  Werth  1  Gulden  und  bei  geringerem  Ver- 
mögen nach  Verhältnis  weniger  zu  entrichten;  Dienst- 
boten zahlten  von  je  20  Groschen  Jahreslohn  1  Groschen 
zu  dieser  Landessteuer.  Die  Steuerregister,  deren  eines 
für  Dresden  und  seine  Vorstädte  und  ein  zweites  für  die 
Stadt  Altdresden  vorhanden  ist,  weisen  in  der  Regel 
bei  dem  Namen  jedes  Abgeschätzten  die  Höhe  seines 
Vermögens  und  den  Steuerbetrag  auf;  bisweilen  jedoch, 
besonders  bei  wenig  Bemittelten,  ist  nur  der  Steuerbetrag 
angegeben,  woraus  nach  dem  angebenen  Steuersatze  das 
Vermögen  leicht  zu  finden  ist. '^) 


'*)  Um  1469  wurden  Dresden  und  Eothlitz  als  „vil  geringer 
dann  Zwickau"  bezeichnet.  Vgl.  Tittmann,  Heinrich  der  Erlauchte  1, 
3()2;  von  Webers  Archiv  für  Sächsische  Geschichte.  N.  F.  5,  ."Cb. 

'*)  Um  die  Einrichtung  dieser  Register  zu  verdeutlichen,  setzen 

wir  die  Ueberschrift  und  den  Anfang  desjenigen  von  Dresden  hierher: 

Register  der  stheuer  noch  ausweysunge   der  nottel  unßers  g.  h. 

von   hundert  gülden  wert  einen   und   beym   eide  iglichem  heym 


234  ^^^^  Richter: 

Wir  ordnen  nunmehr  sämratliche  in  den  beiden 
Scliatzungsregistern  verzeiclmeten  Personen  nach  möglichst 
nahe  aneinander  liegenden  Vermögensklassen.  Für  alle 
diejenigen,  welche  weniger  als  25  H.  Vermögen  besitzen, 
nehmen  wir  ein  durchschnittliches  Vermögen  von  12  72  fl- 
an,  während  für  alle  höheren  Vermögensldassen  niclit  ein 
Durchschnitt,  sondern  die  genaue  Summe  aller  einzelnen 
Vermögensbeträge  anzugeben  ist.  Damit  gelangen  wir  zu 
der  auf  Seite  285  (Tabelle  V)  befindlichen  Uebersicht. 

Nicht  ohne  Interesse  ist  jedenfalls  das  Resultat  der 
Vertheilung  der  gefundenen  Vermögensbeträge  auf  den 
einzelnen  Kopf  der  Abgeschätzten  sowohl  wie  der  Be- 
völkerung überhaupt,  für  welche  es  gestattet  sein  mag, 
die  oben  für  das  Jahr  1489  ermittelten  Einwohnerzahlen 
von  Dresden  nebst  Vorstädten  zu  benutzen  (Tabelle  VI, 
Seite  286). 

Die  vom  Herzog  Georg  im  Jahre  1502  erhobene 
Vermögenssteuer,  zu  welcher  ein  Abschätzungsregister  der 
Stadt  Dresden,  seiner  Vorstädte  und  der  benachbarten 
Rathsdörfer  erhalten  ist'**),  wurde  nach  demselben  Satze 
wie  die  von  1488  veranlagt,  nur  war  damit  ausser  einer 
Einkommensteuer   für    die    Dienstboten,    die    den  zehnten 


geben    anno  im  LXXXVIII  jore  angehoben  beym   burgermeister 

Simon  Wercho.    Die  stüer  entphaer  und  eynnemer  Bastian  Jost, 

Donatus  Conrafli. 
Francz  Herczog  cU  1[  r.  fl.  noch  seinner  habe  unnd  vermögen. 
Die  Brommaczschinne    angeslagen    all  yie   guter  vor  VI"-'  reinisehe 

guldenn  d*  dovon  II  ß  VI  gr. 
Ibidem  Thomas  Palicz  d'  V  gr.  IUI  naue  /9>   als  ein   hausgenoß  an- 
geslagen sein  gut  vor  XXV  r.  ti. 
Idem  VI  gr.  d*  von  zween  smideknechtenn. 
Die    Kuneltynne   aiigeslagenn   all   yre   gutter    vor  VI^  reinisehe   fl. 

dt  dovon  II  ß  VI  gr. 
Idem  XII  gr.  d*  von  zween  knechten  und  eyner  mayt. 
Jocofi"  Henel  angeslagenn  all  sein  gut  vor  IIjc  [==  250]  reinisehe  fl. 

dt  dovouii  LH  gr.  IUI  ^  I  heller. 
Idem  II  gr.  dt  von  der  mayt. 
Ibidem  die  Schaubehansin  d*  III  gr. 
Ibidem  die  Caspar  Sneiderin  dt  I  gr.     etc.  etc. 

Vgl.  auch  den  Revers  Herzog  Albrechts  vom  19.  Aprü  1488  im 
Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden,  Witt.  Archiv,  Steuersachen  Blatt  21. 
Die  Angaben  Wecks  (446)  über  die  Art  der  Steuerveranlagung 
von  1488  (von  100  fl.  Werth  2  fl.  Steuer  u.  s.  w.)  sind  au  dieser  Stelle 
falsch,  gelten  vielmehr  für  eine  Vermögenssteuer  des  Jahres  1506. 
Dieser  Fehler  Wecks  ist,  wie  so  mancher  andere,  in  alle  späteren 
Schriften  übergegangen. 

'«)  Steur  register  nach  Christi  gebort  XVc  im  andern  lare  der 
Stadt  Dresden  von  hundert  goldenn  wirderunge   bewegelich  und  un- 


Zur  Bevölkerungs-  und  VeimÖgeusstatistik  Dresdens  etc.    285 
Tabelle  V.")    (Siehe  Seite  284.) 


mögensklasse 

Dresden 

Vorstädte 

Altdresden 

Ver 

r3   S 

CO  cn 

-3  a> 

ii 

'TS   o) 

Zahl  dei 
geschät: 

Summe 
Vermög 

Zahl  dei 
geschät; 

Summe 
Vermög 

Zahl  dei 
geschät; 

Summe 
Vermög 

fl. 

fl. 

fl. 

2000  fl. 

und  darüber 

1 

2.S50 

— 

— 

— 

1500  bis 

unter  2000  fl.  . . 

4 

7  000 

— 

— 

— 

— 

1000  „ 

1500  „  ... 

4 

5000 

— 

— 

— 

— 

900  „ 

1000  „  . . 

1 

900 

— 

— 

— 

— 

800  „ 

900  „  . .  . 

3 

2400 

— 

— 

— 

700  „ 

800  „.  . 

— 

— 

— 

— 

— 

600  „ 

700  „  . .  . 

10 

6  000 

— 

— 

— 

— 

500  „ 

600  „  ... 

9 

4  550 

— 

— 

— 

400  „ 

500  „  .  . . 

12 

4  902 

— 

— 

— 

300  „ 

400  „  ... 

34 

10550 

— 

— 

— 

— 

200  „ 

300  „  .  . . 

45 

9  370 

1 

200 

1 

210 

100  „ 

200  „  .  . 

131 

15015 

4 

450 

11 

1536 

50  „ 

100  „  .  .  . 

78 

4  790 

15 

8.30 

22 

1506 

25  „ 

50  „  ... 

76 

2  225 

38 

1146 

47 

1610 

unter  25  „  ... 

194 

2  425 

105 

1312 

110 

1375 

602 

77477 

163 

3938 

191 

6237 

Hierüber: 

Gesellen 

,  Knechte,  Mägde 

296 

— 

8 

— 

63 

— ■ 

bewegelich  guttern  barschaft'tenn  unnd  farnde  habe  1  fl.  r.,  von  L  gülden  j 
[=  Va],  von  XXV  1  ort,  wer  zo  \y\  nich  that  IUI  gr.  unnd  och  wez  kinder 
ubir  XV  iar,  dinstbotenn  den  X  teil  ires  Ions,  mussigkgenger  Xgr.  etc. 
Demnach  waren  bei  dieser  Gelegenheit  alle  Personen,  mit  Ausnahme 
der  Ehefrauen  und  der  Kinder  unter  15  Jahren,  steuerpflichtig;  es 
sind  dies  für  Dresden  im  ganzen  lO'Jl  Personen  (Tabelle  VII,  S.  286). 
Wenn  wir,  was  wenigstens  nicht  unwahrscheinlich  ist,  annehmen, 
dass  die  in  Anmerkung  10  erwähnte  Liste  vom  Jahre  1430  ebenfalls 
ein  Verzeichnis  aller  Personen  über  15  Jahre  ist  und  daraus  hervor- 
geht, dass  die  Ehefrauen  genau  den  vierten  Tlieil  derselben  bilden, 
so  würde  lür  das  Jahr  1502  die  Zahl  der  Ehefrauen  sich  auf  363 
berechnen.  Dann  betrüge  (bei  2565  Einwohnern  im  Jahre  1501)  die 
Zahl  der  Kinder  unter  15  Jahren  Uli,  d.  h.  43  Prozent  der  Be- 
völkerung, jedenfalls  also  ein  höherer  Prozentsatz,  als  ihn  Schön- 
berg (a.  a.  ü.  516)  bei  der  Berechnung  der  Einwohnerzahl  von  Basel 
annimmt.     Doch  soll  dies  nur  als  Vermuthung  gelten! 

")  Das  höchste  Vermögen  besitzt  Heinrich  Sleweger  mit  2350  fl., 
sodann  folgen  Jeniko  Geusing  mit  1900  fl.  und  Hanns  Karlewicz 
(„angeslagenn  seine  putter  als  hauß  ecker  weingerten  und  weßenn 
umb  die  stat  legende";  mit  1800  fl.  Nickel  öeydel,  Bürgermeister 
1489,  besitzt  900  fl.,  Simon  Wercho,  Bürgermeister  1488,  600  fl. 


28G 


Otto  Richter 


Theil  ihres  Lohnes  zu  entrichten  hatten,  auch  noch  eine 
Kopfsteuer  für  die  Kinder  über  15  Jahre  und  für  Müssig- 
gänger  verbunden.  Es  wird  sicli  auch  hier  rechtfertigen 
lassen,  wenn  wir  für  alle  Personen  mit  weniger  als  25  fl. 
Vermögen  einen  Durchschnittsbetrag  von  12  72  fl. ,  für 
Kinder  über  15  Jahre  sowie  für  Gesellen,  Lehrjungen, 
Knechte   und  Mägde    aber  überhaupt  kein  Vermögen  an- 


nehmen.    Hiernach   gestalten   sich 


die  Vermögensverhält- 


nisse der  Einwohner  der  Stadt  Dresden  und  der  Vor- 
städte; sowie  die  der  Zinsleute  in  7  Dörfern,  für  welche 
leider  die  Abschätzung  der  übrigen  Bevölkerung  nicht  vor- 
liegt, für  das  Jahr  1502,  wie  Tabelle  VII,  VIII  und  IX  zeigt. 

Tabelle  YI.    (Siehe  Seite  284.) 


Ort 

Zahl  der  Ab- 
geschätzten 

Zahl  der 

Einwohner 

U89 

■Summe 

des 

Vermögens 

fl. 

Vermögensbe- 

tragp.  Kopf  der 

Abgeschätzten 

fl. 

Vermögensbe- 
trag p.  Kopf  der 
Bevölkerung 
fl. 

Dresden 

Vorstälte  . . . 
Altdresden . . 

602 

163 
191 

3743 
996 

77  477 
3  938 
6237 

128,7 
24,1 
32,6 

20,7 
3,9 

Tabelle  VII.' 


Dresden 

Vorstädte 

Vermögenski  asse 

Zahl  der  Ab- 
geschätzten 

Summe  des 
Vermögens 

fl. 

Zahl  der  Ab- 
geschätzten 

Summe  des 
Vermögens 

fl. 

2000  tl.  und  darüber   . . ... 

2 

4200 

— 

— 

1500  his  unter  2000  fl....  . 

1 

1700 

— 

— 

1000     „       „        1500  

3 

3600 

— 

— 

900     „       „        1000  „  . .  . . 

1 

900 

— 

— 

800     „       „          900  „  ...  . 

2 

1050 

— 

— 

700     „       „          800  „  ...  . 

2 

1400 

— 

— 

600     „        „          700  „  ... . 

8 

4850 

— 

— 

500     „        „          ßOO  „  

5 

2  570 

— 

— 

400     „        „          500  ., 

14 

5  752 

— 

— 

300     „        „          400  „  ... . 

19 

5930 

— 

— 

200     „       „          300  „     .  .  . 

36 

7  727 

1 

228 

100     „        „          200  

112 

14069 

6 

728 

50     „        „          100 

108 

6  686 

8 

469 

25     „       „           .50  , 

52 

1748 

21 

667 

unter    25  „  ... 

318 

3975 

151 

1888 

Hierüher: 

683 

66  757 

187 

3980 

Kinder  über  15  Jahre 

56 

— 

0 

... 



Gesellen,  Lehrjungen) 
Knechte,  Mägde         )    "    ' 

352 

— 

14 

— 

")  Das  höchste  Vermögen  im  Jahre  1502  ist  das  des  Bürger- 
meisters Hans  Smeisser  mit  2200  fl.,  derselbe  war  im  Jahre  1488  mit 
1500  fl.  veranschlagt. 


Zur  Bevolkerungs-  um]  V'urmögensstatistik  Dresdens  etc.    287 
Tabelle  VIII.    (Siehe  Seite  286.) 


Quoh- 
ren 

Zschiz- 

sche- 
wig 

Tolke- 
witz 

Moek- 
ritz 

Box- 
dorf 

Müg- 
litz 

Sürs- 
sen 

Vermögens- 
klasse 

c 

(V 

a 
o 

cn 

a> 

:0 

s 

o 

o 

s 

S 
a 
o 

S 

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c 

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S 

5 
5 

CD 
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S 

S 

3 

r-" 

tr 

> 

s 

s 

cn 

a 

:0 

S 
;-< 

> 

300  bis  unter  400  ü. 

200  „       „      300.. 

100  „        „      200  „ 

50  „        „       100  „ 

25  „       „        50  „ 

unter    25  ,, 

2 

11 

4 

7 

ti. 

28ß 
661 
136 

88 

ti. 
1    3.50 
]     200 
li   125 
6'  36-2 
3'   113 
6       75 

2 
3 
1 

fl. 

243 

215 

30 

1 
1 

fl. 

200 
100 

1 11. 

1  300 

i  . 

2  151 

2 
1 

1 

tl. 

140 
30 
12 

ti. 

1  300 
1   200 

1     50 

Hierüber: 
Kinder  üb.  15  Jahre 
Knechte,  Mägde  . 

24 

9 
11 

1171 

18 
10 

1225 

6 

1 

488 

2 

?,Q0 

.> 

451 

4  182 

1  — 

1 

3 

550 

Tabelle  IX.     (Siehe  Seite  286.) 


Ort 


Zahl 
der  Abge- 
schätzten 


Zahl 
der  Ein- 
wohner 

1501 


Summe 
des  Ver- 


fl. 


Vermögens- 
betrag pro 
Ivopf  der  Ab- 
geschätzten 

fl. 


Vermögens- 
betrag pro 
KopfderBe- 
völkerung 

fl. 


Dresden 

Vorstädte  . . , 
Quohren  . .  . , 
Zschitzschewig 
Tolkewitz  . . . 
Mockritz  .... 
Boxdort  .  . .  1  . 

Müglitz 

Sürssen 


683 

187 

24 

18 

6 

2 

3 
4 
3 


2565 
768 
9 
? 

? 

9 


66  757 

3980 

1171 

12-25 

488 

.300 

451 

182 

550 


21,3 
53 


81,3 
150 
150,3 

45,5 
183,3 


20 
5,2 

'P 
'P 

•? 
? 
? 


Die  vorstehenden  Tabellen  reden  in  Bezug  auf  die 
Höhe  der  in  den  betreffenden  Jahren  vorhandenen  Werthe, 
auf  die  Vertheikni^  derselben  unter  die  einzelnen  Ver- 
mögensklassen und  auf  die  Vcrscliiedenheitcn  des  Ver- 
mögensstandes  in  der  Stadt,  in  den  Vorstädten  und  auf 
den  Dörfern  eine  so  deutliche  Spraclie,  dass  es  weiterer 
Ausfülirungcn  hierüber  nicht  bedarf.  Lehrreich  ist  aber 
vielleicht  ein  Versuch,    den  Unterschied  zwischen  damals 


288  Otto  Richter: 

und  heute  in  betreff  des  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung 
entfallenden  Vermögensbetrages  zu  zeigen.  Wenn  wir  zum 
Schlüsse  einen  solchen  Versuch  machen,  so  kann  es  uns 
nicht  beikommen,  genaue  und  unanfechtbare  Zahlen  er- 
mitteln zu  wollen,  sondern  es  wird  sich  lediglich  darum 
handeln,  durch  einige  Ziffern  die  Grösse  des  von  vier  Jahr- 
hunderten bewirkten  Umschwunges  der  wirthschaftlichen 
Verhältnisse  flüchtig  anzudeuten. 

Im  Jahre  1488  kam  nach  Tabelle  VI  auf  den  Kopf 
der  Bevölkerung  in  Dresden  ein  Durchschnittsvermögen 
von  rund  21  fl.  Bei  der  Umrechnung  dieses  Betrages  in 
die  ihm  heute  entsprechende  Geldsumme  sind  sowohl  die 
beiderseitigen  Münzwerthe  als  die  gesammten  Preisverhält- 
nisse zu  berücksichtigen.  Wenn  aus  1  Mark  Feinsilber  in 
jener  Zeit  140  Groschen  (=  7  rheinische  Gulden),  heute 
50  Mark  geprägt  werden,  so  entspricht  der  damalige 
Gulden  einem  Betrage  von  ungefähr  7  Mark  jetziger 
Münze.  Die  Preise  der  wichtigsten  Lebensmittel  und  die 
Handarbeitslöhne,  deren  Heranziehung-für  eine  annähernde 
Berechnung  genügen  dürfte,  betragen  jetzt  durchschnitt- 
lich etwa  das  Fünffache  der  damaligen*^),  so  dass  also 
der  rheinische  Gulden  von  1488  heutzutage  einen  Werth 
von  ungefähr  35  Mark  haben  würde.  Unter  Zugrunde- 
legung dieses  Massstabes  stellt  sich  die  Höhe  des  im 
Jahre  1488  auf  den  Kopf  der  Dresdner  Bevölkerung  fallen- 
den Vermögens  nach  unserm  Gelde  auf  735  Mark. 

Welchen  Betrag  vermögen  wir  dem  jetzt  gegenüber- 
zustellen? Im  Jahre  1879  betruü;  in  Dresden  das  Steuer- 
Pflichtige  Einkommen  aus  Grundbesitz  2043- 147  M.,  aus 
Kenten  29402  773  M.,  zusammen  circa  50000000  M.^") 
Bei  Annahme  einer  Bevölkerungszahl  von  210000  kommen 
hiervon  auf  jeden  Kopf  circa  240  M. ,  welche  bei  einem 
Zinsfusse  von  5  Prozent  einem  Kapitale  von  4800  M.  ent- 
sprechen. Also  735  M.  Durchsclmittsvermögen  im  Jahre 
1488   gegen  4800  M.  hn  Jahre  1879!      So   unsicher  diese 


'*)  Nacli  Job.  Falke,  Geschicbtliche  Statistik  der  Preise  im 
Königreich  Sachsen,  in  den  Jahrbüchern  für  Nationalökonomie  und 
Statistik,  XIII.  (1869),  364—395. 

^"j  Zeitschrift  desK.Sächs.  statistischen  Bureaus,  25.  Jahrg.  1879, 
Beilagen  zu  Heft  3  und  4.  Wir  ziehen,  da  es  sich  um  eine  Ver- 
gleichung  des  ■wirklichen  Vermögens  handelt,  nur  das  aus  Grund- 
und  Kapitalbesitz  üiessende  iMnkommen  heran  und  übergehen  voll- 
ständig das  Einkommen  aus  Gehalt  und  Lohn  mit  51913188  M.  und 
aus  Handel  und   Ge^verbe  mit  42  432  399  M.,  obwohl  dem  letzteren 


Zur  Bevölkerungs-  und  Vermögensstatistik  Dresdens  etc.    289 

Zalilen  sind,  eine  Ahnung  von  der  kolossalen  Zunahme 
der  wirthschaftlichen  Güter  im  Laufe  der  Jahrhunderte 
vermögen  sie  doch  zu  vermitteln.  Und  wie  tritt  das 
Missverhältnis  erst  hervor,  wenn  wir  den  reichsten  Mann 
von  1488  mit  2350  fl.  =  82  250  M.  dem  heutigen  Besitzer 
einer  Reihe  von  Millionen  gegenüberstellen!  Dass  eine 
solche  Anhäutung  von  Gütern  in  gleichem  Verhältnis  nicht 
stattgefunden  hätte,  wenn  die  Stadt  auch  heute  noch 
4000  Einwohner  zählte,  bedarf  keines  Nachweises,  da  in 
kleinen  Städten  noch  gegenwärtig  ein  weit  geringeres 
Durchschnittsvermögen  als  in  grossen  zu  konstatieren  ist. 
In  welchem  Masse  aber  mit  dem  Anwachsen  der  äusseren 
Güter  auch  eine  wirkliche  Hebung  des  allgemeinen  Wohl- 
standes oder  gar  des  ^^'ohlbelindcns  der  Bevölkerung  ver- 
bunden gewesen,  das  ist  eine  Frage,  zu  deren  Beant- 
wortung das  Ziffernwerk  der  Statistik  niemals  die  alleinige 
Grundlage  bilden  kann. 


7Ai  einem  grossen  Theile  auch  Anlage-  und  Betriebskapitalien  zu 
Grunde  liegen;  dafür  lassen  wir  aber  auch  1.3389  728  M.  Schuldzinsen, 
welche  eigentlich  abzuziehen  wären,  unberücksichtigt.  Wie  würde 
sich  nun  gar  die  Summe  des  heutigen  Vermögens  erhöhen,  wollte 
man  die  Masse  der  unproduktiven  Güter  mit  einschätzen,  wie  dies 
im  Mittelalter  geschehen!  Dagegen  fällt  freilich  sehr  ins  Gewicht, 
dass  damals  das  bedeutende  Vermögen  der  geistlichen  Korporationen 
ausser  Betracht  blieb,  während  in  den  obigen  Ziffern  das  Korporations- 
inbegriffen ist. 


Neues  Archiv  f.  S.  Ci.  u.  A.  11.  4.  l9 


XL 


Nachträge  zum  ürkundenbuche  der  Stadt 

Chemnitz.') 


Von 

Hubert  Ermiscli. 


Dass  die  Massnahmen,  welche  die  königliche  Staats- 
regierung' während  der  letzten  vier  Jahre  im  Interesse 
der  städtischen  und  der  sonstigen  nicht  unmittelbar  der 
staatlichen  Verwaltung  unterstehenden  Archive  getroffen 
hat,  auch  für  das  grosse  von  Gersdorf  und  Posern-Klett 
begonnene  und  gegenwärtig  von  -Otto  Posse  und  dem 
Schreiber  dieser  Zeilen  unter  Mitwirkung  mehrerer  anderer 
Historiker  herausgegebene  säclisische  Urkundenbuch  von 
Wichtigkeit  werden  würden,  war  vorauszusehen.  Nach  den 
bisherigen  Erfahrungen  scheint  dies  freilicli  nicht  in  so  hohem 
Masse  der  Fall  zu  sein,  als  man  wohl  wünschen  möchte. 
Man  kann  sich  schwer  einen  Begriff  von  dem  Vanda- 
lisraus  machen,  mit  dem  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein 
insbesondere  die  Archive  vieler  sächsischer  Städte  be- 
handelt worden  und  dem  vor  allem  vielfach  die  älteren, 
„unleserlichen",  „werthlosen"  Documente  zum  Opfer  ge- 
fallen sind.     Es  war  die  höchste  Zeit,  dass  hier  der  Staat 


')  Urkundenbuch  der  Stadt  Chemnitz  und  ihrer  Klöster.  Im 
Auftrage  der  Kgl.  Staatsregiernng  herausgegeben  von  Hubert  Ermisch. 
Leipzig,  Giesecke  und  Devrient  1879.  4".  (Codex  diploraaticus  Saxoniae 
regiae.    II.  Haupttheil.    6.  Bd.) 


Nachträge  zum  Urkundeiibuehe  der  Stadt  Chemnitz.        291 

schützend  einti'at  und  die  bis  dahin  oft  nur  durch  einen 
Zufall  geretteten  dürftigen  Reste  von  Denkmälern  vater- 
ländischer Geschichte  dem  drohenden  Untergange  entriss, 
der  wissenschaftlichen  Forschung  und  vor  allem  auch  dem 
praktischen  Gebrauche  im  Interesse  der  städtischen  Ver- 
waltung wieder  nutzbar  zu  machen  suchte.  Denn  dass 
den  grössten  Vortheil  aus  einem  Archive  die  Stadt  selbst 
ziehen  kann,  die  es  besitzt,  ist  eine  sein'  nahe  liegende 
Wahrheit,  und  man  vermag  es  kaum  zu  begreifen,  wie 
dies  überhaupt  noch  zuweilen  bestritten  werden  kann. 
Ich  komme  auf  diese  Seite  der  Frage  vielleicht  bei  einer 
andern  Gelegenheit  zurück.  Für  jetzt  gebe  ich  nur  einige 
Nachträge  zu  dem  vor  einigen  Jahren  von  mir  veröfifent- 
Hellten  Cliemnitzer  Urkundenbuche,  die  ich  im  Laufe  dieses 
Jahres  bei  Gelegenheit  archivalischer  Revisionsreisen  auf- 
gefunden habe.  Unsere  Zeitschrift,  die  vor  allem  mit  dem 
grossen  sächsischen  Urkundenwerke  stets  Fühlung  halten 
soll,  dürfte  der  geeignetste  Platz  für  diese  Nachträge  sein, 
obwohl  dieselben  nur  für  einen  beschränkten  Kreis  der  Leser 
ein  unmittelbares  Interesse  haben  können. 

Der  grösste  Tlieil  stammt  aus  dem  Archive  der 
Stadt  Chemnitz,  über  welches  ich  bereits  im  Vorbericht 
zum  Urkundenbuche  (S.  X)  einige  Notizen  gegeben  habe. 
Dasselbe  hat  eine  günstigere  Vergangenheit  gehabt  als 
viele  andere  Rathsarchive  Sachsens,  und  auch  neuerdings 
ist  von  den  städtischen  Behörden  in  würdiger  Weise  da- 
für gesorgt  worden.  Bereits  im  Jahre  1870  hat  Dr.  Paul 
Pfotenhaucr  im  Auftrage  des  Stadtrathcs  die  Repertorien 
revidiert  und  ein  Urkundenverzeiclmis  angelegt;  dann 
Avar  Chemnitz  die  erste  Stadt,  welche  den  seitens  der 
Staatsregierung  geäusserten  Wünschen  nachkam  und  die 
angebotene  Beihilfe  eines  Archivbeamten  zur  Unterstützung 
der  weitern  archivalischen  Ordnungsarbeiten  beantragte. 
Als  ich  zu  diesem  Zwecke  im  Sommer  1878  nach  Chenmitz 
kam,  musste  ich  allerdings  bald  erkennen,  dass  der  Zeit- 
punkt für  diese  Arbeiten  nicht  sehr  glücklich  gewählt  war, 
weil  ein  anhaltendes  Arbeiten  hi  den  dumpfigen  Locäli- 
täten,  in  denen  damals  das  Archiv  lag,  sich  als  unmög- 
lich erwies.  Zugleich  wurde  mir  mitgetheilt,  dass  eine 
Umsiedlung  des  Archivs  in  neue  Räume  nahe  bevorstand. 
Dieselbe,  erfolgte  anfangs  1880.  Die  vormalige  Turnhalle 
der  zum  neuen  liathhause  umgebauten  höheren  Bürgerschule 
(Poststrasse  51)  bot  einen  durchaus  geeigneten  Archivraum, 
und  die  Aufstellung   der  Archivalien  in  9  hohen  Doppel- 

19* 


292  Hubert  Ermisch: 

scliragen  verdient  alle  Anerkennung.  Auch  die  Ordnungs- 
arbeiten hatten,  dank  der  Bemühungen  der  städtischen 
Archivare  Zimmer  und  Kiefer,  einige  Fortschritte  gemacht, 
wenn  auch  freilich  noch  ziemlich  viel  Detailarbeit  auf 
sachkundige  Ausführung  wartet.  Hoffentlich  gelingt  es 
der  städtischen  Verwaltung,  für  die  Lösung  dieser  Auf- 
gaben, welche  die  Kräfte  der. ohnehin  vielbescliäftigteu 
städtischen  Registraturbeauiten  des  Inhalts  und  der  Schrei- 
bung wegen  überschreiten  dürften,  einen  geschulten  Histo- 
riker zu  interessieren.  Als  ich  vor  einigen  Monaten  dem 
Chemnitzer  Stadtarchive  nochmals  einen  Besuch  abstattete, 
reichte  meine  Zeit  allerdings  zur  Ausführung  dieser  lang- 
wierigen Arbeiten,  unter  denen  die  Ordnung  der  aus  zahl- 
reichen losen  Blättern  bestehenden  „Rathsprotokolle"  vom 
16.  Jahrhundert  an  zunächst  wünschenswerth  wäre,  nicht 
aus.  Dagegen  nahm  ich  eine  Ergänzung  des  Urkunden- 
repertoriums  vor.  Bei  der  Umräumung  hatten  sich  näm- 
lich nicht  weniger  als  43  Originalurkunden  aufgefunden, 
eine  sehr  erhebliche  Bereicherung  des  bisher  aiTs  15.5 
Nummern  bestehenden  Urkundenarchivs.  Meist  hatten 
sie  wohl  sint  vielen  Jahrzehnten  in  unzugänglichen  Winkeln 
gelegen;  in  den  1848  aufgestellten  Repertorien  fehlen  sie, 
und  auch  den  eingehenden  Nachforschungen,  die  Dr. 
Pfotenhauer  und  ich  zu  wiederholtem  Male  für  die  Zwecke 
des  Urkundenbuches  im  Archive  vorgenommen  haben, 
sind  sie  entgangen.  15  von  diesen  Urkunden  wären  für 
den  Codex  diplomaticus  zu  benutzen  gcAvesen.  Darunter  sind 
mir  die  unten  als  No.  91^  128'',  129",  131'^  261",  269", 
269^'  und  471"  mitgetheilten  Dokumente  ganz  unbekannt 
geblieben.  Zu  No.  91  war  eine  Erweiterung  zu  geben. 
Zu  den  Nummern  13,  34,  43,  89,  180,  269,  welche  im 
Urkundenbuche  nach  Abschriften,  Entwürfen  oder  Ueber- 
setzungen  mitgetheilt  worden  sind,  haben  sich  die  Originale 
gefunden.  Ich  füge  hinzu,  dass  das  Original  vonNo.  18  mir 
im  vorigen  Jahre  durch  Herrn  Stud.  O.  Langer  in  Leipzig, 
in  dessen  Besitz  es  gelangt  war,  freundlichst  zur  Kollation 
überlassen  wurde;  auch  dieses  ist  jetzt  auf  den  Wunsch 
des  Genannten  dem  Chemnitzer  Rathsarchive,  dem  es  ur- 
sprünglich angehört  hat,  wieder  einverleibt  worden. 

Weitere  Ausbeute  für  unsere  Nachträge  gewährte  das 
gut  geordnete  und  bisher  noch  sehr  wenig  gekannte  und 
benutzte  Fürstlich  und  Gräflich  Schönburgische 
Gesammtarchiv  zu  Glauchau.  Dasselbe  wurde  mir 
gelegentlich  eines  Aufenthalts   in  Glauchau,   der  zunächst 


Naclitriigü  zum  Urkmulenlniche  der  Stadt  Chemnitz.        293 

der  Revision  des  dortigen  Stadtarchivs  galt,  durch  die 
Herren  Kanzleidirektor  Zückh'r  und  Sekretär  Lossius  bereit- 
willigst zugänglich  gemacht,  und  ich  fand  eine  überraschend 
grosse  Anzahl  von  Dokumenten,  die  für  die  verschiedenen 
Abtheilungen  des  Urkundenwerks  von  Interesse  sind.  Die 
Geschichte  von  Chemnitz  betrafen  davon  6  Nummern 
(No.  39'',  46",  57",  91",  148",  395").  Weniger  ergiebig  war 
die  Durchsicht  der  drei  anderen  Scliönburgischen  Archive 
in  Glauchau  und  Waidenburg;  das  einzige  Dokument  in  den- 
selben, das  für  das  Urkundenbiich  von  Chemnitz  zu  be- 
nutzen gewesen  w^äre,  war  das  Original  von  No.  385. 

Wir  fügen  endlich  als  No.  428"  eine  kürzlich  von 
der  Amtshauptmannschaft  zu  Chemnitz  dem  Hauptstaats- 
archiv zu  Dresden  übergebene  Originalurkunde  auszüg- 
lich bei.  — 

Was  den  Inhalt  unserer  Nachträge  anlangt,  so  ist  der- 
selbe allerdings  theilweise  nicht  sehr  erheblich.  Immer- 
hin erweitert  er  unsere  Kenntnis  der  städtischen  Geschichte 
von  Chemnitz  nach  verschiedenen  Richtungen  hin. 

No.  39",  46''  und  57"  betreffen  die  Ortwinische  Stif- 
tung und  sind  mit  No.  42  und  44  zusammenzustellen. 
Hans  der  ältere  und  Hans  der  jüngere  von  ^^'^aldenburg 
und  Burggraf  Albrecht  von  Leisnig  hatten,  vermuthlich 
in  einer  Fehde,  die  Gebrüder  Franz  und  Johannes  Ortwin 
aus  Chemnitz  erschlagen.  Für  das  Seelenheil  der  Er- 
mordeten hatten  deren  Verwandte  einen  Altar  zu  Ehren 
des  h.  Leichnams  und  des  h.  Sigismund  gestiftet  und  mit 
einer  Busse  von  1 10  Schock  Groschen,  welche  die  Mörder 
auf  Grund  einer  um  1370  von  Markgraf  Friedrich  zu 
Stande  gebrachten  Vereinbarung  gezahlt  hatten,  dotiert. 
Die  bischöfliche  Bestätigung  dieser  Stiftung  vom  17.  August 
1371  erwähnt  aucli  einer  Schenkung  von  iVa  Schock  aus 
der  Bleiche,  welclie  der  Altzeller  Mönch  Franczko  und  sein 
Bruder  der  Priester  Johannes  Albi  (Wishennil),  unter  Vor- 
behalt des  Niessbrauches  auf  Lebenszeit  zu  diesem  Altar  ue- 
macht  hatten.  No.  39"  ist  die  über  diese  Schenkung  aus- 
gestellte Urkunde  vom  17.  Dezember  1368;  es  lässt  sich  auf 
Grund  derselben  vermuthen,  dass  die  Ermordung  der  Ge- 
brüder Ortwin  im  Jahr  1368  erfolgt  sei;  denn  die  Stiftung 
der  ewigen  ]Messe  zu  ihrem  Seelenheil  war  bei  Ausstellung 
dieser  Urkunde  noch  nicht  vollendet. 

In  welchem  Verhältnis  die  Familie  Albi  oder  ^^^ishennil 
zu  den  Ortwincn  stand  und  was  sie  veranlasste,  zu  der 
Altarstiftung  beizutragen,  ist  aus  dem  vorliandeuen  Material 


294  Hubert  Eiraiscli: 

nicht  ersichtlicli.  Franciscus  Albi  hatte  verschiedene  Forde- 
rungen an  die  Familie  Ortwin ;  unter  anderem  konnte  er  freies 
Quartier  im  Hause  des  Nicohius  Ortwin  beanspruclien,  so 
oft  er  nach  Chenniitz  kam.  ^Yir  erfala-en  dies  aus  dem  Ver- 
gleiche No.  46''  vom  Jahre  1379,  durch  welchen  diese  Ver- 
hältnisse gelöst  wurden;  er  überliefert  uns  auch  den  Namen 
des  ersten  bekannten  Chemnitzer  Stadtsclireibers,  Johannes 
Franko.  Joliannes  Albi  war,  wie  sich  aus  No.  57''  ergiebt, 
Altarist  des  neu  begründeten  Altars;  wegen  Augenschwäche 
legte  er  1389  die  Verwaltung  desselben  nieder,  behielt 
aber  den  grössten  Theil  der  Einkünfte  aus  dem  seit  1383 
(vergl.  No.  52)  dem  Altare  incorporierten  Dorfe  Meinersdorf. 

Die  grosse  Stiftung  des  Priesters  Nicolaus  Ebersdorf 
(No.  91''),  von  dem  andere  Stiftungen  bereits  bekannt  sind 
(vergl.  No.  68,  72),  nennt  uns  die  damals  in  der  Jacobi- 
kirche  und  im  Hospitale  vorhandenen  Altäre  und  die 
Namen  ihrer  Altaristen  und  hat  auch  Interesse  für  die 
Geschichte  des  Armenwesens;  insbesondere  mag  auf  der 
Berücksichtigung  der  verschämten  Armen  (pauperes  qui 
alias  erubescant  meudicare  publice)  hingCAviesen  Averden.  Von 
geringerem  Interesse  ist  die  bischöfliche  Bestätigimg  einer 
anderen  frommen  Stiftung  No.  9V.  Auch  No.  128'',  129'', 
131 ,  261"  betreflfen  Altarstiftungen;  in  No.  131''  (von  1442) 
wird  der  erste  dem  Namen  nach  bekannte  Chemnitzer 
Schulmeister  genannt.  No.  128''  und  No.  131''  geben  zu- 
gleich Ergänzungen  zur  Rathslinie  der  Stadt  Chemnitz''^), 
Avährend  No.  148"  als  einer  der  wenigen  Belege  für  die 
Thätigkeit  des  Chemnitzer  Schöftencollegs  aufgenommen 
worden  ist.^)  Von  topographischem  Interesse  ist  der  Recess 
über  die  Röhrwasserleitung  No.  269''.  No.  269''  betrifft 
den  1478  erfolgten  Verkauf  der  Pfortenmühle  durch  Paul 
Hann,  der  dieselbe  1477  von  den  ßleichgewcrken  gekauft 
hatte  (vergl.  No.  266),  an  Ulrich  Schütz;  dieser  verwandelte 
sie  später  in  eine  Walkmühle  (No.  273). 

Zu  dem  Urkundenbuch  des  Klosters  gehören  die 
beiden  Zinsverschreibungen  No.  395''  imd  471"'  sowie  der 
Lehnbrief  No.  423". 

Was  die  übrigen  Nachträge  anlangt,  so  weichen  aller- 
dings die  Originale  von  Nr.  13,  18,  34,  43,  89,  180,  269 


*)  Vergl.  meinen  Aufsatz  über  die  Rathslinie  der  Stadt  Chem- 
nitz bis  1484  in  den  Mittheilungen  des  Vereins  für  Chemnitzer 
Geschichte  II,  130  ff. 

»)  Vergl.  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II.  6,  XXIV. 


Nachträge  zum  Urkuudeiibuche  der  Stadt  Chemuitz.       295 

und  385  in  vielen  graphischen  Einzelheiten  von  den  Vorlagen, 
aus  denen  die  Drucke  geflossen  sind,  ab;  doch  mag  eine 
Mittheilung  der  wesentlicheren  Varianten  genügen.  Nur 
Nr.  89,  als  eine  der  wichtigsten  Urkunden  der  ganzen 
Sammlung,  und  No.  43  und  180,  von  denen  mir  früher 
nur  eine  Uebersetzung  beziehentlich  ein  vielfach  abweichender 
Entwurf  vorlagen,  habe  ich  vollständig  abdrucken  lassen. 
Eine  den  Verkauf  des  Schwenkenstein'schen  Hauses  an 
den  Altar  corporis  Cin-isti  betreflende  Aufzeichnung,  Avelche 
mit  No.  91  im  Widerspruch  steht,  habe  ich  als  Anmerkung 
dazu  nachgetragen. 


Zu  i\o.  13.    (1331  Juui  2.) 

Jlihchr.:  Ori(i.  I'crg.  lluthsarchii  CheiiiHilz  Ku.  l'h.  Von  'hu  4  iiii  rcri/uiiifiitstrcifcii 
lj(fci<ti(/tcii  Sirurln  ist  mir  c/'ji  Frai/iiiciit  des  trslcii  (Aht  riricli :  nie  Tafel  3  Fi;;.  Jj 
ttiid  ileis  dritte  {Stadt  Alienbitri/ :  schild/örmii] .  mit  dem  Beiclisudler  und  der  Um- 
schrift   Idcnbvrg  nie  an  Ko.3)  erlialte)i,  niiltrend  die  Siegel  des  Heinrich    ron 

Waldenbtiri/  und  der  Stadt  Zirickcm  fehlen. 

Der  Text  zeigt  zahlreiche  grapliische  Varianten,  aber  keine  infialt- 

lichen  Ahiveichungen.    Ich  bevierlce  mir,  dass  S.  11   Z.  10  Haniius 

{nicht  Heinrich)  Marschalk  von  Vroburg  zu  lesen  ist. 


Zu  Ko.  18.    (1352  März  11.) 

Hdsclir. :    Ori;/.  Pere/.  lialhmrchiv  Cliemiiitz   A"o.  4  h.     Das  ehedem    an  Peryameiitstr. 
hl  festigt  gi  Hl  sine  Stadtsiigel  ist  uhgcschniticii. 

Der  Text  entsjiricht,  abgesehen  von  lielen  graphischen  Varianten, 
im  ivesentlichen  der  Abschrift  A.  Unter  den  abweichenden  Lesartoi 
mögen  die  folgenden  hier  verzeichnet  iverden :  S.  14  Z.  21  Dithrischs- 
dorf.  28  Dithricb  von  Crymmeschaw.  29  Heynich  von  Ebersdorf, 
Wishennel,  Ticze  Cziechner.  30  Holsczel.  31  Cunad  Kramer. 
S.  15  Z.  11  waz  her  iz. .  .so  schal  iz  her  aber.  18  geyn  der  gemeyue. 
22  darumbe  {st.  darüber).  29  mid  ejTier  fmkruckin.  32  erafte  {st. 
eliafte).  S.  16  Z.  5  cwey.  H.  {st.  zwey  y,  Wiederholung  der  Zahl  in 
Zeichen).  13  vorbritt  {st.  vorbrinnt).  15  uf  syue  buwe  und  sienen 
{st.  ufbuwen  und  steyne). 


Zu  >o.  31.    (1367  Juni  23.) 

Hdschr.:  Orig.  l'erg.  Hathsnrchic  Chemniis  No.  J'.'h.     Bas  ehemals  an  Tergameitlslr. 
befestigt  gewesene  Siigel  ist  abgefallen. 

Varianten:  Ä.  50  Z.  ^S  Mißenensis.    .55  cum  (st  dum).   5i  dyocesis. 

35  Gyten.  seu.    36  seu.    S.  31  Z.  2  maffnifici.    3  Mißenensis.    6  seu. 

9  dyocesana.    13  auctoritate.     17  etc.  ist  zu  streichen. 


Jfo.  391).    1368  Dec.  17. 

Mehrere  Bürger  zu  Chemnitz  und  Mittweida  und  Hensil  Pössel  von 
^chiveidnitz  überlassen  i'/a  Schoclc  jährlicher  Zinsen  auf  allen  ihren 
Antheilen  an  der  Bleiche  den  AltzcUer  Conventtialoi  Johannes  und 
Frenczel  Wishennel  unter  der  Bedingung ,  dass  nach  ihrem  Tode 
diese  Zinsen  an  die  von  der  Ortwinin  und  ihren  Söhnen  gestiftete 
civige  Messe  fallen  sollen. 


296  Hubert  Ertnisch: 

Udschr. :  Orig.  P<r(/.  FiirslJ.  unil  ijraß.  Sibiiidinrij.  llanitDittarrhii:  OJniichini.  Hip.  XIV. 
Loc.  421-^424.  Ko.JOö.  Bas  schudhajte  Sicijtl  im  I'i:nj((iiiiiitstr.     Vi/I.  Tu/.  1  .Vo.  2. 
Anw. :    Veryl.  No.  42. 

Ich-  Niclaus     Sclmltheize ,     Frenzcel    Sweiikinstoy» ,    Walther 
Schonaw,  Peter  van  Mittelbach,  Mathias  Malczmeister,  Niclaus  Cerdo, 
Hannus  uiinde  Niclaus  van  |  Pygaw  gebruilere  bürgere  zcu  Kenipnicz, 
Niclaus   Stolle,    Dithrich  Widrer    bürgere    zcu  der  Mitweyde    unde 
Ileusil  Possei   von  der  Swydnicz   bekennen   oftlnlichen   mid  j  diesem 
geinwertigen  brieve  allen  den,   dy  yn  seheen   horin    ader  lesin,  daz 
wir  unde  unsere  erben   geraeynlichen   mid   gutem   willen    unde   mid 
wolbedachtem   mute    |   recht  unde   redlichen   vorkauft   haben   uf  der 
bleicbe  zcu  Kempnicz  uft'  alle    uiisern   tayln    unde   uff  allem   deme, 
daz  darzcu  geboret,    hern  Johannes  Wisbennil   priestere  unde  hern 
Frenzcel  Wisbennil    sieme    brudere    munche    des    closters    zcu    der 
Celle»)  andirthalb  schog  guter  nuwergroschen  Friebergischer  munzcen 
jerliches  zcienses  unde  ewiges,  der  do  alle  jar  halb  uf  send  Johannes 
des  toufers  tag   unde  halb  uf  send  Martini  tag,  der  darnach  volget, 
unvorzcoginlicben  unde  ane  allerley  hindernis  gevalleu  schullen  unde 
schal,    unde  haben  yn   den   vorguanten  zciens  gegeben   umbe   eyn 
vierteyl    von   der  mul,  dy  da   gelegen  ist  vor  der  stadpforten,   des 
sie  uns  gereyt  abegetreten  siend,  doch  mit  sulchem  undirscheide  alz 
hernachen  beschrieben   steet:   alzo   daz   dy   vorguanten  herren ,  her 
Johannes  unde  her  Frenzcel  den  gnanten  zciens  ynnemen  unde  uf- 
heben  scluiUen,  dy  wile  sie  leben;  wenne  sie  aber  abgeen'  so  schal 
der  vorgnante   zciens    ewiclichen   farbaz   me   zcu  der  ewigen  messe, 
dy  dy  Ortwynyn  unde  Niclaus  unde  Mathias  ire  sune   gestift  haben 
u'nde  stieften  wollen,   gehorin   unde   eyme  priestere,   der  dy  messe 
liest,   alz  hy  vor  geschrieben  steheet,  gevallen.     Darzcu  so    globen 
wir  unde  unsere  erben,  wenne  wir  daz  getun  mugen,  daz  wir  yn  alz 
eyn  gut  gewissen  zciens  an  eyner  andern  stad,  wo  wir  mugen,  zcu 
der  gnanten  ewigen  messe   zcu   eym  eygen   schicken   unde  bewiesen 
wollen,  unde  wenne  wir  daz  getun,  so  schal  man  uns  unde  unsern 
erben  diesen  geinwertigen  brief  widergeben  unde  schullen  furbaz  mer 
des  obgnanten  zciens   vry  quyt  ledig  unde  los  sien.     Das  daz  stete 
gancz  unde  unvorbrochenlichen  gehakten  werde,   des  haben  wir  ge- 
meynlichen  dy  bürgere  von  der  stad  zcu  Kempnicz  vlelichen  gebeten, 
daz   sie  zcu  eyme   bekentnis  unde  zcu  eyner  ewrkunde  dieser  vor- 
sclirieben    Sachen,    dy    in    ir  geinwertikeit  gescheen    ist,    der    stad 
gros  ingesigel  durch  unser  bete  willen  an  diesen  geinwertigen  brief 
haben  lazen  beugen,   der  do   gegeben   ist  nach  gots  gebnrt  driczen 
hundert  jar  in  deme  acht   unde   sechzcigesten  jare   am  suntag  vor 
sende  Thome  tag  des  heiligen  zcwelfbotin. 


a)  Offenbar  idmtisch  mit  Fnmczko  und  Johannes  Albi  (S.  37  Z.  4.  5). 


No.  43.    1371  Nov.  21. 

Hdschr.:  OrU).  l'crij.  UnihsarcUx}  ChcmniH  Ko.l'ih.    Fat-  die  hiiden  fehlenden  Siegel 
sind  Einschnitte  im  Pergament  vorhanden. 

In  nomine  domini.  Amen.  Sagax  humane  fragilitatis  discrecio 
nos  ammonet,  ea,  que  ex  nostra  certa  sciencia  emanant,  in  tempore 
scripturarum  Serie  perhen|nari,  ne  simul  cum  tempore  ab  hominum 
memoria  evanescant.  Nos  igitur  Fridricus  dei  gracia  episcopus 
ecclesie  Merseburgensis  universis  et  singulis  in  perpe  |  tuum  presencia 
visuris  et  audituris  nolumuS  occultari,  quod  honestus  et  discretus 
vir  Franciscus  de  Swenkensteyn  opidanus  in  Kempnicz  |  volens  de 


Nachträge  zum  ürkumlenhiiflie  der  Stailt  Chemnitz.        297 

teneiiis  bouis  a  deo  collatis  silti  in  celestibiis  thesaurizare  a  l'amoso 
milite  Hinrico  Maiscalco  de  Froburg  justo  enipcionis  titulo  quatuor 
sexagenarum  latarnm  redditus  in  et  de  villa  iuferiori  Frankenhayn 
annis  singulis  ministrandas  et  levandas  (sie!)  comparavit  ipsasqne 
cum  Omnibus  suis  juribns,  sicuti  a  nobis  et  ecclesia  nostra  in  pheodo 
aliquamdiu  tenuit  et  possedit,  ud  altare  beate  Mari-e  virginis  in 
ecclesia  sancti  Jacobi  opidi  Kempniczensis  Misnensis  diocesis  in 
sui  et  progenitorum  suorum  animarum  remediuni  salutare  assignavit 
donavit  et  legavit,  supplicans  nobis  instanter  et  devote,  quatenus 
ipsos  redditus  predicto  altari  annectere  et  incorporare  dignaremur. 
Volentes  itaque  in  augmentum  missarum  oracionum  ac  divini  cultus 
acceptabile  deo  servicium  impendere  ac  fide.is  nostri  dilecti  Frans- 
cisci  fnic)  predicti  pium  aft'ectum  in  laudem  sancte  et  individuc 
triuitatis  ac  beate  Marie  virginis  in  effectu  adimplere ,  libera 
nicbilominus  resignacione  omnium,  quorum  intererat,  precedente, 
de  conseusu  et  voluntate  unanimi  tocins  capituli  ecclesie  nostre 
Merseburgensis  prenotatas  quatuor  sexagenas  in  et  de  villa 
F'rankenheym  ut  prefertnr  ministrandas  cum  Omnibus  suis  juribus 
pertinenciis  et  nsulructibus,  que  eisdem  insunt  vel  inesse  i)Oterunt 
in  futurum,  predicto  altari  beate  virginis  Marie  annectimns  donamus 
approbamus  et  in  dei  nomine  incorporamus,  nichil  nobis  et  ecclesie 
nostre  in  eisdem  juris  reservantes.  Et  ne  hec  nostre  incorporacionis 
soUempnitas  in  posterum  calumpnie  vicio  polluatur  presentem 
litteram  nostro  ot  capituli  nostri  sigillis  dedimus  communitam. 
Ft  nos  dei  gracia  Petrus  prepositus,  Bodo  decanus  totumque  capi- 
tulum  ecclesie  Merseburgensis  pretacte,  ad  exprimendum  consensum 
nostrum  et  voluntatem  premissis  aft'uisse,  unde  sigillum  nostri  capituli 
Ulla  cum  sigillo  revereiuli  in  Cliristo  palris  et  domini  nostri  domiiii 
Fridrici  episcopi  presentibus  dedimus  appendendum.  tSub  ainio 
dnmini  millesimo  treccntesimo  septuagesimu  primo,  vicesima  prima 
die  mensis  novembris. 


>o.  46  b.    1379  Juli  19, 

Gckorne  Schiedsrichter  machen  einen  Vcrrjleich  zioischen  dem  All- 
zeller  Mönche  Franciscus  und  dem  Chemnitzer  Bürijer  Niculans 
Orttoini  'Wegen  den  dem  erstem  vertrag smüss ig  zugesicherten  Hechtes^ 
im  Hause  des  letztern  zu  loohnen .  so  oft  er  nach  Chemnitz  komme, 
ivegen  einer  Summe  von  18  Schock  und  anderer  Streitpunkte. 

H(hchr.  :  OrUj.  l'trij.  Fi'irntl.  niiil  i/niß.  Scliöitbiiiy/.  licsaiumtarcliir  (Ikmrlinu. 
hoc.  4-21  No.  16  b.  4  tinten  aufycdriUkte  Siegel  (I.  2.  i/rün  ,  3.  4.  rollt)  sind 
liis  auf  wenige  Rente  riht/efalhn.  Dax  um  Runde  scliudhnfte  Archidiaciinnliixicf/cl 
(in  fcff/anicnlxtr.  -tii/i  ein  ühnliclics  Rild ,  wie  Tafel  2  Fig.  (i ;  Umschrift: 
.Sigillum  arcliidiaconatus   

Nos  Lnppoldus  de  Rudnicz  ^)  professus  monasterii  beate  Marie 
virginis  in  Kemp  nicz  ordinis  sancti  Benedicti,  Frowinus,  Petrus 
de  Borch  canonicus  ecclesie  sancti  Glelorgii  in  Strigonio  '') ,  Andreas 
Helwici  altarista  in  hospitali  extra  mu]ros  Kompnicz,  Johimnes 
Franko  notarius  civitatis  Kempnicz  et  Franciscus  Swenkinsteyn  civis 
in  Kempnicz  singuiticamus  tenore  preseucium  quibus  expeilit  uni- 
versis,  quod  religiosus  vir  dominus  I'ranciscus  c)  prolessus  monasterii 
Veteris  Celle   beate  Marie   virginis  ex  una   et  discretus   et  circum- 

a)  Erscheint  1376  und  1370  uls  Prior  des  Bencdiviincrktosters  (H.  80,  Z.  38, 
S.  33.'),  Z.  1. 

b)  Oran  in  Vnyarn'f 

c)  Identisch  mit  Frunczko  Albi  (37,  4j  oder  Wiahtnncl  {.\o.3Ubi. 


2<J8  Hubert  p]rmisch: 

spectiis  vir  (loiiüuus  Nicol-aus  Ortwhii  civis  in  Kenipiiic/  parte  ex 
altera  nos  ad  concordamkim  et  amicabiliter  iiiter  eos  coniponeiuhnn 
yiiarundam  dissensioimm  materias,  que  iiiferius  exprimuutur,  coii- 
corditer  elegerunt.  Qaarum  disseiisiomim  materia  talis  erat,  quod 
predictus  dominus  Franciscus  eundem  Nicola  um  Ortwini  vigore 
cujusdam  littere  sigillate  sigillo  archidiaconatus  Kempniczensis  super 
quodam  certo  articulo  in  eadem  expresso,  videlicet  quod  antedictus 
Nicolaus  ipsum  dominum  Franciscum,  quociens  in  Kempnicz  ve- 
nierit,  in  domura  snam  cum  familia  sua  suscipere  deberet  et  honeste 
pertractare,  et  pro  XVIil  sexag.  gr.  Misnensium  et  quibusdam  rebus  aliis 
inpetebat.  Nos  igitur  consideratis  eis,  que  nobis  per  utramque  partem 
proponebantur,  et  inter  nos  eis  diligenter  ruminatis  et  matura  deli- 
beracione  discussis,  attendentes  in  humanis  rebus  nichil  melius  esse 
amicicia,  primo  pronuncciavimus  et  presentibus  pronimcciamus,  inter 
partes  predictas  bonam  debere  esse  araiciciam,  secundo  quod  pre- 
dictus  Nicolaus  Ortwini  solvere  debet  et  pagare  domino  Francisco  II 
sexag.  gr.  Misnensium  in  parato,  quibus  solutis  ipse  Nicolaus  liber 
solutus  et  quitatus  in  perpetuum  esse  debet  ab  omni  inpeticione, 
tarn  a  suscepcione  domini  Francisci  in  hospicium  suum  sive  domum, 
a  XVIII  sexag.  predictis  ac  rerum  omnium  aliarum,  de  quibus  dominus 
Franciscus  ipsum  Nicolaum  hactenus  inpetebat,  et  quod  vigore  istius 
littere  predicte  dominus  Franciscus  eundem  Nicolaum  nuncquam  in 
autea  inpetere  debet,  set  ad  omnia  puncta  et  capitula  in  ea  contenta 
et  dominum  Franciscum  concemencia  nullam  roboris  optineat  ürmi- 
tatem.  Acta  et  pronuncciata  est  bec  amicabilis  composicio  anno 
domini  M^CCCLXXIX.,  feria  tercia  proxima  ante  festum  beati  Jacobi 
apostoli.  In  quorum  omnium  evidenciam  pleniorem  presentem  nostre 
concordacionis  litteram  nostris  sigillis  duximus  sigillandam. 

Et  nos  Tlieodericus  officialis  venerabilis  in  Cbristo  patris  ac 
domini  domini  Heinrici  abbatis  et  archidiaconi  Kempnicensis  pre- 
sentem litteram  et  omnia  in  ea  contenta  appensione  sigilli  nostri 
officii  ratificamus  approbamus  et  confirmamus. 


Xo.  57b.    1389  Nov.  26. 

Heinrich,  Abt  des  Bendietinerlclosters  zu  Chemnitz,  ver(jleicht  den 

Ältaristen   des    Altars   corporis    Christi   Johannes    Albi    und   den 

Bürger  Nicolaus  Ortioyni  zu  Chemnitz  wegen  des  genannten  Altars 

und  der  Einhünftc  ans  dem  Dorfe  Meinersdorf. 

Ildsdir. :  On'r/.  Piru.  (Uniiert).  FürstL  undijrüfl.  ScJiönhui-y.  Gisuiniidarclih'  GUimrlmu. 
Lov.  424  yo.  IHl.     Unhcdenteiidc  Reste  des  Sieijels  un  Perf/uniciitsir. 

Nos  Heynricus  dei  gracia  abbas  et  archidiaconus  Kempniczensis 
recognoscimus  teuere  presencium  publice  prolitendo,  quod  j  constituti 
nostri  in  presencia  discreti  et  honesti  dominus  Johannes  Albi  rector 
altaris  corporis  Christi  in  ecclesia  parochiali  sancti  Jajcobi  in  Kemp- 
nitz  ex  una  et  Nicolaus  Ortwyni  opidanus  Kempniczensis  Misuensis 
diocesis  parte  ex  altera  monentes  et  |  proponentes  quasdam  litigii  et 
controversie  causas  eciam  alias  coram  nostro  ofticiali  motas  et  pro- 
positas,  super  quibus  amicabiliter  decidendum  in  nos  tanquam  arbi- 
tratorem  et  amicabilem  compositorem  non  compulsi  set  ex  certa 
sciencia  libere  spontanee  compromiserunt  quidque  sie  per  nos  dic- 
tatum  decretumve  fuerit,  sub  pena  solucionis  medie  carrate  bone 
cerevisie  Kempnitzensis  nobis  sine  fraude  et  contradiccione  se  ser- 
vaturos  perpetue  promiserunt,  nos  igitur  Heynricus  abbas  et  archi- 
diaconus predictus  habita  premeditacione  matura  et  consiliis  nostro- 


Nachträge  zum  Urkuiulenlniclie  der  Stadt  Cliciiiiiitz.        299 

mm  üeti  ipsas  partes  premissas  uuivimiis  et  cüucurdavimus  in  haue 
modum,  quod  ipse  dominus  Joliannes  Albi  predictus  a  celebracione 
sive  ofticiacione  altaris  sui  si  maluerit  per  amplius  debeat  proptor 
sui  Visus  debilitatem  penitus  esse  über  solutus  et  quietus  suique 
census  de  villa  Meinerstorf  suo  altari  annexa  et  appropriata  omnes 
integri  videlicet  pecuniarum  puUorum  et  caseorum  et  de  bleka  sive 
dealbatorio,  si  quos  habet,  terminis  debitis,  dempta  una  sexageua  cum 
viginti  grossis  usualis  pagamenti,  dari  et  solvi  debebunt  domino 
Johanni  sepe  dicto,  omnibus  dolis  et  contradictionibus  proculmotis. 
Dictam  quidem  sexageuani  cum  XX  gr.  Nicolaus  Ortwyji  sublevare 
debebit  et  ofticiacionenr  sive  celebracionem  dicti  altaris  de  eisdem 
plenarie  procurare  et  in  tantum,  si  opus  fuerit,  dicte  summe  pecu- 
niarum addere,  quod  ofticiacio  sive  celebracio  altaris  memorati  nulluni 
decrenientum  in  aliqua  sui  parte  paciatur.  Insuper  rusticos  sive 
homines  dictam  villam  Meinerstorf  inhabitantes  Nicolaus  Ortwyni 
protegere  et  gubernare  debebit  in  suis  juribus  villam  conservando 
suis  propriis  sumptibus  et  expensis.  In  quorum  omuium  et  singu- 
lorum  premissorum  testimoniura  presentem  litterain  nostri  sigilli 
majoris  muuinime  fecimus  roborari.  Datum  et  actum  anno  domini 
millesirao  trecentesimo  octuagesimo  nono,  feria  sexta  proxima  post 
PJlizabeth  vidue. 

Äo.  89.    1414  Febr.  13. 

Ihh'Iir.:   On'ij.    l'try.   Batlisarchic   Xo.   S?6.     Dax   OeiiiiiuiisieyiA   an    l'n-ijaiinuMr. 
Durch  einen  Einschnitt  caxsiert. 

Wir  Friderich  der  eider  von  gotes  gnaden  lantgrave  in  Doringen 
marcgrave  zcu  Missin  und  pfalczgrave  !  zu  Sachsen  bekennen  und 
tliun  kunt  offintlichen  mit  diesem  britte  allen  den,  die  yn  sehin 
adir  hören  lesen,  |  das  vor  uns  kommen  ist  groz  czweitracht  und 
Unwille,  der  gewest  ist  czwischen  den  reten  und  der  gemeynde  i 
unser  stat  Kempnicz  unsern  üben  getruwen,  darumbe  wir  eynen 
sacz  czwisschen  yn  gemachet  haben,  als  hirnach  geschrebin  stehit, 
und  wollen  ouch  ernstüchin  bie  unsern  hulden,  daz  der  also  ge- 
halden  werde,  als  ferre  sie  unser  swere  Ungunst  vormyden  wollen. 
Czum  irsten  seczczen  und  wollen  wir,  daz  alle  ynnunge  der  hant- 
werke, die  sie  bisher  gehabt  haben,  genczlichiu  abe  sin  ouch  nicht 
meister  haben  sollen,  sundeni  zcusampne  mögen  sie  gehen  mit 
willen  des  rates.  Ouch  sollen  sie  keyne  utt'seczcze  noch  eynungc 
machen  under  yn  hinder  dem  rate.  Worde  yn  ouch  ichtes  gebruch 
adir  not,  des  sollen  sie  sich  an  dem  rate  irholen.  Wer  ouch  in 
cynem  handwerke  meister  werden  wil ,  der  sal  zcu  den  kerczen 
dessellien  handwerkes  czwey  pfund  wachses  gebin.  Ouch  sollen  die 
rethe  vir  bannyr  machen  lassin,  ab  der  die  stat  gereyte  nicht  hat, 
und  sollen  uss  iglichem  virteyle  der  stat  czwene  kisen ,  eynen  uss 
dem  rate  und  eynen  uss  der  gemeyne,  und  man  sal  yo  czwen  eyn 
bannyr  befeien,  ab  des  der  stat  adir  unser  lierschafft  nod  geschege, 
die  dy  bannyr  vorstehin  und  verwesen  nach  unser  _herschaH't  und 
der  stat  besten.  Ouch  seczczin  wir,  daz  furdermer  dry  burgermeister 
und  drie  rete  nach  unserm  rate  sin  sollen,  die  der  aide  rat  sal 
kisen  und  wir  sie  bestetigen  sollen,  also  daz  y  obir  daz  dritte  jar 
eyn  burgermeister  mit  synen  eydgnoßen  siczcze,  als  ferre  sie  daz 
umbe  uns  und  unser  hersciiafit  belialden.  Wir  wollen  ouch,  daz  alle 
jar  vir  uss  der  gemeyne  in  dem  rate  siczczeu.  So  sollen  ouch 
czwene  uss  dem  alden  rate  in  dem  nuwen  rate  siczczen  hüben,  ufi' 
daz  daz  sie  den  nuwen  rat  sulcher  gescheffte,  als  daz  vorgangen  jar 


300  Hubert  Ermisch: 

in  dem  rate  gobaiidelt  siii,  deste  baz  luulei'richteu  mögen.  Oiicli 
sal  fiivdermer  eyn  iglicher  schoßen  von  alle  syner  habe,  woran  er 
die  hat,  und  von  allen  synem  gewerbe.  Waz  euch  der  rat  furdermer 
geschopes  nymmet,  daz  sollen  sy  von  manne  zcu  manne  berechin. 
Des  zcu  orkunde  haben  -wir  unser  insigil  an  disen  brift'  wissentlicliin 
hengen  lassin,  der  gegebin  ist  nach  gotes  geborte  virczen  hundert 
jar  darnach  in  dem  virczenden  jare  am  dinstage  vor  sendte  Valeu- 
tini  tage. 

Zu  >o.  91.    (1415  Mai  16.) 

In  einein  auf  Bitten  des  Joh.  Hauschilt,  Altaristen  des  Altares  des 
Evangelisten  Johannes  in  der  Jacobikircke  zu  Chemnitz,  aufgenomme- 
nen Notariatsinstritmente  des  Nutars  Johannes  Walack,  d.  d.  Chem- 
nitz 1513  Juli  19  (Oricj.  Perg.  Eathsarchiv  Chemnitz  No.  104=1))  ist  die 
nachstehende  Stelle  transsumiert,  nach  loelcher  der  fragliche  Haus- 
kan.f  bereits  1403  stattgefunden  haben  soll.  Entnommen  ist  diese 
Stelle  einem,  antiqnissimum  missale,  in  cujus  marginibus  scriptura  anti- 
quissima  necnon  jura  ipsius  doraus  altaris  sancti  Johannis  evangeliste 
comperta  fuere,  que  vix  ob  eorum  antiquitatem  legi  potuerunt.  Diese 
Beschreibung  berechtigt  wohl  zu  Misstrauen  gegen  die  Genaniglieit 
der  Wiedergabe;  der  gleichseitige  Eintrag  des  Geschossbuches  dürfte 
•mit  Bezug  auf  die  Zeitangabe  als  zuverlässiger  gelten  ki'mnen. 

l'ropter  carentiam  hospitii  ipsius  altariste  altaris  corporis  Christi 
magister  Nicolaus  Huuter  motus  pietate  dimidietatem  domus  quondam 
Schwengkensteyn  emit  eamque  dotavit  legavit  et  donavit  in  perpe- 
tuum  prefatum  altaristam  (sie)  possidendam  se  devotione  sue  (sie) 
recommendans  devotissime  supplicans  et  precordialissime  aüectans 
ab  eodem,  qui  tunc  est  cappellanus,  quatinus  ob  amorem  divine 
pietatis  et  misericordie  ob  vicissitudinis  recompensam  ipsius  magistri 
Nicolai  siiigulis  quatuor  temporibus  anni  de  sero  cum  vigiliis  mane 
missa  pro  defunctis  dignetur  habere  raemoriam  et  eidem  suifragari 
ob  spem  eterne  remunerationis  in  hoc  onerans  suam  conscienciam, 
quia  per  multa  incommoda,  que  ratione  altaris  prefati  passus  est, 
plura  commoda  eidem  altai'i  acquisivit.  Item  prefata  domus  a  cap- 
pellanis  duobus  scilicet  altaris  corporis  Christi  et  sancti  Johannis 
evangeliste  debet  possideri.  Et  definitum  est  per  consilium  civitatis 
pro(?)  cannali  ipsius  domus,  quod  vicinus  scilicet  Baltasar  aut  ipsius 
posteri  ipsam  domum  inhabitantes  sine  prejuditio  et  damno  ipsorum 
cappellanorum  locari  et  teneri  debet,  ipsi  vero  cappellani  in  recompen- 
sam tencbunt  partes  sub  cannali  ]>recogitate  domus.  Alios  vero  parietes 
et  circumferentias  curie  seu  partes  posterioris  domus  quilibet  tenebit 
pro  parte  sua  sine  prejuditio  et  damno  sui  vicini.  Hoc  definitum  est 
anno  M''CCCCII.  proconsule  Melzer  existente  et  scriptum  ad  missale 
per  magistrum  Nicolaum  Huter  protunc  altaristam  instauratum. 


No.  91b.    Chemnitz,  1415  Aug.  28. 

Nicolaus  Ebersdorf,  Canonicus  in  Biebra  und  Zscheila  und  Altarist 
des  Alturs  der  hh.  Barbara  und  Margarctha  in  der  Jacohihirche 
zu  C/iemnits,  eignet  dem  beständigen  Vicar  der  letztgenannten  Kirche, 
den  Altaristen  melirerer  Altäre  in  derselben  und  im  Georgshospital 
und  dem  Blcban  zu  S.  Nicolaus  soioie  deren  Nachfolgern  jährliche 
Zinsen  von  einzeln  aufgeführten  Gartengrundstücken  bei  Chemnitz, 
und    bestimmt    die    Verwendung     derselben    zu   Seelenmessen    und 

Almosen. 


Naclitriige  zum  Urkundciilnirhc  der  Stadt  Chemnitz.        301 

Hihclir. :  OrUf.  Perf/.  Fürnil.  und  yräj!.  Scliönhurf/.  Oesiiminturchiv  Olaucluui. 
loc.  43J  iVo.  34.  Mit  KinschnHten  für  14  Sü-yel,  'von  denen  4  erlialtcn.  für  :i 
weitere  litatt  con  f'enjduHatalr.  vorliiinden  f^ind.  1)  Schild:  undtii/liclu  Fi<jiii\ 
Vmschr.:  S.  Nicolai  <le  Kliersdorf.     3)  Bild  li.  Moria.     Fnischr. :   S.  Joliannis  Hil- 

brandi .1)    TV//.    Taf.  I,   Xo.  7.     4)    Bild:    Briisthild   rin(x    Hdlir/iu   mit   dem 

Kelche  in  der  Linken,     l'nischr.:  Sigilhiin  firegorii  Liiterhadi. 

In  nomine  domini.    Amen.    Cum  universorum .   Hinc  est, 

quod  ego  Nicola  US  Ebirsdorf  presbiter  sanctorum  Justi  et  Clementis 
in  ßybra  Maguntinensis  et  sancti  Georgii  in  Sczilaw  Alisnensis  diocesis 
canoiiicus  necnon  sanctanim  ßarbare  et  Margaretlie  altaris  in  ecclesia 

saiuti  Jacobi  in  Kempnicz  dirte  Misnensis  diocesis  altaiista 

iniVa  scriptos  redditus  annuos  per  me  proprio  de  peculio  comparatos 
ac  legitime  possessos  et  in  proprio«  usus  redactos  coram  te  notario 
publice  et  testibus  astantibus  irrevocabili  donacione  cii'cumspectis  ac 
discretis  viris  Conrado  vicario  peipetuo  ecclesie  parrochialis  sancti 
Jacobi  in  Kempnicz,  magistro  Nicolao  Hüter  corporis  Cristi,  Johanni 
de  Witchendorf  sancti  Sigismundi  ='),  Johanni  Malczmeister  beate 
virginis  et  omnium  sanctorum  ac  sancti  Georgii  in  hositali,  Paulo 
Judicis  Johannis  evangeliste,  Gregorio  Luterbach  sancte  trinitatis, 
Petro  Ybener  sanctorum  Petri  et  Pauli  et  llelferico  sancti  Spiritus 
altaristis  in  dicta  ecclesia  parrochiali  altariiim  et  extra  muros  Kemp- 
nicz ac  sancti  Nicolai  plebano  omnihusriue  ipsorum  et  meorum  in 
altari  beatarum  Barbare  et  Margarethe  successoribus  perpetue  dedi 
tradidi  et  donavi  ac  presencium  tenore  do  trado  et  dono  melioribus 
modo  et  forma ,  quibus  donaciones  cultui  divino  factas  tieri  conswe- 
verunt,  sub  infra  notatis  clausulis  et  ordinacionibus  perpetue  possi- 
deudos  et  ab  infra  scriptis  censitis  seu  colonis  et  ipsorum  in  snb- 
scriptis  ortis  successoribus  pro  tempore  ex  temporibus  coUigendos 
recipiendos  exigendos  et  distnbuendos,  quovis  impcdimento  oniniuiu 
ac  quorunicunque  meorum  heredum,  cujuscunque  condicionis  exti- 
terint,  penitus  semoto.  Orti  denique  uno  solo  mutuo  sunt  sibi  counexi 
et  adherentes  de  agro  quondam  decimali  partiti  et  in  ortos  redacti, 
inter  ripam  Berlspach,  viculum  parvum  et  ostos  Johannis  Rotolfi  et 
rure  Andree  Erhardi  in  singulis  quatnor  lateribus  confrontati.  Ilornm 
coloni  et  censnales  medietatem  reddituum  in  festo  sancte  Walpurgis 
et  residuam  in  festo  sancti  Michaelis  solvunt  medietatem:  Petrus 
Essche  sex  grosses,  Petrus  et  Paulus  am  Ende  X  grossos  V  helleuses, 
Smedichin  VI  grossos,  Morensmyd  XII  gr.,  Stephan  Fisscher  XII  gr.. 
Thumirnicht  XIII  gr.,  dy  Ilubenerinne  VI  gr. ,  Gundeloch  XII  gr., 
Lange  Nickel  VI  gr.,  Heinrich  Gutfrid  X  gr.,  Langbusch  XXVI  gr., 
Paulus  Fisscher  Vi  gr.,  Lubisch  V  gr.,  Pauel  Komer  Illlgr.,  Paulus 
Swenkensteyn  XII  gr.,  Apecz  in  der  Awe  VIII  gr.,  Hennil  Fisscher 
VI  gr. ,  Nickel  Üurkirsdorf  V  gr.,  Thyme  Gyseler  Xll^^gr.,  plclianus 
VI  gr,  ,  Gobil  XII  gr. ,  Springer  XII  gr.,  Heynrich  Vogelcr  VI  gr., 
dy  Lcnenianynne  XIII  gr.  et  Nicolaus  Ebirsdorf  V  gr.  Horum 
reddituum  summa  ad  tres  sexagenas  et  quinquaginta  unum  grossum 
et  V  hellenses  se  extendit.  Insuper  et  tres  ortos  ante  valvam 
claustralera ,  quorum  possessoi'os  seu  coloni  pronunc  Weczil  sutor 
niiius,  Conradus  Wayner  alterius  et  Pauil  Flechsor  tercii  existant, 
(luorum  qiiilibet  XII  gr.  solvit  annuatim  medietatem  in  festo  Wal- 
purgis et  residuam  medietatem  in  festo  Michaelis,  simili  dona- 
cione supra  scriptis  dominis  cessi  ac  pleno  jure  donavi  census 
ipsorum  totaliter  in  ipsos  transfuudendo.  Prescriptorum  reddituum 
distribuciones  ordine  sul)Scripto  temporibus  per])etuis  ita  serva- 
buntur  et  exequantur.     Inprimis  quidem  iidem  domini  vicarius  per- 

a)  Identisch  mit  Joh.  Hildthnind  (S.  73  '/j.SO). 


302  Hubert  Ermisch: 

petuus  pro  tempore  nomine  plebani  existens  et  altariste,  qui  pre- 
sentes  in  opido  Kempnicz  fuerint,  duos  ex  se  ordiuabunt  redditus 
jam  dictos  in  singulis  scilicet  terminis  Walpurgis  et  Michaelis  me- 
dietatem  a  dictis  ortorum  colonis  repetentes  et  colligentes.  Ordine, 
ut  inferius  describitur,  distribiiant  absque  impedimento.  Primo  equidem 
plebanus  certnm  diem,  prent  ipsi  competere  videbitur,  post  singulos 
dies  Walpnrgis  et  Michaelis  censibus  collectis  prefiget,  in  quo  ipse 
plebanus  cum  suis  cappellanis  ac  altaristis  tredecira  vel  quatuordecim 
in  numero  personis  seu  cum  aliis  assnmptis  ad  hoc  in  defectum  al- 
taristarum  in  ecclesia  <■>)  parrochiali  Kempuicz  vesperis  finitis  con- 
venient,  vigilias  sollempniter  incipiant  et  cum  novem  leccionibns  de- 
cantabnnt  subsequentique  die  singuli  ipsorum  missam  pro  dei'unctis 
cum  commemoracione  mei  meorumqne  progenitorum  celebrabunt 
commemoracionenique  generalem  videlicet  „Non  intres  in  Judicium" 
alte  legant  et  cum  responsoriis  conswetis  ac  Salve  Regina  decan- 
tando.  Ob  hoc  distributores  ordinati  cuilibet  personarum  presbite- 
rorum  quatuor  grossos  censuales  distribuent  et  duos  per  nos  nummos 
usuales  adicient  cuilibet  in  summa  missa  ad  altare  offerendos.  Vitricis 
vero  ecclesie  extunc,  ne  ecclesia  in  aliquo  gravetur,  tres  grossos 
dabunt  et  ministro  vel  campanatori,  qui  representacionem  feretri 
ornet,  luminaria  incendat  et  extingwet,  sedilia  locet  et  conpulsacionem 
faciet,  qualibet  in  commemoracione  tres  grossos,  regenti  chorum, 
ut  summam  missam  cum  scolaribus  tractim  decantare  faciet,  pro 
defunctis  unum  grossum  ministrabunt.  lidem  denique  coUectores 
in  eisdem  commemoraciouibus  leprosis  in  leprosario  existentibus 
cuilibet  ad  manus  equali  divisione  XV  gr.  proiciantur  (sie)  et 
pauperibus  in  domo,  que  conventus  volgariter  nunccupatur,  pro 
reparacione  domus  seu  in  alios  usus  necessarios  secundum  exi- 
genciam  inibi  commorancium  similiter  XV  gr.  ministrabunt.  Pre- 
terea  ne  occasione  premissorum  debita  servicia  ac  conswetudines 
cuiquam  subtrahantur,  ordinati  collectores  plebano  pro  tempore 
existenti  census  decimales  de  prescriptis  redditibus  ab  olim  debitos 
in  singulis  terminis  Walpurgis  et  Michaelis  XIj  (=11 '/»)  gr.,  quorum 
summa  ad  XXIII  gr.  aunuatim  se  extendit,  aliosque  X  gr.  de  novo 
per  me  deputatos  eidem,  quorum  medietatem  ipsis  prenominatis 
terminis  ministrabunt.  Insuper  quia  prescripti  redditus  statuto  muni- 
cipali  sunt  subjecti,  dicti  collectores  consulibus  in  opido  Keminiicz 
teraporibus  debitis  de  quatuor  et  dimidia  raarcis  solvent  impositam  com- 
muniter  exaccionem.  Preterea  collectores,  qui  ordinati  fuerint,  ut 
premissum  est,  ut  diligencius  commissa  exequantur,  quilibet  quatuor 
gr.  de  dictis  redditibus  de  anno  pro  laboribus  sibi  inbursabit.  Denique 
Omnibus  et  singulis,  ut  prescribitur,  ortlinatis  distributis  et  expeditis, 
iidem  collectores  plebano  et  altaristis  aut  ipsorum  IIIIw  ex  ipsis 
faciant  racionem.  Si  quid  de  dictis  redditibus  superüue  et  in  reposito 
fuerit  repertum,  cum  scitu  jilebani  et  altaristarum  in  usus  egenorum 
et  presertim  paiiperum,  qui  alias  crubescant  mendicare  publice,  con- 
vertetur,  super  quo  ipsorum  distributorum  consciencia  oneretur. 
Quodsi  futuris  in  temporibus  per  quemquam  succedencium  impedi- 
mentum  aliquid  orietur,  quod  premisse  ordinaciones  non  transsient 
in  eftectum,  extunc  consules  ipsius  opidi,  ut  possint  et  valeant,  in- 
stare  monere  et  procurare,  quod  predicte  ordinaciones  progressum 
realiter  consequantur,  plenum  posse  ob  honorem  ecclesie  obtinebunt. 
Ut  autem  premisse  donaciones  et  ordinaciones  irrevocaltiliter  per- 


a)  ecclesie,  Original. 


Nachträge  zum  Urkuiuleubiiclie  der  Stadt  Chemnitz.       308 

petuam  obtineaiit  tirraitatein,  te  Gregorium  iiotarium  publicum  requiro 
(leliita  cum  iustancia,  quatenus  präsentes  litteras  donacioncs  ordi- 
naciones  et  disposi.iones  in  se  premissas  continentes  in  publicam 
redigas  formam  signo  et  subscripi'ione  tuis  modo  consueto,  testes 
super  hiis  debitis  requirendo.  Sigillum  deniqne  meum  presentibus 
duxi  appendendum  et  nos  Cunradus  perpetuus  vicarius,  Nicolaus, 
Johannes,  Johannes,  Panlus,  Gregorius,  Petrus  et  Helfericus  preno- 
minati  per  nostrorura  sigillorum  appensionera  omnibus  premissis 
nostrum  consensum  recognoscimus  accessisse.  Acta  sunt  hec  anno 
domini  M"  CCCGXV",  indiccione  octava,  sede  vacante,  XXVIII.  die 
mensis  augusti  hora  sexta  vel  quasi,  in  ecclesia  parrochiali  sancti 
Jacobi  in  Kempnicz  Misnensis  diocesis,  presentibus  honorabilibus  et 
discretis  viris  magistro  Nicoiao  Beiger  de  Dresden,  domino  Petro 
Heyczer  de  Ernfredisdorf  et  domino  Nicoiao  Grabaczscb  de  Czwickaw 
testibus  Misnensis  et  Nuemburgensis  diocesium  ad  premissa  specialiter 
vocatis  et  rogatis. 

Et  ego  Gregorius  Luterbach   de  Kempnicz  clericus 

(Signum\     Misnensis  diocesis  publicus   sacra   imperiali  auctoritate 
Notarii.y     notarius,    quia    premissis  —  interfui  — ,   super  oo  hoc 
publicum  transsumptum  coufeci  — . 


So.  91c.    Meissen,  HIU  Juui  22. 

B.  Budolf  V.  Meissen  bestätigt  die  Stiftung  eines  in  der  Jacohi- 
kirche  zu  Ehren  der  Empfängnis  Marie,  der  Apostel  Petrus  und 
Paulus  und  der  hh.  Bonatus,  Maria  Magdalena,  Juliana  und  der 
11 000  Jungfrauen  begründeten  Altars  und  seine  Dotation  mit 
7'it  Schock  jährlicher  Zinsen  auf  Grundstücken  in  und  bei  Freiberg. 

Hdsclir.:    Oriy.  Perfi.    Rathsarchii)  Chemnitz  No.  SSh.     Das  Sieyel  an   Pergamentsir. 

Rudolfus  dei  et  apostolice  sedis  gracia  episcopus  Misnensis.  —  —  — 
Sane  quia  certi  census  anniii  puta  septem  sexagene  cum  dimidia 
grossorum  Misnensium  Fribergensis  monete  de  certis  domibus  habi- 
tacionum  agris  pratis  ortis  et  possessionibusaliis  singulis  annis  in  suis 
terminis  per  certos  incolas  in  et  prope  opidum  Kempnicz  nostre 
diocesis  habitantes,  videlicet  Johannes  Kolers  de  ortu  suo  decem  et 
octo  gr.,  de  ortu  Judicis  novem  gr.,  de  ortu  Hermann  Kempten 
duodecim  gr.,  Hannes  Slegil  de  suo  ortu  Septem  gr.,  P'renczel  Wnlfi' 
de  domo  quadam  proprie  gerbhus  quatuor  gr.,  de  ortu  Nickel  Berg- 
wayner  octo  gr.,  de  ortu  Nicol.  Slagkenwerde  duodecim  gr.,  do  ortu 
Johanuis  Hertkeze  duodecim  gr.,  de  ortu  Vlman  Keler  sex  gr ,  de 
ortu  Nicol.  Klugen  quatuor  gr.,  dictus  Vnger  quatuor  gr.  de  quodam 
horreo,  de  domo  et  ortu  Hannes  Strokirchen  duodecim  gr.,  de  domo 
et  ortu  Petir  uffin  Tamme  IUI"'-  gr.,  de  horreo  Nicol.  Ritter  sex  gr., 
de  domo  et  ortu  Katherine  Tuscherinne  viginti  gr. ,  de  ortu  dicti 
Ilaldcnort  quatuor  gr.,  de  ortu  Winkeler  novem  gr.,  de  ortu  Johanuis 
Sydel  quinque  gr.,  de  ortu  Nicol.  Cziudeler  quiuque  gr. ,  de  oitu 
Conradi  Eschin  octo  gr.,  de  ortu  Nicol.  Moliier  novem  gr. ,  de  ortu 
Vlrici  Riiyder  ((uatuor^gr.,  de  ortu  Math.  Syliottenhain  Septem^  gr.  et 
dimidium,  dt;  ortu  Johanuis  Kbirhard  uovein  gr.,  de  ortu  Nicol.  Uoseler 
quinque  gr.,  de  ortu  MarkenstorfV  quatuor  gr.,  Math.  Vues  de  quodam 
stabulo  (tuos  gr.,  Math.  Lodewig  de  quodam  horreo  duodecim  gr., 
de  horreo  Petir  Knpptirsmid  decem  gr.,  de  ortu  Nicol.  Klugen  duos  gr., 
de  ortu  Krcnczil  Kl)ii-h;u-d  quatuor  gr.,  de  ortu  et  molendino  Micliil 
llabirberger  quiiuleciin  gr.,  de  molendino  Kempniczensi  (luindeciiu  gr., 
de  molendino  alio  videlicet  walkraoien  nominato  sex  tior.  Vngaricales, 


304  Hubpi-t  Ermiscli : 

Johannis  Friczen  quindecim  gr.  de  suo  cellario,  dictiis  Magdeburg 
et  Haiiiies  Sobnltheis  sex  gr.  de  quodam  fossato,  Pannl  (sie)  Romer 
de  horreo  duodeoim  gr. ,  Nicolaus  Roseler  vighiti  gr.  de  quadam 
pecie  (sie)  agri  ufi'  den  Steingrubeu,  per  eosdem  et  eorum  successnres 
de  possessioiiibus  supra  dictis  perpetuis  futnris  temporibusque  solveudi 
absque  impedimento  —  in  dotem  et  proprietatem  altaris  sub  titulo 
et  t'esto  conceptionis  Marie  virginis  intemerate,  sanctorum  Petri  et 
Pauli  apostolorum,  Donati  niartyris,  Marie  Magdalene,  Juliane  et' 
undecim  milium  virginum  in  ecclesia  parrochiali  dicti  opidi  Kempnicz 
fundati  et  consecrati  per  certos  Christi  fideles  —  empti  et  comparati 
per  providoä  ac  honestos  magistrum  civium  et  consules  opidi  antedicti 
nobis  sunt  oblati  cum  supplicacione  debita  ac  devota,  quatenus  dictos 
census  —  altari  addere  unire  ac  ipsuni  —  confirmare  —  dignaremur  : 
nos  igitur  —  altaris  —  fundacionem  dotacionem  et  ordinacionem  — 

confirmamus .  Altarista  vero  altaris  ejusdem  singulis  diebus 

per  se  vel  alium  niissam  in  dicto  altari  tenebitur  celebrare  et  plebano 
ibidem  nomine  i'estauri  decem  grosses  annuatim  ministral)it.  Jus  pa- 
tronatus  vero  altaris  prefati  magistro  civium  et  consulibus  opidi  ante- 
dicti omnino  reservamus  — .  Datum  et  actum  Misne  anno  domini  mille- 
simo  quadringentesimo  XVP'^  feria  secnnda  iniVa  octavas  corporis 
Christi  autentico  nosti'o  sub  siaillo. 


Ko.  128  b.    1441  Jau.  4. 

Hdsclir.:  Oriij.  Ptri/.    RiUlmurcluv  Clieiiiiiiü  Ao.4:Jb.    Das  St.(tdlsit.(/cl  (Tu/.  1,  Fi'!/.  Sj 
an  Perf/amenhtr. 

Heinrich  Friczlio  Bürgermeister,  Hans  Marchirstor  ff, Paul  Dcl'art, 
Nickil  von  Cziviclcaw,  Claus  Csanspil,  Faul  Sioertfeigcr,  Ha)is  Kniie, 
Cuncz  Schlusser,  Caspar  Sinedichin ,  Petir  Hotret,  Nickil  Eckart, 
Caspar  iSpringer,  Jocof  Hillehr  und,  Paul  Bachmun,  Nickil  Wayncr, 
Hans  Siptenhain,  Nickil  Stange,  N-ickil  Hofinann,  Caspar  Czyvimer- 
man  gescinvortie  Bathmannen  des  neuen  und  alten  Rathes  verkaufen 
vom  Rathhause  und  allen  Gütern  der  Stadt  2  Schock  schildechter 
Groschen  Freiherger  Münze  jährl.  Zinses,  zahlbar  halb  auf  Wal- 
purgis  und  halb  auf  Michaelis,  dem  Hans  Marckirstorff  und  seiner 
Gemahlin  Katherina  für  30  Schock  gleicher  Münze  unter  Vorbehalt 
des  Wiederkaufs  nach  ein  Halbjahr  vorher  erfolgter  Kündigung.  Nach 
dem  Tode  des  Hans  M.  soll  seine  Gemahlin  Katharina  den  Zins 
beziehen,  nach  beider  Tode  aber  soll  er  zcu  eyner  ewigen  messe  zcu 
eyneni  altar  vor  der  stat  Kempnicz  in  sente  Johannis  kirche  »),  do 
daz  begrebnis  ist,  kegin  sente  Andreas  altar  obir  in  dem  wynkel  zcu 
tröste  ern  sein  unde  allen  den  iren  dy  von  hynneu  vorscheiden  siut 
gereicht  werden.  Auch  sullen  dy  obgnanten  burgermeister  unde 
rathmannen  gesworne  der  stat  czu  Kempnicz  des  egnanten  altars 
rechte  lehenhern  sien  — ,  ouch  alzo  bescheidelich,  weme  sy  den 
egenanten  altar  lihen  wurden,  daz  derselbige  caplan  selbis  doruf 
wouen  beleisen  sal  unde  mit  keyuie  mytlinge  bestellen  unde  durch 
syn  globde  dy  obgnanten  lehenhern  daz  von  cm  ufneymen  sullin  — . 
Ggbin  —  virczehin  hundert  jar  dornoch  in  dem  eyn  unde  vix'czigisten 
jare  an  der  raethwochen  vor  der  heiligin  dry  konige  tage. 


a)  Der  1441  Mai  W  confirmierie  Trinüatisultar.     Vyl.  No.  1S9  itiul  Ko.  111. 


Nachträge  zum  Urknndenbuclie  der  Stadt  Chemnitz.       305 

>o.  129  b.    1441  September  8. 

Peter  SchuUis  zu  Mittweida  tritt  dem.  Eathe  seine  Lehenrechte  über 
den  Altar  ULF.  und  aller  Heiligen  in  der  Jacobikirche  ab. 

Hihchxrhr.:  Orif/.  Ferr/.   Rnthsarchio  VheinniU  Xo.44b.   Bas  Sicj/cl  an.Perr/fiinentsir. 
Schild:  xpriiii/citdcs  fierfiissü/cs  Tliicr  (Fuchs?),    i'mschr. :  Sigilluin  Petri  Scliultis. 

Ich  Peter  Schultis  dy  zeit  zcu  der  Mitteweyde  gesessen  bekenne  — , 
daz  ich  —  ufgelasen  habe  den  ersamen  wisen  burgermeistern  und 
ganczen  rathe  der  stat  Kempnicz  sulche  leben  ober  den  altar  ge- 
legen yn  sente  Jacufs  kirche  czu  Kempnicz  an  dem  pfliiler  under 
dem  predigestule,  der  da  gewihet  ist  in  der  ere  des  almechtigen 
ewigen  gotis  unsers  Üben  hern,  Marien  der  hochwirdigen  juncfrauwen 
siner  werden  muter  und  yn  der  ere  aller  liben  gotis  hiligen,  des 
ich  obgnanter  Petir  Schultis  eyn  rechter  lehnhevre  creftig  czu  lihen 
gewest  byn '"i).  Durch  sunderlicher  fruntschaft  und  gonst  wille,  dy 
sie  mynen  eidern  seliger  gedechteniß  und  mir  getan  haben  und  noch  yn 
künftigen  cziten  tun  mögen,  und  durch  sunderliches  schucz  wille  des 
egnanten  altares  vorczihe  ich  mich  allemyne  erben  und  erbnemen  sul- 
cher  lehen,  also  oben  berurt  ist,  mit  crafl  dicz  brifis,  der  brife  der  lehen 
(nie)  ich  mich  und  alle  myne  erben  gancz  geussent  habe  und  dy  on  ge- 
antwort  habe,  der  denne  dy  obgnanten  burgermeister  und  rathmanneu 
vorbas  ewiclichen  rechte  lehnhern  sin  sollen,  ich  noch  dy  mj'nen 
uymmer  czu  ewigen  gecziten  daryn  halden  noch  reden  wollen,  suuder 
wollen  daz  gancz  und  gar  unverbrochlich,  wy  oben  geschreben  ist, 
halden.  Des  czu  orkuiid  und  warem  bekentniß  habe  ich  obgnanter 
Peter  Schultis  rayn  insigel  vor  mich,  alle  myne  erben  und  erbnemen 
mit  gutem  willen  und  wissen  unden  an  desen  offin  brif  lassen  beugen, 
der  da  gegeben  ist  —  vierczehen  hundert  jar  darnoch  im  eyn  und  vir- 
czigisten  jare  am  fritage  der  geburt  der  juncfrauwen  Marien. 


a)  Der  Altar  war  1368  von  Nicol  Sclndtess  f/csh'ßet  (No.SG);  vgl.  auch  Ko.  4'>,  40. 


No;  131b.    1442  März  11. 

ffdschr.:  Orig.  Perf/.    Rathsnrchiv  Cheimtitz  No.44c.     Das  (tn  PerganKntstr.hefesiigt 
genesene  Sirgrl  isl  ahgeschiiUten. 

Heinrich  Friczko  Burgermeister,  Paul  Eckart,  Nicolaus  Frei- 
herger, Nickil  von  Czwlckaio,  Claus  Czanspil,  Faul  Sivertfeiger,  Con- 
rad Schlusser,  Caspar  Smedichin,  Caspar  Springer,  Hans  Stohener, 
Johannes  Friberger,  Hans  Strencsil,  Johannes  Marckirstorff,  Joeoff 
Hillebrand,  Nickil  Wagner,  Faul  Bachniann,  Maus  Siptenhain, 
Nickil  Hofeman,  Nickil  Stange,  Caspar  Czymerman,  Nickil  Fckart 
geschworne  Bathmannen  des  neuen  und  alten  Bathes  verkaufen 
1  Schock  schildechter  Gr.  Freiberger  Münze  jährl.  Zinses,  zahlbar 
halb  auf  Walpur gis  tmd  halb  auf  Michaelis,  dem  Herrn  Petir 
Schultissin  uiiserm  altaristen  dy  czit  unserm  schulcmeister  zu  dem 
Altar  des  h.  Fva)igelisten  Johannes  in  der  Kirche  S.  Jacob  in  dem 
wynckel  bie  unser  liben  frawen  altar  guleigen  für  15  Schock  gleicher 
Münze  unter  Vorbehalt  des  Wiedcrhmfs ;  im  letzten  Falle  hat  der 
Altarist  für  die  Wieder  kauf s  summe  ein  ander  gcwyß  schog  jerlicher 
cziusis  mit  Willen  und  Wissen  des  Batlies  dem  Altäre  zu  kaufen. 
—  Gegebin  —  virczen  hundert  jar  donuich  in  dem  czwey  unde  vir- 
czigisten  jare  am  suntage  alz  man  singet  in  der  heiligin  kirchen 
letare. 

Neues  Archiv  t.  S.  G.  u.  A.  II.  A.  '20 


306  Hubert  Ermisch : 

Äo.  148b.    1449  Oct.  23. 

Ildschr.:    Orig.    Perg.      Fiirsti.    und  grüß.    Schönburg.    C/esairnntarchiv    ßlauchati.. 
Lrtc.  424.    Ko.  1H5.     Das  an  Pergamcntstr.  befestigt  gewesene  Siegel  fehlt. 

Michter  und  Schöffen  der  Stadt  Chemnitz,  Paul  Stvertfeger  Vogt, 
Hans  Stobcner,  Hans  Syptenhayn,  Jacoff  HiUebrant,  Faul  Eghart, 
Caspar  Springer  imd  Xidaus  Torhüter  Schöffen,  bekennen,  dass 
Veit  von  Schönburg  Bitter  Herr  zu  Glauchau  und  Waidenburg 
einerseits  und  der  Ritter  Jhan  von  Slinicz  zu  Schleinitz  gesessen 
andererseits  mit  des  letzteren  Gemahlin  Frau  Anna  vor  gehegter 
DingbanJc  erschienen  seien  und  dass  diese  daselbst  auf  das  von 
dem  verstorbenen  Jungherr  Heincz  von  Eemse  ihr  bestellte  Leib- 
gedinge mit  Einwilligimg  ihres  Bruders  Heincz  vom  Ende  zu 
Kayna  als  ihres  gekornen  Vormunds  verzichtet  habe.  Gegebin  — 
tusend  vir  huiulirt  in  dem  newn  unde  virczigistin  jar  am  donrstage 
nocb  sente  Lucas  tage. 


*ö^ 


Äo.  180.    1458.  Jan.  7. 

Hdschr. :  Orig.  Perg.    Bathsarchiv  Chemnitz  No.  58  h.     Bas  Siegel  ist  ahgesehnitten. 
Amn. :    Was   im    Vrkundenbiiche  unter  No.  180  mitgeüuilt  inmlc,  ist  wohl  der  Ent- 
'ivurf,  nicht  aber  die  Copie  dieser  UrJcundc. 

Wir  uacbgeschrebeiie  Caspar  Beyer  dy  czit  burgermeister,  Hans 
Stobener,  Henrich  Friezko,  Haus  Sipteuhain,  Nicolaus  Friberger, 
Nicolaus  Eckhart,  Nicolaus  Torhüter  »),  Nicolaus  Garnistorf,  Paul 
Billich,  Mattis  Bouragarte,  Nicolaus  Tile,  Caspar  Springer,  Nicolaus 
Holeraau,  Nicolaus  Becker,  Hans  Arnold,  Haus  Alexius,  Hans  Stange, 
Nicolaus  Moller,  Caspar  Lindaw,  Hans  Tirpan  gesworue  des  nuwen 
und  alden  ratis  der  stat  Kempnicz  bekennen  — ,  daz  wir  mit  gutem 
rathe  unser  eldesten  und  eyntrechtichem  willen  und  wissen  unser 
gemeyne  —  vorkouft  haben  von  unserm  rathuse  von  allen  renthen 
und  gutern  ynnen  und  ussen  daczu  gehörende  eyn  schog  groscheu 
jerlichz  czins  uf  ejn  wederkouf  sulcher  moncz,  alz  man  in  der 
gnanten  stat  uf  iczlichen  tag  czu  geschosse  nympt,  den  ersamen 
Casparn  Springer,  Nicolaus  Eckharde  und  Pauln  Kopperlinge  uusern 
burgern,  dy  czit  vorwesere  des  ewigen  lichts  vor  unser  üben  frauwen 
altar  yn  sancti  Jocufs  unser  pfarkirche  yn  der  iampe  bornde,  welch 
schog  iczunt  gnant  czu  demselben  lichte  gehorit,  haben  on  das 
schog  czins  vorkouft  und  gegeben  vor  vier  und  funfczig  ßinische 
golden,  dy  si  uns  mit  bereiten  guten  Rinischzen  golde  wol  beczalt 
haben,  dy  wir  forder  an  unser  stat  nutcz  gewant.  Sollen  und  wollen 
das  gnante  schog  czins  den  gnanten  vorwesern  ader  iren  nochkomen 
reichen,  halb  schog  der  gnanten  were  uf  Michaelis  noch  dato  dicz 
brifes  schirstkonftig  und  halb  schog  uf  Walpurgis  nest  danoch  folgend, 
und  alle  dy  wile  deser  kouf  wert  also  halden  unverlich.  Unser 
glouber  sal  an  der  beczakmg  houptgutis  ader  czinsreichunge  kein 
schade,  der  ober  dy  stat  geen  mochte,  daz  got  lange  wende,  hindern, 
sundern  wir  wollen  unser  globde,  wy  oben  geschreben  ist,  stete 
gancz  unvorbrochlich  halden  ane  geverde.  Auch  sollen  dy  iczunt 
gnanten  vorweser  ader  ire  nochkomen  von  dem  gnanten  lichte  alle 
jar  eyns  vor  eyrae  rathe  von  ynname  und  ußgabe  rechnung  tun,  und 
waz  also  denne  von  desem  schogke  und  anderm  gelde  daczu  ge- 
hörende, darober  auch  brife  sint,  czu  dem  lichte  meher  ist  ynge- 
nomen  den  usgegeben,  also  bescheidelich,  waz  in  der  rechnung  worde 
oberlautfen  und  czu  notdorft  des  gnanten  lichts  niclit  bedoi'ften,  daz 

a)  Der  Entwurf  fügt  hier  Caspar  Czymmerman  hinzu. 


Nachträge  zum  Urkundenliuche  der  Stadt  Chemnitz.       307 

sal  man  geben  und  reichen  den  armen  luten  yn  das  hospital.  Und 
wen  dj'  mer  gnanten  vorweser  abegeen  von  todiß  wegen,  so  sollen 
sich  dy  burger  des  underwinden  und  vorsteen.  Auch  haben  si  uns 
dy  gonst  getan  sulch  schog  czins,  wen  wir  so  statbaftig  worden, 
abeczulosen,  so  daz  wir  on  dy  abelosung  eyn  firtil  jares  vorhene 
kunt  tun  und  denne  uf  den  uesten  czinstag  noch  der  absagnng  dy 
obgemelte  houptsumma  vier  und  funfczig  Rinische  golden  mit  den 
vorsessen  czinsen  gancz  gar  und  unverlich  beczalen.  Auch  ab  deser 
brif  vorlorn  czurissen  ader  vermackelt  worde  eher  der  ablosung, 
so  gereden  wir  on  eyn  andern  desem  glich  czu  geben.  Daz  alle 
stucke  artickil  dicz  brifes  gancz  und  stete  von  uns  und  unsern  noch- 
komen  sollen  gehalden  werden,  des  czu  bekenteniß  haben  wir  unser 
stat  insigil  vor  uns  [und]  unser  nochkomen  an  desen  brif  lassen 
hengen,  der  ggeben  ist  noch  Christi  unsers  liben  hern  gebort  XIIII»- 
jar  danoch  ym  LVIII.  jaro  am  sonabend  noch  der  hiligen  drj'er 
konige  tage. 


No.  261b.    Chemnitz,  147G  Nov.  20. 

Äbt  Caspar  hestätigt  die  Schenlcung  von  200  Ehein.  Gulden  Haupt- 
summe durch  einen  Ungenannten  an  den  Vicarius  perpctuus  der 
Jacobskirche  und  die  Inhaber  verschiedener  Altäre  zu  Chemnitz, 
welche  dafür  8  Rhein.  Gidden  iährl.  Zinsen  zu  Lössnits  gehäuft 
haben,  behufs  Stiftung  von  Seelenmessen  für  die  Familie  des  Un- 
genannten in  der  Jacobskirche. 

Ildschr. :  Orii/.  Pery.  Rathmrckiv  Ciieiiinitz  Xo.  71b.  Utitt  Siegel  an  Pert/anirnlstr. 
entspricht  (ansstr  Wappen  und  Inschrift)  der  Taf.  III  Fie/.  3  i/er/eboien  Ahhilduny 
(vgl.  Vorbericht  zum  Urkundenbucli  XXXIVj. 

Nos  Caspar  dei  gracia  abbas  et  archidiaconus  Kempnitzensis  — . 
Igitur  hujus  rei  testiraonio  pateat  universis  presentibus  quam  fnturis, 
quod  reverendus  in  Christo  pater  et  dominus  Anthonius  abbas 
Czellensis  ex  parte  cujusdam,  qui  nominari  noluit,  vicario  perpetuo 
ecclesie  parrochialis  sancti  Jacobi  in  Kempnitz  aut  ejus  viceteuenti 
ac  altaristis  altarium  ibidem  videlicet  corporis  Christi,  annunctiacionis 
beate  virginis,  oranium  sanctorum ,  sanctarum  virginum  Barbare  et 
Dorothee,  Katheriue,  trinitatis,  Johannis  evangeliste,  beatorum  aposto- 
lorum  Petri  et  Pauli,  Nicolai,  concepcionis  sive  Bernhardi  et  altaristis 
sancte  trinitatis,  Andree  apud  san(;tum  Johaunem  ac  sancti  Georgii 
in  hospitali  ac  sancti  spiritus  aut  Sigismundi  extra  muros  Kempnitz 
et  eorura  successoribus  et  vicetenentibus  ducentos  florenos  Rencnses 
ad  coraparandum  et  emendum  certos  aiiiuios  census  ac  redditus, 
quod  prenominati  vicarius  perpetuus  et  altariste  fecerunt  et  octo 
Renenses  aureos  a  proconsule  consulibus  et  tota  communitate  in 
Leßenitz  consensu  generosi  domini  Frederici  de  Schonbnrg  etc.  ad 
hoc  interveniente  emerunt  et  comparaverunt,  uti  clare  in  litteris  de- 
super  datis,  quos  octo  florenos  annuos  census  una  cum  summa  capi- 
tali  ducentorum  üor.  prenominatus  reverendus  pater  et  dominus  An- 
thonius abbas  Czellensis  ex  parte  ipsus  innomintUi,  qui  sibi  istos 
aureos  ad  fideles  manus  dcdit,  premencionatis  dominis  vicario  perpetuo 
et  altaristis  suprascriptis  oninibus  melioribus  modo  et  forma,  quibus 
donaciones  cultus  divino  factas  fieri  consweverunt,  sub  infra  notatis 
clansulis  et  ordinacionibus  perpetue  possidendos  perpetue  dedit  tra- 
didit  et  donavit.  Volens  deinde  reverendus  dominus  pater  pro  anima 
istius,  qui  nominatus  esse  noluit,  progenitornm  suorum  salute  aliquid 
ordinäre  ac  disponere,  ad  duo  anniversaria  istos  octo  florenos  annui 
census   per  ipsos  vicarium   perpetuum   et  altaristam   et  eorum  pro- 

•20* 


308  Hubert  Ermisch: 

cviratores  perpetue  levandis  assignavit,  in  duol)us  terminis  viclelicet 
Walpurgis  et  Michaelis  levandis,  umle  ipsi  vioarius  perpetims  et 
altarista  prescripta  diio  anuiversai'ia  pro  animabus  parentum  pro- 
genitoriira  amicorumque  suorum  et  pro  anima  ejus  innominati  et 
omniura  ex  geneloia  ejus  defuiictorum  et  distribucioues  ordine  sub- 
scripto  teraporibus  perpetuis  ita  servare  et  exequi  del)ent.  Inprimis 
quidem  ideni  domiiii  vicarius  perpetuus  pro  tempore  nomine  plebani 
existeus  et  altariste,  qui  presentes  in  opido  Kempnitz  fuerint,  duos 
ex  se  ordinabunt  redditus  jam  dictos,  in  singulis  scilicet  terminis 
Walpurgis  et  Michaelis  medietatem,  a  dictis  censualibus  et  censitis 
repetentes  et  coUigentes,  ordine,  ut  inferius  describitur,  distribuant 
absque  impedimento.  Primo  equidem  plebanus  certum  diem,  prout 
ipsi  competere  videbitur,  post  siugulos  dies  Walpurgis  et  Michaelis 
censibus  collectis  prefiget,  in  quo  ipse  plebanus  cum  predicatore, 
duobus  cappellanis  suis  ac  cum  plebano  apud  sanctum  Johannem  et 
altaristis  supra  memoratis,  ita  quod  ad  minus  quatuordeciin  in  numero 
sacei'dotes  sint  presentes  et  si  aliqui  absentes  fuerint,  plebanus 
pro  tempore  existens  assumat  alios  secundum  nutum  et  voluntatem 
suam,  ita  quod  iste  numerus  videlicet  quatuordecim  sacerdotum  coni- 
pleatur,  in  ecclesia  parrochiali  Kempnitz  vesperis  finitis  convenient, 
vigilias  solempniter  incipiant  et  cum  novem  lectionibus  ac  Salve 
Regina  decantabunt  subsequentique  die  singuli  ipsorum  missam  pro 
defunctis  cum  commemoracione  ipsius  innominati  suorumque  pro- 
genitorum  celebrabunt,  commemoracionemque  generalem  videlicet 
„Non  intres  in  Judicium"  alte  legant  et  cum  responsoriis  conswetis 
ac  „Alma  redemptoris"  decantando.  Ob  hoc  distributores  ordinati 
cuilibet  p[renomi]natorum  (?)  presbiterorum  tres  grosses  censuales 
distribuent  et  unum  minimum  usnalem  adicient  cuilibet  in  summa 
missa  ad  altare  offerendos,  vitricis  vero  ecclesie  extunc,  ne  ecclesia 
in  aliquo  gravetur,  duos  gr.  dabunt  et  ministro  videlicet  campanatori, 
qui  representacionem  feretri  ornet,  luminaria  incendet  et  extingwet 
sedilia  locet  et  compulsacionem  faciet,  presbiteros  convocet,  qualibet 
in  commemoracione  duos  grossos,  regenti  chorum,  ut  summam  missam 
cum  Scolaribus  tractim  decantari  faciet  pro  defunctis,  unum  gr.  mi- 
nistrabunt.  Sed  ne  predictus  plebanus  suique  successores  in  aliquo 
tarn  pro  restauro  quam  de  vigiliis,  de  littera  mortuorum,  in  qua 
plebanus  generalem  commemoracionem  dominicis  diebus  et  feria  se- 
cunda  per  suos  cappellanos  faciet,  pro  anima  dicti  innominati  gra- 
vetur, ultra  tres  grossos  prefatos,  quos  sibi  racione  presencie  de- 
bentur,  Septem  gr.  sibi  imbursabit.  Freterea  collectores,  qui  ordinati 
fuerint,  ut  premissum  est,  ut  diligencius  commissa  exequantur,  quo- 
libet  tempore  tres  grossos  de  dictis  redditibus  ambo  pro  laboribus 
sibi  inbursabunt.  Idemque  denique  collectores  et  executores  vicario 
perpetue  et  ipsis  altaristis  de  perceptis  et  distributis  facient  racionem. 
Si  quid  de  dictis  redditibus  superflue  et  in  reposito  fuerit  repertum, 
cum  scitu  omnium  in  usus  leprosorum  egenorum  et  domum  pauperum 
que  conventus  nominatur  publice  convertatur,  super  quo  ipsorum 
distributorum  consciencia  oneretur.  Quod  si  futuris  in  temporibus 
per  quemquam  succedencium  impedimentum  aliquod  oriretur,  quod 
premisse  ordinaciones  non  transsirent  in  effectum,  extunc  abbas  et 
archidiaconus  Kempnitzensis  ut  possit  et  valeat  instare  monere  et 
procurare,  quod  predicti  ordinaciones  progressum  realiter  consequentur, 
plenum  posse  ob  honorem  ecclesie  obtinebit.  Ut  autem  premisse 
ordinaciones  —  irrevocabiliter  obtineant  tirmitatem  — ,  Anthonius 
abbas  Czellensis,  vicarius  perpetuus  ecclesie  Kempnitzensis  et  altariste 


Nachträge  zum  Urkundenbuche  der  Stadt  Chemnitz.       309 

ibidem  iios  liumilitor  retiuisienint  oraiido,  ut  hiijnsmodi  ordiuacioiiem 
disposiiioiiem  per  iios  admitti  et  id  roborari  et  contirmari.  Nos  igitur 
Caspar  —  donacionem  ordiuacioiiem  et  disposicionem  —  coufirraa- 
mus  — .  Volumus  eciam  si  prefati  ceusus  per  veuditores  eoruudem 
juxta  litterarum  seriem  reempti  fueriut,  quocieus  tocieus  extuuc 
Vicarius  ecclesie  parrochialis  et  altariste  ibidem  absque  pecuuiarum 
predictarum  sie  solutarum  distraccione  alios  ceusus  comparare  debent, 

quos  in  locum  predictorum  censuum  —  confirmamus. NuUi 

ergo  — .  Si  quis  autem  — .  Datum  et  actum  iu  monasterio  nostro 
Ivempuitz  auuo  domini  M"  quadringentesimo  septuagesimo  sexto,  die 
vero  Mercurii,  que  fuit  vigesima  meusis  novembris,  abbacie  uostre 
sub  secreto.  ,a  \ 


Zu  No.  269  (1478  Mai  4). 

Hdsclir. :  üruj.  Per;/.     Itaihsarcliic  (lienmitz  Ko.  72  h.    Das  Skyel  an  PergiDiienhtr. 

Die  Varianten  sind  ganz  unwesentlich. 


>o.  269b.    1478  Mai  14. 

Stclfan  Frcyberger,  Malis  ArnoU,  Casjuir  Stobner,  Bartel  Swein- 
fort  und  die  Gemeine  in  der  Langengasse  urlcunden  üler  die  Rechts- 
verhältnisse eiiier  von  ihnen  angelegten  Röhrwasserleitung. 

Nilschr.:  Oii//.  Pery.  liuihmrdm  Chaiiiiäz  JVo.  7ic.  ö  Siegel  an-  Pergameutsif. 
J)  Schild:  (Jurch  eine  spikirinklige  Figur  in  drei  Ahschmtte  getheüt,  in  deren  jedem 
Halbmond  und  Stern.  Helmzier:  Flug.  Umschrift  theils  unleserlich  ,  theils  abge- 
brochen. 2—4)  Hausmarken. die  Umshriften  unleserlich.  5)  Stadtsiegel-=Taf.  1  Fig.ii. 

Wir  hiriioch  geschrebenn  Steifan  Freyberger ,  Matis  Aruolt, 
CaspacStobeuer,  Barthel  Sweinfort  unnd  dy  gemeyne  in  der  Langen- 
gasseu  bekennen  — ,  das  wir  durch  gunst  willen  und  wissenn  der  er- 
samenn  wolweyssen  Caspar  Lindenaw  uff  dy  czeit  burgermeister 
unnd  der  anderen  gesworne  rathißmanne  zcu  Kempnicz  ein  wasser 
babeiin  angefangen  uff  dem  Sweinauger  in  eyner  weßenn,  dy  Hans 
Stobenern  angehörende  [war],  unnd  das  herein  in  dy  Stadt  mit  roren 
get'urt,  uns  unsern  nochkomelingen  zcu  noczcze  unnd  fromen,  unde 
habenn  uns  dorober  kein  eynem  rathe  unnd  eyner  ganczen  gemeyne 
vorwilliget  sollich  wasser  czu  furenn  unnd  czu  haldenn  eynem  ider- 
manne  ane  allenn  schadenn  czu  haldenn,  unnd  abc  das  imandis 
schaden  brengen  worde,  denselbigen  schadenn  vorwillige  wir  uns 
unnd  alle  unßer  iiockomelinge  mit  unnd  in  crafft  deses  briflis  ane 
alle  wederrede  gutlichenn  czu  vorlegenn  unnd  beczalen.  Unnd 
habenn  dasselbige  wasser  under  uns  also  geteylet,  nemelich  Steffan 
Freyberger  ein  te}d,  Mattis  Arnolt  zcwei  teyl,  Caspar  Stobener  ein 
teyl,  Barthel  Sweinfort  ein  teyl  unnd  dy  gemeyne  in  der  Langen- 
gassenn  zcwey  teyl.  Unnd  zcu  eyner  wederstatunge  der  bemelten 
frawen  Hanßen  Stobener  nochgelassenn  witwe,  das  sy  uns  solche 
gunst  unnd  willenn  das  wasser  uff  irer  weßenn  zcu  fassenn  gethan 
hat,  soUenn  unnd  wollenn  wir  obgemeltenn  unnd  unser  nochkome- 
linge  der  bemelten  frawenn  ader  wer  dyselbige  weße  in  besiczczunge 
habenn  werdenn,  alle  jar  jerlichenn  zcu  ewigen  geczeytenn,  dy  weyle 
solch  wasser  reinher  gefurt  wirf,  reichenn  unnd  gebenn  uff'  Michahelis 
sebenn  gute  groschen  unnd  uff'  Walpurgis  dornoch  aber  sel)enn  gute 
groschenn,  solche  moucze  utt  eyne  iczliche  tageczeit  also  unser  gne- 
digen  hern  von  Sachssenn  zcu  jarente  unnd  geschosse  nemen. 
Worde  sichs  begebenn,  das  unser  eyner  adcr  mehr  sein  wasser  eynem 


310  Hubert  Ermisch: 

andern  sein  vorlasseuu  -^-elde  unud  seibist  iiidit  gebrucbeim,  das  sal 
er  vorlassen  in  aller  mosse,  wy  obin  clerlicli  bestymraet  ist.  Des 
czu  eynem  warenn  bekentnisse  unnd  stete  haldunge  bat  unser  icz- 
licher  sein  peczir  unden  au  desen  briff  bengin  lassen,  der  gegebin 
ist  nacb  gotis  heylige  gebort  tewsint  vir  hundert  jar  dornocb  im 
acht  unde  sebi[n]czigisten  jar  am  dornstage  nach  pbingisten. 


yo.  269  c.    1478  >0T.  3. 

Hans  Älexius  der  BleichricMcr  beurhindet  den  Verkauf  der  Ffortcn- 
mühlc  durch  Paul  Hau  an  Ulrich  Schütze. 

Jidsch. :    Griff.  Pery.    Ruthsarchir   Xo.  7'3d.     Das  Siegel  un  Peryuinentstr.     Schild: 

Lowe.     Umschrift:  Sigil  der  bleich  [in  Kempnitz?];  sehr  undeutlich. 
Anm. :   Vyl.  Xo.  306  u.  27S. 

Ich  Hanns  Allexius  die  zceit  bleichrichter  zcu  Kempnitcz  be- 
keune  vor  mich  unnd  alle  gewercken  |  der  bleich  doselbist,  das  wir 
vorkauft  habenn  die  mol  gelegeun  vor  der  Pforten  zcu  Kempnitcz  | 
dem  ersamen  Paul  Han  burger  zcu  Kempnitcz  unnde  baben  im  die 
gegeben  vor  hundert  unnde  |  vierczigk  golden  Keynisch  mit  aller 
zcugehorung  raynn  werdern  unnde  räum,  als  wir  sie  vor  alderß  gehabt 
habenn,  auch  mit  aller  beswerung  der  zcinß,  die  dorauff  sein.  Solche 
mol  mit  aller  zcugehorung  hat  der  bemelt  Paul  Han  Virich  Schütczenn 
burger  zcu  Kempnitcz  uffgelaßen  in  aller  maße,  wie  wir  sie  im  vor- 
kauft habenn,  die  ich  Hanns  Allexius  bleichrichter  Virich  Scbutczen 
sein  erbenu  unnde  erbnemen  in  der  bleich  gericht  gelihenn  unde 
geeygent  hab  mit  willen  uiind  wissenn  des  obgnanten  Paul  Hanns. 
Auch  bekenne  ich  mehr  gemelter  Allexius,  das  der  gnant  Virich 
Schutcze  dieselbigenn  hundert  unnd  vierczigk  golden,  dorumbe  die- 
selbige  mol  gegeben  ist,  unns  wol  zcu  dancke  beczalt  unnde  auß- 
gericht  hat,  unnde  sagenn  in  unnde  sein  erbenn  solcher  hundert 
unnde  vierczig  goldenn  queit  ledigk  unnde  loß  vonn  meinenn  unnde 
aller  gewerckenn  wegenn  mit  unnde  in  craft  dieses  briefs,  der  ge- 
gebenn  unnde  gesigelt  ist  mit  unsers  bleichgerichtes  ingesigel  noch 
Cristi  geburt  tausent  vier  hundert  unnde  in  deme  acht  unnde  siben- 
czigistenn  jhar  am  dinstag  noch  aller  heiligenn  tag. 


Zu  >o.  385  (1398  Mai  9). 

Hdschr.:    Oriy.  Pery.     Grüß.    Schnnbury.    Speziularchiv   Miiittrylunchuu.     Das    zer- 
brochene Ärchidiaconatssieyel  an  Peryomentsir. ;  ein  zweites  Sieyel  fehlt. 

Die  Brüder  heissen  Hennel  tmd  Meyner  Krywicz.  Di€  Vernnith- 
ungen  syme,  volgen  (Z.  23),  nunczigisten  (Z.  28)  huhcn  sich  als 
richtig  erwiesen.    Z.  24  liest  auch  das  Or.  vseren  guten. 


>o.  395  b.    1M3  März  B. 

Hdschr.:  Oriy.  Pery.  Filrstl.  und  yriifl.  Schonbiiry.  Gesammtarchiv  Glauchau.  Loc.  431. 
No.  33.     Zwei  Sieyel  (an  Peryainentstr.)  fehlen. 

Concze  und  Heincze  ton  Kotiffunge  bekennen,  dass  sie  dem  Abt 
und  Archidiacon  Johannes,  dem  Prior  und  der  ganzen  Sammlung 
des  Benedictinerklosters  zu  Chemnitz  wiederMußich  7  Schock  neuen 
Geldes  jährliehen  Zins  für  250  Bheinische  Gulden  nach  Atcsiveis 
des  Kaufbriefes  mit  Gunst  der  Herren  von  Schönburg  verkauft 
haben,  und  verpflichten  sich  gegen  die  Gehrüder  Veit,  Friedrich  und 
Dietrich  von  Schönburg  Herren  zu  Glauchau  und  ihre  Erben,  diese 


Nachträge  zum  ürkiuuleubuche  der  Stadt  Chemnitz.       311 

Zinsen  binnen  drei  Jahren  oder,  wenn  sie  nach  Ablauf  der  drei  Jahre 
von  den  genannten  Herren  gemahnt  iverden,  binnen  einem  Jahre 
zurückzukaufen^  widrigenfalls  die  Herren  von  Schönburg  oder  jeder, 
dem  sie  es  vergönnen,  das  Hecht  zur  Einlösung  dieser  Zinsen 
haben,  üegeben  —  virczeu  hundei't  jar  darnach  in  dem  dry  unde 
virczigsten  jare  am  faßnacht  sontage  neml ichin  esto  mihi. 

No.  423b.    1191  Jali  13. 

Hdsvhi::  Oriy.  Perg.  HaupUtaatsarvhiv  Dresden  Xu.  8800b.  Dus  tSiend  des  libts 
an  Pergamentstr.  wie  Tiif.  8  Fig.  4.  Bas  ebenfalls  an  Pergumcntstr.  befestigt  ge- 
wesene Contentssiegel  fehlt. 

Heinrich,  Abt  und  Archidiacon  zu  Chemnitz,  bekennt  für  sich 
und  seinen  Cotivent,  dass  Heinrich  von  Schönberg,  Amtmann  zu  Schel- 
lenberg, auf  fürstlichen  Befehl  die  Irrungen  zwischen  dem  lüoster 
und  Nickel  Steinpach  zu  Meyersdorff  (Meinersdorf  s.  von  Chem- 
nitz?) wegen  eines  vom  Kloster  zti  Lehn  gehenden  tcüsten  Gutes 
zu  Fleißa  fiv.  von  Chemnitz),  genannt  der  Arnolt,  dahin  beigelegt 
habe,  dass  Steinpach  je  9  gute  Gr.  zu  Michaelis  und  zu  Wal- 
purgis  davon  zinsen,  7  Gr.  auf  Martini  zu  Geschoss  nach  Fleißa 
geben,  dorthin  zu  Gericht  und  zu  allen  Gedingen  gehen  und 
geben,  dem  Pfarrer  als  Decem  jährlich  Vi  Scheffel  Korn  und 
'h  Scheffel  Hafer  geben,  Kirchenheller  und  Hirtenlohn  der  Ge- 
meinde gleich  andern  reichen  und  im  Falle  einer  herffarth  noch- 
folge zeoffe  unrue  adder  eyle  im  lande  das  Gut  als  halbes  Lehn 
in  Anschlag  bringen  soll.  Her  Abt  belelint  hierauf  Steinbach  mit 
dem  Gute.  Der  Abt  besiegelt  die  Urkunde  mit  der  Abtd  Insiegel, 
Johannes  Kopxierling  Prior,  Steffanus  Trapschuch  Kellermeister, 
Steffanus  Baiomgarth  die  Aeltesten  und  dte  ganze  Sammlung  mit 
dem  Convcnissiegel.  Gegeben  —  thawßent  vir  hundert  im  eyn  und 
nawntzigisten  jar  am  tage  Margarethe. 


>o.  471b.    1537  Mai  29. 

Hdsehr.:  Orig.  Perg.    Rathsurchiv  Chemnitz  Xo.llTc.    Die  beiden  Siegel  (Taf.  3  Fig.  5 
i(.  Taf.  2  Fig  .5,  letzteres  fraginentarisch)  an  Pergamentstr. 

Hylarius,  Abt  und  Archidiacon  zu  Chemnitz,  Johannes  Hamcl 
Prior,  Johannes  Vogt  und  Nicolaus  Kogel  er  Senior  es  und  der  ganze 
Convent  verkaufen  dem  Pfarrer  und  den  Altaristen  zu  Chemnitz 
15  Bhein.  Gulden  jährl.  Zinsen  zu  Altchemnitz ,  zahlbar  halb  auf 
Martini  und  halb  auf  Pfingsten,  für  300  Bhein.  Gulden  Haupt- 
summe unter  Vorbehalt  des  lYiederkaufs  nach  ein  Vierteljahr  vorher 
erfolgter  Kündigung.  Gegebenn  —  tausent  funtl'  hundert  darnoch 
im  sibenundi'eyssigestenn  jar  dinstag  noch  triuitatis. 


XII. 

Die  wirthschaftlichen  Einrichtungen,  nament- 
lich die  Verpflegungs- Verhältnisse  bei  der  kur- 
sächsischen Kavallerie 

vom  Jahre  1680  bis  zum  Anfange  des  laufenden 

Jahrhunderts.  *) 

Von 
A.  von  Minekwitz. 


Die  Wirthschafts -Verfassimg  bei  der  Kavallerie  be- 
ruhte, wie  bei  säinmtlichen  Truppentlieilen  der  kursächsi- 
schen Armee,  ursprünglich  auf  dem  Grundsätze,  dass  der 
gesammte  Unterhalt  des  Soldaten  ausschliesslich  von  dem 
für  ihn  ausgeworfenen  Tractamente  zu  bestreiten  sei. 

Bei  der  Kavallerie  hatte  daher  der  Reiter  von  seinem 
Tractamente  nicht  allein  sein  Pferd,  seine  Ausrüstung, 
seine  Bekleidung  selbst  anzuschaffen  und  im  Stande  zu 
erhalten,  sondern  auch  sich  selbst,  sowie  sein  Pferd  zu 
unterhalten. 


')  Als  Quellen  für  den  vorliegenden  Aufsatz  sind  vorzugsweise 
benutzt  worden:  die  historisch-conimissariatisi'hen  Nachrichten  vom 
kursächsischen  Kriegsstaate  im  Hauptstaatsarchive,  ferner  —  in- 
sonderheit für  die  ältere  Zeit  —  verschiedene  Nummern  aus  dem 
Rep.  C.  der  Akten  der  Geheimen  Kriegskanzlei;  für  die  zweite  Hälfte 
des  18  Jahrhunderts  die  im  Hauptstaatsarchive  aufbewahrten  Konferenz- 
protokolle der  im  Jahre  1770  mit  dem  Auftrage,  Ersparnisse  im 
Militäretat  herbeizuführen,  niedergesetzten  Kommission. 


Die  wirthschaftlichen  Einrichtungen  der  sächsischen  Kavallerie.    313 

Je  inelir  man  jedoch  in  Bezu;^-  auf  die  Organisation 
der  Armee  dem  Begriffe  näher  trat,  den  man  heutigen 
Tages  mit  dem  eines  stehenden  Heeres  verbindet,  desto 
liöher  steigerten  sich  die  Ansprüche  an  Tüchtigkeit  und 
Gleichmässigkeit   der    Ausrüstung    von  ]\Iann   und  Pferd. 

Da  nun  für  diese  Tüchtigkeit  und  Gleichmässigkeit 
die  vorgesetzten  Offiziere  einzustehen  hatten,  so  führte 
dies  ganz  v(m  selbst  dahin,  dass  die  Obristen  für  ihr  Re- 
giment, beziehenthcii  die  Rittmeister  für  ihre  Kompagnie, 
gegen  Abzüge  von  dem  Tractamente  des  Reiters  die  An- 
schaffung der  Bekleidung,  der  Ausrüstung  und  der  Pferde 
in  die  Hand  nahmen,  woraus  sich  schliesslich  die  sogenannte 
Kompagnie-Wirtlischaft  zu  einem  vollständig  ausgebildeten 
System  entwickelte.^) 

Bereits  eine  Ordre  vom  26.  März  1682  stellte  den 
Betrag  des  Montierungs- Abzuges  auf  12  Groschen  monat- 
lich fest,  und  1684  am  24.  März  wurde  den  Obristen  ge- 
stattet, monatlich  8  Groschen  von  dem  Tractamente  des 
Reiters  zur  Pferdekasse  inne  zu  behalten,  damit  sie  den- 
jenigen, so  ohne  ihre  Schuld  Unglück  zu  ihren  Pferden 
hätten  und  dismontiert  würden,  helfen  und  dieselben  wie- 
der beritten  machen  könnten.') 

In  derselben  Ordre  vom  24.  März  1684  bewilligte 
der  Kurfürst,  dass  die  Obristen  von  jedem  Thaler  Tracta- 


')  Der  Uebergang  zur  Wirthschaftsiuhruug'  durch  den  Koni- 
pagniekommandanteu  erfolgte  jedoch  seiir  allmählich,  denn  es  tindet 
sich  z.  B.  roch  im  Jahre  1694  in  den  Musterlisten  eines  Dragoner- 
regiments in  einer  besonderen  Rubrik  die  Frage,  ob  der  Mann  das 
Pferd  und  die  Montierung  selbst  geschaft't  oder  von  den  Offizieren 
erhalten  liabe.  Letzteres  war  jedoch  meist  der  Fall.  Für  die  Bei- 
montur  hatte  der  Mann  selbst  zu  sorgen,  und  in  dem  Handgelde, 
das  der  Soldat  bei  seiner  Anwerbung  erhielt,  waren  12  Tlilr.  einge- 
rechnet für  die  Anschaffung  von  2  Hemden,  1  Paar  Lederhosen, 
1  Halstuch,  1  Paar  Schuhen  und  1  Paar  Handschuhen.  Von  sehr 
früher  Zeit  an  finden  sicli  Abrechnungsbücher  bei  den  Kompagnien 
eingeführt,  in  welclie  üuthaben,  sowie  Scdiuld  des  Mannes  eingetragen 
wurden,  und  auch  jeder  Keiter  besass  für  seinen  Theil  ein  solches 
Büchel. 

*)  Inhalts  eines  ßescriptes  vom  24.  Mai  |  .3.  Juni  1687  hatten  die 
Rittmeister  Slich  das  Gewehr  für  die  Kompagnie  vom  Ilauptzeughause 
zu  erkaufen.  Der  dafür  zu  erlegende  Betrag  wurde  als  ein  Voi*- 
schuss  betra<ditet,  der  dem  Kittxneister,  wenn  er  die  Kompagnie  ab- 
gab ,  von  seinem  Nachfolger  zu  ersetzen  war.  Dieses  Verhältnis 
hat  sich  bis  in  die  spätere  Zeit  erhalten.  Zum  Unterhalt  des  Ge- 
wehres wurde  dem  Kompagniekommandanten  ein  bestimmtes  Gewehr- 
reparatur gcld  gewährt. 


314  A.  von  Minckwitz: 

ments<^"elde  monatlich  1  GroscLen  abziehen  und  solclie 
zu  sich  nehmen  dürften,  um  davon  die  Regimentsunkosten 
zu  bestreiten.  Der  Ertrag-  des  Abzuges  zu  den  Regiments- 
unkosten sollte  übrigens  keineswegs  eine  Revenue  für  den 
Obristcn  bilden.  Der  Ueberschuss  ging  demselben  aller- 
dings zu  gute,  dagegen  hatte  er,  inhalts  ausdrücklicher 
Verordnung,  von  seinem  Tractamente  das  Fehlende  zuzu- 
schiessen,  wenn  der  Abzug  des  Groschens  vom  Tracta- 
mentsthaler  zur  Deckung  des  Bedürfnisses  nicht  zureichte. 

Zu  den  Regiuientsunkosten  rechnete  man:  den  Auf- 
wand für  Grerichtskosten,  für  Verschickungen,  Porto  und 
alle  sonstigen  unvorhergesehenen  Ausgaben/) 

Einige  Jahre  später  wurde  dieser  Abzug  von  jedem 
Thaler  des  Tractaments  auf  2  Groschen  festgesetzt  und 
bestimmte  man  hiervon  6  Pfennige  für  die  Invalidenkasse, 
sowie  6  Pfennige  zum  Beckengeld  für  die  Feldscheere, 
während  der  Rest  zur  Bestreitung  der  Regimentsunkosten 
zu  verwenden  war. 

Unberührt  von  der  Wirthschaftsführung  durch  die 
Regiments-  und  Kompagniekoraraandanten  blieb  die  Aus- 
fütterung der  Dienstpferde,  welche,  wie  der  Lebens- 
unterhalt des  Reiters  selbst,  in  der  engsten  Wechsel- 
wirkung zu  den  Einquartierungsverhältnissen  stand. 

Hinsichtlich  dieser  letzteren  Avar  im  Jahre  1664,  als 
zuerst  wieder  seit  Beendigung  des  dreissigj ährigen  Krieges 
Kurfürst  Johann  Georg  II.  einige  Regimenter  zu  Ross 
und  zu  Fuss  aufrichtete,  angeordnet  worden,  dass  der 
Reiter  von  dem  Quartierstande  nichts  zu  fordern  haben 
sollte,  als  Obdach  und  Stallung. 


*)  Von  den  Regimentsunkosten  wurden  ferner  bestritten: 
Zulagen  für  die  Stabsoffiziere,  nach  dem  Ermessen  des  Obristen, 
sowie  die  üblichen  Neujahrsbeschenkungen  an  60  Thalern  für  den 
Generalauditeur,  45  Thalern  für  den  Geheimen  Kriegssekretär  und 
45  Thalern  für  den  Kriegszahlmeister.  Ausser  den  ordinären 
Tractamentsabzügen  erhoben  die  Regimentskommandanten  jedoch 
von  den  Soldaten  auch  extraordinäre  Abzüge.  So  waren  z.  B.  vom 
1.  Januar  1682  bis  ultimo  Mai  1683  dem  Leibregiment  zu  Ross 
abgezogen  worden:  274  Thlr.  10  Gr.  zu  einem  Ringe  ^ür  den  Ge- 
neralfeldmarschall Freiherrn  von  der  Goltz,  400  Thlr.  Pathengeld 
für  den  Oberkriegskommissar,  Obristlleutenant  von  Rommel,  200 
Thlr.  -wegen  der  neuen  Fändel  und  Musterung ,  250  Thlr.  zu 
einem  Pferde  für  den  Obristlieutenant  von  Rommel  und  80  Thli*. 
für  den  Kriegssekretär  Landsberger.  Die  häufige  Wiederholung 
des  Verbots,  dergleichen  extraordinäre  Abzüge  zu  fordern,  lässt 
darauf  schliessen,  dass  es  schwer  hielt,  dem  Missbrauche  zu  steuern. 


Die  wirtliscliaftlichen  Einrichtuiigou  der  säclisischen  Kavallerie.     315 

Erst  im  Jahre  1671  trat  liierzu  noch  das  Service/) 
wogegen  man,  auf  Grund  eines  Kompromisses  mit  den 
LandständeU;  das  Jahr,  statt  in  zwölf,  in  zehn  Vcrpflegungs- 
monate  eintheilte. 

Die  Repartition  der  Einquartierung  geschah,  unter 
den  Aemtern  abwechsehid,  nach  dem  Hufenfusse,  doch 
mag  liierbe'i  viele  Willkür  geherrscht  haben. 

AMe  für  alle  militärisclien  Verhältnisse,  so  bildet  auch 
für  die  Verpflegungsangelegenheiten  die  Reorganisation 
oder  vielmehr  die  Neuschaffung  der  Armee  durch  Kur- 
fürst Johann  Georg  III.  einen  entscheidenden  A^^ende- 
punkt.  **) 

Zunächst  kam  am  10.  Juli  1682  ein  Beschluss  zu 
stände,  welcher  unter  dem  finanziellen  Gesichtspunkte  bis 
in  die  neuere  Zeit  der  Kavallerie  Verpflegung  zu  Grunde 
gelegen  hat.  Man  assignierte  nämlich  die  adligen  Städte 
und  Dörfer,  sowie  die  Amtsdorfschaften  der  Kavallerie, 
Avährend  die  schrift-  und  amtsässigen  Städte  der  Infanterie 
überlassen  blieben. ') 

Ferner  vereinbarte  das  Geheime  Kriegsrathskollegium, 
welches  im  Jahre  1684  an  die  Stelle  des  Kriegskommissa- 
riats trat,  mit  den  Landständen,  dass  für  die  Einquartie- 
rungsrepartitionen  der  unsichere  Hufenfuss  aufgegeben 
und  dagegen  die  Eintheilung  nach  den  Steuerschocken 
getroffen  wurde. 


*)  Das  Service,  bestellend  in  Lagerstatt,  Holz,  Licht,  Salz, 
Pfeifer  uud  Essig,  war  monatlich  zu  11  Groschen  angeschlagen, 
welche  man  folgendermassen  berechnete:  3  Gr.  3  Pf.  für  das  Bett, 
2  Gr.  9  Pf.  für  das  Holz,  2  Gr.  8  Pf.  für  das  Licht,  und  von  dem 
sogenannten  kleinen  Service:  1  Gr.  7  Pf.  für  das  Salz,  1  Gr.  7  Pf. 
für  den  Pfeffer,  2  Gr.  9  Pf.  für  den  Essig.  Die  Offiziere,  sowie  die 
Unteroffiziere  erhielten  ein  nach  höheren  Ansätzen  bemessenes 
Aequivalent  in  Geld-  statt  des  Services  in  natura,  und  zwar  monat- 
lich der  Rittmeister  8  Thlr.,  der  Lieutenant  3  'J'hlr.,  der  Kornot 
2  Thlr.,  der  Wachtmeister  1  Thlr.  18  Gr.  und  der  Korporal  1  Thlr. 
6  Gr.  —  Bereits  1673  wurden  jedoch  diese  Ansätze  nicht  unbeträcht- 
lich abgemindert. 

»)  Die  Ausarbeitung  der  Entwürfe,  sowie  die  Verhandlung  mit 
den  Landständen  ruhte  hauptsächlich  in  den  Händen  des  Kanimer- 
direktors  Geheimen  Käthes  Christoph  Dietrich  Böse  d.  ä. 

')  Was  die  Kavallerie  betrifft,  so  gewährte  diese  Einrichtung 
allerdings  Vorzüge  nur  unter  dem  Gesichtspunkte  der  Verpfiegung, 
während  dieselbe  für  den  Dienst  und  die  Beaufsichtigung  der  Mann- 
schaft sich  als  äusserst  nachthcilig  erwies,  denn  in  manchen  Landcs- 
theüen  besass  der  Kompagniebezirk  einen  Umfang  von  mehreren 
Meilen. 


316  ^-  ■^on  Miuckwitz: 

Hierbei  ^^ing  man  auf  den  im  Jalire  1628  gefertigten 
Anschlag  der  vollen  Steuerscliocke  zurück,  wonach  die 
Ritterschaft  und  die  Aemter  5062959  Schocke  zu  tragen 
hatten.  Auf  diese  5^62959  Schocke  waren  im  Jahre  1682 
3823  Pferde  zu  repartieren^  so  dass  1324  Schocke  auf 
eine  Kavallerieverpflegungseinheit  entfielen.  ^) 

Einzubringen  bei  der  Generalkriegskasse  war  von 
einer  solchen  Kavallerieverpflegungseinheit  das  zum  voll- 
ständigen Unterhalte  eines  Keiters  und  seines  Pferdes  mit 
4  Thlr.  16  Gr.  monatlich  ausgeworfene  Tractament,  wo- 
bei man  als  Erfordernis  für  den  Mann  den  als  Portion 
bezeichneten  Betrag  mit  2  Thlr.  16  Gr.,  die  Ration  mit 
2  Thlrn.  in  Ansatz  brachte.  ®) 

Von  dieser  zur  Bestreitung  des  Unterhaltes  von  Mann 
und  Pferd  bestimmten  Portion  und  Ration  ist  jedoch  die 
hierüber  vom  Quartierstande  geforderte  Quartier-  und 
Serviceportion  zu  unterscheiden. 

Letztere  betreffend,  so  berechnete  man  das  Quartier 
mit  12  Groschen,  das  Service  mit  14  Groschen,  und  war 
daher  vorkommenden  Falles  eine  Quartier-  und  Service- 
portion mit  26  Groschen  in  baarem  Gelde  zu  entrichten.  *") 

Allein  mehr  oder  minder  gelangten  alle  die  Kavallerie- 


')  Oft  hatte  in  Folge  dessen  ein  ganzes  Dorf  das  Erfordernis, 
für  den  Unterhalt  des  Reiters  und  seines  Pferdes  Sorge  zu  tragen, 
und  in  manchen  Gegenden  kam  sogar  der  Fall  vor,  dass  mehrere 
Dörfer  ihren  Beitrag  hierzu  zu  leisten  hatten. 

")  In  Beziehung  auf  das  xlusschreiben  und  Einbringen  der 
Milizsteuer  bleibt  manche  AufkLärung  zu  wünschen  übrig.  Die 
Werke  über  das  sächsische  Staatsrecht  von  Römer  und  von  Weisse, 
sowie  die  gedruckten  Werke  über  die  Steuern-  und  Abgabenverhält- 
nisse in  Sachsen  gewähren  eine  solche  nicht,  da  sie  das  Kapitel  der 
Milizverpüegungsgelder  nur  sehr  oberflächlich  berühren. 

'")  Ein  solcher  Fall  trat  unter  anderem  in  Bezug  auf  das 
Unterkommen  der  Oftiziere  vom  Stabe  ein.  Dieselben  hatten  ihren 
Aufenthalt  in  den  Städten  zu  nehmen,  wurden  jedoch  mit  auf  das 
Land  repartiert  und  empüngen  den  Betrag  der  auf  sie  entfallenden 
Quartier-  und  Serviceportionen  in  baarem  Gelde ,  um  von  dem  Be- 
trage den  Aufwand  für  ihre  Quartiere  in  der  Stadt  zu  bestreiten. 
Es  bezog  ein  Obrist  14,  ein  Obristlieutenant  10,  ein  Obristwacht- 
meister  8,  ein  Regimentsquartiermeister  .3,  ein  Adjutant  und  ein 
Auditeur  je  2  Quartier-  und  Serviceportionen.  Im  Jahre  1688  er- 
streckte man  diese  Bestimmung  auch  auf  die  Korapagnieoffiziere, 
jedoch  mit  dem  Zusätze,  dass  fortan  der  Betrag  für  die  sämmtlichen 
Quartier-  und  Serviceportionengelder  a  26  Groschen  für  den  Stab 
sowohl  als  für  die  Kompagnieoffiziere  an  die  Generalkriegskasse 
abgeführt  und  aus  derselben  ein  zum  Tractament  geschlagenes 
Quartiergeld  gewährt  werden  sollte. 


Die  wirthschaftlichen  Einrichtungen  der  sächsischen  Kavallerie.    317 

Verpflegung  betreffenden  Anordnungen  in  Folge  des  licrr- 
scheudeu  Geldmaugels  nicht  zur  praktischen  Geltung. 

Bereits  mit  Aufrichtung  der  Regimenter  durch  Kur- 
fürst Johann  Georg  II.  hatte  zugleich  das  Ringen  inn 
die  Geldmittel  zu  deren  Unterhalt  begonnen  und  sich  in 
demselben  Verhältnisse  gesteigert,  in  welchem  Kurfürst 
Johann  Georg  III.  seine  Truppenmacht  verstärkte. 

Als  einer  der  Gründe ,  welcher  bei  der  Verlegung 
der  Kavallerie  auf  das  Land  hauptsächlich  mit  in  Be- 
tracht kam,  findet  sich  augeführt:  dass,  wenn  der  Reiter 
nicht  bezahlt  werde,  er  leichter  auf  dem  Lande  als  in 
der  Stadt  ein  Stück  Brot  für  sich  und  ein  Futter  für 
sein  Pferd  finde. '  *) 

Diese  Darreichung  eines  Stückes  Brot  und  eines 
Futters  Avurde  aber  allgemach  dergestalt  zur  Regel,  dass 
man  ein  eigenes  Wort  dafür  erfand.  Man  nannte  es  den 
„guten  Willen",  betrachtete  denselben  aber  sehr  bald,  im 
Widerspruch  zu  seiner  Bezeichnung,  als  ein  vollständig- 
berechtigtes  Herkommen.  *^) 

In  der  Regierungszeit  der  Kurfürsten  Johann  Georg  III. 
und  Johann  Georg  IV.,  als  noch  tausend  und  mehr  Schocke 
auf  den  aus  dem  „guten  Willen"  geleisteten  Lebens- 
imterhalt  des  Reiters  mit  seinem  Pferde  entfielen,  drückte 
die  Last  die  Quartiergeber  nicht  allzu  schwer.  Als  jedoch 
Kurfürst  Friedrich  August  nach  seiner  Wahl  zum  König 
von  Polen  die  Armee  bedeutend  verstärkte  und  der  Geld- 
mangel sich  immer  fühlbarer  machte,  fasste  man  die  ge- 
Avichtige  Entschliessung,  die  bisher  mehr  oder  minder  frei- 
willig geleistete  Naturalverpflegung  von  Mann  und  Pferd 
als  obligatorische  Leistung  vom  Landmann  zu  fordern/^) 


")  Im  Jahre  1684  brachte  der  Geheime  Rath  Böse  in  Vor- 
schlag, es  möchte  dem  Reiter  vom  Quartierstande  die  Hausmanns- 
kost, dem  Pferde  die  Fourage  gereicht,  der  Betrag  dafür  aber  auf 
die  Quatembersteuern  kompensiert  und  sodann  den  Regimentern 
zugerechnet  werden.  Allein  die  Landstände  zeigten  sich  nicht  ge- 
neigt, darauf  einzugehen. 

'*)  Es  konnte  nicht  ausbleiben,  dass  der  sogenannte  „gute 
Wille"  zu  Erpressungen  und  anderen  Missbräuchen  führte.  I)ie  hi 
Folge  dessen  gegen  die  Forderung  des  „guten  Willens"  vielfach  er- 
hobenen Beschwerden  gaben  Anlass,  dass  wiederholt  Befehle  er- 
gingen, welche  streng  untersagten,  etwas  aus  „gutem  Willen"  zu  for- 
dern oder  zu  geben.  Da  jedoch  der  Reiter  und  sein  Pferd  ihren 
Lebensunterhalt  finden  mussten  und  kein  Geld  erhielten,  densellien 
zu  bestreiten,  so  blieben  diese  Anordnungen  ziemlich  fruchtlos. 

")  Bereits  im  Jahre  1G94  war  über  die  von  den  Landständen 
liewilligten  Milizgelder  zur  Verptiegung    der   damals    in   ('ampagne 


31g  A.  von  Minckwitz: 

Den  Geklwerth    einer    in   natura    zu   liefernden  Ver- 
pflegungsportion   veranschlagte    man   zu    4  Thlr.    19  Gr. 
10  Pf.  monatlicli  nacli  folgenden  Ansätzen: 
3  Thlr.  —  Gr.  —  Pf  für  3  Scheffel  Hafer, 

—  „      19     „       2    „     für  2  Ctr.  40  Pfd.  Heu, 

—  ^        4     ,,     —    „     für  8  Bund  Stroh, 

—  „      20     „       8    „     für  30  Portionen   Brod,  jede  zu 

IV.  Pfund 


4  Thlr.  19  Gr.  10  Pf.  '') 

Die  Einführung  der  Naturalverpflegung ,_  welche 
ausserhalb  der  ständischen  Verwilligung  für  die  Miliz- 
bedtirfnisse  stattgefunden  hatte,  gab  Jahre  hindurch  An- 
lass  zu  den  unerquicklichsten  Diflerenzen  zwischen  den 
Ständen  des  Landes  und  der  Regierung,'^)  denn  es  folg- 
ten sicli  nun  Verordnungen  der  Regierung  wegen  Leistung 
der  Naturalverpflegung,  Einsprüche  gegen  dieselben 
seitens  der  Stände,  darauf  Gegenverordnungen  und  dann 
wieder,  um  nur  die  augenblickliche  Verlegenheit  zu  heben, 
Interimsverordnungen  in  ununterbrochener  Reihe,  und 
die  Verpflegungseinrichtungen  sahen  sich  daher  in  jener 
Zeit  den  verschiedensten  Modifikationen  unterworfen. 

So   wurde   durch   den   Landtagsabschied   vom   Jahre 


marschierenden  Regimenter  ein  baarer  Geldbetrag  begehrt  worden. 
Doch  -war  man  damals  noch  nicht  darüber  hinausgegangen,  von  den 
Quartierständen,  statt  der  wirklichen  Leistung  des  Quartieres  und 
des  Services,  für  die  ausserhalb  Landes  befindlichen  Truppen  den 
Betrag  dafür  in  Geld,  daher  mit  26  Groschen  für  jede  dergleichen 
Portion  zu  verlangen. 

'»)  Unter  der  Voraussetzung,  dass  dem  Reiter  baare  Bezahlung 
zu  Theil  würde,  und  trotzdem,  dass  der  Erfahrung  gemäss,  die  that- 
sächlichen  Verhältnisse  dieser  Voraussetzung  widersprachen,  hielt 
man  beim  Geheimen  Kriegsrathscollegio  au  dem  Grundsatze  fest, 
dass  der  Reiter  sich  selbst  und  sein  Pferd  zu  verpflegen  habe.  Min- 
destens besagt  eine  aus  dem  Jahre  1700  herrührende  Denkschrift, 
dass,  wenn  man  eine  Verpfleguugsportion  zu  4  Thlr.  19  Gr.  10  Pf. 
ansetzen  wolle,  so  müsse  dem  Reiter  auf  einen  Monat  mehr  abge- 
zogen werden,  als  sein  Tractament  an  4  Thlr.  16  Gr.  betrage.  Die 
Naturalverpflegung  könne  daher  einem  Reiter  höher  nicht  ange- 
schlagen werden,  als  zu  2  Tblr.  16  Gr. 

'5)  Erschwert  wurden  die  Verpflegungsverhältnisse  durch  den 
fortdauernden  Wechsel  in  der  Stärke  der  zu  verquarticrenden 
Truppen.  Bald  standen  während  der  Dauer  des  nordischen  Krieges 
und  des  Kampfes  um  die  polnische  Krone,  also  von  1699—1717, 
sämmtliche  Truppen  im  Lande,  bald  nur  einzelne  Regimenter  oder 
Abtheilungen  derselben,  und  Jahre  lang  waren  selbst  fremde  Truppen 
zu  verquartieren,  wie  die  Dänen  und  Moskowiter  als  Verbündete 
oder  die  Schweden  als  Feinde. 


Die  wirthschaftlichen  Einrichtungen  der  sächsischen  Kavallerie.    319 

1700  von  der  Regierung  im  Prinzipe  zugestanden,  dass 
die  Natural  Verpflegung-  nicht  mehr  verlangt  werden  und 
die  Ausgabe  für  dieselbe  durch  die  Quatember-  und 
Pfennigsteuer  mit  übertragen  werden  solle.  Die  auf 
Grundlage  dieser  Zusage  gefertigte  Einquartierungs- 
repartition  erfolgte  daher  unter  Wegfall  der  Naturalver- 
pflegungsportioneu  für  Mann  und  Pferd. '  ^) 

Bereits  im  November  1701  forderte  man  jedoch  ad 
interim  vom  Lande  wieder  die  Lieferung  der  Fourage 
in  natura,  wogegen  ein  auf  die  Milizpfennige  und  Qua- 
tember zu  kompensierender  Betrag  von  1  Thlr.  2  Gr.  pro 
Ration  vergütet  werden  sollte. 

Die  Kosten  für  den  Unterhalt  des  Reiters  mit  seinem 
Pferde  stiegen  hierdurch  auf  5  Thlr.  18  Gr.,  indem  nun- 
mehr die  Ration  mit  1  Thlr.  2  Gr.  hinzutrat,  ohne  dass 
man  das  Tractament  des  Reiters  an  4  Thlr.  IG  Gr.  be- 
schränkte, welches  damals  in  folgender  Weise  einge- 
theilt  war: 

zur  Leibesmontierung, 

zur  Beimontierung, 

zur  Pferdekasse, 

zu  den  Regimentsunkosten 

Beckengeld, 

luvalidengeld, 

dem  Quartiersmanne  für  die  ?Iaus- 

mannslvost, 
baar. 
4  Thlr.  16  Gr.  —  Pf. 

Als  sodann  im  Jahre  1704  die  Kavallerie  in  Städten 
und  grossen  Dörfern  zusammengezogen  wurde,  hatte  der 
Reiter  sich  selbst  zu  verpflegen,  der  Landmann  jedoch 
die  Fourage,  gegen  Entschädigung  von  1  Thlr.  16  Gr. 
für  die  Ration,  den  Fourage -Einnehmern  oder  den  Ma- 
gazinen zuzuführen.  ") 

Allein  auch  diese  Einrichtung  hatte  keinen  Bestand, 
denn  bald  delogierte  man  die  Kavallerie  wieder  aufs 
Land,  und  Inhalts  der  Ordonnanz  vom  7.  September  1714 


18 

Gr. 

Pf. 

14 

8 
7 
1 

2 
6 

T) 

— 

n 

1  Thlr. 

V 

n 
11 

4 

1     « 

7 

n 

8 

11 

'")  Der  Statthalter  Fürst  Fürsteiiberg  verbat  sich  durch  aus- 
drückliche Registratur,  dass  ihm  jemals  das  Wort  Verpflegungs- 
portiou  wieder  vor  Augen  gebracht  würde. 

")  Zu  jener  Zeit  kam  auch  die  Erbauung  von  Kasernen  in 
Rede,  doch  gestattete  der  Geldmangel  nicht,  diesen  Gedanken  zu 
verfolgen. 


320  -^-  ^^"  Minckwitz: 

war  dem  Qaartierstande  die  Verpflichtung  auferlegt,  die 
Fourage  zum  Unterlialte  des  Dienstpferdes  in  natura  zu 
reichen,  während  der  Reiter  für  seine  Person  nichts  zu 
fordern  liaben  sollte ;,  als  Obdach,  Lagerstätte  und  Stal- 
lung. *^)  Auch  kam  das  sogenannte  kleine  Service  an 
Pfeffer,  Salz  und  P^ssig  damals  gänzlich  in  Wegfall.  _ 

Erst  im  Jahre  1717,  als  nach  Beendigung  des  zweiten 
nordischen  Krieges  bis  auf  1200  Mann  sämmtliche  Truppen 
aus  Polen  in  die  Heimat  zurückkehrten  und  zugleich  einer 
starken  Reduktion  unterworfen  wurden,  traten  auch  hin- 
sichtlich der  wirthschaftlichen  Angelegenheiten  klarere  und 
fester  gegi'ündete  Bestimmungen  ins  Leben. 

Was    die  Tractamentsverhähnisse   betrifft,    so  wurde 
unter  Verminderung  der  bisherigen  Abzüge,   sowie  unter 
Wegfall    des    Beitrages  zur  Pferdegelderkasse,    nachdem 
die    Generalkriegskasse    die    Ausgabe    für    die    Remonte 
übernommen  hatte,  das  Tractament  des  Reiters  mit  3  Thlr. 
22  Gr.  angesetzt  und  folgendermassen  berechnet: 
14  Gr.  zur  Leibesmontur, 
10     „     zur  Beimontierung, 
4     ^,     Kopfgeld, 
4     „     zum  Hufschlag, 
1     „     zum  Feld- (Medicin-) Kasten, 
1     „     zur  Livalidenkasse, 
2  Thlr.  —     „     baar  zur  Löhnung, 
12     „     Brotgeld. 


3  Thlr.  22  Gr. 
Dieses  Tractament  sollte  der  Reiter,  Inhalts  der  im 
Jahre  1717  an  die  Stände  erlassenen  Propositionen,  aus  der 
Generalkriegskasse  empfangen,  wogegen  k.  Majestät,  wie 
es  in  der  Proposition  heisst,  zu  Dero  getreuen  Unterthanen 
des  Vertrauens  lebe,  es  würden  selbige  sich  willig  finden 
lassen,  die  Fourage  imentgeltlich  vom  Lande  zu  liefern, 
während  es  im  übrigen  bei  den  Bestimmungen  der  am 
7.   September    1714   erlassenen    Ordonnanz    bewende    und 


'«)  Wie  wenig  aber  allen  getroffenen  Vereinbarungen  über- 
baupt  Folo-e  mag  gegeben  worden  sein ,  erbellt  aus  einem  Vorgang 
im  i\lonat""Oktober  1715.  Als  damals  nämlich  die  Chevaliers-Garde 
aus  Polen  nach  Sachsen  zurückkehrte  und  zu  deren  Unterhalt  bei 
der  Generalkriegskasse  keine  Mittel  vorhanden  waren,  wurde  an- 
l)efohlen,  zunächst  für  einige  Monate,  2198  Rationen  ins  Land  zu 
repartieren,  für  jede  Ration  monatlich  4  Thlr.  ni  baarem  Gelde 
aufzubringen  und  von  diesem  Betrage  die  Chevahers- Garde  mit 
Tractament,  Quartiergeld  und  Fourage  zu  versorgen. 


Die  wiithsibaftlichen  Einrichtnugen  der  sächsischen  Kavallerie.    321 

tleiunacli  der  Reiter  vom  Quartierstaude  nichts  zu  fordern 
habe,  als  Obdach,  Lagerstätte  und  Stallung. 

Bereits  im  Juni  1717  wurde  jedoch  dem  Landmann 
hierüber  auferlegt,  dem  einquartierten  Reiter  täglich  2  Gr. 
für  die  Mundportion  zu  gewähren,  gegen  Kompensation 
von  30  Gr.  im  Monat  an  Steuern  und  Abgaben.  ^^) 

Allein  in  Wirklichkeit  gestalteten  sich  die  Verhält- 
nisse derart,  dass  der  Betrag  der  erwähnten  2  Gr.  täglich 
oder  2  Thlr.  12  Gr.  monatlich  zur  Generalkriegskasse 
gezogen  und  dem  Reiter  davon  gereicht  wurden :  8  Gr. 
Zuschuss  zur  Beimontierung,  namentlich  zur  Anschaffung 
derjenigen  Beiniontierungsstücke  an  Hemden,  Hosen, 
Schuhen  etc.,  welche  der  Mann  verdiente,  4  Gr.  zum 
Hufbeschlag  und  2  Thlr.  baar  zur  Löhnung,  Avährend  die 
Generalkriegskasse  die  übrigen  Gebührnisse  emschliess- 
lich  der  12  Gr.  Brotgeld  aus  den  zum  Unterhalte  der 
Truppen  im  Allgemeinen  bewilligten  Fonds  zu  gewähren 
hatte. 

An  Fourage  war  vom  Landmann  auf  jede  Ration 
zu  liefern:       täglich       6  Pfd.  Hafer, 

8  Pfd.  Heu, 
„  2  Metzen  Heckerling, 

wöchentlich   1  Bund  Stroh.  ^") 

Im  Jahre  1730  erfolgte  sodann,  unter  Wegfall  des 
bisher  gewährten  Beimontierungszuschusses  von  8  Gr., 
eine  Erhöhung  des  Ansatzes  für  die  Beimontierung  von 
10  auf  20  Gr.  und  war  hiervon  nunmehr  auch  die  soge- 
nannte kleine  Buimontierung  an  den  Bekleidungsstücken, 
welche  in  das  Eigenthum  des  Mannes  übergingen,  zu 
bestreiten.  "■' ') 

Nach  dem  Regierungsantritte  des  Kurfürsten  Friedrich 


")  Im  ganzen  waren  für  die  Kavallerie  458.3  volle  Verpflegnngs- 
portionen,  an  Muudportioii  und  Ration,  zu  repartieren  und  da  das 
platte  Land  an  Amts-  und  Kittergutsdorfsch alten,  der  damaligen 
Aufstellung  der  Steuerkataster  gemäss,  48G0  148  Steuerschocke  zu 
tragen   hatte,  so  entfielen  1060  Schocke  auf  eine  Verpfleirungsportion. 

^'')  Für  Rationen,  welche  der  Einquartierte  nicht  in  loco  zu 
geniessen  hatte,  ingleichen  für  Rationen  auf  vacante  Pferde  war 
monatlich  3  Thlr.  in  Geld  zu  entrichten. 

*')  Ausser  diesen  Bekleidungsgegenständen  ,  welche  der  Mann 
verdiente,  war  von  den  zur  iJeimontierung  ausgeworfenen  'JO  Gr. 
der  zur  guten  Wirthschaft  des  Rittmeisters  gestellte  Unterhalt,  so- 
wie die  Erneuerung  der  sämmtlichen  Lederwerks-  und  Pferde- 
Equipagestücke  zu  bestreiten. 

Neues  Archiv  f.  S.  (i.  u.  A.  11.  .1.  2] 


322  A-  von  Minckwitz: 

August  II.,  als  ein  grosser  Tlieil  der  Truppen  nach  Polen 
marschierte,  forderte  man  von  den  Quartierständen  die 
auf  dieselben  repartierten  Portionen  und  Rationen  in 
Geld,  und  auf  die  deshalb  erneuten  Gravamina  der  Land- 
stände antwortete  die  Regierung,  dass,  wenn  die  Natural- 
verpflegung  oder  deren  Bezahlung  cessieren  solle,  die 
Landstände  sich  nicht  würden  entbrechen  können,  statt 
dessen  ein  zureichendes  Aequivalent  unumgänglich  zu  be- 
willigen. 

In  Folge  dessen  verblieb  es  damals  bei  der  bisherigen 
Einrichtuno;. 

Nachdem  jedoch  bereits  zu  verschiedenen  Malen  der 
Antrag  geschehen  war,  die  Kavallerie  der  Disziplin  und 
besseren  Ausbildung  der  Truppe  wegen  vom  Lande  in 
die  grossen  Dörfer  und  kleineren  Städte  in  engere  Quar- 
tiere zu  legen,  wurde  dies  im  Jahre  1744,  laut  des  Ka- 
valleriedelogierungsreglements vom  9.  Mai  1744,  in 
Angriff  genommen  und  mit  dem  1.  März  1748  vollständig 
zur  Ausführung  gebracht. 

Die  Quartierstände,  auf  welche  die  Kavallerieregi- 
menter repartiert  waren,  hatten  seitdem  für  jede  volle 
Verpflegungsportion  täglich  7  Gr.  in  baarem  Gelde  ein- 
zubringen, ^^)  ein  Satz,  der  später  auf  6  Gr.  6  Pf.  er- 
mässigt  wurde. 

Inhalts  der  im  neuen  Wirthschaftsreglement  von 
1743  angeordneten  Rechnungsaufstellung  waren  in  Zu- 
kunft die  Gebührnisse  des  Mannes  etatsmässig,  statt  in 
der  bisher  gebräuchlichen  Form  von  Tractamentsabzügen, 
in  Ansatz  zu  bringen.  Wiederholt  findet  sich  diese  Be- 
stimmung in  dem  Wirthschaftsreglement  von  1754,  wel- 
chem überhaupt  das  Reglement  von  1743  meistentheils 
zu  Grunde  lag. 

Der  Aufwand  für  den  Unterhalt  eines  gemeinen 
Reiters  und  seines  Pferdes  belief  sich  nunmehr  in  der 
Mitte  des  vorig-en  Jahrhunderts  auf  monatlich  9  Thlr. 
7  Gr.,  ein  Betrag,  welcher  im  wesentlichen  bis  zum  Jahre 
1810  unverändert  geblieben  ist- 

Hiervon  entfielen  auf  den  Unterhalt  des  Reiters 
4  Thlr.  8  Gr.,  nämlich: 


^'^)  Diese  7  Groschen  wurden  folgenclergestalt  berechnet: 
2  Gr.  für  die  Mundportion,  3  Gr.  für  die  Ration,  1  Gr.  Quartiorgeld, 
1  Gr.  für  die  Anfuhr  der  Fourage. 


Die  wirthschaftlirhcn  Eimichtnntren  der  sächsischen  Kavallerie.    323 

2  Tlilr.  —  Gr.  Löhnung', 

12  „  Brotgeld, 

4  „  für  den  Hufsclilag-.     Ferner: 
14  „  zur  Leibesmontierung, 
20  „  zur  Beimontierung, 
4  „  Kopfgeld, 
1  „  Medikamentengeld, 
1  „  Invalidengeld. 


4  Thlr.     8  Gr 


8  Gr.  rechnete   man   auf  jedes  Pferd   zum    Re- 
monte-Ersatz. 
4  Thlr.  —     „     wurden    für    jede    Ration    gewährt    und 
iiatte     gegen    Zahlung     dieses    Fourage- 
geldes   der   Rittmeister   für   die  Ausfütte- 
rung   der    Dienstpferde    bei   seiner  Kom- 
pagnie Sorge  zu  tragen. 
15     „     Quartiergeld. 
9   Thlr.    7  Gr. 

Nach  dem  Hubertusburger  Frieden  bewendete  es 
zwar  hinsichthch  der  Kavallerieverpflegung  bei  der  Re- 
partition  der  Portionen  und  Rationen  auf  das  Land,  allein 
an  die  Stelle  des  bisher  angelegten  vollen  Schockfusses 
trat  der  Fuss  der  bei  der  Steuer  gangbaren  Schocke. 

Inhalts  der  Verordnung  vom  1.  Dezember  17G3 
waren  6000  Portionen  und  Rationen,  jede  täglich  zu 
6  Gr.  6  Pf.  berechnet,  aufzubringen  und  der  Betrag  in 
der  Höhe  einer  Pauschalsumme  von  600000  Thlrn.  jälir- 
licli  zur  Generalkriegskasse  abzuführen.^'') 

In  der  nämlichen  Zeit  wurde  eine  Kommission  nieder- 
gesetzt, um  Ersparnisse  im  Militärhaushalte  herbeizuführen, 

")  680  gangbare  Steuer  schocke  wurden  auf  eine  Portion  und 
Ration  gerechnet  und  entfielen  daher  .S'/^  Pf.  auf  jedes  gangbare 
Schock.  Diese  Steuer  für  die  Kavallerieverpttegungsgelderi  welche 
sich  niemals  in  die  ständische  Landesbewilligung  aufgenommen  findet, 
hat  bestanden,  bis  durch  die  Verfassung  von  18.30  die  sämmtlichen 
Steuer-  und  Abgabenverhältnisse  eine  vollständig  veränderte  Ein- 
richtung erliielten  (Weisse,  Staatsrecht  II,  212).  Allein  nocli  lieu- 
tigen  Tages  sind,  inlialts  des  Grundsteuergesetzes  vom  9.  September 
1843,  die  Kavallerieverptlegungsgelder  mit  dem  ausdrücklichen 
Zusätze  „Portions-  und  Kationsgelder"  in  die  Grundsteuer  mit  ein- 
gerechnet, ein  Verhältnis,  welches  noch  auf  dem  Landtage  von  1878, 
aus  Anlass  der  Einführung  der  Einkommensteuer  und  des  Grnnd- 
steuerpräcipnums  aufs  neue  zur  Sprache  gekommen  ist.  (Landtags- 
akten und  Neue  Reichszeitung  Jahrgang  1878,  Nr.  87,  88,  100,  101, 
Aufsatz  über  das  (Tnuidsteucrpräzipunni.) 

21* 


324  A.  von  Minckwitz. 

und  durch  die  sogenannten  Decisionen  vom  20.  September 
1770  genehmigte  der  Kurfürst  die  von  derselben  getlianen 
Vorschläge. 

Unter  anderm  sollte  das  Beiraontierungsgeld  von 
20  Gr.  auf  18  Gr.  und  das  Fouragegeld  von  4  Thalern  auf 
3  Tlilr.   12  Gr.  für  die  Ration   herabgesetzt  werden. 

Die  Generalinspecteurs  der  Kavallerie  erklärten 
jedoch  im  Namen  sämmtlicher  Regimenter,  dass  bei  diesen 
Ansätzen  die  Rittmeister  nicht  zu  bestehen  vermöchten. 
Dieselben  bäten  daher,  sie  von  der  AA'^irthschaftsführung 
bei  den  Kompagnien  zu  entbinden  und  solche  auf  Rech- 
nung der  Generalkriegskasse  zu  übernehmen.^*) 

Allein  diesem  Vorschlage  trat  das  Geheime  Kriegs- 
rathskoUegium  entgegen,  namentlich  weil  dasselbe  Be- 
denken trug,  in  das  umfängliche  Reclmungswerk  ein- 
zutreten, ohne  welches  gedachte  Veränderung  nicht  durch- 
zuführen sein  würde. 

In  Berücksichtigung  dieses  Gutachtens  befahl  der 
Kurfürst,  unter  Aufliebung  der  Decisionen  vom  20.  Sep- 
tember 1770,  die  Ansätze  wieder  einzuführen,  wie  solche, 
festgestellt  durch  die  Wirthschaftsreglements  von  1743 
und  1754,  seither  bestanden  hatten,  und  es  führten  daher 
die  Rittmeister  auch  ferner  die  Wirthschaft  auf  Gewinn 
und  Verlust  bei  den  Kompagnien  fort. 

Ohne  Zweifel  war  diese  Einrichtung  eine  nicht  nur 
an  und  für  sich  verfehlte,  sondern  auch,  weil  zum  Miss- 
brauche verleitend,  eine  der  Offiziere  unwürdige. 

Allein  der  nachtheilio'e  Einfluss  derselben  auf  den 
Zustand  der  Truppe  ist  in  verschiedenen  neueren,  die 
sächsische  Krieg-so-eschichte  betreffenden  Werken  vielfach 
zu  grell  dargestellt  und  der  finanzielle  Gewinn,  welcher 
den  Capitains  aus  der  Bewirthschaftung  ihrer  Kompagnien 
erwuchs,  jedenfalls  zu  hoch  gegriffen  worden,  namentlich 
in  bezug  auf  die  Kavallerie,  wo  die  Haupteinnahmequelle, 
der  Beurlaubungsgenuss,  nur  in  beschränktester  Weise  in 
Betracht  kam. 


^*)  Als  im  Jahre  1777  auf  Antrag  des  Obristeii  Grafen  Belle- 
garde bei  der  Garde  du  corps  die  Wirthschaftsführuiig  unter  seiner 
Direktion  auf  Rechnung  der  Generalkriegskasse  übernommen  wurde, 
erkundigten  sich  mehrere  Obristen,  welche  ■  den  Wunsch  hegten, 
dieses  System  bei  ihren  Regimentern  ebenfalls  eingeführt  zu  sehen, 
nach  den  Details  der  neuen  Einrichtung.  Graf  Bellegarde  war  jedoch 
selbst  der  Meinung,  dass  dieselbe  nur  bei  einem  Regimente  durch- 
führbar sei,  welches,  gleich  der  Garde  du  corps,  in  einer  Garnison 
beisammen  stehe. 


Die  wirtlischaftliclieii  Kinriclituiigcii  der  sächsischen  Kavallerie.  325 

Genertiladjutant  Obrist  von  Posern,  auf  seine  Pflicht 
deshalb  befragt,  bezifferte  das  Einkommen  eines  Kom- 
pagniekommandanten bei  der  Kavallerie  an  Tractament 
sammt  allen  sonstigen  Emolumenten  und  Zugängen  auf 
circa  1200  Thlr.,  eine  Summe,  welche  allerdings  zu  jener 
Zeit  einen  bedeutend  höheren  Werth  repräsentierte  als 
heutigen  Tages. 

Ein  einfaches  Rechenexempel  ergiebt,  dass  ein  Meh- 
reres  zu  erübrigen  schwer  möglich  war. 

Der  Rittmeister  bezog  an  Tractament  und  Quartier- 
geld jährlich  375  Thlr.,  sowie  den  Gebührnisgenuss  auf 
zehn,  während  der  Wintermonate  zu  beurlaubende  Leute. 
Ferner  empfing  er  zur  Wirthschaftsführung  bei  seiner 
Kompagnie : 

1.  An  Beimontierungsgeld  jährlich  770  Thlr.  18  Gr. 
9  Pf.^*)  Hiervon  hatte  er  nicht  allein  dem  Manne  die 
sogenannte  kleine  Beimontierung  an  Bekleidungsstücken, 
welche  derselbe  verdiente,  zu  reichen,  sondern  auch  die 
gesammten  Leder werks-  und  Pferde -Equipagestücken, 
mit  Ausnahme  der  aus  dem  Kleidergelderfonds  bezahlten 
Eschabracken,    zu  unterhalten  beziehentlich  zu   erneuern. 

2.  An  Gewelirreparaturgeld  jährlich  60  Tldr. 

3.  Zur  Ausfütterung  von  75  Dienstpferden,  die  Ration 
monatlich  zu  4  Thalern,  im  Jahre  3600  Thlr.^'^) 

Allein  auch  hieran  war  Erhebliches  kaum  zu  ersparen, 
denn  fast  in  keinem  Jahre  reichten  die  4  Thlr.  monatlich 
zum  Ankaufe  der  Fourage  zu,  sondern  es  mussten  noch 
genau  nach  den  Marktpreisen  berechnete  Zusciiüsse  aus 
der  Generalkiiegskasse  bewilligt  werden.^') 

Dabei  war  der  Rittmeister  dafür  verantwortlich,  dass 
die  Kompagnie  jederzeit  vollzählig,  in  kriegstüchtigem 
Zustande,  zur  Musterung  gestellt  werden  konnte^*"),  und 
Männer  von  der  Dienstkenntnis  und  Pflichttreue  Avie  die 
Generale  Benckendorff"  und  Bellegarde  werden  als  General- 
inspecteurs  entschieden  keine  offenkundigen  Missbräuche 
geduldet  haben.    Uel)rigens  befand  sirli  auch  in  der  That 


25)  Für  75  berittene  Mannschaften  monatlich  par  tete  20  Gr., 
für  ?,  unberittene  par  trte  13  Gr.  10'/*  Pf. 

*«)  Das  Fouragegeld  wurde  nur  auf  die  effektiv  vorliandenen 
Pferde  gewährt  und"  auf  jedes  vakante  Pferd  täglicli  3  Gr.  abgezogen. 

«')  Im  Jahre  1801  z.  B.  kostete  eine  Kation  8  Thlr.  (>  Gr.  6'h  Pf. 

2«)  Bei  übler  Wirthschaft  konnte  der  Kegimentskomniandant 
deren  Führung  dem  Uittmeister  abnehmen  und  einem  anderen  Oflizier 
übertragen.  Beeinträchtigungen  der  Mannschaften  bei  Gewährung 
der  ihnen   zukommenden  Gebührnisse  waren  mit  Kassation  bedroht. 


326 


A.  von  Minckwitz; 


die  Kavallerie  in  ausgezeichneter  Verfassung,  wie  General 
von  Gersdorff  in  seinem  bekannten,  die  Reorganisation  der 
Armee  im  Jahre  1810  betreffenden  Memoire  ausdrücklich 
anerkennt. 

Der  monatliche  Etat  eines  Kavallerieregiments  war  in 
der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  und  im  ersten  Jahrzehnt 
des  laufenden  Jahrhunderts  nachstehender: 

Thlr.     Gr. 

1  Obrister 73  8 

1  Obristlieutenant 49  12 

2  Majors  a  64  Thlr.  4  Gr.  ...  128  8 
1  Regimentsquartiermeister    ...  18  8 

1  Adjutant 18  8 

1  Auditeur 14  16 

1  Regimensfeldscheer 20  — 

1  Pauker 4  16 

1  Stabsfourier  (unberitten)     ...  4  14 

1  Stabsfeldscheergesell 4  14 

1  Profos  mit  Knecht  (unberitten)  .  5  2 

12  Köpfe  beim  Stabe 341     10 

Bei  acht  Kompagnien: 

Thlr.     Gr.  Thlr.  Gr. 

5  wirkliche  Rittmeister  .  ä  27     12  137  12 

3  Stabsrittraeister  ...  ä  27  12  82  12 
8  Premierlieutenants  .     .  ä  18       8  146  16 

16  Souslieutenannts      .     .  ä  16  —  256  — 

8  Wachtmeister.     ...  ä     5  6  42  — 

4  Estandartj  unker ...  a  4  18  19  — 
8  Fouriers  (unberitten)  .  a  4  2  32  16 
8  Feldsclieers(unberitten)  ä     4  14  36  16 

40  Korporals ä  4  6  170  — 

8  Trompeter a  4  16  37  8 

8  Schmiede  (unberitten),  ä  2  12  20  — 

540  Gemeine ä  2  16  1440  — 

656  Köpfe 242Ö  8~ 

Auf  dem  Feldetat  traten  hinzu: 

1  Feldprediger, 

1  Stabstrompeter, 

4  Eskadronssattler, 

1  Wagenmeister, 

1  Proviantknecht  beim  Stabe, 
16  Proviant-  und  Packsattel- 
knechte bei  den  Kompagnien. 


Die  wirthschaftlicbon  Eiiiriclituugen  iler  säclisischen  Kavallerie.  327 

Der  Unterlialt  eines  solchen  Regiments  erforderte  in 
Friedenszeit,  nach  Wiederaufhebung'  der  Decisionen  vom 
20.  September  1770,  einen  Betrag  von  monatlich  6555  Thlrn. 
4  Gr.  3^|4  Pf.  nach  folgenden  Ansätzen: 

945  Thlr.    4  Gr.  -  Pf.  Tractament  der  Offiziere, 
1816      r     14    „    —    „    Löhnung    der    Unteroffi- 
ziere und  Gemeinen, 
116      „     17     „      3    „    Quartiergeld  der  Offiziere, 
401      „     12    „    —    „    Quartiergcld.       für       die 

Mannschaften  und  die 
Wachtlokale, 
516      ,.     10    ,,    ^ji    r    Beimontierungsgeld, 
26      „       4    „    —    „    Medikameutengeld,  1  Gr. 

auf  den  Kopf, 
25      »        1     „    —    „    Rosskurengeld,  1  Gr.  für 

jedes  Pferd, 
39      ,5       9    „    —    „    Gewehrreparaturgeld, 

1  „     —     „    —    „    Unterhalt  der  Trompeten, 
4      „     12    „    —    „    Unterhalt    der    Proviant- 
wagen, 

2  5,     —    „    —    „    Unterhalt  der  Packsättel, 
52      „       8    „    —    „    Regimentsunkosteu, 

204      „       9    „    —    „    Remontegeldcr, 
2404      „     —    „    —    „    Fouragegelder,     4    Thlr. 

monatlich  für  die  Ration 
gerechnet. 

6555  Thlr.    4  Gr.  3 ^/TPf.  monatlich,  daher  jährlich 

78662Thlr.  3Gr.  9Pf., 

ungerechnet  die  Kleidergelder,  welche  bis  zum  Heran- 
nahen des  Montierungstermines  bei  der  Generalkriegs- 
kasse inne  behalten  wurden,  und  der  Invalidenversorgung. 
Als  Erläuterung  zu  dem  vorstehenden  Etat  ist  zu 
bemerken: 

1.  Die  Löhnung  des  gemeinen  Reiters  betrug  ein- 
schliesslich des  Hufsclilages  (4  Gr.)  und  des  Brotgeldes 
(12  Gr.)  2  Thlr.  16  Gr.  Seit  den  letzten  Jahren  des 
18.  Jahrhunderts  wurde  jedoch  ein  Löhuungszuscbuss  von 
12  Gr.  monatlich  gewährt. 

2.  Auf  einen  berittenen  Mann,  Unteroffizier  wie  Ge- 
meinen, wurden  15  Gr.,  auf  einen  unberittenen  Mann 
8  Gr.,  auf  eine  Wachtstube  1  Thlr.  21  Gr.  Quartiergcld 
gerechnet. 

3.  Das  Beimontierungsgeld    betrug  20  Gr.  auf  einen 


328  -^-  ^'on  Minckwitz: 

berittenen    Mann,    Unteroffizier    wie    Gemeinen,    13    Gr. 
10^4  Pf.  tiuf  einen  unberittenen  Mann. 

4.  Das  nur  für  die  Gemeinen  ausgeworfene  Gewelir- 
reparaturgeld  betrug  für  den  Kopf  1  Gr.  9  Pf. 

Für  die  aus  dem  Hauptzeughause  gelieferten  Waffen 
selbst  hatten  die  Rittmeister  eine  AViderlage  bei  der 
Generalkriegskasse  zu  deponieren,  welche  ihnen  von  ihren 
Nachfolgern   im   Kompagniekommando    zu    ersetzen    war. 

5.  Das  Fixum  für  die  Regimentsunkosten  war  an 
Stelle  des  Kopfgeldes  getreten.  Dasselbe  betrug  im  Jahre 
1763:  58  Thlr.  (1  Tlilr.  auf  10  Köpfe),  seit  1772  2  Gr. 
für  jeden  Kopf. 

6.  An  Remontegeld  wurden  für  jedes  Unteroffiziers- 
pferd 15  Gr.,  für  jedes  Pferd  eines  gemeinen  Reiters 
7  Gr.  6  Pf.  monatlich  gerechnet,  und  ausserdem  floss  zur 
Remontckasse  der  Ertrag  aus  dem  Verkaufe  der  aus- 
gemusterten Pferde. 

Im  Jahre  1778  übernahm  die  Generalkriegskasse  die 
bisher  von  dem  Kompagniekommandanten  geführte  Re- 
montewirthschaft. 

7.  Die  Offiziere  erhielten  bis  zum  Jahre  1810  keine 
Rationen,  doch  wurden  ihnen  in  besonders  theuren  Zeiten 
Erleichterungen  bei  Anschaffung  der  Fourage  geAvährt. 

8.  Zu  der  von  den  Kleidergeldern  anzuschaffenden 
Leibesmontierung  gehörten:  das  Kollet  und  das  Cheraiset, 
der  Hut,  der  Mantel,  die  Strümpfe,  der  Kittel. ^^)  Hier- 
über war  von  den  Kleidergeldern  die  Ausgabe  für  die 
E Schabracken  zu  übertragen. 

Die  kommissarischen  Auswürfe  der  Kleidergelder 
unterlao;en  verschiedenen  Aenderunoen.  Im  Jahre  1778  be- 
trugen  dieselben  monatlich  9  Gr.  für  den  Kopf,  im  Jahre 
demnach  für  das  Regiment  3118  Thlr.  12  Gr.  Bei  den 
fortdauernd  steigenden  Tuchpreisen  war  jedoch  das  Be- 
dürfnis damit  nicht  zu  bestreiten  und  machten  sich  daher 
jederzeit  Zuschüsse  erforderlich. 

Die  Sorge  für  die  Anschafiimg  der  Leibesmontierung 
lag,  unter  Verantwortlichkeit  des  Regimentskommandanten, 
in  der  Regel  dem  Regimentsquartiermeister  ob. 

Die  Montierungsperiode  für  Kollet  und  Chemiset  war 


*')  Die  übrigen  Leibesbekleidungsstücke  wurden  von  den  Bei- 
raontierungsgeldern  angeschafft  und,  uacli  kürzerer  oder  längerer 
Frist,  vom  Manne  verdient.  Nur  die  steifen  Stiefel  und  die  Stulpen- 
handschuhe  zählte  man  den  zu  des  Capitains  guter  Wirthscbaft  ge- 
stellten Lederwerksstücken  bei. 


Die  wirtliscliaftlichen  Eiiiriclitnngcn  der  sächsischen  Kavallerie.   329 

dreijälirig';  d'-r  Plut,  die  Strümpfe  und  der  Kittel  liattcn 
zweijälirio-C;,  der  Mantel,  sowie  die  Escliabracke  sechs- 
jährige Haltefrist. 

".(.  Auf  dem  Feldetat  stiegen  die  Kosten  zum  Unter- 
halt eines  Kavallerieregiments  auf  monatlich  8474  Thlr. 
21  Gr.  4  Vi  Pf.,  indem  die  Mobilmachungsbedürfnisse  samrat 
dem  Feldzuscliuss  191'J  Thlr.  17  Gr.  7^  Ft-  betrugen. 


Bei  Gelegenheit  der  Reorganisation  der  Armee  im 
Jahre  1810  sahen  sich  auch  die  wirtlisc.haftlichen  Verhält- 
nisse einer  vollkommenen  Umgestaltung  unterworfen. 

Auch  die  Führung  der  Wirthschaft  bei  den  Kom- 
pagnien durch  die  Capitains  hörte  auf  und  wurde  auf 
Rechnung   der  Generalkriegskasse   übernommen. 

Die  Leitung  der  ökonomischen  x\ngelegenheiten  der 
Armee  erhielt  ein  Generalintendant  ^"),  als  dessen  Organe 
bei  den  Regimentern  AVirthschaftskommissionen  fungierten, 
bestehend  aus:  1  Stabsoffizier,  1  Rittmeister,  1  Lieute- 
nant, 1  Wachtmeister    und  dem  Regimentsquartiermeister. 

Anfangs  verblieb  den  Regimentern  die  Sorge  für 
Anschaffung  der  Bekleidungs-  und  Ausrüstungsgegen- 
stände, von  denen  jedoch  die  Proben  der  Generalinten- 
dauz  zuvor  zur  Genehmigung  einzusenden  waren. 

Nach  der  Katastrophe  von  1813  wurden  hierauf  Wirth- 
schaftsdepots  errichtet,  aus  welchen  die  Regimenter  ihre 
Bedürfnisse  zu  beziehen  hatten. 

In  den  Jahren  1817,  1844  und  1867  erschienen  neue 
Wirthschaftsreglements ,  welche  mannigfache  Verände- 
rungen herbeiführten. 

Die  Geschäfte  in  wirthschaftlichcn  Angelegenheiten 
bei  den  Regimentern  werden,  nachdem  dieselben  von  1822 
bis  1867  an  Stelle  der  Wirthschaftskommission  ein  Wirth- 
schaftschef  wahrzunehmen  gehabt  hatte,  seit  letztgedachtem 
Jahre  wieder  von  Konmiissionen,  einer  Kassen-  und  einer 
Bekleidungskommissiou,  versehen. 


*")  Zunächst  übernahm  die  Funktion  in   besonderem  Auttrage 
der  Chef  des  Generalstabes,  General  von  Gersdorff. 


Literatur. 


Mclas  Storch,  der  Anfäuger  der  Zwickauer  Wiedertäufer.    Ein 

Lebensbild  aus  dem  Reformationszeitalter  auf  Grund  der  in  der 
König],  öffentl.  Bibliothek  [zu]  Dresden  wie  auf  der  Katlisbibliothek 
zu  Zwickau  vorhandenen  Nachrichten,  bearbeitet  von  Richard 
Bachmann.     Zwickau,  Altner.    1880.    8«.    35  S. 

Seitdem  Seidemann  im  Sächsischen  Kirchen-  und 
Schulbhitt,  Jahrgang  1872,  No.  22,  23  und  26  das  Leben 
Nicolaus  Storchs  kurz  behandelt  und  mit  der  diesem 
Forscher  eigenen  Gründlichkeit  die  Literatur  zusammen- 
gestellt hatte,  lag  das  Material  bereit  zu  einer  eingehenden 
Monographie  über  einen  Mann,  der  durch  die  Verbindung 
der  christlichen  und  socialen  Ideen  gerade  in  unseren 
Tagen  ein  erhöhtes  Interesse  in  Anspruch  nimmt.  Vor- 
liegendes Schriftcheu  giebt  nun  eine  Lebensbeschreibung 
des  Zwickauer  Propheten,  und  der  Titel  spannt  unsere 
Erwartungen  um  so  höher,  als  er  unbekannte  handschrift- 
liche Nachrichten  in  Aussicht  stellt.  Freilich  entspricht 
das  Buch  den  Erwartungen,  mit  denen  man  an  dasselbe 
herantritt,  nur  in  geringem  Grade.  Verfasser  scheint 
jene  Artikel  Seidemanns  nicht  gekannt  zu  haben  und  hat 
die  dort  citierten  zahlreichen  Quellen  unbenutzt  gelassen, 
vor  allem  das  reizende  Büchlein  Marcus  Wagners:  „Ein- 
feltiger  Bericht :  Wie  durch  Nicolaum  Storeken  die  Auff- 
rulu-  in  Thüringen,  vnd  vmbliegenden  lievir,  angefangen 
sey  worden  u.  s.  w.  Getruckt  zu  Erffnrdt  durch  Zachariam 
Zimmerum,  Wonhafftig  zum  gülden  Stern,  auff  der  langen 
Brücken.  Anno  M.D.XCVII."  Es  ist  dies  eine  überaus 
wichtige  Quelle.  Wagner  berichtet  selbst  (Bl.  25  b),  er 
habe  bei  Augenzeugen  „mit  fleiss  allenthalben  den 
Sachen  nachgeforschet,  vnnd  nichts  vnterlassen,  das  zur 
warhafftigen  erzehluug  doss  Storeken  im  anfang  dess  auff- 
rhurs  dienlich  vnnd  beförderlich  sein  möcht".  Bachmann 
kennt  nur,  wie  es  scheint,  eine  einzige,  ziendich  Unglück- 


Literatur.  331 


lieh  verwendete  Stelle  über  die  äussere  Erscheinung  Storchs 
(S.  3.  fg-.  vergl.  "Wagner  Bl.  20  a) ,  und  doch  enthält 
das  Schriftchen  eine  grosse  Fülle  einzelner  Nachrichten 
über  die  Predigtthätigkeit  Storchs  u.  a.,  welche  zur  Ver- 
vollständigung des  Bildes  viel  hätten  beitragen  können. 
Während  so  Hauptquellen  nur  spärlich  benutzt  werden, 
stützt  sich  nicht  selten  die  Darstellung  auf  die  ziemlich 
unsichern  Chroniken  Zwickaus,  deren  Nachrichten  nur 
nach  eingehender  Kritik  verwendet  werden  können.  Von 
ungleich  höherem  Werthe  sind  die  Notizen,  die  aus  Enoch 
Widemanns  Hofer  Chronik  stammen ;  freilich  ist  auch 
diese  Quelle  nicht  genügend  ausgebeutet.  Richtig  ist  ohne 
Zweifel,  wenn  Bachmann,  dem  genannten  Gewährsmann 
folgend,  Storch  in  Zwickau  geboren  sein  lässt.  Es  hätten 
sich  dafür  noch  mehr  Zeugnisse  l^eibringen  lassen,  ausser 
anderen  auch  aus  dem  dortigen  Rathsarchiv.  Merkwürdiger 
Weise  ist  letzteres  gar  nicht  benutzt,  und  doch  werden 
in  den  Rathsprotokollen  aus  dieser  Zeit  die  „Schwirmer 
und  Wiedertäufer"  oft  genug  erwähnt.  Nicolaus  Storch 
wird  mit  Namen  genannt  in  einem  Beschluss  vom  Jahre 
1536  (Protokolle  Bl.  33  b),  wo  es  unter  der  Ueberschrift : 
Wiedertäufer  u.  s.  w.  heisst:  „Auch  soll  der  Radtli  auff 
Nikein  Storch,  der  itzo  alhie  sein  solle,  gute  achtung 
geben,  das  er  nicht  ein  anhang  kriege,  odder  aber  gar 
von  der  Stadt  geweisset  würde."  Es  entsteht  die  Frage, 
ob  diese  vermuthete  Anwesenheit  Storchs  in  seiner  Vater- 
stadt nicht  in  irgendwelchem  Zusanunenhang  steht  mit 
der  S.  14  citierten  Schrift:  „Vorlegung  etlicher  vnchrist- 
licher  Artikel,  welche  die  Wiedertäutfer  furgeben",  da 
dieselbe  in  dem  nämlichen  Jahre  in  ZAvickau  gedruckt 
ist.  Man  sieht  aus  diesen  Zeugnissen,  dnss  sich  auch 
später  noch  in  Zwickau  Wiedcj'täufer  fanden.  Referent 
fügt  noch  einige  archivalische  Notizen  zur  Geschichte 
derselben  bei.  Im  (lemeinschaftlichen  Hauptarchiv  zu 
Weimar  befindet  sich  (Reg.  N.  pag.  46.  A.  Num.  4.  9.) 
ein  Aktenstück:  „1521.  Schriften,  betr.  die  Beschwerde 
der  Geistlichkeit  und  einiger  Laien  zu  Zwickau  über  die 
bedrohlichen  Aeusscrungen  der  Menge  in  religiöser  Be- 
ziehung und  das  Gesuch  dem  in  Aussicht  stehenden  Auf- 
ruhr zuvorzukommen."  Nicolaus  Hausmann  und  sechs 
Zwickauer  Geistliche  und  Bürger  berichten  in  demselben 
über  ein  Verhör  von  sechzehn  Personen,  welche  zweifelten, 
„ab  der  glawb  der  pathen  dem  kinde  zur  taufe  hulti'licii, 
item   etzliche   vermeinten   an  der  tawtf  selig  zu   werden, 


n 


332  Literatur. 

item  etzliche  gaben  an  als  Avere  die  göttlich  scliriti't  zur 
lare  der  menschen  vncrefFtig,  allein  muste  der  mensch 
durch  den  geist  gelernet  werden"  etc.  In  dem  Visitations- 
bericht vom  Jahre  1529  (Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden, 
Loc.  10  959,  Meyssnische  Visitation)  findet  sich  ebenfalls 
ein  Bericht  über  ein  Verhör  von  Wiedertäufern ,  „die  mit 
irrigen  secten  wider  die  sacramcnt  vnd  evangelium  etc. 
in  winckeln  handeln,  zusammen  kriechen  etc.  Von  einer 
Aufstellung  einzelner  Ausstellungen  bezüglich  des  Stils 
wie  des  Inhalts  sieht  Referent  ab,  nur  darauf  möchte  er 
aufmerksam  machen,  ob  die  Charakteristik  des  Egranus 
(auf  S.  12)  nicht  einer  günstigeren  Auffassimg  des  An- 
hängers des  Erasmus  weichen  muss.  (cf.  Döllinger,  Die 
Reformation  S.  136  fi'.)  Was  das  Schriftchen  Bachmanns 
interessant  macht,  ist  der  Blick  in  die  Kulturgeschichte 
Zwickaus  und  Sachsens  im  16.  Jahrhundert.  Es  wäre 
zu  wünschen,  dass  uns  unter  genauer  Benutzung  der 
handschriftlichen  (Quellen  wie  der  von  Baclnnann  nur  in 
geringem  Grade  benutzten  reichen  Litteratur  ein  den 
wissenschaftlichen  Anforderungen  genügendes  Lebensbild 
dieser  höchst  interessanten  Persönlichkeit  gegeben  würde, 
wie  Referent  an  dieser  Stelle  den  von  Seidemann  a.  a.  O. 
geäusserten  Wunsch  Aviederholt ,  dass  auch  eine  neue 
Darstellung  Thomas  Münzers  in  Angriff  genommen  werden 
möge,  welche  das  seit  dem  Erscheinen  des  Seidemann- 
schen  Buches  publicierte  Material  zusammenfasst  und 
verarbeitet. 

Dresden-Neustadt.  Georg  Müller. 

Die  Markgrafen  vou  Meissen  und  das  Haus  AYettin  bis  zu  Konrad 
dem  Grossen.  Von  Otto  Posse.  Mit  vier  Stammtafeln  und  acht 
Karten.     Leipzig,  Giesecke  &  Devrieut.     1881.    8".    XIV,  464  SS. 

Das  obige  in  ansprechender  Ausstattung  vor  uns  liegende 
Werk  steht,  wie  der  Verfasser  im  Vorworte  selbst  bemerkt, 
im  innigsten  Zusammenhange  mit  den  von  ihm  geleiteten 
Arbeiten  für  die  Herausgabe  des  Codex  diplomaticus 
Saxoniae  regiae;  es  soll  die  Einführmig  und  die  verbin- 
denden Mittelglieder  bieten  für  die  reiclien  und  werth- 
vollen,  freilich  in  sicli  nicht  ganz  gleichartigen  Materialien 
des  ersten  Bandes  der  ersten  Hauptabtheilung,  welcher 
die  urkundlichen  Grundlagen  für  die  älteste  Geschichte  der 
Markgrafschaft  Meissen  und  der  die  Entwickelung  dieses 
Kernes  der  späteren  wettinischen  Macht  beeinflussenden 
Persönlichkeiten  hoffentlich  bald    der  allgemeinen  Avisseu- 


Literatur.  333 

scliaftliclien  Forschung-  zugäuo;licli  niaclien  wird.  Lange 
genug  sieht  man  schon  dem  Erscheinen  dieser  Fubhkation 
mit  Spannung  entgegen,  und  die  auf  sie  gerichteten  Er- 
wartungen sind  durch  die  Herausgabe  der  vorliegenden 
Einleitung  eher  erhöht  als  herabgemindert.  Zu  prüfen, 
ob  es  ökonomisch  richtig  und  vortheilhaft  war,  die  Ein- 
leitung auf  einen  derartigen  Umfang  anschwellen  zu  lassen, 
ist  nicht  unsere  Sache;  im  Gegentheil  wollen  wir  gegen 
Einwürfe  dieser  Art  zu  bedenken  geben,  dass  ein  Ge- 
lehrter, der  sich  mit  so  viel  Mühe  und  Kenntnis  wie  Liebe 
zur  Sache  in  die  Sammlung  und  Sichtung  des  an  sich 
trockenen  Quellenmateriales  hinein  gelebt  und  vertieft 
hat,  doch  gern  auch  die  Fäden  des  inneren  Zusammen- 
hanges der  neugewonnenen  Resultate  aufzunehmen  und 
zu  einem  weiteren  Kreisen  zugänglichen  und  verständ- 
lichen Bilde  zu  verweben  sucht.  Eine  angemessene  Be- 
schränkung und  Ersparnis  im  Umfange  hätte  nach 
unserem  Dafürhalten  dadurch  eintreten  können,  dass  der 
darstellende  Theil,  statt  jetzt,  erst  gleichzeitig  oder  gar 
nach  dem  Erscheinen  des  Quellenmateriales  veröffentlicht 
worden  wäre;  manches  weitschichtige  Citat  aus  den  Ur- 
kundentexten, manche  diplomatische  Auseinandersetzung 
hätte  dann  unterbleiben  und  durch  eine  einfache  Ver- 
weisung auf  das  Diplomatar  erledigt  werden  können. 
Hiergegen  ist  es  freilicli  denkbar,  dass  der  Verfasser  einem 
Theile  seines  Leserkreises  absichtlich  die  Darstellung  un- 
abhängig von  der  Quellensammlung  und  einem  steten 
Nachschlagen  in  derselben  vorführen  wollte;  denn  auf  den 
Kreis  streng  wissenschaftlich  vorgebildeter  Fachleute  konnte 
imd  durfte  er  die  Schilderung  der  Avechselvollen  Schick- 
sale eines  in  den  ältesten  wie  in  späteren  Zeiten  für  die 
gesannnte  vaterländische  Entwicklung  bedeutungsvollen 
Territoriums  nicht  ausschliesslich  berechnen.  Posse  hat  bei 
seinem  neuen  AA'erke  sicherlich  und  vornehmlich  allen  denen, 
die  durch  ihren  heutigen  Wohnsitz  und  politische  Verhältnisse 
ein  besonderes  Interesse  an  dem  engeren  Gebiete  der  alten 
Markgrafschaft  Meissen  nehmen,  Belehrung  und  eine  an- 
gemessene und  wohlfundierte  Auflvlärung  über  die  Ver- 
gangenheit der  Heimat  bringen  und  vor  allem  zeigen 
wollen,  in  welcher  Weise  die  Umwälzungen  in  der  l*oHtik 
und  Verfassung  des  Reiches  ursächlich  und  bestimmend 
auf  die  Herausbildung  des  Keimes  zu  einem  der  späteren 
deutschen  Sonderstaaten  eingewirkt  haben.  —  Wie  es  im 
Süden    und    AA^esten    Deutschlands    die    alten    Stannues- 


334  Literatur. 

lierzogtliümer  waren,  auf  die  sich  mächtigere  Theilstaaten 
aufbauten,  so  waren  es  im  Osten  die  Markgrafschaften, 
die  jenen  eine  Reihe  kräftiger  Rivalen  zur  Seite  stellten, 
aus  deren  Mitte  schliesslich  zwei,  die  der  nordöstlichen 
lind  südöstlichsten  Grenzmark  entsprossenen  Staatsorgani- 
sationen die  Vertretung  Deutschlands  in  der  europäischen 
Politik  übernahmen;  erst  die  Verwicklungen  der  beginnen- 
den Neuzeit  haben  es  gefügt,  dass  die  politischen  Bildungen, 
die  sich  auf  die  Macht  der  in  der  Mitte  der  ehemaligen 
Ostgrenze  des  Reiches  gelegenen  Mark  stützten,  nicht  das 
gleiche  Ziel  wie  jene  erreichten.  —  Daher  war  es,  wenn 
irgend,  hier  erforderlich,  die  Ereignisse  der  Territorial- 
geschichte sich  auf  dem  Hintergrunde  der  Reichsgeschichte 
abspielen  zu  lassen ;  für  die  älteren  Perioden  und  für  Theile 
der  späteren  ist  die  Reichsgeschichte  geradezu  das  einzige 
und  ausschliessliche  Band,  das  auch  nur  einen  äusser- 
lichen  Zusammenhang:  zwischen  einzelnen  uns  überlieferten 
Namen  und  Andeutungen  von  Ereignissen  zu  vermitteln 
im  Stande  ist.  Je  länger  desto  reicher  fliessen  allerdings 
die  Quellen,  die  uns  einen  selbständigen  Blick  in  das  innere 
Getriebe  der  Landesgeschichte  gestatten;  aber  in  dem  ganzen 
hier  umspannten  Zeiträume  hat  sich  das  politische  Leben 
noch  nicht  ausschliesslich  in  die  engen  Grenzen  des  Territo- 
riums zurückgezogen,  noch  fungiert  letzteres  als  lebendiges 
Glied  des  Reichsganzen,  von  ihm  Kraft  und  Bewegung 
empfangend,  ihm  Nahrung  und  Organe  spendend  So 
richtig  und  erspriesslich  also  das  Hereinziehen  der  Reichs- 
geschichte in  die  Darstellung  der  Territorialgeschichte 
und  eine  stete  Verwebung  beider  Zweige  ist,  so  können 
doch  wohl  Zweifel  über  das  erforderliche  Mass  bestehen, 
und  so  will  es  dem  Referenten  dünken,  als  wenn  der 
Verfasser  in  mehreren  Partien  seines  Werkes  in  Erörte- 
rimg der  Reichsangelegenheiten  des  Guten  zu  viel  ge- 
than  habe;  dies  Abgehen  von  einem  uns  vorschwebenden 
angemesseneren  Verhältnisse  beider  Faktoren  erschien 
vielleicht  um  so  auffälliger,  als  Posse  in  Folge  der  nothwen- 
digen  Eintheilung  seiner  Untersuchungen  und  Darstellung 
in  einzelnen  Abschnitten  wiederholt  auf  dieselben  Vor- 
gänge der  Reichsgeschichte  zu  sprechen  kommen  musste. 
Die  thatsächliche  Entwicklung  gebot  eine  natürliche 
Scheidung  des  gesamraten  Stoffes  in  vier  Hauptabschnitte: 
in  einem  ersten  Buche  war  die  Herrschaft  der  ältesten, 
verschiedenen  Familien  angehörigen  Markgrafen  und  die 
der   sogenannten    Ekkehardiner  zu    behandeln,    in    einem 


Literatur.  335 

zweiten  und  dritten   musste   das    zeitlich   kürzere  Wirken 
der  Markgrafen  aus  dem  Hause  Weiniar-Orlaniünde  und 
der  Brunonischen  Familie  erörtert  werden,  und  im  vierten 
Abschnitt    galt    es    die   Kämpfe    der    ersten   Glieder    des 
Hauses  ^^''ettin  um   die  jMarkgrafschaft  zu  schildern.     In 
solcher  Weise  zusammenfassend  sind  diese  Entwicklungs- 
stufen   bisher   noch    von    Seiten    keines  Autors   behandelt 
worden;   an  den   verschiedensten   Punkten   hat    allerdings 
schon  die  ältere  Forschung  eingesetzt,    doch  hat   sie   sich 
mit  Vorliebe    nur    der   Erörterung   einzelner   Fragen    zu- 
gewendet und  diese  mit  einem  Uebermass  von  Umständ- 
lichkeit und  Ausführliclikeit  behandelt.    So  konnte  es  keine 
leichte   Aufgabe   sein,   sich   kritisch   sichtend   durch    diese 
Literatur     hindurchzukämpfen;     die     noth wendig    gewor- 
denen   Bemühungen   haben   sich    indess    reichlich   gclolmt, 
fast  aller   Orten   hat    sich   Gelegenheit    geboten,    Berich- 
tigungen und  Vervollständigungen  in  grösserem  und  klei- 
nerem Umfange  eintreten  zu  lassen.     Wie  aber  der  Ver- 
fasser  sich    auf  der    einen    Seite   durch  Beherrschung  der 
älteren  Vorarbeiten   auf  dem    von   ihm  bebauten   Gebiete 
und  durch   die  Kenntnis   selbst    kleiner    und   wenig   ver- 
breiteter Beiträge  auszeichnet,  so  hat  ihm  wie  noch  keinem 
seiner   Vorgänger    das    diplomatische    Quellenmaterial    in 
gleicher    Vollständigkeit    und    Ausdehnung    aus    eigener 
Anschauung  zur  Verfügung    gestanden.     In    der  Behand- 
lung  und  Benutzung   desselben   verfährt   er   mit   tief  ein- 
schneidender,   aber    ruhiger  Kritik.     Es   fehlt   namentlich 
unter  den  Urkunden   und  vor  allem  wieder    unter   denen 
der  Hochstifte  Meissen  und  Naumburg  nicht  an  Stücken, 
die  schwer  unter  sich    und  mit    den  Nachrichten  anderer 
Quellen  in  Einklang  zu   bringen  sind;    ein  grosser  Theil 
derselben  scheint  aus  diesen  mid  anderen  Gründen  unter 
die  Fälschungen  verwiesen  werden   zu  müssen.     Es  wäre 
eine  Unmöglichkeit  für  einen  Referenten,    in  allen  diesen 
Punkten  an   der  Hand   der  gegebenen   Urkundenauszüge 
und  begleitenden  diplomatischen  Bemerkungen  eine  Nach- 
prüfung durchzuführen;    in  der   überwiegenden  Mehrzahl 
der    einschlägigen   Fälle    würde    sich    eine    solche   Arbeit 
freilich   auch   als   überflüssig  erwiesen   haben:    da  scheint 
die  Richtigkeit  der  hier  dargelegten  Behauptungen  ausser 
Zweifel  zu  stehen.     Nur  bei  einer  geringiai  Zahl  der  an- 
gefochtenen  Stücke    kann  Referent    l)is   jetzt    nicht    ohne 
weiteres    der    Verwerfung    derselben    als    Falsificate    bci- 
sthnmen.     Für  einzelne  Gelegenheiten  steht  ihm  dagegen 


336  Literatur. 

noch  weiteres  für  Posses  Aniialimen  sprechendes  Material 
zur  Verfügung;  er  kann  es  z.  B.  näher  erliärten,  dass  die 
Urkunde  über  eine  angcbliclie  Schenkung  der  Stadt  Leipzig 
durch  Kaiser  Heinrich  IL  an  das  Stift  Merseburg  um  1269 
gefälscht  sein  rauss. 

Jener  neuen  sachlichen  Gesichtspunkte  und  der  durch 
sie  bedingten  Aenderungen  in  der  Darstellung  sind  so 
viele,  dass  wir  auf  eine  auch  nur  annähernd  vollständige 
Aufzählung  derselben  mit  Rücksicht  auf  den  uns  zu  Ge- 
bote stehenden  Raum  von  vorn  herein  verzichten  müssen. 
Wir  beschränken  uns  daran  zu  erinnern,  dass  die  Namen- 
reihe der  älteren  Markgrafen  eine  andere  Gestalt  erhalten 
hat;  klarer  als  irgend  bisher  sehen  wir,  wie  das  Princip 
der  Erblichkeit  auch  bei  der  markgräfhclien  Würde  mehr 
und  mehr  das  Uebergewicht  über  den  Amtscharakter 
erlangt,  wie  der  König  selbst  zur  Förderung  der  kirch- 
lichen Mission  im  Osten  wie  im  Interesse  des  Grenz- 
schutzes gegen  die  Slaven  und  zum  Zwecke  der  Auf- 
rechterhaltung einer  Art  Oberhoheit  über  Polen  und 
Böhmen  den  Erblichkeitsansprüchen  seiner  Vertreter  in 
der  Mark  entgegenkommen  muss;  mit  Sorgfalt  sind  alle 
Stufen  in  dem  Kampfe  beider  Prinzipien  verfolgt,  die 
älteren  Grundlagen  der  Machtstellung  einzelner  Bewerber 
genau  geprüft,  die  Persönlichkeit  und  politische  Thätig- 
keit  derselben,  je  nach  der  Dürftigkeit  oder  Ausgiebig- 
keit der  Quellen,  im  letzteren  Falle  sogar  manchmal  in 
etwas  zu  weitem  Umfange  zur  Darstellung  gebracht 
worden.  Und  so  werden  nicht  nur  die  grossartigen 
militärischen  Operationen  jenseits  der  Elbe  und  deren 
Wechselfälle  in  die  Geschichte  der  Markgrafschaft  hinein- 
gezogen, sondern  es  finden  zu  einem  guten  Theile  auch 
die  Geschicke  der  benachbarten  westlichen  Territorien 
eine  eingehende  Behandlung ;  frühe  genug  waren  ja  schon 
die  alten  Marken  Merseburg  und  Zeitz  in  die  ungleich 
wichtigere  Mark  Meissen  aufgegangen,  und  sowohl  die 
Ekkehardiner  als  das  Haus  Weimar-Orlamünde  war  bis 
tief  hinein  nach  Thüringen  mit  Eigengut  und  Lehnsbesitz 
ausgestattet;  durch  die  Glieder  des  letzteren  Geschlechts 
spielen  dann  wieder  die  Ungarnkämpfe  Heinrichs  IIL, 
die  Streitigkeiten  um  die  Vormundschaft  und  Reichs- 
regierung für  den  minderjährigen  Heinrich  IV.  und  der 
ganze  Thüringer  Zehntenstreit  in  die  meissnischen  Ver- 
hältnisse hinein.  Mit  dem  Uebergange  der  Herrschaft 
an    die  Brunonen    lösen    sich    zwar    die    Beziehungen   zu 


Literatur.  337 

Tliürinocn,  Jaoecren  tritt  Meissen  in  iim  so  nähere  Ver- 
bindungen  mit  der  sächsischen  Heimat  des  neuen  Ge- 
schlechtes, die  unter  dem  Einflüsse  der  dortigen  Oppo- 
sition gegen  den  Kijnig  Avährend  des  Investiturstreites  um 
so  verhängnisvollere  Gestalt  annehmen,  und  vor  allem 
ist  Markgraf  Ekbert  II.  in  seinem  Ehrgeize  und  politi- 
schen ^Vankclmuth  das  Prototyp  der  fürstlichen  Sonder- 
politik jeuer  Tage.  Dass  er,  im  Kindesalter  dem  Vater 
in  der  Würde  folgend,  doch  zunächst  einen  Vormund 
sich  hat  gefallen  lassen  müssen,  möchten  wir  mit  der 
älteren  Literatur  lieber  aufrecht  erhalten,  wenn  wir  auch 
Posse  beistimmen,  dass  es  nicht  der  Wettiner  Dedi,  der 
Markgraf  der  Lausitz,  gewesen,  der  die  Vormundschaft 
geübt  habe.  Ferner  genügt  uns  S.  178  auch  die  Autorität 
des  sächsischen  Parteigängers  Bruno  nicht,  um,  wie  hier 
geschieht,  Ekbert  für  ganz  schuldlos  am  ersten  sächsischen 
Aufstande,  der  ihm  zuerst  den  Verlust  der  Privatgüter 
und  bei  weiterem  offenen  Kampfe  auch  die  Achtserklä- 
rung und  die  Aberkennung  der  Mark  brachte,  zu  halten; 
die  zwei  Seiten  früher  begegnende  Berufung  auf  die  An- 
nalen  Laraberts  für  jene  Annahme  beruht  auf  einem  Ver- 
sehen in  den  Citaten.  Gesicherter  erscheinen  uns  dagegen 
durch  Posses  Untersuchungen  die  Termine  für  den  Rück- 
tritt Ekberts  zur  königlichen  Partei  und  für  die  Wieder- 
erlangung der  Mark.  Aus  den  weiteren  sich  wiederholenden 
Aufstandsversuchen,  Verurtheilungen,  Wiederaussöhnungen 
und  Kämpfen,  die  bis  zur  Bewerbung  um  die  Königs- 
krone  führen ,  möchten  wir  nur  darauf  aufmerksam 
machen,  dass  es  nicht  ganz  gerathen  scheint,  dem 
Chronisten  Bernold  in  der  Annahme  zAveier  Niederlagen 
Heinrichs  IV.  im  Jahre  1088  und  1089,  in  denen  er  die 
Reichsinsignien  an  Ekbert  verloren  hätte,  zu  folgen;  der 
Berichterstatter  macht  sicherlich  wohl  aus  einem  Vorgange 
zwei  getrennte  Erzählimgen.  Der  letzte  endgültige  Pro- 
zess  gegen  Ekbert  Avar  es,  der  das  Haus  Wettin  in  die 
Meissener  Herrschaft  einführte,  wofür  der  neue  Markgraf 
Heinrich  freilich  die  Lausitz  in  die  Hände  Wipreclits  vf)n 
Groitsch  übergehen  lassen  musste,  vielleicht,  wie  Posse 
wahrscheinlich  macht,  mit  Rücksicht  auf  den  Schwieger- 
vater des  letzteren,  den  Böhmenkönig,  der,  mehrfacli  vom 
Kaiser  mit  Ekberts  Amt  bedacht,  jetzt  mit  umfassenderen 
Ansprüchen  zurücktrat. 

Im    Eingange    des    vierten   Abschnittes    spricht    sich 
der  Verfasser  natürlich  über  die  Vorgeschichte  des  Wet- 

Neues  Archiv  f.  S.  (1.  u.  A.  11. ,4. 


338  Literatur. 

tinisclien  Hauses  aus.  Er  überschreitet  erfreuliclier  Weise 
in  seinen  Annahmen  über  die  Anfänge  desselben  nicht 
die  Grenze  des  durch  die  Thietniar'sche  Chronik  und  den 
Annahsta  Saxo  Verbürgten;  die  vielfachen  weitgehenden 
und  widerstreitenden  Hypothesen  über  diesen  Punkt 
werden  vor  allem  in  Anmerkungen  resümiert  und  zurück- 
gewiesen. So  sieht  er  davon  ab,  aus  der  Bemerkung 
Thietmars,  dass  die  Wettiner  einer  „tribus  Buzici''  ent- 
stammten, weitere  Schlüsse  zu  ziehen,  scheint  aber  ge- 
neigt zu  sein,  ,^tribus"  eher  als  Bezeichnung  für  Geschlecht 
als  im  localen  Sinne  aufzufassen.  Referent  theilt  diese 
Ansicht  nicht  ganz,  es  will  ihn  dünken,  „tribus^'  sei 
eher  als  Namen  eines  Volksstammes  aufzufassen,  der  all- 
mählich sich  auf  eine  Gegend  oder  Landschaft  übertragen 
hat,  und  sollte  dieser  Name  wirklich  slavischen  Ursprungs 
sein,  so  stimmen  wir  Posse  doch  entschieden  in  der  An- 
nahme bei,  dass  die  Träger  desselben  von  Haus  aus 
Deutsche  gewesen  sind.  Posse  vervollständigt  und  ver- 
tieft mit  Geschick  an  der  Hand  der  von  den  Urkunden 
gebotenen  Ortsnamen  den  bereits  von  O,  v.  Heinemann  in 
die  Hand  genommenen  Beweis,  dass  das  wettinische  Haus 
reiche  Eigengüter  und  mehrere  Komitate  im  nordthü- 
ringischen Schwabengau  innegehabt  habe  und  führt  dann 
endlich,  unseres  Wissens  nach  zuerst,  die  aus  dem  Sachsen- 
spiegel und  aus  den  den  Satzungen  desselben  entsprechenden 
Thatsachen  gewonnenen  Argumente  für  die  schwäbische 
Herkunft  des  Geschlechtes  ins  Feld;  weniger  im  Einklänge 
mit  dem  bisherigen  vorsichtigen  Vorgehen  steht  an  dieser 
Stelle  freilich  der  sehr  hypothetische  Rückblick  in  die 
Zeiten  der  grossen  germanischen  Völkerbewegung.  Von 
hier  aus  wird  alsdann,  soweit  es  die  spärlich  fliessenden 
Quellen  gestatten,  der  allmählichen  Ausdehnung  der  wet- 
tinischen  Hausmacht  bis  zum  Eingreifen  in  die  Meissener 
Verhältnisse  nachgegangen ;  an  diesem  Ziele  angelangt 
greift  nach  Schilderung  der  kurzen  Regierung  Heinrichs  I. 
die  Darstellung  wieder  auf  frühere  Jahrhunderte  zurück, 
um  uns  mit  den  Schicksalen  der  Vorfahren  Wiprechts  II. 
von  Groitzsch  vertraut  zu  machen,  der  in  der  Reichs- 
geschichte des  ausgehenden  elften  und  beginnenden 
zwölften  Jahrhunderts  eine  grosse  Rolle  spielte  und 
auch  für  kurze  Zeit  die  bereits  als  wettinisches  Erbe 
geltende  Mark  gewann,  als  mit  Heinrich  II.  schon 
die  neue  Regentenfamilie  im  direkten  Mannesstamme  er- 
losch.    Ein    ziemlich    in    Details    eingehender   Ueberblick 


Literatur.  339 

über  die  Kämpfe  Heiuriclis  V.  mit  der  Kirche  und  den 
sächsischen  Fürsten,  die  zum  Tlieil  an  den  Streit  um  die 
Orlamünder  Erbschaft  in  Tliüringen  anknüpften,  schiebt 
sich  etwas  fremdartig  in  die  Ilauptdarstelluug  ein;  docli 
sind  diese  Erörterungen  durchaus  erwünsclit,  um  die 
Stellung  des  Kaisers  und  der  Fürsten  zu  einander  zu 
charakterisieren;  freilich  sclieint  der  Verfasser,  wenn  er 
auch  die  von  letzteren  erhobenen  Ansprüche  auf  ßerück- 
sichtio'uno-  der  weiblichen  Linien  bei  Heimfällen  von 
Reichslehen  verwirft ,  doch  dem  Königthume  für  sem 
Festhalten  an  dem  freien  Verfügungsreclite  gegen  die  ge- 
wohnheitsmässig  ausgebildete  Forderung  einer  Succession 
der  nächsten  männlichen  Verwandten,  die  Schuld  an  diesen 
heillosen  Wirren  mehr  als  billig  beizumessen.  Der  Unter- 
stützung des  Führers  der  sächsischen  und  fürstlichen  Oppo- 
sition, des  nachmaligen  Kaisers  Lothar  III.,  liatte  es 
Konrad  von  ^^'ettin,  später  „der  Grosse"  genannt,  der  im 
dritten  Gliede  mit  Heinrich  II.  von  einem  gemeinschaft- 
lichen Stammvater  abstammte,  zu  danken,  dass  er  in  den 
Besitz  der  Mark  Meissen  gelangte  und  sich  daselbst  mit 
Ehren  behaupten  konnte;  seitdem  ist  die  Verbindung 
dieses  Landes  mit  jenem  Fürstengeschlechte  nicht  unter- 
brochen worden.  In  der  bei  letzterer  Gelegenheit  behan- 
delten Frage,  ob  die  Winzenburger  in  einer  Verbindung 
mit  der  Mark  Meissen  gestanden  hätten,  kann  man  sich 
nur  mit  auf  den  verneinenden  Standpunkt  Posses  gegen 
die  Angaben  der  Pegauer  Annalen  stellen;  dagegen  ist 
jenem  Fürstenhause  nach  dem  siclierlich  gut  unterrichteten 
Chronicon  Sampetrinum  eine  Markgrafschaft  in  thüringisch- 
sächsischen Gebieten  nicht  abzuspreelien,  und  vielleicht 
könnte  sein  Herrschaftsgebiet  in  die  alten  Marken  Zeitz 
und  IMerseburg  zu  legen  sein,  da  die  Naclii'olge  der 
Wiprechtiner  auf  die  bisher  daselbst  waltenden  Stader 
Grafen  auch  nur  in  das  Bereich  der  Vermuthungen  ge- 
hört. —  Den  Schluss  des  Ganzen  bildet  ein  uns  recht 
zusagender  Ueberblick  über  die  innere  Verfassung  und 
die  Kulturzustände  des  Markgebietes;  es  ist  hier  alles, 
was  sich  aus  den  dürftigen  Quellen  ermitteln  Hess,  zu 
einem  wenn  auch  weder  farbenreichen  noch  in  allen  seinen 
Tlieilen  gleichmässig  ausgeführten,  aber  für  den  Kenner 
höchst  beachtenswerthen  Bilde  gruppiert. 

Nur  um  den  Zusammenhang  des  bisher  besprochenen 
Textes  nicht  zu  stören,  ist  die  Erörterung  melirerer  an 
sich  bedeutsamer  und  für  die  vorausgeiiende  Untersuchung 


340  Literatur. 

höchst  wiclitiger  Fragen  in  die  Excurse  verwiesen  worden; 
oben    an   stehen   hier   die   von    Posse   mit   gutem  Erfolge 
miternommenen  Versuche,  die  Organisation  des  der  Mark 
entsprechenden  Bisthums,  die  wie  überall  so  auch  hier  auf 
die  politische  Gestaltung  des  Landes  tiefgreifenden  Einfluss 
übte;    festzustellen.      Die   Verfolgung   dieses  Gegenstandes 
muss  sich  aus  Mangel  an  geeignetem,  von  Meissen  selbst 
aus    gebotenem  Material   zum  grösseren  Theile   auf  eine 
Keihe  von  auswärts  gewonnener  Grundlagen  stützen,   die 
insofern  zu   erwünschten  Resultaten   führen,   als   die  Ent- 
wicklung   des    Stiftes   Meissen    einmal    mit    der  unter   so 
grossen,  Schwierigkeiten    durchgeführten    Erriclitung    des 
Erzbisthumes  Magdeburg  und  sodann   mit  den  besonders 
eigenthümlichen   Schicksalen    des  Merseburger   Bisthumes 
von  den  ersten  Anfängen  an  in  innigstem  Zusammenhange 
stand.     Es   ist   in   dieser   Beziehuno^^    die   bald    nach    der 
Gründung  (981)    durch   die   Staatsgewalt  wieder   erfolgte 
Aufhebung  letzterer  Stiftung,  mit  der  eine  Auftheilung  des 
Sprengeis   an    das  Metropolitanstift,    an  Halberstadt  und 
die    beiden    anderen  SuÖragane  des    ersteren    verbunden 
war  und  gegen    die    sich   in    der   Kirche    eine   gewaltige 
Bewegung   erheben  musste.      Mit    der    nach   Jahrzehnten 
hierauf  durchgeführten  Wiederherstellung  war  indess  der 
alte  Besitzstand  nicht  wieder  völlig  erreicht  worden,  und 
so  haben  denn  die  dortigen  Kirchenfürsten  lange  Zeit  für 
die   Erreichung    dieses    Zieles    gestritten,    doch    ohne    zu 
einem  völlig  befriedigenden  Abschlüsse  zu  gelangen;  nicht 
nur   blieb   gegen   dieselben   Meissen    im   V  ortheil    in   dem 
ihm   bei   der   Theilung   zugewiesenen   Gebiete,   es   gelang 
ihm    vielmehr    auch,    den  Magdeburg    einst    zugefallenen 
Beutetheil  an  sich  zu  ziehen  und  schliesslich  die  Grenzen 
seiner    geistlichen   Jurisdiction    bis    zum   Bober    und    zur 
Oder    auszudehnen.     Freilich  ist   es  Posse   bei   all  seinen 
gründlichen   und   methodischen  historisch -geographischen 
Forschungen    nicht    möglich    geworden,    einen    genaueren 
Zeitpunkt    und    bestimmte    Verhältnisse    für    diese    Um- 
wälzungen   zu    ermitteln;    aus    seinen    Erörterungen    ge- 
winnen  wir   nur   das    dankenswerthe   Resultat,    dass    die 
erhebliche    Erweiterung    der  Bisthumsgrenzen    mehr  auf 
dem    Wege    der    Gewalt    als    des    Rechtes    gegen    Ende 
des  elften  Jahrhunderts  vor   sich  gegangen   ist  imd  dass 
man,   um  anscheinend   rechtliche  Grundlagen    für   die  er- 
hobenen Ansprüche  und  deren  Behauptung  zu  beschaffen, 
ganze  Urkundenscrien   gefälscht   hat.     An  der  Hand  der 


Literatur.  341 

hier  g-ewonnencu  Hilfsmittel  und  anderer  Materialien,  die 
uns  in  einem  späteren  Excurse  nach  gehöriger  Prüfung 
und  Sichtung  mitgetheilt  werden,  unternimmt  es  Posse 
nun,  die  alten  Grenzen  der  für  die  historische  Entwick- 
lung Sachsens  in  Betracht  kommenden  Gaue  Chutizi, 
Siusili,  Daleminci,  Nisani,  Lusizi  und  Milzeni  zu  rekon- 
struieren, und  mit  Ausnahme  einiger  Stellen  in  den  östlich 
gelegenen  Gebieten,  an  denen  man  sich  auch  fernerhin 
stets  mit  Vermuthungen  begnügen  wird,  müssen  die  ge- 
zogenen Scheidelinien  als  wohl  beglaubigt  anerkannt 
werden.  Wie  eben  bemerkt,  wäre  die  Durchführung  dieser 
Aufgabe  nicht  möglich  gewesen  ohne  Heranziehung  der 
im  letzten  Excurse  neu  eröft'neten  Quelle:  der  in  dem  ent- 
sprechenden Bande  des  Codex  diplomaticus  noch  nicht 
zur  Publikation  gelangten  Matrikel  des  Bisthums  Meissen ; 
obwohl  zum  grösseren  Theile  nur  in  späteren  Ueberliefe- 
rungen  erhalten,  lässt  sich  Umfang  und  Inhalt  einer  in 
der  Mitte  des  vierzehnten  Jahrhunderts  entstandenen  Re- 
daktion erkennen,  und  mit  richtigem  Tacte  ist  Posse  bei 
Verwerthung  derselben  niclit  mechanisch,  sondern  unter 
steter  Berücksichtigung  der  natürlichen  geographischen 
Verhältnisse  vorgegangen.  Eine  Gaukarte  iur  Thüringen 
und  Meissen  in  nicht  allzu  kleinem  Umfange  unterstützt 
bildlich  die  nicht  immer  leichte  Verfolgung  der  historisch- 
geographischen Fragen,  wie  auch  die  wechselvollen  Be- 
ziehungen der  Bisthumsgebiete  auf  der  Grenzscheide  des 
zehnten  und  elften  Jahrhunderts  durch  eine  Mehrzahl 
kleinerer  Karten  erläutert  werden  und  wie  ferner  die 
Beziehungen  der  Wettiner  zu  den  Grafschuftsverhält- 
nissen  im  Schwaben-  und  Hassegau  eine  graphische  Dar- 
stellung finden;  in  ähnlicher  Weise  ist  auch  das  Ver- 
ständnis der  recht  verwickelten  verwandtschaftlichen  Be- 
ziehungen der  markgräflichen  Familien  durch  vier  Stamm- 
tafeln erleichtert,  und  für  die  bequemere  Handhabung  und 
Ausnutzune-  des  manniofaltioen  Inhaltes  durch  ein  ein- 
gehendes  umfängliches  Register  und  eine  dem  Ganzen 
vorausgehende  Inhaltsübersicht  Sorge  getragen. 

Ohne  uns  in  weitere  Erörterung  von  Einzelheiten,  die 
uns  an  dem  vorliegenden  Werke  nicht  völlig  zusagen, 
einzulassen,  können  wir  von  demselben  nicht  scheiden, 
ohne  es  im  Ganzen  als  eine  werthvoUe  Bereicherung 
unserer  historischen  Literatur  zu  bezeichnen;  neben  den  er- 
wünschten Beiträgen,  welche  die  allgemeine  Keichsgcschichte 
des    zehnten    bis   zwölften   Jahrhunderts    nach    den    ver- 


342  Literatur. 

schieden sten  Seiten  aus  ihm  entnehmen  kann,  müssen  in 
erster  Linie  alle,  die  sich  mit  der  geschichtlichen  Aus- 
vmd  Weiterbildmig"  der  sächsischen  Landes-  und  Fürsten- 
macht wissenschaftlich  beschäftigen,  Posse  dankbar  sein 
für  die  Beschaifung  dieser  umfassenden  und  den  An- 
sprüchen der  Neuzeit  Rechnvmg  tragenden  Grundlage 
Einem  gleichen  Gefühle  möchte  der  Unterzeichnete  nicht 
unterlassen  Ausdruck  zu  geben,  insofern  auch  viele  die 
einzelnen  Theile  der  preussischen  Provinz  Sachsen  be- 
rührende Forschungen  eine  ansehnliche  Förderung  und 
Anregung  durch  die  neue  Publikation  erfahren  haben. 
Halle  a.  S.  W.  Seh  um. 

Acten  der  Erfurter  Universität,  bearbeitet  von  Dr.  J.  C.  Her- 
mann Weissenboru.  I.  Theil.  Halle,  0.  Hendel.  1881.  4«. 
XXVII,  442  SS.  (A.  u.  d.  T.:  Geschichtsquellen  der  Provinz  Sachsen 
und  angrenzender  Gebiete.    Achter  Band). 

Die  Universität  Erfurt,  die  fünfte  in  der  Reihe  der 
deutschen  Universitäten,  verdankt  ihre  Entstehung  nicht 
wie  ihre  Voi'gängerinnen  und  Nachfolgerinnen  fürstlicher 
Initiative,  sondern  der  eigenen  EntSchliessung  einer  Stadt- 
gemeinde, die  sich  politisch  im  Laufe  der  Zeiten  eine  ge- 
achtete Stellung  und  grossen  Einfluss  zu  erwerben  ge- 
wusst  hatte.  Im  Besitz  zahlreicher  Kirchen,  Kapellen, 
Klöster,  Schulen,  überhaupt  Bildungsanstalten,  ragte  Er- 
furt aber  auch  in  geistiger  Beziehung  vor  andern  deutschen 
Städten  hervor,  und  schon  am  Ende  des  dreizehnten  Jahr- 
hunderts wird  uns  von  1000  Scholaren  berichtet,  die  in 
Erfurt  verweilten,  um  sich  vorzugsweise  zur  Erlangung- 
höherer  geistlicher  Würden  vorzubereiten. 

Ein  Jahrhundert  später  und  zwar  nach  Beendigung 
der  im  Jahre  1373  ausgebrochenen  Kämpfe  wegen  der 
Mainzer  Bischofswahl,  dachte  nun  die  Stadt  daran,  die 
innerhalb  ihrer  Mauern  bestehenden  geistlichen  Studien 
zu  einem  Studium  generale,  zu  einer  universitas  litterarum 
zu  vereinigen,  wozu  nach  damaligen  Anschauungen  vor 
allem  die  päpstliche  Bestätigung  erforderlich  war.  Der 
Beginn  des  grossen  Kirchenschismas  im  Jahre  1378  ver- 
zögerte jedoch  das  Inkrafttreten  des  Unternehmens.  Der 
Erfurter  Rath  wandte  sich,  um  seine  Wünsche  erfüllt  zu 
sehen,  an  den  von  den  französischen  Kardinälen  erwählten, 
zu  Avignon  residierenden  Gegenpapst  Clemens  VII.,  der 
denn  auch  am  16.  September  und  1.  Oktober  1379  (seines 
ersten  Pontifikatsjahres)  von  Avignon   aus  zwei   huldvolle 


Literatur.  343 

Schreiben  an  „die  (geliebten  Söhne,  obersten  liathsmeister, 
Rathsmeister  und  Bürger  der  Stadt  Erfurt"  richtete,  in 
welchen  das  „Studium  generale"  konfirmiert  und  der  Erz- 
bischof von  Mainz,  beziehentlich  der  Dcchant  und  das 
Kapitel  des  Marienstiftes  mit  der  Ueberwachung  der  Pro- 
motionen betraut  wurden.  Immerhin  dauerte  es  noch, 
hauptsäcldich  eben  wegen  der  kirchlichen  Zwistigkeiten, 
bis  zum  Jahre  1392,  ehe  die  wirkliche  Eröffnung  der 
Universität  vor  sich  ging,  nachdem  inzwischen  der  in 
ganz  Deutschtand  anerkannte  römische  Papst  Urban  VI. 
am  4.  Mai  1389  eine  zAveite  Stiftungsbulle  und  sein  Nach- 
folger Bonifacius  IX.  am  15.  April  1390  zwei  Bullen,  die 
Kompetenzstreitigkeiten  betrafen,  erlassen  hatten.  Am  29. 
April  1392  wurde  dann  die  Universität  eröÖ'net  und  erst 
von  diesem  Datum  an  wird  ihr  Bestehen  gerechnet. 

Längere  Zeit  war  sie  die  einzige  Universität  im 
weiteren  Umkreise,  und  ihre  höchste  Blüte  fiel  auch 
gleich  in  das  erste  Jahrhundert  ihres  Bestehens,  in  die 
Zeit  des  Humanismus.  Dann  sank  sie  zwar  schnell  von 
ihrer  HöIie  herab,  erhielt  sich  jedoch  noch  Jahrhunderte 
hindurch,  bis  sie  endlich  im  Jahre  1816  aufgehoben 
wurde.  Mit  Ausnahme  der  Blütezeit,  die  bekanntlich 
in  Kampschulte  einen  trefflichen  Bearbeiter  gefunden  hat, 
ist  der  Geschichte  der  Erfurter  Universität  bis  jetzt  nur 
wenig  Aufmerksamkeit  zugewandt  worden,  hauptsächlich 
wohl  deshalb,  weil  es  noch  an  einer  kritischen  Sammlung 
und  Ausgabe  des  urkundlichen,  überhaupt  Aktenmate- 
riales  mangelte.  Es  ist  daher  der  historischen  Kommission 
der  Provinz  Sachsen,  welcher  wir  schon  so  manche  werth- 
volle  Quellenpublikation  verdanken,  als  grosses  Verdienst 
anzurechnen,  dass  sie  in  dem  neuesten  Bande  der  von 
ihr  herausgegebenen  Geschichtsquellen  den  Anfang  zu 
einer  Veröffentlichung  der  Akten  der  Erfurter  Universität 
gemacht  und  die  Bearbeitung  derselben  dem  tüchtigsten 
und  gründlichsten  Kenner  der  Erfurter  Gelehrtengeschichte, 
Hermann  Weissenborn,  übertragen  hat. 

Der  Haupttheil  der  Arbeit  besteht  in  der  zum  ersten- 
mal veröffentlichten  Matrikel  der  Rektoren,  die  zunächst 
die  Immatrikulationen  in  den  einzelnen  Rektoraten  während 
der  ersten  215  Jahre,  also  von  1392  bis  1607,  nebst  den 
Einleitungen  zu  jedem  Rektorate  enthalten  soll  und  uni- 
fasst  der  vorliegende  Theil  nur  die  Immatrikulationen  der 
ersten  100  Jahre  mit  197  Rektoraten.  Au  der  Spitze  des 
ganzen  Werkes  stehen   die  beiden   päpstlichen   Stiftimgs- 


344  Literatur. 

bullen  vom  16.  September  1379  und  4.  Mai  1389,  die 
eine  nach  dem  im  königliclien  Staatsarchiv  zu  Magde- 
burg befindlichen  Original  und  schon  früher  von  Motsch- 
mann  in  seiner  „Erfordia  litterata"  abgedruckt,  die  andere 
nach  einer  ebenfalls  im  Magdeburger  Staatsarchiv  vor- 
handenen vidimierten  Abschrift  des  nicht  mehr  existierenden 
Originals.  Diesen  folgen  die  ältesten  nocli  vorhandenen 
Statuten  der  Universität  vom  Jahre  1447,  die  bis  1665 
in  Kraft  blieben,  gleichfalls  von  Motschmann  schon  früher 
abgedruckt.  Den  ältesten  Entwurf  der  Universitätsstatuten, 
der  schon  vor  Gründung  der  Universität  abgefasst  sein 
soll,  fand  Weissenborn  noch  nachträglich  im  Staatsarchiv 
zu  Magdeburg  auf,  und  wird  dieser  im  zweiten  Theile 
an  der  Spitze  der  Fakultätsstatuten  zum  Abdruck  ge- 
langen.   Den  Statuten  schliesst  sich  dann  die  Matrikel  an. 

Wenn  wir  nun  erwägen,  dass  wir  bis  jetzt  nur  von 
sehr  wenigen  deutschen  Universitäten  gedruckte  Matrikeln 
oder  Studenten  Verzeichnisse  besitzen,  wenn  wir  erwägen 
welch  grosse  Bedeutung  dieselben  nicht  blos  für  die 
Genealogie,  die  Familien-,  die  Gelehrtengeschichte,  sondern 
auch  für  die  politische  und  Kulturgeschichte  haben,  so 
müssen  wir  Weissenborns  Ausgabe  doppelt  willkommen 
heissen,  ganz  besonders  aber  auch  deshalb,  weil  sie  mit 
ausserordentlicher  Sorgfalt  gearbeitet  ist  und  unbedenk- 
lich als  Muster  für  derartige  Publikationen  hingestellt 
werden  kann.  Von  hohem  Werthe  sind  auch  die  künst- 
lerischen Beigaben  dazu;  sie  bestehen  in  vier  in  Bunt- 
druck ausgeführten  Facsimiles  von  Wappen  der  Rektoren, 
wie  solche  im  Codex  A  der  Matrikel  in  nicht  unbeträcht- 
licher Zahl  enthalten  und  oft  meisterhaft  dargestellt  sind. 
Hier  sind  die  Wappen  des  152.  Rektors  Günther  Mdvvitz, 
des  153.  Rektors  Heinrich  Reuss  von  Plauen,  des  155. 
Rektors  Johannes  Rode  und  des  197.  Rektors  Symon 
Volzke  wiedergegeben. 

Benutzbar  wird  freilich  der  veröffentlichte  erste  Band 
erst  dann  sein  können,  wenn  ein  Register,  zu  dem  der 
Herausgeber  auch  bereits  im  Vorwort  den  Plan  entworfen 
hat,  wonach  er  dasselbe  sehr  ausführlich  zu  bearbeiten 
gedenkt,  vorliegt;  wir  wollen  daher  hoffen  und  wünschen, 
dass  Weissenborn  uns  baldigst  mit  der  Fortsetzung  seines 
so  trefflich  begonnenen   Werkes  erfreuen  möge. 

Leipzig.  Bruno  St  übel. 


Literatur.  345 


Uebersicht  über   neuerdings  erschienene  Schriften  und 
Aufsätze  zur  Sächsisch -Thüringischen   Geschichte  und 

Alterthumskunde. 


Berndt,  Moritz.  Dresdner  Zustände  in  den  Jahren  IS  15 
bis  1830:     Grenzboteu  No.  37.    S.  442-457. 

Beyer,  C.  Wilhelm  v.  Brauniüller  und  Heinrich  v.  Cotta. 
Zwei  Thüringer  Cliarakterköpfe.  Wien,  Braumüller. 
1881.    8».    VI,  162  SS. 

V.  Criegern.  Eine  kunsto;eschiclitliche  Wanderung  durch 
Sachsen:  A\'issenschaf'tl.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung. 
1881.    No.  71. 

Distel,  Th.  Die  messingene  Gerichtshand  zu  Geising: 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit.  1881. 
No.  8.    Sp.  237. 

Friesen,  Freiherr  v.  Erinnerungen  aus  meinem  Leben. 
2.  Auflage.  Dresden,  Wilhelm  Baensch.  1881.  8". 
XXIV,  675  SS. 

Gläsel,  Joh.  Heinrich.  Mark-Neukirchen  und  seine  Zu- 
stände in  der  Zeit  von  1804  bis  1812.  Eine  kultur- 
historische Skizze.  Plauen,  F.  E.  Neupertf.  1882.  8". 
212  SS. 

Gurlitt,  Cornelius.  Das  Schloss  zu  Meissen.  Eine  kunst- 
geschichtliche Studie.  Dresden,  Gilbers.  1881.  8". 
44  SS. 

Herrmann,  Ernst.  Sächsisch-polnische  Beziehungen  wäh- 
rend des  siebenjährigen  Krieges  zum  russischen  Hof 
und  insbesondere  zum  Grosskanzler  Bestuchew.  Preus- 
sische  Jahrbücher.  Bd. 47.  S.  558— .589  u.  Bd. 48.  S.  1—23. 

Kolde,  Th.  Friedrich  der  Weise  und  die  Anfänge  der 
Reformation.  Eine  kirchenhistorische  Skizze  mit  archi- 
valischen  Beilagen.  Erlangen,  Deichert.  1881.  8°.  III, 
75  SS. 

Leonhardi,  J.  Leipzig  im  Jahre  1789.  Aus  den  Briefen 
eines  russischen  Reisenden:  Im  neuen  Reich.  1881. 
No.  34.   S.  285—295. 

Mühlmann,  Felix.  Beiträge  zur  Geschichte  des  Klosters 
und  der  Stadt  Riesa.  Riesa,  Langer  u.  Winterlich. 
1881.   8».    IV,  48  SS. 

Mitzschke,    Paul.      Naumburger    Inschriften.     Gesammelt 


346  Literatur. 

und   erläutert.     Naumburg   a.  S.,    Jul.  üonirich.     1881. 
8«.    488  SS.        ^ 

Mitzschke,  Paul.  Ein  Mihlacr  Dichter  (Ernst  Christoph 
Homburg):  Sonntagsblatt  der  Eisenacher  Zeitung.  1881. 
No.  26. 

Richter,  A.  Dass  Schloss  Lichtenberg  und  seine  nächste 
Umgebung.  Vergangenheit  und  Gegenwart  nach  Ur- 
kunden und  Traditionen  zusammengestellt.  Mit  Titel- 
bild.   Prettin  a.  Elbe,  Heinr.  Schmidt.    1881.   8°.   94  SS. 

Riemer,  W.  Das  Schloss  Hubertusburg  sonst  und  jetzt. 
Eine  monographische  Skizze.  Mit  einer  lithographierten 
Ansicht  aus  der  Vogelperspective.  Oschatz,  F.  Oertel. 
1881.    8°.    V,  55  SS. 

Rüge,  S.  Geschichte  der  sächsischen  Kartographie  im  16. 
Jahrhundert  (Forts.)  :  Kettlers  Zeitschrift  für  wissen- 
schaftliche Geographie.  Bd.  II.  S.  143—145. 

Schmidt,  Gustav.  Urkundenbuch  des  Collegiat-Stiftes  St. 
Bonifacii  und  St.  Pauli  in  Halberstadt.  Herausgegeben 
von  der  historischen  Kommission  der  Provinz  Sachsen. 
Nebst  sechs  Siegeltafeln  und  zwei  Holzschnitten.  Hallc; 
O.  Hendel.  1881.  8".  XXXI,  630  SS.  (Geschichts- 
quellen der  Provinz  Sachsen  Bd.  XIII). 

Schulze,  Herm.  Die  sächsischen  Hausgesetze.  Herausge- 
geben und  eingeleitet.  Jena,  Fischer.  1881.  8".  317  SS. 
(A.  u.  d.  T.  Die  Hausgesetze  der  regierenden  Fürsten- 
häuser.  Bd.  III.  Abth.  1.) 

Spiess,  H.  Zur  Geschichte  des  Hauses  Henneberg:  Zeit- 
schrift für  preussisclie  Geschichte  und  Landeskunde. 
Jahrgang  XVHI  (1881).    S.  379-386. 


Zeitschrift  des  Vereins  für  Thüringische  Geschichte  und 
Alterthumshunde.  Neue  Folge.  Zweiter  Band.  Heft  3. 
Jena,  G.  Fischer.    1881.    8". 

Inhalt:     Richter,    Eine    Jenaer   Stadtordnung   aus    dem    Ifi. 

Jahrhundert.     Richter,    Teil    einer   Selbstbiographie    Adrian  Beiers. 

Blunischeii),    Wiprecht    von    Groitzsch.     Literarische    Mittheilungen. 

Martin,  Jenaische  Urkunden.    Kolde,  Ein  Brief  des  Job.  Stigel  über 

die  Anfänge  der  Universität  Jena.     AnemüUer,  Ein  Brief  von  Nie. 

Selnekker. 


K  e  g  i  s  t  e  r. 


Adolf,    Herzog    von   Cleve    103. 

112. 
Agnes,   Herzogin   v.  Scliweidnitz 

57.  63. 
Albi  (Wishemiil),    Franz.  Mönch 

zu  Altzelle  21)3  ff. 

—  Johann,  Altarist  zu  Chemnitz 
293  m 

Albrecht  III.,  Herzog   v.  Bayern- 
München  30. 

—  (d.  Beherzte),  Hzg.  v.  Sachsen 
2  ff.   209.  226.  229  ff.  283  f. 

—  IL,  König  207.  211. 

—  (Achilles),  Mkgr.  v.  Branden- 
burg 2.  19  ff.  43.  47  f. 

Alexander ,   Kaiser   v.   Russland 

242  f.  249. 
Alexius,    Hans,    Rathmann    und 

Bleichrichter  zu  Chemnitz  306. 

310. 
Altchemnitz  bei  Chemnitz  311. 
Altdresden  276  f.  283. 
.\ltenbnrg  68   ff.   295.   s.   Kilian, 

Schurzauf. 
Altfehr  150. 
Altzelle  13.  231.    Abt:  Antonius 

307  f.     Mönch  s.  Albi. 
Anklam  149. 

V.  Arnim,  preuss.  General  148. 
Arnold,     Hans,     Rathmann     zu 

Chemnitz  306. 

—  Mattis  309. 
Arnshaug  116. 

Aster,  Oberstlieutenant  249. 
August    II.    u.   III.    V.    Polen    s. 

Friedrich  August. 
Auguste,  Prinzcss  (T.  Kg.  Friedr. 

Aug.  I.)  238. 
Auhrow  26. 
Auma  116. 
Aussig,  Schlacht  bei  203. 


Bachmann,   Paul,    Rathmann  zu 

Chemnitz  304  f. 
Baden  20.  s.  Louis. 
Baiersdorf  28. 

Balthasar  Pleban  zu  Chemnitz  28. 
Barby,  Herrschaft  242. 
V.  Barnstein,  Span  28. 
Basel  66. 
Bautzen  53.  61.  63.  202.  211.  216. 

219.  222.   225.  227  f. 
Bawmgarth  s.  Chemnitz. 
Bayern  19.  26.  80  ff. 

—  s.  Albrecht,  Ludwig,  Otto,  Sigis- 
mund. 

Bayreuth,  Markgräfin  v.  161. 

Beauharnais  s.  Eugen. 

Becker,  Nicolaus,  Rathmann  zu 
Chemnitz  306. 

Beger,  Israel,  Lehrer  zu  Frei- 
berg 256. 

Beichlingen,  Grafen  von  122. 

Beiger,  Nicolaus,  de  Dresden  303. 

de  Bellegarde,  Graf  Claude-Marie 
178. 

—  Graf,  General  324  f. 

V.  Benkendorff,  General  325. 
Bensen  in  Böhmen  199  f.  204.  2('9. 
V.  Bergow  u.  v.  Trosk,  Joh.  209. 
Berka  bei  Weimar  105. 
Berka  von  der  Duba  193  ff. 

—  (a.  Linie  Hohnstein). 
Heinrich  I.  (Hinko,  Hoinke, 

Hynek,  Gindrzich)  194  f.  217. 

—  —  Heinrich,  s.  Bruder  194  f. 
Heinrich  II.,  Landvogt  der 

Niederlausitz,        Oborstland- 

richter    in    Böhmen    u.   s.   \v. 

195—199.  217  f. 
Hinko  auf  Leipa,  s.  Bruder 

195.  217  f. 
Else,  dessen  Witwe  197. 


348 


Kegister. 


Berka  von  der  Duba. 

—  (■«.  Linie  Hohnstein) . 

—  —  Hiuko  Hlawatsch  auf  Leipa, 
dessen  Sohn,  Laiidvogt  der 
Oberlausitz  195.  197.  201. 

Heinrich     III.      198  —  201. 

204—209.  215.  218. 

Barbara,  s.  Gem.  208  f. 

Ileinke  d.   J.  auf  Wilden- 

steiu.  S.Bruder  198—203. 209 f. 

218. 
Benesch  auf  Hohnstein,  s. 

Bruder  198.  200. 

—  —  Johann  auf  Kreibitz,  s.  Bru- 
der 200.  215.  218. 

Nicolaus,  s.  Bruder  209. 

Anna     (v.     Kolowrat) ,     s. 

SehM-ester  209. 
Heinrich  IV.  auf  Mühlberg 

209. 

—  (h.  Linie   Wildenstein). 
Heinrich  I.  199  f. 

Heinrich  11.  d.  Ä.  203—206. 

210  f. 

Benes  205  f.  210  f. 

Albrecht  205-215.  218-234. 

Anna  (v.   Donin),  s.   Gem. 

211.  219. 

Benesch,  s.  Sohn  232. 

Christoph,  s.  Sohn  233. 

—  (c.  Linie  Mühlstein). 
Gindrzich  205. 

Heinrich  d.   J.,  s.  Br.  224. 

Heinrich    auf    Leipa    221. 

223  f. 

—  (cl.  Linie  Hauska). 
Sbinco  224. 

—  Jaroslaus,  auf  Leipa  233. 

—  Czenko  200. 

Berlspach,  die,  bei  Chemnitz  301. 

ßernhardi,  Sam.,  Rector  zu  Mitt- 
weida  251. 

Bernstadt  59. 

V.  Bernstein,  Waltzk  41. 

Berthelsdorf  a.  Queiss  s.  Eberhard. 

Berthier,  französ.  Marschall  244. 

Besauval,  Baron,  franz.  Gesandter 
161. 

V.  d.  Beseiiicz,  Otto  65. 

Beyer,  Casp. ,  Bürgermeister  zu 
Chemnitz  306. 

V.  Biberstein,  Herren,  auf  Fried- 
land u.  Hammerstein  211.  219. 

—  Friedrich  auf  Friedl.  u.  Forst 
211. 


V.  Biberstein,  Hans  auf  Friedland 
197. 

—  Ulrich  auf  Friedland  197. 
auf  Friedl.  u.  Forst  211. 

—  Wenzel  auf  Friedl.  u.  Forst211. 
Bibra  s.  Ebersdorf. 

Billich,  Paul,  Rathmann  zu  Chem- 
nitz 306. 
Birke,  Christoph  210. 

—  Georg  209  f. 

—  Ursula,  s.  Frau  210. 

—  Steffan  209  f. 
Bischofswerda  207. 
Blankenstein,      Herrschaft,      in 

Böhmen  212.  235. 
Blomberg  109. 
V.  Blücher,  General  242. 
Bodo,  Domdechant  zu  Merseburg 

297. 
Böhmen  1  ff.  99  ff.  193  fi'.  201  ff. 

s.  Johann,  ^Vladislaus! 
Bohmisch-Zwickau  224. 
Bonn  120. 
de   Borch,    Petrus,    Domherr   in 

Gran  (Strigonium  ?)  297. 
Böse ,   Christoph    Dietrich ,   Geh. 

Rath  u.  Kammerdirektor  315. 

317. 
V.  Boskowitz,  Jeschko  100. 
Boumgarte,  Mattis,  Rathmann  zu 

Chemnitz  306. 
Boxdorf  bei  Dresden  287. 
Brakel  108. 
Brandenburg  1—4.  15.  24.  20.  30  f. 

56  f.  s.  a.  Albrecht,  Friedrich, 

Johann,  Otto. 
Braunschweig  s.  Heinr.,  Wilhelm. 
Brendel,  russ.  Oberst  239. 
Breslau  29.  40  f.  43.  53.  61.  127. 

219  ft'.  s.  Rudolf. 
Breslauer,  Dr.  Johann  22.  37.  41  f. 
Brieg  61. 

Briessnitz  bei  Dresden  245. 
de  Brosses,  Claude,    Oberst  138. 

141  f. 
Brühl,  Graf  167. 
V.  Bünau,    Heinrich,    kurf.  Vogt 

auf  Hohnstein  214. 
Burgund  1.  29.  s.  Karl. 
Bursarius,  Ambrosius,  v.  Dobrikur 

219. 
Butener,  Otto  58. 
Buttelstedt  105. 

Cadan  11. 


Register. 


349 


V.  Capistraiio,  Johannes  8. 

Caspar,   Abt  s.  Chemnitz. 

Castell-Remliugen,  Graf,  General- 
major 147.  151. 

Caulincourt,  Herzog  v.  Vicenza, 
franz.  Oberstallmstr.  244—247. 

Cerdo,  Niclaus,  zu  Chemnitz  296. 

Cette  17G. 

Chambord  178. 

Chemnitz  .SG.  38.  2'.*0  ff. 

—  Rath  294.  299.  .S04— 30<). 

—  Bürgermstr.  s.  Beyer,  Friczko, 
Lindau,  Melzer. 

—  Vogt  s.  Swertfeger. 

—  Schöffen  294.  306. 

—  Städtschreiber  s.  Franko. 

—  Schulmeister  s.  Schultheis. 

—  Bleiche,  Bleichgericht  293-296. 
299.  310. 

—  Mühleu     (Pfortenmühle)    294. 

296.  303.  310. 

—  uff  den  steingruben  304. 

—  Langegasse  309. 

—  Sweinanger  309. 

—  valva  claustralis  301. 

—  Armenhaus  (conventus)  302. 
308. 

—  leprosarium  302.  308. 

—  Hospital  und  Altäre  darin  294. 

297.  307. 

—  Jacobikirche  und  Altäre  etc. 
294  f.  297.  300—307. 

—  Johanniskirche  u.  Altäre  304. 
307  f. 

—  Nicolaikirche  301. 

—  Benedictinerkloster  294.  307. 
.309—311. 

—  —  Aebte:  Caspar  307—309. 
Heinrich298.  311.  Hilarius  311. 
Johannes  310.  Ulrich  295. 
Prioreu:  Hamel,  Johann  311. 
Kopperling,  Johann  311.  Con- 
veutualeu :  Bawmgarth,  Steph. 
311.  Kogeler,  Nicolaus  311. 
Rudnitz,  Luppoldus  de  297. 
Vogt,  Job.  311.  Trapschuch 
Steph.  311. 

—  Archidiaconat  297  f. 

—  üfticial  des  Abts :  Theodoricus 
298. 

Chlumec  209. 

V.  Chlumec,  Berka  103. 

Christiua,  T..  des  Kurt.    Ernst  v. 

Sachsen  44. 
Cleve  s.  Adolf,  Johann. 


Cluverus,  Phil.  256  f. 

V.  Colditz,  All)recht  209. 

Conradus,  vicar.  perpet.  zu  Chem- 
nitz 301.  303. 

Coppet  bei  Genf  I.SO. 

Cossell,  Gräfin  A.  C.  132.  102  f. 
172.  179. 

—  Graf  16.3. 

—  Auguste  Constantie  s.  Friesen. 
Cottbuser  Kreis  242. 

de  Croy,  Herzog  83. 

Czanspil,    Claus,    Rathmann    zu 

Chemnitz  304  f. 
Cziudeler,    Nicol.,    zu   Chemnitz 

303. 
Czymmermann,  Caspar,  Ratlimann 

zu  Chemnitz  .304—306. 

Dänemark  135—152.  s.  Friedrich. 
V.  Dambno,  Jacob,  poln.  Kanzler 

46  f. 
Davoust,  französ.  Marschall  240  f. 
Demotika  136. 
Detmold  109. 
Deutscher  Orden  46. 
Dewin  in  Böhmen  212.  217.  225. 

229. 
V.  Diemar,  Christ  151. 
Dietrich,     Erzbischof     v.     Köln 

103—121.  127. 

—  HL  Bischof  v.  Meisseu  6.  16. 
19.  33— .38.  42.  45.  210. 

Dittersbach  bei  Stolp'en  36. 
Dönhoff,  Gräün  160  f. 
Dohna,  Alexander,  Graf  130. 
V.  Dohna  (Donin),  Anna  s.  Berka 
von  der  Duba. 

—  Friedrich,  auf  Wildenstein  99. 
125. 

—  Nicolaus  auf  Grafenstein  213. 

—  Wentsch,aufGrafenst. 21 1-213. 
219.  233. 

Dohnasclie  Fehde  198. 
Dülgoruki,  Fürst,  russ.  Gesandter 

in  Kopenhagen  143. 
Dresden  36  ff.  44.  61.  89  f.  133  f. 

137.   160  f.  165  ff.   170  ff.   198. 

201.  204  ff.  238  ff.  273  ff. 
Dücker,  schwed.  General  148.  152. 

Eberhard,  Georg,  auf  Berthelsdorf 
a.  Queiss  235. 

Ebersdorf,  Nicol.,  Canon,  in  Bibra 
u.  Zscheila,  Altarist  in  Chem- 
nitz 294.  301. 


350 


Register. 


V.  Eberstädt,  Gottfried  Leberecht 
Janus,  General  ]">7.  166. 

Eckart,Nickil,  Rathniann  zu  Chem- 
nitz 304—306. 

—  Paul,  Rathmann  (Schöffe)  zu 
Chemnitz  .304—306. 

Eczel,  Vincenz,  Bürgermeister  zu 

Görlitz  62. 
Egerßl.  101.   116.  124.  127.  215. 
Egerland  34. 

Ehrenberg  in  Böhmen  23.5. 
Ehrenberg,  Laur.,  Stailtschreiber 

in  Görlitz  66. 
V.  Eibau  (Yba),  Benedikt  21S. 

—  Wenzel  218. 
Eichsfeld  107. 

V.   Eichstädt,   Generalmajor   147. 

Eimbeck  104.  107  f. 

V.  Einsiedel,  Heinrich  6. 

—  Johst  101. 

—  Graf  Detlev,  Cabiuetsrain.  249. 

—  Graf  Georg,  sächs.  Gesandter  in 
Paris  245  f.  249. 

Elbogen  11. 

Elisabeth,  T.  Kf.  Friedr.  Aug.  II. 

239. 
am  Ende,  Chrph.,  Magister  251  ff. 

—  Paulus  301. 

—  Petrus  .301. 
England  131  f.  143  ff. 

Erfurt  5  f.  17.  19.  22.  24.  26  f. 
98.  101   f.  105.  122  f. 

Ernst,  Kurfürst  von  Saclisen  2  ff. 
209.  226.  229  ff. 

V.  Ertmarsdorff,  Nicol.,  Archidia- 
con  72  f. 

Eschdorf  36. 

Esterhazy,  Fürst  P. ,  österr.  Ge- 
sandter 240. 

Eugen  (Beauharnais),  Vicekönig 
s.  Italien. 

Falkenberg,  Schloss  (Westf.)  109. 

Ferrara,  s.  Rovarella. 

Flemming,  Feldmarscliall  134  ff. 

Franko,  Johannes,  Stadtschreiber 
in  Chemnitz  294.  297. 

Frankreich  29.  130  ff.  142.  s.  Lud- 
wig, Napoleon. 

Franz  IL,  Kaiser  von  Oesterreich 
246. 

Frauenhäuser  68  ff. 

Frauenstein  13.  16.  18. 

Freiberg  7  ff.  .36.  38.  204.  239. 

—  Gymnasiuni  253.  255  ff. 


Freiberger,  Johann,  Rathmann  zu 
Chemnitz  .305. 

—  Nicol.,  Rathmann  zu  Chemnitz 
305  f. 

—  Steffan  309. 

Friedrich  IIL,  Kaiser  6  ff.  98.  104. 
220.  223. 

—  d.  J.,  Landgraf  von  Thüringen 
198. 

—  d.  Strenge,  Mkgr.  v.  Meissen 
293. 

—  d.  Streitb.,  Kurf.  von  Sachsen 
198.  203  f.  208.  299. 

—  IL,  Kurfürst  von  Sachsen  98. 
102  ff.  122. 

—  IV.,  König  v.  Dänemark  139  ff. 

—  Pfalzgraf  19.  30  f.  34. 

—  II.,  Kurfürst  von  Brandenburg 
1   ff.  23  ff".  102.  220. 

—  Sohn  des  vorigen  44. 

—  Erzbischof  von  Magdeburg  98. 

—  Bischof  von  Merseburg  296. 
Friedrich    August  L,    Kurf.    von 

Sachsen  1.30  ff.  317  ff. 
IL,  Kurf  V.  Sachsen  159  ff'. 

167  ff.  322  ff. 
III.,  Kurf.,  dann  (I.)  König 

von  Sachsen  237  ff.  324  ff. 
Friedrich  Christian,  Kurprinz  von 

Sachsen  167. 
Friedrich  Wilhelm  I.,  König  von 

Preussen  147  f. 
IIL,    König  von  Preussen 

242  f.  248. 
V.  Friesen,  Familie  129  ff. 

—  Heinrich,  Geheimrathsdirektor 
130. 

—  Heinr.  August,  Graf  166. 175  ff. 

—  Heinrich  Friedr.,  Graf  129  ff". 

—  Auguste  Constantie,  des  vor. 
Gemahlin  (geb.  Cossell)  163  ff. 

—  Joh.  Friedr.  Ernst,  auf  Rötha 
179. 

—  Julius  Heinrich,  Graf  130  f. 

—  J.  G,  F.,  Oberkammerherr  237  ff. 
Friczko,  Heinr.,  Bürgermeister  u. 

Rathmann  zu  Chemnitz  .304 — 
306. 

Fritzsche,  Chrn.,  Lehrer  zu  Frei- 
berg 256  ff. 

Frowinus  297. 

Fuenclara,  Graf,  span.  Gesandter 
170. 

Fürstenberg,  A.  E.,  P'ürst,  Statt- 
halter 134.  319. 


Register. 


351 


Gadebusch  1?.5. 

üarnistorf,  Nicol.,  llathmaiin  zu 

Chemnitz  SOG. 
Geier  38. 
Georg,  Herzog  von  Sachsen  283  f. 

—  s.  Podiebrad. 

—  Propst  zu  Pressburg  23. 
Georgswalde  bei  Piumburg  (Böhm.) 

21G. 
V.  Gersdorfl",  General  249.  .326. 329. 

—  Haus  57. 

^  Heinrich  auf  Bischdorf  60. 

—  Jan  auf  Radmeritz  59. 

—  Otto  auf  Radmeritz  59. 
Geschossregister  274  ft'. 
Geseke  so.  von  Lippstadt  121. 
Geusing,  Jeuiko  285. 

de  St.  Giles,  Marquis  165. 

Glauchau  292  f. 

Gleichen  bei  Göttingen  108. 

V.  Gleichen,  Graf  Ernst  98.  122. 

—  Graf  Ludwig  102.  122. 

V.  Globig,  H.  E.,  Conferenzminister 

237.  2.39. 
V.  Glogau,  Jakob,  s.  Jacobus. 
Görlitz   3.   57  if.  202.  211.  218  f. 

221.  227.  s.  Ehrenberg,  Eczel, 

Sleife. 
Göttingen  107  f. 
V.  d.  Goltz,  Frhr.,  Feldmarschall 

81  ff.  314. 
Gomraern,  Herrschaft  242. 
Gorbitz  bei  Dresden  240. 
Gosdorf  bei  Hohnstein  200. 
Grabe  bei  Mühlhausen  105. 
Grabaczsch,  Nicol.,  de  Czwickaw 

303. 
Gran:  Strigonium  s.  Borch. 
Grafenstein  bei  Zittau  211  ff. 
Graupa  bei  Dresden  131.  179. 
Graupen  in  Böhmen  8.  18. 
Gregoriusfest  252. 
Greifswalde  149. 
V.  Grisslau,  Hans  203. 
Grodno  158.  160. 
Grohmann,  Jobst  235. 
V.  Groitsch,  Heinrich  194.  216. 

—  \Yiprecht  216. 
Grossgörschen,Schlacht,  s.  Lützen. 
Grosshcnnersdorf  bei  Zittau  226. 
Grossschönau  bei  Zittau  226. 
Grüngräbchen  b.  Köuigsbrück  179. 
Grünhain  38.  Abt  Johann  41. 

V.  Guben,  Johann  51. 
Guhrau  61. 


V.  Guttenstein,  Nid.,  auf  Breiten-. 
stein  100. 

Habirberger,  Michel  303. 

V.  Hag,  Franz  228. 

Hainichen  251. 

Hainspach  bei  Schluckenau  216. 

Hallart,  Baron  1.36. 

Hamel,  s.  Chemnitz. 

Han,  Paul,  zu  Chemnitz  294.  310. 

Harras,  Ritter  122. 

Hartmann,  Paulus  33. 

Haseloff  bei  Beizig  251. 

Hase  von  Hasenburg  126. 

—  Wilhelm  217. 

V.  Haugiswald,  .\rnold,  auf  Stürza 

197^ 
Hauschild,  Job.,  Altarist  in  Chem- 
nitz 300. 
Haxthausen  133  ff.  161.  176. 
V.  Heimburg,    Gresor  28.  32.  35. 

48. 
Heinrich,  Hzg.  von  Braunschweig- 

Grubenhagen  107. 

—  Hzg.  von  Jauer  58. 

—  Hzg.  v.  Münsterberg  32. 48. 228. 

—  Abt  s.  Chemnitz. 
Heinwald,  Sigm.,  von  Königswaide 

226. 
Helfericus,  Altarist  zu  Chemnitz 

301— .303. 
Heller,  Claus  65. 

—  Vincenz,  auf  Sercha,  Bürger 
zu  Görlitz  65. 

Helmer t,  ^Yolfgang,  Kantor  zu 
Mittweida  251. 

Helwici,  Andr.,  Altarist  in  Chem- 
nitz 297. 

Hennersdorf  bei  Sebnitz  200. 

v.  Hennicke,   Graf,  Minister  166. 

Herford  109  f. 

Hermann,  Casp.,  Stadtrichter  zu 
Mittweida  252. 

V.  Hermsdorf,  Christ.  214.  225  IV. 

—  Hans  235. 

Hertigswalde  bei  Sebnitz  200. 
Hessen  2.  20.  23.  s.  Ludwig. 
Heyczer,  Peter,  de  Ernfredisdorf 

303. 
Hilarius,  Abt  s.  Cliemnitz. 
Hildebrandus,  Friedr.,  Mag.  266  f. 
Hildesheini  s.  Magnus. 
Hilgersdorf  bei  Schluckenau  230. 
Hillebrand,  Jakob,  Rathmann  und 

Schöffe  zu  Chemnitz  304—306. 


Register. 


Hinko,  Sohn  Georg  Pocliebrads  48. 
Hinterhennsdorf  200. 
llirschfekle   bei  Zittau  2.S3.  2?,5. 
V.  Hockenborn  auf  Priebus  196. 
Hörnitz  bei  Zittau  226. 
Hofmann,   Nickel.,   Rathraann  zu 

Chemnitz   304— .SOfi. 
Hohnstein  33.  19.S  ft'. 

—  Graf  Ernst  von  24. 

Holan  (Herrsch.  Tollenstein)  217. 

Holland  I.SO  ft". 

Holst,  dän.  Minister  140.   145. 

Holstein  135. 

V.  Hopfgarten,  G.  W.,  Cabinets- 
minister  239. 

Horka  62  f. 

Hörn  (Lippe  Detmold)  109. 

Hotret,  Petir,  Rathmanu  zu  Chem- 
nitz 304. 

V.  Hoya,  Johann,  Graf  109.  113  f. 

Hoyerswerda  3  f.  22G  f. 

Hoym,  Adolf  Magnus,  Cabinets- 
minister  132. 

Hradisch  32. 

Hussiten   195.  201  f.  219.  277. 

Huter.  Nicol.,  Altarist  zu  Chem- 
nitz 300  f.  303. 

V.  Hburg,  Wilhelm  100.  115. 
Immediatkommission  237  ff. 
Italien  s.  Eugen. 

Jacobus  (v.  Glogau),  Minorit  5.  45. 

V.  Janowitz,  Dietrich  100.  115. 

Jauer,  Fürstenthum  33. 

Jena  24. 

Jessen  bei  Pirna  131.  179. 

Jockrim  bei  Stolpen  198.  207. 

Johann,  König  von  Böhmen  59. 

—  V.  Görlitz   57.  61  ff.  196.  218. 

—  Herzog  von  Cleve  103.  112  f. 

—  Markgraf  von  Brandenburg  3. 

—  Erzbischof  von  Magdeburg  19. 

—  IV.,  Bischof  v.  Meissen  205  ff. 

—  s.  Chemnitz,  Grünhain. 
Johann  Adolf,    Hzg.  v.  Sachsen- 

Weissenfels,  Feldmarschl.  167. 
Johann  Georg  II,,  Kurf.  v.  Sachsen 

130.  314. 
III ,  Kurf.  v.  Sachsen  77  ff. 

258.  313  ff. 

IV.,  Kurf.  V.  Sachsen  130. 

313  ff. 
Johannes,  Pfarrer  z.  Schluckenau 

217. 


Jüst,  Markgraf  von  Mähren  196. 
198. 

Juden  in  der  Oberlausitz  50  ff. 

Judicis,  Paulus,  Altarist  in  Chem- 
nitz 301.  303. 

Jüterbogk  35. 

Juncker,  Philipp  18. 

V.  Just,  Sachs.  Gesandter  in  Paris 
247. 

Kaiserswalde  bei  Schluckenau  214. 

Kaienberg,  Schlacht  am  77  ff. 

Kamenz  57.  235. 

Kamnitz  in  Böhmen  200. 

Kannenberger,  Hans,  kurf.  Amt- 
mann auf  Hohenstein  u.  "Wil- 
denstein 220. 

Karl  IV.,  Kaiser  60.  194. 

—  XII.,  Kg.  V.  Schweden  136  ff. 
145.  ff 

—  III.,  König  von  Spanien  170. 

—  Herzog  von  Burgund  34. 
Karl  Christian,  Sohn  Kurf.  Friedr. 

August  II    167. 
Karlewicz,  Hanns  285. 
Kasimir,  König  v.  Polen  1.  43  ff. 
Katharina,  Tochter  des  Herzogs 

Wilhelm  48. 
Kauern  bei  Ronneburg  130. 
V.  Kaunitz,  Ulrich  100. 
Kavallerie,  kursächsische  312. 
Kdulinec,  Peter,  v.  Ostromer  103. 
Kiessdorf  (Oberlausitz)  59. 
Kilian,  Dechant  zu  Altenburg  73. 
V.  Kintsch,  Onophrius,  auf  Bnrkau 

235. 
V.  Kittlitz,  Otto  02. 
Kleinschönau  bei  Zittau  228. 
V.  Klinstein,  Zawisch  lüO. 
Knapsdorf  bei  Moritzburg  36. 
Knobelauch,  Heinrich,  auf  Warns- 

dorf  und  Schönau  214. 

—  Jancko  208.  214. 

—  Nickel  214. 

—  Siegmund  214. 
Knobloch,  Dam  210. 

V.  Kochberg,  Hermann  16. 

V.  Köckeritz  4. 

Köln,  Erzbischof  19.   s.  Dietrich. 

—  Domcapitel  121. 
Königstein  165.  198.  207. 
Königsbrück  165.  170.  175.  179. 
Körneu  bei  Mülilhausen  105. 
Kogeler  s.  Chemnitz. 
Kolbing,  Sigmund  7. 


Eegister. 


353 


V.  Kolowrat,  Albrecht  Bezdruzicky, 
auf  Weseritz  100.  115. 

—  Anna,  s  Berka  von  der  Dnba. 

—  Benes,  Landvogt  der  Oberlau- 
sitz 225. 

—  Hans  126. 

—  Heinrich,  auf  Liebenstein  99  f. 
109  f.  115.  121. 

—  Nicolaus  209. 

—  Dompropst  zu  Prag  21. 
Kommotau  42. 
Kopperlinjr,  Paul  306. 
Kosel  hei  Königsbrück  179. 
Kost  in  Böhmen  228, 

V.  Kostelzen,  Johann  100. 
KoufFung,  Concze  .310. 

—  Hincze  310. 

Kreibitz  in  Böhmen  200.  215. 

Kreuziger  7  ff. 

Krumau  124. 

Krummhennersdorf  b.  Stolpen  200. 

Krywicz,  Hennel  und  Meiner  310- 

Kuhstall  200. 

Kune,  Hans,  Kathmanu  in  Chem- 
nitz 304. 

Kunnersdorf  (Spitz-)  bei  Zittau 
234. 

—  bei  Schluckenau  218. 
V.  Kunwald,  Pesik  HO. 
Kurpfalz  132.  s.  Ludwig. 
Kuttenberg  110. 

Ladislaus,  König  220. 

Lagnasco,  Graf,  General  161.  167. 

Landau  131  f. 

Landshut  20  f.  23.  47. 

V.  Landstein,  Agnes  18. 

Landus,  Hieron.,  Erzbisch,  päpstl. 
Legat  221  ff. 

Langburkersdorf  b.  Stolpen. 

Langeheinze  209. 

V.  Langenau,  sächs.  General  248  f 

Lauban  56  f. 

Laszieczewski  155  ff. 

V.  La^-ant  s.  Rudolf. 

Lehmann,  Superintendent  in  Dres- 
den 256. 

Leipa,  Stadt  und  Herrschaft  195. 
212.  224. 

—  Herren  von  195. 

Leipzig  5.   12.  17.  19.  .36.  40  f. 
V.  Leisnig,  Albrecht  Burggraf  293. 

—  Georg  Burggraf  20.  36. 
Leitmeritz  197. 

Lemgo  109. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  II.  4. 


Leopold  I.,  Kaiser  131.  1.39.  14.3. 

Leubing,    Heinrich,    Dechant    zu 
Meissen  6.  44.  46. 

V.  Leubnitz,  Wolfg.  Adolph,  Hof- 
rath  163. 

Lichtenburg  249. 

Lichtenhain  bei  Schandau  200. 

Liebe,  Tobias,   Lehrer  zu  Frei- 
berg 256.  258. 

Liegnitz  59.  66.  s.  Wenzel. 

Lilienstein  194.  198. 

Lindaw  (Lindenaw),  Casp.,  Rath- 
mann  u.  Bürffermstr.  306.  309. 

Lippstadt  110  ff. 

Lobeudau  bei  Schluckenau  210. 
216.  230. 

V.  Lobkowitz,  Jan  11. 

Löbau  57.  196.  202.  211.  218  f. 
!    Löser,  Familie  239. 

Lössnitz  14.  307. 

Löwenberg  in  Schlesien  54.  64. 

Lohmen  194. 

Lothringen  83  f. 

Louis,  Prinz  von  Baden  83. 

Lublin  155  f. 

Luckau  4. 

Ludwig  XV.,  Kg.  V.Frankreich  1 78. 

—  V.  d.  Pfalz  104. 

—  Hz.  V.  Bayern  20.  25  f.  30  f.  47. 

—  Landgraf  v.  Hessen  89.  102. 
Ludwigsdorf  bei  Langenwolmsdorf 

(Wüstung)  197.  209. 
Lübben  147. 

Lützen,  Schlacht  bei  243.  248. 
Lugel,  Hermann  16. 
Luterhach,    Gregor,    Altarist    in 

Chemnitz  3  1.  303. 
Lutharst  (?)  bei  Einbeck  109. 
V.  Luttitz  (Lottitz)  229. 

—  Albrecht  214. 
~  Christoffel  214. 

—  Heinrich  214. 

—  Johann  210.  214.  219.  226.  234. 

—  Nickel  234. 

—  Thamme  214. 

Maastricht  131.  177. 
Mähren  3.  s.  Jost. 
Magdeburg- 30.3.  s.  Friedr.,  Johann. 
Magnus,  Bischof  v.  Hildesheim  108. 
Mainz,  Erzbischof  von  19.  101  f. 
Malczmeistcr,  Johann,  Altarist  in 
Chemnitz  301.  303. 

—  Mathias,  zu  Chemnitz  296. 
Mansfeld,Grafsch.242.  Grafen  122. 

23 


354 


Register. 


Manstorfer,  Hans,  v.- Graupen  209. 
V.  Mauteuffel,   G.  A.  E.,   geh.  Fi- 
nanzrath  239.  244. 

—  Minister  158  ff. 
Marburger,  Oberhofprediger  163. 
Marckirstorff,  Joh.,  ßathmann  zu 

Chemnitz  304  -  306. 

—  Katharina,  s.  Gemahlin  304. 
Margarethe,  Kurf.  v.  Sachsen  73. 
Marie   Amalie,     Tochter    König 

August  Iir.  170. 
Marie  Amalie  Auguste,  Gem.  Kg. 

Friedrich  August  I.  23rt. 
Marien  Stern,  Kloster  59. 
Marienthal,  Kloster  202. 
Mark,  Grafschaft  120. 
Marsch alk  v.Vroburg,  Hannus  295. 

—  Heinrich  297. 

Martini,    Bernhardt,    Lehrer    zu 

Mittweida  251. 
Matthias,  Kg.  v.  Ungarn  3  f.  19. 

23.  25  ff.  227.  229.  233  f. 
Mayr,  Dr.  Martin  30.  33.  47. 
Meinersdorf  b.  Chemnitz  294.  299. 
Meissen  193.  240.  u.  ö. 

—  Gerichtv.d.rothenThurme  235. 

—  Ftirstenschule  256. 

—  s.  Dietrich,  Friedrich,  Johann, 
Rudolph,  Wilhelm. 

Meissner,  Paul,  v.  Freiberg  18. 

Meilerstadt,  Heinrich  33. 

Mellinger  123. 

Melzer,  Bürgermeister  zu  Chem- 
nitz 300. 

Menschikoff  132  f. 

V.  Mergental,  Haus,  Landrent- 
meister 46. 

Merseburg  102.  296  f.  s.  Bodo, 
Friedrich,  Petrus. 

Metternich,  Graf  247. 

Metz -20. 

Metzsch,  Konrad  33.  .39. 

Mewa,  die  Starostin  von  161. 

Michael,  Abt  zum  heil.  Kreuz  bei 
Sendomir  46. 

V.  Michelsberg,  Johann  199. 

Mihla  n.  von  Eisenach  121. 

Miklisch,  Hauptmann  zum  Tollen- 
stein 219. " 

V.  Milckau,  Generallieut.  147.153. 

Miloradowitsch,  russ.  General  242. 

V.  Mittelbach,  Peter  296. 

Mitteklorf  bei  Schandau  200. 

Mittweida  251  ff.  296. 

Mockritz  287. 


Moller,  Nicolaus,  Rathmann   zu 

Chemnitz  306. 
V.  Montfort,  Graf  Hugo  23. 
Monhaupt,  Nickel,  Hauptmann  in 

Freiberg  9  ft". 
Montmorency,  Graf  Alex.  Jos.  160. 
Montpellier  175. 
Morea  258. 
Moritz,  Kurfürst  v.  Sachsen  278. 

—  Graf  von  Sachsen,  Marschall 
160.  177  f. 

Mückenberg  bei  Ortrand  36. 
Müglitz  287. 

Mühlberg,  Herrschaft  196.  208  f. 
Mühlhausen  102. 105.  107. 122. 126. 
Mühlstein  b.  Böhm. -Zwickau  205. 

212.  224. 
München  20.  .30. 
Münster  109. 

Napoleon  237  ff. 

Naumburg  23  ff.  36.  73. 101  ff.  303. 

v.  Neuhaus,  Familie  212. 

—  Meinhard  212. 
Neustadt  a.  Orla  116. 
Neustadt  b.  Stolpen  200.  214  f. 
Ney,  Marschall  246. 
Niederfrankenhain  nö.  von  Geit- 

hain  297. 
Niederlausitz  34.  196.  226  ff. 
Nisani,  Gau  193  f.  216.  229. 
Nixdorf  b.  Schluckenau  214.  2.30. 
Novemiasto  155. 
Nürnberg  12.  25  f.  31.  125. 

Oberlausitz  (Sechsstädte)  34.  36. 
50  ff'.  195  ff",  s.  Kolowrat,  Stern- 
berg. 

Oberliebich  bei  Leipa  195. 

Obersedlitz  166. 

Oberseifersdorf  bei  Zittau  226. 

Ockrilla  (Hoenkruls?)  36. 

V.  Odeleben,  französ.  Major  244. 

Oderwitz  bei  Zittau  234. 

V.  d.  Oelsnitz,  die,  auf  Rathen  199. 

—  Fried.,  Vogt  z.  Königstein  203ff. 

—  Hans  33. 

Oesterreich    3.  31.  240.  247  f.  s. 

P'ranz. 
Oldendorf  109. 
Olmütz  28.  227. 
Opatow  156. 
Opitius,  Henricus  256. 
Ortwin,  Ortwein,  Franz  293. 

—  Johannes  293. 


Register. 


355 


Ortwin,  Nicolaus  294.  298  f. 

—  Mathias  296. 

—  Merten  (zu  Fieiberg)  7.  18. 
Ortwiiiin,  die  296. 

Oschatz  169. 

Osnabrück  109  f. 

Ossegg  13. 

Ostrau  b.  Schandau  200. 

Ostritz  201. 

Ostrcwog,  Stanislaw,  Woiwode  zu 

Kaiisch  44. 
Otteiidorf  a.  d.  Heide  b.  Radeberg 

36. 
Ottendorf  (Hiuter-)   b.   Schandau 

200.  218. 
Otto,  Herzog  von  Bayern  35. 

—  der     Lange,     Markgraf     von 
Brandenburg  56. 

Oybin,  Cölestinerkl.  55. 

Paderborn  108.,  110. 

V.  Pakomefic,   Cecek  103. 

Paul  n.,  Papst  6.  10.  19.  32  ft'.  44  ff. 

Peene münde.  Fort  149. 

Persk  (?),  der  215. 

Peter  d.  Gr.,  Kaiser  v.  Russland 

133.  Uö.   137  ff. 
Petrus,  Dompropst  z.  Merseburg 

297. 
Petschkau  i.  Böhmen  99. 101.  125. 
Pfalz,  Pfalzgraf  26.  s.  Friedrich, 

Ludwig. 
Pfotenhauer,  Paul  291. 
Pieschen  b.  Dresden  243.  245. 
Pillnitz  164. 
Pilsen  11. 

Pirna  36.  38.  198.  201.  203.  207. 
Pisa,  Konzil  199. 
Pius  n.,  Papst  220.  223. 
Plauen  239  f.  247. 
V.  Plauen,  der  122. 
Pleissa  bei  Chemnitz  311. 
Plessen,  Graf,  dän.  Minister  140. 
Possei,  Hensil,  v.  Schweidnitz  296. 
Pociey,    Graf,    Grosskroufeldherr 

von  Litthauen  160. 

—  Emerentia,  s.  Gemahlin  160. 
Poczin(?),der,  b.  Schluckenau  215. 
Podiebrad,  Georg,  Kg.  v.  Böhmen 

1  ff".    101.   103.    126   ff.   212  f. 

219  ff.  225  f.  229.  234. 
Pösneck  116. 
Polen  1  ff.  28  f.  43  ff  136  ff.  141. 

144. 153  ff.  s.  Kasimir,  Sobiesky 

Sophia,  Wladislaw. 


Polenz,  Rittergut  200. 

v.  Polenz,  Wenzel,   auf  Schirgis- 

waLle  36.  229.  234. 
Polenzfluss  194. 
Polkner,  Joh.,   Bürgermeister  zu 

Kamenz  235. 
Pommern  135.  147  ff. 
Ponikau,  Niklas  v.  202. 
V.  Posern,  Obrist  325, 
Prag   18.  28.   39.  41.   46  f.  62  f. 

110.    125   f.    197.   216.    220   ff. 

229.   239.    240.    245.  247  ff.  s. 

Kolovrrat. 
Pratzschwitz  bei  Pirna  179. 
Pressburg  s.  Georg. 
Prenssen  137  f.  142  ff.  2.38.  241  ff'. 

246.  249  f.  s.  a.  Friedr.  Wilh. 
Priebus  196. 
Pruth,  Schlacht  am  133. 
Pürgles  b.  Buchau  i.  Böhm.  126. 
Pultawa,  Schlacht  bei  133. 
V.  Pygaw,  Hannus,  Rathmaun  zu 

Chemnitz  296. 

—  Niclaus,  desgl.  296. 
Przebendowski,  poln.  Grosschatz- 
meister 137.  146. 

Querfurt  122.  242. 
Quohren  bei  Dresden  287. 

Rabeuer,  Justus  Gottfr.,  Rektor  zu 

Freiberg  255  f. 
V.  Rabenstein,  die  13. 
Radeberg  220. 

Rathen  33.  194.  198  f.  205  f.  209. 
Rathmannsdorf  bei  Schandau  200. 

209. 
Ravensburg,  Grafschaft  121. 
Rawa,  Waffenstillstand  von  154  f. 
Ranis  116. 
Raudnitz  64. 
V.  Rechenberg,  Ernst,  auf  Oppach 

235, 

—  Ulrich,  Amtmann  auf  Tolleu- 
stein  2.30.  233  f. 

V.  Redern,  Balthasar  36. 

—  Heinrich  201. 

—  Graf  179. 

Regensburg  23.  25  f.  30.  240.  247, 
Reichenberg  228. 
Reichenbach  57. 
Reichstadt  (böhm.)  224. 
Renker,  Heinr.,   aus    Löwenberg 

i.  Schi.  201. 
V.  Remse,  Heincz  306, 

23* 


356 


Register. 


ßenss,  Graf  Heinrich ,  Feldzeug- 
meister 133. 

—  s.  Gemahlin  133  f. 

—  Heinrich  IL,  s.  Sohn  134. 
Eeventlow,  Graf  140. 
Reynier,   Graf,  französ.   General 

24f>,  246. 
ßiesenberg  8.  13. 
Rocourt,  Schlacht  bei  177. 
Röhrsdorl  bei  Königsbrück  (Nie- 

derrufligsdorf?)  36. 
Rötha  bei  Leipzig  130. 
Rohnau  b.  Zittau  196  f.  233.  23.5. 
Roll,  Burg  (Böhmen)  212.  217.  225. 
V.  Rosenburg,  Familie  212. 

—  Ulrich  124.  li'6. 

Rom  1.  4.  32.  36.  45  ff.  s.  Paul, 

Pius,  Sixtus. 
Romer,  Paul  3(»1.  303. 
V.  Rommel,  Oberstlieutenaut  314. 
V.  Ronow,  Anshelm,  Landvost  von 

Görlitz  62.  65.   196  f. 

—  Wilhelm  200. 
Rotolfus,  Johannes  301. 
Rovarella,  Laurentius,  Bischof  v. 

Ferrara  6.  11  f.  19.  22  f.  25. 
37  f.  40  f.  44  ff.   48. 
Rudolf,  Bischof  v.    Meissen   199. 
2('l.  303. 

—  Bisch.  V.  Lavant,  dann  v.  Bres- 
lau, päpstl.  Legat.  1.  5  ff.  19. 
21.  33.  36  ff.   45.  225  ff. 

de  Rudnitz,  Lui^poldus  s.  Chem- 
nitz (Kloster). 

Rudol Stadt  24. 

Rügen  148.  150. 

Rugis-walde  bei  Stolpeu  200. 

Rumburg  in  Böhmen  195.  201. 
216  ff.  235 

Russland  132  f.  135. 138.  238.  241  ff. 
249  f.   s.  a.  Alexander,  Peter. 

Rutowska,  Marie  Amora  178. 

Rutowski,  Graf,  Feldmarsch.  108. 

Rytwiaski,  Derslaw,  Woiwode  v. 
Sendomir  43. 

V.  Rzisatie,  Wotyk,  Hauptm.  im 
Pilseuer  Kreise  35. 

Sachsen  s.  Albrecht,  Auguste, 
Christina,  Eliss)  beth,  Friedrich, 
Friedrich  August,  Georg,  Joh. 
Adolf,  Joh.  Georg,  Katharina, 
Margaretha,  Marie  Amalie, 
Marie  Amalie  Auguste,  Moritz, 
Sigmund,  Wilhelm,  Xaver. 


Sädlo,  Joh.,  V.  Smilkuu  100.  115. 

Saida  38. 

Salzburg,  Erzbischof  v.  19. 

Salzuffeln  109. 

Sandau  in  Böhmen  200. 

Saupsdorf  bei   Sebnitz   200.    209. 

Schaff,  Peschel,  auf  Horka  62. 

Schandau  200.  209,  215. 

Scharfenstein  38.    199.   204.  209. 

V.  Schaumburg,  der  122. 

V.    Schellendorf,    Johanna   Marg. 

Freifrau  165. 
Schirgiswalde  201.  216.  228  f.^.2.34. 
Schlackenwerda  11. 
bchlegel  bei  Ostritz  202. 
V.  Schleinitz  (Slinicz),  Jhan,   zu 

Schleinitz  306. 

—  Anna,  s.  Gem.  306. 

—  Heim  ich  235.  • 

—  Hugold,   Obermarschall  9.  30. 
235. 

Schleiz  3.  15.  24.  35. 
Schlesien  227  ff'. 
V.  Schlottenbach,  Obrist  151. 
Schluckenau,  Stadt  u.  Herrschaft 

193.  195.  201  f.  214.  216  f.  223  f. 

229.  233  ff.  s.  a.  Johannes. 
Schlusser,   Cuucz,  Rathmann  zu 

Chemnitz  304  f. 
Schönau  bei  Schluckenau  216.  233. 

—  bei  Bernstadt  59. 

V.  Schönberg  Caspar  20. 

—  Friedrich,  Marschall  41. 

—  Heinrich,  Amtm.  zu  Schellen- 
berg 311. 

—  Lucas  17. 

—  Nicolaus  7. 

V.  Schön berg,  die  Herren  4. 

—  Dietrich  310. 

—  Friedrich  11.  307.  310. 
auf  Hoyerswerda  226. 

—  Veit  3"6.  310. 
Schönburgisches     Gesammtarchiv 

292. 
Schönfeld  bei  Dresden  131.  179. 
Schöning,  Feldmarschall  1.30  f.  134. 
Schönlinde   bei   Rumburg  216  ff. 
Schölten,  dän.  Feldmarschall  148. 

150. 
Schonaw,  Walther,  z. Chemnitz  296. 
Schulz,  Ulrich,  zu  Chemnitz  294. 

310. 
Schulenburg,  Graf,  Rittmstr.  249. 
Schultheis,  Schultheize,  Schultis. 

Hanaus  303. 


Register. 


357 


Schultheis,  Niclaus  296.  305. 

—  Peter,  zu  Mittweida,  Altarist 
u.  Schulmstr.  in  Chemnitz  305. 

Schulwesen  251  ff. 

Schurzauf,    Georg,    Domherr  zu 

Altenburg  73. 
V.  Schwamberg,  Hyuek  Kruschina, 

auf  Bor  100.  124. 
V.  Schwarzbure-,  Graf  Heinrich  24. 
Schweden    l.^.s".    137.    139.    142  tf. 

s.  a.  Karl  XII. 
Schwedt,  Vertrag  von  137. 
Schweidnitz  33.  03.   s.  a.  Agnes. 
Schwenkenstein  295.  300. 

—  Frenczel,  zu  Chemnitz  296  f. 

—  Paulus  301. 
Sebnitz  200.  215.  220. 

V.  Seckendorf,  Generallieut.  147  ft". 
Seifersdorf  bei  Marienthal  202. 
Seifhennersdorf  bei  Rumburg  200. 

218.  2.35. 
Sehestedt,  dän. Minister  140. 145  f. 
Sendomir  154  ff. 
Senfteuberg  4. 
Senfft  V.  Pilsach,  Graf  Ch.  F.  L., 

Cabinetsminister  2.S9.  249. 
V.  Serra,  französ.  Gesandter  240. 
Seydel,  Xickel,  Bürgermeister  zu 

Dresden  285. 
Seydo,  Johann,  Priester  232. 
V.  Seyn,  Graf  120. 
Siegmund,  Herzog  v.  Sachsen  204. 

—  Herzog  v    Bayern  20. 

—  Kaiser  54  f.  66  f. 
Siptenhain,  Hans,  Rathmann  und 

Schöffe  zu  Chemnitz  304— 3u6. 

Sixtus  VI.,  Papst  72.  231. 

Skal,  Schloss,  in  Böhmen  228. 

Sleife,  Jacob,  Bürgermeister  zu 
Görlitz  62. 

Smedichin,  Caspar,  Rathmann  zu 
Chemnitz  304  f. 

Smeisser,  Hans,  Bürgermeister  zu 
Dresden  286. 

V.  Smierizky  auf  Habichtstein  233. 

Sobiesky,  Job.,  Köuis  v.  Polen  78  tY. 

Soest  97.  103  f.   108.  110.   112  ff. 

Sophia,  poln.  Prinzessin  44. 

V.  Sor,  Ticze,  auf  Sohra  bei  Gör- 
litz 62. 

Spalin,  Joachim  Ernst,  Kantor  zu 
Freiberg  256. 

Spanien  s.  Karl  III. 

Speier  21. 

Speierbach,  Schlacht  am  132. 


Sperling  256  f. 

Spremberger  W^ald  bei  Schlucke- 
nau  214. 

Springer,  Caspar,  Rathmann  und 
Schöffe  zu  Chemnitz  304—306. 

Stadtarchive  290  ff. 

Stange,  Hans,  Rathmann  zu  Chem- 
nitz 306. 

—  Nickel,  desgl.,  304  f. 
Steiermark  31. 

V.  Stein,  Familie  204. 

vom  Stein,  Georg  S4  f. 

V.  Steinberg,  Johann  Calta,   auf 

Raben  stein  lOo.  115.  127. 
Steinborn  bei  Königsbrück  179. 
Steinpach,    Nickel,    zu    Meiners- 

dorf  311. 
V.  Sternberg,  Alscho  Holicky  99. 

126  f. 

—  Jaroslav,  Landvogt  der  Ober- 
lausitz 3.  36.  225.  227  f. 

—  Peter  99.  101.  106.  125  f. 

—  Zdenko  Holicky  103.  225.  230. 
Stettin  147  f. 

Stoben  er,  Caspar  309. 

—  Hans,  Rathmann  und  Schöffe 
zu  Chemnitz  305  f.  .309. 

Stolle,  Nicl.,  zu  Mittweida  296. 

Stolpen  163.  207  f. 

Stralsund  135  ff. 

Straussfurt  a.  Unstrut  105. 

Strehla  a.  Elbe  196. 

Stresow  150. 

Strenczil,    Hans,    Rathmann    zu 

Chemnitz  305. 
Strol,  Lorenz  18. 
Sürssen  bei  Dresden  287. 
Sulkowski,  Graf  Ale.'c  Jos  ,  General 

und  Minister  168  f. 
Sweinfort,  Barthel  309. 
Swertfeger,  Paul,  Rathmann  und 

Vogt  zu  Chemnitz  301— .306. 
Swiene,  die  149. 
Swienemünde,  Fort  149. 
Swoffheim,  Dr.  Job.,  Official  des 

Bischofs  v.  Meissen  208. 
v.  Sybilski,  Obristlieutenant  169. 
Sybottenhain,  Math.  303. 
Sydel,  Job.  .303. 
Szembeck,  poln.  Grosskanzler  137. 

Tallard,  Marschall  132. 
Tamme,  Petir  uffin  303. 
Tetschen  205.  212.  216.  225.  233. 
Theater  (Schulkomödieu)  258, 


358 


Register. 


Tbeodericus  s.  Chemnitz. 

V.  Thielmann,  General  239.  241  f. 
246.  248  f. 

Thüringen  2.  s.  Friedrich. 

Thumirnicht  JiOl. 

Thorner  Friede  (1466)  46  f. 

Thorschmidt,  Zach,  Konrektor  zu 
Mittweida  251. 

V.  Thowaczaw,  Jan  35. 

Tile,  Nico!,,  Rathmann  zu  Chem- 
nitz ,306. 

Tirpan,'Hans,  Rathmann  zu  Chem- 
nitz 306. 

Tolkewitz  bei  Dresden  287. 

Tollenstein,  Schloss  u.  Herrschaft 
193.   195.  200  ff.  208  ff. 

Torgau  208.  239.  241.  246.  248  f. 

Torhüter,  Nicol.,  Rathmann  und 
Schöffe  zu  Chemnitz  306. 

Tschocha,  Rittergut,  im  Queiss- 
kreise  201. 

Türmitz  bei  Aussig  209. 

Türken  31.  3.^.  4:^.  79  ff.  136. 

Trapschuch  s.  Chemnitz. 

Trier,  Erzbischof  20. 

Triptis  116. 

Truchsess,  Heinrich  6. 

üebigau  bei  Dresden  245. 
Ungarn  s.  Matthias. 
Usedom,  Insel  147  ff'. 

Valentin,  Kaufmann  zu  Prag  18. 
de  Valle,  Fantinus,  päpstl.  Legat 

220. 
Vargula  a.  ünstrut  123. 
Yictorin,  Sohn   Georgs  v.  Podie- 

brad  3. 
Villach  43. 
Vippach  123. 
Vitzthum,  Graf  Friedrich  165. 

—  Familie  98.  127. 

—  Apel  98  ff.  106.  109.   123.  126. 

—  Busse,  Landvogt  zu  Meissen  203. 
Vogt  s.  Chemnitz  (Kloster). 
Vogtland  2. 

Vues,  Matth.  in  Chemnitz  303. 

Wackerbarth,  General  Graf  (135). 

147.  150  ff.  157.   166  f. 
Wagner,  Georg  18. 
Walack,  Joh.,  Notarius  300. 
Waldeck,  Fürst  78.  82  f. 
Waidenburg  293. 
V.  Waldeuburg,  die  Herren  22. 


V.  Waidenburg,  Auark  42. 

—  Hans  d.  ä.  293. 

—  Haus  d  j.  29.3. 

—  Heinrich  295. 
Warschau  137.  159. 

Warn sdorf  bei  Ruraburg200.  210  ff. 
Wartenberg,  Herrschaft  212.  217. 

225. 
V.    Wartenberg    (auf   Tetschen), 

Familie  226  ft'. 

—  Christoph  auf  Dewin  u.  Tollen- 
stein 35.  225  ff". 

—  Jahn  auf  Tetschen  und  Dewin 
55.  198  ff. 

—  Jahn  auf  Tetschen  221  ff. 

—  Jahn  a.  Blankenstein  205  ff.  2 1 2. 

—  Johann  Burggraf  v.  Prag  217. 

—  Peter  (Sohn  des  Wauco)  217. 

—  Siegmund  auf  Tetschen  203  ff. 

—  Siegmund  auf  Tetschen,  Land- 
vogt der  Oberlausitz  35.  225. 

—  Wanco  (Wenzel),   Obermund- 
schenk V.  Böhmen  217. 

—  Wenzel,  s.  Sohn  217. 

—  Wilhelm,  s.  Sohn  217. 

V.  Wartensleben,  preuss.  Geueral- 

feldmarschall  148. 
Wayner,  Conradus  301. 

—  Nickel,   Rathmann  zu  Chem- 
nitz 304  f. 

Weczil  sutor  301. 
Wehlen  194.  198. 
Weida  101.  116. 
Weimar  16.  102.  105.  123. 
Weise,  Wundarzt  175. 

—  Christian  256  f. 
Weissbach,  die  219. 

V.  Weissenbach,  Hermann  47. 
Weissenbach,  Johann,  Dr.  35. 
Weissenfeis  101  f. 
Weissensee  105. 
V.  d.  Weitmühl,  Benesch,  Burggraf 

zu  Karlstein  39.  42.  46. 
Wenzel,  Herzog  von  Liegnitz  60. 

—  König  53  f.   61  f.   196  ff.  208. 
218. 

Wercho,  Simon,  Bürgermeister  zu 

Dresden  284  f. 
Werthern,  Graf,  Minister  137. 
Westfalen,  Königreich  103  ff.  242. 
Wibe,  dänischer  Minister  140. 
Widrer,  Dithr.,  zu  Mittweida  290. 
Wien  31.  35.   77  ff  97.  131.  247. 
AVildenstein,  Schloss  u.  Herrschaft 

193.   199  ff'. 


Resrister. 


359 


de  Wilclenstein,  Hermannus  201. 

—  Otto  200. 

Wilhelm,  Prinz  v.  Oranien  (dann 
König  von  England)  130. 

—  IL,  Markgraf  v.  Meissen  198. 

—  III.,  Herzog  von  Sachsen  2  ff. 
7.3.  97  ff.  205  ff.  220, 

—  Hzg.  V.  Braunschweig-Grnben- 
hagen  104.  107  f.  113  f. 

Wilimow  26.  28. 

V.  Wilke,  General  147. 

Willsdrnff  244. 

v.Winzingerode,russ.  General  242. 

Wishennel  s.  Albi. 

Wisse,  Heinr.,  Rathm.  zu  Erfurt 

123. 
Wisniowiecki,  Prinz  159. 
de  AVitchendorf,  Job.,  Altarist  zu 

Chemnitz  301.  .303. 
Wittenberg  241.  258. 
Wittgenstein,  Fürst,  russ.  General 

242. 
Wladislaus,  Könisr  von  Böhmen 

229  ff. 

—  polnischer  Prinz  28.  44. 
Wolfframsdorff  134. 
Wolkenstein  38.  42. 


Wollin,  Insel  148  f. 
Wolmsdorf  214. 
Württemberg  20. 

—  Prinz  von,  Generalmajor  147  ff. 
Würzburg,  Frauenhaus  69. 

—  Bischof  von  22.  30. 
Wunsiedel  127. 

Xaver,  Prinz  167  f. 

Ybener,  Petrus,  Altarist  zu  Chem- 
nitz 301.  803. 

Zeidler  bei  Schluckenau  214.  230. 

Zeidlerbach  219. 

Zentha,  Schlacht  bei  133. 

V.  Zezschwitz,  Geh.  Finanzrath239. 

Zieleticky,  Johann  100. 

Zipser,  Schuster  zu  Freiberg  18. 

Zittau   5.  33.  53  ff.  66.  196.  201. 

212.  21f5.  219.  225  ff.  233  ff. 
Zscheila  b.  Meissen  s.  Ebersdorf. 
Zschizschewig  bei  Dresden  287. 
V.  Zühlen,  Generalmajor  147. 
Zwickau  46.  195. 

—  Nickel  V.,  Rathmann  z.  Chem- 
nitz 304  f. 


Berichtigung. 

Heft  3  Seite  270  letzte  Zeile  ist  Bd.  II  statt  Bd.  I  zu  lesen. 


Druck:    Offizin  der  Vprlagshandlung. 


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i  3125  00701  25A1 


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